Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht Zweite Auflage
“This page left intentionally blank.”
Peter Derleder · Kai-Oliver Knops Heinz Georg Bamberger Herausgeber
Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht Zweite Auflage
123
Professor Dr. Peter Derleder Universität Bremen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Wirtschafts- und Arbeitsrecht Bibliothekstraße 1 28359 Bremen
Professor Dr. Kai-Oliver Knops Universität Hamburg Lehrstuhl für Zivil- und Wirtschaftsrecht, insbes. Bank-, Kapitalmarktund Verbraucherrecht Von-Melle-Park 9 20146 Hamburg
Dr. Heinz Georg Bamberger Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz Ernst-Ludwig-Str. 3 55116 Mainz
ISBN 978-3-540-76644-5
e-ISBN 978-3-540-76645-2
DOI 10.1007/978-3-540-76645-2 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2009, 2004 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Vorwort zur 2. Auflage
V
Vorwort zur 2. Auflage
Das Bankvertragsrecht ist ein Rechtsgebiet voller Singularitäten. Im Zeitpunkt der großen Kodifikation des Zivilrechts in Deutschland vollzog sich gerade der Übergang von einer Agrar- in eine Industriegesellschaft. Das Finanzkapital wurde erst gut zwei Jahrzehnte später zum Zentrum der gesellschaftstheoretischen Reflexion (Rudolf Hilferding). Der kleine Mann, wie der Konsument noch lange Zeit hieß, genoss um 1900 Kredit nur beim Anschreibenlassen und konnte, wenn er es bis zum Hausbau schaffte, allenfalls unter das Regiment eines (oft lebenslangen) Grundpfandkredits gelangen. Mittelstand und Großunternehmen kämpften dagegen um Kredite mit individuellem Zuschnitt. Auch der Spekulant war weitgehend auf die Aktie verwiesen, deren Statut immerhin die großen Krisen der Gründungs- und Blasenschwindel des 18. und 19. Jahrhunderts widerspiegelte und vermeiden half. Das äußerst lakonische Normangebot des Bürgerlichen Gesetzbuches für den Kredit in den §§ 607 ff. machte exemplarisch deutlich, dass es praktisch weitgehend der Bankwirtschaft überlassen wurde, ihr eigenes Recht zu schaffen. Selbst ein strengeres öffentlichrechtliches Beleihungssystem (wie zu dem gesamtgesellschaftlich als besonders gewichtig angesehenen Bodenkredit), hatte keine spezifische privatrechtliche Flankierung. Das Bankrecht hat sich somit weithin in den AGB der Bankwirtschaft entfaltet und ausdifferenziert, weil dies der unterentwickelte Konditionenwettbewerb zuließ. Der Rationalisierungsgewinn war beträchtlich. Grenzziehungen waren äußerst mühsam. Das erste Verbraucherschutzgesetz, das Abzahlungsgesetz, noch aus dem 19. Jahrhundert, wurde in jahrzehntelanger strapaziöser Auslegung auf finanzierte Käufe erstreckt. Die AGB gerieten nach einer frühen Grundlagenbetrachtung von 1936 (Ludwig Raiser) erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter eine stärkere Einseitigkeitskontrolle. Aber auch insoweit war die Bankwirtschaft verhältnismäßig wenig berührt, da das als Maßstab dienende dispositive Recht weitgehend fehlte. Häufig waren es denn auch Abfälle vom Schreibtisch der Inhaltskontrolle von Produzenten- und Händlerbedingungen, die zu Korrekturen nötigten. Paradigmatisch für die so entstandene Bankenkonditionsmacht ist das System der Grundpfandkreditvergabe, in dem praktisch alle denkbaren Gläubigerschutzinstrumente verschweißt sind (Darlehen, abstraktes Schuldanerkenntnis, nichtakzessorische abstrakte Sicherheit, Höchstzinsen der Sicherheit für alle denkbaren wirtschaftlichen Eventualitäten, vollstreckbare Urkunden, auch für die Verwertung des gesamten sonstigen Vermögens, Fälligkeits- und Nachweisverzichtsklauseln, die von allen Zinsund Tilgungszahlungen des Schuldners abzusehen erlauben). In den bankvertraglichen Dauerschuldverhältnissen bestanden auch sonst beträchtliche Preisgestaltungsspielräume, die notfalls zum Ausgleich verlustreicher Investitionen großer Institute in fernen Weltgegenden genutzt werden konnten. Der gesamtgesellschaftliche Wille, aus Bankkrisen zu lernen, war jedoch in den westlichen Industriestaaten stets präsent. Eine Katastrophe wie den Schwarzen Freitag gab es glücklicherweise in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht. Der Weg vom HerstattKonkurs bis zu Basel II umfasst jedoch in Deutschland eine Vielzahl von Auffanginstrumenten und Elementen der Verdichtung öffentlichrechtlicher Kontrolle. Die zunehmende weltwirtschaftliche Verflechtung, die Europäisierung und Internationalisierung des Kapitalverkehrs und eine immer weiterreichende Internalisierung aller Arten von Einkommensbeziehern in den Bankenverkehr sowie die damit verbundene Verbraucherbewegung prägen die Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die Herausbildung des Neuen Marktes mit
VI
Vorwort zur 2. Auflage
seinen Gründungsschwächen und Spekulationsblüten stellte eine besondere Herausforderung dar. In den letzten Jahren hat die Bankwirtschaft zudem in zunehmendem Umfang immer raffiniertere Produkte entwickelt, von den Derivaten bis zu den Kreditverbriefungen, bei denen die Kreditinstitute am Ende selbst nicht mehr die Risiken ohne weiteres überschauen konnten, die sie eingegangen waren. Die deutschen Banken gerieten teilweise unter unrealistische Wachstumsimperative. Zudem hatten sie die informationsgesellschaftliche Entwicklung zu verkraften, die ihnen die kaum restlos überschaubaren Risiken digitalen Kapitalverkehrs aufzwingt. Das Vertrauen in die für die Plastikkartennutzung herangezogenen Wahrscheinlichkeitsmathematiker wird durch die Möglichkeiten hochdifferenzierter Ausspähungs- und Entschlüsselungstechniken geschmälert. Immer mehr Menschen sind auch zur Sicherung vor sozialen Risiken auf privat organisierte Finanzdienstleistungen angewiesen, so dass Vertragsungleichgewichte leicht zu Existenzverlusten führen können. Die Rentnerscharen, deren Versorgung teilweise einer Aktienbaisse zum Opfer fallen wird, sind schon vorauszusehen. Desgleichen steigt der Anteil der Personen, die über Finanzdienstleistungsprodukte eine arbeitsunabhängige Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum versuchen. Die Nachfrage nach immer komplexeren aleatorischen Produkten steigt. Die Verstrickung der Banken in diese Prozesse, insbesondere unter Übernahme von Gestaltungsformen des USMarkts, vollzieht sich gerade über eine erfolgreiche internationale Geschäftstätigkeit. Der rechtliche Rahmen ist in doppelter Weise durch Fragmentarismus, Inkonsistenz und Departementalisierung geprägt. Der Einfluss des europäischen Rechts nimmt ständig zu, auch wenn sein Wachstum nur schwer zu übersehen ist und es weithin in punktuelle Regelungen zerfällt. Die Mitgliedstaaten der EU gleichen sich zwar einander zusehends an, haben aber doch eine Unzahl unterschiedlicher Rechtsquellen und Problemlösungen. Ob etwa die kleineren Beitrittsländer das Maß der europäischen Verrechtlichung überhaupt zu übernehmen in der Lage sind, ist äußerst zweifelhaft, auch wenn die Beitrittsverträge dies vorsehen. Aber auch im deutschen Recht sind die Bestandteile des öffentlichen und privaten Bankrechts kaum mehr überschaubar. Die Vielzahl der – oft verstreuten – gesetzlichen Bestimmungen legt den Gedanken an eine Bankrechtskodifikation nahe. Der Privatrechtsverkehr mit Finanzdienstleistungen für Unternehmen und Verbraucher bedarf der Systematisierung. Auch für das öffentliche Bankrecht wäre ein Grundlagengesetz kohärenzbildend. Da es jedoch am politischen Impuls dazu fehlt, sind Bankrechtshandbücher praktisch ein notwendiges Surrogat. Die juristischen Stäbe zur Entwicklung und Konkretisierung des deutschen Bankrechts ergeben bislang eine Präponderanz der Bankjuristen, die die Diskussionen zumeist schon zahlenmäßig beherrschen. Die erforderliche Transzendierung der Parteiinteressen ist ohne Bankpraktiker jedoch undenkbar, da sonst die Sachzwänge der verschiedenen Märkte nicht konkret genug rekonstruiert werden könnten. Der Verwissenschaftlichungsschub, der sich auch in der Gründung einer wissenschaftlichen Vereinigung zum Bankrecht niedergeschlagen hat, muss jedoch auch die Interessenkonstellationen der Industrie, des Handels und der Verbraucher einbegreifen. Der deutsche Bankkunde, der meist nicht einmal die Zinsrechnung beherrscht, ist trotz Verbraucherzentralen und Verbandsklagen schon immer ein Pisa-Subjekt und bedarf eher stärkerer Hilfen als beim Kauf von Waren. Insoweit fungierte die Justiz sehr oft als einziger Kontrollpartner der Bankwirtschaft und war daher nicht selten überfordert. Sie hat zwar etwa die sittenwidrigen Höchstzinsen der Teilzahlungsbanken seit Mitte der 70er Jahre in einem quälerischen Mäßigungsprozess in den Griff bekommen. Eine elegantere Lösung gelang ihr demgegenüber zu den Übersicherungen der Bankwirtschaft beim Mobiliarkredit für Industrie und Handel. Die Ausnutzung familiärer Motive für Bürgschaften, die auch zur Millionenverschuldung gerade volljährig
Vorwort zur 2. Auflage
VII
Gewordener geführt hat, zu verhindern, gelang der ordentlichen Justiz nicht ohne fremde Hilfe (seitens des Bundesverfassungsgerichts). Bei der Abwicklung maroder Bauträgerund Steuersparmodelle hat sich der Bankrechtssenat des BGH zeitweise einen rechtsdogmatischen Bunker gegraben, aus dem Unrechtsfolgen aufoktroyierter Verträge nicht mehr wahrgenommen wurden. Aufgrund der Interventionen anderer Senate, des Europäischen Gerichtshofs und auf der Basis eines außergewöhnlichen Senatskompromisses hat er dann aber doch noch die Kurve zu einer ausgewogeneren Gesamtlösung genommen. Die Krise durch die Kreditverkäufe, durch die auch die Kreditnehmer mit ungestörten Vertragsbeziehungen, also Mittelständler und Häuslebauer, an verwertungswütige Finanzinvestoren aus Steueroasen und deren Inkassounternehmen geraten können und zu der die Rechtsprechung keinen Lösungsbeitrag erbracht hat, ist dem Gesetzgeber überantwortet worden, der jedoch mit dem Risikobegrenzungsgesetz vom 27.06.2008 nur eine unzureichende Lösung gefunden hat. Im Hinblick auf die erhebliche gesamtwirtschaftliche Bedeutung solcher finanzwirtschaftlicher und rechtlicher Krisen ist in Zukunft der Dialog von Bankwirtschaft, Verbrauchern und Justiz in stärkerem Maße geboten, wie dies zwischen Interessenträgern in anderen Bereichen ungeschriebener Kodex ist. Das vorliegende Handbuch macht den Pluralismus der Interessen für die wissenschaftliche Vertiefung zu seiner Botschaft, die auf der deutschen und europäischen Ebene verfolgt wird. Ein ausgewogenes Autorenteam, bei dem paritätisch auch Interessenvertreter von Bank- und Verbraucherseite zu Wort kommen, soll eine interessenübergreifende Rechtsinterpretation gewährleisten. Das Handbuch hat schon in der 1. Auflage die Schuldrechtsreform in das private Bankrecht eingearbeitet, das an ihren Modernisierungswirkungen für den Schuldrechtsverkehr teilhat, auch wenn dem Gesetzgeber ein spezifisches Konzept außerhalb von spezialgesetzlichen Regelungen im Bank- und Kapitalmarktrecht fehlte. Die 2. Auflage erfasst die gesetzlichen Änderungen bis zur Mitte des Jahres 2008, also einschließlich des Risikobegrenzungsgesetzes. Es bringt für die europäischen Länder in jedem Fall einen Überblick mit der Möglichkeit zum Einstieg in die jeweiligen Rechtsquellen. Dem Leser soll es auch ermöglicht werden, sich in die europäische Rechtsentwicklung hineinzudenken. Die Vielseitigkeit der Beiträge zum deutschen Recht, die die Herausgeber von mehr als 110 Wissenschaftlern, Richtern, Rechtsanwälten, Verwaltungsfachleuten, Bankjuristen, Verbraucherrechtspraktikern und engagierten sonstigen Fachpublizisten eingeworben haben, reicht von der akribischen oder auch schwungvollen Übersicht bis zur quasimonografischen rechtsdogmatischen Systematisierung. Der kritische Impuls zielt, wo er notwendig ist, bei aller Erforderlichkeit marktwirtschaftlicher Bewährung auf Fairness gegenüber dem Bankkunden. Bei einem Handbuch dieses Umfangs ist es unvermeidlich, dass auch Bearbeiterwechsel stattfinden. Die Herausgeber sprechen deswegen auch insbesondere den Autoren ihren Dank aus, die in der 1. Auflage einen Beitrag für die Etablierung des Handbuchs geleistet haben. Bremen/Hamburg/Mainz im September 2008 Peter Derleder Kai-Oliver Knops
Heinz Georg Bamberger
“This page left intentionally blank.”
Verzeichnis der Bearbeiter
IX
Verzeichnis der Bearbeiter Dr. Markus Artz
Dr. Lars Brocker
Privatdozent an der Universität Trier
Landtagsdirektor, Mainz
Roland Bäumler
Dr. Eckart Brödermann
Team-Bank AG, Nürnberg
Rechtsanwalt, Hamburg
Dr. Peter Balzer
Dr. Dr. h. c. Peter Bülow
Rechtsanwalt, Bonn
Professor an der Universität Trier
Dr. Heinz Georg Bamberger
Dr. Pedro-José Bueso-Guillén, LL.M. Eur.
Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz
Professor an der Universität Zaragoza
Ralf Bartz
Dr. Peter Bydlinski
Präsident des Oberlandesgerichts Koblenz
Professor an der Universität Graz
Dr. Lutz Batereau
Dr. Matthias Casper
Rechtsanwalt u. Notar, Hamm
Professor an der Universität Münster
Dr. Jochen Bauerreis
Dr. Florin Ciutacu
Rechtsanwalt, Straßburg
Professor an der Universität Bukarest
Gerhart R. Baum
Dr. Wolfgang Däubler
Bundesminister a.D., Rechtsanwalt, Köln
Professor an der Universität Bremen
Dr. Michael Beckhusen
Dr. Peter Derleder
Rechtsanwalt, Bremen
Professor an der Universität Bremen
Heiner Beckmann
Dr. Luca Di Nella
Vors. Richter am Oberlandesgericht Hamm
Professor an der Universität Parma
Ilka Beckmann, LL.M. (Queensland)
Dr. Bernd Eckardt
Rechtsanwältin u. Mediatorin, Münster
Professor an der Fachhochschule Köln
Timo Bernau
Dr. Jens Ekkenga
Rechtsanwalt, München
Professor an der Universität Gießen
Dr. Klaus Bette
Michael Findeisen
Deutscher Factoring Verband e.V., Berlin
Ministerialrat, Berlin
Dr. Uwe Blaurock
Dr. Rudolf Fischer
Professor an der Universität Freiburg
Vors. Richter am Landgericht Trier
Heinrich Bockholt
Dr. Robert Freitag
Professor an der Fachhochschule Koblenz
Professor an der Universität Hamburg
Anja Böhnlein
Stefan Frisch
Rechtsanwältin, Bamberg
Rechtsanwalt, Frankfurt/M.
Dr. Georg Borges
Dr. Stefan J. Geibel
Professor an der Universität Bochum
Privatdozent an der Universität Tübingen
X
Verzeichnis der Bearbeiter
Dr. Paul J. Glauben Ministerialdirigent, Mainz
Halldór Eiríkur S. Jónhildarson, LL.M. (Hamburg)
Dr. Franz Häuser
magister iuris (Universität Island) M.C.L. (CWSL), Island
Professor an der Universität Leipzig
Sören Friis Hansen Professor an der Süddänischen Universität Odense
Christof Harbeke Sparkasse Frankfurt
Dr. Dirk Harders Notar in Birkenfeld/Nahe
Frank Heemann, LL.M. Rechtsanwalt, Vilnius
Dr. Ronald Kandelhard Rechtsanwalt, Bremen
Dr. Eva O’Kelly Solicitor, Bank of Ireland, Dublin
Dr. Antonín Kerner em. Professor an der Universität Prag
Theis Klauberg, LL.M. Rechtsanwalt, Riga
Dr. Ulrike Klingner-Schmidt Rechtsanwältin, Bremen
Lars Heidbrink Rechtsanwalt, Pfäffikon
Dr. Oliver L. Knöfel wiss. Ass. an der Universität Hamburg
Dr. Tobias Heinrich, LL.M. (London) Rechtsanwalt, Frankfurt/M.
Dr. Kai-Oliver Knops Professor an der Universität Hamburg
Dr. Mika Hemmo Professor an der Universität Helsinki
Katja Kötterheinrich Regierungsdirektorin, Mainz
Brigitta Henkel, LL.M. Eur. Referentin an der Universität Erlangen-Nürnberg
Dr. Wolfhard Kohte Professor an der Universität Halle-Wittenberg
Dr. Felix Herzog Professor an der Universität Bremen
Anna Kozlova Dipl.-iur., Minsk
Dr. Heribert Hirte, LL.M. (Berkeley) Professor an der Universität Hamburg
Dr. Götz-Sebastian Hök Rechtsanwalt, Berlin
Dr. Jochen Hoffmann Professor an der Universität Hamburg
Dr. Dr. h.c. Ewoud H. Hondius Professor an der Universität Utrecht
Dr. Rolf Kronenburg Rechtsanwalt, Leverkusen
Ulrich Kulke Ass.-iur., Würzburg
Dr. Markus Lenenbach, LL.M. Lehrstuhlvertreter an der Universität Bayreuth
Richard Lindner Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe
Dr. Anja Hucke
Dr. Nikolaos Lyberis
Professorin an der Universität Rostock
Rechtsanwalt, Athen
Dr. Peter Itzel
Dr. Peter Mankowski
Vors. Richter am Oberlandesgericht Koblenz
Professor an der Universität Hamburg
Dr. Florian Jacoby
Dr. Annemarie Matusche-Beckmann
Professor an der Universität Bielefeld
Professorin an der Universität des Saarlandes
Verzeichnis der Bearbeiter
Dr. Stephan Meder
Dr. Udo Reifner
Professor an der Universität Hannover
Professor an der Universität Hamburg
Olaf Methner
Dr. Julius F. Reiter
Rechtsanwalt, Düsseldorf
Rechtsanwalt, Düsseldorf
Dr. Rainer Metz
Dr. Fabian Reuschle
Unterabteilungsleiter, Berlin
Richter am Landgericht Stuttgart
Dr. Hans-W. Micklitz
Dr. Walter Rudolf
Professor an der Universität Bamberg, Europäisches Hochschulinstitut, Florenz
Professor an der Universität Mainz
XI
Dr. Christian Rumpf Professor an der Universität Augsburg
Rechtsanwalt, Stuttgart Honorarprofessor an der Universität Bamberg
Dr. Hans-Friedrich Müller
Dr. Dietmar Schanbacher
Dr. Thomas M. J. Möllers
Professor an der Universität Erfurt
Dr. Dr. h.c. Peter-Christian Müller-Graff Professor an der Universität Heidelberg
Dr. Sybille Neumann Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, Saarbrücken
Professor an der Universität Dresden
Dr. Thorsten Schlüter Rechtsanwalt u. Solicitor, Bayreuth
Dr. Klaus Schrameyer Botschafter a. D, Bornheim
Dr. Hans-Joachim Schramm
Dr. Zangar Nogaibay
Universität Bremen
Staatliche Unternehmensholding der Republik Kasachstan
Dr. Hans-Peter Schwintowski
Dr. Jürgen Oechsler Professor an der Universität Mainz
Dr. Christoph Ohler Professor an der Universität Jena
Dr. Wilco Oostwouder Professor an der Universität Utrecht
Dr. Maike Otten Richterin am Landgericht Bremen
Professor an der Humboldt-Universität Berlin
Dr. Norbert Seeger Rechtsanwalt, Vaduz
Dr. Reinhard Singer Professor an der Humboldt-Universität Berlin
Hartmut Strube Rechtsanwalt, Düsseldorf
Dr. Evgenij Suchanov Professor an der Lomonossov-Universität Moskau
Evelin Pärn-Lee
Dr. Ünal Tekinalp
Vandeadvokaat, Tallinn
em. Professor an der Universität Istanbul
Dr. Alexander Pallas
Dr. Martin Tonner
Rechtsanwalt, Bremen
Richter am Landgericht Hamburg
Dr. Rüdiger Philipowski
Dr. Matjaž Tratnik
Rechtsanwalt u. Steuerberater in Alfter (Bonn) Professor an der Universität Würzburg
Professor an der Universität Maribor
Dr. Heinz Vallender Dr. Thomas von Plehwe Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe
Richter am Amtsgericht Honorarprofessor an der Universität Köln
XII
Verzeichnis der Bearbeiter
Tina de Vries
Dr. Peter von Wilmowsky
wiss. Referentin am Institut für Ostrecht u. Rechtsanwältin, München
Professor an der Universität Frankfurt/M.
Dr. Leif Zänker Dr. Rolf H. Weber Professor an der Universität Zürich
Dr. Marcus Willamowski Rechtsanwalt, Hamburg
Rechtsanwalt, Bremen
Inhaltsübersicht
XIII
Inhaltsübersicht
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Verzeichnis der Bearbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Allgemeine Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII
Kapitel I Bankvertragliche Grundlagen A. Grundlagen der Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde § 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 – Peter Bülow § 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – Franz Häuser § 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen) . . . 41 – Matthias Casper B. Besondere Verhaltenspflichten § 4 Auskunfts- und Beratungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Martin Tonner § 5 Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Walter Rudolf/Katja Kötterheinrich § 6 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Michael Beckhusen § 7 Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Stefan Frisch
113 141 153 179
C. Bankvertragliche Distanzgeschäfte § 8 Fernabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 – Wolfhard Kohte D. Elektronischer Geschäftsverkehr § 9 Electronic Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 – Georg Borges
Kapitel II Kredit und Kreditsicherheiten A. Kreditformen § 10 Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Peter Derleder § 11 Zinsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Kai-Oliver Knops § 12 Zinsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Heinrich Bockholt § 13 Vergütungen und Entgeltklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Alexander Pallas/Kai-Oliver Knops
327 367 377 395
XIV
Inhaltsübersicht
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Kai-Oliver Knops § 15 Verbraucherdarlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Udo Reifner § 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen . . . . . . . . . . . – Peter Derleder § 17 Bauspardarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Rolf Kronenburg § 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Kai-Oliver Knops § 19 Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Thomas von Plehwe § 20 Teilzahlungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Heiner Beckmann/Ilka Beckmann § 21 Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Peter Mankowski/Oliver Knöfel § 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Jochen Hoffmann B. Kreditsicherheiten § 23 Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Maike Otten § 24 Sicherungsgrundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Florian Jacoby § 25 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Kai-Oliver Knops § 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . – Richard Lindner § 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . – Annemarie Matusche-Beckmann § 28 Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Dietmar Schanbacher § 29 Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Klaus Bette § 30 Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Peter Derleder § 31 Sonstige Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Ulrich Kulke
417 453 543 573 601 621 639 653 683
721 751 779 831 857 887 909 935 957
C. Kreditabwicklung § 32 Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 – Markus Artz § 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027 – Bernd Eckardt § 34 Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 – Gerhart R. Baum/Julius Reiter/Olaf Methner § 35 Kredit und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1077 – Heinz Vallender D. Kreditrating § 36 Kreditrating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1107 – Roland Bäumler
Inhaltsübersicht
XV
Kapitel III Konto und Zahlungsverkehr A. Konto § 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Reinhard Singer § 38 Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Ronald Kandelhard § 39 Sparkonto und Sparkassenbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Christof Harbeke § 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Lutz Batereau § 41 Treuhand- und Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Dirk Harders § 42 Gemeinschafts- und Sperrkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Anja Hucke B. Zahlungsverkehr § 43 Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Jürgen Oechsler § 44 Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Stephan Meder § 45 Lastschriftverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Hartmut Strube § 46 Scheckgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Hans-Peter Schwintowski § 47 Wechselgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Rudolf Fischer § 48 EC-Karte/Bankkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Rainer Metz § 49 Kreditkartengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Uwe Blaurock
1123 1149 1171 1185 1203 1233
1243 1267 1285 1307 1333 1357 1381
Kapitel IV Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte A. Vermögensbetreuung § 50 Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Heinz Georg Bamberger § 51 Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Peter Balzer § 52 Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Stefan Frisch § 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Markus Lenenbach
1407 1475 1505 1585
B. Einzelne Geschäfte § 54 Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1617 – Hans-Friedrich Müller § 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate) . . . . . . . . . . . . . 1639 – Ulrike Klingner-Schmidt
XVI
Inhaltsübersicht
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1661 – Leif Zänker § 57 Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1679 – Jens Ekkenga/Timo Bernau § 58 Emmisionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1725 – Ralf Bartz § 59 Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1759 – Stefan Geibel § 60 Verwahrungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1809 – Peter Itzel C. Auslandsgeschäfte § 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1833 – Marcus Willamowski § 62 Einzelne Auslandsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1853 – Robert Freitag D. Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz § 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1887 – Fabian Reuschle
Kapitel V Öffentliches Bankrecht § 64 Zentralbanksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1923 – Paul J. Glauben § 65 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1933 – Lars Brocker § 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren) . . . . . . . . 1953 – Eckart Brödermann § 67 Bankgeschäfte und Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2011 – Rüdiger Philipowski
Kapitel VI Bankarbeitsrecht § 68 Bankarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2063 – Wolfgang Däubler
Kapitel VII Haftung und strafrechtliche Sanktionen § 69 Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2099 – Thomas M. J. Möllers § 70 Geldwäschegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2121 – Michael Findeisen § 71 Kapitalanlagebetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2143 – Felix Herzog
Inhaltsübersicht
XVII
Kapitel VIII Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten § 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Udo Reifner § 73 Bankrechtskoordinierung und -integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Heribert Hirte/Tobias Heinrich § 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Peter-Christian Müller-Graff § 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Peter von Wilmowsky § 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Christoph Ohler § 77 Europarechtlicher Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Hans-W. Micklitz/Anja Böhnlein § 78 Länderteil 1. Belarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Theis Klauberg/Anna Kozlova 2. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Götz-Sebastian Hök 3. Bulgarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Klaus Schrameyer 4. Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Sören Friis Hansen 5. Estland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Theis Klauberg/Evelin Pärn-Lee 6. Finnland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Mika Hemmo 7. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Jochen Bauerreis/Sybille Neumann 8. Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Nikolaos Lyberis 9. Großbritannien/Nordirland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Thorsten Schlüter 10. Irland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Eva O’Kelly 11. Island . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Halldór Eiríkur S. Jonhildarson 12. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Luca Di Nella 13. Kasachstan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Hans-Joachim Schramm/Zangar Nogaibay 14. Lettland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Theis Klauberg 15. Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Norbert Seeger/Lars Heidbrink 16. Litauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Theis Klauberg/Frank Heemann 17. Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Hans-W. Micklitz/Anja Böhnlein
2163 2181 2201 2221 2243 2273
2289 2297 2337 2357 2369 2379 2389 2425 2441 2467 2499 2523 2547 2563 2571 2589 2597
XVIII
Inhaltsübersicht
18. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2631 – Ewoud H. Hondius/Wilco Oostwouder 19. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2639 – Peter Bydlinski 20. Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2661 – Tina de Vries 21. Rumänien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2675 – Florin Ciutacu 22. Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2701 – Evgenij Suchanov 23. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2711 – Rolf H. Weber 24. Slowenien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2729 – Matjaž Tratnik 25. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2749 – Pedro-José Bueso-Guillén 26. Tschechien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2783 – Antonín Kerner/Brigitta Henkel 27. Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2797 – Ünal Tekinalp/Christian Rumpf 28. Ukraine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2823 – Hans-Joachim Schramm Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2835
Allgemeines Literaturverzeichnis
XIX
Allgemeines Literaturverzeichnis Assmann, Heinz-Dieter Prospekthaftung als Haftung für die Verletzung kapitalmarktbezogener Informationspflichten nach deutschem und US-amerikanischem Recht, Köln, Berlin, Bonn, München 1985 Assmann, Heinz-Dieter/Pötzsch, Thorsten/Schneider, Uwe H. (Hrsg.) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Kommentar, Köln 2005 Assmann, Heinz-Dieter/Schneider, Uwe H. (Hrsg.) Wertpapierhandelsgesetz Kommentar, 4. Aufl. Köln 2006 zitiert: Assmann/Schneider (-Bearbeiter) Assmann Heinz-Dieter/Schütze, Rolf A. (Hrsg.) Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl., München 1997/2001 zitiert: Assmann/Schütze (-Bearbeiter) Bamberger, Heinz-Georg/Roth, Herbert Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl. München 2008 zitiert: Bamberger/Roth (-Bearbeiter) Bankrecht und Bankpraxis Bankrecht und Bankpraxis, hrsg. v. Thorwald Hellner u. Stephan Steuer, Loseblattsammlung, Bd. I-IV, Köln 2008
zitiert: BuB (-Bearbeiter) Bar, Christian von Internationales Privatrecht: Bd. 2., Besonderer Teil, München 1991 Baumbach, Adolf/Hefermehl, Wolfgang/Casper, Matthias Wechselgesetz und Scheckgesetz, Kommentar, 23. Aufl. München 2008 zitiert: Baumbach/Hefermehl Baumbach, Adolf/Hopt, Klaus J./Duden, Konrad Handelsgesetzbuch Kommentar, 33. Aufl. München 2008 zitiert: Baumbach/Hopt/Duden (-Bearbeiter) Baumbach, Adolf/Lauterbach, Wolfgang Zivilprozessordnung Kommentar, 66. Aufl. München 2008 zitiert: Baumbach (-Bearbeiter) Baumgärtel, Gottfried Handbuch der Beweislast im Privatrecht Bd. 1: BGB Allgemeiner Teil, 3. Aufl. Köln 2007 Bd. 2: BGB Schuldrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl. Köln 2007 Bd. 3: ABGB, UWG, Köln 1987 zitiert: Baumgärtel (-Bearbeiter) Baumgärtel, Gottfried/Laumen, Hans-Willi Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 2, Köln 1999 zitiert: Baumgärtel/Laumen (-Bearbeiter) Baums, Theodor/Thoma, Georg F. WpÜG, Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Loseblattsammlung, Köln, Stand Mai 2007 Baur, Jürgen F./Stürner, Rolf Sachenrecht, 17. Aufl. München 1999 zitiert: Baur/Stürner Baur, Fritz/Stürner, Rolf/Bruns, Alexander Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl. Heidelberg 2006 zitiert: Baur/Stürner/Bruns Bellinger, Dieter/Kerl, Volkher/Fleischmann, Rudolf Hypothekenbankgesetz Kommentar, 4. Aufl. München 1995
XX
Allgemeines Literaturverzeichnis
Bleckmann, Albert Europarecht: Das Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 6. Aufl. Köln, Berlin, Bonn, München 1997 Boos, Karl-Heinz/Fischer, Reinfrid/Schulte-Mattler, Herrmann Kreditwesengesetz, 3. Aufl. München 2008 zitiert: BFS-KWG (-Bearbeiter) Braun, Eberhard Insolvenzordnung, 3. Aufl. München 2007 Bülow, Peter Recht der Kreditsicherheiten, 7. Aufl. Heidelberg 2007 Bülow, Peter Heidelberger Kommentar zum Wechselgesetz, Scheckgesetz und zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 3. Aufl. Heidelberg 2000 zitiert: Bülow, ScheckG Bülow, Peter/Artz, Markus (Hrsg.) Handbuch Verbraucherprivatrecht, Heidelberg 2006 Bülow, Peter/Artz, Markus Heidelberger Kommentar zum Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl. Heidelberg 2006 zitiert: Bülow/Artz, VerbrKrG Bülow, Peter/Artz, Markus Verbraucherprivatrecht, 2. Aufl. Heidelberg 2008 Brinkhaus, Josef/Scherer, Peter Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, Auslandinvestment-Gesetz, München 2003 Calliess, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.) Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl. München 2007 Canaris, Claus-Wilhelm Bankvertragsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. Berlin, New York 1988 Claussen, Carsten Peter Bank- und Börsenrecht für Studium und Praxis, 4. Aufl. München 2008 Consbruch, Johannes/Möller, Annemarie/Bähre, Inge Lore/Schneider, Manfred Gesetz über das Kreditwesen: mit verwandten Gesetzen u.a. Vorschriften; Textsammlung, begründet v. Johannes Consbruch, Annemarie Möller; fortgeführt v. Inge Lore Bähre, Manfred Schneider, Loseblattsammlung, München 1978, Stand: Januar 2008 Demharter, Johann Grundbuchordnung, 26. Aufl. München 2008 Dicey, A.V./Morris, J.H.C. The Conflict of Laws, 13th ed. London 2000 Duursma-Kepplinger, Henriette-Christine/Duursma, Dieter/Chalupsky, Ernst Europäische Insolvenzverordnung, Wien 2002 Ebenroth, Carsten Thomas/Boujong, Karlheinz/Detlev Joost /Strohn, Lutz (Hrsg.) Handelsgesetzbuch Kommentar, 2. Aufl. München 2008 zitiert: Ebenroth/Boujong/Joost (-Bearbeiter) Ehricke, Ulrich/Ekkenga, Jens/Oechsler, Jürgen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Kommentar, München 2003 Einsele, Dorothee Bank- und Kapitalmarktrecht, Tübingen 2006 Einsele, Dorothee Wertpapierrecht als Schuldrecht, Tübingen 1995 Elster, Nico Europäisches Kapitalmarktrecht, Recht des Sekundärmarktes, München 2002 Erman, Walter Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl. Münster 2007 zitiert: Erman (-Bearbeiter)
Allgemeines Literaturverzeichnis
XXI
Fischer, Reinfried/Klanten, Thomas Bankrecht: Grundlagen der Rechtspraxis, 3. Aufl. 2000 Flume, Werner Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. Berlin, Heidelberg 1979 Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. von Klaus Wimmer, Neuwied 1999 zitiert: FK-InsO (-Bearbeiter) Geibel, Stephan/Süßmann, Reiner Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Kommentar, München 2002 Gerhardt, Walter Immobiliarsachenrecht, 5. Aufl. München 2001 Gottwald, Peter Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. München 2006 Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard Kommentar zur Europäischen Union, Loseblattsammlung, München, Stand: Juni 2008 zitiert: Grabitz/Hilf (-Bearbeiter) Groeben, Hans v. der/Thiesing, Jochen/Ehlermann, Claus-Dieter Kommentar zum EWG-Vertrag, 6. Aufl. Baden-Baden 2003 ff. zitiert: v. d. Groeben/Thiesing/Ehlermann (-Bearbeiter) Großkommentar zum HGB Großkommentar zum HGB, hrsg. v. Hermann Staub, Dieter Brüggemann, Claus-Wilhelm Canaris, 4. Aufl. Berlin 1982 zitiert: GK-HGB (-Bearbeiter) Haarmann, Wilhelm/Schüppen, Matthias Frankfurter Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl. Heidelberg 2005 Haarmeyer, Hans/Wutzke, Wolfgang/Förster, Karsten Handbuch zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. München 2001 Häsemeyer, Ludwig Insolvenzrecht, 4. Aufl. Köln 2007 Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. von Gerhart Kreft, 5. Aufl. Heidelberg 2008 zitiert: HK (-Bearbeiter) Heinze, Stephan Europäisches Kapitalmarktrecht, Recht des Primärmarktes, München 1999 Heymann, Ernst/Horn, Norbert (Hrsg.) Handelsgesetzbuch, Kommentar, 2. Aufl. Berlin Bd. I 1995, Bd. II 1996, Bd. III 1999 zitiert: Heymann/Horn (-Bearbeiter) Hirte, Heribert Europäisches Bankrecht, Köln 2000 Hirte, Heribert/v. Bülow, Christoph (Hrsg.) Kölner Kommentar zum WpÜG, Köln 2003 Hirte, Heribert/Möllers, Thomas M.J. (Hrsg.) Kölner Kommentar zum WpHG, Köln 2007 Hopt, Klaus J. Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts-, Bank- und Transportrecht, 3. Aufl. München 2007 Hopt, Klaus J./Mülbert, Peter Kreditrecht, Berlin 1989 Horn, Norbert (Hrsg.) Festschrift für Herbert Schimansky, Bankrecht, Köln 1999 Huber, Christian Bankrecht, Baden-Baden 2001
XXII
Allgemeines Literaturverzeichnis
Huber, Ulrich Leistungsstörungen, Bd. I u. II, Tübingen 1999 Hueck Alfred/Canaris, Claus-Wilhelm Recht der Wertpapiere, Kommentar, 12. Aufl. München 1986 Hüffer, Uwe Aktiengesetz, 8. Aufl. München 2008 Hüffer, Uwe/v. Look, Frank Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto, 3. Aufl. Köln 1998 Hummel, Detlef/Breuer, Rolf E. (Hrsg.) Handbuch Europäischer Kapitalmarkt, Wiesbaden 2001 Jakobs, Horst-Heinrich/Schubert, Werner (Hrsg.) Die Beratungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978 zitiert: Jakobs/Schubert (-Bearbeiter) Jauernig, Othmar/Schlechtriem, Peter/Stürner, Rolf/Teichmann, Arndt/Berger, Christian Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. München 2007 zitiert: Jauernig (-Bearbeiter) Knops, Kai-Oliver/Bamberger, Heinz Georg/Maier-Reimer, Georg (Hrsg.) Recht der Sanierungsfinanzierung, Heidelberg 2005 zitiert: Knops/Bamberger/Maier-Reimer (-Bearbeiter) Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg. v. Wolfgang Zöllner. Bearb. v. Carsten P. Claussen, Gerd Geilen, Christian Kirchner, Hans G. Koppensteiner, Alfons Kraft, Marcus Lutter, Hans J. Merten, 3. Aufl. Köln, München 2004 zitiert: Kölner Kommentar AktG (-Bearbeiter) Kölner Kommentar zum KapMuG Kölner Kommentar zum KapMuG, hrsg. v. Burkhard Heß, Fabian Reuschle, Bruno Rimmelspacher, Köln 2008 zitiert: Kölner Kommentar KapMuG (-Bearbeiter) Kropholler, Jan Europäisches Zivilprozessrecht: Kommentar zu EuGVÜ und Lugano-Übereinkommen, 6. Aufl. Heidelberg 1998 Krumnow, Jürgen Gabler-Bank-Lexikon, 12. Aufl. Wiesbaden 2000 Kübler, Bruno/Prütting, Hanns (Hrsg.) InsO – Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblattsammlung, Köln, Stand: April 2003 Kümpel, Siegfried Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. Köln 2004 Kümpel, Siegfried/Hammen, Horst/Ekkenga, Jens Kapitalmarktrecht, Loseblattsammlung, Berlin, Stand: Juni 2007 zitiert: Kümpel/Hammen/Ekkenga (-Bearbeiter) Kümpel, Siegried/Veil, Rüdiger Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. Berlin 2005 Larenz, Karl Lehrbuch des Schuldrechts; 1. Bd., Allgemeiner Teil, 14. Aufl. München 1987 zitiert: Larenz, SchuRAT Larenz, Karl Lehrbuch des Schuldrechts; 2. Bd., Halbbd. 1: Besonderer Teil, 13. Aufl. München 1986 zitiert: Larenz, SchuRBT/1 Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 2, Halbbd. 2: Besonderer Teil, 13. Aufl. München 1994 zitiert: Larenz/Canaris, SchuRBT/2 Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. Berlin, Heidelberg 1995 zitiert: Larenz/Canaris, MethL
Allgemeines Literaturverzeichnis
XXIII
Larenz, Karl/Wolf, Manfred Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts. Ein Lehrbuch, 9. Aufl. München 2004 Marsch-Barner, Reinhard/Schäfer, Frank A. Handbuch börsennotierte AG, Köln 2005 Medicus, Dieter Bürgerliches Recht, 21. Aufl. Köln 2007 Metz, Rainer Verbraucherkreditgesetz, Baden-Baden 1999 Micheler, Eva Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, Wien, New York 2004 Möllers, Thomas M.J./Rotter, Klaus (Hrsg.) Ad-hoc-Publizität, 2003 Mohrbutter, Harro/Ringstmeier, Andreas Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl. 2007 Müller, Klaus Sachenrecht, 4. Aufl. Köln 1997 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum AktiengesetzG, hrsg. v. Bruno Kropff, Johannes Semler, Wulf Goette, Mathias Habersack, Band 9, 1, 2. Auflage München 2006. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. v. Kurt Rebmann, Franz Jürgen Säcker, Roland Rixecker, 5. Aufl. München 2005 ff. zitiert: MünchKommBGB (-Bearbeiter) Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, hrsg. von Karsten Schmidt, Bd. 5, §§ 343- 372, 2. Aufl. München 2001 zitiert: MünchKommHGB (-Bearbeiter) Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. von Hans-Peter Kirchhof, Hans-Jürgen Lwowski, Rolf Stürner, Insolvenzordnung, 2. Aufl. München 2007 ff. zitiert: MünchKommInsO (-Bearbeiter) Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg. v. Gerhard Lüke und Peter Wax, 2. Aufl. München 2000-2001 zitiert: MK-ZPO (-Bearbeiter) Mugdan, Benno Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 5. Bd., Berlin 1899 Nobbe, Gerd Bankrecht - Aktuelle höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, Köln 1999 Obermüller, Manfred Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 7. Aufl. Köln 2007 Obst, Georg/Hinterer, Otto Geld-, Bank- und Börsenwesen, 40. Aufl. Stuttgart 2000 zitiert: Obst/Hinterer (-Bearbeiter) Oechsler, Jürgen Schuldrecht Besonderer Teil, Vertragsrecht, München 2002 Palandt, Otto (Hrsg.) Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 67. Aufl. München 2008 zitiert: Palandt (-Bearbeiter) Planck, Gottlieb Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, 4. Aufl. Berlin 1914 ff. zitiert: Planck (-Bearbeiter)
XXIV
Allgemeines Literaturverzeichnis
Prütting, Hans/Wegen, Gerhard/Weinreich, Gerd (Hrsg.) BGB Kommentar, 3. Aufl. 2008 Köln Reich, Norbert/Micklitz, Hans-W. Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl. Baden-Baden 2003 Reifner, Udo Handbuch des Kreditrechts, München 1991 Reinicke, Dietrich/Tiedtke, Klaus Kreditsicherung, 6. Aufl. Neuwied, Kriftel 2006 Reischauer, Friedrich/Kleinhans, Joachim Kreditwesengesetz Kommentar, Berlin 2006 RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch in besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts, Kommentar, 12. Aufl. Berlin 1974 ff. zitiert: RGRK (-Bearbeiter) Rimmelspacher, Bruno Kreditsicherungsrecht, 2. Aufl. München 1987 Schäfer, Frank A./Müller, Jörg Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, Köln 1999 Schäfer, Frank A. (Hrsg.) Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz (mit BörsZulV), Verkaufsprospektgesetz (mit VerkProspV), Stuttgart, Berlin, Köln 1999 Schäfer, Otto/Cirpka, Ekkehard/Zehnder, Andreas J. Bausparkassengesetz und Bausparkassenverordnung Kommentar, 5. Aufl. Bonn 1999 Schimansky, Herbert/Bunte, Hermann-Josef/Lwowski, Hans-Jürgen Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. München 2007 zitiert: Schimansky/Bunte/Lwowski (-Bearbeiter) Schlegelberger, Franz Handelsgesetzbuch Kommentar, hrsg. v. Ernst Geßler, Wolfgang Hefermehl, Wolfgang Hildebrandt, Georg Schröder, Klaus P. Martens, Karsten Schmidt, 5. Aufl. München Bd. 3/I 1992, Bd. 3/II 1986 zitiert: Schlegelberger (-Bearbeiter) Schlosser, Peter EuGVÜ: Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen mit Luganer Übereinkommen und den Haager Übereinkommen über Zustellung und Beweisaufnahme, München 1996 Schmidt, Karsten Geldrecht: Geld, Zins u. Währung im dt. Recht Kommentar, 12. Aufl. Berlin 1983 zitiert: Schmidt, GeldR Schmidt, Karsten Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. Köln 2002 zitiert: Schmidt, GesellschaftsR Schmidt, Karsten Handelsrecht, 5. Aufl. Köln 1999 zitiert: Schmidt, HandelsR Schönle, Herbert Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. München 1976 Schwark, Eberhard Kapitalmarkt, Kommentar zum Börsengesetz und zu den börsenrechtlichen Nebenbestimmungen, 3. Aufl. München 2004 Schwintowski, Hans-Peter/Schäfer, Frank A. Bankrecht: Commercial banking - Investment banking, 2. Aufl. Köln 2004 Serick, Rolf Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, 2. Aufl. Heidelberg 1999
Allgemeines Literaturverzeichnis
XXV
Soergel, Hans-Theodor (Begr.) Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Kommentar, hrsg. v. W. Siebert, 13. Aufl. Stuttgart 2000 ff. zitiert: Soergel (-Bearbeiter) Staudinger, Julius v. Bürgerliches Gesetzbuch Kommentar, hrsg. v. Herrmann Amann und Günther Beitzke, 13. Aufl. Berlin 1994 ff. zitiert: Staudinger (-Bearbeiter) Stein, Friedrich/Jonas, Martin Zivilprozessordnung Kommentar, 22. Aufl. Tübingen 2002 ff. zitiert: Stein/Jonas (-Bearbeiter) Steinmeyer, Roland/Häger, Michael Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Kommentar, 2. Aufl. Berlin, 2007 Streinz, Rudolf (Hrsg.) EUV/EGV-Kommentar, 3. Aufl. München 2002 zitiert: Streinz (-Bearbeiter) Stöber, Kurt Zwangsversteigerungsgesetz, 18. Aufl. München 2006 Thomas, Heinz/Putzo, Hans/Reichold, Klaus/Hüßtege, Rainer Zivilprozessordnung, 29. Aufl. München 2008 zitiert: Thomas/Putzo Uhlenbruck, Wilhelm Insolvenzordnung, 12. Aufl. München 2003 Ulmer, Peter/Brandner, Hans-Erich/Hensen, Horst Diether AGB-Recht Kommentar, 10. Aufl. Köln 2006 zitiert: Ulmer/Brandner/Hensen (-Bearbeiter) Vortmann, Jürgen Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 7. Aufl. Köln 2002 Wassermann, Rudolf (Hrsg.) Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neuwied, Darmstadt 1979 ff. zitiert: AK-BGB (-Bearbeiter) Weber, Hansjörg Kreditsicherheiten, 7. Aufl. München 2002 Welter, Reinhard/Lang, Volker (Hrsg.) Handbuch der bankrechtlichen Informationspflichten, Köln 2004 Westermann, Harm Peter Sachenrecht, 11. Aufl. Heidelberg 2005 Westermann, Harm Peter/Gursky, Karl-Heinz,/Eickmann, Dieter Sachenrecht, 7. Aufl. 1998 zitiert: Westermann/Gursky Westphalen, Friedrich Graf v./Emmerich, Volker/v. Rottenburg, Franz Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl. Köln 1996 zitiert: Westphalen/Emmerich/Rottenburg (-Bearbeiter) Westphalen, Friedrich Graf v. (Hrsg.) Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Loseblattsammlung, München, Stand: Mai 2002 zitiert: Westphalen (-Bearbeiter) Wieling, Hans Josef Sachenrecht, 5. Aufl. Berlin, Heidelberg 2007 zitiert: Wieling, SachR Wieling, Hans Josef Sachenrecht Bd. I: Sachen, Besitz u. Rechte an beweglichen Sachen, 2. Aufl. Berlin, Heidelberg 2006 zitiert: Wieling, SachR I
XXVI
Allgemeines Literaturverzeichnis
Wilhelm, Jan Sachenrecht, 2. Aufl. Berlin 2002 Wilmowsky, Peter von Europäisches Kreditsicherungsrecht, Tübingen 1996 Wimmer, Klaus (Hrsg.) Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. Neuwied, Kriftel 2006 zitiert: Wimmer (-Bearbeiter) Wolf, Manfred/Horn, Norbert/Lindacher, Walter F. (Hrsg.) AGB-Gesetz Kommentar, 4. Aufl. München 1999 (Nachtrag 2000) zitiert: Wolf/Horn/Lindacher (-Bearbeiter) Zöller, Richard (Hrsg.) Zivilprozessordnung mit GVG und EG, 27. Aufl. Köln 2007 zitiert: Zöller (-Bearbeiter) Zöllner, Wolfgang Wertpapierrecht, 14. Aufl. München 1987
Abkürzungsverzeichnis
XXVII
Abkürzungsverzeichnis ABB ADSp AEWRB AIBD AJP AMR AnSVG BaFin BAKred BAWe BBankG BCCI BDSG BIZ BKR BMAS BMF BMWI BOEGA BOSS BSE-Abkommen BTX CESR CpD DAX DKV DRV DZWIR E.v.-Gutschrift EBLR ECU EGV ELV EMA ERA ErbbauVO ERI ESZB EuGVO EuGVÜ EURIBOR EuZW EVÜ EWS EZB EZL-Abkommen EZÜ-Abkommen
Allgemeine Bedingungen für Bausparverträge Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden Association of International Bond Dealers Aktuelle Juristische Praxis Anweisungen der Deutschen Bundesbank über Mindestreserven Anlegerschutzverbesserungsgesetz Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Gesetz über die Deutsche Bundesbank Bank of Credit and Commerce International Bundesdatenschutzgesetz Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Börsengeschäftsabwicklung Börsen-Order-Service-System Abkommen über das beleglose Scheckeinzugsverfahren Bildschirmtext The Committee of European Securities Regulators Conto pro Diverse Deutscher Aktienindex Deutscher Kassenverein AG Deutscher Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Eingang-vorbehalten-Gutschrift European Business Law Review European Currency Unit EG-Vertrag – Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Elektronisches Lastschriftverfahren European Master Agreement Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive Verordnung über das Erbbaurecht v. 15. Januar 1919 (RGBl. 72) Einheitliche Richtlinien für Inkassi Europäisches System der Zentralbanken Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Euro Interbank Offered Rate Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Europäische Zentralbank Abkommen über die Umwandlung beleghaft erteilter Lastschriftaufträge in Datensätze und deren Bearbeitung Abkommen über die Umwandlung beleghaft erteilter Überweisungsaufträge in Datensätze und deren Bearbeitung
XXVIII
FATF FESCO FFG FIBOR FIN-NET FRA FS GA GAA GATT GK-AktG GroMIKV GS I
Abkürzungsverzeichnis
Financial Action Task Force On Money Laundering Forum of European Commissions Finanzmarktförderungsgesetz Frankfurt Interbank Offered Rate Cross-border Out-of-Court Complaints Network for Financial Services Forward Rate Agreement Festschrift Generalanwalt, Generalanwältin Geldausgabeautomat General Agreement on Tarifs and Trade Großkommentar zum AktG Groß- und Millionenkreditverordnung Grundsatz I (Grundsatz über die Eigenmittel und die Liquidität der Kreditinstitute) GSB Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen GS-Gutschrift Girosammeldepotgutschrift GwG Geldwäschegesetz GZS Gesellschaft für Zahlungssysteme HBCI Homebanking Computer Interface ICC International Chamber of Commerce InvG Investmentgesetz IOSCO International Organisation of Securities Commissions IRB Internal Rating Based ISDA International Swaps and Derivatives Association ISMA International Securities Market Association (Vereinigung der internationalen Rentenpapierhändler) ISP International Standby Practices IWF Internationaler Währungsfonds KMRK Kapitalmarktrechtskommentar KölnKommAktG Kölner Kommentar zum AktG KölnKommWpHG Kölner Kommentar zum WpHG KWG Gesetz über das Kreditwesen LSA Lastschriftabkommen LugÜ Luganer Übereinkommen LV Lebensversicherung LZB Landeszentralbank MaBV Makler- und Bauträgerverordnung MaRisk Mindestanforderungen an das Risikomanagement MR-VO Mindestreserveverordnung MTF Multilaterale Handelssysteme NASDAQ National Association of Securities Dealers Automated Quotation NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung OECD Organisation for Economic Cooperation and Development OGAW Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren OLGVertrÄndG Gesetz zur Änderung der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten v. 23.7.2002 (BGBl. I 2850) OrgKG Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität OTC over the counter PAngV Preisangabenverordnung PfandBG Pfandbriefgesetz PIN Personal identification number p.M. pro Monat
Abkürzungsverzeichnis
POS POZ PRIMA RBerG RechKredV Rev. dr. unif. Rpfleger RSA-Verfahren SBW SCHUFA SET SigG SigV SLIM TAEG TAN TDDSG TDG TRIMs TUG U-Schätze UNCITRAL UNCTAD UNIDROIT Unif. L. Rev. URDG VOFI VuR WiB WM WpHG WpÜG Xetra Z+T-V ZBB ZEuP ZfIR ZInsO ZIP
XXIX
Point of Sale Point of Sale ohne Zahlungsgarantie place of the relevant intermediary approach Rechtsberatungsgesetz Rechnungslegungsverordnung Revue de droit uniforme Der Deutsche Rechtspfleger Rivert-Shamir-Adlemann-Verfahren (Verschlüsselungsverfahren) Sonderbedingungen für Wertapiergeschäfte Schutzgemeinschaft für Allgemeine Kreditsicherung GmbH Secure Electronic Transaction Signaturgesetz Verordnung zur elektronischen Signatur Simpler Legislation for the Internal Market Taux Annuel Effectif Global Transaktionsnummer Teledienstedatenschutzgesetz Teledienstegesetz Trade Related Investment Measures Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz unverzinsliche Schatzanweisungen United Nations Commission on International Trade Law United Nations Commission on Trade and Development International Institute for the Unification of Private Law Uniform Law Review Uniform Rules for Demand Guarantees Rendite des vollständigen Finanzplans Verbraucher und Recht, Zeitschrift für Wirtschaft- und Verbraucherrecht Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Exchange electronic trading (elektronisches Handelssystem der Frankfurter Wertpapierbörse) Zins-und Tilgungsverrechnung Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Für hier nicht aufgeführte Abkürzungen wird auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl. Berlin 2008, verwiesen.
1
Kapitel I Bankvertragliche Grundlagen
Bülow
“This page left intentionally blank.”
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
3
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
Schrifttum Bachmann, Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Kapitalmarktrecht, ZHR 170 (2006), 144; Bazinas, UN-Übereinkommen über Forderungsabtretungen, ZEuP 2002, 782; Bollweg/Kreuzer, Entwürfe einer UNIDROIT/ICAO-Konvention über Internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung und eines Protokolls über Luftfahrtausrüstung, ZIP 2000, 1361; Bülow, Harmonisierung des europäischen Binnenzahlungsverkehrs und des Weltzahlungsverkehrs, IStR 1993, 527; ders., Die UNCITRAL-Konvention über internationale Wechsel und Genfer Wechselabkommen, österr. Bankarchiv 1993, 591; Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 2. Aufl. 2008; Burgard, Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, WM 2006, 2065; Canaris, Verlängerter Eigentumsvorbehalt und Forderungseinzug durch Banken, NJW 1981, 249; ders., Befremdliches zum Barvorschusstheorie!, NJW 1981, 1347; Derleder, „Schrottimmobilien“–Aufarbeitung in Karlsruhe – Das Ende eines Schismas, NZM 2006, 449; Duwendag, Das Geld und seine Aufgabe, in: Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 38. Aufl. 1988, S. 3; Geschwandtner/Bach, Bezeichnungsschutz für Sparkassen – quo vadis?, NJW 2007, 129; Ehrlicher, Geldtheorie, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Band 3, 1981; Fleischer, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BKR 2006, 398; Flume, Der verlängerte und erweiterte Eigentumsvorbehalt, NJW 1950, 841; Haltern, Geld und Recht, in: FS Reiner Schmidt 2006, S. 693; Hammen, Der Maßstab des Doppelten bei der Sittenwidrigkeit von Zinsvereinbarungen, ZBB 1991, 87; ders., Wandlungen des Geschäftsbesorgungsrechts von der Antike bis zur Gegenwart, in: FS Kümpel 2003, S. 205; Heiderhoff, Die Berücksichtigung des Art. 3 Klauselrichtlinie bei der AGB-Kontrolle, WM 2003, 509; Holtfrerich, Finanzplatz Frankfurt, 1999; Hopt, Funktion, Dogmatik und Reichweite der Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten der Kreditinstitute, in: Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung (BrV), Band 3, 1993, S. 1; Joost, Die Verteilung des Risikos von Scheckfälschungen, ZHR 151 (1989) 237; Joswig, Die weite Zweckerklärung bei der Sicherungsgrundschuld, ZfIR 1998, 185; Kieninger, Nationale, europäische und weltweite Reformen des Mobiliarsicherungsrechts, WM 2005, 2305, 2353; Kiesgen, Ein Binnenmarkt für den Hypothekarkredit, 2004; Kind, Börsen- und Finanztermingeschäfte – zur Neuregelung des Rechts der Termingeschäfte in den §§ 37d ff. WpHG, 2004; Kümpel, Verbraucherschutz im Bank- und Kapitalmarktrecht, WM 2005, 1; Liebelt-Westphal, Die gesetzliche Deckungsgrenze bei der Gewährung von Sicherheiten, ZIP 1997, 230; Knops, Darlehensgewährung und Grundpfandrechtsbestellung, ZfIR 1998, 577; Merkt/Rossbach, Zur Einführung: Kapitalmarktrecht, JuS 2003, 217; Müller-Graff, Rechtliche Auswirkungen einer laufenden Geschäftsverbindung im amerikanischen und deutschen Recht, 1974, S. 217 ff.; Ohler, Die hoheitlichen Grundlagen der Geldordnung, JZ 2008, 317; M. Reinhardt, Die Umkehr der Beweislast aus verfassungsrechtlicher Sicht, NJW 1994, 93; Roth, Der allgemeine Bankvertrag, WM 2003, 480; F. A. Schäfer, Vermögensverwaltung nach der MiFID, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Band 27, 2007, S. 31; U. H. Schneider, Die einheitliche Regelung des internationalen Überweisungsverkehrs durch das UNCITRAL-Modellgesetz, in: Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, 1992, S. 491; Schneider/Assmann, Wertpapierhandelsgesetz, 4. Aufl. 2006; Schütz, Die UNCITRALKonvention über Internationale gezogene Wechsel und Internationale Eigenwechsel vom 9.12.1988, 1992; Serick, Befremdliches zur Barvorschusstheorie?, NJW 1981, 794; ders., Nochmals: Befremdliches zur Barvorschusstheorie, NJW 1981, 1715; Seuß, Alles über Geld, 1993; Seyfried, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) – Neuordnung der Wohlverhaltensregeln, WM 2006, 1375; Spindler/Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – die MiFID und ihre Umsetzung, WM 2006, 1749 und 1797; Staudinger, Ausstrahlungen der Verbraucherschutzrichtlinien in das nationale Prozessrecht, in: Entwicklungen im Verbraucherprivatrecht – Deutschland und Europa, Festgabe Symposion Bülow, 2007, S. 11; Teuber, Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung, BKR 2006, 429; Veil, Der Schutz des Anlegers durch Publizität und Haftung im europäischen und deutschen Kapitalmarktrecht, ZBB 2006, 162; ders., Anlageberatung im Zeitalter der MiFID, WM 2007, 1821; Zimmer/Cloppenburg, Haftung für falsche Informationen des Sekundärmarktes auch bei Kapitalanlagen des nicht geregelten Marktes?; ZHR 171 (2007), 519.
Bülow
4
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen Inhaltsübersicht
A. Zum Begriff Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Prüfstein Sonderprivatrecht. . . . . . . . . . . . . 2 II. Begriff der Bank und der Bankgeschäfte . . 5 III. Funktionaler Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Die Geldidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Zum Geldbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. Geld als Handlungsobjekt der Banken. 11 4. Märkte für Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 B. Rechtsquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Privatrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . 15 2. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4. Generalklausel: § 138 BGB . . . . . . . . . 21 5. Generalklausel: § 826 BGB . . . . . . . . 26 6. Generalklausel: § 307 BGB . . . . . . . . . 27
7. Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kapitalmarkt-(Finanzmarkt-)recht. . . . II. Öffentliches Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . III. Europäisches, supranationales Bankrecht . 1. EGV und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . 2. Konventionen und Modelle . . . . . . . . . C. Einige historische Aspekte und zukünftige Entwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von Babylon bis UNCITRAL. . . . . . . . . . II. Kodifikatorische Vorhaben . . . . . . . . . . . . 1. Einheitlicher europäischer Zahlungsverkehrsraum (SEPA) . . . . . . 2. MiFID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. REITs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Basel II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 29 30 31 31 34 35 35 37 41 43 46 48
Stichwortverzeichnis Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . 2, 27 Anlageberatung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 20, 43, 44 ATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 BAFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 29, 38, 46 Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 5 Bankgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 6 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 36, 46 Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 26, 27 Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 elektronisches Geld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 41 ESZB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 33 Finanzdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 31 Finanzierungsleasing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Finanzmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 14, 29, 32, 36 Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Finanztermingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 44 FRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 37 funktionaler Begriff des Bankrechts . . . . . . . . . . . . . 7 Geld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ff. Geldmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Geldsubstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 11 Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . 18, 20, 29, 44 Hedge-Fonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 institutioneller Begriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1
Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 30, 32, 43 IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 a.E. Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 12, 15 MTF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 43 Rating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 48 revolvierende Globalsicherheit. . . . . . . . . . . . . . . . 24 „Schrottimmobilien“. . . . . . . . . . . . . . . 16, 20, 21, 31 Schuldversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 28 SEPA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 37, 41 Sicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 27, 34 Sicherungszweckerklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Sonderprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Strukturelle Unterlegenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Terminmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 29 Transparenz. . . . . . . . . . 13, 20, 26, 32, 36, 40, 43, 45 UNCITRAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 35 Verbraucher. . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 15, 22, 23, 32, 44 Verbraucherdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 15 Vertragsbruchslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Warenderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 43 Wechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 34, 35 Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 44 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 18, 41
A. Zum Begriff Bankrecht Was ist Bankrecht?
2
I. Prüfstein Sonderprivatrecht. Die Frage mag auf die Suche nach den Rechtsnormen gehen, die anwendbar sind, wenn ein Rechtsverhältnis mit Bezug zu einer Bank zu klären ist; der sich anschließenden Frage, was unter einer Bank zu verstehen ist, wird sogleich nachzugehen sein (Rn. 5). Was gefunden werden könnte, sind Normen als Teil des objektiven Rechts, die allein und besonders für das zu klärende Rechtsverhältnis gelten, sodass ein Sonderrecht festzustellen wäre, das als Bankrecht im institutionell-personalen Sinne bezeichnet werden könnte. Ein solches Sonderrecht kann in der Tat für das öffentliche Bankrecht ausgemacht werden, nämlich in Gestalt von Währungsrecht und Aufsichtsrecht (unten §§ 64 und 65), verbunden mit ihren europäischen primär- und sekundärrechtlichen Bezügen (unten §§ 72, 73, 76 sowie Rn. 30). Problematisch ist dagegen, ob privates Bankrecht, verstanden als die Summe der privatrechtlichen Normen, die Rechtsverhält-
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
5
nisse mit Bezug zu einer Bank regeln, ein Sonderprivatrecht darstellt. Naheliegender Anhaltspunkt für bankbezogene Rechtsverhältnisse ist der Begriff des Bankgeschäfts nach § 1 I KWG; solche Bankgeschäfte betreiben – an dieser Stelle einmal noch so bezeichnete – Banken, so dass daran zu denken wäre, Bankrecht als Sonderprivatrecht der von Banken betriebenen Geschäfte zu begreifen, während der Begriff der Bank dem öffentlichen Bankaufsichtsrecht zu entnehmen wäre. Aber bereits das klassische Bankgeschäft, nämlich das Kreditgeschäft in Gestalt des Gelddarlehens (§ 1 I Nr. 2 KWG), bestimmt sich nach privatrechtlichen Normen, die bar jedes sonderprivatrechtlichen Charakters sind, nämlich nach den Vorschriften über das Gelddarlehen nach §§ 488 ff. BGB, die für jeden Darlehensvertrag, sei eine Bank beteiligt oder nicht, auch unter Privatpersonen, vielleicht als Verwandten- oder Ehegattendarlehen, gelten. Auch das Verbraucherdarlehen, das gem. § 491 BGB einen Unternehmer als Darlehensgeber voraussetzt, ist nicht bankspezifisch, weil Unternehmer nach § 14 BGB jeder ist, der bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständig beruflichen Tätigkeit handelt und nicht notwendig eine Bank ist; gleichwohl stellt niemand in Zweifel, dass das Darlehensrecht zum privaten Bankrecht gehört. Die Bank als Kaufmann wird allerdings sonderprivatrechtlicher Normadressat, nämlich des Handelsrechts; aber die Suche gilt anderem, nämlich sonderprivatrechtlichem Bankrecht. Von Bankrecht ist auch nicht allein deshalb zu sprechen, weil ein Geschäft von einer Bank betrieben wird, etwa im Rahmen von Allfinanzkonzepten Versicherungsgeschäfte (Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 3) oder auch das Maklergeschäft für Immobilien. Auf der anderen Seite bezeichnet der privatrechtliche Begriff des Kredits auch Teilzahlungs- resp. Abzahlungsgeschäfte (unten § 20), die für sich allein nicht dem privaten Bankrecht zugehörig erscheinen. Bankgeschäft ist nach § 1 I Nr. 8 KWG wiederum die Übernahme von Bürgschaften, das Bürgschaftsrecht nach §§ 765 ff. BGB (unten § 20) ist auch durchaus Teil von Bankrecht, aber keineswegs ein Sonderprivatrecht, sondern potentiell allen zugänglich. Gleiches gilt beispielsweise für Wechsel- (unten § 47) und Scheckrecht (unten § 46). An Bankrecht mag man auch denken bei dem filigranen Bereich der bereicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisse, die aufgrund fehlerhafter Anweisung entstehen, weil tatsächliche Grundlage fast immer eine Anweisung im Überweisungs- und anderem Zahlungsverkehr ist; doch dieser Bereich bleibt natürlich allgemeines Zivilrecht. Es gibt aber durchaus auch bankbezogenes Sonderprivatrecht, man denke an den Überweisungsvertrag nach § 676a BGB, den Zahlungsvertrag nach § 676d BGB und den Girovertrag nach § 676f BGB, welche ein Kreditinstitut als Vertragspartei voraussetzen. Wo über allgemein anwendbare privatrechtliche Normen von Bankrecht gesprochen wird, wie etwa beim Darlehensrecht, mag der Grund hierfür auch darin zu suchen sein, dass es gerade Banken sind, die kraft ihres Gewerbes am häufigsten die Adressaten solcher Normen sind und im Zuge dessen das dispositive Recht mit einem filigranen Netz von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Interbankverträgen unterbaut haben. Dieser Unterbau ist bankspezifisch, macht das objektive Recht aber trotzdem nicht zu einem Sonderprivatrecht, weil dieser Begriff, so vielgestaltig er auch ist, an das Gesetz, aber nicht an privatautonome Modifikationen anknüpft. Betrachtet man also diejenigen Teile des objektiven Rechts, die als privates Bankrecht bezeichnet zu werden pflegen, erkennt man Rechtsmaterien, die dem allgemeinen Privatrecht angehören, also gerade keinen sonderprivatrechtlichen Charakter haben, und vereinzelt solche, die so zu apostrophieren sind. Andererseits gibt es Geschäfte, die auch Banken betreiben, ohne dass sich in deren rechtlichen Regelungen Bankrecht verwirklichen würde.
3
Bankrecht als derjenige Teil des objektiven Privatrechts, der die Rechtsbeziehungen regelt, welche durch die von Banken in ihren typischen Bereichen getätigten Geschäfte ent-
4
Bülow
6
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
stehen, also das institutionell-personal bestimmte Recht der Bankgeschäfte, ist demgemäß in seiner Gesamtheit ein nicht eindeutig abgrenzbarer Begriff, namentlich kein Sonderprivatrecht. Sonderprivatrechtlicher Natur sind nur vereinzelte Teile dessen, was als privates Bankrecht aufgefasst wird. Der große Teil der übrigen allgemein-privatrechtlichen Normen wird dadurch zu Bankrecht, dass Banken in prägender Weise Normadressaten sind, ohne andere Personen als Normadressaten auszuschließen. Bankrecht als Recht der Bankgeschäfte, also als rechtlicher Rahmen dessen, was typischerweise gerade Banken tun, ist mithin ein offener Bereich und die Diskussion darüber unergiebig, ob dieses oder jenes privatrechtliche Feld dazugehört oder nicht. 5
II. Begriff der Bank und der Bankgeschäfte. Der weithin fehlende Ausschlusscharakter privatrechtlicher und als dem Bankrecht zugehörig erachteter Normen kennzeichnet das objektive Recht. Ausschließlichkeit tritt dagegen ein, wenn die Frage zu beantworten ist, wer derartige Geschäfte gewerbsmäßig resp. kaufmännisch betreiben darf. Bankgeschäfte darf in dieser Weise bekanntlich nur betreiben, wer hierfür nach §§ 32 ff. KWG zugelassen ist (unten § 65). Aber die Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen ist als Verwaltungsakt öffentlich-rechtlicher Natur, die an den anzuwendenden privatrechtlichen Normen, etwa an denjenigen des Darlehensrechts, nichts ändert. Es bleibt also bei dem für das private Bankrecht ermittelten Befund.
6
Der offene, an Bankgeschäften ausgerichtete Begriff des privaten Bankrechts erfährt jedoch noch eine weitergehende Öffnung, wenn man sich fragt, was unter Bankgeschäften verstanden werden soll. Der privatrechtliche Begriff des Bankgeschäfts dürfte sich nicht auf den aufsichtsrechtlichen nach § 1 I 1 KWG beschränken, sich vielmehr auch auf solche Geschäfte erstrecken, die Anlagen- und Abschlussvermittlung oder etwa das Kreditkartengeschäft betreffen. Demgemäß wären diejenigen Normen des objektiven privaten Rechts, die Finanzdienstleistungen oder auch die Geschäfte der Finanzunternehmen erfassen (unten Kap. IV), ebenfalls dem privaten Bankrecht zuzuordnen. Mit Bank wären demgemäß nicht nur die private Bank, Sparkasse oder Kreditgenossenschaft als Kreditinstitut (die drei Säulen des deutschen Bankwesens, Claussen, Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl. 2008, § 2 Rn. 4, freilich ins Wanken geraten, unten Rn. 39), sondern auch das Finanzdienstleistungsunternehmen nach § 1 Ia KWG, Finanzunternehmen (§ 1 III KWG) und ähnliche Unternehmen für Zwecke des privaten Bankrechts zu bezeichnen. Hieraus wiederum folgen sonderprivatrechtliche Einzelmaterien innerhalb privaten Bankrechts, beispielsweise nach §§ 126, 127 InvG (Widerruf der Kauferklärung, Ansprüche wegen unrichtigen Verkaufsprospekts gegen Kapitalanlagegesellschaft) oder etwa nach der vormals geltenden (unten Rn. 44) Vorschrift von § 37d WpHG (Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen Informationspflicht). III. Funktionaler Begriff. 1. Die Geldidee. Das gemeinsame Ordnungsprinzip, das den Begriff des privaten Bankrechts als Teil des objektiven Rechts ausmacht und das sich weder am Bankgeschäft noch an der Bank als Normadressatin festmachen lässt, also durch einen institutionellen Bankrechtsbegriff nicht erschließbar ist, mag (mit Schwintowski/ Schäfer, § 1 Rn. 2) in der Funktion der betrachteten Normen zu erkennen sein. Das Gemeinsame liegt darin, dass der Kern des geregelten Gegenstands der Normen das Geld ist. Bankrecht verwirklicht danach die Idee des Geldes in den Funktionen, die diesem eigen sind und stellt die zur Sicherung und Durchführung dieser Idee erforderlichen Rechtsregelungen dar. Rechtsregeln sind notwendig zur Durchführung der Geldaufbewahrung und erfassen das Einlagengeschäft, zur Durchführung von Geldumlauf und Geldschöpfung in Gestalt von Krediten und deren Sicherung sowie des Zahlungsverkehrs, zur Durchführung der Geldanlage sowohl durch Einlagen wie durch das Betreten der Kapitalund Finanzmärkte, überlagert durch öffentliches Währungs- und Aufsichtsrecht.
7
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
7
2. Zum Geldbegriff. Was ist Geld? In der Nationalökonomie gilt der Satz, „Geld ist, was gilt“, wobei sich sprachetymologisch Geld aus gelten ableitet und übrig bleibt: Geld ist, was Geld ist. Diese tautologische Befindlichkeit spiegelt die Schwierigkeit wider, das Selbstverständliche zu definieren. Ausgangspunkt ist die Entwicklung arbeitsteiliger Wirtschaften zu Tauschwirtschaften, in denen sich die Notwendigkeit von Tauschmitteln herausbildete, wofür sich namentlich Gold eignete. Der Wert des Goldes, sein Gewicht etwa in der Form einer Münze, entsprach dem Tauschwert. Geld definiert als Tauschmittel erlangt seine Anerkennung hiernach durch seinen Warenwert und dadurch von selbst seine Geltung. In realistischer, metallistischer Auffassung ist Geld Ware und diese Ware Bezugseinheit für die Tauschverhältnisse unter den angebotenen Gütern. Nach nominalistischer Auffassung bedarf es für die Etablierung als Bezugseinheit darüber hinaus einer Übereinkunft der Wirtschaftssubjekte, vor allem durch die Rechtsordnung (oder sogar mythologisch begründet, Haltern, FS Reiner Schmidt, S. 693, 715 ff.), welche proklamiert, was als Geld gilt. Aber auch nicht staatliche Konvention kann die Geltung begründen, etwa in Zeiten einer Hyperinflation Zigaretten (Duwendag, in: Obst/Hintner, S. 3) oder bei Münzengpässen Gasmarken, wie in Italien der vergangenen neunziger Jahre zu beobachten gewesen; der amerikanische Zukunftsforscher John Naisbitt prophezeit die Privatisierung der Währungen (Mind Set!, deutsche Ausgabe 2007). Wo statt des Tauschmittels selbst Schuldscheine emittiert werden, die den Anspruch auf Herausgabe des zuvor hinterlegten Tauschmittels verbriefen, bleibt es beim Warencharakter des als Geld verstandenen Tauschmittels. Die besondere Bedeutung von Geld als Mittel der Steuerung von Wirtschaftsabläufen entfaltet sich aber erst dadurch, dass der Warencharakter von Geld, also sein – zumindest auch – bestehender Gebrauchswert, durch seinen Tauschwert vollständig verdrängt wird, so dass Geld „der zum Selbstzweck gewordene Tauschwert“ dessen, was als Geld verwendet wird (in erster Linie: die Währung), ist (Simitis, AcP 159 – 1960 –, 404, 414). Nun stellt sich die nächste Frage, nämlich wie gerade Geld als seiner physischen Substanz entkleidetes Tauschmedium in der Lage sein kann, Wirtschaftsabläufe zu steuern. Es ist hierzu in der Lage, weil die Negation seiner Substanz (Simitis, a.a.O., S. 416) durch seine Funktionen aufgefüllt wird. Die Negation der Substanz findet ihren Sinn in der Zuweisung gewünschter Funktionen, mit denen Geld seine Aufgaben als Steuerungsmittel ausüben kann (Ohler, JZ 2008, 397 (318); es sind drei (Triade der Geldfunktionen, Duwendag, a.a.O., S. 3), nämlich die Funktionen als
8
– Recheneinheit, – Zahlungsmittel, – Wertaufbewahrungsmittel. Diese Funktionen lassen Geld in unterschiedlichen Betrachtungsweisen erscheinen. Geld als Zahlungs- und als Wertaufbewahrungsmittel betrachtet eine konkrete Geldmenge, in welcher Substanz auch immer oder substanzlos etwa als Buchungsvorgang. Geld als Recheneinheit funktionalisiert Geld als Wertmesser, namentlich als Preis von Gütern, der in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen als Währungseinheit zum Ausdruck kommt (vgl. Seuß, Alles über Geld, S. 17). Er meint Geld im abstrakten oder institutionellen Sinn (Staudinger/K. Schmidt, 1997, vor §§ 244 ff. BGB Rn. A 15). Im gegenständlichen Sinn meint Geld diejenigen Gegenstände, die den verselbständigten Tauschwert verkörpern, also Münzen und Banknoten, anders gewendet das Sachgeld, wie es in zahlreichen zivilrechtlichen Vorschriften vorkommt: §§ 232, 235, 372, 698, 702, 935, 1006 BGB, 808, 815 ZPO (während § 270 BGB Geld im abstrakten Sinne, außerdem im konkret-funktionalen Sinn, gleich nachf., meint, K. Schmidt, a.a.O., Rn. A 16). Nicht Geld im gegenständlichen Sinn ist Buch- oder Giralgeld, das als Guthaben bei einem Kreditinstitut eine Forderung gegen dieses darstellt. Buchgeld ist aber auch und gerade geeignet, Geldfunk-
Bülow
9
8
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
tionen zu erfüllen und stellt eine genau bestimmte Geldmenge dar. Es kann neben anderen Medien als Geld im konkret-funktionellen Sinn bezeichnet werden (K. Schmidt, a.a.O., Rn. A 17) und wird in §§ 270, 1806, 2119 BGB miterfasst. Welche Medien es sind, die Geldfunktionen erfüllen und dadurch die Schlüsselfunktion bei der Steuerung von Wirtschaftsabläufen einnehmen (Ehrlicher, HdWW Bd. 3, S. 391), kann in monetaristischer Sicht auf diejenigen Vermögensobjekte beschränkt werden, die jederzeit Kaufbereitschaft sichern; hierzu zählen Geld im gegenständlichen Sinne und Buchgeld, nicht aber Geldsubstitute wie Schecks als Zahlungsanweisungen oder Wechsel als Zahlungsverpflichtungen und andere verbriefte Forderungen, auch nicht Kreditkarten, die auf eine Verrechnung hinführen (während ec-Karten zu Buchgeldbewegungen führen). In liquiditätstheoretischer Sicht werden demgegenüber Geldsubstitute als monetäre Forderungen ebenso wie Buchgeld in den Geldbegriff einbezogen, wenn und soweit sie Liquidität der Wirtschaftssubjekte herbeiführen und deshalb die Schlüsselfunktion bei der Steuerung von Wirtschaftsabläufen einnehmen können. Den Geldsubstituten liegt der institutionelle Geldbegriff zugrunde, durch den sie als Recheneinheit wirken können. 10
Zahlungsvorgänge können auch auf elektronischem Wege bewirkt werden, ohne dass eine Verbuchung auf den Konten von Zahlendem und Empfänger stattfände. Vielmehr wird die dem gegenständlichen Geld entsprechende Rechnungseinheit in Form digitaler Daten beim Zahlungswilligen gespeichert, und diese Daten werden auf den Empfänger übertragen, sei es durch die sog. GeldKarte oder durch das Internet. An dieser Datenübertragung ist ein Kreditinstitut nicht beteiligt. Die Kreditinstitute sind es jedoch, die ihren Kunden die Datensätze als elektronisches Geld (E-Geld, Netzgeld, Cyber-Geld, unten § 9) – gegen Belastung auf dem Girokonto – zur Verfügung stellen resp. das sog. Cyber-Cash-System unter Einschaltung einer Clearingstelle organisieren (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 4.1111; Monatsbericht der Deutschen Bundesbank Dezember 2006, S. 93 (98); E-Geld-Richtlinie 2000/46/EG). Die Ausgabe und Verwendung von elektronischem Geld ist Bankgeschäft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 11 KWG. Aber der Datenaustausch als Zahlungsvorgang findet ohne Beteiligung der Kreditinstitute statt, und er führt als solcher nicht zu einer Mehrung des Tauschmittelbestandes beim Empfänger. Elektronisches Geld stellt sich deshalb lediglich als Geldsubstitut dar.
11
3. Geld als Handlungsobjekt der Banken. Ein funktionaler Begriff des Bankrechts, dessen Fundament die Geldidee ist (vorst. Rn. 7), meint Geld nicht nur im konkret-funktionellen oder gar nur im gegenständlichen Sinn – gerade Buchgeld ist ein wichtiger Bereich –, beschränkt sich nicht auf eine monetaristische Betrachtung und bleibt auch nicht bei der Liquiditätsbetrachtung stehen – auch Geldsubstitute, etwa Wechsel und Scheck oder das Kreditkartengeschäft sind wichtige Bereiche des Bankrechts –, sondern ein funktionaler Begriff erstreckt sich auf alles, was das Ziel hat, sogleich oder zu späterem Zeitpunkt Geldfunktionen zu erfüllen. Hierzu gehören deshalb beispielsweise viele Spielarten der Geldanlage, die etwa auch in liquiditätstheoretischer Sicht nicht mehr zum monetären, sondern zum realen Sektor gehören; plakativ benennt es die Zeitschrift „Der Spiegel“ im Bericht über die kommerzialisierte Anlage in bildende Kunst als „gemaltes Geld“ (Nr. 50/2006, S. 169: „art banking“; der erste geschlossene Kunstfonds wurde aufgelegt, Financial Times Deutschland vom 19.12.2006, S. 24). Daran zeigt sich zugleich, dass die Grenzen auch eines funktionalen Bankrechtsbegriffs fließend sind.
12
4. Märkte für Geld. Privates Bankrecht als Summe der Rechtsnormen, welche die Geldidee verwirklichen, entfaltet sich dort, wo Bankgeschäfte geschlossen werden, also wo Anbieter und Nachfrager zusammentreffen und sich Preise für Leistungen bilden, die eine Bank erbringt oder entgegennimmt. Diese Märkte bilden zugleich Notwendigkeiten heraus, das Funktionieren der Märkte selbst und der dort zu schließenden Geschäfte rechtlich
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
9
zu regeln, sodass der Blick auf die Märkte die Durchdringung des Rechtsgefüges fördert. Angebot und Nachfrage nach Geld treffen sich auf monetären Märkten, im weiteren Sinne hinsichtlich der Geldsubstitute und in Bezug auf alles, was Geldfunktionen einnehmen kann (vorst. Rn. 9), auf Finanzmärkten. In der Geldtheorie werden die monetären Märkte, in ihrer Gesamtheit als Kreditmarkt bezeichnet, in Teilmärkte unterteilt, nämlich den Geldmarkt, auf dem kurzfristige Geldanlagen und Kredite gehandelt werden, und den Kapitalmarkt für langfristige Geldanlagen und Kredite. Eine andere Unterteilung erkennt fünf Teilmärkte des monetären Marktes: den Geldmarkt als Ort des Zentralbankgeldes (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBankG), den Kapitalmarkt für längerfristige Wertpapiere, den Bankenkreditmarkt, den Bankeneinlagenmarkt, auf dem Banken als Nachfrager von Einlagen auftreten, und schließlich den Markt der Finanzintermediäre für Nicht-Kreditinstitute als Anbieter und Nachfrager. Diese Kategorisierungen dienen der Darstellung monetärer Probleme, führen die Darstellung rechtlicher Fragestellungen aber nur weiter in Bezug auf den Bankenkreditmarkt und den Bankeneinlagenmarkt, auch in Bezug auf den Markt des Zentralbankgeldes, welcher der Bundesbank und den Kreditinstituten vorbehalten ist. Hiervon abgesehen knüpft der Begriff „Kapitalmarkt“ an die Längerfristigkeit an, ohne dass es eine juristisch-sachliche Begründung gäbe, Geschäfte mit kurzfristigen Krediten dem Bankrecht zu entziehen, ganz zu schweigen von der Frage, wie die richtige Grenze zwischen Kurz-, Mittel- und Langfristigkeit zu ziehen ist. Der Begriff des Kapitalmarkts im rechtlichen Sinne erschließt sich vielmehr aus den Normen, die für bestimmte Märkte gelten. Den Kern des Kapitalmarktrechts bildet das Wertpapierhandelsgesetz zusammen mit dem – durch das FRUG (unten Rn. 37) neu gefassten – Börsengesetz als Organisationsrecht der Börsen sowie dem Depotgesetz und dem novellierten Investmentgesetz für seinen Bereich, das Wertpapierübernahmegesetz, Verkaufsprospektegesetz, Wertpapierprospektegesetz nebst Verordnungen. Ihr Ausgangspunkt sind Aktien und Schuldverschreibungen i.S.v. § 793 BGB als Anlagetitel (Kümpel, Rn. 8.126) und vergleichbare Wertpapiere i.S.v. § 2 Abs. 1 WpHG, die Grundlage des Wertpapiermarktes sind, der als Kapitalmarkt im engeren rechtlichen Sinne bezeichnet werden kann. Dieser ist Primärmarkt in der Folge einer Emission, z.B. von Pfandbriefen (vgl. §§ 4 ff. PfandbriefG), und Sekundärmarkt für den Handel mit bereits früher emittierten Wertpapieren. Die Sekundärmärkte weisen unterschiedliche Organisationsgrade auf und teilen sich in den Regulierten Markt als gesetzlichem Marktsegment (organisierte Märkte i.S.v. § 2 Abs. 5 WpHG) sowie den Freiverkehr (Open Market, § 48 BörsenG n.F.), die einerseits an Börsen stattfinden können und deren Organisation Gegenstand des Börsengesetzes ist und andererseits außerbörslich organisiert sein können, z.B. als Handelsplattformen von Banken. Diese können auch Primärmärkte sein und unterliegen Prospektierungspflichten nach dem WpPG. Elektronische Handelssysteme, die außerbörslich als alternative Handelssysteme (ATS, Alternative Trading Systems) oder börsenähnliche Einrichtungen organisiert sind (§§ 58 bis 60 BörsenG a.F.), gingen in den Multilateralen Handelssystemen (MTF) i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 der MiFID (unten Rn. 43) auf (§ 1 Abs. 1 Nr. 1b KWG/ §§ 2 Abs. 3 Nr. 8, 31f, 31g WpHG); den Eigenhandel außerhalb hiervon betreiben systematische Internalisierer i.S.v. §§ 2 Abs. 10, 32 ff. WpHG. Diese Kapitalmärkte als Wertpapiermärkte stehen den Kapitalmärkten gegenüber, auf denen nicht verbriefte Gesellschaftsanteile, z.B. Kommanditanteile an Publikumsgesellschaften, Anteile an geschlossenen Fonds und anderes gehandelt werden. Sie sind keine organisierten Märkte i.S.v. § 2 Abs. 5 WpHG; wenn sie Primärmärkte sind, werden Emittenten aber verkaufsprospektepflichtig, wobei die Bundesanstalt für Finanzaufsicht lediglich eine formelle Vollständigkeitsprüfung nach § 8g Abs. 1 VerkaufsprospekteG anstellt („BAFin-Siegel“, LG Hamburg WM 2007, 1738). Diese Märkte als Kapitalmärkte im weiteren Sinne stellen den sog. Grauen Kapitalmarkt dar. Fehlerhafte Prospektangaben können Schadensersatzansprüche
Bülow
10
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
der Kapitalanleger begründen (Zimmer/Coppenburg, ZHR 171 – 2007 –, 519) und zu Musterverfahren nach dem Kapitalmusterverfahrensgesetz (KapMuG) mit besonderem Gerichtsstand nach § 32b ZPO führen; dieser gilt nicht in Bezug auf den Grauen Kapitalmarkt (BGH NJW 2007, 1365 und OLG München NJW 2007, 163 gegen OLG Koblenz NJW 2006, 3723). 13
Nicht zum Kapitalmarkt werden die Terminmärkte gerechnet, bei denen es nicht um den Erwerb von Wertpapieren geht, sondern um Differenzgewinne aus Kursschwankungen resp. um den Schutz vor solchen (Hedging-Geschäfte, Kümpel, Rn. 8.143). Finanztermingeschäfte sind in § 37e Satz 2 WpHG (§ 2 Abs. 2a a.F.) definiert (Kind, Börsen- und Finanztermingeschäfte, S. 24) und begründeten früher besondere Verbraucherinformationspflichten nach § 37d WpHG (§ 13 BGB, Kümpel, WM 2005, 1 (6)), die allerdings anlässlich der MiFID-Umsetzung (unten Rn. 44) wegfielen. Die Termingeschäfte können börslich (Eurex in Frankfurt am Main) oder außerbörslich (Over the Counter, OTCGeschäfte) organisiert sein (Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, 2003, 060/ Rn. 549). Nicht zum Kapitalmarkt werden auch die Geldmärkte gezählt, auf denen Kreditinstitute Zentralbankgeldbestände und Geldmarktpapiere (Schatzanweisungen) handeln, so dass Geldmarkt- und Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 1a, Abs. 2b WpHG) entstehen und die Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG ausgelöst werden können. Nicht dem Kapitalmarkt werden auch Devisenmärkte zugerechnet, auf denen Fremdwährungsguthaben gehandelt werden, die an ausländischen Plätzen zahlbar sind (Schriften der Deutschen Bundesbank Nr. 7, Geldpolitische Aufgaben und Instrumente, 6. Aufl. 1993, S. 48). Auch hier können §§ 2 Abs. 1a, Abs. 2, 31 ff. WpHG anwendbar sein.
14
Die geldbezogenen Märkte, die nicht den Kapitalmärkten zugerechnet zu werden pflegen, gehören wegen dieses Bezugs gleichermaßen zum Bereich des Bankrechts. Die EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 2004/39 (MiFID, unten Rn. 32, 43) ist in ihrem Anwendungsbereich nicht auf Kapitalmärkte im herkömmlichen Sinn beschränkt, sondern erfasst auch Warenderivate, Anlageberatung und kann sich beispielsweise auf den Energiehandel erstrecken. Der rechtlich geregelte Rahmen ist deshalb statt mit Kapitalmarktrecht besser mit Finanzmarktrecht bezeichnet, wie dies auch europäischem und deutschem Gesetzgebungsvokabular entspricht (vgl. Rn. 43).
15
B. Rechtsquellen I. Privatrechtliche Normen. 1. Kredit und Kreditsicherheiten. Objektives Privatrecht, das die Durchführung von Geldschöpfung und Geldumlauf erfasst, findet sich in Gestalt des Darlehensvertrags nach §§ 488 ff. BGB (unten § 9) mit Besonderheiten für Verbraucherdarlehen nach §§ 491 bis 498 BGB (unten § 15), das einen Verbraucher nach § 13 BGB resp. einen Existenzgründer nach § 507 BGB als Darlehensnehmer und einen Unternehmer nach § 14 BGB – also nicht notwendig ein Kreditinstitut, sondern z. B. auch einen Arbeitgeber, § 491 II Nr. 2 BGB – als Darlehensgeber voraussetzt. Verbraucherdarlehensrecht ist überlagert durch die allgemeinen verbraucherprivatrechtlichen Vorschriften über den Widerruf nach §§ 355 i.V.m. 495 BGB und über verbundene Geschäfte nebst Einwendungsdurchgriff nach §§ 358, 359 BGB für den Fall finanzierter Geschäfte (unten § 15). Teilzahlungsgeschäfte nach § 499 II BGB für sich allein als besondere Form der Stundung können zwar dem Bereich der Geldschöpfung zugerechnet werden, nämlich dem in der Stundung liegenden Kredit (so Art. 1 II lit. c Verbraucherkreditrichtlinie), aber ohne Beteiligung einer Bank (unten § 20). Die Finanzierung des Kaufpreises durch eine Bank, die zur Verbindung von Verbraucherdarlehensvertrag und Kaufvertrag nach § 358 III BGB führt, ist kein Fall eines Teilzahlungsgeschäfts nach § 499 II BGB, wo nur ein einziger Vertrag mit Stundungs-(Teilzahlungs-)abrede geschlossen wird (trotz des Ver-
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
11
weises in § 501 auf §§ 358, 359 BGB, der gegenstandslos ist, zutr. MünchKommBGBHabersack, § 358 BGB Rn. 16). Eine Substitutionsform der Finanzierung durch Darlehen ist das Finanzierungsleasing, das wiederum im Verbraucherprivatrecht durch §§ 499 II, 500 BGB Erwähnung gefunden hat (unten § 21) und das die Beteiligung einer Bank nicht voraussetzt. Der Darlehensvertrag ist im Übrigen die rechtsgeschäftliche Grundlage für das Einlagengeschäft, wo die Bank Darlehensnehmer und ihr Kunde Darlehensgeber ist. Besondere Virulenz hatte das verbundene Geschäft – neben zahlreichen weiteren Problematiken verbraucherprivatrechtlicher Art – bei der Finanzierung von Kapitalanlagen, insbesondere von Immobilien, erlangt, wo Anleger im sogenannten Strukturvertrieb, d.h. auch: in Haustürsituationen, wenig werthaltige Immobilien erwarben, die als „Schrottimmobilien“ in den Sprachgebrauch eingingen. Die Prozesse der geprellten Anleger richteten sich – mangels Solvenz der Vertriebsunternehmen – gegen die finanzierenden Banken und gelangten in die Revisionszuständigkeit sowohl des II. Zivilsenats als Gesellschaftsrechtssenat wie des XI. Zivilsenats als Bankrechtssenat. Es entstanden Kontroversen zwischen den beiden Senaten, welche die juristische Fachwelt namentlich aufgrund einer Entscheidungsserie im Jahre 2004 in Atem hielt (BGH – II. ZS – NJW 2004, 2731, 2736, 2742, 3332 = BGHZ 280, 294; hierzu ausführlich Artz, in: Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 495 BGB Rn. 371 bis 406); die Kontroversen galten u.a. namentlich einem Rückforderungsdurchgriff, der neben den Einwendungsdurchgriff nach § 359 BGB getreten wäre und die Anleger zur Liqudierung ihrer Schadensersatzansprüche bei der Bank berechtigt hätten. Die Kontroversen wurden im April 2006 beigelegt („Das Ende eines Schismas“, Derleder, NZM 2006, 449) und die alleinige Entscheidungskompetenz hierüber dem XI. Zivilsenat zugeführt, der seinerseits in einer Entscheidungsserie den endgültigen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung festlegte und noch festlegen wird (BGH – XI. ZS – NJW 2006, 1952, 1955, 1957, 2099 sowie NJW 2007, 357, 361, 364). Danach findet ein Rückforderungsdurchgriff nicht statt (BGH NJW 2006, 1955 Rn. 28); anders als im Falle des Widerrufs nach § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB entsteht kein Abwicklungsverhältnis mit dem Darlehensgeber. Auch der EuGH wurde mit der Schrottimmobilienproblematik befasst, nicht nur mit der Heininger-Entscheidung (WM 2001, 2434, unten Rn. 31), nach welcher an der Haustür zustande gekommene Realkreditverträge widerruflich sind, sondern u.a. auch mit den Urteilen vom 25.10.2005 (Badenia, Crailsheimer Volksbank, WM 2005, 2079, 2086), bei denen es um die Folgen einer unterbliebenen haustürgeschäftlichen Widerrufsbelehrung ging. § 357 i.V.m. § 346 BGB enthält keine Regelung für den Fall, dass der Unternehmer keine Widerrufsbelehrung erteilt hatte und der Verbraucher aufgrund dessen Nachteile erleidet; die Schadensersatzregelung des § 346 Abs. 4 bezieht sich auf die Verletzung von Rückgewährspflichten, während die Widerrufsbelehrung in die Vertragsabschlussphase fällt. Jedoch bestimmt Art. 4 Satz 4 der Haustürgeschäfterichtlinie 85/577/EWG, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers bei unterbliebener Belehrung vorsehen. Daraus hat der EuGH die Folgerung gezogen, dass der Darlehensgeber als Unternehmer und nicht der Verbraucher die Risiken aus dem Geschäft trägt, das bei ordnungsgemäßer Belehrung widerrufen worden wäre. Der Unternehmer hat im Fall des Haustürgeschäfts (offen im Fall des Fernabsatzgeschäfts) die Rechtspflicht zur Belehrung, ihn trifft nicht nur eine Obliegenheit (BGH NJW 2007, 357 Rn. 41). Ein daraus abzuleitender Schadensersatzanspruch ist allerdings nicht nur verschuldensabhängig (§ 276 Abs. 1 BGB), sondern setzt auch Kausalität zwischen unterlassener Belehrung und Schaden voraus. Im Fall eines finanzierten Immobilienerwerbs ist der Immobilienkauf nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst (Art. 3 Abs. 2 lit. a), wohl aber der Darlehensvertrag. Meistens hat-
Bülow
16
12
17
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
ten Verbraucher jedoch zuerst das Immobiliengeschäft abgeschlossen und erst danach den Darlehensvertrag. Fehlt hier die Belehrung, ist dieser Mangel nicht kausal für Nachteile, die sich aus dem Immobilienerwerb ergeben (BGH NJW 2006, 2099 Rn. 38; 2007, 364; hierzu ausführlich und krit. Staudinger, in: Symposion Bülow, S. 11 (20)). Daran scheitert in solchen Fällen ein Schadensersatzanspruch. Ergänzende Hilfsgeschäfte zu den Kreditgeschäften sind die Sicherungsgeschäfte, die durch das Privatrecht umfänglich, aber doch nicht ausreichend erfasst sind. Gesetzlicher Typus einer Personalsicherheit ist die Bürgschaft nach §§ 765 bis 778 BGB (unten § 25; das Gesetz fasst die Bürgschaft als Sonderform des allgemeinen Garantievertrags auf, Motive II, S. 657/658, bei Mugdan S. 367). Realsicherheiten sind durch die Pfandrechte detailliert erfasst, nämlich als Grundpfandrechte, teils akzessorisch zur gesicherten Forderung mit der Hypothek (§§ 1113 bis 1190 BGB), teils nicht-akzessorisch mit Grundschuld (§§ 1191 bis 1198 BGB, unten § 24) und Rentenschuld (§§ 1199 bis 1203 BGB) und als akzessorisches Mobiliarpfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204 bis 1259 BGB) oder an Rechten (§§ 1273 bis 1296 BGB), insbesondere an Forderungen (§§ 1279 bis 1290 BGB, unten § 27). Regelungsgegenstand ist das Verfügungsgeschäft. Dagegen wurde für die obligatorische Grundlage, den Sicherungsvertrag als causa (unten § 23), die Notwendigkeit einer Kodifikation im Gesetzgebungsverfahren verneint (Prot. II, S. 2553, bei Mugdan S. 1032). Während sich die Grundpfandrechte in der Praxis bewährten, machte das Faustpfandprinzip durch Übertragung des unmittelbaren Besitzes auf den Gläubiger nach § 1205 I 1 BGB die Kreditsicherungsform des Mobiliarpfandrechts für den Betriebsmittelkredit untauglich, bei der Forderungsverpfändung die Anzeigepflicht als Publizitätsmittel nach § 1280 BGB, so dass die Kautelarpraxis die Kreditsicherung durch Vollrechtsübertragung als – notwendigerweise nicht akzessorische – Sicherungen entwickelte (unten §§ 28 und 30). Rechte und Sachen werden treuhänderisch, nämlich an den Sicherungszweck gebunden und zu eigenem Nutzen des Kreditgebers als Sicherungsnehmer, durch Instrumentalisierung der Regelungen über Verfügungsgeschäfte nach §§ 929 ff. resp. 398 ff. BGB, übertragen, eine durch das Gesetz erkannte Sicherungsform, wie sie die Verjährungsvorschrift von § 216 II 1 BGB voraussetzt. Der Warenkredit kann durch den Eigentumsvorbehalt nach § 449 I BGB gesichert werden, überlagert durch eine Sicherungsabtretung als verlängerter Eigentumsvorbehalt oder durch eine Sicherungsübereignung als erweiterter Eigentumsvorbehalt (letzterer teilweise erfasst durch § 449 III BGB). Im Internationalen Privatrecht gilt die lex rei sitae nach Art. 43 I EGBGB. Allerdings bestimmt Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, dass der wirksam begründete Eigentumsvorbehalt auch nach Grenzüberschreitung innerhalb des Binnenmarktes bestehen bleibt. Dem entspricht die Regelung des Art. 43 III EGBGB, wonach sachenrechtliche Vorgänge, die vor der Grenzüberschreitung stattfanden, zu berücksichtigen sind, also z.B. ein dort begründeter Eigentumsvorbehalt. Dagegen verwandelt sich ein USamerikanisches besitzloses Pfandrecht in Sicherungseigentum aufgrund Verbringung nach Deutschland (OLG Karlsruhe WM 2003, 384). Die Situs-Regel gilt auch und gerade für Grundpfandrechte. Aber Überlegungen zur Schaffung eines einheitlichen Grundpfandrechts in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten werden angestellt, welches die bestehenden nationalen Modelle nicht ablösen, sondern als zusätzlicher Typus für den grenzüberschreitenden Kreditsicherungsverkehr in die nationalen Sachenrechte aufgenommen werden und nicht akzessorisch sein soll; insoweit ist die hierfür verwendete Bezeichnung „Eurohypothek“ nicht ganz präzise (zu den dogmatischen Schwierigkeiten im Hinblick auf Abstraktions-, Kausal- oder Konsensprinzip in den europäischen Rechtsordnungen Kiesgen, Hypothekarkredit, S. 223 ff.).
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
13
2. Zahlungsverkehr. Privatrechtliche Grundlage des Zahlungsverkehrs ist der Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 I BGB, der als Girovertrag seine sonderprivatrechtliche Ausprägung durch § 676f BGB und den Überweisungsvertrag nach §§ 676a bis 676c BGB gefunden hat (unten § 37). Weit über diese Regelungen hinausgehend ist der Geschäftsbesorgungsvertrag rechtsgeschäftliche Grundlage der meisten Finanzdienstleistungen (Hammen, S. 205) wie etwa in Gestalt des Scheckvertrags (vgl. Art. 3 ScheckG) oder im Wechselinkasso (während dem Diskontgeschäft entweder ein Darlehensvertrag – bei Rückbelastungsrecht – oder ein Kaufvertrag – ohne ein solches – zu Grunde liegt, Bülow, WG, ScheckG, AGB, Art. 11 WG Rn. 25; die gleiche Unterscheidung gilt für die Abgrenzung von echtem und unechtem Factoring, BGHZ 82, 50 (61); Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1676 ff., unten § 29) oder auch der Effektenkommission, die in Gestalt von §§ 383 ff. HGB sonderprivatrechtlich geprägt ist (BGH NJW-RR 2002, 1344, vgl. auch unten Rn. 44 a.E.) und ihrerseits eine Sonderform der Geschäftsbesorgung darstellt. Dieser Vertrag und der Girovertrag sind zugleich Dienstverträge nach §§ 611 ff. BGB, die anderen dürften als Werkverträge nach §§ 631 ff. BGB einzuordnen sein (für Scheckvertrag Canaris, Rn. 681; Bülow, Art. 3 ScheckG Rn. 3; OLG Schleswig BB 1990, 736). Auch Interbankverträge sind häufig Geschäftsbesorgungsverträge wie z. B. der Zahlungsvertrag nach § 676d BGB oder etwa der Abrechnungsvertrag im Zuge der Skontration (vgl. §§ 19 Nr. 4 i.V.m. 3 BBankG, Art. 31 ScheckG, 38 II WG).
18
Namentlich Kartensysteme funktionieren durch Nutzbarmachung eines klassischen privatrechtlichen Instruments, nämlich des abstrakten Schuldversprechens nach § 780 BGB (unten §§ 48, 49).
19
3. Information. Die Problematik der Aufklärungs-, Auskunfts- und Beratungspflichten als Haupt- oder Nebenpflichten von Geschäftsbesorgungs- und anderen Verträgen oder auch aufgrund Bestehens einer Geschäftsverbindung (Müller-Graff, S. 217 ff.) ist im Bankvertragsrecht virulent (Hopt, Schriftenreihe BrV Bd. 3, S. 1, unten § 4; zum deliktsrechtlichen Aspekt unten Rn. 26), in besonderer Ausprägung durch die Informationspflichten von Kreditinstituten nach § 675a BGB, Art. 239 EGBGB und § 12 der BGB-InformationsVO (s. nur Lang/Rösler, in: Welter/Lang, Handbuch der Informationspflichten im Bankverkehr, 2005, Kap. 12). Banken und Vermögensverwalter müssen beispielsweise bei der Vermittlung von Finanzprodukten ihre Kunden über Provisionen aufklären, die vom Betreiber des vermittelten Produkts an die Bank zurückfließen (sog. Kickbacks, BGH WM 2007, 487 mit Rezension Brocker, BKR 2007, 365; OLG München ZIP 2008, 66; Rößler, NJW 2008, 554 sowie M. und S. d’Oleire, WM 2007, 2129). In der dogmatischen Kontroverse um den Standort solcher Pflichten – jenseits von Art. 26 MiFID-DVO 2006/73/EG/§ 31d WpHG (unten Rn. 43) – in einem allgemeinen Bankvertrag (bejahend Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1; verneinend Canaris, Rn 2, näher unten § 2) als Rahmenvertrag hat sich der BGH dem ablehnenden Lager angeschlossen (BGHZ 152, 114 = WM 2002, 2281; Roth, WM 2003, 480). Eine besondere Variante der Haftung für die Verletzung von Aufklärungspflichten einer Bank hat die Schrottimmobilienproblematik (vorst. Rn. 16) hervorgebracht. Nur ausnahmsweise ist die finanzierende Bank zur Aufklärung über besondere Risiken des finanzierten Objekts verpflichtet, u.a. dann, wenn sie hierüber einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Anleger als Darlehensnehmer hat. Die objektive Beweislast trägt nach der Normentheorie der Anleger, der Schadensersatz wegen Pflichtverletzung begehrt. Handelt die Bank jedoch in institutionellem Zusammenwirken mit dem Vertreiber oder Vermittler des finanzierten Objekts, wird dem Anleger die Beweisführung erleichtert. Täuscht nämlich der Vertreiber des Objekts den Anleger arglistig, ist außerdem die Unrichtigkeit seiner Angaben evident und veranlasst er die Finanzierung durch die Bank, wird das Wissen der Bank von der arglistigen
20
Bülow
14
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Täuschung widerleglich vermutet. Der Anleger hat nur noch – vorbehaltlich des Gegenbeweises durch die Bank – diejenigen Tatsachen zu beweisen, welche die Vermutung begründen (BGH NJW 2006, 2099; 2007, 357 und 361; WM 2008, 1121). Es handelt sich um eine Umkehr der konkreten Beweisführungslast (subjektiven Beweislast). Die Tatbestandsvoraussetzungen markieren typische Geschehensabläufe, welche trotz des verfassungsrechtlichen Gewichts, das die Beweislast hat (Reinhardt, NJW 1994, 93), die widerlegliche Vermutung rechtfertigen. 21
4. Generalklausel: § 138 BGB. Große Bedeutung gerade auch für das private Bankrecht haben die Generalklauseln von §§ 138 und 307 BGB, auch § 134 BGB (z.B. wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz/Rechtsdienstleistungsgesetz, BGH NJW 1996, 1954, wiederum auch in Zusammenhang mit der Schrottimmobilienfrage, vorst. Rn. 16, bezüglich Geschäftsbesorgungsverträgen und Vollmachten, z.B. BGH NJW 2005, 786), gegen standesrechtliche Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf § 402 BGB (BGH NJW 1996, 795; BGHZ 122, 115), gewonnen; bereits der Wuchertatbestand nach § 138 II BGB lässt an ein Wucherdarlehen denken. Die Anwendung von § 138 BGB im privaten Bankrecht betrifft in der Tat das ausbeuterische Darlehen nach § 138 I BGB (den sittenwidrigen Konsumentenkredit, unten § 32), die sittenwidrige Bürgschaft (unten § 25) und die sittenwidrige Sicherungsübertragung (unten § 28).
22
a) Verbraucher, Konsument, nahestehender Bürge. Die beiden erstgenannten Anwendungsfelder von § 138 setzen einen privaten Kontrahenten der Bank voraus, der sich auf ausbeuterische Vertragsbedingungen nur aufgrund seiner wirtschaftlich schwächeren Lage, Rechtsunkundigkeit und Geschäftsungewandtheit resp. aufgrund emotional bestimmter Handlungsnot eingelassen hatte. Dieser Kontrahent unterscheidet sich grundlegend von der Rechtsfigur des Verbrauchers nach § 13 BGB, die rollenbezogen und situativ bestimmt ist; der Verbraucher kann dem Unternehmer sozial und intellektuell durchaus überlegen sein (Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 1. Teil 1. Abschn. A.; zur Rechtsfigur des Kleinanlegers unten Rn. 44). Das wucherähnliche Darlehen (unten § 32) setzt als objektive Voraussetzung am Maßstab des Doppelten an (Hammen, ZBB 1991, 87), also einer relativen Überschreitung des Vertragszinses gegenüber dem Marktzins von 100 %, in Hochzinsphasen auch einer absoluten Überschreitung von 12 % (BGHZ 110, 336; 128, 255); der Sittenverstoß folgt aus einer Gesamtwürdigung. Hieraus hat die Rechtsprechung eines filigranes Rechtsgebäude errichtet, das wiederum Ausgangspunkt für die Mobilisierung einer anderen Generalklausel war, nämlich in Gestalt von § 826 BGB als zusätzlicher vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelf gegen Vollstreckungsbescheide über wucherähnliche und nichtige Darlehen (BGHZ 101, 380; im Übrigen unten Rn. 26).
23
Privates Bankrecht ist Anlass grundlegender Methodenfragen gewesen, nämlich der verfassungskonformen Auslegung privatrechtlicher Generalklauseln, namentlich § 138 BGB, in Gestalt finanziell krass überforderter Bürgen, die sich für die Schuld einer nahestehenden Person einzustehen verpflichtet hatten (unten § 25). Die aufgrund der emotionalen Bindung ausgelöste so apostrophierte strukturelle Unterlegenheit (BVerfG 89, 214) ist in die Auslegung des Begriffs der guten Sitten einzubeziehen und hat erneut zu einem filigranen Rechtsgebäude geführt, das freilich seine Statik erst im Laufe der Zeit erlangte, weil zwei für Bürgschaftssachen zuständige Senate des BGH unterschiedliche Baupläne entwickelt hatten (im Einzelnen Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 868 ff.); dies ist bis auf Einzelheiten (§ 25) im Wesentlichen überwunden (BGHZ 146, 37). Gegen Alturteile der Zivilgerichtsbarkeit ist die Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 767 ZPO, 79 Abs. 2 Satz 3 BVerfGG statthaft (BverfG WM 2006, 23 gegen BGHZ 151, 316), im Übrigen nach Lage des Einzelfalls wiederum der Rechtsbehelf nach § 826 BGB (vorst.
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
15
Rn. 14 a.E.). Die Person des Bürgen, der aufgrund emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner ruinöse Verpflichtungen eingeht, ist wiederum nicht konform mit der Person des Verbrauchers nach § 13 BGB. b) Sittenwidriges Verfügungsgeschäft. Die guten Sitten und das Kreditsicherungsrecht weisen eine dogmatische Besonderheit dadurch auf, dass Bezugsort der Gesamtwürdigung nicht nur das obligatorische Geschäft ist, sondern gerade auch das Verfügungsgeschäft, mit dem die Vollrechtsübertragung auf den Sicherungsnehmer, die Bank, vollzogen wird und durch welches sich der missbilligte Erfolg erst verwirklicht (BGH WM 1962, 818). Deshalb lässt der Sittenverstoß die dingliche Rechtslage unverändert und löst nicht nur Ansprüche aus Leistungskondiktion aus. Im wichtigsten Anwendungsfeld, nämlich der durch Vollrechtsübertragung eintretenden Übersicherung (hierzu und zu den weiteren Fallgruppen exemplarisch, ja lehrbuchhaft BGH NJW 1995, 1668), soweit sie nachträglich in Gestalt revolvierender Globalsicherheiten ausgelöst wird, ist dem Großen Zivilsenat freilich ein grandioses Lösungskonzept gelungen, das ohne Bemühung von Sittenverstößen auskommt, vielmehr vertragsimmanente Grundlagen des wirksamen Sicherungsgeschäfts entfaltet. Sie liegen im Freigabeanspruch, für den eine andere allgemeine Norm, nämlich die bis dahin eher ein Schattendasein führende Vorschrift von § 237 BGB (sie führte Liebelt-Westphal, ZIP 1997, 230, ans Licht), instrumentalisiert wurde (BGHZ 137, 212).
24
Auf anderem kreditsicherungsrechtlichem Feld haben die guten Sitten spektakulär zur Konfliktlösung geführt, nämlich in Gestalt der Vertragsbruchslehre. Die Sicherungskollision durch Abtretung ein und derselben Forderung an die Bank als Globalzessionarin und an den Lieferanten im verlängerten Eigentumsvorbehalt (oben Rn. 17 a.E.) begründen an sich den Vorrang der Bank, weil die Globalzession in aller Regel zeitliche Priorität hat, aber, so sieht es der BGH (im Anschluss an Flume, NJW 1950, 841, BGHZ 30, 149, zuletzt bestätigt in WM 1999, 126), die Bank verleitet ihren Kunden, der zugleich Händler ist, zum Vertragsbruch gegenüber dem Lieferanten, dem der Händler die Abtretung der Forderung aus dem Weiterkauf der gelieferten Ware versprochen hatte, obwohl er die Forderung gar nicht mehr hat. Darin liege der Sittenverstoß, so dass die Globalabtretung nichtig ist und der Abtretung an den Lieferanten zur Wirkung verhilft. Noch spektakulärer ist die Anwendung der Vertragsbruchslehre auf die Globalzession, die in Vollzug eines Factoringgeschäfts an den Factor gerichtet ist und gleichfalls Priorität gegenüber der Abtretung im verlängerten Eigentumsvorbehalt hat. Aber ob der an den Factor-Kunden und Händler für die abgetretene Forderung gezahlte Barvorschuss den Sittenverstoß aufzuheben geeignet ist, ob die Vertragsbruchslehre also der Barvorschusslehre weicht, hat zu erbitterten Argumentationsschlachten geführt (einerseits Canaris, NJW 1981, 249 und 1347, andererseits Serick, NJW 1981, 794 und 1715). Der BGH hat sich der Ansicht angeschlossen, dass nach der Art des Factoringgeschäfts (echtes oder unechtes, vorst. Rn. 10) zur differenzieren sei und dort den Sittenverstoß verneint, hier die Vertragsbruchslehre angewandt (BGHZ 82, 50).
25
5. Generalklausel: § 826 BGB. Schadensausgleich aufgrund sittenwidrigen Kredit- oder Kreditsicherungshandelns kann § 826 BGB bieten (vgl. bereits oben Rn. 22). Auch im Kapitalmarktrecht (unten Rn. 29) ist die Vorschrift mobilisierbar, nämlich im Falle gebotener, aber unterlassener oder falscher Informationen auf dem Sekundärmarkt (§ 15 WpHG, Ad-hoc-Publizität) bezüglich Insidersachverhalten, soweit Schadensersatzansprüche nicht bereits durch §§ 37b, 37c WpHG (Haftung des Emittenten für falsche und unterlassene Kapitalmarktinformationen) erfasst sind (BGHZ 160, 134 und 149 = NJW 2004, 2664 und 2971 -Infomatec-; BB 2005, 1644 -EM.TV- mit Rezensionen Teichmann, JuS 2006, 953, und Hutter/Stürwald NJW, 2005, 2428; Zimmer/Cloppenburg, ZHR 171
26
Bülow
16
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
– 2007 –, 519). Im gegebenen Falle kann der Schadensersatzanspruch des Anlegers auch auf § 400 AktG (Strafbarkeit bestimmter unrichtiger Darstellungen) oder § 32 KWG (Erlaubnis für Finanzdienstleistungen, BGH WM 2006, 1898) i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB (differenzierend bei §§ 31 ff. WpHG, unten Rn. 44, BGH NJW 2008, 1734; F. A. Schäfer WM 2007, 1872) zu stützen sein, wobei dem Anleger der Beweis für die Kausalität zwischen unterbliebener oder falscher Information und seiner Kaufentscheidung obliegt (BGH NJW 2008, 76, und NZG 2007, 711 – Comroad IV & V; WM 2008, 395, 398, 790 – Comroad VI, VII, VIII). Dagegen verneinte der BGH eine allgemeine Aufklärungspflicht des Wertpapierdienstleisters über die Risiken einer Anlage, auch bei kreditfinanziertem Erwerb durch den Anleger (BGHZ 142, 345; BGH WM 2004, 24 mit Komm. Koller, EwiR § 31 WpHG 2/04, 95, und krit. Rezension Schwintowski/Nicodem, VuR 2004, 314; im Übrigen oben Rn. 20), so dass insoweit auch eine vertragliche Haftung ausschied; solche Sachverhalte werden unter dem Regime der MiFID (unten Rn. 43) neu zu bewerten sein. Der Plan für ein Kapitalinformationshaftungsgesetz, das den Kausalitätsbeweis entbehrlich gemacht und die Haftung nicht nur des Emittenten, sondern auch verantwortlicher Organmitglieder der Aktiengesellschaft bereits bei Fahrlässigkeit begründet hätte, wurde nicht weiter verfolgt. 27
6. Generalklausel: § 307 BGB. Kaum ein Bankvertrag kommt ohne Allgemeine Geschäftsbedingungen (unten § 3) aus. Die ubiquitäre Anwendung von Grund-AGB, Sonderbedingungen und Formularen der Banken hat das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wesentlich mitgeprägt, man denke nur an den jetzt durch § 307 I 2 BGB kodifizierten Transparenzgrundsatz, der anhand der nachschüssigen Tilgungsverrechnung entsprechend damaligem § 20 II HypBG von der Rechtsprechung entwickelt worden war (BGHZ 112, 115, jetzt Art. 5 der Klauselrichtlinie, nachf. Rn. 31 und EuGH NJW 2001, 2244 sowie Heiderhoff, WM 2003, 509). Das Schicksal der Unwirksamkeit wegen unangemessener Benachteiligung i.S.v. § 307 II Nr. 2 BGB hatte sogar AGB der Deutschen Bundesbank getroffen (Scheckinkasso, Abschn. I Nr. 13, II Nr. 37, III Nr. 6 AGBBundesbank a.F., BGH WM 1988, 246). Die geltenden Grund-AGB der Kreditinstitute sind von dem redlichen Bemühen geprägt, der Inhaltskontrolle standzuhalten. Es zeitigt an anderer Stelle bisweilen nicht den erhofften Erfolg: Man denke an die Verankerung der sog. Sphärenhaftung beim Scheckeinzug nach Nr. 3 III Scheckbedingungen, die den Bedenken des BGH (BGHZ 135,116; Joost, ZHR 151 (1989) 237 (250 f.)) nicht standhalten dürfte; man denke an die Problematik weiter Sicherungszweckerklärungen: Ein Interzessionar bestellt eine Grundschuld oder bürgt aus Anlass einer bestimmten Verbindlichkeit des Hauptschuldners, das Formular erstreckt die Haftung des Sicherungsgebers aber auf sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten aus der Geschäftsverbindung unter Gläubiger und Hauptschuldner. Solche Klauseln werden, je nach Adressatenkreis, als überraschend nach § 305c I BGB (BGH NJW 2000, 1779; BGHZ 106, 19) und, für den Fall von Bürgschaften, nicht aber für den Fall von Zweckerklärungen für Grundschulden (BGH NJW 2002, 2633; a. A. Knops, ZfIR 1998, 577 (582 f.)), als treuwidrig nach §§ 307 II Nr. 1 i.V.m. 767 I 3 BGB angesehen (BGHZ 130, 19); zu denken ist auch an die Einbeziehung situativer Umstände zur Beurteilung der unangemessenen Benachteilung nach weiterer Maßgabe von § 310 III Nr. 3 BGB (Joswig, ZfIR 1998, 185).
28
7. Wertpapierrecht. Soweit Geldumlauf und Geldschöpfung durch das Instrument des Wertpapiers ins Werk gesetzt werden, bilden vor allem Scheckgesetz und Wechselgesetz den Sitz der Materie (unten §§ 46, 47); die Brücke zur Geldaufbewahrung in Bezug auf Wertpapiere bildet das Depotgesetz mit seinen sachenrechtlichen Besonderheiten. Die wertpapierrechtliche Grundlage über die verbriefte Anweisung, die Wechsel und Scheck
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
17
als Sonderformen darstellen, liegt in §§ 783 ff. BGB sowie § 363 HGB, Grundtypus eines Inhaberpapiers ist die Schuldverschreibung nach § 793 ff. BGB, während die sachenrechtliche Funktionsweise von Rektapapieren durch § 952 BGB ihren Ausdruck findet. Gegensatz zur Verbriefung geldbezogener Vermögenswerte ist deren Virtualisierung bis hin zum elektronischen Netzgeld (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.996 sowie oben Rn. 10), privatrechtliche Anknüpfungsnormen sind neben tauglichen Formvorschriften (§§ 126a, 126b BGB) klassische Instrumente wie das abstrakte Schuldversprechen nach § 780 BGB (vorst. Rn. 11) und etwa unregelmäßige Verwahrung nach § 700 BGB (unten § 9). 8. Kapitalmarkt-(Finanzmarkt-)recht. Ein funktionaler Begriff des Bankrechts erfasst rechtliche Regelungen zur Durchführung und Sicherung der Geldanlage und damit auch diejenige Geldanlage, welche Kapitalmärkte zu Hilfe nimmt oder allgemeiner: die Finanzmärkte, wenn man an Derivate und Termingeschäfte denkt (Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, oben Rn. 13). Kapitalmarktrecht ist zum Teil Aufsichtsrecht, das den Finanzdienstleistern – also Banken im weitverstandenen Sinne, oben Rn. 6 – Pflichten auferlegt, deren Einhaltung das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen (BAFin) überwacht. Privates Kapitalmarktrecht als Recht der kapitalmarktbezogenen Geschäfte (vgl. oben Rn. 12) hat seinen Ursprung wiederum und naturgemäß im allgemeinen Privatrecht, nämlich dem Vertrags-, namentlich Kaufrecht und Geschäftsbesorgungsrecht. Im Besonderen ist wichtigster Sitz der privatrechtlichen Materie das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG, oben Rn. 12 und unten § 52), das in §§ 31 ff. finanzmarkttypische Verhaltensregeln für den einzelnen Vertrag mit dem Anleger verbindlich macht, sodass der Verstoß eine Pflichtverletzung nach § 280 BGB darstellt. Besondere Schadensersatzansprüche entstehen nach §§ 37b und 37c WpHG (zu § 37d WpHG a.F. unten Rn. 44). Weitreichende Änderungen brachte die Umsetzung der MiFID hervor (unten Rn. 43). Das Feld der freundlichen oder feindlichen Übernahmen regelt das WpÜG mit überwiegend aufsichtsrechtlichen, aber auch privatrechtlichen Aspekten, z. B. bei insuffizienten Angebotsunterlagen nach § 12 WpÜG. Privatrechtliche Aspekte des Investmentgeschäfts (unten § 59) sind insbesondere der Übernahmeanspruch des Käufers nach § 127 InvG (LG Frankfurt am Main, EWiR § 20 KAGG 1/03, 173 – Siller – sowie NJW-RR 2003, 337) und das Widerrufsrecht nach § 126 InvG; der Plan einer Aufteilung offener Immobilienfonds in sicherheits- und renditeorientierte Fondskategorien im Zuge der Novellierung des InvG wurde nicht mehr verfolgt. Das Pfandbriefgesetz bestimmt nur, welche Geschäfte aufsichtsrechtlich betrieben werden dürfen, enthält aber keine privatrechtlichen Vorschriften, gleichermaßen das Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG). Das Börsengesetz ist von privatrechtlichen Vorschriften zur Börsentermingeschäftsfähigkeit (§ 53 BörsG a.F.) befreit worden und jetzt reines Börsenorganisationsrecht.
29
II. Öffentliches Bankrecht. Das öffentliche Bankrecht ist geprägt durch Währungsrecht und Aufsichtsrecht als Staatsaufgaben, ersteres verfassungsrechtlich gestützt durch Art. 88 Satz 1 GG und Grundlage des Gesetzes über die deutsche Bundesbank (BBankG). Deren geld- und währungspolitische Befugnisse sind nach Maßgabe von Art. 88 Satz 2 GG auf die Europäische Zentralbank und das europäische System der Zentralbanken (ESZB) nach Art. 8, 105 ff. EGV übertragen worden, dessen integraler Bestandteil die Bundesbank nach § 3 Satz 1 BBankG, Art. 107 I EGV ist. Die durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BAFin) durchgeführte Aufsicht ist Solvenzaufsicht in Gestalt des Kreditwesengesetzes (KWG, mit Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz) und Marktaufsicht in Gestalt des WpHG. Die Organisation der Börsen als Markt ist durch das Börsengesetz erfasst, begleitet durch weitere Gesetze (oben Rn. 12). Aufsichtsgesetze für Sonderbereiche sind das PfandbriefG und das BausparkassenG, für das
30
Bülow
18
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Investmentgeschäft das novellierte (vorst. Rn. 29) InvestmentG (hierzu BGHZ 149, 33), für die Eigenkapitalfinanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen das UBGG. Auch die freundliche und feindliche Übernahme von Aktien einer Zielgesellschaft unterliegen der Aufsicht durch die BAFin (§ 4 WpÜG). 31
III. Europäisches, supranationales Bankrecht. 1. EGV und Richtlinien. Ausstrahlungen auf das private Bankrecht haben die Grundfreiheiten des EGV, namentlich die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit nach Art. 59 ff. EGV. Zahlreiche Bestimmungen des privaten Bankrechts beruhen auf europäischen Richtlinien, hierbei wiederum zum großen Teil auf solchen, die das Ziel einer Verbesserung des Verbraucherschutzes haben (Art. 3 II lit. t, 153 EGV). Die Vorschriften über Verbraucherdarlehen und Finanzierungshilfen haben ihre sekundärrechtliche Grundlage in der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/ EWG, abgelöst durch die bis 2010 umzusetzende Richtlinie 2008/48/EG. Das bankrechtliche Fernabsatzgeschäft ist erfasst durch die Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, integriert in die Vorschriften von §§ 312b Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, 312c Abs. 2, 312d Abs. 4 Nr. 6, Abs. 6 BGB sowie § 1 Abs. 2, Abs. 3 BGB-InfoVO. Der bankrechtliche Einfluss der Haustürgeschäftrichtlinie 85/577/ EWG und zugleich der Stellenwert richtlinienkonformer Auslegung (BGH NJW 2002, 1881) hat sich gezeigt durch die berühmte Heininger-Entscheidung des EuGH über Immobiliarkredite (WM 2001, 2434, oben Rn. 16), die seinerzeit zu einer erneuten Änderung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes führte (in Gestalt des OLGVertrÄndG vom 31.7.2002). Die allgegenwärtigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute haben die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen im Auge. Den störungsfreien elektronischen Geschäftsverkehr für Bankgeschäfte gewährleistet an ihrer Stelle die Richtlinie 2000/31/EG (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr). Der Zahlungsverkehr ist Gegenstand der Richtlinie 2007/64/EG über Zahlungsdienste im Binnenmarkt sowie der Zahlungssicherungsrichtlinie 98/26/EG (im Übrigen näher unten Rn. 41). Grenzüberschreitende Sicherheiten, insbesondere durch Wertpapiere, finden in der Richtlinie 2002/47/EG (Finanzsicherheitenrichtlinie) einen Rechtsrahmen (Übersicht in BKR 2002, 601). Letzere führte zur Wiederbelebung von § 1259 BGB. Die Zahlungsverzugsrichtlinie 2000/35/EG berührt den Eigentumsvorbehalt (oben Rn. 17 a.E.).
32
Im Kapitalmarktrecht, besser Finanzmarktrecht (oben Rn. 14), ist vor allem die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG (gebräuchlicher Weise bezeichnet mit MiFID, näher unten Rn. 43) zu nennen, welche die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22 ablöst und deren Anwendungsbereich bedeutend erweitert ist. Das Investmentgeschäft ist Gegenstand der Investment-(OGAW-)Richtlinie 85/611/EWG (mit Änderungsrichtlinien 2001/107 und 108 und Umsetzung durch das novellierte, vorst. Rn. 29, InvG von 2003/2007, vorher KAGG und AuslInvG), die Geldwäsche-Problematik der Richtlinie 91/308/EWG, in Deutschland durch das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten von 25.10.1993 umgesetzt, gefolgt von der Insiderrichtlinie (Marktmissbrauchrichtlinie) 2003/6/EG, die sich in §§ 12 ff. WpHG wiederfindet (unten § 52 Rn. 45 ff.). Eine Regulierung auf dem Gebiet der Kapitalmarktinformationen enthält die Transparenzrichtlinie 2004/109/EG und ist durch §§ 21 ff., 37v bis 37z WpHG umgesetzt. Prospekte für öffentlich angebotene Wertpapiere oder solche, die zum Handel an einem organisierten Markt (oben Rn. 12) zugelassen werden sollen, sind Gegenstand der Wertpapierprospekterichtlinie 2003/71/EG und durch das WertpapierprospekteG umgesetzt; außerhalb der durch Wertpapiere verbrieften Anteile (z.B. Kommanditanteile, s. auch oben Rn. 12) gilt die Verkaufsprospekterichtlinie 89/298/EWG sowie das VerkaufsprospekteG. Die Übernahme einer Aktiengesellschaft durch den Erwerb ihrer Aktien im
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
19
Wege öffentlichen Angebots regelt die Übernahmerichtlinie 2004/25/EG. Hat die Zielgesellschaft ihren Sitz in Deutschland resp. sind die Aktien (oder gleichgestellte Wertpapiere nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpÜG) in Deutschland zugelassen, sind die Vorschriften des WpÜG anwendbar, das u.a. die Gleichbehandlung von Aktionären der Zielgesellschaft in den Tatbeständen von §§ 19, 31 Abs. 4, Abs. 5, § 32 aus marktrechtlichen Erwägungen vorschreibt (Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 168). Öffentliches Bankrecht als Währungsrecht ist durch europäisches Primärrecht in Artt. 105 ff. EGV gestützt. Die europäisch-föderative Struktur des Aufsichtsrechts ist in der Bankrechts- Koordinierungsrichtlinie 2000/12/EG zusammengefasst, ergänzt durch die Einlagensicherungsrichtlinie 94/19/EG (hierzu BuB-Weber, Rn. 1/613b).
33
2. Konventionen und Modelle. Völkerrechtliche Impulse waren in Gestalt der Genfer Abkommen schon für das Wechselrecht und das Scheckrecht ausgegangen. Diese Abkommen werden ergänzt durch die UNCITRAL-Konvention über Internationale Gezogene Wechsel und Internationale Eigenwechsel vom 9.12.1988 (Schütz, UNCITRALKonvention; Bülow, ÖBA 1993, 591). UNCITRAL steht für United Nations Commission on International Trade Law und ist seit 1966 ein ständiger Ausschuss der Vereinten Nationen in Wien mit dem Ziel, die Harmonisierung und Rechtsvereinheitlichung des Internationalen Handelsrechts zu fördern. Das UNCITRAL-Modellgesetz über den internationalen Überweisungsverkehr (Schneider, S. 491; Bülow, IStR 1993, 527; Übersicht in WM 1993, 665) hatte die europäische Überweisungsrichtlinie beeinflusst (unten Rn. 35, 43). Zu denken ist an die UNCITRAL-Konvention über Garantien und Akkreditive aus dem Jahre 1965 sowie an die UNCITRAL-Vorhaben betreffend grenzüberschreitende Forderungsabtretungen (Bazinas, ZEuP 2002, 782), im Übrigen an die Unidroit-Konvention über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung (Bollweg/Kreuzer, ZIP 2000, 1361). Überlegungen in Gestalt eines Gesetzgebungsführers über Sicherungsübertragungen (Legislative Guide on Secured Transactions) der UNCITRAL bewegen sich auf eine Registrierungspflicht hin, die auch die publizitätslose Sicherungstreuhand erfassen würde (Kieninger, WM 2005, 2305, 2353 (2358)). Hinzu kommen Arbeiten der Internationalen Handelskammer (ICC), etwa betreffend Einheitliche Richtlinien für Vertragsgarantien resp. für auf Erstes Anfordern zahlbare Garantien.
34
C. Einige historische Aspekte und zukünftige Entwicklungen
35
I. Von Babylon bis UNCITRAL. Wie uns historische Forschung unterrichtet, finden sich Rudimente von Regelungen, die sich mit Bankwesen und Geldverkehr befassen, bereits im alten Babylon (Schwintowski/Schäfer, § 2 Rn. 37 ff., S. 89 ff.), ohne dass Geld als abstrakter Wertmaßstab zugrunde gelegen hätte. Der Wechsel als immer noch gehandhabte Form der wertpapiergestützten Kreditschöpfung findet seinen Ursprung im mittelalterlichen Alpentransit, auf dem die Risiken des Bargeldtransports zu minimieren waren (Zöllner, Wertpapierrecht, § 10 I, S. 54 ff.), begründete an seiner Stelle bereits die Entwicklung und Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt (Holtfrerich, S. 57/58, 73 ff.) und führte in Gestalt der Wechselordnung zum ersten privatrechtlichen Gesetz, das gesamtdeutsch genannt werden kann; sein Einfluss auf die Genfer Abkommen ist im geltenden Wechselgesetz abzulesen. Der Wechsel ist zugleich Ausdruck für das Bedürfnis, Regelungen für grenzüberschreitende Geldgeschäfte zu finden, die nationales Recht überlagern oder sogar um- und neuformen. Dieser grenzüberschreitende Aspekt bezieht sich zuvörderst auf den europäischen Binnenmarkt, der in bankrechtlicher Sicht ein Bündel europäischen Sekundärrechts hervorgebracht hat und es ausdehnen wird (oben Rn. 31, unten Rn. 43). Augenfällig gibt das modernisierte BGB hierfür formalen Ausdruck. Von dem Plan eines europäischen Vertragsgesetzbuchs, der sich bislang mit Fra-
Bülow
20
36
37
38
39
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
gen eines Allgemeinen Teils und eines Allgemeinen Schuldrechts befasst (ZEuP 2002, 139, 365, nunmehr: Gemeinsamer Referenzrahmen zum Europäischen Vertragsrecht), bleibt Bankprivatrecht vorerst verschont. Aber das grenzüberschreitende Bankgeschäft reicht nicht nur bis zur Grenze des Binnenmarktes; ein Beispiel für die Berücksichtigung supranationaler Kodifikationen ist die Geld-Zurück-Garantie im Überweisungsverkehr nach § 676b BGB, Art. 8 Überweisungsrichtlinie (unten Rn. 41), die ihr Vorbild in Art. 14 des UNCITRAL-Modellgesetzes für den Überweisungsverkehr (Schneider, S. 491 (512 ff.); Bülow, IStR 1993, 527 (531), oben. Rn. 34) hat. Börsen als Keimzellen von Kapitalmarktrecht bildeten sich in Italien bereits im 14./ 15. Jahrhundert (Lucca, Florenz, Genua, Venedig), deutsche Börsen folgten im 16. Jahrhundert, namentlich die Frankfurter Börse im Jahre 1585, deren Ausgangspunkt die Festsetzung der Münzkurse war (Holtfrerich, S. 79). Der Ausgangspunkt eines modernen Kapitalmarktrechts kann im Börsengesetz von 1896 gesehen werden. In jüngster Zeit ist eine Dynamisierung vor allem auf europäischer Ebene eingetreten (oben Rn. 32), deren Umsetzung in vier Finanzmarktförderungsgesetzen von 1990, 1994, 1998 und 2002 als Artikelgesetzen zu finden ist, gefolgt vom Anlegerschutzverbesserungsgesetz von 2004, dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz von 2007 (vgl. insb. §§ 21 ff., 37v bis 37z WpHG), dem Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz von 2006 und dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (nachf. Rn. 44). II. Kodifikatorische Vorhaben. Grundlegende Neuerungen im Bank- und Kapitalmarktrecht stehen vor der Verwirklichung, andere Vorhaben setzten sich nicht durch. Verabschiedet wurde eine europäische Richtlinie, die den Rechtsrahmen für einen einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraum schafft (nachf. 1., Rn. 41). Ein neuer Rechtsrahmen über Märkte für Finanzinstrumente, der die bisherige Wertpapierdienstleistungsrichtlinie ablöst, wurde durch die Richtlinie 2004/39/EG (sog. MiFID) geschaffen und in deutsches Recht umgesetzt (Finanzmarktrichtlinie – Umsetzungsgesetz, FRUG, in Kraft seit 1.11.2007, Art. 14 Abs. 3, nachf. 2., Rn. 43). Der Handel mit Immobilien wurde börsenfähig gemacht durch die Einführung von Real Estate Investment Trusts (REITs, nachf. 3., Rn. 46). In der Bankenaufsicht stand die Einführung des weltweiten Regelwerks Basel II im Jahr 2007, in den USA wohl frühestens 2009, an (nachf. 4. Rn. 48). Ein Verhaltenskodex für die Wertpapierabwicklung, der sich an Banken, Wertpapierhändler, Abwicklungs- und Abrechnungsdienstler, Wertpapierzentralverwahrer richtet, wurde von EG-Kommission und Branche ausgearbeitet mit dem Ziel, Wettbewerb und Transparenz auf diesen Märkten zu fördern, verbunden mit dem – nicht unumstrittenen – Plan einer einheitlichen Abrechnungsplattform der europäischen Zentralbank („Target2 Securities, T2S“, Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für 2006, S. 104 f.). Nur bei Scheitern dieser Vorhaben ist eine europäische Richtlinie geplant. Für die nationale Aufsicht wurde eine Reform der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BAFin) verwirklicht, mit der die Führungsstruktur einem Direktoriumsmodell folgt und dadurch den politischen Einfluss auf die Behörde ausbaut. Höchst kontrovers sind die Vorstellungen zu einer europäischen Integration der Aufsicht über die Finanzmärkte. Angriffe auf das Dreisäulenmodell des deutschen Bankwesens (oben Rn. 6) durch die EUKommission (Binnenmarkt), aber auch den EZB-Präsidenten, welche die Öffnung des öffentlich-rechtlichen Segments des Bankensektors für private Investoren hätte ermöglichen sollen und die sich vor allem gegen die Sparkassen richten, konnten abgewendet werden, so dass § 40 KWG unverändert bleibt (Geschwandtner/Bach, NJW 2007, 129). Der Plan für ein Kapitalinformationshaftungsgesetz in Deutschland wurde aufgegeben (oben Rn. 26).
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
21
Im globalen Interesse liegt die Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte, welche Wachsamkeit gegenüber Hedge-Fonds aus der Sicht der G7-Industriestaaten angezeigt erscheinen lässt. Hedge-Fonds, die sich durch hochspekulative Finanzierungsgeschäfte aller Art, z.B. Leerverkäufe (hierzu Martin Walser, Angstblüte, 2006, S. 153/154), bei starker Kreditunterlegung kennzeichnen (andererseits aber auch durch Kreditvergabe an bonitätsschwache Nehmer) und weitgehend unreguliert sind (s. für Deutschland §§ 112 bis 120 InvG), verwalten weltweit Vermögen von geschätzen 1.800 Mrd. $. Das Scheitern eines solchen Fonds könnte internationale Finanzkrisen auslösen. Die Wachsamkeit wendet sich auf Tranzparenz hin bei freiwilliger Grundlage (Code of Conduct), aber nicht durch staatliche Regulierung. Die Organisation Internationaler Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions, Iosco) unterbreitete Selbstregulierungsvorschläge in Gestalt von Prinzipien für die Bewertung von Fondsvermögen, wobei die Bewertungsverfahren unabhängiger Kontrolle unterliegen sollen. Überlegungen zu Transparenz und Regulierung gelten auch den Methoden, mit denen Rating-Agenturen ihre Analysen erstellen (vgl. hierzu Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht November 2007, S. 15, 94; Deipenbrock, WM 2007, 2217).
40
1. Einheitlicher europäischer Zahlungsverkehrsraum (SEPA). Der Zahlungsverkehr im europäischen Binnenmarkt war geprägt durch Fragmentierung in unterschiedliche nationale Systeme (Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Dezember 2006, S. 93 (98)), sodass ein grenzüberschreitender Zahlungsvorgang nur an den Eingang des Systems im Empfangsland gebracht und von dort übernommen, aber nicht durch ein einheitliches Verfahren erledigt werden konnte. Dies führte zu höheren Kosten und zu längeren Zeiten im Vergleich zu einem Binnenvorgang. Um die Fragmentierung aufzubrechen, wurde der Plan eines europäischen Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area, SEPA) entwickelt, mit dem namentlich elektronische Zahlungsvorgänge wie Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen sowie Bargeldeinzahlungen und -abhebungen – nicht aber Scheckzahlungen – einem einheitlichen System zugeführt werden. Dies ist zunächst eine technische Frage, die für die Überweisung durch die Interbank Account Number (IBAN) und durch den Bank Identifier Code (BIC) beantwortet wurde. Die europäische Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt 2007/64/ EG wird es ermöglichen, dass ein einziger Zahlungsdienstleister den gesamten Vorgang durchführt, wobei außer Kreditinstituten (in Deutschland namentlich die Postbank und das Transaktionsinstitut der DZ-Bank) eine neue Kategorie von Zahlungsinstituten als Dienstleister zugelassen werden soll. Die Stärkung des Wettbewerbs unter Zahlungsdienstleistern ist Ziel der Richtlinie, außerdem Markttransparenz durch Informationspflichten und Rechtssicherheit durch Festlegung von Rechten und Pflichten für Anbieter und Nutzer und dem folgend eines Haftungsregimes, wie es durch die Überweisungsrichtlinie 97/5/EG beispielhaft bekannt ist. Diese und ebenso die Empfehlung der Kommission zu elektronischen Zahlungsinstrumenten 97/489/EG gehen in der neuen Richtlinie auf, während die Verordnung über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro 2560/ 2001 Bestand haben wird. Durch Schaffung des einheitlichen Zahlungsverkehrsraums werden die nationalen Systeme nicht verdrängt werden, sondern zunächst daneben weiter bestehen; in einer Schlussphase, geplant ab 2011, soll das SEPA-Verfahren aber auch für Inlandsvorgänge („SEPA-Domestic“) gelten (Burgard, WM 2006, 2065; Lohmann/ Koch, WM 2008, 57). Drängendes Anliegen auf nächste Sicht ist ein einheitliches Lastschriftverfahren, dessen Einführung zusammen mit dem SEPA-Start am 28.1.2008 nach zutreffender Einschätzung des European Payments Council (EPC) allerdings mangels rechtzeitiger Verabschiedung der SEPA-Richtlinie nicht zu bewerkstelligen war.
41
Bülow
42
22
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
43
2. MiFID. Als „ein neues Grundgesetz für den Wertpapierhandel“ (Bundesfinanzministerium, zitiert nach Financial Times Deutschland v. 14.9.2006, S. 18), als „kapitalmarktrechtliche Verfassung“ und „Grundpfeiler des europäischen Kapitalmarktrechts“ (Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1804)) wird die Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID) nebst Durchführungsverordnung (1287/2006) und Durchführungsrichtlinie (2006/73/EG) apostrophiert. Ziel des Rechtsrahmens ist es, das volle Angebot der anlegerorientierten Tätigkeiten abzudecken und den Anlegern hierbei ein hohes Schutzniveau zu bieten, sowie faire, transparente, effiziente und integrierte Finanzmärkte zu fördern, namentlich durch Wettbewerb unter Wertpapierdienstleistern (Wertpapierfirmen, Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID/§ 2 Abs. 4 WpHG), die nach dem Herkunftslandprinzip im gesamten Binnenmarkt auftreten dürfen („EU-Pass“, vgl. 2. Erwägungsgrund, § 2 Abs. 8, 9 WpHG). Teil der anlegerorientierten Tätigkeiten ist insbesondere auch die Anlageberatung (Art. 4 Abs. 1 Nr. 4/§ 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG), für Investmentfonds bleibt es bei der – vor der Überarbeitung stehenden – OGAW-Richtlinie 85/611/EWG (15. Erwägungsgrund sowie oben Rn. 32), § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG. Zu den Finanzinstrumenten gehören auch Warenderivate (Anhang I, Abschn. C Nr. 5, vgl. oben Rn. 14). Die erfassten Handelsplattformen sind nach Art. 1 Abs. 1 geregelte Märkte (oben Rn. 12), ergänzt um multilaterale Handelssysteme (Multilateral Trading Facilities, MTF), die auch von Wertpapierfirmen betrieben werden können; systematische Internalisierer (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1/§§ 2 Abs. 10, 32 ff. WpHG), die außerhalb eines geregelten Marktes oder MTF Handel treiben, werden marginal einbezogen (s. Art. 27/§ 32a WpHG: Verpflichtung, verbindliche Kursofferten zu eröffentlichen).
44
Kernvorschrift für das hohe Schutzniveau, das Anlegern geboten wird, ist die Wohlverhaltensregel nach Art. 19 Abs. 1 (ehrlich, redlich, professionell im bestmöglichen Interesse des Kunden), die im Fall der Anlageberatung die Verpflichtung begründen kann, Informationen über anlagerelevante Umstände beim Kunden, z.B. über dessen Kenntnisse und Erfahrungen, einzuholen (Art. 19 Abs. 4/§ 31 Abs. 4 WpHG, Schäfer, BrV Band 27, S. 31, 37). Die Anlageberatung ist nicht mehr lediglich Wertpapiernebendienstleistung (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 9 und Abs. 3a WpHG, Teuber, BKR 2006, 429) und erlaubnispflichtig (§ 32 KWG). Allerdings wird die Informationspflicht differenziert nach der Art des Kunden und nach der Art der Wertpapierdienstleistung (Veil, ZBB 2006, 162 (169) sowie WM 2007, 1821 (1824)), indem die MiFID nach professionellen Kunden gem. Anhang II/ § 31a Abs. 2 WpHG, Kleinanlegern (Art. 4 Abs. 1 Nr. 12 in negativer Definition: Kunde, der kein professioneller Kunde ist; Privatkunde nach § 31a Abs. 3 WpHG und nicht zu verwechseln mit einem Verbraucher nach § 13 BGB) und geeigneten Gegenparteien (Art. 24/§ 31a Abs. 4 WpHG, z.B. Kreditinstitute, Pensionsfonds) klassifiziert. Nichtprofessionelle Kunden können auf ihr Schutzniveau nach näherer Maßgabe von Anh. II Nr. II verzichten (§ 31a Abs. 7 WpHG, Seyfried, WM 2006, 1375), professionellen Kunden ist es andererseits möglich, eine Behandlung als nichtprofessioneller Kunde zu beantragen, § 31a Abs. 6 WpHG. Die Wohlverhaltensregel machte die besondere Informationspflicht gegenüber Verbrauchern bei Finanztermingeschäften nach § 37d WpHG a.F. obsolet. Im Wertpapierhandel begründet Art. 21/§ 33a WpHG die Pflicht zur kundengünstigsten (und nicht dienstleistergünstigsten) Ausführung (best execution), wiederum mit Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1/§ 31b WpHG gegenüber geeigneten Gegenparteien. Im kaufmännischen Verkehr steht diese Ausnahme in Widerspruch zu den Geschäftsbesorgungspflichten nach § 384 Abs. 2 HGB, dürfte aber als lex specialis zu begreifen sein (zweifelnd Spindler/Kasten, WM 2006, 1749, 1797 (1798)).
45
In Anbetracht des zweifachen Ziels, so vermerkt der 44. Erwägungsgrund, die Anleger zu schützen und zugleich ein reibungsloses Funktionieren der Wertpapiermärkte zu gewähr-
Bülow
§ 1 Grundlagen (Begriff, Geschichte, Rechtsquellen)
23
leisten, enthalten Art. 25 ff./§§ 31f ff. WpHG differenzierte Transparenzvorschriften, Art. 44, 45/§§ 30, 31 BörsenG für geregelte Märkte (Fleischer, BKR 2006, 392 (393)); zu systematischen Internalisierern vorst. Rn. 43. Art. 33 ff./§ 19 BörsenG gewährleistet Wertpapierfirmen den Zugang zu geregelten Märkten und anderen Institutionen. 3. REITs. Eine neue Form des Immobilienhandels und der Vermögensanlage in Immobilien durch Grundstücks-Aktiengesellschaften, Real Estate Investment Trusts (REITs), wurde eingeführt. Der Erwerb von Aktien an der REIT-AG wird neben der Beteiligung an geschlossenen und offenen Immobilienfonds (nicht aber einer Investment-AG nach §§ 96, 66 ff. InvG) die indirekte Immobilienanlage ermöglichen. Die Besonderheit der REIT-AG liegt in der Besteuerung. Die REIT-AG ist mit ihren Einkünften von Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befreit (vorausgesetzt, dass 75 % der Bruttoerträge aus Vermietung und Verpachtung oder aus Immobilien-Veräußerung entstehen und dass 75 % des Gesellschaftsvermögens in Immobilien liegen), die Besteuerung findet bei den Aktionären statt, an die als Mindestdividende 90 % des Gewinns ausgeschüttet werden müssen. Die Dividenden sind Einkünfte aus Kapitalvermögen und vom Halbeinkünfteverfahren ausgenommen. Die Höchstbeteiligungsquote am Grundkapital für einen Aktionär soll 10 % betragen, die Mindestbeteiligungsquote ist wie folgt ausgestaltet: Mindestens 15 % des Grundkapitals müssen von Gesellschaftern gehalten werden, die zusammen nicht mehr als 3 % des Kapitals darstellen; auf diese Weise wird eine gewisse Streuung gewährleistet. Die REIT-AG muss auf einem organisierten Markt (oben Rn. 12) notiert sein und unterliegt so der Aufsicht durch die BAFin. Die Deutsche Börse in Frankfurt am Main schafft für die REIT-AG ein Sondersegment außerhalb des deutschen Aktienindex (DAX). Inländische Wohnimmobilien werden nicht REIT-fähig sein, soweit sie vor dem 1.1.2007 fertiggestellt wurden. Noch ungeklärt ist die steuerliche Behandlung von Gewinnen deutscher REITs im Ausland. Immobilienübertragungen an eine REIT-AG werden steuerlich begünstigt („Exit-Tax“), für Immobilienfonds gilt dies nicht.
46
4. Basel II. Kreditinstitute unterliegen hinsichtlich ihrer Eigenmittelausstattung der Aufsicht, in Deutschland nach § 10 KWG. Weltweite Standards liegen in einem Regelwerk, das durch den Ausschuss für Bankenaufsicht bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel erarbeitet worden war. Nach den seit 1988 angewandten Regeln ist eine Eigenkapitalunterlegung von Kreditrisiken in Höhe von 8 % ohne Differenzierung nach der Bonität der Schuldner, also nach dem Risiko, gefordert. Eine solche Differenzierung ermöglicht das neue Regelwerk Basel II, die zur Entlastung des Eigenkapitals beim einzelnen Kreditinstitut führen kann, also zu geringeren Kosten. Grundlage ist die interne Bewertung (Rating, s. auch oben Rn. 40 a.E.) der einzelnen Kreditschuldner, mit denen Kreditrisiken gemessen werden, wobei ein Basisansatz (IRBA) oder ein verfeinerter und entsprechend aufwendigerer Ansatz oder auch der Standardansatz nach Basel I (8 % Eigenkapitalunterlegung) gewählt werden können. Als Erste haben Postbank und Landesbank Rheinland-Pfalz die Genehmigung ihrer internen Systeme von der BAFin erhalten, der schwedische Finanzkonzern SEB von der Stockholmer Finanzaufsicht. In Deutschland gilt eine Übergangsfrist bis 2008, bis zu der die Marke von 8 % der Eigenmittel unterschritten werden kann. Als Folge der sog. Subprime-Krise auf dem USamerikanischen Hypothekenmarkt und Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten im Jahre 2007 wird bereits über eine Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften für besonders riskante Geschäfte nachgedacht („Basel III“).
48
Bülow
47
“This page left intentionally blank.”
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
25
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
Schrifttum Altjohann, Der Bankvertrag, Diss. München 1962; Balzer, Anm. zu BGHZ 152, 114, BKR 2002, 1092; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., 2008; Bunte, Besprechung von Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Bd. 1 1988, WM 1983, 430; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Bd. 1 1988; Claussen (Hrsg.), Bankund Börsenrecht, 4. Aufl. 2008; Claussen, Gibt es einen allgemeinen Bankvertrag oder gibt es ihn nicht?, FS Peltzer, 2001, S. 55; ders., WuB I B 6.-1.03 Allgemeiner Bankvertrag; Emmerich, Erläuterung zu BGHZ 152, 114, JuS 2003, 293; Fuchs, Zur Lehre vom allgemeinen Bankvertrag, 1982; van Gelder, Schutzpflichten zugunsten Dritter im bargeldlosen Zahlungsverkehr, WM 1995, 1253; Guggenheim, Die Verträge der schweizerischen Bankpraxis, 1985; Häuser, Giroverhältnis, in: BMJ (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. II. 1981, S. 1317; Haupt, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Banken, 1937; Hopt, Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Bd. I, § 1, 3. Aufl. 2007; Hopt/Mülbert, Kreditrecht, 1989; Immenga, Besprechung von Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Bd. 1 1988, ZBB 1990, 44; Kilgus, Anm. zu BGHZ 152, 144, BB 2002, 2576; Köndgen, Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1990 – 1991, NJW 1992, 2263; ders., Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1992 – 1995, NJW 1996, 558; ders., Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1999 – 2003, NJW 2004, 1288; Kort, Kurzkommentar zu BGHZ 152, 144, EWiR § 675 BGB 4/03, 151; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004; Lang, V., Das Aus für die Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag“?, BKR 2003, 227; Lwowski/Roth, in: Hellner/Steuer, BuB Rn. 2/2; Mülbert, Der Kontovertrag als bankgeschäftlicher Vertragstyp, FS Kümpel, 2003, S. 395; Neustätter, Kontokorrent-Bedingungen der Banken, 1921; Ohlroggen, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken (1993) und der allgemeine Bankvertrag, 1997; Petersen, Der Bankvertrag, JURA 2004, 627; Pikart, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bankvertrag, WM 1957, 1238; Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935; Reichwein, Gedanken zu einigen Fragen des Bankrechts, SchwAG 1987, 18; Rohe, Netzverträge, 1998; Roth, Der allgemeine Bankvertrag, WM 2003, 480; Rümker, Vertrauenshaftung – Strukturprinzip des Bankvertragsrechts, ZHR 147 (1983), 27; ders., Besprechung von Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Bd. 1 1988, ZIP 1989, 199; Schwark, 100 Bände BGHZ: Bank- und Wertpapierrecht, ZHR 151 (1987), 325; ders., Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl., 2004; Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.), HGB, 2001, Bd. 2 BankR I; Ulmer, P., Der Vertragshändler, 1969; Werner, Ein neues Kompendium des Kreditrechts, ZBB 1990, 236. Inhaltsverzeichnis A. „Allgemeiner Bankvertrag“ und Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde . . . . . . . . 1 I. Begründung der dauernden Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde als Ausgangspunkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Zur Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag“ . . . . 6 I. Stand der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Bisherige Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 6 2. Urteil des BGH vom 24. September 2002 – XI ZR 345/01 – und seine Fallgestaltung. . . . . . . . . . . . . 7 3. Kein allgemeiner Bankvertrag aus dauernder Geschäftsverbindung. . . . . . . 9 4. Kein allgemeiner Bankvertrag aus Vereinbarung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . 10 5. „Allgemeiner Bankvertrag“ und Vertragsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 6. Kein Kontrahierungszwang für „risikoneutrale“ Bankgeschäfte . . . . . . 12 7. Überflüssige Rechtsfigur . . . . . . . . . . . 13
Meinungsstand im Schrifttum. . . . . . . . . . 1. Befürworter des „allgemeinen Bankvertrages“ . . . . . . . 2. Gegner des „allgemeinen Bankvertrages“ . . . . . . . 3. Vertragstyp des „allgemeinen Bankvertrages“ . . . . . . . 4. Das Verhältnis des allgemeinen Bankvertrages zu den einzelnen Bankgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Allgemeine Verhaltenspflichten der Bank und des Kunden . . . . . . . . . . 6. Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beendigung des allgemeinen Bankverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . C. Lehre vom „Vertrauensverhältnis kraft Geschäftsverbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dauernde Geschäftsverbindung als gesetzliches Schuldverhältnis . . . . . . . . . . II. Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertrauenshaftung kraft Geschäftsverbindung bei Unwirksamkeit des Bankvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Häuser
II.
14 15 20 22
23 33 35 38 41 41 45
47
26
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Stichwortverzeichnis Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Bankgeschäfte, risikoneutrale . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Bankvertrag, allgemeiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 15 Dauerschuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 10, 24 Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 22 Einmalkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 3, 6, 14, 17, 25 Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 2 Gleichbehandlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 26
1
Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Rahmenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 16, 23, 25, 41 Schuldverhältnis, gesetzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Vertragsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
A. „Allgemeiner Bankvertrag“ und Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde I. Dauernde Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde als Ausgangspunkt. Der geschäftliche Kontakt zwischen einer Bank und ihren Kunden beschränkt sich meistens nicht auf den Abschluss eines bestimmten einzelnen Bankgeschäfts. Zu solchen Einmalkontakten kommt es vielmehr nur ausnahmsweise, beispielsweise wenn ein Schuldner bargeldlos zahlen will, aber kein Girokonto unterhält. Er schließt dann mit der Bank des Zahlungsempfängers einen Überweisungsvertrag (§ 676a Abs. 1 Satz 1 BGB; früher sog. „Einzelüberweisungsauftrag“) und stellt den Geldbetrag der Überweisung in bar (vgl. § 676a Abs. 1 Satz 3 BGB) oder als Erlös aus einem gleichzeitig, ebenfalls als Einmalkontakt erteilten Scheckinkasso zur Verfügung (als Beispiel BGH WM 1990, 6 = NJW-RR 1990, 366 = WuB I F 5.-2.90 (Ott); dazu MünchKommHGB-Häuser, ZahlungsV Rn. B 28). Regelmäßig ist die Aufnahme eines geschäftlichen Kontakts aus der Sicht von Bank und Kunde allerdings darauf gerichtet, eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung (vgl. § 362 Abs. 1 HGB) einzugehen, in deren Rahmen künftig unterschiedliche Bankgeschäfte vereinbart und abgewickelt werden können. Eine solche auf Dauer gerichtete Geschäftsverbindung einzugehen, entspricht üblicherweise der Interessenlage sowohl des Kunden als auch der Bank (Baumbach/Hopt, HGB, BankGesch (7) Rn. A/6; Claussen, § 1 Rn. 193, 194; Kümpel, Rn. 2.805).
2
Eingeleitet wird diese Geschäftsverbindung meistens durch den Abschluss eines bestimmten Bankgeschäfts. Für eine gleichzeitige, über dieses einzelne Geschäft hinausgehende Begründung einer dauernden Geschäftsverbindung spricht, wenn der Kontakt sich nicht auf dieses Bankgeschäft beschränken soll, sondern auf den Abschluss weiterer Geschäfte angelegt ist, was regelmäßig darin zum Ausdruck kommt, dass die Bank dem Kunden bei dem Abschluss des auslösenden Geschäfts ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aushändigt. Nach Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 AGB der Banken gelten sie nämlich nicht nur für das konkrete Bankgeschäft, sondern erfassen „die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der Bank“. Der Kunde wird beispielsweise durch einen Girovertrag im Ausgangspunkt berechtigt, über sein Guthaben mittels Überweisung oder Lastschrifteinzug zu verfügen, und die Bank zur Durchführung des Giroverkehrs verpflichtet. Gleichzeitig wird regelmäßig ein Girokonto eröffnet (§ 676f Satz 1 BGB), und es werden dem Bankkunden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgehändigt. Darin kommt typischerweise zum Ausdruck, auch eine dauernde Geschäftsverbindung begründen zu wollen. So verbindet sich beispielsweise mit der Eröffnung eines Girokontos regelmäßig die Möglichkeit, alsbald am Zahlungsverkehr auch durch eine vereinbarte Überziehung (vgl. § 493 Abs. 1 BGB) teilnehmen zu können, also ein Kreditverhältnis zu vereinbaren (§ 676a Abs. 2 Satz 3 a.E. BGB: „ausreichender Kredit eingeräumt“).
Häuser
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
27
II. Rechtsrahmen. Der aufgezeigte, zunächst vor allem rechtstatsächliche Befund führt seit langem zu der Frage, ob jenseits der rechtsgeschäftlichen Grundlagen des einzelnen Bankgeschäfts, z.B. der Besorgung bargeldloser Zahlungen auf Grund eines Girovertrags, mit der Aufnahme einer Geschäftsverbindung auch ein „allgemeiner Bankvertrag“ zwischen dem Kreditinstitut und seinem Kunden geschlossen wird, dessen Rechtswirkungen in vielfältiger Hinsicht über die jeweiligen einzelnen Bankgeschäfte, also beispielsweise das auslösende Giroverhältnis, hinaus reichen und als rechtsgeschäftliche Grundlage für besondere Schutzpflichten, insbesondere Interessenwahrungs-, Auskunfts- und Beratungspflichten dienen. Der „allgemeine Bankvertrag“ soll außerdem die erforderliche rechtsgeschäftliche Grundlage für die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute im Rechtsverhältnis mit dem Kunden darstellen (vgl. § 305 Abs. 3 BGB). Erstmals hat wohl Neustätter (S. 71) vom „Bankiervertrag“ als der prägnantesten Bezeichnung für die eigenartigen Rechtsbeziehungen gesprochen, die sich auf Grund einer Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde entwickeln.
3
In Anknüpfung an frühe Ausführungen des RG (RGZ 27, 118 (121)) über den besonderen, sich in rechtlich bedeutsamer Hinsicht dynamisch entwickelnden Charakter einer „dauernden Geschäftsverbindung“ sehen auch diejenigen Autoren, die aus unterschiedlichen Gründen die Rechtsfigur eines pflichtenbegründenden „allgemeinen Bankvertrages“ ablehnen, in der Geschäftsverbindung zwischen der Bank und Kunden nicht nur ein tatsächliches Phänomen. Vielmehr kennzeichnen sie diese Geschäftsverbindung umfassend und ohne rechtsgeschäftliche Anknüpfung als ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten (insbesondere Canaris, Rn. 21 ff.). Auch nach dieser Rechtsmeinung führt die Aufnahme der Geschäftsverbindung zu Rechtswirkungen zwischen Bank und Kunde, beispielsweise Schutz- und Aufklärungspflichten, die unabhängig von dem einzelnen Rechtsgeschäft eintreten. Anhänger der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag“ lehnen nun wiederum eine solche „Vertrauenshaftung kraft Geschäftsverbindung“ nicht grundsätzlich ab, und zwar insbesondere nicht in Fällen, in denen eine Geschäftsverbindung zwar zustande gekommen, aber, beispielsweise mangels Geschäftsfähigkeit des Bankkunden, kein rechtswirksamer Bankvertrag geschlossen worden ist (vgl. nur Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 54: „Residualkategorie“).
4
Sowohl die Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag“ als auch die Auffassung von einem besonderen „gesetzlichen“ Schuldverhältnis aus der Geschäftsverbindung dienen mithin als Rechtsgrundlage für allgemeine Verhaltenspflichten, die aus der gesamten Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut als einem besonderen Vertrauensverhältnis hervorgehen. Offenkundig ist in beiden Lagern die gemeinsame Vorstellung bestimmend, dass sich entweder durch Vertragsrecht oder die gesetzliche Geltung von allgemeinem Schuldrecht der Schutz der Interessen von Bankkunden als einer Gruppe von regelmäßig geschäftlich weniger erfahrenen oder sozial schwächeren Personen am besten verwirklichen lasse. Deshalb wird es von manchen im Ergebnis sogar als nicht entscheidend angesehen, ob die rechtliche Grundlage der bankrechtlichen Geschäftsverbindung in einem „allgemeinen Bankvertrag“ oder schlicht in einer ständigen Geschäftsverbindung liegt (so MünchKommBGB-K. P. Berger, Vor § 488, Rn. 78; Köndgen, NJW 1996, 558 (559); Ebenroth/Boujong/Joost-Thessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 11).
5
B. Zur Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag“
6
I. Stand der Rechtsprechung. 1. Bisherige Rechtsprechung. Die Rechtsprechung, insbesondere der BGH, hatte bis vor kurzem offenbar keinen Anlass, sich explizit zum „allgemeinen Bankvertrag“ als solchem im Unterschied zur vertraglichen Einigung über die AGB oder beispielsweise zum Girovertrag zu äußern (Häuser, Giroverhältnis, S. 1317
Häuser
28
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
(1340)). Zwar erwähnte die Rechtsprechung gelegentlich den Bankvertrag, etwa im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis oder mit einem Giro- und Kontokorrentvertrag, ohne jedoch aus dieser Umschreibung des Rechtsverhältnisses der Bank zu ihrem Kunden bestimmte Rechtsfolgen abzuleiten. Häufig war mit dieser Kennzeichnung bei näherem Hinsehen verkürzend auch nur das einzelne Bankgeschäft (z.B. die Eröffnung eines Girokontos) gemeint (vgl. BGHZ 63, 87 (90 f.); BGH WM 1973, 892; BGH WM 1958, 871; BGH WM 1958, 588; BGH WM 1957, 30; BGHZ 23, 222 (223); BGHZ 2, 218 (225) = NJW 1951, 652 = LM Nr. 1 zu § 667 BGB; BGH NJW 1951, 599; OLG München ZIP 2006, 2122 = NZI 2007, 108 = EWiR 2006, 705; dazu auch Schwark, ZHR 151 (1987), 325 (329)). Nach Ansicht des OLG Frankfurt besteht freilich im Bank-Kunden-Verhältnis „ein allgemeiner Bankvertrag, der, wie dies üblich ist, die Grundlage aller zwischen beiden stattfindenden bankgeschäftlichen Vorgänge bildet“ und „die Pflicht zu gegenseitiger Treue, Fürsorge und Rücksichtnahme“ beinhaltet (WM 1988, 1439 (1440); ebenso BGH (II. ZS) WM 2004, 1237, 1238). 7
2. Urteil des BGH vom 24. September 2002 – XI ZR 345/01 – und seine Fallgestaltung. Der Bankrechtssenat des BGH hat im Urteil vom 24. September 2002 – XI ZR 345/ 01 – aus Anlass eines eher unspektakulären, aber anschaulichen Falles nunmehr grundsätzlich zur Lehre von einem pflichtenbegründenden allgemeinen Bankvertrag Stellung genommen und diese Rechtsfigur mit einer Reihe von Argumenten abgelehnt (BGHZ 152, 114 = WM 2002, 2281 = ZIP 2002, 2082 = NJW 2002, 3695 = DB 2002, 2591 = BB 2002, 2573 = BKR 2002, 1089; dazu Petersen, JURA 2004, 627; Kilgus, BB 2002, 2576; Paul, BGHReport 2002, 1096; Balzer, BKR 2002, 1092; Kort, EWiR 2003, 151 „Grundsatzentscheidung“; ebenso Roth, WM 2003, 480).
8
Konkursverwalter und Bank stritten über entgangene Anlagezinsen aus einem Sichtguthaben in Fremdwährung, das der Gemeinschuldner der Bank verpfändet hatte. Die Bank hatte das US-Dollar-Festgeld zu Tagesgeldkonditionen auf dem Konto belassen und es mit Rücksicht auf die Verpfändung mit einem Sperrvermerk versehen. Das Berufungsgericht hatte dem Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung zugesprochen. Es habe für die gesamte und langjährige Geschäftsbeziehung ein Rahmenvertrag bestanden, der die Grundlage für alle einzelnen Bankgeschäfte gebildet habe. Aus diesem Rahmenvertrag und den abgeschlossenen Einzelverträgen sei die Bank verpflichtet gewesen, den Gemeinschuldner ordnungsgemäß zu beraten und zu betreuen. Diese Pflicht habe die Beklagte verletzt, weil sie das US-Dollar-Festgeld zu Tagesgeldkonditionen auf dem Konto belassen habe, obwohl dieses mit einem Sperrvermerk versehen war. Während der Laufzeit des Darlehens von einem Jahr habe der Gemeinschuldner deshalb nicht über das verpfändete Guthaben verfügen können, so dass die vereinbarten Tagesgeldkonditionen nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen hätten. Die Beklagte habe den Kunden auf dessen Verlangen unverzüglich angemessene Bedingungen einräumen und ihn auf die unzureichende Verzinsung hinweisen müssen. Dieser Begründung ist der BGH entgegengetreten. Dem Kunden stehe kein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung zu. Die Bank habe keine Pflicht zu ordnungsgemäßer Beratung und Betreuung des Kunden verletzt. Die gesamte Geschäftsbeziehung werde nicht durch einen allgemeinen Bankvertrag als Rahmenvertrag überlagert. Nach Ansicht des BGH (a.a.O.) hat der klagende Kunde im konkreten Fall keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, die einen konkludenten Abschluss eines allgemeinen Bankvertrages als Rahmenvertrag ergeben. Der BGH wendet sich also dagegen, einen solchen Vertragsschluss allein schon aus den folgenden typischen Vertragsumständen herzuleiten.
9
3. Kein allgemeiner Bankvertrag aus dauernder Geschäftsverbindung. Allein aus einer langjährigen Geschäftsverbindung, die beispielsweise in verschiedenen Verträgen
Häuser
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
29
über Bankkonten und Darlehen zum Ausdruck kommt, lässt sich nach Ansicht des BGH (a.a.O.) ohne besondere Anhaltspunkte nicht der (konkludente) Abschluss eines eigenständigen allgemeinen Bankvertrages als Rahmenvertrag zwischen dem Bankkunden und der Bank herleiten. Der Bankrechtssenat folgt vielmehr dem Teil des Schrifttums, der aus einer längeren Geschäftsverbindung zwischen einer Bank und einem Kunden im Zusammenhang mit einem Giro- oder einem Darlehensvertrag keinen eigenständigen allgemeinen Bankvertrag als Rahmenvertrag ableitet, sondern eine längere Geschäftsverbindung als eine Beziehung qualifiziert, die auf einer mehr oder weniger großen Zahl von Einzelverträgen und dem sich daraus ergebenden Dauerschuldverhältnis beruht (unter Verweis auf MünchKommHGB-Hadding/Häuser, ZahlungsV Rn. A 151 f.; MünchKommBGBWestermann, Vor § 607 BGB Rn. 15 f.; MünchKommBGB-K. P. Berger, Vor § 488 Rn. 78; Heymann-Horn, Anh. zu § 372 HGB Rn. I/6; Canaris, Rn. 4 ff.; Kümpel, Rn. 2.806 ff.; Schwark, ZHR 151 (1987), 325 (329 f.); Werner, ZBB 1990, 236 (238)). 4. Kein allgemeiner Bankvertrag aus Vereinbarung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Auch wenn mit dem ersten Giro- oder Darlehensvertrag die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank, die nicht nur das Giro- oder Darlehensverhältnis regeln, vereinbart werden, kann nach Ansicht des BGH (a.a.O.) nicht von einem zusätzlichen allgemeinen Bankvertrag ausgegangen werden. Giro- und Darlehensverträge seien ihrerseits regelmäßig von vornherein auf längere Zeit angelegt und begründeten ein Dauerschuldverhältnis und mithin die Grundlage der Geschäftsbeziehung. Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen, die aus Anlass eines Giro- oder Darlehensvertrages vereinbart werden, seien nicht Gegenstand eines selbstständigen Vertrags, sondern, auch soweit sie mit ihren Bestimmungen über das Giro- oder das Darlehensverhältnis inhaltlich hinausgehen, Teil des Giro- oder Darlehensvertrages. Dass sie auch für spätere weitere Bankgeschäfte von Bedeutung sind, ändere nichts. Eines allgemeinen Bankvertrages bedürfe es für die Geltung der AGB mit Rücksicht auf die AGB-Rahmenvereinbarung nach § 305 Abs. 3 BGB (früher § 2 Abs. 2 AGBG) nicht (Werner, ZBB 1990, 236 (238)).
10
5. „Allgemeiner Bankvertrag“ und Vertragsbegriff. Die Annahme eines neben einem Giro- oder Darlehensvertrag mit Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossenen zusätzlichen allgemeinen Bankvertrages verfehlt nach Ansicht des BGH (a.a.O.) sogar den allgemeinen Vertragsbegriff. Es fehle nämlich an einer eigenständigen bindenden Rechtsfolge eines solchen Bankvertrages, die durch die von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen in Kraft gesetzt wird. Denn der allgemeine Bankvertrag begründet auch nach Ansicht seiner Anhänger keine primären Hauptleistungspflichten, sondern nur sekundäre Schutz- und Verhaltenspflichten. Solche Pflichten bestehen indes unabhängig vom Willen der Parteien (im Anschluss an Canaris, Rn. 5).
11
6. Kein Kontrahierungszwang für „risikoneutrale“ Bankgeschäfte. Der BGH (a.a.O.) widerspricht ferner der Auffassung eines Teils der Literatur, nach der sich aus dem allgemeinen Bankvertrag auch die Pflicht der Bank ergebe, einzelne vom Kunden gewünschte risikoneutrale Geschäftsbesorgungen vorzunehmen (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 27 ff.; Claussen, § 1 Rn. 197; a.A. insoweit Hellner/SteuerLwowski/Roth, BuB Rn. 2/5). Es spreche nichts für die Bereitschaft der Bank, geschweige denn für einen dem Kunden gegenüber ausdrücklich erklärten Vertragswillen, sich schon bei der Aufnahme der Geschäftsbeziehung unter Aufgabe ihrer Vertragsfreiheit einem beschränkten privatrechtlichen Kontrahierungszwang hinsichtlich vom Kunden gewünschter risikoneutraler Geschäftsbesorgungen zu unterwerfen. Die Annahme eines solchen Rechtsbindungswillens, der mit dem Interesse der Bank erkennbar nicht im Einklang steht, sei genau so fiktiv wie der des Kunden, er wolle sich verpflichten, künftig alle
12
Häuser
30
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Bankgeschäfte nur mit dieser Bank, nicht aber mit einer anderen abzuwickeln (im Anschluss an Canaris, Rn. 6 f.). 13
7. Überflüssige Rechtsfigur. Abschließend führt der BGH (a.a.O.) das sehr weitgehende Argument an, der allgemeine Bankvertrag als übergreifender, die gesamte Geschäftsbeziehung regelnder Rahmenvertrag sei überflüssig, weil Schutz- und Verhaltenspflichten, die aus dem allgemeinen Bankvertrag folgen sollen, auch von Anhängern der Lehre vom allgemeinen Bankvertrag aus einem auf Grund der Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunden bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten abgeleitet werden, wenn der allgemeine Bankvertrag nichtig ist (im Anschluss an Baumbach/Hopt, (7) BankGesch Rn. A/7; MünchKommBGB-K. P. Berger, Vor § 488 Rn. 78).
14
II. Meinungsstand im Schrifttum. Bis zur Entscheidung des Bankrechtssenats vom 24. September 2002 (a.a.O.) konnte man davon ausgehen, dass die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum sich für die Lehre vom allgemeinen Bankvertrag aussprach ( Karsten Schmidt, HandelsR, § 20 I 2b, S. 600: „herrschende Meinung“; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 18, Lehre habe sich „durchgesetzt“; Claussen, FS Peltzer, S. 55 (65): „überwiegende Literatur“). Während diese Lehre in der Vergangenheit vor allem mit dem Argument angegriffen worden ist, die bloße Vereinbarung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen reiche für einen Vertrag nicht aus, lässt sich dieser Einwand mit Rücksicht auf § 305 Abs. 3 BGB (früher § 2 Abs. 2 AGBG), der die AGB-Rahmenvereinbarungen ausdrücklich anerkennt, nicht mehr aufrechterhalten. Selbst wenn in der Praxis eine isolierte Rahmenvereinbarung außerhalb eines konkreten Bankgeschäfts, z.B. des Abschlusses eines Girovertrags, nur selten vorkommt, so ist es rechtlich durchaus möglich, eine derartige Vereinbarung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus Anlass eines bestimmten Geschäfts nach Maßgabe des § 305 Abs. 3 BGB (früher § 2 Abs. 2 AGBG) zu treffen. Bei später abzuschließenden Rechtsgeschäften gelten dann die AGB, ohne dass es einer erneuten Einbeziehung nach § 305 Abs. 2 BGB (früher § 2 Abs. 1 AGBG) bedarf. Heute wird umgekehrt darauf hingewiesen, die in § 305 Abs. 3 BGB (früher § 2 Abs. 2 AGBG) anerkannte Rahmenvereinbarung über die Geltung der AGB lasse ein Bedürfnis für einen „allgemeinen Bankvertrag“ entfallen (Werner, ZBB 1990, 236 (238)) oder diese sei „kein Spezifikum des Bankrechts“ (so Kümpel, Rn. 2.815).
15
1. Befürworter des „allgemeinen Bankvertrages“. Teile des Schrifttums gehen davon aus, dass Bank und Kunde als rechtsgeschäftliche Grundlage ihrer Geschäftsverbindung, wenn nicht nur ein einzelnes Bankgeschäft abgewickelt werden soll, einen „allgemeinen Bankvertrag“ schließen, der ein auf Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag sei (§§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB) und der den rechtlichen Rahmen für die jeweils zu schließenden Einzelverträge vorgibt und dessen Wirkungen über die jeweiligen einzelnen Bankgeschäfte, also auch ein Giroverhältnis, hinausreicht (Köndgen, NJW 1992, 2263; Pikart, WM 1957, 1238; Baumbach-Hopt, HGB, BankGesch (7) A/6; Hopt/Mülbert, Vorbem. zu § 607 BGB, Rn. 506; Hopt, S. 393 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 19, 32; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 2 Rn. 2; Hellner/Steuer-Lwowski/Roth, BuB, Rn. 2/2 ff.; Raiser, S. 135 (145); P. Ulmer, S. 316 ff.; Schwark, ZHR 151 (1987), 325 (329); Rümker, ZHR 147 (1983), 27; Bunte, WM 1983, 430; Fuchs, passim; Häuser, S. 1317 (1336); Staudinger-Martinek, BGB, Stand 2006, § 675 Rn. B 27; MünchKommBGB-Heermann, § 675 Rn. 51; Palandt-BGB-Sprau, § 675 Rn. 9; auch nach der Entscheidung des BGH Claussen, § 1 Rn. 200; Köndgen, NJW 2004, 1288, 1289; Roth, WM 2003, 480 (482)). Dies komme insbesondere in der üblichen Vereinbarung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken oder der Sparkassen zum Ausdruck, die eben nicht nur Bestimmungen über einzelne Bankgeschäfte enthielten, sondern auf die gesamte Geschäftsverbindung ausgerichtet seien, ohne sich jedoch darin zu erschöpfen. Ein solcher
Häuser
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
31
„allgemeiner Bankvertrag“, der von den im Einzelnen abzuschließenden Bankgeschäften zu unterscheiden ist, differenziert also die ohnehin schon vielschichtige Vertragstruktur auch einfacher Bankgeschäftstypen, wie beispielsweise den „Kontovertrag“ (dazu Mülbert, FS Kümpel, S. 395), weiter aus. Er hat zwar keine primären Hauptleistungspflichten zum Gegenstand, ist aber wohl die Rechtsgrundlage für sekundäre Schutz- und Verhaltenspflichten, und zwar sowohl zu Gunsten der Bank als auch des Kunden, für das Kreditinstitut steht insbesondere die Pflicht zur Verschwiegenheit (sog. Bankgeheimnis) im Vordergrund. Zu Gunsten eines „allgemeinen Bankvertrages“ hat sich in jüngerer Zeit auch nach der Entscheidung des BGH insbesondere Hopt mit Rücksicht auf die rechtsgeschäftliche Privatautonomie ausgesprochen, die es als selbstverständlich erscheinen lasse, dass Bank und Kunde ihre Geschäftsverbindung in einem solchen Bankvertrag als Grund und Rahmen für später abzuschließende einzelne Geschäfte ausgestalten können. Der Gesetzgeber habe den Grund- oder Rahmenvertrag als zivilrechtliche Rechtsfigur in § 104 Abs. 2 InsO ausdrücklich anerkannt und auch Nr. 1 Abs. 1 AGB der Sparkassen deute mit der folgenden Formulierung darauf hin: „Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und der Sparkasse ist durch die Besonderheiten des Bankgeschäfts und ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt“. Es könne nur fraglich sein, ob die Parteien einen solchen Vertrag im Einzelfall tatsächlich gewollt haben, weshalb gegen den Bankvertrag nicht überzeugend eingewandt werden könne, Bank und Kunde würden nicht stets einen Bankvertrag vorweg schließen. Von einem „Aus für die Lehre vom allgemeinen Bankvertrag“ kann deshalb nach Hopt keine Rede sein. Die Frage nach der Existenz oder Nichtexistenz eines allgemeinen Bankvertrages sei nicht richtig gestellt. Anknüpfungspunkt für die Begründung eines allgemeinen Bankvertrages sei die Feststellung des rechtlichen Gestaltungswillens von Bank und Kunde, der nach den §§ 133, 157 BGB durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln sei, den der Kunde zur Aufnahme der Beziehung zu der Bank gerade abschließt. (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 15, 19f., 53; Baumbach/ Hopt, HGB, BankGesch (7) A/6; Lang, BKR 2003, 227 (230); Ebenroth/Boujong/JoostThessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 11; Kilgus, BB 2002, 2567).
16
Ob im einzelnen Fall, wenn der Kunde einen Girovertrag mit entsprechender Kontoeröffnung vereinbart oder einen Krediteröffnungsvertrag schließt, zusätzlich auch ein Bankvertrag zustande kommt, wird folgerichtig als eine Frage der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) angesehen. Insoweit entspricht es nach Hopt typischerweise dem Interesse des Kunden, dass die Bank über das konkrete Geschäft hinaus seine Interessen wahrt, z. B. das Bankgeheimnis beachtet, ihm im Rahmen normaler Bankgeschäfte zur Verfügung steht und ihn bei der Verhandlung über künftige Einzelgeschäfte nicht schädigt oder dafür haftet. Und die Bank ihrerseits bringt zum Ausdruck, dass sie sich diesen Erwartungen nicht verschließt, was beispielsweise in Nr. 2 Abs. 2 der AGB der Banken sichtbar wird, in dem sie die Wahrung des Bankgeheimnisses auch über das konkrete Geschäft hinaus verspricht oder wenn Nr. 1 Abs. 1 AGB der Sparkassen betont, die Geschäftsverbindung werde durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 22; ebenso Claussen, FS Peltzer, S. 55 (66); Ebenroth/Boujong/Joost-Thessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 11). Zu dem Gegenargument, es liege nicht im Interesse der Banken, sich in dieser Weise bereits über das aktuelle Geschäft hinaus rechtlich zu verpflichten, wird darauf verwiesen, die Banken würden die Erwartungshaltung ihrer Kunden kennen und diese als in ihrem Geschäftsinteresse liegend gerne hinnehmen (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 22).
17
Wenn ferner gegen den Bankvertrag angeführt wird, die Parteien setzten keine Rechtsfolge in Geltung, weil sie die Geschäftsverbindung jederzeit abbrechen könnten (so Ca-
18
Häuser
32
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
naris, Anm. 4), ist aus heutiger Sicht einzuwenden, dass die Bank nach Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, nur unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist jederzeit kündigen kann. Nur der Kunde kann allerdings nach Nr. 18 Abs. 1 AGB-Banken jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Vor allem spricht es nicht gegen einen Vertragsschluss, dass ein daraus entstandenes Schuldverhältnis jederzeit beendet werden kann. Entscheidend ist, ob inhaltlich Rechte und Pflichten vereinbart sind, die so lange bestehen, bis das vertragliche Schuldverhältnis, sei es auch ohne Kündigungsfrist, beendet wird. Im Übrigen wirft die Gegenansicht die Frage auf, was nach Nr. 18, 19 AGB der Banken eigentlich gekündigt werden kann und muss, falls ohnehin keine Bindung besteht? 19
Dass die aus dem allgemeinen Bankvertrag folgenden Schutzpflichten sich ebenso gut mit Hilfe eines gesetzlichen Schuldverhältnisses (Lehre von der Geschäftsverbindung oder der Vertrauenshaftung) erklären lassen (dazu Rn. 41), ist sachlich belanglos. Entscheidend ist, ob der Kunde solche Pflichten von seinem Vertragspartner erwartet, es also als Vertragsbestandteil ansieht und die Bank dies ebenfalls so betrachtet oder jedenfalls den Kunden in der Erwartung belässt (§§ 133, 157 BGB) (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 23).
20
2. Gegner des „allgemeinen Bankvertrages“. Andere Autoren lehnen die Lehre vom allgemeinen Bankvertrag grundsätzlich ab (vgl. nur Canaris Rn. 2 ff.; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. I/7; Schwark, S. 100 ff.; Altjohann, 1962). Es ist sogar von dem „Gespenst“ des allgemeinen Bankvertrages die Rede (so Reichwein, SchwAG 1987, 18 (21); ferner Guggenheim, S. 11: „wirklichkeitsfremd“). Gegen einen „allgemeinen Bankvertrag“ spreche, dass er, abgesehen von den durch ihn begründeten Verhaltenspflichten, „keinen materiellen Inhalt“ hat; denn weder verpflichte er den Bankkunden, bestimmte Bankgeschäfte abzuschließen, noch verpflichte er die Bank, einem derartigen Abschluss zuzustimmen (so Werner, ZBB 1990, 236 (238)). Mit der bloß einverständlichen Herstellung einer Geschäftsverbindung werde deshalb keine „Rechtspflicht in Geltung gesetzt“ und es würden somit die Voraussetzungen des allgemeinen Vertragsbegriffes verfehlt. Auch im bankgeschäftlichen Verkehr gelte mit Blick auf die Geschäftsverbindung die allgemeine Regel des § 362 Abs. 1 HGB, nach der ein Schweigen des Kreditinstituts auf einen Vertragsantrag des Kunden über eine Geschäftsbesorgung als Annahme gilt. Damit werde dem Schutzbedürfnis eines Bankkunden im Rahmen einer Geschäftsverbindung ausreichend Rechnung getragen (MünchKommHGB-Hadding/Häuser, ZahlungsV Rn. A 152; Balzer, BKR 2002, 1092 (1094)).
21
Da freilich die schützwürdigen Interessen, denen der allgemeine Bankvertrag Rechnung tragen will, nicht in Frage gestellt werden, liegt der Schwerpunkt der Argumentation der Gegner in der alternativen Begründung der meisten Ergebnisse, die auch mit der allgemeinen Annahme des Bankvertrages erreicht werden sollen, und zwar mittels der Lehre von der Geschäftsverbindung und teilweise unter zusätzlicher Heranziehung der Lehre von der Vertrauenshaftung (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 25).
22
3. Vertragstyp des „allgemeinen Bankvertrages“. Nach der Lehre von einem „allgemeinen Bankvertrag“ ist er schuldvertraglich als ein Dienstvertrag, der auf eine Geschäftsbesorgung gerichtet ist (§§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB), zu qualifizieren, denn die Bank verspricht dem Kunden, ihm für die Besorgung der allgemeinen Bankgeschäfte zur Verfügung zu stehen. Der Bankvertrag ist also kein untypischer Vertrag (kein Vertrag sui generis), sondern verpflichtet zur interessewahrenden Besorgung von Bankgeschäften unterschiedlichen Vertragstyps für den Kunden; denn die einzelnen parallelen Bankge-
Häuser
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
33
schäfte sind ganz unterschiedlichen Vertragstypen wie beispielsweise dem Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB), dem Kauf-, Dienst- oder Werkvertrag (§§ 433 ff., 611 ff. oder 631 ff.) zuzuordnen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 32; Baumbach/Hopt, HGB, BankGesch (7) A/6; ferner schon Raiser, S. 145; Haupt, S. 43 (45 f.); Ulmer, S. 318). 4. Das Verhältnis des allgemeinen Bankvertrages zu den einzelnen Bankgeschäften. Die Geschäftsverbindung auf Grund des Bankvertrages ist also von den einzelnen abzuschließenden Bankgeschäften zu unterscheiden. Denn anknüpfend an die Präambel der AGB der Banken aus dem Jahre 1993 wird der wesentliche Inhalt des allgemeinen Bankvertrages nach wie vor darin gesehen, dass Bank und Kunde eine „Geschäftsverbindung“ eingehen und die Bank den Kunden ihre Geschäftseinrichtungen zur Erledigung verschiedenartiger Aufträge zur Verfügung stellt (z. B. Liesecke, WM 1959, 614). Im Verhältnis zu den einzelnen Bankgeschäften kommt es mit Rücksicht auf die Kennzeichnung des Bankvertrages als Grund- oder Rahmenvertrag zu einer Aufteilung der vertraglichen Regelungsmaterie (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 33; Baumbach/Hopt, HGB, BankGesch (7) Rn. A/6). Soweit einzelne Bankgeschäfte nicht nur ein Dauerschuldverhältnis begründen, sondern ihrerseits als Grund- oder Rahmenverträge zu qualifizieren sind, ist davon auszugehen, dass die Parteien nicht zwei Rahmenverträge, sondern einen einheitlichen Rahmenvertrag abschließen wollen. Dies gilt etwa für den Krediteröffnungsvertrag, durch den der Kreditgeber sich zur Kreditgewährung bis zu einer bestimmten Höhe (Kreditrahmen) verpflichtet. Der Vertrag gibt dann nicht nur den Rahmen für die einzelnen Kreditverträge, sondern auch für weitere Bankgeschäfte ab. Soweit dabei Vertragselemente unterschiedlicher Typen kombiniert werden – für den Krediteröffnungsvertrag je nach dem versprochenen Kredit bereits Elemente des entsprechenden Vertragstyps (§§ 488 Abs. 1, 675 Abs. 1, 433 Abs. 1 BGB, Garantievertrag), für den Bankvertrag §§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB –, ist dies unproblematisch (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 38). a) Zustandekommen. Die Vorstellung vom Bankvertrag als Grund- oder Rahmenvertrag legt es an sich nahe, dass er zeitlich vor dem ersten einzelnen Bankgeschäft zustande kommt. Dies wird im Einzelfall nur möglich sein, wenn etwa die Bankverbindung zwar aus Anlass eines konkreten Bankgeschäftes begründet wird, der endgültige Abschluss desselben, etwa die Einholung einer Bürgschaft oder des Darlehensvertrag noch von weiteren Umständen, beispielweise der Prüfung einzuräumender Sicherheiten, abhängt. Üblicherweise wird der Bankvertrag jedoch zusammen mit dem eines einzelnen Bankgeschäftes geschlossen, so wenn ein Girovertrag abgeschlossen oder ein Kredit gewährt wird. Gleichwohl ist auch hier zwischen dem Rahmenverhältnis und dem einzelnen Bankgeschäft rechtlich zu unterscheiden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 34). Zu seiner Wirksamkeit bedarf es keines schriftlichen Antrags und auch nicht der Ausfüllung von Formblättern (so BGH WM 1958, 589 (599); Ebenroth/Boujong/JoostThessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 14). b) Abschlusspflichten der Bank bei „neutralen“ Geschäften. Die Bank ist regelmäßig nicht verpflichtet, auf Grund des allgemeinen Bankvertrages im Sinne eines verpflichtenden Vorvertrags einzelne Bankverträge zu schließen. Etwas anderes wäre mit der Vertragsabschlussfreiheit unvereinbar. Ein Kontrahierungszwang beispielsweise bei Krediten an Personen, welche die bonitätsmäßigen Voraussetzungen dafür nicht erfüllen, oder bei einer Bürgschaft für einen nicht solventen Kunden wäre ökonomisch unsinnig (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 27 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost-Thessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 17).
Häuser
23
24
25
26
34
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
27
Zu einem Bankvertrag steht es freilich in Widerspruch, dass die Bank im Rahmen der bestehenden Bankverbindung bei so genannten neutralen Geschäften, beispielsweise der Errichtung eines Girokontos oder der Besorgung von Wertpapiergeschäften, ein Angebot des Kunden beliebig abweisen kann. Man wird annehmen können, dass die Bank dem Kunden im Bankvertrag ausdrücklich oder konkludent verspricht, ihm für seine Bankgeschäfte im Rahmen der Besonderheiten des Bankgeschäftes und in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur Verfügung zu stehen und dabei seine Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ausführt (Nr. 1 Abs. 1 AGB-Sparkassen). Die beliebige Ausschließung eines Kunden, auch von neutralen Bankgeschäften, wäre mit dem Bankvertrag als Interessewahrungs- und Vertrauensverhältnis unvereinbar (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 28; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 2 Rn. 20; Ebenroth/ Boujong/Joost-Thessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 17). Denn im Bankvertrag als Interessewahrungsvertrag (zutreffend OLG Frankfurt WM 1988, 1439 (1440)) vereinbaren Bank und Kunde, die Geschäftsbeziehung als ein Vertrauensverhältnis zu behandeln. Die Bank verspricht dem Kunden, seine Interessen zu wahren, soweit das der Bankverbindung oder der Stellung der Bank entspricht und mit der Wahrung ihrer eigenen Interessen vereinbar ist.
28
Es räumen auch Gegner des allgemeinen Bankvertrages ein, dass die Bank in besonderen Fällen aus der Geschäftsverbindung verpflichtet sein kann, ihr angetragene Geschäfte zu übernehmen (vgl. Kümpel, Rn. 2.812; Canaris, Anm. 9 und Anm. 1271, Anm. 1840, 1843). Es wäre aber nicht folgerichtig, die Interessenwahrung und das Vertrauen nur auf die jeweils einzelnen Bankgeschäfte zu beschränken. Die Bank darf bei Fortbestehen der Geschäftsbeziehung den Bankkunden nicht nach freiem Belieben oder willkürlich und ohne eigenes Interesse von ihren Bankdienstleistungen ausschließen. Wenn die Bank den Kunden abweisen will, muss sie vielmehr die gesamte Geschäftsverbindung, also den Bankvertrag beenden, was sie heute jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kann (Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken; Nr. 26 Abs. 1 Satz 2 AGB-Sparkassen) (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt,§ 1 Rn. 29).
29
c) Gleichbehandlungspflicht der Bank bei „neutralen“ Geschäften. Ebenso wie Banken auf Grund des Bankvertrages einem punktuellen Abschlusszwang unterliegen, gilt für sie auch eine inhaltliche Beschränkung mit Rücksicht auf eine bankvertraglich vereinbarte Gleichbehandlungspflicht hinsichtlich „neutraler“ Geschäfte. Aus denselben Gründen kann sie im Massengeschäft nicht einzelne Kunden willkürlich anders behandeln als alle anderen. Mit Rücksicht auf die Vertragsinhaltsfreiheit ist sie selbstverständlich nicht verpflichtet, jedem Kunden im Wettbewerb dieselben Konditionen zu gewähren. Aber der Kunde hat beispielsweise bei einer allgemeinen Gebührensenkung oder einer Änderung der Geschäftsbedingungen zu Gunsten der Kunden Anspruch darauf, dass diese auch ihm angeboten wird. Er braucht, wenn nichts anderes abgesprochen ist, nicht damit zu rechnen, dass die Bank ihn bei Bankdienstleistungen, die sie im Massengeschäft zu üblichen Entgelten und Bedingungen erbringt, willkürlich anders behandelt (§§ 133, 157 BGB) (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 30; Ebenroth/Boujong/Joost-Thessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 20; im Ergebnis ebenso Canaris, Anm. 121). Dies folgt aus einer rahmenvertraglichen Absprache für die gesamte Geschäftsführung. Die Bank kann sich dem nur entziehen, wenn sie die Interessewahrung insgesamt und unter Einhaltung der vereinbarten Frist zu Ende bringt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 30).
30
d) Rechtswirksamkeit. Bankvertrag und einzelnes Bankgeschäft sind grundsätzlich unabhängig voneinander rechtswirksam. Der § 139 BGB gilt im Verhältnis der Geschäfte zueinander nicht (Ebenroth/Boujong/Joost-Thessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 14). Ist der Bankvertrag wirksam, kann beispielsweise gleichwohl ein einzelner Darlehensvertrag wegen sittenwidriger Höhe der Zinsen oder sonstiger Vertragsgestaltung nichtig sein.
Häuser
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
35
Diese Sittenwidrigkeit wirkt sich nicht auf den Bankvertrag aus, was im Einklang mit den Interessen des Kunden liegt. Das gilt auch in dem seltenen Fall, dass einzelne Bankgeschäfte formbedürftig sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 35). Umgekehrt lässt die Nichtigkeit des allgemeinen Bankvertrages gewöhnlich die Wirksamkeit des einzelnen Bankgeschäftes unberührt, so wenn das einzelne Bankgeschäft erst später abgeschlossen wird, beispielsweise ein Minderjähriger inzwischen volljährig geworden ist, oder wenn hinsichtlich des Bankvertrages, aber nicht des Darlehensvertrages ein Dissens vorliegt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 36). e) Leistungsstörungen und Beendigung. Auch hinsichtlich der Leistungsstörungen und der Beendigung der Vertragsverhältnisse ist zwischen Bankvertrag und einzelnen Bankgeschäften zu unterscheiden. Die Leistungsstörungen wirken sich zunächst nur in dem rechtlichen Verhältnis aus, in dem sie eingetreten sind. Um sie auch auf das jeweils andere Verhältnis zu erstrecken, muss dies besonders begründet oder vereinbart werden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 39).
31
Auch bei der Kündigung ist zwischen einzelnen Geschäftsbeziehungen und dem allgemeinen Bankverhältnis zu trennen. Wird ein einzelnes Geschäftsverhältnis gekündigt, so berührt dies nicht ohne weiteres das allgemeine Bankverhältnis. Selbst bei außerordentlicher fristloser Kündigung des allgemeinen Bankvertrages wird nicht automatisch auch das einzelne Bankgeschäft, beispielsweise ein gewährter Kredit, zum gleichen Zeitpunkt beendet (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 40).
32
5. Allgemeine Verhaltenspflichten der Bank und des Kunden. a) Bank. Als unmittelbare Wirkungen des allgemeinen Bankvertrages sind vor allem allgemeine Schutz- und Verhaltenspflichten seitens der Bank typisch, die sich ergeben, falls er wirksam zu Stande gekommen ist (ebenso BGH WM 2004, 1237, 1238), und nicht erst aus einem vorvertraglichen Schutz- und Schuldverhältnis, der Geschäftsverbindung oder dem Vertrauen als Grundlage einer Vertrauenshaftung. Aus diesem Vertrauensverhältnis ergibt sich in erhöhtem Maße die Verpflichtung zur Wahrung von Treu und Glauben, wovon nicht nur das einzelne Geschäft, sondern der allgemeine Bankvertrag beherrscht wird. Diese Nebenpflichten stehen neben den eigentlichen vertraglichen Pflichten und prägen wie diese den Vertragsinhalt. Im Vordergrund stehen die an anderer Stelle behandelten allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank, z. B. Aufklärungs-, Warn-, Auskunfts- und Beratungspflichten. Die wichtigsten dieser Pflichten sind das Bankgeheimnis (Rn. 35) und allgemeine Aufklärungspflichten der Bank.
33
b) Kunde. Die Pflichten des Kunden aus dem allgemeinen Bankvertrag stehen nicht so sehr im Vordergrund. Aber auch den Kunden können bestimmte Verhaltenspflichten gegenüber der Bank treffen, beispielsweise die Pflicht, die Gefahren von Fälschung, Verfälschung und betrügerischen Manipulationen nach Maßgabe seiner Einsicht soweit wie möglich auszuschalten. In den AGB-Banken sind z. B. die Pflicht zur Überprüfung der Rechnungsabschlüsse (Nr. 7 Abs. 2 AGB-Banken) oder die Verpflichtung zur Erteilung von klaren und eindeutigen Aufträgen (Nr. 11 Abs. 2 AGB-Banken) geregelt, von denen anzunehmen ist, dass sie auch ohne die ausdrückliche Erwähnung in den AGB gelten würden. Auch sonst müssen die Kunden im Interesse der Bank ein gewisses Maß an Kontrolle der im Verkehr mit der Bank anfallenden Unterlagen, insbesondere der ihm in den Tagesauszügen mitgeteilten Kontobewegungen und Kontostände aufbringen (Häuser, S. 1317 (1344)).
34
6. Bankgeheimnis. Aus dem Bankvertrag schuldet die Bank auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die umfassende Verschwiegenheitspflicht (vgl. zu Datenschutz und Bankgeheimnis ausführlich § 5 und § 6). Deshalb überzeugt die Behauptung nicht, Schutz-
35
Häuser
36
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
pflichten würden sich schon aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis (Rn. 41) ergeben und könnten nicht Inhalt des Bankvertrages sein; denn gerade das Bankgeheimnis, das von den Gegnern des Bankvertrages (auch) als gesetzliche Schutzpflicht angesehen wird, zeigt, dass die Frage zwischen Bank und Kunden vertraglich geregelt werden kann. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden wird auch als „besonderes Vertrauensverhältnis“ umschrieben; die Bank ist deshalb ihrem Kunden „vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet über ihren Geschäftsverkehr mit ihm und über alle Angelegenheiten, die aus diesem Anlass zu ihrer Kenntnis gelangen“ (so RG, Bank-Archiv XXXIV (1934), 326). Dieses Bankgeheimnis findet seine Rechtsgrundlage „in vertraglichen (oder vorvertraglichen) Beziehungen zu der Bank“; es gilt als „selbstverständlicher Bestandteil des Bankvertrages auch nach Beendigung der vertraglichen Beziehungen“ (BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 = ZIP 2006, 317 = DB 2006, 607 = BKR 2006, 103 = JZ 2007, 148 m. Anm. v. Eckl, JR 2007, 157; Cosack/Enders, BKR 2006, 116; Ehricke, ZIP 2006, 925; Fischer, DB 2006, 598; Höpfer/Seibl, BB 2006, 673; Kort, NJW 2006, 1098; Segna WuB I B 2 – 3.06; Spindler, JZ 2006, 741; Lang, ZBB 2006, 115 (119); so vorher schon Nobbe, WM 2005, 1537 (1539); BGH DB 1953, 1031 = BB 1953, 993; ferner BGH WM 1973, 892 (893 f.); OLG Karlsruhe WM 1971, 486 = NJW 1971, 1042). Es handelt sich um eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben und ist selbst dann zu wahren, wenn es zu einem einzelnen Geschäft gar nicht kommt. Unterfallen Äußerungen dem Schutzbereich des Bankgeheimnisses, unterliegen sie dem Schutz nebenvertraglicher auf § 280 Abs. 1 BGB gründender Interessewahrungs-, Schutz- und Loyalitätspflichten, von denen das Bankgeheimnis eine besondere Ausprägung darstellt (BGHZ 166, 84: 3. Leitsatz; ebenso BGH NJW 2007, 2106 = MDR 2007, 786 = DB 2007, 793 = ZIP 2007, 619 = BB 2007, 619, m. Anm. v. Büttner, BB 2007, 798; Cahn WuB I B 2 – 1.07; Lieth, BKR 2007, 198; Möhlenkamp, BB 2007, 1126; Weber/Bulach, EWiR 2007, 267). Grundrechtlich ist das Bankgeheimnis als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 und 2 Abs. 1 GG) verbürgt (BGHZ 166, 84; BGH NJW 2004, 762; BGH NJW 1999, 2893; Nobbe, WM 2005, 1537 (1538)). Sein Inhalt und Umfang sind in Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken umschrieben. 36
Das Bankgeheimnis soll die berechtigten Interessen des Bankkunden an der Geheimhaltung von Tatsachen wahren, die der Bank im Rahmen der Geschäftsverbindung zur Kenntnis kommen (östOGH, ÖBA 1988, 1021 (1022)). Es werden alle Tatsachen erfasst, die der Kunde geheim zu halten wünscht (BGHZ 27, 241 (246) = WM 1958, 776). Hierzu gehören z. B. auch der Umfang des dem Kunden gewährten Kredits und die von diesem hierfür gegebenen Sicherheiten, „überhaupt alle Verhältnisse des Kunden, deren Bekanntwerden ihm nachteilig werden kann (so RG, Bank-Archiv XXXIV (1934), 326; ferner RGZ 126, 50 (52) = Bank-Archiv XXIV, 256; RG, Bank-Archiv XIII, 309; RGZ 19, 103 (104)).
37
Ebenso wie den Umfang markiert in erster Linie das Einverständnis des Bankkunden auch die Grenzen des Bankgeheimnisses (BGH WM 1978, 1038 (1041); BGH WM 1973, 164 (166); WM 1971, 817 (818); schon RGZ 139, 103). Eine allgemeine Schranke findet das Bankgeheimnis insbesondere dort, wo „höhere Interessen der Allgemeinheit“ eine Offenbarung erfordern (vgl. BVerfGE 118, 168 = ZIP 2007, 1356 = WM 2007, 1360 = NJW 2007, 2464 m. Anm. v. Erm/Glatzek, EWiR 2008, 189; Geschwandtner/Lichtinghagen, WuB I L 1 § 24c KWG 1.08; Götzenberger, StB 2007, 425; Wenner, SozSich 2007, 316). Vgl. dazu auch Göres, NJW 2005, 253; Hamacher, DStR 2006, 633; Maidorn, NJW 2006, 3752; zu nachrichtendienstlichen Abfragen Huber, NJW 2007, 881 und Abfragen im Rahmen europäischer Rechtshilfe Kutzner, DStR 2006, 639); ein Kreditinstitut wird ferner ausnahmsweise auch bei „einem überwiegenden eigenen Interesse“ von der Verschwie-
Häuser
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
37
genheitspflicht befreit, wenn ganz besondere Umstände vorliegen. Erforderlich ist immer eine „pflichtgemäße Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen (so RG, Bank-Archiv XXXIV (1934), 326). Dies gilt auch bei einem Konflikt zwischen einer Aufklärungspflicht des Kreditinstituts gegenüber einem anderen Kunden und der Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses; auch hier hat eine Güterabwägung stattzufinden. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang die aufklärungspflichtige Bank gezwungen wäre, Einzelheiten ihrer Geschäftsverbindung mit einem anderen Kunden und über dessen Vermögenslage zu offenbaren (BGH, WM 1991, 85 (86)). 7. Beendigung des allgemeinen Bankverhältnisses. a) Kündbarkeit nach Nr. 18 und 19 AGB-Banken. Eine Kündigung kann sich nach Nr. 18 und 19 AGB-Banken auf einzelne Geschäftsbeziehungen oder auf die „gesamte Geschäftsverbindung“ beziehen. Die gesamte Geschäftsverbindung meint das auf Grund des allgemeinen Bankvertrages zustande gekommene Rechtsverhältnis. Dieses allgemeine Bankverhältnis kann der Kunde nach Nr. 18 AGB-Banken jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ebenso kann die Bank nach Nr. 19 AGB-Banken das allgemeine Bankverhältnis jederzeit kündigen, allerdings nur unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist.
38
b) Beendigung durch Tod des Kunden. Durch Tod des Kunden erlischt der allgemeine Bankvertrag nicht. Der Bankvertrag wird vielmehr mit den Erben fortgesetzt. Der Erbe wird z. B. Kontoinhaber. Der Anspruch auf Geheimhaltung und die Befugnis zur Entbindung gehen beim Tod des Kunden auf den Erben über (BGHZ 107, 104 (108) = WM 1989, 518). Dieser wird „Herr des Bankgeheimnisses“. Die Bank ist berechtigt, die Vorlage einer Erblegitimation zu verlangen (Nr. 5 Satz 1 AGB-Banken).
39
c) Das Bankverhältnis in der Insolvenz des Kunden. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Bankvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 116, 115 Abs. 1 InsO beendet (Baumbach-Hopt, BankGesch Rn. A/6; a.A.: Ebenroth/Boujong/JoostThessinga, Bd. 2 BankR Rn. I 28).
40
C. Lehre vom „Vertrauensverhältnis kraft Geschäftsverbindung“
41
I. Dauernde Geschäftsverbindung als gesetzliches Schuldverhältnis. Anknüpfend an Ausführungen des RG (RGZ 27, 118 (121)) über den besonderen, sich auch in rechtlich bedeutsamer Hinsicht dynamisch entwickelnden Charakter einer „dauernden Geschäftsverbindung“ wird von einer verbreiteten Meinung, die meistens dem allgemeinen Bankvertrag ablehnend gegenüber steht, das Verhältnis des Kunden zum Kreditinstitut auch ohne eine rechtsgeschäftliche Anknüpfung umfassend als ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflichten umschrieben, das zu einer Vertrauenshaftung führt. Eine solche dauernde Geschäftsverbindung wird handelsrechtlich weder als bloß tatsächliches Verhältnis noch als Vorvertrag oder Grund- oder Rahmenvertrag, sondern als gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht qualifiziert (Müller-Graff, JZ 1976, 153; Canaris, Anm. 12, 14; Karsten Schmidt, HandelsR, § 20 I 3, S. 603 ff.; Baumbach-Hopt, Vor § 343 HGB, Rn. 3). Sie ist wie ein Anbahnungsverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB; culpa in contrahendo) Grundlage besonderer Schutzpflichten der Parteien, die von den während der Geschäftsverbindung geschlossenen oder beabsichtigten Einzelgeschäften unabhängig sind. Die Ausarbeitung dieser Lehre im Bankrecht geht insbesondere auf Canaris zurück, der in der bloßen Aufnahme der Geschäftsverbindung zwar keine hinreichende Anknüpfung für vertragliche Vereinbarungen sieht, aber an Stelle des allgemeinen Bankvertrages mit der Aufnahme der Geschäftsverbindung ein im Einzelnen ausdifferenziertes gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht setzt, das die Grundlage für eine Ver-
Häuser
42
38
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
trauenshaftung bei der Verletzung der durch die Aufnahme der Geschäftsverbindung begründeten Pflichten bilde (Canaris, Rn. 21 ff.; zustimmend Kümpel, Rn. 2.808; Schwark, S. 100; ders., ZHR 151 (1987), 325 (329); Werner, ZBB 1990, 237 (238); Immenga, ZBB 1990, 44; Rümker, ZHR 147 (1983), 27 (34); ders., ZIP 1989, 199; Pleyer, WM 1989, 241). 43
Bei der Vertrauenshaftung handelt es sich um eine dritte Haftungsform neben den herkömmlichen aus vertraglicher und deliktischer Einstandspflicht, die im modernen deutschen Privatrecht eine erhebliche Bedeutung erlangt hat (grundlegend Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971). Mit dieser „Vertrauenshaftung kraft Geschäftsverbindung“, die ihre Grundlage nicht im rechtsgeschäftlichen Willen, sondern in § 242 BGB findet, hat man sich ein dogmatisches Instrument geschaffen, mit dem man zwischen den Parteien, hier zwischen Bank und Kunden, sehr flexibel nach Treu und Glauben Rechte und Pflichten zuteilen kann, ohne jeweils nach einer Begründung im rechtsgeschäftlichen Willen dieser Parteien suchen zu müssen. Eben dies erklärt auch zu einem guten Teil den Erfolg dieser Lehre.
44
Auch diese Theorie ist kritisch aufgenommen worden (z.B. Flume, § 10, 5, S. 13; Fikentscher, § 18 III, Rn. 59, § 27 I 3, 4, Rn. 162; van Gelder, WM 1995, 1253 (1255); Rohe, S. 133 „konturlos“). So wird darauf hingewiesen, dass weder die „Geschäftsverbindung“ noch die „Vertrauenshaftung“ eine hinreichende Präzision besitzen, die einen zusätzlichen Erklärungswert gegenüber der anerkannten Haftung aus c.i.c. besitze oder weitergehende Ergebnisse liefere (so Heymann-Horn, Anh. § 372 HGB Rn. I/8; dazu kritisch Peters, WM 1990, 1310; umfassender Überblick bei Rümker, ZHR 147 (1983), 27). Ferner wird gefragt, wie gerade ein „gesetzliches Schuldverhältnis“ das Rechtsverhältnis zwischen Bank und Kunde ausschöpfen könne angesichts der Zurückhaltung des Gesetzgebers im Bereich des privaten Bankrechts (Claussen, FS Peltzer, S. 55 (67)).
45
II. Rechtsprechung. Die allgemeinen Verhaltenspflichten der Banken werden in der Rechtssprechung meistens entweder als Nebenpflicht aus den einzelnen Bankgeschäften entnommen oder auf die Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde gestützt, ohne dass auf die dogmatischen Streitfragen zum Bankvertrag näher eingegangen würde (MünchKommBGB-K. P. Berger, Vor § 488, Rn. 78). In der Rechtsprechung finden sich nicht selten alternative Formulierungen zur Charakterisierung der bankmäßigen Geschäftsverbindung auch als „vertragsähnliches Verhältnis“. Im Übrigen erschien die Haltung des BGH zwiespältig. So verteidigte er in einer Entscheidung den Standpunkt des Berufungsgerichts, es bestünde ein „gesetzliches Schuldverhältnis“ zwischen den Grundstückseigentümern und der kreditgebenden Bank des Erbbauberechtigten (BGHZ 81, 358 (360) = WM 1981, 1258, im Anschluss an GK-HGB-Canaris, Anh. § 357 Anm. 9 ff., 15 f.). Es sei nämlich möglich, dass ein Bankinstitut von Rechts wegen Schutzpflichten gegenüber dritten Personen treffen, wenn es – zumal im eigenen wirtschaftlichen Interesse – deren Vertrauen in Anspruch nimmt und ihr Dispositionen gegenüber dem Bankkunden beeinflusst.
46
Zuletzt hat der BGH gegenüber der Rechtsfigur einer „vertragsähnlichen Vertrauenshaftung“ in deutlicher Zurückhaltung betont, eine derartige Bindung könne allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen bejaht werden. Andernfalls würde die im geltenden Haftungssystem bewusst gezogene Grenze zwischen vertraglichem und deliktischem Bereich weitgehend aufgehoben (BGH WM 1988, 1828 (1830); dazu Roth, WM 2003, 480, ferner BGH WM 1974, 751 = NJW 1974, 1503; Rümker, ZHR 147 (1983), 27 (33, 34)).
47
III. Vertrauenshaftung kraft Geschäftsverbindung bei Unwirksamkeit des Bankvertrages. Auch die Anhänger der Lehre vom Bankvertrag übersehen nicht, dass bei Bank-
Häuser
§ 2 Geschäftsbeziehung und Bankvertrag
39
geschäften tatsächlich eine laufende Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden regelmäßig besteht. Deshalb erfassen sie, wenn es beispielsweise bei Geschäftsunfähigkeit des Kunden an einem wirksamen Bankvertrag fehlt, die geschäftlichen Beziehungen zwischen Bank und Kunde rechtlich mit der Lehre von der Geschäftsverbindung und greifen in diesem Fall auf Vertrauenshaftung kraft Geschäftsverbindung zurück (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 46). Bei einem Einmalgeschäft ist Anspruchsgrundlage culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB) und bei einer Geschäftsverbindung als Lückenfüllung die Vertrauenshaftung kraft Geschäftsverbindung, die danach also die Rolle einer bloßen Residualkategorie für die nicht häufigen gestörten Geschäftsverbindungen einnimmt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 53).
Häuser
“This page left intentionally blank.”
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
41
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
Schrifttum seit 1993 Aden, Die neuen AGB-Sparkassen, NJW 1993, 832; Becher/Gößmann, Die Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken, Sparkassen und Landesbanken, BKR 2002, 519; Bitter, Bankpraxis zwischen Recht und Wirtschaft, ZBB 2007, 237; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, 2007; Clemente, Das Pfandrecht nach Nr. 21 Abs. 3 AGB-Sparkassen, ZBB 2007, 55; Danco, Neue AGB der Sparkassen und Landesbanken/Girozentrale, ZBB 2002, 136; Gößmann/Wagner-Wieduwilt/ Weber, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, WM 1993, 677 und WM 1993, 725; Hadding/Schneider, Bankgeheimnis und -auskunft, 1986; Hettich/Thieves/Timmann/Windhöfel, Die AGB der Banken auf dem Prüfstand des AGB-Gesetzes, BB 1990, 2347; Hoeren, Die neuen AGB-Banken, NJW 1992, 3263; Koch, Neue AGB für Überweisungen, ZBB 2002, 57; Köndgen, Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1992 – 1995, NJW 1996, 558; Krings, Die Neufassung der AGBBanken, ZBB 1992, 326; Kümpel, Die begrenzte Haftung der Bank bei weitergeleiteten Kundenaufträgen, WM 1996, 1893; Merkel, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Teil II (Nr. 11–20), WM 1993, 725; Petersen, Das Bankgeheimnis zwischen Individualschutz und Institutionsschutz, 2004; Roth, Der allgemeine Bankvertrag, WM 2003, 480; Saenger, Ende der Unsicherheit bei den Globalsicherheiten, ZBB 1998, 174; Schebesta/Vortmann, Die neuen AGB-Banken, 1992; Sichtermann/ Kirchherr, Bankgeheimnis und Bankauskunft, 3. Aufl. 1984; Sonnenhol, Änderungen der AGB- Banken zum 1. Januar 2000, WM 2000, 853; Werhahn/Schebeta, AGB der Privatbanken und Kreditgenossenschaften und Sonderbedingungen der Banken, 1995; Westermann, Fortschritte durch die neuen AGB der Banken und Sparkassen?, WM 1993, 1865; v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stichwort Banken- und Sparkassen-AGB (Stand 1999); Die Sparkassen-AGB unter der Lupe des AGB-Gesetzes, BB 1993, 8. Inhaltsübersicht A. Entwicklung, Aufgaben, Bedeutung und Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Anwendungsprobleme mit Blick auf die §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 C. Grundregeln für die Beziehung zwischen Kunde und Bank (Nr. 1–6 AGB-Banken) . . . . . 6 I. Geltungsbereich und Änderungen der AGB-Banken (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Bankgeheimnis und Bankauskunft (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Bankauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 III. Haftung der Bank (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Haftungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Haftung bei weitergeleiteten Aufträgen bzw. bei gestatteter Substitution . . . . . . . 22 3. Keine Haftung bei Störung des Betriebs (Nr. 3 III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4. Abweichende Regelung in Nr. 19 II AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 V. Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden (Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 VI. Anwendbares Recht und Gerichtsstand (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. Kontoführung (Nr. 7–10) . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Rechnungsabschluss und Einwendungen . . 34 II. Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften (Nr. 7 III) . . . . . . . . . . . . 38
III. Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank (Nr. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Stornorecht vor Rechnungsabschluss nach Nr. 8 I . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Berichtigungsbuchung nach Rechnungsabschluss (Nr. 8 II) . . . . . . . . 3. Zinsberechnung (Nr. 8 III 2) . . . . . . . . . 4. Nr. 8 der AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . IV. Einzugsaufträge (Nr. 9) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbehaltsgutschrift an den GläubigerKunden (Nr. 9 I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einlösung von Lastschriften und Kundenschecks (Nr. 9 II) . . . . . . . . . . . . V. Fremdwährungsgeschäfte und Fremdwährungskonten (Nr. 10) . . . . . . . . . E. Mitwirkungspflichten des Kunden . . . . . . . . . . I. Allgemeines, Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . II. Nr. 11 AGB-Banken und entsprechende Regelungen in den AGB-Sparkassen . . . . . 1. Mitteilung von Namens- und Adressänderungen bzw. Veränderungen der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klarheit von Überweisungen und Aufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hinweis auf die Eilbedürftigkeit (Nr. 11 III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prüfung und Einwendungen bei Mitteilungen der Bank (Nr. 11 IV) . . . . 5. Benachrichtigungspflicht beim Ausbleiben von Mitteilungen (Nr. 11 V) . . .
Casper
44 44 47 49 50 53 53 55 56 57 58 59
59 61 63 64 65
42
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
III. Abweichende Regelungen in den AGB-Sparkassen (Nr. 4, 10, 20) . . . . . . . . . 66 F. Kosten der Bankdienstleistungen (Nr. 12) . . . . 66 I. Einleitung; Inhaltskontrolle von Bankentgeltklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Zinsen und Entgelte im Privatund Firmenkundengeschäft (Nr. 12 I und II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Änderung von Zinsen und Entgelten, Kündigungsrecht (Nr. 12 III, IV) . . . . . . . . 71 IV. Auslagen der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 V. Besonderheiten bei Verbraucherkreditverträgen (Nr. 12 VI) . . . . . . . . . . . . . 74 VI. Abweichende Regelungen in Nr. 17, 18 AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . . 75 G. Sicherheiten (Nr. 13–17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Anspruch auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten (Nr. 13) . . . . . . . . . 78 1. Bestellung von Sicherheiten . . . . . . . . . . 78 2. Verstärkung von Sicherheiten bei Veränderung des Risikos . . . . . . . . . . . . 80 3. Frist für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (III) . . . . . . . . . . . . . . . 82 4. Abweichungen in Nr. 22 I AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Begründung eines Pfandrechts (Nr. 14) . . . 84 1. Vereinbarung eines Pfandrechts (Nr. 14 I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Sicherungszweck (Nr. 14 II) . . . . . . . . . 86 3. Ausnahme vom Pfandrecht (Nr. 14 III) . 87 4. Zins- und Gewinnanteilsscheine (Nr. 14 IV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
H.
I. J. K.
5. Abweichungen in Nr. 21 AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln (Nr. 15) . . . . . 90 V. Deckungsgrenze und Freigabeverpflichtung (Nr. 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Der Grundsatz: Das Verbot der Übersicherung und der Freigabeanspruch nach BGHZ 137, 212 . . . . . . . 94 2. Übersicherung und Ermittlung der Deckungsgrenze (Nr. 16 I) . . . . . . . . . . . 96 3. Der ermessensunabhängige Freigabeanspruch (Nr. 16 II) . . . . . . . . . 97 4. Vorrang von Sondervereinbarungen (Nr. 16 III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5. Nr. 22 II AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . 100 VI. Die Verwertung von Sicherheiten (Nr. 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Kündigungsrechte des Kunden (Nr. 18) und der Bank (Nr. 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Kündigungsrechte des Kunden (Nr. 18) . . 104 II. Kündigungsrechte der Bank (Nr. 19) . . . . 108 1. Ordentliche Kündigungsrechte der Bank (Nr. 19 I u. II) . . . . . . . . . . . . 108 2. Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (Nr. 19 III) . . . . . . . . 110 3. Abwicklung nach einer Kündigung (Nr. 19 V) . . . . . . . . . . . . . 113 III. Die Kündigungsregelung in Nr. 26 AGB-Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . 114 Einlagensicherungsfonds (Nr. 20) . . . . . . . . . 116 Sonderbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Stichwortverzeichnis Allgemeiner Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Änderung der AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 f. Aufrechungsbefugnis des Kunden . . . . . . . . . . . . . 30 Auslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – kundenfeindliche . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 17, 45, 66 – kundenfreundliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 46 Bankauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 ff. – Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 – berechtigtes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 f. – Geschäftskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 – Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – Privatkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 – Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 ff. – Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 – Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 – Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 - Abtretungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Berichtigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Berichtigungsbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 47 f. Buchungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 51 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79, 96 Deckungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ff. Devisentermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 7 ff., 68
Einlagensicherungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 ff. Einlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53, 55 Einzugsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 ff. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Erklärungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Freigabeverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ff. Fremdwährungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 f. Fremdwährungskonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Genehmigungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Haftung der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 ff. – Mitverschulden des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – Störung des Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 ff. – Weitergeleitete Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 ff. Hauptleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 67 Homebanking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 f., 66, 120 Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Internetbanking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 f., 120 Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ff. Kontrollfreie Hauptleistungspflicht . . . . . . . . . . 6, 67 Kosten der Bankleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . 67 ff. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 ff. – außerordentliche . . . . . . . . . . . . . . 106, 110 ff., 114 – der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 ff.
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
– des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 ff. – gesetzliche Kündigungsrechte . . . . . . . . . . . . . 107 – Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 – Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . 106, 111 f., 114 – ordentliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104, 108 f. Lastschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 ff., 55 Leistungsbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 69 f. Legitimation des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Mitverschulden des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Mitwirkungspflichten des Kunden . . . . . . . . . . . 58 ff. – Änderung der persönlichen Angaben . . . . . . . 59 f. – Eilbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 – Klarheit von Aufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – Kontrollpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 – Rügepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 – Obliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Preis- und Leistungsverzeichnis . . . . . . . . . 57, 67 f. Preisnebenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 67 Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Rationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Rechnungsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ff. Rechtswahlklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Salvatorische Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 ff., 90 ff. Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 ff. – Anspruch auf Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 – Anspruch auf Verstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . 80 f. – Deckungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ff. – Freigabeverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ff. – Frist zur Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
43
– Haftungsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 – Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .101 f. – Übersicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ff. Sicherungsrechte bei Einzugspapieren . . . . . . . 90 ff. – Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 – Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 – Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Sonderbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 119 f. Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Stornorecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ff., 54 Störung des Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 ff., 56 Telefonische Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Transparenzgebot . . . . . . .6, 50, 60, 74 f., 83, 89, 110 Typisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Übersicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ff. Überziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74, 76 Verbraucherkreditverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Verfügungsbefugnis nach Tod . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Verwertung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 101 ff. Vorbehaltsgutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Währungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 ff. Währungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 f. Weitergeleitete Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 ff. Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 ff. Widerspruch gegen Lastschriften . . . . . . . . . . . 38 ff. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 37, 49, 67 ff., 75 f. Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
A. Entwicklung, Aufgaben, Bedeutung und Darstellung Bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken bzw. der Genossenschaftsbanken (kurz AGB-Banken, Abdruck im Anh. zu § 3) handelt es sich um eine unverbindliche Empfehlung des Bundesverbandes Deutscher Banken bzw. des Bundesverbandes der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken an ihre Mitglieder, die fast vollständig textgleich sind. Diese werden von den einzelnen Kreditinstituten in aller Regel ohne Änderung verwandt. Ihre Geltung hängt von der Einbeziehung in den jeweiligen Vertrag mit dem einzelnen Kunden ab (Rn. 4). Die Ursprünge der AGB-Banken reichen bis in das Jahr 1937 zurück (vgl. zur Entwicklung näher Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 4 Rn. 2 ff.). Mit Inkrafttreten des AGB-Gesetzes am 1.4.1977 wurden die AGB-Banken grundlegend umgestaltet. Die aus heutiger Sicht bedeutendste Reform erfolgte sodann im Jahre 1993. Ziel der damaligen Neuregelung war die transparentere und kundenfreundlichere Ausgestaltung der AGB-Banken. Der Klauselumfang wurde von 47 auf 20 reduziert. Spezialmaterien, wie das Wertpapiergeschäft, das nicht von allen Bankkunden in Anspruch genommen wird, wurden in Sonderbedingungen ausgelagert. Mit Wirkung zum 1.1.2000 (dazu Sonnenhol, WM 2000, 853) und abermals zum 1.4.2002 (dazu Becher/Gößmann, BKR 2002, 519) wurden die AGB-Banken an aktuelle Entwicklungen angepasst, ohne dass jedoch die Grundkonzeption von 1993 aufgegeben worden wäre. Die Änderungen im Jahr 2002 dienten in erster Line dazu, dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und dem nunmehr in §§ 676 a ff. BGB kodifizierten Überweisungsrecht sowie der steigenden Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs Rechnung zu tragen. Daneben spielen in der Praxis die AGB-Sparkassen eine bedeutende Rolle (abgedruckt im Anhang zu § 3).
Casper
1
44
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Seit 1993 sind sie den AGB-Banken zwar weitgehend angeglichen, es bleiben aber Unterschiede im Detail wie in der Nummerierung. Auch die AGB-Sparkassen wurden 2002 angepasst (vgl. dazu Danco, ZBB 2002, 136). Die erneute Änderung zum 1. August 2005 betraf nur die Nr. 28 und trug vor allem dem Wegfall der Gewährträgerhaftung Rechnung. Ein eigenes Regelwerk hat die Postbank AG aufgestellt. 2
Die AGB-Banken dienen, wie andere Klauselwerke auch, der Standardisierung, Typisierung und Rationalisierung von Vertragsverhältnissen (statt aller Bunte, AGB-Banken Rn. 20 ff). Infolge der Dauerbeziehung zwischen Bank und Kunde kommt diesen Funktionen besondere Bedeutung zu. Eine der wichtigsten Aufgaben der AGB-Banken liegt in der Konkretisierung des Bankrechts, das im Gesetz nur unzureichend geregelt ist. Wegen der fortschreitenden Technisierung und dem Charakter des Bankgeschäfts als Massengeschäft kommt der Standardisierung und Rationalisierung zunehmende Bedeutung zu. Beide Aspekte führen zu mehr Rechtssicherheit und Transparenz und zur Kostensenkung, was sich letztlich auch im Interesse des Kunden auswirkt. Daneben dienen die AGB-Banken der Risikoabwälzung auf den Kunden und der Risikobegrenzung. Inwieweit dies zulässig ist, ist auf der Ebene der Inhaltskontrolle zu beantworten, wobei sich schematische Lösungen verbieten. Die Bedeutung der AGB-Banken ist immens. Sie ergibt sich zum einen aus der hohen praktischen Bedeutung von Bankgeschäften für das Wirtschaftsleben. Hinzu tritt eine rechtliche Komponente. Sie besteht in der weitgehenden Ausgestaltung des Bankrechts durch die Regelungen in den AGB-Banken sowie in den zahlreichen Sonderbedingungen (dazu etwa Bitter, ZBB 2007, 237 (238)).
3
Die nachfolgende Darstellung erläutert in erster Linie die AGB-Banken. Dabei wird nach einem kurzen Hinweis auf den Regelungsgehalt zunächst – soweit veranlasst – dessen Vereinbarkeit mit den §§ 307 ff. BGB überprüft. Anschließend werden Anwendungsprobleme erörtert. Soweit diese jedoch in den nachfolgenden Kapiteln angesprochen sind, wird hierauf verwiesen. Auf die AGB-Sparkassen wird nur dann eingegangen, soweit sich wesentliche Abweichungen oder Ergänzungen zu den AGB-Banken ergeben. Auf die zahlreichen Sonderbedingungen (Rn. 119) wird in diesem Kapitel nur hingewiesen. Sie werden soweit erforderlich im Zusammenhang mit der jeweiligen Sachmaterie erläutert. Dies gilt auch für die Besonderen Bedingungen der Bausparkassen (Rn. 120). Außer Betracht bleiben die AGB-Postbank (abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechsel- und Scheckgesetz, 23. Aufl. 2007, Anh. Bankbedingungen Nr. 4), da sie sich weitgehend mit den AGB-Banken decken. Ebenfalls nicht Gegenstand dieses Kapitels sind die zahlreichen Formularverträge für einzelne Geschäftsarten.
4
B. Anwendungsprobleme mit Blick auf die §§ 305 ff. BGB Die AGB-Qualität der AGB-Banken nach § 305 I BGB ist ebenso unproblematisch wie der Vorrang der Individualabrede nach § 305 b BGB. §§ 305 ff. BGB finden über § 306 a BGB auch bei einer bankinternen Anweisung Anwendung, wenn damit die Absicht verfolgt wird, unwirksame AGB zu vermeiden (BGHZ 162, 294 (298 f.) = NJW 2005, 1645 (1646); zust. Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/5; im Ergeb. auch Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 305 Rn. 68a; a. A. – als Vorinstanz – OLG Köln ZIP 2004, 1496; Borges, ZIP 2005, 185 (187 ff.); ders., BKR 2005, 225 (227 ff); Freitag, ZIP 2005, 2062 (2063 f.); Haertlein, EWiR § 306a BGB 1/05, 536; Pfeiffer, LKM 07/2005, 1 (2); Ulmer/Brandner/ Hensen-H. Schmidt, § 306a Rn. 6). Zwar handelt es sich bei diesen internen Anweisungen nicht um Vertragsbedingungen. Damit genügen sie an sich nicht den Anforderungen des § 305 I BGB. Doch sind sie geeignet, die Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle von Entgelten zu umgehen, weshalb eine Anwendung des § 306a BGB in diesem Fall auch beim AGB-Begriff gerechtfertigt ist. Eine allein auf das Wettbewerbsrecht gestützte Kontrolle
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
45
einer derartigen Praxis vermag nicht zu überzeugen. Für die Einbeziehung in den Vertrag mit dem Kunden ist es ausreichend, dass die Kenntnisnahme im Wege des Aushangs oder mittels der Möglichkeit zur Einsichtnahme eröffnet wird (§ 305 II BGB). Der Kunde muss allerdings durch einen drucktechnisch deutlich gestalteten Hinweis auf den Aushang der AGB bzw. deren Auslage zur Einsicht hingewiesen werden. Bei einem Vertragsschluss über das Internet kann insofern ein gut sichtbarer Link mit der Möglichkeit zum Ausdruck ausreichen (BGH NJW 2006, 2976 (2977)). Ungenügend ist der Hinweis auf der Rückseite des Antragsformulars (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/14). Dies gilt auch dann, wenn die Seite mit dem Hinweis auf die AGB als „Seite 1“ bezeichnet wird, aber als Rückseite erscheint (OLG Nürnberg WM 1990, 1370 f.). Eine erneute Einbeziehung in jeden Einzelvertrag ist nicht erforderlich. Früher begründete man dieses Ergebnis mit der Figur eines allgemeinen Bankvertrages (so etwa noch Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 2 Rn. 1 ff.; vgl. näher zum Ganzen § 2 Rn 6 ff.). Einer Anerkennung eines allgemeinen Bankvertrages bedarf es, wie nun auch der BGH in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2002 klargestellt hat (BGHZ 152, 114), wegen § 305 III BGB nicht (zutr. HeymannHorn, Anh. § 372 Rn. I/7; Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 305 BGB Rn. 203 ff.; Canaris, Rn. 4-11; a. A. etwa Roth, WM 2003, 480 (482 m. w. N.)). Vielmehr besteht die Möglichkeit, die AGB-Banken in die gesamte Geschäftsbeziehung mit dem Kunden dergestalt einzubeziehen, dass bei einem Dauerschuldverhältnis wie einem Giro- oder Darlehensvertrag auch solche Regelungen einbezogen werden, die für das zunächst abgeschlossene Dauerschuldverhältnis keine Bedeutung haben. In dem Giro-, Darlehensvertrag oder dem sonstigen Dauerschuldverhältnis liegt sodann zugleich eine Abrede iSd § 305 III BGB (BGHZ 152, 114). Die so einmal einbezogenen AGB gelten dann für die gesamte Geschäftsbeziehung mit dem Kunden fort. Dies wird in Nr. 1 I AGB-Banken klargestellt. Was die Auslegung der AGB-Banken anbelangt, gelten die allgemeinen zu § 305 c II BGB (§ 5 a. F. AGBG) entwickelten Grundsätze. Besonderer Hervorhebung bedarf namentlich das Zusammenspiel von kundenfeindlicher und kundenfreundlicher Auslegung bei unklaren Regelungen. Zunächst ist bei einer unklaren Regelung vom Grundsatz der kundenfeindlichen Auslegung auszugehen, da man so am ehesten zu einer unwirksamen Regelung gelangt und somit den Gedanken des Kundenschutzes verwirklicht. Erst wenn feststeht, dass eine mehrdeutige Klausel unter keinen Umständen (kundenfeindliche Auslegung) unwirksam ist, ist in einem zweiten Schritt auf die sog. kundenfreundliche Auslegung zurückzugreifen, um die dem einzelnen Kunden günstigere Auslegungsalternative zu ermitteln (vgl. näher Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/6; Ulmer/Brandner/HensenUlmer, § 305c Rn. 91 f. m.w.N.) Die zweistufige Auslegung kommt allerdings nur im Individualprozess (Rn. 121) zum Tragen, im Verbandsprozess gilt mangels Einzelfall ausschließlich die kundenfeindlichste Auslegung (Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 305c Rn. 93; teilw. abw. Bunte, AGB-Banken Rn. 51). Die Folgen der Unwirksamkeit einer Klausel bestimmen sich nach § 306 BGB. Diese tritt grundsätzlich ex tunc ein. Die Lücke kann außer durch das dispositive Recht bzw. durch ergänzende Vertragsauslegung ggf. auch durch eine subsidiär geltende allgemeine AGB-Klausel ausgefüllt werden. Dies hat der BGH etwa für den Fall einer unwirksamen Sicherungsübereignung eines Warenlagers angenommen, in dem er die Lücke durch die allgemeine AGB-Pfandklausel ausgefüllt hat (BGH WM 1995, 375 zu Nr. 19 II AGB-Banken 1986). Eine geltungserhaltende Reduktion dergestalt, dass die unwirksame Klausel im Wege der Auslegung auf einen noch zulässigen Gehalt reduziert wird, ist nicht angängig. Hiergegen spricht der Präventionsgedanke. Abzulehnen ist namentlich die in der Rechtsprechung des I. Zivilsenats zu beobachtende Tendenz, wonach eine Ausnahme vom Verbot der geltungserhaltenden Reduk-
Casper
5
46
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
tion dann in Betracht kommen soll, wenn die AGB quasi eine „fertig bereit liegende Rechtsordnung“ bilden (so BGHZ 129, 323 (328) (AGNB); BGHZ 129, 345 (349) (ADSp)). Salvatorische Klauseln sind mit dem Transparenzgebot (Rn. 6) unvereinbar (Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 305 Rn. 153; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/5; Ebenroth/Boujong/Joost-Thessinga, BankR Rn I/79; in diesem Sinne wohl auch BGH NJW 2005, 2225 (2226)) und werden in den AGB-Banken seit 1984 zu Recht nicht mehr verwandt. 6
Allgemeine Kriterien für die Inhaltskontrolle der AGB-Banken haben sich bisher nicht herausgebildet. Verallgemeinernd lässt sich aber festhalten, dass die Interessenwahrungspflicht der Bank gegenüber den Belangen des Kunden eine besondere Rolle spielt. Besondere Bedeutung hat § 307 III BGB (§ 8 a. F. AGB-Gesetz) bei der Inhaltskontrolle von Entgelten erlangt. Es hat sich zu der Frage, wann eine nach § 307 III BGB kontrollfreie Hauptleistungspflicht bzw. wann eine kontrollfähige Preisnebenabrede vorliegt, zwar eine umfangreiche Kasuistik entwickelt, eine klare, generell subsumtionsfähige Linie hat sich bisher jedoch noch nicht herausgebildet (vgl. zu den Beispielen unten Rn. 67 sowie Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/105; zu den Einzelheiten unten § 13 Rn. 17 ff.; krit. dazu jüngst abermals Bitter, ZBB 2007, 237 (240 ff.)). Es ist in erster Linie darauf abzustellen, ob es sich bei der entgeltpflichtigen Leistung nicht bereits um eine dem Kunden geschuldete Leistung handelt. Besondere Bedeutung hat auch das Transparenzgebot erlangt. Es folgt aus einer Gesamtschau der §§ 305 II, 305 c, 307 BGB und besagt, dass der Verwender von AGB seine Klauseln durchschaubar, richtig, bestimmt und möglichst klar formulieren und gestalten muss (vgl. nur BGHZ 106, 42 (49)) und hat bei der Kontrolle der AGB-Banken und AGB-Sparkassen wie bei der Überprüfung von einzelnen Klauseln in Bankverträgen besondere Bedeutung erlangt. Hiernach müssen auch Nachteile und Belastungen soweit erkennbar werden, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann, wobei auf die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Kunden abzustellen ist (BGHZ 162, 210 (211) m.w.N.). Hervorzuheben ist insbesondere die Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von nachschüssigen Zinsberechnungsklauseln bei Annuitätendarlehen, die nicht nur an einer unzumutbaren Benachteiligung, sondern auch an ihrer Intransparenz für den Kunden gescheitert sind (BGHZ 106, 42 (47); 106, 259 (265); 112, 115 (117 ff.)). Eine besondere Hervorhebung kann jedoch bei üblicher Praxis der Regelung entbehrlich sein, wie dies für die Abgabe eines persönlichen Schuldanerkenntnisses nebst Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen bei der Bestellung einer Grundschuld als Kreditsicherheit angenommen worden ist (BGH WM 2006, 87 (88 f.).
C. Grundregeln für die Beziehung zwischen Kunde und Bank (Nr. 1–6 AGB-Banken) 1. Geltungsbereich und Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen (1) Geltungsbereich. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten für die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und den inländischen Geschäftsstellen der Bank (im Folgenden Bank genannt). Daneben gelten für einzelne Geschäftsbedingungen (zum Beispiel für das Wertpapiergeschäft, für den kartengestützten Zahlungsverkehr, für den Scheckverkehr, für den Sparverkehr, für den Überweisungsverkehr) Sonderbedingungen, die Abweichungen oder Ergänzungen zu diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten, sie werden bei der Kontoeröffnung oder bei Erteilung eines Auftrages mit dem Kunden vereinbart. Unterhält der Kunde auch Geschäftsverbindungen zu ausländischen Geschäftsstellen, sichert das Pfandrecht der Bank (Nr. 14 dieser Geschäftsbedingungen) auch die Ansprüche dieser ausländischen Geschäftsstellen.
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
47
(2) Änderungen. Änderungen dieser Geschäftsbedingungen und der Sonderbedingungen werden dem Kunden schriftlich bekannt gegeben. Hat der Kunde mit der Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung einen elektronischen Kommunikationsweg vereinbart (z.B. das Homebanking), können die Änderungen auch auf diesem Wege übermittelt werden, wenn die Art der Übermittlung es dem Kunden erlaubt, die Änderungen in lesbarer Form zu speichern oder auszudrucken. Sie gelten als genehmigt, wenn der Kunde nicht schriftlich oder auf dem vereinbarten elektronischen Weg Widerspruch erhebt. Auf diese Folge wird ihn die Bank bei der Bekanntgabe besonders hinweisen. Der Kunde muss den Widerspruch innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe der Änderungen an die Bank absenden. 2. Bankgeheimnis und Bankauskunft. (1) Bankgeheimnis. Die Bank ist zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen sie Kenntnis erlangt (Bankgeheimnis). Informationen über den Kunden darf die Bank nur weitergeben, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist. (2) Bankauskunft. Eine Bankauskunft enthält allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit; betragsmäßige Angaben über Kontostände, Sparguthaben, Depot- oder sonstige der Bank anvertraute Vermögenswerte sowie Angaben über die Höhe von Kreditinanspruchnahmen werden nicht gemacht. (3) Voraussetzungen für die Erteilung einer Bankauskunft. Die Bank ist befugt, über juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute Bankauskünfte zu erteilen, sofern sich die Anfrage auf ihre geschäftliche Tätigkeit bezieht. Die Bank erteilt jedoch keine Auskünfte, wenn ihr eine anders lautende Weisung des Kunden vorliegt. Bankauskünfte über andere Personen, insbesondere über Privatkunden und Vereinigungen, erteilt die Bank nur dann, wenn diese generell oder im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt haben. Eine Bankauskunft wird nur erteilt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft dargelegt hat und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange des Kunden der Auskunftserteilung entgegenstehen. (4) Empfänger von Bankauskünften. Bankauskünfte erteilt die Bank nur eigenen Kunden sowie anderen Kreditinstituten für deren Zwecke oder die ihrer Kunden. 3. Haftung der Bank; Mitverschulden des Kunden. (1) Haftungsgrundsätze. Die Bank haftet bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen für jedes Verschulden ihrer Mitarbeiter und der Personen, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen hinzuzieht. Soweit die Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsbeziehungen oder sonstige Vereinbarungen etwas Abweichendes regeln, gehen diese Regelungen vor. Hat der Kunde durch ein schuldhaftes Verhalten (zum Beispiel durch Verletzung der in Nr. 11 dieser Geschäftsbedingungen aufgeführten Mitwirkungspflichten) zu der Entstehung eines Schadens beigetragen, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, in welchem Umfang Bank und Kunde den Schaden zu tragen haben. (2) Weitergeleitete Aufträge. Wenn ein Auftrag seinem Inhalt nach typischerweise in der Form ausgeführt wird, dass die Bank einen Dritten mit der weiteren Erledigung betraut, erfüllt die Bank den Auftrag dadurch, dass sie ihn im eigenen Namen an den Dritten weiterleitet (weitergeleiteter Auftrag). Dies betrifft zum Beispiel die Einholung von Bankauskünften bei anderen Kreditinstituten oder die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im Ausland. In diesen Fällen beschränkt sich die Haftung der Bank auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung des Dritten. (3) Störung des Betriebs. Die Bank haftet nicht für Schäden, die durch höhere Gewalt, Aufruhr, Kriegs- und Naturereignisse oder durch sonstige von ihr nicht zu vertretende Vorkommnisse (zum Beispiel Streik, Aussperrung, Verkehrsstörung, Verfügungen von hoher Hand im In- oder Ausland) eintreten. 4. Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden. Der Kunde kann gegen Forderungen der Bank nur aufrechnen, wenn seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.
Casper
48
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
5. Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden. Nach dem Tod des Kunden kann die Bank zur Klärung der Verfügungsberechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder weiterer hierfür notwendiger Unterlagen verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Bank in deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Bank kann auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) nebst zugehörigen Eröffnungsniederschrift vorgelegt wird. Die Bank darf denjenigen, der darin als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, als Berechtigten ansehen, ihn verfügen lassen und insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten. Dies gilt nicht, wenn der Bank bekannt ist, dass der dort Genannte (zum Beispiel nach Anfechtung oder wegen Nichtigkeit des Testaments) nicht verfügungsberechtigt ist, oder wenn ihr dies infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist. 6. Maßgebliches Recht und Gerichtsstand bei kaufmännischen und öffentlichrechtlichen Kunden. (1) Geltung deutschen Rechts. Für die Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und der Bank gilt deutsches Recht. (2) Gerichtsstand für Inlandskunden. Ist der Kunde ein Kaufmann und ist die streitige Geschäftsbeziehung dem Betriebe seines Handelsgewerbes zuzurechnen, so kann die Bank diesen Kunden an dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht oder bei einem anderen zuständigen Gericht verklagen; dasselbe gilt für eine juristische Person des öffentlichen Rechts und für öffentlich-rechtliche Sondervermögen. Die Bank selbst kann von diesem Kunden nur an dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht verklagt werden. (3) Gerichtsstand für Auslandskunden. Die Gerichtsstandsvereinbarung gilt auch für Kunden, die im Ausland eine vergleichbare gewerbliche Tätigkeit ausüben, sowie für ausländische Institutionen, die mit inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder mit einem inländischen öffentlich-rechtlichen Sondervermögen vergleichbar sind. Die entsprechenden Regelungen in den AGB-Sparkassen lauten: Nr. 1. – Grundlagen der Geschäftsbeziehung. (1) Geschäftsbeziehung als Vertrauensverhältnis. Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und der Sparkasse1 ist durch die Besonderheiten des Bankgeschäfts und ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt. Der Kunde kann sich darauf verlassen, dass die Sparkasse seine Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausführt und das Bankgeheimnis wahrt. (2) Allgemeine und besondere Geschäftsbedingungen. Für die Geschäftsbeziehung gelten ergänzend zu den einzelvertraglichen Vereinbarungen diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Für einzelne Geschäftszweige gelten ergänzend oder abweichend besondere Bedingungen, zum Beispiel für den Überweisungsverkehr, den Scheckverkehr, für den kartengestützten Zahlungsverkehr, für den Sparverkehr, für Wertpapiergeschäfte. Diese Geschäftsbedingungen können in den Kassenräumen eingesehen werden und werden auf Wunsch zur Verfügung gestellt. Nr. 2. – Änderungen der Geschäftsbedingungen. (1) Art und Weise des Hinweises. Die Sparkasse wird den Kunden auf eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder der besonderen Bedingungen oder die Einführung zusätzlicher Bedingungen unmittelbar hinweisen. Ist ein solcher Hinweis nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich, wird die Sparkasse durch deutlich sichtbaren Aushang oder Auslegung in ihren Kassenräumen auf die Änderung hinweisen. 1
Amtl. Anm.: In der Fassung der AGB der Landesbanken/Girozentralen wird die Bezeichnung „Sparkasse“ jeweils durch den Begriff „Bank“ ersetzt.
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
49
(2) Genehmigung der Änderung. Ist der Hinweis erfolgt, so gilt die Änderung als genehmigt, wenn der Kunde ihr nicht binnen sechs Wochen schriftlich oder, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung der elektronische Kommunikationsweg vereinbart wurde (zum Beispiel Homebanking), auf diesem Wege widerspricht. Die Sparkasse wird dann die geänderte Fassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die geänderten besonderen Bedingungen bzw. die zusätzlich eingefügten Bedingungen der weiteren Geschäftsbeziehung zugrunde legen. Die Sparkasse wird den Kunden bei der Bekanntgabe der Änderung auf die Folgen besonders hinweisen. Die Frist ist gewahrt, wenn der Widerspruch innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe abgesandt worden ist. Nr. 3. – Bankauskünfte. (1) Inhalt von Bankauskünften. Bankauskünfte sind allgemeingehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse von Kunden, deren Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit. Betragsmäßige Angaben über Kontostände, Sparguthaben, Depot- oder sonstige dem Kreditinstitut anvertraute Vermögenswerte sowie Kreditinanspruchnahmen werden nicht gemacht. (2) Voraussetzungen für die Auskunftserteilung. Die Sparkasse darf Bankauskünfte über juristische Personen und im Handelsregister eingetragene Kaufleute erteilen, sofern sich die Anfrage auf deren geschäftliche Tätigkeit bezieht und der Sparkasse keine anders lautende Weisung des Kunden vorliegt. In allen anderen Fällen darf die Sparkasse Bankauskünfte nur erteilen, wenn der Kunde dem allgemein oder im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt hat. Bankauskünfte erhalten nur eigene Kunden sowie andere Kreditinstitute für deren eigenen Zwecke und die ihrer Kunden; sie werden nur erteilt, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft darlegt. (3) Schriftliche Bestätigung. Bei mündlichen Auskünften über Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit behält sich die Sparkasse eine unverzügliche schriftliche Bestätigung vor, deren Inhalt von diesem Zeitpunkt an maßgeblich ist. Nr. 5. – Legitimationsurkunden. (1) Erbnachweise. Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird. (2) Leistungsbefugnis der Sparkasse. Die Sparkasse ist berechtigt, auch die in Urkunden nach Absatz 1 Satz 2 als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichneten Personen als Berechtigte anzusehen, insbesondere sie verfügen zu lassen und mit befreiender Wirkung an sie zu leisten. Dies gilt nicht, wenn der Sparkasse die Unrichtigkeit oder Unwirksamkeit dieser Urkunden bekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist. (3) Sonstige ausländische Urkunden. Werden der Sparkasse ausländische Urkunden als Ausweis der Person oder zum Nachweis einer Berechtigung vorgelegt, so wird sie prüfen, ob die Urkunden zum Nachweis geeignet sind. Sie haftet jedoch für deren Eignung, Wirksamkeit und Vollständigkeit sowie für deren richtige Übersetzung und Auslegung nur bei Fahrlässigkeit oder wenn die Urkunde insgesamt gefälscht ist. Im vorstehenden Rahmen kann die Sparkasse die in den Urkunden als Berechtigte bezeichneten Personen als berechtigt ansehen, insbesondere sie verfügen lassen und mit befreiender Wirkung an sie leisten. Nr. 6 – Rechtswahl, Gerichtsstand, Erfüllungsort. (1) Deutsches Recht. Auf die Geschäftsbeziehung findet vorbehaltlich der in Artikel 29 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) geregelten Ausnahmen deutsches Recht Anwendung. (2) Erfüllungsort. Erfüllungsort für die Sparkasse und den Kunden ist der Sitz der Sparkasse.
Casper
50
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
(3) Gerichtsstand. Ist der Kunde ein Kaufmann, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen, kann die Sparkasse an ihrem allgemeinen Gerichtsstand klagen und nur an diesem Gerichtsstand verklagt werden. Nr. 11. – Aufrechnung und Verrechnung. (1) Aufrechnung durch den Kunden. Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. (2) Verrechnung durch die Sparkassen. Die Sparkasse darf bestimmen, auf welche von mehreren fälligen Forderungen Zahlungseingänge, die zur Begleichung sämtlicher Forderungen nicht ausreichen, zu verrechnen sind. Dies gilt nicht, soweit der Kunde anderes bestimmt hat oder eine andere Verrechnung gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist. Nr. 19. – Haftung der Sparkasse. (1) Haftung für Verschulden. Die Sparkasse haftet für eigenes Verschulden sowie das Verschulden von Personen, derer sie sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtung gegenüber dem Kunden bedient, soweit sich nicht aus den folgenden Absätzen, den besonderen Bedingungen oder aus einzelvertraglichen Regelungen etwas Abweichendes ergibt. Haftet die Sparkasse und ist ein Schaden nicht ausschließlich von der Sparkasse verursacht oder verschuldet, so richtet sich die Verpflichtung zum Schadensersatz nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, § 254 Bürgerliches Gesetzbuch. (2) Haftung für Dritte. Die Sparkasse darf Aufträge bei Fehlen einer gegenteiligen Weisung ganz oder teilweise auf Dritte zur selbständigen Erledigung übertragen, soweit dies unter Berücksichtigung der Art des Auftrages und der Interessen von Sparkasse und Kunde erforderlich erscheint. In diesen Fällen beschränken sich die Verpflichtung und Haftung der Sparkasse auf die Weiterleitung des Auftrags einschließlich sorgfältiger Auswahl und Unterweisung des Dritten. (3) Haftung bei höherer Gewalt. Die Sparkasse haftet nicht für Schäden, die durch Störung ihres Betriebs (Bombendrohung, Banküberfall), insbesondere von höherer Gewalt (zum Beispiel von Kriegs- und Naturereignissen) sowie infolge von sonstigen, von ihr nicht zu vertretenden Vorkommnissen (zum Beispiel Streik, Aussperrung, Verkehrsstörung) verursacht sind oder die durch Verfügungen von hoher Hand des In- und Auslands eintreten.
7
I. Geltungsbereich und Änderungen der AGB-Banken (Nr. 1). Nr. 1 I der AGB-Banken setzt eine wirksame Einbeziehung der AGB (Rn. 4) voraus und ordnet ihre Geltung „für die gesamte Geschäftsverbindung“ mit dem Kunden an. Hierin ist regelmäßig nicht nur ein klarstellender Hinweis darauf zu erblicken, dass die Bank durchweg nur zu ihren AGB kontrahieren will (so aber Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/15)). Vielmehr liegt in dem Abschluss eines Dauerschuldverhältnisses unter Einbeziehung der AGB-Banken zugleich eine Abrede im Sinne des § 305 III BGB (ebenso Bunte, AGB-Banken Rn. 48; Werhahn/Schebeta Nr. 1 Rn. 14; a. A. wiederum Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/15). Schließen Bank und Kunde beispielsweise einen Girovertrag unter Einbeziehung der AGB, so muss bei der späteren Aufnahme eines Ratenkredits die Geltung der AGB nicht erneut vereinbart werden (vgl. bereits Rn. 4 und BGHZ 152, 114). Nur sofern die erste Transaktion zwischen Bank und Kunde allein einmaligen Charakter hat, fehlt es an einer Vereinbarung im Voraus, dass die AGB auch für künftige Geschäftsbeziehungen gelten sollen. Hieran vermag Nr. 1 I nichts zu ändern. Die Geltung von Sonderbedingungen (z. B. der Bedingungen für die Wertpapiergeschäfte) wird jedoch nicht im Voraus vereinbart. Dies stellt Nr. 1 I 2 klar. Die Sonderbedingungen sind bei der jeweiligen Transaktion, für die sie Bedeutung erlangen, gesondert einzubeziehen. Ob den Sonderbedingungen Wirkung für die gesamte Geschäftsbeziehung in dem jeweiligen Bereich zukommt, ist Regelungsaufgabe der Sonderbedingungen. – Auch im Verhältnis zu ausländischen Banken können die AGB der deutschen Bank gem. § 310 BGB stillschweigend miteinbezogen werden, soweit die deutsche Bank die vertragstypische Leistung zu erbringen hat (BGH
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
51
WM 2004, 1177 (1177 f.); allg. zur Einbeziehung gegenüber Unternehmen: Ebenroth/ Boujong/Joost-Thessinga, BankR Rn I/56). Die AGB-Banken werden nur in der jeweils bei Vertragsschluss geltenden Fassung einbezogen. Eine Änderung der AGB wird dem Kunden gegenüber erst wirksam, wenn die neugefassten AGB durch eine Änderungsvereinbarung in den Vertrag mit dem Kunden einbezogen werden. Dies kann ausdrücklich oder konkludent geschehen. Nr. 1 II der AGB-Banken erleichtert die konkludente Einbeziehung einer Änderungsvereinbarung, indem das Schweigen auf die Bekanntgabe der geänderten AGB nach sechs Wochen als Zustimmung fingiert wird. Nr. 1 II begründet hingegen kein einseitiges Änderungsrecht der Bank. Seit der Änderung der AGB-Banken im Jahre 2002 genügt statt einer schriftlichen Mitteilung der geänderten AGB auch eine elektronische Übermittlung, sofern eine elektronische Kommunikation vereinbart wurde und der Kunde sich die geänderten AGB ausdrucken oder abspeichern kann. Dabei wird man nicht verlangen können, dass sich die Zustimmung zum Homebanking auch ausdrücklich auf die Übermittlung der geänderten AGB bezieht. Voraussetzung für eine elektronische Übermittlung ist aber, dass dem Kunden der Text der geänderten AGB auch in elektronischer Form zugeht, z. B. als E-Mail. Ungenügend ist eine E-Mail mit einem Link auf eine Internetseite, auf der die geänderten AGB eingesehen werden können (zust. Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 79, Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/16; Bunte, AGB-Banken Rn. 77) zu evtl. Besonderheiten bei den AGB-Sparkassen, sogleich unter Rn. 9). Erst recht reicht es nicht aus, dass die geänderten AGB irgendwo auf der Homepage der Bank ins Netz gestellt werden (Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (520)). Allgemein gilt, dass das Erfordernis zumutbarer Kenntnisnahme nur gewahrt ist, wenn die geänderten Klauseln – insbesondere soweit sie zum Nachteil des Kunden abweichen – besonders hervorgehoben sind (Ulmer/ Brandner/Hensen-Ulmer, § 305 BGB Rn. 164). Die Genehmigungsfiktion von sechs Wochen ist mit § 308 Nr. 5 BGB vereinbar, da die Bank nach Nr. 1 II 4 AGB-Banken auf diese Rechtsfolge bei Mitteilung der geänderten AGB besonders hinweisen muss (ganz hM s. etwa Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 305 BGB Rn. 164; Staudinger-Coester-Waltjen BGB (2006), § 308 Nr. 5 Rn. 8; Baumbach-Hopt AGB-Banken (8) Nr. 1 Rn. 7; a. A. aber MünchKommBGB-Basedow, § 305 Rn. 82; Hoeren, NJW 1992, 3236 (3267)). Für eine konkludente Zustimmung nach § 151 BGB durch die bloße Fortsetzung der Geschäftsbeziehung ist vor Ablauf der Sechs-Wochen-Frist kein Raum (im Ergeb. ebenso Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 80; unklar Bunte, AGB-Banken Rn. 75: trotz konkludenter Genehmigung noch ausdrücklicher Widerspruch innerhalb von sechs Wochen). Zwar sind konkludente Genehmigungen nicht per se ausgeschlossen (Erman/Roloff, § 305 Rn. 43; MünchKommBGB-Basedow, § 305 Rn. 78; Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 305 Rn. 165 jew. m.w.N.). Eine Interpretation der Fortsetzung des Zahlungsverkehrs als konkludente Zustimmung kommt jedoch schon deshalb nicht in Betracht, da die Kunden anderenfalls vor dem Dilemma stünden, ihr Konto nicht benutzen zu dürfen oder die sechs Wochen zur Prüfung nicht ausnutzen zu können. Dem steht auch nicht entgegen, dass man ggf. in der Fortsetzung des Zahlungsverkehrs eine konkludente Genehmigung von Lastschriftbuchungen (dazu Rn. 40) sieht, da die Genehmigung eines konkreten Zahlungsvorganges kaum mit der eines komplizierten Regelwerkes vergleichbar sein dürfte (insoweit unzutreffende Kritik deshalb bei Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 80 in Fn. 15). Der Kunde hat also volle sechs Wochen Zeit, um der Änderung zu widersprechen (anders aber Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 6 Rn. 11). Hintergrund der 2000 vorgenommenen Verlängerung der Frist von einem Monat auf sechs Wochen ist die Entscheidung BGH WM 1999, 1367. Der Widerspruch führt dazu, dass die Einbeziehung der geänderten AGB scheitert und die Vertragsbeziehung mit
Casper
8
52
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
den bisherigen AGB fortgesetzt wird. Ein Widerspruch berechtigt die Bank nicht ohne weiteres zur fristlosen Kündigung des Vertrages (OLG Köln NJW 1996, 1065; LG Hamburg ZIP 1995, 1583), da dies im Ergebnis ein einseitiges Änderungsrecht bewirken würde. Auch eine ordentliche Kündigung wird infolge Rechtsmissbrauchs regelmäßig nicht in Betracht kommen (zutr. MünchKommBGB-Basedow, § 305 Rn. 82; a. A aber Erman/ Roloff, § 305 BGB Rn. 43), sofern dadurch die gesamte Kontoverbindung beendet würde (für eine ordentliche Kündigung der ec-Karte vor Ablauf von deren Laufzeit bei Änderung der ec-Kartenbedingungen aber OLG Köln NJW 1996, 1065). 9
Abweichend von Nr. 1 II AGB-Banken soll nach Nr. 2 I AGB-Sparkassen ein Hinweis gegenüber dem Kunden auf die geänderten AGB entbehrlich sein, wenn ein solcher Hinweis mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Genügen soll dann ein deutlich sichtbarer Aushang auf die Änderung. Auch daran soll sich die Genehmigungsfiktion nach Nr. 2 II AGB-Sparkassen knüpfen. Dies ist mit § 308 Nr. 5 BGB nicht vereinbar (ebenso v. Westphalen, Rn. 5; BB 1993, 8; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 81; a. A. Westermann, WM 1993, 1865 (1868 f.); Bunte, AGB-Banken Rn. 78). Ein ausdrücklicher Hinweis ist unter keinen Umständen verzichtbar. Nr. 2 I AGB-Sparkassen eröffnet aber die Möglichkeit, abweichend von dem soeben zu den AGB-Banken Gesagten (Rn. 8) mittels eines ausdrücklichen Hinweises auf die Einsichtnahme in die geänderten AGB in den Schalterräumen zu verweisen, sofern eine Mitteilung der geänderten AGB auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt. Dies kann zwar theoretisch zur Wirksamkeit führen, ist aber angesichts der Länge der derzeitigen AGB – namentlich auch im elektronischen Geschäftsverkehr – kaum vorstellbar.
10
II. Bankgeheimnis und Bankauskunft (Nr. 2). 1. Bankgeheimnis. Nr. 2 I AGB-Banken regelt das Bankgeheimnis. Diese erstmals mit den AGB-Banken von 1993 aufgenommene Regelung, die in den AGB-Sparkassen keine Entsprechung hat, hat nur deklaratorische Bedeutung. Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden folgt bereits aus dem jeweiligen Konto- oder Kreditvertrag bzw. aus dem Vertragsanbahnungsverhältnis, der die Bank zur Interessenwahrung des Kunden verpflichtet (Bunte, AGB-Banken Rn. 79). Die Verschwiegenheitspflicht der Nr. 2 I AGB-Banken besteht auch gegenüber Ehegatten oder anderen Angehörigen (Lieske, WM 1975, 238 (247); Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/19). Sie erstreckt sich auch auf allgemein bekannte Tatsachen, sofern der Kunde wünscht, dass die Bank nicht über solche Tatsachen spricht und ein Dritter sie womöglich erst durch die Bank erfährt (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/19; Bunte, AGB-Banken Rn. 79; a. A. Hadding/Schneider-Musielak, S. 14 f.; offen lassend letztlich BGHZ 166, 84 (93) – Kirch/ Breuer) oder sie ihm durch die Bank erneut ins Gedächtnis gerufen werden. Allgemein ausgedrückt erfasst das Bankgeheimnis alle Tatsachen, die der Kunde als Geheimnisherr Dritten nicht preisgeben will (so im Ergeb. auch BGHZ 27, 241 (246)). Nr. 2 I bringt dies durch die Formulierung „alle“ klar zum Ausdruck. Es entspricht heute auch zu Recht ganz überwiegender Auffassung, dass das Bankgeheimnis nicht nur Tatsachen, sondern auch Wertungen umfasst, wie etwa die Beurteilung der Bonität oder der geschäftlichen Verhältnisse (Canaris, Rn. 49; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/20; SichtermannKirchherr, S. 131). Derartige Bewertungen haben in der Praxis eine große Bedeutung und sind typischerweise Gegenstand einer Bankauskunft, die im systematischen Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis steht. Darüber hinaus ist stets ein innerer Zusammenhang zwischen der Kenntniserlangung und der Geschäftsverbindung erforderlich (vgl. BGHZ 166, 84 (92) = NJW 2006, 830 (833) – Kirch/Breuer; aus dem Schrifttum etwa Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 39 Rn. 1; a. A. allein Schumann, ZIP 2004, 2353 (2361)), die Kenntnis muss also gerade aus der Geschäftsverbindung resultieren. Vom
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
53
Bankgeheimnis abzugrenzen ist die allgemeine Loyalitätspflicht gegenüber dem Kunden, dessen Umfang unabhängig von einem inneren Zusammenhang die Pflicht beinhaltet, die Vermögensinteressen des Kunden zu schützen und weder durch Tatsachenbehauptungen, noch durch Werturteile oder Meinungsäußerungen zu gefährden (BGHZ 166, 84, (93 f.) = NJW 2006, 830 (834)). Das Bankgeheimnis ist weiterhin vom Datenschutz nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) abzugrenzen. Das BDSG betrifft nur einen Teilbereich des Bankgeheimnisses (so auch Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/22), da es auf den Schutz personenbezogener Daten begrenzt ist und verfolgt mit dem Schutz der informellen Selbstbestimmung eine andere Stoßrichtung. Weiterhin schützt es nur natürliche und nicht auch juristische Personen. Beide Rechtsinstitute stehen nebeneinander (BGH ZIP 2007, 619 (622)). Die Speicherung von Kundendaten seitens der Bank ist durch § 28 BDSG legitimiert. Aus dem Bankgeheimnis folgt jedoch kein Abtretungsverbot iSd § 399 Alt. 2 BGB. Die Bank kann also Forderungen gegen Kunden wirksam abtreten (inzwischen ganz hM, vgl. BGH ZIP 2007, 619 (620 f.) mwN; KG ZIP 2006, 1814; OLG Köln NJW-RR 2005, 263 (265 f.); Petersen, S. 38 ff; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/23 m. w. N.; a. A. allein OLG Frankfurt ZIP 2004, 1449). Das Bankgeheimnis wirkt nur schuldrechtlich, berührt hingegen nicht die Wirksamkeit von Verfügungsgeschäften, wirkt also nicht „dinglich“. Das Bankgeheimnis begründet auch kein Verbotsgesetz iSd §§ 134 BGB, 203 I StGB, wonach eine Abtretung nichtig wäre. Eine Ausnahme wird für den Sparkassenbereich diskutiert, da dessen Organe Amtsträger iSd § 11 Nr. 2c StGB sein sollen (vgl. dazu etwa Sester/Glos, DB 2005, 377 ff.; dagegen jetzt aber OLG Schleswig BKR 2008, 25 (27)). Eine derartige Differenzierung ist bedenklich, da sich sachlich dieselben Fragen stellen und für eine unterschiedliche Reichweite je nach Organisationsform des Kreditinstitutes kaum Raum ist. Auch wenn man das Bankgeheimnis jenseits der deklaratorischen Regelung in Nr. 2 I als Gewohnheitsrecht qualifiziert (dafür etwa Schwintowski/Schäfer, § 3 Rn. 3; Klüwer/Meister, WM 2004, 1157; Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491, 493), begründet es kein Verbotsgesetz iSd § 134 BGB (überzeugend BGH ZIP 2007, 619 (621) mwN). Allerdings kann die Abtretung von Kundenforderungen ohne Zustimmung des Kunden einen Verstoß gegen das Bankgeheimnis begründen (vgl. noch Rn. 13) und einen auf § 280 I BGB zu stützenden Schadensersatzanspruch nach sich ziehen (BGH ZIP 2007, 619 (621); LG Koblenz ZIP 2005, 21; Nobbe, WM 2005, 1537 (1541)). Derartige Ansprüche kann das zedierende Kreditinstitut auf zwei Wegen vermeiden. Zum einen kann sich der Zedent zur Einziehung der abgetretenen Forderung verpflichten, sodass eine Informationsweitergabe an den Zessionar abweichend von § 402 BGB vermieden werden kann (BGH ZIP 2007, 619 (621); Langenbucher, BKR 2004, 333 (334); Stiller, ZIP 2004, 2027 (2029)). Zum anderen kann die Zustimmung des vertragstreuen Kunden eingeholt werden. Dies kann nach zutreffender Ansicht auch in Form von AGB (z.B. den Darlehensbedingungen) geschehen (vgl. zu Paralleldiskussion im Zusammenhang mit dem BDSG etwa Gola/Schomerus, BDSG, 9. Aufl. 2007, § 4a Rn. 14; Simitis-Simitis, BDSG, 6. Aufl. 2006, § 4a Rn. 84). Nr. 2 I enthält jedoch keine derartige Ermächtigung. Entsprechendes gilt für den neu gefassten Nr. 28 AGB-Sparkassen, der lediglich zu einer Weitergabe von Kundendaten an die Einlagesicherungssysteme ermächtigt. Soll durch AGB von dem Bankgeheimnis befreit werden, darf es sich nicht um eine fingierte Erklärung iSd § 308 Nr. 5 BGB handeln. Vielmehr ist eine ausdrückliche, präzise formulierte Erklärung von Nöten, die potentielle Zessionare und Umstände für die Abtretung (etwa Zahlungsverzug) benennen. Insoweit kann an den Vorgaben in § 4a BDSG Maß genommen werden. Bei vertragsuntreuen Kunden will die wohl überwiegende Auffassung hingegen auf ein Zustimmungserfordernis verzichten, sodass eine Abtretung ohne Zustimmung keinen
Casper
11
54
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Verstoß gegen das Bankgeheimnis zeitigen soll (OLG Köln ZIP 2005, 1773 (1774)). Dies spielt in erster Linie dann eine Rolle, wenn das Kreditinstitut Forderungen gegen im Verzug befindliche Darlehensnehmer im Wege der Verbriefung liquidieren will (sog. NonPerforming Loans, vgl. dazu etwa Adolff, FS Heldrich, 2005, S. 3 ff.). 12
13
14
Die Grenzen des Bankgeheimnisses ergeben sich aus drei Ansatzpunkten. Zum einen wird es durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt. Zu nennen sind insbesondere die Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Ermittlungsverfahren (§ 161 a StPO), die Auskunftspflicht im Erbschaftssteuerverfahren (§ 33 ErbStG); im Besteuerungsverfahren (§§ 93 I 3, 30 a V AO), im automatisierten Abruf von Kontoinformationen nach § 24c KWG sowie die Auskunftspflicht des Kreditinstituts nach § 11 GwG (Details bei Bunte, AGB-Banken Rn. 86 ff.). Umgekehrt begrenzt das Bankgeheimnis der kontoführenden Bank grundsätzlich nicht das Auskunftsrecht ihrer Aktionäre nach § 131 AktG. Es ist jedoch eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des Aktionärs und der Verhältnisse der Bankkunden vorzunehmen. Die Bank darf gegenüber ihren Aktionären aber nicht die persönlichen Umstände und Verhältnisse ihrer Kunden offenbaren (vgl. LG Frankfurt WM 2005, 2235 (2237)). Ein Auskunftsanspruch Privater kann sich auch aus einer rechtlichen Sonderverbindung ergeben, die nicht in einem Vertrag bestehen muss (BGHZ 95, 274 (278 f.); BGH NJW 1978, 1002; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/23). Daneben kommt eine Weitergabe von Informationen über den Kunden in Betracht, wenn dieser eingewilligt hat (vgl. näher Rn. 15 f.). Schließlich ist eine Weitergabe auch dann zulässig, wenn die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft nach Nr. 2 III 1 AGB-Banken ohne Einwilligung des Kunden befugt ist (vgl. Rn. 15). Eine Verletzung des Bankgeheimnisses berechtigt den Kunden, den Vertrag mit der Bank aus wichtigem Grund zu kündigen (Sichtermann/Kirchherr, S. 203 f.; HeymannHorn, Anh. § 372 Rn. II/21; einschränkend Canaris, Rn. 69). Daneben entsteht ein (vor-) vertraglicher Anspruch auf Unterlassung, der Gegenstand einer einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO sein kann. Hat die Bank oder ein Dritter, der die Bank zu dem Rechtsbruch veranlasst hat, durch die Verletzung des Bankgeheimnisses einen Rechtsvorteil erlangt, so steht dem Kunden gegen die Bank oder den Dritten der Einwand des Rechtsmissbrauchs zu. Dies gilt aber nicht gegenüber Dritten, die zwar Kenntnis erlangt haben, aber an dem Rechtsbruch nicht mitgewirkt haben (BGH WM 1973, 892 (894); 1975, 316; Liesecke, WM 1973, 314 (315 f.)). Weiterhin hat der Kunde einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 I BGB (BGHZ 27, 241 (247); BGH ZIP 2007, 619 (620 f.); zur Ersatzfähigkeit und Schadenshöhe näher Canaris, Rn. 66 ff.). Dieser besteht namentlich dann, wenn eine Forderung entgegen der in Rn. 11 skizzierten Grundsätze abgetreten wird. 2. Bankauskunft. Die Bankauskunft ist in den Absätzen 2 bis 4 der Nr. 2 geregelt. Abs. 2 bestimmt den Inhalt, Abs. 3 die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bankauskunft, Abs. 4 den Adressatenkreis. Abs. 2 definiert die Bankauskunft als allgemein gehaltene Feststellungen und Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit. Es geht also allein um allgemeine wertende Aussagen, konkrete Angaben zu Kontoständen oder Kreditlinien enthält die Bankauskunft nicht. Die Bankauskunft nach Nr. 2 AGB-Banken ist deshalb von besonderen Auskünften wie der Scheckauskunft, bei der die Bank Auskunft darüber gibt, ob das Konto des Ausstellers entsprechende Deckung enthält, und der sog. Schufa-Anfrage abzugrenzen. Bei einer Anfrage bei der Schufa, einer kollektiven Gläubigerauskunft, werden anders als bei der Bankauskunft auch konkrete Kontensalden oder eingeräumte Kreditlinien mitgeteilt. Für diese besonderen Auskünfte ist jedoch eine gesonderte Einwilligung des Kunden erforderlich, die nicht vom Regelungsbereich der Nr. 2 erfasst ist.
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
55
Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Erteilung einer Bankauskunft unterscheidet Nr. 2 III zwischen Geschäfts- und Privatkunden. Geschäftskunden sind sämtliche juristischen Personen und die ins Handelsregister eingetragenen Kaufleute. Hierzu zählen alle Formen von Personenhandelsgesellschaften. Zumindest nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die unternehmerisch tätige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) hingegen nicht erfasst. Fraglich ist auch die Behandlung einer Partnerschaft, da diese nicht im Handels-, sondern im Partnerschaftsregister eingetragen ist. Unklar ist ferner die Einordnung der EWIV. Sie ist zwar im Handelsregister eingetragen, aber kein Kaufmann. Unter teleologischen Gesichtspunkten scheint es aber gerechtfertigt, sowohl die Partnerschaft wie die EWIV als auch die unternehmerisch tätige GbR in den Kreis der Geschäftskunden einzubeziehen (zust. Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/27; Bunte, AGB-Banken Rn. 99; a. A. Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 83 in Fn. 26), über die die Bank auch ohne generelle oder spezielle Einwilligung Auskunft erteilen darf, sofern das Unternehmen nicht eine anders lautende Weisung erteilt hat. Diese kann generell erteilt werden und somit jegliche Berechtigung zur Bankauskunft ausschließen oder aber auf einen Einzelfall begrenzt werden, indem die Auskunftserteilung für einen gewissen Zeitraum oder begrenzt auf einen bestimmten Kreis von Auskunftsersuchenden beschränkt wird (zust. jetzt Bunte, AGB-Banken Rn. 99). Diese Möglichkeit zur Versagung der Auskunftsberechtigung hat ihren Hintergrund in § 3 BDSG. Die Regelung in Nr. 2 III 1 und S. 2 AGB-Banken hat konstitutive und nicht nur deklaratorische Bedeutung, da die Annahme eines entsprechenden Handelsbrauchs, wonach die Bank bei gewerblichen Kunden ohne weiteres zur Auskunft legitimiert sei, zu weit führen würde (zutr. Canaris, Rn. 56; Schimansky/Bunte/Lwowski- Bunte, § 7 Rn. 18; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 83 a. A. Kümpel, Rn. 2.204; BuB-Weber, Rn. 1/65). Bei Privatkunden und Vereinigungen, zu denen neben nicht rechtsfähigen Vereinen auch die nicht unternehmerisch tätige Außen-GbR zählt, muss die Zustimmung zur Auskunft ausdrücklich erfolgen. Diese kann für den Einzelfall oder generell für alle zukünftigen Anfragen erteilt werden. „Ausdrücklich“ erfordert nicht zwingend eine schriftliche Zustimmung, die Banken werden dies jedoch in aller Regel im eigenen Interesse verlangen. Kein Raum ist für eine konkludente Zustimmung. Nicht ausgeschlossen ist die Verwendung einer vorformulierten Zustimmungserklärung, jedoch darf diese nicht zwischen anderen Abreden versteckt sein. Die Erteilung einer Bankauskunft ist bei Geschäfts- wie bei Privatkunden weiterhin nur zulässig, wenn der Anfragende ein berechtigtes Interesse an der gewünschten Auskunft glaubhaft darlegt und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Auskunftserteilung berechtigte Interessen des Kunden entgegenstehen (III 4). Die Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses ergibt sich auch aus Ziffer 2 der Grundsätze für die Durchführung des Bankauskunftsverfahrens zwischen den Kreditinstituten (abgedr. BuB-Weber, Rn. 1/76). Ein berechtigtes Interesse ist stets dann anzunehmen, wenn der Anfragende vor einem ihm sonst drohenden Schaden bewahrt wird (statt aller Bunte, AGB-Banken Rn. 101). Insoweit genügt aber die glaubhafte Darlegung einer abstrakt möglichen Schädigung, wie etwa der Forderungsausfall bei einer sich anbahnenden geschäftlichen Beziehung mit dem Kunden. In einem letzten Schritt hat die Bank wegen Nr. 2 III 4 a. E. eine Interessenabwägung vorzunehmen, die hinsichtlich ihres Umfangs an § 28 BDSG angelehnt ist (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/27; Bunte, AGB-Banken Rn.102). Dabei hat die Bank sich von der Erwägung leiten zu lassen, dass nicht jede negative Auskunft automatisch an einer Interessenabwägung scheitert, da die sonst drohende Auskunftsverweigerung vielfach als die denkbar schlechteste Alternative aufgefasst würde.
Casper
15
16
17
56
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
18
Bankauskünfte werden nach Nr. 2 IV nur eigenen Kunden oder anderen Banken für deren eigene Interessen (Bank-an-Bank-Auskunft) oder im Interesse von deren Kunden erteilt. Mit dieser Beschränkung des Adressatenkreises soll eine Kommerzialisierung des Auskunftswesens vermieden werden. Aus Absatz 4 folgt noch kein Anspruch des Kunden oder der anderen Bank auf Auskunftserteilung. Diese kann sich allenfalls aus einer Nebenpflicht zu einem anderen Vertrag ergeben oder aber aus einem besonderen Auskunftsvertrag (vgl. näher Wolf/Horn/Lindacher-Horn, § 23 Rn. 642; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 24 f.), verallgemeinernd ist also eine schuldrechtliche Sonderbeziehung zu fordern (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 83). Auch auf die Erteilung einer Bank-an-Bank-Auskunft gibt es keinen verbindlichen Anspruch infolge eines Handelsbrauchs (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 25).
19
Nr. 2 AGB-Banken regelt nicht die Haftung der Bank für fehlerhafte und unrichtige Auskünfte, diese bestimmt sich vielmehr nach allgemeinem Zivilrecht. In Betracht kommt eine Verletzung des Auskunftsvertrages oder einer Nebenpflicht zum jeweiligen Bankvertrag. Daneben kommen deliktische Ansprüche in Betracht (BGH WM 1976, 498; ausführlich Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/32). Seit 1993 ist in den AGB-Banken keine Freizeichnungsklausel für eine leicht fahrlässige Auskunftspflichtverletzung mehr enthalten; insoweit gilt nunmehr allein Nr. 3 AGB-Banken. Fragt eine andere Bank im Auftrag ihres Kunden an, so kann die anfragende Bank, wenn sie für eigene Dispositionen auf die Auskunft vertraut, diesen Eigenschaden nicht geltend machen (BGH WM 1991, 1629). Im Übrigen ist die auskunfterteilende Bank nicht Erfüllungsgehilfe der auskunftersuchenden Bank; vielmehr liegt ein Fall des sog. weitergeleiteten Auftrags vor (vgl. dazu und zu dessen Haftungsfolgen Rn. 21 ff).
20
Nr. 3 der AGB-Sparkassen enthält eine etwas abweichend formulierte, sachlich aber weitgehend übereinstimmende Regelung wie die AGB-Banken, ohne jedoch das Bankgeheimnis zu definieren. Trotz der in Nr. 3 III vorbehaltenen schriftlichen Bestätigung haftet die Sparkasse auch für fehlerhafte mündliche Auskünfte, selbst wenn sie diese später durch eine korrekte schriftliche Fassung korrigiert hat (Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. § 310 Rn. 84; Bunte, AGB-Banken Rn. 105).
21
III. Haftung der Bank (Nr. 3). 1. Haftungsgrundsätze. In Nr. 3 I 1 wird zunächst klargestellt, dass die Bank bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen für jedes Verschulden haftet. Dieser Regelung kommt nur klarstellende Funktion zu (statt aller Ulmer/Brandner/ Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 85), da sich dieser Haftungsmaßstab bereits aus §§ 276, 278 BGB bzw. aus Sondervorschriften wie §§ 31, 32 WpHG ergibt. Die Regelung in Nr. 3 ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass ältere Fassungen der AGB-Banken versucht hatten, Haftungsfreizeichnungen zu vereinbaren. Der Verschuldensmaßstab ist im Einzelfall wiederum nach Art des jeweiligen Geschäfts und der damit verbundenen typischen Risiken zu bestimmen (BGHZ 123, 126). Ebenfalls nur deklaratorische Funktion hat der Satz 2, der den Vorrang abweichender Vereinbarungen sowie der Sonderbedingungen zum Ausdruck bringt. Letzteres folgt bereits aus Nr. 1 I 2. Der dritte Satz von Nr. 3 I stellt klar, dass ein Mitverschulden des Kunden zu berücksichtigen ist. Eine gegenüber § 254 BGB eigenständige Funktion kommt ihm nur insoweit zu, als er hinsichtlich des Mitverschuldens auf die Mitwirkungspflichten des Kunden gem. Nr. 11 AGBBanken verweist. Die dort geregelten Kundenobliegenheiten können also im Wege des Mitverschuldens Berücksichtigung finden. Auf die Einzelheiten ist bei Nr. 11 (Rn. 58 ff.) einzugehen.
22
2. Haftung bei weitergeleiteten Aufträgen bzw. bei gestatteter Substitution. Von erheblicher praktischer Bedeutung wie von dogmatischem Interesse ist hingegen Nr. 3 II,
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
57
wonach die Haftung bei weitergeleiteten Aufträgen auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung des Dritten beschränkt ist. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Banken nicht nur für das Verschulden ihrer Mitarbeiter, sondern auch für das von selbständigen Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB einzustehen haben. Diese weitgehende Haftung versucht Nr. 3 II mit der Figur des weitergeleiteten Auftrags einzugrenzen und nennt beispielhaft die Einholung von Bankauskünften bei anderen Kreditinstituten und die Verwahrung von Wertpapieren im Ausland. Eine Haftungsbeschränkung auf die sog. culpa in eligendo besteht allerdings auch im Falle der gestatteten Substitution nach § 664 I 2 BGB. Im Schrifttum besteht deshalb Streit darüber, ob es sich bei dem weitergeleiteten Auftrag um eine besondere Verpflichtungsform von Bankgeschäften mit der Folge handelt, dass die Bank von vornherein nur die Weiterleitung des Auftrages schuldet, ohne dass es auf die konkreten Voraussetzungen des § 664 I 2 BGB ankäme (so vor allem Kümpel, WM 1996, 1893 (1895 ff.); außerhalb des Bankensektors auch Bitter, ZBB 2007, 237 (251 f.), der zu Recht darauf hinweist, dass der echte Spediteur iSd §§ 453, 454 HGB ein Paradebeispiel für den weitergeleiteten Auftrag bietet) oder ob es sich dabei nicht vielmehr stets um einen Fall der gestatteten Substitution handele (in diesem Sinne vor allem Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/35). Letzteres hätte zur Folge, dass es zu einer Haftungsbeschränkung nur dann käme, wenn die Gestattung der Substitution wirklich erfolgt ist und ihre Vereinbarung der AGB-rechtlichen Kontrolle standhält. Bei der gestatteten Substitution ist der Beauftragte zunächst selbst vollumfänglich zur Ausführung des Auftrages verpflichtet. Erst wenn er von der Möglichkeit zur Übertragung des Auftrags auf einen weiteren Beauftragen Gebrauch macht, tritt die Haftungsbegrenzung ein. Für eine Stellungnahme ist zunächst festzuhalten, dass beide Auffassungen im Ergebnis nicht weit auseinanderliegen. Eine Gestattung der Substitution iSd. § 664 I 2 BGB kann sich auch aus den Umständen ergeben, nach Auffassung von Horn (Rn. 657; ebenso Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner9, Anh. §§ 9-11 Rn. 161) kann sogar teilweise eine dahingehende Verkehrssitte bestehen. Ferner hat man sich zu vergegenwärtigen, dass § 664 BGB im Rahmen des entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages auch ohne ausdrückliche Verweisung in § 675 I BGB als allgemeine Rechtsregel gilt (allg. M. vgl. etwa Staudinger-Martinek, § 675 Rn. A 53). Dies bedeutet, dass die Bank grundsätzlich Gehilfen zur Ausführung von Kundenaufträgen heranziehen kann, für deren Verschulden sie dann aber nach §§ 664 I 3, 278 BGB einzustehen hat. Die Bank stets auf die wirksame Gestattung einer Substitution nach § 664 I 2 BGB zu verweisen, damit ihr die Beschränkung der Haftung auf die culpa in eligendo zugute kommt, scheint andererseits nicht sachgerecht. Sofern der Kunde von vornherein nicht mit der Durchführung des Auftrages durch die Bank rechnen kann, spricht eine sachgerechte und am Interesse beider Parteien orientierte Auslegung dafür, die Bank von Anfang an nur zur Weiterleitung des Auftrages zu verpflichten. D. h. die Bank schuldet allein die Übertragung des Auftrages auf einen von ihr sorgfältig auszusuchenden und zu unterweisenden selbstständigen Auftragsnehmer, nicht aber die Ausführung des Auftrags als solches. Damit haftet sie im Ergebnis wie bei einer gestatteten Substitution. Für die Anerkennung einer eigenen Rechtsfigur des weitergeleiteten Auftrags spricht allerdings nicht, dass der Bank die selbstständige Ausführung des Auftrages oftmals subjektiv unmöglich ist und ihr eine Kontrolle der vorformulierten Gestattung der Substitution anhand des AGB-Rechts nicht zuzumuten sei (so aber Kümpel, WM 1996, 1893 (1896 f.); wie hier dagegen Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/35; ähnlich Bitter, ZBB 2007, 237 (254)). Denn zumindest nach neuem Schuldrecht liegt eine subjektive Unmöglichkeit gerade nicht vor, wenn die Bank den Auftrag zwar nicht selbst, aber durch einen selbstständigen Erfüllungsgehilfen ausführen kann. Ebenso wenig zwingt die Entscheidung BGH WM 1991, 797 betreffend der Weiterleitung von
Casper
23
58
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Überweisungen an einen ausländischen Empfänger zur Anerkennung einer derartigen Rechtsfigur. Dieses Urteil enthält entgegen verbreiteten Beteuerungen keine grundsätzlichen Überlegungen zur Figur des weitergeleiteten Auftrages. Der Grund für die Anerkennung des weitergeleiteten Auftrags als besondere Verpflichtungsform im Auftragsrecht folgt vielmehr aus einer gegenseitigen Interessenabwägung und einer sachgerechten Vertragsauslegung, die die widerstreitenden Interessen von der Bank, die bei der bloßen Weiterleitung möglichst von Anfang an beschränkt haften möchte, und des Kunden, dem eine möglichst weitgehende Haftung gelegen kommt, zum Ausgleich bringt. Entscheidendes Kriterium muss die Beherrschbarkeit der Ausführung des Auftrages durch die Bank sein (dagegen aber Bitter, ZBB 2007, 237 (254 f.), der der Bank als „cheapest insurer“ stets mit dem Risiko belasten will). Das AGB- Recht ist auf dieser Ebene der Vertragsauslegung also noch gar nicht angesprochen. Damit kommt der Nr. 3 II allein klarstellende Funktion zu, da die AGB-Banken nicht festlegen können, wann ein weitergeleiteter Auftrag vorliegen soll und wann nicht. Dementsprechend hat die dort vorgenommene Aufzählung nur beispielhaften Charakter. Ein weitergeleiteter Auftrag kann also nur durch die jeweiligen Sonderbedingungen vereinbart werden und ist dann auf seine Vereinbarkeit mit § 307 BGB zu überprüfen, bei dem die Interessenabwägung vorzunehmen ist. 24
Dies vor Augen kann man sich der neuerdings umstrittenen AGB-rechtlichen Zulässigkeit der Nr. 3 II zuwenden. Namentlich Bitter (ZBB 2007, 237, 250 ff) nimmt einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB an (ähnlich Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 3 Rn. 6; Einsele, AcP 198 (1998), 145 (180 f, 188); krit. auch Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/35 f). Zur Begründung führt er an, dass die Bank das Risiko eher als der Kunde steuern könne und diese somit der cheapest insurer sei, der deshalb grundsätzlich für Fehler von weiteren Beauftragten einzustehen habe. Weiterhin soll aus § 459 HGB folgen, dass weitergeleitete Aufträge nur dann zulässig seien, wenn der Auftraggeber auch das Preisrisiko des Auftrages trage, was bei Bankgeschäften, die typischerweise zu festen Gebühren abgeschlossen werden, letztlich nicht der Fall sei. Diesem Rechtsgedanken folge schließlich auch § 676 c I 3 BGB, wonach die Bank bei Überweisungen innerhalb der EU für das Verschulden zwischengeschalteter Banken einzustehen habe. Diese Vorschrift sei im Bankrecht verallgemeinerungsfähig. Letzteres kann schon deshalb nicht überzeugen, da § 676 c III Nr. 3 BGB gerade zeigt, dass bei Überweisungen in Drittstaaten eine Haftungsbegrenzung möglich sein soll. Auch wenn § 676 c I 3 BGB im Einzellfall analogiefähig sein mag, widerspricht es der Intention des Gesetzgebers, diese Norm als allgemeinen Haftungsgrundsatz im Bankrecht zu interpretieren. Entsprechendes gilt für die Wertung aus §§ 453, 454 HBG einerseits und § 459 HGB andererseits. Diese Normen folgen spezifischen Wertungen im Transportrecht und können nicht ohne weiteres auf das Bankrecht übertragen werden. Entscheidend ist vom hier vertretenen Standpunkt aus (Rn. 23), dass Nr. 3 II nur klarstellen will, dass weitergeleitete Aufträge im Einzelfall in den Sonderbedingungen vereinbart werden können, deren Wirksamkeit dann jeweils gesondert zu prüfen ist.
25
Zu einer Unwirksamkeit der Nr. 3 II kann man daher nur unter Rückgriff auf das Transparenzgebot gelangen, wenn man die Regelung dahin versteht, dass sie bereits für eine unbestimmte Zahl von Fällen einen weitergeleiteten Auftrag vereinbaren will. Hierfür könnte vor allem die Formulierung „typischerweise in der Form ausführt“ sprechen (in diesem Sinne LG Köln WM 2000, 720 (721).; Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 3 Rn. 6; a. A. Bunte, AGB-Banken Rn. 128). Eine Auslegung des Nr. 3 II ergibt kein eindeutiges Ergebnis. Für eine nicht bloß klarstellende Regelung spricht, dass Nr. 3 II 3 auch konkrete Rechtsfolgen und in Satz 2 Beispielsfälle benennt. Legt man die kunden-
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
59
feindlichste Auslegung zugrunde, scheitert Nr. 3 II nicht nur als eigenständige Regelung, sondern auch als klarstellende Norm am Transparenzgebot. Auch eine Interpretation des Nr. 3 II dahin, dass bei Auslandsgeschäften stets ein Fall des weitergeleiteten Auftrags vorläge, lässt sich nicht aufstellen und wäre auch mit § 307 II BGB nicht vereinbar (insoweit zutr. Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/39; Bitter, ZBB 2007, 237 (252 ff.)). Damit ist aber noch nicht gesagt, dass auch die Vereinbarung weitergeleiteter Aufträge wie in Nr. 19 II 1 SB Wertpapiergeschäfte oder in Nr. IV 4b SB Überweisungsverkehr bei Überweisungen in Drittstaaten automatisch unwirksam sind. Dies ist in jedem Einzelfall zu prüfen (vgl. Rn. 26). Trotz Anerkennung weitergeleiteter Aufträge als eigenem Auftragstypus, verbleibt für eine entsprechende Vereinbarung in den Sonderbedingungen nur ein sehr begrenzter Anwendungsbereich. Infolge der besonderen Vertrauensbeziehung zwischen Kunde und Bank kommt ein wirksamer weitergeleiteter (oder genauer weiterzuleitender) Auftrag vor dem Hintergrund des § 307 II BGB nur dann in Betracht, wenn aus der Sicht eines objektiven Kunden seitens der Bank ein Wille zur eigenen Verpflichtung nicht zu erwarten ist. Dies wird regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn die Bank den Auftrag für den Kunden nur deshalb übernimmt, um diesem die Suche eines eigentlichen Geschäftsbesorgers abzunehmen, sie also zum Ausdruck bringt, den eigentlichen Erfolg der Bankleistung nicht selbst zu schulden. Ein Indiz hierfür liegt darin, dass die Bank auf den eingeschalteten Dritten keinen Einfluss hat, er sich also ihrer Beherrschbarkeit entzieht. In der früher am häufigsten diskutierten Fallgruppe, der Überweisung (vgl. dazu etwa BGHZ 4, 244 (248 f.)), stellt § 676 c I 3 BGB nunmehr klar, dass es sich hierbei grundsätzlich weder um einen weitergeleiteten Auftrag noch um eine gestattete Substitution handelt. Hiervon sieht § 676 c III jedoch drei Ausnahmen vor (Details bei MünchKommBGB-Casper, § 676c Rn. 15 ff.). Von dieser Option machen Nr. IV SB Überweisungen Gebrauch, wonach eine Auftragsweiterleitung nach § 307 BGB nicht zu beanstanden sein kann. Als weitere Anwendungsbeispiele dürften derzeit in erster Linie die in Nr. 3 II erwähnte Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im Ausland (Nr. 19 II 1 SB WP) (glA Kümpel, Rn. 2.285, 2.303; a. A. Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/38) zu nennen sein. Für einen selbständigen Anwendungsbereich des Nr. 3 II wäre vor allem die Einholung von Bankauskünften bei fremden Banken Raum, da es an einer Regelungen in Sonderbedingungen fehlt. Insoweit kommt jedoch regelmäßig eine gestattete Substitution nach § 664 I 2 BGB in Betracht. Für die praktische Rechtsanwendung ergibt sich zusammenfassend also ein dreistufiger Prüfungsaufbau. An erster Stelle ist zu prüfen, ob in den Sonderbedingungen ein weitergeleiteter Auftrag vereinbart wurde und ob dieser der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhält. Ist dies nicht der Fall, ist zu klären, ob im Einzelfall eine gestattete Substitution vorliegt. Diese muss sich aber wie in Nr. 19 I 2 SB WP auf ein konkretes Geschäft beziehen. Ein generelles Recht zur Substitution in AGB würde, wenn nicht bereits gegen § 309 Nr. 7 b BGB, so doch zumindest gegen § 307 II Nr. 1 BGB verstoßen (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/36; Kümpel, WM 1996, 1893 (1898)). Die derzeitige Fassung der Nr. 3 II AGB-Banken regelt eine Befugnis zur Substitution jedoch gar nicht mehr. Sie kann sich vielmehr allein aus einer gesonderten Abrede ergeben, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend wie bei der Einholung von Bankauskünften bei fremden Banken. Steht fest, dass auch eine Substitution nicht oder nicht wirksam vereinbart wurde, hat es auf der dritten Stufe mit der Aussage sein Bewenden, dass die zuerst beauftragte Bank für die Einschaltung von Dritten nach § 278 BGB haftet, sofern dessen Voraussetzungen im einzeln vorliegen.
26
Was die Rechtsfolgen eines in den SB vereinbarten weitergeleiteten Auftrags anbelangt, ist zunächst festzuhalten, dass die zuerst beauftragte Bank nur zur Weiterleitung ver-
27
Casper
60
28
29
30
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
pflichtet ist. Zwischen dem Kunden und der an zweiter Stelle eingeschalteten Bank kommt keine vertragliche Beziehung zustande. Beim weitergeleiteten Auftrag bleibt allein die zuerst beauftragte Bank Vertragspartner des Auftraggebers. Aus diesem weitergeleiteten Auftrag haftet die Bank dem Kunden nur bei Verletzung der culpa in eligendo. Darüber hinaus ist sie aber auch unter dem Gesichtspunkt der Interessenwahrung verpflichtet, dem Kunden Schadensersatzsprüche gegen die drittbeauftragte Bank abzutreten (vgl. näher Kümpel, WM 1996, 1893 (1900 f.)). 3. Keine Haftung bei Störung des Betriebs (Nr. 3 III). Die Bank haftet, wie Nr. 3 III klarstellt, nicht für sog. Störungen des Betriebs durch höhere Gewalt, Aufruhr, Krieg oder vergleichbare Ereignisse. Dazu zählen auch sonstige, von der Bank nicht zu vertretende Ereignisse wie Streik, Aussperrung, Verkehrsstörungen etc. Nr. 3 III entspricht damit §§ 275 bis 278 BGB und hat somit nur klarstellende Funktion. Unstreitig ist, dass eine Haftung dann nicht beseitigt wird, wenn die Bank die Ursache für die Betriebsstörung im Einzelfall zu vertreten hat (vgl. Kümpel, Rn. 2.314 ff.). 4. Abweichende Regelung in Nr. 19 II AGB-Sparkassen. Eine abweichende Regelung enthält Nr. 19 II AGB-Sparkassen. Dort findet sich keine Definition von weitergeleiteten Aufträgen, sondern vielmehr die Aussage, dass beim Fehlen einer gegenteiligen Weisung Dritte ganz oder teilweise mit der selbstständigen Ausführung des Auftrages betraut werden können, sofern dies nach Art des Auftrages und unter Berücksichtigung der Interessen von Sparkasse und Kunde „erforderlich erscheint“. Folge soll die Haftungsbeschränkung im Sinne des § 664 I S. 2 BGB sein. Diese unklare Formulierung kann bei kundenfeindlicher Auslegung (Rn. 5) als Ermessen der Sparkasse verstanden werden, Aufträge nach Belieben zu substituieren. Dies hält einer Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 7 b bzw. 307 II Nr. 1 BGB nicht stand (vgl. bereits Rn. 25; ebenso v. Westphalen, Rn. 17; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 87; wohl auch Bunte, AGB-Banken Rn. 131; trotz Bedenken a. A.: Aden, NJW 1993, 832 (837)). Es bedarf also auch im Rechtsverkehr mit Sparkassen einer individualvertraglich gestatteten Substitution oder des Vorliegens eines weitergeleiteten Auftrags, damit die Zurechnung des Verschuldens von selbständigen Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB vermieden wird. Enthalten die Sonderbedingungen der Sparkassen im Einzelfall einen weitergeleiteten Auftrag, wie etwa in den Überweisungsbedigungen, so ist deren AGB-rechtliche Wirksamkeit gesondert zu prüfen. IV. Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden (Nr. 4). Nach Nr. 4 kann der Kunde gegen Forderungen der Banken nur aufrechnen, wenn seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Diese Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis hält der Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 3 BGB stand (BGH NJW 2002, 2279 (2279); BGH NJW 1986, 1757; BuB-Sonnenhol, Rn. 1/122 mwN.; vgl. auch bereits BGH WM 1972, 72, 73: zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes). Problematisch ist allein die Frage, ob die Bank durch eine unbegründete Zurückweisung der Gegenforderung die an sich bestehende Aufrechnungsbefugnis des Kunden beseitigen kann. Dies ist zu verneinen, da ein derartiges Vorgehen treuwidrig wäre (BGH WM 1986, 477; OLG Hamm NJW 1983, 523). Ein Zurückbehaltungsrecht des Kunden ist nach Nr. 4 nicht ausgeschlossen (Baumbach/Hopt, (8) AGB-Banken Nr. 4 Rn. 1; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/44). Das Aufrechnungsverbot findet ferner keine Anwendung im Insolvenzverfahren (BGH NJW 1978, 2244: für das frühere Vergleichsverfahren; Ulmer/Brandner/ Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 89; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/45). Nr. 11 AGBSparkassen enthält neben einer Nr. 4 vergleichbaren Regelung noch ein nicht zu beanstandendes Tilgungsrecht (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 90; Bunte, AGB-Banken Rn. 138).
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
61
V. Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Kunden (Nr. 5). Nr. 5 regelt die Legitimation des Erben oder des Testamentsvollstreckers als Verfügungsberechtigten nach dem Tod des Kunden. Nach Satz 1 ist die Bank grundsätzlich berechtigt, einen Erbschein oder ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu verlangen. Insoweit wird also ein Recht der Bank kreiert, an geringer legitimierte Personen nicht leisten zu müssen (vgl. allg. dazu BGH NJW 2005, 2779 (2780), wonach ohne Einbeziehung der AGB keine Verpflichtung des Erben besteht, seine Legitimation durch Vorlage eines Erbscheines zu belegen). Es ist ihr nach Satz 2 aber auch möglich, sich mit der beglaubigten Abschrift einer letztwilligen Verfügung und der Eröffnungsniederschrift zu begnügen. Bedeutung erlangt diese Regelung erst mit Blick auf Satz 3, wonach die Bank auch an die so legitimierte Person schuldbefreiend leisten kann, sofern ihr nicht ausnahmsweise ein Widerspruch zur wirklichen Rechtslage bekannt ist (S. 4). Beide Regelungen sind AGB-rechtlich unbedenklich (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 91; Keim, WM 2006, 753, (755); Starke, NJW 2005, 3184 (3186 mit Fn. 22); Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/47). Ist das Testament öffentlich eröffnet worden oder steht das Forderungsrecht des Erben rechtskräftig fest, mag es im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, sich auf Nr. 5 zu berufen (dazu LG Stuttgart ZErb 2005, 129; Starke, NJW 2005, 3184 (3186 f)), eine Unwirksamkeit folgt hieraus jedoch nicht. Nr. 5 beschäftigt sich nicht mit trans- oder postmortalen Vollmachten. Diese sind grundsätzlich von der Bank zu beachten, was zur Folge hat, dass die Bank Weisungen des Bevollmächtigenden sofort auszuführen hat und nicht durch Zuwarten den Erben einen Widerruf der Vollmacht ermöglichen darf. Seit 1993 enthalten die AGB-Banken keine Regelungen mehr zum Verlust der Geschäftsfähigkeit (vgl. näher Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/49 und zur Unzulässigkeit der Risikoabwälzung auf den Kunden BGH NJW 1991, 2414). Für Schäden in diesem Zusammenhang haftet die Bank, sofern sie den Wegfall der Geschäftsfähigkeit fahrlässig nicht erkennt. Bedenklich ist deshalb Nr. 4 II AGB-Sparkassen, wonach der Kunde allein das Risiko eines Mangels in der Geschäftsfähigkeit seines Vertreters trägt (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 109).
31
VI. Anwendbares Recht und Gerichtsstand (Nr. 6). Nr. 6 I enthält eine Rechtswahlklausel iSd. Art. 27 I 1 EGBGB. Für die gesamte Geschäftsverbindung wird die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Bei Verbraucherverträgen wird die Reichweite dieser Rechtswahl allerdings durch Art. 29 EGBGB beschränkt, ohne dass jedoch die Möglichkeit zur Rechtswahl insgesamt ausgeschlossen wäre. Das bedeutet, dass auch bei Verbraucherverträgen über Nr. 6 I grundsätzlich deutsches Recht anwendbar ist, sofern sich nicht ausnahmsweise aus Art. 29 I Nr. 1-3 EGBGB etwas anderes ergibt (Einzelheiten bei Bunte, AGB-Banken Rn. 150 ff.).
32
Für in- und ausländische kaufmännische Kunden bzw. juristische Personen des öffentlichen Rechts wird durch Nr. 6 II als Gerichtsstand der der kontoführenden Stelle gewählt. Die Regelung entspricht den Vorgaben des § 38 ZPO und begründet somit keinen Gerichtsstand bei Verträgen mit Verbrauchern. Nr. 6 II ABG-Sparkassen enthält zusätzlich eine unbedenkliche Erfüllungsortklausel (Bunte, AGB-Banken Rn. 159; Ulmer/ Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 93).
33
D. Kontoführung (Nr. 7–10) 7. Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufender Rechnung); Genehmigung von Belastung aus Lastschriften. (1) Erteilung der Rechnungsabschlüsse. Die Bank erteilt bei einem Kontokorrentkonto, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, jeweils zum Ende eines Kalenderquartals einen Rechnungsabschluss; dabei werden die in diesem Zeitraum entstandenen beiderseitigen Ansprüche
Casper
62
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
(einschließlich der Zinsen und Entgelte der Bank) verrechnet. Die Bank kann auf den Saldo, der sich aus der Verrechnung ergibt, nach Nr. 12 dieser Geschäftsbedingungen oder nach der mit dem Kunden anderweitig getroffenen Vereinbarung Zinsen berechnen. (2) Frist für Einwendungen; Genehmigung durch Schweigen. Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Rechnungsabschlusses hat der Kunde spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach dessen Zugang zu erheben; macht er seine Einwendungen schriftlich geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung. Auf diese Folge wird die Bank bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen. Der Kunde kann auch nach Fristablauf eine Berichtigung des Rechnungsabschlusses verlangen, muss dann aber beweisen, dass zu Unrecht sein Konto belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt wurde. (3) Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften. Hat der Kunde eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, nicht schon genehmigt, so hat er Einwendungen gegen diese im Saldo des nächsten Rechnungsabschlusses enthaltene Belastungsbuchung spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zu erheben. Macht er seine Einwendungen schriftlich geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung der Belastung. Auf diese Folge wird die Bank bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen. 8. Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank. (1) Vor Rechnungsabschluss. Fehlerhafte Gutschriften auf Kontokorrentkonten (zum Beispiel wegen einer falschen Kontonummer) darf die Bank bis zum nächsten Rechnungsabschluss durch eine Belastungsbuchung rückgängig machen, soweit ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zusteht (Stornobuchung); der Kunde kann in diesem Fall gegen die Belastungsbuchung nicht einwenden, dass er in Höhe der Gutschrift bereits verfügt hat. (2) Nach Rechnungsabschluss. Stellt die Bank eine fehlerhafte Gutschrift erst nach einem Rechnungsabschluss fest und steht ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kunden zu, so wird sie in Höhe ihres Anspruchs sein Konto belasten (Berichtigungsbuchung). Erhebt der Kunde gegen die Berichtigungsbuchung Einwendungen, so wird die Bank den Betrag dem Konto wieder gutschreiben und ihren Rückzahlungsanspruch gesondert geltend machen. (3) Information des Kunden; Zinsberechnung. Über Storno- und Berichtigungsbuchungen wird die Bank den Kunden unverzüglich unterrichten. Die Buchungen nimmt die Bank hinsichtlich der Zinsberechnung rückwirkend zu dem Tag vor, an dem die fehlerhafte Buchung durchgeführt wurde. 9. Einzugsaufträge. (1) Erteilung von Vorbehaltsgutschriften bei der Einreichung. Schreibt die Bank den Gegenwert von Schecks und Lastschriften schon vor ihrer Einlösung gut, geschieht dies unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung und zwar auch dann, wenn diese Papiere bei der Bank selbst zahlbar sind. Reicht der Kunde andere Papiere mit dem Auftrag ein, von einem Zahlungspflichtigen einen Forderungsbetrag zu beschaffen (zum Beispiel Zinsscheine), und erteilt die Bank über den Betrag eine Gutschrift, so steht diese unter dem Vorbehalt, dass die Bank den Betrag erhält. Der Vorbehalt gilt auch dann, wenn die Papiere bei der Bank selbst zahlbar sind. Werden Schecks oder Lastschriften nicht eingelöst oder erhält die Bank den Betrag aus dem Einzugsauftrag nicht, macht die Bank die Vorbehaltsgutschrift rückgängig. Dies geschieht unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit ein Rechnungsabschluss erteilt wurde. (2) Einlösung von Lastschriften und von Kunden ausgestellter Schecks. Lastschriften und Schecks sind eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Barschecks sind bereits mit Zahlung an den Scheckvorleger eingelöst. Schecks sind auch schon dann eingelöst, wenn die Bank im Einzelfall eine Bezahltmeldung absendet. Lastschriften und Schecks, die über die Abrechnungsstelle einer Landeszentralbank vorgelegt werden, sind eingelöst, wenn sie nicht bis zu dem von der Landeszentralbank festgesetzten Zeitpunkt an die Abrechnungsstelle zurückgegeben werden.
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
63
10. Fremdwährungsgeschäfte und Risiken bei Fremdwährungskonten. (1) Auftragsausführung bei Fremdwährungskonten. Fremdwährungskonten des Kunden dienen dazu, Zahlungen an den Kunden und Verfügungen des Kunden in fremder Währung bargeldlos abzuwickeln. Verfügungen über Guthaben auf Fremdwährungskonten (zum Beispiel durch Überweisungen zu Lasten des Fremdwährungsguthabens) werden unter Einschaltung von Banken im Heimatland der Währung abgewickelt, wenn sie die Bank nicht vollständig innerhalb des eigenen Hauses ausführt. (2) Gutschriften bei Fremdwährungsgeschäften mit dem Kunden. Schließt die Bank mit dem Kunden ein Geschäft (zum Beispiel ein Devisentermingeschäft) ab, aus dem sie die Verschaffung eines Betrages in fremder Währung schuldet, wird sie ihre Fremdwährungsverbindlichkeit durch Gutschrift auf dem Konto des Kunden in dieser Währung erfüllen, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist. (3) Vorübergehende Beschränkung der Leistung durch die Bank. Die Verpflichtung der Bank zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungsguthabens (Absatz 1) oder zur Erfüllung einer Fremdwährungsverbindlichkeit (Absatz 2) ist in dem Umfang und so lange ausgesetzt, wie die Bank in der Währung, auf die das Fremdwährungsguthaben oder die Verbindlichkeit lautet, wegen politisch bedingter Maßnahmen oder Ereignisse im Lande dieser Währung nicht oder nur eingeschränkt verfügen kann. In dem Umfang und solange die Maßnahmen oder Ereignisse andauern, ist die Bank auch nicht zu einer Erfüllung an einem anderen Ort außerhalb des Landes der Währung, in einer anderen Währung (auch nicht in Euro) oder durch Anschaffung von Bargeld verpflichtet. Die Verpflichtung der Bank zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Fremdwährungsguthabens ist dagegen nicht ausgesetzt, wenn sie die Bank vollständig im eigenen Haus ausführen kann. Das Recht des Kunden und der Bank, fällige gegenseitige Forderungen in derselben Währung miteinander zu verrechnen, bleibt von den vorstehenden Regelungen unberührt. (4) Umrechnungskurs. Die Bestimmung des Kurses bei Fremdwährungsgeschäften ergibt sich aus dem „Preis- und Leistungsverzeichnis“.
Die entsprechenden Regelungen in den AGB-Sparkassen lauten: Nr. 7. – Kontokorrent, Rechnungsabschluss, Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften. (1) Kontokorrent, Rechnungsabschluss. Die Sparkasse führt ein Konto zur Abwicklung des laufenden Geschäfts- und Zahlungsverkehrs (Girokonto) als Kontokorrent im Sinne des § 355 des Handelsgesetzbuches (Konto in laufender Rechnung). (2) Rechnungsabschluss. Die Sparkasse erstellt Rechnungsabschlüsse nach den vereinbarten Zeitabschnitten sowie zu sonstigen Terminen, soweit hierfür ein berechtigtes Interesse einer der Vertragsparteien besteht. Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, gelten – auch im Geschäftskundenbereich – die jeweils im Preisaushang aufgeführten Rechnungsabschlussperioden. (3) Einwendungen gegen den Rechnungsabschluss. Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse müssen der Sparkasse schriftlich oder, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung der elektronische Kommunikationsweg vereinbart wurde (zum Beispiel Homebanking), auf diesem Wege zugehen. Unbeschadet der Verpflichtung, Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse unverzüglich zu erheben (Nr. 20 Absatz 1 Buchst. g), gelten diese als genehmigt, wenn ihnen nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses widersprochen wird. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung. Die Sparkasse wird den Kunden bei Fristbeginn auf diese Folgen hinweisen. Stellt sich nachträglich die Unrichtigkeit heraus, so können sowohl der Kunde als auch die Sparkasse eine Richtigstellung aufgrund gesetzlicher Ansprüche verlangen. (4) Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften. Einwendungen gegen eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, muss der Kunde unverzüglich schriftlich oder, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung der elektronische Kommunikationsweg vereinbart wurde (zum Beispiel Homebanking), auf
Casper
64
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
diesem Wege erheben (Nr. 20 Absatz 1 Buchst. g). Hat er eine im darauf folgenden Rechnungsabschluss enthaltene Belastungsbuchung nicht schon genehmigt, so gilt die Genehmigung spätestens dann als erteilt, wenn der Belastung nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses widersprochen wird. Die Frist ist gewahrt, wenn der Widerspruch innerhalb von sechs Wochen abgesandt worden ist. Auf die Genehmigungswirkung wird die Sparkasse bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonderes hinweisen. Nr. 8. – Korrektur fehlerhafter Gutschriften. (1) Stornobuchung vor Rechnungsabschluss. Gutschriften, die ohne einen verpflichtenden Auftrag gebucht werden (zum Beispiel wegen Irrtums, Schreibfehlers, Kündigung des Überweisungsvertrages), darf die Sparkasse bis zum nächsten Rechnungsabschluss durch einfache Buchung rückgängig machen (Stornobuchung), soweit ihr ein Rückforderungsanspruch gegen den Kunden zusteht. (2) Korrekturbuchung nach Rechnungsabschluss. Den Rückforderungsanspruch nach Absatz 1 kann die Sparkasse auch noch nach Rechnungsabschluss durch Korrekturbuchung geltend machen, wenn sie die fehlerhafte Gutschrift nicht mehr rechtzeitig vor diesem Zeitpunkt festgestellt hat. Bei Widerspruch des Kunden wird die Sparkasse die Korrekturbuchung rückgängig und ihren Anspruch anderweitig geltend machen. (3) Kennzeichnung. Storno- und Korrekturbuchungen werden im Kontoauszug gekennzeichnet. Nr. 9. – Gutschriften und Einlösung von Einzugspapieren. (1) Gutschriften „Eingang vorbehalten“. Schreibt die Sparkasse den Gegenwert von Einzugspapieren (zum Beispiel Scheck, Lastschrift) schon vor ihrer Einlösung gut, so geschieht dies unter dem Vorbehalt der Einlösung und des Einganges des Gegenwertes (E.v.-Gutschrift). Dies gilt auch dann, wenn das Papier bei der Sparkasse selbst zahlbar ist. Jede unter diesem Vorbehalt – „E.v.“ – erfolgende Gutschrift wird erst mit dem Eingang des Gegenwertes endgültig. Wird das Einzugspapier nicht eingelöst oder geht der Sparkasse der Gegenwert nicht zu, so macht sie die Gutschrift gemäß Nr. 23 dieser AGB rückgängig (Stornobuchung), und zwar auch nach einem zwischenzeitlich erfolgten Rechnungsabschluss. (2) Einlösung. Einzugspapiere sind erst eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht bis zum Ablauf des übernächsten Bankarbeitstages rückgängig gemacht wird. Diese Papiere sind auch eingelöst, wenn die Sparkasse ihren Einlösungswillen schon vorher Dritten gegenüber erkennbar bekundet hat (zum Beispiel durch Bezahltmeldung). Über die Landeszentralbank eingezogene Papiere sind eingelöst, wenn sie nach deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr zurückgegeben werden können. Barschecks sind mit Zahlung an den Scheckvorleger eingelöst. Nr. 12. – Konten in ausländischer Währung. Konten in ausländischer Währung dienen ausschließlich zur bargeldlosen Abwicklung von Zahlungen an den Kunden und von Verfügungen des Kunden in ausländischer Währung. Nr. 13. – Leistungsbefreiung bei Geschäften in ausländischer Währung. Die Verpflichtung der Sparkasse zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Guthabens in ausländischer Währung oder zur Erfüllung einer Verbindlichkeit in ausländischer Währung ist in dem Umfang und solange ausgesetzt, wie die Sparkasse in der Währung, auf die das Guthaben oder die Verbindlichkeit lautet, wegen politisch bedingter Maßnahmen oder Ereignisse im Lande dieser Währung nicht oder nur eingeschränkt verfügen kann. In dem Umfang und solange diese Maßnahmen oder Ereignisse andauern, ist die Sparkasse auch nicht zu einer Erfüllung an einem anderen Ort außerhalb des Landes der Währung, in einer anderen Währung (auch nicht in Euro) oder durch Anschaffung von Bargeld verpflichtet. Die Verpflichtung der Sparkasse zur Ausführung einer Verfügung zu Lasten eines Guthabens in ausländischer Währung ist dagegen nicht ausgesetzt, wenn die Sparkasse diese vollständig im eigenen Haus ausführen kann. Das Recht des Kunden und der Sparkasse, fällige gegenseitige Forderungen in derselben Währung miteinander zu verrechnen, bleibt von den vorstehenden Regelungen unberührt.
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
65
Nr. 14. – Geldeingang in ausländischer Währung. Geldbeträge in ausländischer Währung darf die Sparkasse mangels ausdrücklicher gegenteiliger Weisung des Kunden in Euro gutschreiben, sofern sie nicht für den Kunden ein Konto in der betreffenden Währung führt. Nr. 15. – Umrechnungskurs. Die Bestimmung des Umrechnungskurses bei Geschäften in ausländischer Währung ergibt sich aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis. Nr. 16. – Einlagengeschäft. Mangels abweichender Vereinbarungen sind Einlagen ohne Kündigung fällig (täglich fällige Gelder). Einlagen werden mit dem jeweiligen, von der Sparkasse für Einlagen dieser Art festgesetzten und durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz verzinst, soweit nichts Abweichendes vereinbart ist. Für die Zinsberechnung wird jeder Monat zu 30 Tagen gerechnet. Nr. 23. – Inkasso im Einzugsgeschäft. (1) Inkasso-Vereinbarung. Schecks, Wechsel, Lastschriften oder sonstige Einzugspapiere werden von der Sparkasse nur zum Einzug (Inkasso) hereingenommen, soweit nichts anderes vereinbart ist. (2) Rückbelastung. Hat die Sparkasse den Gegenwert von Einzugspapieren schon vor Eingang gutgeschrieben, so kann sie den Gegenwert bei Nichteinlösung der Papiere rückbelasten, und zwar auch nach einem zwischenzeitlichen Rechnungsabschluss. Das Gleiche gilt, wenn – ihr der Gegenwert nicht zugeht oder – die freie Verfügung über den Gegenwert durch Gesetz oder behördliche Maßnahmen beschränkt ist oder – die Papiere infolge unüberwindlicher Hindernisse nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt werden können oder – der Einzug mit im Zeitpunkt der Hereinnahme nicht bekannten unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist oder – in dem Land, in dem die Papiere einzulösen sind, ein Moratorium ergangen ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann die Sparkasse Einzugspapiere auch schon vor Fälligkeit zurückgeben.Die Rückbelastung ist auch zulässig, wenn die Papiere nicht zurückgegeben werden können. Ist dies von der Sparkasse zu vertreten, so trägt sie einen sich hieraus ergebenden Schaden des Kunden. Nr. 24. – Vorlegungsfrist, Eilmittel. Wenn Schecks, die am Bankplatz der Sparkasse zahlbar sind, nicht spätestens am dritten Geschäftstag, Schecks auf auswärtige Bankplätze nicht spätestens am vierten Geschäftstag vor Ablauf der Vorlegungsfrist (Artikel 29 Scheckgesetz) eingereicht werden bzw. bei Übersendung nicht innerhalb dieser Fristen vor Geschäftsschluss bei der Sparkasse eingehen, so hat der Kunde auf den Ablauf der Vorlegungsfrist und die eventuelle Anwendung von Eilmitteln gesondert hinzuweisen.
I. Rechnungsabschluss und Einwendungen. Soweit man das Girokonto als Periodenkontokorrent begreift, wäre nach § 355 II HGB der Rechnungsabschluss einmal jährlich vorzunehmen, begreift man es hingegen als Staffelkontokorrent (vgl. näher § 38 Rn. 53) fortlaufend. Abweichend hiervon ordnet Nr. 7 I an, dass vorbehaltlich einer anders lautenden Vereinbarung vierteljährlich zum Quartalsende ein Rechnungsabschluss aufzustellen ist. Damit wird bei Verträgen mit Verbrauchern der aus § 493 I 1 BGB folgenden Untergrenze Rechnung getragen. Nr. 7 I regelt darüber hinaus, dass die im Abrechnungszeitraum entstandenen beiderseitigen Ansprüche verrechnet werden. Diese Verrechnung entfaltet eine Tilgungswirkung ähnlich wie bei der Aufrechnung. Durch die Verrechnung entsteht eine kausale Saldoforderung, deren Inhalt umstritten ist (zum Streitstand vgl. § 38 Rn. 27 ff.).
Casper
34
66
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
35
Nach der Rechtsprechung (vgl. etwa BGHZ 26, 142 (150); 93, 307 (313); vgl. zu den Einzelheiten § 38 Rn. 28 f.) bildet der kausale Saldo den Gegenstand für einen abstrakten Schuldanerkenntnisvertrag gem. § 781 BGB. Insoweit ordnet Nr. 7 II 2 eine Erklärungsfiktion an, wonach der Saldo als genehmigt gilt, wenn der Kunde nicht innerhalb von sechs Wochen (vor 2000 binnen eines Monats) Einwendungen erhoben hat. Rechtstechnisch enthält die Übersendung des Rechnungsabschlusses durch die Bank also ein Angebot auf Abschluss des abstrakten Schuldanerkenntnisvertrages und Nr. 7 II 2 fingiert die Annahmeerklärung. Eine derartige Annahmeerklärung ist AGB-rechtlich unter dem Gesichtspunkt des § 308 Nr. 5 BGB unbedenklich, da die Bank auf diese Folge gesondert hinweisen muss (vgl. bereits oben Rn. 8 zu Nr. 1 II). Kein Raum ist jedoch für eine konkludente Annahme vor Ablauf der in Nr. 7 II gewährten Frist von sechs Wochen. Möglich ist eine konkludente Annahme des abstrakten Schuldanerkenntnisses nur nach Ablauf der Frist von sechs Wochen, etwa wenn der Zugang des Rechnungsabschlusses nicht bewiesen werden kann, dem Kunden der Saldo aber auf anderem Weg bekannt geworden ist (AG Lüdinghausen WM 1992, 2015; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/55; a. A. Bunte, AGB-Banken Rn.172). Durch die Formulierung „vor Ablauf von sechs Wochen“, die in den AGB-Banken 2002 an die Stelle der Wendung „innerhalb der Sechs-Wochen-Frist“ getreten ist, wird klargestellt, dass die Einwendungen innerhalb der Frist zu erheben sind, wofür aber die rechtzeitige Absendung innerhalb der Frist genügt. Die Bank nimmt dem Kunden damit das Verzögerungsrisiko auf dem Postwege ab, nicht jedoch das Verlustrisiko. Voraussetzung für die Fristwahrung durch Absendung ist jedoch, dass die Einwendungen schriftlich erfolgen müssen, während dies für die Einwendungen nach Nr. 7 im Übrigen nicht gilt. Demgegenüber verlangt Nr. 7 III AGB-Sparkassen, dass die Einwendungen generell schriftlich oder in elektronischer Form geltend gemacht werden müssen. Hierin wird verbreitetet eine unangemessene Benachteilung des Kunden gesehen (so z. B. Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 95; v. Westphalen, Rn. 39; Hettich/Thieves/Timmann/Windhöfel, BB 1990, 2347 (2351)).
36
Ist das Anerkenntnis infolge eines falsch berechneten Saldos unrichtig, so kann es trotz der Regelung in Nr. 7 II noch nach § 812 II BGB kondiziert werden (allg. dazu RGZ 101, 122 (125); 114, 268 (274); BGHZ 51, 346 (348); speziell zur heutigen Rechtslage etwa Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 94). Gleiches gilt, wenn Einzelforderungen nicht bestanden haben oder einredebehaftet waren. Aus der Kondiktion des Saldoanerkenntnisses ergibt sich ein Berichtigungsanspruch. Soweit dieser der Bank zusteht, kann sie ihn nach § 821 BGB dem Auszahlungsanspruch des Kunden einredeweise entgegenhalten (BGHZ 72, 9 (12 f.)). Dieser Bereicherungsanspruch ist die materiell-rechtliche Grundlage für die in Nr. 8 II näher geregelte Berichtigungsbuchung (dazu sogleich Rn. 47 f.). Nr. 7 II 4 ordnet jedoch an, dass der Kunde nach Ablauf der SechsWochen-Frist beweisen muss, dass sein Konto zu Unrecht belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt wurde. Diese Beweislastverteilung ist AGB-rechtlich unbedenklich (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 12 Rn. 27 m. w. N.; Ulmer/Brandner/ Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 94).
37
Auf den Periodensaldo kann die Bank nach Nr. 7 I 2 Zinsen berechnen. Der Anwendungsbereich dieser AGB-Klausel ist allerdings gering, da sie subsidiär nur dann eingreift, wenn nicht eine abweichende Vereinbarung getroffen worden ist (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/54). Beim Kontokorrent wird regelmäßig eine taggenaue Verzinsung vereinbart.
38
II. Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften (Nr. 7 III). Mit der Genehmigungsfiktion in Nr. 7 III 3 reagieren die Banken (bzw. die Sparkassen mit Nr. 7 IV AGBSparkassen) auf ein Urteil des BGH v. 6.6.2000 (BGHZ 144, 349). Der BGH hatte in
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
67
diesem Urteil in Fortentwicklung der von ihm vertretenen Genehmigungstheorie (§ 45 Rn. 12) dem Schuldner im Lastschriftverfahren aufgrund einer Einzugsermächtigung ein grundsätzlich unbefristetes Widerspruchsrecht gegen die Belastungsbuchung zuerkannt, das erst durch Genehmigung gegenüber der Zahlstelle, also dem Kreditinstitut des Schuldners, endet. Die Praxis war zuvor überwiegend davon ausgegangen, dass der Kunde nur innerhalb von sechs Wochen widersprechen konnte, da die Zahlstelle nach dem Lastschriftenabkommen die Lastschrift ebenfalls nur innerhalb von sechs Wochen an die Bank des Gläubigers zurückgeben kann (vgl. den Nachw. in BGHZ 144, 349 (352 f.)). Die nach der BGH-Entscheidung offene Frage, wann spätestens eine solche Genehmigung durch konkludentes Handeln vorliegt, soll durch die mit der Neufassung der AGB-Banken 2002 eingefügte Nr. 7 III entschieden werden. Danach gilt die Belastungsbuchung spätestens dann als genehmigt, wenn ihr der Kunde sechs Wochen nach Zugang des auf die Belastungsbuchung folgenden Rechnungsabschlusses nicht widersprochen hat. Diese Genehmigungsfiktion ist AGB-rechtlich nicht zu beanstanden, zumal nach Absatz 3 Satz 4 auf diese Folgen gesondert hingewiesen werden muss (ebenso OLG München ZIP 2006, 2122; LG Frankfurt ZIP 2007, 1547 (1549); Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 (1887); Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (521)). Sie greift aber nur dann ein, wenn der Kunde die Belastungsbuchung nicht schon vorher ausdrücklich oder konkludent genehmigt hat (eine zu Unrecht erteilte Genehmigung kann nicht kondiziert werden, vgl. Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 97; Baumbach/HoptHopt (8) AGB-Banken Nr. 7 Rn. 9). Ob allerdings bereits die Fortsetzung des Zahlungsverkehrs eine konkludente Genehmigung bildet, ist umstritten (Rn. 40). Die sechs Wochen nach Zugang des nächsten Rechnungsabschlusses sind also im Gegensatz zu der Sechs-Wochen-Frist in Nr. 1 II 4 (Rn. 8) nur eine Maximalfrist (Danco, ZBB 2002, 136 (138); Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 96), was Abs. 3 S. 1 HS 1 unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Diese Frist beginnt mit Zugang des Rechungsabschlusses, nicht etwa mit Zugang des Kontoauszugs, in dem die Belastungsbuchung mitgeteilt wird. Erhält der Kunde seinen Rechnungsabschluss, wie in der Praxis üblich, per Kontoauszugsdrucker, stellt sich die Frage nach dem Fristbeginn für den Fall, dass der Kunde seine Kontoauszüge über längere Zeit nicht abruft. Charme hat der Lösungsvorschlag von Hopt, wonach die Eingabe des Rechnungsabschlusses in den Kontoauszugsdrucker und das Verstreichen einer angemessenen Zeit zum Abruf, innerhalb derer der Ausdruck durch den Kunden üblicherweise erwartet werden darf, für den Zugang genügen soll (Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 7 Rn. 2). Gegen diese Lösung spricht allerdings, dass nach Nr. 7 III 4 auf die Folge der unterlassenen Erhebung von Einwendungen „besonders“ hingewiesen werden muss. Ein derartiger ausdrücklicher Hinweis widerspricht einer Zugangsfiktion durch Bereitstellung des Rechnungsabschlusses zum Abruf, weshalb die Bank darauf verwiesen ist, den Zugang im Falle des Nichtabrufens durch Zusendung des Rechnungsabschlusses an den Kunden per Post herbeizuführen (Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (521 f.); Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 97). Nach hM findet die Genehmigungsfiktion in Nr. 7 III AGB-Banken keine Anwendung auf unberechtigt eingereichte Lastschriften, für die überhaupt keine Einzugsermächtigung erteilt wurde (Bunte, AGB-Banken Rn. 182; Baumbach/ Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 7 Rn. 7; Kümpel, Bank- und KapitalmarktR, Rn. 4.484; Sonnenhol, WM 2002, 1259 (1263)). Dafür scheint der Wortlaut der Nr. 7 III 1 AGBBanken zu sprechen. Andererseits kann man die Formulierung „für die er eine Einzugsermächtigung erteilt hat“ auch als bloße Abgrenzung gegenüber dem Abbuchungsverfahren deuten. Stellt man auf den mit Nr. 7 III AGB-Banken beabsichtigten Schutz der Zahlstelle ab, die regelmäßig keine Kenntnis davon hat, ob der Kunde im Valutaverhältnis wirklich eine (wirksame) Einzugsermächtigung erteilt hat, sprechen die besseren Gründe
Casper
68
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
dafür, die Genehmigungsfiktion auch auf die unberechtigt eingereichte Lastschrift auszudehnen. 39
Die Krux der Rechtsprechung und somit letztlich auch der Nr. 7 III liegt in einer Überdehnung der Genehmigungstheorie, die zu einem überlangen Schwebezustand führen kann. Wird die Lastschrift zum Beispiel am 2.4. belastet und erfolgt der nächste Rechnungsabschluss erst am 30.6., so hat der Kunde bis zum 15.8. Zeit, der Lastschrift zu widersprechen, im Extremfall also 4,5 Monate (dies bezeichnet Bork, ZIP 2004, 2446 (2447) zu Recht als lebensfremd; zust. Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 (1891)). Das Zusammenwirken von Rechtsprechung und Nr. 7 III führt nicht nur mit Blick auf das Lastschriftabkommen im Deckungsverhältnis, sondern auch im Valutaverhältnis zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit. Dies gilt erst recht, wenn man in der Insolvenz des Schuldners mit der neueren Rechtsprechung des IX. Zivilsenats dem Insolvenzverwalter das Widerspruchsrecht zugesteht (dafür BGHZ 161, 49 (52) = ZIP 2004, 2442 (2443 f.); BGH ZIP 2006, 2046 (2047); demgegenüber zu Recht sehr krit. Nobbe/Ellenbeger, WM 2006, 1885 ff.; für den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter ablehnend jetzt auch der XI. Zivilsenat, BGH v. 10.6.08, XI ZR 283/07). Zur Abmilderung dieses unbefriedigenden Rechtszustandes waren in der Voraufl. (Rn. 35 aE, 37 einerseits und Rn. 36 andererseits) zwei Lösungsvorschläge zur Diskussion gestellt worden. Zum einen wurde die These aufgestellt, dass bereits in der Fortsetzung des Zahlungsverkehrs regelmäßig eine konkludente Genehmigung liege und ggf. ein Schadensersatzanspruch der Sparkasse gegen den Kunden vorliege, da dieser entgegen Nr. I 5 SB Lastschriftverkehr Sparkassen nicht unverzüglich widersprochen hat. Dies gipfelte in dem Vorwurf, dass die Rechtsprechung dem Kunden regelmäßig „Steine statt Brot“ gebe und eine feste Widerspruchsfrist zu bevorzugen sei. Insbesondere die These der konkludenten Genehmigung durch Fortsetzung des Zahlungsverkehrs ist erwartungsgemäß nicht unwidersprochen geblieben (dagegen vor allem OLG Dresden ZInsO 2005, 1272 (1274); OLG München ZIP 2006, 2122 (2124); Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 96, 98). Sie ist im Folgenden zu überdenken und zu modifizieren (Rn. 40), bevor auf mögliche Schadensersatzansprüche der Bank einzugehen ist (Rn. 41). Schließlich ist zu überprüfen, ob die Genehmigungsfiktion auch in der Insolvenz des Schuldners eingreift (Rn. 42), bevor die derartige Rechtslage rechtspolitisch zu bewerten ist (Rn. 43).
40
Unbestritten ist zunächst, dass eine ausdrückliche Genehmigung vor Ablauf der Maximalfrist der Nr. 7 III möglich ist. Weiterhin besteht zu Recht Einigkeit darüber, dass die Genehmigung auch konkludent erteilt werden kann, aber nicht bereits im Unterlassen eines Widerspruchs gesehen werden kann (statt aller BGHZ 144, 349 (356); BGHZ 161, 49 (52 f.); OLG München ZIP 2006, 2122 (2124 f.)). Fraglich ist aber, ob in der Fortsetzung des Zahlungsverkehrs eine konkludente Genehmigung liegt (verneinend OLG München ZIP 2006, 2122 (2124); OLG Dresden NZI 2005, 2072 (2074); Ulmer/Brandner/ Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 96; a. A. noch Voraufl. Rn. 35 aE, 37). Dagegen spricht prima vista, dass der Kunde bis zur Prüfung, ob er Widerspruch einlegen will, sein Konto nicht benutzen könnte, obwohl er hierauf oftmals angewiesen sein wird. Weiterhin wird geltend gemacht, es sei unklar, zu welchem Zeitpunkt die Fortsetzung des Zahlungsverkehrs eine Genehmigung auslöse (OLG München ZIP 2006, 2122 (2125)). Dem ist für den nichtkaufmännischen Verkehr entgegen der in der Voraufl. (Rn. 35, 37) vertretenen Ansicht zu folgen. Anderes hat jedoch für den kaufmännischen Geschäftsverkehr unter Rückgriff auf den in § 377 HGB enthaltenen Rechtsgedanken zu gelten. Zumindest dort ist ein mehrmonatiger Schwebezustand unerträglich. Rechtsfortbildend sollte man in der Fortsetzung des Zahlungsverkehrs über zwei Wochen nach der Belastungsbuchung hinaus eine konkludente Genehmigung sehen (für eine großzügige Handhabung der konkluden-
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
69
ten Genehmigung auch Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 (1891), ohne allerdings einen konkreten Lösungsvorschlag zu präsentieren). Dem Rückgriff auf den Rechtsgedanken in § 377 HGB könnte man prima facie entgegenhalten, dass so Valuta- und Deckungsverhältnis vermengt würden. Vergegenwärtigt man sich hingegen, dass nach hM auch die Erfüllung des Valutaverhältnisses bis zur Genehmigung aussteht (BGHZ 161, 49 (53) m. w. N. auch zur Gegenauffassung; für diese stellvertretend Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 (1888) m. w. N. in Fn. 46; jetzt auch XI. Zivilsenat, BGH v. 10.6.08, XI ZR 283/07), so zeigt sich, dass der Schuldner aus dem Valutaverhältnis und der dort gegebenen Einzugsermächtigung verpflichtet ist, im Deckungsverhältnis innerhalb einer angemessenen Frist für Klarheit zu sorgen. Er muss also der Lastschrift widersprechen oder sie genehmigen. Unterbleibt ein ausdrücklicher Widerspruch oder eine Genehmigung und setzt er den Zahlungsverkehr fort, so genehmigt er konkludent die Lastschrift. Die Bank profitiert damit mittelbar von dieser Pflicht aus dem Valutaverhältnis. Daraus folgt weiterhin, dass die konkludente Genehmigung durch Fortsetzung des Zahlungsverkehrs unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 377 HGB nur dann zum Tragen kommt, wenn überhaupt eine Einzugsermächtigung erteilt wurde und die Parteien im Valutaverhältnis um die Wirksamkeit oder Mangelhaftigkeit der Lieferung streiten. Wurde überhaupt keine Einzugsermächtigung erteilt, ist für eine konkludente Genehmigung kein Raum, insofern trägt der Verweis auf Nr. 7 III 1, 2. HS (zur Frage der generellen Anwendbarkeit des Nr. 7 III auf unberechtigte Lastschriften vgl. aber Rn. 38). Widerspricht der Kunde erst nach Ablauf von sechs Wochen nach der Belastung, aber vor Eingreifen der Genehmigungsfiktion nach Nr. 7 III 3, so kann die Zahlstelle (Bank des Schuldners) die Lastschrift aufgrund des Lastschriftabkommens nicht mehr an die erste Inkassostelle (Bank des Lastschriftgläubigers) zurückgeben, sie trägt mithin das Zahlungsrisiko. Dieses Risiko wird jedoch durch Abschnitt I Nr. 5 der Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr Sparkassen (abgedruckt bei Schimansky/Bunte/Lwowski-van Gelder, 2. Aufl. 2001, Anh. 3 zu §§ 56-59) weitgehend minimiert, wonach der Kunde verpflichtet ist, Einzugslastschriften unverzüglich zu widersprechen. Eine derartige Pflicht setzt jedoch voraus, dass man in Abschnitt I Nr. 5 der Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr Sparkassen eine echte vertragliche Nebenpflicht und nicht bloß eine Gläubigerobliegenheit sieht. Dies ist zu bejahen (ebenso BGHZ 144, 349, 356; Danco, ZBB 2002, 136 (138 f.); zur Paralleldiskussion bei den AGB-Banken, die eine vergleichbare Vorschrift in den SB Lastschriftverkehr nicht kennen und deshalb Nr. 11 IV heranziehen müssten Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (523); Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 7 Rn. 7; letztlich wohl auch Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 98; a. A. aber OLG München ZIP 2006, 2122 (2125) unter unzutreffender Berufung auf BGHZ 161, 49 und BGH ZIP 2006, 2046, die sich nur mit Ansprüchen aus § 826 BGB bei einem unberechtigten Widerspruch auseinander gesetzt haben). Dem ist für den Sparkassenbereich zuzustimmen. Dieser Einordnung steht auch nicht entgegen, die allgemeinere Pflicht in Nr. 11 IV AGB-Banken bzw. Nr. 20 I lit. g AGB-Sparkassen nur als Gläubigerobliegenheit zu qualifizieren (so aber der Vorwurf bei Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 98 mit Fn. 64), da diese nur allgemein formuliert für alle Bankgeschäfte gilt, während Abschnitt I Nr. 5 SB Lastschriftverkehr eine konkrete Handlungspflicht für ein bestimmtes Bankgeschäft statuiert. Für die Einordnung des Abschnitt I Nr. 5 SB Lastschriftverkehr AGB-Sparkassen als Nebenpflicht spricht das berechtigte Interesse der Kreditwirtschaft, den Lastschriftverkehr durch eine schadensersatzbewehrte Pflicht zum sofortigen Widerspruch rechtssicher auszugestalten. Unverzüglich ist iSd § 121 BGB zu interpretieren. Bei Privatkunden kommt allerdings eine großzügigere Handhabung als bei gewerblichen Kunden in Betracht. Vor Ablauf der
Casper
41
70
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
sechswöchigen Rückgabefrist des Lastschriftabkommens entsteht der Sparkasse jedoch kein Schaden, für den sie im Übrigen darlegungs- und beweispflichtig ist. Die Möglichkeit zum Schadensersatz führt auch nicht zu einer Intransparenz der Nr. 7 IV Sparkassen (dies andeutend aber Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 98 zu Nr. 7 III-AGB-Banken). Fraglich ist ferner, ob ein solcher Schadensersatzanspruch auch dann besteht, wenn die Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr Sparkassen mit dem widersprechenden Kunden nicht vereinbart worden sind. Dies wird man zu verneinen haben, da der dann in Betracht kommende Verstoß gegen die aus Nr. 11 IV AGB-Banken bzw. Nr. 20 I lit. g AGB-Sparkassen folgende Obliegenheit, Kontoauszüge unverzüglich auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich geltend zu machen, nur ein Mitverschulden, nicht aber einen eigenständigen Schadensersatzanspruch gegen die Kunden begründen kann (vgl. näher Rn. 58), zumal Nr. 11 IV AGB-Banken anders als Nr. 20 I lit. g AGB-Sparkassen die Lastschrift gar nicht besonders erwähnt. 42
Entgegen einer verbreiteten Meinung in Schrifttum (Fischer, FS Gerhardt, 2004, S. 223 (233); Ganter, WM 2005, 1557 (1562 f.); Ringstmeier/Homann, NZI 2005, 492 (493); Schröder, ZInsO 2006, 1 (3 ff.)) greift die Genehmigungsfiktion auch in der Insolvenz des Schuldners (OLG München ZIP 2006, 2122 (2123); OLG Dresden NZI 2005, 1272 (1274); LG Frankfurt ZIP 2007, 1547 (1550); Jungmann, NZI 2005, 84; Dahl, NZI 2005, 102; Haas in Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2007, S. 1 (36); der Sache nach auch OLG Karlsruhe ZIP 2006, 286 (288)). Dies ergibt sich fast zwangsläufig, wenn man mit der Rechtsprechung auch den Insolvenzverwalter für befugt hält, den Widerspruch noch in der Insolvenz und obendrein als Generalwiderspruch auszuüben (BGHZ 161, 49 (55) = ZIP 2004, 2442 (2443 f.); BGH ZIP 2006, 2046 (2047), die über Nr. 7 III jedoch noch nicht zu entscheiden hatten). Nach der Entscheidung des IX. Zivilsenats des BGH vom 25.10.2007 (BGHZ 174, 84 = NJW 2008, 63 = ZIP 2007, 2273) soll Folgendes gelten: Der Insolvenzverwalter ist grundsätzlich an Stelle des Schuldners befugt, noch nicht genehmigten Lastschriften zu widersprechen. Der IX. Zivilsenat begründet dies mit der aus seiner Sicht noch nicht eingetretenen Erfüllung und folgert, dass es keinen Sachgrund gebe, einzelne ungesicherte Gläubiger infolge der Insolvenz noch zu befriedigen (BGH NJW 2008, 63 (64 ff.)). Bei der Genehmigungsfiktion aus Nr. 7 III AGB-Banken sei zu differenzieren. Diese gelte nicht gegenüber dem vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter, sondern nur gegenüber dem endgültigen und dem vorläufigen starken Insolvenzverwalter (BGH NJW 2008, 63 (66 f.)). Dies ergebe sich aus §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 S. 1 InsO, da die Genehmigung nach der Genehmigungstheorie eine Verfügung sei, zu der der vorläufige schwache Insolvenzverwalter nicht befugt ist. Sofern also der endgültige oder vorläufige starke Insolvenzverwalter das Schuldnerkonto über eine längere Zeit für eingehende Gutschriften nutzt, liege darin eine konkludente Genehmigung der vor Insolvenzeröffnung eingelösten Lastschriften (BGH NJW 2008, 63 (67 f.)). Demgegenüber spricht sich der XI. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 10.6.2008 (Az. XI ZR 283/07, bei Drucklegung lagen die Urteilsgründe noch nicht vor) dafür aus, dass Nr. 7 III AGB-Banken auch gegenüber dem vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter anwendbar sei, dem kein Widerspruchsrecht zustehe. Gegen eine Wirkung der Nr. 7 III gegenüber dem Insolvenzverwalter lässt sich zunächst nicht anführen, dass der Girovertrag mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach §§ 115, 116 InsO beendet und meist durch den Insolvenzverwalter nur fortgesetzt werde, da sich Nr. 7 III auf die Zeit vor der Insolvenz bezieht und insoweit fortwirkt (ebenso OLG München ZIP 2006, 2122 (2123); LG Frankfurt ZIP 2007, 1547 (1550)). Sowohl die Möglichkeit des Widerspruchs, als auch die Differenzierung zwischen den verschiedenen Insolvenz-
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
71
verwaltern sind im Schrifttum und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zu Recht auf Kritik gestoßen (OLG München, ZIP 2006, 2122 (2123); OLG Dresden NZI 2005, 1272 (1274); LG Frankfurt ZIP 2007, 1547 (1550); Piepenbrock, KTS 2007, 179; Jungmann, NZI 2005, 84; Dahl, NZI 2005, 102). Legt man die Ermächtigungstheorie zu Grunde, so rückt der Insolvenzverwalter in die Rechtsstellung des Schuldners ein (sog. Fußstapfentheorie, allg. dazu etwa BGHZ 161, 49 (53) = ZIP 2004, 2442 (2443 f.); BGH ZIP 2006, 2046 (2047); sowie Haas in Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2007, S. 1 (11 f.) – jew. vom Standpunkt der Genehmigungstheorie aus), weshalb man auch nicht einwenden kann, die AGB-Banken seien nur mit dem Schuldner und nicht mit dem Insolvenzverwalter vereinbart (LG Frankfurt ZIP 2007, 1547 (1550)). Im Valutaverhältnis kann auch der Insolvenzverwalter einer einredefreien Forderung nicht widersprechen, er würde sich wegen der vom Schuldner erteilten Einzugsermächtigung schadensersatzpflichtig machen. Im Deckungsverhältnis zwischen Zahlstelle und Schuldner ist die Bank hingegen verpflichtet, einen Widerspruch zu beachten, sofern noch keine Genehmigung vorliegt oder die Genehmigungsfiktion der Nr. 7 III AGB-Banken eingreift. Widerspricht der starke Insolvenzverwalter hingegen sämtlichen oder nahezu allen Lastschriften, die noch nicht von Nr. 7 III AGB-Banken erfasst sind, so liegt hierin ein sittenwidriges Verhalten mit der Folge, dass die Bank den Generalwiderspruch nicht beachten darf. Abschließend bleibt rechtspolitisch festzuhalten, dass die derzeitige Rechtslage höchst unbefriedigend ist. Sieht man bei Kaufleuten in der Fortsetzung des Zahlungsverkehrs eine konkludente Genehmigung bzw. lässt man einen Verstoß gegen die schuldrechtliche Pflicht zum unverzüglichen Widerspruch für eine Schadensersatzpflicht genügen, gibt der Bundesgerichtshof dem Bankkunden mit seiner Entscheidung vom 6.6.2000 (BGHZ 144, 349) „Steine statt Brot“. Lehnt man beides mit der wohl hM ab, so bildet die überlange Möglichkeit Widerspruch zu erheben eine unerträgliche Rechtsunsicherheit, die einem geordneten Lastschriftverfahren abträglich ist. Eine feste Widerspruchsfrist von sechs Wochen ab Kenntnis der Belastungsbuchung auch im Verhältnis Kunde/Zahlstelle für alle Kunden wäre rechtsicherer und praktikabler (insoweit zustimmend Ulmer/ Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 96). Ob die abweichende Position des XI. Zivilsenats in seiner Entscheidung vom 10.6.2008 (Az. XI ZR 283/07) zu einem Einlenken des IX. Zivilsenat führen wird, oder ob es letztlich zu einer Entscheidung des großen Senats kommen wird, bleibt ebenso abzuwarten wie die Frage, ob mit der jüngsten Entscheidung des XI. Senats eine Abkehr von der Genehmigungstheorie eingeleitet ist.
43
III. Storno- und Berichtigungsbuchungen der Bank (Nr. 8). 1. Das Stornorecht vor Rechnungsabschluss nach Nr. 8 I. Nr. 8 I begründet ein Recht der Bank, fehlerhafte Gutschriften rückgängig zu machen, soweit sie hierzu materiell-rechtlich aus Bereicherungsrecht berechtigt ist, wodurch dem Kunden die Einrede der Entreicherung abgeschnitten wird. Die Regelung verfolgt mithin ein zweifaches Ziel. Zum einen soll der in der Regel aus § 812 I 1 BGB folgende Bereicherungsanspruch auf eine vertragliche Ebene gehoben werden und somit die Rückabwicklung vereinfacht werden. Die ganz überwiegende Auffassung geht zu Recht davon aus, dass das Stornorecht in Nr. 8 I als vertraglich vereinbartes, einseitiges Widerrufsrecht hinsichtlich des in der Gutschrift liegenden Schuldversprechens (vgl. näher zur Rechtsnatur der Kontogutschrift § 44 Rn. 4 ff.) zu qualifizieren ist (BGHZ 72, 9 (11); Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/58; v. Westphalen, Rn. 40; a. A. Canaris, Rn. 448: Anfechtungsrecht). Dieses vertragliche Widerrufsrecht steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Bank bereits aufgrund eines materiellen Rechtsgrundes zur Rückforderung der fehlerhaften Buchung berechtigt ist. Soweit der Rückforderungsanspruch aus § 812 BGB folgt, schneidet Nr. 8 I, 2. HS dem Kunden jedoch den Einwand der Entreicherung (§ 818 III BGB) ab. Hierin liegt das zweite Rege-
44
Casper
72
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
lungsziel der Nr. 8 I. Das Stornorecht ist zeitlich bis zum Rechnungsabschluss, der auf die fehlerhafte Buchung folgt, begrenzt. 45
Unstreitig erstreckt sich die Stornierungsbefugnis auf fehlerhafte Gutschriften infolge eines technischen Irrtums. Nr. 8 I nennt exemplarisch die fehlerhafte Kontonummer. Ob der Anwendungsbereich des Stornorechts auch auf nicht technische Buchungsfehler zu erstrecken ist, etwa das Fehlen eines wirksamen Überweisungsvertrages, ist umstritten (vgl. zum Streitstand Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/59 mit Fn. 151). Im Wege einer kundenfeindlichen Auslegung (Rn. 5) ist diese weite Auslegung jedoch zunächst zu unterstellen, um sodann zu prüfen, ob sie einer Inhaltskontrolle nach § 307 II BGB standhält. Für eine unangemessene Benachteiligung des Kunden könnte sprechen, dass der Einwand der Entreicherung auch in solchen Fällen abgeschnitten wird, in denen der Kunde die fehlerhafte Gutschrift gar nicht erkennen konnte. Bedenken bestehen auch, soweit die Bank die fehlerhafte Buchung bei gehöriger Sorgfalt hätte vermeiden können, da es anderenfalls zu einer versteckten Haftungsfreizeichnung der Bank käme (für eine auf § 307 BGB zu stützende Unwirksamkeit deshalb Krings, ZBB 1992, 326 (328); v. Westphalen, Rn. 41 f.). Gegen eine Unwirksamkeit nach § 307 BGB streitet allerdings der Umstand, dass der Bank regelmäßig nur dann ein Kondiktionsanspruch gegen den Zahlungsempfänger zusteht, wenn der Empfänger von der Fehlerhaftigkeit Kenntnis hat, was zur Konsequenz hat, dass infolge § 819 BGB die Berufung auf die Einrede der Entreicherung ohnehin versagt ist (vgl. näher zum Ganzen § 43 und § 44). Ferner ist es nicht ausgeschlossen, dass die Bank ihrem Kunden trotz der erfolgten Stornierung zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn die irrtümliche Gutschrift auf einer mangelnden Sorgfalt der Bank beruht. Nr. 8 I ist deshalb trotz kundenfeindlicher Auslegung mit § 307 BGB vereinbar (so ausdrücklich zum Phishing beim Onlinebanking: OLG Hamburg ZIP 2006, 1981 (1982); OLG Karlsruhe WM 2008, 632 (633); LG Bonn BKR 2007, 519 (519); im Ergebnis ebenso Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/60 f.; Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. § 310 Rn. 99).
46
Es bleibt aber die Frage zu beantworten, ob Nr. 8 I in der sich nun anschließenden kundenfreundlichen Auslegung (Rn. 5) wegen einer unklaren Formulierung auf technische Buchungsfehler zu begrenzen ist. Hierfür könnte auf den ersten Blick die beispielhafte Erwähnung der falschen Kontonummer in Nr. 8 I sprechen. Weiterhin könnte man die Formulierung „fehlerhafte Gutschrift“ infolge eines unbefangenen Verständnisses dahin interpretieren, dass nur versehentliche Fehlbuchungen gemeint sind und nicht etwa alle Gutschriften, denen der materielle Rechtsgrund fehlt (so Voraufl. Rn. 40). Letztlich wird man aber auch unter Heranziehung der kundenfreundlichen Auslegung den Begriff der fehlerhaften Gutschrift nicht auf rein technische Gründe beschränken können, da ein Fehler auch nach dem allgemeinen Sprachverständnis auch das Fehlen des materiellen Anspruchs bedeuten kann. Woraus sich das Versehen der Bank ergibt, wird im Wortlaut der Nr. 8 I gerade nicht vorgegeben. Entscheidend ist also nur, dass ein sachlich richtiger Anspruch der Bank auf Rückgewähr vorliegt (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/59; Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 8 Rn. 2; wohl auch OLG Hamburg ZIP 2006, 1981 (1982) und Bunte AGB-Banken Rn. 188; a. A. noch Voraufl. Rn. 40; letztlich offen lassend Löhnig/Würdinger, WM 2007, 961 (963) sowie Borges, ZIP 2006, 1983 (1985 f.) jew. zum Stornorecht der Bank bei einer Hausüberweisung gegenüber dem Kurier beim Phishing).
47
2. Die Berichtigungsbuchung nach Rechnungsabschluss (Nr. 8 II). Nach Erteilung des Rechnungsabschlusses hat die Bank das Recht zur Berichtigungsbuchung. Dieses Recht fußt auf der Erkenntnis, dass auch die Bank ein unrichtiges Saldoanerkenntnis kondizieren kann. Technisch unterscheidet sich die Berichtigungsbuchung durch nichts von der
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
73
Stornobuchung. Der entscheidende Unterschied ergibt sich aus Nr. 8 II 2. Hiernach verpflichtet sich die Bank, den im Wege der Berichtigungsbuchung zurückgebuchten Betrag wieder gutzuschreiben, wenn der Kunde der Berichtigungsbuchung widerspricht. Die Bank muss ihren Kondiktionsanspruch dann gesondert geltend machen. Dem Kunden wird also nicht der Einwand der Entreicherung abgeschnitten. Die Einräumung eines Rechts zur Berichtigungsbuchung, bei dem es sich materiell-rechtlich ebenfalls um die Durchsetzung des Bereicherungsanspruchs handelt, steht zwar in einem gewissen Widerspruch zur Novationswirkung des mit der Anerkennung des Rechnungsabschlusses verbundenen abstrakten Schuldanerkenntnisses. Dies ist unter dem Gesichtspunkt des § 307 I BGB gleichwohl nicht zu beanstanden, da dem Kunden das Recht zum Widerspruch offen steht (allg. M., vgl. etwa v. Westphalen, Rn. 44; HeymannHorn, Anh. § 372 Rn. II/64; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 100; zweifelnd aber Krings, ZBB 1992, 326 (328)). Hierfür streitet auch, dass die Bank nach Nr. 8 III 1 den Kunden unverzüglich über die Vornahme der Berichtigungsbuchung informieren muss. Zeitlich endet die Befugnis zur Stornierung und beginnt die Berechtigung zur Berichtigungsbuchung mit dem Zugang des Rechnungsabschlusses beim Kunden. Auf die Genehmigung durch den Kunden kommt es nicht an. Die Berichtigungsbuchung kann nicht nur innerhalb der Periode zwischen dem ersten und dem folgenden Rechnungsabschluss, sondern auch darüber hinaus geltend gemacht werden. Für das Widerspruchsrecht des Kunden gegen die Berichtigungsbuchung ist in Nr. 8 II keine zeitliche Begrenzung vorgesehen, es gilt insoweit aber Nr. 11 IV entsprechend, so dass der Kunde zum unverzüglichen Widerspruch verpflichtet ist. Dafür spricht auch der Umkehrschluss zu Nr. 8 III 1, wonach die Bank den Kunden unverzüglich über die Berichtigungsbuchung informieren muss. Nr. 8 II 2 fordert die Geltendmachung von Einwendungen, um der Berichtigungsbuchung widersprechen zu können. Diese können beliebiger Natur sein, zulässig ist namentlich auch die Einrede der Entreicherung nach § 818 III (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bunte, § 13 Rn. 21). Auf eine hinreichende Substantiierung oder gar die Begründetheit der Einwendungen kommt es nicht an (so Schimansky/Bunte/LwowskiBunte, § 13 Rn. 21; a. A. wohl v. Westphalen, Rn. 44).
48
3. Zinsberechnung (Nr. 8 III 2). Für die Zinsberechnung bestimmt Nr. 8 III 2, dass die Bank die Rückrechnung zu dem Tag vornimmt, an dem die fehlerhafte Buchung durchgeführt wurde. Damit wird eine valutagerechte Zinsberechnung angestrebt. Ob es zwischenzeitlich zu einem Rechnungsabschluss gekommen war, ist unerheblich. Nr. 8 III 2 gilt also für die Storno- wie für die Berichtigungsbuchung. Bei Stornobuchungen verstößt diese Rückwirkung gegen § 307 I BGB. Ein „Aufzwingen“ eines Dispositionskredits ist zumindest dann unangemessen, wenn mit der Stornobuchung dem Kunden zugleich die Möglichkeit, sich auf die Entreicherungseinrede zu berufen, abgeschnitten wird. Die so möglichen, erheblichen Zinsnachteile sind auch nicht mit der Erwägung zu rechtfertigen, der Kunde sei nach § 818 I BGB zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen verpflichtet, da die Zinsen die wirklich gezogenen Nutzungen im Einzelfall erheblich überschreiten können. Insoweit liegt also ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB vor (ebenso v. Westphalen, Rn. 45 f.; Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 8 Rn. 7; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 101; Krings, ZBB 1992, 326 (329); a. A. Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bunte, § 13 Rn. 26; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/66; BuB-Sonnenhol Rn. 231).
49
4. Nr. 8 der AGB-Sparkassen. Nr. 8 I der AGB-Sparkassen, die ebenfalls die Stornobuchung regelt, unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von Nr. 8 I AGB-Banken. Zum einen wird dem Kunden nicht der Einwand aus § 818 III BGB abgeschnitten. Zum anderen eröffnen die AGB-Sparkassen die Möglichkeit zur Stornobuchung auch für Gut-
50
Casper
74
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
schriften, die ohne einen verpflichtenden Überweisungsvertrag im Verhältnis zwischen Überweisendem und überweisender Bank gebucht worden sind. Dies überrascht, da es den allgemeinen Grundsätzen des Bereicherungsausgleichs in Dreiecksverhältnissen widerspricht, wonach grundsätzlich nur der Überweisende einen Kondiktionsanspruch gegen die überweisende Bank hat (vgl. dazu näher § 43 und § 44). Andererseits ordnet Nr. 8 I a. E. AGB-Sparkassen, wie die AGB-Banken, an, dass die Stornobuchung nur zulässig ist, wenn der Bank des Empfängers gegen den Kunden ein Rückforderungsanspruch zusteht. Dieser besteht bei den in Nr. 8 I AGB-Sparkassen genannten Fällen aber nicht stets. Hieraus einen Verstoß gegen das Transparenzgebot annehmen zu wollen (so v. Westphalen, Rn. 48), geht allerdings zu weit (zutreffend Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. § 310 Rn. 102). Dies gilt auch, soweit in Nr. 8 I AGB-Sparkassen nicht ausdrücklich erwähnt ist, dass allein das Kreditinstitut das Fälschungsrisiko trägt (BGH ZIP 1990, 1126; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 102; a. A. v. Westphalen, Rn. 49). 51
52
53
Das Stornorecht nach Nr. 8 I AGB-Sparkassen erfasst also nicht nur technische Buchungsfehler, wie dies nach der hier vertretenen Auffassung bei Nr. 8 AGB-Banken der Fall ist (Rn. 45 f.). Dies begegnet mit Blick auf § 307 I BGB keinen Bedenken, da Nr. 8 AGB-Sparkassen dem Kunden den Entreicherungseinwand auch bei der Stornobuchung belässt. Es besteht auch kein Problem mit der in § 305 c BGB normierten Unklarheitenregelung, da die Erweiterung in Nr. 8 I AGB-Sparkassen hinreichend klar zum Ausdruck kommt. Nr. 8 II AGB-Sparkassen enthält eine der Nr. 8 II 2 AGB-Banken vergleichbare Befugnis zur „Korrekturbuchung“, die AGB-rechtlich nicht zu beanstanden ist. Eine der Nr. 8 III AGB-Banken vergleichbare, bedenkliche Rückwirkung der Verzinsung findet sich in den AGB-Sparkassen nicht. Dafür stößt bei einigen Autoren wiederum Nr. 8 III AGB-Sparkassen auf Bedenken, wonach der Kunde über die Storno- oder Korrekturbuchung nicht unverzüglich zu benachrichtigen ist, wie dies Nr. 8 III 1 AGB-Banken vorsieht (so Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. §§ 310 Rn. 101; v. Westphalen, Rn. 52). Vielmehr genügt nach Nr. 8 III AGBSparkassen die Kennzeichnung als Storno- oder Korrekturbuchung im Kontoauszug. Hiergegen bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. Der Hinweis im Kontoauszug ist, zumindest wenn dieser drucktechnisch hervorgehoben wird, ebenso effizient wie eine gesonderte Mitteilung (ebenso Westermann, WM 1993, 1865 (1870); BuB-Sonnenhol, Rn. 1/233; Bunte, AGB-Banken Rn. 209). Würde man der Gegenauffassung folgen und Nr. 8 III AGB-Sparkassen unter dem Gesichtspunkt des § 307 I BGB verwerfen, so hätte dies zur Folge, dass die gesamte Möglichkeit zur Storno- oder Berichtigungsbuchung mangels hinreichender Pflicht zur Information unwirksam wäre. IV. Einzugsaufträge (Nr. 9). 1. Vorbehaltsgutschrift an den Gläubiger-Kunden (Nr. 9 I). Nr. 9 I regelt Aufträge des Kunden, den Geldbetrag für einen Scheck, eine Lastschrift oder ein sonstiges Forderungspapier (z. B. einen Zinsschein) einzuziehen und seinem Konto gutzuschreiben. Der Kunde der Bank hat also die Position des Scheckinhabers oder Lastschriftgläubigers inne. Nr. 9 I 1 ordnet an, dass die sofortige Gutschrift des Betrages vor Einlösung durch den Schuldner des Papiers nur unter Vorbehalt erfolgt. Dies gilt nach Abs. 1 S. 3 auch dann, wenn die Papiere bei der Bank selbst zahlbar sind (ebenso Bunte, AGB-Banken Rn. 229; Details zu diesem sog. innerbetrieblichen Inkasso bei Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 28 SchG Rn. 7 f.). Diese Klausel begründet aber keine Pflicht, eingereichte Schecks oder Lastschriften des Kunden sofort unter Vorbehalt gutzuschreiben. Bei mangelnder Bonität des Ausstellers bzw. Lastschriftschuldners kann die Bank die Gutschrift auch erst nach Eingang der Zahlung vornehmen. Letzteres folgt aus § 667 BGB, da jeder Auftrag zum Scheck- oder Lastschrift-
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
75
einzug eine Einzelweisung in Ergänzung zum Girovertrag ist. Die Gutschrift unter Vorbehalt stellt rechtstechnisch eine Bedingung des mit der Gutschrift verbundenen abstrakten Schuldversprechens dar. In der Rechtsprechung wird die Frage, ob es sich dabei um eine aufschiebende oder auflösende Bedingung handelt, uneinheitlich beantwortet (vgl. BGHZ 74, 309 (315); BGH WM 1980, 738 (739) – auflösende Bedingung; BGHZ 118, 171 (177 m. w. N.) – aufschiebende Bedingung). Der Streit ist von geringer praktischer Bedeutung. Überzeugender und praxisnäher ist eine Einordnung als auflösende Bedingung, da der Kunde über die ihm bereits zugeflossene Liquidität sofort verfügen kann (Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 28 Rn. 21; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/67). Gegen die Einordnung als auflösende Bedingung streitet auch nicht Satz 4, wonach die Bank die Gutschrift „rückgängig macht“, wenn die Einlösung ausbleibt. Diese Wendung ist buchungstechnisch zu interpretieren und besagt für die rechtliche Qualifikation deshalb wenig. Bei Schecks und Lastschriften besteht gem. Nr. 9 I 1 die auflösende Bedingung in der endgültigen Nichteinlösung. Der Begriff der Einlösung ist mehrdeutig. In der Umgangssprache versteht man hierunter die Bezahlung, also den Mittelzufluss bei der Bank (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/68). In Nr. 9 I 4 wird die Einlösung jedoch von dem Erhalt des Betrages aus dem Einzugsauftrag (also dem Mittelzufluss) unterschieden. Während also in Satz 4 der Begriff der Einlösung für die Erklärung der bezogenen Bank, unbedingt einlösen zu wollen, reserviert ist, wird man in Satz 1 beide Alternativen des Satzes 4 unter den dort verwandten Begriff der Einlösung subsumieren müssen. Spätestens mit Eingang des Geldes bei der Bank des Kunden wird die Gutschrift also unbedingt. Bei sonstigen Forderungspapieren kommt es nach Satz 2 allein auf die Bezahlung, nicht aber auf die Einlösung an. Die Vereinbarung der Gutschrift „Eingang vorbehalten“ ist AGB-rechtlich schon deshalb unproblematisch, da die Bank mehr leistet, als sie nach dem Auftragsrecht leisten müsste. Auch die in Nr. 9 I 4 vorgesehene Möglichkeit zur Stornobuchung beim Ausbleiben der Einlösung oder der Bezahlung ist unter dem Gesichtspunkt der §§ 305 c I, 307 BGB nicht zu beanstanden, weil der Kunde infolge des Vermerks „Eingang vorbehalten“ jederzeit mit einer Stornierung rechnen muss (vgl. BGHZ 135, 307 (314 f.); Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 103; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/68). Demzufolge ist die so eröffnete Stornobuchung auch jenseits der Grenzen der Nr. 8 I, also namentlich auch nach einem bereits erfolgten Rechnungsabschluss möglich, was Satz 5 ausdrücklich klarstellt. Keinen Bedenken mit Blick auf das AGB-Recht begegnet auch die Aussage in Satz 3 und Satz 1 a. E., dass der Vorbehalt auch dann vereinbart wird, wenn die Papiere bei der Bank des Kunden selbst zahlbar sind, bei Schecks also die mit dem Einzug beauftragte Bank zugleich Bezogene ist. Denn bei diesem sog. innerbetrieblichen Inkasso tritt die Bank ebenfalls überobligatorisch in Vorleistung. Verfügt der Kunde über den nur vorläufig gutgeschriebenen Betrag, so liegt hierin zugleich eine Kreditgewährung der Bank (OLG Karlsruhe WM 1984, 1150 (1151); OLG Hamm WM 1995, 1441).
54
2. Einlösung von Lastschriften und Kundenschecks (Nr. 9 II). Im Gegensatz zu Absatz 1 betrifft Absatz 2 der Nr. 9 das Konto des Kunden als Schuldner (also des Scheckausstellers oder Lastschriftschuldners). Ziel von Nr. 9 II ist es, den genauen Einlösungszeitpunkt bei Schecks oder Lastschriften festzulegen. Der Hintergrund dieser Regelung ist darin zu erblicken, dass der Scheckaussteller bis zur Einlösung des Schecks noch zu einer Schecksperre berechtigt ist (vgl. näher unten § 46 Rn. 71; Baumbach/Hefermehl/ Casper, WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 39 Rn. 2 ff.). Entsprechendes gilt für die Lastschrift im Abbuchungsauftragsverfahren. Im Einzugsermächtigungsverfahren bestimmt die Einlösung den Zeitpunkt, ab dem die Frist von sechs Wochen nach dem Lastschriftabkommen zu laufen beginnt (vgl. näher dazu oben Rn. 38 f. und unten § 45). Nr. 9 II
55
Casper
76
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
regelt dieses Wirksamwerden der Einlösung in vier Varianten: Die Grundregel ist in Satz 1 enthalten. Sie betrifft das innerbetriebliche Inkasso bzw. das außerbetriebliche Inkasso nach dem Scheckabkommen ohne Einschaltung der Bundesbank als Abrechnungsstelle. Hiernach tritt die Einlösungswirkung am zweiten Bankarbeitstag nach der Belastungsbuchung ein, sofern diese bis dahin nicht rückgängig gemacht worden ist. Hintergrund dieser Regelung ist die Nachdisposition im innerbetrieblichen Inkassoverfahren (vgl. näher Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/75; Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/ SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 28 Rn. 27 ff.). Auf den Eingang der Schecksumme bei der ersten Inkassostelle kommt es nicht an. Satz 2 ordnet an, dass bei Barschecks die Einlösung hingegen abweichend von der Grundregel in Satz 1 mit Auszahlung des Scheckbetrages an den Vorleger erfolgt. Dies folgt schon aus Art. 28 I 1 ScheckG (Details bei Baumbach/ Hefermehl/Casper WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 28 SchG Rn. 6). Es wird also der Einlösungszeitpunkt nach vorne verlegt, was auch durch eine andersartige Einlösungszusage der Bank geschehen kann. Beim innerbetrieblichen Scheckinkasso gilt hingegen nicht Satz 2, sondern die Grundregel nach Satz 1. Satz 3 der Nr. 9 II verlegt den Einlösungszeitpunkt abweichend von Satz 1 auf den Zeitpunkt der Abgabe einer Bezahltmeldung an die Inkassobank oder den Scheckeinreicher vor. Diese Regelung bildet ein Seitenstück zu Absatz 1 Satz 1 und 4 (vgl. Rn. 53). Viertens ordnet Satz 4 für den Fall, dass Schecks oder Lastschriften über das frühere Abrechnungssystem der Landeszentralbanken vorgelegt werden, an, dass die Einlösung schon dann eintritt, wenn die Empfängerbank (also die Bezogene oder die Zahlstelle) Scheck oder Lastschrift nicht innerhalb der von der LZB festgesetzten Frist von zwei Tagen zurückgibt, und zwar unabhängig davon, ob sie eine Belastungsbuchung vornimmt oder nicht. Damit wurde dem Ausgleich bei der Abrechnung über die LZB im Wege der Skontration Rechnung getragen (eingehend dazu Berger, Der Aufrechnungsvertrag, 1996, S. 354 ff.). Diese Regelung hatte seit März 2000 jedoch keine praktische Bedeutung mehr, da die Abrechnungsstellen bei den Landeszentralbanken eingestellt worden waren. Nach der neuen Abrechnungsstellenverordnung von 2005 (abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Anh. SchG Nr. 5) ist die Deutsche Bundesbank zur einzigen Abrechnungsstelle iSd Art. 31 SchG erklärt worden. Sie wird ihre Tätigkeit aber erst mit Einführung des image-gestützten Scheckeinzugsverfahrens (ISE-Verfahren) im September 2007 aufnehmen, bei dem auch bei Schecks über EUR 6.000 nur noch ein eingescanntes Bild des Schecks statt des Originals übermittelt wird (Details dazu bei Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 28 SchG Rn. 11 f., Art. 31 SchG Rn. 3 ff.). Dass Satz 4 weiterhin von den Abrechnungsstellen bei der LZB spricht, ist unproblematisch und steht seiner Anwendung auf das neue System nicht entgegen. AGB-rechtlich problematisch könnte allein die Grundregel des Satzes 1 sein, wonach der Einlösungszeitpunkt von dem tatsächlichen Zeitpunkt der Belastungsbuchung zu Lasten des Kunden abweicht. Eine unangemessene Benachteiligung ist hierin jedoch nicht zu sehen, da die Nachdisposition bei der Scheckeinlösung erst die Voraussetzung für die Buchung „Eingang vorbehalten“ beim Empfänger des Schecks bildet, was auch dem Zahlungsmittel Scheck bzw. Lastschrift insgesamt zugute kommt (im Ergebnis ebenso BGH ZIP 1988, 1105 (1107); Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 103). 56
V. Fremdwährungsgeschäfte und Fremdwährungskonten (Nr. 10). Nr. 10 I regelt die Führung von Fremdwährungskonten für den Kunden, Nr. 10 II die Durchführung von Fremdwährungsgeschäften. Beide Absätze enthalten im Wesentlichen Leistungsbeschreibungen. Absatz 1 stellt klar, dass Verfügungen über Fremdwährungskonten grundsätzlich nur bargeldlos erfolgen. In dem Hinweis in Satz 2, dass Verfügungen unter Einschaltung von Banken im Heimatland der Währung abgewickelt werden können, liegt
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
77
keine Vereinbarung einer Substitution (§ 664 I 2 BGB) oder eines weitergeleiteten Auftrags iSd Nr. 3 II (Bunte, AGB-Banken Rn. 246). Bei den beispielhaft genannten Überweisungen richtet sich die Frage nunmehr nach § 676 c BGB. Ob bei anderen Verfügungen die Substitution gestattet ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Eine Interpretation dahin, dass mittels Nr. 10 I 2 eine Substitution gestattet sein soll, wäre AGB-rechtlich bedenklich (vgl. oben Rn. 26). Die wichtigste Aussage findet sich in Absatz 3, womit die Bank zum Ausdruck bringt, dass sie für das sog. politische Währungsrisiko nicht einstehen will. Der Hintergrund dieser Regelung ist darin zu sehen, dass die Bank bei Eröffnung eines Fremdwährungskontos verpflichtet ist, im Ausland ein entsprechendes Währungsguthaben zu unterhalten. Solange die in Nr. 10 III näher bezeichneten Umstände andauern, ist die Bank vorübergehend von ihrer Leistungspflicht frei. Sie ist auch nicht verpflichtet, die Währung an einem anderen Handelsplatz außerhalb des Heimatlands der Währung anzuschaffen. Eine dauerhafte Aussetzung der Leistungsverpflichtung besteht erst dann, wenn eine Anschaffung der Währung infolge der politischen Umstände endgültig unmöglich wird. Nr. 10 III weicht damit von den allgemeinen Regeln der §§ 275 ff. BGB nur insoweit ab, als klargestellt wird, dass die Bank der Währung nicht an anderen Handelsplätzen nachlaufen muss. Ebenfalls nur klarstellende Bedeutung hat Nr. 10 IV. AGB-rechtlich ist die Regelung in Nr. 10 unbedenklich (ebenso Bunte, AGB-Banken Rn. 250; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 104). Dies gilt namentlich auch für die begrenzte Leistungsbefreiung in Absatz 3 Satz 1 und 2. Denn zum Ersten hat der Kunde mit dem Wunsch nach Eröffnung eines Fremdwährungskontos bzw. der Durchführung eines Auftrages in einer fremden Währung das Währungsrisiko mitveranlasst. Zum Zweiten sind von der begrenzten Leistungsbefreiung in Absatz 3 Satz 3 und 4 zwei Rückausnahmen für den Fall vorgesehen, dass die Bank die Verpflichtung vollständig im eigenen Haus durchführen kann und dem Kunden weiterhin das Recht zur Aufrechnung in derselben Währung erhalten bleibt. Sachlich gleichlautende Regeln, nur in anderer Nummerierung, finden sich in den AGB-Sparkassen (Nr. 12-15). Die bedenkliche Bildung einer Gefahrengemeinschaft und die damit verbundene anteilige Haftung in Nr. 12 a. F. AGB-Sparkassen (vgl. dazu etwa v. Westphalen, Rn. 61 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen9-Brandner, Anh. §§ 9-11 Rn. 163) ist mit der Neufassung im Jahre 2002 beseitigt worden (Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (526)). Neu und unbedenklich ist die Regelung in Nr. 15 AGB-Sparkassen, wonach im Preis- und Leistungsverzeichnis festzulegen ist, welches Fixingsystem von der Sparkasse für die Umrechung von Fremdwährungen zugrunde gelegt wird.
E. Mitwirkungspflichten des Kunden 11. Mitwirkungspflichten des Kunden. (1) Änderungen von Name, Anschrift oder einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht. Zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Geschäftsverkehrs ist es erforderlich, dass der Kunde der Bank Änderungen seines Namens und seiner Anschrift sowie das Erlöschen oder die Änderung einer gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht (insbesondere einer Vollmacht) unverzüglich mitteilt. Diese Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn die Vertretungsmacht in ein öffentliches Register (zum Beispiel in das Handelsregister) eingetragen ist und ihr Erlöschen oder ihre Änderung in dieses Register eingetragen wird. (2) Klarheit von Aufträgen und Überweisungen. Aufträge und Überweisungen müssen ihren Inhalt zweifelsfrei erkennen lassen. Nicht eindeutig formulierte Aufträge und Überweisungen können Rückfragen zur Folge haben, die zu Verzögerungen führen können. Vor allem hat der Kunde bei Aufträgen zur Gutschrift auf einem Konto (zum Beispiel bei Lastschrift- und Scheckeinreichungen) und Überweisungen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Namens des Zahlungsempfängers, der angegebenen Kontonummer, der angegebenen Bankleitzahl und
Casper
57
78
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
der angegebenen Währung zu achten. Änderungen, Bestätigungen oder Wiederholungen von Aufträgen und Überweisungen müssen als solche gekennzeichnet sein. (3) Besonderer Hinweis bei Eilbedürftigkeit der Ausführung eines Auftrags oder einer Überweisung. Hält der Kunde bei der Ausführung eines Auftrags oder einer Überweisung besondere Eile für nötig, hat er dies der Bank gesondert mitzuteilen. Bei formularmäßig erteilten Aufträgen oder Überweisungen muss dies außerhalb des Formulars erfolgen. (4) Prüfung und Einwendungen bei Mitteilungen der Bank. Der Kunde hat Kontoauszüge, Wertpapierabrechnungen, Depot- und Erträgnisaufstellungen, sonstige Abrechnungen, Anzeigen über die Ausführung von Aufträgen und Überweisungen sowie Informationen über erwartete Zahlungen und Sendungen (Avise) auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben. (5) Benachrichtigung der Bank bei Ausbleiben von Mitteilungen. Falls Rechnungsabschlüsse und Depotaufstellungen dem Kunden nicht zugehen, muss er die Bank unverzüglich benachrichtigen. Die Benachrichtigungspflicht besteht auch beim Ausbleiben anderer Mitteilungen, deren Eingang der Kunde erwartet (Wertpapierabrechnungen, Kontoauszüge nach der Ausführung von Aufträgen und Überweisungen des Kunden oder über Zahlungen, die der Kunde erwartet).
Die entsprechenden Regelungen in den AGB-Sparkassen lauten: Nr. 4. – Vertretungs- und Verfügungsbefugnisse. (1) Bekanntgabe. Der Sparkasse bekannt gegebene Vertretungs- oder Verfügungsbefugnisse gelten, bis ihr eine Mitteilung über das Erlöschen oder eine Änderung schriftlich oder, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung der elektronische Kommunikationsweg vereinbart wurde (zum Beispiel Homebanking), auf diesem Wege zugeht, es sei denn, diese Umstände sind der Sparkasse bekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt. Dies gilt auch, wenn die Befugnisse in einem öffentlichen Register eingetragen sind und eine Änderung veröffentlicht ist. (2) Mangel in der Geschäftsfähigkeit des Vertreters. Der Kunde trägt den Schaden, der daraus entstehen sollte, dass die Sparkasse von einem eintretenden Mangel in der Geschäftsfähigkeit seines Vertreters unverschuldet keine Kenntnis erlangt. Nr. 10. – Auftragsbestätigung vor Ausführung. Bei telefonischen oder auf anderen technischen Wegen erteilten sowie bei nicht unterschriebenen Aufträgen behält sich die Sparkasse die unverzügliche Einholung einer Bestätigung vor Auftragsausführung vor. Nr. 20. – Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten des Kunden. (1) Grundsatz. Die Sparkasse führt die Aufträge des Kunden mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns aus. Für den Kunden bestehen seinerseits besondere Mitwirkungs- und sonstige Sorgfaltspflichten, insbesondere folgende Pflichten: a) Mitteilung wesentlicher Angaben und Änderungen. Der Sparkasse sind unverzüglich schriftlich oder, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung der elektronische Kommunikationsweg vereinbart wurde (zum Beispiel Homebanking), auf diesem Wege alle für die Geschäftsbeziehung wesentlichen Tatsachen anzuzeigen, insbesondere Änderungen des Namens, der Anschrift, des Personenstandes, der Verfügungs- oder Verpflichtungsfähigkeit des Kunden (zum Beispiel Eheschließung, Eingehung einer Lebenspartnerschaft, Änderung des Güterstandes) oder der für ihn zeichnungsberechtigten Personen (zum Beispiel nachträglich eingetretene Geschäftsunfähigkeit eines Vertreters oder Bevollmächtigten) sowie Änderungen der der Sparkasse bekannt gegebenen Vertretungs- oder Verfügungsbefugnisse (zum Beispiel Vollmachten, Prokura). Die Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn die Tatsachen in öffentlichen Registern eingetragen und veröffentlicht werden. Die Namen der für den Kunden vertretungs- oder verfügungsbefugten Personen sind der Sparkasse mit eigenhändigen Unterschriftsproben auf den Vordrucken der Sparkasse bekannt zu geben. b) Eindeutige Angabe bei Aufträgen und Weisungen.
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
79
Aufträge und Weisungen jeder Art müssen den Inhalt des Geschäfts zweifelsfrei erkennen lassen. Abänderungen und Bestätigungen müssen als solche gekennzeichnet sein. Bei Zahlungsund Überweisungsaufträgen hat der Kunde insbesondere auf richtige, vollständige, unmissverständliche und leserliche Angaben des Zahlungsempfängers und der Kontonummer sowie der Bankleitzahl zu achten. c) Sorgfalt bei besonderer Auftrags-Übermittlung. Bei telefonischen oder auf anderen technischen Wegen erteilten Aufträgen oder Weisungen hat der Kunde dafür zu sorgen, dass sich keine Übermittlungsfehler, Missverständnisse, Missbräuche und Irrtümer ergeben. d) Verwendung von Vordrucken. Für bestimmte Geschäfte, insbesondere im Scheck- und Lastschriftverkehr, bei Barabhebungen, Überweisungen, sind die von der Sparkasse zugelassenen Vordrucke zu verwenden. e) Ausdrücklicher Hinweis bei besonderer Weisung. Besondere Weisungen für die Ausführung von Aufträgen hat der Kunde der Sparkasse gesondert mitzuteilen, bei formularmäßig erteilten Aufträgen außerhalb des Formulars. Dies gilt insbesondere, wenn Zahlungen auf bestimmte Forderungen der Sparkasse verrechnet werden sollen. f) Hinweis auf Fristen und Termine. Der Kunde hat entsprechend Buchst. e) besonders darauf hinzuweisen, wenn Aufträge innerhalb bestimmter Fristen oder zu bestimmten Terminen ausgeführt sein sollen oder wenn bei nicht ordnungsgemäßer, insbesondere nicht fristgemäßer Ausführung von Aufträgen außergewöhnliche Schäden drohen. Auf die besondere Hinweispflicht bei knappen Scheckvorlegungsfristen nach Nr. 24 wird verwiesen. g) Unverzügliche Reklamation. Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse, Lastschriften, Kontoauszüge, Wertpapieraufstellungen oder sonstige Mitteilungen der Sparkasse sowie Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit von der Sparkasse gelieferter Wertpapiere oder sonstiger Werte müssen unverzüglich erhoben werden. Falls Rechnungsabschlüsse oder Depotaufstellungen dem Kunden nicht zugehen, muss er die Sparkasse unverzüglich benachrichtigen. Die Benachrichtigungspflicht besteht auch beim Ausbleiben anderer Anzeigen, Mitteilungen oder Sendungen, deren Eingang der Kunde erwarten oder mit deren Eingang er rechnen sollte. h) Kontrolle von Bestätigungen der Sparkasse. Soweit Bestätigungen der Sparkasse von Aufträgen oder Weisungen des Kunden abweichen, hat er dies unverzüglich zu beanstanden. (2) Haftung bei Pflichtverletzungen. Schäden und Nachteile aus einer schuldhaften Verletzung von Mitwirkungs- und sonstigen Sorgfaltspflichten gehen zu Lasten des Kunden. Bei schuldhafter Mitverursachung des Schadens durch die Sparkasse richtet sich die Haftung nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, § 254 Bürgerliches Gesetzbuch.
I. Allgemeines, Rechtsnatur. Nr. 11 AGB-Banken bzw. Nr. 4, 10, 20 AGB-Sparkassen enthalten umfangreiche Regelungen von Mitwirkungspflichten des Kunden, um einen reibungslosen Ablauf der Bankgeschäfte zu gewährleisten. Bei den hier verankerten Mitwirkungspflichten handelt es sich grundsätzlich um Gläubigerobliegenheiten und nicht um echte Leistungsnebenpflichten. Verletzt ein Kunde die ihm auferlegten Obliegenheiten, so kann dies ein schadensminderndes Mitverschulden iSd § 254 BGB bewirken, was Nr. 3 I 3 AGB-Banken ausdrücklich klarstellt (zutreffend Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/82; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 105; a. A. BuBSonnenhol, Rn. 1/285; Bunte, AGB-Banken Rn. 257; zu Nr. 11 IV auch Baumbach/HoptHopt (8) AGB-Banken Nr. 11 Rn. 9). Eigenständige Schadensersatzansprüche der Bank
Casper
58
80
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
werden hingegen nicht begründet. Dies ist auch nicht bei einem Verstoß gegen die in Nr. 11 IV verankerte Pflicht, Lastschriften sofort zu widersprechen, erforderlich, da die gleichzeitige Verletzung dieser Pflicht aus Abschnitt I Nr. 5 der Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr bereits einen solchen eigenständigen Schadensersatzanspruch begründet (vgl. bereits oben Rn. 41). 59
II. Nr. 11 AGB-Banken und entsprechende Regelungen in den AGB-Sparkassen. 1. Mitteilung von Namens- und Adressänderungen bzw. Veränderungen der Vertretungsmacht. Die Verpflichtung zur Mitteilung von Änderungen des Namens und der Anschrift würde auch ohne ausdrückliche Regelung in den AGB aus der Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, also aus einer Nebenpflicht des Kontovertrages folgen. Gleiches gilt für das Erlöschen oder die Änderung der gegenüber der Bank erteilten Vertretungsmacht. Diese Obliegenheiten sind deshalb unbedenklich. Dies gilt auch für die aus Absatz 1 Satz 2 folgende Pflicht, Änderungen der Vertretungs- oder Verfügungsbefugnis auch dann mitzuteilen, wenn sie in einem öffentlichen Register eingetragen sind. Hierin liegt keine unzulässige Abbedingung der Registerpublizität nach §§ 15 II HGB, 29 II GenG. Denn seit der Neufassung von 1993 ist der Kunde berechtigt, der Bank die ins Register eingetragenen Änderungen auch ohne Anzeige entgegenzuhalten (ebenso Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 105). Die Bank kann dann aber bei einem eingetretenen Schaden die Verletzung der Obliegenheit wiederum schadensmindernd einwenden (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/82; a. A. wohl Schebesta/Vortmann, Rn. 153: Mitwirkungspflicht). Hierin liegt auch keine unangemessene Benachteiligung, da die Publizität des Handelsregisters oftmals nicht genutzt wird. Der Kunde muss erfolgte Änderungen unverzüglich anzeigen, eine Form ist hierfür nicht vorgesehen.
60
Die Verpflichtung zur Angabe von Änderungen der persönlichen Daten mit Ausnahme von Veränderungen einer erteilten Vertretungsbefugnis regeln die AGB-Sparkassen in Nr. 20 I lit. a. Sachlich besteht kein großer Unterschied, die Formulierung ist allerdings erheblich umfangreicher und umständlicher. Hieraus eine gegen § 307 BGB verstoßende Intransparenz zu folgern (so v. Westphalen, Rn. 83), schießt jedoch über das Ziel hinaus (i.E. wohl ebenso Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 108). Unwirksam ist jedoch die Regelung über Veränderungen bei der Vertretungs- und Verfügungsbefugnis in Nr. 4 I AGB-Sparkassen. Hiernach soll die bisherige Vertretungsmacht gegenüber der Sparkasse solange fortdauern, bis der Kunde dies der Sparkasse angezeigt hat. Dies soll sogar bei Vertretungsverhältnissen, die in ein öffentliches Register eingetragen sind, gelten. Hierin liegt eine unzulässige Abbedingung der Registerpublizität. Auch das Fortgelten sonstiger Vertretungs- und Verfügungsbefugnisse bis zur schriftlichen Mitteilung durch den Kunden ist AGB-rechtlich bedenklich (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 107).
61
2. Klarheit von Überweisungen und Aufträgen. Nr. 11 II ordnet an, dass Aufträge und Überweisungen ihren Inhalt klar erkennen lassen müssen. Satz 3 exemplifiziert dies für Überweisungen dahin, dass der Name des Empfängers, die Kontonummer sowie die Bankleitzahl richtig und vollständig angegeben werden müssen. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund des § 307 BGB nicht zu beanstanden, da ein Verstoß gegen diese Obliegenheit nur zu einem Mitverschulden führt. Aus dem Charakter der Obliegenheit folgt auch, dass die Bank eine Überweisung z. B. auch ohne Angabe der Bankleitzahl ausführen muss, der Kunde allerdings für die hieraus entstehenden Verzögerungen einzustehen hat. Divergieren bei einer Überweisung Name des Empfängers und die Kontonummer, so ist umstritten, ob der Kunde die hieraus entstehenden Schäden alleine tragen muss oder ob auch die Bank eine Mitverantwortlichkeit trifft. Für beleghafte Überweisungen besteht Einigkeit dahin, dass grundsätzlich der Name maßgebend ist, die überweisende Bank also
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
81
mitverantwortlich ist, wenn sie ihrer Pflicht zur Überprüfung des richtigen Empfängers nicht nachkommt (vgl. BGHZ 108, 386 (390 f.); BGH WM 1991, 1912 (1913); OLG Düsseldorf ZIP 2004, 1997 (1998 f.); OLG Koblenz OLGR Koblenz 2004, 519; OLG Dresden ZIP 2007, 1654; sowie zu Ausnahmen BGH WM 1972, 308 (309); NJW 2003, 1389 (1390); BFH WM 1998, 1482 (1484)). Dieser Pflicht kann sie aber nur bei einer Hausüberweisung nachkommen. Bei außerbetrieblichen Überweisungen kann der NamensKontonummernvergleich nur von der Empfängerbank vorgenommen werden. Allerdings werden heutzutage alle beleggebundene Überweisungen von der überweisenden Bank digital erfasst und sodann als Datensatz weitergeleitet werden (EZÜ-Verfahren), wobei die Kontonummer das maßgebliche Zuordnungskriterium ist, der Empfängername allerdings ebenfalls übermittelt wird. Das Abkommen zum Überweisungsverkehr vom 16. 4. 1996 (in der Fassung vom 1.1.2002) verpflichtet die Bank des Empfängers bei EZÜ-Überweisungen jedoch, einen Kontonummer-Namensvergleich durchzuführen (vgl. näher dazu BGH NJW 2003, 1389 f.). Nr. 3 II 2 dieses Abkommens begründet ferner die Pflicht der Empfängerbank, bei Überweisungen, die nicht eindeutig zugeordnet werden können und EUR 15.000 übersteigen, bei der Bank des Überweisenden rückzufragen. Dies wird man bei einer Divergenz zwischen Kontonummer und Empfängername regelmäßig annehmen können. Ein Verstoß gegen diese Pflicht zum Kontonummer-Namensvergleich bzw. gegen die Rückfragepflicht seitens der Empfängerbank ist der überweisenden Bank jedoch nicht nach § 676 I 3 BGB zuzurechnen (a. A. noch Voraufl. Rn. 55), da die Gutschrift beim richtigen Empfänger Aufgabe der Empfänger- und nicht der überweisenden Bank ist (MünchKommBGB/Casper, § 676a Rn. 20) und die Empfängerbank gerade kein zwischengeschaltetes Institut ist. Vielmehr erwirbt die überweisende Bank gegen die Empfängerbank im Rahmen einer Drittschadensliquidation einen Schadensersatzanspruch bzw. einen Anspruch aus § 667 BGB auf Herausgabe der erlangten Deckung (in diesem Sinne etwa OLG Düsseldorf ZIP 2004, 1997 (1998, 2000)), den sie an ihren Kunden abzutreten hat. Dieser Schadensersatzanspruch des Kunden gegen seine Bank wird allerdings durch die Verletzung der aus Nr. 11 II folgenden Pflicht erheblich gemindert sein; auch ein Anspruch aus § 667 BGB unterliegt einem Mitverschulden iSd § 254 BGB iVm Nr. 11 II (OLG Düsseldorf ZIP 2004, 1997 (2000)). Aus Sicht des tatsächlichen Empfängers liegt keine Leistung des Überweisenden vor (OLG Dresden ZIP 2007, 1654), so dass die überweisende Bank beim tatsächlichen Empfänger kondizieren kann. Infolge des Anspruchs der überweisenden Bank gegen die Empfängerbank aus § 667 BGB bzw. auf Schadensersatz trägt diese letztlich das Insolvenzrisiko des Empfängers. Da im beleglosen Überweisungsverkehr heute ganz überwiegend nur noch die Kontonummer übermittelt wird, will eine im Vordringen befindliche Ansicht allein die Kontonummer als maßgeblich betrachten, mit der Konsequenz, dass eine Divergenz zwischen Empfängername und Kontonummer allein dem Kunden zur Last fallen würde (so LG Berlin, Urt. v. 10.5.2001, Az. 57 S 116/00, Tz. 7, juris; Hellner, ZHR 145 (1981), 109 (132 ff.); Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner9, Anh. §§ 9-11 Rn. 156; Bunte, AGB-Banken Rn. 265; offen lassend noch BGHZ 108, 386; BGH WM 1983, 834, im Geschäftsverkehr mit Kaufleuten bei Datenfernübertragung/Datenträgeraustausch (DFÜ/DTA) so jetzt auch BGH WM 2006, 28 (29)). Das Überweisungsrecht wie auch die Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr (Nr. IV 1; abgedruckt in ZBB 2002, 60) haben diese Frage nicht geregelt. Wird nur die Kontonummer übermittelt, kann regelmäßig weder die Bank des Auftraggebers noch die des Empfängers die Divergenz zwischen Name und Kontonummer ohne größere Schwierigkeiten aufklären. Gleichwohl ist eine vollständige Abwälzung des Risikos auf den Kunden allein wegen der technischen Vereinfachung im Überweisungsverkehr grundsätzlich nicht veranlasst (ebenso Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/87; v. Westphalen, Rn. 68 f.; tendenziell wohl auch OLG Düsseldorf ZIP 2004,
Casper
62
82
63
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
1997 (1998 f.)). Denn durch die bloße Übermittlung der Kontonummer verstößt die überweisende Bank gegen ihre Pflicht aus § 676a I 1 BGB, wonach auch „Angaben zur Person des Überweisenden“ der Empfängerbank zu übermitteln sind. Durch die bloße Übermittlung der Kontonummer wird eine Zuordnung anhand des Namens des Empfängers vereitelt. Insoweit entsteht also anders als bei der beleggestützten Überweisung (Rn. 61) unmittelbar ein Schadensersatzanspruch des Kunden gegen die überweisende Bank. Allerdings ist es mit der neueren Rechtsprechung vertretbar, im Rahmen der DFÜ/DAT, deren Sonderbedingungen ausdrücklich betonen, dass für die Weiterleitung der Überweisung allein die Kontonummer und nicht der Name des Empfängers maßgeblich ist, zwischen Unternehmern iSd § 14 BGB und Verbrauchern (§ 13 BGB) zu differenzieren (so BGH WM 2006, 28 (29); zust. WuB I D 1 3.06, 363 f. – Gößmann; EWiR 3/06 § 9 AGBG – Haertlein/Ballestrem; so wohl auch OLG Dresden ZIP 2007, 1654; OLG Karlsruhe ZIP 2004, 1900 (1901 f.)). Allein gegenüber Unternehmern bei Vereinbarung der SB DFÜ/ DTA kann also das Risiko aus der Verwendung einer falschen Kontonummer bzw. Bankleitzahl vollständig auf den Kunden abgewälzt werden, der dann beim tatsächlichen Empfänger kondizieren muss, da seine fehlgeleitete Überweisung eine rechtsgrundlose Leistung an den Empfänger darstellt (so ausdrücklich OLG Dresden ZIP 2007, 1654 – zur Angabe einer falschen BLZ). Tätigt hingegen ein Verbraucher iSd § 13 BGB eine beleglose Überweisung, sei es online oder am SB-Terminal, bleibt die überweisende Bank auch bei der beleglosen Überweisung in der Pflicht, eine Zuordnung anhand des Namens zu ermöglichen bzw. Divergenzen aufzuklären (so ausdrücklich BGH WM 2006, 28 (29)). Verzichtet sie hierauf, da sie die entsprechenden technischen Vorkehrungen nicht schafft, haftet sie aus einer Verletzung des Überweisungsvertrages. Entsprechendes gilt für Unternehmer, die sich nicht an der DFÜ/DTA beteiligen und allein Nr. 11 II unterliegen (zutr. Gößmann, WuB I D 1 3.06, 363). Das über Nr. 11 II, III S. 1, 3 zu berücksichtigende Mitverschulden des Kunden wird allerdings in aller Regel beträchtlich sein, wenn dieser eine falsche Kontonummer verwendet hat. Die entsprechende Regelung in Nr. 20 I lit. b AGB-Sparkassen enthält keine wesentlichen sachlichen Abweichungen. 3. Hinweis auf die Eilbedürftigkeit (Nr. 11 III). Nach Nr. 11 III hat der Kunde auf die besondere Eilbedürftigkeit eines Auftrages besonders hinzuweisen. Diese Regelung ist unbedenklich, da sie die Bank nicht davon befreit, Aufträge des Kunden in der banküblichen Eile auszuführen, sondern nur Fälle der besonderen Eile erfasst, die über das übliche Maß hinausgehen (zutr. Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 106; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/89; a. A. v. Westphalen, Rn. 71 f.; Merkel, WM 1993, 725 (726)). Insbesondere bewirkt Nr. 11 III keine Haftungsfreizeichnung der Bank. Auch lässt sich eine Unklarheit der Regelung nicht darauf stützen, dass der Kunde die üblichen Ausführungsfristen nicht kenne, weshalb er gar nicht wisse, wann er einen Auftrag als eilbedürftig zu kennzeichnen habe (so aber v. Westphalen, Rn. 71). Diesem Argument ist mit der Einführung der festen Fristen in § 676 a II BGB der Boden entzogen (so zutr. Ulmer/ Brandner/Hensen-Brandner9, Anh. §§ 9-11 Rn. 164; der Sache nach wohl auch Ulmer/ Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 106 und Bunte, AGB-Banken Rn. 267). Diese Vorschrift hat ohnehin dazu beigetragen, dass die Bedeutung der Nr. 11 III in der Praxis geschwunden ist. Umstritten ist auch die Reichweite und Wirksamkeit des Satzes 2 von Absatz 3, wonach der Kunde bei formularmäßig erteilten Aufträgen die Eilbedürftigkeit außerhalb des Formulars erklären muss. Hieraus folgt jedoch weder ein Schriftformerfordernis, noch eine unangemessene Benachteiligung des Kunden (zutr. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 16 Rn. 27; a. A. v. Westphalen, Rn. 74). Die AGBSparkassen enthalten sachlich vergleichbare Regelungen in Nr. 20 I lit. e und lit. f, die ebenfalls nicht zu beanstanden sind (a. A. wiederum v. Westphalen, Rn. 89).
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
83
4. Prüfung und Einwendungen bei Mitteilungen der Bank (Nr. 11 IV). Nr. 11 IV ordnet an, dass der Kunde Mitteilungen der Bank unverzüglich auf ihre Richtigkeit zu prüfen hat und Einwendungen ebenfalls unverzüglich gegenüber der Bank erheben muss. Nr. 11 IV statuiert also zum einen eine Kontrollpflicht, zum anderen eine Rügepflicht und steht im Zusammenhang mit Nr. 7 II, die eine Kontrolle und Rüge von fehlerhaften Rechnungsabschlüssen verlangt. Beide Pflichten sind mit Blick auf § 307 BGB unbedenklich. Problematisch ist allein die Frage, wie die Unverzüglichkeit zu bestimmen ist. Dabei wird man eine einheitliche Lösung für alle Kunden nicht erreichen können. Während von Kaufleuten mit Blick auf § 121 II BGB erwartet werden kann, dass sie die Tagesauszüge ihres Kontos auch täglich überprüfen, kann dies von einem Verbraucher nicht erwartet werden. Dieser ruft seine Kontoauszüge üblicherweise nur wöchentlich oder seltener ab. Ihm ist ferner ein längerfristiger Überprüfungszeitraum zuzubilligen. Anderseits ist auch hier kein beliebig langer Zeitraum denkbar (OLG Hamm NJW-RR 1986, 791 – vier Monate). Auch ist eine Differenzierung zwischen verschiedenen Verbrauchern nicht angängig (a. A. aber wohl Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/92: reiselustiger Rentner). Als Faustformel wird sich insoweit vielmehr folgende Lösung anbieten. Bei Verbrauchern wird man verlangen können, dass sie zumindest alle zwei bis drei Wochen ihre Kontoauszüge abfragen und dann binnen weniger Tage überprüfen und so erkannte Unrichtigkeiten umgehend geltend machen. Spätestens nach einem Monat wird also auch ein Verbraucher eine Rüge erheben müssen. Dies trägt üblichen Urlaubszeiten Rechnung. Bei einer mehrmonatigen Weltreise ist es dem Kunden hingegen zuzumuten, für eine regelmäßige Kontrolle seiner Bankpost Rechnung zu tragen. Eine Verletzung der Obliegenheit nach Nr. 11 IV führt zu einem Mitverschulden des Kunden, nicht aber zu einem eigenständigen Schadensersatzanspruch der Bank gegen den Kunden (vgl. bereits oben Rn. 58). Die entsprechende Regelung in Nr. 20 I lit. g AGB-Sparkassen enthält keine sachlichen Abweichungen.
64
5. Benachrichtigungspflicht beim Ausbleiben von Mitteilungen (Nr. 11 V). Der Kunde muss nach Nr. 11 V die Bank über erwartete Mitteilungen, die ihm nicht zugehen, unverzüglich informieren. Bei Rechnungsabschlüssen und Depotauszügen besteht diese Pflicht auch dann, wenn der Kunde sie nicht erwartet, diese besonders wichtigen Mitteilungen aber zu einem bestimmten Zeitpunkt regelmäßig zugesandt werden. Auch diese Klausel ist AGB-rechtlich unbedenklich. Auch sie darf allerdings mit Blick auf Verbraucher, die zu einer kaufmännischen Organisation ihres Haushalts nicht verpflichtet sind, nicht überspannt werden (vgl. näher Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/95; Ulmer/ Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 106). Eine etwas weitergehende, aber ebenfalls unbedenkliche Regelung enthält Nr. 20 I lit. h AGB-Sparkassen.
65
III. Abweichende Regelungen in den AGB-Sparkassen (Nr. 4, 10, 20). Keine Entsprechung in den AGB-Banken hat Nr. 20 I lit. c AGB-Sparkassen. Diese Klausel bürdet dem Kunden bei telefonischen oder auf anderen technischen Wegen erteilten Aufträgen oder Weisungen die Gefahr von Übermittlungsfehlern auf. Bei kundenfeindlicher Auslegung kann man hierin eine unzulässige Haftungsfreizeichnung sehen. In jedem Fall liegt darin eine Beschränkung des verschuldensunabhängigen Anfechtungsrechts nach §§ 119 ff. BGB, was mit § 307 II Nr. 1 BGB unvereinbar ist (Bedenken auch bei Ulmer/Brandner/ Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 107; v. Westphalen, Rn. 87 f.). Nr. 20 I lit. d AGBSparkassen ordnet an, dass der Kunde die von der Sparkasse vorgegebenen Formulare zu verwenden hat. Diese Regelung ist für sich betrachtet nicht bedenklich. Nicht ohne Weiteres verständlich ist jedoch ihr Verhältnis zu Nr. 10 AGB-Sparkassen, wonach auch telefonische Weisungen zugelassen werden, für die sich die Sparkassen allerdings die Einholung einer Bestätigung vorbehalten. Darin liegt allerdings kein unüberbrückbarer
66
Casper
84
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Widerspruch, der zur Intransparenz und zur Unwirksamkeit führt (so aber v. Westphalen, Rn. 88; wie hier wohl auch Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 108 mit Fn. 99). Nr. 20 I lit. d AGB-Sparkassen enthält vielmehr eine Grundregel, wonach Weisungen grundsätzlich schriftlich unter Verwendung der entsprechenden Formulare zu erfolgen haben. Dies ist angesichts der im alltäglichen Massengeschäft der Sparkassen erforderlichen Rationalisierung und Standardisierung ebenso unverzichtbar wie unbedenklich. Demgegenüber formuliert Nr. 10 eine Ausnahme, wonach die Sparkasse hiervon ausnahmsweise absehen kann, dann aber unverzüglich eine Bestätigung verlangen kann. An diesem Regel-Ausnahmeverhältnis ist allenfalls die systematische Anordnung zu beanstanden. Auf die in den AGB-Banken nicht mehr enthaltene, bedenkliche Regelung zur Schadenstragung des Kunden bei Mängeln in der Geschäftsfähigkeit seines Vertreters, die Nr. 4 II AGB-Sparkassen dem Kunden auferlegt, ist bereits oben (Rn. 31) hingewiesen worden.
F. Kosten der Bankdienstleistungen (Nr. 12) 12. Zinsen, Entgelte und Auslagen. (1) Zinsen und Entgelte im Privatkundengeschäft. Die Höhe der Zinsen und Entgelte für die im Privatkundengeschäft üblichen Kredite und Leistungen ergibt sich aus dem „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“ und ergänzend aus dem „Preis- und Leistungsverzeichnis“. Wenn ein Kunde einen dort aufgeführten Kredit oder eine dort aufgeführte Leistung in Anspruch nimmt und dabei keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, gelten die zu diesem Zeitpunkt im Preisaushang oder Preis- und Leistungsverzeichnis angegebenen Zinsen und Entgelte. Für die darin nicht aufgeführten Leistungen, die im Auftrag des Kunden oder in dessen mutmaßlichen Interesse erbracht werden und die, nach den Umständen zu urteilen, nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind, kann die Bank die Höhe der Entgelte nach billigem Ermessen (§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches) bestimmen. (2) Zinsen und Entgelte außerhalb des Privatkundengeschäfts. Außerhalb des Privatkundengeschäfts bestimmt die Bank, wenn keine andere Vereinbarung getroffen ist, die Höhe von Zinsen und Entgelten nach billigem Ermessen (§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches). (3) Änderung von Zinsen und Entgelten. Die Änderung der Zinsen bei Krediten mit einem veränderlichen Zinssatz erfolgt aufgrund der jeweiligen Kreditvereinbarungen mit dem Kunden. Das Entgelt für Leistungen, die vom Kunden im Rahmen der Geschäftsverbindung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden (zum Beispiel Konto- und Depotführung), kann die Bank nach billigem Ermessen (§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches) ändern. (4) Kündigungsrecht des Kunden bei Erhöhung von Zinsen und Entgelten. Die Bank wird dem Kunden Änderungen von Zinsen und Entgelten nach Absatz 3 mitteilen. Bei einer Erhöhung kann der Kunde, sofern nichts anderes vereinbart ist, die davon betroffene Geschäftsbeziehung innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe der Änderung mit sofortiger Wirkung kündigen. Kündigt der Kunde, so werden die erhöhten Zinsen und Entgelte für die gekündigte Geschäftsbeziehung nicht zugrunde gelegt. Die Bank wird zur Abwicklung eine angemessene Frist einräumen. (5) Auslagen. Die Bank ist berechtigt, dem Kunden Auslagen in Rechnung zu stellen, die anfallen, wenn die Bank in seinem Auftrag oder seinem mutmaßlichen Interesse tätig wird (insbesondere für Ferngespräche, Porti) oder wenn Sicherheiten bestellt, verwaltet, freigegeben oder verwertet werden (insbesondere Notarkosten, Lagergelder, Kosten der Bewachung von Sicherungsgut). (6) Besonderheiten bei Verbraucherdarlehensverträgen. Bei Kreditverträgen, die nach § 492 des Bürgerlichen Gesetzbuches der Schriftform bedürfen, richten sich die Zinsen und die Kosten (Entgelte, Auslagen) nach den Angaben in der Vertragsurkunde. Fehlt die Angabe eines Zinssatzes, gilt der gesetzliche Zinssatz; nicht angegebene Kosten werden nicht geschuldet (§ 494 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Bei Überziehungskrediten nach § 493 des Bürgerlichen Gesetzbuches richtet sich der maßgebliche Zinssatz nach dem Preisaushang und den Informationen, die die Bank dem Kunden übermittelt.
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
85
Die entsprechenden Regelungen der AGB-Sparkassen lauten: Nr. 17. – Entgelte, Kosten, Auslagen. (1) Entgelt-Berechtigung. Die Sparkasse ist berechtigt, für ihre Leistungen Entgelte, insbesondere Zinsen und Provisionen, vom Kunden zu verlangen. Dies gilt auch für Leistungen, die zusätzlich zu einer üblichen Grundleistung im Auftrag oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag im Interesse des Kunden erbracht oder im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung mit ihm erforderlich werden (zum Beispiel bei der Verwaltung von Sicherheiten). (2) Festsetzung und Ausweis der Entgelte. Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden die Entgelte im Privat- und Geschäftskundenbereich von der Sparkasse unter Berücksichtigung der Marktlage (zum Beispiel Veränderung des allgemeinen Zinsniveaus) und des Aufwandes nach gemäß § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches nachprüfbarem billigen Ermessen festgelegt und geändert. Für typische, regelmäßig vorkommende Bankleistungen gelten die im Preisaushang, ergänzend im Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesenen Entgelte, und zwar die der jeweils geltenden Fassung. Für dort nicht aufgeführte Leistungen, die nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind, werden angemessene Entgelte gemäß Satz 1 berechnet. Der Kunde kann die Vorlage einer Abrechnung verlangen. Werden Zinsen oder sonstige Entgelte erhöht, kann der Kunde die davon betroffene Geschäftsbeziehung innerhalb von sechs Wochen seit Bekanntgabe mit sofortiger Wirkung kündigen. Im Falle der Kündigung wird die Erhöhung nicht wirksam. Eine Kreditkündigung des Kunden gilt jedoch als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zweier Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt. (3) Kosten und Auslagen. Dem Kunden können alle im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung entstehenden Kosten und Auslagen in Rechnung gestellt werden, die die Sparkasse für erforderlich halten durfte und die über die allgemeinen Geschäftskosten hinausgehen (zum Beispiel für Versicherungen, Steuern, Briefporto, Ferngespräche, Telegramme und Fernschreiben). Dies gilt auch für die Bestellung, Verwaltung und Verwertung oder Freigabe von Sicherheiten (zum Beispiel Lagergelder, Kosten der Beaufsichtigung und Instandhaltung, Versicherungsprämien, Provisionen, Rechtsanwalts- und Prozesskosten). Nr. 18. – Überziehungszinsen. Für Inanspruchnahmen des Kontos, die nicht durch ein Guthaben oder einen eingeräumten Kreditrahmen gedeckt sind (geduldete Kontoüberziehungen), sind die im Preisaushang aufgeführten Überziehungszinsen zu zahlen. Dies gilt auch für Geschäftskunden.
I. Einleitung; Inhaltskontrolle von Bankentgeltklauseln. Die Kosten für die Bankdienstleistungen sind in allgemeiner Form in Nr. 12 geregelt. Dabei werden jedoch keine konkreten Entgelte oder Zinsen für bestimmte Produkte zugrunde gelegt. Diese Aufgabe übernimmt das durch Nr. 12 I in Bezug genommene „Preis- und Leistungsverzeichnis“. Zur Inhaltskontrolle von Entgeltforderungen zu einzelnen Produkten hat sich eine umfangreiche Kasuistik entwickelt, bei der zum einen die Frage im Mittelpunkt steht, ob es sich um eine nach § 307 III BGB kontrollfreie Hauptleistungspflicht oder um eine kontrollfähige Preisnebenabrede handelt (vgl. dazu bereits oben Rn. 6). Eine klare, generell subsumptionsfähige Linie hat sich insoweit bisher noch nicht herausgebildet (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/105; zu den Einzelheiten vgl. unten § 13 Rn 17; guter und kritischer Überblick auch bei Bitter, ZBB 2007, 237 (240 ff.); tabellarisch ferner Bunte, AGB-Banken Rn. 287; zusammenfassend Nobbe, WM 2008, 185 ff.). Dabei ist maßgeblich danach zu fragen, ob es sich bei den entgeltpflichtigen Leistungen nicht bereits um eine dem Kunden geschuldete Leistung handelt. Dies hat der Bundesgerichtshof z. B. für ein Entgelt auf Barein- und -auszahlungen auf das eigene Konto angenommen (BGHZ 124, 254). Eine unangemessene Benachteiligung kann auch dann vorliegen, wenn die Bank ein Entgelt für eine gesetzlich vorgeschriebene Leistung wie das Verwalten von
Casper
67
86
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Freistellungsaufträgen (BGH NJW 1997, 2752) oder die Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen (BGHZ 141, 380 ff.; BGH ZIP 2000, 16; OLG Düsseldorf ZIP 1998, 1580; OLG Köln WM 1999, 633) oder die Übertragung von Wertpapieren in ein anderes Depot (BGHZ 161, 189 ff.) verlangt. Ebenfalls wird die Gebührenpflicht für die Rückgabe von Schecks bzw. Lastschriften mangels Deckung für unwirksam erachtet (BGH NJW 2005, 1645 (1647)). Auch interne Anweisungen zur Abrechnung werden unter Rückgriff auf § 306a BGB den §§ 305 ff. BGB unterworfen, soweit mit ihnen eine als AGB unzulässige Regelung umgangen werden soll (vgl. bereits Rn. 4 sowie BGH NJW 2005, 1645 (1646); zust. Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/5, II/96). Diese Fragestellungen werden durch Nr. 12 nicht entschieden. Zu den Einzelheiten vgl. § 13 Rn. 3 ff. Ebenfalls keine Vorgaben finden sich in Nr. 12 zu der inzwischen höchstrichterlich geklärten Frage der Wertstellungspraxis (vgl. dazu BGHZ 106, 259; BGH NJW 1997, 2042; BGH NJW 1997, 3168; Überblick unten § 44 Rn. 23). Entsprechendes gilt für die AGB-rechtliche Beurteilung von Zinsberechnungsklauseln, die bei einem Annuitätendarlehen mit monatlicher Ratenzahlung die Zinsleistung für das ganze Jahr noch nach dem Stand des Vorjahres berechnen, bzw. für eine nachschüssige Tilgungsverrechnungsklausel, wonach die Tilgungsleistung der Raten jeweils erst zum Jahresende eintreten soll (verwerfend BGHZ 106, 42 (47); 106, 259 (265); 112, 115 (117 ff.); vgl. näher hierzu unten § 11 Rn. 6 ff.; § 12). 68
II. Zinsen und Entgelte im Privat- und Firmenkundengeschäft (Nr. 12 I und II). Absätze 1 und 2 der Nr. 12 unterscheiden zwischen dem Privatkundengeschäft (Nr. 12 I) und zwischen Leistungen außerhalb dieses Bereichs (Nr. 12 II). Ein Anspruch auf Zinsen oder Entgelt für erbrachte Dienstleistungen folgt bereits aus dem konkreten Vertrag mit dem Kunden (vgl. §§ 488 I 2, 612 BGB). Nr. 12 I bestimmt deshalb auch allein, dass sich die Höhe der geschuldeten Zinsen und Entgelte aus dem „Preisaushang“ und ergänzend aus dem „Preis- und Leistungsverzeichnis“ ergibt. Diese sind ebenfalls Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nr. 12 I 1 hat also lediglich die Funktion, diese Aushänge bzw. Verzeichnisse in den jeweiligen Vertrag mit dem Kunden mit einzubeziehen. Diese Einbeziehung setzt voraus, dass die Voraussetzungen zur Einbeziehung nach § 305 II BGB gewahrt sind, der Kunde also namentlich auf den Preisaushang hingewiesen wird und ihm die Möglichkeit zur Kenntnisnahme eröffnet wird (so auch Kümpel, Rn. 2.320). Nr. 12 I 2 stellt klar, dass auch insoweit der Vorrang der Individualabrede (§ 305 b BGB) gilt. Der Begriff des „Preis- und Leistungsverzeichnisses“ ist mit der Änderung der AGB-Banken zum 1.1.2000 als Reaktion auf den neuen § 675 a BGB eingeführt worden. Das Preis- und Leistungsverzeichnis hat also auch die Aufgabe, über die Entgelte und Auslagen im Überweisungsverkehr sowie über die Ausführungsfristen, Wertstellungszeitpunkte und Referenzkurse zu informieren. Sieht ein Preis- und Leistungsverzeichnis hingegen eine Gebühr für „besondere Leistungen“ vor, ohne diese zu konkretisieren, liegt darin ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (OLG Naumburg DB 2007, 799 f.).
69
Für den relativ seltenen Fall, dass die Höhe des Entgelts für eine bestimmte Leistung weder im Preisaushang noch im Preis- und Leistungsverzeichnis enthalten ist, ordnet Nr. 12 I 3 an, dass der Bank ein Leistungsbestimmungsrecht iSd § 315 BGB zusteht. Angesichts der eng begrenzten Ausnahmefälle, in denen dieses Leistungsbestimmungsrecht zur Anwendung kommt und angesichts des Bedürfnisses nach Rationalisierung bei Massengeschäften im Bankverkehr, ist dieses Leistungsbestimmungsrecht nicht zu beanstanden (BGH NJW 1985, 623 (zu Kfz-Verträgen); Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/ 110; Ulmer/Brandner/Hensen9-Brandner, Anh. §§ 9-11 Rn. 168 m. w. N. in Fn. 79).
70
Außerhalb des Privatkundengeschäfts bestimmt Nr. 12 II, dass mangels ausdrücklicher Vereinbarung sofort das Leistungsbestimmungsrecht der Bank nach § 315 I BGB ein-
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
87
greift. Dies ist mit Blick auf § 354 HGB unproblematisch (Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 11 Rn. 3; krit. Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 111). In der Praxis kommt allerdings auch im Firmenkundengeschäft dem Preisaushang und Preis- oder Leistungsverzeichnis eine wichtige Funktion zu. Soweit diese nicht bereits durch ausdrückliche Vereinbarung den Verträgen mit Firmenkunden zugrunde gelegt werden, kommt ihnen für die Billigkeitskontrolle nach § 315 III BGB indizielle Bedeutung zu (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/111; vgl. auch Herrmann, WM 1987, 1029 und 1057). III. Änderung von Zinsen und Entgelten, Kündigungsrecht (Nr. 12 III, IV). Nr. 12 III 1 bestimmt, dass sich die Änderung von Zinsen bei Kreditverträgen mit veränderlichem Zinssatz nach dem jeweiligen Kreditvertrag regelt. Eine Zinsanpassungsklausel enthält Nr. 12 III also nicht, sie hat vielmehr nur klarstellende Funktion. Soweit die jeweilige Zinsanpassungsklausel in den Kreditverträgen vorformuliert ist, unterliegt sie der Inhaltskontrolle. Derartige Klauseln sind jedoch angesichts der wechselnden Verhältnisse an den Refinanzierungsmärkten sachlich gerechtfertigt (BGHZ 97, 212; BGH WM 1999, 2545; WM 2005, 2335; OLG Celle WM 1991, 1025; von der Linden, WM 2008, 195 (197 ff.); krit. z.B. Herrmann, WM 1987, 1029 und 1057). Voraussetzung ist jedoch, dass die Klauseln genaue Anpassungsmaßstäbe enthalten. Die Ausübung einer Anpassungsklausel unterliegt der Kontrolle nach § 315 III BGB. Ferner müssen derartige Klauseln reziprok ausgestaltet sein, also auch eine Zinssenkung bei Erniedrigung der Refinanzierungskosten vorsehen. Zur Anpassung von Zinsen infolge eines geänderten Ratings aufgrund von Basel II vgl. etwa Mülbert, WM 2004, 1205 ff.; Langenbucher, in: Hadding/ Hopt/Schimansky (Hrsg.), Internes und externes Rating – Aktuelle Entwicklungen im Recht der Kreditsicherheiten, 2005, S. 63 ff.; Kersting, ZIP 2007, 56 ff.; Casper, in: Pfingsten (Hrsg.), Münsteraner Bankentag 2006, 2007, S. 33 ff. Für sonstige Leistungen der Bank sieht Nr. 12 III 2 ein ausdrückliches Recht zur Anpassung nach § 315 BGB vor. Diese Regelung ist wirksam (ebenso Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/113; im Ergeb. auch v. Westphalen, Rn. 106; krit. wegen des Fehlens der Angabe von Änderungsgründen aber Derleder/Metz, ZIP 1996, 573 (582 ff.)). Neben den bereits zu Nr. 12 I 3 genannten Gründen streitet hierfür auch das in Absatz 4 Satz 2 vorgesehene Kündigungsrecht. Der Vollzug einer wirksamen Änderung setzt nach Absatz 4 Satz 1 zunächst voraus, dass die Änderung dem Kunden mitgeteilt werden muss. Eine besondere Form ist hierfür nicht vorgesehen. Insbesondere genügt die Mitteilung auf dem Kontoauszug. Der Kunde ist gegen die nachträgliche Erhöhung von Zinsen und Entgelten durch ein Kündigungsrecht geschützt, dass ihm Absatz 4 Satz 2 mit sofortiger Wirkung zubilligt. Die Kündigung kann innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe der Änderung erklärt werden. Für den Fristbeginn ist maßgeblich auf den Zugang der Änderungsmitteilung beim Kunden abzustellen. Rechtsfolge einer Kündigung ist es zunächst, dass die erhöhten Zinsen oder Entgelte bis zur Beendigung der Vertragsbeziehung nicht zugrunde gelegt werden (Satz 3). Außerdem muss die Bank für die Abwicklung eine angemessene Frist einräumen (Satz 4). Trotz der Formulierung „wird“ in Satz 4 besteht insoweit eine Pflicht und nicht ein Ermessen (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/115: Pflicht aus § 242 BGB; ebenso Bunte, AGB-Banken Rn. 297). Die Länge der Frist bemisst sich nach den Schwierigkeiten für den Kunden, sich eine neue Finanzierung zu verschaffen und der Bedeutung des konkreten Geschäfts. Die Kündigung erstreckt sich auf „die davon betroffene Geschäftsbeziehung“, also auf die jeweils betroffene Leistungsbeziehung, nicht etwa auf die gesamte Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde. Die Regelung in Nr. 11 IV ist mit § 489 BGB vereinbar, da sie keine Erschwerungen des allgemeinen Kündigungsrechts beim Darlehen bewirkt.
Casper
71
72
88
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
73
IV. Auslagen der Bank. Nr. 12 V sieht einen Aufwendungsersatzanspruch zugunsten der Bank vor, wenn diese im Interesse ihres Kunden gehandelt hat. Diese Regelung ist grundsätzlich unbedenklich, da sich ein vertraglicher Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen bereits aus §§ 675, 670 BGB ergibt (BGH WM 1989, 129; Schebesta/Vortmann, Rn. 106; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/116; Bunte, AGB-Banken Rn. 299). Bedenken könnte man nur insoweit erheben, wie hiermit auch ein Kostenersatz bei der Freigabe von Sicherheiten durchgesetzt werden soll und eine gesonderte Bepreisung unzulässig ist (dafür Bitter, FS Ott, 2002, S. 153, 169 ff., sofern die Entstehung der Kosten von vornherein in Umfang und Höhe absehbar waren). Verallgemeinernd kann man festhalten, dass über Nr. 12 IV nicht solche Entgelte durchgesetzt werden können, deren gesonderte Festsetzung nach § 307 BGB entsprechend den oben in Rn. 67 dargestellten Grundsätzen unzulässig ist. Aufwendungen iSd Absatz 5 liegen nur dann vor, wenn die Bank im Interesse des Kunden eine Geldleistung an einen Dritten erbringt und ein Zusammenhang mit einem Kundenauftrag besteht. Rein kalkulatorische Kosten können also nicht verlangt werden. Auch fallen die Kosten eines Rechtsstreits, den die Bank gegen einen Bürgen des Kunden führt, nicht unter diese Klausel, da hier das Interesse des Kreditinstituts im Vordergrund steht (BGH WM 1989, 129).
74
V. Besonderheiten bei Verbraucherkreditverträgen (Nr. 12 VI). Nr. 12 VI stellt für Verbraucherkreditverträge klar, dass die dort genannten Regeln Vorrang besitzen. Diese Regelung hat allein deklaratorische Bedeutung. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung in den AGB-Sparkassen führt deshalb nicht zu deren Intransparenz (so aber v. Westphalen, Rn. 117). Satz 3 stellt klar, dass die Bank bei Überziehungskrediten iSd § 493 BGB den nach dem Preisaushang maßgeblichen Zinssatz verlangen kann, sofern sie dem Kunden die nach §§ 492, 493 BGB erforderlichen Informationen übermittelt hat.
75
VI. Abweichende Regelungen in Nr. 17, 18 AGB-Sparkassen. Die AGB-Sparkassen regeln die Entgelte und Zinsen in Nr. 17, 18. Die Abweichungen halten sich in Grenzen. Terminologisch sind die AGB-Sparkassen unklarer, da sie in Nr. 17 I 1 den Begriff des Entgelts als Oberbegriff unter Einschluss der Zinsen verwenden, in Nr. 17 II 5 jedoch von „Zinsen oder sonstige Entgelte“ sprechen. Diese undeutliche Terminologie führt jedoch nicht zu einer Intransparenz iSd § 307 BGB (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 117; a. A. v. Westphalen, Rn. 110). Beanstandet wird, dass bei einer Anpassung der Entgelte nach Nr. 17 II 1 AGB-Sparkassen nicht nur die Änderungen am Markt z. B. bei der Refinanzierung, sondern auch „der Aufwand“ berücksichtigt werden kann. Mit diesem unklaren Begriff soll wohl die Berücksichtigung rein innerbetrieblicher Kostenfaktoren erfolgen. Eine Abwälzung des innerbetrieblichen Kostenrisikos auf den Kunden ist aber mit § 307 BGB nicht zu vereinen (ebenso Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 117; v. Westphalen, Rn. 112; BuB-Sonnenhol, Rn. 1/339; HeymannHorn, Anh. § 372 Rn. II/116; a. A. wohl noch Gößmann/Wagner-Wieduwilt-Weber, Rn. 1/339 f.). Dies führt aber nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel, sondern nur dazu, dass der Aufwand nicht berücksichtigt werden darf. Die wohl wichtigste Abweichung enthält Nr. 17 II 7 AGB-Sparkassen, wonach die vom Kunden nach einer Änderung der Konditionen ausgesprochene Kündigung nicht wirksam wird, wenn der Kunde den geschuldeten Betrag nicht binnen zweier Wochen zurückzahlt. Damit greifen die AGB-Sparkassen vergleichbare Regelungen in §§ 489 III, 495 III BGB auf. Ob diese Klausel einer Inhaltskontrolle standhält, hängt davon ab, ob eine Frist von zwei Wochen regelmäßig geeignet ist, die Finanzierung umzuschichten. Berücksichtigt man, dass die Kündigungsfrist von sechs Wochen hinzutritt, wird man dies angesichts der vergleichbaren gesetzlichen Wertung in § 489 III zu bejahen haben, auch wenn dort die Kündigungsfrist doppelt so lang ist (Westermann, WM 1993, 1865 (1872 f.); a. A. v. West-
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
89
phalen, Rn. 102). Auf Bedenken stößt aber, dass Nr. 17 II AGB-Sparkassen keine der Nr. 12 IV 1 AGB-Banken vergleichbare Regelung enthält, wonach dem Kunden die Änderung von Zinsen und Entgelten mitzuteilen wäre. Dies dürfte im Ergebnis aber unschädlich sein, da die auf § 315 BGB gestützte Anpassung des Vertragsinhalts immer einer Mitteilung an den Kunden bedarf. Nr. 2 I 2 AGB-Sparkassen, der den Verzicht auf die Mitteilung von Änderungen der AGB selbst bei unverhältnismäßigen Schwierigkeiten regelt, ist hier nicht einschlägig, da die Mitteilung auf dem Kontoauszug etc. heutzutage ein Leichtes ist. Nr. 18 AGB-Sparkassen ordnet an, dass für geduldete Überziehungen die im Preisaushang angeführten Überziehungszinsen zu zahlen sind. Soweit es sich um geduldete Überziehungen iSd § 493 II BGB handelt, wird die Regelung für unwirksam gehalten, da keine Verpflichtung der Sparkasse zur Mitteilung über die damit verbundenen Kosten vorgesehen ist und die AGB-Sparkassen auch nicht wie Nr. 12 IV AGB-Banken einen Vorrang des Verbraucherkreditrechts vorsehen (so v. Westphalen, Rn. 115). Dem ist entgegenzuhalten, dass § 493 II BGB der Regelung in Nr. 18 AGB-Sparkassen insoweit vorgeht (zustimmend Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 118).
G. Sicherheiten (Nr. 13–17) 13. Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten. (1) Anspruch der Bank auf Bestellung von Sicherheiten. Die Bank kann für alle Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung die Bestellung bankmäßiger Sicherheiten verlangen, und zwar auch dann, wenn die Ansprüche bedingt sind (zum Beispiel Aufwendungsersatzanspruch wegen der Inanspruchnahme aus einer für den Kunden übernommenen Bürgschaft). Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank übernommen (zum Beispiel als Bürge), so besteht für die Bank ein Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten im Hinblick auf die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld jedoch erst ab ihrer Fälligkeit. (2) Veränderungen des Risikos. Hat die Bank bei der Entstehung von Ansprüchen gegen den Kunden zunächst ganz oder teilweise davon abgesehen, die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten zu verlangen, kann sie auch später noch eine Besicherung fordern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche gegen den Kunden rechtfertigen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn – sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder sich zu verändern drohen, oder – sich die vorhandenen Sicherheiten wertmäßig verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen. Der Besicherungsanspruch der Bank besteht nicht, wenn ausdrücklich vereinbart ist, dass der Kunde keine oder ausschließlich im Einzelnen benannte Sicherheiten zu bestellen hat. Bei Verbraucherdarlehensverträgen besteht ein Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nur, soweit die Sicherheiten im Kreditvertrag angegeben sind; wenn der Nettokreditvertrag 50.000 Euro übersteigt, besteht der Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung auch dann, wenn der Kreditvertrag keine oder keine abschließenden Angaben über Sicherheiten enthält. (3) Fristsetzung für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten. Für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten wird die Bank eine angemessene Frist einräumen. Beabsichtigt die Bank, von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung nach Nr. 19 Absatz 3 dieser Geschäftsbedingungen Gebrauch zu machen, falls der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht fristgerecht nachkommt, wird sie ihn zuvor hierauf hinweisen.
Casper
76
90
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
14. Vereinbarung eines Pfandrechts zugunsten der Bank. (1) Einigung über das Pfandrecht. Der Kunde und die Bank sind sich darüber einig, dass die Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen erwirbt, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird. Die Bank erwirbt ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder künftig zustehen werden (zum Beispiel Kontoguthaben). (2) Gesicherte Ansprüche. Das Pfandrecht dient der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Bank mit ihren sämtlichen in- und ausländischen Geschäftsstellen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen. Hat der Kunde gegenüber der Bank eine Haftung für Verbindlichkeiten eines anderen Kunden der Bank übernommen (zum Beispiel als Bürge), so sichert das Pfandrecht die aus der Haftungsübernahme folgende Schuld jedoch erst ab ihrer Fälligkeit. (3) Ausnahmen vom Pfandrecht. Gelangen Gelder oder andere Werte mit der Maßgabe in die Verfügungsgewalt der Bank, dass sie nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden dürfen (zum Beispiel Bareinzahlung zur Einlösung eines Wechsels), erstreckt sich das Pfandrecht der Bank nicht auf diese Werte. Dasselbe gilt für die von der Bank selbst ausgegebenen Aktien (eigene Aktien) und für die Wertpapiere, die die Bank im Ausland für den Kunden verwahrt. Außerdem erstreckt sich das Pfandrecht nicht auf die von der Bank selbst ausgegebenen eigenen Genussrechte/Genussscheine und nicht auf die verbrieften und nicht verbrieften nachrangigen Verbindlichkeiten der Bank. (4) Zins- und Gewinnanteilscheine. Unterliegen dem Pfandrecht der Bank Wertpapiere, ist der Kunde nicht berechtigt, die Herausgabe der zu diesen Papieren gehörenden Zins- und Gewinnanteilscheine zu verlangen. 15. Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln. (1) Sicherungsübereignung. Die Bank erwirbt an den ihr zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln im Zeitpunkt der Einreichung Sicherungseigentum. An diskontierten Wechseln erwirbt die Bank im Zeitpunkt des Wechselankaufs uneingeschränktes Eigentum; belastet sie diskontierte Wechsel dem Konto zurück, so verbleibt ihr das Sicherungseigentum an diesen Wechseln. (2) Sicherungsabtretung. Mit dem Erwerb des Eigentums an Schecks und Wechseln gehen auch die zugrunde liegenden Forderungen auf die Bank über; ein Forderungsübergang findet ferner statt, wenn andere Papiere zum Einzug eingereicht werden (zum Beispiel Lastschriften, kaufmännische Handelspapiere). (3) Zweckgebundene Einzugspapiere. Werden der Bank Einzugspapiere mit der Maßgabe eingereicht, dass ihr Gegenwert nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden darf, erstrecken sich die Sicherungsübereignung und die Sicherungsabtretung nicht auf diese Papiere. (4) Gesicherte Ansprüche der Bank. Das Sicherungseigentum und die Sicherungsabtretung dienen der Sicherung aller Ansprüche, die der Bank gegen den Kunden bei Einreichung von Einzugspapieren aus seinen Kontokorrentkonten zustehen oder die infolge der Rückbelastung nicht eingelöster Einzugspapiere oder diskontierter Wechsel entstehen. Auf Anforderung des Kunden nimmt die Bank eine Rückübertragung des Sicherungseigentums an den Papieren und der auf sie übergegangenen Forderungen an den Kunden vor, falls ihr im Zeitpunkt der Anforderung keine zu sichernden Ansprüche gegen den Kunden zustehen oder sie ihn über den Gegenwert der Papiere vor deren endgültiger Bezahlung nicht verfügen lässt. 16. Begrenzung des Besicherungsanspruchs und Freigabeverpflichtung. (1) Deckungsgrenze. Die Bank kann ihren Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten so lange geltend machen, bis der realisierbare Wert aller Sicherheiten dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (Deckungsgrenze) entspricht. (2) Freigabe. Falls der realisierbare Wert aller Sicherheiten die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend übersteigt, hat die Bank auf Verlangen des Kunden Sicherheiten nach ihrer Wahl
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
91
freizugeben, und zwar in Höhe des die Deckungsgrenze übersteigenden Betrages; sie wird bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers, der für die Verbindlichkeiten des Kunden Sicherheiten bestellt hat, Rücksicht nehmen. In diesem Rahmen ist die Bank auch verpflichtet, Aufträge des Kunden über die dem Pfandrecht unterliegenden Werte auszuführen (zum Beispiel Verkauf von Wertpapieren, Auszahlung von Sparguthaben). (3) Sondervereinbarungen. Ist für eine bestimmte Sicherheit ein anderer Bewertungsmaßstab als der realisierbare Wert oder ist eine andere Deckungsgrenze oder ist eine andere Grenze für die Freigabe von Sicherheiten vereinbart, so sind diese maßgeblich. 17. Verwertung von Sicherheiten. (1) Wahlrecht der Bank. Wenn die Bank verwertet, hat die Bank unter mehreren Sicherheiten die Wahl. Sie wird bei der Verwertung und bei der Auswahl der zu verwertenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden und eines dritten Sicherungsgebers, der für die Verbindlichkeiten des Kunden Sicherheiten bestellt hat, Rücksicht nehmen. (2) Erlösgutschrift nach dem Umsatzsteuerrecht. Wenn der Verwertungsvorgang der Umsatzsteuer unterliegt, wird die Bank dem Kunden über den Erlös eine Gutschrift erteilen, die als Rechnung für die Lieferung der als Sicherheit dienenden Sache gilt und den Voraussetzungen des Umsatzsteuerrechts entspricht.
Die entsprechenden Regelungen in den AGB-Sparkassen lauten: Nr. 21. – Pfandrecht, Sicherungsabtretung. (1) Umfang. Der Kunde räumt hiermit der Sparkasse ein Pfandrecht ein an Werten jeder Art, die im bankmäßigen Geschäftsverkehr durch den Kunden oder durch Dritte für seine Rechnung in ihren Besitz oder ihre sonstige Verfügungsmacht gelangen. Zu den erfassten Werten zählen sämtliche Sachen und Rechte jeder Art (Beispiele: Waren, Devisen, Wertpapiere einschließlich der Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine, Sammeldepotanteile, Bezugsrechte, Schecks, Wechsel, Konnossemente, Lager- und Ladescheine). Erfasst werden auch Ansprüche des Kunden gegen die Sparkasse (zum Beispiel aus Guthaben). Forderungen des Kunden gegen Dritte sind an die Sparkasse abgetreten, wenn über die Forderungen ausgestellte Urkunden im bankmäßigen Geschäftsverkehr in die Verfügungsmacht der Sparkasse gelangen. (2) Ausnahmen. Gelangen Gelder oder andere Werte mit der ausdrücklichen Zweckbestimmung für eine bestimmte Verwendung in die Verfügungsmacht der Sparkasse (zum Beispiel Bareinzahlung zur Einlösung eines Schecks, Wechsels oder Ausführung einer bestimmten Überweisung), so erstreckt sich das Pfandrecht der Sparkasse nicht auf diese Werte. Im Ausland verwahrte Wertpapiere unterliegen – vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung – nicht dem Pfandrecht. Dasselbe gilt für die von der Sparkasse selbst ausgegebenen Genussrechte/ Genussscheine und für Ansprüche des Kunden aus nachrangigem Haftkapital (zum Beispiel nachrangig haftende Inhaberschuldverschreibung). (3) Gesicherte Ansprüche. Das Pfandrecht sichert alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten, auch gesetzlichen Ansprüche der Sparkasse gegen den Kunden, die sie im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung erwirbt. Das Pfandrecht sichert auch Ansprüche der Sparkasse gegen Dritte, für deren Erfüllung ihr der Kunde persönlich haftet. Ansprüche gegen Kunden aus von diesen für Dritte übernommenen Bürgschaften werden erst ab deren Fälligkeit gesichert. (4) Geltendmachung des Pfandrechts. Die Sparkasse darf die dem AGB-Pfandrecht unterliegenden Werte nur bei einem berechtigten Sicherungsinteresse zurückhalten. Ein solches besteht insbesondere unter den Voraussetzungen des Nachsicherungsrechts gemäß Nr. 22. (5) Verwertung. Die Sparkasse ist zur Verwertung dieser Werte berechtigt, wenn der Kunde seinen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit und trotz Mahnung mit angemessener Nachfrist und einer Androhung der Verwertung entsprechend § 1234 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch nicht nachkommt. Unter mehreren Sicherheiten hat die Sparkasse die Wahl. Bei der Auswahl und Verwertung wird die Sparkasse auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen.
Casper
92
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Die Sparkasse hat das Recht, Verwertungserlöse, die nicht zur Befriedigung sämtlicher Forderungen ausreichen, nach ihrem billigen Ermessen zu verrechnen. Die Sparkasse wird dem Kunden erteilte Gutschriften über Verwertungserlöse so gestalten, dass sie als Rechnungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts anzusehen sind. Nr. 22. – Nachsicherung und Freigabe. (1) Nachsicherungsrecht. Die Sparkasse kann vom Kunden die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten für seine Verbindlichkeiten verlangen, wenn sich aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände, zum Beispiel aufgrund einer Verschlechterung oder drohenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, eines Mithaftenden oder Bürgen oder des Werts bestehender Sicherheiten, eine Veränderung der Risikolage ergibt. (2) Freigabe-Verpflichtung. Die Sparkasse ist auf Verlangen zur Freigabe von Sicherheiten nach ihrer Wahl verpflichtet, soweit der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der Sparkasse nicht nur vorübergehend um mehr als 10 v. H. übersteigt. Diese Deckungsgrenze erhöht sich um den jeweils aktuellen Umsatzsteuersatz, soweit die Sparkasse im Verwertungsfall mit der Abführung der Umsatzsteuer aus Verwertungserlösen belastet ist. Die Sparkasse wird bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Nr. 25. – Sicherungsrechte im Einzugsgeschäft. (1) Sicherungseigentum. Mit der Einreichung von Schecks und Wechseln zum Einzug überträgt der Kunde der Sparkasse das Sicherungseigentum an den Papieren für den Fall, dass das Einzugspapier nicht eingelöst wird und der Sparkasse aufgrund von Vorausverfügungen des Kunden im Hinblick auf das Einzugsgeschäft Ansprüche gegen den Kunden zustehen, und zwar bis zum Ausgleich dieser Ansprüche. Mit dem Erwerb des Sicherungseigentums gehen auch die zugrunde liegenden Forderungen auf die Sparkasse über. (2) Sicherungsabtretung. Werden andere Papiere zum Einzug eingereicht (zum Beispiel Lastschriften, kaufmännische Handelspapiere), so gehen die zugrunde liegenden Forderungen unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auf die Sparkasse über.
77
I. Überblick. Die Nr. 13–17 regeln eine Kernmaterie des Bankgeschäfts von hoher praktischer Relevanz. Die Grundregel findet sich in Nr. 13 I, wonach die Bank für Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (vgl. dazu BGHZ 101, 29 (34)) gegen ihre Kunden Sicherheiten verlangen kann. Dass ein derartiger Anspruch im Grundsatz angemessen ist, wird allgemein anerkannt (BGH WM 1981, 150 f.). Während Nr. 13 I einen Anspruch auf Sicherheiten begründet, regelt Nr. 13 II die Voraussetzungen, unter denen eine Verstärkung von Sicherheiten verlangt werden kann. Die spiegelbildliche Vorschrift auf Freigabe von Sicherheiten bei Überschreiten der Deckungsgrenze, die Gegenstand zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen und einer teils leidenschaftlichen Debatte im Schrifttum war (vgl. bspw. Canaris, ZIP 1997, 813; Serick, BB 1998, 801; näher dazu Rn. 94 ff. und unter § 23 Rn 56 ff.), findet sich in Nr. 16. Während Nr. 13 nur eine Pflicht zur Bestellung von Sicherheiten regelt, begründen Nr. 14 und Nr. 15 ein Pfandrecht an Wertpapieren oder Sachen des Kunden, die die Bank im Besitz hat, bzw. Sicherungsrechte an Schecks oder Wechseln, die der Bank zum Einzug oder zum Diskont überreicht werden. Nr. 17 regelt die Verwertung von Sicherheiten. Nr. 19 III 2 Alt. 3 gewährt der Bank überdies ein Recht zur fristlosen Kündigung, wenn der Kunde seiner Pflicht zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten aus Nr. 13 nicht nachkommt.
78
II. Anspruch auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten (Nr. 13). 1. Bestellung von Sicherheiten. Nr. 13 I Satz 1 beschränkt das Recht der Bank auf die Bestellung von Sicherheiten auf Ansprüche aus einer bankmäßigen Geschäftsverbindung. Auszuscheiden haben solche Ansprüche gegen den Kunden, welche die Bank zufällig oder ohne inneren Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zum Kunden erwirbt. Zu
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
93
nennen sind etwa deliktische Ansprüche ohne Bezug zu einem Vertrag zwischen Kunden und Bank (BGHZ 101, 29 (34); Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 18 Rn. 5). Hat die Bank jedoch aufgrund einer unwirksamen Sicherungsübereignung eines Warenlagers Besitz an den Waren erlangt, so soll der Besitz aus einer bankmäßigen Geschäftsbeziehung entstanden sein (so BGHZ 128, 295; dazu zu Recht krit. Köndgen, NJW 1996, 558 (564)). Zu Ansprüchen aus bankmäßiger Geschäftsverbindung zählen auch bedingte oder künftige Ansprüche. Ferner kann nur die Bestellung „bankmäßiger Sicherheiten“ verlangt werden. Dazu gehören alle im Bankgeschäft nicht ganz unüblichen Sicherungsmittel, wobei stets gewährleistet sein muss, dass eine rasche und leichte Verwertung möglich sein muss (vgl. BGHZ 33, 389 (394); BGH NJW 1990, 1356 (1358)). Auszuscheiden haben deshalb das Faustpfandrecht und die Sicherungsabtretung von nicht marktgängigen Rechten wie Patenten oder nicht fungiblen Unternehmensbeteiligungen. Es ist Bank und Kunde freilich unbenommen, individualvertraglich derartige Sicherheiten zu bestellen. Weiterhin stellt Absatz 2 S. 4 klar, dass eine Individualabrede, wonach der Kunde keine oder nur ganz bestimmte Sicherheiten zu bestellen hat, die Anwendung der Nr. 13 ausschließt. Mit Blick auf § 305 b BGB wird man trotz des Erfordernisses einer ausdrücklichen Abrede in Satz 4 auch die konkludente Vereinbarung oder den Ausschluss von Sicherheiten genügen lassen müssen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 18 Rn. 22; v. Westphalen, Rn. 123; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 119). Liegt eine derartige Individualabrede nicht vor, kann die Bank keine bestimmten Sicherheiten verlangen, sondern muss dem Kunden die Auswahl aus mehreren bankmäßigen Sicherheiten überlassen. Für Verbraucherkredite mit einem Nettokreditbetrag bis zu EUR 50.000 stellt Nr. 13 II 5 weiterhin klar, dass die Bestellung oder Verstärkung der Sicherheiten nur verlangt werden kann, soweit diese im Kreditvertrag angegeben sind. Damit wird dem Erfordernis der §§ 492 I 5 Nr. 7, 494 II 6 BGB Rechnung getragen. Hat der Kunde nur eine Haftungsübernahme (insbesondere eine Bürgschaft) für einen anderen Kunden der Bank übernommen, stellt Nr. 13 I 2 klar, dass der Anspruch aus Satz 1 erst eingreift, wenn die Bürgschaftsschuld fällig geworden ist. Damit wurde der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 92, 295 (300); BGH WM 1989, 129 (131)) Rechnung getragen, wonach es nicht dem Leitbild der Bürgschaft entspricht, dass der Bürge zusätzliche Sicherheiten stellen muss, bevor er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werden kann. Die jetzige Regelung ist deshalb unbedenklich (Bunte, AGB-Banken Rn. 306; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/121; krit. aber weiterhin Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 119, 245; ablehnend Krings ZBB 1992, 326 (331)).
79
2. Verstärkung von Sicherheiten bei Veränderung des Risikos. Hat die Bank zunächst bei Entstehung des zu sichernden Anspruchs auf ihr Recht, Sicherheit zu verlangen, ganz oder teilweise verzichtet, so kann sie den Kunden später nicht damit überraschen, dass sie nun doch noch Sicherheiten verlangt. Nr. 13 II 1 bis 3 stellt klar, dass eine erstmalige Bestellung von Sicherheiten oder eine Verstärkung von zunächst ungenügenden Sicherheiten nur bei einer erhöhten Risikobewertung der Ansprüche gegen den Kunden verlangt werden kann, wenn der Kredit zunächst ohne genügende Sicherheiten ausgereicht worden war. Satz 3 nennt zwei nicht abschließende Beispiele für eine erhöhte Risikobewertung, zum einen die (drohende) Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden und zum anderen die wertmäßige Verschlechterung der bereits bestellten Sicherheiten. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist nicht mit derjenigen in Nr. 19 III identisch, die zur außerordentlichen Kündigung (vgl. dazu unten Rn. 111) berechtigt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 18 Rn. 19). Dabei hat man darauf abzustellen, ob die Bank bei Kenntnis der jetzigen Umstände gleichwohl den Kredit ohne oder mit zu geringen Sicherheiten ausgegeben hätte, wobei von einer objektiven
80
Casper
94
81
82
83
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Betrachtung auszugehen ist. Eine vorsichtigere Geschäftspolitik bei objektiv unveränderter Risikolage genügt also nicht (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/122). Nicht unbedenklich ist Abs. 2 Satz 4, wonach der Anspruch auf Nachbesicherung nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde, obwohl eine konkludente Einigung ebenfalls genügt (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 119; a. A. – letztlich unbedenklich – Bunte, AGB-Banken Rn. 315). Unklar ist, ob eine Verstärkung der Sicherheiten auch dann verlangt werden kann, wenn die Bank die Umstände bei Abschluss des Kreditvertrags und Auszahlung der Valuta nur falsch eingeschätzt hatte und diese Fehleinschätzung erst später bemerkt, ohne dass objektiv betrachtet eine Änderung der Risikosituation eingetreten wäre. Stellt man darauf ab, dass Nr. 13 II den Kunden vor der überraschenden Nachforderung von Sicherheiten schützen soll, wird man zu differenzieren haben. Hätte die Bank die wirkliche Risikosituation bei gehöriger Prüfung der Sachlage erkennen können, ist ein Anspruch auf Verstärkung der Sicherheiten ausgeschlossen. Dabei wird man annehmen können, dass nur die grobfahrlässige Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Situation des Kunden einen Anspruch auf Nachsicherung ausschließt. Entsprechendes gilt, wenn die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse bereits bei Begründung der Verbindlichkeit absehbar war und die Bank hiervor quasi die Augen verschlossen hat (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 119; zust. Bunte, AGB-Banken Rn. 314). Bei einer leicht fahrlässigen bzw. einer unvermeidbaren Fehleinschätzung ist ein Anspruch auf Verstärkung der Sicherheiten hingegen nicht ausgeschlossen. 3. Frist für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten (III). Nr. 13 III billigt dem Kunden eine angemessene Frist zur Bestellung der Sicherheiten zu. Dies folgt bereits aus der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme, die Ausfluss der Interessenwahrungspflicht der Bank ist. Die Bestimmung einer angemessenen Frist kann nur von den Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht werden und muss berücksichtigen, dass die aus der Nichteinhaltung resultierende Kündigungsmöglichkeit eine einschneidende Rechtsfolge darstellt. Eine Frist von acht bis vierzehn Tagen ist dabei als absolute Untergrenze anzusehen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 18 Rn. 29; v. Westphalen, Rn. 125). Satz 2 der Nr. 13 III stellt überdies klar, dass die Bank den Kunden darauf hinweisen muss, wenn sie beabsichtigt, das aus Nr. 19 III folgende Recht zur fristlosen Kündigung auszuüben, das ihr dann zusteht, wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht nachkommt. Hierdurch wird dem Kunden eine letzte Nachfrist eingeräumt. 4. Abweichungen in Nr. 22 I AGB-Sparkassen. Erheblich knapper ist die vergleichbare Regelung in Nr. 22 I AGB-Sparkassen. Diese Regelung beschränkt sich darauf, einen Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten anzuordnen, wenn sich aufgrund nachträglich eingetretener oder der Sparkasse bekannt gewordener Umstände eine Änderung der Risikolage ergibt (krit. dazu Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 120; v. Westphalen, Rn. 126). Diese sehr allgemein gehaltene Formulierung von nachträglich bekannt gewordenen Umständen ist aus den oben genannten Gründen (Rn. 81) einschränkend dahin auszulegen, dass die Sparkassen diese nicht erkennen konnte (zust. Bunte, AGB-Banken Rn. 319). Das Fehlen eines Hinweises auf den Vorrang von Individualabreden und die Besonderheiten bei Verbraucherkreditverträgen ist unproblematisch, da sich dieser Vorrang bereits aus dem Gesetz ergibt (a. A. v. Westphalen, Rn. 127 f., der insoweit einen Verstoß gegen das Transparenzgebot sieht; ähnlich Bunte, AGB-Banken Rn. 319 aber unter Rückgriff auf § 307 II Nr. 1 BGB; wie hier jetzt auch Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 120).
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
95
III. Begründung eines Pfandrechts (Nr. 14). 1. Vereinbarung eines Pfandrechts (N 14 I). Nr. 14 I 1 enthält die antizipierte Einigung über die Bestellung eines Pfandrechts gem. §§ 1205, 1275 BGB an den Wertpapieren und Sachen, die innerhalb des bankmäßigen Geschäftsverkehrs in den Besitz einer inländischen Geschäftsstelle der Bank gelangen. Die Rechtsprechung hat eine derartige vorweggenommene Einigung über die Bestellung eines Pfandrechts mit dem AGB-Recht für vereinbar gehalten, sofern die Sachen oder Wertpapiere mit dem Willen des Kunden in die Verfügungsgewalt der Bank geraten sind (BGHZ 93, 75; 128, 295 (300)). Letzteres ist nunmehr mit dem Erfordernis „innerhalb des bankmäßigen Geschäftsverkehrs“ ausdrücklich zur Voraussetzung für die Einigung zwischen Bank und Kunde erhoben worden. Die Klausel scheitert auch nicht an der fehlenden Erwähnung des Anzeigeerfordernisses nach § 1280 BGB bzw. des Zustimmungserfordernisses nach § 1274 I 1 BGB, § 68 II AktG bei vinkulierten Namensaktien. Diese Erfordernisse müssen gesondert erfüllt sein, Nr. 14 I ersetzt sie nicht (Canaris, Rn. 2661; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/127). Entsprechendes gilt bei Orderpapieren für das Erfordernis eines Indossaments nach § 1292 BGB, Art. 14 WG. Ist die zu sichernde Forderung ein Verbraucherkreditvertrag, so stellt sich die Frage, ob wegen §§ 492 I 5 Nr. 7, 494 II 6 BGB kein Pfandrecht entsteht. Dies ist mit Blick auf den Schutzzweck des § 492 I 5 Nr. 7 BGB zu bejahen; die Sicherheiten müssen vielmehr konkret benannt werden, eine bloße Bezugnahme auf Nr. 13 AGB-Banken reicht nicht aus (v. Westphalen, Rn. 133; MünchKommBGB-Ulmer, § 494 Rn. 73 m. w. N.; Ulmer/Brandner/ Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 122; a. A. BuB-Gößmann, Rn. 1/389; HeymannHorn, Anh. § 372 Rn. II/126, der eine Entstehung bei einem ausdrücklichen Hinweis auf Nr. 14 für möglich hält).
84
Als Sicherungsgegenstände nennt Satz 1 Sachen und Wertpapiere. Voraussetzung ist, dass eine inländische Geschäftsstelle hieran Besitz erlangt hat. Die Begrenzung auf inländische Geschäftsstellen ist Ausdruck der lex rei sitae. Für die Anwendung der Nr. 14 genügt auch der Erwerb mittelbaren Besitzes. Dies erlangt vor allem bei Wertpapieren, bei denen die Einzelverbriefung ausgeschlossen ist, Bedeutung. Hier entsteht das Pfandrecht auf Grund mittelbaren Mitbesitzes an der Globalurkunde (näher zur Besitzkonstruktion bei Globalurkunden sowie zu einem möglichen Verzicht Baumbach/Hefermehl/Casper WG/SchG, 23. Aufl. 2007, WPR Rn. 94, 97). Aber auch beim Scheckinkasso spielt das Pfandrecht eine Rolle (Baumbach/Hefermehl/Casper WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 23 SchG Rn. 9, Art. 28 Rn. 41). Kein Pfandrecht entsteht jedoch an Sachen oder Wertpapieren im Schließfach des Kunden, da die Bank an dessen Inhalt keinen Besitz erlangt (Canaris, Rn. 2228; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/128); ebenfalls nicht an Wechseln, die der Bank zum Diskont eingereicht werden, deren Diskontierung die Bank jedoch ablehnt (Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 11 WG Rn. 33). Satz 2 erstreckt das Pfandrecht auch auf das Kontoguthaben des Kunden bei der Bank selbst. Dieses praktisch bedeutsame Pfandrecht an einer eigenen Schuld ist möglich (RGZ 116, 198 (207); BGHZ 93, 71 (76); Soergel-Habersack, § 1279 Rn. 2) und AGB-rechtlich wirksam. Der Vorteil für die Bank liegt im Bereich der Kontopfändung. Pfändet ein dritter Gläubiger des Kunden das Kontoguthaben, so erwirbt er nur ein dem vertraglichen Pfandrecht der Bank nachrangiges Pfändungspfandrecht in der Insolvenz. Nur soweit die Bank nach der Pfändung durch neue Geschäfte Forderungen gegen den Kunden begründet, ist ihr auf Nr. 14 gestütztes Pfandrecht gem. § 357 HGB gegenüber dem Pfändungspfandrecht nachrangig. Ein Pfandrecht nach Nr. 14 ist in der Insolvenz des Kunden jedoch nicht in jedem Fall eine kongruente Sicherheit. Es ist der Anfechtung nach § 131 I Nr. 1 InsO unterworfen. Zahlungseingänge von Dritten innerhalb der letzten drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrages sind grundsätzlich als inkongruente Sicherheit anfechtbar
85
Casper
96
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
(BGHZ 150, 122 (126 f.); BGH WM 2002, 2369 (2372); BGH WM 2004, 666 (669); BuB-Gößmann, Rn. 1/389a; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/132). Kongruent sind hingegen Zahlungseingänge, bei denen die Bank den Schuldner verfügen lässt oder ihm eine Kreditlinie offen hält. 86
2. Sicherungszweck (Nr. 14 II). Das AGB-Pfandrecht dient nach Absatz 2 S. 1 der Sicherung aller bestehenden, künftigen oder bedingten Ansprüche des Kunden gegenüber seiner Bank. Hat der Kunde gegenüber einem anderen Kunden der Bank die Haftung übernommen, so wird nach Satz 1 das Pfandrecht jedoch erst dann begründet, wenn die Bürgschaftsschuld etc. fällig geworden ist. Damit wird der neueren Rechtsprechung Rechnung getragen, die die weite Sicherungszweckerklärung bei der Haftung für fremde Verbindlichkeiten für überraschend hält (vgl. näher zum Ganzen unten § 23 Rn. 85 ff.). Die so formulierte weite Sicherungszweckerklärung in Nr. 14 II ist deshalb AGB-rechtlich unbedenklich (zum Sonderfall der Komplementärhaftung in der GmbH & Co. KG vgl. noch Rn. 89). Gleiches gilt für die sog. Filialklausel in Satz 2, wonach das Pfandrecht auch die Ansprüche ausländischer Filialen der Bank besichert (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/134; ausführlich zum Ganzen Bunte, AGB-Banken Rn. 343 f.).
87
3. Ausnahme vom Pfandrecht (Nr. 14 III). Das Pfandrecht nach Nr. 14 kann zum einen durch gesonderte vertragliche Abrede ausgeschlossen werden (dazu s. etwa BGH WM 1974, 155 (157)). Daneben enthält Nr. 14 III fünf Ausnahmen: Nach Satz 1 sind erstens solche Werte ausgenommen, die der Bank vom Kunden mit einer besonderen Zweckbindung zugeleitet werden. Neben der in Absatz 3 beispielhaft genannten Bareinzahlung zur Einlösung eines Wechsels bei mangelnder Deckung auf dem Konto des Kunden (vgl. hierzu näher Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 23 SchG Rn. 10) sind hier insbesondere Zahlungen zur Ablösung von Grundpfandrechten und offene Treuhandkonten zu nennen (weitere Fallgruppen finden sich bei Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/135 ff; Bunte, AGB-Banken Rn. 346; Schimansky/Bunte/LwowskiBunte, § 19 Rn. 42 ff.; BuB-Gößmann, Rn. 1/407 ff.). Mit dieser Regelung wird einer entsprechenden Forderung in der Rechtsprechung Rechnung getragen (vgl. BGHZ 74, 129 (132); BGH WM 1973, 167 zu früheren Fassungen der AGB, die diese Ausnahme noch nicht enthielten). Ausgenommen sind zweitens eigene Aktien der Bank, die diese für ihre Kunden verwaltet. Hintergrund ist das entsprechende Verbot der Inpfandnahme eigener Aktien in § 71 e AktG. Drittens sind Wertpapiere ausgenommen, die die Bank im Ausland für den Kunden verwahrt. Hiermit sollen Schwierigkeiten durch die unterschiedlichen Anforderungen an die Pfandrechtsbestellung in den ausländischen Rechtsordnungen, die nach der lex rei sitae maßgebend sind, vermieden werden. Viertens erstreckt sich das Pfandrecht nach Satz 3 nicht auf von der Bank ausgegebene eigene Genussrechte oder Genussscheine und fünftens nicht auf nachrangige Verbindlichkeiten der Bank, da beide Finanzierungsformen im Einzelfall nach § 10 V, V a KWG Eigenkapitalfunktion übernehmen können und dann einem Verbot der Inpfandnahme unterliegen.
88
4. Zins- und Gewinnanteilscheine (Nr. 14 IV). Der Kunde ist nach Absatz 4 grundsätzlich nicht berechtigt, die Herausgabe von Zins- und Gewinnanteilscheinen der nach Nr. 14 verpfändeten Wertpapiere zu verlangen. Dabei weicht Nr. IV von der dispositiven Regelung in § 1296 S. 2 BGB ab, wonach der Verpfänder Herausgabe der Zins- und Gewinnanteilscheine verlangen kann, wenn diese fällig sind und die Pfandreife noch nicht eingetreten ist. Horn (in Heymann, Anh. § 372 Rn. II/139; Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 123) will gleichwohl § 1296 S. 2 BGB anwenden, da Schutzziel des Nr. 14 IV nur sei, den Kunden daran zu hindern, den ganzen Zinsbogen herauszuverlangen, um ihm so dem Pfandrecht zu entziehen. Die Verweigerung der Herausgabe fällig gewordener Kupons sei vor Eintritt der Pfandreife nicht veranlasst. Dem ist
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
97
zuzustimmen (a. A. wohl v. Westphalen, Rn. 137; Soergel-Habersack, § 1296 Rn. 3; Bunte, AGB-Banken Rn.348), da Nr. 14 kein Nutzungspfandrecht begründen will. Nur wenn die Bank einen Anspruch auf Verstärkung der Sicherheiten nach Nr. 13 II hat, kann sie die Herausgabe fälliger Zinsscheine vor Eintritt der Pfandreife verweigern. 5. Abweichungen in Nr. 21 AGB-Sparkassen. Das Pfandrecht ist in den AGB-Sparkassen in Nr. 21 geregelt. Dessen Absätze 1 bis 2 und Abs. 3 S. 1 sind Nr. 14 AGB-Banken sachlich vergleichbar, Absatz 4 enthält ein Zurückbehaltungsrecht und Absatz 5 regelt die Verwertung. Allenfalls eine terminologische Unschärfe enthält Nr. 21 I 1, der von einem Pfandrecht an „Werten jeder Art“ spricht. Da dieser im Rechtsverkehr sonst nicht gebräuchliche Begriff jedoch in Satz 2 spezifiziert wird, liegt hierin keine die Unwirksamkeit begründende Intransparenz (so aber v. Westphalen, Rn. 138). Zu Diskussionen hat vor allem Abs. 3 Anlass gegeben. Bedenken gegen Nr. 21 III 1 a. F. AGB-Sparkassen (vgl. dazu BGH WM 1998, 2463; Ulmer/Brandner/Hensen9-Brandner, Anh. §§ 9-11 Rn. 173 a; v. Westphalen, Rn. 138; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 19 Rn. 60) sind durch die Neufassung im Jahr 2002 ausgeräumt worden (vgl. näher hierzu Danco, ZBB 2002, 136 (138); Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (526)). Kontrovers wird jedoch weiterhin diskutiert, ob sich der Sicherungszweck des Pfandrechts nach Nr. 21 I 3 am Guthaben einer Komplementär-GmbH auch auf Forderungen gegen die GmbH & Co. KG erstreckt. Dies hat der BGH zu Recht bejaht, ohne auf Nr. 21 III 2 AGB-Sparkassen zurückzugreifen, wonach das Pfandrecht auch Ansprüche der Sparkasse gegen Dritte sichert, für die der Kunde persönlich haftet. Nach Auffassung des BGH sichert das AGBPfandrecht infolge der weiten Sicherungszweckerklärung nach Nr. 21 III 1 AGB-Sparkassen auch Ansprüche aus der gesellschaftsrechtlich begründeten persönlichen Haftung (§§ 161 II, 128 HGB) des Kunden gegenüber der Sparkasse für Schulden der GmbH & Co. KG (BGH ZIP 2007, 905 (907); zust. Toussaint, EWiR 2007, 417 f.); auf Abs. 3 S. 2 abstellend aber noch die Vorinstanz OLG Schleswig ZIP 2006, 1196 = ZBB 2007, 53; zust. Clemente, ZBB 2007, 55 (57 ff.); krit. dazu Jungmann, EWiR 2006, 513 f.). Die gesetzliche Gesellschafterhaftung sei unter den Begriff „im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung“ zu subsumieren, da sie nicht zufällig sei. Nichts anderes dürfte bei Nr. 14 II 1 AGB-Banken gelten, auch wenn diese von „bankmäßiger Geschäftsbeziehung“ spricht (anders wohl Toussaint EWiR 2007, 417 (418)). Ob § 21 III 2 AGB-Sparkassen in seinem verbleibenden Anwendungsbereich gegen §§ 305c I, 307 BGB verstößt, ist umstritten (bejahend OLG Schleswig ZIP 2006, 1196 (1197): überraschende Klausel, ähnlich Clemente ZBB 2007, 55 (59); Bunte, AGB-Banken Rn. 349; Jungmann, EWiR 2006, 513 (514): Aushebelung von §§ 227 II, 254 II InsO bei einem Insolvenzplan, der gerade auch die Gesellschafterhaftung erfassen soll, verneinend Toussaint, EWiR 2007, 417 (418); offen lassend BGH ZIP 2007, 905 (907)). Dies ist unter dem Gesichtspunkt des § 305c I BGB für den Fall zu bejahen, dass zwischen der Forderung der Sparkasse gegen den Dritten, für die der Kunde haftet, und seiner Geschäftsbeziehung zur Bank, aus der das Pfandrecht folgt, kein Zusammenhang besteht, also etwa, wenn der Komplementär als natürliche Person und seine KG nur zufällig bei ein- und derselben Sparkasse ihre Konten führen. Nr. 21 III 2 AGB-Sparkassen hat in den AGB-Banken keine Entsprechung. Eine Erweiterung gegenüber den AGB-Banken findet sich in Nr. 21 I 4, wonach Forderungen des Kunden gegen Dritte antizipiert an die Sparkasse abgetreten werden, wenn die für die Forderung ausgestellte Urkunde in die Verfügungsmacht der Bank gelangt ist. Keine Entsprechung findet auch das Zurückbehaltungsrecht an verpfändeten Sachen bei einem berechtigten Sicherungsinteresse in Nr. 21 IV AGB-Sparkassen (dessen Wirksamkeit bezweifelnd v. Westphalen, Rn. 139; Ulmer/Brandner/Hensen9-Brandner, Anh. §§ 9-11 Rn. 173 a; bejahend dagegen Aden, NJW 1993, 832 (838)).
Casper
89
98
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
90
IV. Sicherungsrechte bei Einzugspapieren und diskontierten Wechseln (Nr. 15). Nach Nr. 15 I 1 erwirbt die Bank Sicherungseigentum an ihr zum Einzug eingereichten Schecks und Wechseln. Auf sachenrechtlicher Ebene erfolgt beim Wechsel und beim Orderscheck nur eine Klarstellung, da die Bank bereits nach Art. 11 I, 14 I WG Eigentum durch Vollindossierung erwirbt (ebenso Bunte, AGB-Banken Rn. 353 f.; vgl. näher zum Ganzen Baumbach/Hefermehl/Casper WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 11 WG Rn. 14; a. A. § 47 Rn. 23 f. (Fischer) im Anschluss an Bülow, Art. 11 WG Rn. 16, die eine Eigentumsübertragung ablehnen; was mit Blick auf Nr. 15 I jedoch kaum vertretbar sein dürfte). Der Eigentumserwerb unterbleibt nur dann, wenn ausnahmsweise nur ein Inkassoindossament angebracht ist, was Nr. 15 jedoch ausschließt. Entsprechendes gilt für den Inhaberscheck, der nach § 929 BGB übertragen wird. Kern der Regelung ist deshalb die Festlegung des Sicherungszwecks, den Nr. 15 IV 1 dahin bestimmt, dass alle Ansprüche gegen den Kunden aus dem im Debet befindlichen Kunden-Kontokorrent im Zeitpunkt der Einreichung der Papiere oder aus der Rückbelastung bei fehlender Einlösung gesichert werden sollen. Dies ist AGB-rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGHZ 95, 149 (154); BGH NJW-RR 1990, 366; WM 1984, 1073 (1074)). Die Wirksamkeit von Absatz 4 S. 1 wird teilweise bezweifelt, da die Sicherungsübereignung auch dann eingreife, wenn das Konto nicht im Debet geführt wird (v. Westphalen, Rn. 145; a. A. Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/147 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 20 Rn. 22). Dem ist zu entgegnen, dass Absatz 4 S. 2 für diesen Fall einen Freigabeanspruch anordnet, der unabhängig von der allgemeinen Freigabeverpflichtung nach Nr. 16 II eingreift (zust. jetzt Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn.125). Soweit es an einem Debetsaldo fehlt und auch keine E.V.-Gutschrift erfolgt, erwirbt die Bank allerdings kein Sicherungseigentum (Baumbach/Hefermehl/Casper WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 23 SchG Rn. 2; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe § 61 Rn. 18).
91
Nur deklaratorische Bedeutung kommt der Anordnung in Nr. 15 I 2, 1. HS zu, wonach die Banken an diskontierten Wechseln im Zeitpunkt des Ankaufs uneingeschränktes Eigentum erwerben (Rn. 90). Praktische Bedeutung erlangt erst die Aussage im 2. Halbsatz, wonach der Bank am Wechsel Sicherungseigentum verbleibt, wenn sie den diskontierten Wechsel zurückbelastet. Sachenrechtlich ändert sich nichts, die Bank bleibt Volleigentümerin, wird nun aber schuldrechtlich zum Sicherungsnehmer (Bunte, AGBBanken Rn. 360). Da die Bank nach dem Diskontvertrag zur Rückbelastung nur berechtigt ist, wenn der diskontierte Wechsel bei Fälligkeit ausfällt, ist diese Klausel unbedenklich (BGH WM 1986, 610 (611); näher zum Diskontgeschäft unten § 47 Rn. 45 ff.; Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Art. 1 WG Rn. 27 ff.). Hat die Bank den Wechsel oder den Scheck zurückbelastet, jedoch das Papier noch nicht wieder dem Einreicher zurückgereicht, bleibt das Sicherungseigentum bestehen (OLG München ZIP 1997, 1878 (1879)).
92
Für Wechsel oder Schecks, an denen die Bank Eigentum erwirbt, wird in Nr. 15 II ferner eine antizipierte Sicherungsabtretung der zugrunde liegenden Forderung vereinbart. Gleiches gilt für andere der Bank zum Einzug überreichten Papiere wie zum Beispiel Lastschriften oder kaufmännische Handelspapiere. Diese Klausel ist bisher zu Recht nicht beanstandet worden (BGHZ 95, 149; BGH WM 1990, 1910 (zu Nr. 44 S. 1 a. F.); HeymannHorn, Anh. § 372 Rn. II/145; v. Westphalen, Rn. 142). Die Sicherungszession erlangt in erster Linie Bedeutung, wenn der das Inkasso betreibende Kunde insolvent wird. Die Bank kann dann die Forderung einziehen und mit dem Erlös die gesicherte Kundenforderung ohne weiteres zum Erlöschen bringen. Ein weiterer Vorteil liegt in der Anwendung des § 401 BGB. Abtretungsverbote nach § 399 BGB kann Nr. 15 II nicht überwinden, bei beiderseitigen Handelsgeschäften greift allerdings § 354 a S. 1 HGB ein
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
99
(Bülow WG/SchG, AGB I Rn. 14). In der Insolvenz soll ein gem. Nr. 15 II erworbenes Recht als inkongruent zu behandeln sein (BGH NJW 2007, 2324). Wie Nr. 14 III (dazu Rn. 87) enthält auch Nr. 15 III eine Bereichsausnahme dahin, dass die Sicherungsübereignung und die Sicherungszession nicht Platz greifen, wenn die Einzugspapiere mit der Maßgabe eingereicht werden, dass ihr Gegenwert nur für einen ganz bestimmten Zweck verwendet werden darf. Nr. 25 AGB-Sparkassen enthält keine wesentlichen Abweichungen (zu den Einzelheiten vgl. v. Westphalen, Rn. 147; Bunte, AGBBanken Rn. 374; Bülow WG/SchG, AGB I Rn. 8 ff.).
93
V. Deckungsgrenze und Freigabeverpflichtung (Nr. 16). 1. Der Grundsatz: Das Verbot der Übersicherung und der Freigabeanspruch nach BGHZ 137, 212. Bereits aus dem Wesen des Sicherungsvertrages und dem bei Sicherungsabtretung und -übereignung vorhandenen Treuhandverhältnis folgt ein Verbot der Übersicherung. Damit korrespondiert die Pflicht des Sicherungsnehmers, nicht mehr benötigte Sicherheiten bereits vor Beendigung des Vertrages, zu deren Sicherung sie bestellt sind, freizugeben. Dieser Freigabeanspruch entsteht auch dann, wenn der Sicherungsvertrag keine ausdrückliche Freigabeklausel enthält. Nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats in BGHZ 137, 212, die die äußerst umstrittenen Rechtsfragen in diesem Zusammenhang in der Praxis einer Klärung zugeführt hat, ist das Vorhandensein einer Freigabeklausel also nicht Wirksamkeitsvoraussetzung des Sicherungsvertrages. Soweit dieser einen vorformulierten Freigabeanspruch vorsieht, verlangt der BGH in ständiger Rechtsprechung einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch des Sicherungsgebers (des Kunden) gegen den Sicherungsnehmer (die Bank) bei Überschreiten der Deckungsgrenze. Zur Ermittlung und Inhaltskontrolle der Deckungsgrenze hat der BGH drei Grundsätze aufgestellt: Erstens hängt die Wirksamkeit der Sicherungsabrede nicht davon ab, dass sie eine prozentuale Deckungsgrenze oder Maßstäbe zu ihrer Bewertung enthält. Damit ist die gegenteilige Rechtsprechung des VII. Senats überholt. Zweitens: Die Deckungsgrenze beträgt bezogen auf den realisierbaren Wert der Sicherungsgegenstände 110% der gesicherten Forderung. Die Zulässigkeit eines 10%igen Aufschlags leitet der BGH aus der Wertung des § 171 I InsO her, er deckt die pauschalierten Feststellungs-, Verwertungsund Rechtsverfolgungskosten ab. Drittens ist der realisierbare Wert der Sicherungsgegenstände nur mit 2/3 ihres Nenn- oder Schätzwertes anzusetzen. Diese auf § 237 S. 1 BGB gestützte Wertung bedeutet im Ergebnis, dass die Deckungsgrenze 150% des Schätz- oder Nennwertes der Sicherungsgegenstände beträgt.
94
Vor diesem Hintergrund ist der Regelungsgehalt der Nr. 16 AGB-Banken im Folgenden zu beleuchten und auf seine Vereinbarkeit mit § 307 BGB zu überprüfen. Einzelheiten der Debatte um die Begrenzung des Besicherungsanspruchs und der Freigabeverpflichtung bei Globalsicherheiten können hier nicht dargestellt werden (vgl. näher hierzu unten § 23 Rn. 56 ff.). Nr. 16 AGB-Banken musste nach der Grundsatzentscheidung in BGHZ 137, 212 aus dem Jahre 1998 nicht angepasst werden, da die heutige Fassung bereits bei der Novellierung der AGB-Banken 1993 der teilweise strengeren Rechtsprechung vor der Entscheidung des Großen Senats Rechnung getragen hatte, weshalb an der Wirksamkeit der Nr. 16 heute im Ergebnis kein Zweifel besteht.
95
2. Übersicherung und Ermittlung der Deckungsgrenze (Nr. 16 I). Nr. 16 I stellt den aus Nr. 13 folgenden Anspruch auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten unter den Vorbehalt, dass der realisierbare Wert aller Sicherheiten (dazu zählen Personalsicherheiten nur im Einzelfall, vgl. näher Bunte, AGB-Banken Rn. 380) dem Gesamtbetrag aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (Deckungsgrenze) entspricht. Überschreitet der realisierbare Wert die Deckungsgrenze, besteht der Anspruch aus Nr. 13
96
Casper
100
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
also nicht mehr. Nr. 16 I verzichtet also sowohl auf eine Definition für die Ermittlung des realisierbaren Werts wie auf eine prozentuale Festsetzung der Deckungsgrenze. Dies ist AGB-rechtlich unbedenklich, da eine derartige Angabe gerade nicht mehr Wirksamkeitsvoraussetzung für die Sicherungsabrede ist (BGHZ 137, 212 und oben Rn. 94). Die so vorhandene Lücke ist durch die Rechtsprechungsgrundsätze auszufüllen. Dies bedeutet konkret, dass eine Übersicherung solange nicht vorliegt, wie der realisierbare Wert (berechnet als 150% des Schätz- oder Nennwerts) der Sicherheiten die aus der Geschäftsbeziehung zu sichernden Forderungen der Bank gegen den Kunden zuzüglich der eines Sicherheitszuschlags von 10% nicht übersteigt. Bestehende Bürgschaften für die Forderungen der Bank sind bei der so zu ermittelnden Deckungsgrenze nicht zu berücksichtigen (vgl. bereits BGH NJW 1994, 1796). Schwierigkeiten bereitet in der Praxis die konkrete Ermittlung des für den realisierbaren Wert maßgeblichen Schätzwerts der Sicherheiten. Diese Schwierigkeit wird durch die Vorgabe in BGHZ 137, 212 erheblich vereinfacht: Bei den der Bank im Wege der Sicherungszession abgetretenen Forderungen ist grundsätzlich deren Nennwert zugrunde zu legen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass als Schätzwert dasjenige anzusetzen ist, was die Veräußerung der Sicherheit im Wege der Zwangsvollstreckung erbringen würde. Bei marktgängigen Sachen ist dieses der Marktpreis. Bei nicht marktgängigen Sicherheiten ist der Wert durch Zugrundelegung der Einkaufs- oder Herstellungskosten zu schätzen. Dass diese Kosten in der Praxis bei einer Zwangsverwertung nicht realisiert werden, ist unerheblich. Diesen Umstand fängt die Wertung aus § 237 S. 1 BGB auf, wonach für den realisierbaren Wert nur 2/3 des Schätzwertes zugrunde zu legen ist. Ein Abstellen auf den Zeitwert kommt bei gebrauchten Gegenständen grundsätzlich nicht in Betracht, da anderenfalls eine schnelle Durchsetzung des Freigabeanspruchs ohne Sachverständigengutachten nicht möglich wäre (BGHZ 137, 212 (234, 236)). Auf den Zeitwert ist nur ausnahmsweise abzustellen, wenn dieser wie bei gebrauchten Kraftfahrzeugen anhand öffentlicher Listen ohne Schwierigkeiten ermittelt werden kann (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 21 Rn. 17). Will eine der Parteien im Einzelfall darlegen, dass der Bewertungsabschlag von 1/3 ungenügend ist, so trägt sie hierfür die Darlegungs- und Beweislast (BGHZ 137, 212 (236)). 97
3. Der ermessensunabhängige Freigabeanspruch (Nr. 16 II). Nr. 16 II 1 normiert einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch des Kunden, soweit der realisierbare Wert die Deckungsgrenzen überschreitet. Nach dem oben Gesagten (Rn. 94) kommt dieser Klausel nur klarstellende Bedeutung zu, da der Freigabeanspruch bereits aus der Sicherungsabrede folgt. Dies gilt auch für die Anordnung, dass der Freigabeanspruch nur in Höhe des überschießenden Betrages entsteht. Konstitutive Wirkung entfaltet aber die Aussage, dass der Bank ein Auswahlrecht zukommt, welche der bestellten Sicherheiten sie freigeben will. Diese Regelung ist unter dem Aspekt des § 307 BGB nicht zu beanstanden, da sie nicht zu einem ermessensabhängigen Freigabeanspruch führt (BGHZ 137, 212; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/158;). Denn der Freigabeanspruch als solches, also das Ob der Freigabe, steht nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Nr. 16 II 1 gerade nicht im Ermessen der Bank. Dies gilt auch in Hinblick darauf, dass im 2. Halbsatz vereinbart wird, dass die Bank bei der Auswahl der freizugebenden Sicherheiten auf die Belange des Kunden und dritter Sicherungsgeber Rücksicht zu nehmen hat. Auch dies würde sich ohne entsprechende Regelung bereits aus dem Sicherungsvertrag selbst und aus § 262 BGB sowie aus dem Rechtsgedanken des § 1230 S. 1 BGB ergeben. Eine ausdrückliche Erwähnung, dass der Bank hinsichtlich des Freigabeanspruchs kein Ermessen zustehen dürfe, verlangt die Rechtsprechung nicht mehr (BGHZ 137, 212; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/152 m. Nachw. der älteren gegenläufigen Rsp.). Der Freigabeanspruch nach Nr. 16 II gilt nicht nur bei Global-, sondern auch bei Einzelsicherheiten. Er schützt aller-
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
101
dings nicht vor einer Sittenwidrigkeit wegen anfänglicher Übersicherung. Zu dieser durch BGHZ 137, 212 nicht entschiedenen Konstellation vgl. näher unten § 23 Rn. 54. Ein Ausfluss des Gebots zur Rücksichtnahme ist in Absatz 2 S. 2 geregelt, wonach der Kunde verlangen kann, dass die Bank Aufträge über ein dem Pfandrecht unterliegenden Wert ausführt, soweit ein Anspruch auf Freigabe nach Satz 1 besteht (vgl. hierzu näher Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 21 Rn. 33).
98
4. Vorrang von Sondervereinbarungen (Nr. 16 III). Nr. 16 III stellt klar, dass Sondervereinbarungen Vorrang haben. Dies ist vor dem Hintergrund des § 305 b BGB selbstverständlich. Nr. 16 III nennt beispielhaft einen anderen Bewertungsmaßstab als den realisierbaren Wert oder eine abweichende Deckungsgrenze bzw. eine andere Grenze für die Freigabe. Dies überrascht insoweit, als derartige Grenzen in Absatz 1 und 2 gar nicht benannt sind. Es zeigt sich wiederum, dass über Nr. 16 I die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze rezipiert werden sollen. Die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen ist in BGHZ 137, 212 bereits angelegt (Bunte, AGB-Banken Rn. 377; vgl. dazu näher Saenger, ZBB 1998, 174 ff.). Denkbar ist es insbesondere, eine höhere Deckungsgrenze oder größere Wertabschläge bei den Sicherheiten zu vereinbaren, um branchenspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Der Große Senat hat hervorgehoben, dass der Wertabschlag von einem Drittel nur eine Orientierungshilfe sei und der Gegenbeweis, dass dieser Ansatz im Einzelfall untauglich ist, möglich bleibt (BGHZ 137, 212 (236)).
99
5. Nr. 22 II AGB-Sparkassen. In den AGB-Sparkassen ist der Freigabeanspruch in Nr. 22 II geregelt. Wichtigster Unterschied besteht darin, dass sich die Deckungsgrenze auf den Gesamtbetrag der Forderung zuzüglich 10% beziehen muss. Eine ausdrückliche Festschreibung des Sicherheitszuschlages ist unbedenklich. Der realisierbare Wert der Sicherheiten, der auch hier für die Deckungsgrenze zugrunde zu legen ist, wird ebenfalls nicht definiert, sondern ist über die Wertung aus § 237 S. 1 BGB auszufüllen. Keine Entsprechung in den AGB-Banken findet sich für die Regelung in Nr. 22 II 3 AGB-Sparkassen, wonach sich die Deckungsgrenze um die aktuelle Mehrwertsteuer erhöht, sofern die Sparkasse im Verwertungsfall hiermit belastet ist. Dies ist vor dem Hintergrund der Aussage in BGHZ 137, 212 (229 f., 235) unbedenklich.
100
VI. Die Verwertung von Sicherheiten (Nr. 17). Nr. 17 enthält keine Regelungen dazu, nach welchen Verfahren die Sicherheiten von der Bank verwertet werden können. Die Regelung beschränkt sich vielmehr auf einige wenige allgemein gehaltene Anordnungen. Die Details der Verwertung sollen stattdessen zweckmäßigerweise in dem Sicherungsvertrag selbst geregelt werden, um die AGB-Banken hiermit nicht unnötig zu belasten. Nr. 17 I AGB regelt nur, dass die Bank unter mehreren Sicherheiten die Wahl hat. Diese Regelung ist unbedenklich (BGHZ 137, 212; Bunte, AGB-Banken Rn. 398), da sie die gesetzliche Wertung aus §§ 262, 1230 BGB übernimmt und die Bank bei der Auswahl verpflichtet ist, auf die berechtigten Belange des Kunden oder eines dritten Sicherungsnehmers Rücksicht zu nehmen (zu einem möglichen Rechtsmissbrauch vgl. BGH WM 1991, 846). Dabei ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (Bunte, AGB-Banken Rn. 400). Die Bank ist demnach auch zur bestmöglichen Verwertung der Sache verpflichtet (ausführlicher Bunte, AGB-Banken Rn. 402 ff.). Sie braucht die in Aussicht genommene Verwertung aber nicht zu verschieben, wenn der Sicherungsgeber nur pauschal behauptet, er habe selbst eine bessere Verwertungsmöglichkeit (OLG Frankfurt WM 1991, 930; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/160).
101
Unbedenklich ist auch die Regelung in Absatz 2, wonach dem Kunden eine Erlösgutschrift entsprechend § 14 UStG auszustellen ist, sofern der freihändige Verkauf für die
102
Casper
102
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Bank eine umsatzsteuerpflichtige Leistung darstellt (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn.128; Details bei Bunte, AGB-Banken Rn. 409 ff.; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/181). 103
Die AGB-Sparkassen regeln nur die Verwertung von verpfändeten Sicherheiten (Nr. 21 V). Diese Regelung deckt sich im Ansatz mit der in Nr. 17 AGB-Banken. Nr. 21 V 1 nennt als Voraussetzung für die Verwertung neben der Nichtleistung trotz Fälligkeit allerdings auch das Setzen einer Nachfrist und die Androhung der Verwertung im Sinne des § 1234 BGB. Damit wird die neuere Rechtsprechung des BGH (WM 1992, 1359, (1361)) aufgegriffen. Im Bankensektor ist eine entsprechende Regelung in die Verwertungsklauseln des jeweiligen Sicherungsvertrags aufzunehmen. Abweichend von Nr. 17 AGB-Banken ordnet Nr. 21 V 4 an, dass die Sparkasse das Recht hat, Verwertungserlöse, die nicht zur Befriedigung sämtlicher Forderungen ausreichen, nach billigem Ermessen zu verrechnen. Diese Abweichung von § 366 BGB ist solange hinzunehmen, wie die Verrechnung des Erlöses auf Forderungen beschränkt bleibt, für die die Sicherheit bestellt war und soweit bei der Verrechnung auf die Belange des Kunden Rücksicht zu nehmen ist (zu letzteren auch BGHZ 91, 375 (380 f.); wie hier im Ergeb. auch Bunte, AGB-Banken Rn. 414). Dies stellt Nr. 21 V 3 sicher (krit. aber Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 129 und mit Blick auf das Fehlen einer ausdrücklichen Vorrangabrede v. Westphalen, Rn. 140).
H. Kündigungsrechte des Kunden (Nr. 18) und der Bank (Nr. 19) 18. Kündigungsrechte des Kunden. (1) Jederzeitiges Kündigungsrecht. Der Kunde kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen (zum Beispiel den Scheckvertrag), für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. (2) Kündigung aus wichtigem Grund. Ist für eine Geschäftsbeziehung eine Laufzeit oder eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart, kann eine fristlose Kündigung nur dann ausgesprochen werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Kunden, auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Bank, unzumutbar werden lässt, die Geschäftsbeziehungen fortzusetzen. (3) Gesetzliche Kündigungsrechte. Gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt. 19. Kündigungsrechte der Bank. (1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist. Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung der Führung von laufenden Konten und Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens sechs Wochen. (2) Kündigung unbefristeter Kredite. Kredite und Kreditzusagen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, kann die Bank jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die Bank wird bei der Ausübung dieses Kündigungsrechts auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. (3) Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Eine fristlose Kündigung der gesamten Geschäftsverbindung oder einzelner Geschäftsbeziehungen ist zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der der Bank, auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden, deren Fortsetzung unzumutbar werden lässt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, – wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank über eine Kreditgewährung oder über andere mit Risiken für die
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
103
Bank verbundene Geschäfte (z.B. Aushändigung einer Zahlungskarte) von erheblicher Bedeutung waren, oder wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens oder die Erfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit gegenüber der Bank – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist, oder – wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 Absatz 2 dieser Geschäftsbedingungen oder aufgrund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt. Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer vertraglichen Pflicht, ist die Kündigung erst nach erfolglosen Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, es sei denn, dies ist wegen der Besonderheiten des Einzelfalles (§ 323 Absätze 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches) entbehrlich. (4) Kündigung von Verbraucherdarlehensverträgen bei Verzug. Soweit das Bürgerliche Gesetzbuch Sonderregelungen für die Kündigung wegen Verzuges mit der Rückzahlung eines Verbraucherdarlehensvertrages vorsieht, kann die Bank nur nach Maßgabe dieser Regelungen kündigen. (5) Abwicklung nach einer Kündigung. Im Falle einer Kündigung ohne Kündigungsfrist wird die Bank dem Kunden für die Abwicklung (insbesondere für die Rückzahlung eines Kredits) eine angemessene Frist einräumen, soweit nicht eine sofortige Erledigung erforderlich ist (zum Beispiel bei der Kündigung des Scheckvertrages die Rückgabe der Scheckvordrucke).
Die entsprechende Regelung in den AGB-Sparkassen lautet: Nr. 26. – Kündigungsrecht. (1) Ordentliche Kündigung. Sowohl der Kunde als auch die Sparkasse können die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, soweit keine abweichenden Vorschriften oder anderweitigen Vereinbarungen dem entgegenstehen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen. (2) Kündigung aus wichtigem Grund. Ungeachtet anderweitiger Vereinbarungen können sowohl der Kunde als auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, aufgrund dessen dem Kündigenden die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nicht zugemutet werden kann. Dabei sind die berechtigten Belange des anderen Vertragspartners zu berücksichtigen. Für die Sparkasse ist ein solcher Kündigungsgrund insbesondere gegeben, wenn aufgrund der nachfolgend beispielhaft aufgeführten Umstände die Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen des Kunden oder die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Sparkasse – auch unter Verwertung etwaiger Sicherheiten – gefährdet wird: a) wenn eine wesentliche Verschlechterung oder eine erhebliche Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder in der Werthaltigkeit der für ein Darlehen gestellten Sicherheiten eintritt, insbesondere wenn der Kunde die Zahlungen einstellt oder erklärt, sie einstellen zu wollen, oder wenn von dem Kunden angenommene Wechsel zu Protest gehen; b) wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder zur Verstärkung von Sicherheiten (Nr. 22 Absatz 1) nach Aufforderung durch die Sparkasse nicht innerhalb angemessener Frist nachkommt; c) wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat; d) wenn gegen den Kunden eine Zwangsvollstreckung eingeleitet wird; e) wenn sich die Vermögensverhältnisse eines Mitverpflichteten oder des persönlich haftenden Gesellschafters wesentlich verschlechtert haben oder erheblich gefährdet sind, sowie bei Tod oder Wechsel des persönlich haftenden Gesellschafters. Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmah-
Casper
104
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
nung zulässig. Etwas anderes gilt nur, wenn der Kunde die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, er die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die Sparkasse den Fortbestand ihres Leistungsinteresses vertraglich an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat, oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Kündigung rechtfertigen. (3) Rechtsfolgen bei Kündigung. Mit der Auflösung der gesamten Geschäftsbeziehung oder einzelner Geschäftszweige werden die auf den betroffenen Konten geschuldeten Beträge sofort fällig. Der Kunde ist außerdem verpflichtet, die Sparkasse insoweit von allen für ihn oder in seinem Auftrag übernommenen Verpflichtungen zu befreien. Die Sparkasse ist berechtigt, die für den Kunden oder in seinem Auftrag übernommenen Verpflichtungen zu kündigen und sonstige Verpflichtungen, insbesondere solche in fremder Währung, mit Wirkung gegen den Kunden auszugleichen sowie hereingenommene Wechsel und Schecks sofort zurückzubelasten; die wechsel- oder scheckrechtlichen Ansprüche gegen den Kunden und jeden aus dem Papier Verpflichteten auf Zahlung des vollen Betrages der Wechsel und Schecks mit Nebenforderungen verbleiben der Sparkasse jedoch bis zur Abdeckung eines etwaigen Schuldsaldos. Nr. 27. – Weitergeltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Auch nach Auflösung der gesamten Geschäftsbeziehung oder einzelner Geschäftszweige gelten für die Abwicklung und in dem Abwicklungsverhältnis entsprechenden Umfange die Allgemeinen Geschäftsbedingungen weiter.
104
I. Kündigungsrechte des Kunden (Nr. 18). Das Kündigungsrecht des Kunden hinsichtlich der gesamten Geschäftsverbindung oder einzelner Geschäftsbeziehungen ist davon abhängig, ob eine Laufzeit oder eine sonstige Kündigungsregel im Vertrag vereinbart ist. Ohne Festsetzung einer Laufzeit für einzelne Geschäftsbeziehungen oder Vereinbarung eines besonderen, fristgebundenen Kündigungsgrundes kann der Kunde – anders als die Bank – nach Nr. 18 I jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (ordentlich) kündigen. Nr. 18 I kommt also nur eine Auffangfunktion zu, vorrangig richtet sich die ordentliche Kündigung nach der vertraglich vereinbarten Laufzeit bzw. der vertraglichen Kündigungsklausel. Damit wird der Vorrang der Individualabrede (§ 305 b BGB) zum Ausdruck gebracht. Daneben ist der Kunde nach Nr. 18 II zur fristlosen Kündigung beim Vorliegen eines wichtigen Grunds berechtigt.
105
Das fristlose Kündigungsrecht nach Nr. 18 I ist ein ordentliches Kündigungsrecht. Es bedarf also nicht des Vorliegens eines Kündigungsgrunds. Ihm kommt in erster Linie Bedeutung bei Giro- und anderen Dienstleistungs- und Geschäftsbesorgungsverträgen sowie bei unbefristeten Kontokorrentkrediten zu. Eine wichtige Ausnahme von dem Recht zur jederzeitigen ordentlichen Kündigung für einzelne Geschäftsbeziehungen ist in § 676 S. 3 BGB für den Übertragungsvertrag vorgesehen. Diese Regelung wird durch Nr. 18 I nicht abbedungen.
106
Nr. 18 II stellt klar, dass dem Kunden ein außerordentliches fristloses Kündigungsrecht aus wichtigem Grund auch dann zusteht, wenn er infolge der Laufzeit oder der Kündigungsvereinbarung zur ordentlichen Kündigung nicht berechtigt ist. Dieses Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund folgt bereits aus § 314 BGB. Gleichwohl hat Nr. 18 II nicht rein deklaratorische Bedeutung (zutr. Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/164; teilw. abw. aber Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 18 Rn. 2; Ulmer/Brandner/ Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 130 mit Fn. 190 und Bunte, AGB-Banken Rn. 418), da für das per AGB vereinbarte Kündigungsrecht des Kunden bei einer Vertragsverletzung (anders als für das der Bank, vgl. Nr. 19 III 4) auf die nach § 314 II BGB erforderliche Frist zur Abhilfe bzw. zur Abmahnung verzichtet wird. Insoweit liegt in Nr. 18 II
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
105
eine Abbedingung des § 314 II BGB vor. Dies ist zulässig, da § 314 BGB nur in seinem Kern unabdingbar ist (vgl. Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland-Medicus, Kapitel 3 Rn. 188; MünchKommBGB-Gaier, § 314 Rn. 4). Eine Erleichterung der außerordentlichen Kündigung zugunsten des Kunden ist mithin auch unter dem Gesichtspunkt des § 307 BGB nicht zu beanstanden. Nr. 18 II verzichtet auf die Definition des wichtigen Grundes, insoweit ist auf § 314 I 2 BGB zurückzugreifen. Die in Nr. 18 II enthaltene Anordnung, dass für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung auch auf die berechtigten Belange der Bank Rücksicht zu nehmen ist, deckt sich mit der Vorgabe in § 314 I 2 BGB. Bedenken gegen die bis zum Jahr 2002 verwendete Formulierung „angemessene Berücksichtigung der Belange der Bank“, die bei grundpfandrechtlich gesicherten Krediten als unzulässige Überprüfungsbefugnis hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grunds seitens der Bank verstanden werden konnte, sind durch die Neufassung ausgeräumt (vgl. zu den auf § 490 II BGB gestützten Bedenken näher Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (523)). Die AGB-Banken enthalten in Nr. 18 keine dem § 314 III u. IV BGB vergleichbare Regelung. Diese gelten aber als allgemeine Regeln auch im Rahmen der Nr. 18. In dem durch die Novelle von 2002 neu eingefügten Absatz 3 wird klargestellt, dass gesetzliche Kündigungsrechte unberührt bleiben. Diese Regelung bezieht sich nicht auf § 314 BGB, da dieses Kündigungsrecht bereits in zulässiger Weise durch Nr. 18 ausgestaltet ist. Angesprochen sind in erster Linie das ordentliche und das außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach §§ 489, 490 II BGB. Vorrangig ist auch die Regelung in § 676 S. 3 BGB (s. dazu bereits Rn. 105).
107
II. Kündigungsrechte der Bank (Nr. 19). 1. Ordentliche Kündigungsrechte der Bank (Nr. 19 I u. II). Nr. 19 I 1 entspricht im Prinzip der ordentlichen Kündigung des Kunden nach Nr. 18 I, sieht jedoch für die Bank die Verpflichtung zur Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist vor und erstreckt sich nicht auf unbefristete Kredite. Bei der Bemessung der Kündigungsfrist muss die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen (Satz 2); bei laufenden Konten und Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens sechs Wochen (Satz 3). Die unbestimmte Formulierung einer angemessenen Kündigungsfrist in Satz 2 lässt sich mit Blick auf Satz 3 und die Tatsache rechtfertigen, dass es sich bei Nr. 19 I um eine Auffangregel handelt, die nur eingreift, wenn in der jeweiligen vertraglichen Beziehung keine Kündigungsfrist geregelt ist. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt darin nicht begründet (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/ 167; Bunte, AGB-Banken Rn. 430). Die Regelung ist auch im Übrigen mit Blick auf § 307 BGB nicht zu beanstanden; sie entspricht auch der in §§ 675 I, 671 II BGB zum Ausdruck kommenden Wertung. Ein Verstoß gegen die sechswöchige Kündigungsfrist des Abs. 1 S. 3 führt entgegen BGH WM 2006, 179 (180) zur Unwirksamkeit der Kündigung und kann nicht mit dem Argument aufrecht erhalten werden, dass die Kündigung bei Einhaltung der Frist im Zeitpunkt eines sich anschließenden Rechtsstreits bereits wirksam geworden wäre (zutr. Kritik bei Hensen, EWiR 2006, 321 (322)). Eine Kollision mit der zwingenden und einschränkenden Vorschrift des § 498 BGB hinsichtlich der Kündigung von Verbraucherkreditverträgen wegen Verzugs ergibt sich infolge des in Nr. 19 IV angeordneten Vorrangs der gesetzlichen Regelung nicht. Jedoch ist eine Teilkündigung einzelner Leistungselemente innerhalb eines Vertrages unzulässig (vgl. BGH WM 2006, 179 (180) zur Kündigung der Leistungselemente, Lastschriftabbuchungen, Daueraufträge und Bearbeitung eingeworfener Überweisungen innerhalb eines Girovertrages), sofern es sich um nicht abtrennbare Geschäftsbeziehungen handelt. Demgegenüber ist z.B. die gesonderte Kündigung nur des Vertrages über die EC-Karte zulässig (BGH WM 2006, 179 (180)). Wie bei Nr. 18 I auch bedarf es anders als bei Abs. 2 keines Kündi-
108
Casper
106
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
gungsgrundes. Allerdings sollen die Banken nach einer Empfehlung des ZKA nur bei dort näher spezifizierten Gründen, die zu einer Unzumutbarkeit führen, kündigen (abgedr. bei Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 4). Soweit man ein Recht auf Girokonto anerkennt (dazu etwa weiterführend Bachmann, ZBB 2006, 257 (260 ff.) m. w. N.), wird man eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit zu verneinen haben (ähnlich Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/177). Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die in einigen Sparkassengesetzen enthaltenen Kontrahierungszwänge Ausnahmen für den Fall enthalten, dass die in Nr. 19 III enthaltenen Regelbeispiele vorliegen (vgl. z.B. § 5 Sparkassen VO NW). Somit wird sich das Recht auf ein Girokonto, so es jenseits der Sparkassengesetze denn überhaupt besteht, nur selten als Kündigungsbeschränkung auswirken. 109
Die ordentliche Kündigung von unbefristeten Krediten und Kreditzusagen richtet sich nach Nr. 19 II und ist jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich (zu den Hintergründen Bunte, AGB-Banken Rn. 435), sofern nicht im Kreditvertrag eine abweichende Kündigungsregel enthalten ist. Allerdings muss die Bank bei der Ausübung der Kündigung auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen, womit – wie bei Nr. 19 I auch – eine Kündigung zur Unzeit ausgeschlossen ist. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn der Kreditnehmer von der Bank weitgehend abhängig ist, ausreichend Sicherheiten gestellt hat und durch die Kündigung überrascht wird, da beispielsweise frühere, höhere Überziehungen, die zwischenzeitlich zurückgezahlt sind, geduldet wurden (OLG Hamm WM 1985, 1411; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/168). Andererseits kann der Kunde nicht mit der unbegrenzten Offenhaltung von Kreditlinien und erst recht nicht mit zusätzlichen Krediten im Sanierungsfall rechnen (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/168 m. w. N. auch zur Gegenauffassung). Mit Blick auf die Verpflichtung zur Rücksichtnahme und die angemessene Frist zur Rückabwicklung nach Nr. 19 V ist die Regelung in Nr. 19 II mit § 307 BGB vereinbar (Bunte, AGB-Banken Rn. 435). Ein Verstoß gegen § 308 Nr. 3 BGB liegt nicht vor, da diese Regelung nicht auf Dauerschuldverhältnisse anwendbar ist (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/168). Zur besonderen Rücksichtnahmepflicht von Sparkassen gegenüber den Interessen der Kunden vgl. Rn. 114.
110
2. Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (Nr. 19 III). Das in Nr. 19 III geregelte außerordentliche Kündigungsrecht der Bank ist durch die Novellierung der ABG-Banken 2002 umgestaltet und an die Vorgaben in §§ 314, 490 I BGB angepasst worden, um Bedenken gegenüber der Vorgängerregelung (vgl. dazu etwa Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner9 Anh. §§ 9-11 Rn. 178) Rechnung zu tragen (Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (523 f.)). Der neugefasste Satz 1 hat gegenüber § 314 BGB nur klarstellende Bedeutung, da die dort angeordnete Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden bereits aus § 314 BGB folgt. Von praktischer Bedeutung ist Satz 2, der mittels dreier Beispiele verdeutlicht, wann ein wichtiger Grund vorliegt (dazu sogleich Rn. 111). Eine derartige beispielhafte Aufzählung ist mit Blick auf §§ 307, 314 BGB möglich, da hiermit keine Beschränkung des § 314 BGB beabsichtigt ist, die ohnehin nur dem Verwender der AGB zur Last fallen würde. Satz 3 wiederholt das Erfordernis der Abhilfe bzw. Abmahnung aus § 314 II und stellt klar, dass dieses in den Fällen des § 323 II BGB nicht eingreift. Der Verweis in Nr. 19 III 3 auf § 323 III BGB ist überflüssig, da bereits aus § 314 II 2 folgt, dass der Ausnahmekatalog des § 323 II auch für das Erfordernis der Abhilfe eingreift (vgl. etwa Baumbach/Hopt-Hopt (8) AGB-Banken Nr. 19 Rn. 6; a. A. Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (525), die von einem Redaktionsversehen bei § 314 II 2 BGB ausgehen). Diese überflüssige Verweisung ist jedoch unschädlich, da ein Verstoß gegen das Transparenzgebot genauso wenig wie bei dem Verweis auf den Gesetzestext des § 323 BGB in Betracht kommt. Das außerordentliche Kündigungsrecht kann die
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
107
ganze Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen erfassen. Fraglich ist, ob unter einzelne Geschäftsbeziehungen nur echte Dauerschuldverhältnisse fallen oder auch andere Geschäfte, wie etwa Devisentermingeschäfte. Diese Fragestellung erlangt dann Bedeutung, wenn die Sonderbedingungen für Termingeschäfte ausnahmsweise nicht vereinbart worden sind. Man wird die Anwendung der Nr. 19 III zu bejahen haben, da die aus einem Devisentermingeschäft resultierende offene Position einem Dauerschuldverhältnis vergleichbar ist. Folge der Kündigung muss dann aber entsprechend Nr. 10 I der Sonderbedingungen für die Termingeschäfte eine vorzeitige Vertragsbeendigung bei Ausgleich der bis dahin entstandenen Ansprüche sein. Verallgemeinernd lässt sich festhalten, dass Nr. 19 III nicht nur auf Dauerschuldverhältnisse, sondern auch auf vergleichbare Rechtsgeschäfte anwendbar ist, denen eine entsprechende Pflichtenanspannung zugrunde liegt. Der Kündigungsgrund muss nur objektiv vorliegen, nicht jedoch bei Kündigungsausspruch mitgeteilt werden (so ausdrücklich BGH WM 1984, 1635 (1637); BGH, Urteil Az. III ZR 93/76 v. 19.09.1979 Tz. 42, juris, insoweit in NJW 1980, 399 nicht abgedruckt; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 24 Rn. 44; Bunte, AGBBanken Rn. 469; BuB-Gößmann, Rn. 1/596 f.). Diese für den Kunden missliche Rechtslage folgt aus der normativen Wertung in § 314 BGB, bei dem ebenfalls kein Kündigungsgrund angegeben werden muss (MünchKommBGB-Gaier, § 314 Rn 16 m. w. N.) und geht einher mit der Möglichkeit, nicht erklärte Kündigungsgründe, die objektiv bereits vorlagen, nachzuschieben (st Rspr, vgl. BGH WM 1986, 605 (606)). Dem Kunden steht allerdings ein Anspruch zu, den Kündigungsgrund entsprechend dem Rechtsgedanken des § 623 II 3 BGB auf Verlangen zu erfahren (zum Darlehensrecht a. A. OLG Zweibrücken WM 1984, 1635, (1637): nicht verallgemeinerungsfähige Sonderreglung; Ebenroth/ Boujong/Joost-Thessinga, BankR Rn IV/137). Verweigert die Bank die Auskunft über die Kündigungsgründe, wird man sie im Prozess für darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich des Bestehens eines Kündigungsgrundes halten müssen, die Kündigung ist jedoch nicht bereits allein wegen der Nichtangabe des Kündigungsgrundes unwirksam. Eine mangels Vorliegen eines Kündigungsgrundes unwirksame außerordentliche Kündigung kann nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung nach Abs. 1 umgedeutet werden (BGH WM 2006, 179 (180)). Betrifft sie den Konto- oder Depotvertrag, wird die Umdeutung jedoch regelmäßig daran scheitern, dass die sechswöchige Kündigungsfrist des Abs. 1 S. 3 nicht eingehalten ist, diese kann durch die Umdeutung nicht überspielt werden (so aber BGH WM 2006, 179 (180); wie hier zutr. Hensen, EWiR 2006, 321 (322)). Nach Nr. 19 III 2, 1. Spiegelstrich ist eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt, wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, die für die Entscheidung der Bank zur Kreditvergabe oder zum Abschluss anderer Verträge, die mit einem Risiko verbunden sind, erheblich waren. Nach dem 2. Spiegelstrich liegt ein wichtiger Grund auch dann vor, wenn sich die Vermögensverhältnisse oder die Werthaltigkeit der Sicherheiten wesentlich verschlechtern und dadurch die Rückzahlung des Darlehens selbst dann gefährdet wird, wenn die Sicherheiten verwertet werden (so wohl auch Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 133). Die Verschlechterung und die daraus folgende Beeinträchtigung müssen objektiv vorliegen (BGH WM 1986, 605; KG KGR Berlin 2005, 919 (920); Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 133). Die Bank hat das Vorliegen dieser objektiven Gründe sorgfältig zu prüfen. Es genügt allerdings die drohende Verschlechterung, weshalb die drohende Zahlungsunfähigkeit in aller Regel genügt. Das Abstellen auf objektive Kündigungsgründe hat zur Folge, dass solche Gründe, die im Kündigungszeitpunkt vorgelegen haben, im Laufe eines Rechtsstreits noch nachgeschoben werden können (BGH WM 1985, 1493). Maßgeblich sind aber allein die objektiven Umstände im Zeitpunkt der Kündigungserklä-
Casper
111
108
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
rung. Dies ist namentlich für die Prognose der Bank von Bedeutung, ob die Verwertung der Sicherheiten nicht genügend Erlös bringen wird. Nach dem 3. Spiegelstrich stellt auch die Verletzung der Pflicht nach Nr. 13, in einer angemessenen Frist Sicherheiten zu bestellen oder zu verstärken, einen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Es muss also eine Verletzung der Pflicht des Kunden nach Nr. 13 vorliegen. Die Art und Weise der Kündigungserklärung ist in Nr. 19 nicht geregelt. Sie muss klar und eindeutig erfolgen. Ausführlicher zum Ganzen vgl. Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/170 ff; Bunte, AGBBanken Rn. 446 ff. 112
Die Beispiele in Absatz 3 S. 2 sind nicht abschließend. Weitere Gründe zur außerordentlichen Kündigung sind denkbar. Dies ist etwa bei maßloser und querulatorischer Kritik des Kunden am berechtigten Verhalten der Bank der Fall (OLG Köln NJW-RR 1992, 1522) oder wenn der Kunde in den Ruf eines unseriösen oder kriminellen Geschäftgebahrens geraten ist (OLG München WM 1996, 1623; str.). Das behauptete rechtsradikale, verfassungswidrige Verhalten einer Partei ist mit Blick auf Art. 21 II GG für die Kündigung des Girovertrags aus wichtigem Grund erst dann genügend, wenn das BVerfG die Verfassungswidrigkeit festgestellt hat. Unberührt bleibt aber das ordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 19 I (BGHZ 154, 146 (149 ff.)). Hingegen soll den Sparkassen und der Postbank die ordentlichen Kündigung wegen der Rechtsform und infolge ihrer Aufgabenerfüllung im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge bzw. der Beteiligung der öffentlichen Hand sowie wegen der Sperrwirkung des Art. 21 II GG bis zu einem Verbot der Partei durch das BVerfG verwehrt sein (BGH ebenda; BGH ZIP 2004, 351 (352)). Dies wird man für die Postbank nach dem Börsengang der Deutschen Post AG im November 2000 als alleiniger Eigentümerin der Postbank AG nicht mehr aufrecht erhalten können, da die Postbank nunmehr einer Privatbank gleichzustellen ist (Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/178; Bunte, AGB-Banken Rn.432).
113
3. Abwicklung nach einer Kündigung ( Nr. 19 V). Die Abwicklung der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden ist in Nr. 19 V nur ansatzweise geregelt. Die Bank wird verpflichtet, dem Kunden zur Abwicklung – insbes. zur Rückzahlung von Krediten – eine angemessene Frist einzuräumen. Nr. 19 V ist damit nur auf die Kündigung nach den Absätzen 2 und 3 anwendbar. Vor Ablauf der angemessenen Frist ist die Bank nicht berechtigt, Verzugsfolgen des gleichwohl fälligen Rückzahlungsanspruchs geltend zu machen. Anders als der Verzugszins ist der vertraglich vereinbarte Zins in diesem Zeitraum jedoch weiterhin zu entrichten.
114
III. Die Kündigungsregelung in Nr. 26 AGB-Sparkassen. In den AGB-Sparkassen ist das Kündigungsrecht für den Kunden und für die Sparkasse einheitlich in Nr. 26 geregelt. Gleichwohl werden einige besondere Voraussetzungen für die Kündigung durch die Sparkasse vereinbart. Der erste sachliche Unterschied gegenüber den AGB-Banken besteht darin, dass die Sparkasse bei der ordentlichen Kündigung nicht an eine Frist gebunden ist. Es ist zumindest zweifelhaft, ob die hiergegen mit Blick auf § 307 BGB bestehenden Bedenken durch die Verpflichtung der Sparkasse, bei der Kündigung auf die berechtigten Interessen des Kunden Rücksicht zu nehmen, ausgeräumt werden (a. A. aber Bunte, AGBBanken Rn. 480). Die Sparkasse kann auch aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform und der damit verbundenen Verpflichtung zur Erfüllung von Aufgaben in der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Kündigung von Girokonten beschränkt sein (vgl. BGH WM 2003, 823 und oben Rn. 108, 112). Einer Inhaltskontrolle halten auch die zusätzlichen wichtigen Gründe für eine außerordentliche Kündigung in Nr. 26 II 3 litt. c, d und e nicht stand. Nach lit. c. genügt für die Kündigung aus wichtigem Grund jede unrichtige Angabe des Kunden über seine Vermögensverhältnisse, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich dabei um eine wesentliche Angabe gehandelt hatte, die für eine
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
109
Vermögensdisposition der Sparkasse kausal war. Dies ist unangemessen (zu Nr. 17 a. F. AGB-Banken ebenso BGH WM 1985, 999; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 134; v. Westphalen, Rn. 163; a. A. Aden, NJW 1993, 832 (839); BuB-Gößmann Rn. 1/601; Bunte, AGB-Banken Rn. 483). Nach Buchstabe d rechtfertigt jede Zwangsvollstreckungsmaßnahme – etwa eine Kontopfändung wegen eines geringfügigen Betrags nach einem Versäumnisurteil – die außerordentliche Kündigung. Dies hält einer Inhaltskontrolle ebenfalls nicht stand, da ein derart weites Kündigungsrecht unverhältnismäßig ist. Gleiches gilt für die in lit. e genannte Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Mitverpflichteten oder des persönlich haftenden Gesellschafters des Kunden sowie der Tod oder ein Wechsel des Letzteren (Ulmer/Brandner/HensenFuchs, Anh. §§ 310 Rn. 134; v. Westphalen, Rn. 164 f.; a. A. Westermann, WM 1993, 1865 (1874); Aden, NJW 1993, 832 (839); BuB-Gößmann Rn. 1/601; Bunte, AGB-Banken Rn. 483). Während Nr. 19 V der AGB-Banken den Kunden eine angemessene Frist für die Abwicklung der gekündigten Geschäftsbeziehung einräumt, stellt Nr. 26 III 1 AGB-Sparkassen alle geschuldeten Beträge sofort fällig. Auch dies erscheint mit Blick auf § 307 BGB nicht unbedenklich (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 135; anders wohl Bunte, AGB-Banken Rn. 484 mit Fn. 1227). Nr. 27 ordnet schließlich an, dass die AGB-Sparkassen in der Abwicklungsphase fortgelten. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Sparkasse auch noch nach der Kündigung auf ihr AGB-Pfandrecht berufen kann (vgl. Krings, ZBB 1992, 326 (334)). Diese Regelung ist unbedenklich. 20. Einlagensicherungsfonds. (1) Schutzumfang. Die Bank ist dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. angeschlossen. Der Einlagensicherungsfonds sichert alle Verbindlichkeiten, die in der Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ auszuweisen sind. Hierzu zählen Sicht-, Termin- und Spareinlagen einschließlich der auf den Namen lautenden Sparbriefe. Die Sicherungsgrenze je Gläubiger beträgt 30% des für die Einlagensicherung jeweils maßgeblichen haftenden Eigenkapitals der Bank. Diese Sicherungsgrenze wird dem Kunden von der Bank auf Verlangen bekannt gegeben. Sie kann auch im Internet unter www.bdb.de abgefragt werden. (2) Ausnahmen vom Einlegerschutz. Nicht geschützt sind Forderungen, über die die Bank Inhaberpapiere ausgestellt hat, wie z.B. Inhaberschuldverschreibungen und Inhabereinlagenzertifikate, sowie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten. (3) Ergänzende Geltung des Statuts des Einlagensicherungsfonds. Wegen weiterer Einzelheiten des Sicherungsumfanges wird auf § 6 des Statuts des Einlagensicherungsfonds verwiesen, das auf Verlangen zur Verfügung gestellt wird. (4) Forderungsübergang. Soweit der Einlagensicherungsfonds oder ein von ihm Beauftragter Zahlungen an einen Kunden leistet, gehen dessen Forderungen gegen die Bank in entsprechender Höhe mit allen Nebenrechten Zug um Zug auf den Einlagensicherungsfonds über. (5) Auskunftserteilung. Die Bank ist befugt, dem Einlagensicherungsfonds oder einem von ihm Beauftragten alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Die entsprechende Regelung in den AGB-Sparkassen lautet: Nr. 28. – Schutz der Einlagen. Die Sparkasse ist dem Sicherungssystem2 der Deutschen Sparkassen-Finanzgruppe ange2
Amtl. Anm.: In Nr. 28 der AGB der Landesbanken/Girozentralen wird bereits jetzt auf das „Sicherungssystem“ der Deutschen Sparkassenorganisation Bezug genommen.
Casper
115
110
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
schlossen. Die Sparkasse ist befugt, dem Sicherungssystem oder einem von ihm Beauftragten alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
116
I. Einlagensicherungsfonds (Nr. 20) Mit Nr. 20 AGB-Banken wird klargestellt, dass alle Banken dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken angeschlossen sind. Der Einlagensicherungsfonds ist ein unselbstständiges Sondervermögen dieses Verbandes. Der Fonds schützt die in Nr. 20 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 näher bestimmten Einlagen von Nichtkreditinstituten. Nr. 20 dient in erster Linie der Information des Kunden. Hierzu ist die Bank nach § 23 a I 2 KWG verpflichtet. Soweit ein derartiger Hinweis nicht bereits in den Kontoeröffnungsunterlagen erfolgt, wird dieser Verpflichtung durch Nr. 20 Genüge getan. Der Inhalt von Nr. 20 wurde durch die Novelle der AGB-Banken 2002 geändert und übersichtlicher gegliedert (vgl. zu den Einzelheiten Becher/Gößmann, BKR 2002, 519 (525)).
117
Besonderer Hervorhebung bedarf allein Nr. 20 III, der wegen der Einzelheiten des Sicherungsumfangs auf § 6 des Statuts über den Einlagensicherungsfonds verweist (abgedr. bei Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, Anh. 4 zu §§ 4-25). Von Interesse ist insoweit § 6 X des Statuts. Dieses stellt klar, dass der Kunde der Bank gegen den Bundesverband keinen vertraglichen Anspruch auf Entschädigung erwirbt. Mit der Neuregelung der Nr. 20, die nunmehr ausdrücklich auf § 6 X des Statuts verweist, dürfte der gegenteiligen Auffassung zu den Vorläuferfassungen (Canaris, Rn. 2725: Vertrauenshaftung; Wolf/ Horn/Lindacher-Horn, § 23 Rn. 779: vertragliche Verpflichtung des Bundesverbandes durch die Bank zumindest mittels Anscheinsvollmacht) der Boden entzogen sein (offen lassend jetzt Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. IV/50). Bedeutung erlangt diese Frage vor allem dann, wenn die Mittel des Fonds nicht ausreichen sollten und der Bundesverband zur anteilsmäßigen Befriedigung gezwungen ist. Insoweit ist der Fonds allerdings dem Gebot der Gleichbehandlung unterworfen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 25 Rn. 21 ff. m. w. Einzelheiten zu Nr. 20 AGB-Banken sowie ferner BuB-Weber Rn 1/ 609 ff.). Nach Abs. 5 ist die Bank befugt, dem Fonds erforderliche Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Bankgeheimnisses unbedenklich, da der Fonds zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Andererseits ist diese Regelung nicht verallgemeinerungsfähig, vgl. bereits oben Rn. 11. Die Genossenschaftsbanken haben keine Einlagensicherung, sondern eine Institutssicherung eingerichtet, weshalb Nr. 20 der AGB-Volksbanken einen anderen Wortlaut hat (zu den Details vgl. Bunte, AGB-Banken Rn. 526).
118
Nr. 28 AGB-Sparkassen beschränkt sich demgegenüber in Satz 1 auf den Hinweis, dass die Sparkassen dem Sicherungssystem der Deutschen Sparkassen-Finanzgruppe angeschlossen sind. Dies genügt der Informationspflicht nach § 23 a I 2 KWG nicht, weshalb dieser Hinweis zwingend bei Kontoeröffnung zu erfolgen hat (zust. Ulmer/Brandner/ Hensen-Fuchs, Anh. §§ 310 Rn. 136). Der 2005 neu eingefügte Satz 2 entspricht Nr. 20 V AGB-Banken (vgl. dazu Rn. 117).
119
J. Sonderbedingungen Die AGB-Banken enthalten nach der Konzeption von 1993 nur noch Grundregeln für solche Bankgeschäfte, die von allen Kunden in Anspruch genommen werden. Für spezielle Bankgeschäfte gibt es zahlreiche Sonderbedingungen, die die Einzelheiten dieser einzelnen Bankvertragstypen ausgestalten. Diese Sonderbedingungen müssen bei dem erstmaligen Abschluss des jeweiligen Geschäfts wirksam einbezogen werden (vgl. bereits oben Rn. 7). Die Sonderbedingungen können hier nur aufgelistet werden, auf ihre Ein-
Casper
§ 3 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken/AGB-Sparkassen)
111
zelheiten ist weiter unten bei den einzelnen besonderen Geschäftstypen – soweit erforderlich – näher einzugehen: – Bedingungen für den Scheckverkehr (abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl/Casper WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Bankbedingungen Nr. 2, 6, 9; dazu Bunte, AGB-Banken S. 275 ff.; Bülow, WG/SchG AGB II) – Bedingungen für den ec-/Maestro-Service (abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl/Casper WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Bankbedingungen Nr. 3, 5, 10; dazu Bunte, AGB-Banken S. 319 ff.) – Bedingungen für den Sparverkehr (dazu Bunte, AGB-Banken S. 381 ff.). – Bedingungen für den Überweisungsverkehr (ZBB 2002, 60; dazu Koch, ZBB 2002, 57; Bunte, AGB-Banken S. 405 ff.) – Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr – Bedingungen für das Online-Banking (dazu Bunte, AGB-Banken S. 453 ff.) – Bedingungen für die konto- /depotbezogene Nutzung des Onlinebankings mit elektronischer Signatur (dazu Bunte, AGB-Banken S. 497 ff.) – Bedingungen für das Wertpapiergeschäft (dazu Bunte, AGB-Banken S. 515 ff.) – Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen – Sonderbedingungen für Termingeschäfte – Sonderbedingungen für Wertpapierleihgeschäfte im Wertpapier-Leihgeschäft der Deutschen Börse Clearing AG – Bedingungen für die Annahme von Verwahrstücken (dazu Bunte, AGB-Banken S. 597 ff.) – Bedingungen für die Vermietung von Schrankfächern (dazu Bunte, AGB-Banken S. 607 ff.) – Einheitliche Richtlinien für Inkassi (abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl/Casper WG/SchG, 23. Aufl. 2007, Bankbedingungen Nr. 15) – Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive – Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Rechtsanwälten (s. dazu Bunte, AGB-Banken S. 613 ff.) – Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Patentanwälten – Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Notaren – Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Angehörigen der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und steuerberatenden Berufe (Treuhänder) Daneben gibt es zahlreiche nicht vereinheitlichte Sonderbedingungen für einzelne Geschäftsarten wie etwa das Telefonbanking. Weiterhin finden sich vereinheitlichte Geschäftsbedingungen für die sektorspezifischen Banken. Der Hervorhebung bedürfen insoweit die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB), da diese in der Praxis besondere Bedeutung erlangt haben. Sie regeln den Vertragsschluss, die Zuteilung und Auszahlung der Bausparsumme sowie die Kontoführung, Tilgung, Zinsen und Entgelte, ferner die Bestellung von Sicherheiten und schließlich die Kündigung des Bausparvertrages. Damit sind die wesentlichen Aspekte, die auch in den AGB-Banken und AGBSparkassen geregelt sind, mit Rücksicht auf die Besonderheiten im Bausparkassengeschäft (vgl. hierzu näher § 17) erfasst. Wegen der Einzelheiten ist auf das Spezialschrifttum (v. Westphalen-Pfeiffer, Allgemeine Bausparbedingungen; Wolf/Horn/Lindacher-Horn, § 23 Rn. 420-445; Brüggemeier/Friele, ZBB 1992, 137) zu verweisen.
120
K. Prozessrecht
121
Die gerichtliche Überprüfung der AGB-Banken/Sparkassen sowie der Sonderbedingungen kann auf zwei Ebenen erfolgen. Zum einen kann dies im Individualprozess des
Casper
112
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Kunden gegen seine Bank geschehen. Ein derartiges Urteil entfaltet nur Wirkung zwischen den Parteien. Die Bank ist also nicht gehindert, die im Individualprozess verworfene Klausel weiterzuverwenden. Sie wird dies in aller Regel auch bis zur nächsten Änderung der Musterempfehlungen der AGB- Banken (siehe oben Rn. 1) tun. Diesen Nachteil vermeidet das Verbandsklageverfahren (zu dessen Effizienz siehe etwa Hensen, FS P. Ulmer, 2003, S. 1135). Dieses ist seit der Schuldrechtsreform im Unterlassungsklagegesetz geregelt, das eigentlich die §§ 13–21 des AGB-Gesetzes unverändert übernehmen sollte. Die gleichwohl bei der Transformation entstandenen Probleme und Einzelheiten sind nicht spezifisch bankrechtlicher Natur und brauchen deshalb an dieser Stelle nicht näher vertieft zu werden (vgl. dazu etwa Löwe, ZIP 2003, 12).
Casper
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
113
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
Schrifttum Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung, 1998; Binder, Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Finanzierung von Kapitalanlagen und Immobilien, RWS-Forum 17, 2000, S. 279; Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute bei der Kapitalanlage, 2002; Brocker, Aufklärungspflichten der Bank bei Innenprovisionsgestaltungen, BUR 2007, 365; Bruchner, Bankenhaftung bei fremdfinanziertem Immobilienerwerb, WM 1999, 825; Bruske, Beweiswürdigung und Beweislast bei Aufklärungspflichtverletzungen im Bankrecht, 1994; Canaris, Die Schadensersatzpflicht der Kreditinstitute für eine unrichtige Finanzierungsbestätigung als Fall der Vertrauenshaftung, FS Schimansky, 1999, S. 43; Wandlungen des Schuldvertragsrechts, AcP 200 (2000), 273; Derleder, Zur Frage der Anwendbarkeit der Haustürwiderrufsrichtlinie bei Verträgen über Immobilien, BKR 2005, 442; „Schrottimmobilien“Aufarbeitung in Karlsruhe – Das Ende eines Schismas, NZM 2006, 449; Trennungsprinzip und Täuschungsabwehr – Die neue Linie des Bundesgerichtshofs gegenüber dem finanzierten Immobilienfondsanteilserwerb, ZfIR 2006, 489; Der Verbraucherschutz für Schrottimmobilienerwerber und die Umsetzung der europarechtlichen Widerrufsregelungen, ZBB 2006, 375; Die Rechte des Schrottimmobilienerwerbers zwischen Überrumpelungs- und Täuschungsschutz, ZfIR 2007, 257; Die prozessuale Pflicht zur Urkundenvorlage durch die nicht beweisbelastete Partei – Eine neue Wegmarke in der Rechtsentwicklung zu den Schrottimmobilien, ZfIR 2008, 284; Faßbinder, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten, 1998; Fischer, Neue Entwicklungen in der Haftung für Rat und Auskunft, RWS-Forum 1, 1987, S. 95; Früh, Die Aufklärungspflichten von Kreditinstituten bei der Kreditvergabe, WM 1998, 2176; Zur Bankenhaftung bei Immobilien-Kapitalanlagen, ZIP 1999, 701; Fuellmich/Rieger, Die Haftung der Banken für massenhaft fehlerhafte Treuhandmodellfinanzierungen, ZIP 1999, 465; Habersack, Finanzierter Grundstücks- und Anteilserwerb im Wandel – Geklärtes und Ungeklärtes nach den Urteilen des XI. Zivilsenats des BGH vom 25.4. und 16.5.2006, BKR 2006, 305; Hadding, Zur Abgrenzung von Unterrichtung, Aufklärung, Auskunft, Beratung und Empfehlung als Inhalt bankrechtlicher Pflichten, FS Schimansky, 1999, S. 67; Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute, 1993; Heinsius, Pflichten und Haftung der Kreditinstitute in der Anlageberatung, ZBB 1994, 47; v. Heymann, Die neuere Rechtsprechung zur Bankenhaftung bei ImmobilienKapitalanlagen, NJW 1999, 1577; Hofmann, Aufklärungspflichten der Kreditinstitute über das Finanzierungsmodell beim Immobilienerwerb unter Ausnutzung von Steuervorteilen („Steuersparmodelle“), ZBB 2005, 174; Die Belehrungspflichten bei kreditfinanzierten Anlagemodellen: Die neue BGH-Rechtsprechung zu institutionalisiertem Zusammenwirken, WM 2006, 1847; Hopt, Funktion, Dogmatik und Reichweite der Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten der Kreditinstitute, FS Gernhuber, 1993, S. 169; Haftung der Banken bei der Finanzierung von Publikumsgesellschaften und Bauherrenmodellen, FS Stimpel, S. 265; Horn, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, ZBB 1997, 139; Der Ausschluß von Aufklärung und Beratung im Anlegerschutzrecht, FS Schimansky, 1999, S. 653; Anlageberatung im Privatkundengeschäft der Banken, WM 1999, 1; Jungmann, Zukunft der Schrottimmobilienfälle und Schrottimmobilienfälle der Zukunft, WM 2006, 2193; Schadensersatzansprüche in Schrottimmobilienfällen, NJW 2007, 1562; Kahl/Essig, Staatshaftung der Bundesrepublik Deutschland in den Fällen sog. „Schrottimmobilien“, WM 2007, 525; Knops, Der Widerruf von Krediten zum Immobilienerwerb nach der Richtlinie 85/577/EWG und dem Haustürwiderrufsgesetz, WM 2006, 70; Kothe, Die Schlüsselrolle der Aufklärungspflicht, ZBB 1989, 130; Kübler, Anlageberatung durch Kreditinstitute, ZHR 145 (1981), 204; Kulke, Aufklärungspflichten im Anlegerschutz und Folgen ihrer Verletzung, VuR 2007, 108; Lang, Die Beweislastverteilung im Fall der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, WM 2000, 450; Einmal mehr: Berufsrecht, Berufspflichten und Berufshaftung, AcP 201 (2001), 451; Institutionelles Zusammenwirken zwischen Bank und Vermittler/Verkäufer bei finanzierten Immobilienanlagen, WM 2007, 1728; Lechner, Neues von den „Schrottimmobilien“, NZM 2007, 145; Mayen, Aufklärungspflichten bei neuen Kreditformen, WM 1995, 913; Martis, Aufklärungspflichten der Banken im Rechtsprechungsüberblick, MDR 2005, 788; Mediger, Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Widerrufsbelehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz bei sogenannten Schrottimmobilien, ZfIR 2008, 406; Micklitz, Legitime Erwartungen als Gerechtigkeitsprinzip des europäischen Privatrechts, FS Reich, 1997, S. 245; Möllers/Leisch, Neuere Gesetze und Rechtsprechung zur bank- und kapitalmarktrechtlichen Informationshaftung, JZ 2000, 1085; Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten – Beratungspflichten, Offenlegungspflichten bei Interessenkonflikten und die Änderungen durch das Finanzmarkt-
Tonner
114
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1149; Nobbe, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu fehlgeschlagenen Immobilienfinanzierungen, WM-Sonderbeilage Nr. 1/2007; Puszkajler/ Weber, Wann haftet ein Bankberater für seine Empfehlungen an einen Depotkunden?, ZIP 2007, 401; Richrath, Aufklärungs- und Beratungspflichten – Grundlagen und Grenzen, WM 2004, 653; Rümker, Haftung der Bank aus der Finanzierung von Bauherrenmodellen und geschlossenen Immobilienfonds-Modellen, ZHR 151 (1987), 160; Sauer/Wittemann, Die neuere Rechtsprechung zu steuerbegünstigten Immobilienfinanzierungen, BKR 2008, 1; Schäfer, Allgemeine Aufklärungs- und Beratungspflichten – vor einer Wende? RWS-Forum 12, 1998, S. 27; Schimansky, Bankvertragsrecht und Privatautonomie, WM 1995, 461; Siegmann, Zur Stellung der Kreditinstitute nach der Finanzierung strukturvertriebener Immobilienkapitalanlagen, VuR 2007, 368; Singer, Vertragsfreiheit, Grundrechte und der Schutz des Menschen vor sich selbst, JZ 1995, 1133; Aufklärungspflichten im Konsumentenkreditgeschäft, ZBB 1998, 141; Siol, Aufklärungspflichten im Bankrecht bei Immobilienanlagen, DRiZ 2006, 223; Späth, „Schrottimmobilien“: Droht der Bundesrepublik Deutschland die Staatshaftung?, ZfIR 2007, 568; Spickhoff/Petershagen, Bankenhaftung bei fehlgeschlagenen Immobilienerwerber-Treuhandmodellen, BB 1999, 165; Steuer, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung – eine unendliche Geschichte, FS Schimansky, 1999, S. 793; Streit, Erfüllungsgehilfenhaftung der Kreditinstitute für Vermittler von Immobilienanlagen?, ZIP 1999, 477; Stüsser, Bankenhaftung bei gescheiterten Immobilien-Treuhandmodellen, NJW 1999, 1586; K. Tonner/M. Tonner, Risikofreistellung bei fehlender Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag – Zu den Konsequenzen der EuGH-Urteile „Schulte“ und „Crailsheimer Volksbank“ für das nationale Recht, WM 2006, 505; Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 8. Aufl. 2006; Aufklärungs- und Beratungspflichten bei grenzüberschreitenden Bankdienstleistungen, WM 1993, 581; Weichert/Wenninger, Die Neuregelung der Erkundigungs- und Aufklärungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. Art. 19 RiL 2004/39/EG (MiFID) und Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, WM 2007, 627; Wellkamp, Aufklärungspflichten der Kreditinstitute im Kreditgeschäft, VuR 1994, 61; Wittmann, Beweisfragen bei (quasi-)vertraglichen Schadensersatzansprüchen von Kapitalanlegern wegen fehlerhafter Anlageinformation im Rahmen von steuerbegünstigten Kapitalanlagen, FS Baumgärtel, 1990, S. 637; Wunderlich, Warnpflichten der Bank beim Cash-Management, BKR 2005, 387.
Inhaltsübersicht A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Beratungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Vertrauenshaftung und Berufshaftung . . 8 4. Deliktsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Information und Auskunft . . . . . . . . . . 11 2. Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Empfehlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 5. Erkundigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 6. Warnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 7. Schriftliche Dokumentation . . . . . . . . . 17 III. Konkretisierung von Aufklärungs- und Beratungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Verallgemeinerung für alle Bankgeschäfte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Das Prinzip von Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit und Verständlichkeit . . 22 3. „Know-your-custumer“-Prinzip . . . . . . 25 IV. Durchführung der Aufklärung. . . . . . . . . . 30 1. „Know your merchandise“ . . . . . . . . . . 30 2. „Know your customer“ . . . . . . . . . . . . . 33 V. Verschulden und Mitverschulden . . . . . . . 35 VI. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 VII. Kausalität und Schutzzweck . . . . . . . . . . . 39 1. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2. Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Haftungsfreizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . B. Aufklärungs- und Beratungspflichten bei einzelnen Bankgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kreditgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kreditgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kreditverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufklärungspflichten bei einzelnen Kreditgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kontoverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontoeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kontovollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bürgschaft und Schuldmitübernahme . 2. Andere Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung von Sicherungsgut. . . . . . . V. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . 2. Lastschriftverkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Beweislast, prozessuale Fragen . . . . . . . . . . . . . I. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . 1. Pflichtverletzung und Schaden . . . . . . . 2. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prozessuale Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tonner
40 41 42 43 44 44 45 56 63 64 65 66 67 69 70 72 73 74 76 79 80 81 81 82 83 84 85
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
115
Stichwortverzeichnis Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Aufnahme von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . 7 Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Baufinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Bauherrenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Beratungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Berufshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Erfüllungsgehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 58 Erkundigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Ersterwerbermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Gefährdungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Geschäftsunerfahrenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Gesetzliche Prospektpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Haftungsfreizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Immobilienerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Innenprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Institutionalisiertes Zusammenwirken……..49, 57, 59 Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Intransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 83 Klarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 „know your customer“-Prinzip . . . . . . . . . . . . 25, 33 „know your merchandise“-Prinzip . . . . . . . . . . . . . 30 Konkreter Wissensvorsprung . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Kontoeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Kontoverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Kontovollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Kreditgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Kreditverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Lastschriftverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 84 Prozessuale Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Rolle der Bank als Kreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . 52 Sachwalterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Schadensersatz wegen Nichterfüllung . . . . . . . . . . . 5 Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Schrottimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Schuldmitübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Trennungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Treuhandmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Umschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Verbundene Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Vorvertragliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Warnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Wohlverhaltensrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
A. Grundlagen
1
I. Dogmatische Einordnung. Auskunfts- und Beratungspflichten können entweder Hauptpflichten der Bank gegenüber ihrem Kunden aus einem Beratungsvertrag sein, oder es kann sich um Pflichten handeln, die im Rahmen der Vertragsanbahnung eines spezifischen Bankvertrags, etwa eines Darlehensvertrags, eines Kontoeröffnungsvertrags oder eines Vertrags über den Erwerb eines Wertpapiers entstehen (vgl. zur Abgrenzung Siol, DRiZ 2006, 223 f.). Da im letzteren Fall die Pflichten zu einem Zeitpunkt relevant werden, zu dem der Vertrag noch nicht geschlossen ist, handelt es sich regelmäßig um vorvertragliche Pflichten gem. §§ 241 II, 280 I, 311 II BGB (culpa in contrahendo). 1. Beratungsvertrag. Ein Beratungsvertrag kann unentgeltlich oder entgeltlich sein. Ein unentgeltlicher Beratungsvertrag ist ein Auftrag, auf den die §§ 662 ff. BGB zur Anwendung kommen, während ein entgeltlicher Beratungsvertrag als Geschäftsbesorgung, die einen Dienstvertrag zum Gegenstand hat, einzuordnen ist, § 675 BGB (Palandt-Sprau § 675 Rn. 9). Das Entgelt muss sich auf die Beratung selbst beziehen, nicht auf das in Aussicht genommene Geschäft. Eine unentgeltliche Beratung ist ein Indiz dafür, dass kein eigenständiger Beratungsvertrag abgeschlossen wurde, sondern lediglich Beratungen in der Vertragsanbahnungsphase eines Bankgeschäfts vorgenommen wurden, während umgekehrt ein Entgelt für die Beratung für einen eigenen Beratungsvertrag spricht. Ein eigenständiger, gleichwohl unentgeltlicher Beratungsvertrag ist aber auch vorstellbar. Der Beratungsvertrag kommt formlos zustande, auch durch stillschweigende Willenserklärungen (Vortmann, Rn. 20). Dadurch wird die Abgrenzung zu den Beratungspflichten
Tonner
2
3
116
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
im Rahmen der Vertragsanbahnung eines spezifischen Bankvertrags fließend. Man kann darauf abstellen, ob die Beratung sich zeitlich von den Verhandlungen über den in Aussicht genommenen Vertrag abgrenzen lässt. Die Beratung darf nicht Teil des Verkaufsgesprächs über das Bankgeschäft sein, sondern muss sich von diesem unterscheiden lassen. Die Beratung muss zur Vorbereitung des eigentlichen Verkaufsgesprächs dienen. Im Zweifel wird eine derartige Trennung nicht festgestellt werden können, so dass ein eigenständiger Beratungsvertrag ausscheidet und es bei den Pflichten aus culpa in contrahendo des in Aussicht genommenen Bankgeschäfts bleibt. Für einen eigenständigen Beratungsvertrag müssen deutliche Indizien vorliegen, die über die jedem Verkaufsgespräch immanente Beratung hinausgehen. Aus einem Wertpapierdepotvertrag allein folgt beispielsweise jedenfalls keine Pflicht der Bank zu laufender Beratung (BGH NJW 2005, 1113 (1114 m .w. N.). 4
Die Rechtsprechung ist freilich wesentlich großzügiger mit der Annahme eines Beratungsvertrags. Es reicht allein die Aufnahme eines Beratungsgesprächs, sofern dies eine konkrete Anlageentscheidung des Kunden zum Gegenstand hat (BGHZ 123, 126 (128); BGH NJW 2007, 1362 (1363); NJW-RR 2007, 348). Diese Urteile sollten nicht über Anlegergeschäfte hinaus verallgemeinert werden, denn es ist nicht sinnvoll, Beratungs- und Informationspflichten, die fast allen Verträgen immanent sind, aus diesen auszukoppeln und in selbständige Beratungsverträge zu verlagern, dies umso weniger, als Vertragspflichten im Zuge der Vergemeinschaftung des Vertragsrechts immer stärker mit Informationspflichten durchsetzt werden, auch und gerade im Bankvertragsrecht (vgl. zum Einfluss des Gemeinschaftsrechts unten Rn. 23 sowie Weichert/Wenninger, WM 2007, 627; Mülbert, WM 2007, 1149). Freilich schränkt auch die Rechtsprechung den konkludent geschlossenen Beratungsvertrag ein; ein gezielter Auftrag des Kunden zum Kauf bestimmter Wertpapiere soll nicht ausreichen (BGH WM 1996, 906; vgl. zum Beratungsvertrag auch Horn, ZBB 1997, 139 (143 f.); Lang, AcP 202 (2002), 451 (555 f.)).
5
Letztlich spielt die Unterscheidung keine große Rolle. Sowohl die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht als auch die Verletzung eines Beratungsvertrags durch Nichterfüllung von Beratungs- und Aufklärungspflichten führt zu einem Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB. Ein Unterschied besteht darin, dass der Kunde im Falle der Nichterfüllung eines Beratungsvertrags Schadensersatz statt der Leistung gem. § 281 BGB verlangen und letztlich gem. § 323 BGB vom Beratungsvertrag zurücktreten kann, während die vorvertragliche Pflichtverletzung nur unter den Voraussetzungen des § 282 BGB zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung führt, doch dürfte dies für die Praxis keine sehr große Bedeutung haben, da es regelmäßig um Schadensersatzansprüche neben der Leistung gem. § 280 I BGB geht.
6
2. Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht. Durch die Schuldrechtsreform wurde die culpa in contrahendo in § 311 II und III BGB kodifiziert. Die beiden Absätze enthalten drei Fallgruppen der culpa in contrahendo und in § 311 II Nr. 3 BGB eine Öffnungsklausel für weitere Fallgruppen („ähnliche geschäftliche Kontakte“). Die gesetzlichen Fallgruppen bedürfen der Ausfüllung durch die bisherige Rechtsprechung, so dass eine Rechtsänderung insoweit nicht eingetreten ist (PWW-Medicus, § 311 Rn. 34).
7
Für Bankgeschäfte ist in erster Linie § 311 II Nr. 1 BGB relevant, die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Dazu genügen einseitige (Werbe-)Maßnahmen der Bank, die den Kunden zum Vertragsschluss veranlassen sollen, auch unrichtige Prospekte (MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 70; Palandt-Grüneberg, § 311 Rn. 9). In Betracht kommt auch die Sachwalterhaftung nach § 311 III BGB, wenn entweder die Bank nicht selbst Vertragspartner werden soll, sondern für eine im Hintergrund stehende Person ver-
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
117
handelt, aber als Sachwalter in Anspruch genommen wird, oder wenn eine andere Person als Sachwalter für die Bank auftritt und diese Person, etwa ein Anlageberater oder -vermittler, nicht die Bank, in Anspruch genommen wird. Zu den einzelnen Voraussetzungen der Sachwalterhaftung ausführlich MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 244 ff. 3. Vertrauenshaftung und Berufshaftung. Als Grundlage für die Haftung aus culpa in contrahendo gilt nach einer auf Canaris zurückgehenden Lehre in Anspruch genommenes Vertrauen (Canaris, Vertrauenshaftung, 1971; AcP 200 (2000), 273 (304 ff.)). Dieser nicht unbestrittenen Lehre ist zuzustimmen (ebenso Richrath, WM 2004, 653 (654); kritisch dagegen z. B. MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 61). Die Bank nimmt Vertrauen dadurch in Anspruch, dass sie ihr Leistungsangebot bereit hält. Man kann auch davon sprechen, dass sie „legitime Erwartungen“ des Kunden weckt (zum Konzept der legitimen Erwartungen Micklitz, FS Reich, S. 245 ff.). Andere Auffassungen stehen nicht in Widerspruch zu dem Konzept der Vertrauenshaftung, sondern nehmen eher notwendige Eingrenzungen und Fallgruppenbildungen vor. Das gilt auch für die Lehre von der Berufshaftung, die für die Bankenhaftung im Rahmen von culpa in contrahendo besonders aussagekräftig ist (Lang, AcP 202 (2002), 451 (577: kein Gegensatz)). Die Lehre von der Berufshaftung hat den Vorteil, dass sie professionelles Handeln und das Werben mit professionellem Handeln als Grundlage für eine Haftung ansieht und mit beruflichen Standards Haftungsmaßstäbe bereit hält.
8
4. Deliktsrecht. Neben vertraglichen kommen auch deliktische Ansprüche wegen einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung in Betracht. Dabei ist an eine Schutzgesetzverletzung gem. § 823 II BGB zu denken, wobei streitig, aber wohl zu bejahen ist, ob die §§ 31, 32 WpHG Schutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift sind (für § 32 II Nr. 1 WpHG ablehnend jetzt BGH NJW 2008, 1734). In Betracht kommen auch Ansprüche aus § 826 BGB (vgl. BGH NJW 2008, 1734 (1737); OLG Celle ZGS 2007, 152; Vortmann, Rn. 68). Für den Schädigungsvorsatz reicht es aus, wenn pflichtwidrig Auskünfte ins „Blaue hinein“ gegeben werden (BGH NJW 1986, 180 (181) für einen Steuerberater).
9
II. Begriffe. Der Begriff der Aufklärungs- und Beratungspflichten ist zu allgemein, als dass er ohne weitere Konkretisierung für eine beliebige Auffüllung durch Fallgruppen verwendet werden könnte und sollte. Vielmehr müssen im Interesse der Vorhersehbarkeit der Fallgruppenbildung auf abstrakter Ebene Unterbegriffe gebildet werden, die sich präziser fassen lassen und ihrerseits der Fallgruppenbildung durch die Rechtsprechung offen stehen. Es bietet sich an, zu diesem Zweck im Anschluss an die Literatur (Horn, ZBB 1997, 139 (140 f.); Hadding, FS Schimansky, S. 67 (72 ff.)) an die Begriffe Information, Auskunft, Aufklärung, Beratung, Empfehlung, Erkundigung und Warnung anzuknüpfen.
10
1. Information und Auskunft. Hierbei handelt es sich um die Mitteilung von Tatsachen. Eine Information (Synonym: Unterrichtung) erfolgt vielfach nicht auf Verlangen des Kunden, sondern aus eigenem Antrieb der Bank. Immer wichtiger werden in diesem Zusammenhang gesetzliche Informationspflichten, die auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften im Detail geregelt sind, etwa in § 492 BGB in Umsetzung der Verbraucherkredit-Richtlinie für das Verbraucherdarlehen oder im WpHG in Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) durch das zum 1.11.2007 in Kraft getretene Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG). Die Finanzmarkt-Richtlinie löst die aus dem Jahr 1993 stammende Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie ab und enthält umfangreiche und detaillierte Wohlverhaltenspflichten, insbesondere gegenüber Kleinanlegern, zu deren Kernelementen die bislang in § 31 Abs. 2 WpHG a. F. verorteten Erkundigungs- und Aufklärungspflichten gehören. Die MiFID regelt diese Pflichten von
11
Tonner
118
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Wertpapierdienstleistungsunternehmen neu und geht weit über den durch die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie geschaffenen Standard hinaus. In Art. 19 III schreibt die Richtlinie vor, dass Kunden „in verständlicher Form angemessene Informationen zur Verfügung zu stellen“ sind, „so dass sie nach vernünftigem Ermessen die genaue Art und die Risiken der Wertpapierdienstleistungen (…) verstehen können und somit auf informierter Grundlage Anlageentscheidungen treffen können“. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorgabe in § 31 III WpHG fast wortwörtlich übernommen (zu den Details der Neuregelung vgl. Weichert/Wenninger, WM 2007, 627; Mülbert, WM 2007, 1149). In Abgrenzung zur Information ist die Auskunft die Beantwortung einer vom Kunden gestellten Frage. 12
2. Aufklärung (vgl. Canaris, Rn. 111; Vortmann, Rn. 2 f.). Auch die Aufklärung ist eine Mitteilung von Tatsachen. Im Gegensatz zur bloßen Information oder Auskunft werden jedoch nicht nur einzelne Tatsachen mitgeteilt, sondern ein systematischer, auf den Vertragsgegenstand bezogener Tatsachenzusammenhang, dessen Umfang vom Wissensstand des Kunden abhängt. Ziel der Aufklärung muss sein, dass dem Kunden zusätzliche Klarheit (Hadding, FS Schimansky, S. 67 (74)) über den Vertragsgegenstand verschafft wird. Es liegt daher in der Verantwortung der Bank zu entscheiden, über welche Tatsachen im Einzelnen ein bestimmter Kunde aufzuklären ist.
13
3. Beratung. Die Beratung enthält neben der Mitteilung von Tatsachen auch deren Bewertung, was der Bank einen Ermessensspielraum eröffnet. Dem Kunden muss eine begründete Handlungsoption unterbreitet werden. Dabei sind in der Regel Alternativen aufzuzeigen. Aus dem Rat wird eine Beratung, wenn sie aus gemeinsamen Überlegungen, einer Besprechung, resultiert (Hadding, FS Schimansky, S. 67 (74 f.)).
14
4. Empfehlung. Eine Empfehlung ist ein gesteigerter Rat. Die Beratung verengt sich auf eine Alternative; dem Kunden wird eine bestimmte Handlung nahegelegt. Die Bank übernimmt für den Kunden eine Auswahl. Die Empfehlung bezieht sich nicht nur auf den empfohlenen Gegenstand oder die Leistung, sondern berücksichtigt dabei auch die Situation des Kunden. Die Empfehlung ist grundsätzlich individuell, nicht standardisiert. Bei der Empfehlung scheint der „know-your-customer“-Grundsatz durch (unten Rn. 25).
15
5. Erkundigung (vgl. Horn, ZBB 1997, 139 (141)). Die Erkundigung ist erst recht Ausdruck des „know your customer“-Prinzips. Die Bank kann verpflichtet sein, den Wissensstand und die Risikobereitschaft, u. U. auch die Leistungsfähigkeit des Kunden zu erkunden, und zwar in dessen Interesse.
16
6. Warnung. Die Warnung ist ein Unterfall der Information, d. h. sie erfolgt meistens, aber nicht notwendigerweise ohne Anfrage des Kunden. Gewarnt wird vor einer drohenden Ge-fahr, einem drohenden Nachteil (Vortmann, Rn. 7 ff.; Hadding, FS Schimansky, S. 67 (73); Horn, ZBB 1997, 139 (141)). Der Begriff der Warnung selbst impliziert nicht, ob und wann die Bank warnen muss.
17
7. Schriftliche Dokumentation. Nach der jüngsten Rechtsprechung haben Kreditinstitute keine Pflicht oder Obliegenheit zur schriftlichen Dokumentation der Erfüllung ihrer Beratungs- und Aufklärungspflichten gegenüber Kapitalanlegern (BGHZ 166, 56 = NJW 2006, 1429). Zur Darlegungs- und Beweislast vgl. unten Rn. 81 ff.
18
III. Konkretisierung von Aufklärungs- und Beratungspflichten. 1. Verallgemeinerung für alle Bankgeschäfte? Da Aufklärungs- und Beratungspflichten von der Rechtsprechung entwickelt wurden, sind sie notwendigerweise auf einzelne Bankvertragstypen bezogen. Es wäre Aufgabe der Lehre, aus den einzelnen Aufklärungs- und Beratungspflichten verallgemeinernde Schlussfolgerungen zu ziehen und ein für alle geltendes System derartiger Pflichten zu entwickeln. Anerkannte Systeme dieser Art existieren aber
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
119
nicht, wobei dahin gestellt bleiben kann, ob es überhaupt möglich ist, die Auskunfts- und Beratungspflichten über die einzelnen Vertragstypen hinaus zu verallgemeinern. Bezogen auf den gegenwärtigen Stand von Rechtsprechung und Literatur ist jedenfalls festzuhalten, dass eine vertragstypenübergreifende Verallgemeinerung von Aufklärungspflichten nicht oder höchstens sehr allgemein erfolgt und deswegen grundsätzlich bei den einzelnen Vertragstypen anzusetzen ist. Es ist also nicht möglich, die oben erläuterten Begriffe Auskunft, Aufklärung, Beratung, Empfehlung und Warnung auf einer allgemeinen Ebene in Pflichten umzusetzen. Wann eine Auskunftspflicht oder eine Warnpflicht besteht, wann eine Bank bei einer Beratung das ihr zustehende Ermessen nicht eingehalten hat, lässt sich allgemein nicht beantworten. Dazu ist ein Blick auf das jeweils betroffene Bankgeschäft und die dafür entwickelten Regeln zu werfen.
19
Gleichwohl können einige für alle Bankgeschäfte passende Leitlinien entwickelt werden. Dazu kann man sich an dem in dieser Hinsicht am weitesten fortgeschrittenen Teilrechtsgebiet orientieren, dem Recht der Wertpapierdienstleistungen. Wegen des besonders hohen Beratungsbedarfs ist es kein Zufall, dass gerade hier verhältnismäßig genaue und nicht nur von der Rechtsprechung entwickelte Auskunfts- und Beratungspflichten gelten. Außerdem ist eine sehr starke Europäisierung dieses Rechtsgebiets festzustellen, die wiederum Impulse aus den USA empfangen hat. Die Vorschriften über Auskunfts- und Beratungspflichten im Recht der Wertpapierdienstleistungen bilden daher gewissermaßen das „Einfallstor“ für derartige Pflichten im Bankvertragsrecht allgemein.
20
Zu den allgemeinen Aussagen gehört die Feststellung, dass einerseits auf die besondere Sachkunde der Bank abzustellen ist, andererseits auf die Erfahrenheit oder Unerfahrenheit des Kunden (Horn, ZBB 1997, 139 (145)). Im Anschluss an die Bond I-Entscheidung des BGH (BGHZ 123, 126) wird ein gleitender Maßstab für die Aufklärungs- und Beratungspflichten je nach dem Wissensstand und der Risikobereitschaft des Kunden angenommen. Richtigerweise sollte dieser Maßstab auch über den Anlegerschutz hinaus gelten (so offenbar auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 43 Rn. 14 ff.).
21
2. Das Prinzip von Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit und Verständlichkeit. Die vier genannten Begriffe, in dieser Formulierung von Bamberger, § 50 Rn. 121, übernommen, entstammen dem Recht der Wertpapierdienstleistungen. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des Prinzips auch außerhalb des Bankvertragsrechts ist vor allem durch gemeinschaftsrechtlichen Einfluss erfolgt. So gilt nach § 482 BGB, der auf die Timesharing-Richtlinie zurückgeht, eine Prospektpflicht für Timesharing-Verträge. Nach § 4 BGB-InfoV, einer Umsetzungsvorschrift der Pauschalreise-Richtlinie, müssen Prospektpflichtangaben deutlich lesbar, klar und genau sein, und § 12 BGB-InfoV schließlich schreibt für die Pflichtangaben von Kreditinstituten eine „leicht verständliche“ Form vor.
22
Es ist daher an der Zeit, aus der Vielzahl dieser Vorschriften und der Rechtsprechung allgemeine Regeln zumindest für das Bankvertragsrecht im Ganzen zu entwickeln. Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts ist ohnehin mit einer Konsolidierung und kohärenteren Ausgestaltung dieser Pflichten zu rechnen (vgl. die Arbeiten an einem Gemeinschaftlichen Referenzrahmen für ein europäisches Vertragsrecht, der 2009 verabschiedet werden soll, sowie die vorangegangenen Mitteilungen der Europäischen Kommission an das Parlament und den Rat: Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinsamen Besitzstandes – weiteres Vorgehen, KOM (2004) 651 vom 11.10.2004; Ein kohärentes europäisches Vertragsrecht – ein Aktionsplan, KOM (2003) 68 vom 12.2.2003; sehr kritisch dazu Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529). Als am
23
Tonner
120
24
25
26
27
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
weitesten fortgeschrittene Regelung bietet sich das Recht der Wertpapierdienstleistungen als insoweit verallgemeinerungsfähiges Modell an. In Betracht kommt die die § 31 WpHG konkretisierende sog. Wohlverhaltensrichtlinie des (seinerzeitigen) Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (Entstehungsgeschichte und Fundstellen § 50 Rn. 54). Auch wenn die Wohlverhaltensrichtlinie als Aufsichtsrecht öffentlich-rechtlichen Charakter hat, so entfaltet sie doch nach allgemein anerkannter Auffasung mittelbar zivilrechtliche Wirkungen (§ 50 Rn. 54). Nach B Ziff. 2.2 III 1 der Wohlverhaltensrichtlinie muss die von der Bank geschuldete Information „zutreffend, vollständig, unmissverständlich sowie gedanklich geordnet und in geeigneter Weise gestaltet“ sein. Bamberger hat diese Erfordernisse auf die vier genannten Begriffe gebracht. Auf die dazu gegebene Erläuterung kann verwiesen werden (§ 50 Rn. 121). Informationen ins Blaue hinein sind unzulässig (BGH NJW 1991, 3282). Die Information kann auch dort, wo dies nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, durch Prospekte erfolgen, jedoch hat die Bank darauf zu achten, dass der Kunde die Information verstanden hat. 3. „Know-your-customer“-Prinzip. Die Informationspflichten im Recht der Wertpapierdienstleistungen sind charakterisiert durch die Prinzipien der anlegergerechten und der anlagegerechten Beratung. Die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie hat diese Prinzipien aus dem US-amerikanischen Recht letztlich in das Recht der Mitgliedstaaten transportiert. Hier werden die englischsprachigen Begriffe „know your customer“ und „know your merchandise“ benutzt, weil sie anders als das Schlagwort von der anleger- und anlagegerechten Beratung die Verallgemeinerungsfähigkeit des Prinzips ausdrücken. Die Begriffe der anleger- und anlagegerechten Beratung werden an anderer Stelle erläutert; darauf kann Bezug genommen werden (§ 50 Rn. 129 ff. bzw. 135 ff.; § 52 Rn. 99). Die Bank muss danach den Wissensstand ihres Kunden, seine Risikobereitschaft und sein Anlageziel im Auge behalten. Für andere Bankvertragstypen hat die Rechtsprechung dagegen bislang die Eigenverantwortlichkeit des Kunden betont, insbesondere bei Kreditverträgen hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit und der Kreditverwendung (vgl. unten Rn. 45 ff.; zur älteren Rechtsprechung zusammenfassend Schimansky, WM 1995, 461 (462)). Diese Rechtsprechung zum kreditfinanziertem Anlageerwerb ist in Zeiten entstanden, als der typische Kunde als erfahren und wenig schutzwürdig erschien und nicht ohne weiteres übertragbar auf die heute im Vordergrund stehenden Fälle, bei denen die Schutzbedürftigkeit von Kleinanlegern eine größere Rolle spielt. Es bietet sich daher an, die im Anlegerrecht bereits entwickelten Prinzipien zu verallgemeinern, zumal dies auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts ohnehin bereits erfolgt ist. Am 7.4.2008 haben Parlament und Rat der Europäischen Union die neue Verbraucherkredit-Richtlinie verabschiedet, die die Verbraucherkredit-Richtlinie aus dem Jahre 1987 (87/102/EWG) ablöst. Die Richtlinie ist innerhalb von zwei Jahren in deutsches Recht umzusetzen. Wie alle verbraucherrechtlichen Richtlinien, enthält auch diese Richtlinie umfangreiche Informationspflichten, die bereits im vorvertraglichen Stadium zu erfüllen sind, wobei daneben damit teilweise identische Vertragspflichtangaben stehen. Dieses System wird im Gemeinschaftsrecht bislang schon nicht nur im Finanzdienstleistungsbereich verwendet. In dem neuen Vorschlag aber unterscheidet Art. 5, die Vorschrift über vorvertragliche Informationspflichten, einen Absatz mit Pflichtangaben über das Produkt, den man dem Begriff „know your merchandise“ zuordnen kann, Art. 5 I, und in Art. 5 VI erstmals eine Vorschrift, die dem Typ „know your customer“ entspricht. Art. 5 VI lautet:
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
121
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kreditgeber und gegebenenfalls Kreditvermittler dem Verbraucher angemessene Erläuterungen geben, gegebenenfalls durch Erläuertung der vorvertraglichen Informationen gemäß Absatz 1, der Hauptmerkmale der angebotenen Produkte und der möglichen spezifischen Auswirkungen der Produkte auf den Verbraucher, einschließlich der Konsequenzen bei Zahlungsverzug des Verbrauchers, damit der Verbraucher in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob der Vertrag seinen Bedürfnissen und seiner finanziellen Situation gerecht wird. Die Mitgliedstaaten können die Art und Weise dieser Unterstützung sowie deren Umfang und die Frage, durch wen sie zu geben ist, den besonderen Umständen der Situation, in der der Kreditvertrag angeboten wird, der Person, der er angeboten wird, und der Art des angebotenen Kredits anpassen.“
28
In Verbindung mit den einschlägigen Regeln der Finanzmarkt-Richtlinie wird deutlich, dass die kundenbezogene Beratung ein allgemeines Prinzip des europäischen Finanzdienstleistungsrechts ist, das die mitgliedstaatliche Rechtsprechung nicht ignorieren kann. So ist denn auch bereits in dem auf Art. 19 IV MiFID beruhenden § 31 IV WpHG in der Fassung durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz geregelt, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Kunden nach seinen Erfahrungen und Kenntnissen im gewünschten Anlagebereich sowie seinen Anlagezielen und finanziellen Verhältnissen befragen muss, wenn es Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung betreibt.
29
IV. Durchführung der Aufklärung. 1. „Know your merchandise“. Auch soweit die Produktinformation betroffen ist, kann die notwendige Aufklärung und Beratung grundsätzlich formfrei erfolgen, d. h. mündlich im Rahmen des Verkaufsgesprächs. Davon gibt es aber zahlreiche Ausnahmen, die teils gesetzlich festgelegt sind und sich teils aus der Rechtsprechung ergeben.
30
Für den Verbraucherdarlehensvertrag gelten derzeit noch keine Formvorschriften über vorvertragliche Informationspflichten. Die auf die alte Verbraucherkredit-Richtlinie zurückgehenden Informationspflichten gem. § 492 BGB sind erst in der Vertragsurkunde zu erfüllen. Das wird sich aber ändern, wenn die neue Verbraucherkredit-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist, denn danach müssen umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten, die auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger zu erfüllen sind, eingeführt werden (Art. 6 I der neuen Richtlinie).
31
Ansonsten ergibt sich ein Schriftformerfordernis für vorvertragliche Informationspflichten aus gesetzlichen Prospektpflichten, namentlich §§ 5 ff. WpPG (BGBl. I 2005, 1698). Darüber hinaus hatte bereits die Rechtsprechung für besonders riskante Anlageformen auf dem sog. grauen Kapitalmarkt eine Prospektpflicht entwickelt (OLG Frankfurt a. M. ZIP 1993, 1860 (1861); LG Berlin WM 1992, 93 (95)). Die Zusammenschau zeigt, dass die zunächst für das Anlagegeschäft in zahlreichen Einzelvorschriften entwickelte Prospektpflicht auf den Konsumentenkredit überzugreifen im Begriff ist. Damit wird ein so wesentlicher Teil der Bankgeschäfte erfasst, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis von mündlicher Beratung und prospektgebundener Beratung sich in sein Gegenteil verkehrt (gegen eine Pflicht zur Dokumentation einer mündlichen Beratung aber BGHZ 166, 56 = NJW 2006, 1429).
32
2. „Know your customer“. Die kundenbezogene Beratung kann zwangsläufig nicht nur schriftlich erfolgen. Umgekehrt muss sie nicht ausschließlich mündlich durchgeführt werden. Vielmehr ist eine papiergestützte oder mit Hilfe anderer dauerhafter Datenträger durchgeführte kundenbezogene Beratung denkbar, indem etwa der Berater auf einem Formular kundenbezogene Parameter abfragt oder der Kunde ein entsprechendes Formular selbst ausfüllt. Insbesondere kann die Bank auch auf elektronischem Wege kundenbe-
33
Tonner
122
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
zogen beraten, und zwar auch bei Verbraucherdarlehensverträgen, nach der Umsetzung der neuen Verbraucherkredit-Richtlinie, infolge der das Schriftformerfordernis gem. § 492 I 1 BGB wegfallen wird. Inwiefern dabei der Kunde „vor sich selbst“ geschützt werden muss, etwa vor der Abgabe zu optimistischer Erklärungen über seine Leistungsfähigkeit, kann hier nicht erörtert werden (grundsätzlich zu dieser Frage Singer, JZ 1995, 1133). 34
Jedenfalls können Auskünfte des Kunden über seine finanzielle Leistungsfähigkeit in Zukunft nicht mehr als allein im Interesse der Bank liegend angesehen werden. Vielmehr kann die Bank dabei auch Pflichten verletzten, die ihr gegenüber dem Kunden obliegen.
35
V. Verschulden und Mitverschulden. Eine Haftung der Bank setzt deren Verschulden voraus. Dabei sind die Maßstäbe des § 276 BGB anzulegen, d. h. es genügt einfache Fahrlässigkeit. Gem. § 278 haftet die Bank auch für ihre Erfüllungsgehilfen. Das können auch die eigene Zentralbank und der Bankenverband (OLG Stuttgart WM 2007, 593) oder Berater und Vermittler sein, die nicht Angestellte der Bank sind (OLG Düsseldorf WM 1993, 2207 (2209) für einen Finanzierungsvermittler, dem die Bank Darlehensformulare überlassen hatte; vgl. aber auch unten Rn. 58).
36
Da Schadensersatzansprüche gegen die Bank regelmäßig den § 280 I BGB zur Anspruchsgrundlage haben, gilt auch die dort in Abs. 1 Satz 2 vorgesehene Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens. Die durch die Schuldrechtsreform ins Gesetz gekommene Vorschrift kodifiziert die zuvor von der Rechtsprechung entwickelten Prinzipien. Es ist also Aufgabe der Bank, darzulegen, dass sie nicht fahrlässig gehandelt hat (zur Darlegungs- und Beweislast unten Rn. 81 ff.).
37
Der Einwand des Mitverschuldens gem. § 254 BGB hat bei der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten geringe Bedeutung (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 43 Rn. 42 f.; vgl. auch § 50 Rn. 176 ff.). Der Kunde vertraut in die Beratungskompetenz der Bank. Ein Mitverschulden kann allenfalls angenommen werden, wenn der Kunde Warnungen Dritter in den Wind schlägt (BGH NJW-RR 1993, 114, 115) oder der Berater offensichtlich inkompetent ist.
38
VI. Schaden. Für den Schadensersatz gilt der Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 I BGB). Die Bank muss den Kunden demnach so stellen, wie er bei pflichtgemäßer Aufklärung oder Beratung gestanden hätte (BGHZ 114, 87 (94)). Da es in den Fällen der Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung häufig darum gehen wird, dass ein Vertrag mit einem für den Kunden nachteiligen Inhalt zustandegekommen ist, hat dieser einen Anspruch auf Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag nebst Aufwendungsersatz (negatives Interesse; vgl. BGHZ 69, 53 (56 f.); 123, 106 (112); BGH NJW 1994, 663 (664)). Dieses negative Interesse ist durch das positive Interesse nicht begrenzt, der Kunde kann mithin den Ausgleich aller ihm durch die fehlerhafte oder unvollständige Aufklärung oder Beratung entstandenen wirtschaftlichen Nachteile verlangen (näher MünchKommBGBEmmerich, § 311 Rn. 261; s. auch § 50 Rn. 185 m. w. N.). Bei der Schadensermittlung muss sich der Kunde nach allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts die Vorteile, die er aus der pflichtwidrig erteilten Beratung zieht, anrechnen lassen (Vorteilsausgleich; vgl. BGHZ 109, 380 (392); BGH NJW 1994, 511). Dazu zählen häufig ersparte Steuern, dies jedoch nur dann, wenn der Kunde nicht die Schadensersatzleistung nachversteuern muss (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 43 Rn. 47).
39
VII. Kausalität und Schutzzweck. 1. Kausalität. Die fehlerhafte Aufklärung oder Beratung muss ursächlich für den entstandenen Schaden geworden sein (sog. haftungsbegründende Kausalität). Die Bank haftet nicht, wenn der Schaden auch bei pflichtgemäßer Aufklärung und Beratung eingetreten wäre (BGH NJW-RR 1990, 876 (878)). Grundsätzlich unbeachtlich ist eine hypothetische Kausalität. Führt ein pflichtwidriges Verhalten ei-
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
123
nen Schaden herbei, so kann sich der Schädiger nicht darauf berufen, derselbe Schaden wäre aufgrund eines anderen Umstands später ohnehin eingetreten (vgl. auch § 50 Rn. 188). 2. Schutzzweck. Der Haftungsumfang wird durch den Schutzzweck der verletzten Informationspflicht begrenzt. Es kann nur Ersatz desjenigen Schadens verlangt werden, zu dessen Abwendung die Pflicht bestand. Der Schaden muss also nach Art und Entstehungsweise aus einem Bereich von Gefahren stammen, zu deren Abwehr die Informationspflicht bestimmt war. Die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten, die sich abgrenzbar auf einen bestimmten Aspekt beziehen, kann daher nicht zum Ersatz davon unabhängiger Schäden führen (BGHZ 116, 209 (212); BGH NJW-RR 1991, 1265; NJWRR 1998, 1271 (1273)).
40
VIII. Verjährung. Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten aus § 280 I BGB oder §§ 241 II, 280 I, 311 II BGB verjähren ebenso wie deliktische Ansprüche in der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB. Für den Beginn der Verjährungsfrist gilt § 199 BGB. Die früher diskutierten zahlreichen Ausnahmen und Gegenausnahmen von der 30jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. spielen nach der Verkürzung der allgemeinen Verjährungsfrist auf drei Jahre durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Bereich der Aufklärungs- und Beratungspflichten keine Rolle mehr (vgl. MünchKommBGB-Emmerich § 311 Rn. 279 ff.).
41
IX. Haftungsfreizeichnung. Eine einseitige Freizeichnung von der Haftung für Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen ist generell nicht möglich, insbesondere auch nicht durch die AGB der Banken (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 43 Rn. 56). Möglich ist dagegen eine Haftungsbeschränkung durch Vertrag, doch wird dies nur in wenigen Fällen praktisch, da der Haftungsausschluss bereits vor Eintritt in die Vertragsverhandlungen vereinbart worden sein muss (MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 283).
42
B. Aufklärungs- und Beratungspflichten bei einzelnen Bankgeschäften
43
Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken haben ganz unterschiedliche Bedeutung, je nachdem, um welches Bankgeschäft es sich im Einzelnen handelt. So sind Aufklärung und Beratung von besonderer Bedeutung, wo sie Grundlage einer sachgerechten Beurteilung und Entscheidung des Bankkunden sind, insbesondere im Kredit- und Anlagengeschäft. Dagegen spielen Aufklärung und Beratung nur eine untergeordnete Rolle, wo es lediglich um eine professionelle Abwicklung von Bankgeschäften geht, so z. B. im Zahlungsverkehr. Die Reihenfolge der nachfolgenden Darstellung orientiert sich an der Bedeutung der Aufklärungs- und Beratungspflichten für die jeweiligen Bankgeschäfte. I. Kreditgeschäft. 1. Kreditgewährung. Die Bank, die sich in der Praxis meist nicht darauf beschränkt, den Kreditwunsch des Kunden lediglich entgegenzunehmen, muss diesen, sofern er es wünscht, vollständig und richtig über die Vor- und Nachteile der in Frage kommenden Finanzierungsmodelle beraten (OLG Celle WM 1993, 2082 (2085); PalandtHeinrichs, § 280 Rn. 56). Die Bank ist nicht von sich aus zur Beratung verpflichtet, sie haftet aber bei fehlender oder unrichtiger Auskunft wegen Verletzung eines Auskunftsoder Beratungsvertrags, wenn der Kunde um Information nachgesucht hat (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 9). Sie darf nur zu einer Finanzierung raten, die der Kunde unter Berücksichtigung seiner Vermögensverhältnisse tragen kann (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Siol, § 44 Rn. 8; Siol, DRiZ 2006, 223 (224)). Stellt die Bank hierbei Berechnungen für den Kunden an, haftet sie für Fehler, etwa wegen unrichtiger Information über die beim Hauserwerb zu erwartende Belastung (BGH ZIP 1991, 644 (645); NJW 2000, 3275 f.). Die Bank hat gegenüber dem Kunden keine Verpflichtung, seine Kreditwürdig-
Tonner
44
124
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
keit oder den Wert des zu beleihenden Objekts zu überprüfen (OLG Frankfurt WM 1998, 337 (339); OLG München WM 2001, 1218 (1222); OLG Stuttgart BB 2001, 1426 (1427)). Aus der Pflicht zur Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 18 KWG folgt nichts anderes, da diese nur generell dem Schutz der Einleger, nicht aber dem einzelnen Bankkunden dient (PWW-Schmidt-Kessel, § 280 Rn. 63). Auf Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der gewählten Kreditart braucht die Bank den Kunden i. d. R. nicht unaufgefordert hinzuweisen. Dies gilt jedoch nicht für belastende Besonderheiten des angebotenen Kredittyps (BGH WM 1991, 179 (181)), wie etwa die für den Durchschnittskunden undurchschaubaren Nachteile der Kombination von Kreditvertrag und Lebensversicherung (BGHZ 111, 117 (124); OLG Koblenz ZIP 2000, 1436 (1437 f.); OLG Frankfurt WM 2002, 549 (553)). Die Bank, die den Erwerb von Fondsanteilen finanziert, muss den Kunden darauf hinweisen, dass die Darlehenszinsen höher sind als die zu erwartende Rendite (OLG Karlsruhe ZIP 2001, 1914 (1915)). Sie handelt außerdem pflichtwidrig, wenn sie den Kunden zu Aktienspekulationen auf Kredit verleitet (BGH NJW 1997, 1361 (1362)). Dagegen braucht sie den Kunden nicht darüber aufzuklären, dass Darlehenszinsen am Markt ständigen Schwankungen unterliegen (OLG Hamm NJW-RR 1993, 54). 45
2. Kreditverwendung. a) Grundsatz. Anders als bei der Anlageberatung (Rn. 63 und § 50) bestehen nach std. Rspr. im normalen Kreditgeschäft grundsätzlich keine (vorvertraglichen) Aufklärungs- und Warnpflichten der Banken gegenüber ihren Kunden hinsichtlich der mit einer Kreditaufnahme verbundenen Risiken, selbst wenn der Kredit zur Finanzierung von Steuersparmodellen bestimmt ist. Das Risiko einer sachgerechten Verwendung des Kredits trägt damit der Kreditnehmer. Die Bank muss insbesondere nicht den möglichen Informationsbedarf des Kunden erforschen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 12). Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Bank bei der Kreditvergabe zulässigerweise eigennützig handelt (BGH NJW 1992, 1820; NJW 1982, 1520) und dass die mit solchen Geschäften verbundenen Gefahren jedermann bekannt sind oder doch bekannt sein sollten (BGHZ 107, 92 (101); 114, 177 (182 f.); 116, 209 (211 ff.); BGH NJW-RR 2000, 1576 (1577); NJW 2000, 3558 (3559); BGH WM 2005, 72 (76); BGHZ 161, 15 (20 ff.); BGH WM 2005, 828 (830); BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 (2103); OLG Stuttgart WM 2001, 1667 (1670 ff.); OLG Köln WM 2002, 118 (120 ff.); KG WM 2002, 493 (497); OLG München WM 2002, 1297 (1298); OLG Frankfurt WM 2002, 1275 (1279); 1281 (1283); OLG Hamburg WM 2002, 1289 (1292); OLG Köln WM 2005, 792 (794 ff.); OLG Celle WM 2005, 877 (878 f.)). Dieser Grundsatz soll, was sehr bedenklich ist, auch bei erkennbarer Geschäftsunerfahrenheit des Kunden gelten, soweit sich dieser nicht ausdrücklich beraten lässt und keine weiteren belastenden Umstände hinzutreten (vgl. dazu unten Rn. 55).
46
Wenn aber die Bank – obwohl eine Aufklärungs- und Beratungspflicht nicht besteht – ihre Kunden über bestimmte Punkte informiert oder hinsichtlich der Kreditbedingungen oder der Verwendung des Kredits berät, müssen ihre Angaben zutreffend sein. Andernfalls macht sie sich aus Beratungsvertrag oder c. i. c. (§§ 311 II, 241 II, 280 I BGB) schadensersatzpflichtig (Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 56 ff.; MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 157).
47
b) Ausnahmen. Die geschilderten Grundsätze gelten nicht ausnahmslos. Die Rechtsprechung hat verschiedene Fallgruppen herausgearbeitet, in denen ausnahmsweise auch beim normalen Kreditgeschäft Aufklärungs- und Warnpflichten der Banken gegenüber ihren Kunden bestehen. Im Fall der Verletzung dieser Pflichten besteht eine Haftung der Bank aus c. i. c. auf das negative Interesse. Der Kunde kann sich auf die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast unten Rn. 81 ff.). Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise Aufklärungs- oder Warn-
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
125
pflichten gegenüber ihren Kreditkunden in Betracht kommen, werden von der Rechtsprechung allerdings sehr restriktiv gehandhabt (vgl. insbes. die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH, z. B. BGH WM 2005, 72 (76); BGHZ 161, 15 (20 ff.); BGH WM 2005, 828 (830); außerdem OLG Stuttgart WM 2001, 1667 (1670 ff.); OLG Köln WM 2002, 118 (120 ff.); WM 2002, 1281 (1284 ff.); OLG Köln WM 2005, 792 (794 ff.); OLG Celle WM 2005, 877 (878 f.); großzügiger dagegen die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH, vgl. insbes. BGHZ 159, 280; 294; sowie OLG Frankfurt WM 2002, 549 (550 ff.); OLG Karlsruhe ZIP 2005, 698 – Badenia; in der Sache vorsichtig gebilligt und nur wegen eines Formfehlers aufgehoben vom XI. Zivilsenat des BGH: BGH WM 2007, 876; großzügiger in der Annahme von Aufklärungspflichten der Bank zuvor bereits BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 (2104 ff.)). Die Ausnahmen vom Grundsatz, dass Aufklärungspflichten der Banken in Bezug auf die Kreditverwendung nicht bestehen, wurden von der Rechtsprechung insbesondere zu den sog. Treuhandmodellen im Rahmen der Baufinanzierung (dazu unten Rn. 57) entwickelt, gelten aber für alle Kreditgeschäfte und lassen sich wie folgt systematisieren: aa) Konkreter Wissensvorsprung. Aufklärungs- und Beratungspflichten bestehen insbesondere dann, wenn die Bank gegenüber dem Kunden einen konkreten Wissensvorsprung hinsichtlich der Risiken einer Anlage besitzt (vgl. etwa BGH NJW 1989, 2881 (2882); 1991, 693; (693); 1992, 2146 (2147); NJW-RR 1992, 373 (374); NJW 1997, 1361 (1362); 1999, 2032; 2000, 3065 (3066 f.); 2352 (2353); 3558 (3559); BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 (2104); weitere Rechtsprechungsnachweise in der Vorauflage). Hierbei handelt es sich um die praktisch wichtigste Fallgruppe des Bestehens von Aufklärungspflichten, da die Bank regelmäßig überlegenes Wissen gegenüber ihren Kunden haben wird. Voraus-setzung ist aber, dass die Bank positive Kenntnis von den fraglichen Tatsachen hat, bloße Erkennbarkeit genügt nicht (BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 (2104); MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 163 f.).
48
Das Wissen muss bei der Bank präsent sein (BGH NJW 1992, 1820; NJW 2004, 1377 (1378); WM 2004, 172). Erkundigungs- oder Informationspflichten der Bank bestehen daher generell nicht (BGH WM 2004, 172). Die positive Kenntnis der Bank muss sich zudem gerade auf die spezifischen Risiken der betreffenden Anlage beziehen (BGH WM 2008, 1121: Kaufpreis knapp doppelt so hoch wie Verkehrswert der Wohnung), während Informationen über sonstige bedenkliche Entwicklungen bei der Anlagegesellschaft noch keine Aufklärungspflicht begründen (BGH WM 2003, 1710 (1713)). Die Bank muss sich das Wissen ihres nicht an der Kreditvergabe beteiligten Personals zurechnen lassen (BGH NJW 1989, 2881 (2882); NJW-RR 2005, 634 (635); WM 2008, 1121). Das Wissen des Verkäufers der Anlage oder eines selbständigen Vermittlers, der neben der Anlage auch den Kredit vermittelt, ist der Bank dagegen nach bisheriger Rechtsprechung nicht zuzurechnen (BGH NJW 2000, 3558 (3559); NJW 2003, 2088; NJW 2004, 154 (157); NJW 2004, 606; NJW 2004, 1377; NJW 2004, 2378 (2381); NJW 2005, 1576 (1577); OLG Stuttgart WM 2000, 2146 (2150); OLG Köln ZIP 2001, 1808 (1810 f.); ZIP 1999, 1794; ZIP 2002, 607; OLG Schleswig WM 2000, 1381 (1386 f.); OLG Frankfurt WM 2000, 2135 (2138); a. A. OLG Koblenz ZIP 2002, 702 (707)). Anders sieht dies nach der neuesten Rechtsprechung des BGH zu den sog. Schrottimmobilien (vgl. dazu unten Rn. 59) allerdings aus, wenn ein institutionalisiertes Zusammenwirken zwischen der kreditgebenden Bank und dem Verkäufer oder Vertreiber eines finanzierten Objekts vorliegt. In diesem Fall können sich Anleger unter erleichterten Voraussetzungen auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren über das Anlageobjekt berufen. Die Kenntnis
49
Tonner
126
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
der Bank wird dabei widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für die tätigen Vermittler so evident ist, dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen (BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099; BGH WM 2008, 1121; NJW 2008, 644: Angaben zum erzielbaren Mietzins ohne vorherige betriebswirtschaftliche Untersuchung „ins Blaue hinein“; BGH WM 2008, 1260). Diese vorsichtige Wende des XI. Zivilsenats des BGH hin zu einem stärkeren Schutz getäuschter Anleger ist zu begrüßen, wenngleich die seit der Grundsatzentscheidung vom 16.5.2006 ergangene Rechtsprechung zeigt, dass der BGH kaum zu erfüllende Beweisanforderungen an die wegen der Aufklärungspflichtverletzung der Bank grundsätzlich bestehenden Schadensersatzansprüche der Anleger stellt. Es genügt nämlich danach nicht, dass der Kapitalanleger bei ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht die Möglichkeit gehabt hätte, mit dem Widerruf des Darlehensvertrags auch die Risiken des Anlagegeschäfts zu vermeiden. Vielmehr muss er konkret nachweisen, dass er den Darlehensvertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung tatsächlich widerrufen hätte, ohne sich auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen zu können (vgl. nur BGHZ 169, 109 (121 f.) = NJW 2007, 357 (358 f.); BGH NJW 2007, 361 (363); NJW 2008, 644; kritisch auch Jungmann, NJW 2007, 1562 (1563 f.)). 50
Nach der Rechtsprechung besteht keine Hinweispflicht der Bank, wenn für sie erkennbar ist, dass zwischen dem Erwerbspreis und dem Wert der zu erwerbenden Eigentumswohnung ein Missverhältnis besteht (BGH NJW 2000, 2352 (2353); NJW 2003, 2088 (2090); NJW 2004, 154 (156); NJW-RR 2004, 632; NJW-RR 2004, 1126 (1128); OLG München WM 2000, 291; OLG Celle WM 2005, 877; a. A. OLG München ZIP 1999, 1751 (1752 ff.)). Anders sieht dies nur aus, wenn die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung ausgehen muss, die von der Rechtsprechung immer dann angenommen wird, wenn der zu zahlende Preis mehr als doppelt so hoch ist wie der Wert der Anlage (vgl. etwa BGH NJW 2002, 429 (430); BGHZ 169, 109 = NJW 2007, 357 (358); BGH WM 2008, 1121; weitere Nachweise bei Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 60a). „Bloße“ Kenntnisse der Bank über den mangelhaften Zustand des Objekts, das mit dem Kredit erworben werden soll, oder über die sonstige Unangemessenheit des Kaufpreises begründen nach Auffassung der Rechtsprechung ebenfalls keine Aufklärungspflicht (BGH WM 2003, 916; WM 2003, 1870 (1873); NJW 2004, 154 (156 f.); OLG Köln WM 2002, 118 (120 ff.); WM 2002, 1281 (1285); OLG Frankfurt WM 2002, 549 (550 ff.); a. A. MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 166). Dies soll ohne Hinzutreten weiterer Umstände sogar dann gelten, wenn der Kunde erkennbar geschäftsunerfahren ist (OLG Stuttgart WM 2000, 292 (294); OLG Köln ZIP 2001, 1808 (1809); WM 2000, 2139 (2142); OLG Frankfurt WM 2002, 1281 (1286); Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 63; zu Recht a. A. OLG Frankfurt WM 2002, 549 (550); LG Freiburg BB 1999, 1727). Umstritten ist, ob die Kenntnis der Bank von überhöhten Innenprovisionen für Anlagevermittler Aufklärungspflichten auslöst. Dies lehnt der BGH in ständiger Rechtsprechung ab, es sei denn, dass die Provision zu einer so wesentlichen Verschiebung des Verhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der Kapitalanlage führt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung ihrer Kunden ausgehen muss (BGH NJW 2004, 2378 (2380); NJW 2004, 154 (156 f.); BGHZ 161, 15 (21 f.) = NJW 2005, 664 (665); NJW 2007, 3272; kritisch MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 165 m. w. N.: Hinweispflicht stets, wenn Innenprovision mehr als 15% beträgt). Lediglich für Anlageberater und -vermittler sowie für Geschäftsbesorger nimmt der III. Zivilsenat des BGH eine Hinweispflicht an, wenn die Innenprovision mehr als 15%
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
127
beträgt (BGHZ 158, 110 (118 ff.); BGH NJW 2005, 3208; BKR 2008, 199 (200); bei irreführenden Prospektangaben auch unabhängig von der Höhe der Gesamtprovision: BKR 2007, 254 (255)). Bei verdeckten Rückvergütungen, die der Bank zufließen, bejaht jetzt allerdings auch der XI. Zivilsenat eine Aufklärungspflicht der Bank (BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876). Die Erkennbarkeit der Steuerschädlichkeit bestimmter Handlungen eines Kunden löst für sich allein noch keine Aufklärungspflicht seiner Bank aus (BGH NJW 1992, 1820; MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 159 m. w. N.). Eine Aufklärungspflicht besteht richtigerweise schließlich nicht bei Mängeln, die der Kunde ohne weiteres erkennen konnte (BGH NJW 1988, 1583 (1584); 2000, 2352 (2353); OLG München DB 2000, 2588; Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 60a). Auch die Rechtsprechung nimmt aber eine Aufklärungs- oder Warnpflicht der Bank an, wenn diese weiß, dass das Geschäft, das der Kunde mit dem Kredit erwerben will, wirtschaftlich gefährdet ist (BGH NJW-RR 1992, 879 (880)), wenn sie weiß, dass der Bauträger konkursreif ist (BGH NJW 1991, 693) oder dass die Zahlungsfähigkeit des Initiators eines Bauherrenmodells, für den der Kredit bestimmt ist, gefährdet ist (BGH NJWRR 1992, 373 (374); NJW 1992, 2146 (2147)), wenn sie Kenntnis davon hat, dass die Angaben über die erzielbare Miete unrichtig sind (BGH NJW 1989, 2881 (2882); NJW 2004, 1868; BGHZ 159, 294 (316 f.) = NJW 2004, 2736: Mietgarantie einer insolventen Gesellschaft bei Beitritt zu Immobilienfonds) oder der Initiator sonst mit betrügerischen Angaben operiert (Spickhoff/Petershagen, BB 1999, 165 (167)), oder ihr bekannt ist, dass der Zweck, den der Kreditnehmer mit dem Darlehen verfolgt, aufgrund nur ihr bewusster Umstände gefährdet ist (BGH NJW 1995, 1152 (1153); 1999, 2032). Des Weiteren nimmt die Rechtsprechung eine Aufklärungspflicht der Bank wegen überlegenen Wissens an, wenn sie weiß oder damit rechnen muss, dass wertbildende Faktoren durch Manipulation verschleiert wurden oder dass der Kreditnehmer von den Geschäftspartnern arglistig getäuscht wurde (BGH NJW-RR 2005, 634; WM 2007, 114 (115); NJW 2008, 640 (643)). Insgesamt ist nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 16.5.2006 (BGHZ 168,1 = NJW 2006, 2099) davon auszugehen, dass die Rechtsprechung großzügiger hinsichtlich der Annahme des Bestehens von Aufklärungspflichten geworden ist. Ob dies getäuschten Anlegern in der Praxis eine Hilfe sein wird, bleibt freilich abzuwarten, da häufig große Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen bestehen, und die jüngste Rechtsprechung insoweit eine restriktive Linie fährt (vgl. oben Rn. 49 sowie BGHZ 169, 109 (121 f.) = NJW 2007, 357 (358 f.); BGH NJW 2007, 361 (363); NJW 2008, 644; NJW 2008, 1585 (1588); kritisch dazu Jungmann, NJW 2007, 1562 (1563 f.)).
51
bb) Überschreiten der Rolle als Kreditgeber. Anders als in der vorherigen Fallgruppe (Rn. 48 ff.), in der sich seit der Grundsatzentscheidung vom 16.5.2006 (BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099) gewisse Tendenzen in Richtung eines stärkeren Schutzes der Bankkunden erkennen lassen, wird die Fallgruppe des Überschreitens der Rolle als Kreditgeber von der Rechtsprechung nach wie vor sehr restriktv gehandhabt. Die Bank schuldet dem Kunden nur dann eine richtige und vollständige Information, wenn sie sich in die Planung, Werbung oder Durchführung eines Projekts einschaltet und dadurch ihre Rolle als Kreditgeber dergestalt überschreitet, dass sie gleichsam als Partei des zu finanzierenden Geschäfts erscheint (BGH NJW 1988, 1583 (1584); NJW-RR 1992, 879, (882)). Beispiele hierzu aus der Rechtsprechung: Die Bank finanziert einem Arbeitnehmer in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber eine risikoreiche Beteiligung an der Firma (BGHZ 72, 92 (103 ff.); BGH NJW 1993, 2107), sie lässt sich für ein bestimmtes Projekt als Referenz benennen (BGH NJW 1992, 2148 (2149)), sie ist arbeitsteilig in das Vertriebssystem eingebunden (OLG Frankfurt WM 2002, 549 (551)), sie erweckt den Eindruck, sie habe die Anlage
52
Tonner
128
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
mit positivem Ergebnis geprüft (BGH NJW 1992, 2560 (2562)). Dagegen reicht es für die Überschreitung der Kreditgeberrolle nicht aus, wenn die Bank mit der Anlagegesellschaft oder dem Vertriebsunternehmen ständig und eng zusammenarbeitet (BGH ZIP 2003, 160 (161)). Die Bank überschreitet ihre Rolle als Kreditgeberin auch nicht, wenn sie in einem Finanzierungskonzept die Einrichtung eines Mietpools verlangt. Allerdings kommt unter bestimmten Umständen – etwa Kenntnis der Bank von der bereits bestehenden Überschuldung des konkreten Mietpools – eine Aufklärungspflicht wegen eines durch die Bank geschaffenen Gefährdungstatbestands in Betracht (BGH WM 2007, 876 – Badenia; WM 2008, 971; großzügiger mit der Annahme eines besonderen Gefährdungstatbestands zuvor OLG Karlsruhe ZIP 2005, 698; dem folgend OLG Celle ZGS 2007, 152). 53
cc) Besondere Gefährdungstatbestände. Über besondere von ihr zu verantwortende Gefahren muss die Bank ihre Kunden rechtzeitig und ordnungsgemäß informieren, beispielsweise, wenn sie einem Vermögensverwalter Provisionen für die Zuführung von Kunden zahlt. Die Bank ist in diesem Fall verpflichtet, ihr von dem Vermögensverwalter vermittelte Kunden vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung über diesen Umstand zu informieren (BGHZ 146, 235 (239)). Eine Aufklärungspflicht besteht auch, wenn die Bank die Chancen der Anleger entgegen dem Prospekt dadurch weiter verschlechtert hat, dass sie sich ohne weiteren Hinweis zusätzliche Sicherheiten in ihren Geschäftsbedingungen ausbedungen hat (OLG Karlsruhe WM 1999, 127 (129)). Wenn eine Bank eine Zweigstelle einrichtet, dessen Leiter Einlagen entgegennehmen darf, muss sie den Umfang von dessen Vertretungsmacht klarstellen, um nicht aus c. i. c. haftbar zu sein (BGH NJW 1980, 2410). Ähnliche Aufklärungspflichten können sich bei der Einschaltung von Kreditvermittlern ergeben, weil damit gleichfalls typischerweise zusätzliche Gefahren für den Kunden verbunden sind (OLG Frankfurt BB 1980, 124 (125)). In einem Rechtsstreit um angeblich betrügerische Machenschaften von für die Bausparkasse Badenia tätigen Vermittlern hat das OLG Karlsruhe (ZIP 2005, 698) die Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestands bereits dadurch angenommen, dass die Bank in einem Finanzierungskonzept die Einrichtung eines Mietpools verlangt und der Erwerber einer Eigentumswohnung verpflichtet ist, dem Mietpool beizutreten. Der BGH (WM 2007, 876; bestätigt durch BGH WM 2008, 971) hat dieses Urteil u. a. mit der Begründung aufgehoben, dass sich aus einer solchen Verpflichtung ohne Hinzutreten spezifischer Gefahren des konkreten Mietpools kein besonderer, Hinweis- und Aufklärungspflichten der finanzierenden Bank auslösender Gefährdungstatbestand ergebe. Allerdings hat der BGH in seiner Urteilsbegründung angedeutet, dass der Fall, in dem eine arglistige Täuschung der Anleger durch Vermittler über die Mieteinnahmen des Anlageobjekts vorlag, auf Grundlage der neuen Rechtsprechung zur Fallgruppe des konkreten Wissensvorsprungs (vgl. oben Rn. 48 ff.) zu lösen ist. Die Sache war gleichwohl zur Neuverhandlung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil der beklagten Bank Gelegenheit zu geben war, die vermutete Kenntnis von der arglistigen Täuschung zu widerlegen. Gleichwohl zeigt diese jüngste Entscheidung, dass nunmehr auch der XI. Zivilsenat des BGH bereit ist, die Anleger gegenüber Auswüchsen der Kreditpraxis zu schützen (in die gleiche Richtung BGH WM 2008, 971). Das ist zu begrüßen.
54
dd) Interessenkonflikte. Die Bank schuldet dem Kreditnehmer Aufklärung über die Risiken eines Projekts wegen Interessenkollision, wenn sie einem hochverschuldeten Initiator einen unzureichend gesicherten Kredit zur Vorfinanzierung des Geschäfts gegeben hat und sich von der Durchführung dieses Geschäfts eine Rückführung des Schuldenstands verspricht (BGH NJW-RR 1992, 372 (375)). Gleiches gilt bei einem Kredit für die Beteiligung an einer Publikums-KG, die kurz vor dem Zusammenbruch steht und deren Hauptgläubigerin die Bank ist (BGH NJW 1978, 2547), sowie dann, wenn sich die Bank
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
129
vom Initiator des Projekts zur Rückführung seiner Schulden alle Kaufpreisansprüche hat abtreten lassen (BGH ZIP 1992, 990 (991)). Bei verdeckten Rückvergütungen, die der Bank oder einem Vermögensverwalter zufließen, besteht ebenfalls eine Aufklärungspflicht (BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 (1878); BGHZ 146, 235 (239)). ee) Neue Fallgruppe: Erkennbare Geschäftsunerfahrenheit des Darlehensnehmers. Auch wenn der Bundesgerichtshof und die meisten Oberlandesgerichte (noch) der Trennungstheorie anhängen, wonach zwischen falschen Angaben bei der Vermittlung des Anlageobjekts und bei der Vermittlung des Kredits zu unterscheiden ist (dazu unten Rn. 57 f.), ist es doch Zeit zum Umdenken. Fuellmich/Rieger haben in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, die vier Ausnahmefallgruppen der Rechtsprechung (oben Rn. 48 ff.) um weitere zwei zu ergänzen, nämlich um die der erkennbaren Geschäftsunerfahrenheit des Darlehensnehmers und die der Zurechnung des pflichtwidrigen Verhaltens Dritter (ZIP 1999, 465 (469)). Daran ist hinsichtlich der Geschäftsunerfahrenheit des Darlehensnehmers anzuknüpfen, wohingegen das Problem des Zurechnung des pflichtwidrigen Verhaltens Dritter durch die neue Rechtsprechung des BGH zum institutionalisiertem Zusammenwirken (BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099) geklärt sein dürfte. Die Fallgruppe der Geschäftsunerfahrenheit greift nicht nur das auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts im Vordringen befindliche Prinzip des „know your customer“ auf (oben Rn. 25), sondern ist auch dem deutschen Recht nicht fremd (a. A. Siol, DRiZ 2006, 223 (224); Richrath, WM 2004, 653 (658); Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 63). Der Schutz des Unerfahrenen liegt letztlich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Privatautonomie zu Grunde (BVerfGE 89, 214) und ist damit – ebenso wie gemeinschaftsrechtliche Vorgaben – für die Fachgerichte verbindlich. Dass diese Fallgruppe bislang nicht ausdrücklich anerkannt wurde, mag auch daran liegen, dass in der Vergangenheit Bauherrenmodelle im Vordergrund standen, bei denen die Darlehensnehmer nicht geschäftsunerfahren waren. Es dringt aber offenbar erst langsam ins Bewusstsein der oberen Gerichte, dass die heute im Vordergrund stehenden Treuhandmodelle Kleinanleger geschädigt haben, bei denen eine Hilfestellung des Rechts für die schwächere Vertragspartei erforderlich ist, damit sie – im Sinne des Bundesverfassungsgerichts – von der Privatautonomie Gebrauch machen kann. Der Trennungstheorie liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Erwerber eines Grundstücks weiß, dass Bank und Verkäufer nicht identisch sind. Die Treuhandmodelle (vgl. ihre Darstellung bei Spickhoff/Petershagen, BB 1999, 165, sowie unter Rn. 57) sind dagegen durch ein hohes Maß an Intransparenz gekennzeichnet, die zu beseitigen stets Ziel der Rechtsprechung war. Es geht also, jedenfalls im ersten Schritt, nicht um eine radikale Kehrtwende in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, sondern nur darum, die Trennungstheorie nur dort anzuwenden, wo sie passt, nämlich bei transparenten Fallgestaltungen. Ob eine solche aus der maßgeblichen Sicht des Anlegers vorlag, wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Anleger obliegenden Darlegungs- und Beweislast kritisch zu prüfen sein. Es kann also keine Rede davon sein, dass mit der hier vorgeschlagenen neuen Fallgruppe ein dogmatisch verfehlter, konturloser Ausnahmetatbestand geschaffen werde (so aber der Vorwurf von Richrath, WM 2004, 653 (658 m. w. N.).
55
3. Aufklärungspflichten bei einzelnen Kreditgeschäften. a) Baufinanzierung und Immobilienerwerb. Aufklärungspflichten der Bank spielen eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung von Immobilienanlagen. Kenntnisse der Bank über das zu finanzierende Objekt stellen allerdings i. d. R. keinen zur Aufklärung des Kunden verpflichtenden Wissensvorsprung über spezielle Risiken dar, weil die Bank davon ausgehen darf, dass sich der Kunde selbst über den Zustand der Immobilie informiert hat (BGH 1992, 555; WM 1988, 1225; Siol, DRiZ 2006, 223 (225)). Etwas anderes gilt nur, wenn die Bank davon
56
Tonner
130
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
ausgehen muss, dass dem Kunden ihr bekannte versteckte Mängel verborgen geblieben sind (OLG Hamm WM 1987, 343 (345); Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 26). Keine Aufklärungspflicht besteht nach std. Rspr. des BGH, wenn die Bank weiß, dass der Kaufpreis in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert des zu erwerbenden Objekts steht (BGHZ 102, 60 (67); BGH NJW 1988, 1583 (1584); NJW-RR 1992, 879 (881); NJW 2000, 2352 (2353)), es sei denn, die Bank muss bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Kunden durch den Vertragspartner ausgehen (BGH NJW 2000, 2352 (2353)). Sittenwidrigkeit nimmt der BGH an, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGHZ 125, 218 (227); BGH NJW 2000, 2352 (2353); NJW 2002, 429 (430); WM 2008, 1121). Über versteckte Innenprovisionen muss i. d. R. nicht aufgeklärt werden (vgl. Siol, DRiZ 2006, 223 (225) m. w. N. sowie oben Rn. 50). 57
b) Bauherren- und Ersterwerbermodell. Eine besonders kritische Fallgruppe der Beratungs- und Aufklärungspflichten bildet die Finanzierung steuersparender Bauherrenund Ersterwerbermodelle und hierbei insbesondere die der sog. Treuhandmodelle, bei der die Reichweite der Haftung sehr umstritten ist (für eine weitreichende Haftung Fuellmich/Rieger, ZIP 1999, 465; Stüsser, NJW 1999, 1586; Lang, AcP 201 (2001), 451 (565 ff.); MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 166; dagegen v. Heymann, NJW 1999, 1577; Früh, ZIP 1999, 701; Schubert, WM 2006, 1328). Treuhandmodelle sind gekennzeichnet durch eine von Anlagevermittlern herbeigeführte, meistens notariell beurkundete, umfassende Bevollmächtigung sog. Treuhänder, die von den Initiatoren des Anlageprojekts und den Banken systematisch in die Abwicklung der Projekte eingeschaltet sind. In diesem Zusammenhang stellt sich eine Vielzahl von Rechtsproblemen, wie die Frage, ob zwischen Darlehen und finanziertem Anlagegeschäft (Fondsbeteiligung oder Kauf einer Eigentumswohnung) ein verbundenes Geschäft anzunehmen ist, ob Treuhandvertrag und Vollmacht wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 I S. 1 RBerG nichtig sind und welche Folgen der Widerruf des in einer Haustürsituation geschlossenen Darlehensvertrags wegen mangelnder Widerrufsbelehrung hat. Die Rechtsentwicklung in dieser Fallgruppe war lange Zeit geprägt durch einen erbitterten Streit zwischen dem II. und dem XI. Zivilsenat des BGH, der jedoch inzwischen beigelegt ist, nachdem die Zuständigkeit für praktisch alle Fälle des kreditfinanzierten Immobilienerwerbs – unabhängig davon, ob es sich um einen Fondsbeitritt oder einen echten Immobilienwerb handelt – durch Verständigung zwischen beiden Senaten auf den XI. Zivilsenat übergegangen ist (vgl. Presseerklärung des BGH vom 25.4.2006; kritisch zum Verfahren Derleder, NZM 2006, 449). In der Sache hat sich damit der XI. Zivilsenat weitgehend durchgesetzt. Ursprünglich hatte der II. Zivilsenat des BGH in einer ganzen Reihe von Urteilen vom 14.6.2004 entgegen des bisherigen restriktiven Praxis des XI. Zivilsenats (BGHZ 150, 248 = NJW 2002, 1881; BGHZ 152, 331 = NJW 2003, 422; BGHZ 161, 15 = NJW 2005, 664; BGH NJW 2000, 3065; WM 2005, 72) eine durchweg anlegerfreundliche Position eingenommen, indem er die Nichtigkeit des Treuhandvertrags auf die Vollmachten durchschlagen ließ, ein verbundenes Geschäft zwischen Darlehensvertrag und finanziertem Anlagegeschäft annahm und außerdem Schadensersatzansprüche gegen die Bank wegen Aufklärungspflichtverletzung bejahte (BGHZ 159, 280 = NJW 2004, 2731; BGHZ 159, 294 = NJW 2004, 2736; BGH WM 2004, 1518; WM 2004, 1525; WM 2004, 1527). Im Gegenzug zur Abgabe der Zuständigkeit erklärte sich der XI. Zivilsenat in einer Entscheidungsserie vom 25.4.2006 (BGH NJW 2006, 1788; BGHZ 167, 223 (232 f.) = NJW 2006, 1952; NJW 2006, 1955; NJW 2006, 1957) in Einzelfragen zu einem stärkeren Anlegerschutz bereit, setzte jedoch auch in einer ganzen Reihe von Streitpunkten seine Ansicht an die Stelle der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats (eingehend Nobbe, WM-Sonderbeilage
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
131
Nr. 1/2007). Danach gilt nunmehr Folgendes: Der Darlehensnehmer kann den mit dem Anlagevertrag gemäß § 9 I VerbrKrG verbundenen Darlehensvertrag gemäß § 123 II BGB anfechten, wenn die Täuschung auch für den Abschluss des Darlehensvertrags kausal war, was der Darlehensnehmer zu beweisen hat. Den daneben bestehenden Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss gegen den Vermittler kann der Darlehensnehmer ebenfalls gegen die kreditgebende Bank geltend machen, da der Vermittler bei einem verbundenen Geschäft nicht Dritter im Sinne von § 123 II BGB ist. Dagegen kann er Ansprüche gegen Gründungsgesellschafter, Fondsinitiatoren, maßgebliche Betreiber, Manager und Prospektherausgeber dem Rückzahlungsverlangen der Bank nicht gemäß § 9 III VerbrKrG entgegensetzen (Abweichung von BGHZ 159, 280 ff.; 159, 294 ff., II. Zivilsenat). Die Annahme eines verbundenen Geschäfts im Sinne des § 9 I VerbrKrG scheidet aus, wenn es sich bei dem Darlehensvertrag um einen Realkreditvertrag im Sinne des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG handelt. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn nicht der Erwerber, sondern der Fonds das Grundpfandrecht bestellt hat (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II. Zivilsenat; Fortsetzung von BGHZ 161, 15 ff., XI. Zivilsenat). Die Anwendung der §§ 171, 172 BGB zu Gunsten der Kredit gebenden Bank wird bei einer kreditfinanzierten Immobilienfondsbeteiligung ebenso wie bei einem finanzierten Grundstücksgeschäft auch in den Fällen nichtiger Vollmacht des gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßenden Treuhänders durch die Regeln über das verbundene Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt (Abweichung von BGHZ 159, 294 (300 ff.), II. Zivilsenat; Fortsetzung von BGHZ 161, 15 (24 ff.), XI. Zivilsenat). Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer das Erwerbsmodell initiiert und konzipiert sowie den Treuhänder ausgesucht hat (BGH NJW 2008, 1585 (1587)). Allerdings setzt die Anwendung der §§ 171, 172 BGB voraus, dass die Vollmachtsurkunde spätestens bei Abschluss des Vertrags, nicht erst bei Auszahlung des Darlehens vorliegt (BGH WM 2008, 1266). Einen echten Schritt weiter in Richtung eines stärkeren Anlegerschutzes geht der XI. Zivilsenat in dem Grundsatzurteil vom 16.5.2006 (BGHZ 168, 1 (22 ff.) = NJW 2006, 2099; BGH NJW 2008, 640 (643)), in dem er in Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens zwischen Bank und Verkäufer des Objekts eine widerlegbare Vermutung für die Kenntnis der Bank von einer arglistigen Täuschung des Verkäufers begründet (zu den Beweisschwierigkeiten in diesem Zusammenhang vgl. aber oben Rn. 49 und Jungmann, NJW 2007, 1562 (11563 f.)). Die Risiken der Kunden werden in den Treuhandfällen häufig durch die Einschaltung angeblich selbstständiger Vermittler und Untervermittler in den Vertrieb der Anlage gesteigert. Eine Zurechnung von Aufklärungspflichtverletzungen der Vermittler gemäß § 278 BGB kommt nach der insoweit sehr restriktiven std. Rspr. nur in Betracht, wenn es sich um Erklärungen der Vermittler im Rahmen der Kreditvermittlung handelt, nicht dagegen bei Erklärungen mit Bezug auf die Anlagevermittlung, sog. Trennungstheorie (BGHZ 140, 111 (116); BGHZ 152, 331 (333) = NJW 2003, 422; BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 (2106); BGH NJW-RR 1997, 116; NJW 1998, 2898 (2899); NJW 2000, 3558 (3559); WM 2002, 1297 (1299); NJW 2004, 2378; OLG Stuttgart WM 2001, 1667 (1672 f.); KG WM 2002, 493 (500); OLG Frankfurt WM 2002, 549 (553); 2002, 1275 (1280); 1281 (1286 f.); OLG Hamburg WM 2002, 1289 (1293 f.); OLG München WM 2002, 1297 (1299 f.); abl. MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 168 m. w. N. zum kritischen Schrifttum; zur Kritik an der Trennungstheorie vgl. auch oben Rn. 55).
58
c) Schrottimmobilien. Als eine eigenständige Fallgruppe innerhalb des kreditfinanzierten Immobilienerwerbs hat sich inzwischen die Problematik der sog. Schrottimmobilien entwickelt (vgl. auch § 16 Rn. 22 ff.). Unter dem Schlagwort Schrottimmobilien werden heutzutage – mitunter leider ideologisch geprägt – eine Vielzahl von Rechtsfragen erör-
59
Tonner
132
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
tert, die z. T. bereits oben Rn. 56-58 dargestellt wurden. Die Problematik ist trotz zahlreicher höchstrichterlicher Urteile nicht endgültig geklärt. Die deutsche Rechtsprechung, insbesondere die des XI. Zivilsenats des BGH, tut sich nach wie vor schwer mit der Umsetzung der Vorgaben des EuGH. Dieser hat in zwei Entscheidungen vom 25.10.2005 auf Vorlagen des LG Bochum (NJW 2003, 2612) und des OLG Bremen (NJW 2004, 2238) entschieden, dass zwar aus Sicht des Gemeinschaftsrechts keine Bedenken gegen die sog. Trennungstheorie des XI. Zivilsenats des BGH und die damit einhergehende Pflicht der Verbraucher zur sofortigen Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen im Fall des Widerrufs des Darlehensvertrags bestehen, hat jedoch gleichzeitig angemahnt, dass die Mitgliedstaaten in den Fällen, in denen die Banken ihrer Pflicht zur Widerrufsbelehrung nach der Haustürgeschäftewiderrufs-Richtlinie nicht nachgekommen sind, geeignete Maßnahmen treffen müssen, um die Verbraucher, die es nicht vermeiden konnten, sich solchen Risiken auszusetzen, vor den Folgen der Verwirklichung derartiger Risiken zu schützen (EuGH NJW 2005, 3551 – Schulte/Badenia; NJW 2005, 3555 – Crailsheimer Volksbank/ Conrads; dazu statt vieler Tonner/Tonner, WM 2006, 505; Derleder, BKR 2005, 442; Knops, WM 2006, 70). Der XI. Zivilsenat des BGH hat auf diese Entscheidungen mit der Grundsatzentscheidung vom 16.5.2006 (BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099) reagiert, in der er viele der im Schrifttum vorgeschlagenen Wege zur Umsetzung der etwas kryptischen Vorgaben des EuGH verworfen hat und stattdessen „im Interesse der Effektivierung des Verbraucherschutzes“ seine Rechtsprechung zum Bestehen von Aufklärungspflichten der kreditgebenden Bank in den Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens zwischen Bank und arglistig täuschendem Verkäufer (bzw. Vermittler, Treuhänder, Fondsinitiator oder Gründungsgesellschafter, vgl. BGH NJW 2007, 1127; WM 2008, 1260) ergänzt hat. Dagegen lehnt der XI. Zivilsenat weiterhin Schadenersatzansprüche der Verbraucher wegen unterlassener Widerrufsbelehrung in den Fällen strikt ab, in denen der Verbraucher bei Abschluss des Darlehensvertrags bereits an seine Erklärung zum Abschluss des Immobilienkaufvertrags gebunden ist (BGHZ 169, 109 (121 f.) = NJW 2007, 357, BGH NJW 2008, 644 (648 f.); NJW 2008, 1585 (1586)). Während dies für die Fälle noch nachvollziehbar ist, in denen der Immobilienerwerbs- vor dem Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, weil dann die Realisierung der Risiken aus dem Kapitalanlagegeschäft nicht mit der situativen Unterlegenheit des Verbrauchers in der Haustürsituation bei Abschluss des Darlehensvertrags zusammenhängt (so etwa KG ZIP 2006, 605 (609 f.); OLG Celle NJW 2006, 1817; OLG München NJW 2006, 1811 (1814); Jungmann, WM 2006, 2193 (2194 f.)), ist die Rechtsprechung des BGH nicht mehr nachvollziehbar, soweit dieser den Anlegern auch bei Abschluss des Immobilienerwerbsvertrags nach dem Darlehensvertrag den vollen Beweis dafür abverlangt, dass sie den Darlehensvertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung auch tatsächlich widerrufen und die Anlage nicht getätigt hätten (BGHZ 169, 109 (121 f.) = NJW 2007, 357 (358 f.); BGH NJW 2008, 1585 (1588)). In der Literatur wurde bereits völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass bei einem solchen Verständnis der Kausalitätsbeziehung zwischen unterlassener Widerrufsbelehrung und Schaden des Anlegers Ansprüche aus c. i. c. wegen fehlender Belehrung faktisch ausgeschlossen sind, weil den Anlegern regelmäßig nicht der Beweis gelingen dürfte, dass sie innerhalb der ein- bzw. zweiwöchigen Widerrufsfrist den Darlehensvertag tatsächlich widerrufen und deshalb auch den Immobilienkaufvertrag nicht abgeschlossen hätten (Jungmann, NJW 2007, 1562 (1565)). Die Auswirkungen der Rechtsprechungsänderung des XI. Zivilsenats in der Praxis sind noch unklar. Es deuten sich – wie ausgeführt – große Beweisschwierigkeiten für die Anleger an (vgl. auch BGH NJW 2007, 361). Weitere Konflikte zwischen BGH und EuGH sind daher vorprogrammiert (so auch Jungmann, NJW 2007, 1562 (1566); für eine Staatshaftung der Bundesrepublik Deutschland sogar Kahl/ Essig, WM 2007, 525; dazu auch Späth, ZfIR 2007, 568). Das BVerfG hat in diesem Zu-
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
133
sammenhang darauf hingewiesen, dass angesichts der – gerade auch auf Ebene des Gemeinschaftsrechts – nach wie vor unklaren Rechtslage die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Schadensersatzklagen nicht einfach mit dem Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussicht zurückgewiesen werden darf (BVerfG WM 2007, 1170 (1171)). Die weitere Entwicklung bleibt also abzuwarten. d) Intransparente Finanzierungskonstruktionen. Aufklärungspflichten der Banken kommen bei besonders gefährlichen Kreditformen in Betracht, sofern der normale Bankkunde deren Risiken und Kosten nicht mehr abzuschätzen vermag (MünchKommBGBEmmerich, § 311 Rn. 170). In diese Fallgruppe gehören insbesondere wirtschaftlich unsinnige Kredite zur Ablösung günstiger Kredite bei anderen Banken (BGH NJW-RR 1991, 501 (502); OLG München NJW-RR 1990, 438 (439)), die für den Kunden besonders ungünstige Verbindung eines Kredits mit einer Kapitallebensversicherung, aus der nach ihrer Fälligkeit der bisher nicht getilgte Kredit auf einen Schlag abgelöst werden soll (BGHZ 111, 117 (124); BGH NJW 1989, 1667 (1668); OLG München WM 2002, 1297 (1299); a. A. Früh, ZIP 1999, 701 (702)), sowie kontokorrentähnliche Abreden, bei denen für den Kunden die wirkliche Belastung nicht mehr erkennbar ist (BGH WM 1991, 179 (181 f.)); Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 52).
60
e) Umschuldung. Soll ein fremder Kredit abgelöst werden, braucht die Bank nicht nachzuforschen, ob dieser sittenwidrig war, oder ob für ihn öffentliche Zinssubventionen bestanden haben (BGH NJW-RR 1990, 623 (624)). Sie muss den Kunden aber belehren, wenn die Umschuldung zu einer Mehrbelastung führt (BGH NJW-RR 1991, 501 (502); Singer, ZBB 1998, 148). Zu den Nachteilen, auf die im Rahmen einer Umschuldung hinzuweisen ist, gehören Doppelzinszahlungen wegen Wahrung der Kündigungsfristen, mehrfache Vermittlerprovision, geringerer Rediskont und mehrfache Berechnung der Restschuldversicherungsprämie (Vortmann, Rn. 123 m. w. N.). Die Bank haftet bei falscher Ermittlung des für die Umschuldung erforderlichen Betrags (OLG München NJW-RR 1990, 438 (439)). Gegenüber einer anderen Bank, die einen Kredit ablösen will, ist die Bank dagegen grundsätzlich nicht verpflichtet, über die Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers aufzuklären (Vortmann, Rn. 126 m. w. N.).
61
f) Geschäfte mit anderen Kunden der Bank. Die Bank muss einen Kunden, der einen Kredit für ein Geschäft mit einem anderen Kunden der Bank aufnimmt, nicht von sich aus über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten oder darauf hinweisen, dass sie ihm selbst keine Kredite mehr gewährt. Sie darf allerdings die wirtschaftliche Lage des Dritten nicht beschönigen und muss aufklären, wenn sie weiß, dass der Dritte zahlungsunfähig ist oder dies bald sein wird (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 25 m. w. N.).
62
II. Anlageberatung. An dieser Stelle werden nur Grundzüge dargestellt. Wegen der Einzelheiten sei auf die Kommentierung von Bamberger, § 50, verwiesen. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung kommt bei der Anlageberatung zwischen der Bank und dem Kunden grundsätzlich ein – zumindest konkludent geschlossener – Beratungsvertrag zu Stande, wenn sich ein Kunde mit der Bitte um Beratung über eine Anlagemöglichkeit an eine Bank wendet (BGHZ 100, 117 (118); BGHZ 123, 126 (128) „Bond I“; BGH NJW 1996, 1744; NJW 1997, 1361; NJW-RR 2000, 1497 „Bond II“; NJW 2002, 1868 „NASDA-Q“; NJW 2006, 2041; OLG Koblenz WM 2002, 1224 (1226); OLG Karlsruhe WM 2002, 1295 (1296); MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 154; zur Kritik am Konzept eines eigenständigen Beratungsvertrags vgl. oben Rn. 2 ff.). Aufgrund dieses Vertrags ist die Bank zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (BGHZ 123, 126). Grundlage für die Informationspflichten der Bank im Rahmen der Anlageberatung sind die §§ 31 ff. WpHG, die Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB sind (§ 50 Rn. 54;
63
Tonner
134
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 47) und die vertraglichen und vorvertraglichen Informationspflichten der Bank konkretisierten (a. A. Siol, DRiZ 2006, 223 (224)). Die Beratung muss speziell auf die Bedürfnisse, die Interessen, die Vermögensverhältnisse und das Anlageziel des Kunden zugeschnitten sein und hat sich insbesondere auf die Eigenschaften und Risiken der verschiedenen in Betracht kommenden Anlagen zu erstrecken (MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 155). Beratungs- und Aufklärungspflichten der Bank scheiden aber aus, wenn diese – wie etwa sog. „Discount-Broker“ – von vornherein eine Kundenberatung ablehnen oder wenn die Kunden selbst auf eine Beratung verzichten (BGHZ 142, 345 (354 ff.); BGH NJW 2002, 62; MünchKommBGB-Emmerich, § 311 Rn. 156) oder gezielt einen Auftrag zum Kauf bestimmter Wertpapiere erteilen (BGH ZIP 1998, 1183; OLG Düsseldorf ZIP 1998, 2144; umstr.). Eingeschränkte Aufklärungspflichten bestehen bei ausgesprochenen Spekulationsgeschäften (z.B. Kauf von Aktienoptionen zu Spekulationszwecken im Gegensatz etwa zu bloßen Aktienanleihen), entfallen jedoch auch hier nicht gänzlich, wenn mit ihnen ungewöhnliche und für den Kunden nicht erkennbare Risiken verbunden sind (BGHZ 117, 135 (142 f.); OLG Karlsruhe NJWRR 1988, 1263; WM 1989, 1380; KG WM 2002, 746 (748 f.); LG Magdeburg BKR 2008, 166 für Zinssatzswapgeschäfte). Die Bank darf mithin einen um eine Anlageberatung nachfragenden Kunden nicht zu einer Aktienspekulation auf Kredit oder unerfahrene Anleger zu Börsentermingeschäften verleiten (BGH NJW 1997, 1361 (1362); NJW 1997, 2171 (2172)). Ein Anlageberater handelt pflichtwidrig, wenn er einem als „konservativ“ zu bezeichnenden Anlageinteressenten die Zeichnung von Aktienfonds empfiehlt, die als „gewinnorientiert“ einzustufen sind (OLG Frankfurt a. M. WM 2007, 1215), ebenso, wenn ein Anlagevermittler derartige Fonds als „sicher“ bezeichnet (BGH NJW-RR 2007, 348 (349)). Auch der bereits allgemein über die mit dem Erwerb von Aktien verbundenen Risiken aufgeklärte Kunde muss erneut aufgeklärt werden, wenn eine telefonische Order in erheblichem Umfang von seinem bisherigen Risikoprofil abweicht (OLG Saarbrücken ZIP 2007, 763). Auf Verschlechterungen der Einstufung in den Ratings und kritische Stimmen der Wirtschaftspresse muss die Bank den Anleger hinwiesen (Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 49 m. w. N.). Ein Anlageberater muss auf die eingeschränkte Handelbarkeit von Kommanditbeteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds hinweisen (BGH WM 2007, 542). 64
III. Kontoverbindung. Hinsichtlich der Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute im Rahmen der Kontoverbindung ist zwischen Kontoeröffnung und Kontoführung sowie der Erteilung einer Kontovollmacht zu unterscheiden. Zu den Informationspflichten der Bank sind im Übrigen § 675a BGB sowie § 12 BGB-InfoVO (Konditionen für Überweisungen) zu beachten.
65
1. Kontoeröffnung. Es besteht keine Pflicht der Bank, dem Kunden die unterschiedlichen Konten und die sich daraus ergebenden rechtlichen Möglichkeiten zu erläutern (OLG Celle WM 1994, 1069 (1070); Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 2). Anders ist dies nur, wenn der Kunde eine entsprechende Aufklärung verlangt oder wenn die Bank ein bestimmtes Konto empfiehlt oder wenn sie Fehlvorstellungen des Kunden erkennt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 2). Ob die Bank vor den Risiken eines Gemeinschafts- oder Oder-Kontos warnen muss, ist streitig (dagegen die wohl h. M.: OLG Köln ZIP 1980, 979 (980 f.); OLG Oldenburg WM 1987, 554 (555); Vortmann, Rn. 77; dafür: Canaris, Rn. 117). Wenn Eheleute von sich aus ein solches Konto eröffnen wollen, dürfte eine Aufklärungspflicht jedenfalls abzulehnen sein (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 3).
66
2. Kontoführung. Im Rahmen der Kontoverbindung hat die Bank aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis gemäß §§ 675, 666 BGB die Pflicht, ohne Verlangen des Kontoinha-
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
135
bers fortlaufend über den Stand des Kontos zu unterrichten (BGH ZIP 1985, 1315 (1316)). Darüber hinaus bestehen keine besonderen Aufklärungs- oder Warnpflichten, insbesondere besteht – auch beim Treuhand- oder Anderkonto – grundsätzlich keine Pflicht zur Kontrolle der Kontobewegungen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 4). Die Bank ist aber natürlich nicht gehindert, derartige Kontrollaufgaben durch vertragliche Vereinbarung zu übernehmen (BGH WM 1973, 722 (723)). Ohne weiteres jedoch muss sie nicht prüfen, ob ihr Kunde im Verhältnis zu Dritten befugt war, als alleiniger Kontoinhaber für bestimmte Einzahlungen aufzutreten (BGH WM 1975, 1200 (1201)). Ohne konkreten Verdacht hat die Bank auch nicht zu prüfen, ob sich Maßnahmen des Geschäftsführers einer GmbH, die mit der Bank in girovertraglicher Verbindung steht, im Rahmen pflichtgemäßer Geschäftsführung bewegen. Drängt sich dagegen ein solcher Verdacht auf, hat die Bank die Interessen ihrer Kundin durch geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer Schadensersatzpflicht zu wahren (BGH WM 1976, 474; WM 1984, 730 (731); WM 1986, 418 f.). Kaufleute müssen nicht auf die Möglichkeit einer Zinskompensation durch die Verrechnung von Haben- und Sollkonto aufmerksam gemacht werden (OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 426 (427)). Bei Rückzahlungen (Auszahlung eines Guthabens) entstehen nur ganz ausnahmsweise Aufklärungspflichten der Bank, nämlich dann, wenn damit für den Kunden Nachteile verbunden sind (vgl. Schimansky/Bunte/LwowskiSiol, § 44 Rn. 5). 3. Kontovollmacht. Bei Bestehen einer Kontovollmacht muss die Bank nicht die Verfügungen des Bevollmächtigten überwachen, um den Vollmachtgeber in Missbrauchsfällen warnen zu können. Eine Prüfungspflicht bei der Vollmachtsausübung obliegt der Bank nur, wenn aufgrund konkreter Verdachtsmomente eine missbräuchliche Verfügung evident erscheint (std. Rspr., vgl. nur BGH WM 1994, 1204 (1206)). Allerdings kann bereits bei bloßem Verdacht treuwidrigen Handelns des Bevollmächtigten eine Pflicht der Bank zur Rückfrage beim Kontoinhaber bestehen (BGH WM 1966, 491 (492 f.)).
67
Die Bank ist nicht verpflichtet, den Erben des Kontoinhabers nach dessen Tod auf fortbestehende Bankvollmachten zugunsten Dritter hinzuweisen, damit dieser von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Erbe als solcher nicht ausreichend legitimiert oder ihm das Bestehen der Vollmachten bekannt ist (BGHZ 127, 239 (243)).
68
IV. Kreditsicherheiten. Die Bank prüft Kreditsicherheiten grundsätzlich nur im Eigeninteresse, gleichgültig, ob sie vom Darlehensnehmer oder einem Dritten gestellt werden. Informationspflichten gegenüber dem Kunden bestehen daher im Allgemeinen nicht (BGH NJW 1982, 1520 f.; NJW 1992, 1820; NJW-RR 1987, 1291 (1292); NJW-RR 1991, 170 f.). Das gilt auch für Gesetzesänderungen, die sich steuerlich nachteilig auf bereits eingeräumte Sicherheiten auswirken (BGH NJW 1998, 305 f.). Eine Aufklärungspflicht besteht ausnahmsweise, wenn die Bank im Gegensatz zum Kunden weiß, dass mit einer von ihr geforderten Sicherheit steuerliche Nachteile verbunden sind (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Siol, § 44 Rn. 66).
69
1. Bürgschaft und Schuldmitübernahme. Die Bank muss grundsätzlich nicht über das Risiko einer Bürgschaft oder einer Schuldmitübernahme aufklären (BGH NJW 1990, 1034 f.). Das gilt sowohl für die rechtliche Tragweite als auch für die wirtschaftlichen Auswirkungen. Das Bürgschaftsrisiko darf sie als allgemein bekannt voraussetzen, es wird zudem durch die Schriftform des § 766 BGB offengelegt (BGHZ 25, 318 (320 f.); BGH NJW-RR 1986, 210; NJW 1996, 1274 (1275); kritisch Knops, § 25 Rn. 5 ff.) Diese Grundsätze gelten auch für ausländische Bürgen oder Schuldmitübernehmer, denen es etwa durch Nachfrage beim Gläubiger i. d. R. zuzumuten ist, sich über die Bedeutung einer Bürgschaftserklärung zu informieren (BGH NJW 1997, 3230 (3231)). Auch wenn
70
Tonner
136
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
eine Bank einen Kredit bei einer anderen Bank ablösen will, braucht letztere die ablösende Bank nicht über die Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers zu informieren, da dies der ablösenden Bank i. d. R. selbst möglich ist (BGH NJW 1989, 2882 ff.). 71
Eine Aufklärungspflicht besteht ausnahmsweise, wenn die Bank aufgrund besonderer Umstände davon ausgehen muss, dass der Bürge über das Risiko nicht hinreichend informiert ist und die Bedeutung einer Bürgschaftserklärung nicht durchschaut (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 69; Vortmann, Rn. 194a ff.). Dies gilt erst recht dann, wenn die Bank einen Irrtum des Bürgen über sein erhöhtes Risiko veranlasst hat (BGH NJWRR 1986, 210; NJW-RR 1987, 1291; NJW-RR 1991, 170 f.) oder das Bürgschaftsrisiko bagatellisiert (OLG Celle WM 1988, 1436 (1438)). Eine Haftung besteht auch dann, wenn der Bürge, der die Bestellung einer Grundschuld abgelehnt hat, nicht darauf hingewiesen wird, dass auch die Bürgschaft einen Zugriff auf das Grundstück ermöglicht (BGH ZIP 1999, 1345 f.) oder wenn die Bank weiß, dass der Hauptschuldner kreditunwürdig ist und sie davon ausgehen muss, dass der Bürge dies nicht durchschaut (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Siol, § 44 Rn. 69). Die Bank muss sich in diesem Fall notfalls beim Hauptschulnder darum bemühen, vom Bankgeheimnis entbunden zu werden (OLG Hamm ZIP 1982, 1061 (1062)).
72
2. Andere Sicherheiten. Die von der Rspr. entwickelten Grundsätze zur Aufklärungspflicht gegenüber dem Bürgen gelten wegen vergleichbarer Interessenlage auch gegenüber dem Besteller anderer Sicherheiten, insbesondere bei der Sicherungsgrundschuld. Die Bank prüft die vom Kreditnehmer angebotenen Sicherheiten ausschließlich im eigenen Interesse und ist deshalb nicht zur Überprüfung und anschließender Aufklärung hinsichtlich der Werthaltigkeit einer Grundschuld verpflichtet (BGH ZIP 1982, 545). Die Bank muss insbesondere dann nicht über den Umfang des Risikos aufklären, wenn die Bestellung auf Veranlassung des Schuldners geschieht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 74).
73
3. Verwertung von Sicherungsgut. Bei der Verwertung von Sicherungsgut muss die Bank auf die Interessen ihrer Kunden Rücksicht nehmen (BGH NJW 1997, 1063 (1064); 2000, 352 (353); 2000, 3273 (3274)); nicht dagegen bei der Hereinnahme (BGH NJW 1982, 1520; 1992, 1820: keine Pflicht zur Prüfung der Werthaltigkeit). Hat der Sicherungsgeber vorweg einer bestimmten Verwertungsart zugestimmt, handelt die Bank nicht pflichtwidrig, wenn sie diese Verwertung vornimmt und sich nicht um einen höheren Erlös bemüht (BGH NJW 2000, 3273 (3274)). Auf vom Sicherungsgeber nachgewiesene günstigere Angebote braucht sie sich nur einzulassen, wenn dieser den Vertrag abschlussreif vorlegt und eine risikolose Abwicklung gesichert erscheint (BGH NJW 2000, 352 (353)); allerdings muss sie einem freihändigen Verkauf zustimmen, wenn dieser ein deutlich besseres Ergebnis erwarten lässt als die Versteigerung (OLG Köln ZIP 1995, 1668 (1670)). Über Zeit und Ort einer Verwertung von Sicherheiten sollte die Bank den Kunden aufklären, um ihm zu ermöglichen, daran mitzuwirken oder eine ungünstige Verwertung durch Zahlung abzuwenden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 67).
74
V. Zahlungsverkehr. Für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs (Überweisungs-, Lastschrift- und Scheckeinziehungsverkehr) gilt der Grundsatz, dass die Bank nicht Ratgeberin des Kunden ist (RGZ 54, 329 (332 f.); MünchKommHGB-Hadding/ Häuser, ZahlungsV, Rn. A 158). Den am Überweisungsverkehr beteiligten Banken obliegen deshalb grundsätzlich keine Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber Überweisendem und Überweisungsempfänger. Wegen des begrenzten Geschäftszwecks eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorfälle müssen sich die Kreditinstitute grundsätzlich nicht um die
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
137
Interessen ihrer Kunden kümmern (BGH WM 1992, 1392 (1394); NJW 1987, 317 f.; MünchKommHGB-Hadding/Häuser, ZahlungsV, Rn. A 158). Ohne besondere Vereinbarung besteht keine Pflicht der Bank, Kontobewegungen zu kontrollieren (BGH WM 1973, 722 (723)) oder vor den Risiken eines „Oder-Kontos“, insbesondere der damit verbundenen gesamtschuldnerischen Haftung, zu warnen (MünchKommHGB-Hadding/Häuser, ZahlungsV, Rn. A 158; a. A. Canaris, Rn. 117). Von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung allerdings Ausnahmen, insbesondere im Vorstadium der Insolvenz (vgl. Vortmann, Rn. 221 ff. m. w. N.). Diesbezüglich ist zwischen Überweisungs-, Lastschrift- und Scheckeinziehungsverkehr zu unterscheiden (dazu Rn. 76 ff.). Die Bank hat dem Kunden Auskunft zu geben, z. B. um ihm zu ermöglichen, die Durchführung eines Zahlungsvorgangs gegenüber einem Dritten nachzuweisen (BGH NJW 1985, 2699). Die Übersendung von Tagesabschlüssen und periodischen Rechnungsabschlüssen schließt einen weiteren Auskunftsanspruch, ggf. gegen Entgelt, nicht aus, soweit der Kunde den Verlust der früheren Information glaubhaft macht und das Verlangen nicht unzumutbar ist (BGH NJW 2001, 1486 ff.; OLG Schleswig NJW-RR 2000, 780). Ein umfassender Rechnungslegungsanspruch des Kunden bei Beendigung des Girovertrags besteht daneben nicht mehr (BGH NJW 1985, 2699).
75
1. Überweisungsverkehr. Ist der mit der Überweisung beauftragten Bank bekannt, dass der Zusammenbruch des Zahlungsempfängers oder der Empfängerbank droht, kann sie nach Treu und Glauben aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis verpflichtet sein, den Überweisungsauftrag nicht ohne vorherige Rückfrage beim Kontoinhaber auszuführen (BGH WM 1963, 829 (830); 1978, 588; NJW 1987, 317 (318)). Der bloße Verdacht, der Zahlungsempfänger könne alsbald in Konkurs fallen, begründet dagegen noch keine Warnpflicht (BGH WM 1961, 510 (511); NJW 1987, 317 (318)). Anders aber, wenn der Auftraggeber zuvor eine im Zusammenhang mit der Überweisung stehende Bankauskunft über den Zahlungsempfänger eingeholt hatte und sich die wirtschaftliche Lage des Empfängers danach erheblich verschlechtert (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 84). Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungsempfängers werden der beauftragten Bank regelmäßig nur dann bekannt sein, wenn es sich hierbei um eine andere Bank oder um einen Kunden der beauftragten Bank (sog. Hausüberweisung) handelt. Zumindest im letzten Fall muss die Bank auch die berechtigten Interessen des Zahlungsempfängers an einer noch möglichen Sanierung berücksichtigen. Das gilt jedoch dann nicht mehr, wenn das Insolvenzverfahren bereits eröffnet oder abzusehen ist, dass Sanierungsversuche keinen Erfolg haben werden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 81).
76
Die Bank hat nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs gegenüber ihren Kunden eine Warnpflicht, wenn sie aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegt, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr einen anderen durch eine Straftat schädigen wolle. Eine Bank, die weiß, dass der Inhaber eines bei ihr geführten Girokontos darauf eingehende Zahlungen für fremde Rechnung anzulegen hat, und die aufgrund massiver Verdachtsmomente argwöhnt, der Kontoinhaber veruntreue die Gelder, hat jedenfalls dann eine Warnpflicht, wenn der Kontoinhaber auf einen entsprechenden Vorhalt den Verdacht nicht ausräumen kann. Unter diesen Umständen besteht die Warnpflicht nicht nur, wenn die Veruntreuung der Bank bekannt ist, sondern auch wenn sie aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (BGH NJW 2008, 2245 = WM 2008, 1252). Dem stehe auch weder das bei einer Interessenabwägung hinter der Warnpflicht zurücktretende Bankgeheimnis noch das in § 11 V Geldwäschegesetz festgeschriebene Verbot entgegen, den Auftraggeber einer Finanztransaktion von einer Verdachtsanzeige gegen ihn zu unterrichten, denn die Vorschrift verbiete nicht
77
Tonner
138
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
die Warnung vor einer drohenden Veruntreuung (BGH NJW 2008, 2245 = WM 2008, 1252). 78
Die beauftragte Bank ist stets verpflichtet, den Kunden über die Undurchführbarkeit des Überweisungsauftrags wegen mangelnder Kontodeckung zu unterrichten, damit dieser ihm drohende Nachteile abwenden kann (BGH WM 1978, 637; NJW 2001, 1419 (1420); LG Bonn NJW-RR 2000, 52 f.). Gleiches gilt für den Umfang einer Kontosperre (OLG Rostock ZIP 2002, 429). Vor der Ausführung von Verfügungen, die zu einer außergewöhnlichen Kontoüberziehung führen, soll der Kunde ggf. zu unterrichten sein (LG Nürnberg-Fürth ZIP 2001, 786). Bei rechtlichen Bedenken gegen die Überweisung besteht eine Hinweispflicht, so z. B. bei Auslandsüberweisungen, wenn durch den Auftrag devisenrechtliche Vorschriften verletzt werden (BGHZ 23, 222 (223 ff.)). Das Kreditinstitut darf sich ansonsten aber auf eine formale Prüfung beschränken, ob der Überweisungsauftrag nach seinem äußeren Erscheinungsbild den Eindruck der Echtheit erweckt (OLG Köln NJW-RR 1999, 1725). Die Grundsätze zur Warnpflicht der mit der Überweisung beauftragten Bank gelten mangels einer Rechtsbeziehung zum Auftraggeber nicht für die Empfängerbank (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 85 m. w. N.) und auch nicht für den Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank.
79
2. Lastschriftverkehr. Die Pflichten der Bank im Lastschriftverfahren entsprechen weitgehend denen im Überweisungsverfahren. Die Schuldnerbank muss demgemäß den Schuldner warnen, wenn sie weiß, dass der Gläubiger insolvent geworden ist. Demgegenüber besteht mangels vertraglicher Beziehungen keine Warnpflicht der Gläubigerbank gegenüber dem Schuldner. Bei Nichteinlösung der Lastschrift bestehen Informationspflichten der Schuldnerbank sowohl gegenüber dem Schuldner als auch gegenüber der Gläubigerbank (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 92; BGHZ 69, 82 (85 ff.)).
80
3. Scheckverkehr. Im Scheckverkehr besteht grundsätzlich keine Hinweispflicht der Inkassobank oder der bezogenen Bank gegenüber dem Scheckaussteller, wenn sie erkennt, dass der Scheckeinreicher insolvent zu werden droht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 93; Canaris, Rn. 107). Wegen der besonderen Funktion des Schecks als bargeldähnliches Zahlungsmittel sind die für das Lastschriftverfahren geltenden Grundsätze nicht ohne weiteres auf den Scheckverkehr zu übertragen (Schimansky/Bunte/LwowskiSiol, § 44 Rn. 93). Eine Warnpflicht kommt aber in Betracht, wenn der Scheckeinreicher erkennbar strafbar gegenüber dem Aussteller handelt (Canaris, Rn. 107). Die Bank hat dem Kunden grundsätzlich Auskunft über den Einlöser eines Schecks zu erteilen (BGH NJW 1997, 2528). Sie hat ihm außerdem mitzuteilen, wenn sie einen Scheck mangels Deckung – nicht einlösen will (Canaris, Rn. 107).
81
C. Beweislast, prozessuale Fragen I. Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich trägt derjenige, der Ansprüche aus c. i. c. oder vertraglicher Haupt- oder Nebenpflichtverletzung herleitet, für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ansprüche die Darlegungs- und Beweislast. Das gilt auch für die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten (vgl. zuletzt BGHZ 166, 56 = NJW 2006, 1429 (1430) = JZ 2006, 1080 m. krit. Anm. Einsele). Die Rechtsprechung hat jedoch für die Verletzung vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten durch Kreditinstitute bedeutende Ausnahmen von diesem Grundsatz begründet. Bei deliktischen Ansprüchen bleibt es demgegenüber bei der grundsätzlichen Beweislast des Anspruchstellers.
82
1. Pflichtverletzung und Schaden. Der Kunde hat die Pflichtverletzung und den Schaden zu beweisen. Da die Pflichtverletzung häufig in einer Nichtaufklärung liegen wird,
Tonner
§ 4 Aufklärungs- und Beratungspflichten
139
muss der Kunde einerseits beweisen, dass der Bank tatsächlich entsprechende Pflichten oblagen und andererseits den Negativbeweis der Nichtaufklärung führen. Die Rechtsprechung erleichtert dem Kunden die Beweisführung dadurch, dass die Bank die Behauptung der Nichtaufklärung substantiiert bestreiten muss und der Kunde dann lediglich die Unrichtigkeit der Gegendarstellung der Bank beweisen muss (BGHZ 61, 118 (120); BGH NJW-RR 1990, 1422 (1423); OLG Düsseldorf WM 1996, 1082 (1086); BGHZ 166, 56 = NJW 2006, 1429 (1430)). Nach der neueren Rechtsprechung des BGH zu den sog. Schrottimmobilien (dazu oben Rn. 59) bestehen für die Anleger Erleichterungen für den Nachweis eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens der Bank wegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs. Danach können sich die Anleger in Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgewährenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten besonderen Finanzierungsvermittler, angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles objektiv evident ist, so dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradzu verschlossen (BGHZ 168, 1 (22 ff.); 169, 109 (115); BGH WM 2007, 114 (115); ZIP 2007, 414 (418); WM 2007, 876 (882); WM 2008, 1260). Ob diese Beweiserleichterungen getäuschten Anlegern tatsächlich weiterhelfen, erscheint angesichts der Rechtsprechung des BGH zum Kausalitätsnachweis (dazu Rn. 83) zweifelhaft (kritisch daher z. B. auch Jungmann, NJW 2007, 1562 (1565) und oben Rn. 49, 59). Trotzdem ist diese Beweiserleichterung als Fortschritt gegenüber der zuvor sehr restriktiven Linie des XI. Zivilsenats des BGH zu begrüßen. 2. Kausalität. Bei der Beweislastverteilung hinsichtlich der Kausalität, bei der der Geschädigte grundsätzlich beweisen müsste, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einer Weise verhalten hätte, die die Entstehung des Schadens verhindert hätte, gelten Besonderheiten. Der Kunde kann sich nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann auf die einer Beweislastumkehr gleichkommende Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen, wenn es nur eine Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens gibt. Die Bank muss demnach beweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßer Information eingetreten wäre, dass der Kunde also den Rat oder die Information nicht befolgt hätte. Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Bank (BGHZ 61, 118 (121 f.); 124, 151 (159 f.); BGH WM 1994, 1466 (1467); NJW-RR 1998, 1271 (1272); kritisch dazu Lang, WM 2000, 450 (460 ff.)). Bestanden mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens, bleibt es beim allgemeinen Grundsatz, wonach der Kunde den vollen Kausalitätsbeweis erbringen muss (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 52 m. w. N.). In den Schrottimmobilien-Fällen verlangt der BGH von den klagenden Anlegern den vollen Beweis dafür, dass sie den Darlehensvertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung auch tatsächlich widerrufen und die Anlage nicht getätigt hätten (BGHZ 169, 109 = NJW 2007, 357). Dies ist mit dem vom EuGH in diesen Fällen geforderten Gebot eines effektiven Verbraucherschutzes nicht vereinbar (vgl. bereits oben Rn. 59).
Tonner
83
140
84
85
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
3. Verschulden. Steht die Pflichtverletzung fest, muss die Bank beweisen, dass sie kein Verschulden trifft (§ 280 I 2 BGB). Das folgt entsprechend allgemeinen Grundsätzen bereits daraus, dass die Schadensursache aus dem Gefahrenbereich der Bank stammt und der Kunde keinen Einblick in die Umstände hat, die zum Unterlassen der Aufklärung geführt haben (BGHZ 23, 288 (290 f.); 28, 251 (254); BGH NJW 1964, 2058). Die Beweislast für das Mitverschulden trägt der Schädiger. II. Prozessuale Fragen. Die Zuständigkeit des Gerichts, bei dem Schadensersatzansprüche aus unterlassener oder fehlerhafter Aufklärung oder Beratung geltend zu machen sind, richtet sich nach den allgemeinen Regeln, also §§ 23, 71 GVG für die sachliche Zuständigkeit sowie §§ 12 ff. ZPO für die örtliche Zuständigkeit. Als Ergänzung zum am 1.11.2005 in Kraft getretenen KapMuG (dazu eingehend unter § 63) hat der Gesetzgeber in § 32b ZPO (beschränkt bis zum 1.11.2010) einen ausschließlichen Gerichtsstand für Klagen geschaffen, mit denen Schadensersatz wegen falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen geltend gemacht wird. Die Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn ein Beklagter wegen Verletzung eines Anlageberatungsvertrags auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, auch wenn er sich bei der Beratung auch auf öffentliche Kapitalmarktinformationen bezogen hat (BGH WM 2007, 587). Zum Streitwert gelten keine Besonderheiten. Maßgeblich ist die Höhe des geltend gemachten Schadens.
Tonner
§ 5 Datenschutz
141
§ 5 Datenschutz
Schrifttum Balzer, Abkehr vom allgemeinen Bankvertrag, BKR 2002, 1092; Bengs/Grudzien, Biometrie in der Kreditwirtschaft, DuD 2007, 157; Bilsdorfer, Die Informationsquellen und -wege der Finanzverwaltung, 7. Auflage 2005; Cöster/Intemann, Rechtsschutzmöglichkeiten beim behördlichen Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 und 8 AO, DStR 2005, 1249; Göres, Zur Rechtmäßigkeit des automatisierten Abrufs von Kontoinformationen – Ein weiterer Schritt zum gläsernen Bankkunden, NJW 2005, 253; Grabau/Hundt/Hennecka, Das Bankgeheimnis und § 30 a III AO, ZRP 2002, 430; Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 9. Auflage 2007; Huber, Das Bankgeheimnis der Nachrichtendienste, NJW 2007, 881; Koch, Bankgeheimnis im Online- und Internet-Banking, MMR 2002, 504; Lüttge, Unternehmensumwandlungen und Datenschutz, NJW 2000, 2463; Maidorn, Der automatisierte Kontenabruf – Rechtsschutz gegen einen „Realakt“, NJW 2006, 3752; Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 50. Auflage 2007; Möller, Data Warehouse als Warnsignal an die Datenschutzbeauftragten, DuD 1998, 555; Möncke, Data Warehouses – eine Herausforderung für den Datenschutz?, DuD 1998, 561; Müller, Staatliche Überwachung privater Konten – Ein Erfolg für den Datenschutz?, DuD 2002, 601; Niedermeier/Schröcker, Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden aufgrund rechtswidriger Datenverarbeitung, RDV 2002, 217; Prost, Bankgeheimnis und neues Strafprozessrecht, NJW 1976, 214; Roßnagel/Pfitzmann/Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts (Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums des Innern), 2001; Roth, Der allgemeine Bankvertrag, WM 2003, 480; Schaffland, Datenschutz und Bankgeheimnis bei Fusionen – (k)ein Thema?, NJW 2002, 1539; Selmer, Steuerrecht und Bankgeheimnis, 1981; Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 6. Auflage 2006; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Loseblattsamm., Stand: 05/08; Wengert/Widmann/Wengert, Bankenfusionen und Datenschutz, NJW 2000, 1289; von Zezschwitz, Überwachungsexzess im neuen Steuerrecht, RDV 2002, 117. Inhaltsübersicht A. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Datenschutz als Grundrecht . . . . . . . . . . . . 1 II. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Personenbezogene Daten . . . . . . . . . . . 3 2. Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3. Nutzung personenbezogener Daten für einen anderen Zweck . . . . . . . . . . . . 6 4. Besondere Arten personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 5. Unrichtige Daten, Sperren und Löschen 8 IV. Technischer Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 B. Praktische Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . 10 I. § 30a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Aussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Automatisierter Abruf von Konteninformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13-15 III. Datenschutz bei Fusionen . . . . . . . . . 16, 17 IV. Nutzung von Girokontodaten, Data Warehouses. . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 19 V. Datenübermittlung an strafrechtliche Ermittlungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . 20 C. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Verletzung der Rechte Betroffener durch das Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Verwaltungsrechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Bußgeldregelungen und nebenstrafrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Stichwortverzeichnis Abwendungsauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Anwendungserlass zur AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Authentifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 automatisierter Abruf von Konteninformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 14, 15 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bankvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 biometrische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Bundesnachrichtendienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Data Warehouse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Fusion (nach erfolgter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Fusion (vor) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Girokontodaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Guthabenkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 immaterieller Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Kontrollmitteilungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 personenbezogene Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Rasterfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sammelauskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Schufa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 SWIFT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Telefonberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Rudolf/Kötterheinrich
142
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Art. 29 EGDSRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Art. 31 EGDSRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 § 24c KWG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1
§ 30a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 11, 12 § 93 VII AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 § 93 VIII AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
A. Begriff I. Datenschutz als Grundrecht. Datenschutz ist ein Grundrecht, das das BVerfG in seinem Volkszählungsurteil 1983 unmittelbar aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Menschenwürde abgeleitet hat. Danach gewährleistet das Grundrecht die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, 1).
2
II. Rechtliche Grundlagen. Die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundlagen für deutsche Kreditinstitute ergeben sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), wenn Daten in oder aus Dateien verarbeitet werden, nämlich aus den §§ 4 ff. und 27 ff. Die spezialgesetzlichen Regelungen zum Datenschutz gehen den allgemeinen Bestimmungen des BDSG vor (§ 1 III BDSG). Für den Datenschutz innerhalb der Europäischen Union ist die Richtlinie 95/46 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (EGDSRL) einschlägig. Die Aufsichtsbehörden werden von den Ländern bestimmt (§ 38 VI BDSG). Für die Banken sind die Aufsichtsbehörden des Datenschutzes für den nicht-öffentlichen Bereich zuständig. Einige Länder sehen für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, z. B. Sparkassen, vor, dass der Landesdatenschutzbeauftragte die Aufgaben der Kontrollbehörde wahrnimmt, z. B. in § 3 VI HDSG und in § 2 IV LDSG R-P. Die Koordinierung des Datenschutzes auf europäischer Ebene obliegt der aus Vertretern der nationalen Kontrollstellen zusammengesetzten Datenschutzgruppe nach Art. 29 der EGDSRL und dem aus Vertretern der Mitgliedstaaten bestehenden Ausschuss nach Art. 31 der EGDSRL.
3
III. Inhalt. 1. Nach § 3 I BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, dem Betroffenen. Auf den Datenschutz können sich danach keine juristischen Personen des Privat- oder öffentlichen Rechts berufen. Auch Kreditinstitute können das Grundrecht auf Datenschutz nicht in Anspruch nehmen.
4
2. Datenverarbeitung. Nach § 4 I BDSG sind Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn ein Gesetz dies erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat. Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Ihr muß eine umfassende Information über die beabsichtigte Datenverarbeitung vorausgehen. Die Einwilligung ist grundsätzlich schriftlich zu erteilen (§ 4a I BDSG). In der Regel werden Kreditinstitute personenbezogene Daten für eigene Zwecke erheben, nutzen und verarbeiten. Verarbeiten bedeutet Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen (§ 3 IV BDSG). Das Erheben, Nutzen und Verarbeiten (außer Sperren und Löschen) personenbezogener Daten ist dann zulässig, wenn es der Vertragsabwicklung mit dem Kunden dient, zur Wahrung berechtigter Interessen der Bank, oder wenn die Daten allgemein zugänglich sind (§ 28 I BDSG). Die Zweckbindung aus einem Vertragsverhältnis hat Vorrang bei der Beurteilung der Datenverarbeitung. Die weiteren Alternativen einer zulässigen Datenverarbeitung, nämlich die Wahrung berechtigter Interessen und die allgemeine Zugänglichkeit der Daten, haben zwar grundsätzlich selbständigen Charakter, sind bei Bestehen eines Vertragsverhältnisses aber eng auszulegen (Hinweis Nr. 3 des Innenministeriums zum Datenschutz für die private Wirtschaft, Staatsanzeiger für Baden-Württemberg 1978 Nr. 52, S. 13). Ein Vertragsverhältnis besteht immer nur soweit, wie der Auftrag des Kunden lautet. Aus einer längeren Geschäfts-
Rudolf/Kötterheinrich
§ 5 Datenschutz
143
verbindung in Zusammenhang mit einem Giro- oder Darlehensvertrag ergibt sich noch nicht das Bestehen eines eigenständigen allgemeinen Bankvertrages als Rahmenvertrag, der als Grundlage für Datenverarbeitungsvorgänge herangezogen werden könnte. Ein allgemeiner Rahmenvertrag wird dem Vertragsbegriff nicht gerecht, da es an einer eigenständigen bindenden Rechtsfolge fehlt, die durch die von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen in Kraft gesetzt wird (BGH NJW 2002, 3695). Die Vertragsbeziehung zwischen Bank und Kunde stellt ein besonderes Vertrauensverhältnis dar (Nr. 2 AGB-Bk). Danach ist die Bank zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen sie Kenntnis erlangt. Dieses besondere Vertrauensverhältnis wird auch als Bankgeheimnis bezeichnet. Informationen über den Kunden darf das Kreditinstitut danach nur weitergeben, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist (Grabau/Hundt/Hennecka, ZRP 2002, 430). Das Bankgeheimnis ist daher bei einer datenschutzrechtlichen Bewertung stets besonders zu berücksichtigen (Simitis, § 28 Rn. 134). Hierunter fallen nicht nur Informationen über die Vermögensverhältnisse des Bankkunden, sondern auch über dessen Privatverhältnisse (Koch, MMR 2002, 504 (506)). Die Übermittlung von Kundendaten an die Schufa dient der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses, nämlich idR der eines Giro- oder Darlehensvertrages (Gola/Schomerus, § 28 Rn. 4). Diese Voraussetzung liegt beim Führen eines reinen Guthabenkontos nicht vor. Die Schufa als Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung hat die Aufgabe, Informationen über Kreditabwicklungen zu sammeln und Auskünfte darüber zu geben, um dadurch das Geschäftsrisiko u. a. von Kreditinstituten zu minimieren. Im Fall der Eröffnung eines Guthabenkontos sind ein solches Risiko und damit auch ein berechtigtes Interesse der Kreditinstitute an einer entsprechenden Datenübermittlung nicht zu erkennen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Betroffenen in eine solche Übermittlung eingewilligt haben. Die Einwilligung muss jedoch freiwillig erteilt werden, d. h. der Bankkunde muss eine Wahlmöglichkeit haben. Die Verweigerung der Einwilligung wird aber idR die Versagung eines Girokontos zur Folge haben. Wenn alle Banken in dieser Weise verfahren, wird der Betroffene keine Möglichkeit haben, ein Girokonto zu eröffnen. Ein Girokonto ist aber mittlerweile nahezu unverzichtbar, um am wirtschaftlichen Leben teilnehmen zu können (LG Bremen WM 2005, 2137 (2139)). Die Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses vom 9.4.2004 (www.zentralerkreditausschuss.de), jedem Bürger ein Konto auf Guthabenbasis zugänglich zu machen, wurde als Selbstverpflichtung abgegeben, um einen gesetzlichen Kontrahierungszwang abzuwenden (LG Bremen WM 2005, 2137 (2138)). Ein Anspruch auf Eröffnung eines Guthabenkontos kann daraus nicht abgeleitet werden. Die Erklärung kann nicht als verbindliche Willenserklärung stellvertretend für die dem Zentralen Kreditausschuss angehörenden Banken angesehen werden (OLG Bremen BKR 2006, 294 (295)). Sie ersetzt gerade nicht den gesetzgeberischen Akt, einen entsprechenden Anspruch zu begründen. Die Einwilligung in eine Schufaanfrage ist daher unter dem wirtschaftlichen Druck zum Führen eines Girokontos kaum als freiwillig zu bewerten.
5
3. Nutzung personenbezogener Daten für einen anderen Zweck ist zulässig zur Wahrung berechtigter Interessen eines Dritten, zur Abwehr von Gefahren für die allgemeine Sicherheit, für Werbe- und Zwecke der Markt- und Meinungsforschung, wenn der Betroffene nicht widersprochen hat, und für Forschungszwecke (§ 28 III BDSG). Werden Daten an Dritte übermittelt, darf der Empfänger die Daten nur zu dem Zweck nutzen, zu dem er sie erhalten hat (§ 28 V BDSG).
6
4. Besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse und philosophische Überzeugungen,
7
Rudolf/Kötterheinrich
144
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben (§ 3 IX BDSG). Gerade im Giroverkehr können solche Daten den Kreditinstituten zur Kenntnis gelangen. Aus dem Zahlungszweck können sich z. B. Spenden oder Mitgliedsbeiträge an Parteien oder Gewerkschaften ergeben oder Zahlungen an einen bestimmten Facharzt, so dass Rückschlüsse auf politische Meinungen, Gewerkschaftszugehörigkeit oder Gesundheit gezogen werden können. Beim Erheben, Verarbeiten und Nutzen bestehen hier Einschränkungen (§ 28 VI bis IX BDSG). Zulässig ist die Datenverarbeitung immer bei einer ausdrücklichen Einwilligung (§ 28 VI iVm § 4a III BDSG). Bei der Angabe des Verwendungszwecks im Giroverkehr ist von einer solchen Einwilligung auszugehen. Eine Verwendung darüber hinaus durch die Kreditinstitute dürfte nur schwer in eine Einwilligungserklärung zu fassen sein. 8
5. Unrichtige Daten sind zu berichtigen, Sperren und Löschen richtet sich nach § 35 BDSG.
9
IV. Technischer Aspekt. Um missbräuchliche Nutzungen zu verhindern, werden technische Vorgänge idR durch das Verwenden von Passworten und PIN abgesichert. Hierdurch kann aber nicht zuverlässig überprüft werden, ob der Nutzer auch tatsächlich der Berechtigte ist. Eine Authentifizierung kann durch den Einsatz biometrischer Verfahren erreicht werden. Hierbei werden individuelle Merkmale einer Person gemessen. Diese werden sodann mit denen in einer Datei (Identifikation) oder auf einem einzelnen Datenträger (Verifikation) hinterlegten Referenzmerkmalen verglichen (Bengs/Grudzien, DuD 2007, 157). Individuelle Merkmale können z. B. der Fingerabdruck, die Iris oder die Stimme eines Menschen sein (Simitis, § 6 a Rn. 37). Da aber auch diese Merkmale nicht fälschungssicher sind, empfiehlt sich eine Kombination aus dem Einsatz eines biometrischen Verfahrens mit Passwort und PIN. Im Bankenbereich werden diese Verfahren bereits für Zutrittskontrollen in Hochsicherheitsbereichen und im Kassenbereich genutzt. Der Einsatz im Massenkundenverkehr wie an Geldautomaten oder beim Onlinebanking steht noch am Anfang (Bengs/Grudzien, DuD 2007, 157 (158 f.)). Die Speicherung der Referenzmerkmale auf einem einzelnen Datenträger wie z. B. einer Chipkarte entspricht im Gegensatz zu einer Speicherung in einer zentralen Datei dem datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datensparsamkeit (§ 3a BDSG). Dieser Lösung ist daher der Vorzug zu geben.
10
B. Praktische Anwendungsfälle I. § 30a AO sieht eine Privilegierung von Bankkunden gegenüber der Finanzverwaltung vor. 1. Historie. In dieser Vorschrift haben der Bankenerlass von 1949 und seine Neufassung von 1979 ihren Niederschlag gefunden (Bilsdorfer, S. 76). Der Finanzverwaltung sollte eine gewisse Zurückhaltung bei der Kontrolle der Kunden von Kreditinstituten auferlegt werden, um die Vermögensbildung nicht zu gefährden. Eine wirksame steuerliche Kontrolle wurde dadurch verhindert (Tipke/Kruse, § 30a Rn. 1). 1991 entschied das BVerfG, dass weder der Bankenerlass noch inhaltsgleiches materielles Recht sich so auswirken könnten, dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann (BVerfGE 84, 239 ( 276 ff.)). Dennoch blieb die Norm bisher bestehen.
11
2. Inhalt. Die Vorschrift schafft zahlreiche Auslegungsprobleme. Das BVerfG hat festgestellt, dass durch die Regelung ein struktureller Erhebungsmangel verursacht wird und darin ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt, da die Steuergerechtigkeit durch das Verbot von Kontrollmitteilungen und Sammelauskünften im Bankenbereich erheblich beeinträchtigt wird (BVerfGE 84, 239 (278 ff.)). In der Folge wurden die Regelungen durch den 8. Senat des BFH verfassungskonform, d. h. einschränkend ausgelegt (BFH
Rudolf/Kötterheinrich
§ 5 Datenschutz
145
NJW 1997, 2067 (2070)). Danach kommt ihnen lediglich rechtsbestätigende Wirkung zu. Dies würde bedeuten, dass Kontrollmitteilungen anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut dann vorgenommen werden dürfen, wenn ein hinreichender Anlass hierfür besteht (§ 30a III AO). Auch Sammelauskunftsersuchen (§ 30a V AO) sollen grundsätzlich nicht auf Fälle beschränkt sein, in denen bereits konkrete Anhaltspunkte für eine entstandene Steuerschuld oder –verkürzung vorliegen. Entscheidend für das Vorliegen eines hinreichenden Anlasses oder von konkreten Anhaltspunkten soll sein, dass die Finanzverwaltung im Rahmen einer getroffenen Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung zu dem Ergebnis kommt, dass Kontrollmitteilungen oder Sammelauskunftsersuchen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Der Gesetzgeber hat jedoch bewußt und zielgerichtet eine Einschränkung der Ermittlungsbefugnisse der Finanzverwaltung vorgenommen (BFH FR 1998, 112). Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass § 30a AO überflüssig wäre. Der Schutzcharakter der Norm ginge verloren. 3. Aussichten. Im Rahmen des Abbaus von Steuervergünstigungen wird die Abschaffung des § 30a AO diskutiert. Es ist beabsichtigt, Erkenntnisse bei Außenprüfungen uneingeschränkt verwerten zu können. Die Privilegierung von Bankkunden und die damit verbundenen Auslegungsschwierigkeiten würden damit entfallen.
12
II. Automatisierter Abruf von Konteninformationen. Durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz wurde eine Rechtsgrundlage für den automatisierten Abruf von Kontoinformationen geschaffen (§ 24c KWG). Den Kreditinstituten wird die Pflicht auferlegt, eine besondere Kundendatei zu führen, auf die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zugreifen kann. Bei den zu speichernden Daten handelt es sich um Kontooder Depotnummer, Tag der Errichtung und der Auflösung, Name und eventuell Geburtstag des Inhabers und eines Verfügungsberechtigten sowie Name und Anschrift eines abweichend wirtschaftlich Berechtigten. Es werden jedoch keine Angaben über Kontostand und -bewegungen übermittelt (§ 24c I S. 1 KWG). Die bereits nach § 154 II S. 2 AO bestehende Auskunftspflicht in Einzelfällen wird durch die Pflicht zum Führen dieser besonderen Datei erweitert (v. Zezschwitz, RDV 2002, 117 (120)). Die Kreditinstitute haben den jederzeitigen Zugriff zu ermöglichen und dabei gleichzeitig sicherzustellen, dass ihnen Tatsache und Inhalt des Abrufs nicht bekannt werden (§ 24c I S. 5 und 6 KWG). Voraussetzung für die Abrufe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen ist die Erforderlichkeit und die besondere Eilbedürftigkeit (§ 24c II KWG). Letztgenannte Voraussetzung ist jedoch nicht geeignet, die Zugriffe zu begrenzen. Das System dient dazu, möglichst schnell Gelder von Verdächtigen sicherzustellen oder einzufrieren. Die Eilbedürftigkeit wird daher der Regelfall und nicht die Ausnahme sein (Müller, DuD 2002, 601 (602)). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen ist zu einer ausführlichen Protokollierung verpflichtet (§ 24c IV KWG), so dass zumindest im Nachhinein eine Kontrolle möglich ist. Auch eine Abfrage für Dritte ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (§ 24c III KWG). Eine Pflicht der Banken zur Benachrichtigung der Kunden sieht das BDSG in diesem Fall nicht vor, da die Speicherung und Übermittlung ausdrücklich durch Gesetz vorgesehen ist (§ 33 II Nr. 4 BDSG). Durch Kenntnis oder mögliche Kenntnisnahme des Gesetzes muß der Betroffene mit der Speicherung bzw. Übermittlung rechnen. Im Übrigen würde die Benachrichtigung den Zweck des Datenabrufs gefährden. Im Rahmen des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Kreditinstitut und Kunde sollte jedoch eine generelle Information über den automatisierten Abruf von Konteninformationen, z. B. durch ein Merkblatt oder die AGB, erfolgen (Müller, DUD 2002, 601 (604)).
13
Neben den dargestellten Zwecken zur Bekämpfung illegaler Finanztransaktionen dürfen seit dem 01.04.2005 Finanzbehörden (§ 93 VII AO) und weitere Behörden aus den So-
14
Rudolf/Kötterheinrich
146
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
zialleistungbereichen (Grundsicherung für Arbeitssuchende, Sozialhilfe, Ausbildungsförderung, Aufstiegsfortbildungsförderung und Wohngeld, § 93 VIII AO) ebenfalls auf die o. g. Daten (§ 93b AO) zugreifen. Diese Erweiterung des automatisierten Abrufs von Konteninformationen wurde durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit eingeführt. Es soll den Finanzbehörden ermöglicht werden, die Angaben von Steuerpflichtigen ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu überprüfen und damit Steuergerechtigkeit zu erzielen. Andere Behörden und Gerichte sollen Leistungsmissbrauch besser als bisher bekämpfen können. Denn es sollen nur diejenigen staatliche Hilfen erhalten, die auch tatsächlich die Voraussetzungen hierfür erfüllen (BVerfGE 112, 284 (293)). Gegen die ursprünglichen Regelungen in § 93 VII und VIII AO waren mehrere Verfahren beim BVerfG anhängig. Zwar entsprechen die Ziele, Steuergerechtigkeit zu fördern und Leistungsmissbrauch zu bekämpfen, den Forderungen der Rechtsprechung (BVerfGE 112, 284 (293)). Die ursprüngliche Gesetzesformulierung ließ jedoch Zweifel aufkommen, ob diese Ziele in verfassungsgemäßer Weise erreicht werden können. Die Regelung, welche Behörden außer den Finanzbehörden Abrufe tätigen dürfen, war unbestimmt. Dies sollten Behörden und Gerichte sein, die aufgrund eines Gesetzes tätig werden, das an Begriffe des EStG anknüpft. Das Einkommenssteuerrecht verwendet eine Vielzahl von Begriffen. Dadurch wurde es nahezu unmöglich, die Behörden zu bestimmen, die einen Abruf tätigen dürfen. Dies steht im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 26.11.2004, Staatliche Kontenkontrolle muss auf den Prüfstand, LTDrucks. R-P 14/4660, 107). Der Antrag, die Vorschriften durch einstweilige Anordnung vorläufig auszusetzen, wurde seinerzeit abgelehnt (BVerfGE 112, 284). Das BVerfG berief sich dabei auf die gesetzesergänzenden Regelungen im Anwendungserlass zur AO (AEAO) vom 10.03.2005. Darin wurden die Regelungen insbesondere in Bezug auf die abrufberechtigten Behörden und die Benachrichtung der Betroffenen konkretisiert. In seinem Beschluss vom 13.06.2007 hat das BVerfG § 93 VIII AO in seiner ursprünglichen Form für verfassungswidrig erklärt (1 BvR 1550/03; 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BGBl. I 2007, 1673). Daraufhin hat der Gesetzgeber die Absätze acht bis zehn neu gefasst und Konkretisierungen wie vom BVerfG und den Datenschutzbeauftrgten gefordert direkt in das Gesetz aufgenommen. 15
Der Abruf erfolgt über das Bundeszentralamt für Steuern. Er setzt voraus, dass er für die Aufgabenerfüllung der Behörden erforderlich ist. Die Behörden entscheiden nach ihrem Ermessen, ob sie den Abruf vornehmen. Er kann nur anlassbezogen und zielgerichtet erfolgen und muss sich auf eine bestimmte Person beziehen (BFH NJW 2006, 1230 (1231)). Ermittlungen ins Blaue hinein sind nicht zulässig. Weitere Voraussetzung ist, dass Auskunftsersuchen an den Betroffenen durch Finanzbehörden oder eigene Ermittlungen durch andere Behörden nicht zum Ziel geführt haben bzw. keinen Erfolg versprechen. Andere als Finanzbehörden müssen ihr Ersuchen über die Finanzbehörden richten. Der Abruf kann in automatisierter Form erfolgen (§ 93b II AO). Die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit trägt die anfragende Stelle (§ 93b III AO). Derzeit stellen die berechtigten Behörden einen schriftlichen Antrag auf Abruf von Konteninformationen über die zuständige Finanzbehörde an das Bundeszentralamt für Steuern. Eine elektronische Abfragemöglichkeit ist derzeit noch nicht realisiert. Es ist ausreichend, dass eine auskunftsbegehrende Behörde versichert, eigenes Tätigwerden hätte nicht zum Ziel geführt bzw. verspreche keinen Erfolg. Eine Überprüfung durch das Bundeszentralamt für Steuern findet nicht statt und kann unter diesen Voraussetzungen nicht stattfinden. Das Auskunftsbegehren soll lediglich auf seine Plausibilität überprüft werden. Auch wenn vor der Abfrage keine weitere Überprüfung durch eine andere am
Rudolf/Kötterheinrich
§ 5 Datenschutz
147
Verfahren beteiligte Behörde stattfindet, wird das Ermessen der abfragenden Behörde hierdurch nicht ausgeweitet (Göres, NJW 2005, 253 (255)). Unabhängig von der Anzahl der Kontrollinstanzen hat sie ihr Ermessen stets pflichtgemäß auszuüben und die Entscheidungsfindung nachvollziehbar zu dokumentieren (§ 93 X AO). Diese Dokumentation muss nicht im Antrag auf Kontenabfrage vorgenommen werden. Der Betroffene ist vorab über die Möglichkeit des Kontenabrufs zu informieren (§ 93 IX S. 1 AO). Nach Durchführung ist er ebenfalls hierüber zu informieren, soweit hierdurch nicht der Zweck der Maßnahme gefährdet wird (§ 93 IX S. 2 und 3 AO). Durch die Informationspflichten wird eine Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Abrufs ermöglicht. Dass die Bank als nicht am Verfahren Beteiligte keine Kenntnis erhält (§ 93b IV AO iVm § 24c I S. 6 KWG), entspricht den datenschutzrechtlichen Grundsätzen. Der Abruf selbst stellt einen Realakt dar (Maidorn, NJW 2006, 3752 (3753)). Er entspricht einer elektronischen Einnahme des Augenscheins und hat an sich noch keinerlei regelnde Außenwirkung wie ein Verwaltungsakt. Entweder kann er an sich durch Leistungs- bzw. Feststellungsklage gerichtlich überprüft werden oder durch das Vorgehen gegen den Bescheid, in dem der Abruf verwertet wurde (Cöster/Intemann, DStR 2005, 1249 (1249 ff.)). III. Datenschutz bei Fusionen. Die Zahl der Fusionen bzw. Geschäftsübergänge hat gerade in den letzten Jahren eine große Zahl von Kreditinstituten betroffen (Schaffland, NJW 2002, 1539 (1542)). Dies bedeutet eine Bewegung von Millionen von Kundendaten. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Situation vor und nach einer Fusion zu bewerten. Vor einer Fusion benötigt der potentielle Fusionspartner Informationen über die Geschäfte des anderen Unternehmens. Eine Datenübermittlung in personenbezogener Form ist grundsätzlich nicht zulässig. Ausnahmen gelten nur dann, wenn die Daten bereits frei zugänglich sind (§ 28 I S. 1 Nr. 3 BDSG). Eine Weitergabe von Kundeninformationen im Zuge der Vertragsverhandlungen liegt zwar im berechtigten Interesse sowohl der übermittelnden als auch der empfangenden Stelle (§ 28 I S. 1 Nr. 2 BDSG). Berechtigtes Interesse ist jeder Zweck, dessen Verfolgung von gesundem Rechtsempfinden gebilligt wird. Auch wirtschaftliche Interessen stellen danach ein berechtigtes Interesse dar (Simitis, § 16 Rn. 17). Die Geschäftsinteressen an der Datenübermittlung sind jedoch mit den Interessen der Kunden am Schutz ihrer personenbezogenen Daten abzuwägen. Hierbei ist allein die Feststellung, dass aufgrund der Vielzahl der Betroffenen eine Einholung der Einwilligung unzumutbar wäre (Schaffland, NJW 2002, 1538 (1541)), nicht ausreichend für die Begründung überwiegender Geschäftsinteressen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Geschäftsdaten dem Verhandlungspartner in aggregierter Form zur Verfügung gestellt werden können. Eventuelle Zweifel an der Richtigkeit der Daten können durch Einschaltung eines Treuhänders ausgeschlossen werden (Hinweis Nr. 38 des Innenministeriums zum Datenschutz für die private Wirtschaft, Staatsanzeiger für Baden-Württemberg 2000 Nr. 2, S. 13). Dies entspricht auch dem Gebot der Anonymisierung (§ 3a S. 2 BDSG). Die Auffassung, nach erfolgter Fusion handele es sich bei der Übertragung von Kundendaten um eine Datenübermittlung, da der Empfänger Dritter sei (Wengert/Widmann/ Wengert, NJW 2000, 1289 (1292)), überzeugt nicht, da der übertragende Rechtsträger erlischt (Lüttge, NJW 2000, 2463 (2464)). Mit Eintragung der Verschmelzung geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das Vermögen der übertragenden auf die übernehmende Bank über (§ 20 I Nr. 1 UmwG). Hierzu zählen auch die Datenbestände des Unternehmens (Schaffland, NJW 2002, 1538 (1540)). Dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge entprechend entfällt ein spezieller Übertragungsakt. Damit erfolgt gerade keine Übermittlung im datenschutzrechtlichen Sinne (Lüttge, NJW 2000, 2463 (2464)).
Rudolf/Kötterheinrich
16
17
148
18
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
IV. Nutzung von Girokontodaten, Data Warehouses Die Auswertung von Girokontodaten in personenbezogener Form dient der Durchführung zielgruppengerechter Werbemaßnahmen. Eine solche Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat (§ 4 I BDSG). Eine wirksame Einwilligung könnte der Bankkunde mit Abschluss des Girokontovertrages erteilt haben (Rn. 4). Es kommt daher darauf an, wie der Vertrag zwischen Bank und Kunde ausgestaltet ist. Ist er auf eine Einzelleistung beschränkt, legitimiert dies keine umfassende Beratung des Kunden, sondern lediglich eine Nutzung der bekannten Daten im Rahmen der Abwicklung des Einzelvertrages. Die Auswertung von Kontodaten dient nicht mehr der Abwicklung des Giroverkehrs und damit nicht mehr dem Vertragszweck (§ 28 I BDSG). Etwas anderes kann gelten, wenn mit dem Kunden ein umfassender Beratungsvertrag über alle Bankfragen abgeschlossen wurde. Fraglich ist allerdings, ob ein solcher Vertrag wirksam ist, da er womöglich nicht transparent genug für den Kunden die Datenverarbeitungsvorgänge erläutert (Rn. 4). Selbst wenn man von der Wirksamkeit eines Rahmenvertrages zur Abwicklung der Bankgeschäfte ausgehen würde, ergibt sich daraus nicht die Einwilligung zur Datenverarbeitung. Ein Rahmenvertrag könnte lediglich den Anspruch auf Verhandlungen über erweiterte Geschäftsbeziehungen statuieren (Roth, WM 2003, 480 (481)). In dieser Hinsicht würde einem Rahmenvertrag eindeutig der materielle Gehalt fehlen (Balzer, BKR 2002, 1092 (1093)). Die weitere Erklärung, die idR bei der Kontoeröffnung abgegeben wird, man sei mit Telefonberatung und –werbung einverstanden, stellt ebenfalls keine ausreichende Einwilligung dar. Telefonberatung beinhaltet nicht automatisch eine vorausgegangene Datenauswertung. Denn Werbeaktionen können auch erfolgen, ohne dass zuvor ein bestimmter Kundenkreis ausgewählt wurde. Die Auswertung der Girokontodaten stellt auch keine zulässige Änderung des Nutzungszweckes dar (§ 28 II BDSG). Denn sie kann zwar als erforderlich zur Wahrung berechtigter Interessen des Kreditinstituts angesehen werden. Jedoch überwiegt das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung (§ 28 II iVm § 28 I S. 1 Nr. 2 BDSG). Es werden bei der Abwicklung des Giroverkehrs sehr sensitive Daten gem. § 3 IX BDSG verarbeitet (Rn. 7). Damit liegen den Kreditinstituten nicht nur eine Menge Daten vor, sondern auch sehr aussagekräftige Informationen, da Vorgänge des täglichen Lebens über das Girokonto abgewickelt werden. Aus der Gesamtheit der Daten kann sehr schnell ein Persönlichkeitsprofil des Kunden erstellt werden (BVerfGE 115, 166, 193). Da die Teilnahme am Wirtschaftsleben heute fast vollständig über Girokonten läuft, erlangt das Kreditinstitut Kenntnis von Daten mit hoher Persönlichkeitsrelevanz. Gerade in der Zusammenführung auf dem Girokonto und der möglichen Auswertung lassen sich umfangreiche Schlüsse auf das Privatleben der Bankkunden ziehen.
19
Eine spezielle Form der Datenauswertung sind Data Warehouses. Hierbei werden alle in einem Kreditinstitut bekannten Daten automatisiert gesammelt und eventuell durch externe Daten ergänzt. Dieser Datenbestand kann dann nach beliebigen thematischen oder statistischen Gesichtspunkten ausgewertet werden (Möller, DuD 1998, 555 (556)). Das kann zur Folge haben, dass Daten eventuell nicht mehr ihrem ursprünglichen Erhebungsund Speicherungszweck dienen, da sie jetzt mit anderen Daten in Kombination andere Nutzungsmöglichkeiten eröffnen. Letztlich kann die Einrichtung von Data Warehouses nur auf die Einwilligung des Betroffenen gestützt werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass umfassend über die Tragweite der Speicherung informiert werden muss (Möncke,
Rudolf/Kötterheinrich
§ 5 Datenschutz
149
DuD 1998, 561 (567)). Dies dürfte bei einem Data Warehouse aufgrund dessen Komplexität nur schwer sicherzustellen sein, so dass eine wirksame Einwilligung idR nicht erteilt werden kann. V. Datenübermittlung an strafrechtliche Ermittlungsbehörden. Die Staatsanwaltschaft kann im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens Dritte als Zeugen befragen oder Geschäftsträume durchsuchen (§ 161a StPO). Vor solchen Maßnahmen sind auch Kreditinstitute und ihre Mitarbeiter nicht geschützt. Denn das sog. Bankgeheimnis berechtigt nicht zur Aussageverweigerung, da eine gesetzliche Bestimmung die Weitergabe von Informationen vorschreibt. Banken erteilen daher idR eine sog. Abwendungsauskunft, um Zwangsmaßnahmen zu entgehen. Grundsätzlich findet die freiwillige Mitwirkung der Bank durch die Aufgabenzuweisung des § 161 StPO eine hinreichende Rechtsgrundlage (Selmer, S. 80). Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde steht einem solchen Vorgehen nicht entgegen. Durch die Abwendungsbefugnis kann eine Beschlagnahme von Unterlagen idR verhindert werden. Würde das Kreditinstitut es auf eine Zwangsmaßnahme ankommen lassen, könnten viel mehr Daten an die Ermittlungsbehörde gelangen als für das Verfahren notwendig. In einem solchen Fall müsste die Ermittlungsbehörde sämtliche Kundendaten durchsehen, um die wenigen relevanten auszufiltern. Da sie idR nicht mit den bankinternen Vorgängen vertraut ist, wird ihr diese Aufgabe zusätzlich erschwert (Prost, NJW 1976, 214 (215)). Sind die Banken hingegen zur Mithilfe bereit, kann die Ermittlungsbehörde die tatbezogenen Informationen übermitteln, und das Kreditinstitut kann den Abgleich vornehmen. Dadurch erhält die Ermittlungsbehörde nur die für das Verfahren erforderlichen Informationen, und die unbeteiligten Kunden werden geschützt. Eine Generalauskunft über Kunden ohne konkrete Beschuldigung ist in diesem Rahmen unzulässig (Selmer, S. 81). Ein solches Vorgehen stellt keine Rasterfahndung dar (§ 98a StPO). Die Rasterfahndung ist eine besondere Fahndungsmethode unter Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung. Die Ermittlungsbehörde lässt sich von anderen öffentlichen oder privaten Stellen personenbezogene Daten übermitteln, um einen automatisierten Abgleich mit anderen Daten vorzunehmen. Durch den Abgleich soll diejenige Schnittmenge von Personen ermittelt werden, auf welche bestimmte, vorab festgelegte und für die weiteren Ermittlungen als bedeutsam angesehene Merkmale zutreffen (BVerfGE 115, 320 (321)). Bei einer Rasterfahndung sind die Fahndungsmerkmale so unbestimmt, dass nur ein Bruchteil der ermittelten Personen tatsächlich unter den Verdacht einer Straftat fällt, der größte Teil der Personen aber zu Unrecht in Verdacht gerät. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten eines bestimmbaren Personenkreises gibt und aufgrund der bekannten tatbezogenen Merkmale davon auszugehen ist, dass die zu ermittelnden Personen sich alle strafbar gemacht haben. Die Kreditinstitute sind folglich zur Abwendungsauskunft berechtigt (Meyer-Goßner, § 161 Rn. 4). Bei Auslandsüberweisungen der inländischen Kreditinstitute sind die deutschen Datenschutzbestimmungen (und die EGDSRL) zu beachten. Ein Geldüberweisungsdienst zur Übermittlung von internationalen Zahlungsüberweisungen wird durch die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications (SWIFT) mit Sitz in Belgien abgewickelt, die der datenschutzrechtlichen Kontrolle nach belgischem Recht unterliegt. Ein anderes Unternehmen, das diese Dienstleistungen weltweit anbietet, existiert derzeit nicht, so dass die deutschen Kreditinstitute für die Abwicklung des internationalen Zahlungsverkehrs auf die Dienste von SWIFT angewiesen sind. Sämtliche internationalen Überweisungsdaten – wie Name des Zahlungsanweisenden und -empfängers – werden sowohl für 124 Tage im Rechenzentrum von SWIFT in Belgien gespeichert als auch zum Zwecke der Datensicherung vollständig in einem SWIFT gehörenden Rechenzentrum in
Rudolf/Kötterheinrich
20
21
150
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
den USA gespiegelt. Da die amerikanischen Sicherheitsbehörden grundsätzlich Zugang zu den in den USA gespeicherten Daten haben, verlangten die US-Finanzbehörden nach den terroristischen Anschlägen am 11.09.2001 von SWIFT Zugang zu den in den USA gespeicherten Daten. Ende Juni/Anfang Juli 2006 erfuhr die Öffentlichkeit erstmals von diesen Vorgängen. Nach Auffassung der deutschen Datenschutzbehörden für den privaten Bereich ist das SWIFT-Verfahren mit dem deutschen Datenschutzrecht unvereinbar, da die USA über kein angemessenes Datenschutzniveau verfügten, so dass eine Datenverarbeitung dort nur dann zulässig wäre, wenn ein Zugriff der US-Behörden auf die dort gespeicherten Daten ausgeschlossen wäre (etwa durch wirksame Verschlüsselung). Auch die Art. 29-Datenschutzgruppe nach der EGDSRL hat festgestellt, dass für die Praxis von SWIFT eine gültige Rechtsgrundlage und die Möglichkeit einer unabhängigen Überprüfung durch öffentliche Aufsichtsbehörden fehlten und damit mit belgischem und europäischem Recht unvereinbar seien. Es seien aber die Besonderheiten des konkreten Verarbeitungsverfahrens zu prüfen. Allein das allgemein fehlende entsprechende Schutzniveau in nicht der EG angehörenden ausländischen Staaten führe nicht automatisch zur datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit (Simitis, § 4d Rn. 46; Gola/Schomerus, § 4d Rn. 11). Um zunächst die gebotene Transparenz herzustellen, ist es notwendig, dass die deutschen Kreditinstitute ihre Kunden informieren, dass bei allen Auslandsüberweisungen personenbezogene Daten auch in die USA übermittelt werden und dort dem Zugriff der Sicherheitsbehörden preisgegeben sind. Nach umfassender Information der Bankkunden ist deren Einwilligung zur Übermittlung von personenbezogenen Daten in die USA einzuholen. Nicht ausreichend ist die Zusicherung von US-Behörden, SWIFT werde die amerikanischen Safe Harbour-Anforderungen erfüllen, welche die Zweckbindung von Daten vorsehen; denn die Safe Harbour-Prinzipien verpflichten nur die daran beteiligten, aber nicht sämtliche US-Unternehmen, europäische Datenschutzanforderungen einzuhalten. Die Einhaltung dieser Prinzipien durch die beteiligten Unternehmen wird zwar vom US-Handels-Department überwacht, doch wird damit der Zugriff der Behörden, also auch der USSicherheitsbehörden, nicht eingeschränkt. Letztlich bleibt nur der Weg, entweder das Rechenzentrum von SWIFT aus den USA in einen Staat der EU zu verlagern oder durch einen völkerrechtlichen Vertrag mit den USA dem Datenschutz in Europa entsprechende Verfahren für die SWIFT-Daten in den USA zu erreichen. 22
Die Nachrichtendienste des Bundes (Bundesverfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst) haben mit dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz erweiterte Auskunftsbefugnisse erhalten. Sie sind gem. § 8a II Nr. 2 BVerfSchG, § 2a S. 1 BNDG und § 4a S. 1 MADG berechtigt, von Kreditinstituten Auskünfte zu bestimmten Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere zu Kontostand, Zahlungsein- und –ausgängen, zu verlangen. Die Kontrolle über diese Maßnahmen obliegt jedoch nicht mehr der G 10-Kommission. Den Betroffenen verbleibt nur der Verwaltungsrechtsweg. Da die Kläger mangels Informationen über die Maßnahmen ihr Begehren nicht näher konkretisieren können, ist diese Kontrollmöglichkeit wenig effektiv (Huber, NJW 2007, 881 (882)).
23
C. Rechtsmittel I. Verletzung der Rechte Betroffener durch das Kreditinstitut. Fühlt sich ein Kunde in seinen Datenschutzrechten (insbesondere Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Sperrung) verletzt, kann er sich an die für das Kreditinstitut zuständige Aufsichtsbehörde
Rudolf/Kötterheinrich
§ 5 Datenschutz
151
wenden. Dies ist für ihn kostenfrei. Weiterhin steht ihm der ordentliche Rechtsweg offen, um seine möglichen Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz gegen das Kreditinstitut durchzusetzen. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch nach BDSG ist die rechtswidrige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen das BDSG oder sonstige datenschutzrechtliche Vorschriften (§ 7 S. 1 BDSG). Kann das Kreditinstitut nicht beweisen, dass es den Schaden nicht verschuldet hat, wird dieses Verschulden vermutet (§ 7 S. 2 BDSG). Diese Beweislastumkehr trägt der Tatsache Rechnung, dass der Kunde als Geschädigter idR keinen Einblick in die Datenverarbeitungsvorgänge der Bank hat und daher kaum in der Lage wäre, ein Verschulden nachzuweisen (Niedermeier/Schröcker, RDV 2002, 217 (218)). In den wenigsten Fällen wird jedoch den Betroffenen ein wirtschaftlicher Nachteil entstehen, der als Schadenersatz geltend gemacht werden könnte. Der Ersatz eines immateriellen Schadens bei einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist zwar nur bei automatisierter Verarbeitung durch öffentliche Stellen ausdrücklich vorgesehen, z. B. in § 25 II LDSG BW, Art. 14 II Bay DSG, § 20 I DSG NW, § 8 II LDSG R-P. Er ist aber bei Rechtsgutverletzungen durch Private nicht ausgeschlossen (Gola/Schomerus, § 7 Rn. 19). Da kein Grund besteht, bei derselben Rechtsgutverletzung private Schädiger besser zu stellen als öffentliche, ist eine Einbeziehung auch des immateriellen Schadens zu fordern (Roßnagel/Pfitzmann/Garstka, S. 182). Daneben können die in Konkurrenz stehenden Ansprüche des allgemeinen Zivilrechts geltend gemacht werden. II. Verwaltungsrechtsweg. Gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden steht den betroffenen Kunden und Kreditinstituten der Verwaltungsrechtsweg offen, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. des § 40 VwGO handelt. III. Bußgeldregelungen und nebenstrafrechtliche Normen bestehen daneben (§§ 43, 44 BDSG). Diese werden im Rahmen eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens durchgesetzt.
Rudolf/Kötterheinrich
24
25
“This page left intentionally blank.”
§ 6 Bankgeheimnis
153
§ 6 Bankgeheimnis
Schrifttum Bärmann, Das Bankgeheimnis in der europäischen Rechtsordnung, 1976; Bilsdorfer, Das Bankgeheimnis, DStR 1984, S. 498 ff.; Böhm, Asset Backed Securities und die Wahrung des Bankgeheimnisses, BB 2004, S. 1642 ff.; Bruchner, Kein „stillschweigender“ Abtretungsausschluss bei Bankforderungen, BKR 2004, S. 394 ff.; Bruchner/Stützle, Leitfaden zu Bankgeheimnis und Bankauskunft, 2. Auflage 1990; Büllesbach, Finanzdatenschutz in Europa, CR 2000, S. 544 ff.; Bütter/Aigner, Sieg der Vernunft: Notleidende Darlehensforderungen sind abtretbar, BB 2005, S. 119 ff.; Bütter/Tonner, Übertragung von Darlehensforderungen und Bankgeheimnis, ZBB 2005, S. 165 ff.; dies., Bankgeheimnis und Schadensersatzhaftung der Bank – Der Fall Kirch gegen Deutsche Bank und Breuer, BKR 2005, S. 344 ff.; Cahn, Bankgeheimnis und Forderungsverwertung, WM 2004, S. 2041 ff.; Canaris, Bankgeheimnis und Schutzwirkungen für Dritte im Konzern, ZIP 2004, S. 1781 ff.; Derleder, Das Outsourcing notleidender Bankkredite und seine rechtlichen Grenzen, VuR 2007, 81 ff.; Ehlers, Durchsuchung – Beschlagnahme – Bankgeheimnis, BB 1978, S. 1513 ff.; Ehricke/Rotstegge, Drittschutz zu Gunsten anderer Konzerngesellschaften bei Verletzung des Bankgeheimnisses, ZIP 2006, S. 925 ff.; Eilers, Der internationale Auskunftsverkehr in Steuersachen und die grundrechtlichen Schutzpflichten, RIW 1986, S. 619 ff.; Ehrhardt-Rauch/Rauch, Ist der Schutz von Bankkunden nach § 30a AO auch künftig noch haltbar?, DStR 2002, S. 57 ff.; Fisahn, Bankgeheimnis und informationelle Selbstbestimmung, CR 1995, S. 632 ff.; Früh, Abtretungen, Verpfändungen, Unterbeteiligungen, Verbriefungen und Derivate bei Kreditforderungen vor dem Hintergrund von Bankgeheimnis und Datenschutz, WM 2000, S. 497 ff.; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Bankgeheimnis und Bankauskunft in der Praxis, hrsg. von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes, 6. Auflage 2000; Glauben, Das Bankgeheimnis – Rechtsgrundlagen, Inhalt und Grenzen, DRiZ 2002, S. 104 ff.; Gola/Schomerus, BDSG, 9. Auflage 2007; Gruber, Die Cross-default-Klausel und das Bankgeheimnis, NJW 1991, S. 1099 ff.; Hadding/Schneider, Bankgeheimnis und Bankauskunft in der Bundesrepublik Deutschland und in ausländischen Rechtsordnungen, 1986; Hamacher, Gibt es noch ein steuerliches Bankgeheimnis?, WM 1997, S. 2149 ff.; Heymann/Emmerich, Handelsgesetzbuch (ohne Seerecht), Band 4, §§ 343 – 460, 1989; Hoffmann/Walter, Die Veräußerung Not leidender Kredite – aktives Risikomanagement der Bank im Spannungsverhältnis zwischen Bankgeheimnis und Datenschutz, WM 2004, S. 1566 ff.; Horn, Die AGB-Banken 1993, 1994; Huber, Bankrecht, 2001; Hubmann, Der zivilrechtliche Schutz der Persönlichkeit gegen Indiskretion, JZ 1957, S. 521 ff.; Huhmann, Die verfassungsrechtiche Dimension des Bankgeheimnisses, Diss. 2002; Jobe, Verkauf und Abtretung von Kreditforderungen und das Bankgeheimnis, ZIP 2004, S. 2415 ff.; Joecks, Die Stellung der Kreditwirtschaft im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Kunden, WM 1998, SB 1; Junker, Aktuelle Rechtsfragen zum Bankgeheimnis und zur Bankauskunft, DStR 1996, S. 224 ff.; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 5. Auflage 2003; Kirchherr/Stützle, Aktuelle Probleme zu Bankgeheimnis und Bankauskunft, ZIP 1984, S. 515 ff.; Klein, Abgabenordnung, 9. Auflage 2006; Kleinknecht/Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 48. Auflage 2005; KobersteinWindpassinger, Wahrung des Bankgeheimnisses bei Asset-Backed Securities-Transaktionen, WM 1999, S. 473 ff.; Koch, Bankgeheimnis im Online- und Internet-Banking, MMR 2002, S. 504 ff.; Koch, Abtretbarkeit von Darlehensforderungen im Lichte des AGB-Rechts, BKR 2006, S. 182 ff.; Krayer, Bankkundengeheimnis „zwischen“ Privatsphäre des Kunden und Integrität des Bankiers, WM 2001, S. 1107 ff.; Kristen/Kreppel, NPL-Transaktionen aus Sicht des Verkäufers – Risiken und Lösungsansätze, BKR 2005, S. 123 ff.; Lang, Inhalt, Umfang und Reichweite des Bankgeheimnisses, ZBB 2006, S. 115 ff; Langohr, Datenschutz und Kreditgewerbe, Diss. 1986; Leisner, Ausforschungsdurchsuchung?, BB 1994, S. 1941 ff.; Lerche, Bankgeheimnis – verfassungsrechtliche Rechtsgrundlagen, ZHR 149 (1985), S. 165 ff.; Liesecke, Das Bankguthaben in Gesetzgebung und Rechtsprechung, WM 1975, S. 238 ff.; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz, 14. Auflage 2004; Miebach, Das Bankgeheimnis – Verfassungsrecht und § 30a AO, 1999; Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, S. 1537 ff.; Ohlroggen, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken (1993) und der allgemeine Bankvertrag, Diss. 1997; Petersen, Das Bankgeheimnis zwischen Individualschutz und Institutionsschutz, 2005; Pfeiffer, Strafprozessordnung und Gerichtsverfassungsgesetz, 5. Auflage 2005; Pikart, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bankvertrag, WM 1957, S. 1238 ff.; Prost, Bankgeheimnis und neues Strafprozessrecht, NJW 1976, S. 214 ff.; Radbruch, Das Bankgeheimnis im deutschen und angloamerikanischen Recht, Diss. 1977; Raeschke-Kessler, Grenzen der Dokumentationspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG, WM 1996, S. 1764 ff.; Rehbein, Rechtsfragen zum Bankge-
Beckhusen
154
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
heimnis, ZHR 149 (1985), S. 139 ff.; Rinze/Heda, Non-Performing Loan und Verbriefungs-Transaktionen: Bankgeheimnis, Datenschutz, § 203 StGB und Abtretung, WM 2004, S. 1557 ff.; Rögner, Bankgeheimnis im Spannungsfeld mit dem Kapitalmarktrecht, NJW 2004, S. 3230 ff.; Rüth, Zum sogenannten steuerlichen Bankgeheimnis – 50 Jahre Bankenerlass und 30a AO, DStZ 2000, S. 30 ff.; Sandkühler, Bankrecht, 2. Auflage 1993; Schaefgen, Durchsuchung – Beschlagnahme – Bankgeheimnis, BB 1979, S. 1498 ff.; Schaffland, Datenschutz und Berufsgeheimnis bei Fusion – (k)ein Thema?, NJW 2002, S. 1539 ff.; Schebesta/Vortmann, Die neuen AGB-Banken, 1992; Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, Veräußerung notleidender Kredite – Aktuelle rechtliche Aspekte bei Transaktion von Non-Performing Loans, DB 2005, S. 1367 ff.; Schraepler, Kreditauskunft – Einschränkung des Bankgeheimnisses, NJW 1972, S. 1836 ff.; Schuhmann, § 30a AO – Schutz von Bankkunden?, Wistra 1995, S. 336 ff.; Selmer, Steuerrecht und Bankgeheimnis, 1981; Sichtermann, Das Bankgeheimnis als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, MDR 1965, S. 697 ff.; Sichtermann, Das Bankgeheimnis und seine Grenzen, MDR 1952, S. 143 ff.; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, Bankgeheimnis und Bankauskunft, 3. Auflage 1984; Simitis u.a., Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 5. Auflage 2003; Sonnenhol, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Teil I (Nr. 1 – 10), WM 1993, S. 677 ff.; Spitz, Auskunftspflichten – Bankgeheimnis – Beschlagnahme/Durchsuchung – Zeugenvernehmung im Steuerstrafverfahren, DStR 1981, S. 428 ff.; Stahl, Beschlagnahme von Anderkonten von Berufsgeheimnisträgern bei Kreditinstituten, Wistra 1990, S. 94 ff.; Steindorff, Zivilrechtliche Grundfragen von Bankgeheimnis, Bankauskunft und Persönlichkeitsschutz, ZHR 149 (1985), S. 151 ff.; Stiller, Asset-Backed-Securities und das Bankgeheimnis, ZIP 2004, S. 2027 ff.; Streck/Mack, Banken und Bankkunden im Steuerfahndungsverfahren, BB 1995, 2137 ff.; Thilo, Bankgeheimnis, Bankauskunft und Datenschutzgesetze, NJW 1984, S. 582 ff.; Ungnade, Bankgeheimnis gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, WM 1976, S. 1210 ff.; Ungnade/Kruck, Auskunftspflichten der Kreditinstitute gegenüber Finanzbehörden, WM 1980, S. 258; Vogt/Kramer, Steuerliche Ermittlungsbefugnisse bei Kreditinstituten, WM 1997, S. 2156 ff.; Weber, Das deutsche Bankgeheimnis, Die Bank 1996, S. 84 ff.; Wieland, Zinsbesteuerung und Bankgeheimnis, JZ 2000, S. 272 ff.; Wolff, Die Geheimhaltungspflicht der Banken, DB 1968, S. 695 ff.
Inhaltsübersicht A. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Rechtsgrundlagen des Bankgeheimnisses . . . . . . 4 I. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . 4 II. Zivilrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 7 C. Inhalt des Bankgeheimnisses. . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Gegenstand des Bankgeheimnisses. . . . . . 12 II. Geschützter Personenkreis . . . . . . . . . . . . 17 III. Geheimhaltungsverpflichteter . . . . . . . . . . 22 IV. Dauer der Geheimhaltungspflicht . . . . . . . 26 D. Schranken des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . . 27 I. Gesetzliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . 28 1. Bankgeheimnis im Zivilprozess . . . . . . 28 2. Bankgeheimnis im Strafverfahren. . . . . 31
3. Bankgeheimnis im steuerrechtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bankgeheimnis und andere Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 5. Bankgeheimnis in den Schranken des allgemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . 6. Bankgeheimnis und Bundesdatenschutzgesetz . . . . . . . . . . II. Einwilligung des Kunden . . . . . . . . . . . . . III. Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Rechtsfolgen einer Verletzung des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 48 49 53 55 61 62
Stichwortverzeichnis Amtsverschwiegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Anderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 38 Ausforschungsdurchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Auskunftsverweigerungsrecht. . . . . . . . . . . . . . 11, 43 Auskunftsverweigerungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 11 Aussagegenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 31 Berufshelfer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 38 Bürge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 Bußgeldverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Dienstverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Dienstvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 29 Drittschuldnererklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 54 ff. Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 f., 26, Geheimnisherr. . . . . . . . . . . . 13, 17, 19 f., 26, 55, 56 Geschäftsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Geschäftsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 17
Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Hilfspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 28 informationelles Selbstbestimmungsrecht . . . . . 5, 53 inneres Bankgeheimnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Insolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 29 juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 53 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Nebenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 22, 29 Negativtatsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Nicht-Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 offenkundige Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . .4, 5, 53 f., 62 Pflichtenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 f. Pflichtteilsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Scheck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 f.
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
SCHUFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Stellvertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Steuernachzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Subsidiaritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ff. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . 36, 40
155
Vorpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Wille – mutmaßlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 – wirklicher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 56 Zeugnisverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . 28, 31 ff. Zufallsfunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
A. Allgemeines
1
Im 21. Jahrhundert ist das Bestehen einer funktionierenden Geschäftsverbindung zu einem Kreditinstitut von nahezu existenzieller Bedeutung. Der bargeldlose Zahlungsverkehr gewinnt für die Abwicklung ganz alltäglicher Vorgänge in immer größerem Umfang an Gewicht. Der Verzicht auf eine Bankverbindung ist heutzutage größtenteils mit dem Ausschluss vom Wirtschaftsleben verbunden. Kaum ein Arbeitgeber erklärt sich noch zu einer Barauszahlung von Gehältern bereit und ein Vermieter wird sich im Regelfall nicht auf die Barzahlung der Miete einlassen. Aber auch die Überweisung zur Begleichung einer im Katalog oder Internet bestellten Ware oder die sich zunehmend durchsetzende Verwendung der EC-Karte zur Zahlung im Supermarkt machen eine Bankverbindung zwingend erforderlich. Da die Bank im Rahmen dieser Geschäftsverbindung unweigerlich an Informationen über den Kunden gelangt, deren Bekanntgabe an Dritte der Kunde im Zweifel nicht wünscht, ist jede bankgeschäftliche Beziehung zwischen Bank und Kunden durch ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis gekennzeichnet (Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 1; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 1; vgl. auch Nr. 1 I 1 AGB-Sparkassen), das sich aufseiten der Bank in der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses konkretisiert (Claussen, § 6 Rn. 5; vgl. Schimansky/Bunte/LwowskiBunte, § 7 Rn. 1; Fischer/Klanten, Rn. 4.1 f.). Im Gegensatz zu anderen Ländern, wie etwa Österreich oder der Schweiz, existiert für das Bankgeheimnis in der Bundesrepublik Deutschland bislang keine gesetzliche Regelung oder Legaldefinition (Huber, Rn. 394; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 2; Claussen, Rn. 5; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 1; Schimansky/Bunte/LwowskiBruchner/Krepold, § 39 Rn. 1; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 136; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 29; Glauben, DRiZ 2002, 104 (104); Junker, DStR 1996, 224 (224); Früh, WM 2000, 497 (500); Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473 (474); Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (140 f.)). Dabei kann das Bankgeheimnis in Deutschland auf eine lange Tradition zurückblicken. Bereits im Jahre 1619 gründeten Hamburger Kaufleute die „Hamburger Bank“ und legten in Art. 6 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der „Ordnung und Articuli der Wechsel-Banco“, erstmalig die Verpflichtung fest, niemandem über die Angelegenheiten eines Kunden Auskunft zu geben und niemandem zu offenbaren, was in der Bank passiert und geschrieben wird (Sichtermann/Feuerborn/ Kirchherr/Terdenge, S. 71 f.; Radbruch, S. 5 f.; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 136). Etwa 150 Jahre später, im Jahr 1765, statuierte auch Friedrich der Große in Art. 19 des „Reglements der Königlichen Giro- und Lehn-Banco“ eine derartige Verpflichtung mit der Besonderheit, dass auch „allen und jeden“ außerhalb der Bank Nachforschungen über Kontostände untersagt wurden (vgl. Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 75; Claussen, § 6 Rn. 2). In beiden Fällen waren für Zuwiderhandlungen gegen diese unter den Diensteid fallende Verschwiegenheitspflicht höchste Strafen vorgesehen (vgl. Radbruch, S. 5 ff.; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 136; Claussen, § 6 Rn. 2). Am 05.10.1846 wurde diese Verpflichtung zur Verschwiegenheit schließlich erstmals in § 113 der Bankordnung der Preußischen Bank mit dem Begriff „Bankgeheimnis“ in Verbindung gebracht (Radbruch, S. 6; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 75).
Beckhusen
2
156
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
3
Heute gilt das Bankgeheimnis unbestritten als das Berufs- und Geschäftsgeheimnis im Kreditgewerbe (vgl. Lang, ZBB 2006, 115 (116); Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473 (474); Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 1; BuB/Weber, Rn. 2/840; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 4 m. w. N.; Junker, DStR 1996, 224 (224); Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 37 f.; Langohr, S. 11; Heymann/Emmerich, Anhang § 372, Rn. 51; Fisahn, CR 1995, 632 (634); Bilsdorfer, DStR 1984, 498 (499) m. w. N.). Mit der Novellierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken zum 01.01.1993 hat das Bankgeheimnis erstmals in Nr. 2 I AGB-Banken eine ausdrückliche Regelung erfahren (Sonnenhol, WM 1993, 677 (678); Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 3; Horn, S. 88; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 2; Schebesta/Vortmann, Rn. 28; Ohlroggen, S. 90) und wird auch in Nr. 1 I 2 AGBSparkassen nur beiläufig, aber explizit erwähnt. Nach Nr. 2 I AGB-Banken ist „die Bank [...] zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen sie Kenntnis erlangt (Bankgeheimnis). Informationen über den Kunden darf die Bank nur weitergeben, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist“ (vgl. auch die wortgleiche Nr. 2 I AGB-Postbank). Diese Definition des Bankgeheimnisses entspricht dabei den in der Literatur und der Rechtsprechung zum Bankgeheimnis entwickelten Grundsätzen (Sonnenhol, WM 1993, 677 (679) m. w. N.; Schebesta/Vortmann, Rn. 28 m. w. N.). Daneben besteht über den Umstand Einigkeit, dass diese Regelung von rein deklaratorischer Bedeutung ist. Sie bewirkt also keine Veränderung des Rechtszustandes, sondern dient allein der Transparenz für den Bankkunden (Horn, S. 88; Kümpel, Rn. 2.141; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 1 m. w. N.; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 3; Petersen, S. 23; Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165 (168); Raeschke-Kessler, WM 1996, 1764 (1764)).
4
B. Rechtsgrundlagen des Bankgeheimnisses I. Verfassungsrechtliche Grundlagen. Bei den Überlegungen zu einer verfassungsrechtlichen Absicherung des Bankgeheimnisses wird in der Literatur teilweise das in Art. 1 I und Art. 2 I GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht in Gestalt eines Rechts auf Schutz der Geheimsphäre herangezogen (vgl. Sichtermann, MDR 1965, 697 (697 ff.); Hubmann, JZ 1957, 521 (524); Lerche, ZHR 149 (1985), 165 (174 ff.); Horn, S. 88; vgl. auch Heymann/Emmerich, Anhang § 372, Rn. 44). Die Geheimsphäre ist denkbar weit zu interpretieren und soll alles umschließen, „was der einzelne erkennbar geheim hält“ (Hubmann, JZ 1957, 521 (524); Sichtermann, MDR 1965, 697 (697)). Nicht zuletzt durch die Gleichsetzung mit der Intimsphäre (Sichtermann, MDR 1965, 697 (697) Fn. 6) wird der auf diese Weise hergestellte verfassungsrechtliche Schutz des Bankgeheimnisses von anderen Autoren als viel zu weitreichend kritisiert (Canaris, Rn. 36; Kümpel, Rn. 2.137; Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (143 f.); Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 9). Denn eine derartige Gleichsetzung scheitere bereits an der unterschiedlichen strukturellen Einordnung von Intimsphäre und Bankgeheimnis. Bei der Intimsphäre handele es sich nämlich um den innersten, elementaren und höchstpersönlichen Bereich einer Person, der als unantastbarer Kernbereich der privaten Lebensgestaltung verfassungsrechtlichen Schutz genieße. Bei dem Bankgeheimnis sei die Sachlage aber eine grundlegend andere, weil es regelmäßig am Merkmal der Höchstpersönlichkeit sowie an einer Kundgebung aus dem unmittelbaren Persönlichkeitsbereich fehle. Denn die meisten Angelegenheiten eines Bankkunden seien vermögensrechtlicher und wirtschaftlicher Natur, womit das Bankgeheimnis im Gegensatz zur Intimsphäre eben gerade nicht personen-, sondern vermögensbezogen sei (ausführlich Canaris, Rn. 36; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 42 ff.; Selmer, S. 7 f.; vgl. auch BuB/Weber, Rn. 2/857).
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
157
Dementgegen wird nach einer in der Literatur weit verbreiteten Auffassung ein verfassungsrechtlicher Schutz des Bankgeheimnisses im Rahmen des Rechts zur freien Entfaltung der Persönlichkeit im Sinne des Art. 2 I GG bejaht (Sichtermann/Feuerborn/ Kirchherr/Terdenge, S. 42 ff.; Canaris, Rn. 37; Selmer, S. 8 f.; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 139; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 9; Huber, Rn. 395; Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (144); Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 2; BuB/Weber, Rn. 2/857; Fisahn, CR 1995, 632 (633); Langohr, S. 4; Claussen, § 6 Rn. 5; Ehlers, BB 1978, 1513 (1515)). Die allgemeine Handlungsfreiheit gewährleiste nämlich nicht nur die Möglichkeit eines jeden, sich gefahrlos einem anderen anzuvertrauen, wie dies typischerweise bei Bankgeschäften der Fall sei. Vielmehr werde von der allgemeinen Handlungsfreiheit auch die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung und die Vertragsfreiheit erfasst, die beeinträchtigt werde, wenn man dem Bankkunden die Möglichkeit nehme, seine Bank vertraglich zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Darüber hinaus wird zur verfassungsrechtlichen Begründung des Bankgeheimnisses auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht herangezogen (VG Trier DSB 12/2002, 14; Schimansky/Bunte/LwowskiBruchner/Krepold, § 39 Rn. 5; Canaris, Rn. 37; Fisahn, CR 1995, 632 (633); Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 139; a. A. Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (144), wonach es das Vorrecht jedes Einzelnen ist, „grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“ (BVerfGE 65, 1 (42) = NJW 1984, 419 (421) – „Volkszählungsurteil“). Allerdings ist mit dem in Art. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Schutz des Bankgeheimnisses kein absoluter Schutz verbunden, so dass gesetzgeberische Eingriffe in das Bankgeheimnis durch einfaches Gesetz unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes möglich sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 5 m. w. N.; Canaris, Rn. 37; Junker, DStR 1996, 224 (224); Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (144 f.)).
5
Durch einen Eingriff in das Bankgeheimnis können nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht neben den Grundrechten des Kunden auch Grundrechte der Bank verletzt sein. Die Einhaltung des Bankgeheimnisses sei nämlich unabdingbare Voraussetzung für die ungestörte Tätigkeit der Banken, weil der Kunde seiner Bank andernfalls in Ermangelung des notwendigen Vertrauens nicht den nötigen Einblick in seine Vermögensangelegenheiten gewähren würde. Gesetze, die das Bankgeheimnis übermäßig einschränken, verletzen damit die in Art. 12 GG manifestierte Berufsfreiheit der Bank und geben dieser die Möglichkeit zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde (Canaris, Rn. 38 m. w. N.; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 45; Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (145); Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 5; Bruchner/StützleBruchner, S. 3; Langohr, S. 5; Ehlers, BB 1978, 1513 (1515); Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 141). Wegen des in Art. 12 I 2 GG normierten Gesetzesvorbehalts ist allerdings auch hier eine gesetzliche Begrenzung des Bankgeheimnisses nach den Kriterien des Übermaßverbotes jederzeit möglich (Junker, DStR 1996, 224 (225) m. w. N.; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 5; Canaris, Rn. 38).
6
II. Zivilrechtliche Grundlagen. Die Geschäftsbeziehung zwischen einem Kunden und seiner Bank basiert auf einem besonderen Vertrauensverhältnis, weil die Bank im Rahmen des Vertragsverhältnisses zumeist Einblick in die gesamte wirtschaftliche und finanzielle Lage ihres Kunden bekommt. Dementsprechend tritt der Kunde seiner Bank mit der Erwartungshaltung gegenüber, dass die in diesem Zusammenhang offenbarten Tatsachen von der Bank vertraulich behandelt werden. Da es sich insoweit um eine Selbstverständlichkeit handelt, bedarf die Beachtung der Verschwiegenheit keiner ausdrücklichen Vereinbarung. Vielmehr wird die Verpflichtung der Bank zur Wahrung des Bankgeheimnisses in der Rechtsprechung (RGZ 126, 50 (52); 139, 103 (105); BGHZ 27, 241 (246)
7
Beckhusen
158
8
9
10
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
= NJW 1958, 1232 (1233); BGHZ 95, 362 (365) = NJW 1986, 46; BGH BB 1953, 993; BGH DB 1958, 710) und der herrschenden Lehre (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 7; Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 3; Jobe, ZIP 2004, 2415 (2416); Fisahn, CR 1995, 632 (634); Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 2; Glauben, DRiZ 2002, 104 (104); Heymann/Emmerich, Anhang § 372, Rn. 44; Horn, S. 88; Huhmann, S. 30; Kümpel, Rn. 2.135 m. w. N.; Langohr, S. 7; Liesecke, WM 1975, 238 (247); Pikart, WM 1957, 1238 (1242); Radbruch, S. 21; Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (141); Sandkühler, S. 34; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 142; Selmer, S. 6; Ungnade, WM 1976, 1210 (1210); BuB/Weber, Rn. 1/33 und 2/842; Weber, Die Bank 1996, 84 (85); Wolff DB 1968, 695 (695); a. A. Canaris, Rn. 42 (40 ff.)) allgemein als „selbstverständlicher Bestandteil“ oder „selbstverständliche Nebenpflicht“ des Bankvertrages anerkannt. (Geurts/Koch/ Schebesta/Weber, Rn. 12; Heymann/Emmerich, Anhang § 372, Rn. 44; Ungnade, WM 1976, 1210 (1211); Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 111; Koch, MMR 2002, 504 (505)). Neben der vertraglichen Geheimhaltungspflicht tritt bei den beamteten Mitarbeitern öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute überdies nach den maßgeblichen amtsrechtlichen Vorschriften noch die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit hinzu (Geurts/ Koch/Schebesta/Weber, Rn. 12). Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht selbst dann, wenn ausnahmsweise keine vertraglichen Beziehungen zwischen der Bank und dem Kunden zustande kommen, sei es, dass der Kunde bereits bei Kontoeröffnung geschäftsunfähig war (Huber, Rn. 398; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 125 f.; Jobe, ZIP 2004, 2415 (2416)) oder dass er im Zusammenhang mit später ergebnislos abgebrochenen Kreditverhandlungen Geschäftsunterlagen vorgelegt hat (Kümpel, Rn. 2.129; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 123 m. w. N.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 7; Nobbe, WM 2005, 1537 (1538)). Denn auch, wenn der Abschluss eines wirksamen Vertrages an dessen Nichtigkeit oder aus anderen Gründen scheitert, besteht ein erhebliches Interesse des Kunden an der Geheimhaltung seiner bei den Vorverhandlungen bekannt gewordenen finanziellen Angelegenheiten. Zwar besteht in diesem Falle keine vertragliche Verpflichtung der Bank zur Wahrung des Bankgeheimnisses, doch wird mit dem Eintritt in die Vertragsverhandlungen ein gesetzliches Schuldverhältnis mit bestimmten Pflichten erzeugt, so dass sich die Verschwiegenheitspflicht bei fehlendem Bankvertrag aus § 311 II BGB herleiten lässt (Petersen, S. 27; mit Bezugnahme auf die Grundsätze der „culpa in contrahendo“ Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 123 m. w. N.; Pikart, WM 1957, 1238 (1240); Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (141); Junker, DStR 1996, 224 (225); vgl. auch Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 5). Wegen der langen gerichtlichen Übung der Verschwiegenheitspflicht der Banken kann als rechtliche Grundlage des Bankgeheimnisses auch das Gewohnheitsrecht herangezogen werden (vgl. vor allem Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 62 ff. m. w. N.; Huhmann, S. 33 f.; Radbruch, S. 23 f.; Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367 (1370); Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123 (130); aber auch Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473 (474); Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 4; Langohr, S. 9 ff.; Bärmann, S. 5; a. A. Miebach, S. 74; Nobbe, WM 2005, 1537 (1539); Fisahn, CR 1995, 632 (634) m. w. N.; Ungnade, WM 1976, 1210 (1210)). Daneben leitet Canaris (Rn. 42; zustimmend Steindorff, ZHR 149 (1985), 151 (153 f.)) mit den Schutzpflichten der Bank auch die Verschwiegenheitspflicht aus dem „gesetzlichen Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht“ ab, wobei als gesetzliche Anspruchsgrundlage § 242 BGB in Betracht zu ziehen sei (Steindorff, ZHR 149 (1985), 151 (154)).
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
159
C. Inhalt des Bankgeheimnisses
11
Das Bankgeheimnis weist seit jeher zwei unterschiedliche Erscheinungsformen auf, die sich seit der Neufassung der AGB-Banken 1993 in deren Nr. 2 I konkretisieren. Hierbei handelt es sich um zwei unterschiedliche Pflichten der Bank, bestehend aus der Verschwiegenheitspflicht (Nr. 2 I 1) und dem Auskunftsverweigerungsrecht (Nr. 2 I 2). Die Verschwiegenheitspflicht beinhaltet die Verpflichtung der Bank, Stillschweigen über die Vermögensverhältnisse und die sonstigen Belange des Kunden zu wahren, von denen sie im Rahmen oder bei Gelegenheit ihrer geschäftlichen Tätigkeit Kenntnis erlangt. Das Auskunftsverweigerungsrecht berechtigt die Kreditinstitute, Auskünfte gegenüber Dritten zu verweigern, sofern sie nicht kraft Gesetzes zur Auskunft verpflichtet ist, der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Auskunft befugt ist (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 1; Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (140); BuB/Weber, Rn. 1/35; Sichtermann, MDR 1952, 143 (143); Bilsdorfer, DStR 1984, 498 (499)). Liegen diese Ausnahmen nicht vor, ist das Kreditinstitut dem Kunden gegenüber verpflichtet, von dem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen (Nr. 2 I 2 AGB-Banken), so dass insoweit teilweise auch von einer Auskunftsverweigerungspflicht gesprochen wird (Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 138; Huber, Rn. 394 und 401). Die vertragliche Verschwiegenheitspflicht der Bank gegenüber ihrem Kunden reicht aber keinesfalls weiter, als ihr Auskunftsverweigerungsrecht insbesondere gegenüber Gerichten und Behörden (Rehbein, ZHR 149 (1985), 139 (140)). I. Gegenstand des Bankgeheimnisses. Dem Bankgeheimnis unterliegen nach Nr. 2 I AGB-Banken grundsätzlich alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen, von denen die Bank Kenntnis erlangt (Kümpel, Rn. 2.144 m. w. N.). Damit ergibt sich gegenüber der Rechtslage vor dem 01.01.1993, nach der sich die Verschwiegenheitspflicht auf „alle Tatsachen, die der Kunde geheimzuhalten wünscht“ (BGHZ 27, 241 (246) = NJW 1958, 1232 (1233); Ohlroggen, S. 91; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 4; Heymann/Emmerich, Anhang § 372, Rn. 45; Canaris, Rn. 48 m. w. N.; Koch, MMR 2002, 504 (506)) bezog, keine wesentliche Änderung. Mit dieser scheinbaren Verschärfung werden lediglich zwei ohnehin schon geltende Grundsätze transparent gemacht. Einerseits wird klargestellt, dass sich das Bankgeheimnis nicht allein auf Tatsachen, also Fakten im engeren Sinne, sondern auch auf alle Wertungen, d.h. Werturteile, Eindrücke und Einsichten, erstreckt (Lang, ZBB 2006, 115 (116); Stiller, ZIP 2004, 2027 (2029); Koch, MMR 2002, 504 (506); Wolff, DB 1968, 695 (696); BuB/Weber, Rn. 1/36; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 2 m. w. N.; Hadding/Schneider-Musielak, S. 14). Andererseits wird mit der Nichtübernahme des Geheimhaltungswunsches des Kunden in Nr. 2 I AGB-Banken die bislang ohnehin geltende Annahme, dass der Kunde grundsätzlich die Geheimhaltung sämtlicher Einzelheiten seiner Geschäftsbeziehung zu seiner Bank wünscht (vgl. Geurts/ Koch/Schebesta/Weber, Rn. 4), zum Regelfall erhoben. Gleichwohl kann hieraus allein selbstverständlich nicht bereits auf die konkludente Vereinbarung eines Abtretungsverbots von Forderungen aus Darlehensverträgen gem. § 399 Alt. 2 BGB geschlossen werden (OLG Dresden BKR 2006, 122 Ls.; LG Stuttgart WM 2006, 127 Ls.; OLG Stuttgart ZIP 2005, 1777 (1777); LG Koblenz BKR 2005, 108 (110) m. zust. Anm. Böhm, BB 2004, 1641 (1642 f.); ders., BKR 2005, 112 f.; Bruchner, BKR 2004, 394 (395 f.); Koch, BKR 2006, 182 (183 f.); Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165 (169 f., 173); Bütter/Aigner, BB 2005, 119 (121 f.); Nobbe, WM 2005, 1537 (1538); Stiller, ZIP 2004, 2027 (2031); Hoffmann/ Walter, WM 2004, 1566 (1572); Jobe, ZIP 2004, 2415 (2416 f.); Cahn, WM 2004, 2041 (2048); a. A. OLG Frankfurt/M., WM 2004, 1386).
12
An der Willenshoheit des Kunden, als Geheimnisherr über die Bekanntgabe oder Geheimhaltung der ihn betreffenden Tatsachen und Wertungen zu entscheiden, hat sich da-
13
Beckhusen
160
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
mit allerdings nichts geändert. Dies ergibt sich bereits aus Nr. 2 I 2 AGB-Banken, wonach der Kunde seine Einwilligung zur Weitergabe der ihn betreffenden Informationen geben kann. Es ist also nach wie vor in erster Linie der wirkliche Wille des Kunden maßgeblich. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob tatsächlich ein vernünftiges Interesse des Kunden an der Geheimhaltung besteht (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 4; KobersteinWindpassinger, WM 1999, 473 (474); Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 135; Miebach, S. 21 f.; Koch, MMR 2002, 504 (506)) oder ob sich eine Geheimhaltung möglicherweise sogar nachteilig auf den Kunden auswirken kann. Sofern der Kunde im Einzelfall kein Interesse an der Geheimhaltung bestimmter Umstände hat, ist es ihm vorbehalten, in die Weitergabe dieser Informationen einzuwilligen (vgl. unten Rn. 56 ff.). 14
Die Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses gilt nicht allein für geschäftliche Angelegenheiten, die zum Gegenstand des Bankvertrages werden, sondern auch für die offenbarten Privatverhältnisse des Kunden wie beispielsweise dessen Adresse oder Familienverhältnisse (Koch, MMR 2002, 504 (506); Fischer/Klanten, Rn. 4.2; Sichtermann/ Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 138; BuB/Weber, Rn. 2/844). Unerheblich ist auch, auf welche Weise die Bank von den Tatsachen Kenntnis erlangt, sei es durch die Darlegung des Kunden, die Mitteilung eines Dritten oder die eigene Wahrnehmung, d.h. eines Geschäftsinhabers, eines Organs oder eines Angestellten (BuB/Weber, Rn. 2/856; Nobbe, WM 2005, 1537 (1538)). Die Verschwiegenheitspflicht der Bank gilt selbst für offenkundige Tatsachen, sofern der Kunde ihre Geheimhaltung verlangt und der Dritte die Information erst durch die Bank in Erfahrung bringen würde (Petersen, S. 29 m.w.N.; Canaris, ZIP 2004, 1781 (1784); Eckl, DZWIR 2004, 221 (225); ausführlich Ehricke/Rotstegge, ZIP 2006, 925 (931); a. A. Hadding/Schneider-Musielak, S. 15; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 13, vgl. aber auch Rn. 16).
15
Auch die Tatsache des Bestehens einer Bankverbindung unterliegt dem Bankgeheimnis. Allerdings kann ein konkludenter Verzicht auf die Verschwiegenheitspflicht der Bank erfolgen, indem der Kunde seine Bankverbindung auf Briefbögen oder Rechnungen vermerkt und somit selbst offen legt (Claussen, Rn. 8; a. A. Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 11). Auch die Information über den vergeblichen Versuch, eine Geschäftsbeziehung mit einem Kreditinstitut einzugehen, ist geheim zu halten (BuB/Weber, Rn. 2/856).
16
Der Verschwiegenheit unterliegen auch sog. Negativtatsachen. Hierunter sind Unterlassungen des Kunden zu verstehen, beispielsweise wenn dieser an einem bestimmten Tag keine Kontoverfügung vorgenommen oder einen eingeräumten Kredit nicht ausgeschöpft hat (Kümpel, Rn. 2.145 m. w. N.; Hadding/Schneider-Musielak, S. 15; BuB/Weber, Rn. 2/ 844; Radbruch, S. 36; Koch, MMR 2002, 504 (506)).
17
II. Geschützter Personenkreis. Das Recht auf Geheimhaltung steht grundsätzlich dem Kunden zu, also demjenigen, der Inhaber der Rechte und Pflichten aus dem Bankvertrag ist (Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 152; BuB/Weber, Rn. 2/846). Da es sich dabei aber nicht um ein höchstpersönliches Recht handelt, kann u.U. ein Dritter zum Geheimnisherrn werden, mit der Folge, dass dessen Wille den Willen des Kunden ersetzt (vgl. OLG Celle 1955, 1844; Canaris, Rn. 50; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 6). Dies ist beispielsweise bei Geschäftsunfähigkeit und beschränkter Geschäftsfähigkeit der Fall, bei denen sich Inhalt und Umfang des Bankgeheimnisses grundsätzlich nach dem Willen des gesetzlichen Vertreters richten, sofern sich nicht ausnahmsweise aufgrund der Erwerbstätigkeit des Minderjährigen aus §§ 112, 113 BGB etwas anderes ergibt (Canaris, Rn. 50 m. w. N.; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 6; Wolff, DB 1968, 695 (697); vgl. Koch, MMR 2002, 504 (506)). Auch bei juristischen Personen wird der gesetzliche Vertreter zum Geheimnisherrn (Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 159). Im
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
161
Rahmen der Stellvertretung gilt der Vertretene als Geheimnisherr, so dass der Warnung des Vertretenen vor einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten seines Vertreters durch die Bank nichts entgegensteht (Canaris, Rn. 43). Im Erbfall tritt der Erbe des Kunden oder die Erbengemeinschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsstellung des Erblassers ein und kann von der Bank Auskunft und Geheimhaltung verlangen (Fischer/Klanten, Rn. 4.6; ausführlich zum Nachlass Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 77 ff.; Schönle, S. 45). Dies gilt aber nicht für den Pflichtteilsberechtigten. Allerdings besteht für den Erben die Möglichkeit, seinen Auskunftsanspruch gegen die Bank an den Pflichtteilsberechtigten, dem er zur Auskunft verpflichtet ist, abzutreten (BGH ZIP 1989, 490 (491 f.) = NJW 1989, 1601 (1602) m. Anm. Parthe, EWIR 1989, 563 ff. und m. Anm. Stützle, WuB I B 3.-3.89; Fischer/Klanten, Rn. 4.6). Eine vom Erblasser durch Testament oder Weisung an die Bank getroffene Anordnung, seinen Erben bestimmte vermögensrechtliche Tatsachen nicht mitzuteilen, ist unwirksam (Huber, Rn. 400; vgl. hierzu auch BuB/Weber, Rn. 2/941). Bei persönlichkeitsbezogenen Geheimnissen besteht dagegen ohne einen Hinweis auf einen entsprechenden Willen des Erblassers kein Auskunftsanspruch (vgl. OLG Stuttgart MDR 1983, 236 (237); BGH ZIP 1989, 490 (491) = NJW 1989, 1601 (1602); Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 80; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 8).
18
Die Stellung des Geheimnisherrn muss nicht notwendigerweise von einer Einzelperson, sondern kann auch von mehreren Personen gleichzeitig wahrgenommen werden. So sind die Erben gem. § 2039 BGB beispielsweise nur gemeinsam befugt, die Bank von ihrem Bankgeheimnis zu befreien, wenngleich auch jeder einzelne Miterbe die Auskunft an alle Miterben verlangen kann.
19
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter zum Geheimnisherrn, soweit die Geheimhaltungspflicht einen zur Masse gehörenden Gegenstand betrifft und insolvenzunabhängige Interessen des Schuldners nicht berührt werden. Der Wille des Schuldners ist unerheblich (vgl. Canaris, Rn. 51; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 6; ausführlich zum Insolvenzverfahren Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/ Krepold, § 39 Rn. 73 ff.). Handelt es sich dagegen um Umstände, deren Kenntnis für die Insolvenzabwicklung unerheblich sind, bleibt der Schuldner insoweit Geheimnisherr (BuB/Weber, Rn. 2/847).
20
Das Bankgeheimnis kann sich auch auf Nicht-Kunden, d.h. die Kunden einer anderen Bank erstrecken. Dies ist regelmäßig bei der Einschaltung mehrerer Kreditinstitute, beispielsweise beim Tätigwerden im Zahlungs- und Überweisungsverkehr oder im Bankauskunftsverfahren der Fall (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 20; BuB/Weber, Rn. 1/38 m. w. N.; Kümpel, Rn. 2.149; Heymann/Emmerich, Anhang § 372, Rn. 45; Junker, DStR 1996, 224 (224); Lang, ZBB 2006, 115 (121); Koch, MMR 2002, 504 (505)).
21
III. Geheimhaltungsverpflichteter. Die Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses trifft zunächst das Kreditinstitut selbst, d.h. diejenigen Personen, die aus dem mit dem Kunden abgeschlossenen Vertrag berechtigt und verpflichtet werden. Die Verschwiegenheitspflicht trifft also zunächst nur die Organe der Bank und die Mitglieder sonstiger Gremien. Aber auch die Bankangestellten und sonstige Hilfspersonen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dies ergibt sich, soweit diesbezüglich keine ausdrückliche tarif- oder arbeitsvertragliche Regelung getroffen wurde, zumindest als selbstverständliche Nebenpflicht aus dem Dienstvertrag. Allerdings sind die Bankangestellten und sonstigen Hilfspersonen in Ermangelung einer wie auch immer gearteten Rechtsbeziehung zu dem Kunden nicht
22
Beckhusen
162
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
direkt diesem gegenüber verpflichtet. Vielmehr handelt es sich um eine Verpflichtung gegenüber der Bank, Stillschweigen über ihnen bekannt gewordene und dem Bankgeheimnis unterliegende Tatsachen zu bewahren (zum Ganzen Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/ Terdenge, S. 146 ff.; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 6 und 12; Radbruch, S. 50). 23
Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht grundsätzlich gegenüber jedem Dritten. Auch Bankmitarbeiter und Mitglieder von Aufsichtsorganen des eigenen Kreditinstituts sind insoweit grundsätzlich als Dritte anzusehen, so dass die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses auch innerhalb der Bank besteht (sog. inneres Bankgeheimnis). Bankmitarbeiter dürfen damit ohne sachliches Erfordernis keine Informationen an andere Mitarbeiter der Bank weiterreichen, es sei denn, dass sie aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten in die Geschäftsabwicklung eingebunden sind (Kümpel, Rn. 2.151; Geurts/ Koch/Schebesta/Weber, Rn. 7; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 9; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 22, 23; Lang, ZBB 2006, 115 (117); Stiller, ZIP 2004, 2027 (2029)). Auch bei den mit der Überwachung des ordnungsgemäßen Bankbetriebes betrauten Stellen, wie etwa der Revision oder Geschäftsleitung, ist eine funktionale Notwendigkeit zur Kenntnisnahme im Rahmen einer konkreten Aufgabenstellung erforderlich (BuB/Weber, Rn. 1/40 sowie 2/852). Aus diesem Grunde ist ein bankweiter „Informationspool“ bzw. eine bankweite „Evidenzstelle“, auf die jeder Mitarbeiter Zugriff hat, unzulässig (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 9; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 24; Kümpel, Rn. 2.151).
24
Das Bankgeheimnis zwingt die Banken allerdings nicht, auf die Vorteile einer arbeitsteiligen Wirtschaft zu verzichten. Einer Übertragung von bankgeschäftlichen Tätigkeiten auf konzerneigene Gesellschaften oder externe Finanzdienstleister (Outsourcing-Nehmer) steht nichts entgegen, sofern die Wahrung der Vertraulichkeit durch entsprechende Vereinbarungen sichergestellt ist (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 27; Lang, ZBB 2006, 115 (117); Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 7a f.; BuB/Weber, Rn. 2/855).
25
Daneben ist das Bankgeheimnis auch gegenüber staatlichen Stellen (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 7; BuB/Weber, Rn. 1/41) und sogar gegenüber dem Ehegatten des Kunden zu wahren (Schönle, S. 45; Wolff, DB 1968, 695 (696)).
26
IV. Dauer der Geheimhaltungspflicht. Die Verpflichtung der Bank zur Wahrung des Bankgeheimnisses entsteht bereits vor Vertragsschluss im Stadium der Geschäftsanbahnung (vgl. bereits Rn. 8). Sie endet nicht mit dem Tod des Kunden, weil in diesem Fall der Erbe oder die Erbengemeinschaft zum Geheimnisherrn wird (BuB/Weber, Rn. 1/39; vgl. auch Rn. 18). Da der Bankkunde grundsätzlich auch noch nach Beendigung der Geschäftsverbindung ein ungemindertes Interesse an der Geheimhaltung der über ihn bekannt gewordenen Informationen hat, erstreckt sich die Geheimhaltungspflicht der Kreditinstitute auch auf die Zeit nach Beendigung der Geschäftsverbindung (BGH BB 1953, 993; Ungnade, WM 1976, 1210 (1211); Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 5; Junker, DStR 1996, 224 (225); Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 8). Das Fortbestehen der Verpflichtung zur Verschwiegenheit gilt gleichermaßen für die Angestellten von Kreditinstituten nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses (OLG Köln WM 1993, 289 (291); OLG Celle, ZIP 1981, 1323 (1324); Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 208; Bärmann, S. 12).
27
D. Schranken des Bankgeheimnisses Das Bankgeheimnis hat keine uneingeschränkte Gültigkeit. Auf die Grenzen des Bankgeheimnisses wird in Nr. 2 I 2 AGB-Banken hingewiesen. Die Weitergabe von Kundeninformationen ist möglich, wenn
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
163
– gesetzliche Bestimmungen dies gebieten, – der Kunde eingewilligt hat oder – die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist. I. Gesetzliche Bestimmungen. 1. Bankgeheimnis im Zivilprozess. Im Zivilprozess existieren unterschiedliche Zeugnisverweigerungsrechte, die für Kreditinstitute von Bedeutung sind. Einerseits sind Zeugen nach § 383 I Nr. 6 ZPO berechtigt, die Aussage über Tatsachen zu verweigern, die ihnen kraft ihres Amtes anvertraut wurden und deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist. Anvertraut sind Tatsachen, bei denen das stillschweigende Verlangen nach Geheimhaltung besteht und die der Geheimnisträger ohne besonderen Vertrauensakt im Zusammenhang mit seiner Vertrauensstellung erfährt (MünchKommZPO-Damrau, § 383 Rn. 33; Thomas/Putzo, § 383 ZPO Rn. 6; OLG Stuttgart MDR 1983, 236 (237); Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 146). Dies ist bei den einer Bank mitgeteilten Tatsachen regelmäßig der Fall, weil prinzipiell ein berechtigtes Interesse des Kunden besteht, sie vor der Kenntnisnahme Dritter zu schützen (OLG Köln MDR 1968, 931; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 146). Daneben besteht gem. § 384 Nr. 3 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht über solche Fragen, deren Beantwortung ohne die Offenbarung eines Gewerbegeheimnisses nicht möglich ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem bezeichneten Geheimnis um ein eigenes oder ein fremdes Geheimnis handelt (Thomas/Putzo, § 384 ZPO Rn. 5). Es ist allgemein anerkannt, dass zu den durch § 384 Nr. 3 ZPO geschützten Geheimnissen auch das Bankgeheimnis zählt (Kümpel, Rn. 2.169; Junker, DStR 1996, 224 (226) m. w. N.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 282; Zöllner/Greger, § 384 Rn. 7; Sichtermann, MDR 1952, 143 (144); Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 224 m. w. N.; vgl. OLG Köln MDR 1968, 931) und sich das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 I Nr. 6 ZPO auch auf die Angestellten oder sonstigen Hilfspersonen des Kreditinstituts erstreckt (MünchKomm ZPO-Damrau, § 383 Rn. 34 m. w. N.; Zöllner/Greger, § 383 Rn. 20; Thomas/Putzo, § 383 ZPO Rn. 6; RGZ 54, 360 (361); Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 146; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 211; Sichtermann, MDR 1952, 143 (144); BGH WM 1983, 653 (654)).
28
Hierbei handelt es sich aber nur um ein scheinbares Recht des Bankangestellten, weil dieser keinesfalls frei darüber entscheiden kann, ob er die ihm zustehende Aussageverweigerung in Anspruch nehmen möchte. Er ist vielmehr aufgrund einer tarif- oder arbeitsvertraglichen Regelung oder im Rahmen einer selbstverständlichen Nebenpflicht aus dem Dienstvertrag gegenüber seinem Arbeitgeber, d.h. dem Kreditinstitut, zur Verweigerung der Aussage im Zivilprozess verpflichtet (vgl. bereits Rn. 22). Andererseits besteht wiederum eine Aussagepflicht, wenn der Kunde die Bank von der Verschwiegenheitspflicht entbunden hat (§ 385 II ZPO). Die Angehörigen öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute müssen zuvor eine Aussagegenehmigung ihres Dienstvorgesetzten einholen (§ 376 ZPO). Durch Verweisung gilt die zivilprozessuale Regelung zur Auskunftsverweigerung auch im Arbeitsgerichtsprozess (§ 46 II 1 ArbGG), Sozialgerichtsverfahren (§§ 118 I, 202 SGG), Verwaltungsgerichtsverfahren (§ 98 VwGO), Insolvenzverfahren (§ 4 InsO) sowie in der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 15 I 1 FGG).
29
Die Bank ist allerdings zur Weitergabe von kundenbezogenen Informationen verpflichtet, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten. So hat das Kreditinstitut bei der Vollstreckung in ein Bankguthaben als Drittschuldner auf Verlangen des Gläubigers binnen zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses die sog. Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO abzugeben. Diese Auskunftspflicht geht dem Bankgeheimnis insoweit vor (Zöllner/Stöber, § 840 Rn. 4 m. w. N.; Miebach, S. 72). Allerdings beschränkt sich die Durchbrechung des Bankgeheimnisses allein auf die nach § 840 I Nr. 1 bis 3 ZPO zuläs-
30
Beckhusen
164
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
sigen Fragestellungen. Darüber hinaus dürfen keine dem Bankgeheimnis unterliegenden Angaben gemacht werden (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 16; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 285). Keine Auskünfte dürfen Kreditinstitute im Falle der Vorpfändung gem. § 845 ZPO erteilen, weil es sich hierbei lediglich um eine private Benachrichtigung des Drittschuldners durch den Gläubiger handelt und es an der formellen Voraussetzung der Zustellung eines Pfändungsbeschlusses fehlt (BGHZ 68, 289 (291) = NJW 1977, 1999; BGH WM 1962, 525 (526); Schimansky/Bunte/LwowskiBruchner/Krepold, § 39 Rn. 287; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 17; Schwintowski/ Schäfer, § 1 Rn. 146; Kümpel, Rn. 2.171 m. w. N.). 31
32
2. Bankgeheimnis im Strafverfahren. a) Zeugnisverweigerungsrechte. Im Strafverfahren besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 53 bis 55 StPO. § 53 StPO gibt den Angehörigen bestimmter Berufe das Recht, über Berufsgeheimnisse das Zeugnis zu verweigern. Da das Bankgeheimnis in diesem Katalog nicht ausdrücklich benannt wird und eine Ausdehnung des Verweigerungsrechtes in analoger Anwendung des § 53 StPO auf andere Berufsgruppen abzulehnen ist, weil der Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten wegen der Notwendigkeit einer funktionsfähigen Rechtspflege auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt werden muss (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 53 StPO Rn. 2; BVerfG 33, 367 (383)), besteht für Bankangestellte kein Zeugnisverweigerungsrecht (Dahs in Löwe-Rosenberg, § 53 StPO Rn. 3 und 4 m. w. N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 53 StPO Rn. 2 m. w. N.; KKSenge, § 53 StPO Rn. 2). Ebenso wenig besteht für Kreditinstitute ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53a StPO. Kreditinstitute scheiden als Berufshelfer aus, weil zwischen der Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers und des Kreditinstituts kein unmittelbarer Zusammenhang besteht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 53a StPO Rn. 2; AG Münster 1998, 181). Die Mitarbeiter von Kreditinstituten sind damit zur Aussage vor der Staatsanwaltschaft (§ 161a StPO), dem Ermittlungsrichter (§ 162 StPO) und dem Prozessgericht gesetzlich verpflichtet. Gleiches gilt gem. §§ 36 I Nr. 1, 46 II OWiG, § 161a StPO auch im Bußgeldverfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit. Um ihrer Aussageverpflichtung nachkommen zu können, müssen die Bediensteten öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute zudem eine Aussagegenehmigung ihres Dienstvorgesetzten gem. § 54 StPO einholen. Das Kreditinstitut hat aber aufgrund der vertraglichen Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses gegenüber den Strafermittlungsbehörden tatsächlich gegeben sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 220). Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Aussage kann sich beispielsweise ergeben, wenn sich ein Strafermittlungsverfahren zumindest auch gegen den zu befragenden Mitarbeiter des Kreditinstitutes richtet. Wird ihm etwa die Beihilfe zu einer von einem Kunden begangenen Steuerhinterziehung zur Last gelegt, so ist er als Beschuldigter nicht dazu verpflichtet, gegen sich selbst auszusagen (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 19c; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 221; Fischer/Klanten, Rn. 4.25; BGHSt 14, 358 (364); 25, 325 (331) = NJW 1974, 1570 (1571)). Daneben kann jeder Zeuge nach § 55 StPO die Auskunft über solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 52 I bezeichneten Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Kein Aussageverweigerungsrecht besteht im Zusammenhang mit Anderkonten, die für einen Angehörigen eines rechts-, steuer- oder wirtschaftsberatenden Berufes nach § 53 I Nr. 3 StPO geführt werden (OLG Frankfurt NJW 2002, 1135 (1136); a. A. Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 19b; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 222; Schwintowski/ Schäfer, § 1 Rn. 148; vgl. ausführlich unten Rn. 38).
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
165
b) Zeugenvernehmung. Aufgrund eines fehlenden Zeugnisverweigerungsrechtes sind Inhaber, Organe und Mitarbeiter von Kreditinstituten gem. § 161a I StPO verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen. Da § 161a StPO als Eingriffsnorm eng auszulegen ist, gilt bei den vor dem Strafverfahren anhängigen Ermittlungen der Polizei wiederum das Bankgeheimnis, so dass eine Aussagepflicht nicht besteht (ausführlich Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 326 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 226; auch Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 19; Weber, Die Bank 1996, 84 (86)). Die Aussage vor der Polizei muss unter Berufung auf das Bankgeheimnis selbst dann verweigert werden, wenn die Polizei eigens von der Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen beauftragt und somit als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft tätig wird (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 163 StPO Rn. 37; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 19; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 329 f.; Claussen, Rn. 12; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 147; Schaefgen, BB 1979, 1498 (1499); Fischer/Klanten, Rn. 4.21; a. A. Prost, NJW 1976, 214 (215)). Nach dem Wortlaut des § 161a StPO ist zudem eine ordnungsgemäße Ladung des Zeugen unabdingbar. Spontane Vernehmungen in den Räumlichkeiten des Kreditinstituts ohne vorherige Ladung sind deswegen unzulässig (Ungnade, WM 1976, 1210 (1212); Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 327 ff.; Fischer/Klanten, Rn. 4.22 f.; vgl. auch Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 20a; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 223; a. A. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 161a StPO Rn. 2 und 17; Pfeiffer, § 161a StPO Rn. 3; Selmer, S. 59 m. w. N.).
33
Der Zeuge ist verpflichtet, sich gewissenhaft auf seine Vernehmung vorzubereiten und in zumutbarem Umfange geeignete Unterlagen zur Auffrischung seines Gedächtnisses beizuziehen (BGHSt 1, 5 (8); Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 69 StPO Rn. 8; Fischer/ Klanten, Rn. 4.24). Es bestehen indessen keine Erkundigungspflichten (Geurts/Koch/ Schebesta/Weber, Rn. 20; Fischer/Klanten, Rn. 4.24), so dass der Zeuge lediglich Aussagen über ihm bekannte Sachverhalte und konkrete eigene Wahrnehmungen zu machen braucht (Bruchner/Stützle-Stützle, S. 33). Die Vernehmung des Vorstandes oder Zweigstellenleiters im Hinblick auf einen Geschäftsvorfall, an dem dieser offensichtlich nicht beteiligt war, ist daher unzulässig. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, ein Mitglied des Vertretungsorgans mit der Maßgabe zu laden, den mit der Angelegenheit vertrauten Mitarbeiter namhaft zu machen und zur Wahrnehmung des Vernehmungstermins zu entsenden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 225; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 20). c) Durchsuchung/Beschlagnahme/Herausgabe. Die Staatsanwaltschaft kann Geschäftsunterlagen des Kreditinstituts gem. §§ 94 II, 98 StPO beschlagnahmen, sofern diese als Beweismittel von Bedeutung sind. Zu diesem Zwecke kann im Rahmen des § 103 StPO die Durchsuchung der Geschäftsräume des Kreditinstituts angeordnet werden. Grundsätzlich bedürfen sowohl die Beschlagnahme als auch die Durchsuchungsanordnung eines richterlichen Beschlusses, können aber bei Gefahr im Verzug auch von der Staatsanwaltschaft und deren Hilfsbeamten angeordnet werden (§§ 98, 105 StPO). Letzteres dürfte am ehesten bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Kreditinstituts praktische Bedeutung erlangen (Fischer/Klanten, Rn. 4.29). Sowohl die Beschlagnahme- als auch die Durchsuchungsanordnung haben sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 94 StPO Rn. 18 und § 105 StPO Rn. 3; KK-Senge, § 94 StPO Rn. 13 und § 102 StPO Rn. 12; BVerfGE 20, 162 (186 f.) = NJW 1966, 1603 (1607); BVerfGE 42, 212 (219 f.); 59, 95 (97) = MDR 1982, 291 (291 f.); BVerfG NJW 1997, 2165 (2166); BVerfG WM 1994, 691).
34
Beckhusen
35
166
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
36
Zur Wahrung des Bankgeheimnisses hat das Kreditinstitut darauf zu achten, dass der vorgelegte gerichtliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss in sich schlüssig ist und sowohl formell als auch materiell den gesetzlich gebotenen Erfordernissen entspricht (hierzu ausführlich Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 105 ff.). Die richterliche Durchsuchungsanordnung hat schriftlich zu erfolgen (Kleinknecht/ Meyer-Goßner, § 105 StPO Rn. 3 m. w. N.), ist nach § 34 StPO zu begründen und muss tatsächliche Angaben über die aufzuklärende Straftat enthalten. Um eine angemessene Begrenzung der Maßnahme zu ermöglichen und gleichzeitig sicherzustellen, dass der Eingriff messbar und kontrollierbar bleibt (Pfeiffer, § 105 StPO Rn. 2), müssen der Tatverdacht (vgl. zur Rechtsfigur des „Systemverdachts“ vor allem Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 110 m. w. N.; Leisner, BB 1994, 1941 ff.) und die aufzuklärende Straftat sowie die zu durchsuchenden Räumlichkeiten und die durch die Durchsuchung zu beschlagnahmenden Beweismittel inhaltlich genau bezeichnet werden (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 21a; vgl. BVerfG WM 1994, 691 ff.; LG Krefeld WM 1994, 1073 ff; Kniffka, Wistra 1987, 309 ff.; ausführlich Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 151 ff.). Schlagwortartige oder allgemeine Angaben über die zu beschlagnahmenden Beweismittel genügen nicht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 105 StPO Rn. 5 m. w. N.). Es muss aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sein, dass die Durchsuchung zum Auffinden des gesuchten Beweismittels führen wird. Bloße Vermutungen genügen diesen Anforderungen nicht (Pfeiffer, § 103 StPO Rn. 2; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 105, 109).
37
Durchsuchungen dürfen nicht dem Zweck dienen, Beweismittel aufzuspüren, die gem. § 97 StPO von der Beschlagnahme ausgenommen sind (LG Fulda NJW 2000 (1508); LG Köln NJW 1981, 1746 (1747); Pfeiffer, § 103 StPO Rn. 2 m. w. N.). Ebenso unzulässig ist eine Beschlagnahme oder Durchsuchung zur Ausforschung (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 94 StPO Rn. 8, § 102 StPO Rn. 2; vgl. zur „Ausforschungsdurchsuchung“ vor allem Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 278 ff.; vgl. zur „Ausforschungsdurchsuchung“ vor allem Leisner, BB 1994, 1941 ff.). Eine Ausnahme zu dem Grundsatz, dass nur solche Gegenstände beschlagnahmt werden dürfen, die ausdrücklich in der Beschlagnahmeanordnung aufgeführt sind, stellen die sog. Zufallsfunde dar. Gem. § 108 StPO sind Zufallsfunde, die bei Gelegenheit einer Durchsuchung gemacht werden, ohne in einer Beziehung zu der Untersuchung zu stehen, einstweilen in Beschlag zu nehmen, sofern sie auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten. Der Hinweis auf die Verübung einer anderen Straftat muss von dem Gegenstand selbst ausgehen. Die Sicherstellung von Kontounterlagen, die zum Zeitpunkt der Durchsuchung für sich allein noch keinen Hinweis auf andere Straftaten geben, ist unzulässig (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 177). Unstatthaft ist auch die gezielte und systematische Suche nach Zufallsfunden (Selmer, S. 71 m. w. N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 108 StPO Rn. 1 m. w. N.; Ehlers, BB 1978, 1513 (1515); BuB/Weber, Rn. 2/892). Dementsprechend dürfen Bankunterlagen bei einer Durchsuchung eines Kreditinstituts aus Anlass eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Kunden nicht daraufhin überprüft werden, ob sich aus ihnen auch Anhaltspunkte für strafbare Handlungen anderer Kunden ergeben (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 23c). Eine Verwertung derartiger „gezielter Zufallsfunde“ ist nicht erlaubt (BuB/Weber, Rn. 2/892 m. w. N.; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 168 m. w. N.).
38
Im Zusammenhang mit der Beschlagnahme sind die für einen Angehörigen eines rechts-, steuer- oder wirtschaftsberatenden Berufes nach § 53 I Nr. 3 StPO geführten Anderkonten von besonderer Relevanz. Nach einer verbreiteten Ansicht werden die bei einem Kreditinstitut befindlichen Unterlagen zu Anderkonten, die von einem Notar oder
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
167
Rechtsanwalt von Gesetzes wegen eingerichtet werden müssen, gem. § 97 i. V. m. § 53 a StPO als nicht beschlagnahmefähig angesehen (AG Münster Wistra 1998, 237 m. w. N.= StV 1997, 181 = WM 1998, 1328; LG Köln WM 1991, 589; LG Darmstadt WM 1990, 12 (13); Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 23; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/ Krepold, § 39 Rn. 222; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 148; Huber, Rn. 442; Pfeiffer, § 97 Rn. 6; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 97 StPO Rn. 12; Stahl, Wistra 1990, 94 (95 f.)). Begründet wird diese Auffassung damit, dass Notare und Rechtsanwälte im Hinblick auf fremde Gelder immerhin zur Einrichtung von Anderkonten gesetzlich verpflichtet seien (AG Münster Wistra 1998, 237 = StV 1997, 181= WM 1998, 1328; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 23) und die das Anderkonto führende Bank deswegen als Hilfsperson des Notars oder Rechtsanwalts behandelt werden müsse, um eine Umgehung der Verweigerungsbefugnis des Berufsgeheimnisträgers zu verhindern (LG Köln WM 1991, 589). Eine Beschlagnahmefreiheit von zu Anderkonten gehörigen Unterlagen ist jedoch entgegen dieser Auffassung abzulehnen und eine Beschlagnahme demzufolge zulässig (OLG Frankfurt NJW 2002, 1135 (1136); LG Chemnitz Wistra 2001, 399 (400); LG Aachen NJW 1999, 2381 (2382); BNotZ 1999, 171; LG Würzburg Wistra 1990, 118; BVerfG Wistra 1990, 97; LG Darmstadt Wistra 1987, 232; KK-Nack, § 97 StPO Rn. 18 m. w. N.). Zur Begründung kann bereits § 97 II StPO angeführt werden, wonach sich das für Rechtsanwälte geltende Beschlagnahmeprivileg ausdrücklich allein auf solche Gegenstände bezieht, die sich im Gewahrsam des Rechtsanwaltes befinden. Hieran fehlt es bei sich beim Kreditinstitut befindlichen Unterlagen aber regelmäßig (LG Würzburg Wistra 1990, 118). Kreditinstitute können auch im Hinblick auf Anderkonten nicht als Berufshelfer i. S. d. § 53a StPO angesehen werden, weil selbständige Gewerbetreibende nicht als Hilfsperson i.S. dieser Norm zu qualifizieren sind und zwischen der Tätigkeit des Rechtsanwaltes und der Bank kein unmittelbarer Zusammenhang besteht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 53a StPO Rn. 2; OLG Frankfurt NJW 2002, 1135 (1136); LG Chemnitz Wistra 2001, 399 (400)). Daneben wird bereits durch die Anknüpfung des Beschlagnahmeverbots an das Zeugnisverweigerungsrecht des Berufsgeheimnisträgers deutlich, dass ein Beschlagnahmeschutz nur bestehen soll, wenn der Berufsgeheimnisträger mit Tätigkeiten betraut wird, die für seine berufliche Qualifikation und Stellung kennzeichnend sind (OLG Frankfurt NJW 2002, 1135 (1136) m. w. N.). Die Entgegennahme von Fremdgeldern gehört hingegen nicht zur typischen und notwendigen anwaltlichen Tätigkeit, sondern betrifft diese nur ganz am Rande (BVerfG Wistra 1990, 97). Zwar können sich Notare der Entgegennahme von Fremdgeldern insbesondere bei der Beurkundung und Abwicklung von Kaufverträgen praktisch nicht entziehen. Diesbezügliche Urkunden sind i.d.R. jedoch nicht geheimhaltungsbedürftig, weil sie gerade für die Kenntnisnahme durch Dritte, beispielsweise durch Eintragung in öffentliche Register (z. B. das Grundbuch), bestimmt sind. Nichts anderes kann für die Buchungsunterlagen eines Notaranderkontos gelten, weil über dieses Konto lediglich die vertragliche Verpflichtung aus den notariellen Urkunden abgewickelt wird und aus den Buchungsunterlagen keine über diese Abwicklung hinaus gehenden Umstände erkennbar sind (LG Aachen NJW 1999, 2381 (2382); LG Darmstadt Wistra 1987, 232). Daneben besteht für die Ermittlungsbehörden die Möglichkeit, die Herausgabe nach § 95 StPO zu verlangen. Diese Norm zielt insbesondere auf solche Fallkonstellationen ab, in denen für die Ermittlungsbehörde feststeht, dass eine bestimmte Person ein ganz bestimmtes Beweismittel in Gewahrsam hat, der Gegenstand aber selbst im Rahmen einer Durchsuchung nicht gefunden werden konnte und dessen Verbleib unbekannt ist (Geurts/ Koch/Schebesta/Weber, Rn. 24). Die Pflicht zur Herausgabe ist unabhängig von der Zustimmung des Eigentümers und trifft jeden Gewahrsamsinhaber mit Ausnahme des Be-
Beckhusen
39
168
40
41
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
schuldigten und der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen (Kleinknecht/MeyerGoßner, § 95 StPO Rn. 4; Pfeiffer, § 95 StPO Rn. 1). Bei letzteren darf zwar eine Herausgabe verlangt, aber nach § 95 II 2 StPO nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Da sich Kreditinstitute nicht auf ihr Bankgeheimnis berufen können, sind sie auf Verlangen der Ermittlungsbehörden zur Herausgabe von kundenbezogenen Geschäftsunterlagen verpflichtet, wobei die Herausgabe der Unterlagen als Fotokopie ausreichen kann (Pfeiffer, § 95 StPO Rn. 1). d) Abwendungsvorlage/Abwendungsauskunft. Kreditinstitute dürfen aufgrund ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses außerhalb einer formellen Zeugenvernehmung nach § 161a StPO regelmäßig keine Auskünfte auf Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft erteilen. Eine Möglichkeit zur freiwilligen Herausgabe kundenbezogener Geschäftsunterlagen besteht für Kreditinstitute allerdings im Rahmen der sog. Abwendungsvorlage und Abwendungsauskunft. Bei der Abwendungsvorlage wird den Kreditinstituten mit der Zustellung oder Androhung eines richterlichen Durchsuchungs- oder Beschlagnahmebeschlusses gleichzeitig nahegelegt, die Durchsuchung der Geschäftsräume und Beschlagnahme der bezeichneten Geschäftsunterlagen durch Vorlage von Fotokopien abzuwenden. Entsprechend wird bei der Abwendungsauskunft die angedrohte oder zugestellte Zeugenladung nach § 161a StPO mit dem Vermerk versehen, dass die Zeugeneinvernahme durch die schriftliche Beantwortung der gestellten Fragen und der Beifügung der dazugehörigen Unterlagen abgewendet werden kann (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 180 ff., 184 ff.; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 26; Fischer/Klanten, Rn. 4.31; vgl. Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 342 ff.). Diese Verfahrensweise wird im Hinblick auf das zu wahrende Bankgeheimnis als zulässig erachtet, weil der Kunde hierbei keiner größeren Belastung ausgesetzt ist, als dies bei Durchlaufen des formellen Verfahrens der Fall wäre (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 26). Wegen des von den Ermittlungsbehörden zu wahrenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes haben Kreditinstitute sogar dann die Möglichkeit zur Abwendungsvorlage, wenn der Durchsuchungs- oder Beschlagnahmebeschluss keine ausdrückliche Abwendungsbefugnis enthält (vgl. LG München II, WM 1989, 79 ff. m. Anm. Locher, WuB I B 3.-2.89). Andererseits ist das Kreditinstitut nicht zur Abwendung verpflichtet und kann es auf die Durchsetzung der angedrohten Maßnahme ankommen lassen (Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 48). e) Geldwäsche/Geldwäschegesetz. Wegen Geldwäsche wird gem. § 261 I StGB bestraft, wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschleiert oder die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet. Mit dieser Norm versucht der Gesetzgeber die Einschleusung von Vermögensgegenständen, die aus organisierter Kriminalität (Rauschgifthandel, Zuhälterei, Schutzgelderpressungen, illegalem Waffenhandel, etc.) stammen, in den legalen Wirtschafts- und Finanzkreislauf zu verhindern und sich die Möglichkeit zur Zurückverfolgung solcher Finanztransaktionen zu schaffen. Diese Vorschrift wird im Geschäftsbetrieb der Kreditinstitute bedeutsam, wenn einer ihrer Mitarbeiter die Herkunft des Geldes zum Zeitpunkt der Anlage (er)kennt (Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 149). Gem. § 261 IX StGB bleibt der betroffene Mitarbeiter allerdings straffrei, wenn er die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, sofern nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Bankmitarbeiter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Diese strafbefreiende Anzeige stellt keine Durchbrechung des Bankgeheimnisses dar (Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 149; Claussen, § 6 Rn. 14a; Kümpel, Rn. 2.173).
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
169
Hiervon sind die Anzeigepflichten des Geldwäschegesetzes (GWG) abzugrenzen. Dieses Gesetz normiert für Kreditinstitute gewerberechtliche Pflichten, die dem Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten dienen und eine effektive Geldwäscheprävention ermöglichen sollen (Junker, DStR 1996, 224 (227)). Nach § 11 I GWG ist bereits der bloße Verdacht, dass eine Finanztransaktion der Geldwäsche i. S. d. § 261 StGB oder der Finanzierung einer terroristischen Vereinigung i. S. d. §§ 129a, 129b StGB dient oder im Fall der Durchführung dienen würde, unverzüglich bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden und in Kopie dem Bundeskriminalamt anzuzeigen. Für diese Anzeige kann der entsprechende Mitarbeiter des Kreditinstituts gem. § 12 GWG nicht verantwortlich gemacht werden, es sei denn, die Anzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden. Diese Verantwortlichkeitsfreistellung macht gleichzeitig deutlich, dass weder das Bankgeheimnis noch andere Verschwiegenheitspflichten der Anzeige entgegenstehen (BT-Drucks. 12/2704, S. 19; Huber, Rn. 420).
42
3. Bankgeheimnis im steuerrechtlichen Verfahren. Anders als im Zivilprozess existiert gegenüber den Steuerbehörden kein Bankgeheimnis (Fischer/Klanten, Rn. 4.39; Streck/ Mack, BB 1995, 2137 (2139); Rüth, DStZ 2000, 30 (32); Junker, DStR 1996, 224 (227) m. w. N.). Auch § 30a AO, wonach die Finanzbehörden bei der Ermittlung des Sachverhalts auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren Kunden besondere Rücksicht zu nehmen haben, normiert kein Bankgeheimnis (Streck/Mack, BB 1995, 2137 (2139); Klein/Rüsken, § 30a AO Rn. 3 und 30; a. A. FG Niedersachsen DStRE 2002, 659 (661); NJW 2001, 2997 (3000); Claussen, § 6 Rn. 11; Kümpel, Rn. 2.178. Vgl. auch Wieland, JZ 2000, 272 ff.; Hamacher, WM 1997, 2149 ff.). § 30a AO ist lediglich als Zusammenfassung derjenigen Vorschriften anzusehen, die das allgemeine steuerliche Verfahrensrecht zum Schutze von Bankkunden modifizieren (Klein/Rüsken, § 30a AO Rn. 3). Das Bankgeheimnis gehört weder im Besteuerungs- oder Steuerfahndungs- noch im Steuerstrafverfahren zu den in § 102 AO genannten privilegierten Berufsgeheimnissen (Junker, DStR 1996, 224 (227) m. w. N.), so dass für Kreditinstitute regelmäßig keine Berechtigung zu einer Auskunftsverweigerung besteht. Daneben existieren auf dem Gebiet des Steuerrechts eine Vielzahl von Vorschriften, die mit der Verschwiegenheitspflicht der Kreditinstitute in Konflikt geraten. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Offenbarung kundenrelevanter und dem Bankgeheimnis unterliegender Tatsachen hängt davon ab, ob die Behörde im Besteuerungsverfahren oder im Strafverfahren tätig ist (§ 393 I AO).
43
Gem. § 93 I 1 AO haben die am Steuerschuldverhältnis Beteiligten und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings gilt nach § 93 I 3 AO i. V. m. § 30a V AO der Subsidiaritätsgrundsatz, wonach Kreditinstitute erst um Auskunft und Vorlage gebeten werden sollen, wenn ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Die Steuerbehörde hat im Rahmen des Auskunftsersuchens zu prüfen, ob das Ersuchen zur Sachaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich und zumutbar ist (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 36 m. w. N.). Es muss ein „hinreichender Anlass“ für das Auskunftsbegehren vorliegen. Sammelauskunftsersuchen oder Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind dementsprechend unzulässig (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 251; BuB/Weber, Rn. 2/873). Nach § 97 I AO kann die Finanzbehörde die Vorlage von Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen, sofern der Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht oder nur unzureichend erteilt hat oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen.
44
Wird die Steuerfahndung gem. § 208 I Nr. 2 oder Nr. 3 AO zur Erforschung von Steuerstraftaten, Steuerordnungswidrigkeiten oder zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter
45
Beckhusen
170
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Steuerfälle tätig, gilt für sie der in den §§ 93 I 3, 97 II AO normierte Grundsatz der subsidiären Inanspruchnahme Dritter nicht (§ 208 I 3 AO). Eine Ausnahme hierzu ergibt sich aus § 30a V 2 AO, der gegenüber § 208 I 3 AO lex specialis ist (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 261). Nach dieser Norm sollen Kreditinstitute erst um Auskunft und Vorlage von Urkunden gebeten werden, wenn ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht. Demzufolge muss die Steuerfahndung bei ihren Nachforschungen gegenüber Kreditinstituten den Subsidiaritätsgrundsatz letztlich doch beachten (Nickels, DStZ 89, 8 (21)), sofern die Person des Steuerpflichtigen bekannt und kein Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen ihn eingeleitet ist (Rüth, DStZ 2000, 30 (34); Klein/Rüsken, § 30a AO Rn. 30). Aber selbst wenn der Steuerpflichtige unbekannt ist, darf die Steuerfahndung keine Ermittlungen „ins Blaue hinein“ führen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 261). Solange ein hinreichender Anlass für Ermittlungsmaßnahmen besteht, liegt eine Ermittlung „ins Blaue hinein“ selbst dann nicht vor, wenn gegen eine große Anzahl von Personen ermittelt wird (BFH NJW 2002, 2340). 46
Im Steuerstrafverfahren gelten, sofern die AO keine Sonderregelungen enthält, die Regelungen des Strafverfahrens (§ 385 I AO). Betrifft die verfolgte Tat ausschließlich Steuerdelikte, dann hat die Finanzbehörde bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens gem. § 399 I AO die Befugnisse der Staatsanwaltschaft nach der StPO. Sie kann insbesondere nach § 161a StPO Zeugen laden und vernehmen (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 51a). Mit der Einleitung des Steuerstraf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahrens ist § 30a AO unanwendbar, so dass der Grundsatz der subsidiären Inanspruchnahme des Kreditinstituts nicht mehr gilt (Huber, Rn. 439).
47
Erlangt ein Kreditinstitut Kenntnis von dem Tode eines Kunden, ist es gem. § 33 I ErbStG verpflichtet, die von ihm verwahrten Vermögensgegenstände und die gegen das Kreditinstitut gerichteten Forderungen, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, dem jeweiligen für die Verwaltung der Erbschaftssteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Die Anzeige kann unterbleiben, soweit die Wirtschaftsgüter dem Erblasser nur als Treuhänder zustanden oder der Wert des anzeigepflichtigen Vermögens eine Schwelle von 1.200,- € nicht übersteigt (Meincke, § 33 Rn. 4).
48
4. Bankgeheimnis und andere Verwaltungsverfahren. Weitere Durchbrechungen des Bankgeheimnisses zugunsten von staatlichen Behörden sind in den unterschiedlichsten Gesetzen zu finden. So besteht für die Träger der Sozialhilfe bei der Überprüfung der Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers gegenüber Kreditinstituten regelmäßig zwar kein Anspruch auf Auskunft über die Vermögensverhältnisse des Betroffenen. Doch normiert § 60 I Nr. 1 SGB die Pflicht des Antragstellers, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. „Erforderlich“ sind in diesem Zusammenhang ganz konkrete Auskünfte, die der Leistungsträger für eine sachgerechte Bearbeitung des Antrags benötigt (BuB/Weber, Rn. 2/910 und zu den „Grundsätzen für Verfahren bei der Erteilung von Auskünften über Bankkonten von Sozialhilfeempfängern“ Rn. 2/911; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 290). Nach § 315 II SGB III haben u.a. Kreditinstitute dem Arbeitsamt auf Verlangen Auskünfte über das Einkommen und Vermögen eines Arbeitslosen zu erteilen, soweit diese für den Leistungsträger im bereits erwähnten Sinne erforderlich sind. Gem. § 44 I AWG können die Deutsche Bundesbank und andere namentlich aufgeführte Behörden Auskünfte bei den Teilnehmern am Außenwirtschaftsverkehr einholen, zu diesem Zwecke die Vorlage geschäftlicher Unterlagen verlangen und Prüfungen vornehmen. § 44 I KWG berechtigt das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gegenüber Kredit-
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
171
instituten, die Erteilung von Auskünften über alle Geschäftsangelegenheiten sowie die Vorlage von Unterlagen zu verlangen und ohne besonderen Anlass Prüfungen vorzunehmen. Die §§ 13 und 14 KWG normieren im Hinblick auf Groß- und Millionenkredite Anzeigepflichten für Kreditinstitute gegenüber der Deutschen Bundesbank. § 16 II WpHG legitimiert das Bundesaufsichtsamt bei Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen eines der in § 14 WpHG geregelten Verbote von Insidergeschäften u.a. von Kreditinstituten Auskünfte über Geschäfte in Insiderpapieren und unter bestimmten Voraussetzungen die Angabe der Identität der Auftraggeber, der berechtigten oder verpflichteten Personen sowie der Bestandsveränderungen zu verlangen. 5. Bankgeheimnis in den Schranken des allgemeinen Rechts. a) Notwehr / Nothilfe. Selbst wenn für das Kreditinstitut keine Rechtspflicht zur Auskunftserteilung besteht, kann eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Rahmen der Notwehr oder Nothilfe (§ 227 BGB, § 32 StGB) gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass eine Aufklärung aufgrund fehlender alternativer Handlungsmöglichkeiten unerlässlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf ein Rechtsgut des Kreditinstituts, eines anderen Kunden oder eines sonstigen Dritten abzuwenden. In den Bereich der Notwehr oder Nothilfe fallen neben Verstößen gegen Straftatbestände auch unerlaubte Handlungen i.S. der §§ 823 ff. BGB oder Zuwiderhandlungen gegen die aus § 242 BGB folgenden Schutzpflichten (Canaris, Rn. 59). Die Gegenwärtigkeit eines Angriffes ist gegeben, wenn er unmittelbar bevorsteht oder noch andauert. Hierauf ist besonderes Augenmerk zu legen, weil die Kenntnisnahme von einem bereits beendeten rechtswidrigen oder strafbaren Verhalten eines Kunden das Kreditinstitut nicht bereits zur Verletzung der Verschwiegenheitspflicht legitimiert (Canaris, Rn. 58; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 181; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 64; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/ Krepold, § 39 Rn. 87). Kreditinstitute sind damit nicht an ihre gegenüber einem Kunden bestehende Verschwiegenheitspflicht gebunden, wenn sie in Erfahrung bringen, dass dieser zu einer strafbaren Handlung oder zu einem sonstigen rechtswidrigen Verhalten ansetzt oder mit der Ausführung bereits begonnen hat. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Kreditinstitut anlässlich einer Kreditauskunft oder eines erteilten Kreditauftrages erkennt, dass ein Kunde gegenüber einem Dritten einen Kreditbetrug begehen will (BuB/ Weber, Rn. 2/924; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 160).
49
b) Pflichtenkollision. Kreditinstitute können in eine Pflichtenkollision bzw. in einen Loyalitätskonflikt (Horn, S. 91) geraten, wenn zwei ihrer Kunden miteinander in geschäftlichem Kontakt stehen und die Verschwiegenheitspflicht des Kreditinstituts gegenüber dem einen Kunden mit der zugunsten eines anderen Kunden bestehenden Warnund Aufklärungspflicht kollidiert. Zwar müssen Kreditinstitute ihre Kunden im Regelfall weder vor wirtschaftlich risikoreichen Kreditgeschäften warnen noch über die Vermögensverhältnisse des potenziellen Geschäftspartners aufklären (BGH WM 1978, 896 (897); 1986, 700 (701); 1991, 85; 1989, 1409 (1411); BGHZ 72, 92 (104) = NJW 1978, 2145 (2147 f.); OLG Zweibrücken WM 1985, 86 (89)). Ausnahmsweise kann sich eine Warn- und Aufklärungspflicht allerdings gem. § 242 BGB aus Treu und Glauben (Canaris, Rn. 58, 60; Kümpel, 2.153; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 163; BGH WM 1990, 920 (922); 1991, 85) oder nach anderer Auffassung aus dem rechtfertigenden oder entschuldigenden Notstand i.S. der §§ 34, 35 StGB (vgl. BuB/Weber, Rn. 2/925; Geurts/ Koch/Schebesta/Weber, Rn. 66) ergeben. Eine Warn- und Aufklärungspflicht aus Treu und Glauben ist im Einzelfall anzunehmen, wenn ein besonderes Schutzbedürfnis eines Kunden besteht und eine Aufklärung geradezu geboten ist (BGH WM 1990, 920 (922); 1991, 85). Ein derartiger Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn die Bank einen besonderen Gefährdungstatbestand selbst schafft, seine Entstehung begünstigt oder aber einen
50
Beckhusen
172
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
erkennbaren konkreten Wissensvorsprung über die speziellen Risiken eines bestimmten Vorhabens hat (Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 162; BGH WM 1986, 700 (701); 1991, 85). So kann eine Aufklärungspflicht bestehen, wenn der Bank bereits bei Kreditgewährung die drohende Zahlungsunfähigkeit des Geschäftspartners bekannt ist (BGH WM 1991, 85; 1986, 700 (701); 78, 896 ff. m. Anm. Heymann, WuB I G 8.-7.86) oder wenn sie sich im Zusammenhang mit Kreditgewährungen sowohl an den Bauträger als auch an die einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte zu Lasten der Erwerber verwickelt (BGH WM 1991, 85; 1989, 561 (563); 1979, 1054 (1057); Obermüller, WuB I B 3.-1.91; vgl. auch OLG Zweibrücken WM 1985, 86 ff. m. Anm. Obermüller, WuB IV A. § 826 BGB 1.85). 51
Die Feststellung einer Pflichtenkollision allein legitimiert das Kreditinstitut allerdings nicht zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses. Vielmehr ist eine Kollision zwischen der sich aus dem Wissensvorsprung ergebenden Aufklärungspflicht und der gegenüber dem anderen Kunden bestehenden Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses im Rahmen einer konkreten Güter- und Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu lösen (BGH WM 1991, 85 (86); Canaris, Rn. 60; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 182). Es kommt in jedem konkreten Einzelfall darauf an, ob das Interesse an der Geheimhaltung nach Treu und Glauben den Vorrang vor dem Schutz des anderen Kunden verdient (Kümpel, Rn. 2.160). Im Zuge dieser Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, in welchem Umfang das aufklärungspflichtige Kreditinstitut gezwungen wäre, Einzelheiten seiner Geschäftsverbindung mit einem anderen Kunden und über dessen Vermögenslage zu offenbaren (BGH WM 1991, 85 (86)). Ist einem Kreditinstitut beispielsweise bei einer Geldüberweisung die Insolvenz oder die unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit des Überweisungsempfängers bekannt, so wird insbesondere der Überweisungsbetrag bei der Güter- und Interessenabwägung zu berücksichtigen sein. Handelt es sich um einen Bagatellbetrag, wird der überweisende Kunde durch das Schweigen seiner Bank nur einen geringen Schaden erleiden. Bei einem hohen Betrag wird der mögliche Schaden des Kunden dagegen im Verhältnis zu dem Hinweis auf die – ohnehin nur kurzfristig geheimhaltbare – Notsituation des Überweisungsempfängers höher zu bewerten sein und eine Warnmitteilung rechtfertigen (Kümpel, Rn. 2.160). Eine Freistellung des Kreditinstitutes von seiner Verschwiegenheitspflicht wird – ohne das Hinzutreten besonderer Umstände – jedenfalls in solchen Fällen abzulehnen sein, in denen eine erfolgreiche Sanierung zumindest noch ernsthaft möglich erscheint (vgl. auch Obermüller, WuB I B 3.-1.91).
52
c) Wahrnehmung berechtigter Interessen. Die Legitimation für eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses kann sich ausnahmsweise auch auf ein überwiegendes Eigeninteresse des Kreditinstituts stützen, wobei der Rechtsgedanke der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) zur Anwendung gelangt (Kümpel, Rn. 2.165; Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 164; Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 25). Ein derartiges berechtigtes Interesse wurde in der Rechtsprechung (BGH NJW 1952, 151; BGH DB 1953, 1031; BGH WM 1978, 999 (1000); OLG Köln WM 1993, 289 (291)) anerkannt, wenn sich ein Kreditinstitut in einem Prozess oder gegen sonstige Angriffe des Kunden nicht sachgerecht verteidigen kann, ohne ein ihm anvertrautes Geheimnis aufzudecken. Die Offenbarungsbefugnis wird sich im Regelfall allerdings auf solche Geheimnisse beschränken, welche die Prozessgegenseite selbst betreffen. Die Geheimnisse außenstehender Dritter sind hingegen nur ausnahmsweise und unter Zugrundelegung besonders strenger Anforderungen preiszugeben (BuB/Weber, Rn. 2/926). Eine allgemeine Anwendbarkeit ist dem Rechtfertigungsgrund der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ aufgrund seines speziellen Zusammenhangs mit den Ehrverletzungsdelikten und § 824 II BGB hinge-
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
173
gen nicht zu entnehmen (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 67; BuB/Weber, Rn. 2/927 und Rn. 1/55; Hoffmann/Walter, WM 2004, 1566 (1573)). Hinge nämlich die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses bei Kollision verschiedener Interessen von dem Ergebnis der jeweiligen Güter- und Interessenabwägung ab, dann würde das Bankgeheimnis in seiner Anwendung letztlich zur Disposition der Banken und in seinem Wesensgehalt in Frage gestellt (BuB/Weber, Rn. 1/55 und 2/927). Allerdings lässt sich aus den von der Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalten der Grundsatz entnehmen, dass die Bank im Falle von Nachteilen durch ein vertragswidriges oder rechtswidriges Verhalten eines Kunden unter engen Voraussetzungen gegen diesen einen Anspruch auf Befreiung vom Bankgeheimnis aus den Geboten von Treu und Glauben gem. § 242 BGB erlangen kann, um den entstandenen Nachteil auszugleichen oder zu mindern. Eine Verweigerung der Entbindung vom Bankgeheimnis durch den Kunden wäre unbeachtlich, weil dieser rechtsmissbräuchlich handeln würde (Bruchner/Stützle-Bruchner, S. 27; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 67; BuB/Weber, Rn. 1/55). Dies gilt auch bei Abtretung einer Darlehensforderung – selbst im Falle eines vertraglich vereinbarten Abtretungsverbots – für die Erfüllung der Auskunftspflicht gegenüber dem Zessionar nach § 402 BGB, soweit es sich um einen sog. Non-Performing Loan, d.h. um eine Darlehensforderung handelt, die von dem Schuldner nicht ordnungsgemäß bedient wird (vgl. Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165 (168); Rögner, NJW 2004, 3230 (3232); Nobbe, WM 2005, 1537 (1546); Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367 (1371); Hoffmann/ Walter, WM 2004, 1566 (1572); Rinze/Heda, WM 2004, 1557 (1565); Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123 (130)). 6. Bankgeheimnis und Bundesdatenschutzgesetz. Neben der Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses müssen Kreditinstitute auch die Regelungen des BDSG beachten. Das BDSG macht es sich in seinem § 1 I BDSG zur Aufgabe, den Einzelnen vor einer Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten zu schützen. Ausgangspunkt des Datenschutzes ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung, die es durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 65, 1 ff. = NJW 1984, 419 ff. – „Volkszählungsurteil“) erfahren hat (Gola/Schomerus, § 1 BDSG Rn. 6). Vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG wird hiernach auch das Recht des Bankkunden auf „informationelle Selbstbestimmung“ umfasst (BVerfG NJW 1984, 419 (422); Horn, S. 89). Dieses Recht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden (BVerfG NJW 1984, 419 (422)) und macht den Einzelnen damit – ähnlich wie dies beim Bankgeheimnis der Fall ist – grundsätzlich zum Herrn über die ihn betreffenden Daten (vgl. Gola/Schomerus, § 1 BDSG Rn. 10). Zwischen dem BDSG und dem Bankgeheimnis kommt es aber nur teilweise zu Überschneidungen (Heymann/Emmerich, Anhang § 372, Rn. 50; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 40 Rn. 27). Im Gegensatz zum Bankgeheimnis bezieht sich das BDSG nicht auf sämtliche kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen, von denen das Kreditinstitut Kenntnis erlangt, sondern nur auf die personenbezogenen Daten einer natürlichen Person. Damit fallen juristische Personen, wie Kapitalgesellschaften und eingetragene Vereine, aber auch die OHG oder die KG sowie alle übrigen Personengesellschaften aus dem Schutzbereich des BDSG heraus (Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 171; Kirchherr/Stützle, ZIP 1984, 515 (519)). Daneben müssen für die Anwendbarkeit des BDSG weitere Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. § 1 II BDSG). Das Bankgeheimnis erfasst also einen sehr viel größeren Bereich von Informationen und schutzwürdigen Kunden als das BDSG und bietet dem Kunden damit einen umfassenderen Schutz seiner Privatsphäre (Langohr, S. 14).
Beckhusen
53
174
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
54
Einschränkungen des vom BDSG gewährleisteten Schutzes ergeben sich aus § 4 I BDSG. Hiernach ist die Datenverarbeitung zulässig, wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Aus dieser Norm ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zum Bankgeheimnis. Denn die Durchbrechung des Bankgeheimnisses ist grundsätzlich nur mit der Einwilligung des Kunden möglich, wohingegen das BDSG den Kreditinstituten mit § 28 BDSG die Möglichkeit eröffnet, unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne vorherige Einwilligung ihrer Kunden deren Daten weiterzugeben. § 28 BDSG bietet Kreditinstituten aber keinesfalls die Möglichkeit, die sich aus dem Bankgeheimnis ergebenden Übermittlungsschranken zu umgehen (Simitis u.a., BDSG/Simitis, § 28 Rn. 133). Eine derartige Annahme wäre im Hinblick auf den hinter dem Bankgeheimnis und dem BDSG stehenden Schutzgedanken verfehlt, weil es nicht Sinn und Zweck des BDSG ist, bereits bestehende Beschränkungen zum Schutze des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wieder aufzubrechen. Dies ergibt sich auch aus § 1 III 2 BDSG, wonach die Verpflichtung zur Wahrung von Berufsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, unberührt bleibt. Diese Vorschrift gilt auch und insbesondere zugunsten des Bankgeheimnisses (Gola/Schomerus, § 1 BDSG Rn. 25). Im Einzelfall ist das jeweils höhere Schutzniveau dafür entscheidend, ob das Bankgeheimnis als spezielle Geheimhaltungsregelung oder das BDSG Anwendung findet (Gola/Schomerus, § 1 BDSG Rn. 25; Simitis u.a., BDSG/Walz, § 1 Rn. 174 f.; a. A. Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473 (476); Koch, MMR 2002, 504 (507)). Die Voraussetzungen und Grenzen einer Übermittlung von Kundendaten sind damit am Bankgeheimnis zu messen. Kreditinstitute können auf andere Anknüpfungspunkte nur insoweit ausweichen, wie es das Bankgeheimnis zulässt (Simitis u.a., BDSG/Simitis, § 28 Rn. 133). Das BDSG steht folglich unabhängig und selbständig als gesetzliche Schutzpflichtnormierung im Sinne einer zusätzlichen Schutzebene neben dem Bankgeheimnis (Früh, WM 2000, 497 (500); Langohr, S. 14; Zöllner, ZHR 149 (1985), 179 (180); Büllesbach, CR 2000, 544 (546); Canaris, Rn. 72a).
55
II. Einwilligung des Kunden. Entsprechend dem Grundsatz, dass der Kunde eines Kreditinstitutes als Geheimnisherr über die Bekanntgabe oder Geheimhaltung der ihn betreffenden Tatsachen und Wertungen zu entscheiden hat und hierfür sein wirklicher Wille maßgeblich ist (vgl. bereits Rn. 12 f.), kann der Kunde in die Weitergabe der ihn betreffenden Informationen einwilligen (Nr. 2 I 2 AGB-Banken). Voraussetzung ist eine Einwilligung i. S. d. § 183 BGB, also eine bewusste Willenserklärung des Kunden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 12). Diese kann der Kunde ausdrücklich, sei es im Vorfeld oder auf Rückfrage der Bank, für den konkreten Einzelfall, generell für zukünftige Fälle, beschränkt auf einen bestimmten Umfang oder im Rahmen vorformulierter Erklärungen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 12) sowie konkludent durch sein Verhalten in der Geschäftsbeziehung erklären (MünchKommBGB-Schramm, § 182 Rn. 10; Palandt/Heinrichs, § 182 Rn. 3; Soergel/Leptien, § 182 Rn. 7).
56
Ist im konkreten Einzelfall eine Rückfrage beim Kunden nicht möglich und der wirkliche Wille nicht feststellbar, so kann entgegen einer weit verbreiteten Ansicht (Canaris, Rn. 49 und 54; Steindorff, ZHR 149 (1985), 151 (152); Junker, DStR 1996, 224 (224); Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473 (474); Hadding/Schneider-Musielak, S. 14; vgl. auch BGHZ 95, 362 (365) = NJW 1986, 46, wobei die Klärung dieser Frage offengelassen wurde) nicht auf den mutmaßlichen Willen oder gar auf ein objektives Interesse ausgewichen werden (ebenso Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 7 Rn. 12; Kümpel, Rn. 2.154; widersprüchlich Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 68a und 4). Denn die Bank kann häufig überhaupt nicht beurteilen, ob der Geheimhaltungsgrund des Kunden seinen Interessen entspricht, zumal sich dieser zu den wahren Gründen für seinen Ge-
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
175
heimhaltungswunsch oftmals erst gar nicht äußern wird (ebenso Canaris, Rn. 54, der ein Abstellen auf den mutmaßlichen Willen allerdings als legitim erachtet). Zudem würde das Abstellen auf den mutmaßlichen Willen oder ein objektives Interesse zu einem direkten Widerspruch mit fundamentalen Grundsätzen des Bankgeheimnisses führen. Durch diese Vorgehensweise würde dem Kunden seine Stellung als Geheimnisherr weitestgehend abgesprochen und zur Disposition des Kreditinstituts gestellt. Der wirkliche und bewusste Wille des Geheimnisherrn würde auf solche Fälle reduziert, in denen eine ausdrückliche vorherige Absprache mit dem Kreditinstitut stattgefunden hat oder in denen der Kunde gerade „greifbar“ ist. Im Zusammenhang mit der (formularmäßigen) ausdrücklichen Einwilligung in die Weiterleitung von kundenbezogenen Informationen durch Kreditinstitute hat das Kreditinformationssystem der SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) einen besonderen Stellenwert. Im Rahmen des SCHUFA-Verfahrens werden der SCHUFA von ihren Vertragspartnern (z. B. Kreditinstitute, Telekommunikations- und Einzelhandelsunternehmen, Waren- und Kaufhäuser, etc.) genau festgelegte personenbezogene Informationen der Kunden gemeldet und dort gespeichert. Im Gegenzug können die SCHUFAVertragspartner vor dem Abschluss eines Vertrages mit kreditorischem Risiko bei der SCHUFA eine Auskunft über den potenziellen Kunden einholen und erhalten damit Informationen, die von anderen Vertragspartnern über den betreffenden Kunden zuvor gemeldet worden und für die Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und damit der Kreditwürdigkeit des Kunden von Bedeutung sind (Kümpel, Rn. 2.210; Kamlah, MMR 1999, 395 (396); Kloepfer/Kutzschbach, MMR 1998, 650 (652); Hendriks, ZHR 149 (1985), 199 (201)). Grundlage des SCHUFA-Verfahrens ist die in Kontoeröffnungsund Kreditanträgen der Kreditinstitute enthaltene sog. SCHUFA-Klausel, mit deren Unterzeichnung der Kunde nicht nur die aus datenschutzrechtlichen Gründen erforderliche ausdrückliche Einwilligung in die Datenweitergabe (vgl. § 4 I BDSG), sondern vor allem auch die erforderliche Befreiung des Kreditinstituts vom Bankgeheimnis erklärt.
57
Eine konkludente Befreiung vom Bankgeheimnis besteht im Scheck- und Wechselverkehr für Scheckbestätigungen bzw. Deckungszusagen. Mit der Scheckbegebung macht der Aussteller gleichzeitig deutlich, dass er die Existenz eines Kontos und das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines entsprechenden Guthabens vor dem Scheckinhaber nicht geheim zu halten wünscht. Der Scheckinhaber könnte sich ohnehin durch die sofortige Vorlage des Schecks bei der kontoführenden Stelle Gewissheit über die Einlösungsmöglichkeiten verschaffen (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 71; BuB/Weber, Rn. 2/932). Etwas anderes gilt allerdings im Lastschriftverfahren, weil das Kreditinstitut nicht erkennen kann, ob überhaupt eine wirksame Einzugsermächtigung vorliegt und die Berechtigung der Lastschrift von weiteren Voraussetzungen, wie etwa der Rechnungsstellung, abhängt (Fischer/Klanten, Rn. 4.8.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/ Krepold, § 39 Rn. 40). Ein konkludentes Einverständnis des Kunden für eine Deckungszusage vor Lastschrifteinzug ist daher nicht anzunehmen.
58
Im Falle der Nichteinlösung eines Schecks oder Wechsels kann der Inhaber oder sonstige Berechtigte von dem bezogenen Kreditinstitut Auskunft über den Scheckaussteller verlangen. Das Kreditinstitut ist zur Erteilung aller zur Durchsetzung der scheckrechtlichen Ansprüche erforderlichen Angaben über die Person des Ausstellers, insbesondere dessen Namen und Anschrift, berechtigt, weil sich der Scheckaussteller bei Abschluss des Scheckvertrages verpflichtet hat, alles zu tun, um einen reibungslosen Scheckverkehr zu gewährleisten (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 69; Schimansky/Bunte/LwowskiBruchner/Krepold, § 39 Rn. 38; Kirchherr/Stützle, ZIP 1984, 515, 521; auch Kümpel, Rn. 2.155).
59
Beckhusen
176
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Hierzu gehört insbesondere auch der Rückgriff des Scheckinhabers im Falle der Nichteinlösung eines Schecks. Eine entgegenstehende Weisung des Kunden ist daher als widersprüchliches Verhalten unbeachtlich (BuB/Weber, Rn. 2/930; Kirchherr/Stützle, ZIP 1984, 515 (522); Fischer/Klanten, Rn. 4.9). 60
Kreditinstitute sind gegenüber dem Bürgen i.d.R. nicht zur Auskunft über die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners berechtigt (Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 75). Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass dem Gläubiger gegenüber dem Bürgen wegen des allgemeinen Risikos des Bürgschaftsvertrages, u.U. für die Leistungsfähigkeit eines Dritten ohne Gegenleistung einstehen zu müssen, im Grundsatz keine Sorgfalts- und Auskunftspflichten obliegen (st. Rspr. BGH NJW 1996, 1274 (1275); 1994, 2146 (2148); WM 1986, 11 (12) m. Anm. Teske, EwiR 1986, 141; ZIP 1985, 267 (269) = WM 1985, 155 (157) m. Anm. Fischer, EwiR 1985, 83; ZIP 1983, 665 (666) = NJW 1983, 1850; WM 1980, 330 (331); Staudinger/Horn, § 765 Rn. 180 f.; MünchKommBGB-Habersack, § 765 Rn. 87; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 43 f.; Geurts/Koch/Schebesta/Weber, Rn. 75; Merz, WM 1988, 241 (241); FuchsWissemann, WiB 1994, 426 (426)). Da für den Bürgen die Einschätzung seines Haftungsrisikos von großer Bedeutung ist, kann bei der Übernahme der Bürgschaft im Auftrage oder auf Veranlassung des Hauptschuldners von einer konkludenten Befreiung des Kreditinstituts vom Bankgeheimnis insoweit ausgegangen werden, als dass das Kreditinstitut dem Bürgen zumindest Auskünfte über die Höhe der Bürgschaftsschuld geben darf (BuB/Weber, Rn. 2/938; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 45; Fischer/Klanten, Rn. 4.15; Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 185; vgl. auch Staudinger/Horn, § 765 Rn. 18; MünchKomm BGB-Habersack, § 765 Rn. 91). Mit Inanspruchnahme des Bürgen gehen die Ansprüche des Kreditinstituts gegen den Hauptschuldner gem. § 774 BGB auf den Bürgen über. Dieser kann vom Kreditinstitut nach §§ 412, 402 BGB alle Auskünfte und Informationen verlangen, die für den Rückgriff gegen den Hauptschuldner notwendig sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 39 Rn. 46).
61
III. Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft. Eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses stellt auch die Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft dar, deren Voraussetzungen in Nr. 2 III AGB-Banken enthalten sind (vgl. § 3).
62
E. Rechtsfolgen einer Verletzung des Bankgeheimnisses Das Recht auf Wahrung des Bankgeheimnisses ist verletzt, wenn das Kreditinstitut die durch einen Kunden anvertrauten Tatsachen ohne Vorliegen einer Berechtigung an Dritte weitergibt. Wegen der Vermutung, dass der Kunde grundsätzlich alle Tatsachen geheim zu halten wünscht (vgl. Rn. 12), kann das Kreditinstitut bei einer Verletzung des Bankgeheimnisses nicht einwenden, es habe den Geheimhaltungswillen des Kunden hinsichtlich bestimmter Tatsachen nicht erkennen können (Wolff, DB 1968, 695 (697)). Als Rechtsfolge dieser Pflichtverletzung kann sich ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB ergeben, sofern das Kreditinstitut ein Verschulden i. S. d. § 276 BGB trifft. Die Verletzung des Bankgeheimnisses kann auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder bei Geschäftskunden einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 300; dazu ausführlich Petersen, S. 42 ff. sowie 45 ff.; Lang, ZBB 2006, 115 (125 f.)), so dass auch ein Anspruch aus § 823 I BGB denkbar ist. Eine Ersatzpflicht des entstandenen Schadens lässt sich gegebenenfalls auch auf § 823 II BGB i. V. m. Bestimmungen des als Schutzgesetz anerkannten Bundesdatenschutzgesetzes, namentlich den §§ 28, 41 BDSG, stützen (Gola/Schoomerus, § 1 BDSG Rn. 4; Bütter/Tonner, ZBB 2005,
Beckhusen
§ 6 Bankgeheimnis
177
165 (171); Lang, ZBB 2006, 115 (124)). Sofern die Voraussetzungen vorliegen, kann der Kunde gegen das Kreditinstitut einen Schadensersatzanspruch wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung i. S. d. § 826 BGB oder sogar wegen Kreditgefährdung gem. § 824 BGB geltend machen. Ein Schmerzensgeldanspruch i. S. d. § 253 BGB scheidet in aller Regel aus und kann allenfalls dann in Betracht gezogen werden, soweit es sich um eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts handelt und Genugtuung nicht auf andere Weise zu erlangen ist (Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165 (171); dazu ausführlich Lang, ZBB 2006, 115 (124 ff.); vgl. aber auch Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner/Krepold, § 39 Rn. 300; OLG Frankfurt WM 1988, 154 (159 f.) m. Anm. Weber, WuB I B 7.-2.88). Im Einzelfall kann die Ersatzfähigkeit des Schadens Probleme aufwerfen. Beispielsweise stellen Steuernachzahlungen des Kunden, die sich infolge der Verletzung des Bankgeheimnisses ergeben haben, nach allgemeiner Auffassung keinen ersatzfähigen Schaden dar, weil die Verpflichtung zur Begleichung der Steuerschuld bereits vor und unabhängig von der Verletzung des Bankgeheimnisses entstanden war und dementsprechend per saldo keine Vermögensminderung eintritt (Canaris, Rn. 66; Schwintowski/ Schäfer, § 1 Rn. 165). Im Gegensatz dazu ist die Ersatzfähigkeit eines Schadens bei der Aufdeckung von Steuerstraftaten durchaus denkbar (vgl. LG Bielefeld RDV 1996, 37 (38)), weil dem Kunden die Möglichkeit genommen wird, durch eine Selbstanzeige gem. § 371 AO Straffreiheit zu erlangen (Canaris, Rn. 67; Junker, DStR 1996, 224 (228)). Der Kunde muss allerdings glaubhaft nachweisen können, dass er auch tatsächlich die Absicht zur Erstattung der Selbstanzeige hatte (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/ Krepold, § 39 Rn. 307). Das Kreditinstitut haftet für das Verhalten seiner Angestellten im Rahmen der §§ 278, 831 BGB und für das Verhalten seiner Organe nach den §§ 31, 89 BGB. Bei einer drohenden Verletzung des Bankgeheimnisses kann der Kunde gegen das Kreditinstitut mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage vorgehen oder eine einstweilige Verfügung gem. § 935 ZPO erwirken. Ausreichend ist bereits die Gefahr einer erstmaligen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, z. B. wenn das Kreditinstitut seine Pflicht zur Geheimhaltung bestreitet (Wolff, DB 1968, 695 (697 f.); Sichtermann/Feuerborn/Kirchherr/Terdenge, S. 205 m. w. N.).
63
Ist die Verletzung des Bankgeheimnisses für den Kunden von so schwerwiegender Bedeutung, dass ihm ein Festhalten an der Geschäftsbeziehung nicht mehr zumutbar ist, kann er dem Kreditinstitut gegenüber die Kündigung aus wichtigem Grund aussprechen (Nr. 18 II AGB-Banken). Dem gegen das Bankgeheimnis verstoßenden Mitarbeiter kann im Einzelfall die fristlose Kündigung drohen. Daneben macht er sich gegenüber seinem Arbeitgeber schadensersatzpflichtig (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner/ Krepold, § 39 Rn. 312). Mitarbeiter öffentlichrechtlicher Kreditinstitute können wegen der unbefugten Offenbarung privater Geheimnisse gem. § 203 II StGB strafrechtlich belangt werden. Daneben müssen die verbeamteten Mitarbeiter mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen (Schwintowski/Schäfer, § 1 Rn. 165).
64
Beckhusen
“This page left intentionally blank.”
§ 7 Compliance
179
§ 7 Compliance
Schrifttum Arendts, Betrügerische Verhaltensweisen bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung, ÖBA 1996, 775; Assmann, Interessenkonflikte und „Inducements“ im Lichte der Richtlinie über Finanzmärkte für Finanzinstrumente (MiFID) und der MiFID-Durchführungsrichtlinie, ÖBA 2007, 40; Badle, Betrug und Korruption im Gesundheitswesen – Ein Erfahrungsbericht aus der staatsanwaltschaftlichen Praxis, NJW 2008, 1028; Balzer, Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Vermögensverwaltung, WM 2000, 441; Bauer/Bergmann, Zur Reichweite der „betrügerischen Handlungen“ nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 KWG, ZBB 2007, 113; Baums, Vorschlag eines Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz von Vorstandsvergütungen, ZIP 2004, 1877; Barta, Die Haftung der depotführenden Bank bei Churning des Anlageberaters – Zugleich Besprechung der Entscheidung des BGH v. 13.7.2004 – VI ZR 136/03 – „Brokerhaftung“, BKR 2004, 433; Berg, Korruption in Unternehmen und Risikomanagement, AG 2007, 271; Bitter, Geschäftsschädigende Verlautbarungen börsennotierter Aktiengesellschaften über Vertragspartner im Spannungsfeld zwischen Ad-hoc-Publizität und vertraglicher Rücksichtnahmepflicht, WM 2007, 1953; Braun/ Rotter, Können Ad-hoc-Mitteilungen Schadensersatzansprüche im Sinne der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung auslösen?, BKR 2003, 918; Brömmelmeyer, Neue Regeln für die Binnenhaftung des Vorstands – Ein Beitrag zur Konkretisierung der Business Judgment Rule, WM 2005, 2065; Brooks, Wider die Korruption oder wie viel ist den Unternehmen ihr guter Ruf wert?, BB 2007, Heft 4 (Editorial) I; Bülow, Chinese Walls: Vertraulichkeit und Effizienz, Die Bank 1997, 290; Bürkle, Weitergabe von Informationen über Fehlverhalten in Unternehmen (Whistleblowing) und Steuerung auftretender Probleme durch ein Compliance-System, DB 2004, 2158; Büttner/Tonner, Bankgeheimnis und Schadensersatzhaftung der Bank – Der Fall Kirch gegen Deutsche Bank und Breuer, BKR 2005, 344; ders., Corporate Compliance – Pflicht oder Kür für den Vorstand der AG, BB 2005, 565; Caspari, Anlegerschutz in Deutschland im Lichte der Brüsseler Richtlinie, NZG 2005, 98; Casper, Persönliche Außenhaftung der Organe bei fehlerhafter Information des Kapitalmarkts, BKR 2005, 83; Dahs/Müssig, Strafbarkeit kommunaler Mandatsträger als Amtsträger? – Eine Zwischenbilanz, NStZ 2006, 191; Egbers/Tal, Die zivilrechtliche Haftung von Wertpapieranalysten – Notwendigkeit einer spezialgesetzlichern Haftungsregelung, BKR 2004, 219; Ernst/Sendler, Kernpunkte des Referentenentwurfs eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, BB 2007, 2557; Feinendegen, Vorteilsannahme ohne Folgen – Freibrief für kommunale Mandatsträger durch den BGH?, NJW 2006, 2014; Findeisen, Der Präventionsgedanke des Geldwäschegesetz, wistra 1997, 121; ders., Deliktsspezifische Strukturprävention gegen Geldwäsche, WM 1998, 2410; Findeisen/Backhaus, Umfang und Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität bei der Haftung nach § 826 BGB für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, WM 2007, 100; Eisele, Insiderrecht und Compliance, WM 1993, 1021; N.Fischer, Öffentliche Äußerungen von Organmitgliedern juristischer Personen als Gefährdung der Kreditwürdigkeit des Vertragspartners, DB 2006, 598; Fischer, Korruptionsbekämpfung in der Betriebsverfassung, BB 2007, 997; Fleischer, Zur deliktsrechtlichen Haftung der Vorstandsmitglieder für falsche Ad-hoc-Mitteilungen, DB 2004, 2031; ders., Aktienrechtliche Legalitätspflicht und „nützliche“ Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern, ZIP 2005, 141; ders., Konzernleitung und Leitungssorgfalt der Vorstandsmitglieder im Unternehmensverbund, DB 2005, 759; ders., Das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz, DB 2005, 1611; ders., Konturen der kapitalmarktrechtlichen Informationsdeliktshaftung, ZIP 2005, 1805; ders., Das Mannesmann-Urteil des Bundesgerichtshofs: Eine aktienrechtliche Nachlese, DB 2006, 542; ders., Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und das Finanzmarkt-RichtlinieUmsetzungsgesetz, BKR 2006, 389; Fleischer, Corporate Compliance im aktienrechtlichen Unternehmensverbund, CCZ 2008, 1; Göpfert/Merten/Siegrist, Mitarbeiter als „Wissensträger“ – Ein Beitrag zur aktuellen Compliance-Diskussion, NJW 2008, 1703; Göres/Kleinert, Die Liechtensteinische Finanzaffäre – Steuer- und steuerstrafrechtliche Konsequenzen, NJW 2008, 1353; Göres, MiFID – Neue (Organisations-) Pflichten für die Ersteller von Finanzanalysen, BKR 2007, 85; Greeve, Verstärkte Rückgewinnungshilfe und Vermögensabschöpfung seit dem 1.1.2007, NJW 2007, 14; Grotheer, Außenhaftung von Aufsichtsratsmitgliedern: Ein Anreiz zur Verbesserung der Überwachungstätigkeit?, WM 2005, 2070; Gruber, Der unabhängige Finanzexperte im Aufsichtsrat nach dem Referentenentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, NZG 2008, 12; Hauschka, Corporate Compliance – Unternehmensorganisatorische Ansätze zur Erfüllung der Pflichten von Vorständen und Geschäftsführern, AG 2004, 461; ders., Der Compliance-Beauftragte im Kartellrecht, BB 2004, 1178; ders., Compliance am Beispiel der Korruptionsbekämpfung, ZIP 2004, 877; ders., Compliance, Compliance-Manager, Compliance-Programme:
Frisch
180
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Eine geeignete Reaktion auf gestiegene Haftungsrisiken für Unternehmen und Management?, NJW 2004, 257; Habersack, Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, AG 2008, 98; Hauschka/Greeve, Compliance in der Korruptionsbekämpfung – was müssen, was sollen, was können die Unternehmen tun?, BB 2007, 165; Heintzen, Der Deutsche Corporate Governance Kodex aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts, ZIP 2004, 1933; Herzog, Die Bank als Fahnder, WM 1996, 1754; Herzog/Hoch, Politisch exponierte Personen unter Beobachtung, WM 2007, 1997; Hettermann/Althoff, Rechtliche Anforderungen an Finanzanalysen, WM 2006, 265; Hilgard, Churning, WM 2006, 409; Höche, Der Entwurf einer dritten EU-Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zu Zwecken der Geldwäsche und der Finanzierung des Terrorismus, WM 2005, 8; van Kann/Eigler, Aktuelle Neuerungen des Corporate Governance Kodex, DStR 2007, 1730 (1733)); Hommelhoff/Mattheus, Risikomanagementsystem im Entwurf des BilMoG als Funktionselement der Corporate Governance, BB 2007, 2787; Kiethe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; ders., Die Zivil- und strafrechtliche Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Sparkasse für riskante Kreditgeschäfte, BKR 2005, 177; ders, Gesellschaftsrecht – Zivilrechtliche Haftungsgefahren für Gesellschaften und ihre Organmitglieder, WM 2007, 722; Kinzl, Wie angemessen muss „angemessene Information“ als Grundlage für Vorstandsentscheidungen sein?, DB 2004, 1653; Kirschhöfer, Führung von Insiderverzeichnissen bei Emittenten und externen Dienstleistern, AG 2005, 22; Klanten, Neufassung der Wohlverhaltensrichtlinie und der Mitarbeierleitsätze, ZBB 2000, 349; Klindt, Nicht-börsliches Compliance-Management als zukünftige Aufgabe der Inhouse-Juristen, NJW 2006, 3399; Körner, Infomatec und die Haftung von Vorstandsmitgliedern für falsche ad hoc-Mitteilungen, NJW 2004, 3386; Kokemoor, Der Automatisierte Abruf von Kontoinformationen nach § 24c KWG, BKR 2004, 135; Kreutz, Verhaltenskodices als wesentliches Element von Corporate-Governance-Systemen in gemeinnützigen Körperschaften, ZRP 2007, 50; Kumpan/Hellgardt, Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, DB 2006, 1714; Lampert, Gestiegenes Unternehmensrisiko Kartellrecht – Risikoreduzierung durch Competition-Compliance-Programme, BB 2002, 2237; Lang, Doppelnormen im Recht der Finanzdienstleistungen, ZBB 2004, 289; Lange, Risikoorientierter Ansatz zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Risikomanager 2007, 18; Lehleiter/Hoppe, Die Haftung der Bankverantwortlichen bei der Kreditvergabe, BKR 2007, 178; Leisch, Vorstandshaftung für falsch Ad-hoc-Mitteilungen – ein höchstrichterlicher Beitrag zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland, ZIP 2004, 1573; Lenz, Sarbanes-Oxley Act of 2002 – Abschied von der Selbstregulierung der Wirtschaftsprüfer in den USA, BB 2002, 2270; Leyens, Corporate Governance: Grundsatzfragen und Forschungsperspektiven, JZ 2007, 1061; Linklater/McElyea, Die Auswirkung von „Corporate Compliance Codes“ auf die strafrechtliche Haftung eines Unternehmens unter den US-amerikanischen „Federal Sentencing Guidelines“, RIW 1994, 117; v. Livonius, Aktuelle Rechtsfragen des Vertriebs von Finanzprodukten, BKR 2005, 12; Lösler, Das moderne Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht, NZG 2005, 104; ders., Spannungen zwischen der Effizienz der internen Compliance und möglichen ReportingPflichten des Compliance Officers, WM 2007, 676; Lösler, Zur Rolle und Stellung des Compliance-Beauftragten, WM 2008, 1098; Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, ZIP 2007, 841; Maul/Lanfermann , EU-Kommission nimmt Empfehlungen zu Corporate Governance an, DB 2004, 2407; Lutter, Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, AG 2008, 1; Mengel/Ullrich, Arbeitsrechtliche Aspekte unternehmensinterner Investigations, NZA 2006, 240; Meyer, Uwe, Ethikrichtlinien internationaler Unternehmen und deutsches Arbeitsrecht, NJW 2006, 3605; Mülbert, Bankenaufsicht und Corporate Governance – Neue Organisationsanforderungen im Finanzdienstleistungsbereich, BKR 2006, 349; Preussner/Pananis, Risikomanagement und strafrechtliche Verantwortung – Corporate Governance am Beispiel der Kreditwirtschaft, BKR 2004, 347; Prigge/Offen, Über den Nutzen von Corporate-Governance-Ratings für Aktionäre, ZBB 2007, 89; Rönnau, “Angestelltenbestechung“ in Fällen mit Auslandsbezug, JZ 2007, 1084; Rönnau/Golombek, Die Aufnahme des „Geschäftsherrenmodells“ in den Tatbestand des § 299 – ein Systembruch im deutschen StGB, ZRP 2007, 193; Rössner/Arendts, Die Haftung wegen Kontoplünderung durch Spesenschinderei (Churning), WM 1996, 1517; Rodewald/Unger, Corporate Compliance – Organisatorische Vorkehrungen zur Vermeidung von Haftungsfällen der Geschäftsleitung, BB 2006, 113; Saliger, Kick-Back, „PPP“, Verfall – Korruptionsbekämpfung im „Kölner Müllfall“, NJW 2006, 3377; Sandmann, Der Compliance-Bericht im Wertpapierdienstleistungsunternehmen – praktische Erwägungen, CCZ 2008, 104; Sauer, Kausalität und Schaden bei der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen, ZBB 2005, 24; Scherer, Korruptionsbekämpfung durch Selbstregulierung, RIW 2006, 363; Schlicht, Compliance nach Umsetzung der MiFID-Richtlinie, BKR 2006, 469; Schlitt, Die strafrechtliche Relevanz des Corporate Governance Kodexes, DB 2007, 326; Schlößer, Verhaltenspflichten von Wertpapieranalysten nach der Bekanntmachung der BaFin zu § 34b WpHG, BKR 2003, 404; Schlüter/Nell, Rechtswirksamkeit auf Schmiergeld beruhender Hauptverträge – Eine ökono-
Frisch
§ 7 Compliance
181
mische Analyse, NJOZ 2008, 223; Schmitt, Untreue von Bank- und Sparkassenverantwortlichen bei der Kreditvergabe, BKR 2006, 125; Schneider, Compliance als Aufgabe der Unternehmensleitung, ZIP 2003, 645; Schneider/v. Buttlar, Die Führung von Insider-Verzeichnissen: Neue Compliance-Pflichten für Emittenten, ZIP 2004, 1621; Seidel, Der DCGK – eine private oder doch eine staatliche Regelung?, ZIP 2004, 285; Semler/Stengel, Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmitgliedern von Aktiengesellschaften am Beispiel von Konflikten bei Übernahme, NZG 2003, 1; Seyfried, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) – Neuordnung der Wohlverhaltensregeln, WM 2006, 1375; Spatscheck, Korruptionssachverhalte in der Betriebsprüfung, AG 2007, 27; Spindler, Persönliche Haftung der Organmitglieder für Falschinformationen des Kapitalmarkts, WM 2005, 2089; Spindler/Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – die MiFID und ihre Umsetzung, WM 2006, 1749 f. u. 1797 f.; dies., Organisationsverpflichtungen nach der MiFID und ihre Umsetzung, AG 2006, 785; Spindler, Compliance in der multinationalen Bankengruppe, WM 2008, 905; Sprockhoff, Die Bankenhaftung bei Abschluss und Umsetzung eines Vermögensverwaltungsvertrags in der richterlichen Praxis, WM 2005, 1739; Teuber, Finanzmarktrichtlinie (MiFID) – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung im Überblick, BKR 2006, 429; Turiaux/Knigge, Vorstandshaftung ohne Grenzen? – Rechtssichere Vorstands und Unternehmensorganisation als Instrument der Risikominimierung, DB 2004, 2199; Ulmer, Die Aktionärsklage als Instrument zur Kontrolle des Vorstands- und Aufsichtsratshandelns – Vor dem Hintergrund der US-Erfahrungen mit der shareholders’ derivative action, ZHR 163 (1999), 290; Volk, Brauchen wir Chinese Walls im Rating Advisory, ZBB 2005, 273; Veil, Compliance-Organisationen in Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zeitalter der MiFID, WM 2008, 1093; Vetter, Deutscher Corporate Governance Kodex, DNotZ 2003, 748; ders., Der Deutsche Corporate Governance Kodex nur ein zahnloser Tiger? – Zur Bedeutung von § 161 AktG für Beschlüsse der Hauptversammlung, NZG 2008, 121; Weber/Brügel, Die Haftung des Managements in der Unternehmenskrise: Insolvenz, Kapitalerhaltung und existenzvernichtender Eingriff, DB 2004, 1923; Weck, Aufklärungspflicht der Banken über Kickbacks, AG-Report 2007, R166; Weichert/Wenninger, Die Neuregelung der Erkundigungs- und Aufklärungspflichten von Wertpapierdienstleitungsunternehmen gem. Art. 19 RiL 2204/39/EG (MiFID) und Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, WM 2007, 627; Weiss, Compliance-Funktion in einer deutschen Universalbank, Die Bank 1993, 136; v. Werder/Wieczorek, Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder und ihre Normierung, DB 2007, 297; v. Werder/Talaulicar, Kodex Report 2007: Die Akzeptanz der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2007, 869; Werner, Haftungsrisiken bei Unternehmensakquisitionen: die Pflicht des Vorstands zur Due Diligence, ZIP 2000, 989; Wiesner, Corporate Governance und kein Ende, ZIP 2003, 977; Wimmer, MaRisk: Überblick und Konsequenzen für die Geschäftsleitung, BKR 2006, 146; Wisskirchen/Jordan/Bissels, Arbeitsrechtliche Probleme bei der Einführung internationaler Verhaltens- und Ethikrichtlinien (Codes of Conduct/Codes of Ethics), DB 2005, 2190; Wolf, Internationalisierung des Antikorruptionsstrafrechts: Kritische Analyse zum Zweiten Korruptionsbekämpfungsgesetz, ZRP 2007, 44; Wolf, Die Modernisierung des deutschen Antikorruptionsstrafrechts durch internationale Vorgaben – Momentaufnahme und Ausblick, NJW 2006, 2735; Zimmermann, Georg, „Whistleblowing“ – Anforderungen des Sarbanes-Oxley Acts, WM 2007, 1060; Zimmermann, Steffen, Die MaRisk als „regulatorischer Imperativ“, BKR 2005, 208; ders., Quo Vadis § 18 KWG: Wie entwickelt sich ein neuer Standard?, BKR 2006, 10; Zimmermann, Martin, Kartellrechtliche Bußgelder gegen Aktiengesellschaft und Vorstand: Rückgriffsmöglichkeiten, Schadensumfang und Verjährung, WM 2008, 433; Zingel, Die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen nach dem Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BKR 2007, 173.
Inhaltsübersicht A. Compliance als anglo-amerikanischer Rechtsterminus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Grundsatz des „respondeat superior“ . . . . . 1 II. Liabilities of controlling persons . . . . . . . . 4 III. Codes of Conduct/Codes of Ethics . . . . . . . 6 B. Compliance im Finanzmarktrecht in Deutschland in den 1990er Jahren . . . . . . . . 10 I. Banken als Vorreiter bei der Compliance-Implementierung . . . . . . . . . 10 II. Compliance im engeren Sinn im Finanzmarktrecht – § 33 WpHG a. F. . . . . . . . . . 14 C. § 25a I KWG – Compliance als Teil des Internen Kontrollsystems (IKS) . . . . . . . . . . . . 15 I. Viertes Finanzmarktförderungsgesetz
2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Novelle des § 25a I KWG in 2004 . . . . . . III. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht . . . IV. Abgrenzung zu anderen bankaufsichtlichen Risiken . . . . . . . . . . . V. MiFID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. IOSCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition von Compliance . . . . . . . . 2. Aufgaben von Compliance . . . . . . . . . D. Compliance – ein Modebegriff? . . . . . . . . . . . . E. Effizienz und Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Quantitative Effizienzmessung . . . . . . . . II. Qualitative Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . III.Unabhängigkeit von Compliance . . . .
Frisch
15 16 19 22 24 25 25 27 30 33 36 38 39
182
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
F. Modernes Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Compliance-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Schutzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Beratungs- und Informationsfunktion . . . 46 1. Rechtliche Beratung . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Helpline/Whistleblowing . . . . . . . . . . 48 3. Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4. Zero Tolerance Policy . . . . . . . . . . . . . 51 IV. Qualitäts- und Innovationsfunktion . . . . . 52 V. Monitoring- oder Überwachungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Marketing- oder Imagefunktion . . . . . . . . 54 VII. Mindestanforderungen/Grundpflichten einer ordnungsgemäßen ComplianceOrganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 G. Nicht-börsliches Compliance-Management . . . 59 I. Mittel zur Selbstregulierung . . . . . . . . . . . 60 II. Corporate Compliance . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Innenregress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Regress Externer . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. § 93 I 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4. Aufgaben von Compliance . . . . . . . . . 95 5. D&O Haftpflichtversicherung . . . . . . 98 6. Vertrauensschadenversicherung . . . . . . 99 III. Anti-Korruptions-Compliance . . . . . . . . 100 1. Kein Kavaliersdelikt . . . . . . . . . . . . . 100 2. Korruptionsdelikte . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Internationale Korruption . . . . . . . . . 117 4. Folgen von Korruption . . . . . . . . . . . 120 5. § 25a I KWG, § 91 II AktG . . . . . . . 128 6. Korruptionsprävention . . . . . . . . . . . 129
H. Compliance als supra-juristisches Thema . . . I. Rechtspflicht zur Errichtung einer Compliance-Organisation? . . . . . . . . . . . . . . . J. Schutzrichtung von Compliance bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . . . . I. § 33 WpHG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. MiFID u. § 33 WpHG n. F. . . . . . . . . . . K. Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . II.. DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regierungskommission . . . . . . . . . . . . . IV. Entsprechenserklärung nach § 161 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strafrechtliche Risiken . . . . . . . . . . . . . . VI. Corporate Governance-Evaluationen . . . VII. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L. Compliance-Management bei Wertpapierfirmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anti-Geldwäsche-Compliance . . . . . . . . 1. § 261 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. GwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapier-Compliance . . . . . . . . . . . . . 1. Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Compliance nach MiFID . . . . . . . . . 3. Umsetzung ins nationale Recht . . . . 4. Compliance-Tätigkeiten . . . . . . . . . . 5. Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . 6. Finanzanalysen und Marketing . . . . . 7. Interessenkonfliktmanagement . . . . . 8. Erkennen von Insiderverstößen . . . . 9. Beschwerdemanagement . . . . . . . . .
134 135 137 138 141 149 149 150 158 159 160 161 163 166 166 166 172 216 216 217 228 244 247 254 264 282 287
Stichwortverzeichnis Angestelltenbestechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Anlegerschutz durch MiFID . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Anti-Korruptions-Compliance . . . . . . . . . . . . . . . 100 Anti-Geldwäsche-Compliance . . . . . . . . . . . . . . . 166 Anti-Money-Laundering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Appropriatness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Aufgaben von Compliance . . . . . . . . . . . . . . . 27, 96 Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Basler Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Beschwerdemanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Bestechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Chinese Walls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Churning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Codes of Conduct . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Codes of Ethics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Compliance Beauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Compliance Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Compliance Definition IOSCO . . . . . . . . . . . . . . . 25 Compliance-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Compliance-Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Compliance als Modebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Compliance-Risiko-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Conflict-Clearing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Conflicts-Policy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Control-Room . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Corporate Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Corporate Governance Evaluationen . . . . . . . . . . 161 Deutscher Corporate Governance Kodex . . . . . . 150 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Dritte EU-Anti-Geldwäsche-RL . . . . . . . . . . . . . 207 D&O Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Effektivität und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Entsprechungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Eskalationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 96, 181 Federal Sentencing Commission . . . . . . . . . . . . . . . 7 Finanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Finanzportfolioverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) . . . . . . . . 102 Front-/Parallelrunning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 FSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Gifts-and-Entertainment-Policy . . . . . . . . . . . . . . 261 Grundsatz des „respondeat superior“ . . . . . . . . . . . 4 Helpline/Hotline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Inducements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106, 269 Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Informationssperren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Innenrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 219 Insiderverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85, 264 Interessenkonflikte im US-Kontext . . . . . . . . . . . 277 IOSCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 276 Konfliktregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Kontrollmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Frisch
§ 7 Compliance
Korruptionsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Korruptionsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Korruptionsprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 KYC-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Liabilities of controlling persons . . . . . . . . . . . . . . . 4 MAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Management von Interessenkonflikten . . . . . . . . 264 Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 MiFID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 217, 255 Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Mitarbeiterleitsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Mitigating Factor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53, 232 Need-to-know-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 New-Product-Approval . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 273 Objektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Operationelles Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Organisationspflichten . . . . . . . . . 248, 253, 255, 265 Organisatorische Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 § 24c KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Portfolio basiertes Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . 233 Pre-Approval . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Prinzipienbasierter Compliance- Ansatz . . . . . . . . 58 Rechtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Reputationsrisiko . . . . . . . . . . . . . . 23, 127, 134, 174 Reputationsrisikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . 23
183
Restricted List . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Risikobasierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Risikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Risikoklassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Safe-Harbour-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 102, 130, 277 Scalping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Suitability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234, 245 Tone at the Top . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Transaktionsmonitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Transparency International . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 242, 262 Verdachtsanzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226, 256, 261 Vertrauensschadenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . 99 Watch List . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Wertpapier-Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Whistleblowing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Wolfsberg-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Zero-Tolerance-Policy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269, 270 Zweite EU-Anti-Geldwäsche-RL . . . . . . . . . . . . 196
A. Compliance als anglo-amerikanischer Rechtsterminus
1
I. Grundsatz des „respondeat superior“. Während in den meisten europäischen Rechtsordnungen die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Gesellschaften („Corporate Criminal Responsibility“ bzw. „Liability“) nicht anerkannt wird, haben US-amerikanische Gerichte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Kapitalgesellschaften („Corporations“) für die kriminellen Handlungen ihrer Angestellten strafrechtlich haftbar gemacht, vgl. U.S. Supreme Court, New York Central & Hudson River Railroad Co. v. United States, 212 U.S. 481, 495 f. (1909): „We see no valid objection in law, and every reason in public policy, why the corporation, which profits by the transaction, and can only act through its agents and officers, shall be held punishable by fine because of the knowledge and intent of its agents to whom it has intrusted authority to act in the subject-matter of making and fixing rates of transportation, and whose knowledge and purposes may well be attributed to the corporation for which the agents act. While the law should have regard to the rights of all, and to those of corporations not less than to those of individuals, it cannot shut its eyes to the fact that the great majority of business transactions in modern times are conducted through theses bodies and particularly that interstate commerce is almost entirely in their hands, and to give them immunity from all punishment because of the old and exploded doctrine that a corporation cannot commit a crime would virtually take away the only means of effectually controlling the subject-matter and correcting the abuses aimed at.“ Diese Haftung basiert auf dem zivilrechtlich als „respondeat superior“-bezeichneten, schon im 17. Jahrhundert in England bekannten, aus dem Common Law stammenden Grundsatz, der, wenn auch sehr umstritten, in den strafrechtlichen Bereich Eingang fand (Linklater/McElyea, RIW 1994, 117 (118); Arendts, ÖBA 1996, 775 (779, Fn 63)). Dazu der U. S. Supreme Court, Egan v. United States, 137 F.2d 369, 379 (8th Cir.), cert. denied, 320 U.S. 788 (1943):
Frisch
2
184
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
„There is no longer any distinction in essence between the civil and criminal liability of corporation, based upon the element of intent or wrongful purpose.“ 3
Nach dieser Lehre – in den USA auch mit „let the master answer“ übersetzt oder als so genannte „Master-Servant Rule“ bezeichnet – haftet eine Gesellschaft für den durch das schuldhafte Verhalten ihrer Angestellten oder Gehilfen verursachten Schaden, das diese im Rahmen ihrer Tätigkeit zum beabsichtigen Nutzen ihres Arbeitgebers vornehmen: „Generally a corporation is responsible for the criminal acts of its officers, agents and employees committed within the scope of their employment and for the benefit of the corporation.“ So United States v. Richmond, 700 F.2d 1183, 1195 n.7 (8th Cir. 1983) (citing United States v. Cincotta, 689 F.2d 238 (1st Cir.), cert. denied, 459 U.S. 991 (1982) and United States v. Demauro, 581 F.2d 50, 53 (2d Cir. 1978)). Siehe erneut New York Central & Hudson River Railroad Co. v. United States, 212 U.S. 481, 493-495 (1909) und Egan v. United States, 137 F.2d 369, 379 (8th Cir.), cert. denied, 320 U.S. 788 (1943), des Weiteren United States v. Beusch, 596 F.2d 871, 877-78 (9th Cir. 1979) und United States v. Hilton Hotels Corporation, 467 F.2d 1000, 1004-07 (9th Cir. 1972), cert. denied, 409 U.S. 1125 (1973). Es handelt sich bei dem Modell des anglo-amerikanischen „respondeat superior“ um eine umfassende Organisationshaftung für Personen und Sachen, d. h. eine weit gehende Haftung wegen Organisationsmängeln im Unternehmen, die nicht mit einer einfachen Haftung für Hilfspersonen verwechselt werden darf.
4
II. Liabilities of controlling persons. Zudem sieht Section 20 Securities Exchange Act of 1934 – „Liabilities of Controlling Persons and Persons Who Aid and Abet Violations“ – eine „Secondary Liability“ bzw. (Schadensersatz-)Haftung von Personen vor, die eine Kontrollfunktion bzw. –verantwortung im Unternehmen wahrzunehmen haben, vgl. U.S. Supreme Court, Central Bank of Denver, N.A. v. First Interstate Bank of Denver, N.A., et al., 511 U.S. 164, 184 (1994): „In addition, Congress did not overlook secondary liability when it created the private rights of action in the 1934 Act. Section 20 of the 1934 Act imposes liability on „controlling person[s]“ -persons who „contro[l] any person liable under any provision of this chapter or of any rule or regulation thereunder.“ 15 U. S. C. § 78t(a). This suggests that „[w]hen Congress wished to create such [secondary] liability, it had little trouble doing so.“ Pinter v. Dahl, 486 U. S., at 650; cf. Touche Ross & Co. v. Redington, 442 U. S. 560, 572 (1979) („Obviously, then, when Congress wished to provide a private damages remedy, it knew how to do so and did so expressly“); see also Fischel, 69 Calif. L. Rev., at 96-98. Aiding and abetting is „a method by which courts create secondary liability“ in persons other than the violator of the statute. Pinter v. Dahl, supra, at 648, n. 24. The fact that Congress chose to impose some forms of secondary liability, but not others, indicates a deliberate congressional choice with which the courts should not interfere. …“
5
Section 20(a) Securities Exchange Act of 1934 – „Liability to Contemporaneous Traders for Insider Trading“ – sieht für den Bereich des verbotenen Insiderhandels unter b.3. eine Haftung für die Kontrolle verantwortlicher Personen vor (Arendts, ÖBA 1996, 775 (779 Fn 63)): „3. Controlling Person Liability. No person shall be liable under this section solely by reason of employing another person who is liable under this section, but the liability of a controlling person under this section shall be subject to Section 20(a) of this title.“
6
III. Codes of Conduct/Codes of Ethics. Um kriminellen Handlungen von Angestellten vorzubeugen und die Gesellschaft (und die für die Organisation und Überwachung ver-
Frisch
§ 7 Compliance
185
antwortliche Organe bzw. Personen) vor einer etwaigen Haftung für solche Taten zu bewahren, haben viele US-amerikanische Unternehmen so genannte Corporate Compliance Codes eingeführt: Verhaltenskodizes, um die Angestellten zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften anzuhalten (Linklater/McElyea, RIW 1994, 117 (118)). Die ersten modernen Corporate Compliance Codes resultierten aus der breiten strafrechtlichen Verfolgung von wettbewerbsrechtlichen Straftaten im Jahre 1960, die zu den bekannten „Electrical Cases“ führten (Linklater/McElyea, RIW 1994, 117 (118)). In der Zeit des Kalten Krieges („cold war era“) wurden Compliance-Programme oder –systeme, um ein weiteres Beispiel zu nennen, für US-Unternehmen, die Rohstoffe und technische Daten exportierten, zu einer Notwendigkeit, um nicht mit der sich ständig ändernden, scharf sanktionierten US-Exportkontrolle in Konflikt zu geraten. Mittlerweile sind die USGesetze und -Regularien, die Compliance-Systeme verlangen, sehr zahlreich (Maloney, Global Gaming Compliance, Gaming Law Review, Volume 8, Number 2, 2004; Hauschka-Hauschka, § 1, Rn 39). 1984 erließ der US-Kongress ein Gesetz (Sentencing Reform Act of 1984, Teil II des Comprehensive Crime Control Act of 1984, Publ. L. No. 98 – 473), dessen Zweck auch darin bestand, die Strafbemessungspraxis der Bundesgerichte zu vereinheitlichen. Ein Bestandteil dieses Gesetzes war die Gründung der Federal Sentencing Commission, die auch Richtlinien („Federal Sentencing Guidelines“ (FSG)) für die Bestrafung von juristischen Personen und anderen Gesellschaften erarbeitete, die der US-Kongress am 1.11.1991 in Kraft setzte. Diese sog. Organizational Sentencing Guidelines bzw. das entsprechende Manual legen die Verfahren fest, die bei der Ermittlung der Strafe angewandt werden müssen, die an eine für Straftaten ihrer Mitglieder oder Angestellten schuldig befundene juristische Person verhängt werden kann oder muss (Linklater/McElyea, RIW 1994, 117 (119)). Unternehmen, die Corporate Compliance Programme (inkl. Codes of Conduct) eingeführt haben (2006 Federal Sentencing Guidelines, Chapter 8, §8B2.1 „Effective Compliance and Ethics Program“), können damit Risiken und Kosten von Strafprozessen vor US-amerikanischen Bundesgerichten minimieren, da solchen Programmen nicht nur eine starke Präventivwirkung, sondern auch eine erhebliche Strafmilderung im Falle einer Strafverfolgung zukommen kann („mitigating factor“). Die Kosten für (Straf-)Prozesse und andere die Reputation der Gesellschaft reduzierende Faktoren werden die Kosten für eine Compliance-Organisation in vielen Fällen überwiegen (Linklater/McElyea, RIW 1994, 117 (122)). Anforderungen an Compliance finden sich auch anderer Stelle, z. B. NASD Rule IM-3013 und NYSE Rule 342.30(e) oder SEC´s „Compliance Rules“ (Rule 206(4)-7 Advisers Act und Rule 38a-1 Investment Company Act, vgl. Lori A. Richards, Speech by SEC Staff: The Process of Compliance, National Membership Meeting of the National Society of Compliance Professionals Washington, D. C., 19.10.2006).
7
Die Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes (Codes of Conduct/Codes of Ethics) ist heute – auch international – weit verbreitet. Art. 12 II b UN-Konvention (Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption, am 14.3.2006 in Kraft getreten; General Assembly Resolution No. A/RES/58/4) zählt z. B. im Rahmen der Korruptionsprävention Verhaltenskodizes für die korrekte, redliche und ordnungsgemäße Durchführung der Geschäftsaktivitäten und ein ebensolches Verhalten der beteiligten Berufsgruppen zu den notwendigen Maßnahmen, um die Integrität privater Einrichtungen zu gewährleisten (Scherer, RIW 2006, 363 (365); zu gemeinnützigen Körperschaften Kreutz, ZRP 2007, 50; zum deutschen Arbeitsrecht Meyer, NJW 2006, 3605).
8
Allerdings können US-amerikanische Verhaltenskodizes nicht ohne weiteres in deutsche Unternehmen implementiert werden, es sind rechtliche und kulturelle Hindernisse zu be-
9
Frisch
186
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
achten. Wichtig ist z. B. die Abklärung der Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 I 1 BetrVG), aber auch andere Themen wie Datenschutz oder des AGG müssen vorher geklärt werden (vgl. ArbG Hannover, Beschl. v. 25.7.1995 – 6 BV 4/95, dazu Allmendinger, EWiR 1996, 293; AG Wuppertal, Beschl. v. 25.6.2005 – 5 BV 20/05, DB 2005, 1800 „Wal-Mart“ (m. Anm. Simon/Kock); Wisskirchen/Jordan/Bissels, DB 2005, 2190). Ein Mitbestimmungsrecht besteht grundsätzlich nicht, wenn die Verhaltenspflichten nur Gesetzesnormen wiedergeben, z. B. §§ 13, 14 u. 38 WpHG. Denn dann steht den Betriebspartnern kein Regelungsraum zu (Simon/Kock, DB 2005, 1800 (1801)). Hingegen sind ausfüllende Verhaltensregeln nur mit Beteiligung des Betriebsrats möglich. 10
B. Compliance im Finanzmarktrecht in Deutschland in den 1990er Jahren I. Banken als Vorreiter bei der Compliance-Implementierung. Im Zuge der durch die Globalisierung angestoßenen Veränderungen des Bankgeschäfts fand der aus der angelsächsischen Rechtsterminologie stammende Begriff Compliance zu Beginn der 1990er Jahre auch in Deutschland Eingang (Eisele, WM 1993, 1021). Compliance bedeutet – so wurde es 1993 kurz und prägnant formuliert – Handeln im Einklang mit dem geltenden Recht, es umschreibt die ethische Grundlage im Bankgeschäft (Weiss, Die Bank 1993, 136 (137)). In Konkretisierung dessen machen neuere Definitionen deutlich, dass es bei Compliance nicht nur um die Einhaltung gesetzlicher Gebote und Verbote geht, sondern auch um die Einhaltung von Soft Law, Corporate Governance-Grundsätzen, nationalen und internationalen Rules of Conduct, denen die Gesetzesqualität fehlt usw. (Schneider, ZIP 2003, 645 (646); Hauschka, ZIP 2004, 877, Fn 3).
11
Die Compliance-Abteilung überwacht auch unternehmensintern aufgestellte Verhaltensgrundsätze, die z. B. in Richtlinien („Policies“), Handbüchern („Manuals“) oder Arbeitsanweisungen („Working Instructions“) Eingang gefunden haben und dazu dienen, organisatorisch die Einhaltung externer, insbesondere regulatorischer Anforderungen durch das Unternehmen, seine Organmitglieder und Mitarbeiter zu gewährleisten. Daher wird auch in Deutschland heute Compliance – über das Finanzmarktrecht hinaus – im weitesten Sinne als die Gesamtheit all dieser Gewährleistungs- und Sicherungsmaßnahmen verstanden. Es handelt sich um eine umfassende organisatorische Aufgabe der Unternehmensleitung: Compliance ist Chefsache (Schneider, ZIP 2003, 645 (646)); Grundsatz 1 des Papiers „Compliance and the compliance function in banks“ v. April 2005 des Basler Auschusses für die Bankenaufsicht; Lösler, WM 2007, 676 (679); Bankmagazin 05.08, 52 „Herr der Richtlinien“).
12
Um Missverständnissen vorzubeugen, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass Compliance natürlich auch in der Verantwortung jeden Mitarbeiters der Firma liegt, wie es die IOSCO auf S. 7 ihres „Compliance Function at Market Intermediaries Final Report“ vom März 2006 zutreffend betont: „Although a market intermediary has a compliance function that is responsible for carrying out specific activities, compliance ist the responsibility of everyone within the firm.“ Man könnte daher auch ergänzend sagen: Compliance ist jedermanns Sache.
13
Die deutsche Börse hatte zu Beginn der 1990er Jahre aufgrund der mangelnden Glaubwürdigkeit ihres Aufsichtssystems im Ausland ein schlechtes Image (Weiss, Die Bank 1993, 136), auch wenn in Deutschland hinreichend gesetzliche Regeln vorhanden waren. Die Glaubwürdigkeit bzw. Seriosität eines Marktteilnehmers maß man aber international auch daran, ob er über ein Compliance-System verfügte (Weiss, Die Bank 1993, 136). Unter Wettbewerbsgesichtspunkten war es somit für international agierende deutsche Universalbanken vorteilhaft, internationalen Standards zu entsprechen. Denn das deutsche
Frisch
§ 7 Compliance
187
Universalbanksystem barg systembedingt mehr potenzielle Interessenkonflikte in sich als das im angelsächsischen Bereich verbreitete Trennbanksystem (Eisele, WM 1993, 1021 (1026)). Die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – Stichwort Finanzplatz Deutschland und dessen in Frage gestellte Wettbewerbsfähigkeit als eines Standorts für internationale Kapitalanlagen – ließen es geschäftspolitisch geboten erscheinen, eine Compliance-Abteilung einzurichten (Eisele, WM 1993, 1021 (1022)). So erfolgte bereits 1992 bei deutschen Banken teilweise die freiwillige Einrichtung einer Compliance-Organisation (Weiss, Die Bank 1993, 136). Ohnehin stand die jetzt gemäß Art. 69 MiFID (RL 2004/39/EG vom 21.4.2004 – ABl. 2004 L 145/1) aufgehobene EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG vom 10.5.1993 (Investment Services Directive („ISD“); ABl. 1993 L 141/27 = WM 1993, 1432) mit ihrer Verpflichtung in Art. 10 ISD, eine Compliance-Organisation nach dem Vorbild englischer Investmentbanken einzurichten, vor der Tür. II. Compliance im engeren Sinn im Finanzmarktrecht – § 33 WpHG a. F. Bis in die späteren 1990er Jahre hinein verstand man in Deutschland unter Compliance im engeren Sinn im Finanzmarkrecht – auf Basis der auf § 33 I WpHG a. F., der den Begriff Compliance nicht einmal erwähnte, gründenden Pflicht (Lösler, S. 123 u. 134) – im Wesentlichen die Einrichtung und das Vorhalten einer bankinternen Kontrollabteilung bzw. -stelle zur Sicherstellung der Einhaltung der für das Effekten- bzw. Wertpapiergeschäft geltenden WpHG-Regeln (Lösler, NZG 2005, 104), d. h. die reine Wertpapier-Compliance. Es ging dabei primär um die Vermeidung von Verstößen gegen insiderrechtliche Bestimmungen und das Management von Interessenkonflikten (Eisele, WM 1993, 1021). Das BAWe (jetzt: BaFin) hatte in der „Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierhandelsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 des WpHG“ vom 25.10.1999, Bundesanzeiger Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18 453, die als sog. „Compliance-Richtlinie“ (CRL) bezeichnet wird, in Ziff. 4.2 CRL die Anforderungen an die Compliance-Stelle benannt. Die „Compliance-Richtlinie“ wurde von der BaFin per 01.11.2007 aufgehoben. Da die in der Richtlinie ausgeführten Maßnahmen sich in der Praxis bewährt haben, können die Bestimmungen nach Ansicht der BaFin im Sinne eines sog. „best practice“ weiterhin bei der Erfüllung der Anforderungen des § 33 I WpHG herangezogen werden (BaFin-Schreiben vom 23.01.2007).
14
C. § 25 a I KWG – Compliance als Teil des Internen Kontrollsystems (IKS)
15
I. Viertes Finanzmarktförderungsgesetz 2002. Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz v. 21.6.2002 (BGBl. 2002 Teil I Nr. 39, S. 2010 (2054 f.)), das am 01.07.2002 in Kraft trat, hat die international übliche, weite Auslegung des Begriffs Compliance im Rahmen der Neufassung des § 25a I KWG Eingang gefunden (Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, § 25a Rn 86), wie sie der damalige Grundsatz 14 der „Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht (Basler Grundsätze)“ des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht aus dem September 1997 verlangt hatte. In der Fassung vom Oktober 2006 der „Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht“ des Basler Ausschusses wird nunmehr die Forderung nach interner Kontrolle und Prüfung, die ausdrücklich auch eine angemessene unabhängige Compliance-Funktion umfasst, im Grundsatz 17 festgehalten. Die Neufassung des § 25a I KWG ging über die im BaFinRundschreiben vom 25.10.1999 zu § 33 WpHG a. F. geforderte „Compliance-Stelle“ zur Überwachung der Einhaltung der Organisationsan-forderungen nach dem WpHG hinaus, wenn es damit auch zu einer Überschneidung kam. II. Novelle des § 25a I KWG in 2004. Im Zuge der Umsetzung der RL 2002/87/EG v. 12.12.2002 (ABl. 2003 L 35/1 v. 11.2.2003), insbesondere dort Art. 9, verlangte der 2004
Frisch
16
188
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
erneut novellierte § 25a I 1 KWG (vgl. BT-Drucks. 15/3641 v. 12.8.2004, S. 47, zum Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz) von den Instituten als Oberbegriff eine „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation“, die die Einhaltung der von den Instituten zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet. Nach dem 2007 neu gefassten § 25a I 3 Nr. 1 KWG umfasst die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation eines Institut ein angemessenes und wirksames Risikomanagement, das auf der Grundlage von Verfahren zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit die Festlegung von Strategien sowie die Einrichtung interner Kontrollverfahren beinhaltet. 17
Die Strategien legt die Geschäftsleitung eines Instituts aus betriebswirtschaftlicher Sicht fest (BT-Drucks. 15/3641 v. 12.8.2004, S. 47). Die daraus abgeleitete Geschäftsorganisation ist von den Instituten regelmäßig zu überprüfen, § 25a I 4 KWG a. F. (jetzt: § 25 I 5 KWG). Zu den einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen zählen primär die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Gesetze, insbesondere das KWG, das WpHG, das InvestmentG, das BSpKG, das DepotG, das GwG sowie weitere dort genannte Gesetze und zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen. Darüber hinaus können weitere organisatorische Pflichten bestehen, die sich aus Gesetz (z. B. § 91 II AktG oder § 34 GenG) oder aus dem Postulat ordnungsgemäßer Geschäftsführung ableiten (vgl. BTDrucks. 15/3641 v. 12.8.2004, S. 47).
18
Nach der Neufassung des § 25a I 3 Nr. 2 KWG a. F. in 1994 – jetzt § 25a I 3 Nr. 1 KWG (BT-Drucks. 16/4028 v. 12.01.2007, S. 46) – muss ein Institut über angemessene interne Kontrollverfahren (Internes Überwachungssystem) verfügen, die aus einen Internen Kontrollsystem (IKS) und einer Internen Revision bestehen. Der bankaufsichtlichen Systematik entsprechend wird damit unterschieden zwischen dem – prozessabhängigen Internen Kontrollsystem, d. h. allen Formen von Überwachungsmaßnahmen, die unmittelbar oder mittelbar in die zu überwachenden Arbeitsabläufe integriert sind, d. h. – auf gesamtgeschäftsbezogener Ebene zu implementierende Verfahren zur Steuerung und Überwachung von Risiken, – auf einzelgeschäftsbezogener Ebene Maßnahmen wie Funktionstrennungen, innerbetriebliche Organisationsrichtlinien und das Vier-Augen-Prinzip; – und der unabhängigen Internen Revision, die frühzeitig Risiken erkennen, Probleme innerhalb des Instituts aufzeigen und den Anstoß für deren Behebung geben sollte, „bevor hieraus möglicherweise ein aufsichtsrechtlicher Sachverhalt wird“ (so ausdrücklich BT-Drucks. 15/3641 v. 12.8.2004, S. 48). was einer erheblichen Aufwertung der Innenrevision gleichkam. Die Neufassung des § 25a I 3 Nr. 1 KWG betont, dass das interne Kontrollsystem a) aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen mit klarer Abgrenzung der Verantwortungsbereiche und b) Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken entsprechend den in „Anhang V Technische Vorgaben für die Organisation und Behandlung von Risiken“ der Bankenrichtlinie 2006/48/EG vom 14. Juni 2006 (ABl. EU Nr. L 177 v. 30.6.2006, S. 1 (79 f.)) niedergelegten zehn Kriterien umfassen muss. Zur Governance verlangt Nr. 1 des Anhangs V, dass die Geschäftsleitung i. S. v. Art. 11 RL 2006/48/EG Regelungen für die Aufgabentrennung innerhalb der Organisation und die Vermeidung von Interessenkonflikten trifft.
19
III. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht. Es ist heute anerkannt, dass zu den durch ein prozessabhängiges Internes Kontrollsystem i. S. d. § 25a I KWG zu steuernden und überwachenden Risiken auch das Compliance-Risiko zählt, das der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision (www.bis.org)) in seinem
Frisch
§ 7 Compliance
189
Papier „Compliance and the compliance function in banks“ vom April 2005 unter Nr. 3 der Einleitung wie folgt definierte: „3. The expression „compliance risk“ is defined in this paper as the risk of legal or regulatory sanctions, material financial loss, or loss to reputation a bank may suffer as a result of its failure to comply with laws, regulations, rules, related self-regulatory organisation standards, and codes of conduct applicable to its banking activities (together, „compliance laws, rules and standards“).“ Nr. 4 der Einleitung des Basler Papiers legt des Weiteren dar, was vom Begriff „compliance laws, rules and standards“ allgemein erfasst wird: – „observing proper standards of market conduct“, d. h. die Überwachung von marktbezogenen Wohlverhaltensregeln – „managing conflicts of interest“, d. h. Management von Interessenkonflikten – „treating customers fairly“, d. h. Fairness im Umgang mit Kunden (vgl. dazu auch das „Treating Customers Fairly (TCF)“-(Diskussions-)Papier der englischen Aufsichtsbehörde FSA vom Juli 2006) – „ensuring the suitability of customer advice“, d. h. Sicherstellung einer anlegergerechten Beratung Insbesondere werden dabei auch spezifische Themen erfasst wie – „the prevention of money laundering and terrorist financing“, d. h. die Anti-Geldwäsche-Compliance mit dem Zweck, auch die Finanzierung des Terrorismus zu verhindern – „tax laws that are relevant to the structuring of banking products or customer advice“, d. h. Beachtung der für die Strukturierung von Finanzdienstleistungen und Beratung von Kunden einschlägigen Steuergesetzgebung – „A bank that knowingly participates in transactions to be used by customers to avoid regulatory or financial reporting requirements, evade tax liabilities or facilitate illegal conduct will be exposing itself to significant compliance risk“, d. h. Vermeidung von signifikantem Compliance-Risiko, das dadurch entstehen kann, dass sich eine Bank wissentlich auf Transaktionen von Kunden einlässt, die z. B. der Umgehung regulatorischer Meldepflichten dienen sollen, einen Verstoß gegen steuer(recht)liche Bestimmungen darstellen könnten oder anderes illegales Verhalten erleichtern sollen Auch Aspekte des nicht-wertpapierbezogenen Geschäfts, d. h. die Einhaltung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche nach § 261 StGB und Terrorismus-finanzierung oder des Außenwirtschaftsrechts/Embargo (Embargolisten: EU-Liste, OFAC-Liste, World-Check, Bundeanzeiger und eigene „Black Lists) unterfallen somit dem modernen Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht (Hauschka-Gebauer, § 31, Rn 2). Soweit das Basler Papier auch die Beachtung steuerlicher Aspekte verlangt, handelt es sich um solche, die einen Bezug zu Bank- und Finanzdienstleistungen haben. Das Steuerrecht kann also, wenn auch nur auf diesen Fokus begrenzt, durchaus Thema von Compliance sein, insbesondere im Hinblick auf Reputationsrisiken, die z. B. aus gewagten Finanzprodukten zur Steuervermeidung resultieren könnten (a. A. zu § 25a KWG wohl Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, § 25a KWG Rn 88). Eine Compliance-Organisation unterliegt heute mehr denn je einem dynamischen Wandlungsprozess, um zeitnah der aktuellen Risikolage entsprechend den regulatorischen Anforderungen entsprechen zu können.
20
IV. Abgrenzung zu anderen bankaufsichtlichen Risiken. In der Fassung vom Oktober 2006 der „Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht“ des Basler Ausschusses werden neben dem Compliance-Risiko im Grundsatz 17, der die interne Kontrolle und Prüfung
22
Frisch
21
190
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
zum Gegenstand hat, andere Risiken erwähnt, die sich fast alle relativ leicht vom Compliance-Risiko unterscheiden lassen, insbesondere Grundsatz 8 Kreditrisiko, Grundsatz 12 Länder- und Transferrisiken, Grundsatz 13 Marktrisiken, Grundsatz 14 Liquiditätsrisiko und Grundsatz 16 Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch. 23
24
25
26
Etwas schwieriger wird die Abgrenzung des Compliance-Risikos vom operationellen Risiko. Zum Grundsatz 15 Operationelles Risiko findet sich bereits in der überarbeiteten Rahmenvereinbarung vom Juni 2004 des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht mit dem Namen „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“ neben einer ausführlicheren Darstellung der Risiken in Nr. 644 eine Definition des operationellen Risikos, die einen Vergleich mit dem Compliance-Risiko erlaubt: Operationelles Risiko ist danach die Gefahr von Verlusten, die infolge einer Unzulänglichkeit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder infolge externer Ereignisse eintreten. Diese Definition schließt Rechtsrisiken ein, nicht jedoch strategische Risiken oder Reputationsrisiken. Das operationelle Risiko überschneidet sich also mit dem Compliance-Risiko insoweit, als es auch Rechtsrisiken, z. B. die potenzielle Verpflichtung zu Geldstrafen, Konventionalstrafen oder Schadensersatzzahlungen mit Strafcharakter aufgrund aufsichtsrechtlicher Maßnahmen oder außergerichtlicher Vergleiche (so Fn 90 auf S. 127 der Rahmenvereinbarung „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“ vom Juni 2004) umfasst, nicht jedoch das Reputationsrisiko (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113 (119)), welches zu den Compliance-Risiken zählt. Das Management von Reputationsrisiken ist heute ein Muss für (international agierende) Unternehmen. V. MiFID. Durch die MiFID („Markets in Financial Instruments Directive“ – RL 2004/ 39/EG v. 21.4.2004, ABl. L 145/1 v. 30.4.2004) bzw. das am 29.3.2007 beschlossene Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), dem der Bundesrat am 11.5.2007 (BR-Drucks. 247/07 v. 11.5.2007) zustimmte, wurde § 25a KWG erneut umgestaltet, um den Anforderungen von Art. 13 MiFID, aber auch Art. 6 der DRL zu genügen. Bei § 25a I 1 KWG wurde z. B. durch den Einschub „insbesondere“ klargestellt, dass bei der Beurtei-lung der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsorganisation auch betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten zu berücksichtigen sind, also nicht nur der Gesichtspunkt der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (BT-Drucks. 16/4028 v. 12.01.2007, S. 95). VI. IOSCO – Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden. 1. IOSCO Definition von Compliance. Die IOSCO („The International Organization of Securities Commissions“) hat in ihrem 71 Seiten langen „Compliance Function at Market Intermediaries Final Report“ vom März 2006 ausführlich dazu Stellung bezogen, wie sie sich eine Compliance-Organisation vorstellt. Das Rollenprofil einer dauerhaft zu etablierenden Compliance-Funktion wird dabei – auf S. 7, Thema 1, Grundsatz (b) – zur Errichtung einer Compliance-Funktion wie folgt definiert: „Principles: (a) Each market intermediary should establish and maintain a compliance function. (b) The role of the compliance function is, on an on-going basis, to identify, assess, advise on, monitor and report on a market intermediary’s compliance with securities regulatory requirements and the appropriateness of its supervisory procedures“ Die Definition der Compliance-Funktion unterscheidet sich – auch nach dem eigenen Befund der IOSCO – nicht wesentlich von der des Basler Ausschusses, betont aber insbesondere die pro-aktive Rolle von einer Compliance-Funktion bei der Identifikation und Prävention von Verstößen gegen die regulatorischen Anforderungen, wie es auch nach der MiFID eine Hauptaufgabe von Compliance bleiben wird.
Frisch
§ 7 Compliance
191
2. Hauptaufgaben von Compliance aus Sicht der IOSCO. Der Appendix C (S. 67 u. 68 des Reports) enthält unter der Überschrift „Examples of the main responsibilities and tasks of the compliance function“ eine umfangreiche Auflistung zu den Aufgaben einer Compliance-Funktion, die man wohl als eine Art „lange Wunschliste“ der Wertpapieraufsichtsbehörden bezeichnen könnte. Die IOSCO betont jedoch einschränkend, dass von Wertpapierfirmen nicht verlangt werde, dass sie alle diese Tätigkeiten in ihrer Compliance-Funktion wahrnehmen: – Identifying regulatory risks; – Advice to management, including during the design of internal controls in respect of regulatory risks; – Ensuring that a business supervisory structure is in place; – Detection, prevention and management of conflicts of interest; – Defining and monitoring information barriers; – Monitoring of areas of potential market manipulation / insider trading monitoring; – Industry surveillance; – Anti-money laundering functions including advising on and developing of a firm’s money laundering deterrence programme; – Data privacy, net capital and financial responsibility compliance; – Monitoring (or ensuring that an internal audit function undertakes such monitoring) of a firm’s activities, using a risk-based approach, to confirm, or otherwise, adhere to the policies and procedures designed by the firm to address securities regulatory requirements. As a consequence of this monitoring, the compliance function should present a status report to management; – Cooperation with the operational risk function and legal service to provide a specific model for management of the intermediary’s liability for specific crimes committed by employees on behalf of the intermediary; – Provide systems, structures and behaviours that engender compliance without undue emphasis on the narrow legal requirements, but rather the broader issues included in codes of conduct, internal policies and procedures etc; – Dealing with customer complaints; – Identification and monitoring of data or privacy security and protection; – Prevention of undue disclosure of confidential information; – Records and documentation, including safeguards for the privacy protection of client records and information; – Licensing and registration of the firm and its registered personnel; – Internal inquiries and investigations, a role that can be played by any or a combination of several control functions within a firm, and may involve the use of third parties; – Monitoring and surveillance of business units to identify potential issues, including, inter alia the handling of customer accounts, including the opening of new client accounts, proprietary trading, and employee-related trading and communications; – Oversight of risk function and business contingency planning; – Participating in the rule commenting process, e.g. consultation process, in particular by collating business management comments; – Participating in industry committees and working groups; – Measures to identify and document qualifications of individual employees to provide regulated services; – Compliance with conduct of business rules by the firm and its staff; – Supervision of advice provided to clients; – Supervision of the various duties relating to information to clients and marketing information;
Frisch
27
192
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
– Education and training to keep business personnel and other employees apprised of policies, procedures, regulatory requirements and how to comply with such requirements; – Staff education programme that should also include explanation of weaknesses or noncompliance noted during any audits or inspection; – Promotion of ethical behaviour among staff and colleagues; – Advice to senior management on disciplinary issues, including terminations; – Escalating compliance issues to management (and if this is to no avail, to an audit/compliance committee or independent directors); – Periodic reporting to regulatory authorities; – Acting as the liaison for the regulators with the firm. 28
Ohnehin unterliegt es – zumindest bei größeren Firmen – der Entscheidung des Unternehmens, wo Compliance-Risiken gemanaget werden. Compliance kann oder muss also nicht unbedingt in einer Compliance-Abteilung als solcher überwacht werden, sondern das kann auch in anderen geeigneten Abteilungen geschehen, wie das die IOSCO auf S. 8 betont: „In larger firms, the activities generally performed by the compliance function may not necessarily be fulfilled by the compliance department but by other departments, such as legal or financial control and risk departments.“ So nimmt z. B. die interne Rechtsabteilung, die im besten Sinne auch eine Compliance-Abteilung darstellen kann, im Sinne der Compliance-Funktionen eine Schutzfunktion zugunsten des Unternehmens, seinen Organen und Mitarbeitern wahr, wenn sie Rechtsrisiken beurteilt und mitigiert – „Managing Corporate Legal Affairs“ – (Hauschka-Hauschka, § 14 Rn 12 u. 27).
29
Ähnlich äußert sich der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht in seinem Papier „Methodik der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht“ vom Oktober 2006 auf S. 32 unter Fn 28: „Der Begriff „Compliance-Funktion“ bezeichnet nicht notwendigerweise eine Organisationseinheit. Mitarbeiter mit Compliance-Funktionen (Compliance-Beauftragte) können in operativen Bereichen oder in örtlichen Niederlassungen angesiedelt sein und berichten dem operativen Linienmanagement oder dem örtlichen Management; sie sollten aber parallel dazu über eine Berichtslinie zum Leiter Compliance verfügen.“ Compliance ist also durchaus auch ein pragmatisches System, das für berechtigte Unternehmensbelange flexible Lösungen ermöglicht. Letztlich muss aber auch in diesen Fällen eine „reporting-line“ zu Compliance bestehen, damit Compliance eine „second level control“, und sei es nur durch Stichproben, durchführen kann.
30
D. Compliance – ein neuer Modebegriff in Deutschland? Eine Übersetzung des anglo-amerikanischen Terminus Compliance in die deutsche Rechtssprache erfolgte, zumindest was den Bereich des deutschen Bank- und Kapitalmarktrechts angeht, nicht (Lösler, NZG 2005, 104). 1999 bezeichnete das BAWe die erforderliche bankinterne Überwachungs-Organisation im 2. Abschnitt unter 2.1 seiner Richtlinie zu § 33 WpHG offiziell als Compliance(-Stelle) (BAWe (jetzt: BaFin) „Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierhandelsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 des WpHG“ vom 25.10.1999, Bundesanzeiger Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18 453 („Compliance-Richtlinie“)). Aus der BT-Drucks. 12/7918 v. 15.6.1994, S. 105, zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz vom 26.7.1994 (BGBl. I 1994, 1749 (1758)), das zur Einführung des WpHG inklusive § 33 WpHG a. F. führte, ging nämlich hervor, dass der Finanzausschuss zu „dem neuen § 30c WpHG“, d. h. dem späteren § 33 WpHG a. F. festgehalten hatte, dass die Schaffung und der Ausbau von Compliance-Organisationen bei den Erbringern von Wertpapierdienstleistungen der richtige Ansatzpunkt zur Entschärfung des grundsätzlich bestehenden Konfliktpoten-
Frisch
§ 7 Compliance
193
tials zwischen Unternehmens- und Kundeninteressen und zur Schaffung der notwendigen organisatorischen Instrumente zur Überwachung des Wertpapiergeschäfts darstellte. Dieses Hinweises nahm sich das BAWe in der sog. Compliance-Richtlinie vom 25.10.1999 an. Im medizinrechtlichen Bereich hingegen versuchte man sich an einer Eindeutschung – Compliance ist hier „die zuverlässige Befolgung der therapeutischen Anweisung“, d. h. Therapietreue (OLG Hamburg, GRUR-RR 2003, 105; Hauschka, NJW 2004, 257). Auf das Wirtschaftsrecht übertragen (Hauschka, NJW 2004, 257), agiert hier also zunächst primär der Gesetzgeber quasi als eine Art Arzt oder Therapeut, der die Therapie verordnet, die Unternehmen, deren Leitung und Mitarbeiter einzuhalten haben („to comply with“). Es wurde daher zutreffend als „Binsenweisheit“ bezeichnet, dass gerade deutsche Unternehmen, ihre Organmitglieder und ihre Mitarbeiter schon bislang im Einklang mit dem geltenden Recht handeln bzw. es auch dann eine „Binsenweisheit“ bleibt, wenn man das neudeutsch als „Compliance“ bezeichnet (Schneider, ZIP 2003, 645 (646)). Bis heute sind die Stimmen, die zwischen Amusement und Schmähkritik changierend Compliance als reines „Modethema“ sehen und dabei mitunter wohl die Möglichkeiten teilweise anderenorts schon lange etablierter Prozessorientierung übersehen mögen, nicht gänzlich verstummt (Klindt, NJW 2006, 3399 (3400)).
31
Nachdem im Finanzmarktrecht Art. 13 MiFID den Rahmen für Compliance steckt, Art. 6 II der Durchführungs-RL (DRL) 2006/73 EG v. 10.8.2006 (ABl. L 241/36 v. 2.9.2006) eine Rollen- bzw. Aufgabenbeschreibung einer dauerhaften und wirksamen ComplianceFunktion enthält, wurde Compliance in seiner Rolle als dritte bzw. weitere wichtige Säule angemessener Unternehmensführung neben dem Risikomanagement und der internen Revision bei Finanzdienstleitungsunternehmen gestärkt (vgl. Rangol, Compliance nach Mifid – eine Ortsbestimmung, Börsen-Zeitung v. 24.11.2006, S. 19; Spindler/Kasten, AG 2006, 785).
32
E. Effizienz und Effektivität
33
Die oben erwähnte Kritik – „Modethema“- betrifft nicht nur Compliance allein, sondern das Thema Corporate Governance als solches, da die wissenschaftliche Forschung bislang kaum klare Aussagen über den Zusammenhang zwischen Corporate Governance und Unternehmenserfolg machen kann (Prigge/Offen, ZIB 2007, 89 (107)). Dahinter verbirgt sich die auf unternehmerischer Erfahrung beruhende Skepsis, dass mehr Bürokratie kein Garant für ein Mehr an Effizienz sein muss, sondern nur für ein Mehr an Kosten sein kann. Mancher Kritiker befürchtete – z. B. im Hinblick auf den Sarbanes-Oxley Act of 2002 – gar einen „Compliance Overkill“. Teilweise ist die Kritik bei international tätigen Unternehmen auch ein Ausdruck des Erstaunens über die mit der Globalisierung verbundene Komplexität und ihre (Kosten-)Folgen. Compliance jedenfalls sollte – über das Bankgeschäft hinaus allgemein – nicht nur ein schlicht gesetzestreues Verhalten bedeuten, sondern möglichst – nach dem berechtigten Anspruch von Unternehmensleitungen – einen messbaren Mehrwert erbringen, d. h. ein in seiner Effizienz und Effektivität soweit als möglich wirtschaftlich mess- oder bewertbares Unterfangen darstellen, den Haftungsrisiken von Unternehmen, aber auch der persönlichen Haftung der Leitungsorgane eine präventive Unternehmensorganisation entgegen zu stellen, die diese Risiken weitgehend mitigiert bzw. minimiert (Hauschka, NJW 2004, 257). Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hat in seinem Grundsatz 2 („Principle 2“) seines Papiers „Compliance and the compliance function in banks“ vom April 2005 zudem festgehalten, dass die Unternehmensleitung für das effektive Management des Compliance-Risikos einer Bank verantwortlich ist. Die IOSCO fordert im Topic 5 ih-
Frisch
34
194
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
res „Compliance Function at Market Intermediaries Final Report“ vom März 2006 die Marktteilnehmer zu einer periodischen Bewertung der Effektivität ihrer ComplianceFunktion auf: „(a) Each market intermediary should periodically assess the effectiveness of its compliance function.“ Manche Unternehmen haben deshalb auch schon Programme zur Messung oder Verbesserung der Effektivität ihrer Compliance-Funktionen eingeführt, was zur Schwachstellenfrüherkennung hilfreich ist. 35
Hintergrund des Wunsches nach mehr Messbarkeit ist teilweise zudem auch die subjektiv als intransparent empfundene Tätigkeit von Compliance bzw. die als hyperthroph bewertete Zunahme der Kosten für eine Compliance-Organisation. Der Kosten- bzw. Rechtfertigungsdruck wächst im Zeitalter der Globalisierung auch für eine Compliance-Organisation und ohnehin in Zeiten schlechter wirtschaftlicher Entwicklung. Die für eine Compliance-Organisation entstehenden Kosten können sich aber mitunter schon vor dem erheblichen Haftungsrisiko rechtfertigen (Barta, BKR 2004. 433 (440)). Eventuell kann im Fall der Fälle eine wirksame Compliance-Organisation zu einer aufsichtsrechtlichen Sanktionsmilderung führen (Lösler, NZG 2005, 104 (105)). Die Bewertung einer Compliance-Organisation hinsichtlich ihrer Effektivität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit ist aber nach wie vor sehr schwierig (so Lösler, WM 2007, 676).
36
I. Quantitative Effizienzmessung. Eine quantitative Effizienzmessung im Sinne eines „bench marking“ lässt sich in der Regel bewerkstelligen, wenn man Vergleichsgrößen mit Unternehmen („peers“ bzw. „peer group“) bilden kann, die über eine ähnliche Organisationsstruktur verfügen (Lösler, WM 2007, 676 (677)). Vergleichsgrößen können u. a. sein: – Gesamtzahl der Compliance Officer im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitarbeiter (im Investmentbanking ist ein Verhältnis von 1:100, d. h. ein Compliance Officer auf 100 Mitarbeiter, Marktstandard) – Verhältnis der Compliance-Kosten bzw. des Compliance-Budgets zu den Gesamtkosten, wobei allein schon die Definition, was unter Compliance-Kosten zu verstehen ist, Kopfzerbrechen bereiten kann Des Weiteren kommen allgemein in Betracht: – Anzahl der Kundenbeschwerden und ihre Erledigungsdauer – Höhe von außergerichtlichen Kulanz- oder Vergleichszahlungen – Anzahl von Klageverfahren – Häufigkeit von Regelverletzungen – Häufigkeit von BaFin- bzw. investigativen Anfragen von Regulierungsbehörden
37
Wenn die Compliance-Abteilung im Rahmen ihrer Kontroll- und Monitoringtätigkeit zu beseitigende Schwachstellen festgestellt hat oder neue Gesetze anstehen, die die Änderung unternehmensinterner Geschäftsprozesse erfordern, können Projekte erforderlich werden. In quantitativer Hinsicht können die zeitliche Dauer und Kosten eines Projekts, aber auch qualitativ der Grad der Nachwirkung eines Projekts zur Umsetzung von Compliance-Anforderungen nach dessen Beendigung Erkenntnisquellen dafür sein, ob der nicht vollständig eingetretene Erfolg eines kostenintensiven Projekts seine Ursache in der mangelnden Umsetzung oder Unterstützung durch das Management oder des mangelnden Bewusstseins der Mitarbeiter für die erforderliche Nachhaltigkeit der Schwachstellenbeseitigung hat. Hier gilt in Anlehnung an Sepp Herberger: Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. Gerade bei Projekten zur Umsetzung von Compliance-Anforderungen kann die Wirksamkeit der Umsetzung mitunter darunter leiden, dass nach der vom Geschäftsbereich herbeigesehnten Beendigung eines Projekts keine wirksame Nachkontrolle erfolgt und daher die erstrebte Wirkung nach gewisser Zeit unbemerkt oder auch merklich nach-
Frisch
§ 7 Compliance
195
lässt. Dann ist mitunter das nächste kostenintensive Projekt zur Reparatur bereits vorprogrammiert. Compliance kann solche Reparaturkosten durch beharrliches Training der Mitarbeiter oder durch mit dem Management vereinbarte Nachsorgemaßnahmen zur nachhaltigen Compliance-Disziplin vermeiden helfen. Ohnehin ist eine frühzeitige Einbeziehung von Compliance durch die Geschäftsbereiche bereits in der Projektplanungsphase ein Muss. Falls hier Geschäftsbereiche zu Lasten der Wirksamkeit eines Projekts erkennbar an der falschen Stelle den Rotstift ansetzen wollten, wäre für Compliance bereits frühzeitig die Beschreitung des Eskalationswegs eine Möglichkeit, um Fehlentwicklungen abzuhelfen. Hierbei darf die Geschäftsleitung Compliance nicht im Stich lassen. II. Qualitative Bewertung. Eine qualitative Bewertung (Lösler, WM 2007, 676 (677)) lässt sich anhand folgender Faktoren vornehmen, wobei teilweise eine Mitarbeiterbefragung zur Messbarkeit beitragen kann:
38
– Akzeptanz von Compliance im Unternehmen (bei Management und/oder Mitarbeitern) – Compliance-Awareness bzw. Vorbildfunktion des Managements („Tone at the Top“) – beurteilt aus der Sicht der Mitarbeiter (wobei die Compliance Officer hierzu selbst mitunter ein besserer Gradmesser sein könnten) – Teilnahmefrequenz bei Compliance-Trainingsveranstaltungen – Selbstverständlichkeit von Compliance-Themen im Alltag (z. B. im Rahmen der betrieblichen Ausbildung) – Vollständigkeit interner Compliance-Meldungen – Höhe der Nachfrage nach Compliance-Guidance (z. B. in Form von Beratung) – Dauer und Intensität der Einbindung von Compliance in den NPA-Prozess bei der Genehmigung neuer Produkte („New Product Approval“) III. Unabhängigkeit von Compliance. Grundsätzlich darf ein der Pflicht aus § 33 I 2 Nr. 1 WpHG unterliegendes Unternehmen nach der MiFID den (mindestens einen) Compliance-Beauftragen (§ 12 IV 1 WpDVerOV; Art. 6 III b DRL), um seine Unabhängigkeit (vgl. schon Ziff. 4.2 CRL; jetzt § 12 III 2 WpDVerOV, Art. 6 II DRL), die interne und externe Glaubwürdigkeit der Unternehmensleitung und deren Vorbildfunktion im Umgang mit dem Thema Compliance nicht zu gefährden, nicht dem strikten Verdikt einer auf kurzfristigen Gewinn orientierten Unternehmenspolitik oder gar einem rigiden Sparkurs unterordnen. Die Einrichtung einer Compliance-Abteilung als interner Service-Dienstleister, der sich – überspitzt formuliert – den Wünschen der Unternehmensleitung nach den Kundeninteressen zum Schaden gereichender Gewinnmaximierung beugen müsste, als Profit-Center instrumentalisierbar wäre oder gar nur schwer Zugang zu wichtigen, für die Ausübung der Tätigkeit notwendigen internen Daten bekommen würde, wäre mit der von Art. 6 II DRL geforderten Unabhängigkeit, die Voraussetzung der von Compliance verlangten Objektivität ist, nicht vereinbar. Art. 13 III MiFID verlangt auf Dauer wirksame Maßnahmen, um den Kundeninteressen schadende Interessenkonflikte im Sinne des Art. 18 MiFID zu verhindern. Daran hat sich – auf Basis des nationalen § 33 I 2 Nr. 1 WpHG mit seiner gesetzlichen Pflicht, „eine dauerhafte und wirksame ComplianceFunktion einzurichten, die ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen kann“ – die Unternehmensleitung auch bei der Ausübung ihrer Weisungsbefugnis (Lösler, NZG 2005, 104 (107)) zu orientieren. Dies, auch wenn die geforderte Unabhängigkeit des Compliance-Beauftragten nicht gegenüber dem Vorstand besteht, sondern nur bedeutet, dass er seine Aufgaben unabhängig von Geschäfts-, Handels- und Abwicklungsabteilungen wahrzunehmen hat (so bislang Ziff. 4.2 CRL; § 12 IV 3 WpDVerOV-E, Art 6 III c) DRL). Er darf nicht in Dienstleistungen oder Tätigkeiten eingebunden werden darf, die er zu überwachen hat.
Frisch
39
196
40
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Die Gewährung ausreichender Ressourcen, d. h. – – – –
ausreichenden finanziellen Budgets (§ 33 I 2 Nr. 1 WpHG; § 12 IV 2 WpDVerOV); hinreichend qualifizierter Mitarbeiter (§ 1 2 IV 2 WpDVerOV, Art. 6 III a DRL); adäquater, auch technischer Ausstattung (§ 1 2 IV 2 WpDVerOV, Art. 6 III a DRL); direkten Zugangs zum Senior Management (so bislang Ziff. 4.2 CRL; § 33 I 2 Nr. 5 WpHG; Art. 9 DRL), ggf. jetzt auch der direkten Information des Aufsichtsrats; – und vor allem uneingeschränkten Zugangs zu allen für die Compliance-Tätigkeit relevanten internen Daten oder Systemen, die für die Aufklärung relevanter Sachverhalte notwendig sind (so bislang Ziff. 4.2 CRL; jetzt § 1 2 IV 2 WpDVerOV; Art 6 III DRL), ist Voraussetzung für die Wirksamkeit von Compliance. Ansonsten können bei der Compliance-Stelle Informationsdefizite entstehen, die regel- oder gesetzeswidriges Verhalten im Unternehmen begünstigen könnten. Die Geschäftsleitung könnte die Reputation und im Extremfall gar die Existenz des Unternehmens gefährden und sich gar selbst haftbar machen. Das Unternehmen selbst sähe sich mangels wirksamer organisatorischer Vorkehrungen z. B. zur Vermeidung von Interessenkonflikten zum Nachteil der Kunden zivilrechtlicher Inanspruchnahme ausgesetzt, auch wenn sich die deutsche Rechtsprechung im Wertpapierbereich solcher Thematik bislang nur vereinzelt angenommen hat (vgl. zu §§ 826, 830 BGB BGH BKR 2004, 433; zu § 31 I Nr. 2 WpHG a. F. BGH ZIP 2007, 518 (m. Anm. Volker Lang/Peter Balzer)). Es mag ein reales Spannungsverhältnis darin bestehen, dass es bei einer einseitigen auf die Kostenreduktion fixierten Betrachtungsweise keinen im Unternehmensinteresse oder des Shareholder Value liegenden Faktor darstellen könnte, dass Compliance überhaupt Geld kostet. 41
Die Kosten für eine Compliance-Organisation sind eventuell einer „Versicherungsprämie“ vergleichbar, die auch bezahlt werden muss, wenn kein die Leistungspflicht des Versicherers auslösender Sachverhalt vorgefallen ist. Eine in einem Unternehmen vorherrschende, von dem Vorbild der Unternehmensleitung („Tone at the Top“) getragene Compliance-Kultur lässt sich ohnehin schwer mit Geld aufwiegen. Der deutsche Gesetzgeber lässt im Unternehmensinteresse einen flexiblen Ansatz zu, der nur verlangt, dass der Unternehmensgröße bzw. Komplexität des Geschäftsfeldes des Unternehmens proportional angemessene personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, § 33 I 3 WpHG (sog. Flexibilisierungsklausel), § 12 V WpDVerOV. Ohnehin gefährdet es nicht zwangsläufig die Unabhängigkeit und Objektivität der Compliance-Funktion, wenn z. B. das Risikomanagement und die Compliance-Funktion bei kleinen Wertpapierfirmen in der Hand einer einzigen Person liegen (§ 12 WpDVerOV; Erwägungsgrund 15 S. 1 DRL). Erwägungsgrund 15 S. 2 und 3 DRL berücksichtigen ausdrücklich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei bei größeren Firmen nach Ansicht des EU-Gesetzgebers eine Vereinung beider Funktionen nur unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht kommt.
42
Jede Compliance-Strategie wird nur dann dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern effektiven Schutz bieten können, wenn die Unternehmensleitung die Ziele der Strategie verantwortlich und nicht halbherzig unterstützt, also nur ein „Alibi“ sucht (Hauschka, BB 2004, 1178 (1179)). Eine „Zero Tolerance Policy“ muss daher auch vom Vorstand in seiner Vorbildfunktion vorgelebt werden. Es ist allerdings festzustellen, dass mitunter der Ausbau der internen Kontrollmechanismen oder die Stärkung einer Compliance-Abteilung, was auch den Austausch bisherigen Personals bedeuten kann, dann vorgenommen wird, wenn entsprechend schwerwiegende Vorfälle – vgl. die Korruptionsaffäre bei Siemens (Pressemeldung Siemens AG v. 4.1.2007) – die Unternehmensleitung unter Zugzwang setzen, weil am Kapitalmarkt oder in der Öffentlichkeit der eventuell auch unbe-
Frisch
§ 7 Compliance
197
rechtigte Eindruck entstanden ist, dass die internen Kontrollmechanismen inklusive Compliance Office versagt haben.
F. Modernes Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht
43
I. Compliance-Funktionen. Eisele sprach 1993 von „den Elementen und Eckpfeilern einer Compliance-Organisation“. Danach umfasst Compliance ein weites Spektrum an Maßnahmen und Vorkehrungen, das vom schlichten Appell an das gute Gewissen und das ethische Bewusstsein bis zur umfassenden Kontrolle reicht (Eisele, WM 1993, 1021 (1023)). Compliance ist – so verstanden – in der Tat ein pragmatisches Konzept (Eisele, WM 1993, 1021 (1026)), bei dem auch die Psychologie eine wichtige Rolle spielt und bislang teilweise noch zu kurz kommt, was den Umgang mit Verhaltsrisiken angeht. Eisele entwarf daher ein Schema, das eine Abfolge von Elementen im Sinne einer zunehmenden Stringenz vorsah, wobei die Frage, wie diese Elemente jeweils kombiniert werden, bis heute eine Frage des „Policy Mix“ in der jeweiligen Organisation darstellt (Eisele, WM 1993, 1021 (1023)): – Regeln und Richtlinien – Information, Aufklärung und Ausbildung der Mitarbeiter – Organisation der Vertraulichkeitsbereiche (Watch-List, Restricted-List, Chinese Walls) – Beratung – Überwachung (Monitoring) – Konkrete Verbote Auch wenn sich im Finanzmarktrecht seitdem das engere Verständnis von Compliance zu einem modernen Verständnis im weiteren Sinne fortentwickelt hat (Lösler, NZG 2005, 104), versucht man dem modernen Verständnis von Compliance – nicht nur im Finanzmarktrecht – ebenfalls anhand einer an den Funktionen von Compliance orientierten Unterscheidung Kontur zu verleihen (Lösler, NZG 2005, 104 f.; ihm weitgehend folgend Hauschka-Hauschka, § 1 Rn 7), wobei allgemein (so Lösler, WM 2007, 676 (677)) fünf Compliance-Funktionen unterschieden werden: II. Schutzfunktion. Primär hat Compliance – ähnlich wie z. B. auch die Rechtsabteilung („Legal“) – eine Schutzfunktion. Durch Aufklärung der Mitarbeiter über bestehende Regeln und entsprechende Überwachung wird präventiv der Verletzung von Regeln und damit einhergehenden Schäden (z. B. Schadensersatzzahlungen, Bußgeldern oder Reputationsschäden) für das Unternehmen, seine Organe und seine Mitarbeiter vorgebeugt. Es geht um die Vermeidung zivilrechtlicher Haftungsrisiken sowie straf- oder verwaltungsrechtlicher Sanktionen (Lösler, WM 2007, 676 (677)), also auch rechtliche Risiken. Insoweit ist ein enger Kontakt bzw. eine vertrauensvolle Kooperation mit der internen Rechtsabteilung („Legal“) nötig, da gerade in der Nichterkennung oder falschen Bewertung eines rechtlichen Problems eine erhebliche Haftungsquelle liegen kann. Compliance kann auch nur dann effektiv zum Risikomanagement beitragen, wenn dies auf Basis der neuesten rechtlichen Erkenntnisse bzw. Rechtsprechung geschieht. Andererseits profitiert aber auch die Rechtsabteilung („Legal“) davon, weil bei ihr – über das Lösen rechtlicher Einzelfragen zum Schutz des Unternehmens und seiner Mitarbeiter hinaus – das Verständnis dafür, mit welchen strukturellen Schwierigkeiten die interne Compliance-Abteilung bei der Risikoprävention mitunter kämpfen muss, wächst und sie dies bei der rechtlichen Beratung zur Gestaltung interner Prozesse zur Unterstützung von Compliance mitberücksichtigen kann, um Compliance im Rahmen der Prävention und Aufdeckung von Verhaltenspflichtverletzungen wirksam zu unterstützen. Auch hier wird deutlich, dass Compliance eben nicht allein von der Compliance-Abteilung als solcher sichergestellt werden kann, sondern auch „Legal“ wesentlich zum Risikomanagement und
Frisch
44
198
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
damit zur Compliance beiträgt. Die Rechtsabteilung, die in großen Unternehmen mitunter getrennt aufgestellt ist, muss dabei aber über die Lösung von einzelnen Rechtsfragen hinaus bereit sein, ihre Sicht der Dinge hin auf die Notwendigkeiten von Compliance, z. B. die reale Möglichkeit der Implementierung geeigneter Kontrollen, zu weiten. Wenn z. B. bei einer rechtlichen Überprüfung am Ende zwei vertretbare Handlungsalternativen für den Geschäftsbereich seitens der Rechtsabteilung empfohlen werden können, sollte dabei auch berücksichtigt werden, ob die vermeintlich (zunächst) betriebswirtschaftlich günstigere Alternative letztendlich tatsächlich auch die für das Unternehmen bessere Alternative ist, weil sie höhere Compliance-Risiken mit sich bringt. Es muss dann z. B. auch dem Versuch der Geschäftsbereiche widerstanden werden, die Rechtsabteilung gegen die Compliance-Abteilung auszuspielen oder umgekehrt. 45
Auf der anderen Seite gibt es – z. B. im Bereich der Corporate Governance – Sachverhalte, bei denen von vornherein eine begleitende Rechtsberatung durch die Rechtsabteilung oder auch externe Anwälte, vgl. die Fallkonstellationen Schrempp/Kerkorian bei der DaimlerChrysler-Fusion („merger of equals“), Kirch/Deutsche Bank/Breuer (Äußerung zur wirtschaftlichen Situation der Kirch-Gruppe; LG München I NJW 2003, 1046; OLG München ZIP 2004, 19; Bütter/Tonner, BKR 2005, 344; BGH ZIP 2006, 317; dazu Rösler, EWiR 2006, 289 (290)) oder Bertelsmann/Middelhoff etc. mehr leisten kann als Compliance-Systeme (Hauschka, NJW 2004, 257 (259 u. 260); ders., ZIP 2004, 877 (883)).
46
III. Beratungs- und Informationsfunktion. 1. Rechtliche Beratung. Zumindest in Deutschland ist bei größeren Kreditinstituten die rechtliche Beratung entwicklungshistorisch bedingt bei der Rechtsabteilung angesiedelt, weshalb die Beurteilung konkreter zivil- und auch aufsichtsrechtlicher (Einzel-)Fragen (a. A. wohl Hauschka-Gebauer, § 31 Rn 42) primär von ihr wahrgenommen wird. Das mag damit zusammenhängen, dass ein zu beurteilender Sachverhalt häufig sowohl eine aufsichtsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Komponente enthält und eine Aufspaltung in zwei daraufhin zu erbringende Beratungsleistungen mitunter wenig praktikabel und auch nicht betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint. Ohnehin hatten die Unternehmen in ihren Rechtsbereichen schon entsprechende juristische Beratungskompetenz aufgebaut, bevor Compliance ein Thema wurde. Compliance beschränkt sich, bei aller Verzahnung mit der Rechtsabteilung, in seiner Beratung zu rechtlichen Risiken zumeist auf abstraktere allgemeine Fragestellungen, z. B. wie Rechts- und Reputationsrisiken strukturell organisatorisch vermieden bzw. Normen eingehalten werden können. Bislang werden die klassischen Themen Vermeidung von Interessenkonflikten sowie der Umgang mit compliance- bzw. insiderrelevanten Informationen als ureigenes Beratungsbetätigungsfeld der Compliance-Funktion angesehen. Leider enthält auch § 25a KWG keine konkreten Ausführungen dazu, wie eine Compliance-Funktion zu strukturieren ist. Die deutsche MiFID-Umsetzung trägt hier nicht zur Verbesserung bei (Veil, WM 2008, 1093 (1095)).
47
Die Beratungs- und Informationsfunktion von Compliance – auch hier ist, soweit rechtlich wegen § 14 WpHG möglich, eine Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung sinnvoll – hat in letzter Zeit an Bedeutung zugenommen. Die zunehmende und komplexer werdende Regelungsdichte führt zu einem erhöhten Informations- und Beratungsbedarf gerade bei den Mitarbeitern in den Geschäftsbereichen eines Unternehmens. Mitarbeiter benötigen Compliance zunehmend als unabhängigen, neutralen und vertrauenswürdigen Ansprechpartner, ja Beistand, um Gesetze oder interne Compliance-Standards nicht nur als notwendige Übel, Unsicherheitsfaktoren oder möglichst zu umgehende das Geschäft verhindernde Erschwernisse des Alltags zu empfinden, sondern als Selbstverständlichkeit zu begreifen, die nicht nur im Unternehmensinteresse, sondern gerade auch in ihrem eigenen Interesse liegt („Compliance Culture“). Umgekehrt liefert gerade der ständige direkte
Frisch
§ 7 Compliance
199
Kontakt mit den Mitarbeitern in den Geschäftsbereichen Compliance wertvolle Hinweise zu Problemen, die – so erkannt – konkreten praxistauglichen Lösungen zugeführt werden können, um Gefährdungslagen zu entschärfen. Das verschafft Compliance auch die notwendige Bodenhaftung, um nicht nur auf einer recht abstrakten Ebene wenig effektiv in den Risikosteuerungsprozess einbezogen zu sein und den Bezug zum Alltag der Geschäftsbereiche zu verlieren. 2. Helpline/Whistleblowing. Es wird daher auch eine Hotline bzw. „Helpline“ für Mitarbeiter gefordert (Schneider, ZIP 2003, 645 (650); Bürkle, DB 2004, 2158 (2160)), die ihnen die Möglichkeit bieten soll, vertraulich, ja sogar anonym Vorgänge kritischen Inhalts oder gar ein beobachtetes Fehlverhalten intern Compliance mitzuteilen (internes „Whistleblowing“). Für den Begriff des „Whistleblowing“ liegt bislang keine reguläre deutsche Übersetzung vor, er wird teilweise mit „Blasen in die (Triller-)Pfeife“ (Hauschka, ZIP 2004, 877 (882)), „Hinweis geben“ (Bürkle, DB 2004, 2158; BAG DB 2004, 878) oder gar etwas abwertend mit „Verpfeifen“ (Lösler, WM 2007, 676 (678)) übersetzt. Das verdeutlicht auch die Bandbreite der möglichen Einschätzungen, denen ein „Whistleblower“ unterliegen kann, sei es, dass er als seriöser Hinweisgeber, sei es, dass er als Wichtigtuer oder gar Denunziant abgestempelt wird. Ohnehin ist das rechtliche Umfeld für das für Unternehmen und Mitarbeiter nicht ungefährliche externe „Whistleblowing“ verbesserungsbedürftig, da § 17 UWG (Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen), datenschutzrechtliche Barrieren, drohende arbeitsrechtliche Sanktionen, z. B. die Kündigung durch den Arbeitgeber bei Erstattung einer Strafanzeige durch den Arbeitnehmer (BAG DB 2004, 878), die möglichst frühzeitige Aufdeckung von deliktischem Verhalten in Unternehmen erschweren können (BVerfG NJW 2001, 3474; BAG NZA 2007, 502). Unternehmen, die auf ein wirksames internes „Whistleblowing“ setzen und dem Aufkommen einer internen Vertuschungspraxis entgegen wirken, machen externes „Whistleblowing“ obsolet. Der „Whistleblower“ bedarf also eines ihn besser schützenden rechtlichen Umfelds. Er sollte wie eine Art Kronzeuge auf ein seriöses internes und ihn schützendes Umfeld vertrauen können. Die EU-Kommission hatte schon 2002 zur Korruptionsbekämpfung den Einsatz von „Whistleblowing“ empfohlen (Mitteilung v. 28.5.2003, S. 20). Im Gegensatz zu den USA (Zimmermann, WM 2007, 1060) und auch UK ist in Deutschland der Schutz verbesserungsbedürftig. Ohnehin sind einzelne deutsche Unternehmen nicht unbedingt dafür bekannt, „Whistleblower“ zu schützen. So wurde in einem Bericht (von John Goetz/Andreas Orth/Markus Schmidt) des WDR im Rahmen der Sendung „Monitor“ Nr. 566 v. 21.12.2006 dargestellt, dass z. B. ein bei Siemens bis 2004 beschäftigter Finanzcontroller namens Per Yngve Monsen nicht geschützt worden sei, der nach eigenen Angaben 2003 bei Siemens Norwegen pflichtgemäß und zunächst anonym auf eine illegal überhöhte Abrechnung aufmerksam gemacht haben will. Er sei nach eigenen Angaben massiven Repressionen ausgesetzt gewesen. Per Yngve Monsen, ehem. Siemens-Mitarbeiter (Übersetzung „Monitor“): „Dann fing die Hexenjagd an. Ich wurde mehrere Tage intensiv befragt, ich musste mich übergeben, hatte Durchfall und konnte nachts nicht schlafen, weil der Druck so groß war.“ Herr Monsen fand nach eigenen Angaben keine Unterstützung von der Siemens-Compliance-Abteilung, er sei vielmehr entlassen worden. 2005 verurteilte ein norwegisches Gericht Siemens zu Schadensersatz. Herr Monsen gilt nach „Monitor“ in Norwegen inzwischen als eine Art Held. Wenn also die Befolgung der Compliance-Regeln mit dem Arbeitsplatzverlust endet, wird es schwerlich eine Compliance-Kultur, sondern nur eine von oben verordnete Vertuschungspraxis geben.
Frisch
48
49
200
50
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
3. Training. In Compliance-Trainingsprogrammen als besonderen Informationsveranstaltungen sind die Mitarbeiter insbesondere – über die wesentlichen einschlägigen gesetzlichen Pflichten, Gebote und Verbote, – die „Zero Tolerance Policy“, auch Null-Toleranz-Axiom oder Nulltoleranzstrategie genannt, – bzw. den „Code of Conduct“ – oder die „(Global) Compliance Core Principles“ des Unternehmens zu informieren (Schneider, ZIP 2003, 645 (649)).
51
4. Zero Tolerance Policy. Zutreffend merkte Hauschka, ZIP 2004, 877 (882, unrichtig „Williams“ statt „Wilson“) zu der „Zero Tolerance Policy“ an, dass sie keine Selbstverständlichkeit deutscher Unternehmenskultur darstellt. Die längere Zeit unbeachtet gebliebene, aus der 1982 erstmals veröffentlichten, teilweise kritisierten „Broken Windows“-Theorie der US-Wissenschaftler und „new realists“ James Q. Wilson und George L. Kelling geborene „Zero Tolerance Policy“ (dies., Broken Windows. The police and neighboorhood safety, The Altlantic Monthly, March 1982, volume 249, no. 3, pages 29–38) stellt ein Stück Polizeigeschichte amerikanischer Großstädte bzw. einen Polizeipräventionsansatz zur Kriminalitätsbekämpfung dar. „Zero Tolerance“ war der Ansatz des Manhattan Institute for Policy Research (sozialpolitischer „Think Tank“ der Reagan/Bush I-Administrationen) und wurde auch 1993 im Wahlkampf um das Amt des Bürgermeisters von New York erfolgreich von Rudolph „Rudy“ Giuliani propagiert. Zwar kann eine freiwillige Selbstbindung in dieser Hinsicht für deutsche Unternehmen international – auch unter Image-Gesichtspunkten – vorteilhaft sein, weil die Unternehmensleitung mit markigen Worten verkünden kann, dass sie das Unternehmen und seine Mitarbeiter im Griff habe, andererseits wird die eigene Glaubwürdigkeit schnell aufs Spiel gesetzt, wenn die freiwillig eingegangene Selbstbindung im Eventualfalle nicht auch strikt durchgehalten wird und das öffentlich bekannt wird. Darüber hinaus kann es im Ernstfall bei den betroffenen Mitarbeitern und der Belegschaft zu als fragwürdig und unverhältnismäßig hart erscheinenden Entscheidungen der Unternehmensleitung kommen (Hauschka, ZIP 2004, 877 (882)). Ohnehin verlangte der deutsche Gesetzgeber auch ohne „Zero Tolerance Policy“ von einem Unternehmen, seinen Organen und Mitarbeitern bisher schon Rechtstreue (zur aktienrechtlichen Legalitätspflicht Fleischer, ZIP 2005, 141; zum Vorstand siehe auch Ziff. 4.1.3 DCGK (Deutscher Corporate Governance Kodex)).
52
VI. Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion. Compliance dient bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch dazu, die Qualität der gegenüber Kunden erfolgenden Anlageempfehlungen zu stärken. Denn nur z. B. ein Wertpapierdienstleister, der seine Erkundigungspflicht nach dem „know your customer-Prinzip“ vor Aufklärung und Beratung des Kunden beherzigt (Schwark-Schwark, § 31 WpHG Rn 39 u. 40), wird auch in der Lage sein, auf den jeweiligen Kunden individuell zugeschnittene und für ihn geeignete Finanzinstrumente zu empfehlen. Genau das setzt Compliance selbst unter ständigen Zugzwang. Nur bei fortlaufender Implementierung und Absolvierung entsprechender Schulungs-, Trainings- oder sonstiger „Learning & Development“-Programme, die Compliance selbst, zusammen mit der Personalabteilung („Human Resources“) oder externen qualifizierten Anbietern erarbeiten und anbieten kann, verfügen Compliance-Mitarbeiter z. B. über die erforderliche Produktkenntnis bei komplexen strukturierten Produkten, um in Augenhöhe mit den Wertpapierberatern oder dem internen Produktmanagement verkehren und ihnen z. B. ein Training zu Vertriebsrestriktionen oder „Suitability“-Aspekten erteilen zu können. Auch die Kenntnis der neuesten regulatorischen oder gesetzlichen Anforderungen ist „condicio sine qua non“ für ein qualitativ hochwertiges Know-how
Frisch
§ 7 Compliance
201
von Compliance, das zur Qualitätssicherung eingesetzt von den Business-Bereichen akzeptiert wird. Das Business erwartet faktisch eine professionelle Consulting-Leistung. Ohnehin empfiehlt sich hierzu für Compliance eine Zusammenarbeit mit Qualitätsmanagement-Einheiten in den Geschäftsbereichen. Ansonsten könnten gerade große Compliance-Abteilungen unter verstärkten Rechtfertigungsdruck geraten und ungewollt den Eindruck vermitteln, als verwalteten sie auf sich selbst fixiert in bürokratischer Manier eigene Projekte und verlören den Bezug zu den zeitgemäßen Herausforderungen. V. Monitoring- oder Überwachungsfunktion. Auf einer pro-aktiven Basis soll Compliance Compliance-Risiken identifizieren, analysieren, bewerten und dokumentieren, die mit den Geschäftsaktivitäten einer Bank in Verbindung stehen. Compliance-Risiken, die infolge der Nichtbeachtung von Pflichten entstehen können, sollen zeitnah gemonitort werden, um die Einhaltung zu gewährleisten. Die Aufdeckung von Schwachstellen, ggf. Eskalation und deren Beseitigung müssen möglichst frühzeitig erfolgen, bevor es z. B. zu Untersuchungen durch die BaFin oder zivilrechtlichen Schadensersatzklagen von Kunden kommt. Insoweit empfiehlt sich für Compliance auch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Teil des Risikomanagements einer Bank, das operationelle Risiken überwacht, um im Falle der Aufdeckung von Verstößen die bisherige Vermeidungsstrategie zu überdenken und zu ändern, falls das nötig ist. Die Bedeutung interner Untersuchungsverfahren bzw. unternehmensinterner „Investigations“ wird in Deutschland zunehmen (zu arbeitsrechtlichen Aspekten: Mengel/Ullrich, NZA 2006, 240; zu den Möglichkeiten und Grenzen der Befragung von Mitarbeitern als „Wissensträgern“ und den Sanktionen bei der fehlenden Mitwirkung der Beschäftigen: Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703).
53
VI. Marketing- oder Imagefunktion. Eine effiziente Compliance-Organisation leistet zur Aufrechterhaltung des Ansehens bzw. positiven Images eines Unternehmens in der Öffentlichkeit, aber auch bei Aufsichtsbehörden einen wichtigen Beitrag, auch wenn dieser Beitrag sich nicht immer leicht messen lässt. Compliance dient jedenfalls auch der Sicherung des Vertrauens der Geschäftspartner. Ziel von Compliance ist es, das Unternehmen als gutes Investment im Kapitalmarkt und als „good corporate citizen“ in der Öffentlichkeit darzustellen (Schneider, ZIP 2003, 645 (648)). Ohnehin ist Compliance für Aufsichtsbehörden häufig der natürliche Ansprechpartner (z. B. im Rahmen von § 4 WpHG), obwohl Compliance „Chefsache“ ist, d. h. die Verantwortung für die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Regelungen der Geschäftsleitung obliegt (Lösler, NZG 2005, 107). Die Compliance-Abteilung ist lediglich seitens der Geschäftsleitung im Wege der Delegation beauftragt, die entsprechenden Aufgaben effektiv wahrzunehmen. Der Vorstand selbst ist der verantwortliche „legal“ oder „compliance risk manager“ (Schneider, ZIP 2003, 645 (648)). Jedenfalls wird man sagen können, dass eine gute Compliance gut für das Geschäft ist bzw. ein gutes Geschäft auch auf einer guten Compliance beruht (vgl. Schlagworte wie „good compliance is good (for) business“ oder „being in compliance is good business and good for the environment“).
54
Natürlich lassen sich solche mehr oder weniger modellhaften Funktions-Definitionen, die z. B. für Finanzinstitute tauglich sein mögen, nicht schematisch auf alle in anderen Geschäftsfeldern tätigen Unternehmen übertragen (Hauschka-Hauschka, § 14 Fn 13). Auch bei Wertpapierhandelsunternehmen tauchen immer wieder Abgrenzungsfragen auf. Denn die Tätigkeiten von Compliance scheinen sich auch bei vertiefter Betrachtung mit denen der Rechtsabteilung („Legal“), des Managements von (z. B. operationellen) Risiken („Risk Management“) und der Internen Revision („Audit“) zumindest teilweise zu überschneiden. Zur Klärung bzw. Abgrenzung der Funktionen können auch zumindest für Wertpapierdienstleistungsunternehmen jetzt auf europäischer Ebene die Aufgabenbe-
55
Frisch
202
56
57
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
schreibungen in Artt. 6, 7 und 8 der Durchführungsrichtlinie 2006/73/EG v. 10.8.2006 (ABl. L 241/26 v. 2.9.2006) beitragen. VII. Mindestanforderungen/Grundpflichten einer ordnungsgemäßen ComplianceOrganisation. Es sind auch andere als die von Lösler, NZG 2005, 104 f. dargelegten Funktions-Beschreibungen oder –unterscheidungen denkbar, z. B. in – Advisory („Beratung“ für Unternehmensleitung und Mitarbeiter), – Advocacy („Eintreten“ bzw. Beistand für das Unternehmen und seine Mitarbeiter (auch gegenüber dem Regulator)), – Prevention („Verhinderung“ von bzw. „Vorbeugung“ gegenüber Verhaltenspflichtverletzungen) und – Detection („Aufdeckung“ und Sanktionierung von Verhaltenspflichtverletzungen), die ähnliche Mindestanforderungen beinhalten. Uwe H. Schneider (vgl. ZIP 2003, 645 (649 f.), dazu teilweise berechtigt kritisch unter Hinweis auf die fehlende deutsche gesetzliche Grundlagen Hauschka, ZIP 2004, 877 (882 f.), hatte sieben Anforderungen an eine ordnungsgemäße Compliance-Organisation für die Grundpflichten – abhängig von der Branche und Größe eines Unternehmens und seiner nationalen oder internationalen Ausrichtung – formuliert: – Aufstellung und gegenüber den Mitarbeitern zu kommunizierende unternehmensbezogene Compliance-Standards. Damit meinte er einen Verhaltenskodex oder internen „Code of Conduct“, in dem der Arbeitgeber nicht nur die gesetzlichen Verpflichtungen erwähnt, sondern auch darlegt, welche eigenen und gesellschaftlichen Erwartungen er vom Arbeitnehmer eingehalten sehen möchte. – Compliance-Trainingsprogramm: Training ist und bleibt eine wesentliche Stütze, um Mitarbeiter – auch im Wege des eLearning via Intra- oder Internet („web based training“) – über gesetzliche Pflichten und ethische Anforderungen des Unternehmens (z. B. niedergelegt in einer „Zero Tolerance Policy“ oder so genannten „Mission Statements“ des Unternehmens) zu informieren und anforderungsgerechtes Verhalten – unter Zuhilfenahme von praxisnahen und eingängigen Fallstudien („the dos and don’ts“) – zu trainieren. – Compliance Auditprogramm: Hier geht es um nichts anderes als die Überwachung der gesetzten Standards, Aufdeckung und Sanktionierung von Verstößen und die fortwährende Verbesserung der organisatorischen Vorkehrung, um Wiederholungsfälle zu vermeiden. – Bestellung eines Compliance-Beauftragten – Hot- bzw. Helpline für Mitarbeiter: Ähnlich wie oben unter Advisory und Advocacy angemerkt, benötigen Mitarbeiter eine unabhängige, vertrauenswürdige Stelle oder Person (Compliance-Officer oder externer Anwalt), um vertraulich über (drohende) Rechtsverletzungen oder bestehende Interessenkonflikte informieren zu können („Whistleblowing“ oder „Whistlerblower“). Die Vermeidung von Interessenkonflikten gewinnt z. B. gerade für Wertpapierfirmen nach den Vorgaben von Art. 13 III, 18 MiFID an Bedeutung, da noch mehr als bisher organisationsbezogene Konfliktvermeidungsregeln zu entwickeln sind (Assmann, ÖBA 1/07, 40 (41)), wiewohl Banken teilweise bereits lange vor der MiFID ein Interessenkonfliktmanagement („conflict clearing“) und entsprechende Grundsätze dazu entwickelt hatten. – Disziplinarmaßnahmen sind ggf. erforderlich, um eine Verletzung von Standards nicht unsanktioniert zu lassen und damit die Effektivität der Überwachung der Standards zu gefährden. Hierfür ist Fingerspitzengefühl und ein verhältnismäßiger Sanktionen-Katalog erforderlich, der zusammen mit der Personalabteilung („Human Resources“ ) und ggf. dem Betriebsrat abgestimmt werden sollte.
Frisch
§ 7 Compliance
203
– Zumindest die Ausführungsbestimmungen zu Art. 404, 406 und 407 des Sarbanes-Oxley Act of 2002 (Pub. L. No. 107-204, 116 Stat. 745; auch bekannt als Public Company Accounting Reform and Investor Protection Act of 2002; SOX, SarbOx oder SOA genannt, der am 30.7.2002 in Kraft trat (dazu Lenz, BB 2002, 2270)), verlangen einen „internal control report“, der in den Geschäftsbericht des Unternehmens aufzunehmen ist. Von diesen Grundpflichten unterscheidet Uwe H. Schneider Mindestanforderungen für die Einzelpflichten, die nicht nur in Verboten, sondern in Handlungspflichten (z. B. Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten) bestehen sollen (vgl. ZIP 2003, 645 (650)). Letztlich geht es aber bei einer Compliance-Organisation allgemein darum, eine effiziente und effektive unternehmensspezifische Struktur zu schaffen bzw. fortlaufend zu entwickeln und diese im erforderlichen Bewusstsein der Unternehmensleitung („Tone at the Top“) und der Mitarbeiter so zu verankern, dass sie in der Lage ist, unternehmerische Risiken, die durch die Verletzung von geltenden Gesetzen bzw. internen und externen Regelwerken entstehen können, so weitgehend wie möglich zu reduzieren. Allerdings sind einer Compliance-Organisation natürliche Grenzen gesetzt. So lässt sich vorsätzliches oder kriminelles Fehlverhalten von Unternehmensleitung oder einzelnen schulungs- und trainingsresistenten Mitarbeitern – „schwarze Schafe“ – kaum unterbinden (Eisele, WM 1993, 1021 (1023)); Hauschka-Lampert, § 9, Rn 3). Bei einem richtigerweise risiko- oder prinzipienbasierten Compliance-Ansatz muss und kann unter Berücksichtigung der berechtigten wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens ohnehin nicht jedes noch so fern liegende oder gar nicht steuerbare Risiko überwacht werden.
58
G. Nicht-börsliches Compliance-Management in Deutschland
59
Eisele (WM 1993, 1021), (einer) der Geburtshelfer von Compliance in der deutschen Bankenlandschaft, lag mit seiner Vorhersage, Compliance werde nicht nur in der Bankenwelt ein bevorzugtes Thema werden, richtig (Bürkle, BB 2005, 565). I. Compliance als Mittel effizienter Selbstregulierung. In Deutschland wird über das genuine und traditionelle Compliance-Management im Kartellrecht (Lampert, BB 2002, 2237 (2239 f.); Hauschka, BB 2004, 1178 (1179 f.); Zimmermann, WM 2008, 10) und im Kapitalmarktrecht als den rechtlichen Vorreitern des Compliance-Managements sowie der Emittenten-Compliance (Schneider/v. Buttlar, ZIP 2004, 1621) hinaus zunehmend für andere Bereiche das nicht-börsliche Compliance-Management als zukünftige Aufgabe (für Inhouse-Juristen vgl. Klindt, NJW 2006, 3399) erkannt: – – – – – – – – – – –
60
Corporate Compliance IT-Compliance arbeitsrechtliche Compliance Anti-Trust- und Competition-Compliance Anti-Korruptions-Compliance Steuerrechtliche und steuerstrafrechtliche Compliance Kreditvertrags-Compliance, Financial Covenants umweltrechtliche Compliance produkthaftungsrechtliche Compliance außenwirtschafts- und exportkontrollrechtliche Compliance Compliance in der Versicherungswirtschaft
II. Corporate Compliance. Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen agieren die Entscheidungsträger häufig quasi im gleißenden Lichte der Öffentlichkeit. Heute gelten
Frisch
61
204
62
63
64
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
sie noch als mutige Heilsbringer, morgen schon werden sie zu strategie- und glücklosen Sündenböcken abgestempelt. Das Risiko unternehmerischen Scheiterns wird hinsichtlich der von der Öffentlichkeit, aber auch enttäuschten Aktionären oder (ehemaligen) Kunden geforderten Verantwortungsübernahme verstärkt personalisiert. Natürlich bestimmt auch § 93 I 1 AktG, dass Vorstandsmitglieder bzw. der Vorstand in seiner Gesamtverantwortung bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben, ansonsten macht sich der Vorstand nach § 93 II 1 AktG gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig. Ungeachtet der Notwendigkeit einer sorgfältigen Ursachenanalyse, dies gerade bei komplexen Sachverhalten, geraten mitunter die Entscheidungsträger, d. h. die Organe von Unternehmen im Rahmen der forcierten Suche nach einem Schuldigen vorschnell in die Schusslinie einer enttäuschten Öffentlichkeit oder des Kapitalmarkts. Die Öffentlichtkeit liebt keine schlechten Nachrichten. Andererseits ist es nicht verwunderlich, dass – betrachtet man nicht nur international bekannte Fälle wie Enron – insbesondere seit dem Zusammenbruch des „Neuen Marktes“ bzw. der „New Economy“ zu Beginn des 21. Jahrhunderts Haftungsthemen auch in Deutschland Konjunktur haben (Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199; Werner, ZIP 2000, 989; Fleischer, DB 2004, 2031 zu „Infomatec“; Leisch, ZIP 2004, 1573; Spindler, WM 2004, 2089; Maul, WM 2004, 2146; Weber/Brügel, DB 2004, 1923; Körner, NJW 2004, 3386; Casper, BKR 2005, 83; Fleischer, ZIP 2005, 1805 zu „EM.TV“; Kiethe, WM 2007, 722 mit umfassenden Rechtsprechungsnachweisen). Im Infomatec-Fall stand eine besondere Skrupellosigkeit der damaligen Vorstände im Vordergrund. Diese waren trotz entgegenlautender Hinweise sogar in der Hauptversammlung nicht von ihren Falschmeldungen abzubringen (Spindler, WM 2004, 2089 (2091)). Der deutsche Gesetzgeber hatte hier offensichtlich zu wenig getan, um Anleger vor skrupellos handelnden Organen von Unternehmen zu schützen. Organe von Kapitalgesellschaften (vgl. OLG Düsseldorf, NZG 2000, 314; LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275; BGH NJW 2006, 522 – Mannesmann/Vodafone; OLG München ZIP 2004, 19; BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 – Kirch/Deutsche Bank AG/Breuer; dazu Bitter, WM 2007, 1953) müssen sich zunehmend Gedanken über eine persönliche Inanspruchnahme bei einem auch nur behaupteten, eventuell gar nicht vorliegenden Fehlverhalten machen. Dies lässt organisatorische Vorkehrungen zur Vermeidung von Haftungsfällen von Vorständen und Geschäftsführern und zur Risikoverringerung der Geschäftsleitungstätigkeit (Corporate Compliance) erforderlich erscheinen (Hauschka, AG 2004, 461; Bürkle, BB 2005, 565; Rodewald/Unger, BB 2006, 113 f.; Kiethe, WM 2007, 722 (723)). 1. Innenregress. Soweit die Gesellschaft selbst Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer in Anspruch nimmt (sog. Innenregress), sind regelmäßig die §§ 93 II 1 AktG, 43 II GmbHG und 34 II 1 GenG die bekannten Anspruchsgrundlagen. Über die §§ 116 Akt, 52 GmbHG und 41 GenG können auch Aufsichtsräte zivilrechtlich in Anspruch genommen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Organmitglieder bei einer Inanspruchnahme wegen einer Pflichtverletzung beweisen müssen, dass sie entsprechend sorgfältig gehandelt haben, vgl. §§ 93 II 2 AktG, 34 II 2 GenG. Diese Beweislastumkehr hat der BGH aber durch die sekundäre Darlegungslast des Anspruchstellers begrenzt (BGH NJW 2003, 358; OLG Köln, Urt. v. 3.6.2004 – 12 U 41/03, S. 9 f.). Deliktische Ansprüche der Gesellschaft verjähren innerhalb der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB, während § 93 VI AktG für den Anspruch aus § 93 II 1 AktG eine Verjährungsfrist von fünf Jahren anordnet (Zimmermann, WM 2008, 433 (440)).
Frisch
§ 7 Compliance
205
Im Bank- und Kapitalmarktrecht sind die Verletzung des Bank- oder Betriebsgeheimnisses bzw. einer Verschwiegenheitspflicht (BGH NJW 2006, 83) und die Kreditvergabe (BGHSt 47, 148 = NJW 2002, 1211 = ZIP 2002, 346 (Vorstände einer Sparkasse); zur Haftung von Sparkassen-Vorständen Kiethe, BKR 200, 177; BGH ZIP 2005, 981; Jungmann, EWiR 2005, 501; Schmitt, BKR 2006, 125; Lehleiter/Hoppe, BKR 2007, 178) neuralgische Punkte, die einen Innenregress begründen können. Im Regelfall haftet aber ein Vorstand einer Privatbank nur, wenn er seine Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt hat (BGH ZIP 1997, 883 (886) = BGHZ 135, 244 (253 f.)). Denn die Kreditvergabe ist eine Risikoentscheidung, die nicht sogleich unter den Generalverdacht des Untreuevorwurfs gestellt werden darf. Bei der Kreditvergabe gilt bei Privatbanken, anders als bei Genossenschaftsbanken (BGH ZIP 2002, 213; BGH ZIP 2005, 981 zu § 34 GenG), nicht die strikte Pflicht, Kredite nicht ohne übliche Sicherheiten und unter Beachtung der Beleihungsobergrenze zu gewähren. Problematischer hingegen sieht es bei der Bonitätsprüfung aus (zu § 266 StGB: BGHSt 46, 30; BGH NJW 2002, 1211 = NStZ 2002, 262), weil sich bei der Kreditvergabe aus der Verletzung der Pflicht des § 18 KWG (Zimmermann, BKR 2006, 10) zum Verlangen der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines potentiellen Kreditnehmers Anhaltspunkte dafür ergeben können, dass auch eine Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB vorliegt. Im Grundsatz ist die Verletzung von Informationspflichten i. S. d. § 18 KWG und des Untreuetatbestands deckungsgleich, wobei jedoch die Pflichtwidrigkeit entfallen kann, wenn die nach § 18 KWG an sich abgefragte Information durch eine andere, gleichwertige Information ersetzt wurde (Lehleiter/Hoppe, BKR 2007, 178 (180)). Die gravierende Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten kann im Regelfall zugleich eine Pflichtwidrigkeit i. S. v. § 266 StGB begründen, da eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt wird (BGH NStZ 2006, 221 – Transferzahlungen durch Vorstand der „Kinowelt Medien AG“; BGHSt 47, 148, 152 = NJW 2002, 1211 = NStZ 2002, 262; BGHSt 47, 187 (197) = NJW 2002, 1585 = NStZ 2002, 322; vgl. auch BGHZ 135, 244 (253) = NJW 1997, 1926). 2. Regress Externer. Gegenüber externen Dritten haften Organe zumeist aufgrund der deliktischen Normen §§ 823 I, II i. V. m. entsprechenden Schutzgesetzen und 826 BGB. Jedoch spielt gerade § 826 BGB im Kapitalmarktrecht die Rolle eines Lückenbüßers, der mehr schlecht als recht dem Schutz von Geschädigten dient (BGH ZIP 2004, 1599 (1602) = DB 2004, 1928; ZIP 2004, 1604; DB 2004, 1931; dazu Fleischer, DB 2004, 2031 (2036); Leisch, ZIP 2004, 1573; Findeisen/Backhaus, WM 2007, 100). Zutreffend bemerkt Fleischer, ZIP 2005, 1805 (1812), zu § 826 BGB, dass der den Anlegern obliegende Kausalitätsnachweis sich zumeist als „probatio diabolica“ erweisen dürfte. Doch sind hier mit den §§ 399 ff. AktG, 82 ff. GmbHG, 147 ff. GenG für Organmitglieder weitere Normen in den Mittelpunkt gerückt, die aufgrund ihrer Schutzgesetzeigenschaft sich nahtlos in das bekannte Haftungsgefüge einpassen (Kiethe, WM 2007, 722). Bei den §§ 399 ff. AktG, 82 ff. GmbHG sind Maßnahmen der Corporate Compliance gerade im Hinblick auf vom Gesetzgeber missbilligte Verhaltensweisen bei Verlust, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft (§§ 401 II AktG, 84 II GmbHG) sinnvoll, da hier Ermessensspielräume für die Organe bestehen und die entsprechenden Tatbestände auch schon fahrlässig verwirklicht werden können (Kiethe, WM 2007, 722 (723)). Gesellschafts- und Genossenschaftsrecht lassen mit ihren zahlreichen Strafvorschriften nicht nur eine zivilrechtliche Schadensersatzklage gegen die Organe über § 823 II BGB zu, sondern auch über § 31 BGB gegen die Gesellschaft, für die sie handeln (Kiethe, WM 2007, 722 (724)).
Frisch
65
66
67
68
69
206
70
71
72 73
74
75
76
77
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
§ 400 I Nr. 1 AktG (BVerfG BKR 2007, 38 zu BGH ZIP 2005, 78), § 264a StGB und § 263 StGB sind ebenfalls Schutzgesetze, auch zugunsten von Anlegern und Investoren (Leisch, ZIP 2004, 1573 (1579)). Gerade eine Unternehmenskrise kann für Organmitglieder leicht zu einer Haftungsfalle werden, sei es wegen einer Insolvenzverschleppungshaftung (§ 19 II InsO, § 823 II BGB i.V.m. § 64 I GmbHG BGH DB 2007, 790; BGH ZIP 2007, 1006; BGH ZIP 2005, 1026, dazu Kuhn, EWiR 2005, 743; BGH NJW 2005, 3650; BGH ZIP 2005, 1550), oder der Strafbarkeit eines Geschäftsführers nach § 266a StGB (Schutzgesetz zugunsten der Sozialversicherungsträger). Nach §§ 34, 69 AO haften Geschäftsführer und Vorstände zudem für die Steuerschulden des Unternehmens (Weber/Brügel, DB 2004, 1923 (1925)). Eine falsche Erklärung nach § 161 AktG führt für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zu einer Haftungsverschärfung (Kiethe, NZG 2003, 559; ders.,WM 2007, 722 (723)). Eine Inanspruchnahme durch Anleger, die auf die Angaben eines Corporate GovernanceStatements nach § 161 AktG vertraut haben, erscheint auch ohne das einst geplante Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (Maul, WM 2004, 2146 (2148)) möglich. 3. § 93 I 2 AktG als zentrale Vorschrift. Der seit dem 01.11.2005 gem. Art 3 UMAG gültige neue Text der zentralen Norm § 93 I 2 AktG lautet (Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.09.2005 (BGBl. 2005 I, 2802); Lutter, ZIP 2007, 841 (842)): „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ Damit hat der Gesetzgeber im Rahmen des UMAG – auf einer These von Ulmer basierend (Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299); Brömmelmeyer, WM 2005, 1065; Lutter, ZIP 2007, 841 (842); Zimmermann, WM 2008, 433 zu Kartellrechtsverstößen) – für die AG unter Anknüpfung an das berühmte ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH vom 21.04.1997 (BGHZ 135, 244 (253 ff.) = NJW 1997, 1926 = ZIP 1997, 883) die aus den USA stammende Business Judgment Rule gesetzlich normiert. Der Gesetzgeber stellt damit klar, dass eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet, dass für Fehler im Rahmen des unternehmerischen Ermessens nicht gehaftet wird (BT-Drucks. 15/5092, S. 11). § 4.01 der US-amerikanischen Principles of Corporate Governance (zitiert nach Brömmelmeyer, WM 2005, 1065; Kinzl, DB 2004, 1653; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 827 (833)) besagt: „A director… who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this section [i.a.: the duty of care] if the director …: (1) is not interested … in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the business judgment to the extent the director … reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business is in the best interest of the corporation.“ Risikobereitschaft – so richtig Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2066, Fn 26), unter Hinweis auf den Beitrag von von Hayek „Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ (1968) – ist in der Marktwirtschaft, die von einem Innovationswettbewerb ihrer Akteure lebt, grundsätzlich positiv zu bewerten und nicht als Pflichtverletzung i. S. v. § 93 II AktG einzustufen, wenn sich später das Risiko als Schaden realisiert. Unternehmerische Fehlentscheidungen des Vorstands sind Teil des unternehmerischen Risikos der Aktionäre. Dieses Risiko können Aktionäre nicht auf den Vorstand abwälzen (zutreffend Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2066)), ansonsten sollten sie keine Aktien erwerben.
Frisch
§ 7 Compliance
207
Andererseits kommt dem Vorstand eine Treuhandfunktion zu. Niemand wird einem Vorstand Investitionskapital anvertrauen und ihm anschließend auch noch einen rechtlichen Persilschein für unverantwortliche Investitionen ausstellen (Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2069)). Die zu billigende (quasi-)unternehmerische Freiheit bzw. Risikoakzeptanz korreliert mit der treuhänderischen Verantwortung des Vorstands, die schadensersatzrechtlich sanktioniert sein muss. Der Umgang mit Risiken erfordert insbesondere Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisK), vgl. § 25a KWG und § 91 II AktG (Preussner/Pananis, BKR 2004, 347; Zimmermann, BKR 2005, 208; Wimmer, BKR 2006, 146). Daher kommt einem Vorstand das Privileg der Business Judgment Rule nicht zugute, wenn er auf ein kaufmännisch gebotenes oder aber auch gesetzlich gefordertes Risikomanagement und controlling verzichtet (Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2069)). Es kommt insbesondere eine Haftung des Managements in der Unternehmenskrise nach §§ 43 II GmbHG, 93 II AktG in Betracht, wenn kein geeignetes Controlling eingerichtet wurde, um die Unternehmenskrise frühzeitig erkennen und Sanierungschancen nutzen zu können (Weber/Brügel, DB 2004, 1923 (1924 f.)).
78
Die Voraussetzungen für die Freistellung des Vorstands vom Vorwurf der Pflichtwidrigkeit (und Schadensersatz) nach dem Privileg der Business Judgment Rule sind demnach folgende:
79
a) Unternehmerische Entscheidung des Vorstands. Erstens muss es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands handeln (Lutter, ZIP 2007, 841 (843)). Pflichten kraft Gesetzes, kraft Satzung, Anstellungsvertrag, Geschäftsordnung oder verbindlicher Anweisung sind keine unternehmerische Entscheidungen. Diese Pflichten muss der Vorstand einfach erfüllen, d. h. im Einklang mit den Pflichten handeln und damit Compliance gewährleisten. Das gilt gerade auch für kraft Gesetzes bestehende Treuepflichten und die gesetzlichen Informationspflichten gegenüber den Aktionären und dem Kapitalmarkt. Hier gibt es kein unternehmerisches Ermessen (Lutter, ZIP 2007, 841 (843)). Natürlich sind auch das Angebot eines Kartellvertrags, die Geldwäsche oder Bestechung verboten.
80
Gerade bei Korruptionsdelikten kommt der Unternehmensleitung die Business Judgment Rule nicht zu Hilfe (Berg, AG 2007, 271 (274)), da Schmiergeldzahlungen durch die Geschäftsführung auch dann illegal sind, wenn nur so ein Vertragsabschluss (im Ausland) erzielt werden kann (Tröndle/Fischer, § 299 Rn 23). Die Gesellschaft hat dann gegen ihr geschäftsführendes Organ einen Schadensersatzanspruch aus § 43 II GmbHG, § 93 II AktG (Berg, AG 2007, 271 (274)).
81
Eine Entscheidungsprärogative kann jedoch auch bei gesetzlichen Regelungen eröffnet sein. So erkennt der Gesetzgeber bei der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung einen gewissen Beurteilungsspielraum an (§§ 92 I AktG, 19 II InsO).
82
Nach h. M. ist auch die Verletzung von Vertragspflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten nicht per se eine Pflichtverletzung des Vorstands (Lutter, ZIP 2007, 841 (843 Fn 25 m.w.N.)).
83
b) Wohl der Gesellschaft („in good faith“). Zweite Voraussetzung ist, dass der Vorstand in seiner Vorstellung ausschließlich zum Wohl der Gesellschaft handelt (so schon BGHZ 135, 244 (253) = ZIP 1997, 883 (886)). § 93 II 2 AktG verlangt, dass der Vorstand vernünftigerweise annehmen konnte, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Aus dem abstrakten Begriff des Unternehmenswohls lässt sich kaum, wohl allenfalls im Nachhinein auf eine konkret richtige Entscheidung schließen (Brömmelmeyer, WM 2005, 2065
84
Frisch
208
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
(2068)). Gleichwohl kann das nichts anderes bedeuten, dass der Vorstand die Prosperität der Gesellschaft, d. h. ihre dauerhaft positive Entwicklung (Bestand, dauerhafte Rentabilität, Ertrag und Reputation) verfolgen muss. Ansonsten kann ein Vorstand das Privileg der Business Judgment Rule nicht für sich in Anspruch nehmen (Lutter, ZIP 2007, 841 (844)). 85
c) Frei von Interessenkonflikten. Dritte Voraussetzung ist es, dass der Vorstand frei von Interessenkonflikten handelt, die ihn und nahe Angehörige treffen, des Weiteren frei von Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz (Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2068)). Das Tatbestandsmerkmal der Freiheit von Interessenkonflikten geht aus dem Wortlaut von § 93 I 2 AktG nicht hervor, gleichwohl aus der Begründung des UMAG (BT-Drucks. 15/5092, S. 11). Diese Frage hat aber große Bedeutung im Konzern, von drohenden konzernrechtlichen Sanktionen (§§ 311, 317 AktG) einmal abgesehen (Lutter, ZIP 2007, 841 (844)).
86
d) Auf Basis angemessener Informationen. Vierte Voraussetzung ist, dass der Vorstand sein unternehmerisches Ermessen auf möglichst breiter Informationsgrundlage und in aller Sorgfalt ausgeübt hat, ansonsten kommt ihm das Privileg der Business Judgment Rule nicht zu Hilfe (Lutter, ZIP 2007, 841 (844)).
87
Das UMAG führt hier weg von der vom BGH grundsätzlich angewandten materiellen Betrachtungsweise mehr hin zu einer formellen Betrachtungsweise (Kinzl, DB 2004, 1653), d. h. wie im amerikanischen Alltag unter der Business Judgement Rule üblich, könnte das Abarbeiten von Compliance-Checklisten auch eine in Deutschland zunehmende Praxis werden (Kinzl, DB 2004, 1653 (1654)).
88
Was die Informationsbeschaffungspflicht und deren Reichweite angeht, ist es an der Tagesordnung, dass ein Organmitglied häufig unter hohem Zeitdruck arbeiten muss und keine Information allumfassend ist. Das hat der Gesetzgeber berücksichtigt, weshalb im Wesentlichen eine Beschränkung auf die betriebswirtschaftlichen Schwerpunkte wie Rentabilität, Risikobewertung, Investitionsvolumen und Finanzierung erfolgen kann (Begr. RegE zum UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 21). Ohnehin hängt die Reichweite auch vom Einzelfall ab. Beim Erwerb eines Unternehmens aus der Insolvenz dürfen jedoch nicht zu wenige Informationen beschafft werden (OLG Oldenburg BB 2007, 66 m. Anm. Liese/Theusinger). Due Diligence, sachverständige Bewertung, Marktuntersuchung und Qualitätsprüfung etc. sind gerade bei großen Investitionen angesagt (Lutter, ZIP 2007, 841 (844 f.)).
89
Die Business Judgement Rule kommt dem Vorstand schon bei der Auswahl und Gewichtung der Informationen zugute (Lutter, ZIP 2007, 841 (844)), denn hier besteht für den Vorstand in den Grenzen seiner Sorgfaltspflicht ein erheblicher Spielraum, den Informationsbedarf abzuwägen und sich selbst eine Annahme dazu zu bilden (Begr. RegE zum UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 21).
90
Sehr wichtig ist hier vor allem die sorgfältige Dokumentation, sei es in Form der Abarbeitung von Compliance-Checklisten, Verlaufs- und Ergebnisprotokollen von Vorstandssitzungen, die die verantwortliche Entscheidungsfindung transparent machen. Die Archivierung mindestens bis zum Ablauf der 5-jährigen Verjährungsfrist (§ 93 VI AktG) für eine Haftungsklage ist ein absolutes Muss.
91
e) Keine Hazard-Entscheidungen. Fünfte und letzte Voraussetzung ist, dass vom Vorstand „die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen,“ nicht „in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist“ (BGHZ 135, 244 (253) = ZIP 1997, 883 (886)). Auch diese Formulierung macht klar, dass es dem BGH und jetzt auch dem Gesetzgeber darum geht, die Organmitglieder vor einer Inanspruchnahme wegen Fehlbeurteilungen oder
Frisch
§ 7 Compliance
209
Fehleinschätzungen, denen jeder noch so verantwortungsbewusste Unternehmensleiter unterliegen kann, zu bewahren. Es soll damit nicht schon der Mut für tatkräftiges Handeln der Unternehmensleitung durch ein völlig überzogenes Haftungsregime im Keime erstickt werden. Gleichwohl darf ein Vorstand kein übergroßes Risiko eingehen, z. B. die Existenz der Gesellschaft aufs Spiel setzen. Das Privileg der Business Judgment Rule kommt keinem Organmitglied zugute, das einem Hasardeur oder Vabanquespieler gleich unverantwortlich handelt, sondern nur dem, das in verantwortlicher unternehmerischer Akzeptanz von (kontrollierten) Risiken die Gesellschaft nach vorne bringen möchte. f) Aufsichtsrat. BGHZ 135, 244 (253) = ZIP 1997, 883 (885) betraf die Pflicht des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder. Es ist unstreitig, dass auch Mitgliedern des Aufsichtsrats das Privileg der Business Judgment Rule zugute kommt, was sich schon aus dem Verweis von § 116 AktG auf § 93 AktG ergibt (Lutter, ZIP 2007, 841 (846 f.); Grotheer, WM 2005, 2070 (2072)). Auch für den Aufsichtsrat gilt das oben Dargestellte. Die Innenhaftung beruht hier auf §§ 116, 93 II AktG (vgl. auch zur Durchsetzung der Innenhaftung mittels Verfolgungsrecht und Aktionärsklage gem. §§ 147, 148 AktG Grotheer, WM 2005, 2070 (2074); Lutter, ZIP 2007, 841 (848)), bei der Außenhaftung kommt regelmäßig nur § 826 BGB Betracht. Interessenkonflikte sind gerade bei Aufsichtsräten ein heikles Thema, vgl. nur die Presseveröffentlichungen im Zusammenhang mit VW und Porsche (Lutter, ZIP 2007, 841 (847)). Aktuell werden daher auch die Anforderungsstandards an die Kompetenz und das ethische Verhalten von Aufsichtsratsmitgliedern diskutiert, da nur die besten Persönlichkeiten dafür geeignet sein sollten, die Leitung eines Unternehmens durch den Vorstand zu überwachen (v.Werder/Wieczorek, DB 2007, 297 ff. (303)). Zwar kann der Vorstand für Corporate Governance Zwecke einen internen Compliance-Officer bestellen, dessen Kontrolltätigkeit darf sich allerdings nicht auf den Aufsichtsrat erstrecken (Hommelhoff/ Hopt/v.Werder-v.Werder/Grundei, S. 682). Es sind insoweit externe Berater (Anwälte und Wirtschaftsprüfer) hinzuzuziehen, um Kapazitäts- oder Expertiseengpässen abzuhelfen. Ein vom Vorstand bestellter Compliance-Officer kann nicht den Aufsichtsrat „überwachen“, das wäre mit den gesetzlich vorgesehenen Strukturen nicht vereinbar. Interessenkonflikte sollten Aufsichtsräte dazu bewegen, ihr (Abstimmungs-)Verhalten genau abzuwägen, um nicht einer Haftung gemäß §§ 166, 93 II AktG zu unterfallen. Der Aufsichtsrat soll den Vorstand überwachen, § 111 I AktG. Er darf deshalb für die Gesellschaft und ihr Wohl nicht selbst zum Risiko werden, weil er andere, damit nicht zu vereinbarende konfligierende Ziele verfolgt (vgl. dazu Semler/Stengel, NZG 2003, 1). g) Andere Rechtsformen. Die Business Judgment Rule gilt über §§ 283 Nr. 3, 93 AktG auch für die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA, über § 278 III AktG i. V. m. §§ 1 – 277 AktG auch für den Aufsichtsrat der KGaA. Ebenso für GmbH-Geschäftsführer, wobei diese an Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden sind, d. h. kein pflichtgemäßes Ermessen besteht. Da häufig die Geschäftsführer einer GmbH zugleich (Haupt-)Gesellschafter sind, ist das Thema Interessenkonflikte dort wesentlich virulenter, d. h. im Interessenwiderstreit entfällt das Privileg der Business Judgment Rule (Lutter, ZIP 2007, 841 (848)). Bei Genossenschaften ist § 34 GenG dem § 93 AktG nachgebildet, so dass hier nichts anderes gilt als bei einer AG. Ebenso sollte Vorständen bzw. Geschäftsführern von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die wie Sparkassen Wirtschaftsunternehmen sind, das Privileg der Business Judgment Rule zugute kommen. Bei Vereinen (§§ 21, 22 BGB) mit wirtschaftlicher Ausrichtung kann nichts anderes gelten.
Frisch
92
93
94
210
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
95
4. Aufgabe von Compliance. Die Aufgabe von Compliance besteht nicht darin, fehlerhafte oder auch nur vermeintlich fehlerhafte Entscheidungen des Vorstands oder der Geschäftsführung als solche zu verhindern. Es ist nicht Aufgabe der Compliance-Funktion, eine eigene Risikobeurteilung an Stelle der verantwortlich getroffenen Risikoakzeptanz durch die Leitungsorgane zu setzen, um „Geschäftsverhinderung“ zu betreiben. Die Tätigkeit von Compliance kann nicht darauf abzielen, den Handlungsspielraum des Vorstands einzuengen, was angesichts § 93 I 2 AktG ohnehin nicht möglich wäre.
96
Die Compliance-Funktion muss aber ggf. Reputations- oder andere Risiken im Rahmen des Eskalationsprozesses zum Vorstand bzw. der Geschäftsleitung eskalieren, um sie einer Akzeptanz oder Nichtakzeptanz durch die verantwortlichen Leitungsorgane zuzuführen. Die Aufgabe einer Compliance-Funktion besteht darin, verantwortliches unternehmerisches Handeln im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zu ermöglichen bzw. zu begleiten. Jedoch – eingedenk § 93 I 1 AktG und § 43 I GmbHG – kann die Geschäftsleitung ihre Steuerungs- und Organisationsverantwortung (vgl. nur BGHZ 126, 181 = ZIP 1994, 1103; BGHZ 133, 370 (375) = ZIP 1996, 2017; BGHZ 135, 244 (253 ff.) = NJW 1997, 1926; BGH, DB 2002, 473 = ZIP 2002, 213) gerade bei komplexen Unternehmensstrukturen nur dann wahrnehmen (Rodewald/Unger, BB 2006, 113 f.), wenn z. B. – die Art und Weise der Informationsbeschaffung pflichtgemäß erfolgt, d. h. auch unter Beachtung des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (ggf. auch der Absicherung von insiderrelevanten Informationen (§ 14 WpHG)); – die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (bzw. Investor Relations) nicht stiefmütterlich behandelt wird, sondern unter Einbindung der obersten Hierarchieebene der Unternehmensleitung erfolgt (Hauschka-Jahn, § 30 Rn 2); – die Informationsverwertung und Entscheidungsprozesse verantwortlich geregelt sind; – die Delegation von Aufgaben und Entscheidungen – und deren Kontrolle – in klaren und unmissverständlichen Regelwerken Niederschlag findet (in Gestalt von Organigrammen, Stellenbeschreibungen, Stellvertreterregelungen und Geschäftsordnungen); dies betrifft sowohl die Delegation auf Unternehmensinterne als auch auf Externe (Outsourcing); – Verantwortlichkeiten und deren Erfüllung klar beschrieben und voneinander abgegrenzt werden (in Form von Handlungsanweisungen, Handbüchern, Maßnahmekatalogen); – generell die Dokumentation und Archivierung aller getroffenen Maßnahmen hinreichend erfolgt, was sehr wichtig ist.
97
Compliance soll dem Vorstand helfen, seiner Pflicht nach § 76 I AktG durch eine rechtssichere Vorstands- und Unternehmensorganisation als Instrument der Risikominimierung nachkommen zu können (Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199). Das betrifft sowohl die Binnenorganisation des mehrköpfigen Vorstands als auch die Organisation des Gesamtunternehmens.
98
5. D&O Haftpflichtversicherung. Die aus dem US-Rechtskreis kommende sog. Directors & Officer (D&O)-Versicherung hat mit dem deutschen Versicherungsvertragsrecht und dem dort praktizierten Verständnis einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung wenig zu tun (Hauschka-Pant, § 12 Rn 1 ff. (16)). Daher bestehen rechtliche Unwägbarkeiten, die von dem verantwortlichen Compliance-Manager vor Abschluss einer D&OVersicherung, auf die die §§ 74 ff. VVG, §§ 149 ff. VVG und das BGB anwendbar sind, überprüft werden müssen. Sie deckt Haftpflichtschäden durch fahrlässige Pflichtverletzungen der Gesellschaftsorgane ab, wobei die Innenhaftung, d. h. die Inanspruch-
Frisch
§ 7 Compliance
211
nahme der Organe durch die sie anstellenden Gesellschaften, im Fokus steht (HauschkaPant, § 12 Rn 3). 6. Vertrauensschadenversicherung. Ergänzt wird im Rahmen der im ComplianceBereich vorzunehmenden Risikosteuerung die D&O-Versicherung durch die sog. Vertrauensschadenversicherung (Hauschka-Pant, § 12 Rn 17 f.). Letztere deckt Vermögensschäden der versicherten Gesellschaft ab, die durch deliktische, d. h. in der Regel vorsätzliche Taten ihrer Organe oder Mitarbeiter verursacht werden. Die Vertrauensschadenversicherung ist gerade für Banken geeignet, da sie die treuhänderische Verwaltung oftmals großer Geldbeträge vornehmen. Versichert ist das enttäuschte berechtigte Vertrauen des Versicherungsnehmers in seine besonderen Treuepflichten unterliegenden Organen und Mitarbeiter, die ihm durch deliktische Handlungen Schaden zufügen (Hauschka-Pant, § 12 Rn 17).
99
III. Anti-Korruptions-Compliance. 1. Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Das Thema Korruption beschäftigt die Deutschen. Während früher Korruption hauptsächlich mit dem ungesetzlich geführten Wettbewerb um staatliche Aufträge mittels Kick-Backbzw. Schmiergeldzahlungen – „Kölner Müllfall“ (BGHSt 50, 299 = NJW 2006, 925; Saliger, NJW 2006, 3377) – oder Zahlungen an (kommunale) Mandatsträger – „Wuppertaler Korruptionsskandal“ (BGH NJW 2006, 2050; Feinendegen, NJW 2006, 2014; Dahs/Müssig, NStZ 2006, 191) – gleichgesetzt wurde, rückt aktuell die Wirtschaftskorruption in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. So hat bereits der VW-Skandal die unzureichende Regelung in § 23 I BetrVG oder auch § 119 BetrVG offen gelegt. Ein Betriebsrat, der sich kaufen lässt, ist nicht unabhängig, sondern ein Fall für den Staatsanwalt (Fischer, BB 2007, 997 f. (1001)). Auch im Gesundheitswesen ist Korruption ein Thema (Badle, NJW 2008, 1028).
100
„Korruption war nie ein Kavaliersdelikt, wurde aber so behandelt. Bestechungsgelder und -geschenke galten in vielen Unternehmen als notwendige Eintrittskarte in den Kreis derer, die sich lukrative staatliche Aufträge oder andere Vorteile im Geschäftsverkehr erhoffen durften“, schrieb die FAZ Nr. 124 vom 31.5.2007, S. 13, des Weiteren: „Doch das Bewusstsein scheint sich zu wandeln. Politik und Wirtschaft ist der Fall Siemens mit all seinen Auswüchsen, die erst nach und nach ans Licht kommen, in die Knochen gefahren“. Zudem die FAZ Nr. 142 v. 20.6.2008, S. 18, „Bargeld im Kofferraum“: „Schon im Jahr 2000 geriet das auf … Namen lautende Konto bei der Raiffeisenbank in Innsbruck ins Visier von Schweizer Ermittlern. … Um die Angelegenheit … zu klären, wurde der Rechtsanwalt … von der Siemens-Compliance-Abteilung nach Tirol geschickt. Im Zug fuhr er mit … nach Innsbruck, wie er als Zeuge berichtete. Doch für dessen Kurierdienste „mit Bargeld im Kofferraum“ interessierte sich … nicht näher. „Unsere Aufgabe war lediglich, Rechtsrat zu erteilen.“ Der Vorsitzende Richter … schüttelte nicht nur bei dieser Schilderung den Kopf. Noch deutlichere Hinweise, „dass es stinkt“, hätte es nach Ansicht … gar nicht geben können.“
101
Ein neueres Beispiel ist der vom Landgericht Darmstadt am 14.5.2007 (Az. 712 Js 5213/ 04-9 KLs) entschiedene Einzelsachverhalt um Kraftwerksgeschäfte von Siemens in Italien. Das Gericht hatte (Süddeutsche Zeitung (SZ) v. 15.5.2007; Rönnau, JZ 2007, 1084 Fn 2) Bewährungsstrafen gegen zwei beteiligte Manager erlassen; gegen die Siemens AG Wertersatzverfall in Höhe von € 38 Mio. zur Gewinnabschöpfung angeordnet. Bei dem früheren Finanzvorstand der Kraftwerkssparte hätten es die Richter strafverschärfend gewertet, dass er in seinem Bereich für die Umsetzung der offiziellen Compliance-AntiKorruptionsregeln des Konzerns verantwortlich gewesen sei, die an Klarheit nicht zu wünschen übrig gelassen hätten. Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden. Das
102
Frisch
212
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Problem – wegen der „schwarzen Kassen“ und insgesamt ca. 450 Mio. € dubioser Zahlungen – ist aber größer als dieser Einzelfall, da Siemens in New York börsengelistet ist. Die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC interessiert sich für Siemens. Die SEC ist mit viel drastischeren Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet als deutsche Aufsichtsbehörden wie die BaFin. So zitierte die Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 25.5.2007 den Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der eine harte Reaktion der US-Börsenaufsicht SEC auf die weltweiten Korruptionsdelikte des Siemens-Konzerns erwartete: „Es wird eine beachtliche Strafe der SEC auf Siemens zukommen“. Unternehmen können nach dem FCPA (Foreign Corrupt Practices Act von 1977 (15 U.S.C. §§ 78dd-1, ff.)), der eine Folge des Watergate-Skandals ist, bei illegalen Geschäften Geldstrafen bis zu 2 Mio. USD, Managern und Beschäftigten Haftstrafen bis zu fünf Jahren und Geldstrafen bis zu 100.000 USD drohen. Alternativ könnten Geldstrafen bis zum Zweifachen des erwarteten Gewinns verhängt werden, den das Unternehmen aus der Bestechung zieht. Zudem kann die SEC Vorstandsmitglieder vor US-Gerichten anklagen und die Aktie des betroffenen Unternehmens sogar von der Börse nehmen. 103
Es ist schade (für einen rechtlichen Rahmen zur Selbstregulierung Scherer, RIW 2006, 363 (369)), wenn Unternehmen trotz teilweise vorhandener interner Anti-KorruptionsKodizes nicht in der Lage zu sein scheinen, diese Thematik in kluger Selbstregulierung lösen zu können. Ein Streben nach „Best Practice“ ist immer die vorzugswürdige Lösung, um weitere Bürokratie zu vermeiden (Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 (173)). Das Bundeskabinett hat unterdessen am 30.5.2007 eine Erweiterung des Korruptionsstrafrechts beschlossen: Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung (GesEStrafRÄndG; BR-Dr. 548/ 07 v. 10.8.2007) liegt vor, der die Aufnahme des „Geschäftsherrenmodells“ in den Tatbestand des § 299 StGB vorsieht (berechtigt kritisch Rönnau/Golombek, ZRP 2007, 193 (195)). Er ist aber eine Reaktion auf EU- bzw. internationale Anforderungen.
104
2. Korruptionsdelikte. Neben den klassischen Korruptionsdelikten wie z. B. – Straftaten im Amt (§§ 331 ff. StGB) – Wählerbestechung (§ 108b StGB) – Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB; BGH NJW 2006, 2050 (2054 f.)), aber weit gehender § 2 IntBestG zur Bestechung von Abgeordneten der Parlamente ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen rücken daher derzeit auch für den privat-wirtschaftlichen Bereich relevante Korruptionsstraftaten in das Blickfeld: – § 298 StGB (Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen), eingeführt durch Art. 1 Nr. 3 KorrBekG v. 13.8.1997 (BGBl. I, S. 2038), der als abstraktes Gefährdungsdelikt den „Submissionsbetrug“ besser als § 263 StGB erfassen soll; er erfasst alle Vergabearten nach VOB/A, VOL/A und VOF, des weiteren aber auch Ausschreibungen und freihändige Vergabe durch Private, soweit die privaten Vergabeverfahren gleich oder ähnlich ausgestaltet sind (Tröndle/Fischer, § 298 StGB Rn 6); – § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr), der die sog. Angestelltenbestechung umfasst; – § 300 StGB (Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr), ebenfalls durch Art. 1 Nr. 3 KorrBekG v. 13.8.1997 (BGBl. I, S. 2038) eingefügt.
105
Das Begehen von Korruptionsdelikten führt mitunter auch zur Verwirklichung anderer Delikte: – § 370 I AO (Steuerhinterziehung), wenn die Zuwendung von Vorteilen oder Aufwendungen dafür (mittels Scheinrechnungen oder Scheinverträgen getarnt) zur Gewinn-
Frisch
§ 7 Compliance
213
minderung (§ 4 V 1 Nr. 10 1 EstG) oder zum Steuerabzug dienen sollen, wobei die Berücksichtigung als Vorsteuer eine Umsatzsteuerhinterziehung darstellen kann (§ 14 III UStG a. F.; § 14c UStG; § 25d UStG; BGH, Urt. v. 27.9.2002 – 5 StR 97/02; BGH NJW 2006, 2050 (2056); zu Liechtenstein Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353); – § 261 StGB (Geldwäsche), da in dem Vortatenkatalog des § 261 I StGB §§ 332 I, III StGB (Bestechlichkeit) und § 334 StGB (Bestechung) i. V. m. § 1 IntBestG aufgeführt sind; – § 263 StGB (Betrug) und/oder 266 StGB (Untreue), wobei Kick-back-Zahlungen im Finanzmarktrecht seit langem vom BGH sanktioniert werden, ohne dass ein überhöhter Preis vorliegen müsste (BGH WM 1989, 1047 (1051): § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB im Falle der Verheimlichung; BGH NJW-RR 1990, 604 (605) = ZIP 1990, 365: § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB; BGH ZIP 2001, 230 (Vermögensverwalter „Ender & Partner“, der von der WestLB Provisionen erhielt), dazu Tilp, EWiR 2001, 255; BGH NJW 2001, 1065 (1067), heimliche Schmiergeldzahlung bei Abschluss eines Darlehensvertrags; Hauschka-Greeve, § 24 Rn 32); – § 267 StGB (Urkundenfälschung). Im Finanzmarktrecht verlangen gerade die Vorschriften zur Geschäftsbesorgung eigentlich schon immer, dass der Auftragnehmer alles im Rahmen des Auftrags Erlangte an den Auftraggeber, d. h. im Regelfall an den Kunden herauszugeben hat (vgl. BGH NJW-RR 1990, 604 (605) zu §§ 675, 667 BGB). Heimliche Schmiergeldzahlungen, Kick-backSysteme (zum Nachteil von Kredit gewährenden Banken BGH NZM 2005, 960; zu anderen Sachverhalten BGH NStZ 2004, 568; BGHSt 49, 317 = NJW 2005, 300 (306 ff.) – Panzer-Geschäft mit Saudi-Arabien („System Schreiber“)), Bestechungen oder „Provisionsvereinbarungen“ am Kunden vorbei werden von den Zivilsenaten des BGH, allen voran dem XI. Zivil- bzw. Bankrechtssenat als in hohem Maße anstößig, sittenwidrig und zumindest zu Schadensersatz führend bewertet mit der Folge, dass die Nichtigkeit sich auch auf den durch die Schmiergeldzahlung zu Stande gekommenen Hauptvertrag erstreckt (BGH NJW 2001, 1065 (1067)); NJW 2000, 511 = WM 2000, 21 (22); BGHZ 141, 357 (363 f.) = NJW 1999, 2266; BGH BKR 2007, 160 = WM 2007, 297 = ZIP 2007, 518). Es handelt sich dabei um einen massiven Interessenkonflikt, weshalb jetzt auch die MiFID einschränkend eingreift, die Anreize („Inducements“) zumindest grundsätzlich untersagt (Art. 19 I RL 2004/39/EG („MiFID“) v. 21.4.2004; Art. 26 DRL 2006/73/EG v. 10.8.2006). Neben der Überwachungsaufgabe, die insoweit Compliance (Art. 13 II MiFID; Art. 6 II DRL; § 31d I WpHG) zukommt, gibt es noch andere spezifische Fallgestaltungen im Finanzmarktbereich, die korruptionsanfällig sein könnten, z. B. wenn es um die Bestechung von Mitarbeitern von Aufsichtsbehörden geht oder üppige (Werbe-) Geschenke von Produktproduzenten oder Lieferanten, damit nur gezielt bestimmte Finanzdienstleistungen mit entsprechender Umsatz- und Ertragserwartung zu Lasten der Kunden empfohlen werden (Tröndle/Fischer, § 331 Rn 26). Natürlich kann auch umgekehrt einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufgrund § 823 II BGB i. V. m. § 266 StGB ein Schadensersatzanspruch gegen einen Mitarbeiter zustehen, der, z. B. für den Einkauf oder das Produktmanagement oder die Erstellung von Finanzanalysen nach § 34b WpHG verantwortlich, Schmiergelder vereinnahmt hat. Ohnehin hat auch ein Kreditinstitut als Geschäftsherr einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach §§ 687 II, 681 S. 2, 667 BGB (BGHSt 46, 310 = NJW 2001, 2102 = StV 2003, 389). Auch ein Notar, der im Rahmen eines „Kick-back-Systems“ notarielle Beurkundungen für weitgehend Mittellose zur Krediterlangung vornimmt, kann Ansprüchen der geschädigten Bank gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB unterfallen (BGH NZM 2005, 960).
Frisch
106
107
214
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
108
a) Verschärfung der Korruptionsbekämpfung. Der deutsche Gesetzgeber muss Vorgaben der EU und der Vereinten Nationen (Wolf, ZRP 2007, 44; ders. NJW 2006, 2735) umsetzen, dies gerade auch im Hinblick auf die internationale Dimension bzw. den Schutz eines fairen internationalen Wettbewerbs. Eine Ausdehnung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts (§ 5 StGB) erfordert Art. 17 I b des Europarat-Übereinkommens. Die Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung internationaler Amtsträger und Richter – über die EU hinaus – wird daher auch eine nationale Regelung erfordern. Zudem wird eine Erweiterung der Strafbarkeit der „Abgeordnetenbestechung“ nötig. Um den Kampf gegen Korruption in Unternehmen zu verschärfen, soll es für eine strafbare Vorteilsannahme und –gewährung durch Mitarbeiter zukünftig nicht mehr Voraussetzung sein, dass dadurch ein Wettbewerbsvorteil erlangt werden soll. § 299 StGB stellt zukünftig bei der Unrechtsvereinbarung nur noch auf eine Pflichtverletzung gegenüber dem Geschäftsherrn ab (vgl. FAZ Nr. 124 v. 31.5.2007, S. 13, „Bund will Korruption international bekämpfen; zur noch aktuellen Rechtslage zu § 299 StGB Tröndle/Fischer, § 299 Rn 15, die extrem subjektivierte „Bevorzugung im Wettbewerb“ ist dort noch erforderlich; S. 12 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. Mai 2007 (GesEStrafRÄndG); kritisch Rönnau/Golombek, ZRP 2007, 193). Des Weiteren soll die 1999 abgeschaffte Kronzeugenregelung wieder abgewandelt in das deutsche Strafrecht zurückkehren, was auch der Korruptions-bekämpfung zusätzlichen Auftrieb verleihen könnte (vgl. zur Einführung einer Kronzeugenregelung durch den Arbeitgeber und der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 1 BetrVG: Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703 (1708)).
109
b) § 299 StGB. § 299 StGB als Nachfolgevorschrift des § 12 UWG (BGH, Urt. v. 13.10.1994 – 1 StR 614/93, wistra 1995, 61; BGH, Urt. v. 18.5.1998 – 1 StR 198/98; BGH, Urt. v. 18.6.2003 – 5 StR 489/02, NStZ 2004, 41) enthält spiegelbildlich Vorschriften über die Strafbarkeit der Bestechlichkeit (I) und der Bestechung (II), wobei § 299 I StGB ein Sonderdelikt für Angestellte oder Beauftragte eines geschäftlichen Betriebs ist. § 299 II StGB kann hingegen von jedermann begangen werden.
110
Geschäftlicher Verkehr meint alle Kontakte, die sich auf den geschäftlichen Betrieb (= jede auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit im Wirtschaftsleben, die sich durch Austausch von Leistungen und Gegenleistungen vollzieht, wobei eine Gewinnerzielungsabsicht und Geldeinnahmen nicht erforderlich sind) beziehen (Tröndle/Fischer, § 299 StGB Rn 4 u. 12). Daher werden auch Freiberufler oder in z. B. karitativen Betrieben tätigen Angestellte erfasst, soweit der Betrieb eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Nicht umfasst hingegen wird die Tätigkeit öffentlicher Behörden oder rein privates wirtschaftliches Handeln.
111
Die Begriffe des Angestellten oder Beauftragen sind weit auszulegen, das Arbeitsrecht ist nicht entscheidend. Die Tätigkeit muss aber irgendeinen Einfluss auf die geschäftliche Betätigung des Betriebs nehmen können (Tröndle/Fischer, § 299 StGB Rn 10). Ein Angestellter muss nicht dauerhaft entgeltlich beschäftigt sein, er darf aber nicht lediglich eine untergeordnete Hilfskraft sein. Für den Beauftragten reicht ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB aus, er muss nur befugtermaßen für den Geschäftsbetrieb tätig werden können (d. h. auch Handelsvertreter, Vorstandsmitglieder einer AG, eines Vereins oder einer Genossenschaft, aber auch der Geschäftsführer einer GmbH, der Insolvenzverwalter (LG Madgeburg wistra 2002, 156 (157)), Testamentsvollstrecker und Unternehmensberater (OLG Karlsruhe BB 2000, 636)).
112
Ein Vorteil muss im Fall des § 299 I StGB gefordert oder angenommen, im Fall des § 299 II StGB angeboten oder gewährt werden. Vorteil ist hier alles, was die Lage des Empfängers irgendwie verbessert und worauf er keinen Anspruch hat (Tröndle/Fischer, § 299
Frisch
§ 7 Compliance
215
StGB Rn 7; BGH wistra 2001, 260 (261)). Erfasst werden materielle wie auch immaterielle Vorteile. Es muss also nicht die große Schmiergeldzahlung sein, es reicht auch eine Darlehensgewährung, Stundung oder Einladung zu Urlaubsreisen oder sogar nur zum Essen oder Trinken aus. Im Gegensatz zu § 12 UWG a. F. erfasst § 299 StGB ausdrücklich Drittzuwendungen. Begrenzt wird die Strafbarkeit in den Fällen der Sozialadäquanz, d. h. solche Leistungen, die der Höflichkeit oder Gefälligkeit entsprechen und gewohnheitsrechtlich anerkannt sind (z. B. geringwertige Aufmerksamkeit aus Anlass eines Jubiläums) sind ausgenommen (Tröndle/Fischer, § 331 StGB Rn 25 ff.), wobei hier unterschiedliche, nicht leichthin zu verstehende Maßstäbe gelten. Während die umfangreiche Bewirtung von Vorstandsmitgliedern öffentlicher Sparkassen durch Kredit suchende Kunden im Einzelfall unbedenklich sein soll (Tröndle/Fischer, § 331 StGB Rn 26), wird dem Polizisten das „Freibier“ nicht gegönnt. Gerade bei üppigen Werbegeschenken in der Privatwirtschaft fällt es schwer, noch einen nicht-korruptiven Umfang zu erkennen. Bei Amtsträgern – vgl. § 331 StGB – gilt z. B. schon ein Geschenk von mehr als 30 Euro ohne besonderen Anlass und auch bei höheren Dienstposten nicht als sozialadäquat (Tröndle/Fischer, § 331 StGB Rn 26). Die Gegenleistung/Unrechtsvereinbarung ist ebenfalls eine weitere Voraussetzung. Der Vorteil muss bei objektiver Betrachtung als Gegenleistung für eine zukünftige unlautere Bevorzugung geeignet sein. Erforderlich ist ein auf eine Unrechtsvereinbarung gerichteter Wille des Täters Tröndle/Fischer, § 299 StGB Rn 13; BGHSt 15, 249). Ähnlich wie bei der Sozialadäquanz kommt es darauf an, ob der „Vorteil“ nur einer allgemein anerkannten Verkehrssitte entspricht.
113
Unlautere Bevorzugung: Zumindest aktuell verlangt der Gesetzgeber noch, dass die intendierte Bevorzugung im Wettbewerb des Vorteilsgewährenden mit seinen Konkurrenten erfolgt Tröndle/Fischer, § 299 StGB Rn 15). Der Täter muss eine unlautere Bevorzugung gegenüber Mitbewerbern erstreben, sei es, dass er die Konkurrenz ausschalten möchte oder offengelegte Regeln des Wettbewerbs umgeht. Die sog. Üblichkeit von Schmiergeld- bzw. Kick-back-Zahlungen in bestimmten Branchen steht der Unlauterkeit nicht entgegen (Tröndle/Fischer, § 299 StGB Rn 16; BGHSt 10, 358 (367 f. zu § 12 UWG a. F.)).
114
§ 299 III StGB, eingeführt durch das Gesetz zur Ausführung der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor v. 22.12.1998 (ABl. EG Nr. L 358/2) vom 22.8.2002 (BGBl. I 2002, 3387), erweitert die Strafbarkeit auf den ausländischen Wettbewerb, wobei insoweit keine Rechtfertigung möglich ist, dass wirtschaftlicher Erfolge auf korruptiven Auslandsmärkten nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen möglich sind (Tröndle/Fischer, § 299, Rn 1 u. 23; Weidemann, RIW 2006, 370 ff. zum Risiko von deutschen Unternehmern, die im ausländischen Wettbewerb „nützliche Zuwendungen“ erbringen). Ein Problem für deutsche Strafverfolgungsbehörden liegt aber darin, dass eine „Zuwendung“ nur dann nach § 299 III StGB verfolgbar ist, wenn für Auslandstaten der Angestelltenbestechung deutsches Strafrecht gilt, also insbesondere die Tat am ausländischen Tatort mit Strafe bedroht ist, § 7 II StGB (Weidemann, RIW 2006, 370 Fn 5 m.w.N. zum Streitstand). Auch hier wird der Gesetzgeber nachbessern (GesEStrafRÄndG vom Mai 2007).
115
c) § 331 ff. StGB. Um nicht im Rahmen des Sponsoring mit § 331 ff. StGB in Konflikt zu geraten, empfiehlt es sich, vorher unternehmensintern die Sozialadäquanz zu prüfen. d. h. man fragt bei der Organisation, die eine Zuwendung erhalten soll, nach ihren Regeln und macht die Zuwendung hinreichend transparent. Für den öffentlichen Bereich mag zur Orientierung die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Förderung von Tätigkeiten des
116
Frisch
216
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Bundes durch Leistungen Privater v. 7.7.2003, Amtlicher Teil Bundesanzeiger Nr. 126 v. 11.7.2003, S. 14906, dienen, die die Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Leistungen Privater (Sponsoring, Spenden und sonstige Schenkungen) regelt. Diese Verwaltungsvorschrift gilt für die Zuwendung von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen durch Private (Sponsoren) an eine oder mehrere Dienststellen des Bundes (Gesponserte), mit der der Sponsor eine Tätigkeit der Verwaltung mit dem Ziel fördert, dadurch einen werblichen oder sonst öffentlichkeits-wirksamen Vorteil zu erreichen (Sponsoring). 117
3. Korruption im internationalen Rahmen. Das EU-Bestechungsgesetz, das am 22.9.1998 in Kraft trat, sowie das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung, das am 15.2.1999 in Kraft trat, sind weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Korruption (Hauschka-Greeve, § 24 Rn 20 ff.). Ungeachtet dessen warf die OECD deutschen Staatsanwälten noch am 27.12.2007 fehlenden Elan im Kampf gegen die Bestechung durch deutsche Firmen im Ausland vor (FTD v. 27.12.2007).
118
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (General Assembly Resolution No. A/RES/58/4), das am 14.3.2006 in Kraft trat, enthält neben Regelungen zur Korruptionsprävention und –pönalisierung im öffentlichen Sektor auch Regelungen zur Korruptionsbekämpfung im privaten Sektor, wobei hier Art. 12 UN-Konvention die zentrale Norm ist (Scherer, RIW 2006, 363 ff.), die an die Vertragsstaaten eine allgemeine Pflicht zur Korruptionsvorbeugung nebst Vornahme von Maßnahmen gegen spezifische Erscheinungsformen der Korruption enthält. Art 12 IV UN-Konvention enthält ein Verbot der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern. Art. 12 II b der UN-Konvention adressiert die Selbstregulierung des Privatsektors durch Verhaltenskodizes („Codes of Conduct“).
119
Neben der Global Compact Initiative des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan enthalten die ICC-Verhaltensrichtlinien zur Bekämpfung der Korruption im Geschäftsverkehr aus 1996 der Internationalen Handelskammer, die Empfehlungen des Bundesverbandes der Deutschen Industre („BDI“) zusammen mit dem BDA zur Corporate Social Responsibility, der Deutsche Corporate Governance Kodex und auch die „Geschäftsgrundsätze für die Bekämpfung von Korruption“ von Transparency International und Social Accountability International aus 2003 Empfehlungen und Grundsätze bzw. bewährte Praxisstandards für die Einführung eigener Anti-Korruptionssysteme von Unternehmen (Scherer, RIW 2006, 363 (367)).
120
4. Folgen von Korruption. a) Steuerliche Folgen. Der Empfänger von Bestechungsgeldern muss diese versteuern. Bei erhaltenen Bestechungsgeldern handelt es sich um erklärungspflichtige sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (BFH DStRE 2000, 1187; BFHE 191, 274; BGHR AO § 393 I Erklärungspflicht; BGHSt 50, 300 = NJW 2006, 925 „Kölner Müllskandal“). Die Kapitalerträge aus der Anlage der verschwiegenen Schmiergelder stellen erklärungspflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 I Nr. 7 EStG dar. Der Pflicht zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Steuererklärung steht der „nemo tenetur se ipsum accusare“-Grundsatz, d. h. dass sich niemand selbst anklagen müsste, nicht entgegen (BGHSt 50, 300 = NJW 2006, 925 = wistra 2006, 96). Dem Geber oder Zuwender von illegalen korruptiven Zuwendungen, die an inländische oder ausländische Amtsträger oder Angestellte und Beauftragte i. S. d. § 299 StGB geflossen sind, ist der Betriebsausgabenabzug versagt (vgl. den Erlass des Bundesministeriums der Finanzen v. 10.10.2002 über das Abzugsverbot für die Zuwendung von Vorteilen i. S. d. § 4 V S. 1 Nr. 10 EsTG (IV A6-S 2145-35-02; Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000/2002 v. 24.3.1999 (BGBl. I 1999, S. 402)). Wer trotzdem einen Abzug vornimmt, begeht eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Der Gesetzgeber hat eine gegenseitige
Frisch
§ 7 Compliance
217
Mitteilungspflicht zwischen den Justiz- und Verwaltungsbehörden und den Finanzbehörden statuiert. Bei Anhaltspunkten für Bestechungsdelikte sind die Finanzämter verpflichtet, die Benennung des auch ausländischen Empfängers zu verlangen, § 160 AO, des Weiteren müssen sie dies der Staatsanwaltschaft mitteilen. Schmiergeldzahlungen unterfallen der Umsatzsteuer nach § 14 III UStG a. F., nunmehr § 14c UStG (BGH NJW 2006, 2050 (2056); BFH, Beschl. v. 13.1.1997 – V B 102/96; FG Nürnberg EFG 1995, 502; FG Niedersachsen EFG 1997, 182; FG Hamburg EFG 1990, 542; FG München EFG 2003, 965). b) Betriebsprüfer. Auch der Betriebsprüfer muss nach § 4 S. 1 Nr. 10 S. 3 EStG den Steuerpflichtigen bei der Staatsanwaltschaft anzeigen, wenn begründete Anhaltspunkte für Korruptionssachverhalte bestehen (Spatscheck, AG 2007, 27).
121
c) Existenzgefährdung. In einem laufenden Strafverfahren kann ein Strafgericht eine Vermögensbeschlagnahme erlassen bzw. einen dinglichen Arrest nach § 111b StPO ausbringen, um das Vermögen „einzufrieren“, was ein existenzgefährdendes Vorgehen sein kann, wenn dadurch die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens tangiert wird (Spatscheck, AG 2007, 27 (28 f.)).
122
d) Bebußung des Unternehmens. Gegen das Unternehmen als juristische Person kann unmittelbar eine erhebliche Geldbuße verhängt werden, § 30 OWiG. Vorstandsmitglieder einer AG, die geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH oder OHG bzw. KG können nach §§ 130, 9 OWIG belangt werden, wobei der Verstoß gegen Aufsichts- und Kontrollpflichten nach § 130 OWiG auch zu einer Geldbuße für das Unternehmen führen kann (Hauschka-Greeve, § 24, Rn 34 ff.). Die Geldbuße beträgt nach § 30 II OWiG im Falle einer vorsätzlichen Straftat bis zu einer Million €, im Falle einer fahrlässigen Straftat bis zu fünfhunderttausend €. Die Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung schließt es aus, gegen sie wegen derselben Tat den Verfall nach den §§ 73 oder 73a StGB oder nach § 29a OWiG anzuordnen, § 30 V OWiG.
123
Wenn die Verwaltungsorgane von Kapitalgesellschaften ihre Verpflichtung zur Einrichtung ausreichender unternehmensnaher Kontrollsysteme zur Verhinderung der Korruption nach § 91 II AktG verletzt haben oder gar die Schmiergeldzahlungen veranlasst haben, sind sie der Gesellschaft im Innenregress zu Schadensersatz verpflichtet, § 93 II AktG, § 43 II GmbHG. Die sog. Business Judgment Rule kommt hier nicht zur Anwendung, da dem Vorstand hier kein unternehmerisches Ermessen eingeräumt ist. Gesetze hat der Vorstand einfach einzuhalten (Lutter, ZIP 2007, 841 ff.; Berg, AG 2007, 271 (274)).
124
e) Gewinnabschöpfung. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung v. 24.10.2006 (BGBl. I 2006, 2350) können seit dem 1.1.2007 finanzielle Gewinne aus Straftaten leichter endgültig entzogen werden, vgl. §§ 111b ff. StPO (Greeve, NJW 2007, 14). Die öffentlich-rechtliche Abschöpfung des illegal erlangten Vermögensvorteils wird durch die Vorschriften des Verfalls, §§ 73, 73a, 73d StGB sowie §§ 17 IV, 30 III, 29a OWiG, ermöglicht, wozu auch Spekulationsgewinne oder Gewinnchancen gehören (BGHSt 47, 260 = NJW 2002, 2257). Grundsätzlich gilt dabei das Bruttoprinzip. Nach dem Ziel des Gesetzgebers soll all das, was der Täter für die rechtswidrige Vermögensstraftat oder aus ihr erlangt hat, ohne Abzug von den Gewinn mindernden Kosten dem Verfall bzw. dem Verfall von Wertersatz und somit auch der Rückgewinnung unterliegen und damit abgeschöpft werden können (Rademacher, AO-StB 11/2006, 296; BGH, Urt. v. 5.4.2000 – 2 StR 500/99; Urt. v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, NJW 2002, 3339; Beschl. v. 7.11.2002 – 4 StR 246/02; Urt. v. 27.3.2003 – 5 StR 434/02; Urt. v. 3.7.2003 – 1 StR 453/02; Urt. v. 10.9.2003 – 1 StR 147/03). Die
125
Frisch
218
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Begründung des Gesetzgebers resultiert im Wesentlichen aus den im Zivilrecht entwickelten Überlegungen zu den §§ 812, 817 und 819 BGB, nach dem das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren ist (BGH, Urt. v. 22.11.2000 – 1 StR 479/00; v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369 = NJW 2002, 3339 = NStZ 2003, 37; BVerfG NJW 2004, 2073). 126
f) Berufsverbot. Ein Berufsverbot nach §§ 61 Nr. 6, 70 StGB kommt als weitere Sanktion grundsätzlich auch für einen Anlageberater oder Kreditvermittler in Betracht (Tröndle/ Fischer, § 70 StGB Rn 3).
127
g) Öffentliche Brandmarkung/Reputationsschaden. Neben einem massiven Imageschaden droht den Unternehmen, die auf eine „Schwarze Liste“ kommen oder in ein Korruptionsregister eingetragen werden, auch ein empfindlicher Umsatz- und Ertragseinbruch, von der Eintragung im Gewerbezentralregister (§§ 149 ff. GewO) einmal ganz abgesehen (Hauschka-Greeve, § 24 Rn 44 ff.). Damit können massiv öffentliche, aber auch private Aufträge verloren gehen, wenn ein öffentliches oder auch konzernintern geregeltes Vergabeverbot besteht (Abschnitt 4 III der Konzernrichtlinie der Deutsche Bahn AG). Recht bekannt ist auch das „World Bank Listing of Ineligible Firms“, das dazu führt, dass eine Firma, die in Betrugs- oder Korruptionssachverhalte verwickelt ist, auf keine Finanzierung mehr hoffen kann, wenn sie gegen die Procurement Guidelines oder die Consultants Guidelines, §§ 1.14 und 1.22, verstoßen hat. Falls der Kapitalmarkt auf Korruptionsstraftaten indigniert reagieren sollte, kann es auch zu Kursverlusten an der Börse kommen. Der Reputationsschaden kann sehr beträchtlich sein (Brooks, BB 2007, Heft 4 (Editorial) I).
128
5. § 25a I KWG, § 91 II AktG. Zumindest bei (Kredit-)Instituten sind weitere Sanktionen zumeist dem KWG zuzuordnen. Die Verletzung der in § 25a I KWG, § 91 II AktG normierte Verpflichtung, auch zur Früherkennung von Korruption ein funktionsfähiges Risikomanagement einzurichten, ist jedoch spezialgesetzlich nicht unter Strafe oder Bußgeldandrohung gestellt. Weder das KWG noch das AktG oder – im Hinblick auf die Pflichten der Buchführung und Abschlussprüfung, § 317 IV HGB – das HGB enthalten entsprechende Sanktionsvorschriften (Preussner/Pananis, BKR 2004, 347 (350)). Allerdings kommt unter Umständen eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht (bejahend für den Bereich der Kreditvergabe Preussner/Pananis, BKR 2004, 347 (356)). Die Aufsichtsbehörden können ohnehin auch so reagieren und z. B. die Abberufung eines Geschäftsleiters verlangen, § 36 II KWG.
129
6. Korruptionsprävention durch Compliance. Nach § 91 II AktG (i. V. m. § 317 IV HGB), der durch Art. 1 Nr. 9 c) des KonTraG per 1.5.1998 (BGBl. 1998 I, 786 (787)) angefügt wurde, wird für den Vorstand einer AG bzw. auch § 25a I KWG für Kreditinstitute die Pflicht begründet, geeignete Maßnahmen zur Früherkennung von existenzbedrohenden Faktoren innerhalb der Gesellschaft bzw. des Instituts zu treffen. Ohnehin hat nach § 130 OWiG die Unternehmensleitung zu verhindern, dass aus dem Unternehmen heraus Straftaten begangen werden.
130
Zwar wird eine einzelne Korruptionsstraftat nicht sogleich zu einer Bestandsgefahr für ein Institut führen, im Hinblick auf in den USA börsengelistete Unternehmen, denen durch die SEC bei korrupten Geschäftspraktiken schnell Strafzahlungen in erheblicher Millionenhöhe drohen können (Berg, AG 2007, 271 (273); FCPA – Foreign Corrupt Foreign Corrupt Practices Act von 1977 (15 U.S.C. §§ 78dd-1, ff.); ergänzt durch den International Anti-Bribery Act of 1998) ist aber höchste Vorsicht geboten. Zum einen müssen die Unternehmen Unterlagen zur korrekten Dokumentation erstellen, des Weiteren muss jedes börsennotierte Unternehmen über ein adäquates internes Finanzsystem verfügen. Die
Frisch
§ 7 Compliance
219
Früherkennung von Korruption wird damit zur Aufgabe. Auch für andere, mittelständisch geprägte Unternehmen sind konkrete Präventionsmaßnahmen geboten (vgl. die ausführlichen Darstellungen von Hauschka-Greeve, § 24 Rn 62 (68 ff.), inklusive der Aufgaben von Internen Kontrollsystemen (IKS); Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 ff.; Berg, AG 2007, 271 (275 ff.)). Vereinfacht dargestellt scheinen folgende Dinge wichtig zu sein: – Zunächst muss sich die Unternehmensleitung gegenüber allen Mitarbeitern offen und unmissverständlich dazu erklären („Commitment“), dass sie Korruption als illegales und in hohem Maße anstößiges Mittel zur Verfolgung der Unternehmensziele gänzlich missbilligt und entsprechendes Fehlverhalten stringent sanktioniert; die Einführung eines Verhaltens- („Code of Conduct“) oder Ethikodex („Code of Ethics“), der auch später noch jederzeit auf der Intranetseite des Unternehmens eingesehen werden kann und fortlaufend aktualisiert wird, ist sinnvoll; – Wichtig ist aber auch eine von der Rechtsabteilung oder externen Anwälten vorzunehmende Überprüfung der Vertragswerke (z. B. auf dubiose Beraterverträge), mit denen das Unternehmen arbeitet (Schlüter/Nell, NJOZ 2008, 223). Die Einbeziehung von Regelungen zu Kündigungsrechten oder Vertragsstrafen gegenüber Lieferanten oder Vertragspartnern ist sinnvoll, wobei schon ein dringender Tatverdacht nach § 112 StPO ausreichen sollte. Intern muss ebenfalls eine klare Richtlinie bzw. Anweisung für Mitarbeiter geschaffen werden, dass Vertragspartner, die schon strafrechtlich auffällig geworden sind, von der Auftragsvergabe ausgeschlossen sind. Hiermit schon lässt sich zum Schutz des Unternehmens einiges tun. – Die regelmäßige Vornahme einer Risiko- bzw. Gefährdungsanalyse ist erforderlich, d. h. das Unternehmen muss die korruptionsgefährdeten Geschäfts- oder Arbeitsbereiche feststellen und diese regelmäßig hinsichtlich des potenziellen Gefährdungsgrads (z. B. gering, mittel und hoch) analysieren; – Der festgestellte Gefährdungsgrad sollte dann dazu verwendet werden, um zu analysieren, woraus der Gefährdungsgrad eigentlich resultiert und wie der Gefährdungsgrad dauerhaft reduziert werden kann, z. B. dadurch, dass festgestellte organisatorische Mängel oder Lücken („Gaps“), die im Rahmen eines Soll-/Ist-Vergleichs ermittelt werden, mit betriebswirtschaftlich angemessenem Kostenaufwand („Action-Plan“) geschlossen werden; – Zur Implementierung der zur organisatorischen Mängel-/Lückenbehebung geeigneten Maßnahmen stehen bekanntermaßen insbesondere folgende zur Verfügung: – Einführung des Mehr-Augen-Prinzips/Aufgabensplitting – Zentralisierung bzw. Herausnahme von gefährdungsrelevanten Aufgaben aus den jeweiligen Geschäftsbereichen im Sinne einer neutralen Kontrolle – zentrale Genehmigungsverfarehn bei der Annahme von Geschenken und Spenden – Trennungs-/Äquivalenzprinzip – Transparenz-/Genehmigungsprinzip bei Entscheidungsabläufen und auch computergestützte Entscheidungsprozesse – Dokumentationsprinzip – Rotationsprinzip (Personalrotation) – Ansprechpartner für Korruptionsfragen (Ombudsmann/externer Anwalt) – Organisatorische Vorkehrungen – Schulung – Institutionalisierte Überwachung bzw. wirksame Kontrolldichte – Verbot von Überweisungen auf Nummernkonten oder Off-Shore-Plätzen (z. B. Cayman- oder Virgin-Islands)
Frisch
131
220
–
–
–
–
–
–
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
– Verbot von Barzahlungen sowie solche ohne Rechnung oder Nennung des Empfängers. Ebenso auf Treuhandkonten, weil dahinter „schwarze Kassen“ stecken können Konsequentes Monitoring bzw. Controlling der Einhaltung der organisatorischen Abläufe und Anweisungen durch einen Compliance Audit, sei es durch interne Einheiten (z. B. Interne Revision oder Compliance) oder externe Dritte (z. B. Anwälte oder Wirtschaftsprüfer) zur Erreichung einer wirksamen Kontrolldichte sind unerlässlich; Im Rahmen des Monitoring bzw. der Überwachung festgestellte Verstöße oder Mängel müssen unverzüglich zur System- bzw. Ablaufoptimierung führen oder zu angemessenen Sanktionen bei Mitarbeitern, wenn eine Umgehung vorliegt; Ein Fehlverhalten muss – verhältnismäßig – sanktioniert werden, durch disziplinarische Maßnahmen bzw. arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnung, Gehaltskürzung, Versetzung, Suspendierung oder Entlassung, dies auch bei Managern (Jahn, FAZ v. 21.3.2007, Nr. 68, S. 23, „Der Rauswurf eines Managers macht sich bezahlt“); auch die Erstattung von Strafanzeigen kommt in Betracht (Scherer, RIW 2006, 363 (369)); Grundsätzlich empfiehlt sich ohnehin schon die Aufnahme eines entsprechenden Passus in Anstellungsverträgen (Berg, AG 2007, 271 (277)), was die Annahme von Geschenken angeht; Im Falle eines Fehlverhaltens muss aber auch die unverzügliche Eskalation an die Unternehmensleitung eine intern geregelte Pflicht sein, d. h. das Berichtswesen und die entsprechende Dokumentation müssen ebenfalls sichergestellt sein; Generell ist eine effiziente Informationsorganisation (Strunk, Compliance Report, 2006, S. 11 f. (12); BGH ZIP 2006, 138 = NZI 2006, 175; WM 2004, 720 (722); WM 1989, 1364 (1367)) auch bei Banken dringendst erforderlich, um Fehler zu vermeiden, weil Entscheidungsträger die richtigen Informationen benötigen; des Weiteren führt eine gute Informationsorganisation zu größeren Entlastungsmöglichkeiten, wenn es um die Wissenszurechnung gemäß § 166 I BGB geht; Schulungen aller Mitarbeiter, aber auch Einzelgespräche mit auffällig gewordenen Mitarbeitern, müssen ständig dazu beitragen, dass nachhaltig eine Anti-KorruptionsMentalität als wesentlicher Bestandteil der „Corporate Culture“ verankert; dabei muss auch die Unternehmensleitung diese Schulungen als ernst gemeinte Aufforderung zur Verhaltungsänderung unterstützen und darf sie nicht als Ratgeber für Verschleierungstaktiken erscheinen lassen.
132
Damit kann sich jedes Unternehmen ein wirkungsvolles Corporate-Compliance-Programm zur Korruptionsbekämpfung und Durchführung unternehmensinterner Ermittlungsverfahren im Falle eines Korruptionsverdachts erarbeiten (Scherer, RIW 2006, 363 (368 f.)) Einen lückenlosen Schutz gegen Korruption wird es dennoch kaum geben können, auch betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte sind angemessen zu berücksichtigen (Berg, AG 2007, 271 (277)).
133
Es reicht nicht aus, wenn in Unternehmen zwar Anti-Korruptions-Kodizes bestehen, aber die Einhaltung derselben nicht ständig überwacht wird. Die Errichtung einer Compliance-Stelle und das Erstellen von „Codes of Conduct“ als Placebo-Effekt sind nicht nur teuer und ineffektiv, sie könnten sogar als eine von der Unternehmensleitung zumindest fahrlässig mitverursachte oder gar strafrechtlich relevant bewusst in Kauf genommene Billigung von Lücken bei der Prävention von Korruption im Unternehmen angesehen werden, wenn es nur darum geht, Umsatz zu generieren (Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 (167 Fn 24)). §§ 26, 27 StGB kommen dann in Betracht. Wenn der Vorstand oder Geschäftsführung gar nach der Regel „Crime does pay“ (zu „Crime did pay“ Fleischer, ZIP 2005, 141 (147)) verfährt, könnte sogar eine (mittelbare) Täterschaft in Betracht kommen.
Frisch
§ 7 Compliance
221
Aber auch Führungskräfte niedrigerer Ebenen können aus falsch verstandener Loyalität und Pflichtbewusstsein, aber auch um Karriere zu machen, zu kriminellen Handlungen neigen (vgl. FAZ v. 20.6.2008, Nr. 142, S. 18, „Bargeld im Kofferraum“).
H. Compliance als supra-juristisches Thema
134
Compliance-Management wird dabei verstärkt nicht nur als Prozess zur Sicherstellung von Rechtskonformität verstanden. Es geht nicht mehr allein um die Überprüfung und Dokumentation, ob der unternehmensinterne Ist- dem durch rechtliche Normen vorgegebenen Soll-Zustand entspricht. So verstandenes Compliance-Management fokussiert sich nicht nur allein auf das regulatorische bzw. rechtliche Umfeld, sondern nimmt auch – gegebenenfalls in Form freiwilliger Selbstverpflichtung – darüber hinaus die Einhaltung non-legislativer, gesellschaftspolitischer und soziokultureller Standards in den Blick. Compliance wird sodann als supra-juristisches Thema verstanden (so Klindt, NJW 2006, 3399). Compliance-Management kann zudem als Möglichkeit der Steuerung oder gar Chance für eine Neuausrichtung eines Unternehmens im Hinblick auf eine werteorientierte Unternehmensführung, Corporate Governance, Codes of Conduct, Reputation oder Reputational Risk Management sowie Corporate Social Responsibility betrachtet werden (Klindt, NJW 2006, 3399 (3400)). Dies auch getreu der Einsicht, dass für ein Unternehmen eine Handlungsweise, die unter rechtlichen Gesichtspunkten zulässig sein mag, unter Compliance-Aspekten nicht unbedingt empfehlenswert sein muss, z. B. aus Gründen der Vermeidung von Reputationsrisiken. Gleichwohl müssen auch ComplianceProzesse effizient gestaltet werden, um dem Vorwurf der Strukturlosigkeit, überflüssiger Zuständigkeitsüberschneidungen oder gar Verschwendung von Unternehmensressourcen durch den Aufbau nicht notwendiger Parallel-Welten zu entgehen. Compliance-Prozesse werden insbesondere dann Bestand haben, wenn sie sich als ein Mittel effizienter Selbstregulierung etablieren können.
I. Rechtspflicht zur Errichtung einer Compliance-Organisation?
135
Ungeachtet dessen ist eine allgemeine Rechtspflicht zur Errichtung einer ComplianceOrganisation für alle Unternehmen (so Schneider, ZIP 2003, 645 (648)) inklusive NichtWertpapierdienstleistungsunternehmen nicht zu erkennen, es gibt nur unstreitig eine Rechtspflicht für alle Unternehmen, sich bei ihrer Tätigkeit an die Gesetze zu halten (zutreffend Hauschka, ZIP 2004, 877 (882)). Spezialgesetzliche Bestimmungen wie z. B. § 130 OWiG, § 52a II BImSchG, § 53 KrW/AbfG, § 25a I KWG oder § 14 GwG oder gar eine Analogie zu § 33 I WpHG a. F. reichen als Grundlage für die Herleitung einer alle Unternehmen betreffenden Verpflichtung zur Errichtung einer Compliance-Organisation nicht aus (Hauschka, ZIP 2004, 877 (878)). Aus § 93 I 1 AktG wurde bislang nur für den Fall der Insidereigenschaft einer Gesellschaft im Rahmen des Gebots der Sorge für ein rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft nach außen eine Rechtspflicht zur Ergreifung von Compliance-Maßnahmen abgeleitet, nicht aber aus § 91 II AktG (Lösler, S. 146 u. 153). Man sollte es den Leitungsorganen insbesondere von kleineren oder mittleren Unternehmen überlassen, wie sie organisatorisch die Rechtstreue sicherstellen, d. h. ComplianceStrukturen einführen bzw. umsetzen. Das ungeachtet dessen, dass sich Compliance-Funktionen gerade in großen dezentral organisierten Unternehmen bewährt haben. Natürlich gibt die zunehmende Haftungsdichte bei Organen von Kapitalgesellschaften ausreichend Anlass, sich Gewissheit über die Compliance-Festigkeit der Unternehmensorganisation – ggf. durch Implementierung dauerhafter Compliance-Systeme – zu verschaffen (Rodewald/Unger, BB 2006, 113 (117)). Es kann aber nur um verhältnismäßige, den unterneh-
Frisch
136
222
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
mensspezifischen Risiken angemessene und effiziente Strukturen gehen, wie es § 33 I 3 WpHG (sog. Flexibilisierungsklausel) für Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorsieht. Dann wird Compliance von der Kritik unberührt bleiben, es handele sich bei ihr nur um eine überflüssige Bürokratie-Hydra, bei der lediglich alter Wein in neue Schläuche gegossen werde (Klindt, NJW 2006, 3399 (3400)). 137
J. Schutzrichtung von Compliance bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen Zu der Frage, welchem Schutz Compliance dient, dem Unternehmensschutz oder eher dem Kapitalmarkt- oder gar dem Anlegerschutz (Lösler, NZG 2005, 104 (108)), wurde bislang, soweit ersichtlich, vor Einführung der MiFID überwiegend die Meinung vertreten, dass Compliance dem Schutz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens dient, so dass Anlegerschutz oder auch Kapitalmarktschutz lediglich ein Reflex des Unternehmensschutzes darstellen (Lösler, NZG 2005, 104 (108); Hauschka-Gebauer, § 31 Rn 4 m.w.N.).
138
139
140
I. § 33 WpHG a. F. Zu § 33 WpHG a. F. hatte der BGH schon am 8.5.2001 (BGHZ 147, 343 = ZIP 2001, 1580 = WM 2001, 1758 (1761)) zutreffend auf Basis der damaligen Gesetzeslage entschieden, dass § 33 WpHG keine anlegerschützende Funktion hat, d. h. nicht als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB anzusehen ist (Schwark-Schwark, § 33 Rn 4 m.w.N.; Balzer, ZBB 2000, 258 (260)). Auf die Verletzung von lediglich allgemeinen, d. h. abstrakt-generellen Organisationspflichten nach § 33 WpHG a. F. konnte kein Anleger einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen stützen, zumal es sich bei den Organisationspflichten nur um Hilfspflichten handelte, die der unternehmensinternen Durchsetzung von Verhaltenspflichten der §§ 31 f. WpHG a. F. dienten (SchwarkSchwark, § 33 Rn 4 m.w.N.; Sethe, S. 762 f.; Kumpan/Hellgardt, WM 2006, 1714 (1716)). Auch wenn die Einhaltung der Organisationspflichten nach § 33 WpHG a. F. nicht einmal straf- oder gemäß §§ 38, 39 WpHG bußgeldbewehrt war (Schwark-Schwark, § 33 Rn 3), waren Kunden deshalb nicht schutzlos. Auch konnte die BaFin bei Verstößen zu Sanktionen greifen, z. B. im Extremfall den Geschäftsleiter nach § 36 II KWG abberufen (BVerwG, Beschl. v. 6.11.2006 – 6 B 82. 06) oder aber im Falle eines Missstands von § 4 I WpHG zu dessen Beseitigung oder Verhinderung nach § 4 I 3 WpHG geeignete und erforderliche Anordnungen treffen. Bei der Verletzung von WpHG-Verhaltenspflichten konnten Anleger, was ihnen im Regelfall ohnehin mehr Satisfaktion verschaffte als aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin, zivilrechtlich Schadensersatz verlangen, da die §§ 31, 32 WpHG a. F. anders als § 33 WpHG a. F. zumindest von der h. M. im Schrifttum als Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB angesehen wurden (a.A. BGH NJW 2008, 1734 (1735)). Des Weiteren konnte auch eine Klage auf Basis von § 826 BGB dem Vermögensschutz der Kunden dienen (Schwark-Schwark, § 33 Rn 4; vor § 31 Rn 9; BGH NJW 2008, 1734 (1736)). Der nach h. M. öffentlich-rechtliche Charakter der Normen (Schwark-Schwark, vor § 31 Rn 9; a. A. N. Lang, ZBB 2004, 289 (294), der §§ 31 und 37d WpHG a. F. als „Doppelnormen“ ansieht, die weder allein dem öffentlichen Recht noch ausschließlich dem Privatrecht zuzuordnen sind) stand dem nicht entgegen. Dies vor dem Hintergrund, dass Art. 11 der aufgehobenen EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG vom 10.5.1993 (Investment Services Directive („ISD“); ABl. 1993 L 141/27 = WM 1993, 1432) den Anlegerschutz bezweckte und der deutsche Gesetzgeber durch die zur Umsetzung dienenden §§ 31, 32 WpHG a. F. dasselbe Ziel verfolgte.
Frisch
§ 7 Compliance
223
II. MiFID und § 33 WpHG n. F. Die MiFID bezweckt als eines von zwei Zielen den Anlegerschutz auf hohem Niveau. Aus Erwägungsgrund 44 geht das zweifache Ziel der MiFID, „die Anleger zu schützen und gleichzeitig ein reibungsloses Funktionieren der Wertpapiermärkte zu gewährleisten“, hervor. Erwägungsgrund 2 der MiFID (von Fleischer, BKR 2006, 389 (391, Fn 32) unvollständig zitiert) betont ausdrücklich, dass es das EU-Parlament und der EU-Rat für „erforderlich“ hielten, „eine Harmonisierung in dem Umfang vorzunehmen, der notwendig ist, um Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten“. Die Harmonisierung dient neben der Gewährleistung der Marktintegrität also der Realisierung eines hohen Schutzniveaus für Anleger, was eine klare Aussage über die Qualität des Anlegerschutzes darstellt, den die MiFID bezweckt.
141
Das Ziel des Anleger- und Kundenschutzes findet des Weiteren z. B. auch in folgenden MiFID-Erwägungsgründen ausdrückliche Erwährung:
142
– 17 („Aus Gründen des Anlegerschutzes …“) – 26 („Um die Eigentumsrechte des Anlegers zu schützen …“) – 29 („Das immer größere Spektrum von Tätigkeiten, die viele Wertpapierfirmen gleichzeitig ausführen, hat das Potenzial für Interessenkonflikte zwischen diesen verschiedenen Tätigkeiten und den Interessen der Kunden erhöht. Daher ist es erforderlich, Bestimmungen vorzusehen, die sicherstellen, dass solche Konflikte die Interessen der Kunden nicht beeinträchtigen.“) – 31 („Ein Ziel dieser Richtlinie ist der Anlegerschutz. Die Vorkehrungen zum Schutz der Anleger sollen den Eigenheiten jeder Anlegerkategorie (Kleinanleger, professionelle Kunden, Gegenparteien) angepasst sein.“) – 41 („Anleger, die diesen Schutz am dringendsten benötigen …“) – 61 („Zum Schutz der Kunden …“) – 71 („Das Ziel der Schaffung eines integrierten Finanzmarkts, in dem die Anleger wirksam geschützt … sind …“) Art. 13 III MiFID, quasi in Ausführung des Erwägungsgrunds 29, fordert die Einrichtung auf Dauer wirksamer organisatorischer und verwaltungsmäßiger Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen, um zu verhindern, dass Interessenkonflikte i. S. d. Art. 18 MiFID den Kundeninteressen schaden. Der Schutz des Anlegers wird also durchaus auch von Art. 13 III MiFID angesprochen, was die Frage aufwirft, ob nicht daher zuletzt auch § 33 I 2 Nr. 3 WpHG Schutzgesetzcharakter zugebilligt werden muss. Dagegen spricht, dass, wenn auch die organisatorischen Anforderungen in Art. 13 III und Art. 18 I MiFID durch die Erwägungsgründe 24-27 und Art. 21, 22 der DRL näher konkretisiert werden, es sich bei Art. 13 III und Art. 18 I MiFID um sehr allgemein gehaltene (Spindler/ Kasten, AG 2006, 785 (790)), abstrakt-generelle Organisationspflichten statuierende Normen handelt. Sie bezwecken nicht konkret den individuellen Kundenschutz und billigen dem Anleger auch keinen Anspruch auf eine bestimmte Organisation zu (so zu § 33 WpHG a. F. Sethe, S. 763). Das sollte letztlich trotz der größeren Stringenz des Art. 13 III MiFID den Ausschlag dafür geben, § 33 I 2 Nr. 3 WpHG nicht als individualschützende Norm für die Ausführung von Wertpapiergeschäften anzusehen (so Kumpan/ Hellgardt, WM 2006, 1714 (1716); unklar Fleischer, BKR 2006, 394 (395 unter 4.)). Aus zivilrechtlicher Sicht sollte es dabei bleiben, dass § 33 I Nr. 3 WpHG kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB ist (Kumpan/Hellgardt, WM 2006, 1714 (1716); Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (791); Assmann, ÖBA 1/07, 40 (46)).
143
§ 31 I Nr. 2 WpHG (BT-Drucks. 16/4028 v. 12.01.2007, S. 12 u. 63) hingegen, der es in Umsetzung der Transparenzverpflichtung des Art. 18 II MiFID dem Wertpapierdienstleister neben der schon nach dem bisherigen Recht bestehenden Verhaltenspflicht zur Ver-
144
Frisch
224
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
meidung von Interessenkonflikten auferlegt, dem Kunden auch die allgemeine Art und Herkunft eines Interessenkonflikts offen zu legen, sofern die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen nach § 33 I Nr. 3 WpHG nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen die Gefahr einer Beeinträchtigung der Kundeninteressen abzuwehren, dürfte potenziell analog der bisherigen Rechtslage als Schutzgesetz i. S. v. § 823 II BGB zu einer Haftung führen (Kumpan/Hellgardt, WM 2006, 1714 (1716); kritisch Assmann, ÖBA 1/ 07, 40 (46, Fn 46)), der zutreffend nicht sämtlichen in Art. 18 MiFID enthaltenen Regelungen Schutzgesetzcharakter zubilligt). Da die übermäßige Offenlegung von Interessenkonflikten ohne angemessene Überlegung, wie Interessenkonflikte am besten geregelt werden können, was einem Unternehmen auch interne Grundsätze zur Behandlung von Interessenkonflikten („Conflicts of interest Policy“), vgl. § 13 II WpDVerOV, Art. 22 II DRL, abverlangt, unzulässig ist (vgl. Erwägungsgrund 27 der DRL), wird jede Wertpapierfirma gut daran tun, die organisatorischen Anforderungen genau zu erfüllen und die Kunden vor Eingehung einer Geschäftsbeziehung von vornherein über quasi ungelöst gebliebene Interessenkonflikte durch Offenlegung unmissverständlich zu informieren. 145
146
147
Im Rahmen von § 31 I Nr. 2 WpHG a. F. hat der BGH die Banken zur Offenlegung des Erhalts und der Höhe von „Kick-backs“, synonym auch als Retrozessionen oder Rückvergütungen (Assmann, ÖBA 1/07, 40 (53)) bezeichnet, verpflichtet. Der BGH hat sich zum ganz grundsätzlichen Interessenkonflikt, wonach das Umsatzinteresse der Bank dem Kundeninteresse zuwiderlaufen kann, geäußert (BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BKR 2007, 160 = WM 2007, 297 = ZIP 2007, 518 (m. Anm. Volker Lang/Peter Balzer), dazu Hanten/Hartig, EWiR 2007, 217; kritisch Schäfer/Schäfer, BKR 2007, 163; Börsen-Zeitung Nr. 45 v. 6.3.2007, S. 3, „Banken kritisieren Urteil zur Gebührentransparenz“; Weck, AG-Report 8/2007, R166; Elixmann, BB 2007, 904). Nicht in Matthäus Kapital 6, Vers 12 (so Assmann, ÖBA 1/07, 40), sondern in Vers 24 findet sich der Hinweis, dass niemand zwei Herren dienen kann, d. h. nicht Gott und dem Mammon zugleich. Damit wird nicht der Besitz verurteilt, sondern Gier und Geiz werden als Verursacher eines von Interessenkonflikten nicht freien Lebens entlarvt. Zur Vermögensverwaltung hatte der BGH schon sechs Jahre zuvor am 19.12.2000 so entschieden (XI ZR 349/99, Kick-Back-Vereinbarung zwischen WestLB u. Ender & Partner, BGHZ 146, 235 (239) = ZIP 2001, 230; Tilp, EWiR 2001, 255; OLG Köln, Urt. v. 20.2.2002 – 13 U 28/01, 140/00, Balzer, EWiR 2002, 893; Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 22.3.2006 – 4C.432/2005). Manche Vermögensverwalter hatten daher nach In-Kraft-Treten des WpHG aus Furcht, der Kunde zweifle ihre Neutralität an, auf KickBack-Vereinbarungen verzichtet (vgl. Sethe, S. 896 f. (897), der ein Verbot der Rückvergütungen fordert). § 31d I WpHG sieht jetzt ein solches grundsätzliches Verbot vor, es sei denn, die Voraussetzungen der § 31d I Nr. 1 u. 2 WpHG liegen vor. Ungeachtet dessen ist der BGH Ausuferungen des Anlegerschutzes, insoweit es die sekundäre Darlegungslast eines verklagten Vermögensverwalters betrifft, berechtigt entgegengetreten (BGH WM 2008, 112). Weil Compliance nach § 33 I Nr. 3 WpHG n. F. aufsichtsrechtlich dazu dienen soll, die interne Organisation so zu gestalten, dass das Unternehmen die ihm auferlegten Pflichten – auch zu dem mit „Kick-Backs“ verbundenen erheblichen Interessenkonflikt (Elixmann, BB 2007, 904 (905)) – einhalten kann, dürfte sich daraus wohl auch aus der zukünftigen BGH-Rechtsprechung kein Schutzgesetzcharakter ergeben. Schön differenzierend zu § 31 I Nr. 2 WpHG a. F. hatte der BGH BKR 2007, 160 (162) auch dieser Norm keinen Schutzgesetzcharakter zugebilligt, soweit die aus ihr resultierende Pflicht die Ergreifung organisatorischer Maßnahmen beinhaltet.
Frisch
§ 7 Compliance
225
Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die MiFID trotz einer Verstärkung der Organisationspflichten durch Art. 13 II, III und 18 I, II MiFID und der Stärkung des Anlegerschutzes durch die Präzisierung von Anleger schützenden Regeln (vgl. Fleischer, BKR 2006, 389 (394 f.)) nicht dazu führt, dass aus § 33 WpHG n. F. ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB würde. Compliance auf der Basis von § 33 WpHG dient weiterhin dem Unternehmensschutz, auch wenn gerade die organisatorischen Anforderungen an das Unternehmen und damit die Aufgaben für Compliance durch die MiFID zugenommen haben.
148
K. Corporate Governance
149
I. Unternehmensverfassung. Verwandt mit dem Begriff Compliance ist der ebenfalls angelsächsische Terminus Corporate Governance, der in etwa zeitgleich in das deutsche Wirtschaftsrecht Eingang fand (Hauschka-Hauschka, § 1, Rn 2). Corporate Governance bezeichnet kurz gefasst den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens. Der Terminus lässt sich nicht ohne weiteres in die deutsche Sprache übersetzen, ist aber in etwa mit dem deutschen Begriff der Unternehmensverfassung vergleichbar (Hommelhoff/Hopt/v. Werder-v. Werder, S. 4). Während der deutsche Begriff Unternehmensverfassung primär die Binnenordnung des Unternehmens betrifft, werden unter dem Terminus Corporate Governance auch Fragen der rechtlichen und tatsächlichen Einbindung des Unternehmens in sein Umfeld – den Kapitalmarkt – adressiert (Hommelhoff/Hopt/v. Werder-v. Werder, S. 4; Leyens, JZ 2007, 1061 (1072)). II. Deutscher Corporate Governance Kodex. Der am 26.02.2002 von der mit Vertretern aus der Wirtschaft besetzten Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (sog. Cromme-Kommission) verabschiedete und am 14.11.2002 vom Bundesministerium der Justiz bekannt gemachte (Schlitt, DB 2007, 326) Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) war keine Reaktion auf eine in Deutschland vermeintlich fehlende Diskussion zur Frage guter, sorgfältiger und getreuer Leitung und Überwachung von Unternehmen. Denn gerade die Aktienrechtsreformen im 19. und 20. Jahrhundert in Deutschland befassten sich intensiv mit Fragen der Leitung und Überwachung von Aktien-gesellschaften (§§ 76-116 AktG). Vielmehr war es neben spektakulären Unglücksfällen in Unternehmen – die Metallgesellschaft AG verlor durch ÖlFehlspekulationen über 1 Mrd. Euro, Pleite der Philip Holzmann AG, spektakuläre Luftgeschäfte der Flowtex AG und Balsam AG –, die die Frage nach der Wirksamkeit des gesetzlichen Systems von Aufsicht und Kontrolle stellten, der Wunsch der internationalen Finanzwelt, der in einer Forderung nach klaren und verständlichen Aussagen im Sinne von deutschen Corporate Governance Principles kulminierte. Dies abseits eines AktG mit 400 Paragraphen in einer für ausländische Investoren unverständlichen Sprache (Hommelhoff/Hopt/v. Werder-Lutter, S. 738 f.), auch wenn der Kodex Wiederholungen des Aktienrechts, vgl. Ziff. 4.1 DCGK, enthält (Schlitt, DB 2007, 326). Der Kodex hat keinen allgemein verbindlichen Charakter (Hauschka-Pampel/Glage, § 5 Rn 13), erfährt jedoch fortlaufend Neuerungen. 2007 wurde u. a. die „Compliance“ an drei Stellen ausdrücklich in den Text aufgenommen (van Kann/Eigler, DStR 2007, 1730). Mit dem vom Bundeskabinett am 21.5.2008 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) soll auch die Corporate Governance der auf den Kapitalmarkt fokussierten Unternehmen verbessert werden (Hommelhoff/Mattheus, BB 2007, 2787; Ernst/Seidler, BB 2007, 2557; Gruber, NZG 2008, 12; Habersack, AG 2008, 98). Das betrifft die Besetzung des Aufsichtsrats und seine Überwachungstätigkeiten (§§ 100 V, 107 III AktG-E). Des Weiteren ist ein sog. Prüfungsausschuss (Audit Committee) einzurichten (§§ 264d, 342f I HGB-E). Zudem werden die Offenlegungspflichten zur Corporate Governance um zwei neue Berichtselemente erweitert: (1) Beschreibung der wesentlichen Merkmale des internen Kontrollsystems und internen
Frisch
150
226
151
152
153
154
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Risikomanagements im Hinblick auf den (Konzern-)Rechnungslegungsprozess im (Konzern-)Lagebericht (§§ 289 V, 315 II Nr. 5 HGB-E). (2) Bericht bzw. Erklärung zur Unternehmensführung und Entsprechenserklärung nach § 161 AktG (§ 289a HGB-E). Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex bleibt auch nach der Bekanntmachung des Kodex bestehen. Sie verfolgt die Entwicklung von Corporate Governance in Gesetzgebung und Praxis und prüft mindestens einmal jährlich, ob der Kodex angepasst werden soll. So hat die Diskussion der letzten Jahre um die Managementvergütungen, insbesondere seit der Übernahme der Mannesmann AG, Defizite in der aktuellen Gesetzeslage aufgezeigt (vgl. Baums, ZIP 2004, 1877; vgl. dazu jetzt Ziff. 4.2 DCGK mit umfangreichen Details zur Vergütung). Die EU-Kommission hatte am 06.10.2004 auch eine Empfehlung im Rahmen der Harmonisierung der Corporate Governance angenommen, die die Offenlegung von Vorstands- und Aufsichtsratsvergütungen vorsah (Maul/Lanfermann, DB 2004, 2407). Das Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (VorstOG) vom 3.8.2005, das die bisherige Verpflichtung zur Offenlegung der Gesamtbezüge aller Vorstandsmitglieder (§§ 285 1 Nr. 9a, 314 I Nr. 6a HGB) deutlich erweiterte, ist am 11.08.2005 in Kraft getreten (BGBl. I 2005, 2267; Fleischer, DB 2005, 1611; Foelsch, BKR 2007, 94 (98)). Das VorstOG soll den Aktionären die Feststellung erleichtern, ob die Gehälter gem. § 87 Abs. 1 AktG in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstands und zur Lage der Gesellschaft stehen (Fleischer, DB 2005, 1611 (1612)). Die Festsetzung der angemessenen Vergütung obliegt dem Aufsichtsrat. Missachtet er das Angemessenheitsgebot, macht er sich nach § 116 AktG i. V. m. § 93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig (Fleischer, DB 2005, 1611 (1612 m.w.N.)). Viel wichtiger für die Transparenz ist jedoch – anders als es die überwertete Debatte um die Vergütung Glauben machen will – eine offensive und professionelle Kommunikationspolitik gerade bei kapitalmarktorientierten Unternehmen (Kirschbaum, BKR 2006, 139 (143)). In einer Reihe mit § 15a WpHG („directors’ dealings“), der Personen mit Führungsaufgaben sowie mit ihnen in enger Beziehung stehende Personen verpflichtet, Geschäfte mit Aktien des Emittenten zu veröffentlichen, trägt das VorstOG für Investoren und Anleger zu einer informierten Transaktionsentscheidung bei. Der Einwand, eine individualisierte Aufschlüsselung sei für Investoren ohne Informationswert, wird durch die empirische Kapitalmarktforschung widerlegt (Fleischer, DB 2005, 1611 (1613)). Der Kodex adressiert nach eigener Aussage alle wesentlichen, insbesondere auf dem internationalen Finanzmarkt kursierenden Kritikpunkte an der deutschen Unternehmensverfassung: – mangelhafte Ausrichtung auf Aktionärsinteressen – die duale Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat (international ist das System der Führung durch ein einheitliches Leitungsorgan (Verwaltungsrat) verbreitet) – mangelnde Transparenz deutscher Unternehmensführung – mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte – eingeschränkte Unabhängigkeit der Abschlussprüfer Ganz wichtig für das Verständnis des Kodex ist also auch das aus der Präambel ablesbare Bemühen um Transparenz und Nachvollziehbarkeit des deutschen Corporate Governance Systems (Kirschbaum, BKR 2006, 139 (142)). Die eigentlichen Anstöße zum Kodex kamen aus dem internationalen Raum, insbesondere waren es die OECD Principles of Corporate Governance aus dem Jahre 1999 und der englische „Combined Code of Best Practice“ aus dem Jahre 1998 (Hommelhoff/Hopt/v.Werder-Lutter, S. 738).
Frisch
§ 7 Compliance
227
Mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex sollen die in Deutschland geltenden Regeln für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensleitung (durch den Vorstand) und -überwachung (durch den Aufsichtsrat) deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften für internationale und nationale Investoren hinreichend transparent gemacht werden, um das Vertrauen in die deutsche Corporate Governance, d. h. in die Unternehmensführung deutscher Gesellschaften zu stärken.
155
Im DCGK wird der Begriff der Überwachung aber weiter gefasst als im § 91 II AktG, da der Kodex die ganzheitliche Unternehmensüberwachung aus Sicht der Aktionäre vorsieht (Hauschka-Obermayr, § 16 Rn 11): – nach Ziff. 3.4 DCGK informiert der Vorstand den Aufsichtsrat regelmäßig, zeitnah und umfassend insbesondere über Fragen der Geschäftsentwicklung, Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance; Abweichungen des Geschäftsverlaufs sind zu begründen; Damit soll eine frühzeitige Risikoerkennung möglich werden; vgl. dazu auch Ziff. 5.2 DCGK, wonach auch der Aufsichtsrat umgekehrt mit dem Vorstand regelmäßig Kontakt zu diesen Punkten halten und sich mit ihm beraten soll; – nach Ziff. 3.4 Abs. 2 und 4.1.3 DCGK hat der Vorstand für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin, ist also für die Compliance im Konzern verantwortlich (van Kann/Eigler, DStR 2007, 1730 (1733)); – nach Ziff. 4.1.4 DCGK hat der Vorstand für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen zu sorgen; – nach Ziff. 5.3.2 DCGK soll der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss (Audit Committe; vgl. auch §§ 264d, 342f I HGB-E (BilMoG) einrichten, der sich insbesondere mit Fragen der Rechnungslegung und des Risikomanagements und der Compliance, der erforderlichen Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, der Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer, der Bestimmung von Prüfungsschwerpunkten und der Honorarvereinbarung befasst; der Vorsitzende des Prüfungsausschusses soll über besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren verfügen und sollte kein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein. Der DCGK enthält Verhaltensregeln für Vorstand in Ziff. 4 und Aufsichtsrat in Ziff. 5, des Weiteren Grundzüge für ihr Zusammenwirken in Ziff. 3 DCGK (Schlitt, DB 2007, 326).
156
Aktuell sind auch die Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder und ihre Normierung ein wichtiges Thema der weiteren Governancediskussion (als Konkretisierung von „Best Practice“), da an ihre Qualifikation und Unabhängigkeit (Vorstandsunabhängigkeit und Interessenunabhängigkeit) keine geringen Anforderungen angelegt werden dürfen. Vielmehr sollten die am besten geeigneten Personen mit entsprechend exzellentem Qualitätsprofil identifiziert und für eine Mitarbeit gewonnen werden (v. Werder/Wieczorek, DB 2007, 297 ff. (303)). Auch der BGH ZIP 2006, 1529 lässt es z. B. nicht zu, dass ein Aufsichtsratsmitglied (Beratungs-)Aufträge mit „seiner“ Aktiengesellschaft ohne Zustimmung des Aufsichtsrats eingeht. Ein solcher Vertrag ist gemäß § 114 AktG unwirksam. Ein Vertrag, nach dem das Aufsichtsratsmitglied die Gesellschaft sogar in betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fragen beraten soll, verstößt mangels Abgrenzung gegenüber der Organtätigkeit des Aufsichtsrats gegen § 113 AktG und ist daher einer Zustimmung durch den Aufsichtsrat als Gesamtorgan gemäß § 114 I AktG nicht zugänglich. Die Gesellschaft kann dann auf Rückgewähr der Beratungsvergütung gemäß § 114 II 1 AktG klagen. Interessenkonflikte sollten gerade auch für Aufsichtsratsmitglieder ein Anlass dafür sein, über eine Niederlegung des Mandats nachzudenken (Semler/Stengel,
157
Frisch
228
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
NZG 2003, 1). Der Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung über Art und Umfang seiner Prüfung der Geschäftsführung muss der Hauptversammlung eine konkrete Vorstellung von der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats bieten. Die Intensivierung der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft führt zu einer korrespondierenden Intensivierung der Berichtspflicht nach § 171 II 2 AktG (OLG Stuttgart WM 2006, 861 (865) = AG 2006, 379; Lutter, AG 2008, 1 ff.). Andernfalls kann der Entlastungsbeschluss in Bezug auf den Aufsichtsrat gemäß § 243 I AktG angefochten werden. 158
III. Regierungskommission Corporate Governance. Die von der Bundesregierung im Mai 2000 eingesetzte Regierungskommission „Corporate Governance: Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ (sog. Baums-Kommission), benannt nach ihrem Vorsitzenden Theodor Baums, hatte in ihrem Bericht vom 10.7.2001 nicht nur Vorschläge zur Änderung des AktG und des HGB zu unterbreiten, sondern unter anderem die Einsetzung einer Kommission (die spätere Cromme-Kommission) zur Ausarbeitung eines deutschen Corporate Governance Kodex empfohlen: – – – – – – –
159
Corporate Governance Kodex für börsennotierte Gesellschaften Intensivierung der Kontrolle der Unternehmensleitung/Stärkung des Aufsichtsrats Verbesserung der Aktionärsrechte und des Anlegerschutzes Verbesserte Unternehmenspublizität Rechnungslegung und Abschlussprüfung Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie Innovative Finanzierungs- und Gestaltungsinstrumente für Unternehmen
IV. Entsprechenserklärung nach § 161 AktG. Die sog. Baums-Kommission verknüpfte dies mit dem Vorschlag für die sog. Entsprechenserklärung, die im neuen § 161 AktG Niederschlag fand. Die Erklärungspflicht nach § 161 AktG ist eine Rechtspflicht (Hommelhoff/Hopt/v. Werder-Lutter, S. 743), § 161 AktG ist aber kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 II BGB (so richtig Vetter, DNotZ 2003, 748 (762)). Der Kodex selbst, auch wenn er über die Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG eine gesetzliche Grundlage verfügt, ist hingegen kein Gesetz, er hat auch grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung, kann aber unmittelbare oder mittelbare Wirkungen entfalten, und sei es nur als „best practice“ im Sinne der Grundsätze sorgfältiger Geschäftsführung bzw. Überwachung gemäß §§ 93, 116 AktG (Hommelhoff/Hopt/v. Werder-Lutter, S. 746). Damit kommt ihm durchaus rechtliche Relevanz zu (Schlitt, DB 2007, 326). Der im amtlichen Teil des Bundesanzeigers veröffentliche Kodex ist kein privates Regelwerk, sondern verfassungsrechtlich unbedenkliches öffentlich-rechtliches „soft law“, in seiner Außenwirkung Verwaltungsvorschriften vergleichbar. Als Regierungsempfehlung ist für den Kodex keine gesetzliche Grundlage erforderlich, § 161 AktG reicht aus (Heintzen, ZIP 2004, 1933 (1938); a. A. teilweise Seidel, ZIP 2004, 285). Nach § 161 AktG müssen Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der Regierungskommission Deutsche Corporate Governance Kodex entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Insoweit war die Formulierung „comply or explain“ für Deutschland nicht ganz zutreffend, da die Abweichung vom Kodex in Deutschland – wenn auch empfohlen – grundsätzlich nicht begründet werden musste, zudem auch nicht durchgängig eine Verpflichtung zur Offenlegung der Abweichung vom Kodex bestand (Hommelhoff/Hopt/v. Werder-Lutter, S. 743 Fn 32). Hier bringen § 161 I S. 1 AktG-E und § 289a HGB-E im
Frisch
§ 7 Compliance
229
Rahmen des BilMoG eine Verbesserung. Die Erklärung ist den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen (Hommelhoff/Hopt/v. Werder-Lutter, S. 742). Dass der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) neue Impulse benötigt, d. h. mehr als nur ein zahnloser (Papier-)Tiger (Vetter, NZG 2008, 121; ders., DNotZ 2003, 748) sein sollte, darüber besteht weitgehend Einigkeit. Die Folgen eines Verstoßes gegen die Kodex sind jedoch noch ungeklärt, wie es neuere Urteile zeigen (LG München I, Urt. v. 22.11.2007 – 5 HK O 10641/07, ZIP 2007, 2360 m. Anm. Tom Kirschbaum; OLG München, Urt. v. 23.1.2008 – 7 U 3668/07, WM 2008, 645). Hätte die Verletzung des Kodex oder der Pflichten der Organe nach § 161 AktG keinerlei Auswirkung auf den rechtlichen Bestand von Hauptversammlungsbeschlüssen, wäre zu befürchten, dass – abgesehen von der Verweigerung der Entlastung gemäß § 120 AktG – als einziger Weg die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen die Gesellschaft oder ihre Organe bliebe. Nach dem LG München I, a.a.O., jedenfalls sind Verstöße gegen Empfehlungen des DCGK nicht mit der Anfechtungsklage nach §§ 243 I, 251 I AktG angreifbar. Andererseits sind Beschlüsse über die Entlastung des Vorstandes und Aufsichtsrates nach § 243 I AktG anfechtbar, wenn die Jahresfrist nach § 161 AktG verletzt wurde, OLG München, a.a.O. V. Strafrechtliche Risiken. Die Nichtabgabe der Entsprechungserklärung selbst stellt zwar einen Verstoß gegen § 161 AktG dar, ist aber mangels Erklärungswerts bzw. Inhalts strafrechtlich irrelevant (Schlitt, DB 2007, 326 (327)). Strafrechtliche Risiken können jedoch im Zusammenhang mit der Entsprechenserklärung selbst bestehen. Eine falsche Entsprechenserklärung könnte den Tatbestand des § 265b StGB erfüllen, wenn eine Kreditgeber die Kreditvergabe auch davon abhängig gemacht wird, in welchem Umfang den Kodexempfehlungen seitens der Gesellschaft gefolgt wird. § 400 I 1 AktG kommt in Betracht, wenn der Inhalt einer Entsprechenserklärung im Jahresabschluss oder in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung falsch dargestellt wird. Auch könnten sich Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit bei § 266 StGB ergeben (Schlitt, DB 2007, 326 (330)). Eine falsche Erklärung nach § 161 AktG führt für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zu einer Haftungsverschärfung (Kiethe, NZG 2003, 559; WM 2007, 722 (723)).
160
VI. Corporate Governance-Evaluationen. Unternehmen können mit Corporate Governance-Evaluationen zwei übergeordnete Ziele verfolgen, nämlich
161
– die Gewährleistung der Entsprechung (Compliance) und – die Sicherung des Erfolgs (Effizienz bzw. Performance) der Corporate Governance (Hommelhoff/Hopt/v. Werder-v. Werder/Grundei, S. 680). Aufgrund der Komplexität von derartigen Evaluationen werden Aufsichtsrat und Vorstand eines Unternehmens häufig unterstützende Einheiten mit Evaluationsaufgaben betrauen. Hierfür kommt die Interne Revision („Audit“) in Betracht, zu deren Aufgabenspektrum die Überprüfung von Governance-Aspekten durchaus passt. Zudem kann der Vorstand hierzu auch einen Compliance-Officer bestellen, dessen Kontrolltätigkeit sich allerdings nicht auf den Aufsichtsrat erstrecken darf. Zur Sicherstellung der Einhaltung bietet sich ein aus der allgemeinen Compliance bekanntes Verfahren mit Checklisten für die Organe an (Kirschbaum, BKR 2006, 139 (146)). Auch die Hinzuziehung externer Berater ist möglich (Hommelhoff/Hopt/v.Werder-v. Werder/Grundei, S. 682), sie kann bei sensitiven Themen sogar hilfreich sein. Insoweit wird erneut deutlich, dass trotz unterschiedlicher Blickwinkel Compliance und Corporate Governance verwandte Begriffe sind. Compliance ist Teil einer guten Corporate Governance. Da die wissenschaftliche Forschung bislang kaum klare Aussagen über den Zusammenhang zwischen Corporate Governance und Unternehmenserfolg machen kann (so
Frisch
162
230
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Prigge/Offen, ZIB 2007, 89 (107)), wird Corporate Governance teilweise jedoch kritisch betrachtet. 163
VII. Bankenaufsicht und Corporate Governance. Im Februar 2006 veröffentlichte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) modifizierte Leitlinien zur Verbesserung der Unternehmensführung in Banken – Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance for Banking Organizations, Neufassung 2006 (Erstfassung 1999). Nachdem die OECD 2004 überarbeitete Grundsätze für Führungs- und Überwachungsmechanismen veröffentlichte hatte, hielt es der Basler Ausschuss für hilfreich, 2006 Leitlinien bereit zu stellen, die den ganz besonderen Merkmalen von Banken gerecht werden. Dabei wurde besonderes Gewicht auf Tätigkeiten von Banken gelegt, die innerhalb wenig transparenter Strukturen oder in Rechtsordnungen erfolgen, in denen der Informationsfluss behindert wird.
164
Der Basler Ausschuss möchte Bankaufsichtsbehörden und beaufsichtigte Banken bei der Einführung und Praktizierung einer guten Corporate Governance unterstützen. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Schwerpunkte: Die spezifischen Merkmale der guten Corporate Governance werden anhand von acht Prinzipien dargestellt. Des Weiteren wird der besonderen Rolle der Bankaufsichtsbehörden bei deren Entwicklung und Implementierung Rechnung getragen.
165
Unabhängig von der nicht gänzlich unberechtigten Kritik einiger deutscher Banken, die der neuen Handreichung des Basler Ausschusses keine breitere praktische Relevanz zuzusprechen vermag, ist festzuhalten, dass der Basler Ausschuss einen starken Schwerpunkt bei der unternehmungsbezogenen internen Corporate Governance von Banken setzt (Mülbert, BKR 2006, 349). Der Basler Ausschuss sieht dabei alle Banken, d. h. nicht nur die börsennotierten, sondern auch die mit einer „unique ownership structure“ versehenen Banken von seinen Standards erfasst. Allerdings sollen damit statt eines „one size fits all“ keine Einheitsstandards geschaffen werden, sondern die Umsetzung der Standards hat sich an der Größe, Komplexität, Struktur, dem wirtschaftlichen Gewicht und Risikoprofil der jeweiligen Bank auszurichten. Ähnliches lässt sich auch der Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex (in der Fassung vom 20.7.2007) entnehmen, der börsennotierte Unternehmen im Blickfeld hat, die Beachtung des Kodex aber auch nicht börsennotierten Gesellschaften empfiehlt. Schwerpunktmäßig geht es dem Basler Ausschuss um die Aufgaben des „Board of Directors“ und des „Senior Management“, denen die Entwicklung zahlreicher Unternehmenspolitiken, also Strategien und/oder Richtlinien auferlegt wird. Die daraus resultierenden neuen Herausforderungen, sofern sie nicht ohnehin schon in Deutschland, und sei es nur im Zuge von § 25a KWG, umgesetzt werden, lassen sich aber wohl auf dem Boden des geltenden Aktienrechts nicht ohne weiteres bewältigen. Denn der Leitfaden basiert auf dem monistischen „Board-Modell“ angelsächsischer Prägung, das dem „Board“ in einem Umfang Leitungsaufgaben zuweist, wie das mit der zwingenden Vorgabe des § 76 I AktG zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand nicht zu vereinbaren ist. Auch die Instrumentalisierung guter Corporate Governance für die Verfolgung rein aufsichtlicher Zwecke ist kritisch zu betrachten, da die Aufsichtsbehörden nicht zum Kreis der Stakeholder einer Bank gehören. Noch sind Corporate Governance-Standards darauf auszurichten, dass das Leitungs- und Überwachungsorgan einer Bank die Interessen der Einleger verfolgt (Mülbert, BKR 2006, 349 (359 f.)). Eine gute Corporate Governance dient zwar auch – als Reflex – dem Einlegerschutz und ermöglicht den Bankaufsichtsbehörden ein höheres Vertrauen in bankinterne Prozesse, bei der Corporate Governance geht es aber primär um die Überwindung oder zumindest Reduzierung des Prinzipal-Agenten-Konflikts zwischen den Anteilseignern/
Frisch
§ 7 Compliance
231
Kapitalgebern und dem Management (Mülbert, BKR 2006, 349 (355); Kirschbaum, BKR 2006, 139).
L. Compliance-Management bei Wertpapierfirmen
166
I. Anti-Geldwäsche-Compliance/Compliance Anti-Money-Laundering („AML“). 1. § 261 StGB. a) Historie und Zielsetzung des § 261 StGB. Dem Ziel der Abschöpfung illegaler Verbrechensgewinne – z. B. aus Drogenhandel (BGH NJW 2008, 1460 Rz. 25), Korruption und Terrorismus, d. h. der organisierten Kriminalität – dient der am 22.9.1992 in Kraft getretene, durch Art. 1 Nr. 19 OrGKG v. 15.7.1992 (BGBl. I 1992, 1302) eingeführte § 261 StGB, dessen Überschrift „Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte“ durch das VerbrBekG v. 28.10.1994 (BGBl. I 2004, 3186) ergänzt wurde. Der Umwandlung illegal erworbenen Geldes in „legale“ Vermögenswerte bzw. dem Einschleusen illegaler erworbener Vermögenswerte in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf soll damit begegnet werden (vgl. BT-Drucks. 12/989 v. 25.7.1991, S. 26). § 261 StGB entspricht einer stark an amerikanischen Vorgaben orientierten Konzeption (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 4; Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) der G-7 Staaten, des auf internationaler Ebene wichtigsten politischen Gremiums für die Schaffung eines internationalen Rechtsstandards gegen Geldwäsche; BT-Drucks. 13/10118 v. 12.3.1998, S. 1 f. (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu der internationalen Kritik an Maßnahmen gegen Geldwäsche in Deutschland)). Über den tatsächlichen Umfang der Geldwäsche kursieren grobe Schätzungen, die teilweise von einer Summe bis zu 1 Billion USD jährlich international ausgehen (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 4), die illegal gewaschen werden sollen. Der BGH (NJW 1997, 3322 (3323) u. BGHSt 50, 347 = NJW 2006, 1297) geht, wenn auch vom Schrifttum (vgl. zum Meinungsstand Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 3) mit guten Gründen kritisiert, jedenfalls von einem eigenständigen Unrechtsgehalt des § 261 StGB aus. § 261 StGB stellt nicht nur eine besondere Form der Beteiligung an der Vortat dar (BGH NJW 1997, 3322 (3323)). § 261 StGB zielt auf die Gewährleistung des staatlichen Zugriffs auf Vermögensgegenstände aus besonders gefährlichen Straftaten und mithin auf die Abwendung besonderer Gefahren für die Volkswirtschaft und damit den Staat (BGHSt 50, 347 = NJW 2006, 1297; BGHSt 50, 224 = NJW 2005, 3507; BGH NJW 2005, 2406; BGHSt 48, 240 = NJW 2003, 1880 zur Telefonüberwachung nach § 100a S. 1 Nr. 2 StPO).
167
b) Kritik am Tatbestand des § 261 StGB. Der Anwendungsbereich von § 261 StGB wurde in den letzten Jahren immer stärker ausgedehnt (Hauschka-Greeve, § 24, Rn 33). Das ist Folge des fortwährenden gesetzgeberischen Bemühens, sich mit Hilfe einer möglichst weiten „Einstiegsnorm“, ähnlich § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen), und der an sie anknüpfenden prozessualen Möglichkeiten wirkungsvollere Verfolgungsmöglichkeiten in bestimmten Kriminalitätsbereichen zu schaffen (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 4b). § 261 StGB wird von seinen Kritikern nicht ganz unberechtigt Ineffektivität des Tatbestands vorgeworfen. Die Verfolgung der Geldwäsche habe sich (so Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 4d) als weitgehend selbstreflexives System erwiesen, dessen materielle Kosten den Wert abgeschöpfter Straftat-Gewinne leicht um das Tausendfache übersteige.
168
c) Vortatenkatalog des § 261 StGB. Die Vortaten, d. h. rechtswidrige Taten, an die § 261 StGB anknüpft, sind umfangreich. Der Katalog des § 261 I 2 StGB erfasst u. a. nach – Nr. 1 alle Verbrechen i. S. d. § 12 I, III StGB, aber auch die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370a AO) oder Verbrechen nach § 332 II StGB;
169
Frisch
232
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
– Nr. 2 a Vergehen der Bestechlichkeit (§ 332 I und III StGB), der Bestechung (§ 334) auch i. V. m. § 1 IntBestG; – Nr. 2 b Vergehen nach § 29 I Nr. 1 BtMG; – Nr. 3 Schmuggel nach § 373 AO oder Steuerhehlerei nach § 374 AO; – Nr. 4 a Menschenhandel (§ 180b StGB), Zuhälterei (§ 181 StGB), Diebstahl (§ 242 StGB), Unterschlagung (§ 246 StGB), Erpressung (§ 253 StGB), Hehlerei (§ 259 StGB), Betrug (§ 263 StGB) usw., z. B. auch die ganze Bandbreite typischer Begleitdelikte zu Korruptionsstraftaten (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 14; HauschkaGreeve, § 24 Rn 33); – Nr. 4 b auch ggf. das Einschleusen von Ausländern (§ 96 AufenthG), Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung (§ 84 AsylverfahrensG); – Nr. 5 § 129 StGB, § 129a III, §§ 30b BtMG, 129b StGB (Unterstützung oder Werbung für eine (auch ausländische) terroristische Vereinigung); – § 261 VIII StGB erfasst auch Auslandstaten, wobei die Vortat am Tatort mit Strafe bedroht sein muss. Wer z. B. „nur“ geplant hatte, Erlöse aus dem Rauschmittelgeschäft (für acht Kilogramm hochwertiges Kokain aus Kolumbien) in den Libanon zu verbringen, erfüllt den Tatbestand der Geldwäsche nach § 261 I 2 Nr. 1 StGB. Dass es hierbei – wegen der vorherigen Sicherstellung des Rauschgifts durch den Zoll – nicht zur Vollendung gekommen ist, lässt die Strafbarkeit nicht entfallen, weil der Versuch der Geldwäsche nach §§ 261 III, 23 I StGB strafbewehrt ist (BGH NJW 2008, 1460 (Rz. 25)). 170
Im Rahmen eines Strafverfahres gegen Angehörige von Klaus Kleiser, der im Rahmen des „Flow-Tex“-Verfahrens wegen Betrugs verurteilt wurde, hat das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 20.1.2005 – 3 WS 108/04) entschieden, dass eine Strafbarkeit wegen § 261 StGB auch dann anzunehmen ist, wenn der Täter bei Erhalt der fraglichen Vermögenswerte (Grundstück auf Mallorca, Motorboot und Bankguthaben) noch gutgläubig gewesen ist. § 261 StGB soll auch Ersatzgegenstände und geldwäschetaugliche Surrogate erfassen, die „als Ergebnis auch mehrfacher Austauschprozesse an Stelle des Ursprungsgegenstands getreten“ sind (vgl. BKR 2005, 166; FAZ v. 2.2.2005).
171
Die Annahme und Anlage von „Schwarzgeld“, welches von Gewerbetreibenden jährlich in zweistelliger €-Milliardenhöhe erwirtschaftet werden dürfte, durch Kredit- und Finanzinstitute könnte unter Umständen von der Beihilfe zur (einfachen) Steuerhinterziehung zum Verbrechen nach § 370a AO und damit zur Geldwäsche nach § 261 I 3 i. V. m. I 1 bzw. I 2 Nr. 3 aufrücken (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 13a). Für einer Beihilfe (durch neutrale Handlungen) eines Bankangestellten zur (einfachen) Steuerhinterziehung hatte es der BGH bislang ausreichen lassen, dass der Bankangestellte sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein“ ließ (BGHSt 46, 107 (112) = NJW 2000, 3010 (3011); BGH NStZ 2004, 41).
172
2. (Anti-)Geldwäschegesetz (GwG). § 261 StGB erfährt durch das Geldwäschegesetz (GwG) (BGBl. I 1993, S. 1770) eine für Kredit- und Finanzinstitute (§ 1 GwG) bedeutsame Ergänzung (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 1), da das GwG ihnen – wie anderen Unternehmen und Personen nach § 3 GwG sowie Versicherungsunternehmen (nach § 1 II Nr. 2, § 4 GwG) Identifizierungs-, Aufzeichnungs-, Feststellungs- und Mitteilungspflichten auferlegt, die in § 17 GwG teilweise bußgeldbewehrt sind. Das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) trat am 25.10.1993 (BGBl. I 1993, 1770) in Umsetzung der jetzt aufgehobenen ersten EU-AntiGeldwäsche-RL 91/308/EWG v. 10.6.1991 (ABl. EG Nr. L 166 v. 28.6.1991, 77) zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche in Kraft, wel-
Frisch
§ 7 Compliance
233
che primär die Bekämpfung des Waschens von Erlösen aus Drogenstraftaten bezweckte. Die Unternehmensleitung ist verpflichtet, im Bereich der Anti-Geldwäsche-Compliance einen Geldwäschebeauftragen als Ansprechpartner bzw. Repräsentanten für die staatlichen Stellen (Aufsichts-, Strafermittlungs- und –verfolgungsorgane) zu benennen, § 14 II Nr. 1 i. V. m. § 16 GwG.
173
a) GwG zielt auf Prävention. Das GwG verfolgt aber im Gegensatz zu § 261 StGB keinen strafrechtlich repressiven Ansatz, sondern dient mittels öffentlich-rechtlicher Verpflichtung der Risikomitigierung im Finanzsektor, d. h. der Prävention von Rechts-, Reputations- und operationellen Risiken (Findeisen, wistra 1997, 121; ders., WM 1998, 2410). Das dem Wirtschaftsverwaltungsrecht zuzuordnende GwG macht daher die Institute i. S. d. § 1 IV GwG bzw. den Geldwäschebeauftragten (inkl. Compliance-Abteilung) auch nicht zu kostengünstigen „Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft“ (so wohl auch Lösler, WM 2007, 676 (678); a. A. Herzog, WM 1996, 1753 (1760 f.)).
174
b) Verhältnis von GwG und KWG. Das GwG steht jedoch rein tatsächlich in einem engem Zusammenhang zum KWG, auch wenn durchaus unterschiedliche Zielsetzungen vorliegen (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113 (118 f.)). Die aufsichtsrechtliche Norm des § 25a I 3 Nr. 6 KWG a. F., die dem KWG entsprechend der Gefährdung der Solvenz eines Kreditinstituts entgegen wirken soll und damit dem Institutsschutz, jedoch nicht der Verhinderung strafrechtlich relevanten Verhaltens dient, hat, den unterschiedlichen Anforderungen an das Risikomanagement bezogen auf „betrügerische Handlungen“ und „Geldwäsche“ als Teilaspekte des operationellen Risikos dienend, bloße mittelbare Schäden in Form eines Imageschadens oder Reputationsverlustes, weil z. B. eine terroristische Vereinigung das Institut als Zahlstelle nutzt, nicht im Fokus (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113 (119 u. 120)). Das ist ein Unterschied zu § 14 II Nr. 2 GwG bzw. dem Ansatz des GwG.
175
Unter dem Begriff „betrügerische Handlungen“ zu Lasten des Instituts i. S. v. § 25a I 3 Nr. 6 KWG a. F. – jetzt neu gefasst in § 25a I 6 Nr. 3 KWG (BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007, S. 46) – ist daher im Sinne eines wirksamen Institutsschutzes vor den die Solvenz eines Instituts negativ tangierenden Sachverhalten nicht nur ein strafrechtliches Verhalten im Sinne des Kern- (beispielsweise i. S. v. § 263 StGB oder § 264a StGB) oder Nebenstrafrechts zu verstehen. Vielmehr fallen darunter alle Täuschungen über Tatsachen durch Interne und Externe, die einen vermeidbaren unmittelbaren Vermögensschaden für das Institut herbeiführen können. Dies gebieten Sinn und Zweck der Norm und die zu Grunde liegenden Aufsichtsgrundsätze des Basler Bankenausschusses zur Vornahme einer risikoorientierten Betrachtung (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113 (123)).
176
Auch wenn § 25a I 3 Nr. 4 KWG a. F. 2002 noch unter Bezugnahme auf die Basler Grundsätze von 1997 geschaffen wurde, könnten die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Management Operationeller Risiken – Praxisempfehlungen für Banken und Bankenaufsicht, Februar 2003, S. 2, benannten potentiellen Gefahrenkategorien für die Interpretation der deutschen Rechtslage herangezogen werden (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113 (120)): – interne betrügerische Handlungen, z.B. absichtlich falsche Angabe von Positionen, Diebstahl durch Mitarbeiter und Insidergeschäfte auf eigene Rechnung von Mitarbeitern (Korruption, Betrug, Untreue, Urkundenfälschung, Verrat von (Betriebs-)Geheimnissen etc.) – externe betrügerische Handlungen, z.B. Raub, Fälschung, Scheckbetrug und Schäden durch Computerhacker (Phishing, Pharming, Ebay-Betrügereien, (Kapital-)Anlagebetrug, Lastschrift- oder Überweisungsbetrug etc.) – Einstellungspraktiken und Sicherheit am Arbeitsplatz, z.B. Haftungsansprüche von
177
Frisch
234
178
179
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Mitarbeitern, Verstoß gegen Vorschriften der Arbeitsmedizin und der Sicherheit, gewerkschaftliche Aktivitäten, Diskriminierungsklagen, allgemeine Haftung – Kunden, Produkte und Geschäftspraxis, z.B. Verletzung von Treuhänderpflichten, Missbrauch vertraulicher Kundeninformationen, unsaubere Handelspraktiken auf Rechnung der Bank, Geldwäsche und Verkauf nicht genehmigter Produkte – Schäden am Sachvermögen, z.B. Terrorismus, Vandalismus, Erdbeben, Brände und Überschwemmungen – Geschäftsunterbrechungen und Systemausfälle, z.B. Hardware- und Softwarepannen, Telekommunikationsprobleme, Stromausfälle – Ausführung, Lieferung und Prozessmanagement, z.B. fehlerhafte Datenein-gabe, fehlerhafte Verwaltung von Sicherheiten, unvollständige rechtliche Doku-mentation, nicht genehmigter Zugang zu Kundenkonten, Fehlverhalten von Kontrahenten (nicht Kunden) und Auseinandersetzungen mit Zulieferern § 25a I KWG dient dem Schutz des Instituts auch vor (operationellen) finanziellen Verlusten aus Geldwäsche (§ 261 StGB) und Insidergeschäften (§ 14 WpHG). Bei einer mangelhaften Umsetzung bzw. Verstößen gegen den Pflichtenkreis aus § 25a I 6 Nr. 3 KWG drohen empfindliche Konsequenzen (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113). So kann die BaFin nach § 6 III KWG Anordnungen und Zwangsmaßnahmen treffen. § 45b KWG gibt der BaFin bei organisatorischen Mängeln i. S. d. § 25a I KWG die Möglichkeit der Anordnung von Maßnahmen, wenn das Institut die Mängel nicht auf Grund einer Anordnung nach § 25a I 7 KWG innerhalb einer von der BaFin zu bestimmenden angemessenen Frist behoben hat. Die BaFin kann dann insbesondere anordnen, dass das Institut über die nach § 10 I KWG und der Rechtsverordnung nach § 10 I 9 KWG erforderliche Eigenkapitalausstattung hinaus zusätzliche Eigenmittel vorhalten muss, Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken ergreift, soweit sich diese aus bestimmten Arten von Geschäften und Produkten oder der Nutzung bestimmter Systeme ergeben, weitere Zweigstellen nur mit Zustimmung der Bundesanstalt errichten darf und einzelne Geschäftsarten, namentlich die Annahme von Einlagen, Geldern oder Wertpapieren von Kunden und die Gewährung von Krediten nach § 19 I KWG nicht oder nur in beschränktem Umfang betreiben darf. Die BaFin kann zudem nach § 36 II KWG die Abberufung eines Geschäftsleiters verlangen und diesem Geschäftsleiter die Ausübung seiner Tätigkeit bei Instituten in der Rechtsform einer juristischen Person untersagen, wenn dieser vorsätzlich oder leichtfertig gegen die Bestimmungen des KWG, des Gesetzes über Bausparkassen, des Depotgesetzes, des Geldwäschegesetzes, des Investmentgesetzes, des Pfandbriefgesetzes oder des Wertpapierhandelsgesetzes, gegen die zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Verordnungen oder gegen Anordnungen der Bundesanstalt verstoßen hat und trotz Verwarnung durch die Bundesanstalt dieses Verhalten fortsetzt (OVG Berlin, Beschl. v. 2.10.2001 – OVG 1 SN 27.01, dazu Fischer, EWiR 2002, 533; BGH WM 2002, 220). Nach BVerwG, Beschl. v. 6.11.2006 – 6 B 82. 06, ist es im Rahmen von § 36 II KWG zulässig und unter dem Aspekt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unter Umständen geboten, vor einer der Abberufung des Geschäftsleiters zwingend vorausgehenden Verwarnung als mildere Maßnahmen Hinweise oder Belehrungen auszusprechen. Im Extremfall sieht § 35 KWG für die BaFin die Möglichkeit der Aufhebung der Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften vor (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113; zu § 46a KWG (sog. Moratorium), §§ 10, 25 II Nr. 4a KWG: OVG Münster, Beschl. v. 31.7.2001 – 4 B 743/01, BKR 2002, 43 – Fall „Bankhaus Partin GmbH & Co. KGaA“ –, dazu Fischer, EWiR 2002, 589).
Frisch
§ 7 Compliance
235
c) Verdachtsanzeigepflicht. Die Verdachtsfallanzeigepflicht nach § 11 I GwG richtet sich an Institute i. S. d. § 1 IV GwG, die einen Verdachtsfall nach § 261 StGB unverzüglich mündlich, fernmündlich, fernschriftlich oder durch elektronische Datenübermittlung den zuständigen Strafverfolgungshörden und in Kopie dem Bundeskriminalamt anzeigen müssen. Das Bundeskriminalamt agiert hierbei als zentrale Analyse- und Informationsstelle für Verdachtsanzeigen, § 5 GwG, womit Forderungen der FATF und der G 7Staaten an die Errichtung einer Financial Intelligence Unit (FIU) umgesetzt wurden (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 1). Gleichwohl handelt es sich bei dieser Anzeigepflicht um keine Strafanzeige i. S. d. § 158 StPO (vgl. auch § 11 VI GwG), sondern nur eine gewerberechtliche Meldepflicht, die das Bankgeheimnis nicht verletzt und den Anzeigenden von (zivil- oder strafrechtlicher) Verantwortung freistellt, es sei denn die Anzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden, § 12 GwG. So wird z. B. auch das Zeugnisverweigerungsrecht (eines Notars) nach § 53 I 1 Nr. 3 StPO durch die Anzeigepflicht des § 11 I 1, III GwG eingeschränkt. Denn auch Rechtsanwälte und Notare kann die Anzeigepflicht treffen (BGH NJW 2005, 2406 = NStZ 2005, 577).
180
Grundsätzlich ist auch der Geldwäschebeauftragte nur im Rahmen des § 11 GwG zu einer Anzeige an die Strafverfolgungsbehörden berechtigt, eine darüber hinausgehende Pflicht zur direkten Anzeige anderer (bank-)intern festgestellter Regelverletzungen existiert nicht; hier besteht im Regelfall nur das Recht zur internen Eskalation (zutreffend Lösler, WM 2007, 676 (678)).
181
Nichts anderes – zum Vergleich – gilt ohnehin für den Compliance Officer auf der klassischen Wertpapier-Compliance-Seite, der im Gegensatz zu dem ihm nur strukturell ähnlichen Geldwäschebeauftragten nicht einmal eine Funktion wahrnimmt, die einen vom Gesetzgeber im öffentlichen Interesse als besonders schützenswert angesehenen Allgemeinbelang betrifft (Lösler, WM 2007, 676 (678)). So sieht im Bereich der WertpapierCompliance als gewisse, inhaltlich aber deutlich unterschiedliche Parallele zur Anzeigepflicht im Falle eines Geldwäscheverdachts nach § 11 GwG nur der durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (BGBl. 2004 I v. 29.10.2004, S. 2630) in 2004 eingeführte § 10 I WpHG (Schwintek, WM 2005, 861 f.) gegenüber der BaFin eine externe Reporting- bzw. gesetzlich normierte Anzeigepflicht bei Insider- und Marktmanipulationsverdachtsfällen für Unternehmen vor.
182
d) Mindeststandards. Die Überwachung und Sicherstellung der (präventiven) Identifizierungs- und Dokumentationspflichten sind ein Hauptbetätigungsfeld der bankinternen Anti-Geldwäsche-Abteilung („Anti-Money-Laundering“ (AML)) bzw. des gesetzlich geforderten Geldwäschebeauftragten nach § 14 II Nr. 1 GwG. Mit dem NCA/KYCÜberprüfungsprozess bei der Eingehung neuer Geschäfts- bzw. Kundenbeziehungen („New Client Adoption“ (NCA)) bzw. Beachtung des „Know Your Customer-Prinzips“ (KYC) zur Identifizierung des Kunden mit dem Ziel der Geldwäsche- und Betrugsprävention waren Mitte der 1990er Jahre (Anti-)Geldwäschebeauftragte noch nicht überall in die Compliance-Abteilung integriert. Man sprach damals noch nicht überall von Anti-Geldwäsche-Compliance. Auch heute ist die Funktion des (Anti-)Geldwäschebeauftragten i. S. d. § 14 II Nr. 2 GwG der eines Compliance-Officers auf der klassischen Wertpapierseite nur strukturell vergleichbar (Lösler, WM 2007, 676 (678 f.)).
183
Das „Know Your Customer-Prinzip“, festgehalten in Grundsatz 15 der Basler Aufsichtsgrundsätze vom September 1997, ergänzt durch das Papier des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht Nr. 85 zur „Sorgfaltspflicht der Banken bei der Feststellung der Kundenidentität“ v. 4.10.2001, wurde in § 25a I Nr. 4 KWG a. F. ausdrücklich gesetzlich normiert. Dem Papier des Basler Ausschusses von 1997 mit seinen Kundensorgfalts-
Frisch
236
184
185
186
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
pflichten bzw. Mindeststandards entsprachen die nationalen Regelungen des § 25a I 3 Nr. 4 KWG a. F. und § 14 II Nr. 2 GwG i. V. m. der hierzu ergangenen Verwaltungspraxis der BaFin, das Papier ist sogar bei der Auslegung zu beachten (BaFin Eil-Rundschreiben 25/2002 (Q) v. 6.11.2002 (Geschäftszeichen Q 31 – B 590)). § 14 II Nr. 2 GwG verpflichtet ebenso wie jetzt § 25a I 3 Nr. 6 KWG zur Entwicklung „angemessener geschäfts- und kundenbezogener Sicherungssysteme und Kontrollen zur Verhinderung der Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Vereinigungen“. Das Verhältnis der Normen des § 25a I 3 Nr. 4 KWG a. F. – bzw. nach der redaktionellen Verschiebung der Pflicht – des § 25a I 3 Nr. 6 KWG a. F. durch das Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 21.12.2004 (BGBl. I 2004, 3610) und des § 14 II Nr. 2 GwG wird in der einschlägigen Literatur im Ergebnis offen gelassen. Eine ausschließliche Regelung im GwG hätte angesichts der starken Betonung des Geldwäschepräventionsaspektes genügt (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113 (118 f.)). Es wird deshalb zutreffend kritisiert (Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113 (119)), dass trotz unterschiedlicher Akzentuierungen des KWG – auch Solvenzaufsicht – und des GwG teilweise unterschiedslos und undifferenziert von einer gemeinsamen gesetzlichen Verankerung ausgegangen wird. Rein tatsächlich betrachtet hat sich das aber bislang nicht auf die Effizienz der Geldwäscheprävention negativ ausgewirkt, auch wenn das gesetzgeberische Nebeneinander nicht unbedingt systematisch erscheint. Ähnliches gilt für § 33 WpHG und § 25a KWG für die Wertpapier-Compliance (Veil, WM 2008, 1093 (1098)). e) KYC-Management auf Konzernebene. Aktuell umfasst der „Grundsatz 18: Missbrauch von Finanzdienstleistungen“ auf S. 33 des Papiers „Methodik der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht“ des Basler Ausschusses für Bankaufsicht vom Oktober 2006 zentrale Kriterien für eine wirksame Aufsicht und die wesentlichen Merkmale des KYC-Managementprogramms auf Konzernebene: – Grundsätze für die Annahme von Kunden, aus denen hervorgeht, welche Art von Geschäftsbeziehungen die Bank nicht akzeptiert; – ein Programm für die Identifizierung und Überprüfung von Kunden und die entsprechende Sorgfaltspflicht; dazu gehören die Überprüfung der Identität der wirtschaftlichen Eigentümer und risikobasierte Prüfungen von Unterlagen, die relevante und aktuelle Stammdaten gewährleisten; – Grundsätze und Verfahren zur Feststellung und Überwachung ungewöhnlicher oder potenziell verdächtiger Transaktionen, insbesondere bei risikoreichen Konten; – Delegation nach oben, an die Geschäftsleitung, von Entscheidungen über die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit risikoreichen Adressen, z.B. politisch exponierten Personen, und über die Weiterführung von Geschäftsbeziehungen, falls eine bestehende Beziehung risikoreich wird; – Klare Regeln, welche Daten zur Kundenidentifizierung und zu den einzelnen Transaktionen wie lange aufbewahrt werden müssen. Für diese Daten sollte eine Aufbewahrungsfrist von mindestens fünf Jahren gelten. f) (Hintergrund-)Informationen als Basis. Grundlage für die Erfüllung der KYCPflichten ist die Gewinnung von (Hintergrund-) Informationen zum (potentiellen) Kunden: – Identifizierung des Vertragspartners; – Feststellung des sog. „Beneficial Owner“, d. h. des wirtschaftlich Berechtigten; – Abklärung bzw. Feststellung des wirtschaftlichen Hintergrunds (z. B. Verhältnis des Umsatzes zum Vermögen); – Ermittlung der Herkunft des Vermögens (z. B. aus Erbschaft, eigener unternehmerischer oder beruflicher Tätigkeit) und seines Verwendungszwecks.
Frisch
§ 7 Compliance
237
Eine Risikoklassifizierung im Rahmen des KYC-Ansatzes als Grundlage für die risikoorientierte Prüfung der Transaktionen benötigt zunächst (qualitativ) ausreichende (Hintergrund-)Informationen über den wirtschaftlichen Hintergrund einer Person. Nur dann kann entschieden werden, ob eine Geschäftsbeziehung zu dieser Person für eine Bank zu risikoreich ist oder nicht, z. B. ob sich die Akquise eines Kunden lohnt, weil kein Reputationsrisiko besteht bzw. die Risikoklassifizierung ihn als unbedenklich erscheinen lässt. Dazu müssen ungewöhnliche Transaktionen zuverlässig – mittels intelligenter IT-Lösungen – aufgespürt werden können, wozu der Kunden klassifiziert werden muss. g) Risiko-Klassifizierung. Die Risiko-Klassifizierung des Kunden durch Compliance zeigt den Geschäftsbereichen auf, ob und welche Risiken (z. B. aufgrund des Länderrisikos, weil der Kunde aus einem „High-Risk-Country stammt) bestehen. Kriterien zur Ermittlung eines Risiko-Ratings bzw. zur Risikoklassifizierung (A. Lange, Risikomanager 3/2007, 18 f.) sind: – Unterscheidung zwischen natürlicher und juristischer Person – Risikoklassifizierung für sog. PEPs (PEP ist die Abkürzung für politisch exponierte Persönlichkeit oder „politically exposed person“): Anwendung verstärkter Sorgfaltspflichten – Nationalität und Wohnsitz/Domizil der Vertragspartner, der wirtschaftlich Berechtigten („Benefical Owners“) und der Bevollmächtigten unter Berücksichtigung des jeweiligen Länderratings – Branche und Rechtsform von juristischen Personen (etwas niedriges Risiko für staatliche Unternehmen, hohes Risiko für Stiftungen und Trusts) – Transaktionen (Höhe und Arten der Transaktionen; Transaktionsverhalten) und Kennzahlen wie Umsatz, Barumsatz pro Zeitraum, Umsatz im Verhältnis zum Vermögen, Anzahl Transaktionen im Zeitraum – Anzahl von Transaktionen und Umsatzhöhe mit Risikoländern unter Berücksichtigung eines Länderratings – Sonderfaktoren (z. B. banklagernde Korrespondenz) können zu einer höheren Risikoeinstufung führen Bei Universalbanken muss zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen und bei Banken als solchen nach ihrer Tätigkeit unterschieden werden. Was im Retail- oder Private Banking-Geschäft (z. B. als Transaktionsverhalten) oder bei der einen Bank als Risikomaßstab geeignet sein mag, muss nicht unbedingt für das Firmenkundengeschäft bzw. Corporate Banking oder für das Tätigkeitsfeld einer anderen Bank tauglich sein. Um die Ergebnisqualität ihrer Risiko-Analysen zu erhöhen, gehen Institute teilweise dazu über, ihr CRM-System mit dem Anti-Geldwäsche-System zu verknüpfen.
187
h) Identifikationspflicht nach dem GwG. Der deutsche § 1 V GwG verlangt die Identifizierung aufgrund eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses bei Abschluss eines Vertrags zur Begründung einer auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung, z. B. Konto- oder Depoteröffnung, § 2 I GwG. Gleiches gilt bei der Annahme von Bargeld, Wertpapieren der Edelmetallen im Wert von 15.000 Euro oder mehr, § 2 II GwG, mag es sich bei den 15.000 Euro auch um mehrere Finanztransaktionen handeln, die erst in der Summe 15.000 Euro oder mehr ausmachen, § 2 III, aber auch § 6 GwG im Verdachtsfalle. Demgegenüber hat § 154 II 1 AO an Bedeutung verloren. Wichtig ist auch die Feststellung der Identität des wahren wirtschaftlich Berechtigten nach § 8 GwG, wodurch Strohmanngeschäfte aufgedeckt und der Hintermann identifiziert werden soll.
188
Frisch
189
238
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
190
i) § 25a KWG und das „Know Your Customer-Prinzip“. Die Umsetzung des „Know Your Customer-Prinzips“ (fortgeführt im Papier „Consolidated KYC Risk Management“ des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht v. Oktober 2004) sowie die Einrichtung der von der FATF geforderten Möglichkeiten eines lückenlosen „Konten-Screenings“ sind durch eine Neufassung des § 25a KWG erfolgt (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 1).
191
j) Global process for managing KYC risks. Das Basler Papier vom Oktober 2004 sieht auf S. 5 unter 7. eine Geldwäscheprävention mittels eines globalen, bankintern zentralisierten KYC-Funktion-Ansatzes (“Global process for managing KYC risks“) vor, der eine gruppenweite Informationsvernetzung („Groupwide information sharing“) erfordert, wie es auf S. 7 unter 17. zum Ausdruck kommt:
192
„17. Banks should centralise the responsibility for coordinating groupwide information sharing, Subsidiaries and branches should be required to proactively provide information concerning higher risk customers and activities relevant to the global management of reputational and legal risks to, and respond to requests for account information from the head office or parent bank in a timely manner. The banks´s policies and procedures should include a description of the process to be followed for investigating and reporting potentially suspicious activity.“
193
k) Wolfsberg-Gruppe. Zum Private Banking Geschäft hat zudem die WolfsbergGruppe („the Wolfsberg Group“ – benannt nach einem Ort in der Schweiz), die aus führenden internationalen Finanzinstituten besteht wie z. B. Barclays Bank, Citigroup, Credit Suisse Group, Deutsche Bank AG, Goldman Sache, HSBC, J.P. Morgan Chase, Société Générale oder UBS AG folgende unverbindliche Standards formuliert: – Wolfsberg-Erklärung Überwachung, Screening und Suchmechanismen – September 2003 – Wolfsberg AML-Grundsätze für das Korrespondenzbankgeschäft – November 2002 – Wolfsberg-Erklärung zur Unterdrückung der Terrorismusfinanzierung – Januar 2000 – Wolfsberg AML-Grundsätze für das Private Banking Geschäft – Oktober 2000 (überarbeitet 2002) Die Erklärung aus dem September 2003 formuliert Standards für eine risikoorientierte Transaktionsüberwachung, die von der geschäftlichen Tätigkeit der individuellen Einheit (z. B. Retail, Privatkundengeschäft, Korrespondenzbankgeschäft, Handel) abhängig sind. Man wird daher von einer Retail-Einheit nicht dieselben Überwachungs-, Screening- oder Suchverfahren verlangen können wie von einer Private Wealth Management-Einheit. Generell sind Maßnahmen gegen Geldwäsche dort zu konzentrieren, wo die Risiken hoch sind. Die Nutzung von Echtzeit-Screening sollte nur für Erkennungsprozess mit Embargos und Sanktionen verlangt werden. Ein risikoorientierter Ansatz kann zu einem differenzierten Einsatz von Echtzeit-Screening, rückwirkender Suche und Systemen zur Transaktionsüberwachung führen.
194
l) Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Die in § 9 GwG geregelte Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten sind wichtig, um den Identifizierungsvorgang zu dokumentieren. Die Aufzeichnungen sind sechs Jahre aufzubewahren, § 9 III GwG. Die Aufzeichnungspflichten von Kreditinstituten sind in § 25b KWG n. F. erweitert worden.
195
m) BaFin als Umsetzungsbehörde. Die BaFin ist insbesondere bei Banken und Finanzdienstleistungsinstitute die Umsetzung des GwG zuständig, § 16 II GwG. Dazu stellt die BaFin eine einheitliche Verwaltungspraxis sicher, die verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist. Intern hat die Innenrevision eines Instituts regelmäßig die Befolgung der GwG-Pflichten zu kontrollieren. Ohnehin kommt hier noch die Prüfung des Jahresabschlusses (§ 29
Frisch
§ 7 Compliance
239
I KWG) hinzu, ob zureichende bankinterne Sicherungsmaßnahmen nach § 14 Abs. 2 GwG vorhanden sind. n) Zweite EU-Anti-Geldwäsche-RL. Die zweite EU-Anti-Geldwäsche-RL 2001/97/ EG v. 4.12.2001 (ABl. EG Nr. L 344 v. 28.12.2001, 76) diente insbesondere der Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs (z. B. Einbeziehung der rechtsberatenden Berufe in den Adressatenkreis). Die Anforderungen des § 25a I Nr. 4 KWG a. F. entsprachen weitgehend denen des § 14 GwG (Geldwäschebekämpfungsgesetz v. 8.8.2002, BGBl. I 2002, 3105), der Vorkehrungen von den Instituten forderte, um nicht zur Geldwäsche missbraucht zu werden. Zu diesen Vorkehrungen zählt nach dem GwG
196
– die Bestimmung des Geldwäschebeauftragten nach § 14 II Nr. 1 GwG, – die Entwicklung interner Grundsätze, angemessener geschäfts- und kundenbezogener Sicherungssysteme und Kontrollen zur Verhindung der Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Vereinigungen nach § 14 II Nr. 2 GwG, – die Sicherstellung, dass nur zuverlässige Beschäftigte befugt sind, bare und unbare Finanztransaktionen durchzuführen, § 14 II Nr. 3 GwG, und – des Weiteren, dass die Mitarbeiter regelmäßig zu den Geldwäschemethoden und den gesetzlichen Pflichten geschult werden, § 14 II Nr. 4 GwG. Als wesentliche Bestandteile der von der Compliance-Abteilung vorgenommenen Geldwäscheprävention und des Geldwäschemonitoring, die vorwiegend über EDV-Lösungen und dem Einsatz spezifischer Parameter zur Überprüfung der Geschäfts-beziehungen nach Risikogruppen (z. B. „Hochrisikokunde“; „Hochrisikoland“) und Auffälligkeiten erfolgen, werden folgende angesehen: Schriftlich dokumentierte Anti-Geldwäsche-Policy und Rahmenbedingungen zur Anti-Geldwäsche und Betrugsprävention; Festlegung der Zuständigkeiten und Kompetenzen; Bestimmung eines Anti-Geldwäschebeauftragten nach § 14 II Nr. 1 GwG als Ansprechpartner im Rahmen von § 261 StGB; Festlegung von Regeln zur Annahme von (Neu-)Kunden, zur Identifizierung der Kunden und zum laufenden Monitoring aller Konten (insbesondere Hochrisikokonten); Einbeziehung in das Risikomanagement und –controlling und Internes Überwachungssystem; regelmäßiges Training und Schulen der Mitarbeiter; Regelungen zur Bearbeitung und Anzeige von Verdachtsfällen nach § 11 GwG (detailliert mit konkreten Berichtswegen und Verhaltensregeln) im Falle des Verdachts einer Geldwäsche nach § 261 StGB; Regelung der Dokumentation; Prüfungen durch die Interne Revision (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG, § 25a, Rn 161 f.; BaFin-Rundschreiben 1/98 Verlautbarung des BAKred über Maßnahmen der Finanzdienstleistungsinstitute zur Bekämpfung und Verhinderung der Geldwäsche vom 30.12.1997; BaFin-Rundschreiben 5/98 Verlautbarung über „Maßnahmen der Kreditinstitute zur Bekämpfung und Verhinderung der Geldwäsche“ vom 30.3.1998; BaFin-Rundschreiben 4/2001 Fortschreibung institutsinterner Geldwäschepräventionssysteme unter Berücksichtigung des neuen FATF-Berichts zur Identifizierung nicht-kooperiender Länder und Territorien: Verstärkung der weltweiten Effektivität von Anti-Geldwäsche-Maßnahmen v. 10.7.2001 (Z 5 – G 701) und folgende Rundschreiben, z. B. Rundschreiben 3/2006 (GW) Sicherungsmaßnahmen gegen den Missbrauch zu Zwecken der Terrorismusfinanzierung in Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten: Aufhebung der Rundschreiben 8/2001, 13/2001, 15/2001, 2/2002, 7/2002, 11/2002 sowie 12/2002).
197
o) § 24c KWG, §§ 93 VII, IX und 93b I AO. Durch Art. 6 des „Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes“ v. 21.6.2002 (BGBl. I 2002, S. 2010; RegE BT-Drucks. 14/8017) ist am 01.04.2003 § 24c KWG in Kraft getreten, der den Kreditinstituten die Pflicht zur Speicherung von Konten und personenbezogenen Daten über Kontoinhaber und -berechtigte auferlegt. Die Kreditinstitute müssen die Konto-/Depotnummer, die Daten
198
Frisch
240
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
der Einrichtung und Auflösung, die Namen und Geburtsdaten der jeweiligen Inhaber und Verfügungsberechtigten sowie die Namen und Anschriften der wirtschaftlich Berechtigten speichern. Nicht erfasst sind Kontostände oder -bewegungen. Wegen der Kostenbelastung, aber vor allem auch wegen der den Steuerstrafverfolgungsbehörden mit § 24c KWG eingeräumten Befugnissen wurde das automatische Abrufverfahren nach § 24c KWG stark kritisiert (Kokemoor, BKR 2004, 135 (144 f.)). 199
Die BaFin ist zu einem jederzeitigen, verdeckten, automatisierten Abruf der Daten berechtigt und zur Weiterleitung der Daten an Strafverfolgungsbehörden auf deren Ersuchen verpflichtet (§ 24c I bis III KWG; Art. 1 § 1 des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleitungsaufsicht v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, S. 1310). § 24c KWG versetzt die BaFin – so geht aus einem ihrer Informationsblätter hervor als auch den BaFin Jahresberichten 2005, S. 185 f., 2006, S. 196 f., und 2007, S. 216, hervor – in die Lage, die Terrorismusfinanzierung, die Geldwäsche sowie das unerlaubte Betreiben von Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäften effektiver durch zentral durchgeführte Recherchearbeiten erfolgreich zu bekämpfen. Das Kontenabrufverfahren nach § 24c KWG ist nach den Ausführungen der BaFin höchst effektiv, Finanzermittlungen und die Vermögensabschöpfung in Strafverfahren haben nach ihren Angaben durch das automatisierte Kontenabrufverfahren einen deutlichen Qualitätsanstieg erfahren. Als – sogar – primäre Adressaten von Art. 2(1) lit. l EG-Verordnung Nr. 2580/2001 bzw. Art. 2(1) EG-Verordnung Nr. 881/ 2002 müssen Banken und Finanzdienstleister, die als Private zur Durchführung der Maßnahmen in die Pflicht genommen werden, alle Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen gelisteter Personen und Organisationen, die als Terrorismusverdächtige gelistet sind und auf deren Ressourcen sie Zugriff haben, einfrieren, was die BaFin nach § 6a KWG überwacht. So wurde auch die Klage eines Terrorismusverdächtigen gegen die Kontosperrung gemäß § 6a KWG durch die BaFin abgewiesen (VG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.11.2007 – 1 E 5718/06(1); Meyer/Macke, HRRS 2007, 445 (457)). Auch der EuGH hat einem Terrorverdächtigen, der auf einer Terrorliste aufgeführt war, den Kauf eines Grundstücks in Berlin verboten (EuGH, Urt. v. 11.10.2007 – Rs. C-117/06, EuZW 2007, 737 = ZNotP 2007, 415 „Möllendorf“). Die Reihe negativer Konsequenzen für die Normadressaten ist lang, das Strafbarkeitsrisiko ist immens (§ 34 IV AWG). § 34 IV Nr. 1 AWG i.V.m. § 70a AWV erfasst Verstöße gegen Embargo-Maßnahmen, die in der AWV (Außenwirtschaftsverordnung) zur Durchführung von Sanktionsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta oder des Rats der EU im Rahmen der GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union) ausdrücklich (z. B. in §§ 69a ff.) angeführt sind (Meyer/Macke, HRRS 2007, 445 (460)).
200
Gemäß § 56 III Nr. 7a KWG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 24 I 1 KWG eine Datei nicht, nicht richtig oder nicht vollständig führt. Gleiches gilt nach § 56 III Nr. 7b KWG für denjenigen, der entgegen § 24 I Nr. 5 KWG nicht dafür sorgt, dass die BaFin Daten jederzeit automatisch abrufen kann. Die Ordnungswidrigkeit wird in beiden Fällen mit einer Geldbuße von bis zu 150.000 Euro sanktioniert (§ 56 IV KWG).
201
Darüber hinaus erteilt die BaFin auf Ersuchen der in § 24c III KWG und § 5 GwG abschließend aufgeführten externen Bedarfsträger Auskunft aus diesen Dateien. Externe Bedarfsträger sind zunächst die für die Leistung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sowie im Übrigen für die Verfolgung und Ahndung von Straftaten zuständigen Behörden oder Gerichte, soweit dies für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist, also ordentliche Gerichte, Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden, Zollfahndung, Finanzämter für Fahndung und Strafsachen, Steuerfahndungsstellen bei den Finanzämtern, Straf- und Bußgeldsachenstellen von Finanzämtern, Bundespolizeiinspektionen. Die
Frisch
§ 7 Compliance
241
Auskunftsberechtigung im Rahmen der Strafverfolgung setzt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens voraus. Außerdem ist das Bundesministerium für Wirtschaft im Rahmen von Embargomaßnahmen und im Zusammenhang mit dem Einfrieren von Vermögensgegenständen bei der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung berechtigt, Auskunftsersuchen an die BaFin zu richten. Nach § 5 III 4 GwG ist auch das Bundeskriminalamt für seine zum Zwecke der Geldwäschebekämpfung errichtete Financial Intelligence Unit (BKA-FIU) im Rahmen der sich daraus ergebenden Aufgaben externer Bedarfsträger.
202
Finanzbehörden kommen als Bedarfsträger nur dann in Betracht, soweit sie für die Verfolgung und Ahndung von Straftaten zuständig sind und dies für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Nur in diesem Rahmen bearbeitet die BaFin Auskunftsersuchen der oben genannten Finanzämter für Fahndung und Strafsachen bzw. der Steuerfahndungsstellen oder der Straf- und Bußgeldsachenstellen von Finanzämtern. Zwingende Voraussetzung eines Abrufs ist die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder die Ahndung einer Straftat. Auskünfte in Verfahren zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlage darf die BaFin deshalb nicht erteilen.
203
Kreditinstitute müssen die Datei nach § 24c I KWG seit dem 1.4.2005 auch für Abrufe nach der Abgabenordnung (§ 93 VII und IX und § 93b I AO) führen. Bei dieser neuen Kontenabrufmöglichkeit für Finanzbehörden hat der Gesetzgeber nicht die BaFin als zentrale Abfragestelle eingesetzt. Vielmehr ist dies Sache des Bundeszentralamtes für Steuern (BaFin Jahresbericht 2006, S. 196). Die BaFin kann so Kontoverbindungen tatverdächtiger Personen ermitteln. Konkret gelang das bei Personen, denen von der Bundesanwaltschaft eine Beteiligung an den fehlgeschlagenen Kofferbombenanschlägen auf Regionalzüge in Dortmund und Koblenz vorgeworfen wurde. Die BaFin sperrte daraufhin die Konten nach § 6a I KWG. Darüber hinaus kann die BaFin damit selbst Daten insbesondere im Zusammenhang mit der Verfolgung unerlaubter Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte abrufen, um die Integrität des Finanzplatzes Deutschland zu stärken. Die BaFin erteilt vor allem Strafverfolgungsbehörden Auskunft aus diesen Dateien. Insgesamt hat die BaFin 2006 rund 81.000 Anfragen (Vorjahr: 62.000) bearbeitet und dabei Informationen zu etwa 665.000 Konten (Vorjahr: 485.000) erteilt (BaFin Jahresbericht 2006, S. 196).
204
Daneben hat die BaFin kontenbezogene Auskunftsrechte nach § 44 I KWG, sie kann ohne Anlass Sonderprüfungen bei Kreditinstituten vornehmen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 1).
205
Mit der Einführung des § 30b AO durch Art. 18 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, der eine Offenbarung der nach § 30 AO geschützten Verhältnisse von Betroffenen zulässt und die Finanzbehörden zur Vornahme von Strafanzeigen verpflichtet, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, dass eine Tat nach § 261 StGB begangen worden sein könnte, hat der Gesetzgeber einen weiteren erheblichen Schritt unternommen, um Straftaten nach § 261 StGB ahnden zu können (Tröndle/Fischer, StGB § 261 StGB Rn 1). Letztlich werden mit all den oben dargestellten Maßnahmen auch fiskalische Zwecke verfolgt werden können.
206
p) Dritte EU-Anti-Geldwäsche-RL. Als weiterer Meilenstein gilt die am 15.12.2005 in Kraft getretene dritte EU-Anti-Geldwäsche-RL 2005/60/EG (ABl. EG Nr. L 309/15 v. 26.10.2005; zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL 2008/20/EG v. 11.3.2008 (ABl. EG Nr. L 76, S. 46); zum Entwurf Höche, WM 2005, 8) nebst Durchführungsrichtlinie 2006/ 70/EG (ABl. EG Nr. L 214/29 v. 4.8.2006), deren besonderer Fokus auf die Bekämpfung der Finanzierung des (internationalen) Terrorismus liegt und die bis zum 15.12.2007 von
207
Frisch
242
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
den Mitgliedsstaaten umzusetzen war. Die Geldwäscherichtlinie bestimmt organisatorische Maßnahmen und Kundensorgfaltspflichten, die vor allem Kreditinstitute, Finanzdienstleister und bestimmte Versicherer unter Berücksichtigung risikoorientierter Grundsätze zu treffen und einzuhalten haben, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzubeugen. Wie schon 1990/1991, war auch bei der RL 2005/60/EG die 1989 von den G-7 Staaten ins Leben gerufene und mit Sitz bei der OECD in Paris angesiedelte Arbeitsgruppe „Financial Action Task Force on Money Laundering“ (FATF) mit ihren „40+9 FAFT recommendations“ aus den Jahren 2003 und 2004 Haupttreiber (Herzog/ Hoch, WM 2007, 1997). Die FAFT, deren Mitglied die Bundesrepublik Deutschland ist, ist das weltweit führende Gremium zur internationalen Bekämpfung der Geldwäsche. Des Weiteren lieferte auch der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht wichtige Impulse. 208
Die dritte EU-Anti-Geldwäsche-RL erweitert nicht nur die Verpflichtungen der Kreditinstitute erheblich, sondern betrifft auch den übrigen Wirtschaftsverkehr. So müssen gem. Art. 7 b) selbst kleine, mittelständische Unternehmen ihren Geschäftsverkehr durch geeignete Kontrollmechanismen so kontrollieren, dass bei einzelnen (oder zusammenhängenden) Transaktionen in bar von 15.000 Euro und mehr keine Geldwäsche vorliegt. Im Verdachtsfall muss eine Verdachtsanzeige abgegeben werden.
209
Art. 8 (2) der RL 2005/60/EG stellt mit dem neu verankerten Grundsatz der Risikoorientierung („risk-sensitive basis“) einen Paradigmenwechsel dar, womit der Einsatz angemessener, risikobasierter Verfahren bei Banken, u. a. zur Identifizierung von Kunden, von wirtschaftlichen Eigentümern bestimmter juristischer Personen und von politisch exponierten Personen (PEPs) bzw. zum Monitoring der Transaktionen von „HochRisiko-Personen“, ermöglicht wird. Ein risikoorientierter Ansatz bzw. ein Risiko-Analyse-System sind aber für Deutschland nicht neu, da die BaFin schon im Rahmen von § 25a I 3 Nr. 6 KWG jährliche Gefährdungsanalysen (so die BaFin selbst im Jahresbericht 2005, S. 182; Bauer/Bergmann, ZBB 2007, 113) verlangt bzw. im Hinblick auf die RL 2005/60/EG die Abkehr von einer schematischen, an detaillierten Listen erfolgenden Prüfung hin zu einem risikobasierten Ansatz forderte.
210
Die BaFin veröffentlichte 2005 Leitlinien zur Erstellung einer institutsinternen Gefährdungsanalyse (BaFin Jahresbericht 2005, S. 182; Rundschreiben 8/2005 (GW) Institutsinterne Implementierung angemessener Risikomanagementsysteme zur Verhinderung der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Betrug zu Lasten der Institute gemäß §§ 25a I 3 Nr. 6, Ia KWG, 14 II Nr. 2 GwG – Anfertigung der institutsinternen Gefährdungsanalyse vom 24.3.2005). In Ziffer 3 führt die BaFin aus, dass sie bei der Anfertigung der institutsinternen Gefährdungsanalyse und der damit verbundenen Herleitung der erforderlichen Maßnahmen insbesondere folgende Schritte für notwendig erachtet: – die vollständige Bestandsaufnahme der institutsspezifischen Situation – die Erfassung und Identifizierung der kunden-, produkt- und transaktionsbezogenen Risiken – die Kategorisierung, d.h. Einteilung in Risikogruppen, und ggf. zusätzliche Gewichtung, d.h. Bewertung, der identifizierten Risiken – die Entwicklung geeigneter Parameter für die erforderlichen Research-Maßnahmen (vor allem für EDV-Researchsysteme) aufgrund des Ergebnisses der institutsinternen Risikoanalyse – die Überprüfung und Weiterentwicklung der bisher getroffenen Präventionsmaßnahmen unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Gefährdungsanalyse
211
Die Leitlinien sollen den Instituten helfen, ihre Geldwäscheprävention risikoorientiert zu gestalten. Kernaufgabe jedes Institutes ist es, den eigenen Geschäftsbetrieb zu analy-
Frisch
§ 7 Compliance
243
sieren und ein individuelles Risikoprofil abzuleiten. Sämtliche weiteren Geldwäscheabwehrmaßnahmen müssen auf der Gefährdungsanalyse und dem Risikoprofil aufbauen. Risikoorientierte und kostenbewusste Aufsicht bedeutet für die BaFin nach eigenen Aufgaben auch, von den Instituten nicht mehr zu verlangen, als für eine wirksame Geldwäschebekämpfung erforderlich ist. Im Herbst 2005 stellte die BaFin klar, dass kleinere Institute nicht zwingend EDV-Researchsysteme installieren müssen. Manuelle Überwachung reicht hier aus, da es um weniger Vertragsparteien, wirtschaftlich Berechtigte und Transaktionen geht als bei großen Instituten (BaFin Jahresbericht 2005, S. 183; BaFinSchreiben zur Implementierung von Geldwäschepräventionsmaßnahmen i.S.d. § 25a I Nr. 6 KWG vom 08.11.2005). Zur Implementierung der Vorgaben für politisch exponierte Personen (PEPs) dient die Durchführungs-RL 2006/70/EG v. 1.8.2006 (ABl. EG Nr. L 214/29 v. 4.8.2006), die ebenfalls bis zum 15.12.2007 in nationales Recht umgesetzt werden musste. Gleichwohl wurde bereits kritisiert, dass die risikobezogene Bekämpfungsstrategie nur formal, aber nicht wirkungsvoll unterstützt wird, dies infolge der – praktisch mit vertretbaren Mittel nicht umsetzbaren – Normen über die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten und die – zu weit gefasste oder unscharfe – Definition des Begriffs „politically exposed person“ (PEP) (so Höche, WM 2005, 8 (14); grundsätzlich kritisch zu Art. 13 (4) der RL 2005/60/ EG Herzog/Hoch, WM 2007, 1997 (1999 f.)). Damit werde das Ziel der EU-Harmonisierung, d. h. die Beseitigung der Unterschiede in der Aufsichtspraxis der EU-Mitgliedstaaten, erschwert. Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt könnten die Folge sein, wenn ein Staat die EU-Normen laxer handhabt als ein anderer. Das stellt eine Herausforderung für die nationale deutsche Umsetzung dar. Die bevorstehende Umsetzung wird nach Angaben der BaFin (BaFin Jahresbericht 2006, S. 193 f.) eine vollständige Überarbeitung des Geldwäschegesetzes und der geldwäscherechtlichen Vorschriften in den Fachgesetzen KWG und VAG zur Folge haben. Angestrebt sei eine konsequente 1:1-Umsetzung der Richtlinie ins deutsche Recht sowie eine weitestgehende Ausnutzung der durch die Richtlinien vorgegebenen Erleichterungsmöglichkeiten für die Finanzwirtschaft. Der Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz – GwBekErgG), BT-Drucks. 16/9038 v. 5.5.2008, wird aktuell noch diskutiert (siehe nur die gemeinsame Stellungnahme von BNotK, BRAK, BStBK und WPK v. 29.5.2008). Zur Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drucks. 168/08 (Beschluss) v. 25.4.2008) hat die Bundesregierung eine Gegenäußerung vorgenommen (BT-Drucks. 16/9080 v. 7.5.2008). Es ist eine „Eins zu Eins“-Umsetzung angedacht (BT-Drucks. 16/9038, S. 46). Die EU hat Ende 2006 die Verordnung über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers verabschiedet. Diese Verordnung regelt für grenzüberschreitende Geldtransfers Pflichten zur Identifizierung, Prüfung und Weiterleitung von Daten über den Auftraggeber. Auf diese Weise sollen Geldtransfers lückenlos rückverfolgbar sein. Mit der Verordnung wird eine FATF-Sonderempfehlung in den Mitgliedstaaten der EU umgesetzt. § 25b KWG wird zukünftig flankierende Regelungen, insbesondere zu Zuständigkeiten, enthalten (BaFin Jahresbericht 2006, S. 194). Die EU-Ausschüsse CEBS, CESR und CEIOPS gründeten 2006 gemeinsam die Anti Money Laundering Task Force (AMLTF). Diese befasst sich mit praktischen Fragen der Anwendung EU-geldwäscherechtlicher Regelungen durch die Aufsichtsbehörden. Die BaFin wird hier insbesondere aufgrund der bei ihr bestehenden Konzentration aller Zuständigkeiten zur Geldwäschebekämpfung umfassende Unterstützung leisten können (BaFin Jahresbericht 2006, S. 194).
Frisch
212
213
214
215
244
216
217
218
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
II. Wertpapier-Compliance. 1. Verantwortung der Geschäftsleitung. Da Compliance eine Aufgabe der Unternehmensleitung ist (Schneider, ZIP 2003, 645; Fleischer, CCZ 2008, 1, 3; Lösler, WM 2008, 1099 (1104); Röh, BB 2008, 298; Sandmann, CCZ 2008, 104 (107); Spindler, WM 2008, 905 (909)), obliegt es der Geschäftsleitung (so schon ehemals Ziff. 4.1 CRL der BaFin vom 25.10.1999) bzw. bei einer AG dem Vorstand, für die Compliance und ein angemessenes Risikomanagement und -controlling im Unternehmen zu sorgen (vgl. 4.1.3 u. 4.1.4 des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung v. 20.7.2007). Eine Verantwortlichkeit des Aufsichtsorgans, bei der AG also des Aufsichtsrats, ist dafür nach der deutschen Unternehmensverfassung nicht vorgesehen. Darauf nimmt jetzt auch Art. 9 I DRL (Durchführungs-RL (DRL) 2006/73/EG v. 10.8.2006 (ABl. L 241/26 v. 2.9.2006)) i. V. m. Art. 13 II MiFID mit der Formulierung „sowie gegebenenfalls das Aufsichtsorgan“ Rücksicht. 2. Compliance nach der MiFID. a) Art. 13 II MiFID. Art. 13 II MiFID bestimmt generalklauselartig (Spindler/Kasten, AG 2006, 785), dass es zu den organisatorischen Anforderungen einer Wertpapierfirma gehört, angemessene Strategien und Verfahren vorzusehen, die ausreichen, um sicherzustellen, dass – die Firma (Begriffsbestimmung: Art. 4 Nr. 1 MiFID) – ihre Geschäftsleitung, – Beschäftigten und – vertraglich gebundenen Vermittler („tied agents“; Begriffsbestimmung in Art. 4 Nr. 25 MiFID) den Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie sowie den einschlägigen Vorschriften für persönliche Geschäfte (Begriffsbestimmung: Art. 11 DRL) dieser Personen nachkommen. Art. 9 I DRL bestimmt ergänzend eine Zuständigkeit der Geschäftsleitung, die Verantwortung dafür zu tragen, dass die Wertpapierfirma die in der MiFID festgelegten Pflichten erfüllt. Die Geschäftsleitung ist insbesondere verpflichtet, – die Wirksamkeit der zur Einhaltung der MiFID festgelegten Grundsätze, Vorkehrungen und Verfahren zu bewerten und – regelmäßig zu überprüfen und – angemessene Maßnahmen zur Behebung etwaiger Mängel zu ergreifen. Die MiFID und ihre ergänzenden Bestimmungen ändern also erwartungsgemäß an der schon bislang bestehenden Verantwortung der Geschäftsleitung nichts, erhöhen aber die rechtlich-organisatorischen Anforderungen. Die nationale deutsche Umsetzung in § 33 I 2 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 13 I WpDVerOV sowie § 12 III Nr. 1 WpDVerOV und § 33 I 2 Nr. 1 u. 6 WpHG ist nicht sehr erhellend (Veil, WM 2008, 1093 (1094 f.); Röh, BB 2008, 398). Es bleibt alles etwas unkonkret, was die Stellung des Compliance-Office als solche angeht. Erwägungsgrund 3 der DRL fordert vor dem oben dargestellten Hintergrund für Wertpapierfirmen die Festlegung konkreter organisatorischer Anforderungen und Verfahren, wobei insbesondere für einen Aspekt wie die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben („Compliance“) strikte Verfahren festgelegt werden sollen. Compliance (Art. 13 II MiFID i. V. m. Art. 2, 5, 6 und 9 DRL) ist nur ein Teil der von der MiFID vorgesehenen organisatorischen Anforderungen bzw. Kontrollmechanismen. Art. 13 MiFID bzw. die DRL sehen eine dreistufige Fehler- bzw. Risikokontrolle von Compliance, Risk Management (Art. 13 V Unterabsatz 2 MiFID i. V. m. Art. 7 DRL) und Innenrevision (Art. 13 V Unterabsatz 2 MiFID i. V. m. Art. 8 DRL) vor, wobei die Unabhängigkeit betont wird, was eine organisatorische Trennung der drei Kontrollmechanismen nahe legt.
Frisch
§ 7 Compliance
245
Damit geht die DRL über die bisherige Rechtslage hinaus (Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (786)), auch wenn sich diese Sicht der Dinge schon bislang aus Ziff. 4.2 CRL der BaFin zu § 33 WpHG a. F. und auch § 25a KWG abgeleitet hatte (vgl. Hauschka-Gebauer, § 31 Rn 55). Der Umstand, dass die Innenrevision auch die Arbeit der Compliance-Abteilung überprüfen soll, erfordert mindestens funktionierende „Chinese Walls“ und auch separates Personal (Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (786)). Das bedeutet, dass der Wortlaut der DRL eine Trennung und Unabhängigkeit der Innenrevision von Compliance verlangt. Ein einheitlicher Stabsbereich „Überwachung“ kann deshalb nicht in Betracht kommen (zutreffend Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (786)). Von den Geschäftsbereichen als überlappend empfundene Tätigkeiten von Compliance, Risikomanagement und Innenrevision sind also auch durch die MiFID oder DRL nicht beseitigt. Rein tatsächlich besteht aber ein Umsetzungsspielraum für die Unternehmen, da die DRL in Art. 6 auch den Zuschnitt von Compliance nicht konkreter bestimmt (zutreffend Spindler/Kasten, AG 2006, 785 f. (786); vgl. aber CESR, CESR/05-24c, S. 13 ff.).
219
Anschaulich geht die Dreistufigkeit aus einem Schaubild der Hintergrundanmerkungen („Background Notes“) zum Vorschlag der EU-Kommission vom 6.2.2006 für eine DRL zur MiFID hervor:
220
COMPLIANCE
RISK MANAGEMENT
INTERNAL AUDIT
General requirement: the performance of multiple functions by the investment firm’s staff should not prevent them from discharging any particular function soundly, honestly and professionally.
ALWAYS REQUIRED COMPLIANCE POLICIES AND PROCEDURES
RISK MANAGEMENT POLICES AND PROCEDURES
INTERNAL CONTROL MECHANISMS
COMPLIANCE FUNCTION WHICH FUNCTIONS INDEPENDENTLY
COMPLIANCE OFFICER
REQUIRED WHERE APPROPRIATE
. .
Compliance stuff nor involved in the performance of services or activities they monitor Rennmeration does not compromise comliance stuff objectivity
Risk management function which functions independently
Internal audit function which is separate and independent from other activities
Bei größeren Firmen ist die Zusammenlegung von Risikomanagement und ComplianceFunktion nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig, Erwägungsgrund 15 DRL.
221
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die im Juli 2006 verabschiedete RL 2006/43/EG v. 17.5.2006 (ABl. EG Nr. L 157/87 v. 6.9.2006), kurz auch EU-Prüferricht-
222
Frisch
246
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
linie genannt, dazu führt, dass dem Prüfungsausschuss (Audit Committee) – vgl. dazu § 264d, 342f I HGB-E im Rahmen des BilMOG – nach Art. 41 II b) dieser RL auch die Aufgabe zukommt, auch Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, gegebenenfalls des internen Revisionssystems, und des Risikomanagementsystems des Unternehmens zu überwachen. Die EU-Prüferrichtlinie geht über die Regelungen des Deutschen Corporate Governance Kodex hinaus, was die Aufgaben des Aufsichtsrats, insbesondere des Prüfungsausschusses, anbelangt (Hauschka-Pampel/Glage, § 5 Rn 87). Sie ist nach Art. 53 I 1 der RL bis 29.6.2008 von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Auf deutsche Unternehmen und Aufsichtsräte werden mit der Umsetzung der EU-Prüferrichtlinie neue Anforderungen im Hinblick auf Audit Committees (Prüfungsausschüsse) zukommen (Lanfermann/Maul, DB 2006, 1505). 223
b) Art. 6 DRL. Art. 13 II MiFID i. V. m. Art. 6 DRL bringen weder für das KWG noch für das WpHG grundlegende Neuerungen (Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (786); Hauschka-Gebauer, § 31 Fn 16), sondern statuieren für die Wertpapier-Compliance hauptsächlich schon bekannte internationale Standards.
224
Nach Art. 6 I DRL obliegt der Compliance-Organisation die Funktion der Information gegenüber den Aufsichtsbehörden (Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (786 Fn 13)). Das entspricht dem seitherigen internationalen Verständnis, vgl. nur Nr. 42 des Papiers des Basler Ausschuss für Bankenaufsicht “Compliance and the compliance function in banks“ vom April 2005 oder S. 9 des IOSCO „Compliance function at the market intermediaries Final Report“ vom März 2006. Art. 6 I DRL verlangt als Zielsetzung der Compliance die Aufdeckung jeden Risikos einer etwaigen Verletzung von MiFID-Pflichten samt der damit verbundenen Risiken, des Weiteren die Vornahme angemessener (Schlicht, BKR 2006, 469 (470)) Maßnahmen, um dieses Risikos auf ein Mindestmaß zu beschränken, wobei die Wertpapierfirmen insbesondere Art, Umfang und Komplexität ihrer Geschäfte Rechnung tragen müssen.
225
Aus Art. 6 II ergibt sich die interne Kontrollfunktion von Compliance, d. h. die Compliance-Funktion muss überwachen und regelmäßig bewerten, ob die eingeleiteten Maßnahmen und Verfahren und Schritte zur Defizitbehebung angemessen und wirksam sind, des Weiteren die in der Wertpapierdienstleistung und Anlagebereich tätigen Personen beraten und unterstützen. Dass die Beratungsfunktion hier ausdrücklich erwähnt wird, ist wohl als neu zu bezeichnen, auch wenn es heute schon vielfach gelebter Praxis entspricht. Jedenfalls bedeutet dies auch, dass andere Abteilungen wie die Rechtsabteilung, die Beratung erbringen, insoweit für sich kein Monopol beanspruchen können bzw. positiv formuliert im besten Sinn als Compliance-Funktion wirken (sollen), wenn sie beraten. Natürlich kann das Unternehmen selbst bestimmen, wie es sich intern organisiert.
226
Die Wertpapierfirmen müssen gewährleisten, dass der Compliance-Beauftragte seine Aufgaben ordnungsgemäß und unabhängig wahrnehmen kann, Art. 6 III DRL. Die Unabhängigkeit darf z. B. nicht durch eine unangemessene Vergütung beeinträchtigt werden, Art. 6 III d) DRL. Dafür scheint es auszureichen, die Vergütung bzw. Sonderzahlungen nicht an den Geschäftserfolg des jeweiligen Geschäftsbereichs zu knüpfen, in dem er tätig ist. Ein Bezug zum Gesamtunternehmensergebnis erscheint jedoch zulässig zu sein, zumal sich die Vergütungsstruktur im Compliance-Bereich regelmäßig mehr dem Tarifbereich als z. B. bei einer privaten Großbank der Vergütungshöhe im Investmentbanking-Bereich zuneigt. Eine „Standardprämie“ in Form eines höheren Gehalts (so Schlicht, BKR 2006, 369 (470)) ist also nicht erforderlich, um die Unabhängigkeit zu wahren (vgl. auch die Begründung zu § 12 IV WpDVerOV (Stand: 1.10.2007)). Durch Art. 6 III c) werden die Wertpapierfirmen aufgefordert, eine separate Compliance-Funktion einzurich-
Frisch
§ 7 Compliance
247
ten, d. h. eine Funktion, die nicht in Dienstleistungen oder Tätigkeiten eingebunden ist, die sie überwachen soll (so bereits Ziff. 4.2 CRL). Art. 6 III a) DRL, der eine hinreichende, auch personelle Ausstattung der Funktion verlangt, bringt keine Neuigkeiten (vgl. Ziff. 4.2 CRL). Ohnehin wurde dies bislang schon im Rahmen einer Prüfung nach § 35 I oder § 36 I WpHG kontrolliert (Ziff. 5 CRL). Art. 6 III b) DRL verlangt die Benennung eines Compliance-Beauftragten, der für die Compliance-Funktion und die Erstellung der in Art. 9 II DRL vorgesehenen Berichte verantwortlich ist. Denn die Geschäftsleitung muss mindestens einmal jährlich schriftlich informiert werden, insbesondere ob Maßnahmen zur Behebung etwaiger Mängel in geeigneter Weise vorgenommen wurden (ähnlich schon Ziff. 4.2 CRL). Schon heute ist es weitgehend Konsens, dass die Compliance-Funktion daher eine dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung unmittelbar nachgeordnete Einheit ist und dorthin direkt berichten muss (Hauschka-Gebauer, § 31 Rn 60).
227
3. Umsetzung ins nationale Recht – § 33 WpHG n. F. Insgesamt betrachtet trägt das gesetzgeberische Konzept der Umsetzung der MiFID einerseits im Rahmen des § 25a I KWG, andererseits aber im Rahmen des § 33 WpHG nicht unbedingt zur Übersichtlichkeit bei. Ob es mit der MiFID/DRL überhaupt vereinbar oder insoweit dienlich ist, den zentralen, sich an das Unternehmen als solches richtenden § 25a I KWG noch weiter auszubauen, statt z. B. eine klare spezifische Regelung zu Wertpapier-Compliance in § 33 WpHG vorzunehmen und damit auch mehr Übersichtlichkeit zu schaffen, ist fraglich (zutreffend Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (787)). Die Redundanz bzw. das Strukturierungsbedürfnis nehmen letztlich zu.
228
a) Kein doppeltes Risikomanagement. Um doppelte Anforderungen an die Geschäftsorganisation – insbesondere an das Risikomanagement – zu vermeiden, verweist bereits § 33 I 1 WpHG auf die von § 25a I u. IV KWG (dazu Art. 13 II bis VIII MiFID, Art. 5 DRL) statuierten allgemeinen Organisationsanforderungen. § 33 I 2 u. 3 WpHG setzen in allgemeiner Form besondere organisatorische Erfordernisse der MiFID und der DRL in Bezug auf die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen in allgemeiner Form um, die durch eine Rechtsverordnung nach Maßgabe der Finanzmarktrichtlinie und der entsprechenden Vorschriften der Durchführungsrichtlinie konkretisiert werden. Diese Anforderungen sind von Wertpapierdienstleistungsunternehmen zusätzlich zu beachten (BT-Drucks. 16/4028 v. 12.01.2007, S. 70). So ist es auch nicht verwunderlich, wenn der Wortlaut des § 33 WpHG stark an die MiFID und die DRL erinnert. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird daher zunächst auf das oben Gesagte verwiesen.
229
Die Begründung zur BT-Drucks. 16/4028 v. 12.01.2007, S. 70, macht deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber ohnehin der Auffassung ist, dass die meisten Organisationspflichten des neuen § 33 I 2 WpHG bereits nach geltendem Recht zu beachten waren und der gängigen Verwaltungspraxis der BaFin gemäß der „Compliance-Richtlinie“ zu § 33 WpHG v. 25.10.1999 (Bundesanzeiger Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18453) entsprachen, die zum 1.11.2007 aufgehoben wurde. § 33 WpHG n. F. wird durch die Verordnungen der WpDVerOV und FinAnV konkretisiert.
230
Der Wortlaut des § 33 I 2 Nr. 1 WpHG besagt nicht viel, jedenfalls nicht mehr als der des § 13 II MiFID oder Art. 6 II RL. Zur Konkretisierung in Umsetzung von Art. 6 DRL soll § 12 WpDVerOV beitragen, z. B. § 12 III, IV WpDVerOV.
231
b) Monitoring. § 12 I WpDVerOV betont den präventiven Zweck („Gefahr einer Verletzung“), aber auch die investigative Zielsetzung („aufzudecken“) von Compliance. Das Monitoring bzw. die Kontrollen müssen daher darauf ausgerichtet sein, möglichst
232
Frisch
248
233
234
235
236
237
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
frühzeitig die Gefahr für eine Verletzung von WpHG- und in den VOen niedergelegten Pflichten entdecken zu können (zu arbeitsrechtlichen Aspekten Mengel/Ulrich, NZA 2006, 240; zu Grenzen der Befragung von Mitarbeitern Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703). Dazu kann ein Transaktionsmonitoring beitragen (Hauschka-Gebauer, § 31 Rn 31). Die einzelne Transaktion, so wichtig ihre genaue Überprüfung im Rahmen der Feststellung von Verstößen wichtig ist, hat jedoch den Nachteil, dass sie, da bereits in der Vergangenheit geschehen, nur nachträglich zur Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung tatsächlich vorlag oder nicht, Informationen liefern kann. Es kann daher hilfreich sein, Transaktionen zu aggregieren, um auf aggregierter Ebene (z. B. auf Filial-, Bezirks- oder Regionsebene) Trends oder Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Natürlich können auch bestimmte Gruppen von Finanzinstrumenten oder Wertpapier(neben)dienstleistungen bzw. Portfolien damit überwacht werden. Eine solche aggregierte Übersicht auf Portfolio-Basis (Portfolio basiertes Monitoring) kann mitunter wirkungsvoller zur Prävention beitragen als ein Transaktionsmonitoring, das gleichwohl unverzichtbar bleiben wird, weil die zu überprüfende Transaktion als Baustein am Anfang oder auch am Ende der Kette steht und Auskunft darüber gibt, ob ein Trend trügt oder nicht. IT-Systeme können dazu beitragen, bedürfen aber auch der Anpassung und Steuerung, je nachdem, wie sich WpHG-Risiken entwickeln. Typische Risiken, die gemonitort werden können, wobei jeweils der durch eine voraufgegangene Risikobewertung („Risk Assessment“) nach Eintrittswahrscheinlichkeit und potenzieller Schadenshöhe bestimmte Gefährdungsgrad Art, Umfang und Dauer des Monitorings bestimmen sollte, sind z. B. auf der Privatkundenseite „Suitability“ (faktisch schon in Deutschland ein Thema seit BGH NJW 1993, 2433 „Bond“-Entscheidung; BGH NJW 2008, 1734 (1737, Rz. 28 u. 29) auch zu § 826 BGB) oder „Churning“ (Rössner/Arendts, WM 1996, 1517; BGH WM 1999, 2249; BGH ZIP 2004, 1699; Barta, BKR 2004, 433 (440), der eine Kontoüberwachung mittels Softwarelösung, die regelmäßig die commission-to-equity-rate und die turn-over-rate ermittelt, vorschlägt; Hilgard, WM 2006, 409). „Scalping“ (Lenenbach, ZIP 2003, 243; fällt unter § 20a WpHG nach BGH NJW 2004, 302), Vor-, Mit- oder Gegenlaufen („Front-/Parallelrunning“ nach § 14 I Nr. 1 WpHG (Schwark-Schwark, § 14 WpHG Rn 24) und andere Pratiken im Bereich der Marktmanipulation oder des Insiderhandels wie „Wash Trades“, „Matched Orders“, „Pump & Dump“ bzw. „Trash & Cash“, hohe Stornoquoten etc. können Risiken sein, die im Monitoring überwacht werden können. „Scalping“ ist gerade bei Finanzanalysten ein potentielles Risiko. Auch die Kontrolle der rechtmäßigen Durchführung von Kurspflegemaßnahmen (vgl. zu den Safe-Harbour-Regelungen Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302; Knauth/Käsler, WM 2006, 1041) kann für ein Monitoring in Betracht kommen. c) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 33 I 2 Nr. 1 WPHG steht jedoch unter dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des § 33 I 3 WpHG, Art. 6 I Unterabsatz 2 DRL. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass Compliance-Risiken keine Risiken oder gar das „Eigentum“ der Compliance-Abteilung sind, sondern des Unternehmens, des Geschäftsbereichs und letztlich des einzelnen Mitarbeiters, der in Gefahr geraten könnte, Pflichten zu verletzen. Eine Erstkontrolle muss daher wirksam – sei es durch den Vorgesetzten, das Vier-Augen-Prinzip oder eine Aufgabenteilung etc. – immer im betroffenen Geschäftsbereich selbst stattfinden. Dort müssen auch entsprechende Richtlinien oder Anweisungen, wobei Compliance hier beraten und unterstützen wird, seitens der verantwortlichen Vorgesetzten vorgehalten werden, damit die Mitarbeiter wissen, was sie tun dürfen oder lassen müssen. Um nicht eine betriebswirtschaftlich völlig unsinnige, den alltäglichen Risiken nicht
Frisch
§ 7 Compliance
249
angepasste Überwachungsbürokratie zu installieren, die den Mitarbeitern den Mut, zum Unternehmenserfolg beizutragen, nimmt und zudem das Unternehmensklima nachhaltig beinträchtigt, weil eine Stimmung des Misstrauens erzeugt wird, wird sich die Compliance-Funktion vielfach auf eine Zweitkontrolle zurückziehen können. Ohnehin wird auch noch die Innenrevision als Drittkontrolle tätig. Das ist auch bei der Angemessenheit nach § 12 II WpDVerOV zu berücksichtigen. Angemessen bedeutet in diesem Sinne auch, dass die unternehmensinternen Kontrollmechanismen („Compliance Perspective“) und Maßnahmen zur Förderung eines positiven Unternehmensklimas („Integrity Perspective“) wirkungsvoll (zu § 91 II AktG Berg, AG 2006, 271 (277)) zu verknüpfen sind und nicht eine Seite so überbetont oder auch vernachlässigt wird, dass die Wirksamkeit von Compliance leidet. Die richtige Gewichtung ist entscheidend. Einen „Compliance-Overkill“ gilt es zu vermeiden. § 12 II WpDVerOV nimmt den verbleibenden Regelungsgehalt des Art. 6 I DRL auf. Er statuiert eine Pflicht, Gefahren und Risiken so weit wie möglich zu beschränken. Natürlich kann der Vorbehalt der Möglichkeit nur bedeuten, dass keine Erfolgspflicht besteht. Dass die BaFin dadurch letztlich eine Unterstützung erfährt, versteht sich von selbst. Natürlich tragen gerade Schulungen, z. B. zum Umgang mit Interessenkonflikten (§ 13 WpDVerOV) oder zum Verhalten bei der Vornahme von Mitarbeitergeschäften, dazu bei. d) Überwachung und Bewertung. Wichtig ist, dass die Compliance-Funktion die Angemessenheit und Wirksamkeit der Grundsätze und Vorkehrungen nach § 12 I, II WpDVerOV sowie die zur Behebung von Defiziten getroffenen Maßnahmen überwacht und regelmäßig bewertet, § 12 III Nr. 1 WpDVerOV. Die Risikoanalyse, die damit verbundene Identifizierung von potentiellen Risiken oder Lücken („Gap“-Analyse), die entsprechende Anpassung von Prozessen und Systemen und die regelmäßige Überwachung von Risiken etc. stellen eine Art Kreislauf dar. e) Beratung und Unterstützung. § 12 III Nr. 2 WpDVerOV-E verlangt, dass Compliance die Mitarbeiter berät und unterstützt. Die Normierung der Beratungspflicht wertet Compliance auf, macht aber andererseits aber auch deutlich, dass Compliance-Arbeit nicht nur investigativ im abgeschirmten Bereich stattzufinden hat, sondern Beratung und Unterstützung als wesentliche Elemente zur Vertrauensbildung und der Etablierung einer Compliance-Kultur im Unternehmen beitragen müssen. f) Compliance-Beauftragter. § 12 IV WpDVerOV enthält im Wesentlichen keine Neuerungen, die nicht auch schon aus der per 1.11.2007 aufgehobenen „Compliance-Richtlinie“ der BaFin vom 25.10.1999 entnommen werden könnten. Es muss – wie bislang schon gelebte Praxis – ein Compliance-Beauftragter benannt werden, der für die ComplianceFunktion und die Erstellung der in § 33 I S. 2 Nr. 5 WpHG (Art. 9 II RL) vorgeschriebenen Jahresberichte an die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan verantwortlich ist (§ 12 IV S. 1 WpDVerOV, Art. 6 III b RL). g) Unabhängigkeit. Das für Compliance zuständige Mitglied der Geschäftsleitung sollte grundsätzlich nicht zugleich für Bereiche zuständig sein, die von Compliance überwacht werden. Es ist aber eine Befreiung von dieser Anforderung möglich, wenn das Unternehmen den Nachweis der Unangemessenheit der Maßnahmen und der auch ohne sie gegebenen Effizienz der Compliance-Funktion erbringt (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, § 12 V WpDVerOV). Ob der Compliance-Beauftragte auch „im öffentlichen Interesse … inthronisiert“ (so aber Veil, WM 2008, 1093 (1097)) wird, ist doch sehr fraglich, denn er ist Angestellter des Unternehmens, kein öffentlich-rechtlich auf das Gemeinwohl oder den Schutz der Kapitalmärkte verpflichteter Beamter (so wohl auch Lösler, WM 2008, 1099 (1104)).
Frisch
238
239
240
241
242
250
243
244
245
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
h) Berichtspflicht. Die Geschäftsleitung muss mindestens einmal jährlich schriftliche Berichte zu den in § 33 I 2 Nr. 1 WpHG (Art. 6 bis 8 RL) behandelten Grundsätzen, Mitteln und Verfahren erhalten (vgl. bereits Ziff. 2.2 CRL). In diesen muss insbesondere angegeben werden, ob zur Behebung von Verstößen gegen das WpHG oder zur Beseitigung des Risikos solcher Verstöße geeignete Maßnahmen getroffen wurden (§ 33 I 2 Nr. 5 WpHG, Art. 9 II DRL). Das Aufsichtsorgan, sofern vorhanden z. B. der Aufsichtsrat, muss ebenfalls in angemessenen Zeitabständen schriftliche Berichte zu den gleichen Angelegenheiten erhalten (§ 33 I 2 Nr. 5 WpHG, Art. 9 III RL; Schlicht, BKR 2006, 469 (475)). Das ist insofern eine Neuerung, aber auch Aufwertung von Compliance, weil Compliance an sich dem Vorstand untersteht. Letztlich dürfte es aber auch als Alternative zulässig sein, wenn der Vorstand wie bisher selbst, d. h. nicht die Compliance-Funktion, direkt das Aufsichtsorgan unterrichtet. 4. Umfang der Tätigkeit von Compliance. Der Wortlaut des § 33 I 2 Nr. 5 WpHG n. F. besagt, dass die Berichte der mit der Compliance-Funktion betrauten Mitarbeiter insbesondere angeben müssen, ob zur Behebung von Verstößen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens oder seiner Mitarbeiter gegen Verpflichtungen dieses Gesetzes oder zur Beseitigung des Risikos eines solchen Verstoßes geeignete Maßnahmen ergriffen wurden. Der Wortlaut besagt also, dass die Berichte alle Verpflichtungen, die aus dem WpHG für das Unternehmen selbst oder seine Mitarbeiter resultieren, umfassen. Des Weiteren könnte man daraus auch folgern, dass der Compliance-Funktion damit eine umfassende Überwachungspflicht zu allen Pflichten nach dem WpHG zukommt. Der Zusammenhang mit § 33 I 2 Nr. 1 WpHG zeigt aber auf, dass die organisatorische Pflicht dem Wertpapierdienstleistungsunterneh-men selbst obliegt mit der Folge, dass die Einrichtung einer dauerhaften und wirksamen Compliance-Funktion nur ein Baustein sein kann, d. h. auch andere Abteilungen, sofern sie als unabhängig und neutral genug angesehen werden können, nach Weisung der Unter-nehmensleitung „Compliance-Aufgaben“ übernehmen können, es sei denn, die MiFID und die DRL selbst verbieten das, wie oben dargestellt. Gegebenenfalls müssen dann diese mit „Compliance-Aufgaben“ betrauten Stellen an Compliance reporten, damit da-raus ein einheitlicher Bericht an den Vorstand, Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan erstellt werden kann. Ungeachtet dessen wird es wohl eine Hauptaufgabe der Compliance-Funktion bleiben, wie bisher die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln („Conduct of Business Rules“) zu überwachen, die durch die MiFID eine Neuordnung erfahren (vgl. Seyfried, WM 2006, 1375). Die Pflichten bzw. Sachverhalte zum Kunden- und Anlegerschutz (vgl. Spindler/ Kasten, WM 2006, 1749; WM 2006, 1797 ff.; Fleischer, BKR 2006, 389 (394 f.); Teuber, BKR 2006, 429; Weichert/Wenninger, WM 2007, 627; Zingel, BKR 2007, 173 (178)) sind mögliche Tätigkeitsfelder für Compliance, d. h. insbesondere: – korrekte Anlegerkategorisierung (§ 31a WpHG) – Einhaltung der umfangreichen Informations(einholungs)pflichten („ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse der Kunden“ – Art. 19 I, II bis VIII MiFID; § 31 II, III WpHG; § 31 IV bis X WpHG; § 31 XI WpHG i. V. m. RVO), wobei aus Artt. 27-43 DRL hervor geht, dass diese Pflichten nur für Retailkunden gelten sollen – Einhaltung der Standards bei Anlageberatung („suitability test“ (Eignungstest)), beratungsfreiem Geschäft („appropriateness test“ (Angemessenheitstest)) oder „Execution-Only“ für nicht-komplexe Wertpapiere (z. B. Warnung des Kunden) – Verpflichtung zur kundengünstigsten Ausführung (§ 33a WpHG) – Informationspflichten bei der Vermögensverwaltung
Frisch
§ 7 Compliance
251
Da für viele der Informationspflichten der Art. 27 ff. DRL eine Schutzgesetzeigenschaft i. S. v. § 823 II BGB angenommen werden könnte, da sie auch den Schutz der Anleger bezwecken (Kumpan/Hellgardt, DB 2006, 1714 (1715)), des Weiteren aber auch die Verletzung die Aufsichtsbehörde auf den Plan rufen könnte, ist Compliance Pflicht. Unzutreffende Vergleiche, falsche Wertentwicklungsdarstellungen oder -simulationen, Manipulationen, verzerrte einseitige Darstellung von Vorteilen, fehlende oder intransparente Angaben zu Risiken und Kosten, falsche (Rendite-)Versprechen, Täuschungen, unzureichende „Due Diligence“ bei neuen Finanzprodukten oder fehlende Plausibilitätsprüfung bei Fremd- bzw. Drittprodukten (BGH NJW-RR 2000, 998 = ZIP 2000, 355), Handeln ohne Kundenauftrag, unzureichende Dokumentation, unzureichende Aufklärung über den Ermessensspielraum des Vermögensverwalters sind nur einige Sachverhalte, die nicht zu Nachteilen für die Kunden führen dürfen. Auch beim Abschluss einer Vermögensverwaltung bestanden schon im Rahmen des seitherigen Rechts entsprechende Informationsbzw. Aufklärungspflichten (Balzer, WM 2000, 441; Sprockhoff, WM 2005, 1739). Die BaFin hat zudem am 21.4.2008 (WA 11-FR 4407-2007/0020) ein Verzeichnis der Mindestaufzeichnungspflichten gemäß § 34 V WpHG veröffentlicht, das die konkreten Aufzeichnungspflichten des 6. Abschnittes des WpHG, der WpDVerOV und der Verordnung EG 1287/2006 enthält. Die Pflichten gemäß § 34 I WpHG i.V.m. § 14 I WpDVerOV bleiben davon unberührt.
246
5. Mitarbeitergeschäfte. a) Mitarbeiterleitsätze. Bisher erfolgte die mitarbeiterbezogene Compliance auch durch die sog. „Mitarbeiterleitsätze“ des BAWe (jetzt: BaFin) 7.6.2000 (ZBB 2000, 357; von Kopp-Colomb, KMR – Lfg. 2/01, Kennz. 633/5, S. 9 ff. (13); Klanten, ZBB 2000, 349 (351); Assmann/Schneider-Koller, § 33 Rn 36 ff.; Schlicht, BKR 2006, 473 (474)). Die Mitarbeiterleitsätze, die Grundlage für die Kontrolle durch die Compliance-Abteilung waren, wurden per 01.11.2007 durch die BaFin aufgehoben (BaFin-Schreiben vom 23.10.2007). Die BaFin erkennt jedoch für einen Übergangszeitraum von einem Jahr ab Inkrafttreten des FRUG das seitherige interne Überwachungsverfahren der Institute auf Basis der „Mitarbeiterleitsätze“ als Einhaltung von § 33b WpHG an. Die seitherigen „Mitarbeiterleitsätze“ verfolgten mehrere Ziele:
247
– Interessenkonflikte sollen erkannt und vermieden werden, insbesondere im Hinblick auf „Frontrunning“ – Vermeidung von Insiderverstößen – Gleichzeitig kann überprüft werden, ob organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung von Interessenkonflikten effektiv sind oder Überarbeitungsbedarf besteht – Schutz der Institute vor durch Mitarbeitergeschäfte entstehenden Schäden wie z. B. Reputationsschaden oder auch Gefährdung der Solvenz des Unternehmens Danach mussten z. B. Mitarbeiter mit besonderen Funktionen im Gegensatz zu normalen Mitarbeitern ihre Mitarbeitergeschäfte, auch bei Drittbankverbindungen, unaufgefordert offen legen (Kopp-Colomb, KMR – Lfg. 2/01, Kennz. 633/5, S. 22). Die Kontrolle durch Compliance konnte bei normalen Mitarbeitern stichprobenartig erfolgen, bei Mitarbeitern mit besonderen Funktionen musste sie hingegen laufend erfolgen. b) Organisationspflichten. In § 33b III, IV und V WpHG (Art. 12 DRL) finden sich die Organisationsverpflichtungen des Unternehmens im Hinblick auf Mitarbeitergeschäfte. Bereits nach dem alten Recht bestanden umfangreiche Organisationspflichten zur Überwachung der Mitarbeitergeschäfte, um Insidergeschäfte und Interessenkonflikte zu verhindern, vgl. §§ 12 ff. WpHG a. F. i.V.m. § 33 I WpHG a. F. i.V.m. der „ComplianceRichtlinie“ vom 25.10.1999 (vgl. dort Ziff. 3.3.3 Überwachungsinstrumente) und die Mitarbeiterleitsätze v. 7.6.2000:
Frisch
248
252
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
– Chinese-Walls/Informationsbarrieren (Bülow, Die Bank 1997, 290) – Ziff. 3.3.1 CRL – Beobachtungslisten (watch-lists) – Ziff. 3.3.3.1 CRL – Sperrlisten (restricted-lists) – Ziff. 3.3.3.2 CRL – (Insiderlisten § 15b WpHG; Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22), Transparenz Damit dürften angemessene Mittel und Verfahren im Sinne von § 33b III WpHG (Art. 12 I RL) vorhanden sein, um die in § 33b III Nr. 1 bis 3 WpHG, Art. 12 I a) bis c) DRL genannten Geschäfte zu verhindern. In Betracht kommen natürlich aber auch z. B. eine Vorabgenehmigungspflicht („Pre-Approval“), Handelsverbote und Haltefristen. 249
Ein bekannt gewordenes Mitarbeitergeschäft sowie jede damit zusammenhängende Erlaubnis bzw. jedes Verbot müssen festgehalten werden (§ 33b IV Nr. 4 WpHG, Art. 12 II c RL). Die Einhaltung der organisatorischen Pflichten muss das Unternehmen bereits so festhalten, dass eine Nachprüfbarkeit für die BaFin im Rahmen einer Prüfung nach § 36 WpHG oder in der Jahresabschlussprüfung gewährleistet ist, vgl. bereits Ziff. C. II. Mitarbeiterleitsätze.
250
Die MiFID sieht gewisse Änderungen vor, was die Definition des Mitarbeitergeschäfts anbelangt. § 33b II WpHG definiert den Begriff des Mitarbeitergeschäfts. Der Mitarbeiter wird in § 33b I WpHG definiert. Der deutsche Gesetzgeber hat damit die Bezeichnung „relevante Person“ aus der MiFID durch einen weiten Begriff ersetzt, der nicht nur den eigentlichen Mitarbeiter, sondern auch die Geschäftsführung, die persönlich haftenden Gesellschafter sowie vertraglich gebundene Vermittler erfasst. Der Ausweitung des Mitarbeiterbegriffs durch Art 12 II b) DRL auf Mitarbeiter von Auslagerungsunternehmen kann durch entsprechende schriftliche Vereinbarungen, wonach dieses die Dokumentation vornehmen und dem auslagernden Institut auf Verlagen zur Verfügung stellen können muss, begegnet werden (Schlicht, BKR 2006, 469 (474)).
251
Im Gegensatz zu den bislang geltenden Mitarbeiterleitsätzen gibt es z. B. folgende Unterschiede (vgl. auch BaFin-Schreiben vom 23.10.2007): – auch persönlich haftende Gesellschafter sind erfasst; – § 33b I Nr. 2 WpHG (Art. 2 Nr. 3 RL) bezieht sog. vertraglich gebundene Vermittler sowie deren persönlich haftende Gesellschafter und Mitarbeiter in den Kreis der Mitarbeiter mit ein; – § 33b I Nr. 3 WpHG ist insoweit enger als die bisherigen Mitarbeiterleitsätze, als nur Personen erfasst werden, derer sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, insbesondere auf Grund eines Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses bedient. – die Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Bestimmungen der Leitsätze unter B. auf sämtliche von § 33b II WpHG erfassten Mitarbeitergeschäfte angewendet werden; – die Unternehmen müssen Geschäfte mit sämtlichen Finanzinstrumenten im Sinne von § 2 IIb WpHG als Mitarbeitergeschäfte erfassen; – die Ausnahme unter A.II. der Leitsätze für Geschäfte in Investmentanteilen wird auf Mitarbeiter beschränkt, die nicht an der Verwaltung des Investmentvermögens beteiligt sind, § 33b VII WpHG; – die Unternehmen müssen sicherstellen, dass Mitarbeitergeschäfte von Mitarbeitern eines Auslagerungsunternehmens von Seiten des Auslagerungsunternehmens dokumentiert werden, § 33b IV Nr. 3 WpHG; dies gilt nicht, soweit das Auslagerungsunternehmen selbst Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist. Damit wird etwa ein Kreditsachbearbeiter, der Insiderinformationen erhalten kann, aber an der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nicht beteiligt ist, von § 33b WpHG nicht erfasst. Diese Folge wäre aber aus Gründen der Marktintegrität ein offenkundiger
Frisch
§ 7 Compliance
253
Rückschritt. Hier greifen aber die allgemeinen organisatorischen Anforderungen gegebenenfalls nach § 25a I KWG, um Vorkehrungen für Mitarbeitergeschäfte zu treffen, Dies gilt ebenfalls für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, die keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne von § 2 IV WpHG sind (BaFin-Schreiben vom 23.10.2007). 33b V Nr. 2 WpHG erlaubt nur in außergewöhnlichen Umständen, die auch persönliche finanzielle Härtefälle umfassen, mit vorheriger Zustimmung der Rechtsabteilung oder der Compliance-Funktion entgegen den aktuellen Empfehlungen Geschäfte von Mitarbeitern, die an der Erstellung von Finanzanalysen nach § 34b WpHG beteiligt sind. Grundsätzlich sollen nach § 33b V Nr. 1 WpHG auch keine Geschäfte vorgenommen werden, bevor die Empfänger der Finanzanalysen oder Anlageempfehlungen ausreichend Gelegenheit für eine Reaktion hatten, wobei hier die Bereichsöffentlichkeit ausreichen sollte (so Abschnitt 2 der ebenfalls per 1.11.2007 aufgehobenen BaFin-Richtlinie v. 23.8.2001 gem. § 35 VI WpHG zur Konkretisierung der §§ 31, 32 WpHG (sog. „Wohlverhaltens-Richtlinie“)). Das Einführen einer „Pre-approval“-Pflicht für Mitarbeiter, die an der Erstellung von Finanzanalysen erstellt sind, kann hier hilfreich sein. Auch die grundsätzliche Untersagung von Mitarbeitergeschäften (Göres, BKR 2007, 85 (90)) in selbst- oder von dem Team, dem der Analyst angehört, analysierten Werten kommt in Betracht. So sieht z. B. der DVFA-Verhaltenskodex der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. vom Mai 2007 unter Ziff. 4 vor, dass ein DVFA-Mitglied keine Finanzinstrumente halten oder handeln soll, welche von ihm analysiert oder im Rahmen seiner Kundenbeziehung betreut werden. Ebenso soll ein Mitglied keine entsprechenden Beteiligungen halten oder sonstige wirtschaftliche Verbindungen zu betreuten Unternehmen eingehen. Abweichungen hiervon sind dem Kunden gegenüber offen zu legen, damit dieser den Interessenkonflikt erkennen und entsprechend reagieren kann.
252
§ 33b VII WpHG sieht aber auch Ausnahmen von den vorgenannten Organisationsverpflichtungen der Absätze III und IV insbesondere im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung vor, sofern vor dem jeweiligen Geschäftsabschluss kein Kontakt zwischen dem Portfolioverwalter und dem Mitarbeiter oder demjenigen besteht, für dessen Rechnung das Geschäft getätigt wird (vgl. § 33b VII Nr. 1 WpHG, Art. 12 III a RL). Des Weiteren ausgenommen ist ein Mitarbeitergeschäft mit Anteilen am Investmentvermögen, wenn der Mitarbeiter oder jede andere Person, für deren Rechnung das Geschäft getätigt wird, nicht an der Verwaltung dieses Organismus beteiligt ist (vgl. § 33b VII Nr. 2 WpHG, Art. 12 III b RL). Die weiteren Ausnahmen der bisherigen Mitarbeiterleitsätze für Ansparpläne und andere vertraglich vereinbarte Ansparpläne der Mitarbeiter sieht die EURichtlinie nicht vor. Laut der Gesetzesbegründung zu § 33b WpHG gilt diese Verwaltungspraxis aber weiterhin.
253
6. Finanzanalysen und Marketing. a) Definition. Art. 24 I RL enthält die Definition von Finanzanalysen. Bei der Umsetzung hat der deutsche Gesetzgeber die engere Definition der Finananalyse in § 34b I 1 WpHG a. F. unverändert belassen und eine weitere Definition im § 34b V 3 WpHG bzw. § 5a I 1 FinAnV eingeführt. § 31 II 2 WpHG (Art. 24 II RL) enthält die Abgrenzung zur Marketing-Mitteilung. Die zusätzlichen organisatorischen Anforderungen an Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Finanzanalysen erstellen und verbreiten, sind in § 5a FinAnV, Art. 25 RL geregelt.
254
b) MAD und MiFID. Zum besseren Verständnis ist darauf hinzuweisen, dass durch die Umsetzung der MiFID/RL-Vorgaben nur die organisatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit der Erstellung von Finanzanalysen betroffen sind. Die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie („MAD“ – RL 2003/6/EG v. 28.1.2003 (ABl. EG Nr. L.
255
Frisch
254
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
96/16 v. 12.4.2003)) beziehungsweise des § 34b WpHG a. F. und der FinAnV a. F. sind weiterhin zu beachten. Die Zweigleisigkeit erklärt sich daraus, dass MAD und MiFID unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen. Die MAD soll die Marktintegrität, die MiFID den Anleger schützen. Die zweifache Schutzrichtung führt auch im WpHG zu einer etwas unübersichtlichen Gesetzeslage (vgl. dazu im Einzelnen Göres, BKR 2007, 85 (86 f.); BaFin, Auslegung einzelner Begriffe der §§ 31 II 4, 34b WpHG i.V.m. der FinAnV, WA 36-Wp-2002-2007/2006 v. 21.12.2007). 256
c) Fünf Fallgruppen. Bislang werden daher teilweise aufgrund der etwas unübersichtlichen Gesetzeslage bis zu fünf unterschiedliche Ausprägungen im Pflichtenkreis zwischen MAD und MiFID zu Finanzanalysen oder Werbemitteilungen unterschieden: (1) „Volle“ Finanzanalysen (Inhalt/Empfehlung zu Finanzinstrument i.S.d. § 34b III WpHG i.V.m. § 2 IIb WpHG: MAD + MiFID Anforderungen); (2) Finanzanalysen, die nur für den Kunden bestimmt sind (Information/Empfehlung zu Finanzinstrument i.S.d. § 2 IIb WpHG, § 34b V 3 WpHG u. § 5a I 1 FinAnV: MiFID-Anforderungen); (3) Empfehlungen, die nur intern verwendet werden (Information/Empfehlung zu Finanzinstrument i.S.d. § 2 IIb WpHG: weder MAD noch MIFID-Anforderungen); (4) „analytische Werbemitteilungen“ (Inhalt/Empfehlung zu Finanzinstrument i.S.d. § 34b III WpHG; § 31 II 4 Nr. 2 WpHG: MAD-Anforderungen) und (5) „bloße“ Werbemitteilungen (keine Information/Empfehlung zu Finanzinstrumenten). Göres, BKR 2007, 85 (88), unterscheidet z. B. letztlich vier Wahlmöglichkeiten der Gestaltung für Unternehmen, wobei Research bislang (vgl. Ziff. 3 des BaFin-Schreibens vom 1.9.2005) schon nach § 34b WpHG a. F. nicht als Analyse galt, wenn es für die die individuellen Verhältnisse eines bestimmten Kunden berücksichtigende Anlageberatung erstellt wurde. Das ist aber auch zukünftig nicht der Fall, wenn der Anlageberater aus anderem Grund schon vorhandenes, nicht auf den Kunden individuell zugeschnittenes Research verwendet (Göres, BKR 2007, 85 (89)). Die Unternehmen haben es jedoch selbst in der Hand, das Beste aus dieser Situation zu machen. Hochwertiges Reserach zu Einzeltiteln wird daher wohl als „volle“ Finanzanalyse erstellt werden müssen, wenn es dem Institut gerade darauf ankommt, die hohe Kompetenz und Qualität des eigenen Research im Wettbewerb zu belegen. Für den normalen Vertrieb könnte es ausreichen, „bloße“ Werbemitteilungen zu verwenden. Interne, nicht für Kunden bestimmte Empfehlungen („for internal use only“) sind ohnehin unproblematisch handzuhaben, erfordern aber das strikte Verbot an alle Mitarbeiter, diese Empfehlungen nicht unzulässigerweise unbefugt an Dritte außerhalb der Bank weiterzugeben.
257
d) Marketing und Werbemitteilungen. Auch „bloße“ Werbemitteilungen sind keine Produkte mangelhafter Qualität, da völlig unobjektiv, wie das ein Vergleich mit der „vollen“ unabhängigen objektiven Finanzanalyse nahe legen könnte. Denn die MiFID und die DRL verlangen zum einen, dass sie zum Schutz des Anlegers als solche eindeutig gekennzeichnet werden, zum anderen müssen sie redlich, eindeutig und nicht irreführend sein, was i. S. d. § 31 II WpHG nur dann der Fall ist, wenn sie die Voraussetzungen von § 4 II bis XI WpDVerOV erfüllen, d. h. – nicht nur Vorteile, auch die Risiken müssen eindeutig dargelegt werden; – keine Nivellierung oder unverständliche Darstellung von wichtigen Aussagen oder Warnungen; – angestellte Vergleiche müssen aussagekräftig und ausgewogen sein, wobei Informationsquellen, wesentliche Fakten und Hypothesen angegeben werden müssen;
Frisch
§ 7 Compliance
255
– Aussagen, Simulationen und Angaben zur früheren oder künftigen Wertentwicklung unterliegen Beschränkungen; – Informationen zur steuerlichen Seite müssen deutlich und korrekt dargestellt werden; – Information im Zusammenhang mit der Werbemittelung müssen mit denen übereinstimmen, die dem Kunden bei Wertpapier(neben)dienstleistungen übermittelt werden; – falls die Werbemitteilung der Herbeiführung eines Vertragsschluss dient, dürfen die Angaben nach § 5 I, II WpDVerOV nicht fehlen – der Name einer Aufsichtsbehörde darf nicht missbraucht werden Letztlich wird – wie bisher schon unter § 33 WpHG a. F. – es der Compliance-Funktion obliegen, Finanzanalysen und Werbemitteilungen vor deren Veröffentlichung bzw. Verwendung zu überprüfen (Schlicht, BKR 2006, 469 (473)), z. B. ob eine Finanzanalyse sachgerecht erstellt und dargeboten wird, oder ob die Werbemitteilung als solche auch klar gekennzeichnet ist und in Übereinstimmung mit § 4 WpDVerOV erstellt wurde.
258
e) Organisatorische Vorkehrungen. Auch die üblichen organisatorischen Maßnahmen (z. B. sog. „Chinese Walls“; dazu Bülow, Die Bank 1997, 290), die die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Personen gewährleisten sollen, die über Einwirkungsund Einsichtsmöglichkeiten bezüglich (der Erstellung) der Finanzanalyse verfügen, und deren Überwachung bleibt ein Teil der Compliance-Arbeit. Die Überwachung der Offenlegung von Interessenkonflikten mittels „Disclosures“, wie in der jetzigen Fassung der FinAnV schon gefordert, wird ein Teil der Compliance-Arbeit bleiben.
259
Informationssperren: § 34 V 1 WpHG a. F. verlangte schon bisher unternehmensinterne Informationssperren, die den Erstellern von Finanzanalysen den Weg zu konfliktverursachenden Informationen versperren, wie es jetzt § 5a I 2 Nr. 1 FinAnV fordert, z. B. zwischen Finanzanalysten und Mitarbeitern der M&A Abteilung (Göres, BKR 2007, 85 (91)). Die notwendige Offenlegung von Interessenkonflikten, wie sie schon § 34b VIII WpHG a. F. i. V. m. der FinAnV v. 17.12.2004 (BGBl. I, S. 3522; zum Entwurf nebst Begründung ZBB 2004, 422; Hettermann/Althoff, WM 2006, 265) vorschrieb, wird im Wesentlichen unverändert in der Neufassung der FinAnV beibehalten werden. Grundsätzlich forciert die MiFID aber den Schwerpunkt mehr auf Konfliktvermeidung, d. h. ein Management bzw. Verfahren zum Umgang mit konkreten Interessenkonflikten. Sicherlich war dies auch schon unter § 34b V 2 WpHG a. F. ein Thema. Es wird für Compliance im Rahmen der Organisationspflichten eine wichtige Aufgabe bleiben, eine unzulässige Einflussnahme durch den Investmentbanking-Bereich oder andere Unternehmensbereiche auf Researchabteilungen oder Finanzanalysten zu unterbinden (Egbers/Tal, BKR 2004, 219 (225)). Disziplinarische Unabhängigkeit von anderen Geschäftsbereichen oder eine unabhängige Berichtslinie zur Geschäftsleitung sind dafür geignete organisatorische Maßnahmen (Göres, BKR 2007, 85 (91)). Damit wird auch verhindert, dass geschädigte Anleger zivilrechtliche Schadensersatzklagen z. B. in Fällen des „Scalping“ aus § 280 I i. V. m. § 311 III BGB oder aus § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB gegen Finanzanalysten anstrengen. § 34b WpHG wurde bislang nicht als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB angesehen. Ansprüche wegen § 826 BGB kommen jedoch potentiell in Betracht (Egbers/Tal, BKR 2004, 219 (225 f.)).
260
Vergütung und Zuwendungen: Weitere Themen sind die Unabhängigkeit der Vergütung (§ 5a I 2 Nr. 2 FinAnV), wobei hier eine Bonuszahlung, die sich an der Gesamtleistung bemisst, zulässig ist, aber eine Offenlegung erfordert (§ 5 IV Nr. 2 FinAnV). Die MiFID legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Zuwendungsthematik. Zunächst schon in den allgemeinen Anforderungen zu Inducements in Art. 19 I MiFID, Art. 26 DRL, die der deutsche Gesetzgeber in § 31d WpHG normiert hat. Demzufolge dürfen
261
Frisch
256
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Wertpapierdienstleistungsunternehmen und ihre Mitarbeiter, die an der Erstellung von Finanzanalysen beteiligt sind, keine Zuwendungen im Sinne von § 31d II WpHG von Personen annehmen, die ein wesentliches Interesse am Inhalt der Finanzanalysen haben, was spezieller in § 5a II Nr. 2 FinAnV, Art. 25 II c) DRL geregelt ist. Laut Erwägungsgrund 32 DRL und der Begründung zum FinAnV-E werden jedoch kleine Geschenke oder kleinere Einladungen, die nicht über das nach den Grundsätzen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für Interessenkonflikte („Conflicts of Interest Policy“ bzw. separate „Gifts and Entertainment Policy“) zulässige und in der für die Retail-Kunden bestimmten Kurzbeschreibung (“Summary“) dieser Grundsätze dargelegte Maß hinausgehen, nicht als Anreize betrachtet. Durch die MiFID werden im deutschen Recht auch materielle Anreize von Dritten, z. B. Emittenten von Wertpapieren, erfasst, die einen Interessenkonflikt darstellen können. Demzufolge könnte ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das gleichzeitig Finanzanalysen über diese Wertpapiere erstellt, verpflichtet sein, dem Empfänger dieser Finanzanalyse diesen Interessenkonflikt offen zu legen, vgl. § 31 I Nr. 2 WpHG n. F. Insoweit kann die Compliance-Funktion als interne Meldeund Genehmigungsstelle dienen (Göres, BKR 2007, 85 (92)). 262
Objektivität der Ersteller von Analysen: Da die MiFID bzw. DRL im Gegensatz zu den IOSCO-Grundsätzen und den US-amerikanischen Bestimmungen die Teilnahme von Analysten an Investment-Banking-Tärigkeiten nicht zur Gewährleistung der Objektivität der Finanzanalysten grundsätzlich untersagen (vgl. Erwägungsgrund 36 DRL), ist die Teilnahme an Ausschreibungen zur Akquirierung eines neuen Geschäfts (sog. „pitches“), Präsentationen für Neuemissionen von Finanzinstrumenten (sog. „road-shows“) oder eine anderweitige Beteiligung am Marketing für Emittenten möglich, sofern vorab eine Einbindung der Compliance-Abteilung erfolgt, die die Teilnahme genehmigt und dokumentiert (Göres, BKR 2007, 85 (91 f.)).
263
Gleichwohl dürfen Wertpapierdienstleistungsunternehmen Emittenten keine für sie günstige Finanzanalyse versprechen, § 5a II Nr. 3 FinAnV-E, Art. 25 II d) DRL, wie es bislang sich schon aus § 34b WpHG a. F. und § 5 I 1 FinAnV a. F. ergab. Emittenten, Mitarbeiter, die nicht an der Erstellung der Analyse beteiligt sind, und sonstige Personen dürfen vor Weitergabe einer Finanzanalyse den Entwurf dieser Analyse nicht auf die Korrektheit der darin dargestellten Sachverhalte oder einen anderen Zweck hin überprüfen, wenn der Entwurf eine Empfehlung oder einen Zielpreis enthält, es sei denn, es geht darum, die Einhaltung der rechtlichen Pflichten durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen (z. B. durch die Compliance-Funktion) zu kontrollieren (vgl. § 5a II 1 Nr. 3 FinAnV, Art. 25 II e) DRL). Das geht über § 4 II FinAnV a. F. hinaus. Eine Weitergabe des Analyseentwurfs ohne Empfehlung/Zielkurs bleibt jedoch möglich.
264
7. Management von Interessenkonflikten. a) Dreistufiges System. Die MiFID/DRL konkretisieren in Artt. 13 III, 18 I, II MiFID und Art. 21, 22 u. 23 DRL die Anforderungen an das Management von Interessenkonflikten. Sie legen ein dreistufiges System der Bewältigung von Interessenkonflikten fest, d. h. zunächst geht es um die Identifikation, dann um die Verhinderung von Interessenkonflikten, letztlich um die Offenlegung, sofern eine vollständige Verhinderung nicht eingreift (Assmann, ÖBA 200, 40 (42)). Zutreffend weist Assmann mit dem Schlagwort „Organisation geht vor Publizität“ (ÖBA 2007, 40 (42 Fn 10); ABl. EG C 71 E v. 25.3.2003, S. 82) darauf hin, dass, vgl. Erwägungsgrund 27 DRL, die Offenlegung quasi als „ultima ratio“ am Ende aller angemessenen Überlegungen stehen muss, eine übermäßige Offenlegung unzulässig ist. Letztlich kann ein Unternehmen sich auch freiwillig dazu entscheiden, in einem bestimmten Geschäftsbereich nicht tätig zu werden oder eine bestimmte Wertpapierdienstleistung eben nicht zu erbringen, um so Interessenkonflikte zu verhindern. Das könnte man dann als alternative dritte
Frisch
§ 7 Compliance
257
Stufe bezeichnen. Zudem enthebt auch die erfolgte Offenlegung den Wertpapierdienstleister nicht von seiner Pflicht, wirksame organisatorische und verwaltungsmäßige Vorkehrungen aufrechtzuerhalten und anzuwenden. Es gilt hier nicht der Grundsatz „Melden bzw. Offenlegen macht frei“ von allen Verpflichtungen. Vielmehr muss sich die Wertpapierfirma weiterhin bemühen, Konflikte zu regeln. Bemühen heißt andererseits aber auch, dass es keine absolutes Verhinderungsgebot (Assmann, ÖBA 2007, 40 (45)) oder eine Erfolgspflicht gibt. Art. 22 I 1 DRL verlangt (nur) angemessene Maßnahmen. Die Maßnahmen zur Identifikation von Interessenkonflikten, die von den ComplianceAbteilungen ersonnen, eingerichtet und überwacht werden müssen, stehen unter der Letztverantwortung des sog. „Senior Managements“, d. h. der Geschäftsleitung (Assmann, ÖBA 2007, 40 (44)). Als Quelle für Interessenkonflikte kommen dabei – vgl. §§ 33 I Nr. 3 WpHG, 13 I WpDVerOV – aber nur sämtliche Aktivitäten, Bereiche und Interessensphären eines Instituts (so Erwägungsgrund 25 S. 1 DRL) aufgrund der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen in Betracht, die mit Kundeninteressen konfligieren können, d. h. Interessen (1) des Instituts inklusive Geschäftsleitung, (2) der Mitarbeiter, (3) vertraglich verbundenen Vertreter und Mitarbeiter, (4) der Konzerngruppe und (5) anderer Kunden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei den potenziell beeinträchtigten Kunden um Kleinanleger, professionelle Kunden oder geeigenete Gegenparteien handelt (Erwägungsgrund 25 S. 2 DRL). Nach Erwägungsgrund 24 S. 2 DRL reicht es aber für einen Interessenkonflikt nicht aus, dass der Firma ein Vorteil entstehen kann, denn dass sie legal ihr Geschäfts- oder Umsatzinteresse verfolgt, ist legitim. Vielmehr muss für den Kunden gleichzeitig ein potentieller Nachteil entstehen. Oder es muss für den Kunden, der sich gegenüber der Firma (vertraglich) verpflichtet hat, möglich sein, einen Gewinn zu erzielen oder Verlust zu vermeiden, ohne dass dabei einem anderen Kunden ein potenzieller Verlust in gleicher Höhe entsteht. Art. 21 a) bis e) DRL nennt in nicht abschließender Weise fünf potenzielle Interessenkonflikte (vier nennt Assmann, ÖBA 2007, 40 (43)), d. h. – a) wenn zu Lasten des Kunden ein finanzieller Vorteil erzielt oder Verlust vermieden wird; – b) wenn ein mit dem Kundeninteresse nicht übereinstimmendes abweichendes Interesse am Ergebnis verfolgt wird; – c) wenn ein finanzieller oder sonstiger Anreiz die Verfolgung der Interessen des Kunden beeinträchtigt; – d) die Wertpapierfirma oder eine der genannten Personen Konkurrenten des Kunden im gleichen Geschäft sind; – e) wenn die Wertpapierfirma oder eine der genannten Personen über die für den Kunden erbrachte Dienstleistung üblichen Provisionen oder Gebühren von dritter Seite einen Anreiz in Form von Geld, Gütern oder Dienstleistungen erhält. Art. 21 e) DRL als für die Geschäftspolitik eines Unternehmens sehr einschneidende Norm meint die auch in Art. 19 I MiFID, Art. 26 DRL genannten Anreize von Dritten, die jetzt national in § 31d WpHG als Zuwendungen erfasst sind (zu WpHG a. F. und über die MiFID hinausgehend: BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, ZIP 2006, 518 (m. Anm. Lang/Balzer); OLG München, Urt. v. 19.12.2007 – 7 U 3009/07, ZIP 2008, 66; Hadding, ZIP 2008, 529).
Frisch
265
266
267
268
269
258
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
270
Zuwendungen, die dazu dienen, effiziente und qualitativ hochwertige Infrastrukturen für den Erwerb und die Veräußerung von Finanzinstrumenten aufzubauen oder zu erhalten, können beispielsweise geeignet sein, die Qualität der Dienstleistung zu verbessern und sind daher gesetzlich nicht verboten (BT-Drucks. 16/4028, S. 67; CESR, CESR/07-228 Inducements under MiFID Recommendations, April 2007, S. 14 f. (Nr. 24 „… including a number of „positive“ examples“)), wenn auch eine Offenlegung gegenüber dem Kunden in klarer unmissverständlicher Weise erfolgen muss, Art. 26 b) i) DRL, wobei dies in zusammengefasster Form erfolgen kann, sofern sich die Wertpapierfirma verpflichtet, auf Wunsch des Kunden weitere Einzelheiten offen zu legen. Natürlich gilt es, die Kundeninteressen zu wahren.
271
Wenn eine Firma im Rahmen einer Bestandsaufnahme oder Konfliktanalyse ihrer Pflicht nachkommt, Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten festzulegen, die Aufschluss darüber geben, unter welchen Umständen ein Interessenkonflikt vorherrscht oder entstehen könnte, sind folgende Geschäftsfelder besonders relevant (Erwägungsgrund 25 DRL, Art. 21 DRL, Art. 18 I MiFID, § 33 I Nr. 3 WpHG): Anlageberatung, Eigenhandel nebst Eigengeschäft, Vermögensverwaltung, Unternehmensfinanzierungen und das Emissions- bzw. M & A-Geschäft. Zu regelnde Konflikte können natürlich auch in anderen Bereichen auftreten. Die Aufzählung ist nicht abschließend.
272
b) Conflicts-Policy. Die daraufhin schriftlich zu erstellenden Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten, auch „Conflicts-Policy“ oder „Conflicts of Interest-Policy“ (Schlicht, BKR 2006, 469 (472)) genannt, können je nach Größe, Art, Umfang und Komplexität des Geschäfts variieren (Art. 22 I DRL; § 13 II WpDVerOV). Für Privatkunden ist eine Zusammenfassung („Summary“) auf dauerhaftem Datenträger nötig (Erwägungsgrund 32 DRL; § 5 II Nr. 1 h, III WpDVerOV). Auf Nachfrage ist dem Privatkunden die Strategie ausführlich vorzustellen. Bei Researchaktivitäten bedarf es ggf. einer „Gifts and Entertainment Policy“.
273
c) Organisatorische Vorkehrungen. Art. 22 III 2 DRL (vgl. auch § 14 III WpDVerOV) nennt hierzu recht abstrakt beispielhaft: – a) Informationsbarrieren/Chinese Walls/Maßnahmen gegen unsachgemäßes Wall Crossing – b) die gesonderte Überwachung relevanter Personen, die hauptsächlich im Namen von Kunden Transaktionen ausführen oder Dienstleistungen erbringen, weshalb es zu unterschiedlichen Interessenkollissionen kommen kann – c) die Aufhebung der direkten Vergütung – d) Maßnahmen zur Verhinderung jeder ungebührlichen Einflussnahme auf die Art und Weise, wie Mitarbeiter Wertpapier(dienst)leistungen oder Anlagetätigkeiten erbringen – e) Maßnahmen zur Verhinderung oder Kontrolle des Einsatzes einer Person in verschiedenen Dienstleistungen, wenn ein ordnungsgemäßes Management von Interessenkonflikten beeinträchtigt werden könnte Konkreter kommen daher insbesondere folgende Maßnahmen in Betracht: – Niederlegung eines Mandats – Räumliche und organisatorische Trennung von Bereichen – Handelsrestriktionen – Genehmigungspflicht für Aufsichtsrats- oder Beiratsmandate von Bankmitarbeitern – Trennung von Berichtslinien – Überprüfung der Vertriebsstrukturen und –leistungen – Änderung der Vergütungsstrukturen, Aufnahme von Compliance-Parametern – Marktgerechtigkeitskontrolle bei Festpreisen
Frisch
§ 7 Compliance
259
– Transparente Zuteilungsgrundsätze bei IPOs und „Secondary Placements“ – Automatische Weiterleitung von Kundenaufträgen – Einbindung von Compliance in den „New Product Approval“-Prozess (NPA), d. h. den Genehmigungsprozess für neue Finanzinstrumente Für Finanzanalysten gelten, wie oben dargelegt, noch spezifische Anforderungen. Hier könnte z. B. der Verzicht auf eine Researchveröffentlichung in Betracht kommen. All dies steht unter dem Vorbehalt der Angemessenheit, wobei § 13 III 1 WpDVerOV ausdrücklich das Risiko einer Beeinträchtigung von Kundeninteressen erwähnt. Falls eine Risikoanalyse im Unternehmen z. B. insoweit ein geringes oder hohes Risiko ergibt, sind unterschiedliche Vorkehrungen angemessen. Follow the money: Dass gerade (transaktionsbasierte) Vergütungs- oder Provisionssysteme oder auch prozentuale Gewinn- oder Erfolgsbeteiligungen mit Mitarbeitern, d. h. nicht nur mit Kunden (Rössner/Arendts, WM 1996, 1517 (1522) – „Wir verdienen nur, wenn Sie verdienen“), zu Interessenkonflikten führen können, ist lange bekannt. Auch Profit-Center-Rechnungen oder Deckungsbeitragsrechnungen könnten unter Umständen als finanzielle Anreize zur Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Kundengruppen führen (Schlicht, BKR 2006, 469 (472)). Wenn ein Berater aufgrund eines von der Geschäftsleitung vorgegebenen extremen Umsatzdrucks dazu übergeht, Kunden Wertpapiere zu empfehlen, die für den Kunden weder geeignet noch angemessen sind, oder den Tausch („Umswitchen“) mit anderen Wertpapieren empfiehlt, obwohl das gar nicht dem Interesse des Kunden entspricht, sei es, dass die neuen Wertpapiere einfach zu riskant sind, sei es, dass der Tausch für den Kunden wirtschaftlich sinnlos oder gar nachteilig ist, so ist das bedenklich. Zwar kann es dann mangels Schutzgesetzcharakters von § 33 WpHG a. F. (Rössner/Arendts, WM 1996, 1517 (1524)) und auch n. F. nicht zu Schadensersatzansprüchen wegen Organisationsmängeln kommen. Andere zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen stehen aber immer noch zur Verfügung (zu § 826 BGB BGH NJW 2008, 1734 (1737)). Massiver Umsatzdruck, um bestimmte Ertragsziele auf Biegen oder Brechen zu erreichen, kann zur Verletzung der Interessenwahrungspflicht gegenüber dem Kunden beitragen. Gerade für den Vertrieb gibt es besondere gesetzliche Anforderungen (v. Livonius, BKR 2005, 12 (16)), die bestimmte aggressive Vertriebspraktiken als unzulässig erachten, die daher auch von Compliance-Beauftragten nicht gebilligt werden dürfen. Die IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Consultation Report, Februar 2007, S. 18 ff., nennt weitere Konstellationen für Interessenkonflikte, zeigt aber vor allem ihre Vorstellung eines angemessenen Managements von Interessenkonflikten zur Lösung auf. Natürlich muss Compliance auch hier die Angemessenheit und Wirksamkeit der Systeme, internen Kontrollmechanismen und Vorkehrungen überwachen, regelmäßig bewerten und etwaige Mängel zu beheben suchen, Art. 5 V DRL. Instruktiv zu verschiedenen Fallgestaltungen von Interessenkonflikten im US-amerikanischen Kontext und deren Verfolgung durch die US-Aufsichtsbehörde SEC ist die Rede von Stephen M. Cutler vom 9.9.2003 (Speech by SEC Staff: Remarks Before The National Regulatory Services Investment Adviser and Broker-Dealer Compli-ance/Risk Management Conference) mit dem klaren Statement „In the long run, treating customers fairly has proven to be good business“ und einer einfachen, aber sehr logischen Handlungsanweisung zur Identifikation von potenziellen Interessenkonflikten: „This suggests that in rooting out conflicts, your firms should begin by identifying where they make their money.„Follow the money“, the saying goes. It´s what we are doing and will continue to do.“
Frisch
274
275
276
277
260
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
278
Konfliktregister: Ein streng vertrauliches Konfliktregister (Assmann, ÖBA 2007, 40 (44)) zur Dokumentation von „Konflikt-Checks“ beim Abschluss eines Geschäfts, der Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen (M & A) oder der Vornahme einer Beteiligung ist ebenfalls von der Compliance-Abteilung als registerführender Stelle zu bearbeiten und aktuell zu halten. Darin sind Gesellschaften, für die eine Bank im M & A-Bereich tätig ist, erfasst, des Weiteren „Designated Sponsorships“, bedeutende Kreditmandate, aber auch Funktionen von Bankmitarbeitern bei anderen Gesellschaften (Hauschka-Gebauer, § 31 Rn 22).
279
Conflict Clearing: Das „Conflict Clearing“ wird häufig von einem „Control Room“ vorgenommen, der dazu dienen soll, einen „„whole of group“ overview of the operations of the group“ zu verschaffen (IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Consultation Report, Februar 2007, S. 11).
280
Dokumentation: Neben der allgemeinen Dokumentationspflicht zu Funktionen und Verantwortlichkeiten nach Art. 5 I a) DRL sieht Art. 23 DRL i. V. m. Art. 13 VI MiFID eine Aufzeichnungspflicht für Dienstleistungen und Tätigkeiten vor, bei denen ein den Interessen eines oder mehrerer Kunden in erheblichem Maße abträglicher Interessenkonflikt aufgetreten ist bzw. bei noch laufenden Dienstleistungen oder Tätigkeiten auftreten könnte. Damit soll vor allem den Aufsichtsbehörden (z. B. der BaFin) die Kontrolle der Einhaltung der Pflichten bei der Erkennung von Interessenkonflikten und im Umgang derselben ermöglicht werden (Assmann, ÖBA 2007, 40 (47)).
281
Schulung/Kommunikation. Regelmäßige Schulung (Art. 5 I b) DRL) und interne Kommunikation gegenüber Mitarbeitern sind für Compliance obligatorisch.
282
8. Erkennen von Verstößen gegen das Insiderrecht. Die MiFiD bzw. das WpHG n. F. ändern an den notwendigen organisatorischen Vorkehrungen zur Erkennung von Verstößen gegen das Insiderrecht nahezu nichts. Die organisatorischen Vorgaben aus der Compliance-RL des BAWe (jetzt: BaFin) vom 25.10.1999 zu § 33 I WpHG a. F. sind daher nicht veraltet. Die „Mitarbeiterleitsätze“ des BAWe (jetzt: BaFin) 7.6.2000 (ZBB 2000, 357; von Kopp-Colomb, KMR – Lfg. 2/01, Kennz. 633/5, S. 9 ff. (13); Klanten, ZBB 2000, 349 (351); Assmann/Schneider-Koller, § 33 Rn 36 ff.; Schlicht, BKR 2006, 473 (474)) bestimmten bislang die Verhaltenspflichten für Mitarbeiter. § 10 WpHG mit seiner Verdachtsanzeigepflicht bei potenziellen Insiderverstößen könnte als Argument für eine Kontrollpflicht herangezogen werden (Hauschka-Gebauer, § 31 Fn 40; zu § 10 WpHG Schwintek, WM 2005, 861).
283
a) Chinese Walls. Neben der Schaffung und Kontrolle von Vertraulichkeitsbereichen (sog. „Chinese Walls“), die auf verschiedene Art und Weise erfolgen können, d. h. funktionale oder räumliche Trennung (z. B. zwischen Kundenhandel und Eigenhandel), die Schaffung von Zutrittsbeschränkungen, die Regelung von Zugriffsberechtigungen auf Daten (Ziff. 3.3.1 CRL), muss die Compliance-Funktion auch gewährleisten, dass eine bereichsüber-schreitende Weitergabe von Informationen gem. Ziff. 3.2 CRL, d. h. compliance-relevante Informationen i. S. d. § 13 WpHG (Insiderinformation), aus anderen Bereichen nur dann statthaft ist, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Unterneh-mens erforderlich ist und wenn sich die Informationsweitergabe auf das erforderliche Maß („Need-to-know-Prinzip“) beschränkt.
284
b) Watch List. Der Insider- oder Beobachtungsliste („Watch List“), vgl. Ziff. 3.3.3.1 CRL, kommt besondere Bedeutung zu. Diese Liste ist von der Compliance-Stelle streng vertraulich zu führen. Alle Mitarbeiter, die Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände erhalten, die im Falle ihrer Veröffentlichung geeignet wären, den Börsen- oder Marktpreis eines Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, müssen diese an Compliance
Frisch
§ 7 Compliance
261
melden. Dies geschieht mittels eines intern verfügbaren, z. B. auf der Intranetseite der Compliance-Abteilung erhältlichen Meldeformulars, in das der betroffene Mitarbeiter die erforderlichen Angaben einträgt, aber auch alle anderen Mitarbeiter benennt, die ebenfalls in den Genuss der Information gelangt sind. Die Compliance-Stelle kann daraufhin die privaten Konten und Depots des Mitarbeiters, auch bei Drittbanken über erhaltene Zweitschriften von Transaktionen oder mittels elektronisch übertragener Transaktionsdaten, überprüfen, ob er Geschäfte in den von der Insiderinformation betroffenen Insiderpapieren (§ 12 WpHG) vornimmt. Damit lassen sich Insiderverstöße (§ 14 WpHG) aufdecken. Neben den Mitarbeitergeschäften kann so auch der Eigenhandel der Bank überwacht werden. Ferner dient die „Watch List“ zur Beobachtung, ob „Chinese Walls“ zwischen den verschiedenen compliance-relevanten Bereichen des Unternehmens eingehalten werden, vgl. Ziff. 3.3.3.1 CRL. Ein Verstoß gegen die „Watch List“ ist sanktioniert, d. h. die Bank kann zumindest nach den Mitarbeiterleitsätzen einen Storno der betreffenden Transaktion verlangen. c) Restricted List. Ziff. 3.3.3.2 CRL besagt, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch eine oder mehrere Sperrlisten („Restricted Lists“) führen kann. Diese im Gegensatz zur „Watch List“ nicht geheime, sondern bei großen Banken im Intranet einsehbare Sperrliste dient dazu, den betroffenen Mitarbeitern und Bereichen des Unternehmens Beschränkungen für Mitarbeiter- und Eigenhandelsgeschäfte sowie Kunden- und Eigenhandelsgeschäfte mitzuteilen. Der Grund, weshalb ein Finanzinstrument in die Sperrliste aufgenommen wird, wird allerdings den Mitarbeitern nicht mitgeteilt. Die Mitarbeiter sind jedoch im Regelfall verpflichtet, vor der Vornahme einer Transaktion die Sperrliste einzusehen. Als Sanktion droht auch hier die Stornierung, falls die Sperrliste missachtet wurde.
285
d) Control Room. Die „Watch List“ und „Restricted List“ werden im Regelfall bei einem „Control Room“ geführt (IOSCO, Market Intermediary Management of Conflicts that Arise in Securities Offerings, Consultation Report, Februar 2007, S. 11).
286
9. Beschwerdemanagement. § 33 I 2 Nr. 4 WpHG (Art. 10 DRL) verlangt, dass Wertpapierdienstleistungsnter- nehmen für Privatkunden Beschwerdeverfahren einrichten, für die angemessene und unverzügliche Bearbeitung von Beschwerden sorgen und jede Beschwerde sowie die zu ihrer Abhilfe getroffenen Maßnahmen dokumentieren. Beschwerdeverfahren dürften bereits überall bestehen. Ihre Organisation ist nicht geregelt, daher im vorgegebenen Rahmen frei möglich. Das Beschwerdemanagement muss also nicht der Compliance-Stelle eingegliedert werden, jedoch empfiehlt sich ein regelmäßiges Reporting an die Compliance-Stelle, zumal gerade Beschwerden von Kunden zur Aufdeckung von WpHG-Verstößen oder Gefahren für die Verletzung von WpHG-Pflichten beitragen können. Der sorgfältigen Dokumentation der eingegangenen Beschwerden und ihrer Abhilfe kommt besondere Bedeutung zu.
287
Frisch
“This page left intentionally blank.”
§ 8 Fernabsatz
263
§ 8 Fernabsatz
Schrifttum Armbrüster, Kapitalanleger als Verbraucher?, ZIP 2006, 406; Birkelbach, TV-Banking – der visuelle Weg zum Kunden, Bank 2002, 752; Dilger, Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Internet, 2002; Derleder/Pallas, Vertragsschluss und AGB-Einbeziehung im kreditwirtschaftlichen Distanzgeschäft, ZIP 1999, 1285 ff; Domke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen: Die Länge der Widerrufsfrist bei nach Vertragsschluss erfolgter Widerrufsbelehrung, BB 2006, 61; Domke, Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen, BB 2007, 341; Drygala, Die Vollharmonisierung des Vertriebsrechts für Finanzdienstleistungen im Fernabsatz, in: Schneider/Hommelhoff/Schmidt/Timm/ Grunewald/ Drygala, Lutter 2000, 1563; Ehrhardt-Rauch, Überblick über die geplanten Gesetzesentscheidungen im Zusammenhang mit Fernabsatzverträgen bei Finanzdienstleistungen, VuR 2003, 341; Felke/Jordans, Der Referentenentwurf für die Umsetzung der FFARL, WM 2004, 166; Finke, Der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, 2004; Fleischer, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BKR 2006, 389; Härting/Schirmbacher, Finanzdienstleistungen im Fernabsatz, CR 2002, 809; dies., Fernvertrieb von Finanzdienstleistungen, DB 2003, 1777; Heiss, Die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher aus Sicht des IPR und des IZVR, IPRax 2003, 100; Held/Schulz, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, BKR 2005, 270; Hoppmann, Der Vorschlag für eine FernabsatzRL für Finanzdienstleistungen, VersR 1999, 673; Imschweiler, Der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, 2008; Koch/Maurer, Rechtsfragen des Online-Vertriebs von Bankprodukten, WM 2002, 2443, 2481; Kocher, Neue Vorschriften für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, DB 2004, 2679; Kumpan/Hellgardt, Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), DB 2006, 1714; Lehne, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen: Licht am Ende des Tunnels?, ZGS 2002, 341; Metz, Der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen – Verbraucherpolitische Defizite, in: Krämer/Micklitz/Tonner, Recht und diffuse Interessen in der Europäischen Rechtsordnung, S. 603 ff.; Metz, Verbraucherrelevante europäische Rechtssetzung im Bereich Finanzdienstleistungen, VuR 2007, 361; Micklitz, Kommentierung zu § 312b – Fernabsatzverträge, in: Micklitz/Tonner, Vertriebsrecht, Haustür-, Fernabsatzgeschäfte und elektronischer Geschäftsverkehr (§§ 312-312 f, 355-359 BGB), Handkommentar, 2002, § 312 b; Pützhoven, Europäischer Verbraucherschutz im Fernabsatz, 2001; Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht 4. Aufl. 2003; Reich/Nordhausen, Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr, 2000; Riesenhuber, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen im europäischen Schuldvertragsrecht – Zum Richtlinienvorschlag der Kommission vom 14. 10. 1998, WM 1999, 1441; Rott, Die Umsetzung der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen im deutschen Recht, BB 2005, 53; Schirnding, Zur geplanten EG-RL „Fernverträge über Finanzdienstleistungen“, FLF 1998, 11; Tiffe, Die Struktur der Informationspflichten bei Finanzdienstleistungen, 2006. Inhaltsübersicht A. B. C. D.
Geschichte und Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Fernabsatzvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Verlauf der Geschäftsbeziehung . . . . . . . . . . . . 13 I. Unterrichtung des Verbrauchers . . . . . . . . . 14 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Angaben zum Unternehmer . . . . . . . . . . 20 3. Angaben zur Finanzdienstleistung . . . . . 24 4. Angaben zum Fernabsatzvertrag. . . . . . . 28 5. Angaben zum Rechtsbehelf . . . . . . . . . . 34
6. Zusätzliche Angaben . . . . . . . . . . . . . . . 7. Besonderheiten bei fernmündlicher Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Widerrufsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichten des Verbrauchers . . . . . . . . . . . 2. Pflichten des Unternehmers . . . . . . . . . . E. Kollisionsrechtliche Regelungen. . . . . . . . . . . . F. Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 37 38 42 49 50 51 52 54
Stichwortverzeichnis Absatzmittler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Datenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 f. Dienstleistungsverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Fernabsatzvertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Fernmündliche Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . 37
Finanzdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Geldanlagedienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43 f. Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Grünbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Indikateure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kartenzahlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 f.
Kohte
264
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Kommunikationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Kontoeröffnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Preistransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Rechtsbehelfsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ff. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Rückabwicklungsschuldverhältnis . . . . . . . . . . . 49 f.
1
Schlichtungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Spekulationsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ff.
A. Geschichte und Zielsetzung Der klassische Vertrieb von Finanzdienstleistungen erfolgte bisher überwiegend durch persönliche Ansprache des Kunden bzw. durch den Kunden und mündete in Verträge, die typischerweise unter gleichzeitiger Anwesenheit beider Seiten entweder in der Zweigstelle oder unter bestimmten Konstellationen im Privatbereich abgeschlossen wurden. In den letzten Jahren hat sich hier ein nachhaltiger Wandel vollzogen; zum einen sind die Kunden heute in wesentlich größerem Maße als früher bereit, sich Informationen auf elektronischem Weg zu beschaffen und danach gegebenenfalls auch Verträge im Wege der Fernkommunikation abzuschließen (dazu Birkelbach, Bank 2002, 752). Umgekehrt nimmt die Zahl der im Bereich der Finanzdienstleistung tätigen Unternehmen zu, die einen gezielten Vertrieb mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln durchführen.
2
Die sich daraus ergebende „Befreiung des Bankgeschäfts aus dem lokalen Bezug des Zweigstellengeschäfts“ (so prägnant Metz, S. 603 (604)) ist ein wichtiger Baustein für die Schaffung eines real existierenden gemeinsamen Marktes für Finanzdienstleistungen. Gerade die grenzüberschreitende Dimension dieses Marktes ist ohne den Einsatz von Fernkommunikationsmitteln schwer vorstellbar. Es ist daher konsequent, dass die Kommission in ihren Bemühungen, einen effektiv funktionierenden gemeinsamen Markt auch im Bereich der Finanzdienstleistungen zu ermöglichen, der Schaffung eines Rechtsrahmens für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen große Aufmerksamkeit zugewandt hat. Ein solcher Rahmen, der die Informationspflichten der Unternehmen strukturiert und transparent ordnet, dient nicht nur dem Individualschutz der Kunden, sondern auch der Marktöffnung (so Riesenhuber, WM 1999, 1441 (1451); Imschweiler, S. 33 f.).
3
Die RL über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (RL 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der RL 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16) hat eine relativ bewegte Geschichte hinter sich. Sowohl der erste (ABl. C 156 vom 23. 6. 1992, S. 14, 18) als auch der zweite Vorschlag der Europäischen Kommission für eine FernabsatzRL (ABl. C 308 vom 15.11.1993, S. 18, 28) umfasste auch Finanzdienstleistungen. Eine Bereichsausnahme für Finanzdienstleistungen hat nach intensiven Bemühungen der damaligen deutschen und britischen Delegation sowie der Kreditwirtschaft (Pützhoven, S. 52) erst der Rat der Europäischen Union im Gemeinsamen Standpunkt zur FernabsatzRL (ABl. C 288 vom 30.10.1995, S. 1) postuliert und damit begründet, dass eine gesonderte RL für den besonderen Bereich der Finanzdienstleistungen geeigneter wäre.
4
Die Europäische Kommission hat ihr Vorhaben darauf mit einem Grünbuch (http:// europa.eu.int/en/record/green/gp007de.pdf) „Finanzdienstleistungen: Wahrung der Verbraucherinteressen“ neu konzeptioniert und allgemein zur Stellungnahme aufgerufen. Die zahlreich eingegangenen Stellungnahmen hat sie in einer Mitteilung („Finanzdienstleistungen: Das Vertrauen der Verbraucher stärken“, 1997, http://europa.eu.int/comm/ internal_market/en/finances/consumer/consumde.pdf) zusammengefasst und bewertet. Mit seiner Entschließung zum Grünbuch (ABl. C 85 vom 17.3.1997, S. 137) hat das Europäische Parlament die Europäische Kommission sodann aufgefordert, innerhalb eines
Kohte
§ 8 Fernabsatz
265
Jahres einen Richtlinienentwurf auszuarbeiten. Dem ist die Europäische Kommission mit einem entsprechenden Vorschlag (ABl. C 385 vom 11.12.1998, S. 10) nachgekommen. Das dort aufgestellte Schutzsystem unterschied sich von der jetzt geltenden RL aber noch erheblich. Es enthielt insbesondere ein Recht auf Bedenkzeit vor Vertragsabschluss. Dieses wurde in einem weiteren Vorschlag (ABl. C 177 vom 27.6.2000, S. 21) gestrichen und durch ein Widerrufsrecht als zentrales Verbraucherschutzinstrument ersetzt (Dilger, S. 111 ff.; Reich/Nordhausen, S. 122 ff). Am 23. September 2002 wurde schließlich die RL, die sich nur noch im Detail von dem letzten Vorschlag unterscheidet, verabschiedet. Rat und Parlament gingen davon aus, dass sich gerade Finanzdienstleistungen wegen ihres immateriellen Charakters besonders gut für einen grenzüberschreitenden Fernabsatz eignen und daher ein Modell für die Harmonisierung im gemeinsamen Markt liefern können. Nach der Rechtslage, die sich vor Verabschiedung der RL stellte, waren die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit legitimiert, aus triftigen Gründen nationale Schutzvorschriften zu erlassen, die grenzüberschreitenden Transaktionen wesentliche Hindernisse entgegensetzen konnten. In der Entscheidung „Alpine Investments“ (EuGH EuZW 1995, 404) entschied der Gerichtshof, dass das niederländische Verbot des „cold calling“ die Dienstleistungsfreiheit zwar einschränke, gleichwohl jedoch legitim sei. Da die Binnenmarktvorschrift des Art. 95 EGV ein hohes Verbraucherschutzniveau verlangt, war mit dieser Entscheidung die Richtung der weiteren Harmonisierung verdeutlicht. Die früheren Bemühungen verschiedener Interessengruppen, im Bereich der Finanzdienstleistungen das Instrument des Widerrufsrechts zu beschränken oder gar auszuschalten, konnten daher nicht von Erfolg gekrönt sein. Anders als die RL 97/7 und die Mehrzahl der dem Verbraucherschutz dienenden sonstigen Richtlinien orientiert sich die RL 2002/65/EG nicht am Grundsatz der Angleichung eines Mindestniveaus, sondern am Prinzip der Vollharmonisierung. Danach sind die Mitgliedstaaten, soweit der Sachverhalt von der RL erfasst und geregelt wird, zu Abweichungen weder in der einen noch in der anderen Richtung befugt. In den Entwürfen seit 1998 ist dieses Prinzip zugrunde gelegt worden (Drygala, S. 1564). In den abschließenden Verhandlungen zur RL ist dieses Prinzip jedoch aufgelockert worden, da man im Anschluss an den Aktionsplan für Finanzdienstleistungen (http://europa.eu.int/comm/ internal_ market/de/finances/actionplan/index.htm) in bestimmten Bereichen ein höheres Verbraucherschutzniveau für erforderlich gehalten hat, das wiederum von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung realisiert werden kann. Die RL enthält daher keine umfassende Vollharmonisierung, sondern eine „weitgehende Harmonisierung“ (so Härting/ Schirmbacher, S. 809); man muss daher im Einzelfall sorgfältig beachten, ob der jeweilige Artikel ausnahmslos dem Prinzip der Vollharmonisierung unterliegt oder ob Abweichungen zugelassen sind (Reich/Micklitz, Rn. 24.14). Durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen (BGBl. 2004, 3104 ff.) vom 02.12.2004 hat der deutsche Gesetzgeber die RL 2002/65/EG hauptsächlich durch Änderungen der §§ 312b ff. BGB und des § 1 BGBInfoV umgesetzt. Diese Umsetzung erfolgte zum einen durch Anpassung des allgemeinen Fernabsatzrechts und zum anderen durch Einfügung spezifischer Regelungen für den Bereich der Finanzdienstleistungen. Dies zeigt sich beispielsweise in der InfoV, die in § 1 I BGB-InfoV Informationspflichten für alle Fernabsatzverträge und in § 1 II BGB – InfoV zusätzliche Anforderungen allein für Finanzdienstleistungen enthält.
Kohte
5
6
266
7
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
B. Finanzdienstleistungen Finanzdienstleistung ist nach der jetzt in § 312b I 2 BGB normierten Legaldefinition jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung. Mit dieser Ergänzung der bisherigen Definitionen in § 312b BGB wurde Art. 2b RL 2002/ 65/EG wortlautgetreu umgesetzt.
8
In den früheren Entwürfen hatte man zur Definition des Begriffs der Finanzdienstleistungen auf die verschiedenen bank- und versicherungsrechtlichen Angleichungs- und Koordinierungsrichtlinien verwiesen (Riesenhuber, WM 1999, 1441 (1443)). In der endgültigen Fassung hat man auf solche Verweisungen verzichtet; die Entstehungsgeschichte weist deutlich aus, dass die RL 2002/65 im Zusammenhang mit der RL 97/7 zu lesen ist und dass zwischen beiden Richtlinien keine Schutzlücken bestehen sollen. Es geht darum, dass funktional die Dienstleistungen aller Anbieter erfasst werden sollen, die im Zusammenhang vor allem mit Kreditgewährung, Geldanlage oder Zahlung stehen.
9
Im früheren deutschen Recht hatte man bei der Umsetzung der RL 97/7, die zunächst durch das FernabsG, später durch die §§ 312b ff. BGB erfolgte, „Finanzgeschäfte“ in § 312b III Nr. 3 BGB a.F. ausgenommen. Dieser Begriff deckte sich nicht vollständig mit dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff der Finanzdienstleistungen und führte damals zu einer größeren Bereichsausnahme (Hk-VertriebsR-Micklitz, § 312b Rn. 10 ff.), die allerdings im Rahmen der Schuldrechtsreform durch die Einbeziehung der Vermittlungsverträge in das Fernabsatzrecht mit einem ersten Vorgriff auf das neue Recht verbunden worden war (Habersack/Schürnbrand, WM 2003, 261 (262)). Man hatte sich bei der Schaffung des FernabsG mit dieser Begrifflichkeit vom Begriff der Finanzdienstleistungen in § 2 I a KWG absetzen wollen (BT-Drucks. 14/2658, S. 32; Imschweiler, S. 80). Eine solche Begriffsdifferenzierung war im Rahmen der Umsetzung der RL 2002/65 nicht akzeptabel, da der Geltungsbereich dieser Richtlinie für die Mitgliedstaaten verbindlich ist und im übrigen im Zusammenhang der beiden Fernabsatzregelungen ein lückenloses Schutzsystem geschaffen werden muss. Die bankaufsichtsrechtliche Definition in § 1 I a KWG ist folglich nicht deckungsgleich mit dem Finanzdienstleistungsbegriff in § 312b I 2 BGB, sondern erfasst lediglich einen Auschnitt des letzteren (Bamberger/RothSchmidt-Räntsch, § 312b Rn. 22; Knöfel, ZGS 2004, 182 (182)).
10
Finanzgeschäfte mit Verbrauchern betreffen nicht selten Dauerschuldverhältnisse, so dass sich spezielle Regelungsfragen stellen. Erwägungsgrund 10 der RL 97/7 zum Allgemeinen Fernabsatz ist in der deutschen Gesetzgebung (BT-Drucks. 14/2658, S. 43; a. A. Tonner-Tonner § 312d Rn. 10 ff.) so verstanden worden, dass die Richtlinie bei Sukzessivlieferungsverträgen die nähere Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlässt. Zumindest für ungleichartige Sukzessivlieferungsverträge wird jedoch zutreffend eine strenge Auslegung auch im deutschen Recht verlangt (OLG Frankfurt CR 2002, 638, (639)).
11
Nach § 312b IV 1 BGB gelten die Vorschriften über Fernabsatzverträge, vor allem die Informationspflichten und das Widerrufsrecht, zunächst nur für die „erste Dienstleistungsvereinbarung“. Erwägungsgrund 17 nennt als Beispiele den Vertrag über die Kontoeröffnung, den Erwerb einer Kreditkarte und den Abschluss eines Portfolioverwaltungsvertrags. Für die dann folgenden „Vorgänge“ gelten die Informationspflichten nicht erneut, so dass z. B. nach wirksamem Abschluss eines Girovertrages keine zusätzlichen spezifisch fernabsatzbezogenen Pflichten für den Überweisungsvertrag gelten (Koch/ Maurer, WM 2002, 2481 (2489 f.)). Von diesem Grundsatz wird gemäß § 312b IV 3 BGB eine Ausnahme gemacht, wenn der zeitliche Zusammenhang zwischen den verschiedenen Vorgängen gelockert ist und länger als ein Jahr kein Vorgang der gleichen Art mehr erfolgt
Kohte
§ 8 Fernabsatz
267
ist; in diesen Fällen wird fingiert, dass nunmehr die Informationspflichten und das Widerrufsrecht für den nächsten Vorgang zu erfolgen haben (Dilger, S. 116; Härting/Schirmbacher S. 809, 810; Bamberger/Roth – Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 60). Ebenso greift die Vereinfachung des § 312b IV 1 BGB nicht ein, wenn die „nachfolgenden Vorgänge“ die erste Vereinbarung um zusätzliche Komponenten erweitern (Rott, BB 2005, 53, 54).
C. Fernabsatzvertrag
12
Der Begriff des Fernabsatzvertrags ist durch § 312b I 1 BGB definiert. Danach bezeichnet der Begriff jeden Vertrag über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird, es sei denn, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs oder Dienstleistungssystems erfolgt. Diese Regelung bedurfte abgesehen von der Einbeziehung der Finanzdienstleistungen keiner Änderung, da die RL 2002/65/EG insoweit dem früheren § 312b I BGB entsprach (Härting/ Schirmbacher, S. 810). Fernkommunikationsmittel ist dabei nach § 312b II BGB jedes Kommunikationsmittel, das zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und eine Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden kann. Auch diese Definition konnte unverändert bestehen bleiben. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Verbraucher nach Abschluss des Fernabsatzvertrags gemäß Art. 5 III 2 RL 2002/65/EG berechtigt ist, ein anderes Fernkommunikationsmittel zu verwenden, es sei denn, dass dies mit dem geschlossenen Fernabsatzvertrag oder der Art der erbrachten Finanzdienstleistung unvereinbar ist. Die Rechte können also asynchron geltend gemacht werden.
D. Verlauf der Geschäftsbeziehung
13
Im Weiteren soll im Wesentlichen der Verlauf der Geschäftsbeziehung zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer nachgezeichnet werden. Diese reicht von der Unterrichtung des Verbrauchers vor Abschluss des Fernabsatzvertrags über den Vertragsschluss gegebenenfalls bis zum Widerruf und zur Rückabwicklung des Fernabsatzvertrags. Da bereits die Richtlinie von dieser zeitlichen Reihenfolge ausging und auch die §§ 312b ff. BGB diese widerspiegeln, sollen die darin geregelten Rechtsinstrumente dementsprechend auch hier im jeweiligen Zusammenhang vorgestellt werden. I. Unterrichtung des Verbrauchers. Der Schwerpunkt der neuen Regelungen über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen liegt bei Art. 3 RL 2002/65/EG, der Informationspflichten des Anbieters zur Unterrichtung des Verbrauchers vor Abschluss des Fernabsatzvertrags aufstellt. Die RL reiht sich damit in die lange Reihe der vor ihr beschlossenen Verbraucherschutzrichtlinien ein, die im Wesentlichen ebenfalls Informationspflichten zum Gegenstand haben. Umgesetzt wurden diese Vorschriften in § 312c BGB und § 1 BGB-InfoV. Nicht wenige Finanzdienstleistungen sind für den Verbraucher mit erheblichen Risiken verbunden, weil sie zum Teil unüberschaubar sind, den Verbraucher unter Umständen langfristig binden und Konsequenzen auch für die persönliche Lebensführung haben können. Gerade die Abstraktheit von Finanzdienstleistungen und das Fehlen physischer Erfahrbarkeit führen für viele Verbraucher zu Wahrnehmungsdefiziten, denen mit Informationspflichten entgegengewirkt werden soll (Tiffe, Struktur von Informationspflichten, S. 29 ff.) Die Informationspflichten fördern daher eine sachgerechte und risikobewusste Entscheidungsfindung; zugleich dienen sie auch der Transparenz des Binnenmarkts und der daraus folgenden vereinfachten Vergleichbarkeit, die bei allen im Fernabsatz erhältlichen Finanzdienstleistungen sinnvoll ist (Hoppmann, S. 674; a. A. Schirnding, S. 12).
Kohte
14
268
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
15
1. Grundsätze. Der Unternehmer hat die Informationen dem Verbraucher nach § 312c I 1, II 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich rechtzeitig vor einer Bindung durch den Fernabsatzvertrag oder auch nur durch seine darauf gerichtete Willenserklärung in Textform (§ 126b BGB) mitzuteilen. Die Informationen können nach § 312c II 1 Nr. 1 BGB ausnahmsweise auch noch unverzüglich nach Vertragsschluss übermittelt werden, wenn der Vertrag auf Ersuchen des Verbrauchers mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wurde, das die Vorlage der Information nicht gestattet. Zu denken ist dabei vor allem an fernmündliche Kommunikation, etwa mittels Telefon.
16
Die von der Richtlinie geforderte Papierform entspricht dabei im Wesentlichen der in § 126b BGB definierten Textform. Diese ist jedoch nicht vollständig identisch mit der sehr detaillierten Definition des „dauerhaften Datenträgers“ in Art. 2 f RL 2002/65 (so auch Finke, Rn. 315), so dass es diesbezüglich einer Korrektur im Wege der richtlinienkonformen Auslegung bedarf (MünchKommBGB-Wendehorst, § 312c Rn.104 ff)
17
Erforderlich ist daher, dass die nach § 312c II 1 BGB geschuldeten Informationen dem Verbraucher „dauerhaft“ zur Verfügung gestellt werden, so dass es nicht ausreichend ist, wenn die Informationen auf der Homepage des Unternehmers veröffentlicht werden (Staudinger/Thüsing § 312c Rn. 44; Palandt-Grüneberg § 312c Rn. 7; vgl. KG CR 2006, 680, 681; OLG Hamburg CR 2006, 854, 855; OLG Stuttgart ZGS 2008, 197, 199). Während im allgemeinen Fernabsatzrecht die Textform nur für die nachvertragliche Information verlangt wird, ist bei Finanzdienstleistungen diese Form schon vorvertraglich vorgeschrieben (Schirmbacher, CR 2006, 673, 675), so dass sich auch hier das besondere Gewicht der Informationspflichten im Finanzdienstleistungsrecht nachweisen lässt.
18
Im Übrigen verfügt der Verbraucher nach § 312c III BGB über ein Recht auf jederzeitige Vorlage der Vertragsbedingungen. Dies ist jedoch ein zusätzliches Recht, denn im Regelfall sind „alle Vertragsbedingungen“ nach Art. 5 I RL 2002/65/EG rechtzeitig vor einer Bindung des Verbrauchers zu übermitteln. Damit soll – in Korrektur früherer ungeeigneter Vorschläge zur Richtlinie (zur Kritik Derleder/Pallas, ZIP 1999, 1285 (1292)) – die effektive, konsensuale und rechtzeitige Einbeziehung der AGB gesichert werden (Reich/Micklitz, Rn. 24.20). Dies wird in einigen Bereichen zu Änderungen der Praxis einiger Direktbanken führen (müssen).
19
§ 312c I 1 BGB sieht weiter vor, dass die Informationen in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise „klar und verständlich“ (dazu ausführlich Tiffe, S. 122 ff.) und unter Angabe des geschäftlichen Zwecks zu erteilen sind. Bei vom Unternehmer veranlassten Telefongesprächen hat dieser nach § 312c I 2 BGB seine Identität und den geschäftlichen Zweck des Kontakts bereits zu Beginn eines jeden Gesprächs offen zu legen.
20
2. Angaben zum Unternehmer. § 1 I und II BGB-InfoV regeln die über den Unternehmer i.S.v. § 14 BGB zur Verfügung zu stellenden Informationen. Weiterhin wird in den §§ 312b ff. BGB und in § 1 BGB – InfoV nicht der Begriff des Anbieters aus der Richtlinie, sondern derjenige des Unternehmers verwandt; dies ist sowohl im Verhältnis zur RL 97/ 7 als auch zur RL 2002/65 unproblematisch, da beide Richtlinien als Anbieter nur Personen erfassen, die unternehmerisch tätig sind. Unter den Begriff des Unternehmers fallen zunächst diejenigen, die durch den Fernabsatzvertrag als Dienstleister gebunden werden, im Wesentlichen also Banken und Sparkassen. Selbstständige Kreditvermittler waren in früheren Entwürfen der Richtlinie ausdrücklich als Anbieter genannt; sie sind jedoch nicht Anbieter einer Bankdienstleistung, weil sie keinen Kreditvertrag gewähren; die Bank hat allerdings nach § 1 I Nr. 2 BGB-InfoV auch über die Identität des Kreditvermittlers zu informieren. Der Kreditvermittler ist aber Anbieter einer Dienstleistung nach
Kohte
§ 8 Fernabsatz
269
§ 312b I 2 BGB, die im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung steht, so dass sich die Informationspflichten des Anbieters auch auf ihn beziehen. Dies ergibt sich auch aus Erwägungsgrund 19 der Richtlinie, wonach Absatzmittler wegen ihrer Bedeutung für den Fernabsatz ungeachtet der unterschiedlichen rechtlichen Gestaltungsformen – z. B. als Vermittler oder Nachweismakler – die Anbieterpflichten zu beachten haben (Reich/Micklitz, Rn. 24.15). § 1 I und II BGB-InfoV formulieren, dass Informationen zur Verfügung zu stellen sind, so dass dem Unternehmer grundsätzlich kein bestimmtes Medium für die Information vorgeschrieben wird (Bamberger/Roth – Schmidt-Räntsch, § 312c Rn. 20). In § 312c II Nr. 1 BGB und § 1 IV 1 BGB-InfoV heißt es aber, dass bei Finanzdienstleistungen grundsätzlich auch die vorvertraglichen Pflichten in Textform mitzuteilen sind. Nach § 1 I Nr. 2 BGB-InfoV muss auch über die Identität der Kontaktperson des Verbrauchers und deren Verbindung zum Anbieter informiert werden, die Pflicht zur Information liegt aber eindeutig beim Anbieter (so auch Härting/Schirmbacher, S. 811), der entsprechend auf diese Person einwirken muss, wenn er den aus einer mangelhaft erteilten Information folgenden Nachteilen aus dem Weg gehen will.
21
Im Einzelnen handelt es sich sodann um folgende Informationen (vgl. Rott, BB 2005, 53, 55):
22
– die Identität des Unternehmers, anzugeben sind auch das öffentliche Unternehmensregister, bei dem der Rechtsträger eingetragen ist, und die zugehörige Registernummer oder gleichwertige (§ 1 I Nr. 1 BGB-InfoV); – die Identität eines Vertreters des Unternehmers in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, wenn es einen solchen Vertreter gibt, oder die Identität einer anderen gewerblich tätigen Person als dem Anbieter, wenn der Verbraucher mit dieser geschäftlich zu tun hat, und die Eigenschaft, in der diese Person gegenüber dem Verbraucher tätig wird (§ 1 I Nr. 2 BGB-InfoV); – die ladungsfähige Anschrift des Unternehmers und jede andere Anschrift, die für die Geschäftsbeziehung zwischen diesem, seinem Vertreter oder einer anderen gewerblich tätigen Person gemäß Nummer 2 und dem Verbraucher maßgeblich ist, bei juristischen Personen, Personenvereinigungen oder -gruppen auch den Namen des Vertretungsberechtigten (§ 1 I Nr. 3 BGB-InfoV); – die Hauptgeschäftstätigkeit des Unternehmers und die für seine Zulassung zuständige Aufsichtsbehörde (§ 1 II Nr. 1 BGB-InfoV). Die Umsetzung der Richtlinie wurde dazu genutzt, einem Großteil dieser Informationspflichten (§ 1 I BGB-InfoV ) auch im allgemeinen Fernabsatzrecht Geltung zu verleihen. Dies führte zu einer sinnvollen Vereinheitlichung und damit auch Vereinfachung des Systems der Informationspflichten.
23
3. Angaben zur Finanzdienstleistung. Folgende Informationen sind rechtzeitig zur Finanzdienstleistung zu erteilen: – eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale der Finanzdienstleistung sowie Informationen darüber, wie der Vertrag zustande kommt (§ 1 I Nr. 4 BGB-InfoV); – ein Vorbehalt, eine in Qualität und Preis gleichwertige Leistung (Ware oder Dienstleistung) zu erbringen, und ein Vorbehalt, die versprochene Leistung im Fall der Nichtverfügbarkeit nicht zu erbringen (§ 1 I Nr. 6 BGB–InfoV); – der Gesamtpreis, einschließlich aller damit verbundenen Preisbestandteile sowie aller über den Unternehmer abgeführten Steuern oder, wenn kein genauer Preis angegeben werden kann, über die Grundlage für seine Berechnung, die dem Verbraucher eine Überprüfung des Preises ermöglicht (§ 1 I Nr. 7 BGB–InfoV);
24
Kohte
270
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
– gegebenenfalls ein Hinweis darauf, dass sich die Finanzdienstleistung auf Finanzinstrumente bezieht, die wegen ihrer spezifischen Merkmale oder der durchzuführenden Vorgänge mit speziellen Risiken behaftet sind oder deren Preis Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat, und ein Hinweis darauf, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein Indikator für künftige Erträge sind (§ 1 II Nr. 2 BGB-InfoV); – gegebenenfalls ein Hinweis auf zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten sowie auf mögliche weitere Steuern und/oder Kosten, die nicht über den Unternehmer abgeführt oder von ihm in Rechnung gestellt werden (§ 1 I Nr. 8 BGB-InfoV); – Angaben zu einer etwaigen Beschränkung des Zeitraums, während dessen die zur Verfügung gestellten Informationen gültig sind (§ 1 I Nr. 12 BGB-InfoV); – Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung und der Erfüllung (§ 1 I Nr. 9 BGB-InfoV); – alle spezifischen zusätzlichen Kosten, die der Verbraucher für die Benutzung des Fernkommunikationsmittels zu tragen hat, wenn solche zusätzlichen Kosten in Rechnung gestellt werden (§ 1 I Nr. 11 BGB-InfoV). 25
Die bisherige Herausnahme von Finanzdienstleistungen aus den gemeinschaftlichen Regelungen zum Fernabsatz wurde 1997 damit begründet, dass die Besonderheiten von Finanzdienstleistungen eine eigenständige Richtlinie rechtfertigen würden. Diese Begründung trägt zumindest nicht für die auf die Finanzdienstleistung bezogenen Informationspflichten. Die Mehrzahl der hier genannten Pflichten ergibt sich bereits aus der RL 97/7 und ist durch § 312c I Nr. 1 BGB a.F. und § 1 I Nr. 3, Nr. 6, Nr. 8 und Nr. 10 BGBInfoV a.F. umgesetzt worden und war daher schon vorher für die Unternehmer im allgemeinen Fernabsatz verbindlich. Die Auslegung dieser Vorschriften hat bisher keine spezifischen Auslegungsprobleme gestellt.
26
Neu sind dagegen die Regelungen in § 1 I Nr. 7 BGB-InfoV, dass gegebenenfalls die Berechnungsgrundlage für den Preis anzugeben ist (MünchKommBGB-Wendehorst, § 312c Rn. 34), in § 1 II Nr. 2 BGB-InfoV, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein Indikator für künftige Erträge sind, und in § 1 I Nr. 12 BGB-InfoV zur Beschränkung des Informationszeitraums. Vor allem die ersten beiden Informationspflichten sind von beachtlicher Bedeutung. So war es bisher z. B. nicht selten, dass der Preis für eine Finanzdienstleistung nicht absolut, sondern relativ ausgestaltet worden ist, so dass er nicht genau angegeben werden konnte. In der Regel wurde dann der Name der Berechnungsmethode angegeben, die der Verbraucher dann erst recherchieren musste. § 1 I Nr. 7 BGBInfoV verlangt nun die Grundlage für die Berechnung des Preises, die dem Verbraucher eine Überprüfung desselben ermöglicht. Es genügt also nicht mehr, nur den Namen der Berechnungsmethode anzugeben. Vielmehr sind jetzt die entsprechenden Formeln offen zu legen, und zwar derart, dass sie der Verbraucher auch versteht. Das bedeutet, dass die verwendeten Zeichen und Begriffe klar und verständlich zu erläutern sind. Allerdings wurde die Chance im Zuge der Umsetzung die Pflichtangaben zum Gesamtpreis auch in § 492 BGB zu verdeutlichen (KompaktKomm-Kohte, § 492 BGB Rn. 34) nicht genutzt.
27
Nicht selten wurde bisher z. B. beim Kauf von Aktien und Fondsanteilen mit Indikatoren geworben. Diese Praxis wird durch den Hinweis eingeschränkt, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein sicherer Indikator für künftige Erträge sind (zu weiteren Einzelheiten: Bamberger/Roth-Schmidt-Räntsch, BGB-InfoV § 1 Rn. 39). Dies ist z. B. von Bedeutung für Darlehensverträge, die mit Kapitallebensversicherungsverträgen verbunden werden. Bisher hatte man in den Vertragsverhandlungen die bisherige Gewinnbeteiligung als sichere Kalkulationsgröße behandelt. Das entsprach bereits bisher nicht den aus § 242 BGB zu entnehmenden Aufklärungspflichten (Kohte, ZBB 1989, 130 (132 f.)); erst die neuesten Entwicklungen, z. B. der Gewinnbeteiligung in der Versicherungswirtschaft,
Kohte
§ 8 Fernabsatz
271
haben einem größeren Publikum die geringe Belastbarkeit dieser Indikatoren gezeigt. Daher kam § 1 II Nr. 2 BGB-InfoV zur richtigen Zeit. Die Regelungen des § 1 I Nr. 7 und Nr. 8 BGB-InfoV sollen die Preistransparenz auch bei der Einschaltung von Kreditvermittlern verbessern. 4. Angaben zum Fernabsatzvertrag. Zum Fernabsatzvertrag sind dem Verbraucher im Einzelnen zu den folgenden Punkten Informationen zur Verfügung zu stellen:
28
– Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe, einschließlich Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Fall des Widerrufs oder der Rückgabe gem. § 357 I BGB für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat (§ 1 I Nr. 10 BGB-InfoV); – die Mindestlaufzeit des Fernabsatzvertrags, wenn dieser die Erbringung einer dauernden oder regelmäßig wiederkehrenden Finanzdienstleistung zum Inhalt hat (§ 1 I Nr. 5 BGB-InfoV); – Angaben zum Recht der Parteien, den Fernabsatzvertrag vorzeitig oder einseitig aufgrund der Vertragsbedingungen zu kündigen, einschließlich aller Vertragsstrafen, die in einem solchen Fall auferlegt werden (§ 1 II Nr. 3 BGB-InfoV); – den oder die Mitgliedstaaten, dessen beziehungsweise deren Recht der Unternehmer der Aufnahme von Beziehungen zum Verbraucher vor Abschluss des Fernabsatzvertrags zugrunde legt (§ 1 II Nr. 4 BGB-InfoV); – Vertragsklausel über das auf den Fernabsatzvertrag anwendbare Recht und/oder über das zuständige Gericht (§ 1 II Nr. 5 BGB-InfoV); – Angaben darüber, in welcher Sprache oder in welchen Sprachen die Informationen mitgeteilt werden, sowie darüber, in welcher Sprache oder in welchen Sprachen sich der Unternehmer verpflichtet, mit Zustimmung des Verbrauchers die Kommunikation während der Laufzeit des Vertrags zu führen (§1 II Nr. 6 BGB-InfoV). Ein Teil dieser Informationspflichten ist bereits aus den RL 97/7 zum allgemeinen Fernabsatz und 2000/31 (e-commerce-RL) bekannt und bereits vorher durch die BGB-InfoV in das deutsche Recht umgesetzt worden. Dies betrifft vor allem die Angaben zur Mindestlaufzeit, zur Rechtswahl und zu den anwendbaren Sprachen.
29
Die Angaben der Richtlinie 2002/65/EG zum Widerrufsrecht knüpfen wiederum an das allgemeine Fernabsatzrecht an, das jedoch weiter modifiziert und konkretisiert worden ist, so dass nicht allein auf § 312c I 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 1 I Nr. 9 BGB-InfoV a.F. zurückgegriffen werden konnte. Da in bestimmten Fällen (dazu unten Rn. 43) das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden kann, ist auch über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts zu belehren (vgl. MünchKommBGB-Wendehorst, § 312c Rn. 40; Härting/Schirmbacher, S. 1779); ebenso wird die Information über die Folgen der Nichtausübung eines bestehenden Widerrufsrechts verlangt. Die Hinweise zur Ausführung des Widerrufsrechts sollen praktische Hinweise sein, die dem Verbraucher die effektive Nutzung seiner Rechte ermöglichen. Dieser Grundsatz ist in der RL 2002/65 deutlicher als in früheren Richtlinien zum Ausdruck gebracht worden und findet sich nun auch im neugefassten § 1 BGB-InfoV.
30
Auch im Bereich der Informationen über den Fernabsatzvertrag baut die Richtlinie zunächst auf den in der RL 97/7 anerkannten und daraufhin im deutschen Recht umgesetzten Informationspflichten auf. Bezüglich der Pflichten zur Information über Bestehen und der Ausübung des Widerrufsrechts sahen § 312c I 1 Nr. 1 BGB a.F., § 1 I Nr. 9 BGB-InfoV a.F.und § 312c II BGB a.F., § 1 III 1 Nr. 1 BGB-InfoV a.F. im Wesentlichen entsprechende
31
Kohte
272
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Regelungen vor. Im Hinblick auf die Informationen zu den Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts bestand damals nur eine alsbaldige Informationspflicht. 32
Neu ist dagegen die Informationspflicht über das Recht der vorzeitigen Beendigung eines Fernabsatzvertrages, die im bisherigen Recht nicht in der gleichen Weise bestanden hatte. Die Gelegenheit bei der Umsetzung der Richtlinie auch weitere gemeinschaftsrechtliche Defizite bei der vorzeitigen Beendigung von Verbraucherdarlehensverträgen und Teilzahlungsgeschäften zu korrigieren (dazu KompaktKomm-Kohte, § 489 Rn. 16 f., § 504 Rn. 8 ff.) wurde nicht genutzt.
33
Eine Besonderheit ergibt sich im deutschen Recht im Hinblick auf die Pflicht nach § 1 II Nr. 5 BGB-InfoV, wonach Informationen zu Vertragsklauseln über die Rechtswahl (dazu unten Rn. 52) sowie über das zuständige Gericht zur Verfügung zu stellen sind. Gemeint sind damit Vereinbarungen zur örtlichen Zuständigkeit. Gerichtsstandsvereinbarungen mit Verbrauchern sind – soweit deutsches Recht anwendbar ist – nach § 38 I, II 1 ZPO nur ausnahmsweise zulässig, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Ansonsten gilt nach § 29 I ZPO der besondere Gerichtsstand des gesetzlichen Erfüllungsorts. Die Natur einer Finanzdienstleistung weicht nicht von der Natur eine Dienstleistung im Allgemeinen ab, so dass es sich auch hier um eine Bringschuld handelt, die grundsätzlich am Wohnsitz des Gläubigers zu erfüllen ist. Im deutschen Rechtsraum (zur EuGVO unten Rn. 53) ist im Regelfall also immer das Gericht örtlich zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Vertragsklauseln können davon nicht abweichen; sie können jedoch geeignet sein, Vorteile vorzutäuschen, welche die Vergleichbarkeit von Finanzdienstleistungen erschweren. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erscheint es daher angebracht, § 1 II Nr. 5 BGB-InfoV so auszulegen, dass nur zu informieren ist, wenn eine entsprechende Klausel zulässig und im einzelnen Vertragsverhältnis einschlägig ist.
34
5. Angaben zum Rechtsbehelf. Zu den Informationen über den Rechtsbehelf gehören im Einzelnen folgende: – Angaben darüber, ob der Verbraucher, der Vertragspartei ist, Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren hat, und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang (§ 1 II Nr. 7 BGB-InfoV); – Angaben über das Bestehen eines Garantiefonds oder anderer Entschädigungsregelungen, die nicht unter die RL 94/19/EG (Einlagesicherungssysteme, ABl. L 135 vom 31.5.1994, S. 5) oder die RL 97/9/EG (Systeme für die Entschädigung der Anleger, ABl. L 84 vom 26.3.1997, S. 22) fallen (§ 1 II Nr. 8 BGB-InfoV).
35
Die Informationspflichten des § 1 II Nr. 7 und 8 BGB-InfoV sind im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2002/65/EG eingeführt worden. Entsprechende Regelungen gab es vorher im deutschen Recht nicht, da die RL 97/7 in Art. 11 die Förderung solcher Verfahren nur optional ausgestaltet hatte. Art. 14 II RL 2002/65/EG fordert aber, dass die Mitgliedstaaten insbesondere die für die außergerichtliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zuständigen Einrichtungen dazu anhalten sollen, bei der Beilegung grenzüberschreitender Rechtsstreitigkeiten über Finanzdienstleistungen im Fernabsatz zusammenzuarbeiten (Reich/Micklitz, § 32 Rn. 11). Gemeint ist damit das im Erwägungsgrund 28 S. 3 RL 2002/ 65/EG genannte FIN-NET (siehe dazu den von der Europäischen Kommission unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/de/finances/consumer/index.htm veröffentlichten FIN-NET-Leitfaden). Das FIN-NET stützt sich auf die Zusammenarbeit zwischen nationalen Schlichtungsstellen und bildet das erste voll funktionsfähige Netz für die alternative Streitbeilegung in der Europäischen Union. Es soll grenzüberschreitende Beschwerden erheblich erleichtern und Unternehmern und Verbrauchern helfen, Streitig-
Kohte
§ 8 Fernabsatz
273
keiten ohne langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren rasch und wirkungsvoll beizulegen (Steuer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. § 3 Rn. 9 c). In Umsetzung der Richtlinie sind in § 14 II UKlaG Schlichtungsgespräche formuliert und in § 7 SchlichtverfVO die Schlichtungsaufgaben auf die verschiedenen Verbände der Kreditwirtschaft übertragen (Steuer aaO § 3 Rn. 9 a). Die Informationspflicht vor Vertragsschluss soll Verbraucher auf die jeweilige Schlichtungsstelle hinweisen und den Zugang fördern (Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, BGB-InfoV § 1 Rn. 41). 6. Zusätzliche Angaben im Sinne der Richtlinie 2002/65/EG. Zum Teil enthält die BGB-InfoV über die Richtlinie 2002/65/EG hinausgehende Informationspflichten wie z.B. diejenige über das Zustandekommen des Vetrags in § 1 I Nr. 4 BGB-InfoV. Dies ist trotz des Prinzips der Vollharmonisierung nicht gemeinschaftsrechtswidrig, da die Mitgliedstaaten nach Art. 4 II RL 2002/65/EG bis zu einer weiteren Harmonisierung strengere Bestimmungen über die Anforderungen an eine vorherige Auskunftserteilung aufrechterhalten oder erlassen können, wenn diese mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehen (Imschweiler, S. 122). Dass der Unternehmer dem Verbraucher solche Informationen nach Art. 5 I, II RL 2002/65/EG ebenfalls rechtzeitig vor Vertragsschluss beziehungsweise ausnahmsweise unverzüglich nach Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen hat, stellt § 312c II BGB sicher. 7. Besonderheiten bei fernmündlicher Kommunikation. Besondere Regelungen sehen die §§ 312c I 2 , II Nr. 1 BGB und 1 III BGB InfoV für die fernmündliche Kommunikation vor. Nach § 312c I 2 BGB müssen einerseits die Identität des Unternehmers und der geschäftliche Zweck des vom Unternehmer initiierten Anrufs zu Beginn eines jeden Gesprächs mit dem Verbraucher offen gelegt werden. Andererseits brauchen nach § 1 III 1 und 2 BGB-InfoV vorbehaltlich der ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers zunächst nur Informationen im Sinn von § 1 I BGB-InfoV übermittelt werden. Dies gilt allerdings nach § 1 III 2 BGB-InfoV nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher darüber informiert, dass auf Wunsch weitere Informationen übermittelt werden können, und welcher Art diese Informationen sind. Insgesamt ist der Aufwand bei fernmündlicher Kommunikation aber höher, weil nach § 312c II Nr. 2 BGB zusätzlich sämtliche Informationen spätestens unverzüglich nach Abschluss des Fernabsatzvertrags in der dort vorgesehenen Form zu übermitteln sind. II. Vertragsschluss. Der Vertragsschluss selbst ist in der Richtlinie 2002/65/EG nicht geregelt. Erwähnenswert sind aber drei allgemeine, im Zusammenhang mit einem geschlossenen Fernabsatzvertrag stehende Regelungen der Richtlinie, welche zum Teil in deutsches Recht umgesetzt worden sind. Nach Art. 6 I Unterabs. 3 RL 2002/65/EG können die Mitgliedstaaten nämlich zusätzlich zum Widerrufsrecht vorsehen, dass die Wirksamkeit von Fernabsatzverträgen über Geldanlagedienstleistungen für die Dauer der nach Art. 6 I Unterabs. 1 RL 2002/65/EG vorgesehenen Frist ausgesetzt wird. Das erinnert an die Rechtsfigur der schwebenden Unwirksamkeit, so dass aus den Gründen, die insoweit für die Einführung der schwebenden Wirksamkeit sprachen, die nicht erfolgte optionale Umsetzung auch nicht zu befürworten war (Felke/Jordans, WM 2004, 166 (169)). Da das Widerrufsrecht nach Art. 6 II RL 2002/65/EG, umgesetzt in § 312d IV Nr. 6 BGB, bei einer Reihe von Finanzdienstleistungen, bei denen es sich im Wesentlichen um Geldanlagedienstleistungen handelt, ausgeschlossen ist, betrifft diese Regelungsmöglichkeit nur solche Geldanlagedienstleistungen, deren Preis auf dem Finanzmarkt keinen Schwankungen unterliegt. Das ergibt sich daraus, dass diese Regelungsmöglichkeit nur zusätzlich zum Widerrufsrecht vorgesehen ist. Es ist also erforderlich, dass die jeweilige Finanzdienstleistung auch dem Widerrufsrecht unterliegt.
Kohte
36
37
38
39
274
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
40
Eine weitere bemerkenswerte Regelung enthält Art. 7 I 2 RL 2002/65/EG, wonach erst nach Zustimmung des Verbrauchers mit der Erfüllung des Vertrags begonnen werden darf. Art. 7 I 2 RL 2002/65/EG stellt den Begriff in den Kontext der Vertragserfüllung im Rahmen der laufenden Widerrufsfrist. Des Weiteren sieht Art. 7 III 2 RL 2002/65/EG, umgesetzt in § 312d III Nr. 1 BGB, Rechtsnachteile für den Unternehmer vor, wenn er vor dem Ende der Widerrufsfrist ohne ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers mit der Vertragsausführung begonnen hat. Gerade diese Regelung zeigt, dass es sich bei der geforderten Zustimmung um eine von der auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung getrennten Erklärung handelt. Es handelt sich also um eine gesonderte Zustimmung, die vom Verbraucher als ausdrücklicher Wunsch erteilt werden muss (MünchKomm-Wendehorst, § 312d Rn. 52). Dieser Wunsch muss vom Verbraucher ausgehen und kann nicht in AGB vereinbart werden (Erman-Saenger, § 312d Rn. 15).
41
Im Zusammenhang mit einer (vermeintlichen) Vertragserfüllung steht schließlich die Regelung des Art. 8 RL 2002/65/EG, die an die Regelung des Art. 8 der RL 97/7 anknüpft. Danach haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass geeignete Vorkehrungen bestehen, damit der Verbraucher im Fall einer betrügerischen Verwendung seiner Zahlungskarte im Rahmen eines Fernabsatzvertrags die Stornierung einer Zahlung verlangen kann und dem Verbraucher in einem solchen Fall die Zahlung gutgeschrieben oder erstattet wird. Wichtig war dies insbesondere vor dem Hintergrund der Möglichkeiten zum Missbrauch von Zahlungskarten, die nur durch einen vierstelligen PIN-Code geschützt sind, solange der Verbraucher die Beweislast dafür trägt, dass er dem Missbrauch durch Geheimhaltung des PIN-Codes keinen Vorschub geleistet hat. Maßstab der von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Vorkehrungen war nämlich die Geeignetheit. Dieser Begriff steht in der Relation zum Stand der technischen Möglichkeiten, die sich im Lauf der Zeit einerseits zum Schutz und andererseits zur Umgehung des Schutzes von Zahlungskarten ergeben. Dieser Stand der technischen Möglichkeiten war also zu berücksichtigen. Danach kann mittlerweile wohl nicht mehr davon ausgegangen werden, dass ein nur vierstelliger PIN-Code zum Schutz von Zahlungskarten geeignet ist. Bei der Umsetzung der RL 97/7 ging man davon aus, dass keine gesetzliche Handlungspflicht bestehe (BTDrucks. 14/2658, S. 19; Härting/Schirmbacher, 815 f.). Inzwischen ist allerdings durch die Normierung von § 676h BGB eine Regelung getroffen worden (Pützhoven, S. 182 f.), die jedoch in der gerichtlichen Praxis noch keine hinreichende Lösung bewirkt hat (vgl. OLG Frankfurt ZIP 2002, 978; Plaisier, VuR 2003, 315).
42
III. Widerrufsrecht. Dem Verbraucher steht nach § 312d I 1 BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zur Beseitigung der Wirksamkeit des Fernabsatzvertrags zu, ohne dass er Gründe nennen oder eine Vertragsstrafe zahlen muss.
43
Der Anwendungsbereich des Widerrufsrechts ist in tatsächlicher Hinsicht allerdings eingeschränkt (Dilger, S. 120). Bei Finanzdienstleistungen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Anbieter keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, ist das Widerrufsrecht nach § 312d IV Nr. 6 BGB nämlich ausgeschlossen. Diese Bereichsausnahme nimmt dem durch die Richtlinie und der entsprechenden Umsetzung aufgestellten Schutzsystem einiges an Schärfe. Nach Art. 11 RL 2002/65/EG haben die Mitgliedstaaten zwar angemessene Sanktionen zur Ahndung von Verstößen des Unternehmers vorzusehen. Zu der dazu als Beispiel genannten Möglichkeit, dass der Verbraucher den Vertrag dann jederzeit kündigen kann, ist es aber nicht gekommen, weil diese Sanktion nur optional und nicht obligatorisch vorgesehen worden ist. Begründet und gerechtfertigt wird diese Bereichsausnahme allgemein damit, dass dem Verbraucher nicht die Möglichkeit an die Hand gegeben werden soll, im Rahmen der Widerrufsfrist auf dem Finanzmarkt zu spekulieren und mögliche Verluste durch ein Wider-
Kohte
§ 8 Fernabsatz
275
rufsrecht zu umgehen (Dilger, S. 119; Drygala, S. 1578; Hoppmann, S. 678). Dies ist jedoch problematisch, weil gerade in diesem Bereich Missbräuche bekannt sind, die einen gesicherten Rechtsschutz des Verbrauchers erforderlich machen. Die Chance, gerade in diesem Bereich nicht selten auftretende Probleme zu lösen, wurde jedenfalls vertan (Reich/Nordhausen, Rn. 157). Gleichwohl ist im Rahmen einer systematischen Auslegung zu verlangen, dass diese Ausnahme eng ausgelegt wird (Erman-Saenger, § 312d Rn. 30), so dass z.B. bei geschlossenen Immobilienfonds diese Ausnahme nicht anzuwenden ist (Armbrüster, ZIP 2006, 406, 412). Die Regelung der Richtlinie lässt sich so deuten, dass diese Missbräuche durch die RL 93/22 zu Wertpapierdienstleistungen und deren Novellierung (Balzer, ZBB 2003, 179 (186)) eingedämmt werden sollen (Riesenhuber, WM 1999, 1441 (1449)). Nachdem inzwischen die RL 2004/39/EG erlassen und umgesetzt worden ist, indem zusätzliche konkrte Unternehmerpflichten normiert worden sind (vgl. bereits Fleischer, BKR 2006, 389), sind im Bereich der Wertpapierdienstleistungen konkrete Unternehmerpflichten statuiert, so dass Verbraucherschutz zumindest durch Haftung nach § 280 BGB ermöglicht werden kann (Palandt-Grüneberg, § 312d Rn. 14; PWW-Medicus, 3. Aufl. 2008 § 312d Rn. 14). Nachvollziehbar ist dagegen der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d III Nr. 1 BGB. Danach kann der Verbraucher solche Fernabsatzverträge nicht widerrufen, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt. Diese Regelung ist mit dem Charakter der Finanzdienstleistung, um die es geht, zu erklären. In vergleichbarer Weise sieht Art. 7 I 1 RL 2002/65/EG vor, dass von dem Verbraucher die Zahlung für eine bereits tatsächlich erbrachte Dienstleistung verlangt werden kann. Im deutschen Recht war diese Folge bereits vor Umsetzung der Richtlinie in §§ 357 I 1 i.V.m. 346 II Nr. 1 BGB verankert. Somit blieben dem deutschen Gesetzgeber lediglich die weiteren Voraussetzungen für diese Zahlungspflicht zu regeln. Dies erfolgte durch § 312d VI BGB, demzufolge der Verbraucher zuvor dem Beginn der Ausführung der Finanzdienstleistung innerhalb der Widerrufsfrist zugestimmt und der Unternehmer auf diese Rechstfolge vor Abgabe der Vertragserklärung hingewiesen haben muss (Kocher, DB 2004, 2679 (2683)). Neben den auf den Gegenstand der Finanzdienstleistung bezogenen zwingenden Bereichsausnahmen sieht Art. 6 III Unterabs. 1 RL 2002/65/EG des Weiteren noch eine Reihe von möglichen Bereichsausnahmen vor, die mit dem Zweck der Finanzdienstleistung zusammenhängen. Dabei geht es vor allem um Finanzdienstleistungen, die im Zusammenhang mit Eigentumsrechten an Immobilien stehen. Wegen der Besonderheiten der Grundstücksfinanzierung dürften Immobilienkredite im Fernabsatz in der Praxis aber kaum vorkommen (Reich/Nordhausen, Rn. 157). Daher ist eine Umsetzung dieser optionalen Bereichsausnahmen unterblieben. Unberührt blieben schließlich nach Art. 6 VII Unterabs. 1 RL 2002/65/EG die Widerrufsrechte nach Art. 6 IV RL 97/7/EG (ABl. L 144 vom 4.6.1997, S. 19) und nach Art. 7 RL 94/47/EG zum Time-Sharing (ABl. L 280 vom 29.10.1994, S. 83).
44
Als Widerrufsfrist sind nach §§ 312d I 1 i.V.m. 355 I 2 BGB zunächst zwei Wochen vorgesehen. Für den Fristbeginn bestehen grundsätzlich drei Möglichkeiten, die sich im Einzelfall auf eine reduzieren. Ausgangspunkt ist nach § 355 II 1 BGB die Mitteilung der Widerspruchsbelehrung. Allerdings verschiebt sich der Fristbeginn gemäß § 312d II BGB nach hinten, und zwar auf den Tag, an dem der Verbraucher die Informationen i.S.v. § 312c II BGB erhält, soweit dieser Zeitpunkt nach demjenigen des § 355 II 1 BGB liegt. Außerdem bestimmt § 312d II BGB speziell für Dienstleistungen, dass die Widerrufsfrist abweichend von § 355 II 1 BGB nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses beginnt.
46
Kohte
45
276
47
48
49
50
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Als problematisch wird die beibehaltene einmonatige Widerrufsfrist des § 355 II 2 BGB für den Fall angesehen, dass die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsabschluss erfolgt. Diese Regelung steht in einem Spannungsverhältnis zu Art. 6 I RL 2002/65/EG, da hiernach lediglich eine Frist von zwei Wochen vorgesehen ist. Aufgrund des Vollharmonisierungsgebotes der Richtlinie stößt eine Ausweitung der Frist auf Bedenken (Finke, Rn. 420; Domke, BB 2006, 61 (61 f.)). In der Literatur wird jedoch für den Bereich der Finanzdienstleistungen an der monatlichen Widerrufsfrist festgehalten (Palandt/Grüneberg, § 355 Rn.19), weil hier typischerweise Informationspflichtverletzungen auszugleichen sind. In § 355 III 3 Hs. 2 BGB hat der deutsche Gesetzgeber bestimmt, dass das Widerrufsrecht bei Finanzdienstleistungen abweichend von § 355 III 1 BGB nicht erlischt, wenn der Unternehmer seine Mitteilungspflichten nach § 312c II Nr. 1 BGB nicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Diese Vorschrift entspricht zwar Art. 6 I Anstrich 2 RL 2002/65/EG, der in diesem Fall ein Erlöschen des Widerrufsrechts gerade nicht vorsieht, allerdings stößt § 355 III 3 Hs. 2 BGB angesichts der Fülle der Informationspflichten unter Rechtssicherheitsgesichtspunkten auf Bedenken (Felke/Jordans, WM 2004, 166 (169); Domke, BB 2007, 341 (342)). Die Ausübung des Widerrufsrechts ist in § 355 BGB geregelt. Nach § 355 I 2 BGB ist es erforderlich, dass der Verbraucher den Widerruf vor Fristablauf in Textform mitteilt. Die Frist gilt dabei als gewahrt, wenn die Mitteilung vor Fristablauf abgesandt wird. Folge des Widerrufs ist zunächst, dass der Verbraucher an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden ist, § 355 I 1 BGB. Die Rechtsfolgen des Widerrufs erstrecken sich nach Art. 6 VII Unterabs. 2 RL 2002/65/ EG auch auf bestimmte verbundene Verträge. Es geht dabei um die Konstellation, dass einem Fernabsatzvertrag über eine Finanzdienstleistung ein anderer Fernabsatzvertrag hinzugefügt wurde, der Dienstleistungen des Anbieters oder eines Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Anbieter betrifft. Die Rechtsfigur des verbundenen Vertrags fand sich damals schon sich im deutschen Recht bereits in § 358 I, II 1 BGB. IV. Rückabwicklung. Art. 7 RL 2002/65/EG regelt die Pflichten des Verbrauchers und des Anbieters, die in Folge der Ausübung des Widerrufsrechts entstehen. Die Parallele zu diesem Rückabwicklungsschuldverhältnis findet sich im deutschen Recht in den Vorschriften über den Rücktritt gemäß der §§ 346, 357 I 1 BGB (vgl. Hoppmann, S. 677). Im Einzelnen bestehen freilich einige Unterschiede. 1. Pflichten des Verbrauchers. Den Verbraucher treffen im Wesentlichen zwei Pflichten. Nach §§ 357 I 1 i.V.m. 346 I BGB sind die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Soweit die Rückgewähr bzw. die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen sind, hat der Schuldner gemäß § 346 II Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten. Art. 7 I 1 und 3 RL 2002/65/EG bestimmen, dass dieser Wertersatz nicht höher als die anteilige Gegenleistung sein darf und keine faktische Vertragsstrafe darstellen darf. Diese Vorgaben waren schon zu diesem Zeitpunkt in § 346 II BGB erfüllt, da bei der Bemessung des Wertersatzes auf die vertraglich vereinbarte Gegenleistung abzustellen ist. Diese Pflicht besteht nach § 312d VI BGB allerdings nur, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass der Verbraucher entsprechend unterrichtet worden ist und er vor Ende der Widerrufsfrist nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers mit der Vertragsausführung begonnen hat. Nach §§ 357 I 2 i.V.m. 286 III BGB ist der Verbraucher verpflichtet, die Herausgabepflicht i.S.v. § 346 I BGB nicht später als binnen 30 Kalendertagen zu erfüllen, wobei die Frist an dem Tag beginnt, an dem der Verbraucher die Mitteilung über den Widerruf abschickt (§ 357 I 3 BGB).
Kohte
§ 8 Fernabsatz
277
2. Pflichten des Unternehmers. Der Unternehmer ist nach §§ 357 I 1 i.V.m. 346 I, 357 I 2 BGB verpflichtet, dem Verbraucher unverzüglich, jedoch spätestens binnen 30 Kalendertagen jeden Betrag, den er von diesem infolge des Fernabsatzvertrags erhalten hat, zu erstatten. Dabei kann er einen Betrag in Höhe der Erstattungspflicht des Verbrauchers (vgl. Rn. 50) gleich abziehen. Der maßgebliche Fristbeginn liegt hier etwas später, die Frist beginnt nämlich erst an dem Tag, an dem der Unternehmer die Mitteilung über den Widerruf erhält, § 357 I 3 BGB.
51
E. Kollisionsrechtliche Regelungen der Richtlinie
52
In Übereinstimmung mit dem Prinzip der Vollharmonisierung enthielten die ersten Entwürfe zur Richtlinie kollisionsrechtliche Regelungen, mit denen nicht nur der Fall der Rechtswahl, sondern auch derjenige der objektiven Anknüpfung nach den Grundsätzen der engsten Verbindung geregelt werden sollte mit dem Ziel, die Geltung des Drittlandrechtes weitgehend einzuschränken (Reich/Nordhausen, Rn. 351). In der letzten Fassung der Richtlinie ist diese Harmonisierung eingeschränkt worden; man hat stattdessen in Art. 12 II RL 2002/65/EG (umgesetzt in Art. 29a EGBGB) die klassische Form verbraucherrechtlicher Kollisionsregelungen normiert (dazu Reich/Micklitz, Rn. 12.17), so dass die Vereinbarung eines Drittlandrechts (dazu Heiss, IPrax 2003, 100 (102)) nur insoweit unwirksam ist, als Verbrauchern dadurch der unabdingbare Schutz entzogen wird. Somit besteht weiterhin ein realer Spielraum für die Vereinbarung einer Rechtswahl, so dass auch konsequent in Art. 3 I 3 f RL 2002/65/EG der Unternehmer verpflichtet wird, Vertragsklauseln über die Rechtswahl rechtzeitig vorzulegen (dazu oben Rn. 33). In Art. 3 I Nr. 3 f RL 2002/65/EG wird der Unternehmer auch verpflichtet, Vertragsklauseln über die Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen. Unter dem Blickwinkel des nationalen deutschen Rechts ist diese Pflicht weitgehend obsolet (dazu oben Rn. 33). Offensichtlich soll auch diese Pflicht einen kollisionsrechtlichen Bezug haben, der allerdings wenig plausibel ist (dazu Heiss, IPrax 2003, 102). Nach Nr. 8 der Erwägungsgründe bleiben die Regeln des Kollisionsrechts, die im Gemeinschaftsrecht gelten, durch die Richtlinie unberührt, so dass für die Wahl von Gerichtsstandsklauseln in erster Linie Art. 17 EuGVO gilt. Diese Norm verbietet bei Verbraucherverträgen jedoch weitgehend die Bestimmung einer Gerichtsstandsklausel, so dass sie nur in seltenen Fällen anwendbar sein dürfte (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005, Art. 17 Rn. 2). In Betracht kommt hier lediglich, dass der Unternehmer zugunsten des Verbrauchers einen weiteren, zusätzlichen Gerichtsstand vereinbaren will (Art. 17 Nr. 2 EuGVO) oder dass die Gerichtsstandsvereinbarung für den Fall getroffen wird, dass der Verbraucher seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nach Vertragsschluss ins Ausland verlegt oder sein Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung unbekannt ist (Art. 17 Nr. 3 EuGVO i.V.m. § 38 III ZPO). Im Übrigen würden solche Vertragsklauseln regelmäßig von der Inhaltskontrolle der RL 93/13 (vgl. EuGH NJW 2000, 2571 – Oceano) und damit der Norm des § 307 BGB erfasst werden. Diese Kontrolle setzt formularmäßigen Gerichtsstandsvereinbarungen enge Grenzen (Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (332); zum Verhältnis zwischen Inhaltskontrolle und EuGVO Leible, RIW 2001, 422 (430)).
53
F. Resümee und Ausblick
54
Die RL war vor dem Hintergrund ständig wachsender Überschuldung von Verbrauchern (siehe dazu die Entschließung des Rates vom 26. November 2001 über den Verbraucherkredit und die Verschuldung der Verbraucher, ABl. C 364 vom 20.12.2001, S. 1; vgl. Kaiser, VuR 2002, 385) dringlich (a. A. Schirnding, S. 17). Die in ihr enthaltenen, überwie-
Kohte
278
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
gend bekannten und inzwischen bewährten Rechtsinstrumente geben – auch vor dem Hintergrund der rechtstatsächlichen Bemühungen rund um das FIN-NET – Instrumente zur Eindämmung der Überschuldung. Die RL war daher zu begrüßen und die Umsetzung in das deutsche Recht (dazu Härting/Schirmbacher, S. 1777 ff.; Ehrhardt-Rauch, S. 341 ff.) geboten (so auch Lehne, S. 341). Für den deutschen Gesetzgeber ergab sich dabei ein überschaubarer Umsetzungsbedarf, ein großer Teil der vorgeschriebenen Rechtsinstrumente war im deutschen Recht nämlich bereits enthalten, so dass vor allem die Bereichsausnahme für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen und Versicherungen aufgehoben werden musste. Aus der Sicht der Rechtsunterworfenen sieht das Bild freilich anders aus. Banken und Sparkassen müssen ihre Geschäftspraxis in dem betroffenen Geschäftsbereich nicht unerheblich ändern (Schirnding, S. 11). 55
Eine weitere begrüßenswerte Neuerung im Bereich der Finanzdienstleistungen stellt die neue WertpapierdienstleistungsRL (Richtlinie 2004/39/EG) dar, welche durch Änderungen des WpHG und des BörsG in nationales Recht umgesetzt wurde. Durch die Umsetzung dieser Richtlinie können sämtliche Finanzdienstleistungen, insbesondere also auch Fonds, nur noch von der Aufsicht unterliegenden Finanzdienstleistungsinstituten und deren Bevollmächtigten vermittelt werden. Der teilweise aggressiven Vermittlungspraxis von selbstständigen Fondsvermittlern wird damit wirkungsvoller begegnet werden können. Im Übrigen ergänzt diese Richtlinie die RL 2002/65/EG sinnvoll (vgl. oben Rn. 43) auch für den Bereich außerhalb des Fernabsatzes durch ihre anlegerschützenden Wohlverhaltens- und Auftragsausführungsregeln. Diese umfassen zum einen detaillierte Informationspflichten von Wertpapierfirmen, welche nun in § 31 WpHG verankert sind. Zum anderen verpflichtet Art. 21 RL 2004/39/EG (umgesetzt in § 33a WpHG) die Wertpapierfirmen zur kundengünstigsten Auftragsausführung, und die Art. 13 III, 18 I und II RL 2004/39/EG (umgesetzt in § 31 I Nr. 2, 33 I 2 Nr. 3 WpHG) treffen Regelungen über den Umgang mit Interessenkonflikten. Zwar war der Großteil der Pflichten der Wertpapierfirmen bereits vorher im deutschen Recht vorhanden, allerdings zumeist nur generalklauselartig, so dass sie nun wesentlich detaillierter festgelegt sind (Kumpan/Hellgardt in DB 2006, 1714 (1720); Fleischer, in: BKR 2006, 389 (395))
56
Keine spezifisch bankrechtliche Frage wurde durch Art. 10 der RL 2002/65 zur Umsetzung gestellt. Danach wird verlangt, dass die Verbraucher vor bestimmten unerwünschten Mitteilungen, z.B. durch Voicemail-Systeme geschützt werden und gegenüber weiteren nicht erwünschten Mitteilungen (z.B. unverlangte e-mail) eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfolgt, die wegen der parallelen Datenschutzregelung in Art. 13 der RL 2002/ 58 als Opt-in-Lösung auszugestalten ist (dazu ausführlich Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815, 823 ff.; vgl. Weiler, CR 2003, 223, 226 ff.). Die Umsetzung dieser Regelung ist im Rahmen der UWG-Reform durch § 7 II Nr. 2 und 3 des neuen, am 08.07.2004 in Kraft getretenen UWG erfolgt (Kocher, DB 2004, 2679, 2684; Hefermehl, Köhler, Bornkamm – Köhler, § 7 Rn.3). Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 02.12.2004 erfasst daher nur einen Teil der umzusetzenden Regelungen aus der Richtlinie 2002/65/EG (Härting/Schirmbacher, S. 1777; Ehrhardt-Rauch, S. 343).
57
Die RL 2002/65/EG ist ein wichtiges Element des Verbraucherschutzes, das inzwischen durch weitere Rechtsakte im Bereich der Finanzdienstleistungen ergänzt worden ist (Metz, VuR 2007, 341), so dass sich auch insoweit gezeigt hat, dass Finanzdienstleistungen zu den Themen gehören, bei denen eine nachhaltige Verbraucherpolitik erforderlich ist. In Art. 20 der RL 2002/65/EG ist konsequent eine weitere Evaluierung und Überprüfung der Umsetzung der Richtlinie verlangt worden. Diese Evaluierung hat sich verzögert und wird nicht vor 2008 erfolgen.
Kohte
§ 9 Electronic Banking
279
§ 9 Electronic Banking
Schrifttum Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, 2004; Armgardt/Spalka, Der Anscheinsbeweis gemäß § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO vor dem Hintergrund der bestehenden Sicherheitslücken bei digitalen Signaturen, K&R 2007, 26; Assies/Beule/Heise/Strube (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 2008; Assmann, Neuemissionen von Wertpapieren über Internet. Initial Public Offerings (IPR’s) als Gegenstand des deutschen Kapitalmarktrechts, in FS Schütze, 1999, S. 15; Bach, Zahlungen über Mobilfunknetze, K&R 2005, 308; Berger, Beweisführung mit elektronischen Dokumenten, NJW 2005, 1016; Bergfelder, Was ändert das 1. Signaturänderungsgesetz?, CR 2005, 148; Blasi, Das Herkunftsplandprinzip der Fernseh- und der E-Commerce-Richtlinie, 2003; Blaurock, Grenzüberschreitende elektronische Geschäfte, in Hohloch (Hrsg.), Recht und Internet, 2001, S. 31; Blaurock/Münch, Elektronisches Geld und Stored Value Cards, K&R 2000, 97; Borges, Vertragsrecht im Internet – Vertragsabschluß, Beweis, Form, Lokalisierung, anwendbares Recht, 2003; (Hrsg.), Rechtsfragen der Internet-Auktion, 2007 (zit.: Bearb. in Borges, Internet-Auktion); Rechtliche Aspekte der Internetportale für Heilberufe – Zugang, Beweis, Datensicherung, 2007 (zit.: Borges, Internetportale); Lokalisierung von Angeboten beim Electronic Banking, WM 2001, 1542; Weltweite Geschäfte per Internet und deutscher Verbraucherschutz, ZIP 1999, 565; Brisch, Textform und elektronische Form, CR 1999, 537; Bröhl/Tettenborn, Das neue Recht der elektronischen Signaturen, 2001; Büger/Esslinger/Koy, Das deutsche Signaturbündnis, DuD 28 (2004) 133; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, 2007; Callies, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, 2006; Dannenberg/Ulrich, E-Payment und E-Billing, 2004; Dilger, Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen per Internet, 2002; Dobbertin, Elektronische Fingerabdrücke, DuD 21 (1997) 82; Dörner, Rechtsgeschäfte im Internet, AcP 202 (2002) 363; Dörrie, Der Verbraucherdarlehensvertrag im Fernabsatz, ZBB 2005, 121; Domke, Nachholung gesetzlicher Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen: Kein unbefristetes Widerrufsrecht des Verbrauchers, BB 2005, 228; Fernabsatz von Finanzdienstleistungen: Die Länge der Widerrufsfrist bei nach Vertragsabschluss erfolgter Widerrufsbelehrung, BB 2006, 61; Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen, BB 2007, 341; Ernst, Beweisprobleme bei E-Mail und anderen Online-Willenserklärungen, MDR 2003, 1091; Felke, Internationale Konsumentenkredite: Sonderanknüpfung des VerbrKrG über Art. 34 EGBGB, RIW 2001, 30; Felke/ Jordans, Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen, NJW 2005, 710; Fezer/Koos, Das gemeinschaftsrechtliche Herkunftslandprinzip und die e-commerce-Richtlinie, IPRax 2000, 349; Fischer-Dieskau/Gitter/Paul/Steidle, Elektronisch signierte Dokumente als Beweismittel im Zivilprozeß, MMR 2002, 709; Freitag, Vom Forderungskauf zum abstrakten Schuldanerkenntnis und die Verteilung des Mißbrauchsrisikos im Kreditkartengeschäft, ZBB 2002, 322; Gebauer/Wiedemann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005; van Gelder, Fragen des sogenannten Widerspruchs und des Rückgabeentgelts im Einzugsermächtigungsverfahren, WM 2000, 101; Geis, Recht im eCommerce, 2001; Die neue Signaturverordnung, K&R 2002, 59; Glöckner, Ist die Union reif für die Kontrolle an der Quelle?, WRP 2005, 795; Gounalakis (Hrsg.), Rechtshandbuch E-Business, 2003; Grundmann, Das Internationale Privatrecht der E-Commerce-Richtlinie – was ist kategorial anders im Kollisionsrecht des Binnenmarkts und warum?, RabelsZ 67 (2003) 246; Hansen, Strafbarkeit des Phishing nach Internetbanking-Legitimationsdaten, 2007; Härting, Kreditkartenzahlung – Kehrtwende in der BGH-Rechtsprechung, MDR 2002, 913; Heckmann, juris PraxisKommentar Internetrecht, 2007; Heiderhoff/Zmij (Hrsg.), Law of E-Commerce in Poland and Germany, 2005; Held/Schulz, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, BKR 2005, 270; Henning-Bodewig, Herkunftslandprinzip im Wettbewerbsrecht: Erste Erfahrungen, GRUR 2004, 822; Heusch, Die elektronische Signatur, 2004; Hoenike/ Szodruch, Rechtsrahmen innovativer Zahlungssysteme für Multimediadienste, MMR 2006, 519; Hoeren, Grundzüge des Internetrechts, 2. Aufl., 2002; Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch MultimediaRecht (Losebl., Stand 10/2007); Hoffmann, Der Verbraucherbegriff des BGB nach Umsetzung der Finanz-Fernabsatzrichtlinie, WM 2006, 560; Hofmann, Die Zahlungsverpflichtung des Kartenemittenten gegenüber dem Unternehmer, BKR 2003, 321; Hübner, Vertragsabschluß und Probleme des Internationalen Privatrechts beim E-Commerce, ZVersWiss 2001, 351; Junker, Internationales Vertragsrecht im Internet, RIW 1999, 809; Kaminski/Henßler/Kolaschnik/Papathoma-Baetge (Hrsg.), Rechtshandbuch E-Business, 2002; Kienholz, Die Zahlung mit Kreditkarte im Nah- und Fernabsatz, 2000; Klimke, Korrekturhilfen beim Online-Vertragsschluss, CR 2005, 852; Koch/Masuch/Zingel, Bankgeschäfte im Internet, 2006; Koch, Vertragsrecht im Internet, in Brumme/Weis (Hrsg.), Praxishandbuch Internetrecht,
Borges
280
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
2. Aufl. 2004, S. 161; Koch/Maurer, Rechtsfragen des Online-Vertriebs von Bankprodukten, WM 2002, 2443, 2481; Kocher, Neue Vorschriften für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, DB 2004, 2679; Köhler, Die Problematik automatisierter Rechtsvorgänge, insbesondere von Willenserklärungen, AcP 182 (1982) 126; Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, 6. Aufl. 2008; Körber, Die Risikoverteilung bei der Kreditkartenzahlung in Mailorder und E-Commerce, WM 2004, 563; Kröger/ Gimmy (Hrsg.), Handbuch zum Internetrecht, 2. Aufl. 2002; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2006; Krüger/Bütter, Elektronische Willenserklärungen im Bankgeschäftsverkehr, WM 2001, 221; Kuhn, Rechtshandlungen mittels EDV und Telekommunikation, 1991; Lammer, Handbuch E-Money, E-Payment & M-Payment, 2006; Langenbucher/Gößmann/Werner, Zahlungsverkehr, 2004; Lehmann (Hrsg.), Electronic Business in Europa, 2002; Lurger/Vallant, Die österreichische Umsetzung des Herkunftslandprinzips der E-Commerce-Richtlinie, MMR 2002, 203; Mankowski, Verbraucherkreditverträge mit Auslandsbezug: Kollisionsrechtlicher Dienstleistungsbegriff und sachliche Abgrenzung von Eingriffsrecht, RIW 2006, 321; Für einen Anscheinsbeweis hinsichtlich der Identität des Erklärenden bei E-Mails, CR 2003, 44; Das Herkunftslandprinzip als Internationales Privatrecht der E-Commerce-Richtlinie, ZVgl.RWiss 100 (2001) 137; Das Internet im Internationalen Vertrags- und Deliktsrecht, RabelsZ 63 (1999) 203; Marly, Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, in Grabitz/ Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Bd. III, A 4 (Stand: 1/2008); Martis/Meinhof, Verbraucherschutzrecht, 2. Aufl. 2005; Meder, Kreditkartenzahlung im Internet und Mail-Order-Verfahren, WM 2002, 1993; Bezahlen im E-Commerce, JZ 2004, 503; Meder/Grabe, PayPal – Die „Internet-Währung“ der Zukunft?, BKR 2005, 467; Moritz/Dreier (Hrsg.), Rechts-Handbuch zum E-Commerce, 2. Aufl. 2005; Neumann, Bargeldlose Zahlungen über Mobilfunknetze, BKR 2002, 157; Neumann/Bock, Zahlungsverkehr im Internet, 2004; Noack, Elektronische Form und Textform, in Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 2002, S. 375; Nocke, Gesetzliche Schriftform und elektronische Willenserklärung – Neue Formvorschriften für den Electronic-Commerce, FLF 2001, 5; Anhebung des Verbraucherschutzniveaus im Fernabsatz, FLF 2005, 73, 114; Oberndörfer, Netz-„Geld“: Funktionen des Netzgeldes aus zivilrechtlicher Sicht, 2003; Die EG-Richtlinie über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und das Bankgeschäft – am Beispiel von db-order, NJW-CoR 2000, 228; Ohly, Das Herkunftslandprinzip im Bereich vollständig angeglichenen Lauterkeitsrechts, WRP 2006, 1401; Pauly, M-Commerce und Verbraucherschutz, 2005; Pichler, Kreditkartenzahlung im Internet, NJW 1998, 3234; Piper/Ohly, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 4. Aufl. 2006; Ranke, M-Commerce – Einbeziehung von AGB und Erfüllung von Informationspflichten, MMR 2002, 509; Raßmann, Elektronische Unterschrift im Zahlungsverkehr, CR 1998, 36; Recknagel, Vertrag und Haftung beim Internet-Banking, 2005; Roßnagel (Hrsg.), Recht der Multimedia-Dienste (Losebl., Stand: 4/2005); Roßnagel, Die fortgeschrittene elektronische Signatur, MMR 2003, 164; Rechtliche Unterschiede von Signaturverfahren, MMR 2002, 215; Das neue Recht elektronischer Signaturen, NJW 2001, 1817; Elektronische Signaturen mit der Bankkarte? – Das Erste Gesetz zu Änderung des Signaturgesetzes, NJW 2005, 385; Roßnagel/Fischer-Dieskau, Elektronische Dokumente als Beweismittel, NJW 2006, 806; Roßnagel/Pfitzmann, Der Beweiswert von E-Mails, NJW 2003, 1209; Rott, BB-Gesetzgebungsreport: Die Umsetzung der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen im deutschen Recht, BB 2005, 53; Rüßmann, Verbraucherschutz im Internet, K&R 1998, 129; Sandig, Die Geschichte des virtuellen Geldes, in Thießen (Hrsg.), Bezahlsysteme im Internet, 1999, S. 27; Schemmann, Die Beweiswirkung elektronischer Signaturen und die Kodifizierung des Anscheinsbeweises in § 371a Abs. 1 Satz 2 ZPO, ZZP 118 (2005) 161; Schindler, Sicherheitsaspekte der elektronischen Unterschrift, K&R 1998, 433; Schleicher, E-Commerce im Bankbereich, 2007; Schlosser, EU-Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 2003; Schöttle, Zahlungsmittel im elektronischen Geschäftsverkehr, K&R 2007, 183; Sosnitza/Gey, Zum Beweiswert von E-Mails, K&R 2004, 465; Spindler, Das Gesetz zum elektronischen Geschäftsverkehr – Verantwortlichkeit der Diensteanbieter und Herkunftslandprinzip, NJW 2002, 921; Internet, Kapitalmarkt und Kollisionsrecht unter besonderer Berücksichtigung der E-Commerce-Richtlinie, ZHR 165 (2001) 324; Internationales Verbraucherschutzrecht im Internet, MMR 2000, 18; Online-Banking – Haftungsprobleme, 2007; Studie im Auftrag des BSI: Verantwortlichkeiten von IT-Herstellern, Nutzern und Intermediären; Spallino, Rechtsfragen des Netzgeldes, WM 2001, 231; Stockhausen, Die Einführung des HBCI-Standards aus bankrechtlicher Sicht, WM 2001, 605; Strömer, Online-Recht, 4. Aufl. 2006; Stockmar/Wittwer, Die Pflicht zur Empfangsbestätigung von elektronischen Bestellungen im Spiegel der Rechtsprechung, CR 2005, 118; Süßenberger, Das Rechtsgeschäft im Internet, 2000; Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr, Beil. 1 zu K&R 12/2001; Ultsch, Zivilrechtliche Probleme elektronischer Erklärungen – dargestellt am Beispiel der electronic Mail, DZWir 1997, 466; Weber, Zahlungsverfahren im Internet, 2002; Weber, Elektronisches Geld, 1999; Werner, Geldverkehr im Internet. Ein Praxisleitfaden, 2002; Mailorderverfahren: Verschuldensunabhängige Rückbelastungsklausel in AGB von Kreditkartenunternehmen ist unwirksam, BB 2002, 1382; Das Lastschriftverfahren im Internet, BKR 2002, 11; Rechtsprobleme bei
Borges
§ 9 Electronic Banking
281
Zahlungen über das Netz, K&R 2001, 433; Beweislastverteilung und Haftungsrisiken im elektronischen Zahlungsverkehr, MMR 1998, 232; Wernicke/Hoppe, Die neue EuGVVO – Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit bei Internetverträgen, MMR 2002, 643; Wiebe, Die elektronische Willenserklärung. Kommunikationstheoretische und rechtsdogmatische Grundlagen des elektronischen Geschäftsverkehrs, 2001; Wülfing, Netzgeld: Cybercash, eine Zahlungsalternative, 2001. Inhaltsübersicht A. Technische und rechtliche Rahmenbedingungen des Electronic Banking . . . . . . . . . 1 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . 4 1. Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Regelwerke der Kreditwirtschaft . . . . 12 3. Rechtsgrundlagen im BankKunden-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Technische Rahmenbedingungen . . . . . . . 21 1. Die elektronische Signatur . . . . . . . . . 22 2. Der FinTS-Standard . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Der SET-Standard . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4. Authentisierungsverfahren . . . . . . . . . 38 B. Vertragsrechtliche Fragen des Electronic Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Allgemeine Voraussetzungen des Vertragsabschlusses . . . . . . . . . . . 41 2. Einbeziehung von AGB . . . . . . . . . . . 51 II. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Informationspflichten nach TMG . . . . 55 2. Informationspflichten nach Fernabsatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Informationspflichten nach § 312e BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Aufklärungs- und Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Formfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Schriftform und elektronische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Der Tatbestand der elektronischen Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 IV. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers . . . 89
C. Beweisfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Augenscheinsbeweis mit elektronischen Dateien . . . . . . . . . . . . . . II. Der Nachweis der Urheberschaft eines elektronischen Dokuments . . . . . . III. Der Anscheinsbeweis im Electronic Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zahlungsverfahren im Internet . . . . . . . . . . . . I. Kreditkartenverfahren im Internet . . . . . II. Lastschriftverfahren im Internet . . . . . . III. Elektronisches Geld . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Weitere Internet-Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Phishing und ähnliche Angriffe . . . . . . . 1. Tatsächliche Hintergründe . . . . . . . . 2. Risikozuordnung und Haftung im Verhältnis der Bank zum Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Haftung des Geldkuriers . . . . . . 4. Beweisfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Internationale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gerichtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . II. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . 3. Der Umfang des Vertragsstatuts . . . . 4. Besonderheiten bei Verbraucherverträgen . . . . . . . . . . . . III. Das Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . 1. Das Herkunftslandprinzip in der E-Commerce-Richtlinie . . . . . . . 2. Das Herkunftslandprinzip im TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100 101 105 108 113 113 119 122 125 132 133
141 151 156 161 162 166 166 168 171 175 182 182 194
Stichwortverzeichnis Abgabe elektronischer Erklärungen . . . . . . . . . . 44 f. AGB, Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 ff. – Kenntnisnahmemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 – Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Anscheinsbeweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 ff. – Anscheinsbeweis nach § 371a ZPO . . . . . . . . . 109 – EC-Karte/PIN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111, 157 – E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 – Mail-Order-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 – Passwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 – Phishing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 ff. – PIN/TAN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111, 156 Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 ff. Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Augenscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ff. Authentisierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 ff. Bank-Kunden-Verhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 ff. Beweis, Urheberschaft von Erklärungen . . . . . 100 ff. Beweisfragen, Phishing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 ff. click&buy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Cybercoin-Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
eCash-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 E-Commerce-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 71 – Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 ff. – koordinierter Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 E-Geld-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Eingabefehler, Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Elektronische Dokumente, Beweis . . . . . . . . . 100 ff. Elektronische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 ff. – Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 ff. Elektronische Signatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 ff. – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – Verschlüsselungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Elektronisches Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 ff. E-Mail – Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 – Augenscheinsobjekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Enger Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 ff. Europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
Borges
282
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Fernabsatzrecht, Informationspflichten . . . . . . . 61 ff. Fernabsatzrichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 FinTS-Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 142, 156 Geldkarte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 – Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 ff. Gerichtsstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 ff. HBCI – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Verschlüsselungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 ff. Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 ff. – Anwendungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 – Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 – Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 f. – Beschränkungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 – Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 – TMG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 ff. – Verbraucherverträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 – Vertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 – Wettbewerbsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Homebanking – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 – Abkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 20 Informationspflicht, Nachholung . . . . . . . . . . . . . . 96 Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 ff. Informationspflichten nach § 312e BGB . . . . . . 71 ff. Informationspflichten – kommerzielle Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . 60 – Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 ff. – Verzicht des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . 63 f. Informationspflichten-Verordnung . . . . . . . . . . 64, 72 Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 162 ff. – engere Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 iTAN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Kreditkartenverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 ff. Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 ff. Lastschriftverfahren, SEPA. . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Legitimationsdaten, Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . 134 Mail-Order-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 ff. M-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 53, 129 mobile-TAN (mTAN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Niederlassung – Website. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Online-Banking – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 – Systemsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 – Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Ort der Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . 174, 179 Paybox-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Paypal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 ff. Pharming. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Phishing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 ff.
1
– Angriffsszenarien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 ff. – Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 ff. – Geldkurier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140, 151 ff. – Geldtransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 – Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 ff. – praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 ff. – Risikozuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 ff. – Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 – SSL-Trojaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 – Trojaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 PIN/TAN-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 157 Qualifizierte elektronische Signatur . . . . . . . . . . 23 ff. – Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107, 109 – elektronische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166 f. Rechtswahlklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 RSA-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 ff. SEPA-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 SET – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 – Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 ff. – Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 ff. Signaturgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 23 ff. Signaturrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Signaturschlüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Smart-TAN plus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 SSL-Trojaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Telemediengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 10 – Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 ff. – Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 ff. Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 83 Trojaner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138 f. Verbraucherschutzrecht – anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 173, 175 ff. Verbraucherverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 ff. – Sonderanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 ff. Vertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 ff. Vertragsvorschläge auf Websites . . . . . . . . . . . . . . 43 Vornahmeort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Wertpapierdienstleistungen – anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Wertpapierdienstleistungsrichtlinie . . . . . . . . . . . 174 Widerruf, Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 ff. – Belehrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 ff. – Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ff. – Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 – Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Zahlungsdiensterichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Zugang von Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . 44, 46 ff. Zugang, Empfangseinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Zugang, unverzügliche Bestätigung . . . . . . . . . . 75 ff. Zugang, Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 f.
A. Technische und rechtliche Rahmenbedingungen des Electronic Banking I. Einführung. Als „Electronic Banking“ wird das über elektronische Netze mittels Computern geführte Bankgeschäft bezeichnet. In der Bankpraxis wird meist zwischen „Online-Banking“ und „Homebanking“ unterschieden. Diese Bezeichnungen folgen den entsprechenden Interbanken-Abkommen und den daran anknüpfenden Regelwerken
Borges
§ 9 Electronic Banking
283
der Kreditinstitute (Online-Bedingungen, Homebanking-Bedingungen, dazu unten Rn. 15 ff.). Online-Banking (dazu Koch/Maurer, WM 2002, 2443 (2444 ff.)) und Homebanking unterscheiden sich vor allem durch die zugrundeliegenden Konzepte zur Sicherung der Kommunikation. Während das Online-Banking auf der Legitimation durch das PIN/TAN-Verfahren beruht, setzt das Homebanking (dazu Schimansky/Bunte/LwowskiGößmann, § 55 Rn. 27 ff.) auf die Nutzung des HBCI-Standards und die Legitimation durch elektronische Signatur (zur Unterscheidung Bunte, SB Home Rn. 1 ff.). Technologische Grundlage des Electronic Banking ist heute vor allem das Internet (siehe zum Internet allgemein Borges, S. 9 ff.; Sieber, in: Hoeren/Sieber, Rn. 1/1 ff.). Theoretisch können unterschiedliche Dienste des Internet für Bankgeschäfte genutzt werden. In der Praxis steht das Bankgeschäft über das World Wide Web (WWW), d.h. über Websites, im Vordergrund. Der Zugang der Kunden erfolgt bisher meist über PC und unmittelbaren Anschluss an ein Rechnernetz oder mittels Modem und Telefonnetz. Teilweise auch über das Breitbandkabelnetz. Bankgeschäfte über Mobiltelefone haben bisher nur geringe Bedeutung. Die praktische Bedeutung des Electronic Banking ist enorm. So führten im Jahr 2008 schon 36 % der Deutschen und 55 % der Internetnutzer Bankgeschäfte online durch, bei nach wie vor ansteigender Tendenz (www.bankenverband.de, Statistik-Service). Bei einer Erhebung der Deutschen Bundesbank wurden für das Jahr 2006 35,3 Mio. online geführte Bankkonten ermittelt (www.bankenverband.de, Statistik-Service). II. Rechtliche Rahmenbedingungen. Der rechtliche Rahmen des Electronic Banking ergibt sich zum einen aus den allgemeinen Regeln des jeweiligen Bankgeschäfts, zum anderen aus den Regeln des elektronischen Geschäftsverkehrs. Außerdem sind Regelwerke der Kreditwirtschaft von großer Bedeutung. 1. Gesetze. Zu den wichtigsten Gesetzen des elektronischen Geschäftsverkehrs gehört die E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. EG Nr. L 178/1 v. 17.6.2000, i. f. EC-Rl.). Die Richtlinie bezieht sich auf alle interaktiven, im Fernabsatz und auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen, die sog. Dienste der Informationsgesellschaft (Art. 1 (1) E-Commerce Richtlinie). Electronic Banking unterliegt uneingeschränkt der E-Commerce-Richtlinie. Die Richtlinie enthält Informationspflichten für Anbieter (Artt. 5, 6, 10) sowie Einzelheiten des Vertragsabschlusses (Artt. 9-11), außerdem die Haftung von Diensteanbietern (Artt. 12-15). Große Bedeutung hat das sog. Herkunftslandprinzip (Art. 3; dazu unten Rn. 179 ff.). Die E-CommerceRichtlinie wurde in Deutschland durch mehrere Gesetze umgesetzt (dazu Borges, S. 117 ff.). Die Informationspflichten sind teils im BGB, teils im Telemediengesetz (TMG, dazu unten Rn. 10) enthalten. Die Haftungsregelung und das Herkunftslandprinzip sind im TMG umgesetzt. Die Signaturrichtlinie (Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG Nr. L 13/12 v. 19.1.2000) regelt vor allem die Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen. Die rechtliche Bedeutung elektronischer Signaturen ergibt sich aus Art. 5 SiG-RL i. V. m. Art. 9 E-Commerce-Richtlinie. Danach müssen qualifizierte elektronische Signaturen (dazu unten Rn. 22 ff.) der eigenhändigen Unterschrift rechtlich gleichgestellt werden (dazu unten Rn. 81 ff.). Die Signaturrichtlinie wurde hinsichtlich der technischen Anforderungen im Signaturgesetz umgesetzt, die rechtliche Bedeutung elektronischer Signaturen durch das Formanpassungsgesetz vom 13.7.2001 (BGBl. I 1542) in der ZPO und im BGB geregelt (Borges, S. 117 ff.).
Borges
2
3
4
5
6
284
7
8
9
10
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen v. 23.9.2002 (ABl. EG Nr. L 271/16, dazu Kohte, § 8 Rn. 3 f.) regelt u.a. ein Widerrufsrecht für Verbraucher, das bei per Internet geschlossenen Finanzdienstleistungsverträgen gilt (dazu Schleicher, S. 36 ff.). Die Richtlinie wurde durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen, das am 8.12.2004 in Kraft getreten ist, vor allem durch Anpassung der §§ 312b ff. BGB (dazu unten Rn. 61 ff.) umgesetzt (BGBl. I 3102) (zur Umsetzung siehe Dörrie, ZBB 2005, 121; Kocher, DB 2004, 2679; Rott, BB 2005, 53). Künftig wird der Zahlungsdiensterichtlinie (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 97/7/ EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/ 5/EG, auch „SEPA-Richtlinie“ gen., RiLi 2007/64/EG v. 13.11.2007, ABl. EG Nr. L 319/ 1, in Kraft seit 25.12.2007) große Bedeutung zukommen. Ziel der Richtlinie ist die Errichtung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraumes (Single Euro Payments Area, SEPA) zwischen den Mitgliedstaaten. Beteiligt sind an diesem die 27 Mitgliedstaaten der EU und vier Mitglieder der Europäischen Freihandelszone (EFTA). Der Zahlungsverkehr wird grundsätzlich in Euro abgewickelt. Hierzu sollen die in Europa vorhandenen unterschiedlichen Zahlungssysteme im internationalen Verkehr vereinheitlicht werden. Die Richtlinie enthält Regelungen sowohl für europaweite Überweisungen und Lastschriften als auch für Kartenzahlungen (SEPA-Instrumente oder -Produkte). Dabei ist der Schutz der Nutzer von Zahlungsdiensten aller Art, insbesondere von Verbrauchern, ein zentrales Anliegen der Richtlinie, die u.a. Regeln zur Risikoverteilung und zur Haftung bei Nutzung der Zahlungsinstrumente enthält (unten Rn. 121). Die Richtlinie ist bis zum 1.11.2009 umzusetzen. Am 28.1.2008 wurde das erste SEPA-Zahlungsinstrument, die SEPA-Überweisung, offiziell eingeführt. Für elektronische Zahlungsmittel ist die E-Geld-Richtlinie (Richtlinie 2000/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.9.2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, ABl. EG Nr. L 275/39 v. 27.10.2000; dazu BuB-Werner, Rn. 19/366 f.) von Bedeutung. Die Richtlinie soll Instituten (sog. E-Geld-Institute), die keine Banken sind, die Ausgabe elektronischen Geldes ermöglichen. Die Richtlinie regelt insbesondere Anforderungen an die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten. Das Telemediengesetz (TMG) enthält eine Reihe von grundlegenden Bestimmungen zum E-Commerce, die auch für das Electronic Banking von Bedeutung sind. Das TMG wurde durch das Gesetz zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (Art. 1 Elektronischer-GeschäftsverkehrVereinheitlichungs-Gesetz (ElGVG) v. 26.2.2007 (BGBl. I 179)) erlassen und trat am 1.3.2007 in Kraft (siehe dazu Bender/Kahlen, MMR 2006, 590; Hoeren, NJW 2007, 801; Schmitz, K&R 2007, 135). Es ersetzt das Teledienstegesetz (TDG), das erstmals 1997 (als Art. 3 des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes (IuKDG) v. 22.7.1997 (BGBl. I 1870)) erlassen und durch das Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG) v. 14.12.2001 (BGBl. I 3721) vor allem zur Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie völlig neu gestaltet wurde. Das TMG enthält das Herkunftslandprinzip (§ 3 TMG; dazu unten Rn. 182 ff.), Informationspflichten (§§ 5 f. TMG; dazu unten Rn. 55 ff.) und Regeln über die Beschränkung der Haftung von Dienstanbietern (§§ 7 – 10 TMG) sowie Bestimmungen zum Datenschutz (§§ 11 – 15 TMG). Das parallel zum TDG erlassene Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG), das den Datenschutz im elektronischen Geschäftsverkehr regelte, ist ebenfalls im TMG aufgegangen.
Borges
§ 9 Electronic Banking
285
Das erstmals 1997 erlassene Signaturgesetz (Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen – SigG) wurde 2001 grundlegend novelliert und an die Vorgaben der Signaturrichtlinie angepasst (Gesetz v. 16.5.2001, BGBl. I 876). Durch das 1. Signaturänderungsgesetz v. 4.1.2005 (BGBl. I 2), das auf Forderungen des sog. Signaturbündnisses (dazu Büger/Esslinger/Koy, DuD 28 (2004) 133) reagierte, wurden die Anforderungen des SigG in einigen Punkten reduziert (dazu Bergfelder, CR 2005, 148; Roßnagel, NJW 2005, 385), wodurch es insbesondere Kreditinstituten ermöglicht wurde, qualifizierte Signaturen (dazu unten Rn. 23 ff.) kostengünstiger auszugeben. Das SigG regelt die Anforderungen an Signaturverfahren zur Erzeugung sicherer elektronischer Signaturen und die Aufsicht über die Anbieter von Signaturdiensten. Einzelheiten der technischen Anforderungen sind auf der Grundlage des § 24 SigG durch die Signaturverordnung (Verordnung zur elektronischen Signatur – SigV, v. 16.11.2001, BGBl. I 3074; geändert durch 1. Signaturänderungsgesetz v. 4.1.2005 (BGBl. I 2)) geregelt. 2. Regelwerke der Kreditwirtschaft. Die Besonderheiten der Ausführung von Bankgeschäften über Internet sind in den entsprechenden Regelwerken der Kreditinstitute geregelt, die ihrerseits auf entsprechenden Abkommen der Spitzenverbände des Kreditgewerbes beruhen. Das erste Abkommen zum Electronic Banking ist das Abkommen über Bildschirmtext von 1984 (abgedr. bei BuB-Werner, Rn. 19/26). Es bildet die Grundlage für das frühere Btx-Banking, das auf der Nutzung des Btx-Dienstes der Deutschen Bundespost beruhte. Wesentlicher Bestandteil des Abkommens ist das Btx-Sicherungskonzept (BuB-Werner, Rn. 19/28). Das Abkommen regelt vor allem das Verfahren zur Authentizitätssicherung durch PIN und TAN. Rechtliche Grundlage der Verwendung neuer Technologien der Authentizitätssicherung ist das zwischen den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft abgeschlossene Homebanking-Abkommen, das seit dem 1.7.1997 in Kraft ist (abgedr. und kommentiert bei BuB-Werner, Rn. 19/92). Gegenstand des Abkommens, das ausschließlich zwischen den beteiligten Kreditinstituten gilt, ist vor allem die Anerkennung der HBCI-Richtlinien durch die Kreditinstitute (BuB-Werner, Rn. 19/91). Im Verhältnis zum Kunden wird es durch die Homebanking-Bedingungen (unten Rn. 20) umgesetzt.
11
12
13
14
3. Rechtsgrundlagen im Bank-Kunden-Verhältnis. Rechtliche Grundlage des Electronic Banking ist im Verhältnis zwischen Bank und Kunde eine entsprechende Vereinbarung. In der Praxis wird meist eine Zusatzvereinbarung zum bestehenden Girovertrag (sog. Online-Banking-Teilnahmevereinbarung, Homebanking-Teilnahmevereinbarung) geschlossen, durch die die Nutzung des Homebanking für diesen eröffnet wird (Bunte, SB Online Rn. 5 mwN; BuB-Werner, Rn. 19/151). Der Kunde hat nach offenbar allg. Auff. der Lit. keinen Anspruch auf Zulassung zum Electronic Banking (Koch/Masuch/Zingel, 1.7.1.1; Bock, in: Neumann/Bock, Rn. 107; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 55 Rn. 15; Richter, in: Assies/Beule/Heise/ Strube, Kap. 3 Rn. 276; Werner, K&R 2001, 433 (435)). Dies wird damit begründet, dass hier besondere Missbrauchsrisiken bestünden, so dass ein eigenständiges Ermessen der Bank über die Zulassung erforderlich sei (Werner, K&R 2001, 433 (435)). Rechtsprechung liegt allerdings noch nicht vor.
15
Im Verhältnis zwischen Bank und Kunden sind die internetspezifischen Aspekte durch AGB geregelt. Die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft haben jeweils Muster-AGB entwickelt, die von den Kreditinstituten regelmäßig zugrundegelegt werden; dies sind insb. die Online-Banking-Bedingungen und die Homebanking-Bedingungen. Die Bedingungen werden regelmäßig durch die Teilnahmevereinbarung einbezogen.
17
Borges
16
286
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
18
Die Online-Bedingungen (abgedr. bei Bunte, SB Online; BuB-Werner, Rn. 19/34), die auf den Btx-Bedingungen basieren (BuB-Werner, Rn. 19/25), regeln die Besonderheiten der elektronisch durchgeführten Bankgeschäfte des Kunden. Wesentlicher Gegenstand ist die Nutzung von PIN und TAN als Legitimationsmedien.
19
Die zentrale Bestimmung ist die Pflicht des Bankkunden zur Geheimhaltung von PIN und TAN nach Ziff. 7. Nach Ziff. 7 (1) hat der Nutzer (Bankkunde) dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person Kenntnis von der PIN und den TAN erlangt. Der Nutzer darf „insbesondere“ die PIN und die TAN weder elektronisch speichern noch in anderer Form notieren. Diese Bestimmung dürfte der AGB-Kontrolle wohl nicht standhalten. Die Rechtsprechung hat im Zusammenhang mit dem Missbrauch von ec-Karten mehrfach (obiter) ausgesprochen, dass es nicht grundsätzlich verboten sei, die PIN zu notieren, da die Mehrheit der Bankkunden Schwierigkeiten habe, sich die PIN zu merken (OLG Koblenz NJW-RR 1990, 822 (825); LG Köln WM 2001, 853 (855); siehe auch Borges, S. 498).
20
Die Homebanking-Bedingungen (abgedr. und kommentiert bei Bunte, SB Home; Werner, in BuB, Rn. 19/119 ff.) regeln insbesondere das Legitimationsverfahren und die Pflichten des Kunden zur Geheimhaltung der Legitimationsmittel, insbesondere des Passwortes. Bei den Pflichten des Kunden gilt im Wesentlichen dasselbe wie bei den Online-BankingBedingungen.
21
III. Technische Rahmenbedingungen. Soweit Bankgeschäfte über das WWW geführt werden, gilt für die technischen Grundlagen der Kommunikation zunächst dasselbe wie bei anderen Formen des E-Commerce (siehe dazu Borges, S. 12 ff., 34 ff.). Von den zahlreichen Technologien, die beim Electronic Banking zum Einsatz kommen, können hier nur einige besonders wichtige Verfahren beschrieben werden.
22
1. Die elektronische Signatur. Der Begriff der elektronischen Signatur meint ein elektronisches Pendant zu einer Unterschrift auf einer Urkunde. Im weiteren Sinne umfasst der Begriff elektronische Zeichen jeglicher Art, durch die der Urheber einer elektronischen Datei gekennzeichnet wird. Dies kann eine eingescannte handschriftliche Unterschrift sein, eine bloße Namensangabe am Ende eines Textes, etc. Dazu gehören aber auch technisch anspruchsvolle Zeichen, denen ähnliche Funktionen zukommen, wie einer eigenhändigen Unterschrift. Diese werden häufig als digitale Signaturen bezeichnet (zur Terminologie Borges, S. 52 f.; Geis/Glossner, in: Bräutigam/Leupold, A III Rn. 125).
23
Das deutsche SigG unterscheidet, in Anlehnung an die europäische Signaturrichtlinie, drei Arten elektronischer Signaturen: „elektronische Signaturen“ (§ 2 Nr. 1 SigG), d.h. elektronische Daten im o.g. Sinne, die den Aussteller einer Datei bezeichnen, fortgeschrittene elektronische Signaturen (§ 2 Nr. 2 SigG) und qualifizierte elektronische Signaturen § 2 Nr. 3 SigG). Durch weitere Merkmale, insb. die Akkreditierung (dazu unten Rn. 28) können weitere Gruppen unterschieden werden (dazu Brisch/Brisch, in: Hoeren/Sieber, 13.3/44 ff.; Geis/Glossner, in: Bräutigam/Leupold, A III Rn. 145; Roßnagel, MMR 2003, 164; Schröder, DuD 28 (2004) 665 (666)). Der qualifizierten Signatur, für die die höchsten Anforderungen gelten, kommt eine rechtliche Sonderstellung zu. Nur sie erfüllt die elektronische Form, § 126a BGB (dazu unten Rn. 83 ff.), nur für sie gilt die Beweisregelung des § 371a ZPO (dazu unten Rn. 108 ff.).
24
Fortgeschrittene und qualifizierte Signaturen beruhen auf einem asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren. Asymmetrisch sind solche Verschlüsselungsverfahren, bei denen zum Verschlüsseln und zum Entschlüsseln unterschiedliche Schlüssel verwandt werden, wobei der zum Verschlüsseln verwendete Schlüssel, der sog. geheime Schlüssel (private key), aus dem anderem, dem sog. öffentlichen Schlüssel (public key), nicht hergeleitet
Borges
§ 9 Electronic Banking
287
werden kann. Daher ist nur der geheime Schlüssel geheimhaltungsbedürftig und kann der öffentliche Schlüssel jedermann mitgeteilt werden (siehe dazu Borges, S. 54 ff.; Raßmann, CR 1998, 36 (38)). Das bekannteste und praktisch wichtigste Verfahren, um eine solche Asymmetrie zu erzeugen, ist das sog. RSA-Verfahren (dazu Dobbertin, DuD 21 (1997) 82), auf dem z.B. auch das Verschlüsselungsverfahren Pretty Good Privacy (PGP) beruht. Wer eine solche elektronische Signatur erzeugen will, benötigt einen geheimen Signaturschlüssel und eine bestimmte Verschlüsselungssoftware. Der geheime Schlüssel ist meist auf einer Chipkarte gespeichert, die ihrerseits durch ein Passwort (PIN) gegen unbefugte Verwendung gesichert ist. An jedem Computer, der über ein Kartenlesegerät und die erforderliche Software verfügt, kann dann eine Datei mit einer elektronischen Signatur versehen werden und dann etwa per Internet, als E-Mail oder über das WWW, versandt werden (zur weiteren Entwicklung siehe z.B. Stumpf/Sacher/Roßnagel/Eckert, DuD 31 (2007) 357). Der Schlüssel kann aber etwa auch auf einem sog. USB-Stick gespeichert sein. Dann ist lediglich ein USB-Anschluss erforderlich, die Notwendigkeit eines Kartenlesegeräts entfällt (Jungermann, Der Beweiswert elektronischer Signaturen, 2002, S. 47 f.; Schlauri, Elektronische Signaturen, 2002, S. 20). Zweck der elektronischen Signatur ist es, die Unversehrtheit und den Aussteller einer Datei sicher feststellen zu können. Damit diese Ziele erreicht werden können, muss das Signaturverfahren hohe technische Anforderungen erfüllen. Sollen diese Feststellungen mit hoher Sicherheit getroffen werden können, müssen die Signaturverfahren und alle ihre Bestandteile hohen technischen und organisatorischen Anforderungen genügen, die Hersteller solcher Verfahren vertrauenswürdig sein. Das SigG (oben Rn. 11) regelt daher für qualifizierte Signaturen umfassend die Anforderungen an die Signaturverfahren und ihre Komponenten. Qualifizierte Signaturen unterscheiden sich von fortgeschrittenen Signaturen vor allem dadurch, dass sie auf einem Signaturverfahren beruhen, das besonders hohen, im SigG geregelten Anforderungen genügt. Die Herstellung und der Vertrieb von Signaturschlüsseln sind nach dem novellierten SigG genehmigungsfrei (§ 4 I SigG). Die Tätigkeit unterliegt jedoch der Aufsicht durch die Bundesnetzagentur (nach § 3 SigG, dazu www.bundesnetzagentur.de u. nachf. Seiten). Werden die Anforderungen des SigG nicht eingehalten, kann die Behörde einschreiten (§ 19 SigG). Außerdem kommt bei qualifizierten Signaturverfahren eine Haftung des Ausstellers nach § 11 SigG in Betracht. Das SigG sieht kein gesondertes Verfahren zur Feststellung der Erfüllung der Anforderungen an ein qualifiziertes Signaturverfahren vor. Diese Frage ist daher in dem jeweiligen rechtlichen Zusammenhang zu prüfen, in dem sie relevant wird, etwa beim Beweis der Echtheit eines elektronischen Dokuments (dazu unten Rn. 105 ff.). Das SigG enthält allerdings die Möglichkeit einer freiwilligen Akkreditierung von Diensteanbietern (§ 15 SigG). Die Akkreditierung wird erteilt, wenn der Anbieter der Aufsichtsbehörde nachweist, dass sein Signaturverfahren die Anforderungen des SigG erfüllt (§ 15 I 2 SigG). Unmittelbare Wirkungen gegenüber Dritten hat die Akkreditierung nicht. Sie erleichtert aber demjenigen, der sich auf die Wirkungen einer qualifizierten Signatur beruft, den Nachweis, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind (Borges, S. 131 f.). Qualifizierte elektronische Signaturen haben für den rechtsgeschäftlichen Verkehr bisher keine nennenswerte praktische Bedeutung, da entsprechende Signaturschlüssel bisher kaum verbreitet sind (dazu Bergfelder, CR 2005, 148; Roßnagel, NJW 2005, 385). Dies dürfte darauf beruhen, dass der Besitz eines Signaturschlüssels für den Inhaber mit Kosten verbunden ist, ohne dass er dadurch unmittelbar erhebliche Vorteile erzielt.
Borges
25
26
27
28
29
288
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
30
2. Der FinTS-Standard. Für das Electronic Banking ist der sog. FinTS (Financial Transaction Services) – Standard von großer Bedeutung. Es handelt sich um einen Standard, der den Austausch von Daten regelt (Stockhausen, WM 2001, 605). Der Standard wurde erstmals 1996 vom Zentralen Kreditausschuss des deutschen Kreditgewerbes (ZKA) unter der Bezeichnung HBCI (Homebanking Computer Interface) verabschiedet (Stockhausen, WM 2001, 605). Seitdem sind mehrfach neuere Versionen verabschiedet worden (aktuell ist die Version FinTS 4.0; siehe dazu www.hbci-zka.de/spezifikation.htm; Koch/Masuch/ Zingel, 1.4).
31
Der Kunde benötigt für die Nutzung des Verfahrens neben dem Internetzugang die spezielle HBCI-Software sowie ein Kartenlesegerät. Die Nutzung des Verfahrens durch den Kunden ist in den Homebanking-Bedingungen geregelt (Schimansky/Bunte/LwowskiGößmann, § 55 Rn. 35).
32
Besonderheit des HBCI-Standards ist, dass es sich um einen sog. offenen Standard handelt, der von allen Anbietern des Electronic Banking genutzt werden soll und darüber hinaus auch anderen Anbietern offensteht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 55 Rn. 27 ff.; Stockhausen, WM 2001, 605). Eine wesentliche Eigenschaft ist es, dass der gesamte Dialog zwischen Kunden und Kreditinstitut verschlüsselt wird (Stockhausen, WM 2001, 605). Dabei werden derzeit verschiedene Verschlüsselungsverfahren verwendet (siehe den Überblick bei Stockhausen, WM 2001, 605 (607 ff.)). Den Verfahren gemeinsam ist, dass sich der Kunde durch einen regelmäßig auf einer Chipkarte gespeicherten Signaturschlüssel (und Passwort) legitimiert.
33
3. Der SET-Standard. SET (Secure Electronic Transaction) ist ein Standard für die Kreditkartenzahlung per Internet. Es ist ein offener Standard zur Sicherung der Vertraulichkeit der übermittelten (Kreditkarten-) Informationen (Dannenberg/Ulrich, S. 84; Sandig, in: Thießen (Hrsg.), Bezahlsysteme im Internet, 1999, S. 27, 57).
34
Die Vertraulichkeit wird durch Verschlüsselung der (Kreditkarten-) Daten erreicht. Die verschlüsselten Daten werden als Datensatz, das sog. SET-Zertifikat, gespeichert. Bei Zahlungsvorgängen wird statt der unverschlüsselten Kreditkartendaten nur noch das Zertifikat übermittelt. Zum Nachweis der Authentizität wird eine elektronische Signatur auf der Grundlage asymmetrischer Verschlüsselung verwendet (s. dazu BuB-Werner, Rn. 19/185).
35
Die Nutzung des Verfahrens setzt voraus, dass sowohl der Kreditkarteninhaber als auch der Leistungserbringer registriert sind. Bei der Registrierung wird die Identität des Nutzers festgestellt und sodann ein geheimer Schlüssel und das SET-Zertifikat übermittelt. Der geheime Schlüssel wird, ähnlich wie bei der elektronischen Signatur, durch ein Passwort geschützt (BuB-Werner, Rn. 19/185 f.).
36
Bei einem Zahlungsvorgang erhält der Nutzer vom Leistungserbringer einen Datensatz mit den Bestellinformationen betreffend die Leistung und Zahlungsinformationen. Der Nutzer versieht den Datensatz unter Einsatz seines geheimen Schlüssels mit seiner digitalen Signatur und sendet den Datensatz an den Leistungserbringer zurück. Dieser sendet die Zahlungsinformationen an den Kartenaussteller. Nach Prüfung der Daten erhält der Leistungserbringer eine Bestätigung (Pichler, NJW 1998, 3234 (3238)).
37
Das SET-Verfahren konnte sich trotz der höheren Sicherheit z.B. im Vergleich zum MailOrder-Verfahren nicht durchsetzten und wurde mittlerweile eingestellt (Werner, in: Hoeren/Sieber, Rn. 13.5/37; Schöttle, K&R 2007, 183 (184)). Die an der Entwicklung des SET-Standards beteiligten Unternehmen Visa und MasterCard, haben als Ersatz jeweils eigene Nachfolgestandards eingeführt, mit denen ein vergleichbarer Sicherheitsstandard
Borges
§ 9 Electronic Banking
289
erreicht werden soll (3D Secure bzw. „Verified by Visa“ (Visa) und SecureCode (MasterCard), dazu Dannenberg/Ulrich, S. 84 ff.; Werner, in: Hoeren/Sieber, S. 13.5/38 ff.) 4. Authentisierungsverfahren. Im Online-Banking wird traditionell das PIN/TAN-Verfahren zur Authentisierung des Kunden eingesetzt, bei dem der Kunde sich beim Log-In durch Nutzername (oder Kontonummer) und Persönliche Identifikationsnummer (PIN) (oder Passwort) authentisiert und jede Transaktion zusätzlich durch eine Transaktionsnummer (TAN) abgesichert wird. Als Reaktion auf die Phishing-Angriffe (siehe dazu unten Rn. 132 ff.) haben die Banken neue, technisch anspruchsvollere Authentisierungsverfahren entwickelt, die das einfache PIN/TAN Verfahren ergänzen bzw. ersetzen. Einer der frühesten Ansätze war dabei die indizierte TAN, auch iTAN genannt, bei der der Kunde nicht mehr eine beliebige TAN für eine Überweisung eingeben kann, sondern die von einer Indexnummer bestimmte TAN aus einer Liste auswählen muss (Biallaß/Borges/ Dienstbach/Gajek/Meyer/Schwenk/Wegener/Werner, Innovationsmotor IT-Sicherheit, 495 (500)). Allerdings ist auch dieses Verfahren für Angriffe anfällig, bspw. für sogenannte Man-in-the-Middle Angriffe. Diese Schwäche wird durch einen anderen Ansatz, der eine Zwei-Wege-Authentisierung verwendet, deutlich verringert.
38
Bei der mobile-TAN (mTAN) wird für jede einzelne Transaktion eine TAN via SMS auf das Mobiltelefon des Kunden gesendet (Spindler, BSI Studie, S. 191). Da die SMS auch die Kerndaten der Transaktion beinhaltet, kann der Kunde vor Eingabe der Autorisierung die Richtigkeit des Auftrags prüfen. Das Angriffsrisiko auf dieses System ist aufgrund des doppelten Kommunikationsweges mit zwei voneinander unabhängigen Geräten deutlich geringer, wenn auch nicht, gerade unter Beachtung von entsprechender Malware für Mobiltelefone, ausgeschlossen (Biallaß/Borges/Dienstbach/Gajek/Meyer/Schwenk/Wegener/Werner, Innovationsmotor IT-Sicherheit, 495 (500 f.)).
39
Bei einem Verfahren das bspw. als Smart-TAN plus bezeichnet wird, generiert der Kunde mit Hilfe eines mobilen Gerätes eine TAN unter Eingabe von Transaktionsdaten, z.B. Teilen der Zielkontonummer oder des Überweisungsbetrags (Spindler, BSI Studie, S. 191, 217). Die daraus resultierende TAN kann nur innerhalb eines beschränkten Zeitraums für die konkrete Überweisung verwendet werden. Ein Austauschen der Transaktionsdaten durch einen Angreifer wird damit stark erschwert (Biallaß/Borges/Dienstbach/Gajek/ Meyer/Schwenk/Wegener/Werner, Innovationsmotor IT-Sicherheit, 495 (501)).
40
B. Vertragsrechtliche Fragen des Electronic Banking
41
I. Vertragsabschluss. 1. Allgemeine Voraussetzungen des Vertragsabschlusses. Rechtsgeschäftliche Erklärungen können uneingeschränkt per Internet übermittelt werden; dies gilt für E-Mail, Erklärungen, die im WWW übermittelt werden (vgl. BGHZ 149, 129 (133)), ebenso für den Geschäftsverkehr über Mobiltelefone (sog. M-Commerce). Soweit die Erklärungen unmittelbar durch natürliche Personen formuliert und versandt werden, gelten keine nennenswerten Besonderheiten. Bei Erklärungen, die von Websites ausgehen, handelt es sich meist um automatisch erstellte Erklärungen (oft als Computererklärung bezeichnet). Insoweit ergeben sich dieselben Rechtsfragen wie sonst auch bei automatisierten Erklärungen (umfassend dazu Wiebe, S. 271 ff.). Im Ergebnis ist nahezu unstreitig, dass diese Erklärungen als wirksame Willenserklärungen dem Geschäftsherrn, d. h. dem Betreiber der Website zuzurechnen sind (s. nur OLG Hamm NJW 2001, 1142; Baetge, in: Kaminski/Henßler/Kolaschnik/Papathoma-Baetge, S. 92 (101 f.); Köhler, AcP 182 (1982) 126 (134); Kuhn, S. 55 ff., 81 f.). Die schwierige Frage, unter welchen Voraussetzungen automatisierte Erklärungen wegen Irrtums angefochten werden können, ist noch nicht geklärt (siehe dazu BGH NJW 2005, 976; OLG Frankfurt/M. CR 2003, 450;
Borges
42
290
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
OLG Hamm NJW 2004, 2601; LG Köln CR 2003, 613; Kocher, JA 2006, 144; Schleicher, S. 160 ff., 169 ff.; Wiebe, S. 371 ff.). 43
Vertragsvorschläge auf Websites werden von der h.M. regelmäßig als bloße invitationes ad offerendum gedeutet mit der Folge, dass die Bestellung des Nutzers das Angebot darstellt (BGH NJW 2005, 976; NJW 2005, 3567 (3568); OLG Hamm NJW 2004, 2601; LG Essen NJW-RR 2003, 1207; AG Butzbach NJW-RR 2003, 54; differenzierend LG Saarbrücken MMR 2004, 556 (557) (Angebot bei Sofort-Kauf bei eBay); Borges, S. 196 ff. mN zum Meinungsstand; Vogl, ITRB 2005, 145 (146); Wiebe, in: Gounalakis, § 15 Rn. 113 ff.). Die h.M., die zur Begründung auf das Beispiel einer Warenauslage im Schaufenster (AG Butzbach NJW-RR 2003, 54; Köhler/Arndt/Fetzer, S. 59 f.; Stempfle, in: Bräutigam/Leupold, B III Rn. 163; Strömer, S. 331) oder eines klassischen Katalogs (Staudinger-Bork, § 145 BGB Rn. 9; Holzbach/Süßenberger, in: Moritz/Dreier, C Rn. 204) abstellt, verkennt die Besonderheiten des elektronischen Geschäftsverkehrs. Beim Dialog über eine Website liegt zum maßgeblichen Zeitpunkt – Abgabe der Bestellung des Nutzers (Borges, S. 205) – eine hinreichend detaillierte Erklärung vor, die Überprüfung des Kunden (Log-In bei bestehendem Account) und der Liefermöglichkeit haben häufig bereits stattgefunden, so dass die klassischen Gesichtspunkte, die für eine Einordnung als invitatio sprechen (Konkretisierung, Prüfung des Vertragspartners und der Lieferfähigkeit) nicht mehr zum Tragen kommen. Jedenfalls wenn der Nutzer nach der Gestaltung des Bestellvorgangs vor einer gesonderten Vertragsannahme seine Leistung (Vorkasse) erbringen soll, ist in dem Vertragsvorschlag auf der Website ein Angebot zu sehen, dass der Nutzer mit der Bestellung annimmt (Borges, S. 210 f.), da der Nutzer sonst ohne Anspruch auf Gegenleistung zahlen würde, was weder üblich noch zumutbar ist.
44
Abgabe und Zugang elektronisch übermittelter Erklärungen richten sich nach den allgemeinen Regeln des BGB; die E-Commerce-Richtlinie enthält keine Vorgaben hierzu (Borges, S. 225 f. mwN). Auch § 312e I 2 BGB regelt nicht die Voraussetzungen des Zugangs, sondern, wie Art. 11 (1) 2. Spstr. EC-RL, lediglich die Anforderungen an die Bestätigungspflicht des Anbieters (§ 312e I 1 Nr. 3 BGB) (Behling, S. 159 f.; Borges, S. 226 ff. mwN; MünchKommBGB-Wendehorst, § 312e Rn. 94; a.A. Dörner, AcP 202 (2002) 363 (371); Wiebe, in: Gounalakis, § 15 Rn. 52, 56).
45
Per Internet übermittelte Erklärungen sind abgegeben, wenn der Erklärende den Sendevorgang abgeschlossen hat; dies ist bei E-Mail mit dem endgültigen Auslösen des Sendebefehls erfolgt (unstreitig; Baetge, in: Kaminski/Henßler/Kolaschnik/Papathoma-Baetge, S. 9, mwN; Larenz/Wolf, § 26 Rn. 9).
46
Die Voraussetzungen des Zugangs sind bei elektronisch übermittelten Erklärungen im Einzelnen umstritten (umfassend dazu Borges, S. 223 ff.). Zugang ist jedenfalls dann bewirkt, wenn die Nachricht in einer Empfangseinrichtung gespeichert ist, die vom Empfänger für den Empfang von Erklärungen der betreffenden Art bestimmt ist (unstreitig; siehe etwa MünchKommBGB-Einsele, § 130 Rn. 18; Janal, MDR 2006, 370; Köhler/ Arndt/Fetzer, S. 61; Stempfle, in: Bräutigam/Leupold, B III Rn. 209). Empfangseinrichtung kann etwa eine Mailbox sein (auch wenn sie bei einem Dritten, z.B. einem Provider, eingerichtet ist), aber auch der Server, auf dem eine Website gespeichert ist (Behling, S. 236 f.; Hübner, ZVersWiss 2001, 351 (355)).
47
Die erforderliche (h.M.; Borges, S. 250 mwN; Dörner, AcP 202 (2002) 363 (367); Wiebe, in: Gounalakis, § 15 Rn. 49; a.A. Behling, S. 188 ff.; Mankowski, NJW 2004, 1901 (1902)) Bestimmung als Empfangseinrichtung kann konkludent erfolgen. Sie ist gegeben, wenn der Inhaber diese in der betreffenden Geschäftsverbindung allgemein nutzt, liegt aber nicht schon im bloßen Besitz z.B. einer Mailbox (Borges, S. 251; MünchKommBGB-Ein-
Borges
§ 9 Electronic Banking
291
sele, § 130 Rn. 18; Stempfle, in: Bräutigam/Leupold, B III Rn. 209; Wiebe, in: Gounalakis, § 15 Rn. 49), auch nicht in der Angabe einer E-Mail-Adresse auf einer Visitenkarte (Borges, S. 251 ff.; a.A. Ultsch, DZWir 1997, 466 (468)). Für die Praxis ist die konkrete Vereinbarung bestimmter Empfangseinrichtungen ratsam, zumal die Widmung einer Empfangseinrichtung durch deren Inhaber auch wieder zurückgenommen werden kann. Das Risiko der (fehlerfreien) Speicherung in der Empfangseinrichtung trägt der Erklärende (h.M.; Borges, S. 239 ff., 248 mwN; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 55 Rn. 9; a.A. Behling, S. 186 ff.; Burgard, AcP 195 (1995) 74 (134)).
48
Der Zeitpunkt des Zugangs ist nach h.M. der Zeitpunkt, in dem die Kenntnisnahme erwartet werden kann (BGH NJW 2004, 1320; VersR 1994, 586; MünchKommBGB-Einsele, § 130 Rn. 19; Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 130 Rn. 5). Dies ist bei E-Mails der Zeitpunkt, in dem die Kontrolle der Mailbox erwartet werden kann (Dilger, S. 28 f.; Dörner, AcP 202 (2002) 363 (369); MünchKommBGB-Einsele, § 130 Rn. 19). Nach h.M. kann bei Unternehmern die laufende Kontrolle der Mailbox während der üblichen Geschäftszeiten erwartet werden (Zugang spätestens bei Geschäftsschluss, soweit bis dahin gespeichert) (Dörner, AcP 202 (2002) 363 (369); Köhler/Arndt/Fetzer, S. 62; s. auch Borges, S. 272), bei Privatleuten die tägliche Kontrolle (Zugang am folgenden Tag) (Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 130 Rn. 7a; Hoeren, S. 190; Hübner, ZVersWiss 2001, 351 (355); Mankowski, NJW 2004, 1901 (1902); a.A. Janal, MDR 2006, 368 (372)). Richtiger erscheint es, den Zugangszeitpunkt entsprechend der in anderen Staaten üblichen Regelung als Zeitpunkt des Eingangs in die Empfangseinrichtung zu verstehen (Borges, S. 269 f.; ebenso Behling, S. 206 ff.). Soweit Erklärungen (etwa die vom Nutzer an eine Website gesandte Erklärung) automatisch verarbeitet werden, ist Zeitpunkt des Zugangs der Zeitpunkt des Eintreffens, wenn (wie regelmäßig) von der sofortigen Verarbeitung der Nachricht ausgegangen werden kann (Hoeren, S. 190; Köhler/Arndt/Fetzer, S. 62).
49
Unabhängig von den Voraussetzungen des Zugangs durch Eingang in eine Empfangseinrichtung geht die Erklärung zu, wenn der Empfänger sie (z. B. am Bildschirm) vernimmt (Borges, S. 235, 268).
50
2. Einbeziehung von AGB. AGB werden beim Online-Banking in der Praxis meist zu Beginn der Geschäftsbeziehung durch einen Rahmenvertrag auf Grund der Übersendung eines Ausdrucks auf Papier einbezogen. Dasselbe gilt für Änderungen der AGB. Die besonderen Fragen der Einbeziehung von AGB per Internet werden nur dann relevant, wenn ausnahmsweise AGB durch elektronische Medien, insbesondere über eine Website einbezogen werden sollen.
51
Die Einbeziehung von AGB per Internet richtet sich nach den allgemeinen Regeln; besondere Bestimmungen gibt es nicht. Soweit AGB gegenüber Verbrauchern verwendet werden sollen, gelten die besonderen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 II BGB. Der ausdrückliche Hinweis i.S.d. § 305 II Nr. 1 BGB kann durch einen hinreichend deutlichen Link auf der Website erfolgen (LG Essen NJW-RR 2003, 1207; Borges, S. 280 mwN.; wohl auch: BGH BB 2006, 1990 (1991)). Der Link muss sich aber auf der Seite befinden, die der Verbraucher in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abgabe seiner Erklärung aufruft (idR das sog. Bestellformular), der bloße Hinweis auf der Homepage reicht nicht aus (unstreitig; BGH BB 2006, 1990; Blaurock, S. 31 (32); Borges, S. 280 mwN).
52
Die Verschaffung einer zumutbaren Kenntnisnahmemöglichkeit nach § 305 II Nr. 2 BGB kann nach ganz h.M. dadurch erfolgen, dass der Text der AGB auf der Website zum Herunterladen (Download) und Ausdrucken bereitgestellt wird (BGH BB 2006, 1990
53
Borges
292
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
(1991); OLG Hamm ZIP 2001, 291 (292); LG Essen NJW-RR 2003, 1207; implizit schon BGHZ 149, 129; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 5 Rn. 18h; Heckmann, 4.2 Rn. 172; Palandt-Heinrichs § 305 Rn. 38; Holzbach/Süßenberger, in: Moritz/Dreier, C Rn. 294; Hübner, ZVersWiss 2001, 351 (357); Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 2 Rn. 49a; a.A. Borges, S. 284 ff.). Bei der Kommunikation über Mobiltelefon (M-Commerce) können AGB, die mehr als wenige kurze Sätze umfassen, auf diese Weise nicht einbezogen werden (Borges, S. 288; v. Münch, MMR 2006, 202 (205); Ranke, MMR 2002, 509 (510)). 54
Soweit die Verschaffung der zumutbaren Kenntnisnahmemöglichkeit durch Bereitstellung zum Herunterladen nicht möglich ist, kommt ein Verzicht des Verbrauchers auf die Verschaffung der zumutbaren Kenntnisnahmemöglichkeit in Betracht (Borges, S. 292 f.; Kessel/Kuhlmann/Passauer/Schriek, K&R 2004, 519 (524)). Voraussetzung ist, dass der Verzicht ausgehandelt ist (dazu im einzelnen Borges, S. 293 ff.).
55
II. Informationspflichten. 1. Informationspflichten nach TMG. Anbieter müssen die Informationspflichten nach dem Telemediengesetz (TMG, dazu oben Rn. 10) beachten, die zumeist auf der E-Commerce-Richtlinie beruhen und zuvor im TDG (dazu oben Rn. 10) geregelt waren. Das TMG ist auf Telemedien anwendbar, § 1 (1) TMG. Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TMG, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TMG oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind. Zu den Telemedien gehört auch das Telebanking. Dieser Begriff umfasst alle Formen des Vertriebs von Bankprodukten per Internet (Koch/Masuch/Zingel, S. 62; Koch/Maurer, WM 2002, 2443 (2448) (zum TDG)), nicht hingegen das Telefonbanking (Koch/Masuch/ Zingel, S. 61). Das TMG regelt Informationspflichten für Anbieter von Telediensten in den §§ 5 und 6.
56
§ 5 TMG („Allgemeine Informationspflichten“), der Art. 5 EC-Rl. umsetzt, gilt für „geschäftsmäßige“ Telemedien. Der gleichlautende Begriff in § 6 TDG wurde von der h.M. der Lit. sehr weit verstanden und umfasste danach, unabhängig von einer Gewinnerzielungsabsicht, alle Tätigkeiten mit einer gewissen Nachhaltigkeit (Brunst, MMR 2004, 8 (9 f.); Pelz, in: Bräutigam/Leopold, B I Rn. 19). § 5 TMG ist gegenüber § 6 TDG durch den Zusatz „die in der Regel gegen Entgelt angeboten werden“, enger gefasst, wodurch nach der Intention des Gesetzgebers unentgeltliche Angebote, etwa von Idealvereinen, ausgenommen werden sollen (BegrRegE zu Art. 1 ElGVG (§ 5 TMG), BT-Drucks. 16/ 3078, S. 14; dazu Roßnagel, NVwZ 2007, 743 (746)). Anbieter von Bankdienstleistungen werden aber stets erfasst sein.
57
Nach § 5 TMG hat der Anbieter bestimmte Angaben leicht erkennbar, unmittelbar zugänglich und ständig verfügbar zu halten, etwa Namen und Anschrift, bei jur. Personen die Vertretungsberechtigung (§ 5 I Nr. 1 TMG), Angaben über die Kommunikationsmöglichkeiten einschließlich der E-Mail-Adresse. Ob zur Ermöglichung einer unmittelbaren Kommunikation auch die Angabe der Telefonnummer erforderlich ist, ist umstritten (dafür: OLG Oldenburg NJW-RR 2007, 189 f.; OLG Köln MMR 2004, 412 (413); Aigner/ Hofmann, Rn. 372; Brunst, MMR 2004, 8 (10); Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011 (1013); Stickelbrock, GRUR 2004, 111 (113); siehe auch BegrRegE zu Art. 1 EGG (§ 6 TDG), BTDrucks. 14/6098, S. 21; dagegen: OLG Hamm MMR 2004, 549; Föhlisch, in: Hoeren/Sieber, Rn. 13.4/127; Härting, DB 2001, 80 (81); Mulch, MDR 2007, 309 (311)). Die Frage, ob die Auslegung der E-Commerce-Richtlinie eine solche Pflicht ergibt, hat der BGH dem EuGH vorgelegt (BGH MMR 2007, 505). Der Generalanwalt hat sich in seinem Schluss-
Borges
§ 9 Electronic Banking
293
antrag vom 15.5.2008 zur Rechtssache C-298/07 gegen eine solche Pflicht ausgesprochen. Außerdem erforderlich sind Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde (§ 5 I Nr. 3 TMG) und über die Eintragung im Handelsregister (§ 5 I Nr. 4 TMG). Diese Pflichten können dadurch erfüllt werden, dass die Angaben auf der Website gemacht werden. Allerdings müssen die Angaben auf der Homepage enthalten oder durch gut erkennbare (dazu OLG München MMR 2004, 321; OLG Hamburg MMR 2003, 105 (106)) Links zugänglich sein, da sie sonst nicht leicht erkennbar i.S. des § 5 TMG sind (Koch/Masuch/Zingel, S. 65). Zu den Anforderungen an die Gestaltung der Links hat sich zu § 6 TDG eine lebhafte Diskussion entwickelt. Nach h.M. reicht es aus, wenn die Angaben über die Navigationsleiste durch zwei – verständliche – Links (etwa „Kontakt“, von dort „Impressum“; nicht: „Backstage“) (OLG Hamburg MDR 2003, 105) erreichbar sind (BGH NJW 2006, 3633 (3635); KG Berlin GRUR-RR 2007, 326 (327); OLG München MMR 2004, 36 (37)). Nach anderer Ansicht müssen die Angaben von jeder einzelnen Seite direkt erreichbar sein (Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, 415 (417); Woitke, NJW 2003, 871 (873)).
58
Eine Verletzung der Pflichten nach § 5 TMG, die als Ordnungswidrigkeit geahndet wird (§ 16 TMG), hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das vertragliche Verhältnis zwischen dem Anbieter und seinem Kunden. § 5 TMG ist Schutzgesetz i.S. des § 823 II BGB. Ob sich hieraus nennenswerte Haftungsrisiken ergeben, ist zweifelhaft. Unabhängig davon kann der Anbieter wegen Wettbewerbsverstoßes nach § 4 Nr. 11 UWG in Anspruch genommen werden, da § 5 TMG Marktverhaltensregeln normiert (BGH NJW 2006, 3633 (3634); KG K&R 2007, 212; OLG Brandenburg MDR 2007, 43; OLG Oldenburg NJWRR 2007, 189 (190); OLG Karlsruhe WRP 2006, 1038 (1041); OLG Koblenz K&R 2006, 345 (346); Stickelbrock, GRUR 2004, 111 (alle zu TDG); a.A. zum UWG a.F. OLG Hamburg MMR 2003, 105 (106); OLG Hamm MMR 2003, 410).
59
§ 6 TMG, der Art. 6 EC-Rl. umsetzt, regelt besondere Informationspflichten bei kommerzieller Kommunikation, etwa die Pflicht, die kommerzielle Kommunikation klar als solche erkennbar zu machen (§ 6 I Nr. 1 TMG), und die Pflicht, den Auftraggeber deutlich zu machen (§ 6 I Nr. 2 TMG). Kommerzielle Kommunikation sind Kommunikationsvorgänge, die unmittelbar oder mittelbar der Absatzförderung dienen (§ 2 Nr. 5 TMG). Die Erbringung von Bankdienstleistungen als solche ist keine kommerzielle Kommunikation in diesem Sinne, wohl aber etwa werbende Angaben auf der Website, wie sie etwa auf der Homepage üblich sind. Beim Versand von E-Mails dürfen Absender und kommerzieller Charakter in Kopf- und Betreffzeile nicht verschleiert werden (§ 6 II TMG). Bei § 7 TDG wurde der für § 4 Nr. 11 UWG erforderliche Wettbewerbsbezug regelmäßig angenommen (LG Berlin MMR 2005, 778 f., zu § 7 1 Nr. 1 TDG; Piper, in: Piper/Ohly, § 4.11 Rn. 11/ 301; MünchKommBGB-Schaffert, § 4 Nr. 11 UWG Rn. 300, zu § 7 1 Nr. 1, 3 und 4 TDG; Steingass, WRP 2005, 676 (686)). Da § 6 I TMG mit § 7 1 TDG identisch ist, ist auch hier von der Anwendbarkeit des § 4 Nr. 11 UWG auszugehen. Durch § 6 III TMG wird klargestellt, dass die Vorschriften des UWG eigenständig parallel anwendbar sind, insbesondere auch § 7 II UWG, der wie § 6 II TMG besondere Regelungen für E-Mails bestimmt.
60
2. Informationspflichten nach Fernabsatzrecht. Die auf der Fernabsatzrichtlinie und der Richtlinie über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen (siehe zur Richtlinie oben Rn. 7; oben Kothe, § 8 Rn. 3 ff. und Schinkels, in: Gebauer/Wiedemann, S. 230 ff.) beruhenden §§ 312b ff. BGB normieren besondere Pflichten für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen durch Unternehmer (§ 14 BGB) an Verbraucher (§ 13 BGB) (Felke/ Jordans, NJW 2005, 710; Strömer, S. 333 ff.; MünchKommBGB-Wendehorst, § 312b Rn. 2 ff.; vgl. zum Verbraucherbegriff des § 13 BGB nach Umsetzung der Finanz-Fernab-
61
Borges
294
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
satzrichtlinie; Hoffmann, WM 2006, 560). Finanzdienstleistungen in diesem Sinne sind gemäß § 312b I 2 BGB Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kreditgewährung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung (Für Versicherungsverträge gelten entsprechende Regeln in den §§ 48a ff. VVG). Ein Fernabsatz liegt nur vor, wenn der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b II BGB) geschlossen wird, scheidet also aus, wenn eine der vertraglichen Erklärungen unter Anwesenden, etwa in einer Bankfiliale, abgegeben wird (s. dazu Held/Schulz, BKR 2005, 270 (271, 274)). Fernkommunikationsmittel sind alle Dienste des Internet, ebenso Telefon und Brief. Beim Online-Banking sind daher jedenfalls die einzelnen Geschäfte durchgehend Fernabsatzverträge. Das für den Fernabsatz organisierte Vertriebssystem i.S. des § 312b I 1 2. Halbs. BGB setzt sachliche, personelle und organisatorische Vorkehrungen voraus, um regelmäßig Verträge im Fernabsatz abzuschließen; dies ist beim Online-Banking stets der Fall. 62
Beim Online-Banking greift regelmäßig die Privilegierung des § 312b IV BGB ein, insbesondere beim Zahlungsverkehr, bei Termingeldern und beim Brokerage. Nach § 312b IV 1 BGB gelten die Informationspflichten bei Vertragsverhältnissen, die auf mehrere gleichartige Vorgänge gerichtet sind, nur für die erste Vereinbarung. Bei den folgenden Vorgängen entfallen damit sowohl die Informationspflicht als auch das Widerrufsrecht (Held/Schulz, BKR 2005, 270 (271)). Ein solches Vertragsverhältnis mit nachfolgenden Vorgängen besteht etwa beim Girovertrag und nachfolgenden typischen Vorgängen wie Überweisungen, Auszahlungen und beim Depotvertrag und dem Erwerb von Wertpapieren, nach einer in der Lit. vertretenen Ansicht auch, wenn durch einen Rahmenvertrag bestimmte Geschäfte eingeschlossen werden (Held/Schulz, BKR 2005, 270 (272) (274)). § 312b IV 1 BGB greift nicht, wenn die Vereinbarung um neue Bestandteile erweitert wird (BT-Drucks. 15/2946 S. 19; Rott, BB 2005, 53 (54)). Die Informationspflichten entfallen nach § 312b IV 2 BGB auch ohne Vereinbarung bei mehreren aufeinanderfolgenden gleichartigen Vorgängen für die jeweils folgenden Vorgänge. Bei einer Unterbrechung von mehr als einem Jahr ist jedoch nach § 312b IV 2 BGB eine neue Information erforderlich. § 312b IV 2 BGB betrifft aber nicht das Widerrufsrecht des Kunden (Kocher, DB 2006, 2679 (2680); Rott, BB 2005, 53 (54 f.) (dazu unten Rn. 89 ff.)).
63
Die Pflicht zur Information nach § 312c BGB kann nicht abbedungen werden, § 312f S. 1 BGB. Ebenso wenig ist ein einseitiger Verzicht des Verbrauchers möglich (PalandtGrüneberg, § 312f Rn. 1; Leßmann/Leßmann, in: Gounalakis, § 11 Rn. 101; MünchKommBGB-Wendehorst, § 312f Rn. 8). Dagegen ist ein Verzicht auf den vollständigen Erhalt der Informationen nach § 312c I 1 BGB und § 312e I 1 Nr. 2 BGB durch § 312f BGB nicht ausgeschlossen (MünchKommBGB-Wendehorst, § 312f Rn. 9). Allerdings ist umstritten, inwieweit der Verbraucher auf eine „Zwangsinformation“ verzichten kann. Teilweise wird ein Verzicht unter bestimmten Voraussetzungen für möglich gehalten (MünchKommBGB-Wendehorst, § 312f Rn. 9), andere halten jeglichen Verzicht für unbeachtlich (Leßmann/Leßmann, in Gounalakis, § 11 Rn. 101).
64
Die Informationspflicht ist nach § 312c BGB zweifach gestaffelt: Nach § 312c I 1 BGB sind nach Maßgabe der BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV) bestimmte Informationen dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe dessen vertraglicher Erklärung klar und verständlich mitzuteilen. Dies kann durch beliebige Medien erfolgen, etwa durch Abbildung der Informationen auf der Website des Anbieters. Bei Abbildung auf der Website müssen die Informationen leicht zugänglich sein. Es ist nicht erforderlich, dass die Informationen beim Bestellvorgang zwangsläufig aufgerufen werden (BGH NJW 2006, 211 (212); NJW 2006, 3633 (3636); a.A. OLG Frankfurt/M. MMR 2001, 529
Borges
§ 9 Electronic Banking
295
(530) (zu FernAbsG); OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1127). Nach h.M. ist es ausreichend, wenn die Informationen durch zwei Links erreicht werden können (BGH NJW 2006, 3633 (3636); OLG München NJW-RR 2004, 913 (914); Brunst, MMR 2004, 8 (11 f.); Föhlisch, in: Hoeren/Sieber, Rn. 13.4/103; Palandt-Grüneberg, § 312c Rn. 2; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011 (1016); Ott, WRP 2003, 945 (947); Schulte, CR 2004, 55 (56); Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, 2002, § 312c Rn. 13; offengelassen bei BGH NJW 2006, 211 (212); a.A. OLG Frankfurt/M. MMR 2001, 529 f.; OLG Karlsruhe MMR 2002, 618 (619); Woitke, NJW 2003, 871 (873) (Angaben maximal ein Mausklick entfernt)). Nicht ausreichend ist es, wenn die Informationen ohne besondere Hervorhebung und Hinweis als Teil der Bedingungen zusammen mit den AGB abgebildet werden (a.A. KG NJW 2006, 3215 (3216)), da der Verbraucher keinen Anlass hat, die AGB nach Hinweisen zu seinen gesetzlichen Verbraucherrechten zu durchsuchen. Außerdem sind nach § 312c II 1 BGB die Vertragsbestimmungen einschließlich AGB sowie bestimmte, in der BGB-InfoV genannte Informationen dem Verbraucher in Textform mitzuteilen. Wenn der Vertrag auf Initiative des Verbrauchers mit einem Medium geschlossen wird, das die Mitteilung in Textform nicht ermöglicht, reicht es aus, wenn die Information unverzüglich nach Vertragsabschluss erbracht wird, § 312c II 1 Nr. 1 2. Halbs. BGB. Wenn die Mitteilung in Textform bei Vertragsabschluss möglich ist, muss sie ebenfalls vor Abgabe der Erklärung des Verbrauchers erfolgen (§ 312c II 1 Nr. 1 1. Halbs. BGB), die Informationspflichten nach § 312c I und II BGB fallen also zeitlich zusammen. Die Wahrung der Textform setzt gemäß § 126b BGB voraus, dass die Erklärung in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise erfolgt. Dies setzt nach h.M. die Speicherung im Bereich des Empfängers voraus (KG Berlin NJW 2006, 3215 (3216); OLG Hamburg MMR 2006, 675; LG Kleve NJW-RR 2003, 196; PWW-Ahrens, § 126b Rn. 4; Aigner/Hofmann, Rn. 314 ff.; Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 126b Rn. 3; MünchKommBGB-Wendehost, § 312c Rn. 113; Borges, in: Borges, Internet-Auktion, § 9 S. 122; Wiebe, in: Spindler/Wiebe, Kap. 4 Rn. 91; Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61 (62)), ist also etwa bei Übersendung per E-Mail mit deren Speicherung in der Mailbox gegeben (OLG Hamburg MMR 2006, 675 (676)). Die bloße Abbildung von Informationen auf einer Website reicht hingegen nicht aus, auch nicht das Bereitstellen zum Download (OLG Stuttgart ZGS 2008, 197 (198 f.); OLG Naumburg CR 2008, 247; LG Kleve NJWRR 2003, 196; Härting/Schirmbacher, CR 2005, 48 (51); Kaestner/Tews, WRP 2004, 509 (512); Koch/Masuch/Zingel, S. 102; Lütcke, Fernabsatzrecht, 2002, Rn. 114 zu § 312c BGB; Martis/Meinhof, S. 614; MünchKommBGB-Wendehost, § 312c Rn. 113; Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61 (62). Ebenso, allgemein zu § 126b: PWW-Ahrens, § 126b Rn. 4; Föhlisch, in: Hoeren/Sieber, Rn. 13.4/216; Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 126b Rn. 3; Wiebe, in: Spindler/Wiebe, Kap. 4 Rn. 91; Zenker, JZ 2007, 816 (822); a.A. OLG München NJW 2001, 2263 (zu § 8 I VerbrKrG); LG Flensburg MMR 2006, 686; Staudinger-Hertel, § 126b Rn. 28; Köhler/Arndt/Fetzer, S. 89; AnwK/Noack/Kremer, § 126b Rn. 16; Steinbeck, DStR 2003, 644 (649); Wendtland, in: Bamberger/Roth, § 126b Rn. 5). Die Form ist hier erst dann erfüllt, wenn der Verbraucher die Daten tatsächlich heruntergeladen hat (OLG Stuttgart ZGS 2008, 197 (198 f.); KG NJW 2006, 3215 (3216); MMR 2007, 185 (186); OLG Hamburg MMR 2006, 675 (676); Föhlisch, in: Hoeren/Sieber, Rn. 13.4/181; Lütcke, Fernabsatzrecht, 2002, Rn. 114 zu § 312c BGB; Martis/Meinhoff, S. 614; Wiebe, in: Spindler/Wiebe, Kap. 4 Rn. 91). Nach § 312c III BGB kann der Verbraucher während der Vertragslaufzeit jederzeit verlangen, dass der Anbieter die Vertragsbestimmungen einschließlich AGB (nicht die sonstigen Informationen) in einer Urkunde zur Verfügung stellt.
Borges
65
66
296
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
67
Der Inhalt der nach § 312c I und II BGB erforderlichen Information wird in § 1 BGBInfoV näher geregelt (dazu Rott, BB 2005, 53 (55 ff.)). Bei Verträgen über Finanzdienstleistungen sind die in § 1 I BGB-InfoV genannten Informationen zu geben, zusätzlich die Informationen nach § 1 II BGB-InfoV. Diese Anforderungen gelten gemäß § 1 III BGBInfoV gleichermaßen für die Informationspflicht nach § 312c II BGB.
68
Die Verletzung der Informationspflichten nach § 312c BGB berührt die Wirksamkeit des Vertrags nicht. Es kommen aber mehrere andere Rechtsfolgen in Betracht. Eine besonders scharfe Sanktion ist die Verlängerung der Widerrufsfrist nach § 355 BGB (dazu unten Rn. 94). Dem Verbraucher kann unabhängig davon ein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB oder §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB zustehen (Felke/Jordans, NJW 2005, 710 (711)), der auch auf Vertragsaufhebung gerichtet sein kann (Rott, BB 2005, 53 (59)). Dies dürfte aber wegen des Kausalitätserfordernisses nur selten der Fall sein. Verbraucherschutzverbände können im Wege der Verbandsklage nach § 2 UKlaG gegen den Anbieter wegen verbraucherschutzgesetzwidriger Praktiken vorgehen, zudem kann ein Wettbewerbsverstoß vorliegen.
69
Eine Verschleierung von Identität oder Geschäftszweck kann einen Verstoß gegen § 4 Nr. 3, § 5 II Nr. 3 oder § 7 II Nr. 4 i. V. m. § 3 UWG beinhalten (Leßmann/Leßmann, in: Gounalakis, § 11 Rn. 37 f.; Martis/Meinhof, S. 617; Moritz/Hermann, in: Moritz/Dreier, D Rn. 351; MünchKommBGB-Wendehorst, § 312c Rn. 133). Außerdem wird in der Verletzung der Informationspflichten eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG gesehen (OLG Hamm K&R 2008, 379 (380); OLG Stuttgart ZGS 2008, 197 (198); OLG Brandenburg OLGR Brandenburg 2006, 955; OLG Jena GRUR-RR 2006, 283; OLG Hamm NJW 2005, 2319; KG K&R 2007, 212; OLG Karlsruhe CR 2006, 689; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 11.170; Lettl, GRUR 2004, 449 (452); Mankowski, in: Fezer, UWG, § 4-S12 Rn. 189; Piper, in: Piper/Ohly, § 4.11 Rn. 21; MünchKommUWG-Schaffert, § 4 Nr. 11 UWG Rn. 321; Süßenberger, in: Hoeren/Sieber, Rn. 11.1/87 f.). Wird gegen die Pflicht zur Belehrung über das Widerrufsrecht verstoßen, kann auch ein Ausnutzen der Rechtsunkenntnis des Verbrauchers nach § 4 Nr. 2 UWG oder eine Irreführung nach § 5 UWG vorliegen (OLG Düsseldorf GRUR 2006, 782 (785); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 11.170). Aufgrund eines solchen Verstoßes gegen die Verbote anonymer oder getarnter Werbung oder des Rechtsbruchstatbestandes kann der Unternehmer auf Unterlassung, § 8 UWG, und gegebenenfalls auf Schadensersatz, § 9 UWG, bzw. Gewinnabschöpfung, § 10 UWG, in Anspruch genommen werden (Dörrie, ZBB 2005, 121 (131)).
70
Die Informationspflichten für Verbraucherkreditverträge gelten ggf. neben den Informationspflichten des Fernabsatzrechts (MünchKommBGB-Wendehorst, § 312c Rn. 156).
71
3. Informationspflichten nach § 312e BGB. In Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie sind in § 312e BGB spezifische Informationspflichten für Unternehmer im elektronischen Geschäftsverkehr geregelt. § 312e BGB greift ein, wenn der Unternehmer einen Teledienst zum Abschluss von Verträgen nutzt. Mit dem Begriff des Teledienstes wird auf den alten § 2 II Nr. 1 TDG verwiesen. Erfasst werden also insbesondere die Anbahnung und der Abschluss von Verträgen per Internet.
72
Der Anbieter muss dem Nutzer die in § 3 der sog. Informationsverordnung (Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht, BGB-Informationspflichten-Verordnung – BGB-InfoV i. d. F. v. 5.8.2002, BGBl. I 3002 (zur InfoV auch unten Rn. 91 ff.)) genannten Angaben rechtzeitig vor Abgabe von dessen rechtsgeschäft-
Borges
§ 9 Electronic Banking
297
licher Erklärung („Bestellung“) klar und verständlich mitteilen (§ 312e I 1 Nr. 2 BGB). Zur Erfüllung dieser Pflicht ist es erforderlich, die in § 3 InfoV genannten Angaben (etwa die Information über die einzelnen Schritte, die zum Vertragsabschluss führen, gemäß § 3 Nr. 1 InfoV; siehe dazu im Einzelnen etwa MünchKommBGB-Wendehorst, § 312e Rn. 78 ff.) auf der Website abzubilden. Wie bei § 5 TMG reicht es aus, wenn die Angaben auf einer Seite zusammengefasst sind, die von den anderen Seiten durch einen Link erreichbar sind. Der Link muss hinreichend deutlich sein. Dazu erforderlich sind auch hier deutliche Links auf die betreffenden Seiten (Leverenz, CR 2003, 698 (704)). Nach § 312e I 1 Nr. 4 BGB hat der Anbieter dem Nutzer die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbedingungen einschließlich der AGB bei Vertragsabschluß abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Die Bedingungen müssen also zum Download zur Verfügung gestellt werden (Koch/Masuch/Zingel, S. 87). Stattdessen können die Bedingungen dem Nutzer auch per E-Mail zugesandt werden (MünchKommBGB-Wendehorst § 312e Rn. 107). Auch hier sind deutliche Hinweise und Links erforderlich.
73
Der Anbieter muss dem Nutzer außerdem angemessene Mittel zur Verfügung stellen, um Eingabefehler vor Abgabe seiner Erklärung zu erkennen und zu berichtigen (§ 312e I 1 Nr. 1 BGB; dazu ausführlich Klimke, CR 2005, 582). Die in der Praxis verbreitete Gestaltung, auf der Website die Daten einer Transaktion, z.B. einer Überweisung oder einer Wertpapierorder vor deren Bestätigung zusammenzustellen und eine Korrekturmöglichkeit anzubieten, erfüllt diese Pflicht. Allerdings müssen auch hier die Korrekturmöglichkeiten deutlich dargestellt sein. Außerdem muss es möglich sein, während der laufenden Eingabe Korrekturen auszuführen (vgl. MünchKommBGB-Wendehorst, § 312e Rn. 68; Klimke, CR 2005, 582 (583)).
74
Der Zugang der Erklärung des Nutzers ist diesem unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen (§ 312e I 1 Nr. 3 BGB). Die Bestätigung muss dem Nutzer zugehen. Der Begriff des Zugangs i. S. des § 312e I 1 Nr. 3 BGB ist in § 312e I 2 BGB definiert. Erforderlich ist, dass der Empfänger die Erklärung unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. § 312e I 1 Nr. 3 BGB verlangt lediglich eine Eingangsbestätigung. Eine inhaltliche Erklärung über die Erklärung des Nutzers, etwa die Entscheidung über die Annahme eines Angebots, ist nicht erforderlich (LG Hamburg NJW-RR 2004, 1568; AG Hamburg-Barmbek NJW-RR 2004, 1284; Koch/Masuch/Zingel, S. 86). Auch ist nicht geboten, dass der Anbieter den Inhalt der Bestellung wiedergibt (MünchKommBGB-Wendehorst, § 312e Rn. 93, 96). Eine Erklärung, die eindeutig den Eingang der Bestellung bestätigt, ist auch nicht als Annahme zu deuten (LG Gießen MMR 2004, 194; LG Hamburg NJW-RR 2004, 1568), wohl aber eine Erklärung, die für den Auftrag dankt und dessen Bearbeitung ankündigt (BGH NJW 2005, 976; OLG Frankfurt/M. MMR 2003, 405 (406); AG Westerburg MMR 2003, 609; enger LG Köln CR 2003, 613 (Annahme bei Ankündigung der „Ausführung“ des Auftrags); a.A. AG Butzbach NJWRR 2003, 54 (55); ausführlich zur Abgrenzung zwischen Zugangsbestätigung und Annahmeerklärung Bodenstedt, MMR 2004, 719; Stockmar/Wittwer, CR 2005, 118 (119 ff.) m. Überbl. zur Rspr.).
75
Die Bestätigung muss elektronisch erfolgen. Dies kann durch E-Mail geschehen, wohl auch, wenn die Bestellung über das WWW an eine Website übermittelt wurde (so MünchKommBGB-Wendehorst, § 312e Rn. 96). Die Anforderungen an die Unverzüglichkeit sind noch nicht geklärt. Maßstab ist der Zweck dieser Pflicht, dem Nutzer Klarheit über den Zugang seiner Erklärung zu verschaffen. M. E. sind die Anforderungen nach den Umständen der Kommunikation, insbesondere anhand des Kommunikationsmediums zu konkretisieren: Wenn der Nutzer in einer Online-Verbindung seine vertragliche Erklärung
76
Borges
298
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
an eine Website sendet, dann kann nur eine Bestätigung innerhalb dieser Verbindung ausreichend sein, denn dies ist technisch möglich und dem Anbieter zumutbar. Bei einer Bestellung per E-Mail hingegen sind Abfrageintervalle und Bearbeitungszeit, hier auch übliche Bürostunden, zu berücksichtigen, sofern die Bearbeitung „manuell“ erfolgt (dazu MünchKommBGB-Wendehorst § 312e Rn. 99). Beim Online-Banking über eine Website ist also typischerweise eine sofortige Bestätigung erforderlich. Diese muss dem Nutzer zum Download zur Verfügung gestellt werden. Dabei reicht es aus, wenn der Nutzer eine Bestätigung des Eingangs mittelbar abrufen kann, etwa dadurch, dass z.B. ein Überweisungsauftrag aus dem Kontoauszug ersichtlich wird. 77
Die Pflichten des § 312e I 1 Nr. 1 – 3 BGB gelten nicht, wenn der Vertrag ausschließlich durch individuelle Kommunikation, z.B. durch Austausch von E-Mails, geschlossen wird (§ 312e II 1 BGB). Unternehmer können untereinander durch Vereinbarung von den §§ 312e I 1 Nr. 1 –3 BGB abweichen (§ 312e II 2 BGB) (zum Verzicht auf die Information siehe oben Rn. 63).
78
Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Pflichten des § 312e I 1 BGB ist gemäß § 312e III 2 BGB, dass sich der Beginn der Widerrufsfrist eines etwaigen Widerrufsrechts nach § 355 BGB bis zur Erfüllung der Pflicht (siehe zur Nachholung versäumter Information Klimke, CR 2005, 582 (585 ff.)) hinauszögert. Weitere Rechtsfolgen sind im Gesetz nicht genannt (siehe dazu Klimke, CR 2005, 582 (584 ff.); MünchKommBGB-Wendehorst, § 312e Rn. 121 ff.). Die Wirksamkeit des Vertrags wird durch den Verstoß nicht berührt.
79
4. Aufklärungs- und Organisationspflichten. Die Bank hat beim Electronic Banking besondere Aufklärungspflichten zugunsten ihrer teilnehmenden Kunden betreffend die Nutzung des Systems und die besonderen Risiken des Electronic Banking (dazu Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 55 Rn. 19 ff.).
80
Die Bank treffen auch spezifische Organisationspflichten, die vor allem bei Wertpapieraufträgen relevant sind. In der Rechtsprechung ist eine Tendenz dahin festzustellen, dass die Bank die ihr zumutbaren Vorkehrungen treffen muss, um Fehler des Kunden bzw. nachteilige Folgen zu vermeiden (vgl. OLG Schleswig CR 2003, 135 (Verkaufsorder nach Reklamation); LG Nürnberg-Fürth WM 2001, 1988 (Eingabefehler, Order von 100 1/1Aktien statt 1/10-Aktien); CR 2003, 222 (Eingabefehler; Order von 5000 Stk. statt i.H.v. 5000,– DM)).
81
III. Formfragen. 1. Schriftform und elektronische Form. Fragen der Form ergeben sich im E-Commerce vor allem wegen der Schriftform des § 126 BGB, die durch elektronisch übermittelte Erklärungen nicht erfüllt werden kann (Bierekoven, S. 118; Borges, S. 519 mwN).
82
Durch Art. 9 EC-Rl. sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, den wirksamen Abschluss von Verträgen per Internet zu ermöglichen, soweit nicht eine Ausnahme nach Art. 9 (2) EC-Rl. eingreift. Dieser Grundsatz verbietet es, die Wirksamkeit elektronisch geschlossener Verträge am Schriftformerfordernis scheitern zu lassen (Borges, S. 636 mwN; Roßnagel, in: Lehmann, S. 131 (142)).
83
In Umsetzung von Art. 9 E-Commerce-Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber durch das Formanpassungsgesetz vom 13.7.2001 (BGBl. I 1542) die elektronische Form (§ 126a BGB), außerdem die Textform (§ 126b BGB) in das BGB eingefügt. Die Schriftform kann gemäß § 126 III BGB durch die elektronische Form ersetzt werden, sofern das Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Ein solcher Schriftformvorbehalt gilt etwa für Bürgschaften (vgl. § 766 2 BGB) und für Verbraucherdarlehen (vgl. § 492 I 2 BGB). Die Ausnahme für Bürgschaften ist durch Art. 9 (2) EC-Rl. gedeckt. Ob § 492 I 2 BGB europa-
Borges
§ 9 Electronic Banking
299
rechtskonform ist, ist umstritten (dazu Borges, S. 641 ff.). Art 9 (2) EC-Rl. enthält hierfür keine Grundlage. Eine Rechtfertigung könnte sich allein aus Art. 1 (3) EC-Rl. i.V. mit der Verbraucherkreditrichtlinie ergeben (so die Gesetzesbegründung; BegrRegE zu Art. 16 Nr. 1 FormanpassungsG, BR-Drucks., 535/00 S. 54; MünchKommBGB-Schürnbrand, § 492 Rn. 16). Dies überzeugt jedoch nicht, da die Verbraucherkreditrichtlinie keineswegs die Schriftform i.S. des deutschen Rechts vorschreibt (h.M.; Staudinger-KessalWulf, § 492 VerbrKrG Rn. 7; Nocke, FLF 2001, 5 (8)). Die deutsche Regelung ist auch wertungsmäßig nicht stimmig, da beim finanzierten Abzahlungskauf, bei dem der Verbraucher genauso schutzwürdig ist, mit § 502 II BGB eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis gilt (ausführlich Borges, S. 644 ff. i. V. m. S. 624 ff.). Die Schriftform kann insbesondere dann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn die Parteien dies für das betreffende Geschäft oder generell für ihre Geschäftsbeziehung vereinbart haben (Borges, S. 657 f.). Offen ist, ob die Ersetzbarkeit durch Vereinbarung der Parteien ausgeschlossen werden kann (ablehnend MünchKommBGB-Einsele, § 126 Rn. 31). Im Übrigen sind die Anforderungen an die Ersetzung sehr umstritten. Nach derzeit wohl überwiegender Ansicht ist das (ggf. konkludente) Einverständnis des Empfängers erforderlich (PWW-Ahrens, § 126a Rn. 7; Boente/Riehm, Jura 2001, 793 (795 f.); Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 126a Rn. 6; Staudinger-Hertel, § 126 Rn. 167; Larenz/Wolf, § 27 Rn. 42; Weikart, NotBZ 2007, 73 (78); ähnlich („rein tatsächliche“ Billigung) Steinbeck, DStR 2003, 644 (645); a.A. MünchKommBGB-Einsele, § 126 Rn. 27 ff.), wobei sehr unterschiedliche Annahmen über ein konkludentes Einverständnis kursieren (z.B. elektronische „Abwicklung“ des Geschäftsverkehrs durch Parteien (Weikart, NotBZ 2007, 73 (78); Vorhandensein der Prüfsoftware beim Empfänger (Steinbeck, DStR 2003, 644 (645)). Diese Auffassung überzeugt nicht, da der Erklärende danach vor Abgabe seiner Erklärung vorsichtshalber das – nachzuweisende – Einverständnis mit der Ersetzung einholen müsste. Daher ist anzunehmen, dass sich die Ersetzungsbefugnis auf die jeweilige Erklärung bezieht. Soweit nicht anders vereinbart, kann folglich jeder Erklärende zwischen Schriftform und elektronischer Form wählen (ausführl. Borges, S. 654 ff.; ebenso MünchKommBGB-Einsele, § 126 Rn. 29). Der Erklärungsempfänger hat aber einen Anspruch auf Nachholung der Schriftform (Borges, S. 655 f.). Schriftform und elektronische Form können auch kombiniert werden, d.h. es kann eine Erklärung eines Vertrags schriftlich, die andere in elektronischer Form abgegeben werden (Borges, S. 651).
84
2. Der Tatbestand der elektronischen Form. Die elektronische Form setzt voraus, dass die Erklärung in einem elektronischen Dokument enthalten ist. Außerdem muss der Erklärende seinen Namen im Dokument angeben. Schließlich muss die Erklärung mit der qualifizierten elektronischen Signatur des Erklärenden versehen sein (§ 126a I BGB).
85
Bei Verträgen müssen beide Parteien ein gleichlautendes Dokument signieren (§ 126a II BGB). Das Erfordernis des gleichlautenden Inhalts bezieht sich auf die formbedürftige Erklärung. Es ist unschädlich, wenn sich weitere Bestandteile auf dem signierten Dokument befinden. Das Erfordernis kann dadurch erfüllt werden, dass zwei gleichlautende Dokumente hergestellt werden und jede Partei das für die andere bestimmte signiert (Borges, S. 611; a.A. offenbar Brisch, CR 1999, 537 (538)). Es kann aber auch dadurch erfüllt werden, dass die andere Partei das bereits signierte Dokument mit seinem Namen versieht und sodann elektronisch signiert (Borges, S. 611, 652; so auch MünchKommBGB-Einsele, § 126a Rn. 26).
86
Die elektronische Form verlangt eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem SigG (dazu Roßnagel, MMR 2003, 164; NJW 2005, 385). Unklar ist, ob damit gefordert wird, dass das Signaturverfahren, mit dem die Signatur erzeugt wurde, alle Anforderungen des
87
Borges
300
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
SigG und der SigV erfüllt. Die bisherigen Stellungnahmen der Literatur scheinen dies anzunehmen (vgl. Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 126a Rn. 9; Roßnagel, MMR 2002, 215 (217); zu § 371a ZPO: Roßnagel, NJW 2006, 806; wohl auch Armgardt/Spalka, K&R 2007, 26; siehe auch Fischer-Dieskau/Gitter/Paul/Steidle, MMR 2002, 709 (710) (zu § 292a ZPO)). Dies hätte zur Konsequenz, dass die elektronische Form schon dann nicht gewahrt ist, wenn auch nur eine der Anforderungen an das Signaturverfahren nicht erfüllt ist. Vor allem müsste im Streitfall der Nachweis geführt werden, dass das Verfahren die Anforderungen erfüllt (so konsequent Ranke/Fritsch/Roßnagel, DuD 27 (2003) 95 (96)). Dies wäre problematisch, da die Parteien kaum sicher wissen können, ob die Anforderungen erfüllt sind, und dies auch kaum beweisen können. Eine verbindliche Feststellung über die Erfüllung der Anforderungen des SigG ist im Gesetz nicht vorgesehen; auch die Akkreditierung enthält keine solche Feststellungswirkung (ausführl. dazu Borges, S. 130 ff.). Sinnvoll erscheint es, die Anforderungen im Rahmen des § 126a BGB nach dem Sinn und Zweck dahin zu verstehen, dass es ausreicht, wenn ein Verfahren verwendet wird, das seiner Art nach die Merkmale eines Verfahrens zur Erstellung qualifizierter elektronischer Signaturen erfüllt, d. h. insbesondere ein auf asymmetrischer Verschlüsselung beruhendes Schlüsselpaar verwendet wird und die Sicherheit des Verfahrens durch ein Zertifikat bestätigt wird, das nach seinem Inhalt ein qualifiziertes Zertifikat i. S. des SigG ist. 88
Die Beweislast für die Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen trägt die Partei, die sich auf die Erfüllung der elektronischen Form beruft (Borges, S. 130). Welche Anforderungen die Rechtsprechung für den Beweis der Formerfüllung im Einzelnen stellen wird, ist derzeit noch unklar. Nach der hier vertretenen Auffassung zum Tatbestand der elektronischen Form kann es schon ausreichen, wenn der Beweisführer das qualifizierte Zertifikat vorlegt.
89
IV. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers. Bei Verträgen über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen i.S. des § 312b BGB (dazu oben Rn. 61 ff.) hat der Verbraucher gemäß § 312d I 1 BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB. Das Widerrufsrecht dient bei Finanzdienstleistungsverträgen dem Übereilungsschutz. Gegenüber dem allgemeinen Fernabsatzrecht gilt für Finanzdienstleistungen eine Reihe von Besonderheiten.
90
Kein Widerrufsrecht besteht gemäß § 312d IV Nr. 6 BGB bei Finanzdienstleistungen, deren Preis Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt. Das Gesetz nennt beispielhaft Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilsscheinen, sonstigen handelbaren Wertpapieren, Derivaten, oder Geldmarktinstrumenten sowie Devisen. Unter Derivaten sollen die in der Richtlinie ausdrücklich genannten Futures, Swaps und Optionen zu verstehen sein (Begr. RegE, BT-Drucks. 15/2946, S. 46; vgl. zu den Begriffen Fuchs, WpHG, 2004, § 2). Es kommt allein darauf an, dass der Preis Schwankungen unterliegen kann. Ob der Kurs während der Widerrufsfrist tatsächlich stark volatiert, ist ohne Belang (Domke, BB 2007, 341; Härting/Schirmbacher, CR 2005, 48 (52)).
91
Der Unternehmer muss den Verbraucher nach § 312c i.V.m. § 1 I Nr. 10 BGB-InfoV über das Bestehen des Widerrufsrechts informieren (Siehe zu den Informationspflichten oben Rn. 61 ff.). Unabhängig davon ergibt sich aus § 355 II 1 BGB die Pflicht, den Verbraucher über das Widerrufsrecht, die Widerrufsfrist und die Ausübungsmodalitäten des Widerrufsrechts zu belehren. Insbesondere ist der Verbraucher über seine wesentlichen Rechte zu belehren (vgl. BGH ZIP 2007, 1067 (1068 f.) (zu § 312 II BGB)). Die Belehrung ist deutlich zu gestalten (Hervorhebung durch graphische Gestaltung; vgl. BGH NJW 1996, 1964 (1965)) und in Textform (dazu oben Rn. 65) zu übermitteln. Bei Abbildung der Belehrung auf der Website ist die Textform erst gewahrt, wenn der Verbraucher die Erklärung heruntergeladen oder ausgedruckt hat (s. auch oben Rn. 65; spe-
Borges
§ 9 Electronic Banking
301
ziell zu § 355 BGB: OLG Stuttgart ZGS 2008, 197 (198 f.); OLG Hamburg MMR 2006, 675; Hoffmann, MMR 2006, 676 (677); Schirmbacher, CR 2006, 673 (677); a.A. LG Flensburg MMR 2006, 686 (Speicher- oder Ausdruckmöglichkeit ausreichend)). Die Anforderungen des § 355 I BGB an Inhalt und Gestaltung der Belehrung waren nach einer Ansicht gemäß § 14 I BGB-InfoV erfüllt, wenn das Belehrungsmuster der Anlage 2 a.F. der BGB-InfoV verwendet wurde (LG Münster CR 2006, 782 (783); Bodendiek, MDR 2003, 1 (3); Palandt-Grüneberg, § 14 BGB-InfoV Rn. 3; Masuch, BB 2005, 644 (647)). Voraussetzung war, dass das Muster unverändert und entsprechend den Gestaltungshinweisen eingesetzt wurde. Allerdings wird verbreitet angenommen, dass § 14 BGB-InfoV wegen Unvereinbarkeit mit § 355 II BGB nichtig sei und daher diese Wirkung nicht entfaltet (LG Halle BB 2006, 1817 (1818); LG Koblenz BB 2007, 239; Staudinger-Kaiser, Art. 245 EGBGB Rn. 4; MK-Masuch, § 355 Rn. 57; ders., NJW 2002, 2931 (2932); Rössel, CR 2006, 711 f.; Erman-Saenger, § 355 Rn. 12).
92
Wegen dieser Kritik wurde die Anlage 2 der BGB-InfoV durch Verordnung vom 4.3.2008 geändert (BGBl. I S. 292, in Kraft seit 1.4.2008). In der Literatur werden diese Bedenken auch gegen die geänderte Fassung geäußert (Faustmann, ZGS 2008, 147 (148); Lejeune, CR 2008, 226 (228); Rössel, ITRB 2008, 138 (140); dazu auch Masuch, NJW 2008, 1700 ff.; siehe zur Übergangsregelung KG K&R 2008, 375 (378 f.)). Soweit man davon ausgeht, dass die Verwendung des Musters die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, tritt diese Wirkung gemäß § 1 IV 2 BGB-InfoV auch in Bezug auf die Informationspflicht nach § 312c i.V.m. § 1 I Nr. 10 BGB-InfoV ein. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist ein Gestaltungsrecht, das durch empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt wird (Palandt-Heinrichs/Ellenberger, Überbl. v. § 104 Rn. 17; Martis/Meinhoff, S. 193; PWW-Medicus, § 355 Rn. 1). Eine Begründung ist nicht erforderlich, § 355 II 1 BGB. Das Wort „Widerruf“ muss nicht verwendet werden. Die Erklärung muss gemäß § 355 I 2 BGB in Textform erfolgen, die mündliche Erklärung reicht also nicht aus.
93
Der in der Praxis wohl wichtigste Aspekt bei der Ausübung des Widerrufsrechts ist die Einhaltung der gesetzlichen Widerrufsfrist. Die Widerrufsfrist beträgt nach § 355 I 2 BGB zwei Wochen, wenn die (ordnungsgemäße) Belehrung über das Widerrufsrecht vor Vertragsabschluss erfolgt, sonst einen Monat, § 355 II 2 BGB (a.A. Domke, BB 2006, 61 (62): wegen richtlinienkonformer Auslegung stets zweiwöchige Frist).
94
Schwierigkeiten ergeben sich im Zusammenhang mit dem Beginn der Frist, da das Gesetz den Beginn der Frist an die Einhaltung der Belehrungspflicht und weiterer Informationspflichten knüpft. Nach § 355 II 1 BGB beginnt die Frist mit der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. Bei Verträgen, die der gesetzlichen Schriftform unterliegen, beginnt die Frist gemäß § 355 II 3 BGB erst mit Aushändigung der Vertragsurkunde (Staudinger-Kaiser, § 355 Rn. 48; MünchKommBGB-Masuch, § 355 Rn. 41). Gemäß § 312c II BGB beginnt die Widerrufsfrist bei Dienstleistungen nicht vor Vertragsabschluss und, besonders wichtig, nicht vor Erfüllung der umfangreichen Informationspflichten nach § 312c II BGB (dazu oben Rn. 65 ff.). Eine weitere Verknüpfung von Widerrufsfrist und Informationspflichten ergibt sich aus § 312e III 2 BGB. Danach beginnt die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der Informationspflichten nach § 312e I 1 BGB (dazu oben Rn. 71). Die Beweislast für den Fristbeginn trifft nach § 355 II 4 BGB den Unternehmer.
95
Das Widerrufsrecht erlischt gemäß § 355 III 1 BGB grundsätzlich spätestens sechs Monate nach Vertragsabschluss. Dies gilt nach § 355 III 3 BGB aber nicht, wenn die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt, bei Finanzdienstleistungen auch dann nicht, wenn die Informationspflichten nach § 312c II Nr. 1 BGB (dazu oben Rn. 65) nicht ord-
96
Borges
302
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
nungsgemäß erfüllt wurden. Die sechsmonatige Frist nach § 355 III 1 BGB hat damit bei Finanzdienstleistungen vor allem für die (weniger aufwendige) Informationspflicht nach § 312e BGB Bedeutung (vgl. Begründung RegE FernAbsÄndG, BT-Drucks. 15/2946, S. 23; siehe auch MünchKommBGB-Masuch, § 355 Rn. 64). Das Fortbestehen des Widerrufsrechts nach § 355 III 3 BGB ist eine äußerst scharfe Sanktion, da bereits ein einzelner Fehler bei der Information des Kunden zu einem zeitlich unbegrenzten Widerrufsrecht führt (Domke, BB 2007, 341 (342); Felke/Jordans, WM 2004, 166 (169); Härting/Schirmbacher, CR 2005, 48 (53); Nocke, FLF 2005, 114 (115)). Nach h.M. kann der Unternehmer aber durch Nachholung der Information ein unbegrenztes Widerrufsrecht vermeiden und die reguläre Frist in Gang setzen (Domke, BB 2005, 228 ff.; ders., BB 2007, 341 f.; Dörrie, ZBB 2005, 121 (131); Kaestner/Tews, WRP 2004, 509 (512); Martis/Meinhof, MDR 2004, 4 (6) (12); wohl auch: MünchKommBGB-Masuch, § 355 Rn. 62). 97
98
Das Widerrufsrecht erlischt gemäß § 312d III Nr. 1 BGB bei Finanzdienstleistungen, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Der Wunsch muss vom Verbraucher ausgehen. Eine vom Unternehmer vorgelegte Vertragsklausel, die diesen Wunsch antizipiert, ist nach § 308 Nr. 5 BGB unwirksam (Felke/Jordans, NJW 2005, 710 (711)). Wenn der Verbraucher seine vertragliche Erklärung wirksam widerruft, ist er gemäß § 355 I 1 BGB nicht mehr hieran gebunden. Der Vertrag wird in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Gemäß § 357 I 1 BGB sind vorbehaltlich abweichender Bestimmungen die §§ 346 ff. BGB anwendbar. Folglich sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, gezogene Nutzungen herauszugeben, § 357 I BGB i.V.m. § 346 I BGB. Ist dies nach der Art der Leistung nicht möglich, ist gemäß § 347 II 1 Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten. Dies setzt nach § 312d VI BGB voraus, dass der Verbraucher vor Abgabe seiner vertraglichen Erklärung ausdrücklich auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde und ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, entfällt nach Auff. der Lit. auch ein Bereicherungsanspruch (Koch/Masuch/Zingel, S. 115; Kocher, DB 2004, 2679 (2683); MünchKommBGB-Wendehorst, § 312d Rn. 129). Die Höhe des Wertersatzes richtet sich nach § 346 II BGB. Bei Darlehen kann der Verbraucher gemäß § 346 II 2 BGB nachweisen, dass der Wert niedriger als die sonst maßgebliche Gegenleistung war. Dies hat Bedeutung, wenn der vereinbarte Zinssatz über dem marktüblichen Zinssatz liegt. Hier ist nur der marktübliche Zins als Wertersatz geschuldet (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zu Art. 25 Nr. 5 OLGVertrÄndG, BT-Drucks. 14/ 9266, S. 45; MünchKommBGB-Gaier, § 346 Rn. 22; Palandt-Grüneberg, § 346 Rn. 10). Der Anspruch auf Wertersatz ist nach § 271 BGB sofort fällig mit der Folge, dass gemäß § 286 III BGB i.V.m. § 357 I 2 BGB 30 Tage nach dem Widerruf ohne Mahnung Verzug eintritt (Dörrie, BB 2005, 121 (133) (135); Felke/Jordans, NJW 2005, 710 (711); Rössel, ITRB 2004, 236 (239); BuB-Werner, Rn. 19/359b).
99
Soweit die Vorschriften über das Verbraucherdarlehen anwendbar sind, haben die Widerrufsrechte nach den §§ 495 ff. BGB gemäß § 312d V BGB Vorrang. Dieses wird aber modifiziert, da gemäß § 312d V, II BGB auch für diese Widerrufsrechte gilt, dass der Beginn der Widerrufsfrist an die Erfüllung der Informationspflichten nach § 312c II BGB gebunden wird (Kocher, DB 2004, 1679 (2680); Nocke, FLF 2005, 114).
Borges
§ 9 Electronic Banking
303
C. Beweisfragen
100
Im Electronic Banking bereitet der Beweis für die Urheberschaft (Authentizität), daneben auch für die Unversehrtheit (Integrität) einer elektronisch übermittelten Erklärung (dazu umfassend Borges, S. 353 ff.) Schwierigkeiten. Im Vordergrund stehen dabei Erklärungen, die vom Nutzer an die Website der Bank übermittelt werden, aber auch E-Mails. Der Beweis kann mit allen Beweismitteln geführt werden, nicht zuletzt mit Dateien, in denen elektronisch übermittelte Erklärungen oder Informationen über die Übermittlungsvorgang gespeichert sind. I. Der Augenscheinsbeweis mit elektronischen Dateien. Elektronische Dateien unterliegen den Regeln über den Augenscheinsbeweis, wie § 371 I 2 ZPO implizit klarstellt. Der vor dem Formanpassungsgesetz vom 13.7.2001 (BGBl. I 1542) (oben Rn. 6, 83) geführte Streit, ob die Regeln über den Urkundenbeweis (ggf. analog) anwendbar sind (dazu Borges, S. 413 ff.) hat sich damit erledigt.
101
Gegenstand des Augenscheins i. S. des § 371 ZPO ist regelmäßig das elektronische Dokument selbst. Zwar kann auch ein bestimmter Datenträger (z. B. Diskette) das maßgebliche Augenscheinsobjekt sein. Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn es auf die Speicherung auf gerade diesem Datenträger ankommt (dazu im einzelnen Borges, S. 460 ff.).
102
Der Beweisantritt erfolgt durch Vorlage (z.B. auf Diskette) oder Übermittlung (per E-Mail) des elektronischen Dokuments (§ 371 I 2 ZPO; dazu Berger, NJW 2005, 1016; Borges, S. 464 f.). Das Erfordernis der Vorlage eines „Originals“ gibt es bei elektronischen Dokumenten nicht (Borges, S. 465). Das Dokument ist grundsätzlich in elektronischer Form vorzulegen. Stattdessen kann ein Ausdruck vorgelegt werden, wenn die Übereinstimmung des Ausdrucks mit der Datei und die Echtheit der Datei unstreitig sind (Borges, S. 466).
103
Zentrale Voraussetzung des Augenscheinsbeweises ist die Identität (oder Echtheit) des elektronischen Dokuments. Identität meint, dass es sich um den Gegenstand handelt, der es nach der Behauptung des Beweisführers sein soll. Für die Anforderungen kommt es daher auf die jeweilige Behauptung an. Bei elektronisch übermittelten Erklärungen sind vor allem zwei Beweisfragen relevant: zum einen die Behauptung, dass eine bestimmte Datei auf einem bestimmten Datenträger (z.B. Eingangspostfach des Empfängers, Webserver) gespeichert ist, zum anderen die Behauptung, dass eine bestimmte Datei von einer bestimmten Person (z. B. Bankkunde) abgeschickt wurde. Im zweiten Fall (Urheberschaft einer bestimmten Datei) setzt die Echtheit des elektronischen Dokuments voraus, dass der Kunde die Datei tatsächlich abgeschickt hat.
104
II. Der Nachweis der Urheberschaft eines elektronischen Dokuments. Der Beweis für die Urheberschaft eines elektronischen Dokuments ist eine selbständige Beweisfrage (Hilfstatsache des Beweises). Die Beweislast trägt der Beweisführer (der Haupttatsache). Eine Erleichterung für den Beweisführer ergibt sich aus der Erklärungspflicht nach § 439 I ZPO, der auf elektronische Dokumente analog anwendbar ist (Borges, S. 482 f.).
105
Der Beweis der Urheberschaft kann mit allen Beweismitteln geführt werden. Für die Beweisführung sind Speicherprotokolle der beteiligten Server von großer Bedeutung (Borges, S. 486 ff.). Die größte Beweisbedeutung kommt dem Inhalt der Erklärung zu. Wenn sich aus der Erklärung eine Kenntnis ergibt, die nur der angebliche Urheber (z.B. Bankkunde) haben kann, ist dies ein wichtiges Indiz für die Echtheit des elektronischen Dokuments (dazu Borges, S. 487 f.).
106
Die elektronische Signatur kann den Nachweis der Echtheit entscheidend erleichtern. Wenn das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG ver-
107
Borges
304
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
sehen ist, wird diese allein für den vollen Beweis der Echtheit zwar wohl nicht ausreichen. Sie ist aber jedenfalls ein wichtiges Indiz und kann zusammen mit anderen Indizien den vollen Beweis der Urheberschaft führen (dazu Borges, S. 489 f.). 108
III. Der Anscheinsbeweis im Electronic Banking. Im Echtheitsbeweis haben die Grundsätze des Anscheinsbeweises (Beweis des ersten Anscheins, prima-facie-Beweis) große Bedeutung, die von Rechtsprechung und Literatur entwickelt wurden und nur teilweise, in § 371a ZPO, gesetzlich geregelt sind.
109
Die Bedeutung des § 371a ZPO, der nur den Fall der qualifizierten elektronischen Signatur betrifft (dazu oben Rn. 23), ist noch ungeklärt. Die durch das Formanpassungsgesetz (als § 292a ZPO) eingefügte Norm wird in der Literatur stark kritisiert (Czeguhn, JuS 2004, 124 (126); Roßnagel, MMR 2002, 215 (218); ausführl. Borges, S. 505 ff.). Nach seinem Wortlaut begründet § 371a ZPO einen Anscheinsbeweis für die Echtheit von Dokumenten, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG versehen sind (s. zu den Voraussetzungen des § 371a ZPO Roßnagel/Fischer-Dieskau, NJW 2006, 806 f.). Allerdings steht die Formulierung von Voraussetzungen und Rechtsfolge des § 371a ZPO mit den allgemeinen Grundsätzen des Anscheinsbeweises nicht im Einklang (dazu Borges, S. 506 ff.; Jungermann, DuD 27 (2003), 69 (72); MünchKomm-ZPO-Prütting, § 371a ZPO Rn. 4; Schemmann, ZZP 118 (2005) 161 (175 ff.); a.A. wohl Fischer-Dieskau/Gitter/Paul/Steidle, MMR 2002, 709 (710)). § 371a ZPO wird aber gleichwohl als Verweis auf die allgemeinen Grundsätze des Anscheinsbeweises (dazu unten Rn. 110) angesehen (Fischer-Dieskau/Gitter/Paul/Steidle, MMR 2002, 709 (710); Rossnagel, MMR 2000, 451 (459); Stadler, ZZP 111 (2002) 413 (432); a.A. Musielak, FS Vollkommer, 2006, S. 237 (250 f.); Schemmann, ZZP 118 (2005) 161 (182) (jeweils: Vermutung der Echtheit)). Teilweise wird vertreten, § 371a ZPO wegen Sicherheitslücken des Signaturverfahrens bis zur Bedeutungslosigkeit (Erschütterung des Anscheins schon bei Internetanschluss des PC) teleologisch zu reduzieren (Armgardt/Spalka, K&R 2007, 26 (32)). Rechtsprechung zu § 371a ZPO gibt es bisher offenbar nicht. Die praktische Bedeutung dürfte jedenfalls bis zu einer weiten Verbreitung der Verfahren zur Erzeugung qualifizierter elektronischer Signaturen gering bleiben.
110
Nach den allgemeinen Grundsätzen des Anscheinsbeweises ist der Beweis für einen Geschehensablauf geführt, wenn der zu beweisende Geschehensablauf einem typischen Geschehensablauf entspricht, es sei denn, dass im konkreten Fall die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs besteht (siehe dazu etwa BGH NJW 1953, 584; NJW 1998, 79 (81); NJW 2001, 1140; Borges, S. 491 ff.; MünchKomm-ZPO-Prütting, § 286 ZPO Rn. 48, 65; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 112 Rn. 17, 36).
111
Der Anscheinsbeweis hatte im Bankgeschäft bisher vor allem bei bestrittenen Geldabhebungen am Geldautomaten unter Verwendung von ec-Karte und PIN praktische Bedeutung (s. dazu unten Rn. 157). In Übertragung der dazu entwickelten Grundsätze nahm die Literatur im Online-Banking bei Verwendung von PIN und TAN einen Anscheinsbeweis dafür an, dass der Bankkunde selbst die Erklärung abgegeben oder die Legitimationszeichen weitergegeben hat oder dass das Passwort (PIN) unsorgfältig verwahrt wurde (s. dazu unten Rn. 157). Wegen des Risikos von Phishing und ähnlicher Angriffe wird dieser Anscheinsbeweis für das klassische PIN/TAN-Verfahren zunehmend in Frage gestellt (dazu unten Rn. 157).
112
Bei Authentisierung durch bloße Verwendung von Passwörtern, etwa bei Internetauktionen, wird ein derartiger Anschein von der ganz h.M. verneint (OLG Köln CR 2003, 55; OLG Naumburg NJOZ 2005, 2222 (2223); OLG Hamm NJW 2007, 611; LG Bonn CR 2002, 293 (294); LG Konstanz MMR 2002, 835 f.; LG Bonn CR 2004, 218 (219); LG
Borges
§ 9 Electronic Banking
305
Köln, Urt. v. 6.9.2005 – 8 O 15/05; LG Magdeburg K&R 2005, 191 (192); AG Bonn NJWRR 2002, 1363; AG Erfurt MMR 2002, 127 (128); Biallaß, ZUM 2007, 397 (398); Borges, NJW 2005, 3313 (3317); ders., in: Borges, Internet-Auktion, S. 223; Heiderhoff, in: Heiderhoff/Zmij, S. 97, 105 f.; Hoffmann, NJW 2004, 2569 (2571); Noack/Kremer, AnwBl 2004, 602 (604); Wiebe, in: Spindler/Wiebe, Kap. 4 Rn. 61; a.A. AG Hannover WuM 2000, 412; Ernst, MDR 2003, 1091 (1093); Mankowski, MMR 2004, 181 (182); Winter, MMR 2002, 836; ders., CR 2004, 220 (221)). Beim Versand von E-Mails spricht nach h.M. kein Anscheinsbeweis dafür, dass die Mail von der Person stammt, die in der E-MailAdresse als Absender bezeichnet wird (Ernst, MDR 2003, 1091 f.; Jungermann, DuD 27 (2003), 69 (71); Roßnagel/Pfitzmann, NJW 2003, 1209 (1211 ff.); a.A. Mankowski, NJW 2002, 282; Sosnitza/Gey, K&R 2004, 465 (468)), ebenso wenig besteht ein Anschein für den Zugang von E-Mails (h.M.; Ernst, MDR 2003, 1091 (1092); a.A. Mankowski, NJW 2004, 1901 (1905); Hk-ZPO-Saenger, § 286 Rn. 49 (bei Zugangs- oder Lesebestätigung)). Soweit ein Anschein besteht, für den der Beweisführer die Beweislast trägt (vgl. etwa Musielak-Foerste, ZPO, § 286 Rn. 23), obliegt es dem Beweisgegner, den Beweis zu erschüttern, d.h. Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt (s. dazu unten Rn. 158 ff.).
D. Zahlungsverfahren im Internet
113
I. Kreditkartenverfahren im Internet. Die meisten Zahlungen im sog. E-Commerce erfolgen über Kreditkarte. Dabei teilt der Nutzer dem Erbringer der Leistung die Kreditkarten-Nummer sowie das Gültigkeitsdatum mit. Dieses Verfahren (sog. Mail-Order-Verfahren) ist durch die Kreditkartenbedingungen regelmäßig gedeckt. Das Mail-Order-Verfahren ist in hohem Maß anfällig für Missbrauch durch Dritte (dazu etwa Körber, WM 2004, 563 (564) mwN). Im Verhältnis zum Karteninhaber trägt der Akquisiteur, der mit dem Kreditkartenemittenten identisch sein kann, es oft aber nicht ist (dazu Meder, JZ 2004, 503 (505)), das Risiko eines Eingriffs durch Dritte, wie § 676h BGB klarstellt. Im Streitfall hat der Akquisiteur den Nachweis zu erbringen, dass die Order durch den Karteninhaber erfolgte. Ein Anscheinsbeweis kommt ihm nicht zugute (BuB-Werner, Rn. 19/183). Die Risikoverteilung im Verhältnis zwischen Akquisiteur und Leistungserbringer, dem sog. Vertragsunternehmen, ist immer noch umstritten. Nach den früher verwendeten Bedingungen der Kartenemittenten trug der Leistungserbringer im Mail-Order-Verfahren das Risiko einer wirksamen Weisung des Nutzers. Der 11. Senat des BGH hält diese Risikoverteilung seit seinem Urteil vom 16.4.2002 (BGHZ 150, 286 (295 ff.); bestätigt durch BGHZ 157, 256 (263 ff.); BGH ZIP 2004, 988 (989); ZIP 2004, 1041 (1042); BB 2005, 2320 (2321)) für unangemessen i.S.d. § 307 BGB (§ 9 I AGBG a.F.). Diese Rechtsprechung hat Zustimmung (ebenso OLG Frankfurt/M. BeckRS 2005 09602; Derleder, EWiR 2002, 1083; Hadding, WuB I D 5 a-1.02; Härting, MDR 2002, 913 (914); Heermann, JZ 2002, 1170 (1172); Hofmann, BKR 2003, 312 (328 ff.); Pfeiffer, LM § 437 BGB Nr. 9 a; Werner, BB 2002, 1382 (1383)), aber auch Kritik und Widerspruch erfahren (OLG Naumburg NJW-RR 2002, 1622 (1612); Freitag, ZBB 2002, 322 (329); Körber, WM 2004, 563 (568 f.); Meder, NJW 2002, 2215 (2216); ders., WM 2002, 1993 (1997 f.); ders., JZ 2004, 503 ff.; Schnauder, NJW 2003, 849 (852); polemisch Bitter, ZIP 2002, 1219). Die Rechtsprechung des BGH beruht zutreffend auf dem Grundsatz, dass der Kreditkartenemittent die systemimmanten Risiken zu tragen hat (BGHZ 150, 286 (296 f.); 157, 256 (264 f.)). Die Einschätzung der Kritik, der BGH öffne durch die Entscheidung dem Betrug die Tür und versetze dem Mail-Order-Verfahren den Todesstoß (so Bitter, ZIP 2002,
Borges
114
306
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
1219), überzeugt nicht und ist durch die Realität widerlegt. Auch wenn der Kartenemittent die Systemrisiken zu tragen hat, ist eine angemessene Risikoverteilung zwischen Kreditkartenemittent, Vertragsunternehmen und Kartinhaber möglich. In den folgenden Entscheidungen des BGH wird das Bemühen um eine differenzierte Risikoabgrenzung sehr deutlich. Zum Risikobereich des Vertragsunternehmens gehört vor allem die Wahrung der formalen Anforderungen an die zu übermittelnden Transaktionsdaten, bei deren Fehlen der BGH einen Anspruch des Emittenten aus Leistungskondiktion, § 812 I 1 1. Alt. BGB, gegen das Vertragsunternehmen bejaht (BGHZ 157, 256; BGH ZIP 2004, 1041 (1043)). Der BGH nimmt an, dass die Grundlage für die Zahlung des Kreditkartenemittenten, nach seiner Rechtsprechung ein abstraktes Schuldversprechen zugunsten des Vertragsunternehmens (BGHZ 150, 286 (291 ff.); 157, 256 (261 f.); BGH ZIP 2004, 988 (989); ZIP 2004, 1041 (1042); BB 2005, 2320 (2321); ebenso, mit ausführl. Begründung Hofmann, BKR 2003, 312 (324 ff.); ablehnend Körber, WM 2004, 563 (566 ff.); Meder, JZ 2004, 503 (506 f.)), aufschiebend bedingt ist durch die ordnungsgemäße Übermittlung der Transaktionsdaten (BGHZ 150, 286 (294 f.); BGH ZIP 2004, 1041 (1043); ZIP 2004, 988 (989); ebenso OLG Frankfurt/M. BeckRS 2005 09602). Folgt man dem, so entsteht bei unvollständiger oder fehlerhafter Übermittlung ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Vertragsunternehmens kein abstraktes Schuldversprechen, die Zahlung des Emittenten erfolgte rechtsgrundlos (so konsequent BGH ZIP 2004, 1041 (1043); OLG Frankfurt/M. BeckRS 2005 09602). Allerdings hat der BGH diese sehr scharfe Sanktion für formale Fehler in einigen Entscheidungen auch wieder aufgeweicht, indem er angenommen hat, dass das Fehlen des Namens und der Anschrift des Karteninhabers oder des Vermerks „signature on file“ nicht hindert, dass das abstrakte Schuldversprechen entsteht (BGH BB 2005, 2320 (2322); anders BGHZ 157, 256 (266); BGH ZIP 2004, 988 (990)). Dagegen entsteht kein Zahlungsanspruch, wenn die zugrunde liegende Leistung des Vertragsunternehmens außerhalb des in der Selbstauskunft angegebenen Geschäftsbetriebs liegt (BGH BB 2005, 2320 (2322 f.)). 115
Der zweite, dogmatisch weniger angreifbarere Ansatz, sind Ansprüche des Akquisiteurs wegen Pflichtverletzung des Vertragsunternehmens. Eine Pflichtverletzung liegt etwa vor, wenn das Vertragsunternehmen trotz erheblicher Verdachtsmomente die Kreditkarte ohne weitere Prüfung akzeptiert (vgl. BGHZ 157, 256 (267 f.) (Zahlung für zwei Bestellungen mit 15 amerikanischen Kreditkarten durch rumänischen Besteller); BGH BB 2005, 2320 (2323)). In gleicher Weise legt der BGH dem Akquisiteur Prüfungspflichten auf, bei deren Verletzung Schadensersatzansprüche des Vertragsunternehmens entstehen, insbesondere die Pflicht, die Übereinstimmung von Besteller und Karteninhaber zu prüfen (BGHZ 157, 256 (266 f.); BGH ZIP 2004, 988 (990); ZIP 2004, 1041 (1043 f.); BB 2005, 2320 (2323)). Durch dieses System beiderseitiger Prüfpflichten gelangt der BGH in den neueren Entscheidungen regelmäßig zu einer Schadensteilung zwischen Akquisiteur und Vertragsunternehmen (vgl. BGHZ 157, 256 (267 ff.); BGH BB 2005, 2320 (2323); ZIP 2004, 988 (990)).
116
Das Missbrauchsrisiko kann durch den Einsatz von Verfahren mit höherem Sicherheitsstandard wie dem früheren SET-Verfahren (oben Rn. 33 ff.) oder Nachfolgern entscheidend verringert werden.
117
Bisher ist noch weitgehend offen, ob und in welcher Weise die Verwendung dieser Verfahren oder die Möglichkeit, diese zu verwenden, die Risikoverteilung im Verhältnis zwischen den Beteiligten beeinflusst. Die Literatur geht davon aus, dass sich bei Verwendung des SET-Verfahrens im Verhältnis zwischen Akquisiteur und Karteninhaber entsprechend
Borges
§ 9 Electronic Banking
307
den Grundsätzen zur ec-Karte ein Anscheinsbeweis dahin ergibt, dass der Kreditkarteninhaber die Zahlungsdaten selbst versandt hat oder durch Weitergabe oder unsorgfältige Geheimhaltung des Passwortes die Erzeugung der digitalen Signatur ermöglicht hat (zu SET: Pichler, NJW 1998, 3234 (3238); BuB-Werner, Rn. 19/195). Für das Verhältnis zwischen Akquisiteur und Vertragsunternehmen hat der österreichische OGH vertreten, dass das Missbrauchsrisiko im Mail-Order-Verfahren auf das Vertragsunternehmen verlagert werden könne, wenn der Akquisiteur als Alternative das SET-Verfahren anbietet (OGH ZIP 2005, 1729 (1733)).
118
II. Lastschriftverfahren im Internet. Für Zahlungen per Internet ist das Lastschriftverfahren grundsätzlich bestens geeignet. Es bestehen allerdings rechtliche und tatsächliche Hindernisse. Nach dem Lastschriftabkommen (Abkommen über das Lastschriftverfahren, i. d. F. v. 1.2.2002, abgedr. bei BuB-Krepold, Rn. 6/311 ff.; zur Rechtsnatur Mitterhuber/Mühl, WM 2007, 963 (964 ff.)) ist die Einzugsermächtigung „schriftlich“ zu erteilen (Abschn. I Nr. 1a Lastschriftabk.). Nicht-schriftliche Einzugsermächtigungen sieht das Abkommen nur unter erheblichen Einschränkungen vor (insb. nur für Einmalzahlungen bis zum Gegenwert von maximal 50 Euro; Anl. 3 zum Lastschriftabk., Nr. 1; siehe im einzelnen BuB-Krepold, Rn. 6/314). In welcher Weise die formalen Anforderungen durch elektronisch übermittelte Erklärungen erfüllt werden können, ist umstritten. Nach ganz h.M. verweist das LSA mit dem Begriff der „Schriftlichkeit“ auf die Anforderungen des § 126 BGB (Bach, K&R 2005, 308 (311); Escher, WM 1997, 1173 (1174 f.); Neumann, in: Neumann/Bock, Rn. 398; Richter, in: Assies/Beule/Heise/Strube, Kap. 3 Rn. 240; Werner, in: Langenbucher/Gößmann/Werner, § 2 Rn. 92 ff.; ders., BKR 2002, 11 (12)). Daraus wird verbreitet abgeleitet, dass die Schriftform des Abkommens lediglich durch die elektronische Form des § 126a BGB ersetzt werden könne (Bach, K&R 2005, 308 (311); Werner, BKR 2002, 11 (13 f.). Für die Praxis ist diese Möglichkeit jedenfalls bisher keine Hilfe, da § 126a BGB eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem SigG (dazu oben Rn. 23 ff.) voraussetzt. Signaturverfahren, die solche Signaturen erzeugen können, sind bisher aber kaum verbreitet. Nach der Gegenmeinung, der die Praxis gefolgt ist, kann die Schriftform des Abkommens generell durch Telefax oder E-Mail erfüllt werden (BuB-Krepold, Rn. 6/347b; Mitterhuber/Mühl, WM 2007, 963 (965 ff.); Werner, in: Hoeren/Sieber, Rn. 13.5/35). Das Argument, die gewillkürte Schriftform könne nach Intention des Gesetzgebers im Zweifel auch durch Telefax und E-Mail erfüllt werden (so BuB-Krepold, Rn. 6/347b mit Verweis auf BegrRegE zu Art. 1 Nr. 4 FormanpG (§ 127 BGB), BR-Drucks. 535/00, S. 39), überzeugt nicht, da das Lastschriftabkommen nach traditionellem Verständnis eindeutig auf die Anforderungen des § 126 BGB verweist (s.o.). Man muss dann konsequent sein und die Schriftlichkeit des Lastschriftabkommens als Verweis auf die Textform, verstehen (so Mitterhuber/Mühl, WM 2007, 963 (965 ff.)). Die Lösung dieses Problems sollte daher durch eine ausdrückliche Änderung des Lastschriftabkommens erfolgen.
119
Für den Leistungserbringer hat das Lastschriftverfahren den weiteren Nachteil, dass der Kontoinhaber die Belastung seines Kontos mit der Lastschrift uneingeschränkt widerrufen kann (BGHZ 144, 349 (353 f.); 162, 294 (303); 167, 171 (174); van Gelder, WM 2000, 101 (103 ff.); BuB-Krepold, Rn. 6/328), nach der Rechtsprechung des BGH auch in Form eines generellen Widerrufs aller Lastschriften durch den Insolvenzverwalter (BGHZ 161, 49; BGHZ 174, 84 (87); siehe auch OLG Koblenz, Urt. v. 7.3.2008 – 10 U 541/07; siehe dazu Michel/Bauch, BKR 2008, 89 ff.). Im Fall des Widerrufs kann die Zahlstelle (die Bank des Nutzers) die Lastschrift zurückgeben und Wiedervergütung verlangen (Abschn II Nr. 1 Lastschriftabk.). Die Inkassostelle (die Bank des Leistungserbringers) kann dann regelmäßig aufgrund entsprechender Vereinbarung den Lastschriftgläubiger belas-
120
Borges
308
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
ten. Außerdem hat die Zahlstelle einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger aus Nichtleistungskondiktion, § 812 I 1 2. Alt. BGB (h.M.; BGHZ 167, 171 (174 f.) mwN). Der Leistungserbringer trägt damit das Risiko des Widerrufs, der ohne Angabe von Gründen möglich ist, und kann dann nur versuchen, seinen Zahlungsanspruch gegen den Nutzer durchzusetzen. 121
Im Rahmen der Verwirklichung des einheitlichen Zahlungsverkehrsraums (SEPA) plant die Kreditwirtschaft eine Vereinheitlichung des Lastschriftverfahrens. Dabei ist vorgesehen, dass Lastschriften sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form erteilt werden können (S. 4.1 SEPA Direct Debit Scheme Rulebook, Version 2.3 vom 19.6.2007, abrufbar unter: www.europeanpaymentscouncil.eu. Dazu Lammer/Pammer, in: Lammer, S. 147; Mitterhuber/Mühl, WM 2007, 963 (968)).
122
III. Elektronisches Geld. Für die Zahlung im Internet sind eine Reihe neuer Verfahren entwickelt worden. Die praktische Bedeutung der meisten Verfahren ist bisher allerdings gering. Dies gilt vor allem für das sog. elektronische Geld. Elektronisches Geld im engeren Sinne meint Verfahren, bei denen elektronische Werteinheiten geschaffen werden, die einen Geldwert repräsentieren (vgl. Neumann, in: Neumann/Bock, Rn. 310; Werner, MMR 1998, 232). Im weiteren Sinne gehören auch sonstige Zahlungssysteme hierzu, die auf Konten basieren. Die E-Geld-Richtlinie (oben Rn. 9) definiert E-Geld als Zahlungsmittel, das als Geldgegenwert elektronisch auf einem Datenträger gespeichert wird und auch von anderen als der ausgebenden Stelle akzeptiert wird. Dies entspricht dem engen Begriff. Speziell für das Internet konzipiertes elektronisches Geld wird auch als „Netzgeld“ bezeichnet.
123
In der Vergangenheit wurden verschiedene Systeme, etwa das Cybercoin-Verfahren (dazu Spallino, WM 2001, 231) und das eCash-System, das in Deutschland von der Deutschen Bank betrieben wurde, angeboten (dazu Dannenberg/Ulrich, S. 139 f.; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Neumann, § 55a Rn. 15 ff.). Beide Verfahren wurden inzwischen eingestellt.
124
Die in Deutschland weit verbreitete Geldkarte, das als vorausbezahltes, wertspeicherndes System Ähnlichkeit mit Bargeld aufweist (Koch/Vogel, in: Langenbucher/Gößmann/ Werner, § 5 Rn. 63 ff.), kann auch für Zahlungen im Internet eingesetzt werden (Dannenberg/Ulrich, S. 148; Schleicher, S. 284; Werner, S. 90; s. auch www.geldkarte.de u. nachf. Seiten). Allerdings benötigt der Nutzer hierfür ein Kartenlesegerät. Im übrigen erfolgt der Zahlungsvorgang (dazu Escher-Weingart, in: Gounalakis, § 39 Rn. 81 ff.; Neumann, in: Neumann/Bock, Rn. 367 f.; Schleicher, S. 284 f.) ganz ähnlich wie bei der sonstigen Nutzung der Geldkarte, d.h. der Zahlende authentisiert sich durch die Chipkarte und löst über Tastatur den Zahlungsvorgang aus, der Empfänger erhält die Zahlung über seine Bank.
125
IV. Weitere Internet-Zahlungssysteme. Eine konzeptionelle Alternative zu Systemen, die ein bargeldähnliches Produkt schaffen sollen, sind Inkassosysteme. In Deutschland ist etwa das System „ClickandBuy“ (siehe dazu www.clickandbuy.com u. nachf. Seiten) auf dem Markt. In Online-Shops, die mit der ClickandBuy (Europe) Limited kooperieren, kann der Nutzer, nach einer einmaligen Registrierung bei ClickandBuy, durch Anklicken eines Links einen Zahlungsvorgang einleiten, bei dem er sich durch Passwort identifizieren und die Zahlung bestätigen muss (Barthold/Seidel, in: Lammer, S. 209 ff.; Dannenberg/Ulrich, S. 185 ff.). Der jeweilige Betrag wird von ClickandBuy durch Lastschrift oder über Kreditkarte beim Kunden eingezogen und (nach Abzug der Provision) dem Leistungserbringer gutgeschrieben.
126
Das weltweit führende System zur Vermittlung von Zahlungen per Internet ist das System „PayPal“, in Europa betrieben von der PayPal (Europe) Limited mit Sitz in Großbritan-
Borges
§ 9 Electronic Banking
309
nien, das Zahlungsvorgänge zwischen Nutzern (person-to-person, p2p) vermittelt und dabei auch die Einbeziehung von Kreditkartenzahlungen und Lastschriften ermöglicht (Dannenberg/Ulrich, S. 167 ff.; Feller, in: Lammer, S. 241 f.). In den USA bietet PayPal auch ein Bezahlsystem über Mobiltelefon an (s. www.paypal.com u. nachf. Seiten). Bis Juli 2007 war PayPal (Europe) Ltd. von der englischen Financial Services Authority (FSA) als E-Geld-Institut zugelassen und bedurfte daher gemäß § 53b I 2 KWG keiner Zulassung durch die deutsche BaFin. Es ist allerdings umstritten, ob der PayPal-Dienst als E-Geld i.S. der E-Geld-Richtlinie (oben Rn. 9) anzusehen ist (dafür: Meder/Grabe, BKR 2005, 467 (471); dagegen Freitag, in: Leible/Sosnitza, Versteigerungen im Internet, 2004, Rn. 441; Hoenike/Szodruch, MMR 2006, 519 (524); offenbar auch die EU-Kommission, vgl. KOM (2003) 718 S. 26). Diese Frage hat sich mittlerweile erledigt, da PayPal seit dem 2.7.2007 unter Regulierung der luxemburgischen Finanzdienstleistungsaufsicht (CSSF) als Bank geführt wird (www.cssf.lu, Ordner: Supervised entities). Die Zahlungen im PayPal-System, das im Verhältnis zu den Nutzern durch die umfangreichen AGB von PayPal festgelegt wird (s. zur AGB-Kontrolle Meder/Grabe, BKR 2005, 467 (472 f.)), erfolgen über spezielle PayPal-Konten der Nutzer. Voraussetzung einer Zahlung über Paypal ist daher im Grundsatz (der Empfänger kann auch nach Auslösung der Zahlung ein Konto einrichten, um die Gutschrift zu erhalten), dass sowohl Zahlender als auch Zahlungsempfänger über ein PayPal-Konto verfügen, das in verschiedenen Versionen (Basis-, Premium-, Business-Konto) angeboten wird, die jeweils verschiedene Zahlungsformen ermöglichen (s. dazu Meder/Grabe, BKR 2005, 467 (468 f.)). Die Zahlung erfolgt regelmäßig auf der Grundlage eines Guthabens auf dem PayPalKonto, das durch Überweisung vom Bankkonto des Zahlenden aufgefüllt wird (s. dazu Meder/Grabe, BKR 2005, 467 (469)). Fehlt es an einem hinreichenden Guthaben, kann Deckung auch über Kreditkarte oder Lastschrift besorgt werden (dazu Meder/Grabe, BKR 2005, 468 (469)). Der eigentliche Zahlungsvorgang wird vom Zahlenden durch Eingabe der E-Mail-Adresse des Empfängers und des Betrags in ein online-„Überweisungsformular“ und die Bestätigung der Daten ausgelöst. Beim Online-Shopping wird dieser Vorgang meist durch einen PayPal-Link auf der Internetseite des Händlers vereinfacht (www.paypal.de; s. dazu Meder/Grabe, BKR 2005, 467 (469)). Jeder Nutzer kann Guthaben auf seinen PayPal-Konten auf Bankkonten überweisen.
127
Das PayPal-System enthält erhebliche Missbrauchsrisiken, insbesondere durch Phishing (dazu unten Rn. 132 ff.) da zur Authentisierung bisher lediglich ein Passwort verwendet wurde (Meder/Grabe, BKR 2005, 467 (474)). Das Risiko von Missbräuchen trägt nach den Paypal-Bedingungen PayPal, der Nutzer haftet nur bei Vorsatz (Ziff. 12.1. PayPalAGB; s. auch Meder/Grabe, BKR 2005, 467 (474)).
128
Das Paybox-System der paybox.net AG (siehe dazu www.paybox.de u. nachf. Seiten) soll vor allem Zahlungen im sog. M-Commerce ermöglichen (dazu Neumann, BKR 2002, 157; Punzet, in: Lammer, S. 221 ff.). Es handelt sich um ein Inkassoverfahren, das über das Mobilfunknetz erfolgt. Der Nutzer muss zunächst mit Paybox einen Rahmenvertrag über die Nutzung schließen. Die Zahlung erfolgt in der Weise, dass der Nutzer eine Mobilfunknummer an den Zahlungsempfänger übermittelt, der sie an Paybox weiterleitet. Paybox benachrichtigt dann den Nutzer via Anruf oder SMS, der die Transaktion durch Eingabe einer PIN freigibt. Der Betrag wird beim Nutzer durch Lastschrift eingezogen bzw. über die Telefonrechnung abgerechnet und an den Zahlungsempfänger weitergeleitet (siehe dazu auch www.paybox.at u. nachf. Seiten). Die Besonderheit dieses Verfahrens liegt darin, dass es nicht auf das WWW oder das Internet beschränkt ist, sondern theoretisch über alle Kommunikationsmedien genutzt werden kann, solange der Nutzer über Mobiltelefon erreichbar ist. Das System hat sich in Deutschland bislang nicht durchge-
129
Borges
310
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
setzt. Im Januar 2003 wurde der paybox-Dienst in Deutschland unterbrochen und steht derzeit nicht zur Verfügung. 130
Verwandte Bezahlsysteme über Mobiltelefone sind m-pay und Street Cash (umfassend zu Zahlungen über Mobiltelefone Bach, K&R 2005, 308; Dannenberg/Ulrich, S. 205 ff.; Lammer/Stroborn, in: Lammer, S. 73 ff.).
131
Die praktisch relevanten Rechtsfragen der spezifischen Internet-Zahlungssysteme lassen sich, solange die Systeme eines elektronischen Geldes im engeren Sinne nicht praktiziert werden, auf bekannte Rechtsfiguren zurückführen. Dies gilt namentlich für die InkassoSysteme. Die hier auftretenden Rechtsfragen sind im Wesentlichen dieselben wie sonst bei Kreditkartenzahlung über Internet (oben Rn. 113 ff.) oder beim Lastschriftverfahren (siehe dazu Schleicher, S. 282 ff.).
132
V. Phishing und ähnliche Angriffe. Phishing und ähnliche Formen der Internetkriminalität stellen derzeit ein ernstzunehmendes Risiko im elektronischen Geschäftsverkehr dar. Seit den ersten Angriffswellen ist das Onlinebanking das bevorzugte Ziel der Angriffe. Die Verteilung der Risiken aus Phishing und die erforderlichen Maßnahmen gegen internetgestützte Angriffe sind derzeit Gegenstand der Diskussion.
133
1. Tatsächliche Hintergründe. a) Praktische Bedeutung des Phishing. Mit dem Begriff des Phishing im weiteren Sinne werden per Internet geführte Angriffe bezeichnet, mit deren Hilfe die Täter Authentisierungsdaten wie Passwörter, PIN und sonstige Informationen (z.B. Kontodaten) von Internetnutzern in Erfahrung bringen oder missbrauchen (siehe zum Phishing allgemein Borges, NJW 2005, 3313; Gajek/Schwenk/Wegener, DuD 29 (2005) 639; Karper, DuD 30 (2006) 215; siehe zur Strafbarkeit des Phishing Stuckenberg, ZStW 118 (2006) 878). Phishing trat erstmals 2004, zunächst in den USA, in großem Stile auf (Borges, NJW 2005, 3313). Inzwischen ist Phishing ein in zahlreichen Staaten der Welt verbreitetes Phänomen (Aktuelle Berichte zum Phishing liefern für die USA die Website www.apwg.org, für Deutschland die Website der Arbeitsgruppe Identitätsschutz im Internet (a-i3) www.a-i3.org. Siehe auch die Informationen auf den websites www. polizei-beratung.de und www.bsi-fuer-buerger.de). Am stärksten betroffen ist bisher das Onlinebanking, danach, mit großem Abstand, das Auktionshaus eBay (Borges, Internetportale, S. 23). Bei Angriffen gegen das Onlinebanking missbrauchen die Täter die Legitimationsdaten wie Passwörter, PIN, TAN etc. dazu, namens des Kontoinhabers Überweisungen zu tätigen oder dessen Überweisungen zu fälschen. Die Überweisungen gehen meist auf einem inländischen Konto eines Geldkuriers ein. Dieser, meist ein seinerseits getäuschtes Werkzeug, transferiert den empfangenen Betrag per Western Union an einen weiteren Mittelsmann im Ausland, der das Geld in bar abhebt und an die Täter weiterleitet (Borges, NJW 2005, 3313 f.; ders., ZIP 2006, 1983; Gajek/Schwenk/Wegener, DuD 29 (2005) 639; Werner, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 1.07). Das Ausmaß der durch Phishing verursachten Schäden ist bisher nicht im Einzelnen bekannt. Ein Bericht des englischen House of Lords nennt eine Schadenssumme von über 2 Mrd. US-Dollar für die USA, einen Betrag von 33,5 Mio. Pfund für englische Banken in 2006, Tendenz steigend (House of Lords, Science and Technology Committe, 5th Report of Session 2006-2007 „Personal Internet Security“, v. 10.8.2007, Rn. 2.25).
134
135
136
b) Angriffsszenarien. Mit dem Begriff des Phishing im weiteren Sinne werden verschiedene Formen von internetbasierten Angriffen auf Zugangsdaten zusammengefasst. Beim klassischen Phishing im Onlinebanking senden die Täter dem Bankkunden eine E-Mail, die wie eine E-Mail der Bank aussieht und ihn unter einem Vorwand, z.B. Überprüfung der Kontodaten, auffordert, sich über einen mitgesandten Link bei der Bank anzumelden.
Borges
§ 9 Electronic Banking
311
Der Link führt aber zu einer gefälschten – oft täuschend echt aussehenden – Website der Täter, die zur Eingabe der Authentisierungsdaten (Kontonummer oder Nutzername, PIN und TAN) auffordert (Borges, NJW 2005, 3313 f.; Erfurth, WM 2006, 2198 (2200); Gajek/Schwenk/Wegener, DuD 29 (2005) 639 (640 f.); Hansen, S. 11 ff.; Karper, DuD 30 (2006) 215; Recknagel, S. 51; siehe auch die umfangreiche Dokumentation von PhishingE-Mails und falschen Websites auf der Website der a-i3 unter www.a-i3.org, Ordner „Phishing-Archiv“). Klassisches Phishing erfolgte bisher meist ungezielt, wie beim Spam durch Verwendung einer großen Zahl von E-Mails durch bot-Netze an beliebige Adressaten. Bei der neueren Form des Spear-Phishing richtet sich die Mail ausschließlich an eine spezifische Personengruppe und ist inhaltlich auf diese Gruppe zugeschnitten (Biallaß/Borges/Dienstbach/Gajek/Meyer/Schwenk/Wegener/Werner, Innovationsmotor IT-Sicherheit, 495 (496 f.)). Beim sog. Pharming wird die Zuordnung von IP-Adressen zu Websites gefälscht, so dass der Kunde beim Aufruf der Website seiner Bank auf die falsche Website der Täter gelenkt wird (Biallaß/Borges/Dienstbach/Gajek/Meyer/Schwenk/Wegener/Werner, Innovationsmotor IT-Sicherheit, 495 (497 ff.); Borges, Internetportale, S. 23 f.; Erfurth, WM 2006, 2198 (2199 f.); Gajek/Schwenk/Wegener, DuD 29 (2005) 639 (641); Karper, DuD 30 (2006) 215 f.). In der Praxis erfolgt dies meist durch eine Manipulation der sog. hosts-Datei auf dem Rechner des Bankkunden. Diese Manipulation wird durch Trojaner verursacht, die der Täter per Internet auf den Rechner des Bankkunden schleust (Biallaß/Borges/Dienstbach/ Gajek/Meyer/Schwenk/Wegener/Werner, Innovationsmotor IT-Sicherheit, 495 (497 ff.); Erfurth, WM 2006, 2198 (2199 f.); Gajek/Schwenk/Wegener, DuD 29 (2005) 639 (641); Karper, DuD 30 (2006) 215 f.).
137
Die meisten Schäden werden derzeit durch Trojaner-Angriffe verursacht (Borges, Internetportale, S. 24; laut Bericht der APWG von Januar 2008 lag die Anzahl von PhishingTrojanern (Keyloggern) im Januar bei 364 und erreichte damit einen neuen Höchststand (der Bericht ist abrufbar unter www.antiphishing.org u. nachf. Seiten)), wobei ganz unterschiedliche Angriffsformen zu beobachten sind. Zum Erschleichen von PIN und TAN werden teilweise Keylogger verwendet, die die Eingabe von PIN und TAN über die Tastatur protokollieren, sodann den Abbruch der Internetverbindung zum Bankserver veranlassen und die Daten per Internet an den Täter senden (Borges, Internetportale, S. 24; Erfurth, WM 2006, 2198 (2199); Gajek/Schwenk/Wegener, DuD 29 (2005) 639 (641)). Andere Trojaner erzeugen nach Eingabe der TAN ein Fenster, das unter einem Vorwand (Verbrauch der TAN) zur Eingabe weiterer TAN auffordert.
138
Eine wesentlich andere Form des Angriffs erfolgt durch sog. SSL-Trojaner, die auf den Rechner des Kunden platziert werden und sich in eine bestehende SSL-Verbindung des Kunden zum Bankserver einklinken und die Überweisungsdaten manipulieren. Dabei wird auch die Rückantwort des Bankservers verfälscht, so dass dem Kunden bei der Bestätigung der Überweisung die von ihm eingegebenen Daten angezeigt werden (Biallaß/Borges/Dienstbach/Gajek/Meyer/Schwenk/Wegener/Werner, Innovationsmotor ITSicherheit, 495 (499 f.)).
139
Für den Geldtransfer ins Ausland wurden in Deutschland bisher überwiegend Geldkuriere verwendet, die per Internet im Namen eines ausländischen (häufig fiktiven) Unternehmens als sog. Finanzagenten angeworben und meist ihrerseits getäuscht werden. Der Finanzagent wird dann unter einem Vorwand angewiesen, Geld, das auf seinem privaten Bankkonto eingeht, per Western Union ins Ausland zu senden, wofür er eine stattliche Provision erhält. Dieses Geld, bei dem es sich angeblich um Zahlungen von Kunden des
140
Borges
312
141
142
143
144
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Unternehmens handelt, wurde in Wirklichkeit im Rahmen eines Phishing-Angriffs überwiesen (Borges, ZIP 2006, 1983; Erfurth, WM 2006, 2198; Gajek/Schwenk/Wegener, DuD 29 (2005) 639; vgl. aus der Praxis etwa LG Bad Kreuznach K&R 2008, 255 f.; LG Köln MMR 2008, 259 f.; LG Bonn MMR 2007, 462 f.; AG Hamm CR 2006, 70 f.; siehe auch die umfangreiche Dokumentation von Anwerbe-Mails und –Websites auf der Website der a-i3, www.a-i3.org, Ordner Service/Mail-Archiv). Es werden zunehmend auch andere Techniken verwendet. Häufig wird im Rahmen des Geschäfts, etwa eines Kaufs bei eBay, ein Betrag angeblich zuviel überwiesen, der Empfänger dann um „Rückzahlung“ ins Ausland gebeten. Auch hier stammt das Geld in Wirklichkeit aus einem Phishing-Angriff (vgl. Pressemitteilung des BKA vom 20.10.2006, abrufbar unter www.bka.de Ordner Presse; Heise-News vom 14.03.2006, abrufbar unter www.heise.de/ newsticker/meldung/70836). 2. Risikozuordnung und Haftung im Verhältnis der Bank zum Kunden. a) Risikozuweisung. Das Risiko des Phishing trägt im Grundsatz die Bank. Wenn durch einen Phishing-Angriff eine Überweisung durch Dritte veranlasst wurde, steht der Bank wegen des Überweisungsbetrags kein Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen ihren Kunden zu, da dieser keinen Überweisungsauftrag erteilt hat (AG Wiesloch, Urt. v. 20.6.2008 – 4 C 57/ 08; Borges, NJW 2005, 3313 (3314); Erfurth, WM 2006, 2198 (2200); Hansen, S. 39; Karper, DuD 30 (2006) 215 (216); Spindler, BSI-Studie, Rn. 497; BuB-Werner, 19/82; zur Überweisung mit gefälschtem Überweisungsträger: MünchKommBGB-Casper, § 676a Rn. 17; BuB-Hellner, 6/156; Palandt-Sprau, § 676a Rn. 11). Eine Rechtsscheinhaftung des Kunden kommt regelmäßig nicht in Betracht (Borges, NJW 2005, 3313 (3314); Brock, in: Bräutigam/Leupold, B VII Rn. 82; Erfurth, WM 2006, 2198 (2200); Kind/Werner, CR 2006, 353; Recknagel, S. 137 f.; BuB-Werner, 19/83). b) Pflichten des Kunden. Der Bank kann aber ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer vertraglichen Pflicht gegen ihren Kunden zustehen, den sie mit der Belastung des Kundenkontos geltend machen kann. Maßgeblich ist hier die Pflicht zur Geheimhaltung der Authentisierungsmedien, die in den besonderen Bedingungen zum OnlineBanking (oben Rn. 15 ff.) geregelt ist. Es kommen unterschiedliche Verletzungshandlungen in Betracht. Soweit der Kunde durch eine falsche E-Mail oder eine falsche Website getäuscht wird, kann die Pflichtverletzung im Ignorieren von Verdachtsmomenten liegen. Die Geheimhaltungspflicht des Bankkunden beschränkt sich nicht auf das sichere Verwahren einer etwaigen Notiz der PIN, sondern verlangt auch eine angemessene Reaktion auf Verdachtsmomente (LG Köln MMR 2008, 259 (261); Borges, NJW 2005, 3313 (3314); Karper, DuD 30 (2006) 215 (216 f.; BuB-Werner, 19/322 f.; siehe dazu auch AG Wiesloch, Urt. v. 20.6.2008 – 4 C 57/08). Wenn der Kunde diese sorgfaltswidrig ignoriert, liegt daher eine Pflichtverletzung vor. Unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, wird sich nur im Einzelfall klären lassen (Borges, MMR 2008, 262 (264); ders., NJW 2005, 3313 (3314); Knupfer, MMR 2004, 641 f.; a.A. Recknagel, S. 222 f. (stets Pflichtverletzung); ebenso, für das klassische Phishing, differenzierend Karper, DuD 30 (2006) 215 (217)). Man wird aber eine Pflichtverletzung etwa dann annehmen können, wenn der Bankkunde auf der Website neben PIN und Kontonummer bzw. Nutzername mehrere TAN eingibt, da die TAN nicht beim Log-In und zudem nicht mehrere TAN gleichzeitig abgefragt werden (so auch Ombudsmann BVR, 27.10.2006, D-29/06; abrufbar über www.a-i3.org, Ordner Recht/Urteile (Abfrage von 4 TAN auf der Homepage); vgl. auch Borges, NJW 2005, 3313 (3314 f.); Kind/Werner, CR 2006, 353 (355); Recknagel, S. 222 f.; Spindler, Onlinebanking, S. 22).
Borges
§ 9 Electronic Banking
313
Bei Trojaner-Angriffen kommt als Pflichtverletzung das Unterlassen eines aktuellen Virenschutzes in Betracht. Da eine entsprechende Pflicht meist nicht ausdrücklich in den AGB der Bank geregelt ist, könnte sie sich allenfalls aus der Geheimhaltungspflicht ergeben, was wegen der nach § 305c II BGB gebotenen kundenfreundlichen Auslegung wohl nicht der Fall ist, oder als allgemeine Verkehrssicherungspflicht bestehen, auf die sich dann auch die Bank berufen könnte. Das Bestehen einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht privater Internetnutzer mit dem Inhalt, aktuellen Virenschutz vorzuhalten, ist sehr umstritten. Die Rechtsprechung hat eine solche Pflicht bisher nur selten angenommen (dafür: LG Köln MMR 2008, 259 ff.; ebenso Pflicht zum Schutz vor Dialern): AG München NJW 2002, 2960; AG Wiesbaden CR 2003, 754; dagegen (Dialer): BGH NJW 2004, 1590; ebenso betreffend Späherviren (im konkreten Fall „Backdoor-Explorer 32Trojan“)). In der Literatur wird eine derartige Pflicht verbreitet angenommen (Blissenbach, jurisPR-BKR 1/2008 Anm. 6; Dienstbach/Mühlenbrock, K&R 2008, 151 (154); Ernst, CR 2006, 590 (593 f.); Mankowski, in: Ernst, Hacker, Cracker & Computerviren, Köln 2004, Rn. 516; Spindler, BSI-Studie Rn. 298; wohl auch: Kind/Werner, CR 2006, 353 (354); Redeker, IT-Recht, 4. Aufl. 2007, Rn. 963; ebenso, betreffend Schutz vor Dialern, Burg/Gimnich, DRiZ 2003, 381 (383); Schlegel, MDR 2004, 620 (621)), teilweise aber verneint (vgl. Koch, NJW 2004, 801 f., ebenso, betreffend Anti-Dialer-Software, Buchinger/Pfeiffer, JA 2004, 589 (591); Grabe, CR 2004, 262 (265 f.); Mankowski, MMR 2004, 312 f.; Rösler, NJW 2004, 2566 (2569); Spindler, JZ 2004, 1128 (1129); Tiedemann, BGHReport 2004, 830 f.). Da der Meinungsstand der Literatur einen starken Trend zur Bejahung einer Verkehrspflicht mit dem Inhalt, Virenschutz vorzuhalten, zeigt, ist damit zu rechnen, dass auch die Rechtsprechung künftig eine solche Pflicht bejahen wird. Soweit eine Pflichtverletzung wegen unzureichenden Virenschutzes vorliegt, kommt es für den Schadensersatzanspruch der Bank auf die Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden an. Diese wird nicht selten fehlen, da die verwendeten Trojaner erst mit Zeitverzögerung durch die Virenschutzprogramme entdeckt werden können mit der Folge, dass im konkreten Fall u.U. auch ein aktuelles Virenschutzprogramm den Angriff nicht verhindert hätte. Eine Pflichtverletzung des Kunden liegt unstreitig vor, wenn der Kunde einen PhishingAngriff feststellt und diesen nicht unverzüglich mitteilt. Dies dürfte aber keine praktische Bedeutung haben, da die Angriffe regelmäßig sehr schnell erfolgen. Die Zahlungsdiensterichtlinie (Rn. 8) verlangt, dass die Haftung des Kunden bei Missbräuchen bei Fahrlässigkeit auf 150 Euro beschränkt wird. Bei grober Fahrlässigkeit können die Mitgliedstaaten eine unbeschränkte Haftung vorsehen. Je nachdem, wie die Richtlinie in diesem Punkt umgesetzt wird, ergeben sich hier Haftungserleichterungen zugunsten der Kunden. c) Pflichten der Bank. Für die Haftung im Zusammenhang mit Phishing-Angriffen sind die Pflichten der Bank von Bedeutung, die etwa unter dem Gesichtspunkt der Schadensteilung nach § 254 BGB oder wegen selbständiger Ansprüche Dritter relevant werden können. Die Bank hat aus dem Giroverhältnis eine Pflicht zur Information und Aufklärung ihrer Kunden in Bezug auf das Risiko des Phishing.
145
Derzeit wird diskutiert, welche Anforderungen an die Systemsicherheit zu stellen sind, namentlich, ob das klassische PIN/TAN-Verfahren noch ausreichenden Schutz gegen Missbräuche bietet. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht entspricht das PIN/ TAN-Verfahren schon derzeit nicht mehr dem Stand der Technik mit der Folge, dass die Banken schon nach § 25a KWG verpflichtet sind, höherwertige Verfahren einzuführen (Spindler, BSI-Studie, Rn. 518).
150
Borges
146
147
148
149
314
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
151
3. Die Haftung des Geldkuriers. Für die Abwicklung der Schäden aus Phishing hat die Haftung des Geldkuriers große Bedeutung. Diesem wird durch den gefälschten Überweisungsauftrag vom Konto des Bankkunden ein Betrag auf sein Bankkonto überwiesen, den er durch Bartransfer ins Ausland weiterleitet (dazu oben Rn. 140). Es kommen daher die Grundsätze der Rückabwicklung einer Überweisung zur Anwendung. Da die Überweisung dem Bankkunden regelmäßig nicht zuzurechnen ist (oben Rn. 141) handelt es sich nicht um eine Leistung des Bankkunden.
152
In diesen Fällen kommt ein Bereicherungsanspruch der erstbeauftragten Bank gegen den Geldkurier in Betracht (speziell zu Phishing: OLG Karlsruhe WM 2008, 632 (633); Borges, ZIP 2006, 1983 (1984); Werner, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 1.07; allg. BGHZ 66, 372 (374 f.); 87, 393 (398); BGH ZIP 1990, 1126). Ob der Geldkurier von der Echtheit der Überweisung ausging, ist unerheblich (BGHZ 147, 145 (151); 158, 1 (3); BGH ZIP 2005, 1448; 2006, 1041). Bei dieser sog. Durchgriffskondiktion (Direktkondiktion) der erstbeauftragten Bank handelt es sich um einen Anspruch aus § 812 I 1 2. Alt. BGB (BGH ZIP 1994, 1098; ZIP 2006, 1041; OLG Karlsruhe WM 2008, 632 (633); Werner, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 1.07). Die Empfängerbank hingegen hat jedenfalls beim mehrgliedrigen Überweisungsverkehr, in den mehrere Instituten eingeschaltet sind, keinen Bereicherungsanspruch gegen den Geldkurier (Werner, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 1.07).
153
Für die Ansprüche gegen den Geldkurier kommt es entscheidend darauf an, ob der betroffene Kunde und der Geldkurier, wie häufig, ihr Konto bei derselben Bank haben und somit eine Hausüberweisung vorliegt, oder ob das Empfängerkonto bei einem anderen Institut geführt wird (mehrgliedriger Überweisungsverkehr). Im Fall einer Hausüberweisung hat die Bank wegen ihrer Funktion als Überweiserbank ebenfalls einen Direktanspruch gegen den Geldkurier (OLG Karlsruhe WM 2008, 632 (633); OLG Hamburg ZIP 2006, 1981 (1982); Borges, ZIP 2006, 1983 (1985) mwN; Werner, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 1.07).
154
Für die Praxis ist wichtig, ob die Bank den Bereicherungsanspruch gegen den Geldkurier durch Stornierung der Gutschrift nach Nr. 8 AGB-Banken durchsetzen kann, da Nr. 8 AGB-Banken den Einwand der Bereicherung nach § 818 III BGB ausschließt (dazu Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 13 Rn. 1; MünchKommBGB-Casper, § 676f. Rn 12; Kümpel, Rn. 4.401). Die Stornierungsmöglichkeit kommt freilich nur der Empfängerbank zu. Bei der Hausüberweisung hat die Empfängerbank aufgrund ihrer Funktion als Überweiserbank einen Bereicherungsanspruch gegen den Geldkurier (oben Rn. 152). Nach überwiegender Auffassung kann die Empfängerbank in dieser Konstellation die dem Geldkurier erteilte Gutschrift nach Nr. 8 AGB-Banken stornieren (OLG Karlsruhe WM 2008, 632 (633); OLG Hamburg ZIP 2006, 1981 (1982); Werner, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 1.07; s. dazu auch Borges, ZIP 2006, 1983 (1985)). Diese Deutung setzt freilich voraus, dass das Stornorecht auch Gutschriften infolge einer gefälschten Überweisung erfasst, wie heute allgemein angenommen wird (Blaurock, NJW 1984, 1 (6); Bunte, AGB-Banken, Nr. 8 Rn. 188; Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. 1988, Rn. 449; Hopt, Nr. 8 AGB-Banken Rz. 2; Heymann-Horn, Anh. § 372 Rn. II/59; Werner, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 1.07; siehe dazu auch oben Casper § 3 Rn. 46).
155
Beim mehrgliedrigen Überweisungsverkehr hat die Empfängerbank keinen eigenen Anspruch auf Rückzahlung des Überweisungsbetrags gegen den Geldkurier und folglich auch nicht die Möglichkeit, die Gutschrift nach Nr. 8 AGB-Banken zu stornieren (Richter, in: Assies/Benk/Heise/Strube, Kap. 3 Rn. 370; Werner, WuB I D 1 Überweisungsverkehr 1.07). In diesem Fall kann die Überweiserbank aus § 812 BGB gegen den Geldkurier vor-
Borges
§ 9 Electronic Banking
315
gehen. Wenn der Geldkurier das Geld weitergeleitet hat, steht diesem aber die Einrede der Entreicherung, § 818 III BGB zu, die nur unter den Voraussetzungen des § 819 BGB entfällt. 4. Beweisfragen. Bei bestrittenen Überweisungen ist in der Praxis oft unklar, ob die Überweisung vom Kunden veranlasst wurde oder auf dem Einriff eines Dritten beruht. Im Streitfall muss die Bank darlegen und ggf. beweisen, dass sie einen Anspruch gegen ihren Kunden hat, sei es als Aufwendungsersatz wegen der vom Kunden veranlassten Überweisung, sei es als Schadensersatz wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht. Der volle Beweis wird oft nicht möglich sein, so dass es von Bedeutung ist, ob der Bank aufgrund der Verwendung der Authentisierungsmedien, etwa PIN und TAN, der Anscheinsbeweis einer Verfügung oder einer Pflichtverletzung des Kunden gelingt.
156
Traditionell wurde in der Literatur in Übertragung der zu Verfügungen an Geldautomaten mittels ec-Karte und PIN entwickelten Grundsätze (dazu unten Metz, § 48 Rn. 3 ff.; siehe auch BGHZ 160, 308; Spindler, BB 2004, 2766; Timme, MDR 2005, 304; BuB-Werner, 6/1509 f.) angenommen, dass bei Verwendung von PIN und TAN im Online-Banking ein Anschein dafür besteht, dass der Kunde die betreffende Transaktion selbst vorgenommen oder durch unsorgfältige Geheimhaltung zum Missbrauch beigetragen hat (Bock, in: Neumann/Bock, Rn. 183; ders., in: Bräutigam/Leupold, Kap. B VII Rn. 83; Escher-Weingart, in: Gounalakis, § 39 Rn. 50; Janisch/Schartner, DuD 26 (2002) 162 (168); Kümpel, Rn. 4.752; Mankowski, CR 2003, 44 (47); Recknagel, S. 146; Rottenburg, WM 1997, 2381 (2391); Weber, Recht des Zahlungsverkehrs, 2004, S. 304; BuB-Werner, 19/84; Werner, MMR 1998, 232 (235); ähnlich Wiesgickl, WM 2000, 1039 (1047 ff.) (kein Anschein für Überweisungsauftrag, aber für Sorgfaltspflichtverletzung)). In jüngerer Zeit wird ein solcher Anschein wegen des Phishing für das klassische PIN/TAN-Verfahren zunehmend bestritten (Kind/Werner, CR 2006, 353 (359); Spindler, Online-Banking, Rn. 95; wohl auch LG Köln MMR 2008, 259 (261) für Sorgfaltspflichtverletzung); AG Wiesloch, Urt. v. 20.6.2008 – 4 C 57/08). Nach anderer Auffassung hingegen ist der o.g. Anscheinsbeweis (derzeit noch) auch für das traditionelle PIN/TAN-Verfahren zu bejahen (Karper, DuD 30 (2006) 215 (218); BuB/Werner, Rz. 19/69c). Die Begründung der Kritik, dass Phishing nicht ausgeschlossen werden könne, trifft auch für das iTAN-Verfahren zu, so dass sich die Kritik wohl auch gegen das iTAN-Verfahren richtet. Jedenfalls für verbesserte Verfahren, die etwa auf transaktionsbasierte TAN setzen oder, wie mTAN, einen zusätzlichen Kommunikationsweg nutzen, besteht aufgrund der Verwendung der Legitimationsmedien aber ein Anschein dahin, dass der Kunde die Transaktion selbst vorgenommen oder die Legitimationsdaten weitergegeben hat. Sofern ein eigenes Handeln des Kunden ausscheidet, besteht aus heutiger Sicht bei diesen ein Anschein dahin, dass der Kunde zum Missbrauch durch unsorgfältiges Verhalten beigetragen hat.
157
Soweit ein Anscheinsbeweis im Grundsatz angenommen wird, kommt es darauf an, unter welchen Voraussetzungen der Anschein erschüttert ist. Der Anschein einer eigenen Verfügung wird häufig erschüttert werden können, da die Möglichkeit eines Eingriffs Dritter angesichts der aktuellen Angriffe häufig bestehen wird. Für den Anschein hinsichtlich der Verletzung der Geheimhaltungspflicht ist maßgeblich, welche materiellrechtlichen Anforderungen hier zu stellen sind (dazu oben Rn. 142 ff.).
158
Soweit die Pflichtverletzung im Fehlen eines aktuellen Virenschutzes besteht, kann ein Anschein hinsichtlich der Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden nicht ohne weiteres angenommen werden, da ein Trojaner auch durch aktuelle Virenschutzprogramme nicht in jedem Fall erkannt wird. Sofern diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, ist folglich in dieser Fallgruppe der Anschein eines Sachverhalts, der zu
159
Borges
316
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
einem Schadensersatzanspruch der Bank führt, schon dann erschüttert, wenn die konkrete Möglichkeit eines Trojaner-Angriffs besteht (so auch AG Wiesloch, Urt. v. 20.6.2008 – 4 C 57/08). 160
Umstritten und völlig offen ist, welche Anforderungen an die Darlegung der konkreten Möglichkeit eines Trojaner-Angriffes zu stellen sind. Die Auffassung des Ombudsmannes des BVR, der Kunde müsse konkret nachweisen, welcher Trojaner sich auf seinem Rechner befunden habe (Ombudsmann BVR, 27.10.2006, K-73/06) ist abzulehnen, da der Kunde keine zumutbare Möglichkeit hat, diesen Nachweis zu führen. Die konkrete Möglichkeit eines Trojanerbefalls muss daher wohl zur Erschütterung ausreichen, wenn nicht aufgrund der Informationen über den Trojaner ausgeschlossen werden kann, dass der Trojaner zu Phishing-Angriffen in der Lage ist.
161
E. Internationale Aspekte Das Internet eignet sich besser als jedes andere Medium für grenzüberschreitende Geschäfte. Der Vertrieb von Bank- und Wertpapierdienstleistungen an den Kunden per Internet erfolgt bisher allerdings nur in geringem Umfang grenzüberschreitend. Nachfolgend wird auf kollisionsrechtliche Besonderheiten beim Electronic Banking hingewiesen.
162
I. Gerichtliche Zuständigkeit. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte richtet sich bei Bezug zur EU nach der europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO) v. 22.12.2000 (ABl. EG 2001 Nr. L 12/1, in Kraft seit 1.3.2002), im Übrigen ggf. nach völkerrechtlichen Verträgen (z.B. Lugano-Übereinkommen), sonst nach den Regeln der ZPO zur örtlichen Zuständigkeit (Doppelfunktionalität).
163
Im Verhältnis zu Verbrauchern sind die besonderen Regeln der EuGVVO für Verbrauchersachen zu beachten (zum Verbraucherbegriff im EuGVÜ: EuGH, Urt. v. 20.1.2005, Rs C - 464/01, Gruber, NJW 2005, 653 (654); zustimmend BGHZ 167, 83 (87 f.)). Diese sind u. a. auf Kreditgeschäfte zur Finanzierung eines Kaufs beweglicher Sachen (Art. 15 (1) b EuGVVO) oder dann anwendbar, wenn der Anbieter eine unternehmerische Tätigkeit (unter anderem) auf das Gebiet des Mitgliedstaats ausrichtet, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Art. 15 (1) c EuGVVO). Die Bedeutung des „Ausrichtens“ ist für den Vertragsabschluss über Websites in der Literatur sehr umstritten. Teils wird vertreten, eine Ausrichtung auf das Gebiet eines Mitgliedstaates liege vor, wenn die Website inhaltlich auf den Markt dieses Staates zugeschnitten (siehe zu diesem Kriterium Borges, S. 717 ff.) sei (in diese Richtung Rüßmann, K&R 1998, 129 (134) (betr. Art. 13 EuGVÜ); wohl auch: Kropholler, Art. 15 EuGVVO Rn. 24). Teilweise wird, im Anschluss an die Erklärung von Rat und Kommission, zwischen aktiven und passiven Websites unterschieden und bei „aktiven“ Websites eine Ausrichtung angenommen (KOM (1999) 348 endg, S. 17 f.; Geimer, in: Zöller, Anh I Art. 17 EG-VO Rn. 21; Schlosser, Art. 15 EuGVVO Rn. 8a). Ebenso soll eine Ausrichtung vorliegen, wenn die Website den Vertragsabschluss im Fernabsatz anbietet (so etwa die Kommission in der Begründung des Vorschlage für die Rom I-VO zur Parallelnorm Art. 5, KOM (2005) 650 endg, S. 7; Kropholler, Art. 15 Rn. 24; Wernicke/Hoppe, MMR 2002, 643 (646)). Nach dieser Auffassung liegt aber beim Vertragsabschluss über eine Website stets eine Ausrichtung auf den Verbraucherstaat vor. Diese Auffassung dürfte mit der herrschenden Auffassung, insb. auch des EuGH nicht übereinstimmen, der zur Vorgängerbestimmung des Art. 13 EuGVÜ eine enge Auslegung der Tatbestände des Art. 15 EuGVVO gefordert hat (EuGH, Urt. v. 20.1.2005, Rs 464/01 – Gruber, Slg. 2005 I 439 = NJW 2005, 653 (654); ebenso, zu Art. 13 EuGVÜ, BGHZ 165, 172 (176); für enge Auslegung des Art. 15 EuGVVO auch v. Hein, IPRax 2006, 16 (19); Kropholler, Art. 15 Rn. 3; Rauscher, Art. 15 Rn. 14).
Borges
§ 9 Electronic Banking
317
Das OLG Dresden hat eine Ausrichtung auf Deutschland in einem Fall angenommen, in dem die Website eines im englischsprachigen Raum ansässigen Anbieters in deutscher Sprache für Finanzdienstleistungen warb und deutsche Verbraucher als Adressaten nicht ausdrücklich ausgenommen waren (OLG Dresden IPRax 2006, 44). Dieses Ergebnis lässt sich mit allen oben genannten Ansichten der Literatur begründen, da in einem solchen Fall die Website (auch) auf den deutschen Markt zugeschnitten ist (siehe ähnliche Konstellation bei LG München K&R 2008, 322). Die Europäische Kommission ist in der Begründung des Vorschlags zur ROM I-Verordnung (dazu unten Rn. 166), deren Art. 6 (1) b) inhaltlich mit Art. 15 (1) c) EuGVVO übereinstimmt, vage geblieben. Die Kommission stellt klar, dass die Zugänglichkeit einer Website allein nicht ausreicht, und meint, dass es zu einem Vertragsabschluss im Fernabsatz gekommen sein müsse (Begründung zu Art. 5 Rom-I-VO-Entw., KOM (2005) 650 endg). Das Erfordernis eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz hilft allerdings nicht weiter, wie der Fall des OLG Dresden zeigt, denn dort war der Vertrag über einen inländischen Vermittler geschlossen worden. Wenn der Verbraucher per E-Mail angesprochen wird, dürften die Voraussetzungen des Art. 15 EuGVVO nach der Rechtsprechung des EuGH stets vorliegen; denn der EuGH hat für den Fall eines persönlich adressierten Briefes, der grenzüberschreitend an einen Verbraucher gesandt wurde, entschieden, dass aufgrund dieser Adressierung ein Angebot im Verbraucherstaat vorliegt (EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-96/00, Gabriel, NJW 2002, 2697; zustimmend BGHZ 153, 82 (87 ff.); genauso OLG Nürnberg NJW 2002, 3637 (3639); siehe zum Parallelproblem bei Art. 29 EGBGB unten Rn. 176 f.). Nicht ausreichend ist es, wenn der Unternehmer erst aufgrund des Vertrags mit dem Verbraucher Tätigkeiten im Staat des Verbrauchers entfaltet (BGHZ 167, 83).
164
Wenn die Voraussetzungen des Art. 15 EuGVVO vorliegen, kann der Verbraucher wahlweise in dem Staat klagen, in dem der Anbieter seinen Wohnsitz hat, oder in dem Staat, in dem er selbst seinen Wohnsitz hat (Art. 16 (1) EuGVVO). Der Anbieter hingegen kann den Verbraucher nur in dem Staat verklagen, in dem dieser seinen Wohnsitz hat (Art. 16 (2) EuGVVO).
165
II. Anwendbares Recht. 1. Rechtswahl. Das auf Verträge anwendbare Recht bestimmt sich, bis zur Anwendbarkeit der Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM I-Verordnung, Verordnung (EG) 593/2008 v. 17.6.2008, ABl. L 177/6, in Kraft seit 24.7.2008) im Dezember 2009, nach den Regeln des EGBGB. In der Praxis erfolgt beim Electronic Banking meist eine Rechtswahl durch den zugrundeliegenden Girovertrag (vgl. Nr. 6 AGB-Banken; abgedr. in: Bunte, AGB-Banken Nr. 6). Die Rechtswahl ist zulässig (Art. 27 I EGBGB), auch durch AGB, auch gegenüber Verbrauchern (unstr.; s. nur MünchKomm-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 10, 13 mwN). Einschränkungen gelten dann, wenn der Vertrag außer der Rechtswahlklausel nur zu einem Staat Verbindung hat (Art. 27 III EGBGB) sowie bei Verbraucherverträgen (unten Rn. 175 ff.).
166
Rechtswahlklauseln unterliegen allerdings der AGB-Kontrolle nach dem gewählten Recht (BGHZ 123, 380 (383); BGH NJW-RR 2005, 1071 (1072); Staudinger-Hausmann, Art. 31 EGBGB Rn. 72 mwN), bei Wahl deutschen Rechts also dem BGB, einschließlich der Einbeziehungskontrolle (OLG München EuZW 1991, 59 (63)). Bei Verbraucherverträgen kann über Art. 29 I EGBGB (dazu unten Rn. 175 ff.) auch die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB anwendbar sein mit der weiteren Folge, dass die Rechtswahlklausel unwirksam sein kann. Dies wird etwa für die Wahl englischen Rechts durch im deutschen Markt über deutsche Websites tätige Anbieter von Zahlungsdiensten angenommen
167
Borges
318
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
(Hoenike/Szodruch, MMR 2006, 519 (525); Meder/Grabe, BKR 2005, 467 (472 f.)). Die Einbeziehung ist unter den Voraussetzungen des Art. 31 II EGBGB zusätzlich nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Vertragspartners zu prüfen (dazu MünchKommBGB-Spellenberg, Art. 31 EGBGB Rn. 119 f.). 168
2. Objektive Anknüpfung. Wenn keine (wirksame) Rechtswahl vorliegt, ist grundsätzlich das Recht anwendbar, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung erbringt (d.h. das Kreditinstitut), ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort bzw. (bei Gesellschaften) Hauptverwaltungsort hat (Art. 28 II 1 EGBGB). Bei Unternehmern ist der Ort der Niederlassung maßgeblich, von der die vertragliche Leistung zu erbringen ist (vgl. Art. 28 II 2 EGBGB).
169
Eine Website als solche ist keine Niederlassung in diesem Sinne (allg. Auff.; Koch, in: Brumme/Weis, Rn. 5.1.1.1.2; Borges, S. 839 f. mwN). M. E. erfüllt aber der Internet-Auftritt insgesamt die Merkmale einer Niederlassung. Diese Niederlassung ist aber nicht am Standort des Servers belegen, sondern an dem Ort, von dem aus sie – erkennbar – geführt wird (Borges, S. 839; ähnlich auch Schleicher, S. 51).
170
Wenn der Vertrag nach den Gesamtumständen eine engere Verbindung mit einem anderen Staat als dem Niederlassungsstaat des Kreditinstituts hat, ist das Recht dieses Staates anwendbar, Art. 28 V EGBGB. Art. 28 V EGBGB wird als eng auszulegender Ausnahmetatbestand verstanden (h.M.; Soergel-von Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 18 f., 96; Kropholler, S. 472; offen gelassen von BGH NJW-RR 2005, 206 (209)). Wenn aber Vertragsabschluss und Leistungserbringung über die Website des Kreditinstituts erfolgen, die – wie üblich – eindeutig auf den Markt eines bestimmten Staats zugeschnitten (zu diesem Kriterium Borges, S. 717 ff.) ist, dann liegt m. E. eine engerer Zusammenhang i.S. des Art. 28 V EGBGB mit diesem Staat vor (ausführl. Borges, S. 876 ff.).
171
3. Der Umfang des Vertragsstatuts. Das nach den Artt. 27 ff. EGBGB ermittelte Vertragsstatut gilt nach Maßgabe der Artt. 31, 32 EGBGB umfassend, insb. für Zustandekommen, Wirksamkeit und Auslegung des Vertrags. Allerdings wird dieser Grundsatz durch zahlreiche Sonderanknüpfungen überlagert.
172
Die Form des Vertrags wird selbständig nach Art. 11 EGBGB angeknüpft. Danach sind alternativ das Vertragsstatut sowie das Recht am sog. Vornahmeort anwendbar. Die Bestimmung des Vornahmeortes bei per Internet geschlossenen Rechtsgeschäften ist umstritten (umfassend dazu Borges, S. 745 ff.). Nach dem traditionellen Konzept ist maßgeblich, wo sich der Erklärende zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Erklärung aufhält (vgl. MünchKommBGB-Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rn. 87 mwN). Auf welchen Ort bei automatisch erzeugten Erklärungen abzustellen ist, ist nicht geklärt. Es spricht einiges dafür, auf den Ort der Niederlassung abzustellen, der die Erklärung zuzurechnen ist.
173
Die zwingenden Normen des Wirtschaftsrechts werden häufig nach speziellen Kollisionsnormen angeknüpft. Art. 34 EGBGB enthält eine Öffnungsklausel für sog. international zwingende Normen (Eingriffsnormen) des deutschen Rechts. Deutsches Verbraucherschutzrecht kann nach h.M. nicht über Art. 34 EGBGB angewandt werden, soweit Art. 29 oder Art. 29a EGBGB anwendbar ist (BGHZ 123, 380 (391); 135, 124 (135); 165, 172 (182); Palandt-Heldrich, Art. 34 EGBGB Rn. 3a; MünchKommBGB-Martiny, Art. 34 EGBGB Rn. 110 mwN). Außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Artt. 29, 29a hingegen ist nach h.M. auch bei verbraucherschützenden Normen ein Rückgriff auf Art. 34 möglich (BGHZ 165, 172 (182) (§ 661a BGB über Art. 34 EGBGB anzuwenden); Palandt-Heldrich, Art. 34 EGBGB Rn. 3a; Erman-Hohloch, Art. 34 EGBGB Rn. 15; MünchKommBGB-Martiny,
Borges
§ 9 Electronic Banking
319
Art. 34 EGBGB Rn. 110; PWW-Müller/Remien, Art. 34 EGBGB Rn. 3). Die Vorschriften zu Verbraucherkreditverträgen gehören allerdings nicht zu den international zwingenden Normen (BGHZ 165, 248 (255); Felke, RIW 2001, 30 ff.; Palandt-Heldrich, Art. 34 EGBGB Rn. 3a; Kropholler, IPR, S. 501; Looschelders, JR 2006, 515 f.; Mankowski, RIW 2006, 322; MünchKommBGB-Martiny, Art. 34 EGBGB Rn. 112; Tamm, JZ 2006, 676 (678); a.A. Ermann-Hohloch, Art. 34 Rn. 15). Bei Wertpapierdienstleistungen gelten die besonderen Kollisionsnormen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und des WpHG. Das WpHG gilt uneingeschränkt für inländische Dienstleister (unstreitig; Assmann, FS Schütze, S. 15 (35)). Die Verhaltenspflichten der §§ 31 I Nr. 1 II – IX, 31a, 31b, 31d, 31e WpHG gelten aber auch für Anbieter mit Sitz in einem Drittstaat, sofern nicht die Leistung des Diensteerbringers ausschließlich in einem Drittstaat erbracht wird (§ 31 X WpHG). Eine ausschließliche Leistungserbringung im Drittstaat liegt aber etwa dann nicht vor, wenn die Website, über die die Dienstleistung erbracht wird, auf das Inland zugeschnitten ist (str.; dazu Borges, S. 825 ff. mwN, zu § 31 III WpHG a.F.). Für Anbieter mit Sitz in einem Mitgliedstaat hingegen gilt nach der Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (RiLi 2004/39/EG v. 21.4.2004, ABl. Nr. L 145 S. 1) durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2007 (BGBl. I 1330) das Herkunftslandprinzip (Art. 31 Abs. 1 RL.).
174
4. Besonderheiten bei Verbraucherverträgen. Bei Verbraucherverträgen gelten weitreichende Sonderanknüpfungen nach Art. 29 EGBGB und Art. 29a EGBGB. Art. 29 EGBGB, der auf Art. 5 EVÜ beruht, gilt für Dienstleistungsverträge. Reine Darlehensverträge fallen nicht hierunter (dazu BGHZ 165, 248; Palandt-Heldrich, Art. 29 EGBGB Rn. 3; kritisch dazu Mankowski, RIW 2006, 321; a.A. PWW-Remien, Art. 29 EGBGB Rn. 12), wohl aber Darlehensverträge, die der Finanzierung von Waren oder Dienstleistungen dienen (Felke, RIW 2001, 30 (31) mwN). Auf Verbraucherkreditverträge ist Art. 29 EGBGB auch nicht analog anwendbar (BGHZ 165, 248 (254); Mankowski, RIW 2006, 321 (325); a.A. Soergel-von Hoffmann, Art. 34 Rn. 61). Die Sonderanknüpfung greift u. a. dann ein, wenn dem Vertragsabschluss ein Angebot oder eine Werbung in dem Staat vorangegangen ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, und wenn der Verbraucher seine vertragliche Erklärung in diesem Staat abgegeben hat (Art. 29 I Nr. 1 EGBGB). Art. 29 EGBGB ist eine allseitige Kollisionsnorm, gilt also auch zugunsten von Verbrauchern mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland. In der Literatur ist sehr umstritten, nach welchem Kriterium Angebote auf Websites einem bestimmten Staatsgebiet zuzuordnen sind; Rechtsprechung liegt bisher nicht vor. Nach verbreiteter Ansicht sind Angebote auf Websites in jedem Staat erfolgt, von dem aus sie abgerufen werden können (Hübner, ZVersWiss 2001, 351 (374); Junker, RIW 1999, 809 (815); Mankowski, RabelsZ 63 (1999) 203 (234 f.)), andere Ansichten schränken ein (siehe die Meinungen bei Borges, S. 711 f.; Schleicher, S. 53 ff.). M. E. ist maßgeblich, ob das Angebot nach dem Inhalt der Website auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers zugeschnitten ist (ausführl. Borges, S. 714 ff.). Wenn also der deutsche Verbraucher auf ein Angebot reagiert, das z. B. auf einer französischen Website in französischer Sprache verfasst ist, und sich die Website inhaltlich an den französischen Markt richtet, greift Art. 29 I Nr. 1 EGBGB nicht ein.
175
Bei Werbe-E-Mails ergibt sich ein Angebot im Aufenthaltsstaat regelmäßig durch die persönliche Adressierung an den Verbraucher. So reicht die Adressierung an einen inländischen Verbraucher jedenfalls dann aus, wenn sie an eine Mailbox mit deutscher top-Level-Domain („de“) gesandt wird denn dann muss der Absender damit rechnen, dass der Adressat in Deutschland lebt (siehe auch oben Rn. 163 zu Art. 15 EuGVVO).
177
Borges
176
320
178
179
180
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
Rechtsfolge des Art. 29 EGBGB ist eine Sonderanknüpfung des Rechts des Verbraucherstaates. Wenn eine Rechtswahl vorliegt, ist gleichwohl das zwingende Recht des Verbraucherstaates anwendbar, soweit dieses im konkreten Fall für den Verbraucher günstiger ist (Art. 29 I EGBGB). Dies ermöglicht etwa die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB (h.M.; vgl. OLG Düsseldorf WM 1995, 1351; IPRax 1997, 117; Borges, S. 860 mwN; Hoenike/Szodruch, MMR 2006, 519 (525); s. auch oben Rn. 167). Zum zwingenden Recht i.S. des Art. 29 I EGBGB gehören nach h.M. auch richterrechtliche Regeln (BGH NJWRR 2005, 1071 (1072); MünchKommBGB-Martiny, Art. 29 EGBGB Rn. 56 mwN). Der BGH zählt hierzu auch die Grundsätze der Rechtsprechung zu Aufklärungs-, Hinweisund Warnpflichten gegenüber Kapitalanlegern (BGH NJW-RR 2005, 1071). Fehlt es an einer (wirksamen) Rechtswahl, ist insgesamt das Recht des Verbraucherstaates maßgeblich (Art. 29 II EGBGB). Die Form des Vertrags unterliegt ausschließlich dem Recht des Verbraucherstaates (Art. 29 III EGBGB). Eine Ausnahme von der Sonderanknüpfung gilt für Dienstleistungen, die ausschließlich in einem anderen als dem Verbraucherstaat erbracht werden (Art. 29 IV 1 Nr. 2 EGBGB). Bei grenzüberschreitend erbrachten Dienstleistungen (z. B. Entgegennahme einer Wertpapierorder) ist die Anwendbarkeit des Art. 29 IV 1 Nr. 2 EGBGB umstritten (dazu Borges, S. 805 ff.). Der BGH will diese Ausnahme bei Finanzdienstleistungen offenbar auf „örtliche Bank- und Brokerdienstleistungen“ beschränken und schon dann ausschließen, wenn der Dienstleister Börsengeschäfte auch an Börsen im Verbraucherstaat vornehmen kann (BGH NJW-RR 2005, 1071 (1073)). Art. 29a EGBGB setzt die Kollisionsnormen mehrerer europäischer Verbraucherschutzrichtlinien um. Dies sind derzeit die Klauselrichtlinie, die Teilzeitwohnrechterichtlinie, die Fernabsatzrichtlinie, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und die Richtlinie zum Fernabsatz von Finanzdienstleistungen. Nach Art. 29a I EGBGB sind bei Verträgen, die aufgrund einer Rechtswahl nicht dem Recht eines EU-Mitgliedstaats oder des EWR unterliegen, aber einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet eines dieser Staaten aufweisen, diejenigen Vorschriften anzuwenden, die die genannten Richtlinien umsetzen.
181
Ein enger Zusammenhang liegt insbesondere dann vor, wenn der Vertrag aufgrund eines Angebots, einer Werbung oder einer ähnlichen Tätigkeit zustande kommt, die in dem betreffenden Staat erfolgt. Für die Zuordnung eines Angebots und einer Werbung zu einem Staatsgebiet gelten damit ähnliche Kriterien wie im Rahmen des Art. 29 EGBGB. Unabhängig davon dürfte ein enger Zusammenhang zu bejahen sein, wenn die Tätigkeit über eine Website entfaltet wird, die auf den Markt eines EU-Mitgliedstaats oder eines anderen EWR-Staats zugeschnitten ist, oder wenn eine Werbe-E-Mail an einen inländischen Verbraucher adressiert ist (dazu oben Rn. 176 f.).
182
III. Das Herkunftslandprinzip. 1. Das Herkunftslandprinzip in der E-CommerceRichtlinie. a) Die kollisionsrechtliche Bedeutung des Herkunftslandprinzips. Das sog. Herkunftslandprinzip des Art. 3 E-Commerce-Richtlinie gehört zu den wichtigsten kollisionsrechtlichen Regeln für das Electronic Banking. Die wesentlichen Grundsätze sind in Art. 3 (1) und (2) enthalten: Art. 3 (1) Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen. Art. 3 (2) Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.
Borges
§ 9 Electronic Banking
321
Der Anwendungsbereich des Art. 3 (koordinierter Bereich, Art. 2 h) – ii) ) umfasst im Wesentlichen alle per Internet erbrachten Dienstleistungen (Borges, S. 888 f.) einschließlich Finanzdienstleistungen.
183
Die Bedeutung des Herkunftslandprinzips ist sehr umstritten. In der Literatur werden zahlreiche Ansichten vertreten (siehe den Überblick bei Borges, S. 889 ff.). Eine Klärung durch den EuGH steht noch aus. Es ist aber wohl unstreitig, dass Art. 3 erhebliche Bedeutung für das auf per Internet erbrachte Dienste anwendbare Recht hat. Umstritten ist vor allem das Verhältnis zum sog. IPR-Vorbehalt nach Art. 1 (4) E-Commerce-Richtlinie. Die h. M. der Literatur qualifiziert das Prinzip als ein auf sachrechtlicher Ebene wirkendes Prinzip (Apostolopoulos, GRUR Int 2004, 570 (571); MünchKomm-Drexl, IntUnlWettbR Rn. 64; Fezer/Koos, IPRax 2000, 349 (353); Glöckner, WRP 2005, 795 (801); Koos, WRP 2006, 499 (503); MünchKommBGB-Martiny, Art. 34 EGBGB Anh. III Rn. 37; Ohly, GRUR Int. 2001, 899 (901); Pfeiffer, JuS 2004, 282 (285); ders., in: Gounalakis, § 12 Rn. 4; wohl auch: Spindler, ZHR 2001, 324 (335 ff.)), das aber zu ähnlichen Ergebnissen führt wie eine Kollisionsnorm. Innerhalb der h.M. wird das Herkunftslandprinzip teilweise als Günstigkeitsprinzip verstanden, das die Anwendung eines günstigeren Rechts als des Heimatrechts nicht ausschließt, strengere Maßstäbe jedoch abwehrt (Apostolopoulos, GRUR Int 2004, 570 (571); Blasi, S. 383 ff.; Buchner, GRUR Int. 2005, 1004 (1010); MünchKomm-Drexl, IntUnlWettbR Rn. 62; Glöckner, WRP 2005, 795 (801 f.); Henning-Bodewig, GRUR 2004, 822 (823); Landfermann, in: Basedow u.a. (Hrsg.), Aufbruch nach Europa, 2001, S. 503 (512); Ohly, GRURInt 2001, 899 (902); Sack, WRP 2002, 271 (282); Spindler, ZHR 165 (2001) 324 (337 ff.)). Andere nehmen im Ergebnis die Maßgeblichkeit des Heimatrechts ohne Günstigkeitsvergleich an (so etwa Dethloff, Europäisierung des Wettbewerbsrechts, 2001, S. 290; Hoeren, MMR 1999, 192 (194 f.)). Teilweise wird das Herkunftslandprinzip auch ausdrücklich als kollisionsrechtliche Regel bezeichnet (Grundmann, RabelsZ 67 (2003) 246 (266 ff.); Hausmann/Obergfell, in: Fezer, UWG, 2005, Einl. I Rn. 123 ff.; Spindler, NJW 2002, 921 (926); Tettenborn, in: Lehmann, S. 69, 83; wohl auch: Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001) 137 (138 ff.)). Schließlich wird vorgeschlagen, Art. 2 (2) der Richtlinie im Bereich vollharmonisierten Rechts dahin zu verstehen, dass das anwendbare nationale Recht am Maßstab der Richtlinie zu messen sei (s. etwa Ohly, WRP 2006, 1401 (1406 ff.)).
184
Die deutsche Rechtsprechung hat das Herkunftslandprinzip, teils ohne Wahrnehmung der Problematik, wiederholt als Kollisionsregel verstanden (KG Afp 2006, 257 (258); s. auch Rn. 134; wohl auch: OLG Hamburg WRP 2007, 464; OLG Hamm MMR 2004, 173; im Ergebnis auch OLG Hamburg GRUR 2004, 280 (dazu Henning-Bodewig, GRUR 2004, 822); offen gelassen in BGH NJW 2006, 2630 (2633)). In seinem jüngsten Urteil scheint der BGH allerdings von einer begrenzenden Wirkung des Art. 3 (2) Rl. i.S. eines Günstigkeitsprinzips auszugehen (BGH WRP 2006, 1516 (1518)). M.E. sind die Auswirkungen des Herkunftslandprinzips nach den einzelnen Sachbereichen differenziert zu sehen (ausführl. Borges, S. 891 ff.; wohl auch Glöckner, WRP 2005, 795 (801)). In jedem Fall ergibt sich eine Differenzierung aus den Ausnahmen und Einschränkungen vom Herkunftslandprinzip (Art. 3 (3) EC-Rl. i. V. m. dem Anhang, Art. 3 (4) EC-Rl., Art. 1 (3) EC-Rl.). Art. 3 (1) ist m. E. als Kollisionsnorm im weiteren Sinne zu verstehen. Gefordert wird vom Herkunftsstaat die Anwendung – und Durchsetzung, etwa im Wege der Aufsicht – insbesondere des Wirtschaftsrechts. Darüber hinaus verbietet Art. 3 (1) es aber den Mitgliedstaaten m. E., inländische Gesellschaften bei ihrer Tätigkeit außerhalb des eigenen Staatsgebietes rechtlich günstiger zu stellen oder weniger zu kontrollieren als bei der Tätigkeit im eigenen Markt.
Borges
185
322
Kap. I – Bankvertragliche Grundlagen
186
Art. 3 (2) verbietet Beschränkungen der Tätigkeit von Anbietern aus anderen Mitgliedstaaten. Eine Beschränkung liegt m. E. vor, wenn die Tätigkeit des Anbieters durch einseitige Anknüpfung zwingenden Wirtschaftsrechts strengeren Anforderungen unterworfen wird, als sie im Herkunftsland gelten (s. auch Borges, S. 908 f.).
187
Nach Art. 3 (3) gilt das Herkunftslandprinzip nicht für die im Anhang genannten Bereiche. Der Anhang nennt u.a. die Freiheit der Rechtswahl für Vertragsparteien und vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge sowie die in Art. 8 I der E-Geld-Richtlinie genannten Ausnahmen. Wichtige Ausnahmen ohne unmittelbaren Bezug zum Bankgeschäft betreffen etwa das Urheberrecht und den gewerbliche Rechtsschutz.
188
Die wohl wichtigsten Einschränkungen des Herkunftslandprinzips ergeben sich aus Art. 1 (3) E-Commerce-Richtlinie. Danach ergänzt die Richtlinie das Gemeinschaftsrecht und lässt das durch Gemeinschaftsrecht erreichte Schutzniveau, den sog. acquis communautaire, unberührt, soweit dadurch die Freiheit, Dienste der Informationsgesellschaft anzubieten, nicht eingeschränkt wird. Der BGH hat jüngst in einem Fall zur Werbung für Arzneimittel auf ausländischen Websites die Anwendbarkeit deutschen Rechts maßgeblich darauf gestützt, dass die betreffende deutsche Norm auf der Richtlinie über die Werbung für Humanarzneimittel beruhte und daher kein Hindernis des nach Kollisionsrecht maßgeblichen deutschen Rechts gesehen (BGH NJW 2006, 2630 (2633)). Dieser Gesichtspunkt lässt sich durch Art. 1 (3) der E-Commerce-Richtlinie stützen.
189
Nach Art. 3 (4) EC-Rl. können die Mitgliedstaaten vom Beschränkungsverbot des Art. 3 (2) EC-Rl. aus den dort abschließend aufgezählten Gründen abweichen. Zu diesen Gründen gehören im Wesentlichen der Schutz der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Gesundheit sowie der Verbraucher- und Anlegerschutz (Art. 3 (4) a) i)). Jedoch muss die Abweichung erforderlich (Art. 3 (4) ii) und verhältnismäßig (Art. 3 (4) iii) sein. Die deutsche Rechtsprechung hat wiederholt diese Ausnahme herangezogen, um zwingende Normen des deutschen Rechts anzuwenden (so etwa BGH NJW 2006, 2630 (2633); OLG Hamburg WRP 2007, 464). Teilweise wird auch das Wettbewerbsrecht in Bezug auf irreführende Werbung gegenüber Verbrauchern wegen seines verbraucherschützenden Charakters unter diese Ausnahme subsumiert (so österr. OGH MMR 2004, 810 (811); ebenso Kaestner/Tews, WRP 2005, 379, 382).
190
b) Die einzelnen Sachbereiche. Das Herkunftslandprinzip hat keine Auswirkungen für die Ermittlung des Vertragsstatuts. Für die Rechtswahl folgt dies unmittelbar aus Art. 3 (3) i.V. mit dem Anhang. Für die objektive Anknüpfung ergibt sich dies u.a. aus dem IPR-Vorbehalt des Art. 1 (4) EC-Rl. Dasselbe gilt für die Anknüpfung der Form.
191
Die Sonderanknüpfungen für Verbraucherverträge (Artt. 29, 29a EGBGB) bleiben ebenfalls unberührt (im Ergebnis unstr.; siehe etwa Marly, in: Grabitz/Hilf, A 4 Art. 3 Rn. 28; weitere Nachw. bei Borges, S. 898). Dies folgt schon aus Art. 3 (3) EC-Rl. i.V. mit dem Anhang, im Fall des Art. 29a EGBGB auch aus Art. 1 (3) EC-Rl.
192
Große Bedeutung hat das Herkunftslandprinzip für die Anwendung zwingenden Wirtschaftsrechts. Im Bereich der Finanzaufsicht ist das Herkunftslandprinzip allerdings durch die spezielleren Regeln des europäischen Bankrechts, insb. den sog. Europäischen Pass, schon weitgehend verwirklicht.
193
Im Wettbewerbsrecht wird das maßgebliche Recht traditionell nach der Marktortregel bestimmt (BGHZ 35, 329 (331 ff.); 113, 11 (14 f.); BGH GRUR 1988, 453 (454); GRUR 1998, 419 (420); GRUR 1998, 945 (946); WRP 2006, 1516 (1517); OLG München MMR
Borges
§ 9 Electronic Banking
323
2004, 173; siehe zur Entwicklung der maßgeblichen Kollisionsregel im Wettbewerbsrecht Koos, WRP 2006, 499 (500 ff.)). Hier hat das Herkunftslandprinzip nach bisher offenbar allg. Auff. der Lit. die Konsequenz, dass eine über das Heimatrecht des Anbieters hinausgehende Kontrolle nach dem Marktrecht ausgeschlossen ist (Glöckner, WRP 2005, 795 (801); Henning-Bodewig, GRUR 2004, 822 (823); Piper, in: Piper/Ohly, Einf. A Rn. 83; Lurger/Vallant, MMR 2002, 203 f.; Ohly, WRP 2006, 1401 (1403); Sack, WRP 2002, 271 (275)). 2. Das Herkunftslandprinzip im TMG. Das Herkunftslandprinzip wurde 2001 durch das EGG im neugefaßten § 4 TDG umgesetzt (dazu Rn. 10). Die Umsetzung war im Gesetzgebungsverfahren sehr umstritten. Im Ergebnis war § 4 TDG eng an Art. 3 EC-Rl. angelehnt. In der Reform 2007 (dazu oben Rn. 10) wurde § 4 TDG nahezu unverändert in § 3 TMG übernommen.
194
Nach § 3 I TMG unterliegen die in Deutschland niedergelassenen Anbieter und ihre Dienste dem deutschen Recht auch dann, wenn die Dienste in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden. § 3 I TMG (ebenso Art. 3 I EC-Rl.) wird damit als (einseitige) Kollisionsnorm verstanden.
195
Nach § 3 II TMG wird die Erbringung von Diensten durch in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Anbieter „nicht eingeschränkt“. Diese unklare Formulierung in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 3 (2) EC-Rl. ist wohl bewusst gewählt, um einen Konflikt mit der Richtlinie zu vermeiden. § 3 III und IV TMG enthalten die Ausnahmen nach Art. 3 (3) EC-Rl. und setzen die Abweichungsbefugnis nach Art. 3 (4) EC-Rl. um. In einem aktuellen Urteil hat das OLG Hamburg § 4 V TDG, der § 3 IV TMG entspricht, als eine spezielle Kollisionsregel für die dort genannten Regelungsbereiche angesehen und entsprechend Regeln des deutschen Lotteriestaatsvertrags auf das über eine auf Deutschland zugeschnittene Website erreichbare Angebot eines österreichischen Anbieters angewandt (OLG Hamburg WRP 2007, 464).
196
Der Vorbehalt des Art. 1 (3) EC-Rl. ist nicht ins TMG aufgenommen worden. Dies ist im Ergebnis unschädlich, da diese Norm auf der Ebene des europäischen Rechts wirkt und bei der Auslegung des § 3 TMG zu berücksichtigen ist.
198
Für die Auslegung des § 3 TMG gelten die Ausführungen zu Art. 3 EC-Rl. entsprechend. Das vertragliche Kollisionsrecht des EGBGB bleibt im Ergebnis unberührt. Das deutsche zwingende Wirtschaftsrecht darf auf die Tätigkeit ausländischer Anbieter nicht angewendet werden, soweit sich eine Beschränkung ergibt und keine Ausnahme eingreift.
199
Borges
197
“This page left intentionally blank.”
325
Kapitel II Kredit und Kreditsicherheiten
Derleder
“This page left intentionally blank.”
§ 10 Darlehensvertrag
327
§ 10 Darlehensvertrag
Schrifttum Aden, Die neuen AGB Sparkassen 1993, NJW 1993, 832; Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung, 1998; Baudenbacher, Einwendungsdurchgriff beim finanzierten Immobilienerwerb, JZ 1985, 661; Baums, Zinsberechnungsklauseln in Darlehensverträgen, WM 1987, SB 2, 3; Becker, Verhaltenspflichten und Haftung von Banken bei Kreditvergabe, 2000; Berger, Kreditvertragsrecht und Schuldrechtsreform, in: Horn/Krämer (Hrsg.), Bankrecht 2002, 2003, S. 1; Brandner, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute bei der Vergabe von Verbraucherkrediten, ZHR 153 (1998), 147; Auslegungszuständigkeiten des EuGH bei der Inhaltskontrolle von Entgeltklauseln der Banken bei Verbraucherverträgen, MDR 1999, 6; Brink, Forfaitierung und Factoring im Licht der Schuldrechtsreform, WM 2003, 1355; Bruchner, Bankenhaftung bei fremdfinanziertem Immobilienerwerb, WM 1999, 825; Das Regelungsprinzip der „nachschüssigen Tilgungsverrechnung“ bei Annuitätendarlehen, WM 1987, 449; Die grundlegende Neugestaltung der AGB- Banken, DZWIR 1993, 89; Budzikiewicz, Die Verjährung im neuen Darlehensrecht, NJW 2003, 264; Bühler/Köndgen/Schmidt, Schutz und Diskriminierung durch § 609 a BGB, ZBB 1990, 53; Bunte, Rechtsfindungsprobleme im Bereich des Konsumentenkredits, ZIP 1985, 1; Rückabwicklung sittenwidriger Ratenkreditverträge, NJW 1983, 2674; Canaris, Der Zinsbegriff und seine rechtliche Bedeutung, NJW 1978, 1891; Der Kontokorrentratenkredit – eine neue Form des Konsumentenkredits, WM 1987, SB 4; Die Aufrechnung mit verjährten Rückzahlungsansprüchen aus Ratenkreditverträgen, ZIP 1987, 1; Die Auswirkungen der Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen auf Folgekreditverträge, WM 1986, 1453; Die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs des Kreditnehmers bei sittenwidrigen Ratenkrediten, ZIP 1986, 273; Kreditkündigung und Kreditverweigerung gegenüber sanierungsbedürftigen Bankkunden, ZHR 143 (1979), 113; Zinsberechnungs- und Tilgungsverrechnungsklauseln bei Annuitätendarlehen, NJW 1987, 609; Dauner-Lieb, Kein zivilrechtlicher Schutz für Besserverdienende?, DB 1985, 1062; Derleder, Zins als Rente, KJ 1991, 275; Kettenkreditverträge, JZ 1983, 81; Schadensersatzansprüche der Banken bei Nichtabnahme der Darlehensvaluta, JZ 1989, 165; Transparenz und Äquivalenz bei bankvertragsrechtlicher Zinsanpassung, WM 2001, 2029, sowie in: Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung Bd. 19, S. 55; Derleder/Metz, Die Nebenentgelte der Banken, ZIP 1996, 573, 621; Derleder/Pallas, Vertragsschluss und AGB-Einbeziehung im kreditwirtschaftlichen Distanzgeschäft, ZIP 1999, 1285; Eckert, Übermäßige Verschuldung bei Bürgschafts- und Kreditaufnahme, WM 1990, 35; Edelmann/Hertel, Grenze des Verbraucherschutzes und die Haftung der Banken bei Immobilienfinanzierung, DStR 2000, 331; Emmerich, Der Verzug bei Ratenkrediten und kein Ende, WM 1986, 541; Zum Verzug bei Ratenkrediten, WM 1984, 949; Erman, Zur Pfändbarkeit der Ansprüche eines Kontokorrentkunden gegen seine Bank aus deren Kreditzusage, GS R. Schmidt, 1966, S. 261; Felke, Die Pfändung der „offenen Kreditlinie“ im System der Zwangsvollstreckung, WM 2002, 1632; Freitag, Die Beendigung des Darlehensvertrags nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2001, 23,70; Früh, Die Aufklärungspflichten von Kreditinstituten bei Kreditvergabe, WM 1998, 2176; Zur Bankenhaftung bei Immobilien-Kapitalanlagen, ZIP 1999, 701; Fuchs, Zum Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriff bei verbundenen Geschäften, AcP 199 (1999), 305; Fuellmich/Rieger, Die Haftung der Banken für massenhaft fehlerhafte Treuhandmodellfinanzierungen, ZIP 1999, 465; Gaul, Die Zwangsvollstreckung in den Geldkredit, KTS 1989, 3; Gernhuber, Ruinöse Bürgschaften als Folge familiärer Verbundenheit, JZ 1995, 1086; Gößmannn/Wagner-Wieduwilt/ Weber, Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken, 1993; Gräfe, Flexibilisierung des Kreditvertrages, Diss. Köln 2006; Grün, Die Generalklauseln als Schutzinstrumente der Privatautonomie am Beispiel der Kreditmithaftung von vermögenslosen nahen Angehörigen, WM 1994, 713; Gruber, Der Zinsanspruch beim gekündigten Geschäftsdarlehen, NJW 1992, 2274; Grundmann, Darlehens- und Kreditrecht nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BKR 2001, 66; Habersack, Verbraucherkreditund Haustürgeschäfte nach der Schuldrechtsmodernisierung, BKR 2001, 72; Habersack/Mayer, Der Widerruf von Haustürgeschäften nach der „Heininger“-Entscheidung des BGH, WM 2002, 253; Hadding, Zur Abgrenzung von Unterrichtung, Aufklärung, Auskunft, Beratung und Empfehlung als Inhalt bankrechtlicher Pflichten, in: FS Schimansky, 1999, S. 67 ff.; Hänsel, Privatkundenschutz beim Dispositionskredit, 1995; Hammen, Vorzeitige Darlehenstilgung und Zinspflicht, DB 1991, 953; Häuser, Die Reichweite der Zwangsvollstreckung bei debitorischen Girokonten, ZIP 1983, 891; v. Heymann/Merz, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 17. Aufl. 2008; Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, BB 2000, 1149; Hoeren, Die neuen AGB-Banken, NJW 1992, 3262; v. Hoffmann, Über den Schutz des Schwächeren bei internationalen Schuldverträgen, RabelsZ 38 (1974), 396; Holzscheck/Hörmann/Daviter, Die Praxis
Derleder
328
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
des Kosumentenkredits in der Bundesrepublik Deutschland, 1982; Hopt/Mülbert, Die Darlehenskündigung nach § 609 a BGB – eine Bilanz der ersten drei Jahre, SB 3 WM 1990; Hopt, Haftung der Banken bei der Finanzierung von Publikumsgesellschaften und Bauherren-Modellen, FS Stimpel, 1985, S. 265; Rechtspflichten der Kreditinstitute zur Kreditversorgung, Kreditbelastung und Sanierung von Unternehmen, ZHR 143 (1979), 139; Funktion, Dogmatik und Reichweite der Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten der Kreditinstitute, in: FS Gernhuber, 1993, 169; Horn, Der Ausschluss von Aufklärung und Beratung im Anlegerschutzrecht, in: Festschrift für Schimansky, 1999, 633; Horn/Balzer, Zur Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf Kreditvollmachten im Rahmen des Anlegerschutzrechts, WM 2000, 333; Jehle, Schutzbedürftigkeit des Anlegers in steuerbegünstigten Kapitalanlagen bei Finanzierungsvermittlung, NJW 1985, 1010; Jungmichel, Basel II und die möglichen Folgen, WM 2003, 1201; Kersting, Zinsanpassung und Basel II, ZIP 2007, 56; Kilimann, Der Anspruch der Bank auf Überziehungsentgelte bei gekündigtem und ungekündigtem Girovertrag, NJW 1990, 1154; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobilienkreditverhältnissen, 2000; Die Ersatzkreditnehmerstellung, WM 2000, 1427; Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung bei Darlehen mit fester Laufzeit, ZfIR 2001, 438; Darlehensgewährung und Grundpfandsicherung, ZfIR 1998, 577; Knott, Die Rückabwicklung von Realkreditverträgen bei Widerruf nach dem Haustürwiderrufgesetz, WM 2003, 49; Knütel, Befreite Ehefrauen? ZIP 1991, 593; Kothe, Rechtsschutz gegen die Vollstreckung des wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nach § 826 BGB, NJW 1985, 2217; Die Verjährung des Bereicherungsanspruchs des Kreditnehmers bei unwirksamem Kreditvertrag, NJW 1984, 2316; Vertragsfreiheit und gestörte Vertragsparität, ZBB 1994, 172; Kollhosser, Zur Tilgungsverrechnung bei Amortisationsdarlehen, ZIP 1986, 1429; Köndgen, Modernisierung des Darlehensrechts – eine Fehlanzeige, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 457; Darlehen, Kredit und finanziertes Geschäft nach neuem Schuldrecht – Fortschritt oder Rückschritt?, WM 2001, 1637; König, Rechtsverhältnisse und Rechtsprobleme bei der Darlehensvalutierung über Notaranderkonto, 1987; Krings, Die Neufassung der AGB-Banken, ZBB 1992, 326; Lange, Informationspflichten von Finanzdienstleistungen, 2000; Langenbucher, Umsetzung von Basel II gegenüber dem Kunden, in: Hadding/ Hopt/Schimansky (Hrsg.), Internes und Externes Raiting, 2005, S. 63; Vereinbarungen über den Zinssatz, BKR 2005, 134; Lischek, Risikoadjustierte Zinsänderungsklauseln in AGB, Diss. Erlangen-Nürnberg, 2004; Lanzke, Umsetzung und Anwendung der europäischen Bankenrichtlinien durch die Mitgliedstaaten, WM 1994, 2001; Loewe, Keine Inhaltskontrolle von Tilgungsverrechnungsklauseln beim Annuitätendarlehen?, NJW 1987, 609; Luther, Darlehen im Konkurs, 1989; Lwowski/Weber, Pfändung von Ansprüchen auf Kreditgewährung, ZIP 1980, 609; Lwowski/Bitter, Grenzen der Pfändbarkeit von Girokonten, WMFestg. Hellner, 1994, S. 57; Mankowski/Knöfel, Das außerordentliche Kündigungsrecht in § 490 Abs. 2 BGB des Regierungsentwurfs zur Schuldrechtsreform, ZBB 2002, 235; Meinhardt, Die Rückabwicklung von nach dem HWiG widerrufenen Realkreditverträgen, BKR 2003, 234; Melzer, Vorfälligkeitsentschädigung als Gegenanspruch der Bank bei anteiliger Rückzahlung des Disagios, BB 1995, 321; Metz, Tilgungsverrechnung: Transparenz durch AGB-Recht und Preisangabenverordnung, NJW 1991, 668; Die Vorfälligkeitsentschädigung: Entgelt für die Vertragslösung, Schadensersatz oder kontrollfreier Raum? ZBB 1994, 205; Meyer-Cording, Nochmals: Der Zinsanspruch beim gekündigten Geschäftsdarlehen, NJW 1993, 114; Mülbert, Das verzinsliche Darlehen, AcP 192 (1992), 447; Die Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung im Recht des „bürgerlichen“ Darlehensvertrags, WM 2002, 465; Müller, Die Mitverantwortung des Kreditgebers im Hinblick auf eine tragfähige Kreditbelastung – bezogen auf den Konsumentenkredit, 1994; Neumann-Duesberg, Irrelevanz des Darlehens-Theorienstreits, NJW 1970, 1403; A. Pallas, Die Preisverzeichnisse der Kreditinstitute und ihre AGB-rechtlichen Grundlagen, 2001; M. Pallas, Die Rechtsstellung der Sicherungsgeber bei der Verwertung des Sicherungseigentums, 2003; Pantel, Pflichten der Bank aus dem Kreditverhältnis, insbesondere bei der Kündigung, Diss. Bielefeld 1979; Peckert, Pfändbarkeit des Überziehungs- und Dispositionskredits, ZIP 1986, 1232; Peters/Wehrt, Der Forward-Darlehensvertrag, WM 2003, 1509; Poretschkin, Berechnungen bei der Prüfung von Ratenkreditverträgen, DRiZ 1986, 337; Reifner, Wucherprüfung nach Abschaffung der Schwerpunktzinsstatistik und ihre Ersetzung durch die EWU-Statistik im Jahre 2005, VuR 2005, 370; Die Anpassung variabler Zinsen im Kreditverhältnis, JZ 1995, 866; Rechtliche Grundlagen der Vorfälligkeitsentschädigung beim Hypothekenkredit, NJW 1995, 86; Die Rückabwicklung sittenwidriger Ratenkreditverträge, JZ 1984, 637; Der Verzugsschaden der Banken im Konsumentenkredit, ZIP 1987, 87; Bankentransparenz und Bankengeheimnis, JZ 1993, 273; Kleinunternehmen und Kreditwirtschaft, ZBB 2003, 20; Reiter, Unwirksame Darlehensaufnahme durch Treuhänder, BKR 2002, 590; Rösler, Forward-Darlehen und Darlehen mit Zins-Cap, WM 2000, 1930; Risiken der Bank bei Finanzierung von Immobilien als Kapitalanlage, DB 1999, 2297; Rösler/Lang, Zinsklauseln im Kredit- und Spargeschäft der Kreditinstitute, ZIP 2006, 214; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Rott, Mitverantwortung des
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
329
Kreditgebers bei der Kreditaufnahme, BKR 2003, 851; v. Rottenburg, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute bei Vergabe von Verbraucherkrediten, ZHR 153 (1989), 162; Rümker, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute in der Krise des Unternehmens, KTS 1981, 483; Formen kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen in der Bankpraxis, in: FS Stimpel, 1985, S. 673; Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Schriften der bankrechtlichen Vereinigung, 1993, S. 29; Schäfer, Prüfungskriterien zur Sittenwidrigkeit eines Ratenkredits, BB 1990, 1130; Schimansky, Zinsanpassungsklauseln in AGB, WM 2001, 1169; Zinsanpassung im Aktivgeschäft, WM 2003, 1450; Bankvertragsrecht und Privatautonomie, WM 1995, 461; K. Schmidt, Darlehen, Darlehensversprechen und Krediteröffnung im Konkurs, JZ 1976, 756; O. Schmidt, Die Überschuldung privater Bankkunden, 1995; Schneider, Europäische und internationale Harmonisierung des Bankvertragsrechts, NJW 1991, 1985; Scholz, Die Verzugsschadensproblematik bei Ratenkrediten aus der Sicht der Bankpraxis, ZIP 1986, 545; Zur persönlichen Schwächesituation des Ratenkreditnehmers bei der Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB, MDR 1987, 29; Schwark, Rechtsfragen des Konsumentenkredits, 1986; Sonnenhol, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, WM 1993, 677; Stauder, Der bankgeschäftliche Krediteröffnungsvertrag, 1968; Streit, Erfüllungsgehilfenhaftung der Kreditinstitute für Vermittler von Immobilienanlagen?, ZIP 1999, 477; Strube, Zur Rückabwicklung von Haustürrealdarlehen, BKR 2002, 938; Tobias, Der Konsumentenratenkredit im Kontokorrentverhältnis, 1990; Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzuges, 1992; Wagner, Zur Pfändbarkeit nicht zweckgebundener Kontokorrentkreditforderungen, JZ 1985, 718; Pfändung der Deckungsgrundlage – Ungeklärte Fragen bei der Zwangsvollstreckung in Girokonten, ZIP 1985, 849; Wagner-Wieduwilt, Das „Transparenzgebot“ als Angemessenheitsvoraussetzung im Sinne des § 9 AGBG, WM 1989, 37; Wahl, Vario-, Scheckrahmen- und Idealkredit, VuR 1987, 241; Wand, Musterdarlehensvertrag für gewerbliche Kreditvergaben, WM 2005, 1932 und 1969; Weber, Das Vorfälligkeitsentgelt bei vorzeitiger Rückzahlung eines Hypothekendarlehens, NJW 1995, 2951; Wenzel, Damnum-Erstattung beim Hypothekenkredit, Die Bank 1995, 216; Rechtliche Grundlagen der Vereinbarung eines Vorfälligkeitsentgelts mit Verbrauchern, WM 1995, 1433; Werner/Machunsky, Zur Pfändung von Ansprüchen aus Girokonten, BB 1982, 1581; Einwendungsdurchgriff und Schadensersatzansprüche gegen Kreditinstitute bei der Finanzierung von Bauherrengeschäften, DB 1982, 229; Westermann, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute bei der Vergabe von Verbraucherdarlehen, ZHR 153 (1989), 123; Das Transparenzgebot – ein neuer Oberbegriff der AGBInhaltskontrolle?, in: FS Steindorff, 1990, S. 817; Zwecke der AGB-Kontrolle im Bankvertragsrecht, in: FS Heinsius, 1991, S. 931; Fortschritte durch die neuen AGB der Banken und Sparkassen? WM 1993, 1865; Gläubiger und Schuldner der Nebenpflichten aus dem bankgeschäftlichen Darlehensvertrag, Festschrift Thomas Raiser, 2005, S. 787; v. Westphalen, Die neuen Sparkassen-AGB unter der Lupe des AGBG, BB 1993, 8; Forfaitierungsverträge unter dem Gesichtswinkel des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, WM 2001, 1837; Wallner, Die Rückabwicklung von kreditfinanzierten Immobilienanlagen, BKR 2003, 92; Wittig/ Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145.
Inhaltsübersicht I. II. III. IV. V.
VI.
Der Begriff des Darlehens . . . . . . . . . . . . . . . 1 Geschichte und Ökonomie. . . . . . . . . . . . . . . 2 Vom Realvertrag zum Konsensualvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Die Neuregelung des Darlehensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Die Struktur des darlehensvertraglichen Synallagmas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Die Hingabe des Darlehens. . . . . . . . . . . . 8 3. Die Abnahmepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3. Der Belassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . 11 4. Der Zinsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 5. Der Besicherungsanspruch . . . . . . . . . . . 13 6. Der Rückerstattungsanspruch . . . . . . . . . 14 Der Abschluss des Darlehensvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Darlehensvertrag und AGB. . . . . . . . . . . 15 2. Der stillschweigende Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3. Die Vereinbarung einer Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Das Vereinbarungsdarlehen. . . . . . . . . . . 18
5. Die Vereinbarung der Darlehenshöhe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Vereinbarung des Zinses . . . . . . . . . 7. Die Laufzeit des Darlehens. . . . . . . . . . . 8. Die Darlehensvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Abgrenzung von anderen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kauf und Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Miete, Leihe und Darlehen . . . . . . . . . . . 3. Darlehen und Vorausleistung . . . . . . . . . 4. Darlehen und Schenkung . . . . . . . . . . . . 5. Darlehen und Gesellschaft . . . . . . . . . . . VIII. Die Darlehenszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darlehen an Verbraucher . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das öffentliche Darlehen . . . . . . . . . . . . IX. Vorvertragliche Pflichten. . . . . . . . . . . . . . . X. Die Kapitalüberlassungspflicht im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Die Zahlungspflicht bei Beendigung des Darlehensvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . .
Derleder
19 20 21 22 23 23 28 31 32 34 36 36 38 39 40 41 43
330
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
XII.
Die Nichtigkeit des Darlehensvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nichtigkeit nach § 134 BGB. . . . . . . . . . 2. Nichtigkeit gem. § 138 BGB. . . . . . . . . . XIII. Der Widerruf von Darlehensverträgen und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Widerruf von Haustürkrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Widerruf bei Fernabsatzverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Der Darlehensvertragsabschluss durch Bevollmächtigte . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Form der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . 2. Darlehensvertragsabschluss auf Grund Rechtsscheinvollmacht . . . . . . . . . . . . . . XV. Der Einwendungsdurchgriff . . . . . . . . . . . . 1. Geschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Neuregelung der verbundenen Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 44 45 48 48 49 60 61 61 62 63 63
XVI. Die Rechtsform der Bankdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ratenkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fest- und Kündigungsdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kontokorrentratenkredit und andere Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einlagen der Bankkunden. . . . . . . . . . . . XVII. Abtretung und Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. Die Beendigung des Darlehens . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kündigung nach § 488 III BGB . . . . . . . XIX. Die Beweislast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XX. Die Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 70 71 72 73 74 75 76 76 77 78 79 80
64
Stichwortverzeichnis Abnahmepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Akzeptkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Akzessorietätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 19 Baudarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Bausparkassendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Bedingung, stillschweigende . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Belassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Besicherungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Betriebsmittelkredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Brauereidarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Darlehensauszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Dauerschuldverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Diskontierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Dispostionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Eigenkapitalersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Einwendungsdurchgriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63, 67 Emissionsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Fernabsatzgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Festdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Forfaitgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Gewinnbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Haustürkredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49-51 Immobiliardarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58, 65-67 Kapitalüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 41 Konsensualvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Krediteröffnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
1
Kreditlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kreditvermittlungsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76, 77 Kündigungsdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Laufzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Lombarddarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44-47 Pensionsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Pfändung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Realvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Rentenkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Rückerstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Sachdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 29 Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Verbraucherdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Verbundene Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Vereinbarungsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 16 Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 61, 62 Vorausleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Vorvertragliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Wertpapierleihe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48, 52-59 Zinsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 12, 20, 43 Zinsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Zwei-Konten-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Zwei-Stufen-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
I. Der Begriff des Darlehens. Das Darlehen i.S. des § 488 I BGB verpflichtet den Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe auf Zeit zur Verfügung zu stellen (Satz 1), und den Darlehensnehmer, den geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit die Darlehensvaluta zurückzuerstatten (Satz 2). Damit wird das Darlehen als gegenseitiger Vertrag konstruiert, der ein Prototyp der Kreditgewährung in Form des Geldkredits ist. Er ist ebenso wie die Gebrauchsüberlassungsverträge Miete, Pacht und Leihe ein Dauerschuldverhältnis, unterscheidet sich von diesen aber dadurch,
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
331
dass kein bestimmter Gegenstand, sondern Geld zurückzugewähren ist. Der Vergleich mit den Geschäften, bei denen Ware gegen Geld gegeben wird (Kauf, Tausch), macht beim Darlehen das ökonomische Element des Tauschs einer gegenwärtigen gegen eine künftige Summe deutlich. Die Abgrenzung zum Gesellschaftsvertrag, bei dem gem. § 705 BGB Geld für einen gemeinsamen Zweck auf gemeinsame Rechnung geleistet wird, ist theoretisch scharf, wenn jede Teilhabe am Verlust oder Gewinn des Darlehensunternehmers ausgeschlossen ist, ist aber schwieriger durchzuführen, wenn der Zins sich auch nach dessen wirtschaftlichem Erfolg bestimmt. Beim partiarischen Darlehen (Beteiligungsdarlehen) erhält der Darlehensgeber einen Anteil am Gewinn eines Unternehmers aus einem mit der Darlehensvaluta finanzierten Geschäft. II. Geschichte und Ökonomie. Das verzinsliche Darlehen hat sich als Vertragstyp wirtschaftshistorisch erst in der Neuzeit durchgesetzt. Die aristotelische Theorie von der Unfruchtbarkeit des Geldes entsprach einer Gesellschaftsordnung, die noch nicht auf eine planmäßige Produktions- und Kapitalerweiterung setzte. Im römischen Recht dominierte das unverzinsliche mutuum. Thomas von Aquin entwickelte aus dem aristotelischen das kanonische Zinsverbot, das sich aus der Bibel ebenso herleiten lässt, wie der Koran den Zins ächtet. Zinswucherern drohten die schlimmsten Höllenstrafen. Erst der wirtschaftliche Aufschwung Flanderns im 17. Jahrhundert verhalf dem verzinslichen Darlehen zum Durchbruch. Die wirtschaftstheoretische Analyse ist jedoch noch immer von dem „moralischen Schatten“ (Böhm-Bawerk) des Zinses geprägt, der in den sozialistischen Wissenschaftsströmungen mit dem Ziel der Abschaffung des Zinses (nach Marx eines Teiles des dem Arbeiter vorenthaltenen Mehrwerts) nachgewirkt hat. Warum der Darlehensnehmer mehr Geld zurückgeben muss, als er erhalten hat, bleibt das offene Grundtheorem ökonomischer Analyse. Adam Smith versteht den Zins als Teil des Profits, den der Darlehensnehmer mit darlehensfinanzierten Produktionsmitteln erzielen kann. Im Falle wirtschaftlichen Misserfolgs bleibt er allerdings ebenfalls zinsverpflichtet. Das neoklassiche Verständnis des Zinses sieht in ihm eine Prämie auf den Konsumverzicht des Darlehensgebers. Konsumverzicht kann aber auch ganz andere Gründe haben, die von schlechten Konsumbedingungen bis zur Sicherung der Altersversorgung reichen können. Keynes nimmt dagegen eine Liquiditätsprämie an, die der Darlehensnehmer für die ihm durch die Valuta gebotene Sicherheit bietet. Das überzeugt ebenfalls nicht restlos, da nur Wachstum Zins ermöglicht, nicht bloße Liquidität. Die ökonomischen Grundtheoreme setzen also an den verschiedenen Kapitalverwendungszwecken an, bei der Hingabe an ein Produktionsunternehmen, bei der Stabilisierung eines Unternehmens durch Liquiditätsgewährung und bei der Sicherung künftigen Konsums. Sämtliche ökonomischen Theorieansätze werden von der zivilrechtlichen Theorie jedoch ignoriert. Diese besteht auf der Konstruktion einer Vergütung für den (möglichen) Gebrauch des Kapitals, obwohl dieses (etwa nach Zahlung an einen Drittgläubiger) schon alsbald verbraucht sein kann. Damit blendet sie bewusst die ökonomischen Voraussetzungen zu Gunsten einer rechtlichen Bindung an die Austauschverpflichtungen der Vertragspartner aus (s. auch Mülbert, AcP 192 (1992), 447 (452 f.)), also auch die Unsicherheiten der Erzielung hinreichender Profite durch den Darlehensnehmer auf Grund der gewährten Liquidität und hinsichtlich des Werts des Konsumverzichts des Darlehensgebers. Die Steuerungsfunktion des Zinses, die die Allokationseffekte der darlehensweisen Geldanlage bewirkt, hat sich in den Wachstumsphasen der jüngeren Wirtschaftsgeschichte entfaltet, greift aber in Stagnationsphasen nicht genügend und ist bislang in längerfristig stagnierenden Sektoren oft nur künstlich über Subventionen erhalten worden. Die Abstraktion von diesen Zusammenhängen in der zivilrechtlichen Konstruktion des Darlehens erzwingt einen breiten Ausbau der Sanierungsstrukturen, wie er sich insbesondere im Insolvenzrecht niedergeschlagen hat. Diese
Derleder
2
332
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Abstraktion ermöglicht jedoch für den verzinslichen Darlehensvertrag eine konsistente synallagmatische Struktur, bei der die zeitweilige Überlassung des Kapitals mit der Möglichkeit zu dessen Nutzung gegen den Zins als eine Vergütung getauscht wird, in die neben dem eigentlichen Nutzungsentgelt der Inflationsausgleich und der partnerspezifische Risikofakor eingehen. 3
III. Vom Realvertrag zum Konsensualvertrag. Das BGB von 1900 enthielt eine karge Regelung des Darlehens, mit dem unverzinslichen Darlehen als Ausgangspunkt. Ferner war in § 607 BGB a. F. die Realvertragstheorie zu Grunde gelegt, nach der die Vertragspflichten nicht allein auf Grund der Parteiabrede begründet wurden, sondern zusätzlich der Auskehrung der Valuta bedurften. Wenn sich dann im Zuge der Rechtsentwicklung die lediglich auf die Vertragsabrede abstellende Konsensualvertragstheorie durchsetzte, dann bedeutete dies nicht nur eine Angleichung an die anderen Vertragstypen im Sinne des Abstreifens einer überholten Tradition, sondern eine Veränderung des Vertragsleitbilds mit der Folge, dass auch Vertragspflichten in der Phase vor der Auskehrung der Valuta ohne weiteres einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhalten konnten. Die wenigen darlehensrechtlichen Vorschriften entsprachen um 1900, als der Übergang von einem überwiegend landwirtschaftlich zu einem überwiegend industriell geprägten Land anstand, der Tatsache, dass es Geldkredite für die Verbraucher – abgesehen von traditionellen Grundpfandkrediten im Hausbau – praktisch noch nicht gab und diese aus den niedrigen Löhnen und Gehältern auch nicht hätten bedient werden können, dass vielmehr der Warenkredit (Kaufpreisstundungen und Teilzahlungsabreden der Kaufvertragsparteien) vorherrschte. Dagegen meinten die Gesetzesverfasser, den Industriekredit den jeweiligen individuellen Abmachungen mit den Banken überlassen zu können. In die Gesetzeslücken stießen dann die immer dichteren vertraglichen Klauselwerke der Kreditinstitute, die sich damit weithin ihr eigenes Recht schaffen konnten. Auch heute ist es noch prekär, im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen Korrekturen durch die Rechtsprechung zu erwirken.
4
Verbraucherdarlehen entwickelten sich in breitem Umfang erst in den 20er Jahren, wo sie zunächst von gesonderten Warenhausabteilungen und dann von getrennten Finanzierungsbanken vergeben wurden. Das erste Verbraucherschutzgesetz, das Abzahlungsgesetz von 1894, wurde mühsam über sein Umgehungsverbot auf finanzierte Abzahlungskäufe erstreckt. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich vielfältige Formen des Verbraucherkredits vom Raten- und Dispositionskredit bis zu den mit Finanzdienstleistungen aller Art verbundenen Kreditformen. Der Verbraucherschutz wurde zum Teil öffentlichrechtlich, später mittels des (nicht unmittelbar auf Darlehen zugeschnittenen) AGB-Rechts und seit den 80er Jahren auf Grund europäischer Vorgaben für Haustürgeschäfte, Verbraucherkredite und Fernabsatzgeschäfte vorangetrieben. Die Ausdifferenzierung der Kreditformen und ihrer Sicherungen führte zu einer immer komplexeren bankvertragsrechtlichen Gesamtordnung.
5
Demgegenüber hat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz den Versuch unternommen, die Kernvorschriften zu modernisieren und die sondergesetzlichen Verbraucherschutzvorschriften ins BGB zu integrieren. Der Konsensualvertrag über das verzinsliche Darlehen ist damit zum Leitbild des Geldkredits geworden. Der Gesetzgeber war jedoch vor allem auf den Verbrauchsgüterkauf, das neue Leistungsstörungs- und Verjährungsrecht konzentriert, während ihm ein inhaltliches Reformkonzept zum Darlehensrecht fehlte (Köndgen). Ein solches erscheint jedoch weiterhin notwendig, da der Bankrechtssenat des BGH mit der Rechtskontrolle der immer phantasievolleren Vielfalt von Finanzdienstleistungen und des dabei ständig zunehmenden aleatorischen Elements sowie der systematischen Durchdringung der europäischen Richtlinien und nationalen Sonderbe-
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
333
stimmungen eine außergewöhnliche Verarbeitungslast zu tragen hat, der er in der jüngeren Vergangenheit nicht immer gerecht geworden ist. IV. Die Neuregelung des Darlehensrechts. Das Darlehen ist jetzt im 3. Titel des Besonderen Schuldrechts zusammen mit den Finanzierungshilfen und den Ratenlieferungsverträgen zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher geregelt. Der Oberbegriff „Kreditvertrag“ wurde während des Gesetzgebungsverfahrens fallen gelassen. Der Sachdarlehensvertrag wurde gesondert in den §§ 607-609 BGB geregelt. Das Gelddarlehen wurde mit den speziellen Vorschriften für das Verbraucherdarlehen im ersten Untertitel (§§ 488-498 BGB) zusammengefasst, während der zweite Untertitel mit den Finanzierungshilfen für einen Verbraucher den Zahlungsaufschub, das Finanzierungsleasing und die Teilzahlungsgeschäfte betrifft (§§ 499-504 BGB) und der dritte Untertitel in § 505 BGB die Vertragsformen langfristiger Erwerbsverpflichtung regelt. Schließlich erklärt § 506 BGB die Normen für das Verbraucherdarlehen für zwingend, während § 507 BGB die §§ 491 ff. BGB auf Existenzgründer erstreckt. Der Kreditvermittlungsvertrag ist ins Maklerrecht verpflanzt (§§ 655 a – e BGB). Diese unübersichtliche Anordnung ist aus dem Versuch hervorgegangen, das Gelddarlehensrecht mit dem Verbraucherkreditrecht zu verbinden. Die Systematik des BGB mit seiner Begriffsbildung unter Fortschreiten vom Allgemeinen zum Besonderen konnte dabei nur teilweise gewahrt werden. Immerhin ist nunmehr der verzinsliche Gelddarlehensvertrag als Konsensualvertrag als zentrales Institut des Kreditrechts vorangestellt.
6
V. Die Struktur des darlehensvertraglichen Synallagmas. Nach der § 607 BGB a. F. zu Grunde liegenden Realvertragstheorie entstand der Darlehensvertrag erst mit der Hingabe des Kapitals, d.h. dem Empfang des Darlehensnehmers. Mit der Hingabe verband sich das Rückgabeversprechen. Vor der Hingabe konnte verbindlich nur ein Vorvertrag auf Begründung eines Darlehensvertrags bestehen. Da das unverzinsliche Darlehen als einseitig verpflichtender Vertrag der gesetzliche Ausgangspunkt war, wurde die Zinspflichtvereinbarung beim verzinslichen Darlehen zum Teil als Abrede neben dem Darlehensvertrag konstruiert (Affolter, ArchBürgR 26, 1 (6)). Im Zuge der Rechtsentwicklung seit 1900 wurde der Realvertragstheorie immer mehr die Konsensualvertragstheorie übergestülpt, bei der aber Bereithaltungs- und Hingabepflicht des Darlehensgebers, Abnahme- und Rückgabepflicht des Darlehensnehmers einen unsicheren Standort hatten. Im Zug der Neuregelung, die den Konsensualvertrag über das verzinsliche Darlehen zum Leitbild erhebt, bedarf es daher einer Bereinigung der rechtsdogmatischen Grundstruktur um die realvertraglichen Elemente (Mülbert, WM 2000, 465 (467)). Damit sind jedoch nicht die Schleusen für eine Rechtskonstruktion geöffnet, die über eine prinzipielle Gleichstellung des Darlehensvertrags mit den Gebrauchsüberlassungsverträgen die Rechte des Darlehensgebers von der Darlehensvalutierung unabhängig machen, insbesondere die Verzinsung von der Kapitalhingabe gänzlich lösen.
7
1. Die Hingabe des Darlehens. Die synallagmatische Hauptpflicht des Darlehensgebers hat die Überlassung des Kapitals auf Zeit zum Inhalt und wird überwiegend als Belassungspflicht bezeichnet. Soweit bei der Hingabe eine Übereignung erfolgt, geht die Sachgefahr auf den Darlehensnehmer über, der bei Ende der Darlehenslaufzeit auch keinen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB haben kann, da er nur den zur Verfügung gestellten Geldbetrag zurückzuerstatten hat. Der Darlehensgeber hat dementsprechend dem Darlehensnehmer nur den abstrakten Kapitalbetrag zu belassen, den der Darlehensnehmer im Sinne einer Wertverschaffungspflicht zurückzugewähren hat.
8
Die Pflicht des Darlehensgebers, den vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, umfasst das Verschaffen und das Belassen (BT-Drucks. 14/6040, S. 253). Nur beides zu-
Derleder
334
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
sammen löst die synallagmatische Pflichtenverbindung mit der Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers aus. Dafür genügt die bloße Geltendmachung des Anspruchs auf Darlehenshingabe, also auf Auskehrung der Valuta noch nicht. Einen solchen Anspruch räumt zwar § 488 I 1 BGB ein, ohne dass aber der Darlehensgeber demgegenüber schon die Einrede des § 320 BGB erheben könnte, zumal der Beginn der Zinszahlungspflicht bei bislang ausgebliebener Valutierung noch nicht feststeht. Der Darlehensnehmer ist demnach auch nicht gehalten, einen Klagantrag auf Valutaauskehrung Zug um Zug gegen Verzinsung zu stellen. Der Anspruch auf Hingabe eines Darlehens wird in der Praxis zwar kaum je geltend gemacht, weil die Kreditkunden die Befriedigung ihres Finanzierungsbedürfnisses meist nicht bis zum Abschluss eines Gerichtsverfahrens hinausschieben können und bankseitige Einwände eher nicht vertieft, sondern durch Kreditgewährung bei einem anderen Darlehenspartner überwunden zu werden pflegen. Dennoch macht § 488 I 1 BGB klar, dass es sich insoweit um eine Hauptpflicht des Darlehensgebers handelt, deren Verletzung zum Rücktritt nach § 323 BGB und zum Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB führen kann. Während § 326 BGB a. F. Rücktritt und Schadensersatz von einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung hinsichtlich einer Hauptpflicht erforderte, ist der Hauptpflichtcharakter jedoch nach der Verallgemeinerung des Fristsetzungserfordernisses im neuen Leistungsstörungsrecht, das also auch für Nebenleistungspflichten gilt, nicht mehr von entscheidender Bedeutung. 9
Das Einsetzen der Verzinsungspflicht mit der Valutierung ist kein Ausfluss der aufgegebenen Realvertragstheorie, sondern folgt aus der Akzessorietät von Darlehenshauptverbindlichkeit und Zins. Gleichgültig, ob man den Zins als Vergütung für die Kapitalnutzungsmöglichkeit des Darlehensnehmers versteht (so die h. M.; s. insb. Canaris, NJW 1978, 1891 (1892)) oder für den Kapitalnutzungsverzicht des Darlehensgebers (so etwa BGH, WM 1985, 10 (12)), ist bereits dem Zinsbegriff die Akzessorietät zur Kapitalnutzung inhärent. Das schon vom BGB-Gesetzgeber zu Grunde gelegte zinsrechtliche Akzessorietätsprinzip, nach dem Darlehenszinsen vor Entstehung der Hauptschuld und nach deren Erlöschen nicht mehr entstehen können (s. Mugdan, Bd. II, S. 9), wollte auch der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform nicht aufgeben. Es ist auch mit der Konstruktion des Konsensualvertrages ohne weiteres kompatibel. Der Vermieter kann zwar Mietzins nach §§ 535, 537 BGB für die vereinbarte Mietzeit verlangen, auch wenn der Mieter noch nicht eingezogen ist, weil sein Sachkapital sonst brachliegt. Dagegen hat der Darlehensgeber kein berechtigtes Interesse an einer Kapitalverzinsung ohne Kapitalhingabe, da er brachliegendes Geldkapital vermeiden und sich für die Zeit bis zur Valutierung den Ersatz eines etwaigen Bereithaltungsaufwands oder eine diesbezügliche Vergütung ausbedingen kann (Knops, S. 49 ff., 198 f.) Andernfalls könnten die Banken auch dazu übergehen, an Stelle der bisher verlangten Bereitstellungszinsen und der Nichtabnahmeentschädigung den laufenden Vertragszins zu fordern. Die Aufgabe des Akzessorietätsprinzips (dafür Mülbert, WM 2002, 465, 470; unreflektiert von vielen übernommen, s. nur Palandt-Weidenkaff, § 488 Rn. 20; s. dagegen zum alten Recht BGHZ 106, 42 (47); Köndgen NJW 1987, 160, 163)) ist im Gesetzgebungsverfahren nicht einmal angedeutet worden und würde eine Rente für fiktive Kapitalnutzung des Darlehensnehmers oder fiktiven Kapitalnutzungsverzicht des Darlehensgebers bedeuten. Der Wegfall der Realvertragskonstruktion bedeutet lediglich, dass der Darlehensvertrag ohne Rücksicht auf die Valutierung wirksam wird, nicht aber, dass Zins ohne Valutierung zu zahlen ist. Das ist auch folgenreich, insbesondere wenn das Zurückbehaltungsrecht des Darlehensnehmers nach § 320 BGB, das grundsätzlich die Verzinsung Zug um Zug gegen Valutierung sichert, wegen Ausfalls einer Valutierungsvoraussetzung (z.B. bei Versagung einer Baugenehmigung) entfällt. Der Zinsanspruch wird also erst mit der Valutierung fällig. Eine formular-
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
335
vertragliche Abbedingung des Akzessorietätsprinzips verstößt gegen § 307 I, II Nr. 2 BGB (a. A. Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner, § 78 Rn. 5, sowie BGH a.a.O. hinsichtlich der Zinsberechnung). 2. Die Abnahmepflicht. Eine davon unabhängige Frage ist es, ob der Darlehensgeber einen einklagbaren Anspruch auf Abnahme der Valuta hat, der Darlehensnehmer also zum Schadensersatz wegen Abnahmepflichtverletzung in Höhe der Vertragszinsleistungen verpflichtet sein kann. Der Wortlaut des § 488 I BGB, der nicht von der Abnahme der Valuta spricht, erlaubt die Annahme einer einklagbaren Abnahmepflicht nicht, zumal dem Gesetzgeber die Kontroverse um die Abnahmepflicht bekannt sein musste. Eine individualvertragliche Abmachung einer Abnahmepflicht ist jedoch möglich, eine formularvertragliche Abrede dieser Art stellt jedoch regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gem. § 307 BGB dar, da sie über Bereitstellungszinsen und Nichtabnahmeentschädigung hinaus unter Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips Vertragszinsen ohne Kapitalnutzung verschaffen würde. Der Darlehensnehmer kann allerdings wegen verweigerter oder unterlassener Abnahme in Gläubigerverzug geraten und schuldet dem Darlehensgeber dann u. a. Ersatz der Mehraufwendungen gem. § 304 BGB. Schadensersatz wegen Schuldnerverzugs oder positiver Vertragsverletzung (s. zum alten Recht insoweit BGH NJW 2001, 509 (510)) ist bei individualvertraglicher Festlegung einer Abnahmepflicht möglich. Nach Durchsetzung der Abnahme kann der Darlehensgeber die Vertragszinsen verlangen. Vor Valutierung kann er dagegen ohne individualvertragliche Vereinbarung einer Abnahmepflicht Schadensersatz statt der Leistung nicht in Höhe der Vertragszinsleistungen verlangen, da dies gegen das Akzessorietätsprinzip verstieße. Eine analoge Anwendung des § 537 BGB, der dem Vermieter auch bei persönlicher Verhinderung des Mieters einen Anspruch auf Zahlung der Miete gibt, scheidet ebenfalls aus (a. A. Mülbert, WM 2002, 465 (472)), da diese Norm nur dem brachliegenden Sachkapital des Vermieters Rechnung trägt.
10
3. Der Belassungsanspruch. Hat der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die Valuta überlassen, braucht der Belassungsanspruch des Darlehensnehmers regelmäßig nicht eingeklagt zu werden. Wird er vom Darlehensgeber aber in Abrede gestellt, ist immerhin eine Feststellungsklage hinsichtlich der Belassungspflicht möglich. Verlangt der Darlehensgeber – etwa auf Grund einer Kündigung – Rückgewähr, wird er regelmäßig die Klägerrolle übernehmen. Soweit er noch keine Rückzahlungsklage erhoben hat, kann der Darlehensnehmer aber negative Feststellungsklage mit dem Ziel erheben, das Nichtbestehen des Rückzahlungsanspruchs rechtskräftig feststellen zu lassen, eventuell in Verbindung mit der Feststellung einer weitergehenden Belassungspflicht. Insofern handelt es sich also bei dieser Pflicht nach der Valutierung durchaus um eine einklagbare synallagmatische Hauptpflicht. Der Darlehensnehmer ist als Kläger aber zur Vermeidung von Nachteilen gehalten, die Belassung nur Zug um Zug gegen Zinszahlung geltend zu machen.
11
4. Der Zinsanspruch. Der Zinsanspruch des Darlehensgebers aus § 488 I 2 BGB bezieht sich auf die synallagmatische Hauptpflicht des Darlehensnehmers. Er entsteht nach dem Akzessorietätsprinzip mit der Valutierung des Darlehens, auch dann, wenn die Abnahme erzwungen worden ist. Solange die Abnahme unterlassen oder verweigert wird, kann (außer bei individualvertraglicher Vereinbarung einer Abnahmepflicht) nur ein Anspruch auf Bereitstellungszinsen oder Nichtabnahmeentschädigung bestehen. Der Zinsanspruch kann gem. § 301 BGB entfallen, wenn der Darlehensgeber ein vertraglich oder gesetzlich gerechtfertigtes Ablösungsangebot nicht annimmt und dadurch in Gläubigerverzug gerät. Bei Beendigung eines Darlehens durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer und durch Wirksamwerden einer Kündigung endet die vertragliche Verzinsungspflicht (BGH WM 2000, 718 (719)). Dies entspricht dem Akzessorietätsprinzip. Der Anspruch auf Rückzah-
12
Derleder
336
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
lung des Kapitals und Begleichung der in der Vertragslaufzeit entstandenen Zinsen kann dann nur Grundlage eines Schadensersatzanspruchs wegen Verzugs gem. § 286 BGB sein, der jedoch u. U. höher sein kann als die vertraglich bedungenen Zinsen. Soweit eine vorzeitige Kündigung durch Vertragspflichtverletzung des Darlehensnehmers nach Valutierung veranlasst ist, besteht aber ein Schadensersatzanspruch, der nach den Grundsätzen der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 490 II 3 BGB zu berechnen ist. Eine Unterscheidung danach, ob der Darlehensnehmer einen berechtigten Grund zur Vertragsaufhebung gegen Vorfälligkeitsentschädigung hat oder durch eine Vertragspflichtverletzung eine vorzeitige Kündigung provoziert hat, ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt (Palandt-Heinrichs, § 246 Rn. 13). Insoweit bedarf es für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs einer Herausrechnung ersparter Kostenpositionen. Das folgt aus § 326 II 2 BGB. Auch wenn man mit Mülbert (WM 2002, 465 (473)) § 628 II BGB analog als Anspruchsgrundlage heranzieht, kann nichts anderes gelten. 13
5. Der Besicherungsanspruch. Die Sicherstellungsabrede, aus der sich der Anspruch auf Gewährung von Sicherheiten ergibt, kann eine Nebenabrede des Darlehensvertrags und die Sicherungspflicht damit eine Nebenpflicht sein (BGH NJW 2002, 1199 (1200)), aber auch Inhalt eines getrennten Sicherungsvertrags (s. dazu § 23 Rn. 8 ff.). Ebenso wenig wie der Sicherungsvertrag ein synallagmatischer Vertrag ist, steht eine darlehensvertragliche Sicherungsnebenabrede im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Darlehenshingabe (s. § 23 Rn. 12 f.; s. auch Knops, ZfIR 1998, 577 (579 f.)). Scheitert die Darlehensvalutierung an einer ausbleibenden Sicherheitenbestellung, kann aber wie in den anderen Fällen der Nichtvalutierung ein Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung bestehen (Derleder, JZ 1989, 165 f.).
14
6. Der Rückerstattungsanspruch. Der Rückerstattungsanspruch nach § 488 I 2 BGB ist die Kehrseite der Kapitalüberlassung. Er steht nicht im Synallagma. Er folgt nicht unmittelbar aus dem Vertragswillen der Parteien und kann daher als gesetzlicher Anspruch verstanden werden, der erst mit Ablauf der Vertragsdauer entsteht und somit vorher als künftiger Anspruch zu qualifizieren ist. Dem Darlehensrückzahlungsanspruch kann der Darlehensnehmer nach § 273 BGB einredeweise den Anspruch auf Rückgewähr bestellter Sicherheiten entgegenhalten und so gem. § 274 BGB eine Verurteilung Zug um Zug wegen Rückübertragung der Sicherheit erreichen. Dafür genügt es, dass der das Zurückbehaltungsrecht tragende Anspruch auf Rückgewähr der Sicherheit mit der Erbringung der geschuldeten Leistung in Form der Darlehensrückzahlung entsteht und fällig wird (M. Pallas, Rn. 111 f.; vgl. BGH NJW 1985, 1417 (1418)).
15
VI. Der Abschluss des Darlehensvertrags. 1. Darlehensvertrag und AGB. Darlehensverträge werden regelmäßig mit den von den Kreditinstituten vorgegebenen Formularen geschlossen, die auch die Einbeziehung der AGB sichern sollen. Häufig geht die Initiative vom Kunden aus, auf dessen Erklärung das Kreditinstitut dann mit einer die AGB umfassenden Annahmeerklärung antworten kann. Darin liegt jedoch gem. § 150 II BGB ein neuer Antrag, der erst noch angenommen werden muss. Vielfach haben Kreditinstitute versucht, durch Vertragsabschluss- und Einbeziehungsklauseln die Kunden in die AGBGeltung vor Kenntnisnahme zu verstricken, etwa in dem Modell, dass nach dem Kundenantrag die Annahme unter Bezug auf die AGB erklärt wird, der Vertragsabschluss aber auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Vertragsleistung durch den Kunden vertagt wird, also auf einen Zeitpunkt nach Ermöglichung zumutbarer Kenntnisnahme gem. § 305 II Nr. 2 BGB (dagegen OLG Nürnberg VuR 1998, 19 (20)). Der Zeitpunkt zumutbarer Kenntnisnahme kann zwar nach der Verwendererklärung liegen, nicht aber vor der Kundenerklärung (A. Pallas, S. 81). Eine AGB-mäßige Festlegung, was als Antrag und Annahme zu qualifizieren ist, scheidet dabei aus. Eine Bestätigung der Aushändigung von
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
337
AGB verstößt gegen § 309 Nr. 12 b BGB. Eine formularvertragliche Erweiterung der Bindung des Kunden an seinen Antrag gem. § 145 BGB verstößt gegen § 307 BGB, wenn sie über die Dauer einer zügigen Bearbeitung hinausgeht (vgl. BGH NJW 1986, 1807, wo eine sechswöchige Frist für unwirksam erklärt worden ist; BGH NJW 1988, 2106 hat eine vierwöchige Frist beim Grundpfandkredit dagegen gebilligt, was aber nicht verallgemeinert werden kann). 2. Der stillschweigende Vertragsschluss. Ein stillschweigender Vertragsabschluss ist möglich, soweit keine Form vorgeschrieben ist (so aber beim Verbraucherdarlehensvertrag nach § 492 BGB). Ein solcher Vertragsschluss liegt vor, wenn ein Kunde einer Bank einen Scheck einreicht und diese ihm unabhängig von der Einlösung über eine Gutschrift den Scheckbetrag zur Verfügung stellt, die Bank sich aber einen Einlösungsvorbehalt für den girovertraglichen Ausgleich ausbedingt und damit die aufschiebende Bedingung der Deckung (s. BGHZ 118, 171 (177)) verankert. Kommt es nicht zur Einlösung, ergibt sich ein darlehensvertraglicher Rückgewähranspruch, falls es sich nicht bloß um einen geduldeten Kredit handelt (s. BGHZ 126, 129 f.); erfolgt die Einlösung, dann ist der Darlehensvertrag erfüllt (Soergel-Häuser, § 607 Rn. 7 m. w. N.). Dagegen stellt die Bezahlung der Rechnung eines über kein Guthaben verfügenden Kunden durch eine Bank noch keine Darlehensgewährung dar, falls darüber keine Abrede getroffen ist (so schon RG Recht 1918 Nr. 989).
16
3. Die Vereinbarung einer Bedingung. Der Darlehensvertrag kann ferner eine aufschiebende Bedingung enthalten. Eine solche Bedingung kann auch stillschweigend abgemacht sein. So ist es, wenn die Darlehensvertragsparteien den Vertrag schließen, aber im Ungewissen darüber sind, ob der Darlehensnehmer die geforderte Sicherheit überhaupt erbringen kann (etwa den Rangrücktritt einer anderen Bank). So ist es auch, wenn beiden Parteien die Erkennbarkeit der Baugenehmigung geläufig ist, ohne die die zu finanzierende Baumaßnahme überhaupt nicht begonnen werden kann. Eine stillschweigende Bedingung ist anzunehmen, wenn den Vertragspartnern das Ausstehen eines für die Kreditverwendung maßgeblichen Ereignisses bekannt, dessen Eintritt noch nicht konkret absehbar ist und der Darlehensnehmer kein Interesse an der Erhaltung des Zinsniveaus zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekundet. Dann besteht bei beiderseits interessengerechter Auslegung noch kein nachvollziehbarer Grund für eine vorgezogene Wirksamkeit der Vertragspflichten. Dies hat die Rechtsprechung bisher aber nur vereinzelt berücksichtigt (s. z. B. OLG Saarbrücken WM 1981, 1212). Soweit jedoch Bereitstellungszinsen ab einem bestimmten Kalendertermin ausbedungen sind, muss dem Darlehensnehmer klar sein, dass der Vertrag für ihn auch unabhängig von einem noch ausstehenden maßgeblichen Ereignis Pflichten erzeugt. Eine allgemeine Pflicht zur Vermeidung unnötiger oder unnötig vorgezogener Verträge trifft die Kreditinstitute nicht.
17
4. Das Vereinbarungsdarlehen. Das Vereinbarungsdarlehen war in § 607 II BGB a. F. ausdrücklich geregelt, ist aber nach dessen Streichung weiterhin auf Grund der Privatautonomie der Partner möglich. Eine Geldschuld aus Kauf, Miete oder einem anderen schuldrechtlichen Vertrag, aber auch aus einer familienrechtlichen (z. B. Zugewinnausgleichsanspruch) oder erbrechtlichen Verpflichtung (z. B. Vermächtnis) kann als Darlehensverbindlichkeit weitergeführt werden. Es handelt sich insoweit im Ausgangspunkt um die Umgestaltung des Kausalverhältnisses. Die Streichung des § 607 II BGB a. F. erzwingt die Klarstellung der rechtsdogmatischen Struktur des Vereinbarungsdarlehens, da § 488 I 1 BGB die Zurverfügungstellung eines Geldbetrages verlangt, wie dies nur durch Darlehensgewährung in Höhe der bisherigen Schuld geschehen kann. Falls weitergehende Rechtsfolgen als vor der Darlehensabrede gelten sollen, bedarf es dazu einer ausdrücklichen Vereinbarung. Die bisherigen Einwendungen und Einreden gelten gegenüber
18
Derleder
338
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
dem Anspruch aus § 488 I 2 BGB unverändert weiter, ohne dass es dazu einer Herleitung aus § 821 BGB bedarf (unklar insoweit BGH WM 1981, 1070). Lediglich die Verjährungsfrist läuft für den Darlehensrückzahlungsanspruch selbstständig, da die Parteien einen neuen Vertrag geschlossen haben. Soweit die Vereinbarung auf einem Abstraktionswillen der Parteien beruht, sind Einwendungen und Einreden nicht mehr zu erheben, die die Parteien bewusst ausschließen wollten. Beruht die Abstraktion auf einer Fehleinschätzung der Parteien, steht dem Darlehensschuldner die Einrede des § 821 BGB gegenüber dem abstrakten Vereinbarungsdarlehen zu. Dieses ist ferner von einem abstrakten Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB zu unterscheiden. Ein derartiges Anerkenntnis kann neben die bisherige Kausalverpflichtung treten, während bei einem Vereinbarungsdarlehen die bisherigen Anspruchsgrundlage auf Grund des Ersetzungswillens der Parteien gerade unmaßgeblich sein soll. 19
5. Die Vereinbarung der Darlehenshöhe. Sehr häufig wird nicht ein bestimmter Geldbetrag vereinbart, sondern nur ein Höchst- oder Mindestbetrag. Dann handelt es sich um einen Darlehensvertrag über den Höchstbetrag, auch wenn dessen Inanspruchnahme oder Abruf noch hinausgeschoben ist. Nach dem Akzessorietätsprinzip entsteht ein Zinsanspruch dem Grund und der Höhe nach aber erst mit Valutierung, so dass der Darlehensgeber sich für die Zeit vorher nur eventuell Bereitstellungszinsen und eine Nichtabnahmeentschädigung ausbedingen kann. Eine Abnahmepflicht ist mit einem Höchstbetragsdarlehen regelmäßig nicht verbunden. Die einseitige Festlegung einer Kreditlinie durch die Bank wie im Falle eines Dispositionskredits begründet noch keinen Darlehensvertrag, sondern stellt nur einen Antrag auf Abschluss eines solchen dar, der durch Inanspruchnahme in der vom Kunden bestimmten Höhe gem. § 151 BGB zu Stande kommt. Die Rückführung des Darlehensbetrags führt dann auch zur Eingrenzung des Darlehensvertrags.
20
6. Die Vereinbarung des Zinses. Der Darlehenszins wird je nach Darlehensform fest oder variabel vereinbart. Auch bei Festlegung eines bestimmten Zinssatzes ist die Zinsbindungszeit oft kürzer als die Darlehenslaufzeit. Die vertragliche Verzinsung setzt mit der Valutierung des Darlehens ein und endet mit der Beendigung der Darlehenslaufzeit. Soweit die Kreditinstitute sich eine Zinsanpassung im Laufe des bestehenden Vertragsverhältnisses vorbehalten haben, wurde ihnen trotz Zugrundelegung des § 315 BGB in der Vergangenheit eine äußerst großzügige Handhabung gestattet (auf der Basis von BGHZ 97, 212). Dies will der Bankrechtssenat in Angleichung an die Rechtsprechung der anderen BGH-Senate zu den einseitigen Leistungsbestimmungsrechten ändern (BGH WM 1999, 2547). Dem verschließt sich auch die Bankpraxis grundsätzlich nicht (Bruchner, S. 93), jedoch ohne zu einer ausgewogenen Lösung zu kommen. Für eine § 307 BGB und § 492 I 5 Nr. 5 genügende Zinsanpassungsklausel bedarf es der Angabe der für eine Berechnung notwendigen Parameter. Das Maß der Änderung muss sich nach der Änderung der Refinanzierungszinssätze der Kreditinstitute richten, wobei der Euribor-Dreimonatsgeld-Monatsdurchschnittszinssatz ein geeigneter Indikator ist (Bruchner, S. 127). Die danach gerechtfertigte Zinsänderung muss jedoch nach den Zinssätzen der Aktivgeschäfte gedeckelt sein, wobei zwischen Grundpfandkredit, Überziehungskredit und gewerblichem Kredit zu differenzieren ist (zu den Einzelheiten der Berechnung Derleder, WM 2001, 2029; mit Berechnungsbeispielen in Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinbarung, Bd. 19, S. 73 ff.). Einer Risikoveränderung kann nicht über die Anpassungsklauseln, sondern nur über eine Kündigung Rechnung getragen werden. Den Banken darf auch kein beliebiger Zeitraum für die Zinssenkung eingeräumt werden. Eine Umstellungsphase von drei Monaten entspricht den Anforderungen, die auch an die Flexibilität der Kunden gestellt werden. Ob sich eine transparente und rechnerisch nachvoll-
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
339
ziehbare Anpassungsmethodik durchsetzen wird, ist aber noch offen. Der Bankrechtssenat des BGH hat seine Ankündigung von 1999 trotz intensiver Diskussion nicht eingelöst (s. insbesondere die Beiträge von Schimansky WM 2001, 1169; 2003, 1469; Bruchner BKR 2001, 16; Metz BKR 2001, 21; Derleder WM 2001, 2029). Die Diskussion krankt daran, dass Protagonisten der wissenschaftlichen Diskussion (s. etwa Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner, § 78 Rn. 61) sich bis zur Ausblendung von Gegenpositionen ihrem Interessenhorizont verschrieben haben. 7. Die Laufzeit des Darlehens. Der Darlehensvertrag kann auf unbestimmte Zeit geschlossen sein, so daß es zur Beendigung der Kündigung bedarf. Dann wird regelmäßig ein variabler Zins verabredet, eventuell in Verbindung mit einer anfänglichen oder periodischen Zinsbindung. Ist der Vertrag auf bestimmte Zeit geschlossen, wird eher ein fester Zins vereinbart. Ferner kann die Tilgungsabrede Einfluss auf die Dauer des Vertragsverhältnisses haben, wobei wiederum ein gleich bleibender oder ein sich erhöhender Tilgungssatz abgemacht sein kann. Eine Erhöhung ergibt sich bei einem Annuitätendarlehen mit gleich bleibender Annuität (als Summe von Zins und Tilgung), weil sich mit zunehmender Tilgung die Zinsschuld reduziert und deswegen der Tilgungsanteil der Annuität ständig wächst. Auch die Einräumung von Sondertilgungsrechten kann zur Abkürzung der Laufzeit des Darlehens und zur Verminderung der Zinslast führen. Sowohl bei den Festdarlehen wie bei Dispositionskrediten kann es sein, dass keine Tilgung vereinbart ist. Während bei Festdarlehen dann die Endfälligkeit kalkulierbar ist, muss der Darlehensnehmer bei Dispositionskrediten mit einem überraschenden Ende der Laufzeit rechnen, weil eine Kündigung in der Praxis oft auf fehlende Tilgungsleistungen gestützt wird (zu den Grenzen der Kündigung s. § 34). Beim revolvierenden Kredit, der bis zur Kreditlinie in wechselnder Höhe in Anspruch genommen werden kann, gerade auch nach einer zwischenzeitlichen Rückführung, ist die Vertragsdauer besonders schwer kalkulierbar, wobei meist auch eine kontroverse Bewertung der Sicherheiten maßgeblich ist. Viele mittelständische Unternehmen lassen sich zudem auf eine Darlehenspraxis ohne feste Laufzeit, mit unregelmäßiger Zinsanpassung, fehlender Tilgungsabrede und ständiger (wenn auch oft nur geringfügiger) Überschreitung der Kreditlinie (mit entsprechenden Höchstzinsen) ein und verfügen nicht über klar bewertbare Sicherheiten, so daß sie dem Belieben der Kreditinstitute nahezu vollständig ausgeliefert sind. Die Rechtsprechung hat hierfür bisher kaum rechtliche Grenzen gezogen. Aus einer Tilgungsabrede kann aber eventuell eine Laufzeitvereinbarung entnommen werden (vgl. BGH, WM 1970, 402). Auch aus dem Darlehenszweck kann sich eine stillschweigende Laufzeitabrede ergeben, so bei einer Existenzgründung bis zur planmäßigen Erreichung der Gewinnzone, zur Überbrückung vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten bei guter Marktposition oder im Privatdarlehensverkehr aus den privaten Motivationen der Darlehensvergabe (BGH NJW 1995, 2282). Der Gesetzgeber hat aber die Sicherung einer klareren darlehensvertraglichen Position mittelständischer Unternehmen bedauerlicherweise bislang nicht als Aufgabe erkannt. Zumindest muss eine konkludente Laufzeitabrede für einen Zeitraum angenommen werden, in dem ein mittelständisches Unternehmen bei der Verwirklichung des von der Bank akzeptierten Kreditzweckes planmäßig noch nicht in der Gewinnzone sein kann. 8. Die Darlehensvertragsparteien. Der Darlehensvertrag muss klarstellen, wer Vertragspartner sein soll. Im Zweifel ist Darlehensgeber, wer die Darlehensvaluta leistet, und Darlehensnehmer, wer sie empfängt. Soll ein anderer als der Empfänger Darlehensnehmer sein, muss sich dies ausdrücklich aus dem Darlehensvertrag ergeben. Sind mehrere Darlehensnehmer vorgesehen, muss sich dies bei einem schriftlichen Darlehensvertrag aus dem Vertragskopf und den Unterschriften ergeben, wobei im Fall einer Erklärung im Na-
Derleder
21
22
340
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
men eines anderen auch ein Vertretungsvermerk erforderlich ist (zur Abgrenzung von Mitdarlehensnehmer und Bürge siehe § 25 Rn. 13). Eine bloße Unterschrift eines Partners kann einen Schuldbeitritt bedeuten. Die gesetzliche Mitverpflichtung eines Ehegatten bei Kleinkrediten gem. § 1357 BGB (s. Palandt-Brudermüller, § 1357 Rn. 11 m. w. N.) ist verfassungsrechtlich nach der Durchsetzung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als Lebensform nicht mehr zu rechtfertigen (and. BVerfG NJW 1990, 175). Soweit mehrere Darlehensnehmer Vertragspartner sind, müssen sie an sämtlichen rechtsgeschäftlichen Abreden bei der Abwicklung mitwirken. Eine AGB-mäßige gegenseitige Bevollmächtigung des Darlehensnehmers zur Entgegennahme aller Erklärungen der Bank, besonders zur Entgegennahme von Kündigungserklärungen und zur Beantragung von Stundungen und Laufzeitverlängerungen verstößt gegen § 307 I BGB (BGHZ 108, 98). Dasselbe gilt für eine Formularvollmacht zu Zinsänderungen. 23
VII. Die Abgrenzung von anderen Verträgen. 1. Kauf und Darlehen. a) Die Diskontierung. Zwischenformen zwischen Kauf und Darlehen entstehen durch die Diskontierung von Wechseln und (was weniger üblich ist) Schecks. Die Bank erwirbt dabei von ihrem einreichenden Kunden, dem Diskontanten, das Wertpapier und leistet dafür den abgezinsten Nennbetrag (Diskont). Es handelt sich dabei um eine Kreditgewährung, die aber in die Rechtsform des Kaufs gekleidet ist (BGHZ 19, 282 (292); BGH WM 1972, 72 u. die h. M.). Die Gegenauffassung (s. insbesondere Canaris, Rn. 1532) nimmt eine Leistung erfüllungshalber zur Darlehensrückzahlung an und erleichtert dem Kreditinstitut damit den Rückgriff auf seinen Kunden nach erfolglosem Einlösungsversuch auf der Basis eines fortbestehenden Darlehensanspruchs, während bei Annahme eines Kaufs die Bank die Rechtsmängelhaftung ihres Kunden zu realisieren hat. Die kaufrechtliche Rechtsmängelhaftung schließt zwar nicht das Bonitätsrisko ein, steht aber dem wechselrechtlichen Regress nicht entgegen (RGZ 93, 23 (26)), wenn der Käufer nicht darauf verzichtet hat. Die formularmäßige Vereinbarung eines Rücktrittsrechts bei nicht bezahlten Wechseln ist mit der Rechtsnatur als Kauf konform. Wechselrechtlich ist der Bankkunde entweder Aussteller oder Indossant. Regelmäßig stellt er als Lieferant und Warenkreditgeber einen Wechsel aus, den sein Warenkäufer akzeptiert (s. im Einzelnen Schimansky/Bunte/ Lwowski-Peters, § 65 Rn. 2 ff). Ein Darlehen ist jedoch anzunehmen, wenn ein Wechsel für Rechnung des Kunden hingegeben wird und eine sofortige Gutschrift aus eigenen Mitteln der Bank erfolgt (BGHZ 19, 282 (291); BGH WM 1966, 1221 (1222 f.)). Auch die Diskontierung eines Wechsels mit Akzept des Bankkunden, aber ohne Unterschrift des Ausstellers kann Darlehen sein (BGH WM 1956, 188). Maßgeblich ist stets, ob ein Forderungskauf gewollt sein kann, also die Verpflichtung eines Schuldners des diskontierenden Bankkunden Vertragsgegenstand wird. Diese Haftung muss aber nicht notwendig wechselrechtlicher Art sein. Diskontiert eine Bank einen von ihr selbst akzeptierten Wechsel und schreibt ihrem Kunden den Wechselbetrag gut (eigendiskontierter Akzeptkredit), handelt es sich um ein Darlehen (Werner ZBB 1990, 236 (238); Canaris, Rn. 1602 u. a.). Beim Forfait-Geschäft diskontiert die Bank als Forfaiteur einen Wechsel ihres Kunden als Forfaitisten (meist eines Exporteurs) unter Verzicht auf jeglichen Rückgriff (à forfait, also in Bausch und Bogen), so daß es sich insoweit um einen Forderungskauf handelt (OLG Hamburg ZIP 1983, 46 (47) u. die h. M.).
24
b) Das Factoring. Das Factoring ist eine Methode kurzfristiger Absatzfinanzierung. Das Factoringunternehmen kreditiert dabei die noch nicht fälligen Forderungen ihrer Kunden aus Warenlieferungen und Dienstleistungen und verschafft ihnen Liquidität in Höhe von 80 bis 90% der Forderungswerte. Übernimmt das Factoringunternehmen das Risiko des Ausfalls des Drittschuldners, handelt es sich um echtes Factoring, während bei einer vorgesehenen Rückbelastung im Falle mangelnder Bonität des Drittschuldners unechtes Fac-
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
341
toring vorliegt. Echtes Factoring wird überwiegend als Forderungskauf qualifiziert (BGHZ 100, 353 (358); a. A. Canaris, Rn. 1655, 1686, der wiederum ein Darlehen annimmt). Beim unechten Factoring, bei dem die abgetretene Forderung nur bevorschusst wird, handelt es sich dagegen um ein Darlehen mit Zusatzelementen (BGHZ 100, 353 (358)). Ist der Drittschuldner leistungsfähig, stellen seine Zahlungen die Rückerstattung des Darlehens dar. Demgemäß ist davon auszugehen, dass die Abtretung der Forderung gegen den Drittschuldner an den Darlehensgeber gem. § 364 II BGB nur erfüllungshalber erfolgt (also zum Zweck der Sicherung; s. nur Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/ Oechsler, § 102 Rn. 46). Zum Vorrang der Vorausabtretungen auf Grund verlängerter Eigentumsvorbehalte von Warenlieferanten gegenüber der Vorausabtretung beim unechten Factoring s. nur BGHZ 82, 50 (64). c) Der Rentenkauf. Im Unterschied zum Darlehen fehlt es beim Rentenkauf an der Rückzahlungspflicht. Sollen nach dem Vertrag die Zinsen für eine ausgekehrte Valuta auch nach Erfüllung der Rückerstattungsforderung weitergezahlt werden, liegt in Wahrheit ein Rentenkauf vor (BGH WM 1976, 974 (975)), wobei aber für die Tilgungsphase überwiegend die Darlehensregeln anzuwenden sind. Um eine Leibrente nach § 761 BGB handelt es sich, wenn zunächst Zinsen gezahlt werden, aber nach dem Ausscheiden des Geldgebers aus dem Betrieb bis zu seinem Tode eine die Zinsen übersteigende Rente geleistet wird (RG HRR 1942, 16).
25
d) Das Pensionsgeschäft. Bei Pensionsgeschäften (s. § 340 b I HGB) überträgt ein Pensionsgeber ihm gehörende Vermögensgegenstände, insbesondere Wertpapiere, gegen Zahlung eines Betrags auf einen Pensionsnehmer und vereinbart zugleich, dass sie gegen Entgelt zurückzugewähren sind oder zurückgewährt werden können. Um echte Pensionsgeschäfte handelt es sich, wenn der Pensionsnehmer die Vermögensgegenstände zurückzuübertragen hat (§ 340 b II HGB). Ist er dazu lediglich berechtigt, handelt es sich um ein unechtes Pensionsgeschäft (§ 340 b III HGB). Beim echten Pensionsgeschäft kann der maßgebliche Zeitpunkt der Rückgewähr von vornherein vertraglich bestimmt oder der Bestimmung des Pensionsgebers überlassen sein. Beim unechten Pensionsgeschäft kann dem Pensionsnehmer das zeitliche Bestimmungsrecht eingeräumt sein, wenn der maßgebliche Zeitpunkt nicht schon im Vertrag bestimmt ist. Pensionsgeschäfte haben Kreditcharakter, werden von der h. M. aber als sofort zu erfüllendes Kaufgeschäft (Kassageschäft) mit einem gegenläufigen Kaufgeschäft qualifiziert (BGH WM 1983, 478 (480); Canaris, Rn. 1595; Bennat, WM 1969, 1437). Wegen der für den Kauf untypischen zeitweiligen Überlassung wird aber zum Teil bei echten Pensionsgeschäften Darlehenscharakter angenommen (Wittkämper, DB 1966, 1955), wobei die Übertragung der Vermögensgegenstände als Sicherheitsleistung zu qualifizieren wäre. Für die kaufrechtliche Qualifikation spricht aber, dass das Pensionsgut ins Eigentum des Pensionsnehmers fällt und ihm ohne die Beschränkungen des Sicherungseigentums zur Verfügung steht.
26
e) Das Emissionsgeschäft. Bei Emissionsgeschäften durch Ausgabe von Schuldverschreibungen wird dem Emittenten wirtschaftlich ein Kredit durch die Anleger gewährt. Der Erwerb der die Anleihe verkörpernden Wertpapiere wird jedoch als Kauf qualifiziert (Hopt, Prospekthaftung, 1991, S. 20). Dies führt zu der für Kaufgeschäfte dichteren AGBKontrolle.
27
2. Miete, Leihe und Darlehen. a) Der Leasingvertrag. Mit dem Leasingvertrag verschafft der Leasinggeber dem Leasingnehmer den Gebrauch einer Sache auf bestimmte Zeit, während der Leasingnehmer dem Leasinggeber das von ihm eingesetzte Kapital einschließlich Verzinsung und Gewinn zurückgewährt. Es handelt sich insofern um eine Finanzierungsform, die sich vor allem aus steuerrechtlichen Gründen durchgesetzt hat, da
28
Derleder
342
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
die Bilanz des Leasingnehmers mangels Eigentumserwerbs entlastet wird. Aber auch eine Reihe weiterer Gründe, die sich aus verschiedenen Rechtsgebieten vom Vollstreckungsbis zum Arbeitsrecht ergeben, hat für die Durchsetzung dieser Finanzierungsform gesorgt. Nach überwiegender Auffassung ist der Leasingvertrag im Kern Mietvertrag, da er eine Gebrauchsüberlassung zum Gegenstand hat, auf die mietrechtliche Normen anzuwenden sind, soweit die Interessenlage keine speziellen Regeln erfordert (BGHZ 97, 135 (139); WM 1990, 935 (939)). Der BGH hat andere Qualifikationsvorschläge (s. z. B. Canaris, AcP 190 (1990), 410) zurückgewiesen, weil er über die Finanzierungsfunktion hinaus die Gebrauchsüberlassung für prägend hält. 29
b) Verpackungs- und Behältnisleihe. Die „leihweise“ Überlassung von Verpackungsmaterial und Behältnissen, insbesondere Flaschen, kann Darlehen sein, nämlich Sachdarlehen nach § 607 BGB. Insbesondere die Überlassung von Einheitsflaschen beim Bierverkauf ohne besondere Kennzeichnung ist Darlehen (BGH NJW 1956, 298). Dies gilt auch für die Überlassung von Flaschenbierkästen (OLG Celle BB 1967, 778). Es kann aber auch sein, dass Flaschen mit speziellen Herkunftszeichen des Lieferanten auf Grund eines Gebrauchsüberlassungsvertrages überlassen werden, wenn das Eigentum an dem Leergut nicht übergehen soll (OLG Köln ZIP 1980, 1096). Die Aufrechterhaltung des Lieferanteneigentums über einen Eigentumsvorbehalt (so BGH NJW 2007, 2913) dient dabei ökologischen Zielsetzungen (Derleder, ZjS 2008, 187). Die formularmäßige Verpflichtung, bei Nichtrückgabe den vollen Wiederbeschaffungspreis zu ersetzen, stellt eine unangemessene Benachteiligung i. S. des § 307 BGB dar (OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 370; OLG Köln NJW-RR 1988, 373).
30
c) Die Wertpapierleihe. Die Wertpapierleihe ist in der Regel Sachdarlehensvertrag nach § 607 BGB und kein Leihvertrag. Es handelt sich zwar um eine zeitweilige Überlassung, jedoch nicht mit der Verpflichtung zur späteren Rückgewähr derselben Sachen. Der Entleiher verwendet die Wertpapiere zur Erfüllung eigener Lieferverpflichtungen. Das Wertpapierleihgeschäft ist auch kein Pensionsgeschäft, wo der Gegenwert der Wertpapiere an den Pensionsgeber zu zahlen ist. Die Banken verleihen regelmäßig Wertpapiere, die ihnen von ihren Kunden zur Verfügung gestellt sind. Mit Hilfe der Wertpapierleihe kann insbesondere ein typisches Risiko der Börsentermingeschäfte begrenzt werden.Eine Besonderheit stellt es jedoch dar, dass der entleihende Kunde das Eigentum an den Wertpapieren regelmäßig nicht erwerben, sondern sofort zur Erfüllung entsprechender Lieferverpflichtungen verwenden will. Dies entspricht bei Gelddarlehen der Auszahlung der Darlehensvaluta an einen Dritten auf Weisung des Darlehensnehmers. Der Entleiher ist dann als Sachdarlehensnehmer verpflichtet, Wertpapiere gleicher Art und Menge nach Ablauf der Leihzeit gem. § 607 I 2 BGB zurückzugewähren. Die Sonderbedingungen der Banken für Wertpapierleihgeschäfte legen die Rechtsnatur als Darlehen zu Grunde.
31
3. Darlehen und Vorausleistung. Vom Darlehen zu unterscheiden ist die Vorausleistung in Erwartung einer Gegenleistung, wie dies praktisch bei allen entgeltlichen Verträgen möglich ist. Die Vorausleistung ist geeignet, die Verbindlichkeit im Zeitpunkt ihres Entstehens zu tilgen (MünchKommBGB-Berger, vor § 488 Rn. 23). Aus dem Charakter der Vorausleistung ergibt sich ein Rückgewähranspruch, wenn die Verbindlichkeit, auf die geleistet worden ist, nicht entsteht oder später wegfällt. Anspruchsgrundlage dafür kann der Vertrag sein, auf den sich die Vorausleistung bezieht, oder aber § 812 I 2 2. Alt. BGB, wenn ein solcher Vertrag nicht geschlossen worden ist. Vorschüsse im Rahmen von Geschäftsbesorgungsverträgen (z. B. mit einem Steuerberater) können nach § 675 BGB zurückverlangt werden, wenn sie nicht verdient werden. Bei der Rückforderung einer
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
343
Vorausleistung hat der Empfänger die Beweislast dafür, dass er sie beanspruchen kann (BGH WM 1988, 763 (764)). Eine Mietvorauszahlung kann in Form eines Baukostenzuschusses geschehen. Möglich ist aber auch (bei Verzinsung und Tilgung) ein Mieterdarlehen (BGH WM 1995, 1360 (1361)). 4. Darlehen und Schenkung. Ist die Rückerstattung der Darlehensvaluta vom Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig und eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen, bleibt die Kündigung aus wichtigem Grund zulässig (BGH WM 1995, 743 (744)). Auch bei Eintritt der Bedingung wandelt sich das Darlehen nicht in eine Schenkung um. Ebenso wenig wird durch den Erlass der Rückerstattungsforderung eine Schenkung begründet (RG SeuffA 89 Nr. 160). Bei einer Klage auf Darlehensrückzahlung, der gegenüber der Beklagte schenkweise Hingabe einwendet, hat der Kläger die Darlehensabrede zu beweisen (OLG Rostock Recht 1910, Nr. 2806 und die h. M.).
32
Zuwendungen unter Ehegatten, aber auch unter eingetragenen und nichtehelichen Lebenspartnern, die keine Unterhaltsleistungen darstellen, sind nur dann Darlehen, wenn Verzinsung und/oder Tilgung vereinbart sind. Ansonsten handelt es sich um unbenannte Zuwendungen (zur Abgrenzung s. Waas, FamRZ 2000, 453), die mit Rücksicht auf Ehe bzw. Partnerschaft gemacht werden und auf die grundsätzlich Schenkungsrecht nicht anwendbar ist (s. aber zur Anwendung erbrechtlicher Bestimmungen für Schenkungen BGHZ 116, 167). Im Fall des Scheiterns der Ehe bleibt es grundsätzlich beim Zugewinnausgleich. Daneben kann jedoch ein Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB bestehen, wenn der güterrechtliche Ausgleich zu einer untragbaren Lösung führen würde (BGH NJW 1991, 2553; 1994, 2505; FamRZ 1994, 503; s. auch OLG Celle NJW-RR 2000, 1675; OLG Köln NJW 2002, 3784).
33
5. Darlehen und Gesellschaft. Die Abgrenzung zwischen partiarischem Darlehen und stiller Gesellschaft ist schwierig. Nur auf Darlehen findet AGB-Recht Anwendung. Die Leistung einer Einlage gegen Gewinnbeteiligung begründet nur dann eine Gesellschaft, wenn Leistender und Empfänger einen gemeinsamen Zweck i. S. des § 705 BGB verfolgen. Die Vertragsterminologie ist nicht entscheidend. Es kommt auf sämtliche Einzelfallumstände an. Für eine Gesellschaft sprechen Verlustbeteiligung (BGH WM 1965, 1053), Mitwirkung bei der Geschäftsführung (BGH WM 1992, 1576 (1577)), Zustimmungsvorbehalte bei unternehmensstrategischen Entscheidungen (BGHZ 127, 176) und ein längerer engerer persönlicher und geschäftlicher Verbund (BGH WM 1965, 1053). Gesteigerte Kontrollrechte können auch auf entsprechende Sicherungsbedürfnisse des Darlehensgebers zurückzuführen sein. Für ein Darlehen sprechen die Vereinbarung einer festen Verzinsung (BGH WM 1989, 1850 (1851)), eines Kündigungsrechts, einer Festvergütung ohne Verlustbeteiligung (RG DR 1942, 727 (728); RGZ 92, 292) und eingeschränkte Überwachungsrechte. Eine Einlage kann auch in ein Darlehen umgewandelt werden (BGHZ 39, 319 (331)). Da bei partiarischen Darlehen der Darlehensempfänger sein Entgelt in Form einer Gewinnbeteiligung zu leisten hat, ist eine Rechnungslegung erforderlich, die auf eine entsprechende Anwendung der §§ 713, 666, 259 BGB gestützt werden kann.
34
Darlehen von Gesellschaftern werden bei den Kapitalgesellschaften und der GmbH & Co als Eigenkapital der Gesellschaft behandelt, wenn die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute kein Darlehen gegeben, sondern Kapital zugeführt hätten. Das ist anzunehmen, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist oder wenn sie zur Fortführung des Geschäftsbetriebs notwendigen Kreditbedarf nicht durch einen entsprechenden Kredit von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen hätte decken können (BGHZ 76, 326 (330); 105, 184 f. und st. Rspr.). Die mit der GmbH-Reform 1980 geschaffenen Nor-
35
Derleder
344
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
men der §§ 32 a und b GmbHG werden insoweit durch die richterrechtlichen Grundsätze (s. dazu grundlegend BGHZ 90, 370; Staudinger-Hopt/Mülbert, § 607 Rn. 113 ff.) zur Eigenkapitalfunktion von Darlehen ergänzt, die der Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter Rechnung tragen. Dementsprechend werden eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren im Interesse der übrigen Gesellschaftsgläubiger gem. § 39 I Nr. 5 InsO zurückgestuft. Weiterhin eröffnen die §§ 135 InsO, 6 AnfG Anfechtungsmöglichkeiten für den Fall der Sicherung oder vorzeitigen Rückzahlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen. Mit Inkrafttreten des MoMiG werden die §§ 32 a und b GmbHG gestrichen und durch eine rechtsformneutrale insolvenzrechtliche Regelung (§§ 39 und 44 a InsO) ersetzt werden. 36
37
VIII. Die Darlehenszwecke. 1. Darlehen an Verbraucher. Die Darlehensaufnahme erfolgt zum Zwecke der Finanzierung des Konsums von Waren und Dienstleistungen (Verbraucherdarlehen gem. §§ 491 ff. BGB, wenn Darlehensgeber ein Unternehmer ist; s. dazu § 15) oder zur Finanzierung geschäftlicher Projekte und unternehmerischer Tätigkeiten. Es sind auch Darlehen von Verbrauchern an Unternehmer möglich, etwa bei Mieterdarlehen, und Darlehensverträge zwischen Verbrauchern, für die lediglich die §§ 488 ff. BGB und bei Sachdarlehen die §§ 607 ff. BGB gelten. Bei den Verbraucherdarlehen haben diejenigen zur Finanzierung eines Baus oder Immobilienerwerbs die größte wirtschaftliche Bedeutung, da sie regelmäßig eine langfristige Bindung herbeiführen. Baudarlehen sind regelmäßig durch Grundpfandrechte, insbesondere Grundschulden am Baugrundstück gesichert; ihre Verwendung zum vorgesehenen Bauzweck ist vertraglich festgeschrieben. Die zweckgerichtete Verwendung sichert das Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen vom 1.6.1909 (GSB) als Schutzgesetz i. S. von § 823 II BGB deliktsrechtlich (BGH WM 2002, 861), aber auch durch strafrechtliche Sanktionen, etwa für Bauunternehmer, die Baugeld für eigenen Konsum verwenden. Die Abtretung des Auszahlungsanspruchs ist nur wirksam, wenn die Verwendung für den Bau gesichert ist oder alle Betroffenen zustimmen. Bausparkassendarlehen werden auf Grund eines Bausparvertrags gewährt, wobei hier ebenfalls die Sicherung nach dem GSB eingreift. Darlehen zu Bauzwecken wie zu Zwecken des Immobilienerwerbs gehören zu den Immobiliardarlehen, die durch grundpfandrechtliche Sicherung nach den §§ 1113 ff. BGB geprägt sind und die auch beim Geschäftskredit eine bedeutende Rolle spielen. Für Immobiliardarlehen gilt das Verbraucherdarlehensrecht jedoch mit gewissen Einschränkungen. Das Widerrufsrecht nach § 495 BGB wird zwar anders als nach dem VerbrKrG nunmehr gewährt, war aber gem. § 506 BGB bis zum 1.7.2005 abdingbar. Arbeitgeberdarlehen werden einem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis gewährt, wobei regelmäßig die Rückerstattung unter teilweiser Verrechnung mit den Lohn- und Gehaltsansprüchen vorgesehen wird (BAG ZIP 2006, 866 betraf ein Darlehen zum Erwerb von Belegschaftsaktien). Wird das Arbeitsverhältnis beendet, entfällt nicht automatisch die Geschäftsgrundlage des Darlehens nach § 313 BGB (vgl. BAG NZA 1993, 936), während eine außerordentliche Kündigung des Darlehens wegen vom Arbeitnehmer verschuldeter Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Für die Zeit nach Beendigung können höhere Zinsen ausbedungen werden (BAG NZA 1999, 1212). Verbraucherdarlehensrecht findet auf Arbeitgeberdarlehen gem. § 491 II Nr. 2 BGB keine Anwendung, wenn ein geringerer als der marktübliche Zins vereinbart wird. Ist ein höherer Zins für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen, gilt Verbraucherdarlehensrecht nur, wenn von vornherein eine längere Vertragsdauer nach Ende des Arbeitsverhältnisses gewollt war. Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist kann bei enger Verbindung von Arbeitsvertrag und Darlehen auch für den Darlehensrückzahlungsanspruch gelten (BAGE 97, 65; BAG ZIP 2006, 866 (869)).
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
345
2. Geschäftsdarlehen. Beim Geschäftskredit wird zum Teil nach den Beteiligten, zum Teil nach den Kreditsicherheiten unterschieden. Brauereidarlehen, bei denen eine Brauerei einem Gastwirt Kredit gewährt und sich dessen längerfristigen Bierbezug sichert, haben eine lange Tradition. Darlehensgewährung und Sukzessivlieferung nach § 433 BGB stehen dabei regelmäßig im Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Dauer der Bezugsbindung ist dabei insbesondere auch auf Grund des europäischen Wettbewerbsrechts reduziert worden (s. EuGH DB 1991, 744; BGH NJW 1992, 1456 und 2145). Dem Darlehensnehmer wird in der Regel nicht das Recht eingeräumt, durch vorzeitige Tilgung die Bezugsbindung früher zu beenden. Geschäftskredite sind ansonsten meist (variable und revolvierende) Betriebsmittelkredite, bei einer Sicherung durch Mobilien (Waren, Forderungen und Rechte) als Mobiliarkredite. Bei einer Sicherung durch Pfandrechte gem. §§ 1204 ff. BGB und durch Sicherungsübereignung handelt es sich um Lombarddarlehen. Eine besondere Form des Lombardkredits ist der Pachtkredit, der dem Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke mit der Sicherung durch das Inventar gewährt wird und durch das PachtkreditG vom 5.8.1951 (BGBl. I, 494) normiert ist.
38
3. Das öffentliche Darlehen. Darlehen, die zu öffentlichen Zwecken aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, insbesondere auf Grund von öffentlichen Kreditprogrammen, werden nach der sog. Zweistufentheorie rechtlich geordnet, die sich auch in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen niedergeschlagen hat (s. zuerst BVerwGE 1, 308; s. ferner BGHZ 52, 155; BGH NJW 2000, 1042). Diese kann sowohl bei der Einschaltung einer Bank für die Darlehensabwicklung wie bei unmittelbarer Vergabe durch die öffentliche Hand zum Zug kommen. Die Zweistufentheorie sollte ursprünglich den Regelungslücken bei der Subventionsvergabe abhelfen und der öffentlichen Hand Flexibilität bei der Abwicklung sichern. Die Entscheidung über das Ob der Darlehensbewilligung und -bereitstellung durch Bewilligungsbescheid ist danach dem öffentlichen Recht vorbehalten, so daß auch die Grundrechtsbindungen der öffentlichen Hand uneingeschränkt wirksam sind, während der auf dieser Basis abgeschlossene Darlehensvertrag zur Anwendung der vertragsrechtlichen Regeln für die Durchführung führen soll. Dabei ist die Interdependenz zwischen öffentlichrechtlichem Verwaltungsakt und privatrechtlichem Vertrag nicht geklärt (s. einerseits BGH WM 1968, 916, andererseits BVerwGE 13 , 47). Für die Kündigung des Darlehens ist die Aufhebung des Bewilligungsbescheids nicht erforderlich, wenn man streng dem Vertragsprogramm folgt (so BGHZ 73, 258). Insgesamt führt die Zweistufentheorie zu rechtsdogmatischer Überkomplexität durch die Konkurrenz öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Regeln. Eine rein öffentlichrechtliche Konstruktion wäre eine erhebliche Vereinfachung für die Rechtspraxis, bedürfte aber jeweils dort einer Gesetzesänderung, wo die Zweistufentheorie in Gesetzesnormen eingegangen ist.
39
IX. Vorvertragliche Pflichten. Das Risiko der Darlehensverwendung trägt der Darlehensnehmer. Die Bank braucht sich nicht ungefragt um diese zu kümmern (BGHZ 107, 92 (101); BGH NJW 2000, 2352). Wendet sich der Kunde wegen einer zu finanzierenden Vermögensanlage an eine Bank, kann allerdings ein Auskunfts-, Vermittlungs- oder Beratungsvertrag zu Stande kommen (BGHZ 100, 117 (122); 123, 128; NJW 2000, 3275). Insoweit wird auf § 50 verwiesen. Im Übrigen hat die Rechtsprechung Fallgruppen gebildet (krit. dazu Becker, S. 150 ff.), bei denen die Bank vor Abschluss eines Darlehensvertrags zur Finanzierung einer Anlage zu einem Risikohinweis verpflichtet sein kann, so insbesondere bei einem konkreten Wissensvorsprung (s. etwa BGHZ 159, 294 (296); BGH NJW 2000, 2352; NJW-RR 2007, 257), bei einer Überschreitung der Rolle des Kreditgebers (BGH NJW 1988, 1583; 2000, 3065), bei einer Interessenkollision (BGH ZIP 1992, 990) und bei Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestands, etwa der Nichteinhaltung einer zugesagten Verwendungskontrolle. Die von der Rechtsprechung dazu ge-
40
Derleder
346
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
bildeten Rechtsgrundsätze zur Haftung aus culpa in contrahendo gem. § 311 II Nr. 1 BGB tragen den verschiedenen Varianten einer Verstrickung der Bank in Kreditverwendungsrisiken Rechnung, bedürfen aber teilweise der Konkretisierung (s. dazu § 50; s. ferner Derleder, ZfIR 2003, 177 (180 ff.)). Die Rechtsprechung zu den sog. Schrottimmobilien hat ein eigenes Pflichtensystem geschaffen (s. dazu § 16). 41
X. Die Kapitalüberlassungspflicht im Einzelnen. Die Kapitalüberlassungspflicht nach § 488 I 1 BGB bezieht sich auf einen bestimmten Geldbetrag und ist somit Wertverschaffungspflicht, kann also durch Bargeld wie durch bargeldlose Leistung erfüllt werden. Das bedeutet nicht, dass der Darlehensgeber die Wahl hätte, wie er dem Darlehensnehmer die Valuta zur Verfügung stellt. Soweit eine bargeldlose Valutierung vorgesehen ist, muss diese auf ein vom Darlehensnehmer bestimmtes Konto erfolgen. Wenn der Darlehensgeldbetrag durch Banknoten und Münzen erbracht wird, bedarf es der Übereignung nach § 929 BGB (vgl. BGH NJW 1978, 2294). Eine Zurverfügungstellung der Valuta, wie sie nach § 488 I 1 BGB erforderlich ist, liegt nicht vor, wenn bloß ein Übergabesurrogat nach den §§ 930, 931 BGB erbracht wird, falls nicht eine anderweitige Individualvereinbarung vorliegt. Die Auszahlung kann auch an Dritte erfolgen, wenn sich der Darlehensnehmer damit einverstanden erklärt hat (BGH NJW 1977, 38 f.; ZIP 1986, 1307), muss aber dann in aller Regel auf ein bestimmtes Konto erfolgen, das dem Darlehenszweck entspricht. Eine Auszahlung ohne entsprechende Weisung oder Vollmacht des Darlehensnehmers führt nur zu einem Bereicherungsanspruch gegen den Zuwendungsempfänger (BGHZ 171, 1 (6)). Die Auszahlung an einen verlängerten Arm der Bank genügt nicht (BGH WM 1985, 993 (994)). Hat der Notar noch die Auszahlungsvoraussetzungen der kreditgebenden Bank zu schaffen, ist er insoweit deren verlängerter Arm, so dass nach entsprechender Auskehrung die Auszahlungspflicht noch nicht erfüllt ist (BGH NJW 1985, 1831; WM 1998, 1869 (1870)). Das ist erst dann der Fall, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und das Ansuchen des Kreditnehmers neben dem des Kreditgebers auf Auszahlung an ihn oder einen Dritten (insbesondere den Grundstücksverkäufer) vorliegt (vgl. BGHZ 113, 151 (158)). Eine Formularklausel, nach der die Auszahlung an den Notar die Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers begründet, ist nach § 307 II Nr. 1 BGB unwirksam (so BGH NJW 1998, 3200 zu § 9 AGBG). Der Darlehensbetrag muss endgültig aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausscheiden und dem Vermögen des Darlehensnehmers definitiv zufließen. Soweit dem Darlehensnehmer der Darlehensbetrag auf einem beim Darlehensgeber geführten gesonderten Kreditkonto oder einem Girokonto gutgeschrieben wird und sich folglich daraus ein Anspruch aus abstraktem Schuldversprechen nach § 780 BGB ergibt, ist dem Darlehensnehmer der Geldbetrag damit noch nicht zur Verfügung gestellt. Das ist erst dann anzunehmen, wenn ihm dies mitgeteilt und eine angemessene Frist zur vorbehaltlosen Verfügung abgelaufen ist. Die Rechtsprechung zu § 607 BGB a. F. (seit BGHZ 6, 121 (124)) hat bisher teilweise zu sehr auf den Rechtscharakter der Gutschrift abgestellt. Die Aushändigung einer Geldkarte stellt noch keine Valutierung einer bestimmten Darlehenssumme dar. Eine Zurverfügungstellung durch Aufrechnung oder Verrechnung scheidet ebenfalls aus; Darlehensvertragsklauseln, die dies vorsehen, verstoßen gegen § 307 BGB. Davon zu unterscheiden ist eine Individualabrede, durch die von vornherein oder nachträglich der Betrag der auszuzahlenden Valuta reduziert wird.
42
Erfolgt die Auskehrung der Darlehensvaluta an einen Dritten (etwa einen Bauträger) ohne entsprechende Vertragsabrede oder Weisung des Darlehensnehmers, kann der Darlehensgeber seine Leistung nicht nachträglich umwidmen und als Leistung gem. § 267 BGB auf eine etwaige Verbindlichkeit des Darlehensnehmers gegenüber dem Dritten (dem Bauträger) verstanden wissen. Mit dem Darlehensvertrag ist es nicht vereinbar, dass der Darle-
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
347
hensgeber eine eigenständige Zielsetzung verfolgt und die ihm vom Darlehensnehmer im Verhältnis zu dem Dritten zugedachte Rolle als Leistungsgehilfe überschreitet. Der Darlehensgeber muss vielmehr dann die Valuta gem. § 812 BGB von dem Dritten im Wege der Nichtleistungskondiktion zurückverlangen. Die Rechtsprechung war bisher bei der Gestattung der Auszahlung der Darlehensvaluta an Dritte teilweise viel zu großzügig (s. etwa BGH WM 1985, 993; kritisch dazu auch MünchKommBGB-Westermann, 3. Aufl., § 607 Rn. 46). Geht der Geldbetrag auf das Konto eines Dritten, bei dem der Darlehensgeber den selbstständigen Zugriff zu darlehensfremdem Zweck behält (etwa auf Grund Verrechnung), dann kann sich der Darlehensgeber auf die ihm erteilte Zustimmung zur Auszahlung an den Dritten nur berufen, wenn diese Zugriffsmöglichkeit mit dem Darlehensnehmer vorher abgestimmt war. Ansonsten ist dem Darlehensnehmer nicht die uneingeschränkte Verfügung eingeräumt, die ihm – etwa zur Erreichung des Zwecks des mit dem Dritten geschlossenen Vertrags – darlehensvertraglich zusteht. Die Hingabe eines Wechsels oder Schecks zum Zwecke der Darlehensauskehrung erfolgt nur erfüllungshalber. Eine Leistung an Erfüllung Statt bedürfte einer Individualvereinbarung. Bei einer Vertragsabrede, dass an Stelle eines Geldbetrags Wertpapiere gewährt werden können, sind, wenn dies geschieht, die Vorschriften der §§ 607 ff. BGB für das Sachdarlehen anwendbar. Der Anspruch auf Auskehrung des Geldbetrags gem. § 488 I 1 BGB ist grundsätzlich nach § 271 I BGB mit Abschluss des Vertrages fällig. Die Fälligkeit ist häufig auf einen künftigen Kalendertag hinausgeschoben oder wird vom Abruf des Darlehensnehmers abhängig gemacht. Das bedeutet dann, dass der Darlehensnehmer das Geld vorher nicht haben will, § 271 II BGB abbedungen ist und der Darlehensgeber somit vor Fälligkeit nicht leisten darf. XI. Die Zahlungspflicht bei Beendigung des Darlehensvertrags. Der Rückerstattungsanspruch nach § 488 I 2 BGB, der mit Ende der vereinbarten Darlehenslaufzeit oder mit dem Wirksamwerden der Kündigung entsteht, kann nur geltend gemacht werden, wenn der Darlehensgeber den Vertrag, die Valutierung und die Vertragsbeendigung nachweisen kann. Gesetzlicher Erfüllungsort ist der Wohnsitz des Schuldners (OLG Stuttgart WM 1993, 17). Der Kapitalrückzahlungsanspruch erhöht sich um die Zinsen, falls diese im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses kapitalisiert worden sind. Ansonsten regelt sich die Zinszahlung nach § 488 II BGB, der im Zweifel eine Zinsfälligkeit nach Ablauf eines Jahres und, wenn vorher das Kapital zurückzuerstatten ist, bei Kapitalrückzahlung vorsieht. Der Kapitalrückzahlungsanspruch reduziert sich um die erbrachten Tilgungsleistungen, wobei die Tilgungsverrechnung prinzipiell gem. § 362 BGB für den Zeitpunkt des Leistungseingangs erfolgen muss. Soweit Tilgungsverrechnungsklauseln davon abweichen, müssen sie einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten. Die Rechtsprechung des BGH hat die Kontrolle jedoch durch die keineswegs zwingende Unterscheidung zwischen Tilgungsverrechnungs- und Zinsberechnungsklauseln und die weitgehende Beschränkung auf eine teilweise Transparenzkontrolle nicht konsequent zu Ende geführt. Die nachträgliche Tilgungsverrechnung ist danach nicht unwirksam, wenn der Kunde auf die zinssteigernde Wirkung unzweideutig hingewiesen worden ist (BGHZ 106, 47; 116, 2). Das kann auch durch die Angabe des Effektivzinssatzes geschehen (BGH NJW 1992, 1097 (1098)). Damit sind praktisch nur Tilgungsverrechnungsklauseln für die Zeit bis zum 1.10.1985, als die PangV die Angabe des Effektivzinssatzes für erforderlich erklärte, von den Rechtsgrundsätzen des BGH gefährdet (MünchKommBGB-Berger, § 488 Rn. 200). Bei Bausparkassen soll die nachschüssige Tilgungsverrechnung zulässig sein (BGH NJW 1991, 2561; a. A. AG Münster NJW 1999, 2050). Ein Verstoß gegen das Transparenzprinzip wurde ferner verneint, wenn der Darlehensnehmer bei einem Annuitätendarlehen eine Zinsen und Tilgung umfassende gleich bleibende Jahresleistung in
Derleder
43
348
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
vierteljährlichen Teilbeträgen aufzubringen hat, obwohl es dabei entgegen § 608 BGB a. F. und § 488 II BGB zu einer unterjährigen Zinsberechnung kommt, da der Kunde nicht darauf hingewiesen zu werden brauche, dass er auf diese Weise mehr zahlen müsse als bei einer Zinsleistung am Jahresende (BGH NJW 1993, 3261 (3262)). Eine solche versteckte Mehrleistung kann jedoch dem Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB nicht genügen. Die BGH-Rechtsprechung hat daher trotz ihres spektakulären Beginns nur zur Änderung besonders ungeschickt formulierter Klauseln geführt. Dabei ist volle Transparenz hinsichtlich der Zinsleistungen den Kreditinstituten ohne weiteres zumutbar. Da das Transparenzprinzip auf europarechtlicher Vorgabe beruht, ist es auch noch möglich, dass eine Behebung des Transparenzdefizits vom EuGH ausgeht. 44
XII. Die Nichtigkeit des Darlehensvertrags. 1. Nichtigkeit nach § 134 BGB. Darlehensverträge waren bis zum Inkrafttreten der Widerrufsregelung des VerbrKrG am 1.1.1991 gem. § 134 BGB i. V. mit §§ 55, 56 I Nr. 6 GewO nichtig, wenn der Vertragsschluss im Reisegewerbe erfolgte. Mit der Aufhebung dieses Verbots hat der Gesetzgeber die Tür für aggressive Einwerbungsstrategien aller Art eröffnet. Selbst hohe Grundpfandkredite wurden in Haustürsituationen vergeben (zum Widerrufsrecht s. Rn. 49 ff.). Andere Verbotsgesetze haben nur punktuelle Bedeutung erlangt. Nach § 3 Nr. 3 KWG ist der Betrieb des Kreditgeschäftes verboten, wenn es durch Vereinbarung oder geschäftliche Gepflogenheit ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist, über den Kreditbetrag durch Barabhebung zu verfügen. Nur wenn diese Vorschrift als Verbotsgesetz verstanden wird, lässt sich eine solche Praxis wirksam ausschließen (für Nichtigkeit nach § 134 BGB auch OLG Stuttgart NJW 1980, 1798; Canaris, Rn. 1176; MünchKommBGB-Berger, § 488 Rn. 96; offen gelassen von BGHZ 129, 90 (92) m. w. N.). Schließlich kann unter Umständen auch ein Verstoß gegen Art. 1 I RBerG zur Nichtigkeit führen. Im Rahmen von Bauträgermodellen sind Geschäftsbesorgungsverträge mit umfassenden Vollmachten des Auftraggebers für einen Grundstückserwerb deswegen für nichtig erklärt worden (BGHZ 145, 265). Dies kann sich jedoch – von einem eventuellen Einwendungsdurchgriff abgesehen – auf die Wirksamkeit eines Darlehensvertrags zur Finanzierung des Erwerbs nur dann auswirken, wenn der Darlehensvertrag und der Geschäftsbesorgungsvertrag als Vertragseinheit zu Stande kommen. Dies wird in der Bankpraxis jedoch regelmäßig vermieden.
45
2. Nichtigkeit gem. § 138 BGB. Darlehensverträge können gem. § 138 BGB nichtig sein. Die Sittenwidrigkeitsgrenze ist seit Ende der 70er Jahre durch die Rechtsprechung zum Konsumentenratenkredit konkretisiert worden, nachdem die Teilzahlungsbanken das Höchstzinsniveau Mitte der 70er Jahre trotz drastischer Reduzierung des allgemeinen Zinsniveaus gegenüber einem sozial und intellektuell überforderten Kundenkreis auch bei neuen Verträgen einfach beibehalten hatten. Der BGH hat insoweit zur Sittenwidrigkeit ein auffälliges Missverhältnis der Leistungen bei einer Überschreitung des Marktzinses um nahezu 100% angenommen (BGHZ 104, 105; 110, 338 u. st. Rspr.) und die Vermutung zu Grunde gelegt, dass der Darlehensgeber bei einem solchen Missverhältnis die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt oder sich leichtfertig der Erkenntnis verschließt, dass der Darlehensnehmer sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf die drückenden Bedingungen einlässt (BGH NJW 1995, 1022). Nach langwierigen rechtsdogmatischen Auseinandersetzungen über die genaue Berechnung des Missverhältnisses im Hinblick auf die Zinsmaßstäbe, die Bearbeitungsgebühren, die Restschuldversicherungsprämien und die Vermittlerprovisionen hat sich die Bankpraxis auf die richterrechtlichen Grenzen eingestellt. Die hier entwickelten Rechtsgrundsätze sind auch auf andere Kredite entsprechend anwendbar (BGH NJW 1991, 832 (833) zum Konsumentenratenkredit; BGH NJW 1991, 1810 zum gewerbli-
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
349
chen Kredit, bei dem allerdings die Vermutung hinsichtlich des subjektiven Tatbestands nicht gilt, s. BGH NJW 1995, 1022). Einzelne Kreditinstitute gehen methodisch bei ihren Zinssätzen immer wieder nahe an die Sittenwidrigkeitsgrenze heran, die aber in den letzten Jahren praktisch zu keiner richterlichen Intervention mehr geführt hat. Eine solche ist jedoch insoweit erforderlich, als einzelne Banken durch eine unverhältnismäßige Partizipation an Restschuldversicherungsprämien die Sittenwidrigkeitsgrenze zu unterlaufen versuchen. Auch wenn sich aus dem Vertragsinhalt objektiv kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergibt, kann die Tatsache, dass ein Vertragspartner seine vertraglichen Verpflichtungen auf Grund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse voraussichtlich niemals wird erfüllen können, also eine Überforderung vorliegt, einen Verstoß gegen § 138 I BGB begründen (BGH NJW 1989, 1665 (1666)), wenn weitere belastende Elemente hinzukommen (s. dazu MünchKommBGB-Berger, § 488 Rn. 101), so etwa völlige Unerfahrenheit eines gerade volljährig Gewordenen, und der andere Vertragsteil dies erkannt hat. Ein vergleichbares Sittenwidrigkeitselement kann sich ergeben, wenn die Darlehenslast mit der bekannten familiären Situation des Darlehensnehmers (vor der Geburt eines Kindes, wegen eines behinderten Familienmitglieds, im Hinblick auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Eltern etc.) unvereinbar ist. Desgleichen kann es der Bank nach dem Einkommensverhältnissen ersichtlich sein, dass gar keine oder nur minimale Steuervorteile überhaupt denkbar, Steuervorteile für die Darlehensabtragung aber unabdingbar sind. Schließlich kann auch jede Basis für projektierte Miet- oder Pachteinnahmen als Rückzahlungsgrundlage fehlen, so wenn die Finanzierung der (oft längeren) Anlaufphase der Objektnutzung nicht organisiert ist. Auch davon kann der Kreditgeber Kenntnis haben, so insbesondere wenn er auch den Veräußerer finanziert hat. Mit Rücksicht auf die Einbeziehung einkommensschwacher Schichten in den Adressatenkreis der kreditfinanzierten Steuerberatungsmodelle Anfang der 90er Jahre ist die regelmäßige gerichtliche Überprüfung des Darlehensvertrags nach § 138 I BGB geboten. Insoweit sind vergleichbare Kriterien wie in der Bürgschafts- und Ratenkreditjudikatur zu Grunde zu legen.
46
Eine sittenwidrige Knebelung kann ferner vorliegen, wenn die freie Entfaltung einer Vertragspartei in einem Maße beschnitten wird, dass diese ihre wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit ganz oder teilweise einbüßt. So kann es sein, wenn der Darlehensnehmer einer umfassenden und lückenlosen Kontrolle unterworfen wird, so daß eine effektive wirtschaftliche Betätigung vollständig von der Mitwirkung des Darlehensgebers abhängig ist (BGH NJW 1993, 1587). In der Krise mittelständischer Unternehmen ist eine derartige bankseitige Kontrolle, die sich bis auf die Bezahlung kleiner Rechnungen erstrecken kann, durchaus häufig, kann aber praktisch nur zur Nichtigkeit der seit Einsetzen dieser Kontrolle noch gewährten Darlehen führen. Sittenwidrig können auch einzelne Klauseln in Darlehensverträgen sein wie etwa eine Bestimmung, dass der Darlehensgeber sich zur autonomen Feststellung der Valutierungsvoraussetzungen ermächtigen lässt, z. B. dann, wenn er bei Baufortschrittsdarlehen die Auszahlung von einer Bestätigung seines Vertrauensarchitekten abhängig macht (zu unkritisch BGH WM 1981, 186 (187)). Hier ist die Einschaltung eines unabhängigen Sachverständigen erforderlich, weil sonst der Darlehensgeber ohne triftigen Grund praktisch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hätte.
47
XIII. Der Widerruf von Darlehensverträgen und seine Folgen. 1. Die Widerrufsrechte. Widerrufsrechte der Verbraucher können der vollen Wirksamkeit des Darlehensvertrags entgegenstehen. Sie haben den Zweck, dem Verbraucher bei besonderen Vertriebsformen und besonderer Gefährdung eine hinreichende Vertragsprüfung zu sichern
48
Derleder
350
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
und damit übereilte Vertragsabschlüsse zu vermeiden. Auf Grund europäischer Richtlinien bestehen Widerrufsrechte bei Vertragskontakten in einer Haustürsituation, bei Verbraucherkrediten und bei Fernabsatzverträgen, die jeweils auch für Darlehensverträge in Betracht kommen. Die Regelungen des HWiG, des VerbrKrG und des FernAbsG sind seit 1.1.2002 ins BGB integriert und dabei teilweise modifiziert worden. Da der Verbraucherdarlehensvertrag gesondert behandelt wird (§ 15), sind demgemäß hier nur die Regelungen für den Widerruf bei Haustürgeschäften und für Fernabsatzverträge zu behandeln. 49
2. Der Widerruf von Haustürkrediten. a) Die Haustürsituation. Die Haustürgeschäftsregelung des § 312 BGB bezieht sich auf Verträge zwischen einem Unternehmer i. S. des § 14 BGB und einem Verbraucher i. S. des § 13 BGB über eine entgeltliche Leistung, also auch auf verzinsliche Darlehen (BGH WM 1996, 2100 und 2103). Das Widerrufsrecht knüpft an die Haustürsituation an, die insbesondere dann vorliegt, wenn der Verbraucher zum Abschluss des Vertrags durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung bestimmt worden ist (§ 312 I 1 Nr. 1 BGB). Die mündlichen Verhandlungen setzen ein, wenn der Verbraucher mit dem Ziel des Vertragsabschlusses angesprochen wird (BGHZ 131, 385), auch wenn nur das Aufsuchen der Geschäftsräume vorbereitet wird (BGH NJW-RR 2005, 180). Mitursächlichkeit der mündlichen Verhandlungen genügt (BGH NJW 1996, 936; 2007, 1947). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Verhandlungen und dem Vertragsabschluss ist nicht erforderlich (BGH ZIP 2003, 432), aber ein Indiz. Je größer die zeitliche Distanz ist, desto eher ist die Kausalität zu verneinen (BGH NJW 2003, 2529; NJW-RR 2006, 1419), wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Die Rechtsprechung des Bankrechtssenats überlässt es dementsprechend auch den Instanzgerichten, die zeitlichen Kriterien zu bestimmen, hat aber selbst noch bei mehreren Monaten Abstand die Kausalität für möglich gehalten (BGH NJW 1996, 926). Der Verbraucher muss dann seine Willenserklärung aber nicht notwendigerweise in der Haustürsituation abgeben (BGH NJW 1996, 926 und 3416). Bei Inkrafttreten des HWiG am 1.5.1986 war es noch kaum vorstellbar, dass auch große Kredite, insbesondere auch Grundpfandkredite in der Haustürsituation vergeben würden. Seither haben sich jedoch aggressive Vertriebsmethoden auch auf dem Kreditsektor immer mehr etabliert, die bis zur systematischen Einschaltung von Vertriebspersonen aus der Privatsphäre des Verbrauchers geführt haben. Der BGH hat es jedoch abgelehnt, Gespräche zwischen Ehegatten und nahen Angehörigen zur Vertragseinwerbung einzubeziehen (BGH NJW 1993, 1594; 1996, 191). Nur wenn ein Angehöriger allgemein werbend für einen Unternehmer tätig ist, ist danach eine Haustürsituation zu bejahen (BGH NJW 1996, 3414). Die Einschaltung von Nachbarn durch den Unternehmer reicht ebenfalls aus (KG NJW 1996, 1480; str.). Die telefonische Ansprache und der Oktroi von Werbematerial führen dagegen zu keiner Haustürsituation. Beim Vertragsabschluss mit einem Stellvertreter des Darlehensnehmers kommt es nach der Rechtsprechung des Bankrechtssenats darauf an, dass der Vertreter in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden ist (BGHZ 144, 223 (226 ff.); NJW 2000, 2270). Dabei ist nicht geprüft worden, ob die Vollmachterteilung auf einem Vertriebskonzept beruht, nach dem der Stellvertreter der Interessensphäre des Darlehensnehmers als Verbrauchers nicht näher steht als der des Darlehensgebers.
50
Darlehensvertragsverhandlungen sind seit Beginn der 90er Jahre zunehmend in Privatwohnungen geführt worden und lösen das nunmehr in § 312 I 2 Nr. 1 2 Alt. BGB geregelte Widerrufsrecht aus, während Darlehensverträge bislang nicht am Arbeitsplatz (Nr. 1 1. Alt.), bei Freizeitveranstaltungen (Nr. 2) und in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf öffentlichen Verkehrswegen angebahnt wurden (Nr. 3). Es braucht aber nicht die Privat-
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
351
wohnung des Verbrauchers zu sein; das Verhandlungsgespräch kann auch in der Wohnung eines Dritten stattfinden, in die dieser den Unternehmer oder dessen Vertreter hat kommen lassen (OLG Hamm NJW-RR 1991, 121). Die Eigenschaft als Privatwohnung bleibt auch dann bestehen, wenn von ihr aus regelmäßig Verträge angebahnt worden sind (PalandtGrüneberg, § 312 Rn. 15). b) Die Einschaltung Dritter in die Vertragsanbahnung. Im Rahmen der Bauträgermodelle haben die Kreditinstitute vielfach die Anbahnung von Darlehensverträgen Dritten überlassen, die den Vertrieb der Bauträgermodelle besorgt haben. Insoweit taucht die Rechtsfrage auf, ob den Darlehensgebern die Haustürsituation zuzurechnen ist, in der sich der Darlehensnehmer zu seiner Verpflichtungserklärung hat bestimmen lassen. Hierzu hat die h. M. zunächst die Rechtsgrundsätze zu § 123 II BGB herangezogen, nach denen einem Vertragspartner die arglistige Täuschung eines Dritten zu seinen Gunsten nicht ohne weiteres zugerechnet wird (BGH NJW 2003, 424 (425)). Auf Vorlage des OLG Bremen hat jedoch der EuGH (NJW 2005, 3555) entschieden, dass es für das Widerrufsrecht nur auf die Haustürsituation und nicht auf zusätzliche Zurechnungskriterien ankommt. Der BGH folgt nunmehr der Rechtsprechung des EuGH, ohne auf deren Gründe einzugehen (BGH NJW 2006, 497 und 1340). Dieser knüpft an die Haustürsituation und den damit verbundenen Überrumpelungseffekt an, der ein Widerrufsrecht für jeden rechtfertigt, dessen Überrumpelung zu einem Vertragsanspruch eines Gewerbetreibenden führt. Der Unternehmer hat auch die Organisationshoheit über die Vermittlung der von ihm abgeschlossenen Verträge.
51
c) Der Ausschluss des Widerrufsrechts. Das Widerrufsrecht ist gem. § 312 III Nr. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die mündlichen Verhandlungen auf vorhergehende Bestellung des Darlehensnehmers als Verbrauchers geführt worden sind. Die Bestellung ist eine rechtsgeschäftähnliche Handlung, die auch mündlich oder fernmündlich erfolgen kann (BGH NJW 2001, 509) und die sich auf Vertragsverhandlungen im Hinblick auf ein verbindliches Angebot beziehen muss. Eine Bestellung zum Zwecke der Information reicht nicht aus (BGHZ 109, 127). Unmaßgeblich ist, ob der Verbraucher die Bestellung von sich aus ausspricht oder auf Nachfrage oder auf eine Werbeaktion hin. Provozierte Bestellungen sind unbeachtlich, so insbesondere wenn sie in einer Situation des § 312 I BGB herbeigeführt worden sind (OLG Brandenburg MDR 1998, 207; s. auch BGH NJW 1999, 575).
52
Das Widerrufsrecht soll ferner gem. § 312 III Nr. 3 BGB bei notarieller Beurkundung des Vertrags ausgeschlossen sein. Diese Vorschrift ist jedoch durch Art. 3 II Buchst. a der Richtlinie 85/577/EWG nicht gedeckt, da dort eine entsprechende Ausnahme nur für Verträge über den Bau, den Verkauf und die Miete von Immobilien sowie Verträge über Rechte an Immobilien vorgesehen ist. Eine richtlinienkonforme Auslegung muss demgemäß zu einer restriktiven Interpretation des § 312 III Nr. 3 BGB führen, so dass Darlehensverträge nicht erfasst sind. Der Bankrechtssenat des BGH hat die Europarechtskonformität der inhaltsgleichen Vorläuferbestimmung des § 1 II Nr. 3 HWiG zunächst offen gelassen, indem er sich auf den Standpunkt gestellt hat, das Kreditinstitut habe, ohne dass ihm ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden könne, auf den klaren Wortlaut dieser Bestimmung vertrauen dürfen (BGH NJW 2000, 2268 (2269)). Diese Rechtsauffassung ist jedoch ihrerseits wiederum nicht europarechtskonform, da ein Vertrauensschutz für europarechtswidrige nationale Gesetzesbestimmungen nur in sehr eingeschränkter Weise in Betracht kommt (s. nur EuGH NJW 1998, 47 – Alcan – zum Beihilferecht), vor allem nicht für Kreditinstitute, die sich ohne Not über von Anfang an bestehende ernsthafte Zweifel an der Europarechtskonformität hinweggesetzt haben. In der Folgezeit hat der Senat dieses Argument nicht wiederholt, sondern eine restriktive In-
53
Derleder
352
54
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
terpretation „wegen des klaren Gesetzeswortlauts“ für unmöglich erklärt, so dass eine richtlinienkonforme Auslegung ausscheide (BGH NJW 2003, 2319; NJW 2004, 154 (155)). Das kann auch methodisch nicht überzeugen. In der Literatur werden deswegen zum Teil Lockerungen nach § 242 BGB vorgeschlagen (s. etwa MünchKommBGB-Masuch, § 312 Rn. 109), was ebenfalls nicht überzeugt. d) Die Ausübung des Widerrufsrechts. Das Widerrufsrecht gem. § 312 I 1 BGB bestimmt sich auch bei den in Haustürsituation angebahnten Darlehensverträgen hinsichtlich Rechtsnatur, Frist, Ausübung und Rechtsfolgen nach § 355 BGB. § 312 II BGB sieht aber ergänzend vor, dass der Unternehmer den Verbraucher über die Rechtsfolgen des § 357 I und III BGB belehren muss, also insbesondere über die Rückgewährverpflichtung wie beim Rücktritt nach § 357 I 1 BGB und die eventuelle Wertersatzpflicht nach § 357 III BGB. § 355 BGB, der durch das SMG eingeführt wurde, soll die verbraucherschützenden Widerrufsrechte einheitlich regeln (s. aber § 4 FernUSG), bedurfte aber im Gefolge der Heininger-Entscheidung (EuGH NJW 2002, 181) alsbald einer Korrektur, da zunächst ein Erlöschen des Widerrufsrechts stets mit dem Ablauf von sechs Monaten nach einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung vorgesehen war. Das OLG-VertretungsänderungsG vom 23.7.2002 (BGBl. I, 2850) hat insofern zu einer wesentlichen Veränderung des § 355 BGB geführt. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 ist das Widerrufsrecht ein Gestaltungsrecht, mit dem der Vertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet werden kann. Es stellt daher ein besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht dar (BGH BB 2004, 1246). Das Recht steht auch einem gem. § 1357 mithaftenden Ehegatten zu (Cebulla/ Pützhoven, FamRZ 1996, 1124). Bis zum Widerruf besteht nach dem Wortlaut des § 355 I 1 BGB wie nach der Vorgängervorschrift in § 361 a BGB ein Zustand vorläufiger Wirksamkeit (vgl. auch BT- Drucks. 14/2658, S. 29). Der Vertrag ist gültig, bindet die Parteien und gibt ihnen Erfüllungsansprüche. Dem vertraglichen Erfüllungsanspruch gegen der Verbraucher steht aber vor dem mit der Belehrung beginnenden Lauf der Überlegungsfrist und während ihres Laufs die dilatorische Einrede der Widerrufbarkeit zu (PalandtGrüneberg, § 355 Rn. 4). Die Gegenauffassung (s. etwa MünchKommBGB-Masuch, § 312 Rn. 31), die eine uneingeschränkte Erfüllungspflicht vor Widerruf annimmt, würde zu einem unhaltbaren Hin und Her der Leistungen und einem unzumutbaren Druck auf den Verbraucher führen, seine Entscheidung auch weit vor Ablauf der Überlegungsfrist zu treffen. Mit dem Erlöschen des Widerrufsrechts wird der Vertrag vorbehaltlich anderer Wirksamkeitshindernisse endgültig wirksam, mit dem Widerruf entsteht das Rückabwicklungsverhältnis. Der Widerruf kann konkludent erklärt werden, er bedarf gem. § 355 I 2 BGB jedoch keiner Begründung und ist bei Darlehen nur in Textform innerhalb von zwei Wochen möglich, wobei die rechtzeitige Absendung der Erklärung genügt (§ 355 I 2 Halbs. 2 BGB). Die rechtzeitige Absendung ersetzt aber nicht den Zugang der Erklärung, die im Falle des Verlustes unverzüglich nachzuholen ist, sobald der Verlust festgestellt wird. Den Verbraucher trifft aber keine automatische Pflicht zur Überprüfung des Zugangs seiner Erklärung. Die Zweiwochenfrist beginnt gem. § 355 II 1 BGB mit dem Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Belehrung gegeben hat. Der Widerruf des Darlehensvertrags soll nicht den Widerruf der Darlehenszweckerklärung bedeuten (BGH ZGS 2007, 26; a.A. Kulke ZGS 2007, 10). Einem zivilrechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartner ist jedoch die Unterscheidung zwischen Darlehens- und Sicherungsvertrag, um die die Zivilrechtslehre ein halbes Jahrhundert lang gerungen hat, nicht geläufig. Der Widerruf des Darlehensvertrags erstreckt sich somit bei einer Auslegung nach §§ 133, 157 BGB auch auf die Sicherungsabrede, unabhängig davon, ob diese ausdrücklich getroffen und auch in der Darlehensvertragsurkunde enthalten ist.
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
353
e) Die Widerrufsbelehrung. Die Belehrung kann erst erteilt werden, wenn der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung abgibt oder abgegeben hat (vgl. BGH NJW 2002, 3396). Eine vorherige Belehrung ist unwirksam. Die Frist läuft auch ab der Vertragserklärung des Verbrauchers, falls diesem die Belehrung mitgeteilt worden ist. Das entspricht dem Wortlaut des § 355 II 1 BGB, dem Bezug des Widerrufs auf die eigene Willenserklärung (Witt NJW 2007, 3759, 3761) und der besseren Orientierung des Verbrauchers an dieser (für Fristablauf ab Vertragsschluss jedoch OLG Karlsruhe ZGS 2006, 399). Sie soll den Anforderungen des BGB, insbesondere des § 355 II genügen, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 der BGB-Informationspflichten-VO benutzt und ausgefüllt wird, die auf Grund der Ermächtigung in Art. 245 EGBGB ergangen ist. Damit hat der Gesetzgeber den Unternehmern eine ordnungsgemäße Belehrung erleichtern wollen. Aufgrund gewichtiger Bedenken gegen die Gesetzeskonformität des Belehrungsmusters (s. dazu Masuch, NJW 2008, 1700) hat es der Verordnungsgeber mit Wirkung ab 01.04.2008 neu gefasst (BGBl I, 292). Nach dem Muster kann der Widerrufsberechtigte seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Musterbelehrung in Textform. Es folgt dann eine Belehrung des Musters über die Widerrufsfolgen, an die sich besondere Hinweise, vor allem auch zu finanzierten Geschäften, und Gestaltungshinweise vielfältiger Art anschließen, aus denen sich Modifikationen der Belehrung je nach Qualifikation der Leistung ergeben, wiederum auch mit Sonderhinweisen für verbundene Geschäfte. Dem Verbraucher werden damit komplexe Subsumtionen aufgegeben, wenn er die Modalitäten eines etwaigen Widerrufs erfassen will. Die Abwälzung des Subsumtionsrisikos auf den Verbraucher erweist sich dabei als ein neuer Irrweg des Verordnungsgebers. Mit dem systematischen Abschreiben heterogener Gesetzesbestimmungen für eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäfte, die den Anbieter von der Qualifikation seines Angebotsgeschäftes entlastet, ist der Verbraucher jedoch überfordert. Die Benutzung eines solchen Musters, das eine Formularbestimmung darstellt, verstößt insoweit gegen das Transparenzprinzip des § 307 I 2 BGB, als dem Verbraucher das Risiko komplexer Subsumtionen aufgegeben wird. Der intendierte Verbraucherschutz würde sonst in sein Gegenteil verkehrt. Formulieren die Anbieter die Belehrung (wie in der Vergangenheit) eigenständig, haben sie gem. § 355 II 1 BGB über das voraussetzungslose Recht zum Widerruf, die Zweiwochenfrist und den Fristbeginn, Inhalt und Form (Textform nach § 126 b BGB i. V. mit § 355 I 2 BGB), Fristwahrung durch Absendung, Namen und (ladungsfähige) Anschrift des Widerrufsempfängers (nach BGH NJW 2002, 2391 genügt eine Postfachangabe) unter Bezugnahme auf den Vertrag zu belehren, der konkret widerrufen werden soll. Für Fernabsatzverträge enthält § 312 d II BGB weitergehende Belehrungserfordernisse. Die (gesonderte) Unterschrift des Verbrauchers ist anders als nach den Vorläuferbestimmungen für die Belehrung nicht mehr notwendig. Nach § 355 II 2 BGB ist eine Monatsfrist einzuhalten, wenn die Belehrung nach Vertragsschluss erteilt wird. Danach kann auch einer fehlerhaften Belehrung eine ordnungsgemäße nachfolgen. Auch für Altverträge lässt Art. 229 EGBGB § 9 II als Bestandteil des OLG-VertretungsänderungsG die Nachholung zu. Die Nachholungsvorschriften sind jedoch durch die Richtlinie 85/577/EWG insoweit nicht gedeckt, als nach Vertragsschluss und entsprechender Vertragsdurchführung der Verbraucher nicht mehr wie bei einer anfänglichen Belehrung frei von den Wirkungen einer Überrumpelung in der Haustürsituation entscheiden kann (Tonner, BKR 2002, 858; a. A. Palandt-Grüneberg, § 355 Rn. 19). Das gilt vor allem für die Darlehen, bei denen die Valuta regelmäßig schon verwendet, insbesondere an Dritte ausgezahlt ist. Die Wirksamkeit der Nachholungsregelung wird davon jedoch nicht berührt.
Derleder
55
354
56
57
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Die Belehrung muss nach § 355 II 1 BGB dem Deutlichkeitsgebot genügen, also inhaltlich und drucktechnisch auffällig, etwa durch Fettdruck, Schrifttypus oder Farbe herausgehoben sein (BGH NJW 1996, 1964). Eine bloße Verwendung größerer Absätze oder eines geringeren Randabstands reicht nicht aus (BGH NJW 1998, 1980). Ablenkende Zusätze und noch auffälligere Hervorhebungen anderer Textteile (s. dazu OLG Naumburg NJW-RR 1994, 377; BGH NJW 2002, 3396) schließen eine ordnungsgemäße Belehrung aus. Mehrere widersprüchliche Belehrungen ergeben keine wirksame (BGH NJW-RR 2005, 180 (181)). Die Belehrung ist gem. § 355 II 1 BGB eine Mitteilung in Textform nach § 126 b BGB, kann also per Fax oder E-Mail erfolgen. Sie muss dem Empfänger überlassen werden (BGH NJW 1998, 540), wobei aber die Ausdruckmöglichkeit am eigenen Faxgerät oder als E-Mail genügt. Dagegen ist bei einem Verbraucherdarlehen wegen der dafür in § 492 BGB vorgeschriebenen Schriftform gem. § 355 I 3 BGB der Beginn des Fristablaufs von der Zurverfügungstellung der Vertragsurkunde oder einer Abschrift abhängig. Ist der Vertrag noch nicht geschlossen, genügt auch die Zurverfügungstellung des schriftlichen Antrags des Verbrauchers, soweit dieser die Vertragsbedingungen enthält, oder einer Abschrift davon. Gemäß § 355 II 4 BGB trägt der Unternehmer die Beweislast für die Tatsachen zum Ablauf der Widerrufsfrist, vor allem hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Belehrung und ihrem Zeitpunkt. Hingegen hat der Verbraucher Absendung, Zugang und Inhalt des Widerrufs zu beweisen. f) Das Erlöschen des Widerrufsrechts. Nach § 355 III BGB in der Fassung des SMG sollte das Widerrufsrecht auch bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung sechs Monate nach Vertragsschluss erlöschen, um die Erlöschensregelung für die verschiedenen sondergesetzlichen Widerrufsrechte zu vereinheitlichen. Dies verstieß jedoch gegen die Richtlinie 85/577/EWG, wie der EuGH in der Heininger-Entscheidung geklärt hat (EuGH NJW 2002, 281). Auf Grund richtlinienkonformer Auslegung ist die bisherige Erlöschensregelung daher so zu interpretieren, dass sie auf Haustürgeschäfte nicht anzuwenden ist (BGH NJW 2002, 1881). Demgemäß war auch eine Belehrung bei einem in einer Haustürsituation zu Stande gekommenen Immobiliardarlehen an Verbraucher unrichtig, wenn sie nur dem VerbrKrG entsprach, also den Hinweis auf das Erlöschen des Widerrufsrechts spätestens ein Jahr nach Abgabe der Verbrauchererklärung gem. § 7 II VerbrKrG und auf den Wegfall des Widerrufs bei Versäumung alsbaldiger Darlehensrückzahlung gem. § 7 III VerbrKrG enthielt, obwohl das HWiG derartige Einschränkungen nicht kannte. Demgemäß hat der BGH (NJW 2003, 424 (426)) klargestellt, dass nur eine den Vorgaben des HWiG entsprechende Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist in Gang setzen konnte. Das OLG-VertretungsänderungsG hat mit Rücksicht auf die Heininger-Entscheidung § 355 III BGB neu gefasst. Nach Abs. 3 Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht (wie bisher) spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Abs. 3 Satz 3 stellt aber klar, dass das Widerrufsrecht nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Damit gilt Abs. 3 Satz 1 nur, wenn der Unternehmer Informationspflichten missachtet hat, die nicht Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Belehrung waren (wie etwa bei einer Verletzung von Informationspflichten im Rahmen von Fernabsatzverträgen gem. § 312 d II BGB). Für Darlehen gilt somit praktisch nur die Regelung des § 355 III 3 BGB, so dass ein Erlöschen des Widerrufsrechts bei Darlehen, die in einer Haustürsituation zu Stande gekommen sind, ohne ordnungsgemäße Belehrung ausgeschlossen ist. In § 2 I 4 HWiG war allerdings noch vorgesehen, dass das Widerrufsrecht einen Monat nach beiderseits vollständiger Erbringung der vertraglichen Leistungen erlosch. Diese Beschränkung hat der EuGH in seiner Hamilton-Entscheidung (EuGH NJW 2008, 1865) für europarechtskonform befunden.
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
355
g) Die Besonderheiten des Widerrufsrechts bei Immobiliardarlehensverträgen aus einer Haustürsituation. Für Immobiliardarlehen auf Grund mündlicher Verhandlungen in einer Privatwohnung, wie sie insbesondere im Zusammenhang mit Bauträgermodellen zu Stande gekommen sind, war ursprünglich in § 5 II HWiG der Vorrang des VerbrKrG vorgesehen, das jedoch in § 3 II Nr. 2 seinerseits kein Widerrufsrecht für Immobiliardarlehen vorsah. Auf Grund richtlinienkonformer Auslegung war nach der Heininger-Entscheidung aber auch § 5 II HWiG so auszulegen, dass das VerbrKrG nur dann den Vorrang vor dem HWiG hat, wenn es ein gleich weit reichendes Widerrufsrecht einräumt wie das HWiG (BGH NJW 2002, 1881). Dementsprechend war auch § 312 a BGB in der Fassung des SMG zu korrigieren, soweit dieser (wie § 5 II HWiG) dem Verbraucherdarlehensrecht den Vorrang einräumte. Dies ist durch die Neufassung des § 312 a BGB im OLGVertretungsänderungsG geschehen, der den Vorrang anderweitiger Widerrufsregelungen (also auch für die Immobiliardarlehen an Verbraucher) vor der Regelung des Widerrufsrechts in § 312 BGB nur für den Fall vorsieht, dass gem. § 312 BGB widerrufsberechtigte Verbraucher zugleich ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB nach anderweitigen Widerrufsregelungen haben. Zugleich wurde § 491 III Nr. 1 BGB in der Fassung des SMG gestrichen, so daß nunmehr für Immobiliardarlehen auch unabhängig von der Haustürsituation das Widerrufsrecht nach § 495 BGB gilt. Dieses konnte in der Zeit zwischen dem 1.8.2002 und dem 30.6.2005 jedoch gem. § 506 III BGB bei Immobiliardarlehensverträgen durch besondere schriftliche Vereinbarung ausgeschlossen werden, sofern es sich nicht um ein Haustürgeschäft handelte. Handelt es sich um ein Haustürimmobiliardarlehen, besteht gem. § 312 a BGB nur das Widerrufsrecht nach § 495 BGB.
58
h) Die Widerrufsfolgen beim Haustürkredit. Im Falle des Widerrufs hat der Darlehensgeber, der die Valuta ausgekehrt hat, gem. § 357 I 1 i.V. mit § 346 BGB einen Anspruch auf Rückgewähr wie beim gesetzlichen Rücktritt. Das entspricht den Vorgängerregelungen in § 361 a II 1 i. V. mit §§ 346 ff. BGB und § 3 HWiG. Die Rückgewähr des Darlehensnehmers nach § 3 HWiG hat der Bankrechtssenat bereits konkretisiert (BGH NJW 2003, 422; 2006, 2099 und st. Rspr.). Danach muss die Bank als Darlehensgeber dem Darlehensnehmer (für die Altfälle noch § 3 I HWiG) seine Zins- und Tilgungsleistungen nebst marktüblicher Verzinsung zurückgewähren, während der Darlehensnehmer die empfangene Kreditvaluta, wiederum nebst marktüblicher Verzinsung (jedoch ohne Bearbeitungskosten und Disagio) zurückzugewähren hat. Das soll auch dann gelten, wenn die Valuta im Rahmen eines Steuersparmodells auf Weisung des Darlehensnehmers an einen Dritten, etwa den Bauträger, geflossen ist. Auch wenn diese Rechtsprechung, die im Hinblick auf die sog. Schrottimmobilien und die Steuersparmodelle der 90er Jahre ergangen ist, nicht mehr geändert werden dürfte, sollte auf längere Frist eine rechtssystematische Problemaufbereitung einsetzen. Es kann nicht sein, dass ein in der Haustürsituation überrumpelter Darlehensnehmer bei Erklärung des Widerrufs erheblich schlechter steht, als er ohne diesen stünde, da er nun statt der erwarteten monatlichen oder vierteljährlichen Raten das Gesamtkapital sofort zurückzahlen muss. Der Bankrechtssenat relativiert diese Schlechterstellung mit der Begründung, der Widerruf sei für viele Darlehensnehmer ohnehin wirtschaftlich wenig oder nicht interessant. Dies geht daran vorbei, dass viele Darlehensnehmer als Anleger überhaupt nicht die wirtschaftliche Option zwischen sofortiger Zahlung und Ratenzahlung haben. Der europäische Gesetzgeber hat zwar in Art. 7 der Richtlinie 85/577/EWG die Regelung der Widerrufsfolgen ausdrücklich den Mitgliedstaaten überlassen. Das darf aber nicht dazu führen, dass das Widerrufsrecht praktisch durch eine wirtschaftliche Widerrufsblockade ausgehöhlt würde. Damit würde der europarechtliche Grundsatz der notwendigen Sicherung des „effet utile“ missachtet. Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 3 I HWiG wie auch des § 357 I 1 BGB kann somit nur dazu
59
Derleder
356
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
führen, dass der Verbraucher nach der Ausübung seines Widerrufsrechts nicht schlechter stehen darf als vorher. Notwendig ist daher eine analoge Anwendung des § 817 Satz 2 BGB, der es bei einem Gesetzesverstoß des Leistenden ausschließt, die erbrachte Leistung zurückzufordern, bei einem gesetzwidrigen Darlehen also die zeitweilige Kapitalüberlassung, mit der Folge, dass der gesetzwidrig handelnde Darlehensgeber das Kapital nur ratenweise nach dem vertraglichen Terminplan zurückverlangen kann. Die Darlehensgewährung in der Haustürsituation ist zwar als solche nicht gesetzwidrig. Geboten ist jedoch eine analoge Anwendung des § 817 Satz 2 BGB auf Konstellationen, wo der Zweck des Widerrufsrechts durch eine gegenüber dem vertraglichen Ratenplan vorzeitige Valutarückzahlung unterlaufen würde. Eine solche Konstellation liegt vor, wenn der Darlehensnehmer in der Haustürsituation nicht nur zur Darlehensaufnahme, sondern auch zur Veranlassung der Darlehensauszahlung an Dritte bestimmt worden ist. § 817 Satz 2 BGB ist hier mit der Folge anzuwenden, dass die Valuta im Falle des Widerrufs nicht auf einmal insgesamt zurückverlangt werden kann (Derleder, ZfIR 2003, 177 (186)). Sonst würde dem Darlehensnehmer der Überrumpelungseffekt, der zur Auszahlung an Dritte geführt hat, irreversibel zugemutet. Der gesetzwidrigen ist somit auch die widerrufsvereitelnde Leistung gleichzustellen. 60
3. Der Widerruf bei Fernabsatzverträgen. Das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge nach § 312 d BGB erfasst nach § 312 b I BGB auch Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Fernkommunikationsmittel sind nach § 312 b II BGB Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher oder einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste. Eine Bereichsausnahme enthielt jedoch bis zur Umsetzung der Fernabsatzfinanzdienstleistungsrichtilinie durch das Fernabsatzänderungsgesetz vom 2.12.2004 (BGBl. I, 3102), in Kraft getreten am 8.12.2004, § 312 b III Nr. 3 für Finanzgeschäfte, d.h. insbesondere Bankgeschäfte, Finanz- und Wertpapierdienstleistungen und Versicherungen sowie deren Vermittlung, ausgenommen Darlehensvermittlungsverträge. Nach Beseitigung der Bereichsausnahme erfasst § 312 I 1 BGB auch Finanzdienstleistungen, zu denen nach § 312 b I 2 BGB Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung stehen, also auch Giroverträge und Überweisungskredite (Domke BB 2006, 2035). Das Widerrufsrecht nach § 312 d BGB besteht nicht, wenn ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB eingreift (§ 312 d V 1 BGB). Die Widerrufsfrist beginnt jedoch nach § 312 d V 2 i.V. mit § 312 d II BGB erst mit der Erfüllung der Informationspflichten nach § 312 c II BGB. Zu den Folgen der verspäteten Umsetzung s. Felke/Jordans NJW 2005, 710; Rott BB 2005, 53.
61
XIV. Der Darlehensvertragsabschluss durch Bevollmächtigte. 1. Die Form der Vollmacht. Für den Abschluss von Darlehensverträgen haben die Darlehensnehmer im Rahmen der Anlegerfinanzierung, insbesondere beim Erwerb vom Bauträger Vollmachten nach § 164 BGB erteilt, wobei die Bevollmächtigten dem Darlehensgeber oft näher standen als dem Darlehensnehmer. Da § 167 II BGB grundsätzlich für die Vollmacht nicht die Form des Hauptgeschäfts erfordert, hat der Bankrechtssenat des BGH in der Vergangenheit selbst für Verbraucherdarlehen nicht die Schriftform des § 4 I 4 Nr. 1 VerbrKrG verlangt (BGH NJW 2001, 1931 und 3479; a. A. Derleder, ZfIR 2002, 1 (7 f.)), obwohl der Zweck einer gesetzlichen Formvorschrift (wie bei Grundstücksgeschäften nach § 311 b
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
357
BGB) die Einhaltung der Form des Hauptgeschäfts notwendig machen kann und bei Verbraucherdarlehen eine (unwiderrufliche) Vollmachterteilung ohne jede Festlegung der Darlehenskonditionen, nicht einmal einer Obergrenze der Effektivverzinsung, ausscheiden muss. Deswegen hat der Gesetzgeber des SMG nunmehr in § 492 IV 1 BGB vorgesehen, dass Vollmachten des Darlehensnehmers zum Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen der Einhaltung der ambitionierten Schriftform nach § 492 I und II BGB bedürfen, also insbesondere der Angabe des Effektivzinssatzes. Für Prozessvollmachten und notariell beurkundete Vollmachten gilt dies nach § 492 IV 2 BGB allerdings nicht. 2. Darlehensvertragsabschluss auf Grund Rechtsscheinvollmacht. Die Vollmachten des Darlehensnehmers waren in der Vergangenheit vielfach in Geschäftsbesorgungs- und Treuhandverträgen oder entsprechenden Anträgen enthalten, die auf den Erwerb im Bauträgermodell oder eines Gesellschaftsanteils gerichtet waren. Wenn diese Verträge wegen Verstoßes gegen Art. 1 I RBerG nichtig waren (s. BGHZ 145, 265 (269); BGH NJW 2001, 3774; 2002, 2325 und st. Rspr.), konnte die Nichtigkeit auch die der Geschäftsbesorgerin bzw. Treuhänderin erteilte Vollmacht erfassen (BGH NJW 2002, 66 und 2325; 2003, 1594; NJW 2005, 1190 und 2983; 2006, 2118), selbst dann, wenn eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bevollmächtigt wurde (BGH NJW 2007, 1130). Der Darlehensvertrag kann aber trotz Unwirksamkeit der Vollmacht wirksam zu Stande kommen, wenn dem Darlehensgeber eine an die Vorlage der Vollmachtsurkunde anknüpfende Rechtsscheinhaftung nach §§ 171, 172 BGB zugute kommt. Dies setzt jedoch voraus, dass die Vollmacht dem Vertragspartner bei Vertragsschluss im Original bzw. bei notarieller Beurkundung in Ausfertigung vorgelegt wird (BGH NJW 2002, 2325 unter Bezug auf BGHZ 102, 60 (63); BGH NJW 2005, 664 und 2983; 2006, 987 und 2118; NJW-RR 2007, 1199). Der Bankrechtssenat hat sogar die Vorlage einer im Durchschreibeverfahren hergestellten Urkunde genügen lassen (BGH NJW 2006, 1957), was jedoch nicht vertretbar ist. Über die Rechtsgrundsätze zu §§ 171, 172 BGB hinaus kann auch eine Duldungsoder Anscheinsvollmacht zur Wirksamkeit eines Darlehensvertrags führen, jedoch nur auf Grund von Umständen, die vor Vertragsschluss liegen. Die Mitwirkung an einer Vorfinanzierung kann auch keine Duldungsvollmacht hinsichtlich des Darlehensvertrags zur Endfinanzierung begründen (BGH WM 2003, 918 (920)). Die Nichtigkeit eines Geschäftsbesorgungsvertrags nach Art. 1 RBerG erstreckt sich ferner auf die dem Treuhänder zur Ausführung der ihm übertragenen Geschäftsbesorgung erteilte Vollmacht zu einer Vollstreckungsunterwerfung hinsichtlich des Darlehensvertrags nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (BGH NJW 2003, 1594; 2004, 839). Das ergibt sich schon daraus, dass die materiellrechtlichen Bestimmungen der §§ 172 ff. BGB für prozessuale Vollmachten keine Geltung haben (so schon RGZ 146, 308).
62
XV. Der Einwendungsdurchgriff. 1. Die Geschichte des Einwendungsdurchgriffs. Darlehen und finanziertes Geschäft sind selbstständige Verträge (Trennungstheorie), so daß sich der Darlehensgeber grundsätzlich Störungen des finanzierten Geschäfts, also insbesondere eines Vertrags über einen Kaufgegenstand oder eine Dienstleistung nicht entgegenhalten lassen muss. Die Rechtsprechung zum Abzahlungsgesetz (AbzG) hat jedoch nichtkaufmännischen Käufern beim Warenabsatz einen (subsidiären) Einwendungsdurchgriff wegen Vertrags- und Leistungsstörungen des finanzierten Geschäfts gem. § 242 BGB gestattet, wenn der Darlehensnehmer sich den Kredit nicht „auf eigene Faust“ beschafft hatte, also eine wirtschaftliche Einheit zwischen Darlehensvertrag und finanziertem Geschäft bestand. Diese konnte sich daraus ergeben, dass der Verkäufer mit dem Darlehensgeber zusammenarbeitete, die Darlehensformulare für die Käufer bereithielt oder eine anderweitige Verfügung über die Darlehensvaluta als die Auskehrung an den Verkäufer ausgeschlossen war (s. insbesondere BGHZ 83, 301; 91, 9; NJW 1983, 225;
63
Derleder
358
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
1987, 1813). Diese Rechtsgrundsätze zu § 242 BGB wurden nicht nur auf den Erwerb von beweglichen Sachen, sondern über den Anwendungsbereich des AbzG hinaus auch auf andere Gegenstände wie etwa Fertighäuser (BGH NJW 1984, 2816) oder den Erwerb eines Waschsalons (BGH NJW 1978, 1427) erstreckt. Das VerbrKrG, das seit 1.1.1991 an die Stelle des AbzG trat, sah einen Einwendungsdurchgriff gem. § 9 III VerbrKrG bei verbundenen Geschäften vor. Danach war dem Verbraucher der Einwendungsdurchgriff bei verbundenen Geschäften eröffnet, also bei Geschäften, bei denen Kaufvertrag und Kreditvertrag gem. § 9 I 1 VerbrKrG als wirtschaftliche Einheit anzusehen waren. Das war gem. § 9 I 2 VerbrKrG insbesondere anzunehmen, wenn der Kreditgeber sich bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrags der Mitwirkung des Verkäufers bediente. Das galt nach § 9 IV VerbrKrG auch für Kredite, die zur Finanzierung des Entgelts für eine andere Leistung als die Leistung einer Sache gewährt wurden. Ob ein Einwendungsdurchgriff auch beim Erwerb von Immobilien (dafür Bülow, ZfIR 1998, 181) oder eines Anteils an einem geschlossenen Immobilienfonds möglich war (dafür v. Heymann, NJW 1999, 1577 (1581)), war umstritten. Ob der Gesetzgeber mit der Regelung des VerbrKrG den Rückgriff auf § 242 BGB bei wirtschaftlicher Einheit von Darlehen und finanziertem Geschäft außerhalb des Anwendungsbereichs des VerbrKrG abschneiden wollte, wurde nicht geklärt. Der Einwendungsdurchgriff war nach § 9 III VerbrKrG jedenfalls bei Grundpfandkrediten nach § 3 II Nr. 2 VerbrKrG versagt, so daß insofern der Grundstückskäufer schlechter gestellt war als etwa ein Gebrauchtwagenkäufer bei der Finanzierung über ein Verbraucherdarlehen. Der Bankrechtssenat des BGH hat jedoch, nachdem er zunächst bei der Finanzierung von Gesellschaftsbeteiligungen einen Einwendungsdurchgriff wegen verbundener Geschäfte bejaht hatte (BGHZ 133, 257 (259 ff.); BGH NJW 1996, 3416), die Auffassung vertreten, bei einem Immobilienkauf scheide ein Einwendungsdurchgriff aus (BGH NJW 2002, 1881). Auch der rechtsunkundige und geschäftsunerfahrene Laie wisse, dass Kreditgeber und Immobilienverkäufer verschiedene Personen seien. Das sei auch die Meinung des Gesetzgebers, wie sich aus § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ergebe. Die daran anschließende intensive Diskussion zur Zulässigkeit eines Einwendungsdurchgriffs bei Immobilienkäufen, sei es nach § 242 BGB, sei es unter teleologischer Reduktion des § 9 III VerbrKrG (siehe etwa Fischer, DB 2002, 643 (645); Rörig, MDR 2002, 894 (895); Ulmer, ZIP 2002, 1080; Hoffmann, ZIP 2002, 1066; Tonner, BKR 2002, 856 (860)) hat der Bankrechtssenat nicht aufgegriffen (BGH NJW 2003, 200), sondern unter Verzicht auf eine Detailargumentation auf die Neuregelung des verbundenen Geschäfts durch das SMG und das OLG-VertretungsänderungsG in § 358 BGB verwiesen. 64
2. Die Neuregelung der verbundenen Verträge. Das SMG hat mit Wirkung ab 1.1.2002 in den §§ 358 und 359 BGB die Vorschriften über verbundene Geschäfte zusammengefasst und dabei Verbraucherdarlehen und Haustürgeschäfte, wenn sie mit einem Finanzierungsvertrag verbunden sind, in die Regelung einbezogen. Das OLG-VertretungsänderungsG hat dann in § 358 III BGB einen Satz 3 angefügt, der speziell den Einwendungsdurchgriff beim finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eine grundstücksgleichen Rechts betrifft. § 358 I BGB erstreckt das für den Liefervertrag geltende Widerrufsrecht auch auf den Kreditvertrag, während § 358 II BGB umgekehrt das für den Verbraucherdarlehensvertrag geltende Widerrufsrecht auch auf den Liefervertrag erstreckt. Der Einwendungsdurchgriff nach § 359 BGB erlaubt es dem Verbraucher, Einwendungen aus dem Liefer- oder dem Finanzierungsvertrag dem Anspruch aus dem verbundenen Vertrag entgegenzuhalten. Die Rechte aus den §§ 358 und 359 BGB hat der Verbraucher, wenn eine wirtschaftliche Einheit zwischen dem Darlehensvertrag und dem finanzierten Geschäft nach § 358 III 1 BGB vorliegt. Eine wirtschaftliche Einheit ist nach
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
359
§ 358 III 2 BGB insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient (s. zu den Einzelheiten § 15). Der durch das OLG-VertretungsänderungsG eingefügte § 358 III 3 BGB steht in dem rechtlichen Kontext, dass durch die gleichzeitige Neuregelung in § 495 BGB nunmehr alle Immobiliendarlehen widerruflich sind, seit 1.7.2005 sogar unabdingbar.
65
§ 358 III 3 BGB schränkt die Rechte des Verbrauchers bei einem finanzierten Immobilienkauf ein. Danach ist bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstückgleichen Rechts eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus den Erwerb des Grundstücks oder grundstückgleichen Rechts durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteresse ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt. Die Vorschrift gilt also nur für den finanzierten Erwerb von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten. Für den Beitritt zu einer Gesellschaft, etwa einem Immobilienfonds, gilt dagegen § 358 III 2 BGB (BGH NJW 2006, 1952 (1954). Das hat aber keine Bedeutung mehr für Altverträge, auf die Bankrechtssenat § 3 II Nr. 2 VerbrKrG erstreckt und damit den Einwendungsdurchgriff nach § 9 III VerbrKrG ausgeschlossen hat (BGH a.a.O., nach Aufgabe der Rechtsprechung des Gesellschaftsrechtssenats aufgrund eines prozessrechtlich nicht vorgesehenen Kompromisses der Senate unter Anleitung des BGH-Präsidenten).
66
§ 358 III 3 BGB sichert nun aber den Einwendungsdurchgriff nach § 359 BGB grundsätzlich auch bei Grundstücksgeschäften. Die erste Alternative betrifft die Verschaffung des Grundstücks durch den Darlehensgeber, während die zweite Alternative daran anknüpft, dass der Darlehensgeber über die Darlehensgewährung hinaus den Erwerb des Verbrauchers durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert. Dafür differenziert das Gesetz drei Unteralternativen aus. Nach der ersten Unteralternative kann der Darlehensgeber durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer das finanzierte Geschäft fördern, indem sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, etwa bei Vermittlung des Veräußerungsobjekts gegen Provision. Die zweite Unteralternative, die Übernahme von Funktionen des Veräußerers bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts durch den Darlehensgeber, ist insbesondere dann erfüllt, wenn sich der Darlehensgeber in den Vertrieb einschaltet, etwa durch Abstimmung der Schritte für den Abschluss der verbundenen Geschäfte über einen gemeinsamen Fahrplan zur Vorbereitung und zum Abschluss des finanzierten Geschäfts und des Darlehens. Solche gemeinsamen Fahrpläne von Bauträgern und Finanzierern sind in der Praxis häufig zu Grunde gelegt worden. Eine einseitige Begünstigung des Unternehmers durch den Darlehensgeber nach der dritten Unteralternative ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Darlehensgeber zugleich durch Darlehen an den Unternehmer in eine ungünstige Finanzierung verstrickt ist, etwa bei einer Finanzierung ohne zureichende Wertgutachten oder ins Blaue hinein, und das damit verbundene Kreditrisiko durch die finanzierten Geschäfte reduzieren will. § 358 III 3 BGB gilt mit dem Inkrafttreten des OLG-VertretungsänderungsG ab 1.8.2002. Auf früher geschlossene Immobiliardarlehensverträge ist die Vorschrift somit nicht anzuwenden. Die in ihr enthaltenen Rechtsgrundsätze könnten nur gem. § 242 BGB auch für Altverträge gelten. Die Verneinung eines entsprechenden Einwendungsdurchgriffs bei verbundenen Grundstücksgeschäften und damit die seit Außer-
67
Derleder
360
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
krafttreten des AbzG entstandene Schutzlücke war vom Gesetzgeber nicht gewollt und ist auch rechtssystematisch nicht legitim. 68
XVI. Die Rechtsformen der Bankdarlehen. 1. Allgemeines. Ein Bankdarlehensvertrag wird entweder gesondert abgeschlossen oder auf Grund eines Krediteröffnungsvertrags, der als Rahmenvertrag die Basis für künftige Darlehensverträge (auch in verschiedenen Rechtsformen) ist. Der Krediteröffnungsvertrag kann wegen Irrtums über die Kreditwürdigkeit des Kunden gem. § 119 II BGB anfechtbar sein, während nach Abschluss eines Darlehensvertrags bis zur Valutierung (an Stelle des Widerrufsrechts nach § 610 BGB a. F.) nur die Kündigung nach § 490 I BGB wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder des Wertes der Sicherheiten möglich ist. Auf Grund des Krediteröffnungsvertrags hat der Darlehensnehmer bis zu der ihm eingeräumten Kreditlinie das Recht, die Valuta abzurufen. Dazu soll kein getrennter Darlehensvertrag zu Stande kommen, sondern nur das bereits begründete Vertragsverhältnis durchgeführt werden, das sich somit von vornherein als Dauerschuldverhältnis darstellt (BGHZ 83, 76 (81)). Das Recht zum Abruf führt dann zu einer rechtsgestaltenden Willenserklärung des Darlehensnehmers darüber, wann und in welcher Höhe er ein Darlehen in Anspruch nehmen will. Demgegenüber behandelt die Trennungstheorie den Krediteröffnungsvertrag als einen eigenständigen Vertrag, der nur einzelne inhaltliche Vorgaben für die noch abzuschließenden Darlehensverträge macht. An dieser Theorie wird die Rechtsprechung vor allem dann nicht vorbeikommen, wenn der Darlehensvertrag (wie beim Verbraucherdarlehen gem. § 492 BGB) in besonderer Form zu schließen ist. Unabhängig davon kann der Anspruch auf Auszahlung der Valuta nur mit der Willenserklärung des Darlehensnehmer fällig werden. Sog. Forward-Darlehen, bei denen die Valutierung unter Umständen erst nach Jahren erfolgen soll (s. dazu Rösler, WM 2000, 1930; Peters/Wehrt WM 2003, 159), können gegenüber Verbrauchern im Hinblick auf die Unwägbarkeiten der privaten Lebensführung sittenwidrig sein, wenn sich der Darlehensgeber leichtfertig der Erkenntnis verschließt, dass der Darlehensnehmer nur wegen seiner intellektuellen Unterlegenheit auf diese Rechtsform eingeht. Ihre formularmäßige Ausgestaltung kann auch gegen § 307 BGB verstoßen, wenn unter Verletzung des Akzessorietätsgrundsatzes Leistungen ausbedungen werden, wie sie erst nach einer Valutierung gerechtfertigt sind. Zulässig ist nur die Vereinbarung von Bereitstellungszinsen, die das Zinsänderungsrisiko des Darlehensgebers auffangen. Dem entspricht der niedrigere Forwardzinssatz.
69
Ein Darlehen kann in der Weise gewährt werden, dass für den Kunden ein Darlehenskonto belastet und dem laufenden Konto der Darlehensbetrag gutgeschrieben wird (Zwei-Konten-Methode). Daraus kann sich für den Kunden ein hoher Zins auf dem Darlehenskonto und ein sehr niedriger Guthabenszins auf dem laufenden Konto ergeben. Die Möglichkeit jederzeitiger Verfügung über die Darlehensvaluta kann damit teuer erkauft sein. Dennoch hat die Rechtsprechung bislang diese Vertragsgestaltung hingenommen (BGH WM 1987, 1125 (1126)) und Hinweispflichten verneint (OLG Düsseldorf WM 1996, 1810). Ist jedoch nach den Vertragsverhandlungen klar, dass der Abruf des Kunden zeitlich noch nicht absehbar ist, muss die Bank, vor allem wenn sie vorläufig Bereitstellungszinsen in Anspruch nimmt, darauf hinweisen, dass diese nur bis zu Einräumung der Verfügungsmöglichkeit auf Grund Gutschrift zu zahlen sind und danach die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragszinsen einsetzen soll.
70
2. Der Dispositionskredit. Der Einstieg von Verbrauchern in eine Verschuldung geschieht regelmäßig durch Kontoüberziehung, die ihnen durch das Kreditinstitut bis zu einer bestimmten Kreditlinie (regelmäßig in Höhe des Zwei- bis Dreifachen der regelmäßigen Monatseinkünfte) eingeräumt ist (offene Kreditlinie). Der Darlehensvertrag
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
361
kommt – neben dem Geschäftsbesorgungsvertrag über die Kontoführung und der Kontokorrentabrede – dann meist in der Weise zu Stande, dass der Antrag des Kreditinstituts auf einem Kontoauszug erklärt wird und der Kunde durch Inanspruchnahme des Darlehensbetrags mittels Abhebung, Überweisung, Kreditkartengebrauch etc. zu Stande kommt. Die Schriftform des § 492 BGB gilt für ein solches Verbraucherdarlehen unter den Voraussetzungen der Regelung für „Überziehungskredite“ in § 493 BGB nicht. Regelmäßig handelt es sich um einen revolvierenden Kredit, der nach Teilrückerstattungen immer wieder in Anspruch genommen werden kann. Da die Kontokorrentabrede nach § 355 HGB für einen solchen Kredit nicht prägend ist, verdient die Bezeichnung als Dispositionskredit den Vorzug vor derjenigen als Kontokorrentkredit. Die Kontokorrentabrede führt jedoch zu Kapitalisierung der Zinsen, die während der (meist vierteljährlichen) Kontokorrentperiode auflaufen, mit der Folge, dass diese nach § 355 I HGB als Ausnahme vom Zinseszinsverbot des § 248 Abs. 1 BGB ebenfalls zu verzinsen sind. Ein Dispositionskredit kann aber auch im Hinblick auf einen besonderen Darlehenszweck für eine bestimmte Vertragszeit oder auch auf unbestimmte Zeit gewährt werden. In § 493 II BGB ist der „geduldete Überziehungskredit“ besonders geregelt, der zu Stande kommt, wenn der Verbraucher den vereinbarten Kreditrahmen überschreitet oder ohne jeden Kreditrahmen eigenmächtig einen Kredit in Anspruch nimmt. Hier kann es auf Grund konkludenter Annahmererklärung des Kreditinstituts zu einem Darlehensvertrag kommen (Felke, WM 2002, 1632 (1634)). Verweigert die Bank die Darlehensgewährung, kann sie zum Aufwendungsersatz auf Grund des Girovertrags nach §§ 675, 670 BGB berechtigt sein, wenn sie Deckung gewährt. Die Voraussetzungen einer Zurückführung der Kreditlinie sind insbesondere auch beim Geschäftskredit bisher unzureichend konkretisiert. Da es sich nur um eine Teilkündigung handeln kann, ist § 490 BGB anwendbar. 3. Der Ratenkredit. Bei einer ständigen Ausschöpfung oder Überschreitung der Kreditlinie vereinbaren die Kreditinstitute ebenso wie bei der Finanzierung teurerer Konsumgüter und Dienstleistungen mit den Verbrauchern regelmäßig eine ratenweise Rückführung in Gestalt eines Ratenkredits, auch Teilzahlungskredit genannt. Bei Leistungsstörungen des Verbrauchers ist § 498 BGB anwendbar. Ratenkreditabreden mit Unternehmern sind seltener, werden am ehesten bei der Rückführung einer Kreditlinie getroffen und sind oft nur als eine Zielvorgabe ohne strenge Verbindlichkeit gedacht. Bei einem Konsumentenratenkredit ist das Darlehen regelmäßig in gleich bleibenden, im Voraus festgelegten Monatsraten zurückzuzahlen, in denen Anteile für die Zinsen, die Bearbeitungsgebühren, die Restschuldversicherungsprämie, Vermittlungsprovisionen etc. enthalten sind. Mit dem Ratenkredit haben die Teilzahlungsbanken in den 70er Jahren einen ersten Großversuch zur Ausschöpfung der Unterlegenheit von Verbrauchern unternommen, als nach dem Ende der antiinflatorischen Hochzinspolitik innerhalb kurzer Zeit die Marktzinsen ganz erheblich gesunken waren. Das ist in der Weise geschehen, dass jeden Monat ein gleich bleibender Zinssatz auf das Ausgangskapital berechnet wurde, ohne dass dessen Tilgung beachtet wurde. Hinter einem Zinssatz von 1 % für das Kapital pro Monat konnten deswegen annähernd 24 % Effektivverzinsung stehen. Die Kreditnehmer erkannten deswegen nicht, dass sie bei anderen Banken nur den marktüblichen Zins (oft nur in Höhe eines Drittels ihres Vertragszinses) hätten zahlen müssen. Die beispiellose Täuschungskampagne einer Teilbranche konnte nur mit großer Mühe durch Rechtsprechung und Gesetzgeber gestoppt werden, insbesondere durch Konkretisierung des § 138 BGB unter Fixierung einer 100%-Grenze für Überschreitungen und durch das Verbraucherkreditrecht. Noch heute wird aus Alttiteln gegen Verbraucher vollstreckt, denen niemals der Effektivzinssatz ihres Höchstzinskredits mitgeteilt worden ist (s. zu dem gesamten historischen Vorgang Derleder, KJ 1991, 275). Die historische Analyse macht die
Derleder
71
362
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Notwendigkeit einer präzisen schutzzweckgerechten Anwendung des Verbraucherkreditrechts deutlich. Zu den Teilzahlungsgeschäften s. im Übrigen § 20. 72
4. Fest- und Kündigungsdarlehen. Die Darlehensvertragsparteien können ferner einen Vertrag über eine bestimmte Summe mit fester Laufzeit und ohne zwischenzeitliche Tilgung verabreden, dessen Valuta während der Vertragszeit nur zu verzinsen und an deren Ende durch Rückzahlung auf einmal zu tilgen ist. Ferner können auch Darlehen auf unbestimmte Zeit gewährt werden, so daß es zur Beendigung der Kündigung bedarf.
73
5. Der Kontokorrentratenkredit und andere Mischformen. Mischformen haben die Kreditinstitute mit dem Ziel eingeführt, die aus ihrem Interessenhorizont festzustellenden Vorzüge der einzelnen Vertragstypen zu kombinieren. Die Produkte wurden mit phantasievollen Namen wie „Idealkredit“ oder „Variodispokredit“ bezeichnet und waren Kontokorrentratenkredite, bei denen die revolvierende Inanspruchnahme, Sondertilgungsrechte und Mindestrückzahlungsabreden vorgesehen waren. Das Zusammenwirken staffelmäßiger Zinsberechnung, kurzer Zinsfälligkeits- und Kontokorrentperioden, des Nichtsaldierungseffekts und des Buchungsmehraufwands auf Grund der Zwei-Konten- Methode, Zinseszinseffekte und Zinserhöhungsmöglichkeiten hat Tobias (S. 277) so rechtzeitig herausgearbeitet, dass die Rechtsprechung darauf vor der Verbreitung dieser Produkte reagieren und eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der damit verbundenen Nachteile statuieren konnte (BGH NJW 1991, 832), mit der Folge, dass sich diese Kreditformen nicht in breiter Form durchsetzen konnten. Das gilt auch für „Variokredite“ (vgl. LG Dortmund NJW 1988, 269) und „Scheckrahmenkredite“ (vgl. LG Bremen NJW-RR 1989, 171). Desgleichen hat der BGH zu Recht für die mit einer Lebensversicherung verbundenen Festkredite den Darlehensgeber als verpflichtet angesehen, auf die speziellen Nachteile und Risiken dieser Vertragsverbindung hinzuweisen (BGHZ 111, 117), so dass die weitere Vermarktung dieses Produkts immerhin auf Grenzen gestoßen ist.
74
6. Einlagen der Bankkunden. Darlehenscharakter haben überwiegend auch die Einlagen der Bankkunden, also von ihnen hereingegebene Gelder, für die keine Sicherheiten bestellt werden. Zu unterscheiden ist zwischen Sichteinlagen als täglich fälligen Guthaben, befristeten Einlagen und Spareinlagen. Sichteinlagen sind Gegenstand unregelmäßiger Verwahrung nach § 700 BGB (BGHZ 124, 254), der überwiegend auf Darlehensrecht verweist. Befristete Einlagen (Termineinlagen) auf Festgeldkonten sind dagegen echte Darlehen mit höherer Verzinsung (MünchKommBGB-Berger, vor § 488 Rn. 66 und die h. M.). Auch bei Kündigungsgeldern ist der Darlehenscharakter zu bejahen, soweit nicht jederzeit kurzfristig und ohne längere Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Spareinlagen werden wiederum meist als verzinsliche Darlehen qualifiziert (BGH WM 1990, 98). Zu Sparkonto und Sparkassenbrief s. § 39.
75
XVII. Abtretung und Pfändung. Der Darlehensnehmer kann grundsätzlich seinen Anspruch auf Auszahlung der Valuta abtreten und verpfänden. Der Anspruch ist demgemäß auch pfändbar (BGH NJW 2001, 1937 (1938)). Ist jedoch ein bestimmter Darlehenszweck vertraglich festgeschrieben wie etwa bei Bau- und Sanierungsdarlehen, ist die Abtretung grundsätzlich nach § 399 1. Alt. BGB ausgeschlossen. Sie ist ausnahmsweise insoweit zulässig, als mit der Abtretung die Verwirklichung des Darlehenszwecks gesichert wird. Die Pfändung ist auch in diesen Fällen gem. § 851 I ZPO zulässig, soweit die Abtretung möglich ist. Die Abtretung ändert nichts an den vertraglichen Pflichten des Darlehensnehmers, so dass dieser zur Rückzahlung verpflichtet bleibt. Eine unter Verstoß gegen das Bankgeheimnis erfolgte Abtretung der Kreditforderungen von Banken hat der Bankrechtssenat des BGH (WM 2007, 643) im Anschluss an Nobbe (WM 2005, 1537) für
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
363
wirksam erklärt, auch für ungekündigte Kredite, ohne die Folgen für die Veräußerung von Kreditpaketen an beliebige Dritte (einschließlich der Inkasso-Tochterunternehmen ausländischer Investoren aus exotischen Steueroasen) zu berücksichtigen (krit. Derleder VuR 2007, 81). Der Gesetzgeber hat den Gefahren dieser Kreditverkäufe durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 27.06.2008 Rechnung zu tragen versucht (s. dazu § 16). Besondere Schwierigkeiten bestehen beim Dispositionskredit, da die Pfändungsgläubiger hier die Befriedigung auf der Basis eines Kredits des Schuldners anstreben. Hier hat der IX. Senat des BGH (NJW 2001, 1937) die Auffassung vertreten, der Schuldner könne sonst trotz des Vollstreckungszugriffs seines Gläubigers auf Grund des ihm vorbehaltenen Abrufrechts die Darlehenssumme für andere Gläubiger verwenden. Die Bank habe zudem die Möglichkeit, ihrem Kunden notfalls einen treuhänderisch gebundenen unpfändbaren Sanierungskredit einzuräumen. Die Pfändung kann dementsprechend sehr wohl den durch einen eventuellen Abruf entstehenden künftigen Auszahlungsanspruch erfassen, um zu verhindern, dass der Schuldner durch einen Abruf nach der Pfändung andere Gläubiger befriedigt. Die Pfändung darf aber keine Zwangsumschuldung durch Freigabe der Pfändung des Anspruchs aus der Darlehensvaluta bis zur Kreditlinie unabhängig von einem Abruf des Darlehennehmers realisieren. Das Abrufrecht des Darlehensnehmers ist nicht abtretbar oder pfändbar (BGH NJW 2004, 517, 518). Eine bloß geduldete Überziehung reicht in keinem Fall für eine Pfändung aus (BGHZ 93, 315). Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung bei Insolvenz des Schuldners mangels Gläubigerbenachteiligung regelmäßig nicht vom Insolvenzverwalter angefochten werden (BGH NJW 2007, 1357). XVIII. Die Beendigung des Darlehensvertrags. 1. Allgemeines. Die Beendigung des Darlehensvertrags kann zunächst durch Ablauf der vertraglich bestimmten Laufzeit eintreten. Ist für die Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit gem. § 488 III 1 BGB davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Bei einem Darlehen, bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart ist, regelt § 489 I BGB und bei einem Darlehen mit veränderlichem Zinssatz § 489 II BGB das ordentliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers, während § 490 BGB für das außerordentliche Kündigungsrecht beider Vertragsparteien gilt, wobei die Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. den §§ 313 und 314 BGB daneben möglich bleibt (§ 490 III BGB). Vor der Darlehensauskehrung ist (wie bei den Gebrauchsüberlassungsverträgen vor der Überlassung der Sache) der Rücktritt im Hinblick auf Vertragspflichtverletzungen möglich, während danach nur die Kündigung in Betracht kommt. Diese ist jedoch wegen wesentlich verschlechterter Vermögensverhältnisse und Sicherheiten des Darlehensnehmers gem. § 490 I BGB auch vor der Valutierung möglich. Im Übrigen kann der Darlehensvertrag auch durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung und durch einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Eine Vertragsbeendigung mit vorzeitiger Rückerstattung erlaubt § 488 III 3 nur für das zinslose Darlehen. Damit hat der Gesetzgeber ohne erkennbares Konzept eine Sonderregel zu § 271 II BGB geschaffen, die dem Interesse der Banken an einer Absicherung der Vorfälligkeitsentschädigungen entspricht. Wird ein Ersatzkreditnehmer gestellt (s. dazu Knops, WM 2000, 1427), wird der Vertrag nicht aufgehoben, sondern mit dem Übernehmer weitergeführt.
76
2. Die Kündigung nach § 488 III BGB. Die Kündigung nach § 488 III 1 BGB ist bei Darlehensverträgen mit unbestimmter Laufzeit unabhängig von der jeweiligen Zinsabrede möglich (Freitag, WM 2001, 1370). Ein formularmäßiger Kündigungsauschluss kann gegen § 307 BGB verstoßen, insbesondere bei asymmetrischer Ausgestaltung. Die Kündigungserklärung kann abgesehen vom Fall des § 490 BGB erst nach Valutierung des Dar-
77
Derleder
364
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
lehens ausgesprochen werden (a. A. Mülbert, WM 2002, 465 (469)), da vorher das Rücktrittsrecht besteht. Beide Parteien können die Kündigung durch zugangsbedürftige Willenserklärung aussprechen, ohne dass der Termin für die Beendigung des Darlehensverhältnisses berechnet werden muss. Eine Klage auf Rückerstattung ist nicht ohne weiteres als konkludente Kündigungserklärung zu verstehen, da der Rückerstattungsanspruch auch andere Gründe haben kann. Ebenso wenig ist eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme ohne weiteres als Kündigungserklärung zu verstehen, da sie auch auf ein Sicherungsbedürfnis zurückzuführen sein kann (s. aber BGH WM 1965, 767). Eine Teilkündigung ist bei Dispositionskrediten zur Reduzierung der Kreditlinie möglich (BGH NJW 1999, 2269 (2270)), scheidet ansonsten nach dem Rechtsgrundsatz aus, dass ein Rechtsverhältnis durch einseitige Kündigungserklärungen nur insgesamt beendet werden kann (BGHZ 96, 275 (280)). Die Drei-Monats-Frist nach § 488 III 2 BGB ist abdingbar. Eine formularvertragliche Verkürzung dieser Frist verstößt jedoch gegen § 307 BGB, soweit sie dem Darlehensnehmer die Möglichkeit nimmt, sich auf Grund sorgfältiger Prüfung der Marktverhältnisse im Wege der Umschuldung einen anderen Darlehensgläubiger zu suchen. Das gilt auch für zinslose Darlehen. Aus § 488 III 3 BGB kann nicht der Schluss gezogen werden, der Darlehensgeber dürfe sich wegen der jederzeit möglichen Rückerstattung des Darlehens eine fristlose Kündigung formularmäßig vorbehalten. Siehe im Übrigen zur Beendigung des Darlehensverhältnisses § 34. 78
XIX. Die Beweislast. Der Gläubiger eines Darlehensrückzahlungsanspruches muss den Abschluss des Darlehensvertrags, die Auskehrung der Valuta und die Fälligkeit beweisen. Dafür genügt der Nachweis regelmäßiger Zahlungen des Schuldners nicht (BGH WM 1976, 974). Ein Kreditinstitut, das im Rückerstattungsprozess den Darlehensvertrag nicht vorlegt, muss die Verzinslichkeit des Darlehens ebenso beweisen wie ein privater Darlehensgläubiger. Obwohl die gesetzliche Verzinsung teilweise höher ist als die vertragliche, muss der Darlehensgeber auch die Vereinbarung über die Höhe des Zinssatzes beweisen, selbst wenn diese nicht über den gesetzlichen Zinssatz hinausgeht (anders OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 1452). Er kann nicht so tun, als ob kein Vertragszins vereinbart worden sei. Der Gläubiger muss ferner die Vertragsbeendigung beweisen, soweit er hierauf die Fälligkeit stützt. Die Leistungen auf das Darlehen muss der Darlehensnehmer beweisen, desgleichen eine Kündigung, auf die er sich beruft. Ein Schuldschein mit der Bestätigung, ein Darlehen empfangen zu haben, ist regelmäßig kein abstraktes Schuldanerkenntnis i. S. des § 781 BGB, sondern nur bei Vorliegen besonderer Umstände (BGH NJW 1986, 2571 (2572)).
79
XX. Die Verjährung. Die Ansprüche der Darlehensvertragsparteien unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, die gem. § 199 I BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat. Der Entstehungszeitpunkt bestimmt sich nach der Fälligkeit, also insbesondere auch für den Tilgungs- und den Zinszahlungsanspruch wie für den Rückerstattungsanspruch (Budzikiewicz, WM 2003, 264 (266)). Auch der Anspruch auf Abnahme der Valuta kann, wenn er individualvertraglich vereinbart ist (s. Rn. 10), in der regelmäßigen Frist verjähren, desgleichen der Anspruch auf Kapitalüberlassung. Der Zinsanspruch entsteht nach § 488 II BGB nach dem Ablauf eines Jahres, wenn nichts anderes bestimmt ist und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuerstatten ist, mit der Fälligkeit des Rückerstattungsanspruchs. Vor der Valutierung besteht auf Grund des Akzessorietätsgrundsatzes noch kein verjährbarer Anspruch auf Vertragszinsen. Auch nach dem Wirksamwerden einer Kündigung entsteht kein Vertragszinsanspruch mehr (BGH WM 2000, 718 (719)). Die Verjährung des Verzugsschadens-
Derleder
§ 10 Darlehensvertrag
365
ersatzanspruchs kann u. U. mit Rücksicht auf die subjektive Anknüpfung der Verjährung später beginnen. Für das Verbraucherdarlehen ist in § 497 III 3 BGB eine Sonderregelung zur Verjährungshemmung zu Gunsten des Darlehensgebers geschaffen, die mit der abweichenden Tilgungsreihenfolge bei Teilleistungen begründet worden ist. § 497 III 4 BGB gibt dem Darlehensgeber für einen Titel über einen Zinsanspruch durch Ausschluss des § 197 II BGB sogar eine dreißigjährige Verjährungsfrist, was einen absurden Fehlgriff des Gesetzgebers darstellt (s. auch Reifner, ZBB 2001, 193 (196)). Für isolierte Zinstitel gelten diese Sonderregelungen des § 497 III 1 – 4 nicht (§ 497 I 5 BGB). Für Immobiliardarlehen gilt nach § 497 IV BGB von den verjährungsrechtlichen Sonderregelungen nur die Hemmungsregelung des § 497 III 3 BGB. XXI. Ausblick. Das Darlehensvertragsrecht ist nach den rechtstatsächlichen Untersuchungen (s. insb. Holzscheck/Hörmann/Daviter, S. 186 ff.) dadurch geprägt, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher bei der Kreditaufnahme kaum zu einer rationalen Marktentscheidung in der Lage ist und – abgesehen von der wenig verbreiteten Kompetenz zur Zinsrechnung – mehr auf den Nettobetrag und die Ratenhöhe als auf die angebotenen Effektivzinssätze achtet. Die seit den 70er Jahren eingetretene Überschuldung eines erheblichen Teils der privaten Haushalte (gegenwärtig mit zwei bis drei Millionen beziffert), ist nicht nur durch eine verfehlte Konsumhaltung und überraschende Einkommenseinbrüche (etwa bei Eintritt der Arbeitslosigkeit), sondern auch durch risikonegierende Wachtumsimperative der Kreditwirtschaft und durch ein Produktangebot verursacht, das zum Teil überkomplex ist, zum Teil auch desinformativ und aggressiv vermarktet wird. Daher bedarf es weiterhin der strikten Anwendung des geltenden Verbraucherdarlehensrechts durch die Rechtsprechung, aber auch der Systematisierung der fragmentarischen europäischen und nationalen Verbraucherrechtsgesetzgebung. Ein erheblicher Teil der mittelständischen Unternehmen lebt bislang in einem Graubereich der Kreditgewährung, in dem Zinshöhe, Vertragsdauer und Kündigungsgefahren kaum überschaubar sind, so etwa bei einem Wirtschaften an einer engen Kreditlinie (zur Kreditsituation von Kleinunternehmen s. Reifner, ZBB 2003, 20). Das liegt auch daran, dass die Bankpraxis immer noch durch einseitige AGB und diffuse Entscheidungsspielräume der Kreditgeber geprägt ist. Wenn die Vielzahl von mittelständischen Unternehmen, die ständig am Rande der Insolvenz operieren, nun auch noch im Gefolge des Basler Abkommens II häufigen risikoorientierten Zinsanpassungen ausgesetzt werden sollte, dann ist es unabweisbar, dass die Kreditvergabe- und Kreditdurchführungsregeln in einer Weise präzisiert werden, die die Darlehensnutzung für die mittelständischen Unternehmen kalkulierbarer macht. Dafür hatte der Gesetzgeber des SMG kein Konzept, wobei ihm allerdings auch Industrie und Handel keine Hilfen geboten haben. Insofern ist über die §§ 488 ff. BGB hinaus eine weitere gesetzliche Ausdifferenzierung des Darlehensvertragsrechts zum Schutz unternehmerischer Kreditnehmer notwendig. Eine auch für kleinere Unternehmen berechenbare Darlehenspraxis wäre der notwendige nächste Schritt einer umfassenderen Insolvenzvermeidungsstrategie.
Derleder
80
“This page left intentionally blank.”
§ 11 Zinsrechtliche Grundlagen
367
§ 11 Zinsrechtliche Grundlagen
Schrifttum Affolter, Das verzinsliche Darlehen, ArchBürgR 26 (1905), 1; Baums, Zinsberechnungsklauseln in Darlehnsverträgen, WM 1987, SB 2, S. 1; Bilda, Zinsrecht in Spanien und Deutschland, 1994; Bodenbrenner, Rechtsfolgen sittenwidriger Ratenkreditverträge, JuS 2001, 1172; Borges, Die Wertstellung im Giroverhältnis, WM 1998, 105; Bruchner/Metz, Variable Zinsklauseln, 2001; Burkiczak, Zur Frage der Zulässigkeit uneingeschränkter Zinsänderungsklauseln in AGB bei kruzfristigen Sparprodukten, BKR 2007, 190; Canaris, Zinsberechungs- und Tilgungsverrechungsklauseln beim Annuitätendarlehen, NJW 1987, 609; Der Zinsbegriff und seine rechtliche Bedeutung, NJW 1978, 1891; Derleder, Transparenz und Äquivalenz bei bankvertraglicher Zinsanpassung, WM 2001, 2029; Zins als Rente, KJ 1991, 275; Schadensersatzansprüche der Banken bei Nichtannahme der Darlehensvaluta, JZ 1989, 165; Derleder/Metz, Die Nebenentgelte der Banken, ZIP 1996, 573 u. 621; Frühauf, Die Grenzen des Zinsurteils, 1998; Gruber, Der Zinsanspruch beim gekündigten Zinsdarlehen, NJW 1992, 2274; Habersack, Zinsänderungsklauseln im Lichte des AGBG und des VerbrKrG, WM 2001, 753; Kindler, Gesetzliche Zinsansprüche im Zivil- und Handelsrecht, 1996; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobiliarkreditverhältnissen, 2000; Die Anwendbarkeit des § 271 Abs. 2 BGB auf verzinsliche Darlehen, VuR 2001, 239; Darlehensgewährung und Grundpfandrechtsbestellung, ZfIR 1998, 577; Köndgen/Busse, Rechtssprechungsänderung zum Disagio – Zivil- und steuerrechtliche Fragen zur Entgeltgestaltung beim Darlehen, ZBB 1990, 214; Lübbert, Der Kreditvertrag, JherJb. 52 (1908), 313; Maurenbrecher, Das verzinsliche Darlehen im schweizerischen Recht, 1995; Mülbert, Die Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung im Recht des „bürgerlichen“ Darlehensvertrags, WM 2002, 465; Das verzinsliche Darlehen, AcP 192 (1992), 447; Reifner, Die Anpassung variabler Zinssätze im Kreditverhältnis, JZ 1995, 866; Zinsfiktionen und AGB-Gesetz, NJW 1989, 952; Schebesta, Zinsklauseln im Spiegel der aktuellen Rechtsprechung, BKR 2005, 217; Schimansky, Rezension: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Entgeltklauseln in der Kreditwirtschaft und E-Commerce von Kreditinstituten. Bankrechtstag 2001, Berlin 2002, ZBB 2003, 157; Risse/Harbst, Die Höhe von Verzugs- und Prozesszinsen. Die Bestimmung des richtigen Zinssatzes bei Altforderungen, AnwBl 2007, 74; Schmidt, Geldrecht, 1983; Schmitz, Zinsneuberechnung im formfehlerhaften Verbraucherkreditvertrag, NJW 2007, 332; Seckelmann, Zinsrecht, 1992; von der Linden, AGB-rechtliches Transparenzgebot bei Zinsanpassungsklauseln – Probleme der Bankvertragsgestaltung nach Basel II, WM 2008, 195; Wessels, Zinsrecht in Deutschland und England, 1992; Wilk, Zinsfortzahlungsklausel und vorzeitige Darlehenstilgung, DB 1991, 1207; Zimmer, Variabler Zinssatz ohne Angabe des Höchstzinssatzes, NJW 2006, 1325. Inhaltsübersicht A. Zinsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Zinshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 C. Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 I. Beginn der Zinspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
II. Fortgeltung der Zinspflicht . . . . . . . . . . . . . . 7 III.Ende der Zinspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 D. Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Stichwortverzeichnis Akzessorietät. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 6 Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Auszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Basiszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Dauer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Disagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Empfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 EURIBOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Gebühren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Hauptschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 6 Kapitalgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Nebenentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Nichtabnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Prozesszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Restschuldversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Transparenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Valutierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Vermittlungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Zinsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Zinsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zinseszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Zinshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Knops
368
1
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
A. Zinsbegriff Das Gesetz hat den Begriff der Zinsen nicht bestimmt (RGZ 168, 285); er wird vielmehr vom Gesetzgeber vorausgesetzt (MK-von Maydell, 3. Aufl., § 246 Rn. 1) und lässt sich aus dem lateinischen Verb „censere“ (zählen) oder von „census“ (Vermögensschätzung) ableiten. Nach der h. M. sind Zinsen die laufzeitabhängige, gewinn- und umsatzunabhängige, in Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals (BGH NJW-RR 1992, 592; NJW 1979, 806, 541; Palandt-Heinrichs, § 246 Rn. 2; Canaris, NJW 1978, 1891 (1892)). Zinsen müssen damit weder fortlaufend entrichtet noch vorher betragsmäßig bestimmbar sein (so noch RGZ 168, 285). Ihre Höhe soll etwa auch von dem Ausgang eines ungewissen Ereignisses abhängig gemacht werden können (s. unter Rn. 9). Nicht einmal die Gleichartigkeit von Zins und Hauptschuld ist erforderlich (Staudinger-Blaschczok, § 246 Rn. 12 m. w. N.). Wesentliches Merkmal bleibt ihre akzessorische Natur zu einer Hauptforderung, die zu allermeist – etwa abgesehen vom Sachdarlehen nach den §§ 607 ff. BGB – als Kapitalschuld besteht. Ohne deren Bestand können Zinsen nicht selbstständig entstehen. Das Darlehen muss zudem ausgezahlt worden sein (BGH NJW-RR 2007, 138 (141) = WM 2006, 429 (431)). Zins ist i. d. R. Nebenschuld, die sich ständig erneuert (a.A. Jauernig-Mansel, § 488 Rn. 18). Wenn der Hauptanspruch erlischt, endet die Zinspflicht sogleich (RGZ 86, 219), wovon § 803 BGB nur scheinbar eine Ausnahme macht. Sind Zinsen aber einmal entstanden, werden sie von der Hauptschuld unabhängig. Sie können dann selbstständig eingeklagt und ohne die Hauptschuld abgetreten, ge- oder verpfändet werden und unterliegen der regelmäßigen Verjährung nach den §§ 195, 197 II BGB (Jauernig-Vollkommer, § 246 Rn. 5) sowie § 217 BGB. Zu deren Berechnung ausf. § 12. Die Verjährung von Verzugszinsen (vgl. Rn. 4) ist beim Verbraucherdarlehen gem. § 497 III 3 BGB zehn Jahre seit dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs gehemmt, selbst wenn sich die gegenüber § 367 I BGB geänderte Tilgungsreihenfolge nicht auswirkt (BGH WM 2007, 1328; OLG Köln WM 2007, 1326 (1327) m.w.N.; str.). Rückerstattungsansprüche, die sich auf bis zum 01.01.2002 durch periodische Leistungen überbezahlte Zinsen beziehen, verjähren grundsätzlich nach § 197 BGB a.F. innerhalb von vier Jahren (BGH BKR 2007, 200 (201 f.) = NJW 2007, 3127 = VuR 2007, 188; OLG Hamm ZBB 2008, 59). In Überleitungsfällen ist jedoch Art. 229 § 6 I, IV EGBGB zu beachten, der auch zu einer Verjährung nach neuem Recht führen kann. Im Rahmen des dort vorzunehmenden Fristenvergleichs kommt es für die Frist des § 195 BGB a.F. auch auf das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen nach § 199 I Nr. 2 BGB an (BGH WM 2007, 639; OLG Hamm a.a.O.).
2
Ob eine Leistung einen Zins darstellt oder nicht, richtet sich nicht nach ihrer Bezeichnung („Gebühr“, „Provision“, „Spesen“ usw.), sondern nach ihrem wahren wirtschaftlichen Zweck (BGH BB 1971, 107; Bamberger/Roth-Grothe, § 246 Rn. 1), damit die Umgehung zwingender Zinsvorschriften verhindert wird (Jauernig-Vollkommer, § 246 Rn. 2). Keine Zinsen sind daher Vergütungen für besondere Leistungen (Aufwendungen) bei der Kapitalbeschaffung und -auszahlung wie Bereitstellungs-„Zinsen“ (BGH NJW-RR 1986, 469; WM 1978, 422 (423)) und echte Bearbeitungs- und Verwaltungsentgelte (BGH WM 1986, 9), wohl aber Überziehungsentgelte (BGHZ 118, 126) und auch eine einmalige Bearbeitungsgebühr beim Teilzahlungskredit (BGHZ 104, 102 (105) m.w.N.). Ein zur Senkung des Nominalzinses führendes Disagio gehört ebenfalls zu den Zinsen (BGHZ 111, 287 (290); NJW 1993, 3257 (3258); WM 1989, 1058), da es sich in der Bankenpraxis zu einem Rechenfaktor für die Zinsbemessung entwickelt hat (BGHZ 111, 287 (290)). Miete ist dagegen eine Gegenleistung anderer Art und folgt anderen Regeln (Bamberger/RothGrothe, § 246 Rn. 2). Das Ersetzen von „Mietzins“ durch „Miete“ im Mietrecht (§ 535
Knops
§ 11 Zinsrechtliche Grundlagen
369
BGB) trägt dem Rechnung. Renten betreffen durch Kapitalgaben entstandene Ansprüche, die nach einem kollektiven Prinzip befriedigt werden. Auch Erbbauzinsen und Amortisationsquoten unterfallen nicht dem Zinsbegriff (Bamberger/Roth-Grothe, § 246 Rn. 2 m.w.N.)
B. Zinshöhe
3
Wirtschaftlich wird die Höhe der Zinsen beim Darlehen neben der Durchsetzbarkeit als Preis für die Kapitalbelassung zunehmend vor allem durch das erwartete Ausfallrisiko bestimmt. Zumindest bei größeren Instituten spielen die Refinanzierungskosten nur eine untergeordnete Rolle. Auch eine Inflationskompensation fällt bei der Bemessung der Zinshöhe bei Währungsstabilität kaum ins Gewicht. Kredite werden also umso teuerer, je weniger wahrscheinlich ihre Rückzahlung ist. Das Ausleihen von Geld kann damit in Zeiten der Baseler Vorgaben bei geringer Bonität, risikoreicher Valutaverwendung und schlechten Konjunktur- und Währungsaussichten entweder unmöglich oder sehr teuer werden. Kann aber ein Darlehen etwa grundpfandlich gesichert werden und liegt damit bei Einhaltung der üblichen Beleihungsgrenzen das Ausfallrisiko praktisch bei Null, ist die Kreditierung günstig zu haben. Grund und Höhe der zu leistenden Zinsen ergibt sich zumeist aus der Parteivereinbarung oder (selten) aus dem Gesetz (Überblick bei Frühauf, S. 20 f.). Nach § 488 II 1 BGB ist der Darlehensnehmer verpflichtet, dem Darlehensgeber den vertraglich geschuldeten Zins zu zahlen. Die Beweislast für das Vorliegen einer Zinsvereinbarung trägt der Darlehensgeber (Jauernig-Mansel § 488 Rn. 19 unter Hinweis auf OLGR Saarbrücken 2003, 135), ebenso für den Inhalt (BGH WM 1983, 447). Allerdings wird vermutet, dass ein Darlehen nicht zinslos gewährt wird (BGH a.a.O.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 83 Rn. 100). Haben die Parteien keine oder nur unvollständige Regelung getroffen, die auch mittels Auslegung nicht zu einer bestimmten Höhe (Bsp. Marktzinsniveau) konkretisiert werden kann, bestimmt § 246 BGB die Verzinsung der Schuld mit vier vom Hundert für das Jahr, bei Kaufleuten, die einander gemäß § 353 I 1 HGB auch Fälligkeitszinsen schulden, fünf vom Hundert (§ 352 HGB). Erfüllt eine Vereinbarung nicht die nach § 492 BGB vorgegebene Form, so kann sich nach § 494 II 2 BGB der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegte Zinsatz auf den gesetzlichen Zinssatz ermäßigen. Das ist etwa der Fall, wenn die nach § 492 I 5 Nr. 2, 2. Alt. BGB (§ 4 I 4 Nr. 1b 2 VerbrKrG a.F.) erforderliche Angabe des Gesamtbetrags aller zu entrichtenden Teilzahlungen fehlt (LG Essen, Urt. v. 30.06.2006, Az. 6 O 160/05, abrufbar unter www.juris.de) oder grob fehlerhaft ist (LG Potsdam, Teilurt. v. 25.02.2004, Az. 8 O 354/03, abrufbar unter www.juris.de). Dies gilt auch für eine sog. unechte Abschnittsfinanzierung (BGH NJWRR 2005, 483 = WM 2004, 2306 = MDR 2005, 43; BGH NJW 2004, 2820 (2821) = WM 2004, 1542; st. Rspr.). Die Höhe der Teilleistungen ist dann unter Berücksichtigung der herabgeminderten Zinsen neu zu berechnen, ein Anspruch auf Neuberechnung der geleisteten Teilzahlungen unter Aufschlüsselung der jeweiligen Zins- und Tilgungsanteile besteht jedoch nicht (BGH NJW-RR 2006, 1419 (1421); BKR 2006, 405; NJW-RR 2005, 354 (355) = MDR 2005, 225 = WM 2004, 2436; zur Berechnung Schmitz, NJW 2007, 332 ff.). Im Verzugsfall tritt an die Stelle des vertraglichen oder gesetzlichen Zinssatzes nach § 288 BGB regelmäßig der Verzugszinssatz. Er beträgt nach § 288 I 2 BGB fünf Prozentpunkte über dem nach § 247 BGB zu bestimmten Basiszinssatz, erhöht sich gemäß § 288 II BGB auf acht Prozentpunkte darüber, wenn an dem Rechtsgeschäft kein Verbraucher beteiligt ist und reduziert sich entsprechend § 497 I 2 BGB auf zweieinhalb Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, wenn es sich um einen Immobiliarkredit handelt. Hingegen sind Altforderungen aus Darlehen als Dauerschuldverhältnisse, die auf ein vor dem
Knops
4
370
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
01.05.2000 begründetes Vertragsverhältnis zurückgehen und bis dahin fällig geworden sind (vgl. Art. 229 § 1 I 3 EGBGB) oder bei denen Verzug vor dem 01.01.2003 eintrat, nach altem Recht (einheitlicher gesetzlicher Zinssatz i.H.v. 4 % p.a. bzw. 5 % p.a. bei Kaufleuten) zu verzinsen (Einzelheiten bei Risse/Harbst, AnwBl 2007, 74 (75 f.)). Dem Gläubiger bleibt nach § 288 III BGB unbenommen, aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen zu verlangen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens wird im Verzugsfall nach § 288 IV BGB ebenfalls nicht ausgeschlossen. Verzugs- und Vertragszins können aber nie kumulativ, sondern nur alternativ geltend gemacht werden. Daneben werden bei Geldschulden Prozesszinsen nach § 291 BGB auch ohne Verzug von dem Eintritt der Rechthängigkeit an geschuldet, soweit nicht die Fälligkeit der Schuld erst danach eintritt. Wird zur Sicherung des Darlehens eine Grundschuld bestellt, ist nach §§ 1192, 1115 BGB auch der rechtsgeschäftlich vereinbarte variable Zinssatz in das Grundbuch einzutragen. Ein Höchstzinsatz muss jedoch nicht zusätzlich angeben werden, wenn die Parteien die Vereinbarung an § 288 I, II BGB ausgerichtet haben, da auch der gesetzliche variable Zinssatz nicht eintragungspflichtig ist, um zur Entstehung zu gelangen (BGH NJW 2006, 1341 (1342) = WM 2006, 672 = ZIP 2006, 699; Zimmer, NJW 2006, 1325 f.). Das Gleiche gilt für eine Vereinbarung, die sich an § 497 I 2 BGB orientiert (Zimmer, a.a.O.). Wer durch eine unerlaubte Handlung dazu veranlasst wird, Geld zu überweisen, kann vom Schädiger ab dem Zeitpunkt der Entziehung nach § 849 BGB Ersatz für den Zinsschaden verlangen (BGH NJW 2008, 1084 = MDR 2008, 387). Im Rahmen des § 849 BGB bestimmt sich der Begriff der Sache nicht nach § 90 BGB (BGH a.a.O.). 5
Zinsvereinbarungen sind der Höhe nach den allgemeinen Grenzen der §§ 134, 138 BGB zulässig. Bspw. ist eine Darlehensgewährung im Rahmen einer Unfallregulierung durch eine Bank nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das RBerG unzulässig (BGHZ 61, 317), nicht aber wenn das Institut gegen Vorschriften des KWG verstößt (Jauernig-Berger, § 488 Rn. 10). Eine Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 BGB erfolgt auf Grundlage des effektiven, nicht des nominalen Zinssatzes (zum Begriff § 492 II BGB). Damit werden alle Kosten und Nebenleistungen miteinbezogen, die der Schuldner zu tragen hat. Dazu gehören Vermittlungskosten (BGHZ 101, 391), soweit diese nicht ausschließlich im Interesse des Kreditschuldners entstanden sind (BGH NJW-RR 1989, 303). Provisionen, die beim Abschluss von Reschtschuldversicherungen gezahlt werden und bis zu 70 % der vom Kreditnehmer auch zu verzinsenden Prämie ausmachen (s. Knops, VersR 2006, 1455 ff.), sind als verschleierte Zinsen anzusehen. Nicht gerechtfertigt ist es daher, dass die Kosten für eine Restschuldversicherung, von deren Abschluss manche Kreditgeber die Kreditgewährung im Massengeschäft abhängig machen, nach der h. M. nicht miteinbezogen werden (BGHZ 99, 336). Sie erreichen auf die Laufzeit gerechnet oft Höhen, die mehrere Prozentpunkte ausmachen und werden üblicherweise nicht pro rata temporis, sondern vorweg wie ein Disagio vom Auszahlungsbetrag einbehalten. Sie werden laufzeitabhängig, gewinn- und umsatzunabhängig, für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals gezahlt. Sittenwidrig überhöhter Zins (dazu § 10 Rn. 45) führt ebenso wie Kreditwucher nach § 291 I 1 Nr. 2 StGB zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages (ausf. Bodenbrenner, JuS 2001, 1172).
6
C. Dauer Ist das Ende der Zinspflicht schon seit langem umstritten (III.), herrscht nun auch Streit um deren Beginn (I.). I. Beginn der Zinspflicht. Die Zinspflicht entsteht in der Regel erst mit dem Empfang der Darlehensvaluta (BGH NJW-RR 2007, 138 (141) = WM 2006, 429 (431); BGH WM 1979, 1056), nicht schon zu dem Zeitpunkt, in dem die Valuta aus dem Vermögen des Kre-
Knops
§ 11 Zinsrechtliche Grundlagen
371
ditgebers ausscheidet (Knops, ZfIR 1997, 577 (579)). Ohne Auszahlung des Kapitals kann keine Verzinsung beginnen. Den Beginn der Zinspflicht beim Darlehen ohne Auszahlung allein der vertraglichen Zinsverpflichtung entnehmen zu wollen (Mülbert, WM 2002, 465 (471); Palandt-Weidenkaff, § 488 Rn. 20; a. A. Palandt-Heinrichs, § 187 Rn. 1 m.w.N.) widerspricht § 354 II HGB, wonach für Darlehen, Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen Zinsen „erst vom Tage der Leistung“ berechnet werden können. Diese Auffassung, wonach der Anspruch auf Zinsen unabhängig von der Kapitalgewährung postuliert wird, findet auch in § 488 I BGB keine Stütze. Die Zur-Verfügung-Stellung der Valuta (des Darlehens) ist nach § 488 II 2 BGB sowohl für die Zinszahlung als auch für die Rückerstattung Voraussetzung. Ebenso wie eine Rückgewähr nicht möglich ist, ohne dass etwas empfangen wurde, besteht keine Verpflichtung zur Zinszahlung, wenn der Kreditnehmer das Darlehen nicht erhalten hat. Die für die gegenteilige These herangezogene Norm des § 537 BGB aus dem Mietrecht, wonach die Miete geschuldet bleibt, wenn der Mieter durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung des Mietgebrauchs gehindert ist, hat im Darlehensrecht, wie auch im Allgemeinen Schuldrecht keine Entsprechung. Bei den Gesetzesberatungen zur Reform des Schuld- und Kreditrechts wurde eine derartige Auffassung nicht einmal geäußert, vielmehr im Gegenteil die Abhängigkeit der Zinspflicht von der Auszahlung, mithin die strenge Zinsakzessorietät vorausgesetzt. Nach dem zinsrechtlichen Akzessorietätsprinzip sind Zinsverpflichtungen ihrem Wesen nach von einer Hauptverbindlichkeit abhängig, so dass ohne Hauptschuld eine Zinsschuld nicht entstehen kann, also nach der Aufhebung der Hauptschuld auch kein Zinsanspruch mehr entsteht (RGZ 86, 218 (219); BGHZ 106, 42 (47); 15, 87; OLG Bremen NJW 1991, 1837 (1838); Staudinger-Schmidt, 12. Aufl., § 246 Rn. 37; MünchKommBGB-Westermann, 3. Aufl., § 608 Rn. 8; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 78 Rn. 5; Mugdan, II S. 9). Entstehen und Anwachsen jeglicher Zinsforderung setzt also den gültigen Bestand einer Kapitalschuldforderung voraus (Palandt-Heinrichs, § 246 Rn. 5; Larenz, SchuRAT, § 12 VIII). Dies folgt zugleich aus dem darlehensvertraglichen Synallagma. Eine Zinspflicht kann daher nur während der tatsächlich erfolgten Kapitalüberlassung entstehen (BGH WM 1988, 1780 (1781)). Die synallagmatische Verknüpfung von Kapitalbelassung mit der Pflicht zur Zahlung der vereinbarten Zinsen setzt praktisch wie denknotwendig eine vorherige Auszahlung voraus. Dagegen die (angebliche) Unvereinbarkeit zwischen Synallagma und Akzessorietätsprinzip zu behaupten (Mülbert, AcP 192 (1992), 447 (500)), um rein definitorisch den Entfall der Zinspflicht zu verdrängen, verfängt – auch nach der Neuregelung des Darlehensrechts – nicht. Auch wenn nicht der Gebrauch des Kapitals durch den Schuldner, sondern der zeitweilige Verzicht des Gläubigers auf dasselbe als Rechtfertigung für die Zinsnahme anzusehen wäre (so BGH, WM 1989, 1011 (1014); 1985, 10 (12); Staudinger-Blaschczok, § 246 Rn. 7; Staudinger-Schmidt, 12. Aufl., § 246 Rn. 8), setzt dies ebenfalls die Auszahlung der Valuta voraus. Demgegenüber lediglich die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs durch den Schuldner ausreichen zu lassen (vgl. auch Schimansky/Lwowski/Bunte-Bruchner, § 78 Rn. 1; a. A. Schimansky/Lwowski/Bunte-Häuser, § 83 Rn. 105 m.w.N.), um damit den Boden zu bereiten, den Kreditnehmer etwa im Falle der schuldlosen Nichtabnahme gleichwohl zur Zahlung der gesamten Zinsen zu verpflichten, kann angesichts der fehlenden Akzessorietät nicht überzeugen. Auch der BGH sieht daher die Nichtabnahmeentschädigung als Ersatz für den entgangenen Gewinn, der sich auf der verletzten Abnahmepflicht begründen soll (vgl. hierzu aber § 14 Rn. 2) und nicht als Ersatz für fällig gewordene und nicht entrichtete Zinsen (BGH NJW-RR 2007, 138 (140 f.) = WM 2006, 429). Wenigstens konsequent (aber ebenfalls nicht gerechtfertigt) war es, gleich die Abschaffung des gesamten Zinsakzessorietätsprinzips zu fordern (Maurenbrecher, S. 122 m.w.N. deutscher Literatur). Auch dies kann nicht überdecken, dass beim verzinslichen Darlehen nach § 488 BGB der Darlehens-
Knops
372
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
geber nach dem Wortlaut dazu verpflichtet wird, den Geldbetrag „zur Verfügung zu stellen“. Ohne Ausscheiden aus seinem Vermögen und wertmäßigen Verschaffung zugunsten des Darlehensnehmers ist dies nicht der Fall (BT-Drucks. 14/6040, S. 253). Eine AGBmäßige Vorverlegung ist daher nicht möglich. Sie würde das gesetzlich vorgesehene Darlehenssynallagma – wie auch das Akzessorietätsprinzip – durchbrechen. Eigentlicher Grund des Entkoppelungsversuchs ist offensichtlich vielmehr, dem Kreditgeber etwa bei Nichtabnahme ohne weiteres einen Schadensersatzanspruch gleich der Vorfälligkeitsentschädigung zu generieren (dazu § 14). Dies hätte zur Folge die Verpflichtung zur Nichtabnahmeentschädigung verschuldensunabhängig auszugestalten, wohingegen sonst eine individuell ausgehandelte Vertragsbestimmung notwendig wäre (§ 10 Rn. 10; § 4 Rn. 2). 7
II. Fortgeltung der Zinspflicht. Mit Auszahlung der Valuta alleine hat der Kreditgeber nicht schon den Vertrag erfüllt. Vielmehr ist er zudem zur fortdauernden Überlassung der Valuta entsprechend der Vertragslaufzeit verpflichtet. Die Zinsforderung bemisst sich nach der Laufzeit und wird üblicherweise nach bestimmten Zeitabschnitten abgerechnet. Möglich ist aber auch die Zahlung im voraus für die gesamte Laufzeit, wobei dann meist die Summe vom Kapital bei Auszahlung abgezogen wird (MünchKommBGB-Grundmann, § 246 Rn. 4). Die nachträgliche Einstellung der Zinsschuld bildet praktisch die Ausnahme, ist aber gemäß § 488 II BGB ohne weiteres zulässig. Nicht möglich sind Vereinbarungen, in denen eine Zinseszinsvereinbarung liegt, die in § 248 BGB verboten wird, soweit nicht Zinseszins nach §§ 248 II BGB, 355 I 1 HGB zulässig ist.
8
III. Ende der Zinspflicht. Bei Wegfall der Kapitalnutzungsmöglichkeit durch den Kreditnehmer hört eine Zinspflicht auf, etwa weil der Kreditgeber die Valuta wieder in Händen hält. Gleiches gilt, soweit nicht auf die Kapitalnutzung des Kreditnehmers, sondern auf die Kapitalentbehrung des Kreditgebers abgestellt wird, wonach die Zinspflicht auf dem Umstand gründet, dass der Darlegensgeber das Kapital nicht mehr nutzen kann. Mit der Tilgung des Rückgewähranspruches endet die Entbehrung des Kreditgebers und damit die Zinspflicht. Für beide Sichtweisen gilt gleichermaßen, dass es völlig gleichgültig ist, woher das Geld stammt oder ob der Darlehensgeber sich die Valuta selbst erst ausgeliehen hat. Entscheidend für eine Zinsverpflichtung ist, ob der Kreditnehmer ein Recht zur Rückzahlung hat, oder umgekehrt, ob der Kreditgeber die Annahme der Valuta verweigern darf (Knops, S. 50). Ist die Rückzahlung berechtigt, erlischt die Hauptschuld, und weitere Vertragszinsen können wegen Abhängigkeit von Schuld und Zinsen nicht mehr entstehen. An die Stelle der Vertragszinsen können dann Verzugszinsen treten. Bei Verbraucherdarlehen ist der geschuldete Betrag im Verzugsfall unter der Maßgabe des § 497 I 1 BGB zu verzinsen. Teilleistungen dürfen von dem Darlehensgeber gemäß § 497 III 2 BGB nicht zurückgewiesen werden. Entgegen § 367 I BGB bestimmt § 497 III 1 BGB die abweichende Tilgungsreihenfolge, nach der Teilleistungen zunächst auf die Kosten der Rechtsverfolgung, dann auf die Hauptschuld und erst zuletzt auf die Zinsen angerechnet werden. Einer Titulierung der Zinsschuld steht § 497 III 1 BGB zumindest dann nicht entgegen, wenn auch die Hauptschuld tituliert wurde, da § 497 III 1 BGB auch für Leistungen in der Zwangsvollstreckung gilt (vgl. BGH WM 2007, 1328; OLG Köln WM 2007, 1326 (1328) m.w.N.). Bei Eintritt des Gläubigerverzugs muss der Schuldner nach § 301 BGB keine Zinsen mehr zu zahlen.
9
D. Anpassung Zinsanpassungen in laufenden Vertragsverhältnissen sind üblich etwa bei zinsvariablen Tilgungskrediten oder Kontorrentabreden. Ob die Vertragsparteien eine gleichbleibende oder eine variable Verzinsung vereinbaren, ist ihre durch gesetzliche Vorschriften nicht
Knops
§ 11 Zinsrechtliche Grundlagen
373
vorgegebene Entscheidung und unterliegt daher grundsätzlich keiner AGB-Kontrolle (BGH, Urt. v. 10.06.2008, Az. XI ZR 211/07, ZAP 2008, 1019, Rn. 11; BGHZ 158, 149 = NJW 2004, 1588; Burkiczak, BKR 2007, 190 (191); Schebesta, BKR 2005, 217). Die Anpassung erfolgt entweder durch vorher festzulegende Zinsgleitklauseln, wonach eine Änderung der Zinshöhe allein durch Veränderung der zugrunde liegenden Parameter eintritt, oder durch Zinsänderungsklauseln, in denen sich der Kreditgeber eine Änderung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB vorbehält. Bei der Festlegung der Parameter, die einer Zinsgleitklausel zugrunde liegen, ist den Vertragsparteien grundsätzlich ein weiter Spielraum anzuerkennen, wie sich anhand der Entscheidung des BGH vom 19.04.2007 aufzeigen lässt (BGH NJW 2008, 231 = JurBüro 2007, 445). Hier wurde die Zinshöhe von dem Ausgang der Teilnahme der deutschen Nationalmannschaft an der Fussball-Europameisterschaft abhängig gemacht. Gestaffelt nach Erreichen der jeweiligen Runde sollte dort ein Bonus auf die garantierte Basisverzinsung gewährt werden, der letztlich bei einem Sieg im Endspiel bei 150 % gelegen hätte, so dass das Festgeld in casu mit 3,25 % bis 3,75 % zu verzinsen gewesen wäre. Hierin sah der BGH auch keinen Verstoß gegen § 4 Nr. 6 UWG (BGH NJW 2008, 231 (233) = JurBüro 2007, 445). Volumenmäßig betreffen Zinsanpassungen den Massenmarkt und werden mangels einheitlicher Vorgaben von nahezu jeder Bank anders gehandhabt. Die Klauseln der Kreditwirtschaft unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen und Leistungsbestimmungen nach § 315 BGB in ihrer Ausgestaltung uneingeschränkt der richterlichen Kontrolle (BGH WM 1999, 2547) und betreffen sowohl das Aktiv- als auch das Passivgeschäft der Banken (vgl. insges. § 10 Rn. 21 sowie Derleder, WM 2001, 2029 f. und Habersack, WM 2002, 753 sowie Schimansky, ZBB 2003, 157; a.A. OLG Düsseldorf BKR 2004, 79 (83) mit abl. Anm. Metz, BKR 2004, 85 ff.). So verstößt etwa die in den AGB eines Vorsorgeplans enthaltene Klausel „Das Sparguthaben wird mir dem jeweils im Preisaushang genannten Zinssatz verzinst“ gegen § 308 Nr. 4 BGB (AG Koblenz WM 2007, 2057 = ZBB 2007, 512). Unwirksam sind auch ähnliche Klauseln, die ein einseitiges Zinsänderungsrecht der Bank oder der Sparkasse in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei variabler Verzinsung von längerfristigen Spareinlagen statuieren, wenn weder die Voraussetzungen noch der Umfang der Änderungen zu erkennen sind (BGH, Urt. v. 10.06.2008, Az. XI ZR 211/07, ZAP 2008, 1019 Rn. 10 ff. m.w.N.; Burkiczak, BKR 2007, 190 (191) m.w.N.). Dem Vertragspartner muss zumindest ein „gewisses Maß an Kalkulierbarkeit“ zugestanden werden (BGH, a.a.O., Rn. 12 m.w.N.; AG Koblenz WM 2007, 2057 = ZBB 2007, 512). Die Inanspruchnahme eines AGB-rechtlich eingeräumten und zumindest in formeller Hinsicht nicht zu beanstandenden Zinanpassungsrechts muss sich ferner durch einen sachlichen Grund rechtfertigen lassen (von der Linden, WM 2008, 195 (197)). Maßstab für die Kontrolle von Zinsanpassungsklauseln sind somit insbesondere das Transparenzgebot nach § 307 I 2, II 2 BGB und für den Inhalt § 308 Nr. 4 BGB (unzumutbarer Änderungsvorbehalt). Nach einer Leitentscheidung des BGH aus dem Jahre 1986 (BGHZ 97, 212) können pauschale, d. h. nicht im Einzelnen ausgehandelte Zinsänderungen lediglich eine Anpassung (Erhöhung oder Absenkung) rechtfertigen, wenn sich tatsächlich kapitalmarktbedingte Änderungen der Refinanzierungskonditionen des Kreditgebers ergeben. Die Bank ist in Hinblick auf ihr Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 BGB) nach Treu und Glauben gehalten, den Zins quartalsweise an den relativen Zinssatz der Deutschen Bundesbank anzupassen, sofern die Zinsänderung nicht nur geringfügig ist (BGH WM 2003, 828). Eine Zinsanpassung kann bei einer Zinsänderung von wenigstens 0,3 Prozentpunkten geboten sein (BGH a.a.O.). Die Anpassung muss jedoch nicht monatlich und rückwirkend erfolgen (BGH a.a.O.). Entsprechend der durchgängigen Refinanzierungsmär (dazu § 14 Rn. 26), die auch und gerade im Kontokorrentbereich oftmals nicht den Realitäten entspricht, weil die ausgereichte Valuta wenigstens teilweise auch hier aus dem eigenen Port-
Knops
374
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
folio stammt, wird von Bankenseite als Bezugspunkt teilweise das „EURIBOR-Dreimonatsgeld“ vorgeschlagen (Schimansky/Lwowski/Bunte-Bruchner, § 78 Rn. 63i f. m.w. Einzelh.). Dies berücksichtigt nicht hinreichend das Marktzinsniveau gleicher oder vergleichbarer Konditionen, da der EURIBOR nur den Interbankenmarkt an sich und auch nur ausschnittsweise durch ausgesuchte Banken repräsentiert und regionale Zinsunterschiede, die real erhebliche Summen ausmachen, damit weitgehend ausgeklammert werden (krit. auch Schebesta, BKR 2005, 217 (221)). Pauschalierungen dürfen weder Verbraucher noch Unternehmer unangemessen benachteiligen. Daran hapert es in der Praxis vor allem in zeitlicher Hinsicht. Zinserhöhungen werden schnell, Zinssenkungen dagegen langsam an die Bankkunden weitergegeben. Um von vornherein eine unangemessene Benachteiligung zu vermeiden, müssen Änderungen daher nach oben wie unten völlig spiegelbildlich ausgestaltet werden (von der Linden, WM 2008, 195 (197)). Einem „Zinserhöhungsrückstau“ das Wort zu reden (Schimansky/Lwowski/ Bunte-Bruchner, § 78 Rn. 64b), soll offensichtlich nachträglichen Erhöhungen das Tor öffnen, die bei Vertragschluss nicht vereinbart oder erkennbar waren. Maßgebliche Indikatoren sind vielmehr der Referenzzinssatz (EZB-Zinssatz), die Marge (Veränderung um 0,1 %) und der Intervall (monatlich). 10
Es ist daher erforderlich, variable Zinsklauseln einer strengen Transparenzkontrolle zu unterwerfen, die es von vornherein ausschließt – wie noch in BGHZ 97, 212 – nur das Übermaß zu beschränken, ansonsten aber mittels einer geltungserhaltenden Reduktion ihren gerade noch zulässigen Teil bezüglich Zinshöhe, Anpassungszeitpunkt und -zeitraum etc. aufrecht zu erhalten, auch wenn dies einer praktischen Forderung der Banken entsprechen sollte (zu einer umfassenden Unwirksamkeit der beanstandeten Klauseln kommen auch BGHZ 158, 149 = NJW 2004, 1588 (1589); AG Koblenz WM 2007, 2057 = ZBB 2007, 512; Burkiczak, BKR 2007, 190 (193); für eine geltungserhaltende Reduktion allein auf den kontrollfreien Teil der Zinsvariabilität statt Festverzinslichkeit BGH, Urt. v. 10.06.2008, Az. XI ZR 211/07, Rn. 17 m.w.N.). Dieses Verbot kann auch nicht im Wege einer „ergänzenden Vertragsauslegung“ umgangen werden, ohne das Gesetz zu verletzen (vgl. § 20 Rn. 31; so aber AG Koblenz WM 2007, 2057 = ZBB 2007, 512). Der Kunde, Verbraucher wie Unternehmer, muss schon bei Vertragsschluss erkennen können, nach welchen Kriterien und in welchem Umfang er höhere Zinsen und weitere Gebühren zahlen muss. Bei Verbraucherkrediten ist § 492 I 5 Nr. 5 BGB zu beachten, wie auch bei Falschangabe des Effektivzinssatzes nach § 494 III BGB eine Zinsänderung nicht folgenlos bleibt (§ 11 Rn. 138 f.). In unterlassenen oder fehlerhaften Zinsänderungen zum Nachteil des Kunden liegt zwar kein Verzicht auf eine angemessene Vergütung. Bleibt aber die Mehrforderung durch Aufrechterhaltung des noch zulässigen Teils für die Bank folgenlos, besteht kein Anreiz für gesetzeskonformes und idealiter marktgerechtes Verhalten. Kaum ein Kunde hat und wird wegen einzelner, meist geringer Beträge die Vertragbeziehung insgesamt durch Klageerhebung oder Kündigung gefährden wollen. Der massenweise Missbrauch allein durch unterlassene oder verspätete Zinssenkung bringt aber insgesamt bislang einen ganz erheblichen, nicht zu rechtfertigenden Gewinn. Um das Dilemma aufzulösen, bedarf es lediglich einer nicht einseitig interessengesteuerten Anwendung der §§ 305 f. BGB. Die Rechtsfolgen einer (zumindest teilweise) unwirksamen Zinsanpassungsklausel werden durch die Rechtsprechung meist offen gelassen (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 10.06.2008, Az. XI ZR 211/07, Rn. 19). Teilweise wird vorgeschlagen, die Variabilität des Zinssatzes gemäß § 306 I BGB aufrecht zuerhalten, allerdings unter Aufgabe des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts der Bank (Schebesta, BKR 2005, 217 (220), zum Ganzen auch von der Linden, WM 2008, 195 ff.). Beide Parteien hätten dann einen richterlich voll über-
Knops
§ 11 Zinsrechtliche Grundlagen
375
prüfbaren Anspruch auf Einwilligung in die durch die andere Seite vorgeschlagene Zinsanpassung, wobei bei Verbraucherverträgen überdies § 492 I 5 Nr. 5 BGB zu beachten sei (Schebesta, a.a.O.). Diese Aufassung ist abzulehnen. Bei Nichtigkeit gilt die Zinsvereinbarung als variabel und bemisst sich nach den bereits genannten Indikatoren (Rn. 9 a.E.). Der Zins ist mithin monatlich bei einer Margenänderung von 0,1 % gemessen am Referenzzinssatz der EZB anzupassen (s. bereits ausf. Reifner, JZ 1995, 866 ff.).
Knops
“This page left intentionally blank.”
§ 12 Zinsberechnung
377
§ 12 Zinsberechnung
Schrifttum Brown (ISMA), Yields from the Bond Markets, 1998; Deutsche Bundesbank, Informationsbrief zur WWU Nr. 14; EU-Kommission, Bericht über die Anwendung der Richtlinie 90/88/EWG Verbraucherkredite; EZB, Die einheitliche Geldpolitik im Eurowährungsgebiet, 2002; Freckmann/Rösler, Tilgungsaussetzung bei der Immobilienfinanzierung, ZBB 1/2007, 19. Jahrgang, 23-37; gif, Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. Wiesbaden, Empfehlung zur Berechnung von Prognoserenditen für geschlossene Immobilienfonds vom 14.07.1998; Habersack, Effektiver Jahreszins und Prämien für eine Kapitallebensversicherung, WM 8 vom 25.02.2006, 353-357; Hestermeyer, Der effektive Zinssatz bei Kleinkrediten, Praxis der Mathematik 1985, 129, 237; Kirsch, Zur Berechnung des effektiven Zinssatzes, Journal für Mathematik-Didaktik 1987, 321; Leibniz, Hauptschriften zur Versicherungs- und Finanzmathematik, Hrsg. Knobloch/v. d. Schulenburg, 2000; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Taggenaue Zinsrechnung und Standardperioden, ZGK 1997, 1050; Seckelmann, Pacta sunt servanda – Nicht für Zinssätze?, BB 1996, 965; Sievi, Grundlagen zur Beurteilung von Geldgeschäften, Kontoführung, Effektivzins, Barwert, Endwert, Vergleichstechniken und Anwendungen, 1996; ders., Kalkulation und Disposition, Betreibswirtschaftliche Grundlagen, Rechenverfahren, Anwendungen, 1995; Studie: Zinsrechnungen im EWR (Methods of Calculation, in the EEA, of the APR), A0 2600/94/000101, EU-Kommission, GD XXIV, 1995; Zinsrecht, 1992; Damnum-Rückzahlungen nach BGH-Urteilen; VuR 1994, 67; Steppeler, Bankentgelte, 2002; ders., Preisentgelte, 2002; Tiffe, Infobrief 4/06 des iff institut für finanzdienstleistungen e.V. Hamburg, S. 1-5. Inhaltsübersicht A. Definitionen von Nominalzins und Effektivzins sowie Basiszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Nominalzinssatz versus Effektivzinssatz . . 1 II. Basiszinssatz gem. § 247 BGB . . . . . . . . . 9 B. Definition Rendite/Rentabilität . . . . . . . . . . . . . 10 C. Zinsberechnungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . 13 D. Zins- und Tilgungsverrechnungen (Z+T-V)/Wertstellungstermine . . . . . . . . . . . . . 16 I. Kapitalanlagen im Geldmarkt . . . . . . . . . 16 II. Planungs- und Hochrechnungen bei Kapitalmarktprodukten . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Kredite/Wertstellungstermine . . . . . . . . . . 20 E. Kredite für gewerbliche und freiberufliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 F. Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Annuitätendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. p.M.-Konsumentenratenkredite . . . . . . . . 27 IV. Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über einen BausparvertragKombinationsfinanzierung . . . . . . . . . . . . 28
V.
Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über eine Kapitallebensversicherung oder fondsgebundene Kapitallebensversicherung . . . . . . . . . . . . 1. Effektivzinsangabe nach § 6 PAngV . 2. Verbundene Darlehen . . . . . . . . . . . . . 3. Risikoaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über einen Investmentfonds . . VII. Tilgungsaussetzungen bei Immobilienfinanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Wucherzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konsumentenkredite . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontokorrentkredite/Überziehungskredite gem. § 493 BGB . . . . . . . . . . . G. Annex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 36 37 38 39 40 41 43 43 46 47
Stichwortverzeichnis Annuitätendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Autofinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Bankvorausdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . 28, 31, 34, 29 Basel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 43 Bausparkasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Basiszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Bundesbankstatistik sud130 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Effektiver Jahreszins. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Effektivzinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 7, 36 FAZ-Rentenrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Finanzierungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Garantiezins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Gesamteffektivzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Gesetzlicher Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 ff. Hypothekenbank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Immobilienfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 40 Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Kapitallebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Kapitalmarktrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kombinationsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 32 Konditionenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Konsumentenkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Konsumentenratenkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Bockholt
378
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Kontoführungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . 22 f., 26 Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 46 Kredite für gewerbliche und freiberufliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Negativzinsaufschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Nominaler Jahreszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Nominalzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 8 Nominalzinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Planungszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Rangdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Rechnungszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Rendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Risikoaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Risikoeinschätzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Risikoklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Tilgungsaussetzung. . . . . . . . . . . . . . . 28, 31, 34, 39 f. Überziehungskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Verbraucherdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Verbundene Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 VOFI-Rendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Wertstellungstermine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Wiederanlageprämisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Wucherzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 45 Zinsberechnungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 f. Zins- und Tilgungsverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 16
1
A. Definitionen Nominalzins und Effektivzins sowie Basiszinssatz
2
I. Nominalzinssatz versus Effektivzinssatz. Im § 6 PAngV und detailliert im § 11 PAngV, Übergangsregelungen Anhang zu § 6 PAngV, ist die mathematische Formel zur Effektivzinsrechnung hinterlegt, die aus der Richtlinie 98/7/EG übernommen wurde. Damit ist die Effektivzinsformel AIBD/ISMA Bestandteil der nationalen und europäischen Effektivzinsberechnungen bei Krediten. Mit der Bekanntmachung vom 18.3.2002 hat sich der deutsche Gesetzgeber endlich in der Finanzmathematik den internationalen Gepflogenheiten angepasst, die auch voll die unterjährige Zinseszinsrechnung berücksichtigt. Dieser Zusammenhang soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Der Verbraucher Weber erhält zwei Angebote für einen Kredit in Höhe von 10.000 Euro von der Bank A und von der Bank B. Die Bank A bietet einen Nominalzinssatz von 8 % fest für ein Jahr an, die Bank B einen Nominalzinssatz von ebenfalls 8 % für ein Jahr, allerdings mit einer halbjährlichen Zinszahlung. Der Kredit ist nach einem Jahr in voller Höhe zu tilgen. Der Effektivzins und der absoluter Ertrag für die Bank der beiden Kredite sind unterschiedlich, weil der Zinseszinseffekt durch die halbjährliche Zahlungsweise bei der Bank B voll zum Tragen kommt. Die Ergebnisse werden in einer Tabelle zusammengefasst:
3
Termine
Bank A
31.12.2005
Kredit:
Bank B 10.000 €
Kredit:
10.000 €
Zinsen 30.6.2006
–
400,00 €
Restschuld 30.6.2006
–
10.000 €
Zinsen 31.12.2006
800,00 €
400,00 €
Tilgung 31.12.2006
10.000 €
10.000 €
Effektiver Jahreszins
8,00 %
8,16 %
Da die Bank B 400 Euro schon ein halbes Jahr früher als die Bank A erhält, kann sie mit diesem Geld schon wieder auf den Geld- und Kapitalmärkten agieren. Der Kreditnehmer Weber muss eben bei der Bank B früher zahlen, was den Preis des Kredits verteuert. Unter Verwendung der Formel gemäß dem Anhang der Richtlinie 98/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998 und dem novellierten § 6 PAngV wird der Effektivzins wie folgt ermittelt. Die § 6-PAngV-Formel ist den genannten Gesetzen bzw. Vorschriften zu entnehmen.
Bockholt
§ 12 Zinsberechnung
379
Bank A: 10.000 =
800 1,08360/360
+
10.000 1,08360/360
+
10.400
= 740,74 + 9.259,20
Bank B: 10.000 =
400
(1 +
8,16 100
)
180 360
(1 +
8,16 100
)
360 360
= 384,62 + 9.615,38
Die richtige Zahl wird per Versuchen (= Interpolation) ermittelt, was bei den heutigen Computerprogrammen kein Problem ist. Der einzelne finanzmathematische Beweis muss immer über ein Vergleichs- oder auch Beweiskonto geführt werden können. Der Nominalzins oder auch nominaler Jahreszins genannt führt das Konto eines Kredites oder einer Kapitalanlage gemäß den Vertragsbedingungen. In der deutschen Fassung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie wird vom Sollzins gesprochen, der mit dem Nominalzins gemäß § 6 PAngV identisch ist. Der effektive Jahreszins gibt den Preis eines Kredites an, bei Kapitalanlagen ist er das wichtige Kriterium für den Erfolg. Nur in einem einzigen Sonderfall stimmen Nominalzins und Effektivzins überein: Wenn bei einem Kredit kein Agio, Disagio, keine Gebühren, keine unterjährigen Zahlungen und Zins- und Tilgungsverrechnungen vereinbart sind, sind Nominalzins und Effektivzins identisch. Das kann man sehr gut bei Anleihen ohne Agio und Disagio und ohne Gebühren mit jährlichem Zinskupon erkennen.
4
In Verträgen zur Kapitalanlage oder Krediten jeglicher Art von einem Zinssatz von z.B. 4,0 % zu sprechen, entbehrt einer exakten Definition, wie denn gerechnet wird. Aus dem Effektivzins lässt sich finanzmathematisch recht bequem der Nominalzins und aus dem Nominalzins entsprechend zügig der Effektivzins ermitteln. Die finanzmathematischen Computerprogramme unterstützen diese Berechnungen sehr anwendungsorientiert und nachvollziehbar.
5
Die Problematik wird am gesetzlichen Zinssatz von 4,0 % gemäß § 246 BGB deutlich, wobei die Abrechnungsusance 30/360 unterstellt wird, auch die Umrechnung mit act/act oder act/360 ist möglich. Wenn dieser Zinssatz als Nominalzinssatz angesehen wird, so ist bei einem Kredit von 4,0 % folgende Entwicklung des Effektivzinses zu betrachten:
6
Kredit: 100.000 € Auszahlung: 30.12... Reine Zinszahlungen pro Periode Tilgung nach einem Jahr zu 100.000 Euro Zinszahlungen Ratenhöhe 360 × (täglich) 12 ×, jeweils am Monats12 ×, ende (30.1./28.2./30.3./…) 4 ×, jeweils am Quartals12 ×, ende (30.3./30.6./30.9./..) 3 ×, jeweils am 30.4./30.8./30.12. 2 ×, jeweils am Ende des 12 ×, Halbjahres (30.6./30.12.) 1 × am Jahresende (30.12.)
Effektivzins pro Jahr
11,11 € 333,33 €
4,08 % 4,07 %
1.000,00 €
4,06 %
1.333,33 €
4,05 %
2.000,00 €
4,04 %
4.000,00 €
4,00 %
Bockholt
380
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Alle anderen Termine, ob alle zwei Tage, wöchentlich oder zweiwöchentlich lassen sich ebenfalls darstellen. Die Summe der Zinszahlungen ist, abgesehen von Rundungsdifferenzen des ersten, zweiten und vierten Beispieles in der 2. Stelle nach dem Komma, 4.000 Euro. 7
Dem Gesetzgeber bzw. der Rechtssprechung ist hier zu empfehlen, für eine einheitliche Regelung zu sorgen. Für die Annahme des gesetzlichen Zinses als Effektivzins spricht, dass in Urteilen keine Benachteiligung erfolgt, ob es sich nun um tägliche, monatliche, halbjährliche oder jährliche Zahlungsweise handelt, was die folgende Tabelle beweist: Effektiver Jahreszins: 4 % Zahlungsweisen = Termine
Jahresnominalzins der Zins- und Tilgungsverrechnungen 360 × (täglich:1.1./2.1./3.1./…) 3,922 % 12 ×, jeweils am 30.1/28.2./30.3./… 3,928 % 4 ×, jeweils am 30.3./30.6./30.9./30.12. 3,941 % 3 ×, jeweils am 30.4./30.8./30.12. 3,948 % 2 ×, jeweils am 30.6./30.12. 3,954 % 1 × am 30.12. 4,00 % Auch zweiwöchentliche oder andere systematische oder auch unregelmäßige Zahlungsweisen lassen sich entsprechend umrechnen. 8
Für die Definition des gesetzlichen Zinses als Nominalzins könnte die einfache Rechnungsweise sprechen, die aus dem Prozentrechnen abgeleitet werden kann. Dagegen spricht, dass eine Benachteiligung durch den Zinseszinseffekt entsteht, je nach nachdem ob eine Partei bei gleichem Nominalzinssatz z.B. zu monatlicher oder jährlicher Zahlung veranlasst wird. Damit wäre die Effektivzins als klare Definition nachvollziehbar und es würden keine Benachteiligungen durch die Zahlungsweise – ob täglich, monatlich, halbjährlich oder jährlich – entstehen. Der derzeitige Vorsitzende Richter am BGH, XI. Senat, Herr Gerd Nobbe, hat dem Autor gestattet, seine Antwort auf folgende Frage zu zitieren: Frage vom Autor: „Der gesetzliche Zinssatz ist im § 4 BGB mit 4 % definiert. Ist das ein Nominalzins oder ein Effektivzins?“ Antwort vom BGH-Richter: „Die Frage ist noch nicht entschieden, ich warte auf einen Musterprozess!“
9
10
II. Basiszinssatz gemäß § 247 BGB. Der Basiszinssatz dient vor allem als Grundlage für die Berechnung von Verzugszinsen gemäß § 288 Absatz 1 Satz 2 BGB (Pressenotiz: Anpassung des Basiszinssatzes zum 1.7.2008 auf 3,19 %). Gemäß dem genannten § 288 BGB ist ein Zinseszins, der automatisch zur Effektivzinsbetrachtung und Effektivzinsrechnung führt, hier ausgeschlossen. Damit handelt es sich beim Basiszinssatz um einen Nominalzins, wie es auch in einem persönlichen Gespräch mit dem Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank bestätigt wurde.
B. Definition Rendite/Rentabilität Rendite bzw. Rentabilität wird in der Literatur wie folgt definiert: Gewinn × 100 Rendite = –––––––––––––––––– investiertes Kapital
Bockholt
§ 12 Zinsberechnung
381
Bei einer Bilanzanalyse wird der Begriff leicht verändert in: Bilanzgewinn × 100 Eigenkapitalrendite = ––––––––––––––––––– Eigenkapital Mit diesen Bilanzkennzahlen kann man die Einjahresrendite ermitteln, nicht aber eine Rendite über mehrere Jahre, weil damit der Zeitaspekt und damit der Zinseszins unterschlagen wird, auf den ausdrücklich in der Formel zur EU-Verbraucherkreditrichtlinie eingegangen wird. In der Analyse von Anleihen mit Disagio oder auch bei Krediten mit Disagio wird häufig folgende Formel verwendet: Zinsertrag × 100 100 – Auszahlung Rendite = ––––––––––––––––––– + ––––––––––––––––––– investiertes Kapital Restlaufzeit Auch diese sehr beliebte Formel kann auch nicht näherungsweise verwendet werden, weil auch sie wieder den Zeitaspekt und Zinsesaspekt völlig negiert. Die genannten Renditenformeln implizieren die lineare Verzinsung, sie verstoßen eklatant gegen den Grundsatz Zeit = Geld und führen bei Betrachtung von Kapitalanlagen und Krediten zu falschen Ergebnissen. Die Kapitalmarktrendite wird mit der oben genannten EU-Formel bei Rentenpapieren/ Anleihen unter strenger Berücksichtigung der Zeit börsentäglich ermittelt, wie man sie nationalen und internationalen Börsenblättern entnehmen kann. Es besteht daher keine Veranlassung, andere, unzureichende Formeln zu akzeptieren. Eine gesetzliche Vorschrift, wie bei Kapitalanlagen generell eine Rendite oder ein Effektivzins finanzmathematisch ermittelt werden soll, besteht nicht. Dazu können nur Empfehlungen ausgesprochen werden, die wie folgt formuliert werden: – Es sind immer der Zahlungsstrom und die Einflussfaktoren in Prospekten, Angeboten und Verträgen zu definieren und zu nennen, die in die Rendite- bzw. Effektivzinsrechnung einbezogen werden sollen. – Bei der Effektivzinsrechnung ist die Formel zu verwenden, die in der EU-Verbraucherkreditrichtlinie bzw. im § 6 PAngV hinterlegt ist. – Da die genannte Effektivzinsformel die Wiederanlageprämisse impliziert, werden bei geschlossenen Immobilienfonds und ähnlichen Produkten, deren Ausschüttungen wieder angelegt werden, mit Prognoserenditen gearbeitet, die ihrerseits wieder sinnvolle Ergebnisse für den Kapitalanleger erbringen. Diese Rendite wird dann VOFI-Rendite genannt, sie wird von der Fachwelt als solche anerkannt. Sie ist niedergelegt in einer gemeinsamen Empfehlung der gif Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (Empfehlung zur Berechnung von Prognoserenditen für geschlossene Immobilienfonds der gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung, Wiesbaden vom 14.7.1998).
C. Zinsberechnungsmethoden
11
12
13
Im Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz (DÜG) (Deutsche Bundesbank Informationsbrief Nr. 14 zur WWU, S. 10) wurden eine Reihe von Zinsberechnungsmethoden festgelegt: Dabei bedeutet act = actual = kalendergenau, d.h. der Monat und/oder das Jahr werden kalendergenau abgerechnet. Act/act bedeutet: Der jeweilige Monat wird mit 28, 29, 30 oder 31 Tagen abgerechnet und das Jahr entweder mit 365 oder 366 Tagen. Act/360 bedeutet: Der Monat wird kalendergenau, das Jahr mit 360 Tagen berechnet.
Bockholt
382
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
30/360 bedeutet: Der Monat wird mit 30 Tagen, das Jahr mit 360 Tagen abgerechnet. Diese Methode ergibt sich aus der Tatsache, dass gemäß § 11 Übergangsregelungen PAngV, Anhang zu § 6 PAngV, der Monat mit 365/12 = 30,416 Tagen gesetzt wurde, was faktisch und mathematisch die genante Regelung 30/360 ergibt. 14
Die Zinsberechnungsmethoden für Bundeswertpapiere werden in dem genannten Informationsbrief wie folgt aufgeführt: Titel Bundesanleihen – mit festem Zins – mit variablem Zins Bundesobligationen Bundesschatzanweisungen U-Schätze Bundesschatzbriefe Finanzierungsschätze
Zinsberechnungsmethode Referenzinssatz bei Floatern act/act act./360 act/act act/act act/360 act/act act/act
EURIBOR -
Daraus hat sich in der Folge entwickelt, dass die Stückzinsen, deren Berechnung bei dem Verkauf dieser Papiere außerhalb des Kupontermins fällig ist, zum Nominalzins des Rentenpapiers unter Berücksichtigung der exakten Tage auf der Basis act/act oder act/360 ermittelt wird. Bei Finanzierungsschätzen und bei Zerobonds wird der Effektivzins dieses Papiers zur Ermittlung der Stückzinsen verwendet. Als bekannte Formel für die Ermittlung der Stückzinsen wird dann verwendet: Kapital × Tage (echte Kalendertage) × Zinssatz Zinsen = –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 100 × 360 oder 365 Ferner wird die Methode act/360 zur Berechnung der Zinsen bei Geldmarktgeschäften zwischen Banken und Banken einerseits und Banken und Kunden andererseits eingesetzt. Sehr viele Banken verwenden auch hier gegenüber ihrer Kundschaft bei Festgeldern (1-Monatsgeld, 2-Monatsgeld, 3-Monatsgeld usw.) die Zinsberechnungsmethode 30/360. Auch bei Krediten insbesondere in Schweizer Franken konnte in den Verträgen die act/ 360-Methode festgestellt werden. 15
Die Zinsberechnungsmethode 30/360 wird verwendet bei: – Kapitalanlagen – Sparbücher – Bonussparen – Bausparen – Guthabenzinsen bei Girokonten – Krediten – Verbraucherkredite – Hypothekarkredite – Bauspardarlehen – Unternehmensfinanzierungen – KfW-Kredite – Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über Bausparverträge, Investmentfonds, Kapitallebensversicherungen – Darlehen mit konstanter Tilgung = Tilgungsdarlehen – Kontokorrentkredite
Bockholt
§ 12 Zinsberechnung
383
D. Zins- und Tilgungsverrechnungen (Z+T-V)/Wertstellungstermine
16
I. Kapitalanlagen im Geldmarkt. Bei Termingeschäften unter Banken sowie zwischen Banken und Unternehmen auf den Kapitalmärkten fallen die Wertstellungs- und Zins- und Tilgungsverrechnungstermine zusammen, so dass die Abrechnungen für Tagesgeld, 1-Monatsgeld, 2-Monatsgeld, 3-Monatsgeld, Halbjahresgeld und Jahresgeld eindeutig geregelt sind. Im Kundenverkehr wird dafür der Begriff Festgeld oder Termingeld verwendet. Bei Beträgen z. Zt. ab 5.000 Euro Einlage wird dem Kunden z.B. das Monatsgeld nach einem Monat kalendergenau auf der Basis act/360 mit Zinsen ausbezahlt. Damit ist eine Wiederanlage der Erträge im laufenden Jahr unter Zinseszinsaspekten bei Festgeldern bzw. Termingeldern der Normalfall. Damit sind bei Festgeldern bzw. Termingeldern folgende Zins- und Tilgungsverrechnungen üblich: – – – – – –
Tagesgeld: tägliche Zins- und Tilgungsverrechnung Monatsgeld: monatliche Zins- und Tilgungsverrechnung Zweimonatsgeld: zweimonatliche Zins- und Tilgungsverrechnung Dreimonatsgeld: vierteljährliche Zins- und Tilgungsverrechnung Halbjahresgeld: halbjährliche Zins- und Tilgungsverrechnung Jahresgeld: jährliche Zins- und Tilgungsverrechnung
Bei Girokonten, die mit einer Guthabenverzinsung geführt werden, werden die Zinsen innerhalb eines Quartals ermittelt und ab Ende des Quartals dem Konto gutgeschrieben. Das wird als sofortige Tilgungsverrechnung und vierteljährliche Zinsverrechnung bezeichnet. Bei Sparbüchern, Bonussparen, sonstigen Spar- und Bausparverträgen werden die Einzahlungen einen Tag nach ihrer Guthabenwirksamkeit linear auf das Jahresende verzinst. Ein Zinseszinseffekt tritt hier innerhalb des Jahres nicht ein. Diese Methode ist damit definiert als sofortige Tilgungsverrechnung (= Wertstellungstermin) und jährliche Zinsverrechnung, landläufig auch Sparbuchmethode genannt.
17
Der Tag der guthabenwirksamen Einzahlung wird als Wertstellungstermin bezeichnet und als Tag „null“ der Zinsrechnung gesetzt. Damit wird der letzte Tag, also der Termin der Guthabenauszahlung, bei der Zinsberechnung berücksichtigt. Die Buchungstermine solcher Zahlungen können von den Wertstellungsterminen abweichen. Nur sehr selten werden dem Kunden die Zinsberechnungssalden (= Salden, von denen die Guthabenzinsen berechnet werden) mit den dazu gehörenden Wertstellungsterminen genannt, was als eine intransparente und nicht nachvollziehbare Kontoführung zu bezeichnen ist.
18
II. Planungs- und Hochrechnungen bei Kapitalmarktprodukten. Bei Kapitallebensversicherungen und privaten Rentenversicherungen werden garantierte und prognostizierte bzw. geplante Auszahlungen bzw. Renten am Ende der Vertragslaufzeit genannt. Auf welche Sparbeiträge sich diese Auszahlungen oder Renten mit welchen Wertstellungsterminen beziehen, ist den Angeboten derzeit nicht zu entnehmen. Ob der Rechnungs-, der Garantie- oder der Planungszins, mit dem diese Angebote bzw. Verträge hochgerechnet werden, ein Nominal- oder Effektivzins sind, konnte vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nicht in Erfahrung gebracht werden. Das Gleiche kann bei fondsgebundenen Lebensversicherungen und Rentenversicherungen festgestellt werden. Auch hier werden am Ende der Vertragslaufzeit mit Planungszinssätzen Auszahlungen bzw. Renten genannt. Eine mathematische Ausgangssituation von den guthabenwirksamen Beiträgen in Relation zu den Ergebnissen unter Beachtung einer Z+T-V ist nicht zu erkennen. Auch bei den Sparplänen über Investmentfonds konnte festgestellt werden, dass der Bundesverband der Investmentgesellschaften (BVI) in seinen
19
Bockholt
384
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Statistiken die EU-Effektzinsformel verwendet. Wie weit die einzelnen Anbieter sich nach dieser Methode richten, konnte nicht festgestellt werden. Es lässt sich damit ableiten, dass außer bei den schon oben genannten Prognoserenditen bei geschlossenen Fonds und bei den Kapitalmarktrenditen von Rentenpapieren keinerlei standardisierte Aussagen zur Rendite bzw. Effektivzinsangaben bei Kapitalanlagen bestehen. 20
III. Kredite/Wertstellungstermine. Bei der großen Anzahl der Kredite fallen die Termine des Kapitaldienstes für Zins und Tilgung mit den Terminen der Zins- und Tilgungsverrechnung zusammen. Das war in früheren Jahren nicht der Fall und wurde im BGH-Hypothekenzinsurteil vom 24.11.1988 (II ZR 156/87) bemängelt. Es verpflichtete Kreditinstitute, die ohne Preisangabe gegenüber dem Verbraucher die Kredite jährlich bei unterjährigen Zahlungen für Zins und Tilgung abrechneten, zu Entschädigungsleistungen. Daher haben sich in den letzten Jahren folgende Modalitäten bei Krediten durchgesetzt: – monatlich nachschüssige Zahlungsweise und 12 x Z+T-V – vierteljährlich nachschüssige Zahlungsweise und 4 x Z+T-V – halbjährlich nachschüssige Zahlungsweise und 2 x Z+T-V – jährliche Zahlungsweise und 1 x Z+T-V Wenige Bausparkassen und einige Genossenschaftsbanken pflegen auch noch bei monatlicher Zahlungsweise die sofortige Tilgungsverrechnung und die vierteljährliche Zinsanrechnung, was als ausgesprochen kundenfreundlich bezeichnet werden darf. Bei Verbraucherkrediten werden die unterschiedlichen Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten bei Zinszahlungen und direkten Tilgungen voll in der Effektivzinsberechnung berücksichtigt. Diese klaren Definitionen der Wertstellungstermine und der Abrechnungstermine wären sinnvolle Ergänzungen vieler Verträge.
21
E. Kredite für gewerbliche und freiberufliche Zwecke Nur Existenzgründer, die Kredite bis zu 50.000 Euro aufnehmen, können gemäß § 507 BGB die besonderen Rechte gemäß den §§ 491-506 BGB für sich in Anspruch nehmen. Damit kommt auf diese Darlehensnehmergruppe eine besondere Sorgfaltspflicht bei Abschluss von Kreditverträgen zu, die sie zu leisten in der Regel nicht im Stande sind. Gerade bei den Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind aus den Standardkonditionen die Zahlungsströme schwierig zu erstellen, die folgende Bedingungen haben: – vierteljährliche Zahlungsweise der Zinsen zum Quartalsende, – halbjährliche Zahlungsweise der Tilgungen in gleicher Höhe zum Halbjahresende. Da die Angabe des effektiven Jahreszinses in der Regel korrekt ist und auf Anfrage ein Zins- und Tilgungsplan geliefert wird, kann der Unternehmer sicher planen. Sinnvoll ist es für den Unternehmer, diese Angaben zu Vertragsbestandteilen zu machen, da eine Pflichtangabe der Effektivzinses bei Unternehmerkrediten gesetzlich nicht verlangt wird.
22
F. Verbraucherdarlehen I. Kontokorrentkredit. Gemäß § 6 PAngV ist bei einem Kontokorrentkredit gegenüber einem Verbraucher ein Effektivzins nicht anzugeben, wenn die Abrechnungsperiode drei Monate beträgt. Der Nominalzins pro Jahr soll hier als Entscheidungskriterium ausreichen. Dem kann aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht zugestimmt werden, was an folgendem Beispiel erläutert werden soll: Es wird ein Kontokorrentkredit in Höhe von 500 Euro von den Banken bei 10 % Jahresnominalzins gewährt. Der Kunde hat folgende Kontostände und Bewegungen:
Bockholt
§ 12 Zinsberechnung
385
Bank A (auf der Basis 360/360): 30.12. Anfangssaldo Soll 2.1.-30.3. 45 Auszahlungen, jeweils alle zwei Tage in Höhe von 3.1.-30.3. 30 Einzahlungen, jeweils alle dreiTage in Höhe von 30.3. Endstand Soll Anfänglich effektiver Jahreszins:
1.000,00 € 100,00 € 120,00 € 1.936,00 € 10,40 %
Bank B: Gleiche Kontobewegungen wie bei Bank A Kontoführungsgebühren bei den Auszahlungen pro Buchung Kontoführungsgebühren bei den Einzahlungen pro Buchung: Neuer Endstand unter Berücksichtigung der Kontoführungsgebühren, Soll: Anfänglich effektiver Jahreszins inklusive Kontoführungsgebühren:
0,10 € 0,20 € 1.947,13 € 13,57 %
Bank C: Gleiche Kontobewegungen wie bei Bank A und B: Kontoführungsgebühren bei den Auszahlungen pro Buchung Kontoführungsgebühren bei den Einzahlungen pro Buchung Neuer Endstand unter Berücksichtigung der Kontoführungsgebühren, Soll: Anfänglich effektiver Jahreszins inklusive Kontoführungsgebühren:
0,50 € 0,60 € 1.977,49 € 23,05 %
Der Autor war im Herbst 1998 bei dem Hearing um die Novellierung des damaligen § 4, heute § 6 PAngV, im zuständigen Bundestagsausschuss. Eine schlüssige juristische Begründung, warum die Kontoführungsgebühren nicht in die PAngV einbezogen werden sollte, konnte nicht geliefert werden. Sobald bei einem Kontokorrentkredit Kontoführungsgebühren erhoben werden, ist ein Preisvergleich für den Verbraucher nicht möglich. In den Kontoauszügen werden dem Kunden die Buchungs- und Wertstellungstermine mit den Sollständen bei den Buchungsterminen mitgeteilt. Dem Kunden werden nicht die Soll- und Habenstände bei den Wertstellungsterminen mitgeteilt, nach denen bankintern die Soll- und Habenzinsen berechnet werden. Das geschieht maximal, wenn überhaupt, einmal am Jahresende. Damit ist es dem Verbraucher nicht möglich, seinen Kontokorrentkredit oder auch seinen Guthabenstand mit Zinsen, wenn diese vereinbart sind, nachzurechnen. Standardisierte Preisaushänge mit Musterkonten und Gebühren würden hier zu einer ausreichenden Transparenz führen.
23
II. Annuitätendarlehen. In der Begründung zu Novellierung der PAngV vom 25.2.2000 wurde unter B „Zu den einzelnen Vorschriften Nummer 5“ ausgeführt, dass die Tilgungshöhe, hier ist die direkte Tilgung gemeint, zu den Einflussfaktoren der Effektivzinsberechnung hinzuziehen sind. Ferner sind gemäß § 6 Absatz 3 Satz 3 PAngV Überweisungs- und Kontoführungskosten eines Annuitätendarlehens nicht mit bei der Ermittlung des Effektivzinses zu berücksichtigen. Eine Begründung, warum diese Kosten, die der Kunden zu zahlen hat, nicht in die Effektivzinsberechnung nach § 6 PAngV einbezogen werden sollen, wurde in dem oben genannten Hearing ebenfalls nicht gegeben. Das führt zu ökonomisch falschen Entscheidungen und konterkariert den Verbraucherschutz.
24
Das beleuchtet deutlich eine Autofinanzierung zu Beginn des Jahres 2006 mit folgenden Konditionen:
25
Bockholt
386
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Bank A: Darlehenssumme: Auszahlungskurs: Nominalzinssatz (vier Jahre fest) Tilgungssatz: Ratenhöhe (abgerundet) Zahlungsweise: Zins- und Tilgungsverrechnungstermine: Kontoführungsgebühren: Restschuld nach vier Jahren: Effektiver Jahreszins: Gesamtbetrag der Kosten: Restschuldversicherungen:
30.000,00 € 100 % 4,5 % 22,865 % 684,11 € am Monatsende am Monatsende 0,00 € 0,00 € 4,59 % 32.837,28 € keine
Bank B: Darlehenssumme: Auszahlungskurs. Nominalzinssatz (vier Jahre fest): Tilgungssatz: Ratenhöhe ohne Gebühren: Ratenhöhe mit Gebühren (gerundet): Zahlungsweise: Zins- und Tilgungsverrechnungstermine: Kontoführungsgebühren: Restschuld nach vier Jahren: Effektiver Jahreszins nach § 6 PAngV ohne Gebühren: Effektiver Jahreszins mit Kontoführungsgebühren. Gesamtbetrag der Kosten: Restschuldversicherungen:
30.000 € 100 % 4,5 % 22,88 % 684,11 € 684,51 € am Monatsende am Monatsende 5 €, fällig am Jahresende, sie erhöhen die Restschuld 0,00 € 4,59 % 4,635 % 32.856,48 € keine
Bank C: Darlehenssumme: Auszahlungskurs: Nominalzinssatz (vier Jahre fest): Tilgungssatz: Ratenhöhe ohne Gebühren: Ratenhöhe mit Gebühren (gerundet): Zahlungsweise: Zins- und Tilgungsverrechnungstermine: Kontoführungsgebühren:
Restschuld nach vier Jahren: Effektiver Jahreszins nach § 6 PAngV ohne Gebühren: Effektiver Jahreszins inklusive Kontoführungsgebühren. Gesamtbetrag der Kosten: Restschuldversicherungen:
Bockholt
30.000 € 100 % 4,5 % 23,064 % 684,11 € 689,10 € am Monatsende am Monatsende 5 €, fällig am Monatsende, sie erhöhen die Restschuld 0,00 € 4,59 % 4,98 % 33.076,80 € keine
§ 12 Zinsberechnung
387
Für den Ausschluss der Kontoführungsgebühren als Einflussfaktor bei der Effektivzinsrechnung konnte keine juristische Begründung gefunden werden. Betriebswirtschaftlich gesehen hängen Kontoführungsgebühren direkt mit dem gegeben Kredit zusammen. Sie aus der Preisbetrachtung eines Kredites auszuschließen, ist ökonomisch unsinnig, da sie ja der Kunde veranlasst durch das Darlehen bezahlt. Wenn aber zu Beginn eines Darlehens Bearbeitungsgebühren bzw. ein Disagio anfallen, werden diese in der Effektivzinsberechnung berücksichtigt, was betriebswirtschaftlich und juristisch sehr sinnvoll und notwendig ist. Daher ist die andersartige Behandlung der Kontoführungsgebühren nicht nachvollziehbar. Auch bei der Vergabe von Hypothekendarlehen und Bauspardarlehen mit Kontoführungsgebühren werden direkt mit diesem Kredit zusammenhängende Kontoführungsgebühren gemäß § 6 PAngV nicht mit in die Effektivzinsrechnung einbezogen. Auch dafür gibt es keine juristische wie ökonomische Begründung.
26
Eine Preistransparenz ist für den Verbraucher bei Darlehen mit Kontoführungsgebühren nicht gegeben, vielmehr wird sie ausdrücklich per Gesetz verboten. Sehr häufig werden inzwischen Ratenkredite für den Konsumenten nicht mehr auf der Basis des p.M.-Satzes sondern in der Form des oben genannten Annuitätendarlehens vergeben und dem Kunden sehr intensiv nahe gelegt, eine Restschuld bzw. Risikolebensversicherung für die offene Restschuld abzuschließen. Ohne Abschluss einer solchen Versicherung erhalten viele Kunden kein Darlehen, in den Darlehensbedingungen ist aber diese Voraussetzung nicht erwähnt. Dem Verbraucher wäre ausreichend gedient, wenn er die Effektivzinsverzinsungen seines Darlehens kennen würde, einmal mit und einmal ohne Restschuld bzw. Risikolebensversicherung. Wenn eine solche Absicherung läuft, ist eben der zweite Effektivzins anzugeben. Damit wären die derzeitigen Umgehungstatbestände aufgehoben. Es ist zu wünschen, dass durch die neue EU-Richtlinie auch die Kosten für Kontoführungsgebühren in die Effektivzinsrechnung nach deutschem Recht übernommen werden. III. p.M.-Konsumentenratenkredite. Bei den so genannten p.M.-Konsumentenratenkrediten sind ebenfalls die Kontoführungsgebühren, wenn sie bei diesen Darlehen erhoben werden, nicht Einflussfaktoren der Effektivzinsrechnung gemäß § 6 PAngV. Bearbeitungsgebühren, Courtage, Maklerprovision, Verwaltungsbeiträge und Kreditvermittlungskosten sind ausdrücklich genannt und Bestandteil der Effektivzinsrechnung. Für den Ausschluss der mit einem solchen Kredit direkt zusammenhängenden Kontoführungsgebühren konnte keine juristische oder betriebwirtschaftliche Begründung gefunden werden. Falls solche Gebühren erhoben werden, kann der Verbraucher sich nicht transparent über den Effektivzins als Preis informieren, weil § 6 PAngV eine solche Transparenz ausdrücklich verhindert.
27
In den Kreditverträgen wird in der Regel die Kreditvergabe von dem Abschluss einer Risikolebensversicherung oder Restschuldversicherung nicht abhängig gemacht. Wenn diese aber nicht vorgelegt ist, gibt es sehr oft keinen Kredit. Auch würde die Regel Transparenz schaffen: Der erste Effektivzins ohne Restschuldversicherung, der zweite mit Abschluss der Restschuldversicherung, wenn diese abgeschlossen wird, egal ob sie zwingend vorgeschrieben wird oder nicht. IV. Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über einen Bausparvertrag – Kombinationsfinanzierung. Speziell in der Baufinanzierung ist diese Finanzierungsform sehr beliebt, weil die Konditionen über die Effektivzinsangaben attraktiv erscheinen. Allerdings klaffen besonders hier die ökonomische und juristische Betrachtungsweise der Finanzierung auseinander, so dass gemäß den Effektivzinsangaben von § 6 PAngV öko-
Bockholt
28
388
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nomisch falsche Entscheidungen getroffen und die Intransparenz dieses Kombinationsmodells zwangsläufig juristisch gefordert erhöht wird. 29
Ein Beispiel, was der damaligen Marktlage entsprach, möge diesen Sachverhalt beleuchten. Es stand zum 30.12.2005 eine Immobilienfinanzierung bei folgender Bewertung und Beleihung an: Anschaffungs- und Herstellungskosten der Immobilie ohne Nebenkosten: 555.555 € ./. 10 % Sicherheitsabschlag: 55.555 € Beleihungswert (gerundet): 1. Rang (= 1 - 60 % des Beleihungswertes) bis: 2. Rang (= 61 - 80 % des Beleihungswertes) bis: 3. Rang (= 81-100 % des Beleihungswertes) bis :
500.000 € 300.000 € 400.000 € 500.000 €
Es standen genügend Eigenmittel zur Verfügung, um den 3. Rang, den Sicherheitsabschlag und die Nebenkosten zu finanzieren. Der erste Rang wurde durch ein günstiges Darlehen bereits abgedeckt. Der zweite Rang stand noch mit 100.000 Euro zur Finanzierung an. 30
Am 30.12.2005 machte eine Hypothekenbank folgendes Angebot: Auszahlungskurs: Nominalzins 1. Rang (= 1a Hypothek = 1- 60 % des Beleihungswertes):
100 %
Tilgung: Zahlungsweise, Zins- und Tilgungsverrechnungstermine: Kontoführungsgebühren: anfänglich effektiver Jahreszins:
mindestens 1% bis maximal 5% 30.1./28.2./30.3./… keine 4,70 %
4,60 % – 25,5 Jahre fest
und Auszahlungskurs: Nominalzins 1.+2. Rang (=1a und 1b-Hypothek = 1 – 80 % des Beleihungswerts):
31
100 % 4,80 % – 25,5 Jahre fest
Tilgung: mindestens 1% bis maximal 5% Zahlungsweise, Zins- und Tilgungsverrechnungstermine: 30.1./28.2./30.3./… Kontoführungsgebühren: keine anfänglich effektiver Jahreszins: 4,91 % Eine Bausparkasse bot zur gleichen Zeit an: Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über einen Bausparvertrages mit einer Bausparsumme von 100.000 € Abschlussgebühr: 1% Bankvorausdarlehen: 100.000 € Nominalzins (fest für 13 Jahre, 9 Monate) 4,35 % Zahlungsweise der Raten: 30.1./28.2./30.3./… effektiver Jahreszins: 4,45 % Ansparrate Bausparvertrag über 13 Jahre und 9 Monate mit einem Ansparbeitrag pro Monat von 362,50 Euro, verbunden mit einem anschließenden Bauspardarlehen in Höhe von 64.085,98 Euro und folgenden Konditionen: Auszahlung: 100 % Nominalzins (11 Jahre, 7 Monate): 3,75 % effektiver Jahreszins: 4,05 %
Bockholt
§ 12 Zinsberechnung
389
Der Zahlungsstrom lief insgesamt wie folgt: 30.12.2006 Auszahlung des Darlehens: 1.1.2007-1.9.2019 Ansparen p.M. 30.1.2007-30.9.2019 Zinsen für das Darlehen 30.10.2019 -30.4.2031
100.000 € 362,50 € 209,50 € 572,00 € Zins und Tilgung Bauspardarlehen 572,00 €
Weitere Angaben zu den Gesamtkosten: Summe Ansparbeiträge: Summe Zinsen Bankvorausdarlehen: Zinsen Bauspardarlehen: Tilgung Bauspardarlehen: Gesamtlaufzeit:
34.567,50 € 2.346,52 € 14.921,66 € 64.085,98 € 25 Jahre, 4 Monate
Die Bausparkasse würde gemäß Bausparkassengesetz mit ihrer Finanzierung komplett in den 2. Rang (61-80 % des Beleihungswertes) gehen. Ein Gesamteffektivzins für diese Finanzierung beträgt 4,97 %, der gemäß § 6 PAngV nicht angegeben werden darf, da die Ansparbeiträge und die Kombination von zwei Darlehen nicht in einem Effektivzins eingerechnet werden. Die klare ökonomisch sinnvolle Information, Beurteilungsmöglichkeit und Vergleich der Angebote werden hier juristisch durch die unzureichenden Effektivzinsangaben gemäß § 6 PAngV bei der Kombinationsfinanzierung verhindert. Der Gesamteffektivzins von 4,78 % für die Bauspargesamtfinanzierung bezieht sich auf eine Kondition für den 2. Rang. Im Markt werden aber nur Konditionen, wie oben dargestellt, für den 1. Rang, für den 1. und 2. Rang als Mischzins oder für den 1., 2. und 3. Rang ebenfalls als Mischzins genannt. Außer bei Bauspardarlehen werden solche Angebote nur auf besondere Anfrage abgegeben. Dieser Preis des 2. Rangdarlehens lässt sich aus den oben genannten Konditionen der Hypothekenbank wie folgt mit finanzmathematischer Software ermitteln: Darlehenssumme Rang
Rate p.M. über gesamte Laufzeit von ebenfalls 304 Monaten
400.000 € ./. 300.000 €
1. + 2. Rang 1. Rang
2.276,39 € ./. 1.672,76 €
= 100.000 €
2. Rang
= 603,63 €
Mit der am Markt zur Verfügung stehender Software bzw. beim Einsatz der üblichen finanzmathematischen Formeln ergibt sich daraus bei gleicher Laufzeit von 25 Jahren und 4 Monaten ein Nominalzinssatz von 5,39 % und ein effektiver Jahreszins von 5,52 %. Der Vergleich zeigt bezogen auf die 2. Rangkondition: Gesamtkosten Monatsrate Effektivzins 2. Rangdarlehen 183.503,52 € 603,63 € 5,52 % Bauspargesamtfinanzierung 173.888,00 572,00 € 4,97 % Die Bauspargesamtfinanzierung hat noch ein Zuteilungsrisiko des Bausparvertrages, das durch die bauspartechnischen Rückstellungen gemildert wird. Der Vergleich kann nun transparent durchgeführt werden. Basel II verlangt von den Kreditinstituten, dass sie eine Risikoeinschätzung des Kreditnehmers inklusive seiner Sicherheiten vornehmen. Je größer das Risiko, um so höher der Zinssatz. Daher kann man Konditionenvergleiche unter Berücksichtigung von Basel II nur in der gleichen Risikoklasse vornehmen.
Bockholt
32
33
390
34
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
V. Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über eine Kapitallebensversicherung oder fondsgebundene Kapitallebensversicherung. Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über eine Kapitallebensversicherung (LV) erfreuten sich vor der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens zu Beginn des Jahres 2005 einer großen Beliebtheit, weil bei der Finanzierung von Mietobjekten eine Steuerersparnis winken würde. Folgendes Beispiel ist exemplarisch: Auszahlung eines Bankvorausdarlehen am: Gesamtlaufzeit:
30.6.2000 25 Jahre
Darlehenssumme: Nominalzinssatz zehn Jahre fest: Zahlungsweise der Zinsen: Monatsrate der Zinszahlungen: LV-Rate:
100.000 € 5,8 % Monatsende 483,33 € 143,00 € insg. 626,33 € 5,96 %
anfänglicher effektiver Jahreszins: Planungszinssatz nominal für die restlichen 15 Jahre: Monatliche Zinsrate: Beitrag zur Kapitallebensversicherung p.M. am: prognostizierte Auszahlung nach 25 Jahren : prognostizierter Rechnungszins:
7,00 % 583,33 € 143 € insg. 726,33 € 1. Tag eines jeden Monats 107.500 € 7,5 %
35
Die Auszahlung der LV nach 25 Jahren wurde bei Vertragsabschluss an die Bank abgetreten. Beide Verträge wurden bei einer Bank abgeschlossen, die Bank vermittelte die Kapitallebensversicherung an den Kunden in den Geschäftsräumen ihres Hauses. Es stand von Anfang an die reine steuersparende Tilgung und nicht ein eventueller Todesfallschutz im Vordergrund der Finanzierung. Mitte des Jahres 2006 wurde dem Versicherungsnehmer von der Kapitallebensversicherung mitgeteilt, dass der Rechnungszins auf 4,5 % abgeschmolzen wurde und sich die Auszahlung somit auf 69.400 Euro reduzieren würde. Damit entsteht am Ende der Laufzeit noch eine Finanzierungslücke von 30.400 Euro, die der Kunde zusätzlich zu zahlen hat. Folgende Problemkreise bestehen bei solchen Finanzierungsformen:
36
1. Effektivzinsangabe nach § 6 PAngV. Ausdrücklich verneint der § 6 PAngV die Berücksichtigung der LV-Beiträge in die Effektivzinsberechnung des Darlehens, was auch durch BGH-Urteile des Jahres 2006 bestätigt wurde. Vertragsgemäß werden die LV-Beiträge direkt am Vertragsende zur Tilgung herangezogen, wenn sie über den separaten Sparvorgang den Darlehensbetrag abzahlen können. Tilgungsbeiträge, ob sie nun direkt wie einem Annuitätendarlehen geleistet werden oder bei Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung verbunden per Vertrag über einen separaten Sparvorgang laufen, dienen der Rückzahlung des Darlehens. Daher muss auch hier die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise gegenüber der juristischen Betrachtungsweise nach § 6 PAngV den Vorrang haben, da den Verbraucher interessiert, was er bei einem verbundenem Darlehen insgesamt zu zahlen hat. Die differenzierte Betrachtungsweise von Tilgungen, die einmal in den Effektivzins eingerechnet werden und einmal nicht, führen zu ökonomisch falschen Entscheidungen. Die betriebswirtschaftlichen Analysen beleuchten den Sachverhalt, der juristisch zu beachten ist.
Bockholt
§ 12 Zinsberechnung
391
Bei dem Annuitätendarlehen reicht eine Rate von 653 Euro aus, um den Kredit bei 5,8 Nominalzins für zehn Jahre und bei 7 % Planungszins für die folgenden 15 Jahre komplett zu tilgen. Die Ergebnisse wären: Gesamteffektivzins 6,31 % und Summe der Einzahlungen 195.457,66 Euro, da die letzte Rate nicht mehr vollständig zur Tilgung verwendet wird. Der Gesamteffektivzins der Ursprungskondition unter Berücksichtigung der LV-Beiträge und des Planungszinses von 7 % für die Restlaufzeit beträgt 6,4 %. Die gesamten Einzahlungen betragen unter Berücksichtigung des Guthabens am Ende der Laufzeit 198.399 Euro. Bei der minderen Auszahlungsquote entsteht durch die Finanzierungslücke folgende Situation: Gesamteffektivzins: 7,19 %, Summe der Einzahlungen: 236.499 Euro! Sowohl bei optimistischer wie auch wie auch bei pessimistischer Erwartung führt die rein gesetzliche Betrachtung des Effektivzinses gemäß § 6 PAngV und die höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer falschen betriebswirtschaftlichen Entscheidung bei Kreditaufnahme und zur Intransparenz dieser Art Kreditgeschäfte. 2. Verbundene Darlehen. Der § 492 Absatz 1 Nr. 3 BGB schreibt vor, dass die Art und Weise der Rückzahlung eines Darlehens bei einem Verbraucherdarlehen anzugeben ist. Wenn sie indirekt erfolgt, ist von einem verbundenen Darlehen auszugehen, da die kreditgebende Bank die Lebensversicherung vermittelt hat und sich die Tilgung aus einem separaten Sparvorgang per Vertrag von Anfang an abtreten lässt. Der Kreditnehmer hätte ein Bankvorausdarlehen ohne die Abtretung des separaten Sparvorgangs, der eindeutig der Tilgung des Kredites dient, nicht erhalten. Diese Art Tilgung juristisch aus der Effektivzinsberechnung auszuschließen, entspricht nicht dem Sachzusammenhang.
37
3. Risikoaufklärung. Die Risikoaufklärung bei Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über eine Kapitallebensversicherung ist in den meisten Fällen gegeben, wie es auch der BGH im Jahre 2006 bestätigte.
38
VI. Bankvorausdarlehen mit Tilgungsaussetzung über einen Investmentfonds. Hier wird ebenfalls separat die Tilgung ausgelagert und separat in einem Investmentfonds angespart. Der Investor hofft, dass er über einen solchen Ansparvorgang einen höheren Effektivzins erzielt als der Kredit an Effektivzins kostet. Diese Ansparbeiträge werden ebenfalls nicht in die Effektivzinsrechnung einbezogen, auch dann nicht, wenn von Anfang an das Ergebnis aus dem Fondsparplan an den Kreditgeber abgetreten ist. Hier besteht wie bei den anderen Tilgungsaussetzungsmodellen ein direkter wirtschaftlicher Zusammenhang, der bei der juristischen Sicht der Effektivzinsrechnung negiert wird.
39
VII. Tilgungsaussetzungen bei Immobilienfinanzierungen. In ihrem Artikel zu diesem Thema verweisen die Autoren Freckmann/Rösler auf die erhöhten Aufklärungspflichten hin, die mit diesen Modellen verbunden sind; dem wird vorbehaltlos zugestimmt. Der Autor ist – im Gegensatz zu den Verfassern – der Auffassung, dass der Zahlungsstrom, der vertragsgemäß direkt oder indirekt zur Tilgung eines Darlehens verwendet wird, in die Effektivzinsrechnung einbezogen wird. Man kann die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise der Tilgung eines Darlehens in der Preisbetrachtung nicht juristisch nach direkter und indirekter Tilgung trennen, weil die Aussagekraft des Effektivzinses zu einer falschen und verbraucherfeindlichen Entscheidung führt.
40
VIII. Leasing. Bei Leasingverträgen mit Verbrauchern stehen die Teilamortisationsverträge im Vordergrund. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die Summe der Leasingraten nicht die Anschaffungssumme des gemieteten Gutes erreichen, was am folgenden Fall dargestellt werden soll:
41
Bockholt
392
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Leasingsumme eines PKW: Laufzeit des Leasingvertrages: Leasingsatz bzw. Leasingfaktor: Leasingrate pro Monate: Restwert von der Leasinggesellschaft kalkuliert: 42
25.000 € 3 Jahre = 36 Monate 2,4 % 25.000 € × 2,4 % = 600,00 € 12.500 €
Je nach Vertragsgestaltung wird der Verbraucher verpflichtet, das Auto zum Restwert zu kaufen bzw. Abschläge zum Restwert zuzuzahlen oder keine weiteren Leistungen zu erbringen. Die Auswirkungen des Andienungsrechts bei Leasingverträgen sind in der Regel dem Leasingnehmer unklar. Sie müssen ja auch nicht weiter erläutert werden. Die Leasinggesellschaften refinanzieren solche Verträge unter exakter Beachtung aller Faktoren inklusive des kalkulierten Restwertes, der von Anfang eine feste Größe des Geschäftes ist. Die finanzmathematischen Analysen ergeben folgende Ergebnisse: Gesamtsumme der Leasingzahlungen: 21.600 € Effektiver Jahreszins unter Berücksichtigung des Restwertes: 16,8 % Weder gegenüber Verbrauchern noch gegenüber Unternehmern muss eine Preisangabe bezüglich des Effektivzinses gemacht werden, der eine wichtige Information bei der Finanzierung wäre. Der Leasingnehmer hat eigene betriebswirtschaftliche Analysen zur erstellen, um die Sinnhaftigkeit von Leasingverträgen zu erkennen. Den Leasinggesellschaften ist sehr wohl der Restwert des Leasinggutes am Ende des Leasingvertrages bekannt. Sie refinanzieren ja selbst in der Regel die Leasinggüter mit einem Eigenkapitalanteil von 8 %.
43
IX. Wucherzinsen. 1. Konsumentenkredite. Zu diesem Themenkomplex hat Reiffner (Infobrief 4/2006 vom 2.3.2006 AT des iff institut für finanzdienstleistungen e.V. Hamburg, Leitung Prof. Dr. Udo Reifner) vorgeschlagen, „den aktuellen Zinssatz der Deutschen Bundesbank als Referenzzinssatz zugrunde zu legen und diesen um die Bearbeitungsgebühr zu erhöhen.“ Weiter: „Die Wuchergrenze wäre demnach bei 5,64 % p. a. + 1 % Bearbeitungsgebühr = 6,64 % zuzüglich 100 % also bei 13,28 % p. a. effektivem Jahreszins erreicht.“ Dieser und einer weiteren Lösung in dem genannten Artikel kann grundsätzlich zugestimmt werden. Die Forderungen von Basel II, die ab dem 1.1.2007 Gesetz wurden, verlangen, dass die Bonität der Sicherheiten und des Kunden zu berücksichtigen sind. Das ist bei der reinen Ableitung aus den Zinssätzen der Deutschen Bundesbank nicht gegeben. Bei jedem Verbraucherkredit wird durch das Scoring bzw. Rating auch die Bonität des Kreditnehmers abgefragt und das Risiko in den Zinssatz des Kredites eingepreist. Wenn ein Kreditinstitut einem risikoreichen Kreditnehmer auf seine mindere Bonität hinweist und entsprechende Risikoaufschläge auf den Zins vornimmt, so kommt es den Forderungen von Basel II nach. Täglich werden an der Börse Euroanleihen mit Ratingnoten von AAA bis D mit Renditesätzen notiert. Bei einem Rating unter BBB (S+P) bzw. Baa (Moodys) steigen die Zinssätze deutlich. Die Banken und Sparkassen haben zwar ihre eigene „Notengebung“ entwickelt, diese ist aber leicht auf die Ratingnoten der genannten Ratingagenturen zu übertragen. Wenn die Börse täglich die Risiken von Anleihen durch Preisaufschläge in den Renditen bewertet, so können diese durchaus bei der Betrachtung von Wucherzinsen herangezogen werden. Es wird daher in Anlehnung an Reiffner vorgeschlagen, die Zinssätze von Krediten für Kunden minderer Bonität mit der Ratingnote von Euroanleihen in Relation zu
Bockholt
§ 12 Zinsberechnung
393
setzen, diese Zinssätze um 1 % Bearbeitungsgebühr zu erhöhen und dann 100 % aufzuschlagen. Ein Beispiel möge das verdeutlichen: Das Unternehmen Escada hatte eine Anleihe mit einem jährlichen Zinskupon von 7,5 % im Jahre 2005 bei einer Laufzeit bis zum Jahre 2012 mit einem Rating von BB bzw. B2 (Standard&Poor/Moodys) begeben. Am 8.3.2007 notierte gemäß der FAZ vom 9.3.2007 diese Anleihe mit 107,5 %, was einer Rendite von 5,8511 % entsprach. Die FAZ-Rentenrendite wies am gleichen Tag für öffentliche Anleihen mit einer Restlaufzeit von fünf Jahren eine Rendite von 3,93 %, Hypothekenpfandbriefe und öffentliche Pfandbriefe eine Rendite 4,13 % aus.
44
Die Aufschläge kann man absolut wie relativ betrachten: Restlaufzeit für alle Anleihen: fünf Jahre Abweichungen zu Escada
Rendite Escada
Rendite öffentliche Anleihe
5,85 %
Rendite Pfandbriefe
3,93 %
4,13 %
absolut:
1,92 %
1,72 %
relativ:
100 · 5,85 = 148,85 3,93
100 · 5,85 = 141,6 4,13
also 48,85 %
also 41,65 %
Gemäß der Bundesbankstatistik sud130 wurde für den Januar 2007 ein Effektivzins für Banken beim Neugeschäft/Konsumentekredite an Haushalte von 7,85 % nach § 6 PAngV ausgewiesen. Für einen Kreditnehmer mit der Ratingnote BB ergäbe sich in Anlehnung an Reiffner die Wucherzinsgrenze wie folgt: Effektivzins Bundesbank: + 41,65 % Zuschlag für mindere Bonität
45
7,85 % 3,27 %
= 1. Zwischensumme + 1 % Bearbeitungsgebühren
11,12 % 1,00 %
= 2. Zwischensumme + 100 % Wucherzinsaufschlag
12,12 % 12,12 %
Wucherzinsgrenze
24,24 %
Besonders die prozentualen Aufschläge sind an der Börse derartig groß, dass man den Aspekt des Rating bzw. Scoring eines schwächeren Kreditnehmers nicht bei der Betrachtung des Themas Wucherzinsen außer Acht lassen darf. Der Kreditgeber müsste allerdings von Anfang an auch dem Kreditnehmer diese Relationen besser verdeutlichen. 2. Kontokorrentkredite/Überziehungskredite gem. § 493 BGB. Die Deutsche Bundesbank führt unter der Bezeichnung Neugeschäft/Überziehungskredite sud112 die Effektivzinssätze der Banken für private Haushalte. Auch hier sollte der Wucherzins nach Bonität definiert werden. Bei normaler Bonität sollte ein Aufschlag von 100 % die Wuchergrenze signalisieren. Bei Kreditnehmer mit minderer Bonität ab BB abwärts sollte wieder ein prozentualer Aufschlag gemäß den Unterschieden der am Kapitalmarkt notierten Papiere berücksichtigt werden, wie schon unter F. VIII. dargestellt wurde. Dabei sollte der Kreditnehmer aber auf seinen „Negativzinsaufschlag“ eigens hingewiesen sein.
Bockholt
46
394
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Wenn es sich dabei um Kontokorrentkredite handelt, bei denen schon das eingeräumte Kreditlimit überzogen wird, so sind für den zusätzlich in Anspruch genommen Kredit Zinssätze von 3-5 % fällig. Dieser Zinsaufschlag dürfte für sich schon ein Negativmerkmal für den Kreditnehmer sein. Hier dürfte ein Aufschlag von 100 %, wie oben dargestellt, auch bei Kontokorrentkreditnehmern minderer Bonität ausreichend sein. 47
G. Annex Rechtsquellen und Dokumente Richtlinie 2008/48/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102 EWG des Rates; KOM(96) 79 endg.; Änderung KOM(97) 127 endg.; Richtlinie zu Verbraucherkrediten a) RL 87/102/EWG, ABl. L42, 1987, 48/53; b) RL 90/88/EWG, ABl. L61, 1990, 14/18; c) RL 98/7/EG, ABl. L101, 1998, 17/23; Proposal for a directive on credit for consumers, COM(2002) 443 final; EU-Rat, Entschließung betreffend […] Schutz und Unterrichtung der Verbraucher, ABl. C92, 1975, 1/16.
Bockholt
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
395
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln*
Schrifttum Billing, Entgelte für die Übertragung von Wertpapieren in ein anderes Depot, MDR 2005, 601; Bruchner, Die grundlegende Neugestaltung der AGB-Banken, DZWIR 1993, 89; Zinsberechnungsmethode bei Annuitätendarlehen im Lichte der BGH-Urteile vom 24. November 1988, WM 1988, 1873; Büschgen, Bankbetriebslehre: Bankgeschäfte und Bankmanagement, 5. Aufl. 1998; Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts – Tendenzen einer „Materialisierung“, AcP 200 (2000), 273; Die Problematik der AGBKontrolle von Postenpreisen für Buchungsvorgänge auf Girokonten, WM 1996, 237; Zinsberechnungsund Tilgungsverrechnungsklauseln im Annuitätendarlehen, NJW 1987, 609; Coester, AGB-rechtliche Inhaltskontrolle im Licht des europäischen Vertragsrechts, in: FS Heinrichs, 1998, S. 99; Derleder/Metz, Die Nebenentgelte der Banken – Rechtsgrundlagen und rechtliche Grenzen, ZIP 1996, 573; Die Nebenentgelte der Banken – zur Zulässigkeit der einzelnen „Gebühren“, ZIP 1996, 621; Drygala, Anmerkung zu BGH, DZWIR 1994, 381 ff., DZWIR 1994, 383; Fahr, Inhaltskontrolle, Transparenzgebot und § 8 AGBGB, 1999; Früh, Vergütungsanspruch von Banken bei gesetzlich auferlegten Pflichten, WM 1998, 63; Gladen, Gebührenpolitik im Privatgiroverkehr der Kreditinstitute, 1985; Graf von Westphalen, Rechtmäßigkeit der Entgelte im Privatkundengeschäft der Banken, WM 1995, 1209; Hansen, Das sogenannte Transparenzgebot im System des AGB-Gesetz, WM 1990, 1521; Horn, Die richterliche Kontrolle von Entgeltklauseln nach dem AGB-Gesetz am Beispiel der Kreditwirtschaft, WM 1997, SB 1, 1; Joost, Der Ausschluß der Inhaltskontrolle bei Entgeltregelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ZIP 1996, 1685; Jungmann, Bankgebühren für Nichteinlösung von Lastschriften, NJW 2005, 1621; Kaminsky, Banken für Menschen, Optimistisches Lesebuch über das Konsumentengeschäft der Banken, 2. Aufl. 1983; Käppler, Anmerkung zu OLG Frankfurt/M., DZWIR 1994, 32 f., DZWir 1994, 33; Knops, Restschuldversicherung im Verbraucherkredit, VersR 2006, 1455; Köndgen, Bankgebühren – Ökonomie und Recht kreditwirtschaftlicher Entgeltgestaltung, ZBB 1997, 117; Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1992-1995, NJW 1996, 558; Grund und Grenzen des Transparenzgebotes im AGB-Recht, Bemerkung zum „Hypothekenzins-“ und zum „Wertstellungsurteil“ des BGH, NJW 1989, 953; Krüger, Bankentgelte für Auskünfte wegen unrechtmäßig vereinnahmter „Gebühren“?, ZIP 2000, 1196; Richterliche Überprüfbarkeit von Preisklauseln in der Kreditwirtschaft, WM 1999, 1402; Krüger/Bütter, Recht der Bankentgelte: Nebenentgelte im Kreditgeschäft, WM 2005, 673; Lass, Zum Lösungsrecht bei arglistiger Verwendung unwirksamer AGB, JZ 1997, 67; Löwe, Das Milliardending, ZIP 1986, 1363; Metz, Banken und Verbraucher – eine Bilanz der Rechtsprechung des XI. Zivilsenates nach den Erfahrungen der Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen, in: FS Schimansky, 1999, S. 83; Der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen – Verbraucherpolitische Defizite, in: FS Reich, 1997, S. 603; Merkel, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken – Teil II (Nr. 11-20), WM 1993, 725; Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185; Aktuelle Judikatur zum Zahlungs- und Überweisungsverkehr der Banken, 4. Akademischer Bankentag am 5.11.1998, S. 79; Ohlroggen, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken (1993) und der allgemeine Bankvertrag, 1997; Pallas, Die Preisverzeichnisse der Kreditinstitute und ihre AGB-rechtlichen Grundlagen, 2001; Pleyer/Huber, Wertstellung und Überweisungslaufzeiten im Giroverhältnis, ZIP 1987, 424; Reich, Verbraucherschutzaspekte der AGB-Banken, in: Horn (Hrsg.), Die AGB-Banken 1993, 1994, S. 43; Reifner, Bargeldloser Zahlungsverkehr und Diskriminierungsverbot, JZ 1994, 454; Rohe, Sonderrecht für Bankkunden?, NJW 1998, 1284; Roller, Bankentgeltklauseln – Einbeziehung und Zulässigkeit, BKR 2008, 221; Rösler, Kommentar zum OLG Düsseldorf, BB 1999, 127; Schimansky, Bankentgelte; Wertstellung, in: Horn/Schimansky (Hrsg.), Bankrecht 1998, Köln 1998, S. 1; Bankvertragsrecht und Privatautonomie, WM 1995, 461; Specht-Jonen, § 9 AGB-Gesetz und die Ausuferung der richterlichen Inhaltskontrolle, Diss. Bonn 1992; Steiner, Dürfen Banken Überziehungszinsen verlangen?, WM 1992, 425; Steppeler, Bankentgelte, 2003; Taupitz, Unwirksamkeit der sog. nachträglichen Tilgungsverrechnung bei Annuitätendarlehen – BGH NJW 1989, 530 und NJW 1989, 222, JuS 1989, 520; Zinsberechnungsklauseln – dritter Akt, NJW 1989, 2242; Wagner-Wieduwilt, Die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken (Nr. 1-10), in: Horn (Hrsg.), Die AGB-Banken 1993, 1994; Das „Transparenzgebot“ als Angemessenheitsvoraussetzung im Sinne des § 9 AGBG, WM 1989, 37.
*
Unter Mitwirkung von Wiebke Förster, Bremen.
Pallas/Knops
396
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten Inhaltsübersicht
A. Preiskontrolle von Entgeltklauseln . . . . . . . . . . 1 I. Preisfreiheit und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . 1 II. Rechtsgrundlagen des kreditwirtschaftlichen Preisrechts . . . . . . . . . . . . 3 1. Allgemeine Gebührenregelungen in den Grund-AGB . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Preisaushang und weitergehendes Preisverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3. Einbeziehung durch einseitige Geltungsanordnung in den Grund-AGB . . . . . . . . . . . . . . . . 5 4. Verhältnis zu den gesetzlichen Vergütungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . 6 III. AGB-rechtliche Grenzen kreditwirtschaftlicher Gebührenstellung . . . . . . . 7
1. Bankpreispolitischer Kontext . . . . . . . . 8 2. Allgemeine AGB-rechtliche Grundlagen der Inhaltskontrolle . . . . . 12 3. Grenzen der Gebührengestaltung nach § 307 I 1, II, III 1 BGB . . . . . . . 17 IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Bankentgeltklauseln in der Rechtsprechungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Grundsätze des Bundesgerichtshofes . . . . 23 II. Einzelne Bankentgeltklauseln . . . . . . . . . 23 1. Bankentgelte in der BGHRechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Andere Bankentgelte in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Stichwortverzeichnis Abtretungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Angemessenheitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Auskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Barein- und auszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Beanstandungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Beglaubigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Dauerauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Doppelbepreisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 „Dresdner-Bank-Modell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Freistellungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Gebührenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Geltungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Gesetzliche Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Grund-AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ff. Grundgedanken des dispositiven Rechts . . . . . . 18 f. Grundsatz der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . 17 Grundsätze des Bundesgerichtshofes . . . . . . . . . . . 23 Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . 8, 10, 12 ff., 17 f., 23 Interbankenentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kontoauszüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kontounterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kontrollfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 f. Kostenverursacherprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kreditkartenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Leistungen im Zusammenhang mit einer Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Lastschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Leistungsbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Löschungsbewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 24 Mahnbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Mahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
1
Nachlassbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Originäre Preisvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Pfändungs- und Überweisungsbeschluss . . . . . 17, 24 PIN- oder TAN-Brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Preiskontrollbarriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Preisnebenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Preisverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 ff., 16 Rangrücktrittserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Rechtsabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Rechtsprechungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 ff. Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 III 1 BGB . . . . . . 18 Reklamationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Scheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Sicherheitenfreigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Sonderleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Tilgungsverrechnungsentscheidung . . . . . . . . . . . . 1 Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 10, 12, 16, 20 Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Treuhandverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Überziehungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Unangemessene Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . 19 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Vermittlungsprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Verpfändungsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Vertragslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Weiterverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Wertpapierdepotübertragungen . . . . . . . . . . . . . . . 24 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Zeichnungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
A. Preiskontrolle von Entgeltklauseln I. Preisfreiheit und Kontrolle. Die Preise sind frei. Das ist ein Kernelement der über Art. 2 I GG grundrechtlich verbürgten Privatautonomie. Sie findet ihre Grenzen im Kartellrecht und in den §§ 134, 138 BGB, wie sie schon im Zivilrechtsmodell der Kodifikation von 1900 abgesteckt sind, wobei sich Verbotsgesetze auf der Basis des Grundgesetzes ihrerseits im Lichte des Grundrechts aus Art. 2 I GG legitimieren müssen.
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
397
Ende der 70er Jahre lagen der höchstrichterlichen Rechtsprechung erstmals die hochverzinslichen Verbraucherkreditverträge vor, in denen weitgehend nur die Nominalzinssätze genannt waren und der Kreditnehmer dem Vertragstext nicht unmittelbar entnehmen konnte, dass er die Nominalzinsen stets auf den Ausgangskredit zu zahlen hatte, also ohne Berücksichtigung der Tilgungsleistungen, und die Angabe des Effektivzinses zivilrechtlich nicht vorgeschrieben war (beginnend mit BGH NJW 1979, 805). Die Rechtsprechung hat diese Preisdarstellung nicht als irreführend qualifiziert, was durchaus nahe lag, sondern die fehlenden Effektivzinsangaben nur im Rahmen einer Gesamtwürdigung nach § 138 BGB berücksichtigt (BGH NJW 1982, 2436 (2437)). Der Gesetzgeber des VerbrKrG hat auf europarechtliche Vorgabe hin über die §§ 4, 6 VerbrKrG a.F. dann erst strengere Anforderungen an die Wirksamkeit von Verträgen im Hinblick auf eine transparente Preisgestaltung geschaffen. Ein zweiter Abschnitt der Rechtsentwicklung des Finanzdienstleistungssektors wurde durch die Heranziehung des AGB-Gesetzes (a.F.) eingeleitet, aus dem in der Tilgungsverrechnungsentscheidung (BGHZ 106, 42 = NJW 1989, 222 = WuB I E 4 – 2.89 (Canaris); zur Einordnung s. insbes. Horn, WM 1997, SB 1, S. 4; Metz, in: FS Schimansky, S. 83 ff.; Krüger, WM 1999, 1402 (1405); Pallas, S. 189 ff. m.w.N.)) ein allgemeines Transparenzgebot hergeleitet wurde, dessen Reichweite aber nach wie vor umstritten ist, wie sich dies bei der Frage nach der Berücksichtigung von Provisionen etwa beim Abschluss von Restschuldversicherungen im Konsumentenkredit zeigt (vgl. dazu Knops, VersR 2006, 1455 ff.). Die Forderung nach Klarheit und Transparenz war und ist eine Antwort darauf, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis auch in traditionellen Kreditbereichen wegen der Komplexität der Finanzdienstleistungen nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Die nach § 9 AGBG a.F. überprüften Annuitätendarlehen waren der Kreditwirtschaft hinsichtlich der nachschüssigen Tilgungsverrechnung an sich schon seit Jahrzehnten geläufig. Die sich daraus ergebenden Vorteile fielen aber um so stärker ins Gewicht, als nach Einführung der über § 138 BGB gesteuerten Zinskontrolle und mit Rücksicht auf den spürbareren Wettbewerb bei den Hauptleistungen der Ausbau des weniger durchschaubaren Nebenentgeltsystems eine ökonomisch nachvollziehbare Ausweichstrategie wurde. Inzwischen ist das Transparenzgebot auch ein europarechtlich abgesichertes Institut (Coester, FS Heinrichs, S. 99 (109)) und integraler Bestandteil der AGB-Kontrolle nach § 307 I 2 BGB. Neben der Tilgungsverrechnungsentscheidung setzte die Wertstellungsentscheidung (BGHZ 106, 259 = NJW 1989, 582 = WuB I A Nr. 14 AGB-Banken 2.89 (Wolf); fortgeführt in BGHZ 135, 316 = NJW 1997, 2042; BGH NJW 1997, 3168 = WM 1997, 1661) einen weiteren Grundstein für die Überprüfbarkeit bankvertraglicher Gebührengestaltung (zur Einordnung s. Pallas, S. 192 f.). Der ständige Ausbau der Nebenentgelte führte bei den meisten kreditwirtschaftlichen Unternehmen zu umfassenden Preisverzeichnissen, in denen teilweise bis zur letzten Abwicklungsmodalität und Handreichung „Gebühren“ festgelegt wurden. Manche Preisverzeichnisse umfassen viele Dutzende von Positionen, die jede Eventualität der Vertragsabwicklung berühren und von der Wiege bis zur Bahre und darüber hinaus reichen. Davon ist das Hineinwachsen gebührenfreier Jugendkonten in die Gebührenwelt der Erwachsenen ebenso berührt, wie die Gebühr für die Anzeige beim Finanzamt geregelt ist, wenn der Kunde durch seinen Tod die Geschäftsbeziehung beendet hat. Bei der rechtlichen Würdigung der in den Preisverzeichnissen enthaltenen Nebenentgelte wurde erstmals § 8 AGBG a.F. (nunmehr § 307 III) als Preiskontrollbarriere zu einem zentralen Thema. Die Rechtsprechung hangelte sich zunächst von einer Gebühr zur Nächsten, bis erkannt wurde, dass es einer präziseren Abgrenzung des kontrollfähigen Bereichs bedurfte, die dann auch Gegenstand grundlegender Aufsätze und Monographien wurde. Wo die Linie für eine Intervention der Judikative auch immer gezogen wird, so lässt sich nicht
Pallas/Knops
2
398
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
mehr in Abrede stellen, dass es inzwischen eine Kontinuität der Rahmenregulierung für die Preisgestaltung bei Finanzdienstleistungen gibt, deren Grundzüge im Nachfolgenden beschrieben werden sollen. 3
4
II. Rechtsgrundlagen des kreditwirtschaftlichen Preisrechts. Im Folgenden werden zunächst die Allgemeine Gebührenregelungen in den Grund-AGB (dazu 1.), der Preisaushang und das weitergehende Preisverzeichnis der Banken (dazu 2.), die Einbeziehung durch einseitige Geltungsanordnung in den Grund-AGB (dazu 3.) beschrieben, um schließlich auf das Verhältnis zu den gesetzlichen Vergütungsansprüchen (dazu 4.) einzugehen. 1. Allgemeine Gebührenregelungen in den Grund-AGB. Preisaushänge und Preisverzeichnisse sind ein Element des differenzierten Systems aus allgemeinen Preisregelungen, Preislisten, Formularvereinbarungen und Individualabreden, das vertragliche Grundlage der kreditwirtschaftlichen „Gebührenerhebung“ ist (zur Systematik des kreditwirtschaftlichen Preisrechts. Metz, FS Reich, S. 603 (610)). Kernstück dieser Regelungssystematik sind die sog. Grund-AGB des privat- und genossenschaftlich organisierten Bankgewerbes und der Sparkassen. Konstitutiv für den gesamten Regelungskomplex ist die darin vorgenommene Unterscheidung zwischen Zinsen und Entgelten einerseits und Auslagen andererseits, sowie die Differenzierung zwischen Privatkundengeschäft und kaufmännischem Geschäftsverkehr und die Statuierung eines Rangverhältnisses zwischen den einzelnen Preisregelungen. So erklärt Nr. 12 (1) und (2) AGB-Banken (abgedruckt im Anhang zu § 3) für das Privatkundengeschäft, die im Zeitpunkt der Inanspruchnahme üblicher Kredite und Leistungen hierfür im „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“ und ergänzend im „Preisverzeichnis“ festgelegten Zinsen und Entgelte vorbehaltlich einer abweichenden Vertragsabsprache für maßgeblich. Für darin nicht aufgeführte Leistungen, die im Auftrag des Kunden oder in dessen mutmaßlichem Interesse erbracht werden und die nach den Umständen nur gegen Vergütung zu erwarten sind, sieht Nr. 12 (3) AGB-Banken eine einseitige Bestimmung des Entgelts nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB vor. Darüber hinaus soll nach Nr. 12 (5) AGB-Banken der Kunde alle Auslagen tragen, die anfallen, wenn die Bank in seinem Auftrag oder mutmaßlichen Interesse tätig wird (insbesondere für Ferngespräche und Porti) oder wenn Sicherheiten bestellt, verwaltet, freigegeben oder verwertet werden (insbesondere Notarkosten, Lagergelder, Kosten der Bewachung von Sicherungsgut). Abschließend wird in Nr. 12 (6) AGB-Banken auf den Vorrang der zwingenden Bestimmungen der §§ 491 ff. BGB für Verbraucherdarlehensverträge verwiesen. Die Parallelregelungen der AGB-Sparkassen (abgedruckt im Anhang zu § 3) entsprechen, zumindest in ihrer Grundkonzeption den Bestimmungen der Nr. 12 AGB-Banken (siehe dazu ausf. Casper, oben § 3 Rn. 68; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 4 Rn. 8 ff.). 2. Preisaushang und weitergehendes Preisverzeichnis. Mit Inkrafttreten der Preisangabenverordnung 1985 (BGBl. I S. 4197, neugefasst durch Bek. v. 18.10.2002 I 4197; zuletzt geändert durch § 20 Abs. 9 G v. 3. 7.2004 I 1414) ist die Verwendung entsprechender Preisübersichten obligatorisch. Die Preisangaben müssen dabei gemäß § 6 I 1 und 2 PAngVO den Grundsätzen von Preiswahrheit und Preisklarheit entsprechen und leicht erkennbar sein. Hinsichtlich der im Preisaushang nicht berücksichtigten Gebührentatbestände wird in Nr. 12 (1) AGB-Banken auf die ausführlichen Preisverzeichnisse verwiesen. Die von der Kreditwirtschaft eingeführten Preisverzeichnisse erfassen typischerweise umfassend alle spezifizierten Gebührentatbestände. Inwieweit die vertragliche Geltung der kreditwirtschaftlichen Preislisten allein auf die einseitige Geltungserklärung in den Grund-AGB gestützt werden kann, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt.
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
399
3. Einbeziehung durch einseitige Geltungsanordnung in den Grund-AGB. Gegen die Einführung mehrerer, in einem bestimmten Rangverhältnis stehender AGB-Regelwerke in den Vertrag ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Mehrstufige Regelungen können dem Verständnis des AGB-Kunden eher zugänglich sein als einstufige und aufgrund der Einarbeitung aller Vertragsbedingungen unübersichtliche Klauselwerke. Insoweit ist die Aufspaltung in allgemeine Entgeltregelungen und in das eigentliche Grundklauselwerk ergänzende Preislisten im Grundsatz nicht zu beanstanden. Nicht abschließend geklärt ist allerdings, ob die bloße Weiterverweisung im Rahmen der jeweiligen Grund-AGB einen ausreichenden Geltungsgrund für die in Bezug genommenen Preislisten substituiert (dagegen mit Recht insbes. Derleder/Metz, ZIP 1996, 573 (578 f.) u. Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bunte, § 17 Rn. 16; a.A. Ohlroggen, S. 110 und 155). In der BGH-Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend die Weiterverweisung in AGB auf weitere Klauselwerke für hinreichend erachtet, ohne dass die Wirksamkeit derartiger Inkorporierungsklauseln im Hinblick auf die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 II BGB näher geprüft wird. Nach der Entscheidung des VII. Zivilsenates des BGH vom 21.06.1990 (BGHZ 111, 388 = BGH NJW 1990, 3197) ist die Einführung mehrerer Klauselwerke durch formularmäßige Weiterverweisung prinzipiell nicht zu beanstanden, solange das durch Weiterverweisung geschaffene Gesamtregelwerk nicht wegen des unklaren Verhältnisses konkurrierender Regelungen so komplex wird, dass es für den durchschnittlichen AGB-Kunden nicht mehr zu durchschauen ist. Der Kunstgriff der rein formalen Geltungsabrede erleichtert die Einführung von AGB, ist aber zugleich notwendiges Minimum des Vertragsprinzips. Die in §§ 305 II Nr. 2, III BGB statuierten Einbeziehungsvoraussetzungen und die Inhaltskontrollvorschriften der §§ 307 ff. BGB treten neben die Erklärungserfordernisse und begründen nur zusätzliche Maßstäbe für die vertragliche Wirksamkeitsprüfung. Die Praxis der Weiterverweisung muss sich danach primär an den Erklärungsvoraussetzungen der § 305 II Nr. 1, 1. Alt., II letzter HS BGB messen lassen (Derleder/Metz, ZIP 1996, 573 (579)). Insofern ist zu differenzieren zwischen dem AGBHinweis auf das Grundklauselwerk und der Weiterverweisung im Grundklauselwerk. Der Hinweis auf die Geltung weiterer AGB-Regelwerke im Grundklauselwerk kommt grundsätzlich als Grundlage der Einbeziehung nicht Betracht. Weiterverweisungen genügen aufgrund ihrer Anordnung im Fließtext des Grundklauselwerks dem Erfordernis eines ausdrücklichen blickfangmäßigen Hinweises i. S. des § 305 II Nr. 1, 1. Alt. BGB regelmäßig nicht. Zulässige Ausnahmen von § 305 II, III BGB sind in § 310 BGB ausdrücklich und abschließend geregelt. Nach §§ 133, 157 BGB kann der dezidierte AGB-Hinweis auf das Grundklauselwerk aber grundsätzlich nicht zugleich als Hinweis auf weitere, lediglich im Vertragstext des Grundklauselwerkes erwähnte AGB-Werke verstanden werden. Die bloße Weiterverweisung im Rahmen von AGB ist also im Hinblick auf die Einbeziehung der in Bezug genommenen Klauselwerke prinzipiell wirkungslos. Folglich substituiert die wirksame Einbeziehung von Nr. 12 (1) AGB-Banken auch keinen ausreichenden Geltungsgrund für die darin in Bezug genommenen Preislisten (Derleder/Metz, ZIP 1996, 573 (578); Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 17 Rn. 16). Das Kreditinstitut, welches Preisaushang und Preisverzeichnis wirksam vereinbaren will, ist folglich gehalten, auf Grund-AGB und Preislisten ausdrücklich hinzuweisen.
5
4. Verhältnis zu gesetzlichen Vergütungsansprüchen. Die allgemeinen Entgeltregelungen können entgegen verbreiteter Literaturmeinung nicht als bankspezifische „Ausprägung“ oder „Konkretisierung“ des § 354 I HGB oder § 612 II BGB begriffen werden (so etwa Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 17 Rn. 2 zu Nr. 12 AGB-Banken; Bruchner, DZWIR 1993, 89 (93)). Die gesetzlichen Vergütungsansprüche sind grundsätzlich gegenüber jedweder vertraglichen Vereinbarung über Grund und Höhe des Leistungsent-
6
Pallas/Knops
400
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
gelts subsidiär. AGB-mäßige Entgeltregelungen, unabhängig davon, ob sie in den jeweiligen Grund-AGB oder in ergänzenden Preislisten loziert sind, müssen daher, auch soweit darin ein bankseitiges Entgeltbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB reklamiert wird, als „originäre Preisvereinbarung“ verstanden werden (Köndgen, ZBB 1997, 117 (128) m. w. N.) Diese Preisvereinbarung ist insofern auch abschließend, als die vertragswirksamen Entgeltregelungen eine rechtliche Selbstbindung der Banken und Sparkassen bewirken (AG Freiburg WM 1990, 1415). 7
III. AGB-rechtliche Grenzen kreditwirtschaftlicher Gebührenstellung. Der Problemkomplex der Grenzen kreditwirtschaftlicher Gebührenerhebung ist seit Jahren Gegenstand intensiv geführter Diskussionen in der Literatur. Maßgeblich dafür sind in erster Linie die durch den Ausbau der ohnehin schon hochkomplexen und tiefgestaffelten Gebührenregelungen provozierten richterlichen Interventionen in die Vergütungspraxis des Finanzdienstleistungssektors (s. Pallas, S. 132 ff. m. zahlr. w. N.). Kernstück der Diskussion ist die Frage, ob und inwieweit formularmäßige Gebührenregelungen der AGBrechtlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 307 bis 309 BGB unterliegen.
8
1. Bankpreispolitischer Kontext. Den äußeren Erklärungs- und Verständnisrahmen der neueren Diskussion über die AGB-rechtlichen Grenzen der Entgelterhebung bilden die bankspezifischen Umfeldbedingungen der Preisstellung. Im Zuge der fundamentalen Strukturveränderungen, denen sich der Finanzdienstleistungssektor seit Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts ausgesetzt sieht, ist die Belastung der Privatkundenhaushalte mit Bankgebühren überdurchschnittlich gewachsen, denn nachdem auch untere Einkommensgruppen mit Etablierung der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung Zugang zu den Finanzdienstleistungen gefunden hatten, wurden die Bankentgelte nicht zuletzt aufgrund sinkender Zinsmargen zu selbständigen Kosten- und Gewinnträgern ausgebaut (Kaminsky, S. 187 – 197; kritisch Derleder/Metz, ZIP 1996, 573; Reifner, JZ 1994, 474 (476)). Gleichzeitig befindet sich im Zuge demographischer und sozialpsychologischer Verschiebungen, des im letzten Jahrzehnts allerdings gestoppten Wachstums von Einkommen und Vermögen und des steigenden ökonomischen Bildungsniveaus der Konsumenten auch das Finanzverhalten der Privatkundschaft im Wandel. Die Preis- und Konditionensensibilität des Bankpublikums nimmt stetig zu, die traditionelle Hausbankloyalität lässt kontinuierlich nach, ein bestimmter Kreis privater Kunden ist bereit, Preisvergleiche anzustellen und Preisdifferenzen zu nutzen, wodurch sich der Wechsel von Bankverbindungen und Mehrfachbankbeziehungen häuft. Zusätzlich gestützt wird die Sensibilisierung der Konsumenten für die Problematik kreditwirtschaftlicher Gebührenerhebung durch die überwiegend negative Medienberichterstattung. Andererseits ist in bestimmten Segmenten das Hausbankprinzip nach wie vorherrschend wie etwa im Immobiliarkreditsektor oder in der Vermögensverwaltung. Insbesondere wohlhabende Kunden nutzen die Bank als „familiy office“. Die grundsätzliche Bereitschaft vieler Privatkunden, auch im Bereich der Finanzdienstleistungen Preisvergleiche vorzunehmen und Preisdifferenzen zu nutzen, wird insbesondere im Kontokorrentbereich konterkariert durch die kreditwirtschaftliche Praxis der Entbündelung oder Preisspaltung (Büschgen, S. 679 ff.). Im kreditwirtschaftlichen Bereich war es lange Zeit unüblich, für isolierbare Einzelleistungen einen spezifischen Preis zu berechnen. Pauschalpreissysteme und Paketpreismodelle werden nach wie vor angeboten, die Belastungen werden im standardisierten Massengeschäft aber auch bei relativ kompakten Dienstleistungskonglomeraten wie Kontoführung und Zahlungsverkehr eher selten in einer einzigen vergleichsgeeigneten Zahl zusammengefasst. Überwiegend sehen die jeweiligen Preisaushänge und Preisverzeichnisse statt eines einheitlichen Leistungsund Kostenblocks noch eine Anzahl von mitunter auch kumulierenden Einzel- und Son-
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
401
derentgelten vor, die vielfach darüber hinaus variabel sind, d. h. beispielsweise von bestimmten Mindestumsätzen oder Durchschnittsguthaben abhängen. Der durchschnittliche Privatkunde ist in der Regel nicht in der Lage, sie in ihrer Gesamtwirkung im Voraus eigenständig zu kalkulieren (Köndgen, ZBB 1997, 117 (125); Büschgen, S. 680) – anders als All-Inklusive-Modelle, die manche Institute auch anbieten. a) Pretiale Lenkungsstrategien. Maßgeblich für die im Kontokorrentbereich vorzufindende Politik der Einzelpreisstellung sind in erster Linie produktivitätsgerichtete Zielsetzungen. Seit dem sog. „Dresdner-Bank-Modell“ setzen Banken und Sparkassen das gebührenpolitische Instrument der Preisspaltung zur Erziehung und Steuerung des Nachfrageverhaltens der vorhandenen Kunden ein. Durch die Entbündelung und Aufgliederung von Produkten und Preisen wird es möglich, anders als bei von dem Nutzungsverhalten unabhängigen Pauschal- und Paketpreislösungen und Umsatzprovisionen, nach der Menge und der Art der bezogenen Leistung zu unterscheiden. Insbesondere Letzteres wird genutzt, um das Kundenverhalten durch nach Kostengesichtspunkten differenzierte Einzelpreise in kostengünstige, d. h. weniger arbeitsaufwendige Abwicklungsformen zu verschieben. Hinter diesem Modellansatz steht die Vorstellung, dass die aktuellen Kunden durch die differenzierte Bepreisung substitutionaler Produkte wirksam angereizt werden können, sich der Formen und Instrumente zu bedienen, die auch bei dem durchführenden Kreditinstitut den jeweils geringsten Personal- und Sachaufwand verursachen. So werden etwa über entsprechende Preisvariationen elektronische, automatisierte gegenüber manuellen, belegorientierten Vorgängen privilegiert, indem Letztere mit einer prohibitiv wirkenden Preisgestaltung erschwert werden. Forciert wird dieser Übergang zu anreizorientierten Preisgestaltungen durch das veränderte Konkurrenzumfeld des klassischen Banksektors. Das etablierte Bankgewerbe sieht sich nicht nur im Zuge kommunikations- und informationstechnologischen Fortschritts vermehrt Substitutionskonkurrenten aus dem Bereich der Near- und Non-Banks gegenüber, mit Vollendung des gemeinsamen Marktes und der Internationalisierung der Finanzmärkte treten zudem – wenn auch im begrenzten Umfang – ausländische Mitwettbewerber in den weitgehend saturierten Markt ein, die auf der Basis andersgelagerter Kostenstrukturen und Margenüberlegungen operieren. Die Wettbewerbsfähigkeit soll daher langfristig durch umfassende Strukturveränderungen und Rationalisierungsmaßnahmen gesichert werden. Zentraler Ansatzpunkt ist dabei das personal- und kostenintensive Filial- und Schaltergeschäft. Dementsprechend wurden in den letzten Jahren Kundenselbstbedienungseinrichtungen innerhalb der Filialstrukturen ausgebaut und nichtstationäre Distributionskanäle wie das Home-, Telefon- und Internetbanking zur Normalität. Durchgesetzt wurden diese kostensenkenden neuen Organisationsformen vornehmlich über die Preispolitik, der insoweit eine Weichenstellerfunktion zukommt, denn die erforderlichen Anreize für die Nutzung der neuen Techniken sind den Kunden nur über entsprechende Preisvariationen zu vermitteln; die anvisierten Nachfragereaktionen und -änderungen lassen sich erfahrungsgemäß durch Aufklärung allein nicht erzielen. Obgleich produktivitätsgerichtete Zielsetzungen bei der Entbündelung und Aufgliederung in einfache und differenzierte Einzelpreise im Vordergrund stehen, ist die strategische Wirkung dieses preispolitischen Instruments nicht auf die Möglichkeit der Steuerung des kundenindividuellen Nachfrageverhaltens beschränkt. Es stellt sich darüber hinaus auch als eine Möglichkeit der Preisdarbietung dar, durch welche die Preiswahrnehmung und Preisbeurteilung und damit das Bankwahl- und Bankwechselverhalten vorhandener und potentieller Kunden beeinflusst werden kann. Bankpreise setzen sich aus einer Preisbezugsbasis, d. h. den Merkmalen einer Leistung, die als Anknüpfungspunkt für die Preisstellung fungieren, dem eigentlichen Preisobjekt, und einem damit multiplikativ
Pallas/Knops
9
402
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
zu verknüpfenden Preiszähler zusammen, der die Höhe des Preises je Zähleinheit der Bezugsbasis angibt. Durch die Anwendung des Instruments der Preisspaltung wird die Preisbezugsbasis verbreitert, womit sich zwangsläufig die Anzahl der jeweils dazugehörigen Preiszähler erhöht. Dadurch kann zum einen, etwa die Preisbelastung für den Kunden optisch geringer gehalten werden, denn je mehr Preiszähler vorgesehen sind, desto niedriger können die einzelnen Preiszähler angesetzt werden. Der preistaktische Vorteil der Bank liegt darin, dass verschiedene relativ niedrige Preiszähler bei vielen Kunden eher zu einem günstigen Preisurteil führen als wenige, dann notwendig höhere Preiszähler. Maßgeblich dafür ist in erster Linie eine verzerrte Preiswahrnehmung und falsche Preisbeurteilung (hierzu Gladen, S. 139; Büschgen, S. 676). Diese Wirkung niedriger Preiszähler erklärt im Umkehrschluss auch, warum das Instrument der Preisspaltung im Passivgeschäft keine praktische Anwendung findet, wo optisch höhere Preiszähler aus Sicht der Bankkunden gerade die Attraktivität des jeweiligen Angebots steigern. Darüber hinaus werden durch die Preisspaltung und die Wahl einer breiten Preisbezugsbasis erst die Anwendungsvoraussetzungen für das verhandlungstaktische Konzept „der kleinen preispolitischen Mittel“ geschaffen. Diesem Denkansatz liegt die Vorstellung zugrunde, dass der bankseitige Verhandlungsspielraum erweitert wird und der Gesamtpreisnachlass bei Preisverhandlungen mit einzelnen Kunden geringer ausfällt, wenn er auf mehrere Einzelpreise verteilt werden kann, da durch sukzessives Nachgeben und viele kleine Zugeständnisse von Seiten des Instituts die Verhandlungsmacht des Kunden zu einem früheren Zeitpunkt abgenutzt wird. Parallel dazu soll das Nachgeben an gleich mehreren Stellen geeignet sein, den Eindruck besonderer Kulanz zu vermitteln und so die Kundenloyalität zu festigen. Da dieses modelltheoretische Konzept indes maßgeblich im Hinblick auf das Segment der Kunden mit Verhandlungsmacht entwickelt wurde, muss aber davon ausgegangen werden, dass dieser Aspekt für die praktische Anwendung der Preisspaltung im standardisierten Mengengeschäft der Banken und Sparkassen von eher untergeordneter Bedeutung ist. 10
b) Sinkende Marktpräsenz für die Kunden. Während die prinzipielle Legitimität produktivitätsgerichteter und preistaktischer Zielsetzungen für sich genommen außer Frage steht, ist der Einsatz der Preisspaltung zur Unterstützung bankpolitischer Preisorientierungen prekär. Entbündelung und Preisspaltung führen zu einem Sinken der Preis- und Markttransparenz der Kunden (Köndgen, ZBB 1997, 117 (125 f.)), was lediglich in einem kleinen Teilbereich durch die §§ 491 ff. BGB beim Verbraucherkredit ausgeschlossen wird. Das Postulat der Transparenz der Preisberechnungsmodalitäten ist aber nicht nur ein eigenständiger Wettbewerbsfaktor, sondern darüber hinaus Bestandteil des § 307 I 2 BGB, womit seine legislatorische Absicherung als selbständige Kategorie der AGBrechtlichen Inhaltskontrolle stattgefunden hat. Das entscheidende Kriterium für Konkurrenzvergleiche im Kontokorrentbereich ist die Gesamtpreisbelastung, die sich bei der Anwendung der verschiedenen Preisofferten auf ein den individuellen Kundenbedürfnissen entsprechendes Leistungsbündel ergibt. Die Ermittlung und der Vergleich der jeweiligen Gesamtkosten werden bei Anwendung der Preisspaltung aber zumindest erheblich erschwert, denn die Frage, inwieweit der Kunde zu eigenständigen Berechnungen in der Lage ist, wird maßgeblich bestimmt durch die Komplexität der Preisinformation. Die Anwendung der Preisspaltung hat zu einer Vielzahl von Einzelpreisen und zu, von Institut zu Institut variierenden Preisbezugsbasen sowie zu unterschiedlich hohen Preiszählern geführt, welche regelmäßig einen Zeit-, Schätz- und Rechenaufwand erforderlich machen, der dem durchschnittlichen Privatkunden eigenständige Modellrechnungen über die Gesamtkosten für ein Leistungsbündel bestimmten Leistungsinhalts und -umfangs unmöglich macht.
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
403
Überdies fehlt vielen Kunden auch der dafür notwendige Impetus, wenn das Ausmaß der Kostenbelastung aufgrund der „Peanut-Größenordnung“ (Derleder/Metz, ZIP 1996, 573, (577)) der meisten Einzelpreise nicht unmittelbar augenfällig ist. Sofern sich private Kunden angesichts der Komplexität der Preisinformation vor einer Bankwahlentscheidung dann überhaupt der Mühe eines eigenständigen Konkurrenzpreisvergleichs unterziehen, bedienen sie sich vielfach notgedrungen vereinfachter Entscheidungsregeln und beziehen nur einige wenige Daten wie die Kosten der Kontoführung und des Giroverkehrs in ihr Entscheidungskalkül ein, was zwangsläufig zu Verzerrungen führt, da gerade diese Positionen von vielen Wettbewerbern durch interne Quersubventionen künstlich verbilligt werden und infolgedessen keinen adäquaten Rückschluss auf das preisliche Gesamtgefüge erlauben. Die Politik der Preisspaltung leistet damit letztlich einer Preisverschleierung Vorschub, die sich nicht zuletzt in Preisdifferenzen von mehreren hundert Prozent bei den typischerweise nicht in die Abschlussentscheidung einfließenden Daten niederschlägt. Unter Transparenzaspekten sind deshalb möglichst einfach strukturierte Preisberechnungsmodalitäten prinzipiell vorzugswürdig, wenngleich zu konzedieren ist, dass auch bei Pauschal- und Paketpreislösungen eine optimale Vergleichbarkeit der verschiedenen Preisofferten nur gegeben ist, wenn die Zusammensetzung der jeweiligen Produkt- und Leistungsbündel homogen ist. Preis- und Produktbündelung haben darüber hinaus für den Kunden den Nachteil mangelnder Orientierung an den Kosten und damit an der Kostenverursachung. Da reine Pauschal- und Paketpreissysteme vom Nutzungsverhalten unabhängig sind, nützen diese Modelle im allgemeinen in erster Linie Vielnutzern; Wenignutzer werden kostenmäßig in der Regel schlechter gestellt als bei einer isolierten Inanspruchnahme von Bündelleistungen. c) Kostenverursacherprinzip. Sofern von Seiten der Kreditwirtschaft zur Rechtfertigung der Entgeltspaltung auf das Kostenverursacherprinzip verwiesen wird, kann das allein den notwendigen Zielkonflikt mit dem AGB-rechtlichen Postulat der Transparenz nicht ausräumen (zum Kostenverursachungsprinzip als inhaltskontrollrechtliche Legitimationsbasis von Entgeltklauseln insbes. Nobbe, in: 4. Akademischer Bankentag, S. 79 (85)). Der Rechtfertigung durch bloße Kostenargumente steht schon der fehlende KostenPreis-Zusammenhang entgegen. In einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung ist das Kostenverursacherprinzip rechtlich ohne Belang. Das Verursacherprinzip ist eine dem vertraglichen Vergütungsrecht fremde, ausschließlich schadensrechtlich relevante Kategorie (Nobbe, in: 4. Akademischer Bankentag, S. 79 (85)). Und auch im Schadensrecht ist das Verursacherprinzip keine eigenständige Haftungskategorie. Als solche findet es sich lediglich im Umwelthaftungsrecht. Ansonsten ist Haftungskategorie zunächst einmal das Verschuldensprinzip, ergänzt durch Gefährdungshaftungstatbestände, die allerdings an die wirtschaftliche Verwertung einer Gefahr anknüpfen. Darüber hinaus ist aber auch betriebswirtschaftlich eine eindeutige Kostenzuordnung zu einzelnen Betriebsvorgängen aufgrund des dominierenden Fixkostenanteils schon gar nicht möglich. Der im Vergleich zu anderen Branchen überdurchschnittlich hohe, Gemeinkostencharakter aufweisende Fixkostenanteil lässt sich auf die einzelnen Leistungsarten nur auf der Grundlage willkürlich gewählter und daher zwangsläufig zu Ungenauigkeiten führender und darauf beruhender Äquivalenzziffern, Zuschlagsätze und Bewertungsziffern verteilen, mit der Folge, dass selbst hochdifferenzierte Entgeltschemata die Kosten nicht vorbehaltlos nach dem Verursacherprinzip abbilden. Zudem macht die regelmäßig fehlende Bereitschaft, gänzlich auf die strategische Quersubventionierung einzelner Kundengruppen und Produkte zu verzichten, Ausgleichspreisstellungen erforderlich, aus denen sich zusätzlich Verschiebungen ergeben. Insofern ist der rechtspolitischen Forderung (Nobbe, in: 4. Akademischer Bankentag, S. 79 (86)), das von Seiten der Kreditwirtschaft zur
Pallas/Knops
11
404
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Rechtfertigung des ganzen Arsenals von Einzelentgelten bemühte Verursacherprinzip solle schleunigst abgeschafft werden, da es nichts leiste, sondern nur Kosten wie Anwaltsund Gerichtskosten bei Banken und Sparkassen aus imageschädigenden Prozessen und Werbungskosten zur Verbesserung des ramponierten Image verursache, uneingeschränkt beizupflichten. Da mithin die Politik der Entbündelung und Aufgliederung des Leistungsangebots und damit der Preisstellung nicht schon von Vornherein durch das Kostenverursacherprinzip inhaltskontrollrechtlich legitimiert ist, muss die Frage ihrer Rechtswirksamkeit Mittelpunkt einer Analyse der durch §§ 307 bis 309 BGB gezogenen Grenzen autonomer kreditwirtschaftlicher Preisgestaltung sein. 12
2. Allgemeine AGB-rechtliche Grundlagen der Inhaltskontrolle. Kernvorschriften der Inhaltskontrolle sind die §§ 307 bis 309 BGB, die auch die Rechtsgrundlage der klassischen materiellen Angemessenheitsprüfung bilden. Eine Sonderrolle innerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts nimmt die Transparenzkontrolle nach § 307 I 2 ein, die als eigenständige, ausschließlich formelle Kategorie zu begreifen ist. Deshalb ist zwischen materieller Angemessenheitsüberprüfung und Transparenzkontrolle zu unterscheiden, wobei aber beides zur Inhaltskontrolle gehört. Die Schranke des § 307 III 1 BGB schließt eine Verständnis- und Transparenzprüfung gerade nicht aus (Palandt-Heinrichs, § 307 Rn. 55; OLG Köln ZIP 2000, 1836). Die notwendige Rechtfertigung für die verschärfte Rechtskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB bei AGB liefert nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzes das Funktionsversagen der vertraglichen Richtigkeitsgewähr bei der Verwendung vorformulierter Vertragsbedingungen und der daraus resultierenden Gefahr einseitiger Interessensverfolgung durch den Verwender. Ursache des Ausfalls der vertraglichen Richtigkeitsgewähr ist das kumulative Versagen von Markt und Wettbewerb als den Garanten für die Angemessenheit der Vertragsbedingungen und das Fehlen eines gestaltenden Einflusses des Kunden auf den Vertragsinhalt. Ziel der Inhaltskontrolle ist es denn auch, den Nachteil auszugleichen, den der Verwendungsgegner aufgrund der einseitigen Gestaltungsmacht des Verwenders und des Versagens der Richtigkeitswahrscheinlichkeit hinzunehmen hat.
13
a) Materielle Prüfung auf Grundlage der §§ 307 bis 309 BGB. Die wichtigsten Kontrollnormen innerhalb der materiellen Inhaltskontrolle sind die Generalklauseltatbestände des § 307 BGB, die bei der Klauselbeurteilung im Verhältnis zu den nachfolgenden speziellen Verbotskatalogen der §§ 308, 309 BGB als allgemeine Auffangvorschrift für davon nicht oder nicht abschließend erfasste Klauselkonstellationen fungiert. § 307 BGB selbst, auf den sich das Schwergewicht der Entscheidungspraxis verlagert hat, enthält wiederum eine zweistufige Kontrollordnung, wobei die als gesetzliche Regelbeispiele zu qualifizierenden Sondertatbestände der § 307 II Nr. 1 und Nr. 2 BGB für ihren jeweiligen Anwendungsbereich die allgemeine Generalklausel des § 307 I 1 BGB, die als Leitnorm zugleich übergreifend die Gesamtrichtung der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle festlegt, inhaltlich konkretisieren. Den Grundmaßstab der richterlichen Angemessenheitskontrolle von vorformulierten Vertragsbedingungen setzt übergreifend die allgemeine Generalnorm des § 307 I 1 BGB. Danach sind vorformulierte Vertragsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des AGB-Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Zweck und Ziel des Verbots der unangemessenen Benachteiligung ist dabei die Schaffung eines angemessenen vertraglichen Interessenausgleiches zwischen Verwender und Vertragspartner, der nicht gegeben ist, wenn der Verwender einseitig versucht, seine Interessen durchzusetzen, ohne vorab diejenigen des Vertragsgegners hinreichend zu berücksichtigen. Eine Benachteiligung im Sinne der Vorschrift ist die Verschlechte-
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
405
rung der Rechtsposition des Vertragspartners durch die Klausel. Nicht jede Benachteiligung oder Verschlechterung der Rechtsposition des Vertragspartners ist aber auch unangemessen. Aus dem ausdrücklichen Verbot der unangemessenen Benachteiligung wird heute vielmehr ganz überwiegend abgeleitet, dass der Vertragsgegner im Umkehrschluss jedenfalls „angemessen benachteiligt“ werden darf, also nur Benachteiligungen von einigem Gewicht die Relevanzschwelle der Inhaltskontrolle überschreiten. Wann aber konkret eine u.U. auch erheblichere Benachteiligung als unangemessen zu qualifizieren ist, ist anhand des Maßstabes von Treu und Glauben zu entscheiden. Maßstab und daher auch Leitbild einer Treu und Glauben entsprechenden Situation ist dabei die ohne Klausel bestehende Rechtslage. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine umfassende Würdigung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Dem Gebot von Treu und Glauben kommt dabei eine Doppelfunktion zu. Einerseits stellt es einen objektiven Maßstab dar, der die Berücksichtigung aller anerkennenswerten Interessen ermöglicht. Andererseits wird aber durch Treu und Glauben auch der Grad der Unangemessenheit festgelegt, der eine Unwirksamkeit der Klausel rechtfertigt, so dass nur geringfügige Benachteiligungen außer Betracht bleiben. Ausgangspunkt für die vorzunehmende Interessenabwägung ist dabei sowohl bei Verbraucher- als auch bei Nichtverbraucherverträgen eine überindividuell-generalisierende und typisierende Betrachtungsweise. Bei Verbraucherverträgen i. S. des § 310 III BGB sind im Individualprozess lediglich in einem gesonderten zweiten Prüfungsabschnitt auch die vertragsindividuellen Begleitumstände in die Abwägung miteinzubeziehen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist grundsätzlich der Moment des Vertragsschlusses. Die streitige Klausel muss als Gegenstand der Inhaltskontrolle für sich allein gesehen werden. Berücksichtigung findet nach allgemeiner Ansicht aber auch ihre Einbettung im Gesamtvertrag. So kann eine für sich allein genommene Klausel noch angemessen sein, in Verbindung mit einer anderen kann aber sogar die beiderseitige Unwirksamkeit begründet werden. Umgekehrt ist aber auch ein Ausgleich der durch die Klausel geschaffenen Nachteile, durch an anderer Stelle eingeräumte Vorteile möglich. Grundsätzlich abzulehnen ist jedoch eine finanzielle Kompensation für den Vertragsgegner nachteiliger Vertragsklauseln, weil der Verwender aufgrund der mangelnden Nachweisbarkeit des für den Verbraucher unter Umständen bestehenden Preisvorteils und des angemessenen Preises, generell das Entgelt auf der Basis angemessener Bedingungen berechnen muss (BGHZ 22, 90 (98); st. Rspr.).
14
Die Darlegungs- und Beweislast trägt derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit einer Klausel nach § 307 I 1 BGB beruft, also der Vertragsgegner des Verwenders. Da es sich aber im Rahmen der Beurteilung der Unwirksamkeit nach § 307 I 1 BGB zumeist um Wertungsfragen und nicht um Tatsachen handelt, spielt die Beweislast in der Praxis der Inhaltskontrolle nach § 307 I 1 BGB nur eine geringe Rolle.
15
b) Sonderfall ursprünglicher Leistungsbestimmungsrechte nach § 315 BGB. Ein wenig beachtetes Sonderproblem des Transparenzgebotes stellen dabei die in Nr. 12 (3) AGB-Banken und Nr. 17 II 1 i. V. mit Nr. 17 II 3 AGB-Sparkassen in Bezug auf die nicht in Preisaushang und Preisverzeichnis aufgeführten Leistungen, die im Auftrag des Kunden oder dessen mutmaßlichem Interesse erbracht werden und die, nach den Umständen zu urteilen, nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind, festgeschriebenen einseitigen Bestimmungsrechte der Banken und Sparkassen nach § 315 BGB dar. Als eine Art Auffangregelung schaffen sie die Möglichkeit, im Rahmen laufender Vertragsbeziehungen und zusätzlich zu den ohnehin schon umfangreichen Preislisten die Entgeltpalette um weitere Positionen zu erweitern. Ob und inwieweit eine solche Kompetenz zur Einführung neuer Entgelttatbestände in AGB wirksam begründet werden kann, ist nicht ab-
16
Pallas/Knops
406
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
schließend gesichert. So hat Reich die Wirksamkeit solcher Bestimmungsrechte mit Blick auf das gemeinschaftsrechtliche Klarheitserfordernis der Art. 5 S. 1, 4 II (i.V. mit Erwägungsgrund 20) EG-Richtlinie 93/13/EWG, welches verlangt, dass der Verbraucher vor oder spätestens bei Vertragsschluss über das zu erwartende Entgelt orientiert ist und damit die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers geschützt wird, dem nicht nur ein Preisvergleich ermöglicht, sondern auch die Möglichkeit gegeben werden soll, ganz von dem Auftrag abzusehen, in Frage gestellt (Reich, in: Die AGB-Banken 1993, S. 43 (53 ff.)). Das sonstige Schrifttum dagegen bejaht, wie auch bei den ausführlich behandelten Preisänderungsvorbehalten uneingeschränkt die Kontrollfähigkeit gemäß § 307 III 1 BGB, da das beanspruchte ursprüngliche Leistungsbestimmungsrecht selbst keine Leistungsbestimmung oder Entgeltfestsetzung beinhaltet, sondern lediglich die abstrakte Kompetenz regelt, eine solche nach billigem Ermessen zu treffen. Die präventive Vereinbarung eines solchen Bestimmungsrechts des AGB-Verwenders ist danach aber nicht grundsätzlich unzulässig und im Bankgeschäft sachlich gerechtfertigt. Die Begründung stützt sich in erster Linie darauf, dass die anfängliche vertragliche Vereinbarung im bankvertraglichen Dauerschuldverhältnis notwendig unvollständig ist. Selbst wenn dies aus Rationalisierungsgründen im Massengeschäft versucht werde, könnten nicht alle denkbaren und außergewöhnlichen Leistungen im Voraus spezifiziert und zum Gegenstand der anfänglichen vertraglichen Vereinbarung gemacht werden (Merkel, WM 1993, 725 (727); Köndgen, ZBB 1997, 117 (123)). Die Schutzbedürftigkeit des Kunden wird nach dieser Auffassung dadurch ausreichend gewahrt, dass vorrangig die im Preisaushang, welcher nach §§ 1 I, 3 I, 7 I Nr. 1 PAngVO die wesentlichen Leistungen umfassen muss, und im Preisverzeichnis vereinbarten Positionen gelten und das Bestimmungsrecht als Auffangregelung nur hilfsweise bei, im Voraus nicht namhaft zu machenden Leistungen eingreift. Erkennt man insofern ein schutzwürdiges Interesse an der Einräumung eines Bestimmungsrechts an, dann folgt im Umkehrschluss aber, dass eine Selbsteinfügung auf dieser Grundlage nicht beliebig und willkürlich erfolgen kann, sondern ausschließlich dann, wenn eine vorherige Festlegung oder Vereinbarung objektiv nicht möglich war. Leistungen, die bis dahin lediglich anderweitig entgolten wurden, stützen einen neuen Entgelttatbestand demnach nicht. Die dann im Einzelnen vorgenommene Bestimmung ist zudem nach § 315 III 1 BGB auch nur verbindlich, wenn sie dem Maßstab der Billigkeit entspricht, sich also an dem marktüblichen orientiert. Die Beweislast dafür trägt der Bestimmungsberechtigte. 17
3. Grenzen der Gebührengestaltung nach § 307 I 1, II, III 1 BGB. a) Kontrollfähigkeit nach § 307 III 1 BGB. Maßgeblich für die Eröffnung der Inhaltskontrolle ist gemäß § 307 III 1 BGB , inwieweit die beanstandeten Klauseln von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzend regeln. Kontrollfrei sind AGB-Bestimmungen, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu bezahlenden Preis unmittelbar regeln. Ihre Festlegung ist aufgrund des im BGB vorherrschenden Grundsatzes der Privatautonomie Sache der Vertragsparteien (BGHZ 161, 189 = WM 2005, 272 = NJW 2005, 1275; BGHZ 136, 261 = WM 1997, 1663 = NJW 1997, 2752; BGHZ 124, 254 = WM 1991, 2237 = NJW 1994, 318; BGHZ 114, 330 = WM 1991, 1113 = NJW 1991, 1953, jew. m.w.N.). Preis ist dabei die in Geld ausgedrückte Gegenleistung für eine vertragliche Leistung (Nobbe, WM 2008, 185 (186)). Ebenfalls der Inhaltskontrolle entzogen sind gesetzlich nicht geregelte, zusätzliche Sonderleistungen der Bank (BGHZ 161, 189 = WM 2005, 272 = NJW 2005, 1275 m.w.N.; Nobbe, a.a.O.). Hierbei ist es indes erforderlich, dass der Bankkunde auch eine Gegenleistung erhält (vgl. Pallas, S. 266). Von diesen kontrollfreien Bestimmungen zu unterscheiden und einer Inhaltskontrolle zugänglich sind hingegen nach der Rechtsprechung des BGH sog. „Preisnebenabreden“ (BGHZ 136,
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
407
261 = WM 1997, 1663 = NJW 1997, 2752; BGHZ 124, 254 = WM 1991, 2237 = NJW 1994, 318; BGHZ 114, 330 = WM 1991, 1113 = NJW 1991, 1953). Hierbei handelt es sich um Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGHZ 141, 380 = WM 1999, 1271 = NJW 1999, 2276 (2277); BGHZ 124, 254 = WM 1991, 2237 = NJW 1994, 318, jew. m.w.N.; Palandt-Heinrichs, § 307 Rn. 60). Preisnebenabreden sind demnach Entgeltregelungen für Leistungen, die der AGB-Verwender als Rechtsunterworfener zu erbringen hat, ohne dass dafür eine besondere (gesetzliche) Vergütung geschuldet wird (Nobbe a.a.O.). Das Abstellen auf den Begriff der Preisnebenabrede wurde kritisiert, da hierunter ursprünglich nur Klauseln gefasst wurden, die den Hauptpreis mittelbar beeinflussen, indem sie das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen oder sich vergleichbar auswirken (dazu grundlegend BGHZ 100, 157 (173 ff.) = NJW 1987, 1931 =WM 1987, 652). Dagegen handelt es sich bei Entgeltklauseln um solche, bei denen eine sekundäre Entgeltbestimmung neben einem Hauptentgelt verlangt wird, ohne dass sich die sekundäre Entgeltbestimmung mittelbar auf sie auswirkt (Horn, WM 1997, SB 1, S. 12; Krüger, WM 1999, 1402 (1405); Pallas, S. 231). Der BGH hat in seiner Entscheidung zur Bearbeitung und Überwachung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen klargestellt, dass der allgemein „Kontrollfähigkeit signalisierende“ Begriff der„Preisnebenabrede“ für den mit der Abweichung vom dispositiven Recht begründeten materiellen Zugriff auch im Primärbereich zumindest „missverständlich“ ist (BGH ZIP 1999, 1090 (1091)). Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten bzgl. des kontrollfreien Regelungsbereiches s. Pallas, S. 240 ff. Dieser Abgrenzungsproblematik entsprechend hat sich die Bestimmung der Kontrollfähigkeit auf das Vorhandensein oder Fehlen dispositiver Regeln verlagert, wobei insoweit nur rechtsändernde oder rechtsergänzende Klauseln nach § 307 III 1 BGB der Angemessenheitskontrolle unterworfen sind (Pallas, S. 243). Unter Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 III 1 BGB sind nicht nur Gesetzesvorschriften im materiellen Sinn zu verstehen, sondern auch allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze wie die Regeln des Richterrechts und das Abweichen von wesentlichen Rechten und Pflichten, die sich aus der Natur des jeweiligen Vertragsverhältnisses ergeben, sowie aus einer ergänzenden Auslegung nach §§ 157, 242 BGB (BGHZ 150, 269 = WM 2002, 1006 = NJW 2002, 1950 (1951); BGHZ 136, 261 = WM 1997, 1663 = NJW 1997, 2752 f., jew. m.w.N.). Trifft die Bank für das Tätigwerden eine gesetzliche Pflicht, so ist diese von ihr zu erfüllen, ohne dass sie dafür eine Vergütung verlangen kann, es sei denn, das Gesetz sieht für die Tätigkeit ein Entgelt vor (BGHZ 146, 377 = WM 2001, 563 = NJW 2001, 1419 (1420); BGHZ 141, 380 = WM 1999, 1271 = NJW 1999, 2276 (2277); BGHZ 114, 330 = WM 1991, 1113 = NJW 1991, 1953), so dass auch dem Schweigen des Gesetzes ein Aussagegehalt zukommt. Der Verwender der AGB kann nach allgemeinen Grundsätzen Entgelte nur für Leistungen verlangen, die er auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbringt. Folglich liegt eine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen immer dann vor, wenn eine Entgeltregelung gestellt wurde, die sich nicht auf eine solche rechtsgeschäftliche Leistung stützt, sondern die Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten des AGB-Verwenders abwälzen will (BGHZ 161, 189 = WM 2005, 272 = NJW 2005, 1275; BGHZ 146, 377 = WM 2001, 563 = NJW 2001, 1419 (1420); BGHZ 141, 380 = WM 1999, 1271 = NJW 1999, 2276 (2277); BGHZ 137, 43 = WM 1997, 2298 = NJW 1998, 309 (310); BGHZ 136, 261 = WM 1997, 1663 = NJW 1997, 2752 (2753), jew. m.w.N.). Die Erfüllung gesetzlicher Pflichten erfolgt indes regelmäßig im eigenen Interesse der Bank (BGHZ 114, 330 = WM 1991, 1113 = NJW 1991, 1953). Vertragsgemäßes und gesetzeskonformes Verhalten al-
Pallas/Knops
18
408
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
lein löst noch keine Vergütungspflicht aus (BGHZ 146, 377 = WM 2001, 563 = NJW 2001, 1419 (1420)). Dieser vom Bundesgerichtshof erstmals in einer Entscheidung zur Unzulässigkeit von Entgelten für Löschungsbewilligungen ausformulierte Grundsatz (BGHZ 114, 330 = NJW 1991, 1953 = WM 1991, 112; zur Einordnung Pallas, S. 194 ff.) wurde dahingehend in Frage gestellt, dass das Gesetz mit der Statuierung einer Rechtspflicht in jedem Fall eine Regelung impliziere, dass die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht entgeltlos zu erfolgen habe (Köndgen, ZBB 1997, 117 (134); so auch Rösler, BB 1999, 128; Sonnenhol, WuB I A 3 Nr. 13 AGB-Banken 1.99). Vielmehr erfolge die Erfüllung der gesetzlichen Leistungspflicht in diesem Fall durch einen professionellen Dienstleister und müsse daher nicht zwingend kostenfrei bleiben. Dagegen spricht nicht nur, dass derart pauschal kein hochdifferenziertes Entgeltsystem wie das der Kreditwirtschaft bewertet werden kann, sondern vor allem auch, dass grundsätzlich jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen hat, die ihr in Erfüllung ihrer gesetzlichen oder vertraglich übernommen Pflichten entstehen (siehe bereits Pallas, S. 196, 232). Gerade wenn das Gesetz zu der Frage der Vergütung schweigt, stellt das Entgelt eine abweichende Regelung von dem Norminhalt dar, womit die Inhaltskontrolle, u.a. nach § 307 III 1 BGB eröffnet wird. 19
20
21
b) Unangemessene Benachteiligung nach § 307 I 1, II BGB. Im Allgemeinen indiziert schon die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine, gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Gegenseite (BGHZ 162, 294 = WM 2005, 874 = NJW 2005, 1645 (1648)). Gleichwohl können Gründe vorliegen, die die beanstandete Klausel bei der gebotenen umfassenden Abwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten als nicht unangemessen erscheinen lassen (BGHZ 162, 294 = WM 2005, 874 = NJW 2005, 1645 (1648); BGHZ 153, 344 = WM 2003, 673 = NJW 2003, 1447 (1448) m.w.N.). Die Frage nach der Zulässigkeit einer Bankentgeltklausel beantwortet sich mithin meist mit der Feststellung, wem das vergütete Tätigwerden der Bank zu Gute kommt. Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Ausmaß der Abweichung (s. oben Rn. 13). So können Entgelte im kleineren Größenbereich der Inhaltskontrolle noch standhalten, wobei jedoch auch die Häufigkeit ihres (zur im Vertrag angelegten Abwicklung erforderlichen) Anfallens berücksichtigt werden muss. In der Rechtsprechung des BGH wird dieser Umstand zwar nicht oft erwähnt, dies ergibt sich jedoch aus der Bezugnahme auf die Entgelthöhe der überprüften Klausel. c) Sonstiges. Neben dem Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung kommt ein Verstoß gegen § 307 II Nr. 2 BGB in Form einer Doppelbepreisung in Betracht, da der Verwender seinen Verwaltungsaufwand und die der Erfüllung des Pflichtenprogramms immanenten Kosten i.d.R. bereits in seiner Grundpreisgestaltung kalkulieren kann (OLG Stuttgart VuR 2004, 146 f.; zust. Billing, MDR 2005, 601). Ferner kann sich die Klausel wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 I 2, III 2 BGB als unwirksam herausstellen (Nobbe, WM 2008, 185 (186)). Ist die Inhaltskontrolle nicht eröffnet, können sich Klauseln zudem oftmals schon als überraschend i.S.d. § 305 c I BGB und daher unwirksam herausstellen, wenn die Bank den Kunden ihr Entgeltsystem nicht hinreichend verdeutlicht hat (Joost, EWiR § 8 AGBGB 1/97, 51 (52)). IV. Rechtsfolgen. Rechtsgrundlos erhobene Gebühren hat das betroffene Kreditinstitut dem Kunden gemäß § 812 I 1 Alt. 1 BGB zurückzuzahlen. Es gilt die regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. Auskünfte über gezahlte Entgelte können nicht vergütet werden, da dies den Kondiktionsanspruch in unzulässigerweise verkürzen würde (Billing, MDR 2005, 601 (602); zu weiteren Einzelheiten bei den Rechtsfolgen s. Roller, BKR 2008, 221).
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
409
Soweit aufgrund unwirksamer Einbeziehung von AGB Vertragslücken entstehen, können diese nach § 306 II BGB nur insoweit geschlossen werden, als es sich nicht um essentialia negotii handelt. Dieser Grundsatz wird jedoch im Bereich der kreditwirtschaftlichen Vergütungsklauseln bei Scheitern einer Preisvereinbarung dadurch relativiert, dass die Vergütungsregelungen der §§ 354 I HGB, 612 II BGB als subsidiäre Auslegungshilfe eingreifen und das erforderliche Vertragsminimum gewährleisten. Im Hinblick auf diesen Normbestand verbietet sich die Annahme eines Entgeltbestimmungsrechts des Verwenders nach § 315 BGB, mit der das Vertragsmodell ohne rechtfertigenden Grund aufgegeben würde. Der Wegfall einzelner Klauseln führt indes nicht notwendig zu einer Vertragslücke, da der Verwender nicht vor den nachteiligen Folgen von Klauseln zu schützen ist, die der Inhaltskontrolle nicht standhalten. Eine ausfüllungsbedürftige Vertragslücke kann jedoch grundsätzlich beim Scheitern der Einbeziehung nach § 305 II BGB entstehen. Wird eine so entstandene Lücke durch die §§ 354 I HGB, 612 II BGB geschlossen und danach ein übliches Entgelt als vertragliche Vergütung bestimmt, so hat der Kunde abgesehen von einem möglichen Schadensersatzanspruch (wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung §§ 311 III, 241 II, 280 I BGB durch Verwendung unwirksamer Klauseln oder aufgrund von Fehlern und Gestaltungen, die zur Nichteinbeziehung führen) faktisch ein Wahlrecht zwischen dem üblichen Entgelt und der (möglicherweise niedrigeren) klauselmäßigen Vergütung, da der Verwender sich nicht auf die Unwirksamkeit seiner Klausel berufen darf.
22
B. Bankentgeltklauseln in der Rechtsprechungskontrolle
23
I. Grundsätze des Bundesgerichtshofes. Der BGH hatte sich in der Vergangenheit mehrfach mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen Klauseln, die ein Entgelt für diverse Tätigkeiten der Bank verlangen, neben der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 138 BGB auch der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB (§§ 8 ff. AGBGB a.F.) unterliegen. Aus der Rechtsprechung des BGH ergeben sich die folgenden Grundsätze (s. Nobbe, WM 2008, 185 (197); Roller, BKR 2008, 221 (224 f.)): (1) Eine Bepreisung von Arbeiten, die keine Dienstleistung für den Kunden sind, ist unzulässig. (2) Unangemessen ist es weiter, für vertraglich geschuldete Nebenleistungen oder für die Erfüllung von Pflichten zur Vermeidung von sekundären vertraglichen Schadensersatzansprüchen ein Entgelt zu verlangen. (3) Auch für die Erfüllung gesetzlicher Pflichten darf kein Entgelt ausgeworfen werden. (4) Gegen § 307 I, II BGB verstoßen ferner Entgeltklauseln, die einem Kunden im Ergebnis eine Haftung ohne Verschulden auferlegen sowie (5) Klauseln, die eine zeitanteilige Erstattung eines nach einem bestimmten Zeitraum bemessenen Entgelts bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages ausschließen. II. Einzelne Bankentgeltklauseln 1. Bankentgelte in der BGH-Rechtsprechung. Zulässig: Interbankenentgelt – Weitergabe fremder Kosten BGHZ 150, 269 = WM 2002, 1006 = NJW 2002, 1950 (ebenso LG München WM 1999, 640 = WuB I A 2 Nr. 12 AGB-Banken 3.99 (Sonnenhol)) Die Klausel, die Scheckeinreicher mit dem Entgelt belastet, das Inkassobanken bezogenen Banken zu zahlen haben, wenn diese die Einlösung von Schecks ablehnen, ist gem. § 8 AGBG a.F. (§ 307 III 1 BGB) der Inhaltskontrolle entzogen. Die Klausel hat lediglich deklaratorische Wirkung, sie wiederholt die §§ 670, 675 I BGB und ist daher als Aufwendungsersatzklausel keine kontrollfähige Preisnebenabrede.
Pallas/Knops
24
410
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Kreditkarte – Entgelt bei Auslandsbenutzung BGHZ 137, 27 = WM 1997, 2244 = NJW 1998, 383 Ein gesetzliches Leitbild des Kreditkartenvertrages existiert nicht. Die Bank ist in der konkreten Ausgestaltung des Preisgefüges in den allgemeinen Grenzen frei und hat auch die Wahl zwischen einer Pauschalgebühr oder Einzelpreisen oder einer Kombination beider Möglichkeiten. Dem Entgelt steht eine Sonderleistung durch die Bank gegenüber, die Inhaltskontrolle ist nicht eröffnet. Sparbuch – Entgelt für das Ausstellen eines Ersatzsparbuches ohne Kraftloserklärung BGH WM 1998, 1623 = NJW-RR 1998, 1661 (ebenso OLG Celle WM 1998, 651 = VuR 1998, 160) Bei der Ausstellung eines Ersatzsparbuches ohne Kraftloserklärung handelt es sich um eine echte Sonderleistung der Bank, deren Gegenleistung nicht der Inhaltskontrolle unterliegt. Das Sparbuch ist ein qualifiziertes Legitimationspapier; die §§ 368 und 800 S. 2 BGB sind daher nicht anwendbar. Die Klausel weicht nicht vom dispositivem Recht ab. Überziehungskredit – Entgelt in Form von Überziehungszinsen über den vereinbarten Betrag hinaus BGH WM 1992, 942; BGHZ 118, 126 = WM 1991, 940 = NJW 1991, 1751 (ebenso OLG Köln WM 1991, 1878; OLG Schleswig WM 1991, 1074; OLG Hamm WM 1991, 182; LG Aachen WM 1991, 189) Die AGB-Klausel eines Girovertrages, die dem Kreditinstitut das Recht einräumt, dem Kunden, wenn er ohne ausdrückliche Vereinbarung oder über den vereinbarten Betrag hinaus Kredit in Anspruch nimmt, höhere Überziehungszinsen zu berechnen, hält der Inhaltskontrolle stand. Bei Wegfall der Klausel wäre nach dem generellen Vertragszins oder zumindest nach § 354 II HGB zu vergüten. Die Vergütung wird im Gegenzug für eine stillschweigend vereinbarte Kreditgewährung verlangt, daher handelt es sich auch nicht um eine unwirksame Vertragsstrafe i.S.d § 11 Nr. 6 AGBGB a.F. (§ 309 Nr. 6 BGB). Die Klausel benachteiligt den Bankkunden nicht unangemessen, da er eine zusätzliche Leistung beanspruchen kann und die Bank einen größeren Arbeitsaufwand sowie ein erhöhtes Risiko übernimmt. Zeichnung – Zeichnungsgebühr trotz Nichtzuteilung bei Aktien-Neuemmisionen BGHZ 153, 344 = WM 2003, 673 = NJW 2003, 1447; BGH ZIP 2003, 617 (a.A. LG Köln WM 2001, 1946) Durch die Annahme eines Kundenauftrags zur Aktienzeichnung kommt ein Kommissionsvertrag i.S.d. §§ 383 ff. HGB zustande. Erstellung, Prüfung und Weitergabe eines ordnungsgemäßen Zeichnungsscheins sind zum beabsichtigten Aktienerwerb erforderlich. Die Zeichnungsgebühr tritt neben die Provision aus § 396 I HGB und ist daher kein Aufwendungsersatz i.S.v. § 396 II HGB, §§ 670, 675 BGB. Die Zeichnung ist keine zusätzliche Sonderdienstleistung, sondern erfolgt in Erfüllung der kommissionsrechtlichen Vertragspflichten. Die Abweichung von der gesetzlichen Regelung führt aber zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Bankkunden: Die erheblichen Kosten des mit der Bewältigung dieser Massenerscheinung verbundenen erhöhten Personal- und Materialaufwands der Bank werden nicht durch die Provisionen aus den wenigen tatsächlich zu-
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
411
stande gekommenen Geschäften gedeckt. Dagegen wahren sich alle diejenigen Bankkunden, die sich an derartigen Zeichnungen beteiligen, ihre Chance auf eine – gerade bei erheblicher Überzeichnung häufig recht vorteilhafte – Aktienzuteilung. Sie sollen daher zur Tragung der dadurch verursachten Kosten durch eine mäßige Pauschalgebühr herangezogen werden können. Unzulässig: Barein- und -auszahlungen – Entgelt für Barein- und auszahlungen am Bankschalter BGHZ 124, 254 = WM 1991, 2237 = NJW 1994, 318; BGH WM 1993, 2237 = WuB IV B § 8 AGBG 1.94 (Fischer) = EWiR § 8 AGBG 1/94, 105 (Hensen); BGHZ 133, 10 = WM 1996, 1080 = NJW 1996, 2032 (zu Sondermodellen siehe aber LG Hannover EWiR 2005, 293) Ein- und Auszahlungen auf ein Girokonto sind als Akte zur Begründung oder Erfüllung von Darlehensverhältnissen (bei passivem Girokonto mit Soll-Saldo) oder Verwahrungsverhältnissen (bei aktivem Girokonto mit Haben-Saldo) zu werten. Die gesetzlichen Regelungen des Darlehens, sowie der unregelmäßigen Verwahrung sehen für solche Akte kein Entgelt vor. Die Erfüllung vertraglicher wie gesetzlicher Pflichten stellt keine zusätzliche Dienstleistung dar, die nach § 354 I HGB vergütet werden könnte. Auch nach § 270 I BGB trägt der Schuldner die Kosten für die Übermittlung von Geld, d.h. für die Versendung und Zustellung, nicht aber für die Entgegennahme von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel. Die Abweichung von der gesetzlichen Regelung benachteiligt den Bankkunden unangemessen: Die Bank erfüllt ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten im eigenen Interesse. Der Arbeitsaufwand hierfür kann bei der Kalkulation des Hauptpreises berücksichtigt werden. Auch der Verweis auf die Möglichkeit der Nutzung von Geldautomaten ist keine Alternative zur Auszahlung am Bankschalter aufgrund der Missbrauchsgefahr bei Kartennutzung und der zusätzlichen Verpflichtung des Bankkunden, das Kennwort vor Kenntniserlangung Dritter zu schützen (BGHZ 124, 254 = WM 1991, 2237 = NJW 1994, 318). Der Bankkunde wird allerdings nicht unangemessen benachteiligt, wenn er bis zu fünfmal im Monat Aus- und Einzahlungen unentgeltlich vornehmen kann. Der Durchschnitt für Abhebungen und Einzahlungen liegt dabei deutlich unter dieser Zahl (BGHZ 133, 10 = WM 1996, 1080 = NJW 1996, 2032 (2033); a.A. die Vorinstanz OLG Naumburg WM 1995, 1578 m. ablehnender Anm. Canaris, WM 1996, 237). Freistellungsauftrag – Entgelt für die Bearbeitung eines Freistellungsauftrages BGHZ 136, 261 = WM 1997, 1663 = NJW 1997, 2752 (best. durch BVerfG WM 2000, 2040 = NJW 2000, 3635 per Nichtannahmebeschluss; BGH WM 1997, 1665 = NJW 1997, 2753; zuvor schon OLG Zweibrücken NJW-RR 1997, 366; a.A. LG Mannheim DB 1995, 2996; OLG Karlsruhe BB 1997, 9) Mit der Verwaltung von Freistellungsaufträgen erfüllt die Bank eine ihr vom Staat im öffentlichen Interesse auferlegte Pflicht. Der „Auftrag“ kann durch die Bank nicht abgelehnt werden und hat keine rechtsgeschäftliche Grundlage, sondern ist rein steuerrechtlicher Natur. Es handelt sich mithin auch nicht um eine Dienstleistung i.S.d. § 354 I HGB. Der Staat verlangt kein Entgelt für die Berechnung von Steuern und Prüfung von Steuertatbeständen. Daran ist auch festzuhalten, wenn der Staat sich dabei privater Unternehmen bedient, andernfalls wird der Bankkunde unangemessen benachteiligt (BGHZ 136, 261 = WM 1997, 1663 = NJW 1997, 2752).
Pallas/Knops
412
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Die Klausel ist auch unwirksam, wenn ein Entgelt für die Verwaltung erst bei einem Freistellungsauftrag ab 100 Euro oder für die Änderung des Freistellungsauftrages verlangt wird (BGH WM 1997, 1665 = NJW 1997, 2753). Die Rechtsprechung des BGH ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere liegt kein ungerechtfertigter Eingriff in Art. 12 I GG und Art. 20 II und III GG vor (BVerfG WM 2000, 2040 = NJW 2000, 3635). Löschungsbewilligung – Entgelt für das Ausstellen einer Löschungsbewilligung BGHZ 114, 330 = WM 1991, 1113 = NJW 1991, 1953 (ebenso OLG Köln WM 2002, 853; a.A. OLG Frankfurt WM 1990, 2036; LG Frankfurt WM 1988, 1664) Die Klausel ist keine Konkretisierung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach §§ 675, 670 HGB, da kein Aufwendungsersatz, sondern eine Vergütung für eine angebliche Dienstleistung verlangt wird. Es handelt sich jedoch um keine Dienstleistung i.S.d. § 354 I HGB, sondern um eine gesetzliche Pflicht der Bank, die unmittelbar aus § 1144 BGB folgt. Die Klausel weicht von der gesetzlichen Regelung der §§ 369 I, 897, 1144 BGB ab. § 369 I BGB sieht vor, dass der Schuldner die Kosten der Quittung (Beglaubigungsgebühren, Übersendungskosten und ähnliche Aufwendungen) zu tragen hat, eine Vergütung für die Erteilung ist aber nicht vorgesehen. Der Bankkunde wird unangemessen benachteiligt, da die Abweichung von dem wesentlichen Grundgedanken, keine Vergütung zu verlangen, nicht durch besondere Interessen der Bank gerechtfertigt wird. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Löschungsbewilligung vorliegen, erfolgt im Interesse der Bank. Kosten für den Verwaltungsaufwand werden schon durch einen Teil des Darlehenszinses abgedeckt bzw. durch die allgemeine Bearbeitungsgebühr. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – Entgelt für die Bearbeitung und Überwachung BGHZ 141, 380 = WM 1999, 1271 = NJW 1999, 2276; BGH WM 1999, 2545 = NJW 2000, 651 (ebenso OLG Köln WM 1999, 633; OLG Düsseldorf BB 1999, 124; differenzierend AG Köln WM 1984, 28) Ein Anspruch des Drittschuldners gegen den Schuldner auf eine Vergütung für die Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen sowie die anschließende Überwachung der Pfändungsmaßnahme ist im Gesetz nicht vorgesehen. § 840 I ZPO regelt nur die Erklärungspflicht des Drittschuldners, nicht aber die Frage der Kostenerstattung. § 788 ZPO gilt nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, gewährt dem Drittschuldner aber keinen unmittelbaren Kostenerstattungsanspruch gegen den Schuldner. Es ergibt sich auch kein Vergütungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB), da die Unterrichtung des Gläubigers nach § 840 I ZPO kein Geschäft des Vollstreckungsschuldners ist. Es besteht auch kein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung, da keine aus dem Giroverhältnis folgende (Neben-)Pflicht des Kunden existiert, es nicht zu einer Kontopfändung kommen zu lassen. Als darauf abstellende Schadenspauschalisierung würde die Klausel zudem gegen § 11 Nr. 5b AGBGB a.F. (§ 309 Nr. 5b BGB) verstoßen. Die Klausel weicht folglich von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Die Maßnahmen erfolgen in Erfüllung der Pflicht aus § 840 I ZPO und im Interesse des Gläubigers. Die Bank handelt überdies in eigenem Interesse, einen Schadensersatzanspruch gemäß § 840 II 2 ZPO zu verhindern. Die Vorarbeiten und die Prüfung der Wirksamkeit der Pfändung, sowie weitere Bearbeitungen dienen dem Interesse der Bank, eigene Schäden zu vermeiden. Das zu entrichtende Entgelt für die Bearbeitung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses fällt zudem ohne
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
413
Rücksicht auf dessen Rechtmäßigkeit und die Wirksamkeit der Zustellung an, so dass der Bankkunde auch insoweit unangemessen benachteiligt wird. Wertpapier-Depotübertragungen – Entgelt für Vornahmen von Wertpapier-Übertragungen bei Depotauflösung und bei laufenden Geschäftsbeziehungen BGHZ 161, 189 = WM 2005, 272 = NJW 2005, 1275; BGH WM 2005, 274 = NJW-RR 2005, 1135 Die Bank handelt in Erfüllung des Herausgabeanspruches des Bankkunden gem. §§ 7, 8 DepotG bzw. §§ 695 S. 1, 985 BGB. Die Besitzverschaffung mittels Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft wird dabei durch die Umbuchung von Girosammel-Depotgutschriften ersetzt. Die Erfüllung der Pflicht erfolgt im eigenen Interesse und stellt keine Sonderdienstleistung dar. Dass keine Auslieferung, sondern eine Umbuchung erfolgt, ist ein Nebeneffekt aufgrund der Rationalisierung des Effekten- und Depotgeschäfts, die wiederum der Bank zugute kommt. Die Abweichung benachteiligt den Bankkunden daher unangemessen und kann nicht gerechtfertigt werden. Zahlungsverkehr – Entgelt für die Nichtausführung eines Dauerauftrags, einer Überweisung, einer Lastschrift oder für die Nichteinlösung eines Schecks mangels hinreichender Deckung BGHZ 137, 43 = WM 1997, 2298 = NJW 1998, 309; BGH WM 1997, 2300; krit. Rohe, NJW 1998, 1284; Canaris, AcP 200 (2000), 273; BGHZ 150, 269 = WM 2002, 1006 = NJW 2002, 1950; BGHZ 162, 294 = WM 2005, 874 = NJW 2005, 1645; Jungmann, NJW 2005, 1621 Bei der Ausführung kommt die Bank einer girovertraglichen Weisung des Bankkunden gem. §§ 665, 675 BGB nach. Entscheidet sich die Bank gegen die Ausführung wegen fehlender Deckung, liegt darin keine Leistung und folglich kein vergütungsauslösender Tatbestand. Bei der Nichteinlösung von Lastschriften fehlt es sogar an einer Weisung durch den Bankkunden. Die Nichtausführung liegt im Interesse der Bank. Soweit die Nichtdeckung als durch den Bankkunden verschuldete Vertragsverletzung angesehen werden könnte (siehe aber BGHZ 162, 294 = WM 2005, 874 = NJW 2005, 1645 (1646 m.w.N.)), läge gemäß § 11 Nr. 5b AGBGB a.F. (§ 309 Nr. 5b BGB) keine wirksame Schadenspauschalisierung vor, da der Nachweis eines geringeren Schadens abgeschnitten wäre (BGHZ 137, 43 = WM 1997, 2298 = NJW 1998, 309). Auch die (nicht pauschalisierte) Weitergabe von Kosten, die Kreditinstitute anderen Banken für zurückgegebene Lastschriften zu zahlen haben, ist unzulässig. Die Abrede über Lastschrifteinzug ist keine Weisung gem. § 665 S.1 BGB im Rahmen des Geschäftsbesorgungsauftrags nach § 675 I BGB und kein Auftrag gem. § 662 BGB, so dass § 670 BGB nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Die Bank als Lastschriftgläubigerin nimmt den Einzug vorwiegend im eigenen Interesse vor. Soweit an ein vertragliches Verschulden angeknüpft wird (siehe aber BGHZ 162, 294 = WM 2005, 874 = NJW 2005, 1645 (1646 m.w.N.)), das eine Schadensersatzpflicht auslösen könnte, so differenziert die Klausel nicht zwischen schuldhafter Unterdeckung und berechtigtem Widerspruch, so dass der Bankkunde auch unangemessen benachteiligt wäre (BGHZ 150, 269 = WM 2002, 1006 = NJW 2002, 1950). – Schadensersatzpflicht des Kunden bei Lastschriftrückgabe mangels Deckung BGHZ 162, 294 = WM 2005, 874 = NJW 2005, 1645 Die Bank kann die Inhaltskontrolle auch nicht umgehen (insofern gilt § 306a BGB), indem sie eine Schadenspauschalisierung als interne Anweisung deklariert. Der Inhaltskon-
Pallas/Knops
414
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
trolle hält die Anweisung nicht stand, da eine Pflicht des Schuldners zur Vorhaltung von Deckung auf seinem Konto nur gegenüber dem Gläubiger auf Grund der getroffenen Lastschriftabrede besteht, nicht aber gegenüber der Bank. Die Abweichung indiziert eine unangemessene Benachteiligung und erscheint insbesondere ungerechtfertigt, da die Schuldnerbank ihre Aufwendungen, die durch die Lastschriftrückgabe mangels Deckung entstehen, im Interbankverhältnis bei der Gläubigerbank liquidieren kann (Abschn. II Nr. 4 des Lastschriftabkommens), wobei es die Kreditwirtschaft in der Hand hat, insoweit kostendeckende Rücklastschriftentgelte vorzusehen (BGHZ 162, 294 = WM 2005, 874 = NJW 2005, 1645). – Mitteilungsgebühr bei Nichtausführung oder Nichteinlösung mangels Deckung BGHZ 146, 377 = WM 2001, 563 = NJW 2001, 1419 Bei der Nichtausführung von Lastschriften und der Nichteinlösung von Schecks hat die Bank eine Informationspflicht, bei der Nichtausführung von Dauer- und Überweisungsaufträgen zumindest dann, wenn der Bankkunde damit rechnen durfte, dass die Bank den Auftrag trotz mangelnder Deckung ausführen werde. Die Informationspflicht der beauftragten Bank ergibt sich entweder aus §§ 666, 675 I BGB oder ist unselbständige Nebenpflicht als Konkretisierung der auf § 242 BGB gestützten giro- bzw. scheckvertraglichen Schutz- und Treuepflichten der Bank. Das Entgelt ist kein Aufwendungsersatz (etwa für Telefonate, Papier, Porto). Auch ein eventuelles Verschulden des Bankkunden lässt die Informationspflicht nicht entfallen. Die Klausel über die Mitteilungsgebühr ist daher unwirksam. 25
2. Andere Bankentgelte in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und Literatur Zulässig sind Entgelte für – Abtretungserklärungen (OLG Frankfurt WM 1990, 2036 = WuB I A Nr. 22 AGB 1.91 (Reich)) – Auskünfte (OLG Nürnberg WM 2006, 1624; OLG Celle Urt. v. 04.06.2008, Az. 3 U 265/07), soweit diese nicht vertraglich oder gesetzlich geschuldet sind – Beglaubigungen von Unterschriften (LG Frankfurt WM 1988, 1664) – Kreditabwicklung (AG Oldenburg WM 1987, 1219 = WuB I A Nr. 14 AGB 2.88 (Bruchner)) nach Kündigung der Bank oder bei vorzeitiger Beendigung durch den Kunden – Leistungen im Zusammenhang mit einer Kreditvergabe (Krüger/Bütter, WM 2005, 673) – Rangrücktrittserklärung (OLG Frankfurt WM 1990, 2036; LG Frankfurt WM 1988, 1664) – Treuhandverwaltung bei treuhänderischer Verwaltung von Grundpfandrechten (AG Freiburg WM 1981, 446), s. aber unten – Vermittlungsprovision bei Vermittlung und Finanzierung über das Girokonto des Kunden für den Erwerb eines Vorratsbausparvertrags im Wege des „Forderungskaufs“ (OLG Hamm WM 1986, 194) Unzulässig sind Entgelte für – Auskünfte über unrechtmäßig vereinnahmte Entgelte (Schleswig-Holsteinisches OLG NJW-RR 2001, 1270; Krüger, ZIP 2000, 1196) – Beanstandungen, Reklamationen (LG Köln WM 2001, 505) – Kontoauflösung (Schimansky, WM 1995, 461 (464); AG Freiburg WM 1990, 1415) – Kontoauszüge, wenn sie erneut ausgehändigt werden sollen (AG Siegen WM 2000, 356 = NJW-RR 2000, 641)
Pallas/Knops
§ 13 Vergütungen und Entgeltklauseln
415
– Kontounterlagen, die in Form von Abschriften der Kundenkonten bei Beschlagnahmebeschluss im Ermittlungsverfahren erstellt werden sollen (OLG Köln ZIP 1982, 157) – Kreditkartenersatz bei Beschädigung oder Verlust ohne Differenzierung nach Verschulden (Brandenburgisches OLG ZIP 2007, 860; OLG Celle WM 2000, 2237; a.A. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 17 Rn. 32a m.w.N.) – Kündigung (LG Nürnberg, Fürth WM 1996, 1624) – Mahnbescheid (LG Verden WM 1987, 422 = WuB I A Nr. 14 AGB 2.87 (Walter)) – Mahnung in Form einer Pauschalgebühr (Brandenburgisches OLG ZIP 2007, 860; LG Verden WM 1987, 442 = WuB I A Nr. 14 AGB 2.87 (Walter); KG Berlin WM 1980, 72; LG Frankfurt WM 1988, 1664) – Nachlassbearbeitung (LG Dortmund WM 2001, 1269 = VuR 2001, 294 = WuB IV C § 9 AGB 2.02 (Sonnenhol) = EWiR § 9 AGBGB 10/01, 601 (Reif); LG Frankfurt/M. WM 2000, 1893) – PIN- oder TAN-Brief (LG Frankfurt/M. WM 2000, 1893) – Bearbeitung durch die Rechtsabteilung in Form einer Pauschalgebühr für die Abgabe eines Mahnverfahrens an die Rechtsabteilung (LG Verden WM 1987, 422) – Rechtsverfolgung in Höhe eines Teils der beizutreibenden Summe (KG Berlin WM 1985, 714) – Sicherheitenfreigabe in Form einer Kostenpauschale (Schimansky/Bunte/LwowskiBunte, § 17 Rn. 40 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf WM 1989, 1371 (1375)) – Treuhandverwaltung bei Finanzierungsabwicklung, etwa nach Auslaufen der Zinsbindungsfrist – Überziehungskredite, wenn sie nicht in Form von Überziehungszinsen, sondern als andere Kosten gefordert werden (LG Düsseldorf WM 1990, 1535) – Verpfändungsanzeige (OLG Nürnberg WM 1996, 1624) – Wertermittlung eines Grundstücks bei Nichtdurchführung des Vertrages (LG Dortmund NJW-RR 1994, 305; Krüger/Bütter, WM 2005, 673; a.A. OLG München WM 2000, 130). – Zwangsmaßnahmen Dritter (OLG Köln ZIP 1982, 157; AG Köln WM 1984, 28; AG Bad Mergentheim WM 1988, 1818 = WuB I A Nr. 14 AGB 3.89 (Wagner-Wieduwilt))
Pallas/Knops
“This page left intentionally blank.”
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
417
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
Schrifttum Artz/Weber, Rechtsfolgen bei unzureichendem Tilgungsersatz durch Kapitallebensversicherungen bei endfälligen Darlehen, BKR 2004, 264; Balzer, Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung von Hypothekendarlehen, NWB Fach 21 (1995), 1199; Becher/Lauterbach, Darlehenskündigung nach § 490 Abs. 2 BGB wegen günstigerer Zinskonditionen?, WM 2004, 1163; Beckers, Die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung, WM 1991, 2049; Böhm, Darlehen bei Tod des Darlehensnehmers, ZEV 2002, 337; Brandts, Das Recht zur vorzeitigen Darlehenskündigung gemäß § 609 a BGB unter besonderer Berücksichtigung des auslandsbezogenen Kreditgeschäfts, 1996; Brutschke, Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung eines Hypothekendarlehens, ZAP Fach 8, 179; Bülow, Das Tatbestandsmerkmal der Abhängigkeit des Darlehens von der Grundpfandsicherung (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG / § 491 Abs. 3 Nr. 1 BGB – RegE), WM 2001, 2225; Canaris, Die Vorfälligkeitsentschädigung zwischen Privatautonomie und richterlicher Regulierung, in: FS Zöllner, 1998, S. 1055; Nichtabnahmeentschädigung und Vorfälligkeitsvergütung bei Darlehen mit fester Laufzeit, in: Bankrechtstag 1996, 1997, S. 3; Die Pflicht des Gesetzgebers zur Reform von § 247 BGB, WM 1982, 254; Die Kreditkündigung gemäß § 247 BGB und der „Wandel der Normsituation“, WM 1978, 686; Derleder, Schadensersatzansprüche der Banken bei Nichtannahme der Darlehensvaluta, JZ 1989, 165; Derleder/Beining, Die betragsmäßigen Grenzen der Kreditbürgschaft, ZBB 2001, 1; Derleder/Wosnitza, Auskunftspflichten der Banken beim Teilzahlungskredit, ZIP 1990, 901; Dietrich, Vorfälligkeitsentgelt und anteilige Disagioerstattung bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrags, DStR 1997, 1087; Dörrie, Verbraucherdarlehen und Immobilienfinanzierung nach der Schuldrechtsreform, ZfIR 2002, 89; Dübel/Köndgen, Die vorzeitige Rückzahlung von Festzinskrediten in Europa. Zwei Gutachten, 2006; Fleischer, Kreditabwicklung bei vorzeitiger Kündigung, Kreditpraxis 1994, 24; Methoden der Vorfälligkeitsentschädigung, Kreditpraxis 1995, 12; Freitag, Anm zu OLG Naumburg, Urt. v. 15.02.2007, Az. 2 U 138/06, WuB I E 1-1.08; Anm. zu BGH, Urt. v. 03.02.2004, Az. XI ZR 398/02, WuB I E 3-1.04; Die Beendigung des Darlehensvertrags nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2001, 2370; Früh, Der Anspruch des Darlehensnehmers auf Einwilligung in die vorzeitige Darlehnsrückzahlung, NJW 1999, 2623; Grönwoldt/Bleuel, Die vorfristige Kreditabwicklung gegen Vorfälligkeitsentschädigung, DB 1997, 2062; Guttenberg, Vorzeitige Darlehenslösung bei Festzinskredit, JuS 1999, 1058; Habersack, Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung auf das Recht der Bankgeschäfte, in: Bankrechtstag 2002, 2003, S. 3; Hadding/Nobbe (Hrsg.), Bankrecht 2000, 2000; Hammen, Vorzeitige Darlehenstilgung und Zinspflicht, DB 1991, 953; Harbeke, Die vorzeitige Beendigung von Finanzierungen aus der Sicht eines Kreditinstitutes, in: Bankrechtstag 1996, 1997, S. 85; Häuser/Welter, Neues Recht der Darlehenskündigung – Von § 247 BGB zu § 609a BGB, NJW 1987, 17; Heymann, Neuregelung des Kündigungsrechts nach § 247 BGB, BB 1987, 415; v. Heymann/Rösler, Berechnung von Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung, ZIP 2001, 442; Hopt/Mülbert (Hrsg.), Kreditrecht, 1989; Die Darlehenskündigung nach § 609a BGB – Eine Bilanz der ersten drei Jahre, WM 1990, SB 3, 3; Kindler, Gesetzliche Zinsansprüche im Zivil- und Handelsrecht, 1996; Kirsten, Zum Problem der Referenzsätze bei Vorfälligkeitsentschädigungsrechnung, Der langfristige Kredit 1996, 10; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobiliarkreditverhältnissen (Darlehensbegründung und -kündigung, Vorfälligkeitsentschädigung, Ersatzkreditnehmerstellung, Grundschuldablösung und -übernahme), 2000; Kombinationsfinanzierungen, AcP 206 (2006), 867; Verjährungsbeginn durch Anspruchsentstehung bei Schadensersatzansprüchen – insbes. nach den §§ 37a und d WpHG, AcP 205 (2005), 821; Anm. zu BGH, Urt. v. 30.11.2004, Az. XI ZR 285/03, EWiR 2005, 291; Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung bei Darlehen mit fester Laufzeit, ZfIR 2001, 438; Die Anwendbarkeit des § 271 Abs. 2 BGB auf verzinsliche Darlehen, VuR 2001, 239; Die Ersatzkreditnehmerstellung, WM 2000, 1427; Darlehensgewährung und Grundpfandrechtsbestellung, ZfIR 1998, 577; Verbraucherschutz und Kreditrecht, VuR 1998, 107; Knops/Stempel, Die Kündigung gem. § 609 a Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Ausfall der grundpfandrechtlichen Sicherung, ZfIR 2000, 769; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994; Darlehen, Kredit und finanzierte Geschäfte nach neuem Schuldrecht – Fortschritt oder Rückschritt?, WM 2001, 1637; Die vorzeitige Rückzahlung von Festzinskrediten, Schriftenreihe des Verbandes deutscher Hypothekenbanken, Band 8, 2000; Kommentar zu Wehrt: Preis oder Ersatz des Erfüllungsinteresses: eine rechtsökonomische Analyse vorzeitiger Darlehensablösungen, in: Effiziente Verhaltenssteuerung und Kooperation im Zivilrecht, 1997, 135; Anm. zu BGH, Urteil v. 1.7.1997, ZIP 1997, 1645; Kollhosser/Schweitzer, Das neue gesetz-
Knops
418
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
liche Kündigungsrecht bei Darlehen, JA 1987, 345; Krämer/ Sievi, Außerplanmäßige Ereignisse im Bankgeschäft: Disagioerstattung und Vorfälligkeitsentschädigung bei Ablösung, Sondertilgung und Ratenänderung im Aktiv- und Passivgeschäft, 1996; Krug, Die vorzeitige Rückzahlung von Konsumkrediten durch den Kreditnehmer, BB 1979, 24; Krüger, Richterliche Überprüfbarkeit von Preisklauseln in der Kreditwirtschaft, WM 1999, 1402; Krüger/Büttner, Verzugsschadenberechnung bei Not leidenden Krediten, WM 2003, 2094; Lang/Beyer, Vorzeitige Ablösung von Festzinsdarlehen und Vorfälligkeitsentschädigung, WM 1998, 897; Lubberich, Nichtabnahmeentschädigung bei Darlehen, Sparkasse 1997, 245; Mankowski/Knöfel, Das außerordentliche Kündigungsrecht in § 490 Abs. 2 BGB des Regierungsentwurfs zur Schuldrechtsreform – eine gelungene Konstruktion?, ZBB 2001, 335; Marburger, Vorzeitige Darlehensablösung gegen Vorfälligkeitsentschädigung, ZBB 1998, 30; Maul, Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung von Festzinsdarlehen, BB 2000, 2477; Medicus, Anm. zu BGH, Urt. v. 03.02.2004, Az. XI ZR 398/02, EWiR 2004, 733; Melzer, Vorfälligkeitsentschädigung als Gegenanspruch der Bank bei anteiliger Rückzahlung des Disagios ?, BB 1995, 321; Merz, Anm. zu BGH, Urt. v. 30.11.2004, Az. XI ZR 285/03, WuB I E 3-1.05; Metz, Anm. zu BGH, Urt. v. 07.11.2000, Az. XI ZR 27/ 00, ZfIR 2001, 120; Die Vorfälligkeitsentschädigung: Entgelt für die Vertragslösung, Schadensersatz oder kontrollfreier Raum?, ZBB 1994, 205; Metz/Wenzel, Vorfälligkeitsentschädigung, 1996; Mülbert, Anm. zu OLG Stuttgart, Urt. v. 09.12.1998, Az. 9 U 177/98, WuB I G 1-4.99; Die Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung im Recht des „bürgerlichen“ Darlehensvertrags, WM 2002, 465; Nobbe, Der Bundesgerichtshof – Innenansichten zur Struktur, Funktion und Bedeutung, http://www.uni-leipzig.de/bankinstitut/dokumente/2000-01-21-01.pdf; Oechsler, Die Entwicklung des privaten Bankrechts im Jahre 2005, NJW 2006, 1399; Opitz, Vorfälligkeitsentgelt bei vorzeitiger Kredittilgung, Kredit & Rating-Praxis 6/2002, 36; 5/2002, 33; 4/2002, 32; Peters/Wehrt, Der Forward-Darlehensvertrag, WM 2003, 1509; Pleyer, Das Kündigungsrecht nach § 247 BGB und seine Ausnahmen, NJW 1978, 2128; Reich, Die vorzeitige Beendigung von Finanzierungen aus der Sicht des Kreditnehmers, insbesondere des Verbrauchers, in: Bankrechtstag 1996, 1997, S. 43; Reichel, Vorzeitige Rückzahlung verzinslicher Darlehen, Das Recht 1921, 14; Reifner, Die Entschädigung bei vorfälligen Immobiliendarlehen, im Erscheinen; Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen, ZBB 2001, 193; Die Lebensversicherungshypothek als „wirtschaftliche Einheit“, ZBB 1999, 349; Verbraucherschutz und Rückwirkungsverbot in der Rechtsprechung zum Bankvertragsrecht, WM 1996, 2094; Schadensbegriff und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung beim Hypothekenkredit, NJW 1995, 2945; Rechtliche Grundlagen der Vorfälligkeitsentschädigung beim Hypothekenkredit, NJW 1995, 86; Reifner/Brutschke, Gutachten zur Vorfälligkeitsentschädigung, 1994; Rösler, Alternativ oder kumulativ? Die Vorfälligkeitsentschädigung als unendliche Geschichte?, DB 1998, 248; Vorfälligkeitsentgelt bei Festzinskrediten, BB 1997, 1369; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; Schelske, Anm. zu OLG Naumburg, Urt. v. 15.02.2007, Az. 2 U 138/06, EWiR 2007, 519; Schmidt-Lademann, Anm. zu BGH, Urt. v. 01.07.1997, LM § 242 BGB Nrn. 94, 95; Scholz, Die vorzeitige Beendigung von Konsumentenkrediten durch den Kreditnehmer, BB 1979, 188; Seckelmann, Zinsrechnung und Zinsrecht: Der rationale Umgang mit zu verzinsendem Geld – die Leibnitz-Euler-Rechnung, ZVersWiss 2001, 23; Steiner, Anm. zu OLG Stuttgart, Urt. v. 09.12.1998, Az. 9 U 177/98, ZfIR 1999, 675; Tiffe, Anm. zu BGH, Urt.v. 30.11.2005, Az. XI ZR 285/03, VuR 2005, 103; PEX-Renditen kein geeigneter Maßstab für die Vorfälligkeitsentschädigung, VuR 2002, 403; Weber, Das Vorfälligkeitsentgelt bei vorzeitiger Rückzahlung eines Hypothekendarlehens, NJW 1995, 2951; Anm. zu BGH, Urt. v. 30.11.1989, Az. III ZR 197/88, WuB I E 4-5.90; Wegmann, Tilgungsersatz durch Kapitallebensversicherung – Deckungslücke – Schadensersatz – Vorfälligkeitsentschädigung, BKR 2007, 268; Wehrt, Zweifelsfragen der Vorfälligkeitsentschädigung, WM 2004, 401; Vorfälligkeitsentschädigung und Umfinanzierung, WM-Seminar 2002; Preis oder Ersatz des Erfüllungsinteresses: eine rechtsökonomische Analyse vorzeitiger Darlehensablösungen, in: Effiziente Verhaltenssteuerung und Kooperation im Zivilrecht, 1997, S. 108; Vorfälligkeitsentschädigung und Wettbewerb, ZBB 1997, 48; Wenzel, Vorfälligkeitsausgleich bei Nichtabnahme oder vorzeitiger Beendigung langfristiger Hypothekarkredite, ZfIR 2001, 93; Vorzeitige Beendigung von Hypothekardarlehen, WM 1997, 2340; Rechtliche Grundlagen der Vereinbarung eines Vorfälligkeitsentgelts mit Verbrauchern, WM 1995, 1433; Westermann, Anm. zu BGH, Urt. v. 1.7.1997, DZWiR 1998, 27; Wilk, Zinsfortzahlungsklausel und vorzeitige Darlehenstilgung, DB 1991, 1207; Wimmer, Vorfälligkeitsentschädigung: BGH-konformer Nachweis, BKR 2002, 479; Vorfälligkeitsentschädigung und höchstrichterliche Rechtsprechung, Sparkasse 1998, 326; Wimmer/Rösler, Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Beendigung von Darlehensverträgen – Bewertung aktueller Fragen aus rechtlicher und finanzmathematischer Sicht, WM 2005, 1873; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht in der Praxis, WM 2002, 145.
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
419
Inhaltsübersicht A. Nichtabnahme und Entschädigung . . . . . . . . . . . 1 I. Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Kündigung und Nichtabnahme . . . . . . . . . . 3 B. Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. § 247 BGB a. F. für Verträge bis zum 31.12.1987. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. § 609a BGB a. F. für Verträge vom 1.1.1987 bis 31.12.2000 . . . . . . . . . . . 8 1. Lösungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. § 490 II BGB für Verträge ab 1.1.2001 . . . 16 1. Festzinsdarlehen und Grundpfandsicherung. . . . . . . . . . . . . . 18 2. Kündigungsgrund und -erklärung . . . . 19 3. Kündigungsfrist und -folgen . . . . . . . . 21 C. Grundlagen und Berechnung der Entschädigungsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Aktiv/Aktiv-Methode . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Zinsmargenschaden . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Zinsverschlechterungsschaden. . . . . . . 34 3. Alternative oder kumulative Berechnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Aktiv/Passiv-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Anlagetitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Wiederanlage und Berechnung . . . . . . 41 III. Zinsverbesserungsvorteil. . . . . . . . . . . . . . 43 IV. Geschützter Zinszeitraum, Sondertilgung und Abzinsung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
V.
Disagioerstattung, Risikoprämien und sonstige Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Sonderproblem: Vorfälligkeitsentschädigung bei fehlendem Lösungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überprüfung nach § 138 BGB. . . . . . . 2. Angemessenheitskontrolle . . . . . . . . . . D. Rechnungslegung, Abwicklung und Rückforderbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückforderbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ausnahmen und Auswege . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abnahme, Laufzeitverlängerung und Umschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ersatzkreditnehmerstellung. . . . . . . . . . . . III. Vorteilsausgleich durch Ersatzgeschäft. . . IV. Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kündigung des Kreditnehmers . . . . . . 2. Kündigung des Kreditgebers . . . . . . . . V. Rückzahlung ohne Kündigung . . . . . . . . . 1. Leistung nach § 271 II BGB . . . . . . . . 2. Zahlung auf die Grundschuld . . . . . . . VI. Immobiliarkredite mit Kapitallebensversicherung . . . . . . . . . . . . D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 47 49 52 53 53 55 57 58 58 59 61 63 63 66 68 68 69 71 72
Stichwortverzeichnis § 247 BGB a. F.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 § 490 II BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 § 609a BGB a. F.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Abrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Abwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Abzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Aktiv/Aktiv-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Aktiv/Passiv-Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Anlagetitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 f. Auswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 f. Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 f. Bestimmungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Disagioerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ersatzgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Ersatzkreditnehmerstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Festzinsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Grundpfandsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Grundstücksveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Höhere Beleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Kapitallebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Kumulative Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 f.
Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Laufzeitverlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Nichtabnahmeentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . .1 f. Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Risikoprämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Rückforderbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Sondertilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Umschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Unternehmerdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Verbraucherdarlehensverträge . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 f. Vorteilsausgleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Vorzeitige Leistung nach § 271 II BGB . . . . . . . . . 68 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Wiederanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Zahlung auf die Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Zinsmargenschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Zinsverbesserungsvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Zinsverschlechterungsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Zinszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
A. Nichtabnahme und Entschädigung Bei der sog. Nichtabnahmeentschädigung geht es um den Schaden, den das Kreditinstitut dadurch erleidet, dass die Darlehensvaluta durch den Kreditnehmer nicht abgenommen wird. Die Gründe hierfür sind vielfältig (Derleder, JZ 1989, 165 f.), beruhen aber in erster Linie auf einem Widerruf oder einer Kündigung der Bank vor Auszahlung und daneben
Knops
1
420
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
auf einer echten Nichtabnahme oder Kündigung vor Darlehensvalutierung durch den Kunden (dazu unten Rn. 2 f.). Die Nichtabnahmeentschädigung dient dem Ausgleich des Zinsschadens, der dem Kreditgeber hinsichtlich der entgangenen Marge und dem Refinanzierungsschaden nach Ansicht der Rechtsprechung entstehen soll (dazu insbesondere Rn. 23 f.). 2
I. Anspruchsgrundlage. Eine Nichtabnahmeentschädigung kommt in Betracht, wenn sich der private Darlehensnehmer individualvertraglich zur Abnahme des Kapitals verpflichtet hat. Eine formularmäßige Auferlegung einer solchen Pflicht ist nur gegenüber Kaufleuten wirksam (§ 9 Rn. 10). Hinsichtlich der Anspruchsgrundlage der Nichtabnahmeentschädigung ist zu differenzieren: Die Verpflichtung zur Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung beruht auf einer positiven Vertragsverletzung, wenn der Kreditnehmer die Abnahme des Darlehens bereits vor Fälligkeit ernsthaft und endgültig verweigert hat (BGH WM 2006, 429 (430); BGHZ 146, 5 (8) = WM 2001, 20; 2001, 350; 1982, 907 (908)). Nach Fälligkeit der Abnahme soll sich dagegen der Anspruch der Bank aus den §§ 280, 281 II, 323, 324 BGB bzw. § 326 BGB a. F. (BGH WM 2006, 429 (430); BGH WM 1991, 760 m. Anm. Derleder, EWiR 1991, 443) ergeben, eine Hinweispflicht des Darlehensgebers auf die Risiken einer Nichtabnahme bestehe nicht (BGH WM 2006, 429 (431)). Beide Annahmen fordern zum Widerspruch heraus: Beim verzinslichen Darlehen sind nur die Kapitalbelassung auf Zeit und die Zinszahlung synallagmatisch verknüpft (Knops, ZfIR 1998, 577 (579 m. w. N.); die Abnahmepflicht steht nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis und ist deshalb lediglich Nebenpflicht (BGH NJW-RR 1990, 432; Köndgen, S. 74; Derleder, JZ 1989, 165 (168); K. Schmidt, JZ 1976, 756 (758); a.A. Bamberger/ Roth-Rohe, § 488 Rn. 24). Genau besehen könnte damit nur eine analoge Anwendung der genannten Normen in Betracht kommen (Knops, S. 138 Fn. 272) oder aber gleich auf eine positive Forderungsverletzung auszuweichen sein. Ohne eine ausdrückliche Bestimmung im Darlehensvertrag ist die Nebenpflichtverletzung nicht selbständig einklagbar, so dass es bei der Sanktionierung durch Schadensersatzansprüche zwar grundsätzlich bleibt (Derleder, JZ 1989, 165 (169)), aber der Gläubiger eben Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur dieser Pflicht verlangen kann (Huber, § 44 II 2). Nur wenn der Schuldner sich mit einer Hauptleistung in Verzug befindet, kann der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages beanspruchen. Ansonsten wäre auch kein Unterschied zu dem Fall zu erkennen, in dem der Kreditnehmer mit der Hauptpflicht, Zinsen zu zahlen, in Verzug kommt und die Bank dann berechtigterweise nach § 326 BGB a. F. vorgeht. Allerdings kann ohne Auszahlung keine Verzinsung beginnen (h. M.; so auch BGH WM 2006, 429 (431); a. A. Mülbert, WM 2002, 465 (470 f.) mit gewagtem Vergleich zu dem systematisch ganz anderen § 537 I BGB). Anspruchsgrund für das Verlangen einer Nichtabnahmeentschädigung sind daher bei Verzug die §§ 280, 281 BGB bzw. § 286 BGB a. F. bei Altfällen (dazu unten Rn. 8 f.). Danach kann die Bank ihren Verzugsschaden liquidieren und nach Interessenwegfall alternativ Schadensersatz verlangen. Es handelt sich dann bei der Nichtabnahmeentschädigung um entgangenen Gewinn i.S.d. § 252 BGB (BGH WM 2006, 429 (431)). Voraussetzung ist aber immer die vorherige individualvertragliche Festlegung einer Abnahmepflicht.
3
II. Kündigung und Nichtabnahme. Bei Darlehen, die in der Form eines sog. „Krediteröffnungsvertrages“ gewährt werden, steht dem Kreditnehmer der Abruf des Darlehens frei. Eine über die üblicherweise vereinbarte Bereitstellungsprovision hinausgehende Nichtabnahmeentschädigung darf dann vom Kreditgeber nicht verlangt werden (Huber, § 6 III 3 Fn. 61). Auch in allen übrigen Darlehensverträgen ist der Schuldner bei Nichtabnahme des Darlehens im Zweifel nicht zur Zahlung der Vertragszinsen, sondern nur der regelmäßig niedriger liegenden sog. Bereitstellungszinsen verpflichtet, soweit diese – wie
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
421
formularmäßig häufig – wirksam vereinbart worden sind (BGH WM 1978, 422 (423)). Bei diesen handelt es sich nicht um Zinsen im eigentlichen Sinne (§ 11 Rn. 2), sondern um die Gegenleistung des Darlehensnehmers dafür, dass die Bank die versprochenen Darlehensmittel während der Zeit, bis zu dem der Abruf möglich ist, bereit hält (BGH NJW-RR 1986, 467 (487); KG WM 2001, 2204 (2205)). Voraussetzung für die Geltendmachung einer Nichtabnahmeentschädigung ist vielmehr, dass der Gläubiger den Darlehensvertrag vor Valutierung wirksam nach § 490 I BGB kündigt oder der Kreditnehmer die Abnahme ernstlich und endgültig verweigert, woran angesichts der (finanziellen) Folgen hohe Anforderungen zu stellen sind. Nach altem Recht war demgegenüber vor Überlassung der Valuta keine Kündigung durch den Darlehensgeber möglich (BGH WM 1983, 358), nur Widerruf des Darlehenversprechens nach § 610 BGB a. F.
B. Vorfälligkeitsentschädigung
4
Wesentlich komplexer ist die Rechtslage nach Valutierung, wenn zumeist auf Wunsch des Kreditnehmers das Darlehen vorzeitig beendet werden soll. Dabei haben Immobiliarkredite, mit denen oft der Grundstückserwerb an sich oder Baumaßnahmen finanziert werden, eine überragende wirtschaftliche Bedeutung. Bedingt durch die Langfristigkeit derartiger Verträge, die nicht selten eine Laufzeit von mehreren Jahrzehnten aufweisen, ändern sich häufig die Bedingungen unter denen der Vertrag begründet worden ist. Ein typischer Fall ist daher seit Jahrzehnten, dass viele Kreditnehmer während der Vertragslaufzeit aufgrund Arbeitsplatzwechsels oder -verlustes, Einkommenseinbußen, familiären Veränderungen oder Ähnlichem genötigt sind, das beliehene Grundstück zu veräußern und den Kreditvertrag vorzeitig zu beenden oder zu versuchen, ihre Kreditierung auszuweiten, was oftmals von der Hausbank verweigert wird. Die Rechtslage differiert, je nachdem, wann der Kreditvertrag geschlossen wurde: Für Verträge bis zum 31.12.1987 gilt nach wie vor § 247 a. F.; für fortlaufende Kreditverträge vom 1.1.1987 bis 31.12.2000 § 609a BGB a. F. und seit dem 1.1.2001 die Regelung des § 490 II BGB. I. § 247 BGB a. F. für Verträge bis zum 31.12.1987. Nach dem unabdingbaren § 247 BGB a. F. können Kredite, die vor dem 1.1.1987 abgeschlossen wurden und mit mehr als 6,0 % per anno zu verzinsen sind, nach dem Ablauf von sechs Monaten jederzeit unter Einhaltung einer Frist von weiteren sechs Monaten gekündigt werden, ohne dass der Kreditgeber die Annnahme der Valuta verweigern noch einen Betrag für die vorzeitige Rückzahlung verlangen darf (BGHZ 111, 287 = NJW 1990, 2250; 79, 163 = JZ 1981, 312). Zahlt der Kreditnehmer eine geforderte Vorfälligkeitsentschädigung nicht, steht der Bank kein Zurückbehaltungsrecht an den bei Darlehenshingabe gewährten Sicherheiten zu (Pleyer, NJW 1978, 2128). Vielmehr würde sich die Bank bei einer Verweigerung der Grundschuldfreigabe wegen positiver Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig machen.
5
Bei Abschnittsfinanzierungen verbleibt es unter Berücksichtigung des Anlasses der Eingehung der Kreditverbindlichkeit und der Ratio der Übergangsregeln selbst dann bei der Anwendbarkeit des § 247 BGB a. F. und dem Ausschluss einer Vorfälligkeitsentschädigung, wenn die Änderungen Vereinbarungen über Kündigung, Rückzahlungsort oder -zeit oder den Vertragszins betreffen. Auch ein Austausch von Sicherungsobjekten oder zusätzlichen Sicherheiten ändert an dem Charakter des Vertrages nichts (AG Köln WM 2002, 2244). Liegt dagegen eine ganz umfassende Änderungs- oder Prolongationsvereinbarung hinsichtlich eines vor dem 1.1.1987 geschlossenen Darlehensvertrages vor, führt dies, soweit die Fälligkeit neu bestimmt wird, zum Ende des ursprünglichen Darlehens und zu einem Neuvertrag mit Anwendung des § 609a BGB a. F. (Hopt/Mülbert, § 609a Rn. 53) oder § 490 BGB. Ist aber im Vorhinein vereinbart, dass die Kreditgewährung über
6
Knops
422
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
den Zeitpunkt der Konditionenanpassung hinausgeht, verbleibt es bei der Anwendbarkeit des § 247 BGB a. F., weil die Valuta nach dem Vertragsprogramm nicht fällig zu stellen ist. 7
Sinn und Zweck der Vorschrift des § 247 BGB a. F. war, den Schuldner gegen übermäßige Zinsen und die wirtschaftliche Übermacht des Gläubigers zu schützen (Staudinger-K. Schmidt, 12. Aufl., § 247 Rn. 2, 23; MünchKommBGB-Maydell, 2. Aufl., § 247 Rn. 17). 1987 wurde diese verbraucherschützende Regelung mit der Mehrheit der damaligen Regierungskoalition auf Druck der Banken (MünchKommBGB-Westermann, 3. Aufl., § 609a Rn. 1 m. w. N.) und mit Unterstützung mancher Autoren (vor allem Canaris, WM 1982, 254; WM 1978, 686 (687)) abgeschafft.
8
II. § 609a BGB a. F. für Verträge vom 1.1.1987 bis 31.12.2000. Stattdessen wurde § 609a BGB a. F. eingeführt, nach dem grundpfandlich gesicherte Kredite erst nach Ablauf der meist zehn Jahre dauernden Zinsbindungsfrist kündbar sind. Für die Bereitschaft zur vorzeitigen Valutaannahme verlangten die Banken sodann überwiegend ganz erhebliche Vorfälligkeitsentschädigungen, deren Grund und Höhe oftmals entweder überhaupt nicht oder nur unzureichend erläutert wurden. Dabei belief sich die Verjährung auf 30 Jahre (§ 195 BGB a.F., vgl. BGH WM 2006, 429 (431)). Als noch krassere Reaktion verweigerten die Kreditinstitute teilweise aber auch die Annahme der Valuta überhaupt, meist mit dem Hinweis auf ein fehlendes Kündigungs- oder Beendigungsrecht des Darlehensnehmers, mit dem Effekt, dass das Grundstück häufig unveräußerlich wurde. Damit erzwangen die Banken die Zahlung von Beträgen, die nach einer Untersuchung durchschnittlich um 50 % über den nach schadensrechtlichen Grundsätzen ermittelten Beträgen lagen (Wehrt, in: Ott/Schäfer, S. 108) und daher oft „willkürlich“ waren (Reifner, WM 1996, 2094 (2097); NJW 1995, 86 (87); Fleischer, Kreditpraxis 1995, 12 f.). Insbesondere bei Eintreten wirtschaftlicher Not auf Seiten des Kreditnehmers erhoben sich daher früh Stimmen, die ein vorzeitiges Lösungsrecht aus dem Kreditvertrag befürworteten (vor allem Reifner, S. 240 ff.). Als der Missbrauch rasant anstieg und diese Auffassung von Verbraucherseite (u. a. Metz, ZBB 1994, 205) Unterstützung bekam, reagierte eine Vielzahl von Bankvertretern (u. a. Wenzel, WM 1995, 1433; 1997, 2340; ZfIR 2001, 93; Lang/ Beyer, WM 1997, 897; Rösler, BB 1997, 1369; Marburger, ZBB 1998, 30; Früh, NJW 1999, 2623; Heymann/Rösler, ZIP 2001, 441) – in den Fachzeitschriften oft nicht als solche erkennbar –, hielten zumeist unisono den Grundsatz der Vertragstreue hoch und verteidigten die Praxis der sog. „Aufhebungsverträge“. Ausgewogene Stellungnahmen Dritter (u. a. Köndgen, in: Ott/Schäfer, S. 135 f.; Maul, BB 2000, 2477; Knops, ZfIR 2001, 438; Mankowski/Knöfel, ZBB 2001, 335), die sich um einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen bemühten, waren selten. Der auch in den Unterinstanzen spürbare Problemdruck erfuhr zunächst durch zwei Entscheidungen des BGH vom 1.7.1997 eine deutliche Entlastung, in denen für zwei – allerdings recht eng umrissene – Fallgruppen der Grundstücksveräußerung und der Verweigerung der weiteren Kreditaufnahme dem Kreditnehmer die Möglichkeit zur vorzeitigen Rückzahlung der Valuta zugestanden wurde (BGHZ 136, 161 = WM 1997, 1747 u. 1997, 1799). Damit war zuerst das „Ob“ der vorzeitigen Kreditbeendigung geklärt, obgleich es durch die Urteile in dogmatischer Hinsicht zu neuen Unklarheiten kam (Köndgen, ZIP 1997, 1645; ebenso Canaris, FS Zöllner, S. 1055 (1058)). Zugleich blieben zahlreiche Fragen – vor allem über das „Wie“ der Entschädigung bezüglich Rechtsnatur, Berechnung und Rückforderung – offen, die nur detailweise mit den bislang letzten Entscheidung des BGH (WM 2003, 1261; BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20) beantwortet wurden (dazu unten Rn. 23 f.). Bankseitig wurden die Grundsatzentscheidungen in offensichtlicher Verkennung der Realität als überflüssig angesehen (Früh, NJW 1999, 2623 (2626)) oder als Einzelentscheidungen deklariert und die Übertragbarkeit auf gleich gelagerte Fälle abgelehnt (Krüger, WM
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
423
1999, 1402 (1403 Fußn. 4 m. w. N.)). Presseberichten zufolge, ignorieren denn auch immer noch mehr als 80 % der Kreditinstitute die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung („Weg mit teuren Hypotheken“ unter http:// finanzen.focus.msn.de/D/ DJ/DJ13/dj13.htm) – ein Zustand der auch bei unzulässigen Bankentgelten vielfach verbreitet ist (Nobbe, Der Bundesgerichtshof, S. 1 (5)). Dabei handelt es sich bei den Verträgen, die in der Zeit vom 1.1.1987 bis 31.12.2000 abgeschlossen wurden, um die mit Abstand größte Gruppe derzeit laufender Engagements, wobei auch bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen nachträglich überprüft werden können. Im Einzelnen: 1. Lösungsrecht. Nach der zum alten Recht entwickelten Ansicht des BGH steht dem Kreditnehmer unter bestimmten Vorrausetzungen kein Anspruch auf Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung, sondern lediglich ein „Anspruch auf Modifizierung des Vertragsinhaltes ohne Reduzierung des Leistungsumfanges“ zu. Dieser liege in der Beseitigung der vertraglichen Erfüllungssperre, d. h. in einer Vorverlegung des Erfüllungszeitpunktes mit der Folge, dass der Kreditnehmer seine Verbindlichkeit vorzeitig erfüllen könne (BGHZ 136, 161 = WM 1997, 1747). Genau besehen beinhaltet die Annahme des BGH einen tautologischen Schluss, da bei Vorverlegung des Erfüllungszeitraumes die Leistung des Kreditnehmers gerade nicht vorzeitig sein kann. Mit der bisherigen Dogmatik lässt sich ein Lösungsrecht ebenfalls nicht vereinbaren (Knops, S. 142 f.), so dass insbesondere die Konstruktion einer „Anpassung des Erfüllungszeitraumes“ mit den überwiegenden Stimmen aus Wissenschaft (Köndgen, ZIP 1997, 1645; Medicus, EWiR 1997, 921 (922)) und Banken (Wenzel, ZfIR 2001, 93 (96); Früh, NJW 1999, 2623 (2626); Marburger, ZBB 1998, 30 (31)) mangels hinreichender Begründung und dogmatischer Verankerung abzulehnen ist, was den BGH in den jüngsten diesen Themenkomplex betreffenden Entscheidungen aber auch nicht veranlasst hat, eine Präzisierung der schwierigen normativen Anknüpfung herbeizuführen (s. BGH WM 2003, 1261; BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20). Nach wie vor bleibt klärungsbedürftig, ob es einen derartigen Lösungsanspruch bei allen Dauerschuldverhältnissen geben oder ob dieser Anspruch auf Immobiliarkreditverhältnisse beschränkt bleiben soll (Medicus, EWiR 1997, 921 (922)). Soweit man mit dem BGH eine Lösung der aufgezeigten Problematik mittels der herkömmlichen Vertragsbeendigungsinstrumente verneinen will, kommt nur ein Rückzahlungsrecht sui generis in Betracht (Knops, S. 144; Derleder/Beining, ZBB 2001, 1 (2)), weil nach Ansicht des BGH der Primäranspruch des Kreditgebers auf Erfüllung unberührt bleiben soll.
9
Obwohl dem schon § 301 BGB entgegensteht, ist unter diesen Prämissen des BGH in den betreffenden Altfällen als rechtsdogmatische Grundlage der Vorfälligkeitsentschädigung § 324 BGB a. F. anzusehen: Mit dem aus § 242 BGB (Nobbe, Rn. 703) – zutreffend fürwahr aus § 271 II BGB (Knops, VuR 2001, 239 f.) – hergeleiteten Recht des Kreditnehmers auf vorzeitige Rückzahlung endet die Valutaüberlassung durch den Kreditgeber und damit auch wegen der synallagmatischen Verknüpfung von Kapitalbelassung und Zinspflicht zum einen und aufgrund des geltenden zinsrechtlichen Akzessorietätsprinzips zum anderen, dessen Vergütungsanspruch wegen der Zinsen (Knops, ZfIR 1998, 577 (580 m. w. N.). Da der Darlehensnehmer aber nach Ansicht des BGH diesen Kapitalrückfluss zu vertreten habe, weil das Verwendungsrisiko des Darlehens allein in seinen Bereich falle (BGHZ 136, 161 = WM 1997, 1747), kann der Zinsanspruch des Gläubigers als Primäranspruch nur nach § 324 I 1 BGB a. F. fortbestehen. Nach § 324 I 2 BGB a. F. muss sich die Bank dasjenige anrechnen lassen, was sie infolge der Befreiung erspart oder durch anderweitige Verwendung erwirbt oder zu erwerben unterlässt. Sie erhält somit nicht die gesamten vertraglich vereinbarten Zinsen, sondern den abgezinzten und unter Berücksichtigung einer Wiederanlage der vorzeitig zurückgeflossenen Valuta geminderten Betrag.
10
Knops
424
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Wenn aber der Kreditnehmer schuldhaft weder den Rückfluss des Kapitals noch die Unmöglichkeit der den Kreditgeber treffenden Überlassungspflicht zu vertreten hat, ergibt sich die Rechtsfolge aus § 323 I BGB a. F., wonach der Kreditgeber als der eine Teil den Anspruch auf die Gegenleistung des Kreditnehmers als den anderen Teil, nämlich den Zinszahlungsanspruch verliert. Ansonsten ist § 325 BGB a. F. einschlägig (Knops, S. 198; so wohl auch Huber, § 2 V 4, § 46 IV 3). 11
2. Fallgruppen. In folgenden Fällen kommt ein Lösungsrecht des Kreditnehmers in Betracht: a) Grundstücksveräußerung. Ein Anspruch auf Vertragsaufhebung gegen Valutarückerstattung und Vorfälligkeitsentschädigung besteht meist in Fällen geplanter Grundstücksveräußerung (BGHZ 136, 161 (166) = WM 1997, 1747). Das Lösungsrecht folgt vor allem aus der notwendigen Erhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit und Eigentumsfreiheit des Kreditnehmers, hinter dem das Interesse des Kreditgebers an dem Vertrag festzuhalten, zurückstehen muss (im Einzelnen Knops, S. 117 ff.). Voraussetzung ist, dass die Ablösung des Kredits nebst Lastenfreistellung erforderlich sein muss, um den Verkauf zu ermöglichen (BGH WM 2003, 1261 (1262)). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Käufer das Darlehen nicht übernehmen oder das Grundstück nur lastenfrei erwerben will. Weshalb der Kreditnehmer sein Grundstück veräußern will, ist unerheblich. Mit dem Auflösungsverlangen muss der Darlehensnehmer gegenüber dem Kreditinstitut seine Verkaufsabsicht nachweisen. Dies geschieht entweder durch Benennung eines Käufers, der aber wegen der absoluten Üblichkeit nicht noch gesondert bestätigen muss, dass er das Darlehen nicht übernimmt oder nur lastenfrei kaufen will. Mittels der Kaufvertragsurkunde kann der Kreditnehmer nachweisen, dass der Kaufpreis die Ablösesumme der Bank abdeckt. Eine Bestätigung des beurkundenden Notars ist aber ebenfalls ausreichend. Ist noch kein Käufer gefunden, kann die Verkaufsabsicht auch durch Vorlage eines Maklervertrages unterlegt werden. Eine Vertragsauflösung nebst Grundpfandrechtsfreigabe ist dann aber zumeist faktisch nicht möglich, da erst aus dem Kaufpreis die Ablösebeträge getilgt werden können. Sind Drittmittel vorhanden, sollte eine Ablösung nicht scheitern, wenn nur das Grundstück verwertet wird. Ein vorzeitiges Tilgungsrecht besteht auch dann, wenn ein Kreditnehmer seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück, zu dessen Finanzierung das Darlehen bestimmt war, auf den anderen Eigentümer übertragen will (LG Bremen VuR 2000, 350). Eine berechtigte Verwertung liegt auch vor, wenn das betroffene Objekt im Rahmen einer Erbauseinandersetzung veräußert (Böhm, ZEV 2002, 337) oder aber auch nur aufgeteilt wird und die Last auf mehrere Schultern verteilt werden soll.
12
Das Lösungsrecht besteht nicht nur bei der Veräußerung persönlich genutzter Grundstücke, sondern findet auch bei gewerblichen Objekten Anwendung. Bei der Vertragsauflösung geht es wesentlich um die Gewährleistung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit nach § 1136 BGB, wonach nicht zwischen privaten oder gewerblichen Eigentümern differenziert wird. Gewerblich genutzte oder Gewerbetreibenden gehörende Grundstücke unterliegen auch im Sachenrecht keinen Sonderregelungen, so dass auch bei diesen eine außerplanmäßige Grundpfandkreditablösung möglich sein muss. Ist das Grundstück schon veräußert, soll es nach Ansicht des BGH keinen Grund mehr für die vorzeitige Kreditauflösung geben (BGH WM 2003, 1261 (1262)). Eine Umschreibung trotz bestehender Grundpfandrechte ist zwar grds. möglich. Darauf lassen sich Käufer aber regelmäßig nicht ein. Gleichwohl liegt auch bei einer Parteivereinbarung, welche die Reihenfolge von Umschuldung und Umschreibung umkehrt, noch eine Verwertung des Grundstücks vor, die den Kreditnehmer zur vorzeitigen Beendigung des Immobiliarkreditvertrages gegen Vorfälligkeitsentschädigung berechtigt. Günstige Veräußerungs-
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
425
möglichkeiten erfordern eben oft schnelles Handeln, ohne dass dadurch das überwiegende Interesse des Kreditnehmers zugunsten der Banken verschoben oder gar aufgehoben werden würde. b) Höhere Beleihung. Wenn der Eigentümer das Grundstück für eine weitere Kreditaufnahme benötigt, wird ihm ebenfalls ein Recht zu der Lösung vom Vertrag zugestanden (BGH WM 1997, 1799). Erforderlich ist damit der Wunsch des Kreditnehmers, das Grundstück zur Absicherung eines erheblich umfangreicheren, bei der bisher finanzierenden Bank nicht erhältlichen Darlehens zu verwenden. Der Grund für die weitere Finanzierung ist auch hier unerheblich, da wiederum die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Grundstückseigentümer auf dem Spiel steht. Faktische, nicht rechtliche Voraussetzung der Ablösung ist eine Kreditzusage eines anderen Darlehensgebers. Allerdings kann ein Missbrauch vorliegen, wenn an den Darlehensgeber unrealistische und überzogene Kreditanfragen herangetragen werden, um dessen Negierung zu provozieren und daraus wiederum ein Auflösungsrecht herzuleiten. Allerdings kann es nicht auf die Vorstellungen der Bank ankommen, welcher Kreditbetrag noch realistisch ist. Er wird vielmehr objektiv hinsichtlich des Nominalbetrages durch den Wert des belasteten Grundstücks oder des Nominalbetrages der eingetragenen Grundpfandrechte bestimmt, wobei es auf gesetzliche Beleihungsgrenzen oder bankinterne Beleihungsrichtlinien nicht ankommen kann. Es geht um den realisierbaren Wert des Objekts als Sicherheit. Hält sich die Kreditanfrage in diesem (ggf. durch Sachverständigengutachten zu ermittelnden) Rahmen, kann von einem Missbrauch nicht die Rede sein.
13
c) Weitere Gründe. Fraglich bleibt, ob darüber hinaus auch ein genereller Umschuldungswunsch den Kreditnehmer, auch ohne Grundstücksverwertung zur außerplanmäßigen Ablösung berechtigt. Dies wäre für ihn vor allem dann interessant, wenn das Zinsniveau gegenüber dem abgeschlossenen Vertrag soweit absinkt, dass ein Neuabschluss sich auch dann wirtschaftlich lohnen würde, wenn der Kreditnehmer sein Disagio verliert, zu einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet wird und zudem die sonstigen anfallenden Transaktionskosten zu tragen hat. Ein schützenswertes Interesse an der vorzeitigen Ablösung ist in diesem Fall regelmäßig nicht erkennbar, auch wenn sich Zinssatzveränderungen von wenigen Zehntelprozenten zu erheblichen absoluten Beträgen addieren können. Demgegenüber ist zu berücksichtigen, dass der Kreditnehmer bei Zinssteigerungen durch die Festzinsbindung vor höheren Kosten (zum Nachteil der Bank) geschützt wird. Eine Verweigerung des Auflösungsverlangens durch die Bank gegenüber dem Kreditnehmer stellt daher im Normalfall keine unangemessene Härte dar. Fließen dem Kreditnehmer freie oder zusätzliche Mittel (etwa durch eine Erbschaft oder den Verkauf eines anderen Grundstücks) zu, hat dies mit der Realisierung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit oder einer sozialen Notlage nichts zu tun. Aus diesem Grund kann er das Darlehen nicht vorzeitig bedienen (BGH WM 2003, 1261 (1262 m. w. N.); OLG Köln WM 1999, 1167) – s. aber Rn. 19.
14
Zu diskutieren ist schließlich, ob das Scheitern des finanzierten Projekts (Grundstückserwerb, Hausbau etc.) den Kreditnehmer dazu berechtigen kann, von der Bank die vorzeitige Beendigung oder gar Rückgängigmachung des Kreditvertrages zu verlangen. Scheitert der Finanzierungsgrund, ist der Kreditnehmer in der Regel nicht nur dazu verpflichtet, die veranlassten Vertragskosten zu tragen, sondern für die nicht abgenommene Valuta zunächst Bereitstellungszinsen und später ggf. eine Nichtabnahmeentschädigung zu zahlen, die das gesamte bereinigte Zinsinteresse der Bank umfasst. Ist das Darlehen nich valutiert, entsteht kein Zinsanspruch der Bank. Auch bei individualvertraglich vereinbarter Nichtabnahmeentschädigung den Kreditnehmer für den gesamten Zeitraum der Zinsbindung auch mit der Grundschuld haften zu lassen, ohne dass er nur einen Cent der
15
Knops
426
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Valuta erhalten hat und ihn keinerlei Verschulden an dem Nichtzustandekommen des finanzierten Geschäfts trifft, ist nicht allein mit der bloßen Berufung auf die Grundsätze der Vertragsfreiheit zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen Kreditnehmer eine Finanzierung nur über diese eine Bank möglich gemacht wurde oder das Institut über seine Kreditnehmerrolle in Bezug auf das Projekt hinaus tätig geworden ist oder Vertrauen in Anspruch genommen hat. Im Übrigen haben die Rechtsgrundsätze zur Vermeidung von Übersicherungen dafür zu sorgen, dass den Banken aus dem Fehlschlagen des Finanzierungsprojektes keine ungerechtfertigten Vorteile auch in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht erwachsen. 16
III. § 490 II BGB für Verträge ab 1.1.2001. Die bisherige Rechtsprechung zur vorzeitigen Immobiliarkreditbeendigung ist im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung in § 490 II BGB im Wesentlichen – jedenfalls nicht weiter als bisher – kodifiziert worden. Der Gesetzgeber wollte hierzu ausdrücklich eine inhaltliche Änderung der Rechtslage nicht herbeiführen, sondern lediglich größere Rechtsklarheit für den Rechtsanwender schaffen (Begr. RegE, BR-Drs. 338/01, S. 690; Fraktionsentwurf, BT-Drs. 14/6040, S. 254 f.; BTDrs 14/7052, S. 200). Danach kann der Darlehensnehmer den Grundpfandkredit kündigen, wenn seine berechtigten Interessen, insbesondere die anderweitige Verwertung des Haftungsobjekts, dies gebieten. Dann hat er dem Gläubiger den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Nochmalige Klarstellung hat die gesetzgeberische Lösung hinsichtlich der Natur des zu leistenden Ersatzes an den Gläubiger gebracht. Es handelt sich um Schadensersatz (so bereits BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20; NJW 1998, 592 (593)), nicht um eine Aufopferungsentschädigung (MünchKommBGB-Berger, § 490 Rn. 34, nur in ihrer Ausgestaltung den Grundsätzen des Schadensrechts folgend), ein „Auflösungsentgelt“ oder Ähnliches. Anders als der BGH, hat sich der Gesetzgeber beherzt für die Konstruktion des Beendigungsrechts als außerordentliches Kündigungsrecht entschieden. Darin liegt der gegenüber der unbefriedigenden dogmatischen Lösung des BGH zutreffendere Ansatz, für den Kreditnehmer mit Verwertungsabsicht ein Lösungsrecht und zugleich für die Banken dem Grunde nach (zur Höhe Rn. 23 f.) eine Kompensation für tatsächlich erlittene Verluste zu schaffen. Damit wird erstmals bei einem Dauerschuldverhältnis gesetzlich festgeschrieben, dass der Kündigende, obwohl ihm ein wichtiger Grund zur sofortigen Vertragsauflösung zusteht, dem Gläubiger für die Vertragsauflösung Schadensersatz leisten muss. Für den auf Austausch von Einzelleistungen angelegten Werkvertrag bestimmt § 649 BGB die Zahlung der (ggf. herabzusetzenden) Vergütung trotz Kündigung; § 122 BGB normiert eine Schadensersatzpflicht des Anfechtenden. Ob angesichts dessen eine derartige verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht gleich „systemfremd“ (Reifner, ZBB 2001, 193 (200)) oder „systemwidrig“ (Köndgen, WM 2001, 1637 (1644)) ist, mag bezweifelt werden, wenn der Gesetzgeber – wie zuvor die Rechtsprechung – ein einseitiges Leistungsrecht nur gegen Gegenleistung gewähren will und auch schon vorher nur in (allerdings situationsspezifisch verallgemeinerungswürdigen) Einzelfällen angenommen wurde, dass auch der Kündigende zur Kompensation der Vermögenseinbußen des Kündigungsempfängers verpflichtet sein kann (vgl. die Zusammenstellung bei Oetker, S. 190 ff.).
17
Wie sich aus der Zusammenschau mit § 489 I Nr. 2 BGB ergibt, ist das Recht nach § 490 II BGB als besondere außerordentliche Kündigung notwendig unabdingbar für Verbraucher, also weder durch AGB (Rösler/Wimmer/Lang, S. 83) noch individualvertraglich ausschließbar (so auch Mankowski/Knöfel, ZBB 2001, 335 (351); a. A. Mülbert, WM 2002, 465 (475) in unzutreffender Einordnung als Sonderregelung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage). Die Unwirksamkeit eines formularmäßigen Ausschlusses soll trotz Nichtbenennung der Norm in § 507 BGB auch für Existenzgründer gelten (Jauer-
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
427
nig-Berger, § 490 Rn. 8). Im Fall des § 490 II BGB sind die Kündigungsvoraussetzungen folgende: 1. Festzinsdarlehen und Grundpfandsicherung. Voraussetzung ist nach § 490 II 1 BGB wie bei § 609a I Nr. 3, II BGB a. F. zunächst, dass bei dem Darlehen für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart ist und das Darlehen durch ein Grund- oder Schiffpfandrecht gesichert ist. Ob letztgenanntes Kriterium bereits erfüllt ist, wenn die grundpfandliche Sicherung lediglich vereinbart worden ist (OLG Stuttgart WM 1999, 1007 m. zust. Anmn. Steiner, ZfIR 1999, 675, Frisch, EWiR 1999, 1047 und Mülbert, WuB I G 1-4.99; Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 609a Rn. 33; Palandt-Weidenkaff, § 489 Rn. 7; Heymann, BB 1987, 415 (419); Weber, WuB I E 4.-5.90 und wohl auch KG WM 2001, 2204; dagegen Dörrie, ZfIR 2002, 89 (90) u. Bülow, WM 2001, 2225), bleibt umstritten und gewinnt besondere Aktualität bei dem sog. Forward-Darlehen, bei denen die besondere Gefahr besteht, das durch das Hinausschieben von Kreditauszahlung die vom Gesetzgeber mit 10 Jahren vorgesehene Obergrenze der Vertragsbindung ohne Kündigungsmöglichkeit umgangen wird. Nach dem Wortlaut des § 490 II BGB beginnt der Kündigungsauschluss erst (und endet spätestens nach zehn Jahren), wenn das Grundpfandrecht tatsächlich eingetragen wurde; es kommt somit auf das Bestehen der Sicherung an (MünchKommBGB-Westermann, 3. Aufl., § 609a Rn. 27; Hopt/Mülbert, WM 1990, SB 3, S. 3 (14); Häuser/Welter, NJW 1987, 17 (20)). Systematisch wird zudem in der Gesetzgebung klar zwischen einem tatsächlich gesicherten Anspruch einerseits und einer (noch) zu sichernden Forderung andererseits unterschieden. Wenn der Gesetzgeber bereits die Vereinbarung eines Grundpfandrechts als ausreichend angesehen hätte, dürfte es im Gesetzestext nicht heißen „gesichert ist“, sondern vielmehr „vereinbart worden ist“ oder wie in § 492 I a S. 2 BGB „von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird“, wo es auf den Willen des Kreditgebers ankommt, das Darlehen mit einer dinglichen Sicherung zu verknüpfen. Bei § 490 II BGB, wie auch bei der vorherigen Regelung des § 609a BGB a. F. kommt es hingegen auf den tatsächlichen Zustand und eben nicht auf die vertragliche Vereinbarung an. Wenn der Gesetzgeber anderer Auffassung wäre, hätte er bei Neuschaffung des § 490 II BGB und insbesondere des § 492 I a BGB die Differenzierung aufgeben oder einheitlich die Abhängigkeit der Sicherung vom Willen der Parteien verbindlich festschreiben können. Durch die bewusst differenzierte Formulierung des Gesetzgebers wird das Gegenteil bestätigt. Die Interessen des Gläubigers bei Nichtentstehen des Grundpfandrechts werden dadurch gewahrt, dass er zur Auszahlung der Valuta nicht verpflichtet ist, weil die Sicherheitenbestellung zumeist konditional mit der Darlehenszusage verknüpft wird (Knops, ZfIR 1998, 577 (578)). Ist das Darlehen hingegen bereits valutiert und fällt die Sicherung später weg, wird der Bank ein vertraglicher Sicherungsbestellungsanspruch zugestanden. Entscheidend ist somit allein der tatsächliche Zustand (im Einzelnen Knops/Stempel, ZfIR 2000, 769 f.; zust. Bülow, VerbrKrG, § 504 Fn. 47; Antrag beim Grundbuchamt ausreichend MünchKommBGBWestermann, 3. Aufl., § 609a Rn. 27; Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 83 Rn. 152; Häuser/Welter, NJW 1987, 17 (20); Kollhosser/Schweitzer, JA 1987, 345 (348)). Dies gilt gleichermaßen für Verbraucher-, Unternehmer- oder Forward-Darlehen, wobei insbesondere bei letztgenannten so ausgeschlossen wird, dass der Kreditnehmer nicht über die Forwardzeit mehr als zehn Jahre an den Kreditvertrag gebunden bleibt – und nicht bis zu fünf (!) Jahre länger (a. A. unter Missachtung von Wortlaut und ratio der §§ 489 I Nr. 3 und 1136 BGB Peters/Wehrt, WM 2003, 1509 (1512)). Für eine Vollbesicherung muss der Kredit zudem auch der Höhe nach tatsächlich durch das Grundpfandrecht gesichert, die vorhandene Sicherung also vollwertig sein (Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 609a Rn. 33; Soergel-Häuser, 12. Aufl., § 609a Rn. 14). Andernfalls kann der Kreditnehmer teilweise kündigen.
Knops
18
428
19
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
2. Kündigungsgrund und -erklärung. Unter Einhaltung der Frist des § 489 I Nr. 2 BGB ist der Kreditnehmer zur Kündigung berechtigt, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. Als ein solches wird in § 490 II S. 2 BGB ausdrücklich die anderweitige Verwertung der beliehenen Sache und somit als Kündigungsgrund anerkannt. Damit ist insbesondere der Verkauf und die höhere oder anderweitige Belastung bei einem anderen Sicherungsnehmer gemeint, wozu der bisherige Gläubiger in die Löschung des bestellten Grundpfandrechts einwilligen muss. Der Grund für die Verwertungsabsicht ist schon nach dem Gesetzeswortlaut gleichgültig (Palandt-Weidenkaff, § 490 Rn. 12). Allein deswegen muss dessen Ursache dem Kreditnehmer auch nicht bei Vertragsschluss unbekannt gewesen sein (a. A. ohne Begründung Jauernig-Berger, § 490 Rn. 10). Dies zeigt sich zudem daran, dass der Kreditnehmer nicht einmal den Grund für die Verwertungsabsicht in seiner Kündigung angeben muss (BGHZ 161, 196 = WM 2005, 322 (323); BGHZ 158, 11 = WM 2004, 780 (781)), sondern nach dem Gesetzeswortlaut darauf bestehen kann, das Grundstück gegen Rückgewähr der Valuta und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung lastenfrei veräußern zu können. Aus diesem Grund bleibt auch für eine entsprechende Anwendung des § 314 III BGB (so wiederum ohne Begrünung Jauernig-Berger, § 490 Rn. 10) kein Raum, wonach der Berechtigte nur innerhalb angemessener Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund erfahren hat. Der (künstliche) Aufbau von derartigen „Kündigungshemmern“ ist abzulehnen und wird vom Gesetz auch nicht gedeckt. Bei Vollkompensation hat der Gläubiger daran nicht einmal ein billiges Interesse. Dadurch, dass in § 490 II 2 BGB die Verwertung der beliehenen Sachen nur exemplarisch („insbesondere“) genannt ist, bleiben weitere Fallgruppen offen, nach denen dem Kreditnehmer ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Vertragsauflösung zustehen kann. Die in Betracht kommenden Fallgruppen sollen dabei mit dem Verwertungsinteresse vergleichbar sein (BT-Drucks. 14/6040, S. 254).So soll etwa kein berechtigtes Interesse vorliegen, wenn der Darlehensnehmer lediglich kündigen will, um ein Neudarlehen von einem Dritten zu einem (auch wesentlich) niedrigeren Zins zu erhalten (OLG Naumburg WM 2007, 1923 = WuB I E 1-1.08 (Freitag); LG Magdeburg, Urt. V. 19.09.2006, Az. 10 O 630/06 (abrufbar bei www.juris.de); LG München I WM 2004, 626; Schelske, EWiR 2007, 519 (520); Becher/Lauterbach, WM 2004, 1163 (1166 ff.) m.w.N.; Palandt-Weidenkaff, § 490 Rn. 12; Münchener Kommentar-Berger, § 490, Rn. 29 m.w.N.; a.A. noch Palandt-Putzo, 62. Aufl. 2003, § 409 Rn. 12)., was angesichts der erforderlichen Verwertungsintention nicht gerechtfertigt erscheint (oben Rn. 14). Ein Gegensatz zwischen dem Interesse der Bank an kongruenter Refinanzierung und einem „rein kapitalistischen Interesse des Darlehensnehmers“ (so Becher/Lauterbach, WM 2004, 1663 (1667)) gibt es nicht. Die Bank erhält über die Vorfälligkeitsentschädigung ihr (abgezinstes) Vertragsinteresse, wird mithin im Ergebnis so gestellt, als hätte der Kreditnehmer – wenn auch zeitlich früher – den berechtigten Zinsanspruch voll erfüllt. An und für sich ist damit gar kein Grund mehr erkennbar, um den Kreditnehmer mit dem Interesse an der Verwertung oder Umschuldung an dem Vertrag festzuhalten. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass der Kreditnehmer deswegen an den geschlossenen Vertrag gebunden bleibe, weil der Gläubiger ein Interesse an einer kongruenten Refinanzierung habe (Becher/Lauterbach, WM 2004, 1663) und der Kreditnehmer hierfür das Risiko der späteren Entwicklung des Marktzinses zu tragen habe (Freitag, WuB I E 1-1.08 m.w.N.). Refinanzierungen werden durch die Bank zwar regelmäßig behauptet, erfolgen jedoch nicht zwangsläufig (vgl. insb. Rn. 26). Zudem wird die Bank bei vorzeitiger Rückführung durch die Vorfälligkeitsentschädigung voll kompensiert, bei deren Berechnung gerade auch die (konkret angefallenen) Refinanzierungskosten miteinbezogen werden können, soweit die Berechnung nach der Aktiv/Aktiv-Me-
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
429
thode erfolgt (vgl. Rn. 26 ff.). Zudem steht dem Kreditnehmer immer nach Ende der Festzinsperiode vor der Prolongation ein ordentliches Kündigungsrecht zu. Mangels geschützter Zinserwartung der Bank muss er dann selbstverständlich kein Vorfälligkeitsentschädigung zahlen, auch wenn der Vertrag noch Jahre hätte weiter geführt werden sollen. Auch ohne Verwertungsinteresse hat der Kreditnehmer einen Anspruch auf Vertragsauflösung ohne Vorfälligkeitsentschädigung, jedenfalls wenn sein Interesse an günstigeren Zinskonditionen aus einer drastischen Veränderung seiner Einkommensverhältnisse rührt und er ohne Umschuldung nicht in der Lage wäre, die beliehene Immobilie zu halten (OLG Naumburg WM 2007, 1923 (1924) a.A. Schelske, EWiR 2007, 519 (520)). Anm. Die Kündigung erklären kann nur der Kreditnehmer, nicht auch der Eigentümer, der sein Grundstück verwerten will und dies zu Gunsten des Kreditnehmers zur Verfügung gestellt hat. Zur Kündigung berechtigt sein kann in diesem Fall aber gleich wohl auch der Darlehensnehmer. § 490 II 2 BGB spricht nur von der Verwertung der beliehenen Sache, nicht davon, dass diese dem Darlehensnehmer auch gehören muss. Vielmehr kann das die Gläubigerinteressen überragende Verwertungsinteresse des Eigentümers und Grundpfandrechtbestellers – nicht nur angesichts § 1136 BGB (s. Knops, S. 118 f.) – auf den Darlehensnehmer durchschlagen und diesen zur Kündigung berechtigen. Die Wirksamkeit der Kündigung selbst ist wegen der fehlenden Verknüpfung von § 490 II S. 2 und 3 BGB nicht von der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung abhängig. Die geplante, aber nicht Gesetz gewordene Abhängigkeit hätte z. T. praktisch unlösbare Komplikationen ausgelöst (vgl. Mankowski/Knöfel, ZBB 2001, 335 f.).
20
3. Kündigungsfrist und -folgen. Nach Kündigung hat der Darlehensgeber und Sicherungsnehmer Anspruch auf die Rückzahlung der offenstehenden Valuta und Schadensersatz in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung. Berechnet werden müssen beide Beträge auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung, der nach Kündigungserklärung entsprechend § 498 I Nr. 2 BGB drei Monate danach liegt, frühestens jedoch insgesamt neun Monate nach Empfang der Darlehensvaluta. Es handelt sich um eine zum Kündigungsrecht des Kreditgebers aus § 490 I BGB fristasymmetrische Einschränkung ohne sachliche Begründung (zum Verstoß gegen Art. 8 der Richtlinie 93/13 EWG Knops, S. 97 zu § 609a BGB a. F.). Bis dahin schuldet der Kreditnehmer weiter die Vertragszinsen; erst ab Wirksamwerden der Kündigung (und Rückerstattung) schuldet er eine Vorfälligkeitsentschädigung, nicht aber bereits zum Zeitpunkt ihres Zugangs (a. A. Bamberger/Roth-Rohe, § 490 Rn. 27).
21
Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hat der Gesetzgeber ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen, weil entsprechende Grundsätze im Detail einer Kodifikation nicht zugänglich seien und angesichts der Änderungen der wirtschaftlichen Bedingungen offen gehalten werden müssten (Begr. RegE, BR-Drs. 338/01, S. 601; Begr. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 14/6040, S. 255). Damit ist auch klargestellt, dass es keinen Bestandsschutz der bisherigen Berechnung auf Grundlage des § 609a BGB a. F. geben kann. Stand dem Kreditgeber zuvor eine seine Interessen wahrende Vorfälligkeitsentschädigung zu, hat der Kreditnehmer nun nach berechtigter außerordentlicher Kündigung dem Kreditgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung, nicht der vorzeitigen Rückgewähr entsteht. Zahlt der Darlehensnehmer aber aufgrund der berechtigten Kündigung die Valuta zurück, können wegen der synallagmatischen Verknüpfung und wegen des zinsrechtlichen Akzessorietätsprinzips keine Zinsen mehr entstehen (RGZ 53, 294 (297); allg. M.), weshalb ein Zinsschaden insoweit erst gar nicht entstehen würde. Hier zeigt sich, dass mit Änderung der dogmatischen Grundlage des Lösungsrechts auch Grund und Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung beeinflusst werden.
22
Knops
430
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Neben § 490 II BGB bleibt als außerordentliche Kündigung § 314 BGB nach dessen Abs. 3 ebenso anwendbar wie die Geschäftsgrundlagenstörung nach § 311 BGB. In diesen Fällen kann eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht verlangt werden. 23
C. Grundlagen und Berechnung der Entschädigungsforderung Aufgrund funktionaler Ähnlichkeiten zwischen Nichtabnahmeentschädigung und Vorfälligkeitsentschädigung werden beide Institute hinsichtlich der den Banken zugestandenen Beträgen nahezu völlig gleich berechnet (BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20; PWW-KessalWulf, § 490 Rn. 5), wodurch schon unter Regime des § 609a BGB a. F. auch eine Entscheidung über die Charakterisierung der Vorfälligkeitsentschädigung als Schadensersatz gefallen war (BGH NJW 1998, 592 (593); Rösler/Wimmer/Lang, S. 115). Dies stellt § 490 II S. 3 BGB „…hat …Schaden zu ersetzen“ im Sinne einer Legaldefinition (Begr. RegE, BR-Drs. 338/01, S. 601) nunmehr nochmals klar, so dass der gegenteiligen Auffassung endgültig der Boden entzogen wird (OLG Hamm WM 2005, 1265; a. A. noch JauernigBerger, § 490 Rn. 12). Es ist kein Entgelt (BGH WM 1997, 1799) und der Darlehensgeber darf aus der vorzeitigen Beendigung keine Vorteile ziehen (BGHZ 158, 11 = WM 2004, 780 (782); BGHZ 136, 161 (166) = WM 1997, 1747 = BGH NJW 1997, 2878 für § 609 a.F.), Bamberger/Roth-Rohe, § 490 Rn. 31 m. w. N.). Vorfälligkeitsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind in der Regel notwendig, um auch außerhalb von § 492 BGB bzw. § 4 I VerbrKrG a. F. für die notwendige Klarheit bei Vertragsschluss zu sorgen (zum Transparenzverstoß bei fehlenden Klauseln in AGB Knops, S. 109 f. und allg. de lege ferenda Köndgen, WM 2001, 1637 (1644)). Allerdings dürfen derartige Klauseln keine Festsetzungen oder Pauschalisierungen enthalten, die den Realitäten nicht entsprechen (vgl. BGH WM 1999, 840 (841); 1998, 70; MünchKommBGB-Berger, § 488 Rn. 81; § 490 Rn. 37). Absolute oder prozentuale Festlegung einer solchen Entschädigung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ohne einen Vorbehalt des Nachweises eines höheren bzw. niedrigeren Schadens verstoßen regelmäßig gegen § 309 Nr.5b bzw. § 307 BGB (§ 11 Nr.5 b bzw. § 9 AGBG a.F. s. OLG Köln VersR 2004, 1422 f.). Sie müssen zudem wenigstens die Abhängigkeit von Laufzeit und Restvaluta deutlich machen und die wesentlichen Merkmale der Berechnung angeben (zum Ganzen Knops, S. 102 f.). Die Berechnung von Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung vollzieht sich wesentlich nach zwei Berechnungsarten (je bestätigt durch BGH WM 2005, 322 (324); kritisch nunmehr mit beachtlichen Gründen Reifner, Die Entschädigung bei vorfälligen Immobiliendarlehen.
24
I. Aktiv/Aktiv-Methode. Diese Berechnungsart unterstellt zunächst, dass die vorzeitig zurückgeflossene Valuta wieder in neuen Kreditgeschäften angelegt wird. Im Anschluss an den grundlegenden Aufsatz von Derleder (JZ 1989, 165 (173 f.)) unterscheidet der BGH sowohl bei der Nichtabnahme des Kredites durch den Darlehensnehmer als auch bei der Vorfälligkeitsentschädigung zwischen Zinsmargen- und Zinsverschlechterungsschaden (BGH WM 1991, 760 u. BGHZ 136, 161 (168 f.) = WM 1997, 1747; BGHZ 133, 355 (361) = WM 1996, 2046; krit. zur Aufspaltung Derleder/Knops/Bamberger-Seckelmann, 1. Aufl., § 10 II).
25
1. Zinsmargenschaden. Der Zinsmargenschaden bezeichnet den Nachteil der Bank, der daraus entsteht, dass zwischen den Vertragszinsen und den Refinanzierungskosten nebst Kosten der Bank ein Saldo entsteht (Derleder, JZ 1989, 165 (170)). Dieser abzuzinsende Betrag wird auch als Zinsspanne bezeichnet, von der jeweils der Anteil der Verwaltungskosten während der Darlehenslaufzeit und die anteilige Risikoprämie abzuziehen sind (BGH NJW 1997, 2875 (2877); WM 1996, 2047 (2049); 1991, 760; Canaris, S. 3 (40); Reich, S. 43 (51); Metz, in: Metz/Wenzel, Rn. 108; a. A. noch hinsichtlich des Verwal-
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
431
tungsaufwandes Harbeke, S. 85 (101)). Treffender erscheint dagegen die Bezeichnung „entgangener Nettozins“ oder besser noch Nettozinssaldo, weil diese Formulierung bereits vom Wortsinn her ausdrückt, dass die veranlassten Kosten des Kreditgebers in der Schadensberechnung berücksichtigt werden (so bereits Knops, S. 151). Bei den Refinanzierungskosten handelt es sich genau genommen um die Refinanzierungszinsen nebst ggf. weiteren Kosten. Im Ergebnis wird damit die kalkulierte Marge der Bank erfasst, wobei diese erheblich sein kann, wenn der Zinsunterschied groß und die Kosten gering sind, oder umgekehrt gering, wenn die Zinsdifferenz niedrig und die Kosten hoch sind. a) Refinanzierung des Darlehensgebers. Die konkrete Schadensberechnung basiert auf der Grundannahme, dass die kreditgebende Bank die an den Kreditnehmer darlehensweise ausgereichten Mittel nicht selbst besitzt, sondern sich das Geld durch Refinanzierung tatsächlich einzeln, d. h. von Fall zu Fall selbst bei Dritten ausleiht. Diese Annahme, die von der Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur ohne große Nachfrage und vor allem ohne Nachweis übernommen wurde, ist zumeist unzutreffend; sie ist eine bloße Fiktion (Rösler/Wimmer/Lang, S. 122). Gerade Kreditierungen für Verbraucher zum Hauskauf oder Grundstückserwerb, also nicht Großkredite an Unternehmen, leisten vor allem die größeren Geschäfts- und Hypothekenbanken zu allermeist aus dem eigenen Portfolio. Ist aber eine konkrete Refinanzierung nicht erfolgt, ist ein Schaden nicht entstanden. Ist dies also – wie häufig – nicht der Fall, kann die Bank einen solchen Schaden auch nicht berechnen. Nach Ansicht des BGH kann dagegen die genaue Berechnung des Zinsmargenschadens auf Schwierigkeiten stoßen und die Offenlegung interner Betriebsdaten der Bank erfordern, weswegen es im Rahmen des § 252 BGB erlaubt und angemessen sei, auf eine genaue Aufklärung zu verzichten, soweit die Ersatzforderung der Bank sich auf den bei Banken gleichen Typs üblichen Durchschnittsgewinn beschränke und daher auf der Grundlage der Angaben der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank die maßgebenden Berechnungsfaktoren im Wege der Schätzung zu ermitteln seien (BGHZ 161, 196 = WM 2005, 322 (324); BGHZ 136, 161 (168 f.) = WM 1997, 1747). Mit anderen Worten wird auf eine Refinanzierung der Bank verzichtet, weswegen der Schaden abstrakt zu berechnen ist (BGH WM 2001, 20 (22)). Diese Auffassung ist aus mehreren Gründen abzulehnen:
26
Zunächst benachteiligt eine derartige Beweiserleichterung Kreditgeber, die keine Banken sind, weil sich deren Gewinn weder aus der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank noch aus anderen Publikationen – zumindest nicht regelmäßig – ergibt. Wird somit nicht einmal innerhalb der Kreditwirtschaft sachgerecht differenziert, ist nicht erkennbar, aus welchem Grund Banken eine konkrete einzelne Refinanzierung nicht offenbaren sollten, andere Kreditgeber aber ihre internen Betriebsdaten offen legen müssten. Nur schwer verständlich ist, dass wiederum andere Gläubiger offensichtlich eine genaue Berechnung des Zinsmargenschadens vorlegen können, nicht aber ausgerechnet Banken, zu deren täglich Brot derartige Aufgaben gehören und denen jedenfalls spezielle Software hierfür zur Verfügung steht. Bei den professionellsten Kreditanbietern Schwierigkeiten in Berechnung und Belegung anzunehmen, ist nicht einmal im Ansatz überzeugend und erst recht nicht mit einem möglichen Grund der Praktikabilität zu rechtfertigen.
27
Vor allem aber lässt sich der grundsätzliche Anfall eines Zinsmargenschadens zunächst dadurch leicht feststellen, dass das Kreditinstitut überhaupt Angaben zur Refinanzierung macht. Für die exakte Berechnung ist in nahezu jeder Bank ein Programm oder Mitarbeiter vorhanden, da das Institut sonst überhaupt keine Vorfälligkeitsentschädigungen berechnen könnte. Das will der BGH sicher nicht unterstellen. Mithin ist den Banken der Nachweis möglich und zumutbar. Anders als der 11. Senat lässt der 7. Senat des BGH bei der außerordentlichen Kündigung eines Werkvertrages im Rahmen des mit § 490 II BGB
28
Knops
432
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
durchaus vergleichbaren § 649 BGB eine „branchenübliche“ Gewinnspanne zu Recht nicht als Schadensnachweis gelten (BGH WM 1996, 2058 (2059)). Auch bei Mietverhältnissen, die Darlehensverträgen sehr ähnlich sind, werden pauschale Abgeltungen bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht anerkannt (OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1538). 29
Hinzu kommt, dass Grundpfandkredite zumeist niedriger verzinslich sind als beispielsweise Investitionsdarlehen oder auch Verbraucherkredite. Das hängt zwar auch an der unterschiedlichen Sicherheitenbewertung und damit an einer Risikobewertung innerhalb der Bank. Unterschiedliche Zinssätze drücken aber auch aus, dass etwaige Refinanzierungskosten und der Kreditbearbeitungsaufwand der Bank unterschiedlich sind. Es liegt daher nahe, die Marge grundpfandlich gesicherter Kredite abhängig von ihrer Laufzeit am Markt festzustellen und danach zu differenzieren, ob das Kreditinstitut eine normale Geschäftsbank, eine Sparkasse oder eine Hypothekenbank ist. Für diese Banktypen gelten unterschiedliche Normen und Refinanzierungsgrundsätze, die sich naturgemäß in der Margenermittlung und damit auch in der Schadensberechnung niederschlagen. Angesichts dieser leicht auszumachenden Unterschiede überzeugt es nicht, Gewinnangaben aus Mischrechnungen wie der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank zu entnehmen. Vielmehr könnte wenigstens der Schaden auf der Grundlage der Durchschnittserträge der einzelnen Bank selbst aus den vorangegangenen Jahren ermittelt werden (OLG Köln NJW-RR 1987, 1451), so dass der viel ungenauere Rückgriff auf die allgemeine Kapitalmarktstatistik nicht mehr nötig wäre. Allerdings müsste die Bank immer noch darlegen, dass sie auch diesen Kredit refinanziert hat.
30
Außerordentlich unbillig ist die vom 11. Senat postulierte Beweiserleichterung für den Kreditgeber: Problematisch ist dies hauptsächlich im Hinblick auf den hiergegen vom Bankkunden zu führenden Nachweis, dass kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist. Was soll der Kunde gegen die Berechnung eines fiktiven Schadens überhaupt anführen? Dass gar kein Schaden bei der Bank entstanden ist, kann und darf er nicht mit Erfolg vortragen, da das Gegenteil gerade vermutet wird. Der BGH schneidet dem Kunden rechtlich den Gegenbeweis rundweg ab. Die Höhe eines nicht real eingetretenen Schadens kann der Kreditnehmer ebenfalls nicht angreifen, kennt er doch weder die Kalkulation der Bank (die ja gerade nicht offengelegt werden soll) noch kann er sich auf deren veröffentlichten mittleren Gewinn berufen, um das Institut wenigstens zu einem konkreten Nachweis zu zwingen. Im Ergebnis wird daher der, dem Bankkunden entsprechend dem Rechtsgedanken des § 309 Nr. 5 BGB = § 11 Abs. 5 AGBG a. F. eröffnete Gegenbeweis (BGHZ 82, 121 (128) = WM 1987, 1338; 67, 312 (314) = JZ 1977, 103) vollständig verwehrt – ein Verstoß gegen schadensrechtliche Prinzipien, welcher dringend der Korrektur bedarf.
31
Schließlich hat § 252 S. 2 BGB lediglich die Funktion einer Beweiserleichterung im Rahmen des § 287 ZPO. Für die Wahrscheinlichkeit des Gewinns kommt es auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge an. Da aber feststeht, dass im üblichen Kreditgeschäft der Banken eben gerade keine Refinanzierung, erst recht keine solche für jedes einzelne Darlehen stattfindet, kann es keine Beweiserleichterung geben. Vielmehr spricht dies klar für das Gegenteil, nämlich für eine Beweiserleichterung zu Gunsten des Kreditnehmers, dass keine Refinanzierung des Kredits stattgefunden und daher auch kein Zinsmargenschaden eingetreten ist. Dann müsste die Bank deren Anfall nachweisen, womit ausgeglichen würde, dass aus der gerichtlichen Praxis für den gesamten Kreditsektor kein Fall bekannt ist, in dem Kunden ein Gegenbeweis geglückt wäre (Kindler, S. 274).
32
Soweit nun die Rechtsprechung dennoch weiter unterstellt oder auf den Nachweis verzichtet, dass sich die Bank refinanziert hat, spricht sie ihr einen Schadensersatz zu, der
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
433
nicht vorhanden ist. Zudem soll die Schadensberechnung von Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung selbst dann noch abstrakt erfolgen, wenn die konkrete Refinanzierung bekannt ist (Rösler/Wimmer/Lang, S. 123 m. w. N.) und somit positiv feststehen kann, dass zwar ein Nachteil dem Grunde nach, aber jedenfalls nicht in der angenommen Höhe entstanden ist. Kreditnehmer werden demnach im Bereich von Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigungen planmäßig zu Zahlungen für einen Schaden verpflichtet, der entweder in dieser Höhe oder aber gar nicht entstanden ist. b) Berechnung. Wenn das Kapital nicht abgenommen oder es unberechtigt vorzeitig zurückgezahlt wird, hat die Bank hinsichtlich der (verbleibenden) Zinsbindungsdauer einen (schrittweisen) Zahlungsstrom (bestehend aus Raten mit Zins und Tilgungsanteil) erwartet, der ausgeblieben ist. Für die Berechnung ist daher der Zeitraum maßgeblich, in dem die Zahlung erwartet werden durfte (BGHZ 136, 161 (170) = WM 1997, 1747; BGHZ 146, 5 (15) = WM 2001, 20; MünchKommBGB-Berger, § 488 Rn. 70; Wimmer/Rösler, WM 2005, 1873 (1880)). In beiden Fällen soll der Ersatzanspruch in der Weise zu berechnen sein, dass die Summe der noch ausstehenden Entgelte neben ersparten Aufwendungen und einem Abzinsfaktor um die Erträge aus einer anderweitigen Verwendung des Vertragsgegenstandes vermindert wird (BGH NJW-RR 1999, 842; Palandt-Grüneberg, § 314 Rn. 11 m. w. N.), ggf. auch um einen Abzug bei einer Mitverursachung nach § 254 BGB (Palandt-Weidenkaff, § 490 Rn. 15). Richtig wäre davon zu sprechen, dass die entfallenden Zahlungen je für den Zeitraum (von) ihrer Fälligkeit bis zu dem Zeitpunkt der davor liegenden vorzeitigen Tilgung abgezinst werden, und zwar erstens mit dem effektiven Zinssatz des alten Darlehens und zweitens mit dem Zinssatz des neuen (fiktiven) Darlehens, das durch die Zahlungen getilgt werden soll. Die Differenz ist der tatsächliche Schaden der Bank. Dieser Schaden enthält den Barwert der Gewinne und Kosten in den abgezinsten Zahlungen. Somit liegt der Schaden nur in der Differenz zwischen den Barwerten der entfallenen Zahlungsfolge – einmal berechnet mit dem unterstellten Zinssatz für die Wiederanlage (der Barwert ist die Ablöseschuld) und einmal mit dem für die nun getilgte Schuld (der Barwert sollte die Restschuld sein). Er ist nur für den Zeitraum zu erfassen, bis zu dem der Kreditnehmer das Darlehen frühestens zurückzahlen könnte. Diese Differenz ist nach Ansicht des BGH – soweit nicht schon eingerechnet – um Beträge für das entfallende Risiko aus dem abgelösten Darlehen (sog. Risikoprämie) und – sofern die Bank nicht neben den Darlehenszinsen noch laufzeitabhängige Sondergebühren verlangt – für die Verwaltungskosten während der Darlehenslaufzeit zu kürzen (BGHZ 136, 161 (168 f.) = WM 1997, 1747).
33
2. Zinsverschlechterungsschaden. Ein Zinsverschlechterungsschaden entsteht, wenn die Bank den vorzeitig zurückerhaltenen Darlehensbetrag für einen Kredit mit einem anderen Kunden wieder verwendet, das Zinsniveau aber im Vergleich zu dem alten Kreditvertrag zwischenzeitlich gesunken ist. Damit handelt es sich eigentlich um eine Barwertdifferenz, die aber manipulierbar ist, je nachdem, zu welchem Zinssatz die Valuta wieder ausgereicht wird.
34
3. Alternative oder kumulative Berechnung? In dem Streit, ob der Gläubiger zum Zinsmargenschaden den Zinsverschlechterungsschaden nur alternativ (OLG Düsseldorf ZIP 1997, 500 (501); OLG Karlsruhe ZIP 1997, 498 (499); Wehrt, ZIP 1997, 481 (485); WM 2004, 401; Reifner, VuR 1996, 315 (316)) oder kumulativ (OLG München WM 1997, 1051 (1052); 1996, 1132 (1134); Weber, NJW 1995, 2951 (2955) verlangen kann, hat sich der BGH für die letztere Auffassung entschieden, weil die Bank nicht verpflichtet sei, das Ersatzgeschäft zur Nachteilskompensation einzusetzen (BGHZ 136, 161 (168 f.) = WM 1997, 1747 (1750)). Dagegen spricht zunächst, dass der Gläubiger mit der vorzeitig zurückgezahlten Valuta ein Geschäft machen könnte, an dem der Darlehensnehmer nicht
35
Knops
434
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
partizipiert (näher unten Rn. 43 u. 61 f.), vor allem eine Überkompensation der Bank eintreten kann (im Einzelnen Grönwoldt/Bleuel, DB 1997, 2062 (2067)). Dies ist nicht erlaubt, da der Kreditgeber aus der vorzeitigen Beendigung keinen Vorteil ziehen darf. So besteht denn auch in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber, dass bei kumulativer Geltendmachung an die Bank erhöhte Anforderungen an den Nachweis zu stellen sind (Canaris, S. 3, (15); Reich, S. 43 (74)), die der BGH aber bislang nicht abfassen will. 36
II. Aktiv/Passiv-Methode. Alternativ kann die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der sog. Aktiv/Passiv-Methode erfolgen, nach der davon ausgegangen wird, dass der Gläubiger die vorzeitig zurückgezahlte Valuta wieder anlegt. Bei dieser praktisch wesentlich häufiger angewandten Methode (Wehrt, WM 2004, 401) handelt es sich um eine Berechnung, die sowohl den Zinsverschlechterungs- als auch den Zinsmargenschaden umfasst (BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20; BGHZ 136, 161 (168 f.) = WM 1997, 1747 (1750); BGHZ 161, 196 = WM 2005, 322; LG Stuttgart BKR 2006, 495). Auch bei der Berechnung der Entschädigung nach der Aktiv/Passiv-Methode ist es erforderlich, dass sich das Kreditinstitut auch tatsächlich refinanziert hat (OLG Bamberg OLGR 2000, 261 (262); Derleder, JZ 1989, 165 (174 f.); zur Problematik Rn. 26 f.). Der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers wird als Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer tatsächlich gezahlt hätte, und der Rendite, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge am Kapitalmarkt ergibt, dargestellt (BGHZ 161, 196 = WM 2005, 322 (324); BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20). Der Differenzbetrag ist um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und auf den Zeitpunkt der Leistung abzuzinsen (BGHZ 161, 196 = WM 2005, 322 (324); BGHZ 136, 161 (171)) = WM 1997, 1747).
37
Im Vergleich zu den Renditen der Anleihe ist mit dem Effektivzinssatz des Darlehens zu rechnen, d. h. die Berechnung erfolgt exponentiell und nicht linear (OLG Stuttgart WM 2001, 669; OLG Schleswig WM 1998, 861 (863); a. A. OLG München OLGR-MBN 1999, 361 m. Anm. Balzer, EWiR 2000, 503; Bamberger/Roth-Rohe, § 490 Rn. 33). Entsprechend ist bei der Wiederanlage nicht auf den laufzeitkongruenten Vergleich mit einer Anleihe abzustellen, sondern entsprechend dem an sich erfolgten Zahlungsstrom (auch cash-flow genannt) die einzelnen ausfallenden Zins- und Tilgungsleitungen laufzeitkongruent durch Wiederanlage aufzuwiegen (BGHZ 161, 196 = WM 2005, 322 (324)). Zwanglos wird dagegen beim Verzug des Schuldners mit Zins- und Tilgungsraten davon ausgegangen, die Bank hätte die Gelder durch den Abschluss neuer Kreditverträge zu banküblichen Konditionen wieder ausgeliehen (Krüger/Büttner, WM 2003, 2094 (2095 m. w. N.)) und so der Schaden der Bank berechnet. In beiden Fällen wird jeweils die für Kreditnehmer ungünstigste Annahme zugrunde gelegt.
38
1. Anlagetitel. Neben Banken wird auch Versicherungsunternehmen zugestanden, ihren Nichterfüllungsschaden auf der Grundlage einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln zu berechnen (OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1568). Nachdem der BGH zunächst auf die Wiederanlage in öffentlichrechtlich gesicherten Kapitalmarkttiteln abgestellt hatte (BGHZ 136, 161 = WM 1997, 1747), wird nunmehr wegen der geänderten Kapitalmarktlage mit einem Vergleich zu Hypothekenpfandbriefen gerechnet (BGH WM 2005, 322 (324); BGH WM 2001, 20 (23)), die derzeit erheblich höher verzinslich sind, woraus sich ein höherer Ertrag und damit eine geringere Barwertdifferenz ergibt. Nach einem Berechnungsbeispiel (Kredit 150.000.– Euro, Zinsbindung 10 Jahre, Zinssatz 6 % p. a., Tilgung 1 %) der Stiftung Warentest reduziert sich die Nichtabnahmeentschädigung beim Wechsel der Ersatzanlage von Bundesanleihen auf Pfandbriefe auf gut die Hälfte (Finanztest 2000, Heft 2, S. 22). Damit würde, wenn dies auch bei umgekehrten Änderungen der Marktlage angenommen werden
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
435
könnte, im Ergebnis kompensiert, dass die verlangte Entschädigungssumme aus dem Aktiv/Passiv-Vergleich denjenigen nach der Aktiv/Aktiv-Methode ermittelten Betrag nicht selten um mehr als 50 % übersteigt (Wehrt, in: Ott/Schäfer, S. 108 (111)). Andernfalls würden sich die Effekte kumulieren und weit höhere Entschädigungsbeträge wären die Folge. Zwar hatten sich die Banken auf eine Berechnung auf Grundlage festverzinslicher Wertpapiere der öffentlichen Hand eingestellt (Wenzel, ZfIR 2001, 93 (98 f.)), ein schutzwürdiges Vertrauen der Kreditwirtschaft begründete die vormalige Rechnung wegen der immer noch nicht vollständig geklärten Lage des für die Berechnung der Barwertdifferenz zu nutzenden fiktiven effektiven Zinssatzes auch für die Zukunft nicht, auch weil viele Institute die vorzeitig erlangten Gelder gar nicht in Anleihen öffentlicher Schuldner angelegt hatten, sondern in deutlich höher verzinslichen Anlageformen, wobei Bankschuldverschreibungen noch die geringste Risiko- und Ertragsstruktur aufwiesen. Dies ist auch verständlich, sind die Finanz- und Anlageabteilungen der Banken seit je her vor allem auf eine Maximierung von Liquidität und Rentabilität bedacht, wobei es keine Rolle spielt, woher die entsprechenden Geldmittel stammen. Berechnung und Realität stimmten somit auch nach den ersten Urteilen 1997 nicht überein, so dass sich ein Vertrauensschutz gar nicht erst bilden konnte. Zutreffender wäre es von Anfang an gewesen, die Anlage in äquivalenten Titeln vorzusehen, die auch hinsichtlich der Laufzeit dem des restlichen Vertragsprogramms des Darlehensvertrages gleichsteht. Schließlich darf nach Ansicht des BGH die Bank beim Ausgleich ihres Schadens nicht besser gestellt werden als unter unveränderter Fortführung des Darlehensvertrages. Dann ist die Risikostruktur des betreffenden Vertrages zu ermitteln, also dessen Ausfallwahrscheinlichkeit anhand Kriterien wie der (grundpfandlichen) Sicherung, mithin des Sicherungsobjekts, der Bonität des Schuldners etc. Ist dieses Risiko gering, kommt nur eine Anlage in sicheren Titeln am Kapitalmarkt infrage; ist das Risiko hoch, auch in solchen Anleihen, die der Ausfallwahrscheinlichkeit des Vertrages entsprechen. Dies ist angemessen, da sich dieses Risiko bereits in der Zinshöhe des (idealerweise von den Parteien ausgehandelten) Darlehensvertrages niedergeschlagen hat. Unter dieser Prämisse muss dann auch nicht unnötigerweise die Risikoprämie extra bewertet und abgezogen werden. Einer (ersten) Änderung der Rechtsprechung in so kurzer Zeit hätte es dann auch nicht bedurft. Mithin ist das zur Schadensberechung entscheidende Kriterium bei der fiktiven Wiederanlage die vergleichbare Risikostruktur der Anlagen in Bezug auf den abgeschlossenen Darlehensvertrag, vor allem dessen Sicherheiten. Angesichts des überaus geringen Ausfallrisikos erstrangig grundpfandlich gesicherter Kredite (Knops, S. 232) ist eine Ertragsrealisierung aus festverzinslichen Hypothekenpfandbriefen bei Beachtung der üblichen Beleihungsgrenzen mindestens ebenso sicher, wie die durch eine erstrangige Grundschuld gesicherte Zahlungsverpflichtung des Schuldners. Neben öffentlich-rechtlich gesicherten Kapitalmarkttiteln, deren Ausfallrisiko praktisch mit Null anzusetzen ist, und Hypothekenpfandbriefen kommen somit alle Anlageformen wie etwa bestimmte Inhaberschuldverschreibungen in Betracht, die ein vergleichbares Ausfallrisiko bieten. Ist dagegen das Darlehen nur an zweiter Rangstelle besichert, muss auch in der Wiederanlage ein risikoreicheres, aber höher verzinsliches Papier gewählt werden. Ansonsten erlangt die Bank meist über die höhere Differenz zwischen Vertrags- und Wiederanlagezins einen geldwerten Vorteil, der ihr nicht zusteht. Somit sind auch hier Pauschalisierungen und Beweiserleichterungen nicht veranlasst, welche die Kreditgeberseite bevorteilt und Kreditnehmer entsprechend benachteiligt. Wegen der kurzen Laufzeiten der am Schluss eingestellten Raten kann es notwendig sein, Anlagen auch in Monats- oder Tagegeld (OLG Frankfurt WM 2002, 1387 (1389)) vorzunehmen, ohne dass diese hinsichtlich der Risikostruktur different wären.
Knops
39
40
436
41
42
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
2. Wiederanlage und Berechnung. Nach Ansicht des BGH sind Banken nicht verpflichtet, die vorzeitig zurückgeflossene Valuta tatsächlich anzulegen, vielmehr reiche eine Berechnung für eine fiktive Anlage aus, wobei auch der Durchschnittsgewinn vergleichbarer Banken überschritten werden dürfe (BGH, WM 2001, 20 (21)). Dies ist nicht konsequent und führt wiederum zu einem Mehr beim Kreditgläubiger, darf er doch bei der Ermittlung des Zinsmargenschadens pauschal den üblichen Durchschnittsgewinn bei Banken gleichen Typs ansetzen, nun aber real mittels einer Fiktion darüber hinausgehen (vgl. nunmehr auch deutlich Reifner, Die Entschädigung bei vorfälligen Immobiliendarlehen). Weil die Zuordnung einer bestimmten Refinanzierungsmaßnahme zu einem konkreten Kreditgeschäft in der Praxis vielfach nicht möglich sei, verzichtet der Senat auf den Nachweis, wodurch die Banken Entschädigungen faktisch geschenkt bekommen (Rn. 26 f.). Dass die Kreditwirtschaft trotzdem mit immer weiteren Beweiserleichterungen belohnt wird, ist umso unverständlicher, als etwa die (Wieder-)Anlage von Geld zu den ureigensten Kompetenzen der Banken gehört und tagtäglich im Anlagegeschäft auch vollzogen wird. Die Führung eines strengen Beweises ist demnach auch hier nicht nur möglich, sondern zumutbar und erforderlich. Steht aber fest, dass keine Refinanzierung erfolgt ist, kann auch über eine abstrakte Wiederanlage in einem Aktiv/Passiv-Vergleich nicht ein Schaden generiert werden, der einen Zinsmargenschaden zwingend umfasst, aber definitiv nicht angefallen ist. Nach Ansicht des OLG Schleswig sollen die Wiederanlagerenditen anstatt aus der Statistik der Deutschen Bundesbank auch dem PEX, einem Pfandbriefindex des amerikanischen Informationsanbieters Bloomberg entnommen werden können, weil dort für weiter zurückliegende Zeiträume eine zudem taggenaue Ermittlung sichergestellt wäre (OLG Schleswig BKR 2002, 642 (643 f.)). Allerdings bezieht sich dieser Index nur auf 30, zumal synthetische Pfandbriefe, wohingegen die Deutsche Bundesbank den gesamten börslichen, allerdings nicht den außerbörslichen Handel erfasst, der rund 40 % ausmacht (Wehrt, WM- Seminar 2002, S. 8; WM 2004, 401 (402)), so dass eine Berechnung nach dem PEX-Index abzulehnen ist (BGHZ 161, 196 = WM 2005, 322 (324); Knops, EWiR 2005, 291; Tiffe, VuR 2005, 103; VuR 2002, 403 f.; Wehrt, WM 2004, 401 (404); a.A. AG München BKR 2004, 489; Rösler/Wimmer/Lang, S. 167 Rn. 21; Wimmer/Rösler, WM 2005, 1873 (1875)). Ebenso wenig geeignet sind SWAP-Sätze (s. LG Stuttgart BKR 2006, 495) oder DGZF-Renditen. Auch die Kassakurse der täglich an der Frankfurter Börse gehandelten öffentlichen Pfandbriefe und Hypothekenpfandbriefe (s. FAZ-Renten-Rendite) dürften zu Erträgen führen, die auf einem zu niedrigen Niveau gegenüber der tatsächlichen Anlagepraxis der Banken liegen. Zu beachten ist ferner, dass die Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank seit dem 01.07.1996 nicht mehr nur die Monatszinssätze liefert, sondern auch Hypothekenpfandbriefrenditen auf Tagesbasis wiedergibt. Damit ist ein tragendes Argument, dass gegen die Bundesbankstatistik angeführt wurde, zumindest nicht mehr für die Vorfälligkeitsentschädigungen maßgeblich, deren Berechnung nach dem 01.07.1996 vorzunehmen war und ist. Fraglich bleibt noch, ob die Wiederanlage in jährlich ausschüttenden oder in sog. thesaurierenden Papieren zu erfolgen hat (zu den teils eklatanten Unterschieden vgl. Rechenbeispiele bei Wehrt, WM 2004, 401 (403)). Von jährlichen Zinszahlungen, also von ersteren scheint der BGH auszugehen (BGH WM 2001, 20 (23)). Die Letzteren produzieren durch ihre durchweg höheren Renditen gerade in Zeiten gravierender Zinsänderungen zumeist höhere Erträge, die zu geringeren Entschädigungsbeträgen führen (im Einzelnen Wehrt, WM-Seminar 2002, S. 5 f.). Den jeweils höchsten Ertrag muss sich die Bank nach § 326 II 2 BGB bzw. § 324 I 2 BGB a. F. anrechnen lassen, so dass auch in Zukunft mit Anpassungen an die Berechnung gerechnet werden muss.
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
437
III. Zinsverbesserungsvorteil. Unabhängig davon, ob die Bank zur vorzeitigen Valutaannahme verpflichtet ist, muss der Bank tatsächlich ein Schaden entstanden sein. Das Kreditinstitut darf keine Nichtabnahme- oder Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, wenn es mit der Wiederanlage der Valuta alle Nachteile der vorzeitigen Rückführung oder Nichtabnahme kompensiert oder ausgleichen könnte (für die Vorteilsanrechnung insoweit auch MünchKommBGB-Berger, § 490 BGB Rn. 35; Schimansky/Bunte/LwowskiBruchner/Krepold, § 79 Rn. 89; Metz, ZfIR 2001, 120 (121)). Auch nach Wortlaut und ratio der BGH-Entscheidung vom 1.7.1997 dient die Entschädigungsleistung nur dem „Ausgleich der Nachteile (...), die ihr durch die vorzeitige Kreditablösung entstanden“ (BGHZ 136, 161 = WM 1997, 1747). Somit entfällt bei entsprechend günstiger Anlage – etwa bei dem Steigen des (Wiederanlage-)Zinsniveaus über den Vertragszins – eine Ausgleichungspflicht (BGHZ 133, 355 (359) = WM 1996, 2047; 1999, 840 (841)). Überschüssig erzielte Vorteile müssen entsprechend dem Wortlaut des § 324 I 2 BGB a. F. („anrechnen lassen“), aber auch nicht an den Kreditnehmer herausgegeben werden (umstr.; vgl. auch Wimmler/Rösler, WM 2005, 1873 (1877)). Dies gilt auch unter Geltung des § 490 II BGB (Habersack, S. 3 (19)). Die Bank bekommt somit letztlich mehr als ihr zusteht und macht unter Umständen mit der Notlage des Kreditnehmers ein zusätzliches Geschäft. Diesem Problem ist dadurch abzuhelfen, dass die Bank zu dem Beendigungszeitpunkt für Rückgewähr und Vorfälligkeit nur genau soviel erhält, um ihren Schaden durch Wiederanlage exakt abzudecken. Das ist möglicherweise noch komplizierter zu rechnen (s. Rn. 45), aber mittels der vorgehaltenen Software in zumutbarer Weise umzusetzen. Ein über diesen Betrag hinaus gehendes Verlangen verstößt gegen den o. g. Grundsatz, dass der Gläubiger aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung keinen Vorteil ziehen darf (insoweit wird auch den Bedenken von Köndgen, WM 2001, 1637 (1644 unter cc. a. E.) vollständig Rechnung getragen). Insbesondere bei der Aktiv/Passiv-Methode besteht die Gefahr, dass durch die Wahl des effektiven Zinssatzes im Gegensatz zur Aktiv/Aktiv- Methode ein Verlust gerechnet wird, wenn ein Gewinn erzielt werden kann, was zu einer Beschränkung des Wahlrechts zwischen den abstrakten Berechnungsmethoden führen kann (Wehrt, WM 2004, 401 (409)). Letztendlich liegt die Aufgabe bei der Finanzmathematik, eine geeignete und vor allem auch nachprüfbare Berechnung vorzugeben, die Missbrauch verhindert.
43
IV. Geschützter Zinszeitraum, Sondertilgung und Abzinsung. Aus dem Vorgenannten wird deutlich, dass es für die Höhe der den Kreditinstituten zugestandenen Schadensbeträge vor allem auf den Zeitraum ankommt, bis zu dem eine ordentliche Kündigung des Vertrages möglich wäre (s. BGH ZIP 1990, 639 (640)). Zu Gunsten des Kreditnehmers ist daher auch bei einem langfristigen, etwa über 20 Jahre laufenden Kreditvertrag hinsichtlich der Schadensberechung davon auszugehen, dass er die erste Kündigungsmöglichkeit wahrgenommen hätte. Dies betrifft auch eine Möglichkeit zur lediglich teilweisen Kündigung, wie in der Praxis immer wieder übersehen wird. Es sind somit (hypothetisch) alle vertraglichen und gesetzlichen Möglichkeiten zur Beendigung (dazu insbes. Rn. 58 ff.), nicht nur die Kündigung auszuschöpfen und bei der Berechnung zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass der Kreditgeber alle nach dem Vertrag möglichen Sondertilgungen erbracht hätte (MünchKommBGB-Berger, § 488 Rn. 52, 70; Knops, S. 160). Hierbei die eigene Leistungsfähigkeit für Zahlungen darzutun (so OLG Frankfurt WM 2001, 565; dagegen LG Darmstadt, Urt. v. 23.806, Az. 25 S 43/06), die möglicherweise erst ganz entfernt in der Zukunft liegen, ist unmöglich. Entsprechend reduziert sich die rechtlich geschützte Erwartung sowohl hinsichtlich des Zeitraums als auch der (Kapital-)Höhe nach (zust. Rösler/Wimmer/Lang, S. 128; Wimmer/Rösler, WM 2005, 1873 (1875 f.)). Es darf also für die zu tilgende Restschuld nicht eine für den ganzen (verblie-
44
Knops
438
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
benen) Zinsbindungszeitraum festgelegte Zahlungsfolge angenommen werden, sondern eine solche, die alle genannten Möglichkeiten ausschöpft. 45
Zu Gunsten der Banken, die bis dato zumeist mit einem einheitlichen Wiederanlagezinssatz ohne Abzinsung gerechnet hatten, verlangt der BGH nunmehr, die Zahlungsfolge abzuzinsen (so bereits Wehrt, ZBB 1997, 48 (57) für Aktiv/Aktiv-Vergleich), hinsichtlich der zu verschiedenen Zeitpunkten zurückgeflossenen Raten zu differenzieren und in eine Wiederanlageberechung umzusetzen, wobei zudem die sog. reale Zinsstrukturkurve berücksichtigt werden soll (BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20; zust. OLG Schleswig BKR 2002, 642 (643); MünchKommBGB-Berger, § 488 Rn. 72). Nur dies berücksichtigt hinreichend, dass der Kreditnehmer der Bank den Ablösebetrag nicht schrittweise entsprechend der vertraglich vorgesehenen Raten zur Verfügung stellt, sondern in einer Summe mit Vertragsbeendigung. Im Ergebnis handelt es sich um eine Art Ertragswertberechnung, die zwar als finanzmathematisch korrekt angesehen wird (so überdeutlich Heymann/Rösler, ZIP 2001, 442 (446 f.)), aber wegen der Bewertung der ausfallenden Raten mit differenzierten Wiederanlagezinssätzen zu einer deutlichen Erhöhung oder Verringerung der Entschädigungsleistung führt. Ihre sehr komplexe Anwendung und Ermittlung dürfte nur wenigen Bankmitarbeitern und erst kaum einem Kunden erlauben, diese anzuwenden und vor allem deren Ergebnisse nachzuprüfen, womit eine völlige Intransparenz der Berechnung – sicher nicht zum Vorteil eines durchschnittlichen Bankkunden – hergestellt wird.
46
V. Disagioerstattung, Risikoprämien und sonstige Kosten. Bei der vorzeitigen Rückzahlung der Darlehensvaluta ist grundsätzlich auch das Disagio gemäß § 812 I 2 1. Alt. BGB anteilig zu erstatten, der unverbrauchte Disagioanteil also von der Vorfälligkeitsentschädigung in Abzug zu bringen (Knops, S. 156 f. m. w. N.). Das gilt auch für die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung, die gleichen Grundsätzen folgt. Das durch die vorzeitige Rückführung des Kapitals entfallende Darlehensrisiko ist in Abhängigkeit von der (bis dahin noch) offen stehenden Restschuld mit einem prozentualen Abschlag zu bewerten (BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20; MünchKommBGB-Berger, § 488 Rn. 75). Die hierzu vom BGH zitierten obergerichtlichen Schätzungen dürften kaum allgemeine Verbindlichkeit beanspruchen, da es sich um Einzelfälle handelt und zudem von der jeweiligen Beleihungsgrenze abhängig sind (so zuletzt BGH ZIP 2000, 1376 m. w. N.). Allerdings lassen die angenommenen Wertungen von 0,014 % (OLG Schleswig BKR 2002, 642 (644); WM 1998, 861 (863)) bis 0,05% und 0,06% (OLG Hamm WM 2000, 1145; 1998, 1811 (1812); OLG Köln WM 1999, 1661 (1662)) erkennen, dass auch die Rechtsprechung unisono das Ausfallrisiko grundpfandlich gesicherter Kredite als äußerst gering ansieht, was sich allerdings in der Bewertung längst aufgeworfener Übersicherungsfragen bei derartigen Krediten bislang noch nicht durchgreifend niedergeschlagen hat (dazu Knops, ZfIR 1998, 577 f.). Als Kompromiss soll sich in der Praxis eine Risikoprämie von 0,1 % herausgebildet haben (Rösler/Wimmer/ Lang, S. 139), wobei aber im Einzellfall auch Beleihungsgrad, Art des Finanzobjekts und Schuldnerbonität zu berücksichtigen sein können. Ferner müssen auch die Vorgaben nach Basel II in der Berechnung des Risikos berücksichtigt werden (Wimmer/Rösler, WM 2005, 1873 (1878)). Nicht prozentual, sondern absolut muss dagegen der entfallende Verwaltungsaufwand des Darlehens gegen gerechnet werden (BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20; MünchKommBGBBerger, § 488 Rn. 75; Wimmer/Rösler, WM 2005, 1873 (1879); anders noch OLG Stuttgart WM 2001, 669). Trotz des nicht unerheblichen Personalaufwandes in der Überwachung sind angesichts der computergestützen Zahlungserfassungen und Verbuchungen moderner Banksysteme die Verwaltungskosten mit nicht mehr als 5-10 Euro pro Monat anzusetzen (OLG Köln WM 1999, 1661), von Computerexperten werden sie aufgrund langjährig bestehender automatischer Verbuchungssysteme im Cent-Bereich angesiedelt.
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
439
Den Banken eine einmalige Bearbeitungsgebühr für die Abwicklung zuzubilligen, ist zwar insofern gerechtfertigt, weil ein solcher Aufwand bei planmäßiger Abwicklung nicht anfällt. Für deren Höhe ist aber auch die Überkomplexität der bankseitigen Berechnungen maßgeblich, die nicht zu Lasten des Kreditnehmers gehen dürfen. Keine Rolle spielt es, wie hoch der abzulösende Kredit valutiert. Angesichts der weit verbreiteten Computerprogramme, wird eine Abrechungsentschädigung für die Berechnung eines Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsbetrages mit nicht mehr als 50 Euro angesetzt werden können, nicht zuletzt weil auch die Verbraucherverbände allenthalben eine Nachberechung der Entschädigungssummen für diesen Preis anbieten. Zusammen mit Softwarepflege und Personalaufwand sind Beträge von 150 (Peters/Wehrt, WM 2003, 1509 (1519)) bis 255 Euro (Nobbe, Rn. 720) zu hoch, da diese Kosten auch bei den Verbraucherverbänden anfallen und in deren Kalkulation bereits enthalten sind. Bei gleichzeitiger Ablösung mehrerer Darlehen kann ein „Rabatt“ von 50 % auf die übliche Bearbeitungsgebühr angemessen sein (Rösler/Wimmer/ Lang, S. 143). Zweifel bleiben lediglich, ob etwa Programme nach der sog. KAPO-Methode, die von verschiedenen Oberlandesgerichten als untauglich angesehen wurden (OLG Zweibrücken VuR 1996, 304 (306 f.); ähnlich OLG Bamberg, OLGR Bamberg 2000, 261 (263); OLG München VuR 1998, 232 (233); offen BGH WM 2002, 1358; OLG Frankfurt WM 2002, 1387 (1389); vgl. zudem MünchKommBGB-Westermann, vor § 607 Rn. 23), jeweils so nachgebessert werden, um sie als brauchbar anzusehen. Zusammen genommen sollten gerade im Bereich von Risikoprämien, Verwaltungs- und Berechnungskosten von beiden Seiten Pauschalisierungen hingenommen werden, da sonst über geringe Beträge im Zuge der Berechnung von Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigungen ggf. jahrelang prozessiert wird. VI. Sonderproblem: Vorfälligkeitsentschädigung bei fehlendem Lösungsrecht. Wenn das Kreditinstitut zur Entlassung des Kreditnehmers aus der Vertragsbindung mangels Vorliegen der genannten berechtigten Interessen nicht verpflichtet werden kann, soll es berechtigt sein, für die vorzeitige Vertragsaufhebung an sich einen über die Schadenskompensation hinausgehenden Aufschlag zu verlangen (BGHZ 136, 161 (168 f.) = WM 1997, 1747; BGH NJW 2003, 2230). Dies gilt allerdings nicht, wenn die Initiative zur Lösung vom Kreditinstitut selbst ausgeht (OLG Frankfurt ZIP 2005, 2010; PWW-KessalWulf, § 490 Rn. 5). Die Bank ist bei fehlendem Lösungsrecht nicht verpflichtet, einer Vertragsentlassung zuzustimmen und soll den Abschluss eines Aufhebungsvertrages von der Zahlung einer bestimmten Summe abhängig machen dürfen. Das erscheint schon im Ansatz fragwürdig: Die Bank erhält über die Vorfälligkeitsentschädigung bereits durch die Barwertdifferenz alle Kosten und Zinsen, die bis zum Ende der Zinsbindung des geschlossenen, aber vorzeitig aufgelösten Vertrages angefallen wären. Die Leistung erfolgt zwar vorzeitig, erfüllt aber die geschütze Zinserwartung vollständig. Ein darüber hinaus gehender Betrag steht ihr mithin nicht zu, gerade auch unter Berücksichtigung der §§ 249, 251, 252 BGB. Sie wird wirtschaftlich durch die Entschädigungsleistung so gestellt, als wenn der Kreditvertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (BGHZ 133, 355 = WM 1996, 2047). Gleichwohl verlangen Banken neben der Entschädigung zusätzlich immer wieder hohe Preise, nur damit der Vertrag aufgelöst werden kann. Der formale Bestand des Vertrages könnte dem Kreditnehmer an sich gleichgültig sein. Allerdings kann er wegen der bestehenden Grundpfandbelastung mit seinem Grundstück nicht mehr frei verfahren. Dies wissen Banken und verlangen deswegen derart hohe Aufhebungsentgelte und nicht etwa weil sie Interesse an dem äußerlichen Bestand des Vertrages hätten.
47
Die entscheidende Frage lautet also, ob der Kreditgeber im Rahmen der Vertragsbindung die Verwertung des als Sicherheit gestellten Grundstücks über einen Preis blockieren darf, obwohl er für den Vertrag vollkommen entschädigt wird. Dafür wird die Bindung an den
48
Knops
440
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Vertrag angeführt. Über die Zinsen für die gesamte Zinsbindungsdauer hinaus kann der Bank kein weiterer Schaden entstehen. Nach dem Programm der Vertragsbindung konnte sie von Beginn an nicht mehr verlangen. Das in der Vertragsbindung verkörperte Interesse ist somit vollständig befriedigt. Es bleibt nichts übrig, wofür der Gläubiger etwas verlangen könnte und dürfte. Ein Grund für eine Art Vertragsstrafe ist nicht einmal im Ansatz erkennbar und steht der Bank vor allem auch nach dem von beiden Parteien festgelegten Leistungsprogramm nicht zu. Dagegen spricht auch, dass die Bank so das gesamte Risiko des langfristigen Vertrages vollständig dem Kreditnehmer anlastet, also auch über die Entschädigung hinaus. Zudem steht die Blockade außer Verhältnis zum berechtigten Verlangen des Kreditnehmers, sein Grundstück und das darin angesparte Nettokapital frei nutzen zu dürfen – ein geschütztes Interesse, das der Gesetzgeber bereits durch § 1136 BGB im Hinblick auf das Grundstück und durch Wertung in § 490 II 2 BGB im Hinblick auf die Vertragszinsen anerkannt und zu Gunsten des Eigentümers und Darlehensnehmers und gegen die Bank entschieden hat. Unter Zahlung des Ablösebetrages kann der Kreditnehmer und Sicherungsgeber gegenüber der Bank daher zumindest den Sicherungsvertrag kündigen, was auch ohne wichtigen Grund zulässig ist (Knops, S. 206 Fn. 200 m. w. N.), um so das Grundstück frei zu bekommen. Auch wenn der Darlehensvertrag damit nicht aufgehoben sein sollte, kann die Bank eine Sicherheitenfreigabe nicht verweigern, da sie zur Erfüllung wenigstens als Surrogat, Rückerstattungsbetrag und Vorfälligkeitsentschädigung zur Verfügung gestellt bekommt. Ein weiteres Sicherungsbedürfnis ist nicht erkennbar. Alternativ kann der Sicherungsgeber unmittelbar auf die Grundschuld zahlen (Rn. 69). Zur Auflösung des Darlehensvertrages bejaht die h. M. gleichwohl einen solchen Aufschlag, der aber auch nicht uneingeschränkt möglich ist; er ist insbesondere der Grenze des § 138 BGB unterworfen (BGH WM 2003, 1261 (1262); OLG München WM 1996, 1132; AG Köln WM 1999, 1460 (1461)): 49
1. Überprüfung nach § 138 BGB. Auch wenn es zu einem Aufhebungsvertrag kommt, auf den sich beide Vertragspartner nicht einlassen müssen, darf die geforderte Vorfälligkeitsentschädigung nicht gegen die guten Sitten verstoßen (Wimmer/Rösler, WM 2005, 1873 (1880); Wehrt, WM 2004, 401 (409)). Nach Auffassung des OLG Schleswig (ZIP 1997, 501 (502)) kann eine vereinbarte Vorfälligkeitsentschädigung, die den Erfüllungsschaden des Darlehensgebers mehr als nur unerheblich überschreitet, als objektiv sittenwidrig zu beurteilen sein. Generell wird bei Vorliegen einer Notlage die Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung bereits dann sittenwidrig, wenn der Nachteilsausgleich um ca. 20-30 % überschritten wird (MünchKommBGB-Mayer-Maly/Armbrüster, § 138 Rn. 115 m.w.N.). Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Der BGH spricht den Banken im Einzelfall selbst doppelt so hohe Entschädigungen zu wie unter schadensrechtlichen Grundsätzen (BGH WM 2003, 1261 (1262 f.)), obwohl deren Vertreter selbst schon eine Überschreitung von 20-50 % u. U. als Grenze ansehen (im Einzelnen Rösler, BB 1997, 1369; s. auch Früh, NJW 1999, 2623 (2628)). Allein für den formellen Akt der Vertragsauflösung der Bank bis zum Doppelten der geschützten Zinserwartung zuzusprechen und erst bei darüber nochmals hinausgehenden Zahlungen das Sittenwidrigkeitsverdikt eintreten zu lassen, ist nicht zu rechtfertigen.
50
Im Ergebnis kommt es bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit auf den Einzelfall an, wobei vor allem zu untersuchen ist, ob der Kreditgeber eine eventuelle Zwangssituation oder Schwäche des Kreditnehmers ausgenutzt hat, indem er sich durch die Einwilligung in die vorzeitige Beendigung des Kreditvertrages einen zusätzlichen Gewinn verschafft (Westphalen/Emmerich/Rottenburg-Rottenburg, § 4 Rn. 96) oder sonstige subjektive Momente vorliegen. Ein solcher dürfte allein darin liegen, den Kreditnehmer vor eine unausweichliche Take-it-or-leave-it-Situation zu stellen. Bei der Auflösung des Vertrages erzeugt die
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
441
Bank in der Regel eine Drucksituation, der kaum ein privater Darlehensnehmer standhalten wird. Eine solche Zwangssituation liegt in der Regel aber nicht vor, wenn dem Kreditnehmer als Kaufmann die Wahl gelassen wird, entweder die Altkredite fortzuführen und zu der Teilfinanzierung der neuen Projekte einzusetzen oder aber die Altkredite gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig abzulösen und die neuen Projekte vollständig neu zu finanzieren (BGH WM 2003, 1261 (1263)). Bei einem Verstoß gegen § 138 BGB lebt das ursprüngliche Darlehensverhältnis mit allen Rechten und Pflichten wieder auf und der „als Preiskommissar“ zur Hilfe gerufene Richter hat keine Möglichkeit mehr, einen angemessenen Betrag festzulegen (so Köndgen, in: Ott/ Schäfer, S. 135 (141)). Meist ist ein Wiederaufleben des Vertrages aber unmöglich, etwa wenn das Grundstück schon veräußert ist oder aber das Grundstück anderweitig belastet ist. Regelmäßig führt ein Sittenverstoß zur Rückabwicklung der Leistungen nach den §§ 812 ff. BGB (so bereits RG JW 1910, 799; 1909, 486 und OLG Zweibrücken ZIP 2002, 1680). Die auf die tatsächliche Kapitalbelassung entfallenden Zinsen erhält der Kreditnehmer nicht zurück, da der Kreditgeber für die bisherige Vertragslaufzeit seiner Pflicht nachgekommen ist. Der Kreditnehmer kann aber nicht nur eine zuviel bezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern (Canaris, S. 3, (30)), sondern deren Erstattung insgesamt verlangen, weil der Anspruch unwirksam ist. Zwar kann gemäß § 139 BGB ein Rechtsgeschäft ausnahmsweise aufrechterhalten werden, wenn dies dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht. Ist aber ein Entgelt sittenwidrig überhöht, wird das Rechtsgeschäft im Ganzen nichtig. Eine Aufrechterhaltung mit einer angemessenen Gegenleistung ist grundsätzlich nicht möglich (BGHZ 68, 204 (207) = JZ 1977, 555; 44, 158 (162) = JZ 1966, 101; Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 19, 75). Ansonsten wäre jede Überforderung folgenlos und Gläubiger würden Maximalbeträge verlangen, um in wenigen Fällen, in denen Verbraucher bereit sind, die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung gerichtlich anzugreifen, lediglich den überschießenden Betrag zu verlieren. Bei zwischenzeitlichem Wegfall der zur Sicherheit gestellten Grundschuld nicht dem Kreditnehmer, sondern der Bank ein Kündigungsrecht einzuräumen, jedenfalls aber die Vorfälligkeitsentschädigung in der gerade noch zulässigen Höhe nach § 139 BGB aufrecht erhalten zu wollen (so Rösler/Wimmer/Lang, S. 103), erscheint rechtlich unvertretbar, hat die Bank doch die eingetretene Situation durch ihr Verhalten erst erzeugt. Ohne Grundpfandsicherung hat vielmehr der Kreditnehmer ein Kündigungsrecht nach § 489 I Nr. 2 BGB (Rn. 18) und durch die sittenwidrige Schädigung nach § 314 BGB. In beiden Fällen hat die Bank keinen Anspruch auf Entschädigung; gezahlte Beträge können zurückgefordert werden.
51
2. Angemessenheitskontrolle. Ob sich in einem solchen Fall die gerichtliche Kontrolle zugleich auf eine solche Prüfung reduziert (Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 83 Rn. 158; Rösler/Wimmer/Lang, Rn. B 88; Wenzel, WM 1995, 1433 (1437)) oder zudem eine Angemessenheitskontrolle eröffnet (OLG Karlsruhe WM 1997, 1049 (1050 f.); OLG Celle VuR 1997, 352; AG Diez VuR 2000, 126; AG Köln WM 1999, 1460 (1461); AG Dortmund WM 1996, 1132; Knops, S. 163; Köndgen, in: Ott/Schäfer, S. 135 (142); ZIP 1997, 1645 (1646); Reifner, NJW 1995, 86 (88); Metz, ZBB 1994, 204 (209)), bleibt umstritten. Hinsichtlich eines Aufhebungsvertrages zwischen einer Bank und einem Unternehmen bezüglich einer vorzeitigen Beendigung von Krediten von insgesamt über 10 Mio. Euro und einer Vorfälligkeitsentschädigung von rund 435 000 Euro hat der BGH (WM 2003, 1261 (1262) eine Angemessenheitskontrolle abgelehnt – allerdings ohne jegliche Begründung. Aus der Entscheidung ist nicht zu erkennen, ob der Senat die Gegenmeinung berücksichtigt hat. Nicht verständlich ist vor allem, dass der Senat die Vorfälligkeitsentschädigung der Bank legitimiert, obwohl nach den zutreffenden und auch vom Revisionsurteil nicht gerügten Ausführungen der Vorinstanz (OLG Zweibrücken ZIP
52
Knops
442
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
2002, 1680), gar kein Schaden entstanden war (dazu unten Rn. 62). In der Konstellation Bank-Unternehmen mag die Ablehnung einer Angemessenheitskontrolle hinnehmbar sein; bei Aufhebungsverträgen mit privaten Kreditnehmern ist sie aus Gründen des Verbraucherschutzes im Kreditrecht (Knops, VuR 1998, 107) geboten und erforderlich, allein um überprüfen zu können, ob die Bank die strukturelle Unterlegenheit des Kreditnehmers zum Abschluss des Vertrages unterhalb der Sittenwidrigkeitsschwelle ausgenutzt hat. Die Bank ist hierbei dem Verbraucher mehrfach überlegen: Das Kreditinstitut steht dem Kreditnehmer als Monopolist gegenüber. Nur mit ihm kann er den Vertrag vorzeitig auflösen. Das Druckmittel ist die Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages und die damit verbleibende Bindung des Kreditnehmers an den Vertrag und Grundschuld. Zudem hat die Bank wegen ihres erheblichen Informationsvorsprunges im Regelfall allein den Überblick über die Höhe der zu erwartenden Barwertdifferenz. Das Ergebnis, d. h. die Höhe der Abstandszahlung, darf daher nicht Resultat dieser Ungleichgewichtigkeit sein. Die Bank darf sich auch bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages, zu dem sie nicht verpflichtet ist, über die Vorfälligkeitsentschädigung keinen in der Sache ungerechtfertigten Sondergewinn verschaffen (OLG Schleswig ZIP 1997, 501 (503 f.); so auch LG Karlsruhe WM 1996, 574, wonach in der Mehrforderung eine positive Vertragsverletzung liege). Eine Angemessenheitskontrolle über Generalklauseln wie des § 242 BGB dagegen grundsätzlich auszuschließen, verstößt auch unter Beachtung der Vertragsfreiheit zumindest im Verhältnis Bank-Verbraucher – wie die bekannten Bürgschaftsentscheidungen (BVerfGE 89, 214 (229 ff.) = WM 1993, 2199; bestätigt durch WM 1996, 948; dazu zuletzt Kühling, WM 2002, 625 und Dieterich, WM 2000, 11) eindrucksvoll klargestellt haben – gegen grundrechtliche Wertungen. Zudem ist bereits durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken selbst gemäß Nr. 12 I 3 AGB-Banken (dazu § 3 Rn. 62 f.) auch bei einem individuell vereinbarten Ablösebetrag eine Billigkeitsüberprüfung nach § 315 III BGB gegeben. Sie ist das richtige Mittel, überhöhte Ablösungsentgelte, die zumeist unter Ausnutzung des Nachfragemonopols der Bank durchgesetzt werden, von Fall zu Fall einer judiziellen Missbrauchskontrolle zu unterwerfen (Köndgen, WM 2001, 1637 (1643)). 53
D. Rechnungslegung, Abwicklung und Rückforderbarkeit Schließlich zeigen sich vor allem praktische Probleme bei der Abwicklung der vorzeitigen Beendigung: I. Abrechnung. Der Kreditnehmer kann von dem Gläubiger verlangen, dass dieser eine ordnungsgemäße Abrechnung der Entschädigungsforderung vorlegt. Dieser Anspruch folgt aus § 295 Satz 1 2. Alt. BGB (zust. Mankowski/Knöfel, ZBB 2001, 335 (340)). Dazu muss die Bank zunächst den abgezinsten Betrag der offen stehenden Restschuld zum Rückzahlungstermin bekannt geben (vgl. Derleder/Wosnitza, ZIP 1990, 901 (907 f.)). Hinsichtlich der weiteren Angaben reicht es keineswegs aus, dass der Schuldner etwa bei der Aktiv/Passiv-Berechnung die Zinssätze aus Hypothekenpfandbriefen mit Hilfe herkömmlicher Tageszeitungen (F.A.Z. Renten-Rendite-Statistik „Hypothekenpfandbriefe und öffentliche Pfandbriefe“) nachprüfen kann. Auch bloße Verweise auf die Bundesbankstatistik sind für den Durchschnittskunden nicht geeignet, eine Nachprüfbarkeit zu gewährleisten, weil diese selbst in herkömmlichen öffentlichen Bibliotheken nicht vorrätig gehalten werden, diese zwar im Internet veröffentlicht sind, zu dem aber immer noch nicht jeder Zugang hat, es vielfach überhaupt an der Bedienbarkeit von Computern und entsprechender Programme mangelt. Auch wenn dieses Problem gelöst wird, können die erhaltenen Informationen allenfalls zu einer groben Orientierung des Kreditnehmers dienen, werden dort keine Wiederanlagezinssätze für die das abzulösende Darlehen be-
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
443
stimmte Anlagezeiträume benannt und sind daher zur exakten Nachprüfung der Bankberechung nicht tauglich. Vielmehr ist die Benennung aller maßgeblichen Kennzahlen der Kalkulation und eine hinreichend genaue Angabe und Erläuterung der gewählten Berechnungsart (Aktiv/Aktiv-Methode oder Aktiv/Passiv-Methode nebst Anlagetitel und Wiederanlage) notwendig (zur erforderlichen Transparenz bei Annuitätenkrediten BGH NJW 1989, 222), gewiss aber keine Rechtsausführungen. Andernfalls ist selbst für Rechtsanwälte und Richter, die zuweil mit derartigen Fragen zu tun haben, eine Überprüfung schlicht unmöglich. Schon das Abzinsen des entfallenden Zahlungstromes (mit verschiedenen Zinssätzen) ist ohne geeignete Computerprogramme, die leicht mehrere Tausend Euro kosten, oder ohne besondere finanzmathematische Kenntnisse in concreto nicht nachrechenbar. Nicht zuletzt deshalb liefert selbst jur. Spezialliteratur beigepackte Software (vgl. das Programm zu Rösler/Wimmer/Lang) lediglich grobe Näherungswerte. Da sich der BGH nun im Urteil vom 7.11.00 selbst um ein hohes Maß an finanzmathematischer Korrektheit bemüht, darf dies nicht im Ergebnis dazu führen, dass der Kunde ggf. marktferne Ergebnisse nicht bemerken kann. Selbst Bankvertreter monieren zu Recht den Verlust an Nachvollziehbarkeit, da es nun nicht mehr möglich ist ohne spezielle Computerprogramme eine Entschädigungsforderung nachzurechnen, geschweige denn im Prozess ohne Sachverständigen auszukommen (Wenzel, ZfIR 2001, 93 (102)). Erforderlich ist daher eine auch für den interessierten Laien zumindest kontrollierbare konkrete und nachvollziehbare Berechnung, die die oben genannten Angaben aufweist. Dieser Anspruch auf Auskunftserteilung ist notfalls einklagbar (Mankowski/ Knöfel, ZBB 2001, 335 (341)). Ein immer wieder auftauchendes Ärgernis in der Praxis sind falsche, d. h. meist zu hohe Abrechnungen der Banken, obwohl dort Profisoftware zur exakten Ermittlung vorhanden ist. Rechtsfolge eines derartigen Verhaltens ist im Falle des Verlangens eines (sittenwidrig) überhöhten Betrages, dass sich der Kreditnehmer mit der dann möglichen außerordentlichen Kündigung entschädigungslos aus dem Vertrag befreien kann (vgl. Canaris, FS Zöllner, S.1055 (1071 f.)). Stellt die Bank dem Darlehensnehmer bei den Verhandlungen zum Aufhebungsvertrag den Preis so dar, als würde sie diesen nach den BGHVorgaben zur Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung berechnen, liegt das Entgelt aber – nicht notwendig sittenwidrig – darüber, kann dies einen Anspruch des Kunden aus c. i. c. auslösen, um über die Rückzahlung des überhöhten Betrages so gestellt zu werden, als wäre das Kreditinstitut seiner Aufklärungspflicht nachgekommen (so zu Recht Rösler/ Wimmer/Lang, S. 104 f.). Ansonsten haftet der Gläubiger dem Darlehensnehmer wegen positiver Vertragsverletzung, wenn die Berechnung, dessen Methode und alle wesentlichen Kennzahlen nicht offen gelegt werden. Nimmt der Kreditnehmer gar von der vorzeitigen Ablösung Abstand, weil der Gläubiger einen zu hohen Entschädigungsbetrag genannt hat, haftet der Kreditgeber für alle sich daraus ergebenden Schäden ebenfalls. Dazu gehören neben den Darlehenszinsen für das an und für sich nicht mehr benötigte Kapital etwa bei gescheiteter Veräußerung gegebenenfalls auch Maklerkosten, ein Schadensausgleich wegen zwischenzeitlichem Wertverfall des Objekts, etc. Fehlinformationen sind also für den Gläubiger keinesfalls folgenlos.
54
II. Abwicklung. Unter den genannten Voraussetzungen ist sodann die Pflicht des Kreditgebers zur Valutaannahme mit der Zahlung einer korrekt berechneten Vorfälligkeitsentschädigung des Kreditnehmers verbunden. Kommt der Gläubiger einem Abrechnungsverlangen nicht nach und kommt deswegen in Gläubigerverzug, endet die Verzinsungspflicht gemäß § 301 BGB und der ablösungswillige Kreditnehmer kann sich im Falle der nicht erteilten Löschungsbewilligung und der damit gegebenenfalls verbundenen Verzögerung oder gar dem Scheitern der Grundstücksveräußerung etwa mangels Lastenfrei-
55
Knops
444
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
stellung bei dem Kreditgeber schadlos halten und zudem die Aufhebung gerichtlich durchsetzen (Mankowski/Knöfel, ZBB 2001, 335 (341)). Zahlt dagegen der Kreditnehmer zum Auflösungszeitpunkt nicht, müssen Rückzahlbetrag und Vorfälligkeitsentschädigung wegen der dann weiter anfallenden vertraglichen Zinsen (nicht Verzugszinsen – § 289 BGB) zum einen und der sich nahezu täglich ändernden Parameter zur Berechnung des Entschädigungsbetrages zum anderen zu dem Tag neu berechnet werden, in dem der Kreditnehmer tatsächlich leistet und nicht zum Zeitpunkt der Kündigung (i.E. MünchKommBGB-Berger, § 490 BGB Rn. 35). Dies gilt für Teilleistungen der Valuta ebenso wie für die Vorfälligkeitsentschädigung, die zulässig sind, weil den Gläubiger bei wirksamer Kündigung eine Annahmepflicht zumindest hinsichtlich des Kapitals trifft. Zahlt der Kreditnehmer trotz Mahnung und Inverzugsetzung nicht, können anstatt der Vertragszinsen Verzugszinsen berechnet werden, nicht aber kumulativ. Ein vorzeitiges Beendigungsrecht wird entfallen, wenn die Grundstücksverwertung scheitert, wobei dem Kreditnehmer aber jederzeit ein neuer Anlauf gestattet ist. Berechnet die Bank Ablösebetrag und Vorfälligkeitsentschädigung auf einen bestimmten Tag und hält sie sich daran, wie in der Praxis häufig, ohne Vorbehalt bis zu einem späteren Datum gebunden, liegt darin ein Verzicht auf eine spätere Nachberechnung. Zwischenzeitliche Veränderungen am Kapitalmarkt können aber zu Gunsten des Kreditnehmers ins Gewicht fallen, weil er berechtigt bleibt nachzuweisen, dass tatsächlich kein oder nur ein geringer Schaden entstanden ist. 56
Zug um Zug gegen Valtuarückerstattung und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung muss der Gläubiger die Löschungsbewilligung für das Grundpfandrecht erteilen. Er kann die Freigabe der Sicherheiten gemäß § 273 BGB bis zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung verweigern – aber erstens nur in Höhe der offen stehenden Summe (BGH WM 1993, 849 (854); 1984, 160) und zweitens lediglich dann, wenn diese von der Sicherungsabrede umfasst ist. Dies ist bei den formularmäßigen, sog. weiten Sicherungszweckerklärungen regelmäßig nicht der Fall (OLG Rostock WM 2001, 1377; Mankowski/Knöfel, ZBB 2001, 335 (348); umstr.). Ansonsten endet mit der Zahlung des Entschädigungsbetrages das Darlehensverhältnis durch Erfüllung.
57
III. Rückforderbarkeit. Geleistete Überzahlungen können nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB zurückgefordert werden, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob der Kreditnehmer eine Aufhebungsvereinbarung unter Vorbehaltsverzicht unterzeichnet hat ((BGHZ 136, 161 = WM 1997, 1747; MünchKommBGB-Berger, § 490 Rn. 36; Knops, S. 165 f. m. w. N.). Daneben schuldet der Gläubiger die Herausgabe der daraus gezogenen oder schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen (OLG Hamm WM 1998, 1811), die regelmäßig in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz anzusetzen sind (BGH WM 1995, 1055). Ein Rück- oder selten Nachforderungsrecht geht nicht unter, selbst wenn es schon einmal zu einer Neuberechung des Entschädigungsbetrages gekommen war.
58
E. Ausnahmen und Auswege Schließlich existieren alternative Handlungsmöglichkeiten, bei denen sich ein Streit um die Zahlung eines Entschädigungsbetrages wegen Nichtabnahme oder vorzeitiger Rückzahlung vermeiden lässt oder erst gar nicht entstehen kann: I. Abnahme, Laufzeitverlängerung und Umschuldung. Droht dem Kreditnehmer durch Nichtabnahme trotz Fristsetzung die Zahlung einer hohen Entschädigung an den Gläubiger, kann es günstiger sein, die Valuta abzunehmen und selbst zu verwenden. Dies hängt von der Prognose des zu erwartenden Ertrages, vor allem aber der Entwicklung des Zinsniveaus oder des Kapitalanlagemarktes ab. Allerdings werden nur die wenigsten Darlehensnehmer, auch wenn sie Unternehmer sind, ein derartiges Risiko auf sich nehmen wollen, zum einen Zins und Tilgung zu bedienen, andererseits für den Kapitalertrag sor-
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
445
gen zu müssen. Ein derartiges Ausweichen kommt ohnehin nicht in Betracht, wenn die Mittel zweckgebunden sind oder die Bank den berechtigten Widerruf des Darlehensvertrages erklärt. Ist nach Valutierung der wirtschaftliche Zusammenbruch, die Grundstücksveräußerung etc. noch abwendbar, kann eine Umschuldung bei demselben Kreditinstitut in Betracht kommen. Dies führt zur Reduzierung der Raten auf Darlehensnehmerseite und über eine Zinserhöhung des laufenden Vertrages (ggf. nebst Laufzeitverlängerung) zu einem Mehr an Zinsen für den Darlehensgeber. Auch eine solche Lösung kann daher für beide Seiten sinnvoll sein. Allerdings hängt dies aus Sicht der Bank vor allem von der Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers ab und ist selten von den werthaltigen Veränderungen des Grundstücks beeinflusst. Soweit sich die Parteien auf eine echte Umschuldung, also die vorzeitige Beendigung des alten und Begründung eines neuen Kreditvertrages geeinigt haben, darf die Bank über das Verlangen nach Vorfälligkeitsentschädigung daran nicht zweifach verdienen. Ansonsten würde sie die oftmals bereits eingetretene wirtschaftliche Notlage des Kunden ungerechtfertigt zu seinem Nachteil ausnutzen. Sie muss sich daher mindest die zu erzielende Marge nach der Aktiv/Aktiv-Methode anrechnen lassen. II. Ersatzkreditnehmerstellung. Wenn der Kreditnehmer gezwungen ist, sein Grundstück zu veräußern, könnte er der Bank den Erwerber als Ersatzkreditnehmer stellen, der bereit ist den Darlehensvertrag zu übernehmen (BGH WM 1990, 174 = NJW-RR 1990, 432; zu Vorr. u. RF. Knops, WM 2000, 1427 f.). Akzeptiert der Gläubiger den gestellten Substituten, entsteht mangels Vertragsauflösung kein Schaden; verweigert sie dagegen die Vertragsübernahme unberechtigt, wird der Darlehensnehmer, ohne dass dem Gläubiger ein anderer Vertragspartner aufgezwungen wird (MünchKommBGB-Berger, § 490 Rn. 44; dies übersehen Rösler/Wimmer/Lang, S. 65), aus dem Kreditvertrag frei. In beiden Fällen fällt eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht an (Knops, a.a.O.; ebenso MünchKommBGB-Berger a.a.O.; LG München, Urt. v. 24.7.2008, Az. 16 Hk O 22814/05)). Diese Grundsätze gelten dann, wenn die Valuta etwa wegen des Scheiterns des Hausbaus erst gar nicht abgenommen wird. Der Eigentümer wird dann kaum noch Interesse an dem Grundstück haben und es veräußern wollen. Mit dem Kredit kann der Käufer den Erwerb finanzieren und ggf. andere Pläne mit dem Grundstück verwirklichen. Der Bank entsteht kein Schaden, da der Erwerber die vertraglich vereinbarten Zinsen zahlt. Bei entsprechender Bonität des Ersatzkreditnehmers gilt dies auch für unkündbare Festzinsdarlehen von Unternehmern, die durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert sind.
59
Auch wenn bislang kein echter Markt für Kreditübernahmen besteht, was zum Teil auch an den Verbraucherverbänden liegt, die es bislang versäumen, ihr Klientel auf diese Möglichkeit konsequent aufmerksam zu machen, wird diese Möglichkeit vor allem auf Vorschlag der den Vertrag vorbereitenden Notare genutzt, wenn bei Grundstückserwerb – wie häufig – ohnehin das bestehende Grundpfandrecht übernommen wird. Dabei ist insbesondere in Zeiten steigender Zinsen der Vorteil für den Käufer evident, auch wenn zwar die Übernahmevaluta zum Erwerb meist nicht ausreichen, aber nur ein ganz erheblich geringeres Darlehen zum aktuellen höheren Zinssatz aufgenommen werden muss, das durch die freigewordenen Teile der bestehenden Grundschuld ebenfalls erstklassig gesichert werden kann. Bei stagnierenden Zinsen rechnet sich die Übernahme durch Wegfall von Disagio, Umschreib- und Ablösehonorare meist ebenfalls. Selbst bei fallenden Zinsen kann eine Übernahme für die Kaufvertragsparteien noch lohnenswert sein. Dagegen ohne jeglichen Nachweis einfach erhebliche Transaktionskosten zu unterstellen (so Köndgen, in: Die vorzeitige Rückzahlung von Festzinskrediten, S. 13) und dies mit Kosten für eine „Kreditwürdigkeitsprüfung“ zu unterlegen (Rösler/Wimmer/Lang, S. 64), die gar nicht geschuldet sind oder sich auch in der internen Kalkulation im Promillebereich bewegen,
60
Knops
446
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ist nicht achtbar. Offensichtlich verdienen die Banken aber an der Vorfälligkeitsentschädigung des alten Vertrages und durch die Zinsen und Kosten eines möglichen Neuvertrages so viel, dass kein Interesse an einer Lösung besteht, die unterhalb der Auflösungsschwelle liegt, den transaktionsspezifischen Aufwand aller Beteiligten ganz erheblich senkt und vor allem durch die die vollständige Erfüllung des bisherigen Vertrages gesichert wird. 61
III. Vorteilsausgleich durch Ersatzgeschäft. In Betracht kommt weiter, dass der Bank durch ein Ersatzgeschäft bei der vorzeitigen Darlehensablösung kein Schaden entsteht, der ausgeglichen werden müsste. Zwar hat der 11. Senat des BGH für den Zinsverschlechterungsschaden entschieden, dass sich eine Bank ein Ersatzgeschäft grundsätzlich nicht anrechnen lassen müsse, weil es alleine auf den konkreten Vertrag ankomme (BGH WM 2000, 20; 1997, 1747 (1750); i.E. zust. MünchKommBGB-Berger, § 490 Rn. 35). Letztlich stimmt dies aber auch mit der eigenen Judikatur nicht überein, da angenommen wird, dass die vorzeitig zurückgeflossene Valuta im Aktiv/ Passiv-Vergleich wieder in neuen Kreditgeschäften angelegt wird und sich die Barwertdifferenz (die sich aus dem Abzinsen der entfallenden Zahlungen mit verschiedenen Zinssätzen ergibt) als Schaden darstellt (Rn. 36 f.). Die Wiederanlage ist gleichzeitig Deckungs- und Ersatzgeschäft. So steht denn auch die Ablehnung der Anrechenbarkeit eines Ersatzgeschäftes im zum Teil krassen Widerspruch zu der Rechtsprechung anderer Senate des BGH, so etwa zum Urteil des 3. Senates vom 30.11.1989, in dem der Bank im Verhältnis zu ihrem Kreditkunden die Vornahme eines Deckungsgeschäfts ausdrücklich zugemutet wird (BGH ZIP 1990, 1054 (1056)), wobei dieser Grundsatz vom 5. Senat unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung noch einmal 1997 bestätigt worden ist (BGH NJW 1997, 1231 (1232)). Zudem widerspricht sie den allgemein anerkannten Grundsätzen zur Vorteilsausgleichung und verstößt vor allem gegen § 326 II 2 BGB = § 324 I 2 BGB a. F., wonach sich der Schuldner zwingend dasjenige anrechnen lassen muss, was er durch anderweitige Verwendung erwirbt oder zu erwerben unterlässt. So liegt es hier: Beim Darlehen sind Zinszahlungspflicht und Kapitalüberlassung synallagmatisch verknüpft. Der Kreditgeber schuldet die Überlassung des Kapitals, wofür der Kreditnehmer zur Zinszahlung verpflichtet ist. Durch die vorzeitige Rückzahlung wird der Darlehensnehmer nach der h. M. allein dafür verantwortlich gesehen, dass der Darlehensgeber die Valuta nicht mehr überlassen kann (ihm also eine Überlassung nach altem Recht unmöglich wird). Nach dem Ende der Valutaüberlassung endet wegen der synallagmatischen Verknüpfung von Hauptschuld und Zinsverpflichtung zum einen und nach dem zinsrechtlichen Akzessorietätsprinzip zum anderen auch der Zinsanspruch des Darlehensgebers. Für diesen Fall ordnen § 326 II 1 BGB und § 324 I 1 BGB a. F. übereinstimmend an, dass der Schuldner der Belassungspflicht, also die Bank ihren Anspruch auf die Gegenleistung (Zinsen) behält. Allerdings muss sie sich dasjenige anrechnen lassen, was sie infolge der Befreiung von der Leistung oder durch anderweitige Verwendung erwirbt oder zu erwerben unterlässt. Somit folgt aus dem allgemeinen Schuldrecht, dass der vom 11. Senat postulierte Ausschluss unwirksam ist.
62
Zudem verstößt die Auffassung des Senates gegen Grundpfeiler des Schadensrechts: Wenn die Bank wegen der Veräußerung des Finanzierungsobjektes verpflichtet ist, in die vorzeitige Darlehensablösung zwecks Herbeiführung der Lastenfreiheit einzuwilligen, darf sie eine Vorfälligkeitsentschädigung nur verlangen, wenn sie durch die Ablösung der Festzinskredite tatsächlich einen konkreten Schaden erlitten hätte (Rn. 42). Dies kann „zur sicheren Überzeugung“ des OLG Zweibrücken (ZIP 2002, 1680) ausgeschlossen werden, wenn der Kreditnehmer durch den zeitgleichen Neuabschluss von Festkreditverträgen in den bisherigen Kredit übersteigender Höhe die Bank quasi im Wege der Natu-
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
447
ralrestitution (vgl. § 249 S. 1 BGB) im wirtschaftlichen Ergebnis schadlos gestellt hat, weil aufgrund der Neuverträge, zu denen es nur durch die vorzeitige Ablösung der „Altkredite“ gekommen ist, die Bank sich finanziell jedenfalls nicht schlechter gestellt habe, als wenn die ursprünglichen Kredite für den verbleibenden Festschreibungszeitraum fortgeführt und mit Zinsen bedient worden wären. Unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben kann bereits darin eine ausreichende Kompensation für das Kreditinstitut gesehen werden – jedenfalls muss die Beklagte sich auf einen etwaigen Ersatzanspruch gegen die Klägerin aber schadensrechtlich im Wege der Vorteilsausgleichung die Vorteile anrechnen lassen, die sie durch die vorzeitige Beendigung der alten Darlehensverträge erlangt hat (OLG Zweibrücken a. a. O.). Dass ein sich für das Kreditinstitut etwa ergebender Vorteil auf dessen Ersatzanspruch wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung angerechnet werden muss, hat im Übrigen auch der Bundesgerichtshof bereits festgestellt (vgl. BGHZ 133, 355 (359) = WM 1996, 2047; BGH WM 1999, 840 (841)). Die Feststellungen des OLG gelten umso mehr als im entschiedenen Fall, die Darlehensvaluta das Bankhaus nie verlassen hat und die Sicherheiten identisch blieben. Im konkreten Verhältnis der Parteien ist somit kein Schaden der Bank entstanden, der auszugleichen wäre. Der 11. Senat hat mit seiner Entscheidung vom 6.5.2003 (BGH WM 2003, 1261) im Revisionsverfahren gegen das Urteil des OLG Zweibrücken (ZIP 2002, 1680) nicht gerade elegant das von ihm selbst geschaffene Problem umgangen, in dem es die zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsverträge mit Entschädigungen von insgesamt rund 850.000 DM für wirksam erklärt und das, obwohl das OLG gerade festgestellt hatte, dass eben kein Schaden entstanden ist. Der BGH geht darauf mit keinem Wort ein, so dass er sich den überzeugenden Schlussfolgerungen des pfälzischen OLG offensichtlich nicht stellen wollte. Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist generell nicht geschuldet, wenn der Kreditnehmer beim abzulösenden Gläubiger gleichzeitig einen Neukredit in übersteigender Höhe zu für den Kreditgeber jedenfalls nicht schlechteren Konditionen aufnimmt (OLG Zweibrücken a.a.O.; zust. auch PWW-Kessal-Wulf, § 490 Rn. 5 a.E.; vgl. bereits OLG Zweibrücken WM 1996, 621). IV. Kündigung. Bei der Kündigung von Festzinsdarlehen kommen folgende Kündigungsrechte in Betracht, die eine Entschädigung ausschließen oder begrenzen: 1. Kündigung des Kreditnehmers. Insbesondere Verbraucher unterliegen oftmals dem Irrtum, eine Vertragsbeendigung sei nicht oder nur am Ende der ursprünglich vorgesehenen Laufzeit möglich. Dabei ist der Gläubiger immer nur für den Zeitraum der Zinsfestschreibung geschützt, was viele Kunden bei einer angedienten Prolongation übersehen, wenn sie wenig später Auflösung verlangen. Im Bereich festverzinslicher Darlehen hat der Kreditnehmer zunächst zu prüfen, wann er den Vertrag geschlossen hat. Er kann den Vertrag u. U. widerrufen, (§ 28 Rn. 4 f.), dessen Bestand anfechten etc. und insbesondere je nach Abschlusszeitpunkt den Vertrag durch ordentliche Kündigung beendigen. Für Kreditverträge vor dem 1.1.1987 gilt nach wie vor hauptsächlich § 247 BGB a. F., für Abschlüsse vom 1.1.1987 bis zum 31.12.2001 vor allem die Regelung des § 609a BGB a. F. unter Berücksichtigung von § 14 VerbrKrG ab dem 1.1.1991. Die nach dem 31.12.2001 geschlossenen Festzinsverträge unterfallen § 489 BGB. Bei wirksamer Kündigung zum Ende der Zinsbindungsfrist hat der Gläubiger in allen diesen Fällen keinen Anspruch auf irgendeine Entschädigung, auch wenn der Vertrag nicht das anfänglich vorgesehene Ende gefunden hat.
63
a) Bei nicht bestehender Grundpfandsicherung. Gerade in Fällen der Nichtabnahme der Darlehensvaluta wird oftmals übersehen, dass dem Kreditnehmer ein gesetzliches Kündigungsrecht zusteht, wenn das den Kredit sichernde Grundpfandrecht noch nicht besteht. Anstatt unter Hinweis auf Widerrufsrechte ohne Erfolg eine Aufhebung des Ver-
64
Knops
448
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
trages zu verlangen, hätte der beklagte Kreditnehmer etwa in dem vom BGH mit Urteil vom 7.11.00 (BGHZ 146, 5 = WM 2001, 20) entschiedenen Fall die Kündigung nach § 609a Abs. 1 Nr. 2 BGB erklären sollen. Ähnlich liegt es der Entscheidung des BGH vom 12.12.00 (BGH WM 2001, 350). Für die Ausübung des Kündigungsrechts nach § 490 II BGB oder § 609a Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. kommt es allein darauf an, ob die Grundpfandsicherung tatsächlich besteht (ausf. Rn. 18). Wenn dies nicht der Fall ist, kann der Kreditnehmer unter Einhaltung der Kündigungsfrist ordentlich kündigen, wodurch eine Nichtabnahme- oder Vorfälligkeitsentschädigung nicht anfallen kann. Zudem kann sich auch ein teilweises Kündigungsrecht ergeben, wenn der Kredit höher valutiert als gesichert ist (Knops/Stempel, ZfIR 2000, 769, 770 m. w. N.). 65
b) Aus wichtigem Grund. Gemäß § 490 III BGB bleibt sowohl § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) als auch das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB daneben anwendbar, insbesondere für Fälle, in denen nicht die Verwertung des Haftungsobjekts angestrebt wird (so wohl auch Freitag, WM 2001, 2370 (2377)). Zwar soll eine Verschmelzung kein außerordentliches Kündigungsrecht begründen (BGH WM 2002, 1240), was angesichts der zwingenden Genehmigung nach §§ 414 ff. BGB äußerst zweifelhaft bleibt. Wenn aber die kreditgebende Bank mit einem oder mehreren anderen Instituten fusioniert und der Kreditnehmer triftige Gründe gegen einen Fusionspartner hat, insbesondere, weil dieser Einblick in seine Vermögensverhältnisse erhält, kann er den Vertrag vorzeitig auflösen (OLG Karlsruhe WM 2001, 1803). Beispielhaft sei ein Berufsschullehrer für Bankauszubildende genannt, der, um vor seinen Schülern nicht als „gläserner“ Mensch zu stehen, explizit ein unbeteiligtes Bankhaus wählt. Mangels Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag ist in diesem Fall weder eine Abmahnung noch der Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist nach § 314 II BGB notwendig. Allerdings kann der Berechtigte nach § 314 III BGB nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er von dem Kündigungsgrund erfahren hat. Die 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB gilt hier nicht (BT- Drs. 14/6040, S. 179; a. A. noch OLG Karlsruhe WM 2001, 1803). Eine Vorfälligkeitsentschädigung kann dann nicht verlangt werden (OLG Karlsruhe a. a. O.; bestätigt durch BGH, Beschl. v. 12.03.2002, Az. XI ZR 285/01 – unveröffentlicht). Das ergibt der Umkehrschluss aus § 490 II BGB.
66
2. Kündigung des Kreditgebers. a) Verbraucherdarlehensverträge. Auch wenn der langfristige Kredit in den Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB bzw. VerbrKrG a. F. fällt, kann der Kreditgeber nach der herrschenden Meinung eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Wenn er aber – etwa wegen Zahlungsverzuges des Kunden – selbst kündigt, darf neben dem gemäß § 11 Abs. 1 VerbrKrG a. F. berechneten Verzugsschaden nicht auch noch der wegen der vorzeitigen Fälligstellung entgangene Gewinn geltend gemacht werden (h. M.; OLG Zweibrücken WM 2001, 24 m. zust. Anm. Knops, EWiR 2001, 397; a. A. Rösler/Wimmer/Lang, S. 99). Dasselbe gilt ohne Änderungen für § 497 I BGB (Palandt-Weidenkaff, § 497 Rn. 6 a. E.). Beides zugleich zu verlangen, ist vor allem durch den Wortlaut des § 11 VerbrKrG („wenn nicht“) ausgeschlossen (im Ergebnis ebenso Bülow, VerbrKrG, 4. Aufl., § 11 Rn. 39). Das ergibt sich für § 497 BGB aus dem Verhältnis von § 286 I BGB zu § 280 II BGB. Wegen der Kündigung geht es nicht mehr um die Erfüllung des Vertrages, sondern um einen Schadensersatz im Rahmen der Barwertberechnung. Der Primäranspruch auf Erfüllung ist nach der Vertragskündigung durch die Bank selbst untergegangen und kann daher nicht mehr verlangt werden. Der Gläubiger hat nun die Wahl den Schaden entweder abstrakt (aus fiktiven Daten, Annahmen) oder konkret zu ermitteln. Nachdem sich die von dem Bundesgerichtshof bevorzugte Methode zur abstrakten Verzugsschadensberechnung aus der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank als unpraktikabel erwiesen hatte, wurde der vom Kreditnehmer zu leistende Ersatz durch den
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
449
Gesetzgeber in § 11 VerbrKrG aufgrund von Untersuchungen zu den anfallenden Refinanzierungskosten der Kreditinstitute bei Verbraucherkrediten pauschalisiert (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 11/5462, abgedruckt bei Bülow, VerbrKrG, § 11 Rdnr. 3 f.). Der geschuldete Betrag war danach mit fünf vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz zu verzinsen, ohne dass die Bank Angaben zur Schadenshöhe machen musste (BGH ZIP 1991, 1479). Diese Schadensberechung ist allerdings für den Immobiliarkredit durch den BGH als für die Banken zu günstig verworfen worden (BGH ZIP 1999, 1483). § 497 I 2 BGB beschränkt den pauschalisierten Ersatz bei Immobiliardarlehensverträgen auf 2,5 % über dem Basiszinssatz. Will die Bank nach § 497 I 3 BGB einen darüber hinausgehenden Schaden liquidieren, muss sie ihre Kalkulation substantiiert unter Nennung aller maßgeblichen Betriebsdaten offen legen. § 287 ZPO gilt hier nicht (Palandt-Weidenkaff, § 497 Rn. 6), so dass auf die Grundsätze zur Berechnung der Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung nicht zurückgegriffen werden kann. Schließlich wird man wie Schimansky (in: Hadding/Nobbe, Bankrecht 2000, S. 210) fragen dürfen, ob der Bank überhaupt ein Schadensersatzanspruch zusteht, hat sie dem Kunden mit der Kündigung doch das Kapitalnutzungsrecht, für das er ein Entgelt zahlt, entzogen. Für den Konsumentenkredit ist dies in § 497 I BGB (§ 11 VerbrKrG a. F.) abschließend normiert. Außerhalb dessen Anwendungsbereiches ergibt sich der Fortbestand der Zinszahlungspflicht allerdings nur soweit der Darlehensnehmer die vorzeitige Kündigung oder Kapitalrückgewähr zu vertreten hat (Knops, S. 184 m. w. N.). Ansonsten hört mit dem Ende der Kapitalnutzung durch den Kreditnehmer die Zinspflicht auf. Schadensersatzansprüche sind mangels Verschulden logisch ausgeschlossen. b) Unternehmerdarlehen. Fällt der Vertrag nicht in den Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB steht dem Darlehensgeber bei Nichtabnahme oder außerordentlicher Kündigung ein Schadensersatzanspruch zu. Verlangt er darüber hinaus einen zusätzlichen Preis (Rn. 47 f.), kann es für den Kreditnehmer günstiger sein, eine außerordentliche Kündigung der Bank wegen unterlassener Zahlung hinzunehmen. In diesem Fall errechnet sich der Entschädigungsbetrag wie bei einer Kündigung nach § 490 II BGB (vgl. auch Grundmann, BKR 2001, 66 (70)).
67
V. Rückzahlung ohne Kündigung. 1. Leistung nach § 271 II BGB. Zu prüfen ist, ob in dem Darlehensvertrag eine ausdrückliche Vereinbarung enthalten ist, dass eine vorzeitige Tilgung wirksam ausgeschlossen ist. Eine solche ist erforderlich, um die vorzeitige Rückzahlung durch Leistung § 271 II BGB bei Darlehen mit vereinbarter Laufzeit auszuschließen (Wittig/Wittig, WM 2002, 145 (147 f.)). Andernfalls besteht im Zweifel ein Recht zur vorzeitigen Rückzahlung der Valuta, womit keine Zinsen mehr zu Gunsten des Darlehengebers entstehen können, eine Entschädigung ebenfalls nicht anfällt (im Einzelnen Knops, VuR 2001, 239 ff.). Bei Gläubigerverzug ergibt sich dies aus § 301 BGB.
68
2. Zahlung auf die Grundschuld. Zudem besteht die Möglichkeit, dass der Kreditnehmer als persönlich schuldender Eigentümer auf die Grundschuld zahlt, das Darlehen endet und eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht verlangt werden kann (ausf. Knops, S. 191 f.). Zur Löschung der Grundschuld muss der Sicherungszweck erledigt sein, mithin entweder das Darlehen getilgt oder unmittelbar auf die Grundschuld geleistet worden sein. Bei Fälligkeit kann der Schuldner die Grundschuld unabhängig vom Darlehen ablösen. Sind der Eigentümer und der Schuldner identisch, darf (und muss) dieser den Gläubiger bei Fälligkeit des Grundpfandrechts befriedigen. Fälligkeit des Grundpfandrechts bedeutet bei der Hypothek Fälligkeit der gesicherten Forderung, bei der Grundschuld aber Fälligkeit dieser selbst. Durch die sofortige Fälligkeit der Grundschuld hat der Schuldner ein Leistungsrecht auf die Grundschuld. Mit der Zahlung des persönlich schuldenden Eigentümers erlischt zugleich die Forderung und die Grundschuld geht kraft Gesetzes als
69
Knops
450
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Eigentümergrundschuld entsprechend den §§ 1142, 1143 auf ihn über (BGH ZIP 1986, 900 (905); 1985, 732 (733); NJW 1976, 2340 (2341)). Grundsätzlich wird also bei Leistungen zugunsten der Grundschuld auch die persönliche Forderung im Umfang der Zahlung zum Erlöschen gebracht (BGH NJW 1992, 3228 (3229); 1987, 838 (839); WM 1980, 982 (983); Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 32.). Nach dem zinsrechtlichen Akzessorietätsprinzip kann nach Rückzahlung der Grundschuldsumme, die gleichzeitig die Darlehensvaluta ist, auch kein weiterer Zinsanspruch mehr entstehen (BGHZ 106, 42 (47) = NJW 1989, 222; RGZ 86, 218 (219); Staudinger-K. Schmidt, 12. Aufl., § 246 Rn. 37; Mugdan II S. 9). Allerdings steht dem Kreditgeber ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Zinsen zu, wenn der Kreditnehmer mit der Zahlung schuldhaft gehandelt hätte. Durch die nach dem Vertragsprogramm ganz üblicherweise vorgesehene und erlaubte Zahlung auf die Grundschuld ist der Kreditnehmer aber berechtigt, die valutierte Grundschuldsumme an den Sicherungsnehmer zu leisten. Deren Annahme darf der Sicherungsnehmer, weil über die übliche sofortige Fälligstellung der Grundschuld vertraglich vorgesehen, nicht verweigern; er muss sie also vorbehaltlos annehmen. In der Ausübung eines Vertragsrechts kann aber schon begrifflich kein vertragswidriges Verhalten liegen. Ebenso scheidet ein Verschulden aus. Die Zahlung der Valuta entspricht dem Vertrag und ist keine Vertragsverletzung. Die Valuta der Grundschuld sind zugleich dieselben wie die des Darlehens. Ebenso wie der Sicherungsgeber und der Kreditnehmer, sind der Sicherungsnehmer und der Kreditgeber eine Person. Erhält letzterer die geschuldete Summe, ist er wegen beidem befriedigt. Einer Kündigung bedarf es nicht, da die Grundschuld, auf die gezahlt wird, bereits fällig war. 70
Nur wenn der Kreditnehmer mit der Rückgewähr auch dem Vertragsprogramm zuwider gehandelt hätte, könnte davon gesprochen werden, dass der Kreditnehmer zur Weiterzahlung des Vertragszinses verpflichtet wäre. Wenn aber der Kreditnehmer lediglich ihm eingeräumte Rechte aus dem Vertrag wahrnimmt, kann der Kreditgeber nicht mit einem solchen Betrag rechnen. Dann würden die rechtlich geschützten Interessen des Kreditgebers überhaupt nicht beeinträchtigt, sondern dies wäre die Folge der vertraglichen Bestimmungen. Insbesondere hätte der Kreditgeber, der bei Immobiliarkreditverhältnissen alle wesentlichen Vertragsmodalitäten bestimmt, eben hinsichtlich der Fälligkeit der Grundschuld eine andere Gestaltung wählen müssen. Es gibt nichts mehr, was dem Kreditgeber nach Rückzahlung der Valuta zu schulden wäre. Das Recht zur Zahlung auf die Grundschuld steht dem Schuldner nach dem Vertragsprogramm ausdrücklich zu und kann von niemandem geleugnet werden. Dieses Ergebnis ist die Folge der Unterscheidung zwischen Hypothek und Grundschuld. Mit dieser Leistung geht auch die Forderung unter, und zwar ohne dass es wiederum auch auf deren Fälligkeit ankommen würde. Im Ergebnis besteht daher eine Valutaannahmepflicht des Kreditgebers. Die Annahmepflicht ist dabei streng mit der Zahlung der valutierten Grundschuldsumme verknüpft. Ein Recht der Bank, den Kreditnehmer an dem durch die Grundschuld gesicherten Darlehensvertrag festzuhalten, wie es bislang noch die ganz herrschende Meinung postuliert, gibt es damit nicht mehr. Die Annahmepflicht ist die konsequente Fortsetzung einer Vertragspraxis, die sich die Banken über Jahre angeeignet haben und die von der Rechtsprechung bislang nicht entscheidend korrigiert worden ist: Um bei Zahlungsverzug des Schuldners jederzeit auf das Vermögen desselben zurückgreifen zu können, sehen die üblichen Grundschuldformulare der Banken vor, dass die Grundschuld sofort fällig ist. Diese Fälligstellung kann sich der Kreditnehmer zum Vorteil machen und sofort auf die Grundschuld mit Erfüllungswirkung zahlen und so das Grundstück lastenfrei stellen – und zwar ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.
Knops
§ 14 Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsentschädigung
451
VI. Immobiliarkredite mit Kapitallebensversicherung. Bei sog. Lebensversicherungskrediten handelt es sich um Festzinsdarlehen, die mit einem Lebensversicherungsvertrag derart verknüpft sind, dass das Kapital am Ende der Laufzeit durch die Versicherungssumme zurückgeführt wird (ausf. Reifner, ZBB 1999, 349 f.; zur Aufklärungspflicht BGH WM 2003, 1370). Der Kreditnehmer zahlt neben den Prämien an die Versicherungsgesellschaft fortlaufend Zinsen in voller Höhe, da eine schrittweise Tilgung der Valuta nicht stattfindet. Regelmäßig lässt sich die Bank den Auszahlungsanspruch aus der Lebensversicherung abtreten und mit der Fälligkeit der Police tritt auch die Fälligkeit des Darlehens ein. Eine Kündigung ist in diesem Fall nicht notwendig, so dass auch keine geschützte Zinserwartung mehr existiert, nach der die Bank einen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hätte (OLG Karlsruhe WM 2001, 1561 m. zust. Anm. Krüger, VuR 2000, 271; a. A. OLG Köln ZIP 2000, 308; Rösler/Wimmer/Lang, S. 38). Die Rechtsauffassung des OLG Karlsruhe hat der BGH durch Nichtannahmeentscheidung (Beschl. v. 5.12.2000, Az. XI ZR 137/00 – unveröffentlicht -) bestätigt und ausgeführt, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung der Bank ausscheidet, da eine Tilgung des Darlehens auch im Falle des Todes von vornherein vereinbart war.
71
Auch wenn keine Verknüpfung der Fälligkeitszeitpunkte vorgesehen ist, muss die Bank – systemimmanent – mit dem Tod des Kreditnehmers rechnen und kann dieses Risiko nicht noch in Form einer zusätzlichen Vorfälligkeitsentschädigung realisieren. Der Gläubiger schützt sich mit der Versicherung gegen dessen Ableben, um sich aus der Versicherungssumme zu befriedigen. Die Lebensversicherungsprämie enthält bereits einen Anteil zur Abdeckung des Todesrisikos, so dass durch die Versicherungsleistung endgültig Erfüllung eintreten soll (daran gehen OLG Köln ZIP 2000, 308 (309) und Wenzel, ZfIR 2001, 93 (96) vorbei). Auch die Vertragsvordrucke sprechen nicht von einer Extravergütung im Todesfall. Vielmehr wird zumeist mit dem Gegenteil geworben, nämlich dass eine Überschussbeteiligung nicht nur zur Tilgung benötigt wird, sondern dem Kreditnehmer oder dessen Erben zufließt. Allein aus Transparenzgründen bleibt den Anbietern daher die Realisierung einer Vorfälligkeitsvergütung im Todesfall verwehrt. Dasselbe gilt, wenn die Fälligkeit der Lebensversicherung vor Ablauf des Zinsbindungszeitraums eintritt und der ablösungswillige Kreditnehmer darüber nicht aufgeklärt wurde (vgl. LG Mannheim VuR 2000, 205 f.; Rösler/Wimmer/Lang, S. 40 m. w. N.). Selbst wenn die Ablaufleistung der Versicherung die Höhe der Darlehensschuld nicht erreicht, erlischt die Darlehensforderung durch die Auszahlung der Versicherungssumme an den Kreditgeber (OLG Karlsruhe, NJW 2003, 2322; a.A. OLG Karlsruhe WM 2006, 1810 (1813);im Einzelnen Knops, AcP 206 (2006), 867 ff.. Lediglich wenn die Verträge nicht wegen Eintritts des Versicherungsfalles, sondern aus anderen Gründen vorzeitig enden, sind sie normalen Festzinsdarlehen hinsichtlich eines zu leistenden Entschädigungsbetrages gleichgestellt.
F. Ausblick
72
Während es durch Vertragsprolongationen noch zahlreiche Kreditverträge gibt, die § 247 BGB a. F. unterfallen und deshalb bei vorzeitiger Beendigung keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt werden darf, bleiben auch nach Kodifizierung des außerordentlichen Kündigungsrechts in § 490 II BGB zum Teil erhebliche Ungerechtigkeiten und Unsicherheiten bei der Zubilligung von Vorfälligkeitsentschädigungen an Banken und Versicherungen. Bezüglich der Mär von der exakten Refinanzierung von Kreditinstituten bei Darlehenshingabe und Pauschalisierung der Schadensersatzansprüche ohne Nachweis, bleibt zu klären, ob es bei diesen kumulativen Beweiserleichterungen zu Gunsten der Banken bleiben kann, obwohl dies allen anderen Gläubigergruppen versagt bleibt. Derweil wird sich zeigen, inwieweit von den genannten Ausnahmen und Auswegen aus der Entschädi-
Knops
452
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
gungsproblematik Gebrauch gemacht werden kann. Die in der Praxis verwendeten sog. KAPO-Programme werden wie andere Software zur Berechung weiter angepasst, ohne dass sich die Rechtsprechung derzeit wenigstens dazu durchringen kann, den Kreditnehmern eine nachvollziehbare, alle die konkrete Berechnung beeinflussenden Faktoren und Methoden enthaltene Abrechnung zuzubilligen. Das ist an sich das Minimum, würde aber auch die Fiktionen und Hilfen offenbaren, die den Banken aus welchen Gründen auch immer zum Nachteil ihrer Kunden eröffnet werden. Schließlich wird zu Recht beklagt, dass in Deutschland für die vorzeitige Ablösung festverzinslicher Darlehen einmalig hohe Entschädigungen zu leisten sind (Reifner, ZBB 2001, 193 (200)), die in anderen europäischen Ländern z. T. durch gesetzliche Fixierung erheblich darunter liegen (vgl. die nachfolgenden Länderberichte, sowie Köndgen, in: Die vorzeitige Rückzahlung von Festzinskrediten, S. 19 ff., insbes. für die Rechtslage in den USA; Dübel/Köndgen, passim). Jüngste Untersuchungen zeigen, dass zwischen den höchsten und niedrigsten Entschädigungsbeträgen, die weniger juristisch als finanzmathematisch dominiert sind, immer noch bis zu 133 % Unterschied besteht (Opitz, Kredit & Rating-Praxis 4/2002, 32 f.). Zur Umsetzung in deutsches Recht steht die Konsumentenkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008) an. Ziel dieser Richtlinie ist u.a. die generelle Ermöglichung einer vorzeitigen Rückführung gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung, deren Berechnung transparent und nachvollziehbar sein muss, herbeizuführen, wobei eine Vorfälligkeitsentschädigung nur verlangt werden darf, wenn innerhalb von 12 Monaten der Rückführungsbetrag einen gewissen Schwellenwert (nicht höher als 10.000 Euro) überschreitet (Erwäggrund 40). Art. 5 und 6 enthalten Informationspflichten über das Recht auf vorzeitige Rückführung und Anspruch auf Entschädigung, sowie über die Berechnungsmethode. Dementsprechende Musterformulierungen finden sich unter Nr. 4 des Anhangs II (Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite) wieder. Diese Infomationspflichten gehören ferner nach Art. 10 zu den zwingenden Angaben in Kreditverträgen. Ausführlich geregelt ist das Recht auf vorzeitige Rückführung in Art. 16. Hiernach besteht ein jederzeitiges Recht, den Kredit ganz oder teilweise zurückzuführen. Der Entschädigungsanspruch der Bank ist begrenzt und kann ausgeschlossen sein. Die Entschädigung darf die Höhe der ohne vorzeitige Rückführung zu zahlenden Zinsen nicht überschreiten. Die Richtlinie ist bis zum 12. Mai 2010 umzusetzen (Art. 27).
Knops
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
453
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
Schrifttum Adomeit, Das Günstigkeitsprinzip – neu verstanden, NJW 1984, 26; Akerlof, The Market for „Lemons“, JoE 1970, 488; Artz, Bürgschaft und Verbraucherkreditgesetz, VuR 1997, 227; Die Neuregelung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen, BKR 2002, 603; Baum/Reiter, Gesetzgeberischer Nachholbedarf für einen verbesserten Anlegerschutz, BKR 2002, 851; Becher, Zur wirtschaftlichen Einheit zwischen Realkreditvertrag und finanziertem Grundstückskaufvertrag, BKR 2002, 931; Bitterich, Die analoge Anwendung des Art. 29a I, 2 EGBGB auf Verbraucherschutzrichtlinien ohne kollisionsrechtlichen Rechtsetzungsauftrag, VuR 2002, 155; Böckmann, Die Praxis des Einwendungsdurchgriffs beim isolierten Bankdarlehen, 1985; Bohner, Kapitallebensversicherungen als Kosten einer Versicherung im Sinne von § 4 I S. 4 Nr. 1 f. VerbrKrG?, WM 2001, 2227; Brinkmann, Bewirkt § 6 Abs. 4 des Verbraucherkreditgesetzes, dass Kreditgeber an einer zu niedrigen Effektivzinsangabe festgehalten werden?, BB 1991, 1947; Bruchner, Bankenhaftung bei fremdfinanziertem Immobilienerwerb, WM 1999, 825; AGB-rechtliche Zulässigkeit von Zinsanpassungsklauseln, BKR 2001, 16; Brutschke, „Ewiger Streit“ um das Disagio – wer darf es nun behalten?, VuR 1996, 43; Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 2003; Bülow, Verbraucherkreditrecht im BGB, NJW 2002, 1145; Bütter/Tonner, Übertragung von Darlehensforderungen und Bankgeheimnis, ZBB 2005, 165; Bungeroth, Schutz vor dem Verbraucherschutz – Merkwürdigkeiten im Verbraucherkreditgesetz, in: FS Schimansky, 1999, 279; Clemente, Neuere Entwicklungen im Recht der Grundschulden, BKR 2002, 975; Cordes, Telefax und Übereilungsschutz, NJW 1993, 2427; Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher: systemkonforme Weiterentwicklung oder Schrittmacher der Systemveränderung?, 1983; Derleder, Der Kapitalanlegerschutz durch verbraucherkreditrechtliche Formanforderungen an die Vollmachten für Kapitalgesellschaften, VuR 2000, 155; Der Widerruf des Haustürgrundpfandkredits, ZBB 2002, 202; Neuregelungen zum Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen, ZBB 2002, 233; Bankschaden und Bankrecht, NJW 2003, 2064; Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis, 1994; dti, The US Consumer Credit Market – Trends and Perspectives, 2002; Edelmann, Ein ewiges Recht auf Widerruf – ein europäischer Traum oder Alptraum, BKR 2002, 80; Zur Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers trotz Widerruf des Darlehens bei Fondsbeteiligungen, BKR 2002, 801; Emmerich, Auswirkungen des Verbraucherkreditgesetzes auf die Kreditwirtschaft, New challenges and new benefits in the US, 1989, 168; Etzkorn, Allgemeine Geschäftsbedingungen für Inhaber von Kreditkarten, WM 1991, 1901; Freckmann, Der Gesetzesentwurf über die Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht von Verbraucherverträgen, BKR 2002, 513; Freitag, Die Beendigung des Darlehensvertrages nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2001, 2370; Frisch, Kreditfinanzierte Immobilienanlagen und Verbraucherschutz, VuR 1999, 432; Füller, Der Einwendungsdurchgriff im Verbraucherkreditrecht, ZBB 2001, 157; Fuellmich/Rieger, Die Haftung der Banken für massenhaft fehlerhafte Treuhandmodellfinanzierungen, ZIP 1999, 427; Gröner/Köhler, Verbraucherschutzrecht in der Marktwirtschaft: ökonomische und rechtliche Aspekte des Konsumentenkredits, 1987; Habersack, Verbraucherkredit- und Haustürgeschäfte nach der Schuldrechtsmodernisierung, BKR 2001, 72; Zinsänderungsklauseln im Lichte des AGBG und des VerbrKrG, WM 2001, 753; Habersack/Mayer, Der Widerruf von Haustürgeschäften nach der „Heininger“-Entscheidung des EuGH, WM 2002, 253; Hadding, Welche Maßnahmen empfehlen sich zum Schutz des Verbrauchers auf dem Gebiet des Konsumentenkredits? Gutachten zum 53. Deutschen Juristentag, 1980; Hagena, Drittschutz im Verbraucherkreditrecht: Entstehung, Abwicklung und Beendigung von Verbraucherkreditverhältnissen mit mehreren Vertragspartnern, 1996; Heinrichsmeier, Die Einbeziehung des Ehegatten in die Haftung für Geldkredite: Schlüsselgewalt, vertragliche Gesamtschuld und Bürgschaft im Bankkreditrecht, 1993; Hippel, Der Schutz des Schwächeren, 1982; Hochleitner/Wolf, Teleologische Reduktion auf Null?, WM 2002, 529; Höche/Lorenz, Aktuelle nationale und internationale Rechtsetzungsvorhaben, WM 2002, 2296; Hoffmann, Realkredite im Europäischen Verbraucherschutzrecht, ZIP 2002, 145; Rechtsscheinhaftung beim Widerruf notarieller Vollmachten, NJW 2001, 421; Haustürwiderruf bei Realkrediten und verbundenes Grundstücksgeschäft, ZIP 2002, 1066; Holzscheck/Hörmann/Daviter, Die Praxis des Konsumentenkredits in der Bundesrepublik Deutschland, 1982; Honsell, Römisches Recht, 6. Aufl. 2006; Horn/Balzer, Zur Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf Kreditvollmachten im Rahmen des Anlegerschutzrechts, WM 2000, 333; Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem, 1981; Kabisch, Zur Unanwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf Bürgschaften, WM 1998, 535; Kahlert, Schuldrechtsmodernisierungsgesetz: Teilweise Abschaffung des Verzugszinses?, ZRP 2001, 340; Knops, Verbraucherschutz und Kreditrecht,
Reifner
454
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
VuR 1998, 107; Darlehensgewährung und Grundpfandrechtsbestellung, ZfIR 1998, 577; Koch, Zu den Auswirkungen des Urteils des BGH in Sachen Heininger ./. Hypovereinsbank auf die Rückabwicklung von Realkreditverträgen und die Verwertung von Sicherheiten, WM 2002, 1593; Köndgen, Darlehen, Kredit und finanzierte Geschäfte nach neuem Schuldrecht, WM 2001, 1637; König, Rechtsberatungsgesetz in Gefahr, ZRP 2001, 409; Koppenfels, Das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen im BGB: eine Untersuchung des § 355 I BGB-RegE, WM 2001, 1360; Krämer, Law and diffuse interests in the European legal order: liber amicorum Norbert Reich = Recht und diffuse Interessen in der europäischen Rechtsordnung, 1997; Krüger, Ausreichende Sicherheiten der Bank als Grenze für außerordentliche Kreditkündigungen, VuR 2002, 173; Kulke, Haustürwiderrufsrecht und Realkreditvertrag, ZBB 2002, 33; Lang, Die Beweislastverteilung im Falle der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, WM 2000, 450; Die Neuregelung über das Verbundgeschäft bei Immobiliardarlehen, ZBB 2002, 457; Lang/Rösler, Novellierung der Verbraucherkreditrichtlinie: Muss der Verbraucherkreditnehmer vor sich selber geschützt werden?, BKR 2002, 793; Lehmann, Genetischer Zusammenhang von verbundenem Geschäft und Darlehensgeschäft des § 9 I S. 1 VerbrKrG, 1996; Loßack, Anmerkung zu den beiden Parallelentscheidungen BGH XI ZR 174/99 und XI ZR 210/99 und zum Versuch ihrer Fortschreibung durch Entscheidungen des OLG München 4 U 368/99 und des LG Karlsruhe 6 O 388/99, VuR 2001, 131; Il y a des juges à l’Europe!, VuR 2002, 124; Mankowski, Schwebende Wirksamkeit unter § 361a BGB, WM 2001, 793; Masuch, Musterhafte Widerrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums?, NJW 2002, 293; Medicus, Geld muss man haben, AcP 1990, 489; Meinhof, Neuerungen im modernisierten Verbrauchervertragsrecht durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz, NJW 2002, 2273; Meißner, Verbraucherkredite – Neue Rechtslage nach dem Fernabsatzgesetz, Kredit & Rating-Praxis 2001, 30; Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung auf die Kreditpraxis, Kredit & Rating-Praxis 2002, 25; Das neue Widerrufsrecht bei erstmals privilegierten Immobiliardarlehen, WM 2002, 30; Die Schuldrechtsmodernisierung und ihre Folgen für die Kreditpraxis, Sparkasse 2002, 325; Metz, Variable Zinsvereinbarungen bei Krediten und Geldanlagen, BKR 2001, 21; Micklitz (Hrsg), Verbraucherrecht in Deutschland – Stand und Perspektiven, Tagungsband der 1. Bamberger Verbraucherrechtstage 6. – 8. Oktober 2004, 2006; Mülbert, Die Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung im Recht des „bürgerlichen“ Darlehensvertrags, WM 2002, 466; Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, 1537; Der Verkauf von Krediten, Stellungnahme für den Finanzausschuss des Bundestages, Anhörung in Berlin am 19.9.2007; Verantwortlichkeit der Bank bei der Vergabe von Krediten und der Hereinnahme von Sicherheiten, ZBB 2008, 78; Palmer/Conaty, Profiting from Poverty – Why debt is big business in Britain, 2002; Peters, Die „novellierte“ Gesamtbetragsangabepflicht nach dem Verbraucherkreditgesetz, WM 1994, 1405; Wirksamkeitserfordernis für Kreditvollmachten von Verbrauchern, WM 2001, 2199; Leasinggeschäfte und Verbraucherdarlehensrecht, WM 2006, 1183; Pfeiffer, Der Einwendungsdurchgriff beim Realkredit, ZBB 1996, 304; Ein zweiter Anlauf des deutschen Bürgschaftsrechts zum EuGH, NJW 1996, 3297; Piekenbrock/Schulze, Die Grenzen richtlinienkonformer Auslegung – autonomes Richterrecht oder horizontale Direktwirkung, WM 2002, 521; Reich/Rörig, EuGH: Realkreditvertrag als Haustürgeschäft widerrufbar, EuZW 2002, 87; Reifner, Alternatives Wirtschaftsrecht am Beispiel der Verbraucherverschuldung, 1979; Die Sittenwidrigkeit von Konsumentenkrediten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, DB 1984, 2178; Die Verbindung von Kreditvertrag und Kapitallebensversicherung, VuR 1988, 139; Rechtsprobleme des Lebensversicherungskredits, ZIP 1988, 817; Das Zinseszinsverbot im Verbraucherkredit, NJW 1992, 337; Die Anpassung variabler Zinssätze im Kreditverhältnis, JZ 1995, 866; Harmonisation of Cost Elements of the Annual Percentage Rate of Charge, 1998; „Good Faith“: Interpretation or Limitation of Contracts, in: Brownsworth/Hird/Howells (Hrsg.), Good Faith in Contract, 1999, 269; Die Lebensversicherungshypothek als „wirtschaftliche Einheit“, ZBB 1999, 349; Rechtsprobleme der Lebensversicherungshypothek, ZBB 1999, 349; Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen, ZBB 2001, 193; Abrechnung von Lebensversicherungshypotheken, VuR 2002, 367; Kleinunternehmen und Kreditwirtschaft – eine Forschungsagenda, ZBB 2003, 20; Restschuldversicherung: ein verbraucherpolitischer Skandal, BM 2006, 28; Verantwortungsvolle Kreditvergabe im europäischen Recht, in: Thévenoz/Reich (Hrsg.), Droit de la consommation, Konsumentenrecht, Consumer law, Liber amicorum Bernd Stauder, 2006, 383; Maximalharmonisierung, Heimatlandkontrolle oder Standardisierung – Das Ende des nationalen Verbraucherschutzes aus Brüssel?, FS Gottfried Mayer, 2004, 159; Zur Zukunft des europäischen Vertragsrechts – Soziale Dauerschuldverhältnisse in der Kreditgesellschaft, VuR 2007 Sonderheft 20 Jahre iff, 1; Der Verkauf notleidender Kredite, BKR 2008, 142; Die neue Sittenwidrigkeit von Ratenkrediten, BKR 2008 (im Erscheinen); Die Restschuldversicherung im Ratenkredit, WM 2008 (im Erscheinen); Reifner/Weitz/Uesseler, Tatsachen zum Verbraucherschutz im Konsumentenkredit, 1978; Reifner/Volkmer, Ratenkredite an Konsumenten, 1984; Reifner/Keich, Risiko Baufinanzierung, 1993; Reifner/Niemi-Kieslinnen/Huls/Springeneer, Study of the Legislation relating to Consumer
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
455
Overindebtedness in all European Union Member States, 2003; Reiner/Kaune, Die Gestaltung von Finanzierungsleasingverträgen nach der Schuldrechtsreform, WM 2002, 2314; Reinking/Nießen, Das Verbraucherkreditgesetz, ZIP 1991, 79; Rösler, Aktuelle Rechtsfragen zu Verbraucherkrediten, VuR 2000, 191; Forward-Darlehen und Darlehen mit Zins-Cap, WM 2000, 1930; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen: Begründung und Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigung und Nichtabnahmeentschädigung aus juristischer und finanzmathematischer Sicht, 2003; Rohe, Trendwende oder Kontinuität?, BKR 2002, 575; Rott, „Heininger“ und die Folgen für das Widerrufsrecht, VuR 2002, 49; Rüßmann, Ungereimtes bei den Rechtsfolgen fehlender und falscher Effektivzinsangaben nach dem Verbraucherkreditgesetz, FS Günther Jahn, 1993, S. 367; Schaub/Koch/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch: systematische Darstellung und Nachschlagewerk für die Praxis, 10. Aufl. 2002; Schimansky, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zur krassen finanziellen Überforderung von Mithaftenden bei der Kreditgewährung, WM 2002, 2437; Schleicher, Haustürwiderrufsrecht bei finanzierten Immobilien- und Fondsanlagen, BKR 2002, 609; Schmelz, Der Verbraucherkredit, 1989; Scholz, Irreführende Verbraucherberatung im Ratenkreditgeschäft: eine Dokumentation, 1985; Schwark, Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Band 7, 1996, 191; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozessordnung und anderer Gesetze, 1991; Verbraucherkreditgesetz und Kreditkarte, DB 1991, 429; Spremann, Asymmetrische Information, ZfB 1990, 561; Staudinger, Der Widerruf bei Haustürgeschäften: eine unendliche Geschichte?, NJW 2002, 653; Steppeler, Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl. 1997; Stiglitz/Weiss, Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, AER 1981, 393; Stillner, Verbraucherkreditgeschäfte, VuR 2002, 79; Strube, Die Auswirkungen des Urteils des EuGH vom 13.12.2001, Rs. C-481/99, VuR 2002, 55; Zur Rückabwicklung von Haustürrealdarlehen, BKR 2002, 938; Strumpf, Die Auswirkungen des § 284 III BGB im Rahmen des § 11 II S. 2 Verbraucherkreditgesetz, VuR 2001, 421; Thunhart, Informations- und Warnpflichten beim Konsumentenkredit in Österreich und den USA, BA 2001, 843; Tobias, Der Konsumentenratenkredit im Kontokorrentverhältnis: eine Untersuchung zu den rechtlichen Grenzen neuer Vertragsformen im Kreditmarketing, 1990; Tonner, Probleme des novellierten Widerrufsrechts: Nachbelehrung, verbundene Geschäfte, Übergangsvorschriften, BKR 2002, 856; v. Rottenburg, Repräsentationsprinzip gegen Verbraucherschutz, WM 2001, 2194; Vortmann, Existenzgründungsdarlehen im neuen Verbraucherkreditrecht, ZIP 1992, 229; vzbv, vzbv kritisiert Kommissionsentwurf zur EU-Verbraucherkreditlinie, BKR 2002, 850; Wagner, Die Heininger – Entscheidung des EuGH – Viel Lärm um nichts?, BKR 2002, 194; Wahl, „Nichts ist leichter als ein Kredit“, in: Arkenstette, „Wie werd’ ich meine Schulden los?“, 1987, 48; Wahl, Vario-, Scheckrahmen- und Idealkredit – Zur rechtlichen Bewertung neuer Kreditformen, VuR 1987, 241; Wilhelmson, „Social Force Majeur“ – A New Concept in Nordic Consumer Law, Journal of Consumer Policy 1993; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145; Wunderlich, Kreditnehmende Gesellschaften des bürgerlichen Rechts als Verbraucher?, BKR 2002, 304.
Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Verbraucherdarlehen und Verbraucherkredit – Begriff und Bedeutung in EU-Richtlinie und BGB . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Wirtschaftliche Betrachtungsweise, Umgehungsverbot und Rechtssicherheit . . 5 III. Aufklärung und Rücksichtnahme zur Zügelung wirtschaftlicher Macht . . . . . . . 15 B. Geschützte Kredite und Ausnahmen (§§ 491, 506, 507, 492 Ia BGB) . . . . . . . . . . . . 19 I. Begriff, Arten und Natur des Verbraucherdarlehens . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Darlehens- und Kreditbegriff . . . . . . . 19 2. Abgrenzung zu Unternehmensbeteiligung und Versicherung . . . . . . . 39 II. Darlehensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Teilzahlungsdarlehen . . . . . . . . . . . . . 42 2. Überziehungskredit (§ 493 BGB) . . . . 48 3. Variable Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4. Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5. Bürgschaften und andere Sicherungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Darlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
1. Darlehen an Verbraucher (§§ 491 I, 13 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Existenzgründerkredite (§ 507 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Kapitalanlagekredite und Immobiliardarlehen (§§ 491 III Ziff. 2 und 492 Ia 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Bevollmächtigter und Vollmacht (§ 492 IV BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Darlehensgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Unternehmer i.S. der §§ 491 I, 14 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Vorzugskredite im Arbeitsverhältnis (§ 491 II Nr. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . 132 3. Staatskredite insbesondere im Wohnungsbau (§ 491 II Nr. 3 BGB) . . . . . . . . . . . . . 137 4. Unentgeltliche Kredite (§ 491 I BGB), Bagatellkredite (§ 491 II Nr. 1 BGB) und Kredite über 50.000 Euro (§§ 494 II S. 6 Hs. 2; 507 Alt. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . 138 C. Aufklärungspflichten und Sanktionen (§§ 492, 494 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Reifner
456
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
I.
Formerfordernisse (§ 492 I S. 1 bis 4 BGB) . . . . . . . . . . . . . 146 II. Effektiver Jahreszinssatz (§ 492 I S. 5 Ziff. 5 BGB) . . . . . . . . . . . 147 1. Kosten- und wachstumsorientierte Definition (Art. 1a RL 87/102/EWG) . . . . . . . . 148 2. Rechtliche Leistungen und mathematisches Wachstum (Annex zu PAngV) . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Vertragliche und wirtschaftliche Leistungen für den Kredit . . . . . . . . . 158 4. Einzubeziehende Kreditkosten (§§ 492 II BGB; 6 PAngV) . . . . . . . . 163 5. Festlegung von Berechnungsbedingungen (§ 492 I S. 5 Hs. 2 BGB) . . . . . . . . . . 174 III. Leistungen und Gegenleistungen . . . . . . 180 1. Nettodarlehensbetrag (§ 492 I S. 5 Ziff. 1 BGB) . . . . . . . . . 181 2. Bruttodarlehensbetrag, Gesamtbetrag (§ 492 I S. 5 Ziff. 2 BGB) . . . . . . . . . 184 3. Rückzahlungsmodalitäten (§ 492 I S. 5 Ziff. 3 BGB) . . . . . . . . . 192 IV. Nominalzinssatz (§ 492 I S. 5 Ziff. 4 Alt. 1 BGB) . . . . . . 193 V. Andere Kosten und Sicherheiten (§§ 492 I S. 5 Ziff. 4, 6, 7 BGB) . . . . . . 201 VI. Sanktionen (§ 494 BGB) . . . . . . . . . . . . 214 1. Nichtigkeit vor Auszahlung (§ 494 I BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
2. Zinsanpassung bei Falschangabe des Effektivzinssatzes (§ 494 III BGB) . 3. Fehlende Angaben von Effektivzinssatz, Nominalzinssatz oder Gesamtbetrag (§ 494 II S. 2 BGB) . . D. Widerrufsrecht (§ 495 BGB) . . . . . . . . . . . . . I. Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbraucherdarlehen an der Haustür . . . E. Verbundene Geschäfte und Verbraucherdarlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Finanzierte Geschäfte und „wirtschaftliche Einheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwendungs- und Widerrufsdurchgriff bei finanzierten Geschäften . . . 3. Verbundene Geschäfte als Auslegungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . II. Spar-Kredit-Kombinationen . . . . . . . . . . 1. Lebensversicherungshypothek . . . . . 2. Bausparsofortfinanzierung . . . . . . . . 3. Investmentfondskredite . . . . . . . . . . III. Verbraucherdarlehen zu investiven Zwecken („Schrottimmobilien“) . . . . . . 1. Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufklärungspflichten aus dem Kapitalanlagerecht . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollmacht, Widerruf und Rechtsberatungsgesetz . . . . . . . . . . . 4. Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
224 228 228 237 241 241 241 252 259 263 268 287 290 291 298 304 315 329
Stichwortverzeichnis Amortisationstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Arbeitgeberdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 f. Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 f., 73 f., 142 f. – Bauherrenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 f. – Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 – Einzelne Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 f. – Erwerbermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 – Kapitalanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 – Lebensversicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . 268 – Überziehungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 – Variable Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 – Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Bagatellkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Bauherrenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 f. – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291, 298 f. – Haustürwiderrufsrecht . . . . . . . . . . . . 318, 323, 336 – Vermittlerentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 – Vermittlungsagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 – Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 f. – Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315, 321 f., 329 Bausparsofortfinanzierung – Gesamtbetragsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 – Verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . 243, 287 – Vermittlercourtage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Bearbeitungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Bürgschaft – Angabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85, 89 – Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 – Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
– Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Darlehen – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Devisengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Dispositionskredit siehe Überziehungskredit . . . . . . Edelmetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Effektiver Jahreszins – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 – Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174 f. – Bruttodarlehenssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 – Disagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 – Falschangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .219 f. – Fehlende Angabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .224 f. – Gesamtbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 – Immobiliardarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 – Immobilienfondsfinanzierungen . . . . . . . . . . . . 186 – Kontoführungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 – Nettodarlehenssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 – Restschuldversicherungsprämie . . . . . . . . . . . . 164 – Spar-Kredit-Kombination . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 – Verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 – Vereinsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 – Vermittlerkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Erwerbermodell – Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .304 f. – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291, 298 f. – Vermittlerentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 – Verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 – Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .319 f. – Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 f., 321 f., 329
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
Existenzgründerkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 f. Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Förderkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 f. Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 f. Haustürgeschäft – Erwerbermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 318, 323, 336 – Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Gefälligkeitsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Gesamtbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Günstigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Immobiliardarlehen – Europäischer Verhaltenskodex . . . . . . . . . . . . . 192 – Gesamtbetragsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 – Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109, 113 Immobilienfonds – Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 – geschlossene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Informationspflichten siehe Aufklärungspflichten Investmentfondskredit – Gesamtbetragsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 – Spar-Kredit-Kombination . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Kapitalanlagekredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109, 330 Kontoführungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Kreditanbahnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kreditgebührensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Kreditkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 f., 209, 212 Kreditsicherheiten – Angabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Lebensversicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . . . 268 Lebensversicherungskredit – Gesamtbetragsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 – verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Nominalzins – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193, 196 – Falschangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 – Fehlende Angabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199, 224 – Zinsrückrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 P.M.-Gebührensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197, 223 Policedarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 281, 286 Provisionen – Spar-Kredit-Kombination . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Ratenkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Ratenlieferungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Restschuldversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Rückzahlungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Schätzgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 f. Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 f. Spar-Kredit-Kombination – Bausparsofortfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 287 – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 f. – Effektiver Jahreszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 – Einwendungs- und Widerrufsdurchgriff . . . . 252 f. – Gesamtbetragsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 – Lebensversicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . 268 – Policedarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
457
– Provision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 – Verbundnes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 f. Stundungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Teilzahlungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Überziehungskredit – Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 – Jahreszinsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58, 66 – Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 – Rahmenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 52 – Überziehungsprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 – Zinseszinsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Umgehungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 19 Unentgeltlicher Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Variable Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 – Effektiver Jahreszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 – Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 – Zinseszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 f. Verbraucherkredite – Nichtigkeit vor Auszahlung . . . . . . . . . . . . . . . 216 Verbraucherbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 91 f., 95 Verbraucherdarlehen – Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 f. – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 f., 36 – Umgehungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5 f. Verbraucherschutz – Informationeller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 – Sozialer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Verbundenes Geschäft – Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 – Einwendungs- und Widerrufsdurchgriff . . . . .252 f. – Wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Verhaltenskodex für Hypothekenkredite . . . . . . . 192 Vermittlerkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .203 f. Vollmacht – Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 – Erwerbermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 – Fehlerhafte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 – Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 – Kreditvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 – Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128, 320 – Notariell beglaubigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 – Prozessvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Wertpapiergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100, 110 Widerrufsrecht – Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 – Erwerbermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 – Haustürgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 – Nachbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233, 239 – Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 – Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Wohnungsbaukredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Zinsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 f., 224 f. Zinscap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Reifner
458
1
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
A. Allgemeines I. Verbraucherdarlehen und Verbraucherkredit – Begriff und Bedeutung in EURichtlinie und BGB. Das Verbraucherdarlehensrecht verdankt trotz seiner Vorläufer im Abzahlungsgesetz von 1894 seine Begrifflichkeit, Umfang und Aufbau der EU-Richtlinie 87/102/EWG mit ihren Änderungen. Die Richtlinie wurde zunächst mit dem Verbraucherkreditgesetz (1991-2001) als „Kreditgesetz“ umgesetzt, dann jedoch mit der Schuldrechtsreform in den §§ 491 ff. BGB wieder durch die alte Aufteilung in Darlehen, Stundung und mietähnliche Verträge („sonstige Finanzierungshilfen“) den traditionellen zivilrechtlichen Formen unterworfen. (dazu krit. Bülow, NJW 2002, 1145, Reifner, ZBB 2001, 193; Köndgen, WM 2001, 1637) Da die Vorgaben der Richtlinie auch nach der in Zukunft geltenden vollständig erneuerten Fassung (Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. 2008 L 133/66) mit ihrer neuen Maximalharmonierungsklausel (Art. 21 Nr. 1; dazu Bülow/Artz, Einf. Rn. 25 ff.; dies., WM 2005, 1153 ff.; Reifner, FS Gottfried Mayer, S. 159 ff.) auch für die Interpretation des deutschen Verbraucherdarlehensrechtes zwingend sein wird, sind erhebliche Übersetzungsleistungen von einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ in eine juristisch dogmatische Begrifflichkeit und zurück notwendig. Dieser Prozess gibt dem ökonomischen Vorverständnis für Kredit und Verschuldung ein erhebliches Gewicht in der Rechtsauslegung und ist nicht ohne Gefahren für Rechtssicherheit und Verbraucherschutz.
2
Während das „Darlehen“ formal an objektiv im Vertrag beschriebenen Verhaltensweisen wie die Hingabe und Belassung von Geld sowie Rückzahlung und Verzinsung anknüpft (§ 488 I BGB), verlangt der „Kredit“ mit der „Bereitstellung von Kaufkraft gegen Entgelt“ eine funktionale Betrachtungsweise, die juristisch gesehen eine teleologische Interpretation („Ermöglichung eines Kaufs“) erfordert. Um die Konkordanz mit der Richtlinie zu gewährleisten hat der Gesetzgeber neben dem Darlehn in der Schuldrechtsreform von 2002 daher weitere Rechtsformen wie „Zahlungsaufschub“ und „sonstige Finanzierungshilfen“ (§ 499 I BGB) sowie das wirtschaftlich definierte „Finanzierungs-Leasing“ (§ 499 II BGB) dem Verbraucherdarlehen gleichgestellt. Damit nicht genug verlangt § 506 II BGB bei diesen Vorschriften formale Rechtsstrukturen gänzlich außer Acht zu lassen, wenn sie zur „Umgehung dieser Vorschriften“ benutzt würden.
3
Die EU-Richtlinie, die – umgekehrt – wirtschaftlich definiert und alle „Kredite“ anspricht, wobei sie Ausnahmen für einzelne Rechtsformen anordnet, ist jedoch nach wie vor maßgebend. In Art. 14 II der Richtlinie 87/102/EWG stand bisher nicht die Umgehung des Kreditbegriffes durch anders lautende Verträge (dies ist praktisch bei wirtschaftlichen Definitionen nicht möglich) im Mittelpunkt, sondern die Aufspaltung eines einheitlichen Kreditgeschäftes in mehrere getrennte Verträge, wovon Art. 11 die Aufspaltung in Kaufund Kreditvertrag zur rechtlich bedeutsamen „wirtschaftlichen Einheit“ erklärte und Art. 2 die Aufspaltung in Kredit- und Vermittlervertrag überwand. Die neue Richtlinie (Art. 2 I Ziff. 4) macht die teleologische Interpretation nunmehr unmittelbar verbindlich, indem sie alle „Vertragsformulierungen“ neutralisiert, deren „Art oder Zweck es möglich machen würden, die Anwendung der Richtlinie zu vermeiden“.
4
Mit Parlamentsbeschluss vom 16. Januar 2008 wurde die EU-Richtlinie 2008/48/EG in zweiter Lesung im Parlament und am 8. April 2008 vom Rat verabschiedet. Sie soll bis Anfang 2010 umgesetzt werden, wobei seit dem 17. Juni 2008 ein Referentenentwurf vorliegt, der alle Informationsrechte in Art. 246f EG-BGB zusammenfassen möchte. Die Richtlinie ist gem. Art. 22 I zwingend. Von ihr darf nicht mehr abgewichen werden (Ab-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
459
schied vom Mindestharmonisierungsprinzip). Da die Richtlinie effektiv in verschiedenen Rechtskulturen wirksam sein will, benutzt sie eine zweckgerichtete ökonomische Sprache, was dort, wo sie etwa beim „Sollzinssatz“ (E-§ 489 V. BGB), „marktüblichen effektiven Jahreszins“ (E-§ 491 II. Ziff. 5) oder der „Vorfälligkeitsentschädigung“ (E-§ 502) übernommen wird, erhebliche Gefährdungen der Rechtssicherheit zur Folge haben kann. II. Wirtschaftliche Betrachtungsweise, Umgehungsverbot und Rechtssicherheit. Das Verbraucherdarlehensrecht wird schon jetzt durch die „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ bestimmt. Sie ist in der Gesetzesauslegung dort notwendig, wo der Gesetzgeber in individuell gestaltbaren Handlungsabläufen bestimmte soziale oder wirtschaftliche Erfolge erreichen oder verhindern will und zwar unabhängig davon, welche privatrechtlichen Rechtsformen durchgesetzt werden können. Insoweit beherrscht die wirtschaftliche Betrachtungsweise das Steuerrecht ebenso wie das Wirtschaftsverfassungsrecht. Sie findet allerdings ihre Grenze im Postulat der Rechtssicherheit. Es spielt vor allem im Strafrecht eine so wichtige Rolle, dass hier die objektive Handlung und nicht nur Ausnahmsweise die Intention oder Funktion Anknüpfungspunkt für Strafe sind, auch wenn damit ein gleich diskreditierter Erfolg erreicht wurde (vgl. zum historischen Paradebeispiel der Straflosigkeit des Stromdiebstahls RGSt 32, 165).
5
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise gilt aber auch überall dort, wo der Staat zum Schutz der schwächeren Partei ins Vertragsrecht eingreift, wo nicht nur der Vertragsinhalt sondern auch die gewählte Rechtsform durch die Interessen derjenigen bestimmt wird, die die stärkere Position verkörpern. Im Arbeits- und Wohnraummietrecht hat diese Art des effektiven Schutzes eine lange Tradition. Sie wurde über den Verbraucher- und Schuldnerschutzgedanken in das allgemeine Zivilrecht übernommen. Die „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ wurde von der Rechtsprechung (BGH WM 1998, 2423; NJW 1997, 504; NJW 1996, 2088 – Bürgschaft; OLG Celle NJW-RR 1997, 504 – Haustürwiderrufsgesetz; BGH NJW 1996, 2033 – allgemein zum VerbrKrG; BGH NJW 1995, 2925; OLG Hamm NJW-RR 1994, 107 – RabattG; BGH NJW 1993, 921 – § 419 BGB; BGH EWiR 1987, 413 mit Anm. v. Westphalen – § 6 Abzahlungsgesetz) bei der Anwendung der Generalklauseln entwickelt. Danach gewährleistet das Prinzip von Treu und Glauben „schon im Privatrecht, dass der Richter sich nie mit einer formalen Betrachtungsweise begnügen darf“ (BGH NJW 1996, 1467) Diese Betrachtungsweise, die vom Rechtsanwender erhebliches soziales und wirtschaftliches Verständnis verlangt, beherrscht heute vor allem den sozialen Verbraucherschutz im Kreditrecht, wo mehr als ein Fünftel der Entscheidungen auf die Generalklauseln Bezug nehmen (Brownsworth/Hird/Howells-Reifner, S. 269 ff.) und der „wirtschaftlich Schwächere“ (BGH WM 2007, 1676; EuGH WM 1997, 1549 (unter Ziff. 17); BGH NJW 1995, 1146; 1995, 1019; 1983, 1420; NJW 1981, 1206 (unter I 1d)) zu schützen ist.
6
Im Verbraucherdarlehensrecht ist diese Betrachtungsweise gesetzgeberisch in Form von Umgehungsverboten oder durch unmittelbaren Bezug zu wirtschaftlichen Sachverhalten umgesetzt. Dies gilt für alle wirtschaftlichen Begriffe und Definitionen wie zum „Effektiven Jahreszins“, „Nettodarlehen“, für den „Gesamtbetrag“ und die „Kosten“ (§ 492 BGB) ebenso wie für Begriffe wie „Zinsbindung“, „Gewährung“ (§ 489 BGB), „Inanspruchnahme“ (§ 493 BGB), „Gespräch“ (§ 498 BGB), „Finanzierungsleasing“ (§ 500 BGB), „Vorfälligkeitsentschädigung“ (§ 490 II S. 3 BGB) oder „Aufnahme einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit“ (§ 507 BGB). Sie alle sind Ausdruck des in § 13 BGB ebenso wie in § 506 I BGB niedergelegten Willens des Gesetzgebers, Verbraucherschutz gegenüber wirtschaftlicher Macht effektiv zu gestalten und damit dem verfassungsrechtlichen Auftrag „zur Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung“ (Art. 74 I Ziff. 16 GG) gerecht zu werden. Es handelt sich jedoch um ein allgemeines Rechtsprin-
7
Reifner
460
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
zip, dass sich der Gesetzgeber von denjenigen, die die Gestaltungsmacht der Verträge haben, nicht „an der Nase herumführen lassen will“. Art. 1344 des italienischen Zivilgesetzbuches bezeichnet dies wörtlich übersetzt als „Vertrag, der das Gesetz betrügt“ (Contratto in frode alla legge). Danach ist ein „Vertrag sittenwidrig (und damit sogar gem. Art. 1418 CC nichtig, „wenn er ein Mittel darstellt, um eine zwingende Gesetzesnorm zu umgehen.“ Solche Vorschriften setzen beim Rechtsanwender erhebliches Verständnis für die tatsächlichen wirtschaftlichen Abläufe und sozialen Bedingungen und Effekte voraus, um adäquat angewandt werden zu können. Insbesondere ist es unabdingbar, den Kredit mathematisch als ein nach Zeit und Geldbetrag vollkommen proportionales und erfassbares Produkt zu erkennen, das Zahlungsströme beinhaltet, die nach der Wachstumsfunktion wt (Wachstumsfaktor hoch Zeit) vergleichbar sind. 8
Gleichwohl teilt diese Betrachtungsweise mit der teleologischen Auslegung generell das Problem der Abhängigkeit der Rechtsanwendung von Einstellung und Vorverständnis des Rechtsanwenders und öffnet außerrechtlichen Wertungen das Tor zum Recht. Dies wird in der neuen EU-Konsumentenkreditrichtlinie besonders deutlich, die mit dem Informationsmodell den Zweck des Verbraucherschutzes bei Krediten implizit auf die Herstellung einer rationalen Verbraucherentscheidung reduziert und dies zugleich mit einem absoluten Geltungsanspruch verknüpft, der eine Neuinterpretation insbesondere des traditionellen Schuldnerschutzrechtes nach angelsächsischem Muster befürchten lässt. Diese durch das einseitige Streben nach bloßer Markterweiterung in Europa geförderte Reduktion von Verbraucherschutz auf Kundenschutz (Kümpel, WM 2005, 1 (2)) bzw. auf das sog. Informationsmodell, das einen Schutz des Markmechanismus im Verhältnis der „Rollenspieler“ Verbraucher-Unternehmer zugrunde legt, um einen Anbieter zu bändigen, der angeblich „mit raffinierten Marketingmethoden und ausgeklügelten Vertragskonzepten an jenen herantritt“ (Bülow/Artz, Einf. Rn. 35; ähnlich Medicus, JuS 1996, 761; K. Schmidt, JuS 2006, 1), ist für das deutsche Zivilrecht keineswegs verbindlich. (krit. zum EU-Verbraucherbegriff Bülow, WM 2006, 1513 ff. gegen Hoffmann, WM 2006, 560 ff.). Eine solche Reduktion auch desjenigen sozialen Teils von Verbraucherschutz, der im Kredit auch den seit der Antike geltenden Schuldnerschutz umfasst, auf bloßes Marktversagen, verkennt, dass der Gesetzgeber beim Verbraucherdarlehen verschiedenen ideologischen Modellen folgt, wonach zum einen aufbauend auf §§ 157, 242 BGB im Sinne des Informationsmodells in den §§ 492 – 495 BGB Entscheidungsfreiheit auch für geschäftlich Unerfahrene eingefordert wird, während dagegen aufbauend auf § 138 BGB (Canaris, AcP 200 (2000), 273 (280)) in den §§ 489 f., 496 bis 498, 503 f., 358 BGB die Zügelung wirtschaftlicher Macht zum Schutz der sozialen Existenz im Vordergrund steht. Einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die die eigenen ideologischen Präferenzen dem Gesetz als Vorverständnis unterschiebt, gleichgültig welches Modell sie vertritt, muss daher das Prinzip der Formalität und Rechtssicherheit gesetzgeberischer Entscheidungen entgegengehalten werden.
9
Die Verbraucherschutzdiskussion (vgl. dazu Micklitz (Hrsg.), Verbraucherrecht in Deutschland – Stand und Perspektiven, 2006) hat diese Gefahren bisher nicht ausreichend gesehen. Während in der Vergangenheit eher die Kreditgeber ihr Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine „Ideologisierung“ des Verbraucherschutzes bedroht sahen (Medicus, AcP 188 (1988), 489 ff.; Dauner-Lieb, S. 108 ff.; Gröner/Köhler, S. 52 ff.; StaudingerSchmidt, Vorbm. zu § 244 BGB, Rn. C30 f.; Hadding, S. 26) hat der Neo-Liberalismus die wirtschaftliche Vernunft zu einer eigenen Rechtsquelle gemacht (Stürner, S. 149 ff.), die sich zunehmend gegen die Verbraucher wendet. Formale Verbraucherrechte wie Widerrufsrecht, Vertragsverpflichtungen der Kreditgeber aus laufenden Verträgen bei Kreditverkauf oder das Recht der sofortigen Rückzahlung werden in der Rechtsprechung und
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
461
Literatur mit dem Hinweis auf den Sinn von Verbraucherschutz relativiert oder als Rechtsmissbrauch bei „notleidenden Krediten“ (BGH WM 2007, 731; Nobbe, WM 2005, 1537 ff.; ders., Der Verkauf von Krediten, Stellungnahme für den Finanzausschuss des Bundestages, Anhörung in Berlin am 19.9.2007; Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165 ff.) infrage gestellt. Neue Wirtschaftsbegriffe werden eingeführt und wie Gesetzesbegriffe behandelt. So soll bei einer formal bestehenden Kooperation zwischen Bank und Immobilienanbieter gleichwohl keine wirtschaftliche Einheit vorliegen, wenn keine „institutionelle Zusammenarbeit“ vorliege (BGH WM 2007, 1465). Ein fehlender „Wissensvorsprung“ der Anbieterseite vor dem Verbraucher (BGH WM 2007, 114) kompensiere das Vorliegen der formalen Kriterien der wirtschaftlichen Einheit in § 358 III S. 2 BGB. Informationen, die nach dem Wortlaut des Gesetzes an den Verbraucher selber zu erbringen sind, werden unnötig, wo dessen Vertreter informiert wurde und der Verbraucher sich dessen fehlende Weitergabe selber zuzuschreiben habe (BGH, Urt. v. 10.07.2001 – XI ZR 200/00 und WM 2001, 102; a.A. OLG München WM 1999, 1456 (1457); Derleder, VuR 2000, 155 (159)) und Haustürgeschäfte müssten im Hypothekenkredit nicht durch ein Widerrufsrecht geschützt werden (BGH NJW 2000, 521). Der Verbraucherschutzgedanke, der dem antisemitischen Rechtsberatungsgesetz von 1933 die Fortgeltung nach 1945 ermöglichte (BGH NJW 1956, 592; 1974, 557; 1987, 3005), kann nunmehr versagt werden, wo der Verbraucher kraft „Anscheinscheinvollmacht“ sich gebunden und sich selber des Schutzes begeben habe (BGH, Urt. v. 25.04.2006 – XI ZR 29/05 und 239/04; BGH BKR 2005, 496; NJW 2005, 1576; Urt. v. 22.02.2005 – XI ZR 41/04; BGH WM 2005, 327). Neuerdings wird sogar die Sondermarkttheorie, die nach Risikogruppen differenzierte Wuchergrenzen und damit höhere Wuchergrenzen für Unterschichten verlangte, (Canaris, ZIP 1980, 715 f; ablehnend BGH NJW 1981, 1206 (1210 unter II. 3b); NJW 1983, 1420 (unter III.1); LG Bonn, Urt. v. 10.05.2007 – 3 O 396/05) mit Hinweis auf bankwirtschaftliche Notwendigkeiten der Solvabilitätsverordnung „risikoadjustiert“, um mit „risikoadäquaten Preisen mehr Geschäft und damit auch mehr Nettozinsertrag (…) zu einer höheren Kreditbereitschaft der Institute gerade bei Schuldnern mit geringer Bonität“ (Schulte-Mattler, WM 2007, 1865 (1870)) zu kommen. Dass Wucher nur einen Marktrahmen absteckt, jenseits dessen Grenzen eine sozial verträgliche Ressourcenverteilung ohne staatliche Hilfe nicht sinnvoll ist, muss von Gerichten nicht diskutiert werden. Die dem Wuchergedanken zugrunde liegende laesio enormis, die beim Doppelten des Üblichen formal das Marktversagen feststellt, gilt ohne Ansehung der Person, so wie es die Gesetze zu den Zinsobergrenzen in Frankreich, Italien und den Benelux-Staaten festlegen, die einfach von „Zinsgrenzen“ sprechen. Mit der Ökonomisierungstendenz tritt neben den Verbraucherschutz der Schutz der Kreditgeber vor dem Verbraucherschutz (so in der Tat Bungeroth, FS Schimansky, S. 279 ff.), der sich auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise beruft, wo wirtschaftlich „vernünftiges“ Bankverhalten durch „rechtsmissbräuchliche“ (Nobbe WM 2005, 1537 (1540)) Ausübung formaler Verbraucherrechte bedroht erscheint.
10
Verbraucherschutzrecht kann so durchaus auch ein die Rechtssicherheit gerade der Verbraucher gefährdender Eingriff in die Formalität von Recht darstellen, wenn es als Freibrief für wirtschaftliche Erwägungen der Rechtsanwender darüber angesehen wird, inwieweit Verbraucherrecht anwendbar ist. Die Grundhaltung, der zufolge die Verbraucher deshalb einer „Verlockungsgefahr“ (Canaris, AcP 202(2002), 350 (355, 357, 359)) erliegen, weil sie „unerfahren“ (Grundmann, ERPL 2001, 505) sind, nährt ein paternalistisches Vorverständnis, wonach Verbraucherschutz keine allgemeinen Rechte verschafft sondern unter Nutzung eines verwaltungstypischem Ermessens nur denen „gewährt“ wird, die ihn auch „brauchen“ oder sich ihn „verdient“ haben. Die ökonomische Analyse
11
Reifner
462
12
13
14
15
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
des Rechts hat im Common Law eine solche wirtschaftliche Effizienzbetrachtung in den Status eines Grundrechts der Wirtschaft erhoben und damit zum Anwendungskriterium von Recht erhoben, der mit dem Rechtsstaatsverständnis zivilrechtlicher Provenienz nur schwer vereinbar ist. Der Schutz des Schwächeren im Verbraucherschutz ist daher nicht ein Almosen sondern ergibt sich aus dem Problem wirtschaftlicher Machtbildung in einer durch Vertragsfreiheit geprägten Marktwirtschaft, die die gleichen Chancen, wie im Arbeits- und Wohnraummietrecht seit langem anerkannt, verzerrt. Will man Vertragsfreiheit nicht als Freibrief für die Stärkeren sondern als Prinzip von Demokratie begreifen, dann muss § 13 BGB ernst genommen werden, wonach die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Vertragspartners und nicht die Verbrauchseigenschaft charakteristisch für das Verbraucherschutzrecht ist (Canaris, AcP 202 (2002), 259). Verbraucherschutz ist daher Schutz der durch das erwerbswirtschaftliche Prinzip im Tauschprozess nachgeordneten Interessen an sozialer Existenzerhaltung, für die der rechtsgeschäftliche Erwerb und die marktbezogene Betätigung eben nur (durchaus probates und wirksames) Mittel aber nicht Zweck an sich ist. Wo die Herstellung von Wettbewerb ausreicht, hat der Gesetzgeber informationellen Verbraucherschutz genügen lassen. Wo der Markt versagt, hat er sozialen Verbraucherschutz eingefügt, der im Verbraucherdarlehensrecht oft als Schuldnerschutz ausgestaltet ist. Formale Rechte stellen in diesem für das Kreditrecht mit seinen Verschuldungszwängen und Existenzbedrohungen typischen Bereich noch immer den besten Schutz der Schwächeren vor Machtausübung in der Gesellschaft dar (im einzelnen Reifner, VuR 2007 Sonderheft 1, 13 ff.). Das Verbraucherdarlehensrecht will dies nicht ändern. Deshalb bestimmt § 506 S. 2 BGB, dass nur eine Abweichung von der Formalität des Rechts „zum Nachteil des Verbrauchers“ diese Betrachtungsweise auslöst. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise dient damit allein dem Verbraucherschutz, nimmt dagegen nicht eine neue Argumentationsform ins Recht auf (so für die Ablehnung auch beim Zugewinnausgleich BGH NJW 1995, 2165). Insoweit dient die wirtschaftliche Betrachtungsweise nur der Erweiterung von Verbraucherschutz, hat aber keinen Vorrang vor Wortlaut und System des Rechts, wo solche Rechte einer wie auch immer vom Vorverständnis der Anwender geleiteten wirtschaftlichen Vernunft unterworfen werden sollen. Die in der Vorauflage geübte Kritik an der Reformalisierung des Verbraucherkreditsrechts wird hierdurch relativiert. Die Rückkehr zum Darlehensbegriff könnte sich als wirksamer Verbraucherschutz erwiesen haben, wenn dessen unvorhergesehene Aushöhlung in der Rechtsprechung und im EU-Recht weiter voranschreitet. Ansätze zu einer solchen Aushöhlung sind bereits erkennbar, wo Wirtschaftsbegriffe wie „operating leasing“ als Rechtsbegriffe benutzt und damit eine Rechtszuordnung erfolgen soll, ohne dass es auf die Sachverhaltsanalyse ankäme (so Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 28 gegen BGH NJW 1990, 1785 (1788); WM 2006, 1185). Wo nach den formalen Bedingungen ein Verbraucherdarlehen oder ein Finanzierungsleasing vorliegt, da kann auch dann nicht vom Schutz abgesehen werden, wo dieser Schutz nicht angemessen erscheint. Wo dagegen der Schutz durch formale Gestaltungen nicht mehr gewährleistet ist, dort hat eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ihn wiederherzustellen. Dieser Dualismus beherrscht die Anwendung des Verbraucherdarlehensrechts, das nicht effiziente Wirtschaft sondern effizienten gesetzlichen Verbraucherschutz implementieren will. III. Aufklärung und Rücksichtnahme zur Zügelung wirtschaftlicher Macht. So sind auch die §§ 13 (Verbraucher), 14 (Unternehmer), 358 III (verbundenes Geschäft) und die Informations- und Beendigungsrechte (§§ 491 ff. BGB) formale Bestimmungen. Im Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts kommt es daher auf eine zusätzliche
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
463
Schutzwürdigkeit der Verbraucher nicht an (Bülow/Artz, § 491 Rn. 61 sowie Einf. Rn. 35). Daher finden seine Vorschriften auch auf wohlhabende Kapitalanleger und Kapitalverwalter Anwendung, soweit nicht der Umfang der Tätigkeit auf eine gewerbliche Verwaltung schließen lässt (BGH WM 1993, 615; 2001, 2379; Lwowski/Münscher, § 81 Rn. 6; a.A. z.B. Wagner, BKR 2003, 649 (651)). Auch auf einen Verbraucher, der als „Strohmann“ eines gewerblichen Auftraggebers für diesen tätig ist, sind die Vorschriften anwendbar (anders aber Lwowski/Münscher, § 81 unter II.1). Der für das Gegenteil zitierte Bundesgerichtshof (NJW 2002, 2030) hat sich nicht anders geäußert. Die Strohmanneigenschaft spielte dort für die Anwendung des Verbraucherschutzes gerade keine Rolle, weil der „Strohmann“ dort erwerbswirtschaftlich tätig war und es auch nicht um die Gründung einer gewerblichen Existenz ging. Die Charakterisierung von Kreditverhältnissen als „Steuerspar- oder Geldanlagemodell“ (BGH WM 2007, 174; BGHZ 158, 110 (120 f.); WM 2005, 1998 (2000 f.); OLG Bamberg WM 2007, 1836 (1839); KG Berlin VuR 2005, 276) legitimieren daher auch keine restriktiven Anwendungen des Verbraucherschutzes (so aber wohl BGH NJW 2003, 1390; BGHZ 47, 207; 83, 301; 91, 9; 95, 350; NJW 1992, 2560). Der Aufbau zweifelhafter Vorverständnisse in der Sachverhaltswiedergabe widerspricht dem Prinzip formaler Rechtssicherheit, der zufolge die rechtliche Aufspaltung den verbraucherschützenden Bestimmungen nicht entgegengehalten werden kann (Tonner, BKR 2002, 856 (861); MünchKommBGB-Habersack, § 9 VerbrKG Rn. 14).
16
Diese Janusköpfigkeit von Verbraucherschutz als Schutz sozialer Existenz und Schutz der Möglichkeiten auf dem Markt, eigenverantwortlich hierfür Sorge zu tragen, findet auch dort innerhalb der von der Rechtsprechung entwickelten Topoi zum Verbraucherrecht Beachtung, wo sie scheinbar rein informationellen Schutz versprechen.
17
So hat der Topos des „ Aufklärungsverschuldens“ (BGH WM 2008, 115; 2008, 154; BKR 2008, 29; Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 274/05; WM 2007, 1651; 2007, 1465; 2007, 876; NJW 2007, 1876;WM 2007, 487; NJW 2007, 361; WM 2006, 2168 ff.; BGH NJW 2000, 3558 (3559); 2000, 2352; WM 1988, 895 (898); 1990, 920 (922); 1992, 901 (902); NJW 1992, 1820; WM 1997, 662; 1999, 678 (679); OLG Saarbrücken WM 2007, 1924), der „verwerflichen Gesinnung“ (BGH NJW 1995, 1019) und der Transparenz (BGH NJW 1997, 1068; 1997, 1277; 1990, 2383; 1992, 1108; NJW 1992, 1097; 1995, 2286) nicht erst seit seiner erweiterten Formulierung in §§ 241 II, 311 II BGB mit dem Begriff der „Rücksichtnahme“ diese materielle Bedeutung erhalten. Aufklärungsverschulden umfasst auch den Schutz vor der strukturellen Benachteiligung (BVerfG NJW 1996, 2021; Wilhelmson, JoPC 1993, 435). So wird in der Rechtsprechung bei Vorliegen bestimmter objektiver den Verbraucher benachteiligender Konstellationen im Kredit der Mangel der Aufklärung unwiderleglich vermutet. Bei der Sittenwidrigkeit geschah das Gleiche bezüglich der verwerflichen Gesinnung (BGH NJW 1995, 1019), die Transparenzanforderungen gegenüber Tilgungsverrechnungsklauseln wurden so formuliert (BGH NJW 1997, 1068), dass praktisch keine dieser die Verbraucher benachteiligenden Klauseln mehr den Anforderungen standhielt und man beim Aufklärungsverschulden aus dem schädigenden Ergebnis die mangelnde Aufklärung zwingend schloss. (BGH NJW-RR 1991, 501 (502); vgl. ferner besonders deutlich OLG Bremen NJW 1991, 1837 (Tilgungsverrechnung); OLG Stuttgart NJW 1979, 2409 ff. (Sittenwidrigkeit); BGH NJW 1982, 1694 (1695); BGHZ 47, 233 (237) = NJW 1967, 1028; NJW 1979, 2511; 1980, 1155; DB 1982, 426 m.w.N. (Einwendungsdurchgriff)). Eine „soziale Auslegung“ (vgl. Reifner, Verbraucherverschuldung, S. 91 ff.; Krämer/Micklitz/Tonner-Reifner, S. 623 ff.; kritisch dazu Medicus, AcP 188 (1988), 489 ff.; Dauner-Lieb, S. 108 ff.; Gröner/Kölhler, S. 52 ff.; Scholz, BKG Nr. 5, S. 9 ff.; Staudinger-Schmidt, Vorbm. zu § 244 BGB, Rn. C30f.; Hadding, S. 26) ersetzt
18
Reifner
464
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nicht die formale Auslegung sondern ergänzt sie um einen Einblick in die soziale Wirklichkeit der Verbraucher, um Verbraucherschutz auch dort effektiv zu gestalten, wo der Vertrag ebenso wie der Wettbewerb wirtschaftliche Macht widerspiegelt, die eine rechtliche Umdefinition der Verbraucherinteressen im Vertrag ermöglicht. Im Unterschied zum inflationären Gebrauch der culpa in contrahendo und des Aufklärungsverschuldens sollten aber die für Verbraucherschutz und Vertragsgerechtigkeit entwickelten einzelnen Rechtsinstitute in ihren Wirkungen auch dann erhalten werden, wenn durch neue Gestaltungen und insbesondere durch Aufspaltung in mehrere Vertragsverhältnisse mit einer Vielzahl von Akteuren die formal orientierten Rechtsvorschriften unanwendbar gemacht werden (dazu unten unter Rn. 292 ff.; Reifner, BKR 2008). 19
B. Geschützte Kredite und Ausnahmen (§§ 491, 506, 507, 492 Ia BGB) I. Begriff, Arten und Natur des Verbraucherdarlehens. 1. Darlehens- und Kreditbegriff. Nach Art. 1 II RL 87/102/EWG ist der Verbraucherkreditvertrag „ein Vertrag, bei dem ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht.“ Art. 3(c) RL 2008/48/EG behält diese Definition bei und schließt Wiederkehrschuldverhältnisse nun ausdrücklich aus: “… ausgenommen sind Verträge über die wiederkehrende Erbringung von Dienstleistungen oder über die Lieferung von Waren gleicher Art, bei denen der Verbraucher für die Dauer der Erbringung oder Lieferung Teilzahlungen für diese Dienstleistungen oder Waren leistet“.
20
Die Umgehung der Schutzvorschriften durch Aufspaltung in mehrere Kreditverhältnisse ist in Art. 1a Nr. 1 niederländischem Wet op het Consumentencrediet vom 4. Juli 1990 bereits in der Definition erfasst: „Eine Kredittransaktion ist jede Übereinkunft oder jede zusammenhängende Mehrheit von Übereinkünften, bei der 1. die erste Partei (Kreditgeber) an die zweite Partei (Kreditnehmer) eine Geldsumme zahlt ….“ Die holländische Definition macht auch den Charakter des Dauerschuldverhältnisses deutlich, wenn sie als Pflicht bestimmt, dass „die erste Partei (Kreditgeber) den Genuss von Sachen oder Dienstleistungen gegen Bezahlung ermöglicht“. Wenig erhellend ist dagegen Art. 8 Ziff. 8 I UKConsumer Credit Act 1974, wo Kredit durch Kredit definiert ist und damit der Ökonomie die Bestimmung des Rechts überlassen wird: „A personal credit agreement is an agreement between an individual (‘the debtor‘) and any other person (‘the creditor‘) by which the creditor provides the debtor with credit of any amount.“ Die meisten übrigen Rechtsordnungen schreiben die Definition der Richtlinie einfach ab (vgl. z.B. Art. 1 IV Loi sur le Crédit à la consommation (Belgien)).
21
Die Richtliniendefinition ist zu beachten, soweit es um die Einordnung von Kreditverhältnissen unter die im BGB aufgeführten auf Verbraucher angewandten Rechtsformen der Darlehenskredite wie „Darlehen“ (§ 488 BGB), „Teilzahlungsdarlehen“ (§ 498 BGB), „Immobiliardarlehensverträge“ (§ 492 Ia S. 2 BGB) oder Stundungskredite wie „Zahlungsaufschub“ (§ 499 I BGB), „Finanzierungsleasingverträge“ (§ 499 I BGB) und „sonstige Finanzierungshilfen“ (§ 499 I, 2. Alt. BGB) geht (auf dem baut auf Schimansky/ Bunte/Lwowski-Lwowski/Wunderlich, § 75 Rn. 1 ff.; Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 12; Kümpel, Rn. 5.1 ff.; am Darlehen orientierte Darstellung dagegen bei Schimansky/Bunte/ Lwowski-Lwowski/Münscher, § 81 Rn. 1). Die Richtliniendefinition ist grundlegend, um das Umgehungsverbot des § 506 S. 2 BGB korrekt zu interpretieren. Das deutsche Zivilrecht kennt daher ebenso wenig einen „Kreditvertrag“ oder „Verbraucherkreditvertrag“ wie einen „Finanzdienstleistungsvertrag“ oder „Bankvertrag“ (ebenso BGH NJW 2002, 3695; Schwintowski-Schäfer, § 1 Rn. 132; Kümpel, Rn. 2804 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Anm. 2 ff.; MünchKommBGBHGB-Haddding/Häuser, ZahlungsV A 151; für ei-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
465
nen Bankvertrag dagegen ausführlich Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 1 Rn. 47 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 2 Rn. 1 ff.). Die ökonomische Begrifflichkeit ist kein Element, das den Vertragstypus bestimmt sondern ein Element der Gesetzesauslegung solcher Rechtsmaterien, die wie im Verbraucherschutz oder im Bankaufsichtsrecht den Zweck der Regulierung auch gegen den Willen der vertragsschließenden Parteien durchsetzen wollen. Die Lehre vom Bankvertrag als „Rahmenvertrag“ ist daher abzulehnen, da sie einerseits am Willen der Parteien anknüpft und dabei auch noch die Kundenperspektive („Bank“-Vertrag) unterschlägt, andererseits aber eine faktisch ökonomische Begrifflichkeit verwendet, die über die Normativität des Faktischen bestehende Machtverhältnisse in der Wirtschaft allzu leicht im Recht abbildet und damit gegen sein formales Gleichheitspostulat ganz grundsätzlich verstößt. Gleichwohl wird in dieser Diskussion ein Element des Finanzdienstleistungsrecht zutreffend erkannt, nämlich, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, gesetzliche Vorschriften unabhängig von der durch den Willen der stärkeren Partei beinflussbaren rechtlichen Form des Vertrages zur Anwendung zu bringen. So gibt es zwar keinen „Verbrauchervertrag“ aber entsprechend § 13 BGB ein gesetzliches Verbraucherrecht, das überall dort eingreift, wo ein Verbraucher im Gesetz genannt wird. Es gibt im Zivilrecht keinen Kreditvertrag aber gem. § 506 BGB ein Kreditrecht. Dasselbe gilt für das Bankrecht, auch wenn es angesichts der allmählichen Auflösung des Bankmonopols durch die EU-Gesetzgebung besser sachlich eingegrenzt als Finanzdienstleistungsrecht bezeichnet werden sollte, weil damit eine begriffliche Dominanz nur eines Vertragspartners, nämlich der „Bank“, vermieden und damit anerkannt wird, dass auch der Bankkunde im Finanzdienstleistungsrecht gleichberechtigt in Erscheinung tritt. „Bankrecht“ ist nur dasjenige öffentliche Recht, das sich tatsächlich ausschließlich auf Banken bezieht. Die Verbraucherschutzvorschriften im Verbraucherdarlehensrecht gelten daher grundsätzlich bei allen Verbraucherkrediten. Es gilt somit das, was der Europäische Gerichtshof vor allem im Subventionsrecht als „effet utile“ des Europarechts (vgl. z.B. EuGH, Rs. C-213/89, Slg. 1990, I-2433, Rn. 21 (Factortame ua); BGH VersR 2007, 367) bezeichnet hat, wonach im Zweifel der in der ökonomischen Begrifflichkeit enthaltene Zweck den Ausschlag für den Anwendungsbereich der Regeln gibt. Insofern ist auch die vom Bundesgerichtshof gemachte Definition eines „Kredites“ weiterhin relevant: „Der Begriff ‚Kredit‘ dient der Umschreibung eines wirtschaftlichen Sachverhaltes, bei dem es um die zeitweilige Überlassung von finanziellen Mitteln geht, welche dem Verbraucher ohne die Kreditabsprache nicht zur Verfügung stünden. Das gilt auch für den Kredit im Rahmen eines Zahlungsaufschubs, bei welchem es um die Überlassung von Kaufkraft auf mittelbarem Wege geht, sei es durch entgeltliche Stundung der Gegenleistung des Verbrauchers im Rahmen eines Austauschvertrages über Waren oder Leistungen oder durch Verpflichtung des Anbieters zur Vorleistung abweichend vom dispositiven Recht“ (BGH NJW 1996, 457). So finden die allgemeinen Vorschriften über das vertragliche Synallagma etwa auf Darlehensrahmenverträge und Darlehensvorverträge nur dann Anwendung, wenn sie ein Recht auf die unbedingte Nutzung der zur Verfügung gestellten Geldsumme sowie ein entsprechendes Nutzungsentgelt enthalten. Für die Anwendung der Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491 ff., 358 f., 489 I S. 1 Ziff. 2 BGB ist dies aber nicht entscheidend. Bei Kreditkartenverträgen ist für die Anwendung der Verbraucherschutzvorschriften kein Nachweis eines den Zinsen im Darlehen vergleichbaren „Entgelts“ notwendig (so aber Bülow/Artz, § 491 Rn. 110; entgegen der hM vgl. MünchKommBGB-Ulmer, § 491 Rn. 67; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jungmann, § 81 Rn. 56). Kreditkartenkredite unterfallen in Übereinstimmung mit der Definition in Art. 3 der EU-RL 2008/48/EG immer
Reifner
22
23
24
25
26
466
27
28
29
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
dann schon den Verbraucherschutzvorschriften, wenn sie Kredite eröffnen, die einem Verbraucherdarlehen gleich kommen würden (so auch die hM Schimansky/Bunte/LwowskiJungmann, § 81 Rn. 56). Es bedarf daher auch für den Eröffnungsvertrag bei Kreditkarten, die nicht nur als Charge- oder Debit-Cards einen Zahlungsaufschub bedingen sondern mit einer Kreditmöglichkeit verbunden sind, der Einhaltung der Formvorschriften des § 491 BGB. Sie stellen bereits wirtschaftlich Kredite dar, weil sie „Kredite zu gewähren versprechen“ und auch nach deutschem Recht über § 506 S. 2 BGB einzubeziehen sind (im Ergebnis ebenso Bülow/Artz, § 491 Rn. 110). Dazu gehören auch solche Kreditkarten, mit denen statt der ratenweisen Abzahlung eine Kontoüberziehungsmöglichkeit beim Emittenten verbunden ist und zwar unabhängig davon, ob der einzelne Kredit unter drei Monaten Laufzeit haben soll oder unter der Bagatellgrenze liegt (a.A. Schimansky/Bunte/ Lwowski-Jungmann, § 81 Rn. 56). Für den Eröffnungsvertrag sind die Angaben gem. §§ 491 ff. BGB notwendig. In § 506 BGB nicht aufgenommen aber sachlich inhaltlich umfasst ist nämlich auch die Bestimmung aus Art. 14 II RL 87/102/EWG, der Ketten- und Parallelkredite ausdrücklich als Umgehungstatbestand ansprach und damit bei revolvierendem Kredit immer eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vorschrieb (im Ergebnis hM Schimansky/Bunte/Lwowski-Jungmann, § 81 Rn. 60; Staudinger/Kessal-Wulf, § 499 Rn. 21). Der neue Art. 22 III RL 2008/48/EG hat dies durch eine umfassendere Formulierung („Kreditverträge, deren Eigenart oder Zweck es erlauben würde, sie ihrer Anwendung zu entziehen“) ersetzt, zeigt aber in der Nutzung des Plurals, dass die Aufspaltung in mehrere Kreditverträge weiterhin vom Anwendungsbereich umfasst ist. Bei den einzelnen späteren Abhebungen handelt sich aber dann entsprechend auch nicht jeweils um einen selbständigen Darlehensvertrag. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Abhebungen den Charakter einer Kreditaufnahme im Sinne der §§ 491, 495 BGB haben. Deshalb gilt das Widerrufsrecht auch für solche Kreditabhebungen, die so konstruiert sind, dass sie einer eigenständigen Kreditaufnahme gleich kommen. Dies ist bei Debitcards grundsätzlich nicht der Fall. Bei echten Kreditkarten kommt es darauf an, ob die wesentlichen Informationen, die für den Abschluss für die Verbraucher wichtig sind, ihnen schon aus dem Eröffnungsvertrag bekannt sind. Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Zinssatz variabel ist und dieser Zinssatz nicht im Rahmen etwa einer Girokontoverbindung den Kunden laufend mitgeteilt wird, so dass sie nicht wissen können, worauf sie sich einlassen. Dasselbe gilt, wo die Kreditkonditionen geändert wurden oder der Ratenzahlungsplan sich nicht ohne weiteres sondern u.U. erst durch eine komplexere mathematische Operation aus den vorhandenen Informationen ergibt. In allen diesen Fällen ist die Kreditkartennutzung funktional identisch mit der Aufnahme eines Ratenkredites, so dass hier Informations- und Widerrufsrechte greifen, auch wenn es sich rechtlich nicht um selbständige Darlehensverträge handelt. Mit dieser Betrachtungsweise löst sich dann auch der Anachronismus, dass einerseits Kreditkarteneröffnungsverträge nicht das Privileg des § 493 BGB für die Kontoüberziehung erhalten sollen (Schimansky/Bunte/LwowskiLwowski/Jungmann, § 81 Rn. 60; Seibert, DB 1991, 429 (430)), später aber nicht einmal mehr die laufenden Informationspflichten des § 493 I S. 4 über den Jahreszins und gem. II über die Konditionen der Überziehung über das Limit hinaus verpflichtend sein sollen, auch wenn es sich um Ratenkredite handelt, die Jahre nach Emission mit dieser Karte erst aufgenommen wurden. Der Kreditbegriff beschreibt damit den zugunsten der Verbraucher erweiterten Anwendungsbereich der Verbrauscherschutzvorschriften, die Begriffe Darlehen, Stundung, Finanzierungshilfe und Finanzierungsleasing dagegen den Mindestanwendungsbereich. Den Darlehensvertrag bestimmt § 488 BGB im Unterschied zum alten § 607 BGB („Darlehen“) nunmehr als die Überlassung einer Kaufkraft („Geldbetrag“) zur zeitlichen Nutzung („zur Verfügung stellen“) gegen Zahlung von Zinsen. Im Zinssatz sind alle drei
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
467
Elemente des Darlehens vereint: Zinsen, Kapital und Zeit. Nach Überlassung der Kaufkraft wird auf Grund einer Vereinbarung („Konsensualvertrag“) Geld gegen Zeit getauscht. Zwischen diesen beiden Elementen besteht das eigentliche Synallagma (Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 83 Rn. 103; Knops, ZfIR 1998, 577 (578 m.w.N.)). Daher sind Zinsen erst zu zahlen, wenn über das Kapital verfügt werden kann. Auch die neue Formulierung macht dies nicht ausreichend deutlich, weil zwei Elemente mit einer Handlung „zur Verfügung stellen“ beschrieben werden. Im Begriff „Stellen“ ist die Hingabe des Darlehens, während im Begriff „Verfügung“ die dauerhafte Ermöglichung der Nutzung angesprochen ist. Beim Sachdarlehen (§ 607 BGB) ebenso bei der Miete (§ 535 BGB) und im Arbeitsvertrag (§ 611 BGB) wird genauer auf die Urform der „locatio conductio“ bzw. des Leihens zurückgegriffen, wenn dort mit dem Wort „Überlassen“ der Dauercharakter der Verpflichtung sprachlich exakter angesprochen wird (Honsell, § 48). Das „Zur-Verfügung-Stellen“ setzt voraus, dass das bereitgestellte Kapital „aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten Form endgültig zugeführt wird“ (BGH WM 2002, 2501; 1985, 653). Die unwiderrufliche (dazu KG WM 1998, 340 = NJW-RR 1998, 1580) Auszahlung auf ein Notaranderkonto ist daher noch keine Darlehensleistung, wenn der Notar noch nicht entsprechend verfügen kann und den öffentlich-rechtlichen abtretbaren (BGH WM 1998, 921 = NJW 1998, 2134) Auszahlungsanspruch des Verkäufers noch nicht erfüllt hat. Eine anders lautende AGB-Klausel ist nichtig (BGH WM 1998, 1869 = NJW 1998, 3200). Auch die Überweisung auf ein Konto „pro Diverse“ ohne geklärten Auszahlungsanspruch reicht nicht (BGH BB 1986, 1986). Generell führt die Auszahlung an einen Dritten dann nicht zu einem „zur Verfügung stellen“ des Darlehensbetrages, wenn „der Dritte nicht überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern sozusagen als „verlängerter Arm“ des Darlehensgebers tätig geworden (ist)“ (BGH WM 2002, 2501; 1985, 221 (223); 1985, 653; 1985, 993 (994); 1989, 1718; 1997, 1658 (1659); NJW 1987, 38; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Lwowski/Wunderlich, § 76 Rn. 143). Wo Zinszahlungen für einen Zeitraum vereinbart werden, für den das Kapital noch nicht zur Verfügung gestellt ist, verstößt dieses gegen „den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll“ und verfälscht zugleich die „Natur des Darlehensvertrages“ im Sinne des § 307 II BGB (BGH WM 1998, 1869 = NJW 1998, 3200). Dies gilt auch für zurückgehaltene Teilauszahlungen wie den Vorababzug der Zinsen für die ersten Monate der Laufzeit von der Auszahlungssumme, die Verrechnung bestrittener Gebührenforderungen mit dem Auszahlungsbetrag, die Zurückhaltung eines Teils der Darlehenssumme als Sicherheit auf einem hierfür eingerichteten Sperrkonto, die Verpflichtung, mit dem Kredit zusammen einen Sparvertrag abzuschließen, auf den ein Teil der Kreditsumme eingezahlt wird. Bei verspätet ausgezahlter Valuta fehlt es nicht nur an einer Zinszahlungspflicht für den Verzugszeitraum sondern die Bank hat auch Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung ohne Exkulpationsmöglichkeit zu zahlen (LG Düsseldorf WM 1994, 2240). Die Vereinbarung des Abzugs eines Disagios als Zinsvorauszahlung ist allerdings zulässig und verstößt nach hM nicht gegen das Zinseszinsverbot (BGH WM 1999, 2547 = NJW 2000, 352; OLG Köln WM 1992, 603 = NJW-RR 1992, 682 ). Im Bereich der Verbraucherdarlehen dürften nach Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit von Disagii als Werbungskosten vor Einzug in eine selbstgenutzte Wohnung im Jahre 1996 (vgl. § 11 EStG) solche Zinsmanipulationen inzwischen jedoch gegen das Transparenzverbot verstoßen, wenn dadurch der Eindruck eines besonders kostengünstigen Darlehens erweckt wurde.
30
Bereitstellung und Rückzahlung des Geldes beim Darlehen sind so wie im verwandten Sachkredit der Miete keine Haupt- sondern nur Nebenpflichten, um die zeitlich begrenzte Nutzung gewährleisten zu können. Deshalb ist es für die Wirksamkeit eines Darlehens-
31
Reifner
468
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
vertrages unerheblich, ob das Darlehen unbefristet und die Rückzahlung daher unbestimmt ist. Ein Blick auf die §§ 542, 546 BGB mit seiner Alternativität zwischen Befristung und Kündbarkeit hätte dem Gesetzgeber mehr Einsicht ermöglicht als die halbherzige Modernisierung des alten § 607 BGB. Anders als beim Mietverhältnis sind aber beim Kredit Befristungen eher die Regel, weil sich Laufzeit und Befristung aus der Tilgungsvereinbarung ergeben, die ein logisches Ende der Darlehensbeziehungen errechnen lässt. Besteht dagegen eine Vereinbarung zu einem revolvierenden Kredit, wonach der getilgte oder bis zu einer Grenze festgelegte Betrag wieder als Kredit aufgenommen werden kann, so kommt es im Sinne des „effet utile“ nicht darauf an. 32
Die Nebenpflichten von Überlassung und Rückzahlung stehen ebenso wie die Hauptpflichten von Belassung und Zinszahlung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, so dass nur dass zurückzuerstatten ist, was auch empfangen wurde. Ist der Empfang strittig, so können die §§ 812, 818 II BGB analog angewandt werden, weil die Darlehensgewährung insoweit mit einer Bereicherung gleichgesetzt werden kann.
33
Für den Kredit ist es unerheblich, ob die Kaufkraft dadurch zum Kreditnehmer gelangt, dass er eine Ware oder Dienstleistung erhält, für die die Bezahlung wie im Abzahlungsgeschäft des § 499 BGB oder dem Finanzierungsleasing des § 500 BGB gestundet wird, oder ob eine Bank als Geldkreditgeber zwischengeschaltet wird. Dies hatte schon die Rechtsprechung zum alten Abzahlungsgesetz erkannt, als sie das Darlehen beim finanzierten Abzahlungsgeschäft in die Schutzvorschriften über Abzahlungskäufe einbezog (BGH NJW 1961, 164; 1967, 1023 (1025, 1028); 1974, 1427 (1428)). Dies entspricht beim Mietvertrag (§ 535 BGB) ähnlich auch beim Sachdarlehen (§ 607 BGB) dem Besitzsurrogat, wenn die tatsächliche Sachherrschaft bereits beim Mieter oder Sachdarlehensnehmer liegt (§ 930 BGB). Ein Darlehensvorvertrag, der das Recht auf Abschluss eines Darlehensvertrages enthält, ist zwar nicht nach der Definition des § 491 BGB (anders § 493 BGB) als Verbraucherdarlehen mit den Angabepflichten nach § 492 BGB anzusehen (so OLG Karlsruhe BKR 2006, 378). Angesichts der eindeutigen Definition in der bisherigen EU Richtlinie, wonach „Kreditversprechen“ (Art. 2 I a) RL 87/102/EWG den Kreditverträgen gleichgestellt sind und der neuen Formulierung, wonach „Kreditvertrag“ auch Verträge sind, bei denen der Kreditgeber den Kredit „zu gewähren verspricht“ (Art. 3 c) RL 2008/48/EG), dürfte eine EU-konforme Auslegung jedoch zum gegenteiligen Ergebnis kommen. Durch Art. 5 RL 2008/48/EG wird der Gesetzgeber ohnehin gehalten sein, die Informationspflichten vorzuverlegen.
34
Der zeitliche Verzicht auf die Geltendmachung der Forderung (Zahlungsaufschub oder Stundung) belässt dann die Kaufkraft beim Kreditnehmer, so dass das Element der „Übergabe der Kaufkraft“ durch die Einigkeit darüber, dass der Kreditnehmer sie behalten kann, ersetzt wird. Diese Modalitäten ersetzen nur die Nebenpflicht der Bereitstellung und berühren die Hauptpflichten im Kredit nicht (und hätten daher auch im Kreditbegriff geregelt werden müssen).
35
Der Stundungskredit ist in § 499 BGB gesondert geregelt. Für ihn wird das Darlehensrecht für entsprechend anwendbar erklärt. Beide Formen gehen ineinander über, wenn eine Bank einen bestehenden Kredit verlängert, die Tilgung aussetzt oder in anderer Weise entgeltlich stundet. Hier handelt es sich, da für die Bank im Buch- und Giralgeld Kaufkraft immer Geld ist, in jedem Fall um ein Gelddarlehen i.S. des § 488 BGB, das zugleich eine Stundungsvereinbarung darstellt.
36
Verbraucherdarlehen sind somit alle Verbraucherkreditgeschäfte, bei denen die Kaufkraft in Form von Zentralbankgeld sowie seiner Surrogate wie insbesondere in Form von Forderungen gegenüber Banken (Giralgeld, Akzepte) bereitgestellt werden. Damit folgt
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
469
das Privatrecht dem Kreditaufsichtsrecht, das zur Definition zulassungspflichtiger Bankgeschäfte im Kreditwesengesetz „Kreditgeschäfte“ als „Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten“ bezeichnet. In den § 1 I S. 2 KWG (Begriffsbestimmungen), § 3 Ziff. 2 („Gegenstände auf Kredit verschafft (Zwecksparunternehmen)“), § 6 II (Missstände im Kreditwesen) und in den §§ 10 VIII, 13 II, 15 III u. 5, 17 I, 18 I, 19 II Ziff. 2 wird der Begriff „Kredit“ bzw. „Großkredit“ jeweils vorausgesetzt, während der Darlehensbegriff zur Bezeichnung des Geldkredites weiterhin benutzt wird (§ 1 III Ziff. 8; § 3 Ziff. 2; § 10 IIc S. 4 Ziff. 3). Das Verbraucherdarlehen ist wie Arbeitsvertrag und Wohnraummiete ein soziales Dauerschuldverhältnis. Für diese Dauerschuldverhältnisse ist wesentlich, dass 1. das Entgelt (direkt oder indirekt) nach der (Nutzungs-)Zeit bemessen ist, 2. die Verträge entweder befristet sind oder durch Kündigung beendet werden, 3. ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien besteht (§ 242 BGB) und 4. ihre Auflösung in der Regel nur ex nunc erfolgt sowie 5. die gegenseitigen Pflichten mit der sozialen Existenz der einen Seite (Einkommen und Arbeit, Ausgaben und Konsum) verbunden sind, die dem Verhältnis ihr besonderes Gepräge „sozialer Rücksichtnahme“ gibt. Zur Natur des Kredits und damit des Darlehens im Sinne des § 307 II Ziff. 2 BGB gehört die effektive Kapitalnutzung. „Zeit ist Geld“ bedeutet dann aber auch, dass ohne zeitliche Nutzungsmöglichkeit des Kapitals kein Entgelt zu zahlen ist. Einzahlungen der Kreditvaluta auf ein Sperrkonto, Einbehalt eines Teiles der Valuta zu Sicherungszwecken, Tilgungsverrechnungsklauseln, die den Tilgungszeitpunkt hinausschieben und damit insoweit eine Kapitalnutzung fingieren, verstoßen ebenso gegen diesen Grundsatz wie der nicht gesondert vereinbarte Einbehalt der ersten Rate vom Auszahlungsbetrag. Während die Rechtsprechung hier häufig nur einen Verstoß gegen das Transparenzgebot (dazu unten Rn. 40) sieht sollte der Grundsatz, dass Zinsen für Kapitalnutzung zu bezahlen sind, zur Natur des Darlehens gerechnet werden. 2. Abgrenzung zu Unternehmensbeteiligung und Versicherung. Von der Finanzierung durch Eigenkapital (§ 266 IIIa HGB) etwa bei Unternehmensbeteiligungen unterscheidet sich der Kredit als Fremdkapital vor allem dadurch, dass der Kreditgeber grundsätzlich kein Risiko trägt, das sich aus der Verwendung der Darlehensvaluta ergibt. Allerdings sind die Übergänge fließend wie die §§ 32a, 32b GmbH für das eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen verdeutlichen. Die Möglichkeiten der Fremdkapitalgeber ebenso wie der Eigenkapitalgeber auf den Wertpapiermärkten, Risiken besser als der Kapitalnutzer zu streuen, legen es Nahe, dem Darlehensgeber Teile der überindividuellen Risiken etwa durch Begrenzung der Verzugsfolgen sowie durch die Schuldbefreiung im Verbraucherinsolvenzverfahren zuzuordnen, da nur der Darlehensgeber die Risiken streuen und über den Preis gerechter verteilen kann. Im Islamischen Recht mit seinem Zinsverbot wird die Kreditgewährung daher u.a. im „Al-Mudharabah“ auch über Beteiligungsverhältnisse am finanzierten Investment gesellschaftsrechtlich organisiert. (www.islamic-banking. com; zum Darlehen als Beteiligungsverhältnis am Unternehmen „Arbeitskraft“ vgl. schon Reifner, Verbraucherverschuldung, S. 291 ff.). Erhebliche Probleme bereitet die Abgrenzung zwischen Versicherung und Kredit, da der typische Inhalt eines Versicherungsvertrages, die Übernahme der finanziellen Auswirkungen (Versicherungssumme) eines ungewissen den Versicherten schädigenden Ereignisses (Risiko) zum Zeitpunkt seines Eintritts (Versicherungsfall) gegen Zahlung eines entsprechenden Entgeltes (Prämie), grundsätzlich auch auf Kreditverträge zutrifft. Jede Festzinsvereinbarung stellt ebenso wie ein Zinsfuture die Übernahme des Zinsänderungsrisikos auf dem Markt durch die Bank dar. Die Prämie für diese Risikoübernahme ist im Kreditpreis enthalten. In der Form von Pfandbriefen oder verbrieften Kreditforderungen
Reifner
37
38
39
40
470
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
(Asset Backed Securities – ABS oder Mortgage Backed Securities – MBS) kann die Bank dieses Risiko wieder bei Dritten platzieren. Vereinbart die Bank dagegen einen variablen Zinssatz, so liegt das Zinsänderungsrisiko beim Kunden. Die Abgrenzung ist daher nicht prinzipiell sondern graduell vorzunehmen. Steht die Kapitalnutzung im Vordergrund, so handelt es sich um Kredit oder Anlage, steht die Risikoabsicherung im Vordergrund, so handelt es sich um eine Versicherung. Allerdings sind auf die Versicherungselemente eines Darlehens wie bei allen Mischverträgen die Grundsätze des Versicherungsrechts u.U. analog anzuwenden. Ebensowenig wie somit ein Festzinskredit ein Versicherungsgeschäft darstellt, ist daher auch das Zinscap, bei dem dem Kunden gegen Zahlung eines bestimmten Aufschlages auf das vereinbarte Entgelt im Kredit garantiert wird, dass der variable Zins nicht über (teilweise auch nicht unter) eine bestimmte fixierte Höhe steigt, kein Versicherungsgeschäft (Rösler, WM 2000, 1930; Rösler/Wimmer/Lang, S. 110; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 61; a. A. LG Bochum WM 1996, 629). Zutreffend ist allerdings, dass das Leitbild des § 68 II VVG nur den allgemeinen Gedanken der Zeitabhängigkeit von Finanzdienstleistungskosten (Zinsen oder Prämien) zum Ausdruck bringt. Bei der Festzinsvereinbarung handelt es sich dagegen um einen integrierten Risikobestandteil des Kreditgeschäftes, der über die Zinsen abgegolten wird. Wird dieses Entgelt im Voraus bezahlt, so handelt es sich wie beim Disagio um im Voraus bezahlte Zinsen, die bei vorzeitiger Rückzahlung entsprechend anteilig zu erstatten sind (AG Schleswig WM 1996, 630; ebenso Brutschke, VuR 1996, 43 (46); vgl. auch die Behandlung dieser Kosten als Finanzierungskosten im Steuerrecht nach dem Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums vom 15.6.2000, IV C 4 – S 2221 – 86/00 Ziff. 15 zur Anwendung des § 10 II S. 2 und des § 52 24 S. 3 EStG a.F.; im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung LG Bochum WM 1996, 629; a.A. Rösler/Wimmer/Lang, S. 110; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 61). Die Verselbständigung dieses Geschäftes zu einem Optionsgeschäft mit der Folge des Verlustes der Prämie bei vorzeitiger Beendigung (so Rösler/Wimmer/Lang, S. 113; Wenzel, WuB I E 3.-4.96 (Juni 1996)) verkennt den Risikocharakter aller Kreditverträge. Typische Kreditrisiken können somit im Kreditvertrag mit übernommen und über die Zinsen entgolten werden. Sie können auch über verbundene selbständige Versicherungsverträge (Restschuldversicherung) oder getrennte Optionsgeschäfte (Swaps) ausgelagert werden. Welche Form gewählt wird ist Sache der Vertragsparteien. Inwieweit die Trennung der Versicherungs- und Optionsgeschäfte vom Kredit gegenüber dem Verbraucher zu dessen Lasten dann geltend gemacht werden kann, richtet sich nach den Grundsätzen über „verbundene Geschäfte“. 41
Policendarlehen werden im versicherungsrechtlichen Schrifttum nicht als Verbraucherdarlehen behandelt, weil es ihnen bereits an der Darlehensqualität mangele. Sie seien entgeltliche Vorauszahlungen auf die Auszahlung der Versicherungssumme (BGHZ 42, 302 (305); RGZ 89, 305 (307); LG Berlin, ZfV 1963, 233; Soergel-Häuser, vor § 607 Rn. 23; RGRK-Ballhaus vor § 607 Rn. 35; Prölss/Knappmann/Kollhosser/Voit, § 5 ALB Rn. 1; Benkel/Hirschberg, § 5 ALB Rn. 13; Bühren-Teslau, § 13 Rn. 105) während im Aufsichtsrecht und im Steuerrecht die Kreditqualität bejahrt wird (BFH VersR 1966, 1146; FG Hannover EFG 1965, 62; GB BAV 1957/1958, 33). Damit wären auch die Verbraucherkreditbestimmungen nicht anwendbar. Angesichts der neueren Entwicklung zur integrierten Betrachtung von Kombinationsprodukten, bei denen die Darlehenstilgung von der Darlehensauszahlung abgespalten ist, lässt sich diese Einordnung nicht mehr halten. Für eine Einordnung als selbständiges Verbraucherdarlehen spricht auch die deutliche Trennung zwischen Versicherungsvertrag und Policendarlehen in der Rechtsprechung, die den Verzug im Darlehen nicht als Prämienrückstand bewertet (BGH NJW 1999, 1335), eine Beleihung durch den Arbeitgeber ohne Zustimmung des berechtigten Versicherungsnehmers ablehnt (BGH NJW 1996, 2731) und das Angebot zur Vermittlung eines
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
471
Policendarlehen zur Hilfe bei Überschuldung als den Verbraucher irreführende Werbung in der gewerblichen Schuldenregulierung ansieht (KG NJW-RR 1995, 631). II. Darlehensformen. 1. Teilzahlungsdarlehen. Teilzahlungsdarlehen an Konsumenten mobilisieren das zukünftige Konsumeinkommen, das regelmäßig in der Form eines monatlichen Einkommens erwirtschaftet wird, von dem ein „verfügbarer Teil“ für solche Anschaffungen aktiviert werden kann, die so langfristig sind, dass sie nicht aus dem laufenden Einkommen angeschafft und bezahlt werden können, sondern Vor- oder „Nach-“ Sparen erforderlich machen. Idealtypisch ist das Verbraucherdarlehen daher ein in Raten zu tilgender Kredit, dessen Rückzahlungsdauer der Verbrauchsdauer des Gegenstandes angepasst sein sollte. Sind Kredite kurzfristiger angelegt, so ist auch der Darlehensbetrag entsprechend geringer.
42
In der Praxis sind diese Kredite daher vor allem als Ratenkredite (vgl. Reifner/Volkmer, S. 30; Holzscheck/Hörmann/Daviter, S. 83 ff.) und Abzahlungsgeschäfte bekannt. Im Gesetz wird der Ratenkredit als „Teilzahlungsdarlehen, das in Teilzahlungen zu tilgen ist“ (§ 498 I BGB) und bei Stundungskrediten bzw. Abzahlungsgeschäften als „Teilzahlungsgeschäft“ (§§ 501 ff. BGB) bezeichnet. Die Zahlung muss gegen Entgelt hinausgeschoben sein (BGHZ 165, 325; Staudinger-Kessal-Wulf, § 499 Rn. 1, 28; MünchKommBGBHabersack, § 499 Rn. 37; Erman-Saenger, § 499 Rn. 4 f.; Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 499 Rn. 19, 30). Wie sich aus dem Plural sowie indirekt aus § 498 I S. 1 Ziff. 1 BGB ergibt, müssen bei Teilzahlungsdarlehen „mindestens zwei (…) Teilzahlungen“ vorhanden sein. Für alle Ratenkredite sieht das Gesetz erhöhten Schutz bei Kündigung und vorzeitiger Rückzahlung vor (§§ 498 bzw. 504 BGB) und bestätigt damit den Zweck des Schutzes zukünftigen Konsumeinkommens.
43
Das Finanzierungsleasing nach § 500 BGB (dazu im Einzelnen § 21) ist ein Unterfall des Teilzahlungsgeschäftes. Es ist trotz seiner mietrechtlichen Bezeichnung („Leasing“) (Lease engl. = Miet-/Pachtvertrag) in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Teilzahlungskredit („Finanzierung“) anzusehen, wenn letztlich nicht nur die Nutzung der Sache, sondern die Nutzung des Kapitals der Leasingsache gewährt wurde und der Restwert bei Rückgabe anders als bei sonstigen Mietverträgen so gering ist, dass dessen weitere Nutzung zu Mietzwecken praktisch ausgeschlossen ist. Die Summe der Zahlungen einschließlich Restwert ergibt dann eine Kapitalrendite für den Barzahlungspreis. Die Auffassung, wonach es auf die rechtliche Situation ankomme und damit, wie auch der europäische Minimalkonsens des neuen Art. 2 II d) des Entwurfs der EU-Richtlinie 2008/ 48 nahelegt, auf die vereinbarte oder einseitig auferlegte Verpflichtung des Verbrauchers, den Leasinggegenstand letztendlich zu erwerben, ist in Deutschland nicht maßgeblich. §§ 499 II, 500 BGB erklärt eine Reihe von Paragraphen auf das Finanzierungsleasing für anwendbar. Dabei baut der Gesetzgeber mit diesem Begriff ausdrücklich (BT-Drucks. 11/ 8274 S. 23; Peters, WM 2006, 1184) auf einer Rechtsprechung auf, die auf die faktische wirtschaftliche Vollamortisation abstellt, bei der die Restverwertung hinzugerechnet wird, so dass es nicht allein auf die Summe der Leasingraten ankommt (BGH NJW 2006, 1066; ZIP 2000, 797; NJW 1996, 2033; 1995, 1146; NJW 1995, 1019; Bülow/Artz, § 499 Rn. 72 f.; a.A. Martinek, JZ 2000, 551 (560)). Diese Sichtweise hatte auch der Gesetzgeber, der allein darauf abstellte, ob der Leasingnehmer für die Vollamortisation „einzustehen hat“ (BT-Drucks. 11/8274, S. 21; ebenso Bruchner/Lwowski/Peters-Peters, § 81 Rn. 11). Der Referentenentwurf ändert die Rechtslage nicht für das Finanzierungsleasing (E-§ 506 Abs. L). Die engere steuerrechtliche Abgrenzung, die nur das durch Ratenzahlung voll amortisierte Leasing als Finanzierungsleasing ansieht („Leasingerlass“ vom 19.4.1971 BSTBL I 1971, 264 mit Änderungen in BB 1972, 433; BB 1976, 72) verfolgt andere Ziele und ist nicht relevant. Entscheidend i.S. der Richtliniendefinition ist es, ob
44
Reifner
472
45
46
47
48
49
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
der Leasingvertrag einen „Kredit“ darstellt und damit ein funktionales Äquivalent zu einem Teilzahlungskredit darstellt. Daran ändert auch die Formalisierung des Finanzierungsleasingbegriffs in Art. 2 II d) der neuen Richtlinie 2008/48/EG, die insoweit Art. 2 I lit. B der alten Richtlinie übernimmt, nichts, die Miet- oder Leasingverträge ausnimmt, es sei denn bei ihnen ergäbe sich „eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands“ aus „dem Vertrag“ oder „einem gesonderten Vertrag“ bzw. daraus, dass der Kreditgeber dies einseitig entscheiden könne. Zwar gilt unter dem Vollharmonisierungsgebot das Argument nicht mehr, die Richtlinie lasse mehr nationalen Verbraucherschutz zu (Bülow/Artz, § 499 Rn. 76), doch will die Vollharmonisierung gem. Art. 22 Nr. 1 nur gelten, „soweit diese Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält“ (Bülow, WM 2006, 1513). Das faktische Finanzierungsleasing wird hierdurch nicht erfasst. Entscheidend aber ist, dass auch die neue Richtlinie in Art. 21 Nr. 4 vorschreibt, dass „durch Formulierungen im Vertragstext“ keine Umgehung des Schutzzweckes möglich ist (ähnlich schon BGH WM 2001, 2162 = NJW 2002, 133 II 2a aa). Die Richtliniendefinition des Finanzierungsleasings setzt damit nur fest, wann der Schutz auf jeden Fall einzugreifen hat. Die im Gesetz und Richtlinie genannten „entgeltlichen sonstigen Finanzierungshilfen“ (§ 499 I, 2. Alt. BGB) bezeichnen eine Residualkategorie von Krediten, die sich nicht unter die juristischen Begriffe von Darlehen und Teilzahlungsgeschäft subsumieren lassen und vor allem juristisch unselbständig Kreditfunktionen in andere Schuldverhältnisse integrieren. Nimmt man die ökonomische Definition des „Kredites“ als Bestimmungskriterium für den Bereich von Produkten, die dem Schutzzweck der Vorschriften unterfallen sollen, ernst, so ist diese Definition überflüssig. Schon begrifflich nichts mit Krediten zu tun haben dagegen die wegen ihrer Langzeitbindung aus historischen Gründen beim Widerrufsrecht den Abzahlungsgeschäften gleichgestellten Sukzessivlieferungsverträge, die im Gesetz als „Ratenlieferungsverträge“ (§ 505 BGB) bezeichnet werden (BGH NJW 2003, 1932). Die Richtlinie hat sie unnötigerweise ausdrücklich ausgeschlossen. Sie betreffen Verträge über Lexikonreihen, Lehrmaterialien, über die regelmäßige Abnahme von Nahrungsmitteln, Getränken oder Abnahmeverpflichtungen durch Rahmenverträge. Sie stehen zwischen Kauf und Miete und gehören daher eher ins Miet- als ins Darlehensrecht. Enthalten sie zusätzliche Kreditierungen, so sind es Teilzahlungsgeschäfte (Bülow/Artz, § 505 Rn. 11). 2. Überziehungskredit (§ 493 BGB). Überziehungskredite sind die auf einem Girokonto gewährten Möglichkeiten, entgeltlich mit dreimonatiger Zinsverrechnung und jederzeitiger Kündbarkeit Darlehenskredite aufzunehmen. Art. 3 d) RL 2008/48/EG definiert die „Überziehungsmöglichkeit“ als „einen ausdrücklichen Kreditvertrag, bei dem der Kreditgeber dem Verbraucher Beträge zur Verfügung stellt, die das aktuelle Guthaben auf dem laufenden Konto des Verbrauchers überschreiten.“ Es handelt sich somit um ein Darlehen auf einem Konto, das nicht nur eine Guthabenmöglichkeit hat sondern tatsächlich auch so angelegt ist, dass es als Kontokorrentkonto i.S. des § 355 HGB geführt wird. Erfolgt die Einrichtung eines Kontos nur zum Schein, etwa weil das Konto als Zwischenkonto für einen Kredit allein der Abbuchung der Raten dient, oder ergibt sich aus der Praxis, dass wie bei Kreditkarten eingerichtete Konten trotz dort angebotenen Guthabenzinsen nicht als Empfangsstelle für Zahlungen Dritter fungieren, so handelt es sich nicht um Überziehungskredite. Der Gesetzgeber erreicht die generelle Ausnahme bei den Angabepflichten für Kontoüberziehungskredite durch eine Fiktion, indem bereits die Einräumung eines Überziehungskredites als „Verbraucherdarlehen“ (§ 493 BGB) bezeichnet wird. Im Gesetz wird die „Rechtseinräumung zur Überziehung“ (= Recht, ein Nutzungsrecht zu erhalten)
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
473
ebenso als Verbraucherdarlehen bezeichnet wie das bereits „in Anspruch genommene Darlehen“ (§ 488 BGB) selber. Damit wird das historisch wesentliche Schuldnerschutzelement im Kredit, die effektive Auszahlung der Darlehensvaluta als Beginn der Darlehensverpflichtungen des Kreditnehmers, wie sie in der alten realvertraglichen Definition des Darlehns deutlich wurde, relativiert. Mit dem oben bezeichneten Kredit- und Darlehensbegriff lässt sich dies daher kaum rechtfertigen. Auch der Gesetzgeber sollte transparent regulieren. Korrekt wäre es, für Darlehen, für die im Kreditrahmenvertrag die Zustimmung zur Darlehensgewährung im Voraus erteilt wurde, innerhalb von § 492 BGB Ausnahmen aus den Pflichten einzufügen und dann die Pflichten für den Rahmenvertrag als einen Darlehensvorvertrag gesondert in § 493 BGB zu regeln. Eine Aufweichung des Darlehensbegriffs mit der aktuellen Regelung ist eine Aufforderung zur Umgehung, von der bereits ausgiebig Gebrauch gemacht wird. Dies würde auch die Beziehung zu anderen Formen der Darlehensanbahnung wie insbesondere die Darlehensvermittlung klären. Während beim Maklervertrag (§ 655b BGB) die Aufklärungspflichten bzgl. des Kredites quasi verdoppelt werden, werden sie beim Kontoüberziehungskredit von der eigentlichen Kreditaufnahme auf den Rahmenvertrag vorverlagert. § 492 I S. 5 BGB verlangt die Aufklärungspflichten zum Zeitpunkt der verbindlichen Kreditaufnahme. Hiervon weicht § 493 BGB ohne zeitliche Limitierung ab. Die Kreditinformation kann theoretisch auch Jahre vor dieser Kreditaufnahme liegen. § 493 I S. 2 BGB beschränkt sich darauf, die Information auf einen Zeitpunkt „vor der Inanspruchnahme eines solchen Darlehens“ zu legen. Die Kreditaufnahme selber bleibt ohne Aufklärungspflichten. Dafür ist die Bank verpflichtet die Veränderung des „geltenden Jahreszins“ anzugeben. Damit ist im Gegensatz zur Effektivzinsangabe bei sonstigen Verbraucherdarlehen der Nominalzinssatz i. S. des § 492 I S. 5 Ziff. 4 BGB (auch nicht Monatszinssatz) gemeint (Artz/Bülow, § 5 Rn. 25). Der Gesetzgeber hat dabei unterstellt, dass die Abweichung zwischen Nominalund Effektivzinssatz gering sei (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 33). Tatsächlich kommt man jedoch in dem Fall, dass bei 12 % p. a. Nominalzins ohne Tilgung die Zinsraten nach drei Monaten verrechnet werden, auf einen Effektivzinssatz von 12,973 % p. a. effektiv, so dass der Verbraucher mit der Suggestion, lieber das Konto im Minus zu halten als in einen mit 12 % p. a. ausgepreisten und mit mehr Schutzrechten versehenen Ratenkredit umzuschulden, irregeführt wird und zu viel bezahlt. Art. 6 I S. 2 d) RL 2008/48/EG schreibt nun auch hier die Angabe vor, lässt aber nationale Ausnahmen in Abs. 2 wieder zu. § 493 BGB ändert nichts daran, dass Rahmenvertrag und Kontoüberziehung zwei Verträge sind, die ihr eigenes Schicksal haben. Die Kündigung des Rahmenvertrages ist von der Kündigung des auf dem Konto konkret gewährten Darlehens zu unterscheiden. Wird das Limit herabgesetzt, so ist darin zwar für den Fall, dass der bestehende Kredit höher war, konkludent auch eine Teilkündigung des Darlehens zu sehen. Diese ist aber rechtlich gesondert zu betrachten. „Nach der ersten Inanspruchnahme des Darlehens“ sind die Bedingungen des Rahmenvertrages zu bestätigen, wobei diese Mitteilung in der in § 126b BGB definierten „Textform“ auch elektronisch durch Übermittlung auf einen dauerhaften Datenträger oder auf einem Kontoauszug gemacht werden kann. Diese weitreichenden Ausnahmen laden zur Umgehung ein, die durch eine klare Eingrenzung dessen, was in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kontoüberziehungskredit anzusehen ist, vermieden werden kann. Das Kontoüberziehungsprivileg orientiert sich am Leitbild des „laufenden Kontos“ (zum Kontokorrentkredit s. u. § 32). Entsprechend geht es vom periodischen Verrechnungskonto aus, das eine Zinsverrechnung frühestens alle drei Monate vorsieht (§ 493 I S. 1, 2. Hs. BGB). Damit unterscheidet es sich deutlich vom am Monatseinkommen orien-
Reifner
50
51
52
53
474
54
55
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
tierten Ratenkredit, der monatliche Zahlungen und damit auch monatliche Zinsverrechnung vorsieht. Ein Konto (wie bei echten Kreditkartenkrediten), das monatliche Rückzahlungsraten vorsieht, wäre daher mit § 493 BGB nicht vereinbar. Ferner dürfen für die Kreditierung nur Zinsen genommen werden und keine weiteren Kosten, weil sonst die Freistellung von den Informationspflichten keinen Sinn machen würde. Dies betrifft alle in § 6 III PAngV aufgezählten Kostenbestandteile einschließlich der Zahlungsverkehrskosten, bei „denen der Kreditnehmer keine angemessene Wahlfreiheit hat und die ungewöhnlich hoch sind“ (§ 6 III Ziff. 3, 2. Hs. PAngV). Auch Kosten, die in § 6 PAngV beim Effektivzins nicht zu berücksichtigen sind, gleichwohl aber nur bezogen auf den Kredit anfallen wie neben den Verzugszinsen beanspruchte Gebühren oder Versicherungsprämien für den Kredit hindern das Privileg des § 493 BGB. Dies muss auch für Bereitstellungsprovisionen gelten, die neuerdings vor allem im Unternehmenskredit für die Aufrechterhaltung der Kreditlinie auf den nicht in Anspruch genommenen Kredit berechnet werden. Hier handelt es sich um kreditbezogene Kosten, die keine Zinsen darstellen, weil es am Merkmal des Entgelts für die Kapitalüberlassung im Sinne des § 488 BGB fehlt. Ob es sich um ein laufendes Konto handelt, ist entsprechend § 355 HGB zu entscheiden. Danach werden „beiderseitige Ansprüche“ vorausgesetzt, bei denen sich aus Sicht des Kontoinhabers Guthaben und Kredit abwechseln. Girokonten, die erst aus Anlass einer Kreditaufnahme eingerichtet werden müssen und im Wesentlichen nur der Kreditabwicklung dienen ebenso wie Variokredite (dazu BGH NJW 1991, 832; Tobias, S. 118 f.), die flexible Ein- und Auszahlungen erlauben, genügen diesen Anforderungen nicht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 31; Wahl, VuR 1987, 241). Ob ein Konto Kreditkonto oder Girokonto ist, ergibt sich bei Verbraucherkonten aus der von den Parteien erwarteten Nutzung, nicht jedoch allein aus seiner vertraglichen Bestimmung (anders wohl für Geschäftskonten BGH NJW 1998, 2526 (2527)). Soweit daher bei Privathaushalten, die von regelmäßigen Einkünften leben, das Konto nicht für solche Einkünfte vorgesehen wird, handelt es sich um ein verstecktes allgemeines Verbraucherdarlehen. Mit dieser Eingrenzung wird dem Missbrauch vorgebeugt, dass über die Verlockung mit dem informationsfreien Kredit, der in Deutschland immer noch zu den Bankgeschäften i. S. des § 1 KWG gehört, eine Kreditkartenflut ähnlich wie in den USA und Großbritannien einsetzt, wo sie inzwischen für 60 % der Verbraucherverschuldung verantwortlich ist (vgl. für Großbritannien: Palmer/Conaty; für die USA: dti (http://www.dti.gov.uk/ccp/ topics1/pdf1/ccusreport.pdf)). Kreditkarten, die daher nicht an das Lohn- und Gehaltskonto gekoppelt sind, sondern pro forma die Eröffnung eines Girokontos mit Kreditmöglichkeit bei einer weiteren Bank einräumen, wie es etwa ein großer ausländischer Anbieter mit seiner Studentenkreditkarte und 1000 Euro Anfangskredit anbietet oder wie sie Überschuldeten auf dem Internet mit Girokonto in einem anderen Land verheißen, können sich nicht auf das Privileg des § 493 BGB berufen. Das Gleiche gilt für die vor allem im VISASystem bekannten Konstruktionen, bei denen mit der Karte zugleich ein Ratenkredit angeboten wird (h.M. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 27; Bülow/Artz, § 493 Rn. 12). Die Frage, ob es sich um ein laufendes Konto handelt, entscheidet auch über die Anwendbarkeit des § 355 HGB und das Zinseszinsprivileg gegenüber § 248 BGB (h.M. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 31; Seibert, § 5 VerbrKrG Rn. 3; Staudinger-Kessal-Wulf, § 5 VerbrKrG, Rn. 13), so dass debitorische Girokonten kein Zinseszinsprivileg haben. Auch bei laufenden Konten entfällt das Zinseszinsprivileg, wenn Verzugszinsen anfallen, „weil das etwa vorher bestehende Giroverhältnis mit der Fälligstellung des Kredits endet“ (std. Rspr. BGH NJW 1993, 1260 (1263); 1991, 1286; 1987, 1186).
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
475
§ 493 I S. 2 Ziff. 3 BGB verlangt die Angabe der Zinssatzänderungsbedingungen wie sie auch § 492 I S. 5 Ziff. 5, 2. Hs. 1. Alt. BGB für die Angabepflichten bei allgemeinen Verbraucherdarlehen vorsieht. Dies bedeutet, dass neben dem Referenzzinssatz die Anpassungsmarge und das Anpassungsintervall anzugeben sind. Ihre Zulässigkeit bestimmt sich nach §§ 315 III, 307 BGB (vgl. dazu unten Rn. 173). Gem. § 493 I S. 2 Ziff. 4 BGB sind schließlich die Bedingungen der Vertragsbeendigung wie Kündigung oder Enddatum anzugeben.
56
Die Rechtsprechung hat über die Schutzvorschriften beim Verbraucherkredit hinausgehend die Gebührenregelungen am Maßstab des § 307 BGB in der Weise kontrolliert, dass nur solche Konto- und Kartengebühren verlangt werden können, die vom Kontoinhaber ausgewählt und auch abgewählt werden können und somit auf sein eigenes Verhalten zurückgehen. Diese Voraussetzungen liegen insbesondere bei Gebühren, die für die Einziehungen und Scheckeinreichungen bei ungedecktem Konto erhoben werden oder den Auslandseinsatz von Kreditkarten betreffen, nicht vor (vgl. Reifner/Tiffe, EWiR 1991, 835 f.). Außerdem treffen die Kreditgeber gem. §§ 311, 241 II BGB Aufklärungspflichten, wenn etwa der Bürge über Überziehungsrisiken auf dem Konto nicht aufgeklärt wird (BGH NJW-RR 1996, 813) oder den Kontoinhaber nicht über die Nichteinlösung der Lastschrift auf seinem Konto unterrichtet (BGH NJW-RR 1989, 1671). Dazu gehört auch die Pflicht, wahrheitsgemäße Kontostände an ihren Geldautomaten anzugeben, die die Zahlung von erhöhten Überziehungszinsen vermeiden helfen (BGH NJW-RR 2002, 1560).
57
Das Gesetz nimmt die Überziehungskredite weitgehend von den Aufklärungspflichten (§§ 492, 493 BGB und § 6 IX PAngV) sowie vom Kündigungsschutz (§ 498 BGB gilt nur für Teilzahlungskredite) aus. Es genügt hier, wenn Höchstkreditgrenze, Nominalzinssatz, Veränderungsparameter und Kündigung bei Abschluss des Kontovertrages bekannt gemacht werden. Geänderte Zinssätze müssen lediglich auf dem Kontoauszug vermerkt sein, wobei im Electronic Banking auch die Textform genügt. Für die Verletzung dieser Pflichten sind auch keine Sanktionen vorgesehen (BT-Drucks. 11/5462; Bülow/Artz, § 493 Rn. 11; BGH, Urt. v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07; anders der 5. Senat BGH WM WM 2007, 1839 f.). Es lässt sich dabei von dem Gedanken leiten, dass es sich um eine eher ungefährliche „besonders flexible Art der Kreditaufnahme“ handelt, die nicht behindert werden soll und bei der (ähnlich wie bei der Bagatellgrenze des § 491 II Ziff. 1 BGB) nur relativ kleine Kreditbeträge (Zwei- bis Dreifache des Monatseinkommens) kreditiert und regelmäßig in kurzer Zeit wieder zurückgeführt werden (BT-Drucks. 11/5642, S. 20 f.). Über § 355 I HGB kann dabei auch zusätzlich noch der Schutz vor Zinseszinsen (§ 248 BGB) aufgehoben sein (ausführlich zum Dispositionskredit unten § 19). Diese Freistellung vom Verbraucherschutz ist nicht unproblematisch standen doch im September 2007 131 Mrd. Euro Ratenkrediten Debetsalden in Höhe von 17,1 Mrd. Euro auf Lohn-, Gehaltskonten gegenüber. Die 91 Mio. EC-Karten bzw. Bankkundenkarten (Bundesbank Statistisches Beiheft, Juni 2007, S. 91) und die über 21 Mio. Kreditkarten (Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Dezember 2006, S. 95), die zumindest in Deutschland noch ganz überwiegend Zugriff auf einen Kontoüberziehungskredit voraussetzen, machen den Kontoüberziehungskredit zum Einstieg in die Verschuldung. Für untere Einkommensschichten ist der Überziehungskredit zum ständigen Begleiter geworden. Entsprechend sind die Kreditzinssätze erhöht worden.
58
Eine in § 493 II BGB festgelegte Sonderform des Kontoüberziehungskredites in die „geduldete Überziehung“, die einen in der Praxis entwickelten Zwitter zwischen Verzug und Vertrag, zwischen Entgelt und Schadensersatz darstellt. Da die Duldung als Willenserklärung anzusehen ist, müsste es sich auch hier um einen Kontoüberziehungskredit im Sinne
59
Reifner
476
60
61
62
63
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
des § 493 I BGB handeln. Das ist aber nicht gemeint. Vielmehr bezeichnet der Begriff „Überziehung“ hierbei nicht das Guthaben auf dem Konto ins Minus („Kontoüberziehung“) sondern die „Überziehung der Überziehung“. Die Konsumentenkreditrichtlinie 2008/48/EG bezeichnet dies nun besser in Art. 3 e) als „Überschreitung“ und definiert sie „als stillschweigend akzeptierte Überziehung, bei der der Kreditgeber dem Verbraucher Beträge zur Verfügung stellt, die … die vereinbarte Überziehungsmöglichkeit überschreiten“. Diese Definition macht die Alternativität von Darlehenserfüllung und in Verzug setzen klar. Es handelt sich um eine vertragliche Vereinbarung, denn die Überschreitung muss von der Bank „stillschweigend akzeptiert“ werden, was mehr als ein Schweigen erfordert. Soweit ein Limit nicht vereinbart ist, wird in der Rechtsprechung eine Grenze von 10 % über dem Volumen des in der Regel drei Monatseinkommen umfassenden Überziehungsrahmens angenommen (OLG Brandenburg WM 2007, 2150). Begrifflich ist die Überschreitung an sich eine einfache Kontoüberziehung, bei der das Limit konkludent erhöht wird. Der Hintergrund ist aber der Wunsch der Kreditgeber, sich bei der im offline abgewickelten EC-Karten- und Kreditkartengeschäft technisch schwer zu verhindernden Überschreitung nicht mit dem niedrigen Verzugszinssatz des § 497 BGB sowie den Schutzvorschriften für Verzug belastet zu sein, sondern einen noch über den vereinbarten Vertragszinssatz hinausgehenden höheren Vertragszins, die sogenannte Überziehungsprovision, verlangen zu können, ohne allerdings die Möglichkeit jederzeitiger Realisierung der Forderung zu verlieren oder das Limit ausweiten zu müssen. Damit wurden die von der Rechtsprechung für rechtswidrig erklärten Verzugszinspauschalen der 1970er Jahre in neuem Gewand wieder eingeführt, indem im Ergebnis eine „vertraglich vereinbarte“ überhöhte Verzugszinspauschale an § 309 Ziff. 5 BGB vorbei in den AGB festlegt wird, die zudem noch fix und ohne Bezug zum Marktzinssatz ist (ausdrücklich noch zur Überziehungsprovision als unzulässiger Verzugszinspauschale BGH NJW 1987, 1186; NJW-RR 1986, 205 (207) LG Verden EWiR § 286 BGB 1987, 657 (Fischer) = VuR 1987, 319; zur Ablehnung der Vertragszinstheorie und zur Alternativität zum Verzug beim Darlehen allgemein BGH WM 1986, 8 = ZIP 1986, 545 = NJW-RR 1986, 205; BB 1987, 1488; BB 1993, 2396; NJW 1988, 1967; Reifner, ZIP 1987, 545; JZ 1987, 952; Bülow/ Artz, § 497 Rn. 45). Inzwischen hat Rechtsprechung und h.M. die Berechnung der Überziehungsprovision sanktioniert, die nach den AGB der Anbieter inzwischen von einem Zinsaufschlag auf die vereinbarten Nominalzinssätze von früher 2 % auf inzwischen über 6 % (4 % noch in BGH NJW 1989, 752; in der Zinsverordnung vom 5.2.1965 (BGBl. 1965 I 38) waren es 1,5 % BGH NJW 1992, 1753 (1754)) gestiegen sind und damit „Verzugszinssätze“ von aktuell 14 % und höher ermöglichen, während sie nach dem Gesetz bei 8 % liegen würden. Der BGH sieht hierin eine konkludente Kreditgewährung (BGH NJW 1992, 1751; zur Abgrenzung von Vertragsstrafen vgl. aber BGH NJW 1994, 1532 (VISA-Card)), die nicht als Verzugszinspauschale zu werten seien. Er hält den Zinsaufschlag von 4 % für eine vertragliche Vereinbarung, die im Rahmen des § 315 BGB zu prüfen ist und danach in Höhe von 4 % als üblich und angemessen gelten kann (BGH NJW 1992, 1751 (1753); 4,5 % wurden in BGH NJW 1989, 27 akzeptiert). Wechselnde Provisionen durch einseitige Bestimmung im Preisaushang der Banken seien auch im Rahmen des § 307 BGB zugelassen, weil sie „dem unabweisbaren Bedürfnis der Kreditinstitute, ihre Zinskonditionen den wechselnden und bei Vertragsabschluss meist nicht überschaubaren künftigen Finanzierungsmarktverhältnissen anzupassen“ gehorchen (BGH NJW 1992, 1751 (1752)). Die einverständliche Überschreitung des Limit soll sogar dann gelten, wenn die Bank selber sich die Ratenzahlungen auf einen Ratenkredit durch Belastung des überzogenen
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
477
Kontos verschafft und damit erhöhte Zinseszinsen erwirtschaftet. Da der Schuldner nicht widersprochen habe, stimme er zu (BGH NJW 1992, 1753 = WM 1992, 942 = ZIP 1992). Allerdings könne der Darlehnsnehmer die Höhe des Überziehungszinssatzes nach § 315 III BGB nachprüfen lassen. Wird der Kontoüberziehungskredit beendet, dann kann der Kreditgeber nicht gleichzeitig bei Duldung der Überziehung eine Überziehungsprovision verlangen, weil der Kreditrahmen auf Null zurückgeführt sei. Vielmehr könne, so der BGH (WM 2003, 922 = NJW 2003, 1801 = BKR 2003, 544), darin nur eine Verlängerung des Kreditrahmens liegen, die zur Berechnung des vertraglichen Zinssatzes führe. Erst wenn diese überschritten sei, soll danach die Berechnung des erhöhten Zinssatzes zulässig sein. Dies ist abzulehnen. Bei ausdrücklicher Beendigung ist kein Raum für stillschweigende Verlängerungen. Hier gilt Verzugsrecht. Diese Rechtsprechung geht weit über das Ziel hinaus, indem sie die besonders prekären häufig durch die faktische Lage oder Abbuchungsvollmachten und Kündigungsdrohungen erzwungene Zusatzkreditaufnahme von jedem Verbraucherschutz freistellt. Die Angabepflichten der Ausnahme von § 492 BGB nach § 493 BGB gelten nicht, da die Bank ja gerade nicht das „Recht einräumt, sein laufendes Konto in bestimmter Höhe zu überziehen“, sondern es mit einer Zinserhöhung bestraft. Aber auch § 492 BGB soll keine Anwendung finden, da § 493 II BGB für den Fall der geduldeten Überziehung über mehr als drei Monate lediglich eine erneute Angabe des Zinssatzes vorschreibt. Der Verweis auf § 315 BGB ersetzt nicht den Schutz bei Verzug und macht die Gerichte zu Preiskommissaren, zudem ist die Überziehungsprovision als solche im Vertrag festgelegt ist und daher nur der zugrunde liegende Nominalzinssatz, auf den sie aufgeschlagen wird, gem. § 315 BGB überprüfbar. Warum ein Verzugszinssatz, der mehr als 5 % über dem Basiszinssatz verlangt, unwirksam eine Überziehungsprovision mit 6 % über dem Vertragszinssatz aber wirksam sein soll, erschließt sich nur dann, wenn man die Zustimmung des Verbrauchers zur Vertragsaufstockung ernst nimmt. Erklärt der Verbraucher, dass er die Überziehung nicht gewollt habe, hat er selber ein Limit angegeben, über das hinaus er keinen Kredit in Anspruch nehmen möchte, so sind allein Verzugszinsgrundsätze anzuwenden. Im übrigen muss der Kreditgeber, da die Überziehungsvereinbarung konkludent durch die Überziehung selber erst zustande kommt, in diesem Zeitpunkt die Angaben nach § 493 BGB zu machen, die gerade vor der unbewussten überteueren Verschuldung schützen wollen. Diese Auffassung wird bestätigt durch die Rechtsprechung zur Pfändung in eine „offene Kreditlinie“, bei der die Existenz einer Überziehungsprovision noch nicht entscheidend dafür ist, ob „die Kreditentscheidung der Bank im Voraus und losgelöst von einem einzelnen Belastungsvorgang getroffen wird“ und damit erst einen Kredit darstellt (OLG Hamm NJW-RR 2002, 1477; ähnlich BGH WM 2001, 689 = NJW 2001, 1650 = ZInsO 2001, 318; LG Essen NJW-RR 2002, 553).
64
Das Merkmal der Überschreitung, das den faktischen Vertrag wieder einführt, muss stärker auf die Vertragsfreiheit der Verbraucher bezogen werden. Dies tut Art. 18 der neuen Richtlinie. Danach muss die Überschreitung auf einem „laufenden Konto“ bereits im „Vertrag über die Eröffnung des Kontos“ enthalten also im Voraus „vereinbart“ sein. Eine solche „Überschreitung“ „gegen den Willen der Bank“, wie er sich aus der Ausgleichungsaufforderung ergibt, ist daher nicht möglich.
65
Dabei ist wie bisher in § 493 II BGB der „Sollzins“ zu nennen. Auch der EU-Richtliniengeber folgt damit der von den Gerichten anerkannten Praxis, die an sich vertragswidrige Überziehung über das Limit aus den Restriktionen und Schutzvorschriften des Verzugs in § 497 BGB zu befreien. Das Entgelt ist damit nicht mehr durch den Schaden begrenzt sondern nur noch am Wucher zu messen. Immerhin wird in Art. 18 II c) RL 2008/48/EG nunmehr das eigentlich Selbstverständliche angeordnet, dass es nicht mehr ausreicht, einen
66
Reifner
478
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Zinserhöhungssatz von z.B. 5 % anzugeben, der einen Verzugszins als Schadensersatz suggeriert (vgl. § 288 I BGB „5 % über Basiszinssatz“). Wenn es ein vereinbarter Zinssatz sein soll, und etwas anderes ist danach nicht mehr denkbar, dann muss für ihn auch § 493 I S. 2 Ziff. 2 BGB volle Anwendung finden. Die Praxis, statt des Jahreszinssatzes einen Erhöhungssatz über dem Vertragszins anzugeben, ist damit und mit der Verwendung dieses Begriffs in § 493 I S. 2 Ziff. 2 BGB nicht in Einklang zu bringen. Es stellt eine Umgehung dieser Vorschriften dar, wenn variable Zinssätze in der Weise verfälscht werden, dass deren Variabilität durch Aufschlag mit einem Festzinssatz auf einen anderen variablen Zinssatz verdeckt und relativiert wird. Der Zinssatz bleibt auch schon bei einem variablen Element insgesamt variabel und es verstößt gegen die Pflicht zur Angabe der „Bedingungen, unter denen der Zinssatz geändert werden kann“. Gemäß § 493 I S. 2 Ziff. 1 und 2 BGB sind der „zum Zeitpunkt der Unterrichtung geltende Jahreszins“ sowie „die Höchstgrenze des Darlehens“ anzugeben. Der Gesetzgeber braucht hier den Singular. Die Praxis gibt auch keine zwei Zinssätze und zwei Höchstgrenzen an. Die Rahmenverträge verschweigen insbesondere, wie hoch die geduldete Überziehung über das Limit sein darf, obwohl es hier interne Richtlinien gibt. Es handelt sich auch nicht um Aufwendungsersatz. Dem widerspricht die Form eines Zinsaufschlages. 67
Aus der nunmehr herrschenden Vertragstheorie (statt der älteren Verzugstheorie) ergibt sich aber auch, dass die Bank bei Berechnung dieses Zinssatzes auch die synallagmatische Pflicht aus § 488 I S. 1 BGB zur Belassung des in Anspruch genommenen Kredits trifft. Sie muss also, will sie die Überschreitung beenden, kündigen, wobei sie sich nicht auf die Gründe berufen kann, die sie bei Berechnung der Überziehungsprovision bereits kannte. Die Alternative zwischen fälliger Forderung und Verzug einerseits und nicht fälliger kreditierter Forderung und Entgelt bleibt somit erhalten. Eine Kumulation aller Vorteile von Fälligstellung und vertraglichem Entgelt hat der BGH in der Verzugszinsrechtsprechung eindeutig eine Absage erteilt.
68
3. Variable Kredite. Die Kreditkonditionen können insgesamt variabel gestaltet sein. Dabei kann die Kreditauszahlung ebenso wie die Kreditrückzahlung oder der Zinssatz variabel sein. Solche Kredite werden als Variokredite, Idealkredite, Kreditrahmenkredite oder als echte Kreditkartenkredite mit eigener Kreditaufnahmemöglichkeit (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 27; LG Dortmund NJW 1988, 269; LG Mönchengladbach VuR 1987, 256; OLG Hamm NJW-RR 1987, 818) statt der üblichen Festratenkredite vergeben (vgl. Wahl, in: Arkenstette u. a., S. 48 ff.; VuR 1987, 291; Seibert, DB 91, 429 (430)). In der Praxis ist die Rückzahlung jedoch insoweit nicht vollständig variabel, weil zur Vermeidung der Zinseszinseffekte immer eine Mindestrate zurückzuzahlen ist, die eine Tilgung gewährleistet. Dies setzt voraus, dass diese Mindestrate jeweils in Abhängigkeit von dem ausstehenden Nettokredit sowie dem jeweiligen Zinssatz neu festgelegt werden muss. Werden weniger als die fälligen Zinsen als Rate vereinbart, so verstößt dieser Kreditvertrag gegen das Zinseszinsverbot des § 248 BGB, wenn die überschüssigen Zinsen nicht auf einem gesonderten Konto zinsfrei verbucht werden.
69
Nach der geltenden Rechtsprechung (BGH NJW 2000, 352; OLG Köln, WM 1992, 603; Staudinger-Schmidt, § 248 Rn. 11; Erman-Westermann, 9. Aufl., § 248 Rn. 2) kann diese Folge allerdings durch ein Disagio umgangen werden, bei dem eine Vorabfälligkeit von Zinsen vereinbart und dieser Betrag mitfinanziert wird. Diese Rechtsprechung erfolgte angesichts einer weit verbreiteten Praxis, durch ein Disagio als Zinsvorauszahlung Kosten zu simulieren, die vor Bezug der Wohnung entstanden und damit bis vor wenigen Jahren absetzbar waren. Diese Rechtsprechung mag angesichts der Üblichkeit solcher Konstruktionen verständlich sein, widerspricht jedoch bereits dem Begriff der Zinsen. Ein Zinssatz wird nämlich unrichtig, wenn die daraus errechneten Zinsen im Voraus zu bezahlen sind.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
479
10 % p. a. auf 100.000 Euro sind nämlich in Wahrheit mehr als 11 % p. a., wenn die Zinsen von 10.000 Euro im Voraus abgezogen werden. Eine Vorauszahlungspflicht für Zinsen vor ihrer im Zinssatz berücksichtigten Fälligkeit ist daher logisch nicht möglich und stellt immer eine verschleierte Reduzierung des Nettokapitals dar. Diese Wirkungen bleiben intransparent, auch wenn die Praxis ebenso weit verbreitet ist, wie es die am Transparenzgebot gemessenen Tilgungsverrechnungsklauseln seinerzeit waren. Danach gilt, dass die „Transparenz (einer) verwendeten Klausel anhand der Durchschnittserwartungen und -erkenntnismöglichkeiten von Privatpersonen zu beurteilen (ist), die nicht über besondere Finanzierungserfahrungen verfügen“ (BGH NJW 1995, 2286; WM 1992, 395 (396); BGHZ 106, 42 (49) = NJW 1989, 222; 112, 115 (119) = NJW 1990, 2383; 116, 1 (7) = NJW 1992, 179). Insbesondere die zinserhöhende Wirkung von Tilgungs- und Zinsverrechnungsklauseln war dort Anlass des Intransparenzvorwurfs. Dies gilt aber erst recht für das Disagio, bei dem dem Verbraucher nicht deutlich wird, dass es keineswegs um eine Absenkung des Nominalzinssatzes geht, sondern dass die Zinsvorauszahlung über den Zinseszinseffekt überproportional teurer ist, als wenn die Zinsen nach Fälligkeit gezahlt werden. Diese Transparenz des zeitabhängigen Zinsbegriffs zu wahren ist auch eine ratio legis des § 248 BGB (dazu auch Reifner, NJW 1992, 337). Ebenso wie bei der Tilgungsverrechnung sollte im Rahmen der §§ 307, 248 BGB mit Abschaffung des Steuerprivilegs davon ausgegangen werden, dass ein Disagio unverzinslich zu sein hat (im Ergebnis ebenso MünchKommBGB-v. Maydell, § 248 Rn. 2; SoergelTeichmann, § 248 Rn. 4; Palandt-Heinrichs, § 248 Rn. 1.; a.A. BGH NJW 2000, 352; OLG Köln WM 1992, 603; Staudinger-Schmidt, § 248 Rn. 11; Erman-Westermann, § 248 Rn. 2), so dass sich eine Ratenherabsetzung als Verminderung des Tilgungssatzes auswirkt und dem Verbraucher damit vor Augen führt, dass sein Kredit nunmehr geringer getilgt wird. Auch die h.M. muss aber im Bereich der Verbraucherdarlehen einen Verstoß gegen § 248 BGB annehmen, wenn das Disagio die Rate so weit senkt, dass nicht einmal mehr die auf den Nettokredit entfallenden Zinsen vollständig getilgt werden. Dies ist an der Restschuld bei Laufzeitende erkennbar, die dann immer noch höher ist als der ursprüngliche Nettokredit. Hier werden wirtschaftlich tatsächlich Zinseszinsen versprochen, so dass § 248 BGB verletzt ist. Die gesetzlichen Aufklärungspflichten gelten grundsätzlich für ein Verbraucherdarlehen, das die oben beschriebenen Merkmale der §§ 488, 491 BGB aufweisen muss. Anders als bei der Ausnahmeregelung für Kontoüberziehungskredite i. S. des § 493 BGB benutzt der Gesetzgeber bei Variokrediten nicht die Fiktion eines Verbraucherdarlehens für einen Rahmenvertrag. Wenn § 492 I S. 5 BGB entsprechend Art. 4 RL 87/102/EWG von der „Vertrags“erklärung bzw. von der „Vertrags“urkunde sprechen, so meinen sie den Darlehens- bzw. Kreditvertrag (so jetzt auch Art. 8 RL 2000/48/EG). Ein solcher Kreditvertrag muss alle Merkmale des § 488 I BGB erfüllen, d.h. „einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung stellen“, sowie den „geschuldeten Zins“ bestimmen. Es reicht nicht aus, dass nur ein u. U. noch kündbares Recht auf einen solchen Kredit versprochen wird. Für diesen Kredit muss ein Zinssatz bereits vereinbart sein. Eine Gleitklausel dergestalt, dass der jeweils geltende Zinssatz vereinbart ist, führt noch nicht zu einem Verbraucherdarlehen, sondern erst zu einem Rahmenvertrag, so dass dann bei der ersten Inanspruchnahme des Kredites die Pflichten des § 492 BGB zu erfüllen sind. Damit ist gewährleistet, dass § 492 BGB nicht durch eine Vorratsinformation umgangen wird, bei der bei der tatsächlichen Inanspruchnahme keine Information mehr erfolgt.
Reifner
70
71
72
73
480
74
75
76
77
78
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Im alten § 607 BGB war dabei noch klargestellt, dass ein Darlehen immer mit der effektiven Bereitstellung von Kapital entsteht, so dass alle Darlehenspflichten sich auf den Zeitpunkt dieser Inanspruchnahme beziehen mussten. Die auch schon unter dem alten Recht herrschende Vertragstheorie ist nunmehr in § 488 BGB Gesetz geworden und setzt dieses Merkmal nicht mehr voraus, so dass die traditionelle Konstruktion eines Darlehensvorvertrages entfällt. Das ändert aber nichts daran, dass alle Leistungspflichten des Kreditnehmers definitionsgemäß immer noch mit der effektiven Bereitstellung des Kapitals zusammenhängen. Gleichwohl bezieht sich § 492 I S. 5 Ziff. 1 BGB als Alternative zur Angabe des Nettokredits ausdrücklich auf die „Höchstgrenze des Darlehens“. Damit gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass der im Vertrag festgelegte Kreditbetrag nicht ausgeschöpft sein muss. Dies wird noch einmal durch § 491 Ia S. 1 Alt. 1 BGB bestätigt, der Höchstbetragsdarlehen von der Angabe des Bruttokreditbetrags freistellt. Sukzessive Kreditaufnahmen wie bei Baufortschrittsdarlehen oder Variokrediten bedürfen daher nur bei der ersten Darlehensvertraglichen Festlegung der in § 492 BGB bestimmten Aufklärung (h.M. Bülow, § 4 Rn. 73). Indiz für die Abgrenzung zwischen einem bloßen Rahmenvertrag und einem Darlehen ist dabei die Festlegung der Darlehenskonditionen für die erste Darlehensaufnahme. Nur wenn bei Abschluss dem Verbraucher dessen Konditionen konkret vor Augen geführt werden, kann er vergleichen und auch die Schuld im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen abschätzen. § 492 Ia S. 1 Alt. 1 BGB hat nunmehr auch die von der h.M. verneinte Frage (LG Bonn NJW 1995, 2995; Bülow, § 4 Rn. 73) gesetzgeberisch entschieden, ob bei Variokrediten die Angabe des Bruttokreditbetrages gem. § 492 I S. 5 Ziff. 2 BGB erforderlich ist. Da im Zweifel der Gesetzgeber nicht Überflüssiges regeln wollte, ist davon auszugehen, dass eine solche Gesamtbetragsangabe durchaus möglich war. Überall, wo ein Effektivzinssatz, eine Laufzeit und die Rückzahlungsbedingungen angegeben werden können, kann auch ein Gesamtbetrag auf der Grundlage der Anfangskonditionen (entweder erster Abhebungsbetrag oder Höchstbetrag) errechnet werden. Die Ausnahme im Gesetz ist daher wenig verständlich und führt zu einer nicht sachgerechten Ungleichbehandlung von Kreditformen. Der Variokredit ist, und dies ist in der Wucherrechtsprechung herausgearbeitet worden (LG Dortmund NJW 1988, 269; LG Mönchengladbach VuR 1987, 256; OLG Hamm NJW-RR 1987, 818), in wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Ratenkredit, der das in der Festzinsvereinbarung versicherte Risiko der Änderung der Refinanzierungsbedingungen beim Verbraucher belässt. Seine Bedingungen stehen bei Abschluss bereits fest. Zinssatzänderungen sind, wie oben beim Kontoüberziehungskredit ausgeführt, objektiv vorherbestimmt und nicht vom Willen des Kreditgebers abhängig. Insoweit können auch, wie der Gesetzgeber durch Verzicht auf eine Bereichsausnahme wie in § 493 BGB deutlich gemacht hat, die Aufklärung i. S. des § 492 BGB erfolgen und die Vorschriften über die Kündigungen bei Teilzahlungskrediten Anwendung finden. Bei Änderung wesentlicher Bedingungen während der Laufzeit darf generell nicht einseitig eine Schlechterstellung vorgesehen werden (BGH NJW 1999, 1865 für die AVB der Versicherer). Dies kann nur im Wege der erneuten Vereinbarung geschehen. Dann ist aber auch entgegen einem Urteil des OLG Hamburg (WM 1994, 943 f.) davon auszugehen, dass auch die Umwandlung eines Variokredites in einen Festkredit eine so wesentliche Veränderung ist, dass dies ein neuer Vertrag ist, der die Aufklärungspflichten i. S. des § 492 BGB erforderlich macht.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
481
4. Schuldbeitritt. Auf den Schuldbeitritt wendet die h.M. die Schutzvorschriften zum Verbraucherdarlehen entsprechend an, „weil der Beitretende die volle vertragliche Mitverpflichtung eingeht und deshalb ebenso schutzwürdig erscheint wie die Kreditnehmer“ (BGH WM 2007, 1883; NJW 2006, 431; 2000, 3496; 1998, 1939; BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156; 133, 220 (222 f.) = NJW 1996, 2865; 134, 94 = NJW 1997, 654; 1997, 1442; Staudinger-Kessal-Wulf, § 4 VerbrKrG Rn. 19; Metz, § 1 Rn. 28, § 4 Rn. 10; Hagena, S. 40 ff.; Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1038); v. Westphalen, MDR 1997, 307 (309); DB 1998, 295 (299 f.); Artz, VuR 1997, 227 (228 f.); Hadding, WuB I E 2. § 6 VerbrKrG 1.97; Wolf, LM § 1 VerbrKrG Nr. 7; vgl. auch Bülow, § 1 Rn. 114).
79
Eine Differenzierung nach dem Schutzzweck der Aufklärungsvorschriften (Auswahlfreiheit gegenüber Überschuldungsprävention), wie sie in der Literatur vertreten wird, (Ulmer/Timmann, FS Rowedder, S. 503 (517, 520 f.); MünchKommBGB-Ulmer, 3. Aufl., § 4 VerbrKrG Rn. 16; Habersack, EWiR 1997, 237 (238); Kurz, DNotZ 1997, 552 (556 f.); Kabisch, WM 1998, 535 (540)) ist danach abzulehnen.
80
Da der Schuldbeitritt wohl auch wegen seiner Konkurrenz zur Bürgschaft im BGB keine Regelung gefunden hat, sind die Prinzipien der Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB) zu beachten. Danach unterscheidet das Gesetz zwischen einem Schuldübernahmevertrag zwischen Gläubiger und Übernehmer, bei dem der Dritte an die Stelle des Schuldners tritt (§ 414 BGB) sowie einer Schuldübernahme zwischen Schuldner und Übernehmer, bei der eine solche Wirkung nur mit Zustimmung des Gläubigers erfolgt, wodurch der erste Fall wieder eintritt. In jedem Fall ist daher in wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit der Zustimmung der Bank ein neuer Kreditvertrag zwischen Bank und Übernehmer zustande gekommen, da kein Unterschied zur Refinanzierung durch einen neuen Kredit mit einem Dritten besteht. Für den zwischen Bank und Übernehmer vereinbarten Schuldbeitritt gilt damit auch dasselbe (a. A. BGH NJW 1998, 1939; BGHZ 133, 71 (74) = NJW 1996, 2156; zur Frage der Entgeltlichkeit auch BGH NJW 1996, 960), da beide Schuldner Gesamtschuldner i. S. des § 421 BGB sind. Hier könnte es sich aber um eine Sicherungsgesamtschuld handeln (dazu Reifner, KreditR, § 41 Rn. 8), die im Zweifel als Bürgschaft anzusehen ist, wenn nur eine angelehnte Schuld gewollt war (BGH NJW 1986, 580; OLG Hamm NJW 1993, 2625; Palandt-Heinrichs, Überblick vor § 414 Rn. 4).
81
Bei der Schuldübernahme zwischen Schuldner und Übernehmer „zugunsten des Gläubigers“ (§ 328 BGB) ohne dessen Zustimmung, die möglich ist, weil der Gläubiger lediglich Vorteile erlangt (Palandt-Heinrichs, Überblick vor § 414 Rn. 2), wird dagegen kein Kreditvertrag geschlossen.
82
5. Bürgschaften und andere Sicherungsverträge. Sicherungsverträge können sich auf jede Forderung beziehen. Ist die zu sichernde Forderung keine Forderung aus einem Kredit, so fehlt den Sicherungsgeschäften jeder Bezug zur Kreditdefinition.
83
Daher ist die entgeltliche Bankbürgschaft wie der Avalkredit noch kein Kredit (Fischer/ Klanten, Rn. 5.26; OLG Köln ZIP 1999, 308; anders wohl Schimansky/Bunte/LwowskiLwowski, § 75 Rn. 2), wobei allerdings systematisch korrekt dann der Avalkredit bei den Wertpapieren und Geldgeschäften im Ausland behandelt wird (vgl. Schimansky/Bunte/ Lwowski-Nielsen, § 121 Rn. 1), da der Sicherungsnehmer in der Regel 2 % p. a. dafür bezahlt, dass die Bank bei Eintritt eines ungewissen Ereignisses über diesen Betrag eine Zahlung leistet und damit erst einen Kredit gewähren wird. Eine besondere Kategorie von „Haftungskrediten“ gegenüber „Zahlungskrediten“ gibt es daher nicht, weil die reine Haftungsübernahme etwa beim Wechselkredit in der Form des Akzeptkredits (der Wechsel wird durch die Mithaftung der akzeptierenden Bank oder beim Akkreditiv bzw. im Rembourskredit durch die Akzeptanz einer weiteren Bank umlauffähig – so wohl Schimansky/
84
Reifner
482
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Bunte/Lwowski-Lwowski, § 75 Rn. 21 ff.; Canaris, BankvertragsR, Rn. 1600; Kümpel, Rn. 5) noch keine Kreditaufnahme garantiert, so dass es sich hier um eine Geschäftsbesorgung handelt, die dann aber mit einem Kreditversprechen verbunden werden kann (vgl. BGHZ 19, 282 (283)). 85
Bei Sicherungsgeschäften für Verbraucherkredite wie Bürgschaften, Garantien, Grundpfandrechtsbestellungen, Sicherungsabtretung und Sicherungsübereignungen durch Dritte gilt grundsätzlich dasselbe (dazu unten §§ 17 ff.). Sie sind in der Regel einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte, denen das Element der Kapitalüberlassung gegen Entgelt fehlt. Nach h.M. handelt es sich daher bei solchen Geschäften rechtstechnisch nicht um Kredit- oder Darlehensverträge (vgl. BGH NJW 1998, 1939; BGHZ 133, 71 (74) = NJW 1996, 2156; zur Frage der Entgeltlichkeit auch BGH NJW 1996, 960), so dass die Darlehensschutzregeln nach der Definition im EU-Recht (EuGH NJW 2000, 1323; ebenso die neue Richtlinie) und auch im deutschen Recht dem Wortlaut nach nicht auf Bürgschaften (BGH NJW 1998, 1939; so schon BGH WM 1988, 1719; Palandt-Putzo, § 491 Rn. 12; zur Anwendbarkeit von § 56 I Ziff.6 GewO) Anwendung finden. Allerdings kann nach der Entscheidung zur Anwendung der Haustürwiderrufsregeln auch auf den Bürgen (BGH WM 2006, 377 = NJW 2006, 845; anders der EuGH NJW 1998, 1295 Ziff. 22; zustimmend Reich/Micklitz-Reich, § 20.6), die eine Schlechterstellung des altruistischen Bürgen gegenüber dem Kreditnehmer ablehnt, die Tendenz festgestellt werden, die Frage der analogen Anwendung offen zu halten (dafür Bülow/Artz, § 491 Rn. 123 ff.; LG Magdeburg NJW 1999, 3496; LG Neubrandenburg NJW 1997, 2826; ablehnend OLG Düsseldorf WM 2007, 2009). Die Rechtsprechung hat zudem die Schutzvorschriften über den Zinsschaden in § 497 BGB analog auf den Bürgen angewandt (BGH NJW 2000, 658; BGHZ 115, 268 (272 f.); BGH ZIP 1995, 909 (910)). Ferner wurden die Kündigungsvoraussetzungen für Kredite, die Verzug mit einer Mindestsumme voraussetzen, im Rahmen des § 307 BGB auch auf die Lohnvorausabtretung erstreckt (OLG Nürnberg VuR 1991, 28).
86
Wie oben (Rn. 15 f.) ausgeführt ist das Verbraucherkreditrecht in zwei Schutzzwecke aufgespalten, wie sie auch im Entwurf 2002 der Konsumentenkreditrichtlinie aufgeführt und zumindest in den Presserklärungen für die neue Richtlinie 2008 wieder auftauchen: 1. Verbraucherinformation zur optimalen Wahrnehmung von Marktchancen und 2. Schutz des Verbrauchers vor Überschuldung. Zwar kann man so wie im EU-Richtlinienentwurf von 2002 der Auffassung sein, das alle Informationsrechte beiden Zielen dienen und daher die „Sicherungsverträge“ ganz generell in den Schutzbereich einzubeziehen waren. Dies hat sich jedoch im Gesetzgebungsprozess nicht durchgesetzt und sowohl die Sicherungsverträge als auch die Überschuldungsprävention als Ziel sind entfallen. Insoweit also die § 492 ff. BGB nur die Informationspflichten der RL 87/102/EWG bzw. in Zukunft der neuen Richtlinie umsetzen, verfehlen sie ihren Sinn, wenn sie auf Bürgen, die nichts erwerben wollen, angewandt werden (so OLG Düsseldorf WM 2007, 2009). Soweit es dagegen um Schutz vor Überschuldung geht ist der altruistische Bürge sogar, wie die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Familienbürgschaften dokumentiert, erheblich schutzwürdiger als der Kreditnehmer, bei dem der Tatbestand der „wissentlichen Überschuldung“, wie sie den mittellosen Bürgen befreit, nicht zur Schuldbefreiung führt. Hierzu könnte man unter den Informationspflichten in der Tat die Angabe des Gesamtbetrags der Schulden (§ 492 I Ziff.2 BGB) rechnen, die allein der Überschuldungsprävention dient und keine Funktion im Wettbewerbsvergleich hat, wo sie wegen der Nichtbeachtung des Zeitelements eher in die Irre führt.
87
Anders ist dies allerdings zu beurteilen, wenn die Bürgschaft in Wirklichkeit eine gesamtschuldnerische Haftung begründet, bei der von Anfang der Bürge nach den Umständen
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
483
des Falles als zweiter Hauptschuldner in Anspruch genommen und für die Kreditwürdigkeit mit einzustehen hatte. Gemäß § 506 BGB müssen jedoch die §§ 491 ff. BGB dann zur Anwendung kommen, wenn nach den Umständen von vornherein erkennbar war, dass der Bürge zur Rückzahlung des Darlehens herangezogen werden sollte und es sich somit um einen verschleierten Darlehensvertrag mit dem Bürgen zugunsten des Hauptschuldners handelte (BGH ZIP 1987, 697 = NJW 1987, 2076; OLG Hamm NJW 1987, 2521). Der Schutz des Bürgen ergibt sich im Übrigen in erster Linie aus der Akzessorietät. Sie stellt wohl den ältesten Fall eines verbundenen Geschäftes dar, bei dem der historische Gesetzgeber schon frühzeitig mit dem Einwendungsdurchgriff in § 768 BGB und der vertraglichen Verbindung in § 767 BGB den Schutz davor im Gesetz verankert hat, dass durch Aufteilung der Schuld auf zwei Verträge eine abstrakte den Schuldner gefährdende Bürgschaftsbeziehung entsteht. Die Rechtsprechung hat deshalb den Bürgen auch vom Schutzrecht der Hauptgeschäfte profitieren lassen und dort die Schutzvorschriften erstreckt, wo der Bürge den gleichen Bedingungen wie der Kreditnehmer ausgesetzt ist. Bei der Sittenwidrigkeit (BGH BKR 2005, 190; 2003, 288; BGHZ 125, 206 (211); 136, 347 (351); 137, 329 (333 f.); 146, 37 (42); OLG Brandenburg WM 2007, 1021; OLG Celle NJW-RR 2006, 131) und beim Wegfall der Geschäftsgrundlage (BGH NJW 2000, 1185; 1995, 592 ;1996, 2088; 1997, 1003; OLG Köln WM 2002, 438) wird diese Verbindung im allgemeinen Kreditrecht auch beachtet. Bei den Abwicklungsregeln ergibt sich diese Wirkung wirtschaftlicher Einheit schon aus der Identität der Schuld mit der Hauptschuld, die den Bürgen insoweit dem Hauptschuldner gleichstellt (§§ 768, 770 BGB). Abhilfe kann hier § 766 BGB schaffen, der zur Warnung des Bürgen die Schriftform fordert, die zudem die Hauptforderung ausreichend bestimmt bezeichnen muss (BGH NJW 1996, 1467 (1468); OLG Stuttgart WM 1991, 1255). Daher muss auch bei einem Konsumentenkredit die den Anlass der Bürgschaft gebende Hauptforderung bereits klar bestimmt sein (im Einzelnen § 20 Rn. 5 f.). Daher muss zumindest der Gesamtbetrag aus dem Kreditvertrag (§ 492 I Ziff. 2 BGB) auch in der Bürgschaftsurkunde angegeben sein. Bei der Bestellung von Sachsicherheiten wie Grundschulden (ebenso BGH NJW 1997, 1442) oder Sicherungsübereignungen ist dagegen die die Haftung auf bestehendes vorhandenes Teilvermögen beschränkt, so dass in der Regel keine Überschuldung droht. In diesen Vertragsgestaltungen sind daher auch keine entsprechenden Elemente zur Herstellung der wirtschaftlichen Einheit enthalten (a.A. Knops, ZfIR 1998, 577 ff.). Dies ist jedoch anders zu beurteilen, wenn das Grundstück etwa zum mietfreien Wohnen ähnlich wie bei der auf das zukünftige Einkommen bezogenen Bürgschaft das wesentliche und einzige Vermögen darstellt. Auch wenn hierdurch die Schwelle des § 311b II BGB nicht überschritten ist, wird man die Sicherungszweckvereinbarung bei einer solchen Bestellung von Sachsicherheiten den gleichen Voraussetzungen wie der Bürgschaft unterstellen müssen. III. Darlehensnehmer. 1. Darlehen an Verbraucher (§§ 491 I, 13 BGB). Gem. § 491 I BGB fällt nur eine Kreditvergabe zwischen einem „Verbraucher“ und einem Unternehmer als Darlehensgeber in den Schutzbereich des Abschnittes über Verbraucherkreditverträge in §§ 491 ff. BGB, die „nach dem Inhalt des Vertrages (nicht) für die bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit“ des Kreditnehmers „(Verbraucher)“ bestimmt ist. Art. 1 II RL 87/102/EWG (insoweit identisch in Art. 3 a) RL 2008/48/EG) bestimmt den Verbraucher als „eine natürliche Person, die (...) zu (einem) Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“. Als persönliche Eigenschaft ist nur die natürliche Person (Mensch) bestimmt. Im Übrigen gibt der Zweck ihres jeweiligen Tuns den Ausschlag (Bülow, § 1 Rn 16 b). Damit handelt
Reifner
88
89
90
91
92
484
93
94
95
96
97
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
es sich rechtstechnisch nicht um die Privilegierung eines Personenkreises, sondern um die Privilegierung ökonomischen Handelns zu Konsumwecken sowie zu Zwecken der unselbständigen Arbeit erweitert um die Existenzgründung (§ 507 BGB). In allen Fällen muss eine persönliche Haftung des Kreditnehmers bestehen. Eine Kreditaufnahme wird somit im Grundsatz geschützt, wenn das aufgenommene Kapital nicht gewinnbringend investiert wird, um aus der Investition wieder den Kredit zu tilgen und die Zinsen zu erwirtschaften, sondern bei dem vor allem das Arbeitseinkommen aber auch sonstiges für die persönliche Reproduktion bereitstehende Einkommen zur Rückzahlung herangezogen werden soll (zum Schutzbereich Reifner, Verbraucherverschuldung, S. 403 ff.). Dienen die einzelnen Vorschriften dem informationellen Verbraucherschutz (§§ 492 bis 495 BGB) so kompensieren sie die Nachteile, die Machtasymmetrie, die sich daraus ergibt, dass Verbraucher Kreditgeschäfte nur relativ selten ohne Marktüberblick und professionelles Wissen tätigen, die Komplexität der Produkte und die zukünftige Rückzahlungsfähigkeit im einzelnen Fall nicht abschätzbar sind und das daraus resultierende Risiko sich nicht streuen lässt. Dienen die Vorschriften dem sozialen Verbraucherschutz (§§ 496 bis 498 BGB), so kompensieren sie die Machtasymmetrie der Schuldner bei unvorhergesehenem Einkommensverlust, wenn das prospektive Einkommen die monatlichen Raten nicht mehr deckt. Es kommt somit auf den Nachweis einer persönlichen Schutzwürdigkeit des Verbrauchers im konkreten Fall nicht an, so dass geschäftliche Erfahrung oder hoher auch wirtschaftlicher Bildungsstand den Schutz nicht ausschließen (Bülow, § 1 Rn. 32), weil sich die Verbrauchereigenschaft „nach der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung dieser Person“ richtet (EuGH WM 1997, 1549, Ziff. 16 zu dem insoweit wortgleichen Art. 13 EuGVÜ, nunmehr Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000: „VO Brüssel I“). Deshalb ist es auch unrichtig, den Schutz etwa aus Treu und Glauben zu verweigern, wenn ein Verbraucher dem Kreditgeber vorgespiegelt hat, er sei ein Gewerbetreibender (so aber OLG Brandenburg VuR 1999, 245), weil Verbraucherrechte ebenso wie bei den Schutzrechten für Minderjährige nicht „verdient“ werden müssen. Der Ausschluss vom Kreditzugang gäbe ansonsten den Kreditgebern die Möglichkeit, eine Abbedingung der Verbraucherschutzregeln quasi zu erzwingen. Im Übrigen steht für Extremfälle § 123 BGB bzw. §§ 280, 311 II Ziff. 1 BGB den Kreditgebern zum Ausgleich zur Verfügung. Der Verbraucherbegriff ist rein objektiv zu verstehen. Unerheblich für diesen Schutzzweck ist es allerdings, ob der selbständig berufliche oder gewerbliche Zweck der Kreditverwendung erst in der Zukunft liegt, weil auch in diesen Fällen die Rückzahlung aus der Investition erfolgen wird und nicht aus dem Konsumeinkommen. Daher ist der Verbraucherbegriff insoweit eng auszulegen. (EuGH WM 1997, 1549, Ziff. 17 zum Verbraucherbegriff in Art. 13 EuGVÜ (nunmehr Art.15 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000: „VO Brüssel I“). Soll mit dem Kredit dagegen erst eine Klärung erreicht werden, ob eine Existenzgründung sinnvoll ist, so handelt es sich um ein Verbraucherdarlehen (BGH WM 2007, 2392; NJW 2008, 435; a.A. OLG Düsseldorf BKR 2004, 451). Während bei Existenzgründerkrediten eine Obergrenze von 50.000 Euro gesetzt wurde, hat der deutsche Gesetzgeber ebenso wie fast alle anderen EU-Staaten von der Möglichkeit des Art. 2 I f 2. Alt. RL 87/102/EWG, den Anwendungsbereich auf maximal 20.000 Euro zu begrenzen, keinen Gebrauch gemacht. Die neue Richtlinie legt die Grenze bei 75.000 Euro fest.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
485
Bei Vermögensselbstverwaltungen (zu deren Tätigkeit vgl. BGH NJW 2002, 2556) kommt es darauf an, ob die Kreditaufnahme zu Tätigkeiten erfolgt, die im Wettbewerb mit gewerblichen Anbietern steht (Bülow, § 491 BGB Rn. 65; a. A. v. Westphalen/Emmerich/ v. Rottenburg-v. Westphalen, § 1 VerbrKrG Rn. 15; OLG Frankfurt DB 1982, 895). Darüber hinaus kann es zu einem Grenzfall kommen, wenn die Vermögensverwaltung ein solches Ausmaß hat, das es einer beruflichen Tätigkeit gleichkommt.
98
Der BGH (s. dazu Freitag, WM 2001, 2379 unter II. 2.) geht dabei von einer planmäßigen und auf Dauer angelegten wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit unter Teilnahme am Wettbewerb aus (Bülow, § 1 Rn. 34; v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg-v. Westphalen, § 1 Rn. 11; BuB-Gößmann, Rn. 3/400). Er zählt daher die Verwaltung des eigenen Vermögens auch dann nicht dazu, wenn es sich um die Anlage eines großen Geldbetrages handelt (vgl. BGH a.a.O.; BGHZ 63, 32 (33); 74, 273 (276); BGH NJW 1963, 1397). Daher fällt auch die Aufnahme von Krediten etwa beim Immobilienerwerb darunter (BGHZ 119, 252 (256); Staudinger-Kessal-Wulf, § 1 VerbrKrG Rn. 37). Die Grenze zur berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung sei dort, wo diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordere (BGH WM 2001, 2379 unter II. 2.; BGHZ 104, 205 (208); 119, 252 (256); BGH NJW 1967, 2353; Schimansky/Bunte/Lwowski-Lwowski, § 81 Rn. 7; Staudinger-Kessal-Wulf, a.a.O.). Entscheiden soll letztlich die Einordnung im Einzelfall.
99
Da direkte Wertpapierkredite ohnehin ausgenommen sind, bleibt bei finanzierten Unternehmensbeteiligungen sowie fremdgenutzten Immobilien im Einzelfall die Möglichkeit, eine gewerbliche Absicht zu unterstellen, wenn eine Trennung von Konsumvermögen und Anlagevermögen auch organisatorisch vollzogen ist und die Verwaltung das Ausmaß einer beruflichen Tätigkeit annimmt (dazu BVerwG WM 2002, 1919).
100
2. Existenzgründerkredite (§ 507 BGB). Unternehmerisches Handeln i.S. des § 14 BGB schließt grundsätzlich die Verbrauchereigenschaft auch dann aus, wenn es sich um eine Existenzgründung handelt (BGH WM 2005, 755). Das Gesetz unterstellt in § 507 BGB aber eine ähnliche Schutzwürdigkeit, wenn die Kreditnehmerseite eine Existenzgründung vornimmt und der Kredit 50.000 Euro (in Zukunft wohl 75.000 Euro (Art. 2 II c) RL 2000/ 48/EG)) nicht überschreitet. Ebenso einbezogen werden beruflich bedingte Kredite von unselbständig Beschäftigten („Selbständige Tätigkeit“ Bülow, § 1 Rn. 35 ff.), die ebenfalls nicht als Konsumkredite anzusehen wären. Die Grenze orientiert sich an dem dem Kreditnehmer effektiv zugeflossenen verfügbaren Kapital, wie der Rekurs auf die Definitionen in §§ 492 I S. 5 Ziff. 1 (Nettodarlehensbetrag) und § 502 I S. 1 Ziff. 1 BGB (Barzahlungspreis) unterstreicht.
101
Die gemeinsame Schutzbedürftigkeit so unterschiedlicher Verwendungszwecke, wie sie bei Endverbrauchern, Arbeitnehmern und Kleingewerbetreibenden vor allem in der Existenzgründung vorliegen, macht deutlich, dass nicht die Kreditverwendung, sondern die Kreditrückzahlung das entscheidende Kriterium ist (zum Schutz von Existenzgründern nach allgemeinem Recht vgl. BGH WM 1990, 706). In allen Fällen erfolgt die Rückzahlung der Kredite typischerweise aus dem Einkommen, das zugleich den Lebensunterhalt bestimmt und bei dessen Wegfall die Sozialexistenz unmittelbar betroffen ist (BGH NJW 1996, 1274). Sie erfolgt somit nicht aus dem Einkommen, das unmittelbar aus der Kreditverwendung selber entsteht. Für Verbraucher- und Arbeitnehmerkredite ergibt sich das von selbst. Beim Kleingewerbetreibenden ist der Umsatzerlös in der Regel auch nur sein Arbeitslohn, so dass sich die Verschuldung unmittelbar auf seine Sozialexistenz auswirkt.
102
Liegt die Kreditaufnahme nur teilweise im privaten Bereich, so kommt es auf die Art der Vorschriften an, ob sie, wie etwa bei der Kreditrückzahlungs- bzw. Kündigungsbefugnis eine teilweise Anwendung zulassen (Ulmer/Habersack-Ulmer, § 1 Rn. 28). Ist dies nicht
103
Reifner
486
104
105
106
107
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
möglich, so wird man danach unterscheiden müssen, ob die private Funktion in Bezug auf die persönliche Existenz des Verbrauchers so wesentlich betroffen ist, dass der Schutz erforderlich ist. Entsprechend der Tradition der Schutzrechtsprechung wird größtenteils auf die „überwiegende“ Funktion des Kredites zum privaten Gebrauch abgestellt. Dabei soll dies quantitativ danach beurteilt werden, ob der private Kreditanteil mehr als 50 % des Nettokredits ausmacht (Reinking/Nießen, ZIP 1991, 81). Aber auch hier gilt, dass der Schutz privater Kreditaufnahme effektiv sein muss, so dass es auch ausreicht, wenn die private Kreditaufnahme so erheblich ist, dass der Kreditnehmer in seinen persönlichen Verhältnissen eine spürbare Bindung eingeht. Dem Schutzzweck entsprechend ist die Bestimmung nach ihrem eindeutigen Wortlaut rein objektiv nach der tatsächlichen Verwendung und nicht allein nach den Angaben des Verbrauchers durchzuführen. Die praktischen Auswirkungen der gegenteiligen h.M. (a. A. Schimansky/Bunte/Lwowski-Lwowski, § 81 Rn. 8; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Wagner-Wieduwilt, § 1 Rn. 36) sind allerdings zum hier vertretenen Ansatz gering. Zum einen handelt es sich danach nur um eine gesetzliche Vermutung zugunsten der privaten Nutzung, die lediglich wegen § 344 HGB bei Kaufleuten nicht widerlegt werden muss (Bülow, § 1 Rn. 49). Zum andern lässt diese Auffassung bei falscher Angabe dann eine Einordnung als Verbraucherkredit zu, wenn der Kreditgeber den rein privaten Zweck kennen musste, was aus den Umständen im Massengeschäft regelmäßig geschlossen werden kann. Nach der hier vertretenen Auffassung, wonach falsche Angaben nicht zur Nichtanwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes führen, kommt aber bei Falschangabe ein Schadensersatzanspruch der Bank aus Aufklärungsverschulden infrage. Der objektive Anknüpfungspunkt an der Privatsphäre und der Rückzahlung aus dem Konsumeinkommen zeigt sich auch in einer Reihe von weiteren Anwendungsfällen, die teilweise in der Literatur auf wenig Verständnis gestoßen sind: Personen, die noch andere bereits bestehende Unternehmen betreiben, können sich bei einer erneuten oder parallelen Existenzgründung auf den Schutz des Verbraucherkreditgesetzes berufen (BGH NJW 1998, 540; 1995, 721; OLG Celle NJW-RR 1996, 19; BGH 21748 II. 1.; OLG Hamm NJW 1992, 3179). Allerdings will ein Teil der Rechtsprechung einem Missbrauch vorbeugen und darauf abstellen, ob der Kreditgeber darlegen kann, dass das erste Unternehmen im zweiten wirtschaftlich praktisch fortgeführt wurde (OLG Köln WM 1995, 612; OLG Celle NJW-RR 1996, 119). Diese Kautelen verkennen, dass die Existenzgründung anders als bei laufenden Geschäften die Investition besonders mit Risiko behaftet ist und daher sorgfältiger Information bedarf. Es ist kein Schutz der Unerfahrenheit sondern ein Schutz der besonderen Situation. Bei gemeinsamer oder sukzessiver Kreditaufnahme kommt es allein auf die Schutzwürdigkeit jedes einzelnen Beteiligten an (BGH WM 1996, 1146 (1148); Bülow, § 1 Rn. 26; Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 11). So kann auch derjenige, der durch Schuldbeitritt eine Kreditschuld übernimmt, dann, wenn in seiner Person die Verbrauchereigenschaft verwirklicht und der Vertrag ein Kreditvertrag i. S. des Verbraucherkreditgesetzes ist, sich auf Schutzregeln berufen (st. Rspr. BGH NJW 1997, 3169; 158; WM 1996, 1258; 1996, 1781). Dies gilt auch dann, wenn der Kredit selber durch eine GmbH im gewerblichen Bereich abgeschlossen wurde, und der Gesellschafter dieser GmbH hierfür mit seiner Unterschrift auch privat haftete (BGH NJW 1997, 1443; WM 1996, 1258; 1781). Bei mehreren Krediten bei demselben Kreditgeber sollen nach der einen Meinung die Summen zusammengerechnet werden, wenn sie eine „wirtschaftliche Einheit“ bilden (Ulmer/Habersack-Ulmer, § 3 Rn. 10; MünchKommBGB-Ulmer, § 3 VerbrKrG Rn. 10;
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
487
ebenso Bülow, § 3 Rn. 43; Palandt-Putzo, § 507 Rn. 7; Bruchner/Ott/Wagner-WieduwiltWagner-Wieduwilt, § 3 Rn. 18; Schimanski/Bunte/Lwowski-Lwowski, § 81 Rn. 14). Eine „wirtschaftliche Einheit“ soll dabei dann anzunehmen sein, wenn die Gesamtinvestition einheitlich den Wert von 50.000 Euro übersteigt. Teilweise wird dies unter die Bedingung gestellt, dass ein Umgehungsgeschäft i. S. des § 506 I S. 2 BGB (Palandt-Putzo, § 507 Rn. 7; Schimanski/Bunte/Lwowski-Lwowski, § 81 Rn. 14) oder ein „Einheitlichkeitswille“ i. S. des § 139 BGB (v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg-v. Rottenburg, § 3 Rn. 27) vorliegt. Die Gegenmeinung vor allem auch die Rechtsprechung wollen alle Kredite einzeln behandeln (OLG Brandenburg WM 1999, 2208 (2212); Staudinger-KessalWulf, § 3 VerbrKrG Rn. 9; Steppeler, S. 37 f.; Reinking/Nießen, ZIP 1991, 79 (80 f.)). Dies wird teilweise dahingehend eingeschränkt, dass nur diejenigen Kredite, die zuletzt die Grenze übersteigen, von den Schutzvorschriften ausgenommen sind (Vortmann, ZIP 1992, 229, 323; Palandt-Putzo, § 3 VerbrKrG Rn. 3). Die Gegenmeinung verdient den Vorzug. § 507 BGB bezieht sich seinem Wortlaut nach auf „ein Darlehen“ und nutzt nicht den auch möglichen Begriff des Abstraktums „Darlehen“, der auch mehrere Darlehen einbeziehen würde (Steppeler, S. 38 f.; OLG Brandenburg a. a. O.). Von diesem Wortlaut abzugehen besteht auch kein Anlass. § 506 I S. 2 BGB ist nicht anwendbar, weil er den Schutz gegenüber der Gestaltungsmacht der Anbieter und nicht dem Anbieterschutz dient (h. L. MünchKommBGB-Habersack, § 18 VerbrKrG Rn. 6 ff.; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Bruchner, § 18 Rn. 3; v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg-v. Rottenburg, § 18 Rn. 7; Staudinger-Kessal-Wulf, § 18 VerbrKrG Rn. 6). Der Kreditgeber ist auch gegenüber der Anwendung der Verbraucherschutzbestimmungen nicht schutzwürdig, weil er selber an dieser Gestaltung mitgewirkt hat und nach h.M. der eigentliche Umgehungsfall, dass der Verbraucher sich bei einem anderen Kreditgeber den Zusatzkredit besorgt, auf keinen Fall zum Ausschluss der Schutzvorschriften führen kann, so dass insoweit auch eine krasse Ungleichbehandlung vorliegen würde. Schließlich würde die Struktur im Bankgeschäft betroffen, bei dem die Kredite jeweils nach der Höhe einzeln betrachtet, behandelt und gemeldet werden. Dass dadurch nicht die Großkreditvorschriften der §§ 18,19 KWG umgangen werden können, ergibt sich schon aus deren Wortlaut und aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Vorschriften, die sich am Sicherheitsbedürfnis für Banken orientieren. Da kleinere Kredite in der Regel teurer, standardisierter und mit weniger Beratungsaufwand im Retail-Banking vergeben werden, ist auch die Kreditgröße selber ein Grund zur Anwendung von vornehmlich der Verbraucherinformation dienenden Schutzvorschriften.
108
3. Kapitalanlagekredite und Immobiliardarlehen (§§ 491 III Ziff. 2 und 492 Ia 2 BGB). Kredite, deren Valuta in ein zinstragendes Kapital investiert wird, das Grundrente, Dividende oder einen Wertzuwachs hervorbringt, unterscheiden sich vom Ratenkredit, der der Finanzierung eines unmittelbaren Verbrauchs dient, dadurch, dass das Kapital erhalten wird und daher für die Rückzahlung zur Verfügung stehen soll. Soweit es sich dabei um investive Kredite handelt, bei denen Zinszahlung und Amortisation aus dem Ertrag erfolgen sollen, widersprechen sie dem Bild eines Konsumkredits, der aus dem Vorgriff auf zukünftiges Konsumeinkommen seine Schutzwürdigkeit ableitet (im einzelnen dazu vgl. Reifner, Verbraucherverschuldung, S. 403 ff.). Das Recht erreicht dieses Ziel aber nur indirekt, indem es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht an der Intention der Handelnden („Verbrauchen“) sondern an der Form, in der sie nicht handeln („gewerbetreibend“, „freiberuflich“), anknüpft. Damit verbleiben auch investive Kredite im Schutzbereich, die zu Zwecken abhängig geleisteter Arbeit oder zur Mehrung des eigenen Vermögens bzw. der Vorsorge für zukünftigen Konsum aufgenommen werden. Letztlich ist die Abgrenzung zwischen Investition und Konsum auch ökonomisch frag-
109
Reifner
488
110
111
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
würdig. Die gesellschaftlich produktivste Investition sind die Ausgaben für die Erhaltung und Reproduktion von Leben, Gesundheit, Wissen, Freiheit etc. Insofern sind Verbraucherkredite immer auch investiv. Die Rückzahlung solcher Kredite erfolgt dann auch aus der Nutzung des Gutes, für das die Ausgaben vorgesehen waren, nämlich der Arbeitskraft, die für das zukünftige Einkommen verantwortlich ist. Die besondere Schutzwürdigkeit solcher „Investitionen“ ergibt sich dann nicht aus ihrer Privatheit oder daraus, dass Verbraucher weniger erfahren oder gebildet sind, sondern daraus, dass anders als bei Kapitalinvestitionen der Marktwert der Arbeitskraft und ihre kontinuierliche Verwertungschance nicht gesichert, ihre Ausübung durch Krankheit, Unfall und Alterung bedroht sowie die bestehenden Formen der dem Gesellschaftsrecht vergleichbaren Kooperation im Privatsektor durch Ehe, Familie und Wohngruppe durch wirtschaftsfremde Einflüsse bei Scheidung und Trennung instabil sind. Zwar geht die Vertragsfreiheit davon aus, dass der Darlehensnehmer grundsätzlich selber durch seine Auswahlentscheidungen auf dem Markt hierfür vorsorgen muss. Gleichwohl nähert sich der Konsumentenkreditmarkt den Bedingungen des Arbeitsmarktes an, ohne dass Gewerkschaften und Staat oder gar die staatlich alimentierten oder als Verlage organisierten Verbraucherverbände hier wesentlich kompensatorisch tätig sein können. Daher muss die Wirtschaft durch das Privatrecht dazu angehalten werden, durch Art und Weise der Kreditvergabe sowie durch angepasste Rückzahlungsbedingungen sowie einer gerechten Verteilung dieser Risiken auf alle Kreditnehmer Verantwortung im Kredit zu entwickeln. Da Kredite bei Kleinunternehmen, die als „Arbeitsunternehmer“ unmittelbar davon leben, dass sie selber die für das Unternehmen notwendige Arbeit erbringen (dazu Reifner, ZBB 2003, 20 ff.) in gleicher Weise mit diesen Problemen belastet sind, trifft auch auf sie der Schutzgedanke zu. Umgekehrt schließt der Gesetzgeber Kredite „zum Erwerb von Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Edelmetallen“ (§ 491 III Ziff. 2 BGB; Art. 2h RL 2008/48/EG benutzt die Definition in Anhang I Abschnitt C der RL 2004/39/EG) aus und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass hier im Prinzip das Kreditgeld nur in umgewandelter Form fortbesteht und damit keinen unmittelbaren Bezug zu Arbeit und Konsum des Darlehensnehmers aufweist. Hier greift dann aber der Anlegerschutz ein. Es geht um Transparenz, Information und Beratung, so wie es § 31 WpHG idealtypisch festgelegt hat (BGH NJW 2002, 62 (unter II. 1.); BGHZ 142, 345 (356) = NJW 2000, 359; Assmann-Koller, Vorb. § 31 WpHG, Rn. 17; Assmann/Schütze-Roth, § 12 Rn. 14; Schwark, S. 109 (120); Lang, WM 2000, 450 (455)). Geschlossene Immobilienfondsanteile werden aber von der Ausnahme schon begrifflich nicht erfasst (EuGH Schulssanträge des Generalanwalts vom 21.11.2007, Rs. C-412/06, ZIP 2007, 2306 = VuR 2008, 19; BGH WM 2007, 1173; WM 2006, 1003; OLG Koblenz, Urt. v. 17.01.2008 – 5 U 831/07). Hier kommt es allein auf die Qualifikation als Unternehmer an. Der Begriff des Wertpapiers erfasst nach § 2 I WpHG (ähnlich und präziser noch in Art. 6 II a) RL 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher) „Aktien, Zertifikate, die Aktien vertreten, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Optionsscheine“ sowie „damit vergleichbare“ Papiere und Investmentzertifikate. Nicht ausgenommen sind gesellschaftsrechtliche Beteiligungen etwa an geschlossenen Immobilienfonds. Devisen sind ausländische Zahlungsmittel (§ 1 I S. 2 Ziff. b) KWG) und Edelmetalle solche Metalle wie Gold, Silber, Platin, die beständig sind. Zu diesen geldvertretenden Kapitalanlageformen gibt es Derivate, deren Preis gem. § 2 II WpHG unmittelbar oder mittelbar vom Preis der Wertpapiere abhängt und die insbesondere zukünftige Entwicklungen dieser Preise (Termingeschäfte) betreffen (vgl. auch die Aufzählung der Bankgeschäfte in § 1 I S. 2 KWG).
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
489
Allen diesen Instrumenten ist gemeinsam, dass sie auf dem Finanzmarkt einen Marktpreis haben, „der Schwankungen unterliegt, auf die der Anbieter keinen Einfluss hat“ (Art. 8 II a) RL 2002/65/EG). Obwohl von der Funktion vergleichbar fehlen in dieser Aufzählung gesellschaftsrechtliche Anteile wie insbesondere Anteile an geschlossenen Immobilienfonds oder Gesellschaftereinlagen. Diese auch der Finanzaufsicht nicht unterliegenden Kapitalinvestitionen sind daher beim Verbraucherdarlehen nicht ausgenommen. Ihnen fehlt im Übrigen das Merkmal der anbieterunabhängigen Preisbildung.
112
Bei Immobiliardarlehensverträgen im Sinne des § 492 Ia S. 2 BGB, die grundsätzlich als Verbraucherdarlehensverträge angesehen werden, dann jedoch von einzelnen Vorschriften wie der Angabe des Bruttokreditbetrages (§ 492 Ia S. 1 BGB), vom Kündigungsschutz des § 498 III BGB (anders jetzt der Entwurf zu einem Risikobegrenzungsgesetz 2008, BT-Drucks. 16/7438; dazu Reifner, BKE 2008, 142), der vorrangigen Tilgungsverrechnung in § 497 IV BGB oder indirekt von der Sanktion des Sicherheitenverfalls bei fehlender Angabe ausgeschlossen sind, wenn der Kredit über 50.000 Euro beträgt (§ 494 I S. 6, 2. Hs. BGB) oder beim Verzugszinssatz (§ 497 I S. 1, 2. Hs.) gesondert behandelt werden, ist die Situation komplexer. Das Gesetz definiert solche Kredite ebenfalls nach der Form und zwar hier der Form ihrer Sicherheit, meint aber den Zweck. Dies wird dadurch unterstrichen, dass die ungesicherten wohnungswirtschaftlichen Kredite der Bausparkassen gleichwohl unter die Immobiliardarlehensverträge fallen sollen. Nach Auffassung des BGH (BKR 2007, 325 Rz 25; BGHZ 161, 15 (27); 167, 223 (230 Tz. 21)) reicht es dabei nach dem „klaren Wortlaut“ aus, „dass die Kreditvergabe von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht worden ist“ (BKR 2007, 325 Rz. 25). Es muss weder zur Bestellung gekommen sein noch muss ein Notartermin unter Beteiligung des Verbrauchers erfolgt sein, bei dem eine notarielle Belehrung hätte erfolgen können. Diese Auffassung verkennt, dass die Ausnahmen für Immobiliarkredite sowohl im deutschen als auch im europäischen Recht deutlich dadurch motiviert wurden, dass historisch Grundstücksfinanzierungen keine Überrumpelung erlaubten, Beratung und Publizität gesichert erschienen und der Erwerber darauf vertrauen durfte, dass die Hauspreise kontinuierlich stiegen, so dass eine Entschuldung über den Hausverkauf möglich blieb. Mit dem Verfall der Sitten und Preise auf dem Grundstücksmarkt und des Missbrauchs zu angeblichen Sparzwecken, zu denen der Steuergesetzgeber aktiv beigetragen hat, sind diese Voraussetzungen nicht mehr regelmäßig gegeben. Dies hat auch im Gesetz seinen Niederschlag gefunden.
113
Um eine Umgehung zu verhindern werden gem. § 492 Ia S. 2 Hs. 2 BGB wiederum solche verdeckten Teilzahlungskredite (§ 498 BGB) einbezogen, die zwar grundpfandrechtlich gesichert sind, aber zu für Baukredite unüblichen Bedingungen vergeben werden. Zu diesen Bedingungen gehören auch die Umstände der Kreditvergabe, da die insoweit eingeschränkten Regeln des Verbraucherschutzes gerade die transparente Information und die freie Überlegung schützen wollen, was bei Mondscheinterminen und notarfreien Abschlüssen nicht beachtet wird.
114
Weiterhin unüblich für solche Finanzierungen sind solche Kredite, deren Zweck nicht typisch für Hypothekenkredite ist. Dies gilt für nachrangige Grundschulden („second mortgages“), die u. U. wenig werthaltig sind und nicht dem Grundstückserwerb dienten. Die mangelnde Werthaltigkeit allein ist allerdings kein ausreichendes Ausschlusskriterium (h.M. OLG Hamm WM 1998, 1230; OLG Braunschweig WM 1998, 1223; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 55; a.A. dagegen Pfeiffer, ZBB 1996, 304 (306); Frisch, VuR 1999, 432 (435); LG Stuttgart VuR 1999, 157). Die Beleihung des Grundstücks muss für Zwecke erfolgen, die nicht unmittelbar werterhöhend für das Grundstück sind. Die EU-Richtlinie schließt nunmehr in Art. 2 II b) RL 2008/48/EG (im Widerspruch
115
Reifner
490
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
zu Ziff. 14 der Erwägungsgründe, wo dies als Kriterium angegeben ist) Kredite auch ohne grundpfandrechtliche Sicherung, „die für den Erwerb oder die Erhaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem bestehenden oder geplanten Gebäude bestimmt sind“ (Art. 2 II b) RL 2008/48/EG) aus. Zusätzlich schließt sie in Buchstabe a) noch alle grundpfandrechtlich gesicherten Kredite aus. Da sie diese Kredite nicht als Verbraucherkredite ansieht und sie damit auch nicht regelt, ist der deutsche Gesetzgeber aber weiterhin frei. E-§ 503 BGB schreibt daher das kumulative Vorliegen beider Elemente weiter vor. Während die Nutzung eines Grundpfandrechts für Kfz-Erwerb, Existenzgründung somit kein Immobiliardarlehen begründet, können für die Einordnung die steuer- wie mietrechtlichen Unterscheidungen (vgl. § 536 ff. BGB) zu Rate gezogen werden. Die Erhaltungsreparaturen und der Ausbau der Wohnung gehören dann dazu, nicht jedoch die Finanzierung von Einrichtungsgegenständen. 116
Entscheidend ist damit auch hier das Umgehungsverbot des § 506 S. 2 BGB. Von bestimmten Schutzvorschriften sollen Kredite ausgenommen werden, die wie beim Eigenheim teilweise investiven Charakter haben, weil zumindest der Grundstückswert nicht „verbrauchbar“ ist und Grundstücke und solide gebaute Häuser in der Regel der Wertsteigerung unterliegen. Sie werden jedoch nicht vollständig ausgenommen, weil die Erhaltungsaufwendungen deutlich machen, dass zwar nicht das wirtschaftliche Grundstück jedoch das wirtschaftliche Haus nicht nur steuerrechtlich (§ 7 IV EStG) sondern auch tatsächlich seinen Wert vermindert und damit „konsumiert“ wird, so dass auch hier letztlich die Tilgung aus dem Einkommen erfolgt. In Deutschland mit einer Wohneigentumsquote von knapp über 40 % dominiert zwar noch das Haus für die Ewigkeit. In den USA, Großbritannien und Frankreich mit Quoten über 60 % sind „Mietverhältnisse mit der Bank“ bei vollfinanzierten tilgungsfreien Hypothekenkrediten bereits Alltag, so dass der Schutz im Verbraucherkredit, der in den USA ausdrücklich auf den Zweck des selbstgenutzten Wohnraums bezogen ist (vgl. § 104 III US-Consumer Credit Protection Act (15 USCA § 1603), der die Begrenzung dieses Gesetzes auf $ 25.000 bei Konsumentenkrediten für Wohnungskredite an Eigennutzer aufhebt), die Einkommensschutzkomponente bei Mieter- und Verbraucherschutz deutlich macht.
117
4. Bevollmächtigter und Vollmacht (§ 492 IV BGB). Die Information muss im Verbraucherschutz effektiv dem Verbraucher zukommen (Bülow, NJW 2002, 1145 (1147)). Die Information ist somit eine Bringschuld, die in den den Art. 4 (Werbung), 5 (vorvertragliche Information) und 10 (vertragliche Information) RL 2008/48/EG in allen Phasen der Kreditanbahnung effektiv dem Verbraucher gegeben werden muss. Ausnahmen wie in Art. 5 IV RL 2008/48/EG, wonach eine Information ausdrücklich nur „auf Verlangen“ des Verbrauchers zu erfolgen hat, machen deutlich, dass das Gesetz hier jede Möglichkeit ausschließt, über eine Mitwirkungspflicht, einen Verzicht des Verbrauchers oder eine vom Kreditgeber arrangierte Stellvertretung sich dafür zu exkulpieren, dass die Information den Verbraucher nicht erreicht hat. Ziff. 19 der Erwägungsgründe zu RL 2008/48/EG fasst dies deutlich zusammen: „Damit der Verbraucher in voller Sachkenntnis entscheiden kann, sollten ihm vor dem Abschluss des Kreditvertrags ausreichende Informationen über die Bedingungen und Kosten des Kredits sowie über die Verpflichtungen, die er mit dem Vertrag eingeht, gegeben werden, die er mitnehmen und prüfen kann.“ Insoweit ordnet das Gesetz eine effektive Weitergabe der Informationen aus den §§ 492 f. BGB in der Vollmacht (§ 492 IV S. 1 BGB) und über den Kreditvermittler (§ 655b I S. 4 BGB; Art. 5 I u. 6; 6 I RL 2008/48/EG) an.
118
Dies hatten Rechtsprechung und hM in Deutschland nicht beachtet, als sie den in gänzlich anderem Zusammenhang entstandenen Rechtsgedanken des §§ 167 II, 166 BGB anwandten, um eine Aufklärung des Bevollmächtigten an Stelle der Aufklärung des Ver-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
491
brauchers genügen zu lassen. (Schimanski/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 93 ff. m.w.N.) und, da dies wegen der notariellen Beurkundung in den zu entscheidenden Fällen nicht relevant war, auf alle Angaben nach § 492 II BGB verzichteten (BGH NJW 2001, 2963; OLG Köln WM 2000, 127 (130); OLG Frankfurt OLGR 2000, 191 (192); OLG Frankfurt WM 2001, 353 (355); OLG Stuttgart WM 2000, 292 (301); OLG Karlsruhe WM 2001, 356 (359); Horn/Balzer, WM 2000, 333 (341); van Look, WuB I E 2. § 4 VerbrKrG 4.00; Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters § 81 Rn. 94 e; Rösler, VuR 2000, 191 (193); a. A. OLG München WM 1999, 1456 (1457); Derleder, VuR 2000, 155 (159); NJW 1993, 2401 (2404)). Im Ergebnis wurden daher von einer Reihe von Autoren und Gerichten § 167 II BGB entweder ganz (LG Potsdam WM 1998, 1235; v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg-v. Rottenburg § 4 Rn. 28; Bülow, § 4 Rn. 37) oder nur in den Fällen der Unwiderruflichkeit oder sonstigen gravierenden Hindernissen, die dem Verbraucher für eine erneute Prüfung in den Weg gelegt würden für Form und Angaben (LG Frankfurt/Main WM 2000, 301; BGH NJW 2002, 2325; OLG Frankfurt/Main WM 2003, 332; LG Chemnitz NJW 1999, 1193) oder allein in bezug auf die Schriftform (OLG Karlsruhe WM 2001, 356; Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 94 f. m.w.N.) für unanwendbar erklärt. Eine strikte Anwendung des § 167 II BGB wurde dagegen nur vereinzelt gefordert (so noch der 11. Senat BGH NJW 2001, 2963, gegen den 3. Senat; Löhning, VuR 1999, 147 (149); OLG Naumburg WM 2002, 2200). Der Gesetzgeber hat dies dann in § 492 IV S. 1 BGB für die einfache nicht notariell beglaubigte Vollmacht zum Kreditabschluss korrigiert und unabhängig von ihrer Widerruflichkeit oder rechtlichen Ausgestaltung verlangt, dass sie sowohl die Formvorschriften des § 492 I BGB als auch die Angabevorschriften des § 492 II BGB enthalten muss. Die Vorschrift reiht sich in die Regelungen zur Kreditvermittlung (§§ 655a ff. BGB) ein, die in § 655b BGB entsprechende Formerfordernisse vorschreibt und die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers auch gegenüber dem Vermittler von Darlehensverträgen hervorheben. Der Darlehensvermittler ist, wie dies der BGH in ständiger Rechtsprechung zur Einbeziehung der Darlehensvermittlergebühr in das Entgelt zum Kredit festgestellt hat, der Sphäre der Kreditgeber zuzurechnen, weil er über seine Provision an der (möglichst hohen) Kreditvergabe interessiert ist (BGH NJW 1991, 1810; NJW 1992, 425; NJW 1989, 3217; 1983, 2629). Indem der Vermittler, dessen unbestellte Hausbesuche die Rechtsprechung zu § 56 I Nr. 6 GewO wiederholt kritisch beschäftigt haben (BGH NJW 1989, 584; 1989, 3217; 1990, 1048; 1983, 868), zusätzlich noch eine Abschlussvollmacht erhält, ändert er dadurch nicht seine Interessenrichtung. Die Rechtsfolgen für fehlerhafte Vollmachten sind durch die Einbeziehung in § 494 I S. 1 Alt. 2 BGB nicht jedoch in § 494 II BGB den Rechtsfolgen mangelnder Angaben im Darlehensvertrag angepasst. Ein mit einer in dieser Weise fehlerhaften Vollmacht abgeschlossener Darlehensvertrag ist ebenso wie die Vollmacht selber vor Darlehensauszahlung nichtig. Zwar wurde damit das Geschäft vom falsus procurator abgeschlossen, ist aber gleichwohl nicht schwebend unwirksam (so noch nach altem Recht Schimansky/Bunte/ Lwowski-Peters, § 81 Rn. 95) sondern gem. § 494 BGB endgültig nichtig, weil die fehlenden Angaben in der Vollmacht auch den Zweck seiner Angaben vereitelt haben. Mit einer Genehmigung, die mit dem parallel zu § 167 II BGB geregelten § 182 II BGB wiederum formfrei sein könnte, lässt sich dies nicht heilen. Anders ist es nach Auszahlung der Darlehensvaluta. Eine Heilung der Vollmacht ist in § 494 II BGB zwar nicht vorgesehen (Bülow, § 494 Rn. 9). Der Verbraucher hat hier aber die Wahl, dem vollmachtlos geschlossenen Vertrag zuzustimmen oder die Vollmacht nachträglich zu genehmigen. Die nicht zu den Bestimmungen der Verbraucherkreditrichtlinie ergangenen Urteile und Stellungnah-
Reifner
119
120
121
122
492
123
124
125
126
127
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
men in der Literatur (auf diese bezieht sich aber Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 95 d mit Hinweis auf ältere Rechtsprechung) sind im Lichte dieser Gesetzesänderung überholt (a. A. Bülow, NJW 2002, 1145 (1147); § 494 Rn. 8). Die Genehmigung macht die Vollmacht selber wirksam. Es bleibt dann bei der Möglichkeit des § 494 II BGB, wonach die Formnichtigkeit geheilt wird, wenn der Verbraucher, nicht der Vertreter, die freie Verfügungsgewalt über die Darlehensvaluta erhalten hat (Bülow, a.a.O.). Da der Verbraucher jedoch nicht informiert wurde, führt dies zu einem Kredit ohne alle Einzelkosten zum Zinssatz von 4 % p.a. § 492 II S. 2 BGB nimmt allerdings neben der Prozessvollmacht auch die notariell beglaubigte Vollmacht hiervon aus. Damit hat der Gesetzgeber letztlich wie schon bei der Vorfälligkeitsentschädigung (§ 490 II S. 3 BGB) und neuerdings beim geplanten Sonderkündigungsrecht bei Kreditverkäufen im Risikobegrenzungsgesetz ein Verfahren gewählt, bei dem angesichts öffentlich diskutierter gravierender Verbraucherprobleme durch eine scheinbare Einführung von Verbraucherschutz, die aber gerade die Fälle nicht betrifft, implizit eine bestimmte verbraucherfeindliche Interpretation des Gesetzes zu bestätigen. Die Annahme, notarielle Beglaubigungen garantierten die Verbraucheraufklärung ist angesichts der „Mondscheinbeurkundungen“ durch Ein-Firmen-Notare widerlegt worden. Art. 14 VI der RL 2008/48/EG (ähnlich Art. 2 IV Verbraucherkreditrichtlinie 87/ 102/EWG) stellt den Mitgliedstaaten eine solche Regelung nur noch für das Rücktrittsrecht frei verlangt aber, dass „der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers gemäß den Artikeln 5 und 10 gewahrt sind“. Im Übrigen muss der Kreditgeber sogar regelmäßig darüber informieren, dass Notargebühren anfallen. Der BGH will durch solche Vollmachten beim Notar auch die Haustürsituation i. S. des Art. 1 I RL 85/577/EWG (ABl. Nr. L 372 vom 27.12.2006, S. 31) der Haustürwiderrufsrichtlinie ausschließen. In seiner Heininger Entscheidung hat der EuGH (EuGH ZIP 2002, 31 („Heininger“) zu Ziff. 47) dagegen die Effektivität der Haustürwiderrufsrichtlinie in den Vordergrund gestellt, so dass „andere Gründe zurücktreten müssen, soweit sie eine Einschränkung der Rechte implizieren, die dem Verbraucher mit der Haustürgeschäfterichtlinie ausdrücklich verliehen worden sind, um ihn vor den Gefahren zu schützen, die sich daraus ergeben, dass Kreditinstitute bewusst Realkreditverträge außerhalb ihrer Geschäftsräume abschließen. Wenn die Kreditinstitute nämlich so verfahren, um ihre Dienste zu vermarkten, so können sie sowohl den Verbraucherinteressen als auch ihrem eigenen Bedürfnis nach Rechtssicherheit ohne Schwierigkeit dadurch Rechnung tragen, dass sie ihrer Obliegenheit zur Belehrung des Verbrauchers nachkommen.“ Diese Überlegungen müssen auch zur Information gem. § 492 I und 2 BGB bei notarieller Bevollmächtigung gelten. Entsprechend hat schon der vierte Senat des BGH die Nichtigkeitsfolge des Art. 1 § 1 I S. 1 RBerG i.V.m. § 134 BGB (BGH WM 2003, 914 unter II. 2 b) auf die prozessuale Vollmacht erstreckt, weil „andernfalls Sinn und Zweck des gesetzlichen Verbots nicht zu erreichen wären. Es muss die Wirksamkeit jeder Rechtshandlung verhindert werden, die seitens des unerlaubt rechtsberatenden Geschäftsbesorgers für seinen Auftraggeber vorgenommen wird.“ § 492 IV S. 2 BGB erspart der notariellen Urkunde zwar die Wiederholung der Angaben nach § 492 I und 2 BGB, nicht jedoch dem Kreditgeber die Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass auch in diesen Fällen die Information vor Vertragsschluss an den Kunden selber gelangt. Dies wird in der Regel dadurch erfolgen, dass der Kreditgeber darauf achtet, dass die Kreditkonditionen in der Vollmacht genannt sind. Es kann aber auch wie für Kreditvermittler vorgeschrieben dadurch erfolgen, dass die Bank dafür Sorge trägt, dass der Treuhänder die Informationen in Textform aushändigt.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
493
Eine Vollmacht ist nach h.M. nichtig, wenn sie im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages erteilt wurde, der unter Verstoß gegen Art. 1 § 1 I S. 1 Rechtsberatungsgesetz (entspr. § 3 RechtsdiensteG) abgeschlossen wurde (BGH NJW 2007, 1130; WM 2003, 914; 2003, 243; 2002, 1273 unter II.1.; 2001, 2113 unter II. 3; 2000, 2443; LG Mannheim Urt. v. 11.10.2002 – 9 O 76/01; OLG München VuR 2003, 181). Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn der Treuhandvertrag über die Wahrung rein wirtschaftlicher Belange und über einfache Hilfstätigkeiten deutlich hinausgeht und insgesamt konkret die Rechtsangelegenheiten des Verbrauchers zu betreiben verspricht. Der Verstoß führt zur Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages sowie unmittelbar auch der Vollmacht (BGH WM 2003, 914 unter II. 2 a). Eines Umwegs über die Bedingungen des § 139 BGB (so noch BGH WM 2001, 2260 (2261) (XI. Senat), korrigiert in BGH, Urt. v. 8.4.2003 – XI ZR 193/02, entsprechend WM 2003, 247 (249); WM 2001, 2260 (2261) (III. Senat); WM 2003, 918 (919 f.) (XI. Senat); OLG Naumburg WM 2002, 2200; OLG Frankfurt/Main WM 2003, 332) bedarf es insoweit nicht. Die mit Hilfe einer in dieser Weise unwirksamen Vollmacht geschlossenen Verträge sind daher auch nicht genehmigungsfähig. Da alle Entscheidungen bei Fällen ergangen sind, die den fremdgenutzten Immobilienerwerb und die Kapitalanlage betrafen, sind dessen Besonderheiten getrennt zu würdigen, da sie nicht dazu angetan sind, das allgemeine Verbraucherschutzrecht bei Konsumentenkrediten in seinem wesentlichen Inhalt zu bestimmen (Schimansky/Bunte/LwowskiLwowski, § 81 Rn. 2). IV. Darlehensgeber. 1. Unternehmer i.S. der §§ 491 I, 14 BGB. Die nach den §§ 491 I, 14 BGB erforderliche „gewerbliche oder berufsmäßige Betätigung“ liegt immer dann vor, wenn durch eine Einrichtung von gewisser Dauer und Institutionalisierung Kreditvergaben „professionell“ erfolgen. Der Begriff ist daher weiter als die Definition in § 1 I S. 1 KWG, die alle Bankgeschäfte betrifft, die Personen „gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert“, weil damit auch die bei Gelegenheit der unternehmerischen Tätigkeit ohne eigenständige Gewinnerzielungsabsicht erfolgte Kreditvergabe einbezogen wird (str., dafür Canaris, Rn. 1176 m.w.N.; vgl. Schneider u. a., § 3 Anm. 7; dagegen Szagunn/Wohlschiess, § 3 Rn. 8; vgl. auch Reischauer/Kleinhans, § 3 Anm. 14; offen gelassen in BGH NJW 1995, 1494). Nach § 3 KWG verbotene Kreditgeschäfte können allerdings nichtig sein (König, ZRP 2001, 409). Da aber auch nicht der extensiv ausgelegte Begriff der „geschäftsmäßigen Betätigung“ des ehemaligen Art. 1 RBerG benutzt wird, der bereits die beabsichtigte Wiederholung der Tätigkeit ausreichen ließ (Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Ott, § 1 Rn. 16; a.A. Seibert, § 1 Rn. 1), fallen die wiederholten entgeltlichen Gefälligkeitsdarlehen unter Familienangehörigen und Freunden ebensowenig darunter wie die auf besonderen Wunsch zur Überbrückung von Zahlungsproblemen erfolgte Stundung von Forderungen gegen Übernahme des im Verzugszinssatz pauschalierten Verzugsschadens bei freien Berufen und Handwerkern, wenn solche Möglichkeiten auf den Einzelfall beschränkt, grundsätzlich nicht im voraus angeboten werden und damit auch nicht Teil des ergebnisorientierten Geschäfts sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 19 f.). 2. Vorzugskredite im Arbeitsverhältnis (§ 491 II Nr. 2 BGB). Darlehen eines Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind gem. § 491 II Nr. 2 BGB ausgenommen, wenn sie zu günstigeren als Marktkonditionen gegeben werden. Voraussetzung ist, dass ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer während des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses ein Darlehen gewährt, das zum Zeitpunkt des Darlehensabschlusses einen Effektivzinssatz hat, der deutlich unter den von der Deutschen Bundesbank monatlich mitgeteilten Durchschnittszinssätzen für Ratenkredite liegt. Darüber hinaus dürfen diese Darlehen auch bei übrigen
Reifner
128
129
130
131
132
494
133
134
135
136
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Abwicklungsbedingungen zumindest keine schlechteren Bedingungen aufweisen wie ein vergleichbares freies Darlehen, wodurch der Zinsvorteil kompensiert werden könnte (dazu Reifner, KreditR, § 20 Rn. 103 ff.; BGH NJW 87, 2220 (2221)). Die Grundsätze zur Einbeziehung von „erschwerenden Bedingungen“ (LAG Hamm WM 1994, 493) in der Wucherprüfung sind entsprechend anwendbar. Sinn der Vorschrift ist es, Darlehen an Arbeitnehmer, die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und in dessen Schutzbereich gegeben werden, nicht durch Vorschriften erschwert werden, die für professionelle Kreditgeber gemacht wurden, zu denen die Arbeitgeber in der Regel nicht gehören. Für solche Darlehen sind daher gem. § 2 I Nr. 4 a, III ArbGG auch die Arbeitsgerichte zuständig und ein etwaiges Mitbestimmungsrecht der Personal- und Betriebsräte z.B. in § 72 II Nr. 1 LPVG NRW erfasst auch die Kündigungsmodalitäten (so zu § 31 WpHG LG Marburg, Urt. v. 12.2.2002 – 13 O 50/01). Außerdem ist der Arbeitnehmer auch durch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers geschützt, die bei dem Verkauf von Finanzdienstleistungen an Beschäftigte die üblichen Aufklärungspflichten der Kreditgeber mitumfassen kann (Schaub, § 70 III. 5). Schließlich erstreckt sich auch der Schutz der Kündigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers auf die Kündigung eines Darlehens, so dass dessen Fälligkeit oder Kündigung nicht an die Kündigung durch den Arbeitnehmer geknüpft werden kann (BAG AP 1; 2 zu § 607; Schaub a.a.O.). Bei betriebsbedingten Kündigungen wird zudem die gleichzeitige Kündigung des Darlehens nach Treu und Glauben restriktiv interpretiert (LAG Hamm WM 1994, 493) und ein jederzeitiges Kündigungsrecht als Verstoß gegen § 307 BGB gewertet (dazu BVerfG NJW 1992, 2143). Der Gesetzgeber wollte damit die besondere Problematik der Verbindung von Kredit und Arbeitslohn im Arbeitsverhältnis, wie sie im fortgeltenden Truckverbot des § 115 II S. 1 GewO (h.M. BAG NJW 1994, 213; LAG Hamm WM 1994, 493; Palandt-Heinrichs, § 310 Rn. 51) zum Ausdruck kommt, keineswegs generell in ihr Gegenteil verkehren. Die Rechtsprechung hat den Ausschluss der AGB-Kontrolle im Bereich des Arbeitsverhältnisses durch den ehemaligen § 23 I AGBG restriktiv interpretiert und AGB-rechtlichen Schutz bei solchen Arbeitgeberdarlehen gewährt, die professionell auf Grund vorformulierter Darlehensbedingungen ausgereicht wurden (Palandt-Heinrichs, § 310 Rn. 51). Der Gesetzgeber hat mit der Schuldrechtsreform die generelle Bereichsausnahme durch eine Ausnahme zugunsten von Kollektivvereinbarungen ersetzt und im Übrigen in § 310 IV S. 2 BGB die Rechtsanwendung auf die Spezifika des Arbeitsrechts ausgerichtet. Für Arbeitgeberdarlehen gilt aber nach wie vor die direkte Anwendbarkeit ohne diese Einschränkungen (Bülow, VerbrKrG, § 491 BGB Rn. 49). Dies sollte auch im Rahmen des § 491 II Nr. 2 BGB beachtet werden. Die Ausnahme greift grundsätzlich auch bei zinsgünstigen Darlehen nicht, wenn die Darlehensgewährung nicht in das Arbeitsverhältnis eingebettet ist. Dies stellt jetzt Art. 2 II g) RL 2008/48/EG klar, wonach solcherart Kredite „nicht der breiten Öffentlichkeit angeboten werden“ (sollen), was in E-§ 491 II Ziff. 4 BGB noch nicht berücksichtigt wurde. Eine bloße Zinsvergünstigung für eigene Arbeitnehmer entlastet ebenso wenig von Verbraucherschutzvorschriften bei üblichen Geschäften etwa der professionellen Kreditgeber wie etwa die Angestelltenrabatte im Einzelhandel arbeitsrechtliche Ausnahmevorschriften begründen. Bei Arbeitgeberdarlehen der Kreditinstitute an ihre Angestellten greift die Ausnahmeregelung daher nach ihrem Sinn nur dann, wenn solche Kreditbeziehungen getrennt vom üblichen Kreditgeschäft in das Arbeitsverhältnis eingebettet sind und dessen Schutzmechanismen mit einbeziehen. Darlehen an Bankangestellte sind auf diese Bedingungen insbesondere die Einbettung in das Arbeitsverhältnis durch Betriebsvereinbarungen sowie ihre deutliche Heraushebung aus dem allgemeinen Kreditgeschäft zu insgesamt güns-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
495
tigeren Konditionen zu untersuchen. Darlehen an Bankangestellte, die ohne Kreditwürdigkeitsprüfung hohe Summen verleihen und damit Abhängigkeiten schaffen und zudem die Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Arbeitgebers ermöglichen sollen (dazu der Fall der Klage von 40 Mitarbeitern der DAB Bank, Manager-Magazin v. 13.5.2003) können gegen das gewerberechtliche Truckverbot verstoßen oder im Hinblick auf § 506 S. 2 BGB zu beurteilen sein. 3. Staatskredite insbesondere im Wohnungsbau (§ 491 II Nr. 3 BGB). Kredite, die die öffentliche Verwaltung im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch in privatrechtlicher Form hoheitlich vergibt wie insbesondere in der Ausbildungsförderung (BAföG) oder im Rahmen der Sozialhilfe sind generell gem. §§ 491 I, 14 BGB ausgenommen, da der Staat nicht im Rahmen einer gewerblichen oder selbständig beruflichen Tätigkeit die Kredite vergibt (Bülow, § 491 Rn. 49). Anders ist es aber, wenn etwa das Arbeitsamt Kleinkredite für Existenzgründer vergibt. Teilnahme am privatwirtschaftlichen Wettbewerb begründet die Anwendbarkeit ebenso wie die von der öffentlichen Hand vor Inkrafttreten des § 3 I Nr. 5 VerbrKrG zur Förderung des Wohnungswesens und des Städtebaus vergebenen privatrechlichen Darlehen den Regelungen des alten VerbrKrG unterliegen (BGH WM 2003, 1606). Dies gilt aber nicht, wo der Staat seine Kredite über professionelle private Kreditgeber absetzt und lediglich deren Verhalten indirekt durch Subventionen und Förderbedingungen beeinflusst. Kreditgeber ist immer der unmittelbare Partner des Kreditvertrages. Darüber hinaus bestimmt § 491 II Nr. 3 BGB, dass im Bereich des Wohnungsbaus bei Förderkrediten, deren Gesamtbelastung unter dem Marktdurchschnitt liegt, die Kreditvergabe öffentlich-rechtlicher Anstalten, womit insbesondere die Wohnungsbaukreditanstalten nicht jedoch die Banken, die sich dort refinanzieren (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 20), gemeint sind, vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. 4. Unentgeltliche Kredite (§ 491 I BGB), Bagatellkredite (§ 491 II Nr. 1 BGB) und Kredite über 50.000 Euro (§§ 494 II S. 6 Hs. 2; 507 Alt. 2 BGB). Gem. § 491 I BGB sind Verbraucherdarlehen nur entgeltliche Darlehen. Der Begriff der Entgeltlichkeit erschöpft sich dabei nicht im Zinsbegriff. Auch zinsfreie Kredite mit einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von 3 % sind entgeltlich (BGH NJW-RR 1992, 1068; OLG Stuttgart WRP 1995, 772). Auch Agio oder Disagio, Verzicht auf Barpreisabschläge und Rabatte (BGH NJW 1989, 3016) Bearbeitungsgebühr für eine Stundung (BGH BB 1989, 1775), Kreditkartengebühren (dafür Bülow, § 3 Rn. 51; LG Frankfurt/Main WM 1991, 1664; Reifner, EWiR 1993, 835; a.A. Etzkorn, WM 1991, 1901 (1905)) und Gebühren für ein Girokonto können Entgelte darstellen, wenn sie dem Kredit als Kosten bzw. nach der hier vertretenen Auffassung in verbundenen Geschäften dem Kredit als Leistung zugeordnet werden können. Entscheidend ist, ob die Summe der Zahlungen des Verbrauchers höher ist, als wenn dieselbe Leistung ohne Zahlungsaufschub erreicht worden wäre (Bülow, § 1 Rn. 85). Auch wenn ein PKW-Anbieter mit unentgeltlichen Krediten wirbt (zur zulässigen Werbung mit lediglich zinsgünstigen Krediten BGH NJW 1994, 2152), bei ihrer Inanspruchnahme aber der sonst allgemein übliche „Barzahlungsrabatt“ entfällt, handelt es sich um entgeltliche Kredite, weil der Wegfall von Kostenvorteilen im verbundenen Geschäft eine Kostenbelastung darstellt, die die Entgeltlichkeit begründet. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Anbieter mit 0 % p. a. effektiver Jahreszins wirbt, dabei aber zugleich für den Fall der Barzahlung mit einem gegenüber dem Nettokredit niedrigeren Barzahlungspreis innerhalb dieser Sonderaktion wirbt. Der Nettokredit ist immer derjenige Betrag, den der Verbraucher effektiv zahlen müsste, wenn er den gleichen Gegenstand gegen Barzahlung erwerben würde. Höhere Finanzierungsbeträge enthalten damit immer versteckte Kostenbestandteile.
Reifner
137
138
496
139
140
141
142
143
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Etwas anderes gilt bei Dauerschuldverhältnissen wie etwa im Bildungsbereich oder auch bei vorgezogener Kreditrückzahlung wie etwa im Fall der Vorfälligkeitsentschädigung. Hier gibt der Verbraucher dem Anbieter einen Kredit, wenn günstigere Vorauszahlungsangebote durch Abzinsung angeboten werden (BGH NJW 1996, 457). Es kommt daher entscheidend auf den üblichen Fälligkeitszeitpunkt an. Gemäß § 491 II Nr. 1 BGB sind Kleinstkredite bis zu einem Nettodarlehensbetrag von 200 Euro vom Schutz ausgenommen. Nach Art. 14 II RL 87/102/EWG wird insbesondere eine Umgehung darin gesehen, wenn ihre Bestimmungen durch „eine Aufteilung des Kreditbetrags auf mehrere Verträge umgangen werden“. Anders als bei der Existenzgründergrenze kommt es daher weder darauf an, ob diese Aufspaltung durch einen Kreditgeber allein oder durch mehrere Kreditgeber erfolgte. Entscheidend ist, ob in wirtschaftlicher Betrachtungsweise sich aus Sicht des Kreditnehmers die Kredite insgesamt als ein Darlehen darstellen. Bei Bagatellkrediten wird jedoch in besonderer Weise darauf zu achten sein, ob die Wuchergrenzen nicht überschritten sind, da Kleinstkredite auf Grund der hohen Transaktionskosten in besonderer Weise teuer sind und sich die Kosten aufsummieren. Das Gesetz hat grundsätzlich von der in der Richtlinie gegebenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, besonders hohe Kredite vom Anwendungsbereich auszuschließen. Hierzu gibt es allerdings zwei Ausnahmen: Existenzgründerkredite mit 50.000 Euro und mehr sind gem. § 506 Alt. 2 BGB generell ausgeschlossen. Bei der Sicherheitenbestellung soll das Fehlen ihrer Angabe bei Krediten ab 50.000 Euro nicht zum Wegfall der Sicherheiten führen.
C. Aufklärungspflichten und Sanktionen (§§ 492, 494 BGB) Zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer besteht eine asymmetrische Informationsverteilung (grundlegend Stiglitz/Weiss, American Economic Review, Vol. 71, S. 393; Akerlof, Quarterly Journal of Economics, Vol. 84, S. 488; Spremann, ZfB 1990, 561 ff.; später Knops, VuR 1998, 107 f.). Während der Kreditgeber bei der Abschätzung seines Risikos auf die Informationen vom Kreditnehmer angewiesen ist und diese durch die statistische Erfahrung mit der gesamten Kreditnehmergruppe durch Scoring und Rückgriff auf objektive Daten der Kreditgeschichte des Kreditnehmers kompensieren muss, besteht die Informationsunsicherheit des Kreditnehmers darin, dass er das Produkt nicht durchschauen kann, solche Verträge zu selten abschließt und die Informationen nicht selber zu einer den Anforderungen von Marktvergleich und Liquiditätsprognose angemessenen Entscheidungsgrundlage zusammensetzen kann. In den §§ 311 II, 241 II BGB in Verbindung mit § 280 BGB ist die rechtliche Grundlage zum Ausgleich solcher Informationsasymmetrien auch vor Vertragsschluss insoweit geregelt, als beide Vertragsparteien aufeinander „Rücksicht nehmen“ müssen. Diese Pflicht zur Rücksichtnahme entwickelt das System der culpa in contrahendo von einer reinen Informationspflicht zu einer erfolgsorientierten Aufklärungspflicht, die die Rechtsprechung zum Prinzip der objekt- und personengerechten Aufklärung (§ 31 WpHG) fortentwickelt hat (zu den Aufklärungspflichten vgl. BGH WM 2008, 115; 2008, 154; Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 274/05; WM 2007, 1651; 2007, 1465; 2007, 876; NJW 2007, 1876; WM 2007, 487; 2007, 200; WM 2006, 2168 ff.; NJW 2007, 361; BKR 2008, 29; WM 2003, 918 unter II. 3 a; BGHZ 124, 151 (161); WM 1994, 1466 (1467); 1997, 811 (813); 1998, 1527 (1529); NJW 1974, 849 (851); NJW 1978, 41 (42); NJW 1978, 1802 (1804); NJW-RR 1987, 59 (60); WM 1987, 1546; OLG Saarbrücken, WM 2007, 1924; OLG Celle VuR 1987, 151; OLG Stuttgart NJW 1988, 833; vgl. auch für viele Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn. 42 m.w.N.).
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
497
Im Rahmen dieser Aufklärungspflichten sind auch die gesetzlichen Informationspflichten des § 492 BGB sowie die zweiwöchige Überlegungsfrist der §§ 495, 312 BGB zu sehen, die vor dem Vertragsabschluss in der Vertragsurkunde dem Verbraucher bei der Unterschriftsleistung vor Augen führen sollen, wie das Produkt im Vergleich zu anderen auf dem Markt positioniert ist und wie es sich auf die eigenen Lebensverhältnisse auswirkt (ähnlich Ulmer/Timmann, FS Rowedder, S. 503 (517, 520 f.); MünchKommBGBUlmer, § 4 VerbrKrG Rn. 16; Habersack, EWiR 1997, 237 (238); Kabisch, WM 1998, 535 (540)).
144
Die einzelnen Angaben sollen eine wettbewerbsförderliche Auswahl der Produkte (Ziff. 5 effektiver Jahreszins), einen Vergleich zum Barerwerb (Ziff. 1 Nettodarlehensbetrag und Ziff. 2 Gesamtbetrag sowie Ziff. 3 und 6 Kosten) sowie eine Abschätzung der eigenen Belastung in der Zukunft (Ziff. 3 Ratenplan und Ziff. 7 Sicherheiten) ermöglichen. Um die einzelnen Begriffe verstehen zu können, muss zunächst die Gesamtkonstruktion eines Kredites begriffen werden, die sich im effektiven Jahreszinssatz darstellt.
145
I. Formerfordernisse (§ 492 I S. 1 bis 4 BGB). Verbraucherdarlehen bedürfen gem. § 492 I S. 1 BGB der schriftlichen Form i. S. des § 126 BGB, bei der die eigenhändige Unterschrift der Kreditgeber durch einen Unterschriftenautomaten ersetzt werden darf (§ 492 I S. 4 BGB). Die Willenserklärung muss in schriftlicher Form zugehen. Ein Fax oder eine andere Kopie vom Original reicht nicht aus (BGH WM 1997, 2000; BGHZ 121, 224; Palandt-Heinrichs, § 126 Rn. 11; Bülow, § 4 Rn. 41 ff.; kritisch dazu: Cordes, NJW 1993, 2427). Satz 2 schließt ausdrücklich einen „Abschluss“ in elektronischer Form i. S. des § 126a BGB aus. Insbesondere reicht damit auch eine zertifizierte elektronische Signatur nicht aus. Art. 10 I S. 2 RL 2008/48/EG stellt dies den Mitgliedstaaten weiterhin frei. Der Referentenentwurf streicht dagegen § 492 I S. 2-5 und lässt wegen § 126 III BGB die persönliche Unterschrift bei elektronischer Signatur entfallen. Bis dahin hat die persönliche Unterschrift weiterhin eine psychologische Warn- und Hinweisfunktion für die Verschuldung (BGH NJW 2000, 3496 unter II. 2 b; 1993, 584), wie sie historisch bereits in § 766 BGB begründet war (BGH NJW 1989, 1484). Antrag und Annahme können auf getrennten Formularen erfolgen.
146
II. Effektiver Jahreszinssatz (§ 492 I S. 5 Ziff. 5 BGB). Gem. § 492 I S. 5 Ziff. 5 BGB ist der effektive Jahreszinssatz anzugeben. Dieser Zinssatz ist in § 492 II S. 1 BGB als „Gesamtbelastung pro Jahr“ definiert. § 6 II PAngV liefert wiederum keine Definition sondern beschreibt eher negativ, wie nicht gerechnet werden darf, wenn er Taggenauigkeit, auch unterjährige Verzinsung, die Einbeziehung aller Leistungen und den Bezug zum Nettokredit verlangt. Im Übrigen verweist er auf die mathematische Wachstumsfunktion im Anhang.
147
1. Kosten- und wachstumsorientierte Definition (Art. 1a RL 87/102/EWG). Tatsächlich gibt es damit ebenso wie schon in Art. 1 IIe und Art. 1a der Konsumentenkreditrichtlinie zwei durchaus unterschiedliche gesetzgeberische Definitionen: die kosten- und die wachstumsorientierte Definition. Nach Art. 1 IIe der RL 87/102/EWG stellt der „effektive Jahreszins die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“ dar. In der deutschen Umsetzung im BGB wird dies fälschlich als „Gesamtbelastung pro Jahr“ angesprochen. Dabei wird der Unterschied zwischen Kosten und Leistungen, der in Ziff. 2 (Leistungen) und Ziff. 4 und 7 (Kosten) noch deutlich ist, verkannt. Gleichzeitig bestimmt aber Art. 1a der Richtlinie, dass „der effektive Jahreszins, auf Jahresbasis die Gleichheit zwischen den Gegenwartswerten der gesamten gegenwärtigen oder künftigen Verpflichtungen (Darlehen, Tilgungszahlungen und Unkosten) des Darlehensgebers und des Verbrauchers herstellt.“ Das bedeutet, dass die Leistungen beider verglichen werden und letztlich gemessen wird,
148
Reifner
498
149
150
151
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
um welchen Faktor das Kapital des Kreditgebers gewachsen ist, wenn er es letztlich zurückerhalten hat. Da Art. 1 IIe der Richtlinie aber zu seiner Durchführung auf Art. 1a verweist, was ebenso im deutschen Recht durch eine Kettenverweisung der Definition in § 492 II S. 2 BGB auf § 6 PAngV und dieser wiederum auf den Anhang zur Preisangabenverordnung erreicht, gilt letztlich allein die Wachstumsfunktion und eben nicht die Kostenfunktion. Beide Definitionen sind aber durchaus nicht identisch. Daher ist dieser Verweis auch gem. Art. 80 I S. 2 GG verfassungsrechtlich bedenklich. Der Gesetzgeber bindet sich hierdurch an den Verordnungsgeber, ohne ihm die nach dem Grundgesetz notwendige Eingrenzung „nach Inhalt, Zweck und Ausmaß“ mit auf den Weg zu geben. Die Ermächtigung zur Preisangabenverordnung in § 1 Preisangaben- und Preis-Klauselgesetz vom 3.12.1984 umfasst lediglich die Art und Weise der Angabe, wenn deren Inhalt feststeht. Dieser Inhalt ergibt sich weder aus dieser Ermächtigung noch aus § 392 BGB, sondern allein direkt aus Art. 1a RL 87/102/EWG in der Fassung der Richtlinie 98/7/EG vom 22.2.1998, die die mathematische Wachstumsformel verbalisiert und jetzt ohne Änderung in Art. 18 I (Wachstum) und II (Kosten) RL 2008/48/EG übernommen wurde. Der Verordnungsgeber regelt zudem nicht nur die Art und Weise sondern auch die Voraussetzungen der Berechnung in den Absätzen 3 bis 9 des § 6, die der Gesetzgeber nicht umgesetzt hat. Dabei orientiert er sich weitgehend inhaltlich identisch an der EU-Richtlinie. Die eigenwillige Privilegierung der Bauspardarlehen in Absatz 8, die in der EU-Richtlinie nicht vorkommt, ist allerdings auch inhaltlich nicht gedeckt. Es dürfte nach deutschem Verfassungsrecht nicht möglich sein, unter Umgehung des nationalen Gesetzgebers die EU-Richtlinien auf dem Verordnungswege umzusetzen, wenn die dafür vorgesehenen nationalen Voraussetzungen nicht eingehalten sind. Letztlich gilt, wie die Verweise deutlich machen, für den Effektivzinssatz allein die korrekte wachstumsorientierte Definition, die sich nicht an den Kosten, sondern an den Leistungen orientiert. 2. Rechtliche Leistungen und mathematisches Wachstum (Annex zu PAngV). Kredite sind Leistungen, die sich aus einer Kombination der drei Faktoren Kapital, Zeit und Wachstum ergeben. Der effektive Jahreszinssatz gibt ökonomisch und mathematisch korrekt dieses Verhältnis wieder, indem er bestimmt, dass ein Kapital K0 nach dem Wachstumsfaktor (1+i) potenziert um den Zeitfaktor t wächst: K1= K0*(1+i)t
152
153
Ein Kapital von 1.000 Euro wächst bei einem Zinssatz von 10 %, der sich in einem Wachstumsfaktor von 1,1 pro Jahr darstellt, in zehn Jahren auf ein Kapital von ((1,1)^10)* 1.000 = 2.593,74 Euro und in einem halben Jahr auf ein Kapital von ((1,1)^ ½ )* 1.000 = 1.049,81 Euro. Die „Kosten“ sind dabei nur indirekt erfahrbar, indem sie die Differenz zwischen Gegenwarts- (K0) und Zukunftswert (K1) des Kapitals angeben. Der Anhang der Preisangabenverordnung ebenso wie der Anhang der EU-Richtlinie errechnen allerdings nicht die leichter verständlichen Zukunftswerte sondern lösen die Formel nach K0 auf, um wie es der Gewinnkalkulation für Investitionen in der Bankpraxis entspricht, die Gegenwartswerte zu bestimmen. Dadurch ergibt sich in diesen Formeln ein Bruch statt einer Multiplikation. In der Sache ist dies identisch. Aus Verbrauchersicht sind die Zukunftswerte erheblich einsichtiger, weil sie die für sie in der Zukunft zu erbringenden Leistungen richtig ansprechen. Das kostenorientierte Denken kommt dagegen aus den Einmalschuldverhältnissen und ignoriert den Zeitfaktor. Es ist historisch überholt und verwirrt, wenn bei kostenorientierten Definitionen auf wachstumsorientierte Formeln verwiesen wird.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
499
Rechtlich übersetzt sich die wachstumsorientierte Betrachtungsweise im Leistungsbegriff, wie dies in der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit bei der Bestimmung des auffälligen Missverhältnisses bereits eingehend entwickelt wurde, bei dem „Leistung und Gegenleistung“ (BGH NJW 1983, 2692) in der Zeit zu vergleichen sind (Reifner BKR 2008 H. 11). Auf die gegenseitigen Leistungen, die ausgetauscht werden, bezieht sich auch § 492 I S. 5 Ziff. 2 BGB, wenn er den „Gesamtbetrag aller (...) Teilzahlungen“ des Kreditnehmers zur Grundlage des Bruttokredits erklärt. Was „Leistungen des Kreditnehmers“ sind, ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht nur aus dem Synallagma des Darlehensvertrages, sondern auch aus den verbundenen Verträgen abzuleiten. Wenn § 492 I S. 5 Ziff. 2 BGB diese Leistungen aber als „zur Tilgung des Darlehens sowie zur Zahlung der Zinsen und sonstigen Kosten“ einordnet, so ist dies ein Zirkelschluss, weil die Frage, was „sonstige Kosten“ sind, sich wiederum daraus erklärt, ob es sich um Leistungen für den Kredit handelt. Zur Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes, der sich in der oben wiedergebenden Formel im Buchstaben i (interest) ausdrückt, braucht man somit nur die Zahlungsströme (den „cash flow“) vom Kreditgeber zum Kreditnehmer und umgekehrt, um durch Ausprobieren mit einem Zinssatz deren Gleichwertigkeit herzustellen. Dieses Ausprobieren wird bei den Tabellenkalkulationsprogrammen als „Zielwertsuche“ angeboten, bei dem nach einem Näherungsverfahren (z.B. Halbwertverfahren) iterativ mit immer neuen Zinssätzen gerechnet wird, bis der nächste benutzte Zinssatz nur noch eine minimale Differenz zu dem vorherigen aufweist. Rechnerisch verlangt die Wachstumsformel keinerlei besonders anspruchsvolle mathematische Kenntnisse sondern erfordert nur die Geduld, alle Zahlungen datumsgenau in eine Tabelle einzugeben und dabei das jeweils zu einem Termin gültige Kapital mit der beschriebenen Formel wachsen zu lassen. Da die Zielwertsuche mathematisch mit dem griechischen Summenzeichen 3, bei dem die Anzahl der Wiederholungen durch Grenzen (K = 1 bis K = m) über und unter das Zeichen geschrieben werden, gekennzeichnet wird und zudem statt der Zukunftswertbetrachtung eine Gegenwartswertbetrachtung mit Brüchen stattfindet und sich schließlich auf beiden Seiten der Gleichung eine solche Aufsummierung befindet, obwohl in der Regel das Kapital bei Vertragsschluss zur Verfügung gestellt wird, hat die im Anhang zur Preisangabenverordnung wiedergegebene Formel für Juristen abschreckenden Charakter. Der Gesetzgeber sollte den an Computer gewöhnten Bürgern stattdessen eine Tabelle mit entsprechendem Formeleintrag zur Verfügung stellen, um die Überprüfung zu erleichtern. 3. Vertragliche und wirtschaftliche Leistungen für den Kredit. Es verbleibt damit für die Bestimmung des effektiven Jahreszinssatzes kein interessanter mathematischer sondern nur ein wertend normativer Teil, bei dem es darum geht, welche „Leistungen“ beider Seiten in die Berechnung einbezogen werden sollen. Nach dem Leistungsbegriff des BGB als der zweckgerichteten Vermehrung fremden Vermögens (BGH NJW 1992, 967 (969); 1964, 399; 1972, 864; 1979, 157; 1989, 900) sind zunächst alle Leistungen, die sich auf die Zweckbestimmungen im Verbraucherdarlehensvertrag selber beziehen, einzubeziehen. Dies sind diejenigen Leistungen, die bei Nichtigkeit des Darlehensvertrages gem. § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB mit der Leistungskondiktion herausverlangt werden könnten (BGH NJW 1981, 1206 (s. u. § 26)). Das Gesetz nennt hierbei in Ziff. 2 die Leistungen zur Tilgung des Darlehens sowie die Zinsen und die „sonstigen Kosten“. Soweit solche Kosten im Darlehensvertrag selber vereinbart sind, handelt es sich bei ihrer Bezahlung unmittelbar um Leistungen aus dem Darlehensvertrag.
Reifner
154
155
156
157
158
159
500
160
161
162
163
164
165
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Entsprechend selbstverständlich ist es dann auch, dass Leistungen, die sich nicht auf das genetische Synallagma beziehen und erst für den Fall der Nichterfüllung bedingt versprochen sind, gemäß § 6 III Ziff. 1 PAngV nicht als solche Leistungen anzusehen sind. Dazu gehören soweit zulässig Inkassokosten, Mahngebühren und Bearbeitungsgebühren für vorzeitige Fälligstellung, soweit sie nicht in den Verzugszinsen bereits abgegolten sind. Mit dem vertraglichen Synallagma sind jedoch noch nicht alle zu berücksichtigenden Leistungen erfasst. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 506 S. 2 BGB und insbesondere der ihr zugrundeliegende Art. 14 II RL 87/102/EWG verlangen einen Leistungsbegriff, der unabhängig davon, ob die Leistungen „auf mehrere Verträge aufgeteilt“ wurden, sich daran orientiert, ob damit die Zwecke eines Darlehens wirtschaftlich erreicht wurden. Ein Kreditverhältnis besteht wirtschaftlich aus Akquisition, Kapitalbereitstellung, Risikotragung und Verwaltung. Diese Funktionen können in einem Kreditvertrag verschmolzen sein. Sie können aber auch auf verschiedene Vertragsverhältnisse wie etwa den Vermittlervertrag oder den Erwerbsvertrag im finanzierten Teilzahlungsgeschäft bei der Akquisition, auf Restschuldversicherung oder Sicherheitenbestellung bei der Risikotragung, auf Kontoverträge bei der Verwaltung und schließlich Factoring- oder Inkassoverträge bei Abwicklung und Beitreibung verteilt sein. Umgekehrt können auch kreditfremde Leistungen mit einem Darlehensvertrag zu einem gemischten Vertrag verbunden sein. Es kommt somit darauf an, ob wirtschaftlich gesehen die Leistungen beider Parteien für den Kredit erbracht wurden. Der Gesetzgeber hat dies in seiner kostenorientierten Definition als „Kosten des Kredits“ angesprochen und für einzelne Leistungen verbindlich angeordnet. 4. Einzubeziehende Kreditkosten (§§ 492 II BGB; 6 PAngV). § 492 I S. 5 Ziff. 4 BGB bezeichnet die Vermittlerkosten ausdrücklich als „Kosten des Darlehens“. Damit sind die gem. § 655a BGB bestimmten Zahlungen des Verbrauchers gemeint, die bei der Vermittlung von Verbraucherdarlehen die Vergütung (§ 655c BGB) und einen etwaigen Aufwendungsersatzanspruch (§ 655d BGB) umfassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob nach diesen Vorschriften diese Leistungen rechtmäßig gefordert werden können. Der Effektivzins umfasst alle auch rechtswidrig versprochenen Leistungen, die ebenso wie bei der Wucherprüfung (BGH NJW 1982, 2433 (2435)) auch zu berücksichtigen sind, wenn sie rechtlich nicht hätten gefordert werden dürfen (BGH NJW 1987, 3256 zu II 4 c) aa); 1988, 1661; 1987, 181; 1987, 2220). In § 6 III PAngV sind aus der Richtlinie noch weitere Leistungen angesprochen, die einzubeziehen sind. So sind Restschuldversicherungsprämien, die einen Betrag bis zur Grenze des Bruttokredites sichern, die „zwingend als Bedingung für die Gewährung des Kredits“ vorgeschrieben sind (Ziff. 5 Alt. 2), einzubeziehen. Die h.M. sieht es für die Freiwilligkeit als ausreichend an, wenn der Kreditnehmer auf dem Kreditvertragsformular ein entsprechendes Kästchen angekreuzt hat und damit eine Entscheidung des Kreditnehmers suggeriert wird (Bülow, § 4 Rn. 106). In der englischen Version geht es nicht um das rechtliche Vorschreiben, sondern um das faktische Aufdrängen, wenn es dort heißt: „have to be imposed by the creditor as a condition for credit being granted“. Damit sind auch solche Restschuldversicherungen einzubeziehen, denen sich der Kreditnehmer faktisch ohne auf das Darlehen verzichten zu müssen nicht entziehen kann. Dies entspricht auch der Interpretation der europäischen Kommission, die in Art. 12 Ziff. 2 des Entwurfs einer Konsumentenkreditrichtlinie von 2002 allein noch darauf abstellt, ob die Versicherung zur selben Zeit abgeschlossen wurde wie der Kreditvertrag. In den Niederlanden wird die Versicherung bei der Prüfung der Wu-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
501
chergrenze einbezogen, Belgien hat im Jahre 2003 mit einem Kündigungsrecht für die Restschuldversicherung nach Vertragsabschluss die Freiwilligkeit einer Probe unterzogen. Frankreich ist der Auffassung, dass die Richtlinie in der Regel eine Einbeziehung erforderlich macht (Reifner, Harmonisation, S. 87 ff.). In der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann es keinen Unterschied machen, ob der Zwang faktisch erfolgt, zumal ein Rechtszwang durch eine invitatio ad offerendum bereits logisch unmöglich ist (Reifner WM 2008 (Dezember)). Nach der maßgebenden englischen Fassung der Richtlinie ist § 6 PAngV entsprechend richtlinienkonform auszulegen, so dass es für die Einbeziehung auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls ankommt. Dies fügt sich auch in die Rechtsprechung zum Wucher ein, die daran festhielt, dass die Restschuldversicherungsprämie auch den Kreditgebern nütze und die daher die Restschuldversicherungsprämien bei der Berechnung des Effektivzinssatzes zunächst nur hälftig oder nur mit den Finanzierungskosten als Leistung an den Kreditgeber in die Berechnung einbezogen hat (BGH NJW 1988, 1318 (1319); 1982, 2433; NJWRR 1987, 679 zu II. 2 a.E.), sie schließlich dann aber eher aus rechnerischen Gründen außer Acht ließ (BGH NJW 1988, 1661). Gem. § 6 III Ziff. 3 Alt. 2 PAngV sollen Kontoführungsgebühren dann einbezogen werden, wenn der Kreditnehmer bei der Auswahl des Kontos keine „angemessene Wahlfreiheit“ hat und die Kosten „ungewöhnlich hoch“ sind. Damit soll i. S. des § 506 S. 2 BGB verhindert werden, dass Kreditkosten auf Konten ausgelagert werden. Diese Bestimmung ist eine Ausnahme zur Ausnahme für Kontoführungs- und Überweisungskosten auf echten Girokonten i. S. des § 493 BGB. Nur wenn solche Girokonten mit am Marktdurchschnitt gemessen überhöhten Gebühren aufgedrängt werden, sollen ihre Kosten einbezogen werden. Dabei führt die Vielzahl der Tarifsysteme zu einer sehr schwierigen Vergleichbarkeit. Letztlich lässt sich der Vergleich nur führen, wenn mit einer dem Verhalten des konkreten Kreditnehmers entsprechenden Nutzungshäufigkeit einzelner Komponenten gerechnet wird, weil typischerweise Grundgebühren, Pauschalen, Überweisungsgebühren und Staffelungen mit den Kosten für Sondernutzungen eine Einheit bilden. Die Vorschrift ist insgesamt wenig praktikabel und wohl auch überflüssig. Sie ist in der neuen Richtlinie gestrichen worden. Nicht gemeint sind mit dieser Ausnahme die weit wichtigeren Konten, die ausschließlich der Kreditabwicklung dienen und daher nicht unter § 493 BGB fallen. Kontoführungsgebühren für solche Konten sind Leistungen für das Servicing und daher nicht nach § 6 III Ziff. 3 PAngV zu beurteilen, sondern unmittelbar im cash flow einzubeziehen. Die vorbezeichneten Leistungen in „anderen“ Verträgen als dem Kreditvertrag werden einbezogen, weil der Gesetzgeber hierin wirtschaftlich Leistungen für den Kredit sieht, die trotz rechtlicher Trennung einzubeziehen sind. Diese Beispiele sind aber keineswegs abschließend, wie die Worte „insbesondere“ bei der Kreditvermittlerprovision und im übrigen die Gesetzgebungstechnik deutlich macht, bei der diese Beispiele als Ausnahmen von Ausnahmen geregelt sind. Im Grundsatz geht das Gesetz daher davon aus, dass der cash flow aus allen wirtschaftlich dem Kredit dienenden Leistungen in anderen („verbundenen“) Geschäften in die Effektivzinsberechnung einzubeziehen ist. Zur Klarstellung werden einige Leistungen aufgezählt, die nicht als verbundene Leistungen anzusehen sind und deren Zweck auch wirtschaftlich nicht die Begünstigung von Krediterlangung oder Abwicklung betrifft, die einen eigenen Wettbewerbsmarkt haben und bei denen es daher nicht um Kostenverlagerung geht. Hierzu gehören Vereinsbeiträge (Ziff. 4), was untechnisch zu verstehen auch etwa die Mitgliedseinlagen bei Genossenschaftsbanken umfasst. Wesentlich ist, dass der Beitrag
Reifner
166
167
168
169
170
171
172
502
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
einer Mitgliedschaft mit Rechten und Pflichten dient, die mehr verspricht, als die Kreditgewährung. Ferner Kosten für ein Girokonto bei derselben Bank (Ziff. 3), Kosten für Sicherheitenbestellung und Versicherungen mit den beschriebenen Ausnahmen (Ziff. 5) sowie Kosten, die keinen Kreditbezug haben sondern auch beim Bargeschäft angefallen wären (Ziff. 2). 173
Damit bleibt § 492 I S. 5 Ziff. 5 BGB i. V. mit § 506 S. 2 BGB letztlich zuständig für alle verbundenen Geschäfte, die wirtschaftlich eine Einheit mit dem Darlehensvertrag bilden. Insbesondere die Umleitung von Tilgungen in Sparverträge bei Lebensversicherungshypothek, Bausparsofortfinanzierung und Investmentfondsdarlehen führen im Ergebnis dazu, dass die auf diese Verträge gemachten Leistungen als Leistungen auf den Kredit anzusehen und bei der Berechnung des Gesamteffektivzinssatzes in den cash flow einzubeziehen sind. Dass dies mathematisch nicht möglich sei (so BGH BKR 2005, 153), entbehrt jeder Grundlage (Reifner, ZBB 1999, 349, 356 f.; ders., WM 2008 (Dezember)).
174
5. Festlegung von Berechnungsbedingungen (§ 492 I S. 5 Hs. 2 BGB). Für die Angabe des effektiven Jahreszinssatzes ist eine Reihe von Festlegungen notwendig, die entweder kraft Gesetzes festgelegt oder vom Kreditgeber explizit getroffen werden müssen. Da der effektive Jahreszinssatz vor Vertragsabschluss festgestellt werden muss, hat er einen illustrativen Charakter für die offerierten Vertragskonditionen. Spätere Leistungen, die erst nach Vertragsabschluss feststehen, sind nicht zu berücksichtigen. Daher ist der Effektivzinssatz grundsätzlich immer ein „anfänglicher Effektivzinssatz“. Das Gesetz hat diesen Begriff jedoch für Variokredite reserviert und bestimmt damit eine Effektivzinssatzangabe, die sich auf die im Prinzip später veränderlichen Anfangskonditionen bezieht. Die Berechnung legt somit gegenseitige Leistungen während der vereinbarten Laufzeit zugrunde, die auf den Ausgangskonditionen beruhen.
175
Umgekehrt bezieht sich eine Zinssatzberechnung bei Festzinskrediten nicht auf die Laufzeit, sondern auf die Zinsbindungsfrist, weil durch die Möglichkeit neuer Zinssatzbestimmungen eine veränderte Kostenstruktur zugrunde gelegt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn bei der Fortsetzung bestimmte Einmalkosten nicht anfallen, es sei denn, der Zinssatz für die nächste Zinsfestschreibung wäre so festgelegt, dass er eine einseitige Bestimmung im Angebot des Kreditgebers ausschließen würde.
176
§ 492 I S. 5 Ziff. 5 Hs. 2 Alt. 2 BGB geht implizit davon aus, dass nicht alle Leistungen für den Kredit auf die gesamte Berechnungszeit zu verteilen sind. Er sieht vor, dass insbesondere beim Disagio der Zeitraum zu bestimmen ist, für den das Disagio als vorausbezahlter Zins zu gelten hat. Bei Festzinskrediten wird dies konkludent immer die Zinsbindungsfrist sein. Bei variablen Krediten wird dies die Laufzeit, für die das Verhältnis von Anfangszinssatz und Referenzzinssatz gelten soll, sein. Bearbeitungsgebühren sind entsprechend zu verteilen, wobei die Parteien jedoch ausdrücklich etwas anderes bestimmen können.
177
Weiter sieht das Gesetz in § 492 I S. 5 Ziff. 5 Hs. 2 Alt. 2 BGB vor, dass ebenso wie bereits beim Kontoüberziehungskredit ausgeführt die Bedingungen anzugeben sind, unter denen der variable Zinssatz geändert werden kann. Dies bedeutet, dass neben dem Referenzzinssatz die Anpassungsmarge und das Anpassungsintervall anzugeben sind. Ihre Zulässigkeit bestimmt sich nach §§ 315 III, 307 BGB.
178
Sie müssen so definiert werden, dass in den AGB in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu §§ 307, 315 III BGB bei Zinssatzklauseln (BGH WM 1999, 2545 (2547); NJW 1992, 1751; 1986, 1803; im einzelnen Reifner, JZ 1995, 866 ff.; Habersack, WM 2001, 753; Bruchner, BKR 2001, 16) die Bedingungen festgelegt sind, nach denen ohne subjektiven Spielraum der Zinssatz allein an „kapitalmarktbedingten Änderungen der Refi-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
503
nanzierungskonditionen der Bank gem. § 315 BGB“ orientiert ist (BGH NJW 1986, 1803). Hierzu muss der Referenzzinssatz, ein von einer objektiven Stelle insbesondere der Bundesbank statistisch bankübergreifend ermittelter Wert, das Anpassungsintervall, das Anpassungen in zeitlich gleichen Abständen erlaubt und damit das Auslassen von ungünstigen Terminen verhindert, die Anpassungsmarge, bei der die Differenz zwischen Vertrags- und Referenzzinssatz festgelegt ist, die zur Anpassung berechtigt und auch verpflichtet, angegeben werden (Habersack, WM 2001, 753 (758); Metz, BKR 2001, 21; Schimansky, WM 2001, 753). Entsprechendes sieht auch die Konsumentenkreditrichtlinie vor, wo gemäß Art. 5 f. RL 2008/48/EG auch vor Vertragsabschluss anzugeben sind: „Indizes oder Referenzzinssätze, die auf den anfänglichen Sollzinssatz Anwendung finden, ferner die Zeiträume, Bedingungen und die Art und Weise der Anpassung des Sollzinssatzes. Gelten unter bestimmten Umständen unterschiedliche Sollzinssätze, so sind die oben genannten Informationen für alle anzuwendenden Sollzinssätze zu erteilen.“ Dasselbe gilt gem Art. 10 Abs. 5 c) auch für den Vertrag. Bei Nichtangabe dieser Bedingungen führt dieser sanktionslose Verstoß gegen die Pflicht aus § 492 BGB nicht zu einer Festzinsvereinbarung, sondern zu einer Auslegung des Vertrages nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB). Als Referenzzinssatz kann der Basiszinssatz des § 247 BGB angesehen werden, den auch das Gesetz bei der variablen Verzugszinsgestaltung in § 288 BGB benutzt, als Marge die übliche Genauigkeit von 0,1 % (0,3 % Abweichung LG Köln WM 2003, 828), wie sie § 6 II S. 5 PAngV mit der im Kreditgewerbe üblichen Genauigkeit von Zinssätzen beschreibt und als Anpassungsintervall das Zahlungsintervall des Kunden (i.d.R. monatlich), das generell für die Zinsverrechnungsperioden ausschlaggebend ist. III. Leistungen und Gegenleistungen. Der Effektivzinssatz setzt die Festlegung von Leistungen und Gegenleistungen in der Zeit voraus. Die Leistung des Kreditgebers ist dabei der Nettokredit und Zeit, die Leistung des Kreditnehmers dagegen der Bruttokredit. Liegen beide fest, so ist die Angabe der Kosten sowie der Kostenparameter eine unselbständige Begründung. 1. Nettodarlehensbetrag (§ 492 I S. 5 Ziff. 1 BGB). Der Nettodarlehensbetrag ist das Substrat, für das der Leistungsgegenstand „Zeit“ (Nutzung) gewährt wird. Der Gesetzgeber benutzt diesen Begriff, so dass in der Regel nur dessen Gebrauch durch die Kreditgeber die notwendige Klarheit verschafft. Der Nettodarlehensbetrag unterscheidet sich vom Finanzierungsbetrag durch seinen Effektivzinsbezug. Während der Finanzierungsbetrag auch die verzinslichen Kosten oder Zinsvorauszahlungen enthält, stellt der Nettodarlehensbetrag die Summe der sich aus der vom Kreditnehmer eigenhändig unterschriebenen Auszahlungsanweisung ergebenden Beträge dar, die in seine vollständige Verfügungsgewalt gelangt sind oder auf seine Weisung zur Ablösung von Forderungen Dritter geleistet wurden, die nicht aus verbundenen Geschäften stammen. Üblicherweise handelt es sich dabei um die Summe aus Barauszahlungsbeträgen und Ablösesummen für Vorkredite. An die freie Verfügbarkeit der Darlehenssumme, die zugleich auch die Verzinsungspflicht begründet und die Grundlage für die Effektivzinsberechnung ist, hat die Rechtsprechung strenge Anforderungen gestellt. Danach muss der Kreditnehmer ab Bereitstellung der Darlehensvaluta ohne weitere Mitwirkungspflichten der Banken und sonstiger Bedingungen in der Lage sein, über die Darlehensvaluta zu verfügen (nicht ausreichend: Bereitstellung auf Konto pro Diverse (BGH NJW 1987, 55); keine freie Mitenscheidung bei echtem Gesamtschuldner (BGH NJW 2002, 744; 2001, 815; 1999, 135; WM 1998, 2366), Überweisung auf Notaranderkonto, wenn Auszahlung von weiteren Bedingungen abhängt (BGH NJW 1998, 3200; 1986, 2947)). Daher handelt es sich nicht um eine Nettodarlehenssumme, wenn Teile des Auszahlungsbetrages vereinbarungsgemäß als „Sicher-
Reifner
179
180
181
182
504
183
184
185
186
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
heit“ zurückbehalten werden, wenn von der als Nettodarlehen bezeichneten Summe noch vor Auszahlung Zinsen im Voraus oder sonstige Kosten abgezogen werden. Auch Beträge, die durch den Kreditgeber oder seine Erfüllungsgehilfen vermittelt gefordert werden, bevor die Darlehensvaluta eingezahlt wird, vermindern entsprechend den Nettodarlehensbetrag, weil gem. § 488 BGB in wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein eigenes Geld als Fremdmittel ausleihbar ist. Sogenannte „secured credit cards“, die mit dem Versprechen, in den der Schufa vergleichbaren Einrichtungen wieder eine „saubere“ Kreditgeschichte zu produzieren, Einzahlungen verlangen, die der Kreditnehmer dann als Kredit in Anspruch nehmen darf, stellen keinen Nettokredit dar. Verlangt der Vermittler eine Barprovision, so ist sie ebenfalls vom Auszahlungsbetrag in Abzug zu bringen. Der Gesetzgeber hat für die fehlende ebenso wie für die Falschangabe keine Sanktion vorgesehen. In der Regel wird in solchen Fällen aber der Effektivzins bzw. der Bruttokredit nicht korrekt sein. 2. Bruttodarlehensbetrag, Gesamtbetrag (§ 492 I S. 5 Ziff. 2 BGB). Die Angabepflicht zur Gesamtbelastung, die wirtschaftlich den Bruttokredit darstellt und im Gesetz nach dem Prinzip der Leistungen als der „Gesamtbetrag aller vom Darlehensnehmer zur Tilgung des Darlehens sowie zur Zahlung der Zinsen und sonstigen Kosten zu entrichtenden Teilzahlungen“ bestimmt wird, hat historisch ihren Ursprung in der schon in § 1a Abzahlungsgesetz geregelten Pflicht, den Teilzahlungspreis (vgl. jetzt § 501 I S. 1 Ziff. 2 BGB) dem Barzahlungspreis (§ 501 I S. 1 Ziff. 1 BGB) gegenüberzustellen und damit dem Käufer zu verdeutlichen, dass der Kauf auf Pump ihn erheblich teurer kommt als der damals gewünschte Barkauf nach einem Ansparvorgang. Der Gesetzgeber ist sich dessen nicht ausreichend bewusst gewesen und hat diese Vorschrift mehrfach geändert und nach einer sehr weiten Fassung in der ursprünglichen Version von 1991 die Angabepflicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Gesamtbetrag „der Höhe nach feststeht“ (AG Grevesmühlen WM 1994, 299) und die für das Recht erstaunliche Einschränkung „wenn möglich“ gemacht. Dies ist wieder gestrichen worden (dazu Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 81). Damit ist klargestellt, dass nur ausdrücklich oder implizit durch die Tilgungs- und Zinsregelungen befristete Darlehen den Bruttodarlehensbetrag anzugeben haben. Da der Gesamtbetrag nur der Ausdruck des Effektivzinssatzes in Eurobeträgen ist (letzterer stellt nur die Gegenwartswerte des „Gesamtbetrages“ dem „Nettokredit“ gegenüber) sind die Vorschriften zur Effektivzinsberechnung in BGB und § 6 PAngV über Laufzeit, Variabilität und einzubeziehende Leistungen entsprechend anwendbar. Grundpfandrechtlich gesicherte Immobiliendarlehen sind, weil es hier um die Gegenüberstellung von Bar- und Finanzierungspreis nicht gehen kann, noch einmal ausdrücklich ausgenommen (§ 492 Ia Alt. 2 BGB). Der Gesetzgeber hat ebenso wie der Richtliniengeber hier wie oben erörtert die Umgehung zulasten der Verbraucher ausgeschlossen, andererseits aber die rein technisch bedingte grundpfandrechtsfreie Immobilienfinanzierung über Immobilienfonds nicht erwähnt. Daher ist nach ganz h.M. auch bei Immobilienfondsfinanzierungen der Gesamtbetrag anzugeben (BGH NJW 2002, 957; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 80; WM 1994, 1405 (1406 ff.); BuB-Gößmann, Rn. 3/ 435; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Wagner-Wieduwilt, § 4 Rn. 31, 42 f., 74 f.; Bülow, § 4 Rn. 71 f.; v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg-v. Rottenburg, § 4 Rn. 66, 79 f.; MünchKommBGB-Ulmer, § 4 VerbrKrG Rn. 34; Staudinger-Kessal-Wulf, § 4 VerbrKrG Rn. 40; Erman-Rebmann, § 4 VerbrKrG Rn. 11a). Ebenfalls ausgenommen sind gem § 492 Ia Alt. 1 BGB Kredite, die nach der Wahlfreiheit des Verbrauchers Abhebungen bis zu einen Höchstbetrag erlauben.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
505
Variable Bedingungen wie variable Rückzahlungsraten oder Zinssätze oder auch eine Wahlfreiheit beim Auszahlungszeitpunkt („Abschnittsfinanzierungen“) entbinden dagegen ausdrücklich nicht von der Angabepflicht. Hier ist vielmehr der Bruttokredit auf der Grundlage der Bedingungen bei Vertragsschluss für die gesamte Laufzeit zu berechnen. Kredite, bei denen eine Pflicht zur Kreditabnahme besteht, lediglich der Auszahlungszeitpunkt dem Verbraucher überlassen bleibt, sind daher keine solchen Höchstbetragskredite (a.A. Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 81).
187
Bei unvollständigen oder variablen Bedingungen sind die Bestimmungen zur Berechnung beim Effektivzinssatz in §§ 6 IV und 5 PAngV anzuwenden. Danach ist jeweils bei den Zahlungen der frühest mögliche Termin zugrunde zu legen (IV) und bei variablen Zinssätzen der Anfangszinssatz (III).
188
Der Gesamtbetrag umfasst alle für den Kredit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise erbrachten „Leistungen des Kreditnehmers“, wie sie auch im Effektivzins zu berücksichtigen sind. Dazu gehören auch Leistungen aus „verbundenen Geschäften“ und zwar insbesondere bei Spar-Kredit-Kombinationen wie Lebensversicherungskredit, Bausparsofortfinanzierung oder Fondsinvestmentkredit, wo die Tilgung in ein Sparprodukt umgeleitet ist (BGH BKR 2005, 153 (II. 1 b); WM 2004, 1542 (1543 f.); NJW 2002, 957 (958); Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 80; ders., WM 1994, 1405 (1406 ff.); BuB-Gößmann, Rn. 3/435; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Wagner-Wieduwilt, § 4 Rn. 31, 42 f., 74 f.; Bülow, § 4 Rn. 71 f.; v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburgv. Rottenburg, § 4 Rn. 66, 79 f.; MünchKommBGB-Ulmer § 4 VerbrKrG Rn. 34; Staudinger-Kessal-Wulf, § 4 VerbrKrG Rn. 40; Erman-Rebmann, § 4 VerbrKrG Rn. 11a; a.A. Drescher, Rn. 92 ff.; Steppeler, S. 106 (108)).
189
Beim Bruttokredit hat der Gesetzgeber anders als beim „Teilzahlungspreis“ keine Standardisierung des Wortes vorgenommen, sondern lediglich die Berechnungsweise vorgeschrieben. Daher sind Bezeichnungen wie Bruttokredit, Gesamtbelastung, Gesamtbetrag, Summe der Zahlungen des Kreditnehmers hier zulässig, soweit sie dem Verbraucher ausreichend den Unterschied zum Nettokredit vor Augen führen.
190
Das Gesetz sieht als Sanktion wie bei der Nichtangabe des effektiven Jahreszinssatzes die Reduzierung des Zinssatzes auf 4 % vor. ( § 494 II S. 2 Alt. 3 BGB) Eine Sanktion für die Falschangabe des Bruttokredits fehlt. Daraus muss entnommen werden, dass hier die Falschangabe der fehlenden Angabe gleichgestellt ist, auch wenn es sich in Analogie zu § 494 III BGB anbieten würde, nach dem Wahrheitsgrundsatz die Forderungen des Kreditgebers auf den angegebenen Bruttokreditbetrag zu begrenzen. Lediglich geringfügige Abweichungen, die offensichtlich auf Kalkulationsfehlern beruhen und nicht der Absicht entsprangen, den Bruttokredit „schön zu rechnen“ oder Kosten zu verbergen, dürften in teleologischer Reduktion unerheblich sein.
191
3. Rückzahlungsmodalitäten (§ 492 I S. 5 Ziff. 3 BGB). Für den Verbraucher wesentlicher als der Bruttokredit ist die genaue Bezeichnung seiner Leistungen in der Zukunft. Erst durch eine in Währungsbeträgen auf das Monatseinkommen bezogenen Leistungstabelle können ihm die Auswirkungen einer Kreditbelastung auf seine Liquidität bewusst werden. Während Dänemark und Frankreich (im Hypothekenkredit) sowie Art. 10 IIc des Vorschlags der Kommission von 2002 dies vorsehen, ist eine Amortisationstabelle mit den fälligen Zahlungen nach geltendem Recht nicht vorgeschrieben. Sie wird in der Praxis erst nach Vertragsschluss als sog. Ratenzahlungsplan ausgehändigt, wie dies auch der europäische Verhaltenskodex für Hypothekenkredite (siehe EU-Empfehlung 87/598/ EWG, ABl. L 365 v. 24.12.1987, S. 72) vorsah und Art. 10 I i) RL 2008/48/EG nur auf Antrag und auch erst nach Vertragsschluss vorsieht (entspr. E-§ 492 III BGB). Die übliche
192
Reifner
506
193
194
195
196
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Form, lediglich die Anzahl der Raten, die abweichende erste oder letzte Rate und die Anfangs- und Endtermine anzugeben, schafft keine Aufklärung, ist jedoch mit § 492 I S. 5 Ziff. 3 BGB vereinbar. Notwendig wäre nach französischem Vorbild die für zwei Wochen bindenden Angebote, bei denen ein Zahlungsplan beigefügt ist, bei dem jede Rate noch einmal entsprechend ihrem Zins- und Tilgungsanteil aufgesplittet ist. Solche Ratenpläne, wie sie bei den Verbraucherzentralen abgefragt werden können, würden die vorzeitige Ablösung transparenter machen, die Liquiditätsprognose erleichtern und dem Verbraucher die Planung seiner Zahlungen ermöglichen. IV. Nominalzinssatz (§ 492 I S. 5 Ziff. 4 Alt. 1 BGB). Der Nominalzinssatz ist im Gegensatz zum Effektivzins, der bisher ein Darstellungszinssatz ist, ein Rechenzinssatz, mit dem Zinsen errechnet werden sollen. Dieser Nominalzinssatz hat nicht nur für die Höhe der Zinsschuld Bedeutung sondern definiert auch die Zinsen, wie sie als laufzeitabhängige Kosten in den verschiedenen allgemeinen Vorschriften des BGB reguliert werden. Dazu gehört der Zins in der Verjährung (§§ 212, 497 III S. 3 BGB), die Zinserstattung bei vorzeitiger Beendigung (§ 498 II S. 3 BGB), das Verbot der Vereinbarung von Zinseszinsen in § 248 BGB, während es sich in §§ 246 f. BGB beim Basiszinssatz und beim gesetzlichen Zinssatz zutreffend um einen Effektivzinssatz handeln sollte. Insbesondere ist die Zinsrückrechnung bei vorzeitiger Beendigung gem. § 498 II BGB auf die in dieser Weise berechneten „Zinsen“ gem. § 498 II S. 3 BGB anzuwenden, wobei auf die Rückrechnung dieselbe Methode anzuwenden ist wie auf ihre Berechnung. Davon weicht die noch h.M. (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 225; Lammel, BB 1980, Beilage 8, 16; LG Köln, Urt. v. 11.3.1992 – 26 O 247/91; kritisch zur staffelmäßigen Berechnungsmethode BGH NJW 1988, 818 unter III. 2 b); WM 1990, 625 unter 3 c) (Formel offen gelassen)) ab, wobei sie sich auf eine mit dem Kreditaufsichtsamt in den siebziger Jahren ausgehandelte Wettbewerbsregel beruft. Statt die Zinsen so zurückzurechnen wie sie berechnet wurden, wurde die aus der Rechnung arithmetischer Reihen (1+2+3+...+ 12 =78 oder n! = (n*(n+1)/2) entsprechend 78 = 12 * (12 +1)/2) bei linearer Abzahlung von Raten abgeleitete 78er Methode generell zugelassen, die noch einmal in dieser Wettbewerbsregel durch das willkürliche Weglassen der „1“ zur quadratischen Rückrechnungsformel reduziert wurde (kritisch zur staffelmäßigen Berechnungsmethode BGH NJW 1988, 818 unter III.2 b; als unzulässig bezeichnet in LG Stuttgart NJW 1993, 208; Palandt-Putzo, § 498 Rn. 11; Reifner BKR 2008 (November)). Diese Formel verkürzt die Ansprüche der Verbraucher gleich doppelt und wird damit den modernen Anforderungen schon lange nicht mehr gerecht. Die Zinsrückrechnung ist der actus contrarius zur Zinsberechnung und sollte daher auch entsprechend berechnet werden (zustimmend BGH WM 1990, 625 unter 3 c; Staudinger-Schmidt, § 246 Rn. 171 f.; Palandt-Heinrichs, § 246 Anm. 2 b; Schmelz, Rn. 298–303). Der (Nominal-)Zinssatz bezieht sich im Gegensatz zum Effektivzinssatz, der die Verzinsung des Nettodarlehens darstellt, auf den Finanzierungsbetrag, also denjenigen Betrag aus Nettodarlehen und Kosten, auf den der Kreditnehmer laufzeitabhängige Entgelte berechnen möchte. Dies geschieht dabei sehr unterschiedlich aus zum Teil nur historisch verständlichen Gründen, wenn etwa die Bearbeitungsgebühr beim Hypothekenkredit zum Finanzierungsbetrag zählt, im Ratenkredit teilweise jedoch noch unverzinslich auf die Laufzeit verteilt wird. Demgegenüber werden Restschuldversicherungsprämien im Hypothekenkredit als laufende Leistungen abgerechnet und nicht im Finanzierungsbetrag berücksichtigt, während im Ratenkredit die Prämien für die gesamte Laufzeit im voraus gefordert und dem Finanzierungsbetrag zugeschlagen werden, so dass ihr abgezinster Wert dort erheblich höher ist. Ohne Finanzierungsbetrag ist die Angabe des Nominalzinssatzes sinnlos, weil erst beides zusammen die Kostenbelastung ergibt. Gleichwohl hat der
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
507
Gesetzgeber dies nicht vorgeschrieben. Da jedoch die „sonstigen Kosten“ ebenfalls angabepflichtig sind und bei fehlender Angabe nicht geschuldet werden, muss bei fehlender Angabe des Finanzierungsbetrages zumindest bei diesen Kosten angegeben werden, ob sie verzinslich sein sollen und wann sie fällig sind. Fehlt diese Angabe, so ist gem. § 494 II S. 3 BGB die Verzinslichkeit auch nicht geschuldet. Durch Ausweis eines Finanzierungsbetrages werden entsprechende Probleme vermieden. Die Rechenparameter für den Nominalzinssatz können auch entgegen den Regeln von Logik und Mathematik in den Grenzen des Transparenzgebotes des § 307 BGB frei vereinbart werden (a.A. Seckelmann, u. a. § 11 II). Damit sind Nominalzinssätze streng genommen keine Zinssätze, sondern gewillkürte Rechenparameter, die vor allem in der vorcomputerisierten Zeit ein schnelles, einfaches Errechnen der Zinsen ermöglichen sollten, um den Zeitfaktor in den Finanzierungsaufschlag einbeziehen zu können. Nachdem der Teilzahlungsaufschlag noch zeitunabhängig bei Abzahlungsgeschäften aufgeschlagen wurde, hat der Kreditgebührensatz oder auch P.M.-Gebührensatz mit der einfachen Regel, dass man den Finanzierungsbetrag trotz sukzessiver Tilgung fiktiv konstant hält, die Möglichkeit geschaffen, die Zinsen als Produkt aus Nettokapital, Laufzeit und Gebührensatz zu errechnen. Wie oben dargestellt führt der gleiche P.M.-Gebührensatz allerdings bei anderen Laufzeiten zu unterschiedlicher Zinsbelastung, so dass er für die Kundeninformation wenig tauglich ist. Besonders nachteilig ist es, dass er als Monatssatz sehr niedrig angegeben ist und diese Geringfügigkeit noch einmal dadurch verdoppelt wird, dass die Fiktion eines ungetilgten Finanzierungsbetrages erhalten bleibt. Es handelt sich daher um eine in sich täuschende und intransparente Konstruktion, die nach Einführung der EDV den Anforderungen der Transparenz i. S. des § 307 BGB nicht mehr gerecht wird. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass der Gesetzgeber die bestehende Praxis nicht ändern wollte, so dass auch der Rechenparameter des P.M. Gebührensatzes den Anforderungen des § 492 I S. 5 Ziff. 4 Alt. 1 BGB u. U. genügt. Der P.M.-Gebührensatz wird auch bei Ratenkrediten zunehmend durch einen echten Zinssatz verdrängt, wie er bei Hypothekenkrediten seit langem verwandt wird. Bei diesem als Jahreszinssatz ausgestatteten Rechenzinssatz werden auf den jeweils um die Tilgungsbeiträge reduzierten Finanzierungsbetrag die laufzeitabhängigen Kosten berechnet. Allerdings ist auch diese Berechnung nicht standardisiert, da bei Tilgung, Zinsverrechnung häufig nur implizit abweichende Regelungen getroffen werden. So wird die Zins- und Tilgungsverrechnung im Ratenkredit monatlich vorgenommen, im Hypothekenkredit gesondert vereinbart teilweise auf das Ende von Quartalen oder Jahren gelegt. Solche Rechenregeln, die das Ergebnis erheblich beeinflussen, müssen transparent (BGH NJW 1997, 1068; 1277; BGHZ 112, 115 (120 f.) = NJW 1990, 2383; 1992, 1108; 1992, 1097; 1995, 2286) angegeben sein oder dem allgemeinen Verbraucherbewusstsein entsprechen. Die Nichtangabe des Nominalzinssatzes führt ebenso wie die Nichtangabe des Effektivzinssatzes gemäß § 494 II S. 2 zur Reduktion „des dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegten Zinssatzes (§ 492 I S. 5 Ziff. 4, Ia BGB) auf den gesetzlichen Zinssatz“. Ziff. 4 wurde allerdings mit Ziff. 2 redaktionell vertauscht, so dass Ziff. 4 gemeint ist. Bei falscher Angabe fehlt ebenso wie beim Bruttokredit wiederum eine Regelung. Falsch ist der Nominalzinssatz, wenn sich aus ihm im Zusammenhang mit den Angaben über die zu verzinsenden Leistungsbestandteile des Kreditnehmers nicht die geltend gemachten laufzeitabhängigen Kosten errechnen lassen. Hier bedarf es jedoch keiner Analogie zu § 494 III BGB, da der Nominalzinssatz der von den Vertragsparteien vereinbarte wesentliche Zinsparameter ist, aus dem sich die Zinsen in unselbständiger Rechnung erst ergeben. Ist er niedriger angegeben als wie die Zinsschuld, so sind die Zinsen falsch berechnet und der Kreditnehmer kann Neuabrechnung verlangen. Insoweit wird hier die oben für die
Reifner
197
198
199
200
508
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Falschangabe des Effektivzinssatzes vertretene Interpretation zu § 494 III BGB aus der Auslegung des Vertrages gem. §§ 133, 157 BGB abgeleitet. 201
V. Andere Kosten und Sicherheiten (§§ 492 I S. 5 Ziff. 4, 6, 7 BGB). Gem. §§ 492 I S. 5 Ziff. 4 Hs. 2 u. Ziff.6 BGB sind auch alle anderen Kosten außer den Zinsen anzugeben. Die Sanktion in § 494 II S. 3 BGB ist der Verlust des Rechtes, die im Bruttokredit eingerechneten aber nicht im Einzelnen angegebenen Kosten zu verlangen.
202
Welche Kosten dies im Einzelnen sind ist nur bzgl. der Vermittlerkosten und der Kosten einer Restschuldversicherung im Einzelnen im Gesetz bestimmt.
203
Bei der Angabe der Vermittlerkosten, die zugleich eine Definition darüber enthält, welche Zahlungsströme im Rahmen der Effektivzinsangabe einander gegenüberzustellen sind, wird vom Gesetzgeber unwiderleglich eine wirtschaftliche Einheit mit dem Kredit vermutet. Die objektive Formulierung „einschließlich …“ lässt keine subjektiven Erwägungen darüber zu, ob dies im Einzelfall „gerecht“ oder „ungerecht“ ist und ob der Kreditnehmer sich den Vermittler „auf eigene Faust besorgt“ und das Entgelt an ihn direkt gezahlt hat. Dem liegen die Erwägungen zugrunde, dass aus Sicht des Verbrauchers „die Einschaltung eines Kreditvermittlers im weitaus überwiegenden Interesse der darlehensgewährenden Bank“ (liegt). Der Vermittler führt die Kreditsuchenden der Bank zu, mit der er meist vertraglich verbunden ist. Die Bank erspart sich durch die Einschaltung eines Kreditvermittlers (zumindest) einen eigenen organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Anwerbung der Kunden oder die Unterhaltung weiterer Zweigstellen. Zudem kann sie sich (…) des Vermittlers als Verhandlungsgehilfen bei der Anbahnung des Kreditvertrages bedienen, insbesondere zur Vorprüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditsuchenden“ (BGH NJW 87, 181). Ein vermittelter Kredit ist bei gleichem Preis der Bank teurer als ein unvermittelter Kredit. Dies sollte die Auswahlentscheidung eines Verbrauchers bestimmen. Da mit dem System der Kick-Back-Provisionen die Bank die Preisangabevorschriften dadurch umgehen kann, dass sie sich vom Vermittler einen Teil der Provision direkt oder etwa durch eine verdeckte Mitübernahme des Haftungsrisikos vergüten lässt, besteht hier eine besondere Gefahr der verschleierten Kreditpreise.
204
Wenn der Richter die Einbeziehung dagegen von seiner subjektiven Einschätzung abhängig machen soll, indem er im Einzelfall feststellt, wessen Interessen die Kreditvermittlung entspricht (BGH NJW 2004, 154; OLG Karlsruhe WM 2001, 356; Staudinger-KessalWulf, § 492 Rn. 55), dann wird er zum Unternehmensberater. Auf die Zurechnung kommt es nicht an. Eine Abgrenzung nach dem Merkmal der Eigenschaft als „Erfüllungsgehilfe“ (OLG Koblenz VuR 2002, 205 zum Bausparvertreter) ist ebenfalls mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren, da es eine Haftung impliziert, die hier gerade nicht vorliegt. Das Wort „Vermittlung“ schließt an § 655a BGB an, der bereits eine enge Verbindung zum Kreditvertrag feststellt. Beide bilden somit eine gesetzlich fixierte „wirtschaftliche Einheit“, die nicht noch einmal allgemein hergeleitet bzw. relativiert werden muss.
205
Es kommt nach dem Gesetz auch nicht auf die Kenntnis des Kreditgebers von der Vermittlung an (so aber OLG Karlsruhe WM 2002, 356). Sie wird unwiderleglich vermutet. Es ist in der Praxis nicht denkbar, dass die Bank nicht von der Vermittlung erfährt. Vermittler müssen einen Kontakt zum Anbieter haben bzw. aufbauen, sonst können sie nicht ihre Provision gem. § 655c BGB verdienen. Jede Relativierung am Massstab des Verschuldens oder des Interesses fordert geradezu Banken und Vermittler dazu auf, die Vermittlungskosten zu verstecken.
206
Dies präjudiziert nicht die Frage der Behandlung des Vermittlerentgelts beim Wucher. Hier muss die Rechtsprechung sowohl die Leistung als auch die Gegenleistung beurteilen. Hier allein sind die Erwägungen am Platze, die ausnahmsweise im Einzelfall der
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
509
Bank erlauben darzulegen, dass sie von der Vermittlercourtage nichts wusste bzw. dass der Verbraucher allein daraus profitiert hat (Bülow/Artz, § 492 Rn. 104; sowie unten § 26). Bei den Kostenangaben ist auch das Packing anzugeben, das bei einigen Kreditgebern immer noch als Aufschlag von 0,2 % auf den Pro-Monatsgebühren-Satz als Verlaufsprovision gezahlt wird und damit den Vermittler als Garant der Rückzahlung des Kredites für die Bank einspannt (OLG Dresden WM 2003, 1802 (1802); MünchKommBGB-Ulmer § 492 Rn. 51; Schimanski/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 87; a.A. OLG München WM 2001, 1215; Bülow/Artz, § 492 Rn. 104). Hier ist die Offenlegung noch wichtiger als bei der Einmalprovision, weil der Kreditnehmer bei derselben Bank denselben Kredit auch billiger haben könnte. Das OLG Stuttgart (VuR 1986, 28; LG Hechingen, Urt. v. 10.1.86 – 2 O 319/85) hatte das Verschweigen eines Packing mit guten Gründen sogar als arglistige Täuschung angesehen. Eine Offenlegung im Kreditvertrag etwa mit dem Satz: „Die Zinsen enthalten Vermittlerentgelte in Höhe von 0,2 % p.M.“ oder „die Zinsen enthalten insgesamt Vermittlerentgelte in Höhe von X Euro“ dürfte keine Bank überfordern.
207
Restschuldversicherungskosten sind immer anzugeben. Dass sie getrennt aufgeführt werden hat seinen systematischen Grund darin, dass ihre Einbeziehung in den effektiven Jahreszinssatz, der als Nr. 5 unmittelbar hinter den vom Verbraucher zu erbringenden Leistungsentgelten steht, entfallen soll, weil nach den oben wiedergegebenen Regeln des § 6 PAngV entsprechend Art. 1a der alten Verbraucherkreditrichtlinie (entspr. Art. 3g, 5 Ik RL 2008/48/EG) sie nur bei zwingendem Abschluss als einzubeziehende Darlehenskosten anzusehen sind. Das Gesetz unterscheidet bei der Einzelangabepflicht daher nicht zwischen direkten oder indirekten Kosten oder danach, ob die Kosten Dritten oder dem Kreditgeber selber geschuldet werden (Schimanski/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 86; einschränkend Münstermann/Hannes, Rn. 211). Alle Kosten, die in Bezug auf den Kredit, seine Anbahnung, Risikosicherung, Verwaltung und Abwicklung anfallen, sind auch dann, wenn sie Dritten geschuldet werden, anzugeben. Bei den Restschuldversicherungskosten sind auch die darauf entfallenden Finanzierungskosten gesondert anzugeben. Da es für Versicherungsentgelte absolut unüblich ist, dass sie für dir gesamte Laufzeit im Voraus entrichtet werden müssen, ist die Angabe des bloßen Bruttobetrages der Prämien irreführend. Vielmehr zeigt das Gesetz etwa bei der Angabepflicht zum Gesamtbetrag (492 I S. 5 Nr. 2 BGB), dass es die über die gesamte Laufzeit sich akkumulierende Belastung ausgewiesen wissen will. Die Versicherung „kostet“ daher nicht nur die Prämie sondern auch ihre Finanzierung. Aus dem Gedanken des Gesamtbetrages ist daher der Bruttowert anzugeben.
208
Fraglich ist, ob die von der Versicherungsgesellschaft an die Bank zurückfließende Versicherungsprovision („Innenprovision“) offengelegt werden muss. Die Rechtsprechung zum Anlegerschutz hat die Offenlegung von Innenprovisionen in Prospekten verlangt, weil ihre Höhe auf eine geringere Werthaltigkeit des vermittelten Objekts schließen lässt (BGH BKR 2008, 199; BGHZ 158, 110 (118, 121); NJW-RR 2006, 685; ZBB 2006, 153). Dies trifft auch für Versicherungen zu, da die Höhe der Provision darüber bestimmt, welche Prämienanteile der Versicherungsgesellschaft effektiv für die Risikoabdeckung zur Verfügung stehen. Da die Versicherer Überschüsse auskehren müssen, ist damit auch der Preis bestimmt. Innenprovisionen von über 50 %, die noch um die verdienten Finanzierungskosten zu ergänzen sind, sind inzwischen bei der Restschuldversicherung keine Seltenheit mehr (Reifner, Bank und Markt 2006, S. 28 ff.). Schon 15 % hatte die Rechtsprechung bei einer beratungsintensiven Vermittlung für Offenlegungspflichtig angesehen, während bei Restschuldversicherungen überhaupt keine Akquisition und Beratung erfolgt. Gem. § 2 VVG-Info-Verordnung ist die Offenlegung der Provisionen bei Versiche-
209
Reifner
510
210
211
212
213
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
rungen nunmehr vorgeschrieben. Dies erspart jedoch insbesondere auch angesichts der Sanktionen in § 494 BGB nicht eine kreditrechtliche Bewertung. § 492 I S. 5 Ziff. 4 BGB verlangt die Angabe aller „vom Darlehensnehmer zu tragender Vermittlerkosten“. Da die Prämien incl. der Vermittlerkosten der Versicherung vom Verbraucher zu tragen sind, würde der Wortlaut daher auch diese Provisionen mit umfassen. Dagegen sprechen jedoch die Stellung im Gesetz bei den unmittelbaren Kreditkosten sowie der historische Sinn dieser Vorschrift, der sich allein auf Kreditvermittlerkosten bezog, so dass eine solche erweiterte Interpretation wohl nicht möglich ist. Eher möglich ist dagegen eine Angabepflicht für überhöhte Innenprovisionen als „sonstige Kosten des Darlehens“. Innenprovisionen, die über die üblichen Versicherungs- und Kreditprovisionen von max. 5 % (3,5 % bei Kapitallebensversicherungen) hinausgehen (und das sind zur Zeit alle Restschuldversicherungsprovisionen, die bei 15 % erst anfangen), stellen in Wirklichkeit über die Versicherungsgesellschaft umgeleitete Kreditkosten dar. Es handelt sich hier um den typischen Fall der Aufspaltung eines Darlehensvertrages in einen kostengünstigen Darlehensvertrag und einen weit überteuerten Versicherungsvertrag, bei dem die Prämien nur zum Schein an die Versicherungsgesellschaft gezahlt werden, weil sie in Wirklichkeit an die Bank als Kreditkosten zurückfließen. Diese Umgehung fällt unter § 506 S. 2 BGB. Die Provision ist in diesen Fällen somit als „sonstige Kreditkosten“ angabepflichtig (Reifner, WM 2008 (Dezember); vgl. auch Knobloch, VuR 2008, 91). Dies hilft jedoch nur für überhöhte Provisionen. Deshalb ist § 492 I S. 5 Ziff. 6 BGB in sinnentsprechender Auslegung dahingehend zu erweitern, dass die Transparenz bei den Versicherungskosten nur hergestellt ist, wenn die Bank sich nicht auf die abzuführenden Prämien beschränkt sondern gerade die ihr selber für den Kredit zufließenden Kosten aus Innenprovision und aus der Finanzierung der Prämie offenlegt. Damit verlangt § 492 I S. 5 Ziff. 6 BGB eine getrennte Angabe der Netto-Prämie, der Kick-Back-Provision und der Finanzierungskosten. Das gegenwärtige System, das in großem Maßstab die Verbraucher hinters Licht führt und teilweise über 50 % der Erlöse der Konsumentenkreditgeber bestimmt, würde damit durch konsequente Anwendung des Gesetzes in die Verantwortlichkeit der Marktentscheidungen der Verbraucher gelegt. Die Abgrenzung der Kreditkosten von Kosten, die für andere Leistungen anlässlich des Kredites erbracht werden müssen, ist bei der Angabepflicht nicht entscheidend. Der Verbraucher soll auch innerhalb solcher Paketlösungen genau wissen, welche Kosten durch welche Dienstleistung entsteht, damit ein Kostenvergleich und auch eine Kostenvermeidung möglich ist. Daher ist auch das in einem Zinsaufschlag enthaltene Packing anzugeben. Daher sind nicht nur Bearbeitungskosten, Vermittlercourtage, Auskunfts- und Recherchekosten, sondern auch Schätzgebühren, Notarversicherungskosten, Porto- und Schreibauslagen anzugeben. Bei Spar-Kredit-Kombinationen ist auch die im Abschluss von Kapitallebensversicherung und Bausparverträgen enthaltene Provision offen zu legen, wenn es sich bei dem Produkt um ein verbundenes Geschäft handelt, bei dem das Darlehen in Kreditgewährungs- und Tilgungsgeschäft aufgespalten ist. Alle Kreditsicherheiten wie Bürgschaft, Sicherungseigentum, Grundpfandrechte, Lohnvorausabtretung, Depotverpfändung, Forderungszessionen sind anzugeben. Bei Sachsicherheiten tritt der Verlust der Sicherheit bei fehlender Angabe jedoch nur bei einem Wert der Sicherheit bis 50.000 Euro ein (§ 494 II S. 6 Alt. 2 BGB). Der Begriff der Sicherheit ist wirtschaftlich zu verstehen als jeder Vermögenswert, auf den der Kreditgeber im Falle des Zahlungsverzuges durch vorherige Vereinbarung oder Bereitstellung Zugriff haben soll. Daher gehören Kapitallebensversicherungen oder Sparratenverträge, die Einzahlung einer Gewährsumme auf ein Girokonto beim Kreditgeber, die Übernahme der
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
511
persönlichen Haftung und Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung des gesetzlichen Vertreters (OLG Hamm WM 2007, 1839), die Unterhaltung eines Devisenkontos für einen Überziehungskredit mit dem Ausland, die Einzahlung auf ein Kreditkartenkonto dazu, wenn sie entweder als Sicherheit vereinbart sind oder beim Abschluss verlangt wurden. VI. Sanktionen (§ 494 BGB). Während bei den allgemeinen Aufklärungspflichten mit § 280 BGB der Schadensersatz als die alles beherrschende Sanktion besteht, sind die Aufklärungspflichten in § 492 BGB als lex specialis in § 494 BGB einerseits nach dem traditionellen Prinzip des § 134 BGB (Nichtigkeit), nach Auszahlung der Darlehensvaluta dagegen nach dem Prinzip des „true and fair view“ des Wettbewerbsrechts organisiert. Nicht in Vollzug gesetzte rechtswidrige Akte sollen keine Wirkungen erzielen. In Vollzug gesetzte Verträge sollen nach dem Prinzip behandelt werden, dass der Anbieter nur verlangen kann, was er dem Verbraucher auch in der im Gesetz vorgesehenen Form kommuniziert hat. Das Sanktionssystems in § 494 II BGB kann man dabei in Abwandlung des aus der Windows-Philosophie bekannten WYSIWYG („What You See Is What You Get“) mit dem Satz, der Kreditgeber soll nur das bekommen, was er auch erkennbar gefordert hat, umschrieben werden. Nicht angegebene Kosten sind nicht geschuldet, ein zu niedrig angegebener Effektivzinssatz führt zu entsprechend reduzierten Zinsen etc.
214
1. Nichtigkeit vor Auszahlung (§ 494 I BGB). In § 494 I BGB wird für die relativ seltenen Fälle, in denen der Mangel der Einhaltung der gesetzlichen Form oder das Fehlen einer der vorgeschriebenen Angaben (Ausnahme die Angabe der zu bestellenden Sicherheiten in Ziff. 7) vor Auszahlung der gesamten Darlehensvaluta (BGH NJW 2000, 3496 unter II. 3.) gerügt wird, gem. § 494 I BGB die Nichtigkeit des gesamten Verbraucherdarlehensvertrages angeordnet.
215
Die Heilung tritt nur ein, wenn die Darlehensvaluta auch tatsächlich in die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verfügungsmöglichkeit des Verbrauchers gelangt und damit für den Finanzierungszweck verwandt werden kann. Wird im Rahmen einer Umschuldung der neue Kredit nicht ausbezahlt, sondern lediglich mit alten Verbindlichkeiten bei dem gleichen Kreditgeber verrechnet, so ist der Kredit anders als dies gem. dem Schutzzweck des alten § 7 III VerbrKrG bei dem Verfall des Widerrufsrechtes nach „Empfang“ entsprach (dazu LG Köln, Urt. v. 7.9.2000 – 24 O 0447/99) durchaus „ausbezahlt“.
216
Auf die Nichtigkeit vor Auszahlung ist § 139 BGB nur in bezug auf die Formerfordernisse von Nebenabreden anwendbar, weil nur hier davon die Rede ist, dass die Schriftform „insgesamt“ nicht eingehalten ist. Bei den Kostenangaben kommt eine Teilnichtigkeit dagegen nach dem Gesetzeswortlaut nicht infrage. Nur unwesentliche Nebenabreden können damit teilnichtig sein, ohne das Ganze zu berühren (Bülow, § 6 Rn. 14 ff.; PalandtPutzo, § 494 Rn. 5; Bruchner/Lwowski/Peters-Peters, § 81 Rn. 9).
217
Die Nichtigkeit kann wegen des in § 506 I BGB aufgestellten Günstigkeitsprinzips (zum tarifrechtlichen Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht vgl. Adomeit, NJW 1984, 26; Schaub, S. 1335 f.) („nicht zum Nachteil des Verbrauchers“) nicht vom Anbieter zu Lasten des Verbrauchers geltend gemacht werden (i. E. ebenso Bülow, § 6 Rn. 25).
218
2. Zinsanpassung bei Falschangabe des Effektivzinssatzes (§ 494 III BGB). § 494 III BGB sieht bei Falschangabe des effektiven Jahreszinssatzes vor, dass der „Zinssatz“ um den „Prozentsatz“ gesenkt wird, den der Effektivzinssatz zu niedrig angegeben war. Nach h.M. ist unter dem „Zinssatz“, der sich ermäßigt, der Rechenzinssatz bzw. Nominalzinssatz zu verstehen, der um die absolute Zinsdifferenz der Falschangabe zu senken sei (BGH NJW 2000, 2816 (2817); LG Stuttgart NJW 1993, 208 zu 2 c) m. abl. Komm. Reifner, EWiR 1991, 1135; Staudinger-Kessal-Wulf, § 6 VerbrKrG Rn. 30; MünchKommBGB-
219
Reifner
512
220
221
222
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Ulmer, § 6 VerbrKrG Rn. 23; Seibert, VerbrKrÄndG, S. 46; a.A. Reifner, KreditR, § 7 Rn. 21; Rüßmann, FS Jahn, S. 367 (394)). Dies bedeutet, dass bei einem Nominalzinssatz von 12 % p. a. und einer Effektivzinsangabe ebenfalls von 12 % p. a. bei einem errechneten Effektivzinssatz von 15 % der Kredit noch einmal mit einem Nominalzinssatz von 12 – 3 = 9 % abzurechnen ist. Dies führt, wie die h.M. eingesteht (siehe Bülow, § 6 Rn. 71 f.; Brinkmann, BB 1991, 1947 (1948)), zu teilweise absurden Ergebnissen, weil dadurch negative Zinssätze ebenso entstehen können wie Zinssätze unter 4 % p. a. Der Gesetzgeber hat nunmehr in § 494 II S. 2 BGB den Begriff „Zinssatz“ durch Bezugnahme auf § 492 I S. 5 Nr. 2, Ia BGB mit dem Nominalzinssatz belegt. Ob dies auch für den zu niedrig angegebenen Effektivzinssatz in § 494 III BGB gilt, bleibt allerdings fraglich. Der BGH (NJW 2000, 2816 (2817)) hat festgestellt, dass eine solche nominale Bezugnahme zu untragbaren Verhältnissen führt, wenn bei hohem Disagio der Kreditgeber das Disagio trotz Falschangabe des Effektivzinssatzes behalten kann und damit für die Vereinbarung einer solchen Zinsvorauszahlung vom Gesetzgeber belohnt wird. Da der Nominalzinssatz auf den Finanzierungsbetrag bezogen ist, in dem das Disagio als Teil der Zinsen mitgeschuldet ist, muss es sich auch auf das Disagio auswirken. Ein hohes Disagio darf danach nicht dazu führen, dass bei fehlender Effektivzinsangabe die Sanktion milder ausfällt. Da der BGH zudem es offen lässt, ob das Disagio im konkreten Fall den Charakter einer Bearbeitungsgebühr oder einer Zinsvorauszahlung hatte, gilt das Berücksichtigungsgebot auch für Bearbeitungsgebühren. Dort gibt es in der Tat ähnliche Gestaltungen mit Bearbeitungsgebühren zwischen 0 und 6 % im Konsumentenkredit. Der Kreditgeber, der seine Kosten auf die Bearbeitungsgebühr verlagert, würde damit einen besonders günstigen Nominalzins suggerieren. Untermauert er dies noch durch Nichtangabe des Effektivzinssatzes, würde er dafür vom Gesetzgeber dafür noch eine relativ geringere Bestrafung als der ehrliche Konkurrent, der Zinsen auch als Zinsen ausweist, gewärtigen. Allein eine verfassungskonforme Auslegung, die im Sinne des Art. 3 GG eine willkürliche Ungleichbehandlung verschiedener Kreditgeber verhindert, kann hier weiterhelfen. § 494 III BGB bezieht sich auf den „Zinssatz“. Damit lässt der Wortlaut die Interpretation als Effektivzinssatz und als Nominalzinssatz zu. Ebenso ist es allgemein üblich, „einen Prozentsatz“, um den etwas zu niedrig angeben ist, als relative Angabe anzusehen. So bestünde bei einer Währungspreisangabe kein Zweifel daran, dass ein Preis von zehn Euro, der stattdessen mit sechs Euro zu niedrig angegeben wäre, in Prozent ausgedrückt um 40 % zu niedrig angegeben wäre. Daher muss auch bei einem Prozentsatz von 10 % gelten, der mit 6 % zu niedrig angeben wurde, dass er nicht um absolute 4 %, sondern um relative 40 % zu niedrig angegeben wurde. Der Begriff „Prozentsatz“ drückt daher allgemein eine Proportion und keinen Differenzwert aus. In der parallelen Regelung des § 502 III S. 6 BGB zum Teilzahlungsgeschäft kann dasselbe Wort „Prozentsatz“ ohnehin nur als proportionale Reduktion des Teilzahlungspreises aufgefasst werden, wobei hier wohl auch ein Versehen unterlaufen ist, weil damit der Bruttokredit einschließlich des Kapitals und nicht nur die Kosten proportional reduziert werden. Damit lässt § 494 III BGB sich so interpretieren, dass der wirkliche Effektivzinssatz proportional auf den angegebenen zu senken ist und damit die True and Fair View erreicht wird, wie es beim Disagio bereits erreicht ist. Rechnerisch lässt sich dies mit den Mitteln der heutigen EDV auch ohne weiteres umsetzen, weil ebenso wie aus dem Cash Flow ein Effektivzinssatz errechenbar ist, ebenso kann auch umgekehrt aus dem Effektivzinssatz das Leistungsgefüge rekonstruiert werden. Beide Parteien können einer gerichtlichen Auflage, auf der Grundlage des angegebenen Effektivzinssatzes die vertraglich vereinbarten Zahlungsströme neu zu berechnen, ohne weiteres nachkommen.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
513
Der Bezug auf die Nominalzinsen führt dagegen zur Gleichbehandlung von Ungleichem. Zunächst versagt er, wo wie bei über der Hälfte der Ratenkredite an Stelle des Nominalzinssatzes der P.M.-Gebührensatz verwandt wird. Er ist ein Rechenparameter und kein Zinssatz, weil er sich nicht auf das jeweils ausgeliehene Kapital bezieht. Vom P.M.Gebührensatz können keine Effektivzinsprozentpunkte abgezogen werden. Auch durch Multiplikation mit 12 wird er nicht zum Jahreszinssatz, sondern repräsentiert beim Ratenkredit nur ungefähr die Hälfte des tatsächlichen Nominalzinssatzes. 0,5 % pro Monat entsprechen 11,46 % p. a. bei einjähriger und 10,46 % bei zwölfjähriger Laufzeit und nicht etwa 6 % p. a. Ferner ist die Berücksichtigung eines hohen Disagio und hoher Bearbeitungsgebühren rechnerisch nur möglich, wenn sie zunächst in einen Nominalzinssatz umgerechnet würden. Aber auch das löst noch nicht die Probleme extrem ungünstiger Tilgungsverrechnungen, die eine absolute Differenz ebenfalls begünstigt. Würde man alle Unterschiede zunächst eliminieren, so wäre aus dem Nominalzinssatz ein Effektivzinssatz geworden. Nur die Effektivzinssätze verschiedener Kredite sind nämlich vergleichbar und damit strukturell „gleich“. Wird aber Ungleiches gleich behandelt, so stellt dies einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar. In verfassungskonformer Interpretation kann daher § 494 III BGB nur in der Weise ausgelegt werden, dass bei zu niedriger Effektivzinsangabe nur die Leistungen des Kreditnehmers geschuldet sind, die sich bei Abrechnung des Kredites gerade mit dem angegebenen Effektivzinssatz ergeben würden. 3. Fehlende Angaben von Effektivzinssatz, Nominalzinssatz oder Gesamtbetrag (§ 494 II S. 2 BGB). Für die Rechtsfolge der fehlenden Angabe des Effektivzinssatzes, des anfänglichen Effektivzinssatzes sowie des Nominalzinssatzes oder des Gesamtbetrages verweist § 494 II S. 2 BGB in einem offensichtlichen Schreibfehler ausdrücklich auf § 492 I S. 5 Nr. 2 BGB, bei dem aber kein Zinssatz, sondern der Gesamtbetrag bezeichnet ist. Die gewollte Klarstellung ist somit dem Gesetzgeber missglückt. Nach der Gesetzesgeschichte muss aber davon ausgegangen werden, dass es der Rechen- oder Nominalzinssatz in Ziff. 4 ist, der auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 % p. a. i. S. des § 246 BGB zu ermäßigen ist. Eine „prozentuale“ (proportionale) Ermäßigung auf 0 würde zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten zinslosen Kredit führen. Da der gesetzliche Zinssatz ein einheitlicher vom Gesetzgeber vorgegebener Zinssatz ist, sind auf ihn auch die gesetzlichen Vermutungen des § 488 II BGB anwendbar, da nicht unterstellt werden kann, dass der Gesetzgeber seinen vorgeschriebenen Zinssatz der Parteivereinbarung überlassen will. Es geht also nicht, einfach den Nominalzinssatz des Vertrages durch 4 % p. a. zu ersetzen. Vielmehr muss der Nominalzinssatz durch einen nach den Regeln des Effektivzinssatzes strukturierten Zinssatz von 4 % ersetzt werden. Dies ist durchaus möglich, wenn ein Nominalzinssatz benutzt wird, der die gesetzlichen Festlegungen der Effektivzinsberechnung vereinbart. Beim Verzugszinssatz sind die meisten Banken bereits dazu übergegangen, diesen für 365 statt wie nominal üblich für 360 Tage zu belasten. Auch die Verwendung der Wachstumsfunktion kommt bereits vor, zumal Banken intern ohnehin nur nach der Wachstums- oder AIBD-Methode rechnen. Es ist auch schwer vorstellbar, dass der Gesetzgeber bei von ihm vorgegebenen Zinssätzen sich der jeweiligen vertraglichen Gestaltung seines Wertes unterwerfen will und nicht die von ihm selber in § 492 II BGB als korrekt angesehene Berechnungsmethode verwendet. Dieses Vorgehen würde sicherstellen, dass alle Kredite, die mit 4 % abzurechnen wären, unabhängig von ihrer Nominalzinsstruktur zu relativ gleichen Zinsbeträgen kämen. Beim P.M.-Gebührensatz kann ohnehin der gesetzliche Zinssatz nicht mit 4 % / 12 = 0,33 % p. M. angenommen werden, weil dies effektiv dann etwa 8 % p. a. wären.
Reifner
223
224
225
226
514
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
227
Im Ergebnis kann daher auch beim bestehenden Wortlaut in verfassungskonformer Interpretation die Leistung des Kreditnehmers auf der Grundlage von 4 % p. a. nur als eine den Effektivzinsregeln konforme Berechnung angesehen werden.
228
D. Widerrufsrecht (§ 495 BGB)
229
230
231
232
I. Verbraucherdarlehen. Das Widerrufsrecht der §§ 495 I, 355 BGB gibt mit der Ausnahme der Überziehungskredite i.S. des § 493 BGB (§ 495 II BGB) jedem Verbraucher, der ein Verbraucherdarlehen aufgenommen hat, das Recht, binnen 14 Tagen ab Aushändigung der gegengezeichneten Darlehensvertragsurkunde i.S. des § 492 BGB (§ 355 II S. 2 BGB) oder bis zu sechs Monate nach Vertragsschluss (§ 355 III S. 1 BGB) den Vertrag wieder aufzulösen. Für die Einhaltung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung. Ist die Erklärung nicht zugegangen, so kann der Verbraucher den Widerruf unverzüglich nach Kenntniserlangung vom Fehlen des Zugangs wiederholen (OLG Dresden NJW-RR 2000, 354). Die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft in einem Prozess kann konkludent als Widerruf interpretiert werden (OLG Karlsruhe WM 1997, 1340). Die Frist verlängert sich, nachdem der europäische Gerichtshof in seiner Heininger-Entscheidung dies für Haustürgeschäfte im deutschen Recht moniert hatte (EuGH NJW 2002, 281), auf unbestimmte Zeit (§ 355 III S. 3 BGB), wenn keine deutlich textlich gestaltete und mit Frist sowie Adresse des Widerrufsgegners versehene Widerrufsbelehrung (§ 355 II S. 1 BGB) ausgehändigt wurde. Das Widerrufsrecht wird jetzt europaweit in Art. 14 f. RL 2008/48/EG vorgeschrieben. Danach beginnt die Widerrufsfrist entweder mit Abschluss des Kreditvertrages oder, falls dies später ist, nach Aushändigung von Vertragsbedingungen und den allgemeinen Informationen im Vertrag einschließlich der Widerrufsbelehrung. Es entscheidet das Absendedatum. Das verbraucherkreditrechtliche Widerrufsrecht ist dem deutschen Recht in § 312a BGB nachgebildet und geht damit den Widerrufsrechten aus Haustürgeschäften und Fernabsatz insoweit vor, als es dort tatsächlich besteht (Art. 14 V RL 2008/48/EG). Die Vorschrift wurde mit Inkrafttreten des OLG-Vertretungs-Änderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. 2002 I 2850) am 1.8.2002 eingefügt und dafür die Ausnahme für Immobiliardarlehen in § 491 III Nr. 1 BGB a. F. gestrichen. Damit gilt folgendes: Immobiliarkredite, die vor dem 1.11.2002 abgeschlossen wurden, sind mit Ausnahme der unbegrenzt widerrufbaren Haustürgeschäfte nicht widerruflich. Die in der Zeit vom 1.11.2002 bis zum 30.6.2005 abgeschlossenen Immobiliardarlehensverträge sind gem. Art. 34 S. 3 i.V.m. Art. 25 II OLGVertrÄndG dann nicht kreditrechtlich – ohne Haustürgeschäft zu sein – widerruflich, wenn der Ausschluss im Vertrag gem. § 506 IV BGB bestimmt und „deutlich hervorgehoben“ ist. Dabei werden die Grundsätze, die die Rechtsprechung bereits für die Form der Widerrufsbelehrung aufgestellt hat, anzuwenden sein. Ab dem 1.7.2005 sind auch über die Anforderungen aus der EuGH-Heininger-Entscheidung hinaus alle Immobiliardarlehensverträge gemäß § 495 BGB widerruflich, auch wenn sie nicht als Haustürgeschäfte abgeschlossen werden. Hinter dem Widerrufsrecht steht das Informationsmodell des common law („cooling-off period“ = Überlegungsfrist), das die Mittel des Zivilrechts wie bindende Angebote (§ 145 BGB sowie das frz. offre préalable) sowie Rücktritts- (§ 5 AbzG) und Anfechtungsrechte (§ 123 BGB) sowie die Nichtigkeit etwa bei Haustürgeschäften (§§ 56 I Nr. 6 GewO, 134 BGB) teilweise verdrängte. Seine Vorstellung, dass der Verbraucher sich seinen Vertragsschluss noch einmal überlegt, hat in der Praxis kaum Bedeutung, da konsumsoziologisch die Reflektion erst mit dem sinnlich erfahrbaren Konsum bzw. den Einschränkungen beim Einkommen in der Kreditrückzahlung eintritt. Daher liegt die eigentliche Wirkung des Widerrufsrechts in solchen späteren Lösungsmöglichkeiten, die sich indirekt dadurch
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
515
ergeben, dass nach Art einer „Normfalle“ seine relativ komplexen und durch die Gerichte steuerbaren formalen Anforderungen unseriöse Anbieter überfordern und damit ein späteres Lösungsrecht geben, wenn die Wirkungen des Geschäftes deutlich spürbar geworden sind (LG Zweibrücken NJW 1995, 600 – arglistige Ausübung bei vereiteltem Unternehmerpfandrecht). Letztlich wird das Widerrufsrecht damit wieder in die Zivilrechtstradition integriert, die sich, wie es in der Wucherrechtsprechung deutlich hervorgetreten ist, nie recht damit abfinden konnte, dass „drückende Bedingungen“ dann erträglicher sein sollen, wenn man über sie aufgeklärt worden ist und Zeit zur Überlegung hatte. § 241 II BGB hat daher auch keine Aufklärungs- sondern eine der kontinentalen Zivilrechtstradition angemessenere allgemeine Rücksichtnahmepflicht verankert, die dem common law fremd ist. Der Kreditgeber hat die Möglichkeit, gem. § 355 II S. 2 BGB durch eine Nachbelehrung den ungehemmten Lauf zu unterbrechen und den Widerruf auf einen Monat nach Zugang der Nachbelehrung zu begrenzen. Gem. § 506 II und 3 BGB in der bis zum 30.6.2005 geltenden Fassung kann das Widerrufsrecht entweder durch gesonderte Vereinbarung schriftlich oder „deutlich hervorgehoben“ im Vertragstext des Kreditvertrages ausgeschlossen werden. Außerdem gilt gem. § 506 II S. 1, IV BGB bis dahin, dass durch eine ebenso gestaltete Vereinbarung das allgemeine Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehensverträge erlischt, wenn das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Widerruf oder Darlehensauszahlung zurückgezahlt wird. Die Frist läuft nicht ab Absendung sondern ab Zugang des Widerrufs beim Kreditgeber (BGH NJW 1995, 3386). Die Hingabe eines Schecks allein soll die Frist nicht wahren (BGH NJW 1995, 3386). Dies dürfte aber nur für Schecks gelten, die zum Zeitpunkt der Ausstellung nicht gedeckt waren oder von der Bank zurückgewiesen wurden (§ 363 BGB). Dieser Erlöschenstatbestand entfällt für Kredite, die ab dem 1.7.2005 abgeschlossen werden. Die Widerrufsbelehrung muss sich aus dem übrigen Text des Vertrages etwa durch Einrahmung allein dieses Teils unübersehbar herausheben (BGH WRP 1996, 708 (710); NJW 1994, 1800; NJW-RR 1990, 368). Durch das Erfordernis der gesonderten Unterschrift darf kein anderer Text insbesondere kein Empfangbekenntnis damit ebenfalls abgedeckt werden (BGH NJW 1996, 708 (710); 1993, 64; Stillner, VuR 2002, 79 (83)). Textzusätze sind dann unschädlich, wenn sie nicht verwirren (BGH NJW 1993, 2868). Die Belehrung muss schließlich die Länge der Frist, deren Beginn (BGH NJW 1993, 1013) mit genauer Bezeichnung der beiden Alternativen wie Vertragsabschluss oder Aushändigung der Belehrung enthalten und darauf hinweisen, dass die rechtzeitige Absendung genügt und keine Begründung erforderlich ist. Auch ein Hinweis bei Verbraucherdarlehen auf das Erlöschen des Widerrufs, wenn die Darlehensvaluta nicht binnen 14 Tagen zurückgeführt ist, ist erforderlich (Beispiele jeweils bei Stillner, VuR 2002, 79 (83)). Ferner müssen Name und Anschrift des Widerrufsempfängers angegeben werden. Bei verbundenen Geschäften muss ferner deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass durch den Widerruf der jeweils andere Vertrag ebenfalls aufgehoben wird (§ 358 V BGB). Die Belehrung muss insbesondere auch auf die Schriftlichkeit des Widerrufs hinweisen. Ein Widerruf per E-mail genügt nicht dem Erfordernis der Schriftlichkeit des Widerrufs (OLG Braunschweig WM 2000, 814). Bei finanzierten Erwerbsgeschäften ist ferner noch, falls Wertverlust geltend gemacht werden soll, der Hinweis der Haftung für Wertverlust erforderlich (§ 346 BGB). Anhang 1 zu E-Art. 246 § 2 III S. 1 EG-BGB stellt nun ein Muster zur Verfügung, das auch vor Verabschiedung genutzt werden kann. Die Rechtsfolge eines wirksamen Widerrufs ist die Auflösung des Darlehensvertrages. Dies hat zur Folge, dass auch die innerhalb der Frist getätigten Leistungen zurückabge-
Reifner
233
234
235
236
516
237
238
239
240
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
wickelt werden müssen (§§ 357 I S. 2; 346 ff. BGB). Die daraus entstehenden Probleme einer nunmehr auflösend statt aufschiebend bedingten Rechtsfolge des Widerrufs müssen durch teleologische Reduktion gelöst werden (dazu Mankowski, WM 2001, 793 ff., 836 (838)). Der Widerruf muss aber auch effektiv sein. Der Käufer/Darlehensnehmer soll „frei und ohne Furcht vor finanziellen Nachteilen entscheiden können, ob er an seinen „Verpflichtungserklärungen“ festhalten will oder nicht. Dieser Schutzzweck würde gefährdet, wenn der Widerrufende dem Darlehensgebenden – dem Verkäufer zugeflossenen – Kreditbetrag erstatten müsste und seinerseits auf einen entsprechenden gegen den Verkäufer gerichteten Anspruch angewiesen wäre, also das Risiko seiner Durchsetzung tragen müsste“ (BGH NJW 1996, 3414 (3415); LG Bremen WM 2002, 1450). II. Verbraucherdarlehen an der Haustür. Das Widerrufsrecht des § 495 BGB soll nach dem Wortlaut des § 312a BGB auch das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften ersetzen, soweit bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Haustürgeschäftes i. S. des § 312 BGB zugleich auch die Voraussetzungen des § 495 BGB vorliegen. Dies wurde ebenso wie eine Vielzahl anderer Fragen des Verbraucherkreditrechts unter dem Druck der Probleme mit den Immobilienerwerbermodellen einer bayerischen Großbank in Rechtsprechung und Gesetzgebung behandelt (zu den Hintergründen Derleder, NJW 2003, 2064 f.). Darunter leidet auch die Integration der Regeln über Haustürgeschäfte in das Verbraucherdarlehensrecht, die bei größerer zeitlicher Distanz wieder aufgehoben werden sollte. Haustürkredite, wie § 56 I Nr. 6 GewO sind gefährlicher als einfache Kredite und ebenfalls gefährlicher als Bargeschäfte an der Haustür, weil sie die Übernahme wirtschaftlich unmöglicher Verpflichtungen unter unmöglichen Bedingungen erlauben. Sie sind daher in erster Linie Haustürgeschäfte und erst in zweiter Linie Kredite. Dies zeigt sich auch im Recht darin, dass trotz der Integration für Haustürkredite weiterhin besondere Regeln gelten werden, die sich angesichts der Subsidiarität der Haustürwiderrufsregeln in § 312a BGB ausdehnen werden. Um den Auflagen der Haustürwiderrufsrichtlinie nachzukommen gilt bereits, dass bei Haustürgeschäften keine Einschränkungen durch das Rückzahlungsgebot oder die Möglichkeit des Ausschlusses bei Grundpfandrechten besteht (§ 506 II S. 2, III BGB) Dies bedeutet, dass auch in Zukunft die besonderen Bedingungen für Haustürgeschäfte wie die Haustürsituation oder das Fehlen einer vorherigen Bestellung, die schon in der Rechtsprechung zur Gewerbeordnung eine Rolle spielten (z. B. BGH WM 1989, 4), zu prüfen sind. Ob darüber hinaus die Nachbelehrungsmöglichkeit für Haustürgeschäfte bestehen bleiben wird, ist fraglich. Aus der Logik des cooling-off, wie es die Haustürwiderrufsrichtlinie beherrscht, ist die Nachbelehrung kein Äquivalent für die dort geforderte Belehrung bei Vertragsabschluss, weil nur zu Beginn des Vertrages eine nicht durch faktische Verhältnisse beeinträchtigte Wahlchance besteht, die die Haustürsituation gerade nicht bot. Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie verlangt, dass die Belehrung (spätestens) bei Vertragsschluss zu erfolgen hat. Eine nach Vertragsschluss erfolgte Belehrung ist danach wie eine fehlende Belehrung zu behandeln und löst ein unbegrenztes Widerrufsrecht aus (Tonner, BKR 2002, 856 (858)). Der EuGH (NJW 2002, 281 (283)) hat dies als Recht des Verbrauchers anerkannt, „vor den Gefahren zu schützen, die sich daraus ergeben, dass Kreditinstitute bewusst Realkreditverträge außerhalb ihrer Geschäftsräume abschließen.“ Die Nachbelehrungsregelung ist auch nicht günstiger (Fischerl/Machunsky, HWiG, 2. Aufl., § 2 Rn. 48), weil das Gesetz die Nachbelehrung nicht verlangt sondern nur begünstigt, so dass im Ergebnis per Saldo die Verbraucherrechte geschmälert sind. Auch die neue Regelung verstößt daher gegen die Richtlinie.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
517
E. Verbundene Geschäfte und Verbraucherdarlehensvertrag
241
I. Finanzierte Geschäfte und „wirtschaftliche Einheit“. 1. Entwicklung. Das Abzahlungsgeschäft war historisch die integrierte Rechtsform, mit der der Vorgriff auf zukünftiges Arbeitseinkommen zur Deckung von Konsumbedürfnissen über Kredit bewältigt wurde. Im Mittelpunkt des Geschäftes stand der Konsumgütererwerb (Kaufvertrag). In ihm war die Kreditierung als unselbständiges Element (Stundung, Ratenzahlung) integriert. Die Sicherung erfolgte über das Konsumgut (Eigentumsvorbehalt) und die persönliche Haftung des Kreditnehmers und Bürgen. Im Übrigen trug der Abzahlungsverkäufer das Risiko von Tod und Insolvenz des Kreditnehmers, die Kosten der Anbahnung und des Abschlusses und die Rückzahlung erfolgte ausschließlich an ihn, bei dem auch Abwicklung und Verwaltung als unselbständige Folge des Verkaufs lagen. Dieses aus der Perspektive der Verbraucher „wirtschaftlich einheitliche Konsumgeschäft“ hat sich entsprechend moderner Arbeitsteilung auf der Anbieterseite ausdifferenziert, während es auf der Verbraucherseite weiterhin als finanzierter Konsum integriert bleibt.
242
Konsum und Finanzierung wurden in selbständige Konsumgeschäfte und Kreditgeschäfte aufgespalten, die Kreditanbahnung teilweise auf Kreditvermittler oder auch andere Finanzintermediäre oder auf Treuhänder, Anwälte und Notare sowie im Kreditkartengeschäft auf eigenständige Kreditkartenfirmen und den Handel ausgelagert. Die Kreditsicherheit wurde über Restschuldversicherungen für Tod, Arbeitsunfähigkeit und neuerdings auch Arbeitslosigkeit teilweise auf Versicherungsverträge, über Bürgschaften und gesamtschuldnerische Mithaftung teilweise auf Angehörige der Kreditnehmer verlagert, die Rückzahlung erfolgt bei Lebensversicherungskrediten oder in der Bausparsofortfinanzierung über das Ansparen auf Kapitallebensversicherungen und Bausparverträge, die Kreditverwaltung wurde auf gesonderte Giroverträge oder auf Servicebanken übertragen und bei der Forderungsbeitreibung trat das Inkassoinstitut oder eine Factoringgesellschaft an die Stelle des Kreditgebers. Der eigentlich wirtschaftliche Vorgang des finanzierten Konsums wird damit für den Verbraucher mit gesonderten Partnern, gesonderten Entgelten auf eine Vielzahl rechtlich selbständiger Verträge verlagert, die wirtschaftlich mit dem Kreditvertrag eng zusammenhängen.
243
Durch diese Aufspaltung (aus der Perspektive des Verbraucherschutzrechtes) oder Arbeitsteilung (aus Wirtschaftssicht) entstehen typische Marktvorteile der Spezialisierung, der Wahlmöglichkeit und des Wettbewerbs. Zugleich aber bietet aus juristischer Sicht die wirtschaftliche Entwicklung den Anbietern die Möglichkeit, das Verbraucherschutzrecht tendenziell unanwendbar werden zu lassen. Da Verbraucherschutz im Wesentlichen außerhalb der Gerichte verwirklicht werden muss, sind die Veränderungen nicht nur materiell-rechtlicher sondern vor allem auch prozessualer Natur. Der Verkäufer erhält sofort sein Geld, so dass die traditionelle Chance des Käufers, die Bezahlung bei Problemen zurückzuhalten, entfällt. Kosten im verbundenen Geschäften (Restschuldversicherung, Makler, Konto) werden so verschoben und aufgeteilt, dass sie dort anfallen, wo sie nicht wegen Wucher angreifbar oder unter Transparenzvorschriften fallen, gleichwohl aber die Erträge über Innenprovisionen zurück transferiert werden. Die Einschaltung von Treuhändern verlagert die Informationspflichten, die Belastung mit Inkassokosten bei der Beitreibung verschleiert das Schadensersatzrecht im Verzug. Durch Kettenumschuldungen wird aus einem Kreditverhältnis eine Kette von Verträgen, bei denen die Kosten des Vorvertrages als Leistung im Folgevertrag angegeben werden können. Zweifelhafte Schulden mit rechtlich angreifbarem Grund werden im Finanzprodukt mit dem „Trick der Abstraktion“ durch fingierte (Kreditkarte) oder erzwungene (Grundschuld) Schuldanerkenntnisse unangreifbar gemacht, durch aufgedrängte Rechtsformen wie die Miete mit Restwert-
244
Reifner
518
245
246
247
248
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
rücknahme (Leasing) werden Kredite aus dem Anwendungsbereich des Darlehensrechts entfernt. Die horizontale Arbeitsteilung entlang der Wertschöpfungskette gibt der Anbieterseite die systematische Möglichkeit, die „Isolation des Schuldverhältnisses vom Rest der Welt“ zu einer Derogation keinesfalls nur des Verbraucherschutzrechtes, sondern des traditionellen Schuldner- und Wucherschutzes sowie des Gerechtigkeitsgehaltes von Zivilrecht schlechthin zu befördern. Das Zivilrecht wird damit allmählich zu einem Beitreibungsinstrument degradiert, das die Gerichte zu „Dienstleistungsbetrieben der Wirtschaft“ macht und den Gesetzgeber zu einem Schutzpatron in antiquierten Distributionsformen, deren Verschwinden durch diese einseitige Belastung daher beschleunigt wird. Auf diese Weise verschwand das finanzierte Abzahlungsgeschäft ebenso wie der traditionelle Kontoüberziehungskredit. Die anarchische Kreditkarte, wie sie in den USA und England dominiert, verdrängt den Teilzahlungskredit, die variable Verzinsung den Festkredit u.s.w. Rechtsprechung und Lehre hatten frühzeitig den Satz aufgestellt, dass Treu und Glauben verbiete, dass durch die einfache Aufspaltung eines einheitlichen Geschäfts in zwei Verträge beim finanzierten Abzahlungsgeschäft der Käufer seine Rechte verliert (BGHZ 37, 94, 99; BGH NJW 1992, 2560; NJW 1984, 2816; Reifner, FS Derleder, S. 489 (505); Bülow/Artz, § 495 Rn. 224; Bamberger-Roth, § 495 Rn. 2). Dieser Grundsatz hätte konsequent weiterentwickelt das differenzierte Instrumentarium von Verzugskostenbegrenzung, Kündigungsschutz, Wucher, Zurückbehaltungsrechten, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Widerruf, Verbraucherinformation auch in der modernen Wirtschaft erhalten, die ihren Ursprung in der Sicht der Hauswirtschaft (oikos Haus, nemein verwalten), in der Konsum und Arbeit zusammenläuft, zurückgewinnen müsste. Stattdessen spielt sich in der neueren Rechtsprechung ein doppelter Prozess ab: die Überlagerung menschlicher Beziehungen über das Geld führt zur Reduktion des komplexen qualitativen juristischen Instrumentariums der Konfliktbewältigung durch Rückabwicklung, Nichtigkeit, Bereicherungsausgleich, Gewährleistung, ergänzende Interpretation etc. auf einen universellen Geldausgleichsanspruch (§§ 280, 249 ff. BGB). Die traditionelle Rolle des Rechts in der Rekonstruktion sozialer Verhältnisse wird auf die weniger werden Fälle eines exklusiven und unmittelbaren Kontakts zweier Vertragspartner reduziert. Aus der Frage, was Recht und Unrecht ist und was die ursprüngliche Intention der Parteien war wird die Frage, ob objektiv ein in Geld messbarer Schaden vorhanden ist, der auszugleichen wäre. Auf diese Weise erhalten die geprellten Verbraucher im Einzelfall Abfindungen, die mehr der Dämpfung der Empörung über inakzeptable Absatzformen dienen als zu ihrer Verbesserung beitragen. Die Rechtsprechung der letzten Jahre ist ein beredtes Beispiel hierfür, wie durch die Formalisierung des Gesetzeswortlauts ebenso wie durch die Individualisierung der Willenserklärung Rechte schlicht unanwendbar werden (Nobbe, ZBB 2008, 78 erklärt dies). Bei der zunehmenden vertikalen wie horizontalen Aufspaltung der Rolle des Veräußerers im Absatz wird das Widerrufsrecht an der Haustür und im Kredit obsolet, weil die verbundenen Geschäfte nicht mit einbezogen werden (BGH WM 2008, 154; BKR 2007, 325; WM 2007, 1173; BKR 2007, 225; NJW-RR 2007, 621; WM 2007, 200 ff; 2007, 114). Täuschung und Betrug bleiben i.S. des § 123 BGB ungesühnt, weil das Wissen nicht zurechenbar ist (BGH WM 2008, 154; WM 2003, 483 = BKR 2003, 290 = NJW 2003, 1390), der Wucherparagraph verliert seine Bedeutung, weil die Kosten aus dem Kredit auf Nebenprodukte ausgelagert nicht einbezogen werden (BGH BKR 2005, 153, drastisches Beispiel bei LG Bonn, Urteil vom 10.05.2007 – 3 O 396/05), Verzugszinsbegrenzungen werden durch geduldete Überziehungen (BGH NJW 1992, 1751) gesprengt, faktische Zwänge zum Verbund bleiben im Leasing und bei den Lebensversicherungshypotheken
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
519
unberücksichtigt. (BGH BKR 2005, 153), Notar und Unterschrift fingieren die neu erwachte Vertragsfreiheit des einzelnen gegenüber den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 492 IV S. 2 BGB; OLG Stuttgart WM 2007, 1121). Doch die Rechtsprechung steht bei dieser dramatischen Rechtsveränderung nicht mit leeren Händen dar. An die Stelle komplexer historisch gewachsener Rechtsstrukturen tritt der aus dem Common Law erwachsene deus ex machina des § 280 BGB, der über § 311 II BGB zu einem dem amerikanischen Tort entsprechenden universellen Instrumentarium ausgebaut wurde, bei dem der Richter nur noch drei Fragen zu beantworten hat: Pflichtverletzung? Schaden? Zurechenbarkeit? Bei Umschuldung (BGH ZIP 1987, 1525 = NJW 1988, 696 = BB 1987, 2262; NJW 1990, 1597 anders BGH WM 1991, 271) oder Einwendungsdurchgriff, im Wucher, bei unterlassenem Widerrufsrecht oder bei der falschen Preisangabe oder in der Irreführung und Falschberatung – der Richter kann, wenn er Pflichten erfinden, aufspüren oder ableiten kann, wenn er mit seinem rudimentären Marktwissen meint, dass es für den Verbraucher bessere Alternativen gegeben hätte und ferner dafür hält, dieser hätte sie auch ergriffen, und wenn er schließlich noch der Auffassung ist, dass das Verhalten, das Wissen und die Absicht aus einem anderen Vertrag etwa kraft institutioneller Zusammenarbeit zurechenbar ist, dem Verbraucher im Einzelfall ohne strukturelle Auswirkungen auf die Kreditvergabe gnädig eine Abfindung in Geld verschaffen. Verbraucherpolitisch sind diese Ansätze der Rechtsprechung am Geldschaden (Umschuldung, verbundene Geschäfte) gegenüber den formalen Ansätzen (Wucher, Bürgschaft, Haustür, Widerruf, Einwendungsdurchgriff) regelmäßig ins Leere gegangen und haben in der Praxis keine strukturellen Wirkungen erzielt.
249
Die Entwicklung führt zudem nicht nur in eine große Rechtsunsicherheit, sondern zur Rückkehr des Richter-Königtums, bei dem die Anwaltschaft als Bittsteller und die Verbraucher als Almosenempfänger in Erscheinung treten. Der Wirtschaft aber wird signalisiert, dass sie auf dem richtigen Wege ist, dass die Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen eine reine Frage der Kalkulation und Wahrscheinlichkeitsrechnung über die Anzahl der erwartbaren Prozesse sowie der Anzahl der daraus resultierenden, Kosten generierenden Urteile ist und dass die Arbeitsteilung entlang der Wertschöpfungskette mit ihren Produktivitätsgewinnen ohne Rücksicht auf ihre Auswirkungen zulasten der „Hauswirtschaft“ (Öko-Nomie) vorangetrieben werden kann. Mit der Neuschöpfung des institutionellen Zusammenwirkens und dem Übergang auf das Aufklärungsverschulden hat der XI. Senat des Bundesgerichtshofs diesem Weg praktisch generelle Bedeutung zugesprochen (vgl. BGH NJW 2008, 644; WM 2008, 154; BKR 2008, 199; Urt. v. 25.09.2007XI ZR 274/05; WM 2007, 1651; 2007, 1173; BKR 2007, 325; WM 2007, 873; NJW-RR 2007, 925; NJW 2007, 1130; NJW-RR 2007, 621; WM 2007, 200 ff; 2007, 116; WM 2007, 62 ff.; 2007, 174; 2007, 114; 2006, 110; NJW 2007, 364; 2007, 361; 2007, 357; WM 2006, 2303; ZIP 2006, 2261).
250
Doch dieses Szenarium, für das die Belege aus der jüngeren Rechtsprechung selbst in diesem kurzen Beitrag ausreichen, braucht eine Alternative. Der Bankrott von Banken, die die Freiräume zum unkontrollierten Wucherkredit bis zur Insolvenz amerikanischer Verbraucher nutzten und durch Verkauf verbriefter Risiken andere in Europa mit in den Strudel rissen, bezahlt nun der Steuerzahler. Allseits wird nach Regulierung gerufen. Es gibt dazu eine ganz andere präsente Rechtstradition, die sich darum bemüht hat, den Schatz traditioneller Rechtsfiguren, die sich als präventiv wirkende Begrenzungen von Handlungsmacht in der Wirtschaft über Jahrhunderte bewährt haben, dadurch zu erhalten, dass die aus § 242 BGB abgeleitete Grundidee des „verbundenen Geschäfts“ mit der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ und dem „Umgehungsverbot“ bei jedem Rechtsinstitut und Paragraphen, die effektiv wirtschaftliche Macht zügeln, geprüft und für die Entwick-
251
Reifner
520
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
lung moderner und angepasster Lösungen genutzt wurde und wird. Auf sie gilt es zurückzugreifen und die unterbrochene Entwicklung wieder aufzunehmen (so z.B. BGHZ 156, 46; WM 2004, 1527; W 2007, 203; OLG Celle, Urt. v. 09.08.2006 – 3 U 112/06 unter II. 1. b) aa)). Den Anfang im Kreditrecht hat dabei das finanzierte Abzahlungsgeschäft gemacht. Seine Grundideen und die umfassende juristische Diskussion über die Integration dieser Idee ins Zivilrecht (Reifner, Verbraucherverschuldung, S. 308 ff.) sind moderner als der Aufstieg der culpa in contrahendo zum schillernden Lösungsangebot der Moderne. 252
2. Einwendungs- und Widerrufsdurchgriff bei finanzierten Geschäften. In der Konsumentenkreditrichtlinie und entsprechend im BGB findet die Annahme einer solchen rechtlich erheblichen wirtschaftlichen Einheit etwa beim Einwendungsdurchgriff im finanzierten Abzahlungsgeschäft (Art. 15 RL 2008/48/EG; Art. 11 RL 87/102/EWG und § 359 BGB), beim Einwendungserhalt nach einem Abtretungsgeschäft (Art. 9 und 17 RL 2008/48/EG und § 496 I BGB), bei verbundenen Wechsel- und Scheckverträgen (Art. 10 RL, entfallen in RL 2008/48/EG und § 496 II BGB), bei verbundenen Kreditvermittlerund Restschuldversicherungsverträgen (Art. 5 I u. 5 bis 7 (Kreditvermittler), Art. 4 III (Restschuldversicherung) RL 2008/48/EG und § 492 I S. 5 Ziff. 4 und 6 BGB), bei Kreditvertrag und einem Vollmachtsverhältnis (§ 492 IV BGB) sowie insgesamt bei Aufspaltung in mehrere verbundene Kreditverträge und zur Umgehung (Art. 22 III und Art. 14. II RL 2008/48/EG, § 506 S. 2 BGB) ihren Niederschlag.
253
Die Rechtsprechung hat diese Regeln fortentwickelt, so dass die Grundsätze, die schon unter dem Abzahlungsgesetz galten, weiterhin auch nach neuem Recht entscheidend sind (OLG Köln WM 1995, 611), auch wenn diese Entwicklung, soweit der Gesetzgeber sie nicht fixiert hat, zu einem relativ abrupten Ende gekommen ist. Bei (1) der Frage der Einbeziehung der Vermittlerprovision (BGH NJW 1981, 1206 (1209); 2000, 2270) oder (2) der Einordnung der Restschuldversicherung als verbundenem Geschäft (BGH NJW 1990, 1844 (1845), BGH NJW 1982, 2433 (2434); OLG Rostock NJW-RR 2005, 1416 f.; tendenziell auch OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2007 – 1-31 W 38/07; Reifner BKR 2008 (November); Staudinger-Kessal-Wulf, § 358 Rn. 40; MünchKommBGB-Habersack, § 358 Rn. 12; Palandt-Grüneberg, § 358 Rn. 7; a.A. LG Bonn, Urteil vom 10.05.2007, AZ 3 O 396/05) in den Wuchervergleich oder in den Widerruf (LG Hamburg, Urteil vom 11.07.2007 – 322 O 43/07; Reifner WM 2008 H.12), (3) bei der Begründung des Einwendungsdurchgriffs bei finanzierten Erwerbs- oder Dienstleistungsgeschäften (BGH NJW 1992, 2560 (2562); 1983, 2250; 1980, 1155; 1980, 1514; 1980, 938 (unter I 3 und 4); 1981, 1960; BGHZ 83, 301 (303 ff.) = NJW 1982, 1694; NJW 1971, 2203 (unter II 1); 1980, 1155; 1514 (unter III 2)), (4) der Behandlung von Kombinationskrediten aus Kapitallebensversicherung und Kredit bei der Gesamtbetragsangabe (BGH NJW 2002, 957 (958); 1990, 1844; Reifner, ZBB 1999, 349), (5) bei der Verbindung von Bürgschaftssversprechen der unbemittelten Ehefrauen mit dem Kredit des Ehemanns nach Ehescheidung (BGH NJW 2001, 815; 1997, 1005) oder (6) in der Haustürsituation (BGH NJW 1993, 1594 unter Aufgabe der früheren Auffassung in BGH NJW 1991, 975) und schließlich (7) bei der wirtschaftlichen Betrachtung des Finanzierungsleasings als verdecktem Abzahlungsgeschäft (BGH EWiR 1987, 413 (v. Westphalen); BGH NJW 2001, 1349; 1996, 2033 (unter II 1 b aa); BGHZ 133, 71 (75) = NJW 1996, 2156), immer ging es um das Anliegen, dass das Umgehungsverbot formuliert hatte.
254
Der Gesetzgeber hat in § 358 III S. 1 BGB lediglich den Spezialfall der Verbindung von finanziertem Vertrag mit dem Finanzierungsvertrag und dies auch nur im Hinblick auf Widerrufsrecht und Einwendungsdurchgriff definiert und unter dieser Bezeichnung geregelt. Danach kommt es auf die „dienende Funktion“ des Kredites für den Erwerbsvertrag sowie darauf an, ob beide eine „wirtschaftliche Einheit“ bilden und keiner ohne den anderen ge-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
521
schlossen worden wäre (BGH NJW 2000, 3065; BGHZ 91, 9 (11) = NJW 1984, 1755; BGH NJW-RR 1990, 1072 (1073) m.w.N.; NJW 1992, 2560 (2562)). Dies ist gem. Satz 2 insbesondere anzunehmen, wenn die Finanzierungsintiative vom Anbieter der Konsummöglichkeiten ausgeht oder bei Vermittlung über einen Dritten, wenn sich der Kreditgeber der Mitwirkung des Anbieters der Konsummöglichkeiten bedient. Für Immobilienverträge hat der Gesetzgeber in Satz 3 noch schärfere Bedingungen für ein verbundenes Geschäft geschaffen, was wiederum mit den speziellen Bedingungen der Erwerbermodelle einer deutschen Großbank zu tun hatte (dazu unten unter Rn. 291 ff.). Zur Herleitung einer wirtschaftlichen Einheit bei finanzierten Erwerbsgeschäften (BGH NJW 2000, 3065; 1980, 1514; BGHZ 83, 301 (303 f.) = NJW 1982, 1694; 1987, 1813; 1992, 2560 (2562)) sind dabei objektive Verbundenheit und subjektive Zurechenbarkeit dieser Verbindung an die Kreditgeber ähnlich wie dies aus der Rechtsprechung zur Anscheinsvollmacht und zur Rechtsscheinhaftung bekannt ist, erforderlich. Nutzung gemeinsamer Formulare, Rahmenvertrag, gegenseitige Werbung und Hinweise, Residieren des Finanzmaklers im Haus der Verkaufsagentur bei Time-Sharing (OLG Düsseldorf NJW 1997, 2056), Überweisung der Darlehenssumme direkt und vorbestimmt an den Veräußerer ohne vorherigen Lieferungsnachweis (BGH NJW 1982, 1694) sowie fehlende Verfügungsbefugnis des Darlehensnehmers über die Valuta (BGH NJW 1984, 1755 (1756); 1980, 938 (940); BGHZ 83, 301 (305) = NJW 1982, 1694) deuten daraufhin, dass die wirtschaftliche Einheit bei finanzierten Konsumgeschäften letztlich von den Interessen des Veräußerers der Ware oder Dienstleistung getragen wird und die Bank Widerruf und Einwendungsdurchgriff nur deshalb ertragen muss, weil sie dessen Geschäfte eigennützig unterstützt und beide nach der Theorie Gernhubers ein gesellschaftsähnliches Verhältnis unterhalten. Nach der Rechtsprechung, der der Gesetzgeber hastig in § 358 III S. 3 BGB (dazu Bülow, § 495 Rn. 267 a ff.) gefolgt ist, soll bei Immobiliarkrediten trotz objektiv vorliegender Merkmale etwas ganz anderes gelten. „Auch der rechtsunkundige und geschäftsunerfahrene Laie (weiß), dass Kreditgeber und Grundstücksveräußerer in der Regel verschiedene Personen sind. Deshalb kommt eine hinreichende wirtschaftliche Verflechtung beider Rechtsgeschäfte nur in Betracht, wenn sich der Darlehensgeber nicht mit seiner Finanzierungsrolle begnügt, sondern Funktionen des Verkäufers (etwa Werbung und Vertrieb, rechtliche Ausgestaltung der Geschäfte) im Zusammenwirken mit diesem in einer Weise und in einem Umfang wahrnimmt, dass die Berufung auf die rechtliche Selbstständigkeit des Darlehensvertrags gegen Treu und Glauben verstößt“ (BGH NJW 2000, 3065; ferner WM 2007, 1173 m.w.N.; 1980, 41 (42 ff.); 1980, 1514; 1981, 389 (390 ff.); 1988, 1583; WM 1986, 1561 (1562); 1992, 901 (905 f.)). Mit dieser Subjektivierung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und ihrer Reduzierung auf das Informationsmodell („weiß“) wird das Verbraucherkreditrecht, wie noch zu zeigen ist, durch das Kapitalanlagerecht überlagert. Die Anwendungsfälle, die Grundlage dieser Rechtsprechung waren, sind dabei wichtiger als die allgemeinen Sätze, bei denen mit der wirtschaftlichen Einheit ein für den Verbraucherschutz wichtiges Instrument gerade erst gesetzgeberische Konturen erhielt, die es fortzuentwickeln gilt (eingehend Becher, BKR 2002, 931). Daher ist auch die Präzisierung in § 358 III S. 3 BGB nur für Immobiliardarlehensverträge und dabei teleologisch reduziert auf dadurch getätigte Kapitalanlagen anzuwenden, da die Subjektivierung des Einwendungsdurchgriffs („begünstigt“ und „Interesse“) als Sonderregelung auf den allgemeinen Einwendungsdurchgriff, wie er in § 358 III S. 2 BGB bestimmt ist, nicht anwendbar ist (ähnlich Bülow, § 495 Rn. 267 d).
Reifner
255
256
257
258
522
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
259
3. Verbundene Geschäfte als Auslegungshilfe. Die wirtschaftliche Einheit als Umgehungsverbot für verbraucherschützende Vorschriften ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und hat sich als Umgehungsverbot im speziellen Verbraucherschutzrecht niedergeschlagen. Darüberhinaus gibt es konkrete Regelungen wie z.B. §§ 492 I S. 5 Ziff. 4 a.E., 655b I S. 4, 655c BGB zur Einheit von Vermittlervertrag und Darlehensvertrag für Information und Entgelt, § 6 PreisAngVO bzw. Art. 1a II Ziff. iii –v RL 87/102/EWG zur Einheit zwischen Darelehensvertrag und bestimmten Kontoverträgen, Mitgliedschaften und Versicherungsverträgen für die Effektivzinsangabe und am generellsten §§ 358 f. BGB für die Einheit von Erwerbsgeschäften mit dem finanzierenden Darelehnsvertrag für Widerruf, Mängel und Insolvenz im Erwerbsgeschäft. Sie regeln spezielle Fälle der wirtschaftlichen Einheit bei Vertragsmehrheiten regeln. § 358 BGB allein verwendet dabei einen allgemeinen Begriff der „verbundenen Verträge“, der über den konkreten Anwendungsbereich hinaus für eine Fortbildung der Grenzen und Möglichkeiten wirtschaftlicher Betrachtungsweise zumindest im Kreditrecht genutzt werden kann.
260
Nach dem Wortlaut des § 358 III S. 1 BGB (so schon § 9 I S. 2 VerbrKrG) liegt danach ein verbundenes Geschäft vor, wenn erstens objektiv das Verbraucherdarlehen zumindest der teilweisen Finanzierung eines bestimmten anderen Geschäftes diente und darüber hinaus eine „wirtschaftliche Einheit“ zwischen diesen beiden rechtlich getrennten Verträgen besteht, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das Erwerbsgeschäft dem Kreditgeber dadurch zurechenbar ist, dass er sich mit dem Erwerbsgeschäft verbundener Dritter bei „Vorbereitung oder Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages bedient hat. Die Richtlinie übernimmt dies nun nun in Art. 3 n) ii) RL 2008/48/EG, betont aber, dass die Merkmale der „wirtschaftlichen Einheit“ bei „objektiver Betrachtungsweise“ vorliegen. Dabei werden Verträge, die nur teilweise finanzieren, dem Wortlaut nach ausgeschlossen, dafür aber der Fall einbezogen, dass im Kreditvertrag die „spezifische Ware oder Dienstleistung“ benannt ist. Da Art. 15 III RL 2008/48/EG ausdrücklich dem weitergehenden innerstaatlichen Recht den Vorrang einräumt, wird es in Zukunft in Deutschland lediglich eine Erweiterung um die Nennung des zu finanzierenden Gegenstandes im Vertrag geben müssen (dazu, dass dies z.Zt. nicht erforderlich ist EuGH Rs. C-492/05 „Rampion“ ABl. EG 2006, C 36, 22).
261
Es muss daher, was am Beispiel des finanzierten fremdgenutzten Immobilienerwerbs noch verdeutlicht werden kann, die Rechtsfigur des verbundenen Geschäfts auch für zukünftige Umgehungstatbestände wirtschaftlicher Gestaltungen genutzt werden können, wobei der Grundsatz besteht, dass durch die einseitige Ausübung der Vertragsgestaltungsmacht Darlehensgeber nicht den gesetzlich verordneten Verbraucherschutz verkürzen können. Die „falsa demonstratio non nocet“ Regel erhält damit eine materialisierte Bedeutung.
262
Die erste Fassung der Verbraucherkreditrichtlinie vom 11.9.2002 (KOM (2002) 443 endg.) hätte hier erheblichen Fortschritt gebracht, als sie neben den finanzierten Abzahlungsgeschäften in Art. 12 II (einzubeziehende verbundene Geschäfte bei der Effektivzinsangabe: Restschuldversicherung, Kapitallebensversicherung evtl. Kontogebühren), Art. 20 (Abstimmung des für die Rückzahlung vorgesehenen Investmentprodukts auf den Kredit), Art. 23 (Bürgschaftsverträge und Kredit) und Art. 29 (Vermittlervertrag und Kredit) diese Grundsätze umsetzte und damit dem Kreditmarkt erhebliche Fehlentwicklungen erspart hätte. Bis auf die schon in der alten Richtlinie vorhandenen Verbindungen sind sie in der neuen Fassung zugunsten einer rein rechtlichen Betrachtungsweise fallen gelassen worden. Den Widerspruch zum Umgehungsverbot des Art. 22 III RL 2008/48/EG werden die Gerichte aufzulösen haben. Dies ist allerdings noch offen, da im Gefolge der Rechtsprechung des XI. Senats des BGH, der die am Verbraucherschutz orientierte Aus-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
523
legung des vormaligen III. Senats durch einen neuen Rechtsformalismus bei verbundenen Geschäften sukzessive aufgegeben hatte, die Gerichte wenig Neigung zeigten, den Kreditgebern Grenzen der Gestaltungsmacht zulasten der Verbraucher aufzuerlegen. In einer neuerlichen Wende ist allerdings mit der Neuschöpfung eines „institutionellen Zusammenwirkens“ wieder Bewegung entstanden, die eine erneute Anknüpfung an die Rechtstradition des Schutzes des Schwächeren im Recht möglich erscheinen lassen. Im Folgenden wird der allgemeine Begriff des verbundenen Geschäfts genutzt. II. Spar-Kredit-Kombinationen. Spar-Kredit-Kombinationen sind verbundene Geschäfte, bei denen ähnlich wie beim finanzierten Abzahlungsgeschäft das Kreditgeschäft bei wirtschaftlicher Einheit aufgespalten wird in zwei voneinander rechtlich selbständige Verträge. Wirtschaftlich gesehen wird die Rückzahlungspflicht in ein separates Tilgungsgeschäft verlagert, das jedes beliebige Anlagegeschäft sein kann, das bei Endfälligkeit die Tilgung der Darlehensvaluta übernehmen kann.
263
Der BGH (NJW 2002, 957 (958)) hat Spar-Kredit-Kombinationen als
264
„Endfällige Festkredite (bezeichnet), bei denen eine enge Verbindung zwischen dem Kreditvertrag und einem Ansparvertrag (Lebensversicherung, Bausparvertrag o. ä.) vereinbart wird (…) wenn der Festkredit mit einem Bausparvertrag, einer Lebensversicherung oder einem sonstigen Ansparvertrag derart verbunden wird, dass die Tilgung des Kredits für die Laufzeit ausgesetzt wird und dafür parallel Zahlungen auf einen der genannten Ansparverträge geleistet werden.“ Aus der maßgeblichen Sicht des Kreditnehmers ist es nur von nachrangiger Bedeutung, ob er Tilgungsraten direkt an den Kreditgeber oder zunächst Zahlungen an eine Versicherung oder Bausparkasse erbringt, wenn nur von vornherein feststeht, dass diese Zahlungen zur Rückzahlung des Kredits verwendet werden (Schimansky/Bunte/LwowskiPeters, § 4 VerbrKrG Rn. 80; WM 1994, 1405 (1406); v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg-v. Rottenburg, § 4 Rn. 80; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Wagner-Wieduwilt, § 4 Rn. 74).
265
In Artikel 20 des aufgegebenen Vorschlags für eine neue Konsumentenkreditrichtlinie v. 11.9.2002 (KOM (2002) 443 endg.) wurden die dort als „Kreditvertrag mit Kapitalbildungsklausel“ bezeichneten verbundenen Kredite wie folgt definiert und geregelt:
266
„1. Dienen die Zahlungen des Verbrauchers nicht der Tilgung seiner Schuld im Verhältnis zum Gesamtkreditbetrag, sondern der Bildung von Kapital innerhalb der Zeiträume und zu den Bedingungen, die im Kreditvertrag vorgesehen sind, so ist diese Kapitalbildung in einem Zusatzvertrag zum Kreditvertrag zu regeln. 2. Dieser in Absatz 1 genannte Zusatzvertrag ist so zu gestalten, dass die Rückzahlung des gesamten in Anspruch genommenen Kredits unbedingt gesichert ist. Kommt der mit der Kapitalbildung betraute Dritte seinen Verpflichtungen nicht nach, so haftet der Kreditgeber. 3. Zahlungen, Prämien, wiederkehrende oder nicht wiederkehrende Kosten, die der Verbraucher aufgrund des in Absatz 1 genannten Zusatzvertrags schuldet, bilden zusammen mit den Zinsen und Kosten des Kreditvertrags die Gesamtkreditkosten. Der effektive Jahreszins und der Kreditgeber-Gesamtzins errechnen sich aus der Gesamtheit der Verbindlichkeiten des Verbrauchers.“ In Art. 12 Ziff. 7 wurde auf die im Anhang vorgesehene integrierte Effektivzinsberechnung hingewiesen, bei der entsprechend der cash-flow Methode alle Zahlungen des Kreditnehmers auf Tilgungsinstrument und Kredit allen Zahlungen des Kreditgebers aus diesen Verträgen an ihn in der Zeit gegenübergestellt werden, wobei der Effektivzinssatz
Reifner
267
524
268
269
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
derjenige Zinssatz ist, bei dem die um die Zinsen erhöhten Einzahlungen mit den Auszahlungen gleich sind. 1. Lebensversicherungshypothek. In den Lebensversicherungshypotheken oder bei der Kombination einer Kapitallebensversicherung mit einem Festkredit zur Erreichung der Ziele eines Ratenkredits wird das Ziel eines Ratenkredits mit Restschuldversicherung in der Weise erreicht, dass die Tilgung in die Kapitallebensversicherung umgeleitet und deren Risikoanteil zugleich der Absicherung der Restschuld dient. Es werden somit wirtschaftlich die Ergebnisse eines Raten- oder Hypothekenkredits durch Aufspaltung in drei Vertragstypen erreicht: ein tilgungsfreier Festkredit, ein in der Kapitallebensversicherung enthaltener Sparvertrag mit Mindestverzinsung und dem Versprechen einer Überschussbeteiligung sowie einer Risikolebensversicherung, die die Differenz zwischen jeweils angespartem Kapital und der Kapitallebensversicherungssumme für den Todesfall versichert (vgl. im einzelnen die Beschreibung in Reifner/Keich, BauFin, S. 63 ff.). Da am Ende der Laufzeit des Kredites die Tilgung durch die insoweit zwingend vorgeschriebene Verbindung zur abgetretenen Kapitallebensversicherung steht, ist damit implizit auch die Restschuldversicherung zwingend vorgeschrieben (dazu Reifner, ZBB 1999, 349 ff.; ZIP 1988, 817; VuR 1988, 139). Versuche der Versicherungswirtschaft, die Kapitallebensversicherung ohne Risikoübernahme und damit ohne „Versicherung“ als reinen Sparvertrag anzubieten, sind zu Recht am Einspruch der Versicherungsaufsicht gescheitert, da dann reine Bankgeschäfte vorliegen würden. Der Zusammenhang von Kredit und Versicherungsprodukt ist hier so unzertrennlich und durch den Zufluss der Provision an die Bank, den Abschluss der Versicherung bei der Bank selber unter Nutzung der vorrätigen Versicherungsformulare gemeinsam angebahnt und gewollt, dass nach der Definition des „verbundenen Geschäftes“ kein Zweifel darüber bestehen dürfte, dass es sich hierbei um eine Form handelt, die dann eine Umgehung der Verbraucherschutzvorschriften bedeuten, wenn sie die Information der Verbraucher gegenüber dem einfachen Kredit verschlechtern. Dies ist aber der Fall, weil Lebensversicherungshypotheken je nach Spread zwischen Rendite der Kapitallebensversicherung und Zinssatz des verbundenen Kredites einen um bis zu 1 % p.a. günstigeren Zinssatz aufweisen, als wie Hypothekenkredite, bei denen der Verbraucher exakt genau die gleichen Auszahlungen und Einzahlungen erhalten würde. Der Effekt ist leicht verständlich, wenn man sich vorstellt, man solle statt eine Kontoüberziehung von 1.000 Euro mit 10 % p.a. Zinsen mit den vorhandenen 1.000 Euro sofort zurückzuzahlen dieses Geld entsprechend dem Produkt ein Jahr lang auf einem anderen Girokonto mit Guthabenverzinsung von 3 % zurückhalten. Während die Schuld im ersten Fall bei 0 stünde, wäre sie bei Umleitung der Tilgung auf ein Anlageprodukt bei 90 Euro im Minus (120 Euro Kreditzinsen – 30 Euro Habenzinsen). Obwohl die Bank beide Alternativen als gleichwertig anpreist und in beiden Fällen 1000 Euro Kredit besteht und 1000 Euro sofort gezahlt werden müssen, unterscheidet sich der Effektivzinssatz von 12 % p.a. im ersten Fall dramatisch, weil dafür, dass ich faktisch über keinen Kredit verfügen konnte, noch 90 Euro bezahlen muss. Der Bundesgerichtshof (BGH BKR 2005, 153) lehnt es gleichwohl ab, hierin eine Umgehung der Angabepflichten für einen repräsentativen Effektivzinssatz zu sehen. Er verweist auf die verwaltungsinternen Ausführungsrichtlinien der Bund-Länder-Kommission Preisauszeichnung und geht mit der ganz hM davon aus, dass die Restschuldversicherungsprämien nicht einzubeziehen seien (Völker, Preisangabenrecht, 2. Aufl., § 6 PAngV Rn. 72; Gerhard/Langbein, PAngV 93, S. 44; Bohner, WM 2001, 2227 ff.; v. Westphalen/Emmerich/ v. Rottenburg-v. Rottenburg, § 4 VerbrKrG Rn. 125; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 78 Rn. 28 a; Wimmer/Stöckl-Pukall, Die Preisangabenverordnung der Banken, S. 41; Sievi, FLF 1997, 45, 46; a.A. Boest, NJW 1993, 40 (41); Hemmerde/v. Rottenburg, WM 1993, 181, 182; Reifner, ZBB 1999, 349, 356 f., VuR 2002, 367, 372 f.).
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
525
Da er die Verordnung gem. Art. 80 GG im Lichte des Gesetzes (§§ 492, 506 BGB) und nicht das Gesetz im Lichte der Verordnung hätte interpretieren müssen, erstaunt, dass das Ergebnis mit einer rein wirtschaftlichen Begründung erzielt wird, während im übrigen nur dargetan wird, dieses Ergebnis verstoße auch nicht gegen seine sonstige Rechtsprechung. Auch bei sorgfältiger Durchsicht der Entscheidung fällt kein einziges rechtliches Argument auf, außer das der Wortlaut der Preisangabenverordnung anders sei, die Richtlinie nichts anderes vorschreibe und eine andere Sicht im Übrigen „schon mangels Praktikabilität“ ausscheidet. Das Gegenteil ist der Fall. Nach der im Gesetz bestimmten Gegenwartsmethode sind nur die beiden Zahlungsströme und nicht etwa einzelne Kostenelemente beim Vergleich einzubeziehen. Diese aber stehen, wie der BGH in seiner Rechtsprechung zur Angabe des Bruttokredites aus der Summe aller Zahlungen des Kreditnehmers aus Prämien und Zinsen festgestellt hat, ebenso fest, wie die vom Kreditgeber ausgezahlte Summe. Dass darüber hinaus „die kreditgebenden Banken … bei Abschluß des Kreditvertrages häufig nicht einmal die Versicherungsgesellschaft kennen“ ist eine ebenso peinliche Vorstellung, da viele der Banken die Produkte der eigenen Versicherer verkaufen und im Übrigen die Versicherungsgesellschaften ja selber die Hauptkreditgeber in dieser Form sind. Der BGH lehnt es aber auch als „unangemessen“ ab, dass wegen der Nichtangabe der Prämien aus der Kapitallebensversicherung im Kreditvertrag als einer „sonstigen Versicherung“ (§ 492 I S. 5 Ziff. 6 BGB) eine Freistellung von den Prämien gemäß § 494 II S. 3 BGB folgen soll. Er zeigt zu Recht auf, dass dadurch eine schärfere Sanktion als bei sittenwidrigen Krediten gem. § 817 S. 2 BGB entstehen würde. Dass die herrschende Meinung dies anders sehe, dürfte aber nur einer Verwechselung von Restschuldversicherungsprämien und umgeleiteter Tilgung geschuldet sein. Selbstverständlich sind die Prämien der Kapitallebensversicherung, soweit sie Ansparbeträge enthalten, ebenso wenig „Kosten einer sonstigen Versicherung“ wie die Einzahlungen auf einen Sparvertrag als Kosten des Sparens angesehen werden könnten (so aber LG Leipzig BKR 2004, 372). Da der Versicherungsnehmer am Ende der Laufzeit sein angespartes Kapital herausbekommt handelt es sich um Sparbeiträge, für die das Gesetz bisher keine Regelung vorsah und auch nicht braucht, weil es sich um nichts anderes als um die umgleitete Rate handelt, die auch beim Teilzahlungskredit nicht bei den Kosten anzugeben ist. Gerade die Umleitung aber stellt eine Umgehung der Preisangabenvorschrift dar, weil dadurch das Restkapital des Kredites wirtschaftlich gesehen falsch dargestellt ist. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise schuldet der Kreditnehmer nur noch den Saldo aus Ansparbetrag und Restschuld. Nur dieser dürfte verzinst werden. Stattdessen wird wie bei einer Tilgungsverrechnungsklausel, die die Tilgungswirkungen der Verbraucherzahlungen jeweils ans Ende des Kalenderjahres verschiebt, unabhängig von der Rückzahlung die Ursprungssumme voll verzinst. Dass eine Tilgungsverrechnungsklausel keinen Einfluss auf den Effektivzins haben darf, ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Auch hier bleibt der im Gesetz verankerte strikte Verbraucherschutz unangewandt. Als Ausweg wird dann der Schutz der Verbraucher auf ein Aufklärungsverschulden verschoben, mit dem sich Einzelfallgerechtigkeit suggerieren lässt, üblicherweise aber wie im vorliegenden Fall nicht eingreift, weil nach der subjektiven Einschätzung des Gerichts die Aufklärung ausreichte, kein Schaden vorlag oder keine Alternative erreichbar war. Geht man den Argumenten für ein Aufklärungsverschulden nach, so wird aber auch hier letztlich das verbundene Geschäft deutlich, mit dem die Anwendung der Kreditschutzvorschriften neu zu überdenken wären. Das OLG Franfurt/Main (WM 2002, 549; ähnlich BGH WM 1998, 939 unter III. 2 b; BGH, NJW 1989, 1667; vgl. bereits BGH BB 1988, 582; NJW 1990, 1844; OLG Hamm
Reifner
270
271
272
273
274
526
275
276
277
278
279
280
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
VuR 1987, 83; Reifner, KreditR, § 21 Rn. 41 f.; ZIP 1988, 820; VuR 1986, 6; DB 1984, 2178 (2182 f.); OLG Hamburg VuR 1986, 22 gegen OLG Hamburg WM 1986, 1431; OLG Düsseldorf VuR 1987, 203; offen gelassen in OLG Stuttgart WM 2000, 292 unter I. 5 d) hat dies wie folgt beschrieben: „Die Kopplung von Festkredit und Kapitallebensversicherung bewirkt eine langfristige Bindung des Darlehensnehmers; da eine Tilgung des Kredites erst am Ende der vereinbarten Laufzeit erfolgt, muss er das Darlehen während des gesamten Zeitraums in voller Höhe verzinsen. Eine vorzeitige Kreditkündigung führt wegen des ungünstigen Rückkaufswertes der Versicherung zu einer erheblichen Vermögenseinbuße. Diese mit der Vertragskombination verbundenen Nachteile sind für den durchschnittlichen Kreditbewerber weitgehend undurchschaubar. Vor allem vermag er nicht die sich aus der Vertragskombination ergebende effektive Gesamtbelastung zu erkennen.“ Die Undurchschaubarkeit der Belastung wiegt für den Kreditbewerber besonders schwer, wenn ihm lediglich an der Kreditgewährung als solcher und nicht auch am Abschluss eines Kapitallebensversicherungsvertrages gelegen ist. Besteht ein solches Versicherungsbedürfnis nicht, so bedarf es von der schutzwürdigen Interessenlage des Kunden her einer Rechtfertigung. Deshalb ist die Bank nach Treu und Glauben gehalten, den Kreditbewerber im Rahmen der Vertragsverhandlungen von sich aus über die spezifischen Vorund Nachteile aufzuklären (BGH WM 1989, 665 (666)). Ohne eine solche Aufklärung und Belehrung vermag ein durchschnittlicher Kreditbewerber nicht sachgerecht zu prüfen, ob die Aufnahme eines mit einer Kapitallebensversicherung gekoppelten Kreditvertrages für ihn wirtschaftlich vertretbar ist; denn in der Regel ist eine solche Kopplung wesentlich ungünstiger als ein vergleichbarer marktüblicher Ratenkredit mit einer Restschuldversicherung (BGH WM 1989, 665 (663)). Es handelt sich somit bei den Kapitallebensversicherungskrediten um klassische Anwendungsfälle von Umgehungsgeschäften i. S. des § 506 S. 2 BGB, bei denen durch die Aufteilung von Kreditauszahlung und Kreditrückzahlung auf zwei verschiedene Verträge wirtschaftlich die Ergebnisse eines Tilgungskredits erreicht werden. Kapitallebensversicherung und Kredit sind „verbundene Geschäfte“, bei denen die Tilgungsleistungen des Verbrauchers niedriger verzinst und unsicherer angelegt aufgeschoben werden, um damit bei gleichem Effektivzins mehr Kreditzinsen im Kreditvertrag zu erwirtschaften, als wenn der Verbraucher seine Sparleistungen unmittelbar zur Tilgung des Kredites genutzt hätte. Damit ist der Kreditgeber auch der Aufgabe enthoben, die Kapitallebensversicherung transparenter in Sparprämie und Risikolebensversicherungsprämie aufzuteilen, was bisher in der Branche noch kaum üblich ist. Da Kosten und Tilgungsbeiträge in gleicher Weise zum Cash Flow gehören, wird die gesamte Versicherungsprämie in der Effektivzinssatzberechnung berücksichtigt. Dass dabei die Überschussbeteiligung nicht garantiert ist, ist insoweit unerheblich, als es sich dabei um „veränderliche Bedingungen handelt“ und der Kreditgeber daher nur entsprechend seiner in der Kapitallebensversicherung gegebenen Schätzung der Überschussbeteiligung auf Grund der aktuellen Werte einen „anfänglichen effektiven Jahreszinssatz“ angeben muss, der sich, wie die aktuellen Zahlen seit 2003 deutlich machen, allerdings noch drastisch durch Wegfall der Überschüsse verändern kann. Bei der Frage, ob bei verminderter Überschussbeteiligung und Auszahlung der Versicherungssumme der Kredit gleichwohl getilgt ist, kommt es darauf an, ob die Kapitallebensversicherung erfüllungshalber oder an Erfüllungsstatt i.S. des § 362 BGB abgeschlossen wurde. Hierzu ist der Vertrag i.S. der §§ 133, 157 BGB auszulegen. Die Rechtsprechung hat dabei die Formulierung im Vertrag, dass die Tilgung durch eine Lebensversicherung
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
527
erfolge, als Indiz für eine Hingabe an Erfüllungsstatt eingeordnet (OLG Karlsruhe WM 2003, 2412 = NJW 2003, 2322), andererseits aber eine Formulierung, der Kredit sei „am … zurückzuzahlen“ als Indiz für eine Hingabe erfüllungshalber angesehen (OLG Koblenz WM 2007, 497), wobei, da die Auszahlungsansprüche im Voraus abgetreten sind, die Vermutung des § 364 II BGB gelten soll. Diese Auffassung wird der standardisierten Form des Verkaufs solcher Produkte nicht gerecht, die gerade nicht durch Individualvereinbarung erfolgt. In diesen Fällen sollte § 157 BGB im Lichte der AGB-Auslegung des § 305c II BGB erfolgen, wonach Zweifel bei der Auslegung zulasten desjenigen gehen, der den Eindruck standardisiert hervorgerufen hat. In der Erscheinungsform der Kombination von Kapitallebensversicherung und Kredit sind aber nur zwei Arten von Produkten üblich: die einen, bei denen vornehmlich bestehende Kapitallebensversicherungen in den Kredit einbezogen werden und die Sicherheitsfunktion im Vordergrund steht und die typischen Produkte, bei denen von Anfang an eine Tilgungsumleitung in ein Anlageprodukt erfolgt. Ergibt sich hier nach der Auslegungsregel des § 358 III BGB eine wirtschaftliche Einheit, so sind solche tilgungsersetzenden verbundenen Verträge an Erfüllungsstatt vereinbart. Dies entspricht auch der Anschauung von Kreditnehmern, Banken und Versicherern, die die Lebensversicherungshypothek als gleichwertiges integriertes Produkt zum Annuitätendarlehen ansehen. Entsprechend werden sie auch in den Tests mit diesen Darlehen verglichen, was keinen Sinn macht, wenn für diese Darlehen überhaupt keine Modalität der Tilgung fest vereinbart ist. Die im ersten Entwurf der Konsumentenkreditrichtlinie verankerte Pflicht, auch die Tilgungsmodalität im Vertrag festzulegen, entspricht der typischen Erwartung eines Verbrauchers. Bei zur Tilgung mit einem Kredit verbundenen Kapitallebensversicherungsgeschäften gilt daher die Vermutung, dass diese Tilgungswirkung an Erfüllungsstatt eintritt. Bei der Vorfälligkeitsentschädigung erkennt nun auch RL 2008/48/EG in Art. 16 III a) hierin ein verbundenes Geschäft, das entsprechend eine Vorfälligkeitsentschädigung ausschließt. Diese Widersprüche sind in Zukunft aufzulösen. Mit der Klarstellung der Kapitallebensversicherungskredite als Verbraucherdarlehen dürfte auch die Sonderbehandlung der Policendarlehen gem. § 5 ALB zu beenden sein. In der versicherungsrechtlichen Literatur wird immer noch davon ausgegangen, dass es sich nicht einmal um Darlehen im Sinne des § 488 I BGB (§ 607 I a. F.) handelt. Dies wird damit begründet, dass es im Unterschied zum Darlehen an einem Rückzahlungsanspruch des Versicherers (Prölss/Knappmann/Kollhosser/Voit, § 5 ALB Rn. 1) mangele, die Vorauszahlung eine (bloße) Zahlung auf die Versicherungssumme im Voraus (Benkel/Hirschberg, § 5 ALB Rn. 13) darstelle bzw. es sich dabei um eine Leistung zum Zweck der Erfüllung handele mit der Folge, dass die Ansprüche des Versicherten auf die Versicherungsleistung direkt um den Vorauszahlungsbetrag gekürzt würden (Bühren-Teslau, § 13 Rn. 105). Die Zinszahlungen seien in Wahrheit Prämienzuschläge, die dem Versicherungsnehmer deshalb in Rechnung gestellt werden müssten, weil dem Versicherer in Höhe der Vorauszahlung der Zinsträger verloren ginge (Bühren-Teslau, § 13 Rn. 105). Auch die Rechtsprechung ging beim Policendarlehen von einer (entgeltlichen) Vorschussleistung auf die Versicherungssumme aus, die im Gegensatz zum Darlehen durch das Fehlen einer Rückzahlungsverpflichtung gekennzeichnet sei (vgl. dazu BGHZ 42, 302 (305); LG Berlin ZfV 1963, 233; RGZ 89, 305 (307); Soergel-Häuser, vor § 607 Rn. 23; RGRK vor § 607 Rn. 35). Steuerrechtsprechung und ihr folgend auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vertreten bislang die gegenteilige Ansicht. Ihrer Auffassung nach sei sehr wohl eine Tilgung des Darlehens vorgesehen, sei es durch die tatsächliche Zahlung des Versicherungsnehmers oder durch Aufrechnung des Versicherers mit der fälligen Versicherungsleistung (BFH VersR 1966, 1146; FG Hannover EFG 1965, 62). Aus Sicht des Ver-
Reifner
281
282
528
283
284
285
286
287
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
sicherungsnehmers nämlich handele es sich um ein langfristiges Darlehen, das jederzeit von ihm zurückgezahlt werden könne (GB BAV 1957/1958, 33). Während sich der Versicherer zur Auszahlung eines bestimmten Geldbetrages verpflichtet, verpflichtet sich der Versicherungsnehmer nicht nur zur Zahlung der vereinbarten Zinsen, sondern ebenso wie jeder andere Darlehensnehmer zur Rückzahlung der vorzeitig gezahlten Summe: Mit der Vorauszahlung der Versicherungssumme erklärt sich der Versicherungsnehmer damit einverstanden, dass im Zeitpunkt der Zuteilungsreife/Fälligkeit seines Versicherungsanspruchs dieser mit dem Vorauszahlungsbetrag verrechnet wird (§ 5 ALB). Letztlich unterscheidet sich das Policendarlehen nur in der Herauslösung der Tilgung aus dem Darlehen. Die Tilgung erfolgt aus der Kapitallebensversicherung. Erst zum Zeitpunkt der Zuteilungsreife löst der Versicherungs-/Kreditnehmer die geschuldete Darlehenssumme ab (BGH NJW 2002, 957). Damit kann es auch im vorliegenden Fall keinen Unterschied machen, ob der Versicherungsnehmer die Darlehenssumme von seiner Bank oder seiner Versicherung als Vorauszahlung auf die Lebensversicherung erhält. In beiden Fällen spart er durch monatliche Zahlungen (Bauspartilgungsraten/Policezahlungen) einen bestimmten Betrag verzinslich an, der zu einem festgelegten Zeitpunkt die Darlehenssumme in einem Mal tilgt. Policendarlehen sind daher Kombinationsprodukte und wie „normale“ Verbraucherdarlehen zu behandeln. Kündigt der Versicherer, weil der Versicherungsnehmer auf eine Mahnung zwar die ausstehenden Prämien gezahlt, aber nicht die Zinsrückstände für seine erhaltene Vorauszahlung rechtzeitig beglichen hatte, so ist § 39 VVG nicht anwendbar (BGHZ 140, 319 = VersR 1999, 433). Bei einer Vorauszahlung stehe „der Versicherungsnehmer jedem Dritten gleich, bei dem der Versicherer sein Kapital zur Erwirtschaftung von Zinsen anlegt.“ Handelt es sich um ein Policendarlehen, so ist der Versicherer ebenfalls zur Angabe des Gesamtbetrags verpflichtet. Anders als bei den verbundenen Verträgen sind hier jedoch die Kosten zum Abschluss der Versicherung gem. § 492 I Nr. 4 BGB ausgenommen, weil in der Regel das Policendarlehen erst nach Abschluss der Lebensversicherung aufgenommen wird. Nicht umfasst sind daher – anders als bei sog. verbundenen Darlehensverträgen – die entstandenen Bearbeitungs-/Verwaltungskosten sowie angefallene Provisionszahlungen. Diese Kosten sind anders als bei verbundenen Krediten nicht anzugeben. Bei der Angabe des effektiven Jahreszinsen, zu der der Versicherer ebenso verpflichtet ist, sind diese Kosten jedoch wiederum zu berücksichtigen und mit einzubeziehen (siehe dazu auch Reifner, VuR 2002, 367 (372 f.) und ZBB 1999, 349 (361 f.)). 2. Bausparsofortfinanzierung. Das für die Lebensversicherungshypothek Gesagte gilt auch für die Bausparsofortfinanzierung, bei der der Kreditnehmer, der bei einer Bausparkasse finanzieren möchte, gezwungen ist, zusätzlichen Kredit aufzunehmen, um damit zunächst einen Ansparvorgang für ein Bauspardarlehen zu simulieren. Mit einem Vorschaltdarlehen wird zunächst auf einen Bausparvertrag eingezahlt, so dass die Bausparkasse ohne Bruch des Bausparkassengesetzes nunmehr diesen Vertrag wieder mit einem Zwischenkredit beleihen kann, der das Vorschaltdarlehen ablöst. Dieser Zwischenkredit bleibt so lange bestehen, bis das Bauspardarlehen zuteiligungsreif ist und durch die Auszahlung des Sparbetrags plus der Darlehensvaluta des Bauspardarlehens wiederum die Zwischenfinanzierung abgelöst werden kann (vgl. im Einzelnen die Beschreibung in Reifner/ Keich, BauFin, S. 25 ff.). § 6 Abs. 8 S. 3 PAngV spricht diese im Bausparwesen inzwischen weit verbreitete Praxis nur insoweit an, als die Laufzeiten dieser Zwischenkredite aus der Zuteilungsreife des Bauspardarlehens heraus definiert werden und im übrigen die Bearbeitungsgebühr für den gesamten Bausparvertrag „im Zweifel“ nur anteilig auf das
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
529
Darlehen anzurechnen sei. Damit macht die Preisangabenverordnung deutlich, dass die Kosten aus dem Anlageprodukt durchaus bei der Preisangabe im Kredit berücksichtigt werden müssen, wenn sich in der Auslegung eine wirtschaftliche Einheit ergibt. Bei einer Vermittlercourtage von 1 bis 1,8 % der gesamten Bausparsumme handelt es sich hier auch um einen erheblichen Kostenanteil. Bausparsofortfinanzierungen werden aber ähnlich wie Lebensversicherungshypotheken von vornherein als integriertes Produkt abgesetzt, das als Äquivalent für ein Anuitätendarlehen mit sofortiger Auszahlung der benötigten Kreditsumme vertrieben wird. Seitdem das Vorsparen in der Hausfinanzierung an Bedeutung einbüsst, haben die Bausparkassen dieses System, das im Ausland nicht bekannt ist, unter den Augen einer untätigen Finanzaufsicht zu ihrer wichtigsten Erwerbsquelle ausgebaut, obwohl sie damit wirtschaftlich sich aus dem Spargeschäft verabschiedet haben und reine Kredite vergeben, die intransparent und gefährlich sind. Entsprechend sind sie, sofern die Kriterien der wirtschaftlichen Einheit vorliegen, zu einer integrierten Preisangabe verpflichtet, wie es bereits mehrere Bausparkassen als zusätzliche Information anbieten. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 274/05) lehnt es auch hier ab, aus der Aufspaltung eines einheitlichen Darlehensgeschäftes in mehrere rechtlich selbständige Spar- und Kreditverträge die Konsequenzen eines verbundenen Geschäftes zu ziehen und entsprechend hierfür eine einheitliche Zinsangabe sowie Einwendungsdruchgriff, Widerrufsrechte etc. zu ermöglichen. Die hierdurch provozierte Rechtlosigkeit der Verbraucher wird auch hier über die culpa in contrahendo und das Aufklärungsverschulden theoretisch gemildert. Allerdings zeigt sich dann, dass dieses Rechtsinstitut keine Rechtssicherheit gewährt und im Einzelfall ermöglicht, jede Haftung abzulehnen. Der Schadensersatz soll nicht auf Rückabwicklung „des Darlehens- oder gar des Kaufvertrages gehen“ sondern „nur zum Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten führen (st. Rspr., siehe etwa BGHZ 168, 1, 21 und NJW 2007, 2396, WM 2007, 876 (881)). Ein weitergehender Anspruch besteht, wie der Senat in seinem Urteil vom 20.3.2007 (WM 2007, 876 (881)) näher ausgeführt hat, angesichts des beschränkten Schutzzwecks der Aufklärungspflicht auch dann nicht, „wenn der Kläger, wie er behauptet hat, bei entsprechender Aufklärung mangels einer anderweitigen Finanzierungsmöglichkeit von dem finanzierten Kauf der Eigentumswohnung abgesehen hätte.“ Es genügt somit, dass die Alternativlosigkeit auf Seiten des Verbrauchers angenommen wird, um den Verkauf schädigender Finanzkonstruktionen ohne Aufklärung sanktionslos zu gestalten. Damit wird der Verbraucherschutz zu einem „relativen Schutz“, bei dem diejenigen Verbraucher, die wie zunehmend wegen der Kreditkontingentierung bei finanzschwächeren Haushalten auf sog. predatory lending Produkte angewiesen sind, schutzlos sind, während der wohlhabende Verbraucher mit reichhaltiger Produktauswahl Schadensersatz bekommen kann.
288
Insgesamt zeigt sich auch hier, dass der Trend zur Pekuniarisierung des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen die wirtschaftlichen Betrachtungsweise der §§ 506, 306a, 358 BGB und damit die Bewältigung der Auswirkungen einseitig gestalteter Aufspaltung einheitlicher wirtschaftlicher Vorgänge in verschiedene Rechtsgeschäfte für das Gesetzesrecht, den Verbraucherschutz tendenziell und schichtenspezifisch aufhebt.
289
3. Investmentfondskredite. Die bereits in Großbritannien üblichen Investmentfondskredite sind, soweit sie keine Wertpapierkredite darstellen, worauf die Kommission in ihrer Begründung zum Vorschlag für eine neue Konsumentenkreditrichtlinie v. 11.9.2002 (KOM (2002) 443 endg., S. 25) hinweist, ähnlich den Lebensversicherungshypotheken als Spar-Kredit konstruiert, der nach den gleichen Regeln zu bewältigen ist. Für sie wird eine Renditeannahme im Annex getroffen und eine Beispielsrechnung für den Effektiv-
290
Reifner
530
291
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
zins auf der Grundlage der cash flow Methode vorgestellt. Sie haben im Üübrigen auch in Deutschland bereits bei dem bisher von materieller Aufsicht ausgenommenen finanzierten Erwerb von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds ihren Einzug gehalten. Die Ausnahme vom verbundenen Geschäft für Wertpapierkredite in § 491 III Ziff. 2 BGB trifft an sich nicht zu, wirkt sich jedoch angesichts einer Rechtsprechung, die ganz grundsätzlich keine Verbindung sieht, so aus, als ob der Gesetzgeber die Finanzierung des Erwerbs von Investmentanteilen generell ausgenommen hätte. Sie sind daher ebenso zu behandeln wie die anderen Spar-Kredit-Kombinationen. III. Verbraucherdarlehen zu investiven Zwecken („Schrottimmobilien“). Finanzierte Bauherren- und Erwerbermodelle sind Kapitalanlagen in fremdgenutzte Immobilien, bei denen mit dem Versprechen, erheblich mehr Zahlungen aus einem finanzierten Objekt zu erhalten, als wie die Rückzahlung des dafür mitvermittelten Kredites erfordert, Grundstücke und Immobilienfondsanteile verkauft und in großer Zahl von einer Verkaufsgesellschaft in Kooperation mit einer Bank und einem Notar abgesetzt werden. Anders als bei Wucherkrediten ist es hier möglich, einen übersteigerten Gewinn allein aus dem Erwerbsgeschäft zu ziehen, indem Kaufpreis und Marktwert auseinanderfallen und zudem hohe Provisionen und Dienstleistungsgebühren anfallen. Wegen der Finanzierung der Transaktion werden die Probleme aber nicht im Erwerbsgeschäft sondern als Überschuldung und Insolvenz im Darlehensverhältnis sichtbar. Solche Modelle werden und wurden systematisch und in großer Zahl abgesetzt. Von Rechtsprechung und Gesetzgebung wurden dem praktisch keine Grenzen gesetzt. Die Folge davon war eine bisher nie dagewesene Flut von Urteilen (EuGH (GA) 21.11.2007 – Rs C-412/06 (Volksbank Filder); NJW 2005, 3551 (Badenia); EuGH NJW 2005, 3555 (Crailsheimer Volksbank eG); BGH NJW 2008, 644 (Reaktion auf Crailsheimer Volksbank); WM 2008, 154 (wucherische Eigentumswohnung); BKR 2007, 325 (wertloser Immobilienfonds); WM 2007, 1173 (verbundenes Geschäft bei finanziertem Immobilienfondsanteil); BKR 2007, 225 (institutionalisiertes Zusammenwirken bei Immobilienfondsanteil); NJW-RR 2007, 621 (teilfinanzierter Immobilienfondsanteil); WM 2007, 200 (Fondsbeitritt als verbundenes Geschäft); WM 2007, 114 (wertlose Immobilienfinanzierung); weitere 30 Urteile des BGH allein seit 2006; NJW 2003, 2529; 2003, 1390 (Einwendungsdurchgriff); WM 2003, 914 (Bauanlage); NJW 2002, 66 (Bauträger); NJW 2001, 2963; WM 2000, 1687; NJW 2000, 3065; 1985, 1020 (Abschreibungsgesellschaft); NJW 2001, 2963; 2000, 521 (EuGH Vorlage); NJW 2000, 2352 (grundpfandrechtlich gesichert); 1996, 3414 (3415) (Einwendungsdurchgriff); OLG Karlsruhe WM 2001, 2002; OLG Stuttgart WM 2001, 1667 (Risikobereich des Kunden); OLG Oldenburg BKR 2002, 732 (Hinweis bei Haustürgeschäften); OLG Karlsruhe WM 2003, 1228 (Wahrheit und Vollständigkeit); OLG Frankfurt/Main WM 2002, 549 (Steuersparmodelle); OLG Frankfurt/M. BKR 2002, 828 (Immobilienfonds); OLG Köln WM 2000, 127 (Vermittler als Erfüllungsgehilfe; Innenprovision); OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.1995 – 12 U 151/95 (Vermittler und Bauträger); OVG Nordrhein-Westfalen ZInsO 2001, 478 (selbständiges Gewerbe); LG Stuttgart WM 2000, 1103 (teure Hypokredite); LG Stuttgart WM 2000, 1388 (Aufklärung); LG Bremen WM 2002, 1450 (Widerrufsrecht nach „Heininger“)) und eine flächendeckende Literatur (Barta/Geiseler-Bonse, BKR 2006, 1617; Bartels, WM 2007, 237; Derleder, ZfIR 2006, 489; Habersack, BKR 2006, 1617; Hofmann, WM 2006, 1847; Hoppe/Linz, ZBB 2006, 24; Jungmann, WM 2006, 2196; NJW 2007, 1562; Lang, WM 2006, 1194; MellerHannich, WM 2005, 1157; Sauer, BKR 2006, 1617; Sauer/Wittemann, BKR 2008, 1; Seidel, WM 2006, 1614; Staudinger, NJW 2005, 2521; aus der älteren Literatur: Artz, BKR 2002, 603; Baum, BKR 2002, 851; Becher, BKR 2002, 931; Bruchner, WM 1999, 825; Derleder, VuR 2000, 155; ZBB 2002, 202; ZBB 2002, 233; Eckert, EWiR 2000, 51; Edelmann, BKR 2002, 80; Freckmann, BKR 2002, 513; Frisch, VuR 1999, 432; Füller,
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
531
ZBB 2001, 157; Habersack, BKR 2001, 72; WM 2002, 253; Edelmann, BKR 2002, 801; Hochleitner, WM 2002, 529; Hoffmann, NJW 2001, 421; Hoffmann, ZIP 2002, 1066; Horn, WM 2000, 333; Koch, WM 2002, 1593; Koppenfels, WM 2001, 1360; Kulke, ZBB 2002, 33; Lang, ZBB 2002, 457; BKR 2002, 793; Loßack, VuR 2001, 131; VuR 2002, 124; Masuch, NJW 2002, 2931; Meinhof, NJW 2002, 2273; Meißner, WM 2002, 30; Peters, WM 2001, 2199; Pfeiffer, ZBB 1996, 304; Piekenbrock, WM 2002, 521; Reich, EuZW 2002, 87; Rösler, VuR 2000, 191; Rohe, BKR 2002, 575; Rott, VuR 2002, 49; Schleicher, BKR 2002, 609; Staudinger, NJW 2002, 653; Strube, VuR 2002, 55; BKR 2002, 938; Tonner, BKR 2002, 856; v. Rottenburg, WM 2001, 2194; Wagner, BKR 2002, 194), die deutlich von dem Bestreben getragen ist, eine Haftung der Kreditgeber für diese allgemein als Betrugssystem empfundene Absatzstrategie auszuschließen oder einzufordern. Der BGH hat sich dabei zunächst darauf beschränkt, dem Kreditrecht jede Schutzfunktion abzusprechen und damit dem Kreditgeber jede Mithaftung für die in der finanzierten Anlage verübte Übervorteilung zu ersparen, dann aber unter dem Druck der Öffentlichkeit und des EuGH umgekehrt den Kreditgebern vom Anlegerschutz aus gesehen eine per Einzelfallentscheidung allmählich sich ausweitende Mitverantwortung aufgebürdet (vgl. einerseits Habersack, BKR 2006, 1617, andererseits Derleder ZfIR 2006, 489). Insgesamt dürfte die Rechtsprechung hier ihre Aufgabe, Rechtsfrieden zu schaffen, nachhaltig verfehlt haben. Die vielseitigen interessegeleiteten Ansätze haben den rechtsdogmatischen Gewinn dieser Diskussion recht bescheiden ausfallen lassen. Die rechtssoziologische Forschung wird sich dieses Kampfes zwischen Rechtsstab und Öffentlichkeit anzunehmen haben, in dem ein eigenständiger Beitrag des Rechts zur Konfliktbeilegung und -prävention kaum sichtbar wurde.
292
Dabei handelt es sich um nichts anderes als um die Fortsetzung einer durch die Entwicklung der Wirtschaftsformen des Kredites unterbrochenen rechtlichen Bewältigung des immer offensichtlicher hervortretenden Konsumzwecks im Kredit, der mit der Form der finanzierten Abzahlungsgeschäfte die Zivilrechtsgelehrten in den 1970er Jahren herausforderten, um die „Isolation des Schuldverhältnisses vom Rest der Welt“ (Gernhuber), bzw. die Isolation des Geldes vom Wert der damit bewirkten Transaktionen auch rechtsdogmatisch zu bewältigen. Die Frucht dieser Diskussion war die oben diskutierte Figur des „verbundenen Geschäfts“ und der „wirtschaftlichen Einheit“, die sich, obwohl es sich um materiell wirtschaftliche Entwicklungen handelte, rein formal an der Oberfläche der Rechtsgestaltungen wie insbeonsdere dem B-Geschäft festmachte, was nicht nur der deutsche Gesetzgeber in § 359 BGB aufnahm. Diese Regelung war schon damals überholt, weil die Rechtsformen bei einem nicht mehr individuellen sondern gesellschaftlichen Zusammenhang in den Formen der Konsumfinanzierung, wie sie idealtypisch die Kreditkarte zum Ausdruck bringt, das B-Geschäft als antiquierte Beschränkung der Vermarktungsmöglichkeiten auswies.
293
Bereits damals war daraufhingewiesen worden, dass es somit nicht das formale Zusammenwirken zwischen Veräußerer und Bank ist, das zunächst nur für den Fall, dass die Bank Strohmann des Abzahlungsverkäufers war, dann dass ein Rahmenvertrag nachweisbar war und dass nur noch irgendwelche Indizien vorlagen, die auf ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken von Veräußerer und Finanzierer hindeuteten, im Einwendungsdurchgriff beide Akteure zu mithaftenden Gesellschaftern verband. Das ökonomische und soziale Problem, das sich in der Entwicklung von der Kaufpreisstundung im Abzahlungsgeschäft zum finanzierten Abzahlungsgeschäft und dann zum „freien“ Autodarlehen zeigte, war die allmähliche Überbürdung des Risikos gestörten Konsums und der Vermögenslösigkeit beim Erwerber auf den Verbraucher. Die Bank befriedigt den Veräu-
294
Reifner
532
295
296
297
298
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ßerer ohne Prüfung der Qualität der gelieferten Ware oder Dienstleistung aus dem Kredit. Für den Verbraucher aber verschärft sich das Problem, weil dessen Auswirkungen in die Zukunft verschoben sind. Konnte er früher dem Betrüger die Zahlung verweigern und ihm im Gericht ins Gesicht schauen, so hat er es heute mit einer ehrenwerten Bank zu tun, die nichts weiß, nichts gehört und gesehen hat. Musste der Veräußerer früher diejenigen Verbraucher meiden, denen Arbeitslosigkeit, Ehescheidung und Unglück die Chance zum Ansparen verwehrt hatte, so kann er sich heute reuelos an sie halten, weil ihm die Bank hilft, unabhängig und im voraus von diesen Ereignissen sein Geld vollständig zu erhalten. Die Probleme sind jedoch eher mehr als weniger geworden. Aus der Sicht der Verbraucher sind die Banken zum universellen Erfüllungsgehilfen der Veräußerer i.S. des § 278 BGB geworden. Der Rechtsgedanke des § 278 BGB baut jedoch auf der vertraglichen „Erfüllung“ und nicht auf einer durch das gemeinsame Interesse hergestellten Verbindung auf. Gelingt somit eine Zusammenarbeit ohne rechtlich verfasste Kooperation, so ist der Gedanke des § 278 BGB scheinbar wirkungslos. Da die rechtliche Verbindung der Vertragsverhältnisse durch Finanzierer und Veräußerer mit dem gemeinsamen Kunden ihre Haftung auslösen würde, dies aber andererseits in ihrem Belieben steht, kann es nicht verwundern, dass auf solche Formen verzichtet wird. Insoweit fixierte Art.11 IIb RL 87/102/EWG („vorherige Abmachung“) noch ein überholtes Rechtsdenken, das in Art. 3n der RL 2008/48/EG nunmehr ähnlich wie in §§ 358 f. BGB entformalisiert wird und „objektiv“ auf die „wirtschaftliche Einheit“ abstellt, zu der als weiteres noch ein „sich der Mitwirkung Dritter Bedienen“ beim Abschluss des Vertrages hinzukommen muss. Ähnliches hat sich historisch bereits im Kartellrecht ergeben, wo die Figur des vertraglichen Kartells in § 1 GWB anlässlich der „Frühstückskartelle“ um den Tatbestand des „abgestimmten Verhaltens“ erweitert werden musste. Auch das Zivilrecht ist, wie § 359 BGB deutlich macht, auf diesem Weg der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ vorwärts gegangen und hat privatnütziges konzertiertes Verhalten zu Lasten Dritter auch unterhalb der deliktsrechtlichen Schwelle von Kollusion (§ 826 BGB) sowie der Haftung für den Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) rechtsrelevant werden lassen. Grundlage hierfür ist das Effektivitätsgebot für den Verbraucherschutz, wie es § 506 S. 2 BGB zum Ausdruck bringt. Allerdings darf dieser Verbraucherschutz gegenüber den Veräußerern auch nicht auf Kosten unbeteiligter Dritter, d.h. ohne Zurechnungsgrund auch nicht auf Kosten der finanzierenden Bank gewährt werden. Die entscheidende Frage der Umgehung und Haftung füreinander besteht daher darin, ob und inwieweit dies dem jeweils anderen zurechenbar ist. Grundlage dieser Bestimmung ist § 242 BGB, aus dem die Rechtsprechung die wirtschaftliche Verbindung abgeleitet hat. Dieser Gedanke erlaubt es anders als § 278 BGB, der sich auf Haftung und Schadensersatz bezieht, auch die übrigen im Verbraucherschutz weit wichtigeren Verbraucherrechte vor Aushöhlung zu schützen. Der Gesetzgeber hatte einen bestimmten historischen Stand dieser Erkenntnis in § 9 VerbrKreditG niedergelegt, der in den §§ 358 f. BGB auf Hypothekenkredite ausgedehnt wurde. Die Verirrung dieser kreditspezifischen Vorschriften vom Darlehens- ins allgemeine Schuldrecht hat die Verbindung zu § 506 S. 2 BGB (nennt nur die Vorschriften der §§ 491 bis 505 BGB), wie sie noch bei § 18 S. 2 VerbrKrG („Vorschriften dieses Gesetzes“) bestand, verdunkelt, nicht aber aufgehoben. 1. Das Modell. Rechtlich gesehen sind finanzierte Bauherren- und Erwerbermodelle kombinierte Produkte aus einem Immobilien- (oder Immobilienfonds-) Kredit, einem Grundstücks- (oder Anteilskauf-)Vertrag sowie einem Treuhandvertrag mit separaten, häufig notariell beglaubigten Vollmachten an den Treuhänder, der zugleich für die Bauträgergesellschaft oder den Voreigentümer den Kaufvertrag häufig außerhalb der Ge-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
533
schäftsräume anbahnt, einen Kredit vermittelt und die gesamte auch steuerrechtliche Abwicklung der komplexen Konstruktion übernimmt. Da es sich bei den Erwerbern um Anleger handelt, die privat handeln, handelt es sich nach ganz einhelliger Meinung dabei um Verbrauchergeschäfte, die den Schutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB sowie auch den Regeln über das Haustürwiderrufsgeschäft (§§ 312 ff. BGB) unterliegen. Bauherren und Erwerbermodelle werden wirtschaftlich gesehen in Deutschland als Steuersparmodelle bezeichnet. Es ist allerdings unzutreffend, wenn der BGH daraus seinen Tatbestand häufig mit der Feststellung einleitet, die Finanzierung sei „zwecks Steuerersparnis“ (WM 2008, 154; 2007, 1651) erfolgt. Im Vordergrund steht bei Verbrauchern regelmäßig ein Vorsorgemotiv für die Zukunft, auf das die Vermittler etwa mit dem Hinweis auf die Altersvorsorge (erwähnt z.B. in BGH NJW-RR 2007, 621) abstellen. Die Steuerersparnis ist nur eine unter vielen Bedingungen, mit dem dieses Ziel als Erreichbar dargestellt wird, wobei zugleich Belastungen und Risiken, ohne die eine Verluste voraussetzende Steuerersparnis ja gar nicht möglich ist, verschwiegen werden. Da die Steuerersparnis zudem noch vom Steuersatz abhängt, ist hier ein weites Anwendungsfeld für Betrug. Der Gesetzgeber hat mit Gesetz vom 30.12.2005 mit der Einfügung des § 15b EStG auf explizite Steuersparmodelle reagiert, die nur hierfür entwickelt wurden und dabei oberhalb von 10 % Anfangsverlusten eine Verlustverrechnung mit anderen Einkommensarten ausgeschlossen (BGBl I S. 3683). Diese rein fiskalische Regelung erfasst den mit dem Steuerargument erfolgten Immobilienverkauf überhaupt nicht und schränkt lediglich Auswüchse bei Immobilienfonds ein. Dabei werden aber nicht die Betreiber sondern die Verbraucher bestraft, die auf solche Modelle hereingefallen sind. Eine Abhilfe könnte nur geschaffen werden, wenn in § 1 Altersvorsorgezertifizierungsgesetz nicht nur die geförderten Produkte der Altersvorsorge sondern alle Produkte, die mit dem Argument der Altersvorsorge angeboten werden, zumindest freiwillig dort unter erleichterten Voraussetzungen zertifizierbar wären. Der Begriff „Altersvorsorge“ würde dann einen Mindeststandard erhalten, den diese Modelle nicht aufweisen. Ebenso wie die Versicherung, die mit Mindestandards in Produktqualität und Beratung (§§ 42a ff. VVG) versehen ist, sollte auch die Anlage zur Altersvorsorge zu einem Qualitätsprodukt werden.
299
In den aktuellen Modellen erwirbt der Verbraucher ein Haus, eine Eigentumswohnung oder auch nur einen Anteil an einem geschlossenen Immobilienfonds, der die Form einer GmbH & Co. KG haben kann, wobei die Wohnungen oder Geschäftsräume fremdgenutzt sein müssen. Aus dem Gebäude fließen zunächst Mieteinnahmen an den Verbraucher, die er als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung mit seinem übrigen Einkommen zusammen zu versteuern hätte. Allerdings dürfen Eigentümer oder Kommanditisten bzw. BGB-Gesellschafter auch ihre Ausgaben dagegen rechnen. Zu diesen Ausgaben gehören alle Arten von Kosten wie Finanzierungskosten, Akquisitionsprovisionen, Kosten des Kaufs und zusätzlich fiktive Kosten aus einer bei Altbauten zwischen 2 und 2,5 %igen Abschreibung und bei Neubauten degressiven Abschreibung von Anfangs 5 % pro Jahr, die nach 15 Jahren auf 1,5 % p.a. sinkt. Dies bedeutet, dass bei einer Neubauwohnung im Wert von 100.000 Euro im ersten Jahr allein 5.000 Euro fiktive Kosten mit dem Einkommen verrechnet werden können. Mit Sonderabschreibungen, die bis zu 40 % der Kaufpreise betragen können, können daher bei einem Steuersatz von 42 % mehrere 10.000 Euro an Steuern „gespart“ werden. Nach zehn Jahren kann das Haus steuerunschädlich veräußert werden, wobei der Wertgewinn bisher noch steuerfrei ist. Voraussetzung ist eine stetige gute Vermietung, kein überhöhter Kaufpreis, eine lage- und substanzbedingte Wertsteigerung und ein gleichbleibend hoher Steuersatz des Erwerbers.
300
Die Gewinne lassen sich rechnerisch wie bei allen Risikoanlagen optisch gut darstellen, wobei die Risiken durch die situationsbedingte Inanspruchnahme persönlichen Ver-
301
Reifner
534
302
303
304
305
306
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
trauens verdrängt werden können. Bei optimaler Situation kann einem unbedarften Kunden ein arbeitsloses Einkommen auch ohne Eigenkapitaleinsatz suggeriert werden, wenn die Nachsteuerrendite höher als Kreditzinsen und Unterhaltungskosten ist. Damit lässt sich aber auch eine Immobilienanlage an ein Publikum verkaufen, das über kein Anlagekapital und damit auch über keine Anlageerfahrung verfügt. Innerhalb der Modellrechnungen ist Raum für Vermittlerentgelte. So kann ein Vermittler für die Vermittlung des Immobilienverkaufs bei u. U. überhöhtem Preis 15 % vom Kaufpreis, von der Bank eine Courtage von 1 % der Kreditsumme (siehe Sachverhalt OLG Koblenz VuR 2002, 205) bei Nutzung eines mit einer Kapitallebensversicherung gekoppelten Kredites noch einmal 3,5 % der Versicherungssumme als Abschlusskosten und schließlich noch Entgelte für seine Beratungsleistungen vom Kunden erhalten. Die finanzierende Bank hat in der Regel zunächst den Gesamtbau finanziert und erhält ohne Akquisitionskosten eine Vielzahl von vorbereiteten Darlehensanträgen mit gestreutem Risiko. Der Bauträger kann schließlich die Verkaufskosten abwälzen. Zentrales Element dieser Geschäftstätigkeit ist dabei die Vermittlungsagentur, die als Treuhänder eine Vielzahl von Objekten, Krediten und Kapitallebensversicherungen vermittelt, gleichwohl aber rechtlich und häufig notariell beglaubigt als umfassender Bevollmächtigter der geworbenen Interessenten auftritt. Eine solche Vollmacht umfasst nach dem vom BGH (WM 2003, 914 (Studentenappartements); OLG Frankfurt/M. EWiR 2001, 837 (Frisch) (Iduna Eigentumswohnungen)) entschiedenen Fall folgende Elemente: Interessenwahrnehmung für den beabsichtigten Erwerbsvorgang, Abschlussvollmacht für alle Verträge und gebotenen Rechtshandlungen, Entgegennahme aller Erklärungen, wirtschaftliche sowie die steuerliche Beratung, Vollmacht zur uneingeschränkten Vertretung und zur Verfügung über den Erwerbergegenstand nach freiem Ermessen, Vertretung gegenüber Gerichten, Behörden und sonstigen Dritten, Rückabwicklung geschlossener Verträge. 2. Aufklärungspflichten aus dem Kapitalanlagerecht. Finanzierte Erwerbermodelle sind zunächst Kapitalanlagen, die auf Kredit getätigt werden. Sie unterfallen nicht der Kredit- und Wertpapieraufsicht, weil es sich dabei nicht um Wertpapieranlagen, sondern entweder um aufsichtsfreie Unternehmensbeteiligungen (geschlossene Immobilienfonds) oder um ebenso aufsichtsfreie Kapitalanlagen in fremdgenutzte Immobilien handelt (§§ 1 KWG; 2 WpHG). Auch die Kreditvermittlung an Verbraucher ist kein Bankgeschäft. Erst seit in Kraft treten der Vermittlerrichtlinie Richtlinie 2004/39/EG (MiFID) zum 1.11.2007 und ihrer Umsetzung in der „Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung“ (WpDVerOV) unterliegen alle Finanzvermittler und Finanzberater bisher in Deutschland gewissen zwingenden die berufliche Qualifizierung gewährleistenden Regelungen zur Berufszulassung und -ausübung (dazu Möllers, WM 2008, 94; Jordans, WM 2007, 1827; Kepler, WM 2007, 1821; Sindler/Kasten, WM 2007, 1245). Versuche, das Anlegerschutzrecht in die Rechtskonstruktion der finanzierten Erwerbermodelle zu implementieren wie etwa der Anlageschutz durch Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft (dazu Hahn, VuR 2003, 164) oder die Erstreckung des Verbraucherdarlehensrechts auf die Kapitalanlage über den Einwendungsdurchgriff bereiten erhebliche dogmatische Probleme, so dass nach dem Gesetzgeber gerufen wird (Baum/Reiter, BKR 2002, 851). Die Rechtsprechung vor allem des XI. Senats des Bundesgerichtshofs, die dabei durchaus von großen Teilen der Oberlandesgerichte unterstützt wurde, hat diese Lücke im Verbraucherschutzrecht nicht geschlossen und zudem ihre wesentliche Aufgabe darin gesehen, die Versuche geprellter Anleger und ihrer Anwälte abzuwehren, das Anlegerschutzrecht auf diese Form der Kapitalanlage auszudehnen.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
535
Die Grundlage dieser Versuche bildet allerdings die grundsätzliche Ablehnung des BGH (WM 2003, 1370 mit Verweis auf WM 1988, 895 (898); 1992, 133; 1992, 216 (217); 1992, 901 (902); 2000, 1245 (1246); ZIP 2003, 160 (161)) von Aufklärungspflichten bei Erwerbermodellen: „Eine kreditgebende Bank ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Sie darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder selbst über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Nur ausnahmsweise können sich Aufklärungs- und Hinweispflichten aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben. Dies kann der Fall sein, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehen begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl an den Bauträger als auch an die einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann.“ Die Ausführungen des BGH gliedern sich dabei in Rechtsausführungen und Tatsachenbehauptungen über die Kenntnis und den Sachverstand der Kunden, deren Stand das Gericht in der Regel aber nicht mitteilt. Diese tatsächlichen Annahmen sind aber bei einem 21jährigen Mechaniker (OLG Frankfurt/Main WM 2002, 549) oder einer 54 Jahre alten Ärztin (BGH NJW 2001, 2963) sowie bei finanzierten Kaufpreissummen von um die 40.000 Euro (so die Summen in BGH WM 2003, 1370; 2003, 914) und Käufern, die bereits zumeist beim Prozess wegen der Anschaffung insolvent waren, nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Darüber hinaus hat der BGH (WM 2000, 1687) auch die Durchsetzbarkeit solcher Ansprüche infragegestellt, weil bei einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer GbR der Anspruch aus Beratungsverschulden nicht ohne Kündigung des Beitritts durchsetzbar sei und daher auch mangels eines Leistungsverweigerungsrechtes auch im Darlehensvertrag gem. § 359 BGB nicht eingewandt werden könne. Letztlich folgt der BGH dabei einer Philosophie zur Kapitalanlage, wonach das Risiko der Anlage beim Kunden bleiben müsse. Diese Philosophie wird ohne weiteres auf den Kredit übertragen (BGH NJW 2000, 3065), wenn es dazu heißt: „Schließt eine Partei aus Eigeninteresse Kreditverträge zur Finanzierung eines Rechtsgeschäfts, so hat sie auch etwaige Risiken zu tragen, die sich daraus ergeben (statt aller BGHZ 105, 290 (299) = NJW 1989, 836).“ Die Aussage ist jedoch unzutreffend, weil bei Krediten das Risiko beim Kreditgeber, der hier der Anleger ist, und gerade nicht beim Kreditnehmer, der hier die Anlagemöglichkeit bereitstellt, liegt. Gemeint ist daher nur das Risiko der mit der Finanzierung getätigten Anlage, das in den Risikobereich der Kunden fällt (zutreffend OLG Stuttgart WM 2001, 1667; LG Stuttgart WM 2000, 1388), aus dem aber keine kreditrechtlichen Konsequenzen gerechtfertigt werden können. Auch die Instanzgerichte lehnen es grundsätzlich ab, das Kapitalanlagerisiko etwa über die Pflicht zur Überprüfung der Werthaltigkeit der Sicherheiten oder auf Grund einer Globalzusage zur Finanzierung der Kunden des Bauträgers vom Kunden auf den Finanzierer der Anlage abzuwälzen (OLG Oldenburg BKR 2002, 732). Allerdings setzen sie den Grundsatz, dass wer Vertrauen etwa durch bereitgestellte Information, durch beantwortete Fragen oder durch gemeinsames Auftreten einwirbt, sich
Reifner
307
308
309
310
311
312
313
536
314
315
316
317
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
auch daran festhalten lassen muss, differenzierter um. So müssen die einzelnen Kalkulationsbestandteile bei einem Erwerbermodell „klar und wahr“ sein (OLG Karlsruhe WM 2003, 1228), so dass die Immobilienfirma sich auch die unwahren Behauptungen selbst eines mit ihr nicht verbundenen Vertreters über den Gewinn in dem Steuersparmodell zurechnen lassen muss (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.1995 – 12 U 151/95). Dabei kann das Versprechen eines Steuersparmodells gerade durch die gewählte Kreditkombination auch in den Aufklärungsbereich der Bank fallen (OLG Frankfurt/Main WM 2002, 549). Auch die Kombination von Kapitallebensversicherung und Kredit (BGH BB 1988, 582; NJW 1990, 1844; vgl. auch BGH NJW 2002, 957 (958); WM 1998, 939 unter III. 2 b; NJW 1989, 1667; OLG Frankfurt/Main WM 2002, 549;. OLG Hamm VuR 1987, 83 dazu oben Rn. 163 ff.; a. A. OLG Köln WM 2000, 127) führt zu einer Aufklärungspflicht bei Erwerbermodellen (OLG Frankfurt/Main WM 2002, 549), wenn die Bank ihre Rolle als Kreditgeberin überschreitet, als „Zweckgemeinschaft mit den anderen Vertriebsbeteiligten“ (OLG Frankfurt/Main WM 2002, 549) oder als „Partner im Anlagegeschäft“ (OLG Stuttgart BKR 2002, 828) auftritt. Eine Innenprovision soll nach h.M. dagegen grundsätzlich nicht offenlegungspflichtig sein (BGH VuR 2003, 143; OLG Köln WM 2000, 127; a. A. OLG Koblenz BKR 2002, 723; zweifelnd LG Stuttgart WM 2000, 1388; Fischer, VuR 2003, 134 (135)). Eine Ausnahme gilt dann, wenn sie so hoch ist, dass der Kaufpreis sich auch für die Bank als sittenwidrig darstellen muss (BGH VuR 2003, 143 (144); WM 2000, 1245 (1247)). 3. Vollmacht, Widerruf und Rechtsberatungsgesetz. Die Rechtsprechung vor allem des BGH hat aber im Ergebnis auch alle anderen rechtlichen Gesichtspunkte zur Rückabwicklung der gescheiterten Immobilienanlage zurückgewiesen. Zunächst wurden anlässlich eines Erwerbermodells die Nichtigkeitswirkungen des § 56 I Nr. 6 GewO mit Blick auf das neu erlassene Haustürwiderrufsgesetz aufgehoben (BGH NJW 1985, 1020). Anschließend wurde auch wie bereits beschrieben der Widerruf von Immobiliendarlehensverträgen an der Haustür mit der etwas komplex anmutenden Argumentation ausgesetzt, das Haustürwiderrufsgesetz verweise auf das Verbraucherkreditgesetz, dieses sehe jedoch keinen Widerruf vor. Also müsse auch das Haustürwiderrufsrecht, wobei sich der Senat auf eine ganz herrschende Meinung in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur berief (MünchKommBGB-Ulmer, 3. Aufl., § 5 HWiG Rn. 15, § 3 VerbrKrG Rn. 4; Staudinger/Kessal-Wulf, Einl. VerbrKrG Rn. 41; Bülow, Art. 3 Rn. 2; Münstermann/Hannes, Art. 3 Rn. 887; Scholz, Rn. 310; BuB-Größmann, Rn. 3/745; Drescher, Rn. 212; Martis, S. 177 f.; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, § 3 Rn. 103 Art. 3 Rn. 2; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 86 Rn. 58; WM 1999, 825 (835 f.); Schramm/ Pamp, FS Schimansky, S. 545 (551 ff.); Schönfelder, WM 1999, 1495; WuB IV D. § 1 HWiG 3.99; Hertel, WuB IV D. § 1 HWiG 4.98), bei Immobiliendarlehen als aufgehoben gelten (BGH NJW 2000, 521). Dabei wurde noch der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift ausgedehnt, weil auch ein nur partiell hypothekarisch gesichertes Darlehen in dieser Weise widerrufsfrei sein sollte (BGH NJW 2000, 2352), wobei das LG Stuttgart (WM 2000, 1103) auch im Rahmen eines Erwerbermodells überdurchschnittliche Hypothekenzinssätze für unschädlich erklärte. Bei den Fristen hatte bereits der Gesetzgeber mit der inzwischen korrigierten Sechsmonatsverfallsfrist auch bei fehlender Widerrufsbelehrung das Widerrufsrecht für Haustürgeschäfte gegenüber der Richtlinie eigenwillig eingeschränkt. In der Rechtsprechung zu den Erwerbermodellen wird zusätzlich noch eine Verwirkung angenommen, wenn das Widerrufsrecht erst nach 8 Jahren ausgeübt wird (OLG Karlsruhe WM 2001, 2002). Eine weitere Einschränkung des Widerrufsrechts kam dann durch das System der Abwicklung über notariell beglaubigte Vollmachten an die Treuhänder. Hier erklärte der
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
537
Bundesgerichtshof es wie ausgeführt für ausreichend, dass allein der Treuhänder die nach § 492 BGB erforderlichen Formen und Informationen erhalten habe (BGH NJW 2001, 2963). Auch bei der Haustürentscheidungssituation soll es nicht um die Situation des Verbrauchers, sondern die des Treuhänders beim Darlehensabschluss gehen. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, „wenn der Vertretene dem Vertreter für den Abschluss des Rechtsgeschäfts bestimmte Weisungen gegeben und deshalb sein Geschäftswille Abgabe und Inhalt der Willenserklärung des Vertreters entscheidend bestimmt hat“ (BGH ZIP 2003, 1082; BGHZ 144, 223 (226 ff.); WM 2000, 1247 (1249)).
318
Weiterhin wurde dann auch die nunmehr entscheidend gewordene Vollmacht in ihrer Rechtswirksamkeit verteidigt. Bei Verstoß des Treuhandvertrages gegen das Rechtsberatungsgesetz (nunmehr Rechtsdienstegesetz), der bisher unbestritten die Nichtigkeit nach sich zog, sollte die Vollmacht nach § 139 BGB davon unberührt bleiben (BGH WM 2001, 2113 (2115)), eine Entscheidung, die auf Druck der abweichenden anderen Senate des BGH (WM 2003, 247 (249) (II. Senat); NJW 2004, 1594 (IV. Senat); WM 2001, 2260 (2261) (III. Senat)) korrigiert wurde (BGH ZIP 2003, 1082; WM 2003, 918 (919 f.)).
319
Gleichwohl wird die Vollmacht trotz Nichtigkeit nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht, bei der der Verbraucher es wissend habe geschehen lassen, dass der Bank die Vollmacht vorgelegt wurde, oder wenn dies nicht anzunehmen ist , nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsscheinhaftung in bezug auf den Kreditgeber als wirksam angesehen. Dies gebiete der Schutz des gutgläubigen Vertragspartners. Eine Ausnahme gelte allerdings dann, wenn sich bereits aus der Vollmachtsurkunde der Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz ergäbe (BGH BKR 2003, 456). Dass damit zugleich ein Hinweis auf zukünftige Vollmachtsgestaltungen gegeben wurde, bei denen getrennte Vollmachten für jedes einzelne Geschäft die Wirksamkeit bedingen würden, schafft entsprechende Umgehungsmöglichkeiten. Zudem wird die Praxis der massenhaften Finanzierung von Erwerbermodellen mit dem Bild von der gutgläubig betrogenen Bank durch kenntnisreiche und sachverständige Verbraucher überstrapaziert.
320
Die Rechtsprechung des BGH ist in mehrfacher Hinsicht von den anderen Senaten des BGH, vom Gesetzgeber sowie vom Europäischen Gerichtshof korrigiert worden. Die Auffassung zur Widerrufsfreiheit von Haustürgeschäften im Immobiliarkredit ist vom EuGH (EuGH NJW 1998, 1295; vgl. dazu die Literatur bei Rn. 291 f.) als mit der Richtlinie nicht vereinbar zurückwiesen worden. Zugleich wurden auch die gesetzgeberischen Fristen von 6 Monaten bei Fehlen der Widerrufsbelehrung, mit denen der Widerruf der Erwerbermodelle praktisch unmöglich wurde, moniert. Die Einschränkungen bei Verstößen gegen das Rechtsberatungsgesetz wurden aufgegeben und der Gesetzgeber ordnete an, dass die Vollmacht die Angaben des § 492 BGB enthalten müssen, wobei allerdings die notarielle Vollmacht weiterhin ausgenommen wurde.
321
In der mit Spannung erwarteten Reaktion des Bundesgerichtshofes darauf, dass die von ihm in ständiger Rechtsprechung zurückgewiesenen Angriffe auf die Erwerbermodelle letztlich Erfolg haben sollten, schloss der BGH unter Zurückweisung der Kritik (Derleder, ZBB 2002, 202 (208 f.); Hoffmann, ZIP 2002, 1066; Fischer, DB 2002, 1266 (1267); Rörig, MDR 2002, 894 (895); Tonner, BKR 2002, 856 (859 f.); dafür Ulmer, ZIP 2002, 1080 (1083); Lange, EWiR 2002, 523 (524); Rohe, BKR 2002, 575 (577); Knott, WM 2003, 49 (51 f.)) den Einwendungsdurchgriff bei finanzierten Erwerbermodellen und darüber hinaus sogar bei allen Immobiliarkrediten praktisch aus, indem er das subjektive Wissen der rechtlichen Trennung der wirtschaftlichen Einheit überordnete und daher trotz der EuGH-Entscheidung seine entsprechende Rechtsprechung auch bei Haustürkrediten
322
Reifner
538
323
324
325
326
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
fortsetzte (BGH NJW 2003, 1390; 2002, 1881). Auch die erneute Entscheidung des EuGH zu dem Rechtsstreit Crailsheimer Volksbank eG (NJW 2005, 3555 (finanzierte Immobilie Haustürwiderruf)) hat der Bundesgerichtshof (BGH NJW 2008, 644) unbeachtet gelassen und hält an seiner Rechtsprechung fest, dass das verbundene Geschäft im Wesentlichen ein Relikt aus der rechtlichen Bewältigung des finanzierten Kaufs von Möbeln auf Abzahlung bleibt. Somit gibt es bei finanzierten Erwerbermodellen nach dieser Rechtsprechung kein praktikables Haustürwiderrufsrecht, weil der eigentliche Grund des Widerrufs, die Unwirksamkeit der Kapitalanlage, hierdurch nicht erreicht werden kann und die Pyrrhussiege vor dem europäischen Gerichtshof und beim Gesetzgeber wenig ändern (Hoffmann, ZIP 2002, 1066 (1067); Derleder, ZBB 2002, 202 (208)). Dahinter steht eine konsequente Ideologie, wonach das Gesetz mit seinen Informations- und Überlegungsrechten nur die Auswahlfreiheit derjenigen zugunsten eines funktionierenden Marktes schützen will, die auch tatsächlich eine Auswahl haben. Banken können sich dabei darauf verlassen, dass diese Rechte der Verbraucher auch dann von ihnen gewahrt sind, wenn sie sie formal selber nicht gebrochen haben, weil ein Notar zugegen war, weil die Täuschung ein Dritter verübte, weil sie selber nicht an der Haustür waren etc. Das, was der dritte Zivilsenat in den 60er und 70er Jahren befürchtete und wie es auch noch in Art. 14 II RL 87/102/EWG mit der „Aufteilung des Kreditbetrags auf mehrere Verträge“ als einem Spezialfall der Umgehung angesprochen war, dass die Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vorgangs zur Entrechtung der Verbraucher führen könnte, ist damit eingetreten. Die Parallelen zum Arbeits- und Mietrecht sind dabei unverkennbar. Dem Kettenarbeitsverhältnis entspricht das Kettenkreditverhältnis, der Umdefinition von Arbeits- in Werkverträge die Umdefinition von Kredit in Mietverträge im Leasing, der Verlagerung von Kreditkosten auf Nebenprodukte die Pflichten, selber für Arbeitsmittel zu sorgen oder Waren des Arbeitgebers zu beziehen. Der Bundesgerichtshof hat auf die öffentliche Kritik inzwischen reagiert und mit der Rechtsfigur der „institutionellen Zusammenarbeit“ (BGH NJW 2008, 664; 2007, 361; 2007, 364; 2007, 357; WM 2008, 154; 2007, 1651; 2007, 1173; 2007, 873; WM 2007, 200; 2007, 174; 2007, 114; 2007, 116; 2007, 62; 2006, 2303; 2006, 110; BKR 2007, 325; NJW-RR 2007, 925; 2007, 621; ZIP 2006, 2221; Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 320/06; Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 274/05; Urt. v. 01.02.2007 – III ZR 281/05) jenseits der Traditionen des Umgehungstatbestandes vom verbundenen Geschäft im Rahmen des Aufklärungsverschuldens und des § 278 BGB eine eigene Theorie der Vertragsverbindungen entwickelt, deren Konsequenzen für die Rechtsentwicklung wir bereits kritisch beleuchtet haben. Liegt eine „institutionell Zusammenarbeit“ vor, so können sich die Verbraucher „auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen“ (BGH, Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 274/05 (Rz 23); BGHZ 168, 1 (22 ff., Tz. 50 ff.); WM 2007, 114 (115, Tz. 17 f.); WM 2007, 876 (882 Tz. 53)). Allerdings gilt dies nur als „widerlegliche Vermutung“ zur „Beweiserleichterung“, über das zurechenbare Wissen der Bank. Sie kann es widerlegen (WM 2008, 154 mit Zurückverweisung zur Beweisaufnahme darüber). Außerdem muss noch der Schaden bewiesen werden, der wiederum hypothetisch den Nachweis der Alternativlosigkeit voraussetzt. Eine „institutionelle Zusammenarbeit“ wird in einem Urteil (BGH WM 2008, 154) wie folgt definiert: „planmäßig“, „arbeitsteilig“, „Vollfinanzierung“, „aktive Ansprache durch Makler für Kredit und Immobilie“, „führt sämtliche Verhandlungen“ „verfügt über Dar-
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
539
lehensformulare“ (so definiert das OLG Koblenz (Urt. v. 17.01.2008 – 5 U 831/07) das „institutionalisierte Zusammenwirken“ einfach damit, „wenn relevante Vorgänge im Innenverhältnis der Gesellschaft der Bank zugerechnet werden können“, und sieht sie nicht. Im anderen Urteil sind es „Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten besonderen Finanzierungsvermittler“, „objektiv evidente Unrichtigkeit der Angaben … bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts“ und sich „nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen“ (BGH Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 274/05 (Rz. 24)). An anderer Stelle werden „ständige Geschäftsbeziehungen“ verlangt. „Vertriebsvereinbarung, Rahmenvertrag, konkrete Vertriebsabsprachen“, „Vermittler werden von der Bank Büroräume“ überlassen oder „– von der Bank unbeanstandet – Formulare des Kreditgebers benutzt“ oder wiederholt aus „demselben Objekt“ verkauft (BGH WM 2007, 1651 (Tz. 25); BGHZ 168, 1 (23 f. Tz. 53) m.w.N.). Wer die Entscheidungsserie des Pagendarm-Senats 1967 (BGHZ 47, 253 = NJW 1967, 1036) zur „wirtschaftlichen Einheit“ bei finanzierten Abzahlungsgeschäften kennt, wird die Wiederholungen erkennen. Der Fortschritt, der gegenüber dem damaligen „Rahmenvertrag“, der „Strohmann-Theorie“, der Formularnutzung etc. durch die Definition des § 358 III S. 1 BGB bzw. Art. 15 RL 2008/48/EG erreicht wurde, wird in der Neuschöpfung der „institutionellen Zusammenarbeit“ zunichte. Die Achtung vor dem Gesetzgeber sollte es gebieten, weiterhin am Begriff der „wirtschaftlichen Einheit“ des „verbundenen Geschäftes“ anzuknüpfen. Danach gibt es den objektiven Tatbestand der „wirtschaftlichen Einheit“, der sich allein aus der Perspektive des Verbrauchers entscheidet. Musste der Verbraucher davon ausgehen, dass ihm ein in sich verbundenes Produkt angeboten wurde, bei dem Objekt, Ertragserzielung (Miete) und Finanzierung aufeinander abgestimmt eine wirtschaftliche Einheit bilden, so kommt es nur noch darauf an, ob dies der Bank zurechenbar ist. Hierzu stellt das Gesetz auf den Abschluss des Darlehensvertrages ab und benutzt dazu die Worte „der Mitwirkung des Unternehmers bedient“. Nur sie sind auszulegen. Dies verlangt ein aktives Tun der Bank, das nach dem Beweis des ersten Anscheins jedoch zugrunde zulegen ist, wenn die objektiven Voraussetzungen der wirtschaftlichen Einheit vorliegen. Wie das Wirtschaftsgutachten von PWC im Fall Badenia deutlich machte, ist es undenkbar, dass bei massenweisem Absatz konfektionierter verbundener Verträge bankintern nicht diskutiert wird, wie man sich der Hilfe der Strukturvertriebe bedient. Die tatsächliche Entwicklung geht heute dahin, dass die Produkte bereits von den Strukturvertrieben so entwickelt werden, dass sie sich „optimal“ und mit hoher Provision absetzen lassen. Diese Produkte „verkaufen“ sie an die Kreditgeber mit einer Marktanalyse und Ertragsschätzung. Insofern geht die Praxis über dieses „bedienen“ weit hinaus, indem sich geradezu die Strukturvertriebe der Banken bedienen. Da das Gesetz in § 492 I Nr. 5 BGB ganz grundsätzlich bei Abschluss eine „wirtschaftliche Einheit“ zwischen Maklervertrag und Kreditvertrag annimmt, die zur Angabepflicht als Kreditkosten verpflichtet, ist eine solche Vermutung auch gesetzeskonform (dazu oben Rn. 201). In dem seltenen Fall, dass die Bank sich tatsächlich nicht der Vermittler bedient, wird sie weder an der vorhergehenden Gesamtfinanzierung des Objekts beteiligt sein, die durch die Einzelfinanzierungen abgelöst wird, noch wird es eine Mehrzahl von Einzelfinanzierungen bei dieser Bank durch eine Vermittlungsgesellschaft geben.
327
Der unmotivierte Eingriff des Gesetzgebers in die Definition der wirtschaftlichen Einheit exklusiv für Immobiliardarlehen und Immobilienfonds bringt dagegen mit dem Merkmal, die Bank müsse selber das Grundstück verschaffen oder sich das „Veräußerungsinteresse zu Eigen machen“ die Diskussion auf die Zeiten der Strohmannentscheidung des Reichsgerichts zurück. Solcherart Eingriffe, die die schnelle Befriedigung wirtschaftlicher In-
328
Reifner
540
329
330
331
332
333
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
teressengruppen allzu deutlich erkennen lassen, müssen hingenommen werden, können aber die systematische Entwicklung des Rechts der verbundenen Verträge nicht beeinflussen. Dies Recht beruht nicht auf Funktionsübernahme sondern Funktionsteilung, bei dem jeder Beteiligte seine eigenen Interessen gerade dadurch verwirklicht, dass er nach dem Ansatz der Wertschöpfungskette parallele Interessen anderer Akteure auf sein Verhalten abstimmt. 4. Lösungsansatz. a) Lösung im Verbraucherdarlehensrecht. Finanzierte Erwerbermodelle bestehen aus Krediten und Kapitalanlagen. Soweit es nur um die Kredite geht, finden die Vorschriften über das Verbraucherdarlehen mit den für Immobilienkredite geltenden Ausnahmen Anwendung. Dies ist im Gesetz eindeutig so geregelt, obwohl der Sinn des Gesetzes, den Verbrauch und vor allem das Einkommen der Verbraucher zu schützen, damit nicht mehr getroffen wird. Der Gesetzgeber ebenso wie der Richtliniengeber haben solche investiven Anlagekredite nicht erfassen können, weil die Abgrenzung nach der Gewerbsmäßigkeit ebenso wenig greift wie die Annahme, Kapitalanlagen ergäben sich nur in Wertpapieren. Allein ein Blick auf den geringen Unterschied zwischen offenen (Wertpapier) und geschlossenen (Unternehmensbeteiligung) Immobilienfonds sollte die Problematik deutlich machen. Die weitere Abgrenzung nach der bestellten Sicherheit ist, wie das Gesetz selber mit seinem Rekurs auf die üblichen Bedingungen einräumt, weiter zufällig und lädt zur Umgehung ein. Insgesamt schießt damit in der Tat das Verbraucherkreditrecht über seinen Rahmen hinaus und wird damit auch zugunsten der Verbraucher teleologisch „umgangen“. Die Rechsprechung, die dies atmosphärisch erfasst, verschlechtert mit ihren Versuchen der teleologischen Reduktion zugleich insgesamt die Stellung von Verbrauchern nicht nur, wo Immobilienkredite dem Erwerb von selbstgenutzten Wohnungen und damit Konsumzwecken dienen und ihre Tilgung aus dem Einkommen erfolgt sondern auch dort, wo es um den lebensnotwendigen Ratenkredit für geringwertige Konsummöglichkeiten geht. Wenn Gebrauchtwagenfinanzierer oder Kreditkartenemittenten etwa die Vollmachtsrechtsprechung sorgfältig umsetzen, sind sie weitgehend vom Verbraucherschutz befreit. Verbraucherschutzrecht sollte nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des § 506 S. 2 BGB effektiv gestaltet bleiben. Informiert wird die Person des Verbrauchers. Dort sind die Rechte als höchstpersönliche Rechte verankert und sollten dort auch allen Versuchen widerstehen, mit Trennungskonstruktionen diesen Schutz zu umgehen. Insofern muss es auch de lege lata bei der Widerrufsmöglichkeit bleiben. Allerdings ist das Konzept des verbundenen Geschäfts ernst zu nehmen. Danach kommt es für die Auswirkungen des Einwendungsdurchgriffs darauf an, in welche Richtung ein Finanzdienstleistungsprodukt geht. Per saldo kann wirtschaftlich eine Finanzdienstleistung entweder nur als Anlage, die auf der Seite des Verbrauchers einen Überschuss erwirtschaften soll oder als Kredit, der zusätzliches Kapital für die Zinsen benötigt, eingeordnet werden. So wie es sich bei den Kombinationskrediten mit endfälliger Tilgung um ein Kreditgeschäft handelt, so handelt es sich dann bei den Erwerbermodellen per saldo um eine Anlage. Diese Einordnung entscheidet auch über das Risiko des Wertverlustes, das beim Kredit bei der Bank, bei der Anlage beim Anleger liegt. Daher ist dem BGH zuzugeben, dass die Verbindung beider Geschäfte zueinander nicht dazu führen kann, dass das im Kreditgeschäft gegebene Widerrufsrecht des § 495 BGB sich letztlich als Widerrufsrecht für eine Kapitalanlage erweist, das es aus guten Gründen bei keiner normal abgeschlossenen Kapitalanlage gibt.
Reifner
§ 15 Verbraucherdarlehensvertrag
541
Im übrigen sollte der Gesetzgeber den Anlegerschutz verbessern, die Lücken in der Aufsicht schließen und dabei die Finanzierung von Anlagen als besonderes Gefährdungspotenzial der spekulativen Überschuldung in besonderer Weise mit Aufklärungs- und adäquaten Überlegungspflichten versehen. Dann können sie ebenso aus dem Verbraucherdarlehensrecht herausgelöst werden, wie andererseits die Einfügung der der Kredittilgung dienenden Kapitalanlagen in dieses Rechtsgebiet durch die neuere Rechtsprechung, wie sie der dann doch nicht verwirklichte Vorschlag der Verbraucherkreditrichtlinie noch 2002 vorsah. Eine Haftung wegen Aufklärungsverschulden nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 280, 278, 311 II BGB ersetzt nicht die Fortentwicklung des differenzierten Instrumentariums der Verbraucherschutzvorschriften im Darlehensrecht für die Anwendung auf verbundene Geschäfte. Es handelt sich hier um einen Auffangtatbestand, den die Rechtsprechung traditionell bei §§ 123, 138 I BGB sowie bei der mangelnden Information angewandt hat. Dabei findet § 278 BGB immer Anwendung, wenn zwischen Erfüllungsgehilfen und Vertragspartner eine wirtschaftliche Einheit besteht. Es bedarf keiner parallelen Neuentwicklung einer institutionalisierten Zusammenarbeit, die die Vorgaben des Gesetzgebers konterkariert. b) Lösung im Haustürwiderrufsrecht. Ergibt sich somit bei Erwerbermodellen kein effektives Widerrufsrecht nach § 495 BGB, so greifen gem. § 312a BGB bei diesen finanzierten Geschäften die Regeln des § 312 BGB wieder ein. Bei den Haustürgeschäften ist danach die Haustürwiderrufsrichtlinie der Maßstab. Sie ist effektiv umzusetzen, wobei es nicht darauf ankommen kann, ob das „andere Widerrufsrecht“ aus Gründen der Fristversäumung oder aus objektiven Fristen wie etwa der Sechs-Monatsfrist in § 4 II FernUSD (dazu Wildemann, VuR 2003, 90 (91)) nachträglich aufgehoben wird. Diese Effektivität ist durch die deutsche Rechtsprechung zu Erwerbermodellen bisher nicht gewährleistet (Reich, EuZW 2002, 87). Effektiv ist das Widerrufsrecht erst, wenn es nicht durch Vollmachtskonstruktionen umgangen und nicht wirtschaftlich durch die Trennung vom finanzierten Geschäft behindert wird. Ein europarechtlich einwandfreies Verbraucherschutzrecht bei Haustürgeschäften wird unabhängig vom Stellvertretungsrecht dem Verbraucher, der in einer Haustürsituation angesprochen und geworben wurde, ein Widerrufsrecht der Kapitalanlage einräumen müssen, auch wenn nur der Kredit auf diese Weise erreicht wurde, weil es bei verbundenen Geschäften in dieser Situation gleichgültig ist, an welcher Stelle der Zwang zum Gesamtgeschäft entstand (zutreffend LG Bremen WM 2002, 1450; vgl. auch Derleder, ZBB 2002, 202; Tonner, BKR 2002, 856; Reich EuZW 2002, 87; Wildemann, VuR 2003, 91 (93)).
Reifner
334
335
336
337
“This page left intentionally blank.”
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
543
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
Schrifttum Beer, Das Hypothekenbankgeschäft der Versicherungen, in: Rüchardt (Hrsg.), Handbuch des Hypothekarkredits, 3. Aufl. 1993 (in Zukunft: Rüchardt), S. 1147; Bellinger, Entwicklung und Stand des EG-Bankrechts aus der Sicht des Hypothekar- und Kommunalkredits, in: Rüchardt, S. 661; Bellinger/Kerl, Kommentar zum HypothekenbankG, 3. Aufl. 1995; Bonfig, Das Passivgeschäft der Realkreditinstitute, in: Rüchardt, S. 511; Bruchner, Bankenhaftung bei fremdfinanziertem Immobilienerwerb WM 1999, 825; Brutschke, Ewiger Streit um das Disagio, VuR 1996, 43; Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Derleder, Trennungsprinzip und Täuschungsabwehr – die neue Linie des Bundesgerichtshofs gegenüber dem finanzierten Immobilienfondsanteilserwerb, ZfIR 2006, 489; ders., Der Verbraucherschutz für Schrottimmobilienerwerber und die Umsetzung der europarechtlichen Widerrufsregelungen, ZBB 2006, 375; ders., Die Vollstreckungsmacht der Banken beim Grundpfandkredit, KJ 2003, 161; Eberstadt, Handbuch des Wohnungswesens, 1917; Eckstein, Vergabe und Absicherung von Hypothekardarlehen in den neuen Bundesländern, in: Rüchardt, S. 469; Früh, Bankenhaftung bei Immobilienkapitalanlage, ZIP 1999, 701; Füllmich/Rieger, Die Haftung der Banken für massenhaft fehlerhafte Treuhandmodellfinanzierungen, ZIP 1999, 465; Gerhards/Keller, Lexikon der Baufinanzierung, 8. Aufl. 2002; Goedecke/ Kerl, Die deutschen Hypothekenbanken, 4. Aufl. 1997; v. Heymann, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 17. Aufl. 2008; ders., Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, NJW 1999, 1577 u. BB 2000, 1149; Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl. 2002; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobiliarkreditverhältnissen, 2000; ders., Die „weite“ Sicherungszweckerklärung des persönlich schuldenden Eigentümers in der AGB-Kontrolle, ZIP 2006, 1965; Köller, Die verschiedenen Hypothekarkreditsysteme und die bedeutendsten Hypothekarkreditgeber in den europäischen Ländern, in: Rüchardt, S. 757; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 3. Aufl. 1994; Letschert/Steffan, Pfandbrief und Kommunalobligationen, 2. Aufl. 1981; Nussbaum, Lehrbuch des Hypothekenwesens, 2. Aufl. 1921; Otten, Sicherungsvertrag und Zweckerklärung, 2003; Pauluhn, Das Hypothekarkreditgeschäft der Geschäftsbanken, in: Rüchardt, S. 1083; Reifner, Handbuch des Kreditrechts, 1991; ders., Die Anpassung variabler Zinssätze im Kreditverhältnis, JZ 1995, 866; Rodbertus/Jagetzow, Zur Erklärung und Abhülfe der heutigen Creditnoth des Grundbesitzes, 1876; Rösler, Aktuelle Rechtsfragen zu grundpfandrechtlich gesicherten Krediten, WM 1998, 1377; ders., Formbedürftigkeit der Vollmacht, NJW 1999, 1150; ders. Risiken der Bank bei der Finanzierung von Immobilien als Kapitalanlagen, DB 1999, 2297; Rösler/Mackenthun/Pohl, Handbuch Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2002; Rode, Grundzüge des Hypothekarkredits, in: Rüchardt, S. 23; Schönmann, Geschichte des deutschen Hypothekarkredits, in: Rüchardt, S. 819; Schub, Allgemeine rechtliche Voraussetzungen des Hypothekarkredits in den Ländern der EG, in: Rüchardt, S. 685; Spickhoff/Petershagen, Bankenhaftung bei fehlgeschlagenen Immobilienerwerber-Treuhandmodellen, BB 1999, 195; Steffan, Handbuch des Real- und Kommunal-Kredits, 2. Aufl. 1977; Stöcker, Die „Eurohypothek“, 1992; Welter/Breier/Ketzel, Der Realkredit in den Ländern der EG, 1994; Weyermann, Zur Geschichte des Imobiliarkreditwesens in Preußen, 1910; Winter, Formen- und Funktionsgeschichte des Bodenkreditrechts, KJ 1980, 353. Inhaltsübersicht I. II. III. IV. V. VI.
Der Begriff des Immobiliarkredits . . . . . . . . . 1 Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Die ökonomischen Grundstrukturen . . . . . . . 5 Die Akteure des Immobiliarkredits und ihre unterschiedlichen Rahmenbedingungen . . . 10 Die Grundstruktur der Immobiliarkreditsicherung der Banken . . . . . . . . . . . . . 11 Der Immobiliarkredit in der Schrottimmobilienkrise . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Der Trennungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . 23 2. Der Einwendungsdurchgriff beim finanzierten Erwerb eines Immobilienfondsanteils . . . . . . . . . 24
Derleder
3. Der Täuschungsschutz beim Erwerb eines finanzierten Immobilienfondsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Rolle der Vollmachten bei Fondsanteils- und Darlehensvertrieb . . . 5. Die Formmängel beim finanzierten Erwerb von Fondsanteilen und Wohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Grundsatzentscheidung vom 16.5.2006 zum Erwerb vom Bauträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Der Ausbau des Täuschungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 29
31
32 35
544
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
VII. Die spezifischen Regeln des Immobiliarkreditvertrags . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Anwendbarkeit der allgemeinen Darlehensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anwendung der Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts . . . . . . . VIII. Die Reform des Immobiliarkreditrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Verkauf gestörter und ungestörter Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die Gefahr missbräuchlichen Umgangs mit langfristigen Krediten . . . . 3. Die öffentliche Diskussion über den Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Gesetzentwurf . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Risikobegrenzungsgesetz . . . . . . 6. Die Bilanz der Reform . . . . . . . . . . . . 7. Die darüber hinaus erforderliche strukturelle Reform . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 42 48
49 51 52 53 63 64
48
Stichwortverzeichnis Abschnittsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Abtretungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51, 68, 74 Baugeldkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Beleihungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Einwendungsdurchgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 46 Formmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 42, 43 Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Gesamtfälligstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Gutgläubiger einredefreier Erwerb . . . . . . 60, 70, 71 Haustürgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Hypothekenbankgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 ff. Institutionalisiertes Zusammenwirken . . . . . . . . . . 35 Kreditverkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 ff. Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 47, 59, 61 Kündigungsnachweisverzicht . . . . . . . . . . . . . . 15, 61 Meliorationskredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Non performing loans (NPL) . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Pfandbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Prolongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 f. Refinanzierungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Risikobegrenzungsgesetz . . . . . . . . . . . . 52, 53 ff.
Rückforderungsdurchgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Schrottimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 ff. Schuldanerkenntnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 52, 69 Sicherungsgrundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 68 Subprime-Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Täuschungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 36 Trennungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Treuhandverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Treuhändervollmachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Überbeleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Unterrichtungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 ff. Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 45 Vollstreckbare Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . 14, 72, 73 Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 58 Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Wertlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Zeichnungsschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Zinsbindungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Zweckerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1
I. Der Begriff des Immobiliarkredits. Die Begriffsbildung folgt den gewährten Sicherheiten, ist aber nicht frei von Überschneidungen. Die Begriffe Immobiliarkredit (auch Immobilienkredit), Realkredit, Hypothekarkredit, Grundpfandkredit und Bodenkredit werden uneinheitlich verwendet. Gemeinsam ist ihnen, dass die Besicherung primär nicht an die Kreditwürdigkeit der Person des Kreditnehmers anknüpft wie beim Personalkredit, sondern in erster Linie an die Immobiliarsicherheit. Zum Realkredit werden teilweise auch Kredite gerechnet, bei denen bewegliche Sachen als Sicherheit dienen. Der Begriff Hypothekarkredit täuscht darüber hinweg, dass die Bankwirtschaft heute praktisch nur Grundschuldkredite vergibt, weil sie aus der fehlenden Akzessorietät der Grundschuld Vorteile zieht. Der Begriff des Immobiliar- und Bodenkredits umfasst auch moderne Sicherungsformen, bei denen der Kreditnehmer als Sicherheit nur Anteile an einer Gesellschaft zu bieten hat, die ihrerseits als Fonds ein Immobiliarvermögen verwaltet, an dem Grundpfandrechte bestellt werden. Darüber hinaus gehören zum Bodenkredit auch verbriefte Immobiliarkreditpakete, deren unübersichtliche Risiken den Finanzsektor seit der Lockerung der Immobiliarkreditvergabe belasten.
2
II. Geschichte. Der Immobiliarkredit hat in der deutschen Rechtsgeschichte seit den Anfängen im 18. Jahrhundert Gestalt erhalten. In Preußen, das noch weitgehend ein Agrarstaat mit industriellen Anfängen war, geschah dies durch die Hypotheken- und Konkursordnung Friedrich Wilhelms I. vom 4.2.1722, die das römische Bodenrecht mit
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
545
dem deutschem Grundpfandrecht verband, wobei der merkantilistischen Vorsorge des Staates Raum gegeben wurde. Die wichtigste Neuerung war die Einführung des Grundund Hypothekenbuchs, in dem jedes Grundstück mit vielfachen Angaben aufzuführen war. Baugeldkredit und der Meliorationskredit hatten Vorrang vor dem Restkaufpreiskredit. Taxierungsvorschriften sollten vor existenzgefährdender Überbeleihung schützen. Im Zuge der weiteren Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts wurden die Regelungen über mehrere Abstraktionsschritte vereinfacht, wobei insbesondere das Grundbuch von der preußischen Bürokratie zu einer verlässlichen Grundlage des Rechtsverkehrs gemacht wurde. Der Kreditbedarf ergab sich vor allem aus der Agrarbewegung im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft. Mit dem Handel der Güter, deren Wert sich nach dem Gutsertrag bestimmte, wurden aber bereits auch spekulative Zwecke verfolgt. Im 19. Jahrhundert sorgten die Bevölkerungsvermehrung und die Vergrößerung der Städte für einen Kreditbedarf, der im Wohnungsbau wie im Grundstückshandel realisiert wurde. Vor allem ab Mitte des 19. Jahrhunderts konkurrierte die Industrie zunehmend um das Geldkapital, wobei der Eisenbahnbau und die Gründung von Aktiengesellschaften eine Vorreiterfunktion hatten. Der zunehmende Sog der Industrie führte zu einer Kreditnot der Landwirtschaft, die in mehreren Regulierungswellen gemildert werden sollte. Im Konflikt zwischen dem Liberalismus der frühen industriekapitalistischen Periode und den Schutzbedürfnissen des Agrarsektors kam es im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung des Zivilrechts im Deutschen Reich durch das BGB zu einer Hypothekenbankgesetzgebung für das Reich auf der Basis des preußischen Rechts, die in erster Linie einen funktionsfähigen Kapitalmarkt sicherstellen sollte. Das Hypothekenbankgesetz vom 13.7.1899, mit dem BGB am 1.1.1900 in Kraft getreten, stellte einen privat- und öffentlichrechtlichen Rahmen dar, der die Sicherungsinteressen der Geldgeber, also der Pfandbriefkäufer, aber auch die Schutzinteressen der Hypothekenschuldner berücksichtigen sollte. Die Kongruenz von Passiv- und Aktivgeschäft war dabei die ordnungspolitische Leitvorstellung. Pfandbriefinhaber hatten keinen unmittelbaren Zugriff auf die Hypotheken, sondern nur auf eine Deckungsmasse der kreditgebenden Bank in Form eines Sondervermögens mit beschränktem Haftungszweck. Die Beleihung durch die Hypothekenbanken durfte nur 3/5 des Grundstückswerts ausschöpfen und musste mit einem erstrangigen Grundpfandrecht gesichert sein, wobei die Hypothek und die Grundschuld nach dem BGB zur Wahl gestellt waren. Der Beleihungswert war nach öffentlichrechtlich kontrollierten Richtlinien zu ermitteln. Der Schuldnerschutz war jedoch sehr begrenzt. Vorgesehen waren vor allem eine Genehmigung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Hypothekenbanken und der Ausschluss des Kündigungsrechts auf die Dauer von zehn Jahren (s. dazu insbesondere Weyermann, Zur Geschichte des Immobiliarkreditwesens in Preußen, 1910). Unter den Anlegern waren eine besonders wirkmächtige Gruppe die Versicherungsunternehmen, die große Vermögensmassen zu verwalten hatten. Zu den Privatversicherungsunternehmen stießen ab 1899 auch die Sozialversicherungsträger. Die Kreditinstitute als Kapitalsammelstellen gewannen zunehmend eine dominierende Marktstellung, die es erlaubte, den organisierten Kredit nach ihren Vertragsbedingungen zu gestalten, sei es durch Reduzierung der Kapitalauszahlung, durch versteckte Erhöhung des Zinses, durch Minimierung des Ausfallrisikos oder durch Ausschaltung von Refinanzierungsrisiken mittels Laufzeitverkürzungen und Kündigungsrechten. Mit den sicheren ersten Rangstellen verdrängte der Immobiliarkredit der Kreditinstitute Privatgläubiger und Bauhandwerker auf die unsicheren Rangstellen. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs schlugen sich die Spekulation auf die wachsenden Städte und die Bodenpreissteigerungen bereits in einer Tendenz zur Überbeleihung nieder, so dass 1911 eine Bodenwertzuwachssteuer ein-
Derleder
3
546
4
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
geführt wurde, um die Bodenspekulation einzudämmen. Die Jahrzehnte seit dem Beginn des Ersten Weltkriegs waren dann durch sozialstaatliche Interventionen geprägt, mit denen insbesondere der Wohnungsbau subventioniert wurde. Hinzu kamen Regulierungen des Wohnungsmarktes, mit denen zunächst kriegsbedingte Zahlungsschwierigkeiten von Eigentümern und Mietern und nach dem Ersten Weltkrieg die Inflation und die Wirtschaftskrise von 1929 bewältigt werden mussten. Die Vernachlässigung des Wohnungsbaus in der nationalsozialistischen Wirtschaft führte zu Verlängerungen der Eingriffe und schließlich zu einer flexiblen richterlichen Vertragshilfe für die Kreditnehmer, die die Immobiliarkreditzinsen nicht aufbringen konnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg bedurfte es zunächst mit Rücksicht auf die massiven Kriegszerstörungen und die Vertreibung einer breiten öffentlichen Wohnungsbauförderung, um dann 1960 langsam wieder einen freieren Wohnungsmarkt einzurichten (s. zur Gesamtentwicklung Winter KJ 1980, 353 ff.). Für die fast während des gesamten 20. Jahrhunderts herrschenden strengen Beleihungsgrundsätze bei der Immobiliarkreditvergabe konnten sich die Kreditinstitute auf den Anlegerschutz berufen. Die Hypothekenbanken durften nach § 11 des HypBG erstrangige Kredite nur bis zu 60% des Grundstückswerts vergeben, auf der Grundlage einer vorgeschriebenen sorgfältigen Wertermittlung. Damit konnten die Risiken von Verkehrswertschwankungen und Leistungsstörungen aufgefangen werden, ebenso die mit einer Zwangsvollstreckung normalerweise verbundene Entwertung. Beim nachrangigen Immobiliarkredit im Bereich zwischen 60% und 80% des Beleihungswerts waren insbesondere Bausparkassen tätig. In diesen Bereich stießen auch Geschäftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken vor, ab 1974 in gewissem Umfang auch die Hypothekenbanken. Im dritten Rang jenseits der Grenze von 80% des Beleihungswertes wurden die die Restfinanzierung und die an die Stelle fehlenden Eigenkapitals tretenden Darlehen gesichert. Bei den nachrangigen Immobiliarkrediten war jedoch eine strengere Bonitätsprüfung angesagt (s. dazu auch die Auskunftspflichten gem. § 18 KWG). Nachdem schon in den 80er Jahren mit der Finanzierung aus einer Hand neuartige Überbeleihungsrisiken geschaffen worden waren, setzte mit dem Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts im Anschluss an die deutsche Wiedervereinigung und an die mit Wiederaufbau und Modernisierung verbundenen steuerlichen Subventionen ein Immobilienboom ein, der nach etwa einem Jahrzehnt zu massiven Leerständen im Wohnungsbau und bei gewerblichen Gebäuden führte. Mit Steuersparmodellen erwarben Hunderttausende von Anlegern sog. Schrottimmobilien ohne Eigenkapital zu (infolge Einschaltung aller möglichen Vermittler und Treuhänder und den mit ihnen verbundenen „weichen Kosten“ entstehenden) Überpreisen, die mit teuren Krediten finanziert werden mussten. Maßgebend dafür war auch eine Veränderung der privatrechtlichen Grundlagen über europarechtlich determinierte Verbraucherschutzgesetze, die eine aggressive Krediteinwerbung zuließen. Damit wurden seit Beginn der 90er Jahre die ursprünglich äußerst soliden Finanzierungsgrundsätze des Immobiliarkreditsektors trotz aller historischen Bewährung verlassen, so dass diese tragende Säule des Gesamtkreditsystems brüchig geworden ist. Während die damit verbundene hausgemachte finanzwirtschaftliche Krise in Deutschland noch durch Fusionen und Übernahmen seitens europäischer Kreditinstitute bewältigt wurde, hat die parallele Lockerung der Immobiliarkreditvergabe in den USA aufgrund der Vernetzung über den Handel mit Kreditpaketen eine unübersichtliche globale Finanzkrise ausgelöst, die auch deutsche Kreditinstitute massiv betrifft. Für die Bewältigung der in Deutschland notleidend gewordenen Kredite spielen die Regelungen des Immobiliarkreditrechts, die Rechtsprechung hierzu und die Alternativen zu ihr eine maßgebliche Rolle (ausgeblendet in der Darstellung des Hypthekarkredits bei Bruchner, Bankrechtshandbuch § 86).
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
547
III. Die ökonomischen Grundstrukturen. Auch beim Immobiliarkredit wird Geld gegen Zins getauscht, bei entsprechender Sicherung und Rückzahlungsverpflichtung. Hier stehen sich der Kreditgeber als Gläubiger und der Kreditschuldner als Eigentümer gegenüber, es sei denn, dass dieser nur an einem Bodenvermögensfonds beteiligt ist oder einen Dritteigentümer einschalten kann. Hinter einer Bank als Kreditgeber stehen die Anleger und Sparer, die hohen Zins und hinreichende Sicherung erwarten. Hinter dem Kreditnehmer und Eigentümer können die Interessen von Mietern und Pächtern stehen, die jedoch eher auf niedrigen Zins und geringere Sicherung ausgerichtet sind. Zum theoretischen Verständnis von Darlehen und Zins s. § 10 Rn. 2. Die Bestellung der Sicherheit soll dem Gläubiger den Zugriff im Verwertungsfall eröffnen, dem Eigentümer aber vorher die Bewirtschaftung überlassen bleiben. Je stärker das Sicherungsrecht von dem gesicherten Anspruch abstrahiert wird, desto stärker kann der marktmächtigere Partner seine Rechtsstellung gestalten, wie dies schon bei der Wahl der Grundschuld geschehen ist (s. Winter, AK-BGB, 1983, vor § 1113 Rn. 4 ff.).
5
Volkswirtschaftlich kann zwischen produktiver und unproduktiver Verwertung unterschieden werden. Es kann um landwirtschaftliche, industrielle, Handel und Dienstleistungen betreffende Produktion oder die Wohnnutzung gehen, für die der Kredit aufgenommen wird, wohingegen Grundstückskaufkredite noch keine produktive Verwendung implizieren. Die frühere Hypothekendifferenzierung, die etwa Baugeldhypotheken Vorrang vor Kaufpreishypotheken gab, ist mit der Entfaltung der Bankwirtschaft hinfällig geworden, in deren Zug eine abstrakte Kapitalvalutierung gegen Zinszahlung dafür sorgt, dass die kreditgebende Bank nicht von Kreditverwendung und Erträgen des Kreditnehmers abhängig ist. Das ursprüngliche Modell der Kongruenz von Finanzierungsmitteln und Krediten durch Abstimmung der Grundpfandrechte mit den Emissionen ist weitgehend aufgegeben worden und wird durch eine Verkürzung der Laufzeiten und Zinsanpassungen aufgefangen. Die Tilgung der Immobiliarkredite, die bei einem Ausgangstilgungssatz von 1% und Verrechnung ersparter Zinsen als Tilgung im Rahmen der gleichbleibenden Annuitätenzahlung des Wohnungserwerbers gut dreißig Jahre dauert, führt dazu, dass die zurückgezahlte Valuta für neue Objekte zur Verfügung steht. Dass die Abnutzung wesentlich länger dauert als die Tilgung, kommt dem entlasteten Eigentümer zugute, nicht aber dem Mieter, dessen Miete sich durch den Tilgungsfaktor beim Vermieter erhöht.
6
Die Kreditinstitute finanzieren als Kapitalsammelstellen die Immobiliarkredite über Spareinlagen, Bausparbeiträge, Pfandbriefe und sonstige Schuldverschreibungen. Besonders in Zeiten hoher Zinsen und niedriger Gewinnerwartungen investieren auch Unternehmen in solche Anlagen. Die am Immobiliarkredit beteiligten Kreditinstitute verleihen das gesammelte Kapital zum Teil unmittelbar als Immobiliarkredite, legen es aber selbst auch in Pfandbriefen oder sonstigen Schuldverschreibungen an, die somit erst nach zweimaliger Vermittlung Grundlage des Immobiliarkredits werden. Damit ist notwendigerweise eine Verteuerung des Immobiliarkredits verbunden. Die im Hinblick auf verteuerte Bankkredite früher erhoffte Zunahme der Privatkredite (s. Nussbaum, Lehrbuch des deutschen Hypothekenwesens, 2. Aufl. 1921, 209 f.) ist jedoch nicht eingetreten, da diese mit einem erheblichen Transaktionsaufwand verbunden sind, etwa hinsichtlich der Bonitätsprüfung.
7
Die Zins- und Tilgungsleistungen sind aus den Erträgen der ökonomischen Nutzung zu erbringen, hängen also vom wirtschaftlichen Erfolg von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Dienstleistungssektor ab. Auf dem Wohnsektor sind die Immobiliarkreditzinsen aus den Arbeitseinkommen, aber auch aus den sozialstaatlichen Leistungen zu erbringen. Dabei kann eine gesicherte staatliche Sozialleistung unter Umständen eine sicherere
8
Derleder
548
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Grundlage sein als ein prekäres Arbeitseinkommen. Auch wenn die Zinshöhe nicht von den Erträgen und Arbeitseinkommen der Kreditnehmer abhängig ist, so ist doch die Realisierung des Zinses daran gebunden, dass sich regelmäßig hinreichende Erträge und Einkommen erzielen lassen. Das ist bei den Mietprognosen der Boomphase in den 90er Jahren außer Acht gelassen worden. 9
In der Geschichte der Wirtschaftstheorie hat die objektive Wertlehre die Wertlosigkeit des Bodens zugrunde gelegt, also nur eine Wertschöpfung aus dem Einsatz von Arbeit und Kapital hergeleitet. Daraus folgte die Theorie der Grundrente, die für die Überlassung des Bodens überhaupt und speziell nutzbarer Immobilien zu zahlen ist. Demgegenüber hat sich die subjektive Wertlehre stets nur am Verhältnis von Angebot und Nachfrage orientiert, das den Preis als Ergebnis einer Wertschöpfung ergibt. Das geht daran vorbei, dass eine Bodenpreissteigerung schlicht aus der Entstehung eines Ballungsraumes resultieren kann. Eine rechtliche Operationalisierung der objektiven Wertlehre, wie sie noch bei der Differenzierung zwischen Baugeldhypotheken und Kaufpreishypotheken erfolgt ist, hat sich aber nicht durchhalten lassen, so dass der auf den Boden zurückzuführende preisliche Wertschöpfungsfaktor praktisch keine Sonderbehandlung mehr erfährt.
10
IV. Die Akteure des Immobiliarkredits und ihre unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Nachdem das HypBG durch das PfandbriefG vom 22.5.2005 (BGBl. I, 1373) abgelöst worden ist, gelten dessen Bestimmungen nicht nur für Hypothekenbanken, die weiterhin aber vor allem den erstrangigen Kredit vergeben. Seit Ende der 70er Jahre gewähren auch die privaten Geschäftsbanken Immobiliarkredite für den Wohnungsbau und gewerblich genutzte Immobilien. Soweit sie eine Baufinanzierung aus einer Hand realisieren, gelten für sie nicht die strengen Bestimmungen des PfandbriefG. Eine fristenkongruente Refinanzierung mit festen Zinssätzen können sie nur teilweise verwirklichen. Die höheren Risiken führen bei ihnen auch trotz gesteigerter Bonitätsprüfung zu höheren Preisen. Immobiliarkredite sind demgegenüber ein Kernbereich des Sparkassenkreditgeschäfts. Die Eigenheimfinanzierung und der gewerbliche Immobiliarkredit für mittelständische Unternehmen stehen dabei im Mittelpunkt. Vergeben werden sowohl erstrangige wie zweitrangige Immobiliarkredite, deren Refinanzierung durch Spareinlagen erfolgt. Wegen deren Zinsschwankungen vereinbaren die Sparkassen regelmäßig variable Zinssätze. Über Sparbriefe, Sparobligationen und bei den Landesbanken aufgenommene Refinanzierungsmittel finanzieren die Sparkassen aber auch festverzinsliche Immobiliarkredite. Landesbanken und Girozentralen, regelmäßig rechtsfähige Anstalten des öffentliches Rechts, verschaffen sich die Mittel für die Gewährung von Immobiliarkrediten als Emissionsinstitute durch Schuldverschreibungen, insbesondere Hypothekenpfandbriefe, Kommunalkredite und sonstige Inhaberschuldverschreibungen. Die Bausparkassen nehmen von Bausparern Bauspareinlagen entgegen und gewähren daraus Bauspardarlehen (§ 1 BSpkG). Vor der Zuteilung der Bausparsumme dürfen sie aber auch Vor- und Zwischenfinanzierungen gewähren. Die Grenze von 80% des Beleihungswertes ist nach § 7 I 4 BSpkG einzuhalten, Ersatzsicherheiten sind jedoch in gewissem Umfang zulässig. Auch Versicherungen dürfen Immobiliardarlehen vergeben, seit 1974 in gleicher Weise wie die Hypothekenbanken. Seit 1991 ist auch die nachrangige Grundstücksbeleihung in begrenztem Umfang gestattet.
11
V. Die Grundstruktur der Immobiliarkreditsicherung der Banken. Ausgangspunkt ist der Abschluss eines Darlehensvertrages, der kautelarjuristisch ausgestaltet ist und dem regelmäßig bereits mehrere AGB-Regelwerke zugrunde liegen, die aufeinander verweisen. Wird die vereinbarte Darlehensvaluta um ein Disagio gemindert, bedeutet dies eine Erhöhung des Nominalzinssatzes, die aber in der Angabe des Effektivzinssatzes deutlich wird. Gesichert wird aber nicht der darlehensvertragliche Rückzahlungsanspruch nebst
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
549
den vereinbarten Zinsen und Nebenkosten, sondern der Anspruch aus einem zusätzlich in der Urkunde über das Darlehen, die Grundschuld oder die Vollstreckungsunterwerfung enthaltenen Schuldanerkenntnis i.S. des § 781 BGB. Auch beim Darlehen hat der Darlehensgläubiger zwar den Darlehensvertragsabschluss und die Darlehensvalutierung sowie die Fälligkeit zu beweisen, während der Darlehensschuldner eine Zins- und Tilgungsleistung nachzuweisen hat. Das Schuldanerkenntnis verschlechtert die Lage des Schuldners aber vor allem dadurch, dass ein fälliger Rückzahlungsanspruch nebst den nach dem jeweiligen Zeitablauf fälligen Zinsen ohne Rücksicht auf Zins und Tilgung anerkannt wird und somit die Basis für eine sofortige Vollstreckung bilden kann. Insofern ist das Schuldanerkenntnis die erste Stufe des Ausbaus der Immobiliarkreditrechte der Kreditinstitute. Der Anspruch aus dem Schuldanerkenntnis wird nun in aller Regel nicht durch eine Hypothek, sondern durch eine nicht akzessorische Grundschuld gesichert. Diese hat für die Kreditinstitute den Vorzug, dass sie sich von den Bedingungen des Darlehens und auch des Schuldanerkenntnisses zu lösen vermögen. Dementsprechend setzen die Kreditinstitute den Grundschuldzinssatz in aller Regel weit über dem Darlehenszinssatz fest und berufen sich dafür darauf, dass nach dem Ende der (in wirtschaftlich undramatischen Zeiten fünf oder zehn Jahre dauernden) Zinsbindungszeit für den jeweiligen Abschnitt des langfristigen Kredits ein erheblicher Zinssprung möglich sei, der aber ebenfalls noch dinglich abgesichert werden müsse. Die Differenz zwischen dem Darlehenszinssatz und dem Grundschuldzinssatz reicht aus, um inflationsbedingten Zinssteigerungen Rechnung zu tragen, wie sie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland praktisch noch nicht aufgetreten sind. Der Verweis darauf, dass der Kreditschuldner nach dem Sicherungsvertrag nur die geringeren vereinbarten Zinsen zu tragen habe, berücksichtigt nicht, dass mit diesen Grundschuldhöchstzinsen eine unverhältnismäßige Beschlagnahme des Grundvermögens verbunden ist, die die weitere Beleihung mit nachrangigen Grundpfandrechten erheblich erschwert und damit das Vermögen des Kreditnehmers übermäßig bindet. Darüber hinaus werden die Sicherungsinteressen der übrigen Gläubiger, insbesondere etwa der Bauhandwerker, beeinträchtigt. Ferner bietet die fehlende Akzessorietät der Grundschuld den Kreditinstituten die Möglichkeit, die Grundschuld ohne die gesicherte Forderung abzutreten, wie dies inzwischen beim Verkauf von Kreditpaketen massiv geschieht. Aus dem Sicherungsvertrag zwischen den Kreditvertragsparteien lässt sich zwar herleiten, dass eine solche Grundschuldgläubigerstellung treuhänderischen Charakter hat und eine isolierte Abtretung gegen den Sicherungsvertrag verstößt, wenn der Kreditnehmer stets alle seine Verbindlichkeiten erfüllt hat. Daraus kann sich dann jedoch wiederum nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegen das abtretende Kreditinstitut ergeben, der dem Zessionar der Grundschuld keineswegs ohne weiteres entgegengehalten werden kann, insbesondere mit Rücksicht auf den möglichen gutgläubigen einredefreien Erwerb der Grundschuld analog § 1157 Satz 2 BGB. Die Wahl der Grundschuld als Sicherungsmittel erweitert die Rechte des Immobiliarkreditgebers somit bei der gegenwärtigen vertraglichen Ausgestaltung in einer keineswegs ausgewogenen Weise (zweite Stufe des Ausbaus der Immobiliarkreditgeberrechte).
12
Die gesicherte Forderung aus dem Schuldanerkenntnis und das Sicherungsmittel der Grundschuld werden durch den Sicherungsvertrag verkoppelt, der erst nach jahrzehntelanger Diskussion über die Sicherungsgrundschuld als Rechtsinstrument entdeckt worden ist, aber trotz seiner wirtschaftlichen Tragweite keine Regelung im BGB gefunden hat, auch nicht durch das SMG. Während Verbraucherdarlehensverträge seit langem formbedürftig sind (s. seit 2002 § 492 BGB), kann der Sicherungsvertrag nach wie vor formfrei geschlossen werden (dagegen überzeugend Otten, Sicherungsvertrag und Zweckerklä-
13
Derleder
550
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
rung, Rn. 271 ff.). Die formlose Erweiterung der Sicherungsabrede ist selbst im Bankverkehr nicht ungewöhnlich. Die Kreditinstitute halten sich zwar beim ursprünglichen Vertragsabschluss meist an die Schriftform, nutzen den Sicherungsvertrag aber für eine Erweiterung des Sicherungszwecks auf alle ihre künftigen bankvertragsrechtlichen Ansprüche (sog. weite Zweckerklärung). Auf diese Weise wird dafür gesorgt, dass selbst Kredite mit anderweitigen Sicherheiten oder mit einer durch höheren Zins ausgedrückten anderweitigen Risikostruktur durch die Grundschuld gesichert werden. Damit können auch Kredite, für die normalerweise keine Grundpfandrechte als Sicherheit gegeben werden und die dementsprechend als Personalkredite mit wesentlich höheren Zins vergeben worden sind, nachträglich durch das Grundpfandrecht gesichert sein. Die Äquivalenzverhältnisse der jeweiligen Kreditbeziehungen werden damit überspielt (dritte Stufe des Ausbaus der Immobiliarkreditgeberrechte). 14
Der sofortige Zugriff auf die Immobilie des Kreditschuldners wird dadurch abgesichert, dass sich der Kreditnehmer in einer vollstreckbaren Urkunde gem. § 794 I Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Grundstück unterwerfen muss. Dafür ist die Errichtung durch einen Notar erforderlich, dessen Zuständigkeit sich aus § 56 IV BeurkG ergibt. Der Anspruch muss dafür auch bestimmt sein, also ziffernmäßig feststehen oder sofort aus der Urkunde feststellbar sein (BGHZ 22, 54). Eine Lockerung hat der BGH jedoch insofern vorgenommen, als der Zinsbeginn nur bestimmbar sein muss (BGH NJWRR 2000, 1358). Durch die Fälligstellung des Gesamtanspruchs aus dem Schuldanerkenntnis und des Anspruchs aus der Grundschuld ist der Immobiliarkreditgeber also befugt, bei jedem Konflikt unabhängig von der darlehensvertragsrechtlichen Rechtslage zu vollstrecken, d.h. die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung anordnen zu lassen. Dem Kreditschuldner wird damit die Klagelast mit entsprechendem Prozesskostenvorschuss zugeschoben, wenn er den Konflikt nicht im Konsens mit dem Kreditinstitut ausräumen kann (vierte Stufe).
15
Mit Rücksicht auf die sofortige Vollstreckungsmöglichkeit wird in den Vertragsbedingungen der Kreditinstitute, soweit nicht alle Ansprüche unter Ausklammerung der Zins- und Tilgungsleistungen fällig gestellt worden sind, formularvertraglich der Verzicht auf den Nachweis der Grundschuldkündigung und der daraus resultierenden Fälligkeit erklärt. Nach § 1193 I 1 BGB wird das Kapital der Grundschuld zwar erst nach vorgängiger Kündigung fällig, mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten nach § 1193 I 3 BGB. Da abweichende Bestimmungen nach § 1193 II BGB jedoch für zulässig erklärt werden, hat die Rechtsprechung auch den formularmäßigen Verzicht auf den Nachweis von Kündigung und Fälligkeit nicht beanstandet. Derartige Verzichtsklauseln stellen die fünfte Stufe des Ausbaus der Immobiliarkreditgeberrechte dar.
16
Darüber hinaus muss sich der Kreditnehmer über das gewährte Grundpfandrecht hinaus auch der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dem Schuldanerkenntnis in das sonstige Vermögen des Schuldners unterwerfen. Die Kreditinstitute verweisen insofern darauf, dass es flexibler und produktiver sein kann, statt der Vollstreckung in das Grundvermögen, etwa wegen einzelner Rückstände, die Mobiliarvollstreckung zu betreiben, etwa Lohn- und Gehaltsansprüche zu pfänden. Von dieser Zugriffsmöglichkeit sehen die Kreditinstitute noch nicht einmal bei erstrangigen Immobiliarkrediten mit äußerst geringem Ausfallrisiko ab. In den Vertragsbedingungen sind auch keinerlei Verhältnismäßigkeitsgrundsätze verankert, so dass der wahlweise Zugriff auf das Mobiliar- oder das Immobiliarvermögen beliebig erfolgen kann (sechste Stufe).
17
Bislang in der Diskussion kaum berücksichtigt ist die Tatsache, dass sich die Immobiliarkreditgeber von den beurkundenden Notaren bereits vorsorglich aufgrund entspre-
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
551
chender Vertragsbedingungen die für die Vollstreckung erforderliche Vollstreckungsklausel geben lassen, bevor noch überhaupt irgendeine Leistungsstörung erkennbar ist. Damit wird auch jede Missbrauchskontrolle vor Einleitung des Vollstreckungsverfahrens ausgeschlossen. Die Kreditinstitute brauchen also für die Klauselerteilung und die Einleitung der Zwangsvollstreckung von Rechts wegen noch nicht einmal eine Abrechnung des Kredits unter Berücksichtigung der Zins- und Tilgungsleistungen des Kreditnehmers vorzulegen, die in den meisten Fällen wenigstens teilweise erbracht worden sind (siebte Stufe). Dieses siebenstufige Immobiliarkreditsicherungssystem hat die Bankwirtschaft in Jahrzehnten entwickelt und einer nicht selten überforderten Rechtsprechung präsentiert, die den Eingriff in Dauerschuldverhältnisse, vor allem langfristige Kredite, mit rückwirkenden Unwirksamkeitsanordnungen (durchaus verständlicherweise) scheut. Einzelne Fehlgriffe hat die Rechtsprechung auch korrigiert, so etwa hinsichtlich der zunächst dem Kreditschuldner bei der Vollstreckungsgegenklage zugeschobenen Beweislast für den gesicherten Anspruch, hinsichtlich der geballten Vollstreckungsmacht auch gegenüber altruistischen Drittsicherungsgebern und schließlich durch die Aufgabe der Rechtsprechung, nach der die Verjährung der Zinsen während der Kreditlaufzeit gehemmt sein sollte. Die vor allem nach dem Erlass des AGBG erforderliche Inhaltskontrolle hat trotz vehementer Kritik in der Literatur (Stürner JZ 1977, 431, 638) praktisch keine Korrekturen der übermäßigen Vollstreckungsmacht erbracht.
18
Nach wie vor gelten die Prinzipien des Grundsatzurteils vom 18.12.1986 (BGHZ 99, 274, 284), die seither nur ergänzt worden sind. Die formularmäßige Vereinbarung von abstrakten persönlichen Zahlungsverpflichtungen und die damit verbundene Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen des Schuldners sollen danach der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht standhalten. Die Übernahme einer selbständigen, von der zu sichernden Kreditverbindlichkeit gelösten (abstrakten) persönlichen Haftung in Höhe des Grundschuldbetrages soll in Verbindung mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung die Ansprüche des Kreditgebers aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung mit den Schuldnern sichern, indem sie die Durchsetzung erleichtert. Solche Klauseln seien in Kreditsicherungsverträgen mit Banken seit langem üblich. Sie seien regelmäßig in Fettdruck hervorgehoben, so dass sie dem Leser auffallen müssten. Vor allem aber hätten die Urkundsnotare die Schuldner über Inhalt und rechtliche Bedeutung dieser Klauseln zu belehren. Danach könne von einer für die Schuldner überraschenden Klausel nicht ausgegangen werden.
19
Die Schuldner würden auch nicht unangemessen benachteiligt. Die ZPO gestatte schließlich die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden. Sie stelle damit die freiwillige Unterwerfung der Schuldner unter die Zwangsvollstreckung der nach gerichtlicher Prüfung des Anspruchs ergangenen gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich gleich. Den Schutz des Schuldners gewährleiste sie bei den vollstreckbaren Urkunden durch das Erfordernis notarieller Beurkundung und die damit verbundenen notariellen Belehrungspflichten sowie durch die gegenüber Urteilen erweiterten Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners in ausgewogener Weise. Der gesetzlichen Regelung könne nicht entnommen werden, dass die Vollstreckung nach Erkenntnisverfahren ein gesetzliches Leitbild sei. Die Verwendung der Klauseln sei für schutzwürdige Interessen der Kreditgeber gerechtfertigt. Die Grundschulden und die persönlichen Verpflichtungserklärungen der Schuldner dienten ganz überwiegend der Sicherung der Ansprüche der Kreditgläubiger aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung. Für eigene Verbindlichkeiten hafte der Schuldner grundsätzlich mit seinem ganzen Vermögen, so dass es nicht zu beanstanden sei, wenn der Vollstreckungszugriff auf das gesamte Vermögen ermöglicht werde. Der ra-
20
Derleder
552
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
sche Gläubigerzugriff werde dadurch gerechtfertigt, dass eine ausreichend sichere Vorsorge gegen das Risiko eines Vermögensverfalls des Schuldners geboten sei. Typischerweise ergäben sich Störungen bei der Abwicklung des Kreditverhältnisses aus einer Vermögensverschlechterung beim Schuldner. Dessen Schutz werde in ausreichender Weise durch die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe mit ihren vielfältigen Möglichkeiten einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung und durch die Schadensersatzpflicht der Bank bei missbräuchlicher Ausnutzung des Vollstreckungstitels gesichert. Die persönliche Vollstreckungsunterwerfung stelle auch keine unzulässige Beweisänderung dar. Die Vereinbarung einer abstrakten Zahlungsverpflichtung, deretwegen der Kreditgeber jederzeit eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde erwirken könne, falle nicht unter § 11 Nr. 15 AGBG (jetzt § 309 Nr. 12 BGB), auch wenn sie eine ungünstigere Beweislastverteilung ergebe, und sei auch nicht unangemessen, da sie den schutzwürdigen Interessen des Kreditgebers Rechnung trage. 21
Mit dieser Begründung ist der BGH jedoch nur auf einzelne Elemente des Gesamtsicherungssystems der Immobiliarkreditgeber eingegangen. Er hat auch in seiner weiteren Rechtsprechung das siebenstufig ausgebaute Sicherungssystem nicht insgesamt gewürdigt und der Vertragspraxis der Kreditinstitute vorschnell die Ausgewogenheit bescheinigt. Mit Rücksicht auf die traditionelle Kultur des langfristigen Kredits hat dies jedenfalls bis zum Beginn der 90er Jahre keinen größeren volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet, zumal die Bankenaufsicht letztlich bei Missbräuchen eingeschaltet werden konnte. Nachdem jedoch im Zuge der Lockerung der Immobiliarkreditvergabebedingungen seit Beginn des durch die Wiedervereinigung ausgelösten Booms auch in Deutschland Hunderttausende von Subprime-Krediten vergeben worden sind und die Vergabebanken die Kreditabwicklung zu einem erheblichen Teil in fremde Hände geben mussten, einschließlich der Verwertung durch Inkassounternehmen, und nachdem die tiefgreifende Subprime-Krise auf dem US-Immobiliarkreditsektor unüberschaubare Milliardenverluste ergeben hat, kann die Kritik an der bisherigen Vollstreckungsmacht der Banken nicht mehr als rechtshistorische Erscheinung abgetan werden. Es zeichnet sich vielmehr ab, dass die Inkasso-Tochterunternehmen ausländischer Investoren mit der von den deutschen Banken aufgebauten geballten Vollstreckungsmacht die schnelle Verwertung auch der Grundstücke von Häuslebauern betreiben. Daher bedarf es über die notwendigen rechtsdogmatischen Korrekturen nicht ausgewogener Rechte der Kreditinstitute hinaus einer Reformgesetzgebung, bei der die schutzwürdigen Interessen der Kreditgeber zwar im erforderlichen Maße gewahrt, aber auch die schutzwürdigen Interessen der Verbraucher beachtet werden, die gegenwärtig den Zugriff von Zessionaren ohne Interesse an der Kreditfortführung, ohne bankrechtliche Aufsicht und ohne Rücksicht auf das darlehensvertragliche Schuldverhältnis erwarten müssen. Das Risikobegrenzungsgesetz vom 27.6.2008 stellt keine derartige Reform dar (s. dazu Rn. 48 ff.).
22
VI. Der Immobiliarkredit in der Schrottimmobilienkrise. Aufgrund des wiedervereinigungsbedingten Baubooms, der dafür gegebenen erheblichen staatlichen Steuersubventionen und der daran ansetzenden expansiven Kreditvergabepolitik eines Teils der Banken in den 90er Jahren ist es zu einer Fülle von Subprime-Krediten gekommen, die nach einigen Jahren zu non performing loans (NPL-Krediten) geworden sind und mit denen Hunderttausende von Privathaushalten in die Überschuldung geraten sind. Rechtlicher Ausgangspunkt für die Kreditexpansion, mit der auch Kreditnehmer angesprochen wurden, die niemals von selbst zu einer Bank gegangen wären, denen vielfach dubiose Vermittlerkolonnen kaum oder gar nicht erreichbare Steuervorteile einer bestimmten Anlage vorrechneten, die mit völlig unrealistischen Immobilienwerten und Mieten operierten und bei den Anlegern hochoptimistische Einkommenssteigerungen zugrunde legten,
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
553
waren die Neuregelungen des Haustürgeschäfts und des Verbraucherkreditrechts aufgrund europarechtlicher Vorgaben. Mit der Einführung des Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften nach § 1 HWiG (BGBl. 1986 I, 122) verzichtete der Gesetzgeber auf die bisherige Ächtung der Kreditvergabe im Reisegewerbe gem. § 134 BGB i.V. mit § 56 I Nr. 6 GewO und die daraus herzuleitende Nichtigkeitssanktion für alle außerhalb der Geschäftsräume eingeworbenen Kredite. Beim Erlass des VerbrKrG (BGBl. 1990 I, 2840) erstreckte der Gesetzgeber auf Veranlassung der Bankwirtschaft einen erheblichen Teil der verbraucherschutzrechtlichen Regelungen (insbesondere für das Widerrufsrecht und verbundene Geschäfte) in § 3 II Nr. 2 VerbrKrG nicht auf Kreditverträge, nach denen der Kredit von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite und deren Zwischenfinanzierung üblichen Bedingungen gewährt wurde. Die Regelungen des HWiG und des VerbrKrG wurden zwar mehrfach geändert und gingen nur mit erheblichen Modifikationen in das SMG ein, waren aber in ihrer ursprünglichen Form die maßgeblichen Normen für die Vergabe der Schrottimmobilienkredite. Die Gesamtheit der Regelungen und ihrer Konkretisierung durch die Gerichte kann hier nicht rekapituliert werden. Notwendig ist aber auch im Hinblick auf die künftige Rechtsanwendung die Verarbeitung der zentralen Normen und der Judikatur dazu. 1. Der Trennungsgrundsatz. Wenn in den 80er Jahren ein Anleger einen Kredit für eine besonders profitable Verwendung aufgenommen und diese sich dann als unsolide erwiesen hatte, wies die Rechtsprechung Haftungsansprüche gegen die Banken regelmäßig mit der zutreffenden Begründung zurück, wer von einer Anlage ganz überdurchschnittliche Erträge erwarte, müsse sich selbst durch die Einholung von professionellem Rat des Risikos bewusst werden. Dem Kreditnehmer wurde insoweit das Verwendungsrisiko hinsichtlich der Kreditvaluta zugewiesen, selbst wenn das Kreditinstitut bei der Kreditvergabe seinerseits die Verwendung geprüft hatte. Der Erwerber einer Immobilie, etwa einer Eigentumswohnung oder eines Anteils an einem geschlossenen Immobilienfonds, musste ein zur Finanzierung dieses Erwerbs aufgenommenes Darlehen daher auch dann zurückzahlen, wenn das Erwerbsgeschäft störungsbehaftet war. Dieser Trennungsgrundsatz bestand seit je für die traditionelle Immobilienfinanzierung, bei der die kreditgebende Bank nicht in das Verwendungsrisiko des Darlehensnehmers verstrickt werden sollte.
23
2. Der Einwendungsdurchgriff beim finanzierten Erwerb eines Immobilienfondsanteils. Mit der expansiven Kreditvergabepolitik in den 90er Jahren kam es dann aber zu einem planmäßigen Konnex zwischen dem Objektvertrieb von Seiten der Bauträger und der Immobilienfonds und den kreditgebenden Banken. Bauträger und Fondsinitiatoren betrieben ihre Geschäfte, bei denen die potentiellen Kreditnehmer von bankfremden Vermittlern systematisch zu Hause aufgesucht wurden, nicht ohne vorherige grundsätzliche Abstimmung über die Finanzierungsbereitschaft einer Bank. Das damit verbundene institutionelle Zusammenwirken von Veräußerern und Finanzierern wurde vom Bankrechtssenat des BGH zunächst ganz ignoriert und tauchte in den Tatbeständen seiner Urteile überhaupt nicht auf. Dagegen schaltete sich der für finanzierte Immobilienfondsbeitritte zuständige Gesellschaftsrechtssenat des BGH (BGHZ 159, 294) in der Weise in diesen Problemkreis ein, dass er ein verbundenes Geschäft i.S. des § 9 I VerbrKrG (jetzt § 358 III 1 und 2 BGB) annahm, mit der Folge, dass der Kreditnehmer Einwendungen aus dem Erwerb eines Anteils an einem Immobilienfonds, etwa Täuschungen der Fondsinitiatoren, auch dem Darlehensgeber entgegenhalten konnte (Einwendungsdurchgriff). Der für die finanzierten Bauträgergeschäfte zuständige Bankrechtssenat des BGH gestattete dagegen von vornherein keinen Einwendungsdurchgriff und berief sich dafür auf § 3 II
24
Derleder
554
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Nr. 2 VerbrKrG. „Nach dem klaren Wortlaut“ dieser Bestimmung gelte diese Norm für die Finanzierung des Erwerbs vom Bauträger ausnahmslos, also unabhängig davon, ob erst der Erwerber das Grundpfandrecht bestelle oder schon der Veräußerer (BGHZ 161, 25, 26). Der Einwendungsdurchgriff kam danach zwar bei einem finanzierten Autokauf, nicht aber beim Verbraucherimmobiliarkredit zum Zuge, nicht einmal wenn der Kreditvertrag in einer Haustürsituation abgeschlossen wurde. Dabei wurde der gesetzliche Zweck des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG jedoch nicht berücksichtigt. Dessen teleologische und historische Interpretation hätte dazu führen müssen, nur den klassischen Immobiliarkredit mit den im Vergleich zum Konsum- und Betriebsmittelkredit deutlich niedrigeren Zins vom Schutz des VerbrKrG auszunehmen, nicht aber den höherverzinslichen nachrangigen Kredit und den mit hohen Vertriebskosten aufgeblähten, wie etwa den finanzierten Erwerb eines Immobilienfondsanteils mit den gesamten Fonds- und Vertriebskosten. 25
Die Divergenzen zwischen dem Bankrechtssenat und dem Gesellschaftsrechtssenat räumte dann ein den Gang zum Großen Senat erübrigender Kompromiss (s. dazu Derleder NZM 2006, 449) aus, mit dem der Bankrechtssenat für zuständig erklärt wurde und dafür mehr Verbraucherschutz versprach. Die neue Linie des Bankrechtssenats fand sich dann in dem Entscheidungsbündel vom 25.4.2006. In dem ein verbundenes Geschäft aus Veräußerung und Kredit in Abrede stellenden Urteil (BGHZ 167, 223) betonte der Senat wie schon zuvor, dass die Verbraucherkreditrichtlinie auf Kreditverträge zum Erwerb von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder Gebäude nicht anwendbar sei, also insofern keinen umfassenden Schutz des Verbrauchers gewähre. Die Übernahme des von einem Immobilienfonds oder einem sonstigen Grundstückseigentümer bestellten Grundpfandrechts durch den Erwerber und Kreditnehmer reiche für die Anwendung des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG aus, so dass ein Einwendungsdurchgriff ausscheide. Der Senat ging dann aber auch noch auf die amtliche Begründung zu dieser Vorschrift ein, in der die auf oft taggenauer Refinanzierung beruhende relativ niedrige Verzinsung als Grundlage der Bereichsausnahme genannt und auf den Warneffekt der Sicherstellungsverpflichtung in Bezug auf das Grundpfandrecht hingewiesen worden war. Dazu vertrat der Senat die Auffassung, dass es im Hinblick auf diese Motive des Gesetzgebers gleichgültig sei, wer das Pfandrecht bestellt habe und welchem Zweck der Kredit diene. Außerdem ergebe sich der Warneffekt schon aus der Verpflichtung zur Sicherheitenbestellung. Die Erstreckung dieser Rechtsgrundsätze auf den finanzierten Immobilienfondsbeitritt sei erforderlich, da § 3 II Nr. 2 VerbrKrG nicht nach der Person des Sicherungsgebers und dem Zeitpunkt der Bestellung differenziere. Deswegen sei es auch gleichgültig, ob es sich bei dieser Finanzierung um einen typischen Realkredit handle. Mit dieser weiten Auslegung der Ausnahmevorschrift stellte der Senat somit den finanzierten Erwerb vom Bauträger oder eines Immobilienfondsanteils gleichermaßen vom Verbraucherschutz für das verbundene Geschäft frei.
26
Auch wenn damit der allergrößte Teil der Finanzierungen des Erwerbs von Immobilienfondsanteilen aus dem Anwendungsbereich verbundener Geschäfte herausfiel, so blieb doch eine Restgruppe, die auch nach dem Bankrechtssenat die Voraussetzungen des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG nicht erfüllte, entweder weil ausnahmsweise keine grundpfandrechtliche Sicherung zustande gekommen war, auch nicht durch Übernahme von Grundpfandrechten, oder weil nicht die üblichen Konditionen eingehalten worden waren. In dem Sachverhalt einer der Entscheidungen vom 25.4.2006 (BGHZ 167, 252) hatte der Kreditnehmer kein Grundpfandrecht gegeben, sondern seine Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung und aus seiner Fondsbeteiligung an die kreditgebende Bank abgetreten. Mangels Anwendbarkeit des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG war somit § 9 VerbrKrG anzuwenden, der für ein verbundenes Geschäft jede Art arbeitsteiligen Zusammenwirkens beim
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
555
Vertrieb von Finanzierungsobjekten und Darlehen genügen lässt. Maßgebliche Indizien dafür sind spezielle Zinskonditionen des Kreditinstituts in den Verträgen mit den Fondsanteilerwerbern ebenso, wie wenn der Vertrieb von Fondsanteilen in erheblichem Umfang über Kreditverträge eines einzelnen Kreditinstituts läuft, da sich dann die Koordination mit diesem aufdrängt. Zu einem Einwendungsdurchgriff konnte es ferner dann kommen, wenn der Grundpfandkredit nicht zu den üblichen Bedingungen gewährt worden war. So war es im Sachverhalt der Entscheidung vom 25.4.2006 (ZfIR 2006, 502), wo der effektive Jahreszins erheblich über der Streubreite fest verzinslicher Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank lag. Hier verlangte der Bankrechtssenat allerdings noch die Prüfung „der Marktüblichkeit der vereinbarten Bedingungen im Einzelfall“, wofür notfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Insgesamt gewährte der Bankrechtssenat daher den verbraucherrechtlichen Schutz des verbundenen Geschäfts vor allem Kreditnehmern, die auf eine Sicherstellung durch ein Grundpfandrecht gar nicht angewiesen waren, einerseits und hielt es andererseits für möglich, dass auch Realkredite mit Zinsen in einer Höhe über der statistisch ausgewiesenen Streubreite im Einzelfall gerechtfertigt werden konnten. Beim Erwerb eines Gesellschaftsanteils an einem geschlossenen Immobilienfonds war der Einwendungsdurchgriff jedoch noch durch die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft eingeschränkt. Danach konnte der Anleger seine Beteiligung an der Gesellschaft, also insbesondere einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, im Falle arglistiger Täuschung durch einen Fondsbetreiber mittels außerordentlicher Kündigung für die Zukunft beenden. Dies arbeitete zunächst der Gesellschaftsrechtssenat heraus (BGHZ 156, 46). Danach konnte der Anleger gem. § 9 III 1 VerbrKrG seinen Anspruch auf Auszahlung eines Abfindungsguthabens infolge Beendigung seiner Beteiligung dem Kreditgeber entgegenhalten. Er konnte aber nicht den Anspruch auf ungeschmälerte Rückzahlung der erbrachten Einlage erheben, da der Gesellschaftsbeitritt selbst bei arglistiger Täuschung wirksam war, wenn er in Vollzug gesetzt worden war. Der in dieser Weise beschränkte Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriff führte zur Rückabwicklung, bei den Fonds aus den 90er Jahren entsprechend § 9 II 4, III VerbrKrG. Die Rückabwicklung geschah in der Form, dass das Kreditinstitut im Verhältnis zum Anleger in die Rechte und Pflichten der Fondsgesellschaft eintrat. Das führte dazu, dass der Kreditnehmer nicht nur zur Rückzahlung des Kredits verpflichtet war, sondern der Kreditgeber seinen Darlehensrückzahlungsanspruch mit seiner Abfindungsverpflichtung zu saldieren hatte und den etwaigen Saldo darlegen und beweisen musste. Der Kreditgeber hatte dann das Risiko, das ihm zur Verfügung gestellte Abfindungsguthaben bei der Fondsgesellschaft realisieren zu müssen. Diese rechtsdogmatische Lösung hatte nur den großen praktischen Nachteil für den Anleger, dass er bis zu seiner Kündigung an den Wertverlusten des Fonds teilnehmen musste und sein Abfindungsguthaben somit bei Schrottimmobilien außerordentlich gering auszufallen pflegte. Deswegen vollzog der Gesellschaftsrechtssenat im Jahre 2004 (BGHZ 159, 280) die Wendung dahin, dass der Anleger der Bank auch alle Ansprüche entgegenhalten konnte, die er gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds, die maßgeblichen Betreiber, Manager, Prospektherausgeber und sonst für das Anlageprojekt Verantwortlichen hatte. Nur mit diesen habe das Kreditinstitut im Vorfeld der Anlegereinwerbung zu tun, nicht dagegen mit den übrigen Anlagegesellschaftern, die zudem ebenfalls getäuscht sein könnten. Den Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschaftern habe die Bank die Anbahnung der Darlehensverträge mit den einzelnen Anlegern überlassen. Die dem verbundenen Geschäft zugrundeliegende Dreiecksbeziehung erschöpfe sich daher nicht in den Beziehungen zwischen Anleger, Gesellschaft und Bank. Vielmehr seien auch die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter wie Verkäufer zu behandeln. Daher könne der
Derleder
27
556
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Anleger seinen Schadensersatzanspruch gegen diese gem. § 9 III 1 VerbrKrG auch gegenüber der Bank geltend machen. Dieser Anspruch sei darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als hätte er kein verbundenes Geschäft geschlossen. Diese Grundsätze der letzten Entscheidung des Gesellschaftsrechtssenats hat der Bankrechtssenat bei der Durchführung des BGH-Kompromisses aufgegeben, ohne eine große Begründung dazu zu geben. Obwohl die beteiligten Banken den Vertrieb ihrer Kredite in weitem Umfang Initiatoren und Betreibern von Fonds überlassen und insoweit auch für Störungen im Vertrieb einzustehen hatten, hat der Bankrechtssenat den Einwendungsdurchgriff beim verbundenen Geschäft wegen schuldhaften Verhaltens von Initiatoren und Gründungsgesellschaftern aufgegeben (BGHZ 167, 239). Es bleibt danach dabei, dass der Einwendungsdurchgriff beim verbundenen Geschäft auf die Rückabwicklung bei Beendigung des Gesellschaftsbeitritts durch außerordentliche Kündigung unter Zugrundelegung des meist geringen Abfindungsguthabens des Anlegers beschränkt ist. Damit ist auch klargestellt, dass selbst beim verbundenen Geschäft nur eine arglistige Täuschung dem Anleger einen Einwendungsdurchgriff zu geben vermag, also keine fahrlässige Fehlinformation oder Falschberatung, da eine solche überhaupt nicht zur fristlosen Beendigung der Gesellschaftsbeteiligung führen kann und die ordentliche Kündigung vertraglich weitgehend eingeschränkt ist. 28
3. Der Täuschungsschutz beim Erwerb eines finanzierten Immobilienfondsanteils. Zum Ausgleich für den reduzierten Einwendungsdurchgriff gewährte der Bankrechtssenat jedoch mit Urteil vom 25.4.2006 (BGHZ 167, 239) beim verbundenen Geschäft einen neuen Schutz vor Täuschungen. Er führte aus, die Rechte des Anlegers und Darlehensnehmers erschöpften sich nicht im Einwendungsdurchgriff. Bei einer arglistigen Täuschung durch einen Vermittler über die Fondsbeteiligung könne der Kreditnehmer im Falle eines verbundenen Geschäfts vielmehr ohne weiteres auch den mit dem Anlagevertrag verbundenen Darlehensvertrag anfechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss kausal gewesen sei. Denn der Vermittler sowohl der Fondsbeteiligung als auch des Darlehensvertrags sei für die kreditgebende Bank nicht Dritter i.S. des § 123 II BGB. Von einer solchen Kausalität sei beim verbundenen Geschäft regelmäßig auszugehen. Anstelle einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung könne der Anleger bei Ablauf der Anfechtungsfrist des § 124 I BGB den Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss geltend machen, desgleichen sei dies bei ausnahmsweise fehlender Arglist möglich. Beim verbundenen Geschäft müsse sich die kreditgebende Bank nicht nur die arglistige Täuschung des Fonds- und Kreditvermittlers über die Fondsbeteiligung, sondern auch ein darin liegendes vorsätzliches Verschulden bei Darlehensvertragsschluss entgegenhalten lassen. Der getäuschte Anleger könne jedenfalls beim verbundenen Geschäft verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Täuschung gestanden hätte, wobei nach der Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass er dem Fonds dann nicht beigetreten wäre und den Kredit dann nicht aufgenommen hätte. Der Anleger müsse den Kredit dann nicht zurückzahlen, sondern nur seinen Fondsanteil oder nach dessen Kündigung seinen Abfindungsanspruch an die Bank abtreten, die ihrerseits die Rückerstattung von Zins- und Tilgungsleistungen des Kreditnehmers abzüglich etwaiger Fondsausschüttungen und Steuerersparnisse schulde. Der Anleger kann also danach bei vorsätzlicher und fahrlässiger Täuschung (insbesondere durch Fehlinformationen zum Fonds) seitens einer Fondsanteil und Darlehen zugleich vertreibenden Vermittlerperson aufgrund vermuteter Kausalität Schadensersatz vom Kreditinstitut verlangen und damit den Kreditverbindlichkeiten entgehen. Der Nachweis einer Täuschung durch Vermittler war über deren Vernehmung nur selten zu führen sein. Prospektfehler und falsche Berechnungen waren aber doch in einer Vielzahl von Fällen greifbar. Offen blieb aber, ob diese Rechtsgrundsätze
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
557
zum Verschulden bei Vertragsschluss auch auf das nicht verbundene Geschäft übertragen werden können. 4. Die Rolle der Vollmachten bei Fondsanteils- und Darlehensvertrieb. Bei Fondsinitiatoren gestaltete sich der Vertrieb von Fondsanteilen am einfachsten, wenn sie den Anleger nur eine einzige Unterschrift leisten ließen und diese eine umfassende Vollmacht zur Durchführung aller Rechtsgeschäfte des Erwerbs und der Finanzierung enthielt, und zwar sowohl beim Erwerb von Immobilienfondsanteilen wie beim Erwerb einer Immobilie vom Bauträger. Der IX. Zivilsenat des BGH erklärte jedoch diese umfassenden Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten des Anlegers mit Treuhändern wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i.V. mit Art. 1 § 1 I 1 RBerG für nichtig (BGHZ 145, 265) und der Bankrechtssenat folgte dieser Linie, obwohl er diese Vollmachten vorher schlicht als wirksam behandelt hatte. Ein derartiger Vollmachtmangel konnte allerdings nach §§ 171, 172 BGB aufgrund des Vertrauens des Kreditinstituts in eine ihm vorgelegte Originalvollmachtsurkunde oder notarielle Ausfertigung geheilt werden. Diesen Gutglaubensschutz erklärte der Gesellschaftsrechtssenat bei einem verbundenen Geschäft für unanwendbar (BGHZ 159, 294), weil die Einschaltung des Treuhänders als Vertreter des Anlageinteressenten nicht von diesem, sondern von den Initiatoren und Gründungsgesellschaftern der Fonds ausgegangen sei. Indem die Bank ihre Vertragsformulare den Vertriebsunternehmen überlassen oder sich der Selbstauskunftsformulare der Vertriebsunternehmen bedient habe, habe sie sich bewusst in die Vertriebsorganisation eingegliedert und wisse, dass der Treuhänder keine Vertrauensperson des Anlegers sei. Mit dieser Argumentation räumte der Bankrechtssenat dann jedoch in Durchführung des BGH-Kompromisses auf (BGHZ 167, 223 und BGH ZfIR 2006, 502). Er betonte, die Regelung des verbundenen Geschäfts sei für die Rechtsscheinhaftung eines Kreditnehmers ohne Bedeutung, da diese sich nach den §§ 171, 172 BGB und den Rechtsgrundsätzen über die Duldungs- und die Anscheinsvollmacht bestimme. Die §§ 171 ff. BGB setzten kein Vertrauensverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem voraus. Es sei nicht zulässig, diese Regelungen allein aufgrund der Einschaltung eines Treuhänders ohne konkrete Feststellungen generell für unanwendbar zu erklären. Der an die Vorlage der Vollmachtsurkunde anknüpfende Rechtsschein entfalle auch nicht bei Kenntnis der den Vollmachtmangel begründenden Umstände, da es nur auf das Kennen und das Kennenmüssen des Vollmachtmangels selbst ankomme. Die Kreditinstitute hätten Anfang der 90er Jahre die Praxis der Vollmachten für Treuhänder nicht anzweifeln müssen, da nicht einmal ein Notar habe Bedenken tragen müssen (unter Bezug auf BGHZ 145, 265). Damit wurde den beteiligten Banken zugute gehalten, dass sie bis zur höchstrichterlichen Klärung auf jede Vollmachtsurkunde vertrauen durften, obwohl diese Vollmachten als eine Art Selbstentmündigungspaket eine Vielzahl von schuldrechtlichen und sachenrechtlichen Geschäften einschließlich sehr teurer Kredite des Anlegers abdeckten, hinsichtlich der Kredite auch ohne jede Vorgabe zum Verpflichtungsumfang und zur Zinshöhe. Ferner waren die umfassenden Vollmachten Bestandteile eines expansiven Fonds- und Finanzierungsmodells, das die Initiatoren vernünftigerweise nur in Abstimmung mit den kreditbereiten Banken entwickeln konnten. Soweit Treuhänder und Vermittler also auf beiden Seiten Funktionen übernommen haben, nämlich für Vertrieb und Finanzierung einerseits und die Anlageentscheidung andererseits, hätte also eine Berufung auf die Rechtsgrundsätze der §§ 171, 172 BGB ausscheiden müssen.
29
Der Bankrechtssenat weitete den Anwendungsbereich der Rechtsscheinvollmacht sogar noch erheblich aus. Während nach der bisherigen Rechtsprechung die Vollmachtsurkunden im Original oder in notarieller Ausfertigung vorgelegt werden mussten (BGHZ 102, 60), Abschriften und Fotokopien also ausdrücklich nicht genügten, wurde der Schutz des
30
Derleder
558
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Gutgläubigen nunmehr auf die Vorlage von Zeichnungsscheinen und sogar auf die Vorlage von Durchschriften der Zeichnungsscheine davon erstreckt (BGH ZfIR 2006, 502). Diese Linie wurde anhand eines Sachverhalts entwickelt, bei dem der Kreditnehmer zunächst einen Zeichnungsschein über den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds unterzeichnet und dann eine umfassende Vollmacht zum Abschluss aller notwendigen Verträge erteilt hatte. Ohne genauere Analyse der Funktion des Zeichnungsscheins erklärte der Bankrechtssenat diesen Schein für eine (nicht umfassende) Vollmacht, die an sich von der Nichtigkeitssanktion des § 134 BGB nicht erfasst werde. Er stellte es sogar der Vorlage eines Originals gleich, wenn nur eine Durchschrift des Zeichnungsscheins der Bank vorgelegt worden war. Dafür bemühte der Senat die Unterscheidung zwischen (in unbeschränkter Zahl möglichen) Abschriften und der (durch den Durchschreibesatz begrenzten Zahl von) Durchschriften sowie die auch auf der Durchschrift angeblich vorhandene Unterschrift. Die Gefahr der Verfälschung sei zwar erhöht, bestehe aber auch bei Originalen. Es ist jedoch unvertretbar, Durchschriften, die oft kaum leserlich sind, einem Original gleichzustellen. Sie sind keine geeignete Grundlage für ein Vertrauen auf eine Vollmachterteilung. Der Bankrechtssenat hielt es dann später für möglich, dass die umfassende Vollmacht und der Zeichnungsschein eine Einheit bildeten und damit die Unwirksamkeit der Vollmacht gem. § 139 BGB auch auf den Zeichnungsschein durchschlage (BGH NZM 2007, 180). Der Bankrechtssenat überließ es allerdings den Tatsacheninstanzen, die rechtliche Einheit zwischen Zeichnungsschein und später erteilter umfassender Vollmacht festzustellen. 31
5. Die Formmängel beim finanzierten Erwerb von Fondsanteilen und Wohnungen. Auch Formmängel waren eine Fehlerquelle beim Erwerb finanzierter Fondsanteile und Wohnungen, da die ambitionierte Formvorschrift des § 4 VerbrKrG (jetzt § 492 BGB) besonders weitreichende Formanforderungen stellte. Ein Verstoß war etwa anzunehmen, wenn der Darlehensvertrag nicht die Kosten der Kapitallebensversicherung angab, die im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag abgeschlossen war (BGHZ 167, 223). Wenn die erforderliche Gesamtbetragsangabe wegen Ausklammerung der Prämien der Kapitallebensversicherung falsch berechnet war, sollte die Unrichtigkeit dieser Pflichtangabe nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führen (BGHZ 167, 239). Auch wenn nicht jeder Berechnungsfehler zur Nichtigkeit führen kann, sollte aber bei ausgewogener Rechtsanwendung die Grenze bei gravierenden strukturellen Fehlberechnungen überschritten sein. In jedem Fall war noch die Heilung des Vertrags nach § 6 VerbrKrG (jetzt § 494 II 1 BGB) vorbehalten. Dafür ließ der Bankrechtssenat die weisungsgemäße Auszahlung an einen Dritten genügen. Die fehlende Gesamtbetragsangabe führte daher nach einer Heilung durch Empfang der Valuta seitens des vertraglich vorgesehenen Empfängers zur Heilung der Formnichtigkeit unter Reduzierung des Zinsanspruchs auf die gesetzlichen Zinsen nach § 6 II VerbrKrG. War der Verbraucherkreditvertrag blanko unterschrieben, war die Form des § 4 I 1 VerbrKrG (jetzt § 492 I 1 BGB) nicht gewahrt. Der Bankrechtssenat hielt aber auch eine Heilung dieses Formmangels gem. § 6 I 1 VerbrKrG für möglich, wenn die Auszahlung der Darlehensvaluta bewirkt war. Die Auszahlung an einen Dritten kann jedoch nur aufgrund entsprechender Zustimmung des Kreditnehmers gem. §§ 362 II, 185 BGB als Auszahlung an diesen gelten. Diese Einwilligung kann nicht durch Auszahlung an den Dritten wirksam werden, da sie gerade Voraussetzung der wirksamen Auszahlung an den Kreditnehmer ist. Im Wege eines Zirkelschlusses hat demgegenüber der Bankrechtssenat angenommen, dass die Wirksamkeitsvoraussetzung einer Heilung (nämlich die Auszahlung an den Darlehensnehmer) selbst durch Heilung (nämlich die Ersetzung der Einwilligung zur Auszahlung an einen Dritten) wirksam werden kann (BGHZ 167, 239).
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
559
6. Die Grundsatzentscheidung vom 16.5.2006 zum Erwerb vom Bauträger. Nachdem der Bankrechtssenat schon in den Entscheidungen vom 25.4.2006 dem Fondsanleger in weiterem Umfang gestattet hatte, sich auf Täuschungen von Vermittlern zu berufen, verfolgte seine Grundsatzentscheidung vom 16. Mai 2006 (BGHZ 168, 1) zum finanzierten Erwerb von Schrottimmobilien im Bauträgermodell die Linie weiter, hatte aber auf die Rechtsgrundsätze des EuGH aus den Entscheidungen Schulte (EuGH NJW 2005, 3551) und Crailsheimer Volksbank (EuGH NJW 2005, 3555) einzugehen. Diese Entscheidungen hatten eine Belehrungspflicht des Kreditgebers hinsichtlich des Widerrufsrechts postuliert und für den Fall der Belehrungspflichtverletzung eine Risikoverlagerung auf das Kreditinstitut vorgesehen. Aufzugeben hatte der Bankrechtssenat zunächst infolge der EuGH-Entscheidungen ohne weiteres seine Auffassung, dass es für das Vorliegen eines Verbraucherkredithaustürgeschäfts über die Haustürsituation noch weiterer Zurechnungskriterien (nach § 123 II BGB) bedürfe. Der Widerruf eines in einer Haustürsituation geschlossenen oder angebahnten Verbraucherkreditgeschäfts ist danach jetzt stets möglich, wenn der Kreditnehmer in einer Haustürsituation angesprochen worden ist. Der Widerruf des Kredits soll dann aber nach der Auszahlung und Verwendung des Darlehenskapitals dazu führen, dass der Kreditnehmer die Nettokreditvaluta zu zahlen und marktüblich zu verzinsen hat. Darin fühlte sich der Bankrechtssenat des BGH durch den EuGH bestätigt, obwohl dieser für die Interpretation des nationalen Rechts nicht zuständig war. Damit wird der Verbraucher, der mit einer ratenweisen Zahlung gerechnet hat und regelmäßig nicht über die finanziellen Ressourcen zur sofortigen Rückzahlung verfügt, für seinen Widerruf praktisch bestraft. Gegen dieses Argument hat sich der Bankrechtssenat jedoch als immun erwiesen (etwa BGH ZIP 2006, 846, 847).
32
Eine Erweiterung des Einwendungsdurchgriffs durch eine Analogie zur Regelung des verbundenen Geschäfts, wie sie in der Literatur vorgeschlagen worden war, wies der Senat zurück und konnte insofern darauf verweisen, dass die Haustürrichtlinie kein verbundenes Geschäft kennt. Zutreffend führte der Senat ferner aus, das Widerrufsrecht gebe dem Verbraucher nur die Chance, die Verpflichtung aus dem Geschäft zu überdenken, nicht aber sich von diesem zu lösen, wenn die unterbliebene Widerrufsbelehrung für die Versäumung des Widerrufs nicht kausal geworden ist. Eine Umsetzung der EuGH-Vorgabe über die Risikoverlagerung bei Belehrungspflichtverletzung lehnte der Bankrechtssenat jedoch praktisch bislang ab. Weder entfalle die Darlehensrückzahlungspflicht nach § 3 I HWiG, da der Empfang der Valuta durch den Kreditnehmer aufgrund der im Darlehensvertrag enthaltenen Anweisung zur Auszahlung an den Veräußerer zu bejahen sei. § 3 II HWiG, der als einzige Norm die Rechtsfolgen einer Belehrungspflichtverletzung regelt, allerdings nur für den Fall des Untergangs der erhaltenen Leistung, wurde nicht herangezogen, da es nicht um die Unmöglichkeit einer Leistung gehe. Gegen eine bereicherungsrechtliche Lösung, insbesondere wegen Wegfalls der Bereicherung durch Abfluss der Valuta an einen Dritten, wandte sich der BGH mit der Begründung, der Darlehensnehmer wisse, dass er zurückzahlen müsse, und hafte deswegen gem. § 819 I BGB verschärft. Der Darlehensnehmer weiß aber nur, dass er zu den im Darlehen festgelegten Terminen zurückzahlen muss. Keineswegs weiß er, dass er im Fall des Widerrufs den gesamten Nettokredit auf einmal zurückzahlen muss. Stattdessen wäre zu erwägen gewesen, § 817 Satz 2 BGB zu Lasten des Darlehensgebers anzuwenden, wenn dieser sich bewusst oder leichtfertig über das Widerrufsrecht des Darlehensnehmers hinweggesetzt hat. Offen blieb daher nur eine schadensersatzrechtliche Lösung bei der Umsetzung der EuGHVorgaben.
33
Ein Verschulden der Kreditinstitute hinsichtlich der Belehrungspflichtverletzung stellte der Senat jedoch mit der Begründung in Abrede, er habe selbst eine Belehrung nicht
34
Derleder
560
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
für erforderlich erhalten (BGH, ZIP 2000, 177), bis er sich aufgrund der Heininger-Entscheidung des EuGH (EuGH WM 2001, 2434) korrigiert habe. Diese Entscheidung hatte klargestellt, dass das Widerrufsrecht hinsichtlich eines Haustürverbraucherimmobiliarkredits nicht wegen des (in § 5 II HWiG angesiedelten) Vorrangs des VerbrKrG entfallen konnte, das seinerseits nach § 3 II Nr. 2 HWiG für übliche Grundpfandkredite kein Widerrufsrecht vorsah. Der BGH hatte dementsprechend § 5 II HWiG schließlich restriktiv dahin ausgelegt, dass ein Widerrufsrecht nach dem HWiG durch den Vorrang des VerbrKrG nur dann ausgeschlossen ist, wenn dieses selbst ein Widerrufsrecht gewährt (BGH NJW 2002, 1881). Die Entlastung der betroffenen Kreditinstitute von einem Verschulden geht jedoch daran vorbei, dass ein Teil der Kreditinstitute sehr wohl eine ordnungsgemäße Belehrung nach dem HWiG erteilt hatte und die anderen Kreditinstitute diese jedenfalls vorsorglich hätten übernehmen können. Eine Garantiehaftung des deutschen Rechts lässt sich andererseits weder aus den beiden EuGH-Entscheidungen noch aus dem nationalen Recht entnehmen (Häublein NJW 2006, 1553). Auf die Verantwortlichkeit kommt es jedenfalls dann nicht an, wenn der Verbraucher bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht auf die kreditfinanzierte Anlage verzichtet hätte. Das sei jedoch nur der Fall, meinte der BGH, wenn der Darlehensvertrag vor dem Erwerbsgeschäft geschlossen worden sei. Damit knüpfte er an die Schulte-Entscheidung des EuGH an, wo die zeitliche Reihenfolge so war und in der Begründung darauf Bezug genommen wurde, während in der Entscheidung Crailsheimer Volksbank die Sachverhalte anders lagen und der EuGH über sie dennoch in gleicher Weise entschieden hat. Instanzgerichtlich (OLG Bremen WM 2006, 758, 764) wurde teilweise die Kausalität der versäumten Belehrung für die Anlage anerkannt, wenn der vorausgegangene Kaufvertrag (noch) nicht wirksam geworden war. Die zeitliche Reihenfolge von Kaufvertrag und Darlehensvertrag war im Hinblick auf das geplante Zusammenwirken von Veräußerer und Finanzierer bei der Modellrealisierung für den Verbraucher nicht steuerbar und damit zufällig. Darüber hinaus hat der Senat bei seiner Kausalitätsbetrachtung vernachlässigt, dass die Widerrufsbelehrung dem Anleger nicht nur die Klärung seiner Anlagerisiken sichern sollte. Vielmehr war Normzweck des § 1 HWiG (jetzt § 312 BGB) die umfassende Wahrung der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit bis zum Ablauf der Widerrufsfrist, also einschließlich der Prüfung des Ob des Darlehensvertrags und seiner Konditionen. Der BGH hätte den Schutz des Verbrauchers im Falle der Belehrungspflichtverletzung allerdings auf diejenigen beschränken können, die innerhalb der Widerrufsfrist die für sie maßgeblichen Bedingungen hätten überprüfen können (etwa die notwendigen Steuervorteile) und für die sich der Widerruf dann aufgedrängt hätte. Mit der Entscheidung vom 16.5.2006 hat der BGH zwar eine Umsetzung der Vorgaben des EuGH theoretisch für möglich erklärt, praktisch aber ausgeschlossen. Stattdessen hat er den Täuschungsschutz der Anleger ausgebaut. 35
7. Der Ausbau des Täuschungsschutzes. Als Ausgleich für die Verneinung einer schuldhaften Belehrungspflichtverletzung gewährte der Bankrechtssenat jedoch einen Anspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung bei institutionalisiertem Zusammenwirken der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des Objekts. Bei einem solchen Zusammenwirken kann ein Wissensvorsprung des Darlehensgebers anzunehmen sein, der eine Aufklärungspflicht auslösen kann, wenn der Darlehensnehmer durch unrichtige Angaben des Verkäufers oder Vermittlers arglistig getäuscht worden ist. Eine Beweiserleichterung in Form einer widerleglichen Vermutung der Kenntnis der Täuschung soll dem Anleger helfen, wenn die Unrichtigkeit der Angaben nach den Umständen des Falls für die Bank evident ist, weil es sich aufdrängt, dass sie sich sonst der Kenntnis der Täuschung geradezu verschlossen hat. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Modellinitiatoren ihre Vertragskonstruktion von vornherein mit einem finan-
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
561
zierungsbereiten Kreditinstitut abgestimmt hatten, um nicht vergeblich eine aufwendige Anlegereinwerbung zu betreiben. Eine von vornherein erteilte allgemeine Finanzierungszusage kann allerdings für das institutionalisierte Zusammenwirken nicht genügen. Erforderlich ist vielmehr nach dem BGH eine ständige Geschäftsverbindung (durch Vertriebsvereinbarung, Rahmenvertrag oder konkrete Vertriebsabsprache) oder sonstiges enges Zusammenwirken. Dafür nennt der Bankrechtssenat in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Gesellschaftsrechtssenats als Beispiel die Überlassung von Büroräumen der Bank an Vermittler des Verkäufers, die Überlassung von Formularen des Kreditgebers an diese und wiederholte Finanzierungen desselben Objekts durch ein Kreditinstitut. Beim Immobilienerwerb im Bauträgermodell waren aber keineswegs nur falsche Angaben zum Objekt gerügt worden. Häufig ging es auch um falsche Angaben zu den Steuervorteilen und um falsche Berechnungen, insbesondere die Zugrundelegung unrealistischer Einkommenszuwächse. Der Bankrechtssenat stellt demgegenüber nur auf die arglistige Täuschung über das Objekt ab und berücksichtigt insoweit grob falsche Angaben des Verkäufers und Kreditvermittlers bei den Verhandlungen oder in einem Prospekt. Im Sachverhalt der Grundsatzentscheidung (BGHZ 168, 1) ging es um Angaben zu einer monatlichen Nettomiete, die um 46% höher lag, als es der Realität entsprach, was der finanzierenden Bank aufgrund der Einsicht in den Mietenpool bekannt sein musste. Hier wurde die Evidenz der unrichtigen Angaben, ganz unabhängig von der Subsumtion unter den Begriff der Täuschung, als Basis für einen Wissensvorsprung genommen, der dann die Aufklärungspflicht konstituierte. Hieraus kann sich dann ein Schadensersatzanspruch ergeben, ganz unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge von Kaufvertrag und Darlehensvertrag. Insgesamt hat der vom Bankrechtssenat damit gewährte Täuschungsschutz bei institutionalisiertem Zusammenwirken von Kreditgeber und Veräußerer, auch wenn er noch immer eine Einschränkung des § 278 BGB darstellt (Derleder ZBB 2006, 375, 386), gegenüber der ursprünglichen Linie des Bankrechtssenats ein erhebliches Mehr an praktischem Verbraucherschutz dar. Damit hat der BGH doch noch eine nationale Judikaturlinie gefunden, auch wenn diese für sehr viele Anleger wesentlich zu spät gekommen ist. Diese Linie ist allerdings von dem europarechtlich vorgegebenen Widerrufsrecht für Haustürimmobiliarkredite abgekoppelt, so dass noch offen ist, ob der EuGH es akzeptieren wird, dass aus der Verletzung der Belehrungspflicht durch den Kreditgeber praktisch keine Rechtsfolgen abgeleitet worden sind. Mit Rücksicht auf die Konzentration der meisten noch laufenden Prozesse auf den Täuschungsschutz ist insoweit aber eine instanzgerichtliche Vorlage nicht erfolgt. Lediglich das OLG Stuttgart (NJW 2007, 379) hat dem EuGH noch die Frage vorgelegt, ob das Widerrufsrecht nach Gesamtabwicklung des finanzierten Erwerbs verwirkt sein kann. Diese Frage hat der EuGH in der Hamilton-Entscheidung (NJW 2008, 1865) bejaht. Im Übrigen müssen die Rechtsgrundsätze des Bankrechtssenats zum Täuschungsschutz beim finanzierten Erwerb vom Bauträger aus rechtssystematischen Gründen auch für den finanzierten Erwerb von Immobilienfondsanteilen gelten, auch wenn es sich insoweit nicht um ein verbundenes Geschäft handelt.
36
VII. Die spezifischen Regeln des Immobiliarkreditvertrags. 1. Die Anwendbarkeit der allgemeinen Darlehensregeln. Im Hinblick auf die Verzahnung von Darlehensvertrag, Schuldanerkenntnis, Sicherungsvertrag, Grundpfandrechtsbestellung und Vollstreckungsunterwerfung hätte schon der Gesetzgeber des SMG eine spezifische Kodifizierung des Immobiliarkredits vornehmen müssen, hatte dafür jedoch kein Konzept. Immerhin wurden nach und nach einige Konsequenzen aus der Schrottimmobilienkrise gezogen, so dass insbesondere der Schutz für Verbraucherdarlehensnehmer weitgehend
37
Derleder
562
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
auch für die Immobiliarkreditnehmer gilt. Aber auch schon die allgemeinen Regeln der §§ 488–490 BGB haben für den Immobiliarkredit erhebliche Relevanz. 38
Das ordentliche Kündigungsrecht bei festverzinslichen Darlehen nach § 489 I BGB betrifft in Nr. 1 speziell die langfristigen Darlehensverträge, die eine Tilgung von regelmäßig mehr als 30 Jahren erfordern, bei denen aber die Zinsbindungszeit schon nach einer kürzeren Frist, etwa nach fünf Jahren endet. Hier kann die Kündigung, wenn keine neue Vereinbarung über den Zinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages ausgesprochen werden, an dem die Zinsbindung endet, also auch für einen späteren Termin (Nr. 1 erster Halbs.). Ist eine Anpassung des Zinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Zinsbindung endet, kündigen (Nr. 1 zweiter Halbs.). Daraus ergibt sich, dass er nicht zu einem früheren Termin kündigen kann als dem, an dem die Zinsbindung für den Zeitabschnitt endet. In jedem Fall kann der Darlehensnehmer – selbst bei längerer Zinsbindungsvereinbarung – nach Ablauf von zehn Jahren seit dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen (§ 489 I Nr. 3 BGB). Die Kündigung kann schon vor Ablauf der Zehnjahresfrist ausgesprochen werden (a.A. Palandt/Weidenkaff, § 489 Rn. 13 u.a.), was aber den Fristablauf nicht vorverlagern kann. Das rechtfertigt sich schon daraus, dass damit die Überlegungszeit für beide Vertragsparteien hinsichtlich einer Kreditweiterführung, Rückführung oder Umschuldung verlängert wird. Die Zehnjahresfrist beginnt neu zu laufen, wenn nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Zinssatz getroffen wird, wobei die Frist ab dem Zeitpunkt dieser Vereinbarung läuft (§ 489 I Nr. 3 zweiter Halbs. BGB). Die ordentliche Kündigung des Darlehensnehmers nach § 489 I BGB gilt jedoch nach § 489 III BGB als nicht erfolgt (Fiktion), wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt. Diese Vorschrift ist vor allem für Immobiliarkredite über hohe Beträge von großer Bedeutung und soll einen Missbrauch der Kündigung ausschließen. Mangels rechtzeitiger Rückzahlung wird der Darlehensvertrag somit aufgrund der Fiktion der Unwirksamkeit der Kündigung fortgeführt.
39
Bei Immobiliarkrediten hat jedoch der Darlehensnehmer vielfach nicht die Kompetenz zu einer eigenständigen Ermittlung des Rückzahlungsbetrags unter Berücksichtigung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Fordert er daher mit der Kündigung vom Darlehensgeber die Berechnung des Rückzahlungsanspruchs und kommt dieser der Aufforderung nicht rechtzeitig nach, so kann sich der Darlehensgeber gem. § 242 BGB für einen Zeitraum, der der Verzögerung der Abrechnung entspricht, nicht auf den Ablauf der Zweiwochenfrist berufen. Soweit auch Immobiliarkreditverträge mit veränderlichem Zinssatz geschlossen werden, können sie jederzeit nach § 489 II BGB unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden.
40
Ein langfristiger Darlehensvertrag ist bei zeitlich begrenzter Zinsbindungszeit schon dann anzunehmen, wenn sich aus der Tilgungsquote eine langfristige Tilgung ergibt (beim Annuitätendarlehen für den Häuslebauer regelmäßig mehr als 30 Jahre). Hier handelt es sich um eine sog. unechte Abschnittsfinanzierung, bei der die Fortführung des Vertrags nach Ablauf der Zinsbindungszeit, also eine Prolongation, vorgesehen ist. Der Darlehensnehmer hat dann einen Anspruch auf Neuverhandlung des Zinssatzes. Kommt es insoweit zu keiner Einigung über den Zinssatz der Prolongationszeit, kann dem Kreditinstitut aufgrund einer entsprechenden AGB-Klausel das Recht zustehen, den Zinssatz gem. § 315 BGB neu festzusetzen, falls dem Darlehensnehmer für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bedingungen ein Kündigungsrecht eingeräumt ist; dem Darlehensnehmer muss dann eine Kündigungsfrist von vier Wochen nach Mitteilung der neuen Bedingungen zu-
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
563
stehen (BGH NJW 1989, 1796). Die Anforderungen an die Transparenz einer solchen Zinsanpassungsklausel wird man nicht geringer dimensionieren können als bei Verträgen mit variablem Zins, so dass ein nach den Marktverhältnissen bei Vertragsschluss für den Darlehensnehmer relativ günstiger Kredit bei der Zinsanpassung nach den Verhältnissen des Anpassungszeitpunkts kein relativ ungünstiger Kredit werden kann. Soll ein Immobiliarkredit vor Ende der Zinsbindungszeit gem. § 490 II 1 BGB vorzeitig aufgrund eines berechtigten Interesses des Darlehensnehmers gekündigt werden, so ist die Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 II 3 BGB zu zahlen. Ein solches berechtigtes Interesse liegt gem. § 490 II 2 BGB insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der Immobilie hat, also insbesondere aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels, neu aufgetretener Schwierigkeiten der bisherigen Nutzung oder aus familiären oder gesundheitlichen Gründen. Ein berechtigtes Interesse kann auch dann vorliegen, wenn für eine beabsichtigte Grundstücksveräußerung die Ablösung des Kredits und der damit zusammenhängenden grundpfandrechtlichen Belastung erforderlich ist (BGH NJW 1997, 2875) oder wenn der Darlehensnehmer das beliehene Objekt zu Absicherung eines beim Darlehensgeber nicht erhältlichen umfangreicheren Kredits benötigt (BGH NJW 1997, 2878). Will der Darlehensnehmer eine Umschuldung durchführen, ist ein berechtigtes Interesse jedenfalls dann zu bejahen, wenn er ohne diese das Grundstück veräußern müsste (OLG Naumburg NJW-RR 2007, 1728).
41
2. Die Anwendung der Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts. a) Die Formvorschrift. Auch die Regeln des Verbraucherdarlehensrechts sind weitgehend auf Verbraucherimmobiliarkredite anwendbar. § 492 I a 2 BGB enthält eine Legaldefiniton, nach der Immobiliardarlehensverträge Verbraucherdarlehensverträge sind, bei denen die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird und zu Bedingungen erfolgt, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehensverträge und deren Zwischenfinanzierung üblich sind; der Sicherung durch ein Grundpfandrecht steht es gleich, wenn von einer Sicherung gem. § 7 III – V BauSparkG abgesehen wird. Bei Immobiliardarlehensverträgen ist nach § 492 I a 1 BGB abweichend von der Formvorschrift des § 492 I 5 Nr. 2 BGB nicht die Angabe des Gesamtbetrages erforderlich. Die bisherige Judikatur zu der Vorgängernorm des § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ist mit Rücksicht auf die veränderten Rechtsfolgen nach den neuen BGB-Regelungen nicht mehr ohne weiteres fortzuführen. Nach dem Zweck der Bestimmung sollte nur der klassische Immobiliarkredit bis zur Beleihungsgrenze von 60% mit seinem relativ niedrigen Zinssatz wie der Bausparkassenkredit bis zur Beleihungsgrenze von 80% von der strengen Formanforderung befreit sein. Für Kredite, die über diese Beleihungsgrenzen hinausgehen, sowie für alle Immobiliarkredite, die durch Vermittlungs- und Gesellschaftskosten aufgebläht sind, etwa beim finanzierten Erwerb von Immobilienfondsanteilen, kann der durch die Schriftformvorschrift gewährleisteten Transparenz nur genügt werden, wenn auch der Gesamtbetrag aller vom Darlehensnehmer zur Tilgung des Darlehens sowie zur Zahlung der Zinsen und Kosten zu entrichtenden Teilzahlungen angegeben wird. Nur bei dieser Interpretation der Vorschrift werden die Lehren aus der Schrottimmobilienkrise gezogen. Der Darlehensgeber muss aber nicht der Sicherungsgeber sein; das Grundpfandrecht kann auch von Dritten übernommen werden (BGH NJW 2006, 1952). Um übliche Grundpfandbedingungen handelt es sich nicht mehr, wenn die amtlich ausgewiesene Streubreitengrenze nicht eingehalten wird (a.A. BGH NJW 2006, 2957).
42
Auch formnichtige Immobiliarkreditverträge können nach § 494 II 1 BGB einer Heilung teilhaftig werden, soweit der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt. Dies gilt auch für Immobiliarkreditverträge, bei denen die nach den hier dargestellten Rechtsgrundsätzen erforderliche Angabe des Gesamtbetrags fehlt, jedoch er-
43
Derleder
564
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
mäßigt sich der vom Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegte Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz nach § 494 II 2 BGB. 44
b) Das Widerrufsrecht. Das Widerrufsrecht für den Verbraucherdarlehensnehmer nach § 495 I BGB gilt seit 1.8.2002 durch Aufhebung des alten § 492 II Nr. 1 BGB auch für Immobiliardarlehensverträge. Voraussetzungen und Widerrufsfolgen regelt § 355 BGB, sowohl hinsichtlich der erforderlichen Belehrung wie hinsichtlich des Fristablaufs. Nach § 355 III 3 BGB erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Das Widerrufsrecht ist als ein besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht zu qualifizieren (BGH BB 2004, 1246). Mit der Ausübung des Widerrufsrechts wird das Vertragsverhältnis ex nunc in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt, wie sich aus § 357 I 1 BGB ergibt.
45
Auch die weiteren Rechtsfolgen des Widerrufs regelt § 357 BGB. Handelt es sich bei dem finanzierten Erwerb eines Grundstücks um verbundene Verträge, so kann der Widerruf des einen Vertrags auch zum Wegfall der Bindungen aus dem anderen Vertrag führen (§ 358 I und II BGB). Für die Definition des verbundenen Geschäfts ist jedoch bei Immobilien § 358 III 3 BGB als Sondervorschrift anzuwenden. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstückgleichen Rechts ist danach eine wirtschaftliche Einheit i.S. eines verbundenen Geschäfts nur anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst das Grundstück oder das grundstückgleiche Recht verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung des Darlehens hinaus den Erwerb des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.
46
c) Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriff. Bei der Konkretisierung des § 358 III 3 BGB ist zu berücksichtigen, dass es sich auch dann um verbundene Verträge handeln kann, wenn der Verbraucherdarlehensvertrag keine Sicherung durch ein Grundpfandrecht vorsieht (Palandt/Grüneberg, § 358 Rn. 14). Für den Beitritt zu einer Gesellschaft, insbesondere zu einem Immobilienfonds gilt nicht § 358 III 3, sondern § 358 III 2 BGB mit seiner weniger engen Definition des verbundenen Vertrags (BGH NJW 2006, 1952, 1954). Die engere Definition des verbundenen Geschäfts beim Immobilienerwerb wird vom BGH darauf zurückgeführt, dass auch der geschäftsunerfahrene Laie davon ausgehe, dass Darlehensgeber und Verkäufer nicht identisch seien (BGH NJW 2002, 1881). Der Darlehensgeber verschafft das Grundstücksrecht dem Darlehensnehmer auch dann, wenn er konzernmäßig mit dem Veräußerer verbunden ist oder diesen bei Vertragsabschluss vertritt. Der Darlehensgeber geht über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus, wenn er sich die Veräußerungsinteressen des Unternehmers zu eigen macht, insbesondere etwa durch eine über Nachweise hinausgehende Vermittlungsleistung. Eine Funktion des Veräußerers bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts übernimmt der Darlehensgeber dann, wenn er die Vertragsverhandlungen fördernd begleitet, etwa Kreditvertragsunterlagen zur Herbeiführung eines Vertragsabschlusses über den Erwerb des Grundstücksrechts vorlegt. Eine einseitige Begünstigung des Veräußerers ist anzunehmen, wenn der Darlehensgeber trotz eines zur Aufklärung verpflichtenden konkreten Wissensvorsprungs Tatsachen verschweigt, die den Verbraucher vom Abschluss des Erwerbsvertrags abgehalten hätten (Palandt/Grüneberg, § 358 Rn. 18). Sind demgemäß der Erwerbsvertrag und der Finanzierungsvertrag als verbundene Verträge über das Grundstücksrecht anzusehen, so tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag gem. § 358 IV 3 BGB ein, wenn das Darlehen
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
565
dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. Das daraus entstehende Abwicklungsverhältnis zwischen den Darlehensvertragsparteien gibt dem Verbraucher das Recht, die Zins- und Tilgungsraten vom Darlehensgeber zurückzufordern. Der Darlehensnehmer muss dann auch nicht die Darlehensvaluta zurückzahlen, sondern nur die Leistung des Unternehmers zurückgewähren (BGH NJW 2006, 1788). Der nach § 359 Satz 1 BGB vorgesehene Einwendungsdurchgriff bei verbundenen Verträgen wird also aufgrund des § 358 IV 3 BGB durch einen Rückforderungsdurchgriff ergänzt. d) Kündung und Gesamtfälligstellung. Wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers kann der Darlehensgeber den Verbraucherdarlehensvertrag bei einem in Teilzahlungen zu tilgenden Darlehen nach § 498 I BGB nur bei Erreichung eines bestimmten Rückstandes und Einhaltung einer zweiwöchigen Frist kündigen und eine Gesamtfälligstellung herbeiführen. Diese Vorschrift galt nach § 498 III BGB jedoch nicht für Immobiliardarlehensverträge. Bei diesen musste aber eine Kündigung und Gesamtfälligstellung ebenfalls ausscheiden, wenn es sich nur um unverhältnismäßige Rückstände handelt. Das Risikobegrenzungsgesetz hat dagegen eine Schwelle für die Kündigung eingeführt (s. Rn. 58).
47
VIII. Die Reform des Immobiliarkreditrechts. 1. Der Verkauf gestörter und ungestörter Kredite. Die erhebliche Lockerung der Immobiliarkreditvergabe seit Beginn der 90er Jahre in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern hat dazu geführt, dass in historisch bisher nicht bekanntem Umfang Grundpfandkredite wegen mangelnder Leistungsfähigkeit der Schuldner gekündigt worden oder kündbar sind (non performing loans – NPL). Als Reaktion auf diese Veränderung in den Kreditportfolien sind die Kreditinstitute der EU-Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/ EG verpflichtet worden, die Eigenkapitalvorschriften des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel II) einzuhalten. Aufgrund dessen sind die betroffenen Kreditinstitute dazu übergegangen, die eingegangenen Risiken aus NPL-Krediten auszugliedern, um ihr Eigenkapital für neue Kreditengagements einsetzen zu können. Da Kredite bei gestiegenem Ausfallrisiko mit erhöhtem Eigenkapital unterlegt werden müssen, beschränken sie das Neugeschäft der Kreditinstitute. Zudem erlaubt ihre Veräußerung die Verbesserung des bestehenden Ratings oder die Abwehr einer drohenden Verschlechterung, die mit einer Verschlechterung der Refinanzierungsbedingungen verbunden wäre. Der Markt für den Verkauf notleidender Kredite hat demgemäß in den letzten Jahren eine starke Expansion zu verzeichnen. Die Schätzungen reichen bis zu einem NPL-Volumen von 300 Milliarden € (vgl. BT-Drucks. 16/4992 S. 1 v. 5.4.2007 und BT-Drucks. 16/5560 S. 42 f.). Sog. Zweckgesellschaften, auch Special Purpose Vehicles (SPV) genannt, hinter denen oft EU-ferne Investoren aus Steueroasen stehen, kaufen gebündelte und verbriefte Kreditengagements unter sehr erheblichen Abschlägen von den Nominalwerten auf und refinanzieren sich ihrerseits durch Ausgabe eigener Wertpapiere. Die Käufer sind von ihrer Zielsetzung her an einer schnellen Verwertung interessiert, begnügen sich aber nicht mit dem Erwerb der Forderungen aus gekündigten Krediten, sondern streben einen Pool von störungsfrei laufenden und NPL-Krediten an. Der Verkauf von Kreditpaketen, die störungsfrei laufende Kredite umfassen, ist für die Veräußerer zudem wesentlich profitabler.
48
2. Die Gefahr missbräuchlichen Umgangs mit langfristigen Krediten. Die Gefahr, die von einer kurzfristigen Verwertungsstrategie der Zweckgesellschaften ausgeht, beruht auf dem speziell in Deutschland besonders stark ausgebauten System des zügigen Zugriffs der Immobiliarkreditgeber (s. dazu Rn. 11 ff.). Dieses Haftungs- und Vollstreckungssystem haben die deutschen Kreditinstitute in der Praxis weitgehend nicht ausgeschöpft oder missbraucht. Die öffentlichrechtliche Aufsicht über die Finanzdienstleistungsunterneh-
49
Derleder
566
50
51
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
men war auch geeignet, dieses System zu kontrollieren. Aufgrund der Verkäufe an EUferne Investoren droht nun aber eine Ausschöpfung der mit diesem System verbundenen Verwertungsrechte im Sinne kurzfristiger Verwertungsstrategien ohne die Kontrolle einer Aufsicht über die Kreditinstitute (s. auch Schimansky, WM 2008, 1049), wie sie in der EU üblich ist. Damit droht praktisch auch die Gefahr, dass Häuslebauer und mittelständische Unternehmer sich trotz ordnungsgemäßer Kreditbedienung ohne Vorwarnung plötzlich mit der Vollstreckung durch einen Zessionar auseinandersetzen müssen, der ausschließlich auf eine sofortige Verwertung der Immobilien zielt. Familien können sich zudem heute immer weniger auf dem Mietwohnungsmarkt versorgen, gehen deswegen zunehmend Finanzierungsrisiken beim Erwerb von Eigenheimen und Eigentumswohnungen ein und bedürfen dringend des Schutzes vor missbräuchlicher Verwertung ihrer Immobilien. Vor allem am Ende der Zinsbindungsperiode langfristiger Kredite, wenn eine Verlängerung des Kredits zu neuen Konditionen ansteht, droht Verbrauchern und Unternehmern als Kreditnehmern die Gefahr, dass die keiner Aufsicht unterliegenden Zessionare der Grundpfandkreditforderung oder der isoliert an sie abgetretenen Grundschuld wegen angeblicher Risikoerhöhung Kreditzinsen verlangen, die nicht vertragsgerecht sind und letztlich zu Insolvenz und Zwangsversteigerung führen können. Aus diesem Grunde ist eine breite öffentliche Diskussion über die Kreditverkäufe entstanden, die auch zu verschiedenen gesetzgeberischen Initiativen und Lösungsvorschlägen geführt hat. In einem ersten Urteil vom 26.02.2008 (5 U 5102/06) hat das OLG München eine Zwangsvollstreckung aus vollstreckbarer Urkunde eines Zessionars für unzulässig erklärt, dies allerdings nur mit einem Abrechnungsanspruch begründet. Das LG Hamburg hat mit Beschluss vom 09.07.2008 (318 T 183/07) im Anschluss an Schimansky (WM 2008, 1049 (1051)) die Vollstreckungsunterwerfung mit Rücksicht auf die Kreditverkäufe als unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB gewertet und einem Zessionar deswegen die Vollstreckungsklausel verweigert. 3. Die öffentliche Diskussion über den Handlungsbedarf. In einem ungewöhnlichen Konsens haben Verbände der Industrie und der Verbraucher eine Schutzgesetzgebung gefordert. Die vielen Einzelvorschläge sind jedoch nicht in ein systematisches Konzept gemündet, das die erforderlichen schuldrechtlichen, sachenrechtlichen, zivilprozessrechtlichen, kreditwesenbezogenen und umwandlungsrechtlichen Änderungen enthält. Ein solches Konzept muss sicherstellen, dass der Kreditnehmer, sei er nun Verbraucher oder Unternehmer, nach dem Abschluss eines Kreditvertrages mit einem Kreditinstitut auf der Basis einer bankvertragsrechtlichen Rahmenregelung bei ordnungsgemäßer Kreditbedienung nicht einer kurzfristigen Verwertungsstrategie eines neuen Gläubigers ausgesetzt wird, der keiner öffentlichrechtlichen Aufsicht unterliegt, wie sie in den EU-Ländern üblich ist. Die von den USA ausgehende, strukturell mit den NPL-Krediten deutscher Kreditinstitute vergleichbare Krise des Kreditsektors, die mit der expansiven Vergabe von sog. subprime credits verbunden ist und noch nicht abschließend überschaubare weltweite Risiken ausgelöst hat, macht deutlich, dass ein rechtzeitiges Handeln des deutschen Gesetzgebers erforderlich ist, auch nach dem Erlass des am 27.06.2008 nach sehr unübersichtlicher Diskussion verabschiedeten Risikobegrenzungsgesetzes. Dieses stellt nicht die erforderliche strukturelle Reform dar, sonder greift in fragmentarischer Form einige Reformvorschläge auf, mit denen nicht verhindert wird, dass auch vertragstreue Mittelständler und Häuslebauer anstelle des von ihnen ausgewählten Kreditinstituts auf Gläubiger treffen, die weder einer Finanzaufsicht unterliegen noch an einer langfristigen Kreditfortführung interessiert sind, womöglich noch nicht einmal ein Stammkapital aufweisen, das ihnen auferlegte Prozesskosten deckt.
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
567
4. Der Gesetzentwurf. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 07.12.2007 für das Risikobegrenzungsgesetz (BT-Drucks. 16/7438) ist zwar das Ziel einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen postuliert, wo auch die Risiken für die „Stabilität des Finanzsystems“ betont sind. In greifbarer Hilflosigkeit wurde es als Ziel postuliert, „gesamtwirtschaftlich unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren“ zu erschweren oder „möglicherweise sogar“ zu verhindern. Bei Vorlage dieses Entwurfs war die Bundesregierung aber noch nicht in der Lage, die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz bei Verkäufen von Kreditforderungen zu formulieren, sondern erkannte zunächst lediglich Handlungsbedarf an. Nach Vorlage von verschiedenen Entwürfen der Fraktionen des Bundestags und aus den Ländern hat der Finanzausschuss des Bundestags am 25.06.2008 (BT-Drucks. 16/9778) eine Beschlussempfehlung gegeben, die zu einer außerordentlich schnellen Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes am 27.06.2008 geführt hat. Die Neuregelungen sind ganz überwiegend auf Transparenz ausgerichtet und stellen ein Bündel wenig miteinander abgestimmter Einzelnormen dar.
52
5. Das Risikobegrenzungsgesetz. Zunächst wird § 309 Nr. 10 BGB auf Darlehensverträge erstreckt. Eine Formularbestimmung, wonach bei Darlehensverträgen ein Dritter anstelle des Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten eintritt oder eintreten kann, ist danach unwirksam, es sei denn, dass in der Bestimmung der Dritte namentlich bezeichnet oder dem anderen Vertragsteil (dem Kreditnehmer) das Recht eingeräumt wird, sich vom Vertrag zu lösen. Damit wird jedoch nur ein in diese Richtung gehender Ausbau der AGB-Regelwerke der Kreditinstitute ausgeschlossen. Derartige Vertragsübernahmeklauseln waren aber weder Grundlage der bisherigen Kreditverkäufe. Noch schließt die neue Norm zur Inhaltskontrolle aus, dass weiterhin Forderungsabtretungen an unerwünschte Zessionare vorgenommen werden. Ein Recht zur Vertragsübertragung begründet diese Norm nicht, auch wenn der Dritte benannt wird. Dies stünde auch in eklatantem Gegensatz zu §§ 414 ff. BGB. Eine formularvertragliche Einräumung eines Vertragsübertragungsrechts an einen namentlich genannten oder nicht konkret bestimmten Dritten verstößt zwar nicht gegen § 309 Nr. 10 BGB, wohl aber in aller Regel gegen § 307 BGB. Die Einräumung eines Rücktrittsrechts stellt wegen der erheblichen Transaktionskosten eines neuen Vertragsabschlusses keinen angemessenen Ausgleich dar.
53
Weiterhin wird in § 492 BGB ein Absatz 1a eingefügt, der den Darlehensschuldner auf sein weiteres Schicksal hinzuweisen verpflichtet. Bei Immobiliardarlehensverträgen muss die vom Darlehensnehmer zu unterzeichnende Vertragserklärung danach einen deutlich gestalteten Hinweis darauf enthalten, dass der Darlehensgeber Forderungen aus dem Darlehensvertrag ohne Zustimmung des Darlehensnehmers abtreten und das Vertragsverhältnis auf einen Dritten übertragen darf, soweit nicht die Abtretung im Vertrag ausgeschlossen ist oder der Darlehensnehmer der Übertragung zustimmen muss. Dieser Hinweis wird einem Darlehensnehmer nichts nützen, da er regelmäßig nicht über die Verhandlungsmacht verfügen wird, einen Vertrag ohne solche Übertragungsmöglichkeit abzuschließen. In jedem Fall darf aus dieser Bestimmung nicht auch noch ein Recht des Kreditinstituts auf eine Übertragung des gesamten Vertrags auf Dritte entnommen werden. Nach seiner erklärten Zielrichtung wollte der Gesetzgeber den Verkauf von Krediten eingrenzen und nicht auch noch erleichtern. Eine solche Berechtigung zur Vertragsübertragung scheidet bei formularvertraglicher Abrede nach der Neufassung der §§ 309 Nr. 10, 307 BGB von vornherein aus, bedürfte also einer Individualvertragsabrede.
54
Eine gesonderte Norm hat das Gesetz in § 492a BGB hinsichtlich der Unterrichtungspflichten während des Vertragsverhältnisses geschaffen. Ist im Darlehensvertrag ein fester Zinssatz vereinbart und endet die Zinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimm-
55
Derleder
568
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ten Zeit, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer spätestens drei Monate vor Ende der Zinsbindung darüber, ob er zu einer neuen Zinsbindungsabrede bereit ist, heißt es in § 492a I 1 BGB. Erklärt sich der Darlehensgeber hierzu bereit, muss die Unterrichtung nach § 492a I 2 BGB den zum Zeitpunkt der Unterrichtung vom Darlehensgeber angebotenen Zinssatz enthalten. Damit wollte der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen einer Prolongation nach Ablauf der Zinsbindungszeit durch Erweiterung der Überlegungszeit des Darlehensnehmers verbessern. Leider ist der Wortlaut der Bestimmung so gefasst, als ob der Darlehensgeber willkürlich über seine Bereitschaft zur Prolongation entscheiden könne, obwohl seit langem eine Verhandlungspflicht diskutiert wird und bei Abschluss von langfristigen Verträgen mit einer geplanten Tilgungsdauer von 30 Jahren und mehr jeder Darlehensnehmer von der Bereitschaft seiner kreditgebenden Bank zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ausgeht. 56
Der Darlehensgeber muss den Darlehensnehmer ferner nach § 492a II 1 BGB spätestens drei Monate vor Beendigung des Darlehensvertrages darüber informieren, ob er zur Fortführung des Darlehensverhältnisses bereit ist. Er muss dann, wenn er sich bereit erklärt, die Unterrichtung mit den zum Zeitpunkt der Unterrichtung gültigen Pflichtangaben aus § 492 I 5 BGB hinsichtlich der Kreditkonditionen versehen. § 492a II 1 BGB bezieht sich vor allem auf Festkredite, nach seinem Wortlaut aber auf die Beendigung aller Darlehensverträge und schießt damit weit über sein Ziel hinaus, da Darlehensverträge auch durch volle Abwicklung beendet werden können. Soweit es um die Prolongation von langfristigen Krediten mit begrenzter Zinsbindung geht, ist § 492a I BGB lex specialis.
57
Soweit Forderungen aus dem Darlehensvertrag abgetreten worden sind, treffen die Pflichten nach § 492a I und II BGB auch den neuen Gläubiger, wenn nicht der bisherige Gläubiger mit dem neuen Gläubiger vereinbart hat, dass im Verhältnis zum Darlehensnehmer weiterhin allein der bisherige Darlehensgeber auftritt (§ 492a III BGB). Wenn die Übertragung jedoch später aufgedeckt wird, ist auch der neue Gläubiger als unterrichtungspflichtig anzusehen.
58
Ähnliche Unterrichtungspflichten statuiert der neu in § 496 BGB eingefügte Absatz 2, hinter dem der bisherige Absatz 2 zu Absatz 3 wird. Wird eine Forderung des Darlehensgebers aus einem Darlehensvertrag an einen Dritten abgetreten oder findet in der Person des Darlehensgebers ein Wechsel statt, ist der Darlehensnehmer unverzüglich darüber sowie über die Kontaktdaten des neuen Gläubigers gem. § 1 I Nr. 1 – 3 der BGB-InfV zu unterrichten (§ 496 II 1 BGB). Die Unterrichtung ist bei Abtretungen entbehrlich, wenn der bisherige Darlehensgeber mit dem neuen Gläubiger vereinbart hat, dass im Verhältnis zum Darlehensnehmer weiterhin allein der bisherige Darlehensgeber auftritt (§ 496 II 2 BGB). Fallen die Voraussetzungen des § 496 II 2 BGB fort, ist die Unterrichtung unverzüglich nachzuholen (§ 496 II 3 BGB). Diese Regelung des § 496 BGB wird praktisch weitgehend folgenlos bleiben, da ein etwaiger Schaden des Häuslebauers oder Mittelständlers kaum jemals durch die Versäumung der Unterrichtungspflicht, sondern durch harte Verwertungsmaßnahmen des neuen Gläubigers eintreten wird. Die Gewährung eines solchen Schadensersatzanspruchs hat daher eher symbolische Bedeutung.
59
Eine längst fällige Verbesserung bringt der neue § 498 III BGB, der nunmehr eine Schwelle für die Kündigung und Gesamtfälligstellung eines Immobiliardarlehensvertrages vorsieht. Bei Immobiliardarlehensverträgen gilt § 498 I BGB mit seiner Kündigungsregelung nunmehr mit der Maßgabe, dass der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mindestens 2,5% des Nennbetrages des Darlehens in Verzug ist. Damit wird der Nennbetrag des ursprünglichen Darlehens ohne Berücksichtigung von Zinsen, Disagio und Nebenkosten zur maßgeb-
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
569
lichen Orientierungsgröße für die Kündigung. Dies soll nach Art. 229 § 18 I EGBGB jedoch nur für Verträge gelten, die nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes geschlossen oder übertragen werden, so dass die Kündigung der Altverträge ohne eine Überschreitung der neu definierten Schwelle möglich bleibt. Eine ausgewogene Gesetzgebung hätte stattdessen eine Geltung für alle Kündigungen nach Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehen. Im Sachenrecht hat der Gesetzgeber den gutgläubig einredefreien Erwerb der Grundschuld eingeschränkt, indem er in § 1192 BGB einen Absatz 1a eingefügt hat. Ist die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden (Sicherungsgrundschuld), können danach Einreden, die dem Eigentümer aufgrund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden; § 1157 Satz 2 BGB findet insoweit keine Anwendung. Im Übrigen bleibt § 1157 BGB unberührt. Damit hat der Gesetzgeber in einer Art law dropping erstmals den Begriff der Sicherungsgrundschuld verwendet und auf den Sicherungsvertrag abgestellt, der im Schuldrecht noch gar nicht als Vertragstypus ausdifferenziert ist. Eine derart fragmentarische und punktuelle Regelung wirkt von vornherein hilflos. Sie ist aber insofern zielgerecht, als wenigstens der Zessionar einer Grundschuld nicht mehr behaupten kann, er habe den Charakter der Grundschuld als Sicherungsgrundschuld nicht gekannt und damit auch mit keinen sicherungsvertraglichen Einreden gerechnet. Es bleibt jedoch bei der Möglichkeit eines gutgläubig einredefreien Erwerbs, was andere Einreden als die aus dem Sicherungsvertrag angeht. Eine Absurdität stellt es ferner dar, dass bei der Hypothek, also dem akzessorischen Grundpfandrecht, der gutgläubig einredefreie Erwerb nach § 1157 Satz 2 BGB ohne entsprechende Einschränkung möglich bleibt. Durch die Neufassung in § 1192 I a BGB ist somit das nicht akzessorische Grundpfandrecht in einem wesentlichen Punkt akzessorischer ausgestaltet als das akzessorische Grundpfandrecht. Die neue Regelung findet jedoch nur für die Zukunft Anwendung, nämlich nach Art. 229 § 18 II EGBGB nur für einen Grundschulderwerb nach Inkrafttreten der Neuregelung. Demgegenüber enthält die Ergänzung des § 1193 II BGB durch einen Satz 2 eine sehr bedeutsame und möglicherweise folgenreiche Änderung. Nach § 1193 I 1 BGB wird das Kapital der Grundschuld erst nach vorgängiger Kündigung fällig. Die Kündigung steht nach § 1193 I 2 BGB sowohl dem Eigentümer als auch dem Gläubiger zu. Die Kündigungsfrist beträgt nach § 1193 I 3 BGB sechs Monate. Abweichende Bestimmungen sind nach § 1193 II Satz 1 BGB zulässig. Dient die Grundschuld der Sicherung einer Geldforderung, so ist jedoch nach dem neuen § 1193 II 2 BGB eine von Absatz 1 abweichende Bestimmung nicht zulässig. Das bedeutet, dass die in einem Großteil der Grundpfandkredite verankerte Fälligkeitsklausel, nach der der Kapitalbetrag nebst Zinsen und Nebenleistungen von vornherein fällig ist, nunmehr gem. § 134 BGB i.V. mit § 1193 II 2 BGB nichtig ist. Dagegen ist noch nicht geklärt, ob die in der Praxis übliche Nachweisverzichtsklausel, die ebenfalls die sofortige Vollstreckung ermöglicht, hinsichtlich der Kündigung nunmehr ebenfalls hinfällig ist. Auch wer dies verneinen sollte, muss damit rechnen, dass die Rechtsprechung bei der Inhaltskontrolle dieser Nachweisverzichtsklauseln das Leitbild der einer Kündigung bedürftigen Fälligstellung der Grundschuld zugrunde legt und die Klauseln demgemäß nach § 307 I, II Nr. 1 BGB für unwirksam erklärt. Damit wäre im Konfliktfall der sofortigen Vollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde nach § 794 I Nr. 5 ZPO der Boden entzogen, da die Kündigung, ihr Zugang und der Ablauf der Sechsmonatsfrist nachzuweisen wären. Die neue Regelung findet jedoch wiederum nur für die Zukunft Anwendung, nämlich nach Art. 229 § 18 III EGBGB nur für die nach Inkrafttreten des Gesetzes bestellten Grundschulden.
Derleder
60
61
570
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
62
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 799a ZPO die Schadensersatzpflicht bei der ungerechtfertigten Vollstreckung aus vollstreckbaren Urkunden durch andere Gläubiger als den Kreditgeber ausgebaut und in § 769 I ZPO einen Satz 2 eingefügt, nach dem das Gericht eine Sicherheitsleistung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht festsetzen soll, wenn der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Rechtsverfolgung durch ihn hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Schließlich hat auch noch § 354a HGB einen Absatz 2 erhalten, in dem eine etwaige darlehensvertragliche Unabtretbarkeitsklausel begünstigt wird. Da in der Praxis bisher solche Klauseln nicht anzutreffen sind, handelt es sich auch insoweit um eine symbolische Änderung.
63
6. Die Bilanz der Reform. Die Regelungen des Risikobegrenzungsgesetzes zu den Kreditverkäufen beschränken sich somit abgesehen von einzelnen praxisfremden und symbolischen Normen weitgehend auf eine Information des Immobiliardarlehensnehmers darüber, was ihm bei der Weiterführung von Krediten durch ausländische Investoren und deren Inkassounternehmen alles passieren kann. Positiv zu werten sind hingegen die Einführung einer Kündigungsschwelle und die (wenn auch systemlose) Beschränkung des gutgläubig einredefreien Grundschulderwerbs. Am ehesten kann die Rechtsprechung noch aus den sachenrechtlichen Neuregelungen weitergehenden Schutz herleiten. In jedem Fall wird dieses schnell, ohne hinreichende empirische Untersuchungen und ohne rechtsdogmatisch vertiefte Beratung verabschiedete Gesetz der erkennbar dramatischen sozialen Lage der Kreditnehmer gegenüber Kreditverkäufen nicht annähernd gerecht. Das Funktionieren des Finanzplatzes Deutschland hat es zwar nach der Aufhäufung fauler Kredite durch einzelne Kreditinstitute erforderlich gemacht, dass diese Kredite (oft zu Ramschpreisen) verkauft werden, um das jeweilige Rating der betroffenen Kreditinstitute wieder zu verbessern. Keineswegs war es aber erforderlich, den Verkäufern noch dadurch bessere Preise zu ermöglichen, dass die Darlehensnehmer, die ihre Kredite stets ordnungsgemäß bedient haben, also solide Häuslebauer und Mittelständler, den Aufkäufern aus Steueroasen auszuliefern.
64
7. Die darüber hinaus erforderliche strukturelle Reform. Die notwendige strukturelle Lösung des Problems kann demgegenüber nur darin liegen, sowohl den Schutz vertragstreuer Verbraucher und Unternehmer vor unberechtigten Zugriffen Dritter zu verwirklichen wie auch den berechtigten Interessen der Kreditinstitute an einer Entlastung von in der Vergangenheit eingegangenen Risiken zur Sicherung ihres neuen Kreditgeschäfts und an der Einhaltung der Grundsätze von Basel II Rechnung zu tragen. Demgemäß bedarf es weiterhin im Bereich des Schuldrechts einer schutzgerechten Ausgestaltung des Abtretungsrechts und des Immobiliardarlehensvertrags einschließlich des damit verbundenen Sicherungsvertrags hinsichtlich der notwendigen Form, der Reichweite der Kreditsicherung, der Regelung der Kreditprolongation sowie der Sicherung einer rechtzeitigen Abrechnung über das Kreditverhältnis.
65
Im Bereich des Sachenrechts kann eine Neuregelung sich nicht auf die Grundschuld beschränken, sondern muss für die Grundpfandrechte systematisch den gutgläubig einredefreien Erwerb durch Dritte ausschließen, was die Einreden des Kreditnehmers aus dem Sicherungsvertrag angeht. In vollstreckungsrechtlicher Hinsicht ist die Wahl der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Immobiliarkreditnehmers nur bei einem berechtigten Interesse des Gläubigers zu gestatten. Ferner ist auszuschließen, dass Gläubiger und ihre Zessionare die Vollstreckungsklauseln auch schon bei Vertragsschluss ganz unabhängig von jeder Leistungsstörung erhalten.
66
Darüber hinaus bedarf es einer Änderung im Umwandlungsrecht, soweit nach einer Umwandlung der Kreditnehmer sich noch seinen bisherigen Gläubiger durch einen Wi-
Derleder
§ 16 Immobiliarkredit und kreditfinanzierte Fondsbeteiligungen
571
derspruch als vorzugswürdigen Partner erhalten kann, sowie einer Änderung des Kreditwesengesetzes dahin, dass die Kreditinstitute Verträge mit nicht abtretbaren Kreditforderungen anzubieten haben. Der danach notwendige weitere Gesetzgebungsbedarf soll hier exemplarisch an einzelnen Normvorschlägen des sog. Bremer Entwurfs (VuR 2008, Heft 8, Mitautor Kai-Oliver Knops) verdeutlicht werden: 1. § 399 BGB ist folgender Satz 2 anzufügen:
67
„Es stellt eine Veränderung des Inhalts dar, wenn ein Kreditinstitut eine Forderung, die von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht und bei der der Schuldner mit der Erfüllung nicht in Verzug ist, an einen Dritten abgetreten wird, der keiner Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt, die mit der Aufsicht über das abtretende Unternehmen vergleichbar ist.“
2. Nach § 490 BGB ist folgender § 490a BGB einzufügen: „§ 490a Immobiliardarlehensvertrag (1) Ein Immobiliardarlehensvertrag ist ein Darlehensvertrag, bei dem die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird und zu Bedingungen erfolgt, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehensverträge oder deren Zwischenfinanzierung üblich sind; der Sicherung durch ein Grundpfandrecht steht es gleich, wenn von einer Sicherung gemäß § 7 Abs. 3 bis 5 des Gesetzes über Bausparkassen abgesehen wird. (2) 1Der Sicherungsvertrag eines Immobiliardarlehens bedarf der Schriftform. 2Die vom Sicherungsgeber zu unterzeichnende Vertragserklärung muss die gesicherte Forderung und die dafür gewährte Sicherheit angeben. 3Auf den Sicherungsvertrag eines Immobiliardarlehens, das Verbraucherdarlehensvertrag ist, sind die §§ 491, 492 und 494 entsprechend anzuwenden. (3) Beim Abschluss eines Immobiliardarlehensvertrages hat der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer ein formularmäßiges Wahlrecht darüber zu geben, ob dieser die Sicherung nur für das bestimmte aufzunehmende Darlehen (Anlasskredit) oder auch für alle anderen gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Darlehensgebers einräumen will. Versäumt er dies, kann er sich nicht auf eine erweiterte Sicherungsabrede berufen. (4) 1Ist bei einem Immobiliardarlehensvertrag für einen bestimmten Zeitraum der Laufzeit ein fester Zinssatz vereinbart (unechte Abschnittsfinanzierung), so ist der Darlehensnehmer drei Monate vor dem Ende der Zinsbindung auf deren Ablauf und auf § 489 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 in Textform hinzuweisen. 2Der Hinweis muss das Angebot über die Bedingungen einer vertragsgerechten Fortsetzung des Immobiliardarlehensvertragsverhältnisses mit einem festen Zinssatz und den Pflichtangaben nach § 492 Abs. 1 Satz 5 enthalten. 3Unterbleibt der Hinweis, muss der Darlehensnehmer den Ablauf der Zinsbindung nicht gegen sich gelten lassen. 4Erfolgt der Hinweis verspätet, muss der Darlehensnehmer den Ablauf der Zinsbindung erst drei Monate nach Zugang des Hinweises gegen sich gelten lassen. 5Die Sätze 1, 3 und 4 gelten entsprechend bei einer vereinbarten Beendigung des Immobiliardarlehensvertrags (echte Abschnittsfinanzierung). (5) 1 Beabsichtigt der Darlehensgeber, Forderungen aus dem Immobiliardarlehensvertrag an einen Dritten abzutreten, so hat er dies dem Darlehensnehmer vor der Abtretung in Textform anzuzeigen. 2Solange die Anzeige nicht erfolgt ist, muss der Darlehensnehmer die Abtretung nicht gegen sich gelten lassen. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn der Darlehensgeber im Einverständnis mit dem Abtretungsempfänger weiterhin gegenüber dem Darlehensnehmer als Darlehensgeber auftritt. 4Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn sich die Person des Gläubigers durch Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz verändert. (6) Von dieser Vorschrift darf nicht zum Nachteil des Darlehensnehmers abgewichen werden; sie findet auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Vertragsgestaltung umgangen wird.“
Derleder
68
572
69
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
3. § 781 BGB ist folgender Satz 2 anzufügen: „Auf das formularmäßige Schuldanerkenntnis eines Kreditnehmers kann sich der Kreditgeber nur berufen, wenn er eine Abrechnung über das Kreditverhältnis vorgelegt hat."
70
4. § 1138 BGB ist folgender Satz 2 anzufügen: „Einreden, die dem Eigentümer aufgrund des Sicherungsvertrags des persönlichen Schuldners mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Hypothek zustehen, können jedem Erwerber der Hypothek entgegengesetzt werden.“
71
5. § 1157 Satz 2 BGB ist wie folgt zu ändern: „Die Vorschriften der §§ 892, 894 bis 899, 1140 gelten auch für diese Einrede, soweit sie sich nicht aus dem Sicherungsvertrag zwischen dem Eigentümer und dem bisherigen Gläubiger ergibt.“
72
6. § 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO ist folgender Satz 2 anzufügen: „Hat sich der Schuldner eines durch Grundpfandrecht gesicherten Kredits der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein unbewegliches und sein bewegliches Vermögen unterworfen, findet die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen nur statt, wenn der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran hat.“
73
7. In § 797 Absatz 2 ZPO ist folgender Satz 2 einzufügen: „Der Notar erteilt die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde über die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung aus einem Schuldanerkenntnis und aus einem Grundpfandrecht, die eine Kreditforderung sichern, sobald der Kreditgläubiger eine Pflichtverletzung des Schuldners geltend macht.“
74
8. Nach § 15 KWG ist folgender § 16 KWG einzufügen: „Ein Institut, das das Kreditgeschäft betreibt, hat auch Kredite anzubieten, deren Forderungen nicht veräußert werden dürfen. Das Institut hat seine Kreditinteressenten vor Abschluss eines Kreditvertrages unaufgefordert auf dieses Angebot sowie die besonderen Voraussetzungen und Konditionen hinzuweisen.“
Derleder
§ 17 Bauspardarlehen
573
§ 17 Bauspardarlehen
Schrifttum Brüggemeier/Friele, Allgemeine Bausparbedingungen und AGB-Gesetz, ZBB 1992, 137; Bausparkassen-Fachbuch 2007/2008; Freckmann/Rösler, Tilgungsaussetzung bei der Immobilienfinanzierung, ZBB 2007, 23; Freitag, Die Beendigung des Darlehensvertrages nach dem Schuldrechtmodernisierungsgesetz, WM 2001, 2370; Henke, Erfüllt das Gesetz über Bausparkassen die Ansprüche einer modernen Städtebaufinanzierung?, DB 1972, 2097, Krepold/Achors, Das zur Sicherung eines Darlehens im Rahmen einer Grundschuldbestellung abgegebene abstrakte, persönliche und vollstreckbare Schuldanerkenntnis im Lichte des neuen Verjährungsrechts, BKR 2007, 185; Mayen, Aufklärungspflichten bei neuen Kreditformen – Zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Fall der Bausparsofortfinanzierung mit Fremdgeldbesparung, WM 1995, 913; Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, 185; Reifner, Risiko Baufinanzierung, 2. Aufl., 1996; Roller, Bankentgeltklauseln – Einbeziehung und Zulässigkeit –, BKR 2008, 221; Schmitz, Zinsneuberechnung im formfehlerhaften Verbraucherkreditvertrag, NJW 2007, 332; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145. Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Eingrenzung des Themas . . . . . . . . . . . . . . 2 1. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Bausparvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Rechtsnatur und Zustandekommen . . . . 4 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3. Inhalt im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4. ABB/MBB/AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 5. Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 6. Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . 33 II. Ansparphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Ansparphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Auffüllung des Ansparguthabens . . . . 35 3. Abwicklungsschwierigkeiten . . . . . . . 36 III. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 C. Bauspardarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Zuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Zuteilungsreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Abruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Zusage über Zuteilungsreife . . . . . . . . 43
II.
Darlehensvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 1. Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . 3. Kreditwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fehlende Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . 5. Auszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verwendungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweckwidrige Verwendung . . . . . . . . IV. Vorfinanzierung/Zwischenfinanzierung . . 1. Durch die Bausparkasse . . . . . . . . . . . 2. Durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tilgung und Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tilgungsstreckung/Tilgungsaussetzung . . III. Sonderzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Scheitern des Bausparvertrages . . . . . . . . . . . . I. In der Ansparphase . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nichtabnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Darlehensphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nach Bereitstellung . . . . . . . . . . . . . . 2. Nach Auszahlung . . . . . . . . . . . . . . . .
44 44 49 50 51 52 53 53 57 58 58 59 61 61 62 64 65 66 66 67 68 68 69
Stichwortverzeichnis Abschlussgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 – Erstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Agio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Ansparphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Allgemeine Bausparbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 9 – richterliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Allgemeine Geschäftsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . 6 Anspruch auf Abtretung des Rückgewähranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Anwartschaft Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . 5 Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 58, 62 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Bauspardarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 39 – Abruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 – unterlassener Abruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 – Zusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 – Zuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Bausparkassengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bausparraten – Nichtzahlung Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Bausparsofortfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Bausparvertrag – Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 37 – Abwicklungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 36 – Anfechtbarkeit/Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 – Scheitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 ff., 71 Bedingungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Beleihungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Bereitstellungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Darlehensgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Disagio – Erstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 – Verzicht auf Erstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Kronenburg
574
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Ehegatte – Mithaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Eigenbauherr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Einmalvalutierungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Erhöhung von Bausparverträgen . . . . . . . . . . . . . . 24 Ermäßigung von Bausparverträgen . . . . . . . . . . . . 24 Haftungserstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – Folgen der Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 – mehrere Sicherungsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Hauptpflicht – der Bausparkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – des Bausparers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kleindarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Kleinstdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – führungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kreditwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 – fehlende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Kündigungsrecht – Bausparer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 58, 61, 65 – der Bausparkasse . . . . . . . . . . . . . . 12, 21 ff., 65, 70 Risikolebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Rückzahlungsanspruch des Bausparers . . . . . . . . . 26 Schadensersatzanspruch – des Bausparers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 36, 43 Schriftformklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Sicherheit – als Darlehensvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 44 – fehlende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
1
– Freigabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – nicht ausreichende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Sonderzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 69 Teilung von Bausparverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – vorzeitige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Tilgungsaussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 – sdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Tilgungsstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Unterwerfungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 47 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61, 72 f. Verpfändung der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vertragsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Verzinsung – Entgelte/Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – des Bausparers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Vorfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 f. Wohnungswirtschaftliche Maßnahme . . . . . . . . . . 53 Zinsstundungsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Zweckwidrige Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Zwischenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 f. Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Zusammenlegung von Bausparverträgen . . . . . . . 24
A. Einleitung I. Rechtliche Grundlage. Die Tätigkeit der privaten und öffentlichen Bausparkassen wird im Wesentlichen durch das Bausparkassengesetz von 1972 (neugefasst 1991 und zuletzt geändert 2007) und die Verordnung zum Schutz der Gläubiger von Bausparkassen von 1990 (zuletzt geändert 2000) geregelt (vgl. zur historischen Entwicklung Schäfer/Cirpka/Zehnder, Einl. I u. III). Ergänzend haben die Verbände der öffentlichen und der privaten Bausparkassen 1997 Musterbedingungen für Bausparverträge ausgearbeitet.
2
3
II. Eingrenzung des Themas 1. Ein Bauspardarlehen ist ein Gelddarlehen (§ 488 BGB), das von einer Bausparkasse (§ 1 Abs. 1 BSpKG)) dem Bausparer (§ 1 Abs. 2 BSpKG) aus den angesammelten Einlagen der Bausparer (§ 1 Abs. 1 BSpKG) für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen (§ 1 Abs. 3 BSpKG) gewährt wird (§ 1 Abs. 1 BSpKG). Das Bauspardarlehen ist die zweite Phase in der Abwicklung des Bausparvertrages; die erste Phase bildet die Ansparphase. Darlehensnehmer eines Bauspardarlehens kann nur werden, wer zuvor Bausparer war (BSpK-FB/Thomas, 3.3 Anm. 1). Sowohl die Laufzeit wie auch der Zinssatz für das Bauspardarlehen stehen mit Abschluss des Bausparvertrages fest; eine Kündigung des Bauspardarlehens ist nur ausnahmsweise in den vertraglich vorgesehenen Fällen möglich. 2. Erweiterung. Ausgehend von dieser Definition des Bauspardarlehens sind die häufig im Zusammenhang mit dem Bausparvertrag abgeschlossenen Finanzierungen, die als Bausparsofortfinanzierung, Vorfinanzierung oder Zwischenkredite bezeichnet werden, keine Bauspardarlehen. Da sie jedoch typischerweise im Zusammenhang mit Bausparverträgen abgeschlossen werden, sollen sie an geeigneter Stelle angesprochen werden (Rn. 35, 62 ff.).
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
575
B. Bausparvertrag
4
I. Abschluss. 1. Rechtsnatur und Zustandekommen. Der Bausparvertrag ist ein zwischen dem Bausparer und der Bausparkasse geschlossener Vertrag, der dem Bausparer einen aufschiebend bedingten Rechtsanspruch auf ein Bauspardarlehen gibt (§ 1 Abs. 2 BSpKG). Diese Anwartschaft erstarkt nach Leistung der vereinbarten Bauspareinlage und der Erfüllung weiterer im Bausparvertrag genannter Bedingungen zu einem unbedingten Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens. Der Bausparvertrag ist rechtlich in Bezug auf den später abzuschließenden Vertrag über das Bauspardarlehen als Vorvertrag zu qualifizieren. Der Abschluss eines Bausparvertrages wird durch einen Antrag des Bausparers auf Abschluss eines solchen Vertrages zu einem bestimmten Tarif der Bausparkasse eingeleitet. Bei privaten Bausparkassen kommt der Bausparvertrag alsdann durch die unverzügliche Annahmeerklärung der Bausparkasse zustande (§ 1 Abs. 1 MBpB). Das Datum der Annahmeurkunde gilt als Vertragsbeginn (§ 1 Abs. 2 MBpB). Bei öffentlichen Bausparkassen bestätigt die Bausparkasse unverzüglich die Annahme (§ 1 Abs. 1 S. 1 MBöB). Der Vertrag soll jedoch bereits mit dem Eingang des Antrags bei der Bausparkasse zustande gekommen sein, wenn die Bausparkasse nicht innerhalb einer in den ABB genannten Frist widerspricht (§ 1 Abs. 1 S. 2 MBöB). Der im Vertrag genannte Bausparer ist Vertragspartner des Bausparvertrages (BSpK-FB/Thomas, 3.1 Anm. 6). Der Abschluss eines Bausparvertrages „auf fremden Namen“ begegnet im Hinblick auf die an den Abschluss des Bausparvertrages geknüpfte Prämienberechnung Bedenken. Das hindert nicht, dass im Innenverhältnis z. B zwischen dem Bausparer und seinem Kind abgesprochen wird, bei Zuteilungsreife des Bauspardarlehens die Rechte aus dem Bausparvertrag abzutreten. Durch den Bausparvertrag, der Voraussetzung für den Erhalt des Bauspardarlehens ist, wird zugleich festgelegt, wer – später – Darlehensnehmer des Bauspardarlehens und wer nur Mitverpflichteter ist. Das kann für die Frage der Wirksamkeit einer Mithaftung von Bedeutung sein (BGH NJW 2001, 815 (816)). 2. Inhalt. a) Der Bausparvertrag ist ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Bausparer und der Bausparkasse, auf den die gesetzlichen Bestimmungen des BGB anzuwenden sind (Westphalen/Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen, Rn. 1). Einerseits verpflichtet der Bausparer sich, vorab der Bausparkasse seinerseits ein Darlehen durch die Ansammlung des Bausparguthabens zu gewähren, andererseits verpflichtet sich die Bausparkasse, ihrerseits dem Bausparer ein Darlehen zu gewähren, wenn dieser die Bausparleistung erbracht hat und weitere in einem typisierten Vertrag festgehaltene Verpflichtungen von ihm erfüllt sind. Der Vertragsinhalt wird im Wesentlichen durch „Allgemeine Bedingungen für Bausparverträge“ (ABB) geregelt (§ 5 Abs. 3 BSpKG), deren Fassung den von den beiden Bausparkassenverbänden ausgearbeiteten, im Wesentlichen übereinstimmenden Musterbedingungen (MBB; Schäfer/Cirpka/Zehnder, Anh. 19 Musterbedingungen der privaten Bausparkassen (MBpB) u. Anhang 20 Musterbedingungen der öffentlichen Bausparkassen (MBöB)) entspricht; lediglich in Detailfragen und der Ausgestaltung der Tarife und Gebühren variieren die ABB der verschiedenen Bausparkassen. Der Mindestinhalt dieser ABB ist zwingend (§ 5 Abs. 1 BSpKG) und in § 5 Abs. 3 BSpKG festgelegt. Durch den Bausparvertrag werden aber auch sog. Nebenpflichten begründet. Dazu zählt u.a. der Auskunftsanspruch (vgl. dazu auch § 37 Rn. 23), den der Bausparer gegen die kontoführende Bausparkasse hat. Der Bausparer hat nicht nur einen Anspruch auf Kontoauszüge, sondern auch auf weitere Auskünfte, soweit diese zur Überprüfung der Richtigkeit einzelner Buchungen erforderlich sind (BGH NJW 1985, 2699; 2001, 1486). Die Bausparkasse kann das Auskunftsbegehren nicht mit dem Hinweis zurückweisen, sie habe die Auskünfte bereits erteilt. Erscheint das – auch wiederholte – Auskunftsbegehren nicht mutwillig oder rechtsmissbräuchlich, muss die Bausparkasse dem nachkommen,
Kronenburg
5
576
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ohne dass es darauf ankommt, warum der Bausparer die Auskunft erneut benötigt (BGH NJW 2001, 1486 (1487)). Die Bausparkasse kann die Auskunftserteilung nicht wegen des für sie mit der Erteilung der Auskünfte verbundenen Arbeitsaufwandes ablehnen; sie kann aber für ihren Aufwand eine angemessene Vergütung verlangen (BGH NJW 2001, 1486 (1487 f.)). Für die Berechtigung des Anspruchs ist es ohne Belang, ob die gesetzliche Aufbewahrungsfrist für die Unterlagen abgelaufen ist, wenn sie noch vorhanden sind (BGH NJW 2001, 1486 (1487). Dieser Auskunftsanspruch besteht sowohl im Rahmen des Bausparvertrages wie auch später im Rahmen des Bauspardarlehensvertrages oder anderer Darlehensverträge, die der Bausparer abschließt. 6
b) Inwieweit die gem. § 5 Abs. 1 u. 2 BSpKG von den Bausparkassen festzulegenden Allgemeinen Geschäftsgrundsätze (AGG) auf den Bausparvertrag unmittelbaren Einfluss haben, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Da die AGG allein der BaFin angezeigt, aber nicht veröffentlicht werden müssen, und nur der Kontrolle der BaFin unterliegen, wird in der Regel eine zivilrechtliche Wirksamkeit ausscheiden. Das kann jedoch im Einzelfall anders sein (Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen Rn. 24 ff.). Soweit die AGG AGB ersetzen, müssen sie auch der AGB-Kontrolle unterliegen (Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen Rn. 29).
7
3. Inhalt im Einzelnen. Durch den Bausparvertrag und die ABB als dessen Bestandteil werden im Wesentlichen die nachstehenden Punkte geregelt: a) Die Hauptleistungspflicht des Bausparers besteht in der Ansparphase darin, die monatlichen Sparbeiträge zu leisten (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 BSpKG; § 2 Abs. 1 MBB). Die Höhe der Bausparbeiträge wird in der Regel in vom-Tausend-Sätzen der Bausparsumme in den ABB (§ 2 Abs. 1 MBB) angegeben. Außerdem muss der Bausparer eine in der Regel in vom-Hundert-Sätzen der Bausparsumme bemessene (§ 1 Abs. 2 S. 1 MBB) Abschlussgebühr (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 BSpKG) zahlen. Die Bausparkasse richtet ein Konto ein, auf dem der Zahlungsverkehr mit dem Bausparer verbucht wird (§ 16 MBB), Das Konto ist rechtlich als Kontokorrentkonto zu qualifizieren (Schr. BAKred v. 16.1.1976 in BSpK-FB 2.1 § 1 BSpKG Anm. 3).
8
b) Die Hauptleistungspflicht der Bausparkasse in der Ansparphase besteht in der Verzinsungspflicht hinsichtlich der vom Bausparer erbrachten Sparbeiträge (§ 3 (1) MBB).
9
4. ABB/MBB/AGB. Die Gültigkeit der ABB muss sich an den für AGB allgemein geltenden gesetzlichen Vorschriften (§§ 305 ff. BGB) messen lassen. Dass es sich bei den ABB um zum Teil behördlich genehmigte AGB handelt, steht der Zulässigkeit einer Überprüfung durch die Zivilgerichte nicht entgegen (BGH NJW 1991, 2559 (2560); NJW 1992, 180 (181); MünchKommBGB-Kieninger, vor § 307 Rn. 16; Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 305 BGB Rn. 75; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Vorb. vor § 307 Rn. 96 u. Anh. § 310 Rn. 169; Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen, Rn. 19). Die ABB sowie deren jeweilige Änderungen (§ 9 Abs. 1 S. 1 BSpKG), soweit sie die dort genannten Punkte betreffen, müssen durch die BaFin genehmigt werden und sind ihr im Übrigen anzuzeigen (§ 9 Abs. 1 S. 4 BSpKG). Die Prüfung und Genehmigung durch die BaFin erstreckt sich auf den gesamten Klauseltext; das gilt auch bei Änderung einzelner Klauseln, da die Angemessenheit nur in ihrem Zusammenhang mit dem gesamten Klauselwerk beurteilt werden kann (BGH NJW-RR 1990, 1115; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 165). Nach der Entscheidung des BGH vom 9.7.1991 (BGH NJW 1991, 2259) und der vorangegangenen Entscheidung des KG (ZIP 1990, 1325) haben die Bausparkassenverbände ihre Bausparbedingungen überarbeitet. Die heute maßgebliche Fassung stammt aus dem Jahr 1997; sie ist Grundlage der ABB der Bausparkassen. Insbesondere haben die Bausparkassen den Bedenken Rechnung getragen, die gegen die ver-
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
577
zögerte Verzinsung von Spareinlagen bzw. die verzögerte Berücksichtigung von Tilgungsleistungen vorgebracht worden sind (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 168). Bei der Überprüfung der Gültigkeit der ABB ist stets zu beachten, dass der Bausparvertrag – anders als beispielsweise ein sonstiger Darlehens- oder Sparvertrag – in ein System der kollektiven Verbundenheit der Bausparer eingebunden ist (WestphalenPfeiffer, Allg. Bausparbedingungen Rn. 14; BSpK-FB/Thomas, 3.3. Anm. 2 unter Hinweis auf BGH NJW 1991, 2259; NJW 1992, 180 (181)). Soweit auf die Rechtsprechung und Kommentierung zu den AGB-Banken/AGB-Sparkassen (s. § 3 Nobbe; WM 2008, 185; Roller, BKR 2008, 221) zurückgegriffen wird, muss dieser Besonderheit Rechnung getragen werden. Enthalten die ABB nur eine Leistungsbeschreibung, unterliegen sie lediglich einer sog. Transparenzkontrolle. Das gilt z. B. für die Bestimmungen über die Höhe der Gebühren, die Spar- und Darlehensverzinsung, sowie die Regelung betreffend die Zuteilungsvoraussetzungen (BSpK-FB-Thomas, 3.3 Anm. 2). Problematisch ist, inwieweit sich die richterliche Kontrolle auf das Sparer-Kassen-Leistungsverhältnis erstrecken kann, insbesondere ob eine solche Prüfung rückwirkende Auswirkungen haben kann (BSpK-FB-Thomas, 3.3 Anm. 2). Allgemein ist zur Prüfung der ABB durch die Zivilgerichte zu bemerken: Es muss bei jeder Prüfung beachtet werden, dass der Fortfall einer Bedingung, der u. U. dem einzelnen Bausparer zum Vorteil gereicht, der Gemeinschaft der Bausparer zum Nachteil gereichen kann (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 26a ff.; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 171). Schäfer/Cirpka/ Zehnder (§ 5 BSpkG Anm. 26b) ziehen daraus den Schluss, dass bei abgeschlossenen Altfällen und Schwebefällen eine durch Klage gem. § 1 UKlaG (früher § 13 AGBG) festgestellte Unwirksamkeit keine Auswirkung haben könne. Zutreffend weist Fuchs (Ulmer/ Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 BGB Rn. 171) demgegenüber darauf hin, dass dieses Ergebnis nicht befriedigt, da es trotz festgestellter Unwirksamkeit der Regelung für den betroffenen Bausparer bei der ihn benachteiligenden Regelung verbliebe. Die in der Verbandsklage festgestellte Unwirksamkeit einer AGB-Klausel hat keine unmittelbare Rückwirkung auf den individuell abgeschlossenen Bausparvertrag. Vielmehr ist der einzelne Bausparer, der sich auf die im Rahmen einer Verbandsklage festgestellte Unwirksamkeit berufen will, darauf angewiesen, die Unwirksamkeit einredeweise geltend zu machen (§ 11 S. 1 UKlaG). Im Fall einer sich daraus ergebenden gerichtlichen Auseinandersetzung ist das Gericht an ein vorgängiges rechtskräftiges Unterlassungsurteil gegen den Verwender – eine einstweilige Verfügung genügt nicht (Palandt-Bassenge, § 11 UKlaG Rn. 3), auch darf die Einrede nicht gem. § 11 S. 2 UKlaG ausgeschlossen sein – gebunden, jedoch ist es dem Verwender unbenommen einzuwenden, dass die Unwirksamkeit der Klausel auf Grund von Umständen des Einzelfalls entfällt (Palandt-Bassenge, § 11 UKlaG Rn. 5). Im Rahmen einer solchen Individualklage muss dann ein Ausgleich der verschiedenen Interessen durch eine objektive ergänzende Vertragsauslegung gesucht werden, soweit diese Interessen nicht bereits im Rahmen der Klauselüberprüfung berücksichtigt worden sind (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 171). Nachdem die Privilegierung in § 23 Abs. 3 AGBG durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz entfallen ist (Ulmer/Brandner/Hensen-Ulmer, § 305a BGB Rn. 6), ist erste Voraussetzung dafür, dass die ABB für den Bausparvertrag eine Wirkung entfalten können, dass sie in der in § 305 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Weise zum Vertragsinhalt gemacht worden sind. Zu einzelnen Klauseln: a) § 1 Abs. 2 MBB sieht eine vom Bausparer zu zahlende Abschlussgebühr vor. Die Regelung kann nur Bestand haben, wenn damit Leistungen an den Bausparer oder Leistungen in dessen Interesse abgegolten werden (vgl. allgemein zu dieser Problematik § 3 Rn. 60; PWW-Berger, § 307 Rn. 41). Die Wirksamkeit der Klausel hängt daher davon ab,
Kronenburg
10
578
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
wie die Gegenleistung der Bausparkasse für die Abschlussgebühr definiert ist. Bei der Prüfung muss aber auch dem oben (Rn. 9) angesprochenen Gedanken der Kollektivbindung Rechnung getragen werden. Soweit die Bausparkasse insoweit eigene gesetzliche Aufgaben wahrnimmt, kann sie dafür kein Entgelt vom Bausparer verlangen (vgl. BGH WM 2005, 274 betr. Übertragung von Wertpapieren in ein anderes Depot). In Anbetracht der Prüfungskompetenz der Zivilgerichte kann allein der Hinweis darauf, dass das BAKred bzw. die BaFin ausweislich des Schreibens vom 29.10.1986 (BSpK-FB 3.1 Anm. 12) eine Abschlussgebühr in den Tarifen fordere, die Klausel nicht bei Bestand halten. Zunächst ist – wie auch bei den AGB der Banken und Sparkassen – zu prüfen, ob mit der Abschlussgebühr eine gesetzlich der Bausparkasse übertragene Leistung an den Kunden abgegolten wird oder eine sonstige Leistung der Bausparkasse im Interesse des Bausparers. Führt diese Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Klausel bei Anlegung der Maßstäbe des BGH unwirksam wäre, ist zu prüfen, ob sie nicht im Interesse des Bausparerkollektivs, in das der Bausparer eingebunden ist, gerechtfertigt ist. Allein wenn es sich nachweisen lässt, dass die Abschlussgebühr ein adäquates Entgelt für eine Leistung an den Bausparer ist, kann sie einer gerichtlichen Prüfung standhalten. Bei Schäfer/Cirpka/ Zehnder (§ 5 BSpKG Anm. 31) sind solche Umstände angeführt (Beratungskosten, Akquisitionskosten im Hinblick darauf, dass die Anwerbung neuer Bausparer im Hinblick auf das Bausparsystem auch im Interesse des Bausparers ist). Nur wenn solche Leistungen den berechneten Aufwand rechtfertigen, wird die Abschlussgebühr Bestand haben können. Sollte sich aber bei einer wirtschaftlichen Analyse herausstellen, dass die Bausparkasse die Abschlussgebühr zur Finanzierung eigener gesetzlicher Verpflichtungen verwendet, könnte die Regelung unwirksam sein, weil sie gegen das Transparenzgebot verstößt (§ 307 Abs. 1 BGB; PWW-Berger, § 307 Rn. 37, 41). In einer zweiten Stufe wäre dann zu prüfen, ob auf Grund der kollektiven Bindung des Bausparers eine andere Beurteilung Platz greifen muss. Das wäre dann der Fall, wenn bei Wegfall der Abschlussgebühr die im Interesse aller Bausparer gebundenen kollektiven Mittel in Anspruch genommen werden müssten. Das dürfte aber nicht der Fall sein. Die üblichen Verwaltungskosten, die mit dem Abschluss eines Bausparvertrages verbunden sind, kann die Bausparkasse aus der sog. Zinsmarge tragen. Würde die Klausel diese Prüfung nicht bestehen, dann wäre sie wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion insgesamt unwirksam (PWW-Berger, § 306 Rn. 4). Auch Nobbe (WM 2008, 185 (193)) hält die Abschlussgebühr für AGB-rechtlich unzulässig. 11
Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 S. 3 MBB, die eine Erstattung der Abschlussgebühr generell ausschließt, bedarf ebenfalls einer Überprüfung. Wesentlich dafür, ob die Bestimmung einer gerichtlichen Überprüfung standhält, wäre die Beantwortung der Frage, welche Leistungen der Bausparkasse mit dieser Gebühr abgegolten werden sollen. Soweit es sich um Leistungen handelt, die mit/bei Abschluss des Bausparvertrages erbracht werden, ist es nicht zu beanstanden, wenn eine Erstattung nicht stattfindet, da die Leistung seitens der Bausparkasse erbracht ist. Anders sieht es aber für solche Leistungen aus, die erst im Laufe des Bausparvertrages erbracht werden und mit der Gebühr abgegolten werden sollen. Hierbei ist insbesondere an die bei Schäfer/Cirpka/Zehnder (§ 5 BSpKG Anm. 31) erwähnte Beratung in der Zuteilungsphase zu denken. Kündigt der Bausparer vorher, kommt es nicht zu dieser Leistung. Dann wäre es aber nicht gerechtfertigt, dem Bausparer dafür ein Entgelt zu berechnen. Hier hätten im Grunde dieselben Überlegungen zu gelten, wie der BGH sie im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht für ein berechnetes Disagio bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens angestellt hat (BGH BGHRZ BGB § 247 (a.F.) Disagio 1). Da die Klausel ihrem Wortlaut nach ausnahmslos Geltung auch für solche Fälle beansprucht, hielte sie, wenn mit der Abschlussgebühr – entgegen ihrer Be-
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
579
zeichnung – Leistungen, die in einer Zeit nach Vertragsabschluss erbracht werden sollen, vergütet werden sollen, der Inhaltskontrolle nicht stand und wäre insgesamt unwirksam (BGH BGHRZ BGB § 247 (a.F.) Disagio 1). b) Obwohl die Verpflichtung des Bausparers zur Zahlung der Bausparraten (§ 2 Abs. 1 MBB) eine Hauptpflicht ist, ist diese Hauptpflicht nicht erzwingbar. Einzige Folge der Nichtzahlung durch den Bausparer ist ein Kündigungsrecht der Bausparkasse (§ 2 Abs. 3 MBB; Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 27; so auch Verlautbarung des BAKred vom 22.3.1995 („Bankgeschäfte mit Minderjährigen“) in ZIP 1995, 691 (695)). Eine andere Ansicht wäre auch nicht damit zu vereinbaren, dass der Bausparer jederzeit während der Ansparphase den Bausparvertrag kündigen (§ 15 Abs. 1 S. 1 MBB) kann. Macht die Bausparkasse von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch, hat das für den Bausparer zur Folge, dass die für die Zuteilung des Bauspardarlehens wichtigen Bewertungszahlen nicht oder nur langsamer ansteigen und damit die Wartezeit verlängert wird. Vorsorglich: Anders ist es, wenn der Bausparer das Bauspardarlehen erhalten hat. Die dann von ihm monatlich zu erbringende Leistung, die sich aus einem Tilgungs- und einem Zinsanteil zusammensetzt, ist eine von der Bausparkasse erzwingbare Hauptleistungspflicht, die im Fall der Nichterfüllung durch den Bausparer Schadensersatzverpflichtungen auslösen kann. Die Wirksamkeit der Regelung in § 2 Abs. 3 MBB ist im Hinblick darauf in Zweifel gezogen worden, dass der Bausparer einerseits mit Abschluss des Bausparvertrages eine Rechtsposition erworben hat und ihm andererseits durch die unterlassene weitere Aufstockung des Ansparguthabens ein Nachteil entsteht. Diese Bedenken vermögen aber nicht die Unwirksamkeit der Klausel zu begründen, denn die mangelnde Vertragstreue des Bausparers ist auch ein Verstoß gegen die Interessen des Bausparerkollektivs, dem der Bausparer sich angeschlossen hat. Durch seine Zahlungssäumigkeit wird die Ansammlung der Mittel, die für die Zuteilung auf angesparte Bausparverträge zur Verfügung stehen, beeinflusst.
12
c) Gem. § 6 Abs. 2 MBB kann die Bausparkasse ab einem in den ABB genannten Zeitpunkt Bereitstellungszinsen in einer in den ABB genannten Höhe für das ganz oder teilweise nicht abgerufene Bauspardarlehen verlangen. Die Terminologie „Zinsen“ ist in diesem Fall nicht zutreffend; denn Zinsen sind die Gegenleistung für die Überlassung eines Darlehens. Mit der Bereitstellung ist das Bauspardarlehen aber noch nicht überlassen. Es handelt sich vielmehr um ein Entgelt für die Bereithaltung des Darlehens durch die Bausparkasse in der Phase zwischen Zuteilung und Abruf. Gegen eine solche Regelung bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Auch soweit eine dahingehende Regelung in AGB erfolgt, ist dagegen nichts einzuwenden, wenn die Formulierung dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3 BGB) genügt (BGH WM 1994, 583 (584); Nobbe, WM 2008, 185 (191)). Dazu ist insbesondere erforderlich, dass sich der Bereitstellungszins von einer Nichtabnahmeentschädigung abgrenzt (Westphalen-Fahndrich, Darlehensvertrag Rn. 64). Das ist für § 6 Abs. 2 MBB zu bejahen. Die Verpflichtung, Breitstellungszinsen zu zahlen, endet, sobald feststeht, dass der Bausparer das Bauspardarlehen endgültig nicht abnimmt (Westphalen-Fahndrich, Darlehensvertrag Rn. 64). Problematisch ist die Berechtigung zur Geltendmachung von Bereitstellungszinsen unter dem Gesichtpunkt, dass im Rahmen von Bausparverträgen – anders als bei sonstigen Darlehensverträgen – Bereitstellung nicht gleichzusetzen ist mit dem Recht des Bausparers, den Darlehensbetrag abzurufen. Ein Abruf des Darlehens – nicht des Ansparguthabens, das sofort abgerufen werden kann – ist nämlich erst dann möglich, wenn die in § 7 MBB genannten Darlehensvoraussetzungen erfüllt sind (§ 9 MBB). Die Bereitschaft – und Verpflichtung – der Bausparkasse, das Darlehen trotz Abrufs durch den Bausparer auszuzahlen, kann daran scheitern, dass – möglicherweise zu Unrecht – von der Bausparkasse die
13
Kronenburg
580
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Auszahlungsvoraussetzungen des § 7 MBB als nicht erfüllt angesehen werden. Die Erfüllung der in § 7 MBB genannten Darlehensvoraussetzungen kann auch an anderen nicht vom Bausparer zu vertretenden Umständen scheitern. Nach den MBB könnte die Bausparkasse in solchen Fällen aber weiterhin Bereitstellungszinsen verlangen. Eine solche Regelung wäre einerseits als eine Benachteiligung des Bausparers entgegen den Geboten von Treu und Glauben anzusehen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Rahmen der Bauspardarlehensverträge wäre andererseits zu berücksichtigen, dass der Bausparer in das Bausparerkollektiv eingebunden ist, das wiederum an einem baldigen Abruf des zugeteilten Bauspardarlehens ein berechtigtes Interesse hat. Ein zu hoher Bestand an Auszahlungsverpflichtungen aus bereits zugeteilten, aber noch nicht abgerufenen Bauspardarlehen verringert die für zukünftige Bauspardarlehen zur Verfügung stehende Zuteilungsmasse. Sie müssen nämlich bei der Ermittlung der Zuteilungsmasse in Abzug gebracht werden. Ob das aber die Regelung rechtfertigt, ist zu bezweifeln. Es sind keine Gründe erkennbar, die einer Regelung entgegenstünden, die dem Bausparer zumindest die Möglichkeit einräumt, seinerseits nachzuweisen, dass der Abruf aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen nicht erfolgt sei und für diesen Fall eine Bereitstellungszinspflicht entfallen zu lassen (vgl. die Regelung in § 6 Abs. 3 u. 4 MBöB und § 9 Abs. 2 MBpB). Für den Fall des nicht erfolgten Abrufs nach Auszahlungsreife sehen § 6 Abs. 3 u. 4 MBöB bzw. § 9 Abs. 2 MBpB eine solche Regelung vor; in diesen Fällen bestehen gegen die Zubilligung von Bereitstellungszinsen keine Bedenken. 14
d) Gemäß § 7 Abs. 5 MBöB soll die Haftung dergestalt erstreckt werden (Haftungserstreckung), dass die für das Bauspardarlehen geleistete Sicherheit von der Bausparkasse „für alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen gegen den Bausparer“ in Anspruch genommen werden kann, auch wenn die Sicherheit nur für eine Forderung bestellt worden ist. Lediglich wenn eine Erstreckung ausdrücklich ausgeschlossen ist, soll das nicht gelten. Diese Klausel entspricht einer für Bankgeschäfte üblichen Regelung und ist von der Rechtsprechung als wirksam anerkannt (BGH WM 2000, 1328). Die Haftung kann jedoch nur für Forderungen aus bankmäßiger Geschäftsverbindung in Anspruch genommen werden (BGHZ 101, 29 (34)). Sie ist auch für Bausparverträge von der Rechtsprechung als angemessen gewertet worden (BGHZ 101, 29 (34); LG Berlin ZIP 1998, 1311 (1316 f.)). Die der Bausparkasse bestellte Grundsicherheit sichert daher nicht nur das von ihr selbst gewährte Bauspardarlehen, sondern auch die durch Abtretung von ihr erworbene Forderung aus einem Vorausdarlehen (BGH WM 2005, 1076 (1078); Urt. vom 19.12.2006, XI ZR 192/04, www.bundesgerichtshof.de; Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 345; kritisch Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner, Anh. 9 – 11 Rn. 663; im einzelnen zum Haftungsumfang – Zweckerklärung § 23 Rn. 85 ff.).
15
Vorsorglich ist zu einigen Sondersituationen, die im Zusammenhang mit Bauspardarlehen auftreten, klarzustellen: Zur Folge der Unwirksamkeit der Haftungserstreckung: Die Unwirksamkeit der Erstreckungserklärung hat nicht zur Folge, dass die Sicherheitsbestellung insgesamt unwirksam ist; sie wird lediglich begrenzt auf die Haftung für die Forderung, die Anlass der Bestellung war (§ 306 Abs. 1 BGB; BGH WM 1989, 1926 (1929)). Zum Umfang: Vom Sicherungszweck umfasst ist nicht nur die Forderung, die Anlass zur Begebung der Sicherheit war, sondern auch eine Forderung der Bausparkasse, die daraus resultiert, dass die Bausparkasse eine Forderung aus vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens geltend machen kann (OLG Hamm WM 2005, 1265 (1266) für den Fall der sog. engen Zweckerklärung). Mehrere Sicherungsgeber (Ehegatten): Haben Ehegatten eine Sicherheit am Grundstück bestellt, das sie als Miteigentümer halten, so greift eine unterschiedliche Haftung hinsichtlich der Forderungen ein, die nicht Anlass der Forderungsbestellung waren. Während der mithaftende Ehegatte mit seinem Anteil nur für die An-
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
581
lassforderung haftet, haftet der Bausparer-Ehegatte auch im Rahmen der Erstreckung mit seinem Anteil (BGH BGH WM 1999, 685 (686) mit kritischer Anm. Clemente EWiR § 1191 BGB 2/99, 693 unter Hinweis auf Gaberdiel, EWiR § 1191 BGB 1/89, 155; BGH NJW 2002, 2710; kritische Anm. Clemente EWiR § 1991 BGB 1/01, 809). Die beschränkte Erstreckung hat nicht zur Folge, dass die Grundschuldbestellung insgesamt unwirksam wäre (OLG Saarbrücken, OLG-Report 2006, 778). Nach der vorzitierten Entscheidung des BGH (NJW 2002, 2710 (2711)) wird der Fortbestand der vormaligen Miteigentumsanteile für Haftung fingiert, wenn ein Ehegatte später Alleineigentum an dem verhafteten Grundstück erwirbt. Der in § 7 Abs. 6 MBöB/§ 7 Abs. 5 MBpB vorgesehene Anspruch der Bausparkasse auf Abgabe einer Unterwerfungserklärung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist von der Rechsprechung als unbedenklich angesehen worden (BGH NJW 1991, 2559 (2560); WM 2003, 2410 (2411); NJW-RR 2006, 490; Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen Rn. 62). Ist der Grundstückseigentümer nicht zugleich Darlehensnehmer, ist die formularmäßig im Grundschuldschuldbestellungsformular vorgesehene persönliche Haftung für die Verbindlichkeit des Darlehensnehmers unwirksam (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB; BGH ZIP 1991, 503 (505)).
16
In § 7 Abs. 8 MBöB/§ 7 Abs. 7 MBpB ist grundsätzlich (Ausnahme Satz 2; dazu Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen Rn. 59) ein Anspruch der Bausparkasse auf Mithaftung des Ehegatten des Bausparers für das Bauspardarlehen vorgesehen. Seit der Entscheidung des BVerfG v. 19.10.1993 (BVerfGE 89, 214) ist davon auszugehen, dass Zivilgerichte bei der Konkretisierung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 und § 242 BGB die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Art. 2 Abs. 1 GG zu beachten haben. Was im konkreten Fall bedeutet, dass die finanzielle Überforderung von Bürgen, die dem Hauptschuldner als Ehegatte, Verwandter oder sonst emotional verbunden sind und für diesen ohne eigenes Interesse bürgen, in Verbindung mit weiteren Umständen zur Unwirksamkeit der Verpflichtung führen kann (vgl. zusammenfassend: BVerfG WM 2006, 23 (24); § 25 Rn. 35 ff.). Dasselbe hat für einen Schuldbeitritt zu gelten (§ 31 Rn. 55). Eine Mitverpflichtung des Ehegatten ist daher nicht generell unwirksam, es bedarf vielmehr einer Einzelfallprüfung. Aus diesem Grund bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel (a.A. Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen Rn. 60). Eine andere Frage ist es dann, ob eine im Einzelfall unter Berufung auf die Klausel erlangte Mitverpflichtung des Ehegatten wirksam ist. Das muss anhand der von der Rechtsprechung dazu entwickelten Kriterien (vgl. u.a. BVerfG WM 2006, 23 (24); BGH NJW 1999, 135; § 23 Rn. 35 ff.; § 31 Rn. 55 f.) geprüft werden. Die Bausparkasse hat es aber nicht in der Hand, durch „richtige“ Wortwahl die Einordnung des mithaftenden Ehegatten als Mitdarlehensnehmer oder – lediglich – Mithaftender zu bestimmen. Mitdarlehensnehmer ist nur, wer ein eigenes Interesse an der Darlehensgewährung hat und im Wesentlichen über die Auszahlung und Verwendung des Darlehens gleichberechtigt mitentscheiden darf (BGH WM 2001, 402 (403); ZIP 2005, 607 (608)). Für die Ermittlung des Parteiwillens – auf der Darlehensnehmerseite – kann auch das Verhalten des Mitverpflichteten nach Vertragsabschluss herangezogen werden (BGH WM 2004, 1083 (1084)).
17
e) § 8 MBB weist lediglich auf die Möglichkeit hin, das Bauspardarlehen mit einer obligatorischen/fakultativen Risikolebensversicherung zu koppeln. Wenn die Bausparkasse Bauspardarlehen nur bei gleichzeitigem Abschluss einer Risikolebensversicherung begeben will, muss das gem. § 5 Abs. 3 Nr. 9 BSpKG zwingend nebst Angaben zur Höhe der Versicherungssumme, den vom Bausparer zu zahlenden Versicherungsbeiträgen sowie zur Möglichkeit der Anrechnung bereits bestehender Lebensversicherungen in die ABB aufgenommen werden. Die unterschiedliche Ausgestaltung – obligatorisch/fakultativ – ist
18
Kronenburg
582
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
auch von Bedeutung für die Ermittlung des gemäß § 4 der PAngV von den Bausparkassen anzugebenden effektiven Jahreszinses. Da das – spätere – Bauspardarlehen Teil des Bausparvertrages ist, muss der nach der PAngV ermittelte Jahreszins bereits im Angebot auf Abschluss des Bausparvertrages enthalten sein und die auf die obligatorische Risikolebensversicherung entfallende Prämie enthalten (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 30a). 19
f) In § 10 MBB wird ein Agio (MBöB)/eine Darlehensgebühr (MBpB) vorgesehen, das/ die bei Auszahlung des Darlehens fällig und dem Darlehen zugeschlagen wird. Mit dem Agio sollen Leistungen der Bausparkasse im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung abgegolten werden. Dient die Gebühr zum Ausgleich von Aufwendungen, die die Bausparkasse im eigenen Interesse erbringt, um ihren vertraglichen Pflichten zu genügen, haben hier die gleichen Überlegungen zu gelten, wie sie der BGH im Zusammenhang mit der unzulässigen Gebühr bei Ein- und Auszahlung am Bankschalter (BGH NJW 1994, 318) angestellt hat, denn mit der Darlehensauszahlung stellt die Bausparkasse das Darlehen nur zur Verfügung, ein evtl. damit verbundener Aufwand wäre aus den allgemeinen Verwaltungskosten zu decken (vgl. zur gleichgelagerten Problematik Rn. 10). Soll das Agio zur Abgeltung von Leistungen, die dem Kunden erbracht werden (Beratung) dienen, bestünden gegen die Klausel möglicherweise keine Bedenken, wenn sie nicht den Rahmen der üblicherweise mit der Darlehensgewährung verbundenen Kosten übersteigen (so z.B. Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 31). Nobbe (WM 2008, 185 (193)) weist demgegenüber darauf hin, dass die Beratung in der Regel im Vorfeld und nicht bei Auszahlung des Darlehens erfolgt, und hält daher von Ausnahmen abgesehen ein solches Disagio AGB-rechtlich nicht für zulässig. Dem wird zu folgen sein. Dann kommt bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens keine (teilweise) Rückerstattung des Agio in Betracht. Anderes hat zu gelten, wenn das Agio als zinsähnlich zu verstehen ist (zur Abgrenzung durch AGB OLG Düsseldorf ZIP 2007, 1748 mit krit. Anm. Vortmann EWiR § 307 BGB 6/07). Dann muss bei vorzeitiger Rückzahlung eine anteilige Erstattung erfolgen (so z.B. BSpK-FB-Thomas, 3.4 Anm. 26; Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 31 für den den Aufwand übersteigenden Anteil). Das Gleiche hat für die von den privaten Bausparkassen vorgesehene Darlehensgebühr zu gelten.
20
g) Die in § 11 Abs. 4 MBöB/§ 11 Abs. 3 MBpB vorgesehene Verzinsung von Entgelten/ Gebühren, Auslagen und evtl. Versicherungsbeiträgen ist von der Rechtsprechung für wirksam gehalten worden; in der Literatur ist daran jedoch Kritik geübt worden mit dem Hinweis, dass das von der Rechtsprechung im Interesse der Praktikabilität ins Feld geführte Argument der relativen Geringfügigkeit der Beträge und der damit verbundenen Zinsbelastung nicht allgemein zutreffend sei (Brüggemeier/Friele, ZBB 1992, 137 (140)).
21
h) In § 12 Alt. a MBB ist der Leistungsverzug des Schuldners geregelt (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 BSpKG). Diese Regelung muss sich an § 490 BGB messen lassen. Die gesetzliche Regelung in § 490 Abs. 1 BGB hat Leitbildfunktion i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (PWW-Kessal-Wulf, § 490 Rn. 2). Daher sind zu diesem Kündigungsgrund in AGB aufgenommene Kündigungserleichterungen regelmäßig unwirksam (PWW-Kessal-Wulf, § 490 Rn. 2). Eine allein aus dem Zahlungsrückstand – ohne Gefährdung der Interessen des Darlehensgebers z.B. wegen bestehender Sicherheiten – hergeleitete Kündigung des ohne besonderen Grund nicht kündbaren Bauspardarlehens ist daher nicht wirksam. Die Bausparkasse kann in einem solchen Fall nur den Verzugsschaden mit Erfolg geltend machen. Das Bauspardarlehen ist ein Immobiliarkredite (§ 492 Abs. 1a BGB), daher kann die Bausparkasse ihren Schaden in der Weise pauschalieren, dass sie einen um 2,5 Prozentpunkte gegenüber dem Basiszinssatz erhöhten Zins geltend macht (§ 497 Abs. 1 S. 2 BGB). Es ist aber, der Bausparkasse (bzw. dem Bausparer) gestattet, einen höheren (Bausparer geringeren) Ver-
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
583
zugsschaden nachzuweisen (§ 497 Abs. 1 S. 3 BGB). Die Bausparkasse kann den Nachweis für einen höheren Verzugsschaden nicht abstrakt – anhand der vom BGH für Verbraucherkreditverträge entwickelten Grundsätze (vgl. BGH ZIP 1988, 759 (762); WM 1988, 1044) – ermitteln. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 497 Abs. 1 BGB zum Ausdruck gebracht, dass mit dieser Regelung die – abstrakte – Berechnung des Verzugsschadens für Immobiliarkredite abschließend festgelegt sein soll (OLG Zweibrücken ZIP 2000, 2198; MünchKommBGB-Ernst, § 288 Rn. 26; PWW-Kessal-Wulf, § 497 Rn. 2). Da die vom Bausparer zu leistenden Zahlungen in der Regel kalendermäßig bestimmt sind, kommt er ohne Mahnung in Verzug (§ 286 Abs. 2 1. Alt. BGB). Umstritten ist, ob die Bausparkasse für den Zeitraum, für den sie eine rechtlich geschützte Zinserwartung hat (BGH ZIP 1988 759 (761); NJW 2000, 1408 (1409)), d.h. in der Regel bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin, weiter den Vertragszins, d.h. den vereinbarten Nominalzins verlangen kann (bejahend: Staudinger-Löwisch, § 288 Rn. 17 ff.; verneinend unter Hinweis auf die Neuregelung durch das SMG: Palandt-Heinrichs, § 288 BGB Rn. 11; ErmanHager, § 288 Rn. 12; Letzterem ist zu folgen). Ebenfalls bedarf § 12 Alt. b MBB, der der Bausparkasse ein Kündigungsrecht wegen nicht mehr ausreichender Sicherheit für den Fall, dass diese nicht aufgestockt wird, einräumt, einer kritischen Betrachtung. Die Regelung kann sich nicht auf § 491 Abs. 1 BGB stützen. § 491 Abs. 1 BGB sieht für den Fall nicht ausreichender Sicherung ein unbeschränktes Kündigungsrecht nur vor Auszahlung des Darlehens vor, und auch das nur „im Zweifel“; nach Auszahlung besteht ein Kündigungsrecht „nur in der Regel“. § 12 Alt. b MBB räumt der Bausparkasse aber ein unbeschränktes Kündigungsrecht ein. Mit der Regelung des § 12 Alt. b MBB wird dem Bausparer die nach der gesetzlichen Regel eingeräumte Möglichkeit genommen, seinerseits darzutun, dass trotz Verminderung der Sicherheiten ausnahmsweise ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht gegeben ist (PWWKessal-Wulf, § 490 Rn. 3). Damit wird von einer wesentlichen Regelung des Gesetzes abgewichen; denn der Grundgedanke, der dem außerordentlichen Kündigungsrecht zu Grunde liegt, ist, dass es dem Gläubiger nicht zugemutet werden soll, das Darlehen trotz verminderter Sicherheit dem Darlehensnehmer zu belassen, dass jedoch ausnahmsweise zu dieser Regelung dann kein Grund besteht, wenn der Darlehensnehmer seinerseits dartut, dass ausnahmsweise durch die Verminderung der Sicherheit keine Gefährdung der Interessen des Darlehensgebers eintritt. In erster Linie dürfte das dann der Fall sein, wenn die gesicherte Forderung inzwischen in Folge der Tilgung abgeschmolzen ist und die geminderte Sicherheit zur Sicherung ausreichend ist. Diese Regelung dürfte daher einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten (a.A. Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 37). Nach einer älteren Entscheidung des BGH soll sogar eine der Bank bei Kreditbewilligung bekannte Untersicherung das Recht auf Nachforderung von Sicherheiten nicht ausschließen (BGH WM 1984, 1178 (1179)). Gegen diese Rechtsprechung scheint auch Thomas (BSpK-FB 3.4. Anm. 18) Bedenken zu haben. Diese Bedenken sind auch berechtigt; der BGH hat im Jahr 2002 entschieden, dass die außerordentliche Kündigung der Bank nicht auf Gründe gestützt werden kann, die ihr bereits bei Gewährung des Darlehens bekannt waren (BGH WM 2002, 1345 (1346)). Eine auf § 12 Alt. b gestützte Kündigung wird daher im Ergebnis nur erfolgreich sein, wenn sie die Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB erfüllt. Abschließend ist zu den gesetzlich vorgesehenen Kündigungsgründen zu bemerken, dass gem. § 490 Abs. 3 BGB die Vorschriften der §§ 313 und 314 BGB unberührt bleiben. Das bedeutet einerseits, dass die Regelung in § 490 BGB nicht abschließend ist (PWW-KessalWulf, § 490 Rn. 1), andererseits jedoch: Die Regelung in § 490 Abs. 1 BGB ist gegenüber § 314 BGB als lex specialis vorrangig (Wittig/Wittig, WM 2002, 145 (149); Freitag, WM 2001, 2370 (2377)).
Kronenburg
22
23
584
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
24
i) § 13 MBB regelt die Teilung, Ermäßigung, Zusammenlegung und Erhöhung von Bausparverträgen (§ 5 Abs. 3 Nr. 6 BSpKG). Dazu hat das BAKred in Schr. v. 30.6.1993 und 23.12.1995 (BSpK-FB 2.1 § 5 BSpKG Anm. 3) klargestellt, aus der gesetzlichen Regelung sei zu entnehmen, dass der Bausparer aus den ABB Art und Voraussetzungen der ihm eingeräumten Gestaltungsrechte entnehmen können müsse. Es ist danach nicht zulässig, dass die Bausparkasse die Ausübung der vorgesehenen Gestaltungsrechte von der Erfüllung zusätzlicher Bedingungen durch den Bausparer, z.B. Erhöhung der Mindestsparsumme, abhängig macht. Es ist bedenklich, wenn § 13 Abs. 1 MBpB die dort genannten Vertragsänderungen von der Zustimmung der Bausparkasse abhängig macht und daraus das Recht der Bausparkasse hergeleitet werden soll, die Zustimmung an nicht in den ABB genannte Bedingungen zu knüpfen. Sollte eine Bausparkasse das versuchen, muss sie mit dem Einschreiten der BaFin rechnen, wie diese bereits im Schreiben vom 23.12.1995 (BSpK-FB 2.1 § 5 BSpKG Anm. 3) angekündigt hat. Im Übrigen haben die meisten privaten Bausparkassen die MBpB in diesem Punkt ergänzt und darauf hingewiesen, dass die Zustimmung nur aus bauspartechnischen Gründen (z.B. unangemessen lange Wartezeiten bei der Zuteilung) versagt werde. Das ist unbedenklich.
25
j) § 14 MBB regelt die Vertragsübertragung, Abtretung der Ansprüche und deren Verpfändung. Danach kann der Bausparer sein Kündigungsrecht und seinen Anspruch auf Auszahlung des Guthabens ohne Zustimmung der Bausparkasse abtreten und verpfänden. Soweit er jedoch weitergehende Rechte aus dem Bausparvertrag, insbesondere den Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens, abtreten will, bedarf es der Zustimmung der Bausparkasse. Bei der Beantwortung einer dahingehenden Anfrage muss die Bausparkasse die berechtigten Interessen des Bausparers angemessen berücksichtigen (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 36). Da eine freie Übertragbarkeit des Anspruchs auf Auszahlung eines Bauspardarlehens die Interessen der übrigen Bausparer beeinträchtigen kann (Verlängerung der Wartezeit), stimmen die Bausparkassen im allgemeinen nur einer Übertragung auf nahe Angehörige zu (BSpK-FB-Thomas, 3.5 Anm. 8). Das begegnet im Hinblick auf die Einbindung des Bausparers in das Bausparerkollektiv keinen Bedenken. Ähnliches hat für die notwendige Zustimmung zu einer vom Bausparer gewünschten Darlehensübertragung zu gelten.
26
k) § 15 Abs. 1 S. 1 MBB räumt dem Bausparer ein jederzeitiges Kündigungsrecht ein, jedoch soll sein Rückzahlungsanspruch einer zeitlichen Sperre, die von den Bausparkassen unterschiedlich lang in den ABB festgelegt wird, unterliegen. Diese Bestimmung begegnet Bedenken, wenn z.B. die Rückzahlung des Sparguthabens frühestens an dem Zuteilungstermin, der dem Ablauf von sechs Monaten nach Eingang der Kündigung folgt, verlangt werden kann. Zum einen fragt es sich bereits, ob eine solche Klausel den Anforderungen an das Transparenzgebot (PWW-Berger, § 307 Rn. 15) genügt; zum zweiten dürfte in der Regelung eine unangemessene Benachteiligung des Bausparers i.S. des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu sehen sein; denn grundsätzlich sind Leistungen sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB); zum dritten könnte ein Klauselverbot nach § 308 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Betracht kommen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Bausparer mehr als sechs Monate auf die Rückzahlung warten muss. Einzelne Bausparkassen haben die Problematik erkannt und dem Bausparer wenigstens bei kleineren Bausparguthaben bei Vorliegen eines wichtigen Grundes einen Anspruch auf frühere Rückzahlung eingeräumt. Auch aus den Interessen des Bausparerkollektivs lassen sich die zum Teil langen Rückzahlungsfristen nicht rechtfertigen Zwar sind die Ansparbeiträge des Bausparers in das Kollektivvermögen und damit in die Zuteilungsmasse geflossen und daher auch aus dieser zurückzuerstatten. Diesem Gesichtspunkt ist aber hinreichend Rechnung getragen, wenn dem kündigenden Bausparer ein Anspruch auf Auszahlung zum nächsten Zuteilungstermin
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
585
zugestanden wird. Bis zu diesem Termin müsste ihm die Einlage weiter verzinst werden. Entspricht aber die Klausel nicht den Anforderungen der §§ 307 f. BGB kommt eine geltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht; die Klausel wäre insgesamt unwirksam. Zur Abwicklung im Fall der Individualklage ist auf Rn. 9 zu verweisen. Ist die Regelung über die lange Stundung der Rückzahlung in den MBB nicht gerechtfertigt, verliert auch die Regelung, die einen Anspruch der Bausparkasse auf Abzug eines Disagios bei sofortiger Rückzahlung vorsieht, ihre Berechtigung. l) § 17 MBpB sieht im Hinblick auf § 5 Abs. 3 Nr. 3 BSpKG vor, dass die Bausparkasse für die Führung des Kontos eine Kontoführungsgebühr berechnen kann (vgl. auch § 15 Rn. 108 zu Kontoführungsgebühren und PAngV). Im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH ist die Wirksamkeit der Klausel zu überprüfen. Ausgangspunkt der Rechtsprechung des BGH zu diesem Thema war die Entscheidung betreffend die in den AGB einer Volksbank vorgesehene Gebühr für die Erteilung einer Löschungsbewilligung, die der BGH als Verstoß gegen § 9 AGBG ansah (NJW 1991, 1953). Der BGH hat bereits entschieden, dass eine Bank in ihren AGB keine wirksame Gebühr für Ein- und Auszahlungen am Bankschalter vereinbaren kann (BGH NJW 1994, 318). In einer weiteren Entscheidung (NJW 1996, 2032) hat der BGH jedoch ausgeführt, dass eine Kontoführungsgebühr nicht zu beanstanden ist, wenn damit nicht eine Gebühr für Ein- und Auszahlungen erhoben wird, sondern allgemein Leistungen an den Kunden im Zusammenhang mit der Kontoführung abgegolten werden. In Anbetracht des Umstandes, dass typischerweise der Zahlungsverkehr auf dem Bauspar-/Baudarlehenskonto unbar abläuft, spricht nichts dafür, dass in die Ermittlung der Kontoführungsgebühr auch Kosten im Zusammenhang mit dem Schalterverkehr eingeflossen sind, so dass die Kontoführungsgebühr unter diesem Aspekt nicht zu beanstanden wäre; es bedürfte einer Untersuchung darüber, welche Leistungen der Bausparkasse in die Kontogebühr einfließen und in welchem Umfang es sich um Leistungen handelt, die dem Kunden zugute kommen, wenn die Berechtigung dieser Vergütung mit Erfolg angegriffen werden soll. Solange solche Untersuchungen nicht vorliegen, wird die Kontoführungsgebühr sich nicht mit Erfolg angreifen lassen (vgl. dazu Nobbe, WM 2008, 185 (186, 190). Ob der Verweis auf ein Preisverzeichnis (§ 17 Abs. 2 MBpB) zulässig ist, richtet sich nach § 305 BGB (Nobbe, WM 2008, 185; zur Problematik Preisverzeichnis – Transparenzgebot ebenfalls Nobbe, WM 2008, 185 (187)). Bei der Prüfung ist die zu von Banken berechneten Entgelten erfolgte Rechtsprechung zu beachten (u.a. BGH WM 1997, 2244 u. 2300; WM 1999, 1271; Nobbe, WM 2008, 185 (188 f.) zu einzelnen Klauseln 192 f. u. 194 (Wertermittlungsentgelt), Entgelt für die Übertragung von Sicherheiten. Problematisch wird jedoch die Berechtigung der Kontoführungsgebühr, wenn Bausparguthaben und Bauspardarlehen ausgezahlt sind und damit das Konto Kreditkonto wird. An der Führung eines solchen Kontos hat allein die Bank ein Interesse, so dass eine Kontoführungsgebühr AGB-rechtlich unzulässig ist (Nobbe, WM 2008, 185 (192 f.)).
27
m) § 18 MBB regelt Aufrechnung und Zurückbehaltung. Lediglich Abs. 2 ist in den Musterbedingungen der beiden Verbände unterschiedlich formuliert, ohne dass damit relevante Unterschiede verbunden wären. Soweit die MBöB in Abs. 2 ein Aufrechnungsrecht der Bausparkasse mit eigenen fälligen Forderungen gegen nicht fällige Forderungen des Bausparers vorsehen, ist das nicht zu beanstanden, da die Forderung, gegen die aufgerechnet wird, nicht fällig zu sein braucht (BGHZ 103, 362 (367); PWW-Pfeiffer, § 387 Rn. 17). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn durch die Aufrechnung gegen Treu und Glauben verstoßen wird. Gegen einzelne Gutschriften auf dem Konto des Bausparers kann die Bausparkasse nicht mit eigenen Forderungen aufrechnen, da diese auf Grund der Kontokorrentbindung (Rn. 7) als selbständige Forderungen untergegangen sind. Insoweit kann
28
Kronenburg
586
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
die Bausparkasse lediglich gegen den Anspruch des Bausparers auf Auszahlung aufrechnen (BGH NJW 2005, 3213 (3214)). Die von einer Bausparkasse vorgesehene Erweiterung des Zurückbehaltungsrechts auf nicht konnexe und nicht fällige Gegenforderungen des Verwenders ist vom LG Berlin im Rahmen einer Verbandsklage als unzulässig angesehen worden (LG Berlin ZIP 1988, 1311 (1330)). Das LG Berlin sah sich insoweit nicht in Widerspruch zu einer Entscheidung des BGH (ZIP 1985, 149), in der der BGH in einem Individualverfahren eine Erweiterung des Zurückbehaltungsrechts des Verwenders für wirksam angesehen hatte, weil im Individualverfahren andere Prüfungsmaßstäbe anzulegen waren, die eine einschränkende Auslegung zuließen. Die Bausparkassen haben auch dem in ihren Musterbedingungen Rechnung getragen, indem sie die Erweiterung gegenüber dem gesetzlichen Zurückbehaltungsrecht auf nicht konnexe Forderungen beschränkt haben. Ob diese Erweiterung wirksam ist, ist gem. § 307 BGB zu prüfen (PWW-Berger, § 309 Rn. 15) und zu bejahen (MünchKommBGB-Kieninger, § 309 Nr. 2 Rn. 19; Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen, Rn. 76 unter Hinweis auf BGH NJW 1991, 2559 (2563); BSpK-FB-Thomas 3.6. Anm. 8). 29
n) § 21 MBB (Bedingungsänderung) sieht vor, dass die Bedingungen nachträglich, wenn die BaFin dem zustimmt, geändert werden können. Der BGH hat diese Regelung im Hinblick auf § 9 Abs. 1 BSpKG für unbedenklich gehalten (BGH NJW 1991, 2559 (2563), zustimmend MünchKommBGB-Kieninger, § 308 Nr. 4 Rn. 10). Zurecht ist diese Ansicht aber Bedenken begegnet (Ulmer/Brandner/Hensen-Schmidt, § 308 Nr. 4 BGB Rn. 10b Fn. 41; Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Vorb. v. § 307 BGB Rn. 96 u. Anh. § 310 Rn. 169). Ausgehend von dem Gedanken, dass auch die Genehmigung der ABB durch die BaFin eine Überprüfung durch die Gerichte nicht ausschließt, kann der Hinweis auf die Notwendigkeit der Genehmigung durch die BaFin nur heißen, dass ohne deren Genehmigung eine nachträgliche Änderung der ABB ohnehin nicht in Betracht kommt. Liegt diese Genehmigung aber vor, kann das angerufene Gericht die Zulässigkeit der Änderung unter zwei Aspekten prüfen: Zum einen dahin, ob die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 BSpKG erfüllt sind; denn nur dann ist eine nachträgliche Änderung zulässig. Zum andern dahingehend, ob die geänderte Klausel nicht nach den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB zu beanstanden ist. Ein allgemeiner (rückwirkender) Änderungsvorbehalt ist nicht anzuerkennen (Ulmer/Brandner/Hensen-Fuchs, Anh. § 310 Rn. 169).
30
o) Immer wieder führen angebliche – oder tatsächliche – mündliche Zusagen, die im Vertrag nicht festgehalten sind, zu Auseinandersetzungen. Die Bausparkassen versuchen, sich dagegen durch die Aufnahme einer Schriftformklausel in den Vertrag (z. B. Antrag) zu schützen. Derartige Klauseln sind nicht generell unwirksam (MünchKommBGBBasedow, § 305b Rn. 12). Die Wirksamkeit einer solchen Klausel ist an § 307 BGB zu messen. Zunächst wird insoweit zu prüfen sein, ob es sich um mündliche Nebenabreden vor bzw. bei Vertragsabschluss oder solche nach Vertragsabschluss handeln soll. Voraussetzung zur Wirksamkeit ist, dass eine angemessene Abwägung der Verwenderinteressen und Kundeninteressen stattfindet. Das ist z. B. zu bejahen, wenn es in der Klausel heißt, besondere Abreden vor und bei Vertragsabschluss sollten nur wirksam werden, wenn diese im Vertrag oder einem dem Vertrag beigefügten Schriftstück aufgeführt sind und der Bausparer dem nicht widersprochen hat. Hinsichtlich nachträglicher Individualabreden ist nach der Rechtsprechung des BGH zu unterscheiden: Der nachträglichen mündlichen Individualabrede gebührt stets der Vorrang vor der in AGB enthaltenen Schriftformklausel (§ 305b BGB; BGH NJW 2006, 138; MünchKommBGB-Basedow, § 305b Rn. 5); das gilt auch dann, wenn die Parteien bei der Änderungsvereinbarung nicht an die Schriftformklausel gedacht haben. Ob bei einer individuell vereinbarten qualifizierten Schriftformklausel etwas anderes gilt, ist umstritten (Erman-Palm, § 125 Rn. 9; bejahend
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
587
BGHZ 66, 378 (380)). Von den für die Gültigkeit der Schriftformklausel im Verbandsprozess maßgeblichen Kriterien ist die Frage zu unterscheiden, ob sich der Verwender im Individualprozess auf die Schriftformklausel gegenüber einer von ihm gegebenen Zusage berufen kann. Das wird verneint, und zwar auch im Fall des bevollmächtigten Vertreterhandelns (MünchKommBGB-Basedow, § 305b Rn. 14). p) Als AGB sind auch die von den Bausparkassen vorformulierten Bedingungen in Grundschuldbestellungsurkunden anzusehen (BGH NJW 1989, 1349). Hierfür gilt dasselbe wie für sonstige durch eine Grundschuld besicherte Darlehen (BGH NJW 1989, 1349).
31
5. Hinsichtlich der Wirksamkeit und Anfechtbarkeit unterliegt der Bausparvertrag den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln. Sofern eine sog. „Haustürsituation“ (§ 312 Abs. 1 BGB) gegeben ist, steht dem Bausparer ein – im Fall der ordnungsgemäßen Belehrung (zu deren Inhalt: BGH WM 2007, 1115; WM 2007, 1117) über das Widerrufsrecht fristgebundenes (§ 355 Abs. 3 BGB) – Widerrufsrecht (§ 355 BGB; anders ist es u.U. für den Darlehensvertrag, dazu § 15 Rn. 149) zu. Das Vorliegen einer Haustürsituation ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen (BGH BKR 2006, 448; NJW 2006, 1340). Die Folgen des Widerrufs regelt § 357 BGB. Im Übrigen kann zu Haustürgeschäften bzgl. des Bausparvertrages auf § 10 Rn. 49 ff. (und allgemein z.B.: PWW-Medicus, § 312) verwiesen werden. Bausparverträge sind in der überwiegenden Anzahl Verträge mit Verbrauchern (§ 13 BGB) und unterliegen daher den Regelungen für Verbraucherdarlehensverträge, soweit es um das Bauspardarlehen geht. Die nach dem früheren VerbrKrG eingeräumten Privilegierungen für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite vorgesehen waren, sind z. T. zum 1.7.2002 entfallen, sodass die gesetzlichen Regelungen für Verbraucherdarlehensverträge auch für Bauspardarlehen an Bedeutung gewonnen haben (§§ 491 ff. BGB; dazu § 15). Wenn der Bausparvertrag vor der Zuteilung, sei es vom Bausparer widerrufen oder gekündigt wird oder von der Bausparkasse gekündigt wird, müssen die vom Bausparer erbrachten Leistungen rückabgewickelt werden. Für die Abschlussgebühr bestimmen die Musterbedingungen (§ 1 Abs. 2 S. 2), dass eine Erstattung im Fall der Kündigung nicht erfolgt. Hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Klausel ist auf Rn. 10 zu verweisen. Evtl. (steuerliche) Vorteile, die der Bausparer erlangt hat, muss er sich entsprechend den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen (BGH WM 2007, 1173).
32
6. Schadensersatzansprüche des Bausparers gegen die Bausparkasse sind im Rahmen des Bausparvertrages insbesondere unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Beratung und falschen Auskunft denkbar (§ 4). In diesem Rahmen haftet die Bausparkasse auch für ihre rechtlich selbständigen Vertreter, soweit diese im Rahmen ihres vertraglichen Auftrags als Erfüllungsgehilfen der Bausparkasse tätig werden (§ 278 BGB; BGH WM 1996, 2105; NJW 1998, 1854). Der BGH hat kürzlich nochmals bestätigt (NJW 2007, 1362), dass – im Rahmen der Anlagevermittlung – zwischen dem Anlageinteressenten und dem – selbständigen – Vermittler zumindest stillschweigend ein Auskunftsvertrag mit entsprechenden Haftungsfolgen in Betracht kommt, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Diese Haftung des Anlagevermittlers wird unabhängig davon bejaht, ob daneben die Bank, als deren Repräsentant der Anlagevermittler auftritt, gem. § 278 BGB haften muss. Entsprechendes hat auch für den Vermittler von Bausparverträgen zu gelten.
33
II. Ansparphase. 1. Nach Abschluss des Bausparvertrages beginnt üblicherweise die Ansparphase, in der der Bausparer den im Bausparvertrag vereinbarten monatlichen Sparbetrag (§ 2 Abs. 1 MBB) bis zur ersten Auszahlung der zugeteilten Bausparsumme zahlt,
34
Kronenburg
588
35
36
37
38
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
wenn er nicht den Weg der Einmalzahlung wählt. Zu den Folgen bei Nichtzahlung oder nicht pünktlicher Zahlung: § 2 Abs. 3 MBB und Rn. 12. 2. Auffüllung mittels Kredit. Die Zuteilung des Bauspardarlehens hängt u. a. von der Erreichung der Mindestsparguthabens – meist 40 % oder 50 % der Bausparsumme je nach gewähltem Tarif – ab. Mit Zustimmung der Bausparkasse kann der Bausparer durch Sonderzahlungen die Ansparsumme auffüllen (§ 2 Abs. 2 MBB) und damit die Zuteilung beschleunigen. Diese Auffüllung kann auch mittels Krediten (sog. Auffüllungs- oder Ansparkredite; Bausparsofortfinanzierung § 15 Rn. 173) geschehen. Kreditgeber muss allerdings ein Dritter – nicht die Bausparkasse – sein, da ein solcher Kredit nicht als wohnungswirtschaftliche Maßnahme anzusehen ist und daher nicht zu dem beschränkten Aufgabenkatalog der Bausparkassen gehört (Rn. 58). Jedoch ist es gem. § 1 Abs. 3 S. 2 BSpKG zulässig, die insoweit vom Bausparer bei Dritten aufgenommenen Kredite mit Mitteln aus dem Bauspardarlehen abzulösen. 3. Abwicklungsschwierigkeiten. Kommt es bei der Abwicklung des Bausparvertrages in der Ansparphase zu Streitigkeiten, weil der Bausparer seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt, so ist zwischen dem Bausparvertrag und dem möglicherweise zusätzlich abgeschlossenen Vertrag über einen Auffüllkredit zu unterscheiden. Hinsichtlich des Bausparvertrages hat der Bausparer gem. § 15 Abs. 1 S. 1 MBB ein jederzeitiges Kündigungsrecht. Hinsichtlich der Abwicklung ist auf § 15 Abs. 1 S. 1 MBB (Rn. 26) zu verweisen. Hinsichtlich der Rechte der Bausparkasse ist auf Rn. 21 Bezug zu nehmen. Anders sieht es hinsichtlich des Auffüllkredits aus: Der Vertrag über den Ansparkredit ist dann insgesamt auf seine Wirksamkeit zu überprüfen. Für die Wirksamkeit und evtl. Anfechtbarkeit eines solchen Darlehensvertrags gelten zunächst die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze. Hat der Bausparer das Ansparguthaben – ganz oder teilweise – über einen sog. Vorschaltkredit finanziert, ist dieser Kreditvertrag in der Regel Verbraucherdarlehen i.S. des § 491 Abs. 1 BGB (§ 15), der lediglich für den Fall, dass die Gewährung des Darlehens von einer grundpfandrechtlichen Besicherung abhängig gemacht wird, eine Besonderheit im Hinblick auf § 492 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 BGB (§ 492 Abs. 1a BGB) aufweist. Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung des Verbraucherdarlehensvertrages (u. a. Nichtigkeit, Widerruf) kann auf die Ausführungen in § 15 verweisen werden. Insbesondere wird im Zusammenhang mit dem sog. Auffüllkredit bei evtl. Nichtigkeit (§§ 492, 491 BGB) die Frage der Heilung des Vertrages zu prüfen sein (§ 494 Abs. 2 BGB), da in der Regel der Bausparer den Auffüllkredit, der von einem Dritten gewährt wird, durch Zahlung an die Bausparkasse erhalten hat. Wie dann mit der Abrechnung des Vorschaltkredites zu verfahren ist, regelt § 494 BGB. In diesem Zusammenhang wird auch von besonderer Bedeutung die Frage, ob durch den Kreditgeber Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt worden sind (PWW-Medicus, § 358 Rn. 12a unter Hinweis auf BGH NJW 2006, 2099 (2105); Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23 (33; 34 unter Hinweis auf BGH NJW 2001, 358)). III. Abtretung. § 5 Abs. 3 Nr. 7 BSpKG geht davon aus, dass die Ansprüche aus einem Bausparvertrag abgetreten oder verpfändet werden können und fordert, dass die AGB dafür entsprechende Bestimmungen enthalten müssen. Dem sind die Bausparkassen mit diesbezüglichen Regelungen in § 14 MBB nachgekommen (Rn. 25). IV. Kündigung. Zum Kündigungsrecht des Bausparers in der Ansparphase ist auf die obigen Ausführungen Rn. 26 und für die Bausparkasse auf Rn. 12 zu verweisen.
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
589
C. Bauspardarlehen
39
Mit Abschluss des Bausparvertrages erwirbt der Bausparer bereits einen Anspruch auf Gewährung eines in der Regel unkündbaren (§ 12 MBB) Bauspardarlehens zu den schon im Wesentlichen im Bausparvertrag festgelegten Bedingungen, sobald die im Bausparvertrag festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind (Rn. 4). Solange Letzteres nicht der Fall ist, steht der Bausparkasse ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Mit der Zuteilung wird die Bausparsumme, die sich aus dem vom Bausparer angesparten Guthaben und dem Bauspardarlehen zusammensetzt, zur Verfügung gestellt (§ 6 MBB). Weitere Einzelheiten können in der über den Darlehensvertrag aufzunehmenden Schuldurkunde geregelt werden. Jedoch ist dabei zu beachten, dass nach Ansicht der BaFin im Hinblick auf § 5 Abs. 3 Nr. 4 BSpKG keine über die ABB hinausgehenden Auszahlungsvoraussetzungen aufgestellt werden können (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpkG Anm. 33). I. Zuteilung. 1. Zuteilungsreife. Voraussetzung der Zuteilung ist Zuteilungsreife. Die Zuteilung der Bausparsumme, die sich aus dem Bausparguthaben und dem Bauspardarlehen zusammensetzt (§ 6 Abs. 1 MBB) erfolgt gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 BSpKG nach einem in den Allgemeinen Geschäftsgrundsätzen (AGG) der Bausparkasse festgelegten Zuteilungsverfahren, das von der BaFin genehmigt ist (§ 4 Abs. 1 MBB). In den AGG sind die bausparmathematischen Grundlagen der einzelnen Bauspartarife und die Elemente des Zuteilungsverfahrens festlegt, die in den ABB lediglich wiederholt werden. Die Zuteilung setzt im Wesentlichen (im Einzelnen: § 4 MBB) voraus, dass am in den Bausparbedingungen genannten Bewertungsstichtag eine ebenfalls in den Bausparbedingungen festgelegte Mindestsparzeit seit Abschluss des Bausparvertrags vergangen und das in den MBB genannte Mindestsparguthaben angespart ist und die Mindestbewertungszahl (§ 7 Abs. 1 BSpKVO) erreicht wird. Sind diese Kriterien erfüllt, erlangt der Bausparer eine Zuteilungsanwartschaft (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 5 BSpKG Anm. 16). Zur Zuteilung ist darüber hinaus erforderlich, dass der Bausparer eine Bewertungszahl mindestens in Höhe der Zielbewertungszahl erreicht (Berechnungsbeispiel BSpK-FB-Thomas, 3.3 Anm. 10). Ob daneben ein Antrag des Bausparers auf Zuteilung erforderlich ist, ist von den Bausparkassen unterschiedlich geregelt. Z. T. wird ein solcher Antrag in den ABB vorgesehen. Anstelle des Antrags praktizieren einzelne Bausparkassen ein automatisches Zuteilungsverfahren mit Ablehnungsrecht des Bausparers; andere wiederum bieten dem Bausparer bei Zuteilungsreife die Zuteilung mit der Aufforderung zur Annahme an. Der Bausparer kann, solange die Auszahlung der Bausparsumme nicht begonnen hat, auf die Zuteilung verzichten bzw. beim Befragungsverfahren oder automatischen Zuteilungsverfahren die ihm angebotene Zuteilung nicht annehmen; dann wird der Bausparvertrag fortgesetzt. Setzt der Bausparer den Vertrag fort, kann er zu einem späteren Zeitpunkt erneut einen Antrag auf Zuteilung stellen und wird dann vorrangig berücksichtigt (§ 5 Abs. 3 MBB). Über die Zuteilung benachrichtigt die Bausparkasse den Bausparer. Diese Mitteilung hat keine rechtsbegründende Wirkung. Auch wenn die Benachrichtigung versehentlich unterbleibt, bleibt es bei der Zuteilung.
40
2. Abruf. Vom Zeitpunkt der Zuteilung stellt die Bausparkasse die Bausparsumme zur Verfügung. Danach kann der Bausparer über das Bausparguthaben jederzeit und über das Bauspardarlehen, das dem Unterschiedsbetrag zwischen Bausparguthaben und der Bausparsumme entspricht, nach Erfüllung weiterer in § 7 MBB genannter Voraussetzungen verfügen. § 6 Abs. 2 MBB sieht vor, dass die Bausparkasse für das bereit gehaltene Bauspardarlehen Bereitstellungszinsen berechnen kann (dazu: Rn. 13).
41
Beantragt der Bausparer nach einer in den ABB genannten Frist das Bauspardarlehen nicht oder ruft er es nicht ab (unterlassener Abruf) oder bringt er die für die Auszahlung
42
Kronenburg
590
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
von der Bausparkasse angeforderten Unterlagen oder Sicherheiten nicht bei, kann die Bausparkasse dem Bausparer eine in den ABB genannte Frist zur Mitwirkung setzen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist die Bausparkasse zur Gewährung des Bauspardarlehens nicht mehr verpflichtet (im Einzelnen § 6 Abs. 3 MBöB/§ 9 Abs. 2 MBpB), wenn sie ihn mit der Fristsetzung über die Folgen belehrt hat, es sei denn, der Bausparer weist nach, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat (§ 6 Abs. 3 MBöB). Die entsprechende Regelung findet sich in § 9 Abs. 2 MBpB, allerdings mit der Abweichung, dass die Fristsetzung erst nach Erfüllung der Darlehensvoraussetzungen durch den Bausparer erfolgen kann. 43
3. Zusage. Nach § 4 Abs. 5 BSpKG ist eine Zusage über den Zuteilungstermin unzulässig, weil die Zuteilungsmasse von der Bausparkasse nicht – oder allenfalls bedingt – beeinflussbar ist, denn die Zuteilungsmasse hängt ihrerseits wiederum u.a. vom Neugeschäft und dem Spar- und Tilgungsverhalten aller Bausparer maßgeblich ab. Eine dennoch erteilte Zusage wäre als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 4 BSpkG Anm. 29). Dem Bausparer können aber aus einer solchen rechtswidrigen Zusage Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 2, 280 BGB; Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 56) zustehen, z. B. wenn die Bausparkasse es unterlässt, auf eine zu erwartende Verschlechterung der Zuteilungsaussichten hinzuweisen (BGH NJW 1976, 892 (893)) oder wenn sie eine unrichtige Zuteilungsprognose erstellt (BGH WM 1991, 9 (10)). Eine sich nachträglich herausstellende objektive Unrichtigkeit vermag einen solchen Anspruch nur dann zu begründen, wenn die Bausparkasse eine Prognose „ins Blaue hinein“ aufgestellt oder die Prognosedaten unrichtig ermittelt oder bekannte oder vorhersehbare Risiken in der zukünftigen Entwicklung nicht angemessen berücksichtigt hat. Die Haftung erstreckt sich jedoch nur auf das sog. Negativinteresse (Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23 (35)). Aus der unzulässigen Zuteilungszusage können sich für den Bausparer Nachteile mit der Folge entsprechender Ansprüche ergeben, wenn er das Ansparguthaben über einen Auffüllkredit auf Grund der Zusage mit fester Laufzeit finanziert hat und die Zuteilung vor Ende der Darlehenslaufzeit erfolgt. In diesem Fall kann der Bausparer bei vorzeitiger Rückzahlung Schadensersatzansprüchen des Kreditgebers ausgesetzt sein (Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23 (31 f.)), die er, wenn die vorstehenden geschilderten Voraussetzungen erfüllt sind, an die Bausparkasse weiterleiten könnte.
44
II. Darlehensvoraussetzungen. 1. Sicherheit. Der Inhalt des Bauspardarlehensvertrags wird bereits im Wesentlichen mit Abschluss des Bausparvertrags festgelegt (§§ 7 bis 12 MBB). Vor Auszahlung des Darlehens nach der Zuteilung muss der Bausparer die für das zu gewährende Darlehen zu erbringende Sicherheit bereitstellen (§ 7 BSpKG). Im Allgemeinen erfolgt die Besicherung durch Bestellung eines Grundpfandrechts an einem in der Regel im Inland belegenen Grundstück; mit Zustimmung der Bausparkasse kann jedoch von ihr auch ein in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegenes Grundstück als Sicherheit akzeptiert werden (§ 7 Abs. 1 MBB). Die Sicherheit muss nicht an dem Grundstück bestellt werden, auf dem mit Hilfe des Bauspardarlehens ein Wohnzwecken dienendes Gebäude errichtet werden soll. Das sichernde Grundstück muss weder im Eigentum des Bausparers stehen, noch muss es sich um ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück handeln (BSpK-FB/Thomas, 3.3 Anm. 3). Das zu sichernde Bauspardarlehen darf zusammen mit vor- und gleichrangigen Belastungen 80 % des von der Bausparkasse ermittelten Beleihungswertes nicht überschreiten. Sollte das der Fall sein, schließt das eine Darlehensgewährung noch nicht aus, da die Bausparkasse sich durchaus auch mit sog. Ergänzungssicherheiten (vgl. zum Ka-
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
591
talog der Ersatzsicherheiten Schr. des BAKred v. 9.1.1979 mit ergänzenden Schr. v. 30.3.1981, 19.4.1984, 7.11.1989 u. 12.2.1997 BSpK-FB 2.1 § 7 BSpKG Anm. 10) oder Zusatzsicherheiten (z. B. Bürgschaften) zufrieden geben kann (aber nicht muss; BSpKFB-Thomas, 3.4 Anm. 5). Zur bedingungsgemäßen Erstreckung der Sicherheit auf andere Forderungen der Bausparkasse Rn. 14; zur Sicherung durch Schuldbeitritt des Ehepartners Rn. 17. Die Bausparkasse kann auch von Sicherheiten absehen oder eine andere Sicherheit (z. B. Abtretung von Forderungen aus Sparguthaben) akzeptieren (§ 7 Abs. 3 u. 4 BSpKG; Sicherheitenverzicht). Bei Kleinkrediten, d.h. bei Bauspardarlehen bis 15.000 € (§ 6 Abs. 1 S. 1 BSpKVO) bzw. bei Vorfinanzierungs- und Zwischenkrediten bis 10.000 € (§ 6 Abs. 1 S. 2 BSpKVO), kann die Bausparkasse auf eine grundpfandrechtliche Absicherung gegen sog. Negativerklärung verzichten (§ 7 Abs. 4 BSpKG), vorausgesetzt es wäre grundsätzlich eine grundpfandrechtliche Absicherung in einem Bereich von bis zu 80 % des Beleihungswertes möglich (BSpK-FB-Thomas, 3.4. Anm. 10). Der Bausparer muss sich in einem solchen Fall seinerseits verpflichten, eine Verwertung der Sicherheit durch die Bausparkasse nicht zu verhindern, indem er das Grundstück anderweitig beleiht oder veräußert (Negativerklärung). Ein Splitting eines größeren Darlehensbetrages in einen solchen, der gegen Negativerklärung bereitgestellt wird, und einen darüber hinausgehenden, der in üblicher Weise grundpfandrechtlich abgesichert wird, ist unzulässig (dazu Schr. BAKred v. 1.10.2001 BSpK-FB 3.4 Anm. 12). Die Bausparkasse kann verlangen, dass der Bausparer eine solche Negativerklärung durch eine weitere Erklärung des Inhalts „absichert“, auf Verlangen der Bausparkasse bereit zu sein, eine ohne Kündigung fällige Grundschuld bis zur Höhe des ursprünglichen Darlehensbetrages an bereiter Stelle eintragen zu lassen. Bei Kleinstdarlehen (d.h. bis 10.000 € bei Bauspardarlehen und 5.000 € bei sonstigen Darlehen; § 6 Abs. 1 S. 1 u. 2 BSpKVO) kann die Bausparkasse gänzlich auf eine Besicherung verzichten (§ 7 Abs. 4 Nr. 2 BSpKG) (Blankodarlehen). Ein Splitting ist auch hier unzulässig (dazu Schr. BAKred v. 1.10.2001 BSpK-FB 3.4 Anm. 12). Es wird aber als zulässig angesehen, dass in diesem Rahmen ein Teil durch Wiedervalutierung eines vorhandenen Grundpfandrechts abgesichert wird und das Darlehen im Übrigen blanko gewährt wird. Dadurch darf jedoch nicht 80 % des Beleihungswertes durch die Gesamtheit der bewilligten Darlehen überschritten werden (Schr. BAKred v. 1.10.2001 BSpK-FB 3.4 Anm. 12). Ist eine grundpfandrechtliche Besicherung – oder Negativerklärung – zur Darlehensauszahlung erforderlich, muss die Bausparkasse vor der Darlehensvergabe unter Beachtung der Beleihungsrichtlinien den Beleihungswert ermitteln. Das wird bei Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen in der Regel der Sachwert, d. h. der Bau- und Bodenwert, bei sonstigen Objekten der Ertragswert sein (vgl. Schr. BAKred v. 4.8.1980 u. 12.1.1994 BSpK-FB 2.1 § 7 Anm. 22), der, soweit der Betrag eines Kleinkredites überschritten wird, durch einen Sachverständigen zu ermitteln ist. Die Möglichkeit, auf eine solche Sicherheit zu verzichten, ändert nichts daran, dass auf die Sonderregelung für Immobiliarkredite im Rahmen des Verbraucherschutzes anwendbar bleibt (§ 492 Abs. 1a S. 2 2. HS BGB). Die MBB sehen in Bezug auf die anderen Gläubigern bestellten Sicherheiten vor, dass der Bausparer (oder Sicherungsgeber) der Bausparkasse evtl. schuldrechtliche Ansprüche auf Rückgewähr der Grundschuld gegen vor- oder gleichrangige Grundschuldgläubiger abtritt (§§ 7 Abs. 7a MBöB; 7 Abs. 6 MBpB). Ferner kann die Bausparkasse nach ihren Bedingungen (§§ 7 Abs. 7 MBöB; 7 Abs. 6 MBpB) vom Bausparer fordern, dass er eine Erklärung vor- oder gleichrangiger Grundschuldgläubiger beibringt, in der diese sich verpflichten, die Grundschuld nur für bereits ausgezahlte Darlehen in Anspruch zu nehmen (sog. Einmalvalutierungserklärung).
Kronenburg
45
46
592
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
47
§ 7 Abs. 6 MBB gibt der Bausparkasse einen Anspruch, dass der Bausparer sich hinsichtlich ihrer persönlichen und dinglichen Ansprüche der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft (Unterwerfungserklärung).
48
Der Bausparer kann, wenn feststeht, dass die gegebenen Sicherheiten dauerhaft das Sicherungsbedürfnis der Bausparkasse überschreiten, deren (teilweise) Freigabe verlangen (§ 3; § 24 Rn. 10, 93; Freigabeanspruch). Im Allgemeinen wird das berechtigte Sicherungsverlangen der Bausparkasse mit einem Zuschlag von 20 % auf die bestehenden Forderungen hinreichend abgedeckt sein; bei einer Sicherung durch Grundpfandrechte ist ein solcher Sicherheitszuschlag nicht anzusetzen, da gem. § 7 Abs. 1 S. 3 BSpKG die Besicherung der Bausparkasse im Rahmen der ersten vier Fünftel des Beleihungswertes liegen muss. 2. Außerdem muss der Bausparer dartun, dass die Gesamtfinanzierung des Bauvorhabens gesichert ist. Die Bausparkasse kann vom Bausparer den Nachweis einer Gebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert fordern (§ 7 Abs. 3 MBB). 3. Der Bausparer muss des Weiteren darlegen, dass er kreditwürdig ist, d.h. dass er ohne Gefährdung seiner sonstigen Verpflichtungen voraussichtlich in der Lage ist, die nach dem Darlehensvertrag anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen (§ 7 Abs. 4 MBB). In der Regel kann die Bausparkasse die Tatsache, dass der Bausparer über längere Zeit den Bausparvertrag in der Ansparphase korrekt aus eigenen Mitteln bedient hat, als Indiz für seine Kreditwürdigkeit ansehen. 4. Ist der Bausparer nicht in der Lage die erforderliche Sicherheit zu erbringen oder erscheint er der Bausparkasse nicht als kreditwürdig (fehlende Sicherheit oder Kreditwürdigkeit) und lehnt diese daher zu Recht die Gewährung des Bauspardarlehens ab, so kann der Bausparer nur die Auszahlung seines Bausparguthabens verlangen. Mit dessen Auszahlung endet der Bausparvertrag (§ 7 Abs. 9 MBöB). In den MBpB fehlt eine § 7 Abs. 9 MBöB entsprechende Regelung. Daher bleibt es, wenn der Bausparer die weiteren Voraussetzungen zur Darlehensauszahlung nicht erfüllt, zunächst bei dem Zustand gem. § 6 MBpB, d.h. die Bausparkasse stellt die Bausparsumme zur Verfügung. Hinsichtlich des angesparten Teils kann der Bausparer sofort darüber verfügen; hinsichtlich des Darlehensanteils steht der Betrag bereit und der Bausparer muss Bereitstellungszinsen bezahlen. Der Bausparer muss daher die Initiative ergreifen, um die – lediglich – durch die Bereitstellung anfallende Zinslast zu beenden. Dazu hat er folgende Möglichkeiten: Er kann der Bausparkasse die Sicherheiten zur Verfügung stellen, auf die die Bausparkasse vor Auszahlung Anspruch hat, und so die Auszahlung herbeiführen. Oder er muss der Bausparkasse mitteilen, dass er – unter Aufrechterhaltung des Bausparvertrages – auf die – konkrete – Zuteilung verzichte, um sich für einen späteren Zeitpunkt eine – erneute – Zuteilung offen zu halten. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass der Bausparer, weil er an einem Bauspardarlehen nicht mehr interessiert ist, erklärt, weder das zugeteilte Bauspardarlehen noch in Zukunft ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen zu wollen. Da der Bausparer einen rechtlichen Anspruch auf die Gewährung des Bauspardarlehens hat (Anwartschaft), wenn er seinerseits die in den Vertragsbedingungen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt, kann er den ablehnenden Bescheid der Bausparkasse in einem zivilgerichtlichen Verfahren überprüfen lassen. 5. Auszahlung. Typischerweise wird das Bauspardarlehen auf Weisung des Bausparer an Dritte (Bauhandwerker, Baudarlehensgläubiger) ausgezahlt. Mit dieser Auszahlung hat die Bausparkasse ihre Zahlungsverpflichtung erfüllt. In zahlreichen Fällen wird aber auch eine Auszahlung über einen Treuhänder (z.B. Notar) vorgesehen (dazu § 41).
49
50
51
52
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
593
III. Verwendungszweck. 1. Zweckbindung. Sie betrifft nur das Bauspardarlehen (Umfang). Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 1 Abs. 1 BSpKG wird das Bauspardarlehen von der Bausparkasse für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen gewährt. Wohnungswirtschaftliche Maßnahme sind Maßnahmen, die in erster Linie der Begründung und Erhaltung von Eigentum an Wohngebäuden dienen (§ 1 Abs. 3 BSpKG). Dazu zählen auch Aufwendungen für die Modernisierung und Instandsetzung derartiger Objekte. Dabei kann es sich auch um Ferien- oder Wochenendwohnungen handeln, selbst wenn sie nicht ganzjährig bewohnt werden dürfen (BSpK-FB-Thomas, 2.1 § 1 BSpKG Anm. 4). Die Kriterien „Errichtung“ oder „Beschaffung“ von überwiegend zu Wohnzwecken bestimmten bzw. solchen dienenden Gebäuden setzen nicht voraus, dass der Bausparer Alleineigentümer dieser Gebäude ist; Miteigentum genügt. Jedoch wird es nicht als ausreichend angesehen, wenn das Eigentum nur über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung vermittelt wird (Schr. BAKred v. 12.2.1997 BSpK-FB 2.1 § 1 BSpKG Anm. 5; BSpK-FBThomas, 2.1 § 1 BSpKG Anm. 4). Diese Grenzen können auch bei einer Beteiligung an einem Immobilienfonds gewahrt werden (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 1 BspkG Anm. 16), was möglicherweise vom BAKred im vorgenannten Schreiben nicht erkannt wird. „Beschaffung von Wohnraum“ im Sinne des BSpKG ist nämlich auch dann zu bejahen, wenn mit den bewilligten Bauspardarlehen Anteile an KG-Fonds oder offenen Immobilienfonds erworben werden und der Erwerb der Anteile ein Recht auf Miete einer Wohnung, auf Einräumung eines Wohnrechts nach § 1093 BGB oder eines Dauerwohnrechts gem. § 31 WEG verschafft (Henke, DB 1972, 2097). Diese Ausweitung gestattet z.B. dem Bausparer sich bei entsprechender rechtlicher Ausgestaltung des Vertrages unter Einsatz des Bauspardarlehens in ein Altenwohnheim einzukaufen (BSpK-FB-Thomas, 2.1. § 1 BSpKG Anm. 6). Dasselbe gilt für den Erwerb von Anteilen an einer Wohnungsbaugenossenschaft, wenn dieser Voraussetzung für die dauernde Nutzung von Wohnraum ist. Als der Zweckbindung entsprechend wird es auch angesehen, wenn das Bauspardarlehen zum Erwerb von Bauland oder eines Erbbaurechts, sofern darauf ein Bauvorhaben mit überwiegend wohnungswirtschaftlicher Nutzung errichtet werden soll (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 BSpKG), oder zur Begleichung von mit der wohnungswirtschaftlichen Maßnahme verbundenen Nebenkosten, wie Notarkosten usw., eingesetzt wird (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 1 BSpkG Anm. 9). Das Bauspardarlehen darf außerdem nach § 1 Abs. 3 Nr. 6 u. 7 BSpKG zur Ablösung von Verbindlichkeiten, die zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken eingegangen worden sind, eingesetzt werden, also typischerweise die Ablösung höher verzinslicher Baudarlehen. Während die Bausparkasse selbst Auffüllkredite nicht gewähren darf (Schr. BAKred v. 17.1.1981 BSpK-FB 2.1 § 4 BSpKG Anm. 4), ist es aber zulässig, den zur Auffüllung des Bausparguthabens bei einem Dritten aufgenommenen Kredit mit Mitteln aus dem Bauspardarlehen abzulösen (§ 1 Abs. 3 Abs. 2 BSpKG) . Die wohnungswirtschaftliche Maßnahme muss nicht im Inland ausgeführt werden, lediglich die von der Bausparkasse zu fordernde dingliche Sicherheit muss im Grundsatz (zu anderen Möglichkeiten Rn. 44) gem. § 7 Abs. 1 S. 1 BSpKG im Inland belegen sein. Steuerrechtlich kann die Inlandsbezogenheit eine Rolle spielen (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 1 BSpkG Anm. 15).
53
Mit dem Bauspardarlehen kann auch ein – üblicherweise höher verzinsliches – Baudarlehen abgelöst werden (§ 1 Abs. 3 Nr. 6 BSpKG), wenn der Bausparer der Bausparkasse nachweist, dass das Baudarlehen zur Durchführung wohnungswirtschaftlicher Maßnahmen eingesetzt worden war. Ebenso kann mit dem Bauspardarlehen eine dingliche Grundpfandrechtsbelastung auf einem überwiegend Wohnzwecken dienenden Grundstück abgelöst werden (§ 1 Abs. 3 Nr. 7 BSpKG). Dabei ist nicht Voraussetzung, dass die Mittel aus der dem Grundpfandrecht zugrunde liegenden Forderung für wohnungswirt-
54
Kronenburg
594
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
schaftliche Maßnahmen eingesetzt worden sind (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 1 BSpkG Anm. 28 f.). 55
Mit Bauspardarlehen können auch gemischt genutzte Bauvorhaben finanziert werden, solange der auf eine gewerbliche oder berufliche Nutzung entfallende Anteil kleiner ist als der Wohnzwecken dienende Teil (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 1 BSpkG Anm. 18 ff.) oder ein Einsatz des Bauspardarlehens entsprechend dem Wohnzwecken dienenden Anteil erfolgt (BSpK-FB/Thomas, 3.1. Anm. 2). Durch § 1 Abs. 3 Abs. 2 BSpKG ist auch im dort näher beschriebenen Umfang die Finanzierung von – rein – gewerblichen Bauvorhaben mit Bauspardarlehen ermöglicht worden.
56
Der gesetzlichen Regelung und den MBB ist nicht zu entnehmen, dass der Bausparer selbst (Eigenbauherr) die wohnungswirtschaftliche Maßnahme durchführen oder selbst das Darlehen für eine wohnungswirtschaftliche Maßnahme einsetzen muss. Es genügt daher, um die zweckentsprechende Verwendung des Bauspardarlehens zu bejahen, wenn z.B. der Bausparer das Darlehen dem Vermieter zu einer wohnungswirtschaftlichen Maßnahme, beispielweise eine Renovierung der Mietwohnung, zur Verfügung stellt. Zwar ist eine entsprechende Berechtigung weder den gesetzlichen Vorschriften noch den MBB ausdrücklich zu entnehmen, jedoch untersagen sie ein solches Verhalten auch nicht. In Anbetracht des Umstandes, dass der Bausparer grundsätzlich seine Rechte aus dem Bausparvertrag abtreten kann (5 Abs. 3 Nr. 7 BSpKG), ist kein Grund ersichtlich, warum der Bausparer das Bauspardarlehen nicht Dritten zur Verfügung stellen können soll, solange die Zweckbindung gewahrt bleibt.
57
2. Zweckwidrige Verwendung. Wird das Bauspardarlehen abredewidrig nicht zu einem nach dem BSpKG vorgesehenen Zweck (Rn. 53 ff.) verwandt, führt das nicht zu einer Unwirksamkeit des Bauspardarlehensvertrags (BGH WM 1989, 706; Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen Rn. 3), sondern gibt der Bausparkasse nur ein außerordentliches Kündigungsrecht gem. § 12 Alt. b MBB. Der Bausparer muss sich entgegenhalten lassen, für die Darlehensgewährung wesentliche Angaben unzutreffend gemacht zu haben. Die Bausparkasse muss dieses außerordentliche Kündigungsrecht auch ausüben, da sie mit einer solchen Kreditgewährung den ihr als Spezialinstitut eingeräumten Geschäftsrahmen verlassen würde (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 BSpKG). Anderenfalls muss sie damit rechnen, aufsichtsrechtlich dazu angehalten zu werden.
58
IV. Vorfinanzierung/Zwischenfinanzierung. 1. Bausparkasse als Darlehensgeber. Will der Bausparer mit der Durchführung seines Bauvorhabens nicht zuwarten, bis die Mittel aus dem Bausparvertrag zuteilungsreif sind, bietet sich die Möglichkeit der Zwischenfinanzierung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 BSpKG). Dabei bestehen in der Terminologie gewisse Unklarheiten (Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 4 BSpkG Anm. 5). Kredite, die dem Bausparer gewährt werden, der die Mindestsparsumme noch nicht angespart hat und dessen Bausparsumme demzufolge noch nicht zuteilungsreif ist, werden als Vorfinanzierung und solche, die an Bausparer erteilt werden, die zwar die Mindestsparsumme angesammelt haben, deren Bausparsumme noch nicht zuteilungsreif ist, als Zwischenkredite bezeichnet (so auch BSpK-FB-Thomas, 1.6). Vorfinanzierungskredite, die zur Auffüllung des Bausparguthabens verwendet werden sollen, dürfen nicht von der Bausparkasse gewährt werden (Schr. BAKred v. 17.7.1981 BSpK-FB 2.1 § 4 BSpKG Anm. 4; Rn 35). Verstößt die Bausparkasse gegen diese Beschränkung ihres Geschäftsbereichs, ist der Kreditvertrag jedoch nicht gem. § 134 BGB nichtig. Ein Schutz des Kreditnehmers ist durch § 4 BSpKG nicht beabsichtigt; denn durch die Kreditvergabe werden seine Interessen nicht verletzt (BGH, WM 1989, 706 (707)). Die Beachtung des den Bausparkassen eröffneten Geschäftskreises lässt sich nur durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen durchsetzen.
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
595
Die Gewährung von Zwischenfinanzierungskrediten gehört zum üblichen außerkollektiven Kreditgeschäft der Bausparkassen. Das gilt auch für die Vorfinanzierung der Bausparsumme, solange die Ansparsumme nicht angesammelt ist (BSpK-FB-Thomas, 1.6). Die Vor- und Nachteile dieser besonderen Finanzierungsarten können zur Folge haben, dass die Bausparkasse oder den Kreditgeber besondere Aufklärungspflichten über die mit dieser Finanzierung für den Bausparer verbundenen Risiken treffen (Mayen, WM 1995, 913; Westphalen-Pfeiffer, Allg. Bausparbedingungen Rn. 17 u. 34 ). Im Fall einer institutionalisierten Zusammenarbeit kann der Bausparer sich unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die konkrete Aufklärungspflicht auslösenden Wissensvorsprung der finanzierenden Bank berufen (BGH BKR 2007, 152). In diesem Zusammenhang ist eine besondere Aufklärung durch die Bank zu fordern, wenn nicht gesichert ist, dass der Bausparer bei Zuteilung des Bauspardarlehens die Möglichkeit hat, den Zwischenfinanzierungskredit abzulösen, weil es sich insoweit um ein atypisches Finanzierungsmodell i. S. der Rechtsprechung handelt (Hellner/Steuer-Eckstein/Wilhelm, Rn. 3/ 839; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 53). 2. Dritter als Darlehensgeber. Vor- und Zwischenfinanzierung kann aber auch durch einen anderen Darlehensgeber, z.B. ein Kreditinstitut, das mit der Bausparkasse oder dem Bausparer ständig zusammenarbeitet, erfolgen. Diese Finanzierungen, die nicht aus der kollektiven Zuteilungsmasse der Bausparkasse stammen, unterliegen den allgemeinen gesetzlichen Regeln für Darlehensverträge (§§ 10 ff.); das gilt aber auch für vergleichbare Finanzierungen durch die Bausparkasse. Üblicherweise werden diese Vor- und Zwischenfinanzierungen mit der Zuteilung des Bausparvertrages aus dem Bauspardarlehen abgelöst. Die Konditionen für die Vor- und Zwischenfinanzierungskredite richten sich nach den Gegebenheiten des Geld- und Kapitalmarktes und sind nicht wie die Zinsen für das Bauspardarlehen durch den Bausparvertrag fixiert. Während der laufenden Vorfinanzierung muss der Bausparer neben den Zinsen für die Vorfinanzierung die laufenden Ansparraten auf den Bausparvertrag erbringen; bei der Zwischenfinanzierung laufen bis zur Zuteilung des Bauspardarlehens nur die Zinsen auf diesen Kredit. Mit der Auszahlung des Bauspardarlehens muss der Bausparer nur noch Zinsen und Tilgung für das Bauspardarlehen aufbringen. Häufig wird bei Vor- und Zwischenfinanzierungen neben den Zinsen ein Disagio vereinbart. Bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages stellt sich die Frage der anteiligen Erstattung des Disagios (dazu § 14 Rn. 46 ff., dort auch Rn. 53 ff. zur Abrechnung und Abwicklung).
59
Zwar ist es möglich, dass der Darlehensnehmer bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages auf eine Erstattung des – unverbrauchten – Disagios verzichtet (Verzicht auf Erstattung), das bedarf aber einer kritischen Prüfung, wenn nicht ausdrücklich über diesen Punkt eine Regelung getroffen worden ist. Allein der Umstand, dass der Darlehensnehmer die vom Darlehensgeber ermittelte Ablösesumme gezahlt hat, genügt dazu nicht, wenn nicht in der Abrechnung für den Darlehensnehmer erkennbar eine Abrechnung über das Disagio eingeflossen ist (BGH WM 1996, 2047 (2049)). Nur wenn der Darlehensnehmer ein Verhalten gezeigt hat, dass der Darlehensgeber nach Treu und Glauben dahin verstehen durfte, der Darlehensnehmer wolle auf sein Recht, eine zeitanteilige Erstattung des Disagios zu erhalten, verzichten, kann ein Verzicht bejaht werden. Bei der Ermittlung des Darlehensnehmerwillens kann die zwischenzeitliche Entwicklung des Zinsniveaus auf dem Markt eine Rolle spielen: Sind die Zinsen so gestiegen, dass der Darlehensgeber die ihm vorzeitig zugeflossenen Mittel unschwer zu einem günstigeren Zinssatz ausleihen kann – ihm also auch bei zeitanteiliger Erstattung des Disagios kein Nachteil entsteht –, spricht nichts dafür, dass der Darlehensnehmer auf seinen Erstattungsanspruch verzichten wollte, wenn darüber nicht verhandelt worden ist. Umgekehrt kann
60
Kronenburg
596
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
der Umstand, dass die Zinsen zwischenzeitlich gefallen sind und nicht mit einem vollen Ausgleich des entfallenen Disagios bei einer erneuten Ausleihung zu rechnen ist, dafür sprechen, dass der Darlehensnehmer auf eine Abrechnung und Erstattung des Disagios verzichten wollte (BGH WM 1996, 2047 (2049)). Hinsichtlich der Frage, ob Sicherheiten, die für die Vor- und Zwischenfinanzierung gestellt worden sind, für das Bauspardarlehen fortbestehen, kann auf die Ausführungen zu den einzelnen Kreditsicherheiten verwiesen werden (Rn. 14 ff.; §§ 24 ff.; § 25 Rn. 85). 61
D. Tilgung I. Tilgung und Verzug. Die Auszahlung der Bausparsumme an den Bausparer hat zum einen zur Folge, dass die Bausparkasse damit in Höhe des Bausparguthabens den ihr vom Bausparer gewährten Kredit tilgt, und zum zweiten, dass hinsichtlich des dem Bausparer gewährten Darlehens die Tilgungsphase beginnt. Die nach der Darlehensauszahlung monatlich vom Bausparer zu erbringenden, gleichbleibenden, meist in einem v.T.-Satz der Bausparsumme ausgedrückten Raten setzen sich aus einem Zins- und einem Tilgungsanteil zusammen. Infolge der fortschreitenden Tilgung wird der Zinsanteil der Rate immer geringer und der Tilgungsanteil entsprechend größer. Der für das Darlehen zu zahlende Zinssatz ist in den ABB (§ 11 MBB) ausgewiesen. Die jeweiligen ABB weisen neben dem Nominalzins entweder in den ABB oder im Anhang zu denselben außerdem den effektiven Jahreszins berechnet entsprechend der PAngV aus. In Erfüllung der von der Rechtsprechung geforderten Transparenz verbuchen die Bausparkassen Zahlungseingänge wie Belastungen taggenau. Die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des Darlehensrückzahlungsanspruchs liegt beim Bausparer (BGH NJW-RR 2007, 705 (707)). Gerät der Bausparer in der Darlehensphase mit seinen Leistungen in Verzug, kann die Bausparkasse neben der Erfüllung (§ 241 Abs. 1 S. 1 BGB) den Verzugsschaden (§ 288 Abs. 1, 3 u. 4 BGB) geltend machen. Zum Kündigungsrecht und zur Verzugsschadenberechnung ist auf Rn. 21 zu verweisen. Der Darlehensrückzahlungsanspruch verjährt in drei Jahren (zur Verjährung und der Bedeutung der Grundschuld und des abstrakten Schuldanerkenntnisses in diesem Zusammenhang Krepold/Achors, BKR 2007, 185 ff.).
62
II. Tilgungsstreckung/Tilgungsaussetzung. Bauspardarlehen führen zu einer hohen monatlichen Belastung, da neben den Zinsen eine – gemessen an der üblichen Tilgung von 1 % bei Hypothekardarlehen – relativ hohe Tilgung aufzubringen ist. Ausgehend von einem Standardtarif mit 40 % Ansparquote führt das bei einer monatlichen Zins- und Tilgungsrate von 6 0/00 zu einer jährlichen Belastung von 7,2 % bezogen auf die Bausparsumme, was bezogen auf das Bauspardarlehen in Höhe von 60 % der Bausparsumme einer Belastung von 12 % entspricht. Ist der Bausparer nicht in der Lage, diese Raten aufzubringen, kann die Bausparkasse ihm ein sog. Tilgungsstreckungsdarlehen bewilligen. Dann übernimmt die Bausparkasse es, aus außerkollektiven Mitteln einen Teil der Tilgungsleistungen auf das Bausparkonto einzuzahlen. Gleichzeitig richtet sie ein weiteres Konto für das Tilgungsstreckungsdarlehen ein, auf dem die für den Bausparer auf das Bauspardarlehenskonto gezahlten Beträge verbucht werden und die vom Bausparer entsprechend dem mit der Bausparkasse vereinbarten – an den Marktkonditionen orientierten – Zinssatz zu verzinsen sind. Solche Tilgungsstreckungsdarlehen sind für den Bausparer nicht unproblematisch. Im Allgemeinen dürften sie nur geeignet sein, kurzfristige finanzielle Engpässe beim Bausparer zu überbrücken; denn die Entlastung des Bausparers ist nur eine Verschiebung der Belastung, die mit Kapitalmarktzinsen bezahlt werden muss. Letztlich führt bei hohen Zinssätzen für das Tilgungsstreckungsdarlehen diese zusätzliche Belastung zu einer erheblichen Verlängerung der Gesamtlaufzeit. Die Notwendigkeit, die laufenden Belastungen für den Bausparer zu verringern, kann auch bereits in der Anspar-
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
597
phase eintreten. Ist z.B. der Bauwillige nicht in der Lage, kurzfristig die Mindestansparsumme aufzubringen, so wird ihm häufig angeboten, dies mit Hilfe eines sog. Auffüllkredits zu bewerkstelligen. Kann er die darauf entfallenden Zinsen nicht aus seinem laufenden Einkommen begleichen, wird ihm im Rahmen einer Gesamtfinanzierung ein Zinsstundungsdarlehen angeboten, bei dem dann der Kreditgeber oder ein Dritter – meist eine mit der Bausparkasse zusammenarbeitende Bank – weiteren Kredit zur (teilweisen) Bedienung der Zinslast gewährt. Für die Zinsstundung muss der Bausparer dann die vertraglich vereinbarten Zinsen zahlen. Bei Zuteilung des Bausparvertrages wird der Zinsstundungskredit erforderlichenfalls, wenn sich die finanzielle Situation des Bausparers nicht verbessert hat, durch ein Tilgungsstreckungsdarlehen ersetzt. Mit dessen Hilfe werden durch sukzessive weitere Kreditaufnahme die monatlichen Belastungen des Bausparers künstlich gesenkt. Letztlich kann aber eine Tilgung nur durch erhöhte Raten oder eine erneute Gesamtfinanzierungskonzeption – mit entsprechenden Kosten – erreicht werden (vgl. dazu Reifner, S. 33 f., der auch anhand eines konkreten Beispiels die Folgen einer solchen Finanzierung darstellt). In einer solchen Situation ist nicht selten vorher zu sehen, dass letztlich der Bausparer nicht in der Lage sein wird, die Bausparfinanzierung wie vertraglich vorgesehen abzuwickeln. Es stellt sich dann die Frage, ob nicht Beratungsverschulden vorliegt (§ 4 Rn. 6 ff.). Bei einer Bausparfinanzierung mit Tilgungsaussetzungsdarlehen (Vorausdarlehen, Sofortfinanzierung) erhält der Bausparer sofort ein Wohnbaudarlehen, das zur Tilgung ausgesetzt ist; parallel wird ein gesondert abgeschlossener Bausparvertrag angespart, bei dem die Bausparsumme dem tilgungsausgesetzten Darlehensbetrag entspricht. Der Bausparer muss dann in der Ansparphase gleichzeitig die Zinsen für das gewährte Darlehen und die Bausparraten aufbringen. Bei Zuteilung des Bausparvertrags wird das tilgungsausgesetzte Darlehen mit der Bausparsumme abgelöst. Der Bausparer muss dann nur noch das Bauspardarlehen bedienen (Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23 (24)). Bei der Prüfung der Wirksamkeit eines solchen Darlehensvertrages bedarf die Prüfung der Notwendigkeit der Angabe des Gesamtbetrages gem. §§ 491 Abs. 1a i.V.m. 492 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 BGB einer besonderen Beachtung. Bei einem Tilgungsaussetzungsdarlehen mit einem Bausparvertrag besteht diese Angabepflicht (Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23 (27)). Das gilt auch bei unechter Abschnittsfinanzierung. Fehlen die notwendigen Angaben, führt das zur Nichtigkeit des Verbraucherdarlehensvertrags gem. § 494 Abs. 1 BGB, wenn nicht Heilung eintritt. Zu den Folgen: § 15; Freckmann/Rösler, ZBB 2007, 23 (26).
63
III. Sonderzahlungen. Die MBB geben dem Bausparer das Recht, jederzeit Sonderzahlungen zur Tilgung des Bauspardarlehens zu erbringen, ohne dass er einen Abschlag wegen vorzeitiger Tilgung hinnehmen müsste (Vorfälligkeitszinsen). Macht der Bausparer von dieser Möglichkeit Gebrauch, sind ihm sowohl das Agio wie auch die Darlehensgebühr zeitanteilig zu erstatten, soweit in ihnen eine laufzeitabhängige zinsähnliche Leistung zu sehen ist (Rn. 19). Hinsichtlich des bei Auszahlung des Bauspardarlehens vereinbarungsgemäß einbehaltenen Disagios ist ebenfalls die zeitanteilige Erstattung zu prüfen (§ 14 Rn. 46 ff. u. 53 ff.). Der Bausparer kann auch Herabsetzung seiner monatlichen Zins- und Tilgungsbeträge beanspruchen (§ 15 Abs. 6 S. 2 MBöB/§ 11 Abs. 5 S. 2 MBpB).
64
IV. Kündigung. Grundsätzlich ist das Bauspardarlehen für die Bausparkasse unkündbar (§ 12 MBB). Zu den Möglichkeiten der außerordentlichen Kündigung Rn. 21 ff. Die Bausparkasse kann ihre Kündigung nicht auf Gründe stützen, die ihr bereits bei Darlehensgewährung bekannt waren (BGH WM 2002, 1345). Bei einer Mehrheit von Darlehensnehmern kann die Kündigung nur allen Schuldnern (Gesamtschuldnern) gegenüber ausgesprochen werden (BGH ZIP 2002, 1524). Da der Bausparer jederzeit das Bauspar-
65
Kronenburg
598
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
darlehen zurückzahlen kann, ist für ihn die gem. § 489 Abs. 1 BGB mögliche Kündigung nur bei sog. außerkollektiven Krediten, d.h. Vor- und Zwischenfinanzierung, von Interesse. Dazu: § 10 Rn. 76 f. Kann der Darlehensnehmer eine vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrages gem. § 490 Abs. 2 S. 1 BGB erreichen, ist er dem Darlehensgeber gem. § 490 Abs. 2 S. 3 BGB schadensersatzpflichtig. Zur Berechnung: § 14 Rn. 23 ff. 66
E. Scheitern des Bausparvertrages I. Ansparphase. Scheitert der Bausparvertrag oder der Bauspardarlehensvertrag wird es in der überwiegenden Anzahl der Fälle daran liegen, dass der Bausparer – sei es in der Ansparphase, sei es in der Darlehensphase – die übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Will der Bausparer sich aus dem Vertrag lösen, so kann er das jederzeit (§ 15 MBB; Rn. 26, auch zur Abrechnung). Hinsichtlich der Rechte der Bausparkasse ist auf § 2 Abs. 3 MBB (Rn. 12) zu verweisen. Jedoch enthält der Bausparvertrag keine Regelung darüber, wie in einem solchen Fall abzurechnen ist. Zunächst hat der Bausparer Anspruch auf das von ihm eingezahlte Bausparguthaben und die vertragsgemäß angefallenen Zinsen. Es stellt sich aber die weitere Frage, ob der Bausparer nicht weitere Leistungen, die er im Zusammenhang mit dem Abschluss des Bausparvertrages erbracht hat, (anteilig) herausverlangen kann. Nach § 1 Abs. 2 S. 2 MBB soll das für die Abschlussgebühr nicht der Fall sein. Ob diese Regelung aber einer gerichtlichen Überprüfung standhält, ist fraglich (Rn. 10).
67
II. Nichtabnahme. Will der Bausparer die erfolgte Zuteilung des Bauspardarlehens nicht in Anspruch nehmen, so kann er – unterschiedlich nach Verfahrensgestaltung durch die jeweilige Bausparkasse – auf Zuteilung verzichten oder die Annahme widerrufen. Der Vertrag wird dann fortgesetzt und der Bausparer kann zu einem späteren Zeitpunkt sein Zuteilungsbegehren (erneut) anmelden (§ 5 Abs. 2 u. 3 MBB).
68
III. Darlehensphase. 1. Nach Bereitstellung des Darlehens. Nach Bereitstellung des Darlehens kann die Bausparkasse dem Bausparer Bereitstellungszinsen berechnen (§ 6 Abs. 2 MBB; Rn. 13) und, wenn das Darlehen nach einer in den ABB genannten Frist nicht abgerufen wird, den Darlehensvertrag kündigen (§ 6 Abs. 3 u. 4 MBöB bzw. § 9 Abs. 2 MBpB). Zur Verzinsung hat der BGH klargestellt, dass eine solche Verpflichtung zeitlich auf die Dauer der vertraglich vereinbarten Zinsbindung und in der Höhe auf die Differenz zu einer alternativen Anlage beschränkt ist (BGH NJW 1991, 1817).
69
2. Nach Auszahlung. a) Zu den Möglichkeiten des Bausparers sich vor der vertraglich vereinbarten Laufzeit vom Bauspardarlehen zu lösen, ist einerseits der Fall zu sehen, dass der Bausparer das Darlehen vorzeitig zurückzahlen will, und andererseits der in der Regel problematischere Fall, dass der Bausparer das Bauspardarlehen nicht mehr bedienen kann. Der Fall der vorzeitigen Tilgung des Bauspardarlehens, die jederzeit zulässig ist, ist in § 11 Abs. 6 MBöB/§ 11 Abs. 5 MBpB geregelt. Dazu und der dann vorzunehmenden Abrechnung: Rn. 64. Kann der Bausparer das Bauspardarlehen nicht mehr bedienen, bieten sich zwei Möglichkeiten: Entweder kann der Baussparer mit der Bausparkasse – oder einem anderen Darlehensgeber – über ein sog. Tilgungsstreckungsdarlehen (Rn. 62) oder über eine Umfinanzierung verhandeln. In Zeiten niedriger Immobiliarkreditzinsen kann eher eine Umfinanzierung zu empfehlen sein, weil wegen der bei Hypothekenkrediten geringeren Tilgung eine dauerhafte Entlastung eintritt. Dabei sind allerdings mit dem niedrigen Hypothekenzins und der geringen Tilgungsrate in der Regel zwei Nachteile verbunden: Zum einen ist die Zinsbindung bei niedrig verzinslichen Krediten meist kurz, während der Bauspardarlehenszins für die Vertragslaufzeit feststeht, und zum zweiten führt eine geringere Tilgungsrate zu einer längeren Vertragslaufzeit mit entsprechenden Zinsbelastungen. Außerdem fallen durch die Umfinanzierung in der Regel Kosten an.
Kronenburg
§ 17 Bauspardarlehen
599
Hinsichtlich der Möglichkeiten, dem Bausparer zu helfen, wenn er das häufig neben dem Bauspardarlehen aufgenommene Hypothekendarlehen nicht bedienen kann, ist auf § 16 zu verweisen. b) Kommt es nicht zu einer einverständlichen Regelung in der Krisensituation, stehen der Bausparkasse möglicherweise ein Kündigungsrecht und Schadensersatzansprüche zu (Rn. 21 ff.). Die Bausparkasse kann dem Bausparer auch Zinsen auf nicht gezahlte Verzugszinsen berechnen. Voraussetzung dazu ist, dass die Bausparkasse den Bausparer hinsichtlich der Verzugszinsen in Verzug gesetzt hat. Eine Verzugsbegründung kann nur gem. § 286 Abs. 1 u. 3 BGB – nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB – herbeigeführt werden, da für die Zahlung der Verzugszinsen keine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Beim Bausparer, der in der Regel Verbraucher (§ 13 BGB) ist, sind die besonderen Anforderungen des § 286 Abs. 3 S. 1 BGB zu beachten. Wenn die Bausparkasse im Wege der Klageerhebung den Verzug begründen will, muss sie die Forderung sorgfältig ermitteln; denn eine erhebliche Zuvielforderung kann einen Verzug nicht begründen, wenn der Bausparer nicht in der Lage ist, die rückständigen Zinsen selbst zu berechnen (BGH WM 1991, 60).
70
Aber auch von Seiten des Bausparers wird in dieser Situation zu prüfen sein, welche Ansprüche er neben den im Bausparvertrag geregelten hat. Dabei ist zum einen daran zu denken, dass der Bausparvertrag – und natürlich auch der Bauspardarlehensvertrag – auf ihre Wirksamkeit zu prüfen sind (Rn. 32), zum anderen wird sich für den Bausparer häufig die Frage stellen, ob er keine Ansprüche gegen die Bausparkasse wegen fehlerhafter Beratung, sei es im Zusammenhang mit dem Abschluss der Verträge (Rn. 33, 36, 43, 58), sei es im Zusammenhang mit einer evtl. vorgenommenen Umfinanzierung (Rn. 58, 61), hat. Besonderer Beachtung bedarf im Interesse des Bausparers die Prüfung, ob der Darlehensvertrag nicht formfehlerhaft war und von daher eine Zinsneuberechnung erforderlich ist (Schmitz, NJW 2007, 332) und ob evtl. zeitanteilig zurückzuerstattende Beträge (Rn. 11, 19) berücksichtigt worden sind. Ein hohes Disagio ist nach der Rechtsprechung bei vorzeitiger Beendigung der Kreditlaufzeit in der Regel wie vorausgezahlte Zinsen zu behandeln und daher anteilig zu erstatten (BGH NJW 1990, 2250; vgl. auch Reifner, S. 127).
71
c) Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass fällige, nicht titulierte Darlehensrückerstattungsansprüche ebenso wie nicht titulierte, rückständige Zinsansprüche in drei Jahren (§ 195 BGB; Verjährungsbeginn: § 197 BGB) verjähren. Das gilt auch für titulierte, zukünftige periodisch wiederkehrende Leistungen (§ 197 Abs. 2 BGB). Hat die Bausparkasse sich ihre Ansprüche im Übrigen titulieren lassen, gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB). Abweichende Vereinbarungen sind möglich (§ 202 BGB). Im Verhältnis Bausparer/Bausparkasse ist in der Regel die Sonderregelung für Verbraucherkredite (§§ 491 ff. BGB) zu beachten, da Bausparer im Allgemeinen Verbraucher (§ 13 BGB) sind. § 497 Abs. 3 S. 3 BGB bestimmt, dass eine Verjährungshemmung hinsichtlich des Rückzahlungs- und Zinsanspruchs ab Eintritt des Verzuges gem. § 497 Abs. 1 BGB bis zur Feststellung der Ansprüche in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB bezeichneten Art eintritt, dies jedoch nicht länger als 10 Jahre ab Entstehung der Ansprüche. Ist der Anspruch der Bausparkasse verjährt, kann sich der Bausparer darauf auch gegenüber dem Versuch der Bausparkasse, in die dingliche Sicherheit zu vollstrecken, berufen (§ 216 Abs. 3 BGB). Die Sonderregelung des § 216 Abs. 3 BGB gilt aber nur für Zinsen und wiederkehrende Leistungen (Staudinger-Peters, § 216 Rn. 8; Bamberger/ Roth-Henrich, § 216 Rn. 8). Zu den wiederkehrenden Leistungen zählen die neben Zinsen geschuldeten Amortisationsbeträge nicht (Staudinger-Peters, § 216 Rn. 8; MünchKommBGB-Grothe, § 216 Rn. 5; PWW-Kesseler, § 216 Rn. 4). Hat die Bausparkasse sich trotz der Verjährung aus der dinglichen Sicherheit befriedigt, kann der Bausparer Heraus-
72
Kronenburg
600
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
gabe des Erlöses von der Bausparkasse verlangen; das gilt auch für Beträge, die der Bausparer zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in die dingliche Sicherheit gezahlt hat (BGH NJW 1993, 3318 (3320)). 73
Es ist aber auch der Fall denkbar, dass eine Überprüfung der Verträge in der Krise ergibt, dass der Bausparer seinerseits Rückforderungsansprüche wegen zu erstattender Beträge (teilweise Erstattung des Disagios, unwirksame Zinsvereinbarung) hat. Diese Ansprüche unterliegen, auch wenn sie sich aus ungerechtfertigter Bereicherung herleiten, einer Verjährung von 3 Jahren (OLG Hamm WM 2008, 21; PWW-Kesseler, § 195 Rn. 2; Roller, BKR 2008, 221 (229); zur Problematik von Zinsen aus verjährter Zeit Schmitz, NJW 2007, 332 (334)).
Kronenburg
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
601
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
Schrifttum Affolter, Das verzinsliche Darlehen, ArchBürgR 26 (1905), 1; Altmeppen, Neues zum Finanzplan- und zum Sanierungskredit, in: FS Sigle, 2000, S. 211; Verschlimmbesserung im Kapitalersatzrecht, ZIP 1996, 1455; Der „atypische Pfandgläubiger“ – ein neuer Fall des kapitalersetzenden Darlehens?, ZIP 1993, 1677; Batereau, Die Haftung der Bank bei fehlgeschlagener Sanierung, WM 1992, 1517; Becker, Verhaltenspflichten und Haftung von Banken bei Kreditvergabe, 2000; Behmann, Zweckgebundene Darlehen, Diss. Erlangen-Nürnberg 1992; Berger, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 499; Beuck, Poolvereinbarungen bei Unternehmensinsolvenz, Diss. Kiel 1985; Bieder, Zur Behandlung von Sanierungskrediten im Insolvenzplan : Betrachtungen zum Spannungsfeld des modifizierten § 32a Abs. 3 GmbHG und § 264 Abs. 1 InsO, ZIP 2000, 531; Brandner, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute bei der Vergabe von Verbraucherkrediten, ZHR 153 (1989), 147; Brandstätter, Die Prüfung der Sanierungsfähigkeit notleidender Unternehmen, 1993; Braun, Der Kreditrahmen gemäß § 264 InsO als Finanzierungsinstrument des Sanierungsplanes in: Kölner Schrift zur InsO, 1977, S. 859; Canaris, Bankgeheimnis und Schutzwirkungen für Dritte im Konzern, ZIP 2004, 1781; Noch einmal: Bankgeheimnis und Schutzwirkungen für Dritte im Konzern, ZIP 2004, 2362; Die Vorfälligkeitsentschädigung zwischen Privatautonomie und richterlicher Regulierung, in: FS Zöllner 1998, S. 1055; Nichtabnahmeentschädigung und Vorfälligkeitsvergütung bei Darlehen mit fester Laufzeit in: Bankrechtstag 1996, 1997, S. 3; Kreditkündigung und Kreditverweigerung gegenüber sanierungsbedürftigen Bankkunden, ZHR 143 (1979), 113; Claussen, Möglichkeiten und Grenzen der Kreditgewährung an kapitalschwache Unternehmen in: IDW(Hrsg.) Unternehmensfinanzierung heute, 1985, S. 147; Kapitalersetzende Darlehen und Sanierungen durch Kreditinstitute. ZHR 147 (1983), 195; Coing, Eine neue Entscheidung zur Haftung der Banken wegen Gläubigerpfändung, Besprechung von BGHZ 75, 96, WM 1980, 1026; Dauner-Lieb, Das Sanierungsprivileg des § 32 a III 3 GmbHG, DStR 1998, 1517; Derleder, Zins als Rente, KJ 1991, 275; Schadensersatzansprüche der Banken bei Nichtabnahme der Darlehensvaluta, JZ 1989, 165; Transparenz und Äquivalenz bei bankvertragsrechtlicher Zinsanpassung, WM 2001, 2029, sowie in: Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung Bd. 19, S. 55; Derleder/Wosnitza, Auskunftspflichten der Banken beim Teilzahlungskredit, ZIP 1990, 901; Engert, Die Haftung für drittschädigende Kreditgewährung, 2004; Erman, Zur Pfändbarkeit der Ansprüche eines Kontokorrentkunden gegen seine Bank aus deren Kreditzusage, in: GS R. Schmidt, 1966, S. 261; Dinstühler, Kreditabreden gemäß den § 264ff. InsO, ZInsO 1998, 243; Dörrie, Das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG, ZIP 1999, 12; Ebbing, Gläubigerbanken in der Unternehmenskrise. Handlungsoptionen unter Berücksichtigung der neuen Insolvenzordnung, KTS 1996, 327; Ehlers, Unternehmenssanierung nach neuem Insolvenzrecht, 1998; Eidenmüller, Die Banken im Gefangenendilemma: Kooperationspflichten und Akkordstörungsverbot im Sanierungsrecht, ZHR 160 (1996), 343; Feddersen, Die Rolle der Banken bei der Unternehmenssanierung, in: FS Helmrich, 1994, S. 579; Felke, Die Pfändung der „offenen Kreditlinie“ im System der Zwangsvollstreckung, WM 2002, 1632; Fleischer, Kreditabwicklung bei vorzeitiger Kündigung, Kreditpraxis 1994, 24; Methoden der Vorfälligkeitsentschädigung: Kreditpraxis 1995, 12; Fleck, Kapitalersetzende Bankdarlehen in der GmbH, in: FS Werner, 1984, 107; Fleischer, Finanzplankredite und Eigenkapitalersatz im Gesellschaftsrecht, 1995; Eigenkapitalersetzende Gesellschaftsdarlehen und Überschuldungsstatus, ZIP 1996, 773; Flessner, Sanierung und Reorganisation, 1982; Freitag, Der Darlehensvertrag in der Insolvenz, ZIP 2004, 2368; Früh, Die Aufklärungspflichten von Kreditinstituten bei Kreditvergabe, WM 1998, 2176; Gaul, Die Zwangsvollstreckung in den Geldkredit, KTS 1989, 3; Gawaz, Bankenhaftung für Sanierungskredite, 1997; Gerkan, Das Recht des Eigenkapitalersatzes in der Diskussion, ZGR 1997, 173; Zur Umqualifizierung stehengelassener Gesellschaftskredite zu Eigenkapitalersatz, GmbHR 1996, 400; Geßler, Die Umwandlung von Krediten in haftendes Kapital, in: FS Möhring, 1975, 173; Gößmannn/Wagner- Wieduwilt/Weber, Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken, 1993; Goette, Einige Aspekte des Eigenkapitalersatzrechts aus richterlicher Sicht, ZHR 162 (1998), 223; Götz/Hegerl, Die Sanierungsfeindlichkeit des Eigenkapitalersatzrechts und die Sanierungsobjektgesellschaft als Ausweg, DB 1997, 2365; Die Begründbarkeit des Sanierungsprivilegs in § 32a GmbHG und seine praktische Umsetzung, DB 2000, 1385; Gottwald, Rechtliche Möglichkeiten der Unternehmenssanierung im Insolvenzfall, KTS 1984, 1; Groß, Sanierung durch Fortführungsgesellschaften, 2. Aufl. 1988; Grundsatzfragen der Unternehmenssanierung, DStR 1991, 1572; Groß/Amen, Die Fortbestehensprognose, Die Wirtschaftsprüfung 2002, 255; Gruber, Der Zinsanspruch beim gekündigten Geschäftsdarlehen, NJW 1992, 2274;
Knops
602
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
§ 610 BGB und das valutierte Darlehen, NJW 1992, 419; Grundmann, Darlehens- und Kreditrecht nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BKR 2001, 66; Grunewald, Sanierung durch Gesellschaftsdarlehen – Die neue Regelung von § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHR, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 85; Plädoyer für eine Abschaffung der Rechtsregeln für eigenkapitalersetzende Gesellschaftsdarlehen, GmbHR 1997, 7; Habersack, Der Finanzplankredit und das Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterhilfen, ZHR 161 (1997), 457ff.; Grundfragen der freiwilligen oder erzwungenen Subordination von Gesellschaftskrediten, ZGR 2000, 384; Hadding, Zur Abgrenzung von Unterrichtung, Aufklärung, Auskunft, Beratung und Empfehlung als Inhalt bankrechtlicher Pflichten, in: FS Schimansky, 1999, S. 67; Die einseitige Aufhebung der Geschäftsverbindung aus wichtigem Grund gemäß Nr. 17 Satz 2 AGB der Banken / Nr.13 Abs. 2 AGB der Sparkassen, in: FS Heinsius, 1991, S. 183; Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, 2004; Häuser, Rechte und Pflichten der Kreditinstitute bei der Sanierung von Unternehmen in Sicherheitenfreigabe und Unternehmenssanierung – Aktuelle Rechtsfragen, 1995; Die Reichweite der Zwangsvollstreckung bei debitorischen Girokonten, ZIP 1983, 891; v. Heymann, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 13. Aufl. 1999; Herrhausen, Die Rolle der Banken bei der Unternehmenssanierung, Die Bank 1979, 358; Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1996; Hirte, Das Kapitalersatzrecht nach Inkrafttreten der Reformgesetzgebung, ZInsO 1998, 147; Hoeren, Die neuen AGB-Banken, NJW 1992, 3263; Honsell, Umwandlung von Kredit in Haftkapital- und „verschleierte“ Sacheinlage?, in: FS Frotz, 1993, 307; Hopt, Funktion, Dogmatik und Reichweite der Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten der Kreditinstitute, in: FS Gernhuber, 1993, S. 169; Rechtspflichten der Kreditinstitute zur Kreditversorgung, Kreditbelassung und Sanierung von Unternehmen, ZHR 143 (1979), 139; Asymmetrische Information und Gläubigerverfügungsrechte in der Insolvenz – Die Bank in der Krise des Unternehmens, ZfB 1984, 743; Hopt/Mülbert, Kreditrecht, 1989; Die Darlehenskündigung nach § 609 a BGB – eine Bilanz der ersten drei Jahre, WM 1990, SB 3; Hüffner, Kapitalersatz durch Gesellschaftsdarlehen einer Landesbank und durch Landesbürgschaften im Konkurs der illiquiden GmbH, ZHR 153 (1989), 322; Kallmeyer, Ungelöste Probleme des Eigenkapitalersatzrechts: Sanierung, Finanzplan und Nutzungsüberlassung, GmbHR 1998, 322; Kayser, Sanierungsfähigkeitsprüfung insolvenzbedrohter Unternehmen, BB 1983, 415; Ketzer, Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen, 1989; Kiethe, Der Sanierungskredit in der Insolvenz, KTS 2005, 179; Kilger, Thesen zur Sanierung insolvent werdender oder insolventer Unternehmen, ZIP 1982, 885; Kilimann, Der Anspruch der Bank auf Überziehungsentgelte bei gekündigtem und ungekündigtem Girovertrag, NJW 1990, 1154; Klaus, Gesellschafterfremdfinanzierung und Eigenkapitalersatzrecht bei der Aktiengesellschaft und der GmbH, 1994; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobilienkreditverhältnissen, 2000; Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung bei Darlehen mit fester Laufzeit, ZfIR 2001, 438; Darlehensgewährung und Grundpfandsicherung, ZfIR 1998, 577; Köndgen, Modernisierung des Darlehensrechts – eine Fehlanzeige, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 457; Risiken der Kreditinstitute bei der Sanierung von Unternehmen: Rechtsvergleichende Erfahrungen aus den USA, England und Frankreich, in Sicherheitenfreigabe und Unternehmenssanierung – aktuelle Rechtsfragen, 1995, S. 141; Darlehen, Kredit und finanziertes Geschäft nach neuem Schuldrecht – Fortschritt oder Rückschritt?, WM 2001, 1637; Kothe, Forwardkredit und Verbraucherschutz, in: Handing/Nobbe, Bankrecht 2000, 2000, S. 213; Koller, Sittenwidrigkeit der Gläubigergefährdung und Gläubigerbenachteiligung, JZ 1985, 1013; Koppensteiner, Kritik des „Eigenkapitalersatzrecht“, AG 1998, 308; Koziol, Kreditgewährung in der Krise, ÖBA 1992, 673; Krämer/Sievi, Außerplanmäßige Ereignisse im Bankgeschäft: Disagioerstattung und Vorfälligkeitsentschädigung bei Ablösung, Sondertilgung und Ratenänderung im Aktiv- und Passivgeschäft, 1996; Kroschel, Rechtskritische Anmerkungen zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen, DStR 1999, 1383; Krüger, Richterliche Überprüfbarkeit von Preisklauseln in der Kreditwirtschaft, WM 1999, 1402; Krüger/Büttner, Verzugschadenberechnung bei Not leidenden Krediten, WM 2003, 2094; Kruppa, Die Bankenhaftung bei der Sanierung einer Kapitalgesellschaft im Insolvenzfall, 1982; Laudenklos/Sester, Mezzanine- Kapital als wirtschaftliches Eigenkapital im Ratingverfahren – Eine rechtliche Gestaltungsaufgabe, WM 2004, 2417; Lauer, Das Kreditengagement zwischen Sanierung und Liquidation, 2. Aufl. 1994; Lübbert, Der Kreditvertrag, JherJb. 52 (1908), 313; Luther, Darlehen im Konkurs, 1989; Lwowski, Die anfängliche Übersicherung als Grund für die Unwirksamkeit von Sicherheitenbestellung (§138 BGB), in: FS Schimansky, 1999, S. 389; Lwowski/ Weber, Pfändung von Ansprüchen auf Kreditgewährung, ZIP 1980, 609; Lwowski/Bitter, Grenzen der Pfändbarkeit von Girokonten, WM-Festg. Hellner, 1994, S. 57; Maier-Reimer, Kreditsicherung und Kapitalersatz in der GmbH, in: FS Rowedder, 1994, S. 245; Mankowski/Knöfel, Das außerordentliche Kündigungsrecht in § 490 Abs. 2 BGB des Regierungsentwurfs zur Schuldrechtsreform, ZBB 2002, 235; Marsch-Barner, Treupflicht und Sanierung, ZIP 1996; 853; Maser, Gesellschaftsdarlehen in der Krise der GmbH, ZIP 1995, 1319; May, Der Bankenpool, 1988; de Meo, Bankenkonsortien, 1994; Mertens, Die
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
603
Bankenhaftung wegen Gläubigerbenachteiligung, ZHR 143 (1979), 174; Meyer-Cording, Der Zinsanspruch beim gekündigten Geschäftsdarlehen, NJW 1993, 114; Michalski/de Vries, Eigenkapitalersatz, Unterkapitalisierung und Finanzplankredite, NZG 1999, 181; Mühlhoff, Kapitalersatzrecht und Kompetenzordnung in der Aktiengesellschaft, Diss. Münster 1989; Mülbert, Das verzinsliche Darlehen, AcP 192 (1992), 447; Die Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung im Recht des „bürgerlichen“ Darlehensvertrags, WM 2002, 465; Müller, Mezzanine Finance, 2003; Nelles/Klugemann, Die Bedeutung der Finanzierungsalternative Mezzanine-Capital im Kontext von Basel II für den Mittelstand, FB 2003, 1; Neuhof, Sanierungsrisiko der Banken: Die Vor-Sanierungsphase, NJW 1999, 20 u. NJW 1998, 3225; Noack, Neues Insolvenzrecht – neues Kapitalersatzrecht?, in: FS Claussen, 1997, S. 307; Obermüller, Kredite vor Konkurseröffnung, ZIP 1980, 337; Auswirkungen der Insolvenzrechtsreform auf Kreditgeschäft und Kreditsicherheiten – Teil 1 –, WM 1994; 1829; Opitz, Vorfälligkeitsentgelt bei vorzeitiger Kredittilgung, Kredit & Rating-Praxis 6/2002, 36; 5/2002, 33; 4/2002, 32; Pantel, Pflichten der Bank aus dem Kreditverhältnis, insbesondere bei der Kündigung, Diss. Bielefeld 1979; Pape/Voigt, Einladung zur Umgehung der Eigenkapitalersatzregeln?, DB 1996, 2113; Peckert, Pfändbarkeit des Überziehungsund Dispositionskredits, ZIP 1986, 1232; Peters/Wehrt, Der Forward-Darlehensvertrag, WM 2003, 1509; Pilcher, Unternehmenssanierung auf Grundlage des geänderten § 32a GmbHG, WM 1999, 411; Pleyer, Zur Frage der Kündigungsschranken und der Kreditgewährungspflicht für eine Bank in der Krise des Kunden, in: GS Schultz, 1987, S. 271; Preissler, Eigenkapitalersetzende Gesellschaftsdarlehen und konsortiale Kreditvergabe, 1997; Priester, Eigenkapitalersetzende Finanzierung durch Quasigesellschafter, in: FS Helmrich, 1994, S. 721; Reifner, Bankentransparenz und Bankengeheimnis, JZ 1993, 273; Kleinunternehmen und Kreditwirtschaft, ZBB 2003, 20; Reiner, Der deliktische Charakter der „Finanzierungsverantwortung“ des Gesellschafters: Zu den Ungereimtheiten der Lehre vom Eigenkapitalersatz, in: FS Boujong, 1996, S. 415; Rey, Entwicklung und moderne Tendenzen der Projektfinanzierung BKR 2001, 29; Riegler, Die Begrenzung der Finanzierungsfolgenverantwortung in § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG, in: FS Sigle, 2000, S. 229; Rösler, Forward-Darlehen und Darlehen mit Zins-Cap, WM 2000, 1930; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003; v. Rottenburg, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute bei Vergabe von Verbraucherkrediten, ZHR 153 (1989), 162; Rümker, Formen kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen in der Bankpraxis, in: FS Stimpel, 1985, S. 673; Verhaltenspflichten der Kreditinstitute in der Krise des Unternehmens, KTS 1981, 483; Bankkredit als kapitalersetzendes Gesellschaftsdarlehen unter besonderer Berücksichtigung der Sanierungssituation, ZIP 1982, 1385; Gläubigerbenachteiligung durch Gewährung und Belassung von Krediten, KTS 1981, 493; Zur Bankenhaftung bei fehlgeschlagenem Sanierungsversuch, WM 1982, 286; Schäffler, Bankenhaftung wegen Insolvenzverschleppung bei Auskehrung von Krediten in der Unternehmenskrise, BB 2006, 56; Schanze/Kern, Sanierungsversuch und Konzernhaftung, AG 1991, 421; Schimansky, Bankvertragsrecht und Privatautonomie, WM 1995, 461; Schmidt, Insolvenzordnung und Unternehmensfinanzierung in: Die neue Insolvenzverordnung. Erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft, 2000, S. 1; Geldrecht, 1983; Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen durch Maßnahmen im Unternehmens-, Arbeits- und Insolvenzrecht. Unternehmens- und insolvenzrechtlicher Teil. Gutachten D zum 54. DJT, 1982; Das Insolvenzrisiko der Banken zwischen ökonomischer Vernunft und Rechtssicherheit, WM 1983, 490; Eigenkapitalersatz und seine Behandlung in Österreich, GesRZ 1993, 8 u. 86; Finanzplanfinanzierung, Rangrücktritt und Eigenkapitalersatz, ZIP 1999, 1241; Zwerganteile im GmbH-Kapitalersatzrecht. Bemerkungen zum Referentenentwurf zur Ergänzung des § 32a Abs. 3 GmbHG, ZIP 1996, 1586; Darlehen, Darlehensversprechen und Krediteröffnung im Konkurs, JZ 1976, 756; Eigenkapitalersatz und Überschuldungsfeststellung, GmbHR 1999, 9; Schmitt, Untreue von Bank- und Sparkassenverantwortlichen bei der Kreditvergabe, BKR 2006, 125; Schmitz, Bankenhaftung bei fehlgeschlagener Sanierung, 1992; Scholz, Zur persönlichen Schwächesituation des Ratenkreditnehmers bei der Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB, MDR 1987, 29; Schrell, Mezzanine Finanzierungsstrategien, BKR 2003, 13; Schrell/Kirchner, Strukturelle und Vertragliche Subordination – Vorstellung und Vergleich der beiden Konzepte zur Subordinierung von Gläubigern bei der Finanzierung von Unternehmensübernahmen, BKR 2004, 212; Schütz, Der Verwendungszweck bei Krediten, WM 1964, 38; Schulze/Hagen, Schadensersatz bei zweckwidriger Verwendung von Baugeld, NJW 1986, 2403; Schumann, Der Schutz des Kunden bei Verletzungen des Bankgeheimnisses durch das Kreditinstitut, ZIP 2004, 2353; Noch einmal: Bankgeheimnis und Schutzwirkungen für Dritte, ZIP 2004, 2367; Seckelmann, Zinsrecht, 1992; Seibert, Der Bundestag greift in die Diskussion zum Eigenkapitalersatz ein, GmbHR 1998, 309; Selmer, Thesen zur Sanierung notleidender Familienunternehmen, in: FS Sigle, 2000, S. 425; Siebel (Hrsg.), Handbuch Projekte und Projektfinanzierung, 2001; Smid, Kreditsicherheiten in der Insolvenz des Sicherungebers, 2003; Das neue Insolvenzrecht – Problem, Widersprüche, Chancen, BB 1999, 1; Sanierungsverfahren nach neuen Insolvenzrecht, WM 1998, 2489; Steinbeck, Zur systematischen Einordnung des Finanzplankredits, ZGR 2000, 503; Uhlenbruck, Privilegierung statt Dis-
Knops
604
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
kriminierung von Sanierungskrediten de lege lata und als Problem der Insolvenzrechtsform, GmbHR 1982, 141; Neukredit in einem künftigen reformierten Insolvenzverfahren, ZBB 1992, 284; Ullrich, Gesellschaftsdarlehen der Banken in der Finanzkrise der GmbH, GmbHR 1983, 133; Veil, Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen, ZGR 2000, 223; Vogler, Die Ansprüche der Bank bei Kündigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzuges, 1992; Vollmer/Maurer, Die Eignung von Sanierungsdarlehen zur Abwehr der Überschuldung – Bestandsaufnahme und Neuorientierung, DB 1993, 2315; Volk, Mezzanine Capital: Neue Finanzierungsmöglichkeit für den Mittelstand?, BB 2003, 1224; Wallner/Neuenhahn, Der Sanierungskredit – ein Überblick, NZI 2006, 553; Wellensiek, Die Insolvenzflut in Deutschland und ihre Gründe, NZI 2004, Heft 5, S. V; Sanieren oder Liquidieren?, WM 1999, 405; Wenzel, Bankenhaftung bei fehlgeschlagenem Sanierungskredit, NZI 1999, 294; Westermann, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute bei der Vergabe von Verbraucherdarlehen, ZHR 153 (1989), 123; Banken als Kreditgeber und Gesellschafter, ZIP 1982, 379; Wiegelmann, Verhaltenspflichten der Kreditinstitute im Kreditgeschäft mit Kunden in der Krise, 1993; Wimmer, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zur Sanierung von Unternehmen, DStR 1996, 1249; Wittig, Kreditfinanzierung der Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahren DB 1999, 197; Beseitigung der Insolvenzgründe mit Bankbeiträgen als Voraussetzung der freien Unternehmenssanierung, NZI 1998, 49; Woeste, Banken als Sanierer, ZfgKW 1986, 810; Wolff, Kredite an Fortführungsgesellschaften, ZIP 1984, 669.
Inhaltsübersicht I. II
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Darlehensgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Sanierungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Sanierungswürdigkeit und -fähigkeit . . . . 14 3. Bedingungen und Konditionen . . . . . . . . . 19 4. Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 5. Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . 23 6. Stillschweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 7. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
III. IV. V. VI.
Kreditgewährungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . Kündbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abtretung und Pfändbarkeit . . . . . . . . . . . . . . Scheitern der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftung nach § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . 2. Eigenkapitalersatzrisiko . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtung der Sicherheitenbestellung . . 4. Strafrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . VII. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 28 29 30 31 33 35 39 40
Stichwortverzeichnis Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 34 f. Ausreichende Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Bargeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Basel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 convenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Darlehenskonditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – gewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 f. – rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 debt-equity-swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Dilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Drittsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Eigenkapitalunterdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Eigenkapitalersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 9, 33 Finanzierungsfolgenverantwortung . . . . . . . . . . . . 40 Fortbestehensprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Forward-Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Frühwarnsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Gelddarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Geschäftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Gleichrangprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Gutachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Haftungsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Hausbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 6 Insolvenzverschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Kontrollbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Kreditgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Kreditversorgungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 26
Krisenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung – außerordentliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – ordentliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – unberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – zur Unzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Lösungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 MaK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Mezzaninekapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 23 Mitarbeiterkapitalbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Mitverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 12, 34, 40 Nachbesicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Personalsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Pfändbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Problemkredit- Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Prolongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Rolle, bedeutendste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Sachsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sachverständiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Sanierungs – aussicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 16 – bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 – darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 – plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 22 – prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 f. – scheitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 f. – sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 – vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – würdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 f.
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
Sachdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Sicherheitenaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sicherungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sparkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Stillhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 5 Stillschweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Überbrückungsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 unentgeltliche Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Unterstützungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
605
Verschuldungserhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Verschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Verkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Verweigerungsauswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vorsatzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Wirtschaftsprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
I. Einleitung. In Zeiten der Krise hilft dem Unternehmen vor allem anderen eines – „fresh money“. Neben den weiteren Elementen der Sanierungsfinanzierung (siehe Knops/Bamberger/Maier-Reimer, §§ 8-15) kommt dem Sanierungskredit die bedeutendste Rolle zu (vgl. Wittig, NZI 1998, 49 (52)). Echte Sanierungskredite sind Darlehen, die erst in der Krise gewährt werden (vgl. Kiethe, KTS 2005, 179 (185)), unechte Sanierungsdarlehen sind solche, die trotz Kündigungsmöglichkeit oder zeitlichen Auslaufens ausdrücklich oder stillschweigend stehengelassen oder prolongiert werden (Kiethe, a.a.O.). Abzugrenzen sind hiervon Darlehen ohne Sanierungsbezug (Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (554) unter Hinweis auf BGH WM 1961, 1126) und Darlehen an Unternehmen, die lediglich unrentabel oder mit Verlust arbeiten (Obermüller, Rn. 5.104; Wenzel, NZI 1999, 294). Sanierungskredite werden sowohl außerhalb, als auch innerhalb des Insolvenzverfahrens gewährt (Kiethe, KTS 2005, 179 (185)). Eine Sanierungsfinanzierung, die ihren Namen auch verdient, überbrückt nicht nur eine drohende oder aufgetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldungssituation, sondern führt das mit einem soliden und aussichtsreichen Sanierungsplan ausgestattete Unternehmen aus der Krise. Sie behebt eine finanzielle Unterdeckung langfristig – ohne die Rückzahlbarkeit und Verzinsung von vorneherein durch ihre Konditionen (zu kurze Zahlungsziele, unangemessene Zinsen und Entgelte etc.) zu gefährden. Nicht zu missachten ist aber, dass die Kreditgewährung zu einer Erhöhung der Verschuldung insgesamt führt (vgl. Gawaz, S. 16 ff.), die durch eine Kapitalerhöhung der Unternehmenseigner oder durch andere in den nachfolgenden Kapiteln behandelte Maßnahmen zu kompensieren ist.
1
Aus der langjährigen Beratung und Prozessbevollmächtigung mittelständischer Unternehmen vor allem in Auseinandersetzungen mit Banken resultiert die Erfahrung, dass es nicht selten die Hausbank ist, die durch nicht immer nachvollziehbare und zum Teil gar rechtswidrige Entscheidungen, die Krise wenn nicht gerade mitverursacht, so doch in entscheidenden Momenten heraufbeschwören oder ein leichtes Wanken bis hin zum Umfallen verstärken kann (Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Knops, § 7 A, Rn. 2, so nun auch Kiethe, KTS 2005, 179 (189) m.w.N.; vgl. auch die Fallgestaltung bei BGHZ 116, 15 f. sowie zu den Gründen der Insolvenzflut Wellensiek, NZI 2004, Heft 5, S. V). Insbesondere die zumeist kurzfristige Verkürzung von Kontokorrentrahmen, die Geltendmachung von Nachbesicherungsansprüchen ohne ausreichenden Zeithorizont, die Verweigerung von Prolongationen oder das Verlangen nach marktfernen Konditionen werden oft mit der mehr oder weniger deutlich (zunächst mündlich) formulierten Geschäftsbeendigungsankündigung durchgesetzt. Diese Verhaltensweisen werden auf Seiten der Bank – wenn überhaupt – mit Globalhinweisen auf die eigene Geschäftspolitik oder Basel II begründet. Angesichts bislang unklarer Konturen in diesen Bereichen, die auch noch regional differieren, bietet sich dem Unternehmen schon angesichts temporärer wie auch finanzieller Determinationen oftmals faktisch nicht die Möglichkeit, den berechtigten Teil des Verlangens zu erkennen und ihm im Einzelnen nachzukommen oder gar ein
2
Knops
606
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
überobligatorisches Begehren gerichtlich wegen Verletzung der Rücksichtnahmepflicht aus § 242 BGB überprüfen zu lassen. Zu allermeist bedingt die Befürchtung eines gänzlichen Fallenlassens durch die Bank die Bereitschaft zu allergrößtem Entgegenkommen, wenigstens aber zum Stillhalten, zumal wenn die Abhängigkeit von dem Institut aus den eingegangenen Verpflichtungen groß ist. Bei näherer Betrachtung zeigt sich dann auch, dass die Unfreiheit betriebswirtschaftlich durch eine viel zu geringe Eigenkapitaldecke bedingt ist. Bei sich verschärfenden Marktbedingungen erweist sich das Verlangen nach Sicherheiten, der Reduzierung von Fremdkapital etc. durch die Bank – positiv gewendet – auch als Prüfstein für die eigene wirtschaftliche Verfassung des Unternehmens. 3
Zur Gewährung eines umfassenden Sanierungsdarlehens ist auf Bankseite oft Vertrauen, Weitsicht und mittelfristige Gewinnaussichtplanung erforderlich. Leider dominieren in vielen Häusern, vor allem kleiner oder mittlerer Institute heute – trotz guter Sanierungsaussichten im Einzelfall – vielfach andere Zielsetzungen, auch bedingt durch kurzfristige Bilanzinteressen, quasimathematische Kostenrechnungsüberlegungen und das Verlangen nach einer Vollabsicherung, die in der Krise meist nicht geleistet werden kann. Der eigene Verlust wird teilweise schön gerechnet, oftmals die Folgen auf Arbeitnehmer- und Zuliefererseite oder die Auswirkungen auf verbundene Unternehmen oder Kommunen, Länder und Bund, die die Lasten von Steuerausfällen bis zur Sozialabsicherung zu tragen haben, nicht einmal im Ansatz wahrgenommen. Das mag für manche hinnehmbar sein, einer erklärten oder auch nur stillschweigend betriebenen Geschäftspolitik entsprechen. Für alle anderen stellt dies schon angesichts deren eigener Größe wenigstens mittelfristig selbst keine Perspektive dar. Im Gegenteil wird oft übersehen, dass trotz guter Sanierungsprognose ein größerer oder mittlerer –, zumindest aber nicht unbedeutender – Kunde verloren geht, der ansonsten gerettet werden könnte und der der finanzierenden Bank nicht nur erhebliche Erträge aus der zinskonditional angepassten Sanierungsfinanzierung selbst bringt, sondern bei dauerhaftem Bestand langfristig Kunde bleibt.
4
Der wohl unbestreitbar bestehenden gesamtwirtschaftlichen Verantwortung der Kreditwirtschaft überhaupt, besonders aber dem teilweise in den Ländergesetzen normierten öffentlichen Auftrag der Sparkassen, entspricht eine der Sanierung abgeneigte Geschäftspolitik ohnehin nicht. In größeren Häusern ist die Bereitschaft zur Sanierungsmithilfe z.T. ausgeprägter als bei kleineren Instituten, was offensichtlich an der Bildung von Spezialabteilungen in den vergangenen Jahren liegt. Diese betreiben mittlerweile durchweg ein professionelles Problemkredit-Management, wenn auch das durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute (MaK) geforderte Frühwarnsystem noch nicht allenthalben (abteilungsübergreifend) funktioniert und der operative Geschäftsbereich vielfach eine Übergabe dorthin zu spät einleitet. Eine Intensivbetreuung vermindert auch oft vorhandene Attitüden hin zu problemorientierter Krisenbewältigung, auch wenn manche Unternehmer sich hier nur noch als Randfiguren und Bittsteller behandelt sehen, was auch vermeidbar ist.
5
Der Bank stellt sich im Krisenfall oder bereits bei den ersten Alarmzeichen hierfür die Frage, ob sie das Unternehmen durch Kreditgewährung oder Stillhalten unterstützt oder ihr Engagement so schnell wie möglich beendet. Sie ist dabei an die Vorgaben der Gerichte gebunden und steckt dadurch in einem zuweilen schwierig aufzulösenden Dilemma: Kündigt sie das Kreditverhältnis oder lehnt sie eine Kreditierung ab, drohen erhebliche Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Kündigung bzw. einer Kündigung zur Unzeit oder wegen einer Verletzung der Pflicht zur Kreditversorgung (Schimanski/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 14; MünchKommBGB-Berger, vor § 488 Rn. 109 m.w.N.), ggf. auch Dritter, wenn das Unternehmen wegen der Pflichtverletzung Insolvenz
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
607
anmelden muss. Gewährt sie hingegen dem Unternehmen weiter oder einen weitergehenden Kredit und scheitert die Sanierung, werden bisweilen strenge Haftungsmaßstäbe an das Handeln der Bank angelegt (dazu Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553). Erst wenn die Sanierung Erfolg zeigt, gibt es keine Anspruchsteller und Kunde wie Bank sind zufrieden. Entsprechend kritisch wird daher von Bankjustitiaren die Unternehmenssanierung durch Gewährung oder einer Ausweitung von Krediten beurteilt (insbes. Obermüller, Rn. 5.106). Auch in der Beratung bei Sanierungsbemühungen spürt man diese Skepsis zuweilen bei den Bankbeteiligten. Insbesondere die Haftungsrisiken bei Scheitern der Sanierung erweisen sich als Hemmschuh einer finanziellen Neuordnung und Sanierung im Krisenfall. Ursache hierfür ist eine vor allem unter Egide des alten Konkursrechts immer weiter ausgebaute Kasuistik zum Kapitalersatz von Darlehen, zur Verschleppung des gerichtlichen Verfahrens und zu den Anfechtungsmöglichkeiten in Bezug auf die für den Kredit gestellten Sicherheiten. In der Überprüfung und Fortentwicklung der zu dem alten Recht entwickelten Grundsätze spiegeln sich die Ziele des Gesetzgebers in der Neuformulierung des Insolvenzrechts nur unzureichend wieder. Anstatt der Sanierung und den dahingehenden Bemühungen wirklich Gleichrang einzuräumen, wozu naturgemäß auch eine weitgehend furchtlose Kreditgewährung zählen muss, wird die unbedingte Gleichbehandlung aller Gläubiger – unabhängig von Anteil und Verantwortlichkeit – und die bestmögliche Befriedigung zu stark betont. Für die Kreditgewährung ist daher auszuloten, ob und wie eine Sanierung mittels Kreditgewährung ermöglicht werden kann und wie zugleich Haftungs- und Anfechtungsrisiken weitgehend minimal zu halten sind. II. Darlehensgewährung. In der Praxis ist zur Gewährung von Sanierungskrediten – wenn überhaupt – zumeist die sog. „Hausbank“ (zu Begriff und Funktion Woeste, ZfKW 1986, 810 ff. u. Martini, ÖBA 1991, 615 (617 f.)) des Unternehmens bereit. Andere, zumal mit dem Unternehmen nicht oder nur mäßig vertraute Gläubiger haben bis auf Geber von Mezzaninekapital (dazu Volk, BB 2003, 1224), oftmals mangels Transparenz, oft aber wegen fehlendem Vertrauen – resultierend aus nicht vorhandenen Vorerfahrungen – kein Interesse an der Unterstützung in der Krise. Nicht selten ist man dort der Auffassung, dass ein Unternehmen nicht kreditwürdig sei, dem „schon“ die Hausbank keine Unterstützung mehr gewährt. Der Hausbank kommt dabei auch als zumeist größter Gläubiger des in die Krise geratenen Unternehmens die entscheidende Rolle zu, wobei gerade darin auch nicht geringe Gefahren ganz unterschiedlicher Natur liegen können (s. dazu im Einzelnen Rn. 30 ff.).
6
Unterstützend oder alternativ zu einem Sanierungskredit der Hausbank kommen Finanzierungshilfen der öffentlichen Hand in Betracht (dazu Knops/Bamberger/Maier-ReimerKlingner-Schmidt, § 7 B.). Wenn das Kreditinstitut alleine zur Finanzierung nicht in der Lage oder geneigt ist, können die Lasten im Rahmen eines Konsortialkredits oder einer Projektfinanzierung durch eine Gruppe von Banken geschultert werden (dazu Knops/ Bamberger/Maier-Reimer-Hoffmann, § 7 C.), wozu auch Dritte, etwa andere Gläubiger, verbundene Unternehmen oder auch fremde Risikokapitalgeber, die nicht dem KWG unterliegen, gehören können. Eine klare Mitverantwortung treffen auch die Gesellschafter (dazu Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Bamberger, § 16 Rn. 52 f.), deren Beitrag aber oftmals zu einer echten Sanierungsfinanzierung nicht ausreicht. Überaus selten sind dagegen bislang etwa Darlehen von Arbeitern und Angestellten an das Unternehmen, weil vielmehr als deren Sanierungsbeitrag – Verzicht oder Stundung der Bezüge und Sonderleistungen – im Vordergrund stehen (s. insges. Knops/Bamberger/Maier-Reimer-DaunerLieb, § 14). Bislang nicht ausreichend diskutiert ist eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung an sanierungsfähigen Krisenunternehmen, für die etwa in NRW eine durch EU, Ministerium und Landesbank geförderte Initiative besteht.
7
Knops
608
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
8
Während Umschuldungen (dazu Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Dhonau/Velden, § 10) zu einer Überschneidung mit Sanierungskrediten führen können (Schimanski/Bunte/ Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 10), bilden – zumeist kurzzeitig – gewährte Überbrückungsdarlehen zu ihnen allenfalls eine Untergruppe. Sie dienen dazu, einen kurzfristigen Liquiditätsengpass zu beseitigen, oft auch, um den Zeitraum bis zur Entscheidung über die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens zu überbrücken (BGH WM 1998, 248 (251); OLG Schleswig WM 1982, 25; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (554)), um nicht von vornherein die Gewährung des eigentlichen Sanierungskredits zu vereiteln (s. unten § 35 Rn. 24 ). Sie helfen daher vor allem, die 3-Wochen-Frist der §§ 64 I GmbHG, 92 II AktG, 99 GenG, 130a I, IV, 177a S. 1 HGB zu überwinden, so dass das Unternehmen keinen Insolvenzantrag stellen muss (Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 5). In der Praxis zeigt sich dann auch, dass die Frist von 3 Wochen oftmals viel zu kurz ist, um eine Sanierungsfähigkeit festzustellen und einen seriösen, bestimmten Anforderungen unterliegenden Sanierungsplan zu erstellen (dazu unten Rn. 14 f. sowie Knops/Bamberger/ Maier-Reimer-Maier-Reimer, § 4 Rn. 3, 39 f.; Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Uhlenbruck, § 5 Rn. 2 f., 15 f.). Eine Fristverlängerung wird durch die Aufnahme von Verhandlungen mit den Gläubigern nicht erreicht (KG ZInsO 2001, 79). Für börsennotierte Aktiengesellschaften oder solche, die im Handel Wertpapiere emittiert haben, stellt die ad hoc Publizität nach § 15 WpHG einen noch engeren Zeitrahmen. Allerdings kann das Unternehmen von der Veröffentlichung wegen der damit meist einhergehenden negativen Wirkung auf laufende Sanierungsbemühungen auf Antrag gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG befreit werden. Ergibt das ordnungsgemäß erstellte Gutachten, dass das Unternehmen nicht sanierungsfähig ist, kann die Bank den Überbrückungskredit regelmäßig sofort fällig stellen (vgl. Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (554)).
9
Die Gewährung eines Überbrückungsdarlehens kann daher in aller Regel auch nicht den Vorwurf einer Insolvenzverschleppung (dazu unten noch Rn. 31) nach sich ziehen und zwar unabhängig davon, ob eine bloße Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung des Unternehmens als Ergebnis am Ende der Prüfung steht. Derartige Darlehen zur Überbrückung ersetzen in aller Regel kein Eigenkapital (OLG Frankfurt WM 1987, 1163; OLG Hamm WM 1987, 17 (18); Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 607 Rn. 148). Erst wenn Überbrückungsdarlehen innerhalb einer überschaubaren Zeitspanne mehrfach gewährt bzw. prolongiert werden, kommt eine Qualifizierung als Eigenkapitalersatz in Betracht (BGH NZI 2007, 63 = ZInsO 2007, 38 m. zust. Anm. Blöse, GmbHR 2006, 1327 u. Anm. Thonfeld, EWiR 2007, 107; BGHZ 67, 171 (177 f.); Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 607 Rn. 148 m.w.N.). Entscheidend ist, ob mit der Kreditvergabe eine strukturelle Krise des Unternehmens insgesamt abgewendet werden soll. Dann kann die stückweise Gewährung wie ein Kredit gewertet werden, der nacheinander ausgezahlt wird. Allerdings kann dies nicht pauschal, sondern nur unter Auswertung der jeweiligen Darlehensverträge beurteilt werden. Gegen eine Gesamtbetrachtung auch unter Gesichtspunkten des Eigenkapitalersatzes spricht etwa, wenn für die einzelnen Kredite unterschiedliche Sicherheiten bestellt werden oder die finanzielle Enge auf ganz verschiedenen Faktoren beruht und die zeitliche Abfolge eher zufällig, jedenfalls keine Folge der vorherigen Krise ist. Droht eine Qualifizierung als Eigenkapital, kann zudem ein debt-equity-swap helfen (vgl. zum Verfahren bei Sanierungsdarlehen Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 150 f.). Dass die 3-Wochen-Frist des § 64 I GmbHG überschreitende Überbrückungsdarlehen generell als Eigenkapitalersatz qualifiziert werden sollen (BGH NZI 2007, 63 = ZInsO 2007, 38), wird zutreffend als zu knapp erachtet (Thonfeld, EWiR 2007, 107 (108)).
10
Auf die Einordnung als Eigenkapitalersatz wird es zukünftig nach aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr ankommen. Durch das am 26.06.2008 beschlossene Gesetz zur Moder-
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
609
nisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG, BTDr. 16/9737 (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses); BT-Dr. 16/6140 (RegE)) sollen die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts abgeschafft werden (BT-Dr. 16/ 6140, S. 42, 56 f.). Das Gesetz sieht vor, die bisherigen §§ 32 a, 32 b GmbHG unter Verzicht auf das Merkmal des Eigenkapitalersatzes in die InsO zu überführen. Sie sollen zukünftig für alle Gesellschafterdarlehen gelten (BT-Dr. 16/6140, S. 57; BT-Dr. 16/9737, S. 49 ff.). Auf die Anwendung der Rechtsprechungsregeln (analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf eigenkapitalersetzende Gesellschaftsdarlehen; BGH WM 2007, 973 = ZInsO 2007, 542 m.w.N.; st. Rspr.) wird ausdrücklich verzichtet (vgl. § 30 I 3 GmbHG-E, BT-Dr. 16/6140 S. 42; BT-Dr. 16/9737, S. 18). Sanierungskredite werden zu allermeist als Gelddarlehen nach den §§ 488 ff. BGB gewährt. In der Praxis kommen dagegen Sachdarlehen nach den §§ 607 f. BGB nur selten vor, auch wenn im Einzelfall die Überlassung von (zumeist bereits zuvor als Sicherheit oder gar als Tilgungssurrogat übertragenen) Vermögenswerten – wie Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen – in der Krise durchaus hilfreich sein können. Zumeist, aber nicht zwingend wird die Finanzierung als Neudarlehen ausgereicht. Ein Sanierungskredit kann auch in der bloßen Prolongation eines bestehenden Darlehens oder durch Verzicht auf eine mögliche Kündigung liegen (s. unten § 22 Rn. 37 m.w.N.), wenn letzteres auch ohne eine ausgesprochene oder nicht einmal in Aussicht gestellte Beendigung zweifelhaft sein kann. Damit der Kredit als Sanierungsdarlehen qualifiziert werden kann, womit in einem möglichen Insolvenzverfahren ein privilegierter Status gesichert wäre, muss ohne Stützungsmaßnahmen die für eine erforderliche Weiterführung des Unternehmens und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht mehr erhalten werden können, mit dem Neukredit durch den Gläubiger tatsächlich bezweckt werden, den Schuldner zu sanieren und eine Prüfung durch die Bank ergeben, dass die Sanierungswürdigkeit und darüber hinaus die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens gegeben ist (s. unten § 35 Rn. 19 m.w.N.).
11
1. Sanierungsbedürftigkeit. Maßgeblich für die Einordnung eines Darlehens als Sanierungsdarlehens ist damit zunächst die teils problematische Entscheidung, ob sich ein Unternehmen überhaupt in einer Krise befindet. Dieses Stadium bezeichnet man auch als „Insolvenzreife“ (Obermüller, Rn. 5.104; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (554)). Der späteste Zeitpunkt für die Bejahung einer Krise bzw. der Insolvenzreife ist wohl das Vorliegen eines Insolvenzgrundes nach §§ 17 oder 19 InsO (Zahlungsfähigkeit und Überschuldung), das auch zur Stellung eines Insolvenzantrages berechtigt bzw. verpflicht. Um überhaupt eine Sanierung mit effektiven Erfolgsaussichten zu ermöglichen, muss jedoch auch schon im Vorfeld angeknüpft werden können. Abgestellt wird insofern generell auf die erforderliche Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens (Obermüller, Rn. 5.104; Kiethe, KTS 2005, 179 (184)). Sanierungsbedürftig ist ein Unternehmen, wenn die erforderliche Betriebssubstanz für die erfolgreiche Weiterführung und die Abdeckung der bestehenden Verbindlichkeiten nicht ohne unterstützende Maßnahmen aufrecht erhalten werden kann. Dies ist der Fall, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in gewisser Zeit eintreten wird und eine rechtzeitige Änderung dieser Entwicklung nicht mehr zu erwarten ist (Obermüller, Rn. 5.104 m.w.N.). Plausibel erscheint daher auch die Bejahung der Krise bei Vorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO (Neuhof, NJW 1998, 3225 (3229)). Ferner kommt das Feststellen der Krise auch anhand der Kriterien in Betracht, die der BGH hinsichtlich der Eigenkapitalersatzregeln entwickelt hat (Neuhof, a.a.O.). Danach genügt das Vorliegen einer Unterbilanz noch nicht für die Annahme einer Krise (BGH WM 1999, 1828 = NJW 1999, 3120 (3121) m.w.N.). Es kommt vielmehr darauf an, ob das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten
12
Knops
610
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (negative Fortbestehensprognose; BGH WM 1999, 1828 = NJW 1999, 3120 (3121) m.w.N.). Die Fortbestehensprognose darf dabei nicht mit einer womöglich positiv ausfallenden Sanierungsprognose (vgl. Rn. 14) verwechselt werden, da dort die Bestehensmöglichkeit des Unternehmens bei Zusteuerung fremder Finanzkraft zu bewerten ist. Das Vorliegen einer Krise kann außerhalb der Insolvenztatbestände ferner auch dann positiv festzustellen sein, wenn eine vorgelagerte Kreditunwürdigkeit gegeben ist (BGH BB 2004, 1240 (1242 f.); Burg/Westerheide, BB 2008, 62 m.w.N., je zum Eigenkapitalersatzrecht), allerdings kann diese lediglich eine Indizwirkung entfalten. Kreditunwürdig ist ein Unternehmen, wenn kein wirtschaftlich vernünftiger Darlehensgeber dem Unternehmen mehr ohne taugliche Drittsicherheit, wie etwa Gesellschafterbürgschaften, Kredit zu marktüblichen Bedingungen gewähren würde (BGH BB 2004, 1240 (1243)). Mit anderen Worten scheidet eine Kreditunwürdigkeit solange aus, wie die Gesellschaft noch über Vermögensgegenstände verfügt, welche ein vernünftig handelnder Darlehensgeber als Sicherheit akzeptieren würde (BGH BB 2004, 1240 (1243) m.w.N.). In Anbetracht der hierzu ergangenen Rechtsprechung scheint insbesondere ein Rückgriff auf den Krisenbegriff des Eigenkapitalersatzrechts vorteilhaft. Dass die Einstufung als Sanierungsdarlehen und die Einstufung als eigenkapitalersetzendes Darlehen unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen, namentlich eine mögliche Insolvenzverschleppungshaftung (Rn. 31) oder der Verlust des Darlehens (Schäffler, BB 2006, 56 (57)), ist nicht entscheidend. Für das Auslösen der jeweiligen Rechtsfolgen müssen noch andere – unterschiedliche – Voraussetzungen hinzutreten. Zwar entsteht eine gewisse Rechtsunsicherheit, die die Vorverlagerung der Krise vor das Bestehen Insolvenztatbestände mit sich bringt (Wallner/Neuenhahn NZI 2006, 553 (554); ebenso Schäffler, BB 2006, 56 (57)). Es ist ein Anliegen des am 26.06.2008 beschlossenen Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) das GmbH-Recht zu vereinfachen und in diesem Zusammenhang auch auf den Begriff des Eigenkapitalersatzes und damit einhergehend auf den Begriff der Krise zu verzichten (BT-Dr. 16/6140, S. 42 u. 57). Angesichts der Bedeutung der Einordnung von Darlehen als Sanierungskredit ist eine Auseinandersetzung mit unternehmensbezogenen „Krisen“ erforderlich. Ob sich ein Unternehmen in der Krise befindet, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls (Kiethe KTS 2005, 179 (183)) und anhand vielfältiger Indikatoren zu beurteilen. 13
Für die Bank birgt die Einordnung als Sanierungskredit sowohl Chancen als auch Risiken. So werden Sanierungsdarlehen in der Insolvenz des Unternehmens privilegiert, andererseits trifft die Bank Prüfungspflichten, bevor sie einem „erkrankten“ Unternehmen Kredit gewährt (zu den Folgen der Missachtung vgl. Rn. 30 ff.). Weitere Voraussetzung für das Entstehen der Prüfungspflichten ist indes die Kenntnis der Bank von der Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens. Ein Darlehen ist nur Sanierungsdarlehen, wenn es zum Zwecke der Sanierung gewährt wird (zur Zweckbestimmung s. auch Rn. 22). Allerdings erhält die Bank regelmäßig – im Gegensatz zu anderen Gläubigern – umfangreiche Einsicht in die geschäftlichen Unterlagen, wie Bilanzen, Jahresabschlüsse oder auch Steuererklärungen der maßgeblich Beteiligten und kann damit die finanzielle Situation ihres Kunden hinreichend beurteilen. Drängen sich die Umstände der Insolvenzreife nahezu auf und verschließt sich die Bank leichtfertig dieser Erkenntnis, darf dies nicht zu einem Wegfall der Prüfungspflichten führen, da die unredliche Bank ansonsten besser gestellt wäre als die redliche (Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (555)). Wird eine erforderliche Sanierungsfähigkeitsprüfung (dazu sogleich) aufgrund der insoweit grobfahrlässigen Un-
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
611
kenntnis nicht vorgenommen, indiziert dies oftmals die Sittenwidrigkeit des Darlehens. Die Beweislast für eine grobfahrlässige Unkenntnis der Bank trägt indes der Kreditnehmer bzw. der Insolvenzverwalter (Wallner/Neuenhahn, a.a.O.). 2. Sanierungswürdigkeit und -fähigkeit. Zunächst ist die Feststellung notwendig, dass das in die Krise geratene Unternehmen sanierungswürdig ist, eine Kreditzufuhr also nicht von vorneherein aussichtslos ist. Anderenfalls droht ohne weiteres ein Scheitern der Sanierungsbemühungen und es kann sich von Dritten – zumeist anderen Gläubigern – der Vorwurf einer sittenwidrigen Insolvenzverschleppung ergeben (s. unten § 35 Rn. 23). Erforderlich ist daher eine positive Sanierungsprognose. Diese ist entweder von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer (BGH WM 1998, 248) oder einem anderen sachverständigen Dritten (vgl. BGH WM 1956, 283 (284); NJW 1953, 1665) zu erstellen (Launer, S. 205 f.; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553). In Betracht kommen hier vor allem Steuerberater, Rechtsanwälte oder auch Unternehmensberater. Ungeeignet sind Personen, die lediglich die Abwicklung und Zerschlagung im Auge haben. Die vorherige Tätigkeit als Insolvenzverwalter oder in der bloßen Abwicklung ist daher regelmäßig nicht ausreichend, sondern vielmehr Erfahrung in der Sanierung wie Liquidation gleichermaßen notwendig. Erforderlich darüber hinaus sind – wie bei der Sanierung selbst – Kenntnisse im konkreten Markt des Unternehmens. Wer etwa bislang nur im Texilsektor tätig war, wird sich im IT-Bereich wenig auskennen, wie sich im übrigen auch die Lage international tätiger Unternehmen – zumal solcher, die vom Export abhängig sind – zum Teil stark von solchen mit klarer regionaler Begrenzung unterscheidet. Gäbe es eine funktionierende Sanierungskultur in Deutschland, wie beispielsweise in anderen Staaten (siehe dazu Knops/Bambger/Maier-Reimer-Bamberger, § 1 Rn. 17 f., insbes. Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Bauerreis/Vallens, § 19 A. f.), wäre schon die Auswahl eines entsprechenden Gutachters für die Beurteilung der Sanierungswürdigkeit, erst recht aber deren Durchführung nicht wie derzeit eher von Zufälligkeiten und z. T. persönlichen Präferenzen abhängig, sondern von einem differenzierten Sanierungsprofessionalismus. Wie für Insolvenzgutachten im Hinblick auf eine Verfahrenseröffnung lassen sich die Kosten- und Zeitaspekte für eine Überprüfung durch Dritte regelmäßig vernachlässigen.
14
Die Prüfung der Sanierungsaussicht selbst hat betriebswirtschaftlichen, auch makroökonomischen Grundsätzen zu folgen und hat steuerliche Belange wie Aussichten ebenso mit einzubeziehen wie juristische Aspekte im Hinblick auf eine Insolvenzantragspflicht, um allen Beteiligten die Risiken deutlich zu machen. Möglicherweise auftretende Marktrisiken und andere Ungewissheiten sind angemessen zu berücksichtigen, wodurch eine Fortführungsprognose und Sanierungsempfehlung eher zurückhaltend abzugeben sind. Zu den rechtlichen Anforderungen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen einer Fortbestehensprognose ausführlich Groß/Amen, Die Wirtschaftsprüfung 2002, 255 f. Keine derartige Prüfung ist erforderlich, wenn der Kredit durch öffentliche Bürgschaften/Garantien abgesichert und die Sanierungsfähigkeit mithin bereits durch öffentliche Stellen geprüft wurde (BGH WM 1958, 845; Schäffler, BB 2006, 56 (59)), das Angebot eines Dritten zur Übernahme des Unternehmens vorliegt, das nach der Höhe auf die Werthaltigkeit des Unternehmens schließen lässt (OLG Köln WM 1986, 452 (455)) oder wenn ein Sanierungskonsortium gebildet wurde (Obermüller, Rn. 5.125), da in diesem Fall die übereinstimmende Einschätzung einer Vielzahl von Gläubigern die (subjektive) Sanierungsfähigkeit indiziert (s. unten § 35 Rn. 23). Allerdings wird der Gläubiger bei Ausreichung eines Sanierungskredits sich darauf kaum verlassen wollen ebenso wenig wie ohne Vorhandenseins eines Plans zur Gesundung des Unternehmens eine Kreditvergabe den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Kaufmanns entsprechen wird.
16
Knops
15
17
612
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
18
Der zu erstellende Sanierungsplan muss einen oder mehrere Wege aufzeigen, wie das Unternehmen wirtschaftlich und finanziell kurz-, mittel- oder langfristig aus der Krise geführt werden kann, und welche Maßnahmen dazu im Einzelnen erforderlich sind. Es ist insbesondere darzulegen, wie eine Zahlungsunfähigkeit beseitigt oder vermieden werden und auf welche Weise das Unternehmen aus einer Überschuldungssituation befreit werden kann. Hinzu kommen muss eine detaillierte Analyse des status quo, mithin auch aller tatsächlichen Umstände, die nicht nur für die Finanzierung, sondern auch für eine betriebswirtschaftliche Bewertung maßgeblich sind (vgl. BGH WM 1999, 15; 1998, 248). Anderenfalls können weder die Bank noch die Endscheidungsträger in dem Unternehmen beurteilen, welches Risiko mit der Unterzeichnung eines entsprechenden Darlehensvertrages verbunden ist.
19
3. Bedingungen und Konditionen. Die Bedingungen des Sanierungskredits unterscheiden sich von herkömmlichen gewerblichen Krediten außer ihrer Zweckbestimmung (dazu nachfolgend Rn. 22) nicht wesentlich. Die Darlehenssumme muss der Höhe nach angemessen festgelegt sein, um den vereinbarten Zweck zu erreichen. Der aktuelle Bedarf orientiert sich zunächst an dem Betrag, der zur Vermeidung eines Insolvenzantrages erforderlich ist. Der regelmäßig hohe Kapitalbedarf zur Sanierung lässt sich am besten auf eine lange Laufzeit verteilen und sollte zur Kalkulationssicherheit beider Parteien festverzinslich ausgestaltet sein. Die Zinshöhe ist an dem Ausfallrisiko zu bemessen, wie es sich aus der Fortführungsprognose ergibt. Bei der Festlegung eines besonderen Risikozuschlages sollte allerdings im Auge behalten werden, dass das Unternehmen Zins und Tilgung auch nachhaltig erzielen muss. Daher ist auch die Frist für den Rückzahlungsbeginn nicht zu kurz zu setzen. Es kommt auch Tilgungsfreiheit in Betracht; Zinsen können akkumuliert erst am Ende des Vertragszeitraums zu zahlen sein.
20
Zum Teil lassen sich Banken im Kreditvertrag durch „convenants“ breit gefächerte und besonders intensive Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftstätigkeit einräumen, die ihr Gestaltungsmacht im Hinblick auf strukturverändernde Maßnahmen einräumen, was (allerdings ganz ausnahmsweise) über § 32a Abs. 3 GmbHG zur Anwendung der Regeln über den Eigenkapitalersatz führen kann (MünchKommBGB-Berger, Vor § 488 Rn. 117). Wenn dies in der Krise geschieht, gereicht ihr allerdings die Privilegierung des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG zum Vorteil, für die freilich wiederum Voraussetzung ist, dass eine seriös erstellte positive Fortführungsprognose nebst Sanierungsplan vorliegt.
21
Üblich sind zudem mittlerweile Vertragsbestimmungen, die dem Kreditgeber im Falle der Insolvenzanmeldung, der Verfahrenseröffnung oder auch davor ein Beendigungsrecht einräumt. Die hierüber geführte Diskussion, in der insbesondere in der Literatur die Wirksamkeit derartiger Lösungsklauseln aus unterschiedlichen Gründen bestritten wird (vgl. zum Streitstand MünchKommBGB-Berger, Vor § 488 Rn. 115), scheint mit der Schuldrechtsmodernisierung überholt, wodurch die Kündigungsmöglichkeit des Darlehensgebers – anders noch als in § 610 BGB a.F. – auf den Zeitraum nach Valutierung erweitert wurde. Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Beendigung nach § 490 Abs. 1 BGB ist für den Konsumentenkredit aus Gründen des Verbraucherschutzes zwar eher restriktiv auszulegen, bei gewerblichen Krediten in der Krise aber ohne weiteres streng handhabbar (vgl. hierzu auch Berger, S. 499 ff.).
22
4. Zweckbestimmung. Regelmäßig wird im Zusammenhang mit der Kreditgewährung eine besondere Sanierungsvereinbarung geschlossen, in der die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen (auch unter Einbeziehung weiterer Personengruppen) festgelegt werden (Eidenmüller, S. 124 ff.) und aus der sich die Zweckbestimmung des Kredits ergibt (s. unten § 22 Rn. 38). Die Sanierungsvereinbarung kann auch konkludent getroffen werden (Kiethe, KTS 2005, 179 (186) m.w.N.). So spricht es für ein Einverständnis der Bank
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
613
mit einem Sanierungsvorschlag, wenn unbeanstandet nach diesem vorgegangen wird (Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 17 m.w.N.). In die Vereinbarungen wird sinnvollerweise der Sanierungsplan aufgenommen und als Handlungsmaxime für alle Beteiligten verbindlich festgelegt. Durch die Sanierungsvereinbarung entsteht ohnedies eine Treuepflicht dahingehend, dass die Bank verpflichtet ist, die Sanierung an sich und die damit verbundenen Bemühungen im Rahmen des Zumutbaren zu unterstützen (BGH WM 1956, 217 (220); für weitergehende Kooperationspflichten der Gläubiger insbesondere Eidenmüller, S. 555 ff.). 5. Sicherheitenbestellung. Das Darlehen kann durch alle Sach- oder Personalsicherheiten (zur Bewertung s. Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Knops, § 11 B. Rn. 10 f.) gesichert werden. Neben dem Darlehensvertrag ist somit der Abschluss eines Sicherungsvertrages erforderlich (hierzu ausf. unten § 23). Banken wie auch andere Gläubiger bevorzugen in der Regel die Sicherung durch Grundpfandrechte, weil sie in der Zwangsvollstreckung zumeist die Gewähr dafür bieten, den vom Kreditnehmer geschuldeten Betrag auch zu erzielen (Knops, ZfIR 1998, 577 m.w.N.). Daneben wird von den Banken in aller Regel noch eine persönliche Haftungsübernahme verlangt, die durch die Unternehmenseigner zu erbringen ist. Im Krisenfall kann bei einer persönlichen Verpflichtung der die Geschicke des Unternehmens leitenden Personen wohl von einer höheren Wahrscheinlichkeit der Umsetzung der Sanierungsbemühungen ausgegangen werden. Allerdings sind bei der Bestellung von Sicherheiten durch Dritte, diese über die besonderen Risiken der Sicherheitenbestellung aufzuklären (a. A. BGH WM 1990, 59; 1994, 1064; 1996, 475), um dadurch dem spezifischen Risiko eines Kredits in der Krise Rechnung zu tragen (so auch § 36 Rn. 25). Die Sicherheitenbestellung selbst kann vielfach nur verzögert erfolgen, ausfallen oder von Anfang an unmöglich sein, wenn sich keine Sicherung findet. Im ersten Fall liegt es manchmal an der notwenigen Mitwirkung der Grundbuchämter, die trotz elektronischer Unterstützung zum Teil recht lange brauchen, um Eintragungen oder Änderungen vorzunehmen. Ein Ausfall kommt in Betracht, wenn aufgrund bereits titulierter Forderungen bereits in Gegenstände die Zwangsvollstreckung betrieben wird, die als Sicherheit vorgesehen waren. Häufig ist und zugleich schwierig wird es, wenn das angeschlagene Unternehmen kein unbelastetes Vermögen im weitesten Sinne mehr besitzt und die Stellung allein von Personalsicherheiten ausscheidet. Dann kann ein Sicherheitenaustausch (s. Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Knops, § 11 B) Reserven freimachen, die ohne weiteres nicht gesehen wurden. Lässt sich aber auch hier kein Spielraum eröffnen, kann oft nur eine Umschuldung bis hin zum Verzicht und Rangrücktritt helfen. Ansonsten kann der Kredit zumeist nur teilweise, selten auch unbesichert gewährt werden. Hier können Mezzanine- Finanzierungselemente, auch als Unternehmerkapital der KfW helfen, die regelmäßig nur nachrangig gesichert werden oder ohne Grundpfandrechte auskommen (zur Finanzierungsform Häger/Elkemann-Reusch, S. 1 ff.; Müller, S. 19 f.; Nelles/Klugemann, FB 2003, 1; Schrell, BKR 2003, 13; Laudenklos/Sester, WM 2004, 2417).
23
6. Stillschweigen. Wie wichtig Stillschweigen in einer Krisensituation eines Unternehmens sein kann, haben die Folgen der Äußerungen von Dr. Breuer in der Angelegenheit Kirch gezeigt (hierzu BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830; OLG München, ZIP 2004, 19; LG München, NJW 2003, 1046 sowie die hierüber geführte Debatte: vgl. nur die Kontroverse zwischen Canaris, ZIP 2004, 1781 u. 2362 und Schumann, ZIP 2004, 2353 u. 2367). Gerade für außergerichtliche Sanierungsbemühungen kann dies eine ganz entscheidende Rolle spielen.
24
7. Sonstiges. In den Sanierungskredit können zuvor bereits bewilligte Forward-Darlehen einbezogen werden, deren Valutierungszusage nach wie vor gilt. Andere bestehende
25
Knops
614
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Kredite ohne Festzinsabrede können im Rahmen der §§ 315, 138 BGB an die veränderte Lage angepasst werden, wenn dies zumutbar ist und ansonsten nur eine Kündigung nach § 490 Abs. 1 BGB in Betracht käme oder ohnehin bestehende Kreditlinien bis zum Sanierungsbedarf ausgeweitet werden. Eine (gänzliche) Neukreditierung ist mithin nicht immer erforderlich, um den benötigten Betrag aufzubringen. Wurde das Sanierungsdarlehen unter Einhaltung der höchstrichterlichen Vorgaben gewährt, trifft die Bank in der Sanierungsphase keine weiteren Überwachungspflichten; durch eine unterlassene oder lückenhafte Überwachung wird der Kredit auch nicht im Nachhinein sittenwidrig (Obermüller, Rn. 5.133; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (557 f.); a.A. Neuhof, NJW 1998, 3225 (3232)). 26
III. Kreditgewährungspflicht. Seit bereits geraumer Zeit wird die Frage diskutiert, ob eine Bank generell, besonders aber in Zeiten der Krise verpflichtet sein kann, ein Unternehmen, mit dem es in ständiger Geschäftsbeziehung steht, mit dringend benötigten Geldmitteln zu versorgen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu bislang dezidiert keine Stellung bezogen, und lediglich allgemein festgestellt, dass es der Bank frei stehe, ein Unternehmen in der Krise fallen zu lassen (BGHZ 90, 381 (399)), wobei das Gericht aber mittlerweile offensichtlich den Sanierungsgedanken der InsO zunehmend aufgeschlossener aufnimmt (zur Rechtsprechung der OLGe Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 30 f. m.w.N.; vgl. aber dagegen OLG Köln (19 ZS.), ZIP 2000, 742 (744 f.) sowie OLG Nürnberg, Urt. v. 19.9.1994, Az. 5 U 34/94 – unveröffentlicht –). Von Bankjustitiaren wird eine allgemeine Kreditversorgungspflicht, selbst für krasse Ausnahmefälle verneint (Obermüller, Rn. 5.154; Claussen, ZHR 147 (1983), 195 (200); Rümker, KTS 1981, 493, 502 f.; Wittig, NZI 1998, 49), ggf. weil dort vermutet wird, dass sich eine derartige Pflicht auch auf normale Insolvenzlagen ausweiten könnte. Der Meinungsstand in der Wissenschaft bleibt hingegen gespalten (bejahend vor allen Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1272; ZHR 143 (1979), 113 (133 f.) und MünchKommInsO-Eidenmüller, § 217 Rn. 104 f. sowie ders. S. 591 ff., 619 f., 862 f., 886 f. als auch ders. ZHR 160 (1996), 343, (373); verneinend u.a. Schäffler, BB 2006, 56 unter Hinweis auf OLG Karlsruhe WM 1991, 3322; MünchKommBGB-Berger, Vor § 488 Rn. 110 m.w.N.; anders nur bei besonderen Konstellationen Berger, in: FS Westermann, S. 114 ff.; Schmidt, WM 1983, 490 (492 f.); Hopt, ZHR 143 (1979), 139 (159 f.)). Dabei geht es nur zum Teil um eine „gesamtwirtschaftliche Verantwortung der Banken“ (Berger, in: FS Westermann, S. 111; MünchKommBGB-Berger, Vor § 488 Rn. 109), sondern auch darum, ob die jahrelange Kreditvergabepraxis und das Vorverhalten des Institutes gerade diesem Unternehmen gegenüber eine solche Pflicht begründen kann.
27
Auch wird die praktische Relevanz der Frage nicht bereits dadurch aufgehoben, dass nach den Befürwortern einer derartigen Pflicht der Bank ausreichende Sicherheiten zur Verfügung gestellt werden müssten, die im Sanierungsfall zumeist schon ausgeschöpft seien (Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 40 m.w.N), wobei eine solche Lage ggf. bereits durch ein geschicktes Sicherheitenmanagement erreicht werden kann (s. Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Knops, § 11 B. Rn. 3). Unter Umständen eröffnet es gerade die Diskussion, wenn das Institut dem Schuldner als Monopolist gegenüber tritt, da es alle möglichen Kreditsicherheiten bereits an sich gezogen hat. Abgesehen davon gibt es auch Fälle, in denen die Bank dem Unternehmen verboten hat, bei anderen Gläubigern Kredite aufzunehmen (s. BGH WM 1956, 527). Schon diese Sachverhalte zeigen, dass die Kontroverse keinesfalls als beendet angesehen werden kann. Auch findet selbst ein Unternehmen mit ausreichenden Sicherheiten keinen anderen Kreditgeber, der allein deswegen, etwa bei schlechtem Rating oder nach Bekanntwerden der Krise, noch zu einer Darlehensgewährung bereit wäre (das berücksichtigt Obermüller, ZIP 1980, 1059 (1062) nicht
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
615
hinreichend). Somit bleibt die Beantwortung der Frage für die Praxis virulent. Sie wird von Bamberger (in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 16 Rn. 72 ff.) rechtsdogmatisch fundiert und unter die dort genannten strengen, gleichwohl wegen des Ausnahmecharakters angemessenen Voraussetzungen gestellt und bejaht. Angesichts der dortigen Ausgewogenheit in Interessenabwägung und Ergebnis ist dem uneingeschränkt beizupflichten. IV. Kündbarkeit. Mit der Sanierungsvereinbarung und Zweckbestimmung (s. o. Rn. 22) einher geht eine deutliche Einschränkung der Kündbarkeit des Sanierungsdarlehens. Dies betrifft zunächst die ordentliche Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB bzw. nach Nr. 19 Abs. 2 AGB-Banken oder Nr. 26 Abs.1 AGB-Sparkassen. Ist bei Ausübung der Kündigung ohnehin stets auf die Wahrung einer angemessenen Frist zu achten (BGH WM 1977, 835; OLG Düsseldorf WM 1989, 1838 (1841), so ist die Kündigungsmöglichkeit bei derartigen Darlehen selbst ohne eine ausdrückliche Nennung im Vertrag ausgeschlossen (BGH WM 2004, 1676 (1679) = NJW 2004, 3779 mit zust. Anm. Nielsen, EWiR 2004, 1165; OLG Naumburg OLGR 2003, 213; Wallner/Neuenhahn,NZI 2006, 553 (558); Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 62 ff.; s. auch unten § 22 Rn. 40; allg. Meinung). Dies gilt zudem für die außerordentliche Kündigung des Darlehens nach § 490 Abs. 1 BGB, so lange die Sanierung planmäßig verläuft und der Kreditnehmer die von der Bank gestellten Auflagen erfüllt (BGH NJW 2004, 3782 (3783 f.) = WM 2004, 220 = ZIP 2004, 2131; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (558); MünchKommBGB-Berger, Vor § 488 Rn. 111 m.w.N.). Nicht ausreichend für eine außerordentliche Beendigung ist eine Fehleinschätzung der Lage des Unternehmens, auch wenn die Bank erst nachträglich – ohne Täuschung – von einer noch schlechteren finanziellen Verfassung des zu sanierenden Unternehmens erfährt (a. A. BGH WM 1956, 217 (220)), solange der Sanierungszweck noch erreichbar erscheint. Nur wenn sich zeigt, dass die Voraussetzungen, unter denen das Darlehen zugesagt wurde, nicht erfüllt werden, insbesondere von den in der Sanierungsvereinbarung festgeschriebenen Maßnahmen abgewichen wird, oder die Sanierung erkennbar scheitert und daher der Zweck nicht mehr erreicht werden kann, kommt eine außerordentliche Kündigung ebenso in Betracht wie für Darlehen, die bereits vorher bestanden (s. § 22 Rn. 40 f.). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers seit dem Zeitpunkt, in dem das Kreditinstitut seine Mitwirkung an der Sanierung verbindlich zugesagt hat, eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, die die Sanierung als nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt (BGH NJW 2005, 3782 = WM 2004, 220 = ZIP 2004, 2131 (2134 m.w.N.); OLG Frankfurt, Urt. v. 13.09.2007, Az. 15 U 19/07, Rn. 45 ff., abrufbar unter www.juris.de; OLG Köln, Urt. v. 19.04.2006, Az. 13 U 112/05, Rn. 22 ff., abrufbar unter www.juris.de = OLGR Köln 2006, 869 (nur Leitsatz)). Eine (weitere) Ausreichung zugesagter Mittel kommt dann nicht mehr in Betracht. Wenn die Bank hingegen über ausreichende Sicherheiten verfügt (Umkehrschluss aus § 490 I BGB: „durch die die Rückerstattung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird“), ist für eine Kündigung kein Raum (MünchKommBGB-Berger, Vor § 488 Rn. 122 m.w.N.; s. auch unten § 35 Rn. 10). Weitere Einzelheiten bei Kiethe, KTS 2005, 179 (193 ff.). Zu Schadensersatzansprüchen bei rechtswidriger Kündigung vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 80 f.
28
V. Abtretung und Pfändbarkeit. Ansprüche auf Auszahlung der Darlehensvaluta sind abtretbar und verpfändbar, demgemäß auch pfändbar. Ist jedoch wie beim Sanierungskredit der Darlehenszweck vertraglich festgeschrieben, ist eine Abtretung grundsätzlich nach § 399 1. Alt. BGB ausgeschlossen (BGHZ 147, 193 = NJW 2001, 1937 (1938)) und nur ausnahmsweise insoweit zulässig, als mit der Abtretung die Verwirklichung des Dar-
29
Knops
616
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
lehenszwecks gesichert wird (s. oben § 10 Rn. 75). Nach § 851 I ZPO ist eine Pfändung lediglich in diesen Fällen zulässig, soweit die Abtretung möglich ist. Die treuhänderische Bindung wird auch dann relevant, wenn die Kreditierung zur Sanierung in der Erhöhung oder Offenhaltung einer Kreditlinie liegt, mithin im Rahmen eines Dispositionskredites erfolgt. Ohnehin reicht eine bloß geduldete Überziehung in keinem Fall für eine Pfändung aus (BGHZ 93, 315; s. auch oben § 10 Rn. 75), wie die Pfändbarkeit von Dispositionskrediten an sich in Zweifel steht (s. unten § 19 Rn. 26 f.). 30
VI. Scheitern der Sanierung. Mit Insolvenzeröffnung erlischt der Kontokorrentvertrag und der über ihn gewährte Rahmen gemäß § 116 InsO, ohne dass eine Kündigung nötig oder eine Ausschöpfung der Linien weiter möglich wäre. Fälligkeit tritt auch ein bezüglich einmalig vereinbarter und ausbezahlter Kreditverträge nach § 41 InsO (MünchKommInso-Lwowski/Bitter, § 41 Rn. 7). Nehmen die Sanierungsbemühungen nicht ihren vorgesehenen Lauf oder kommt es aus anderen Gründen nicht zu einer Gesundung, wenigstens zur Überwindung der Krise, können sich für den Kreditgeber im Insolvenzverfahren des Unternehmens vor allem folgende Konsequenzen ergeben.
31
1. Haftung nach § 826 BGB. Unterlässt die Bank die Sanierungsfähigkeitsprüfung, missachtet die Vorgaben, die dabei zu beachten sind (vgl. Rn. 14 ff.) oder setzt sie sich über eine negative Sanierungsprognose hinweg, sind der Darlehensvertrag, die Sicherungsabrede und die Sicherheitenbestellung als sittenwidrig anzusehen, wenn hierdurch andere Gläubiger über die Kreditfähigkeit des Schuldners getäuscht werden können und sich die Bank dieser Erkenntnis zumindest leichtfertig verschließt (ausführlich Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (559); weiter zu sittenwidrigen Handlungen der Bank Kiethe, KTS 2005, 179 (191)). Die Sittenwidrigkeit zieht gem. § 138 BGB die Nichtigkeit der genannten Rechtsgeschäfte nach sich. Nur unter den engen Voraussetzungen des § 826 BGB steht daneben eine Haftung der Bank wegen einer Insolvenzverschleppung zu befürchten. Zum einen muss dafür bewiesen sein, dass der Kredit nicht der Sanierung, sondern der Verschleppung gedient hat. Eine Haftung nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung soll insoweit nur in Betracht kommen, wenn die Bank eigennützig und gegenüber den anderen Gläubigern rücksichtslos, unter billigender Inkaufnahme ihrer Schädigung gehandelt hat (Schäffler, BB 2006, 56 (58 f.)). Zum anderen müsste dies den dramatisch als Todeskampf (BGH NJW 1970, 657 (658); Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553) bezeichneten Untergang des Unternehmens verlängert haben. Schließlich müsste zudem anderen Gläubigern dadurch kausal ein Schaden entstanden sein. Altgläubigern, die schon vor dem Zeitpunkt in Geschäftsbeziehungen mit dem Unternehmen standen, zu dem ohne das widrige Eingreifen der Bank durch Darlehensvergabe zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet gewesen wäre, entsteht der sog. Quotenschaden. Dieser Schaden kann im Insolvenzverfahren nur durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, da der Quotenschaden Teil des Gesamtschadens ist (BGH NZI 2004, 496 = ZInsO 2004, 676; Obermüller, Rn. 5.139 u. 5.144; Schäffler, BB 2006, 56 (56 u. 60, jew. m.w.N.); Hirte, ZInsO 2005, 403 (406); str.). Neugläubiger hingegen können den ihnen entstanden Schaden auch vor Beendigung im vollen Umfang selbst geltend machen (Obermüller, Rn. 5.146 m.w.N.; Schäffler, BB 2006, 56 (56 u. 60)). Bei der Berechnung des Schadens ist auch ein eventuelles Mitverschulden der Geschädigten zu berücksichtigen (Schäffler, BB 2006, 56 (60)). Zu anderen Haftungsgründen MünchKommBGB-Berger, Vor § 488 Rn. 113 f.
32
Bei möglichen Regressforderungen Dritter im Falle des Scheiterns der Sanierung trägt die Bank die Beweislast dafür, dass vor Kreditauszahlung eine hinreichende Sanierungsprognose gegeben war und hat daher eine gehaltvolle Prüfung zu dokumentieren (BGH WM 1958, 249 (250); 1965, 919). Nicht überzeugend ist hingegen die These, dass eine positive Prognose zur Sanierung auch ex-post als erfolgsversprechend eingestuft werden muss, um
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
617
eine Haftung der Beteiligten zu verhindern. Eine Betrachtung im Nachhinein erfolgt praktisch immer nach dem Zusammenbruch, weil bei erfolgreichem Verlauf niemand vorhanden ist, der Interesse an einer Überprüfung haben könnte. Nach dem Scheitern ist der Beobachter naturgemäß immer klüger und er kann dieses Wissen auch bei größtmöglicher Abstrahierungsanstrengung nicht soweit zurückdrängen, dass er die Prognose nicht unwillkürlich auch auf die tatsächlichen Auslöser des Scheiterns bezieht. Eine Betrachtung muss sich daher auf die Überprüfung von Denkfehlern, schweren Fehlern bei Sachverhaltsermittlung wie solcher in Bezug auf die Wissenschaftlichkeit und Vertretbarkeit der angewandten Methode beschränken. Sind solche nicht nachweisbar, bleiben das Sanierungsgutachten und der daraufhin erstellte Plan wie auch das daraus folgende Ergebnis nicht angreifbar, wenn seine Erstellung den genannten Kriterien entsprochen hat. Eine Haftung nach § 826 BGB oder Nichtigkeit des Sicherungs- wie Kreditvertrages nach § 138 BGB kommt dann offensichtlich nicht Betracht. 2. Eigenkapitalersatzrisiko. Ist die Bank gesellschaftsrechtlich an dem Sanierungsunternehmen beteiligt, kommt es im GmbH-Recht nach den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzrechts (§§ 30 f. analog (sog. Rechtsprechungsregeln), 32 a, b (sog. Novellenregeln) GmbHG, §§ 39 I Nr. 5, 135 InsO) bei der Zuführung von Fremdkapital durch Gesellschafter mit einer Mindestbeteiligung von 10 % in der Krise des Unternehmens zur Umqualifizierung der Darlehensmittel in Eigenkapital, mit der Folge, dass die Rückzahlungsansprüche den Forderungen anderer Gläubiger untergeordnet werden und dafür bestellte Sicherheiten verloren gehen, wovon nicht nur neu zugeführte, sondern auch in der Krise trotz Kündigungsmöglichkeit nicht abgezogene Kredite erfasst werden (s. unten § 22 Rn. 43 m.w.N.) Auch wenn die bisherigen Maßstäbe der Rechtsprechung zur Erlangung eines Sanierungskredits nicht gerade dazu beitragen, bleibt es zutreffend, dass eine allgemeine Privilegierung von Bankdarlehen nicht in Frage kommt (s. BGHZ 105, 168). Mit der Einführung des § 32 a III 3 GmbHG (sog. Sanierungsprivileg) ist Zuführung von Eigenkapital durch die Banken unter Gesellschaftsbeteiligung risikolos geworden, wozu aber nicht zählt, wenn eine bestehende Beteiligung lediglich aufgestockt wird (s. § 22 Rn. 43 m.w.N.). Das Sanierungsprivileg befreit von der Anwendung des gesamten Eigenkapitalersatzrechts, d.h. sowohl von den Novellen-, als auch von den Rechtsprechungsregeln (BGH NJW 2006, 1283 = NZI 2006, 604). Das MoMiG sieht zwar den Verzicht auf die Regeln der Eigenkapitalersatzes vor (vgl. Rn. 10). So sollen auch die Rechtsprechungsregeln zu der analogen Anwendung des § 30 I GmbHG entfallen (vgl. § 30 I 3 GmbHG-E; BT-Dr. 16/6140; BT-Dr. 16/9737). Allerdings können nach dem zu erwartenden Inkrafttreten des MoMiG die Darlehen der Bank dennoch auch weiterhin von der Nachrangigkeit (§ 39 GmbHG-E; BT-Dr. 16/6140; BTDr. 16/9737) betroffen sein und nach § 135 InsO-E angefochten werden. Das Sanierungsprivileg wird jedoch mit der Überführung in die Insolvenzordnung als § 39 IV 2 InsO-E dem derzeitigen § 32 a III 3 GmbHG inhaltlich nahezu gleich bestehen bleiben (BT-Dr. 16/ 6140, S. 57; BT-Dr. 16/9737, S. 49 f.). Das Sanierungsprivileg soll auch für die Anfechtung nach § 135 InsO-E gelten (vgl. schon den Verweis auf § 39 I Nr. 5 mit Verweis auf § 39 I IV und V InsO-E bei BT-Dr, 16/1640; nunmehr ausdrücklich in § 135 IV InsO-E, BT-Dr. 16/9737). Nach § 39 IV InsO-E soll dies fortan für alle Gesellschaften gelten, „die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist“. Das Sanierungsprivileg wird daher durch die rechtsformneutrale Gestaltung des § 39 IV GmbHG-E nicht mehr nur für die GmbH und die AG interessant sein. Zu weiteren Einzelheiten des Eigenkapitalersatzrisikos nach geltendem Recht ausf. Knops/Bamberger/ Maier-Reimer-Maier-Reimer, § 4 Rn. 57 ff.
Knops
33
34
618
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
35
3. Anfechtung der Sicherheitenbestellung. Schließlich besteht die Gefahr, dass Sicherheiten, die für den Sanierungskredit bestellt (oder auch ausgetauscht wurden), vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den §§ 130 ff. InsO angefochten werden. In Betracht kommt sowohl die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, die „normale“ Anfechtung nach den §§ 130, 131 InsO wie auch eine Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung nach § 134 InsO. Zur Anwendung von § 138 BGB auf die Sicherheitenbestellung Schimansky/Bunte/Lwowski Häuser, § 85 Rn. 103 f.
36
a) Vorsätzliche Benachteiligung, § 133 InsO. Wenn Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer ernsthafte Sanierungsbemühungen verfolgen, ist dem Grunde nach ein Vorsatz im Sinne des § 133 InsO ausgeschlossen (vgl. BGH WM 1998, 248). Zwar wird gemäß § 133 I 2 InsO die Kenntnis vom Vorsatz vermutet, wenn dem Sicherungsnehmer die drohende Zahlungsunfähigkeit und die objektive Benachteiligung anderer Gläubiger bekannt waren. Ein Benachteiligungsvorsatz ist aber auszuschließen, wenn die Bank aufgrund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung, insbesondere durch einen sachverständigen neutralen Dritten (s. oben Rn. 15) nachweisen kann, dass sie von einem Erfolg des Sanierungsvorhabens ausgehen durfte, womit logisch verbunden ist, dass eine Schädigung Dritter ausgeschlossen werden konnte (vgl. BGH WM 1965, 919; 1958, 250; 1956, 283 (284) sowie 1998, 248; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (558)).
37
b) Anfechtung nach den §§ 130, 131 InsO. Ausgeschlossen ist eine Anfechtung nach den §§ 130, 131 InsO, wenn die Darlehenssicherung als Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO einzustufen ist. Hierbei kommt es darauf an, ob der gestellten Sicherheit mit der Kreditierung eine Leistung gegenübersteht, die nach objektiven Maßstäben gleichwertig ist (BGH WM 1955, 404; Obermüller, Rn. 5.136; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (558)). Zu vergleichen sind daher der wirtschaftliche Wert der bestellten Sicherheit einerseits und die Höhe des Kredites andererseits (BGH NJW 1977, 718; Braun-Riggert, § 142 Rn. 4; vgl. auch BGH WM 1998, 248). Hinsichtlich des Kredits kommt es darauf an, in welcher Höhe dem Unternehmen tatsächlich die Valuta zugeflossen ist. Disagio, Bearbeitungsgebühren oder sonstige Nebenleistungen, die den Auszahlungsbetrag verringert haben, bleiben somit unberücksichtigt. Der Sicherungswert ist nach Maßstäben festzulegen, wie sie bei der Übersicherung oder dem Sicherheitenaustausch anzulegen sind (dazu Knops/Bamberger/Maier-Reimer-Kronenburg, § 11 D Rn. 7 f. und Knops/Bamberger/ Maier-Reimer-Knops, § 11 B Rn. 9 f.). Das kann im Einzelnen zum Teil schwierig sein. Zumeist wird sich bei einem Vergleich eines in der Krise besicherten Kredites herausstellen, dass die gestellten Sicherheiten wertmäßig deutlich hinter dem Auszahlungsbetrag zurückbleiben, weil eine Vollabsicherung tatsächlich nicht zu erbringen war (s. oben Rn. 23). Bei einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Sanierungsversuchs soll hingegen der wirtschaftliche Wert des Kredits für den Schuldner geringer sein als der nominelle Wert der gewährten Sicherheit (OLG Rostock ZIP 2002, 1902 (1907); Braun-Riggert, § 142 Rn. 4; Nerlich/Römermann-Nerlich, § 142 Rn. 7 m.w.N.). Diese Pauschalbehauptung ist, auch wenn sie unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und Literatur zum alten Konkursrecht vertreten wird, nicht plausibel. Dem Unternehmen sind die Mittel aus der Kreditierung objektiv zugeflossen. Der Wert des Geldes ist nicht geringer, auch wenn die Sanierung von allem Anfang an nicht aussichtsreich war. Auch haben die Sicherheiten in beiden Fällen objektiv denselben Wert. Nicht zu übersehen ist daher, dass mit der Negierung als Bargeschäft das Sanierungsdarlehen nebst Sicherungsbestellung selbst stigmatisiert werden und die im Nachhinein aus einer ex-post Sicht unterstellte Aussichtslosigkeit allein der Bank zum Nachteil gereichen soll. Beides ist abzulehnen, da es das Risiko einer Kreditierung in der Krise ungerechtfertigt von der Haftung nach § 826 BGB auf die den wirtschaftlichen Wert betreffenden Vorschriften der InsO verlagert. Ausnahmsweise sind
Knops
§ 18 Sanierungskredit und Überbrückungsdarlehen
619
jedoch auch Bargeschäfte anfechtbar, wenn die Besicherung eine inkongruente Deckung darstellt und entsprechend nicht nur dem konkreten Kredit dient (BGH ZIP 1997, 1551 (1553); WM 1993, 2099). Zur (Nach)Besicherung eines (Alt) Kredits bei kongruenter und inkongruenter Deckung s. unten § 35 Rn. 39 f. c) Anfechtung nach § 134 InsO. Eine unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO liegt nicht vor, wenn sie als Gegenleistung für eine Pfandrechtsbestellung auf die ansonsten mögliche fristlose Kündigung des Darlehensvertrages und die sofortige Fälligstellung verzichtet (OLG München ZIP 2004, 2451). Ebenso wenig ist die Bestellung einer Sicherheit für eine eigene, durch eine entgeltliche Gegenleistung begründete Verbindlichkeit nach § 134 InsO anfechtbar (BGH NZI 2004, 623 f. m.zahlr.N; a. A. MünchKommInsO-Kirchhof, § 134 Rn. 25 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Ganter, § 90 Rn. 180).
38
4. Strafrechtliche Konsequenzen. Neben den zivil- und insolvenzrechtlichen Konsequenzen kann ein Fehlverhalten von Bankverantwortlichen auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. In Betracht kommen Untreue gegenüber der Bank (BGH WM 2006, 276 = NJW 2006, 522; BGHSt 47, 148 = WM 2002, 225; ausführlich Schmitt, BKR 2006, 125 ff.) und Anstiftung oder Beihilfe zur Insolvenzverschleppung durch die Geschäftsleiter des Kundenunternehmens (Obermüller, Rn. 5.150 ff. m.w.N.).
39
VII. Ausblick. Um eine dauerhafte Sanierungsfreundlichkeit der Kreditinstitute zu erreichen, ist eine Begrenzung der Finanzierungsfolgenverantwortung erforderlich. Insbesondere die Ausdehnung des Eigenkapitalrechts in sachlicher und persönlicher Hinsicht der letzten 25 Jahre seit der GmbH-Novelle von 1980 hat gerade Sanierungsbemühungen zum Teil erheblich erschwert. Die gesetzgeberische Intention mit Schaffung des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG, das Kapitalersatzrecht zu deregulieren (Begr. RegE, ZIP 1997, 706 (710)) und den Darlehensgeber zu privilegieren, der sich in der Krise dazu entschließt, ein Sanierungsdarlehen zu gewähren (Altmeppen, FS Sigle, S. 211 (220)), mithin auch die Sanierung zu fördern, hat bislang nicht die erhoffte Wirkung erzielt. Zu stark bleiben das (zum Teil subjektiv empfundene) Risiko einer Haftung wegen Insolvenzverschleppung oder einer Anfechtung, wenn es ungewollt doch zum Zusammenbruch und zur Antragsstellung kommt. Zudem wird dem abermals vom Gesetzgeber ausgedrückten Ziel einer Sanierungsförderung durch die InsO im Vergleich zum Konkurs- und Vergleichsrecht bislang nicht ausreichend Rechnung getragen. Eine Änderung könnte sich zukünftig nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG; BT-Dr. 16/6140; BT-Dr, 16/9737) durch die geplante Abschaffung der Eigenkapitalersatzregeln ergeben, da das Recht insoweit durch die Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen und für sie gestellten Sicherheiten vereinfacht werden soll. Zumindest wird es für die Nachrangigkeit von Bankdarlehen nicht mehr auf die schwierige Feststellung ankommen, ob sich das Unternehmen zum Zeitpunkt der Darlehensüberlassung in einer Krise befand. Ebenso führt der Verzicht auf die Notwendigkeit den Begriff der Krise zu definieren auch hinsichtlich einer drohenden Anfechtung nach § 135 InsO-E zu erhöhter Rechtssicherheit. Die Gefahr der Anfechtung nach § 135 InsO-E kann sich für die Banken jedoch auch zukünftig realisieren und sogar dann, wenn eine Krise des Unternehmens gar nicht vorlag.
40
Zugleich hat sich zu Recht die Erkenntnis durchgesetzt, es sei notwendig, die Macht der Hausbank in der Krise angemessen zu begrenzen. Um Abhängigkeiten aufzulösen oder gar nicht entstehen zu lassen, bedürfen die Verhaltensweisen der Kreditinstitute gerade im Vorfeld insgesamt einer stärkeren Kontrolle und judikativen Systematisierung sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch durch Bestimmung präziser Regeln bezüglich des Sicherungsumfanges. Auch wenn Basel II und MaK langfristig zu einer besseren Eigen-
41
Knops
620
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
kapitalausstattung von Unternehmen führen, bleibt die Frage nach ad hoc Hilfe im Krisenfall evident. Solange Teile der Kreditwirtschaft selbst aussichtsreiche Sanierungen mit hoher Realisierungs- und Nachhaltigkeitschance verweigern, wird der Ruf nach einer Kreditgewährungsverpflichtung nicht verstummen.
Knops
§ 19 Dispositionskredit
621
§ 19 Dispositionskredit
Schrifttum Bitter, Pfändung des Dispositionskredits?, WM 2001, 889; ders., Zur Pfändbarkeit eines Kontokorrentkredits, insbesondere bei einer Zweckbindung, WuB VI D § 829 ZPO 1.07; Böhm, Darlehen bei Tod des Darlehensnehmers, ZEV 2002, 337; Bülow, Kreditvertrag und Verbraucherkreditrecht im BGB, in: Schulze/ Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 153; Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, 2007; Dampf, Die Rückführung von Kontokorrentkrediten in der Unternehmenskrise und ihre Behandlung nach KO und InsO, KTS 1998, 145; Danco, Die Novellierung der Verbraucherkreditrichtlinie, WM 2003, 853; Derleder, Anmerkung zu BGHZ 162, 349, EWiR 2005, 619; Einsele, Anmerkung zu BGHZ 162, 349, JZ 2006, 48; Fehrenbacher/Herr, Die BGB-Gesellschaft – eine natürliche Person im Sinne des Verbraucherschutzrechts?, BB 2002, 1006; Felke, Die Pfändung der „offenen Kreditlinie“ im System der Zwangsvollstreckung; Fischer, Pfändbarkeit von Dispositionskrediten, DZWIR 2002, 143; Fischer, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Insolvenzrecht im Jahre 1999, NZI 2000, 193; Flume, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung, ZIP 2000, 1427; Freitag/Leible, Von den Schwierigkeiten der Umsetzung kollisionsrechtlicher Richtlinienbestimmungen, ZIP 1999, 1296; Fritzsche, Die Pfändbarkeit offener Kreditlinien, DStR 2002, 265; Gaul, Die Zwangsvollstreckung in den Geldkredit, KTS 1989, 3; Gernhuber, Oder-Konten von Ehegatten, WM 1997, 645; Grunsky, Zur Durchsetzung einer Geldforderung durch Kreditaufnahme des Schuldners in der Zwangsvollstreckung, ZZP 95 (1982), 264; Hänsel, Privatkundenschutz beim Dispositionskredit, 1995; Heublein, Gutschriften in der Krise – insolvenzfester Glücksfall oder anfechtbare Scheindeckung?, ZIP 2000, 161; Hintzen, Pfändung des vereinbarten Dispositionskredits, InVo 2001, 270; Klose, Dispositionskredit – Zulässigkeit der Pfändung des Darlehensanspruchs, MDR 2002, 186; Saenger/Bertram, Anmerkung zu BGHZ 149, 80, EWiR 2002, 93; Schuschke, Die Pfändung der „offenen Kreditlinie“, ZIP 2001 1084; Steiner, Dürfen Banken Überziehungszinsen verlangen?, WM 1992, 425; Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl. 2002; Wagner, Neue Argumente zur Pfändbarkeit des Kontokorrentkredits, WM 1998, 1657. Inhaltsübersicht A. Arten und rechtliche Grundlagen des Dispositions- und des Überziehungskredits . . . 1 I. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Überziehungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 7 B. Entstehung, Wirkungen und Ende des Kreditverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Begründung und Inhalt des Kreditverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Verbraucherdarlehensvertrag . . . . . . . 13 3. Oder-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
III. Tod des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachlassverbindlichkeiten und Nachlasserbenschulden . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche gegen Kreditinstitute . . . . . C. Vollstreckungszugriff Dritter . . . . . . . . . . . . . I. Pfändung des Dispositionskredits . . . . . . II. Pfändung des Überziehungskredits . . . . . III. Pfändung abgerufener Kreditmittel; Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Dispositionskredit und Überziehung in der Insolvenz des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . . I. Geduldete Überziehung . . . . . . . . . . . . . . II. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 25 26 27 28 29 30 33 34 35
Stichwortverzeichnis Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Ablauf des Kreditvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Abruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 28, 30 andere Darlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Ausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Auswirkungen der Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Auszahlungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Bargeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Basel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 19 Baseler Akkord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Baugeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Befriedigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 26 Cash management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Dispositionskredit 1, 3, 14, 22, 24, 26, 33, 34, 35, 38 Duldung einer Überziehung . . 2, 5, 14, 15, 16, 22, 34 Eigenkapitalvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 eigenmächtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Einfrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Entreicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
von Plehwe
622
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Erstattungsanspruch, öffentlichrechtlicher . . . . . . 26 Existenzminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 existenznotwendige Zahlungsvorgänge . . . . . . . . . 31 geduldete Überziehung . . . . . 2, 5, 14, 15, 16, 32, 34 Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Gesamtgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Gesamtkreditlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . 21, 25 Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 11 gewerbliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 32 Höhe (Überziehungszinsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 inkongruent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 15, 33 Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 kongruente Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 5 Kongruenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Kontokorrentkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Kontokorrentratenkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Kontovollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Krediteröffnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 7 Kreditlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kreditrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Leistungsverweigerungsrecht, besonderes . . . . . . . 25 Nachlasserbenschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Nachlassverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Nachlassinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Nachlassverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Novellierung (Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Null-Limit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Oder-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 31 öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch . . . . . . . 26 Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Pfändbarkeit des Oder-Kontos . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Pfändung abgerufener Kreditmittel . . . . . . . . . . . . 30 Pfändung des Auszahlungsanspruchs . . . . . . . . . . 28 Pfändung des Dispositionskredits . . . . . . . . . . . . . 28 Pfändung des Überziehungskredits . . . . . . . . . . . . 29 Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Recht zum Abruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Rentenzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Retailforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 19 Retailkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 revolvierender Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 revolvierende Retailforderung . . . . . . . . . . . . . . 2, 19 Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 3, 10, 19 Richtlinie 2006/48/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Richtlinie 2006/49/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 10 Risikoerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Rückführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 stillschweigende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 25, 26 Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 26 treuhänderische Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 überfällig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Überziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 19, 22, 33, 34 Überziehungsfazilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Überziehungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Überziehungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Umwandlung (Konto) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 unanfechtbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Und-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Verbraucherdarlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Verbraucherkreditrichtlinie, Kommissionsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 verschleierter Ratenkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 vertraglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vertragszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Vollstreckung in Kreditmittel . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Vollstreckungszugriff Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 wirtschaftliche Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 32 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1
A. Arten und rechtliche Grundlagen des Dispositionskredits und des Überziehungskredits
2
I. Abgrenzung. In der Bestimmung der Begriffe des Dispositionskredits und des – zuweilen synonym – bezeichneten Überziehungskredits herrscht keine Übereinstimmung. Sie haben keinen rechtlich fest umrissenen Inhalt. Insbesondere gilt das für den Begriff des Überziehungskredits. Er wird in der Praxis einmal für die bloße Duldung einer Überziehung des vereinbarten Kreditlimits verwendet, die einen ohne Kündigung jederzeit fälligen Anspruch auf Rückzahlung begründet. Die Überziehung kann jedoch auch vertraglich vereinbart werden, sodass ein fälliger Anspruch erst nach Kündigung der Abrede entsteht (BGHZ 138, 40 (47); BGH, WM 1985, 1437). Als „Überziehungsfazilität“ bezeichnet der geänderte Kommissionsvorschlag einer Verbraucherkreditrichtlinie die vereinbarte Möglichkeit, ein Konto im Soll zu führen (Komm. 2002/0222 (COD) v. 07.10.2005, Art. 3 lit. d). Die Unterscheidung zwischen faktischer Duldung und vertraglicher Vereinbarung ist insbesondere insolvenzrechtlich von erheblicher Bedeutung. Sie ist jedoch auch für die Bewertung des Kreditrisikos nach der den Baseler Akkord
von Plehwe
§ 19 Dispositionskredit
623
(Basel II) umsetzenden Richtlinie 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute vom 14. Juni 2006 (ABl. L 177/1 vom 30.06.2006) nach deren Art. 86 Abs. 1 lit. d und Anhang VII (Teil 1 Nr. 10 ff.) unter dem Stichwort „revolvierende Retailforderungen“ von Belang. Als Kurzbezeichnungen vertraglicher oder rein tatsächlicher Gestaltungen meist kurz- oder mittelfristiger Kreditgewährung über grundsätzlich im Haben geführte Kontokorrentkonten (bei Arbeitnehmern regelmäßig Lohnoder Gehaltskonten) lassen sich zweckmäßig folgende Begriffe unterscheiden: 1. Dispositionskredit. Der von der Rechtsprechung auch als „offene Kreditlinie“ bezeichnete Dispositionskredit (BGHZ 147, 193; OLG Schleswig NJW 1992, 579) beruht auf einer Vereinbarung (Krediteröffnungsvertrag) zwischen Kreditinstitut und Kunde über einen bestimmten Kreditrahmen. Aufgrund des Krediteröffnungsvertrages ist das Kreditinstitut verpflichtet, einen Kontokorrentkredit innerhalb der vereinbarten Höchstgrenze (Kreditlinie) zu gewähren. Der Kunde ist zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, Kreditmittel abzurufen und über den eingeräumten Kreditrahmen (Limit) – je nach Vereinbarung wiederholt (revolvierend) und nach Belieben – zu „disponieren“ (OLG Schleswig NJW 1992, 579 (580); Schimansky/ Bunte/ Lwowski-Lwowski/Wunderlich, § 75 Rn. 11; Wagner, WM 1998, 1657; Schuschke, ZIP 2001, 1084 (1085); Hintzen, InVo 2001, 270 (271); vgl. nunmehr auch die Legaldefinition des revolvierenden Kredits in Anhang VII, Teil 2 Nr. 13 lit. b zur Richtlinie 2006/48/EG). Der Dispositionskredit wird als Verbraucherkredit in § 493 I BGB (§ 5 I VerbrKG a. F.) erfasst. Das Recht zum Abruf ist ein Gestaltungsrecht (Gaul, KTS 1989, 3 (16); Hänsel, S. 73; Stöber, Rn. 116). Eingehende Zahlungen Dritter werden als unselbständige Rechnungsposten in das Kontokorrent eingestellt und schaffen durch Reduzierung des Debetsaldos innerhalb des vereinbarten Kreditrahmens Spielraum. Eine – vorübergehende – „Unterwasserexistenz“ (Grunsky, LM AbgO 1977 Nr. 23 Bl. 5) im Soll ist denkbar. Andererseits ist die Zulassung einer Ausschöpfung des Dispositionsrahmens bei gleichzeitiger Verbuchung von Gutschriften als einheitliches Ausnutzen eines Kreditrahmens in der Zeit vor Bekanntgabe eines Verfügungsverbots insolvenzrechtlich unanfechtbar (BGHZ 150, 122 (128 f.); BGH NJW-RR 2003, 696; WM 1999, 781 (783); vgl. Obermüller, Rn. 3.104d). Stehen Ein- und Ausgänge in engem zeitlichem Zusammenhang, so erscheinen sie auch rechtlich als einheitliches Ausnutzen eines Kreditrahmens und können dann – als kongruente Rechtshandlungen (BGH ZIP 2008, 235 (236 f. Rn. 15); BGHZ 150, 122 (130); 167, 190 (199)) – die Behandlung als unanfechtbare Bargeschäfte im Sinne des § 142 InsO rechtfertigen (BGH NJW 1999, 3264 (3265 f.); NJW 2001, 1650 (1651 f.); ZIP 2008, 235 (236 f.) Rn. 15; Uhlenbruck-Hirte, § 130 Rn. 14; Fischer, NZI 2000, 193 (197); Heublein, ZIP 2000, 161 (170 f.); differenzierend Dampf, KTS 1998, 145 (165-167)). Anders verhält es sich dann, wenn das Kreditinstitut zur „Zwangsexekution“ (BGH NJW-RR 2003, 696) schreitet und Verfügungen des Kunden nicht mehr in der vereinbarten Weise zulässt; vertragswidrige Verrechnungen sind inkongruent (BGHZ 150, 122 (129)). Ein Bargeschäft scheidet auch aus, wenn Belastungsbuchungen eigene Forderungen des Kreditinstituts zurückführen; sie sind unbeschränkt anfechtbar (BGH ZIP 2008, 237 (238 Rn. 6)). Wenn eine Kreditlinie überzogen ist (Überziehung i.e.S.), dann hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob in der Duldung des Kreditinstituts eine stillschweigende Erweiterung der Kreditlinie liegt oder ob es einen Anspruch auf sofortige Rückführung hat. Im ersten Fall ist die Rückführung des Sollsaldos ohne vorherige Kündigung inkongruent; im zweiten Fall ist sie kongruent (BGH ZIP 2004, 1464 (1465); BGHZ 138, 40 (47); 150, 122 (127); BGH NJW 1999, 3780 (3781)). Rückzahlungen vor Kündigung des Kredits sind allerdings auch dann inkongruent, wenn das Kreditinstitut zur Vermeidung einer Kündigung eine Rückführung der (an-
von Plehwe
3
624
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
sonsten vereinbarungsgemäßen) Inanspruchnahme des Kontokorrent-Kreditrahmens gefordert und erklärt hat, keine weiteren Belastungen zuzulassen (BGH NJW 2003, 360 (361); mißverständlich Mohrbutter/Ringstmeier-Vortmann, § 27 Rn. 12). Ob die Kontokorrentverrechnung zu einer kongruenten oder inkongruenten Deckung führt, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls und erfordert eine sorgfältige Analyse der Vereinbarungen und Vorgänge, losgelöst von Begrifflichkeiten (vgl. weiter die Beispiele in FK-Dauernheim, § 130 Rn. 28). Cash Management-Vereinbarungen im Konzern liegen häufig der Verknüpfung mehrerer Kreditnehmer als Gesamtschuldner für Ansprüche aus einer einheitlichen Kreditlinie zugrunde. Trotz getrennter Kontoführung hat die gesamtschuldnerische Haftung zur Folge, dass Eingänge auf einem Konto allen Gesamtschuldnern zugute kommen und in die Berechnung der Gesamtkreditlinie einfließen (Obermüller, Rn. 3.104f). Bei drohender Insolvenz ergeben sich besondere Kongruenzfragen (Obermüller, Rn. 3.755 f.), auf die zur Vermeidung einer Anfechtung sorgfältig geachtet werden muss. Insbesondere betrifft das die Rückführung des Dispositionskredits ohne entsprechende Verpflichtung. Eine Erhöhung der Kreditlinie bedarf wiederum der Vereinbarung, ohne dass im Regelfall ein Anspruch auf Ausweitung besteht (LG Traunstein NJW-RR 1992, 45 (46)). 4
Der Dispositionskredit ist vor allem gegenüber dem verschleierten Ratenkredit (Rn. 7) abzugrenzen. Hierbei verpflichtet sich der Kreditnehmer dazu, den in Anspruch genommenen Kredit und Zinsen in von vornherein festgelegten monatlichen Mindestraten abzutragen (BGH WM 1991, 179 (180); LG Dortmund NJW 1988, 269 (270)). Irreführende Bezeichnungen des verdeckten, revolvierenden Konsumentenratenkredits wie „DispoVario-Kredit“, „Idealkredit“, „Dauerkredit“, „Abrufkredit“, eine unklare Vertragsgestaltung und eine mögliche Umgehung des Zinseszinsverbots (§ 248 I BGB) begründen Aufklärungspflichten und können die Unwirksamkeit des Vertrages nach sich ziehen (BGH WM 1991, 179 (180); Schimansky/Bunte/Lwowski-Lwowski/Wunderlich, § 75 Rn. 12). Wesentlich ist, daß der Vertrag nicht den irreführenden Anschein eines girovertragsähnlichen Kontokorrentverhältnisses mit der Folge einer Umgehung des Zinseszinsverbots des § 248 BGB begründen darf (Schimansky/Bunte/Lwowski-Lwowski/Wunderlich, § 75 Rn. 12). Der Konsumentenratenkredit unterfällt § 492 BGB (§ 4 VerbrKG a. F.; vgl. v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg-v. Rottenburg, § 5 Rn. 18).
5
2. Überziehungskredit. Teilweise wird der Begriff als Oberbegriff, der den Dispositionskredit einschließt und dem Kontokorrentkredit synonym ist (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Lwowski/Wunderlich, § 75 Rn. 25), verwendet (so in § 493 BGB; § 5 VerbrKG a. F.; vgl. Schuschke, ZIP 2001, 1084 (1085 Fn. 8)). Üblich ist es jedoch, zwischen Dispositions- und Überziehungskredit i. e. S. zu unterscheiden. Der Überziehungskredit i.e.S. bezeichnet die nicht vereinbarte, sondern lediglich von Fall zu Fall geduldete Überziehung (vgl. § 493 II BGB; BGHZ 93, 315 (325)). Sie kommt zustande, indem entweder ein auf Haben-Basis geführtes Kontokorrentkonto durch Abhebung, Lastschrift oder Überweisung dadurch ins Soll gerät, dass das Kreditinstitut den Vorgang trotz unzureichender Deckung zulässt, oder eine bereits eingeräumte Kreditlinie durch weitere Kontobelastungen überschritten wird. Die geduldete Überziehung begründet keinen Anspruch des Kunden auf Auszahlung oder auf Duldung weiterer Überziehungen (BGHZ 93, 315 (325); 147, 193 (202); 170, 276 (281) Rn. 14) und deshalb keine pfändbare Forderung (BGHZ 170, 276 (281 Rn. 14)). Andererseits kann das Kreditinstitut die alsbaldige Rückführung des Debetsaldos verlangen, ohne den nächsten Rechnungsabschluss abwarten zu müssen (BGH WM 1984, 1568; BGHZ 73, 207 (209)). Liegt der nur geduldeten Überziehung, wie regelmäßig, keine vorherige Kreditvereinbarung zugrunde, und kann das Kreditinstitut die Rückführung der Überziehung beanspruchen, dann kann der fällige Anspruch des
von Plehwe
§ 19 Dispositionskredit
625
Kreditinstituts auf Ausgleich des Debetsaldos abgetreten werden (BGH WM 1984, 1568). Die Rückführung einer nur geduldeten Überziehung auf Verlangen des Kreditinstituts bewirkt stets eine kongruente Deckung, weil auf die Überziehung kein Anspruch besteht (Obermüller, Rn. 5.178). Interne, dem Kunden in der Regel nicht offenbarte Überwachungsvorgaben oder „Linien“ des Kreditinstituts, innerhalb derer eine Überziehung noch als hinnehmbar angesehen wird, entfalten keine Außenwirkung und begründen keinen Anspruch auf Duldung der Überziehung. Im Falle der geduldeten Überziehung kommt der Darlehensvertrag erst mit der Entscheidung des Kreditinstituts über die Ausführung der einzelnen Abhebung, Überweisung oder Lastschrift – in der Regel stillschweigend – als „Handdarlehen“ zustande (MünchKommBGB-Ulmer, 3. Aufl., § 5 VerbrKG, Rn. 31; Bitter, WM 2001, 889 (890)). Ob daneben noch Raum für die Annahme schlicht faktischen Handelns des Kreditinstituts ohne rechtsgeschäftlichen Erklärungswert besteht (vgl. Bülow, § 493 Rn. 39, 41), ist in Zweifel zu ziehen. Es entsteht ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch. Handelt hingegen der Kunde eigenmächtig, ohne dass eine Entscheidung des Kreditinstituts über die Hinnahme der Zahlung (Barabhebung) veranlasst oder möglich ist, so scheidet die Annahme eines (stillschweigenden) Vertrages und vertraglicher Rückzahlungs- und Verzinsungsansprüche aus (Kümpel, Rn. 5.70). Das eigenmächtige Verschaffen von Fremdmitteln begründet Schadensersatzansprüche aus der Verletzung des Girovertrages (§ 280 I BGB). Die bloße Fristsetzung zur Rückzahlung des eigenmächtig erlangten oder Dritten verschafften Betrages macht aus der pflichtwidrigen, zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung ohne weitere Umstände noch keine geduldete und deshalb auf einer Vereinbarung beruhende Überziehung (a.A. wohl MünchKommBGBSchürnbrand, § 493 Rn. 36). Denn die Fristsetzung dient in der Regel nur der Vermeidung weiterer, den Schuldner stärker belastender Maßnahmen. Sieht das Kreditinstitut indes von der Rückforderung – erst recht für die Dauer des § 493 II BGB – ab, dann schlägt die eigenmächtige in eine geduldete Überziehung um (Staudinger-Kessal-Wulf, §493 Rn. 35). Wird eine Überziehung über einen längeren Zeitraum geduldet, so kann in der Duldung sodann die stillschweigende Vereinbarung eines Dispositionskredits liegen. Es handelt sich um eine Frage des Einzelfalls, die sich schematischer Betrachtung entzieht. Deshalb ist auch die Dauer der Überziehung nur ein Indiz (weitergehend Bitter, WM 2001, 889 (890): tatsächliche Vermutung nach 60 Tagen) unter vielen, wie schon § 493 II BGB zeigt.
6
II. Rechtliche Grundlagen. Der Anspruch auf Dispositionskredit ist ein Anspruch auf Gewähr eines Darlehens. Er findet seinen Grund im Krediteröffnungsvertrag (Hänsel, S. 81). Sowohl der Dispositionskredit als auch der Überziehungskredit setzen, werden sie nach § 493 BGB oder § 5 VerbrKG a.F. beurteilt, eine Kreditinanspruchnahme auf laufendem Konto im Sinne eines Kontokorrentkontos (§ 355 I HGB) voraus (StaudingerKessal-Wulf, § 5 VerbrKG Rn. 12; Kümpel, Rn. 5.72). Das Konto für laufende Rechnung ist vom Kontokorrentratenkredit (Rn. 4) scharf zu unterscheiden (Staudinger-KessaWulf, § 5 VerbrKG Rn. 12). Das Konto wird aufgrund eines Dauerrechtsverhältnisses, des Girovertrages, geführt. Die Dauer der Inanspruchnahme des Kreditrahmens oder der Überziehung ist unerheblich (MünchKommBGB-Ulmer, 3. Aufl., § 5 VerbrKG Rn. 13; Kümpel, Rn. 5.72). Kennzeichnend für den Dispositions-, Kontokorrent- oder Überziehungskredit i.w.S. ist, daß es sich um einen revolvierenden Kredit handelt, dessen Inanspruchnahme bis zu einem vom Kreditinstitut gesetzten und vereinbarten Rahmen schwanken darf und für den die laufende Inanspruchnahme unter Verrechnung von Gutschriften und Belastungen im Kontokorrent charakteristisch ist. Der Kreditrahmen kann verschiedenen Zwecken dienen. Der Kredit kann im Einzelfall zweckgebunden sein. Auch der vereinbarungsgemäß eingeräumte Kontokorrentkredit kann Baugeld im Sinne
7
von Plehwe
626
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
des § 1 III GSB darstellen (OLG Hamm BauR 2006, 123). Andererseits erfüllt auch eine Zahlung auf ein im Debet geführtes Konto die Einlagepflicht, sofern die Geschäftsführung die Möglichkeit erhält, über einen Betrag in Höhe der Einlage frei zu verfügen, sei es im Rahmen eines vereinbarten Dispositionskredits, sei es aufgrund einer nur stillschweigenden Gestattung des Kreditinstituts (BGH WM 2005, 132 (134)). 8
B. Entstehung, Wirkungen und Ende des Kreditverhältnisses
9
I. Begründung und Inhalt des Kreditverhältnisses. Während Dispositions- und Überziehungskredit für gewerbliche oder selbständige berufliche Zwecke, also für Nicht-Verbraucher (§ 13 BGB), nach den allgemeinen Regeln eingeräumt werden (Rn. 3, 5), stellt das Verbraucherschutzrecht besondere Anforderungen an die wirksame Begründung eines Kreditverhältnisses. Der Überziehungskredit i.w.S. (Dispositions- und Überziehungskredit) ist millionenfach verbreitet und unter den Voraussetzungen des § 493 BGB (§ 5 VerbrKG a.F.) im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des vorherrschenden bargeldlosen Zahlungsverkehrs und der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Einzelnen privilegiert.
10
Die Vorschriften über den Verbraucherkredit – und insoweit auch über den Dispositionsund Überziehungskredit, wenn der Kreditnehmer ein Verbraucher ist – dienen in wesentlichen Teilen der Umsetzung der (EG-)Richtlinie des Rates vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit 87/102/EWG (ABl. EG L 42/48 v. 12.2.1987; geändert durch die 1. Richtlinie des Rates v. 22.2.1990, 90/88/EWG, und v. 16.2.1998, 98/7/EG, abgedruckt bei Staudinger-Kessal-Wulf, VerbrKrG, Textanhänge II-IV [S. 610-632]; offengelassen in BGH ZIP 2008, 701, 703; zum Einfluss des Europarechts und zur Rechtsentwicklung vor der Schuldrechtsreform Staudinger-Kessal-Wulf, Einl. zum VerbrKrG, Rn. 1-21, 34-41; MünchKommBGB-Ulmer, 3. Aufl., vor § 1 VerbKrG, Rn. 9-17). Das deutsche Verbraucherkreditrecht (VerbKrG bzw. §§ 491 ff. BGB n. F.) ist deshalb entsprechend allgemeinen Grundsätzen (EuGH Slg. 1990, I, 4135, 4159 Erw. 8 – Marleasing; Slg. 1993, I, 6911, 6932 Erw. 20 – Wagner Miret; Slg. 1994, I, 3325, 3357 Erw. 20 – Faccini Dori) richtlinienkonform auszulegen (vgl. im einzelnen Staudinger-Kessal-Wulf, Einl. zum VerbKrG, Rn. 42-45). Die Frage hinreichender Konformität des deutschen materiellen Rechts wird selten praktisch bedeutsam. Soweit Zweifel an der Richtlinienkonformität von § 14 VerbKrG und nunmehr der unveränderten Bestimmung des § 504 BGB sowie von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB deshalb bestehen, weil Art. 8 VerbRKrRL – anders als nach deutschem Recht – dem Verbraucher ein uneingeschränktes Recht auf Ermäßigung der Kreditkosten gibt (zum Meinungsstand Bamberger/Roth- Möller/Wendehorst, § 504 Rn. 5; StaudingerKessal-Wulf, § 14 VerbKrG, Rn. 12; MünchKommBGB-Habersack, § 14 VerbKrG, Rn. 15), scheidet eine richlinienkonforme Auslegung wegen eindeutiger Abweichung aus; es bedarf einer Vorlage nach Art. 234 EG (Staudinger-Kessal- Wulf, a.a.O.; MünchKommBGB-Habersack, a.a.O.). Allerdings betreffen diese Bestimmungen den Dispositions- und Überziehungskredit nicht (s.u. Rn. 22).
11
1. Verbraucher. Der Begriff des Verbrauchers (§ 13 BGB) bezieht sich ausschließlich auf natürliche Personen (EuGH Slg. 2001, I, 9049, 9063 Erw. 12 – Cape). Das gilt für die einzelne natürliche Person ebenso wie für einen Zusammenschluss natürlicher Personen zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wie der XI. Zivilsenat für eine aus vier Rechtsanwälten und einem Bankbetriebswirt gebildete Grundstücks-GbR entschieden hat (BGHZ 149, 80 (83 ff.)). Diese Auffassung entspricht der h. M. im Schrifttum und beansprucht ungeachtet der Leitentscheidung des II. Zivilsenats, der (Aussen-)GbR Rechtsfähigkeit zuzuerkennen, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und
von Plehwe
§ 19 Dispositionskredit
627
Pflichten begründet (BGHZ 146, 341), Geltung. Dass der Schutz solcher Gesellschaften nicht einleuchtet, ist ein (berechtigter) Einwand, der sich allerdings gegen das Gesetz und die Richtlinie selbst richtet (vgl. Bülow, S. 162; Flume, ZIP 2000, 1427 (1428) „barer Unsinn“). Die Erfassung der GbR als nicht körperschaftlich strukturierter Zusammenschluss natürlicher Personen entspricht dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der Außenstehende hat keinen Einblick in die Verfassung der Gesellschaft, und alle Abgrenzungsversuche sind mit tatsächlichen Unwägbarkeiten belastet (vgl. Staudinger-Kessal-Wulf, § 1 VerbrKG Rn. 26-28). Auf das Schutzbedürfnis im Einzelfall kommt es nicht an, und der Kreditverkehr verlangt nach klaren Verhältnissen. Der Auffassung des XI. Senats (BGHZ 149, 80 (84 f.)) ist deshalb zu folgen (so auch Saenger/Bertram, EWiR 2002, 93 f.; a.A. Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006 (1009 f.).. Eine gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 13 BGB ist eine planmäßige und auf Dauer angelegte wirtschaftlich selbständige Tätigkeit im Wettbewerb (BGHZ 149, 80 (86) m. w. N.). Die Verwaltung eigenen Vermögens zählt nicht dazu, es sei denn, diese erfordere einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, nach der Rechtsprechung indiziert durch die Einrichtung eines Büros oder einer besonderen Organisation (BGHZ 149, 80 (86) im Anschluss an BGHZ 104, 205 (208); 119, 252 (256 f.)). Die bloße Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten ist dann nicht gewerblich, wenn es an einer Teilnahme am Wirtschaftsverkehr fehlt. Entscheidend ist folglich das äußere Erscheinungsbild eines planmäßigen Geschäftsbetriebes ungeachtet der im elektronischen Zeitalter unmaßgeblichen räumlichen, sachlichen oder personellen Ausstattung.
12
2. Verbraucherdarlehensvertrag. Entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Kreditgeber und einem Verbraucher als Kreditnehmer bedürfen der Schriftform und müssen in der zu unterzeichnenden Vertragserklärung für das Vertragsverhältnis wesentliche Informationen ausweisen (§§ 492 Abs. 1, 491 Abs. 1 BGB).
13
a) Von diesen Formerfordernissen befreit § 493 BGB im Falle des – extensiv verstandenen und den Dispositionskredit einschließenden – Überziehungskredits. Die Privilegierung setzt wie nach § 5 VerbrKG a.F. voraus, dass ein laufendes Konto als Kontokorrentkonto unterhalten wird (zur Abgrenzung Rn. 7), neben den Zinsen keine weiteren Kosten in Rechnung gestellt werden und die Zinsen nicht in kürzeren Perioden als drei Monaten belastet werden (§ 493 I 1 BGB). Im Falle des Dispositionskredits (Überziehungskredit i. S. v. § 493 I BGB) müssen ferner die Höchstgrenze des Darlehens (Kreditlinie), der aktuelle Jahreszins, die Bedingungen einer Zinsänderung und die Voraussetzungen der Vertragsbeendigung mitgeteilt werden (§ 493 I 2 BGB). Die Bestätigung der Vertragsbedingungen hat spätestens nach der ersten Inanspruchnahme des Darlehens in Textform oder auf einem Kontoauszug zu erfolgen. Die Bestätigung muß innerhalb kurzer Frist vorgelegt werden, um ihren Informations- und Warnzweck zu erfüllen. Eine Frist von regelmäßig höchstens vierzehn Tagen wird als (noch) angemessen anzusehen sein (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Jungmann, § 81 Rn. 77). Im Regelfall wird ein (Rahmen-) Kreditvertrag geschlossen; notwendig ist dies aber nicht (§ 493 I 3 BGB). Die Duldung einer Überziehung (Überziehungskredit i. e. S. und nach § 493 II BGB) ohne vorausgegangene Vereinbarung geschieht, wie aus der Natur der Sache folgt, formlos. Dauert der Zustand länger als drei Monate an, dann ist der Kunde wiederum zeitnah über den Jahreszins, die Kosten und diesbezügliche Änderungen zu informieren; die Information kann mittels Aufdruck auf dem Kontoauszug gegeben werden (§ 493 II BGB). Ob bereits eine, wenn auch nur vorübergehende Rückführung des Debetsaldos in den vereinbarten Kreditrahmen die Frist unterbricht oder es eines vollständigen Ausgleichs des Solls bedarf, ist umstritten (im letzteren Sinne Staudinger-Kessal-Wulf, § 493 Rn. 38; a.A. Schimansky/ Bunte/Lwowski-Jungmann, § 81 Rn. 83). Unter Berücksichtigung der Warnfunktion der
14
von Plehwe
628
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Mitteilung (dazu auch Staudinger-Kessal-Wulf, § 493 Rn. 38 a.E.) erscheint es richtig, jede Beendigung der Überziehung i.e.S. und damit auch die „Rückkehr“ in den vereinbarten Kreditrahmen als Unterbrechung zu begreifen, die die Wirkung der vorausgegangenen Bestätigung für spätere Überziehungen beseitigt, sodass jede erneute Überziehung des vereinbarten Kreditrahmens neuerlich eine Bestätigung nach § 493 II BGB erforderlich macht. Die „Unterwasserexistenz“ (Grunsky, s.o. Rn. 3) des Schuldners dauert zwar fort; zwischen dem Dispositionskredit und einer Überziehung i.e.S. bestehen jedoch erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Unterschiede, die eine erneute oder wiederholende Information und Warnung geboten erscheinen lassen. 15
Die willentliche Duldung der Überziehung führt mit der Inanspruchnahme der Fremdmittel durch den Kunden zu der stillschweigenden Begründung eines auf den einzelnen Betrag bezogenen Darlehensverhältnisses. Das gilt auch dann, wenn der Vertrag nicht bereits die abstrakte Möglichkeit einer Überziehung in Betracht zieht (dazu OLG Köln WM 1999, 1003). Außer der eigenmächtigen Überziehung, die eine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Girovertrages und keinen Überziehungskredit im Sinne von § 493 BGB darstellt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jungmann, § 81 Rn. 62), begründet jede geduldete Überziehung – man wird ergänzen müssen: durch ihren Vollzug – eine vertragliche Beziehung (Staudinger-Kessal-Wulf, § 5 VerbrKG, Rn. 33). Denn die Bitte um Duldung der Inanspruchnahme eines nicht abgesprochenen Kredits bedeutet ein stillschweigendes Angebot auf Abschluss eines Kreditvertrages (Aden, JZ 1993, 214 (215)). Darin wurzelt die vom Bundesgerichtshof für Zwangsvollstreckung und Insolvenz nicht geteilte Auffassung, es entstehe vor der Ausführung der Zahlungsanweisung für eine „logische Sekunde“ ein pfändbarer Anspruch des Schuldners auf Auszahlung der Darlehensvaluta, der dann auch dem Insolvenzbeschlag unterliege (ablehnend dazu BGHZ 170, 276 (281) Rn. 14; differenzierend Kreft, WuB VI A § 129 InsO 1.07; zum Ganzen unten Rn. 30). Mangels vorheriger Absprachen steht es dem Kreditinstitut jedoch frei, diese durch Duldung der Überziehung sodann stillschweigend begründete Vertragsbeziehung jederzeit zu beenden und die sofortige Rückführung der Mittel anzufordern (oben Rn. 5); ein Anspruch auf Fortsetzung der Duldung besteht nicht. Längeres Zuwarten kann allerdings ein Vertrauen in die Einräumung oder Erhöhung einer Kreditlinie und damit auf einen Übergang zum Dispositionskredit begründen (§ 242 BGB). Ob der Vertrauenstatbestand einen Anspruch auf Erweiterung des Dispositionskredits zu im Übrigen gleich bleibenden Bedingungen begründet oder es dem Kreditinstitut lediglich verwehrt ist, sich auf die dem Kunden ungünstigeren Konditionen für geduldete Überziehungen zu berufen, ist eine Frage des Einzelfalls. In der Regel wird die Annahme stillschweigender Erhöhung des Dispositionskredits weiterer als der in § 493 II BGB genannten Umstände bedürfen. Erforderlich ist die Feststellung eines realen Vertrags(änderungs)willens, der sich freilich – wie stets – aus den Umständen erschließen kann.
16
b) Für geduldete Überziehungen werden höhere, sog. Überziehungszinsen in Rechnung gestellt (Nr. 12 VI 3 AGB-Bk; Nr. 18 AGB-Spk). Die Regelungen sind als solche wirksam (BGHZ 118, 126; Staudinger-Kessal-Wulf, § 5 VerbrKG, Rn. 37; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner, § 78 Rn. 17; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 17 Rn. 4). Die Preisdifferenzierung ist dem Grunde nach sachlich begründet, weil Überziehungen vertraglich vereinbarter Linien regelmäßig einen höheren Arbeitsaufwand bis hin zur „Intensivbetreuung“ (vgl. Aden, JZ 1993, 214 (216)) verursachen und eine andere Risikobewertung und -vorsorge einschließlich möglicherweise notwendiger Refinanzierung erfordern (BGHZ 118, 126 (130); Schimansky/Bunte/Lwowski-Jungmann, § 81 Rn. 81; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 78 Rn. 17; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 17 Rn. 4; Steiner, WM 1992, 425 (427-429)). Die Höhe richtet sich nach § 315 III BGB
von Plehwe
§ 19 Dispositionskredit
629
(BGH NJW 1992, 1753 (1754)). Im Verfahren nach § 315 III BGB trägt das Kreditinstitut die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der in Ansatz gebrachten Zinsen (BGHZ 97, 212 (223); BGH NJW 1992, 1753 (1754)), wenn die Unangemessenheit der Höhe vom Kreditnehmer behauptet wird (vgl. BGH NJW 1992, 1753 (1754)). Nach Ablauf des Kreditvertrages besteht kein Anspruch auf Überziehungszinsen (BGH WM 2003, 922). Trifft das Kreditinstitut in dieser Lage mit dem Kreditnehmer ausdrücklich oder stillschweigend eine Vereinbarung, dass dieser trotz Ablaufs des Kreditvertrages bis auf weiteres zur Kapitalnutzung im bisherigen Umfang berechtigt sein soll, liegt darin eine Vereinbarung, die einen Anspruch auf Vertragszinsen, nicht aber auf Überziehungszinsen begründet, sofern sich der Kunde an die Abmachung hält und nicht die verabredete Kreditlinie überschreitet; geschieht letzteres, so entsteht ein Anspruch auf Überziehungszinsen als Folge dieser Überschreitung des nachvertraglichen, aber vereinbarten Kreditrahmens (BGH WM 2003, 922 (924)). Der BGH trägt mit dieser Klarstellung zu den AGB-Spk 1993 der Rechtslage nach Änderung der AGB-Bk und AGB-Spk Rechnung. Das Urteil vom 18.3.2003 knüpft an die Rechtsprechung an, dass Ansprüche auf Vertragszinsen und vertraglich begründete Ansprüche auf Überziehungszinsen mit dem Erlöschen des Vertragsverhältnisses ihr Ende finden. Nach Kündigung und Verzugseintritt fehlt die Berechtigung zur Berechnung von Zinsen auf vertraglicher Grundlage; sodann kommen nur ein Anspruch auf Schadensersatz (§ 280 I BGB) und die Berechnung von Verzugszinsen in Betracht (BGH WM 1986, 8 (10); BGHZ 104, 337 (339 ff.)), was eine im Voraus getroffene Vereinbarung über die Höhe des Verzugszinses nicht ausschließt (BGHZ 104, 337 (339)). Ein Anspruch des Verbrauchers auf Erweiterung einer bereits eingeräumten Kreditlinie, um höhere Überziehungszinsen zu vermeiden, besteht in den Grenzen des § 242 BGB auch dann nicht, wenn der Kunde eine Verstärkung von Sicherheiten anbietet (zutreffend LG Traunstein WM 1991, 850 (852); Staudinger-Kessal-Wulf, § 5 VerbrKG, Rn. 37). Die nachträgliche Entstehung von Kreditbedarf ist kein Ausdruck gestörter Vertragsparität und erfordert deshalb nicht spezifisch verbraucherprivatrechtliche Wertungen (vgl. allgemein Bülow, S. 158). Die Kreditentscheidung ist vom Kreditinstitut, von besonderen Einzelfällen missbräuchlichen Handelns abgesehen, frei vorzunehmen (s. aber oben Rn. 15).
17
Allerdings werden die Kreditinstitute nach der sich abzeichnenden Novellierung der Verbraucherkreditlinie wesentlich verschärfte Anforderungen an die Prüfung der Kreditvergabe treffen. Die weitgehende Aufgabe des Prinzips der Eigenverantwortung und Begründung einer neuartigen Pflicht des Kreditgebers zur „verantwortungsvollen Kreditvergabe“ kann de lege ferenda wesentlich erweiterte Beratungs- und Aufklärungspflichten nach sich ziehen (zur Novellierung der Richtlinie eingehend Danco, WM 2003, 853 ff.). An die Sorgfalt der Prüfung und an die Entscheidung, ob ein Kredit ausreichend bemessen ist – oder nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners überhaupt vergeben werden „darf“ – sind künftig erhebliche Anforderungen zu stellen. Der Verlagerung der Entscheidungsverantwortung für die Befriedigung des Kreditbedürfnisses vom Verbraucher auf das Kreditinstitut liegt ein (Kredit-)Verbraucherleitbild des vor sich selbst zu schützenden Verbrauchers zugrunde, das mit dem – neuen – allgemeinen (wettbewerbsrechtlichen) normativen Verbraucherleitbild des durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder umsichtigen Wirtschaftsteilnehmers (vgl. EuGH Slg. 1990, I, 4827, 4849 Erw. 21 – Pall; Slg. 1998, I, 4657, 4691 Erw. 31, 4693 Erw. 37 – Gut Springenheide; Slg. 1999, I, 513, 547 Erw. 36 – Sektkellerei Kessler; Slg. 1999, I, 3819, 3841 Erw. 26 – Lloyd; Slg. 2000, I, 117, 146 Erw. 27 – Estée Lauder (Lifting Creme); Slg. 2000, I, 2297, 2333 f. Erw. 20 – Darbo; st. Rspr.) in einem gewissen
18
von Plehwe
630
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Spannungsverhältnis steht (vgl. auch Knops, VuR 1998, 363 f.). Soweit die Kreditgewähr nicht bereits an selbst auferlegten Richtlinien der Banken („Basel II“; s. u. Rn. 19) scheitert, wird das einzuführende Haftungsmodell der revidierten Richtlinie „im Zweifel“ zu einer Versagung des Kredits führen (müssen) mit der Folge, daß der ungedeckte Liquiditätsbedarf zunehmend in die Verbraucherinsolvenz münden wird. Durch die beabsichtigte Verlagerung der Verantwortlichkeit für die Kreditaufnahme auf den Kreditgeber (Danco, WM 2003, 853 (856-858)) wird sich möglicherweise eine andere Beurteilung von Ansprüchen des Kreditnehmers auf Erweiterung des Dispositionsrahmens einerseits und des Kreditgebers auf Zahlung von Überziehungszinsen andererseits, je nach Sorgfalt der ursprünglichen Kreditprüfung und Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse, als notwendig erweisen. Damit kann dann auch eine Pflicht zur Prüfung der Berechtigung zur Kreditaufnahme und Berücksichtigung von Beschränkungen der Verpflichtungsmacht im Innenverhältnis des oder der Kreditnehmer (vgl. zu den Grenzen einer (Überziehungs)Kreditaufnahme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft OLG Hamm OLGZ 1992, 313 (315 ff.)) einhergehen. Eine Vorwirkung des eine grundlegende Änderung der geltenden Rechtslage bezweckenden Vorhabens ist hingegen nur nach den allgemeinen Regeln und in diesem Stadium nicht in Betracht zu ziehen. 19
Eine weitere bedeutsame Veränderung wird sich als Folge der Eigenkapitalvereinbarung („Basel II“) der international tätigen Banken und ihrer Umsetzung durch die Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG ergeben. Die Richtlinien bilden ein Äquivalent zur Baseler Rahmenvereinbarung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht vom 26. Juni 2004 über die Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalforderungen (Richtlinie 2006/48/EG, Erw. 37). Anliegen der neuen Kapitalvereinbarung und u.a. der Richtlinie 2006/48/EG ist es, die Kapitalanforderungen an die Banken stärker als bisher vom ökonomischen Risiko abhängig zu machen und Kredit- sowie operationelle Risiken bei der Bestimmung der Eigenkapitalquote präziser zu erfassen und zu überprüfen. In Anhang VII, Teil 2, der Richtlinie 2006/48/EG wird die Methode zur Berechnung von Eigenkapitalanforderungen für sog. Retail-(Endkunden-)Kredite (Retailforderungen) dargestellt und zwischen immobiliengesicherten Realkrediten und qualifizierten revolvierenden Retailforderungen unterschieden. Qualifizierte revolvierende Retailkredite sind dadurch gekennzeichnet, daß das Engagement revolvierend, unbesichert und jederzeit widerrufbar ist und Kreditinanspruchnahmen bis zu einem von der Bank gesetzten Limit durch Inanspruchnahmen und Rückzahlungen nach dem freiem Ermessen des Kunden schwanken dürfen (RL 2006/48/EG, Anhang VII, Teil 2, Nr. 13 lit. b). Kreditnehmer müssen natürliche Personen sein; das Engagement im Unterportfolio ist pro Person auf 100.000,00 EUR begrenzt (aaO, lit. c). Von den Kreditinstituten wird eine spezifizierte Beurteilung der Ausfallwahrscheinlichkeit (probability of default – PD) und des Verlusts bei Ausfall (loss given default – LGD) erwartet. Die Bewertung eines Kreditengagements als Retailforderung unterliegt aufsichtsbehördlicher Überprüfung und erfordert als Bedingung einer solchen Risikobewertung, daß die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der Verlustvolatilität und der übrigen Risikomerkmale von der Richtigkeit der Behandlung des Unterportfolios als qualifizierte revolvierende Retailforderung überzeugt ist (RL 2006/48/EG, Anhang VII, Teil 2, Nr. 13 lit. d und e). Ein Kreditausfall gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit als eingetreten, wenn anzunehmen ist, daß der Schuldner selbst seinen Verpflichtungen nicht oder nicht in voller Höhe nachkommen wird und Sicherheiten (falls vorhanden) verwertet werden müssen oder eine wesentliche Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Kreditinstitut oder der Bankgruppe mehr als 90 Tage (je nach örtlicher Gepflogenheit während einer Übergangsfrist von fünf Jahren maximal 180 Tage) überfällig ist (Basel II, Konsultationspapier April 2003, Rn. 414). Ausfälle sind zu erfas-
von Plehwe
§ 19 Dispositionskredit
631
sen und fließen in die die Eigenkapitalquote bestimmenden Schätzungen ein. Zulässige Überziehungen müssen sich innerhalb des von der Bank gesetzten und dem Kunden mitgeteilten Limits bewegen. Jedes Überschreiten des Limits muss beobachtet werden. Wird die Überziehung nicht innerhalb 90 (180) Tagen unterhalb des Limits zurückgeführt, gilt der Ausfall als eingetreten. Entsprechendes gilt für nicht genehmigte Überziehungen bei „Null-Limit“. Wörtlich bestimmt Rn. 421 des Konsultationspapiers: „Die Banken müssen strenge interne Richtlinien für die Beurteilung derjenigen Kunden implementieren, denen Überziehungsmöglichkeiten eingeräumt werden.“ Verbunden mit einem Paradigmenwechsel der Bankenaufsicht zu einer stärker qualitativ ausgerichteten Bankenaufsicht (vgl. Deutsche Bundesbank, Basel II – Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung, www.bundesbank.de/bank/bank-basel.php?) kündigt sich aufgrund der Novellierung einerseits der Verbraucherkreditlinie, andererseits der Eigenkapitalvereinbarung der Banken eine wesentliche Restriktion der Vergabe, Einräumung und Duldung von Dispositions- und Überziehungskrediten an. Die kumulierte Wirkung lässt erwarten, daß übergangsweise als Folge der Beschränkung des Zugangs zu ungesicherten, revolvierenden Krediten und damit einer Beschränkung der flexiblen Fremdmittelaufnahme und somit der Liquidität der Kreditnehmer auf Zahlungsunfähigkeit beruhende Einzelinsolvenzen weiter zunehmen werden. 3. Oder-Konto. Treten mehrere Personen gemeinschaftlich als Vertragspartner des Kreditinstituts auf, kann ein Bankkonto als Gemeinschaftskonto geführt werden. Ist jeder einzelne der mehreren Kontoinhaber verfügungsberechtigt, handelt es sich um ein „OderKonto“; sollen die Kontoinhaber nur gemeinschaftlich verfügen können, liegt ein sog. „Und-Konto“ vor. Seit Einführung der AGB-Bk und AGB-Spk 1993 ist den allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Anhalt zur Abgrenzung im nicht ausdrücklich geregelten Einzelfall nicht mehr zu entnehmen (zur früheren Lage Canaris, Rn. 224; vgl. Schimansky/ Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 35 Rn. 3). Es kommt also auf den Inhalt des Kontoeröffnungsvertrages, der Rechte und Pflichten formularmäßig und damit typisiert festlegt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 35 Rn. 4), an. Eine Umwandlung des Oder- in ein Und-Konto (oder vice versa) bedarf der Mitwirkung des Kreditinstituts, weil es sich um eine Änderung des Kontovertrages handelt (in diesem Sinne (aber im Ergebnis offen gelassen) BGH NJW 1991, 420 f.; WM 1993, 141 (143); a. A. Canaris, Rn. 226 (übereinstimmende Anweisung des Kreditinstituts)). Für den Bereich des Dispositions- und Überziehungskredits wirft das Oder- Konto vor allem das Problem der „einseitigen“ Verfügung eines Mitberechtigten auf. Daneben ergeben sich vollstreckungsrechtliche Fragestellungen.
20
a) Bei einem Oder-Konto besteht in der Regel eine gesamtschuldnerische Haftung der Kontoinhaber (OLG Nürnberg WM 1990, 1370 (1371 f.); OLG Düsseldorf WM 1996, 949 (951); OLG Köln WM 1999, 1003 (1004); allg. M.). Das folgt aus der Natur der Sache eines gemeinschaftlichen Kontos, das zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs von beiden Kontoinhabern genutzt wird oder werden kann und das der Verrechnung und Saldierung einer unbestimmten Vielzahl von Geschäftsvorfällen dient. Eine Aufteilung der Haftung nach der Herkunft einzelner, überdies unselbständiger Rechnungsposten und ohne Rücksicht auf die Rechtsnatur des Kontokorrentkontos ist nicht möglich und von den Beteiligten nach den Gesamtumständen (§§ 133, 157 BGB) nicht gewollt (zutreffend OLG Nürnberg WM 1990, 1370 (1371 f.)). Der Ausschluss gesamtschuldnerischer Haftung lässt sich nur über die Eröffnung von Einzelkonten erreichen, ggf. unter wechselseitiger Einräumung von Zeichnungsbefugnissen (vgl. OLG Köln ZIP 1980, 979 (980)). Umgekehrt sind die Inhaber eines Gemeinschaftskontos Gesamtgläubiger (BGHZ 95, 185 (187); Gernhuber, WM 1997, 645 f.). Weil jeder Kontoinhaber allein be-
21
von Plehwe
632
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
rechtigt ist, über das jeweilige Guthaben selbständig zu verfügen, unterliegen Forderungen der Kontoinhaber auch der Zwangsvollstreckung aus Titeln, die sich nur gegen einen von ihnen richten (BGHZ 93, 315 (320 f.); OLG Köln ZIP 1980, 979 (981)). Das ist auch für die im Einzelnen umstrittene Vollstreckung in den (abgerufenen) Dispositionskredit von Bedeutung (unten Rn. 33 f.). Für die Pfändbarkeit des Oder-Kontos kommt es auf das Innenverhältnis der Kontoinhaber nicht an (BGHZ 93, 315 (320 f.); a. A. OLG Koblenz NJW- RR 1990, 1385 (1386)), weshalb nach h. A. auch eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO ausscheidet (Wagner, WM 1991, 1145; Staudinger-Noack, § 428 Rn. 29; MünchKommBGB-Bydlinski, § 428 Rn. 4; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding-Häuser, § 35 Rn. 11a; Thomas/ Putzo, § 771 Rn. 16; a. A. OLG Koblenz NJW-RR 1990, 1385 (1386); Staudinger-Langhein, § 741 Rn. 91). Schuldrechtliche Ansprüche im Innenverhältnis der Kontoinhaber sind kein „die Veräußerung hinderndes Recht“. 22
b) Die gesamtschuldnerische Haftung der Kontoinhaber erstreckt sich auf die Inanspruchnahme des Dispositionskredits, und zwar auch dann, wenn der Kontomitinhaber den Dispositionskredit weder beantragt noch überhaupt zur Kenntnis genommen hat, sofern der Kontomitinhaber von Belastungen ohne entsprechende Guthaben Kenntnis hat und/ oder das Kreditinstitut nach den allgemeinen Regeln über die Haftung kraft Rechtsscheins (Anscheinsvollmacht) eine Bevollmächtigung des den Dispositionskredit Beantragenden annehmen darf (OLG Düsseldorf WM 1996, 949 (952); umstr.). Die Gesamtschuld besteht aber auch für Rückzahlungsverpflichtungen aus geduldeten Überziehungen. Allerdings gilt dies nur innerhalb gewisser Grenzen. Die Überziehung darf den Rahmen des „Banküblichen“ nicht sprengen (OLG Köln ZIP 1980, 979 (980); OLG Nürnberg WM 1991, 1370 (1372); OLG Köln WM 1999, 1003 (1004); vgl. auch BGH WM 1987, 1430 (1431) zur Bürgenhaftung für Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen). Die Grenze wird – der Rechtssicherheit abträglich – nur nach den Umständen des Einzelfalls zu ziehen sein. Teilweise wird das (kumulierte) Dreimonatseinkommen entsprechend den Kriterien für die Einräumung eines Dispositionskredits angenommen (OLG Nürnberg WM 1991, 1370 (1372); zustimmend Vortmann, EWiR § 426 BGB 2/90, 967 (968)); teilweise wird die Grenze bei 10% der eingeräumten und überschrittenen Kreditlinie gezogen (OLG Köln WM 1999, 1003 (1004); vgl. Nielsen, WuB I C 3 – 2.96). Der Maßstab des OLG Nürnberg dürfte schon deshalb zu großzügig sein, weil die ungenehmigte, aber geduldete Überziehung den Rahmen ursprünglicher Risikobewertung (Dispositionskredit) verlässt und schon deshalb die banküblich vereinbarte Kreditlinie nicht herangezogen werden kann. Erst recht gilt das, wenn ein Dispositionskredit abgelehnt worden ist. Es ist widersinnig, wie Hellner in seiner Kritik der Entscheidung des OLG Köln vom 7.10.1998 vertritt (WuB I C 3 – 3.99), bei fehlender Einräumung eines Dispositionskredits einen weiten Überziehungsspielraum einzuräumen, im Falle einer (überzogenen) Kreditlinie hingegen auf die in der Kreditlinie zum Ausdruck kommende Risikobewertung abzustellen. Wird Kredit nicht gewährt, ist die ohne Einwilligung erfolgende, nur geduldete Überziehung erst recht kritisch zu beurteilen. Das gilt auch für die Frage gesamtschuldnerischer Haftung, weil die durch einen Kontomitinhaber veranlasste Überziehung im Falle des im Haben zu führenden Kontos geradezu ins Auge springt. Die in diesen Fällen in der Regel betroffenen Verkehrskreise sind schutzbedürftig.
23
II. Beendigung. Kredite, für die eine Laufzeit oder besondere Kündigungsfristen nicht vereinbart sind, können jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, jedoch unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Kreditnehmers (§ 242 BGB), gekündigt werden (Nr. 19 Abs. 2 AGB-Bk 2002; Nr. 26 Abs. 1 AGB-Spk 2002; s. o. § 3 Rn. 97 ff.). Soweit die AGB-Sparkassen eine Nr. 19 Abs. 5 AGB-Bk vergleichbare Regelung nicht enthalten, sondern nur die sofortige Rückzahlung vorsehen (dazu Bunte, Nr. 19 AGB-
von Plehwe
§ 19 Dispositionskredit
633
Banken Rn. 484), begegnet dies Wirksamkeitsbedenken. Die Kündigungsmöglichkeit der Nr. 19 Abs. 2 AGB-Bk bzw. Nr. 26 Abs. 1 AGB-Spk gilt auch für den Dispositionskredit, erst recht, wenn sich eine Verschlechterung der Vermögenslage abzeichnet (OLG Köln WM 1985, 1128 (1132)). § 498 BGB (§ 12 VerbrKG a. F.) findet, wenn nicht eine Ratenzahlung vereinbart worden ist, auf Dispositionskredite und geduldete Überziehungen keine Anwendung (OLG Brandenburg, MDR 1998, 483). Das blosse „Einfrieren“ einer Kreditlinie steht – insolvenzrechtlich – einer Kündigung des Kredits nicht gleich und indiziert nicht die Zahlungseinstellung (BGH ZInsO 2002, 200). Die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit des § 489 I Nr. 2 BGB betrifft festverzinsliche, laufzeitgebundene Verbraucherdarlehen und damit nicht Dispositions- oder Überziehungskredite. III. Tod des Kreditnehmers. Stirbt der Kreditnehmer, so ergeben sich aufgrund des Todesfalls erbrechtliche Konsequenzen, aus Anlass weiter gewährter Rentenzahlungen möglicherweise aber auch öffentlichrechtlich fundierte Erstattungsansprüche. In bezug auf den Dispositionskredit seien hier folgende praktisch bedeutsame Fragen hervorgehoben.
24
1. Nachlassverbindlichkeiten und Nachlasserbenschulden. Darlehensverbindlichkeiten zählen zu den „vom Erblasser herrührenden Schulden“ im Sinne des § 1967 II BGB, für die der Erbe haftet, sofern er nicht die Erbschaft ausgeschlagen (§ 1944 BGB) oder seine Haftung auf den Nachlass beschränkt hat (Staudinger-Marotzke, § 1967 Rn. 9; Böhm, ZEV 2002, 337 f.). Das gilt auch für Verbindlichkeiten aufgrund eines in Anspruch genommenen Dispositions- oder Überziehungskredits und für Schadensersatzansprüche aufgrund eigenmächtiger Überziehung des Kontos. Mehrere Erben haften bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB). Bis zur Teilung des Nachlasses kann der Nachlassgläubiger unbeschadet seines Wahlrechts die Befriedigung von sämtlichen Miterben verlangen (§ 2059 II BGB). Andererseits steht den Miterben bis zur Teilung des Nachlasses nach § 2059 I BGB ein besonderes Leistungsverweigerungsrecht zur Seite: Bis zur Teilung des Nachlasses kann der Erbe die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten aus seinem übrigen Vermögen auch dann verweigern, wenn er die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat und weder Nachlassverwaltung angeordnet noch ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden ist (Staudinger-Marotzke, § 2059 Rn. 2). Darin liegt das Korrektiv gesamtschuldnerischer Haftung ohne die Befugnis der Einzelverfügung über (noch) gesamthänderisch gebundenes Vermögen (Staudinger-Marotzke, § 2059 Rn. 3). Damit ist nicht die anders gelagerte Konstellation zu verwechseln, in der der Erblasser nicht alleiniger Darlehensnehmer war. In der Regel haften mehrere Darlehensnehmer – oder Kontoinhaber – gesamtschuldnerisch für die begründeten Verbindlichkeiten (s.o. Rn. 21, 22). Erben rücken in die Stellung des MitDarlehensnehmers ein; andererseits haften die verbliebenen Kreditnehmer im Außenverhältnis unbeschränkt, sodaß das Kreditinstitut die Wahl hat, ob es die Erbengemeinschaft, einzelne (Mit-)Erben oder verbliebene Mit-Darlehensnehmer in Anspruch nimmt (vgl. Böhm, ZEV 2002, 337, 338). Neben der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten und – im Falle des gemeinschaftlichen Kredits – eigener Schuld kommen Ansprüche aus Nachlasserbenschulden in Betracht.Verfügt etwa der Ehegattenerbe unter Gebrauch einer über den Tod hinaus reichenden Kontovollmacht über eine dem Erblasser eingeräumte Kreditlinie, so begründet er eine Nachlasserbenschuld und damit eine persönliche Verpflichtung (LG Darmstadt NJW-RR 1997, 1337; allgemein Staudinger-Marotzke, § 1967 Rn. 28), sofern es ihm nicht gelingt, eine Beschränkung der Haftung auf den Nachlass zu vereinbaren, was auch stillschweigend geschehen kann (RGZ 146, 343 (346)). Soweit das Kreditinstitut nach dem Tod des Kreditnehmers eine Kündigung der Kreditlinie gemäß Nr. 19 Abs. 2 AGB-Bk oder Nr. 26 Abs. 1 AGB-Spk in Betracht zieht (oben Rn. 23), wird
25
von Plehwe
634
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
es wiederum Nr. 19 Abs. 5 AGB-Bk zu beachten und agemessene Rücksicht auf die Belange nunmehr des oder der Erben zu nehmen haben. 26
2. Öffentlichrechtliche Erstattungsansprüche gegen Kreditinstitute. Besondere Rechtsfragen werfen Rentenzahlungen auf, die noch in Unkenntnis des Todes des Rentenberechtigten auf dessen im Soll geführtes Girokonto erfolgen. Während die Rückforderung von Rentenzahlungen, die irrtümlich nach dem Tod des Rentenberechtigten auf ein auf die Erben übergegangenes Konto geleistet worden sind, ursprünglich rein bereicherungsrechtlich im Zivilrechtsweg durch gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Erben abgewickelt wurde und diese gegen den Erben gerichtete, gerade im Falle in Anspruch genommenen Dispositions- oder Überziehungskredits wegen des Einwandes der Entreicherung allerdings regelmäßig „stumpfe“ Lösung (instruktiv LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.01.2008, L 4 R 178/06 (n.v.; juris Rn. 39)) weiterhin dann in Betracht kommt, wenn Sondertatbestände nicht eingreifen (vgl. BGHZ 71, 180 (183 ff.)), sieht § 118 III SGB VI (1989) aufgrund typisierter Interessenwertung einen originären öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch gegen das Kreditinstitut vor. Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten erbracht werden, gelten danach als unter Vorbehalt (der Rückforderung) erbracht. Das Geldinstitut hat sie auf Anforderung zurückzugewähren. Eine solche Verpflichtung besteht dann nicht, wenn über den Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt worden ist (Entreicherung), es sei denn, die Rückzahlung kann aus einem Guthaben geleistet werden. Das Kreditinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen gegen den Verstorbenen verwenden (§ 118 III 3 und 4 SGB VII). Der Entreicherungseinwand setzt voraus, daß das Kreditinstitut die Geldleistung durch Gutschrift vollständig in das Vermögen des Kontoinhabers übertragen und nicht durch Verfügungen zu seinen (eigenen) Gunsten unter den Wert der Gutschrift gesenkt hat (grundlegend BSGE 82, 239 (LS 2 und 246 f.)). Erfolgt die Gutschrift des Zahlungseingangs auf einem im Soll geführten Konto, dann führt sie zur Verringerung des Debetsaldos und damit zu entsprechender Tilgung der gegenüber dem Kreditinstitut bestehenden Schuld. Das verstößt gegen das Befriedigungsverbot des § 118 III 4 SGB VII und steht deshalb dem Entreicherungseinwand von vornherein entgegen (BSGE 82, 239 (247 f.); BSG WM 2007, 2232 (2235) Rn. 49; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.01.2008, L 22 R 142/06 (n.v.; juris Rn. 40)). Im Falle der vorausgegangenen Inanspruchnahme eines Dispositions- oder Überziehungskredits schuldet das Kreditinstitut folglich regelmäßig die Rückzahlung der eingegangenen Rentenzahlung. Ein Kreditinstitut kann sich nach einer Gutschrift nur dann rechtsvernichtend auf Entreicherung berufen, wenn und soweit das Konto bei Eingang des Rückforderungsverlangens kein zur vollen oder teilweisen Erstattung ausreichendes Guthaben aufweist und dies allein Folge ihm gegenüber zivilrechtlich wirksamer Verfügungen des Kontoinhabers oder von Dritten, nicht aber eines Zugriffs des Geldinstituts, ist (BSG WM 2007, 2232 (LS)). Das ist dann der Fall, wenn der Kreditrahmen bereits ausgeschöpft war und das Kreditinstitut den empfangenen Betrag zusätzlich weitergeleitet hat oder dieser durch wirksame weitere Belastungen aufgezehrt worden ist (BSG WM 2007, 2232 (2235) Rn. 51). Das Kreditinstitut trägt für die Voraussetzungen seiner Entreicherung umfassend die Darlegungs- und Beweislast (BSGE 82, 239 (249); BSG WM 2007, 2232 (2234 f.) Rn. 39).
27
C. Vollstreckungszugriff Dritter Ein viel erörtertes Problem bereitet die Lösung des Interessenkonflikts zwischen Schuldner/Bankkunde, Kreditinstitut und Dritt-/Pfändungsgläubiger im Falle der beabsichtigten Vollstreckung in Kreditmittel. Zu unterscheiden sind der Zugriff auf eine zugesagte,
von Plehwe
§ 19 Dispositionskredit
635
aber nicht in Anspruch genommene oder abgerufene Kreditlinie, die Pfändung abgerufener Kreditmittel und schließlich die Vollstreckung im Falle nur geduldeter Überziehung. I. Pfändung des Dispositionskredits. Das debitorisch geführte Girokonto ergibt als solches keinen pfändbaren Anspruch (K. Schmidt, JuS 2001, 1029). Ob die „offene Kreditlinie“ Vollstreckungen zulässt, ist umstritten. Nach h. A. ist das Recht zum Abruf eines Dispositionskredits nicht selbständig pfändbar (OLG Schleswig NJW 1992, 579 (580); Wagner, WM 1998, 1657 (1659 f.); Schuschke, ZIP 2001, 1084 (1086); Bitter, WM 2001, 889 (891), jeweils m. w. N.; a. A. Grunsky, ZZP 95 (1982), 264 (277 ff.); JZ 1985, 490 (491); LM AbgO 1977 Nr. 23 Bl. 5). Es handelt sich – losgelöst vom allgemeinen Kreditgewährungsanspruch – um ein inhaltsausfüllendes Gestaltungsrecht (Gaul, KTS 1989, 3 (16); Hänsel, S. 73; Stöber, Rn. 116), durch dessen Ausübung der Krediteröffnungsvertrag erst konkretisiert und inhaltlich ausgestaltet wird (BGHZ 157, 350 (355 f.)). Es ist als solches nach ganz überwiegender Auffassung höchstpersönlich und unterliegt nicht der Pfändung und Einziehung (vgl. Schuschke, ZIP 2001, 1084 (1087) zum Meinungsstand; Fritzsche, DStR 2002, 265 (269)). Der konkrete Auszahlungsanspruch entsteht erst mit dem Abruf der Valuta (OLG Schleswig NJW 1992, 579 (580)). Der BGH hat es bislang offen gelassen, ob die „offene Kreditlinie“ als solche oder das Recht auf Abruf der (näher zu bezeichnenden) Pfändung unterliegt, neigt aber augenscheinlich der vorherrschenden Auffassung zu (BGHZ 147, 193 (195); 93, 315 (324 f.); vgl. Schuschke, ZIP 2001, 1084 (1087)), schließt die Pfändung des Abrufrechts mit der Folge der aufgezwungenen Begründung einer weiteren Verbindlichkeit des Schuldners aus (BGHZ 157, 350 (356)) und erachtet sodann den durch Abruf begründeten Auszahlungsanspruch als pfändbar (ebenso MünchKommInsO-Kirchhof, § 129 Rn. 84). Entscheidend ist die Verfügung des Schuldners über den eingeräumten Kredit. Macht er von der Möglichkeit des Abrufs Gebrauch, dann setzt er den hierdurch begründeten Auszahlungsanspruch der Pfändung aus: Geht beim Dispositionskredit der Auszahlungshandlung der Abruf zwingend voraus, mit dem der Kunde das Darlehensangebot annimmt, so besteht, wenn auch nur für kurze Zeit, ein Darlehensanspruch von Rechts wegen, der der Pfändung unterworfen ist; die Pfändung gilt mit dem Abruf als vorgenommen (BGHZ 157, 350 (355f.); 170, 276 (282) Rn. 15; BGH WM 2004, 669 (670); OLG Saarbrücken WM 2006, 2212). Dementsprechend ist der Anspruch auf Kreditgewährung aus einer Vereinbarung, Zahlungen im Wege der Überziehung zugunsten eines bestimmten Vertragspartners hinzunehmen, pfändbar und dem Insolvenzbeschlag unterworfen (BGH, Urteil vom 28.02.2008 – IX ZR 213/06, Rn. 9 (zur Veröffentlichung bestimmt)). Handelt es sich um einen treuhänderisch gebundenen Kredit, entfällt zwar die Pfändbarkeit, nicht aber der Insolvenzbeschlag, weil die Zweckbindung nach Ansicht des IX. Zivilsenats nicht dem Interesse des Schuldners, sondern des Gläubigers dient (BGH, Urteil vom 28.02.2008, aaO; BGH WM 2001, 1476 (1477); BGHZ 170, 276 (282 f.) Rn. 15). Nach richtiger Ansicht ist die Kreditlinie als solche ebenso wenig wie das Recht auf Abruf pfändbar; auch ein Abruf und damit die weitere Verschuldung des Kreditnehmers/Vollstreckungsschuldners sind nicht über § 888 ZPO zu erzwingen.
28
II. Pfändung des Überziehungskredits. Weitgehende Einmut herrscht auch in der Beurteilung des Ansinnens, vollstreckungsrechtlich auf die Möglichkeit der Duldung von Überziehungen zuzugreifen. Die bloße Duldung einer Überziehung gibt dem Kunden gegenüber dem Kreditinstitut keinen Anspruch, sodass es an einer pfändbaren Forderung fehlt (BGHZ 93, 315 (325); OLG Saarbrücken WM 2006, 2212 f.; Bitter, WuB VI D § 829 ZPO 1.07). Die Pfändung eines „künftigen Überziehungskredits“ betrifft eine bloße Chance oder Hoffnung und läuft deshalb nach inzwischen ganz h. A. leer (BGHZ 93, 315 (325); OLG Hamm WM 1986, 372 (373); Schuschke, ZIP 2001, 1084 (1086); Wag-
29
von Plehwe
636
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ner, WM 1998, 1657 (1666 f.); Hintzen, InVo 2001, 270 (272); Klose, MDR 2002, 186 (187)). 30
III. Pfändung abgerufener Kreditmittel; Kritik. Heftig umstritten war die Frage, ob nach Abruf eines Dispositionskredits bereit gehaltene Kreditmittel der Pfändung unterliegen. Der BGH hat die Rechtsfrage erstmals in der Leitentscheidung vom 29.3.2001 (BGHZ 147, 193) dahin geklärt, dass der nach Abruf entstandene Anspruch auf Auszahlung, weil grundsätzlich abtretbar, pfändbar ist. Inzwischen handelt es sich um eine ständige Rechtsprechung (s.o. Rn. 28; BGHZ 157, 350 (355 f.); 170, 276 (282) Rn. 15; BGH WM 2004, 669 (670)). Die Pfändung erfasst den Auszahlungsanspruch als solchen und nicht nur den Anspruch auf zeitweilige Nutzung des Kapitals (BGHZ 147, 193 (196)). Der IX. Zivilsenat erkennt zwar an, dass das Girokonto heute zum „Knotenpunkt“ der Zahlungsströme des Einzelnen geworden ist und sich eine solche Pfändungsmaßnahme als faktische Verfügungssperre auswirken kann. Gerade weil das Konto der „Kristallisationspunkt“ aller Geldbewegungen sei, müsse der vollstreckende Gläubiger darauf zugreifen können. Es erscheine nicht unter allen Umständen wünschenswert, die Insolvenz mit Hilfe eines ständig debitorisch geführten Bankkontos hinauszuschieben, und derjenige, der seinen Zahlungsverkehr nur mit Kredit abwickle, müsse es sich gefallen lassen, dass die so zur Verfügung stehenden Geldmittel erst nach Befriedigung der Gläubiger weiter genutzt werden können. Ggf. käme ein Sanierungskredit, der als zweckgebundener Kredit nicht der Pfändung unterliege, in Betracht (BGHZ 147, 193 (200 f.)).
31
Dem BGH ist im Ansatz darin beizupflichten, dass das fortwährende Leben im Soll mit der Unmöglichkeit des Zugriffs auf einzelne, als unselbständige Rechnungsposten eingehende Zahlungen eine „Unterwasserexistenz“ des Schuldners ermöglicht (Grunsky, LM AbgO 1977 Nr. 23 Bl. 5). Die vollstreckungs- und insolvenzrechtliche Sichtweise des IX. Senats führt indes zu schwer tragbaren Ergebnissen und praktischen Schwierigkeiten. Das Urteil hat im Schrifttum sowohl Zustimmung (etwa Grunsky, LM AbgO 1977 Nr. 23 Bl. 5; Fritzsche, DStR 2002, 265 (269); Klose, MDR 2002, 186 (189); Felke, WM 2002, 1632 (1637 f.); zuvor schon Wagner, WM 1998, 1647) als auch Ablehnung erfahren (etwa Bitter, WM 2001, 889 (893 ff.); Schuschke, ZIP 2001, 1084 (1088); Honsell, JZ 2001, 1143 f.; Fischer, DZWIR 2002, 143 (146)). Im Vordergrund der Auswirkungen der Pfändung des Auszahlungsanspruchs stehen das Risiko doppelter Inanspruchnahme (Auszahlung an den Kreditnehmer und erneute Zahlung in gleicher Höhe an den Pfändungsgläubiger), aus der Sicht des Schuldners das Risiko sofortiger Sperrung des Zugangs zu elektronischen Auszahlungsstellen, der Kündigung des Dispositionskredits und damit im Ergebnis das Risiko einer faktischen „Blockade“ des Kontos. Vor allem erfasst die Pfändung auch alle aus dem Dispositionskredit auszuführenden Lastschriften, Daueraufträge und Überweisungen, sobald diese zur Ausführung gelangen sollen, in der Weise, dass eine „Umschuldung“ zugunsten des Pfändungsgläubigers erzwungen wird. Die Pfändung kann in existenznotwendige Zahlungsvorgänge der im Übrigen zahlungsunfähigen Person wie etwa Miet-, Strom- und Gaszahlungen eingreifen (vgl. Bitter, WM 2001, 889 (894)). Damit aber gewinnt die Zulassung der Zwangsvollstreckung in den abgerufenen Dispositionskredit auch Grundrechtsrelevanz (Art. 2 I, 1 I GG), wie vom Bundesgerichtshof möglicherweise nicht hinreichend erwogen worden ist und nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer Drittwirkung der Grundrechte gilt (vgl. zum Anspruch auf ein Konto nun BGH ZIP 2003, 714 (716) – NPD). Zugleich bedeutet der Vollstreckungszugriff, dass der Zweck der Kreditgewähr, dem Schuldner – allerdings ohne Zweckbindung – liquide Mittel zuzuführen, mit der Folge weiterer Risikoerhöhung aus der Sicht der Bank vereitelt wird. Mit Recht weist Honsell (JZ 2001, 1143 (1144)) auch darauf hin, dass der Zugriff auf eine im Interesse des ungehinderten Zahlungsverkehrs eröffnete Kreditlinie zwar den
von Plehwe
§ 19 Dispositionskredit
637
einmaligen Vollstreckungszugriff auf eine Transaktion gestattet, im übrigen aber faktisch wie ein Arrest wirkt. Das Konto wird als debitorisches Konto unbenutzbar, es sei denn, es wird auf den für Bank und Kunde riskanten Weg der Überziehung ausgewichen. Regelmäßig geduldete Überziehungen können indes zur Begründung eines Dispositionskredits mit der sich dann wiederum ergebenden Gefahr doppelter Inanspruchnahme des Kreditinstituts und des dann vermutlich überschuldeten Kunden führen. Andererseits wird eine, wie in der Praxis häufig, ungenaue oder globale Fassung des Pfändungsantrags Ungewissheit über die Wirksamkeit der Pfändung zur Folge haben und entweder das Kreditinstitut zur Hinterlegung veranlassen (Schuschke, ZIP 2001, 1084 (1088)) oder wegen der Unzumutbarkeit einer Hinnahme der Ungewissheit und Risikoerhöhung die Kündigung des Kontokorrentkredits nach sich ziehen. Die Auswirkungen einer Pfändung des abgerufenen Dispositionskredits verschärfen sich, wenn die Zwangsvollstreckung wegen eines nur gegen einen Kontomitinhaber gerichteten Titels in ein Oder-Konto betrieben wird (oben Rn. 20 f.). Hinzu tritt, daß nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats § 850k ZPO einer kontokorrentmäßigen Verrechnung einer Gutschrift aus Arbeitseinkommen nicht entgegensteht (BGHZ 162, 349 (352 ff.)) und folglich ein Anspruch des Kunden auf Auszahlung des unpfändbaren Teils seines Arbeitseinkommens bei debitorischem Kontostand nicht besteht (BGHZ 162, 349 (352)). Das gilt nach § 55 SGB I hingegen nicht für sozialrechtlich veranlasste Geldleistungen für die Dauer einer Schonfrist von sieben Tagen (BGH WM 1987, 1418 (1419); BGHZ 104, 309 (311); 162, 349 (353) (jeweils obiter); a.A. Einsele, JZ 2006, 48 (50 f.)). Folge der jüngsten Rechtsprechung zu § 850k ZPO (richtig wohl §§ 394 S. 1, 400 BGB i.V.m. § 850k ZPO; vgl. Einsele, JZ 2006, 48 (50); Derleder, EWiR 2005, 619 (620)) ist, dass bei üblicher unbarer Gehaltszahlung die Deckung des Existenzminimums „per Verrechnung“ vereitelt werden kann (Derleder, EWiR 2005, 619 (620)). Zwangsvollstreckung und Verrechnung führen in ihren Konsequenzen zur Notwendigkeit sozialrechtlicher Maßnahmen, erscheinen im Ergebnis aber auch nach Art. 1 I, 2 I GG als bedenklich. Einem möglichen Einmal-Erfolg eines Gläubigers in der Zwangsvollstreckung stehen Nachteile gegenüber, die auf Dauer wirken und eine unverhältnismäßige Erschwernis des Zahlungs- und Kreditverkehrs bedeuten, wegen ihrer Auswirkungen aber auch – von der Fachgerichtsbarkeit zu beachten – Grundrechte des Kontoinhabers berühren (Art. 1 I, 2 I GG). Die Entscheidung des IX. Senats ist zwar dogmatisch konsequent, aber gleichwohl bedenklich. Das Gleiche gilt für die zwar dogmatisch nachvollziehbare, im Ergebnis aber nach der „Lohntüte“ (vgl. Derleder, EWiR 2005, 619 (620)) rufende Entscheidung des XI. Zivilsenats vom 22.03.2005. Die Rechtsprechung der Fachgerichtsbarkeit befaßt sich bislang nicht hinreichend mit der Tragweite der Grundrechte und umgekehrt der Tragweite der Entscheidungen für den grundrechtlich geschützten Mindestbestand menschenwürdiger Existenz vor dem Hintergrund moderner, im Massenverkehr Ausnahmen nicht zulassender Zahlungspraktiken. Die Reduktion der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit auf Null als Ergebnis von Pfändung und Verrechnung im Kontokorrent begegnet – wie auch sonst im unantastbaren Kernbereich – auch dann durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Ergebnis vom Kontoinhaber selbst verschuldet ist und auf längerer Entwicklung beruht.
D. Dispositionskredit und Überziehung in der Insolvenz des Kreditnehmers Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die insolvenzrechtliche Beurteilung von Zahlungsströmen, die über das im – vereinbarten, geduldeten oder im Einzelfall zweckgebunden hingenommenen – Soll geführte Konto abgewickelt werden. Die Grundsätze sind vorerst durch die jüngere Rechtsprechung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs geklärt. Einige Fragen verbleiben jedoch.
von Plehwe
32
33
638
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
34
I. Geduldete Überziehung. Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, dann kann die Deckung in der Insolvenz des Schuldners in der Regel mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten werden (BGHZ 170, 276 (279) Rn. 11; BGH ZIP 2007, 601 (602) Rn. 13). Lediglich die Duldung einer Kontoüberziehung gibt dem Schuldner keinen Anspruch auf Kredit und begründet deshalb keine pfändbare Forderung (BGHZ 93, 315 (325); 147, 193 (202); 170, 276 (281) Rn. 14). Daran hält der BGH ungeachtet verbreiteter Auffassung in der Literatur (Nachweise in BGHZ 170, 276 (281) Rn. 14) fest, dass vor der Ausführung der Zahlungsanweisung für eine „logische Sekunde“ ein Kreditvertrag begründet werde, der dann zu einem pfändbaren Anspruch Anlass gebe, der zugleich dem Insolvenzbeschlag unterliege. Zu Recht weist der Bundesgerichtshof darauf hin, daß diese Auffassung der Lehre den grundlegenden Unterschied zwischen einem Dispositionskredit aufgrund eines Konsensualvertrages und einer bloß geduldeten Überziehung, die lediglich eine Chance, aber keinen Anspruch verwirklicht, missachtet (BGHZ 170, 276 (282) Rn. 15). Daß Manipulationen durch geschickte Gestaltung der Zahlungsabwicklung denkbar sein mögen (vgl. etwa die Kritik von Henkel, ZInsO 2004, 1373 f. zu LG Ellwangen ZInsO 2004, 1371; ferner Kummer, juris-PR-BGHZivilR 13/2007 Anm. 2 unter C), mag zutreffen, ändert jedoch an der rechtlichen Überzeugungskraft des Grundsatzes nichts. Durch geduldete Kontoüberziehung (ohne Übergang in einen stillschweigenden, aber auf einem realen Vertragswillen beruhenden Dispositionskredit oder eine konkludente Erweiterung der Kreditlinie) gewährte Liquidität stellt kein den Insolvenzgläubigern haftendes Vermögen dar, solange der fragliche Betrag nicht an den Schuldner ausbezahlt oder auf ein „im pfändbaren Bereich geführtes Konto“ übertragen wird (BGHZ 170, 276 (282) Rn. 15). Damit scheidet eine Insolvenzanfechtung aus. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn die entstehende Forderung durch zur abgesonderten Befriedigung des Kreditinstituts berechtigende Sicherheiten gesichert ist (im konkreten Fall nur aus prozessualen Gründen unbeachtlich; vgl. BGH NJW 2007, 1357 (1360) Rn. 18 (insoweit in BGHZ 170, 276 nicht abgedruckt)): es entsteht eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung, weil der Anspruch auf Rückzahlung des Kredits aus geduldeter Überziehung für die Insolvenzmasse wegen der Besicherung der Schuld im Ergebnis ungünstiger ist als der Anspruch des befriedigten Gläubigers (BGHZ 170, 276 (279 f.) = NJW 2007, 1357 (1358) Rn. 11; MünchKommInsO-Kirchhof, § 129 Rn. 108, 123, 144; Kreft, WuB VI A § 129 InsO 1.07; Kummer, jurisPR-BGHZivilR 13/2007 Anm. 2). Zu beachten ist im übrigen, dass eingeräumte Kredite mit Insolvenzeröffnung zur Rückzahlung fällig werden (§ 41 InsO), ohne dass es einer Kündigung bedarf (dazu im Einzelnen unten Vallender, § 35 Rn. 58 f.).
35
II. Dispositionskredit. Besteht im Rahmen eines gewährten Dispositionskredits ein Anspruch auf Auszahlung, dann ist dieser Anspruch für sich genommen pfändbar (oben Rn. 28). Demzufolge unterliegt er dem Insolvenzbeschlag. Die Inanspruchnahme des Kredits ist deshalb anfechtbar (BGH NJW 2002, 1574 (1575)). Eine Ausnahme gilt dann, wenn in engem zeitlichem Zusammenhang Ein- und Auszahlungen unter Ausnutzung des eingeräumten Kreditrahmens erfolgen; es handelt sich dann um Bargeschäfte und unanfechtbare Rechtshandlungen (oben Rn. 3 mit Nachweisen). Entscheidend sind folglich die Umstände des Einzelfalls, die eine Gesamtschau der Vereinbarungen und Nutzung des Kontokorrentrahmens erfordern.
36
Das nach § 21 II InsO im Insolvenzeröffnungsverfahren angesprochene allgemeine Verfügungsverbot hat mit den Wirkungen der §§ 135, 136 BGB, 24 I, 81, 82 InsO ungeachtet des Fortbestandes des Bankvertrages die Beendigung der in der Kontokorrentvereinbarung liegenden Verfügungs- und Verrechnungsvereinbarung zur Folge (s. im Einzelnen unten Vallender, § 35 Rn. 38).
von Plehwe
§ 20 Teilzahlungsgeschäfte
639
§ 20 Teilzahlungsgeschäfte
Schrifttum Artz, Die Neuregelung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen, BKR 2002, 603; H. Beckmann, Finanzierungsleasing, 2006; ders., in: Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt (Hrsg.), Handbuch des Leasingrechts, 2008; ders., Rechtswirkungen eines unberechtigten Rücktritts von einem Liefervertrag und Auswirkungen auf den Leasingvertrag, WM 2006, 952; Brinkmann, Bewirkt § 6 Abs. 4 des Verbraucherkreditgesetzes, dass Kreditgeber an einer zu niedrigen Effektivzinsangabe festgehalten werden? BB 1991, 1947; Bülow, Verbraucherkreditrecht im BGB, NJW 2002, 1145; Habersack, Verbraucherkredit- und Haustürgeschäfte nach der Schuldrechtsmodernisierung, BKR 2001, 72; Reinicke/Tiedtke, Zweifelsfragen bei der Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes, ZIP 1992, 217; Rott, Widerruf und Rückabwicklung nach der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie und dem Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, in: VuR 2001, 78; I. Saenger, in: Westermann (Hrsg.): Das Schuldrecht 2002, 6. Teil Verbraucherdarlehensrecht, S. 279 ff.; Seckelmann, Schulden (Zins[rück]rechnung) nach dem Verbraucherkreditgesetz, VuR 1993, 212; Thüsing, Zahlungsaufschub i.S. des § 1 Abs. 2 VerbrKrG bei Dienstleistungverträgen mit sukzessiver Leistungserbringung, JR 1999, 273; Tonner, Probleme des novellierten Widerrufsrechts; Nachbelehrung, verbundene Geschäfte, Übergangsvorschriften, BKR 2002, 856; Ulmer, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 9.4.2002 – XI ZR 91/99, ZIP 2002, 1080; Wittig/Wittig, Das neue Darlehensrecht im Überblick, WM 2002, 145. Inhaltsübersicht A. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . 2 B. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . 3 II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . 4 1. Vertragsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Teilzahlungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . 7 4. Drei-Monats-Grenze . . . . . . . . . . . . . . . 8 5. Entgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 6. Verbundene Verträge . . . . . . . . . . . . . . 10 7. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 12 C. Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Erforderliche Angaben . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Barzahlungspreis . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Teilzahlungspreis . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Teilzahlungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4. Effektiver Jahreszins . . . . . . . . . . . . . . 17 5. Versicherungskosten . . . . . . . . . . . . . . 18 6. Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Fernabsatzgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Fernabsatzprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Rechtsfolgen von Formmängeln . . . . . . . 22
1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rückgaberecht des Verbrauchers . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Rücktrittsrecht des Unternehmers . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückabwicklungsschuldverhältnis . . . 2. Nutzungsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . IV. Fingierter Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschluss der Fiktion . . . . . . . . . . . . 3. Verbundene Verträge . . . . . . . . . . . . . . F. Vorzeitige Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschließlicher Teilzahlungsverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorlaufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 23 27 28 28 29 30 31 32 33 33 34 35 35 36 37 38 38 39 40 41 41 42 42 43
Stichwortverzeichnis Angaben, erforderliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Anpassungsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Anwendungsbereich, persönlicher . . . . . . . . . . . . . . 3 Anwendungsbereich, sachlicher . . . . . . . . . . . . . 4, 11 Anwendungsbereich, zeitlicher . . . . . . . . . . . . . . . 12 Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Ausbildungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Ausgliederung, systematische . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bagatellgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Barzahlungspreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 14 Belehrung, (nicht) ordnungsgemäße . . . . . . . . . . . 31 Berechnung, gestaffelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Beweis(-last) . . . . . . . . . . 6, 9, 14, 21, 26, 29, 30, 39 BGB-InfoV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Börsenpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Direktunterrichtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Drei-Monats-Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
H. Beckmann/I. Beckmann
640
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Effektiver Jahreszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 17 Einwendungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Elektronischer Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . 20 Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Entwertungszuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Erhalt der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Existenzgründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 42 Fernabsatzgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Finanzierungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Finanzierungsleasingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Formmängel, Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 ff. Gefahr der Rücksendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Gesamtbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Gesamtfälligstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Haftung des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Heilung von Formmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Kettenkreditverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kleinstbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Kosten, laufzeitabhängige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Kreditkartenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Leistungszeit, vereinbarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 39 Nettodarlehensbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Nutzungsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Partnerschaftsvermittlungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 5 Protokoll, gerichtliche, notarielles . . . . . . . . . . . . . 11 Rabatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Rechtzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Restschuldversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Rückabwicklungsschuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . 35 Rückgaberecht, Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Rückgaberecht, Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Rückgaberecht, Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Rückgabefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Rückgaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 28 ff. Rückgaberecht, Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 29 Rücksendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Rücksendungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Rücktrittsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 ff. Rücktrittsfiktion, Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Rücktrittsrecht des Unternehmers . . . . . . . . . . . 33 ff. Rücktrittsrecht, gesetzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Rücktrittsrecht, Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
1
Rücktrittsrecht, Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 34 Schriftformerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 13 Rücknahmeverlangen, Erklärung . . . . . . . . . . . . . 30 Schuldnerverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . 1 Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Skonti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Softwarekaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Stundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teilzahlungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Teilzahlungsgeschäfte, keine . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Teilzahlungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Teilzahlungspreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Teilzahlungspreis, Berechenbarkeit . . . . . . . . . . . . 15 Teilzahlungsverkauf, ausschließlicher . . . . 14, 17, 42 Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Tilgung, vorzeitige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 ff. Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 31 Überziehungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Unternehmenskaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 33 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Verbraucherdarlehensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Verbraucherverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Verbundene Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 10, 40 Verkaufsprospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Verkaufswert, gewöhnlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Verkürzung, vertragliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Versicherungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Vertragsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vertragsurkunde, Übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Vollmacht, Formbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vorlaufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Vorlaufzeit, vertragliche Verkürzung . . . . . . . . . . . 43 Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Wechsel- und Scheckverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Werklieferungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Wertverschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 21 Wiederansichnehmen der Sache . . . . . . . . . . . . . . 38 Zahlung, vorzeitige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 ff. Zahlungsaufschub, entgeltlicher . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 17, 37, 41 Zinssatz, gesetzlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 37, 42 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
A. Systematik I. Stellung innerhalb des Verbraucherkreditrechts. Nach der Integration des seit 1991 separat im VerbrKrG geregelten Verbraucherkreditrechts ins BGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BGBl. I 2001 3138) befindet sich die Regelung der Teilzahlungsgeschäfte im Abschnitt über Finanzierungshilfen, §§ 499 ff. BGB. Wie bislang bereits § 1 II VerbrKrG gliedern sich die Finanzierungshilfen in einem ersten Schritt in den entgeltlichen Zahlungsaufschub und die sonstigen entgeltlichen Finanzierungshilfen. Die Teilzahlungsgeschäfte sind neben der Stundung die Haupterscheinungsform des entgeltlichen Zahlungsaufschubs, während
H. Beckmann/I. Beckmann
§ 20 Teilzahlungsgeschäfte
641
die Finanzierungsleasingverträge wiederum die Haupterscheinungsform der sonstigen Finanzierungshilfen sind. § 499 II BGB bestimmt, dass für Finanzierungsleasingverträge und Teilzahlungsgeschäfte die in §§ 500 bis 504 BGB geregelten Besonderheiten gelten. Teilzahlungsgeschäfte werden in § 499 II BGB wie zuvor in § 4 I 5 Nr. 2 VerbrKrG legal definiert (siehe dazu Rn. 4). Die vom Gesetzgeber beabsichtigte bessere Unterscheidbarkeit und Übersichtlichkeit der darlehensrechtlichen Bestimmungen (BT-Drucks. 14/ 6040, 256) ist durch die systematische Ausgliederung der Finanzierungshilfen und das damit notwendig gewordene Geflecht von Vor- und Rückverweisungen nicht erreicht worden (kritisch auch: Staudinger-Kessal-Wulf, § 501 Rn. 1; I. Saenger, S. 289). II. Anwendbare Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts. Gem. § 501 BGB gelten für Teilzahlungsgeschäfte nicht alle Regelungen, auf die in § 499 I BGB verwiesen wird, sondern lediglich die §§ 358 f. BGB (verbundene Verträge, Rn. 10), § 492 I 1 bis 4 (Schriftform) sowie § 492 II BGB (Berechnung des Effektivzinses) und § 492 III BGB (Übermittlung der Vertragsurkunde); außerdem § 495 I BGB (Widerruf) und § 496 (Verbot des Einwendungsverzichts, Wechsel- und Scheckverbot), § 497 (Verbraucherverzug) und § 498 BGB (Gesamtfälligstellung). § 493 BGB stellt Sonderregelungen für den Überziehungskredit auf und liefe im Rahmen der Finanzierungshilfen leer; er ist deswegen unanwendbar. Zu den (entsprechend anwendbaren) Regelungen des Verbraucherdarlehensrechts siehe ausführlich § 15. Ansonsten gelten für Teilzahlungsgeschäfte die speziellen Regelungen der §§ 502 bis 504. Die in § 492 IV BGB geregelte Formbedürftigkeit für die Vollmacht, die ein Darlehensnehmer zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags erteilt, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich für den besonders umgehungsanfälligen Bereich der Verbraucherdarlehensverträge gelten (Habersack, BKR 2001, 72 (74); BT-Drucks. 14/7052, 202 f.). Denkbar ist allenfalls eine ausnahmsweise Formbedürftigkeit, wenn die Vollmacht unwiderruflich erteilt oder der Widerruf sanktionsbewehrt, also nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist (so bereits zu § 4 I 1 VerbrKrG OLG München NJW 1999, 1456 (1457); OLG Karlsruhe WM 2000, 1996 (2002 f.); MünchKommBGB-Habersack, § 499 Rn. 31). Der BGH konnte die Frage der Schriftform vor Schaffung des § 492 IV BGB offen lassen (zu § 4 VerbrKrG BGH NJW 2001, 1931; WM 2001, 1663 (1664)), allerdings verneinte er die Pflicht, in die Bevollmächtigung die Mindestangaben des § 4 I 1 VerbrKrG aufzunehmen (BGH a.a.O.), was auch im Bereich der Teilzahlungsgeschäfte Geltung haben dürfte. § 492 IV 1 BGB sieht die Formbedürftigkeit von Verbraucherdarlehensverträgen nach § 492 I und II BGB vor, so dass dem Vollmachtgeber insbesondere der Effektivzinssatz vor Vertragsabschluss vermittelt werden muss, sofern die Vollmacht nicht gem. § 492 IV 2 BGB in notarieller Urkunde erteilt oder von einer Prozessvollmacht umfasst ist. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsgrundsätze des Bankrechtssenats des BGH (XI. Zivilsenat, NJW 2001, 1931; WM 2001, 1663 (1665)) zu den Verbraucherkreditvollmachten nicht übernommen, der auch die in Bauträgerverträgen mit umfassendem Regelwerk enthaltenen allgemeinen Vollmachten zu jeder Art von Kreditaufnahme nach § 167 II BGB für wirksam erachtet und den Formzweck des § 4 I 4 VerbrKrG nicht berücksichtigt hat. Diese Rechtsprechung stand im Gegensatz zu den für Vollmachten bei Grundstücksgeschäften entwickelten Rechtsgrundsätzen, nach denen bei riskanten Geschäften der Formzweck zu beachten ist (vgl. auch OLG München, NJW 1999, 1456 (1457); OLG Karlsruhe, WM 2000, 1966 (2002 f.)). Eine AGB-rechtliche Prüfung dieser Vollmachten durch den Bankrechtssenat ist ebenfalls unterblieben. Die bisher üblichen umfassenden Verbraucherkreditvollmachten im Rahmen von Bauträgerverträgen hat dann jedoch der IX. Zivilsenat wegen Verstoßes gegen § 1 RBerG für nichtig erklärt (BGHZ 145, 265). Deswegen dürfen auch Notare solche Verträge nicht mehr beurkunden.
H. Beckmann/I. Beckmann
2
642
3
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
B. Anwendungsbereich I. Persönlicher Anwendungsbereich. Wie bei allen Verbraucherverträgen kann man auch bei den Teilzahlungsgeschäften einen persönlichen und einen sachlichen Anwendungsbereich unterscheiden. Während der sachliche Anwendungsbereich durch die Definition des Teilzahlungsgeschäfts bestimmt wird, § 499 II BGB (Rn. 4), fallen im Rahmen des persönlichen Anwendungsbereichs nur solche Teilzahlungsgeschäfte unter die §§ 499 ff. BGB, die zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) und einem Unternehmer (§ 14 BGB) abgeschlossen werden, wobei die Vorschriften der §§ 491 bis 506 BGB auch auf Existenzgründer Anwendung finden, § 507 BGB.
4
II. Sachlicher Anwendungsbereich. Eine Legaldefinition der Teilzahlungsgeschäfte findet sich in § 499 II BGB. Teilzahlungsgeschäfte sind Verträge, die die Lieferung einer bestimmten Sache oder die Erbringung einer bestimmten anderen Leistung gegen Teilzahlungen zum Gegenstand haben.
5
1. Vertragsarten. Als Vertragsarten, die die Lieferung einer Sache zum Gegenstand haben, kommen Kaufverträge, aber auch Werk(lieferungs)verträge (zu § 1 VerbrKrG LG Hamburg ZIP 1994, 290 (291)) in Betracht. Sogar der Unternehmenskaufvertrag als Kauf einer Rechtsgesamtheit kann darunter fallen, sofern der Käufer den persönlichen Anwendungsbereich der §§ 13, 507 BGB erfüllt (Bülow/Artz, § 499 Rn. 43). Auch der Softwarekaufvertrag kann in den Anwendungsbereich der Teilzahlungsgeschäfte fallen (Bülow/Artz, § 499 Rn. 43; vgl. H. Beckmann in: Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Leasinghandbuch, § 63 Rn. 11 ff.). Verträge, die die Erbringung einer bestimmten anderen Leistung zum Gegenstand haben, sind beispielsweise Ausbildungsverträge (zu § 1 VerbrKrG BGH NJW 1996, 457 f.), sofern sie tatsächlich einen entgeltlichen Zahlungsaufschub beinhalten (dazu auch Rn. 7) oder Ehe- und Partnerschaftsvermittlungsverträge (zu § 1 VerbrKrG OLG Dresden ZIP 2000, 830 (832); OLG Nürnberg VuR 1996, 62 (63)).
6
2. Teilzahlungsabrede. Die Lieferung bzw. Leistung muss gegen Teilzahlungen erfolgen. Da die Teilzahlungsabrede ein Spezialfall des Zahlungsaufschubs ist, muss auch hier die vereinbarte Leistungszeit zu Gunsten des Verbrauchers vom dispositiven Recht abweichen. Es darf nicht nur die Fälligkeit geregelt werden (zu § 1 VerbrKrG LG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1442). Wird vereinbart, dass der Preis nicht in Teilen, sondern in einem Gesamtbetrag zu einem nach der gesetzlichen Fälligkeit des Barzahlungspreises (§ 271 BGB) vereinbarten Termin zu zahlen ist, und muss der Verbraucher für diese Abrede ein Entgelt bezahlen, so fällt dieses Geschäft dennoch in den Anwendungsbereich der §§ 502 ff. BGB, denn es wäre widersinnig, hier die Angaben des § 492 BGB und nicht die des § 502 BGB zu verlangen. Eine Teilzahlungsabrede dergestalt, dass noch mindestens zwei Raten zu zahlen sind, ist also nicht notwendig (Bülow/Artz, § 499 Rn. 61; zu § 1 VerbrKrG Reinicke/Tiedtke, ZIP 1997, 217 (218)). Der Verkäufer trägt die Beweislast dafür, dass eine Einigung zwischen den Parteien über ein Bar- und nicht ein Teilzahlungsgeschäft erfolgt ist, wenn er bspw. die Zahlung des gesamten Preises bzw. des Restkaufpreises verlangt (Bülow/Artz, § 499 Rn. 66; Erman-I. Saenger, § 499 Rn. 19). Ergibt sich dabei aus einer vom Verkäufer vorgelegten Vertragsurkunde, dass ein Bargeschäft ohne Teilzahlungsabrede geschlossen wurde, muss der Verbraucher Beweis gegen den Inhalt der Urkunde führen (zum AbzG BGH NJW 1980, 1680; Staudinger-Kessal-Wulf, § 499 Rn. 32).
7
3. Dauerschuldverhältnisse. Keine Teilzahlungsgeschäfte sind grundsätzlich Dauerschuldverhältnisse (z.B. Direktunterrichtsverträge, siehe Bülow/Artz, § 499 Rn. 45), bei denen die Gegenleistung über die Laufzeit des Vertrags verteilt ist, auch wenn die in Raten zurückzuzahlende Summe höher ist als der vorauszuzahlende Barbetrag, wenn kein ver-
H. Beckmann/I. Beckmann
§ 20 Teilzahlungsgeschäfte
643
tragliches Abweichen von der Leistungszeit zu Gunsten des Verbrauchers vorliegt, es sei denn, es wurde eine Teilzahlungsabrede getroffen, die einen Zahlungsaufschub von mehr als drei Monaten über die Fälligkeit hinaus einräumt (zu § 1 VerbrKrG BGH NJW 1996, 457 (458); NJW-RR 1996, 1266; a. A. OLG Stuttgart ZIP 1993, 1466 (1467), das bei einer Vertragsgestaltung, die sich in der Wortwahl an Teilzahlungsgeschäften orientiert, das VerbrKrG anwenden will; LG Göttingen NJW-RR 1993, 181; Thüsing, JR 1999, 273 (274 ff.)). 4. Drei-Monats-Grenze. Unanwendbar sind die §§ 491 ff. BGB auch auf Teilzahlungsgeschäfte, bei denen dem Verbraucher ein entgeltlicher Zahlungsaufschub von drei Monaten und weniger gewährt wird, § 499 I BGB. Zwischen dieser Drei-Monats-Grenze und der Bagatellgrenze (Rn. 11) besteht keine Alternativität, sie können sich vielmehr überlagern (Bülow/Artz, § 499 Rn. 101; a. A. zu § 3 VerbrKrG Graf von Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, § 3 Rn. 36). So steht zwar die Drei-Monats-Grenze der Anwendung des Verbraucherkreditrechts nicht entgegen, wenn der Kaufpreis erst nach mehr als drei Monaten zu tilgen ist, es greift aber § 491 II Nr. 1 BGB, sollte der Bagatellpreis 200 Euro nicht übersteigen. Kettenkreditverträge mit einer Laufzeit von jeweils weniger als drei Monaten können den Umgehungstatbestand aus § 506 S. 2 BGB erfüllen (StaudingerKessal-Wulf, § 499 Rn. 24). Kreditkartenverträge fallen erst dann in den Anwendungsbereich des § 499 BGB, wenn der Kunde mehr als drei Monate Zeit zur Zahlung hat (was regelmäßig nicht der Fall ist) und ihm für den Zahlungsaufschub ein Entgelt berechnet wird.
8
5. Entgeltlichkeit. Auch das Teilzahlungsgeschäft muss entgeltlich iSv § 499 Abs. 1 BGB sein. Es genügt für Entgeltlichkeit jede Art von Gegenleistung, sie kann auch geringfügig sein (zu § 1 VerbrKrG OLG Köln ZIP 1994, 776 f.), Kleinstbeträge (unter 1 Euro) sind allerdings unerheblich (LG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1442 (1443)). Dabei ist es gleichgültig, ob das Entgelt in Zinsen, einer einmaligen Vergütung, einem Teilzahlungsaufschlag oder einer Gebühr besteht oder in den Rückerstattungsanspruch eingerechnet wird, wenn nur der Teilzahlungspreis höher als der Barzahlungspreis ist (Palandt-Weidenkaff , Vorb. v. § 499 Rn. 6). § 502 I 2 BGB stellt eine unwiderlegliche Vermutung für die Entgeltlichkeit der Teilzahlungsabrede auf und schneidet damit dem Unternehmer, der nur gegen Teilzahlungen Sachen liefert oder Leistungen erbringt, den Einwand ab, er berechne keinen Teilzahlungsaufschlag, weshalb kein Teilzahlungsgeschäft vorliege (Erman-I. Saenger, § 499 Rn. 19; MünchKommBGB-Habersack, § 499 Rn. 9; a. A. OLG Jena VuR 2002, 300; LG Hamburg ZIP 1994, 290 (291); BeckOK-Möller, § 499 Rn. 3). Zudem spricht bei der Bewilligung von Ratenzahlungen grds. der Beweis des ersten Anscheins für die Entgeltlichkeit des Geschäfts, da durch die Ratenzahlungsvereinbarung für den Unternehmer regelmäßig höhere Kosten entstehen, die er typischerweise an den Verbraucher bei der Berechnung des Endpreises zurückgibt (OLG Karlsruhe WM 1998, 2156; OLG Köln ZIP 1994, 776 (777); OLG Stuttgart NJW-RR 1994, 436; a. A. OLG Dresden ZIP 2000, 830). Beruft sich der Unternehmer auf das Gegenteil, so hat er darzulegen und zu beweisen, dass seine Preiskalkulation eine Weitergabe der Mehrkosten an den Verbaucher nicht vorsieht (LG Hamburg ZIP 1994, 290; Staudinger-Kessal-Wulf, § 499 Rn. 31).
9
6. Verbundene Verträge. Teilzahlungsgeschäfte erfüllen für sich genommen noch nicht den Tatbestand der verbundenen Verträge i. S. v. § 358 III BGB (so wohl auch Habersack, BKR 2001, 72 (74); Bülow/Artz, § 501 Rn. 4). Für eine entsprechende Anwendung der §§ 358, 359 BGB ist in der Regel mangels Vorliegens zweier zu verbindender Verträge kein Raum, da die Abrede über die Finanzierungshilfe nur ein unselbständiger Bestandteil des Sachliefervertrages oder des Vertrages zur Erbringung einer anderen Leistung ist
10
H. Beckmann/I. Beckmann
644
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
(Bülow/Artz, § 499 Rn. 109; MünchKommBGB-Habersack, § 499 Rn. 17, 30; a. A. BeckOK-Möller, § 499 Rn. 8). Ein Teilzahlungsgeschäft kann aber seinerseits finanziert werden und mit dem Darlehensvertrag einen verbundenen Vertrag i. S. v. § 358 III BGB darstellen. 11
7. Ausnahmen. § 499 III 1 BGB stellt klar, dass für den sachlichen Anwendungsbereich der Finanzierungshilfen dieselben Ausnahmen gelten wie für Verbraucherdarlehensverträge. Für Teilzahlungsgeschäfte wichtig sind allerdings in der Praxis nur zwei Ausnahmen: (1) Bis zu einem Barzahlungspreis von 200 Euro einschließlich sind die §§ 491 ff. BGB auf Teilzahlungsgeschäfte nicht anwendbar (Bagatellgeschäfte), § 491 II Nr. 1 BGB. (2) Wird ein Teilzahlungsgeschäft gerichtlich oder notariell protokolliert, so sind die §§ 492 bis 495 BGB sowie § 358 II, IV und V BGB nicht anwendbar, § 491 III Nr. 1 BGB. § 499 III 2 BGB zollt einer Besonderheit der Teilzahlungsgeschäfte Tribut: Im Rahmen des § 491 II Nr. 1 BGB, wonach das Verbraucherdarlehensrecht auf Darlehen keine Anwendung findet, deren Nettodarlehensbetrag 200 Euro nicht übersteigt, tritt an die Stelle des Nettodarlehensbetrags der Barzahlungspreis (siehe dazu noch Rn. 14).
12
III. Zeitlicher Anwendungsbereich. Für nach dem 31.12.2001 abgeschlossene Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch die Teilzahlungsgeschäfte gehören, gelten diese Regelungen gemäß der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB seit dem 01.01.2002. Für vor dem 01.01.2002 abgeschlossene Teilzahlungsgeschäfte gelten bis zum 31.12.2002 das VerbrKrG, danach die §§ 499 ff. BGB, soweit die Vertragsparteien nicht bereits für das Jahr 2002 die Geltung der §§ 499 ff. BGB vertraglich vereinbart haben (Wittig/Wittig, WM 2002, 145 (155)).
13
C. Formvorschriften I. Erforderliche Angaben. Wie für Verbraucherdarlehensverträge gilt auch für Teilzahlungsgeschäfte gem § 501 BGB das Schriftformerfordernis des § 492 I 1 – 4 BGB. Für den schriftlich festzuhaltenden Vertragsinhalt gilt die spezielle Regelung des § 502 I BGB. Ausnahmen gelten für die Teilzahlungsgeschäfte im Fernabsatz (Rn. 20 ff.).
14
1. Barzahlungspreis. Der Barzahlungspreis ist das Äquivalent für den in § 491 II Nr. 1 BGB legal definierten Nettodarlehensbetrag. Unter Barzahlungspreis ist der übliche Preis einschließlich Umsatzsteuer zu verstehen, der bei einem Barzahlungsgeschäft zu zahlen wäre (z.B. der Listenpreis); Rabatte und Skonti dürfen nicht abgezogen werden (Bülow/ Artz, § 502 Rn. 14 f.). Liefert der Unternehmer Sachen bzw. erbringt er Leistungen ausschließlich gegen Teilzahlungen (ausschließlicher Teilzahlungsverkauf), so bedarf es der Angabe eines Barzahlungspreises nicht, vgl. § 502 I 2 BGB. Den Unternehmer trifft die Beweislast für das Vorliegen eines ausschließlichen Teilzahlungsverkaufs, da § 502 I 2 BGB eine für ihn günstige Sonderregelung darstellt (BeckOK-Möller, § 502 Rn. 9). Der Verbraucher trägt die Beweislast für einen vom Unternehmer eingesetzten effektiv überhöhten Barzahlungspreis nach allgemeinen Regeln, da es für ihn günstig ist, dass sich in diesem Fall der Teilzahlungspreis um den Prozentsatz vermindert, um den der effektive oder anfängliche effektive Jahreszins zu niedrig angegeben ist (§ 502 III 6 BGB).
15
2. Teilzahlungspreis. Der Teilzahlungspreis ist in § 501 I 2 Nr. 2 BGB legal definiert. Es handelt sich dabei um den Gesamtbetrag von Anzahlung und allen vom Verbraucher zu entrichtenden Teilzahlungen einschließlich Zinsen und sonstigen Kosten. Der Teilzahlungspreis ist der Betrag, den der Verbraucher bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Teilzahlungsvertrages tatsächlich bezahlen muss (Palandt-Weidenkaff, § 502 Rn. 6). Dieser Betrag muss tatsächlich errechnet werden, bloße Berechenbarkeit reicht nicht aus (zu § 1 a AbzG OLG Hamm NJW-RR 1989, 370 (371)). Der Teilzahlungspreis muss die Um-
H. Beckmann/I. Beckmann
§ 20 Teilzahlungsgeschäfte
645
satzsteuer enthalten (Bülow/Artz, § 502 Rn. 18). Zum Teilzahlungspreis gehören des weiteren Versicherungskosten, nicht aber Fracht-, Porto- oder Überweisungskosten, weil diese auch bei Abschluss eines Bargeschäftes entstehen (Bülow/Artz, § 502 Rn. 18). 3. Teilzahlungsplan. Angegeben werden müssen auch Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen, § 502 I 1 Nr. 3 BGB. Damit der Verbraucher die Gesamtbelastung sofort erkennen kann und nicht gezwungen ist, eigene Berechnungen anzustellen, ist die gesamte Belastung in einer Summe anzugeben, d.h. die einzelnen Raten sind in ihrer absoluten Höhe auszurechnen (Bülow/Artz, § 502 Rn. 21).
16
4. Effektiver Jahreszins. Der effektive Jahreszins, dessen Angabe in § 502 I 1 Nr. 4 BGB verlangt wird, ist in § 492 II BGB legal definiert als die in einem Prozentsatz des Nettodarlehensbetrags anzugebende Gesamtbelastung pro Jahr, wobei sich dessen Berechnung nach § 6 PAngVO (i.d.F. der Bekanntmachung v. 28.07.2000 (BGBl. I 2000, 1244)) richtet. Wenn der Unternehmer nur gegen Teilzahlungen Sachen liefert bzw. Leistungen erbringt (ausschließlicher Teilzahlungsverkauf), bedarf es der Angabe des effektiven Jahreszinses nicht, § 502 I 2 BGB. Hat der Unternehmer einen variablen Zinssatz vereinbart, so ist der anfängliche effektive Zinssatz anzugeben. Das Fehlen der Pflicht zur Angabe des anfänglichen effektiven Jahreszinses in § 502 I 2 BGB beruht darauf, dass in der Praxis variable Konditionen bei Teilzahlungsgeschäften selten vereinbart werden und der Gesetzgeber von derartigen Vereinbarungen nicht ausging (Erman-I. Saenger, § 502 Rn. 12; MünchKommBGB-Habersack, § 502 Rn. 11; Staudinger-Kessal-Wulf, § 502 Rn. 9). Ein Hinweis hierauf dürfte aufgrund eines Redaktionsversehens in § 502 I 1 Nr. 4 BGB unterblieben sein, denn in § 502 III 6 BGB ist der anfängliche effektive Zinssatz genannt (ähnlich Bülow/Artz, § 502 Rn. 23).
17
5. Versicherungskosten. Die Versicherungskosten, die anzugeben sind (§ 502 I 1 Nr. 5 BGB), beinhalten insb. die Kosten einer Restschuldversicherung. Sollten sie bei Vertragsschluss noch nicht beziffert werden können, müssen sie doch zumindest berechenbar sein (so zu § 492 I 5 Nr. 6 BGB Palandt-Weidenkaff, § 492 Rn. 14).
18
6. Sicherheiten. § 502 I 1 Nr. 6 BGB sieht die Angabe eines vereinbarten Eigentumsvorbehalts (§ 449 BGB) oder anderer zu bestellender Sicherheiten vor. Gegenstand der Angabe sind der Sicherungsvertrag (nicht der dingliche Bestellungsakt selbst) bzw. bei der Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts (einschließlich von Verlängerungs- oder Erweiterungsformen) der betreffende Teil des Kaufvertrags (Bülow/Artz, § 502 Rn. 27). Sicherheiten müssen nur angegeben werden, sofern sie bestellt sind, wobei die Sicherheitenbestellung in einer anderen Urkunde erfolgen kann, sie im Teilzahlungsvertrag bestimmt bezeichnet worden oder – soweit die Sicherheit bereits bestellt worden ist – ein Hinweis auf ihr Bestehenbleiben erfolgt ist (so zu § 492 I S. 5 Nr. 7 BGB Palandt-Weidenkaff, § 492 Rn. 15). Fehlen Angaben über die Bestellung von Sicherheiten in der Vertragserklärung, so kann eine Sicherheit nicht vom Unternehmer gefordert werden (§ 502 III 5 BGB). Der Vertrag bleibt wirksam, allerdings ohne Sicherheit für den Unternehmer.
19
II. Fernabsatzgeschäfte. 1. Grundsatz. Bei einem Teilzahlungsgeschäft im Versandhandel (Fernabsatzgeschäft i. S. v. § 312b BGB) gelten grundsätzlich die §§ 499 – 504 BGB. Zu beachten sind aber nach § 502 II BGB die für den elektronischen Geschäftsverkehr gebotenen Erleichterungen für das Schriftformerfordernis (§ 492 I 1 bis 4 BGB), für die Übermittlung der Vertragsurkunde (§ 492 III BGB) sowie für den Vertragsinhalt (§ 502 I BGB).
20
2. Fernabsatzprivileg. Sind die Angaben, die § 502 I 1 BGB vorschreibt, mit Ausnahme des Betrags der einzelnen Teilzahlungen sowie der Sicherungsabrede (§ 502 I 1 Nr. 6 BGB) und der Versandkosten dem Verbraucher so rechtzeitig in Textform (§ 126b BGB),
21
H. Beckmann/I. Beckmann
646
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
z.B. durch einen Verkaufsprospekt oder einen Versandhandelskatalog, mitgeteilt, dass dieser die Angaben vor dem Abschluss des Vertrags eingehend zur Kenntnis nehmen kann, gelten die strengen Regelungen der §§ 502 I, 492 I 1 bis 4, III BGB nicht. Die übrigen Vorschriften für Teilzahlungsgeschäfte gelten trotzdem. Die in den §§ 495, 503 I BGB und in § 312d I BGB geregelte Widerrufs- und Rückgaberechte haben nebeneinander Bestand (Palandt-Weidenkaff, § 502 Rn. 12; a. A. Bülow, NJW 2002, 1145 (1149)), der durch eine teleologische Extension des § 358 II 2 BGB zu einem Ausschluss des § 495 BGB kommt, wenn das Teilzahlungsgeschäft zugleich nach § 312d BGB widerruflich ist). Rechtzeitig bedeutet dabei, dass der Verbraucher in einer angemessenen Zeit vor dem Vertragsabschluss die Angaben zur Kenntnis nehmen kann. Die Festlegung von entsprechenden Bedenkzeiten (Palandt-Weidenkaff, § 502 Rn. 11: zumindest einige Tage; a. A. Erman-I. Saenger, § 502 Rn. 18: vor Vertragsschluss eingehend) wird als willkürlich und kaum kontrollierbar kritisiert (MünchKommBGB-Habersack, § 502 Rn. 24). Die Parteien müssen jeweils den Beweis für den Inhalt der von ihnen abgegebenen Erklärungen antreten (Palandt-Grüneberg, § 355 Rn. 23). Der Unternehmer muss den Informationsinhalt seiner in Textform abgegebenen Erklärung beweisen. Will er sich auf die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist durch den Verbraucher berufen, muss er darlegen und beweisen, dass und wann er den Verbaucher ordnungsgemäß belehrt hat. Der Verbraucher trägt die Beweislast für die rechtzeitige Ausübung seines Widerrufs- oder Rückgaberechts. 22
III. Rechtsfolgen von Formmängeln. 1. Grundsatz. Ist die Schriftform des § 492 I 1 bis 4 BGB insgesamt nicht eingehalten oder fehlt auch nur eine der Angaben des § 502 I 1 Nr. 1 bis 5 BGB (Nr. 6 ist davon ausgenommen) und sind diese Angaben auch nicht nach § 502 I 2 oder II BGB entbehrlich, ist der Teilzahlungsvertrag nichtig (§ 125 BGB).
23
2. Heilung. Eine Heilung dieser Mängel der Form oder des Inhalts ist nur durch Übergabe der Sache oder Erbringung der Leistung möglich (§ 502 III 2 BGB).
24
a) Eine Übergabe liegt in der Verschaffung des unmittelbaren Besitzes i. S. v. § 929 BGB. Erforderlich ist, dass der Käufer durch die Ansichnahme der Sache nach dem formnichtigen Vertragsschluss seinen Kaufentschluss erneut bekundet (zu § 1a AbzG BGH NJW 1977, 1632 (1633)). Problematisch ist jedoch die Frage, ob grundsätzlich und in jedem Fall ein unmittelbarer Besitzerwerb durch den Verbraucher erforderlich ist oder die Übergabe auch durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses i. S. v. § 930 BGB oder durch Abtretung eines Herausgabeanspruchs i. S. v. § 931 BGB erfolgen kann (für eine Heilung durch Übergabesurrogate Bülow/Artz, § 502 Rn. 42; dagegen Palandt-Weidenkaff, § 502 Rn. 14). Die Vereinbarung eines Besitzkonstitus ist – unter Aufgabe der in der Vorauflage vertretenen Ansicht – nicht ausreichend, da der Verkäufer nicht jede besitzrechtliche Position aufgibt. Der Käufer erlangt nicht die unmittelbare Verfügungsgewalt über die Sache, sondern wird nur mittelbarer Besitzer. Die Übergabe kann jedoch durch Abtretung des dem Verkäufer gegen einen Dritten zustehenden Herausgabeanspruchs ersetzt werden, da Verkäufer durch die Abtretung seine besitzrechtliche Position verliert und der Verbraucher zumindest die Möglichkeit der Besitzverschaffung erhält, wenn er von dem Dritten die Sache herausverlangt (Staudinger-Kessal-Wulf, § 502 Rn. 13). Da es auch in diesem Zusammenhang auf die erneute Manifestation des Kaufentschlusses ankommt, ist eine Abtretung des Herausgabeanspruchs vor Vertragsschluss nicht ausreichend (MünchKommBGB-Habersack, § 502 Rn.30; Staudinger-Kessal-Wulf, § 502 Rn. 13).
25
b) Für die Leistungserbringung gilt Entsprechendes. Eine Leistung ist erbracht, wenn der Verpflichtete sie bewirkt hat (§ 362 I BGB). Auch hier kommt es darauf an, dass die Leistung nach Abschluss des formnichtigen Vertrages erbracht bzw. entgegengenommen
H. Beckmann/I. Beckmann
§ 20 Teilzahlungsgeschäfte
647
wird. Infolgedessen wird der Mangel geheilt, das Teilzahlungsgeschäft wird gültig, jedoch nur unter den in § 502 III 3 bis 6 BGB beschriebenen Einschränkungen. c) Verlangt der Unternehmer vom Verbaucher nunmehr die Zahlung des Kaufpreises, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für einen erneuten Vertragsentschluss des Verbrauchers (Bülow/Artz, § 502 Rn. 44).
26
3. Einschränkungen. Fehlt die Angabe des Teilzahlungspreises oder des effektiven Jahreszinses, so ist der Barzahlungspreis höchstens mit dem gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB: 4%, bei Existenzgründern ggf. § 352 HGB: 5%) zu verzinsen. Ist ein Barzahlungspreis nicht genannt, so gilt im Zweifel der Marktpreis als Barzahlungspreis (§ 502 III 4 BGB), wobei der Marktpreis der am Erfüllungsort für Waren oder Leistungen der den Teilzahlungsgeschäften zu Grunde liegenden Gattung geforderte Durchschnittspreis ist (zu § 1a III AbzG BGH NJW 1979, 758 (759); zu § 6 VerbrKrG Staudinger-Kessal-Wulf, § 6 Rn. 40). Sicherheiten, die im Vertrag nicht angegeben sind, kann der Unternehmer nicht verlangen, § 502 III 5 BGB. Lässt sich der Verbraucher auf einen Eigentumsvorbehalt ein und wird der zunächst nichtige Teilzahlungsvertrag sodann durch Übergabe geheilt, hat der Verbraucher einen Anspruch auf bedingungslose Übereignung (Bülow/Artz, § 502 Rn. 54). Ist der effektive oder anfängliche effektive Jahreszins zwar angegeben, ist diese Angabe aber zu niedrig, so vermindert sich der Teilzahlungspreis um den Prozentsatz, um den der effektive oder anfängliche effektive Jahreszins zu niedrig angegeben ist, § 502 III 6 BGB. Der Teilzahlungspreis verringert sich um denselben absoluten Prozentbetrag, welcher der Differenz zwischen wirklichem und fälschlich angegebenem Effektivzinssatz entspricht (Berechnungsbeispiel bei Brinkmann, BB 1991, 1947 (1948); Erman-I. Saenger, § 502 Rn. 37), wobei der Barzahlungspreis und der gesetzliche Zinssatz nicht unterschritten werden dürfen (Bülow/Artz, § 502 Rn. 57; Palandt-Weidenkaff, § 502 Rn. 19). Die Verminderung kann der Verbraucher entweder durch eine Verringerung der Raten bei gleicher Laufzeit oder durch eine Verkürzung des Tilgungszeitraums bei gleichen Raten geltend machen (Anpassungsberechnung); insofern hat er ein Wahlrecht (Bülow/Artz, § 502 Rn. 58).
27
D. Rückgaberecht des Verbrauchers
28
I. Allgemeines. Soweit ausdrücklich durch Gesetz zugelassen, kann ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB beim Vertragsschluss auf Grund eines Verkaufsprospekts unter den Voraussetzungen des § 356 BGB durch ein Rückgaberecht ersetzt werden. Von dieser Ermächtigung macht § 503 I BGB bei Teilzahlungsgeschäften Gebrauch. Durch die Rückgabe des Vertragsgegenstands wird der Verbraucher genauso geschützt wie durch den Widerruf des Vertrags; überdies entspricht dieses Prozedere der üblichen Verfahrensweise im Versandhandel und vereinfacht die Abwicklung des Vertrages erheblich. Es ist zu beachten, dass bei Vorliegen eines Fernabsatzgeschäfts i. S. v. § 312b BGB neben den verbraucherkreditrechtlichen Widerrufs- und Rückgabemöglichkeiten dem Verbraucher auch ein Widerrufs- und Rückgaberecht nach § 312d BGB zustehen kann (insofern irrt Bülow/Artz, § 503 Rn. 11, der auf den nicht darlehensfinanzierten Teilzahlungsvertrag § 358 II 2 BGB anwenden will). II. Voraussetzungen. Die Voraussetzungen für die Ersetzung des Widerrufsrechts nach § 355 BGB durch ein Rückgaberecht ergeben sich bei Verbraucherverträgen aus § 356 BGB. Das Rückgaberecht setzt seine wirksame Einbeziehung in den Vertrag voraus, was nach § 356 I 2 gegeben ist, wenn im Verkaufsprospekt eine deutlich gestaltete Belehrung über das Rückgaberecht enthalten ist (Nr. 1), der Verbraucher den Verkaufsprospekt in Abwesenheit des Unternehmers eingehend zur Kenntnis nehmen konnte (Nr. 2) und dem
H. Beckmann/I. Beckmann
29
648
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Verbraucher das Rückgaberecht in Textform (§ 126b BGB) eingeräumt wird (Nr. 3). Der Verbraucher muss den Teilzahlungsvertrag auf Grund des Verkaufprospekts schließen, d. h. der Verkaufsprospekt muss ihm zeitlich vor der Abgabe seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung vorgelegen haben (Bülow/Artz, § 503 Rn. 17). Der Gegenstand des Teilzahlungsgeschäfts muss eine bewegliche Sache sein, denn nur diese kann i. S. v. § 356 II BGB zurückgesandt werden oder Gegenstand eines Rücknahmeverlangens sein, so dass als mögliche Vertragsarten nur Kauf-, Werk- und Werklieferungsverträge in Betracht kommen. Der Unternehmer muss Beweis antreten dafür, dass der Verbraucher bei Abgabe seines Kaufangebots den Inhalt des Verkaufsprospekts kannte (Staudinger-Kessal-Wulf, § 503 Rn. 11). Ihn trifft die Beweislast für die Ersetzung des Widerrufs- durch das Rückgaberecht und den Beginn des Fristlaufs durch eine ordnungsgemäße Belehrung (Bülow/Artz, § 503 Rn. 41). 30
III. Ausübung. Die Ausübung des Rückgaberechts erfolgt bei Sachen, die durch (Post-) Paket versandt werden können, durch Rücksendung (§ 356 II 1. Alt. BGB), ein Rücknahmeverlangen allein hat bei diesen Sachen keine Wirkung (Palandt-Grüneberg, § 356 Rn. 8). Kann die Sache nicht durch (Post-)Paket versandt werden, reicht die Erklärung des Rücknahmeverlangens (§ 356 II 2. Alt BGB), die in Textform (§ 126b BGB) zu erklären ist, wobei es einer Begründung nicht bedarf, § 356 II 2 i. V. m. § 355 I 2 BGB. Für die Rückgabefrist gelten die Vorschriften über die Widerrufsfrist entsprechend. Die Rückgabefrist beginnt nicht vor Erhalt der Sache (§ 356 II 1 BGB), wobei mit Erhalt der Sache der Zeitpunkt gemeint ist, in dem der Verbraucher die Möglichkeit hat, die Sache zu untersuchen (Bülow/Artz, § 503 Rn. 32). Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Sache bzw. das Rücknahmeverlangen, § 356 II 2 i. V. m. § 355 I 2 BGB. Der Verbraucher trägt die Beweislast für die Ausübung des Rückgaberechts und die rechtzeitige Absendung der Ware oder des Rücknahmeverlangens (Bülow/Artz, § 503 Rn. 41). Will der Verbraucher seine Rückgabeerklärung wegen Irrtums anfechten, muss er die Voraussetzungen der Anfechtung (§§ 119 ff. BGB), insb. das Vorliegen eines erheblichen Irrtums darlegen und beweisen.
31
IV. Erlöschen. Das Rückgaberecht erlischt zwei Wochen nach Erhalt der Ware, wenn die Frist durch eine ordnungsgemäße Belehrung durch den Unternehmer über das Rückgaberecht in Gang gesetzt wurde (§ 356 II 2 i. V. m. § 355 I 2 BGB). Ist der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Rückgaberecht belehrt worden, erlischt dieses nicht (355 III 3 BGB) und kann bis zur Grenze der Verwirkung (§ 242 BGB) geltend gemacht werden. Die Sechs-Monats-Frist des § 355 III 1 BGB findet nur für Fernabsatzverträge und Teilzeitwohnrechteverträge Anwendung, bei denen der Fristlauf neben der Belehrung auch von der Erfüllung von Informationspflichten nach BGB-InfoV abhängt (§§ 312 d II, 485 IV BGB, § 4 I 2 FernUSG); dies geht aus dem Wortlaut des missglückt formulierten § 355 III BGB nicht ohne weiteres hervor (kritisch zur Neuregelung auch Artz, BKR 2002, 603 (605); Ulmer, ZIP 2002, 1080 (1082); zu den Übergangsvorschriften bzgl. § 355 III BGB siehe Artz, a.a.O. 603 (609)). Dem Unternehmer bleibt bei fehlender Widerrufsbzw. Rückgabebelehrung allerdings das Recht, den Verbraucher nachträglich zu belehren und damit die Widerrufs- bzw. Rückgabefrist auf einen Monat zu verkürzen, § 355 I 2 BGB (Tonner, BKR 2002, 856 (857 f.))
32
V. Rechtsfolgen. Mit wirksamer Ausübung des Rückgaberechts treten die Rechtsfolgen des § 357 BGB ein. Es entsteht ein Rückabwicklungsschuldverhältnis (§ 357 I 1 i. V. m. §§ 346 ff. BGB), wobei allerdings die Besonderheiten des § 357 BGB gelten. Die empfangenen Leistungen sind Zug um Zug zurückzugewähren (§§ 346 I, 348 BGB). Der Unternehmer muss grundsätzlich die Kosten und die Gefahr der Rücksendung tragen (§ 357 II 2 BGB). Bei Fernabsatzverträgen kann bei Bestellungen bis zu einem Bruttopreis von
H. Beckmann/I. Beckmann
§ 20 Teilzahlungsgeschäfte
649
40 Euro der Unternehmer dem Verbraucher die regelmäßigen Rücksendungskosten vertraglich auferlegen, wenn ein Widerrufsrecht nach § 312d I 1 BGB besteht, nicht aber bei Bestehen eines Rückgaberechts i. S. v. § 356 BGB (§ 357 II 3 BGB). Dies kann in zulässiger Weise auch durch AGB geschehen. Formularmäßige Vertragsgestaltungen, die eine einheitliche Bestellung (vgl. Palandt-Heinrichs, § 139 Rn. 5) mehrerer Sachen in Verträge unter 40 Euro aufspalten, sind wegen Verstoßes gegen die Generalklausel des § 307 BGB unwirksam. Über die regelmäßigen Kosten hinausgehende Mehrkosten muss der Unternehmer tragen. Hat der Unternehmer nicht die bestellte Ware geliefert (§ 434 BGB: mangelhafte Ware, auch Falschlieferung), besteht weder eine Rücksendungs- noch eine Kostentragungspflicht des Verbrauchers (§ 357 II 3 letzter Halbs. BGB). Nach § 439 II BGB muss der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insb. Transport-, Wege-, Arbeits-, und Materialkosten tragen. § 357 III BGB sieht eine gesteigerte Haftung des Verbrauchers für die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandenen Verschlechterungen unter den dort genannten Voraussetzungen vor (zustimmend zu diesen Rechtsfolgen Habersack, BKR 2001, 72 (74); kritisch Bülow, NJW 2002, 1145 (1148 f.); Rott, VuR 2001, 78 (85) sieht in § 357 III BGB einen Verstoß gegen die FernAbsRL; a. A. Palandt-Grüneberg, § 357 Rn. 14, der einen Verstoß gegen Gemeinschaftrecht ablehnt).
E. Rücktrittsrecht des Unternehmers
33
I. Allgemeines. Der Unternehmer hat ein Kündigungsrecht bei Zahlungsverzug des Verbrauchers, § 501 S. 1 i. V. m. § 498 BGB. § 503 II 1 bis 3 BGB bestimmt, dass dem Unternehmer unter den gleichen Voraussetzungen ein gesetzliches Rücktrittsrecht (§ 323 BGB) zusteht. Dem Unternehmer steht ein Wahlrecht zwischen Kündigung und Rücktritt zu (Staudinger-Kessal-Wulf, § 503 Rn. 29). Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen muss sich der Unternehmer bei Ausübung des Rechts ausdrücklich erklären, damit sich der Verbraucher darauf einstellen kann, welches Recht der Unternehmer ausgeübt hat (MünchKommBGB-Habersack, § 503 Rn. 12). Auf einen möglichen Rücktritt des Verbrauchers ist § 503 II BGB nicht anwendbar, so dass in diesem Fall die allgemeinen Regeln, z. B. bei Unmöglichkeit die §§ 323, 326 V BGB oder wegen Mängeln die §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB gelten. II. Voraussetzungen. Voraussetzung ist, dass der Verbraucher in dem in § 498 I BGB beschriebenen Umfang mit Teilzahlungen in Schuldnerverzug (§ 286 BGB) gerät. Das ist der Fall, wenn der Verbaucher mit mindestens zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mindestens 10%, bei einer Laufzeit des Darlehensvertrages über drei Jahre mit 5% des Nennbetrages des Darlehens oder des Teilzahlungspreises in Verzug ist (Nr. 1) und der Unternehmer dem Verbaucher erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrags mit der Erklärung gesetzt hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschlud verlange (Nr. 2). Diese „qualifizierte Mahnung“ muss eine genaue Bezifferung des Betrages, von dessen fristgerechter Zahlung der Fortbestand des Vertrages abhängt, enthalten (BGH NJW 1996, 2033). Wird eine – wenn auch nur geringfügige – Zuvielforderung geltend gemacht, sind Kündigungsandrohung und Kündigung unwirksam (BGH ZIP 2005, 406; H. Beckmann, Finanzierungsleasing, § 3 Rn. 301 m.w.N.). Unzulässig ist das Verlangen nach einem Zahlungseingang innerhalb der Frist (OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 780). Der Unternehmer soll dem Verbraucher auch ein Vergleichsgespräch i. S. v. § 498 I 2 BGB anbieten (PalandtWeidenkaff, § 503 Rn. 7; Bülow/Artz, § 503 Rn. 49). Hierbei handelt es sich nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, so dass beim Fehlen eines solchen Gesprächsangebots der Rücktritt oder die Kündigung nicht unwirksam sind. Ein Verstoß gegen diese Sollvor-
H. Beckmann/I. Beckmann
34
650
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
schrift kann allerdings bedeutsam werden bei der Frage, ob Kündigung oder Rücktritt rechtsmissbräuchlich sind (Erman-I. Saenger, § 503 Rn. 8). 35
III. Rechtsfolgen. 1. Rückabwicklungsschuldverhältnis. Tritt der Unternehmer zurück, so entsteht zwischen ihm und dem Verbraucher ein Rückabwicklungsschuldverhältnis, das sich nach den Rücktrittsregeln richtet (§§ 346 ff. BGB), mit der Besonderheit eines Aufwendungsersatzanspruchs (§ 503 II 2 BGB) und der Begrenzung der Nutzungsvergütung (§ 503 II 3 BGB). Die Parteien sind einander zur Rückgewähr der aufgrund des Vertrages empfangenen Leistungen verpflichtet. Der Unternehmer muss die bereits empfangenen Raten zurückzahlen und nach den §§ 346 I, 347 I BGB verzinsen. Der Verbraucher schuldet die Rückgabe der gelieferten Sache(n) oder Wertersatz für eine bereits in Anspruch genommene Leistung. Im Falle der Verschlechterung der Sache oder bei Unmöglichkeit der Rückgabe ist der Verbraucher nach § 346 II 1 Nr. 3 BGB zum Wertersatz verpflichtet. In Betracht kommt ferner ein Schadensersatzanspruch des Unternehmers gem. §§ 346 IV, 280 I, III, 281, 283 BGB. Der Verbraucher schuldet Herausgabe gezogener Nutzungen (§ 346 I BGB), also gem. § 100 BGB auch die Herausgabe der Gebrauchsvorteile. Für nicht gezogene Nutzungen muss der Verbraucher nach dem Maßstab einer ordnungsgemäßen Wirtschaft Wertersatz leisten (§ 347 I BGB). Der Verbraucher hat in diesem Fall nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzustehen (§ 347 I 2 BGB; diligentia quam in suis). Der Verbaucher hat einen Anspruch auf Ersatz der auf die Sache gemachten notwendigen Verwendungen (§ 347 II 1 BGB).
36
2. Nutzungsvergütung. War die Nutzungsüberlasssung bzw. Dienstleistung Hauptpflicht des Teilzahlungsgeschäfts, schuldet der Verbraucher als Rücktrittsschuldner Wertersatz (§§ 346 I, 347 I BGB). Bei der Bemessung der Vergütung von Nutzungen einer zurückzugewährenden Sache ist auf die inzwischen eingetretene Wertminderung Rücksicht zu nehmen, § 503 II 3 BGB. Der bestehende Anspruch des Unternehmers auf Überlassungs- oder Nutzungsvergütung erhöht sich also um einen Entwertungszuschlag, wenn eine über das übliche Maß zu erwartende, stärkere Abnutzung der Sache eingetreten ist.
37
3. Aufwendungsersatz. Im Gegensatz dazu stellt § 503 II 2 BGB eine eigene Anspruchsgrundlage dar, die den Verbraucher verpflichtet, dem Unternehmer die infolge des Vertrags gemachten (erforderlichen) Aufwendungen zu ersetzen. Aufwendungen sind dabei freiwillige Vermögensopfer, die zum Zweck („infolge“) des Abschlusses und der Durchführung des rückabzuwickelnden Teilzahlungsgeschäftes getätigt wurden (Bülow/Artz, § 503 Rn. 66). Erforderlich ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Kreditvertrag und Aufwendungen. Als Aufwendungen zurückverlangt werden können z.B. Verpackung, Fracht, Porto, Mahnkosten, Versicherungsprämien; nicht aber Umsatzsteuer, die der Unternehmer vom Finanzamt zurückerhält, und Finanzierungskosten (Palandt-Weidenkaff, § 503, Rn. 8). Der Betrag der Aufwendungen ist nach § 256 BGB von der Zeit der Aufwendung an mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
38
IV. Fingierter Rücktritt. 1. Grundsatz. § 503 II 4 BGB fingiert einen Rücktritt des Unternehmers für den Fall, dass er die gelieferte Sache wieder an sich nimmt. Die Regelung soll den Verbraucher davor schützen, dass der Unternehmer die Sache an sich nimmt, der Verbraucher ihm aber weiter das Entgelt schuldet. Außerdem muss ein Rücktrittsrecht bestehen, dh die Situation des § 498 BGB muss gegeben sein, denn das Wiederansichnehmen durch den Unternehmer ersetzt nicht den Rücktrittsgrund, sondern nur die Erklärung (Bülow/Artz, § 503 Rn. 77; Palandt-Weidenkaff, § 503 Rn. 15; zu § 13 VerbrKrG OLG Köln WM 1998, 381 (382); OLG Oldenburg NJW-RR 1996, 564; vgl. zu der ähnlich gelagerten Problematik im Leasingrecht H. Beckmann, WM 2006, 952; a. A. MünchKommBGB-Habersack, § 503 Rn. 47). Für das Wiederansichnehmen genügt auch der mittelbare
H. Beckmann/I. Beckmann
§ 20 Teilzahlungsgeschäfte
651
Besitz des Unternehmers bei Herausgabe der Sache an einen Dritten (zu § 5 AbzG BGHZ 55, 59 (61)). Die Wertverschaffung, also das Zuführen des wirtschaftlichen Werts der Sache durch den Unternehmer, genügt nur, wenn sie allein durch den Unternehmer erfolgt, insbesondere durch Weiterveräußerung an einen Dritten (zu § 5 AbzG BGH NJW 1989, 163; Palandt-Weidenkaff, § 503 Rn. 13). Es reicht auch, wenn die Sache auf Rechnung des Verbrauchers zur Begleichung einer Kaufpreisschuld verkauft wird, wenn der Unternehmer die Verkaufsbedingungen bestimmt (zu § 5 AbzG OLG Celle NJW-RR 1987, 821 (822 f.)). Eine Herausgabeklage begründet die Fiktion des § 503 II 4 BGB nicht, kann aber eine schlüssige Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) beinhalten (Palandt-Weidenkaff, § 503 Rn. 14; a. A. MünchKommBGB-Habersack, § 503 Rn. 53). In der Zwangsvollstreckung greift die Rücktrittsfiktion jedenfalls, wenn die Sache im Auftrag des Unternehmers verwertet wird (Bülow/Artz, § 503 Rn. 86; zu § 13 VerbrKrG OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1437). 2. Ausschluss der Fiktion. Ein Ausschluss dieser Fiktion ist nur möglich, wenn sich Unternehmer und Verbraucher darüber einigen, dass der Unternehmer dem Verbraucher den gewöhnlichen Verkaufswert der Sache im Zeitpunkt der Wegnahme vergütet, § 503 II 4 a. E. BGB. Dies hat zur Folge, dass der Teilzahlungsvertrag aufrechterhalten bleibt und der Verbraucher grundsätzlich den vollen Teilzahlungspreis schuldet. Da der Unternehmer die Sache aber bereits an sich genommen hat, schuldet der Verbraucher nur noch die Differenz zwischen dem Teilzahlungspreis und dem Verkaufswert der Sache zum Zeitpunkt der Wegnahme; bereits gezahlte Raten werden angerechnet. Der Begriff des gewöhnlichen Verkaufswerts entstammt § 813 I 1 ZPO und ist der Preis, der bei freiem Verkauf erfahrungsgemäß erzielt wird, wobei die allgemeinen wirtschaftlichen, örtlichen und zeitlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind; der gewöhnliche Verkaufspreis kann ein Börsen- oder Marktpreis sein (Bülow/Artz, § 503 Rn. 89; zu § 13 VerbrKrG OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 563; OLG Oldenburg DAR 1997, 203). Die Beweislast für den Ausschluss der Fiktion trägt der Verbraucher (Palandt-Weidenkaff, § 503 Rn. 16).
39
3. Verbundene Verträge. Die Regelung des § 503 II 5 BGB ist nötig, weil bei verbundenen Verträgen i. S. v. § 358 III BGB (insofern geht der Verweis des § 502 II 5 BGB auf § 358 II BGB fehl, denn richtigerweise müsste auf § 358 III BGB verwiesen werden, vgl. Palandt-Weidenkaff, § 503 Rn. 1) die Rückabwicklung im Falle des Widerrufs durch den Verbraucher zwischen Darlehensgeber und Verbraucher und nicht zwischen Unternehmer des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags und Verbraucher abläuft, § 358 IV 3 BGB. Das Rücktrittsrecht steht nur dem Unternehmer des verbundenen Vertrags zu, § 503 II 1 BGB. Deswegen fingiert § 503 II 5 BGB den Rücktritt des Darlehensgebers, wenn dieser die Sache an sich nimmt, z.B. wenn ihm die Sache zur Sicherheit übereignet worden ist und er nach Eintritt des Sicherungsfalls Herausgabe verlangt (zu § 5 AbzG BGHZ 57, 112 (114 f.); Bülow/Artz, § 503 BGB Rn. 96). Auf das Rechtsverhältnis zwischen Darlehensgeber und Verbraucher sind die für Aufwendungsersatz (§ 503 II 2, s. Rn. 34) und Nutzungsvergütung (§ 503 II 3, s. Rn. 33) geltenden Vorschriften anzuwenden.
40
F. Vorzeitige Zahlung
41
I. Grundsatz. § 504 BGB gibt dem Verbraucher das zwingende (§ 506 BGB) Recht zur vorzeitigen Tilgung, ohne dass sich das Teilzahlungsgeschäft durch Zinsen und weitere laufzeitabhängige Kosten verteuert (kritisch zur Richtlinienkonformität des § 504 BGB Bülow, NJW 2002, 1145 (1150 m. w. N.)). Erfüllt der Verbraucher – verglichen mit der im Vertrag vereinbarten (§ 271 II BGB) Fälligkeit der Teilzahlungen – seine Zahlungspflicht vorzeitig und vollständig (Bülow/Artz, § 504 Rn. 9; MünchKommBGB-Habersack, § 504
H. Beckmann/I. Beckmann
652
42
43
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Rn. 7; Staudinger-Kessal-Wulf, § 504 Rn. 7; a. A. Erman-I. Saenger, § 504 Rn. 11: auch bei teilweiser vorzeitiger Zahlung), treten die Rechtsfolgen des § 504 BGB ein. Der Teilzahlungspreis (§ 502 I 1 Nr. 2, Rn. 16) verringert sich um Zinsen und sonstige laufzeitabhängige Kosten (z. B. Disagio, Versicherungskosten), die bei gestaffelter Berechnung nach Zahlungsabschnitten (Berechnungsbeispiele bei Seckelmann, VuR 1993, 212 (215 ff.)) auf die Zeit nach der vorzeitigen Erfüllung entfallen (vgl. § 14). Für die Abzinsung ist grundsätzlich der vereinbarte Zinssatz maßgeblich. II. Sonderregelungen. 1. Ausschließlicher Teilzahlungsverkauf. Eine Abweichung sieht § 504 S. 2 BGB für Teilzahlungsgeschäfte vor, bei denen ein Barzahlungspreis wegen § 502 I 2 BGB nicht anzugeben ist, weil der Unternehmer ausschließlich Teilzahlungsgeschäfte betreibt (s. Rn. 14 u. 17). In diesen Fällen ist der im Teilzahlungspreis enthaltene Zinssatz nur schwer festzustellen, so dass der gesetzliche Zinssatz (§ 246 BGB) zu Grunde zu legen ist. Dieser kann sich bei Existenzgründergeschäften (§ 507 BGB) auch nach § 352 HGB richten, was der Gesetzgeber wohl nicht bedacht hat. 2. Vorlaufzeit. § 504 S. 3 BGB schränkt diese vom Grundsatz abweichende Regelung dahin ein, dass die Zins und Kosten sparende Möglichkeit der vorzeitigen Tilgung nicht für die ersten neun Monate der ursprünglich vorgesehenen Laufzeit in Betracht kommt, wenn der Verbraucher seine Verbindlichkeit vor Ablauf dieses Zeitraums in der sog. Vorlaufzeit erfüllt. In diesem Fall kann der Unternehmer gleichwohl Zinsen und sonstige laufzeitabhängige Kosten für diesen Zeitraum verlangen. Fristbeginn ist der Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ohne Teilzahlungsabrede den Barzahlungspreis hätte erbringen müssen, also regelmäßig bei Übergabe der Sache (§§ 433 I 1, 446 BGB) bzw. bei Abnahme der Leistung (§ 640 I BGB; Palandt-Weidenkaff, § 504 Rn. 6). Einer vertraglichen Verkürzung der Vorlaufzeit steht § 506 I 1 BGB nicht entgegen (Bülow/Artz, § 504 Rn. 24; Palandt-Weidenkaff, § 504 Rn. 6).
H. Beckmann/I. Beckmann
§ 21 Finanzierungsleasing
653
§ 21 Finanzierungsleasing
Schrifttum Arnold, Gewährleistung beim Finanzierungsleasing nach der Schuldrechtsreform, DStR 2002, 1049; Miete und Leasing nach der Schuldrechtsreform, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 589; Armbrüster/Wiese, Die Folgen der Schuldrechtsreform für vor dem 1.1.2002 begründete Dauerschuldverhältnisse, DStR 2003, 334; Assies, Schuldrechtsreform – Das Aus für Leasinggeschäfte?, BKR 2002, 317; Baidussova, Grenzüberschreitendes Leasing nach Kasachstan – Eine attraktive Finanzierungsalternative?, WiRO 2006, 103; Beckmann, Auswirkungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auf die Leasing-Branche, FLF 2002, 46; ders., Rechtswirkungen eines unberechtigten Rücktritts von einem Liefervertrag und Auswirkungen auf den Leasingvertrag, WM 2006, 952; ders., Finanzierungsleasing – Rechtsprobleme im typischen Leasingdreieck nach der Schuldrechtsreform, 3. Aufl. 2006; ders., Aktuelle Rechtsfragen aus Finanzierungsleasingverträgen, DStR 2007, 157; Büschgen (Hrsg.), Praxishandbuch Leasing, 1998; Canaris, Finanzierungsleasing und Wandelung, NJW 1982, 305; Interessenlage, Grundprinzipien und Rechtsnatur des Finanzierungsleasing, AcP 190 (1990), 410; Dageförde, Internationales Finanzierungsleasing – Deutsches Kollisionsrecht und Konvention von Ottawa, 1992; Dauner-Lieb/Dötsch, Prozessuale Fragen rund um § 313 BGB, NJW 2003, 921; Dietz, Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen des Leasing, AcP 190 (1990), 235; Engel, Die fristlose Kündigung des Leasingvertrags wegen Zahlungsverzugs, NZM 2000, 953; Engel/Paul, Handbuch Kraftfahrzeug-Leasing, 2000; Figge, Vertragsformen und kalkulatorische Grundlagen des Leasing, AcP 190 (1990), 219; Gebler/Müller, Finanzierungsleasing: Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform und neuere Entwicklungen der Vertragspraxis, ZBB 2002, 107; Girsberger, Grenzüberschreitendes Finanzierungsleasing, 1997; Gitter, Gebrauchsüberlassungsverträge, 1988, § 11: Leasing (S. 277 ff.); Godefroid, Finanzierungsleasingverträge und Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, Leasing-Berater 2002, 2; Gzuk, Finanzierungsleasing als alternative Investitionsform, AcP 190 (1990), 208; Habersack, Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung auf das Recht der Bankgeschäfte, in: Neues Schuldrecht und Bankgeschäfte – Wissenszurechnung bei Kreditinstituten; Bankrechtstag 2002, 2003, S. 3; Habersack/Schürnbrand, Der Darlehensvermittlungsvertrag nach neuem Recht, WM 2003, 261; Hager, Rechtsfragen des Finanzierungsleasing von Hard- und Software, AcP 190 (1990), 324; Hey, Rechtsmängelhaftung beim Verkauf von Leasing-Forderungen im Betrugsfall, JuS 2005, 402; Höpfner, Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf das Finanzierungsleasing – Typologische Einordnung, FLF 2004, 72; ders., Finanzierungsleasing mit Verbraucherbeteiligung als Umgehungstatbestand im Sinne des § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB, ZBB 2006, 200; Jaggy, Kaufvertragliche Ersatzlieferung und Leasing, Leasing-Berater 2002, 14; Klaas, Die Risikoverteilung bei neueren Finanzierungsmethoden, NJW 1968, 1502; Jens Koch, Finanzierungsleasing, in: MünchKommBGB, III, 5. Aufl. 2008; Knops, Rügepflicht beim Handelskauf und Leasingvertrag – BGHZ 110, 130, JuS 1994, 106; Die rechtliche Bindung des Leasinggebers an Zusagen des Lieferanten, BB 1994, 947; Kramer (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. Aufl. 1992; Kronke, Finanzierungsleasing in rechtsvergleichender Sicht, AcP 190 (1990), 383; Leenen, Die Pflichten des Leasing-Gebers, AcP 190 (1990), 260; Leible, Finanzierungsleasing und „arrendamiento financiero“, 1996; Leyens, Leasing – Grenzen der formularmäßigen Risikoabwälzung vom Leasinggeber auf den Hersteller/Lieferanten, MDR 2003, 312; Lieb, Das Leitbild des Finanzierungs- Leasing im Spannungsfeld von Vertragsfreiheit und Inhaltskontrolle, DB 1988, 946; § 9 Verbraucherkreditgesetz und Finanzierungsleasing, WM 1991, 1533; Löbbe, Der Finanzierungsleasingvertrag nach der Schuldrechtsreform, BB Beil. Nr. 6/2003, 32; Marek/Bohata, Leasing- und Leasingkaufvertrag nach tschechischem Recht, WiRO 2004, 5; Martinek, Moderne Vertragstypen, I: Leasing und Factoring, 1991; Meincke, Steuerbezogene Argumente in der Zivilrechtsprechung zum Finanzierungsleasing, AcP 190 (1990), 358; Müller-Sarnowski, Privat-Autoleasing nach der Schuldrechtsreform, eine Bestandsaufnahme, DAR 2002, 485; Oechsler, Schuldrecht Besonderer Teil, Vertragsrecht, 2003, § 4: Leasinggeschäfte (S. 275 ff.); Papapostolou, Die Risikoverteilung beim Finanzierungsleasingvertrag über bewegliche Sachen, 1987; Reiner/Kaune, Die Gestaltung von Finanzierungsleasingverträgen nach der Schuldrechtsreform, WM 2002, 2314; Reinking, Auswirkungen der geänderten Sachmängelhaftung auf den Leasingvertrag, ZGS 2002, 229; Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf das private Kraftfahrzeugleasing, DAR 2002, 145; Der Nacherfüllungsanspruch auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs im Rahmen des Kfz-Leasingvertrages, DAR 2002, 496; Nacherfüllung beim Autokauf, ZfS 2003, 57; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. 2003, Z: Autoleasing, Rn. 741-910; Roth, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle von Finanzierungsleasingverträgen,
Mankowski/Knöfel
654
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
AcP 190 (1990), 292; Sannwald, Der Finanzierungsleasingvertrag über bewegliche Sachen mit Nichtkaufleuten, 1982; Schmalenbach/Sester, Fortschreibung der typischen Vertragsstruktur für Leasingtransaktionen nach der Schuldrechtsreform, WM 2002, 2184; Städtler, Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Finanzierungsleasing, AcP 190 (1990), 204; Tacke, Leasing, 1989; Tiedtke, Schadensersatzansprüche des Leasinggebers wegen verspäteter Rückgabe der Leasingsache, ZIP 1989, 1437; Tiedtke/Möllmann, Auswirkungen der Schuldrechtsreform im Leasingrecht, DB 2004, 583; dies., Entwicklung der aktuellen Rechtsprechung des BGH zum Leasingrecht, DB 2004, 915; Veigel/Lentschig, Leasing im Steuerrecht, StBG 1994, 106; Vosseler, Umsatzsteuerliche Behandlung von Sale-and-Lease-back-Geschäften – Zur Reichweite eines BFH-Urteils vom 9.2.2006, DStR 2007, 188; Weber, Die Entwicklung des Leasingrechts in den Jahren 2001 bis Mitte 2003, NJW 2003, 2348; ders., Die Entwicklung des Leasingrechts von Mitte 2003 bis Mitte 2005, NJW 2005, 2195; ders., Die Entwicklung des Leasingrechts von Mitte 2005 bis Mitte 2007, NJW 2007, 2525; ders., Vorzeitige Beendigung eines Leasingvertrags und Vorteil des Leasinggebers aus Vollkaskoleistung bei Andienungsrecht ohne Mehrerlösbeteiligung, NJW 2008, 992; v. Westphalen, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, II, Losebl. 1993 ff., Leasing (Okt. 1996); Der Leasingvertrag, 5. Aufl. 1998, Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und Leasing, DB 2001, 1291; Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf die „Abtretungskonstruktion“ beim Leasing, ZIP 2001, 2258; Leasing, in: Röhricht/v. Westphalen (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 2002, Leasing Rn. 1-223; Schuldrechtsreform und die Verwendung „alter“ Lieferanten-AGB bei Leasingverträgen, ZGS 2002, 64; Options- und Andienungsrechte in Leasingverträgen mit Verbrauchern, ZGS 2002, 89; ders., Rechtsprechungsübersicht zum Leasingrecht 2002-2004, BB 2004, 2025; ders., Das „neue“ Kaufrecht – Bilanz gelöster und teilweise gelöster Fragen, BB 2008, 2; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl. 2004; Wolf, Die Rechtsnatur des Finanzierungsleasings, JuS 2002, 335; Zahn, Der kaufrechtliche Nacherfüllungsanspruch – ein Trojanisches Pferd im Leasingvertrag?, DB 2002, 985.
Inhaltsübersicht A. Grundbegriffe des Finanzierungsleasingvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 III. Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte. 9 2. Steuerliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . 11 3. Vertragsstrukturelle Gesichtspunkte . . 22 IV. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Qualifikation „in erster Linie“ als Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Keine Qualifikation als Kaufvertrag . . 32 3. Keine Qualifikation als Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 V. Abgrenzung zum Operating-Leasing . . . . 38 VI. Abschluss und Inhalt des Leasingvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Vertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Sittenwidrigkeit des Leasingvertrages . 40 3. Allgemeine Formvorschriften . . . . . . . 41 4. Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge . . . . . . . 42 5. Anfechtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 6. Erfüllungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . 53
B. Leistungsstörungen im Leasingverhältnis . . . . . 56 I. Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Fehlgeschlagene Lieferung . . . . . . . . . 56 2. Mangelhafte Lieferung und Nichterfüllung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Sachmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Fehler des Leasinggegenstandes . . . . . 59 2. Freizeichnung des Leasinggebers von der Haftung für Sachmängel. . . . . 61 3. Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . 86 IV. Vorzeitige Lösung vom Vertrag . . . . . . . . 95 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Nichtgewährung des Gebrauchs . . . . . 98 3. Kündigungsrechte des Leasinggebers . 99 4. Kündigungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . 102 V. Prozessuales zum Leasingverhältnis. . . . 107 C. Abwicklung im Lieferverhältnis . . . . . . . . . . . 110 I. Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Beteiligung des Leasinggebers am Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 D. Fernabsatz von Leasingverträgen . . . . . . . . . 117
Stichwortverzeichnis Abschlusszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Abtretungskonstruktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff. AfA-Befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Allgemeine Leasingbedingungen . . . . . . . 80, 82, 103 Amortisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 ff. Andienungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 94 Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 ff. Anspruch auf Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Aufschiebende Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 23 Ausgleichszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 103 Ausländische Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Austauschsache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74, 91 Bedingung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 23, 69 Betriebsausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 ff. Bote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Bringschuld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Darlehensvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 ff. Degressive Leasingraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Dauerschuldzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 f.
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
Differenzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Dreiecksverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 f. Dritter bei Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Drittverweisungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff. Eigenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Einrede des nichterfüllten Vertrages . . . . . . . . . . . . 56 Eintrittsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Entschädigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 f. Erfüllungsgehilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 ff. Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 f., 113 Erlasse der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 5 f. Erlasskonformes Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 112 Ersatzsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74, 91 Fehlgeschlagene Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Finanzierungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 43, 48 Finanzierungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Finanzierungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 36 „Flens-Modell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 46 Formularrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 39 Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Freizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff. full-pay-out-Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Garantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 60, 77 Garantieansprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Gattungssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Gebrauchsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . 34, 56, 101 Gegenleistungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 84 f., 98 Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 f., 113 f. Gerichtsstandsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Gesamtbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Geschäftsgrundlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 ff. Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 f. Gesundheitsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 ff. Gewerbesteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 f. Händlerleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Haftungsausschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff. Halterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Herstellerleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Hinzurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Immobilienleasing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 41 Insolvenz des Lieferanten . . . . . . . . . . . . . . . . . 83, 88 Insolvenz des Leasingnehmers . . . . . . . . . . . . . . . 101 Investitionsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 f. Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 f. Konvention von Ottawa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 ff. Kündigungsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Leasing-Erlasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 f. Leitbild des Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Mangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 ff. Mehrheit von Leasingnehmern . . . . . . . . . . . . . . . 101 Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Minderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58, 71, 89, 113 Mischnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 f., 71 f., 82 Nachfristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Nebenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
655
Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 ff. non-full-pay-out-Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . 10 Operating-Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Optionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 94 Ottawa-Konvention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 pay-as-you-can-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Pflichtangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Preisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9, 84 f., 98 Prorogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 ff. Prozessstandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Qualifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ff. Rationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ff. Richtlinienkonforme Auslegung. . . . . . . . . . . . . .48 f. Rückgabe der Leasingsache . . . . . . . 35, 51, 104, 108 Rückkaufvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Rückstandssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63, 71, 76, 87, 92 Sachgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 85, 98 Sachwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 sale-and-lease-back-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57, 76, 92 f. Schadensersatz statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . 92 Schneeballsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Spezialkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 ff. Streithelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Strukturelle Unterlegenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Täuschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 ff. Teilamortisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 15 Teilamortisationserlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Teilprivileg-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Tötung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 112 Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Veräußerung an Dritte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ff. Verbraucherdarlehensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ff. Verbraucherkredit-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . .48 f. Verbrauchsgüterkauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 67, 79 Verhandlungsgehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 f. Vermittlung von Leasingverträgen . . . . . . . . . . 37, 47 Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 20 Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Vertragsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. Vertragszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Vertrag zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Verzug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 99 ff. Vollamortisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 14 Vollamortisationserlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vollprivileg-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Vorenthaltung des Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . 86 ff. Wirtschaftliches Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 ff. Zessionskonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff. Zugangsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 88 Zwischenhändlerisches Leasing . . . . . . . . . . . . . . . 26
Mankowski/Knöfel
656
1
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
A. Grundbegriffe des Finanzierungsleasingvertrages In Deutschland hat das Leasing seit Anfang der 1970er Jahre erhebliche wirtschaftliche Bedeutung (aktuelle Marktdaten bei Weber, NJW 2007, 2525). Leasinggesellschaften gibt es seit 1962 (Städtler, AcP 190 (1990), 204; zur Marktentwicklung eingehend MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 3; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 2-7). Das Grundkonzept des Leasing besteht darin, dass der Leasinggeber auf Veranlassung eines Interessenten ein Investitionsgut kauft und es dem Leasingnehmer für eine bestimmte Zeit überlässt (Lüem, in: Kramer, S. 52; Staudinger-Mayer-Maly, Einl. zu §§ 433 ff. Rn. 22 (20. Leasing); MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 1). Kurz gefasst besagt das leasingtypische Vertragsgeflecht: Der Leasinggeber ist gleichzeitig einerseits (im Verhältnis zum Leasingnehmer) Vermieter und Finanzier und andererseits (im Verhältnis zum Lieferanten bzw. Hersteller) Käufer (plastisch Zahn, DB 2002, 985 (987 f.)).
2
I. Gesetzliche Regelung. Leasingrecht ist in Deutschland Richterrecht (Roth, AcP 190 (1990), 292 (293); Engel/Paul, § 4 Rn. 4; Beckmann, DStR 2007, 157) und Formularrecht (Leyens, MDR 2003, 312). Der Finanzierungsleasingvertrag ist nicht legaldefiniert oder gesetzlich geregelt. Der Gesetzgeber setzt das von der Rechtspraxis geprägte „Leitbild“ des Leasing (BGH NJW 1982, 1747 (1748)) vielmehr voraus. Er verwendet den Begriff des Finanzierungsleasingvertrages nur in §§ 499 II, 500 BGB (Beckmann, FLF 2002, 46). § 500 BGB ist für den Finanzierungsleasingvertrag eine reine Verweisungsnorm. Er beruft einzelne Elemente des Verbraucherdarlehensrechts, insbesondere das Widerrufsrecht, zur Anwendung, wenn der Finanzierungsleasingvertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen worden ist (dazu Reinking, DAR 2002, 145; Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 583 (584)). § 500 BGB definiert das Leasing aber ebenfalls nicht (Bülow, § 499 BGB Rn. 67). Weitergehende Forderungen nach einer Kodifikation des Leasingvertragsrechts (z. B. Assies, BKR 2002, 317 (319)) waren im deutschen Recht bisher nicht erfolgreich.
3
Andere europäische Länder erfassen das Finanzierungsleasing durch Spezialgesetze, z. B. Russland mit dem Gesetz über das Leasing vom 29.10.1998, in Kraft seit 5.11.1998, sowie Polen mit dem Gesetz zur Änderung des Zivilgesetzbuches vom 8.9.2000, in Kraft seit 9.12.2000 (dazu Poczobut, FS Max-Planck-Institut, S. 975; zu Osteuropa ferner Marek/ Bohata, WiRO 2004, 5; Baidussova, WiRO 2006, 103; umfassende rechtsvergleichende Hinweise zu verschiedenen Ländern außerdem bei Kronke, AcP 190 (1990), 383; Girsberger, passim; zu Spanien vgl. Leible, 1996 sowie zum Leasing in der EU, den USA und der Schweiz eingehend Fink, in: Büschgen, §§ 39-42).
4
Als internationaler Rechtsrahmen ist besonders die UNIDROIT-Konvention von Ottawa über Internationales Finanzierungsleasing v. 26.05.1988 zu nennen, die seinerzeit gemeinsam mit einem Schwesterabkommen über Internationales Factoring verabschiedet wurde (vgl. dazu umfassend Mankowski und Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Staudinger, Internationales Vertragsrecht (2007)) und als Vorbild für Rechtsvereinheitlichung dienen will (näher Basedow, RIW 1988, 1; Stanford, FLF 1989, 123; Dageförde, passim; Girsberger, Rn. 12; MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 149). Internationalprivatrechtlich untersteht der Mobilienleasingvertrag dem Recht am Ort der (Haupt-)Niederlassung des Leasinggebers (Art. 28 II 1 EGBGB), während für den Immobilienleasingvertrag nach Art. 28 III EGBGB die lex rei sitae gilt (MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 147 sowie Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 351 m.w.N.)
5
II. Definition. Unter dem Begriff Finanzierungsleasing ist ein Leasingvertrag zu verstehen, der während einer festen unkündbaren Laufzeit auf die weitgehende Amortisation
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
657
der vom Leasinggeber für die Anschaffung der Leasingsache gemachten Aufwendungen und Kosten (also Investitions- und Nebenkosten) gerichtet ist, wobei der Leasingnehmer das Investitionsrisiko trägt (Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (600); Reinking/Eggert, Rn. 744). In der Praxis ist das Vertragsmodell der Vollamortisation (full-pay-out-leasing; siehe MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 6) ausschließlich durch die Zahlung der Leasingraten selten geworden. Eine unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten formulierte Definition des Finanzierungsleasing unter diesem Vertragsmodell enthält der Vollamortisationserlass (Mobilienerlass/Vollamortisation, BMF-Schr. v. 19.04.1971 – IV B/2 – S 2170 – 31/1, BStBl. I 1971 264 Ziff. II 1. litt. a-b = BB 1971, 506). Zumeist dienen die Leasingraten jedoch nur der Teilamortisation (non-full-pay-out-leasing; siehe MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 6; Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 915). Dies wird durch drei unterschiedliche Vertragsmodelle nach dem Teilamortisationserlass erreicht (Mobilienerlass/Teilamortisation, BMF-Schr. v. 22.12.1975 – IV B 2 – S 2170 – 161/75, BB 1976, 72 f.). Entweder wird die Amortisation dadurch gewährleistet, dass der Leasingnehmer bei Kündigung eine Abschlusszahlung in Höhe des Restwerts leisten muss, darauf angerechnet der Veräußerungserlös zu 90 % (Gebler/ Müller, ZBB 2002, 107 (108); Reinking/Eggert, Rn. 748).
6
Oder aber die Amortisation erfolgt durch Andienung des Leasingguts an den Leasingnehmer nach Ablauf der Grundmietzeit zu einem die Restkosten deckenden Festpreis. Andienungsrechte des Leasinggebers einerseits und Optionsrechte des Leasingnehmers andererseits sind beim Teilamortisationsleasing in der Praxis typische Gestaltungselemente (Beckmann, DStR 2007, 157, 158). Bei einem Optionsrecht liegt ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag vor (Reinking, ZGS 2002, 229 (234); Arnold, in: Dauner-Lieb/ Konzen/Schmidt, S. 589 (611)). Bei einem Andienungsrecht des Leasinggebers verpflichtet sich der Leasingnehmer dagegen, die Leasingsache nach Ablauf der Vertragslaufzeit auf Verlangen des Leasinggebers zum Restwert zu kaufen. Er muss abnehmen, wenn der Leasinggeber andient, hat aber kein eigenes Erwerbsrecht (Reinking/Eggert, Rn. 746). Rechtskonstruktiv liegt ein Kaufangebot des Leasingnehmers vor, welches der Leasinggeber durch Ausübung des Andienungsrechts annimmt (MünchKommBGB-Habersack, (nach § 515 BGB) Leasing Rn. 95). Dies kann auch dadurch erfolgen, dass der Leasinggeber in eine Abrede eintritt, in der der Lieferant als vollmachtloser Vertreter dem Leasingnehmer ein Erwerbsrecht zugesagt hat (OLG Düsseldorf BB 2006, 1246; anders OLG Koblenz BB 2004, 2099 (2100)). Indem der Leasingnehmer zum Käufer wird, kommen – sofern deren persönliche und sachliche Anwendungsvoraussetzungen nach § 474 BGB erfüllt sind – die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf auf diesen Kaufvertrag zur Anwendung (Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (611)). Die Verjährung eventueller Gewährleistungsansprüche – die der Leasingnehmer in dieser Konstellation wie jedem anderen Käufer zustehen (a.A. AG Frankfurt a.M. NJW-RR 2004, 486; mit Recht abl. Weber, NJW 2005, 2195 (2197)) – beginnt, insoweit abweichend vom Wortlaut des § 438 II Var. 2 BGB nicht mit der ja lange vorher zu Beginn der Laufzeit des Leasingvertrages erfolgten Übergabe der Sache (so aber Reinking, ZGS 2002, 229 (234) mit der misslichen Konsequenz, dass die Verjährung in der Regel bereits eingetreten wäre), sondern erst mit dem Wirksamwerden des Kaufvertrages (Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, S. 589 (612)).
7
Weiterhin ist es möglich, dass das Leasinggut bei Ablauf der Mietzeit an Dritte veräußert wird und den Leasingnehmer eine Pflicht zum Ausgleich der Differenz zwischen Erlös und Restkosten trifft (Canaris, AcP 190 (1990), 410 (414); Reinking/Eggert, Rn. 747). Der Leasingnehmer hat dann regelmäßig ein Drittkäuferbenennungsrecht, das effektiv
8
Mankowski/Knöfel
658
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
auszuüben sein muss (OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 1208; AG Mannheim NJW-RR 2003, 1701). Anderen Erwerbern als gewerblichen Drittkäufern wird der Leasinggeber i.d.R. nicht zustimmen, was leasingsvertraglich festgehalten werden sollte (Hornberger, FLF 2006, 214; Beckmann, DStR 2007, 157, 158). Insbesondere das Kfz-Leasinggeschäft wird heute vollständig vom Vertragsmodell der Teilamortisation beherrscht, und zwar entweder auf der Basis einer Kilometerabrechnung oder auf der Grundlage einer Gebrauchtwagen-/Restwertabrechnung (Engel/Paul, § 4 Rn. 1). Werden – wie beim Kfz-Leasing häufig – beide Modelle kombiniert, so gehen Unklarheiten in der Vertragsgestaltung zu Lasten des Leasinggebers, dem aus diesem Grunde eine reine Restwertabrechnung verwehrt sein kann (BGH NJW 2001, 2165 = EWiR 2001, 1089 m. Anm. Reinking). Andererseits kann sich der Leasinggeber bemühen, Risiken der Restwertrealisierung vertraglich auf den Lieferanten abzuwälzen, muss dabei jedoch die Grenzen des § 307 BGB beachten (eingehend Leyens, MDR 2003, 312 (313 ff.)). Eine formularmäßige Rückkaufvereinbarung verstößt gegen § 307 BGB, wenn der Leasinggeber im Verhältnis zum Lieferanten von der Besitzverschaffungspflicht als Wiederverkäufer befreit ist (BGH WM 2003, 1092 = BB 2003, 1529 m. Anm. Leyens = EWiR 2003, 793 m. Anm. Reinking; dazu Schulze-Schröder, NJW 2003, 3031; Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 915 (918)), ebenso, wenn die Vereinbarung auch für den Fall des Abhandenkommens der Leasingsache gilt (OLG Rostock NJW 2006, 304). Steuerrechtlich unterliegt das Verwertungsrisiko aus einer Rückkaufvereinbarung dem Passivierungsverbot gemäß § 5 Abs. 4 a EStG (FG Bremen DStRE 2004, 1388). 9
III. Struktur. 1. Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann das Finanzierungsleasing – trotz höherer nominaler Kosten als beim Kauf mit Eigen- oder Fremdmitteln – den Vorteil haben, dass sich das Leasinggut als Produktionsfaktor „selbst“ finanziert. Dieser „pay-as-you-can“-Effekt wird durch die leasingtypische zeitliche Verteilung von Aufwendungen und Erträgen sowie durch die Verzinsung ersparten Eigenkapitals ermöglicht (näher Gitter, § 11 B I 4 (S. 294 f.); StaudingerStoffels, Leasing Rn. 45; Langenfeld, Rn. 385). Die Plausibilität der allgemeinen Leasingvorteile, insbesondere im Verhältnis zum mischfinanzierten Kauf, muss allerdings für jeden einzelnen Investitionsfall aufs Neue überprüft werden (Gzuk, AcP 190 (1990), 208 (218); v. Westphalen, Rn. 47, 48).
10
Befragt man das Leasingmodell mit Hilfe der ökonomischen Analyse des Rechts danach, welche Anreize den einzelnen rechtlichen Gestaltungen zu entnehmen sind und ob dies dem Ideal der Effizienz entspricht, so treten besonders beim Direktleasing starke Rationalisierungsmomente hervor. Der Leasinggeber als typischerweise im Massengeschäft tätiger Wirtschaftsteilnehmer kann die Lieferantensituation und deren Risiken nicht beurteilen. Er kennt das Leasinggut nicht und wählt es nicht aus (Reinking/Eggert, Rn. 774). Dann ist es effizient, wenn diese Risiken, insbesondere die Sach- und Preisgefahr des Beschaffungsvorgangs, beim Leasingnehmer bleiben (vgl. bereits OLG Frankfurt NJW 1977, 200 f. und für die Vertragsgestaltung Nath/Schilling/Fingerhut, Rn. 1055). Dabei gewinnt das Leasing-Gesamtverhältnis eine über den herkömmlichen Schuldvertrag hinausgehende Organisationsstruktur, die typische principal-agent-Konflikte hervorbringt (Dietz, AcP 190 (1990), 235 (253 f.)).
11
2. Steuerliche Gesichtspunkte. a) Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht beim Leasing. Das Finanzierungsleasing wird allgemein als ein entscheidend unter steuerlichen Gesichtspunkten gestaltetes Austauschverhältnis gesehen (BGH NJW 1985, 2253 (2256); OLG Hamburg NJW-RR 1987, 51 f.; Reinking/Eggert, Rn. 754; Weber, NJW 2003, 2348 (2354)). Die Kritik an dieser an der Rechtspraxis ausgerichteten Sichtweise macht geltend, die steuertaktischen Erwägungen dürften die Zivilrechtsdogmatik des
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
659
Finanzierungsleasing nicht überlagern, sich insbesondere nicht über die Privatautonomie stellen (Canaris, AcP 190 (1990), 410 (458); Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 60). Richtigerweise lässt sich die steuerrechtliche Situation des Leasing mit dessen vertragsrechtlicher Beurteilung versöhnen, wenn man die dem Grunde nach unbestrittenen Steuervorteile der Leasingkonstruktion, insbesondere den in der Regel beabsichtigten Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Leasinggeber, zugleich als gewollte Vertragsgrundlage ansieht (v. Westphalen, Rn. 141), welche die Auslegung des Leasingvertrages bestimmt (MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 14). Seit dem 1.1.2003 unterliegen Leasingverträge als Dauerschuldverhältnisse unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Begründung gemäß Art. 229 § 5 S.2 EGBGB dem reformierten Schuldrecht (Armbrüster/Wiese, DStR 2003, 334; Weber, NJW 2003, 2348 (2349)). Die Schuldrechtsreform erschwert jedoch keinesfalls, die bisherigen steuerlichen Wertungen aufrechtzuerhalten und weiterzuverfolgen (wie hier Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2324); Arnold, DStR 2002, 1049 (1050) sowie Assies, BKR 2002, 317 (319); alle gegen v. Westphalen, DB 2001, 1291 (1292); ZIP 2001, 2258 (2263)). Der Leasingnehmer wird auch nach der zivilrechtlichen Vorprägung durch das SchuRModG in der Regel nicht rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes. Vielmehr gelten die hergebrachten Zuordnungsregeln für Leasinggeschäfte fort.
12
b) Bilanzierung. Aus der Sicht des Steuerrechts stellt sich zunächst die Frage, wer das Leasinggut zu bilanzieren hat. Dies muss gemäß § 39 II Nr. 1 AO der wirtschaftliche Eigentümer, wofür nach allgemeinen Grundsätzen zunächst der zivilrechtliche Eigentümer gehalten wird (siehe Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, Erlass vom 23.6.2004 – 31- S 2170 – 090 – 22667/04 – Steuerrechtliche Zuordnung des Leasing-Gegenstands (§ 39 AO), DStR 2004, 1835). Die Zuordnung zum Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen richtet sich allerdings nicht allein nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten (zum Leasing vgl. BFH/NV 2000, 658 (659)). Abweichende Zuordnungsregeln für die Behandlung des Leasinggutes in der Handels- und Steuerbilanz enthalten der Vollamortisationserlass sowie der Teilamortisationserlass für die jeweilige Leasingform (mit allen Einzelheiten MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 17-20).
13
Bei Vollamortisation erfolgt die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums nach diesen Grundsätzen in der Mehrzahl der denkbaren Fälle zum Leasingnehmer. Der Leasinggeber wird bei diesem Vertragsmodell nur dann als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen, wenn die Grundmietzeit 40–90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer beträgt und die Gestaltung des Leasingvertrages außerdem kein Optionsrecht zu Gunsten des Leasingnehmers vorsieht. Selbst von diesem Grundsatz des Erlasses – und damit vom Bild des „erlasskonformen“ Leasing überhaupt (vgl. Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 52) – darf nach dem Gesamtbild der Vertragsgestaltung allerdings abgewichen werden, wenn der Leasingnehmer den Leasinggeber von Anfang an von der Nutzung des Wirtschaftsgutes ausschließt (NdsFG EFG 2003, 146).
14
Bei der gegenüber der Vollamortisation wesentlich bedeutenderen Teilamortisation ist das Leasinggut für den Leasingnehmer dagegen zumeist bilanzneutral. Der Leasinggeber aktiviert in Höhe der Anschaffungskosten. Seine AfA-Befugnis verlangt gem. § 39 I, II Nr. 1 S. 1 AO, dass der Leasingnehmer weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum erlangt hat (Kirchhof-Lambrecht, § 7 EStG Rn. 18). Ihr Umfang richtet sich nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Demgegenüber wäre der Leasingnehmer nur AfA-befugt, wenn er bei normalem Ablauf des Vertrages als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen wäre (FG München, Urt. v. 30.07.2002 – 6 V 1641/02), was die für das Teilamortisationsmodell geltenden Zurechnungsregeln jedoch zumeist verneinen. Im Einzel-
15
Mankowski/Knöfel
660
16
17
18
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nen differenziert der Erlass nach der Vertragsgestaltung. Hat der Leasinggeber ein Verkaufsrecht oder der Leasingnehmer ein Kündigungsrecht, so ist wirtschaftlicher Eigentümer der Leasinggeber. Im Übrigen wird nach dem rechnerischen Verhältnis zwischen Restamortisation und Veräußerungserlös unterschieden. Ist eine Abschlusszahlung zu leisten, weil die Restamortisation den Veräußerungserlös übersteigt, ist der Leasinggeber wirtschaftlicher Eigentümer. Liegt der Veräußerungserlös über der Restamortisation, so dass der Überschuss aufzuteilen ist, so ist der Leasinggeber wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er wenigstens 25 % des Mehrerlöses erhält. c) Leasing und Einkommensteuer. Die Leasingraten sind einkommens- bzw. körperschaftssteuerlich voll und sogleich als Betriebsausgaben abzugsfähig (MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 15). Auch Anschaffungsnebenkosten (z. B. für Installation etc.) kann der Leasingnehmer sofort als Betriebsausgaben verrechnen. Sie müssen beim Nutzer nicht aktiviert werden. Selbst degressive Leasingraten sind beim Mobilienleasing in vollem Umfang Aufwand. Es wird kein rechnerischer Jahresaufwand ermittelt und auf die Gesamtmietzeit verteilt, so dass auch keine Notwendigkeit besteht, die überschießenden Aufwände in den Anfangsjahren mit hohem Mietzins zunächst als Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren und in den späteren Jahren mit niedrigerem Mietzins gewinnmindernd zu berücksichtigen (BFHE 195, 192 = BStBl. II 2001, 645; Reinking/Eggert, Rn. 755). Darin liegt ein wirtschaftlich wichtiger Vorteil gegenüber dem Kauf der entsprechenden Gegenstände, bei dem allein die Abschreibungen nach § 275 II Nr. 7 lit. a HGB als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung (regelmäßig mit etwa 20 % auf Sachanlagen nach § 266 II A II HGB) die Unternehmensergebnisse zu mindern vermöchten (Oechsler, § 4 Rn. 476). Ansparrücklagen nach § 7g VII EStG kann der Leasinggeber aber nur bilden, wenn sich die „voraussichtliche“ Investition bereits durch eine Bestellung beim Lieferanten oder bei ihm selbst konkretisiert hat (BFH/NV 2005, 846; siehe Weber, NJW 2005, 2195, 2201). d) Leasing und Gewerbesteuer. Überdies sind die Hinzurechnungsvorschriften des GewStG zu Lasten des Leasingnehmers i. d. R. nicht anwendbar (MünchKommBGBHabersack, Finanzierungsleasing Rn. 16). Begrifflich sind die Leasingraten wegen der mietvertraglichen Qualifikation zwar durchaus Miet- bzw. Pachtzinsen i. S. v. § 8 Nr. 7 GewStG (Glanegger/Güroff-Güroff, § 8 Nr. 7 GewStG Rn. 7). Allerdings erfolgt die Hinzurechnung wegen § 8 Nr. 7 S. 2 GewStG nicht beim Leasingnehmer, weil die Leasingraten beim Leasinggeber der Gewerbebesteuerung unterworfen sind und Leasingsachverhalte i. d. R. auch keine Betriebsüberlassungen mit Miet-/Pachtzinsen über Euro 125.000 darstellen. Beim Leasinggeber stellt sich gewerbesteuerlich die Frage, ob die Entgelte für Kredite, die zur Refinanzierung der Anschaffungskosten für das Leasinggut dienen, Dauerschulden gemäß § 8 Nr. 1 GewStG sind. Hiervon ist auszugehen, wenn die Kreditlaufzeit zwölf Monate übersteigt (BFH BStBl. II 1981, 481; v. Westphalen, Rn. 44). Eine Präzisierung enthält § 19 I S. 1 GewStDV: Bei Kreditinstituten sind nur solche Entgelte für Dauerschulden anzusetzen, die dem Betrag entsprechen, um den der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Gegenstände, über die Leasingverträge abgeschlossen worden sind, das Eigenkapital überschreitet. Jenseits dieser Grundsätze sind die Dauerschulden auch beim Leasing stets anhand der Umstände des Einzelfalles gegen die Vorfälle des laufenden Geschäftsverkehrs abzugrenzen. Zu treffen ist auch hier eine Unterscheidung zwischen wirtschaftlichem Eigentum des Leasinggebers einerseits, das die zur Finanzierung der Anschaffungskosten eingegangenen Verbindlichkeiten als Dauerschulden qualifiziert, und wirtschaftlichem Eigentum des Leasingnehmers andererseits.
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
661
Gegen wirtschaftliches Eigentum des Leasinggebers an den finanzierten Wirtschaftsgütern können hierbei die weitgehende Identität von Grundmietzeit und betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer, der Zuschnitt des Leasinggegenstandes auf einen einzelnen Leasingnehmer und überhaupt alle Umstände sprechen, nach denen das Leasinggut zur Nutzung durch weitere Mieter als durch den einzelnen Leasingnehmer nicht mehr geeignet erscheint (grundlegend BFH/NV 1991, 406; auch BFH/NV 2000, 568; NdsFG EFG 2003, 146; Zusammenfassung bei Glanegger/Güroff-Güroff, § 8 Nr. 1 GewStG Rn. 69). Beim Immobilienleasing gelten Besonderheiten (näher Gzuk, AcP 190 (1990), 208 (211 f.); MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 10 m.w.N.). Ein Leasingvertrag begründet keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 II GrEStG, wenn dem Leasingnehmer lediglich das Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen (BFH DStR 2006, 1279).
19
Wenngleich der Zufluss der Leasingraten als Ertrag grundsätzlich der Gewerbebesteuerung unterliegt, ist auch zu Gunsten des Leasinggebers eine steuergünstige Vertragsgestaltung im Einzelfall möglich. Beispielsweise dürfen für Wartungsreserven, die der Leasinggeber beim Flugzeugleasing zusätzlich zu den Leasingraten vereinnahmt hat und die er im Schadensfall an den Leasingnehmer zurückerstatten muss, Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden, um die der Gewerbesteuermessbetrag ermäßigt wird (FG München EFG 2003, 149).
20
e) Leasing und Umsatzsteuer. Die Leasingraten sind umsatzsteuerbar, und zwar jeweils mit Ablauf des periodischen Voranmeldezeitraums, für den die Rate zu entrichten ist (Weber, NJW 2005, 2195 (2198)). Demgemäß kann der Leasingnehmer die anfallende Umsatzsteuer gemäß § 15 UStG als Vorsteuer in Abzug bringen. Die Rückforderung von Umsatzsteueranteilen unterfällt als unselbständiger Teil der Leasingraten deren Verjährungsfrist (OLG Düsseldorf 7.5.2004 – I-10 U 48/03; bei Weber, NJW 2005, 2195 (2198)). Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Nebenabreden im Leasingverhältnis hat der EuGH Stellung genommen (EuGH Rs. C-158/01,Slg. 2003, I-1317 – Auto Lease Holland BV/Bundesamt für Finanzen; Vorlageentscheidung BFHE 194, 510). Wenn der Leasingnehmer das Leasingfahrzeug im Namen und für Rechnung des Leasinggebers betankt, so ist keine steuerbare Kraftstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer gegeben. Der Leasinggeber tritt nicht als Zwischenhändler auf, sondern finanziert den eigenständigen Erwerb des Kraftstoffs durch den Leasingnehmer (BFH/NV 2003, 1023).
21
3. Vertragsstrukturelle Gesichtspunkte. Aus vertragstechnischer Sicht ist das Finanzierungsleasingverhältnis typischerweise ein Dreiecksverhältnis. Die Dreiecksbeziehung kommt dadurch zustande, dass der Leasinggeber das Leasinggut vom Hersteller, Lieferanten, Händler oder sonstigen Veräußerer aufgrund Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrages zu Eigentum erwirbt und es sodann dem Leasingnehmer zum Gebrauch gegen Zahlung von Nutzungsentgelt überlässt (Langenfeld, Rn. 385; Oechsler, § 4 Rn. 478). Im Kfz-Bereich liefert der Händler regelmäßig nicht nur das Fahrzeug, sondern vermittelt zugleich die Überlassung an den Leasingnehmer. Die Vermittlung wird durch eine vom Leasinggeber zu zahlende Provision vergütet. Als Bestandteil der Provision lässt sich jedenfalls nicht die Gewinnchance liquidieren, die im rahmenvertraglich vereinbarten Rückkauf und in der Weiterveräußerung von Leasingrückläufern liegt (BGH NJW-RR 2006, 824; dazu Stoffels/Born, LMK 2006, 182247).
22
Im Regelfall des Leasingverhältnisses ergeben sich dreieckstypische Konfliktlagen, die vor allem den Leasingnehmer gefährden können. Der Leasingnehmer hat mit dem Leasinggeber rechtstechnisch nur einen Vertragspartner. Störungen des Vertragsverhältnisses
23
Mankowski/Knöfel
662
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
können dagegen nicht nur aus dessen Sphäre, sondern auch aus der des Lieferanten stammen. Ein Vorgehen gegen den Lieferanten ist dem Leasingnehmer jedoch typischerweise nur aus abgetretenem Recht möglich (Oechsler, § 4 Rn. 479 plädiert dafür, den Kaufvertrag zwischen Lieferant und Leasinggeber als Vertrag zu Gunsten des Leasingnehmers anzusehen). Diese Mittelstellung des Leasinggebers zwischen Lieferant und Leasingnehmer setzt für den Leasinggeber zudem den Anreiz, Vertragsrisiken und Einstandspflichten an den Lieferanten durchzureichen (Abtretungskonstruktion/Drittverweisungsklausel). Dies kann mit dem Interesse des Leasingnehmers an Gewährleistung bzw. an Erfüllungshaftung seines unmittelbaren Kontrahenten kollidieren. Wird der Leasingvertrag vor dem Liefervertrag abgeschlossen, so ist der Leasingvertrag typischerweise aufschiebend bedingt i. S. v. § 158 I BGB durch das Zustandekommen des Liefervertrages (Oechsler, § 4 Rn. 488). 24
Zudem können sich die Risiken der Dreieckskonstellation in Fällen der Kollusion zu Lasten jedes Beteiligten verwirklichen. Ein kollusives Zusammenwirken von Lieferant und Leasinggeber ist in der Form denkbar, dass diese den Kaufpreis und damit den Anschaffungswert in eklatanter Abweichung vom Verkehrswert bzw. überhöht ansetzen, was dem Leasingnehmer ein Anfechtungsrecht verschaffen kann (Beckmann, CR 1996, 149 (151)). Eine gezielte Benachteiligung des Leasingnehmers durch betrügerische Kollusion kann auch vorliegen, wenn ein Schneeballsystem errichtet wird, welches der aggressiven Absatzförderung dienen soll. Beim „Flens-Modell“ wurde den Leasingnehmern eine Einmal-Teilzahlung an einen Dritten gegen das im Tatsächlichen streitige Versprechen entlockt, der Dritte werde die Restsumme der Leasingraten durch Anlageerlöse begleichen. Hier hilft die Annahme, dass die Einmalzahlung auch gegenüber dem Leasinggeber schuldbefreiend wirkt (BGH NJW 2003, 2382; dazu Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 915 (919)).
25
Ebenso kann es vorkommen, dass Lieferant und Leasingnehmer kollusiv zum Nachteil des Leasinggebers zusammenwirken (v. Westphalen, Rn. 647-651; MünchKommBGBHabersack, (nach § 515 BGB) Leasing Rn. 79; Weber, NJW 2005, 2195 (2196)). Wenn Lieferant und Leasingnehmer z. B. Kaufverträge über fiktive Gegenstände abschließen und zu deren Finanzierung Dritte als „Leasinggeber“ in die Scheingeschäfte eintreten lassen, geht das Risiko des Refinanzierungsausfalls zu Lasten dieses Dritten (LG Frankfurt a. M. WM 2002, 455 = WuB I J. 2. – 3. 02, 431 m. Anm. Beckmann = EWiR 2001, 1037 m. Anm. Streit; dazu Reinking/Eggert, Rn. 807). Ein enger Kontakt zwischen Leasingnehmer und Lieferant besteht insbesondere beim sog. Eintrittsmodell. Dort schließt ursprünglich der Leasingnehmer den Liefervertrag mit dem Lieferanten, und der Leasinggeber übernimmt dann den Vertrag vom Leasingnehmer (Oechsler, § 4 Rn. 487; MüllerSarnowski, DAR 2002, 485 (487)). Dabei ist freilich darauf zu achten, dass sich ein vereinbartes Erwerbsrecht des Leasingnehmers ggf. durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB behaupten kann (OLG Düsseldorf BB 2006, 1246). Ferner kommt es vor, dass der Leasingnehmer im Zusammenspiel mit dem Lieferanten wissentlich falsche Angaben in der Übernahmebestätigung macht. Dann haftet er dem Leasinggeber auf Schadensersatz (OLG Düsseldorf 2.12.2003 – I-24 U 129/03; 3.2.2004 – I-24 U 214/03; bei Weber, NJW 2005, 2195 (2196)).
26
Das Dreiecksverhältnis fehlt dagegen vollständig beim sog. Hersteller- oder Händlerleasing (Beckmann, DStR 2006, 1330; ders., DStR 2007, 157 (162); MünchKommBGBHabersack, Finanzierungsleasing Rn. 7; auch: „zwischenhändlerisches Finanzierungsleasing“, so Canaris, Rn. 1723, 1725; ders., AcP 190 (1990), 410 (415)). Das Händlerleasing ist zwar echtes Finanzierungsleasing; jedoch sind bei ihm Lieferant und Leasinggeber identisch (BGH NJW 2003, 505 (507); dazu Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 915), sodass es
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
663
sich nur um ein Zwei-, nicht um ein Dreipersonenverhältnis handelt (MünchKommBGBHabersack, Finanzierungsleasing Rn. 8). Daran ändert sich nichts, wenn dem Händler eine Werkstatt verbunden ist, die ggf. einen Werklohnanspruch geltend macht. Ein Werkunternehmerpfandrecht erwirbt sie nicht, auch nicht gutgläubig, weil sie sich die Kenntnis vom Vorliegen eines Leasinggeschäfts „im Konzern“ zurechnen lassen muss (OLG Hamm, NJOZ 2004, 2353; Beckmann, DStR 2007, 157 (162)). Kein Dreieck, sondern nur zwei Zweipersonenverhältnisse liegen beim sale-and-leaseback-Geschäft vor: Lieferant und Leasinggeber sind dabei identisch (MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 12; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 30-32). Erst wird die Leasingsache vom Leasingnehmer als Lieferant verkauft und dann in der anderen Rolle als Leasingnehmer zurückgeleast. Dies kann für den Leasinggeber besondere Gefahren bergen, wie der Flowtex-Skandal gezeigt hat, in dem von angeblich 3187 Bohrgeräten nur 280 wirklich existierten (BGH NJW 2005, 359; WM 2005, 23; dazu Volhard/ Weber, FS Ulmer, S. 865 (866); Weber, NJW 2003, 2348 (2351 f.); Zeller, EWiR § 437 BGB a.F. 1/2005, 343; Hey, JuS 2005, 402; Oechsler, NJW 2005, 1406 (1410); Beckmann, DStR 2007, 157 (161)). Auch umsatzsteuerrechtlich bergen sale-and-lease-back-Geschäfte Probleme. Das wirtschaftliche Eigentum dürfte beim Leasingnehmer-Veräußerer bleiben, weil der Leasinggeber-Erwerber zwar zivilrechtliches Eigentum, aber in der Regel keine Verfügungsmacht über die Leasingsache erlangt (so FG Berlin EFG 2003, 887 m. Anm. Büchter-Hole; offen BFH/NV 2003, 87). Jedenfalls richtet sich die umsatzsteuerliche Würdigung nach den Gegebenheiten des Einzelfalls unter Beachtung der vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung (BFH DStR 2006, 1325; dazu Vosseler, DStR 2007, 188). Ein Dreiecksverhältnis ganz anderer Art entsteht im Schadensfall unter Beteiligung eines Leasingfahrzeugs durch Einbezug des Deliktsgläubigers. Seit dem 1.8.2002 kann sich der Leasinggeber als Eigentümer, der nicht Halter des Leasingfahrzeugs ist, gleichwohl auf die Besonderheiten der Gefährdungshaftung im Straßenverkehr berufen und gemäß § 17 III 3 StVG den Haftungsausschluss für unabwendbare Ereignisse in eigener Person geltend machen. Der Leasinggeber sollte haftungsrechtlich aber nicht besser stehen als der Leasingnehmer (Weber, NJW 2003, 2348 (2353)). Der Verursachungsbeitrag des Leasingnehmers zum Schadenseintritt soll dem Leasinggeber in analoger Anwendung des bis zum 17.9.2002 gültigen § 9 StVG zuzurechnen gewesen sein (LG Halle VersR 2002, 1525). Mitverschulden und Betriebsgefahr des Leasingnehmers oder seines Fahrers sollten aber nicht gegen den Leasinggeber gelten (BGH NJW 2007, 3120). Kommt es durch Drittverschulden zum Totalschaden an einem Leasing-Kfz, so ist die Umsatzsteuer Bestandteil des Nutzungssschadens (OLG Hamm NJW-RR 2003, 774). IV. Rechtsnatur. Die Rechtsnatur der Finanzierungsleasingvertrages ist auch heute noch von Bedeutung, weil die reformierten Mängelhaftungsregime des Mietrechts und des Kaufrechts nicht aufeinander abgestimmt worden sind (Palandt-Weidenkaff, Einf. v. § 535 BGB Rn. 77 g). Die Zuordnung zu den verschiedenen in Betracht kommenden Vertragstypen entscheidet darüber, ob für den Leasingvertrag zwingende Vorschriften gelten, die auf das eine oder auf das andere Regime zugeschnitten sind. Außerdem ist die vertragsrechtliche Qualifikation dafür maßgebend, welches dispositive Recht zur Auslegung von Vereinbarungen im Leasingvertrag heranzuziehen ist bzw. vertragliche Regelungslücken gegebenenfalls auffüllen kann, was besonders für die Kautelarjurisprudenz entscheidend ist (Heussen/Imbeck, Teil 2 Rn. 118). Schließlich entscheidet die festgestellte Vertragstypik maßgeblich über die Inhaltskontrolle von Leasing-Formularverträgen (vgl. § 307 II Nr. 2 BGB, sowie Lieb, DB 1988, 946 (951 f.); Roth, AcP 190 (1990), 292).
Mankowski/Knöfel
27
28
29
664
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
30
Die häufig anzutreffende Kennzeichnung, dass der Leasingvertrag ein „Vertrag sui generis“ sei, weicht dem Qualifikationsproblem dagegen lediglich aus (so z. B. Klaas, NJW 1968, 1502 (1507); Lieb, DB 1988, 946 (951); WM 1991, 1533; Martinek, S. 86 ff.; AnwaltKomm-Krebs, § 311 Rn. 16; Oechsler, § 4 Rn. 477; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 76; Höpfner, FLF 2004, 72; ders., ZBB 2006, 200 (Fn. 2)) und vermag deshalb nicht zu überzeugen (näher Reinking/Eggert, Rn. 762).
31
1. Qualifikation „in erster Linie“ als Mietvertrag. Der Leasingvertrag ist nach gängiger Ansicht ein atypischer Mietvertrag, weil sein Vertragsgegenstand die entgeltliche Gebrauchsverschaffung und -belassung des Leasinggutes ist (BGH NJW 1990, 1113; Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184). Hieraus folgt zugleich die Eigenschaft des Leasingvertrages als Dauerschuldverhältnis (BT-Drucks. 14/6040, 177; AnwaltKommKrebs, § 314 Rn. 4; Schmidt, in: Henssler/v. Westphalen, VII § 500 BGB Rn. 2; PalandtWeidenkaff, Einf v § 535 BGB Rn. 45; Arnold, DStR 2002, 1049 (1053)). Der BGH macht die Einschränkung, dass der Leasingvertrag nur „in erster Linie“ als Mietvertrag gemäß §§ 535 ff. BGB gelte (BGH NJW 1996, 2860). Dies bedeutet, dass von den mietrechtlichen Regeln abgewichen wird, wenn und soweit typische Besonderheiten des Finanzierungsleasings dies erfordern (Wolf/Eckert/Ball, Rn. 1793; Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (108); Godefroid, Leasing-Berater 2002, 2 (4)). Die im Grundsatz mietvertragliche Einordnung des Leasingvertrages ist bei allem wirtschaftlichen Bedeutungszuwachs, den die Daseinsfinanzierung und die Kreditierung von Wirtschaftsgütern erfahren haben, dennoch aufrechtzuerhalten, weil sie der Rechtssicherheit und aufgrund des bewährten Regelungsmodells der §§ 535 ff. BGB in hohem Maße auch der Einzelfallgerechtigkeit dient (Wolf, JuS 2002, 335 (336); Reinking/Eggert, Rn. 763). Hinzu kommt die Verfestigung einer dem Grunde nach mietvertraglichen Qualifikation in der Vertragspraxis (Staudinger-Mayer-Maly, Einl. zu §§ 433 ff. Rn. 22 (20. Leasing); Beckmann, DStR 2007, 157).
32
2. Keine Qualifikation als Kaufvertrag. Entgegen Teilen des älteren Schrifttums (Nachw. bei Martinek, § 4 V; Wolf, JuS 2002, 335; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 72) ist der Finanzierungsleasingvertrag kein kaufähnliches Geschäft. Gegen die Einordnung als Kauf spricht, dass der Leasingvertrag keine kauftypische Eigentumsverschaffungspflicht kennt, sondern vorbehaltlich besonderer Abrede das Volleigentum beim Leasinggeber lässt (BGH WM 1985, 573; Staudinger-Köhler, Vorbem. zu §§ 433 ff. Rn. 66; Reinking/Eggert, Rn. 762). Dass Leasingverträge häufig oder in Teilbranchen sogar üblicherweise die Möglichkeit zum Eigentumserwerb des Leasingnehmers nach Ablauf der Vertragslaufzeit vorsehen, ändert hieran nichts (Soergel-Kummer, Vor § 535 Rn. 92). Der Finanzierungsleasingvertrag ist auch kein Mietkauf (MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 5; Schloßer, MDR 2003, 70 f.).
33
3. Keine Qualifikation als Darlehensvertrag. Vor dem SchuRModG war allgemein anerkannt, dass der Leasingvertrag kein Darlehensvertrag ist, weil der Leasingvertrag nicht auf die Überlassung von Geld geht und sich der dem Leasingnehmer zugute kommende Vorfinanzierungseffekt rechtstechnisch nicht ihm gegenüber, sondern in der Sphäre des Leasinggebers vollzieht (Sannwald, S. 84; Reinking/Eggert, Rn. 762). Den Leasinggeber trifft eine Pflicht, die Finanzierung zu organisieren (Oechsler, § 4 Rn. 477), dies wirkt sich aber praktisch im Verhältnis zum Lieferanten aus. Die Pflichtenposition gegenüber dem Leasingnehmer ist nicht darlehenstypisch ausgestaltet, sondern ist besser mit dem Terminus der Finanzierungsverantwortung des Leasinggebers beschrieben (eingehend Teichmann, FS Zöllner, 1998, S. 1253).
34
Nach einer neuen Ansicht soll der Finanzierungszweck des Leasingvertrages im Zuge des SchuRModG indes gegenüber dem Gebrauchsüberlassungsmoment erstarkt, das Fi-
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
665
nanzierungsleasing folglich jetzt als (reiner) Darlehensvertrag zu qualifizieren sein. Weil der Leasinggeber seinen neuen Nacherfüllungsanspruch (§ 439 BGB) gegen den Lieferanten an den Leasingnehmer abtrete, werde die Sachverschaffungspflicht aus dem Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer ausgekoppelt, welches daher nur noch von der Finanzierungsfunktion dominiert sei (so v. Westphalen, DB 2001, 1291 (1292); wohl auch Günzler, in: Schimmel/Buhlmann, 2002, S. 611; zumindest tendenziell MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 26-29). Diese Ansicht ist abzulehnen. Für das Finanzierungsleasing überbewertet sie den mit dem SchuRModG vollzogenen Übergang zur Erfüllungstheorie, die im Kaufrecht zwar eine Neuerung darstellte, die für die mietvertraglich bestimmten Hauptpflichten des Leasingvertrages aber schon zuvor gegolten hat (vgl. § 535 I 2 BGB u. § 536 BGB a. F.; dazu Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (109); Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2315)). Zwar mag die Leasingpraxis den mit dem SchuRModG eingeführten kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruch als „Kuckucksei“ (Reinking, DAR 2002, 496) oder „trojanisches Pferd“ (Zahn, DB 2002, 985) betrachten. Dabei geht es aber nur darum, inwieweit es noch sinnvoll ist, durch leasingtypische Vereinbarungen das Kaufrecht in den Leasingvertrag zu holen, nicht aber um die grundsätzlich mietvertragliche Qualifikation des Leasingvertrages als solche, die stets unabhängig von leasingtypischen Besonderheiten bestanden hat (ebenso Zahn, DB 2002, 985; Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2315); Reinking, ZGS 2002, 229 (230); Palandt-Weidenkaff, Einf v § 535 Rn. 37). Die qualitativen Veränderungen bei den Gewährleistungsrechten vollziehen sich gleichsam systemimmanent und ändern nicht die Struktur des Gesamtsystems (Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2315); Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 583 (587)). Für einen Darlehensvertrag fehlt es an der Übereignung und der nur gattungsmäßig geschuldeten Rückgabe; hier ist Rückgabe des konkreten Leasinggegenstandes geschuldet (Reinking/Eggert, Rn. 762).
35
Zwar wird aus kautelarjuristischer Sicht empfohlen, die Finanzierungsfunktion im Vertragstext besonders hervorzuheben, um den Leasingnehmer über seine Einstandspflicht für die Amortisation aufzuklären (vgl. Nath/Schilling/Fingerhut, Rn. 1055, die für Allgemeine Leasingbedingungen folgende Formulierung empfehlen: „Der Leasingvertrag hat ausschließlich Finanzierungsfunktion.“). Eine Belehrung des Leasingnehmers über die geforderte Amortisation erscheint heute jedoch weithin entbehrlich. Dass Amortisation geschuldet wird, weiß heute zumindest jeder Kaufmann (v. Westphalen, in: v. Westphalen/ Röhricht, Leasing Rn. 28 a. E.). Eine auf die Finanzierungsfunktion ausgerichtete Terminologie im Vertragstext soll demnach vorrangig die steuerliche Einordnung des Leasinggeschäfts durch die Finanzverwaltung vorprägen. Die mit Blick auf das Steuerrecht gewählten Begrifflichkeiten ändern jedoch weder die zivilrechtliche Qualifikation, noch können sie diese ersetzen (Canaris, AcP 190 (1990), 410 (457 f.)).
36
Da der Finanzierungsleasingvertrag seiner Rechtsnatur nach kein Darlehensvertrag ist, ist seine Vermittlung im Reisegewerbe trotz § 56 I Nr. 6 GewO erlaubt (BGH NJW 1989, 460 = ZIP 1989, 44; Reinking/Eggert, Rn. 762).
37
V. Abgrenzung zum Operating-Leasing. Das Finanzierungsleasing ist vor allem vom Operating-Leasing abzugrenzen. Das Operating-Leasing zeichnet sich dadurch aus, dass der Leasingvertrag dort keine bestimmte oder nur eine – im Verhältnis zur gewöhnlichen Nutzungsdauer – sehr kurze Vertragslaufzeit vorsieht und im Übrigen frei kündbar ist (BGH NJW 2003, 505 (507); v. Westphalen, Rn. 184; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 16; Prütting/Wegen/Weinreich-Elzer, BGB, 2. Aufl. 2007, § 535 BGB Rn. 10; aus öffentlichrechtlicher Sicht auch VGH Baden-Württemberg NVwZ 2002, 359). Die Leasingraten werden nicht finanzmathematisch kalkuliert, sondern berücksichtigen auch typische Ver-
38
Mankowski/Knöfel
666
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
mieterrisiken (Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (115)). Ist ein Vertragsverhältnis als Operating-Leasing einzuordnen, so gilt ausschließlich Miet- bzw. Pachtrecht (MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 4; Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (115); Palandt-Weidenkaff, Einf v § 535 Rn. 40). Weitere Rechtsfolge der Einordnung als Operating-Leasing ist, dass die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge auf Operating-Leasing-Verträge keine Anwendung finden, da das Operating-Leasing keine Finanzierungshilfe gewährt (sog. Vollprivileg-Theorie, Slama, FLF 1993, 83 (86); Godefroid, Leasing-Berater 1994, 15 (16); Bülow, § 500 BGB Rn. 5; a.A. die sog. TeilprivilegTheorie, der zufolge § 499 I BGB gelten soll, v. Westphalen, ZIP 1991, 639 (641); in: v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, § 3 VerbrKrG Rn. 63; Müller-Sarnowski, DAR 1992, 81 (83)). 39
VI. Abschluss und Inhalt des Leasingvertrages. 1. Vertragsschluss. Das Leasinggeschäft ist typischerweise Formulargeschäft (Roth, AcP 190 (1990), 292 (293)). Häufig verwendet der Lieferant Formulare des Leasinggebers, so dass der Lieferant im Verhältnis zum Leasingnehmer Antragender gem. § 148 BGB ist. Infolge der Formularverwendung kann der Lieferant auch Empfangsbote des Leasinggebers für Vertragserklärungen betreffend das Leasingverhältnis sein (Knops, BB 1994, 947 (951); a.A. v. Westphalen, Leasingvertrag, Rn. 333). Es widerspricht allerdings dem Konsensprinzip und dem Grundsatz der Erklärungshoheit, wenn man einen „Vertrauensschutz der deckungsgleichen Verhandlungsergebnisse“ bemüht, um eine nicht ohne weiteres gegebene Inhaltsidentität des Kaufvertrages zwischen Lieferant und Leasinggeber mit dem Leasingvertrag zu begründen (so indes Knops, BB 1994, 947 (955) und tendenziell MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 46; zu weitgehend daher auch BGH NJW 1985, 2258 (2259); v. Westphalen, in: v. Westphalen/Röhricht, Leasing Rn. 48 ). Betreffend das Zustandekommen der Einigung kann der Leasinggeber Bindungs- und Annahmefristen von bis zu einem Monat vorsehen (MünchKommBGB-Habersack, Leasing Rn. 40; Beckmann, DStR 2007, 157). Nach § 151 BGB kann auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet werden (BGH NJW 2004, 2962; Beckmann, DStR 2007, 157; a.A. Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 100). Vertragsabschlussklauseln, d.h. Abreden, die fehlenden Widerspruch auf ein Angebot zur Annahme erklären, sind auch in Verbrauchergeschäften zulässig (OLG Düsseldorf NJW 2005, 1515; a.A. Beckmann, DStR 2007, 157).
40
2. Sittenwidrigkeit des Leasingvertrages. Ein Finanzierungsleasingvertrag kann gem. § 138 I BGB unter Anwendung der für Darlehen entwickelten Grundsätze aufgrund eines Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sittenwidrig sein, wenn der effektive Vertragszins den maßgeblichen Vergleichszins – ermittelt als Schwerpunktzins zuzüglich Bearbeitungsgebühr anhand der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank – relativ um 100 % oder absolut um 12 % übersteigt (zur Berechnung näher BGH CR 1996, 144 (146) sowie BGH CR 1996, 147 (148 f.) m. Anm. Beckmann).
41
3. Allgemeine Formvorschriften. Beim Immobilienleasing sind die Formvorschriften der §§ 578 I, 550 BGB zu beachten (zur Vertragspraxis einschl. notarieller Beurkundung vgl. v. Westphalen, Rn. 1620-1627 sowie zu den Vorschriften i.d.F. des reformierten Mietrechts eingehend Mankowski, ZMR 2002, 481; Treier, GS Sonnenschein, 2003, S. 141).
42
4. Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge. Der Finanzierungsleasingvertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer wird gemäß § 500 BGB als Verbraucherdarlehensvertrag behandelt. Zur Feststellung des persönlichen Anwendungsbereichs sind die §§ 13, 14 BGB maßgeblich (Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 150), wobei besonders die Sachverhalte einer Mischnutzung der Leasing-
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
667
sache Probleme bereiten können, welche im Wege der Schwerpunktbetrachtung zu lösen sind (Reinking/Eggert, Rn. 765). Indizien für eine überwiegend private Nutzung sind jedenfalls die fehlende Benennung einer bestimmten Nutzungsart im Leasingvertrag sowie die Angabe der Privatanschrift des Leasingnehmers (OLG Düsseldorf ZMR 2001, 104 = EWiR 2001, 187 m. Anm. v. Westphalen). Die Behandlung des Finanzierungsleasingvertrages als „sonstige Finanzierungshilfe“ (§ 499 II BGB) ist kein Widerspruch dazu, dass der Leasingvertrag zivilrechtlich nicht als Darlehensvertrag qualifiziert wird. § 500 BGB stellt nach seinem Wortlaut „lediglich“ die Anwendung bestimmter Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge auf den Leasingvertrag klar. Hiermit soll der Verbraucherschutz bei solchen Geschäften befördert und abgerundet werden, die zumindest auch Finanzierungsfunktion haben. Mangels Gesetzeslücke handelt es sich allerdings nicht um eine Analogie (so HK-BGB-Ebert, § 500 BGB Rn. 1), sondern um eine entsprechende Anwendung der Verbraucherdarlehensvorschriften, die dem Grunde nach bereits in § 499 I BGB angeordnet und in §§ 499 II, 500 BGB präzisiert wird (Palandt-Putzo, § 500 BGB Rn. 2). Die Regelungen für Verbraucherkredite können ferner (Kredit-)Geschäfte erfassen, die den Leasingvertrag begleiten, z.B. die Stundung einzelner Leasingraten, verbunden mit einer eigenständigen Zinsabrede (OLG München NJOZ 2003, 3416 (3417)).
43
Unter den gesetzlichen Vorgaben für Verbraucherdarlehensverträge sind folgende auf den Finanzierungsleasingvertrag anwendbar: – das Widerrufsrecht nach §§ 495 I, 355 BGB mitsamt den Folgen gemäß § 357 BGB (OLG Koblenz NJW 2006, 919); – die Vorschriften über verbundene Verträge (§§ 358 ff. BGB) (dazu für den Leasingvertrag Reinking, DAR 2002, 145 (147 ff.); ZGS 2002, 229 (235); Müller-Sarnowski, DAR 2002, 485 (486); Weber, NJW 2003, 2348 (2349)); – die Unabdingbarkeit der §§ 404-407 BGB; – die Schriftform für Angaben gemäß § 492 I 1-4, 5 Nrn. 1-4 BGB, welche nicht gewahrt ist, wenn jede Partei des Leasingvertrages nur ihre eigene Vertragserklärung unterzeichnet (OLG Düsseldorf ZMR 2001, 104 = EWiR 2001, 187 m. Anm. v. Westphalen), wenn der Leasingnehmer formularmäßig auf den Zugang eines vom Leasinggeber unterzeichneten Exemplars des Leasingvertrages verzichtet (OLG Düsseldorf ZMR 2002, 35; NJW-RR 2003, 126 (127)) oder wenn der Leasinggeber den Leasingvertrag erst nach Ablauf einer von ihm selbst vorgegebenen Bindungsfrist bestätigt (OLG Rostock NJW-RR 2006, 341); – die Definition des effektiven Jahreszinses (§ 492 II BGB); – die notwendige Aushändigung der Vertragsurkunde an den Verbraucher gemäß § 492 III BGB; – das Scheck- und Wechselverbot gemäß § 496 BGB; – die Behandlung von Teilleistungen und Verzugszinsen sowie die Gesamtfälligstellung bei Teilzahlungsdarlehen gemäß §§ 497 ff. BGB.
44
§ 500 BGB verweist nicht auf die Vorschriften über Pflichtangaben gemäß §§ 492 I 5, 502 BGB, so dass diese in Finanzierungsleasingverträgen prinzipiell (siehe aber Rn. 48) nicht enthalten sein müssen.
45
§ 500 BGB verweist ebenfalls nicht auf § 492 IV BGB, weshalb die auf Verbraucherdarlehensverträge anwendbare Formvorschrift für Vollmachten nicht beim Finanzierungsleasingvertrag gilt (AnwKomm-Reiff, § 500 Rn. 4). § 500 BGB verweist weiterhin nicht auf § 494 BGB. Bezüglich der Rechtsfolgen von Formmängeln verbleibt es daher bei den allgemeinen Vorschriften (Schäfer, in: Haas/
46
Mankowski/Knöfel
668
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland, Kap. 7 Rn. 50). Formmängel führen zur Nichtigkeit (§ 125 BGB); die Rückabwicklung bestimmt sich nach den §§ 812 ff. BGB. 47
Mangels Verweisung gelten die §§ 655a ff. BGB nicht für Finanzierungsleasingverträge. Die Vermittlung von Finanzierungsleasingverträgen ist daher anders als die Kreditvermittlung keinen besonderen Vorschriften über den Verbraucherschutz unterworfen. Hier ist de lege ferenda Abhilfe zu schaffen (Habersack/Schürnbrand, WM 2003, 261 (262); Weber, NJW 2003, 2348 (2349)).
48
Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht weist die Verweisungsnorm in § 500 BGB geringfügige Brüche auf. Die enumerative Aufzählung in § 500 BGB hat einige zwingende Vorgaben der Richtlinie 87/102/EWG über den Verbraucherkredit (Richtlinie 87/102/ EWG des Rates vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. EG 1987 L 42/48), welche den ursprünglichen Anstoß zur Einordnung der Finanzierungshilfe in den Begriff des Verbraucherkredits gegeben hatte (vgl. nur MK-Ulmer, § 1 VerbrKrG Rn. 85), nicht in den Kreis der auf den Finanzierungsleasingvertrag entsprechend anwendbaren Verbraucherschutzvorschriften aufgenommen. Nicht gefordert ist z. B. die Angabe des effektiven Jahreszinses gemäß § 492 I Nr. 5 BGB, wohl aber dessen Definition gemäß § 492 II BGB (vgl. Godefroid, Leasing-Berater 2002, 2, 7). Solche im Gesetzgebungsverfahren des SchuRModG nicht berücksichtigten Unstimmigkeiten müssen und können im Wege der richtlinienkonformen Auslegung überbrückt werden (Schäfer, in: Haas/Medicus/Rolland/ Schäfer/Wendtland, Kap. 7 Rn. 51; KompaktKomm-Kohte, § 500 Rn. 12; a.A. Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 153: § 500 BGB sei richtlinienwidrig).
49
Richtlinienkonforme Auslegung im Lichte von Art. 2 I lit. b VerbraucherkreditRL zwingt auch dazu, auf Leasingverträge mit Andienungs- oder Optionsrechten, bei denen der Leasingnehmer Verbraucher ist, die in § 500 BGB nicht aufgeführten Schutzbestimmungen, namentlich §§ 502, 503 II 4, 5, 504 BGB, anzuwenden (AnwaltKomm-Reiff, § 500 Rn. 5 f.; Bülow, NJW 2002, 1145 (1150); Schäfer, in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland, Kap. 7 Rn. 51; Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589, 612).
50
5. Anfechtung. Wenn der Lieferant mit Wissen und Wollen des Leasinggebers einen Leasingvertrag anbahnt und dabei täuscht, so ist der Lieferant nicht Dritter i. S. v. § 123 II BGB, so dass es auf die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Leasinggebers bezüglich der Täuschung nicht ankommt (BGH NJW 1989, 287; v. Westphalen, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Leasing Rn. 51; Soergel-Hefermehl, § 123 Rn. 32; MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 53; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 174; Reinking/Eggert, Rn. 803; Wolf/Eckert/Ball, Rn. 1857; Palandt-Heinrichs, § 123 Rn. 14.) Die typische Verwendung von Formularen des Leasinggebers stellt eine unmittelbare Beteiligung des Lieferanten am Leasinggeschäft her, welche die Anwendung von § 123 II BGB ausschließt. Dabei wird der Lieferant zum Verhandlungsgehilfen, dessen Versäumnisse bei der Erfüllung von Sorgfalts- und Aufklärungspflichten dem Leasinggeber gemäß § 278 BGB zuzurechnen sind (v. Westphalen, in: Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, Leasing Rn. 51).
51
Dagegen wollen andere nicht schon die (untechnische) Eigenschaft als Verhandlungsgehilfe (dazu noch OLG Köln VersR 1996, 718 f.), sondern nur die Feststellung einer echten Vertretereigenschaft i. S. d. §§ 164 ff. BGB ausreichen lassen, um die nach dieser Ansicht grundsätzlich gegebene Stellung des Lieferanten als Dritter gemäß § 123 II BGB sicher auszuschließen (Canaris, NJW 1982, 305 (311); Palandt-Weidenkaff, Einf v § 535 Rn. 51). Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, denn sie spaltet das leasingtypische „Dreigestirn“ unnötig auf. Sie weist dem Lieferanten unzutreffend die Position eines am Ge-
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
669
schäft vorderhand Unbeteiligten zu, dessen Verhalten nur im Ausnahmefall zurechenbar sein soll, während der Lieferant in aller Regel gezielte Zuarbeit für den Leasinggeber aufgrund rationalisierter und massenhafter Geschäftsorganisation leistet. Wenn der Lieferant im Leasingformular ausdrücklich als „Ansprechpartner“ des Leasingnehmers benannt wird, kann der Lieferant daher mit Wirkung für den Leasinggeber auf Ansprüche für den Fall der vorzeitigen Rückgabe der Leasingsache verzichten (OLG Dresden OLGReport Brandenburg/Dresden/Jena/Naumburg/Rostock 2003, 184). Im Gegensatz zur Wertung unter § 123 II BGB kann der Lieferant allerdings Dritter als Sachwalter i. S. d. §§ 311 III, 241 II BGB sein und damit besonders bei mangelhafter Aufklärung über den Leasinggegenstand in eigener Person Ansprüche auf sich ziehen, die nach altem Recht als culpa in contrahendo zu bewältigen waren (Beckmann, FLF 2002, 46 (52)).
52
6. Erfüllungsgehilfen. Der Leasingnehmer kann für die Erfüllung der Abnahmepflicht Erfüllungsgehilfe des Leasinggebers im Verhältnis zum Lieferanten sein (StaudingerStoffels, Leasing Rn. 175; a.A. jedoch Knops, JuS 1994, 106 (109) Empfangsbote, Rn. 39). Ebenso ist der Lieferant Erfüllungsgehilfe des Leasinggebers im Verhältnis zum Leasingnehmer, insbesondere für die Erfüllung von Sorgfalts- und Aufklärungspflichten (BGHZ 95, 170 (179 f.); v. Westphalen, in: Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Leasing Rn. 51; ders., Leasingvertrag, Rn. 517; Palandt-Weidenkaff, Einf v § 535 Rn. 54; MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 52), die wohl aber nicht die Pflicht einschließen, den Leasingnehmer auf die Notwendigkeit einer wahrheitsgemäßen Übernahmebestätigung hinzuweisen (BGH NJW 2005, 365 (366)).
53
Hiergegen ist eingewandt worden, dass eine Anwendung von § 278 BGB zum Nachteil des Leasinggebers einen Wertungswiderspruch auslösen könne: Der Leasingnehmer profitiere von der Arbeitsteilung zwischen Lieferant und Leasinggeber, dann müsse er auch bei der Erfüllung schuldvertraglicher Pflichten ihre Personenverschiedenheit hinnehmen. § 278 BGB sei daher nur mit Vorsicht heranzuziehen, da das Vertretenmüssen von Lieferant und Leasinggeber nicht ohne weiteres auf einen der beiden kanalisiert werden könne (so Oechsler, § 4 Rn. 487). Dies überzeugt nicht, da die regelmäßig anzutreffende strukturelle Unterlegenheit des Leasingnehmers gegenüber beiden anderen Beteiligten des leasingtypischen Dreiecksverhältnisses dabei nicht hinreichend berücksichtigt wird. Der Zurechnungszusammenhang ist allerdings unterbrochen, wenn der Lieferant die Grenzen des ihm vom Leasinggeber erteilten Auftrages erkennbar überschreitet (OLG München DB 2002, 2373 (2374)).
54
Die Eigenschaft des Lieferanten als Erfüllungsgehilfe des Leasinggebers kann auch in dessen Allgemeinen Leasingbedingungen nicht wirksam ausgeschlossen werden (OLG Köln VersR 1996, 718 f.).
55
B. Leistungsstörungen im Leasingverhältnis
56
I. Nichterfüllung. 1. Fehlgeschlagene Lieferung. Schlägt die Lieferung der Leasingsache fehl, so richtet sich die Rechtsstellung des Leasingnehmers nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht (Reinking/Eggert, Rn. 816). Der Leasingnehmer kann vom Leasinggeber Schadensersatz gemäß §§ 280 I, 283 BGB verlangen. Der Leasinggeber ist zur (rechtzeitigen) Gebrauchsüberlassung des Leasinggegenstandes verpflichtet, wie sich aus § 535 I 1 BGB ergibt (siehe nur MünchKommBGB-Habersack, (nach § 515 BGB) Leasing Rn. 50). Es handelt sich nicht um eine Garantie-, sondern um eine Verschuldenshaftung (BGHZ 96, 103 (107)). Bleibt die Lieferung aus, so kann der Leasingnehmer ferner vom Kündigungsrecht gemäß § 543 II Nr. 1 BGB Gebrauch machen oder das Verlangen
Mankowski/Knöfel
670
57
58
59
60
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
auf Zahlung der Leasingraten mit der Einrede des nichterfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB abwehren (Palandt-Weidenkaff, Einf v. § 535 Rn. 55). 2. Mangelhafte Lieferung als Nichterfüllung? Mit der vom SchuRModG veranlassten zivilrechtsdogmatischen Umstellung des Kaufrechts auf die Erfüllungstheorie ist streitig geworden, ob die Befugnis des Leasingnehmers, fällige Leasingraten im Falle der Nichterfüllung über § 320 BGB zurückzuhalten, nicht nur im Falle ausgebliebener Lieferung, sondern nun auch bei Lieferung einer mangelhaften Leasingsache besteht (dafür v. Westphalen, DB 2001, 1291 (1292); ZIP 2001, 2258 (2259 f.); zu Recht ablehnend Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2186); Beckmann, FLF 2002, 46 (50); Assies, BKR 2002, 317 (318); Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2323); Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 583 (584)). Gegen eine derartige Annahme spricht jedenfalls § 359 S. 3 BGB, der für den finanzierten Kauf zunächst das Fehlschlagen einer möglichen Nacherfüllung verlangt, bevor der Verbraucher seine Leistung verweigern darf. Es wäre sinnwidrig, für den Leasingvertrag, der dem finanzierten Kauf wirtschaftlich nahe steht, ein voraussetzungsloses Leistungsverweigerungsrecht bereits im Falle der Schlechtlieferung anzunehmen (so zutreffend Reinking/Eggert, Rn. 826 sowie Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2323)). Die beim Leasingvertrag angestrebte Freizeichnung des Leasinggebers von Mangelfolgen würde konterkariert. Zudem würde nicht berücksichtigt, dass § 536 BGB für den Fall eines Sachmangels der Mietsache automatisch Minderungsansprüche vorsieht, so dass das bei finanziertem Kauf und Leasing gleichermaßen bestehende „Aufspaltungsrisiko“ bereits hierdurch herabgesetzt wird (Arnold, DStR 2002, 1049, 1052 (1054 f.) sowie Assies, BKR 2002, 317 (318)). II. Sachmangel. 1. Fehler des Leasinggegenstandes. Der mit dem SchuRModG festgeschriebene subjektive Fehlerbegriff bereitet bei Leasingverträgen kaum Schwierigkeiten, u. U. mit Ausnahme des Computer-Leasing, soweit es sich auf Hard- und Software als Sachgesamtheit bezieht (näher Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 194) und des Kraftfahrzeug-Leasing. Einige Verbände des Kfz-Gewerbes empfehlen Neuwagen-Verkaufsbedingungen, welche einen „Vorbehalt des Lieferumfangs“ vorschlagen (näher MüllerSarnowski, DAR 2002, 485 (488); zu den Muster-AGB von ZDK, VDIK und VDA zuletzt Reinking, ZfS 2003, 57). Seit dem 1.11.2004 muss der Neuwagenhandel außerdem Vorkehrungen zu Hinweisen auf Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Emissionswerte treffen (dazu Jan Hoffmann/Dörthe Westermann, EuZW 2004, 583 ff.), was grundsätzlich auch für Leasinganbieter gilt (Weber, NJW 2005, 2195 (2198)). Dass die Angaben als vereinbarte Beschaffenheit i.S. des § 434 I 1 BGB gelten, lässt sich vermeiden, indem sie als unverbindliche Informationen zu Vergleichszwecken gekennzeichnet werden. Erfolgen Modell- oder Typenänderungen zwischen dem Abschluss des Leasingvertrages und der Auslieferung („Modellpflege“), so kann der Leasingnehmer ggf. das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gelten machen (BGH NJW 2003, 2824). Für den Fall, dass der Leasingvertrag auf die Gebrauchsüberlassung einer Gattungssache gerichtet ist, hat der neue Sachmängelbegriff allerdings bereits zu Missverständnissen geführt. Teilweise wird vertreten, der Lieferant übernehme aus der Sicht des Leasingnehmers eine Art Beschaffungsrisiko (v. Westphalen, ZIP 2001, 2258 (2262)), was gegebenenfalls zu einer unabdingbaren Garantiehaftung für die Mangelfreiheit der Leasingsache führen soll (so v. Westphalen, ZGS 2002, 154 (157)). Diese Ansicht beruht wohl auf der unzutreffenden Vorstellung, dass eine Gattungssache nur bei völliger Mangelfreiheit von mittlerer Art und Güte sei. Dies entspricht der von § 243 I BGB erstrebten Festlegung einer im Verhältnis der Parteien erfüllungstauglichen Spannbreite bei der Beschaffenheit des Leistungsgegenstandes aber gerade nicht (Reinking/Eggert, Rn. 777).
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
671
2. Freizeichnung des Leasinggebers von der Haftung für Sachmängel. a) Grundsätzliches. Der Leasinggeber zeichnet sich von seiner mietrechtlichen Haftung für Sachmängel gegenüber dem Leasingnehmer (§§ 535 ff. BGB) regelmäßig dadurch frei, dass er seine Mängelrechte gegen den Lieferanten aus den §§ 433 I S. 2; 434 ff. BGB an den Leasingnehmer abtritt – sog. Abtretungskonstruktion oder Drittverweisungsklausel (mit allen Einzelheiten MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 79-96). Diese Kombination von Haftungsausschluss und Abtretung ist für das Leasing so typisch, dass sie ihm sein besonderes Gepräge verleiht und die leasingtypische Abweichung vom Mietrecht bewirkt (BGH NJW 1982, 105; Beckmann, CR 1996, 149 (151); ders., in: Büschgen, § 6 Rn. 29; ders., FLF 2002, 46 (48); Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2190); Reinking/Eggert, Rn. 772; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 214; Weber, NJW 2005, 2195 (2196)). Die Vertragstypik enthebt aber nicht davon, das Eingreifen der Abtretungskonstruktion rechtsgeschäftlich wirksam zu vereinbaren; sie wird nicht „automatisch“ Vertragsbestandteil (OLG Köln VRS 107 (2004), 242).
61
Unter altem Recht war die Abtretungskonstruktion als interessengerechte Regelung anerkannt und hielt die in ihr steckende Freizeichnung der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle grundsätzlich stand (BGHZ 68, 118 (123 ff.); 97, 135 (147)). Sie verhinderte, indem der Leasingnehmer gegen den Lieferanten klagen musste und das Prozessrisiko trug, missbräuchliche Klagerhebungen und gewährleistete vernünftige Entscheidungen des Leasingnehmers, ob er sich auf einen Streit über das Vorliegen eines Sachmangels einlassen wollte; außerdem setzte ihn eine missbräuchliche Klagerhebung dem Risiko aus, dass der Leasinggeber den Vertrag kündigte und Schadensersatz geltend machte, sowie dem Risiko von Verzugszinsen, wenn er die Zahlung von Leasingraten unzulässig verweigerte (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2185)).
62
Seit dem SchuRModG besteht kein Anspruch auf Wandelung mehr, sondern nur ein Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht. Zu seiner Durchsetzung bedarf es keiner Klage des Rechtsinhabers mehr. Vielmehr werden die Prozessrollen umgekehrt und kann sich der Leasingnehmer nach Rechtsausübung auf die passive Rolle und die Beklagtenposition zurückziehen. Dies erhöht das Risiko rechtsmissbräuchlicher Mängelbehauptungen (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2185)), das nur noch durch das gegenläufige Schadensersatz- und Verzugszinsrisiko gesteuert wird. Der Leasinggeber stünde vor der misslichen Entscheidung, ob er Zahlungsklage erheben und zusätzlich dem Lieferanten nach § 72 I ZPO den Streit verkünden will (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2185)).
63
Das SchuRModG hat damit grundsätzliche Anstöße gegeben, die in der Leasingvertragspraxis seit langem gebräuchliche Abtretungskonstruktion sowohl theoretisch-dogmatisch als auch kautelarjuristisch zu überdenken. Im Ergebnis besteht aber kein Anlass, die leasingtypische Abtretungskonstruktion insgesamt in Frage zu stellen (KompaktKommBGB-Kohte, § 500 Rn. 14; Beckmann, FLF 2002, 46 (48 f.); Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2318); Godefroid, Leasing-Berater 2002, 2 (5); Zahn, DB 2002, 985 f.; Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2188); Palandt-Weidenkaff, Einf v. § 535 Rn. 56; Jaggy, Leasing-Berater 2002, 14 (16 f.); Reinking/Eggert, Rn. 774; Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 583; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 217; MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 2; Beckmann, WM 2006, 952, 956). Schon unter altem Recht handelte es sich beim Leasing um Gattungssachen, so dass über § 480 I BGB Nachlieferung einschlägig war (Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (111)). Die der Abtretungskonstruktion seit jeher zur Seite gestellte Ermächtigungskonstruktion, wonach der Leasingnehmer nicht Forderungsinhaber der Gewährleistungsrechte wird, sondern sie nur in eigenem Namen geltend macht (dazu Reinking, DAR 2002, 496), erfährt somit keine Aufwertung oder
64
Mankowski/Knöfel
672
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
hat keine Alleingeltung (a.A. wohl v. Westphalen, DB 2001, 1291 (1293); ders., ZIP 2001, 2259 (2263)). 65
Der vollständige Haftungsausschluss für Sachmängel ist im Mietvertrag – und damit im Leasingvertrag – auch gegenüber Verbrauchern möglich, wie ein Umkehrschluss aus der nur für Wohnraum anderslautenden Wertung in § 536 IV BGB zeigt (Jaggy, LeasingBerater 2002, 14 (17)).
66
Dennoch verlangt die vertragliche Gestaltung der Abtretungskonstruktion die Beachtung verschiedener Voraussetzungen. Die Frage nach einer möglicherweise gemäß § 307 BGB unangemessenen Benachteiligung des Leasingnehmers durch eine Drittverweisungsklausel in Allgemeinen Leasingbedingungen ist dabei keineswegs die einzige oder auch nur die zentrale Problemzone (so wohl Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (111)), sondern nur eine unter mehreren Gestaltungsfragen.
67
Aus Praxissicht dürfte gerade dieses Problem einiges von seiner Relevanz bereits dadurch einbüßen, dass der Kaufvertrag zwischen Leasinggeber und Lieferant aus Kulanzgründen ohnehin den rechtlich nicht zwingend erforderlichen (vgl. Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (603); MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 40; Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 583 (586)) Standard des Verbrauchsgüterkaufs wahrt (Godefroid, Leasing-Berater 2002, 2 (8)). Zu Recht wird allerdings darauf hingewiesen, dass die unveränderte Verwendung „alter“ Allgemeiner Leasingbedingungen ein nicht unerhebliches Risiko für den Verwender bedeuten kann (v. Westphalen, ZGS 2002, 64). Selbst wenn der Lieferant die kaufrechtliche Mängelgewährleistung gegenüber dem Leasinggeber ausschließt, so dass die Abtretung ins Leere geht, liegt keine Umgehung zwingender Vorschriften i.S. des § 475 I 2 BGB vor. Der Leasingnehmer mit Verbrauchereigenschaft kann sich vielmehr an den Leasinggeber halten, weil der Ausschluss der mietrechtlichen Mängelhaftung nach § 307 I 1 BGB unwirksam ist (BGH ZIP 2006, 1001 = EWiR § 535 BGB 1/06, 299 m. Anm. Moseschus; dazu Höpfner, ZBB 2006, 200; näher siehe auch v. Westphalen, BB 2008, 2, 6 f.).
68
b) Anspruch auf Abtretung statt Vollzug der Zession. Soll der Leasingnehmer – wie typischerweise – ausschließlich auf Ansprüche gegen den Lieferanten verwiesen werden, so genügt es grundsätzlich, dass ihm ein schuldrechtlicher Anspruch auf die Abtretung eingeräumt wird. Die Abtretung muss nicht zwingend bereits im Leasingvertrag erklärt und angenommen worden sein (OLG Koblenz OLG-Report Koblenz/Saarbrücken/Zweibrücken 2001, 124 f.; dazu Reinking/Eggert, Rn. 774).
69
c) Bedingungsfeindlichkeit. Wird die Abtretung im Leasingvertrag vollzogen, so verlangen die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Anforderungen an den Erklärungsinhalt der Abtretung, dass die Zession unbedingt und vorbehaltlos erfolgt, weil der Leasinggeber auch zur eigenen Rechtsverfolgung auf Kosten des Leasingnehmers berechtigt wäre (st. Rspr., zuletzt BGH ZMR 2003, 93 (94); OLG Rostock NJW-RR 2002, 1712 (1713); vgl. auch Reinking, ZGS 2002, 229 (232) m.w.N). Wird die Zession nur unter Vorbehalt oder abhängig vom Eintritt einer Bedingung erklärt, so kann eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Leasinggebers erfolgte Abtretung gemäß § 140 BGB in eine Ermächtigung zu Gunsten des Leasingnehmers umgedeutet werden, die Ansprüche des Leasinggebers gegen den Lieferanten in eigenem Namen geltend zu machen (BGH ZMR 2003, 93 (94) = EWiR 2003, 293 m. Anm. Vollkommer; Zahn, DB 2002, 985 (986)).
70
d) Gegenstand der Abtretung. § 399 Var. 1 BGB untersagt die Abtretung akzessorischer Gestaltungsrechte ohne die Hauptforderung (BGH NJW 1973, 1794; Palandt-Heinrichs, § 399 Rn. 7). Zu Unrecht wird die Auffassung vertreten, dass gerade die gegenüber dem
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
673
bisherigen Recht abweichende Behandlung der Gestaltungsrechte durch das SchuRModG (dazu u. a. Westermann, NJW 2002, 241 ff.) zur Abwandlung der leasingvertraglichen Abtretungskonstruktion in eine Ermächtigungskonstruktion zwinge (so v. Westphalen, ZIP 2001, 2258 (2260, 2263); ders., ZGS 2002, 64). Derartige Schwierigkeiten bestehen nicht (Beckmann, FLF 2002, 46 (48); Jaggy, Leasing-Berater 2002, 14 (16); Reinking/Eggert, Rn. 773). Zunächst haben die Fristsetzungs- und Ablehnungsbefugnisse, welche dem Leasinggeber gegenüber dem Lieferanten nach §§ 281 I S. 1, 323 I BGB zustehen, seit dem SchuRModG ohnehin keine gestaltende Wirkung mehr. Sie können daher ohne weiteres an den Leasingnehmer abgetreten werden, der ihre Rechtswirkung dann selbst durch das Verlangen nach Schadensersatz (§ 281 IV BGB) bzw. die Rücktrittserklärung gemäß § 323 I BGB herbeiführt, und zwar unmittelbar gegenüber dem Lieferanten (PalandtWeidenkaff, Einf v. § 535 Rn. 57). Außerdem hat man seit jeher das Rücktrittsrecht für abtretbar gehalten, wenn es von der Hauptforderung begleitet wird (BGH NJW 1985, 2640 (2641); Reinking, ZGS 2002, 229, (230)). Da die Abtretungskonstruktion den Nacherfüllungsanspruch aus § 439 BGB an den Leasingnehmer übergehen lässt, besteht kein Grund, für Rücktritt und Minderung als vertragsbezogene, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung bestehende Begleitrechte mit Gestaltungswirkung etwas anderes anzunehmen; allerdings kann (und sollte) sicherheitshalber eine Klarstellung im Leasingvertrag selbst erfolgen (Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589, 605 sowie Reinking, ZGS 2002, 229 (230 f.)).
71
Abzutretende künftige Forderungen haben überdies bestimmbar zu sein. Die bei Schlechterfüllung bestehenden Ansprüche des Leasinggebers gegen den Lieferanten auf Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB werden bei Abschluss des Leasingvertrages als künftige Forderungen an den Leasingnehmer abgetreten. Wegen des in § 439 I BGB vorgesehenen Wahlrechts zwischen Nacherfüllung und Nachbesserung wird teilweise angenommen, dass im Fall einer Entscheidung zu Gunsten der Nachlieferung der Eigentumsverschaffungsanspruch bezüglich der Leasingsache beim Leasinggeber bleiben müsse, der den Leasingnehmer insoweit nur zur Ausübung des Anspruchs entsprechend § 185 BGB ermächtigen könne. Das Ergebnis wäre eine Teilabtretung (so Oechsler, § 4 Rn. 494).
72
Diese Aufspaltung erscheint weder sachgerecht noch nötig. Der Leasinggeber entäußert sich mit der Zession jedes tatsächlichen Interesses an der Eigentumsverschaffung des Leasinggutes. Weiterhin entspricht es allgemeiner Ansicht, dass sich der Leasingnehmer einer Neulieferung grundsätzlich nicht verweigern darf, was im Leasingvertrag klargestellt werden sollte (Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (604)) und ebenso zulässig ist wie die vertragliche Einengung der Nacherfüllung auf die Nachbesserung (Assies, BKR 2002, 317 (318); Zahn, DB 2002, 985 (988); Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2320); a.A. v. Westphalen, ZIP 2001, 2258 (2259)).
73
Der Anspruch geht auf Übereignung der Austauschsache an den Leasinggeber (Reiner/ Kaune, WM 2002, 2314 (2318)); der Leasingnehmer wird nicht etwa Eigentümer der neu zu liefernden Sache (Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2317); a.A. v. Westphalen, DB 2002, 1291 (1292)). Eine entsprechende eindeutige Ausgestaltung der Abtretungsklauseln ist allerdings anzuraten, um jedes Restrisiko auszuschalten, dass über § 305 c II BGB eine Auslegung zu Lasten des Leasinggebers stattfinden könnte (Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2318)).
74
Im Normalfall ist die Neulieferung somit (als Nach-Erfüllung) Erfüllungsversuch und führt zur Fortsetzung des Leasingvertrages (siehe nur Beckmann, FLF 2002, 46 (50); Reinking, DAR 2002, 496 (497)). Welche Vorteile dann die Annahme einer Teilabtretung
75
Mankowski/Knöfel
674
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
haben soll, ist unerfindlich. Bereits unter Geltung alten Rechts hatte die Annahme nicht recht überzeugt, an den Leasingnehmer könne nur der Anspruch auf Wandlung, nicht hingegen derjenige aus Wandlung abgetreten sein (dazu MünchKommBGB-Habersack, (nach § 515 BGB) Leasing Rn. 70). Wenn das geltende Recht die Unterscheidung zwischen verschiedenen Ausübungs- und Vollzugsstufen der Gewährleistungsrechte gerade beseitigt hat, so sollte dieser Wertung auch durch einheitliche Abtretbarkeit aller gegen den Lieferanten begründeter Ansprüche Geltung verschafft werden. 76
Mit den abgetretenen Schadensersatzansprüchen kann der Leasingnehmer auch seinen Eigenschaden beim Lieferanten liquidieren (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2187)). Er ist Gläubiger, und es kommt auf den bei ihm entstandenen Schaden an. Insbesondere kann er Nutzungsentschädigung für den Nutzungsausfall (dazu generell eingehend Gruber, ZGS 2003, 130) während der Nachbesserungs- oder Nachlieferungsphase verlangen (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2187); Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2316 f.)).
77
Ansprüche des Leasinggebers gegen den Lieferanten aus selbstständigen Garantien werden von Klauseln, mit denen allein Mängelgewährleistungsansprüche abgetreten werden, nicht erfasst (Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2316)). Bei weiter formulierten Abtretungsklauseln sind sie dagegen miterfasst. Aus Leasingnehmersicht ist es sinnvoll, auch die Abtretung solcher Garantieansprüche zu verlangen. Verblieben diese in der Hand des Leasinggebers, so wären sie entweder ineffektiv (weil der Leasinggeber sie nicht ausübt) oder würden zu Verwirrung beitragen, weil sich der Lieferant zwei Gläubigern ausgesetzt sähe.
78
e) Keine unangemessene Benachteiligung. Die Abtretungskonstruktion benachteiligt den Leasingnehmer nicht unangemessen im Sinne von § 307 BGB. Der Leasingnehmer erhält nämlich mit der Abtretung Käuferrechte gegen den Lieferanten. Diese sind mit dem SchuRModG eher erstarkt, insbesondere in Gestalt des Nacherfüllungsanspruches und der auf zwei Jahre verlängerten Regelverjährung; deshalb gilt ein Erst-RechtSchluss: Was vor dem SchuRModG AGB-rechtskonform ist, muss es danach erst recht sein (ebenso Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (111 f.); Assies, BKR 2002, 317; Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2190); Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (601 f.)).
79
Hiergegen ließe sich nun erinnern, dass an den Leasingnehmer nicht stets „bessere“ allgemeine Käuferrechte durchgereicht würden. Für den Fall, dass der Leasingnehmer zu privaten Zwecken kontrahiert und damit Verbraucher im Sinne von § 13 BGB ist, während der Liefervertrag einen Handelskauf darstellt, erhielte der Leasinggeber dann gegebenenfalls einen geringeren als den von §§ 474 ff. BGB garantierten Rechtsbestand. Diese Sichtweise verkennt aber, dass Vergleichstypus für die Anwendung von § 307 II Nr.1 BGB auf den Leasingvertrag eben nicht der (Verbrauchsgüter-)Kauf, sondern der atypische Mietvertrag ist (ebenso Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (111 f.); Schmalenbach/ Sester, WM 2002, 2184 (2188); Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (603); zust. Godefroid, Leasing-Berater 2002, 2 (8); starke Betonung der Regeln über den Verbrauchsgüterkauf dagegen bei Reinking, ZGS 2002, 229 (231)). Die Grundqualifikation des Leasing muss sich hier Bahn brechen.
80
f) Kein Haftungsausschluss für Unversehrtheit oder grobes Verschulden. Vereinzelt ist auch für den Leasingvertrag die – selbstverständliche und weder praxis- noch leasingtypische – Voraussetzung bekräftigt worden, dass Allgemeine Leasingbedingungen gemäß § 309 S. 1 Nr. 7 litt. a, b BGB keinen Haftungsausschluss für Verletzungen von Leben, Körper und Gesundheit enthalten dürfen, ebenso wenig wie einen Haftungsaus-
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
675
schluss für grobes Verschulden (Godefroid, Leasing-Berater 2002, 2 (4); Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (602)). Kautelarjuristisch empfiehlt sich eine entsprechende ausdrückliche Klarstellung in der Klausel selbst, um jeder Gefahr eines Gesamtverdikts für die ganze Klausel zu entgehen (Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, S. 589 (602)). g) Keine verbotene Ausschlussklausel. § 309 S. 1 Nr. 8 lit. b aa BGB verbietet ohne Wertungsmöglichkeit Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die der Verwender den Kunden auf Ansprüche gegen Dritte verweist. Die Abtretungskonstruktion im Leasingvertrag fällt indes nicht unter § 309 S. 1 Nr. 8 lit. b aa BGB. Diese Vorschrift ist nach ihrem gegenüber der Vorgängernorm in § 11 Nr. 10 lit. a AGBG („Leistungen“) veränderten und jetzt eindeutigen Wortlaut nur auf Kauf- und Werkverträge anwendbar; Leasing hat dagegen keine „Lieferung“ oder „Werkleistung“ in jenem Sinne zum Gegenstand (Arnold, DStR 2002, 1049; AnwaltKomm-Krebs, § 309 Rn. 25; Reinking/Eggert, Rn. 774; Palandt-Heinrichs, § 309 Rn. 53; Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 583 (Fn. 9); zum alten Recht ebenso BGHZ 94, 180 (186); MünchKommBGB-Habersack, [nach § 515 BGB] Leasing, Rn. 72; Erman-Jendrek, Anh. § 536 BGB Rn. 28; zw. Oechsler, § 4 Rn. 493).
81
h) Beschränkung auf Nacherfüllung nicht unzulässig. § 309 Nr. 8 lit. b bb BGB verbietet ohne Wertungsmöglichkeit, die Mängelrechte gegen den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen „auf ein Recht zur Nacherfüllung“ zu beschränken. Da die Vorschrift lediglich verhindern soll, dass über die Nacherfüllung hinausgehende Käuferrechte auch im Falle bereits fehlgeschlagener Nacherfüllung beschränkt werden, können Lieferbedingungen und Allgemeine Leasingbedingungen für Unternehmergeschäfte weiterhin vorsehen, dass der Anspruch auf Nacherfüllung nur in einem Recht auf Mangelbeseitigung besteht (Zahn, DB 2002, 985 (989) sowie Assies, BKR 2002, 317 (318); Reiner/ Kaune, WM 2002, 2314 (2320)). Das Wahlrecht des § 439 I BGB ist außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs nicht zwingend; schon § 635 I BGB indiziert, dass es nicht zu den wesentlichen Grundgedanken des BGB gezählt werden sollte (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2189)). In dieselbe Richtung weist, dass das Wahlrecht im detaillierten Katalog des § 309 Nr. 8 lit. b BGB nirgends aufgeführt ist (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2189)).
82
i) Wiederaufleben der Eigenhaftung des Leasinggebers. Die Verweisung auf Rechte gegen den Lieferanten darf den Leasingnehmer im Ergebnis nicht rechtlos stellen. Deshalb lebt die subsidiäre Eigenhaftung des Leasinggebers aus mietrechtlicher Gewährleistung wieder auf, wenn die Abtretung der Rechte gegen den Lieferanten wirtschaftlich ins Leere geht (z. B. wegen zwischenzeitlicher Insolvenz des Lieferanten) (BGHZ 81, 298; BGH NJW 1986, 1744; NJW 1986, 1746; BGHZ 94, 180 (185); Oechsler, § 4 Rn. 496 (S. 290)). Der Leasinggeber trägt also das Risiko, dass der Lieferant insolvent wird, und kann dies nicht über die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzanspruchs vertraglich auf den Leasingnehmer abwälzen (BGHZ 114, 57 (67 f.); a.A. wegen abweichenden Verständnisses von § 313 III 2 Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (608 f.)). Freilich haftet der Leasinggeber nicht für die Kosten eines Prozesses, mit dem der Leasingnehmer seine Rechte gegenüber dem insolvent gewordenen Lieferanten erfolgreich geltend gemacht hat (OLG Köln NJW-RR 2005, 210 (211)).
83
3. Gefahrtragung. Unterstellt man, dass eine Drittverweisungsklausel im Leasingvertrag nach den obigen Grundsätzen wirksam vereinbart worden ist, so stellt sich im Verhältnis zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber besonders die Frage nach dem Gegenleistungsrisiko, also danach, ob der Leasingnehmer bei nachteiligen, von ihm nicht zu ver-
84
Mankowski/Knöfel
676
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
tretenden Veränderungen der Leasingsache zur Zahlung der Leasingraten verpflichtet bleibt. 85
Nach gängiger Ansicht und allgemeiner Übung übernimmt der Leasingnehmer sowohl die Sach- als auch die Preisgefahr (BGH NJW 2004, 1041 (1042); Oechsler, § 4 Rn. 491; Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (109); Reinking/Eggert, Rn. 767, 768; MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 70; Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 915 (917)). Das im Standardleasingvertrag für den Fall des zufälligen Untergangs des Leasinggutes eingeräumte, außerordentliche Kündigungsrecht des Leasingnehmers ändert an dieser grundsätzlich sachgerechten Zuordnung nichts, da es regelmäßig – und wirksam – um den Preis einer sofort fälligen Ausgleichszahlung vereinbart wird. Die vollständige Überbürdung der Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer ist in Allgemeinen Leasingbedingungen zulässig und verstößt nicht gegen § 309 Nr. 2 lit. a BGB (Reinking/Eggert, Rn. 768). Daher kann der Leasingnehmer einem von ihm nicht zu vertretenden Untergang, Wertverlust oder einer Verschlechterung des Leasinggegenstands nicht unter Berufung auf §§ 320; 326, 543 II 1 Nr. 1 BGB begegnen (Palandt-Weidenkaff, Einf. v. § 535 Rn. 59).
86
III. Störung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage. Im Zuge des SchuRModG ist das Rechtsinstitut der Störung bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage mit § 313 BGB bekanntlich zu Gesetzesrecht aufgewertet worden (vgl. nur Dauner-Lieb, in: Ernst/Zimmermann, S. 305 (321, 323); Zimmer, NJW 2002, 1 (11 f.); Schmidt-Kessel/Baldus, NJW 2002, 2076; Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921). Der Leasingvertrag war gegenüber Störungen des Lieferantenverhältnisses wegen der grundlegenden Freizeichnung des Leasinggebers bisher relativ stabil.
87
Jedoch entfällt die Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages (MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 99; Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 583 (584, 588)), sobald der Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt ist und der Leasingnehmer gegenüber dem Leasinggeber deshalb den Rücktritt vom Leasingvertrag erklärt hat (Oechsler, § 4 Rn. 496; Reinking/Eggert, Rn. 829; umfassend Beckmann, WM 2006, 952, 955 f.). Der Wegfall der Geschäftsgrundlage entzieht dem Finanzierungsleasingvertrag die Grundlage und führt zu einer Vertragsanpassung, die ihrerseits in einen vollständigen Wegfall der Pflicht, die Leasingraten zu zahlen, mündet; dabei sind auch die bereits in der Vergangenheit abgewickelten Perioden mit einzubeziehen (BGHZ 114, 57 (62 ff.); Oechsler, § 4 Rn. 496). Der Leasingnehmer erhält also einen Anspruch auf Rückzahlung bereits geleisteter Raten. Dem steht ein Rückgewähranspruch des Leasinggebers gegenüber, der jetzt richtigerweise auf § 326 IV BGB zu stützen ist (MünchKommBGBHabersack, Finanzierungsleasing Rn. 100; ders., Bankrechtstag 2002, S. 3 (45)). Hinzu tritt ein Anspruch des Leasinggebers auf Nutzungsersatz (BGHZ 109, 139 (144 ff.); BGH NJW 1985, 796 (797)).
88
Nicht recht verständlich erscheint der Vorschlag, dem Leasingnehmer ein derartiges Vorgehen, welches ihn gegebenenfalls im Einredewege von der Pflicht zur Zahlung der Leasingraten entlastet, erst dann zu gestatten, wenn die Rückabwicklung des Kaufvertrags vollzogen sei, z. B. durch Anerkenntnis, Urteil oder Feststellung der Rücktrittsforderung zur Tabelle in der Insolvenz des Lieferanten (so Beckmann, FLF 2002, 46 (48); Godefroid, Leasing-Berater 2002, 2 (7)). Diese Ansicht verkennt, dass die Ausübung von Gestaltungsrechten – hierzu gehört der Rücktritt vom Leasingvertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage – seit dem SchuRModG grundsätzlich nicht mehr die dogmatischen Schwierigkeiten mehrerer Vollzugsstufen kennt, sondern einheitlich mit Zugang der Gestaltungserklärung wirksam wird. Das Gleiche ist dem Vorschlag zu entgegnen, die Auswirkungen auf den Leasingvertrag von Rechts wegen erst eintreten zu lassen, wenn einer Klage des Leasingnehmers auf Rückzahlung des Kaufpreises Erfolg beschieden ist (dafür
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
677
Habersack, Bankrechtstag 2002, S. 3 (44), sowie Zahn, DB 2002, 985 (987); Assies, BKR 2002, 317 (318)). Allerdings entbindet dies nicht von kautelarjuristischen Überlegungen, wie man auf den Übergang von einer Notwendigkeit, Ansprüche klagweise geltend zu machen, zu einer Gestaltungsrechtskonstruktion und die dadurch bedingte Anreizverschiebung (oben Rn. 63) reagieren kann und sollte. So könnte man den Leasingnehmer als Voraussetzung für eine Zahlungsverweigerung verpflichten, den Lieferanten aus abgetretenem Recht auf Rückabwicklung des Liefervertrages, Schadensersatz oder Minderung in Anspruch zu nehmen, wenn sich Lieferant und Leasinggeber über die Berechtigung des vom Leasingnehmer erklärten Rücktritts nicht einigen können; dies wäre abzusichern durch rückwirkende Zahlungsverpflichtungen bei Erfolglosigkeit jener Klage und eine Verpflichtung des Leasinggebers, die Entscheidung anzuerkennen, soweit der Leasingnehmer obsiegt (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2185); ähnlich Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, S. 589 (606); vgl. auch Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (113)). Dass tatbestandlich Nachfristsetzung und erfolgloser Ablauf der Nachfrist als weitere Rücktrittsvoraussetzungen hinzugetreten sind, bildet noch kein hinreichendes Gegengewicht (anders wohl Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2319); wie hier Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, S. 589 (606); vgl. auch Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (111)). Nicht zu folgen ist des weiteren der Ansicht, dass es beim Leasingvertrag aufgrund seines Charakters als Dauerschuldverhältnis nach der Vorschrift des § 313 III 2 BGB grundsätzlich keine Geschäftsgrundlagenstörung mit Rücktrittsfolgen (d. h. Wirkungen auch auf Vergangenes) mehr gebe, sondern grundsätzlich nur noch die außerordentliche Kündigung mit Wirkungen allein für die Zukunft eingreife (so Arnold, DStR 2002, 1049 (1053 f.); ders., in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (607 f.); Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921 f.; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 249, 251) Hiergegen spricht, dass mit § 313 III 2 BGB keinerlei inhaltliche Änderung des Rechts der Geschäftsgrundlage beabsichtigt war, sondern nur in systematischer Hinsicht der Anschluss zu dem als allgemeines Rechtsinstitut neu eingeführten Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (§ 314 BGB; dazu Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 915 (917)) hergestellt werden sollte. Daher ist auch unter § 313 BGB daran festzuhalten, dass bei Rückgängigmachung des Kaufvertrages die Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages gestört ist (ebenso Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2185 f.); Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2321); Reinking, ZGS 2002, 229 (233); Gebler/Müller, ZBB 2002, 107 (113 f.); Palandt-Heinrichs, § 313 BGB Rn. 60; Palandt-Weidenkaff, Einf. v. § 535 BGB Rn. 58; Habersack, Bankrechtstag 2002, S. 3, 44). Ebenfalls unzutreffend ist die Annahme, dass die Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages auch bei jeder vom Leasingnehmer gemäß § 439 BGB verlangten und durchgeführten Neulieferung entfalle (so v. Westphalen, ZIP 2001, 2258 (2260)). Diese Ansicht verkennt, dass der Leasingvertrag mit der Ersatzsache als Vertragsgegenstand fortgesetzt werden kann (Reiner/Kaune, WM 2002, 2314 (2321); Arnold, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 589 (604)). Dies war schon unter altem Recht für die Nachlieferung bei Gattungssachen unter § 480 I 2 BGB a. F. klar (BGH WM 1997, 1996 (1998)). Dem Rücktritt vom Liefervertrag steht es indes gleich, wenn der Leasingnehmer aus abgetretenem Recht Schadensersatz statt der Leistung gegen den Lieferanten geltend macht. Denn nach § 281 IV BGB ist dann der ursprüngliche Leistungsanspruch ausgeschlossen, das ursprüngliche Vertragsprogramm des Liefervertrages also aufgehoben. Dies muss wegen gleicher direkter Folge auch gleiche Auswirkungen auf den Leasingvertrag haben wie ein Rücktritt, zumal § 281 V BGB eine Verbindung zum Rücktrittsfolgenrecht herstellt (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2191)).
Mankowski/Knöfel
89
90
91
92
678
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
93
Anderes gilt wiederum, wenn der Leasingnehmer nicht Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB, sondern einfachen Schadensersatz nach § 280 BGB (jeweils i. V. m. § 437 Nr. 3 Var. 1 BGB) verlangt (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2191)). Denn ein Schadensersatzverlangen aus § 280 I 1 BGB löst das Obligationsprogramm nicht auf und steht neben dem Leistungsanspruch (Wagner, JZ 2002, 475 (478); Münch, Jura 2002, 361 (370); Palandt-Heinrichs, § 280 BGB Rn. 18; Schlechtriem, SchuR AT Rn. 362). Verletzung von Integritätsinteressen und Nutzungsausfall infolge verzögerter Nacherfüllung fallen prinzipiell nur unter § 280 I 1 BGB (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2191 f.)).
94
Der Leasinggeber mag sich schließlich seinerseits auf § 313 BGB berufen, sobald er durch ein nach altem Recht vereinbartes, jedoch erst nach dem Inkrafttreten des SchuRModG ausgeübtes Kaufoptions- oder Andienungsrecht einer Haftung nach § 475 II BGB ausgesetzt zu werden droht (v. Westphalen, ZGS 2002, 89 (92 f.); Weber, NJW 2003, 2348 (2350)). IV. Vorzeitige Lösung vom Vertrag. Den Parteien des Leasingvertrages stehen verschiedene, weitgehend dem Mietrecht entnommene Kündigungsrechte zur Verfügung.
95 96
1. Allgemeines. Leasinggeschäften liegt in der Regel eine befristete Grundmietzeit gemäß § 542 II BGB zugrunde. Vertraglich wird zumeist festgelegt, dass Vollamortisationsverträge bis zum Ablauf einer Grundmietzeit von mindestens 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer nicht kündbar sind; Teilamortisationsverträge gewähren dem Leasingnehmer ein vertragliches Recht zur ordentlichen Kündigung nach Ablauf einer Grundmietzeit von mindestens 40 % und höchstens 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer (Reinking/Eggert, Rn. 745; Leyens, MDR 2003, 312 Fn. 11). Die formularmäßig vereinbarte Vertragsdauer darf die entgeltpflichtige Nutzungsdauer nicht unterschreiten (OLG Hamm BeckRS 2005, 02016).
97
Ohne vertragliche Vereinbarung kann grundsätzlich nur außerordentlich gekündigt werden., Kündigungsgründe regelt zumeist der Leasingvertrag z.B. indem den Erben des Leasingnehmers und dem Leasinggeber ein Kündigungsrecht für den Todesfall eingeräumt wird (OLG Köln 30.6.2004 – 13 U 240/03; bei Weber, NJW 2005, 2195 (2197)). Die AGB-Kontrolle setzt der Vereinbarung einzelner Kündigungsrechte zu Gunsten des Leasinggebers Schranken. Mit § 307 BGB ist zwar ein Kündigungsrecht für den Fall der Zahlungseinstellung oder der Zwangsvollstreckung gegen den Leasingnehmer vereinbar (OLG Dresden ZMR 2000, 375 (376)), nicht aber ein Kündigungsrecht für den Fall nicht näher spezifizierter „sonstiger Umstände“ (BGHZ 112, 279 (285); Reinking/Eggert, Rn. 886). Im Übrigen bestehen gesetzliche Kündigungsrechte. 2. Nichtgewährung des Gebrauchs. Die Vorenthaltung vertragsgemäßen Gebrauchs durch Nichtgewähren oder Wiederentziehen der Leasingsache gibt dem Leasingnehmer ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 II S. 1 Nr. 1 BGB (BGH NJW 1988, 204 (205); 1993, 122 (123); MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 121), welches § 314 BGB vorgeht (Reinking/Eggert, Rn. 882). Denkbare Fälle sind solche einer eigenmächtigen Zurücknahme der Leasingsache durch den Leasinggeber, aber auch dessen nachhaltige Weigerung, im Falle unwirksamer Freizeichnung von Gewährleistungsansprüchen Sachmängel selbst zu beseitigen (BGH NJW-RR 1991, 1202).Weil sich die Verteilung der Sach- und Preisgefahr im Leasingvertrag allerdings nicht am mietrechtlichen Dauerschuldverhältnis orientiert, sondern ähnlich wie beim Kauf gestaltet ist, besteht dieses Kündigungsrecht des Leasingnehmers grundsätzlich nur bis Gefahrübergang (Palandt-Weidenkaff, Einf. v. § 535 BGB Rn. 61).
98
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
679
3. Kündigungsrechte des Leasinggebers. Insbesondere § 543 II S. 1 Nr. 3 lit. a BGB gibt dem Leasinggeber ein Recht zur Kündigung des Leasingvertrages bei Verzug mit der Zahlung der Leasingraten (BGHZ 95, 39; BGH NJW 1995, 1541 (1543); näher Engel, NZM 2000, 953). Die für die Feststellung des Verzuges maßgebliche Rückstandssumme bemisst sich grundsätzlich nach der Summe der Brutto-Leasingraten (BGH ZIP 2001, 641 = EWiR 2001, 503 m. Anm. Reinking; dazu Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 915 (918 f.)). Ein Kündigungsrecht des Leasinggebers besteht ferner in den von § 543 II S. 1 Nr. 2 BGB geregelten Fällen vertragswidrigen Gebrauchs des Leasinggegenstandes (erhebliche Gefährdung der Leasingsache; unbefugte Überlassung an Dritte).
99
Sofern der Leasinggeber den von § 500 BGB für anwendbar erklärten § 498 BGB beachtet, kann er überdies zur Gesamtfälligstellung der Leasingsumme befugt sein, wobei in die Feststellung des Zahlungsverzugs grundsätzlich die Gesamtbelastung des Leasingnehmers mit Leasingraten und Sonderzahlungen einzustellen ist (ausführlich BGH NJW 2004, 2823; Martinek/Oechsler, ZBB 1993, 97 (101 ff.); Oechsler, § 4 Rn. 503, 504; MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 122-123). Bemessungsgrundlage für den Zahlungsverzug ist im Rahmen des § 498 I Nr. 1 BGB nicht nur der Nennbetrag (dafür aber OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.5.1996 – 4 U 142/95; Müller-Sarnowski, BB 1994, 446 (449); Groß, DAR 1996, 438 (447); Nitsch, FLF 1998, 18; anders indes LG Ravensburg, Urt. v. 17.3.1997 – 2 O 1229/96). Voraussetzung des § 498 BGB ist eine ultimative Zahlungsaufforderung, die nur den rückständigen Betrag ziffernmäßig ausweisen muss, nicht aber die noch ausstehenden Raten, weil dies zu einer aufwändigen Restschuldberechnung zwänge (OLG Oldenburg DAR 2003, 460 (461)). Leistet der Leasingnehmer erst zwischen der Androhung und dem Ausspruch der Kündigung Teilzahlungen, so dass die Rückstandsquote wieder in den tolerablen Bereich gerät, so bleibt der Vertrag gleichwohl kündbar, allerdings nicht, wenn die Kündigungsandrohung unberechtigt mehr als den Rückstandsbetrag gefordert hatte (BGH NJW-RR 2005, 1410). Gibt es mehrere Leasingnehmer, so kann der Leasinggeber nach dem Gedanken des § 351 S. 1 BGB den Vertrag nur einheitlich gegenüber allen kündigen (BGH NJW 2000, 3133 (3135)). In der Insolvenz des Leasingnehmers kann der Leasinggeber den Leasingvertrag nach § 112 InsO kündigen, wenn der Verzug mit den Leasingraten nach Verfahrenseröffnung eintritt, und zwar auch während der Überlegungsfrist des Insolvenzverwalters über die Ausübung seines Wahlrechts (OLG Köln ZIP 2003, 543 = EWiR 2003, 715 m. Anm. Runkel; siehe mit weiteren Einzelheiten MünchKommBGB-Habersack, Finanzierungsleasing Rn. 133-135; Staudinger-Stoffels, Leasing Rn. 339 ff.). Wird die Leasingsache zur Betriebsfortführung gebraucht, muss der Insolvenzverwalter den Zahlungsverzug daher unterhalb der Kündigungsschwelle halten. Wenn der vorläufige Insolvenzverwalter aufgrund des noch ungekündigten Leasingvertrages die Gebrauchsüberlassung an die Masse beansprucht, so entsteht hierfür allerdings keine Masseverbindlichkeit, sondern nur eine Insolvenzforderung (BGH NJW 2002, 3326 (3328); WM 2003, 893). Die Leistungen einer Vollkaskoversicherung, die für die Leasingsache während der Insolvenz anfallen, dürfen dagegen nicht zur Masse gezogen werden, weil insoweit ein Aussonderungsrecht des Leasinggebers besteht (OLG Frankfurt NZV 2002, 44). Erklärt der Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Leasinggebers, den Vertrag nicht fortführen zu wollen, so bleibt der Leasingnehmer nicht, auch nicht analog § 108 I 2 InsO zur Zahlung der Leasingraten verpflichtet (LG Köln 12.12.2003 – 20 O 122/03; bei Weber, NJW 2005, 2195 (2198)). Seit dem 1.7.2007 kann das Insolvenzgericht als Sicherungsmaßnahme anordnen, dass Leasinggesellschaften ihre Leasingobjekte beim insolventen Leasingnehmer belassen müssen (näher Weber, NJW 2007, 2525).
100
Mankowski/Knöfel
101
680
102
103
104
105
106
107
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
4. Kündigungsfolgen. Die Kündigung als wichtigste Form vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrages – neben Tod des Leasingnehmers und Vertragsaufhebung – führt Ausgleichspflichten herbei, die sich in den Schranken der AGB-Kontrolle gleichfalls weithin nach Mietrecht richten. a) Ausgleichszahlung. Allgemeine Leasingbedingungen dürfen vorsehen, dass der Leasingnehmer für den Fall der außerordentlichen Kündigung eine Ausgleichszahlung zu leisten hat (BGHZ 95, 39 (49); BGHZ 97, 65 (74)). b) Entschädigung für die Rückgabezeit. Die Kündigungsfolgen für die Zeit zwischen Vertragsbeendigung und tatsächlicher Rückgabe der Leasingsache richten sich im Übrigen nach § 546a BGB (BGHZ 71, 196 (205); 107, 123 (128); BGH NJW 1991, 221 (222); OLG München OLG-Report München 1995, 73; OLG Celle OLG-Report Celle/Braunschweig/Oldenburg 1995, 194; OLG Köln BB 1996, 80; a.A. Tiedtke, ZIP 1989, 1437). Für den genannten Zeitraum erhält der Leasinggeber eine pauschalierte Entschädigung in Höhe der vereinbarten monatlichen Leasingraten (Friedrich/Gölzenleuchter, BB 1989, 175 (176 f.)). Ob dem Leasinggeber tatsächlich ein Schaden entstanden ist und ob der Leasingnehmer effektiv einen Nutzen hat ziehen können, ist dafür irrelevant (BGH NJWRR 2004, 558; NJW-RR 2005, 1081; NJW-RR 2005, 1421; dazu Tiedtke/Möllmann, DB 2004, 915 (920)). Dagegen, § 546a BGB heranzuziehen, wird eingewandt: § 546a BGB solle im Falle der Überziehung der Gebrauchszeit nur solche Gebrauchsvorteile ausgleichen, die die Parteien selbst festgelegt hätten. Dies sei beim Finanzierungsleasing nicht der Fall, da die aus dem Leasinggut gezogenen Gebrauchsvorteile anders als bei der Miete von der objektiven wirtschaftlichen Lebensdauer des Leasinggutes abhingen (so Oechsler, § 4 Rn. 499). Diese Kritik vermag nicht zu überzeugen. Denn sie unterstellt pauschal, dass der Leasingnehmer nach Vertragsbeendigung stets eine wertlose Sache weiternutzt, wovon angesichts der regelmäßig bestehenden Verwertungsmöglichkeiten nicht ausgegangen werden kann. c) Kündigungsschaden. Der ursächlich durch eine Verzugskündigung herbeigeführte Kündigungsschaden besteht als Nichterfüllungsschaden in den restlichen (abgezinsten) Leasingraten nebst Restwert (OLG Rostock NJW-RR 2002, 1712; Palandt-Weidenkaff, Einf. v. § 535 Rn. 70). Dem Leasinggeber obliegt eine konkrete Schadensberechnung (BGHZ 95, 39; Reinking/Eggert, Rn. 892), wozu auch gehört, den Kündigungsschaden mit Umsatzsteuer zu belegen (Reinking/Eggert, Rn. 890). Sind in Allgemeinen Leasingbedingungen Vorgaben für die Schadensberechnung enthalten, so kann die nur eingeschränkte Anrechnung des Verwertungserlöses auf den Kündigungsschaden den Leasingnehmer i. S. v. § 307 BGB unangemessen benachteiligen (vgl. BGH NJW 2002, 2713 = EWiR 2002, 787 m. Anm. v. Westphalen: Berücksichtigung des Gebrauchtwagenerlöses nur zu 90 %). Der Leasingnehmer muss auch bei Teilamortisation mit Andienungsrecht grundsätzlich am Verwertungserlös partizipieren (KG KG-Report 2002, 49), ebenso an einer Versicherungsleistung für den Diebstahlsfall, soweit sie den Amortisationsanspruch des Leasinggebers wertmäßig übersteigt (OLG Düsseldorf ZMR 2003, 422; siehe aber AG Hamburg-Altona, EWiR § 535 BGB 3/05, 203 m. Anm. Moseschus sowie BGH BB 2008, 125 m. Anm. v. Westphalen). Eine Alternativabrechnung nach dem jeweils höheren Wert aus Zeitwert und Restvertragswert ist jedenfalls nicht unangemessen (BGH NJW 2007, 290). Eine Restwertabrechnung schließt das Recht, ergänzend Reparaturkosten geltend zu machen, falls die Leasingsache reparaturbedürftig zurückgegeben wurde, nicht aus (OLG Düsseldorf DB 2004, 700 (701)). V. Prozessuales zum Leasingverhältnis. Klagt der Leasingnehmer auf Gebrauchsüberlassung der Leasingsache, so besteht hierfür der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) am Sitz des Leasinggebers (Musielak-Smid, § 29 ZPO Rn. 28).
Mankowski/Knöfel
§ 21 Finanzierungsleasing
681
Für die Klage des Leasinggebers auf Zahlung der Leasingraten ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes dagegen am Wohnsitz des Leasingnehmers bei Vertragsschluss eröffnet (LG Lüneburg NJW-RR 2002, 1584). Dort besteht auch der Erfüllungsortsgerichtsstand für die Klage des Leasinggebers auf Herausgabe der Leasingsache (LG Lüneburg NJWRR 2002, 1584). Die zuweilen anzutreffende, abweichende Annahme, dass für die Pflicht zur Rückgabe des Leasinggegenstandes eine Bringschuld des Leasingnehmers an den Sitz des Leasinggebers bestehe (so OLG Düsseldorf ZMR 2001, 270 = EWiR 2001, 219 m. Anm. Eckert), überzeugt nicht. Der Leasingnehmer erhält die Sache typischerweise vom Lieferanten an seinem „Heimatort“. Weshalb er die Leasingsache dann an einem anderen, womöglich weit entfernten Sitzort des Leasinggebers zurückgeben sollte, leuchtet nicht ein.
108
Der Leasinggeber kann dem Lieferanten nach § 72 I ZPO den Streit verkünden, wenn er gegen den Leasingnehmer vorgeht und dieser Mängel behauptet (Schmalenbach/Sester, WM 2002, 2184 (2185)).
109
C. Abwicklung im Lieferverhältnis
110
Die Abtretungskonstruktion gibt vor, dass der Leasingnehmer Ansprüche wegen des Leasinggegenstandes vorwiegend gegenüber dem Lieferanten geltend zu machen hat. Dieses Vorgehen aus abgetretenem Recht bedingt mehrere prozessuale Besonderheiten. I. Klagantrag. Im Normalfall klagt der Leasingnehmer gegen den Lieferanten aus abgetretenem, aber eigenem Recht. Sofern der Leasingnehmer wegen Sachmangels Rücktritt geltend macht (§ 437 Nr. 2 BGB) und hierdurch von der Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten frei werden will, hat der Klageantrag im Prozess gegen den Lieferanten auf Zahlung an den Leasinggeber zu lauten (Palandt-Weidenkaff, Einf. v. § 535 Rn. 58).
111
Sofern eine unwirksame Abtretung gem. § 140 BGB in eine Ermächtigung zu Gsten des Leasingnehmers umgedeutet wurde, die Rechte des Leasinggebers geltend zu machen, so erfolgt die Prozessführung des Leasingnehmers gegen den Lieferanten in gewillkürter Prozessstandschaft (Sannwald, S. 169; Reinking/Eggert, Rn. 773). Dabei entsteht dem Leasingnehmer nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ein Anspruch gegen den Leasinggeber auf Erstattung der Kosten notwendiger Rechtsverfolgung (BGH NJW 1994, 576).
112
II. Gerichtsstände. Die auf Rückabwicklung gerichtete Klage des Leasingnehmers gegen den Lieferanten kann vor allem im besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes erhoben werden (§ 29 ZPO), und zwar am (Wohn-)Sitz des Leasingnehmers. Dieser Ort ist aufgrund der Holschuld des Lieferanten zur Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie aufgrund der Belegenheit der Leasingsache am „Austauschort“ maßgeblicher Erfüllungsort für die Pflichten aus dem Rückabwicklungsverhältnis (Zöller-Vollkommer, § 29 ZPO Rn. 25 „Kaufvertrag“). Eine Minderungsklage des Leasingnehmers ist als Zahlungsverlangen dagegen am Sitz des Lieferanten zu erheben.
113
Sofern im Leasingvertrag eine Gerichtsstandsvereinbarung wirksam getroffen wurde, kann diese auch den Lieferanten binden, wenn er die Abrede mitunterzeichnet und sich in einem Anhang zum Leasingvertrag selbst verpflichtet hat, den Vertrag nach Treu und Glauben auszuführen (für eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ (seit 01.03.2002: Art. 23 EuGVVO) OLG Köln NJW-RR 1998, 1350).
114
An manchen Gerichtsorten (z. B. in Stuttgart) gibt es eine funktionelle Zuständigkeit von Spezialkammern für Finanzierungsleasinggeschäfte.
115
III. Beteiligung des Leasinggebers am Prozess. Der Leasinggeber – der sich bereits im Leasingvertrag regelmäßig Informationsrechte bezüglich eines prozessualen Vorgehens
116
Mankowski/Knöfel
682
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
des Leasingnehmers gegen den Lieferanten einräumen lässt – kann im Lieferantenprozess Streithelfer gem. § 66 ZPO sein (BGH NJW 1982, 105 (106)). Der Leasinggeber ist an das Ergebnis der gerichtlichen Geltendmachung durch den Leasingnehmer gebunden. Der Leasinggeber muss den Ausgang der Mängelauseinandersetzung ebenso gegen sich gelten lassen wie die im Lieferantenprozess getroffene Feststellung, dass ein Fehler der Leasingsache kein Sachmangel, sondern – nach altem Schuldrecht – Nichterfüllung war (OLG Köln MDR 2003, 212). 117
D. Fernabsatz von Leasingverträgen Für Leasingverträge, die im Fernabsatz an Verbraucher vertrieben werden, gelten seit dem 8.12.2004 die Regelungen der §§ 312b ff. BGB, die Richtlinienrecht der Gemeinschaft umsetzen (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. EG 2002 L 271/16). Die Bestimmungen sprechen Leasingverträge zwar nicht ausdrücklich an; deren tatbestandliche Einbeziehung als Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Zahlung ist aber nicht zweifelhaft (Weber, NJW 2005, 2195; MünchKommBGB-Wendehorst, § 312b BGB Rn. 74). Fernabsatz wird in § 312b I BGB näher beschrieben. Fernkommuniukationsmittel sind nach § 312b II BGB nicht nur elektronische Medien, sondern auch klassische Briefsendungen. Entscheidend ist, dass keine Kommunikation unter Anwesenden (d.h. physisch am selben Ort Befindlichen) stattfindet. Internetabsatz von Leasingverträgen wird in aller Regel Fernabsatz sein, es sei denn, die Unterschriftsleistung wird bei beiderseitiger Anwesenheit vollzogen.
Mankowski/Knöfel
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
683
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
Schrifttum Altmeppen, Die Grenzen der Zulässigkeit des Cash Pooling, ZIP 2006, 1025; Baumann, Der Baukredit, 1994; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl. 2006; Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2006; Bayer/Lieder, Darlehen der GmbH an Gesellschafter und Sicherheiten aus dem GmbH-Vermögen für Gesellschafterverbindlichkeiten, ZGR 2005, 133; Bayer/Lieder, Kapitalaufbringung im Cash-Pool, GmbHR 2006, 449; Bayer/Graff, Das neue Eigenkapitalersatzrecht nach dem MoMiG, DStR 2006, 1654; Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 6. Aufl. 2003; Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006; Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, 2006; Büschgen, Bankbetriebswirtschaftslehre 5. Aufl. 1998; Cahn, Kapitalaufbringung im Cash Pool, ZHR 166 (2002), 280; v. Danwitz, Die Benutzung kommunaler öffentlicher Einrichtungen – Rechtsformenwahl und gerichtliche Kontrolle, JuS 1995, 1; Eilenberger, Bankbetriebslehre, 6. Aufl. 1996; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2006; Fuhrmann, Kreditgewährung an Gesellschafter, NZG 2004, 552; Geibel, Folgeprobleme der Rechtsfähigkeit von Gesellschaften bürgerlichen Rechts, WM 2007, 1496; Golland/Gehlhaar,/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, Mezzanine-Kapital, BB-Special 2005, 1; Habersack,Genussrechte und sorgfaltswidrige Geschäftsführung, ZHR 155 (1991), 378; Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen als Vertragsrecht, 1979; Hentschel, Der außergerichtliche Sanierungskonsortialkredit, 2008; Hentzen, Konzerninnenfinanzierung nach BGHZ 157, 72, ZGR 2005, 480; Henze, Konzerninnenfinanzierung und Besicherung, WM 2005, 717; Hinsch/Horn, Das Vertragsrecht der Konsortialkredite, 1985; Hirte, Genussrecht oder verbotener Gewinnabführungsvertrag?, ZBB 1992, 50; Hofert/Arends, Mezzanine-Finanzierung der GmbH, GmbHR 2005, 1381; Hoffmann, Schuldbeitritt, Bürgschaft und Ehescheidung, JR 2001, 221; Hüffer, Aktiengesetz, 7. Aufl. 2006; Feddersen/Knauth, Eigenkapitalbildung durch Genussscheine, 2. Aufl. 1992; Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Band IV, 1990; Kiethe, Mezzanine-Finanzierung und Insolvenzrisiko, DStR 2006, 1763; Kiethe, Haftungs- und Ausfallrisiken des Cash Pooling, DStR 2005, 1573; Kerber, Die Beurteilung von Cash-pool-Verträgen im Lichte höchstrichterlicher Rechtsprechung, ZGR 2005, 437; Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2004; Lutter, Holding Handbuch, 4. Aufl. 2004; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2006; Lutter/Scheffler/Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006; May, Der Bankenpool, 1988; de Meo, Bankenkonsortien, 1994; Michalski, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz), 2002; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 7. Aufl. 2007; Peters/Wehrt, Der Forward-Darlehensvertrag, WM 2003, 1509; Rid-Niebler, Genussrechte als Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, 1989; Priester, Kapitalaufbringung beim Cash Pool – Kurswechsel durch das MoMiG, ZIP 2006, 1557; Reidenbach, Cash Pooling und Kapitalerhalt nach neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung, WM 2004, 1423; Rösler, ForwardDarlehen und Darlehen mit Zins-Cap, WM 2000, 1930; Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft: rechtsund parteifähig, NJW 2001, 993; Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006; Schulze-Hagen, Schadensersatz bei zweckwidriger Verwendung von Baugeld NJW 1986, 2403; v. Spiegel, Die neuen Richtlinien für die Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen durch die Bundesrepublik Deutschland, NJW 1984, 2005; Vetter/ Stadler, Hafungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, 2003; Wessels, Aufsteigende Finanzierungshilfen in GmbH und AG, ZIP 2004, 793; Wolff/Bachof/Stober, Allgemeines Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007; Zuleeg, Die Zweistufenlehre, FS Fröhler, 1984, S. 275. Inhaltsübersicht A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Sonderformen des Gelddarlehens . . . . . . . . . . . 3 I. Baukredite und Hypothekenbankdarlehen . 3 1. Baukredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Hypothekenbankdarlehen . . . . . . . . . . . 9 II. Subventionskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Zwei-Stufen-Theorie . . . . . . . . . . . . . . 14 3. Direktabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Abwicklung durch öffentlichrechtliche Kreditinstitute . . . . . . . . . . . 18 5. Treuhandabwicklung durch Geschäftsbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 6. Garantierte Kredite . . . . . . . . . . . . . . . 23
III. Kommunalkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . IV. Forward Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . 3. Kündigungsrecht nach § 489 I Nr. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konzerninterne Darlehensverträge . . . . . 1. Formen der Konzerninnenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschaftsrechtliche Aspekte, insbes. des Cash Pooling . . . . . . . . . . VI. Lombardkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hoffmann
25 25 26 29 29 30 31 32 32 35 39
684
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
C. Kreditformen des Wechselverkehrs und indirekte Kreditgewährung . . . . . . . . . . . . . . . I. Akzeptkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff, wechselrechtliche Bedeutung 2. Vertragliche Einordnung . . . . . . . . . . . II. Diskontkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . III. Avalkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Einordnung . . . . . . . . . . . IV. Stand-by-Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . D. Sonderformen der Großbetragsfinanzierung . . I. Schuldscheindarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 40 40 41 43 43 46 47 47 49 51 51 52 54 54 54
2. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Revolvierende Schuldscheindarlehen . . . II. Syndizierte Darlehen (Konsortialkredite) 1. Begriff und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gestaltungsalternativen und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innenverhältnis der Konsorten . . . . . . 4. Außenverhältnis zum Kreditnehmer . . 5. Besicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Kreditähnliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ratenlieferungsverträge . . . . . . . . . . . 2. Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . F. Mezzanine Finanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gestaltungsformen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaftsrechtliche Probleme mezzaniner Finanzierungen . . . . . . . .
56 59 64 64 65 73 75 78 79 79 82 84 84 91 98
Stichwortverzeichnis Abfindungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Abschrift des Schuldscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aktiengleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Akzeptkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 akzessorische Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Anfechtbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Anstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 atypisch stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 ausdrückliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 74 Außengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Außenkonsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 70, 76 Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Avalkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Avalkreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Avalprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Bankbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Bareinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Baubuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Baugeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Baugeldempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Baukredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Befreiungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Beihilferegelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 15 Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Beleihungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Besicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 78 Beteiligungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68, 76 Betriebsausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Beweisfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Beweisurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Bezugsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102, 103, 106 Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 BGB-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bilanzielle Betrachtungsweise. . . . . . . . . . . . . . . . . 38 börsennotierte Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . 88 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 50 Bürgschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Cash Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 36 Darlehensgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Darlehensquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Darlehensvertrag mit aufgeschobenem Auszahlungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Dauerkonsortien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Deckungsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Deckungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Deckungsstockfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 dezentralisiertes Konsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 direkte Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 direktes System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Diskontkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Dreiecksverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Durchleitungskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Eigendiskont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 eigene Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Eigenkapitalaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 52 Eigenkapitalersatzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Einbeziehung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . 107 einfacher Nachrang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 einheitliches Vertragsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . 70 Einordnung des Subventionsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Equity Kicker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87, 89 Ergebnisverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Expansionsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Fälligkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Finanzmaklern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Förderinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Forderungskauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Forderungskaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Formerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Forward-Darlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Forward-Prämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Forward-Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 freie Hypotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Fristentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Garantiegeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 47, 50 Gebietskörperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Gelddarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 62 Gelddarlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
Geldleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 gemeinsamer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73, 91 Generalübernehmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Geschäftsbesorgungsverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . 22 Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . . . . 41, 49, 57 Geschäftsführungsbefugnis. . . . . . . . . . . . . . . . 70, 73 Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 73 Gesellschafterbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Gesellschaftsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 gesetzlicher Vetreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 25 Gewinnbezugsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Gewinnschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . 98 GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Größentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Großkreditaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 52 gute Handelswechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Handelsmaklervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99, 102 Hermes-Kreditversicherungs AG . . . . . . . . . . . . . . 23 hybride Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Hypothekenbankdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Hypothekenpfandbriefen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 indirekte Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 indirektes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Indossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Inhaberschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Inhalt des Außenverhältnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Innengesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66, 67, 91 Innenkonsortium . . . . . . . . . . . . . . . 65, 69, 71, 74, 75 Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 isolierte Optionsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 isolierte Wandelrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 keine eigene Kreditart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 KfW. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 23 Kommunalkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kommunalkreditnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kommunalobligationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kommunalschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . 28 Konditionenanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Konsensualvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Konsortialführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68, 73, 75, 77 Konsortialkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Konsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Kontrollrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 konzerninterner Darlehensvertrag. . . . . . . . . . . . . . 32 Kreditanstalt für Wiederaufbau. . . . . . . . . . . . . 18, 22 Kreditbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Kreditgewährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kreditleihe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Kreditrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62, 63 Kreditzusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49, 50, 53, 77 Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 77 Kündigungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Leerverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
685
Liquiditätsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Lombardkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 MBO-Finanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Mehrzahl rechtlich selbstständiger Darlehensverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Metageschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Millionenkreditaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Muster-Darlehensbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . 11 Nachrangdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87, 96 Namensschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . 92 Non-Equity-Kicker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 notional pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 offenes Konsortialverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 öffentlich-rechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . 16, 17 Optionsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Optionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Parallelkredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Parteifähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 partiarisches Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87, 97 Pay-TV-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Pfandrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Platzierungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62, 63 privatrechtlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 privatrechtlicher Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 privatrechtlicher Bürgschaftsvertrag . . . . . . . . . . . 14 privatrechtlicher Darlehensvertrag . . . . . . . . . . 14, 20 privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt . . . . . . . . 15 qualifizierter Nachrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Rahmenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Ratenlieferungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66, 78 Rechtskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 61 Rediskontierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Rembourskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 revolvierendes Schuldscheindarlehen. . . . . . . . . . . 59 Rückbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Rückforderung der Subvention. . . . . . . . . . . . . . . . 15 Rückforderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rückkaufverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61, 63 Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Rücktrittsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Rückzahlungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Sachdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Sacheinlage der verbrieften Forderung. . . . . . . . . . 92 sachliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Schecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Schriftformerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 schuldrechtliche Beteiligungen. . . . . . . . . . . . . . . . 94 Schuldschein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Schuldscheindarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Schuldverschreibungen iSv §§ 793 ff. BGB . . . . . 93 Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Senior und Junior Note . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Sicherheiten-Pools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Sicherungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Stand-by-Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Stand-by-Prämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 stille Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 stilles Konsortialverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Subunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Hoffmann
686
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Subventionsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Subventionsgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Subventionsverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Sukzessivlieferungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Teilgewinnabführungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Teilleistungsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Transparenzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Treuhandabwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Treuhänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Treuhandverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 unbeschränkte akzessorische Haftung . . . . . . . . . . 76 Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Unterkonsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 unverbriefter Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 105 Verbesserung der Kapitalstruktur . . . . . . . . . . . . . . 85 verbotene Einlagenrückgewähr. . . . . . . . . . . . . . . . 37 verdeckte Sacheinlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 verdecktes Innenkonsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Verlängerungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Verlustbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Vertreter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 16, 17
Verwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Verwendungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 vorsätzlicher Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Wandel- und Optionsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Wandelanleihen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Wandelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 weiteres (stilles) Konsortialverhältnis . . . . . . . . . . 71 Wertpapierdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Wertpapierleihe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Wertpapiersammelbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79, 81 Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 wirtschaftliche Bewegungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 79 Zahlungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 zentrale Vertragspartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 zentralisiertes Konsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 zero balancing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Zinsänderungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Zinsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Zinszahlungsansprüche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 31 Zweckgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Zwei-Stufen-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1
A. Überblick
2
Der rechtliche Grundtatbestand des Kreditgeschäfts der Banken ist der Darlehensvertrag (dazu ausführlich § 10). In der Praxis haben sich allerdings eine Vielzahl von Kreditformen herausgebildet, die besondere rechtliche Probleme aufwerfen. Ferner gibt es Kreditgeschäfte, denen keine Darlehensverträge, sondern andersartige Vertragsverhältnisse zugrunde liegen. Hieran zeigt sich, dass der Kreditbegriff weiter ist als der Darlehensbegriff. Unter einem Kredit ist daher jedes Vertragsverhältnis zu verstehen, das der direkten oder indirekten Verschaffung von Finanzierungsmitteln dient. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Kreditgewährung (Eilenberger, S. 201). Unter direkter Kreditgewährung ist ein Rechtsgeschäft zu verstehen, das die Zuführung (oder Belassung) von rückzahlbaren Geldmitteln an den Kreditnehmer zum Gegenstand hat (sog. Geldleihe, vgl. Büschgen, S. 327). Indirekte Kreditgewährung liegt dagegen vor, wenn der Kreditgeber nur die Absicherung einer Schuld des Kreditnehmers durch seine eigene Bonität übernimmt und dadurch die direkte Kreditgewährung durch einen Dritten ermöglicht (sog. Kreditleihe, vgl. Büschgen, S. 340). Insbesondere die indirekte Kreditgewährung erfolgt also nicht auf Grundlage eines Darlehensvertrages.
3
B. Sonderformen des Gelddarlehens I. Baukredite und Hypothekenbankdarlehen 1. Baukredite. a) Begriff. Ein Baukredit ist ein Darlehensvertrag, bei dem die Darlehensgewährung zweckgebunden für Neubau, Umbau oder Ausbau (BGH NJW 1988, 263) eines Gebäudes erfolgt. Erforderlich ist ferner die Sicherung des Darlehens durch ein Grundpfandrecht auf das zu bebauende Grundstück. Es handelt sich also um einen Realkredit (dazu ausführlich § 23) mit besonderer Verwendungsbestimmung. Liegen beide Voraussetzungen vor, wird der Darlehensbetrag als Baugeld bezeichnet (§ 1 III GSB). Auf eine bestimmte Kreditform kommt es nicht an, auch ein Kontokorrentkredit kann diese Voraussetzungen erfüllen (BGH NJWRR 1986, 446).
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
687
Rechtsgrundlagen des Baukredits sind zunächst die Darlehensvorschriften der §§ 488 ff. BGB, ferner die Vorschriften bezüglich bestehender Grundpfandrechte (§§ 1113 ff. BGB) sowie das weniger bekannte Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (GSB) vom 1. Juni 1909 (RGBl. 1909, 449 ff.).
4
b) Sicherung der Zweckbestimmung. Aufgrund der Zweckbestimmung des Darlehens ist der Auszahlungsanspruch zunächst nicht abtretbar und nicht pfändbar (StaudingerHopt/Mülbert, § 607 Rn. 183 m. w. N.) Die Absicherung der Baubeteiligten gegen eine Zweckentfremdung des Baugeldes ist Gegenstand des GSB. Nach § 1 GSB ist der Empfänger verpflichtet, das Baugeld zur Befriedigung der Baubeteiligten zu verwenden. Er darf also – vorbehaltlich einer nach § 1 II GSB zulässigen Entnahme bei Eigenleistungen – das Baugeld zu keinem anderen Zweck einsetzen, solange die Baubeteiligten nicht befriedigt sind. Eine Verpflichtung zur anteiligen Befriedigung aller Baugläubiger oder zur Befriedigung nach einer bestimmten Rangordnung lässt sich der Vorschrift dagegen nicht entnehmen (BGH NJW-RR 1989, 1045). Das Vorliegen der erforderlichen Zweckbestimmung wird dabei widerleglich (BGH NJW-RR 1996, 976) vermutet, wenn das Darlehen nach Baufortschritt ausbezahlt werden soll (§ 1 III Nr. 2 GSB). Die Verwendungspflicht schützt dann alle Baugläubiger ohne Rücksicht auf die Zuordnung ihrer Leistung zu einer bestimmten Rate (BGH NJW-RR 1990, 914). Die Vermutung ist bei Feststellung einer anderweitigen Zweckabrede widerlegt (BGH NJW-RR 1989, 788). Nicht als Baugeld anzusehen ist allerdings ein Darlehen zum Zweck des Grundstücksankaufs (BGH NJW-RR 1986, 446; 1989, 788).
5
Baugeldempfänger im Sinne des GSB kann nicht nur der Bauherr selbst sein. Vielmehr trifft nach ständiger Rspr. auch den Generalübernehmer die Verwendungspflicht, wenn diesem die gesicherten Darlehensmittel vom Bauherrn weitergegeben werden (BGH NJW-RR 1991, 141; 1990, 280; NJW 1986, 1105). Die Zweckbestimmung und die Voraussetzungen ihrer Vermutung müssen dann allerdings bezüglich des Darlehens, nicht bezüglich der Weitergabe an den Generalübernehmer bestehen. Die Auszahlung vom Bauherrn an den Generalübernehmer nach Baufortschritt gemäß § 3 II MaBV genügt daher nicht für die Vermutung (BGH NJW-RR 1996, 976 f.), wohl aber die entsprechende Auszahlung unmittelbar vom Darlehensgeber an den Generalübernehmer (BGH NJW 1986, 1105 f.). Entsprechendes gilt ferner für den Verkäufer eines schlüsselfertigen Hauses (BGH NJW 1986, 1105 f.). In diesen Fällen ist die Regelung bezüglich der Eigenleistungen in § 1 II GSB relevant, wobei die Verwendungsregeln für jede einzelne Rate gesondert zu beachten sind (BGH NJW 1986, 1105 f.). Den Darlehensgeber trifft die Verwendungspflicht nicht, und auch eine Haftung wegen Beihilfe zur Zweckentfremdung scheidet aus (offen gelassen von BGH NJW-RR 1990, 88), da die Parteien des Darlehensvertrages die Änderung der Zweckbestimung in der Hand haben.
6
Zweck des GSB ist es, den Baubeteiligten einen Ausgleich für den Verlust einer werthaltigen Rangstelle für ihre Sicherungshypotheken aufgrund der Baufinanzierung zu gewähren (Schulze-Hagen, NJW 1986, 2405). Der Schutzzweck erfasst alle Baubeteiligten, die Bauleistungen aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Lieferungsvertrags erbringen, sofern sie sich auf wesentliche Bestandteile (§§ 93, 94 BGB) des Gebäudes beziehen (BGH NJW- RR 1989, 1045; 1990, 914). Erfasst werden auch die Anfertigung von Plänen, die Bauaufsicht und die Bauleitung (BGH NJW-RR 1991, 728). In den Schutzzweck einbezogen sind auch Subunternehmer, soweit der Generalunternehmer seinerseits Anspruch auf das Baugeld hat (BGH NJW-RR 1990, 342).
7
Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Verwendungspflicht ergeben sich neben der Strafnorm des § 5 GSB insbesondere aus dem Deliktsrecht. § 1 GSB ist nach ständiger Rspr.
8
Hoffmann
688
9
10
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
als Schutzgesetz i.S. v. § 823 II BGB anerkannt. Der Anspruch setzt allerdings einen vorsätzlichen Verstoß voraus (BGH NJW 1985, 134; 1982, 1037). Praktisch relevant ist dabei vor allem, dass die deliktische Haftung auch die gesetzlichen Vertreter erfasst, wenn Baugeldempfänger eine juristische Person ist (BGH NJW 1982, 1037; NJW-RR 1991, 728; 1986, 446 m. w. N.). Der Anspruch schließt die Kosten für die gerichtliche Durchsetzung der Bauforderungen ein (BGH MDR 1990, 613). Für die Voraussetzungen des Anspruchs ist grundsätzlich der Geschädigte beweispflichtig, er kann allerdings Einsicht in das nach § 2 GSB zu führende Baubuch nehmen. Wurde ein solches pflichtwidrig nicht geführt, ist der Anspruchsgegner für die Behauptung beweispflichtig, die grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensbeträge seien kein Baugeld (BGH NJW 1987, 1196; 1986, 1105). Aufgrund des besonderen Schutzes der Zweckbestimmung wird das Baugeld auch nicht vom Pfandrecht der Kreditinstitute (Nr. 14 AGB Banken/ Nr. 21 AGB Sparkassen) erfasst, wenn und soweit dem Kreditinstitut die Baugeldeigenschaft bekannt ist (BGH NJW 1988, 263). 2. Hypothekenbankdarlehen. Ein Hypothekenbankdarlehen ist ein Realkredit, der von einer Hypothekenbank i. S. v. § 1 HypbankG ausgereicht wird. Das hierfür begründete Grundpfandrecht (Hypothek oder Grundschuld, vgl. § 40 HypbankG) dient als Grundlage der Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen, also einer besonderen Form von Schuldverschreibungen (§ 1 Nr. 1 HypbankG). Dies stellt das sog. Hauptgeschäft der Hypothekenbanken dar, die zur Pfandbriefunterlegung gewährten Darlehen werden als Deckungsdarlehen bezeichnet. Daneben sind den Hypothekenbanken nach Maßgabe des § 5 HypbankG auch Neben- und Hilfsgeschäfte erlaubt. Die Hypothekenbanken unterliegen als Spezialinstitute einem besonderen Aufsichtsrecht, durch das allerdings in erster Linie die Werthaltigkeit der ausgegebenen Pfandbriefe abgesichert wird. Indirekten Einfluss auf das Aktivgeschäft (Kreditgewährung) nimmt allerdings die Beleihungsgrenze nach §§ 11, 12 HypbankG, wonach die Beleihung nur bis zu 60 % des Verkaufswerts (dauerhafter Grundstückswert, nicht derzeitiger Verkehrswert, zum Begriff vgl. Bellinger/Kerl, § 12 Rn. 11 ff.) zulässig ist. Eine Überschreitung der Beleihungsgrenze, die in beschränktem Umfang nach § 5 I Nr. 2 HypbankG sogar zulässig ist, berührt die Wirksamkeit des Kreditvertrags nicht. Daneben ist das HypbankG allerdings auch ein Schuldnerschutzgesetz (Bellinger/Kerl, Rn. 1 vor § 14) und enthält in § 14 ff. spezifische Vorschriften zum Schutz der Kreditnehmer. Diese haben unmittelbar nur aufsichtsrechtliche Bedeutung, berühren Wirksamkeit und Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses also nicht (Bellinger/Kerl, Rn. 45 vor § 14). Ihre Einhaltung wird aber von der BAFin überwacht. Die Vorschriften gelten gemäß § 21a HypbankG nur für Deckungsdarlehen, nicht für sog. freie Hypotheken, die nicht in das Hypothekenregister nach § 22 HypbankG eingetragen sind. Geregelt sind dort eine grundsätzliche Auszahlungspflicht in Geld, ein Genehmigungserfordernis bezüglich der „Grundzüge“ der Darlehensbedingungen sowie das Erfordernis eines Mindestinhalts bezüglich der Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs und der Voraussetzungen der vorzeitigen Kündigung des Darlehens (§§ 14, 15 HypbankG). Ferner finden sich besondere Transparenzvorschriften bezüglich der Darlehensbestimmungen (§ 16 HypbankG), Beschränkungen der Kündigungsmöglichkeiten der Hypothekenbank (§§ 17, 19 HypbankG) und Vorschriften über Tilgungsaussetzung und vorzeitige Tilgung von Amortisationshypotheken (§§ 20, 21 HypbankG; näher Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 314). Unmittelbar in das Privatrechtsverhältnis hinein wirkt lediglich die Beschränkung des sachenrechtlichen vorzeitigen Befriedigungsrechts nach §§ 1133, 1135 BGB (§ 17 I HypbankG), die übrigen Vorschriften sind nur bei der Gestaltung der Darlehensbedingungen sowie der Prospekte und Formulare (bezüglich § 16 HypbankG) zu beachten.
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
689
Für das Hypothekenbankgeschäft existieren Muster-Darlehensbedingungen des Verbandes deutscher Hypothekenbanken (abgedruckt bei Bellinger/Kerl, Anhang 1). Die Darlehensbedingungen unterliegen trotz der aufsichtsrechtlichen Genehmigung in vollem Umfang der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle (allg. M., vgl. Wolf/Horn/LindacherWolf, § 9 Rn. 42, 49; Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner, § 9 Rn. 49), die inzwischen gerade bezüglich Kreditverträgen durch die Rspr. hinreichend konturiert worden ist (vgl. hierzu u. a. BGHZ 110, 241; 109, 197; 106, 375; 106, 42; 102, 152; 104, 26; 101, 29; 100, 82; 98, 256; 95, 362; 83, 56; NJW 1981, 756; 1985, 617; 1987, 946; 1989, 1796; sowie die Darstellung bei Wolf/Horn/Lindacher-Wolf, § 9 Rn. D 1ff.). Darüber hinaus unterliegt der Darlehensvertrag den allgemeinen Vorschriften (dazu §§ 10, 15, 20, 24), so dass die Besonderheiten – ähnlich wie beim Bauspardarlehen – sich im Wesentlichen mittelbar aus dem speziellen Aufsichtsrecht des HypbankG ergeben.
11
II. Subventionskredite. 1. Arten. Die direkte oder indirekte Gewährung von Krediten stellt eine wichtige Form staatlicher Subventionsgewährung dar. Die subventionierende Wirkung kann einerseits in den Darlehenskonditionen liegen, wenn Kredite unter dem Marktzins vergeben werden oder aufgrund einer öffentlichen Gewährleistung zu günstigeren Bedingungen erlangt werden können. Andererseits kann die Kreditzufuhr selbst als Subvention anzusehen sein, wenn zu Marktbedingungen keine Kreditaufnahme mehr möglich ist, insbesondere in Sanierungsfällen. Zu beachten sind bei allen Formen des Subventionsdarlehens die Beihilferegelungen des Europäischen Rechts (Art. 87 ff. EG). Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts führt ein Verstoß zur Rechtswidrigkeit der Subvention und zu einer Rückforderungspflicht des Staates gegenüber dem Subventionsempfänger (ständ. Rspr. des EuGH seit EuGH, Rs. 70/72, Slg. 1973, 813 ff.). Gerade im Fall des Subventionsdarlehens wird hiervon nach der Rspr. auch das Privatrechtsverhältnis berührt (dazu näher Rn. 15).
12
Zu unterscheiden sind unterschiedliche Arten von Subventionsdarlehen, die sich bezüglich der Abwicklung und der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse unterscheiden. Zunächst vergeben Gebietskörperschaften mitunter unmittelbar aus ihrem Haushalt zur Förderung bestimmter Zwecke Kredite. Oftmals erfolgt die Vergabe allerdings durch besondere öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, die bestimmten Förderzwecken dienen. Diese können entweder selbst Kredite gewähren oder aber sich zur Kreditvergabe aus ihren Mitteln einer zwischengeschalteten Geschäftsbank bedienen. Zuletzt kommt es in Betracht, dass die öffentliche Hand (unmittelbar oder durch ihre Förderinstitute) nur eine Gewährleistung übernimmt, die Kreditvergabe selbst aber ausschließlich durch eine Geschäftsbank erfolgt.
13
2. Zwei-Stufen-Theorie. Merkmal aller Formen des Subventionsdarlehens ist, dass eine Gemengelage öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Normen entsteht, die für das Rechtsverhältnis maßgeblich sind. Die Verwaltung gewährt Subventionen allein nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen, bedient sich aber bei der Gestaltung des Rechtsverhältnisses zum Begünstigten (oder einem Sicherungsnehmer) privatrechtlicher Formen. Nach der Rspr. insb. des BVerwG (BVerwGE 1, 308; 13, 47; 14, 65; 45, 13; 52, 155; 61, 299; 82, 282; implizit auch BVerfGE 47, 253 (273); ferner BGHZ 40, 206; 57, 130; 92, 94; BGH NJW 1997, 328) betreffen die beiden Regelungsbereiche aber unterschiedliche Stufen, in die das Rechtverhältnis zu unterteilen ist (sog. Zwei-Stufen-Theorie): Allein nach öffentlichem Recht bemisst sich die Subventionsgewährung selbst, also die Frage nach dem „Ob“ der Förderung. Diese Entscheidung ergeht als Verwaltungsakt, dessen Wirksamkeit, Rechtmäßigkeit, Widerruflichkeit und Rücknahme nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften einschließlich des Europäischen Beihilferechts zu bestimmen sind. Auf der zweiten Stufe wird dann im Rahmen des Vollzugs des Verwaltungs-
14
Hoffmann
690
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
aktes ein privatrechtlicher Darlehens- oder Bürgschaftsvertrag geschlossen, in dem das „Wie“ der Subventionierung festgelegt wird (vgl. Maurer, Allg. VerwR, 16. Aufl. 2006, § 17 Rn. 12). Es bedarf also des zusätzlichen Abschlusses eines privatrechtlichen Vertrages, wobei allerdings die Konditionen allein dem Bewilligungsbescheid zu entnehmen sind und sich der Subventionsgeber durch den Verwaltungsakt zum Abschluss verpflichtet. 15
Trotz dieser konstruktiven Trennung beider Stufen erkennt die Rspr. weitgehende, auf öffentlichem Recht beruhende Einwirkungsmöglichkeiten der Verwaltung auf das Privatrechtsverhältnis an. So lässt das BVerwG etwa eine nachträgliche Konditionenanpassung durch Verwaltungsakt zu, der den Darlehensvertrag ohne weiteres ändert („privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt“, BVerwGE 13, 47 (52); zur Konditionenanpassung durch Gesetz vgl. BGHZ 92, 94 (97)). Ferner wird der Bestand des Bewilligungsaktes aber als eine besondere, letztlich dem öffentlichen Recht entstammende Wirksamkeitsvoraussetzung des privatrechtlichen Darlehensvertrages angesehen. Ist der Verwaltungsakt nichtig (§ 44 VwVfG) oder wird er nach öffentlichem Recht zurückgenommen (§ 48 VwVfG), widerrufen (§ 49 VwVfG) oder sonst aufgehoben, wird dadurch ohne weiteres auch der Darlehensvertrag unwirksam (Maurer, a. a. O., § 17 Rn. 19). Diese Vorgänge auf der öffentlich-rechtlichen Stufe haben damit unmittelbar privatrechtsgestaltende Wirkung, ohne dass es auf die besonderen Voraussetzungen privatrechtlicher Vertragslösungsmechanismen ankäme (z. B. der §§ 313, 314, 490 BGB). Bedeutung hat dies vor allem bei der Rückforderung von Subventionen, die gegen die Beihilferegeln des EGV verstoßen. Die Verwaltung ist vorbehaltlich gewisser, vom EuGH anerkannter Vertrauensschutzaspekte europarechtlich zur Rückforderung der Subvention verpflichtet (vgl. hierzu ausführlich EuGH, Rs. C-305/89, Slg. 1991, I-1645; Rs. C-142/87, Slg. 1990, I-1020; Rs. C- 5/89, Slg. 1990, I-3456; Rs. 94/87, Slg. 1988, 188; Rs. 223/85, Slg. 1987, 4654 ), was im Rahmen der Abwägung nach § 48 II VwVfG als „gesteigertes öffentliches Rücknahmeinteresse“ (BVerwGE 92, 81) regelmäßig zur Rücknahme führt. Auch ohne einen entsprechenden Rücktrittsvorbehalt oder eine Kündigungsregelung wäre dann der privatrechtliche Darlehensvertrag allein aufgrund eines Verstoßes des Darlehensgebers gegen seine europarechtlichen Bindungen (also eines allein in seiner Sphäre liegenden Umstands) zu Lasten des Darlehensnehmers rück abzuwickeln. Mit vertragsrechtlichen Grundsätzen ist diese Rechtslage erkennbar nicht vereinbar.
16
Aufgrund der Durchbrechung der Trennung beider Stufen ist die Zwei-Stufen-Theorie schon im Grundsatz abzulehnen. Will man das Darlehensverhältnis privatrechtlich qualifizieren, muss man es auch konsequent nach privatrechtlichen Grundsätzen ausgestalten (so etwa der Ansatz in BGHZ 40, 206: Verwaltungsakt wird durch Vertragsschluss vollzogen und erlischt, Rechtsverhältnis danach rein privatrechtlich). Die Vorgänge auf der öffentlich-rechtlichen Stufe könnten zwar im Rahmen privatrechtlicher Institute (insb. §§ 313, 314 BGB) berücksichtigt werden, ihnen würde aber keine privatrechtsgestaltende Wirkung zukommen. Wegen der Rückforderungspflicht europarechtswidriger Beihilfen bedürfte es dann aber stets eines Rücktrittsvorbehalts für den Fall einer negativen Kommissionsentscheidung nach Art. 88 II EG. Die Unterordnung der privatrechtlichen unter die öffentlich-rechtliche Stufe ist jedenfalls mit der Dogmatik des Vertragsrechts unvereinbar, die privatrechtliche Qualifikation wird so zur reinen Fiktion. Mit der h. M. in der neueren Literatur (vgl. den Überblick der Kritik bei Maurer, a. a. O., § 17 Rn. 14ff.; Wolff/ Bachof/Stober, § 22 Rn. 54 ff.; ausführlich insb. Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen als öffentliches Vertragsrecht, 1979; Isensee/Kirchhof-Ipsen, § 92 Rn. 60; KnackHenneke, § 54 Rn. 20 ff.) ist daher eine Aufgabe der Zwei-Stufen-Theorie und eine rein öffentlich-rechtliche Einordnung des Subventionsverhältnisses zu fordern. In Be-
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
691
tracht kommt sowohl eine Subventionsgewährung in Form des öffentlich-rechtlichen Vertrags (so insb. Henke, a. a. O.; Knack-Henneke, a. a. O.; v. Danwitz, JuS 1995, 1 (3 f.)) oder als Verwaltungsakt, durch den sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ geregelt wird (so insbes. FS Fröhler-Zuleeg, 1984, S. 275 (292 ff.)). 3. Direktabwicklung. Erfolgt die Darlehensgewährung unmittelbar aus dem Haushalt der öffentlichen Hand durch eine Behörde, lassen sich die angeführten Grundsätze unmittelbar anwenden. Dies gilt auch dann, wenn die Auszahlung selbst von einer Bank als Erfüllungsgehilfe der Behörde erfolgt (Maurer, a. a. O., § 17 Rn. 28). Nach der Zwei-StufenTheorie bestehen also Gewährungsakt und Darlehensvertrag nebeneinander, wobei die Wirksamkeit des letzteren vom Bestand des ersteren abhängt. Nach der hier vertretenen Ansicht kann die Behörde dagegen das gesamte Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt regeln, wobei auch die daraus resultierenden Zins- und Rückzahlungsansprüche öffentlich-rechtlichen Charakter haben. Im Fall der Rücknahme wäre auf die Rückabwicklung unmittelbar § 48 II 5 bis 8 VwVfG anzuwenden. Bedarf es über die Festlegung der Subventionsbedingungen hinaus weiterer Vereinbarungen mit dem Darlehensnehmer, kann die Behörde stattdessen auch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG) schließen. Diese Möglichkeit ist im Übrigen auch von der Rspr. als Alternative zur zweistufigen Regelung anerkannt (BVerwGE 84, 236).
17
4. Abwicklung durch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute. Vielfach bedient sich die öffentliche Hand bei der Subventionsgewährung besonderer Kreditinstitute, die sie in öffentlich-rechtlicher Form (als Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts) zur Erfüllung bestimmter Förderzwecke gegründet hat. Wichtigstes Beispiel ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Diese können einerseits für die öffentliche Hand als Erfüllungsgehilfe tätig werden, also nur die Abwicklung der Subventionsdarlehen aus ihnen zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln übernehmen, nachdem die Behörde über die Förderung entschieden hat. Nach der Zwei-Stufen-Theorie ist bei dieser Gestaltung davon auszugehen, dass ein Vertrag mit der Förderbank auf der Grundlage des Verwaltungsakts geschlossen wird. Nach hier vertretener Ansicht erfolgt eine öffentlich-rechtliche Regelung durch die subventionsgewährende Behörde selbst, die sich des Förderinstituts nur zur Auszahlung, Verwaltung und Einziehung des Darlehensbetrages bedient. Dies ändert aber nichts am öffentlich-rechtlichen Charakter der Ansprüche. Andererseits kann aber auch das Förderinstitut selbst als Behörde im Sinne des Verwaltungsrechts anzusehen sein, also selbst die Subventionsentscheidung treffen. In diesem Fall regelt die Förderbank auch das Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag und wird selbst Inhaber der öffentlich-rechtlichen Rückzahlungsansprüche (für eine bedingt rückzahlbare Auftragshilfe der KfW: LG Frankfurt NVwZ 1984, 267). Grundsätzlich erfolgt auch diese Darlehensgewährung aus Haushaltsmitteln, die der Bank zur Verfügung gestellt wurden. Hiervon zu unterscheiden sind noch die Darlehen, die von den Förderinstituten unmittelbar aus ihren eigenen Mitteln im Rahmen ihrer am Förderungsauftrag orientierten Geschäftstätigkeit vergeben werden. Hierbei handelt es sich zwar ebenfalls um öffentliche Beihilfen (im Sinne der Art. 87 ff. EGV), den Förderinstituten fehlt aber die Befugnis zur öffentlich-rechtlichen Regelung der Rechtsverhältnisse. In diesem Fall wird daher lediglich ein privatrechtlicher Darlehensvertrag begründet, der nicht durch öffentlichrechtliche Vorschriften überlagert wird. Es bedarf bei dieser Gestaltung daher einer vertragsrechtlichen Absicherung des Förderzwecks, insbesondere durch die Bedingungen der Darlehensauszahlung und entsprechende Kündigungsrechte.
18
Hoffmann
19
20
692
21
22
23
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
5. Treuhandabwicklung durch Geschäftsbanken. Die Abwicklung von Subventionsdarlehen kann auch unter Zwischenschaltung von Geschäftsbanken erfolgen. Die entstehenden Rechtsverhältnisse hängen dann von der konkreten Ausgestaltung ab, grundsätzlich wird aber eine Geschäftsbank in Bezug auf Haushaltsmittel allenfalls als Erfüllungsgehilfe der öffentlichen Hand ohne direkte Rechtsbeziehung zum Darlehensnehmer beteiligt sein. Von Bedeutung ist die Treuhandabwicklung aber bei den Krediten der Förderinstitute, die insbesondere von der KfW grundsätzlich über Geschäftsbanken gewährt werden (§ 3 I KfW-Gesetz), wobei diese in der Regel die Gewährleistung für das Darlehen zu übernehmen haben. Soweit diese Kreditvergabe nicht auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Regelungsbefugnis erfolgt, haben die entstehenden Rechtsbeziehungen durchweg privatrechtlichen Charakter. Dies gilt auch dann, wenn dem Förderinstitut für bestimmte Programme Haushaltsmittel von einer Gebietskörperschaft oder der Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden sind, solange damit keine gesetzliche Grundlage für eine öffentlich-rechtliche Regelung verbunden wird. Je nach Ausgestaltung des Förderprogramms ist aber auch ein Tätigwerden der KfW durch Verwaltungsakt denkbar (dazu LG Frankfurt NVwZ 1984, 267). Durch die Treuhandabwicklung entsteht daher ein Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen Förderinstitut und Geschäftsbank, aufgrund dessen das Förderinstitut den Darlehensbetrag zu den Förderkonditionen zur Verfügung stellt und in dessen Rahmen die Geschäftsbank regelmäßig die Haftung für die Darlehensrückzahlung übernimmt, also das Ausfallrisiko trägt. Der Darlehensvertrag kommt aber allein zwischen Darlehensnehmer und Geschäftsbank zustande und bedarf bankmäßiger Besicherung. Daneben kann noch eine öffentliche Gewährleistung als gesondertes Rechtsverhältnis treten; möglich ist aber auch eine Freistellung der Geschäftsbank von der Haftung als besondere Förderungsmaßnahme. 6. Garantierte Kredite. Als Subvention ist es auch anzusehen, wenn die öffentliche Hand (direkt oder durch die Förderinstitute) Bürgschaften oder sonstige Gewährleistungen für die Darlehensaufnahme Privater übernimmt, da so die Kreditaufnahme erst ermöglicht oder zumindest aufgrund der Bonität des Bürgen verbilligt wird. Diese indirekte öffentliche Kreditgewährung ist etwa als Geschäftsform der KfW in § 2 I Nr. 3 KfW-Gesetz ebenso ausdrücklich vorgesehen wie als Wohnraumförderungsmaßnahme nach § 2 II Nr. 2 WoFG. Eine große Rolle spielt sie auch im Rahmen der Exportförderung durch die KfW und die Hermes-Kreditversicherungs AG (Ausfuhrgewährleistungen für Rechnung des Bundes, dazu: BGH NJW 1997, 328). Bei diesen Gestaltungen ist Kreditgeber regelmäßig eine Geschäftsbank, mit der ein rein privatrechtlicher Darlehensvertrag geschlossen wird. Daneben tritt eine ebenfalls allein privatrechtlich zu qualifizierende Haftungsübernahme des Subventionsgebers in Form eines Bürgschaftsvertrages, Schuldbeitritts oder eines Garantievertrages (BGH NJW 1997, 328; v. Spiegel, NJW 1984, 2005 (2006 f.)). Hieraus kann die öffentliche Hand wie ein Privater in Anspruch genommen werden, ihr stehen im Verhältnis zum Kreditgeber keine auf öffentlichem Recht beruhenden Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung. Da die Haftungsübernahme nicht im Verhältnis zum Subventionsempfänger erfolgt, kommt eine einheitliche Regelung nicht in Betracht, vielmehr bedingt das entstehende Dreiecksverhältnis eine Trennung der Rechtsverhältnisse (Maurer, a. a. O., § 17 Rn. 28). Dies hat allerdings nichts mit der ZweiStufen-Theorie zu tun, da es hier um den Vollzug des nach dieser Theorie zweistufig geregelten Subventionsverhältnisses geht. Der Bestand einer öffentlich-rechtlichen Regelung des Innenverhältnisses zum Subventionsnehmer beeinflusst daher die Wirksamkeit der Haftungsübernahme im Außenverhältnis nicht.
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
693
Lediglich für das Subventionsverhältnis selbst stellt sich demnach die Frage nach privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Einordnung. Diese ist in Übereinstimmung mit den dargestellten Grundsätzen zum Subventionskredit zu beantworten. Liegt danach ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zugrunde, insbesondere bei der Haftungsübernahme durch eine Gebietskörperschaft, wäre nach der Zwei-Stufen-Theorie zwischen der Gewährungsentscheidung (Verwaltungsakt) und dem privatrechtlichen Verhältnis (Geschäftsbesorgungsvertrag und Sicherungsabrede) zu unterscheiden, wobei der Bestand des Verwaltungsaktes Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertragsverhältnisses wäre. Die Rücknahme des Verwaltungsakts hätte also die Entstehung eines Befreiungsanspruchs gegen den Darlehensnehmer zur Folge, nicht aber die Unwirksamkeit der Haftungsübernahme im Außenverhältnis. Auch insoweit erscheint eine einheitliche öffentlich-rechtliche Regelung überzeugender, aus der sich auch ein öffentlich-rechtlicher Befreiungsanspruch ergeben kann.
24
III. Kommunalkredite. 1. Begriff. Unter Kommunalkrediten sind allgemein Kredite zu verstehen, die an inländische oder bestimmte ausländische Gebietskörperschaften (insbesondere die EG-Mitgliedstaaten), bestimmte juristische Personen des öffentlichen Rechts oder bestimmte supranationale Institutionen (insbesondere die Europäische Gemeinschaft) vergeben werden (Obst/Hintner-Eichwald/Pehle, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 765), wobei die genaue Abgrenzung der erfassten Kreditnehmer sich für verschiedene Zwecke unterscheidet. Unter den Begriff fallen ferner Kredite, für die von einem dieser Kommunalkreditnehmer eine ausdrückliche Gewährleistung übernommen wurde. Die Kommunalkredite sind daher durch eine besonders hohe Bonität gekennzeichnet, die sich aus der Zuordnung des Kreditnehmers zum Bereich des Staates ergibt.
25
2. Rechtliche Besonderheiten. In vertragsrechtlicher Hinsicht weisen inländische Kommunalkredite keine Besonderheiten auf. Mit den Kommunalkreditnehmern können grundsätzlich dieselben Kreditgeschäfte abgeschlossen werden wie mit anderen Personen. Lediglich das ordentliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers hat nach § 489 IV 2 BGB abweichend von der sonstigen Rechtslage dispositiven Charakter. Dagegen werden Kredite an ausländische Gebietskörperschaften oftmals aufgrund Parteivereinbarung (Art. 27 I EGBGB) nicht deutschem Recht unterliegen und sollen daher hier nicht näher behandelt werden. Beschränkungen des Umfangs und der Art und Weise der Kreditaufnahme können sich allerdings aus dem Haushalts- (z. B. § 18 BHO) oder Kommunalrecht (z. B. Art. 62 III , 71 ff. BayGemO) oder dem Errichtungsakt des Kreditnehmers (z. B. § 4 KfW-Gesetz) ergeben. Verstöße gegen dieses interne Organisationsrecht der öffentlichen Hand haben allerdings keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des privatrechtlichen Darlehensvertrages.
26
Allerdings weist der Kommunalkredit einige aufsichtsrechtliche Besonderheiten auf. Dies betrifft zunächst eine Sonderstellung im Rahmen der Eigenkapitalaufsicht nach dem KWG. So beträgt der Anrechnungsfaktor bei Ermittlung des Solvabilitätskoeffizienten (§ 2 I Grundsatz I) für Kommunalkredite nach § 13 I, III Grundsatz I nur 0 % bzw. 20 %. Sie sind ferner nicht von der Groß- und Millionenkreditaufsicht (§ 20 II Nr. 1, III bis VI KWG) und den Organkreditbeschränkungen (§ 21 II KWG) erfasst.
27
Aufgrund der hohen Bonität der Schuldner sind Kommunalkredite auch geeignet, als Deckungsgrundlage für die Emission von Pfandbriefen der Spezialinstitute zu dienen. So ist die Vergabe auch durch Hypothekenbanken zulässig (§ 5 I Nr. 1 HypbankG), die diese Forderungen als Deckung für die Ausgabe von Kommunalschuldverschreibungen („Öffentlicher Pfandbrief“, vgl. §§ 1 Nr. 2, 41 HypbankG) verwenden können. Ferner
28
Hoffmann
694
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
können die öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten nach § 8 PfandbrG durch Kommunaldarlehen gedeckte „Kommunalschuldverschreibungen“ oder „Kommunalobligationen“ ausgeben. Die Definitionen der tauglichen Kommunalkreditnehmer sind in KWG, HypbankG und PfandbrG jeweils eigenständig und nicht deckungsgleich geregelt, wobei aber zumindest Kredite an inländische Gebietskörperschaften stets erfasst sind. Sparkassenrechtlich ist in Hinblick auf die Bonität zumindest bei inländischen Gebietskörperschaften eine ungesicherte Kreditvergabe zulässig (z. B. § 13 SpkO Bayern). 29
IV. Forward Darlehen. 1. Begriff. Bei einem Forward-Darlehen handelt es sich um einen Darlehensvertrag mit vereinbarter aufgeschobener Darlehensauszahlung. Der Kredit wird also bereits jetzt für einen späteren Zeitpunkt fest vereinbart, etwa zur Ablösung eines dann fällig werdenden Darlehens im Rahmen von Immobilienfinanzierungen. Durch die vorzeitige Vereinbarung kann der Darlehensnehmer sich gegen Zahlung einer Forward- Prämie die heutigen Darlehenskonditionen für den erst später benötigten Kredit sichern (Palandt-Weidenkaff, vor § 488 Rn. 25; näher Peters/Wehrt, WM 2003, 1509 f.).
30
2. Rechtliche Einordnung. Nachdem das Darlehen nunmehr in § 488 BGB als Konsensualvertrag ausgestaltet ist, steht dem Abschluss eines Darlehensvertrages mit aufgeschobener Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs nichts entgegen. Bereitstellungszinsen werden in der Forward-Zeit nicht geschuldet, da auch die Auszahlung noch nicht verlangt werden kann (Rösler, WM 2000, 1930). Die vereinbarte Forward-Prämie zählt zu den sonstigen Kosten des Darlehens und ist bei Verbraucherdarlehensverträgen gemäß § 492 I Nr. 4 BGB in der Vertragserklärung des Verbrauchers anzugeben (Palandt-Weidenkaff, vor § 488 Rn. 25; Rösler, WM 2000, 1931) und in der Berechnung des effektiven Jahreszinses (§ 492 I Nr. 5 BGB, § 4 PrAngVO) zu berücksichtigen.
31
3. Kündigungsrecht nach § 489 I Nr. 3 BGB. Problematisch erscheint dagegen die Anwendung des § 489 I Nr. 3 BGB auf Forward-Darlehen. Geht man von dem Wortlaut aus, knüpft das zwingende Kündigungsrecht an den Ablauf von zehn Jahren nach dem „vollständigen Empfang“ des Darlehensbetrags an, also nicht auf den hier früheren Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Zweck der Norm ist es aber, die Dauer der Zinsbindung zu beschränken und so einen „Kernbestand wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit“ (StaudingerHopt/Mülbert, § 609 a Rn. 8) des Darlehensnehmers zu schützen. Hieraus resultiert auch der zwingende Charakter der Vorschrift (§ 489 IV 1 BGB). Durch die Verbindung eines Darlehens zur sofortigen Auszahlung mit einem oder mehreren Forward-Darlehen könnte diese Zinsbindungsdauer wirtschaftlich verlängert werden, indem mit Ablauf der Zinsbindung die vertragliche Grundlage ausgewechselt wird. Rösler will daraus die Konsequenz ziehen, zur Verhinderung von Umgehungen eine Forward-Zeit nur von bis zu 5 Jahren für zulässig zu halten, darüber hinaus nur bei besonderer Aufklärung des Kunden (WM 2000, 1930 f.), wodurch eine maximal 15jährige Zinsbindung ermöglicht wird. Richtigerweise sollte man jedenfalls die Aufteilung eines wirtschaftlich einheitlichen Kreditgeschäfts in verschiedene Verträge mit demselben Kreditgeber als einen Anwendungsfall des allgemeinen Umgehungsverbots auffassen (dazu näher: MünchKommBGB-Mayer-Maly/Armbrüster, § 134 Rn. 11ff.) und als Konsequenz das zwingende Kündigungsrecht stets 10 Jahre nach der ursprünglichen Auszahlung des Darlehens bzw. der letzten auf die Verlängerung des Kreditverhältnisses gerichteten Vereinbarung (§ 489 I Nr. 3 Satz 2 BGB) gewähren. Dabei steht der Abschluss eines weiteren Forward-Vertrags der sonstigen Verlängerungsvereinbarung gleich (so auch Rösler, WM 2000, 1931). Werden dagegen die Verträge mit unterschiedlichen Kreditgebern abgeschlossen, ist zu differenzieren: Sind die Verträge so aufeinander bezogen, dass die Kreditgeber Kenntnis von der Verbindung zu einem wirtschaftlich einheitlichen Kredit haben, ist auch dies als Umgehung anzusehen, so dass dieselben Grundsätze gelten. Dies gilt vor allem, wenn die
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
695
Forward-Darlehen nicht zur freien Verfügung ausgezahlt werden, sondern eine Zweckbestimmung zur Ablösung des vorherigen Darlehens getroffen wird, oder wenn die Kredite durch denselben Vermittler zustande kommen, dessen Kenntnis sich jeder Kreditgeber zurechnen lassen muss. Fehlt es an der Kenntnis von der wirtschaftlichen Verbindung mit den anderen Krediten, ist dagegen kein Grund dafür ersichtlich, die Forward-Zeit zu beschränken. Schließlich führt der von der Norm geschützte Darlehensnehmer dann die längere Bindungsdauer von sich aus ohne Zutun der Kreditgeber herbei. Es vermag nicht zu überzeugen, eine wirtschaftlich vorteilhafte Konstruktion ohne gesetzliche Grundlage grundsätzlich auf einen willkürlich festgelegten Zeitraum zu beschränken, um Umgehungen des Darlehensnehmerschutzes durch diesen selbst zu verhindern. V. Konzerninterne Darlehensverträge. 1. Formen der Konzerninnenfinanzierung. Konzerninnenfinanzierung, also die Finanzierung einer Gesellschaft aus Mitteln, die von konzernverbundenen (§ 17 AktG) Gesellschaften zur Verfügung gestellt werden, findet neben der klassischen Eigenkapitalfinanzierung in der Praxis auch häufig aufgrund konzerninterner Darlehensverträge statt. Während die Eigenkapitalfinanzierung praktisch ausschließlich bei der Finanzierung der Tochter- durch das Mutterunternehmen eine Rolle spielt, werden Darlehensverträge auch für Finanzierungen in umgekehrter Richtung eingesetzt. Zu unterscheiden ist insoweit ferner zwischen längerfristig angelegten Darlehen zur Deckung eines bestimmten Finanzierungsbedarfs und den oft kurzfristigen, nur auf eine optimale Nutzung der konzernweit vorhandenen Liquidität ausgerichteten Darlehen im Rahmen von Cash Management-Systemen. In beiden Fällen liegen die rechtlichen Besonderheiten weniger im vertragsrechtlichen, als vielmehr im gesellschaftsrechtlichen Bereich (dazu näher Rn. 35 ff.). Bei den erstgenannten Darlehen tritt der konzerninterne Darlehensgeber dem Darlehensnehmer rechtlich wie ein Dritter gegenüber. Für den Inhalt des Darlehensvertrags gelten keine Besonderheiten, so dass für Fragen wie Laufzeit und Verzinsung die Parteivereinbarungen maßgeblich sind. Eine solche Konzernfremdfinanzierung kann wegen der Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen (in dem von § 8a KStG gezogenen Rahmen) aus steuerlichen Gründen Vorteile gegenüber einer Eigenkapitalfinanzierung aufweisen. Gesellschaftsrechtlich sind gerade für solche Darlehen durch das Mutterunternehmen allerdings die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts zu beachten, die zu einer Umqualifizierung der Mittel zu Eigenkapital führen können.
32
Unter Cash Management (ausführlich: Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Scheffler/ Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, § 21) versteht man Systeme der konzernweiten Liquiditätsverwaltung, die eingesetzt werden, um den konzernweiten Kreditbedarf und damit den Zinsaufwand zu minimieren. In der Praxis steht das Cash Pooling ganz im Mittelpunkt, bei dem aufgrund einer vertraglichen Absprache zwischen den Konzerngesellschaften tagesgenau sämtliche Guthaben auf den Konten auf ein Zielkonto der Mutter- oder einer besonderen Zweckgesellschaft übertragen werden („zero balancing“) und den dort bestehenden Kontokorrentkredit mindern. Den Tochtergesellschaften werden somit täglich alle liquiden Mittel zugunsten des Gesamtkonzerns entzogen. Bei einem Liquiditätsbedarf der Tochter werden dann entweder direkt vom Zielkonto die Verbindlichkeiten für Rechnung der Tochter bezahlt, oder die Mittel werden dem Konto der Tochter wieder zugeführt. Meist kann die Tochter von diesem zentralen Konzernkonto auch ihren Kreditbedarf decken. Während es bei diesem echten Pooling zu tatsächlichen Umbuchungen zwischen den Konzernkonten kommt, kann man die Ziele auch durch ein virtuelles Verfahren („notional pooling“; dazu Reidenbach, WM 2004, 1423) erreichen, bei dem das alle Konten führende Kreditinstitut lediglich für die Zinsberechnung einen einheitlichen Konzernsaldo zugrunde legt, während die Mittel auf den jeweiligen Konten verbleiben. Bei letzterer Vorgehensweise kommt es allerdings nicht zu einer
33
Hoffmann
696
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Darlehensgewährung zwischen den Konzerngesellschaften, vielmehr spielt die Absprache nur im Verhältnis zum Kreditinstitut eine Rolle. Diese Gestaltung, bei der die hier zu erörternden rechtlichen Probleme nicht auftreten, kann daher außer Betracht bleiben. 34
In rechtlicher Hinsicht sind beim Cash Pooling das Innenverhältnis der Konzerngesellschaften und das Verhältnis zum Kreditinstitut zu unterscheiden. Bei letzterem handelt es sich schlicht um einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), gerichtet auf die Vornahme der entsprechenden hausinternen Umbuchungen zum Tagesabschluss. Regelmäßig übernehmen die am Cash Pool beteiligten Unternehmen gegenüber dem Institut dabei die Mithaftung für die Verbindlichkeiten, die auf dem Zielkonto auflaufen. Zwischen den Konzerngesellschaften handelt es sich bei dem Cash Pool-Vertrag um eine Art Rahmenvertrag, der eine Kontokorrentabrede und die Rahmenvereinbarungen für die wechselseitigen Darlehensverträge enthält, die im Rahmen des Cash Pools zwischen den Konzerngesellschaften entstehen können. In jedem Fall handelt es sich bei der Bereitstellung von Mitteln entweder um eine Darlehensgewährung oder um die Rückführung eines Darlehens (Cahn, ZHR 166 (2002), 280; Reidenbach, WM 2004, 1423; Henze, WM 2005, 717; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449).
35
2. Gesellschaftsrechtliche Aspekte, insbes. des Cash Pooling. In Hinblick auf die längerfristig angelegte Konzerninnenfinanzierung stehen gesellschaftsrechtlich die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts im Mittelpunkt, die bislang bei einem in der Krise der Gesellschaft gewährten oder stehen gelassenen Darlehen zu einer Umqualifizierung zu Eigenkapital führen konnte. Rechtsfolge war bislang nach §§ 32a, b GmbHG die Nachrangigkeit des Rückzahlungsanspruchs in der Insolvenz sowie nach den sog. Rechtsprechungsgrundsätzen (zur Fortgeltung: BGHZ 90, 370) die Anwendung der dem Schutz des Stammkapitals dienenden Vorschriften der §§ 30, 31 GmbHG, soweit die Darlehensmittel zur Vermeidung einer Unterbilanz benötigt werden. Auf die komplizierten Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden (ausführlich: Scholz/K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 1 ff.; Michalski/Heidinger, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 1 ff.). Zukünftig werden allerdings diese Grundsätze durch eine einheitliche Regelung ersetzt, die einen Insolvenznachrang für alle Darlehensforderungen der unternehmerisch beteiligten Gesellschafter vorsehen und auch die Rechtsprechungsgrundsätze ersetzen werden (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 InsO idF des Art. 9 MoMiG-RegE, BR-Drucks. 354/07, S. 30; dazu Bayer/Graff, DStR 2006, 1654).
36
In Hinblick auf das Cash Pooling stehen dagegen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Vordergrund, da dieses Verfahren dazu führt, dass Mittel der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft abgeführt werden und es so zu einer verbotenen Einlagenrückgewähr oder (vor allem im Fall der Kapitalerhöhung) zu einem Hin- und Herzahlen der Einlage kommt. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt für das Cash Pooling (trotz der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile) in Hinblick auf den Kapitalschutz kein „Sonderrecht“ (BGH BKR 2006, 208). In Hinblick auf die Kapitalaufbringung bedeutet dies, dass die Bereitstellung einer Bareinlage (speziell im Rahmen einer Kapitalerhöhung) auf einem in das Cash Pooling einbezogenen (oder nach den Absprachen alsbald einzubeziehenden) Konto die Einlageschuld nicht zum Erlöschen bringt, wenn der Tochter wirtschaftlich nur die Befreiung von einer im Rahmen des pooling aufgelaufenen Verbindlichkeit zufließt. In diesem Fall handelt es sich letztlich um die verdeckte Sacheinlage der gegen die Tochter bestehenden Darlehensforderung (BGH BKR 2006, 208 = ZIP 2006, 665; dazu Altmeppen, ZIP 2006, 1025). Auch wenn keine Verbindlichkeit der Tochter besteht und die Einbeziehung in den Cash Pool zu einer Darlehensforderung gegen die Mutter führt, kommt es nicht zum Erlöschen der Einlageforderung, da die Mittel nicht zur freien Verfügung der Tochter gestellt worden sind (vgl. dazu BGH ZIP 2005, 2203; BGH
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
697
DStR 2007, 773 m. Anm. Goette). In beiden Fällen müsste die Einlage also (insbesondere bei Insolvenz der Tochter) nochmals geleistet werden. Ähnliches gilt, wenn Bankguthaben in das Cash Pooling einbezogen werden, die dem zur Abdeckung des Stammkapitals gebundenen Vermögen der Tochter zuzurechnen sind. Nach der Rechtsprechung des BGH ist auch die Kreditgewährung an die Mutter aus dem gebundenen Vermögen der Tochtergesellschaft als nach § 30 GmbHG verbotene Einlagenrückgewähr anzusehen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Rückzahlungsanspruch gegen die Mutter vollwertig ist, während eine Ausnahme nur für den Fall in Betracht gezogen wurde, dass die Darlehensvergabe im Interesse der Gesellschaft liegt, die Bedingungen dem Drittvergleich standhalten und die Bonität der Mutter „selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels steht“ oder eine vergleichbare Sicherheit gewährt wird (BGHZ 157, 72 = BGH ZIP 2004, 263; dazu Bayer/ Lieder, ZGR 2005, 133; Hentzen, ZGR 2005, 480; Kerber, ZGR 2005, 437; Fuhrmann, NZG 2004, 552; Wessels, ZIP 2004, 793). Diese Grundsätze wird man auf die AG (§ 57 AktG) zu übertragen haben. Hieraus ergeben sich erhebliche Haftungsrisiken für Mutterunternehmen und Geschäftsführer (§ 31 GmbHG; § 57 AktG; vgl. näher Vetter, in: Lutter, Holding Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 8; Kiethe, DStR 2005, 1573). Zuletzt kommt auch die Anfechtbarkeit wegen einer unentgeltlichen Leistung (§ 134 InsO) in Betracht, soweit die Mutter vom Zielkonto des Cash Pools eine nicht werthaltige Forderung der Tochter tilgt und innerhalb der folgenden vier Jahre das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mutter eröffnet wird. Dies gilt selbst dann, wenn der Empfänger keine Kenntnis von der fehlenden Werthaltigkeit seiner Forderung hat (BGH NJW 2005, 1867; näher zur Frage der Anfechtbarkeit von Leistungen aus einem Cash Pool vgl. Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, S. 589 ff.; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 7. Aufl. 2007, Rn. 3.749 ff.)
37
Für die umstrittenen Einzelheiten ist für die genannten Fragen auf die umfangreiche Spezialliteratur zu verweisen (vgl. statt vieler: Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, 2003; Vetter, in: Lutter, Holding Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 8; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 7. Aufl. 2007, Rn. 3.730 ff.). Zukünftig werden nach dem RegE zum MoMiG ohnehin weniger restriktive Regelungen für das Cash Pooling gelten, da der Gesetzgeber dieses Verfahren ausdrücklich erleichtern möchte (vgl. die Begründung zum RegE BR-Drucks. 354/07, S. 93 ff.). Für die Kapitalerhaltung soll dies durch eine Neufassung des § 30 GmbHG erreicht werden, der die Auszahlung zulassen wird, wenn die Tochter einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch erhält (BR-Drucks. 354/07, S. 8). Für die Problematik der Kapitalaufbringung sollen die Neufassungen des § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG und § 19 Abs. 4 GmbHG ebenfalls dazu dienen, die rechtlichen Risiken des Cash Pooling zu minimieren, indem auch bei der Aufbringung eine bilanzielle Betrachtungsweise angeordnet wird. Entsprechende Änderungen sind in Hinblick auf die Kapitalerhaltung im Rahmen des § 57 AktG vorgesehen, während die Problematik im Rahmen der Kapitalaufbringung in der AG zunächst bestehen bleiben wird. Die hieraus zukünftig resultierenden Probleme sind bislang nicht absehbar, allerdings sind die entsprechenden Vorschläge auf erhebliche Kritik gestoßen (z.B. Priester, ZIP 2006, 1557). Die hier angesprochenen gesellschaftsrechtlichen Probleme konzerninterner Darlehensverträge einschließlich des Cash Pooling werden sich nach In-Kraft-Treten des MoMiG aber voraussichtlich weitgehend erledigen.
38
VI. Lombardkredit. Unter einem Lombardkredit ist ein meist kurzfristiger Darlehensvertrag zu verstehen, der durch die Verpfändung von Waren oder Wertpapieren gesichert ist, wobei als echter Lombardkredit ein Festbetragsdarlehen, als unechter Lombardkredit ein Kontokorrentdarlehen bezeichnet wird (Obst/Hintner-Eichwald/Pehle, S. 761). Letzt-
39
Hoffmann
698
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
lich handelt es sich also rechtlich nur um einen in bestimmter Weise gesicherten Darlehensvertrag, auf den die allgemeinen Vorschriften anzuwenden sind. Die frühere Bedeutung als notenbankpolitisches Instrument der Deutschen Bundesbank hat der Lombardkredit mit Einführung des Euro verloren. 40
C. Kreditformen des Wechselverkehrs und indirekte Kreditgewährung I. Akzeptkredit. 1. Begriff, wechselrechtliche Bedeutung. Unter einem Akzeptkredit versteht man die Annahme eines Wechsels, den der Kreditnehmer als Aussteller auf die Bank gezogen hat, aufgrund Vertrags. Durch die Annahme wird die Haftung der Bank für die Wechselsumme begründet (Art. 28 WG), sie wird aber nicht zur Auszahlung des Wechselbetrags vor Verfall verpflichtet. Zu diesem Zeitpunkt ist aber der Aussteller vertraglich dazu verpflichtet, der Bank die Wechselsumme zur Verfügung zu stellen. Die Kreditgewährung liegt darin, dass der Wechsel nach Annahme aufgrund der hohen Bonität der Bank als Wechselschuldner vom Aussteller weitergegeben werden kann, etwa an Lieferanten. Die Wechselhaftung der Bank begründet die Umlauffähigkeit des Wechsels und ermöglicht die Refinanzierung der Wechselsumme. Es handelt sich also um einen Fall der indirekten Kreditgewährung, da die Bank keine Darlehenssumme zur Verfügung stellt, sondern lediglich die Haftung für eine vom Kreditnehmer einem Dritten geschuldete Summe übernimmt. Trotzdem zählt der Akzeptkredit in der Systematik der Bankgeschäfte nach dem KWG gemäß dem Wortlaut des § 1 I 2 Nr. 2 KWG zum Kreditgeschäft. Zum Wechselrecht vgl. ausführlich unten § 47.
41
2. Vertragliche Einordnung. Dem Akzeptkredit liegt kein Darlehens-, sondern ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) zugrunde (BGHZ 19, 282, 288f.; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Wunderlich, § 75 Rn. 42; Palandt-Sprau, § 675 Rn. 10; Palandt-Weidenkaff, vor § 488 Rn. 26). Durch diesen verpflichtet sich die Bank, den Wechsel bei Vorlegung anzunehmen, während der Kreditnehmer sich verpflichtet, die Wechselsumme bei Verfall zur Verfügung zu stellen (§§ 669, 670 BGB) und die Provision zu bezahlen. Es gibt allerdings auch Ausgestaltungen im Zusammenhang mit Wechselakzepten, bei denen die Bank eine erheblich größere Rolle bei der Mittelbeschaffung übernimmt und so zum Darlehensgeber wird (BGHZ 19, 282 (288f.); Baumbach/Hefermehl, WG, Einl. Rn. 72; Palandt-Sprau, § 675 Rn. 10; Palandt-Weidenkaff, vor § 488 Rn. 26). Der Wechsel dient dann praktisch nur der Refinanzierung der Bank, die die Wechselsumme als direkten Kredit zur Verfügung stellt und dann selbst den Wechsel weitergibt, etwa bei der Zentralbank (Eigendiskont, dazu Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 212). Hierbei handelt es sich aber nicht mehr um einen Akzeptkredit im eigentlichen Sinne, da kein Fall indirekter Kreditgewährung mehr vorliegt.
42
Einen Sonderfall des Akzeptkredits stellt schließlich der Rembourskredit dar, wo sich das Akzept der Bank auf einen Wechsel bezieht, der im Rahmen eines Außenhandelsgeschäfts nicht nur zu Finanzierungszwecken, sondern auch zur Absicherung des vorleistenden Verkäufers begeben wird und in der Regel mit einem Akkreditiv verbunden ist (ausführlich Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 361 ff.). Näher zur Außenhandelsfinanzierung unten § 62.
43
II. Diskontkredit. 1. Begriff. Eine weitere Kreditform des Wechselverkehrs stellt der Diskontkredit dar. Im Gegensatz zum Akzeptkredit liegt hier eine direkte Kreditgewährung vor, da die Bank dem Kreditnehmer die Wechselsumme (abzüglich der Diskontprovision) gegen Übertragung des Wechsels zur Verfügung stellt. Es handelt sich regelmäßig um einen kurzfristigen Kredit, dessen Laufzeit vom Verfall des Wechsels abhängt. Die Übertragung des Wechsels an die Bank erfolgt durch Indossament (Art. 11 WG), wodurch eine wechselrechtliche Haftung des Kreditnehmers als Indossant (Art. 15 WG) ne-
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
699
ben der Haftung des Annehmenden (Art. 28 WG) und des Ausstellers (Art. 9 WG) begründet wird. Aufgrund der strengen Haftung aller Wechselverpflichteter bedarf es keiner weiteren Besicherung, wobei allerdings in der Regel wegen der Rediskontierung bei der EZB nur Wechsel diskontiert werden, die von als zahlungsfähig bekannten Wechselverpflichteten gezeichnet sind (Obst/Hintner-Eichwald/Pehle, S. 758 f.). Näher zum Rückgriff gegen die Wechselverpflichteten unten § 47. Seit der Einführung des Euro hat der Diskontkredit keine eigenständige Bedeutung als geldpolitisches Instrument der Notenbank mehr. Allerdings werden auch von der EZB „gute Handelswechsel“ mit den Unterschriften zweier als zahlungsfähig bekannter Wechselverpflichteter mit einer Restlaufzeit von max. 6 Monaten als notenbankfähige Sicherheit anerkannt (nicht marktfähige Schuldtitel der Kategorie 2 gemäß des nationalen Verzeichnisses der Deutschen Bundesbank; vgl. Abschnitt V. 9.ff. AGB Bundesbank).
44
Ein Diskontkredit liegt nicht nur beim Ankauf von Wechseln, sondern auch von Schecks nach dem ScheckG vor. Diese Form des Diskontkredits hat allerdings nur verhältnismäßig geringe Bedeutung, da Schecks meist nur zum Einzug angenommen werden (Kümpel, Rn. 5.233). Das scheckrechtliche Haftungssystem der Scheckverpflichteten entspricht weitgehend dem Wechselrecht, wobei allerdings keine Annahme möglich ist (Art. 4, 12, 18, ScheckG).
45
2. Rechtliche Einordnung. Beim Diskontkredit handelt es sich ebenfalls nicht um einen Darlehensvertrag, sondern im Regelfall nach ganz h. M. um einen Kaufvertrag oder zumindest ein kaufähnliches Geschäft (vgl. § 1 I 2 Nr. 3 KWG („Ankauf“); BGH WM 1977, 638; 1984, 139; Kümpel, Rn. 5.237; Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 654; Baumbach/Hefermehl, Anh. Art. 11 Rn. 15; Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 65 Rn. 3; a. A. Canaris, Rn. 1532: stets Darlehen, Hingabe des Wechsels nur Leistung erfüllungshalber). Vertragsgegenstand ist der Kauf einer Forderung (Rechtskauf, § 453 BGB) sowie der darüber ausgestellten Wechselurkunde. Durch das Indossament werden sowohl die verbriefte Forderung als auch das Eigentum an der Wechselurkunde übertragen (Baumbach/Hefermehl, Art. 11 Rn. 1 f.). Der Verkäufer des Wechsels haftet gemäß § 453 BGB für die Verität der Forderung, darüber hinaus regelmäßig aufgrund Parteivereinbarung aber auch für die Bonität zur Verfallszeit, da der Bank nach der Verkehrssitte ein Recht auf Rückbelastung der Wechselsumme zusteht (vgl. Nr. 15 (1) Satz 2 AGB Banken; RGZ 93, 26; Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 676; Kümpel, Rn. 5.239). Die vertragsrechtliche Haftung als Verkäufer tritt im Fall der Nichtbezahlung des Wechsels daher neben die wechselrechtliche Haftung als Indossant. Näher zur Diskontierung von Wechseln vgl. unten § 47.
46
III. Avalkredit. 1. Begriff. Unter einem Avalkredit ist eine indirekte Kreditgewährung zu verstehen, bei der die Bank als Kreditgeber lediglich die Haftung für bestehende, bedingte oder künftige Ansprüche übernimmt (Obst/Hintner-Eichwald/Pehle, S. 779). Dazu ist regelmäßig die Eingehung eines haftungsbegründenden Rechtsverhältnisses zum bestehenden oder zukünftigen Gläubiger im Auftrag des Avalkreditnehmers erforderlich. Hierzu übernimmt die Bank oftmals eine Bürgschaft (§ 765 BGB, § 349 HGB; zum Bürgschaftsrecht vgl. ausführlich § 25) oder schließt einen selbständigen Garantievertrag (zum Begriff: BGH, NJW 1996, 2569 (2570)) ab. Der wirtschaftliche Sinn des Avalkredits liegt darin, dass der Kreditnehmer sich entweder aufgrund der Bonität der garantierenden Bank von Dritten ein kostengünstiges Darlehen beschaffen kann oder weil einem Dritten Sicherheit zu leisten ist und die Bankgarantie (bzw. –bürgschaft) den Einsatz liquider Mittel ersetzen kann (Obst/Hintner-Eichwald/Pehle, S. 780). Beispiele für den ersten Fall sind die meisten Kreditprogramme der KfW, die die Übernahme einer Haftung der ab-
47
Hoffmann
700
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
wickelnden Geschäftsbank voraussetzen (sog. Durchleitungskredite, dazu Rn. 22), für den zweiten Fall Prozess- und Gewährleistungsbürgschaften sowie Garantien im Rahmen von Außenhandelsgeschäften (dazu näher § 61). 48
In der Systematik der Bankgeschäfte des KWG handelt es sich, da lediglich ein Haftungsrisiko übernommen wird, aber keine Kreditsumme zur Auszahlung gelangt, nicht um ein Kreditgeschäft (§ 1 I 2 Nr. 2 KWG), sondern um das Garantiegeschäft (§ 1 I 2 Nr. 8 KWG).
49
2. Vertragliche Einordnung. Gegenstand des Avalkreditvertrages ist die Begründung einer unmittelbaren Haftung der Bank im Außenverhältnis zum Dritten im Interesse des Kreditnehmers. Man muss daher zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis trennen. Im Innenverhältnis zwischen Bank und Avalkreditnehmer liegt unstreitig ein Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB vor (BGHZ 95, 375; Palandt-Sprau, § 675 Rn. 10; Kümpel, Rn. 5.266). Die Bank hat daraus Anspruch auf eine Avalprovision, deren Höhe vor allem von der Bonität des Avalkreditnehmers und bestehenden Sicherheiten, also dem Risiko des Ausfalls bei Inanspruchnahme, abhängt und regelmäßig als jährlicher Prozentsatz ausgedrückt ist (Obst/Hintner-Eichwald/Pehle, S. 781). Wird die Bank im Außenverhältnis in Anspruch genommen, steht ihr – neben einem eventuellen Anspruchsübergang, z. B. aus § 774 BGB – ein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 675 BGB zu. Bezüglich der Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags ist die Vorschrift des § 775 BGB auch dann zu beachten, wenn im Außenverhältnis keine Bürgschaft, sondern eine andere Kreditsicherung besteht, da § 775 BGB richtigerweise einen auf alle Sicherungsaufträge anwendbaren allgemeinen Rechtsgedanken enthält, der die Kündigung solcher Verträge (vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarungen) auf die in der Norm genannten Fälle beschränkt (MünchKommBGB-Habersack, § 775 Rn. 3; Hoffmann, JR 2001, 225 f.; a. A. Staudinger-Horn, § 775 Rn. 7). Im Außenverhältnis richtet sich der Inhalt des Rechtsverhältnisses danach, welche Ausgestaltung für die Haftungsübernahme gewählt wurde. Bei der Bürgschaft sind die §§ 765 ff. BGB maßgeblich, bei einem Garantievertrag richtet sich die Haftung in erster Linie nach der ggf. auszulegenden (§§ 133, 157 BGB) Parteivereinbarung. Die Garantiehaftung ist nicht akzessorisch und gewährleistet dem Gläubiger, die Leistung auf jeden Fall zu erhalten (BGH NJW 1996, 2569 (2570)). Die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrages lässt die Haftung im Außenverhältnis grundsätzlich unberührt, diese entfällt erst bei Befriedigung des Gläubigers oder einvernehmlicher Aufhebung des Haftungstatbestandes. IV. Stand-by-Kredite. 1. Begriff. Unter einem Stand-by-Kredit versteht man eine verbindliche Kreditzusage einer Bank, einen bestimmten Darlehensbetrag zur Verfügung zu stellen, wenn ein ungewisser, meist sogar unwahrscheinlicher Finanzierungsbedarf eintritt (Obst/Hintner-Eichwald/Pehle, S. 747). Die Zusage dient also nur der Absicherung des Kreditnehmers, in Ausnahmefällen kurzfristig zusätzlich benötigte Mittel aufnehmen zu können, insbesondere bei großvolumigen Geschäftsmaßnahmen (z. B. Unternehmenskäufen). Für die Laufzeit der Kreditzusage zahlt der Kreditnehmer eine Stand-by-Prämie, obwohl regelmäßig keine Mittel tatsächlich zur Auszahlung kommen. Die Bank übernimmt aber das Risiko, kurzfristig die Kreditsumme zu den vorher vereinbarten Konditionen zur Verfügung stellen zu müssen, ohne dass zwischenzeitliche Änderungen etwa des Ausfallrisikos des Kreditnehmers berücksichtigt werden könnten. Diese Kreditform hat nur im unternehmerischen Geschäftsverkehr Bedeutung und bezieht sich meist auf Großbeträge.
50
51
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
701
2. Rechtliche Einordnung. Die Stand-by-Kredite sind zunächst aufsichtsrechtlich als bilanzunwirksame Geschäfte (Kreditzusage) in die Eigenkapital-, Liquiditäts- und Großkreditaufsicht einbezogen (vgl. § 8, 2. d) Grundsatz I (Anrechnungsfaktor 50 %), § 4 I Nr. 8 Grundsatz II (Anrechnungsfaktor 20 %); § 19 I 3 Nr. 13, 14 KWG).
52
Vertragsrechtlich handelt es sich bei der Kreditzusage um einen Darlehensvertrag mit aufgeschobenem Auszahlungsanspruch. Die Auszahlung erfolgt dabei auf Abruf durch den Kreditnehmer. Es wird also eine Fälligkeitsvereinbarung (§ 271 I BGB) getroffen, nach der die Fälligkeit einseitig vom Schuldner bestimmt wird. Es besteht allerdings die Besonderheit, dass der Schuldner bereits vor Fälligkeit eine Prämie bezahlt, dafür aber bei der Bestimmung der Fälligkeit frei ist, also weder den Bindungen an billiges Ermessen (entgegen der Vermutung des § 315 BGB) unterliegt noch überhaupt zur Abnahme verpflichtet ist. Mit Ablauf der vereinbarten Zusagezeit kann der Darlehensvertrag also enden, ohne dass die Darlehenssumme zur Auszahlung gelangt. Dies ändert aber nichts an dem Rechtscharakter des Vertrags, da sein Gegenstand in jedem Fall die Bereitstellung eines Geldbetrages ist (§ 488 BGB). Für die Kündigung des Vertrags gelten grundsätzlich die §§ 489, 490 BGB, wobei allerdings das vermutete fristlose Kündigungsrecht vor Auszahlung (§ 490 I BGB) zumindest dann ausgeschlossen ist, wenn die Stand-by-Linie gerade in Hinblick auf einen Finanzierungsbedarf eingeräumt wurde, der nur im Fall einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers eintritt.
53
D. Sonderformen der Großbetragsfinanzierung
54
I. Schuldscheindarlehen. 1. Begriff. Unter einem Schuldscheindarlehen ist eine direkte Kreditgewährung über einen Großbetrag in Höhe von regelmäßig mehr als 2,5 Mio. 1 von einer Kapitalsammelstelle an ein Unternehmen zu verstehen, wobei über die Darlehenssumme ein Schuldschein als Beweisurkunde ausgestellt wird. Die Ausgestaltung des Darlehens ist anleiheähnlich, was sich insbesondere in günstigen Konditionen, festen Laufzeiten und dem regelmäßigen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts zeigt (Obst/Hinter-Eichwald/Pehle, S. 773). Es bedarf allerdings der bankmäßigen Besicherung des Darlehens. Auch wenn letztendlich eine oder mehrere andere Kapitalsammelstellen wirtschaftlich Kreditgeber werden, steht regelmäßig nur eine kreditgebende Bank in einem direkten Vertragsverhältnis zum Kreditnehmer, die den Darlehensbetrag zunächst aus eigenen Mitteln zur Verfügung stellt und der gegenüber die Besicherung vorzunehmen ist. Der Schuldschein dient der Erleichterung der Abtretung der Darlehensforderung, da die kreditgewährende Bank sich oftmals durch Weitergabe der Forderung an eine andere Kapitalsammelstelle, insbesondere Lebensversicherungen, refinanziert. Aus diesem Grund ist die Deckungsstockfähigkeit der Forderung von wirtschaftlich großer Bedeutung, da nach § 54 II Nr. 1, III VAG i. V. m. § 1 Nr. 4 AnlVO (BGBl. I 2001, S. 3913) die Anlage des gebundenen Vermögens der Versicherungsunternehmen nur in besonders gesicherten Darlehensforderungen zulässig ist. Um diese Voraussetzungen zu erfüllen, wird das Schuldscheindarlehen mitunter zusätzlich durch eine Bankbürgschaft (als Avalkredit) abgesichert (vgl. § 1 Nr. 3 e. i. V. m. Nr. 20 b. AnlVO). Erwerben eine oder mehrere andere Kapitalsammelstellen die Forderung, werden die Sicherungsmittel während der Darlehenslaufzeit durch die Bank treuhänderisch für die Forderungsinhaber verwaltet (näher Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 325), soweit die Rechte aus den Sicherungen nicht ohne weiteres auf den Erwerber übergehen (§ 401 BGB).
55
2. Rechtliche Einordnung. In rechtlicher Hinsicht handelt es sich beim Schuldscheindarlehen um ein einfaches Gelddarlehen im Sinne von § 488 BGB, wobei die Ausgestal-
56
Hoffmann
702
57
58
59
60
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
tung im Wesentlichen durch Parteivereinbarung geprägt ist. Wegen des auch bei unternehmerischen Großbetragskrediten zwingenden Charakters des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB (nach IV) beträgt die maximale Laufzeit des Darlehens regelmäßig 10 Jahre. Rechtliche Besonderheiten weist der Vertrag nicht auf. Der über den Darlehensbetrag ausgestellte Schuldschein hat lediglich Beweisfunktion (zum Begriff: RGZ 120, 89; BGH WM 1976, 975), stellt aber trotz der anleiheähnlichen Ausgestaltung keine Inhaberschuldverschreibung im Sinne von § 795 BGB dar (Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 323). Das Eigentum am Schuldschein folgt nach § 952 BGB der Darlehensforderung (Palandt-Grüneberg, § 371 Rn. 1), bei Erlöschen der Forderung hat der Schuldner nach § 371 BGB insoweit einen Herausgabeanspruch. Hiervon zu trennen ist das Rechtsverhältnis bei Weitergabe der Forderung an eine andere Kapitalsammelstelle. Insoweit liegt ein Forderungskauf (§ 453 BGB; vgl. StaudingerHopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 324; Canaris, Rn. 1381) vor, aufgrund dessen sie durch Abtretung (§ 398 BGB) an den Erwerber übertragen wird. Der Verkäufer übernimmt dabei grundsätzlich keine Haftung für die Bonität der Forderung, kann aber als Avalkreditgeber des Schuldners zusätzlich die Gewährleistung der Schuld übernehmen. Im Außenverhältnis zum Erwerber stehen dann Kauf- und Bürgschafts- bzw. Garantievertrag nebeneinander. Ferner wird aufgrund des Forderungskaufs oftmals ein als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizierendes Treuhandverhältnis begründet, aufgrund dessen der ursprüngliche Kreditgeber die Kreditsicherheiten als Vollrechtstreuhänder verwaltet (Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 325; Canaris, Rn. 1382) und insbesondere bei einem Verkauf in Teilforderungen auch die Einziehung und Weiterleitung von Zins- und Tilgungszahlungen übernimmt. Bei der Abtretung der Darlehensforderung ist nach § 402 BGB der über die Forderung ausgestellte Schuldschein zu übergeben, was die Wirkungen des § 405 BGB hat. Das Eigentum am Schuldschein geht gemäß § 952 BGB ohnehin mit Abtretung auf den Erwerber über. Erfolgt die Abtretung in Teilbeträgen besteht ein Anspruch auf Übergabe einer öffentlich beglaubigten Abschrift des Schuldscheins (Palandt-Grüneberg, § 402 Rn. 3), während am Original Miteigentum der neuen Gläubiger entsteht (Palandt-Bassenge, § 952 Rn. 4). 3. Revolvierende Schuldscheindarlehen. a) Begriff. Ein revolvierendes Schuldscheindarlehen liegt vor, wenn ein längerfristiges Darlehen wirtschaftlich durch wechselnde, kurzfristig engagierte Kreditgeber finanziert wird. Dabei wird der Darlehensbetrag regelmäßig auch in Teilbeträge aufgeteilt, so dass das Verfahren eine Größen- und eine Fristentransformation bewirkt. Es hat daher vor allem bei besonders hohem Finanzierungsbedarf Bedeutung (Kümpel, Rn. 5.322). Obwohl wirtschaftlich wechselnde Kreditgeber die Darlehensmittel aufbringen, erfolgt die Abwicklung im Verhältnis zum Darlehensschuldner im wesentlichen durch eine Bank, die auch die Plazierung der revolvierenden Darlehensmittel übernimmt und so im Zentrum der Konstruktion steht. Bezüglich der Ausgestaltung werden das direkte und das indirekte System danach unterschieden, welche Verpflichtungen bzw. Risiken dieses Institut übernimmt. Hiernach bestimmt sich auch der rechtliche Charakter der entstehenden Vertragsverhältnisse. b) Indirekte Ausgestaltung. Bei der indirekten Ausgestaltung übernimmt die Bank als zentrale Vertragspartei das Refinanzierungsrisiko für den gesamten Darlehensbetrag und die gesamte Laufzeit. Im Verhältnis zum Kreditnehmer besteht ebenso wie bei der nicht revolvierenden Ausgestaltung ein einfacher Gelddarlehensvertrag (§ 488 BGB), wobei die zunächst von der Bank aufgebrachte Kreditsumme durch die Weitergabe der Forderung lediglich refinanziert wird. Das Verhältnis zum Kreditnehmer wird von einem Scheitern der Refinanzierung aber regelmäßig nicht berührt.
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
703
Bei der indirekten Ausgestaltung entspricht auch das Verhältnis zwischen platzierender Bank und wirtschaftlichen Kreditgebern im Wesentlichen den bereits dargelegten Grundsätzen. Die Kreditgeber erwerben also im Rahmen eines Rechtskaufs die Darlehensforderung, die durch Abtretung übertragen wird, wobei Abwicklung und Sicherheitenverwaltung von der Bank treuhänderisch übernommen werden (vgl. Rn. 57). Es handelt sich aber nicht um einen endgültigen Erwerb, vielmehr wird bereits im Kaufvertrag eine Rückkaufverpflichtung der platzierenden Bank begründet. Die Forderung wird gegen Rückzahlung der Darlehenssumme zum festgelegten Zeitpunkt zurück abgetreten, um dann von der Bank neu platziert zu werden. Aufgrund dieser Verpflichtung trägt also, anders als bei der nicht revolvierenden Gestaltung, allein der ursprüngliche Darlehensgeber das Kreditrisiko (Adressausfallrisiko).
61
c) Direkte Ausgestaltung. Bei der direkten Ausgestaltung beschränkt sich die Rolle der zwischengeschalteten Bank auf die Vermittlung der Darlehensverträge, die unmittelbar zwischen den wirtschaftlichen Kreditgebern und dem Darlehensnehmer abgeschlossen werden. In diesem Verhältnis wird ein Gelddarlehen (§ 488 BGB) vereinbart, das dann durch ein nachfolgendes Darlehen eines weiteren Kreditgebers (zu neu zu vereinbarenden Konditionen) abgelöst wird. Die zwischengeschaltete Bank ist grundsätzlich nur durch einen Handelsmaklervertrag (§ 93 HGB) mit dem Darlehensnehmer verbunden, übernimmt also keine Haftung für die Platzierung der Teilbeträge bzw. für nachfolgende Perioden. Das Risiko des Scheiterns der Anschlussplatzierung (Platzierungsrisiko) verbleibt daher beim Darlehensnehmer, der ggf. die vorzeitige Rückführung der Darlehenssumme aus seinem sonstigen Vermögen zu bewirken hat. Dasselbe gilt für das Zinsänderungsrisiko. Die vermittelnde Bank trägt – vorbehaltlich einer zusätzlichen Avalkreditgewährung – auch kein Kreditrisiko, dieses verbleibt vielmehr bei den wirtschaftlichen Kreditgebern. Aufgrund dieser beschränkten Rolle der nur als Vermittler tätigen Bank hat diese Ausgestaltung keine große Bedeutung, da gerade bei großem Finanzierungsbedarf der Darlehensnehmer das Platzierungsrisiko in der Regel nicht selbst tragen kann.
62
Die reine Vermittlertätigkeit stellt kein Bankgeschäft im Sinne von § 1 I 2 KWG dar und kann daher auch von Nichtbanken (Finanzmaklern) angeboten werden. Allerdings ist es auch möglich, dass die Rolle des Vermittlers wirtschaftlich der eines Darlehensgebers angeglichen wird. Bei dieser Ausgestaltung wird die zwischengeschaltete Bank zwar zunächst nur vermittelnd tätig, doch erfolgt der Vertragsschluss mit dem ersten Kreditgeber direkt für die gesamte Laufzeit, also länger als der Kreditgeber zur Mittelüberlassung bereit ist. Dafür übernimmt der Vermittler eine eigenständige Rückkaufverpflichtung (aufschiebend bedingter Forderungskaufvertrag, nach § 453 BGB), die dann relevant wird, wenn zum vereinbarten Rückkaufzeitpunkt keine Veräußerung der Forderung an eine andere Kapitalsammelstelle vermittelt werden kann. Durch die Rückkaufverpflichtung übernimmt also der Vermittler sowohl das Platzierungs- als auch das Kreditrisiko des revolvierenden Darlehens (Kümpel, Rn. 5.325). Aus diesem Grund handelt es sich bei der Eingehung der Rückkaufverpflichtung auch aufsichtsrechtlich um ein Bankgeschäft (§ 1 I 2 Nr. 7 KWG).
63
II. Syndizierte Darlehen (Konsortialkredite). 1. Begriff und Zweck. Unter einem Konsortialkredit versteht man ein Darlehen, das nicht allein von einem Kreditgeber, sondern von einer Gruppe von Kreditgebern gemeinsam gewährt wird. In der Regel handelt es sich dabei um Großkredite, die aufgrund ihrer Höhe oder zur Risikostreuung nicht von einer einzelnen Bank aufgebracht werden können. Ferner begrenzt das Bankaufsichtsrecht die Vergabe besonders großer Kredite, was ebenfalls die Unterteilung erforderlich machen kann (vgl. § 13 ff. KWG). Dadurch wird nicht – wie beim Schuldscheindarlehen – die Refinanzierung eines einzeln gewährten Kredits ermöglicht, vielmehr schließen sich
64
Hoffmann
704
65
66
67
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
die Beteiligten bereits zum Zwecke der Kreditgewährung in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Konsortium) zusammen (zu den Dauerkonsortien in der Form einer Kapitalgesellschaft vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 21 f.; zu den außergerichtlichen Sanierungskreditkonsortien vgl. Hentschel, Der außergerichtliche Sanierungskonsortialkredit, 2008). Von einem solchen Konsortium kann jede Form von Kredit gewährt werden, insbesondere ist auch die Avalkreditgewährung (etwa in Form der Mitbürgschaft) denkbar (de Meo, Bankenkonsortien, 1. Kap. Rn. 24). Sowohl das Innenverhältnis der Konsorten als auch das Außenverhältnis zum Kreditnehmer kann allerdings in ganz unterschiedlicher Weise ausgestaltet werden. 2. Gestaltungsalternativen und Abgrenzungen. a) Offenes und stilles Konsortialverhältnis. Der Gegensatz zwischen einem offenen und einem stillen Konsortialverhältnis bezieht sich auf das Auftreten der Konsorten im Außenverhältnis zum Kreditnehmer. Von einem offenen Konsortialverhältnis (Außenkonsortium) spricht man, wenn das Konsortium als solches im Außenverhältnis auftritt und insbesondere der Kreditvertrag im Namen und für Rechnung der Konsortiums-GbR abgeschlossen wird (de Meo, Bankenkonsortien, 1. Kap. Rn. 89; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 43). Ein stilles Konsortialverhältnis (Innenkonsortium) liegt dagegen vor, wenn im Außenverhältnis allein der Konsortialführer im eigenen Namen auftritt und dieser nur im Innenverhältnis für gemeinsame Rechnung der Konsorten handelt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 43; de Meo, 1. Kap. Rn. 87). Ist diese Gestaltung dem Kreditnehmer nicht ersichtlich, hält er also den Konsortialführer für einen Einzelkreditgeber, spricht man von einem verdeckten Innenkonsortium (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 43). Diese Gestaltungsalternativen haben weitreichende Bedeutung für die entstehenden Rechtsverhältnisse. Das Konsortium ist grundsätzlich als BGB-Gesellschaft im Sinne von § 705 BGB anzusehen, wobei sich nach dem Auftreten im Außenverhältnis bemisst, ob es sich um eine Innen- oder eine Außengesellschaft handelt (zur Unterscheidung: Schmidt, GesellschaftsR, § 43 II 3; ders., NJW 2001, 1001 f.; zum subjektiven Element in Hinblick auf die Innen- oder Außen-GbR Geibel, WM 2007, 1499). Nur als Außengesellschaft genießt sie nach der Rspr. des BGH (NJW 2001, 1056) Rechts- und Parteifähigkeit, kann also selbst Inhaberin der Darlehensforderung sowie Schuldnerin des Auszahlungsanspruchs des Darlehensnehmers werden. Das Außenkonsortium ist daher gegenüber seinen Gesellschaftern weitgehend verselbständigt. Die Darlehensforderung wird zum Gesellschaftsvermögen, das Konsortium selbst haftet für die Auszahlung, während die Konsorten nur akzessorisch für die Gesellschaftsschulden haften. Zum Gesellschaftsvermögen gehören auch die einzelnen Zahlungsansprüche aus dem Vertragsverhältnis, da eine Entstehung als quotaler Individualanspruch der Konsorten (so aber die bisher h. M.: de Meo, 2. Kap. Rn. 292 ff.; Hinsch/Horn, Das Vertragsrecht der Konsortialkredite, S. 173; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 38) der nunmehr anerkannten rechtlichen Eigenständigkeit der Gesellschaft widerspräche. Erforderlich wäre für ein solches Ergebnis eine Ausgestaltung des Darlehensvertrages als echter Vertrag zugunsten der Konsorten oder eine Abtretung der Teilansprüche an die Konsorten mit ihrer Entstehung, die im Konsortialvertrag schon vorab vereinbart werden kann (zu den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen näher, Hentschel, a.a.O.). Handelt es sich dagegen um eine reine Innengesellschaft, ist das Konsortium selbst weder rechts- noch parteifähig, wird nicht Vertragspartner des Darlehensnehmers und bildet in der Regel kein Gesellschaftsvermögen. Das Konsortialverhältnis erschöpft sich dann in einem Schuldverhältnis zwischen den Konsorten, betrifft aber das Außenverhältnis zum Darlehensnehmer grundsätzlich nicht.
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
705
b) Zentralisiertes und dezentralisiertes Konsortium. Die Unterscheidung zwischen zentralisiertem und dezentralisiertem Konsortium bezieht sich auf die Abwicklung des Kreditvertrags. Beim zentralisierten Konsortium erfolgt die Abwicklung, insbesondere die Auszahlung der Darlehensvaluta, Abrechnung und Einziehung von Zins- und Tilgungsleistungen, ausschließlich über den Konsortialführer, der dann im Innenverhältnis seine Konsorten entsprechend dem Konsortialvertrag beteiligt und hierfür eine besondere Provision erhält. Im Gegensatz dazu erfolgt die Abwicklung des Darlehens beim dezentralisierten Konsortium entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquote durch jeden einzelnen Konsorten.
68
Das Innenkonsortium wird daher regelmäßig als zentralisiertes Konsortium geführt. Denkbar wäre aber auch ein dezentralisiertes Innenkonsortium, bei dem die Konsorten getrennte Kreditverträge mit dem Darlehensnehmer abschließen, aber im Innenverhältnis für gemeinsame Rechnung handeln. Hierbei handelt es sich aber wohl nicht mehr um ein echtes Konsortialgeschäft, sondern um eine Art Metageschäft (zum Begriff: BGH NJW 1990, 573; Palandt-Sprau, § 705 Rn. 42). Das Außenkonsortium kann dagegen in beiden Formen geführt werden. Da der Abschluss des Kreditvertrags im Namen der Gesellschaft gerade Merkmal des Außenkonsortiums ist, muss man auch bei der dezentralisierten Form von einem einheitlichen Vertragsverhältnis ausgehen, nicht von einem Bündel von Verträgen (de Meo, 1. Kap. Rn. 27; May, Der Bankenpool, S. 26 f.; a. A. Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 46; Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 841; MünchKommBGB-Ulmer, vor § 705 Rn. 44). Die dezentralisierte Abwicklung setzt daher voraus, dass die Konsorten im Konsortialvertrag zur Einziehung der ihnen zustehenden Quote ermächtigt werden oder dass die Ansprüche zu eigenen Ansprüchen der Konsorten werden (zur Konstruktion: Rn. 66). Die Unterscheidung hat hier vor allem Bedeutung für die Reichweite der Geschäftsführungsbefugnis des Konsortialführers, die nur bei zentralisierten Konsortien die Bereitstellung des Darlehens und den Einzug aller Zahlungen umfasst (näher: de Meo, 2. Kap. Rn. 161 ff.).
69
c) Unterbeteiligungen und Parallelkredite. Konsortialverhältnisse können auch mehrere Ebenen haben. Von einer Unterbeteiligung spricht man, wenn ein Konsorte zur weiteren Risikostreuung bezüglich seiner Kreditquote ein weiteres (stilles) Konsortialverhältnis begründet. In diesem Fall wird der Unterbeteiligte nicht Gesellschafter des Hauptkonsortiums, ist jedoch an der Kreditquote des Konsorten beteiligt, die dieser für Rechnung des Unterkonsortiums hält. Es bedarf also einer Trennung der verschiedenen Konsortialverhältnisse. Im Außenverhältnis tritt der Unterbeteiligte jedenfalls nicht in Erscheinung, im Innenverhältnis ist das Unterkonsortium wie jedes andere Innenkonsortium zu behandeln.
71
Von Parallelkrediten ist dagegen die Rede, wenn nicht ein Kreditvertrag über die gesamte Darlehenssumme geschlossen wird, sondern eine Mehrzahl rechtlich selbstständiger Darlehensverträge, die nur zusammen den Kreditbedarf decken. Darlehensgeber ist dann kein Konsortium, sondern eine Gruppe einzelner, rechtlich unverbundener Kreditgeber, die nicht für gemeinsame Rechnung handeln. Im Gegensatz zum dezentralisierten Konsortialkredit werden Parallelkredite nicht nur einzeln abgerechnet, vielmehr entsteht schon kein Innenverhältnis zwischen den Kreditgebern (de Meo, 1. Kap. Rn. 27, Fn. 32; für eine Gleichstellung der Begriffe aber offenbar Schimansky/Bunte/LwowskiHadding/Häuser, § 87 Rn. 46; wohl auch Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 Rn. 841). Der Parallelkredit ist daher kein Fall des Konsortialkredits.
72
Hoffmann
70
706
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
73
3. Innenverhältnis der Konsorten. Im Innenverhältnis besteht zwischen den Konsorten grundsätzlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), wobei die Gesellschaft allerdings nicht auf Dauer eingegangen wird, sondern nur für den begrenzten Zweck der Kreditgewährung, mit dessen Erreichung auch die Gesellschaft endet (sog. Gelegenheitsgesellschaft, § 726 BGB). Die Geschäftsführungsbefugnis liegt abweichend von § 709 BGB regelmäßig bei einem Konsortialführer, ihre Reichweite hängt aber von der Ausgestaltung ab (Rn. 70). Die Befugnis erfasst aber jedenfalls die Führung der Verhandlungen mit dem Kreditnehmer (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 34). Liegt ein Außenkonsortium vor, so wird dieses durch den Konsortialführer nach § 714 BGB auch im Außenverhältnis vertreten, so weit die Geschäftsführungsbefugnis reicht.
74
Zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks der Darlehensgewährung haben die Konsorten Beiträge zu leisten, insbesondere die Darlehensvaluta entsprechend ihrer im Gesellschaftsvertrag festgelegten Quote zur Verfügung zu stellen. Beim zentralisierten Konsortium ist diese an den Konsortialführer zu leisten, beim dezentralisierten unmittelbar an den Darlehensnehmer. Auch im letzteren Fall wird damit eine Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag erfüllt, gleichzeitig aber auch die Verpflichtung der Gesellschaft im Außenverhältnis. Die Verteilung des Gewinns sowie der Tilgungsleistungen erfolgt abweichend von der Regel des § 722 BGB stets anhand der Darlehensquote jedes Gesellschafters. Daraus ergibt sich, dass auch das Ausfallrisiko quotal getragen wird. Bei der Außengesellschaft werden Darlehensforderung und Zahlungsansprüche grundsätzlich Gesellschaftsvermögen (§ 718 BGB, dazu oben Rn. 66), während beim Innenkonsortium kein Gesellschaftsvermögen gebildet wird. Im letzteren Fall ist der Konsortialführer als Vertragspartner Inhaber der Darlehensforderung und der Zahlungsansprüche, an denen die Konsorten nur schuldrechtlich entsprechend ihrer Quote beteiligt sind. Näher zum Innenverhältnis der Konsorten vgl. ausführlich de Meo, 2. Kap. Rn. 113 ff., 280 ff.
75
4. Außenverhältnis zum Kreditnehmer. Bezüglich des Außenverhältnisses zum Kreditnehmer ist zwischen Innen- und Außenkonsortien zu unterscheiden. Beim Innenkonsortium wird nur der Konsortialführer Vertragspartner des Darlehensnehmers, der den Vertrag für gemeinsame Rechnung der Konsorten abschließt. Da die Innengesellschaft nur interne Bedeutung hat, kommen unmittelbare Ansprüche oder eine Haftung der Konsorten im Außenverhältnis nicht in Betracht. Der Konsortialführer haftet allein und uneingeschränkt für die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen, kann sich aber durch die Einforderung der Beiträge der Konsorten refinanzieren. Will er das Ausfallrisiko bezüglich der Konsortialbeiträge auf den Kreditnehmer abwälzen, bedarf es der Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts im Kreditvertrag.
76
Beim Außenkonsortium wird der Kreditvertrag dagegen im Namen des Konsortiums abgeschlossen, die (als Außengesellschaft rechtsfähige, BGH NJW 2001, 1056) Gesellschaft selbst wird hieraus in erster Linie berechtigt und verpflichtet. Der Konsortialführer tritt lediglich als Vertreter auf. Die Gesellschaft selbst haftet danach für den Auszahlungsanspruch und wird Gläubiger der Zins- und Tilgungsansprüche (Rn. 66). Ferner besteht eine unbeschränkte akzessorische Haftung der Konsorten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (BGH NJW 2001, 1056), so dass alle Konsorten im Grundsatz entsprechend §§ 124, 128 HGB, nicht aber gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft für die Aufbringung der gesamten Darlehenssumme haften. In der Praxis wird diese nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen bestehende akzessorische Haftung allerdings regelmäßig durch eine auf die jeweilige Beteiligungsquote beschränkte Haftung jedes Konsorten ersetzt (de Meo, 2. Kap. Rn. 110; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 47). Dafür bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung der Haftungsbe-
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
707
schränkung im Außenvertrag, eine nach außen kenntlich gemachte Regelung im Innenverhältnis genügt nicht (BGHZ 142, 315). Dies gilt nach hier vertretener Ansicht (Rn. 75) auch im Fall des dezentralisierten Konsortiums (a. A. Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 46, 48), bei dem Vertragspartner ebenfalls die GbR ist. Ansonsten hängt der Inhalt des Außenverhältnisses von der Art des gewährten Kredits ab. Insoweit gelten die allgemeinen Vorschriften, da der Konsortialkredit gerade keine eigene Kreditart ist, sondern nur die Besonderheit der gemeinsamen Gewährung durch mehrere Kreditgeber aufweist. Die Kündigung des Kreditverhältnisses setzt beim Außenkonsortium Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft voraus und kann daher grundsätzlich nur durch den Konsortialführer erfolgen. In der Praxis wird bei dezentralisierten Konsortien teilweise ein eigenes Kündigungsrecht jedes einzelnen Konsorten bezüglich der auf ihn entfallenden Kreditquote vereinbart (de Meo, 3. Kap. Rn. 136 ff.; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 50). Dies bedarf allerdings einer ausdrücklichen Vereinbarung im Darlehensvertrag und kann nicht ohne weiteres angenommen werden (a. A. de Meo, Bankenkonsortien, 3. Kap. Rn. 138), da eine Kündigung im Regelfall nur für das gesamte Vertragsverhältnis ausgesprochen werden kann. Rechtlich handelt es sich um die Teilkündigung des Kreditvertrags und die Kündigung des Konsortialvertrags, wobei der Abfindungsanspruch durch konkludente Abtretung des Rückzahlungsanspruchs bezüglich der gekündigten Kreditquote erfüllt wird. Dies zeigt, dass das Teilkündigungsrecht zumindest konkludent auch zwischen den Konsorten vereinbart sein muss. 5. Besicherung. Die Besicherung des Konsortialkredits erfolgt in der Regel durch Bestellung der Kreditsicherheiten für einen Treuhänder (oftmals den Konsortialführer) im Rahmen eines Sicherheiten-Pools (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 87 Rn. 51 f.; de Meo, Bankenkonsortien, 1. Kap. Rn. 32). Das dadurch begründete Treuhandverhältnis geht in zwei Richtungen, da die Sicherheiten einerseits treuhänderisch für das Konsortium und die Mitkonsorten als wirtschaftlichen Sicherungsnehmern verwaltet, andererseits aber treuhänderisch für den Sicherungsgeber gehalten werden. Hierzu ausführlich de Meo, 1. Kap. Rn. 29 ff., May, Der Bankenpool, S. 1ff. Aufgrund der nunmehr anerkannten Rechtsfähigkeit der GbR (Rn. 66) erscheint aber auch die Einräumung der Sicherheiten direkt an das Konsortium, vertreten durch den Konsortialführer, als möglich. Dies kommt insbesondere bei den bisher im Konsortialgeschäft ungebräuchlichen (May, Der Bankenpool, S. 54 f.; de Meo, 1. Kap. Rn. 30 m. w. N. in Fn. 34) akzessorischen Sicherheiten in Betracht.
77
E. Kreditähnliche Verträge
79
1. Ratenlieferungsverträge. Ratenlieferungsverträge sind dadurch gekennzeichnet, dass die durch sie begründeten Verpflichtungen sich nicht in einer einmaligen Leistung erschöpfen, sondern die Parteien Bindungen eingehen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Beteiligten kann daher empfindlich und lang anhaltend beeinträchtigt werden. Ist ein Verbraucher als Abnehmer an dem Vertrag beteiligt, besteht ein ähnliches Schutzbedürfnis wie im Fall des Verbraucherkredits. Zwar ist mit der Ratenlieferung keine Kreditierung des Kaufpreises verbunden, doch bindet sich der Verbraucher in beiden Fällen für die Zukunft und belastet damit durch den Vertragsabschluss nicht nur sein derzeitiges Vermögen, sondern bereits sein zukünftiges Einkommen. Diese Parallele rechtfertigt es, dem Verbraucher auch bei Ratenlieferungsverträgen durch das Widerrufsrecht eine Überlegungsfrist einzuräumen und ihn durch das Formerfordernis vor den Auswirkungen des Vertragsschlusses zu warnen.
Hoffmann
78
708
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
80
Der Gesetzgeber regelt daher bereits seit 1974 diese Verträge in Anlehnung an das Recht des Abzahlungskaufs, zunächst in § 1c AbzG a.F., dann in § 2 VerbrKrG a. F. und nunmehr seit der Schuldrechtsmodernisierung in § 505 BGB. Ein Ratenlieferungsvertrag liegt danach bei Teilleistungsverträgen (§ 505 I 1 Nr. 1 BGB), bei Sukzessivlieferungsverträgen (§ 505 I 1 Nr. 2 BGB) und beim Rahmenvertrag zum wiederkehrenden Bezug von Sachen (§ 505 I 1 Nr. 3 BGB) zwischen Verbraucher und Unternehmer vor, sofern keine der allgemeinen Ausnahmen des Verbraucherdarlehensrechts (§ 491 II, III BGB) gegeben ist. In allen drei Fällen geht es nach dem Gesetzeswortlaut allein um die Lieferung von Sachen, wobei allerdings eine Analogie im Fall bestimmter Dienstleistungen anzuerkennen ist (etwa bei Pay-TV-Verträgen, vgl. LG Hamburg, ZIP 2000, 974; ablehnend BGH ZIP 2003, 1204 m. Anm. Derleder, EWiR § 505 BGB 1/ 03). Zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. v. Westphalen/Emmerich/Rottenburg, § 2 Rn. 7 ff.; zum neugefassten § 505 BGB vgl. Palandt-Weidenkaff, § 505 Rn. 1 ff.
81
Liegt danach ein Ratenlieferungsvertrag vor, besteht einerseits das Widerrufsrecht nach § 355 BGB (§ 505 I 1 BGB), andererseits ein Schriftformerfordernis (§ 505 II 1 BGB), wobei (abweichend von § 492 I 2 BGB) die elektronische Form des § 126a BGB nicht ausgeschlossen ist. Ferner besteht eine Erleichterung der Form im Fernabsatz, sofern der Verbraucher zumindest die Möglichkeit der Speicherung der Vertragsbedingungen (einschließlich AGB) erhält (§ 505 II 2 BGB).
82
2. Wertpapierdarlehen. Unter einem Wertpapierdarlehen (üblicherweise unzutreffend als Wertpapierleihe bezeichnet, sogar vom Gesetzgeber: BT-Drucks. 14/6040, S. 259) ist ein Darlehensvertrag zu verstehen, der nicht auf die zeitweise Überlassung von Geld, sondern von Wertpapieren einer bestimmten Gattung gerichtet ist. Der Darlehensgeber überlässt seine Wertpapiere für eine bestimmte Zeit gegen Zahlung eines Entgelts dem Darlehensnehmer und erhält Wertpapiere der gleichen Gattung dann im Anschluss zurück. Die technische Erfüllung der entstehenden Wertpapierlieferungsansprüche erfolgt dabei nicht durch körperliche Übergabe, sondern durch Umbuchung in den Büchern der Wertpapiersammelbank, die die Wertpapiere in Sammelverwahrung nach § 5 DepotG hält (Übertragung des Miteigentumsanteils am Sammelbestand, § 6 DepotG). Das Eigentum an den Effekten wird dabei nach § 929 BGB im Wege der Übertragung des mittelbaren Besitzes durch die Anweisung an die Wertpapiersammelbank, nunmehr dem Erwerber den Besitz zu vermitteln, übertragen (nicht nach § 398 BGB, a. A. Palandt-Weidenkaff, § 607 Rn. 5). Wirtschaftliche Bedeutung hat das Wertpapierdarlehen vor allem deshalb, weil es die Erfüllung von Börsen-Kassageschäften ermöglicht, obwohl der Verkäufer über die Wertpapiere nicht selbst verfügt (Leerverkauf) und sich erst zu einem späteren Zeitpunkt am Markt mit diesen eindeckt. Dadurch kann bei fallenden Börsenkursen Gewinn erzielt werden. Das Wertpapierdarlehen ermöglicht auf der Seite des Darlehensnehmers also ein Spekulationsgeschäft, der Darlehensgeber kann dagegen durch das Entgelt den Ertrag seines Wertpapierbestands steigern (näher Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 105 Rn. 32ff.; Kümpel, Rn. 13.19 ff.).
83
In rechtlicher Hinsicht handelt es sich beim Wertpapierdarlehen um ein Sachdarlehen im Sinne von § 607 BGB. Der Vertrag verpflichtet zur Übertragung des Eigentums an den Wertpapieren, nicht nur des Besitzes. Bedenken gegen die Anwendung der Sachdarlehensvorschriften auf die heute grundsätzlich nicht mehr einzeln verkörperten girosammelverwahrten Wertpapiere sind nicht angezeigt, da die eigenständige Verbriefung jederzeit möglich ist (BT-Drucks. 14/6040, S. 259) und die Wertpapiere auch nach der Ausgestaltung des DepotG wie bewegliche Sachen behandelt werden. Anders wäre insbesondere die Entstehung von Bruchteilseigentum am Sammelbestand (§ 6 DepotG, vgl. den Wortlaut des § 1008 BGB) nicht zu erklären. Das Sachdarlehen ist in §§ 607 ff. BGB
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
709
allerdings nur knapp geregelt, die Kündigungsregelung des § 608 BGB wird durch eine Zeitbestimmung der Rückerstattung in der Regel ausgeschlossen sein. Das Formerfordernis des § 15 II i. V. m. III DepotG (zum Anwendungsbereich der Vorschrift: Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 105 Rn. 70) dürfte wegen § 16 DepotG nur geringe Bedeutung haben, da Wertpapierdarlehen typischerweise von professionellen Handelsteilnehmern gewährt werden. Zum praktisch wichtigen Verleihsystem der Clearstream Banking AG vgl. ausführlich Kümpel, Rn. 13.63 ff.
F. Mezzanine Finanzierungen
84
1. Allgemeines. a) Begriff. Unter mezzaniner Finanzierung versteht man moderne Finanzierungsformen, die durch ihre Ausgestaltung weder dem Eigen- noch dem Fremdkapital zugeordnet werden können, sondern eine Zwischenstufe darstellen (hybride Finanzierung; allgemein zu mezzaninen Finanzierungen: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006; Golland/Gehlhaar/Grossmann/Eickhoff/Kley/Jänisch, Mezzanine-Kapital, BBSpezial 4/2005, 1; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381; Kiethe, DStR 2006, 1763). Geprägt sind diese Instrumente durch eine gegenüber dem Fremdkapital erhöhte Beteiligung an den unternehmerischen Risiken, durch eine (ganz oder teilweise) erfolgsorientierte Verzinsung und eine Beteiligung des Kapitalgebers auch an der Entwicklung des Unternehmenswerts. Zugleich fehlt es aber an einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Grundkapital und damit an den Mitverwaltungsrechten. Der Begriff hat sich lediglich für den Einsatz im Rahmen der Mittelstandsfinanzierung etabliert, wobei indes nicht übersehen werden darf, dass die eingesetzten rechtlichen Gestaltungen auch im Rahmen der Finanzierung von Großunternehmen relevant sind. Allerdings werden die Instrumente (wie z.B. Wandelanleihen und Genussrechte) dort vor allem zur Platzierung am Kapitalmarkt eingesetzt, während mezzanine Finanzierungen durch Banken, Fonds, institutionelle Investoren oder Private Equity–Gesellschaften erfolgen (zum kapitalmarktorientierten Einsatz von Mezzanine vgl. aber unten Rn. 88). Das Angebot ist dabei in der Praxis sehr differenziert und unterscheidet sich sowohl in Hinblick auf die Anforderungen an die Kapitalnachfrager (und damit die Risikoneigung), die Losgrößen (die von wenigen 100.000 € bis zu etwa 100 Mio. € betragen) und die Gestaltung. Letzteres bezieht sich nicht nur auf die rechtliche Ausgestaltung, sondern auch die Standardisierung der Konditionen. Während größeren Volumina in der Regel individuelle Vertragsgestaltungen zugrunde liegen, vergeben eine Reihe von Investoren kleinere Volumina aufgrund standardisierter Instrumente und Gestaltungen. Die Vorteile dieser Standardisierung erschöpfen sich nicht in der Kostenersparnis bei der Vertragsgestaltung, vielmehr ist sie Voraussetzung einer Bündelung von Einzelengagements zu kapitalmarktgängigen Portfolios (näher unten Rn. 88). b) Einsatzmöglichkeiten. In den letzten Jahren ist in Hinblick auf die Einsatzmöglichkeiten mezzaniner Finanzierungen der Zweck der Verbesserung der Kapitalstruktur mittelständischer Unternehmen immer stärker in den Vordergrund getreten. Grund für diese Entwicklung dürfte der Übergang zu einer stärker am individuellen Ausfallrisiko orientierten Bepreisung der klassischen Bankkredite und die damit steigende Relevanz des Unternehmensratings auch für die nicht kapitalmarktnotierten Unternehmen sein. Durch die Zufuhr von zusätzlichem mezzaninen Wagniskapital lässt sich die Eigenkapitalquote erhöhen, woraus ein besseres Rating und niedrigere Kosten der Fremdfinanzierung resultieren können, ohne dass zugleich durch die mit einer Minderheitsbeteiligung verbundenen Einflussmittel die unternehmerische Entscheidungsfreiheit begrenzt würde. Zu den traditionellen Einsatzgebieten zählen ferner die MBO-Finanzierungen sowie die Expansionsfinanzierung. Gerade bei der Unternehmensübernahme durch eine Gruppe
Hoffmann
85
710
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
des bisherigen Leitungspersonals („Management Buy out“, MBO) fehlt den Erwerbern oftmals das erforderliche Maß an Eigenkapital, das durch Mezzanine (im Gegensatz zu Venture Capital) zeitlich begrenzt und ohne Verlust unternehmerischer Entscheidungsfreiheit aufgenommen werden kann. Im Bereich der Expansionsfinanzierung geht es dagegen um die Realisierung von Investitionen, die nicht über klassische Fremdkapitalaufnahme finanziert werden kann oder deren Risiken die Unternehmseigentümer nicht allein zu tragen gewillt sind. Gerade in Zusammenhang mit Wandelrechten können Mezzanine auch zur Zwischenfinanzierung eines Going Public eingesetzt werden, wenn ein Teil des Finanzierungsbedarfs, der später durch den Börsengang aufgebracht werden soll, bereits durch Mezzanine vorfinanziert und dann entweder abgelöst oder in Aktien gewandelt wird. Schon diese sehr unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten zeigen, dass unter dem Begriff sehr unterschiedliche Instrumente und Gestaltungen zusammengefasst werden. 86
c) Steuerliche Vorteile. Mezzanine Finanzierung kann im Vergleich zur Eigenkapitalfinanzierung durch Minderheitsbeteiligungen den Vorteil der Behandlung der Finanzierungskosten als Betriebsausgaben haben (und so den steuerpflichtigen Gewinn reduzieren), während Ausschüttungen auf klassisches Eigenkapital stets aus dem versteuerten Gewinn erfolgen. Allerdings kommt es insoweit auf die konkrete Ausgestaltung des Finanzierungsinstruments an. Für die Abzugsfähigkeit als Fremdkapitalzinsen gelten im Körperschaftssteuerrecht in §§ 8 und 8a KStG besondere Grundsätze: Zunächst sind nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG Ausschüttungen auf Genussrechte mit Gewinnbeteiligung und Beteiligung am Liquidationserlös nicht abzugsfähig. Ferner sind nach § 8a KStG insbesondere erfolgsabhängige Vergütungen auf Fremdfinanzierungen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln, wenn das Fremdkapital von einem zu mind. 25% beteiligten Anteilseigner gewährt oder von einem solchen Gesellschafter besichert worden ist und wenn die insgesamt gewährten Vergütungen den Jahresbetrag von 250.000 € übersteigen (§ 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Halbs. 2, Abs. 3 KStG). Die bei mezzaninen Finanzierungen relevanten Gestaltungen dürften durchweg als erfolgsabhängig anzusehen sein, da hierfür auch erfolgsabhängige Vergütungsanteile als ausreichend angesehen werden. Konzeptionell bedeutet dies, dass bei größeren Finanzierungen eine etwaige Besicherung (soweit überhaupt vorgesehen) nur aus dem Vermögen der betroffenen Gesellschaft, nicht aber durch ihre Gesellschafter oder deren Konzerngesellschaften erfolgen sollte. Ferner eignen sich Mezzanine dadurch eher als Finanzierungsform für externe Investoren als für die Anteilseigner (für die Einzelheiten vgl. Kulzer/Schmidt, in: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 111 ff.).
87
d) Erscheinungsformen. aa) Rechtliche Gestaltungsformen. Für die rechtliche Ausgestaltung mezzaniner Finanzierungen stehen verschiedene Formen zur Verfügung. Zu unterscheiden sind die eigenkapitalnäheren Instrumente (Genussrechte, stille Beteiligungen, Rn. 94, Rn. 91), die fremdkapitalnäheren Formen (Nachrangdarlehen, partiarisches Darlehen, Rn. 96 f.). Besondere Bedeutung haben ferner Zwischenformen wie Wandel- und Optionsanleihen (Rn. 92 f.), die grundsätzlich zwar Fremdkapital darstellen, jedoch auf den Erwerb einer Kapitalbeteiligung zu einem späteren Zeitpunkt ausgerichtet sind. Hierdurch wird bei Mezzaninen häufig die erfolgsorientierte Vergütungskomponente realisiert, was nicht nur durch Wandel- und Optionsanleihen, sondern auch durch besondere Vertragsgestaltungen anderer Instrumente möglich ist (sog. Equity Kicker, dazu näher unten Rn. 89 f.).
88
bb) Bündelung mezzaniner Finanzierungen zur Platzierung am Kapitalmarkt. Zunehmend an Bedeutung gewinnen mezzanine Finanzierungen, die auf die Inanspruch-
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
711
nahme des Kapitalmarkts ausgerichtet sind. Da einzelne Finanzierungen schon in Hinblick auf das vom Mittelstand nachgefragte Volumen nicht marktfähig sind, sowie aus Gründen der Risikostreuuung, werden hierzu Einzeltransaktionen in einer hierzu vom Arrangeur (regelmäßig einem Kreditinstitut) gegründeten Zweckgesellschaft zu einem hinreichend großen Portfolio zusammengefasst. Während sonst bei Mezzaninen individuelle Vertragsgestaltungen dominieren, werden hier zur Steigerung der Transparenz standardisierte Instrumente eingesetzt, wofür insbesondere Nachrangdarlehen oder Genussrechte geeignet sind. In Hinblick auf die Vergütung stehen hier, den Erfordernissen des Kapitalmarktes Rechnung tragend, feste Verzinsungen im Vordergrund. Zur Refinanzierung des im Mezzanine-Portfolio gebundenen Kapitals emittiert die Zweckgesellschaft sodann festverzinsliche börsennotierte Schuldverschreibungen. Einer Ausfallgarantie des arrangierenden Instituts bedarf es in Hinblick auf die Diversifizierung des Portfolios und die festgelegten Mindestanforderungen an die Bonität der Kapitalnachfrager nicht. Zusätzlich kann man aber, um das Ausfallrisiko der Anleger weiter zu minimieren, das Kapital in unterschiedliche Tranchen aufteilen (Senior und Junior Note). Während der Großteil des Kapitals mit Hilfe der börsennotierten Tranche aufgebracht wird, übernehmen die Investoren der kleineren (ca. 10% der Gesamtsumme), sehr viel höher verzinslichen Tranche die Ausfallrisiken vor den Anlegern der größeren Tranche. Deren Risiko (aber auch ihre Rendite) wird dadurch stark vermindert, da die Rückzahlung erst gefährdet ist, wenn der Ausfall insgesamt das Volumen der Risikotranche übersteigt. Daher wird diese Tranche auch nicht allgemein am Kapitalmarkt platziert, sondern besonders risikoorientierten Investoren (z.B. Venture Capital-Fonds) angeboten. Auf diese Weise lassen sich somit mezzanine Finanzierungen sogar nutzen, um mittelständischen Unternehmen zur Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis Zugang zu den organisierten Kapitalmärkten zu verschaffen (Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381; zu den Einzelheiten vgl. Heinke, in: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 103 ff.). e) Equity Kicker. Unter Equity Kickern versteht man Vertragsgestaltungen, durch die eine Partizipation des Kapitalgebers an der Entwicklung des Unternehmenswerts ermöglicht wird. Hierdurch wird häufig neben einer festen Verzinsung eine zusätzliche, erfolgsabhängige Vergütung gewährt. Zu unterscheiden ist zwischen Gestaltungen, die auf den Erwerb einer Anteilseignerposition durch Wandel- und Optionsrechte ausgerichtet sind, und solchen, die auf eine unternehmenswertorientierte Geldzahlung gerichtet sind. Ersteres bietet sich vor allem bei börsennotierten Gesellschaften oder bei Finanzierungen zur Vorbereitung des Börsenganges an, kann aber auch genutzt werden, sofern der Mezzaninkapitalgeber (bei positiver Entwicklung während der Laufzeit) eine spätere Kapitalbeteiligung anstrebt. Wandel- und Optionsrechte müssen auch nicht notwendigerweise mit einer Anleiheemission verbunden werden, vielmehr können sie auch in Darlehensverträgen, stillen Beteiligungsverträgen oder Genussrechten vorgesehen werden. Allerdings müssen die rechtsformspezifischen gesellschaftsrechtlichen Erfordernisse bei der Begründung solcher Rechte gewahrt werden, also die Rechte der Anteilseigner gewahrt und ggf. besondere Formvorschriften beachtet werden (dazu unten Rn. 98 ff.).
89
Bei den Gestaltungen, die lediglich auf eine unternehmenswertorientierte Sonderzahlung am Laufzeitende abzielen (teilweise als unechter oder „Non-Equity-Kicker“ bezeichnet), sind solche gesellschaftsrechtlichen Regelungen nur dann nicht zu beachten, wenn die Sonderzahlung nicht an das Unternehmensergebnis anknüpft (§ 292 AktG, Rn. 98). Diese Gestaltung ist gegenüber derm echten Equity Kicker gerade bei nicht börsennotierten Gesellschaften (insbes. bei GmbH) wegen der fehlenden Marktgängigkeit der Anteile vorteilhaft, wenn der Kapitalgeber keine langfristige Gesellschafterstellung anstrebt. Wesentlich ist dabei eine genaue vertragliche Definition der Höhe der Sonderzahlung. Im
90
Hoffmann
712
91
92
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Hinblick auf die Kosten einer genauen Ermittlung des Unternehmenswerts dürfte dieser als Bezugsgröße regelmäßig ausscheiden, während man an den Börsenwert nur bei dort gehandelten Unternehmen anknüpfen kann. Ansonsten kommen nur bilanzielle oder betriebswirtschaftliche Kennziffern in Betracht, die einen Rückschluss auf den Unternehmenserfolg zulassen, etwa die Gewinnentwicklung (berechnet z.B. auf Basis von EBIT) oder der Cash Flow. Generell erscheinen in Hinblick auf bilanzielle Wahlmöglichkeiten betriebswirtschaftliche Kennziffern im Vergleich zu Bilanzkennziffern als geeigneterer Maßstab. Teil einer Equity Kicker-Gestaltung kann im übrigen auch eine Verlustbeteiligung sein. In einem solchen Fall kann man etwa virtuelle Kapitalkonten führen, auf die während der Laufzeit ein bestimmter Anteil an Gewinn oder Verlust gebucht wird und aus dem sich am Ende der Laufzeit die Schlusszahlung ergibt. Hierbei handelt es sich aber um eine rein ergebnis-, nicht unternehmenswertorientierte Gestaltung eines unechten Equity Kickers. 2. Gestaltungsformen. a) Stille Gesellschaft. Die stille Gesellschaft (§ 230 HGB) ist geprägt durch den gemeinsamen Zweck (§ 705 BGB), zu dessen Verfolgung sich Unternehmensträger und stiller Gesellschafter verpflichten. Durch die Beteiligung entsteht eine Innengesellschaft, es wird also kein gemeinsames Gesellschaftsvermögen gebildet. Vielmehr geht die Einlage in das Vermögen des Unternehmensträgers über, der das Unternehmen nun für gemeinsame Rechnung führt. Der stille Gesellschafter nimmt dafür nach § 231 HGB am Gewinn und typischerweise auch am Verlust teil und erhält die Kontrollrechte des § 233 HGB. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft (z.B. wenn diese auf Zeit eingegangen worden ist oder nach einer Kündigung) steht dem Stillen lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben gegen den Unternehmensträger zu. Für dessen Höhe ist zu differenzieren: Bei der typisch stillen Gesellschaft nimmt der Stille nach § 236 HGB nicht an der Entwicklung des Vermögenswertes teil, sondern lediglich am laufenden Gewinn, so dass sein Guthaben lediglich aus der Einlage und den noch nicht abgerufenen Gewinnanteilen besteht. In der Praxis finden sich allerdings häufig vom dispositiven Gesetzesrecht abweichende Gestaltungen (atypisch stille Gesellschaft), durch die der Stille schuldrechtlich auch an der Entwicklung des Unternehmenswertes beteiligt wird. Stille Gesellschaftsverhältnisse erscheinen wegen der starken Erfolgsorientierung der Vergütung, die ein Bedürfnis für besondere „Kicker“-Gestaltungen entfallen lässt, als besonders geeignet für mezzanine Finanzierungen. Für die Einzelheiten und vielfachen Gestaltungsoptionen ist auf die Spezialliteratur zu verweisen (vgl. statt aller Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 6. Aufl. 2003; speziell als mezzanine Finanzierung vgl. Rauch/Schimpfky/Schneider, in: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierungen, S. 119 ff.). b)Wandel- und Optionsanleihen. Bei Wandel- und Optionsanleihen handelt es sich um Inhaber- oder Namensschuldverschreibungen, die neben den Ansprüchen auf Verzinsung und Rückzahlung auch das Recht verbriefen, zu festgelegten Bedingungen Gesellschafter bzw. Aktionär der emittierenden Gesellschaft zu werden. Bei der Wandelanleihe wird die erforderliche Einlage im Wege der Sacheinlage der verbrieften Forderung gegen die Gesellschaft durchgeführt, so dass es bei Ausübung des Wandelrechts durch den Gläubiger nur zu einer Umwandlung der bereits getätigten Leistung von Fremd- in Eigenkapital kommt. Bei der Optionsanleihe erhält der Gläubiger dagegen das Recht, gegen Leistung einer weiteren Bareinlage Gesellschafter bzw. Aktionär zu werden. Es bedarf also einer weiteren Leistung an die Gesellschaft, gleichzeitig bleibt der Rückzahlungsanspruch aus der Anleihe aber unberührt. Während solche Schuldverschreibungen häufig zur Platzierung am Kapitalmarkt augegeben werden, können im Rahmen mezzaniner Finanzierungen einzelne Schuldverschreibungen mit hohem Nennwert ausgegeben werden, um in der AG bedingtes Kapital schaffen zu können (Rn. 104 f.).
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
713
In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei den Anleihen um Schuldverschreibungen iSv §§ 793 ff. BGB, allerdings nicht notwendigerweise auf den Inhaber lautend. Gerade bei mezzaninen Finanzierungen, bei denen die Fungibilität der Anleihe meist nicht im Vordergrund steht, kann auch eine Ausgestaltung als Namensschuldverschreibung vorteilhaft sein. Der Inhalt bestimmt sich nach den Anleihebedingungen, für die (insbesondere für die Frage der Verzinsung) ein weiter Gestaltungsspielraum besteht. Bei mezzaninen Finanzierungen handelt es sich regelmäßig um individuell ausgehandelte Verträge, so dass eine Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf die Anleihebedingungen (obwohl diese grundsätzlich auf die Ausgabebedingungen von Kapitalmarktprodukten anwendbar sind, vgl. BGHZ 119, 305) ausscheidet (missverständlich Traichel, in: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierungen, S. 211 f.). Auch das SchuldVG wird regelmäßig nicht zur Anwendung kommen, da es bei nicht auf Weiterübertragung angelegten mezzaninen Finanzierungen an der Mindestanzahl von 300 gleichförmigen Stücken fehlen wird. Für die Einzelheiten, insbesondere die praktischen Gestaltungsvarianten, ist wiederum auf die Spezialliteratur zu verweisen (vgl. Beauvais/Fischer/Traichel, in: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierungen, S. 197 ff.).
93
c) Genussrechte. Unter Genussrechten versteht man rein schuldrechtliche Beteiligungen (also kein eine gemeinsame Zweckverfolgung voraussetzendes Gesellschaftsverhältnis, vgl. BGHZ 119, 305; BGH NJW 2003, 3412) an Unternehmen, durch die dem Berechtigten Rechte eingeräumt werden, die typischerweise nur Gesellschaftern zustehen. Auch hier ist der Gestaltungsspielraum weit und kann sowohl dem Eigen- als auch dem Fremdkapital angenähert sein. Für mezzanine Finanzierungen eignen sich Genussrechte vor allem deshalb, weil sie sowohl eine erfolgsabhängige Vergütung als auch eine Beteiligung am Vermögenszuwachs des Unternehmens erlauben, ohne dass dem Investor die Mitverwaltungsrechte der Gesellschafter eingeräumt werden müssten. Auch eine Verlustbeteiligung kann in den Genussbedingungen vereinbart werden, ferner können die Rechte in Genussscheinen verbrieft werden. Eine genaue Abgrenzung des Genussrechts ist mangels einer hinreichend konturierten Definition schwierig. Vor allem die Abgrenzung von einem stillen Gesellschaftsverhältnis scheint der BGH vor allem am Parteiwillen festzumachen, letztlich also daran, wie das Rechtsverhältnis in den Ausgabebedingungen bezeichnet wird (vgl. BGH NJW 2003, 3412). Zumindest ist nicht ersichtlich, woraus man sonst ableiten kann, ob ein gemeinsamer Zweck verfolgt oder nur eine schuldrechtliche Beteiligung gewünscht ist. Grenzen der Gestaltungsfreiheit ergeben sich auch hier zwar grundsätzlich aus der Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB (BGHZ 119, 305), was aber bei mezzaninen Finanzierungen wegen der individuellen Aushandlung des Finanzierungsvertrags keine Rolle spielt. Weitere Grenzen ergeben sich daraus, dass den Genussrechtsinhabern keine Rechte eingeräumt werden können, die „Ausfluss der mitgliedschaftlichen Stellung“ sind (BGHZ 119, 305), worunter der BGH insbesondere die wesentlichen Mitverwaltungsrechte versteht (Stimmrecht, Anfechtungsklagebefugnis). Umstritten ist dagegen, ob die Genussrechte ansonsten aktiengleich ausgestaltet werden können, oder ob es sich insoweit um eine verbotene Umgehung der Vorschriften über Vorzugsaktien handelt (näher Hüffer, AktG, § 221 Rn. 31 ff.). Ist das Genusskapital – selbst bei langer Mindestlaufzeit – grundsätzlich kündbar und genießen die Berechtigten in der Insolvenz Vorrang vor den Gesellschaftern, liegt jedenfalls keine problematische aktiengleiche Ausgestaltung vor (BGHZ 119, 305). Für die Einzelheiten ist wiederum auf die Spezialliteratur zu verweisen (Feddersen/Knauth, Eigenkapitalbildung durch Genussscheine, 2. Aufl. 1992; speziell zu mezzaninen Genussrechten vgl. Heinemann/Kraus/Schneider, in: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 171 ff.).
94
Hoffmann
95
714
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
96
d) Mezzanine Darlehen. Darlehensverträge spielen bei mezzaninen Finanzierungen in Hinblick auf zwei spezielle Ausgestaltungen eine Rolle, die dem Darlehen einen hybriden Charakter verleihen. Insoweit sind Nachrangdarlehen und partiarische Darlehen zu nennen. Bei einem Nachrangdarlehen tritt der Darlehensgeber aufgrund vertraglicher Vereinbarung hinsichtlich der Rückzahlungsansprüche hinter die Forderungen anderer Gläubiger zurück. Dabei gibt zwei unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten: Einerseits kann man im Darlehensvertrag mit dem Schuldner einen sog. qualifizierten Nachrang vereinbaren, wodurch ein Rücktritt hinter alle anderen Forderungen und eine praktische Gleichrangigkeit mit Eigenkapital erreicht wird. Dies wird auch in der Insolvenz berücksichtigt, so dass das Darlehen nur nach Befriedigung aller anderen Gläubiger berücksichtigt werden kann. Diese Gestaltung sorgt dafür, dass das Darlehen nicht bei der Ermittlung der Überschuldung als Verbindlichkeit berücksichtigt werden muss (BGH ZIP 2001, 236). Ein einfacher Nachrang wird dagegen mit einzelnen anderen Gläubigern vereinbart (ggf. unter Beteiligung des Schuldners) und sorgt nur dafür, dass die Verbindlichkeit nur gegenüber den Forderungen dieser Gläubiger zurücktritt. Das bedeutet zunächst nur, dass der Darlehensgeber vom Schuldner Zahlung nur nach Tilgung der vorrangigen Verbindlichkeiten verlangen kann. In der Insolvenz wird dann zwar das Nachrangdarlehen gleichrangig neben den anderen Verbindlichkeiten bedient, im Innenverhältnis zu dem vorrangigen Gläubiger ist der Darlehensgeber indes dazu verpflichtet, eine ausgeschüttete Quote abzuführen, soweit dies für dessen Befriedigung erforderlich ist. Während beim qualifizierten Nachrang eine weitgehende Annäherung an Eigenkapital erfolgt, bleibt das Darlehen bei einfachem Nachrang wirtschaftlich Fremdkapital. In Hinblick auf die Vergütung weist das Nachrangdarlehen rechtlich keine Besonderheiten auf, so dass es nach dem Modell des BGB fest verzinst wird. In der Praxis kommt es insoweit allerdings in der Regel zur zusätzlichen Vereinbarung eines Equity Kickers (Rn. 89 f.), um die angestrebte erfolgsabhängige Vergütung zu realisieren. Neben der Vereinbarung von Wandel- und Optionsrechten bietet sich insoweit vor allem ein erfolgsorientierter Zinsbestandteil, der zusätzlich zu Festverzinsung gezahlt wird, an (für die Einzelheiten vgl. Wagner/Lehmann, in: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 245).
97
Bei partiarischen Darlehen handelt es sich dagegen um Darlehensverträge mit atypischer Vergütungsregelung. Anstelle der üblichen festen Verzinsung wird eine variable Vergütung gewährt, die sich am Unternehmenserfolg orientiert. Als Bezugsgröße für die Berechnung kann man auf den Bilanzgewinn, aber auch auf andere Kennziffern, die sich Handels- oder Steuerbilanz entnehmen lassen, zurückgreifen. Eine Verlustbeteiligung kommt allerdings beim partiarischen Darlehen nicht in Betracht, bei einer solchen Gestaltung wäre in der Regel von einer stillen Gesellschaft auszugehen. Trotz der wirtschaftlichen Nähe zur stillen Gesellschaft stehen dem Darlehensgeber Informations- und Kontrollrechte, die etwa in § 233 HGB vorgesehen sind, nur zu, soweit dies besonders vereinbart worden ist (für die Einzelheiten speziell zum Einsatz bei mezzaninen Finanzierungen: Schneider/Sommer/Wagner, in: Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 271 ff.).
98
3. Gesellschaftsrechtliche Probleme mezzaniner Finanzierungen. a) Mezzanine Finanzierungen als Teilgewinnabführungsverträge. Soweit auf ein Finanzierungsinstrument eine gewinnabhängige Vergütung bezahlt wird und es sich beim Schuldner um eine Aktiengesellschaft handelt, ist genau zu prüfen, ob es sich um einen Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne von § 292 AktG handelt. Dies kommt immer dann in Betracht, wenn die Aktiengesellschaft sich in dem Vertrag zur Gewährung einer Vergütung verpflichtet, deren Höhe ganz oder zum Teil vom periodisch ermittelten Unternehmensgewinn (nicht nur den Gewinn aus einem Einzelgeschäft) abhängt. An welche Kennziffer für
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
715
die Bestimmung der Vergütung dabei angeknüpft wird ist ebenso irrelevant wie die Frage, ob die Vergütung periodisch oder als Schlusszahlung gewährt wird. Es kommt nur auf die Wirkung des Vertrages an, eine die Ergebnisverwendung betreffende Regelung zu treffen. Diese Voraussetzungen dürften bei den meisten mezzaninen Finanzierungsformen gegeben sein, da hierfür auch ein ergebnisorientierter unechter Equity Kicker genügt. Dies gilt vor allem für alle Arten stiller Gesellschaftsverträge und partiarische Darlehen, kann aber auch Nachrangdarlehen mit unechtem Equity Kicker erfassen. Lediglich für Gewinnschuldverschreibungen sowie Genussrechte trifft § 221 AktG eine Sonderregelung, die dem § 292 AktG nach (umstrittener) hM als lex specialis vorgeht und einen abweichend gestalteten Schutz der Aktionäre vorsieht (BGHZ 156, 38; MünchKommAktG-Altmeppen, § 292 Rn. 71). Teilweise wird indes angenommen, dass beide Regelungen parallel anwendbar sind (Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 292 Rn. 31a; Hirte, ZBB 1992, 50), und auch die Abgrenzung ist – speziell in Hinblick auf die nicht verbrieften Genussrechte – unklar. Der BGH (BGHZ 156, 38) scheint zwar den § 221 AktG mit der hM als lex specialis anzusehen, die Abgrenzungsfrage wurde dabei aber nicht einmal angesprochen. Klare Kriterien für die Unterscheidung speziell zur stillen Gesellschaft sind nicht ersichtlich (näher Habersack, ZHR 155 (1991), 378, der davon ausgeht, dass die meisten Genussrechtsverträge tatsächlich als stille Gesellschaftsverträge einzuordnen sind). Diese Unsicherheiten lassen es als angeraten erscheinen, in der Praxis auch die Anforderungen des § 292 AktG zu erfülllen. Die Folgen der Anwendung des § 292 AktG auf mezzanine Finanzierungen sind einschneidend: Nach § 293 Abs. 1 AktG bedarf der Vertrag der Zustimmung der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit, nach Abs. 3 bedarf er außerdem der Schriftform. In §§ 293a ff. AktG sind im Rahmen der Beschlussfassung besondere Berichts- und Prüfungspflichten vorgesehen. Von größter Relevanz ist aber das Erfordernis der Eintragung des Teilgewinnabführungsvertrags in das Handelsregister, ohne die der Vertrag nicht wirksam werden kann (§ 294 Abs. 1 und 2 AktG), wodurch sich der Teilgewinnabführungsvertrag in der Rechtsfolge von der Regelung in § 221 AktG unterscheidet. In der Praxis sollte man daher bei mezzaninen Finanzierungen mit jeglicher Form gewinnorientierter Vergütung stets die Eintragung als Teilgewinnabführungsvertrag anstreben, in Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage und die unklare Abgrenzung selbst dann, wenn es sich um Genussrechte oder Gewinnschuldverschreibungen handelt.
99
Die dargestellten Grundsätze gelten nicht nur bei gewinnorientierten Vergütungsanteilen in mezzaninen Finanzierungsverträgen mit AGen, sondern ebenso mit GmbH. Nach hM ist der § 292 AktG zugrunde liegende Rechtsgedanke sinngemäß auch im GmbH-Recht anzuwenden, da solche Verträge satzungsändernden Charakter haben. In Hinblick auf § 53 GmbHG bedarf es daher eines qualifizierten Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung und in Hinblick auf § 54 GmbHG auch der Eintragung ins Handelsregister (grundlegend BGHZ 105, 324; näher Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. KonzernR Rn. 136 ff.; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 156 f.). Dies gilt grundsätzlich nicht nur für Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, sondern auch für den Teilgewinnabführungsvertrag (Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh KonzernR Rn. 217 f.; sehr umstritten, aA insbes. BayObLG NJW-RR 2003, 21). Auch wenn hier die Rechtslage noch deutlich weniger geklärt ist als im Aktienrecht und insbesondere die analoge Anwendung des § 294 Abs. 2 AktG und damit die Auswirkungen auf die Vertragswirksamkeit unklar ist, empfiehlt sich auch hier für die Praxis, vorsorglich eine Eintragung in das Handelsregister herbeizuführen.
100
b) Wandel-, Options- und Genussrechte im Aktienrecht. Unter Wandelrecht versteht man das Recht eines Gläubigers, seine Darlehensforderung in einem vertraglich bestimm-
101
Hoffmann
716
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ten Verhältnis gegen Aktien der Schuldnergesellschaft einzutauschen, also seine Forderung als Einlage in die Gesellschaft einzubringen. Von einem Optionsrecht spricht man dagegen, wenn einem Dritten – regelmäßig in Zusammenhang mit einer Darlehensgewährung – vertraglich das Recht eingeräumt wird, bei Ausübung (innerhalb des vertraglich geregelten Zeitraums) Aktien von der Gesellschaft zu einem vorbestimmten Preis zu beziehen, wobei der Rückzahlungsanspruch unberührt bleibt. Genussrechte sind dagegen an keiner Stelle gesetzlich definiert und können daher sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Sie haben stets einen hybriden Charakter, sind also weder eindeutig dem Eigen- noch dem Fremdkapital zuzuordnen und stehen je nach Ausgestaltung dem einen oder dem anderen näher. Es handelt sich stets um Rechte, die typischerweise nur den Aktionären zustehen, wofür (bei fremdkapitalähnlicher Gestaltung) schon allein die Gewinnabhängigkeit einer Festverzinsung genügen kann (BGHZ 120, 141). Andererseits können Genussrechte weitgehend dem Eigenkapital angenähert werden, insbesondere einen Anteil an Unternehmenswert und Liquidationserlös verkörpern und auch mit Wandel- oder Optionsrechten verbunden werden (vgl. BGHZ 119, 305, wobei die Grenzen der Annäherung an die Vorzugsaktien noch nicht hinreichend geklärt sind, hierzu ausführlich MünchKommAktG-Habersack, § 221 Rn. 123 ff.). Nur die den Aktionären vorbehaltenen Mitverwaltungsrechte (insbesondere das Stimmrecht, vgl. BGHZ 119, 305) können Genussrechtsinhabern nicht eingeräumt werden. 102
Die Anforderungen an die Begründung aller drei Arten von Rechten sind in § 221 AktG enthalten. Während in Abs. 1 nur die Wandel- und Optionsanleihen – also nur die mit Schuldverschreibungen verbundenen Wandel- und Optionsrechte – geregelt sind, erfasst Abs. 3 allgemein die Einräumung von Genussrechten. Die Interessen der Aktionäre, insbesondere in Hinblick auf die Verwässerung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte, werden dabei durch zwei verschiedene Instrumente geschützt: Einerseits bedarf die Ausgabe der Zustimmung der Hauptversammlung durch qualifizierte Mehrheit, andererseits besteht grundsätzlich ein Bezugsrecht der Aktionäre auf die Anleihen. Praktisch wird so ein vergleichbarer Aktionärsschutz wie im Rahmen der Kapitalerhöhung gewährleistet.
103
Für den Einsatz als mezzanines Finanzierungsinstrument erscheint bei allen drei Formen vor allem das Bezugsrecht als problematisch, das den Aktionären gemäß § 221 Abs. 4 AktG bei Ausgabe dieser Rechte zusteht. Will man daher die Instrumente im Rahmen einer mezzaninen Finanzierung durch einen gesellschaftsfremden Investor einsetzen, bedarf es eines Bezugsrechtsausschlusses nach § 221 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 186 Abs. 3 AktG. Dies gilt nicht nur bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen und Genussscheinen zur Platzierung am Kapitalmarkt, sondern ausdrücklich auch bei großvolumigen Genussrechtsverträgen mit einzelnen Investoren (vgl. BGHZ 120, 141 zu einem Genussrechtsvertrag mit einem Volumen von 15 Mio. DM). Die Rechtsprechung des BGH zum Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses ist grundsätzlich auch im Rahmen des § 221 AktG anzuwenden (BGHZ 120, 141; OLG München, NJWRR 1991, 1058), so dass es für einen rechtmäßigen Beschluss nicht ausreicht, die formalen Anforderungen an die Beschlussfassung zu erfüllen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Bezugsrechtsausschluss durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist, wozu es einer Abwägung der Interessen und einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit bedarf (st. Rspr., zuletzt BGHZ 125, 239; 120, 141; grdlgd. BGHZ 71, 40). Eine Ausnahme ist nur dann anzunehmen, wenn durch die ausgegebenen Finanzierungstitel die Aktionärsrechte (Stimmrecht, Anteil am Bilanzgewinn und Liquidationserlös) unberührt bleiben, insbesondere bei nur gewinnabhängigen Genussrechten ohne Beteiligung am Liquidationserlös und mit fester Verzinsung (BGHZ 120, 141), was bei mezzaninen Finanzierungen typischerweise in Hinblick auf die Erfolgsorientierung aber nicht der Fall sein
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
717
wird. Bei Wandel- und Optionsrechten bedarf es in Hinblick auf die mit dem späteren Aktienerwerb notwendigerweise verbundene Verwässerung der Aktionärsrechte stets der sachlichen Rechtfertigung. Sind nicht alle Aktionäre mit der mezzaninen Finanzierung einverstanden (und verzichten damit individuell auf die Ausübung ihres Bezugsrechts) setzt der Einsatz solcher Rechte es also voraus, dass im Ausgabebeschluss das Bezugsrecht mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen wird, die Durchführung der mezzaninen Finanzierung im Gesellschaftsinteresse liegt und insbesondere erforderlich ist, der verfolgte Zweck also nicht auch durch eine Finanzierung unter Wahrung des Bezugsrechts erreicht werden kann. Diese Voraussetzungen werden bei mezzaninen Finanzierungen, durch die keine über die Zuführung von Risikokapital hinausgehender Zweck verfolgt wird, in der Regel nicht erfüllt sein, da es für die AG irrelevant ist, ob die Rechte von Aktionären oder von Dritten gezeichnet werden. Es empfiehlt sich daher – wenn nicht alle Aktionäre zustimmen – auf den Bezugsrechtsausschluss zu verzichten und die mezzanine Finanzierung durch Nutzung der Bezugsrechte der Aktionäre, die nicht selbst investieren wollen, zu realisieren. Dies setzt lediglich eine bei nicht börsennotierten AGen meist mögliche vorherige Abstimmung mit den Aktionären voraus und ist als deutlich sicherer anzusehen als ein problematischer Bezugsrechtsausschluss, der Gegenstand einer Anfechtungsklage werden und so wegen § 127 FGG die Durchführung verzögern oder (bei erfolgreicher Klage) ganz verhindern kann. In Bezug auf Wandel- und Optionsrechte stellt sich vor allem die Frage, inwieweit es als zulässig erscheint, solche Rechte unabhängig von Schuldverschreibungen vertraglich zu begründen. Zwar wird dies in der Regel nur für Optionsrechte ohne Kapitalüberlassung diskutiert, die Frage kann aber auch bei Wandel- und Optionsrechten auftreten, die in einem Darlehens-, Genussrechts- oder stillem Beteiligungsvertrag als Equity Kicker vorgesehen werden sollen. Da isolierte Optionsrechte in § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG nur zur Ausgabe an Arbeitnehmer und Management (Stock Options) vorgesehen sind, kann für die Bedienung solcher Rechte kein bedingtes Kapital geschaffen werden. Darüber hinaus steht § 187 AktG außerhalb des Anwendungsbereichs des § 221 AktG einer wirksamen vertraglichen Ausgabeverpflichtung in Hinblick auf neue Aktien vor Kapitalerhöhung entgegen. Daraus folgt, dass die Gesellschaft grundsätzlich keine Möglichkeit hat, außerhalb von § 221 i.V.m. § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG geschaffene Bezugsrechte durch neue Aktien zu bedienen, und sich daher auch nicht hierzu verpflichten kann. Hieraus schließt die hM (OLG Stuttgart ZIP 2002, 1807; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 221 Rn. 75; dagegen etwa MünchKommAktG-Habersack, § 221 Rn. 37), dass die Ausgabe isolierter Wandelund Optionsrechte zu Finanzierungszwecken unzulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn die Bedienung durch nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG erworbene Aktien erfolgen soll, da im Rahmen der Veräußerung solcher Aktien nach hM (MünchKommAktG-Oechsler, § 71 Rn. 209 mwN) die Vorschriften über das gesetzliche Bezugsrecht analog anzuwenden sind und daher auch die dem Schutz des Bezugsrechts dienende Vorschrift des § 187 AktG angewendet werden muss. Daher können Wandel- und Optionsrechte grundsätzlich nur innerhalb des Anwendungsbereichs des § 221 AktG unter den dort geregelten Voraussetzungen wirksam begründet werden.
104
Damit ist indes nicht gesagt, dass die Begründung von Wandel- und Optionsrechten durch Equity Kicker – Klauseln in Finanzierungsverträgen nicht möglich wäre, vielmehr bedarf es einer sachgerechten Auslegung des § 221 AktG. Obwohl § 221 Abs. 1 AktG ausdrücklich von der Ausgabe von Schuldverschreibungen spricht, kann die Vorschrift auch auf den Abschluss von unverbrieften Darlehensverträgen angewendet werden, die mit solchen Rechten versehen werden. Der Gesetzeszweck verlangt es nicht, zwingend eine Verbriefung vorzusehen. Deutlich wird dies, wenn man bedenkt, dass der Wortlaut weder die
105
Hoffmann
718
106
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Ausgabe gerade von Inhaberschuldverschreibungen noch eine bestimmte Stückelung verlangt. Dem Wortlaut würde also schon genügt, wenn die AG dem Vertragspartner eine einheitliche Namensschuldverschreibung über die aus dem Finanzierungsvertrag resultierenden Forderungen ausstellen würde. Dies erschiene als reine Förmelei, so dass die Vorschrift auch auf die Begründung nicht verbriefter Wandel- und Optionsrechte anzuwenden ist. Hierfür spricht auch die Regelung in § 221 Abs. 3 AktG, die bei Gewährung von Genussrechten keine Verbriefung verlangt. Der Gesetzgeber ging also davon aus, dass die Vorschrift auch auf Vertragsverhältnisse angewendet werden kann, die nicht auf eine Papieremission gerichtet sind. Es gibt keinen sachlichen Grund, dies für Abs. 1 anders zu sehen. Voraussetzung ist aber, dass das Wandel- oder Optionsrecht in Zusammenhang mit der Begründung eines Forderungsrechts gewährt wird, für die eine Schuldverschreibung zumindest ausgegeben werden könnte. Auf die Ausgabe isolierter Rechte ist die Vorschrift dagegen nicht ausgerichtet. Der Abschluss von mezzaninen Darlehensverträgen mit vertraglichen Wandel- oder Optionsrechten erscheint daher für AGen als zulässig, wenn die Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit zustimmt und das Bezugsrecht der Aktionäre gewahrt wird. Dies gilt ebenso für Genussrechte, die Wandel- und Optionsrechte enthalten, da man § 221 AktG nicht entnehmen kann, dass beides nicht miteinander kombiniert werden könnte. Lediglich in Hinblick auf die Einräumung von Wandel- und Optionsrechten in stillen Gesellschaftsverträgen bestehen durchgreifende Bedenken, da hierbei keine verbriefungsfähigen Forderungsrechte begründet werden, sondern eine gesellschaftsrechtliche Einlage zu leisten ist, aus der gesellschaftsrechtliche Ansprüche auf das Auseinandersetzungsguthaben und eine Ergebnisbeteiligung resultieren. Will man nach § 221 AktG dennoch Wandel- oder Optionsrechte als Equity Kicker einsetzen, bedarf es der zusätzlichen Begründung einer hierfür geigneten Rechtsposition (z.B. eines Genussrechts) neben der stillen Beteiligung, an das diese Rechte geknüpft werden können. c) Wandel-, Options- und Genussrechte im GmbH-Recht. Im Gegensatz zum AktG enthält das GmbHG keine besondere Regelungen für Wandel-, Options- und Genussrechte. Die Zulässigkeit von Genussrechten ist allgemein anerkannt, wobei sich nur die Frage stellt, welche gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen und ob besondere Schutzmechanismen für die Gesellschafter zu beachten sind. Da das Genussrecht bei gewinnorientierter Vergütung das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter beeinträchtigt, können solche Rechte nur aufgrund einer Ermächtigung in der Satzung oder eines Gesellschafterbeschlusses mit satzungsändernder Mehrheit ausgegeben werden (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 45; Rid-Niebler, Genussrechte als Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, S. 85 ff.; Baumbach/ Hueck/Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 91; aA dagegen Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, § 14 Rn. 70: Zustimmung der Gesellschafterversammlung aber bei „bedeutsameren“ Genussrechtsverträgen als außergewöhnliche Geschäfte erforderlich). Umstritten ist auch die Frage, ob den Gesellschaftern ein Bezugsrecht auf die Genussrechte einzuräumen ist. Da sich inzwischen das Bezugsrecht als Instrument des Minderheitsschutzes auch in der GmbH allgemein durchgesetzt hat, ist nicht recht ersichtlich, warum seine Reichweite hinter der AG zurückbleiben sollte. Da es auch in der GmbH eines Schutzes gegen die Verwässerung des Gewinnbezugsrechts bedarf, sollte bei Genussrechten ein Bezugsrecht ebenso anerkannt werden (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 27; Rid-Niebler, aaO, S. 48; dagegen aber Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, § 14 Rn. 72; ähnlich Baumbach/ Hueck/Fastrich, GmbHG, § 29 Rn. 91: grundsätzlich nicht, aber bei Finanzierungsgenußrechten „erwägenswert“). Aufgrund der unsicheren Rechtslage sollte man daher in der Praxis sicherheitshalber ebenso vorgehen wie in der AG (Rn. 101 ff.).
Hoffmann
§ 22 Mezzanine und andere Finanzierungsformen
719
Auch Wandel- und Optionsrechte sind im GmbH-Recht nicht besonders geregelt. Da es auch an einer Sondervorschrift für bedingtes Kapital fehlt, bedarf es einer Kapitalmaßnahme, deren Ausgestaltung sicherstellt, dass die Wandel- und Optionsrechte bedient werden können. Da der Kapitalerhöhungsbeschluss als Satzungsänderung bedingungsfeindlich ist (vgl. Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 29) kann man dieses Ergebnis nur auf schuldrechtlichem Weg erreichen. Allerdings genügt ein Vertrag, in dem sich nur die Gesellschaft zur Kapitalerhöhung bei Ausübung des Wandel- oder Optionsrechts sowie zur Zulassung des mezzaninen Kapitalgebers zur Einlage verpflichtet, nicht, da die Durchführung dieser Maßnahmen außerhalb der Vertretungsmacht der Geschäftsführer liegt. Erforderlich ist vielmehr ein Vertrag unter Einbeziehung der Gesellschafter, die sich zur Zustimmung zu einem entsprechenden Kapitalerhöhungsbeschluss verpflichten müssen. Nur im Fall des Wandelrechts bedarf es darüber hinaus der Zulassung der Forderung des mezzaninen Kapitalgebers gegen die Gesellschaft als Sacheinlage. Da inzwischen auch im GmbH-Recht ein Bezugsrecht der Gesellschafter analog § 186 AktG weitgehend anerkannt ist, muss dieses auch im Rahmen der Durchführung einer derartigen Kapitalerhöhung zur Bedienung von Wandel- und Optionsrechten beachtet und müsste ggf. ausgeschlossen werden, was ebenso wie im Aktienrecht die Frage nach der sachlichen Rechtfertigung aufwerfen würde (oben Rn. 103). Daher empfiehlt es sich, im Rahmen der ohnehin erforderlichen Beteiligung der Gesellschafter in den Vertrag einen individuellen Verzicht auf das entstehende Bezugsrecht aufzunehmen.
Hoffmann
107
“This page left intentionally blank.”
§ 23 Sicherungsvertrag
721
§ 23 Sicherungsvertrag
Schrifttum Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit der Sicherungsrechte, 1993; Buchholz, Sicherungsvertraglicher Rückgewähranspruch bei Grundschulden, ZIP 1987, 891; Bülow, Anwendbarkeit von Pfandrechtsbestimmungen auf die Sicherungstreuhand – Teil 1 und 2, WM 1985, 373, 405; Grundfragen der Erfüllung und ihrer Surrogate, JuS 1991, 529; Sicherungsgeschäfte als Haustür- oder Verbraucherkreditgeschäfte, NJW 1996, 2889; Die These von der Doppelcausa im Kreditsicherungsverhältnis – ein Holzweg, NJW 1997, 641; Qualifizierte Freigabeklauseln in der Sicherungstreuhand: Die Diskussion ist offen, JZ 1997, 500; Bülow/Arzt, Folgeprobleme der Anwendung des Verbraucherkreditgeschäftes auf Schuldbeitritt und andere Interzessionen, ZIP 1998, 629; Canaris, Voraussetzungen und Inhalt des Anspruchs auf Freigabe von Globalsicherheiten gem. § 242 BGB, ZIP 1997, 813; Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld, 3. Aufl. 1999; Die Sicherungsabrede der Sicherungsgrundschuld – eine Bestandsaufnahme, ZIP 1990, 969; Derleder, Die unbegrenzte Kreditbürgschaft, NJW 1986, 97; Schadensersatzansprüche der Banken bei Nichtabnahme der Darlehensvaluta, JZ 1989, 165; Der Kapitalanlegerschutz durch verbraucherkreditrechtliche Formanforderungen an die Vollmachten für Kapitalsammelgesellschaften, VuR 2000, 155; Im Überblick: Die Sicherung des Vermieters durch Barkaution, Bürgschaft, Verpfändung, Sicherungsabtretung und Schuldübernahme, NZM 2006, 601; Drebes, Vom Schutz des Kreditsicherungsgebers zum Verbraucherschutz, 2000; Freckmann, Praktische Rechtsfragen der Sicherungsgrundschuld, BKR 2005, 167; Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden, 2000; Ganter, Aktuelle BGH-Rechtsprechung zum Kreditsicherungsrecht, WM 1999, 1741; Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts, WM 2006, 1081; Gaul, Neuere „Verdinglichungs“-Tendenzen zur Rechtsstellung des Sicherungsgebers bei der Sicherungsübereignung, in: FS Serick 1992, S. 105; Geißler, Einzelprobleme und Kollisionslagen bei der Verwertung von Sicherungseigentum, KTS 1989, 787; Gernhuber, Die fiduziarische Treuhand, JuS 1988, 355; Gerth, Zur Kündbarkeit der Zweckerklärung bei Grundschulden, BB 1990, 78; Horn, Globalbürgschaft und Bestimmtheitsgrundsatz, in: FS Merz 1992, S. 217; Zur Zulässigkeit der Globalbürgschaft, ZIP 1997, 525; Huber, Die Sicherungsgrundschuld, Heidelberg 1965; Jäckle, Die Sicherungsgrundschuld bei Störungen des Kreditverhältnisses, JZ 1982, 50; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobiliarkreditverhältnissen, 2000; Tilgungsverrechnungsklauseln bei der Sicherungsgrundschuld, ZfIR 2000, 501; Darlehensgewährung und Grundpfandrechtsbestellung, ZfIR 1998, 577; Die weite Sicherungszweckerklärung des persönlich schuldenden Eigentümers in der AGBKontrolle, ZIP 2006, 1965; Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite, 4. Aufl. 1994; Lwowski, Die anfängliche Übersicherung als Grund für die Unwirksamkeit von Sicherheitenbestellungen (§138 BGB), in: FS Schimansky 1999, S. 389; Michel, Überschießende Rechtsmacht als Problem abstrakter und nicht-akzessorischer Konstruktion, 2000; Mühl, Sicherungsübereignung, Sicherungsabrede, Sicherungszweck, in: FS Serick 1992, S. 285; Neuhof/Richrath, Rückabwicklung nichtiger Kreditsicherungsverträge nach der Lehre von der Doppelcausa, NJW 1996, 2894; Nobbe, Aktuelle Entwicklungen zu Sicherungsübereignung und Globalzession im Lichte des AGB- Gesetzes, ZIP 1996, 657; Konsequenzen aus dem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofes zur Sicherheitenfreigabe, in: FS Schimansky 1999, S. 433; Otten, Sicherungsvertrag und Zweckerklärung, 2003; Pallas, Die Rechtsstellung des Sicherungsgebers bei der Verwertung des Sicherungseigentums, 2003; Pfeiffer, Übersicherung, Freigabeanspruch, Freigabeklauseln – Unsicherheit im Recht der Sicherungsgeschäfte – Ursachen, Auswege, WM 1995, 1565; Der gesetzliche Inhalt des allgemeinen Freigabeanspruchs, ZIP 1997, 49; Pleyer/Weiser, Die Rechte der Bank bei der Wertminderung von Sicherheiten, DB 1985, 2233; Rauch/Zimmermann, Grundschuld und Hypothek, 2. Aufl. 1998; Rehbein, Sicherung und Sicherungszweck, in: FS Heinsius 1991, S. 659; Reich, Die Sicherungsübereignung, 1970; Kreditbürgschaft und Transparenz, NJW 1995, 1857; Reich/Schmitz, Globalbürgschaften in der Klauselkontrolle und das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, NJW 1995, 2533; Reinicke/Tiedtke, Das Schicksal der persönlichen Forderung bei Ablösung der Grundschuld durch den Eigentümer des Grundstücks, WM 1987, 485; Sonderfälle des Sicherungseigentums, Zwangsvollstreckung und Verwertung, DB 1994, 2601; Bestimmtheitserfordernis und weite Sicherungsabrede im Bürgschaftsrecht, DB 1995, 2301; Richrath, Die Übersicherungsproblematik bei nichtakzessorischen Kreditsicherheiten, 1995; Rösler, Aktuelle Rechtsfragen zu grundpfandrechtlich gesicherten Krediten, WM 1998, 1377; Rünger, Der Rückgewähranspruch bei der teilweise valutierten Sicherungsgrundschuld in der Zwangsversteigerung, 1985; Rüssmann, Formzwang und Übereilungsschutz in Interzessionsverhältnissen, in: FS Heinrichs 1997, S. 451; Schaar-
Otten
722
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
schmidt, Die Sparkassenkredite, 8. Aufl. 1991; Scholz, Der sicherungsrechtliche Rückgewähranspruch als Mittel der Kreditsicherung, in: FS Möhring 1965, Teil I, S. 419; Serick, Nachträgliche Übersicherung eines Kredites – Freigabeklauseln und das Warten auf den Spruch des Großen Senats für Zivilsachen, ZIP 1995, 789; Der Beschluss des Großen Senats vom 27.11.1997 am Pranger höchstrichterlicher Rechtsfortbildungsblockade, BB 1998, 801; Siol, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Hypothek und Grundschuld, WM 1996, 2217; Tiedtke, Zur Anlassrechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Grundschuldrecht, ZIP 1997, 1949; Ulmer/Timmann, Zur Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf die Mitverpflichtung Dritter, FS Rowedder 1994, S. 503); Vollmer, Die Vereinbarkeit der „weiten Grundschuldzweckerklärung“ mit dem AGBG, WM 1998, 914; Weber, Formularmäßige Sicherungszweckerklärungen bei Grundschulden, ZfIR 1999, 2; v. Westphalen, Verbraucherkreditverträge und die Beteiligung Dritter, MDR 1997, 307.
Inhaltsübersicht A. Schuldrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Vertragstyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Parteien des Sicherungsvertrags . . . . . . . 4 IV. Zuordnung der Sicherheitenbestellungsverpflichtung. . . . . . . . . . . . . 7 V. Rechtsgrund der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 VI. Sicherungsvertrag und Synallagma . . . 12 VII. Anwendbarkeit des § 139 BGB . . . . . . 14 VIII. Rückabwicklung des Sicherungsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Gegenrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Kündigung der gesicherten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Form des Sicherungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Formfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Ausnahmen von der Formfreiheit in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 21 III. Formkonzepte der Literatur . . . . . . . . . 26 IV. Elektronischer Abschluss von Sicherungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Inhalt des Sicherungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Inhaltsbestimmung nach Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Bestimmung des Haftungsumfangs . . . 33 1. Kapital der gesicherten Forderung . 34 2. Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Nachsicherungsanspruch . . . . . . . . . . . 38 IV. Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 39 V. Aufklärung über die Risiken des Sicherungsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . 40 VI. Verfügung vor Eintritt des Sicherungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Verfügung über Forderung und Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Isolierte Weiterübertragung der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Isolierte Weiterübertragung des Sicherungsguts. . . . . . . . . . . . . . . . . 44 VII. Leistungsbestimmungsrecht für erbrachte Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . 46 VIII. Besitzmittlungsverhältnis . . . . . . . . . . . 51 IX. Instandhaltung des Sicherungsguts. . . . 52 X. Rückübertragung des Sicherungsguts. . 53 1. Wirksamkeit des Sicherungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2. Vollständige Erledigung des Sicherungszwecks . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Teilweise Erledigung des Sicherungszwecks . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Adressat des Rückübertragungsanspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5. Sicherungsnehmerwahlrecht bei Rückgewähr mehrerer Sicherungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . 63 6. Sicherungsgeberwahlrecht bezüglich der Art der Rückgewähr . . . . . . 64 XI. Kündigung des Sicherungsvertrags . . . 65 XII. Eintritt des Sicherungsfalls. . . . . . . . . . 68 1. Verwertungsreife . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Androhung der Verwertung. . . . . . . 72 XIII. Verwertungswahlrecht bei mehreren Sicherungsmitteln. . . . . . . . . . . . . . . . . 74 XIV. Sorgfaltspflichten bei der Verwertung . 75 XV. Art der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Lohnzession. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Sicherungsübereignung. . . . . . . . . . 77 3. Forderungsabtretung . . . . . . . . . . . . 78 4. Sicherungsgrundschuld . . . . . . . . . . 79 XVI. Herausgabeanspruch. . . . . . . . . . . . . . . 80 XVII. Umfang der Verwertung . . . . . . . . . . . . 81 XVIII. Verrechnung und Auskehr des Verwertungserlöses. . . . . . . . . . . . . . . . 83 D. Haftungsumfang – Zweckerklärung . . . . . . . . . 85 I. Abgrenzung enge und weite Zweckerklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Individuelle Vereinbarung . . . . . . . . . . 86 III. Formularvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Anlassrechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . 88 1. Ausgangsentscheidung . . . . . . . . . . 89 2. Anlassrechtsprechung bei Bürgschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Anlassrechtsprechung und Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Anlassrechtsprechung bei nichtakzessorischen Sicherheiten . . 92 V. Weite Zweckerklärungen bei Eigensicherungsgeschäften . . . . . . . . . 98 VI. Weite Zweckerklärung und Forderungen Dritter . . . . . . . . . . . . . . 101 E. Beweislast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
723
Stichwortverzeichnis Abtretungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 43 Adressat des Rückübertragungsanspruchs . . . . 60-62 Androhung der Verwertung. . . . . . . . . . . . . . . . 72, 73 Anlassrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88-97 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Besitzmittlungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102-105 Divergenzfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Doppelcausa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Elektronischer Sicherungsvertragsabschluss . . . . . 31 Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Haftungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 34, 36, 85 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Instandhaltungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Isolierte Weiterübertragung. . . . . . . . . . . . . 43, 44, 45 Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 65-67 Lohnzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Nachsicherungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Parteien des Sicherungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Rechtliche Einheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Rückabwicklung des Sicherungsgeschäfts . . . . . . . 15 Rückübertragungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Sicherheitenbestellungsverpflichtung. . . . . . . . . 8, 33 Sicherungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Sittenwidrige Übersicherung . . . . . . . . 17, 18, 19, 55 Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Übererlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Vertrag sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Verwertungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Verwertungsreife. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Verzug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Zweckerklärung . . . .2, 22, 24, 33, 34, 37, 73, 85-101
A. Schuldrechtliche Grundlagen
1
I. Vertragstyp. Der Sicherungsvertrag ist gesetzlich nicht geregelt. Er stellt einen Vertrag sui generis (§ 311 I BGB) dar, der bei nahezu allen Kreditsicherungsgeschäften abgeschlossen wird. Konstituierende Bedeutung kommt dem Sicherungsvertrag lediglich bei den sog. nichtakzessorischen Kreditsicherheiten (Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung, Sicherungsgrundschuld) zu. Ohne schuldrechtliche Vereinbarung des Sicherungszwecks und des Sicherungsumfangs stünde die gesicherte Forderung regelmäßig in keiner rechtlichen Verbindung zu der durchgeführten Vollrechtsübertragung. II. Begriffsbestimmung. Begrifflich werden für den Sicherungsvertrag mangels gesetzlichen Leitbildes auch andere Bezeichnungen verwandt, so z.B. Sicherungsabrede, Zweckerklärung oder Sicherungs(zweck)erklärung. In Formularverträgen ist der Sicherungsvertrag oftmals in einem einheitlich als Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung oder Sicherungsgrundschuld überschriebenen Konvolut verschiedener Rechtsgeschäfte enthalten. Aus systematischen Gründen empfiehlt sich jedoch, zwischen dem Sicherungsvertrag einerseits und der Zweckerklärung andererseits zu unterscheiden: Der Sicherungsvertrag gestaltet die Rechte und Pflichten zwischen dem Sicherungsgeber und dem Sicherungsnehmer. Die Zweckerklärung stellt als Bestandteil des Sicherungsvertrags klar, zu welchem Zweck und in welchem Umfang das übertragene Sicherungsmittel der Forderungssicherung dient.
2
In der Praxis werden Sicherungsverträge einerseits zwischen Kreditinstituten und ihren Geschäfts- sowie Privatkunden abgeschlossen. Hierbei handelt es sich zumeist um Formularverträge. Bei Kreditgeschäften zwischen Gewerbetreibenden bzw. Freiberuflern untereinander kommt es dagegen eher zum Abschluss von Individualverträgen.
3
III. Parteien des Sicherungsvertrags. Sind die an einem Sicherungsvertrag beteiligten Personen mit denen des zu sichernden Kreditverhältnisses identisch, werden die sicherungsnehmende Partei des Sicherungsvertrags Sicherungsnehmer und die die Sicherheit übertragende Partei Sicherungsgeber genannt. Entsprechend verwendet der überwiegende Teil der Rechtsprechung und Literatur die Termini Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer als Bezeichnung der Parteien des Sicherungsvertrags (BGH NJW-RR 1996, 234; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 21; Erman-Wenzel, § 1191 Rn. 6; Schimansky/Bunte/Lwowski-Ganter Rn. 224; Drebes, S. 31; Clemente, ZIP 1990, 969 (970)).
4
Otten
724
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Da der Begriff des „Sicherung-Gebens“ jedoch auf eine tatsächliche Handlung gerichtet ist, wird der Begriff des Sicherungsgebers andernorts zur Bezeichnung der Person verwandt, die zur Sicherung eines Kredites eine dingliche Rechtsposition auf den Sicherungsnehmer überträgt (Rehbein, FS Heinsius, S. 659 (678). 5
Diese unterschiedliche Bezeichnungspraxis ist zu berücksichtigen, wenn es insbesondere bei Drittsicherungsfällen um die Bestimmung der Vertragsparteien und damit um die Frage geht, wer dem Sicherungsnehmer gegenüber verpflichtet und berechtigt ist. Stellt nicht der Kreditnehmer selbst, sondern ein Dritter die dingliche Sicherheit, so ist die reine Rechtsübertragung nicht zwingend mit dem Abschluss des Sicherungsvertrags verbunden (so aber Reinicke/Tiedtke, Rn. 980; Rehbein, FS Heinsius, S. 659 (679)). Andererseits ist auch nicht stets der Kreditnehmer, der sich zur Erbringung einer Sicherheit verpflichtet hat, Vertragspartner des Sicherungsvertrags. Maßgeblich ist, wer bezüglich der Sicherheitenbestellung in rechtsgeschäftlichen Kontakt mit dem Sicherungsnehmer tritt. Werden – wie in der überwiegenden Anzahl der Fälle – zwischen dem Drittsicherungsgeber und dem Sicherungsnehmer direkt Abreden über die Bestellung der Sicherheiten und über die Rückgewähr getroffen, kommt der Sicherungsvertrag zwischen diesen Parteien zustande (Otten, Rn. 219; Freckmann, BKR 2005, 167 (174)).
6
Nicht zur Partei des Sicherungsvertrags wird der Dritte hingegen in den sog. Divergenzfällen, in denen ein Kreditschuldner eine ihm zustehende Fremdgrundschuld am Grundstück eines Dritten zur Sicherung abtritt oder in denen der Eigentümer eines Grundstücks, der ursprünglich Partei eines Sicherungsvertrags war, das Grundstück unter Aufrechterhaltung der Grundschuld veräußert, ohne dass der Erwerber gleichzeitig in den Sicherungsvertrag eintritt (BGH, NJW 1990, 576; Baur/Stürner, § 45 IV Rn. 72 ff.; Reinicke/ Tiedtke, Rn. 976 ff ).
7
IV. Zuordnung der Sicherheitenbestellungsverpflichtung. Im Sicherungsvertrag wird das Sicherungsverhältnis über einen Zeitraum ausgestaltet, der sich in verschiedene Phasen unterteilen lässt (Becker-Eberhard, S. 251 ff.). Je nach der Phase, in der sich ein Sicherungsverhältnis befindet, entfaltet der Sicherungsvertrag unterschiedliche Verpflichtungen. Wesentliche Pflicht des Vertrags ist diejenige zur Bestellung einer konkreten Sicherheit.
8
Ob diese Sicherheitenbestellungsverpflichtung stets zwingend dem Sicherungsvertrag zuzuordnen ist oder alternativ auch Nebenpflicht des zu sichernden Darlehensvertrags sein kann, ist umstritten. Praktisch wirkt sich diese Frage in den Fällen aus, in denen eines oder mehrere der im Rahmen einer Kreditsicherung geschlossenen Rechtsgeschäfte unwirksam sind. Die überwiegende Meinung (Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 49.; Huber, S. 81; MünchKommBGB-Eickmann, §§ 1191 Rn. 21; Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 17; RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 8; Scholz/Lwowski, Rn. 6; Serick, Bd. I, § 4 Nr. 2) sieht in der Sicherheitenbestellungsverpflichtung einen Hauptbestandteil des Sicherungsvertrags. Diese Zuordnung orientiert sich an dem allgemeinen Grundsatz, ein Schuldverhältnis nach dessen Hauptleistungspflichten, d.h. nach dem mit dem Rechtsgeschäft bezweckten Leistungserfolg zu typisieren. Danach ist Leistungserfolg eines entgeltlichen Darlehens die Erzielung von Zinsen gegen Überlassung der Kapitalnutzung für eine bestimmte Zeit. Durch die Bestellung einer Sicherheit ändert sich dieser Zweck der Darlehensgewährung nicht. Entsprechend ist eine Abrede über die Bestellung einer Sicherheit keine Hauptleistungspflicht des Darlehensvertrags. Da sie ebenfalls nicht der Vorbereitung, Durchführung oder Sicherung der Hauptleistungspflichten aus dem Darlehensvertrag dient – insofern keine Nebenleistungspflicht darstellt - ist die Einordnung als Verpflichtung des Sicherungsvertrags folgerichtig. An anderer Stelle wird angesichts der Praxis, bei den
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
725
Verhandlungen über den Darlehensvertrag die Bestellung der Sicherheiten bereits zu thematisieren, mit ebensolcher Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass die Verpflichtung zur Bestellung einer Sicherheit Nebenpflicht des Darlehensvertrags ist (RG JW 1909, 309 (310); BGH WM 1962, 1264 ff.; BGH NJW 2002, 1199 (1200); Becker-Eberhard, S. 69; Buchholz, ZIP 1987, 891 (895); Claussen, S. 399; Derleder, JZ 1989, 165 (170); Köndgen, S. 107; MünchKommBGB-Westermann, § 607 Rn. 50 f.; Neuhof/ Richrath, NJW 1996, 2894; Richrath, S. 43 f.) Diese Betrachtung stellt nicht auf schuldvertragliche Typizität sondern auf die äußere Abfolge der Absprachen ab. Danach regeln die Parteien die Verpflichtung zur Bestellung einer Sicherheit im Darlehensvertrag. Der Sicherungsvertrag und die Bestellung der dinglichen Sicherheit erfolge regelmäßig in Erfüllung der bereits im Darlehensvertrag bestehenden Sicherheitenbestellungsverpflichtung. Aus diesem Grund sei letztere nicht Inhalt, sondern Voraussetzung des Sicherungsvertrags (Neuhof/Richrath, NJW 1996, 2894 (2896). Eine Zuweisung der Sicherheitenbestellungsverpflichtung zum Inhalt des Sicherungsvertrags ist nach hier vertretener Auffassung richtig, wenn im Rahmen der Darlehensverhandlungen keine konkreten Abreden über die Bestellung der Sicherheiten getroffen worden sind. In anderen Fallkonstellationen kommt es aber ebenso in Betracht, die Sicherheitenbestellungsverpflichtung nicht dem Sicherungsvertrag zuzuordnen, sondern sie als Nebenpflicht des Darlehensvertrags anzusehen (ausf. Knops, ZfIR 1998, 577 (579 f.)). Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine konditionale Beziehung zwischen Sicherheitenbestellung und Darlehensauszahlung besteht. Für den Kreditgeber hat dies den Vorteil, dass er im Fall der Nichterbringung der Sicherheit eine Nichtabnahmeentschädigung beanspruchen kann (oben § 10 IV; Derleder, JZ 1989, 165 ff.). In diesen Fällen richtet sich der Vertragswille der Parteien regelmäßig auf eine bewusste Verknüpfung zwischen Erbringung der Sicherheit und Auszahlung des Darlehens. Es entspräche dem Parteiwillen hier nicht, die so verknüpfte Verpflichtung aus dem Darlehensvertrag zu extrahieren und sie automatisch einem noch nicht weiter spezifizierten Sicherungsvertrag zuzuordnen.
9
V. Rechtsgrund der Sicherheitenbestellung. Die Sicherheitenbestellungsverpflichtung bildet nach überwiegender Ansicht den Rechtsgrund für die dingliche Übertragung des Sicherungsmittels (BGH NJW 1989, 1732; Huber, S 84; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 13; Serick, Bd. I § 4 II 2; Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff, Rn. 29; Westermann, § 115 II). Diese Meinung hält entsprechend der im Bereicherungsrecht vertretenen objektiven Theorie das verpflichtende Kausalverhältnis für den Rechtsgrund einer Leistung. Die sog. These von der Doppelcausa (Richrath, S. 21 ff.; Neuhof/Richrath, NJW 1996, 2894 ff.) geht hingegen von einer subjektiven Rechtsgrundbestimmung aus und hält den mit einer Leistung verfolgten Zweck für die causa i.S.d. § 812 BGB. Entsprechend erfolge die Bestellung der Sicherheit zum einen zwecks Erfüllung der sich aus dem Darlehensvertrag ergebenden Sicherheitenbestellungsverpflichtung und zum anderen zwecks Sicherung einer Forderung. Diese sich aus dem Sicherungsvertrag ergebende Sicherungscausa stelle den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Sicherheit dar. Stelle sich mithin nachträglich die Unwirksamkeit des Sicherungsvertrags heraus, so entfalle zwar die Sicherungscausa. Infolge des Fortbestehens der Leistungscausa dürfe der Sicherungsnehmer die Sicherheit aber behalten, weil er gegen eine etwaige Rückforderung die Dolo- petit-Einrede erheben könne (Richrath, S. 68 ff.).
10
Dieser Argumentation ist nicht zu folgen. Der Sicherungszweck bildet keinen vom Leistungszweck unabhängigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der übertragenen Sicherheit. Nach objektiver Rechtsgrundtheorie stellt das Behaltendürfen die Kehrseite der aus dem Schuldverhältnis resultierenden Leistungsverpflichtung dar. Nach subjektiver Theo-
11
Otten
726
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
rie ergibt sich das Behaltendürfen einer Leistung zunächst aus dem originären Leistungszweck. Nur wenn damit bestimmte Problemlagen nicht gelöst werden können, kommt dem Sicherungszweck nach dieser Theorie eine eigenständige Rechtsgrundbedeutung zu. Eine Doppelcausa kann es vor diesem Hintergrund nicht geben (Bülow, NJW 1997, 641 (643); Otten, Rn. 227; Rauch/Zimmermann, 2. Kap. Rn. 165). 12
VI. Sicherungsvertrag und Synallagma. Der Sicherungsvertrag ist kein synallagmatischer Vertrag (Becker-Eberhard, S. 380 ff; Buchholz, ZIP 1987, 891 (893); Huber, S. 93 f; Rünger, S. 61 ff.; Serick, Bd. I, § 4 II 3; Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff, Rn. 23; a. A. BGH WM 1967, 955 (957); OLG Frankfurt NJW 1969, 327; Richrath, S. 45 f; Staudinger-Scherübl, 12. Aufl., § 1191 Rn. 18). Ergibt sich die Sicherheitenbestellungsverpflichtung aus dem Sicherungsvertrag, steht ihr die dem Sicherungsnehmer obliegende Rückgewährverpflichtung und die allgemeinen Pflichten zur Rücksichtnahme bei der Verwertung gegenüber. Zwischen diesen Verpflichtungen besteht jedoch kein Synallagma im Sinne eines „do ut des“.
13
Gelegentlich wird erwogen, ob eine aus dem Sicherungsvertrag resultierende Sicherheitenbestellungsverpflichtung mit der Verpflichtung zur Gewährung des Darlehens, zur Auszahlung der Darlehensvaluta oder mit der aus dem Darlehensvertrag resultierenden Zinsverpflichtung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis steht (Serick, Bd. I, § 4 II 3; Jäckle, JZ 1982, 50; MünchKommBGB-Eickmann, §§ 1191 Rn. 14; Erman-Wenzel, § 1191 Rn. 5; Freckmann, BKR 2005, 167 (175)). Selbst wenn diese Erwägung im Ergebnis zumeist abgelehnt wird, ist schon die Grundprämisse für eine synallagmatische Beziehung zwischen diesen Verpflichtungen nicht gegeben. Zwischen Sicherungsvertrag und gesicherter Forderung besteht keine rechtliche Einheit, die es zuließe, Verpflichtungen der beiden selbständigen Rechtsgeschäfte einer synallagmatischen Struktur zuzuordnen. Die Frage des Synallagmas ist zu trennen von der wegen § 312 BGB und § 134 InsO relevanten Diskussion um die Entgeltlichkeit eines Sicherungsgeschäfts (zur Widerrufbarkeit von Sicherungsverträgen vgl. BGH, NJW 1996, 55; Freckmann, BKR 2005, 167 (176); Knops, VuR 2006, 186 (187 f.) m.w.N.; Palandt-Grüneberg, § 312 Rz. 9; zur insolvenzrechtlichen Beurteilung der Entgeltlichkeit eines Sicherungsvertrags: Ganter, WM 2006, 1081 (1084 m.w.N.)).
14
VII. Anwendbarkeit des § 139 BGB. Zwischen Sicherungsvertrag und dem zu sichernden Darlehensvertrag besteht nicht grundsätzlich eine rechtliche Einheit i.S.d. § 139 BGB (BGH NJW 1994, 2885; BuB-Wenzel, Rn. 4/46; MünchKommBGB-Quack, Anh. § 929–936 Rn. 29; Scholz/Lwowski, Rn. 209; a.A. Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 51; Michel, S. 149 ff; Serick, Bd. I § 4 II 3; Staudinger-Scherübl, 12. Aufl., § 1191 Rn. 18). Der Sicherungsvertrag ist ein eigenständiger Vertragstyp, aus dem sich stets eine tatsächliche Verbindung mit einer zu sichernden Forderung ergibt. Über eine solche tatsächliche Verbindung hinaus bedarf es für ein einheitliches Rechtsgeschäft i. S. d. § 139 BGB aber einer geschlossenen Aufeinanderabgestimmtheit und eines äußerlich erkennbaren Parteiwillens, der darauf gerichtet ist, dass die jeweiligen Vereinbarungen voneinander abhängig sein, d.h. miteinander stehen und fallen sollen. Eine solche Abhängigkeit ist üblicherweise beim Abschluss von Sicherungsgeschäften nicht beabsichtigt. Gerade bei Wegfall der gesicherten Forderung soll der Sicherungsvertrag das weitere Schicksal der übertragenen Sicherheit regeln. Und auch der umgekehrte Fall, der Fortfall eines Sicherungsmittels, führt außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht zur sofortigen Rückabwicklung der Darlehensbeziehung, sondern zunächst zur Aufnahme von Neuverhandlungen über andere Sicherheiten (BGH NJW 1994, 2885 f). Eine rechtliche Einheit ist daher nur in Ausnahmekonstellationen gegeben, etwa, wenn sich aus den den Vertragsabschluss begleitenden Umständen entnehmen lässt, dass die Verpflichtung zur Vermögensübertragung
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
727
ohne das zu sichernde Rechtsverhältnis hinfällig sein soll (BGH NJW 1994, 2885; BGH NJW 1983, 565). VIII. Rückabwicklung des Sicherungsgeschäfts. Die Frage, auf welche Weise die Rückabwicklung eines Sicherungsgeschäfts stattzufinden hat, wenn sich eines der in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Rechtsgeschäfte als unwirksam bzw. nichtig erweist, ist zum einen von Bedeutung, wenn der Sicherungsgeber eine Sicherheit übertragen hat und sich später herausstellt, dass die zu sichernde Forderung endgültig nicht zustande kommt. Darüber hinaus sind die Fälle zu lösen, in denen zwar die zu sichernde Forderung wirksam, der Sicherungsvertrag jedoch nichtig ist. Primärvertragliche Rückabwicklungsansprüche entstehen regelmäßig nicht, weil bei den Vertragsverhandlungen keine vorsorglichen Regelungen für die Nichtigkeit oder die Unwirksamkeit der Rechtsgeschäfte getroffen werden. Eine Rückabwicklung nach §§ 326, 327 S. 1, 346 ff. BGB scheidet mangels synallagmatischer Vertragsbeziehungen ebenfalls aus. 1. Rechtsgrundlage. Entsteht die zu sichernde Forderung nicht und besteht über diesen Umstand keine ausdrückliche Regelung, so ergibt die ergänzende Auslegung des Sicherungsvertrags, dass ein bereits übertragenes Sicherungsgut an den Sicherungsgeber zurückzugewähren ist (Becker-Eberhard, S. 378 ff m. w. N.; Buchholz, ZIP 1987, 891 (897)). Nach anderer Auffassung resultiert ein solcher Rückübertragungsanspruch aus Bereicherungsrecht (OLG Köln OLGZ 1969, 419 (423); Jäckle, JZ 1982, 50 (54); Huber, S. 97 ff.; Rünger, S. 78 ff.; Serick, Bd. I, § 4 II 3 und 4). Je nachdem, welche Art der Kondiktion in diesem Fall für einschlägig gehalten wird, soll sich der Rückgewähranspruch aufgrund Wegfalls des der Sicherheitengewährung zugrundeliegenden Rechtsgrundes ergeben (Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1147; Huber, S. 91 f; Jäckle, JZ 1982, 50 (54); Rünger, S. 77 ff.). Dabei wird vorausgesetzt, dass zwischen Darlehensvertrag und Sicherungsvertrag stets eine rechtliche Einheit i.S.d. § 139 BGB besteht, so dass die Nichtigkeit der Forderung regelmäßig auch die Nichtigkeit des Sicherungsvertrags und damit den Wegfall des Rechtsgrundes nach sich zieht. Die Voraussetzungen für eine rechtliche Einheit liegen nach der hier vertretenen Auffassung (Rn. 14) aber nur in Ausnahmefällen vor. Unabhängig davon entspricht es jedoch den Interessen beider am Sicherungsvertrag beteiligten Parteien, das Sicherungsgut zurückzugewähren, wenn eine zu sichernde Forderung nicht mehr besteht. Ob die Forderung nachträglich durch Tilgung entfallen oder bereits von vornherein nicht zustande gekommen ist, ist hierfür unerheblich. Der Rückübertragungsanspruch ergibt sich daher bereits aus der ergänzenden Auslegung des Sicherungsvertrags, ein alternativer Bereicherungsanspruch besteht nicht. Ein Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers besteht ebenfalls, wenn dieser das Sicherungsgut auf den Sicherungsnehmer übertragen hat, sich der Sicherungsvertrag aber als von vornherein nichtig erweist. Dies kommt z.B. bei Sittenwidrigkeit des Sicherungsvertrags wegen anfänglicher Übersicherung in Betracht. Ein Rückübertragungsanspruch besteht in diesen Fällen unabhängig davon, welchem Rechtsgeschäft die Sicherheitenbestellungsverpflichtung zuzuordnen ist. Ist letztere Bestandteil des Sicherungsvertrags gewesen, so entfällt sie mit Unwirksamkeit desselben. Ergibt sich aus den Parteiabreden, dass die Sicherheitenbestellungsverpflichtung Bestandteil des Darlehensvertrags war, so erstreckt sich die Sittenwidrigkeit der anfänglichen Übersicherung mindestens auch auf diesen Teil des Darlehensvertrags, weil sich bereits hier das Missverhältnis zwischen der zu sichernden Forderung und dem Wert des Sicherungsguts zeigt. In beiden Fällen ist das Sicherungsgut wegen Wegfalls des Rechtsgrundes nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB zurückzugewähren (a.A. Richrath, S. 51; Neuhof/Richrath, NJW 1996, 2894 (2897). 2. Gegenrechte. Handelt es sich bei dem Sicherungsnehmer um ein Kreditinstitut und ist im Rahmen des sittenwidrigen Sicherungsgeschäfts nicht nur das Sicherungsgut übertra-
Otten
15
16
l7
18
728
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
gen, sondern auch die Darlehensvaluta ausgezahlt worden, so stehen dem Sicherungsnehmer ohne weitergehende Vereinbarungen gegenüber dem Rückforderungsverlangen des Sicherungsgebers keine Gegenrechte i.S.d. § 273 BGB zu. Ein Nachsicherungsanspruch, wie er üblicherweise in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute vereinbart wird, besteht bei gleichbleibender Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers keineswegs ohne weiteres, da er regelmäßig nur für den Fall wirtschaftlicher Entwertung der Sicherheiten eingeräumt ist. Ist das Sicherungsgut infolge Sittenwidrigkeit des Sicherungsvertrags also zurückzugewähren, bleibt das gewährte Darlehen danach ungesichert, so lange die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers keinen Nachsicherungsanspruch begründen. 19
3. Kündigung der gesicherten Forderung. Ein Kündigungsrecht bezüglich des Kreditverhältnisses steht dem Kreditgeber in den vorgenannten Fällen nicht zu. Voraussetzung für eine Kündigung nach § 490 I BGB ist, dass der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers durch wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensgebers oder durch Verminderung der Werthaltigkeit der gestellten Sicherheiten gefährdet ist. Beides ist bei Wegfall der Sicherheiten wegen Nichtigkeit des Sicherungsvertrags nicht ohne weiteres gegeben. Eine Kündigung nach §§ 490 III, 314 BGB kommt demgegenüber nur in Betracht, wenn es dem Kreditgeber unter Berücksichtigung der Interessen des Kunden unzumutbar ist, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen. Stellt sich bei ansonsten unveränderter Liquidität des Kreditnehmers allerdings die Sittenwidrigkeit des Sicherungsgeschäfts heraus, so ist es dem Kreditgeber bei weitergehender Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Kreditgeschäft in aller Regel zumutbar, das Kreditverhältnis fortzuführen, insoweit er selbst – beispielsweise durch Stellung der sittenwidrigen Vertragsbestimmungen die Ursache für den Wegfall der Sicherheiten gesetzt hat.
20
B. Form des Sicherungsvertrags I. Formfreiheit. Sicherungsverträge werden in der Praxis insbesondere im Geschäftsverkehr mit Kreditinstituten zumeist schriftlich abgeschlossen, bei Änderungen dieser Verträge wird die Schriftform aber oftmals nicht gewahrt. Zudem kommt es außerhalb des Bankverkehrs häufig zu mündlichen oder nur teilweise schriftlich fixierten Sicherungsvertragsabschlüssen. Mangels gesetzlicher Regelung besteht für den Sicherungsvertrag kein Formzwang. Der Sicherungsvertrag kann daher sowohl mündlich, fernmündlich, in Schriftform (§ 126 BGB) oder Textform (§ 126 b BGB) und schließlich auch elektronisch abgeschlossen werden. Wegen seiner Nähe zu anderen Rechtsgeschäften und der mit dem Abschluss des Vertrags bestehenden Risiken hat sich die Rechtsprechung jedoch immer wieder mit der Frage der Formbedürftigkeit des Sicherungsvertrags zu beschäftigen (z.B. BGH NJW 1997, 1442; NJW 1997, 2320; NJW 2004, 158 (159); OLG Frankfurt, NJWRR 2005, 18; OLG München WM 1999, 1276).
21
II. Ausnahmen von der Formfreiheit in der Rechtsprechung. Dabei hält auch die Rechtsprechung den Vertrag im Grundsatz für formfrei, macht von dieser Formfreiheit allerdings Ausnahmen, die von der Konstellation des konkreten Sicherungsgeschäfts abhängen.
22
Eine direkte Anwendung der §§ 780, 781 BGB auf den Sicherungsvertrag kommt nach Auffassung des BGH nicht in Betracht. Rechtsgeschäfte, die lediglich der Sicherung dienten, begründeten keine selbständigen Verpflichtungen i.S.d. §§ 780, 781 BGB. Die Anwendung des § 518 I BGB soll in Betracht kommen, wenn der Sicherungsgeber dem Gläubiger die Sicherheit unentgeltlich zuwendet und dieser dadurch bereichert wird. Die Unentgeltlichkeit entfalle allerdings bereits dann, wenn sich aus der Sicherheitsleistung ein nicht zwingend leistungsadäquater wirtschaftlicher Vorteil ergebe (BGH WM 1956,
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
729
667). Diese Ausführungen des BGH zur Anwendungsmöglichkeit des § 518 I BGB sind missverständlich. Eine von vornherein auf eine endgültige Vermögensentäußerung gerichtete Zuwendung kann zwar als Sicherungsgeschäft deklariert werden. Faktisch handelt es sich aber wegen des finalen Charakters der Vermögensübertragung um eine Schenkung, die gem. § 518 I BGB formbedürftig ist. Der vertragstypische Inhalt eines Sicherungsvertrags, der wegen der Zweckerklärung ja gerade auf eine temporäre Vermögensübertragung gerichtet ist, steht daher einer direkten oder analogen Anwendung des § 518 I BGB entgegen. Für Sicherungsverträge, die im Zusammenhang mit Grundschulden abgeschlossen und in denen mündliche Abreden später schriftlich fixiert werden, wird eine Beurkundungsvermutung i.S.d. § 154 II BGB angenommen (BGH WM 1982, 443; NJW 1990, 576). Laut BGH handelt es sich bei solchen Sicherungsverträgen um langfristige, wichtige Verträge, die nach dem Willen der Parteien in der Regel schriftlich niedergelegt werden. Solche Verträge kämen im Zweifel nicht bereits mit den mündlichen Absprachen, sondern erst durch die nachfolgende schriftliche Fixierung zustande (BGH WM 1982, 443; BGH NJW 1990, 576; Gaberdiel, Rz. 568).
23
Der BGH lehnt die Anwendbarkeit der verbraucherkreditrechtlichen Formvorschriften auf den Sicherungsvertrag ab. Es handele sich weder bei der Grundschuld noch bei der Zweckerklärung um einen Kreditvertrag i. S.d. § 1 Abs. 2 VerbrKrG (§ 491 1 BGB) (BGH NJW 1997, 1442). Eine analoge Anwendung der Formvorschrift des § 492 BGB (vormals § 4 VerbrKrG) auf den Sicherungsvertrag zieht das Gericht nicht in Erwägung. Dies erstaunt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur Bürgschaft und zum Schuldbeitritt. Zwar lehnt die Rechtsprechung eine analoge Anwendung des § 492 BGB auf Bürgschaften ab (BGH NJW 1998, 1939; OLG Hamm WM 1998, 171; OLG Rostock WM 1998, 446; zur Anwendbarkeit der Verbraucherkreditrichtlinie auf Bürgschaften: § 20 Rn. 66 u. EuGH NJW 2000, 1323). Auf Schuldbeitritte soll die verbraucherschützende Vorschrift jedoch analog anwendbar sein, wenn der Beitretende selbst Verbraucher i. S.d. § 1 I VerbrKrG ist (BGH NJW 1997, 654; NJW 1997, 1442; WM 1997, 2000; WM 2000, 1799).
24
Einem Formzwang unterliegt der Sicherungsvertrag aber dann, wenn er mit einem anderen formpflichtigen Schuldverhältnis in einer rechtlichen Einheit i.S.d. § 139 BGB steht (BGH NJW 1983, 565; NJW 1994, 2885). In beiden dazu entschiedenen Fällen handelte es sich um atypische Sicherungsgeschäfte: Im ersten Fall sollte ein Darlehen durch Übereignung eines Grundstücks abgesichert werden. Faktisch wurde über dieses Geschäft ein Grundstückskaufvertrag abgeschlossen und mündlich vereinbart, dass die Übereignung nur zu Sicherungszwecken erfolgen sollte. Im zweiten Fall war zu einem überhöhten Preis ein Grundstückskaufvertrag abgeschlossen worden. In einer Nebenvereinbarung hatte sich der Käufer jedoch zur Rückzahlung eines Teils dieses Kaufpreises verpflichtet und zur Sicherung dieses Anspruchs ein Bild übereignet. Der BGH erstreckte zutreffend in beiden Fällen das für die Grundstückskaufverträge bestehende Beurkundungserfordernis auf den jeweiligen Sicherungsvertrag, so dass die Sicherungsgeschäfte formnichtig waren. Zur Begründung stellte er darauf ab, dass in diesen Fällen die Sicherungsverträge mit den beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäften stehen und fallen sollten und daher von einer rechtlichen Einheit i.S.d. § 139 BGB auszugehen sei. Damit erstrecke sich das Formerfordernis gem. § 313 b 1 BGB auch auf den Sicherungsvertrag.
25
III. Formkonzepte der Literatur. In der Literatur ist die Formfreiheit des Sicherungsvertrags umstritten. Die überwiegende Auffassung hält den Vertrag im Grundsatz für formfrei (Drebes, S. 156, 228; Gaberdiel, Rn. 568; BuB-Wenzel, Rn. 4/46; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 31; MünchKommBGB-Quack, Anh. zu §§ 929 – 931
26
Otten
730
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Rn. 27; Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 15, § 1191 Rn. 15; Pottschmidt/Rohr, Rn. 990; Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem. zu §§ 1191 Rn. 162; Scholz, in: FS Möhring I S. 419 (421); Scholz/Lwowski, Rn. 6). Insbesondere seitdem der BGH den Schuldbeitritt unter den verbraucherkreditrechtlichen Formzwang gestellt hat, sind aber mehrfach Konzepte erstellt worden, die sich mit den Formanforderungen an Interzessionsverhältnisse beschäftigen und auf den Sicherungsvertrag, der im Zusammenhang mit der Bestellung einer nichtakzessorischen Sicherheit geschlossen wird, erstreckt werden. 27
Eines dieser Konzepte (Rimmelspacher, Rn. 95) leitet aus der Schutzkonzeption des BGB einen Formzwang für einseitig verpflichtende Verträge ab. Dem steht allerdings entgegen, dass das BGB nicht sämtliche einseitig verpflichtenden Rechtsgeschäfte einem Formzwang unterworfen hat. So sind die Leihe (§ 598 BGB) oder der Auftrag (§ 662 BGB) ohne Einhaltung einer Form vereinbar. Hier ist ein Schutz des sich einseitig Verpflichtenden durch die Schaffung von Kündigungsmöglichkeiten gewährleistet. Diese Feststellung deutet also darauf hin, dass der Gesetzgeber ein differenzierteres Schutzsystem für den sich einseitig Verpflichtenden vorgesehen hat. Eine Übertragung der Formvorschriften unter diesem Gesichtspunkt kommt also nicht in Betracht.
28
Entsprechend beschränkt sich ein anderer Ansatz (Rüssmann, in: FS Heinrichs, S. 451) auf die Formvorschriften der Schenkung (§ 518 I) und der Bürgschaft (§ 766 BGB). Diesen Normen soll die Grundaussage zu entnehmen sein, dass natürliche Personen, die im privaten Bereich im Rahmen eines einseitig verpflichtenden Vertrages eine Forderung gegen sich begründen, eines besonderen Schutzes bedürften. Sie übernähmen die einseitige Verpflichtung aus emotionalen Beweggründen und seien ihrem Vertragspartner daher strukturell unterlegen. Ein Schriftformerfordernis ergäbe sich daher immer dort, wo Sicherungsgeber im nichtkaufmännischen Bereich die Haftung für die Schuld eines Dritten übernähmen. Auch das so erschlossene gesetzliche Schutzkonzept sieht sich aber Zweifeln gegenüber. So ist der Formzweck des § 518 I BGB nicht mit dem des § 766 BGB identisch. Bei dem Formerfordernis der Schenkung spielt der Übereilungsschutz im Gegensatz zu § 766 BGB nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind hier die Verhinderung der Umgehung von Testiervorschriften und die Unklagbarkeit eines dieser Form nicht genügenden Schenkungsversprechens. Zudem befindet sich der Schenker in aller Regel nicht in einer emotionalen Zwangslage gegenüber dem Empfänger der Zuwendung. Insofern ist kein einheitliches gesetzgeberisches Konzept feststellbar, das ein Formerfordernis für rechtsgeschäftlich erhebliche, emotional motivierte Entscheidungen vorsieht und unter diesen Voraussetzungen auf Interzessionsverhältnisse bzw. Sicherungsverträge bei nichtakzessorischen Sicherheiten übertragbar wäre.
29
Ein weiteres Modell überprüft die Formbedürftigkeit des Sicherungsvertrags unter Verbraucherschutzgesichtspunkten und wendet entgegen der Rechtsprechung § 492 I S. 5 BGB auf alle obligatorischen Verträge an, in denen sich Dritte zur Stellung von Sicherheiten für einen Fremdkredit verpflichten (Bülow, NJW 1996, 2889 (2892); JZ 1997, 471; VerbrKrG, § 4 Rn. 109; Bülow/Arzt, ZIP 1998, 629; ähnlich: Gaberdiel, Rz. 574; v. Westphalen, MDR 1997, 307; Ulmer/Timmann, FS Rowedder, S. 503). § 492 BGB sieht neben der Schriftlichkeit bestimmte Mindestangaben für Verbraucherdarlehensverträge vor. Die Angabe über den Gesamtbetrag aller vom Verbraucher zur Tilgung des Kredits aufzuwendenden Kosten, zum Effektivzins und zu den zu stellenden Sicherheiten erfüllt nicht nur eine Warnfunktion und dient damit dem Übereilungsschutz. Sie schafft darüber hinaus auch Transparenz und sichert den Wettbewerb (Derleder, VuR 2000, 155). Stellt ein Eigensicherungsgeber, der die Verbraucherkriterien erfüllt, eine Sicherheit, so sind die in § 492 BGB genannten Angaben bereits in dem zu sichernden Kreditverhältnis enthalten. Er kann sich daher bei Abschluss der Rechtsgeschäfte ein Bild über das Ausmaß seiner
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
731
Haftung machen. Eine analoge Anwendung des § 492 BGB auf Sicherungsverträge, die mit Eigensicherungsgebern abgeschlossen werden, ist also nicht geboten. Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn ein Dritter zur Absicherung einer Fremdverbindlichkeit entweder persönlich oder mittels eines Sicherungsgutes haftet. Der Dritte bindet sich durch die Haftungsübernahme langfristig und kann den entsprechenden Vermögenswert nicht zur Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen einsetzen. Das mit der Sicherheitenbestellung verbundene Risiko kann der Drittsicherungsgeber nur richtig einschätzen, wenn er die Konditionen des zu sichernden Kreditverhältnisses kennt. Ohne die damit verbundenen Einzelangaben kann er dem Umfang der potentiell auf ihn zukommenden Haftung nicht einschätzen und befindet sich daher in vergleichbarer Lage wie der Kreditnehmer selbst. Dass der Drittsicherungsgeber einer nichtakzessorischen Sicherheit anders als beim Schuldbeitritt nicht mit seinem gesamten Vermögen haftet, sondern nur mit dem Wert der übertragenen Vermögensguts, reduziert dessen Schutzbedürftigkeit nicht. Das Ausmaß der Verpflichtung und der mögliche Vermögensverlust könne ebenso hoch sein wie bei demjenigen, der einer Schuld beigetreten ist, und noch höher, als bei demjenigen, der das Kreditverhältnis begründet hat, weil letzterer immerhin einen Gegenwert für seine Rückzahlungsverpflichtung erhalten hat. In den Sicherungsvertrag, den ein Sicherungsnehmer mit einem Drittsicherungsgeber abschließt, sind mithin sämtliche Angaben des § 492 I S. 5 BGB aufzunehmen. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist es nicht ausreichend, den Gesamtbetrag aller Teilzahlungen i.S.d. § 492 I Nr. 2 BGB und aller zusätzlichen Kosten i.S.d. § 492 I Nr. 5 BGB in den Sicherungsvertrag aufzunehmen (so aber Ulmer/Timmann, FS Rowedder, S. 503 (520). Um das Risiko des Sicherungsgeschäfts beurteilen zu können, bedarf es sämtlicher in § 492 I BGB aufgeführten Angaben. Eine Erstreckung der Formvorschrift des § 492 I BGB auf Interzessionsverhältnisse und auf Sicherungsverträge, die im Zusammenhang mit nichtakzessorischen Sicherheiten abgeschlossen werden, kommt auch einem in 2002 ergangenem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Verbraucherkreditrichtlinie (KOM (2002), 443; BTDrs. 756/02 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit) entgegen. Danach soll in Art. 3 der Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie auf Sicherungsverträge erstreckt werden. Letztere werden in Art. 2 e als akzessorische Verträge definiert, in denen ein Garant für die Erfüllung jeder Art von Vertrag über die Vergabe eines Kredits an eine natürliche oder juristische Person garantiert oder zu garantieren verspricht. In der Begründung zu diesem Änderungsvorschlag wird im Gegensatz dazu aber ausgeführt, dass sich der Sicherungsvertrag auf sämtliche Personal- und Realsicherheiten beziehe. Eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Möglichkeiten der Kreditsicherung wird wegen der gleichermaßen für alle Drittsicherungsgeber gegebenen Schutzbedürftigkeit auf europäischer Ebene also ebenfalls nicht mehr für sinnvoll gehalten.
30
IV. Elektronischer Abschluss von Sicherungsverträgen. Ohne Berücksichtigung ist in Rechtsprechung und Literatur bisher der elektronische Abschluss von Sicherungsverträgen geblieben. Geht man von grundsätzlicher Formfreiheit des Sicherungsvertrags aus, so ergeben sich für den elektronischen Abschluss des Sicherungsvertrags keinerlei Einschränkungen. Unterliegt der Sicherungsvertrag hingegen einem Schriftformerfordernis – z.B. wegen der direkten oder analogen Anwendbarkeit von Formvorschriften – so kommt ein einfacher Austausch elektronischer Daten für den Sicherungsvertragsabschluss nicht in Betracht, weil hierdurch das Erfordernis der eigenhändigen Namensunterschrift nicht erfüllt wird. Durch qualifizierte elektronische Signatur (§ 126 a BGB) kann die Schriftform allerdings dort ersetzt werden, wo eine entsprechende Gleichstellung besteht (§ 126
31
Otten
732
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
III BGB). Ausnahmen von der Gleichstellung finden sich jedoch in §§ 766 S. 2, 780 S. 2, 781 S. 2 und § 492 I S. 2 BGB (vgl. hierzu Otten, Rz. 471 ff.). 32
C. Inhalt des Sicherungsvertrags I. Inhaltsbestimmung nach Sicherungszweck. Der Inhalt des Sicherungsvertrags bestimmt sich nach dem Zweck des Sicherungsgeschäfts (BGH NJW 1984, 1184; NJW 2001, 1417; Becker-Eberhard, S. 85 ff; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 60. Er ist nicht gewohnheitsrechtlich anerkannt (BGH NJW 1998, 671 (672); Bülow JZ 1997, 500 (503); Canaris, ZIP 1997, 813; Nobbe, ZIP 1996, 657; Pfeiffer, ZIP 1997, 49; a. A. Serick, ZIP 1995, 789; BB 1998, 801) und ist auch mit dem Rechtsgedanken der Treuhand nicht hinreichend bestimmbar (Becker-Eberhard, S. 86; Gaul, FS Serick, S. 105; Huber, S. 85 ff.; MünchKommBGB-Quack, Anh. §§ 929 – 936 Rn. 14; Reich, S. 99; a. A. RGZ 89, 193; BGH, BB 1967, 227; Baur/Stürner, § 57 Rn. 2; Clemente, Rn. 228; Jacoby, § 24 Rn. 1; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 12; Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 13, § 1191 Rn. 17; Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff, Rn. 21).
33
34
35
36
II. Bestimmung des Haftungsumfangs. Inhaltlich weist der Sicherungsvertrag einerseits ein kausales Element auf, andererseits sind in ihm die Regelungen enthalten, die die verschiedenen Phasen des Sicherungsverhältnisses ausgestalten. Dabei ist die Sicherheitenbestellungsverpflichtung (Rn. 7), die den Rechtsgrund für die Übertragung des Sicherungsguts enthält, zumeist ein wesentlicher, aber dennoch kein zwingender Inhalt des Vertrags. Die Zweckerklärung ist demgegenüber konstituierender Bestandteil, weil durch sie der Haftungsumfang bestimmt wird und erst durch die Finalität des Haftungsumfangs der Sicherungscharakter des Rechtsgeschäfts zum Ausdruck kommt. 1. Kapital der gesicherten Forderung. Haben die Parteien keine anderslautenden Vereinbarungen getroffen, kommt der Sicherungsvertrag mit einer engen Zweckerklärung zustande. Das Sicherungsgut haftet nur für das Schuldverhältnis, das im Zeitpunkt des Abschlusses des Sicherungsvertrags Gegenstand des Rechtsgeschäfts war. Vom Haftungsumfang ist das Kapital der Forderung bzw. etwaige an dessen Stelle tretende Schadensersatz- oder bereicherungsrechtliche Forderungen (BGH, NJW 1968, 1134; NJW 2003, 885 (886); NJW 2004, 158 (159); ZIP 2005, 1024 (1025); Rauch/Zimmermann, 2. Kap. Rn. 203) umfasst. 2. Nebenleistungen. Für Nebenleistungen gilt folgendes: Gesetzliche Zinsen und Kosten der Verwertung können auch ohne ausdrückliche Vereinbarung in den Haftungsverband des Sicherungsmittels fallen. Eine gesetzlich begründete Haftungserweiterung ist mit dem Zweck des Sicherungsgeschäfts vereinbar, denn gesichert sein soll mangels anderslautender Vereinbarung jeweils das, was der Sicherungsnehmer gesetzlich zu fordern berechtigt ist. Ein entsprechender Grundsatz findet sich hinsichtlich der gesetzlichen Zinsen auch im Bürgschafts- und im Hypothekenrecht. So gelten Verzugszinsen stets als Erweiterung der Hauptverbindlichkeit (§ 767 I S. 2 BGB) und unterliegen damit der Bürgenhaftung. Im Recht der Immobiliarsicherheiten ist klargestellt, dass gesetzliche Zinsen einer durch eine Hypothek gesicherten Forderung auch ohne Grundbucheintragung in den Haftungsbereich der Hypothek fallen (§ 1118 BGB). Auch Verwertungskosten sind zur Erreichung des Sicherungszwecks unabwendbar und damit ebenfalls vom Zweck des Sicherungsgeschäfts umfasst (Otten, Rz. 540 m. w. N.). Im Unterschied dazu fallen vertraglich geschuldete Zinsen, Vertragsstrafen und Provisionen nur dann in den Haftungsumfang des Sicherungsgutes, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden ist (für die Bürgschaft § 20 Rn. 29; a. A. zur Sicherungsgrundschuld: Clemente, Rn. 296; Huber, S. 103; Freckmann, BKR 2005, 167 (177) ).
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
733
Ob eine Vorfälligkeitsentschädigung in den Haftungsverband des Sicherungsmittels einbezogen ist, hängt davon ab, ob die vertraglichen Zinsverpflichtungen des Kreditnehmers von der Zweckerklärung umfasst waren. Wenn dies aufgrund einer ausdrücklichen Parteivereinbarung der Fall ist, so ist damit auch der Schadensersatzanspruch für eine vor Fälligkeit abgelöste Forderung erfasst. Andernfalls sind Nichtabnahme- und Vorfälligkeitsnetschädigung nicht erfasst (ähnlich OLG Hamm, WM 2005, 1265 (1266); vgl. auch § 10 IV Rn. 56).
37
III. Nachsicherungsanspruch. Verliert das übertragene Sicherungsgut seinen Wert, hat der Sicherungsnehmer ohne ausdrückliche Vereinbarung keinen aus dem Sicherungsvertrag resultierenden Nachsicherungsanspruch. Aus dem Sicherungszweck folgt kein allgemeiner Sicherheitenbestellungsanspruch, sondern lediglich ein auf die jeweils zu übertragende Sicherheit gerichteter Anspruch (BGH, NJW 1990, 392; Becker-Eberhard, S. 594). Ein konkreter Nachsicherungsanspruch lässt sich auch formularvertraglich nicht vereinbaren (BGH, NJW 1981, 1363; Pleyer/Weiser, DB 1985, 2233). Deswegen sehen die AGB der Kreditinstitute bei Veränderungen des Kreditrisikos lediglich einen allgemeinen Anspruch auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten vor, dessen Nichterfüllung der Bank jeweils ein Recht zur fristlosen Kündigung des Kreditverhältnisses gewähren soll.
38
IV. Versicherungspflicht. Der Sicherungsgeber ist nur verpflichtet, das Sicherungsgut gegen die Gefahr der Zerstörung oder Beschädigung zu versichern, wenn eine solche Versicherung bezogen auf das Versicherungsgut verkehrsüblich ist. Dies ist z.B. bei Feuerversicherungen für Gebäude der Fall, weil der Inhaber einer Grundschuld vom Eigentümer verlangen kann, Vorkehrungen gegen Einwirkungen Dritter oder andere Beschädigungen zu treffen (BGH, NJW 1989, 1034 (1035)). Es steht den Parteien jedoch frei, eine Versicherungspflicht im Sicherungsvertrag ausdrücklich zu vereinbaren.
39
V. Aufklärung über die Risiken des Sicherungsgeschäfts. Aus dem Sicherungsvertrag resultiert keine Verpflichtung des Sicherungsnehmers, über sämtliche mit der Sicherheitenbestellung verbundenen Risiken aufzuklären. Die Vertragsfreiheit der Parteien gebietet es bis zu einem gewissen Grad, sich über das Ausmaß seiner eigenen Verpflichtung zu informieren und die grundsätzlich bestehende Gestaltungsfreiheit aktiv zu nutzen (BGH NJW-RR, 1992, 879; BGH NJW 1992, 1820; NJW 1997, 3230; BuB-Wenzel, Rn. 4/85 a; Scholz/Lwowski, Rn. 189; kritisch: Kothe, EWiR 1992, 653). Eine Aufklärungspflicht besteht allerdings dann, wenn der Vertragspartner des Sicherungsnehmers besonders aufklärungsbedürftig ist, z.B. wenn die Bank konkrete Kenntnisse über spezielle Risiken des Geschäftes erlangt, die dem Kunden nicht zugänglich sind (BGH, NJW 1998, 305 (306)). Grundsätzlich kann der Sicherungsnehmer davon ausgehen, dass dem Besteller der Sicherheit das generelle Risiko eines solchen Geschäfts bekannt ist. Etwas anderes gilt aber, wenn die Bank erkennt, dass ihr Kunde einem Irrtum unterliegt (BGH, NJW 1994, 1278; NJW 1996, 1206 (1207); NJW 2006, 845 (847)).
40
VI. Verfügung vor Eintritt des Sicherungsfalls. 1. Verfügung über Forderung und Sicherungsgut. Einer Verfügung über Forderung und Sicherungsgut vor Eintritt des Sicherungsfalls steht dann nichts entgegen, wenn der Sicherungsnehmer Forderung und Sicherungsgut gemeinsam überträgt und der Rechtsnachfolger in die Pflichten aus dem Sicherungsvertrag eintritt (BGH, NJW-RR 1991, 305; Baur/Stürner, § 45 Rn. 56 für Grundschulden; Becker-Eberhard, S. 558; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 54; RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 83).
41
Aufgrund der ihm übertragenen Rechtsmacht ist der Sicherungsnehmer aber in der Lage, über Forderung und Sicherungsgut bereits vor Eintritt des Sicherungsfalls auch isoliert zu
42
Otten
734
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
verfügen. Dem Sicherungsvertrag ist in Hinblick auf die gesicherte Forderung kein dinglich wirksames Abtretungsverbot i.S.d. § 399 BGB zu entnehmen (BGH, NJW 1982, 2768 (2769); NJW-RR 1991, 305)). Auch läuft das Recht an dem Sicherungsgut im Fall einer Forderungsabtretung nicht automatisch mit der Forderung mit. Dies birgt für den Schuldner der gesicherten Forderung die Gefahr der Doppelinanspruchnahme. Erlangt der Zessionar der gesicherten Forderung das Sicherungsgut ohne Einbindung in den Sicherungsvertrag, so kann er aufgrund seiner Rechtsposition vorbehaltlich der vom Schuldner zu erhebenden Arglisteinrede (BGH, NJW 1988, 2730) sowohl Erfüllung der Forderung verlangen als auch das Sicherungsgut verwerten. Dasselbe gilt für Fälle, in denen Forderung und Sicherungsgut auf verschiedene Personen übertragen werden. 43
2. Isolierte Weiterübertragung der Forderung. Allerdings ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung vorbehaltlich anderslautender Vereinbarungen bis zum Eintritt des Sicherungsfalls ein schuldrechtlich wirkendes Verbot der isolierten Forderungsabtretung (Clemente, Rn. 550; Bamberger/Roth-Rohe, § 1192 Rz. 86 f.; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 56; Otten, Rn. 575; a. A. Baur/Stürner, § 45 Rn. 68; RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 86 m. w. N.; Serick, Bd. II, § 26 V 2; Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff, Rn. 222). Eine ohne Zustimmung des Sicherungsgebers erfolgte isolierte Forderungsabtretung löst den auf Rückübertragung des Sicherungsmittels gerichteten Anspruch des Sicherungsgebers aus (Erman-Wenzel, § 1191 Rn. 55; RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 86). Außerdem haftet der Sicherungsnehmer für jeden Schaden, der dem Sicherungsgeber durch die vertragswidrige isolierte Forderungsabtretung entsteht (RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 86). In der Literatur wird die isolierte Forderungsabtretung zum Teil für nicht gefahrenträchtig gehalten, weil der Sicherungsgeber dem Zessionar alle Einwendungen und Einreden entgegenhalten könne, die ihm aus dem Sicherungsvertrag bereits gegen den Sicherungsnehmer zustünden. Eine Kreditforderung brauche nur Zug um Zug gegen Rückübertragung des Sicherungsgutes erfüllt werden, so dass der Sicherungsgeber gem. § 404 BGB gegenüber dem Zessionar das ihm nach § 273 I BGB zustehende Zurückbehaltungsrecht geltend machen könne (Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1175). Diese Position berücksichtigt jedoch weder die Tatsache, dass den Sicherungsgeber stets die Einredelast trifft noch dass der Kreditnehmer regelmäßig in Vorleistung tritt. Die meisten Kreditforderungen werden nicht durch Einmalbetrag, sondern durch Ratenzahlungen getilgt. Eine Teilrückgewähr des Sicherungsguts, soweit faktisch möglich, wird regelmäßig wegen des damit verbundenen Aufwands nicht vorgenommen. Geht der Sicherungsnehmer nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung, über deren Tilgungsstand er nicht zwingend informiert sein muss, zur Verwertung des Sicherungsgutes über und tritt der Sicherungsgeber dem nicht oder nicht rechtzeitig entgegen, so kommt es zu einer Doppelinanspruchnahme. Bleiben Forderung und Sicherungsgut hingegen in einer Hand, reduziert sich die Gefahr für den Sicherungsgeber auf ein rein vertragswidriges Vorgehen des Sicherungsnehmers. Unkenntnis und Fehlinformation über den Valutierungsstand der Forderung scheiden als Gefahrenquelle aus. Außerdem hat sich der Sicherungsgeber nach einer isolierten Abtretung der Forderung mit zwei Vertragspartnern auseinanderzusetzen. Auch dies widerspricht dem im Sicherungsvertrag vereinbarten Sicherungszweck, der Forderung und Sicherungsgut miteinander verbindet und auf das konkrete Parteiverhältnis abstimmt.
44
3. Isolierte Weiterübertragung des Sicherungsguts. Die isolierte Weiterübertragung des Sicherungsgutes vor Eintritt des Sicherungsfalls kann im Sicherungsvertrag nicht mit dinglicher Wirkung verboten werden. Bezüglich der Sicherungsübereignung und der Sicherungsgrundschuld reicht hierzu eine rein vertragliche Vereinbarung wegen § 137 BGB nicht aus. Letzteres wäre bei der Forderungsabtretung zwar möglich. Sie bedürfte aber
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
735
stets der Zustimmung des Drittschuldners (§ 399 BGB) (Becker-Eberhard, S. 531; Palandt-Heinrichs, § 137 Rn. 2). Aus dem Sicherungsvertrag resultiert jedoch ein schuldrechtliches Verbot der isolierten Weiterübertragung des Sicherungsgutes vor Eintritt des Sicherungsfalls, ohne dass es hierüber besonderer Vereinbarungen bedürfte (§ 18 Rn. 70; Baur/Stürner, § 57 Rn. 2; Gaberdiel, Rn. 1287; Geißler, KTS 1989, 787 f; Gernhuber, JuS 1988, 355 (356); MünchKommBGB-Roth, § 401 Rn. 14; RGRK-Weber, § 401 Rn. 26; Serick, Bd. III, § 26 V 2). Als Inhaber des Vollrechts kann der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut jederzeit auf einen Dritten übertragen, ohne dass dieser in den Sicherungsvertrag eintritt. Gegen diesen Dritten stünde dem Sicherungsgeber daher nach Tilgung der Schuld kein Rückübertragungsanspruch zu und der Sicherungsgeber kann den Rückübertragungsanspruch nicht mehr erfüllen, weil er die Verfügungsmacht über das Sicherungsgut verloren hat. Der Sicherungszweck des Sicherungsvertrags wird durch die isolierte Abtretung also vereitelt. Negative Folgen kann eine isolierte Abtretung des Sicherungsguts vor Eintritt des Sicherungsfalls vor allem bei der Sicherungsgrundschuld und der Sicherungsabtretung haben. Bei der Grundschuld besteht die Möglichkeit des einredefreien gutgläubigen Erwerbs, so dass sich der Zessionar etwaige Einreden des Sicherungsnehmers aus dem Sicherungsvertrag nicht gem. §§ 1192 I, 1157 BGB entgegenhalten lassen muss. Dabei führt die Kenntnis der Tatsache, dass es sich bei der erworbenen Grundschuld um eine Sicherungsgrundschuld handelt, noch nicht zur Bösgläubigkeit des Zessionars (BGH, NJW 1972, 1463; NJW-RR 1987, 139; Baur/Stürner, § 45 Rn. 63; Pottschmidt/Rohr, Rn. 1001). Ähnlich liegt es bei der Sicherungsabtretung. Tilgt der Schuldner die gesicherte Forderung, ohne Zug um Zug Abtretung der sicherungsweise übertragenen Forderung zu verlangen, kann die Rückübertragung leer laufen, wenn der Sicherungsnehmer die Forderung vorher an einen Dritten übertragen hat und dieser sie bei Fälligkeit einzieht. Das Verbot der isolierten Weiterübertragung des Sicherungsguts ist zwar abdingbar. Hierzu bedarf es jedoch einer individualvertraglichen Vereinbarung. Eine Abbedingung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen wäre wegen § 307 BGB aus den vorstehenden Gründen unwirksam.
45
VII. Leistungsbestimmungsrecht für erbrachte Zahlungen. Demjenigen, der eine Zahlung erbringt, steht dafür das Leistungsbestimmungsrecht zu (BGH, NJW-RR 1993, 386 (389); 1995, 1257; NJW 1997, 2046; Becker-Eberhard, S. 610; MünchKommBGBEickmann, § 1191 Rn. 69; Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 47; RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 63). Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass die Zweckbestimmung einer Leistung stets vom Leistenden gesetzt wird, eine Regel, die auch in § 366 I BGB zum Ausdruck kommt.
46
Der Kreditnehmer, der eine Sache zur Sicherheit übereignet oder eine Forderung sicherungshalber abgetreten hat, leistet stets zur Tilgung der gesicherten Darlehensforderung (umstr.).
47
Bei einer Sicherungsgrundschuld können Zweifel darüber bestehen, ob eine geleistete Zahlung der Tilgung der gesicherten Forderung oder zur Ablösung der Grundschuld dienen soll. Aus diesem Grund sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der von den Kreditinstituten verwandten Sicherungsverträge zumeist sog. Anrechnungsvereinbarungen vor, wonach Leistungen des Schuldners ausschließlich auf die Forderung, nicht hingegen auf die Grundschuld angerechnet werden. Weicht der Schuldner bei der Leistung von dieser Vereinbarung ab, so soll er sich nach Ansicht des BGH schadensersatzpflichtig machen (BGH NJW 1976, 2132 (2133)) Dies setzt aber voraus, dass solche formularmäßigen Tilgungsverrechnungsklauseln überhaupt wirksam sind. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht verstoßen sie gegen die §§ 1142, 1136, 1192 BGB bzw. §§ 308 Nr. 5,
48
Otten
736
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
307 BGB (10 Nr. 5, 9 AGBG a. F.) i V. m. § 366 I BGB; Schadensersatzverpflichtungen seinen logisch ausgeschlossen, weil keine Vertragsbestimmung vorhanden ist, die verletzt werden könnte (Knops, ZfIR 2000, 501 ff.). Fehlen ausdrückliche Anhaltspunkte und ergibt sich die Leistungsbestimmung auch nicht aus den Umständen, so ist sie über eine ergänzende Auslegung des Sicherungsvertrags zu ermitteln, bei der der Rechtsgedanke des § 366 II BGB zu berücksichtigen ist, wonach die Tilgungsbestimmung unter Berücksichtigung der Gläubigerbelange zu einem für den Schuldner günstigen Ergebnis führen soll. 49
Für Zahlungen, die der Besteller einer Grundschuld auf eine eigene Verbindlichkeit leistet, ergibt sich folgendes: Sind Forderung und Grundschuld fällig und leistet der Kreditnehmer eine Einmalzahlung, so wird dadurch gleichzeitig die Forderung getilgt und die Grundschuld abgelöst (BGH NJW-RR 1990, 813; NJW 1999, 2043; Baur/Stürner, § 45 Rn. 46; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 74; RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 67). Infolge dieser Doppeltilgung wird aus der Fremdgrundschuld in entsprechender Anwendung des § 1143 I BGB eine Eigentümergrundschuld. Dies ist im Ergebnis nicht umstritten, die Herleitung dieser Rechtsfolge soll jedoch entweder aus §§ 1192, 1142, 1143 BGB (BGH NJW 1986, 2108 (2111); MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 65) oder aus § 1163 I S. 2 BGB (Wilhelm, Rn. 1665) erfolgen. Laufende Amortisationszahlungen sollen hingegen nicht auf das dingliche Recht angerechnet werden, sondern allein der Tilgung der Forderung dienen, um so ein Abbröckeln der Grundschuld zu vermeiden (BGH NJW 1974, 2279 (2280); NJW 1976, 2132 (2134); NJW-RR 1993, 386 (389); NJW 03, 2673; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 74, RGRK- Joswig, § 1191 Rn. 73; Westermann, § 117 IV 3). Dagegen spricht jedoch, dass die im Rahmen eines Amortisationskredits geleisteten Zahlungen jeweils selbständige Leistungen sind und zur teilweisen Tilgung des Kredits führen. Entsprechend entfällt für den Sicherungsnehmer auch die Notwendigkeit, die Grundschuld in der ursprünglichen Höhe zu behalten. Aus dem Sicherungszweck des Sicherungsvertrags folgt also auch hier ein Doppeltilgungseffekt der geleisteten Teilzahlungen. In Höhe des getilgten Anteils wird die Grundschuld zur Eigentümergrundschuld. Anders liegt dies bei der Sicherung eines Kontokorrentkredits. Führt der Sicherungsgeber mit einer Teilzahlung einen solchen Kredit zurück, so dient diese Zahlung nicht gleichzeitig als Leistung auf die Grundschuld, weil sich das Sicherungsbedürfnis des Sicherungsnehmers und die Höhe der gesicherten Forderung erst endgültig bestimmen lassen, wenn der Kontokorrent nach Kündigung fällig gestellt wird (BGH WM 1960, 1092 (1094); Baur/Stürner, § 45 Rn. 47; Westermann, § 117 IV 3).
50
Leistet der vom Kreditschuldner verschiedene Drittsicherungsgeber, so ist dies stets als Leistung auf die Grundschuld zu verstehen, nicht hingegen als Leistung eines Dritten auf die gesicherte Forderung (BGH NJW 1987, 838; BGH NJW 1988, 2730 (2731); Baur/ Stürner, § 45 Rn. 82; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 76; Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 38 ff.). Der Drittsicherungsgeber erwirbt wiederum in entsprechender Anwendung des § 1143 I BGB eine Eigentümergrundschuld. Umstritten ist in diesem Fall das Schicksal der Forderung. Nach einer Auffassung soll § 1143 BGB auch analog auf die gesicherte Forderung anwendbar sein und entsprechend auf den Drittsicherungsgeber übergehen (Wilhelm, Rn. 1669). Nach zutreffender herrschender Auffassung geht die Forderung hingegen nicht gesetzlich auf den Drittsicherungsgeber über (BGH NJW 1987, 838 (839); BGH NJW 1988, 2730; Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 36; Reinicke/Tiedtke, WM 1987, 485). Er hat aus dem Sicherungsvertrag vielmehr einen Anspruch gegen den Sicherungsnehmer auf Abtretung der Forderung an sich (Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 36; Reinicke/Tiedtke, WM 1987, 485 ff.). Dies entspricht dem zwischen den Parteien vereinbarten Sicherungszweck. Der Sicherungsnehmer erhält seine Leistung und wird in Höhe der Forderung wirtschaftlich befriedigt. Er hat im Verhältnis zum Kreditnehmer also kein
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
737
Interesse mehr, die Forderung zu behalten. Der Drittsicherungsgeber kann demgegenüber aber ein Interesse an der Abtretung dieser Forderung haben, um seinerseits gegen den Kreditschuldner, für den er eingetreten ist, vorzugehen. Diesen Belangen entspricht es, dem Drittsicherungsgeber einen Abtretungsanspruch bezüglich der gesicherten Forderung zu gewähren, wenn er das Grundpfandrecht ablöst und den Gläubiger der gesicherten Forderung damit im Ergebnis befriedigt. VIII. Besitzmittlungsverhältnis. Das im Rahmen einer Sicherungsübereignung erforderliche Besitzmittlungsverhältnis i.S.d. § 868 BGB bedarf nach herrschender Auffassung nicht mehr einer konkreten Vereinbarung, sondern kann im Sicherungsvertrag schon mittels stillschweigender Vereinbarung abgeschlossen werden (BGH BB 1971, 241; NJW 1979, 2308; Reich, S. 26; Scholz/Lwowski, Rn. 604; Staudinger-Wiegand, Anh. zu §§ 929 - 931 Rn. 87; a. A. Gernhuber, JuS 1988, 355 (357); RGRK-Pikart, § 930 Rn. 53; Serick, Bd. II, § 20 I 4; Westermann, § 44 II). Schon in dem Umstand der Sicherungsübereignung kommt nach Auffassung des BGH der Wille zu einem mittelbaren Besitzverhältnis unter Aufrechterhaltung des Herausgabeanspruchs zum Ausdruck (BGH NJW 1979, 2308 (2309)). IX. Instandhaltung des Sicherungsguts. Bei einer Sicherungsübereignung resultiert aus dem Sicherungsvertrag zudem die Verpflichtung des Sicherungsgebers, die in seinem Besitz befindliche Sache in erforderlichem Umfang Instand zu halten (Baur/Stürner, § 57 III Rn. 15; MünchKommBGB-Quack, Anh. § 929 - 936 Rn. 48 f; Reich, S. 89; Serick, Bd. II, § 18 II 5). Hierunter fallen Reparatur- und Wartungsarbeiten, die mit dem Sicherungsgut typischerweise verbunden sind. Der Sicherungsgeber hat das Sicherungsgut sachgemäß zu nutzen und zu verwahren (MünchKommBGB-Quack, Anh. §§ 929-936 Rn. 48) und er muss Maßnahmen ergreifen, wenn ihm Beeinträchtigungen der Eigentümerposition des Sicherungsnehmers bekannt werden, so z.B. wenn andere Gläubiger des Sicherungsgebers Zwangsvollstreckungsmaßnahmen betreiben. X. Rückübertragung des Sicherungsguts. Nach endgültiger Erledigung des Sicherungszwecks kann der Sicherungsgeber die Rückübertragung des Sicherungsguts beanspruchen. Dieser Rückübertragungsanspruch ist dem Sicherungsvertrag immanent (BGH NJW 1997, 1570; WM 1997, 1197 (1199); NJW 1997, 3434 (3436); BGH, NJW 1998, 671; BGH, NJW 1998, 2206; Baur/Stürner, § 45 Rn. 26; Becker-Eberhard, S. 611 u. 380; Serick, ZIP 1995, 789 (792)). Der Anspruch ist bereits bei Vertragsschluss angelegt, einer besonderen Freigabevereinbarung mit Deckungsgrenze bedarf es nicht (BGH NJW 1998, 671 (672); BGH NJW-RR 2005, 1408). 1. Wirksamkeit des Sicherungsvertrags. Voraussetzung des Anspruchs ist es allerdings, dass der Sicherungsvertrag überhaupt wirksam zustande kommt. Dies ist nicht der Fall, wenn von Anfang an eine Übersicherung zugunsten des Sicherungsnehmers besteht, die als sittenwidrig zu qualifizieren ist. Der BGH nimmt eine solche sittenwidrige Übersicherung, infolge derer der Vertrag gem. § 138 I BGB von vornherein nichtig ist, an, wenn zwischen der Höhe der gesicherten Forderung und dem zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung bestehenden realisierbaren Wert des Sicherungsguts ein auffälliges Missverhältnis besteht, das sich selbst unter Berücksichtigung besonderer Beweggründe als rücksichtslose Eigennützigkeit des Sicherungsnehmers darstellt (BGH NJW 1991, 353; 1998, 2047; Canaris, ZIP 1997, 813 (817); Lwowski, FS Schimansky, S. 389 (390); Nobbe, FS Schimansky, S. 433 (451 ff.); Pfeiffer, ZIP 1997, 49 (50); Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherheiten, Rn. 550 ff.; Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem. zu 1191 ff. Rn. 61). Die Sittenwidrigkeit beurteilt sich daher nicht nur aus dem Verhältnis zwischen Forderung und Wert der übertragenen Sicherheit, sondern auch nach den jeweiligen Vertragsumständen.
Otten
51
52
53
54
738
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
55
2. Vollständige Erledigung des Sicherungszwecks. Bei wirksamem Vertragsschluss wird der Rückübertragungsanspruch fällig, wenn sich der Sicherungszweck des Sicherungsvertrags endgültig erledigt hat. Dabei stellt die Erledigung des Sicherungszwecks keine Tatbestandsvoraussetzung dar, sondern ist aufschiebende Bedingung i.S.d. § 158 I BGB, deren Eintritt den Anspruch auslöst (BGH NJW 1991, 1821; NJW-RR 1994, 847; Baur/Stürner, § 45 Rn. 28; Scholz/Lwowski, Rn. 218; Serick, Bd. III, § 37 I 1 a). Ausnahmeweise kann der Sicherungsgeber bereits vor vollständiger Erledigung des Sicherungszwecks die Rückübertragung des Sicherungsguts verlangen. Voraussetzung hierfür ist ein besonderes Interesse an der Rückgewähr des Sicherungsguts und die Stellung einer adäquaten Ersatzsicherheit sowie die Übernahme der mit diesen Vorgängen verbundenen Kosten (BGH, NJW 2004, 1730 (1731).
56
3. Teilweise Erledigung des Sicherungszwecks. Ein Teilrückübertragungsanspruch bei endgültigem Wegfall eines Teils des Sicherungszwecks kann grundsätzlich nur bei Teilbarkeit des Sicherungsguts bestehen (OLG Düsseldorf, WM 1993, 784 (786); BeckerEberhard, S. 404, 454; Nobbe, FS Schimansky, S. 433 (442)). Bei der Sicherungsübereignung eines Einzelgegenstands kommt daher ein Teilrückgewähranspruch wegen teilweisen Wegfalls der Forderung nicht in Betracht (Becker-Eberhard, S. 403 u. 454; Wolf, FS Baur, S. 147 (164)).
57
Zu dem Zeitpunkt, in dem der auch als Freigabeanspruch bezeichnete Teilrückübertragungsanspruch fällig wird, hat der BGH in einer Entscheidung des Großen Senats aus 1997 Stellung genommen (BGH NJW 1998, 671 ff.). Der Sicherungsgeber, der dem Sicherungsnehmer eine revolvierende Globalsicherheit bestellt hat, kann die Freigabe eines Teils der Sicherheiten verlangen, wenn eine nachträgliche Übersicherung eintritt. Eine solche tritt ein, wenn der realisierbare Wert der Sicherungsgegenstände den Nennbetrag der gesicherten Forderung um mehr als 10 % übersteigt. Dieser Aufschlag ist durch die bei der Verwertung der Sicherungsgüter anfallenden Kosten begründet, weil sonst nicht sichergestellt werden kann, dass der im Verwertungsfall erzielte Erlös sowohl das Forderungskapital als auch die anfallenden Kosten in vollem Umfang abdeckt. Dem Aufschlag ist im Einzelfall zusätzlich die im Rahmen der Verwertung anfallende Umsatzsteuer hinzuzurechnen, sofern es sich bei der Veräußerung um einen umsatzsteuerpflichtigen Vorgang handelt (BGH, NJW 1998, 671 (675)).
58
Das Abstellen auf den realisierbaren Wert der Sicherungsgegenstände ist immer dann praktikabel, wenn für Sicherungsgüter Listenpreise bestehen, die den realisierbaren Wert widerspiegeln. Bestehen solche Listenpreise nicht, müsste der realisierbare Wert theoretisch über die Erstellung eines Gutachtens ermittelt werden. Um das damit verbundene Verfahren zu vermeiden, hat der BGH anhand der Normen der §§ 232 BGB ff. eine widerlegbare Vermutung entwickelt. Danach entsteht ein Freigabeanspruch auch dann, wenn der auf den Markt-, Einkaufs-, oder Herstellungspreis bezogene Schätzwert der sicherungsübereigneten Waren oder der Nennwert der nicht einredebehafteten berücksichtigungsfähigen Forderungen die gesicherte Restforderung um 50 % übersteigt (BGH, NJW 1998, 671 (676)).
59
Die vorstehenden Grundsätze führen zu einer interessengerechten Abwicklung von Sicherungsgeschäften, bei denen ein Teil des Sicherungsguts wegen anteiliger Tilgung der gesicherten Forderung bereits vor Gesamtbeendigung des Sicherungsgeschäfts zurückübertragen werden kann. Auf Sicherungsgrundschulden und Sicherungsabtretungen sind sie jedoch nur eingeschränkt übertragbar. Gem. § 109 I ZVG sind die bei einer Grundstücksversteigerung anfallenden Kosten bereits vorweg aus dem Versteigerungserlös zu tilgen. Ein Aufschlag für Verwertungskosten ist daher hier nicht angemessen. Dass der
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
739
Grundschuldbetrag 50 % über dem Betrag der gesicherten Forderung liegt, ist ebenfalls nicht notwendig, um dem Befriedigungsinteresse des Sicherungsnehmers zu genügen. Der Sicherungsnehmer kann ohnehin nur den Umfang des Verwertungserlöses beanspruchen, der dem Betrag der gesicherten Forderung entspricht. Ein Bewertungsaufschlag auf das Grundschuldkapital wirkt sich mithin nicht aus (Clemente, Rn. 423; Nobbe, FS Schimansky, S. 433 (449)). Im Gegensatz dazu können die vom Großen Senat entwickelten Aufschläge für die Freigabe von zur Sicherheit abgetretenen Forderungen sinnvoll sein. Auch für die Verwertung von sicherungshalber abgetretenen Forderungen fallen regelmäßig Kosten an, so dass ein Aufschlag um 10 % zur Deckungsgrenze auch hier gerechtfertigt ist. Und wegen der mit der Durchsetzbarkeit der Forderungen verbundenen Ungewissheiten ist ein Aufschlag von 50 % für die Bewertung der abgetretenen Forderungen im Grundsatz ebenfalls angemessen. Dies gilt allerdings nicht für zur Sicherheit abgetretene Lohn- und Gehaltsforderungen, da in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis der Nennwert der abgetretenen Forderung in aller Regel dem realisierbaren Wert entspricht und damit eine Anhebung des Schwellenwerts für den Freigabeanspruch um 50 % nicht gerechtfertigt ist (Nobbe, FS Schimansky, 433 (450)). 4. Adressat des Rückübertragungsanspruchs. Wer Inhaber des Rückübertragungsanspruchs ist, bestimmt sich nach den rechtsgeschäftlichen Beziehungen, die zwischen den beteiligten Personen bestehen. Bei einem Eigensicherungsgeschäft kann der mit dem Kreditschuldner identische Sicherungsgeber als Vertragspartner des Sicherungsvertrags die Rückgewähr des Sicherungsguts verlangen (BGH NJW 1985, 800; 1989, 1732 (1733); Baur/Stürner, § 45 Rn. 28).
60
Bei Drittsicherungsgeschäften ist darauf abzustellen, wer Vertragspartner des Sicherungsnehmers wird: Tritt, wie zumeist, der Dritte selbst mit dem Sicherungsnehmer in rechtsgeschäftlichen Kontakt, so ist die Sicherheit nach Erledigung des Sicherungszwecks auf diesen zurück zu übertragen (Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1172). Erfüllt der Dritte mit der Hingabe der Sicherheit hingegen eine Verpflichtung des Kreditnehmers gegenüber dem Kreditgeber und ist der Sicherungsvertrag zwischen letzteren zustande gekommen, so steht dem Kreditnehmer als Partei des Sicherungsvertrags der Rückübertragungsanspruch zu (BGH, NJW 1989, 1732 (1733); Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1172, BuBWenzel, Rn. 4/49).
61
Dabei ist der Anspruch auf Leistung an den Dritten gerichtet, wenn der Dritte selbst das Recht auf den Sicherungsnehmer übertragen hat. Nach anderer Auffassung soll der Kreditnehmer als Partei des Sicherungsvertrags einen an sich selbst gerichteten Rückübertragungsanspruch haben, wenn dieser gegen den Dritten einen Ersatzanspruch hat (Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1172). Diese Position ist auf den Rechtsgedanken des § 1164 BGB gestützt, wonach eine zur Sicherung einer Drittschuld bestellte Hypothek nach Tilgung der Verbindlichkeit auf den Dritten übergeht, sofern dieser gegen den Eigentümer einen Schadensersatzanspruch hat. Wenngleich das Ergebnis dieser Auffassung aus Sicht des Kreditnehmers vorteilhaft ist, erscheint die entsprechende Anwendung des § 1164 BGB auf nichtakzessorische Sicherheiten, insbesondere auf die Sicherungsgrundschuld nicht angemessen. Hat der Dritte gegen den Eigentümer keinen Ersatzanspruch, so sieht das Hypothekenrecht bei Erlöschen der Forderung die Entstehung einer Eigentümergrundschuld vor (§§ 1163 I S. 2, 1177 I BGB). Ist ein Ersatzanspruch dagegen vorhanden, so bleibt die Hypothek als Fremdhypothek bestehen. Anders ist dies bei nichtakzessorischen Sicherheiten. Der Sicherungsnehmer hat nach Tilgung der Drittverbindlichkeit die Sicherheit zurück zu übertragen. Überträgt er an die falsche Person zurück, macht er sich schadensersatzpflichtig. Aus diesem Grund muss Klarheit über den Verfügungsempfänger bestehen. Letzterer muss für den Sicherungsnehmer aus dem Sicherungsverhältnis
62
Otten
740
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
heraus bestimmbar sein. Der Sicherungsnehmer kann daher mangels anderweitiger Vereinbarungen davon ausgehen, dass er das Sicherungsgut an denjenigen zu übertragen hat, der die Ursprungsverfügung erbracht hat. 63
5. Sicherungsnehmerwahlrecht bei Rückgewähr mehrerer Sicherungsmittel. Sind auf den Sicherungsnehmer mehrere Sicherungsgüter übertragen worden und reduziert sich die gesicherte Forderung infolge Tilgung soweit, dass eine Teilrückgewähr in Betracht kommt, so hat der Sicherungsnehmer ein Wahlrecht, welche Sicherungsgüter er freigibt (§ 268 BGB) (BGH NJW 1997, 1570 (1573); 1998, 671 (673); WM 2002, 1643; NJW 2003, 45; BUB-Wenzel, Rn. 4/274; Clemente, Rn. 425; Nobbe, FS Schimansky, S. 433 (438); Pfeiffer, WM 1995, 1565 (1572)). Dabei ist er aus dem Sicherungsvertrag heraus jedoch verpflichtet, die Interessen des Sicherungsgebers zu berücksichtigen (BGH NJW 1996, 253 (255); Clemente, Rn. 425).
64
6. Sicherungsgeberwahlrecht bezüglich der Art der Rückgewähr. Das Wahlrecht bezüglich der Art der Rückgewähr einer zur Sicherheit gestellten Grundschuld steht dem Sicherungsgeber zu. Sicherungsnehmer kann auf die Grundschuld verzichten, so dass dem mit dem Kreditnehmer identischen Sicherungsgeber eine Eigentümergrundschuld zusteht (§§ 1192, 1169 I BGB). Die Grundschuld kann aufgehoben werden (§§ 1192, 1183, 875 BGB) oder an den Sicherungsnehmer bzw. auf dessen Weisung an einen Dritten abgetreten werden (§§ 1192, 1154 BGB) (BGH NJW-RR 1990, 1202; 1993, 386 (389); 1996, 234; Huber, S. 169). Die Rückübertragung einer Grundschuld löst den dinglichen Anspruch eines nachrangigen Gläubigers auf Löschung einer vorrangigen Eigentümergrundschuld aus (§ 1179 a I BGB). Der Eigentümer kann sich den Rangvorteil und damit die wirtschaftliche Nutzbarkeit einer Grundschuld also nur erhalten, wenn ihm selbst das Wahlrecht bezüglich der Art der Rückgewähr zusteht. Zwar ist dieses Wahlrecht individualvertraglich abdingbar, eine formularmäßige Einschränkung dieses Wahlrechts benachteiligt den Sicherungsgeber aber unangemessen gem. § 307 I BGB und ist daher unwirksam (Otten, Rn. 675; ähnlich: Clemente, Rn. 431, 437).
65
XI. Kündigung des Sicherungsvertrags. Ob der Sicherungsvertrag kündbar ist und wenn ja, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, wird nicht einheitlich beurteilt. So wird vertreten, dass der Sicherungsvertrag nicht kündbar sei, da die Haftung bei nichtakzessorischen Sicherheiten begrenzt und dem Sicherungsgeber das von ihm übernommene Risiko klar sei (so für Fälle, in denen lediglich eine bestimmte Forderung gesichert wird: Gaberdiel, Rn. 606; Reich, S. 80; im Ergebnis auch OLG Stuttgart WM 1988, 1191 (1192)). Eine weitere Meinung wendet auf den Sicherungsvertrag die im Bürgschaftsrecht entwickelten Grundsätze an, wonach eine Kündigung sowohl nach einem gewissen Zeitablauf als auch aus wichtigem Grund in Betracht kommt (Clemente, Rn. 279, Erman-Wenzel, § 1191 Rn. 44; Ganter, WM 2006, 1081 (1086); Rauch/Zimmermann, 1. Kap. Rn. 608; RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 20, Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem. zu § 1191 ff. Rn. 26) Außerdem sollen auf den Sicherungsvertrag die Kündigungsregeln für Dauerschuldverhältnisse anwendbar sein (Clemente, Rn. 278; für Kontokorrentkredite: Gaberdiel, Rn. 605; Schaarschmidt, S. 400; speziell für Sicherungsverträge im Zusammenhang mit Mietverträgen: Derleder, NZM 2006, 601 (607)) und im Zusammenhang mit Sicherungsgrundschulden findet sich zudem die Meinung, dass der Sicherungsgeber jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes den Sicherungsvertrag kündigen können soll (Gerth, BB 1990 78 (81); Huber, S. 179).
66
Richtiger Ausgangspunkt für die Frage der Kündigung des Sicherungsvertrags ist die Feststellung, dass der Sicherungsvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist. Der Sicherungsgeber erbringt nicht eine einmalige Sachleistung, sondern eine durch den Sicherungs-
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
741
zweck bestimmte Dauerleistung. Während der Zeit des Vertragslaufes haben beide Parteien Verhaltenspflichten zu beachten, um den gemeinsamen Vertragszweck – Sicherung bis zur endgültigen Tilgung der Forderung und Rückgewähr nach Wegfall des Sicherungsinteresses – zu erreichen. Damit sind Kündigungsstrukturen vorgegeben. In Betracht kommt sowohl eine ordentliche fristgemäße als auch eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 314 I BGB. Die ordentliche Kündigung ist allerdings nur unter Einhaltung einer angemessenen Frist möglich und darf nicht zur Unzeit erfolgen (BGH NJW-RR 1993, 1460). Wie lang konkret die Frist für die Kündigung bemessen sein muss, richtet sich nach den Umständen im Einzelfalls (BGH NJW 1972, 1128 (1129)). Eine Kündigung kommt im Grundsatz erst dann in Betracht, wenn die Sicherheitenbestellung ihren wirtschaftlichen Sinn entfalten konnte. Der dafür erforderliche Zeitraum hängt maßgeblich von der Art des zu sichernden Kreditgeschäfts ab. Ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren erscheint für eine Überprüfung der Sicherheitenbestellung seitens des Sicherungsgebers regelmäßig angemessen (BGH NJW 1985, 3007). Selbst wenn das Sicherungsbedürfnis des Sicherungsnehmers fortbesteht, ist es dem Kreditschuldner zuzumuten, sich um andere Sicherheiten zu bemühen und den ursprünglichen Sicherungsgeber aus seiner Verpflichtung zu entlassen. Findet der Kreditnehmer keine Ersatzsicherheit, kann dies allerdings zur Folge haben, dass der kreditgebende Sicherungsnehmer die Forderung fällig stellt und die ursprüngliche Sicherheit in Anspruch nimmt. Eine außerordentliche Kündigung kommt bei Eigensicherungsgebern nur in Betracht, wenn der Sicherungsnehmer seine sicherungsvertragstypischen Pflichten verletzt. Bei Drittsicherungsgebern besteht eine solche Kündigungsmöglichkeit demgegenüber, wenn sich die Vermögenslage des Hauptschuldners erheblich verschlechtert hat (BGH NJW-RR 1993, 944 (945)). XII. Eintritt des Sicherungsfalls. Erfüllt der Kreditschuldner die Forderung trotz Fälligkeit nicht, tritt der Sicherungsfall ein. Ab diesem Zeitpunkt ist der Gläubiger im Grundsatz berechtigt, zur Befriedigung seiner Forderung auf das Sicherungsgut zurückzugreifen. Ist er nach dem Sicherungsvertrag allerdings nicht ausdrücklich zur Nutzung des Sicherungsguts berechtigt, so kann er nach Eintritt des Sicherungsfalls die Nutzungen, die von Dritten aus der Vermietung des Sicherungsguts gezogen werden, nicht herausverlangen (BGH, NJW 2007, 216 (217); Büchler, EWiR § 812, 1/07). Für weitere Einzelheiten der Verwertung ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag folgendes: 1. Verwertungsreife. Vom Eintritt des Sicherungsfalls, der sich auf die Fälligkeit der gesicherten Forderung bezieht, ist die Verwertungsreife des Sicherungsguts zu unterscheiden. Mit der tatsächlichen Verwertung darf der Sicherungsnehmer erst beginnen, wenn das Sicherungsgut verwertungsreif ist. Dazu muss zunächst die gesicherte Forderung fällig sein (BGH ZIP 1993, 257 (259); Clemente, Rn. 521; Huber, S. 226; Mühl, FS Serick, S. 285 (291); MünchKommBGB-Quack, Anh. §§ 929 - 936 Rn. 74; MünchKommBGBEickmann, § 1191 Rn. 23; Palandt-Heinrichs, § 398 Rn. 22; Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 30, Reich, S. 146 ff.; RGRK- Joswig, § 1191 Rn. 79; Scholz/Lwowski, Rn. 247; Serick, Bd. III, § 38 II 2 a). 2. Verzug. Ob darüber hinaus noch Verzug oder besondere Umstände (BGH WM 1961, 1297) erforderlich sind, die die Verwertung aus Sicht des Gläubigers notwendig erscheinen lassen, ist umstritten. Die Voraussetzung des Verzugs erlangt dabei nicht wegen der damit verbundenen Mahnpflichten Bedeutung, weil es sich bei einer Forderung regelmäßig um eine Leistungspflicht handelt, die kalendermäßig bestimmt ist und für deren Eintritt es daher gem. § 286 II Nr. 1 BGB keiner Mahnung bedarf. Bedeutung erlangt die Voraussetzung des Verzugs vielmehr dann, wenn der Schuldner trotz Fälligkeit der Forderung nicht leistet, weil ihm eine Einrede zusteht. Weil in diesem
Otten
67
68
69
70
71
742
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Fall kein Verzug vorliegt, könnte der Sichernehmer, hielte man den Verzug für eine Tatbestandsvoraussetzung der Verwertungsreife, nicht mit der Vollstreckung in das Sicherungsgut beginnen. Die den Verzug als Voraussetzung für den Vollstreckungsbeginn ablehnende Meinung führt, sofern überhaupt eine Begründung gegeben wird, im Wesentlichen an, dass der Gläubiger ein Recht auf pünktliche Bezahlung habe (Clemente, Rn. 521; Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 30; Serick, Bd. III, § 38 II 2, § 39 II 2). Die dieser Position vorzuziehende Gegenmeinung argumentiert dagegen mit dem Charakter der Einrede als Leistungsverweigerungsrecht (RGZ 142, 139 (141); AK-Reich, §§ 930, 931 Rn. 65; Baur/ Stürner, § 57 Rn. 44; BuB-Herget, Rn. 4/638; Mühl, FS Serick, S. 285 (291); MünchKommBGB-Quack, Anh. §§ 929 - 936 Rn. 65; Palandt- Heinrichs, § 398 Rn. 22; Pallas, 2. Kap. III 3b; Reich, S. 146 f; Reinicke/Tiedtke, Rn. 449; Reinicke/Tiedtke, DB 1994, 2601 (2607); Scholz/Lwowski, Rn. 247, 249; Westermann, § 44 V 2). Wenn der Schuldner wegen einer solchen Einrede berechtigt ist, die geschuldete Leistung nicht zu erbringen, so darf der Gläubiger auch nicht mit Vollstreckungsmaßnahmen beginnen. Könnte der Sicherungsnehmer mit der Verwertung beginnen, bevor überhaupt geklärt ist, ob und wann die Forderung durchsetzbar ist, so könnte das zu einem endgültigen Rechtsverlust führen, der nicht ersetzbar ist. Eine Ausnahme gilt wegen § 216 I BGB nur bei der Verjährungseinrede (Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 1162). 72
3. Androhung der Verwertung. Selbst wenn sich der Schuldner unter diesen Voraussetzungen mit der Rückzahlung der Forderung in Verzug befindet, muss der Sicherungsnehmer vor Beginn der Verwertung diese unter Setzung einer hinreichenden Frist androhen. Die Androhungspflicht ergibt sich aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten des Sicherungsvertrags, wonach der Sicherungsnehmer auf die berechtigten Interessen seines Vertragspartners Rücksicht zu nehmen hat. Eines Rückgriffs auf § 1234 BGB bedarf es für die Begründung der Androhungspflicht daher nicht (Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 30; Serick, Bd. III, § 38 II 2 c).
73
Das Androhungserfordernis kann durch ausdrückliche Vereinbarung abbedungen werden. Dies gilt allerdings nicht für Lohn- und Gehaltsabtretungen (BGH NJW 1994, 1796; NJW 1995, 2219; NJW-RR 2005, 1408; OLG Stuttgart WM 1994, 110; OLG Celle MDR 1994, 447; OLG Düsseldorf WM 1993, 784). Bei einer Lohnzession hat gerade die Androhung der Verwertung eine doppelte Funktion. Sie soll dem Schuldner Gelegenheit geben, eine andere Finanzierung zu organisieren. Außerdem wird eine solche Vollstreckung regelmäßig dem Arbeitgeber des Sicherungsgebers offengelegt. Hier ermöglicht die Androhung der Vollstreckung dem Sicherungsgeber, sich auf die Situation einzustellen und die weitreichenden Folgen der Offenlegung abzuwenden (BGH, NJW-RR 2005, 1408). Die Unwirksamkeit einer Verwertungsregelung, durch die das Androhungserfordernis bei Lohnzessionen abbedungen wird, greift auf die Abtretung als solcher durch (BGH, NJW 1994, 2754; NJW-RR 2005, 1408; a.A. OLG Köln, WM 2005, 742).
74
XIII. Verwertungswahlrecht bei mehreren Sicherungsmitteln. Stehen dem Sicherungsnehmer mehrere Sicherungsgüter zur Verfügung, so kann er grundsätzlich selbst wählen, welches Sicherungsgut er zuerst verwertet (OLG München WM 1988, 1846 (1848); 1994, 1028 (1029); BuB-Wenzel, Rn. 4/275).
75
XIV. Sorgfaltspflichten bei der Verwertung. Bei der Verwertung hat er im Interesse des Sicherungsgebers Sorgfaltspflichten zu beachten (BGH WM 1980, 442 (444); BGH NJW 1981, 1600, 1987, 2078; 1991, 1946; 1997, 1063 (1064); 2000, 352 (353); Scholz/ Lwowski, Rn. 258) So hat er auf einen möglichst hohen Verwertungserlös hinzuwirken. Er darf bei weiter Zweckerklärung nur solche Forderungen in den Haftungsverband einbeziehen, die er im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs erlangt hat, nicht hingegen
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
743
solche, die von einem Dritten ohne Zustimmung des Kreditnehmers erworben worden sind. Zudem ist er zur Rechnungslegung verpflichtet (BGH WM 1956, 563; BGH WM 1966, 1037; Ganter, WM 1999, 1741 (1742)). Erfüllt der Sicherungsnehmer die sich aus dem Sicherungsvertrag ergebenden Sorgfaltspflichten nicht, macht er sich schadensersatzpflichtig (BGH NJW 1994, 2754; 1997, 2672 (2673); 2000, 352 (353). XV. Art der Verwertung. 1. Lohnzession. Enthält der Sicherungsvertrag bei einer Lohnzession über die Art der Verwertung keine ausdrückliche Regelung, so treten die dinglichen Wirkungen des Rechtsgeschäfts nicht ein (BGH NJW 1992, 2626; 1994, 864; 1994, 2754; OLG Stuttgart WM 1994, 626; 110). Im Gegensatz dazu hat bei Sicherungsverträgen, die im Zusammenhang mit der Bestellung anderer nichtakzessorischer Sicherheiten stehen, die Nichtregelung der Verwertungsregeln keinen Einfluss auf die dingliche Wirksamkeit des Sicherungsvertrags. Die Art der zu wählenden Verwertung ergibt sich dann durch ergänzende Auslegung des Sicherungsvertrags.
76
2. Sicherungsübereignung. Bei einer Sicherungsübereignung stellt sich die freihändige Veräußerung regelmäßig als die günstigste Verwertungsmöglichkeit dar (BGH NJW 1991, 1063 (1064); Bülow, WM 1985, 405 (409); Geißler, KTS 1989, 787 (793); Reinicke/ Tiedtke, DB 1994, 2601 (2608); Serick, Bd. III, § 38 I 2 c). Die zur Sicherung übereignete Sache wird am Markt angeboten, so dass im Rahmen des Wettbewerbs ein bestmöglicher Erlös erzielt werden kann. Ein langwieriges Verfahren ist nicht einzuhalten. Zusätzliche Kosten wie etwa bei der Zwangsversteigerung des Sicherungsguts nach erfolgter Pfändung (dazu Scholz/Lwowski, Rn. 616) oder beim Pfandverkauf (§§ 1233 I, 1235 I, 383 III ff. BGB) entstehen nicht. Nur bei ausdrücklicher Vereinbarung kommt ein Selbsteintrittsrecht des Sicherungsnehmers oder gar der Verfall des Sicherungsguts in Betracht. Diese Formen der Verwertung garantieren keinen Vermögensausgleich anhand der objektiv erzielbaren Werte, weil sie jeweils keinen Bezug zu objektiven Marktmechanismen haben. Bei dieser Art der Verwertung ist der Sicherungsgeber wesentlich mehr als bei anderen Verwertungsformen darauf angewiesen, dass der Sicherungsnehmer bezüglich der Bewertung des Sicherungsgegenstands vertrauenswürdig und sachkompetent ist, weil bei der Bewertung des Sicherungsguts kein Dritter oder ein öffentliches Verfahren als Wertkorrektiv hinzutritt. Aus dem bloßen Sicherungszweck des Sicherungsvertrags lässt sich ein Selbsteintrittsrecht des Sicherungsnehmers daher nicht ableiten (BGH NJW 1980, 226; Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 33).
77
3. Forderungsabtretung. Eine zur Sicherheit abgetretene Forderung kann der Sicherungsnehmer nach Eintritt der Verwertungsreife einziehen, sie durch Abtretung weiterveräußern oder sie selbst übernehmen (Baur/Stürner, § 58 II 4; Becker-Eberhard, S. 644, Palandt-Heinrichs, § 398 Rn. 22, Scholz/Lwowski, Rn. 782, 783). Die Zwangsversteigerung der Forderung kommt ohne ausdrückliche Vereinbarung wegen der damit verbundenen Kosten nicht als Verwertungsmöglichkeit in Betracht. Veräußert der Sicherungsnehmer die Forderung an ein Factoringunternehmen im Rahmen eines echten Factoringvertrags, so wirkt sich die zu entrichtende Provision nicht zu Lasten des Sicherungsgebers aus. Bei der Verrechnung mit der gesicherten Forderung ist stets der Betrag anzusetzen, der bei Einziehung der Forderung erzielbar gewesen wäre.
78
4. Sicherungsgrundschuld. Eine Grundschuld kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung durch Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung oder freihändige Veräußerung verwertet werden. Die freihändige Veräußerung erfolgt bei der Sicherungsgrundschuld durch isolierte Abtretung des Grundpfandrechts. Die Zulässigkeit einer solchen freihändigen Veräußerung ohne vorherige Vereinbarung lässt sich nicht mit einem Hinweis auf § 1245 BGB bestreiten (so aber Clemente, Rn. 539; Palandt-Bassenge, § 1191 ff. Rn. 33; Stau-
79
Otten
744
80
81
82
83
84
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
dinger-Wolfsteiner, Vorbem. zu §§ 1191 ff. Rn. 93). Bei der Verwertung von nichtakzessorischen Sicherheiten steht die Erzielung eines möglichst hohen Veräußerungserlöses im Vordergrund. Dies erfolgt auch im Interesse des Grundstückeigentümers. Ein formalisiertes Verfahren steht diesem Interesse in der Regel entgegen (Baur/Stürner, § 45 Rn. 58; Huber, S. 241; MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 55, 59; RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 84; Serick, Bd. III, § 39 113). Im Fall der Verwertung durch Zwangsversteigerung stehen dem Ersteher eines Grundstücks keine aus dem mit dem ursprünglichen Eigentümer abgeschlossenen Sicherungsvertrag zu. Er tritt nicht automatisch in dieses Vertragsverhältnis ein (BGH NJW 2003, 2673). XVI. Herausgabeanspruch. Befindet sich eine sicherungsübereignete Sache wegen eines vereinbarten Besitzkonstituts beim Sicherungsgeber, so steht dem Sicherungsnehmer nach Eintritt der Verwertungsreife aus dem Sicherungsvertrag ein Herausgabeanspruch zu (OLG Köln WM 1994, 1244; Scholz/Lwowski, Rn. 615). Der Herausgabeanspruch ist wertmäßig auf die gesicherte Forderung begrenzt. Bei teilbarem Sicherungsgut besteht der Herausgabeanspruch entsprechend nur in dem Umfang, in dem die Verwertung des Sicherungsguts zur Erzielung eines die Forderung des Gläubigers deckenden Verwertungserlöses erforderlich ist (BGH, WM 1961, 243; Reich, S. 151). XVII. Umfang der Verwertung. Steht dem Sicherungsnehmer zur Verwertung eine sicherungsübereignete Sachgesamtheit zur Verfügung, so darf er davon stets nur so viele Teile verwerten, wie zur Befriedigung seiner Forderungen notwendig ist. Bei der Beurteilung, wie viel Sicherungsgut zur Befriedigung der Forderungen notwendig sein wird, steht ihm ein gewisser Spielraum zu. Verwertet der Sicherungsnehmer hingegen eine zur Sicherheit abgetretene Forderung, deren Wert über dem der gesicherten Forderung liegt, so ist er berechtigt, die gesamte Forderung zum Nennwert einzuziehen und einen Übererlös später auszukehren (Becker-Eberhard, S. 670). Die Abtretung einer Grundschuld darf wegen der sonst bestehenden Gefahr der Doppelinanspruchnahme immer nur in der Höhe erfolgen, die der gesicherten Forderung entspricht. Ein verbleibender Grundschuldteil fällt an den Eigentümer des Grundstücks bzw. den davon verschiedenen Sicherungsgeber zurück (RGRK-Joswig, § 1191 Rn. 85). XVIII. Verrechnung und Auskehr des Verwertungserlöses. Ist die Verwertung durchgeführt worden, so sind aus dem Verwertungserlös die gesicherten Forderungen zu tilgen. Hat der Sicherungsnehmer selbst den Erlös empfangen, so ist der die gesicherten Forderungen übersteigende Erlösanteil an den Sicherungsgeber auszukehren (Becker-Eberhard, S. 649; Scholz/Lwowski, Rn. 284). Der Rückgewähranspruch wandelt sich nach Verwertung des Sicherungsguts in den Anspruch auf Auskehr des Übererlöses um. Stehen dem Sicherungsnehmer Forderungen zu, die nicht in den Sicherungsverband des Sicherungsguts fallen, so darf er einen etwaigen Übererlös nicht mit seinen noch bestehenden Forderungen aufrechnen (BGH WM 1971, 1120 (1121); Bülow, JuS 1991, 529 (536) bzw. ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 I BGB) geltend machen (BGH ZfIR 2000, 549; Knops, EWiR 2000, 1099 f.). Bei Abtretung einer Grundschuld unterhalb ihres Nennwertes hat der Sicherungsnehmer durch ein Sachverständigengutachten sicherzustellen, dass sich aus der Veräußerung des Grundstück kein höherer Veräußerungserlös erzielen ließe. Mit einer solchen Abtretung setzt der Sicherungsnehmer den Sicherungsgeber nämlich stets der Gefahr aus, dass die Grundschuld in voller Höhe geltend gemacht wird, obwohl die Forderung nur in Höhe des für die Abtretung erzielten Erlöses erlischt. Verzichtet der Sicherungsnehmer auf die Einholung eines solchen Gutachtens, so hat er das Risiko eines Mindererlöses zu tragen, d.h. die gesicherte Forderung erlischt in vollem Umfang (Huber, S. 246; a.A. MünchKommBGB-Eickmann, § 1191 Rn. 59, Serick, Bd. III, § 39 II 3 c).
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
745
D. Haftungsumfang – Zweckerklärung
85
I. Abgrenzung enge und weite Zweckerklärung. Wesentlicher Inhalt des Sicherungsvertrags ist die Zweckerklärung, durch die sich der Haftungsumfang des übertragenen Sicherungsgutes bestimmt. In den Formularen der Kreditinstitute finden sich oftmals alternativ enge und weite Zweckerklärungen, die in dem jeweiligen Vertrag durch Ankreuzen auszuwählen sind. Die enge Zweckerklärung begrenzt die Haftung des Sicherungsmittels auf eine konkret benannte Forderung. Demgegenüber erstreckt die weite Zweckerklärung die Haftung des Sicherungsmittels sowohl auf alle bestehenden gegenwärtigen als auch auf zukünftige Forderungen des Sicherungsnehmers gegen den Kreditnehmer. II. Individuelle Vereinbarung. Individualvertraglich steht es den Parteien offen, den Sicherungszweck eng oder weit zu fassen, solange die gesicherten Forderungen hinreichend individualisierbar sind (BGH NJW 1992, 896; 1448, 1994, 1656; Derleder, NJW 1986, 97; Horn, FS Merz, S. 217; MünchKommBGB-Habersack, § 765 Rn. 68; Reich/Schmitz, NJW 1995, 2533; Reich, NJW 1995, 1857 (1859); Reinicke/Tiedtke, DB 1995, 2301 f.; JZ 1986, 426 (427); Staudinger-Horn, § 765 Rn. 13; Wolf/Horn/Lindacher-Wolf, § 9 Rn. B 212). Wird zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber nur die Absicherung einer konkreten Forderung verhandelt, soll es sich nach in der Literatur vertretenen Auffassung stets um eine Individualabrede mit engem Sicherungszweck handeln, die einer formularvertraglichen Vereinbarung vorgeht (Knops, ZIP 2006, 1965 (1966)). Allerdings trifft die Beweislast hierfür regelmäßig den Sicherungsgeber, der im Einzelfall ggf. gegen den Anschein einer formularvertraglich niedergelegten weiten Zweckerklärung darlegen muss, dass anlässlich des Abschlusses des Sicherungsvertrags nur die Sicherung einer seinerzeit bestimmten einzelnen Forderung Gegenstand der Verhandlungen gewesen war.
86
III. Formularvertrag. Verwenden die Parteien bei Abschluss des Sicherungsvertrags Formularverträge, so ist die Vereinbarung weiter Zweckerklärungen – abhängig von den jeweiligen Sicherungskonstellationen – umstritten, wenn das Sicherungsgeschäft zunächst nur aus Anlass eines konkret zu sichernden Kredites gewährt worden war. Eine weite Zweckerklärung kann in solchen Fällen sowohl überraschend i.S.d. § 305 c BGB als auch unangemessen i.S.d. § 307 BGB sein.
87
IV. Anlassrechtsprechung. Die Verwendung weiter Zweckerklärungen bei Bürgschaften hat zu einer Reihe von BGH-Urteilen geführt, die sich als sog. Anlassrechtsprechung mit der Wirksamkeit weiter Zweckerklärungen bei Bürgschaften beschäftigt, die zunächst aus einem konkreten Anlass eingeräumt worden waren (BGH NJW 1996, 2369; 1998, 450; 1999, 3195; 2000, 658; 2580).
88
1. Ausgangsentscheidung. Die Ursprungsentscheidung, auf der diese Anlassrechtsprechung beruht, ist zu einer weiten Zweckerklärung bei Sicherungsgrundschulden ergangen (BGH, NJW 1982, 1035). Das Gericht hielt die weite Zweckerklärung, die von einem Dritten anlässlich der Absicherung eines konkreten Fremddarlehens hingegeben worden war, für unwirksam. Dazu führte es aus, dass ein Drittsicherungsgeber durch eine weite Zweckerklärung die Möglichkeit verliere, eigenen Einfluss darauf zu nehmen, für welche Forderungen er hafte und für welche nicht. Zudem brauche derjenige, der zur Sicherung eines fremden Darlehens eine Sicherheit stelle, nicht damit zu rechnen, dass ohne besondere, mit ihm ausgehandelte Vereinbarung das Sicherungsgut als Sicherheit für alle zukünftigen Forderungen aus der laufenden Geschäftsverbindung zwischen dem Darlehensschuldner und dem Darlehensgläubiger diene.
89
2. Anlassrechtsprechung bei Bürgschaften. Diese Argumentation wurde erstmals in 1994 (BGH NJW 1994, 2145) auf weite Zweckerklärungen bei Bürgschaften übertragen und seitdem dahin spezifiziert, dass eine weite Zweckerklärung überraschend i.S.d. § 3
90
Otten
746
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
AGBG (§ 305 c BGB) ist, weil der Bürge sich bei einem anlassbezogenen Sicherungsgeschäft für eine bestimmte, der Höhe nach begrenzte Forderung verpflichtet habe und daher nicht mit einer anders lautenden Formularklausel zu rechnen brauche. Zudem soll eine solche weite Zweckerklärung bei anlassbezogenen Sicherungsgeschäften nach dieser Rechtsprechung auch unwirksam nach § 307 BGB, weil sie dem Leitgedanken des § 767 I S. 3 BGB, d.h. dem Verbot der Fremddisposition nicht entspreche (BGH NJW 1995, 2553) Vgl. dazu ausführlich § 20 Rn. 22 ff. 91
3. Anlassrechtsprechung und Schuldbeitritt. Für eine formularmäßig weite Zweckerklärung, die im Zusammenhang mit einem anlassbezogenen Schuldbeitritt vereinbart worden war, gelten dieselben Grundsätze (BGH NJW 1996, 249). Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Schuldbeitritt zwar nicht gesetzlich geregelt sei, das Verbot der Fremddisposition hier jedoch auch gelte.
92
4. Anlassrechtsprechung bei nichtakzessorischen Sicherheiten. In Bezug auf eine Zweckerklärung, die ein Drittsicherungsgeber bei der Bestellung einer nichtakzessorischen Sicherheiten abgegeben hat, ist der BGH teilweise von seiner ursprünglichen Auffassung wieder abgerückt. Zwar soll eine anlassbezogen abgegebene weite Zweckerklärung immer noch überraschend i. S. d. § 305 c BGB sein (BGH NJW 1997, 2320; 2677; 2001, 1417 (1419); 2002, 2710 f.). Zu diesem Grundsatz bestehen allerdings Ausnahmen (BGH NJW 1991, 3141; 1987, 1885; 1987, 946). Anders als bei der Bestellung von Bürgschaften soll eine weite Zweckerklärung hier nicht gegen § 307 BGB verstoßen. Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweckbindung einer Grundschuld seien nicht gesetzlich festgelegt, sondern frei vereinbar. Das Verbot der Fremddisposition sei auf die Bestellung von Sicherungsgrundschulden nicht anwendbar, weil es wegen der sich schon aus dem Sicherungsgut selbst ergebenden Haftungsbeschränkung an einem entsprechenden Schutzbedürfnis fehle (BGH, NJW 1997, 2677).
93
Im Ergebnis fand die Anlassrechtsprechung zur Bürgschaft in der Literatur Zustimmung (Horn, ZIP 1997, 525; MünchKommBGB-Habersack, § 765 Rn. 72, Staudinger-Horn, § 765 Rn. 49). Inhaltlich wurde aber das Abstellen auf den in § 767 I 3 BGB zum Ausdruck kommenden Leitgedanken des Verbotes der Fremddisposition kritisiert (Tiedtke, JZ 1998, 732). Der Grundsatz, dass eine Bürgenverbindlichkeit nicht nachträglich durch Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Bürgschaftsnehmer erweitert werden dürfe, ergebe sich bereits aus der strengen Akzessorietät der Bürgschaft. § 767 I 3 BGB habe insoweit eine rein klarstellende Funktion. Die unangemessene Benachteiligung liege vielmehr darin, dass der Bürge, der infolge einer weiten Zweckerklärung auch für andere Schulden des Hauptschuldners einzustehen habe, eine unkalkulierbare, uferlose Haftung übernehme.
94
Entsprechend wird in der Literatur auch vertreten, dass die Verwendung einer weiten Zweckerklärung auch bei anlassbezogenen nichtakzessorischen Drittsicherungsgeschäften unangemessen sei (§ 307 BGB), weil es hier zu einer gleichermaßen unkalkulierbaren Haftung des Drittsicherungsgebers komme (§ 18 Rn. 18; Tiedtke, ZIP 1997, 1949).
95
Diese überzeugende Position geht davon aus, dass gem. § 307 I Nr. 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 I S. 1 BGB auch vorliegt, wenn wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Der Verwender von AGB soll seinem Vertragspartner keine wesentlichen Rechtspositionen wegnehmen, die der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck üblicherweise gewährt. Typischer Vertragszweck des Sicherungsvertrags ist die Sicherung der Forderung des Sicherungsnehmers und die Rückgewähr des Sicherungsguts nach Wegfall des Sicherungszwecks. Bei einer anlassbezogenen
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
747
Sicherung ist der Sicherungszweck durch den Umfang der konkreten Forderung begrenzt. Mit der Haftungserweiterung auf alle zwischen dem Kreditnehmer und dem Sicherungsnehmer bestehenden Verbindlichkeiten wird dem Sicherungsnehmer die Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs solange verwehrt, wie aus dem Geschäftsverhältnis zwischen Sicherungsnehmer und Kreditnehmer noch Verbindlichkeiten bestehen. Der Rückübertragungsanspruch nach Tilgung der Anlassverbindlichkeit wird durch die weite Zweckerklärung faktisch gegenstandlos. Der Zweck des Sicherungsvertrags wird aufgehoben. Die damit vorhandene Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung ist auch nicht durch eine Gesamtinteressenabwägung widerlegbar. Das Verbot der Fremddisposition ist keineswegs auf die Vereinbarung von Bürgschaften beschränkt, sondern stellt eine zivilrechtliche Grundentscheidung dar (Horn, FS Merz, S. 217). Legen die Parteien bei einer Drittsicherung eine weite Zweckerklärung zugrunde, so ermöglichen sie damit aber dem Schuldner der Forderung, den Haftungsumfang der von dem Dritten gestellten Sicherheit beliebig zu erweitern. Eine solche Fremdsteuerung steht den Interessen des Drittsicherungsgebers entgegen. Außerdem ergibt sich die Unwirksamkeit der weiten Zweckerklärung bei Drittsicherungen auch unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebotes. Es ist nicht Sache des Drittsicherungsgebers, den Gegenstand und Umfang seiner Haftung zu erforschen. Letzteres hat sich bereits aus den verwandten Formularen zu ergeben. Bei einer weiten Zweckerklärung ist der Haftungsumfang des Sicherungsmittels aber nicht einmal annähernd bestimmbar. Auch aus diesem Grund ist die Verwendung einer weiten Zweckerklärung bei nichtakzessorischen anlassbezogenen Drittsicherungsgeschäften gem. § 307 I S. 1 BGB unwirksam. Mehrheitlich stimmt die Literatur der Rechtsprechung des BGH zur weiten Zweckerklärung bei anlassbezogener Drittsicherung durch nichtakzessorische Sicherheiten jedoch zu. Eine hier abgegebene weite Zweckerklärung benachteilige den Drittsicherungsgeber nicht unangemessen, weil dessen Haftung zum einen durch das Sicherungsmittel per se schon begrenzt sei und zudem bei nichtakzessorischen Sicherheiten eine dem § 767 I S. 4 BGB entsprechende Norm fehle (BuB-Wenzel, Rn. 4/2322; zustimmend ohne Begründung: Gaberdiel, Rn. 689; Hadding, EWiR 1997, 1105; Siol, WM 1996, 2217; Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 83 Rn. 144 a; Schimanskiy/Bunte/Lwowski-Epp, § 94 Rn. 323; Rösler, WM 1998, 1377; Volmer, WM 1998, 914). V. Weite Zweckerklärungen bei Eigensicherungsgeschäften. Die formularmäßige Verwendung weiter Zweckerklärungen bei Eigensicherungsgeschäften soll nach Auffassung des BGH weder überraschend i.S.d. § 305 c I BGB sein noch zu einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB führen. Die in den Einzelentscheidungen gegebenen Begründungen sind unterschiedlich. Bei einem Eigensicherungsgeber könne man stets davon ausgehen, dass dieser die gesamte Geschäftsverbindung absichern wolle (BGH, NJW 1981, 756). In der Kreditsicherungspraxis sei die Einbeziehung sämtlicher Verbindlichkeiten in den Haftungsverband eines Sicherungsmittels üblich, der Sicherungsgeber müsse also mit einer weiten Zweckerklärung rechnen. Zudem könne eine solche weite Haftung auch in seinem Interesse sein, weil er das Sicherungsmittel für spätere Kredite ausnutzen könne (BGH NJW 1987, 2228; 1989, 831). Das Risiko zukünftiger Haftung sei für den Eigensicherungsgeber vermeidbar, da er seine Verbindlichkeiten selbst steuern könne. Die weite Zweckerklärung unterliege zudem der freien Vereinbarung und weiche daher nicht von einem gesetzlichen Leitbild ab. Daher sei sie bei Eigensicherungsgeschäften weder überraschend i.S.d. 305 c I BGB noch benachteilige sie den Eigensicherungsgeber unangemessen (BGH NJW 1997, 2320; 2000, 2675 (2676).
Otten
96
97
98
748
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
99
Zu Recht hat diese Rechtsprechung Kritik erfahren. Auch der Eigensicherungsgeber muss bereits bei Abschluss des Sicherungsvertrags abschätzen können, bis zu welcher Höhe das Grundstück im Sicherungsfall haften soll. Durch Vereinbarung einer weiten Zweckerklärung verliert er künftiges Vermögen, weil er den nach Tilgung der Ursprungsforderung bestehenden Rückgewähranspruch nicht mehr unmittelbar geltend machen kann. Der bei § 305 c BGB zu überprüfende Überrumpelungseffekt ist allein nach den Umständen des konkreten Vertragsschlusses zu beurteilen. Auch ein privater Darlehensnehmer, der zur Sicherung eines eigenen Kredits eine Sicherheit stellt, rechnet - zumeist in Sicherungsgeschäften unerfahren - nicht damit, dass weitere Verbindlichkeiten in die Haftung des Sicherungsmittels einbezogen werden (Knops, S. 59 f.; ZfIR 1998, 577 (583 f.); EWiR 2000, 799; ZIP 2006, 1965 (1967); Volmer, WM 1998, 914; Weber/Bonin, EWiR 2000, 797). Die generelle Üblichkeit solcher Vertragsgestaltungen ist dabei nicht maßgeblich. Bei der Beurteilung nach § 305 c I BGB ist auf die konkreten individuellen Begleitumstände des einzelnen Sicherungsgeschäfts abzustellen (Weber, ZfIR 1999, 2 (5); a.A. § 18 Rn. 17; Rehbein, FS Heinsius, S. 659 (669); Rösler, WM 1998, 1377 (1378)).
100
Eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB ergibt sich zudem daraus, dass das Sicherungsmittel für Verbindlichkeiten haftet, für die der Gläubiger ansonsten eine derartige Sicherheit nicht verlangt hätte. Das für die zusätzlichen Kredite haftende Sicherungsmittel verringert das Verlustrisiko des Sicherungsnehmers, wirkt sich aber regelmäßig nicht in den Konditionen der übrigen Darlehen aus. Der Sicherungsgeber erhält für die Absicherung zusätzlicher Kredite demzufolge keine Gegenleistung (Knops, S. 61; ZfIR 1998, 577 (585); Otten, Rn 852; vgl. auch § 10 Rn. 34; a. A. § 18 Rn. 17; Weber, ZfIR 1999, 2).
101
VI. Weite Zweckerklärung und Forderungen Dritter. Forderungen Dritter gegen den Sicherungsgeber, die der Sicherungsnehmer in banküblicher Weise erwirbt, sollen nach Auffassung des BGH in den Haftungsverband eines Sicherungsmittels fallen, wenn zwischen den Parteien eine weite Zweckerklärung vereinbart ist (BGH WM 1964, 813; Clemente, ZIP 1990, 969 (972). Allerdings sind durch die Beschränkung des Erwerbs der Forderung „in banküblicher Weise“ solche Forderungen ausgeschlossen, die die Bank aus eigenem Anlass ohne Auftrag des Sicherungsgebers erworben hat (BGH NJW 1985, 849; 1987, 2228; Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner, AGBG, Anh. §§ 9 - 11 Rn. 663).
102
E. Beweislast Den Abschluss und Inhalt des Sicherungsvertrags hat im Grundsatz derjenige zu beweisen, der aus dem Vertrag Ansprüche ableitet (BGH NJW-RR 1991, 759; BGH NJW 1992, 1620; 2002, 1578 (1580)). Im Einzelnen folgt aus diesem Grundsatz, dass der Sicherungsgeber, der die (Teil)Rückgewähr des Sicherungsguts begehrt, weil die zu sichernde Forderung teilweise oder ganz getilgt ist, den Sicherungscharakter der Rechtsübertragung und den (teilweisen) Fortfall der gesicherten Forderung und damit des Sicherungszwecks beweisen muss. In diese Beweislast eingeschlossen ist bei Teilrückgewähr auch diejenige für den Schätzwert des Sicherungsguts und für die Überschreitung der Deckungsgrenze (BGH GS, NJW 1998, 671). Tritt der Sicherungsnehmer dem Herausgabeverlangen mit der Einwendung entgegen, das Sicherungsgut sei ihm geschenkt worden, so hat der Sicherungsgeber den Abschluss und die Wirksamkeit des Sicherungsvertrags ebenfalls zu beweisen (BGH, WM 1962, 1372; Baumgärtel/Laumen, § 1006 Rn. 14).
103
Behauptet und beweist der Sicherungsnehmer die Vereinbarung einer weiten Zweckerklärung und bei formularmäßiger Vereinbarung auch den Hinweis auf die weite Zweckerklärung (BGH NJW 1992, 1822), so hat der Sicherungsgeber zu beweisen, dass sämt-
Otten
§ 23 Sicherungsvertrag
749
liche in den Haftungsverband fallenden Forderungen getilgt sind (BGH MDR 1997, 495 (496); BGH NJW 1991, 1746 (1750)). Den Erwerb des Sicherungseigentums muss der Sicherungsnehmer beweisen (Baumgärtel/Laumen, § 930 Rn. 6). Da zum Erwerbstatbestand bei der Sicherungsübereignung regelmäßig auch die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses gehört, obliegt dem Sicherungsnehmer damit auch der Beweis, dass im Rahmen des Sicherungsvertrags ein Besitzmittlungsverhältnis abgeschlossen worden ist bzw. dass der Sicherungsvertrag besteht. Gegenüber einer Klage aus einer Sicherungsgrundschuld hat der Sicherungsgeber die Wirksamkeit des Sicherungsvertrags und die Umstände, die seinen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld begründen, zu beweisen (BGH, NJW- RR 1991, 759; BGH NJW 1991, 1746; Baumgärtel/Laumen, § 1191 Rn. 3).
Otten
104
105
“This page left intentionally blank.”
§ 24 Sicherungsgrundschuld
751
§ 24 Sicherungsgrundschuld
Schrifttum Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld, 3. Aufl. 1999; Aktuelle Entwicklungen beim Anspruch auf Rückübertragung einer Sicherungsgrundschuld, ZfIR 1997, 127; Die Anrechnung des Verwertungserlöses auf die gesicherten Forderungen, ZfIR 1998, 61; Nochmals: Die Anrechnung des Verwertungserlöses auf die von der Grundschuld gesicherten Forderungen, ZfIR 2000, 1; Neuere Entwicklungen im Recht der Grundschulden, BKR 2002, 975; Persönliche Haftungsübernahme in der Grundschuldbestellungsurkunde, ZfIR 2004, 497; Verwertung der nicht akzessorischen Grundschuld im Rahmen eines Forderungsverkaufs, ZfIR 2007, 737; Clemente/Lenk, Planmäßige Übersicherung durch Grundschuldzinsen, ZfIR 2002, 337; Derleder, Die Kreditabwicklung bei gescheiterten Steuersparmodellen des Immobiliensektors, ZfIR 2003, 177; Ertl, Verdeckte Nachverpfändung und Pfandfreigabe von Grundstücken, DNotZ 1990, 684; Freckmann, Praktische Fragen der Sicherungsgrundschuld, BKR 2005, 167; Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden, 6. Aufl. 2000; Gursky, Gutglaubensschutz bei der Ablösung von Grundpfandrechten, WM 2001, 2361; Hahn, Grundschuld und abstraktes Schuldversprechen, ZIP 1996, 1233; Hirschberger, Die Doppeltreuhand in der Insolvenz und Zwangsvollstreckung, 2005; Huber, Die Sicherungsgrundschuld, 1965; Einreden gegen die Grundschuld, FS Serick, 1992, S. 195; Jacoby, Die Befriedigung aus dem Grundschulderlös, AcP 203 (2003), 664; Joswig, Beweis- und Darlegungslast bei der Grundschuld, ZfIR 2001, 613, 712; Kesseler, Wertlosigkeit der Abtretung von Rückübertragungsansprüchen an vor- oder gleichrangigen Grundschulden im Fall der Insolvenz?, NJW 2007, 3466; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobiliarkreditverhältnissen (Darlehensbegründung und -kündigung, Vorfälligkeitsentschädigung, Ersatzkreditnehmerstellung, Grundschuldablösung und -übernahme), 2000; Darlehensgewährung und Grundpfandbestellung, ZfIR 1998, 577; Tilgungsverrechnungsklauseln bei der Sicherungsgrundschuld, ZfIR 2000, 501; Die „weite“ Sicherungszweckerklärung des persönlich schuldenden Eigentümers in der AGB-Kontrolle, ZIP 2006, 1965; Lwowski, Verdeckte Nachverpfändung bei einer Eigentümergrundschuld, DNotZ 1979, 328; Marburger, Grundschuldbestellung und Übernahme der persönlichen Haftung, 1998; Peters, Grundschuldzinsen, JZ 2001, 1017; Rein, Der Löschungsanspruch eines nachrangigen Grundschuldgläubigers in der Insolvenz des Grundstückseigentümers, NJW 2006, 3470; Reinicke/Tiedtke, Der Übergang der verbürgten Forderung auf den Bürgen als Nachteil für den Gläubiger, DB 1990, 1953; Rösler/Fischer, Sicherungszweckvereinbarung als zentraler Bestandteil aller Kreditsicherheiten: Probleme aus AGB-Kontrolle und Akzessorietät, BKR 2006, 50; Stöber, Nebenleistungen einer Grundschuld, ZIP 1980, 613; Tiedtke, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bürgschaftsrecht seit 1990, ZIP 1995, 521; Zur Anlassrechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Grundschuldrecht, ZIP 1997, 1949; Tonner, Probleme des novellierten Widerrufsrechts: Nachbelehrung, verbundene Geschäfte, Übergangsvorschriften, BKR 2002, 856; Vinke, Verrechnung des Erlöses aus der Verwertung einer Grundschuld für Verbindlichkeiten sowohl des Sicherungsgebers als auch eines Dritten, FS Schimansky, 1999, S. 563; Wenzel, Die Rechtsstellung des Grundpfandrechtsgläubigers im Insolvenzverfahren, NZI 1999, 101; Wilhelm, Sicherungsgrundschuld und Einreden gegen den Dritterwerber, JZ 1980, 625. Inhaltsübersicht A. Begriff und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Begründung der Sicherungsgrundschuld. . . . . . . 2 I. Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1. Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Vertragsschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4. Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5. Verbraucherverträge . . . . . . . . . . . . . . . 12 6. Sicherungszweckerklärung . . . . . . . . . 16 II. Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Abstraktheit der Grundschuld . . . . . . . 37 4. Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . 39 III. Bestellung weiterer Sicherheiten. . . . . . . . 40
1. Anlässlich der Grundschuldbestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . C. Anspruch aus der Grundschuld . . . . . . . . . . . . . I. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fälligkeit und Zahlungsort. . . . . . . . . . II. Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . III. Prozessuale Durchsetzung . . . . . . . . . . . . D. Verwertung der Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . I. Zwangsweise Verwertung . . . . . . . . . . . . . 1. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . .
Jacoby
40 47 48 48 48 51 52 53 54 56 57 59 60 60
752
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
2. Freihändige Verwertung. . . . . . . . . . . . 3. Erlösverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungen auf die Grundschuld . . . . . . . . 1. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verrechnung von Zahlungen . . . . . . . . 3. Erlösverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verwertung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . E. Rückgewähr bei Beendigung des Sicherungsvertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I.
69 71 77 77 78 82 84
II. 86
Rückgewähranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legitimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Prozessuale Durchsetzung . . . . . . . . . . 6. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragungsanspruch zum Zwecke des Regresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86 86 89 92 93 94 96 97
Stichwortverzeichnis Abstraktheit der Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 ff., 42, 44 f. Anwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Belastungsgegenstand einer Grundschuld . . . . . . . 22 Doppeltilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Eigentümergrundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 35 Fernabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Gesamtgrundschuld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 29, 93 Grundschuldzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 49 Haustürgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Haftungsverband der Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . 50 Haftungsübernahme, persönliche . . . . . . . . . . . . . . 41 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 84, 95 Löschungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 64 Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Nachverpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 f. Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 51, 64
1
Rechtsnatur des Sicherungsvertrages . . . . . . . . . . . 4 Regress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ff. Rückgewähranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 ff. Tilgungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 79 ff. Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 59, 67, 86 Übererlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67, 73 Übersicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 93 Veräußerung, freihändige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Verbraucherdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Vertragsparteien des Sicherungsvertrages . . . . . . . . 2 Verrechnungsklausel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Verwertung, freihändige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Vollstreckungsunterwerfung . . . . . . . . . . . . . .31, 43 f. Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff. Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Zweckerklärung, enge, weite . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
A. Begriff und Bedeutung Die Sicherungsgrundschuld ist eine Fremdgrundschuld, die den Inhaber wegen einer Forderung gegen den Eigentümer oder Dritten dadurch sichert, dass der Inhaber sich bei Nichterfüllung der gesicherten Forderung aus der Grundschuld befriedigen darf. Die Sicherungsgrundschuld hat sich im Rechtsverkehr als typisches Mittel zur Sicherung von Realkrediten durchgesetzt. Vorteil der Sicherungsgrundschuld im Gegensatz zur akzessorischen Hypothek ist, dass sie als fiduziarisches Sicherungsmittel von der zu sichernden Forderung unabhängig (Rn. 37) ist. Wie alle fiduziarischen Treuhandhandverhältnisse ist das Institut der Sicherungsgrundschuld nicht gesetzlich geregelt. Die Sicherungsgrundschuld zeichnet sich durch zwei Elemente aus. Der Sicherungsnehmer wird Inhaber einer Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB). Seine dinglichen Befugnisse aus der Grundschuld (Rn. 48 ff.) werden aber durch einen schuldrechtlichen Sicherungsvertrag, auch als Sicherungsabrede bezeichnet, begrenzt. Im Sicherungsvertrag verpflichtet sich der Sicherungsnehmer, seine Befugnisse aus der Grundschuld lediglich zu dem vereinbarten Sicherungszweck auszuüben. Diese Zweiteilung offenbart den Charakter der Sicherungsgrundschuld als Treuhandverhältnis (vgl. BGHZ 133, 25 (30)): Der Sicherungsnehmer (Treuhänder) besitzt die volle Rechtsmacht über die Grundschuld (Treugut), darf diese Rechtsmacht aber auf Grund der Sicherungsvereinbarung (Treuhandabrede) mit dem Sicherungsgeber (Treugeber) nur in begrenztem Umfang ausüben. Da die Sicherungsgrundschuld den Interessen des Sicherungsnehmers und Treuhänders dient, liegt eine eigennützige Sicherungstreuhand vor.
2
B. Begründung der Sicherungsgrundschuld I. Sicherungsvertrag. 1. Vertragsparteien des Sicherungsvertrages sind der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer (Bank). Der Sicherungsgeber braucht nicht
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
753
gleichzeitig Schuldner (Bankkunde) der zu sichernden Forderung (Darlehen) zu sein und kann sich von dem Eigentümer des mit der Grundschuld belasteten Grundstücks unterscheiden (BGH NJW 1989, 1732 (1733); Clemente, BKR 2002, 975 (977); einschränkend Gaberdiel, Rn. 644 f.). Dem Sicherungsgeber muss dann aus anderen Gründen die Rechtsmacht zustehen, dem Sicherungsnehmer die Sicherungsgrundschuld zu verschaffen. Etwa kann der Sicherungsgeber selbst Inhaber einer Fremdgrundschuld sein oder über eine Belastungsvollmacht des Eigentümers (dazu BGHZ 150, 187 ff.) verfügen. Die Personenverschiedenheit äußert sich darin, dass der Eigentümer die Rechte aus dem Sicherungsvertrag nicht ohne Weiteres geltend machen kann (Rn. 54, 89). Der Sicherungsnehmer wird stets Inhaber des Sicherungsrechts, also Grundschuldgläubiger. Regelmäßig ist er auch Gläubiger der zu sichernden Forderung. Ausnahmen können sich bei der Sicherung von Sicherheitenpools oder Konsortialkrediten ergeben. Dann hält der Sicherungsnehmer die Sicherheit nicht nur als Sicherungstreuhänder für den Sicherungsgeber (Rn. 1), sondern auch als fremdnütziger Verwaltungstreuhänder für die Gläubiger der zu sichernden Forderung (vgl. Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 208; Gaberdiel, Rn. 992 ff.). 2. Vertragsschluss ist formlos möglich (BGH WM 1991, 86 (87)). Er erfolgt vielfach konkludent (BGH NJW 2004, 158), kann aber auch ausdrücklich entweder eigenständig oder als Annex zu Darlehen oder Grundschuldbestellung zustande kommen. Dem ausdrücklichen Vertragsschluss liegt meist ein Formularvertrag der Bank, auch als Zweckerklärung bezeichnet, zugrunde (Beispiele bei Clemente, Formulare 2, 4, 6, 7; Gaberdiel, Anhang 6–12). Ist vorgesehen, in eine notarielle Urkunde über die Grundschuldbestellung Bestimmungen aufzunehmen, liegt vor Beurkundung noch kein Vertragsschluss vor (§ 154 II BGB; BGHZ 109, 197 (200); BGH, NJW-RR 2006, 847 ( 849)).
3
3. Inhalt. Der Sicherungsvertrag enthält die Verpflichtung des Sicherungsgebers, dem Sicherungsnehmer die Grundschuld mit bestimmtem Rang (Rn. 51) und ggf. weitere Sicherheiten zu verschaffen. Als solche Sicherheiten kommen insbesondere eine persönliche Haftungsübernahme (Rn. 41) und die Abtretung von Rückgewähransprüchen hinsichtlich vorrangiger Grundschulden (Rn. 45) in Betracht. Herzstück des Sicherungsvertrages ist die Angabe des Sicherungszwecks, also die Bestimmung, welche Forderungen durch die Grundschuld gesichert werden sollen (Rn. 16 ff.). Geregelt wird weiter, wann der Sicherungsnehmer seine Sicherheiten verwerten darf (Rn. 59 ff.), unter welchen Voraussetzungen der Sicherungsgeber Sicherheiten zurück verlangen kann (Rn. 86 ff.) und wie Zahlungen des Sicherungsgebers auf Darlehen oder Grundschuld zu verrechnen sind (Rn. 78 ff.). Außerdem sind Regelungen über die Versicherung des Grundstücks und über Auskunfts- und Besichtigungsrechte des Sicherungsnehmers verbreitet. Im Falle eines lückenhaften Vertragsschlusses ist unter Berücksichtigung von Inhalt und Zweck der zu sichernden Forderung im Wege der Auslegung zu klären, welche Bestimmungen die Vertragsparteien treffen wollten (BGH WM 1991, 86 (87)). Aus dem Inhalt des Sicherungsvertrages ergibt sich seine Rechtsnatur (dazu Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 21 ff.). Er ist kein gegenseitiger Vertrag, auch fehlt es für einen Auftrag an der Fremdnützigkeit. Vielmehr handelt es sich um einen zweiseitig verpflichtenden Vertrag eigener Art. 4. Inhaltskontrolle. Sicherungsverträge sind regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen und werden vom Sicherungsnehmer (Bank) gestellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen können auch dann angenommen werden, wenn der Sicherungsvertrag notariell beurkundet wird (BGHZ 114, 9 (12 ff.); BGH NJW 2000, 2675 (2676)). Die Inhaltskontrolle erfolgt nach §§ 305 ff. BGB. Ergänzend greifen die allgemeinen Regelungen (§§ 134, 138 BGB) sowie spezielle Verbote (§§ 1136, 1192 BGB).
4
Jacoby
5
754
6
7
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
a) Grundsätze der AGB-Kontrolle. Die Auswirkungen der AGB-Kontrolle sind jeweils bei den Einzelregelungen kommentiert. Folgende Grundsätze sind hervorzuheben: Eine Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle (§§ 307 ff. BGB) nur, wenn insoweit der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle eröffnet ist (§ 307 III 1 BGB). Der BGH wendet § 307 III 1 BGB auf Klauseln eines Sicherungsvertrages, insbesondere auf die Sicherungszweckerklärung (vgl. BGH NJW 2002, 2710) restriktiv an (zustimmend etwa Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (55)). Dieser Tendenz ist zu widersprechen (Knops, ZIP 2006, 1965 (1969); Soergel-Konzen, § 1191 Rn. 13; Tiedtke, ZIP 1997, 1949 (1950 ff.); Wolf, LM § 9 (Cg) AGBG Nr. 37). Die Inhaltskontrolle greift nicht nur bei Abweichungen und Ergänzungen des geschriebenen Rechts, sondern auch dann, wenn der Regelungsgegenstand einer Klausel der Regelung durch Rechtsvorschrift zugänglich wäre (vgl. MünchKommBGB-Kieninger, § 307 Rn. 7). Folglich fallen nur preis- und leistungsbestimmende Klauseln aus dem Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle. Der Sicherungsvertrag ist hingegen inhaltlich umfassend zu überprüfen, wenn er einen Annex des Rechtsgeschäfts darstellt, das die zu sichernde Forderung begründet. Bei einem selbstständigen Sicherungsvertrag ist die Inhaltskontrolle allein hinsichtlich der Verpflichtung, eine Grundschuld bestimmter Höhe an einem bestimmten Grundstück zu bestellen, und hinsichtlich dessen, dass ein Sicherungszweck vereinbart ist, ausgeschlossen. Die Inhaltskontrolle erfasst aber die Vereinbarung über den Umfang des Sicherungszwecks (vgl. StaudingerWolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 43, 63). Unbeschadet vom Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle (§§ 307 ff. BGB) werden überraschende Klauseln nicht in den Vertrag einbezogen (§ 305c I BGB). Überraschend sind Klauseln, denen ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt inne wohnt. Dieser Effekt ist zunächst an Hand des Inhalts einer Klausel festzustellen (Beispiele Rn. 11, 18, 42, 44, 45). Besondere Hinweise bei Vertragsschluss oder die drucktechnische Hervorhebung einer Klausel können den Überraschungseffekt ausschließen (BGH NJW 1997, 2677). Mit dem BGH sind an einen solchen Ausschluss des Überraschungseffekts hohe Anforderungen zu stellen (kritisch Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 44). Notarielle Beurkundung (BGH NJW 2000, 2675 (2677); WM 1990, 304)) oder Abgabe einer formularmäßigen Zusatzerklärung (BGHZ 131, 55 (59)) allein reichen nicht aus.
8
Als Rechtsfolge eines AGB-Verstoßes bleibt der Vertrag im Übrigen ohne die beanstandete Klausel wirksam (§ 306 BGB). Es ist verboten, den Inhalt einer Klausel auf einen nicht selbstständig formulierten Teil zu beschränken (geltungserhaltende Reduktion, vgl. BGHZ 92, 312 (314 f.); 84, 109 (115 ff.); bedenklich daher BGH NJW 2002, 2710 (2711); Rn. 19)). Vertragslücken sind durch gesetzliche Regelungen zu schließen (§ 306 II BGB). Soweit es an solchen Regelungen fehlt, sind die Lücken durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (BGHZ 131, 55 (60); BGH NJW 2002, 3098 (3099)). Diese Lückenschließung ist insbesondere dann notwendig, wenn eine Klausel unwirksam ist, die neben der die Inhaltskontrolle eröffnenden Nebenregelung essentialia negotii enthält (vgl. BGHZ 130, 19 (36)).
9
b) Überforderung des Sicherungsgebers. Eine Bürgschaft kann gem. § 138 BGB nichtig sein, wenn ihr Verpflichtungsumfang die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen erheblich übersteigt und weitere Umstände hinzutreten wie etwa, dass die Haftungsübernahme aus emotionaler Verbundenheit mit dem Schuldner erfolgt (im Einzelnen § 10 Rn. 45 ff.). Diese Fallgruppe der Sittenwidrigkeit kann nicht zur Unwirksamkeit von Sicherungsvertrag oder Grundschuldbestellung führen (BGH NJW 2002, 2633; OLG Celle OLGR 2004, 604). Denn der Grundschuldbesteller eröffnet dem Sicherungsnehmer lediglich Zugriff auf sein vorhandenes Vermögen. Er setzt sich nicht künftigen von ihm nicht zu bewältigenden Verpflichtungen aus.
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
755
c) Übersicherung. Übersteigt der Umfang der Sicherungsgrundschuld die zu sichernde Forderung, kann eine Übersicherung vorliegen. Der Sicherungsgeber kann grundsätzlich im Umfang der Übersicherung Freigabe der Sicherheit vom Sicherungsnehmer verlangen (Rn. 93). Ausnahmsweise kann eine Übersicherung zur Unwirksamkeit des Sicherungsvertrages führen (speziell zur Übersicherung durch Höhe der Grundschuld und eingetragene Nebenleistung Knops, S. 84 f.): Eine AGB-Inhaltskontrolle scheitert zwar an § 307 III 1 BGB (Rn. 6). Die Übersicherung kann aber sittenwidrig sein (§ 138 BGB). Das ist anzunehmen, wenn bereits bei Vertragsschluss feststeht, dass im Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheiten und der gesicherten Forderung bestehen wird (BGH NJW 2001, 1417 (1418); 1998, 2047; Gaberdiel, Rn. 658). §§ 1136, 1192 BGB greifen ein, wenn der Sicherungsnehmer sich ohne berechtigten Grund über den Wert des Grundstücks hinaus sichern lässt, so dass eine weitere Belastung des Grundstücks ausgeschlossen ist (Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff. Rn. 62 ff.; Knops, S. 62 f.).
10
Einen besonderen Fall planmäßiger Übersicherung bildet die durchaus übliche formularmäßige Festlegung von Grundschuldzinsen in Höhe von 14 – 18 %. Derartige Zinsen verdoppeln die Grundschuldsumme innerhalb von sieben Jahren (zum Rang indes Rn. 64). Der BGH mindert die Übersicherung, indem er den Anspruch auf Grundschuldzinsen – gem. §§ 195, 902 BGB in drei Jahren – verjähren lässt (BGHZ 142, 332 (335 ff.)). Das ist bedenklich, da der Sicherungsnehmer vor Eintritt des Sicherungsfalls nicht aus der Grundschuld einschließlich Zinsen vorgehen darf. Die Verjährung ist gem. § 205 BGB gehemmt (Medicus, EWiR 2000, 59 (60); Peters, JZ 2001, 1017 (1019)). Dem Sicherungsgeber bleibt die zusätzliche Belastung seines Grundstückes und so sein Anspruch auf Freigabe der Sicherheit verborgen. Selbst wenn ihm die Gefahren der Zinshöhe bewusst sein sollten, wird er sich regelmäßig nicht darüber im Klaren sein, dass die Zinsen auch bei vertragsgerechter Darlehenstilgung den Umfang der Grundschuld erhöhen. Für diesen Fall sind die Grundschuldzinsen durch nichts gerechtfertigt (so bereits Knops, S. 88). Die Zinsklauseln verstoßen daher regelmäßig gegen § 305c I BGB und jedenfalls gegen das Transparenzgebot des § 307 I 2, III 2 BGB (Peters, JZ 2001, 1017 (1021); Clemente/ Lenk, ZfIR 2002, 337 (341 f.)). Eine den AGB-Verstoß ausschließende Auslegung des Sicherungsvertrages, dass der Sicherungsnehmer auf die Geltendmachung der Zinsen dinglich gem. § 1178 II BGB verzichte, sofern die gesicherte Forderung vertragsgemäß bedient werde (Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 82), scheidet aus. Dieser Fiktion steht jedenfalls § 305c II BGB entgegen. Der Praxis ist zu raten, die Zinshöhe durch eine flexible leitzinsabhängige Klausel zu mäßigen (vgl. zur Zulässigkeit BGH NJW 2006, 1341) und den Lauf der Zinsen durch eine Verzichtsklausel von vertragswidrigem Verhalten des Schuldners abhängig zu machen (a. A. OLG Köln OLGR 2005, 100: Jahreszinsen von 10 % sind nicht zu beanstanden; ferner Freckmann, BKR 2005, 167 (170)).
11
5. Verbraucherverträge. Die besonderen Regeln für Verbraucherverträge zeitigen Auswirkungen auf den Sicherungsvertrag. So erweitert § 310 III BGB den Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle. Hinsichtlich des Verbraucherwiderrufs gem. § 355 BGB gilt Folgendes:
12
a) Haustürgeschäft. Der Sicherungsvertrag, nicht die Bestellung der Sicherungsgrundschuld (OLG Koblenz WM 1999, 2068 (2069)), hat in richtlinienkonformer Auslegung des § 312 BGB eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand, wenn der Sicherungsgeber die Verpflichtung zur Grundschuldbestellung in der – dem Gegner erkennbaren – Erwartung übernimmt, ihm selbst oder einem bestimmten Dritten werde daraus irgendein Vorteil erwachsen (BGHZ 131, 1 (4 ff.); a. A. Freckmann, BKR 2005, 167 (175)). Ein Wi-
13
Jacoby
756
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
derrufsrecht des Sicherungsgebers folgt daher aus § 312 BGB, falls Haustürsituation und Verbrauchervertrag vorliegen. Welche Anforderungen an einen Verbrauchervertrag zu stellen sind, ist höchstrichterlich nicht geklärt (Nobbe, Rn. 879). Entweder müssen in Anlehnung an die Entscheidung des EuGH (NJW 1998, 1295 (1296)) zum Bürgschaftsrecht sowohl der Vertrag über die zu sichernde Forderung als auch der Sicherungsvertrag die Voraussetzungen des § 312 BGB an ein Verbrauchergeschäft erfüllen (StaudingerWolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff, Rn. 171), oder es ist lediglich auf den Sicherungsvertrag abzustellen (Clemente, BKR 2002, 975 (976)). Liegen die Voraussetzungen des § 312 vor, muss zudem der Widerruf gerade des Sicherungsvertrags erklärt sein. Der Widerruf des gesicherten Darlehens beinhaltet nicht regelmäßig zugleich den Widerruf des Sicherungsvertrags. Das gilt selbst dann, wenn der Sicherungsvertrag in den Darlehensbedingungen enthalten war (BGH ZGS 2007, 26 (29); NJW 2004, 158 (159)). Wird nur das Darlehen widerrufen, sichert die Grundschuld auf Grundlage einer weiten Sicherungszweckerklärung (Rn. 16) auch die Rückgewähransprüche (BGHZ 155, 331 (336) = NJW 2003, 422; ZGS 2007, 26 (28); Rn. 14). Der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche stehen auch im Falle des Widerrufs eines Realkreditvertrages nach der freilich in der Literatur vielfach in Zweifel gezogenen Auffassung des BGH die EuGH-Entscheidungen „Schulte“ (NJW 2005, 3551) und „Crailsheimer Volksbank“ (NJW 2005, 3555) nicht entgegen (BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099; ZGS 2007, 26 (28 f.), jeweils m. w. N. auch zur Gegenansicht). 14
b) Verbraucherdarlehen. Der Sicherungsvertrag fällt als Sicherungsmittel nicht unter die Regelungen über das Verbraucherdarlehen nach §§ 491 ff. BGB (vgl. BGH NJW 1997, 1442 (1443)). Das Europarecht gebietet auch dann nicht, diese Vorschriften anzuwenden, wenn die gesicherte Forderung ein Verbraucherdarlehen darstellt (vgl. EuGH NJW 2000, 1323 (1324) zur Bürgschaft, dazu a. A. § 10 Rn. 36 m. w. N.). Allerdings sind dann §§ 491 ff. BGB auf das gesicherte Verbraucherdarlehen anzuwenden. Der Ausschlusstatbestand für Realkredite (§ 491 III Nr. 1 BGB a. F.) ist durch das OLGVertrÄndG seit 1.8.2002 entfallen. Der Realkreditnehmer ist zum Widerruf berechtigt (§§ 355, 495 BGB), wenn dieses Widerrufsrecht nicht nach dem am 1.7.2005 außer Kraft tretenden § 506 III BGB vertraglich ausgeschlossen ist. Da Sicherungsvertrag und Grundschuldbestellung kein mit dem Darlehensvertrag verbundenes Geschäft (§ 358 BGB) sind, bleibt die Wirksamkeit von Sicherungsvertrag und Grundschuldbestellung vom Widerruf unberührt (Rn. 21). Die Grundschuld sichert auf Grund einer weiten Zweckerklärung (Rn. 16) auch Rückgewähransprüche der Bank gegen den widerrufenden Kreditnehmer aus §§ 346, 357 BGB (BGH NJW 2003, 885 (886)). Solche Rückgewähransprüche bestehen indessen nicht, wenn der Realkredit und das finanzierte Geschäft ein verbundenes Geschäft nach § 358 III 3 BGB (zu den Anforderungen Tonner, BKR 2002, 856 (861)) darstellt (BGHZ 155, 331; 133, 254 (259 ff.)). Der BGH schließt nach altem Recht (§§ 9, 3 II Nr. 2 VerbrKrG) ein verbundenes Geschäft weithin aus (BGHZ 155, 331; ZGS 2007, 26 (28); NJW 2004, 158; a. A. OLG Oldenburg, VuR 2002, 321 (323); Derleder, ZfIR 2003, 177 (189); Tonner, BKR 2002, 856 (859 ff.)).
15
c) Fernabsatz. Die Anwendung der Regelungen über Fernabsatzverträge (§§ 312b ff. BGB) ist durch Ausnahmetatbestände (§ 312b III Nr. 3, 4 BGB) ausgeschlossen.
16
6. Sicherungszweckerklärung. Die Sicherungszweckerklärung bestimmt, für welche Forderungen der Sicherungsnehmer sich aus der Grundschuld befriedigen darf. Es ist dabei grds. nicht mehr notwendig als die Bestimmung, dass die Grundschuld von einer bestimmten Forderung abhängig sein soll (OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 18) Eine enge Zweckerklärung bezieht sich lediglich auf die Forderung, deren Absicherung Anlass für die Sicherung ist. Allerdings erstreckt sich der Sicherungszweck bei einer engen Zweck-
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
757
erklärung auch auf eine etwaige Vorfälligkeitsentschädigung (OLG Hamm, WM 2005, 1265, 1266). Eine weite Zweckerklärung bezieht sich auf alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Sicherungsnehmers gegen den Schuldner aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung. Nicht zu dieser Geschäftsverbindung gehören insbesondere prozessuale Kostenerstattungsansprüche (BGH WM 1997, 2355 (2356)) oder rein deliktische Ansprüche (OLG Köln ZIP 1983, 926 (927 f.). a) Wirksamkeitsprobleme ergeben sich, soweit eine weite Zweckerklärung über den Anlass der Sicherung hinausgeht. Mit dem BGH ist nach dem Verhältnis von Sicherungsgeber und Schuldner der zu sichernden Forderung zu unterscheiden: Zur Sicherung eigener Verbindlichkeiten sind weite Zweckerklärungen wirksam (BGH NJW 2000, 2675 (2676); Gaberdiel, Rn. 682; a. A. Knops, ZIP 2006, 1965 (1967 ff.); ZfIR 1998, 577 (583 ff.: Verstoß gegen §§ 305c, 307, 1136 BGB)). Gibt der Sicherungsgeber der Bank eine Sicherungsgrundschuld, muss er damit rechnen, dass die Bank auf die Grundschuld zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten zugreift. Als sein Vermögensbestandteil haftet das Grundstück ohnehin für sämtliche Verbindlichkeiten des Sicherungsgebers, über deren Begründung dieser frei entscheiden kann. Die im Bürgschaftsrecht entwickelten Grundsätze (BGHZ 143, 95 (99 f.)) lassen sich nicht übertragen, weil die Sicherungsgrundschuld insoweit nicht wie die Bürgschaft Verbindlichkeiten eines Dritten sichert. Die Wirksamkeit gilt unabhängig davon, ob noch eine weitere Person gesamtschuldnerisch für die zu sichernde Verbindlichkeit haftet. Ist der Sicherungsgeber hingegen nicht Grundstückseigentümer, kommt es auf den Rechtsgrund für die Belastungsbefugnis des Sicherungsgebers an (Rn. 2). Deckt diese Befugnis ersichtlich nur enge Zweckerklärungen, verleitet der Sicherungsgeber den Sicherungsnehmer mit einer weiten Zweckerklärung zum Vertragsbruch, so dass die Klausel unwirksam ist (Clemente, BKR 2002, 975 (978)).
17
Die über den Anlass hinausgehende weite Zweckerklärung zur Sicherung von Verbindlichkeiten eines Dritten ist grundsätzlich unwirksam. Die Unwirksamkeit folgt wegen des der Klausel innewohnenden – im Einzelfall ausschließbaren (Rn. 7) – Überrumpelungseffekts schon aus § 305c I BGB (BGH NJW 2002, 2710 f.; 2001, 1417 (1419); BGHZ 109, 197 (201); OLG Karlsruhe WM 1999, 589 (590 f.)). Entgegen dem BGH greift aber auch § 307 BGB (Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rn. 992 ff.; Tiedtke, ZIP 1997, 1949 (1950 ff.); Wolf, LM § 9 (Cg) AGBG Nr. 37; a. A. OLG Hamm WM 1999, 2065 (2066 f.)). Die Inhaltskontrolle ist anwendbar, weil die Zweckbestimmung Pflichten begründet, die über den Anlass hinausgehen (Rn. 6 gegen BGH NJW 2002, 2710). Die unangemessene Benachteiligung liegt darin, dass der Sicherungsgeber einem von ihm nicht kalkulierbaren Haftungsrisiko ausgesetzt wird. Der konkrete, auf den Anlass bezogene Sicherungs- und damit Vertragszweck rechtfertigt dieses Risiko nicht. Es besteht eine Parallele zum Bürgschaftsrecht, für das die Unwirksamkeit der Zweckbestimmung nach § 307 BGB anerkannt ist, sofern die gesicherten Forderungen für den Bürgen unbestimmt bleiben (BGHZ 143, 95 (99 ff.) – in Erweiterung der Anlassrechtsprechung aus BGHZ 130, 19 (31 ff.) – zur Haftung einer Höchstbetragsbürgschaft für alle bestehenden Forderungen). Die Unwirksamkeit greift auch bei Verbindlichkeiten naher Angehöriger (BGH WM 1995, 1663 (1664 f.)). Eine Ausnahme macht der BGH für Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, auf die der Sicherungsgeber als Gesellschafter oder Geschäftsführer maßgeblichen Einfluss ausüben kann (BGH NJW 2000, 2675 (2676); kritisch StaudingerWolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 Rn. 59)). Das Bestehen einer Ehe hingegen reicht nicht aus, um eine Verbundenheit anzunehmen, die einen etwaigen Überrraschungsvorwurf entfallen ließe (BGHZ 106, 19). Ist die weite Zweckerklärung zur Sicherung des Kredites eines Dritten wirksam, hat der Sicherungsgeber nach Treu und Glauben das Recht, den Sicherungsvertrag nach Ablauf eines gewissen Zeitraums oder bei Eintritt besonders
18
Jacoby
758
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
wichtiger Umstände zu kündigen. Der Sicherungszweck beschränkt sich dann auf die bei Wirksamwerden der Kündigung begründeten Verbindlichkeiten (BGH NJW 2003, 61; WM 1993, 897 (898)). 19
Ist eine weite Zweckerklärung unwirksam, so gilt die enge Zweckerklärung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 306 II BGB; Rn. 8) als vereinbart (BGHZ 131, 55 (60); Clemente, Rn. 344). Die bloße Aufteilung der Sicherungsabrede in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil bedeutete eine geltungserhaltende Reduktion und ist daher unzulässig (Rn. 8; a. A. Soergel-Konzen, § 1191 Rn. 13). Nicht zu folgen ist mithin dem BGH (NJW 2002, 2710 (2711)), wenn er eine weite Zweckerklärung in Bezug sowohl auf eigene als auch auf fremde Verbindlichkeiten über die Sicherung des Anlasses hinaus als weite Zweckerklärung in Bezug auf eigene Verbindlichkeiten aufrecht erhält (Clemente, EWiR 2002, 809, (810); § 10 Rn. 31).
20
b) Änderung. Die Sicherungszweckerklärung kann durch die Beteiligten formlos, auch durch Formularvertrag geändert werden (BGH ZIP 2008, 703, Rn. 16; NJW 1997, 2320 (2321)). Eine individualvertragliche Zweckerklärung ist allerdings vorrangig (§§ 305b f. BGB; BGH NJW 2000, 2110). Sind für eine Grundschuld mehrere zeitlich aufeinander folgende Zweckerklärungen abgegeben worden, so ist die jüngste maßgeblich. Für die Wirksamkeitsprüfung ist auf den Anlass ihrer Abgabe abzustellen (BGH NJW 2001, 1417 (1418 f.)). Anlass kann eine früher begründete Forderung sein, wenn ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen Forderung und Zweckerklärung besteht. Der Sicherungsgeber ist für den Anlass darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW 2001, 1417 (1419)).
21
c) Unwirksamkeit der gesicherten Forderung. Die Wirksamkeit des Sicherungsvertrages ist grundsätzlich von der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts unabhängig, aus dem die zu sichernde Forderung stammt (Darlehen) (Knops, ZfIR 1998, 577 (579)). Für enge Zweckabreden ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Sicherungsgrundschuld neben Erfüllungsansprüchen auch Rückabwicklungsansprüche (§§ 346, 812 BGB) oder Schadensersatzansprüche sichert. Regelmäßig wird eine solche Erweiterung der Zweckabrede nach ihrem Sinn und Zweck zu bejahen sein (BGHZ 114, 57 (72 f.); Rn. 13 f.; vgl. aber OLG Celle WM 1987, 1484 (1485: keine Erstreckung auf Schadensersatz wegen Nichtabnahme des Darlehens); KG ZfIR 2000, 735 (738 f.: keine Erstreckung auf Novation bei Drittsicherheit); OLG Köln NJW-RR 1986, 1052 (1053: unentschieden für Rückgewähransprüche)). Sonst hat der Sicherungsgeber aus dem Sicherungsvertrag einen Rückgewähranspruch (Rn. 87). Nichtigkeit des Sicherungsvertrages kann sich aus § 139 BGB ergeben, wenn Sicherungsvertrag und Grundgeschäft nach dem Parteiwillen eine Einheit bilden, etwa weil der Sicherungsvertrag ohne das Grundgeschäft sinnlos wäre (BGH NJW 1994, 2885).
21a
d) Ansprüche Dritter. Der Sicherungszweck kann sich auch auf Ansprüche Dritter erstrecken (BGH ZIP 2008, 703, Rn. 18; ZIP 2005, 1024 (1025)). Solche Gestaltungen bieten sich insbesondere an, wenn der Sicherungsnehmer die Sicherheit nicht nur für sich, sondern auch noch für weitere Gläubiger eines Sicherheitenpools halten soll. Entsprechende Sicherungsinteressen können in Konzernen bestehen, in denen eine Konzerngesellschaft die Sicherheit für alle Konzernunternehmen hält, die Gläubiger des Sicherungsgebers sind. In diesen Fällen liegt eine sog. Doppeltreuhand vor (Hirschberger, S. 109 ff.): Der Sicherungsnehmer ist nicht nur Sicherungstreuhänder im Verhältnis zum Sicherungsgeber (Rn. 1), sondern auch Verwaltungstreuhänder im Verhältnis zu den weiteren von der Sicherungszweckerklärung erfassten Gläubigern, weil er auch für diese die Sicherheit hält. Diese Doppeltreuhand gewährt nicht nur dem die Grundschuld haltenden
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
759
Sicherungsnehmer, sondern auch den weiteren von der Sicherungszweckerklärung erfassten Gläubigern in der Insolvenz des Sicherungsgebers ein insolvenzfestes Sicherungsrecht (BGH ZIP 2008, 703, Rn. 15 ff.). II. Grundschuld. Der Sicherungsgeber hat dem Sicherungsnehmer die im Sicherungsvertrag bestimmte Grundschuld zu verschaffen. Belastungsgegenstand einer Grundschuld können ein Grundstück (§§ 1113, 1192 BGB), der Bruchteil eines Grundstücks (§§ 1114, 1192 BGB, 6 II WEG) oder ein Erbbaurecht (§ 11 ErbbauVO) sein. Sollen mehrere Belastungsgegenstände für dieselbe Grundschuld haften, entsteht eine Gesamtgrundschuld (§§ 1132, 1192 BGB). Eine Gesamtgrundschuld ist – in Abgrenzung zu mehreren Einzelgrundschulden als parallele Sicherheiten – insbesondere dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn die Belastungsgegenstände eine wirtschaftliche Einheit bilden (Gaberdiel, Rn. 388), also etwa wenn mehrere Miteigentumsanteile eines Grundstücks belastet werden sollen (BGH NJW 2002, 2710 (2711)). Der Sicherungsnehmer kann die Grundschuld entweder originär durch Bestellung vom Grundstückseigentümer oder derivativ durch Abtretung des Grundschuldinhabers erlangen. Die Grundschuld ist im gesetzlichen Regelfall Briefrecht, in der Praxis werden aber vielfach Buchgrundschulden (§ 1116 II 1 BGB) vereinbart.
22
1. Bestellung erfolgt durch Einigung, Eintragung und ggf. Briefübergabe (§§ 873, 1117 BGB). Materielle Einigung und Eintragungsverfahren setzen vielfältige Erklärungen von Eigentümer (meist Sicherungsgeber, Rn. 2) und Sicherungsnehmer (Bank) voraus. Üblich ist folgender Ablauf (Beispiele bei Clemente, Formulare 1, 3, 5; Gaberdiel, Anhang 1–4): Der bestellende Eigentümer gibt eine vom Sicherungsgeber vorformulierte Erklärung ab. Die Erklärung ist jedenfalls öffentlich zu beglaubigen, weil die für das Eintragungsverfahren erforderliche Eintragungsbewilligung dieser Form bedarf (§§ 19, 29 GBO). Notarielle Beurkundung ist erforderlich, wenn die Formularerklärung eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 I 1 Nr. 5 ZPO; Rn. 31, 43 f.) enthält. Der Sicherungsnehmer stimmt – vielfach privatschriftlich auf dem Formularvordruck hinter der beglaubigten oder beurkundeten Erklärung des Sicherungsgebers – zu. Das ist ausreichend, weil die materielle Einigung keiner Form bedarf; für den Eintragungsantrag des Sicherungsnehmers genügt Schriftform (§§ 13, 30 GBO).
23
a) Voraussetzungen. Die Einigung muss das zu belastende Grundstück, das Grundschuldkapital, Zinsen und eventuell weitere Nebenleistungen festlegen. Für die Begründung einer Buchgrundschuld ist die Brieferteilung auszuschließen (§§ 1116, 1192 BGB). Bindend wird die Einigung nur unter besonderen Voraussetzungen (§ 873 II BGB), insbesondere wenn der Sicherungsnehmer eine Ausfertigung der notariell beurkundeten Eintragungsbewilligung des Sicherungsgebers erhält (§ 873 II Nr. 4 BGB) oder wenn die Erklärung des Sicherungsgebers samt Zustimmung des Sicherungsnehmers beim Grundbuchamt eingereicht ist (§ 873 II Nr. 3 BGB).
24
Die Eintragung kann der Einigung vorgehen, folgt dieser aber regelmäßig nach und muss ihr inhaltlich entsprechen (BGHZ 123, 297 (301); Staudinger-Wolfsteiner, Einl. zu §§ 1113 ff Rn. 80 ff.). Ein Höchstzinssatz braucht nicht angegeben zu werden, wenn die Parteien die Vereinbarung der Verzinsung an § 288 Abs. 1 BGB ausgerichtet haben (BGH NJW 2006, 1341). Die Eintragung setzt neben dem Verfahrensantrag (§ 13 GBO) eine Eintragungsbewilligung des Berechtigten (§ 19 GBO) und seine Voreintragung im Grundbuch (§ 39 GBO) voraus. Die Bearbeitung verschiedener Anträge und der sich aus der Eintragung ergebende Rang folgen dem Zeitpunkt der Antragstellung (§ 17 GBO). Eintragungshindernisse können rangwahrend auf Zwischenverfügung beseitigt werden (§ 18 GBO). Den Verfahrensantrag können der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer
25
Jacoby
760
26
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
stellen (§ 13 GBO), der Notar kann sie vertreten (§ 15 GBO). Dem Sicherungsnehmer ist zu raten, den Eintragungsantrag selbst zu stellen, da der BGH (ZIP 2001, 933 (935)) den Antrag des Notars als Vertreter des Sicherungsnehmers wegen dessen Rücknahmebefugnis (§ 26 III BNotO) nicht dem Eigenantrag des Sicherungsnehmers gleichstellt, um den für die Insolvenzanfechtung (Rn. 39) maßgeblichen Zeitpunkt des Rechtserwerbs (§ 140 II InsO) zu bestimmen. Briefübergabe entsprechend §§ 929 ff. BGB ist Voraussetzung für die Entstehung einer Briefgrundschuld (§§ 1117 II, 1192 BGB). Die Briefübergabe wird allerdings regelmäßig durch formlos mögliche (RGZ 93, 248 (250)) Vereinbarung ersetzt, dass der Sicherungsnehmer berechtigt ist, sich den Brief vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen (§§ 1117 II, 1192 BGB). Dann entstehen Briefgrundschuld wie Buchgrundschuld, ohne dass es auf die Aushändigung des Briefes ankommt.
27
Der Grundschuldbesteller muss Eigentümer des Grundstücks oder vom Eigentümer ermächtigt (§ 185 BGB) sein, sonst kommt nur gutgläubiger Erwerb (§ 892 BGB) in Betracht. Der Verlust der Verfügungsbefugnis – etwa durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 80 InsO) – ist unschädlich, wenn die Einigung bindend (§ 873 BGB; Rn. 24) und der Eintragungsantrag gestellt ist (§ 878 BGB). Ob dazu ein Erwerberantrag notwendig ist (Demharter, GBO, § 13 Rn. 9) oder ein Eigentümerantrag ausreicht (StaudingerGursky, § 878 Rn. 50), ist umstritten (BGH WM 1988, 1388 (1390)). Dem Sicherungsnehmer ist ein eigener Antrag (vgl. Rn. 25) zu raten. Die Verfügungsbefugnis fehlt von Anfang an dem in Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn das Grundstück sein gesamtes Vermögen darstellt (§ 1365 BGB). Bankformulare verlangen Zustimmung des Ehegatten. Wichtige Verfügungsbeschränkungen wie auf Grund von Vorerbeneinsetzung, Testamentsvollstreckung oder Insolvenzeröffnung ergeben sich aus dem Grundbuch (§§ 51, 52 GBO, 32 InsO), sonst ist gutgläubiger Erwerb möglich (§§ 2113 III, 2211 II BGB, 81 I InsO). Nicht voll Geschäftsfähige bedürfen nicht nur der Vertretung durch gesetzliche Vertreter, sondern auch der Genehmigung durch das Vormundschafts- (§§ 1821 I Nr. 1, 1908i BGB) bzw. Familiengericht (§ 1643 BGB).
28
Eine für den Sicherungsnehmer nicht mehr entziehbare Anwartschaft, die bereits vor Eintragung Valutierung des Darlehens erlaubt, setzt demnach voraus: Eintragung des Bestellers als (verfügungsberechtigter) Eigentümer, bindende Einigung über Bestellung (§ 873 II BGB), Ausschluss der Brieferteilung (§ 1116 BGB) oder Ersetzung der Briefübergabe (§ 1117 II BGB), Vorliegen notwendiger Zustimmungen, Erwerberantrag mit Eintragungsbewilligung des Bestellers, Freiheit der beanspruchten Rangstelle und keine Beeinträchtigung durch vorrangige Anträge. Der Nachweis insbesondere der letzten Voraussetzungen wird häufig durch Notarbestätigung (dazu Bundesnotarkammer, DNotZ 1999, 369 ff.) erfolgen.
29
b) Eine Gesamtgrundschuld entsteht erst, wenn die Voraussetzungen hinsichtlich aller Belastungsgegenstände vorliegen, also insbesondere die Grundschuld in allen Grundbüchern eingetragen ist. Um bei Verzögerung oder Scheitern der Eintragung hinsichtlich eines Belastungsgegenstandes die Entstehung einer Grundschuld zu sichern, ist – wie in gängigen Formularen vorgesehen (Clemente, Rn. 151) – zu vereinbaren, dass bei zeitlich gestreckten Eintragungen mit der ersten Eintragung eine Einzelgrundschuld entsteht, die mit weiteren Eintragungen zur Gesamtgrundschuld anwächst. Scheitert die Belastung hinsichtlich eines Gegenstandes endgültig, ergibt sich diese Rechtsfolge auch aus § 139 BGB (BGH WM 1974, 972 (973)). Eine Gesamtgrundschuld entsteht ferner bei späterer Erweiterung einer bestehenden Grundschuld (Nachverpfändung) und bei Teilung eines durch Grundschuld belasteten Gegenstandes.
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
761
Grundbuch (§ 48 GBO) und Brief (§ 57 GBO) haben stets mitbelastete Gegenstände anzuführen. Der Vermerk hat nicht nur Ordnungsfunktion (so aber MünchKommBGB-Eickmann, 3. Aufl., § 1132 Rn. 47), sondern ist Voraussetzung für das Entstehen des Gesamtrechts (Staudinger-Wolfsteiner, § 1132 Rn. 69). Bei der Nachverpfändung müssen die Grundbücher beider Belastungsgegenstände unter Berücksichtigung des Mitbelastungsvermerkes (§ 63 GBO) denselben Gläubiger ausweisen. Daher ist die verdeckte Nachverpfändung einer verdeckt abgetretenen Eigentümerbriefgrundschuld (Rn. 32) nicht möglich. Es sind Ersatzregelungen zu suchen (Ertl, DNotZ 1990, 684 (687 ff.); Lwowski, DNotZ 1979, 328 ff.): Entweder ist das nachzuverpfändende Grundstück als Bestandteil dem mit der Grundschuld belasteten Grundstück zuzuschreiben (§ 890 II BGB). Oder dem Eigentümer ist die verdeckt abgetretene Eigentümergrundschuld vorübergehend allein zu dem Zwecke zurück zu übertragen, die Gesamtgrundschuld zu begründen.
30
c) Vollstreckungsunterwerfung. Die zwangsweise Verwertung der Grundschuld bedarf der Titulierung des Anspruchs aus der Grundschuld. Um eine Kosten verursachende Klage entbehrlich zu machen, enthalten Grundschuldbestellungen regelmäßig eine notariell beurkundete Unterwerfung des Eigentümers unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 I Nr. 5 ZPO). Bezieht sich die Unterwerfung auf den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks und wird sie im Grundbuch eingetragen, ist die Vollstreckung gegen jeden Eigentümer ohne weitere Voraussetzungen möglich (§ 800 ZPO). Eine vollstreckbare Ausfertigung hat der Notar (§§ 724 f., 797 ZPO) nach dem Inhalt der Unterwerfung regelmäßig ohne Nachweis der Fälligkeit der Grundschuld zu erteilen (Nachweisverzicht). Einwendungen muss der Eigentümer mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen (§§ 767, 797 ZPO, Rn. 58). Eine Unterwerfung ist auch formularmäßig wirksam (vgl. Gaberdiel, Rn. 308 f.). Durch die Unterwerfung wird in gesetzlich vorgesehener Weise die treuhänderische Stellung des Sicherungsnehmers verstärkt.
31
2. Abtretung. Der Sicherungsnehmer kann die Grundschuld auch durch Abtretung vom Sicherungsgeber erwerben. Regelmäßig wird dazu ein Formular des Sicherungsnehmers verwendet (Gaberdiel, Anhang 5). Die Abtretung der Eigentümerbriefgrundschuld ermöglicht es, Dritten zu verbergen, ob und für wen der Eigentümer sein Grundstück belastet. Die Abtretung von Briefgrundschulden außerhalb des Grundbuchs spart beim Grundbuchamt sonst anfallende Gebühren.
32
a) Voraussetzungen. Eine Buchgrundschuld ist nach den allgemeinen Regeln über die Verfügung über ein Buchrecht abzutreten (§§ 873, 1154 III, 1192 BGB). Die Anforderungen an Einigung, Eintragung und Verfügungsbefugnis entsprechen denen für die Bestellung einer Grundschuld (Rn. 23 ff.). Inhaltlich müssen Einigung und Eintragungsbewilligung insbesondere den Umfang (Kapital und Nebenleistungen) der Abtretung und die Person des neuen Gläubigers klarstellen.
33
Die Briefgrundschuld wird durch Einigung zwischen Zedent und Zessionar und die Übergabe des Grundschuldbriefs abgetreten (§§ 1154 I, 1192 BGB). Die Abtretungserklärung nur des Zedenten bedarf der Schriftform (§ 126 BGB). Sie muss die Grundschuld genau bezeichnen, den Umfang der Abtretung wie die Person des Zessionars zum Ausdruck bringen, aber auch das belastete Grundstück angeben (BGH NJW 1989, 3151 (3152); WM 1974, 905). Öffentliche Beglaubigung der Abtretungserklärung ermöglicht spätere Eintragung im Grundbuch, die die Schriftform ersetzt (§§ 1154 II, 1192 BGB). Die Zustimmung des Zessionars bedarf keiner Form (BGHZ 85, 388 (392)). Die Briefübergabe muss den Erfordernissen des § 1117 BGB genügen (dazu BGH WM 1993, 285 f.). Auch eine Aushändigungsabrede (§ 1117 II BGB) kommt in Betracht, wenn das Grundbuchamt den Grundschuldbrief in Besitz hat. Eine Übergabe der Urkunde, die die Abtre-
34
Jacoby
762
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
tungserklärung enthält, ist indessen nicht erforderlich (OLG Celle WM 2008, 295). Gutgläubiger Erwerb vom nicht im Grundbuch eingetragenen Grundschuldinhaber setzt voraus, dass eine ununterbrochene Kette von zumindest beglaubigten Abtretungserklärungen den Zedenten als Nachfolger des eingetragenen Grundschuldinhabers legitimiert (§§ 1155, 1192 BGB). 35
b) Eigentümergrundschuld. Der Eigentümer kann eine Grundschuld durch Bestellung (§ 1196 BGB), Rückübertragung einer Fremdgrundschuld (Rn. 92) oder kraft Gesetzes (gem. § 1143 BGB analog, Rn. 77, oder §§ 1168, 1192 BGB) erwerben. Entsteht die Eigentümergrundschuld nicht originär beim Eigentümer, können gleich- oder nachrangige Grundpfandgläubiger verlangen, die Eigentümergrundschuld zu löschen (§§ 1179a, 1192, 1196 III BGB). Dieser Löschungsanspruch ist auch gegen einen Zessionar der Eigentümergrundschuld durchsetzbar (§§ 888, 1179a I 3 BGB). Wer eine Grundschuld durch Abtretung einer Eigentümergrundschuld erwerben will, muss daher sicherstellen, dass der Löschungsanspruch ausscheidet, weil die Eigentümergrundschuld noch nicht Fremdgrundschuld war (§ 1196 III BGB), gleich- oder nachrangige Grundpfandrechte nicht bestehen oder als Inhalt dieser Rechte ein Verzicht auf den Löschungsanspruch vereinbart ist (§ 1179a V BGB; dazu BayObLG NJW-RR 1992, 306 (307)). Der Löschungsanspruch ist grundsätzlich auch in der Insolvenz des Grundstückeigentümers durchsetzbar (§ 106 InsO, §§ 888, 1179a I 3 BGB). Eine Ausnahme gilt aber, wenn die Eigentümergrundschuld erst nach Insolvenzeröffnung entsteht (BGHZ 166, 319 = NJW 2006, 2408 (2409); Kesseler, NJW 2007, 3466; a. A. Rein, NJW 2006, 3470 (3472)).
36
c) Fremdgrundschuld. Bei Abtretung einer Fremdgrundschuld hat der Zessionar Sorge zu tragen, die Grundschuld einredefrei gegen den Eigentümer geltend machen zu können. Weiter ist zu bedenken, ob neben der Grundschuld weitere Rechte zu übertragen sind. Wird eine Sicherungsgrundschuld abgetreten, kann auch die gesicherte Forderung übertragen werden.
37
3. Abstraktheit der Grundschuld. Das Grundschulderwerbsgeschäft (Bestellung oder Abtretung) ist ein abstraktes Rechtsgeschäft, d.h. es ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung des Grundschulderwerbs, dass der im Sicherungsvertrag zum Ausdruck kommende Sicherungszweck der Grundschuld erreicht wird. Sicherungsvertrag und Grundschulderwerb sind nicht nur zwei verschiedene Rechtsgeschäfte (Trennungsprinzip, Rn. 1), sondern in ihren Wirksamkeitsvoraussetzungen unabhängig voneinander (Abstraktionsprinzip). Weder die Unwirksamkeit des zu sichernden Darlehens (BGH WM 2000, 1580 (1582)) noch die Unwirksamkeit des Sicherungsvertrages (RGZ 124, 91 (93)) berühren im Grundsatz die Wirksamkeit des Grundschulderwerbs. Freilich können alle Rechtsgeschäfte auf Grund des gleichen Fehlers unwirksam sein (Fehleridentität). So bezieht sich regelmäßig eine wegen Überhöhung unwirksame Grundschuldzinsvereinbarung (Rn. 11) sowohl auf den Sicherungsvertrag als auch auf die Grundschuldbestellung.
38
Von Bestehen und Inhalt des Sicherungsvertrages ist aber abhängig, ob der Grundschuldgläubiger seinen Anspruch aus der Grundschuld durchsetzen kann. Besteht der Sicherungsvertrag nicht, fehlt es der Grundschuld an der causa. Der Sicherungsgeber, nicht unbedingt der Eigentümer (Rn. 2), kann sie wegen ungerechtfertiger Bereicherung herausverlangen (§ 812 BGB) und sich als Eigentümer gegen die Inanspruchnahme aus der Grundschuld mit der Bereicherungseinrede verteidigen (§ 821 BGB). Liegt der Sicherungsfall nach dem Sicherungsvertrag nicht vor, steht dem Sicherungsgeber aus dem Sicherungsvertrag eine Einrede gegen die Inanspruchnahme aus der Grundschuld zu (Rn. 53). Nur diese einzelnen Einreden, aber nicht der Charakter als Sicherungsgrundschuld sind als Folge der Abstraktheit der Grundschuld im Grundbuch eintragungsfähig
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
763
(BGH NJW 1986, 53 (54); Huber, S. 138 ff.; a. A. MünchKommBGB-Eickmann, 3. Aufl., § 1191 Rn. 41). 4. Insolvenzanfechtung. Im Falle der Insolvenz des Sicherungsgebers hat der Sicherungsnehmer die Grundschuld an den Insolvenzverwalter zurückzugewähren (§ 143 InsO), wenn die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO: Gläubigerbenachteiligung und Anfechtungsgrund) vorliegen. Am Anfechtungsgrund fehlt es, wenn für die Grundschuld unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Sicherungsgebers gelangt ist (§ 142 InsO, sog. Bargeschäft). Die Grundschuldbestellung zur Sicherung eines neuen Darlehens erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls dann, wenn der Kreditgeber das Darlehen erst valutiert, nachdem er eine Anwartschaft (Rn. 28) auf eine angemessene Grundschuld erlangt hat (vgl. BGH NJW 1977, 718). Mangels Gleichwertigkeit liegt hingegen kein Bargeschäft vor, wenn die Grundschuld über den Begebungsanlass hinaus auch alte Verbindlichkeiten sichert (vgl. BGH ZIP 1993, 271 (273)). Wird für das Stehen lassen eines alten, bislang ungesicherten Kredits eine Sicherung gewährt, so stellt die Sicherung eine inkongruente Deckung (§ 131 InsO) dar (vgl. BGH NJW 1998, 1561 (1563)). Wurde die Grundschuldbestellung im letzten Monat vor Insolvenzeröffnung vorgenommen (§ 140 InsO, Rn. 25), ist sie – bei unterstellter Gläubigerbenachteiligung – anfechtbar (§ 131 I Nr. 1 InsO); wurde sie in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantrag vorgenommen, ist sie anfechtbar, wenn der Sicherungsgeber zahlungsunfähig war (§ 131 I Nr. 2 InsO) oder der Sicherungsnehmer die Gläubigerbenachteiligung kannte (§ 131 I Nr. 3 InsO).
39
III. Bestellung weiterer Sicherheiten. 1. Anlässlich der Grundschuldbestellung verlangt der Sicherungsnehmer durch Formularvertrag regelmäßig weitere Sicherheiten vom Sicherungsgeber. So sieht die notarielle Urkunde über die Grundschuldbestellung meist eine persönliche Haftungsübernahme mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung in Höhe der Grundschuldsumme vor. Zudem wird formularmäßig im Sicherungsvertrag die Abtretung von Rückgewähransprüchen hinsichtlich vor- oder gleichrangiger Grundschulden durch den Eigentümer vorgegeben.
40
a) Die persönliche Haftungsübernahme erfolgt regelmäßig durch Schuldanerkenntnis (§ 780 BGB), da die Forderung anders als bei Bürgschaft oder Schuldbeitritt gerade unabhängig von der zu sichernden Forderung sein soll (BGHZ 114, 9 (12); kritisch Marburger, S. 117 ff.). Die Haftungsübernahme steht selbstständig neben der Grundschuld. Ihre Wirksamkeit hängt nicht vom Entstehen der Grundschuld ab (BGH NJW 1992, 971 (972)). Im Sicherungsvertrag ist für die Haftung nach § 780 BGB regelmäßig der gleiche Sicherungszweck wie für die Grundschuld vereinbart. Bei entsprechend weiter Sicherungszweckerklärung (etwa alle Forderungen aus bankmäßiger Geschäftsverbindung) werden nicht nur originär eigene, sondern auch abtretungsweise erworbene Ansprüche gesichert (BGH NJW-RR 2005, 985 (986)).
41
Ist der Schuldner auch Sicherungsgeber, führt die Haftungsübernahme angesichts der Verpflichtung aus dem Kredit lediglich zu einem weiteren Schuldgrund mit allerdings anderer Beweislast. Daher wird überwiegend ein AGB-Verstoß verneint (BGHZ 114, 9 (12 f.); 99, 274 (282 ff.); a. A. Knops, ZfIR 1998, 577 (588 ff.)). Dass das Gesetz für das Schuldanerkenntnis eine andere Beweislastverteilung als für die gesicherte Forderung vorsieht, stellt keine Bestimmung der Beweislast nach § 309 Nr. 12 BGB dar (BGHZ 114, 9 (12); Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rn. 1081; a. A. Hahn, ZIP 1996, 1233 (1234 ff.)). Ist der Sicherungsgeber nicht Schuldner, begründet erst die Haftungsübernahme die Haftung des Sicherungsgebers mit seinem gesamten Vermögen wie bei einem Schuldbeitritt oder der Bürgschaft. Daher ist eine solche Klausel ungeachtet notarieller
42
Jacoby
764
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Belehrung regelmäßig bereits überraschend i. S. § 305c BGB (Freckmann, BKR 2005, 167 (172); Gaberdiel, Rn. 301), verstößt aber auch gegen § 307 BGB (BGHZ 114, 9 (13 f.); OLG Köln, RNotZ 2003, 47 (48); OLG Oldenburg NJW 1985, 152 f.; Clemente, Rn. 364; differenzierend Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 144; a. A. OLG Düsseldorf WM 1987, 717 (718 f.); OLG Hamm 1987, 1064). Eine unbeschränkte Dritthaftung ist durch eine von der Grundschuldbestellung getrennte Individualvereinbarung zu begründen. 43
b) Die Vollstreckungsunterwerfung in notarieller Urkunde (§ 794 I Nr. 5 ZPO) hinsichtlich der persönlichen Haftungsübernahme ermöglicht anders als die Unterwerfung hinsichtlich der Grundschuld (Rn. 31) die Zwangsvollstreckung des Sicherungsnehmers in das gesamte Vermögen des Sicherungsgebers. Wegen des regelmäßig mit der Unterwerfungserklärung verbundenen Nachweisverzichts kann der Gläubiger die Vollstreckungsklausel vom Notar ohne weitere Nachweise erlangen (§§ 724 f., 797 ZPO, 52 BeurkG) und die Vollstreckung zwei Wochen nach Zustellung des Titels (§§ 798, 750 ZPO) beginnen. Der Sicherungsgeber muss Einwendungen mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen (§§ 767, 797 ZPO).
44
Die Vollstreckungsunterwerfung des Kreditnehmers ist nach herrschender Ansicht auch im Formularvertrag wirksam (BGHZ 114, 9 (12 f.); 99, 274 (282 ff.); Clemente, ZfIR 2004, 497 (504); Freckmann, BKR 2005, 167 (172); Gaberdiel, Rn. 300; StaudingerWolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 143). Diese Ansicht ist zu überdenken (ebenso Knops, ZfIR 1998, 577 (588 ff.); vgl. ferner OLG Saarbrücken ZfIR 2003, 153 (155 f.); OLG Koblenz ZIP 2002, 702 (704 f.) zur Vollmacht für eine Unterwerfungserklärung). Zum einen ist es doch eine Überrumpelung (§ 305c I BGB, Rn. 7) für den Sicherungsgeber, wenn er unter dem Deckmantel der Grundschuldbestellung dem Sicherungsnehmer den Vollstreckungszugriff auf sein gesamtes Vermögen eröffnet. Dass diese Klausel in der Bankpraxis üblich ist, schließt den Überrumpelungseffekt nicht aus, weil die Sicherungsgeber regelmäßig über keine Erfahrung in der Immobilienfinanzierung verfügen (Koch, WuB IV C. § 3 AGBG 1.03). Zum anderen spricht für eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 BGB) des Kreditnehmers, dass der Kreditgeber durch die Kombination von Schuldanerkenntnis mit Unterwerfung samt Nachweisverzicht auf das gesamte Vermögen des Kreditnehmers zugreifen kann, auch wenn die Kreditrückzahlung – etwa gar mangels Valutierung – nicht fällig ist. So hat der BGH die Unterwerfung mit Nachweisverzicht des Werkbestellers hinsichtlich des Werklohns vor Abnahme des Werkes nach § 307 BGB für unwirksam erachtet (BGH NJW 2002, 138 (139 f.)), weil der Nachweisverzicht von der Vorleistungspflicht des Werkunternehmers (§ 641 BGB) abweiche. Freilich bietet diese Entscheidung keine Parallele, wenn man von dem ohne Vorleistung fälligen Schuldanerkenntnis ausgeht; da aber auch das Schuldanerkenntnis der Inhaltskontrolle unterliegt, ist für die Beurteilung auf den Kreditrückzahlungsanspruch abzustellen. Ungeachtet dieser Argumente hält der BGH allerdings an seiner hergebrachten Auffassung fest, dass die Vollstreckungsunterwerfung und eine Verpflichtung dazu im Formularvertrag wirksam sind (BGH ZIP 2006, 119; NJW-RR 2005, 985 (986); NJW 2003, 885 (886)).
45
c) Die Abtretung von Rückgewähransprüchen hinsichtlich gleich- oder vorrangiger Grundschulden kann verschiedene Zwecke haben. Entweder will der Sicherungsnehmer seine Sicherung um die vorrangigen Grundschulden erweitern oder er will lediglich den Rang seiner Grundschuld verbessern. Im zweiten Sinne sind die im Sicherungsvertrag formularmäßig vorgesehenen Abtretungen zu verstehen (BGHZ 110, 108 (112 f.); Clemente, ZfIR 1997, 127 (132); vgl. OLG Stuttgart ZfIR 2003, 480 (481 f.)). Mit einem so verstandenen Inhalt halten sie der AGB-Kontrolle stand, weil sie für das Recht der Sicherungsgrundschuld eine dem Löschungsanspruch bei der Hypothek (§ 1179a BGB) äquivalenten
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
765
Schutz des Grundschuldinhabers schaffen (Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 135). Die Abtretung gleicht aus, dass die Sicherungsgrundschuld bei Wegfall des Sicherungszwecks nicht kraft Gesetzes (§ 1163 I 2 BGB) an den Eigentümer zurückfällt. Da § 1179a BGB auch bei Hypotheken zur Sicherung von Drittverbindlichkeiten eingreift, ist die Abtretungsklausel auch bei der Sicherungsgrundschuld zur Sicherung von Verbindlichkeiten Dritter wirksam (Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 135 gegen Clemente, Rn. 496). Eine formularmäßige Abtretung der Rückgewähransprüche zur Erweiterung der Sicherheit des Sicherungsnehmers verstößt indes regelmäßig bereits gegen § 305c Abs. 1 BGB (Gaberdiel, Rn. 871). Die Abtretung kann aber auch wegen Intransparenz (§ 307 BGB) oder Übersicherung (§§ 138 BGB, 1136, 1192 BGB, Rn. 10) unwirksam sein (OLG Stuttgart ZfIR 2003, 480 (481)). Es ist daher zu empfehlen, den begrenzten Rangverbesserungszweck im Formularvertrag klar zu stellen. Die Abtretung wird freilich nur wirksam, falls die Abtretung der vorrangigen Grundschuld nicht zwischen den Parteien des Sicherungsvertrages dieser Grundschuld ausgeschlossen ist (§ 399 Fall 2 BGB, Rn. 96) oder der betroffene Sicherungsnehmer zustimmt. Der Zessionar kann aus der Abtretung des künftigen Anspruchs erst dann Rechte herleiten, wenn der Rückgewähranspruch durchsetzbar ist (Rn. 86 ff.). Da der Rückgewähranspruch dem Zessionar lediglich zur Verbesserung seiner Rangposition dienen soll, kann der Zessionar lediglich Löschung der Grundschuld, jedenfalls nicht Befriedigung in einer seine Grundschuld übersteigenden Höhe verlangen (vgl. Clemente, Rn. 490a). Ferner hat der Zessionar dem Sicherungsgeber den (nachrangigen) überschießenden Teil der Grundschulden seinerseits zurückzugewähren.
46
2. Sonstige Sicherheiten. Der Sicherungsgeber kann dem Sicherungsnehmer neben der Sicherungsgrundschuld weitere Real- oder Personalsicherheiten jeglicher Art verschaffen. Für die Frage der Übersicherung gelten die allgemeinen Grundsätze (Rn. 10, 93). Gewährt ein Dritter weitere Sicherheiten, so ist danach zu unterscheiden, ob die Sicherheiten in einem einheitlichen Sicherungsvertrag geregelt werden. In diesem Fall sind für die Feststellung der Übersicherung die Sicherheiten von Sicherungsgeber und Dritten zusammenzurechnen (Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 153). Anderenfalls sind die Sicherheiten unabhängig voneinander.
47
C. Anspruch aus der Grundschuld
48
I. Anspruchsinhalt. 1. Gegenstand. Es wird darüber gestritten, ob die Grundschuld einen Anspruch auf Zahlung gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer aus dem Grundstück gewährt (Staudinger-Wolfsteiner, Einl. zu §§ 1113 ff Rn. 24, vgl. § 1191 BGB) oder – so die herrschende Meinung – ein Befriedigungsrecht, die Zwangsvollstreckung zu erdulden (BGHZ 7, 123 (126); Baur/Stürner, SachR, § 36 Rn. 68; vgl. § 1147 BGB). Praktische Auswirkungen ergeben sich lediglich für die Fassung eines Klageantrags (Rn. 57). a) Anspruchsumfang. Den Anspruchsumfang bestimmen nicht allein das Grundschuldkapital (zur Währung Clemente, BKR 2002, 975), sondern auch die Grundschuldzinsen und sonstige Nebenleistungen. Der Zinsbeginn, der auch vor dem Zeitpunkt der Eintragung liegen kann (BGH NJW 1986, 314 (315)), muss sich aus der Eintragungsbewilligung ergeben; im Zweifel ist der Eintragungszeitpunkt maßgeblich (RGZ 136, 232 (234 f.)). Die Nebenleistung wird üblicherweise durch die Angabe eines Prozentsatzes vom Grundschuldkapital ausgedrückt, ohne ihren Grund zu bezeichnen (OLG Stuttgart WM 1986, 1184 ff.; LG Bielefeld Rpfleger 1999, 388; Gaberdiel, Rn. 289; kritisch Stöber, ZIP 1980, 613 (617); für Unwirksamkeit der Nebenleistung Knops, S. 89).
49
b) Haftungsumfang. Das Befriedigungsrecht bezieht sich neben dem Grundstück noch auf weitere vom Haftungsverband der Hypothek erfasste Gegenstände (§§ 1120 ff.
50
Jacoby
766
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
BGB). An beweglichen Gegenständen haften Erzeugnisse und Zubehör (§ 97 BGB), wenn sie im Eigentum des Grundstückseigentümers standen (§ 1120 BGB) und nicht enthaftet wurden (§§ 1121 f. BGB). An Forderungen haften Miet- oder Pachtzinsforderungen (§§ 1123 ff. BGB), Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen wie aus Reallasten oder Erbbauzinsen (§ 1126 BGB), Ansprüche wegen der Versicherung haftender Gegenstände (§§ 1127 ff. BGB), Entgeltansprüche für ein Dauerwohnrecht (§§ 1123 ff. BGB, 40 WEG) und Entschädigungsansprüche bei Enteignungen (§ 1128 BGB, Art. 52, 53, 67 II EGBGB). Indessen nicht erfasst ist nach dem Recht der DDR entstandendes Gebäudeeigentum (s. Art. 233 § 2b EGBGB), das einen selbstständigen, vom Grundstück getrennten Rechtsgegenstand darstellt (vgl. BGH WM 2007, 517). 51
2. Der Rang bestimmt das Verhältnis verschiedener Grundstücksrechte zueinander. Das Rangverhältnis verschiedener Grundpfandrechte bestimmt über die Rangfolge ihrer Befriedigung vornehmlich in den Verfahren der Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung (§§ 10 f. ZVG, Rn. 64). Der Rang ergibt sich aus der Reihenfolge der Eintragung im Grundbuch (§ 879 BGB). Die Grundschuld erhält ohne weitere Abrede die mit Eintragung bereite Rangstelle. Nachträgliche Rangänderung ist durch Einigung der betroffenen Rechtsinhaber mit Zustimmung des Eigentümers möglich (§ 880 BGB). Bei Bestellung der Grundschuld kann dem Eigentümer das Recht vorbehalten werden, einem anderen Recht bestimmten Umfanges den Vorrang einzuräumen (§ 881 BGB).
52
3. Fälligkeit und Zahlungsort sind gesetzlich geregelt. § 1193 BGB sieht eine sechsmonatige Kündigungsfrist vor. Den Zahlungsort bestimmt der Sitz des Grundbuchamtes (§ 1194 BGB). Beide Regelungen können in AGB abbedungen werden. Regelmäßig wird die sofortige Fälligkeit der Grundschuld vereinbart. Die Vereinbarung bedarf als Inhaltsbestimmung der Einigung und Eintragung (unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung, gem. §§ 1115 I, 1192 BGB). Eine nachträgliche Änderung kann ohne Zustimmung der gleich- oder nachrangigen Berechtigten erfolgen (§§ 1119 II, 1192 BGB).
53
II. Einreden. Der Eigentümer kann gegen den aus einer Grundschuld vorgehenden Gläubiger sowohl Einwendungen und Einreden gegen den dinglichen Anspruch selbst (Nichtbestehen, fehlende Fälligkeit oder fehlende Gläubigerstellung) als auch Einreden aus ihrem sonstigen Rechtsverhältnis geltend machen. Zur zweiten Gruppe zählt die für die Sicherungsgrundschuld typische Einrede, dass die Inanspruchnahme aus der Grundschuld vom Sicherungszweck nicht gedeckt ist: Ist der Sicherungsvertrag unwirksam, greift die Bereicherungseinrede (§ 821 BGB). Der wirksame Sicherungsvertrag gewährt eine Einrede, sofern der Sicherungsfall etwa wegen Nichtvalutierung, fehlender Fälligkeit oder Erlöschen der gesicherten Forderung nicht eingetreten ist. Die Einreden aus dem Sicherungsvertrag können dauernder – dann besteht auch der Rückübertragungsanspruch (Rn. 86) – oder vorübergehender Natur sein.
54
1. Legitimation. Die Einreden stehen dem Eigentümer zu, wenn er als Sicherungsgeber Partei des Sicherungsvertrages ist. Der Eigentümer ist aber dann nicht Sicherungsgeber, wenn ein Dritter den Sicherungsvertrag geschlossen hat (Rn. 2) oder der Eigentümer erst nach Abschluss des Sicherungsvertrages das Grundstück erworben hat, ohne im Wege der Vertragsübernahme Partei des Sicherungsvertrages zu werden (BGH WM 2003, 1365; NJW 1990, 576). Wenn Eigentümer und Sicherungsgeber auseinander fallen, stehen dem Sicherungsgeber die Rechte aus dem Sicherungsvertrag wegen Nichteintritts des Sicherungsfalles zu. Er kann vom Sicherungsnehmer verlangen, bei endgültigem Nichteintritt des Sicherungsfalles die Grundschuld an ihn zurückzugewähren und es bei vorübergehendem Nichteintritt zu unterlassen, aus der Grundschuld vorzugehen. Der Eigentümer kann Einreden erheben, wenn der Sicherungsgeber ihm seine Ansprüche abgetreten hat
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
767
(vgl. BGH NJW 1990, 576) oder der Sicherungsvertrag als echter Vertrag zugunsten des Eigentümers (§ 328 BGB; BGH NJW 1992, 1390; Clemente, BKR 2002, 975 (978)) auszulegen ist. Um den Vertrag in dieser Weise auszulegen, kommt es maßgeblich auf die dem Sicherungsnehmer erkennbaren Interessen im Verhältnis von Eigentümer und Sicherungsgeber an. Die Einrede wirkt unmittelbar gegen den Inhaber der Grundschuld, wenn dieser Sicherungsnehmer ist, also auch dann, wenn er als Zessionar der Sicherungsgrundschuld bei gleichzeitiger Abtretung der zu sichernden Forderung die Rechte und Pflichten aus dem Sicherungsvertrag übernommen hat. Gegen einen sonstigen Zessionar der Grundschuld wirken die Einreden nach Maßgabe von §§ 1157, 1192 BGB. Grundsätzlich kann der Eigentümer daher solche Einreden gegen den Zessionar geltend machen, die im Zeitpunkt der Abtretung bereits vollständig entstanden waren (§ 1157 S. 1 BGB; BGHZ 85, 388 (390); BGH WM 2001, 453 (454); einschränkend OLG Köln OLGZ 1969, 419 (423)). Dauernde Einreden begründen einen Verzichtsanspruch gegen den Zessionar (§§ 1169, 1192 BGB; BGHZ 108, 237 (243 f.)). Eine Ausnahme gilt, wenn der Zessionar die Grundschuld gutgläubig einredefrei erworben hat (§ 1157 S. 2 BGB). Dafür kommt es, wenn die Einreden weder aus dem Grundbuch (§ 891 BGB) noch aus dem Brief (§§ 1140, 1192 BGB) hervorgehen, allein auf den guten Glauben des Zessionars an, ohne dass die Anforderungen des § 1155 BGB gewahrt sein müssen (RGZ 135, 357 (361)). Bösgläubigkeit begründet nicht schon die Kenntnis vom Sicherungscharakter der Grundschuld (a. A. Wilhelm, JZ 1980, 625 (628 ff.), sondern allein die Kenntnis der bestehenden Einrede (BGHZ 103, 72, 82; umfassend Huber, FS Serick, S. 195 ff.; differenzierend Clemente, ZfIR 2007, 737 (742); Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rn. 1011 ff.), da ansonsten der Erwerber der abstrakten Grundschuld schlechter stehen würde als der der akzessorischen Verkehrshypothek. Eine Ausnahme kann bei einem besonderen Näheverhältnis zwischen Sicherungsnehmer und Zessionar bestehen (BGHZ 66, 165 (168)).
55
2. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Einrede trifft entsprechend den allgemeinen Grundsätzen den Sicherungsgeber, weil es für ihn günstig ist, wenn eine Einrede vorliegt. Es kommt nicht darauf an, auf welchem Grund (Nichtvalutierung, Erlöschen der Forderung etc.) die Einrede beruht (BGH NJW 2002, 1578 (1580); BGHZ 109, 197 (204)). Keine Ausnahme gilt, wenn der Sicherungsgeber nicht gleichzeitig Schuldner der zu sichernden Forderung ist (BGH NJW 2000, 1108 (1109)). Den Abschluss einer neuen Sicherungsabrede muss ebenfalls der Sicherungsgeber beweisen (BGH WM 1991, 668 (669); Rn. 20). Stand aber bei Bestellung der Grundschuld die Höhe der zu sichernden Forderung unstreitig nicht fest, etwa weil sich der Sicherungszweck auf eine künftige Kontokorrentschuld bezieht, muss der Grundschuldgläubiger den jeweiligen Umfang und die Höhe der geschuldeten Forderung darlegen und beweisen (BGH NJW 1991, 1286 (1287); WM 1986, 1355 (1356); ausführlich Joswig, ZfIR 2001, 712 (714 ff.); a. A. Huber, S. 130), wozu beim Darlehen etwa auch die Valutierung gehört.
56
III. Prozessuale Durchsetzung. Den notwendigen Titel kann der Grundschuldgläubiger in Form eines vollstreckbaren Urteils mit dem Klageantrag „den Beklagten zu verurteilen, wegen der im Grundbuch von ..., Blatt ..., Abt. 3, lfd. Nr. ... eingetragenen Grundschuld in Höhe von ... nebst ... % Zinsen seit dem ... die Zwangsvollstreckung in das Grundstück ... zu dulden“ erwirken. Es gilt der ausschließliche dingliche Gerichtsstand (§ 24 ZPO). Der Gläubiger hat die Voraussetzungen und die Fälligkeit der Grundschuld darzulegen und zu beweisen, profitiert aber vom öffentlichen Glauben des Grundbuchs und beglaubigter Abtretungserklärungen (§§ 891, 1155 BGB). Wenn der Gläubiger Klage erhebt, ohne den Eigentümer aufzufordern, sich in notarieller Urkunde der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu unterwerfen (§ 794 I Nr. 5 ZPO), droht dem Gläubiger,
57
Jacoby
768
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nach sofortigem Anerkenntnis des Eigentümers die Prozesskosten tragen zu müssen (§ 93 ZPO; OLG Karlsruhe OLGZ 1987, 250 f.; Soergel-Konzen, § 1147 Rn. 7; dagegen OLG Frankfurt OLGR 1999, 175). Der Streitwert wird durch die Höhe der Grundschuldsumme oder den geringeren Wert des Grundstücks bestimmt (§ 6 ZPO). Dafür ist vom Verkehrswert des Grundstücks der Wert vorrangiger Lasten abzuziehen (OLG Bamberg JurBüro 1977, 1277; Stein/Jonas-Roth, § 6 Rn. 27; dagegen BGH NJW 1952, 1335). 58
Üblicherweise ist der Anspruch des Grundpfandgläubigers bereits in einer vollstreckbaren Urkunde tituliert (Rn. 31). Der Eigentümer muss Einwendungen mit der Vollstreckungsabwehrklage (§§ 767, 797 ZPO) geltend machen. Eine Präklusion entsprechend § 767 II ZPO greift nicht (§ 797 IV ZPO). Liegt eine Unterwerfung gegen den jeweiligen Eigentümer vor, bestimmt die Belegenheit des Grundstücks den Gerichtsstand (§ 800 III ZPO), sonst ist der allgemeine Gerichtsstand des Klägers einschlägig (§ 797 V ZPO). Die Darlegungs- und Beweislast wird durch die prozessuale Vollstreckungsunterwerfung mit Nachweisverzicht nicht berührt (BGH NJW 2002, 138 (139)). Der Streitwert richtet sich nach dem titulierten Anspruch (§ 6 ZPO, Rn. 57). Kann der Eigentümer die Vollstreckung aus dem Titel nicht insgesamt oder teilweise für unzulässig erklären lassen, kann er mit einer Feststellungsklage Befugnisse des Grundpfandgläubigers aus der Urkunde (Reichweite des Titels; Umfang der Sicherungsabrede) klären lassen (BGH NJW 1997, 2320 (2321)).
59
D. Verwertung der Grundschuld Wird die gesicherte Forderung nicht erfüllt, kann der Sicherungsnehmer Befriedigung durch Verwertung der Grundschuld suchen. Der Sicherungsvertrag legt regelmäßig fest, dass der Sicherungsnehmer zur Verwertung berechtigt ist, wenn der Kreditnehmer mit seiner Verbindlichkeit in Verzug ist, seine Zahlungen eingestellt hat oder das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind analog § 1234 II BGB mit Monatsfrist anzukündigen. Anders als für denjenigen, dem ein Recht erfüllungshalber (§ 364 II BGB) verschafft wird, besteht für den Sicherungsnehmer keine Verwertungspflicht (Clemente, BKR 2002, 975 (981); Jacoby, AcP 203 (2003), 664 (674 ff.); Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 85). Vielmehr kann der Sicherungsnehmer auch auf die gesicherte Forderung oder andere Sicherheiten zugreifen. Er hat allein wegen der treuhänderischen Bindung eine möglichst werthaltige Verwendung der Grundschuld sicherzustellen (BGH NJW 1997, 1063 (1064); vgl. Rn. 67).
60
I. Zwangsweise Verwertung. 1. Zwangsvollstreckung. Der Grundschuldgläubiger kann aus seinem titulierten Grundschuldanspruch die Zwangsvollstreckung entweder in die einzelnen vom Haftungsverband der Hypothek (Rn. 50) erfassten Forderungen und Sachen oder in das belastete Grundstück selbst (§ 866 I ZPO) betreiben, insbesondere durch Antrag auf Zwangsverwaltung (§§ 146 ff. ZVG, Rn. 68) oder Zwangsversteigerung (§§ 15 ff. ZVG).
61
a) Zwangsversteigerung im Überblick. Die Anordnung der Zwangsversteigerung setzt neben den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen einen Antrag an das zuständige Vollstreckungsgericht (§ 1 ZVG) voraus (§ 15 ZVG). Sie führt zur Beschlagnahme des Grundstücks (§§ 20 ff. ZVG, 135 f. BGB). Weitere Antragsteller können dem Verfahren beitreten (§ 27 ZVG), so dass das Verfahren auch bei Rücknahme eines von mehreren Anträgen fortgeführt wird. Jeder Zulassungsbeschluss äußert selbstständige Beschlagnahmewirkung.
62
Im Versteigerungstermin ist ein Gebot nur zuzulassen, wenn es die Verfahrenskosten und die Rechte, die den Rechten der betreibenden Gläubiger vorgehen (§§ 10 ff. ZVG),
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
769
deckt (geringstes Gebot, § 44 ZVG). Das höchste Gebot, das den Zuschlag erhalten soll (Meistgebot), muss jedenfalls im ersten Versteigerungstermin die Hälfte des vom Gericht festgesetzten Grundstückswertes (absolutes Mindestgebot) erreichen (§ 85a ZVG). Erreicht das Meistgebot nicht 70 % des Grundstückswertes (relatives Mindestgebot), ist der Zuschlag auf Antrag eines Gläubigers zu versagen, dessen Anspruch durch das Meistgebot nicht gedeckt ist, bei einem Gebot in Höhe des relativen Mindestgebots aber voraussichtlich gedeckt wäre (§ 74a ZVG). Um über die Berechtigung eines solchen Gläubigerantrags zu entscheiden, ist ein fiktiver Verteilungsplan zu erstellen. In diesen sind die (dem antragstellenden Gläubiger vorgehenden) Grundschulden mit ihrem Nominalbetrag (Kapital nebst Zinsen und anderen Nebenleistungen) einzustellen (BGHZ 158, 159 = NJW 2004, 1803). Ein Teil des Meistgebots ist im Versteigerungstermin durch Barzahlung zu berichtigen (Bargebot, § 49 ZVG). Beim Bieten wird jeweils nur dieser Betrag genannt. Das Bargebot setzt sich aus den Verfahrenskosten, den in das geringste Gebot fallenden, aber nicht bestehen bleibenden Rechten (§§ 10 Nr. 1–3, 12 Nr. 1, 2 ZVG) und dem Mehrgebot (Differenz zwischen Meistgebot und geringstem Gebot) zusammen. Die sonstigen in das geringste Gebot fallenden Rechte, also insbesondere die vorrangigen Grundpfandrechte und sonstigen dinglichen Belastungen (§§ 10 Nr. 4, 11 ZVG), bleiben bestehen und werden vom Ersteher übernommen (§§ 52, 56 S. 2 ZVG). Der Zuschlag erfolgt an den Meistbietenden durch Beschluss (§§ 81, 87 ZVG). Dadurch wird der Ersteher Eigentümer des Grundstücks und der Gegenstände, die zum Haftungsverband der Hypothek (Rn. 50) gehörten und von der Beschlagnahme mit erfasst wurden (§§ 90, 55, 20 f. ZVG, 1120 ff. BGB). Das Recht des bestrangig betreibenden Gläubigers und die nachrangigen Rechte am Grundstück erlöschen (§ 91 ZVG). Der Ersteher kann Miet- bzw. Pachtverträge, die er übernimmt (§§ 566 ff. BGB, 57 ZVG), zum ersten Termin der gesetzlichen Frist kündigen, auch wenn die Verträge befristet sind oder die Kündigung auf andere Weise erschwert ist (§ 57a ZVG). Ein gesetzlich angeordneter Kündigungsgrund (etwa § 573 BGB) muss vorliegen (Stöber, ZVG, § 57a Rn. 6.1).
63
Der Erlös wird auf Grund eines Teilungsplanes ausgeschüttet (§ 113 ZVG). Die Verteilung des Barerlöses erfolgt nach Entnahme der Verfahrenskosten entsprechend dem Rang der Rechte (§§ 10 ff. ZVG). Den Rang der Grundschuld teilen die Grundschuldzinsen lediglich für das laufende Jahr (§ 13 ZVG) und die rückständigen Beträge der letzten zwei Jahre (§ 10 Nr. 4 ZVG). Bestand vor Zuschlag ein Löschungsanspruch eines nachrangigen Gläubigers aus Gesetz (§ 1179a BGB, Rn. 35) oder Vertrag, kann dieser Anspruch im Verteilungsverfahren mit der Wirkung geltend gemacht werden, dass auf das vorrangige, von der Löschung betroffene Recht kein Erlös entfällt (BGHZ 108, 237 (241); BGH NJW 2002, 1578 (1579 f.)). Davon zu unterscheiden sind die Folgen des Verzichts eines vorrangigen Grundschuldgläubigers, der vor Zuschlag einen Löschungsanspruch des nachrangigen Gläubigers begründet hätte, der aber erst nach Zuschlag erfolgt: Verzichtet der Gläubiger einer durch den Zuschlag erloschenen Grundschuld im Verteilungsverfahren für den nicht valutierten Teil seines Rechts auf den Erlös, so entsteht für den Eigentümer analog §§ 1168, 1192 I BGB ein Eigentümererlöspfandrecht. Ein nachrangiger Grundpfandgläubiger kann der Zuteilung dieses Erlöses an den Eigentümer nicht widersprechen (BGHZ 160, 168 (172 f.) = WM 2004, 1786). Ein Löschungsanspruch in Bezug auf das Eigentümererlöspfandrecht entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Widersprüche gegen den Teilungsplan sind mit der Teilungsklage gegen die beteiligten Gläubiger geltend zu machen (§§ 878 ZPO, 115 ZVG).
64
b) Grundschuldgläubiger in der Zwangsversteigerung. Der betreibende Grundschuldinhaber verliert durch den Zuschlag sein Recht (§ 91 ZVG), wird aber aus dem Mehrgebot befriedigt. Ist er selbst Ersteher, ist ihm der Betrag anzurechnen, um den sein
65
Jacoby
770
66
67
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Meistgebot das relative Mindestgebot unterschreitet (§ 114a ZVG). Er kann seinen Antrag bis zum Zuschlag zurücknehmen, also auch noch nach Schluss der Versteigerung (§ 73 II ZVG). Auf Antragsrücknahme ist das Verfahren einzustellen, nach Schluss der Versteigerung ist der Zuschlag zu versagen (§ 33 ZVG; Stöber, ZVG, § 29 Rn 2.6 f.). Der Grundschuldgläubiger läuft dadurch Gefahr, die Verfahrenskosten nicht erstattet zu bekommen, da nur notwendige Kosten im Vollstreckungsverfahren erstattungsfähig sind (§ 788 ZPO). Der Grundschuldgläubiger kann erwägen, vorrangige Kleingläubiger, falls diese ebenfalls die Zwangsversteigerung betreiben, abzulösen, um spätere Verzögerungen des Verfahrens zu verhindern. Diese Verzögerungen drohen dadurch, dass der Kleingläubiger sonst von Dritten eventuell erst nach Schluss der Versteigerung abgelöst wird und so das geringste Gebot neu zu berechnen ist (Storz, Rpfleger 1990, 177 (179)). Dem Recht des bestrangig betreibenden Gläubigers vorrangige Grundschulden werden vom Ersteher übernommen. Die Übernahme bezieht sich auf das Grundschuldkapital und auf die Zinsen ab Zuschlag. Mit älteren Zinsansprüchen nimmt der Grundschuldgläubiger an der Erlösverteilung teil – hinsichtlich laufender Zinsen (§ 13 ZVG) von Amts wegen, hinsichtlich rückständiger auf Antrag (§ 45 II ZVG). Im Umfang des übernommenen Grundschuldkapitals kann auch die Verpflichtung aus der gesicherten Forderung nebst Rechten und Pflichten aus dem Sicherungsvertrag auf den Erwerber übergehen (§ 53 II ZVG). Dafür muss der Eigentümer, gegen den sich die Zwangsversteigerung richtet, Schuldner der Forderung sein, die Forderung im Zwangsversteigerungsverfahren anmelden und der Gläubiger die Schuldübernahme genehmigen (§§ 53 ZVG, 416 BGB). Anderenfalls wirkt sich der Eigentumswechsel durch den Zuschlag weder auf die Kreditforderung noch auf den Sicherungsvertrag aus. Dann ist der Treugeber weiterhin Gläubiger des Rückgewähranspruchs, auch wenn er sein Eigentum durch den Zuschlag verloren haben sollte (vgl. BGH WM 1988, 1834 (1837)), der neue Eigentümer kann die Rechte aus dem Sicherungsvertrag nicht geltend machen (BGHZ 155, 63 = WM 2003, 1365; Rn. 54, 89). Nachrangige Grundschuldgläubiger verlieren ihr Recht (§ 91 ZVG), wenn nicht ausnahmsweise Ersteher und Gläubiger vereinbaren, die Grundschuld liegen zu belassen (§ 91 II ZVG). Die nachrangigen Grundschuldgläubiger werden aus dem Mehrgebot nach ihrem Rang befriedigt. Ihnen steht das Recht zu, die vorrangigen Gläubiger abzulösen (§§ 268, 1150 BGB). Die Ablösung verlangt, dass der vorrangige Grundschuldgläubiger in voller Höhe des dinglichen Rechts befriedigt wird. Das gilt unabhängig davon, ob eine Forderung besteht, deren Sicherung das vorrangige Grundpfandrecht dient (BGH NJW 2005, 2398 (2399)). Der etwaige Übererlös gebührt dem Eigentümer (Rn. 73). Gläubiger einer Sicherungsgrundschuld müssen auf Grund ihrer treuhänderischen Stellung (Rn. 1) Ansprüche aus der Grundschuld hinsichtlich Kapital und Zinsen möglichst weitgehend (dazu BGH NJW 1981, 1505 f.) anmelden. Sie dürfen sich nicht auf die Höhe ihrer zu sichernden Forderungen beschränken, sondern müssen bestrebt sein, einen etwaigen Übererlös (Rn. 73) zu erzielen, der an den Sicherungsgeber auszukehren ist (Soergel-Konzen, § 1191 Rn. 60; vgl. auch BGH NJW 1997, 2672 (2673) zur freihändigen Verwertung). Eine abweichende formularvertragliche Regelung im Sicherungsvertrag widerspricht dessen Treuhandcharakter und ist daher unwirksam (§ 307 II Nr. 2 BGB; Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff. Rn. 98). Der Grundschuldgläubiger kann seine Anmeldepflicht durch eine teilweise Rückgewähr der Grundschuld (Rn. 93) abwenden (Gaberdiel, Rn. 1163 ff.). Um die Entstehung des Löschungsanspruchs (§ 1179a BGB) zu verhindern, kann der Sicherungsgeber, der gleichzeitig Eigentümer ist, Übertragung auf einen Dritten verlangen (vgl. BGHZ 108, 237 (244 ff.); Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 98).
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
771
c) Die Zwangsverwaltung dient dazu, die Gläubiger aus den Erträgen des Grundstücks zu befriedigen. Die Anordnung der Zwangsverwaltung führt im Gegensatz zur Zwangsversteigerung auch zur Beschlagnahme der Miet- und Pachtzinsforderungen (§ 148 I ZVG). Die Verwaltung des Grundstücks wird einem gerichtlich bestellten Zwangsverwalter übertragen (§ 150 ZVG). Der Zwangsverwalter befriedigt die Gläubiger aus dem von ihm erzielten Erlös nach Rangklassen (§§ 10 ff. ZVG) auf Grundlage eines Teilungsplanes (§§ 155 ff. ZVG). Berechtigte, die das Verfahren nicht selbst beantragt haben, werden nur mit Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen berücksichtigt (§ 155 II ZVG). Da der Sicherungsnehmer zur Verwertung der Grundschuld regelmäßig auf den Substanzwert des belasteten Grundstücks zugreifen möchte, kommt der Zwangsverwaltung in der Praxis lediglich eine Ergänzungsfunktion zu (vgl. Gaberdiel, Rn. 1291). Sie wird gelegentlich als Druckmittel eingesetzt. Regelmäßig wird mit der Zwangsversteigerung die Zwangsverwaltung beantragt, um die Erträge des Grundstücks während der Dauer des Versteigerungsverfahrens zu vereinnahmen.
68
2. Freihändige Verwertung ist die rechtsgeschäftliche Veräußerung der Grundschuld ohne gesicherte Forderung Clemente, ZfIR 2007, 737 (744)). Die Veräußerung von Grundschuld und Forderung stellt hingegen keine Verwertungshandlung dar, weil das ursprüngliche Sicherungsverhältnis zwischen Forderung und Grundschuld erhalten bleibt; allein der Gläubiger wird ausgetauscht. Den Zessionar treffen hinsichtlich der Grundschuld alle Pflichten des Sicherungsnehmers. Ebenso ist die Veräußerung der gesicherten Forderung keine Verwertung. Entweder besteht dann der Sicherungszweck unter Trennung von Sicherungsnehmer und persönlichem Gläubiger fort oder der Sicherungszweck der Grundschuld endet, so dass die Grundschuld zurückzugewähren ist (BGH WM 1991, 86 (87 f.)).
69
Die Veräußerung allein der Grundschuld ist vom Sicherungsvertrag grundsätzlich nicht gedeckt, weil sie dem Sicherungsnehmer als Rechtsinhaber zwar formal zusteht, aber seiner Stellung im Innenverhältnis als Treuhänder widerspricht. Der Sicherungsnehmer hat die Verknüpfung von Grundschuld und Forderung durch den Sicherungsvertrag zu achten und die Gefahr einer Doppelinanspruchnahme sowohl des Schuldners aus der persönlichen Forderung als auch des Eigentümers aus der Grundschuld zu bannen. Eine entsprechende Verwertungsbefugnis kann daher nur aus einer ausdrücklichen Erlaubnis im Sicherungsvertrag folgen (BGH WM 1986, 1386 (1387); Clemente, ZfIR 2007, 737 (744); Gaberdiel, Rn. 1287; a. A. – im Zweifel berechtigt bei Verwertungsreife – BGH WM 1987, 853 (856); Soergel-Konzen, § 1191 Rn. 22). 3. Erlösverrechnung. Durch die zwangsweise Verwertung erzielt der Sicherungsnehmer einen Erlös aus der Grundschuld. Weil der Sicherungsnehmer den Erlös nicht durch eine Leistung auf die Kreditforderung erlangt, erlischt die gesicherte Forderung nicht unmittelbar nach § 362 BGB. Dem zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer geschlossenen Sicherungsvertrag ist die Funktion des Erlöses zu entnehmen (ausführlich Jacoby, AcP 203 (2003), 664 (673 ff.)). Der Erlös kann entweder an Stelle der Grundschuld (Staudinger-Wolfsteiner Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 100; Gaberdiel, Rn. 834) zur Sicherung des Sicherungsnehmers dienen, so dass sich auch hinsichtlich des Erlöses die treuhänderische Bindung (Rn. 1) fortsetzt. Er kann freilich auch der Befriedigung des Sicherungsnehmers wegen der gesicherten Forderungen dienen. a) Hinreichender Erlös. Soweit der Erlös ausreicht, um alle gesicherten Forderungen zu decken, steht der Erlös in Höhe der fälligen Kreditforderungen dem Sicherungsnehmer – uneingeschränkt ohne treuhänderische Bindung – zu. Aus der Forderung darf der Sicherungsnehmer nicht mehr vorgehen. Die gesicherten Forderungen, deren Schuldner der Sicherungsgeber ist, erlöschen (§ 362 BGB), weil der Erlös nach dem Sicherungsvertrag
70
Jacoby
71
72
772
73
74
75
76
77
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
wie bei der Leistung erfüllunghalber (dazu BGHZ 96, 182 (186)) auch auf diese Forderungen angerechnet werden soll (BGH NJW 1980, 2198 (2199); OLG Schleswig WM 2007, 2326 (2328); Huber, S. 82 f.). Ist der Sicherungsgeber nicht persönlicher Schuldner, möchte er regelmäßig die gesicherte Forderung vom Sicherungsnehmer abgetreten bekommen, um seinen Regress gegen den Schuldner zu erleichtern, so dass die Forderung nicht erlischt (BGHZ 80, 228 (230); BGH NJW 1987, 838 (839)). Übersteigt der Erlös die gesicherten Forderungen, hat der Sicherungsnehmer den Übererlös an den Sicherungsgeber auszukehren (BGHZ 155, 63 (67); 98, 256 (261)). Dieser Anspruch beruht wie der Rückgewähranspruch auf dem Wesen der Sicherungstreuhand, so dass eine Aufrechnung des Sicherungsnehmers mit anderen Ansprüchen ausscheidet (BGH NJW 1994, 2885 (2886); vgl. Rn. 88). Der Übererlös gebührt nicht dem Zessionar des Rückgewähranspruchs oder demjenigen, dem im Falle der Rückübertragung der Grundschuld ein Löschungsanspruch (§§ 1179a, 1192 BGB; Rn. 35) zugestanden hätte. b) Ungenügender Erlös. Deckt der Erlös nicht alle gesicherten Forderungen, ist zu bestimmen, auf welche Forderungen der Erlös anzurechnen ist. Das ist wirtschaftlich insbesondere dann von entscheidender Bedeutung, wenn sich die Forderungen gegen unterschiedliche Schuldner richten (BGH NJW 1998, 601) oder abgesehen von der Sicherungsgrundschuld unterschiedlich gesichert sind. Diese Frage kann durch eine ausdrücklich im Sicherungsvertrag bestimmte Verrechnungsreihenfolge beantwortet werden (so in BGH NJW 1993, 2043 (2044)). Fehlt eine ausdrückliche Bestimmung, ist der Sicherungsvertrag dahin auszulegen, dass der Gläubiger bei Einleitung der Verwertung bestimmen kann, der Befriedigung welcher Forderung die Verwertung dienen soll (vgl. BGHZ 140, 391 (393 f.); NJW 1998, 601 (602); Jacoby, AcP 203 (2003), 664 (684 ff.); Soergel-Konzen, § 1191 Rn. 63; zu a. A. Rn. 76). Denn dem Sicherungsnehmer steht grundsätzlich frei, ob er die Sicherheit bei Eintritt des Sicherungsfalles verwerten will (Rn. 59). Dann muss er im Zweifel auch entscheiden können, für welche der Forderungen, deren Fälligkeit die Verwertungsvoraussetzungen herbeiführt, er die Verwertung betreiben will. Dem Vertrag ist keine Bestimmung immanent, nach der der Sicherungsnehmer vorrangig den Interessen des Sicherungsgebers oder ihm nahestehender Personen Rechnung zu tragen hätte (BGH NJW 1997, 2514 (2515)), so dass der Erlös etwa vorrangig auf Verbindlichkeiten des Sicherungsgebers anzurechnen wäre (BGH NJW 1998, 601 f.). Bei Einleitung der Zwangsvollstreckung wird der Sicherungsnehmer regelmäßig klarstellen, auf Grund welcher Forderungen der Sicherungsfall eingetreten ist bzw. wegen welcher Forderungen er die Grundschuld verwertet. In diesem Falle ist der Erlös auf diese Forderungen anzurechnen. Trifft der Sicherungsnehmer ganz oder teilweise keine solche ausdrückliche oder konkludente Bestimmung, ist die gesetzliche Tilgungsbestimmung (§ 366 II BGB) heranzuziehen (vgl. BGH NJW 2001, 1417 (1418); 1997, 2514 (2516)). Abzulehnen sind abweichende Ansichten, die entweder allein auf § 366 II BGB abstellen, um eine Lücke des Sicherungsvertrages zu schließen (Gaberdiel, Rn. 1123; ähnlich Vinke, FS Schimansky, S. 563 ff.), oder beiden Vertragsparteien eine Verrechnungsbefugnis einräumen, die allerdings unter dem Vorbehalt der Zurückweisung stehen soll (§ 396 BGB), so dass regelmäßig ebenfalls § 366 II BGB eingreift (Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 102 ff.), oder gar dem Sicherungsgeber eine einseitige Verrechnungsbefugnis einräumen, hilfsweise aber auch auf § 366 II BGB abstellen (Clemente, ZfIR 2000, 1 (5 ff.); 1998, 61 (64 ff.). II. Zahlungen auf die Grundschuld 1. Rechtsfolgen. Der Eigentümer darf den Grundschuldgläubiger bei Fälligkeit der Grundschuld durch Zahlung befriedigen (§§ 1142 I,
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
773
1192; BGHZ 108, 372, 379). Die Grundschuld geht dann auf den Eigentümer über (§ 1143 BGB analog; BGH NJW 1986, 2108 (2112); Gaberdiel, Rn. 824). Eine Gesamtgrundschuld erlischt insoweit, als sie sich auf einen Belastungsgegenstand erstreckt, der nicht dem befriedigenden Eigentümer gehört (§§ 1181 II, 1192 BGB; BGH NJW 1986, 2108 (2110)). Auf ein an den Eigentümer gerichtetes Befriedigungsverlangen des Grundpfandgläubigers darf auch ein zur Ablösung berechtigter Dritter (etwa ein nachrangiger Grundpfandgläubiger, Rn. 66) den Gläubiger befriedigen; die Grundschuld geht auf den Dritten über (§§ 268, 1150, 1192 BGB; BGH WM 1999, 35 (37)). Bestehen Einreden gegen die Grundschuld, lehnt der BGH einen gutgläubigen einredefreien Erwerb wegen des gesetzlichen Erwerbstatbestandes ab (BGH NJW 1997, 190 f.; a. A. Baur/Stürner, SachR, § 38 Rn. 114; differenzierend Gursky, WM 2001, 2361 ff.). Ein sonstiger Dritter kann nur für den Eigentümer oder Ablösungsberechtigten mit den geschilderten Wirkungen auf die Grundschuld leisten (§ 267 BGB; BGH NJW 1983, 2502 (2503 f.)). Wegen des gesetzlichen Rechtsübergangs geht der Rückübertragungsanspruch unter, so dass eine etwaige Abtretung oder Pfändung dieses Anspruchs ohne Wirkung bleibt (Rn. 96). Die gesicherten Forderungen bleiben bei Zahlung auf die Grundschuld zunächst bestehen, können nicht durch Doppeltilgung (so aber BGH NJW 1999, 2043 (2044)), sondern nur durch Erlösverrechnung (Rn. 82 f.) erlöschen. 2. Verrechnung von Zahlungen. Eine Zahlung an den Sicherungsnehmer kann eine Leistung auf die Grundschuld oder eine Leistung auf eine gesicherte Forderung darstellen.
78
a) Freiwillige Zahlungen geben dem Leistenden die Möglichkeit, durch Tilgungsbestimmung (§ 366 I BGB) festzulegen, auf welche Schuld er leistet. Zahlungen des Kreditnehmers ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung sind als Leistungen auf die persönliche Schuld zu verstehen. Das gilt auch, wenn der Kreditnehmer zugleich Eigentümer des mit der Sicherungsgrundschuld belasteten Grundstücks ist (BGH WM 1993, 849 (854)). Regelmäßig enthält der Sicherungsvertrag eine Verrechnungsklausel, dass der persönlich verpflichtete Sicherungsgeber auf seine persönliche Schuld, nicht auf die Grundschuld leiste. Die Bedeutung dieser Klausel ist umstritten. Teilweise wird sie wegen Verstoßes gegen §§ 1142, 1136, 308 Nr. 5, 307 BGB für unwirksam gehalten (OLG Schleswig WM 2007, 2326 (2328); Knops, ZfIR 2000, 501 ff.). Hält man sie aber für wirksam, kann man ihre Wirkung auf eine schuldrechtliche Verpflichtung beschränken. Der Sicherungsnehmer kann dann eine Leistung des Sicherungsgebers mit Tilgungsbestimmung, auf die Grundschuld zu leisten, zwar zurückweisen, aber lediglich als Leistung auf die Grundschuld annehmen (BGH NJW 1976, 2132, 2133; Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 68; Gaberdiel, Rn. 807). Vorzuziehen ist es, in der Klausel eine Vorausverfügung des Leistenden über den Inhalt seiner zukünftigen Leistung zu erblicken. Eine davon abweichende spätere Tilgungsbestimmung für eine Zahlung außerhalb der Zwangsvollstreckung ist unbeachtlich, so dass die Zahlung auf die Forderung zu verrechnen ist (vgl. BGHZ 91, 375 (379 f.); BGH WM 1995, 1663 (1664); Staudinger-Olzen, § 366 Rn.48). Für dieses Verständnis sprechen die Interessen des Sicherungsnehmers, denen die Klausel angesichts seines Sicherungsbedürfnisses auch angemessen Rechnung trägt.
79
Der Eigentümer, der nicht Schuldner ist, und der Ablösungsberechtigte zahlen stets auf die Grundschuld, damit diese auf sie übergeht (Rn. 77). Bei Zahlungen anderer Personen ist entscheidend, für wen sie die Verbindlichkeit tilgen wollen (§ 267 BGB). Besondere Bedeutung haben Zahlungen bei freihändiger Veräußerung des belasteten Gegenstandes, da eine freihändige Veräußerung im Vergleich zu einer drohenden Zwangsversteigerung einen höheren Erlös erzielen kann (vgl. BGH NJW 1997, 2672 f.). Zahlungen werden dann regelmäßig zur Ablösung der Grundschuld geleistet, so dass sie auf diese zu ver-
80
Jacoby
774
81
82
83
84
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
rechnen sind (BGH NJW 1999, 2043 (2044)). Eine abweichende Tilgungsbestimmung muss ausdrücklich erklärt werden (BGH NJW 1997, 2046 (2047)). b) Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung tilgen stets den Anspruch, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben wird (BGH NJW 1987, 838). Eine anderweitige Verrechnungsregelung im Sicherungsvertrag ist unbeachtlich (BGH NJW 1987, 838 (839); 1986, 2108 (2112)). Eine Tilgungsbestimmung steht dem Vollstreckungsschuldner nicht mehr zu (BGHZ 140, 391 (393)). Die Zwangsvollstreckung wird regelmäßig aus der Grundschuld betrieben, so dass die Zahlung auf die Grundschuld anzurechnen ist. Ist der Schuldner vollstreckbar verpflichtet, die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück wegen eines zuletzt zu zahlenden Teilbetrags einer Grundschuld zu dulden, ist zur Befriedigung des Gläubigers im Sinne von § 775 Nr. 5 ZPO nur die Zahlung dieses Teilbetrags nebst Kosten, nicht aber die vollständige Ablösung der Grundschuld erforderlich (BGH WM 2007, 1127). 3. Erlösverrechnung. Bei Zahlungen auf die Grundschuld ist für eine Tilgungsbestimmung des Leistenden, welche Forderung gedeckt werden soll, kein Raum (Gaberdiel, Rn. 846 ff.; Jacoby, AcP 203 (2003), 664 (679 ff.); Vinke, FS Schimansky, S. 563 (572 f.); a. A. BGH NJW 2001, 1417 (1418); 1999, 2043 (2044); Clemente, ZfIR 2000, 1 (5)). Das Tilgungsbestimmungsrecht (§ 366 I BGB) ist mit der Bestimmung, auf die Grundschuld leisten zu wollen, verbraucht (vgl. BGH NJW 1997, 2046 (2047)). Der Erlös tritt an die Stelle der Sicherungsgrundschuld als Sicherungstreugut (Rn. 1, 71). Dem Sicherungsnehmer steht, sofern der Sicherungsvertrag keine ausdrückliche Abweichung regelt, die Entscheidung zu, ob er bei Verwertungsreife seine treuhänderische Bindung hinsichtlich des Erlöses aufheben und auf welche Forderungen er den Erlös verrechnen will (Jacoby, AcP 203 (2003), 664 (684 ff.); a. A. BGH NJW 1999, 2043 (2044); NJW 2001, 1417 (1418)). Für Zahlungen zur Abwendung der Zwangsversteigerung hat der Sicherungsnehmer regelmäßig bei Einleitung der Zwangsvollstreckung bereits festgelegt, auf welche Forderung die Verrechnung erfolgen soll (vgl. BGHZ 140, 391 (393 ff.); Rn. 75). Ergänzend ist die Tilgungsbestimmung des § 366 II BGB heranzuziehen (BGH NJW 2001, 1417 (1418)). Die Forderung, auf die der Erlös anzurechnen ist, erlischt, wenn der Sicherungsgeber auch persönlicher Schuldner ist; sonst ist sie auf den Sicherungsgeber zu übertragen (Rn. 72). III. Verwertung in der Insolvenz. Sind Sicherungsgeber, Eigentümer und Schuldner eine Person und wird über das Vermögen dieser Person das Insolvenzverfahren eröffnet, so kann der Sicherungsnehmer wegen der Grundschuld abgesonderte Befriedigung im Wege von Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung beanspruchen (§ 49 InsO). Der Masse steht ein vorrangiger Anspruch auf Ersatz der Feststellungskosten hinsichtlich der von der Versteigerung erfassten beweglichen Sachen zu (§ 10 I Nr. 1a ZVG). Der Insolvenzverwalter kann, um die Einheit der Masse zunächst zu erhalten, einstweilige Einstellung des Verfahrens erwirken (§§ 30d, 153b ZVG), muss dann aber dem Gläubiger Zinsen ab dem Berichtstermin (§ 156 InsO) zahlen und einen etwaigen Wertverlust des Grundstücks ausgleichen (§§ 30e, 153c ZVG). Der Sicherungsnehmer kann die Kreditforderung neben einem Vorgehen aus der Grundschuld in vollem Umfange zur Tabelle anmelden. Die Insolvenzquote erhält er auf die Forderung indes nur insoweit, als er bei der Befriedigung aus der Grundschuld ausgefallen ist (§§ 52, 190 InsO; OLG Köln NZI 2001, 33 (34)). Der Insolvenzverwalter kann seinerseits die Zwangsversteigerung betreiben (§§ 165 InsO, 172 ZVG ff.; Wenzel, NZI 1999, 101 (104)) oder das Grundstück freihändig veräußern. Die Sicherungsgrundschuld bleibt bestehen, sofern der Insolvenzverwalter nicht aus seinem vorrangigen Anspruch auf Ersatz der Feststellungskosten vorgeht (§§ 174a, 10 I Nr. 1a ZVG).
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
775
Bei Personenverschiedenheit ist zu unterscheiden. Ist der Eigentümer insolvent, kann der Grundschuldgläubiger ebenfalls abgesonderte Befriedigung verlangen (§ 49 InsO). Gegenüber dem Sicherungsgeber darf er die Verwertung aber erst bei Verwertungsreife beginnen. Die Insolvenz des Schuldners führt Verwertungsreife herbei. Die Insolvenz allein des Sicherungsgebers hat auf die Verwertung keinen Einfluss. Etwaige Rückübertragungsansprüche sind gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erfüllen (§ 82 InsO).
85
E. Rückgewähr bei Beendigung des Sicherungsvertrages
86
I. Rückgewähranspruch. 1. Voraussetzungen. Ausdruck des Treuhandcharakters (Rn. 1) der Sicherungsgrundschuld ist, dass der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber – unabhängig von einer ausdrücklichen Regelung im Sicherungsvertrag (vgl. BGHZ 137, 212 (219 f.)) – zur Rückgewähr der Grundschuld verpflichtet ist, wenn der Sicherungszweck weggefallen ist. Der Anspruch folgt unmittelbar aus dem Sicherungsvertrag, nur bei dessen Unwirksamkeit aus Bereicherungsrecht (Gaberdiel, Rn. 723). Gegen Erwerber der Grundschuld kann er sich im gesetzlichen Verzichtsanspruch äußern (§§ 1169, 1192 BGB; BGHZ 108, 237 (243)). Der Sicherungszweck ist weggefallen, wenn gesicherte Forderungen nicht bestehen oder Einreden – abgesehen von der Verjährung (§ 216 I BGB) – ihre Durchsetzung dauerhaft ausschließen. Das ist bei der engen Zweckerklärung der Fall, wenn die gesicherte Forderung nicht entstanden oder erloschen ist. Bei der weiten Zweckerklärung darf derzeit keine Forderung bestehen und das Entstehen von Forderungen muss etwa wegen einer Kündigung des Kreditverhältnisses oder des Sicherungsvertrages (Rn. 18) ausgeschlossen sein. Ist der im Sicherungsvertrag festgelegte Sicherungszweck endgültig entfallen, kann der Sicherungsnehmer sich gegen den Rückübertragungsanspruch nicht damit verteidigen, dass ihm andere fällige Forderungen gegen den Sicherungsgeber zustehen (§ 273 BGB). Denn durch den Sicherungszweck wurde die Befugnis des Sicherungsnehmers, die Grundschuld zu verwerten, auf die dem Sicherungszweck unterfallenden Forderungen begrenzt (BGH NJW 2000, 2499 f.). 2. Legitimation. a) Aktivlegitimation. Da der Anspruch grundsätzlich vertraglicher Natur ist, steht er unmittelbar nur dem Sicherungsgeber zu. Das gilt auch, wenn der Sicherungsgeber vom Eigentümer verschieden ist. Gewährt der Sicherungsnehmer die Grundschuld durch Verzicht (§ 1168 BGB) an den nicht berechtigten Eigentümer zurück, macht er sich gegenüber dem Sicherungsgeber schadensersatzpflichtig (BGH NJW 1989, 1732 (1733)). Veräußert der Sicherungsgeber das belastete Grundstück, bedarf es zusätzlich der Abtretung des Rückgewähranspruchs (BGH NJW 1990, 576). Konkludente Abtretung oder gar Eintritt in den Sicherungsvertrag liegen nahe, wenn der Erwerber auch die persönliche Schuld des Sicherungsgebers erwirbt (BGH NJW 1986, 2108 (2110)). Mehreren Sicherungsgebern steht der Anspruch gemeinschaftlich zu. Im Außenverhältnis kann der Sicherungsnehmer nur an alle Sicherungsgeber gemeinschaftlich leisten, diese können nur Leistung an alle verlangen (§ 432 BGB). Das Wahlrecht, welchen Inhalt der Anspruch hat, können die Berechtigten nur gemeinsam ausüben (BGH NJW 1986, 2108 (2112)). Im Innenverhältnis besteht regelmäßig Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB). b) Passivlegitimation. Schuldner des Rückübertragungsanspruchs ist der Sicherungsnehmer als Inhaber der Grundschuld. Hat der Sicherungsnehmer die mit einer dauernden Einrede behaftete Grundschuld übertragen, besteht gegen den Erwerber ein gesetzlicher Anspruch, auf die Grundschuld zu verzichten (§§ 1169, 1157, 1192 BGB; BGHZ 108, 237 (243 f.)).
Jacoby
87
88
89
90
91
776
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
92
3. Inhalt des Rückübertragungsanspruchs ist grundsätzlich nach Wahl des Gläubigers (§ 262 BGB) Rückübertragung der Grundschuld, Aufhebung der Grundschuld (§§ 1183, 1192 BGB), Verzicht auf die Grundschuld (§§ 1168, 1192 BGB) oder Übertragung auf einen Dritten (BGHZ 108, 237 (243, 244); Clemente, ZfIR 1997, 127 (130)). Aufhebung und – wegen des Löschungsanspruchs (§§ 1179a, 1192 BGB, Rn. 35) – Verzicht nützen in erster Linie nachrangigen Grundpfandgläubigern, dann dem Eigentümer. Ist der Sicherungsgeber nicht Eigentümer oder verliert er das Eigentum später, darf der Inhalt seines Rückübertragungsanspruchs daher nicht formularmäßig auf Verzicht oder Aufhebung beschränkt werden (§ 307 BGB; BGHZ 106, 375 (379 f.)). Bei Identität von Sicherungsgeber und Eigentümer ist umstritten, ob eine solche Wahlrechtsbeschränkung wirksam ist (Clemente, ZfIR 1997, 127 (130 f.) bejaht AGB-Verstoß; dagegen Gaberdiel, Rn. 756). Nach Verwertung der Grundschuld wandelt sich der Rückübertragungsanspruch in einen Anspruch auf Herausgabe des Erlöses (BGH NJW 1992, 1620).
93
4. Umfang. Fällt nur hinsichtlich eines Teils der Grundschuld der Sicherungszweck endgültig weg, so steht dem Sicherungsgeber in diesem Umfange ein Rückübertragungsanspruch zu (BGH WM 1990, 423 (424)). Sicherungsverträge enthalten regelmäßig für einen solchen Fall der Übersicherung ausdrücklich einen Freigabeanspruch; anderenfalls ist er dem Sicherungsvertrag im Wege der Auslegung zu entnehmen (vgl. BGHZ 137, 212 (222 ff.)). Dem Sicherungsnehmer steht die Wahl zu, welche Sicherheit er freigeben möchte (BGH WM 2002, 1643 (1644)). Bei einer Gesamtgrundschuld kommt in Betracht, dass der Sicherungsnehmer die Grundschuldsumme auf verschiedene Belastungsgegenstände aufteilt (§§ 1132 II, 1192 BGB) oder manche Belastungsgegenstände ganz aus der Haftung entlässt (BGHZ 144, 138 (144)).
94
5. Prozessuale Durchsetzung. Die Darlegungs- und Beweislast trägt grundsätzlich der Sicherungsgeber. Nur wenn bei Abschluss des Sicherungsvertrages die Höhe der gesicherten Forderung noch nicht feststand, ist insoweit der Sicherungsnehmer darlegungspflichtig (BGH NJW 1992, 1620 (1621), vgl. Rn. 56). Die prozessuale Geltendmachung des Rückgewähranspruchs kann mit der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) gegen eine Inanspruchnahme aus der Grundschuld verbunden werden. Der dingliche Gerichtsstand (§ 24 ZPO) gilt hierfür nicht. Der Streitwert richtet sich nach der Grundschuldsumme oder dem geringeren Grundstückswert (§ 6 ZPO, Rn. 57).
95
Die Insolvenz des Sicherungsnehmers hindert die Durchsetzung des Rückgewähranspruchs nicht. Obwohl es sich bei diesem Anspruch lediglich um einen schuldrechtlichen Anspruch handelt, berechtigt er zur Aussonderung der Grundschuld (§ 47 InsO; MünchKommInsO-Ganter, § 47 Rn. 375). Grund für diese besondere, von der dinglichen Rechtszuordnung abweichende haftungsrechtliche Zuordnung der Grundschuld ist die treuhänderische Bindung des Sicherungsnehmers (Rn. 1).
96
6. Bedeutung. Der Rückgewähranspruch entsteht bereits mit Abschluss des Sicherungsvertrages. Er kann daher anderen Gläubigern des Sicherungsgebers auf Grund von Abtretung oder Pfändung (§§ 829 ff. ZPO) als Sicherheit dienen. Ein Abtretungsverbot (§ 399 Fall 2 BGB) hindert die Pfändung nicht (§ 851 II ZPO) und macht die Abtretung nur von der Zustimmung des Sicherungsnehmers abhängig. Damit ein Abtretungsverbot in AGB wirksam ist, muss dem Sicherungsgeber gegen den Sicherungsnehmer ein Anspruch auf Zustimmung zur Abtretung bei berechtigtem Interessen eingeräumt werden (BGHZ 110, 241 (242 ff.); Clemente, ZfIR 1997, 127 (132)). Als selbstständige Sicherheit ist der Rückübertragungsanspruch aber nur von Wert, wenn der Anspruch inhaltlich nicht darauf beschränkt ist, Aufhebung oder Verzicht, sondern auch Abtretung der Grundschuld verlangen zu können. Denn wenn Zessionar oder Pfändungspfandgläubiger Verzicht auf die
Jacoby
§ 24 Sicherungsgrundschuld
777
Grundschuld verlangen könnten, würden sie kein Recht an der durch Verzicht entstehenden Eigentümergrundschuld erlangen (§ 1168 BGB; vgl. BGHZ 108, 237 (245 ff.); Staudinger-Wolfsteiner, Vorbem zu §§ 1191 ff Rn. 237). II. Übertragungsanspruch zum Zwecke des Regresses. Haften mehrere Personen als Schuldner oder Sicherungsgeber für die gesicherte Forderung, können derjenigen Person, die den Gläubiger befriedigt, Regressansprüche gegen die anderen zustehen.
97
Der Regress im Innenverhältnis hängt davon ab, welches Stufenverhältnis zwischen den haftenden Beteiligten besteht. Das Stufenverhältnis bemisst sich vorrangig nach den vertraglichen Abreden. Haben mehrere Sicherungsgeber einen einheitlichen Sicherungsvertrag geschlossen, kann darin eine Reihenfolge ebenso festgelegt sein, wie wenn zwar verschiedene Verträge bestehen, aber eine Nachrangvereinbarung geschlossen wurde (BGH WM 1990, 1956 (1957 f.)). Fehlt es an einer vertraglichen Regelung, haften Sicherungsgeber – unabhängig von der Art der Sicherheit (a. A. Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rn. 1122: Privilegierung des Bürgen) – kraft Gesetzes grundsätzlich gleichrangig (§ 426 BGB analog; BGH NJW 1992, 3228; a. A. Staudinger-Wolfsteiner, § 1143 Rn. 34 ff.: abstrakte Sicherheiten sind grundsätzlich regresslos). Der persönliche Schuldner der gesicherten Forderung haftet gegenüber Sicherungsgebern vorrangig. Für den Ausgleich von Gesamtschuldnern ist das Innenverhältnis maßgeblich (§ 426 BGB; BGHZ 103, 72 (83); 80, 228 (232 f.)). Der Eigentümer eines mit einer Sicherungsgrundschuld belasteten Gegenstandes ist in den Regress im Innenverhältnis nicht einbezogen, wenn er nicht selbst Sicherungsgeber ist (BGH NJW 2002, 1491 f.; kritisch Rimmelspacher/Luber, WuB I F 1 a. – 11.02).
98
Im Außenverhältnis zum Sicherungsnehmer erwirbt ein Sicherungsgeber, der den Sicherungsnehmer befriedigt, nicht nur den Anspruch auf Abtretung der gesicherten Forderung (Rn. 72), sondern auch den auf Abtretung der nicht akzessorischen Sicherheiten für diese Forderung in dem Umfang, in dem ihm im Innenverhältnis ein Regress zusteht (§ 401 BGB analog, BGHZ 136, 347 (352); 80, 228 (232)). Dieser Übertragungsanspruch greift auch ein, wenn mehrere Sicherungsgeber eine Gesamtgrundschuld bestellt haben (BGH WM 1995, 523). Für den Sicherungsnehmer ist misslich, dass sich Grund und Umfang des Übertragungsanspruchs nach dem für ihn nicht erkennbaren Innenverhältnis der ihm haftenden Personen richten. Er weiß nicht, ob er eine Sicherheit an denjenigen Sicherungsgeber zurückübertragen muss, von dem er die Sicherheit erhalten hat, oder an den, von dem er Befriedigung erfahren hat. Die Möglichkeit der Hinterlegung (§ 372 BGB) ist für diesen Anspruch nicht vorgesehen. Dem Sicherungsnehmer bleibt in Zweifelsfällen nur, eine Einigung der Beteiligten abzuwarten oder an beide gemeinschaftlich zu leisten. Mangels Verschulden gerät er dann nicht in Verzug (§ 286 IV BGB; vgl. MünchKommBGB- Ernst, § 286 Rn. 107). Nicht zu beanstanden ist es, wenn der Sicherungsnehmer sich ein entsprechendes Vorgehen oder gar eine Beschränkung des Regressrechts im Sicherungsvertrag ausbedingt (vgl. BGH NJW 1982, 2308 f.; OLG Koblenz ZIP 2007, 2208; Clemente, Rn. 683; offen BGHZ 136, 347 (352)).
99
Der Übertragungsanspruch darf nach dem Rechtsgedanken von §§ 426 II 2, 774 I 2 BGB den Sicherungsnehmer nicht benachteiligen. Daher besteht der Übertragungsanspruch nicht, soweit der Sicherungsnehmer die Sicherheit zur Absicherung anderer (von der Sicherungszweckerklärung erfasster) Forderungen noch benötigt (vgl. BGHZ 110, 41 (44 ff.); Gaberdiel, Rn. 1045 ff.; MünchKommBGB-Habersack, § 774 Rn. 12). Ist der Sicherungsnehmer übersichert, steht ihm ein Wahlrecht zu, welche Sicherheit er freigibt (vgl. Rn. 93). Eine Gegenauffassung gibt dem tilgenden Sicherungsgeber einen Anspruch gegen den Sicherungsnehmer, sich gleichrangig aus der verbleibenden Sicherheit zu be-
100
Jacoby
778
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
friedigen. §§ 426 II 2, 774 I 2 BGB schützten nicht vor jeglicher Benachteiligung. Wenn etwa eine Forderung durch Bürgschaft sowie vorrangige Grundschuld gesichert sei und eine andere Forderung durch eine nachrangige Grundschuld, so stehe dem tilgenden Bürgen die vorrangige Grundschuld zu. Bei Sicherung mehrerer Forderungen durch eine Grundschuld müsse entsprechend Gleichrang gelten (Reinicke/Tiedtke, DB 1990, 1953 (1955 ff.); Erman-Seiler, § 774 Rn. 13; Tiedtke, ZIP 1995, 521 (533)). Diese Auffassung setzt die Sicherung verschiedener Forderungen durch eine Grundschuld unzutreffend mit der Sicherung durch verschiedene (gleichrangige) Grundschulden gleich. Der Unterschied beider Konstellationen besteht darin, dass bei der Sicherung mehrer Forderungen durch eine Grundschuld der Sicherungsnehmer grundsätzlich bestimmen kann, auf welche der gesicherten Forderungen er den Erlös aus der Grundschuld anrechnen möchte (vgl. Rn. 75, 83). Diese Befugnis würde die Abtretung an den anderen Sicherungsgeber beeinträchtigen. Dieser Beeinträchtigung stehen §§ 426 II 2, 774 I 2 BGB entgegen, weil der Rechtsübergang unmittelbar die rechtliche Stellung des Sicherungsnehmers hinsichtlich der (nicht) abzutretenden Sicherheit beträfe und nicht nur – wie in dem zur Begründung der Gegenansicht angeführten Beispiel – die Werthaltigkeit der dem Sicherungsnehmer verbleibenden Sicherheit.
Jacoby
§ 25 Bürgschaft
779
§ 25 Bürgschaft
Schrifttum Benedict, Wi(e)der die Formwirksamkeit der Blankettbürgschaft, Jura 1999, 78; Bräuer, Der Verjährungsbeginn bei der Gewährleistungsbürgschaft, NZBau 2007, 477; Bydlinski, Die Kündigung der Bürgschaft, in: FS Schimansky, 1999, S. 299; Moderne Kreditsicherheiten und zwingendes Recht, AcP 190 (1990), 165; Verjährung und Abtretbarkeit von Bürgschaftsansprüchen, ZIP 1989, 953; Bülow, Blankobürgschaft und Rechtsscheinzurechnung, ZIP 1996, 1694; Derleder, Im Überblick: Die Sicherung des Vermieters durch Barkaution, Bürgschaft, Verpfändung, Sicherungsabtretung und Schuldübernahme, NZM 2006, 601; Die unbegrenzte Kreditbürgschaft, NJW 1986, 97; Derleder/Beining, Die betragsmäßigen Grenzen der Kreditbürgschaft, ZBB 2001, 170; Dreismann, Bürgenschutz durch Gläubigerdiligenz?, 2001; Eusterhus, Die Akzessorietät im Bürgschaftsrecht, 2002; Fischer, Gerfried, Formnichtigkeit der Blankobürgschaft – BGHZ 132, 119, JuS 1998, 205; Fischer, Gero, Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Bürgschaft und zum Schuldbeitritt, WM 2001, 1093 u. 1049; Aktuelle Rechtsprechung, des Bundesgerichtshofs zur Bürgschaft und zum Schuldbeitritt, WM 1998, 1749 u. 1705; Fischer/Ganter/Kirchhof, Schutz des Bürgen, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof 2000, S. 33; Foerste, Neues Recht für Prozessbürgschaften von Auslandsbanken, ZBB 2001, 483; Gay, Der Beginn der Verjährungsfrist bei Bürgschaftsforderungen, NJW 2005, 2585; Giesen, Grundsätze der Konfliktlösung im Besonderen Schuldrecht: Die Bürgschaft, Jura 1997, 122 u. 64; Geißler, Der Befreiungsanspruch des Bürgen und seine vollstreckungsrechtliche Durchsetzung, JuS 1988, 452; Haas, Auslegung und (Bürgschafts-)Form, Bank-Archiv 2001, 875; Habersack, Haftung der Mitglieder einer GbR für Bürgschaftsverpflichtungen der Gesellschaft, BB 1999, 61; Hackbarth, Des Bürgen neue Schuldner – Gedanken zum Spannungsverhältnis zwischen Bürgenrisiko und Gesamtrechtsnachfolge auf Schuldnerseite, ZBB 1993, 8; Hänsel/Clasen, Mängelansprüche und Bürgschaftsansprüche: Unterschiedliche Verjährung, NJW-Spezial 2008, 268; Hohmann, Verjährung und Kreditsicherung, WM 2004, 757; Holznagel, Bürgenschutz mit System, 2002; Horn, Bürgschaften und Garantien, 8. Aufl. 2001; Bürgschaftsrecht 2000, ZIP 2001, 93; Keim, Das Ende der Blankobürgschaft?, NJW 1996, 2274; Knops/Stempel, Die Kündigung gem. § 609 a Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Ausfall der grundpfandrechtlichen Sicherung, ZfIR 2000, 769; Knütel, Zur Frage der sog. Diligenzpflichten des Gläubigers gegenüber dem Bürgen, in: FS Flume I, 1978, S. 559; Kreft, Aktuelle Probleme des Bürgschaftsrechts, in: Horn/Schimansky (Hrsg.), Bankrecht 1998, S. 151; Lieb, Verjährung im Bürgschaftsund Gesellschaftsrecht, in: Gedächtnisschrift Lüderitz, 2000, S. 455; Lindner-Figura, Bürgschaftsrisiken im immobilientypischen Finanzierungs-Dreieck, NJW 2002, 3134; Lorenz, Innenverhältnis und Leistungsbeziehungen bei der Bürgschaft, JuS 1999, 1145; Masuch, Formularvertragliche Globalbürgschaft für einen unlimitierten Kontokorrentkredit, BB 1998, 2590; May, Die Gewährleistungsbürgschaft (Mängelrechtebürgschaft) im Bauvertrag, BauR 2007, 187; Meinhardt, Beendigung der Haftung aus Bürgschaften eines Gesellschafters oder Geschäftsführers bei dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft, 1990; Nobbe, Die Sicherungszweckerklärung bei Bürgschaft und Mithaftung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BKR 2002, 747; Nobbe/Kirchhof, Bürgschaften und Mithaftungsübernahmen finanziell überforderter Personen, BKR 2001, 5; Oechsler, Die Entwicklung des privaten Bankrechts im Jahr 2005, NJW 2006, 1399; Reich, Kreditbürgschaft und Transparenz, NJW 1995, 1857; Mithaftung und Bürgschaft in neuer Rechtsprechung und Rechtspraxis zum Bankenkredit, VuR 1997, 187; Reinicke/Tiedtke, Der Übergang der verbürgten Forderung auf den Bürgen als Nachteil für den Gläubiger, DB 1990, 1953; Rieder, Bürgschaft, Schuldübernahme, Garantievertrag, 4. Aufl. 2003; Schlößer, Die Hemmung der Verjährung des Bürgschaftsanspruchs nach neuem Schuldrecht, NJW 2006, 645; Schmidt, Christoph, Die sogenannte Akzessorietät der Bürgschaft, 2001; Schmidt, Karsten, Formfreie Bürgschaften eines geschäftsführenden Gesellschafters, ZIP 1986, 1510; Schmitz-Herscheid, Ergänzende Auslegung eines unwirksamen Bürgschaftsvertrages?, ZIP 1998, 1218; Scholz, Neue Entwicklungen im Bürgschaftsrecht, DRiZ 2003, 27; Schröder, Interessengegensätze beim Personalkredit in der Bankenpraxis, 1998; SchulzeHagen, Die Vertragserfüllungsbürgschaft, BauR 2007, 170; Schweizer, Bürgenhaftung für Darlehenszinsen, MDR 1994, 752; Siegmann/Polt, Verjährungshemmung bei bürgschaftsgesicherten Darlehensforderungen, WM 2004, 766; Stolzenburg, Kündigung und Enthaftung bei der Kreditbürgschaft eines ausgeschiedenen Gesellschafters, ZIP 1985, 1189; Tiedtke, Aus dem Hauptschuldverhältnis abgeleitete und eigene Einreden des Bürgen, JZ 2006, 940; Die Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiet des Bürgschaftsrechts seit 2003, NJW 2005, 2498; Die Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiet des Bürgschaftsrechts in den Jahren 2001 und 2002, NJW 2003, 1359; Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiet
Knops
780
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
des Bürgschaftsrechts seit 1997, NJW 2001, 1015; Der Umfang des Schriftformerfordernis bei der Bürgschaft, WM 1989, 737; Rechtsprechungsbericht: Die Rechtsprechung des BGH zum Personalkredit 1995 – 1996, WiB 1996, 982; Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bürgschaftsrecht seit 1990, ZIP 1995, 521; Ulmer, Anmerkung zu EuGH, U. v. 23.03.2000 – Rs. C-208/98, JZ 2000, 781; Wagenknecht, Rechtsgrenzen der Ausgestaltung von Bürgschaftsverträgen, 1986; Weise, Verjährung von Bürgschaften zum 31.12.2004, NJW-Spezial 2004, 357; Wenzel, Keine Anwendbarkeit des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes auf Bürgschaften, NJW 1993, 2781; Zöllner, Die Bürgschaft des Nichtunternehmers, WM 2000, 1. (Weitere Schrifttumsangaben bei den Abschnitten C, D, E und K).
Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 II. Art und Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 III. Abgrenzung von anderen Rechtsinstituten . .3 B. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 I. Vertragssentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 1. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 2. Formgebot und Inhaltskontrolle . . . . . . .5 3. Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 4. Sonderfall Blankettbürgschaft . . . . . . .12 5. Abgrenzung zum Mitdarlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 II. Inhalt der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . .14 1. Bestand der Hauptforderung und Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 2. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 C. Sicherungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 I. Formularmäßige Globalbürgschaften . . . . .22 1. Bestehende und zukünftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 2. Nebenansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . .29 II. Individualglobalbürgschaft . . . . . . . . . . . .30 III. Haftung für Anlassverbindlichkeiten? . . . .31 IV. Zusammenfassung und zeitliche Geltung .34 D. Sittenwidrigkeit und Übersicherung . . . . . . . . . .35 I. Sittenwidrigkeit wegen krasser finanzieller Überforderung . . . . . . . . . . . . .36 1. Krasse finanzielle Überforderung des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 2. Emotionale Verbundenheit oder wirtschaftliche Abhängigkeit . . . . . . . .44 3. Ausnahmen und Gegenbeweis durch den Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . .50 4. Aufrechterhaltung der Grundsätze trotz Restschuldbefreiungsverfahren . .56 II. Weitere Fallgruppen der Sittenwidrigkeit von Bürgschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 1. Sittenwidrigkeit wegen Ungleichgewicht der Verhandlunglage . . . . . . . .58 2. Sittenwidrigkeit wegen krasser finanzieller Überforderung . . . . . . . . . .59 3. Übersicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 III. Rechtsfolgen der Sittenwidrigkeit . . . . . . .62 E. Anfechtbarkeit, Geschäftsgrundlage und Widerruflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 I. Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 1. Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 2. Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .63 II. Wegfall der Geschäftsgrundlage und c.i.c .64 III. Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65 1. Haustürgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . .65 2. Fernabsatzgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . .66
3. Verbraucherkreditgeschäft . . . . . . . . . . 67 F. Einwendungen und Einreden . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Hauptschuldnerbezogene Einwendungen und Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Verjährung des Hauptanspruchs . . . . . . . . 69 III. Bürgenbezogene Einreden und Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Einrede der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit gem. § 770 BGB . . . 70 2. Einrede der Vorausklage gem. § 771 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Einrede der Verjährung . . . . . . . . . . . . 73 4. Einwendung der Sicherheitenaufgabe gem. § 776 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5. Verletzung von Aufklärungs-, Hinweis- und Sorgfaltspflichten . . . . . 77 6. Sonstige Einwendungen und Einreden 78 G. Beendigung der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Erlöschen der Bürgschaftsschuld . . . . . . . 79 II. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Durch den Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Durch den Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . 81 III. Befreiungsanspruch nach § 775 BGB gegen den Hauptschuldner . . . . . . . . . . . . 82 IV. Zusammentreffen von Bürgschaft und anderen Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 V. Stellung eines Ersatzbürgen . . . . . . . . . . . 84 H. Abtretung und Verwertung der Bürgschaft . . . . 85 I. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Bürgschaftsforderung . . . . . . . . . . . . . 86 II. Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 I. Rückgriffsansprüche des Bürgen . . . . . . . . . . . . 88 I. Rückgriffsanspruch gemäß § 774 BGB . . 88 II. Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . 89 J. Beweislast und Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . 90 I. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 II. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 K. Besondere Bürgschaftsarten . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Selbstschuldnerische Bürgschaft . . . . . . . 93 II. Höchstbetragsbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . 94 III. Zeitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Zeitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IV. Sonstige Bürgschaftsformen . . . . . . . . . . 100 1. Ausfallbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Mietbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3 Mitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Nachbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5. Prozessbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . 104 6. Rückbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Knops
§ 25 Bürgschaft
781
Stichwortverzeichnis Abgrenzung von anderen Rechtsinstituten . . . . . . . . 3 Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 85 Akzessorietät. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 14 f. Anfechtbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Anlassrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 f. Anlassverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 95 Annahmeerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Art und Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Aufklärungs-, Hinweis- und Sorgfaltspflichten . . . 82 Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Ausfallbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Befreiungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Besondere Bürgschaftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . 93 f. Bestand der Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . 14 f. Bestand des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Bestand des Hauptschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Blankettbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Delkredere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 eigene Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Einrede der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Einrede der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 73 f. Einrede der Vorausklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Einwendung der Sicherheitenaufgabe. . . . . . . . . . . 76 Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 f. Emotionale Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 f. Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Erlöschen der Bürgschaftsschuld . . . . . . . . . . . . . . 79 Ersatzbürge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Ex-ante-Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Ex-post-Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Fernabsatzgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Formgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 f. Formularmäßige Globalbürgschaften . . . . . . . . . . . 22 Garantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 5 Gegenbeweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Geschäftsauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 47 Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 46, 81 Globalbürgschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 f. GmbH und Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Haftung kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Hauptschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Haustürgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Höchstbetragsbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Individualglobalbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Krasse finanzielle Überforderung . . . . . . . . . . . . . 37 Kontokorrent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 94 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 f. Mietbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Minderheitsgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Mitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Mitdarlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Nachbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Prozessbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Restschuldbefreiungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 56 Rückbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Rückgriffsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88 f. Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Selbstschuldnerische Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . 93 Sicherheitenaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Sicherungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Sicherungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 f. Sicherungszweckerklärung, „weite“. . . . . . . . . 21, 95 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 f. Sonstige Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Transparenz. . . . . . . . . . . . . 7, 18, 25, 71, 93, 95, 100 Übersicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Ungleichgewicht der Verhandelungslage . . . . . . . . 58 Untergang des Hauptschuldners . . . . . . . . . . . . . . . 17 Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Verbraucherkreditgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69, 73 f. Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Vermögenslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Verselbstständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Vertragsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Vertragsentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vertragsentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Vorausklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Wechselbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Wegfall der Geschäftsgrundlage. . . . . . . . . . . . . . . 64 weite Sicherungszweckabrede . . . . . . . . . . . . . . 22 f. Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65 f. Wirtschaftliche Abhängigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Zeitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96 f. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 41
Knops
782
1
2
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
A. Allgemeines I. Bedeutung. Die Bürgschaft ist die bedeutendste Personalsicherheit, nach den Grundpfandrechten in der Kreditpraxis das zweitwichtigste Sicherungsmittel überhaupt. Bankseitig wird sie vor allem von Kaufleuten, Gesellschaftern von Personengesellschaften und Privatpersonen ohne Immobiliarvermögen verlangt. Für den Bürgen besteht die besondere Gefahr, dass er sich seiner Haftung bei der Eingehung nicht oder nur unzureichend bewusst wird, weil eine Zahlungsverpflichtung ungewiss ist und er in der Regel darauf vertraut, eben nicht zur Leistung herangezogen zu werden. Der Bürge steht damit in dem Dilemma, einerseits wie der Gläubiger in die Rückzahlungsfähigkeit des Hauptschuldners zu vertrauen, andererseits im Sicherungsfall für sein eigenes enttäuschtes Vertrauen dem Gläubiger persönlich zu haften. II. Art und Wesen. Gemäß § 765 I BGB ist die Bürgschaft ein einseitig verpflichtender, kein gegenseitiger Vertrag des Bürgen mit dem Gläubiger, in dem sich der Bürge verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten eines (oder mehrerer) Dritten einzustehen. Sie begründet eine eigene Verbindlichkeit neben der des Hauptschuldners und dient der Sicherung einer oder mehrerer, auch bedingter oder künftiger (§ 765 II BGB) Forderungen, wobei diese nach dem Bestimmtheitsgrundsatz hinreichend präzise erfasst werden müssen. Nach dem Akzessorietätsgrundsatz ist die Bürgschaft vom wirksamen Bestand der Hauptforderung gegen den Hauptschuldner abhängig, wobei der jeweilige Umfang der verbürgten Hauptverbindlichkeit maßgebend ist. Zu unterscheiden sind das Forderungsverhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner, der Bürgschaftsvertrag zwischen Gläubiger und Bürgen sowie das Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürgen. Neben der rechtsgeschäftlichen Begründung ordnen die §§ 566 II, 1251 II 2 BGB, § 36 II 2 VerlagsG eine Bürgschaftshaftung kraft Gesetzes an.
3
III. Abgrenzung von anderen Rechtsinstituten. Bei der Garantie verpflichtet sich der Garant, für den Eintritt eines bestimmten Erfolges oder die Gefahr eines künftigen Schadens einzustehen (BGH WM 1996, 1467). Beim Delkredere stehen als eine besondere Form der Garantie zumeist Handelsvertreter und Kommissionäre dem Unternehmer bzw. Kommittenten dafür ein, dass der Dritte die Verbindlichkeit aus dem abgeschlossenen bzw. vermittelten Geschäft erfüllt (§§ 86b, 394 HGB). Garantien, die dem Gläubiger einer Forderung bei deren Nichterfüllung Schadloshaltung versprechen, kommen zwar Bürgschaften wirtschaftlich sehr nahe, begründen aber unabhängig vom Bestand der Hauptforderung eine eigene Verbindlichkeit und sind vor allem im kaufmännischen internationalen Geschäft üblich, zumal Bürgschaften im Ausland oft unbekannt sind. Wechselbürgschaften nach Art. 30 WG begründen ebenfalls eine selbstständige Verpflichtung eigener Art mit gelockerter Akzessorietät (OLG Hamm NJW-RR 1989, 365). Auch bei anderen Instituten wie der Scheckbürgschaft oder dem Kreditauftrag ist – mit Ausnahme von wortgenauen Vereinbarungen zwischen Kaufleuten – im Zweifel von einer Bürgschaft auszugehen und nicht von einer von der Hauptforderung unabhängigen Verpflichtung (BGH WM 1985, 1417). Zu weiteren Abgrenzungen Staudinger-Horn, vor §§ 765 ff. Rn. 363 ff.; MünchKommBGB-Habersack, vor § 765 Rn. 10 f.
4
B. Vertragsinhalt I. Vertragsentstehung. 1. Parteien. Der Bürgschaftsvertrag kommt regelmäßig zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen zu Stande. Möglich ist aber auch eine vertragliche Verpflichtung des Bürgen gegenüber einem Dritten zu Gunsten des Gläubigers (BGHZ 115, 177 = WM 1991, 1869; WM 2001, 1772). Gläubiger der Bürgschaftsforderung und der Hauptschuld müssen eine Person, Bürge und Hauptschuldner dagegen personenverschieden sein. Eine bloße Ermächtigung zum Einzug der Bürgschaftsforde-
Knops
§ 25 Bürgschaft
783
rung begründet keine Bürgenstellung (BGH WM 1988, 1883). Ebenso wenig führt der Erwerb aller Gesellschaftsanteile zur Identität zwischen Bürge und Hauptschuldner, da zwischen natürlicher und juristischer Person unterschieden werden muss (für GmbH & Co. KG BGH WM 1977, 812). Das gilt auch für die GbR als Außengesellschaft, die als Rechtspersönlichkeit Bürge sein kann (Habersack, BB 1999, 61). 2. Formgebot und Inhaltskontrolle. a) Form. Die Bürgschaft ist eines der gefährlichsten Geschäfte im Rechtsverkehr überhaupt (Fikentscher, Rn. 1000; Giesen, Jura 1997, 64 (68)). Auch deshalb ist nach § 766 I BGB zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich, wobei sich das Vertrauen der Verfasser des BGB, die Schriftform werde einen ausreichenden Schutz des Zivilbürgen sichern, nicht erfüllt hat (AK-Reich, vor §§ 765 ff. Rn. 15; Wenzel, NJW 1993, 2781 (2783)) – zumindest nicht bei den gegenwärtig üblichen Anforderungen. Der Begriff des Erteilens verlangt eine Entäußerung gegenüber dem Gläubiger, indem diesem eine eigenhändig unterschriebene Urkunde zur Verfügung gestellt wird (BGHZ 121, 224 (228 f.) = WM 1993, 496). Dem Schriftformerfordernis des § 126 I BGB muss Genüge getan werden. Erteilungen durch Telefax (BGH WM 1997, 625 (627); 1993, 496), Telegramm (BGHZ 24, 297 = NJW 1957, 1275), E-Mail oder in anderer elektronischer Form sind nicht ausreichend, wodurch die Warnfunktion des Formzwecks zum Bürgenschutz betont wird. Die Schriftform ist notwendig zwingend, weswegen eine Berufung hierauf auch nicht unzulässig wird, wenn der Bürge das Rechtsgeschäft in Unkenntnis längere Zeit als gültig ansieht (restriktiv BGH WM 1986, 939). Unter Kaufleuten bedarf es dieses Schutzes nur einschränkend, weswegen nach § 350 HGB die Bürgschaft auch in elektronischer Form abgegeben oder von der schriftlichen Fixierung ganz abgesehen werden kann, wenn auch aus Beweisgründen in der Praxis davon selten Gebrauch gemacht wird. Dies gilt aber nur, wenn die Verpflichtung für den Bürgen wirklich ein Handelsgeschäft ist, was bei GmbH-Geschäftsführern oder persönlich haftenden Gesellschaftern einer KG oder OHG (dazu MünchKommHGB-K. Schmidt, § 350 Rn. 10; K. Schmidt, ZIP 1986, 1510) nicht der Fall ist, wenn die Bürgschaftsübernahme gerade als Privatperson und eben nicht als Organ der Gesellschaft verlangt wird, um auch auf deren Privatvermögen Zugriff zu erlangen. § 766 BGB betrifft auch den Bürgschaftsvorvertrag, die Vollmacht und die Ermächtigung zur Blankettausfüllung (Rn. 12), nicht aber die Verpflichtung zur Bürgschaftsübernahme gegenüber dem Hauptschuldner (Jauernig-Stadler, § 766 Rn. 1 m.w.N.)
5
b) Inhalt. Von der Rechtsprechung werden zum Teil nur Angaben über die Erklärung, für fremde Schuld einzustehen, die Bezeichnung der verbürgten Hauptschuld sowie solche zum Hauptschuldner und Gläubiger zum Mindestinhalt gezählt (BGH WM 1995, 900 (901)). Dabei müssen ausnahmslos alle – auch spätere – Erklärungen formgerecht abgegeben werden, die zur Haftung des Bürgen führen und ihn belasten (BGH WM 1997, 625 (627); Tiedtke, NJW 2005, 2498). Das Formerfordernis erstreckt sich für die Bürgenerklärung auf den gesamten Inhalt des Rechtsgeschäfts (BGH NJW 1989, 1484; 1968, 2332; MünchKommBGB-Habersack, § 766 Rn. 13). Dazu gehören der Verzicht auf Einreden (insbesondere der Vorausklage BGHZ 26, 142 = NJW 1958, 217) und Einwendungen (Rn. 68 f.), ferner die Erstreckung auf weitere Forderungen sowie Beweislastregeln, Gerichtsstandsvereinbarungen etc., nicht aber solche, die die Haftung einschränken (BGH NJW 1994, 1656 (1657 m. w. N.)). Bei Fehlen einer dieser Angaben ist die Bürgschaft wegen Formmangels nichtig, auch wenn sich die Parteien im Übrigen über den Inhalt der Bürgschaftsverpflichtung einig waren (BGH WM 1989, 559).
6
Weil der Gläubiger beim Anfordern einer Mithaftungserklärung nur in Ausnahmefällen für verpflichtet gehalten wird, den Bürgen auf Bedeutung und Gefährlichkeit des Vertrages hinzuweisen (Rn. 77), und zugleich zur Erfüllung des Transparenzgebotes nach
7
Knops
784
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
§ 307 I 2 BGB, bedingt das zwingende Formerfordernis, einem durchschnittlichen Bürgen seinem Verständnis nach das besondere Risiko inhaltlich und umfänglich (AK-Reich, §§ 767-768 Rn. 10), d.h. auch gegenständlich und zeitlich unverkennbar zu machen, und ihn wegen der Bürgschaftsakzessorietät zudem über die Hauptschuld aufzuklären. Formulierungen in Gläubigerformularen zum Sicherungszweck wie „Forderungen gegen den Hauptschuldner aus der Geschäftsverbindung“ lassen den Bürgen nicht einmal ahnen, ob und für was er mit seiner Erklärung einzustehen hätte. Notwendig sind klare und eindeutige, d. h. auch drucktechnisch herausgehobene, Informationen über die Art der Bürgschaft, den zeitlichen und betragsmäßigen Umfang der Bürgenschuld ebenso wie Angaben über die Hauptschuld, wozu bei Darlehen auch gehört, dem Bürgen nicht nur den Nettokreditbetrag als Schuldsumme zu nennen, sondern auch Angaben zu machen über den Gesamtbetrag aller vom Hauptschuldner zu erbringenden Tilgungsleistungen nebst Art und Weise der Rückzahlung (ähnlich MünchKommBGB-Habersack, § 766 Rn. 19 für Verbraucherkredite). Angesichts des besonderen Risikos der Bürgschaftsübernahme (BGHZ 132, 119 (123) = WM 1996, 762) bedarf es einer analogen Anwendung des § 492 I S. 5 Nr. 2-4 BGB (§ 4 I S. 4 Nr. 1 b, c, d VerbrKrG a. F.) nicht (dafür Ulmer, JZ 2000, 781 (782)), sondern lediglich der Befolgung der von der Rechtsprechung selbst aufgestellten Grundsätze zu Klarheit und Transparenz, die um die entsprechenden Begriffe der Richtlinie 93/13/EWG zu erweitern und zu präzisieren sind (Larenz/Wolf, § 43 Rn. 19; Reich, NJW 1995, 1857 (1858)) und die sich in dem Inhalt (der Form) deutlich niederschlagen müssen (Rn. 6). Wenn dies nicht geschieht, wird mit der bloßen Unterzeichnung eines vom Gläubiger vorgefertigten Vertragsformulars eine echte Warnung des Bürgen als Verbraucher durch das Schriftformerfordernis nicht erreicht. Dem gesetzlichen Zweck des § 766 BGB, der ausschließlich dem Schutz des Bürgen und nicht etwa Beweiszwecken des Gläubigers dient, würde ansonsten zuwider gehandelt, so dass der Gesetzgeber sich veranlasst sehen sollte, entweder eine notarielle Pflichtbeurkundung einzuführen oder das geplante Verbraucherinformationsgesetz auf diesen Sektor zu erweitern. Zudem wäre auch nicht das ganze formbedürftige Geschäft in der Urkunde enthalten, so wie es nicht ein Richter im Nachhinein (Rn. 9), sondern ein Durchschnittsbürge bei Abgabe der Bürgschaftserklärung selbst versteht. Daher wird bei Unwirksamkeit der weiten Zweckerklärung (Rn. 21 f.) die (ermittelte) Anlassforderung nicht formgerecht bezeichnet, wenn sie nicht von Anfang an in der Bürgschaftserklärung deutlich als Haftungsgrund genannt wird (ähnlich Masuch, BB 1998, 2590; Schmitz-Herscheid, ZIP 1998, 1218). 8
Schließlich muss die Bürgschaft nach § 126 I BGB vom Aussteller eigenhändig unterschrieben werden; eine sog. „Oberschrift“ ist auch dann nicht ausreichend, wenn diese mit „Unterschrift des Bürgen“ tituliert wird (BGHZ 113, 48, 51 = WM 1991, 57). Belastende Nachträge sind erneut zu unterschreiben (BGH NJW-RR 1990, 518 (519); hierzu weiter Tiedtke, ZIP 1995, 521 (525); NJW 1999, 1209 (1212)).
9
c) Auslegung. Im Zweifel soll nach den §§ 133, 157 BGB zu bestimmen sein, ob die notwendigen Vertragsangaben vorhanden sind, ansonsten ist dem Formerfordernis nicht Genüge getan (BGH WM 2000, 886). Bei bloßen Falschbezeichnungen (dazu BGH WM 1995, 900 (902)) entscheidet sich nach der sog. Andeutungstheorie (BGH WM 1980, 372), ob der Schriftform Genüge getan ist. Die Vorstellung, zunächst müsse durch Auslegung Inhalt und Umfang des Rechtsgeschäfts bestimmt und erst dann geprüft werden, ob die Form gewahrt ist (BGH WM 2000, 886 f.; Bamberger/Roth-Rohe, § 765 Rn. 8; Jauernig-Stadler, § 126 Rn. 7) verkennt zumindest für verpflichtungskritische Verbraucherverträge wie Bürgschaften den Schutz, welche die Formstrenge gegenüber professionellen Anbietern im Hinblick auf Warnung und Übereilung bieten soll. Der Verbraucher wird nicht auslegen und danach nachprüfen können, ob und welchen Inhalt seine mög-
Knops
§ 25 Bürgschaft
785
liche Erklärung hat. Nur wer versteht, worum es geht, kann überhaupt gewarnt werden und ggf. von der Eingehung einer Verpflichtung absehen. Angesichts des Schutzzwecks des Formerfordernisses im Allgemeinen und des Bürgenschutzes im Besonderen ist somit bei der Auslegung derartiger Erklärungen Zurückhaltung geboten, wenn aus der Vertragsurkunde der Verbürgungswille und vor allem die Hauptschuld nicht klar und deutlich erkennbar ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Vertrag vorsieht, der Bürge hafte „für alle Ansprüche“ des Gläubigers gegen den Hauptschuldner (a. A. offenbar BGH WM 1995, 900 (902)), weil der Bürge sein Risiko dann ohne weitere Nachforschungen überhaupt nicht abschätzen kann und die Warnfunktion der Schriftform somit verfehlt wird. Auch im Nachhinein etwa eine Zinsänderung bei der Hauptschuld im Wege ergänzender Auslegung in den Sicherungsumfang des Bürgschaftsvertrages hineinzulesen (so BGH NJW 2000, 2580; a. A. Tiedtke, NJW 2001, 1015 (1017)), überreizt die canones wie den Bürgenhorizont. Die erforderlichen Angaben müssen somit aus der Bürgschaftsurkunde selbst unverkennbar und präzise zu erkennen sein. Maßstab ist das Verständnis eines Durchschnittsbürgen. Die Bürgschaft ist eine vom Bürgen erteilte Erklärung. Stellt diese der Gläubiger in einem Formular, muss er darauf achten, dass der Bürge diese vollinhaltlich versteht und abgeben will, und nicht etwa wegen Sprach- oder Verständnisdifferenzen etwas ganz anderes gemeint zu haben glaubt. Dies ist systematisch ein Problem der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, etwaiger Anfechtungsrechte, aber auch der Erfüllung der Warnfunktion der Formstrenge. Jegliche verbleibenden Zweifel etwa zu Art und Umfang der Bürgschaft gehen zu Lasten des Gläubigers (BGH WM 1999, 895 (897)). Die genannten Angaben aufzunehmen, ist dem Gläubiger zumutbar, weil zu seinen Gunsten damit auch Zweifelsfälle zu Bestimmtheit und Umfang der Bürgenhaftung ausgeschlossen werden. Dann besteht für eine analoge Anwendung der Vorschriften zum Verbraucherkredit (dazu Reifner, § 11 Rn. 54) keine Notwendigkeit. d) Heilung. Der Mangel der Form wird gemäß § 766 S. 3 BGB durch Erfüllung der Hauptschuld oder Leistung von Erfüllungssurrogaten durch den Bürgen geheilt, nicht aber durch dessen Schuldanerkenntnis (Jauernig-Stadler, § 766 Rn. 5) oder Leistung durch Dritte (AK-Reich, §§ 767-768 Rn. 12).
10
3. Annahme. Nach der Rechtsprechung soll eine ausdrückliche Annahmeerklärung des Gläubigers hinsichtlich der Bürgschaft nicht erforderlich sein; es genüge eine stillschweigende Annahme, die auch dadurch zum Ausdruck komme, dass der Gläubiger die Bürgschaftserklärung bekomme und behalte (BGHZ 121, 224 (228) = WM 1993, 496; OLG Brandenburg WuB I F 1a – 1.07 m. Anm. Arnold). Als Begründung wird § 151 Satz 1 BGB herangezogen, wonach es einer Annahmeerklärung nicht bedarf, wenn diese nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist (BGHZ 143, 181 = WM 2000, 715; WM 1999, 2477; WM 1997, 1242; Jauernig-Stadler § 765 Rn. 3). Nicht selten sind private Bürgen überrascht, wenn sie ohne Annahmeerklärung des Gläubigers plötzlich in Anspruch genommen werden. Eine Verkehrssitte wie unter Kaufleuten kann sich mit Verbrauchern kaum bilden, wenn an eine nicht erfolgte Erklärung derartige Rechtsfolgen geknüpft werden. Zudem ist zwar die Bürgschaftserteilung einseitig, ein Vertrag kommt aber nur bei Annahme des Gläubigers zustande. Wie bei anderen nicht täglichen Geschäften auch, muss der Gläubiger dies erklären. Ansonsten gilt § 147 II BGB. Aus Gründen der Klarheit ist daher eine Annahmeerklärung zu fordern, insbesondere wenn die Bürgschaftserklärung auf dem Postwege versandt und nicht übergeben wurde. Ebenfalls soll es zum Vertragsschluss führen, wenn der Gläubiger die Erklärung nur vorübergehend erhalte und später wieder zurückreiche (vgl. BGH WM 1978, 226 (267); 1976, 422 (423)). Unterstellt man hier eine stillschweigende Annahme des Gläubigers, muss spiegelbildlich die Rückgabe der Urkunde als stillschweigender Erlass der Bürgenschuld anzusehen sein (offen
11
Knops
786
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
AK-Reich, vor §§ 767-768 Rn. 11). Ein anderer Sinn ist aus Sicht des Empfängers nicht erkennbar, wenn der Gläubiger keine weitere Erklärung dazu abgibt. In der Praxis kommen beide Fälle vor, weswegen beiderseits Interesse an eindeutigen Erklärungen, die nicht nur formularmäßig vorgegeben sind, besteht. 12
4. Sonderfall Blankettbürgschaft. Bei der Blankettbürgschaft erteilt der Bürge regelmäßig entweder dem Gläubiger, dem Hauptschuldner oder einem Dritten eine Vollmacht zum Erteilen, Ausfüllen oder zur Weitergabe der Bürgschaftserklärung. Die Formbedürftigkeit erstreckt sich auf die Ermächtigung (BGHZ 132, 119 = WM 1996, 762; WM 2000, 514 (515) ; NJW-RR 2004, 337; Tiedtke, NJW 2005, 2498). Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich (BGH a. a. O.; Palandt-Sprau, § 766 Rn. 4; JauernigStadler, § 766 Rn. 4; Fischer, JuS 1998, 205; a. A. Bülow, ZIP 1996, 1694; Keim, NJW 1996, 2274). Nicht hinzunehmen ist, dass bei abredewidrigem Ausfüllen durch den Hauptschuldner oder Dritten zum einen und/oder formungültiger Ermächtigung zum anderen der Gläubiger über eine Analogie nach § 172 II BGB geschützt werden soll, mit der Folge, dass der Bürge voll für die Erklärung hafte (so BGHZ 132, 119 = WM 1996, 762; OLG Brandenburg WuB I F 1a – 1.07 m. Anm. Arnold; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 47; Palandt-Sprau, § 766 Rn. 4). Dies lässt sich mit dem Gesetzeszweck, dass die vorgeschriebene Form ausschließlich dem Schutz des Bürgen dient (BGH WM 1998, 1120; PalandtSprau, § 766 Rn. 1), ebenso wenig in Einklang bringen, wie § 766 BGB eine derartige Ausnahme zulässt. Auch dieser Fall unterliegt der strengen Formvorschrift des § 766 BGB insofern, als dem Bürgen selbst die Blanketturkunde nebst einer Ausfüllungsermächtigung vorgelegt werden muss (BGHZ 143, 181 = WM 2000, 715).
13
5. Abgrenzung zum Mitdarlehensnehmer. Um eine Umgehung des Bürgenschutzes zu verhindern, sind Mitdarlehensnehmer nur solche, die ein eigenes (persönliches und/oder sachliches) Interesse an der Kreditaufnahme haben (BGH WM 2005, 418 = ZIP 2005, 607 = NJW 2005, 973 (974) m. Anm. Klaas, EWiR 2005, 561; BGHZ 146, 37 (41) = WM 2001, 402; 2002, 223 (224); Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (6); a.A. Tiedtke, NJW 2005, 2498 (2500)) und zugleich als im Wesentlichen gleichberechtigte Partner über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden dürfen (BGH WM 2005, 418 = ZIP 2005, 607 = NJW 2005, 973 (974); BGH WM 2002, 1649). Eine Vollmacht über das Valutakonto reicht dafür ebenso wenig aus wie das Führen der Kreditverhandlungen und Stellen eigener Sicherheiten (BGH WM 2000, 410 (412) m. Anm. Tiedtke, JZ 2000, 674), wohl aber die Eingehung der Verbindlichkeit zur Finanzierung des Lebensstils beider Ehegatten (BGH WM 1998, 2366 m. Anm. Michalski, LM § 138 BGB Nr. 90). Maßgeblich für die Einordnung ist die von den Parteien gewollte Rechtsfolge, einseitig gewählte Formulierungen wie „Mitdarlehensnehmer“, „Mitantragssteller“ oder „Mitschuldner führen nicht dazu, dass die materiell-rechtlich als Mithaftender zu behandelnde Vertragspartei als gleichberechtigter Mitdarlehensnehmer zu behandeln ist (BGH WM 2005, 418 = ZIP 2005, 607 = NJW 2005, 973 (974); BGH NJW 2002, 2705 (2706 f.); a.A. Tiedtke, NJW 2005, 2498 (2500)). Das Gleiche gilt für den als „Mitschuldner“ oder ähnlich bezeichneten materiell-rechtlichen Bürgen.
14
II. Inhalt der Bürgschaft. 1. Bestand der Hauptforderung und Akzessorietät. Jede Art vermögensrechtlicher Verbindlichkeiten von Dritten ist mit der Bürgschaft sicherbar (BGH NJW 1989, 1856), auch öffentlich-rechtliche Forderungen, da die eigenständige Rechtsnatur bestehen bleibt und nicht die der Hauptschuld teilt (BGH WM 2007, 2370 = BKR 2008, 60 (62); BGHZ 90, 187 (190) = WM 1984, 483; Jauernig-Stadler § 765 Rn. 17). Die Bürgschaftsforderung besteht nur, solange und soweit eine Forderung des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner besteht. Dieser Akzessorietätsgrundsatz folgt aus den §§ 767, 768 und 770 BGB und soll verhindern, dass der Bürge mehr leisten muss
Knops
§ 25 Bürgschaft
787
als das, was der Gläubiger vom Hauptschuldner verlangen kann. Die Bürgschaft setzt somit eine oder mehrere bestimmte vollwirksame Forderungen eines Hauptschuldners voraus, für die der Bürge einstehen will. Abweichende Vereinbarungen des Inhalts, dass die Bürgschaft nicht von Entstehen, Bestand und Höhe der Hauptschuld abhängig sein soll, sind in Formularverträgen unwirksam (BGHZ 147, 99 = WM 2001, 947; NJW 1993, 1918; Palandt-Sprau, § 765 Rn. 31 m. w. N.), als Individualabrede möglich, wobei es sich dann aber nicht mehr um eine Bürgschaft, sondern um einen Schuldbeitritt, eine Garantie oder ähnliches handelt, wobei zudem zu prüfen bleibt, ob es sich um ein Umgehungsgeschäft zur Aushebelung des Bürgenschutzes handelt. a) Hauptforderung. Entsteht keine Hauptforderung, ist diese unwirksam oder geht durch Erfüllung, Aufrechnung etc. unter, ist keine Verpflichtung des Bürgen zur Befriedigung des Gläubigers gegeben. Die Bürgschaftsforderung folgt mithin dem Status des Hauptrechts, aus dem der Gläubiger Zahlung verlangt. Es kommt auf den Bestand der Hauptforderung an. Entscheidend ist nicht der Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Bürgschaft. Geht die Hauptforderung im Laufe des Bürgschaftsprozesses unter oder steht dessen Durchsetzbarkeit zwischenzeitlich eine Einrede etwa der Verjährung entgegen, die auch der Bürge geltend macht, kann er zur Zahlung nicht verurteilt werden. Dies gilt auch, wenn der Bürge auf bestimmte Einwendungen wirksam verzichtet hat, der Hauptschuldner diese aber erhebt (BGH NJW 2002, 2867). Unabhängig von seiner eigenen Vertragslage sollte der Bürge daher vor Zahlung auch die Rechtslage zwischen Hauptschuldner und Gläubiger prüfen, um diesen ggf. anzuhalten, entsprechende Einreden oder Einwendungen gegen die zugrunde liegenden Forderungen zu erheben (Rn. 68). Nicht zum Erlöschen der Hauptschuld, aber der Bürgschaft führt es, wenn die Durchsetzung der Forderung gegen den Hauptschuldner rechtsmissbräuchlich wäre (vgl. BGH, NJW 1991, 2908). Grundsätzlich reicht auch ein Forderungsverzicht des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner (strenger OLG Hamm, WM 1995, 153), weil der Bürge nie mehr schuldet als der Hauptschuldner. Auch ein Aufhebungsvertrag oder Vergleich zwischen Gläubiger und Hauptschuldner lässt die Bürgenschuld entfallen (Staudinger-Horn, § 767 Rn. 12 m. w. N.). Dies gilt auch im Insolvenzverfahren (BGH WM 2002, 2278). Zur Sicherheitenaufgabe nach § 776 BGB vgl. Rn. 76.
15
Nur in Ausnahmefällen bleibt die Bürgschaft bestehen, obwohl das Hauptschuldverhältnis nichtig ist. Dies betrifft vor allem den Rückforderungsanspruch des Gläubigers nach § 812 BGB auf die Valuta, wenn sich die Bürgschaft auch darauf wirksam erstreckt. Wandelt sich die verbürgte Forderung, muss genau geprüft werden, ob die Haftung des Bürgen bestehen bleibt. Nach § 418 I 1 BGB erlöschen im Falle des Wechsels des Hauptschuldners durch befreiende Schuldübernahme die für die Forderung bestellten Bürgschaften. Dasselbe gilt, wenn die ursprünglich verbürgte Hauptforderung durch Novation einen anderen Schuldgrund erhält. Anders ist dies bei bankinternen Umschuldungen, etwa der Umwandelung eines Kontokorrentkredits in ein Darlehen (BGH WM 1999, 2251), der Einbuchung eines Tilgungskredits in ein Kontokorrentkonto (Knops, EWiR 2000, 799 (800); a. A. KG ZfIR 2000, 735) oder bei der Substitution des Zinsanspruches durch eine Vorfälligkeitsentschädigung als Schadensersatz (§ 490 II 3 BGB spricht von „Schaden“; a. A. Nobbe, BKR 2002, 747 (756)), aber nur soweit der Bürge auch für die regulären Zinsen des Darlehens gehaftet hätte (OLG Frankfurt ZIP 2002, 567 (568 f.); Derleder/Beining, ZBB 2001, 1 (2)). Hier bleiben die bestellten Sicherheiten bestehen, da es sich nicht um eine umfassende Schuldumschaffung, sondern lediglich um eine Vertragsänderung handelt, bei der die Identität der Forderung im Wesentlichen gleich bleibt, wofür auch eine getrennte Erfassung und buchungstechnische Abwicklung sprechen kann. Nebenpflichten, Einwendungen und Einreden aus dem alten Schuldverhältnis bleiben vollumfänglich
16
Knops
788
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
bestehen (BGH ZIP 1994, 1778). Auch bei Vertragsübernahme (BGHZ 95, 88 (96) = NJW 1985, 2528) oder Gesamtrechtsnachfolge bleibt die Bürgschaft dem Nachfolger in vollem Umfang erhalten (BGHZ 77, 167 (170) = ZZP 1981, 446 m. Anm. Pecher). Anders ist dies bei der Abtretung, bei der zwar die Bürgschaft bestehen bleibt, aber im Haftungsumfang auf den aktuellen Forderungsbestand beschränkt ist (Rn. 85). Wird dagegen auf Schuldnerseite ein Kreditvertrag im Wege der Vertragsübernahme übernommen, erlischt eine Bürgschaft analog § 418 I 1 BGB (OLG Hamm WM 1990, 1152). Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nach Ansicht des OLG Frankfurt (ZIP 1999, 1207) nur übernommen, wenn der Übernehmer sie kannte. Allerdings kann eine Auslegung der Bürgschaftsurkunde ergeben, dass sich der Bürge auch für den Rechtsnachfolger binden will (OLG München WM 1998, 1966). Ist in dem Bürgschaftsformular eine Formularklausel enthalten, die eine Übernahme der Bürgschaft bei Vertragsübernahme vorsieht, kommt § 418 BGB nicht zur Anwendung. Eine solche Formularklausel verstößt jedoch gegen § 307 I i. V. m. den §§ 414 f. BGB, wenn der Bürge daraufhin für einen unbeteiligten Dritten einstehen müsste. Ansonsten hängt der Fortbestand der Haftung von der Zustimmung, nicht stillschweigender Genehmigung, nach den §§ 414 f. BGB ab. 17
b) Hauptschuldner. Wegen der strengen Akzessorietät erlischt die Forderung und damit auch die Bürgschaft bei Untergang des Hauptschuldners (RGZ 153, 338 (343); 148, 65 (67), allg. Meinung). Mangels Schuldner ist keine Forderung mehr vorhanden, die durchgesetzt werden könnte. Nur wenn im Zeitpunkt der Löschung im Handelsregister – oder zu einem anderen Zeitpunkt nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages – der Hauptschuldner wegen – völliger (Erman-Schiele, § 767 Rn. 6) – Vermögenslosigkeit als Rechtsperson untergegangen ist und aus diesem Grund die gegen ihn gerichteten Forderungen weggefallen sind, soll nach Ansicht des BGH die Bürgschaftsforderung trotz ihrer Akzessorietät ausnahmsweise als nunmehr selbständige Forderung fortbestehen. (BGHZ 82, 323 (327) = WM 1982, 148). Die Löschung einer AG, KG oder GmbH gemäß § 141a FGG kann Folge ihrer Vermögenslosigkeit sein. Nur dann hat sich das vom Bürgen übernommene Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners verwirklicht, nicht aber wenn der als Personengesellschaft oder juristische Person verfasste Hauptschuldner ohne dies durch Vollbeendigung und damit ohne Rechtsnachfolger untergeht (MünchKommBGB-Habersack, § 765 Rn. 50). Im Ergebnis räumt der BGH den Interessen des Gläubigers am Sicherungszweck der Bürgschaft Vorrang vor ihrer Abhängigkeit von der Hauptschuld ein und durchbricht damit das dem Schutz des Bürgen dienende Akzessorietätsprinzip zu dessen Nachteil – allerdings zu Recht, und zwar nicht nur weil die Bürgschaft gerade dazu dient, den Gläubiger vor dem Vermögensverfall des Hauptschuldners zu schützen, sondern auch weil § 768 I 2 BGB einen gesetzlichen Fall vorsieht, der verhindern soll, dass bei Wegfall des Hauptschuldners eine „Vermögenslosigkeit“ in Form der Beschränkung der Erbenhaftung zum Untergang der Bürgenhaftung führt. Nunmehr hat der BGH seine Rechtsprechung insoweit präzisiert, als die Verselbstständigung der Bürgenhaftung nicht bedeutet, dass die Bürgschaftsforderung jeglichen Bezug zur Hauptforderung verliert, sondern lediglich vom Bestand der Hauptforderung unabhängig wird, inhaltlich sich aber weiterhin nach ihr richtet. Eine Umwandelung ist damit nicht verbunden, lediglich Einreden des Hauptschuldners, die ihren Grund in dessen Vermögenssituation haben, können dem Gläubiger nicht mehr entgegengehalten werden (BGH WM 2003, 487 (488)).
18
Dagegen besteht die Bürgenhaftung im Falle einer normalen Gesellschaftsauflösung nicht fort, etwa wenn sich eine GmbH durch Liquidation im Rahmen des Verteilungsverfahrens ihrer Vermögenswerte entäußert (irrig OLG Köln GmbHR 2004, 1020). Die damit eintretende Vermögenslosigkeit ist Voraussetzung für die Löschung nach § 74
Knops
§ 25 Bürgschaft
789
GmbH; andernfalls lebt die GmbH wieder auf oder wird zumindest als fortbestehend behandelt. Der Untergang durch das normale Liquidationsverfahren etwa bei Aufgabe des Geschäftsbetriebs beruht dann gerade nicht auf der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, weswegen die Behauptung, eine GmbH gehe immer als vermögenslos unter und deshalb bliebe die Bürgschaft auch immer selbstständig bestehen, verfehlt ist. Es geht nicht darum, dass die Firma ohne Vermögen gelöscht wird, sondern warum sie untergeht. Nur dann, wenn der Grund für den Untergang des Hauptschuldners gerade auf Vermögenslosigkeit beruht („wegen Vermögenslosigkeit“ – BGHZ 82, 323, 327 = WM 1982, 148 m. Anm. Wolf, LM § 398 Nr. 41; KG NJW-RR 1999, 1206 (1207) m. Anm. K. Schmidt, JuS 2000, 295), muss der Bürge haften; ihm soll die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners nicht zugute kommen, wofür er ja gerade einstehen soll. Beruft sich der Bürge auf den Wegfall der Forderung wegen Untergangs des Hauptschuldners, behaupten Gläubiger zuweilen ins Blaue dessen Untergang wegen Vermögenslosigkeit, um die Bürgschaftsforderung nicht zu verlieren. Dabei obliegt es dem Gläubiger zu beweisen, dass die Hauptschuld vollwirksam und fällig ist (BGHZ 148, 283, 288 = WM 2001, 2078), wozu als wesentliches Element die Akzessorietät und damit der Fortbestand der Forderung gehört. Somit muss der Gläubiger den Beweis führen, dass die Bürgschaft trotz Wegfalls der Akzessorietät nicht erloschen ist (LG Lübeck WM 1991, 1337 (1338, 1339)), und nicht umgekehrt der Bürge beweisen, dass der Hauptschuldner vor Löschung liquide Mittel zur Begleichung der Forderung gehabt hätte. Nimmt der Gläubiger den Hauptschuldner vor Auflösung selbst im Liquidationsverfahren, das in den in § 30 II GmbHG bezeichneten öffentlichen Blättern bekannt gemacht wird, mit der Aufforderung an die Gläubiger, ihre Forderungen anzumelden, nicht in Anspruch und wird die Firma nach Verteilung wie nach § 74 GmbH notwendig ohne Vermögen gelöscht, ist kein Grund erkennbar, wieso nun der Bürge weiter haften soll. All dies (mehr Rn. 72) hat das OLG Köln in der oben genannten Entscheidung verkannt. Einigkeit besteht, wenn der Hauptschuldner schon vor der Bürgschaftsübernahme wegen Vermögenslosigkeit als Rechtsperson untergegangen ist. Mangels bestehender Forderungen kann eine Bürgschaft nicht wirksam entstanden sein (BGH WM 2003, 487 (489)), aber es bleibt die Möglichkeit zur Umdeutung in eine selbstständige Garantie, an die aber aus Transparenzgründen hohe Anforderungen zu stellen ist. Ein bloßer Rechtsformwechsel des Hauptschuldners (GbR in GmbH etc.) lässt die Bürgschaftsforderung wegen fehlender Beendigung und bestehender Firmenkontinuität nach § 202 I Nr. 1 UmwG unberührt. Dies gilt auch, wenn lediglich die Gesellschafter einer Personengesellschaft wechseln (BGH WM 1993, 1080; Hackbarth, ZBB 1993, 8 (12)) oder Firmen verschmelzen (Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 844). c) Gläubiger. Bei Untergang des Gläubigers erlischt die Hauptforderung und damit die Bürgschaftsverpflichtung. Fusioniert der Gläubiger, wie im Bankenbereich nicht unüblich, kann dem Hauptschuldner bei Gewährung eines Kredites ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen (OLG Karlsruhe WM 2001, 1803). Dies gilt auch für den Bürgen, der ein berechtigtes Interesse daran haben kann, dass über seinen ursprünglichen Vertragspartner hinaus Dritte keine Einblicke in seine finanziellen Verhältnisse bekommen (Rn. 81). 2. Subsidiarität. Der Bürge soll nach den Vorstellungen des Gesetzes erst nach dem Hauptschuldner, d. h. subsidiär nach dessen Nichtleistung haften. Dazu dient dem Bürgen formal die Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB, die aber praktisch nie zum Zuge kommt (Rn. 71).
Knops
19
20
790
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
C. Sicherungsumfang Schrifttum Altvater, Zur Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion formularmäßiger Sicherungsabreden, WiB 1996, 374; Canaris, Die Problematik der Sicherheitenfreigabeklauseln im Hinblick auf § 9 AGBG und § 138 BGB, ZIP 1996, 1109; Dähn, Die Wirksamkeit von Globalbürgschaften von Gesellschaftern und Geschäftsführern für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, ZBB 2000, 61; Ehricke, Bürgschaften von Geschäftsführern und Gesellschaftern einer GmbH für Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft, WM 2000, 2177; Hager, Der lange Abschied vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, JZ 1996, 175; Horn, Globalbürgschaft und Bestimmtheitsgrundsatz, in: FS Merz, 1992, S. 217; Bürgschaftsrecht 2000, 2000; Entwicklungen der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ZIP 2001, 93; Zur Zulässigkeit der Globalbürgschaft – Bestimmtheitsgrundsatz und Verbot der Fremddisposition im Bürgschaftsrecht, ZIP 1997, 525; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobiliarkreditverhältnissen (Darlehensbegründung und -kündigung, Vorfälligkeitsentschädigung, Ersatzkreditnehmerstellung, Grundschuldablösung und -übernahme), 2000; Darlehensgewährung und Grundpfandrechtsbestellung, ZfIR 1998, 577; Koch, Anwendung der Anlassrechtsprechung auf Bürgschaften von Geschäftsführern und Gesellschaftern, NJW 2000, 1996; Köndgen, Anm. zu BGH, Urteil v. 1.7.1997, ZIP 1997, 1645; Lettl, Akzessorietät contra Sicherungszweck, WM 2000, 1316; Schmitz-Herscheid, Zur Bürgschaft für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten, ZIP 1997, 1140; Reinicke/Tiedke, Bestimmtheitserfordernis und weite Sicherungsabrede im Bürgschaftsrecht, DB 1995, 2301; Rösler/Fischer, Sicherungszweckvereinbarungen als zentraler Bestandteil aller Kreditvereinbarungen: Probleme aus AGB-Kontrolle und Akzessorietät, BKR 2006, 50; Tiedtke, Anm. zu BGH, U. v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97 –, DNotZ 2000, 283; Trapp, Zur Wirksamkeit der weiten Sicherungszweckvereinbarung bei Bürgschaften, ZIP 1997, 1279; v. Westphalen, Weite Sicherungszweckvereinbarungen – gelöste und ungelöste Fragen, in: Horn/Schimansky (Hrsg.), Bankrecht 1998, S. 176.
21
Nach § 767 I 1 BGB ist der jeweilige Bestand der Hauptschuld maßgeblich für die Bürgenhaftung. Gläubigerseits wurde daher der erfasste Forderungskreis immer weiter gezogen. Nach z. T. jahrelanger Kritik (AK-Reich, vor §§ 765 Rn. 10; Derleder, NJW 1986, 97 (100 f.) sowie später Horn, FS Merz, S. 217 (220)) wird die formularmäßige, sog. „weite“ Sicherungszweckerklärung, wonach der Bürge für alle bestehenden und künftigen Forderungen aus der Geschäftsverbindung gegen den Hauptschuldner und dessen Rechtsnachfolger haften soll, nunmehr seit 1994 (BGHZ 130, 19 (26 f.) = WM 1995, 1397) im Wege der sog. Anlassrechtsprechung regelmäßig als unwirksam verworfen. Im Einzelnen ist wie folgt zu differenzieren:
22
I. Formularmäßige Globalbürgschaften. Weite Sicherungszweckerklärungen verstoßen regelmäßig gegen das aus § 767 I 3 BGB folgende Verbot der Fremddisposition, schränken damit die Rechte des Bürgen in einer den Vertragszweck gefährdenden Weise ein (Verstoß gegen § 307 BGB bzw. § 9 I und II Nr. 1 und Nr. 2 AGBG a.F.: BGH WM 2003, 669 (670)) und sind zudem überraschend i. S. d. § 3 AGBG a.F. (BGHZ 126, 174 (176) = WM 1994, 1242; Palandt-Sprau, § 765 Rn. 20; Reinicke/Tiedtke, DB 1995, 2301), nunmehr § 305 c I BGB. Dies gilt für Tilgungsdarlehen, Kontokorrentkredite und Höchstbetragsbürgschaften (im Einzelnen Rn. 94) im Grundsatz gleichermaßen. 1. Bestehende und künftige Forderungen. a) Verstoß gegen § 305 c I BGB. Bei Eingehung der Bürgschaft macht sich der Bürge regelmäßig konkrete Vorstellungen über Grund und Höhe seiner möglichen Haftung. Anlass der Mithaftungsübernahme ist regelmäßig eine Einzelverbindlichkeit des Hauptschuldners, seltener mehrere bestimmte Forderungen des Gläubigers. Der Bürge wird daher überrascht, wenn er später unter Berufung auf die Haftungserklärung für andere bestehende und/oder zukünftige Forderungen in Anspruch genommen wird, also solche, die beim Gläubiger erst nach seiner Haftungserklärung entstanden sind. Derartige Klauseln sind nach mittlerweile ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur so ungewöhnlich, dass der Bürge mit einer Erweiterung seiner Haftung nicht zu rechnen braucht. Sie verstoßen gegen § 305 c I BGB
23
Knops
§ 25 Bürgschaft
791
(§ 3 AGBG a. F.) und werden deshalb nicht Vertragsbestandteil (BGHZ 130, 19 (24 f.) = WM 1995, 1397; 126, 174 (176 f.); Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (52)). Der überraschende Charakter entfällt auch nicht dadurch, dass sich solche Klauseln seit Jahrzehnten in nahezu jedem Bürgschaftsvertrag finden (Nobbe, BKR 2002, 747 (749). Dieses Ergebnis – so einleuchtend und klar es sich auch darstellt – ist nicht selbstverständlich: Obwohl beim Immobiliarkredit der Kreditnehmer fast ausnahmslos die Vorstellung hat, das Grundstück würde nur den beantragten Kredit sichern, wird dort eine Überraschung unter dem schlichten Hinweis, derartige Klauseln fänden sich seit Jahren in den Formularen der Kreditwirtschaft, verneint (BGH WM 2000, 1328; a. A. Knops, S. 56 f.; ZIP 2006, 1965 ff.; ZfIR 1998, 577 (582 f.)). Macht sich der Bürge über Grund und Höhe seiner Mithaftungserklärung keine Gedanken, sondern nimmt ausnahmsweise an, er hafte dem Gläubiger global, fehlt es naturgemäß an einer Überraschung (BGHZ 130, 19 (28) = WM 1995, 1397; Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (52)). Dies gilt ebenfalls, wenn die Bürgschaft losgelöst von einer Kreditgewährung, Prolongation oder ähnlichem gewährt worden ist, da sich dann keine Vorstellung des Bürgen auf eine bestimmte Verbindlichkeit richten konnte (BGHZ 132, 6 (8) = WM 1996, 436). Auch ein klarer individueller – zumeist mündlicher – Hinweis des Gläubigers auf die Reichweite des Haftungsumfanges der Bürgschaft zerstört das Vertrauen des Bürgen auf die Anlassverbindlichkeit (so nun auch Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (52)). Zwar soll der Überraschungscharakter einer allgemein ungewöhnlichen Klausel entfallen, wenn sie inhaltlich ohne weiteres verständlich und drucktechnisch so hervorgehoben ist, dass erwartet werden kann, der Gegner des Verwenders werde von ihr Kenntnis nehmen (BGHZ [V. ZS] 130, 150 (155) = WM 1995, 1632); offen gelassen in BGHZ [VI. ZS] 126, 174 (180) = WM 1994, 1242). Klauseln, mit denen der Gegner des Verwenders wegen der dem Vertragsschluss vorausgegangenen konkreten Umstände nicht rechnen muss, verlieren die überraschende Wirkung jedoch grundsätzlich nur dann, wenn der Gegner einen individuellen Hinweis erhält (BGH NJW-RR 2002, 485). Gegenüber dem Normaldruck stärkere Drucktypen sind allein nicht geeignet, ihn hinreichend über die von dem Verwender angestrebte Änderung ins Bild zu setzen (BGHZ 131, 55 (59) = WM 1995, 2133; 99, 203 (206) = NJW 1987, 1636; vgl. ferner BGH NJW 1994, 1656 (1657); 1981, 117 (118)). Ebenso wenig ausreichend wäre eine entsprechende zusätzliche Formularerklärung (Nobbe, BKR 2002, 747 (750)).
24
b) Verstoß gegen § 307 BGB. Haftungserstreckungen auf alle bestehende Forderungen benachteiligen den Bürgen unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben und sind deshalb nach § 307 I BGB (§ 9 I AGBG a. F.) unwirksam (Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (52); Nobbe, BKR 2002, 747 (752 m. w. N.)). Der Bürge hat nach dem Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB ein schutzwürdiges Interesse daran, aus dem Formular selbst Gegenstand und Umfang seines Risikos zu erfahren, dieses also aus ihm klar und richtig hervorgeht (Nobbe, a.a.O.). Durch die weite Zweckerklärung wird dagegen der Anlass der Verbürgung verschleiert, wodurch der Bürge die Trag- und Reichweite seiner Haftung nicht ermessen kann (BGHZ 143, 95 (99 f.) = WM 2000, 64). Werden dagegen alle bestehenden Forderungen einzeln aufgeführt, ist dem Transparenzgebot Genüge getan. Dies kann nicht auch für solche Verbindlichkeiten Geltung beanspruchen, die über den Anlass der Verbürgung hinausgehen (überzeugend Tiedtke, NJW 2001, 1015 (1028); DNotZ 2000, 283 (286); a. A. Nobbe, BKR 2002, 747 (753)).
25
Die Einbeziehung von künftigen Forderungen in die Haftung des Bürgen weicht unter wesentlicher Beschränkung der Bürgenrechte vom gesetzlichen Leitbild des § 767 I 3 BGB ab (Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (52); Horn, FS Merz, S. 217 (220)), das die Bestimmtheit der zu sichernden Forderungen ebenso voraussetzt wie die Begrenzung der
26
Knops
792
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Bürgenhaftung und zudem den Bürgen davor schützt, für neue Schulden einstehen zu müssen, deren Entstehung er nicht beeinflussen kann (Nobbe, BKR 2002, 747 (750 m. zahlr. w. N.)). Diese Unkalkulierbarkeit zeigt sich auch darin, dass der Bürge für Verbindlichkeiten einstehen soll, die mit anderer Tilgungsbelastung hinsichtlich Höhe und Dauer – nicht notwendigerweise anderer Besicherung (a. A. Nobbe, BKR 2002, 747 (750)) – einhergehen als die Anlassforderung. Sicherbar sind künftige Forderungen durch Formularverwendung lediglich dann, wenn sie in überschaubarer und abgrenzbarer Art und Weise bezeichnet sind und klar und deutlich den Anlass der Bürgenhaftung bilden (mit Einzelheiten Nobbe, BKR 2002, 747 (752)). Ohne aber Grund und Umfang im Einzelnen zu kennen (oben Rn. 6), wird sich eine Überraschung und unangemessene Benachteiligung nicht vermeiden lassen. 27
Anders als bei § 305 c I BGB (Rn. 23) ist der Sicherungszweck bei § 307 BGB objektiv zu bestimmen (BGHZ 142, 213 (218) = WM 1999, 1761). Für eine unangemessene Benachteiligung spielt es daher keine Rolle, ob und welche subjektiven Vorstellungen sich der Bürge über die Anlassforderung macht (BGHZ 132, 6 (9) = WM 1996, 436) oder ob die Bürgschaft überhaupt nicht aus Anlass einer bestimmten Verbindlichkeit übernommen wurde (BGHZ 130, 19 (33) = WM 1995, 1397 sowie Nobbe, BKR 2002, 747 (751 Fn. 55) gegen Dähn, ZBB 2000, 61 (64); Trapp, ZIP 1997, 1279 (1281); Horn, ZIP 1997, 525 (529)). Formularmäßige Haftungserstreckungen über den Anlass des Sicherungsvertrages auf alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Ansprüche des Gläubigers, sind daher nach dem Ausgeführten regelmäßig unwirksam. Auch dieses Ergebnis ist wiederum nicht selbstverständlich: Bei Sicherungszweckerklärungen, die sowohl alle bestehenden und künftigen, als auch bedingten und befristeten Ansprüche des Gläubigers umfassen, wird bei Grundschulden ein Verstoß gegen § 305 c I BGB (§ 9 AGBG a. F.) verneint, weil Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweckerklärung nicht gesetzlich festgelegt sei, sondern freier Vereinbarung unterliege (BGH WM 1997, 1280 (1282); a. A. Knops, S. 56 f.; ZIP 2006, 1965; ZfIR 1998, 577 (582 f.)).
28
c) Ausnahmen. Während für Kaufleute und juristische Personen in Bezug auf § 307 BGB grundsätzlich nichts anderes gilt (Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (53); Nobbe, BKR 2002, 747 (751 m. w. N.)), sind derartige Globalbürgschaften aber wirksam, in denen sich entweder gewerbsmäßige Bürgen (BGH WM 1998, 2186 m. Anm. Grunewald, JZ 1999, 144) oder aber Geschäftsführer, Allein- oder Mehrheitsgesellschafter für Verbindlichkeiten „ihrer“ Gesellschaft verbürgen (BGHZ 143, 95 (100 f.) = WM 2000, 64; 142, 213 (215 f.) = WM 1999, 1761), unabhängig davon, ob der Bürge nur als Strohmann tätig (BGH NJW 2002, 1337 (1339)), oder Geschäftsführer ist, der einem Mitgesellschafter die (alleinige) Geschäftsführung überlassen (OLG Köln WM 2002, 1389 (1390)), oder aus anderen Gründen tatsächlich nach der Gesellschaftsverfassung Einfluss auf die Begründung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft hat (Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (53); Nobbe, BKR 2002, 747 (754); Ehricke, WM 2000, 2177 (2181 f.); JZ 2000, 466 (468); vgl. OLG Hamm WM 1997, 1375 (1376)). Dies gilt nicht für Minderheitsgesellschafter, die auch nach dem Gesellschaftsvertrag keinen bestimmenden Einfluss auf die Eingehung von Verbindlichkeiten haben; die Grenze der Beteiligung liegt bei 50 %, soweit keine Geschäftsführungsbefugnis vorliegt (BGHZ 142, 213 (216) = WM 1999, 1761). Die Grundsätze zur Unwirksamkeit der weiten Sicherungsabrede finden zudem auch Anwendung auf Nur-Geschäftsführer, die Verbindlichkeiten nach Gesellschafterbeschluss eingehen müssen. Diese auf die Kündigung des Bürgschaftsvertrages zu verweisen, um die Lage kontrollier- und beherrschbar zu halten (Nobbe, BKR 2002, 747 (754); Horn, ZIP 2001, 93 (96)), und ihnen den Schutz des § 307 II BGB gänzlich abzusprechen (OLG Köln WM 2002, 1389 (1390)), ist nicht gerechtfertigt, da die formularmäßige Ausdehnung für ihn
Knops
§ 25 Bürgschaft
793
von Anfang an ebenso wenig transparent wie verhinderbar ist. Er ist fremdbestimmt wie jeder andere Bürge auch. Sein eventuell später erlangtes Wissen macht ihn nicht weniger schutzbedürftig. Wenn sogar noch der hinterrücks aufgenommene Kredit eines Mitgeschäftsführers zur Haftung führen würde, der Hintergangene den Kündigungsgrund somit nicht einmal kennen kann, zeigt sich die Unhaltbarkeit der Gegenauffassung. Die Wirksamkeit einer Klausel bestimmt sich nicht nach dem späteren Verhalten des Klauselgegners, sondern abstrakt. 2. Nebenansprüche. Grundsätzlich haftet der Bürge gemäß § 767 I 1 BGB nicht für Zinsen der verbürgten Hauptschuld. Dazu bedarf es einer gesonderten Vereinbarung, insbesondere bei Tilgungsdarlehen (OLG Koblenz WM 2000, 38 (40); Nobbe, BKR 2002, 747 (756); Derleder/Beining, ZBB 2001, 1; Tiedtke, ZIP 1995, 521 (523); a. A. StaudingerHorn, § 765 Rn. 40), soweit der Hauptschuldner dazu nicht nach § 55 HGB verpflichtet ist (BGHZ 77, 256 = ZIP 1980, 529). Nach den §§ 767 I 2, 289 BGB haftet der Bürge nur für Verzugszinsen des Kapitals, nicht aber für Zinsen der Hauptschuld. Dies gilt auch für eine nach Kündigung verlangte Vorfälligkeits- oder Nichtabnahmeentschädigung, weil dort die vertraglich geschuldeten Zinsen abgezinst eingerechnet sind (§ 14 Rn. 44). Ansonsten würde dies gegen das Zinseszinsverbot verstoßen und zudem den Bürgen doppelt belasten. Auch Rechtsgeschäfte, die der Hauptschuldner nach Übernahme der Bürgschaft vornimmt, erweitern die Haftung des Bürgen nicht, sondern können diese lediglich vermindern. Das in § 767 I 3 BGB verankerte Verbot der Fremddisposition verbietet schon eine Haftungserweiterung, wenn der Hauptschuldner im Einverständnis mit dem Gläubiger durch Umschuldung oder Prolongation die Fälligkeit aufschiebt und die Haftung sich nicht nur zeitlich, sondern auch summenmäßig durch Anstieg der zeitgebundenen Entgelte wie Zinsen und Verwaltungskosten erhöht (vgl. die Fallkonstellation bei BGH WM 2000, 1141). Im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung eines festverzinslichen Darlehens mit bestimmter Laufzeit, haftet die Bürgschaft wie die Sicherungsgrundschuld beim Immobiliarkredit gemäß § 490 II 3 BGB für eine angefallene Vorfälligkeitsentschädigung (OLG Frankfurt WM 2002, 1387) oder für eine angefallene Nichtabnahmeentschädigung (BGH NJW-RR 2007, 138 (141) = WM 2006, 429). Allerdings handelt es hierbei nicht um Zinsen, sondern – wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt – um Schadensersatz (§ 14 Rn. 23). Der Bürge muss nach § 767 II BGB auch für etwaige Kosten der Kündigung und Prozesskosten einstehen, die der Gläubiger im Verhältnis zum Hauptschuldner aufwenden muss.
29
II. Individualglobalbürgschaft. Einigen sich die Parteien des Sicherungsvertrages individualvertraglich auf den weiten Sicherungsumfang der Zweckerklärung, steht dem zunächst § 765 II BGB nicht im Wege, wonach die Bürgschaft auch für eine künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit übernommen werden kann (Rösler/Fischer, BKR 2006, 50 (51 f.)). Bleibt es bei der genauen Bezeichnung einer oder mehrerer Forderungen, ist kein Grund erkennbar, einer derartigen Vereinbarung die Wirksamkeit zu versagen. Ist aber der Forderungskreis nicht einmal mehr hinreichend bestimmbar, ist auch hier die Grenze des Zulässigen erreicht, weil der Bürge nicht mehr abschätzen kann, für was und wieviel er einstehen soll (BGH NJW 1989, 27 (28)). Die Vereinbarung zeitigt wegen ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit, uferlosen Ausweitung und der Aushöhlung des § 766 BGB keine Wirkung, unabhängig davon, ob der Bürge auf die Entstehung der Bürgschaft Einfluss hat (BGHZ 25, 318 (321) = NJW 1957, 1873; Nobbe, BKR 2002, 747 (749 m. w. N.)). Erforderlich ist daher, dass sich ein festgelegter Kreis von Forderungen bestimmen lässt (so schon BGHZ 25, 318 (321) = NJW 1957, 1873; aus jüngerer Zeit BGH WM 1994, 680 (681 f.)). Die Rechtsprechung billigt im Rahmen einer Individualvereinbarung die formelhafte Verwendung der Verbürgung für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten
30
Knops
794
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
und befristeten Ansprüche oder Forderungen des Gläubigers mit dem Zusatz „aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung“ (BGH WM 1994, 1064; 676 m. Anm. Tiedtke, JZ 1995, 908). Für den Sicherungsgeber ist daran vor allem problematisch, dass damit auch Kredite gesichert werden, die erst Jahre nach Ablösung desjenigen Kredites gewährt werden, der Anlass der Bürgschaftsübernahme war (BGH NJW 1994, 1656 f.). Die Forderung nach Festlegung eines Höchstbetrages, wodurch der Forderungsumfang wenigstens der Höhe nach begrenzt wird (dafür Staudinger-Horn, § 765 Rn. 19; FS Merz, S. 217 (220 f.); Derleder, NJW 1986, 97), wird unter Hinweis auf die Privatautonomie und die Grenzziehung des § 138 I BGB abgelehnt (Nobbe, BKR 2002, 747 (748)). Auch eine Klausel, mit der sich der Bürge formularmäßig lediglich für alle bestehenden, nicht jedoch gleichzeitig auch für künftige Verbindlichkeiten verbürgt hat, ist überraschend, wenn er bei Anlass der Kreditgewährung mit konkreten Altverbindlichkeiten nicht rechnen musste (BGH WM 1996, 766). Das gilt auch bei der Bürgschaft für einen Kontokorrenthöchstbetrag bezüglich Überziehungen (OLG München ZIP 1998, 731). 31
III. Haftung für Anlassverbindlichkeit? Bei Unwirksamkeit der formularmäßig weiten Zweckerklärung soll der Bürge nach der Rechtsprechung trotz der Unwirksamkeit der Klausel für die Hauptverbindlichkeiten haften, die den Anlass zur Übernahme der Bürgschaft bilden (BGHZ 143, 95 (97) = WM 2000, 64; 137, 153 (156 f.) = WM 1998, 67; OLG Köln WM 2003, 280 (281)), und zwar mit dem Inhalt, den sie bei Übernahme der Bürgschaft hatte (BGHZ 142, 213 (219) = WM 1999, 1761). Auch wenn der Gläubiger im Hinblick auf § 767 I 1 BGB den so gesicherten Forderungskreis zu beweisen hat (BGHZ 143, 95 (102) = WM 2000, 64; Nobbe, BKR 2002, 747 (755 m. w. N.)), ist die Aufrechterhaltung und Begrenzung der Bürgenhaftung auf den Anlasskredit methodisch unhaltbar, da nicht nur eine unangemessene, sondern auch eine überraschende Klausel vorliegt (s. BGHZ 126, 174 (176) = WM 1994, 1242), die nach § 305 c I BGB (§ 3 AGBG a. F.) nicht Vertragsbestandteil wird. In diesem Fall richtet sich der Inhalt des Vertrages gemäß § 306 II BGB (§ 6 AGBG a. F.) nach den gesetzlichen Vorschriften. Das Gesetz selbst bestimmt aber den Forderungskreis nicht annähernd, sondern verbietet nur die Ausweitung der Haftung durch Fremddisposition. Mithin ist keine Forderung vorhanden, die nach dem Vertrag zu sichern wäre. Eine Teilbarkeit der weiten Sicherungsabrede ist nicht möglich. Eine Aufspaltung in die Haftungsübernahme für die Verbindlichkeit, die Anlass der Verbürgung war, zum einen und aller anderen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners zum anderen (BGHZ 130, 19 (32, 35) = WM 1995, 1397), ist gekünstelt (so wohl auch Nobbe, BKR 2002, 747 (755)), verstößt gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (Schmitz-Herscheid, ZIP 1997, 1140) und wird mittlerweile auch vom BGH selbst nicht mehr als Begründung herangezogen (BGHZ 137, 153 (157) = WM 1998, 67, m. Anm. Tiedtke, EWiR 1998, 165). Nunmehr soll sich die Aufrechterhaltung der Anlassforderung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergeben (BGHZ 143, 95 (102) = WM 2000, 64; NJW 2002, 3098; so bereits Derleder, NJW 1986, 97 (99)) und dem Sicherungscharakter des Vertrages im Allgemeinen zu entnehmen sein (Nobbe, BKR 2002, 747 (755)). Die genannten rechtsdogmatisch völlig verschiedenen Ansätze zeigen zum einen, wie unsicher sich der BGH in der Begründung ist, die Durchbrechung (Canaris, ZIP 1996, 1109 (1113); Hager, JZ 1996, 175) des bis dahin allgemein anerkannten und nicht in Frage gestellten Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion zu legitimieren. Zum zweiten ist dies zugleich der unzulässige Versuch, zu verschleiern, dass es sich überhaupt um die Hinwegsetzung über das Verbot handelt (Tiedtke, NJW 2003, 1359 (1364)). Der Gesetzgeber ist auch bei der Schuldrechtsreform mit § 306 II BGB ausdrücklich dabei geblieben, unmissverständlich vorzugeben, dass sich der Inhalt „nach den gesetzlichen Vorschriften“ bestimmt. Dagegen lässt sich nicht anführen, der Bürge hätte kein schutzwürdiges Interesse,
Knops
§ 25 Bürgschaft
795
wegen einer unwirksam weiten Sicherungszweckerklärung von seiner Bürgenhaftung ganz frei zu werden (so aber Nobbe, BKR 2002, 747 (755)). Die Zweckerklärung bestimmt, für welche Verbindlichkeit und in welchem Unfang der Bürge einzustehen hat. Sie ist der wesentlichste Vertragsbestandteil des Sicherungsvertrages (§ 23 Rn. 85 f. und Knops, S. 52), – und damit der Bürgschaft als Sicherungsmittel überhaupt – und einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht zugänglich (Ulmer/Brandner/Hensen-Schmidt, § 6 AGBG Rn. 13b). Bei einer derartigen Unbestimmtheit der weiten Sicherungszweckerklärung kommt nicht einmal ein Vertrag zustande, dass es einer Verwerfung nach § 138 BGB (Pecher, LM § 765 BGB N. 124) oder nach § 305 c I BGB (§ 3 AGBG a. F.) erst gar nicht bedarf. Ihre Nichtigkeit führt somit dazu, dass gar keine Bürgschaft entstanden ist (so auch Schmitz-Herscheid, ZIP 1998, 1218 (1219)), die den Bürgen zur Leistung verpflichten könnte. Ein Verstoß gegen den bürgschaftsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz lässt eine Haftung des Bürgen entfallen (Bülow, Rn. 840) bzw. hat die Unwirksamkeit der Bürgschaft zur Folge (Reinicke/Tiedtke, Rn. 98 f.). Eine mit § 139 BGB (dazu zuletzt BGH ZIP 2001, 189 (193 f.)) vergleichbare Regelung fehlt. Nur wenn ein individueller Hinweis des Gläubigers auf den eigentlichen Anlass der Bürgschaftsübernahme, also etwa durch Bezugnahme auf einen bestimmten Kredit bewiesen ist, kann nach Feststellung der Unwirksamkeit der weiten Sicherungszweckerklärung nach § 307 BGB davon gesprochen werden, diesen Verbürgungstatbestand als maßgeblichen Haftungsumfang aufrecht zu erhalten. Fehlt dieser Beweis, ist nach der zwingenden Gesetzesfolge eine Einstandspflicht des Bürgen auch nicht für eine Forderung gegeben, die nachträglich von Dritten als Grund für die Bürgschaftserteilung ermittelt wird. Sie bleibt bloße Fiktion. Dies gilt erst recht, da die Bürgschaftserklärung durch den Bürgen erteilt wird, und daher nach dem Gesetzeswortlaut dessen subjektive Vorstellungen maßgeblich sind unter Berücksichtigung dessen, wie sie der Gläubiger verstehen durfte. Gibt dieser aber eine Klausel vor, kann er sich bei deren Unwirksamkeit nicht darauf berufen, es sei nun die Forderung Anlass, die er gemeint habe. Den Sicherungsumfang im Nachhinein objektiv zu bestimmen, belohnt den Gläubiger noch für dessen unwirksame Klausel. Ansonsten könnten sich auch andere Klauselverwender immer auf die für sie günstige und gerade noch zulässige Regelung berufen (zutreffend Schmitz-Herscheid, ZIP 1998, 1218 (1220)). Die Gefahr eines unermesslichen dogmatischen Flurschadens (wie bei der Vorfälligkeitsentschädigung von Köndgen, ZIP 1997, 1645 und Medicus, EWiR 1997, 921 (922) noch zu Unrecht befürchtet, § 14 Rn. 9) ist hier tatsächlich gegeben, weswegen die einseitige Bevorzugung des Bürgschaftsgläubigers schnellstens beendet werden sollte.
32
Soweit die Anlassrechtsprechung in dieser Weise fortgeführt werden sollte, kommt eine Sicherung nur für diejenigen Verbindlichkeiten in Betracht, für die bei Bürgschaftserteilung ein aktuelles Sicherungsbedürfnis des Gläubigers bestand (OLG Köln ZIP 2002, 844 m. Anm. Tiedtke, EWiR 2002, 611; Palandt-Sprau, § 765 Rn. 20), so dass der Kapitalbestand des Hauptschuldners von den Verbindlichkeiten ebenso abzuziehen ist, wie andere bestehende Sicherheiten voll einzustellen sind. Die Rechtsprechung des BGH geht dahin, bei Tilgungsdarlehen sei nur der zum Verbürgungszeitpunkt offene Darlehensbetrag verbürgt (BGHZ 130, 19 (34) = WM 1995, 1397), dagegen seien nachträgliche Krediterweiterungen (BGH WM 1995, 2180), Laufzeitverlängerungen (BGH WM 2002, 919 (920)), Tilgungsaussetzungen oder Stundungen (Nobbe, BKR 2002, 747 (756)) nicht gedeckt, jedoch übliche Zinsänderungen (BGH NJW 2000, 2580 (2581 f.). Bei unlimitierten Kontokorrentkrediten sei Anlass nur der Kreditsaldo des Hauptschuldners am Tage der Bürgschaftserklärung (Nobbe, BKR 2002, 747 (756)), beim limitierten Kontokorrent das vereinbarte Kreditlimit (BGH NJW 1999, 3708 (3709) – nicht aber, wenn es erst Jahre
33
Knops
796
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
später ausgeschöpft wird (im einzelnen Derleder/Beining, ZBB 2001, 1 (3 f.)) – nebst Zinsen und Zinseszinsen (BGHZ 77, 256 (259) = ZIP 1980, 529), wobei spätere Erhöhungen der Kreditlinie nicht zur einer Ausweitung der Haftung führen (BGH WM 2002, 919 (920)). 34
IV. Zusammenfassung und zeitliche Geltung. Nach alledem sind weite Sicherungszweckerklärungen, wonach der Bürge für alle bestehenden und/oder künftigen Forderungen aus der Geschäftsverbindung gegen den Hauptschuldner und dessen Rechtsnachfolger haften soll, von Ausnahmen personeller oder sachlicher Natur abgesehen, unwirksam. Der Bürge haftet regelmäßig nur für die Verbindlichkeit, die Anlass der Mithaftungserklärung war, wenn diese konkret von der Bürgschaft in Bezug genommen wird. Eigentlicher Grund der Unwirksamkeit der Globalverpflichtungsklausel ist aber wie bei anderen Sicherungsmitteln, dass der Gläubiger für alle anderen Forderungen, als die, die nicht Anlass der Sicherheitenhingabe waren – seien es bestehende oder zukünftige Forderungen –, sich formularmäßig eine Sicherheit verschafft, auf die er keinen Anspruch hat und vor allem für die er keinerlei Gegenleistung erbringt (Knops, S. 61). Die vorherigen Kredite etc. hat er auch ohne die Sicherheit gewährt, für alle zukünftigen Verbindlichkeiten würde er die Kreditwürdigkeit des Schuldners nach üblichen Kriterien prüfen. Der Gläubiger verschafft sich somit auf Kosten des Sicherungsgebers grundlos und zu Unrecht „gute Karten“ (Tiedtke, DNotZ 2000, 283 (285)). Unwirksam sind auch Verträge, die vor dem erforderlichen Rechtsprechungswandel geschlossen wurden, da den Gläubigerbanken die Berücksichtigung der seit langem bestehenden Zweifel durch konkrete Fassung der Bürgschaftserklärungen zumutbar war (BGHZ 132, 6 f. = WM 1996, 436).
D. Sittenwidrigkeit und Übersicherung Schrifttum Bartels, Eingriffe in die Vertragsbeteiligung durch Auslegung, Typenlehre und Umgehungsverbot, WM 2002, 1905; Becker, Ausbau der Rechtsprechung zur überfordernden Mitverpflichtung, DZWIR 1995, 237; Braun, Die Entwicklung der BGH-Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen, DStR 1996, 1692; Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts – Tendenzen zu seiner „Materialisierung“, AcP 200 (2000), 273; Derleder/Bartels, Der bürgende Ehegatte in der Trennungskrise, FuR 1995, 224; Dieterich, Bundesverfassungsgericht und Bürgschaftsrecht, WM 2000, 11; Einmahl, Auswirkungen der Bürgenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf bereits titulierte oder in einem Vergleich festgeschriebene Ansprüche, VuR 1997, 3; Eckardt, Vollstreckungsgegenklage aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Bürgschaften Familienangehöriger, MDR 1997, 621; Ehricke, Bürgschaften von Geschäftsführern und Gesellschaftern einer GmbH für die Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft, WM 2000, 2177; Ernst, Sittenwidrige Bürgschaften, ZVI 2006, 558; Fellner, Bankkredit – Sittenwidrigkeit und Verwirkung bei der Bürgschaft, MDR 2005, 368; Frank, Sittenwidrigkeit als Folge „strukturell ungleicher Verhandlungsstärke“ – BVerfG, NJW 1994, 2749, JuS 1996, 389; Frey, Die Haftung mittelloser Bürgen zwischen Verfassungs- und Vertragsrecht, WM 1996, 1612; Gernhuber, Ruinöse Bürgschaften als Folge familiärer Verbundenheit, JZ 1995, 1086; Grunewald, Bürgschaft und Schuldbeitritt von Geschäftsführern und Gesellschaftern, in: FS Kraft, 1998, S. 127; Habersack/Giglio, Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung des Bürgen? Eine rechtsvergleichende und europarechtliche Skizze, WM 2000, 1100; Halstenberg, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur sittenwidrigen finanziellen Überforderung Mithaftender, in: FS Schimansky, 1999, S. 315; Herrmann, Absicherung gegen Vermögensverschiebungen durch Bürgschaft, DStR 1997, 1691; Hoffmann, Strukturelle Unterlegenheit bei Bürgschaftsverpflichtungen mittelloser Angehöriger, DZWIR 1998, 316; Horn, Übermäßige Bürgschaften mittelloser Bürgen: wirksam, unwirksam oder mit eingeschränktem Umfang, WM 1997, 1081; Joswig, Fremdbestimmung, strukturelle Unterlegenheit und Ausgleich gestörter Vertragsparität – eine Terminologie für das Zivilrecht?, in: FS Schimansky, 1999, S. 335; Kerls, Die Haftung einkommens- oder vermögensloser Angehöriger bei öffentlich geförderten Darlehen, DZWIR 1996, 9; König, Die Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Bürgen, NJW 1997, 3290; Kohler, Angehörigenbürgschaft wegen Vermögensverschiebung – § 419 BGB mortuus et redivivus, in: FS Wacke, 2001, S. 229; Krämer, Rechtliche Inhaltskontrolle von Verträgen als Verfassungsgebot – Anmerkungen zum Bürg-
Knops
§ 25 Bürgschaft
797
schaftsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts, in: FS Schimansky, 1999, S. 367; Kühling, Bürgschaft und Grundrechte, WM 2000, 625; Kulke, Der finanziell krass überforderte Bürge, ZIP 2001, 985; Martis, Sittenwidrigkeit von Bürgschaften einkommensloser Kinder, MDR 1998, 882; Sittenwidrigkeit von Bürgschaften einkommens- und vermögensloser Ehegatten, MDR 1998, 936; Medicus, Schulden und Verschulden, Zum Verhältnis zwischen Zivilrecht und Restschuldbefreiung, DZWIR 2007, 221; Die Bedeutung von Erwartungen des Gläubigers bei Abschluss der Bürgschaft, in: FS Fikentscher, 1998, S. 265; Entwicklungen im Bürgschaftsrecht – Gefahren für die Bürgschaft als Mittel der Kreditsicherung?, JuS 1999, 833; Müller, Der nahe Angehörige in der Bürgschaftsrechtsprechung des BGH, DZWIR 1998, 447; MüllerFeldhammer, Grundlagenstörung und Vertragskorrektur im Bürgschaftsrecht, WM 2001, 65; Nobbe/ Kirchhof, Bürgschaften und Mithaftungsübernahmen finanziell überforderter Personen, BKR 2001, 5; Odersky, Ruinöse Bürgschaften – Rechtsethik und Zivilrecht, ZGR 1998, 169; Osterloh, Banksicherheiten und die Rechtseinheit beim BGH, in: FS Brandner, 1996, S. 555; Oechsler, Die Entwicklung des privaten Bankrechts im Jahre 2005, NJW 2006, 1399; Pfab, Die Sittenwidrigkeit von Arbeitnehmerbürgschaften, Jura 2005, 737; Riehm, Aktuelle Fälle zum Bürgschaftsrecht, JuS 2000, 241; Schanbacher, Bürgschaft und Erbschaft – Zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften finanziell überforderter Personen, WM 2001, 74; Schapp, Zur Konkretisierung von Generalklauseln durch den Zivilrichter am Beispiel der Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger, in: FS Söllner, 2000, S. 973; Privatautonomie und Verfassungsrecht, ZBB 1999, 30; Schimansky, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zur krassen finanziellen Überforderung von Mithaftenden bei der Kreditgewährung, WM 2002, 2437; Probleme aus der „Rückwirkung“ höchstrichterlicher Rechtsprechung, WM 2001, 1889; Schnabl, Kehrtwende der Rechtsprechung zu sittenwidrigen Bürgschaftsverträgen?, WM 2006, 706; Seidel/Brink, Bürgschaften vermögensloser und einkommensloser Bürgen, DB 1998, 661; Der zulässige Umfang der Verbürgung von Privatpersonen gegenüber Banken, DB 1997, 1961; Seifert, Zur Zulässigkeit von Arbeitnehmerbürgschaften, NJW 2004, 1707; Tiedemann, Zur Nichtigkeit einer Beschränkung der Bürgschaft auf künftige Erbschaft nach § 312 I a BGB, NJW 2000, 192; Tiedtke, Die Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiet des Bürgschaftsrechts seit 2003, NJW 2005, 2498; Sittenwidrigkeit der Bürgschaft eines nahen Angehörigen des Hauptschuldners bei krasser finanzieller Überforderung des Bürgen, NJW 1999, 1209; Tonner, Neues zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften – BGHZ 151, 34, und BGH, NJW 2002, 2230, JuS 2003, 325; Die Haftung vermögens- und einkommensloser Bürgen in der Rechtsprechung, ZIP 1999, 901; Sittenwidrigkeit von Bürgschaften vermögensloser Bürgen vor dem Großen Senat für Zivilsachen, VuR 1999, 440; Ultsch, Bürgen sollst du würgen? – Schutz vermögensloser Angehöriger vor der Inanspruchnahme aus Bürgschaften, DStR 1997, 970; Unger, Die Sittenwidrigkeitsrechtsprechung des BGH bei „Angehörigenbürgschaften“ unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeit der Restschuldbefreiung – gleichzeitig Anmerkung zu OLG Frankfurt a.M. Urt. v. 24.3.2004 – 23 U 65/03, BKR 2005, 432; Wellenhofer-Klein, Strukturell ungleiche Verhandlungsmacht und Inhaltskontrolle von Verträgen, ZIP 1997, 774; Wesser, Sittenwidrige Bürgschaftsverträge. Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gem. § 79 II BVerfGG analog?, NJW 2001, 475; Zwade, Finanziell überfordernde Bürgschaften von GmbH (& Co.) Gesellschaftern, sonstigen Beteiligten und nahen Angehörigen, GmbHR 2003, 141.
Die Anwendung des § 138 I BGB auf die von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge hängt regelmäßig entscheidend vom Grad des Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGH WM 2003, 275 m. w. N. u. a. BGHZ 125, 206 (211) = WM 1994, 676). Die Anwendung des § 138 I BGB kann nicht umgangen werden, indem einseitige Formulierungen verwendet werden wie „Mitantragssteller“ oder „Mitschuldner“, die materiell-rechtlich als Mithaftender bzw. Bürge zu beurteilende Vertragspartei bleibt als solche zu behandeln (BGH WM 2005, 418 = ZIP 2005, 607 = NJW 2005, 973 (974); BGH NJW 2002, 2705 (2706 f. m.w.N.); OLG Celle NJW 2004, 2598 (2599)). Um ein Ausweichen der Kreditwirtschaft auf das Sicherungsmittel mit den geringeren Sittenwidrigkeitsvoraussetzungen zu verhindern, ist zudem die Sittenwidrigkeit von Bürgschaften und Schuldbeitritten nach denselben Kriterien zu beurteilen (Nobbe/ Kirchhof, BKR 2001, 5 (6)). Sie liegt in folgenden Fällen vor:
35
I. Sittenwidrigkeit wegen krasser finanzieller Überforderung. Nach Ansicht des BGH liegt eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung und
36
Knops
798
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Verbundenheit zum Hauptschuldner vor, wenn im Zeitpunkt der Verbürgung (BGH WM 2000, 411; OLG Köln WM 2003, 280 (282)) kumulativ folgende Merkmale gegeben sind (BGH WM 2003, 669 (670 m. w. N.)), wobei hinsichtlich deren tatbestandlichen Voraussetzungen derzeit noch geringe Unterschiede zwischen den befassten Zivilsenaten bestehen: 37
1. Krasse finanzielle Überforderung des Bürgen. Eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen liegt vor, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage ist, wesentliche Teile der Hauptschuld, bzw. die laufenden Zinsen der Hauptverbindlichkeit mit seinem unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen verfügbaren Einkommen aufzubringen (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (972); BGH WM 2005, 418 = ZIP 2005, 607 = NJW 2005, 973 (975); BGH WM 2001, 402; Ernst, ZVI 2006, 558 (559); Horn, ZIP 2001, 93 (99); Tiedtke, NJW 2001, 1015 (1022)). Zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle erwerbsrelevanten Umstände und Verhältnisse, z.B. Alter, Schul- und Berufsausbildung und besondere familäre oder vergleichbare Belastungen des Bürgen wie eventuelle Unterhaltspflichten (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 971 (972 m.w.N.); Ernst, ZVI 2006, 558 (560)). Ein unmittelbar bevorstehende Erwerbsmöglichkeit kann grundsätzlich berücksichtigt werden, jedoch nicht, wenn die Anstellung in einem neu gegründeten Unternehmen erfolgen soll, dessen Marktanalyse offensichtlich auf unrealistischen Annahmen beruht (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 971 2005, (972)). Zu prüfen ist allein das Leistungsvermögen des Bürgen, nicht aber des Lebenspartners oder Hauptschuldners (a. A. noch BGH WM 1997, 2117), und zwar zum Zeitpunkt der Eingehung der Bürgschaft, wobei eine Prognose auf den Augenblick der Inanspruchnahme zulässig sein soll (BGH ZIP 2002, 170; dazu kritisch Rn. 40 und Kulke, ZIP 2000, 960).
38
a) Pfändungsfreies Einkommen und Vermögen. Ausgangspunkt ist zunächst das Einkommen, das dem Bürgen zur Verfügung verbleibt. Wie bei jedem anderen Schuldner auch sind hierbei die Pfändungsfreigrenzen zu beachten (BGH WM 2001, 402; Nobbe/ Kirchhof, BKR 2001, 5 (9)), da dem Bürgen im Wege einer abstrakten Betrachtungsweise nicht mehr zugerechnet werden darf, als ein Gläubiger tatsächlich von ihm in der Zwangsvollstreckung erlangen könnte. Nach § 850c ZPO sind etwaige Unterhaltsverpflichtungen des Bürgen, die zwar keinen direkten Vorrang vor anderen Forderungen besitzen, immer angemessen zu berücksichtigen. Neben den gesetzlich zu erfüllenden Unterhaltsleistungen an Ehegatten und Kinder, sind auch Ansprüche nach § 1360a BGB, insbesondere auf Taschengeld einzustellen. Da es im Rahmen der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nach § 138 I BGB um eine zumeist notwendige Rückbetrachtung der Einkommensverhältnisse des Bürgen geht, kommt es diesbezüglich darauf an, ob tatsächlich Unterhaltszahlungen erbracht worden sind, die dann vom Einkommen abgezogen werden müssen. Ist der Bürge beim Hauptschuldner angestellt, ist bei Prognose des Sicherungsfalles von einem dauerhaften Bürgeneinkommen in Höhe des Arbeitslosengeldes auszugehen, da die Realisierung eines Lohnanspruches gegen den zahlungsunfähigen Hauptschuldner unwahrscheinlich ist.
39
Etwa vorhandenes Vermögen ist zuvor von der Bürgschaftsschuld abzuziehen (Tonner, JuS 2003, 325 (326 m. w. N.)) Zu berücksichtigen seien, meint der BGH, hierbei auch die vorhandenen Vermögensverhältnisse, die es ggf. zumutbar machen könnten, ein selbst bewohntes Eigenheim zu verwerten (BGH NJW 2001, 2468). Diese Entscheidung ist nicht nur hart (Tiedtke, NJW 2003, 1359 (1360)), weil der Bürge selbst im Sozialhilfefall sein Eigenheim nicht zwangsweise verwerten muss, sondern nur dann erträglich, wenn etwa auf dem Grundbesitz ruhende Lasten wertmindernd zu berücksichtigen sind (BGH WM 2002, 1347 mit zust. Anm. Tiedtke, EWiR 2002, 865; OLG Köln WM 2002, 1549 (1550))
Knops
§ 25 Bürgschaft
799
und vor allem mit ihren eingetragenen Nominalwerten angesetzt werden, da insoweit eine anderweitige Belastung wie auch weitere Beleihung faktisch unmöglich ist (dies berücksichtigen Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (9) nicht hinreichend). Wohnrechte sind anhand aktueller Mietpreis- und sog. Sterbetabellen zu bewerten, ggf. vorhandene Rückstände auf Wohngeld zu berücksichtigen etc. Etwaiges – um die Belastungen bereinigtes – Vermögen, soweit es nicht von der Insolvenz des Hauptschuldners abhängig ist, muss von der Bürgschaftsschuld abgezogen werden (Schimansky, WM 2002, 2437 (2440)). Von dem verbleibenden Betrag muss für die weitere Prüfung (Rn. 41 f.) die darauf entfallende Zinslast berechnet werden (OLG Köln WM 2003, 286 (288). Zweifelhaft erscheint, ob es sach- und praxisgerecht ist, anhand einer Ex-ante Betrachtung widerleglich anzunehmen, dass die bei Eintritt des Sicherungsfalles tatsächlich vorhandenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bürgen bei Vertragsschluss voraussehbar waren (Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (9) unter Hinweis auf eine Entscheidung des IX. Zivilsenates in BGHZ 132, 328 (334 f.) = NJW 1996, 2088)). Es entspricht der Lebenserfahrung, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse gerade von jüngeren Personen, die ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen haben, ebenso dramatisch ändern, wie solche von älteren Menschen, die entweder aus dem Berufsleben – auch vorzeitig – ausscheiden oder aber angesichts des Alters der vorherigen Generation zu Erbschaften kommen. Ebenso wenig sind und waren die massenhaft aufgetretenen Börsengewinne und -verluste oder aber individuelle Faktoren wie besondere berufliche Chancen, Arbeitslosigkeit, Krankheiten, Heirat, Familienvergrößerung oder -verkleinerung, Spielgewinne im Ansatz voraussehbar, so dass sich die These von einer regelmäßigen Konstanz der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (10)) als unrichtig herausstellt und auch die Vermutung des § 309 I Nr. 2 InsO eine speziell für das Restschuldbefreiungsverfahren angebrachte gesetzliche Fiktion bleibt. Gläubiger, auch professioneller Natur, sind mit derartigen Prognosen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg einfach überfordert. Zudem dient aber die Ex-ante-Betrachtung insgesamt dazu, die Schwelle zur Annahme einer Sittenwidrigkeit abzusenken, mit der Folge eine Beweiserleichterung der Gläubiger zu installieren. Die Kontinuitätshypothese ist folglich abzulehnen.
40
b) Zinszahlung und Tilgung wesentlicher Teile der Hauptschuld. Der Bürge ist finanziell krass überfordert, wenn er wesentliche Teile der Hauptschuld nicht tilgen kann. Dies ist „jedenfalls“ dann der Fall, wenn er voraussichtlich nicht einmal die Zinsen der Hauptschuld erbringen kann (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (972); BGH WM 2005, 418 = ZIP 2005, 607 = NJW 2005, 973 (975); BGH WM 2000, 410 u. 402). Das wären an sich bei Darlehen als Hauptschuld die vertraglichen, im Verzugsfalle die dadurch anfallenden Zinsen (§ 11 Rn. 4; offen gelassen von OLG Köln WM 2003, 286 (287 f.)), bei anderen nicht vertraglich zu verzinsenden Hauptschulden wie Leasingraten nur die Verzugszinsen. Allerdings ist Vorraussetzung für die Inanspruchnahme des Bürgen der Eintritt des Sicherungsfalles, d. h. nach Fälligstellung der Hauptschuld das Ausbleiben der Zahlung des Hauptschuldners. Mangels Zahlung befindet er sich im Verzug. Erst jetzt ist nach dem gesetzlichen Leitbild der Sicherungs- und Bürgschaftsfall eingetreten. Mithin muss der Gläubiger die Leistungsfähigkeit des Schuldners nach dem Eintritt des Sicherungsfalles und hinsichtlich der Verzugszinsen und -kosten beurteilen. So würde ein ordentlich handelnder Kaufmann die Sicherheitenlage und deren Werthaltigkeit beurteilen, soweit die Vertragszinsen nicht ausnahmsweise höher wären (§ 288 III BGB). Maßgeblich ist immer der mögliche höhere Zinssatz. Bei den „Zinsen der Hauptschuld“ muss es sich notwendigerweise um die gesamten Vergütungen handeln, die vereinbarungsgemäß vom Hauptschuldner an den Gläubiger zu erbringen sind. Dies bedeutet, dass
41
Knops
800
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
zum einen vom Umfang her neben den eigentlichen Vertragszinsen auch sonstige Nebenleistungen eingerechnet werden müssen, wie zum anderen die angefallenen Zinsen zumindest über die gesamte Vertragslaufzeit als Zeitraum zu berücksichtigen sind nebst den Zinsen im Versicherungsfall. 42
Wenn der pfändbare Teil des Einkommens die ermittelten Zinsen (Rn. 39 a.E.u. 41) nicht abdeckt, liegt eine krasse Überforderung vor (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2003, 971 (972); BGH WM 2005, 418 = ZIP 2005, 607 = NJW 2005, 973 (975); BGH WM 2002, 1647 (1648)). Kann der bürgende Schuldner diese aufbringen, ist nicht etwa die Bürgschaft schon sittengemäß (so wohl nun Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (13 unter IV.)). Vielmehr ist von einer krassen finanziellen Überforderung des Bürgen auch auszugehen, wenn er voraussichtlich wesentliche Teile der Hauptschuld nicht leisten kann (BGH WM 2000, 410 u. 402; OLG Köln WM 2003, 286 f. u. 280 f.). Allein um die spätestens mit Einführung der §§ 286 ff. InsO vom Gesetzgeber missbilligte Schuldturmfalle zu vermeiden, muss die Leistungsfähigkeit des Bürgen eine erhebliche Reduzierung der Hauptschuld in angemessener Zeit ermöglichen, damit er nicht jahrzehnte- oder gar lebenslang lediglich die (Verzugs-)Zinsen bedienen muss, ohne jemals Aussicht zu haben, die Hauptschuld selbst zu tilgen. Das Erfordernis, dass der Bürge binnen fünf Jahren ein Viertel der Bürgschaftssumme aufbringen kann (BGH WM 1997, 467), wodurch die Hauptschuld in 20 Jahren, aber die zwischenzeitlich auflaufenden (Verzugs-) Zinsen nicht ausgeglichen wären, wurde daher zu Recht aufgegeben (BGH WM 2000, 410), allerdings noch durch keinen anderen geeigneten Maßstab ersetzt. Unbedingt zu berücksichtigen ist, dass sich die Bürgenhaftung auch auf etwaige Verzugszinsen der Hauptschuld, die regelmäßig nicht auf dem Niveau des § 288 I BGB beschränkt sind, erstreckt. Dadurch kann die Bürgenschuld schnell auf das Doppelte wachsen und zwar in weniger als 20 Jahren. Somit wäre dem Bürgen mit der Möglichkeit zur Zinszahlung selbst nicht geholfen. Vor allem kommt die dem Schuldnerschutz dienende Verrechnung nach § 497 III BGB selbst für den Bürgen als Verbraucher nicht zum Zuge, da sich Zahlungen nach dem Hauptschuldverhältnis richten. Vielmehr findet § 367 I BGB Anwendung, wonach nicht genügende Zahlungen zuerst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und erst am Schluss auf die Valuta der Hauptschuld anzurechnen sind. Angesichts der weiter laufenden Verpflichtung zur Entrichtung der Zinszahlung ist eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Bürgen erst dann anzunehmen, wenn er aus seinem laufenden Einkommen (Rn. 38) neben den immer wiederkehrend anfallenden Zinsen dem Tilgungsplan der Hauptverbindlichkeit wenigstens zur Hälfte entsprechen kann. Dann wäre er sowohl zeitlich mit doppelt so hohen als auch der Höhe nach mit doppelt soviel Zinsen belastet, wie der Gläubiger es ansonsten bei regulärem Vertragsverlauf hätte verlangen können und somit der Höhe nach zu einer Leistung entsprechend der Sittenwidrigkeitsgrenze bei Hochzinskrediten verpflichtet (vgl. nur BGH WM 1993, 1324 m.w.N.). Ist ein Tilgungsplan nicht vorgesehen, müsste der Schuldner, um nicht krass überfordert zu sein, in der doppelten Zeit der vertraglich vorgesehen Laufzeit, die Valuta zurückführen können.
43
Entscheidend ist dabei die Gesamthöhe der übernommen Bürgschaft unter Berücksichtigung von Laufzeit, Zinsen und sonstigen Kosten, nicht lediglich die Summe des durch den Gläubiger geltend gemachten (Teil-)Betrages (offensichtlich unberücksichtigt von OLG Koblenz WM 2000, 31 m. Anm. Becker-Eberhard, WuB I F 1a 9.00). Bei krasser Überforderung des Bürgen wird der Bürgschaftsvertrag für den Gläubiger sinnlos, da eine echte Sicherung der Hauptverbindlichkeit nicht existiert (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971).
44
2. Emotionale Verbundenheit oder wirtschaftliche Abhängigkeit. Zudem muss der Bürge mit dem Hauptschuldner entweder emotional verbunden oder von diesem wirt-
Knops
§ 25 Bürgschaft
801
schaftlich abhängig sein. Dies ist der Fall, wenn sich der Bürge „nur aufgrund einer seelischen Zwangslage, die sich aus der gefühlsmäßigen Bindung zum Kreditnehmer oder der wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihm ergibt, zu einer Verpflichtung verleiten lässt“ (BGH ZIP 1994, 773 (776)). Dann spricht ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine widerlegliche Vermutung (durch Umkehr der Beweislast, BGH NJW 2002, 744; Pfab, Jura 2005, 737 (740)) dafür, dass sich der Bürge bei der Übernahme der Bürgschaft nicht von seinen Interessen und einer rationalen Entscheidung über das wirtschaftliche Risikos hat leiten lassen und der Gläubiger (Kreditinstitut) das Verhältnis zwischen ihm und dem Hauptschuldner in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (972); BGH WM 2005, 418 = ZIP 2005, 607 = NJW 2005, 973 (975); BGH WM 2001, 402 m. w. N.; OLG Dresden WM 2003, 277 (278)). a) Angehörige. Zu den sog. Angehörigenbürgschaften gehören Bürgschaften von Ehegatten (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (972); BGH WM 2001, 402), Verwandten, Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften (BGH NJW-RR 2004, 337 (338); WM 2000, 410) – unabhängig vom Geschlecht –, enge Freundschaftsbeziehungen (Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (7)) oder einer sonstigen Beziehung (BGH WM 1998, 239). Zur Widerlegung des emotionalen Näheverhältnisses durch den Gläubiger Rn. 54.
45
b) GmbH und Gesellschafter. Diese Rechtsgrundsätze gelten auch dann, wenn die Hauptschuldnerin eine GmbH ist, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu wesentlichen Teilen einer mit dem Bürgen oder Mithaftenden emotional eng verbundenen Person gehört (BGHZ 137, 329 (336) = WM 1998, 239) Wenn der Bürge als maßgeblicher Gesellschafter an der GmbH beteiligt ist, der das zu sichernde Darlehen gewährt wird, fehlt es nach Ansicht des BGH dagegen regelmäßig an der emotionalen Verbundenheit zum Hauptschuldner (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (973); WM 2001, 2156 (2157); krit. Tiedtke, NJW 2003, 1359 (1361)). Hierzu führt der XI. Zivilsenat aus, dass der Bürge das unternehmerische Risiko freiwillig trage und sich häufig in seiner Rechtsstellung nur unwesentlich von einem Mitdarlehensnehmer unterscheide (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (973)). Zudem könne der Gesellschafter einer kreditsuchenden GmbH ohne weiteres in die Mithaftung genommen werden (BGH a.a.O.). Es soll sogar grundsätzlich ein unmittelbar bevorstehender Erwerb der Beteiligung genügen, nicht allerdings allein die Existenz eines Gründungskonzept, nach dem die Ehefrau zu einem noch nicht festgelegten Zeitpunkt das kreditfinanzierte Einzelunternehmen ihres Ehemannes übernehmen soll (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (973)). Dies soll nach Ansicht des XI. Zivilsenates auch dann Geltung beanspruchen können, wenn der Bürge nur einen geringen Geschäftsanteil besitzt oder erwerben soll und die übrigen Anteile einer Person gehören, der er emotional verbunden ist; lediglich bei unbedeutenden Bagatell- und Splitterbeteiligungen sei das vom IX. Zivilsenat übernommene Kriterium der „maßgeblichen Beteiligung“ nicht mehr erfüllt und es könne eine andere Beurteilung in Betracht kommen (BGH WM 2003, 275 (276)). Diese Auffassung berücksichtigt nicht hinreichend, dass ein Gesellschafter, der nach der Gesellschaftsverfassung und nach dem Gesetz keine Entscheidungsbefugnis zum Abschluss von Darlehensverträgen, Erweiterungen von Kontokorrentlinien etc. besitzt, über seine bloße Stellung als Gesellschafter der Fremddisposition gerade nicht entzogen ist, wobei es auf den Vermögenswert der Beteilung erkennbar nicht ankommt, sondern auf die Gewichtung der Gesellschafterstimmen (a. A. OLG Köln WM 2003, 280, insbesondere wenn der Gesellschafter wie im konkreten Fall lediglich ein Strohmann war und ein Veräußerungserlös der Anteile nie real erzielt wurde). Minderheitsrechte – auch nach dem GmbH-Gesetz – haben zwar eine Kontrollfunktion; die Geschicke der jur. Person werden dadurch aber
46
Knops
802
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nicht bestimmt, nicht nur weil die Eingehung von Verbindlichkeiten ohnehin mit Stimmenmehrheit beschlossen wird und ein Minderheitsgesellschafter seinen eigenen Ausschluss aus der Gesellschaft nicht verhindern kann (BGH WM 2003, 443). Ihn über eine bloße Minderheitsbeteiligung, ggf. ohne eine einzige Stimme, für die Bürgschaft voll einstehen zu lassen, ist daher nicht gerechtfertigt. Nur wenn sich über den Gesellschaftsvertrag, eine andere Vertragsbindung oder die Handlungspraxis echte Mitwirkungsrechte des Minderheitsgesellschafters feststellen lassen, können diese dem Bürgenschutz entgegenstehen und zu einer Haftung führen. Es muss daher im Einzelfall auch anhand des Gesellschaftervertrages geprüft werden, ob eine Einflussmöglichkeit vergleichbar der eines Mehrheitsgesellschafters oder Geschäftsführers vorhanden ist, woran auch eine Kontovollmacht nichts zu ändern vermag (BGH WM 2001, 455). Allerdings kann bei entsprechend hoher Zahl der Gesellschafter auch bei einer deutlichen Minderheit in der Beteiligung und/oder bei speziellen Handlungsvollmachten eine § 138 I BGB ausschließende Situation vorliegen, wodurch eine bestimmende mitunternehmergleiche Stellung erreicht wird. Maßgeblich ist die Gesellschaftsbeteiligung jedenfalls dann, wenn sie dem Gesellschafter hinsichtlich der Festlegung der Unternehmenspolitik im ganzen und/oder der Eingehung von einzelnen Verpflichtungsgeschäften, zu denen auch die Begründung und Ausweitung von Krediten, Kontokorrentlinien etc. gehören, eine Sperrminorität eröffnet oder in Anlehnung an § 60 I Nr. 2 GmbH eine solche gegenüber drei Vierteln der übrigen Gesellschafter, d.h. 25, 01 % erreicht, wobei es nicht darauf ankommen kann, wie es zu der Beteiligung gekommen ist. Darunter liegt über die bloße Gesellschafterstellung kein maßgebender Einfluss vor, die Geschicke der Gesellschaft zu prägen oder wenigstens eine Veränderung des status quo verhindern zu können. Bloße Kontrollbefugnisse etwa über den Geschäftführer können dessen Maßnahmen nicht regelmäßig verhindern und damit eine Ausweitung der Haftung des bürgenden Minderheitsgesellschafters ebenfalls nicht rechtfertigen. Erst recht reicht ein eigenes Interesse an den Zielen der Gesellschaft ebenso wenig aus wie der Wille, eine Insolvenz zu vermeiden (a. A. Schimansky, WM 2003, 2437 (2441)). Ansonsten müsste konsequenterweise bei jeder noch so kleinsten Splitterbeteiligung der Bürgenschutz verneint werden. Zudem würde dies dem Grundsatz widersprechen, dass Mehrheitsgesellschaftern oder Geschäftsführern immer offen steht, darzulegen und zu beweisen, dass sie die Bürgschaft ohne eigenes wirtschaftliches Interesse allein aus enger emotionaler Verbundenheit zu einem Dritten eingegangen sind, und der Gläubiger dies wusste (BGH WM 2002, 923; 2001, 256; OLG Köln WM 2003, 280 (282)). 47
Selbst Geschäftsführer können zu einem bloßen Ausführungsorgan der Gesellschafter degradiert sein, wenn diese entweder generell oder für den Fall der Eingehung neuer Verbindlichkeiten unmittelbare Direktiven vorgeben, an die sich der Geschäftsführer zu halten hat (Emde, GmbHR 2000, 328 (329); a. A. OLG Köln WM 2002, 1389 (1390)), und zwar auch gegen die eigene Überzeugung, will er sich nicht über § 43 GmbHG oder Verletzung des Anstellungsvertrages schadensersatzpflichtig machen. Die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Angehöriger gelten zwar im Grundsatz nicht für Kommanditisten einer KG, die für Verbindlichkeiten der KG die Bürgschaft übernehmen, aber für solche, die ausschließlich Strohmannfunktion haben (BGH WM 2002, 1647; 436). Umgekehrt kann sich ein Bürge, der bei Abgabe der Mithaftungserklärung noch kein Gesellschafter war, aber gleichwohl aufgrund seiner faktischen Stellung imstande war, den Umfang der Kreditaufnahme zu bestimmen, auf die Anlassrechtsprechung nicht berufen (OLG Zweibrücken WM 2003, 290), wofür aber eine bloße Verhandlungsführerschaft gegenüber dem Gläubiger nicht ausreichend ist. Es ist daher in jedem Einzelfall eine genaue Prüfung erforderlich und nicht pauschal die Sittenwidrigkeitsgrenze für eine Gruppe von Bürgen für unbeachtlich zu erklären (vgl. Grune-
Knops
§ 25 Bürgschaft
803
wald, in: FS Kraft, S. 127 (133); Ehricke, WM 2000, 2177 (2180); Medicus, EWiR 1996, 4). Eine dem Prinzip der typisierenden Betrachtungsweise widersprechende Aufteilung der Bürgen in schwer abgrenzbare, nicht eindeutig homogene Untergruppen ist unzulässig (Koch, NJW 2000, 1996 (1997); Ulmer/Brandner/Hensen-Brandner, § 9 Rn. 20 unter Hinweis auf BGH NJW 1992, 1097 (1098)). Die Organstellung allein ohne Feststellung der tatsächlichen Einflussmöglichkeit führt also nicht zum Verlust des Bürgenschutzes (Bärwaldt, GmbHR 1999, 979; Medicus, EWiR 1997, 838)). Geschäftliche Erfahrung, besondere Gewandtheit oder Rechtskundigkeit allein schließen dagegen niemals aus, dass sich der Bürge wegen der emotionalen Verbundenheit mit dem Hauptschuldner im Privatbereich zur Sicherheitenbestellung bewegen lässt, die er im geschäftlichen Bereich niemals eingehen würde (OLG Dresden WM 2003, 277 (279); Canaris, AcP 200 (2000), 276 (345 ff.); a. A. Schapp, ZBB 1999, 30 (40 f.)). Entsprechend ist ein Kommanditist, dessen Stellung innerhalb der Gesellschaft dem gesetzlichen Leitbild entspricht, durch § 767 I 3 BGB geschützt und muss für keine anderen und höheren (gegenwärtigen und zukünftigen) Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen als die, die ihn zur Übernahme der Bürgschaft veranlasst haben (BGHZ 130, 19 = WM 1995, 1397).
48
c) Sonstige Personen. Auch Bürgen, die von dem Hauptschuldner wirtschaftlich abhängig sind, gehören zu dem geschützten Personenkreis. Es ist wegen Art. 2 I, 20 I, 28 I GG (Privatautonomie und Sozialstaatsprinzip) eine Korrektur vorzunehmen, wenn aufgrund einer typisierbaren Fallgruppe ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien vorliegt (BVerfG WM 2006, 23 = ZIP 2006, 60 (Rn. 3 f. und 42 f.); BVerfG WM 1993, 2199 (Rn. 54 f.)). Der Emotion des Mithaftenden steht hier die Kalkulation des Kreditgebers gegenüber (Pfab, Jura 2005, 737 (740)). In näherer Vergangenheit hat sich neben den Angehörigenbürgschaften die Fallgruppe der Arbeitnehmerbürgschaften herausgebildet. Typischerweise strukturell unterlegen sind etwa Arbeitnehmer, die aus sittlicher Verpflichtung oder nur in der Erwartung, den eigenen Arbeitsplatz damit zu sichern (BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 (162) = WM 2003, 2379, mit Bespr. von Seifert, NJW 2004, 1707 und zust. Anm. Koller, EWiR 2004, 19) für ihren Arbeitgeber eine Haftung für Betriebsmittelkredite übernehmen (BGH WM 2000, 410 u. 402). Ebenso wie bei den sog. Angehörigenbürgschaften ist das Ausnutzen dieses Hintergrundes widerleglich zu vermuten, wenn die krasse Überforderung hinzutritt (offen gelassen in BGHZ 156 , 302 = NJW 2004, 161 (162) = WM 2003, 2379; dafür wohl Pfab, Jura 2005, 737 (741); a.A. Jauernig-Stadler § 765 Rn. 7). Im Gegensatz zu den Angehörigenbürgschaften kann eine Sittenwidrigkeit auch vorliegen, wenn nicht der Bürge selbst finanziell überfordert ist, der Arbeitgeber aber in einer wirtschaftlichen Notlage gerät und die Hauptverbindlichkeit nicht mehr erfüllen kann. Dann kann der Arbeitgeber i.d.R. auch den Arbeitnehmer nicht mehr befriedigen, so dass die Leistungsfähigkeit des Bürgen insofern unmittelbar mit der des Arbeitgebers verknüpft ist und die krasse finanzielle Überforderung des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer durchschlägt (Seifert, NJW 2004, 1707 (1708)). Verfügt der Arbeitnehmer neben seinen Einkünften aus dem Arbeitsverhältnis noch über nennenswertes Vermögen, kann indes nicht allein auf die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers abgestellt werden (Seifert, NJW 2004, 1707 (1708)). Für die Sittenwidrigkeitsrechtsprechung auf dem Gebiet der Arbeitnehmerbürgschaften spricht vorrangig, dass das unternehmerische Risiko unzulässigerweise auf den Arbeitnehmer abgewälzt wird, ohne dass er etwa in Form einer Gewinnbeteiligung eine angemessene Gegenleistung erhalten würde (BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 (162) = WM 2003, 2379; Pfab, Jura 2005, 737 (743); Seifert, NJW 2004, 1707 (1709 m.w.N.)). Zu weiteren Einzelheiten der Arbeitnehmerbürgschaften Pfab, Jura 2005, 737 ff. In Betracht kommen als sonstige
49
Knops
804
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
wirtschaftlich abhängige Personen auch Schuldner des Hauptschuldners oder auch dessen Gläubiger, soweit sie von einer Kreditvergabe nicht unmittelbar profitieren, sondern vielmehr dessen wirtschaftlichen Fortbestand sichern wollen. 50
3. Ausnahmen und Gegenbeweis durch den Gläubiger. Die an der Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften einkommens- und vermögensloser Mithaftender vereinzelt geübte Kritik (Habersack/Griglio, WM 2000, 1100 (1103); Medicus, JuS 1999, 833 (835 f.); Zöllner, WM 2000, 1 (5, 9 f.)) haben der BGH (WM 2002, 223 (224)) und Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (7 f.) überzeugend zurückgewiesen. Insbesondere rechtfertigt das Gläubigerbedürfnis, Vermögensverschiebungen auf den mithaftenden Bürgen zu verhindern, regelmäßig keine wirtschaftlich sinnlosen Bürgschaftsverträge (BGH [11. ZS], WM 2002, 1350 m. w. N. gegen BGH [9. ZS] WM 1998, 2327 (2329 f.); ausführlich dazu Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (11 f.)). Lediglich ausnahmsweise können sachliche und überwiegende Gründe die Mitverpflichtung einkommens- und vermögensloser Bürgen rechtfertigen (vgl. dazu schon BVerfGE 89, 214 (229 ff.) = WM 1993, 2199). In Betracht kommen lediglich unmittelbare (BGH NJW-RR 2004, 337 (338); BGH NJW 1999, 2584 (2588)), nicht schon mittelbare (a. A. noch BGHZ 128, 230 (234) = ZIP 1995, 203; NJW 1996, 1274)) geldwerte Vorteile des Mithaftenden aus der Kreditgewährung. Dafür kann die Valutaverwendung für die Gründung eines gemeinsamen Hausstandes sprechen (BGH ZIP 1998, 1905 (1906); Fellner, MDR 2005, 368 (370)) oder der Erwerb eines im Miteigentum stehenden Hotel- (BGH NJW-RR 2004, 337) oder Hausgrundstückes (BGHZ 120, 272 (275) = NJW 1993, 322; OLG Köln WM 2002, 123), nicht aber, wenn der Bürge dort nur wohnt, ohne eigene Eigentumsrechte inne zu haben (BGH WM 2000, 410 (412) m. Anm. Tiedtke, JZ 2000, 674; OLG Celle NJW 2004, 2598 (2599); Fellner, MDR 2005, 368 (370)). Ebenso können Gläubiger die erwünschte unbeschränkte Haftung nicht dadurch erreichen, dass sie die Einräumung des Kredits von der Beteiligung an dem finanzierten Objekt abhängig machen und so der Mithaftende aus seiner wahren Stellung als „Dritter“ hinausgedrängt wird (Schimansky, WM 2003, 2437 (2439)). Auch darf der Bürge im Betrieb des Hauptschuldners keine mitunternehmerähnliche Stellung innehaben und dadurch die Möglichkeit der geschäftlichen Einflussnahme auf den Betrieb gegeben sein (OLG Dresden WM 2003, 277 (279) unter Hinweis auf BGH, Beschl. v. 11.5.2000, Az. IX ZR 396/99, DRsp-ROM Nr. 2000/5072, vgl. aber Rn. 51). Ferner kann die Mitverpflichtung gerechtfertigt sein, wenn das Darlehen der Tilgung gemeinsamer Schulden dient (Oechsler, NJW 2006, 1399 (1403) unter Hinweis auf OLG Koblenz, WM 2005, 693). Nicht ausreichend ist die Aussicht eines bürgenden Ehegatten auf höhere Unterhaltszahlungen oder größeren Zugewinn (ausführlich Nobbe/ Kirchhof, BKR 2001, 5 (12 f.)). Im Übrigen gelten dieselben Kriterien wie für Mitdarlehensnehmer (Rn. 13). Die Beweislast für die Umstände, die ein Eigeninteresse begründen können, trägt der Gläubiger (OLG Celle NJW 2004, 2598 (2600); Fellner, MDR 2005, 368 (370)).
51
Konkrete Aussichten des Gläubigers, nicht wiederum nur bloße Hoffnungen (BGHZ 132, 328 (333) = WM 1996, 1124), der Bürge werde im Verlauf der Verbindlichkeit des Hauptschuldners Zuwächse an Einkommen oder Vermögen erlangen, sollen im Hinblick auf die finanzielle Überforderung eine Sittenwidrigkeit ausschließen können (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (972 f.); BGHZ 134, 325 (327) = WM 1997, 467 m. Anm. Gernhuber, JZ 1997, 617), wobei der vertragliche Zeitraum der Hauptschuld maßgeblich sei (BGHZ 146, 37 (43) = WM 2001, 402), auch wenn er sehr kurz ist (BGH WM 2002, 223: 3 Monate). Eine Sittenwidrigkeit des Gläubigerhandelns etwa bei einer möglichen Erbschaft verneinen zu wollen (BGH NJW 1999, 58), erscheint nicht gerechtfertigt (und makaber), spekuliert der Gläubiger damit nicht auf die Leis-
Knops
§ 25 Bürgschaft
805
tungsfähigkeit des bürgenden Schuldners, sondern auf den Tod eines Dritten. Die Hereinnahme einer ansonsten wirtschaftlich wertlosen Bürgschaft wegen einer erwarteten Erbschaft kann zudem gegen § 311 b IV BGB verstoßen (im einzelnen Tiedemann, NJW 2000, 192; ebenso Schanbacher, WM 2001, 74; nicht überzeugend dagegen Tonner, JuS 2003, 325 (330)). Auch Verbindlichkeiten aus laufenden Sparverträgen oder Lebensversicherungen mit End- oder Todesfälligkeit haben meist zur Folge, dass der überforderte Bürge nicht in der Lage ist, daneben etwaige Zinsen der Hauptschuld auszugleichen, sollen aber dazu dienen, über eine Ex-post-Betrachtung die Leistungsfähigkeit desselben nicht zukünftig, sondern schon bei Vertragschluss zu rechtfertigen. Dies hätte zur Folge, dass das Sittenwidrigkeitsverdikt von Laufzeit und Vertragslauf eines ganz anderen Vertrages abhängig wäre und zudem davon, wann die Fälligkeit der Bürgschaft eintritt. Zudem würden Gläubiger nun zur „Sicherung“ ihrem Bürgen in Zukunft noch weitere Belastungen aufhalsen, um ihn in der Zukunft rückwirkend auf die Bürgschaftseingehung tauglich zu machen und das eigene Handeln zum persönlichen Vorteil auszunutzen und gewinnbringend zu legitimieren. Schließlich geht es bei der Auslegung von § 138 I BGB um den subjektiv an den Gläubiger zu richtenden Vorwurf (Schimansky, WM 2003, 2437 (2438) gegen den formalen Abgrenzungsversuch von Bartels, WM 2002, 1905 f.) der Hereinnahme einer Personalsicherheit eines einkommens- und vermögenslosen Bürgen unter Ausnutzen seiner emotionalen Verbundenheit oder wirtschaftlichen Abhängigkeit, also um ein vorwerfbares Verhalten des Gläubigers und um ein Missverhältnis von Hauptforderung und Leistungsfähigkeit bei Vertragsschluss (BGH WM 2002, 223; OLG Köln WM 2003, 280 (282); Schimansky, WM 2003, 2437 (2439)), nicht aber um mehr oder minder reale Prognosen über die Zukunft. Deswegen sind auch Vorstellungen des Gläubigers, ein Bürge werde in Zukunft wieder vollzeitig arbeiten können, angesichts der (gegenwärtigen) Arbeitsmarktlage generell und bei Bekanntsein persönlicher Umstände speziell – wie bei zu betreuenden minderjährigen Kindern – unbeachtlich. Steht eine Anstellung in einem neu gegründeten Unternehmen bevor, darf diese nur berücksichtigt werden, wenn das Gründungskonzept nicht auf einer ersichtlich unrealistischen Marktanalyse basiert (BGH WM 2005, 421 = ZIP 2005, 432 = NJW 2005, 971 (972) m. krit. Anm. Simon, EWiR 2005, 299). Handelt es sich bei dem Gläubiger um eine Bank, kann davon ausgegangen werden, dass diese entsprechend den banküblichen Gepflogenheiten die Werthaltigkeit einer Sicherheit überprüft, d. h. bei Bürgschaften die Vermögensverhältnisse des Bürgen (OLG Köln WM 2003, 286 (289)). Die Existenz eines Hauses als Grundpfandobjekt bleibt ihr dann regelmäßig ebenso wenig verborgen wie Gesellschaftsanteile oder ähnliches. Wenn sie sich insoweit keine Sicherheit einräumen lässt, so deutet dies darauf hin, dass von ihr der Vermögensgegenstand etwa wegen anderweitiger Belastungen oder fehlender Verwertungsmöglichkeit nicht (mehr) als taugliches Sicherungsobjekt angesehen worden ist (OLG Köln a.a.O.; inkonsequent demgegenüber OLG Köln WM 2003, 280 (282 f.)). Im Prozess gegen den Bürgen kann sie dann nicht mehr ohne weiteres glaubhaft machen, deren Wert übersteige oder erreiche die Bürgschaftssumme, weswegen eine finanzielle Überforderung ausgeschlossen sei. Im Falle des Unterlassens der Nachfrage muss sich eine Bank in aller Regel die objektiven Tatsachen als bekannt entgegen halten lassen (OLG Köln WM 2003, 280 (282 m. w. N.)). Ist der Gläubiger in der Lage, mittels einer professionellen Auskunft darzulegen und zu beweisen, dass der Bürge bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages ausreichend vermögend oder leistungsfähig ist, er also finanziell nicht krass überfordert ist, bleibt die Haftung des Bürgen bestehen. Allerdings reicht dafür keine Darlegung aus, die aus schätzweise erhobenen Daten oder aus einer unverbindlichen Selbstauskunft stammen. Erforderlich sind vielmehr exakte Daten über Einkommen und Vermögen nebst Belegen, auch wenn
Knops
52
806
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
diese sich zwischenzeitlich geändert haben. Rückschlüsse aus dem gegenwärtigen Zustand auf den Zeitpunkt der Verpflichtungseingehung sind schon faktisch meist ausgeschlossen. 53
Der Gläubiger muss auch darlegen und beweisen, dass anderweitige Sicherheiten das Risiko des Bürgen auf ein vertretbares Maß beschränken und damit eine krasse finanzielle Überforderung ausgeschlossen ist (BGH ZIP 2001, 189 (191 f.)). Dies ist der Fall, wenn – die anderweitigen Sicherheiten oder die Bürgschaft auch künftige Verbindlichkeiten des Hauptschuldners sichern (Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (10)), – dem Gläubiger ein Ermessen in der Entscheidung über die Verwertung, der Reihenfolge oder der Verrechnung der anderen Sicherheiten zusteht, ohne dass der Bürge jedenfalls frei wird (BGHZ 136, 347 (352) = WM 1997, 2117; BGH NJW 2000, 1182 (1184); Kulke, ZIP 2002, 985 (988)), – die Rechte des Bürgen nach § 776 BGB wirksam (Rn. 76) abbedungen sind (Nobbe/ Kirchhof, BKR 2001, 5 (10)).
54
Strenge Anforderungen sind an die Widerlegung der emotionalen Verbundenheit zwischen Bürgen und Hauptschuldner zu stellen. Sicher reichen Belege über mehr oder minder große räumliche Distanzen zwischen den Beteiligten nicht aus – vielfach ist deren Verbundenheit dadurch besonders emotional und eng. Auch Trennungen zwischen Ehepartnern oder sonstigen Lebensgemeinschaften beenden eine derartige Verbindung oftmals nicht. Anders wird dies wiederum bei streitigen Scheidungen oder anhängigen Prozessen zwischen Bürge und Hauptschuldner sein.
55
Nur ausnahmsweise wird der Gläubiger sich darauf berufen können, er habe die krasse finanzielle Überforderung oder das Näheverhältnis nicht gekannt (Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (10); Pfab, Jura 2005, 737 (740)). Fragt eine Bank hier nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr die objektiven Tatsachen bekannt sind (OLG Köln WM 2003, 280 (282 m. w. N.)). Ist der Gläubiger mit dem Hauptschuldner selbst emotional verbunden, soll es an einem Ausnutzen der emotionalen Verbundenheit von Hauptschuldner und Bürge fehlen können (OLG Naumburg NJ 2006, 221 (222)).
56
4. Aufrechterhaltung der Grundsätze trotz Restschuldbefreiungsverfahren. Umstritten ist, ob es angesichts der seit Einführung der Insolvenzordnung bestehenden Möglichkeit der Restschuldbefreiung weiter gerechtfertigt ist, an den o.g. Grundsätzen festzuhalten (offen gelassen in BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = WM 2003, 2379, mit Bespr. von Seifert, NJW 2004, 1707; dafür OLG Frankfurt a.M. NJW 2004, 2392 (2394); LG Mönchengladbach NJW 2006, 67 (68 f.); Jauernig-Stadler § 765 Rn. 6; Nielsen, EWiR 2006, 99 (100); Pfab, Jura 2005, 737 (742 f.); Tiedtke, NJW 2005, 2498 m.w.N.; ebenso wohl OLG Celle NJW-RR 2005, 131 (133) = ZIP 2005, 1911; dagegen Schnabl, WM 2006, 706 (709 ff.); Heidrich, NJ 2006, 222 (223); Unger, BKR 2005, 432 (435) m.w.N., Medicus, JuS 1999, 833 (835 f.)). Dagegen spreche, dass der Bürge der „lebenslangen“ Verschuldung und Perspektivlosigkeit nach der Inhaftungsnahme durch das Restschuldbefreiungsverfahren entgehen könne, so dass er lediglich die sechsjährige Wohlverhaltensperiode durchlaufen müsse (Unger, BKR 2005, 432 (435)). Eine dementsprechende Änderung der Bürgschaftsrechtsprechung solle zu einer Stärkung der Privatautonomie führen (Unger, BKR 2005, 432 (435)). Dem kann nicht gefolgt werden: Zwar steht es dem Bürgen aufgrund der Privatautonomie zu, auch eine Verpflichtung zu übernehmen, der er womöglich nicht gewachsen ist. Begrenzt wird die Privatautonomie jedoch durch § 138 BGB, in dessen Rahmen auch die Besonderheiten von Bürgschaften zu behandeln sind, die aufgrund einer emotionalen Verbundenheit oder wirtschaftlichen Abhängigkeit begründet wurden. Insofern kann die Privatautonomie dort nicht gestärkt werden, wo sie aus
Knops
§ 25 Bürgschaft
807
Billigkeitserwägungen schon nicht im vollen Umfang gewährt werden darf (ähnlich Pfab, Jura 2005, 737 (743)). Vor dem Hintergund des sozialen Gefüges kann ein derart eingebundener Bürge nicht im gleichen Maße sachliche, wohlbedachte Entscheidungen treffen, als wenn er sich für „neutrale Dritte“ verbürgen würde. Hieraus begründet sich seine Schutzbedürftigkeit, die gerade in Zeiten einer zunehmend unpersönlicher werdenen Gesellschaft (so auch Pfab, Jura 2005, 737 (740)) an Wertigkeit gewinnt. Auch das BVerfG geht davon aus, dass wegen Art. 2 I, 20 I, 28 I GG (Privatautonomie und Sozialstaatsprinzip) eine Korrektur vorzunehmen ist, wenn ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien vorliegt (BVerfG WM 2006, 23 = ZIP 2006, 60 (Rn. 3 f. und 42 f.) m.w.N.). An der Sittenwidrigkeit, die vorliegen kann, wenn sich der Gläubiger das soziale Pflichtgefühl und emotionsgeleitete Handeln des Bürgen zu Nutze macht, ändert die spätere Möglichkeit des Bürgen, durch nicht im Schuldrecht angesiedelte Instrumente von seinen Schulden frei zu kommen, nichts. Die Restschuldbefreiung ist ein rein auf das Insolvenzrecht zugeschnittenes Verfahren und verwirklicht dort den Zweck der „Verbrauchersanierung“. Es handelt sich um ein Instrument des Vollstreckungsrechts und hat insofern keinen Bezug zum Schuldrecht, in dessen Rahmen der Vertragsschluss zu beurteilen ist (so i.E. auch OLG Frankfurt a.M. NJW 2005, 2392 (2393 f.); LG Mönchengladbach NJW 2006, 67 (69)). § 138 BGB hat im Gegensatz zur Restschuldbefreiung gerade Sanktionscharakter (OLG Frankfurt a.M. NJW 2005, 2392 (2393)). Das Instrument der Restschuldbefreiung in der Verbraucherinsolvenz vermag geringere Anforderungen hinsichlich des privatautonomen Parteiverhaltens in den Grenzen der Sittenwidrigkeit nicht zu kompensieren. Sieht man die Grenze der Sittenwidrigkeit als Wertegarant bei Vertragsschluss – also lediglich zwischen zwei Vertragsparteien – und die Restschuldbefreiung als andersgearteten, da rein schuldnerbezogenen und in Anbetracht der gesellschaftlichen Situation sozialpolitisch motivierten Wertegarant im Nachfeld – also für den Einzelnen im gesellschaftlichen Gefüge –, so rechtfertigt gerade der Grundsatz der Privatautonomie die Sanktionierung des schädlichen Verhaltens des Gläubigers. Auch die Pfändungsfreigrenzen der ZPO haben nicht zu einem Verzicht einer Kontrolle anhand § 138 BGB geführt (OLG Frankfurt a.M. NJW 2005, 2392 (2393 f.); LG Mönchengladbach NJW 2006, 67 (69)). Sinn und Zweck des Restschuldbefreiungsverfahrens ist es, dem Schuldner einen Neuanfang zu ermöglichen. Ebenso sichert die Pfändungsfreigrenze das wirtschaftliche Überleben des Schuldners (OLG Frankfurt a.M. a.a.O), so dass beide Schutzmechanismen in die gleiche Richtung wirken. Schließlich könnte zwar mit Hilfe der Restschuldbefreiung einer „lebenslangen“ Überschuldung entgangen werden, dass Verfahren ist jedoch selbst zeit- und kostenintensiv, ebenso sind die an den Schuldner gestellten Anforderungen in der Wohlverhaltensperiode nicht zu unterschätzen (ähnlich OLG Frankfurt a.a.O. und LG Mönchengladbach a.a.O.). Ihm dies zumuten zu wollen, obgleich der Gläubiger sich eines sozial inadäquaten Verhaltens bedient hat, ist nicht hinnehmbar (ähnlich Nielsen, EWiR 2006, 99 (100); a.A. Schnabl, WM 2006, 706 (710 f.)). Die Möglichkeit der Restschuldbefreiung muss mithin bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit unberücksichtigt bleiben. II. Weitere Fallgruppen der Sittenwidrigkeit von Bürgschaften. Die rechtliche Prüfung ist erst beendet, wenn feststeht, dass die Bürgschaft nicht aus anderen Gründen nach § 138 I BGB sittenwidrig ist (Schimansky, WM 2003, 2437 (2441)). Mangels Leistungsaustausches scheidet bei einseitig verpflichtenden Verträgen wie Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern eine Anwendung des § 138 II BGB von vornherein aus (BGH NJW 2001, 2466 (2467); JauernigStadler § 765 Rn. 8; Nobbe/ Kirchhof, BKR 2001, 5 (7)). Folgende Gründe führen zur Nichtigkeit der Bürgschaft nach § 138 I BGB:
Knops
57
808
58
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
1. Sittenwidrigkeit wegen Ungleichgewicht der Verhandlungslage. Abgesehen von der unter I. beschriebenen Fallgruppe, können den Bürgen auch andere Umstände in unlauterer Art und Weise zum Vertragsschluss bestimmt haben, namentlich durch den Gläubiger oder diesem zurechenbare Personen: – Alternativstellung zwischen Bürgschaftsunterzeichnung und Kreditkündigung nebst Folge der Insolvenz des Hauptschuldners (BGH WM 1996, 53). – Ausnutzen der geschäftlichen Unerfahrenheit des Bürgen (BGHZ 128, 255 (267) = WM 1995, 490; BGHZ 98, 174 (178) = ZIP 1986, 1037; WM 1996, 588). – Ausnutzen der emotionalen Bindung ohne krasse finanzielle Überforderung (BGHZ 125, 206 (214) = WM 1994, 676; BGHZ 120, 272 (277) = NJW 1993, 322). – Psychischer Druck des Hauptschuldners auf den Bürgen (BGH WM 1997, 512) – Täuschung über die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners (BGH NJW 2001, 2467 f.) – Verharmlosung des Bürgschaftsrisikos als „bloße Formsache“ oder „nur für die Akten“ (BVerfGE 89, 214 (232 f.) = WM 1993, 2199 ; BGHZ 120, 272 (277) = NJW 1993, 322; BGH ZIP 2002, 170; NJW-RR 2004, 337 (338 m.w.N.)), wobei diesem Kriterium oftmals keine hinreichende Aufmerksamkeit geschenkt wird (vgl. etwa OLG Köln WM 2003, 280 (286)). In allen diesen Fällen ist das Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverlagerungen zu schützen, bedeutungslos (Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (14)).
59
2. Sittenwidrigkeit wegen krasser finanzieller Überforderung. Schließlich kann in bestimmten, besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Haftung des Bürgen auch ohne Vorliegen einer emotionalen Verbundenheit mit dem Hauptschuldner allein wegen einer krassen finanziellen Überforderung des Bürgen entfallen (BGHZ 125, 206 (211) = WM 1994, 676 m. Anm. Tiedtke, JZ 1994, 908). Für die Anwendung des § 138 BGB auf den Bürgschaftsvertrag ist ebenso wie bei Kreditverträgen (BGH WM 1990, 59; 1989, 595) dieses Kriterium keinesfalls zwingend erforderlich. Dann muss jedoch mindestens noch ein weiterer (Schimansky, WM 2003, 2437 (2439)) dem Kreditgeber zurechenbarer Umstand hinzutreten, durch den ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger entsteht, das die Verpflichtung des Bürgen als rechtlich nicht mehr hinnehmbar erscheinen lässt (OLG Köln WM 2003, 286 (287). Dafür kommen Gründe in Betracht, die unterhalb der unter 1. genannten Schwelle liegen. So kann sich bspw. eine Sittenwidrigkeit daraus mit ergeben, dass das Verpflichtungsgeschäft, also die Bürgschaft extrem nachteilig zu Lasten des Bürgen ausgestaltet ist (Tiedtke, NJW 2003, 1359 (1360); Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 (13 m. w. N.)). Eine Zusammenschau kann ebenfalls zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft führen, etwa wenn mehrere Bürgschaften erst in ihrer Gesamtheit die krasse finanzielle Überforderung des Bürgen herbeiführen oder eine vorausgegangene Bürgschaft, die wegen krasser finanzieller Überforderung sittenwidrig ist, zur Nichtigkeit nach § 138 I BGB der nachfolgenden Bürgschaft führt, wo eine derartige Überforderung nicht mehr vorliegt (OLG Köln WM 2003, 286 f.). Bei wucherähnlichen Geschäften nimmt der BGH in ständiger Rechtsprechung (BGHZ 146, 302 (305) = WM 2001, 637) bei einem „besonders groben“ Missverhältnis bereits an, dass eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung für das Vorliegen einer verwerflichen Gesinnung besteht (vgl. auch Schimansky, WM 2003, 2437 (2439) für die Bürgschaft).
60
3. Übersicherung. Systematisch ein Unterfall der Sittenwidrigkeit ist die Übersicherung des Gläubigers und Sicherungsnehmers (BGH (GSZ) WM 1998, 227; BGH NJW-RR 1995, 748; 1991, 625; 1990, 145; Canaris, ZIP 1996, 109). Mit der Hereinnahme der Bürgschaft kann eine Übersicherung vorliegen oder diese verstärkt werden. Auch wenn
Knops
§ 25 Bürgschaft
809
grundsätzlich zwischen Personal- und Sachsicherheiten einerseits und akzessorischen Sicherheiten wie Bürgschaften, Hypotheken und Pfandrechten und nicht-akzessorischen Sicherungsrechten wie Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt etc. andererseits zu unterscheiden bleibt, verkörpert die Bürgschaft einen Wert, der sich wie andere Sicherheiten auch in einer Realisierungs- oder umgekehrt ausgedrückt in einer Ausfallwahrscheinlichkeit bemessen lässt. So kann eine Bürgschaft bei entsprechender Leistungsfähigkeit des Bürgen ebensoviel „wert“ sein wie eine Grundschuld. Auch ist die Bürgschaftshingabe oft erst Voraussetzung zur Darlehensgewährung und hat auch insofern einen eigenständigen Wert. Stellt sich heraus, dass mit Bürgschaft auch bei vorsichtiger Schätzung ihrer Werthaltigkeit eine ggf. planmäßige Übersicherung der Hauptforderung eingetreten ist, führt dies zwar nicht zu deren unmittelbarer Unwirksamkeit etwa nach § 138 BGB. Jedoch ist der Gläubiger verpflichtet, Sicherheiten freizugeben, wobei eine solche Verpflichtung regelmäßig im Hinblick auf nicht-akzessorische Sicherungsrechte, besonders revolvierende Globalsicherheiten eintritt. Es geht damit nicht etwa um die Frage, ob anderweitige Sicherheiten das Risiko des Bürgen auf ein vertretbares Maß beschränken und damit ggf. eine krasse finanzielle Überforderung ausgeschlossen wäre (so BGH ZIP 2001, 189 (191 f.)), was schon dann nicht vorliegt, wenn dem Gläubiger ein Ermessen in der Entscheidung über die Verwertung oder der Reihenfolge der anderen Sicherheiten zusteht (BGHZ 136, 347 (352) = WM 1997, 2117; Kulke, ZIP 2002, 985 (988)). Entscheidend ist vielmehr, ob nun gerade der Bürge die Befreiung aus der Verbindlichkeit verlangen kann. Jedenfalls kann er zusammen mit dem Hauptschuldner als Sicherungsgeber darauf drängen; es obliegt aber grundsätzlich dem Gläubiger, wie er eine eingetretene Übersicherung beseitigen will (BGH, WM 2002, 1643 – Wahlrecht des Sicherungsnehmers bei teilweiser Übersicherung), muss dies aber sofort und nicht erst in der Verwertung entscheiden. Wenn sich aber der Hauptschuldner gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, für die Forderung einen Bürgen zu stellen, kann diese Sicherungsvereinbarung auch wegen Verstoßes gegen ein Gesetz, etwa § 550 b BGB a.F. als Übersicherung nach § 134 BGB nichtig sein (BGHZ 107, 210 = WM 1989, 795). Die Bürgschaft selbst kann als rechtsgrundlose Leistung des Hauptschuldners nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB kondiziert werden, wohingegen dem Bürgen zwar kein eigenes Recht zur Aufgabe der Sicherheit gegen den Gläubiger zusteht, er aber diesem die Einrede des § 821 BGB entgegenhalten kann. Zudem kann die Stellung einer Bürgschaft als Sicherheit zur Sittenwidrigkeit wegen Übersicherung des Kreditvertrages führen, wenn die Bürgschaft im Ergebnis zugleich eine Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Hauptschuldners bewirkt (OLG Celle ZIP 1982, 942). Letztlich ist es eine Frage des Einzelfalls, ob und in welchem Maße eine Bürgschaft in die Bewertung der Sicherungslage mit einzubeziehen ist (BGH WM 1994, 1161 (1163)). III. Rechtsfolgen der Sittenwidrigkeit. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 138 I BGB ist die Bürgschaft insgesamt nichtig. Ansprüche gegen den Bürgen bestehen nicht. Diese Rechtsprechung gilt auch für vor dem 1. Januar 1999 abgeschlossene Bürgschaftsverträge (BGH [11. ZS] WM 2002, 1347; ebenso Schimansky, WM 2001, 1889 ff.). Lediglich wenn sich die Mithaftungserklärung in Bezug auf die emotionale Verbundenheit zu den verbürgten Forderungen in wirksame und unwirksame Teile trennen lässt, hat der BGH im Einzelfall eine begrenzte Haftung des Bürgen aus § 139 BGB angenommen (BGH [11. ZS] WM 2001, 401 m. Anm. Roth, JZ 2001, 1036), wobei aber der (hypothetische) Parteiwille der Beteiligten arg strapaziert worden ist (zu Recht nebst weiterer Kritik Kulke, ZIP 2001, 985 (994)). Der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes ist demgegenüber der Auffassung, dass die Entgegennahme einer Bürgschaft im Rahmen des § 138 I BGB als Einheit zu werten ist und angesichts der krassen finanziellen Überforde-
Knops
61
810
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
rung eine teilweise Rechtfertigung der Gläubigeransprüche nicht in Betracht kommt (BGH WM 2000, 410 m. Anm. Tiedtke, JZ 2000, 674; Jauernig-Stadler § 765 Rn. 4). Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, verliert doch sonst das Sittenwidrigkeitsverdikt seinen – notwendigen – Abschreckungseffekt. Allerdings zeigt sich auch hier die Linie des XI. Zivilsenates, im Wege einer Art geltungserhaltenden Reduktion vor allen den Großgläubigern contra legem einen nicht unerheblichen Zugriff auf den Bürgen bezüglich des Anlasskredites zu erhalten (Rn. 31). Dem entspricht es wiederum, die Vollstreckung aus, vor den Bürgschaftsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 214 (229 ff.) = WM 1993, 2199; bestätigt durch WM 1996, 948; dazu zuletzt Kühling, WM 2002, 625 und Dieterich, WM 2000, 11) erwirkten Bürgschaftstiteln, die zu allermeist nach nunmehr geltender Rechtsprechung des BGH sittenwidrig sind, zwar unter zutreffender Würdigung des § 79 II BVerfGG (Schimansky, WM 2002, 2437 (2442)), aber entgegen § 826 BGB zuzulassen (BGH WM 2002, 1832; a. A. Tiedtke, NJW 2003, 1359 (1366 f.)). Wie bei Titeln aufgrund von sittenwidrigen Ratenkreditverträgen (BGHZ 103, 44 (48) = NJW 1988, 971) ist auch Vollstreckungsbescheiden oder Urteilen aufgrund sittenwidriger Bürgschaften die Durchsetzbarkeit zu versagen, weil Gläubiger nach heftiger Kritik von Literatur und Rechtsprechung auf deren Wirksamkeit niemals vertrauen durften (Tiedtke, NJW 2003, 1359 (1367 m. w. N.)) und zudem in derartigen Fällen ein krasser Ausnahmefall vorliegt, wie nunmehr der BGH selbst in materieller Hinsicht ständig annimmt. Es muss also keine doppelte Sittenwidrigkeit vorliegen, die des Titels und die der Vollstreckung, um den Bürgen vor dem sittenwidrig, nicht lediglich unangemessen handelnden Gläubiger auch im Endergebnis zu schützen.
E. Anfechtbarkeit, Geschäftsgrundlage und Widerruflichkeit Schrifttum Artz, Bürgschaft und Verbraucherkreditgesetz – Zur Anwendbarkeit des VerbrKrG auf Bürgschaften unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Schuldbeitritt, VuR 1997, 227; Auer, Kreditsicherheiten und Verbraucherschutz auf dem Prüfstand des Europarechts, ZBB 1999, 161; Becker/Dietrich, Verbraucherkreditrichtlinie und Bürgschaften, NJW 2000, 2798; Bülow, Sicherungsgeschäfte als Haustür- und Verbraucherkreditgeschäfte, NJW 1996, 2889; Bülow/Artz, Folgeprobleme der Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf Schuldbeitritt und andere Interzessionen, ZIP 1998, 629; Dazer, Mithaftung und Sukzession bei Verbraucherkreditverträgen, 1998; Drexl, Der Bürge als deutscher und europäischer Verbraucher, JZ 1998, 1046; Edelmann, Zur Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auf Bürgschaftsverträge, VuR 1998, 179; Bürgschaften und Verbraucherkreditgesetz, BB 1998, 1017; Fischer, Bürgschaft und Verbraucherkreditgesetz, ZIP 2000, 828; Frings, Bürgschaftsvermittlung durch den Ehepartner kein Haustürgeschäft?, ZIP 1996, 1193; Holznagel, Der Bürgschaftsvertrag im Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes?, Jura 2000, 578; Klanten, Widerruf von Bürgschaftsverträgen kraft EG-Recht – Überlegungen zum Verbraucherschutzkonzept, Sparkasse 1998, 294; Kröll, Anwendung des Haustürwiderrufsgesetzes auf Bürgschaften nach den „Ditzinger“-Entscheidungen des EuGH und des BGH, DZWIR 1998, 426; Kulke, Verbraucherschutz bei Bürgenhaftung, Mithaftungsübernahme und Schuldbeitritt, VuR 2007, 154; Widerrufsrechte beim Sicherungsgeschäft, NJW 2006, 2223; Haustürwiderrufsrecht und Bürgschaft, JR 1999, 485; Lorenz, Richtlinienkonforme Auslegung und Mindestharmonisierung und der „Krieg der Senate“, NJW 1998, 2889; Madaus, Die persönliche Mithaftung des Verbrauchers bei Haustürgeschäften und Kreditverträgen – Die Entscheidung des BGH vom 2.5.2007 – XII ZR 109/04 (LG Frankfurt/Oder), NJW 2007, 2110, BKR 2008, 54; Mayen, Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes (HWiG) und des Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) auf Bürgschaften, in: FS Schimansky, 1999, S. 415; Pfeiffer, Die Bürgschaft unter dem Einfluß des deutschen und europäischen Verbraucherrechts, ZIP 1998, 1129; Reinicke/Tiedtke, Schutz des Bürgen durch das Haustürwiderrufsgesetz, ZIP 1998, 893; Schutz des Bürgen durch das Haustürwiderrufsgesetz, DB 1998, 2001; Roth, Bürgschaftsverträge und EG-Richtlinie über Haustürgeschäfte, ZIP 1996, 1285; Scherer/Mayer, Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf Personalsicherheiten?, DB 1998, 1217; Schmidt-Burgk, Die Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf Kreditsicherheiten, DB 1997, 513; Sölter, Kein Bürgenschutz durch Verbraucherkreditgesetz?, NJW 1998, 2192; Steiner, Haustürbürgschaften, Kreditwesen 1996, 292; Der Europäische Gerichtshof und die „Haustürbürgschaft“, Kreditwesen 1998, 886; Treber,
Knops
§ 25 Bürgschaft
811
Europäischer Verbraucherschutz im Bürgschaftsrecht, WM 1998, 1908; v. Westphalen, Bürgschaft und Verbraucherkreditgesetz, DB 1998, 295; Zahn, Die Bürgschaft des Verbrauchers bei Haustürgeschäften und Kreditverträgen, ZIP 2006, 1069; Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf die Bürgschaft?, DB 1998, 353.
I. Anfechtbarkeit. 1. Irrtum. Wie bei jedem anderen Vertrag auch, kann der Bürge seine Erklärung wegen Irrtums über ihren Inhalt oder Bedeutung nach den §§ 119 ff. BGB anfechten. Soweit er sich über den Inhalt konkrete Vorstellungen gemacht hat (s. dazu BGH WM 2002, 436), kommt eine Anfechtung der Erklärung wegen deren Bürgschaftscharakter in Betracht (BGH WM 1994, 2274). Ausgeschlossen ist ein Irrtum, wenn sich der Bürge unzutreffende Vorstellungen über andere bestehende Sicherheiten der Hauptforderung (BGH WM 1966, 94) oder generell die Kreditwürdigkeit des Hauptschuldners gemacht hat (BGH WM 1956, 889; Palandt-Sprau, § 765 Rn. 4).
62
2. Drohung. Keine Drohung i. S. d. § 123 BGB liegt vor, wenn der Gläubiger lediglich ankündigt, ohne die Bürgschaftserteilung werde er einen Kredit an den Hauptschuldner nicht gewähren oder einen solchen kündigen (BGH WM 1997, 511). Allerdings kann der Druck des Hauptschuldners auf einen Bürgen bei Zurechenbarkeit zum Gläubiger wiederum zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führen (Rn. 58). Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kommt in Betracht, wenn der Gläubiger auf eine erkennbare Erwartung des Bürgen geschwiegen, und ihn so zur Abgabe der Bürgschaftserklärung gebracht hat (BGH, WM 2001, 1775 u. 1772).
63
II. Wegfall der Geschäftsgrundlage und c. i. c. Weder der Wegfall anderer Sicherheiten für die Hauptforderung noch die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners oder gar dessen Untergang lassen die Geschäftsgrundlage der Bürgschaft entfallen (s. oben Rn. 17 f.) – im Gegenteil ist die Bürgschaft gerade für die Nichterfüllung der Hauptschuld gegeben worden, es ist ihre Natur. Lediglich wenn andere, nicht zum Sicherungszweck gehörende Umstände zur Geschäftsgrundlage durch die Parteien erhoben wurden, kann eine Anpassung bis hin zur Auflösung gerechtfertigt sein. Dazu kann die Aufhebung der Ehe zwischen Bürge und Schuldner gehören (BGHZ 132, 328 = WM 1996, 1126; Jauernig-Stadler, § 765 Rn. 11), in der Regel nicht aber das Ausscheiden des als Bürge persönlich haftenden Gesellschafters (OLG Köln WM 2003, 280 (283 m. w. N.). Hierzu muss die Kündigung der Bürgschaft nach § 314 BGB erklärt werden (Rn. 81).
64
III. Widerrufsrecht. 1. Haustürgeschäft. Eine Bürgschaftserklärung kann nach §§ 312 (§ 1 HWiG a.F.) i.V.m. 355 BGB widerrufen werden (erstmals BGHZ 165, 363 (367) = NJW 2006, 845 = VuR 2006, 197; bestätigt durch BGH NJW 2007, 2110 (2111) = WM 2007, 1209). Mit seinem Urteil vom 10.01.2006 (BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = VuR 2006, 197) hat der 11. Zivilsenat die Rechtsprechung des vormals zuständigen 9. Zivilsenats abgelöst, so dass es für die Anwendbarkeit des Haustürwiderrufs auf die Bürgschaftserklärung nicht mehr auf eine Haustürsituation beim Hauptschuldner und Bürgen ankommt, die darüber hinaus beide Verbraucher sein sollten (so noch BGHZ 139, 21 = WM 1998, 1388; u.a. zurückzuführen auf die „Dietzinger“-Entscheidung des EuGH, WM 1998, 649). Diese Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG (ABlEG 1987 L 42/48) und der Normen zum Haustürwiderruf konnten nicht überzeugen und sind daher zu Recht in das Kreuzfeuer der ganz überwiegenden Literatur geraten (vgl. Auer, ZBB 1999, 161 (168); Kröll, DZWIR, 1998, 426; Kulke, JR 1999, 485 (493); Lorenz, NJW 1998, 2937 (2939); Medicus, JuS 1999, 833 (836 f.); Pfeiffer, ZIP 1998, 1129 (1135 f.); EWiR 1998, 465; Reinicke/Tiedtke, DB 1998, 2001; Treber, WM 1998, 1980 (1981)). Zunächst wurde von den befassten Gerichten der Bürge wegen der einseitig übernommenen Verpflichtung als besonders schutzbedürftig erkannt, um dann formal unter Heranziehung des Akzessorietätsgrundsatzes den Anwendungsbereich des Gesetzes lediglich nach dem
65
Knops
812
66
67
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Charakter der Hauptschuld zu bestimmen, nicht aber nach der Schutzwürdigkeit des Bürgen (Horn, Rd. 165). Das waren Steine statt Brot, womit zugleich das dem Bürgenschutz dienende Akzessorietätsprinzip im Ergebnis in sein Gegenteil verkehrt wurde, da es den Bürgen schützen und nicht eine Haftung erst ermöglichen soll. Daher müssen mit der h. M. in der Literatur und nunmehr auch des BGH die Voraussetzungen des § 312 I BGB nur für den Bürgen, nicht aber zugleich für den Hauptschuldner gegeben sein (BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = VuR 2006, 197 mit zust. Anm. Fischer (199 f.) und Derleder, EWiR 2006, 195; bestätigt durch BGH NJW 2007, 2110 = WM 2007, 1209; JauernigStadler, § 312 Rn. 7; Madaus, BKR 2008, 54 (56); Kulke, NJW 2006, 2223; Zahn, ZIP 2006, 1069 (1071); Tiedtke, NJW 2001, 1015 (1026); Horn, ZIP 2001, 93 (94); Drexl, JZ 1998, 1046 (1052)). 2. Fernabsatzgeschäft. Sicherungsgeschäfte wie Bürgschaften gehören zu den in der Fernabsatzrichtlinie genannten Dienstleistungen (EuGH WM 1998, 649). Sie unterfallen daher grundsätzlich § 312b BGB, weswegen ein Widerrufsrecht nach den §§ 312d, 355 BGB dem Grunde nach in Betracht kommt. Allerdings ist es der Bürge als Verbraucher, der als Sicherungsgeber eine Leistung erbringt, und nicht der Gläubiger. Ein Widerrufsrecht des Bürgen scheidet damit aus. Ein Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln kann angesichts der Formstrenge nach § 766 BGB praktisch nur im Briefverkehr zustande kommen (Rn. 5). 3. Verbraucherkreditgeschäft. Nach Ansicht des BGH ist die Bürgschaft kein Kreditvertrag (BGHZ 138, 321 (329 f.) = NJW 1998, 1939; BGHZ 138, 121 = WM 1998, 1120 m. w. N.), so dass eine unmittelbare Anwendung der §§ 491 ff. BGB bzw. des VerbrKrG a. F. nicht in Betracht kommt. Eine analoge Anwendung der Vorschriften soll ausgeschlossen sein, wenn der durch die Bürgschaft gesicherte Kredit für eine gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit bestimmt war (BGHZ 138, 121 = WM 1998, 1120; OLG Köln WM 2003, 280 (281)). Allerdings scheitert eine analoge Anwendung nicht daran, dass die Richtlinie 87/102/EWG eine solche ausschließt (EuGH NJW 2000, 1323; Becker/Dietrich, NJW 2000, 2798; Fischer, ZIP 2000, 828). So war vor Inkrafttreten des § 492 BGB n. F. auf den Schuldbeitritt das VerbrKrG entsprechend anwendbar (BGHZ 134, 94 (97) = NJW 1997, 654; 133, 71 (74) = NJW 1996, 2156; WM 2000, 1799; Bülow, JZ 1997, 471). Angesichts der Gleichförmigkeit und Austauschbarkeit beider Sicherungsformen (Jauernig-Stadler, vor § 765 Rn. 20; ausführlich Madaus, BKR 2008, 54 (55)) besteht kein Grund an der unterschiedlichen Behandlung der Bürgschaft festzuhalten (Holznagel, Jura 2000, 581 f. m. w. N.). Die Ähnlichkeit der Sicherungsformen bestätigt der BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung zum Haustürwiderruf (BGH NJW 2007, 2110 (2111) = WM 2007, 1209; siehe auch Rn. 65), nach der es zudem für die Widerrufsmöglichkeit des Bürgen nicht mehr auf die Verbrauchereigenschaft des Hauptschuldners ankommt (BGHZ 165, 363; Rn. 65). Diese isolierte Betrachtung muss, nicht zuletzt um Wertungswidersprüche zu vermeiden, auch für eine analoge Anwendung der §§ 491 ff. BGB gelten (i.E. auch Kulke, NJW 2006, 2223 (2224); ders. VuR 2007, 154; a.A. OLG Frankfurt ZGS 2007, 240; Zahn, ZIP 2006, 1069 (1071)). Diese ist nach Art. 15 der Verbraucherkreditrichtlinie als weitergehender Verbraucherschutz möglich und hätte unproblematisch in den §§ 491, 499 BGB n. F. klargestellt werden können. Aus dem Nichthandeln des Gesetzgebers kann aber nicht zwingend eine Unanwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB gefolgert werden, so dass ein Widerruf nach den §§ 495, 355 BGB möglich bleibt.
Knops
§ 25 Bürgschaft
813
F. Einwendungen und Einreden
68
Gemäß § 768 BGB kann der Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden gegenüber dem Gläubiger geltend machen, unabhängig davon, ob der Hauptschuldner auf sie verzichtet. Hinzu kommen Einwendungen des Hauptschuldners, die keine Einreden sind. Schließlich können dem Bürgen eigene Einwendungen und Einreden zukommen, die ihren Grund nicht notwendigerweise aus dem Bürgschaftsvertrag selbst beziehen. I. Hauptschuldnerbezogene Einwendungen und Einreden. Grundsätzlich stehen dem Bürgen alle diejenigen Einwände gegen den Gläubiger zu, die der Hauptschuldner selbst gegen die Forderung geltend machen kann. Dazu gehören unter anderem Aufrechnung, Erfüllung, Erlass, Einrede des nicht erfüllten Vertrages, Störung der Geschäftsgrundlage, Übersicherung oder die Verjährung der Hauptschuld nach den §§ 195 ff. BGB (zum Zeitpunkt des Eintritts Palandt-Sprau, § 768 Rn. 6). Ausnahmen bestehen dann, wenn die Einrede des Hauptschuldners dem der Bürgschaft zugrunde liegenden Sicherungszweck widerspricht (Palandt-Sprau, § 768 Rn. 7 mit Nachweis von Einzelfällen). II. Verjährung des Hauptanspruchs. Die Verjährungsfristen von Bürgschaft und Hauptschuld laufen unabhängig voneinander ab (BGH NJW 2008, 1729 = WM 2008, 729; Rn. 98; OLG Frankfurt a.M. WM 2007, 1369 (1370)). Der Verjährungsverzicht des Hauptschuldners kann gemäß § 768 Abs. 2 BGB nicht auf den Bürgen erweitert werden, gleich ob zum Erklärungszeitpunkt die Hauptschuld schon verjährt war oder nicht (BGH WM 2007, 2230 = ZIP 2007, 2206; Siegmann/Polt, WM 2004, 766 (767)). Ebenso führt das Anerkenntnis des Hauptanpruchs nach § 212 I Nr. 1 BGB (§ 208 BGB a.F.) lediglich zu einem Neubeginn der Verjährung desselben, nicht aber zu einem Neubeginn der Bürgschaftsverjährung, da dies dem Verbot der Fremddisposition nach § 767 I 3 BGB und § 768 II BGB widerspräche (BGH WM 2007, 2230 = ZIP 2007, 2206 m. zust. Anm. Tiedtke, EWiR 2008, 13 (14); JZ 2006, 940 (945); a.A. OLG München WM 2006, 684). Umgekehrt hat die Hemmung der Verjährung des Bürgschaftsanspruchs keine Auswirkungen auf den Verjährungsablauf der Hauptschuld, so dass dem Bürgen die Einrede des Hauptschuldners erhalten bleibt (Hänsel/Clasen, NJW-Spezial 2008, 268 (269); Tiedtke, JZ 2006, 940 (941); Hohmann, WM 2004, 757 (760 f.)). Weitere Einzelheiten zur Verjährungshemmung bei bürgschaftsgesicherten Darlehensforderungen Siegmann/Polt, WM 2004, 766. III. Bürgenbezogene Einreden und Einwendungen. Neben § 768 BGB stehen dem Bürgen im Wesentlichen folgende eigene Einreden gegen den Gläubiger zu: 1. Einrede der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit gem. § 770 BGB. Solange der Hauptschuldner das der Forderung zugrunde liegende Rechtsgeschäft anfechten kann, steht dem Bürgen gegenüber dem Gläubiger nach § 770 I BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Dasselbe Recht steht ihm nach Abs. 2 der Norm zu, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann. Ein formularmäßiger Ausschluss dieses Bürgenrechts wird als wirksam angesehen (Palandt-Sprau, § 770 Rn. 1 a), nicht aber wenn sich der Ausschluss im Fall des § 770 II BGB auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen des Hauptschuldners bezieht (BGH WM 2003, 669; Reinicke/Tiedtke, Rn. 394 m. w. N.; Fischer, WM 1998, 1705 (1712); unklar BGH WM 2002, 1179 (1181); a. A. noch BGHZ 95, 350 (359 f.) = WM 1985, 1307; Staudinger-Horn, § 770 Rn. 17). Dann ähnelt die Abbedingung § 309 Nr. 3 BGB (§ 11 Nr. 3 AGBG a. F.) und ist daher generell unwirksam, unabhängig davon, ob im Einzelfall die Gegenforderung tatsächlich unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist. Die Einrede der Aufrechenbarkeit wird nicht dadurch gehindert, dass der Hauptschuldner selbst nicht mehr aufrechnen kann (BGH WM 2003, 669 (672 m. w. N.)).
Knops
69
70
814
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
71
2. Einrede der Vorausklage gem. § 771 BGB. § 771 BGB bestimmt, dass der Bürge die Befriedigung des Gläubigers solange verweigern darf, wie dieser nicht gegen den Hauptschuldner die Zwangsvollstreckung erfolglos versucht hat, wobei bei Erhebung der Einrede die Verjährung im Verhältnis Gläubiger-Bürge bis zum Zwangsvollstreckungsversuch gehemmt bleibt und die Bedingungen der Vollstreckungs- und Verwertungspflicht des Gläubigers in § 772 BGB näher geregelt werden. Praktisch relevant ist die Einrede der Vorausklage nur selten, da in nahezu jeder Formularbürgschaft eine entsprechende Abbedingung enthalten ist, einer der Gründe des § 773 I BGB zum Ausschluss der Einrede führt oder einem kaufmännischen Bürgen nach § 349 S. 1 HGB die Einrede ohnehin nicht zusteht. Dies gilt vor allem für die selbstschuldnerische Bürgschaft nach § 773 I Nr. 1 BGB (Rn. 93). Der individualvertragliche Verzicht auf die Einrede ist angesichts des klaren Wortlautes dieser Bestimmung unzweifelhaft, jedoch kann deren wirksame Abbedingung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGHZ 95, 350 (361) = WM 1985, 1307) je nach Formulierung zweifelhaft sein. So kann der Ansicht, für den Ausschluss der Einrede der Vorausklage komme es auf den Wortlaut nicht an (Palandt-Sprau, § 773 Rn. 2), nicht gefolgt werden. Oftmals sehen Allgemeine Geschäftsbedingungen lediglich Formulierungen vor wie „Die Vorausklage ist ausgeschlossen“ oder ähnliches. Damit wird einem durchschnittlichen Bürgen schon nicht klar, was eine Vorausklage ist und welche Wirkungen ihr Ausschluss nach sich zieht. Gravierender ist aber, dass die Bezeichnung nicht unklar (Palandt-Sprau, § 771 Rn. 1), sondern verwirrend sein kann, da zum einen die Einrede tatsächlich bedeutet, dass der Gläubiger gegen den Hauptschuldner in der Tat einen Vollstreckungsversuch wegen der Hauptschuld aufgrund eines Titels unternehmen muss. Zum anderen wird der Bürge annehmen, er verzichte nur darauf, dass der Gläubiger den Hauptschuldner u. U. verklagen, nicht aber gegen diesen auch noch eine Vollsteckung versuchen muss. Noch weiter wird der Bürge im Dunkeln über die Bedeutung der Einrede und die Gefährlichkeit ihres Ausschlusses gelassen, wenn eine entsprechende Klausel gänzlich fehlt und die Bürgschaft in der Überschrift oder im Text schlicht als „selbstschuldnerisch“ bezeichnet wird. Dies genügt selbst bei minimalsten Anforderungen an die Einhaltung des Transparenzgebots nicht (zum Transparenzverstoß bei fehlenden AGB-Klauseln, Knops, S. 109 f.).
72
Zudem kann die Berufung des Gläubigers auf den Ausschluss der Vorausklage rechtsmissbräuchlich sein: Wegen des Ausschlusses kommt es in der Praxis häufiger vor, dass Gläubiger nur den Bürgen gerichtlich in Anspruch nehmen. Beruft sich der Gläubiger nach Abschluss des Löschungsverfahrens des Hauptschuldners im Prozess gegen den Bürgen auf den formularmäßigen Ausschluss der Einrede der Vorausklage (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Köln GmbHR 2004, 1020), handelt er treuwidrig, da er den Bürgen letztlich noch der Rückgriffsmöglichkeit gegen den Hauptschuldner beraubt, besonders wenn er seine Forderung im Verteilungsverfahren nicht einmal angemeldet hat. Dies gilt erst recht, wenn der Gläubiger trotz einer ihm bekannt gemachten zwischenzeitlichen Kapitalerhöhung um die Solvenz des Hauptschuldners wusste. Schließlich hätte der Gläubiger den Hauptschuldner in Anspruch nehmen können und ist dazu bei einer schuldhaften Vertragsverletzung des Hauptschuldners, die zumeist in der Nichtzahlung (der vereinbarten Raten) besteht, auch verpflichtet. Nach Treu und Glauben obliegt es dem Gläubiger im Verhältnis zum Bürgen, gegenüber dem Hauptschuldner diejenigen Schritte zu ergreifen, die er ohne den Bürgschaftsvertrag zur Wahrung seiner eigenen Interessen unternommen hätte, um den durch die Vertragsverletzung entstehenden Schaden möglichst gering zu halten (BGH WM 1995, 900 (903); MünchKommBGB-Habersack, § 765 Rn. 95 f.). Andernfalls läuft er Gefahr, seinen Anspruch gegen den Bürgen teilweise (BGH WM 1995, 900 (903)), im Insolvenzfall des Hauptschuldners bei unterlassener Inanspruchnahme
Knops
§ 25 Bürgschaft
815
desselben ganz zu verlieren. Hierher gehören auch Fälle, in denen der Gläubiger den Zusammenbruch des Hauptschuldners herbeiführt und dadurch den Rückgriff des Bürgen vereitelt (BGH WM 1984, 586), dem Hauptschuldner die wirtschaftliche Grundlage durch Einziehung von Forderungen gegen Kunden desselben entzogen hat (vgl. BGH WM 1974, 1218; 1958, 722), den Hauptschuldnerkredit auszahlt, obwohl der Bürge auf dessen Vermögensverfall hingewiesen hat (BGH WM 1959, 1072) oder den Hauptschuldner veranlasst, nicht zu zahlen, um den Bürgen in Anspruch nehmen zu können (BGH WM 1966, 317). 3. Einrede der Verjährung. Die Verjährung des Bürgschaftsanspruchs richtet sich nach den §§ 195, 199 BGB und verläuft unabhängig von der Verjährung des Hauptanspruchs. Da die Verjährung des Hauptanspruchs eigenständig erfolgt und sich nicht immer nach der allgemeinen gesetzlichen Regelfrist richtet, kann der Bürgschaftsanspruch schon geraume Zeit vor dem zu sichernden Hauptanspruch verjähren. Dies ist etwa möglich, wenn zunächst über lange Zeit die Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner versucht wurde und der Bürge nicht die nach § 771 S.3 BGB verjährungshemmende Einrede der Vorausklage erhoben hat (Schlößer, NJW 2006, 645 (646); umstr.) oder eine selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart wurde, die die Einrede der Vorausklage gemäß § 773 I Nr. 1 BGB ausschließt. Zur Problematik bei der Gewährleistungsbürgschaft (Bräuer, NZBau 2007, 729 m.w.N.). Dort beträgt die Verjährung der Mängelansprüche bei Bauwerken gemäß § 634a I Nr. 2 BGB fünf Jahren, der sichernde Bürgschaftsanspruch verjährt daher regelmäßig zwei Jahre vor Ablauf der Hauptschuldverjährung.
73
Diskutiert wird in diesem Zusammenhang, ob der Verjährungsbeginn eine Leistungsaufforderung voraussetzt. Maßgeblich ist dabei die Frage, wann der Bürgschaftanspruch i.S.d. § 199 I Nr. 1 BGB entstanden, d.h. fällig ist. Nach der zu befürwortenden Auffassung beginnt die Verjährung erst mit der Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger (beiläufig BGHZ 92, 295 (300) = NJW 1985, 45; ausdrücklich LG Wiesbaden IBR 2006, 1514; LG Coburg BauR 2006, 692; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170 (184 ff.); Kröll, EWiR 2007, 131 (132); Schlößer, NJW 2006, 645 (647 f.); Gay, NJW 2005, 2585 (2588) m.w.N.). Nach der Gegenauffassung beginnt die Verjährung mit dem Entstehen des Hauptanspruchs, ohne dass es für die Fälligkeit des Bürgschaftsanspruchs auf eine zusätzliche Leistungsaufforderung ankäme (BGH NJW-RR 2007, 1392 a.E. = WM 2007, 1609; BGH NJW-RR 2004, 1990 (1991); OLG Karlsruhe ZIP 2008, 170 (171); OLG Frankfurt a.M. WM 2007, 1369 (1370); OLG Köln NJOZ 2006, 2372; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Schmitz/Wassermann/Nobbe, § 91 Rn. 100; Bräuer, NZBau 2007, 477 (478); May, BauR 2007, 187 (194 ff.); Derleder, NZM 2006, 601 (609); Tiedtke, JZ 2006, 940 (945 f.); Hohmann, WM 2004, 757 (760)). Dies bedeutet in Anbetracht des Akzessorietätsgrundsatzes, dass ein auf Geld gerichteter Hauptanspruch bestehen muss (Bräuer, NZBau 2007, 477 (478)), so dass die Verjährung für beide Forderungen zeitgleich beginnt. Bei Gewährleistungsbürgschaften setzt dies ferner eine erfolglose Fristsetzung zur Nacherfüllung gegenüber dem Hauptschuldner voraus (Jungmann, WuB I F 1a – 5.06 (844); Weise, NJW-Spezial 2004, 357), bei Selbstvornahme die Bezifferung des Kostenvorschusses (OLG Köln WM 2006, 1248 f. = BauR 2006, 719 f.). Der BGH ist mit Urteil vom 29.01.2008 hinsichtlich einer Bürgschaft nach § 7 MaBV der zweiten Auffassung gefolgt (BGH NJW 2008, 1729 (1731 m. zahlr. Nachweisen) = WM 2008, 729; zust. Hänsel/ Clasen, NJW-Spezial 2008, 268). Schlößer führt für die Erforderlichkeit einer Leistungsaufforderung an, dass der Bürge ohne sie in die Gefahr gerate, ab Eintritt der Fälligkeit der Bürgschaft (hier: Entstehen des Hauptanspruchs), Verzugszinsen zahlen zu müssen, ohne dass er sicher wisse, wann der Hauptanspruch fällig geworden ist (NJW 2006, 645 (647 f.); zust. Schulze-Hagen, BauR 2007, 170 (186)). Der Bürge müsste sodann nach
74
Knops
816
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
§ 286 IV BGB darlegen und beweisen, warum er den Verzug nicht zu vertreten habe. Doch bestehen tatsächliche Auswirkungen auf den Verzug des Bürgen lediglich, wenn eine Voraussetzung nach § 286 BGB vorläge, die eine Mahnung entbehrlich macht. Denn im Rahmen des § 286 BGB ist die Leistungsaufforderung (Mahnung) keine Fälligkeitsvoraussetzung, sondern ein kumulativ hinzutretendes Tatbestandsmerkmal, das neben der Fälligkeit vorliegen muss, um den Verzug auszulösen. Der Verzicht auf eine weitere Leistungsaufforderung als mutmaßliche Fälligkeitsvoraussetzung für die Bürgschaft ist insoweit unschädlich. Die Gefahr eines früheren Verzugs besteht für den Bürgen somit grundsätzlich nicht, wenn man für die Fälligkeit allein auf das Entstehen des Hauptanspruchs abstellt (i.E. ähnlich BGH NJW 2008, 1729 (1731) = WM 2008, 729 mit Hinweis auf § 286 IV BGB; Jungmann, WuB I F 1a – 5.06 (843) mit Hinweis auf die erforderliche Mahnung). Im Gegensatz zum Wortlaut des § 286 BGB sieht der Wortlaut des § 199 I Nr. 1 BGB für den Verjährungsbeginn keine Leistungsaufforderung vor (BGH NJW 2008, 1729 (1731) = WM 2008, 729). Auch das Argument, bei der Leihe und der Verwahrung als vergleichbare Dauerschuldverhältnisse werde die Fälligkeit von einer Geltendmachung abhängig gemacht (§§ 604 IV und 695 S.2, 696 S.2 BGB, sog. verhaltene Ansprüche), so dass insoweit der Rechtsgedanke dieser Vorschriften greifen würde (Schlößer, NJW 2006, 645 (648); Schulze-Hagen, BauR 2007, 170 (186); a.A. Jungmann, WuB I F 1a – 5.06 (843)), ist nicht tragfähig: Daraus, dass die Gesetzesbegründung nicht darauf hinweist, dass die Geltendmachung nur in einigen Fällen als Fälligkeitsvoraussetzung vorliegen muss (Schlößer a.a.O.), kann hier auch nicht auf das Gegenteil geschlossen werden. Naheliegender ist, dass der Gesetzgeber sich vielmehr bewusst gegen die weitere Voraussetzung für die Bürgschaft entschlossen hat, denn andernfalls hätte er im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung eine dementsprechende Formulierung mit aufnehmen können. Schließlich ist er, wie die Neuregelung in § 771 S.3 BGB (Verjährungshemmung bei erhobener Einrede der Vorausklage) ohne entsprechendes Äquivalent im alten Recht zeigt, mit der Bürgschaftsverjährung beschäftigt davon ausgegangen, dass „der Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen gleichzeitig mit der Hauptforderung“ entsteht (BT-Dr. 14/7052, S. 206). Insoweit fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Es stünde dem Gläubiger andernfalls zu, die Verjährung beliebig hinauszuzögern (BGH NJW 2008, 1729 (1731) = WM 2008, 729; Bräuer, NZBau 2007, 477 (478); Derleder, NZM 2006, 601 (609)). Dies widerspräche dem Zweck der Verjährungsregelungen, der darin liegt Rechtsfrieden (BGHZ 128, 74 (82 f.) = NJW 1995, 252 (253)) herzustellen (BGH NJW 2008, 1729 (1731) = WM 2008, 729). Der Bürge bliebe, auch wenn irgendwann das Institut der Verwirkung eingreifen mag, über unüberschaubare Zeit im Ungewissen, ob er noch in Anspruch genommen werden kann (Jungmann, WuB I F 1a – 5.06 (842 f.)). 75
Für den Verjährungsbeginn lediglich auf die Fälligkeit des Hauptanspruchs abzustellen ist hingegen auch nicht unbillig, bedenkt man, dass es den Parteien frei steht, individualvertraglich abweichende Vereinbarungen bezüglich der Verjährung zu treffen oder Maßnahmen nach § 204 BGB zu ergreifen, die zu einer Hemmung der Bürgschaftsverjährung führen (Hänsel/Clasen, NJW-Spezial 2008, 268 (269); Vogel, EWiR 2007, 683 (684); Schlößer, NJW 2006, 645; Jungmann, WuB I F 1a – 5.06 (843 f.)). So kann z.B. eine Vereinbarung hinsichtlich einer Verjährungshemmung durch gegen den Hauptschuldner gerichtete Maßnahmen (Weise, NJW-Spezial 2004, 357 (358)) getroffen werden, z.B. bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 771 S. 3 BGB, ohne dass die Einrede der Vorausklage tatsächlich erhoben werden muss. Denkbar ist auch, dass die Verjährungsfrist verlängert wird (Schlößer, NJW 2006, 645 (647)) oder erst ab einer Leistungsaufforderung durch den Gläubiger beginnen soll (BGH NJW 2008, 1729 (1731) = WM 2008, 729). Eine dahingehende Vereinbarung in AGB stellt jedoch eine überraschende Klausel i.S.d.
Knops
§ 25 Bürgschaft
817
§ 305c BGB dar und ist unwirksam (OLG Frankfurt a.M. WM 2007, 1369 (1379); a.A. OLG München WM 2006, 1813 (1814) m. Anm. Jungmann, WuB I F 1a – 5.06 und Anm. Kröll, EWiR 2007, 131) – sie kann nur individualvertraglich vereinbart werden. Ein genereller Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann im Interesse des Rechtsfriedens weder formularmäßig noch individualvertraglich vereinbart werden. Liegt ein solcher Verzicht vor, ist er regelmäßig als eine Begrenzung auf die dreißigjährige Maximalfrist des § 202 BGB auszulegen (BGH WM 2007, 2230 = ZIP 2007, 2206). 4. Einwendung der Sicherheitenaufgabe gemäß § 776 BGB. Um den Bürgen vor Rechtsverlusten beim Rückgriff gegen andere Sicherungsgeber und Mitbürgen zu schützen, wird er aus seiner Haftung frei, wenn und soweit der Gläubiger ein mit der Forderung verbundenes Sicherungsrecht oder das Recht gegen einen Mitbürgen aufgibt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Sicherungsrecht rechtsgeschäftlich bestellt oder im Rahmen eines (AGB)-Pfandrechts vom Gläubiger erlangt worden ist, da es nach dem Gesetzeswortlaut allein auf den Bestand ankommt (vgl. zur Auslegung dieses Terminus Knops/ Stempel, ZfIR 2000, 769 f.). Zu den Vorzugs- und Sicherungsrechten gehören außer den in § 776 S. 1 BGB genannten Hypotheken und Schiffshypotheken, in entsprechender Anwendung Grund- und Rentenschulden (OLG Köln NJW 1990, 3214), Sicherungs- (BGH NJW 1966, 2009), Vorbehaltseigentum (BGHZ 46, 56 = JZ 1966, 752) und Sicherungsabtretung (BGHZ 78, 137 (143) = JZ 1980, 766; WM 2000, 1141), soweit der Gläubiger (wie i. d. R.) vertraglich zur Übertragung auf den leistenden Bürgen verpflichtet ist, sowie eine bestehende Ausfall-(Kasko-)Versicherung (Jauernig-Stadler, § 776 Rn. 2 m. w. N.); eine entsprechende Anwendung scheitert dagegen bei anderen Fällen der Risikoübernahme, wie dem Schuldbeitritt (BGH BB 1962, 1346), der Verpfändung (BGH WM 1991, 399) und der Garantie (Palandt-Sprau, § 776 Rn. 4). „Aufgeben“ bedeutet rechtliche Beseitigung oder tatsächlicher Verlust etwa durch Verzicht, Rückübertragung oder Rangrücktritt (OLG Köln NJW 1990, 3214) und verlangt vorsätzliches Handeln, wobei fahrlässige Verschlechterung oder Vernichtung (Palandt-Sprau, § 776 Rn. 5) ebenso wenig ausreichend sein soll wie verspätete oder unzureichende Verwertung (BGH NJW 1966, 2009). Ausreichend ist aber, wenn der Gläubiger den Verwertungserlös aus anderen Sicherheiten auf von der Bürgschaft nicht gedeckte (Teil-)Forderungen verrechnet (BGH 2000, 1144; OLG Stuttgart WM 2002, 439 (442)). Ein formularmäßiger Ausschluss oder Verzicht der Befreiung des Bürgen nach § 776 BGB ist nach § 307 I, II BGB (BGH WM 2001, 2378) unwirksam (BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 (163) = WM 2003, 2379; BGHZ 144, 52 = WM 2000, 764; BGH WM 2001, 2378; 2000, 1141; a. A. noch BGHZ 95, 350 (358 f.) = NJW 1986, 43; BGHZ 78, 137, (141 f.) = NJW 1981, 748). Selbst auf eine Individualvereinbarung kann sich der Gläubiger nicht berufen, wenn er die Sicherheit willkürlich aufgibt, ohne ein eigenes Interesse daran zu haben (BGH WM 1994, 1161; Palandt-Sprau, § 776 Rn. 3).
76
5. Verletzung von Aufklärungs-, Hinweis- und Sorgfaltspflichten. Nach der Rechtsprechung des BGH sowie Teilen der Literatur werden Nebenpflichten des Gläubigers in Bezug auf Aufklärungs-, Hinweis- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Bürgen im Grundsatz negiert (BGHZ 125, 206 (218) = WM 1994, 676; 107, 92 (103) = WM 1989, 480; WM 1963, 24; OLG Bamberg, WM 2000, 1582; MünchKommBGB-Habersack, § 765 Rn. 85, 91; Palandt-Sprau, § 765 Rn. 1, Rn. 33; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 57, 61; dagegen für Informationspflichten bereits Knütel, FS Flume I, S. 559 (585)). So müsse dem Bürgen sein besonderes Risiko weder bei Eingehung über die notwendige Form hinaus deutlich gemacht werden, noch gebe es eine Pflicht des Gläubigers, die Hauptschuld zu kündigen, einzuklagen, zu vollstrecken oder den Bürgen irgendwie zu benachrichtigen (OLG Köln WM 1995, 1965). Lediglich bei arglistigem Handeln oder
77
Knops
818
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Verstoß in besonders schwerer Weise gegen die Interessen des Bürgen, könnten sich daraus Einwendungen gemäß § 242 BGB (Palandt-Sprau, § 765 Rn. 33) ergeben (Rn. 72) – nach Ansicht des BGH sind aber auch hier strenge Anforderungen zu stellen (BGH WM 1968, 1391). Übernimmt eine Bank die Aufgabe, dem Hauptschuldner einen bisher nicht mit ihm bekannten – nach seiner Bonität einwandfreien – Bürgen „anzudienen“, so ist sie dem Bürgen, für den sie wiederum die einzige Informationsquelle über Hauptschuld und Hauptschuldner darstellt, zu uneingeschränkter, vorbehaltloser und ungeschönter Aufklärung verpflichtet (OLG Hamm ZIP 1999, 745). 78
6. Sonstige Einwendungen und Einreden. Daneben stehen dem Bürgen beispielhaft Einwendungen und Einreden aus Aufrechnung, c. i. c., Störung der Geschäftsgrundlage, Verwirkung etc. als Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung (siehe Palandt-Sprau, § 768 Rn. 2).
79
G. Beendigung der Bürgschaft I. Erlöschen der Bürgschaftsschuld. Mit Entfallen der Hauptschuld und Erlöschen der gesicherten Verbindlichkeiten erlischt die Bürgschaft als akzessorische Verpflichtung. Ob die Befriedigung des Gläubigers durch Zahlung erfüllt oder durch Erfüllungssurrogate geschieht, spielt keine Rolle. Soweit zukünftig entstehende Forderungen überhaupt zum Sicherungsumfang gehören (Rn. 23), hört die Bürgenhaftung – von der Zeitbürgschaft nach § 777 BGB abgesehen – erst auf, wenn solche Forderungen nicht mehr entstehen können. Der Gläubiger hat die Bürgschaftsurkunde dem Bürgen herauszugeben und darf sie nicht für andere Forderungen auf Vorrat behalten (BGH ZIP 1992, 755 m. Anm. Pecher, LM § 123 BGB Nr. 75).
80
II. Kündigung. 1. Durch den Gläubiger. Praktisch wenig bedeutsam ist der Fall, dass der Gläubiger die Bürgschaft kündigt. Denkbar ist, dass der Gläubiger wegen erkannter Vermögenslosigkeit des Bürgen kündigt, um dann vom Hauptschuldner eine neue Sicherheit zu verlangen. Regelmäßig kommt es dagegen vor, dass der Gläubiger die Geschäftsbeziehung zum Hauptschuldner, die auch in einem einzigen Verpflichtungsgeschäft bestehen kann, durch Kündigung beendet. Der Bürge haftet nur für die bis dahin angefallenen Verbindlichkeiten (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1999, 3128 (3129)) und zwar unabhängig davon, ob der Gläubiger die Kündigung rückgängig macht oder dem Hauptschuldner später weitere Kredite einräumt (BGH NJW 1989, 27). Dies schließt allerdings nicht aus, dass die Schuld des Bürgen durch das Anfallen von Verzugszinsen o. ä. wächst und der Bürge dafür nach § 767 BGB einzustehen hat (Rn. 29).
81
2. Durch den Bürgen. Seit langem besteht in Rechtsprechung und herrschender Lehre Einigkeit darüber, dass Bürgschaftsverträge durch den Schuldner ordentlich wie außerordentlich gekündigt werden können (BGH ZIP 1986, 1240; ausführlich Derleder, NJW 1986, 97 (101 f.)). Gibt der Bürge seine Einstandsverpflichtung für die Hauptschuld zeitlich unbegrenzt ab, kann er nach Ablauf einer angemessenen Frist grundsätzlich kündigen (BGH WM 1993, 897), woran sich nichts ändert, wenn die Bürgschaft für ein zeitlich befristetes „besichertes“ Vertragsverhältnis besteht (zweifelnd Bamberger/RothRohe, § 765 Rn. 137). Dies ergibt sich gemäß § 314 BGB aus dem Charakter der Schuld als Dauerschuldverhältnis und für die ordentliche Kündigung auch daraus, dass dem Bürgen die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung nicht verweigert werden darf, wenn der Gläubiger selbst den der Hauptschuld zugrunde liegenden Vertrag und damit sein Risiko durch ordentliche Kündigung beenden kann (OLG Düsseldorf NJW 1999, 3128 (3129)). Ein wichtiger Grund zur Beendigung liegt auf Seiten des Bürgen vor, wenn die Fortdauer der Bürgschaft unzumutbar geworden ist oder es einer Sicherung nicht mehr bedarf. Der
Knops
§ 25 Bürgschaft
819
Wegfall des Sicherungsbedürfnisses ist gegeben, wenn der Bürge als Komplementär in die KG eintritt, für deren Schulden er sich verbürgt hat, oder wenn das Kontokorrentverhältnis des Hauptschuldners mit der Gläubigerbank über einen längeren Zeitraum keine Schuld, sondern ein Guthaben aufwies (BGH ZIP 1986, 1240; Reinicke/Tiedtke, Rn. 169). Auch wenn sich der BGH im Falle des Ausscheidens des Gesellschafters aus der Gesellschaft nicht der Auffassung angeschlossen hat, dass die Bürgschaft mit der Mitgliedschaft stehen und fallen soll (so RG HRR 1935, Nr. 581; OLG Hamburg, Urt. v. 23.03.1984 – AZ. 9 U 108/82 – unveröffentlicht – ; OLG Braunschweig FamRZ 1978, 111 (112); RGRK-Mohrmann, § 777, Rn. 2; Stolzenburg, ZIP 1985, 1189), hat er diesen Umstand gleichwohl als wichtigen Grund zur Kündigung der Bürgschaft anerkannt (BGH ZIP 1999, 877; WM 1995, 1397), wobei bereits in der Mitteilung vom Ausscheiden u. U. eine konkludente Kündigungserklärung zu erblicken sein wird. In diesem Fall wird der ausscheidende Bürge aber nicht sofort aus der Haftung erlöst, sondern erst nach einer bestimmten Wartezeit (4-6 Wochen: OLG Celle WM 1989, 1224; 3 Monate Derleder, NJW 1986, 97), die den Umständen des Einzelfalls Rechnung trägt (Einzelheiten bei Staudinger-Horn, § 765 Rn. 65; Lwowski, Rn. 407). Besteht für die Gesellschaft ein Kontokorrentkredit, ist der Tagessaldo maßgeblich (BGH NJW 1985, 3007). Ist jedoch zu irgendeinem Zeitpunkt danach ein Haben ausgewiesen, entfällt die Bürgenhaftung ganz; bei einem niedrigeren Rechnungsabschluss ist sie auf dessen Höhe begrenzt (OLG München DB 1983, 1540). Schließlich steht dem Bürgen wie dem Kreditnehmer ein außerordentlicher Kündigungsgrund zu, wenn der Gläubiger – wie im Bankbereich nicht unüblich – fusioniert und der Bürge triftige Gründe gegen einen Fusionspartner hat, insbesondere, weil dieser über die üblichen Bonitätsunterlagen auch dann Einblick über seine Vermögensverhältnisse erhält, wenn der Bürge selbst kein Kunde des bisherigen Gläubigers ist (OLG Karlsruhe WM 2001, 1803). Beispielhaft sei ein Berufsschullehrer für Bankauszubildende genannt, der, um vor seinen Schülern nicht als „gläserner“ Mensch zu stehen, explizit ein unbeteiligtes Bankhaus wählt. III. Befreiungsanspruch nach § 775 BGB gegen den Hauptschuldner. Nach der dispositiven Vorschrift des § 775 BGB kann der Bürge vom Hauptschuldner bei signifikanter Erhöhung des Bürgschaftsrisikos Befreiung von der Bürgschaftsverbindlichkeit verlangen. Bei Vorliegen einer der vier Fallkonstellationen (Verschlechterung der Vermögensverhältnisse (§ 23 Rn. 53 f.), Erschwerung der Rechtsverfolgung (entspricht § 773 I Nr. 2 BGB), Verzug – jeweils des Hauptschuldners – oder Vorliegen eines vollstreckbaren Urteils des Gläubigers gegen den Bürgen), ist zumeist der Sicherungsfall eingetreten und der Bürge bereits durch den Gläubiger in Anspruch genommen. Ein Befreiungsanspruch hilft dem Bürgen dann ebenso wenig, wie es zumeist für einen Rückgriff gegen den Hauptschuldner (Rn. 88 f.) zu spät ist. Eine Klage auf Befreiung muss im Prozessverlauf zumeist auf Rückgriffszahlung umgestellt werden. Der Bürge kann den Hauptschuldner dagegen ebenso wenig auf Zahlung an den Gläubiger verklagen (BGH WM 2000, 910) wie er gegen den Gläubiger mit einem Freistellungsanspruch gegen den Hauptschuldner, dessen Vermögensverhältnisse sich wesentlich verschlechtert haben, aufrechnen kann (BGHZ 140, 270 = NJW 1999, 1182; a. A. RGZ 143, 192 (194); 78, 26 (34)).
82
IV. Zusammentreffen von Bürgschaft und anderen Sicherheiten. Häufig kommt es vor, dass dem Gläubiger neben der Bürgschaft weitere Sicherungsmittel zur Verfügung stehen. Unabhängig von der Frage, ob mit der Hereinnahme einer Bürgschaft etwa bei bestehender erstrangiger Grundschuldvollabsicherung nicht schon eine Übersicherung vorliegt, die es dem Gläubiger gebietet, die nachträglich eingeräumte Bürgschaft zurückzugeben (Rn. 60), stehen mangels anderer Vereinbarungen sämtliche Sicherungsmittel auf der gleichen Stufe. Dies ist etwa für die Sicherungsgrundschuld und Bürgschaft anerkannt
83
Knops
820
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
(BGH NJW 1992, 3228 (3229) m. Anm. Lüke, JR 1993, 324; Reich, VuR 1997, 187 (193)). Welche Sicherheit er in Anspruch nimmt, kann der Gläubiger selbst bestimmen, wenn der Sicherungsvertrag nichts anderes vorsieht. Auf den in Anspruch genommen Sicherungsgeber geht im Umfang seiner Erfüllung die Hauptschuld über und er kann von den anderen Sicherungsgebern entsprechend § 426 BGB anteiligen Ausgleich verlangen. (vgl. BGHZ 108, 178 (179 f.) = NJW 1989, 2530; NJW 1992, 3228). Zur Durchsetzung kann er auf die übergegangenen Nebenrechte der Forderung wie Bürgschaften zurückgreifen. Diese erlöschen in dem Umfang, wie der leistende Sicherungsgeber selbst im Verhältnis zu den anderen Sicherungsgebern zur Erfüllung der Forderung verpflichtet war. 84
V. Stellung eines Ersatzbürgen. Analog zum Recht des Kreditnehmers auf Stellung eines Ersatzkreditnehmers im Darlehensrecht (Knops, WM 2000, 1427 f.) kann dem Bürgen bei Vorliegen eines das Gläubigeranliegen überragenden Interesses ein Recht zustehen, sich von der persönlichen Schuld mit Gestellung eines Ersatzbürgen zu befreien, der bereit ist, den bestehenden Bürgschaftsvertrag zu übernehmen. Allerdings sind an den Ersatzbürgen strenge Maßstäbe zu stellen. Er muss beispielsweise ebenso solvent sein wie der bisherige Schuldner, weil bei der Bürgschaft das personale Element mit dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Hauptschuld prägend ist; § 239 I BGB gilt nicht. Lehnt der Kreditgeber von vornherein die Stellung eines Ersatzkreditnehmers ab oder akzeptiert er einen solchen nicht, obwohl die Voraussetzungen einer Ersatzbürgenstellung vorliegen, kann der Bürge verlangen, so gestellt zu werden, als sei er zu jenem Zeitpunkt aus dem Bürgschaftsvertrag ausgeschieden, zu dem der Gläubiger in zumutbarer Weise mit einem geeigneten Nachfolger einen Anschlussvertrag hätte abschließen können.
85
H. Abtretung und Verwertung der Bürgschaft I. Abtretung. 1. Hauptforderung. Eine Bürgschaft kommt erst gar nicht zustande, wenn der Gläubiger die Hauptforderung vor Bürgschaftsbegründung abtritt (OLG Karlsruhe WM 2001, 729). Die Abtretung der Hauptforderung ohne die Rechte aus der Bürgschaft führt analog § 1250 II BGB zum Erlöschen der Bürgschaft (BGHZ 115, 177 = WM 1991, 1869; RGZ 85, 363 (364); Jauernig-Stürner, § 401 Rn. 1; umstr.). Voraussetzung für den wirksamen Übergang auf den neuen Gläubiger ist, dass die Hauptforderung ohne Ausschluss der Bürgschaft übertragen wird. Bei Übergang ist nur der aktuelle Forderungsbestand gesichert, eine Ausdehnung nur bei einer gesonderten Vereinbarung mit dem neuen Gläubiger möglich (BGHZ 26, 142 (147) = NJW 1958, 217). Der Umfang der Bürgschaftshaftung beschränkt sich somit bei Übergang auf den aktuellen Forderungsinhalt.
86
2. Bürgschaftsforderung. Der Gläubiger der Hauptforderung und der Bürgschaftsgläubiger müssen ein und dieselbe Person sein; eine Abtretung der Rechte aus der Bürgschaft ohne die Hauptforderung ist unwirksam (BGHZ 82, 323 = WM 1982, 148; OLG Düsseldorf WM 2003, 1318 (1321)). Sie ist damit nach § 841 ZPO unpfändbar. Eine Ausnahme besteht für die verselbstständigte Bürgschaftsforderung nach Vermögensverfall des Hauptschuldners (Rn. 17). Sie kann abgetreten und gepfändet werden und unterliegt wie andere Bürgschaften auch selbstständiger Verjährung nach den §§ 195, 199 BGB.
87
II. Verwertung. Die wirksame Inanspruchnahme des Bürgen setzt neben dem Bestand von Bürgschaftsvertrag (Rn. 4 f.), Hauptschuld (Rn. 21 f.), fehlenden Einwendungen und Einreden (Rn. 68 f.) voraus, dass der Bürgschaftsfall eingetreten ist, d. h. der Hauptschuldner trotz Fälligkeit die gesicherte Schuld nicht beglichen hat. Erforderlich ist damit eine Inanspruchnahme des Bürgen mit dem Nachweis, den Hauptschuldner erfolglos in Verzug gesetzt zu haben. Solange kann der Bürge die Leistung verweigern. Kommt der Bürge nach Fälligkeit mit seiner Leistung in Verzug und handelt es sich bei der Hauptschuld um
Knops
§ 25 Bürgschaft
821
eine Kreditverbindlichkeit, kann der Gläubiger bei Vorliegen der Voraussetzungen seinen Schaden nach § 497 BGB berechnen (BGH WM 2000, 64 (65 f.) m. Anm. Tiedtke, DNotZ 2000, 278) und mit entsprechenden Verzugszinsen gegenüber dem Bürgen durchsetzen. Eine Vollstreckung aus einem Vollsteckungsbescheid ist unzulässig, wenn der Gläubiger im Zeitpunkt seiner Beantragung damit rechnen musste, dass bei einem Übergang ins streitige Verfahren die gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung nach dem Stand der Rechtsprechung zur Klageabweisung geführt hätte (BGH WM 2002, 1832 (1834)).
I. Rückgriffsansprüche des Bürgen
88
Nach ganz oder teilweiser Befriedigung des Gläubigers stehen dem Bürgen nach seiner Wahl zwei verschiedene Rückgriffsansprüche gegen den Hauptschuldner zur Verfügung: Im Fall des § 774 BGB geht die Forderung des Gläubigers mittels cessio legis auf den Bürgen über. Alternativ kann dem Bürgen aus einem zwischen ihm und dem Hauptschuldner bestehenden Rechtsverhältnis ein Aufwendungsersatzanspruch nach den §§ 675, 683, 694, 670 BGB gegen denselben zustehen (Palandt-Sprau, § 774 Rn. 2). Beide Wege unterscheiden sich vor allem bezüglich der Sicherungsrechte, der Einwendungen des Hauptschuldners sowie in der Darlegungs- und Beweislast. I. Rückgriffsanspruch gemäß § 774 BGB. Macht der Bürge Ansprüche aus übergegangenem Recht nach § 774 BGB gegen den Hauptschuldner geltend, kann dieser ihm alle Einwendungen und Einreden sowohl aus dem Innenverhältnis (§ 774 I 3 BGB) als auch aus dem Hauptschuldverhältnis entgegen halten. Vorraussetzung für den Forderungsübergang ist, dass die Haupt- und Bürgschaftsschuld bestanden hat (BGH WM 2000, 715) und der Bürge den Gläubiger befriedigt hat. Ebenso wie die Bürgschaft muss die Hauptschuld wirksam entstanden und nicht etwa durch Leistung des Hauptschuldners oder eines Dritten untergegangen sein. Leistet der Bürge in Unkenntnis des Untergangs der Hauptforderung kann er vom Gläubiger kondizieren. Ist er dagegen bösgläubig, kommt ein Rückforderungsrecht nur gegen den Hauptschuldner in Betracht. Eine Inanspruchnahme des Gläubigers ist nicht erforderlich (BGH WM 1998, 443 (446)); allerdings darf der Bürge nicht leisten, wenn dadurch ein vertragliches Recht des Hauptschuldners beeinträchtigt wird. So darf der Bürge ein festverzinsliches Darlehen von bestimmter Dauer nicht vorzeitig u. U. gegen Vorfälligkeitsentschädigung ablösen und dann im Wege des Regresses den Hauptschuldner zur sofortigen Zahlung in Anspruch nehmen können. Das tangiert den Hauptschuldner im Vertrauen auf dauernde Überlassung des Kapitals und aufgeschobene Fälligkeit und verursacht durch die Zinszahlung für nicht genutzte Zeit des Kapitals im Rahmen der Vorfälligkeitsentschädigung einen kausalen Schaden. In endgültiger Erfüllung der Schuld muss der Bürge leisten, d. h. die Zahlung muss sich bei nicht erfolgter Leistungsbestimmung nach § 366 BGB objektiv wenigstens als solche bestimmen lassen (BGH WM 1998, 443). Neben der Erfüllung oder einem ihrer Surrogate reicht auch ein sonstiges Erlöschen der Schuld, etwa durch Erlass des Gläubigers, aus, dass nicht wegen des fehlenden Schutzbedürfnisses des Bürgen verneint werden kann (a. A. OLG Frankfurt WM 1976, 1283). Bloße Sicherheitenstellung oder Hinterlegung ohne Verzicht auf Rückforderung sind nicht genügend (Palandt-Sprau, § 774 Rn. 7 m. w. N.). Rechtsfolge der Erfüllung ist der Übergang der Hauptschuld auf den Bürgen kraft Gesetzes. Gemäß den §§ 424, 401 BGB gehen abhängige Nebenrechte mit der Forderung über. Selbstständige Nebenrechte, wie Grund- und Rentenschulden, Eigentumsvorbehalt etc., sind vom Gläubiger regelmäßig analog §§ 774, 401 BGB mit zu übertragen (BGHZ 110, 41 = WM 1990, 260; WM 1999, 378). Dies gilt auch für die ohne weiteres zulässige Teilerfüllung der Forderung durch den Bürgen. Allerdings hat der Gläubiger bezüglich der nicht erfüllten Restforderung nebst anderweitigen Sicherungsrechten Vorrang gegenüber dem Bürgen
Knops
822
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
(BGHZ 110, 41 = WM 1990, 260; 92, 374 = ZIP 1986, 85; Palandt-Sprau, § 774 Rn.12; a. A. Reinicke/Tiedtke, DB 1990, 1953). 89
II. Aufwendungsersatzanspruch. Ein Rückgriff des Bürgen nach den §§ 774 I 1, 675, 670 BGB gegen den Hauptschuldner auf Erstattung der Aufwendungen setzt voraus, dass zwischen beiden ein Rechtsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Bürge sich gegenüber dem Gläubiger verpflichtet hat. In diesem Fall kann der Hauptschuldner dem Bürgen nur solche Einwendungen entgegenhalten, die aus dem Innenverhältnis, nicht solche, die das Rechtsverhältnis zum Gläubiger betreffen. Zudem kann der Bürge vom Gläubiger in Höhe der vertragswidrig angeforderten Bürgenzahlungen Zahlung an sich verlangen (BGHZ 139, 325 (328) = WM 1998, 2363).
90
J. Beweislast und Prozessuales I. Beweislast. Dem Gläubiger obliegt es darzulegen und zu beweisen, dass eine wirksame Bürgschaft des Bürgen vorliegt und diese sich mit Rücksicht auf § 767 I 1 BGB auf die beanspruchte Hauptschuld erstreckt (BGHZ 143, 95 f. = WM 2000, 64). Bei Unwirksamkeit der Sicherungszweckerklärung muss der Gläubiger beweisen, dass gerade die geltend gemachte Forderung gegenüber dem Hauptschuldner objektiv und für den Bürgen erkennbar Anlass der Verbürgung war. Zudem trifft den Gläubiger die Beweislast, dass die Hauptschuld vollwirksam und fällig ist (BGHZ 148, 283, 288 = WM 2001, 2078) und der Bürgschaftsfall eingetreten ist (Palandt-Sprau, § 765 Rn. 27). Dazu gehört auch der Nachweis der Formwirksamkeit der Bürgschaftserklärung (BGH NJW 2000, 1179 gegen OLG Köln ZIP 1998, 150).
91
Der Bürge muss die Erfüllung oder den sonstigen Untergang der Hauptschuld beweisen (BGH NJW 1996, 719), unabhängig davon, durch wen diese eingetreten ist. Er hat auch die Einwendungen oder Einreden gegen die Verbürgung oder die Hauptschuld dazutun und nachzuweisen (BGHZ 143, 95 (102) = WM 2000, 64; 1995, 1229). Zu einer Beweislastumkehr zu seinen Lasten soll es kommen, wenn der Hauptschuldner einen Saldo durch nicht erfolgten Widerspruch anerkannt hat (BGH, WM 2002, 281; vgl. zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit Casper, § 3 Rn. 31 f.). Das ist in den Fällen unbillig, in denen der Hauptschuldner etwa seine Geschäftstätigkeit aufgegeben oder die Betriebsstätte verlassen hat, auf Anschreiben nicht mehr reagiert und der Gläubiger davon Kenntnis hat. Zudem muss der Gläubiger später eingetretene Änderungen des Saldos – positiv wie negativ – beweisen (BGH ZIP 1991, 867 (868)). Das gilt auch für valutierte Darlehen (a. A. – ohne zureichenden Grund gläubigerfreundlich – BGH WM 2000, 186). Beruft sich der Bürge auf das abredewidrige Ausfüllen einer Blanketturkunde durch den Gläubiger, Hauptschuldner oder Dritte, muss er dies beweisen. Zuvor hat aber der Gläubiger den Strengbeweis zu führen, dass die Bürgschaftsurkunde nicht als formunwirksames Blankett begeben wurde (BGH WM 2000, 514).
92
II. Prozessuales. Nach Art. 27 I 1 EGBGB unterliegt der Bürgschaftsvertrag dem von den Parteien gewählten Recht, mangels Wahl gemäß Art. 28 EGBGB dem Recht des Staates, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Die Bürgschaft ist damit unabhängig von der Hauptschuld am Erfüllungsort als selbständiges Forderungsrecht geltend zu machen, mithin regelmäßig am Wohnsitz des Bürgen gemäß § 269 BGB (BGHZ 134, 127 = WM 1996, 2295 m. Anm. Pfeiffer, ZZP 1997, 353). Der ordre public steht der Anerkennung einer ausländischen Verurteilung nur entgegen, wenn der Bürge wehrloses Objekt von Fremdbestimmung war (BGHZ 140, 395 = WM 1999, 681 m. Anm. Roth, JZ 1999, 1119; Jauernig-Stadler, § 765 Rn. 1). Wegen der materiell-rechtlichen Abhängigkeit der Bürgschaft von der Hauptschuld erstreckt sich die Rechtskraft eines Urteils, das Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner endgültig zurückweist, auf den Bür-
Knops
§ 25 Bürgschaft
823
gen, auch wenn dieser an dem Prozess nicht beteiligt war (BGH NJW 1970, 279). Dies ist auch dann (ggf. von Amts wegen) zu berücksichtigen, wenn der Bürge im darauf anschließenden Prozess säumig bleibt oder sich rügelos zur Hauptforderung stellt. Umgekehrt wird im Erfolgsfalle des Gläubigers aber nicht die Leistungspflicht gegen den Bürgen festgeschrieben, da die Rechtskraft des Prozesses diesen nicht erfasst, die Akzessorietät nur zu Gunsten des Bürgen wirkt und ihm eigene Einreden und Einwendungen gegen die Bürgschaftsforderung zustehen können.
K. Besondere Bürgschaftsarten Schrifttum Bayer, Der Ausgleich zwischen Höchstbetragsbürgen, ZIP 1990, 1523; Blank, Bürgschaft im Bauträgerverein, ZfIR 2001, 785; Brandhofer, Haftung der Bank wegen vorschriftswidriger Formulierung der Bürgschaftsurkunde gem. § 7 MaBV?, NZBau 2001, 305; Bydlinski, Personaler numerus clausus bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern?, WM 1991, 257; Die Bürgschaften auf Erstes Anfordern: Darlegungs- und Beweislast bei Rückforderung durch den Bürgen, WM 1990, 140; Clemm, Die Stellung des Gewährleistungsbürgen, insbesondere bei der Bürgschaft „auf Erstes Anfordern“, BauR 1987, 123; Derleder, Im Überblick: Die Sicherung des Vermieters durch Barkaution, Bürgschaft, Verpfändung, Sicherungsabtretung und Schuldübernahme, NZM 2006, 601; Durst, Die Bankbürgschaft als Mietsicherheit und die Verjährung gesicherter Ansprüche, NZM 1999, 64; Eleftheriadis, Die Bürgschaft auf erstes Anfordern, 2001; Fischer, Die Bürgschaft auf erstes Anfordern als formularmäßige Mietsicherheit, in: Gedächtnisschrift Sonnenschein, 2003, 407; Reichweite der Bürgschaften nach der Makler- und Bauträger-Verordnung, ZNotP 2003, 122; Reichweite der Haftung nach der Makler- und Bauträger-Verordnung, WM 2003, 1; Freckmann, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Sicherungsumfang einer Bürgschaft nach § 7 MaBV, BKR 2003, 399; Gerth, Zum Erfordernis der Fälligkeit der Hauptschuld bei einer Zeitbürgschaft (§ 777 BGB), WM 1988, 317; Glöckner, Ausgleich zwischen mehreren Bürgen bei unterschiedlichen Höchstbetragsbeschränkungen, ZIP 1999, 823; Gruel, Personalsicherheiten unter Einwendungsausschluss, 2002; Hahn, Die Bürgschaft auf erstes Anfordern, MDR 1999, 839; Heinrichs, Die Entwicklung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Jahre 1995, NJW 1996, 1381; Heinsius, Bürgschaft auf Erstes Anfordern, in: FS Merz, 1992, 177; Horn, Bürgschaften und Garantien zur Zahlung auf Erstes Anfordern, NJW 1980, 2153; Kainz, Zur Unwirksamkeit von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften „auf Erstes Anfordern“ in der deutschen Bauwirtschaft und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, BauR 1995, 616; Kaufmann, Die Verpflichtung aus Bürgschaften nach § 7 der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV), BauR 2002, 997; Kreft, Garantie und Bürgschaft auf erstes Anfordern, in: Bankrecht 2000, S. 115; Kupisch, Bona fides und Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2002, 1626; Leo/ Schmitz, Die Bürgschaft – ein bedingt taugliches Sicherungsmittel in der Gewerberaummiete, NZM 2007, 387; Lukas, Bürgschaft auf erstes Anfordern, Diss. Köln 1998; Meyer-Wegenstein, Mitbürgschaft, 1926; Michalski, Bürgschaft auf Erstes Anfordern, ZBB 1994, 289; Oettmeier, Bürgschaften auf erstes Anfordern, 1996; Pape, Die Entwicklungen des Bürgschaftsrechts im Jahre 1995, NJW 1996, 887; Pecher, Zum Erlöschen einer Prozessbürgschaft wegen Wegfalls der Veranlassung zur Sicherheitsleistung, WM 1986, 1513; Raudszus, Rückwirkung der Zustellung beim Schlußzahlungsvorbehalt durch Klage oder Mahnbescheid?, NJW 1983, 667; Rigol, Schadensersatz bei ungerechtfertigter Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, ZIP 2000, 306; Schmidt, Die Effektivklausel in der Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 1999, 308; Schröter, Auswirkungen der geänderten Bürgschaftsrechtsprechung auf die Kreditpraxis, WM 2001, 16; Stricker, Die Zeitbürgschaft nach Paragraph 777 des BGB, 1937; Tiedtke, Die Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiet des Bürgschaftsrechts seit 2003, NJW 2005, 2498; Die Begrenzung der Haftung eines Höchstbetragsbürgen, ZIP 1998, 449; Der Verzicht des Zeitbürgen auf die Anzeige seiner Inanspruchnahme, DB 1990, 411; Die Regressansprüche des Nachbürgen, WM 1976, 174; Trapp, Ausfallbürgschaften im Kommunalkreditgeschäft, WM 1999, 301; Voss, Zeitlich oder gegenständlich begrenzte Bürgschaft, MDR 1990, 495; Weth, Bürgschaft und Garantie auf Erstes Anfordern, AcP 189 (1989), 393; Das wirksame Anfordern bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern, in: FS Schütze, 1999, 971; Wilms, Bürgschaft statt Barkaution, DWW 1998, 304.
Knops
824
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
93
I. Selbstschuldnerische Bürgschaft. Nahezu jede Bürgschaft wird heute als selbstschuldnerische Bürgschaft erteilt. Die in § 773 Nr. 1 BGB besonders genannte selbstschuldnerische Bürgschaft unterscheidet sich durch ihren zwingenden Ausschluss der Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB. Ihrer Vereinbarung durch AGB des Gläubigers steht nichts entgegen, soweit dem Bürgen als Verbraucher aus Transparenzgründen klar gemacht wird, was die Einrede der Vorausklage, deren Bezeichnung irreführend ist, sowie dessen Ausschluss für ihn bedeutet, so dass keine Rede davon sein kann (Jauernig-Stadler, § 773 Rn. 3), der Wortlaut der Verzichtserklärung sei unerheblich (Rn. 71 f.). Für Handelsgeschäfte ist die Abbedingung nach § 349 HGB die gesetzliche Regel. Nur die Subsidiarität der Bürgschaft (Rn. 20) entfällt, nicht deren Akzessorietät (Rn. 14 f.). Der Gläubiger kann sich somit aussuchen, ob er zunächst den Hauptschuldner oder erst den Bürgen in Anspruch nimmt. Bis auf diesen Unterschied kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
94
II. Höchstbetragsbürgschaft. Eine ebenfalls sehr häufige Bürgschaftsart ist die Höchstbetragsbürgschaft. Hier muss der Bürge grundsätzlich nur damit rechnen, maximal bis exakt zu dem Betrag in Anspruch genommen zu werden, der in der Bürgschaftsurkunde genannt ist. Gleichwohl wurden sog. Überschreitungs- oder Erhöhungsklauseln für zulässig erachtet, wonach sich die Haftung etwa auch auf angefallene Zinsen erstrecken soll (BGHZ 104, 240 (242) = ZIP 1988, 764; 77, 256 (258 f.) = ZIP 1980, 529; WM 1994, 1064 (1068)). Dafür sprach zwar einerseits § 767 I 2 BGB, wonach von der Bürgschaft auch Nebenforderungen umfasst sein können. Anderseits wird dem Bürgen mit der summenmäßigen Angabe von Teil- oder Höchstbeträgen suggeriert, genau in dieser Höhe liege sein Risiko. Literatur (Derleder, NJW 1986, 97 f.; Heinrichs, NJW 1996, 1381 (1386); Pape, NJW 1996, 887 (890) unter Hinweis auf OLG Celle, Urt. v. 15.11.1995, Az. 3 U 252/94 = WiB 1996, 358; Derleder/Beining, ZBB 2001, 1 (6)) und obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Nürnberg WM 1991, 985 (989); OLG Hamm WM 1995, 1872 (1874)); OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 301) hatten schon lange derartige Zinserstreckungs- und Betragserhöhungsklauseln als überraschend und unangemessen angesehen. Endlich hat sich der BGH dieser Auffassung angeschlossen und einen Verstoß gegen § 307 BGB (§ 9 AGBG a. F.) erkannt (BGH WM 2002, 1836). Zinsen, Provisionen, Kosten oder andere Nebenansprüche können somit nicht hinzugerechnet werden und die Haftung erhöhen (BGH WM 2002, 1836; OLG Schleswig, SchlHA 1997, 206). Ohnehin haftet der Bürge bei einem Kontokorrentkredit nur auf den zum Zeitpunkt seiner Erklärung für den Hauptschuldner bestehenden Saldo (BGHZ 137, 153 = WM 1998, 67), maximal bis zu einem eingeräumten Limit (BGHZ 130, 19 (35) = WM 1995, 1397; WM 1996, 766), völlig unabhängig davon, dass der in der Bürgschaftsurkunde genannte Höchstbetrag darüber liegt (eingehend Tiedtke, ZIP 1998, 449 f. gegen OLG Köln ZIP 1998, 465, das zwar der BGH-Rechtsprechung folgen will, aber praktisch gerade von ihr abweicht). Den Kreditinstituten wird aber nach wie vor zugestanden, die Anlassverbindlichkeit mit einem prozentualen Aufschlag zu belegen, der mit üblichen 20 % angegeben wird (Schröter, WM 2001, 16 (17)), aber zum Teil in der Praxis deutlich überschritten wird, um ein Zins- und Kostenrisiko abzudecken (BGH WM 2002, 1836; Nobbe, BKR 2002, 747 (752)). Dies ist ebenso unbestimmt und überzogen, wie überhöhte Grundschuldzinsen und einmalige Nebenleistungen bei der Sicherungsgrundschuld (Knops, ZfIR 1997, 577 (593 f.) und daher abzulehnen.
95
Auch Klauseln, die bei einer Höchstbetragsbürgschaft die Haftung auf andere als die Anlassverbindlichkeit erstrecken, sind überraschend und benachteiligen den Bürgen zudem unangemessen (BGHZ 143, 95 (96 f.) = WM 2000, 64; WM 2002, 919 (920); 1996, 766) – unabhängig davon, ob die anderen (künftigen) Verbindlichkeiten den Höchstbetrag er-
Knops
§ 25 Bürgschaft
825
reichen oder nicht (BGH WM 1998, 1675 (1676 f.)), weil die Gefahr des Wiederauflebens der Haftung trotz Tilgung der Anlassverbindlichkeit solange fortbestehen würde, bis der Bürge – der u. U. nichts von der Tilgung weiß – kündigt (BGH WM 1996, 1391 (1392 f.)). Selbst bei der Höchstbetragsbürgschaft muss der Schuldner nur damit rechnen, für diejenigen Schulden einstehen zu müssen, die in der Bürgschaftsurkunde auch genannt sind, da er anderenfalls das bestehende Ausfallrisiko nicht abschätzen kann (BGHZ 143, 95 (97 f.) = WM 2000, 64). Der Höchstbetragsbürge muss nur für diejenigen Forderungen des Gläubigers gegen den Hauptschuldner einstehen, die Anlass der Bürgschaftsübernahme waren. Er wird überrascht, wenn er plötzlich für andere zukünftige Forderungen haften soll, auch wenn sich diese im Rahmen des Höchstbetrages halten. Zudem können ihn die unterschiedlichen Bedingungen der anderen Verbindlichkeit anders oder stärker belasten (BGH NJW 1996, 1470 (1473)). Für alle bestehenden Forderungen haften zu müssen, benachteiligt den Höchstbetragsbürgen nach § 307 I BGB aus Transparenzgründen unangemessen, weil er nicht davor sicher ist, wegen einer Schuld in Anspruch genommen zu werden, die er nicht kennt (Nobbe, BKR 2002, 747 (753); weiter Tiedkte, NJW 2001, 1015 (1018)); erst recht wenn die Anlassforderung niedriger ist als der Höchstbetrag (BGHZ 143, 95 (100) = WM 2000, 64). Dies gilt auch für die Höchstbetragsbürgschaft, die sich ausdrücklich auf Geschäftskredite bezieht (BGH WM 1998, 1675 (1676 f.)). Ebenfalls wird der Minderheitsgesellschafter bezüglich einer Ausdehnung auf alle bestehenden Verbindlichkeiten geschützt (offen gelassen von BGHZ 143, 95 (101) = WM 2000, 64), da er den aktuellen Stand der Gesellschaftsverbindlichkeiten jeweils nicht erkennen kann (Dähn, ZBB 2000, 61 (67)) und selbst eine Einsichtnahme im Einzelfall nichts daran ändert, dass dies regelmäßig nicht der Fall ist und daher ohne Auflistung der Forderungen das Transparenzgebot nicht erfüllt ist (Nobbe, BKR 2002, 747 (755)). Haften mehrere Bürgen mit unterschiedlichen Höchstbeträgen für dieselbe Forderung, liegt nach h. M. in der Regel keine Teilbürgschaft vor (Jauernig-Stadler, vor § 765 Rn. 5; Glöckner, ZIP 1999, 823). Sieht ein als „Bürgschaft für Einzelforderungen“ überschriebenes Bürgschaftsformular eine „Mischbesicherung“ aus Kontokorrentverbindlichkeit und Einzeldarlehen vor, von denen bereits die Haftsumme des Einzeldarlehens den Höchstbetrag der Gesamtbürgschaft ausschöpft, so ist die Bürgschaft wegen fehlender Bestimmbarkeit der gesicherten Hauptforderung unwirksam (OLG Hamm ZIP 1999, 745). III. Zeitbürgschaft. Ebenfalls erhebliche Verbreitung hat die Zeitbürgschaft gefunden, insbesondere für Kontokorrentkredite und kurzfristige Engagements. 1. Arten. Es ist Auslegungsfrage, wie die Zeitbestimmung im Bürgschaftsvertrag zu verstehen ist. Bei der (echten) Zeitbürgschaft wird der Bürge frei, wenn er durch den Gläubiger nicht innerhalb der bestimmten Frist in Anspruch genommen wird. Dies ist der gesetzliche Regelfall (§ 777 I BGB) und zugleich Maßstab nach § 307 II Nr. 1 BGB. Eine echte Zeitbürgschaft liegt in aller Regel vor, wenn bereits bestehende Forderungen zeitlich begrenzt gesichert werden sollen (BGH WM 1974, 478) oder die Bürgschaft innerhalb einer bestimmten Frist nach deren Fälligkeit geltend zu machen ist (BGH WM 1997, 1242) – auch bei Bürgschaften für künftige Verbindlichkeiten (Palandt-Sprau, § 777 Rn. 1a). Auf den wechselnden Bestand der Forderung kommt es nicht an, so dass keine Auslegungsregel dahingehend existiert, dass bei künftigen (§ 765 II BGB) oder in der Entwicklung befindlichen Forderungen (Kontokorrent) zumeist lediglich eine gegenständliche Begrenzung der Bürgenhaftung (Rn. 97) gemeint sei (ähnlich Voss, MDR 1990, 495; a. A. BGH NJW 1988, 908 m. w. N.). Vielmehr liegt etwa bei Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaften eine echte Zeitbürgschaft vor, wenn – wie üblich – nach Bauabschnitten festgelegt wird, bis wann eine Bürgschaft gezogen werden darf (BGH WM
Knops
96
826
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
2003, 870, 872). Eine (zusätzliche) gegenständliche Beschränkung der Haftung ist der Bürgschaft immanent und tritt demgegenüber zurück (a. A. noch OLG Köln NJW-RR 1986, 510). § 777 I 1 BGB ist zudem eine Auslegungsregel zu Gunsten des Bürgen, wodurch der Gläubiger bei Verwendung von Formularverträgen beweisen muss, dass die Vereinbarung hinsichtlich der Zeit einen anderen Sinn hat (vgl. BGH NJW 1988, 908). 97
Eine (unechte) Zeitbürgschaft ist gegenständlich auf Forderungen beschränkt, die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne entstehen (BGH NJW 2004, 2232 (2234) = WM 2994, 720; Tiedtke, NJW 2005, 2498 (2501)). Sie ist keine Zeitbürgschaft i. S. d. § 777 BGB und wird etwa mit dem Zusatz vereinbart „Die Bürgschaft beschränkt sich auf die bis zum (Datumsangabe) entstandenen Forderungen“ (OLG Zweibrücken WM 1994, 788). Für diese haftet der Bürge zeitlich unbegrenzt, so dass sich die Zeitbestimmung lediglich auf das Entstehen des Umfangs der Bürgenverpflichtung bezieht. Beispiele können sein: Bürgschaften für Kontokorrentkredite (BGH NJW 1988, 908), Warenkredite des Lieferanten für laufende Lieferungen (OLG Köln WM 1996, 1677) oder Prozessbürgschaften (BGH NJW 1979, 417). Diese (in AGB) schlicht als Zeitbürgschaft zu bezeichnen, ist intransparent und suggeriert dem Bürgen, er hafte nur bestimmte Zeit, während er tatsächlich zeitlich unbegrenzt für bestehende Forderungen einstehen soll. Keine Zeitbürgschaft liegt vor, wenn eine unbefristete Kreditbürgschaft gekündigt wird (BGH NJW 1985, 3007) oder die Fälligkeit der Hauptschuld zu einem bestimmten Termin verabredet wird (OLG München WM 1984, 469). Auch die übergangsweise Übernahme bis zur Bestellung einer anderweitigen Sicherheit ist nicht Zeitbürgschaft, sondern auflösend bedingte Bürgschaft (BGH WM 1979, 833).
98
2. Zeitbestimmung. Die Verbürgung auf bestimmte Zeit (§ 777 I 1 BGB) muss nicht notwendigerweise nach dem Kalender bestimmt sein. Es kommen verschiedene Zeitpunkte in Betracht, ohne dass diese vom Gläubiger und / oder Bürgen exakt vorbestimmt oder beeinflussbar sein müssen. Es reicht aus, wenn Bestimmbarkeit vorliegt, z. B. für die Zeit der Zugehörigkeit zur haftenden Gesellschaft (Jauernig-Stadler, § 777 BGB Rn. 4), während des Bestehens der Ehe mit dem Hauptschuldner (OLG Braunschweig FamRZ 1978, 111), bis zur Werkabnahme bei Erfüllungsbürgschaft (BGHZ 139, 325 = WM 1998, 2368) etc. Im Übrigen gelten für die Fristbestimmungen die allgemeinen Regeln, mangels anderweitiger Vereinbarung § 193 BGB (BGHZ 99, 288 = NJW 1987, 1760).
99
3. Inanspruchnahme. Nach § 777 I 1 BGB wird der Bürge nach dem Ablauf der bestimmten Zeit frei, wenn der Gläubiger nicht die Einziehung der Forderung betreibt etc. Dies gilt nur, wenn dem Bürgen die Einrede der Vorausklage zusteht. Bei der selbstschuldnerischen Verbürgung (Rn. 93) wird der Bürge dann nach § 777 I 2 BGB nach Ablauf der bestimmten Zeit ohne weiteres frei, wenn nicht der Gläubiger ihm unverzüglich die Anzeige der Inanspruchnahme macht. In diesem Fall genügt eine unbezifferte Anzeige (OLG Karlsruhe MDR 1985, 585). Die Anzeige der Inanspruchnahme ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (BGHZ 99, 288 (291) = NJW 1987, 1760; RGZ 153, 123 (126)), aus der nach dem Sinn und Zweck des § 777 BGB der Wille des Gläubigers deutlich hervorgehen muss, dass der Bürge weiter haften solle, ohne sich auf die zeitliche Beschränkung seiner Haftung berufen zu können (OLG Köln VuR 2001, 117). Allerdings muss auch diese unverzüglich (§ 121 I 1 BGB) nach Zeitablauf geschehen, bei von § 777 I BGB abweichender Befristung der Inanspruchnahme innerhalb der vereinbarten Frist (BGHZ 91, 349 (351) = WM 1984, 988; zust. Gerth, WM 1988, 317). Die vorherige Anzeige ist unschädlich und steht der nachträglichen trotz des Wortlautes des § 777 I 1 BGB „nach Beendigung“ gleich (BGHZ 76, 81 (83 f.) = NJW 1980, 830). Ein formularmäßiger Verzicht auf die Anzeige ist unwirksam (BGH NJW 2004, 2232 (2234) = WM 2994, 720; OLG Köln WM 1986, 14; Tiedtke, NJW 2005, 2498 (2501 m.w.N.); DB 1990,
Knops
§ 25 Bürgschaft
827
411; a. A. OLG Hamm MDR 1989, 912, das fälschlich postuliert, der Bürge könne sich regelmäßig beim Hauptschuldner über Bestand und Umfang der Bürgenschuld informieren). Eine solche Ausschlussklausel ist überraschend gemäß § 305c I BGB (BGH NJW 2004, 2232 (2234)), verstößt gegen § 307 II Nr. 1 BGB, da sie eine zeitlich befristete in einer gegenständlich begrenzte, aber zeitlich unbefristete Bürgschaft verwandelt (Tiedtke, NJW 2005, 2498 (2501 f.); ders. EWiR 2004, 797 (798); a.A. Freitag, WuB I F 1a – 7.04) und benachteiligt den Bürgen aufgrund der zeitlich unbefristeten Haftung unangemessen i.S.d. § 307 I BGB, soweit es sich bei dem Bürgen um einen Verbraucher handelt (Freitag, WuB I F 1a – 7.04 (484)). Eine Klagerhebung gegen den Bürgen ist nicht notwendig, da die §§ 270 III, 683 II ZPO nicht gelten (Raudszus, NJW 1983, 667 (668)). Allerdings reicht ein am letzten Tag der Frist eingereichter Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides auch dann nicht zur Fristwahrung, wenn die Zustellung des Mahnbescheides demnächst erfolgt (BGH JZ 1982, 22). Jedenfalls muss bezüglich der Hauptforderung innerhalb der Bürgschaftszeit Fälligkeit eingetreten sein (BGH WM 1989, 1496 (1499); BGHZ 91, 349 (355) = WM 1984, 988; a. A. offenbar OLG Frankfurt/ M. WM 1988, 1304, wonach die Berufung des Bürgen auf mangelnde Fälligkeit unter Umständen treuwidrig sein soll, was sich aber mit dem Wesen der Bürgschaft als akzessorische Schuld kaum vereinbaren lässt, vgl. BGHZ 139, 214 = WM 1998, 1776 m. Anm. Wernecke, JZ 1999, 304). Andernfalls erlischt die Bürgschaft mit Zeitablauf. Eine Inanspruchnahme „auf Vorrat“ scheidet aus, wohingegen ein Zusammentreffen von Fälligkeit der Hauptschuld und Ende der Bürgschaftszeit ausreichend ist, aber auch spätestens vorliegen muss (BGH ZIP 1989, 627). Erfolgt die Inanspruchnahme nicht korrekt, wird der Bürge frei (Palandt-Sprau, § 777 Rn. 3). IV. Sonstige Bürgschaftsformen. 1. Ausfallbürgschaft. Bei der Ausfallbürgschaft, dem Gegenteil der selbstschuldnerischen Bürgschaft (BGH WM 1988, 976 (979)), haftet der Bürge vereinbarungsgemäß nur, wenn der Gläubiger trotz Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners und Verwertung ggf. anderer gestellter Sicherheiten mit seiner Forderung ausfällt (BGH ZIP 1989, 630 m. w. N.; OLG München WM 2007, 1786 m. Anm. Nobbe, WuB I F 1a – 1.08). Der Gläubiger hat nicht nur den objektiv eingetretenen Verlust nachzuweisen, sondern auch darzulegen und zu beweisen, dass der Ausfall trotz Einhaltung der bei der Verfolgung des verbürgten Anspruchs gebotenen Sorgfalt eingetreten ist oder auch eingetreten wäre, wenn er diese Sorgfalt angewandt hätte (BGH WM 1999, 173; OLG München a.a.O.). Bei Verschulden entfällt die Haftung des Bürgen (BGH NJW 1979, 646). Sowohl die besondere Sorgfaltspflicht als auch der Haftungsentfall bei deren Verletzung kann formularmäßig nicht abbedungen werden. Dies gilt auch für Klauseln, durch den der Ausfall durch Anzeige oder bei Ablauf einer bestimmten Frist als eingetreten gilt (BGH WM 1998, 976). Bei Befristung gelten nach Ansicht des BGH die Grundsätze des § 777 I 1 BGB, weil der Ausfall des Gläubigers zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehöre und der Bürge somit erst danach in Anspruch genommen werden müsse (BGH WM 2002, 1645). In dem vom BGH entschiedenen Fall ist dies mit den Grundsätzen zu Klarheit und Transparenz nicht zu vereinbaren, hieß es doch in den gestellten Bedingungen für den Bürgen eindeutig: „Die Bürgschaft erlischt mit Rückgabe dieser Erklärung, spätestens aber am (Datum), wenn wir nicht bis zu diesem Datum in Anspruch genommen werden.“, was nicht geschah. Vollkommen zu Recht hatte daher das OLG Köln (VuR 2001, 117 m. Anm. Kaiser, VuR 2001, 119) als Vorinstanz die Klage des Gläubigers abgewiesen; gleichwohl rechtfertigt der BGH sein Ergebnis gegen den Wortlaut der vom Gläubiger selbst gestellten Vertragsbedingung allein mit den Interessen desselben. Das ist nicht verständlich. Zu weiteren Einzelheiten der Ausfallbürgschaft Trapp, WM 1999, 301.
Knops
100
828
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
101
2. Mietbürgschaft. Die Mietbürgschaft ist gesetzlich nicht geregelt, aber als Mietsicherheit weit verbreitet. Gläubiger der Bürgschaft kann nur der Forderungsinhaber aus dem Mietschuldverhältnis sein (Derleder, NZM 2006, 601 (602)). Vom Umfang her soll die Mietbürgschaft auch Forderungen abdecken für die Zeit einer Mietvertragsverlängerung, wenn diese im Vertrag etwa in Form eines Optionsrechts angelegt war (OLG Düsseldorf ZMR 2005, 784; Palandt- Sprau, § 765 Rn. 23 m. w. N.) Das erscheint bedenklich, da der Bürge den Mietvertrag in aller Regel nicht zu sehen bekommt, aber bei Zeitverträgen darauf vertrauen darf, nicht für einen darüber hinausgehenden Zeitraum ggf. haften zu müssen. Vielmehr ist bei einer Verlängerung des Mietvertrages zwar dessen Identität gewahrt, so dass es keiner neuen Vereinbarung über den Schuldgrund bedürfte. Allerdings handelt es sich regelmäßig bei Bürgschaften für zeitlich begrenzte Mietverträge um eine unechte Zeitbürgschaft, so dass nur Forderungen gesichert werden, die bis zum Ablauf der ursprünglichen Mietdauer entstanden sind. Eine Forthaftung des Bürgen muss daher bei der Vertragsverlängerung des Hauptschuldverhältnisses erneut erteilt werden. Mit dem Übergang des Mietverhältnisses auf den Erwerber geht auch die Bürgschaftsforderung nach § 566a BGB (§ 572 BGB a. F.) auf diesen über, da die Bürgschaft zu den in dieser Bestimmung erwähnten Sicherheiten gehört (BGHZ 82, 323 = WM 1982, 148). Zu weiteren Einzelheiten der Mietbürgschaft Leo/Schmitz, NZM 2007, 387; Derleder, NZM 2006, 601 (604); Durst, NZM 1999, 64; Wilms, DWW 1998, 304.
102
3. Mitbürgschaft. Nach § 769 BGB haften mehrere Bürgen, die sich für dieselbe Hauptforderung verbürgen, als Gesamtschuldner. Dies gilt in Ergänzung zu § 427 BGB auch, wenn die Bürgschaftsübernahme nicht gemeinschaftlich geschieht. Ist eine Bürgschaft nichtig oder unwirksam, führt dies in der Regel über § 139 BGB nicht zur Gesamtnichtigkeit (RGZ 138, 272; OLG Köln OLGR 1999, 161; Jauernig-Stadler, § 769 Rn. 2). Eine wechselseitige Abhängigkeit ist die Ausnahme. Ist die Haftung nicht gleichstufig verteilt, entsteht keine Gesamtschuld, sondern eine Haftung nach Bruchteilen oder Beträgen. Für Gesamtschuldner ergeben sich gegenüber dem Gläubiger keine Besonderheiten zu den §§ 421 f. BGB; im Innenverhältnis aber solche nach den §§ 426, 774 II BGB, insbesondere für den Ausgleich untereinander nach Leistung an den Gläubiger (nähere Einzelheiten bei Palandt-Sprau, § 774 Rn. 14). Zu weiteren Einzelheiten Meyer-Wegenstein, S. 1 ff.
103
4. Nachbürgschaft. Der Nachbürge haftet dem Gläubiger bei Ausfall des Vor- oder Hauptbürgen akzessorisch zur Vorbürgschaft und mittelbar akzessorisch zur Hauptschuld (Nobbe, WuB I F 1a – 1.08 (21)). Bei Erfüllung der Hauptforderung steht ihm sowohl gegen den Hauptschuldner ein Regress zu, ebenso gegen den Vorbürgen (BGHZ 73, 94 (96 f. = JZ 1979, 141)), u. U. auch ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB (OLG Köln WM 1995, 1226; Jauernig-Stadler, vor § 765 Rn.7). Gegenüber dem Gläubiger kann der Nachbürge Einreden des Vorbürgen und des Hauptschuldners erheben (Nobbe, a.a.O.). Ausführlich zu der Einwendungsproblematik Tiedtke, WM 1976, 174 f.
104
5. Prozessbürgschaft. Der Inhalt der Prozessbürgschaft kann allgemein nicht bestimmt werden, sondern ist abhängig vom Zweck der Bestellung (BGHZ 69, 270 (272) = NJW 1978, 43; NJW 1975, 1119; OLG Köln NJW-RR 1989, 1396; Palandt-Sprau, vor § 765 Rn. 12). Meist tritt sie in Form der Sicherheitsleistung nach § 239 BGB in Erscheinung (Bamberger/Roth-Rohe, § 768 Rn. 23). Übernimmt der Bürge zunächst für die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung eine Prozessbürgschaft und wird die Bürgschaftssumme später wegen der Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme erhöht, so kann darin eine stillschweigende und nach § 350 HGB formfreie Änderung des Sicherungszwecks liegen (BGH WM 2004, 876 = NJW-RR 2004, 1128 (1129)). Die Abtretung der materiellen Forderung vor Abschluss des Bürgschaftsvertrags stellt keinen Widerspruch zum
Knops
§ 25 Bürgschaft
829
Akzessorietätsgrundsatz (hier: Gläubigeridentität) dar, wenn die Bestellung der Prozessbürgschaft zu Gunsten des Titelgläubigers erfolgt (BGHZ 163, 59 = WM 2005, 1171 = BB 2005, 1355 (1356) = JZ 2005, 954 (955 f.) m. Anm. Brehm (956 f.) und Anm. Fellner, MDR 2005, 1123; a.A. vorhergehend OLG München JZ 2005, 361 m. Anm. Braun (363 f.)). Der Prozessbürge haftet typischerweise nicht für den materiellen Anspruch, sondern für die Kosten und Gebühren eines Rechtsstreits, ohne dessen Ausgang bzw. dessen Rechtsmittelverfahrens zu kennen (Tiedtke, NJW 2005, 2498 (2503)). Die Übernahme wird daher zumeist nur nach Bonität des Hauptschuldners in Ansehung auch der Hauptforderung erklärt. Eine Prozessbürgschaft, die der Kläger als Sicherheit für die Vollstreckung aus einem erstinstanzlichen Urteil beigebracht hat, deckt die Verpflichtung, die zur Abwendung der Vollstreckung geleistete Zahlung zurückzugewähren, auch dann, wenn Ansprüche aus § 717 II ZPO verjährt sind, die Klage jedoch rechtskräftig abgewiesen ist (BGH WM 2007, 27 m. zust. Anm. Hirtz, EWiR 2007, 127 f.) Zum Erlöschen einer Prozessbürgschaft wegen Wegfalls der Veranlassung zur Sicherheitsleistung Pecher, WM 1986, 1513. Zu weiteren Einzelheiten der Prozessbürgschaft MünchKommBGB-Habersack, § 765 Rn. 118 ff. 6. Rückbürgschaft. Die Rückbürgschaft sichert den Hauptbürgen vor dem Ausfall der Regressforderung gegen den Hauptschuldner oder den Nachbürgen gegen den Verlust beim Rückgriff auf den Vorbürgen. Im Sicherungsfall geht die übergegangene Forderung gegen den Hauptschuldner nach § 774 I 1 BGB über, ohne dass es einer Abtretung bedarf (Staudinger-Horn, vor §§ 765 ff. Rn. 61; Bamberger/Roth-Rohe, § 768 Rn. 25; JauernigStadler, vor § 765 Rn. 8; a. A. RGZ 146, 67 (70); Palandt-Sprau, vor § 765 Rn. 10).
Knops
105
“This page left intentionally blank.”
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
831
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
Schrifttum Abschnitt A: Bydlinski, Moderne Kreditsicherheiten und zwingendes Recht, AcP 190 (1990), 165; Canaris, Die Bedeutung des „materiellen Garantiefalles für den Rückforderungsanspruch bei der Garantie „auf erstes Anfordern“, ZIP 1998, 493; Eleftheriadis, Die Bürgschaft auf erstes Anfordern, 2001; Fischer, Schutz vor missbräuchlicher Nutzung der Bürgschaft auf erstes Anfordern?, WM 2005, 529; Rückforderung der Leistung aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, in: FS Thode, 2005, S. 543; Hadding, Zum Rückforderungsanspruch bei einer „Bürgschaft auf erstes Anfordern“, in: FS Welser, 2004, S. 253; Horn, Bürgschaften und Garantien, 8. Aufl. 2001; Kreft, Garantie und Bürgschaft auf erstes Anfordern, in: Bankrecht 2000, S. 115; Kupisch, Bona fides und Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2002, 1626; Lang, Rückforderung des auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern Geleisteten im Urkundenprozess, WM 1999, 2329; Leo/Schmitz, Die Bürgschaft – ein bedingt taugliches Sicherungsmittel in der Gewerberaummiete, NZM 2007, 387; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, 2. Aufl. 2000; Schlenzig, Die Bürgschaft auf erstes Anfordern, 2003; Schnauder, Zahlungsversprechen auf erstes Anfordern im System des Schuldrechts, JZ 2000, 2073; v. Westphalen, Unwirksamkeit der Bürgschaft auf erstes Anfordern – Wirksamkeit der Bankgarantie?, ZIP 2004, 1433; Wilhelm, Die Kondiktion der Zahlung des Bürgen oder Garanten „auf erstes Anfordern“ im Vergleich zur Zession, NJW 1999, 3519. Abschnitt B: Basty, Der Bauträgervertrag, 5. Aufl. 2005; Beining, Zum Umfang der Bürgschaft nach § 7 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV), VuR 2003, 450; Blank, Das Ende der Vorauszahlungsbürgschaft nach § 7 MaBV?, BTR 2005, 54; Bräuer, Der Verjährungsbeginn bei der Gewährleistungsbürgschaft, NZBau 2007, 477; Eisenried, Zum Begriff der vollständigen Fertigstellung bei Bauträgerverträgen, BauR 2008, 754; Freckmann, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Sicherungsumfang einer Bürgschaft nach § 7 MaBV, BKR 2003, 399; Gay, Der Beginn der Verjährungsfrist bei Bürgschaftsforderungen, NJW 2005, 2585; Grziwotz, Rechtsprechungsübersicht zur Makler- und Bauträgerverordnung, ZfIR 2008, 243; Hildebrandt, Folgen einer unwirksamen Sicherungsabrede im Bauvertrag, ZfIR 2002, 872; Der vom Schutzzweck des § 648a BGB erfasste und berechtigte Unternehmerkreis, BauR 2006, 2; Das Verbot der Fremddisposition und die Erweiterung der Bürgenhaftung durch Anordnungen des Auftraggebers nach § 1 Nr. 3 und 4 VOB/B, BauR 2007, 1121; Hofmann, Allgemeine Geschäftsbedingungen zu § 648a und Abwicklungsfragen in der Insolvenz, BauR 2006, 766; Ingenstau/Korbion (Hrsg. Locher/ Vygen), 16. Aufl., 2007; Kapellmann/Messerschmidt, VOB Teile A und B, 2. Aufl., 2007; Kaufmann, Die Verpflichtung aus Bürgschaften nach § 7 der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) – Rechtsfragen zu Begründung, Umfang und Erlöschen unter Berücksichtigung der Schuldrechtsreform, BauR 2002, 997; Kniffka, Offene Fragen zu § 648a BGB, BauR 2007, 246; Kuffer, Sicherungsvereinbarungen im Bauvertrag, BauR 2003, 155; Leinemann, Sicherheitsleistung im Bauvertrag: Abschied vom Austauschrecht nach § 17 Nr. 3 VOB/B, NJW 1999, 262; Kunze, Der Umfang der Bürgschaft nach § 7 MaBV, ZfIR 2003, 540; Lindner-Figura, Bürgschaftsrisiken im immobilientypischen Finanzierungsdreieck, NJW 2002, 3134; Martinek, Anmerkung zu BGH Urteil v. 18.6.2002 - XI ZR 359/01, JZ 2003, 260; Maser, Leistungsänderungen und Zusatzleistungen bei der Vertragserfüllungsbürgschaft, in: FS Jagenburg, 2002, S. 557; Masloff/Langer, Richtungswechsel bei der Vertragserfüllungsbürgschaft in der Insolvenz des Bauunternehmers, ZfIR 2003, 269; May, Die Gewährleistungsbürgschaft (Mängelrechtebürgschaft) im Bauvertrag – das von den Bauvertragsparteien Vereinbarte ist nicht stets das vom Bürgen Geschuldete, BauR 2007, 187; Maxem, Herausgabe und Verwertung von Bürgschaften nach Verjährung der Hauptschuld, NZBau 2007, 72; Nobbe, Zur Reichweite von Vorauszahlungsbürgschaften nach § 7 Abs. 1 MaBV, in: FS Horn, 2006, S. 801; Oberhauser, Inwieweit kann § 648a BGB durch vertragliche Regelungen modifiziert werden?, BauR 2004, 1864; Otto, Zur Ablösung des Bareinbehaltes durch Gewährleistungsbürgschaft beim VOB-Vertrag, BauR 1999, 322; Pauly, Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage des Sicherungsumfanges der MaBV-Bürgschaft, BauR 2004, 19; Quack, Der Eintritt des Sicherungsfalles bei den Bausicherheiten nach § 17 VOB/B und ähnlichen Gestaltungen, BauR 1997, 754; Riemenschneider, Ausgewählte Probleme zur Bürgschaft nach MaBV, ZfIR 2002, 949; Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, IBR Reihe (www.ibr-online.de), Stand 24.07.2007; Abwicklungsprobleme mit § 648aBürgschaften, BauR 2006, 430; Schmitz/Vogel, Die Sicherung von bauvertraglichen Ansprüchen durch Bürgschaft nach der Schuldrechtsreform, ZfIR 2002, 509; Schulze-Hagen, Übermäßige AGB-Klauseln: Kassation oder Reduktion, BauR 2003, 785; Die Vertragserfüllungsbürgschaft – 10 Thesen zu aktuellen
Lindner
832
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Themen, BauR 2007, 171; Schwenker, Auswirkungen von Änderungsanordnungen auf Fristen, Vertragsstrafen und Sicherheiten, BauR 2008, 175; Thierau, Sicherheiten beim Bauvertrag – Aktuelle Fragen, Jahrbuch Baurecht 2000, S. 66; Thode, Erfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten in innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Bauverträgen, ZfIR 2000, 165; Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Sicherungsabrede in Bauverträgen, ZfBR 2002, 4; Anmerkung zu BGH Urt. v. 05.04.2005 – XI ZR 294/03, ZfIR 2005, 546; Tiedtke, Bürgschaften im Bauvertragsrecht, DB 2006, 2162; Aus dem Hauptschuldverhältnis abgeleitete und eigene Einreden des Bürgen, JZ 2006, 940; Trapp/Werner, Herausgabe von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaftsurkunden, BauR 2008, 1209; Vogel, Absicherung der gewerblichen Unternehmerhaftung gemäß § 1a AEntG, BauR 2002, 1013; Anmerkung zu BGH Urt. v. 22.10.2002 - XI ZR 393/01; ZfIR 2003, 60; Bürgschaften in der Insolvenz, BauR 2005, 218; Anmerkung zu BGH Urt. v. 11.01.2007 – VII ZR 229/05, NJW 2007, 1361; Voit, Einzahlung statt Auszahlung des Sicherheitseinbehalts nach Stellen einer Bürgschaft, ZfIR 2006, 407; Weise, Sicherheiten im Baurecht, 1999.
Inhaltsübersicht II. Bürgschaften für Vergütungsforderungen des Bauunternehmers . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgschaften und § 648a BGB . . . . . . III. Vertragserfüllungsbürgschaft zugunsten des Bestellers . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an vorformulierte Sicherungsabreden. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewährleistungsbürgschaft . . . . . . . . . . . . 1. Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sicherungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anforderungen an vorformulierte Sicherungsabreden. . . . . . . . . . . . . . . . 4. Austauschrecht des Auftragnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verjährungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vorauszahlungs- und Abschlagszahlungsbürgschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgschaften nach § 7 MaBV . . . . . . .
A. Bürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . . . . . 1 I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3. Abgrenzung zu anderen Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Wirksamkeitsvoraussetzungen der Bürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . 8 1. Person des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . 9 III. Die Rechtsbeziehungen zwischen Bürgen und Begünstigtem . . . . . . . . . . . . . 11 1. Zahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Einreden und Einwendungen des Bürgen im Erstprozess . . . . . . . . . . . . . 12 3. Rückforderungsanspruch des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 IV. Die Rechtsbeziehungen zwischen Bürgen und Auftraggeber/Hauptschuldner . . . . . . . . . . 22 V. Die Rechtsbeziehungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger . . . . . . . . . 27 B. Bürgschaften im Bauwesen. . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
33 33 35 41 41 44 48 56 56 61 63 70 74 79 79 81
Stichwortverzeichnis Abänderungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 39 Ablösung eines Sicherungseinbehalts. . . . . . . . . 63 ff. Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 50, 55, 57, 62, 86 Abschlagszahlungsbürgschaft. . . . . . . 30, 79 f., 81 ff. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 59 „Abtretungsfalle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 AGB . . . . . . . . . . . . .5, 8, 16, 34, 42, 44 ff., 63 ff., 76 Akzessorietät. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 15 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 47, 70 Aufwendungsersatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 22, 25 Ausgleich zwischen Mitbürgen. . . . . . . . . . . . . . . . 60 Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 32, 39, 50, 84 Austauschrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 f., 70 ff. Avalgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 32 Avalprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Bardepot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bauvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Befreiungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Benachrichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Bereicherungsanspruch – des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 ff. – des Hauptschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27 f. Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Beweislast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 28 Bürgschaft auf erstes Anfordern. . . . . . . 2, 44, 65, 79 Bürgschaftserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Bürgschaftssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 f., 66, 83 Cessio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 23 Einrede der Aufrechenbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Einrede der Anfechtbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Einstweiliger Rechtsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . 26, 29 Einwand des Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . 14 ff., 34 Einwendung der Sicherheitenaufgabe . . . . . . . 60, 67 Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 13 Erfüllungsbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 ff. Ergänzende Vertragsauslegung. . . . . . . . . . . . . 44, 68
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
Fertigstellung (vollständige) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Formenstrenge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Fremddisposition (Verbot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Garantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 5 Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Gestaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 53 Gewährleistungsanspruch . . . . . . 50, 57, 60, 74 ff., 86 Gewährleistungsbürgschaft. . . . . . . . . . . 30, 56 ff., 86 Handelsbrauch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Insolvenz des Bürgschaftsgläubigers . . . . . . . . 17, 71 Interessenwahrungspflicht des Bürgen . . . . . . . . . . 24 Leistungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Leistungsverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 36, 40 Liquide Beweisbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Mängelbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57, 61, 86 MaBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 MaBV-Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 ff. Mangelfolgeschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50, 57 Mitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Nachverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 20 Nebenforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Offensichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 34 Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Rückforderungsanspruch – des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 18 ff. – des Hauptschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 f. Rückforderungsprozess. . . . . . . . . . . . 2, 14, 19 f., 65 Rückgriffsanspruch des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . 27 Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Schadensersatz statt der Leistung . . . . . 40, 43, 51, 54 Schuldanerkenntnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Schuldbeitritt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
833
Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Schuldversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Selbstschuldnerische Bürgschaft . . . . . . . . 64, 68, 82 Sicherheitenaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 ff. Sicherung der Baugeldforderung . . . . . . . . . . . . . . 81 Sicherungsabrede . . . . . . .16, 25, 27, 31, 44 f., 47, 88 Sicherungseinbehalt . . . . . . . . . . 43, 63 ff., 69, 70, 72 Sicherungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 54 f., 61 f. Sicherungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 82 ff. Sicherungsverlangen des Auftragnehmers . . . . . 35 ff. Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31, 48, 79 f. Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Überzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51, 80 Untergang des Hauptschuldners . . . . . . . . . . . . . . . 77 Urkundenprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 20 Verbot widersprüchlichen Verhaltens . . . . . . . . . . . 88 Vergütung des Auftragnehmers . . . . . . . . . . 30, 35 ff. Verjährung der Bürgschaftsforderung . . . . . . . . . . 78 Verjährung der Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . 74 ff. Vertragsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Vertragserfüllungsbürgschaft . . . . . . 30, 41 ff., 58, 60 Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49, 87 Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55, 68, 73 Verzug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Verzugsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49, 87 Vorauszahlungsbürgschaft . . . . . . . . . . . 30, 54, 79 ff. Werklohn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 35 ff. Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . . 89 Zahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zahlungsanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . 47, 69, 73, 86 Zusatzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
A. Bürgschaft auf erstes Anfordern
1
I. Allgemeines. 1. Bedeutung. Diese Bürgschaftsform, die wegen der weitgehenden Ablösung der Zahlungsverpflichtung des Bürgen von der gesicherten Hauptforderung einer Garantie ähnelt, wurde – wie diese – zunächst von Banken im Auslandsgeschäft gestellt. Zunehmend wird sie heute auch im Interbankenverkehr, der Konzernfinanzierung und bei der Absicherung von Bauvorhaben verwendet und tritt dort an die Stelle des Bardepots oder von Sicherungseinbehalten (dazu unten Rn. 64, 70 ff.) (Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 309; zur problematischen Einsetzbarkeit als Kautionsersatz bei der Gewerberaummiete Leo/Schmitz, NZM 2007, 387 (388)). 2. Rechtsnatur. Die regelmäßig, aber nicht notwendig mit der Klausel „zahlbar auf erstes Anfordern“ verbundene Bürgschaftserklärung verpflichtet den Bürgen, umgehend zu zahlen, ohne dass er sich dem Gläubiger gegenüber auf Einwendungen und Einreden aus der gesicherten Hauptschuld berufen dürfte. Anders als bei einer Garantie auf erstes Anfordern soll jedoch der Akzessorietätsgrundsatz insoweit in Kraft bleiben, als die Zahlungspflicht des Bürgen nur vorläufig ist und bestehende Einreden und Einwendungen in einem Rückforderungsprozess geprüft werden („erst zahlen, dann prozessieren“, BGH WM 1994, 106 (108) m.w.N.; Hadding, FS Welser, 253 (257)).
2
Die Bürgschaft auf erstes Anfordern wurde geschaffen, um dem Gläubiger sofort liquide Mittel zu verschaffen. Dadurch wird der Bürge dem Risiko ausgesetzt, unabhängig vom Bestand der gesicherten Hauptforderung zahlen zu müssen. Bis zum Abschluss des Rück-
3
Lindner
834
4
5
6
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
forderungsprozesses trägt er zusätzlich zum Insolvenzrisiko des Hauptschuldners das Insolvenzrisiko des Gläubigers und zumindest vorläufig auch die Kostenlast des Rückforderungsprozesses. Darüber hinaus kann der Gläubiger seine Bürgschaftsforderung regelmäßig im Urkundenprozess durchsetzen, während der Rückforderungsanspruch nicht schon im Nachverfahren (§ 600 ZPO), sondern erst nach Zahlung in einem gesonderten Rechtsstreit geltend gemacht werden darf (BGH NJW 1994, 380 = WM 1994, 106; BGHZ 148, 283 = BGH WM 2001, 2078; a.A. Horn, Bürgschaften, Rn. 502; dazu noch unten Rn. 18 ff.). Entsprechende Gefahren treffen aber auch den Hauptschuldner. Hat er – wie in der Regel – einer Bank den Auftrag gegeben, die Bürgschaft zu stellen und erbringt diese auf Anfordern die Bürgschaftsleistung, ist er ihr gegenüber zum Aufwendungsersatz verpflichtet, auch wenn die gesicherte Forderung im Verhältnis zum Gläubiger nicht besteht (Fischer, WM 2005, 529; BGHZ 143, 381 (386 f.)). Er trägt daher letztlich das Insolvenzrisiko des Gläubigers und die Kosten und Risiken des Rückforderungsprozesses, sofern nur die bürgende Stelle entsprechend den streng formalisierten Voraussetzungen geleistet hat. Da sich die Prüfungspflichten der bürgenden Bank grundsätzlich auf diese Voraussetzungen beschränken, ist es vorgekommen, dass sie auch ohne ausdrücklichen Auftrag des Hauptschuldners und auch wenn dieser nur eine einfache Bürgschaft zu stellen hätte, darauf drängen, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern auszureichen (vgl. etwa BGHZ 143, 381; Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 4 VOB/B Rn. 52). 3. Abgrenzung zu anderen Gestaltungen. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist eng mit der Garantie auf erstes Anfordern verwandt. Auch wenn die Rechtsprechung an der Einordnung als atypische Bürgschaft mit nur gelockerter, nicht vollständig aufgehobener Akzessorietät festhält (grdl. BGHZ 74, 244 (246 f.); 153, 311 (317); zust. StaudingerHorn (1997), Vorbem zu §§ 765 ff. Rn. 24, 26; MK-Habersack, § 765 Rn. 99; § 767 Rn. 2; Reinicke/Tiedtke, Bürgschaftsrecht, Rn. 312), sehen nicht wenige Autoren eine größere Nähe zur Garantie, bei der zwar die Zahlungsverpflichtung auf Anfordern nicht akzessorisch, die Haftung allerdings über den Rückforderungsanspruch letztlich der eines Bürgen angenähert sein soll (P. Bydlinski, AcP 190 (1990), 165 (170 f.); Canaris, ZIP 1998, 493 (499); Eleftheriadis, 43, 148; Hadding, FS Welser, 253 (263 f., 266 f.); Schnauder, JZ 2000, 2073 (2078 ff.). Die Unterscheidung orientiert sich dementsprechend in erster Linie am Wortlaut der Erklärung. Ist von einer „Bürgschaft“ oder „bürgen“ die Rede, ist im Zweifel eine Bürgschaft mit akzessorischer Haftung gewollt und bleibt das gesetzliche Bürgschaftsrecht der Referenzrahmen für die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB und die Bestimmung der gesetzlichen Rechtsfolgen (BGH ZIP 1996, 172 (173); WM 1975, 348 (349); Staudinger-Horn (1997), Vorbem zu §§ 765 ff. Rn. 26, 217; v. Westphalen, ZIP 2004, 1433 (1434)). Unabhängig von der Verwendung dieser Begriffe ist aber trotz der auf eine Garantie hinweisenden Verpflichtung „auf erstes Anfordern“ immer auch dann von einer akzessorischen Bürgschaft auszugehen, wenn nach den Vorstellungen der Parteien die Abhängigkeit der Bürgenverpflichtung von der gesicherten Hauptforderung zumindest in der Weise gewahrt bleiben soll, dass Einwendungen und Einreden gegen die Hauptforderung weiterhin in einem Rückforderungsprozess geltend gemacht werden können (BGHZ 74, 244 (247 f.)). Indem die Bürgschaft auf erstes Anfordern immer auf bestimmte gesicherte Verpflichtungen bezogen ist, die bei Zahlung des Bürgen auf ihn übergehen (§ 774 BGB; BGH ZIP 1996, 172 (173); WM 1999, 895 (897), unterscheidet sie sich von Schuldversprechen und abstrakten Schuldanerkenntnissen, die diese Beziehung nicht aufweisen bzw. nur über eine davon getrennte Sicherungsvereinbarung gewinnen (Eleftheriadis, 37 ff.; Schlenzig, 8).
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
835
Schließlich begründet auch die Bürgschaft auf erstes Anfordern eine neue, eigenständige Verpflichtung des Bürgen, die er im fremden und nicht im eigenen Interesse übernimmt, weshalb sie ebenfalls von einem Schuldbeitritt oder einer Schuldmitübernahme abzugrenzen ist (Eleftheriadis, 39 f.; s. auch § 25 Rn. 13; § 31 Rn. 1 ff.).
7
II. Wirksamkeitsvoraussetzungen der Bürgschaft auf erstes Anfordern. 1. Person des Bürgen. Die Rechtsprechung hatte es ursprünglich nur Banken, Sparkassen und Versicherungen vorbehalten, sich wirksam zu einer wegen des grundsätzlichen Einwendungsausschlusses hochriskanten Zahlung auf erstes Anfordern zu verpflichten (BGH WM 1990, 1410, allerdings schon für eine formularmäßige Bürgschaftserklärung). Mit BGH WM 1998, 1062 hat sie jedoch diesen generellen Schutz fallen lassen und ihn ausdrücklich auf formularmäßige Vereinbarungen beschränkt. Wirksam können sich auf diese Weise weiterhin nur Kreditinstitute oder sonstige Unternehmen verpflichten, die gewerbsmäßig Bürgschaften gewähren. Andere Personen, auch Verbraucher, können sich seither jedenfalls individualvertraglich wirksam zu einer Bürgschaft auf erstes Anfordern verpflichten. Dabei dürfte der Begünstigte allerdings auch dann als Verwender der regelmäßig formularmäßigen Klausel „auf erstes Anfordern“ anzusehen sein, wenn der Bürge eine von ihm selbst gestaltete Erklärung abgibt, er sich dabei aber an der vom Begünstigten gestellten Sicherungsabrede orientiert (v. Westphalen, ZIP 2004, 1433 (1440 f.)). Der Schutz dieser Personen soll einerseits durch eine Auslegung der Vereinbarung nach dem erkennbaren Verständnis des mit der banküblichen Terminologie nicht vertrauten Bürgen (so schon BGH WM 1992, 854), andererseits durch besondere Hinweis- und Aufklärungspflichten des geschäftserfahrenen Teils gewährleistet werden. Ohne Aufklärung über die Bedeutung, Rechtsfolgen und Risiken einer Verpflichtung „auf erstes Anfordern“ haftet der damit nicht hinreichend vertraute Bürge nur aus einer gewöhnlichen Bürgschaft (BGH WM 1998, 1062; 1992, 854).
8
2. Weitere Voraussetzungen. a) Folgt man der Rechtsprechung, die die Bürgschaft auf erstes Anfordern als eine den Gläubiger besonders privilegierende Form der Bürgschaft einordnet (BGH WM 1999, 895 (899); BGHZ 152, 246 (251)), ist – sofern Nichtkaufleute bürgen sollen – auch die Schriftform des § 766 BGB einzuhalten (dies bedarf einer besonderen Begründung, wenn man von einer Garantie ausgeht, vgl. Eleftheriadis, S. 101 ff.). Der schriftlichen Urkunde müssen daher nicht nur die Verpflichtung auf erstes Anfordern, sondern auch die weiteren Essentialia und etwaige Nebenabreden zumindest andeutungsweise zu entnehmen sein (BGH NJW 1989, 1484; s. auch § 25 Rn. 6, 9). Insbesondere muss die gesicherte Hauptforderung hinreichend bestimmt bezeichnet sein. Ist sie es nicht, ist die Bürgschaft insgesamt unwirksam und kann auch nicht als einfache Bürgschaft aufrecht erhalten werden. Anders ist es nur, wenn der übereinstimmend gewollte Sicherungsumfang im Urkundentext hinreichend zum Ausdruck kommt, aber nicht zweifelsfrei allein anhand dieser Urkunde und anderer im Urkundenprozess verwertbarer Tatsachen ermittelt werden kann. Dann kann der Gläubiger wegen der für die Bürgschaft auf erstes Anfordern gebotenen Formstrenge den ihm obliegenden Beweis nicht führen, dass auch die von ihm behauptete Hauptforderung gesichert ist. Er scheitert daher insoweit im Erstprozess, kann aber unter Abstandnahme vom Urkundenprozess noch versuchen, eine einfache Bürgschaftsforderung geltend zu machen (BGH WM 1999, 895; 2003, 969; s.a. schon BGH WM 1996, 193). Allerdings kann sich auch hier das Problem stellen, ob eine unzulässige und deshalb unwirksame globale Sicherungszweckbestimmung mittels ergänzender Vertragsauslegung formwirksam auf die Anlassverbindlichkeit beschränkt werden kann (BGHZ 137, 153 (157); 143, 95 (102); dazu mit Recht kritisch Knops § 25 Rn. 31 f.).
9
Lindner
836
10
11
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
b) Der der Bankgarantie auf erstes Anfordern entlehnte Grundsatz der Formenstrenge (etwa BGH WM 1996, 393) führt schließlich dazu, dass der Anspruch des Gläubigers von bestimmten, ebenfalls in der Urkunde schriftlich niedergelegten weiteren Voraussetzungen, insbesondere etwa der Beibringung bestimmter Erklärungen Dritter (z.B. einer Bautenstandsbescheinigung, eines Sachverständigengutachtens oder einer Abtretungsbestätigung) abhängig gemacht werden kann (BGH WM 2001, 1208; 1996, 833 (834)). Weist der Gläubiger diese Voraussetzungen nicht nach, ist der Bürge weder verpflichtet, noch gegenüber seinem Auftraggeber berechtigt, die geforderte Leistung zu erbringen (BGH WM 2001, 1208). Gleichwohl soll die Verjährung des Bürgschaftsanspruchs schon mit Fälligkeit der gesicherten Forderung beginnen, weil die zusätzlichen Voraussetzungen nur den Bürgen schützen sollen (BGH Urt. v. 06.07.2008 – XI ZR 230/07 Tz 22 f.). III. Die Rechtsbeziehungen zwischen Bürgen und Begünstigtem. 1. Zahlungspflicht. Die Zahlungspflicht des Bürgen auf erstes Anfordern wird – sofern keine weiteren Voraussetzungen vereinbart worden sind (s.o. Rn. 10) – allein durch die Erklärung des Gläubigers ausgelöst, der Hauptschuldner habe die angeforderte Leistung nicht erbracht (Kreft, Bankrecht 2000, 115 (127 f.)). Dabei muss die Fälligkeit der gesicherten Hauptforderung und deren sonstiger Bestand nur behauptet, nicht aber schlüssig dargelegt werden (BGH WM 1996, 2228; 1998, 1062).
12
2. Einreden und Einwendungen des Bürgen im Erstprozess. a) Entsprechend des Zwecks der Bürgschaft auf erstes Anfordern, dem Gläubiger rasch liquide Mittel zu verschaffen, wird der Bürge mit Einreden und Einwendungen gegen seine Zahlungsverpflichtung auf den Rückforderungsprozess verwiesen. Es bleiben ihm jedoch Einwendungen gegen die Wirksamkeit seiner Erklärung (neben den oben Rn. 8 ff. genannten Voraussetzungen etwa auch die Echtheit der Urkunde oder die Wirksamkeit einer Abtretung, falls der ursprüngliche Bürgschaftsgläubiger nicht mit dem Anspruchsteller identisch ist, Staudinger-Horn (1997), Vorbem zu §§ 765 ff.; in diese Richtung auch BGH WM 2003, 969 für eine Bürgschaft zugunsten eines Dritten; a.A. OLG Düsseldorf ZIP 1994, 203).
13
b) Darüber hinaus kann er einwenden, die Bürgschaft sichere nicht die Hauptforderung, auf die sich der anfordernde Gläubiger stützt (s. auch o. Rn. 9). Dabei kann der Kreis der gesicherten Forderungen im Erstprozess nur anhand der Bürgschaftsurkunde und sonstiger, vorgelegter Urkunden sowie unstreitiger Tatsachen ermittelt werden. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Gläubigers (BGH WM 2003, 969; 1999, 895). c) Schließlich steht dem Bürgen der Einwand des Rechtsmissbrauchs zu, sofern der Gläubiger materiell nicht berechtigt ist, die Bürgschaftsforderung geltend zu machen, und die fehlende Berechtigung evident ist, d.h. sich aus unstreitigen oder schnell und leicht, namentlich durch Urkunden beweisbaren Tatsachen ergibt. Zweifelsfragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind hingegen erst im Rückforderungsprozess zu klären und lassen die Zahlungsverpflichtung des Bürgen unberührt (BGHZ 143, 381 (383); WM 1996, 2228 (2229 f.)).
14
15
Da die Akzessorietät der Bürgschaft auf erstes Anfordern nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist, können mittels des Missbrauchseinwands zunächst alle liquiden Einreden und Einwendungen gegen die Hauptschuld geltend gemacht werden: z.B. der fehlende Vorbehalt der Vertragsstrafe bei Abnahme (§ 11 Nr. 4 VOB/B) oder mangelnde Fälligkeit des Werklohns wegen fehlender Schlussrechnung (§ 16 Nr. 3 VOB/B; Fischer, WM 2005, 529 (531 f.); BGH WM 2002, 2325 gegen BGH WM 1994, 106). Ein Sachverständigengutachten aus einem selbständigen Beweisverfahren, das etwa zu Mängeln eines Bauwerks eingeholt wurde, ist im Urkundenverfahren allerdings nicht verwertbar (BGH WM 2007, 2352 (2353 f.)).
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
837
Erhebliche praktische Bedeutung hat der Einwand gewonnen, der Hauptschuldner habe sich kraft der regelmäßig vereinbarten Sicherungsabrede nicht oder nicht wirksam verpflichtet, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen. Der Hauptschuldner kann in diesem Fall vom Gläubiger verlangen, dass er die rechtsgrundlos erlangte Bürgschaft zurückgibt und die Durchsetzung seiner Rechte gegen den Bürgen unterlässt. Darauf kann sich grundsätzlich auch der Bürge berufen und seine Zahlung verweigern. § 768 Abs. 1 S. 1 BGB ist zum Schutz des Bürgen weit auszulegen (BGHZ 143, 381 (384 f.); 107, 210 (214); Kupisch, WM 2002, 1626 (1630 f.) gesteht dem Bürgen wie dem Garantiegeber den Missbrauchseinwand hingegen unabhängig von der Akzessorietät zu). Anders ist es jedoch, wenn der Bürge die Bürgschaft unabhängig von einer etwa bestehenden Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger gewährt. Dann bleibt er auch bei Mängeln der Sicherungsabrede dem Gläubiger gegenüber verpflichtet (BGHZ 143, 381 (385 f.); OLG Hamm WM 2007, 550 f.). Relevant wird dieser Einwand vor allem, wenn es sich um formularmäßige Sicherungsabreden handelt, die eine wegen der Verlagerung des Liquiditäts- und Insolvenzrisikos unangemessene Sicherung durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsehen (insbesondere die Ablösung eines Sicherungseinbehalts nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern, grdl. BGHZ 136, 37 = WM 1997, 1675 = BauR 1997, 829; BGHZ 147, 99 = WM 2001, 947 = BauR 2001, 1093; BauR 2005, 539, 1154; oder eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern, BGHZ 150, 299 = WM 2002, 1415 = BauR 2002, 1239; s. unten Rn. 44, 65).
16
Auch wenn die Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers die Realisierung des mit der Zahlung entstehenden Rückforderungsanspruch in Frage stellt, soll die Zahlungsverpflichtung auf erstes Anfordern nicht schon durch dessen Vermögensverfall oder Insolvenz entfallen, sondern erst, wenn die Insolvenz eröffnet wurde und der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt hat bzw. das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wurde (BGHZ 151, 236). In diesen Fällen können nur die Rechte aus einer gewöhnlichen Bürgschaft geltend gemacht werden. Gleiches wird jedenfalls dann zu gelten haben, wenn die Stilllegung des insolventen Unternehmens beschlossen wurde und es deshalb keinen Bedarf an sofortiger Liquidität mehr hat (Fischer, WM 2005, 536).
17
3. Rückforderungsanspruch des Bürgen. Hat der Bürge auf die Anforderung gezahlt, erwirbt er einen Rückzahlungsanspruch gegen den Gläubiger, wenn und soweit dieser nach dem materiellen Bürgschaftsrecht keinen Anspruch auf die erhaltene Leistung hatte (st. Rspr., BGHZ 153, 311 (316); 152, 246 (251 f.); 74, 244 (248); BGH NJW 1989, 1606). Die Rechtsprechung hat diesen Anspruch zunächst auf § 812 BGB gestützt (BGHZ 74, 244 (248); NJW 1989, 1606; WM 1997, 656 (659); zust. Staudinger-Horn (1997), Vorbem zu §§ 765 ff. Rn. 33; Wilhelm, NJW 1999, 3519 (3524)), verzichtet jedoch im Hinblick auf die Kritik (etwa Hadding, FS Welser, 253 (258 ff.); Eleftheriadis, 151 f.; Canaris, ZIP 1998, 493 (498)) und die Besonderheiten dieses Anspruchs, die auf eine vertragliche Grundlage hindeuten, nunmehr auf eine rechtliche Einordnung (Fischer, FS Thode, 543 (545 f.) unter Hinweis auf BGHZ 152, 246; 153, 311).
18
Der Bürge kann seinen Rückforderungsanspruch auf alle Einreden und Einwendungen stützen, die sich aus §§ 765 ff. BGB und dem sonstigen Vertragsinhalt ergeben. Insbesondere kann er die Berechtigung seiner ursprünglichen Inanspruchnahme wie ein normaler Bürge nunmehr auch mit Einreden und Einwendungen bekämpfen, die aus der Akzessorietät zur Hauptschuld erwachsen (BGHZ 153, 311 (316); 152, 246 (250 f.); NJW 1989, 1606; WM 1997, 656 (658 f.). Allerdings reicht es nicht, wenn er nur vorbringt, der Gläubiger habe die besonderen Voraussetzungen für eine wirksame Anforderung nicht eingehalten, rechtsmissbräuchlich gehandelt oder sei lediglich aufgrund einer gewöhnlichen Bürgschaft berechtigt gewesen (BGHZ 152, 246 (250 f.); 153, 311 (317). Entscheidend ist
19
Lindner
838
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
allein, ob dem Gläubiger nunmehr die Bürgschaftsforderung nach materiellem Bürgschaftsrecht zusteht. War die Anforderung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht berechtigt, kommt lediglich der Ersatz der Nachteile in Betracht, die aus der dann verfrühten Zahlung erwachsen (BGHZ 153, 311 (318); Fischer, FS Thode, 543 (547)). 20
Anders als bei einem gewöhnlichen Bereicherungsanspruch trägt jedoch weiterhin der Gläubiger und nicht der die Rückzahlung fordernde Bürge die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen der Bürgschaftsforderung und damit auch für die Entstehung und Fälligkeit einer durch die Bürgschaft gesicherten Hauptforderung (BGHZ 152, 246, (251); 148, 283 (288); WM 1997, 656 (658 f.)). Denn im Rückforderungsprozess ist die Berechtigung des Gläubigers abschließend zu klären, ohne dass der Bürge durch die nur vorläufig von möglichen Einwänden gelöste Zahlungspflicht benachteiligt werden dürfte. Die Rechtsprechung verwehrt es ihm aber, den Rückzahlungsanspruch bereits im Nachverfahren zu einem als Urkundenprozess geführten Erstprozess (BGH WM 1994, 106; a.A. Staudinger-Horn (1997), Vorbem zu §§ 765 ff. Rn. 33, 161; Lang, WM 1999, 2329 (2334 f.)) oder selbst im Rahmen eines Urkundenprozesses geltend zu machen (BGHZ 148, 283 gegen Lang, WM 1999, 2329 (2335)), da dies der Liquiditätsfunktion der Bürgschaft auf erstes Anfordern widerspreche.
21
Besondere Probleme stellen sich, wenn die gesicherte Forderung abgetreten und mit ihr auch der Anspruch aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern übergegangen ist. Damit geht auch das Recht über, die für die Inanspruchnahme der Bürgschaft vorausgesetzten Erklärungen abzugeben (BGH WM 1987, 553 f.). Da der Zessionar nicht mehr Rechte erwerben kann als der Zedent, muss er aber auch die Rückzahlungsverpflichtung übernehmen, die mit der Bürgschaft auf erstes Anfordern verbunden ist (so Fischer, FS Thode, 543 (549), der dabei von einem vertraglichen Rückforderungsanspruch ausgeht). Dies soll sogar gelten, wenn der Zedent mit Einzugsermächtigung des Zessionars die Zahlung an sich verlangt hat (Fischer, FS Thode, 543 (550 f.)). Zweifelhaft wird dies allerdings, wenn man den Rückforderungsanspruch bereicherungsrechtlich einordnet. Dann entscheidet die Rechtsprechung danach, ob die Zahlung als Leistung an den Zedenten oder an den Zessionar anzusehen ist, wobei sie wegen der Ähnlichkeiten zu Anweisungslagen regelmäßig von ersterem ausgeht (etwa BGHZ 122, 46; 105, 365), obwohl der Schuldner jedenfalls bei aufgedeckter Zession allein die nunmehr dem Zessionar gegenüber bestehende Schuld tilgen will (zu Recht kritisch daher etwa Wilhelm, NJW 1999, 3519 (3523 f.); Tiedtke, WM 1999, 517 (521); zum Meinungsstreit ausführlich MK-Lieb, § 812 Rn. 141 ff.). Ein Anspruch gegen den Zessionar soll nur bestehen, wenn die Zahlung ausschließlich auf das Betreiben des Zessionars hin erfolgte (BGH WM 1997, 13 (18); Fischer, FS Thode, 543 (540)). Da das bloße Leistungsverlangen nach der Rechtsprechung die Anweisungsähnlichkeit nicht beseitigt, wäre ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch regelmäßig weiterhin gegen den Zedenten zu richten (so auch BGH, Beschluss v. 22.10.1998 – IX ZR 354/97; v. 19.03.1998 – IX ZR 174/97 n.v.).
22
IV. Die Rechtsbeziehungen zwischen Bürgen und Auftraggeber/Hauptschuldner. In der Regel beruht die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung durch ein Kreditinstitut auf einem Auftrag des Hauptschuldners oder eines Dritten, der sich seinerseits dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, zumindest aber bereit erklärt hat, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen. Erfüllt das Kreditinstitut daher seine Bürgschaftsverpflichtung, steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 675, 670 BGB gegen den Auftraggeber zu (§ 25 Rn. 88 f.).
23
Daneben geht auch der gesicherte Anspruch auf den Bürgen nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB über (§ 25 Rn. 88 f.). Die cessio legis lässt zwar anders als der auftragsrechtliche Ersatz-
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
839
anspruch etwa bestehende andere akzessorische Sicherheiten mit übergehen und verschafft dem Bürgen bei Personenverschiedenheit zwischen Hauptschuldner und Auftraggeber einen zusätzlichen Schuldner (Eleftheriadis, 141). Der dadurch vermittelte Ersatz reicht jedoch nur soweit als die gesicherte Forderung tatsächlich besteht. Hat der Gläubiger die Bürgschaftsleistung zu Unrecht angefordert, ginge der Bürge, der sich allein auf die cessio legis stützen könnte, leer aus (BGHZ 143, 381 (388)), während er grundsätzlich weiterhin den Aufwendungsersatzanspruch geltend machen könnte, sofern nur die eingeschränkten Voraussetzungen der Anforderung (s.o. Rn. 10) erfüllt waren. Der Bürge ist jedoch gehalten, die vereinbarten Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Bürgschaft sorgfältig zu prüfen, wobei der Prüfungsumfang auf die formalen Anforderungen und das Vorliegen eines liquiden Rechtsmissbrauchs beschränkt ist (BGH WM 1996, 2228 (2229)). Zudem muss er dem Hauptschuldner Gelegenheit geben, einem missbräuchlichen Vorgehen des Gläubigers entgegenzutreten. Er muss den Hauptschuldner mithin über die Inanspruchnahme unterrichten, damit dieser Beweismittel vorlegen kann, die es wiederum dem Bürgen ermöglichen, den Rechtsmissbrauch liquide nachzuweisen (Kreft, Bankrecht 2000, 115 (136) unter Hinweis auf BGHZ 95, 375 (387 ff.); Fischer, WM 2005, 529 (535)). Verletzt der Bürge diese Pflichten gegenüber dem Auftraggeber und hätte er seine Inanspruchnahme bei pflichtgemäßem Vorgehen abwehren müssen, steht seinem Aufwendungsersatzanspruch ein Schadensersatzanspruch entgegen (BGHZ 143, 381 (387 f.); 152 (254 f.)). Kann der Auftraggeber jedoch seine Weisung, die Bürgschaft nicht zu bedienen, nicht mit Einwänden untermauern, die die Inanspruchnahme des Bürgen im Erstprozess ausschließen, kann sich das bürgende Kreditinstitut darüber hinwegsetzen, ohne seinen Aufwendungsersatzanspruch zu verlieren (BGH WM 1996, 2228 (2229)).
24
Ist die Bank nur mit der Stellung einer Bürgschaft beauftragt worden, die sich am gesetzlichen Leitbild orientiert, reicht sie aber gleichwohl eine Bürgschaft auf erstes Anfordern aus, kann sie ohne vorherige Zustimmung des Auftraggebers, der eine genaue Belehrung über die gegenüber der beabsichtigten gewöhnlichen Bürgschaft eintretenden Risken und Nachteile vorangehen muss, ebenfalls keinen Aufwendungsersatz verlangen, soweit sich nicht der Bürgschaftsanspruch materiell als begründet erweist (BGHZ 143, 381 (386 ff.); Fischer, WM 2005, 529 (535)). Setzt sie sich bewusst über den Auftrag und die auf Stellung einer gewöhnlichen Bürgschaft beschränkte Sicherheitsabrede hinweg, kann sie sich andererseits auch dem Bürgschaftsgläubiger gegenüber nicht auf den im Verhältnis zum Hauptschuldner/Sicherungsgeber fehlenden Rechtsgrund berufen (s.o. Rn. 16). Denn sie hat insoweit mit ihrer bewusst abweichenden Bürgschaftsstellung einen eigenen, von dem Rechtsverhältnis zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unabhängigen Rechtsgrund geschaffen (BGHZ 143, 381 (384 ff.)).
25
Der Hauptschuldner kann die ihm gegenüber bestehende Verpflichtung der bürgenden Bank, bei Fehlen der formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme und liquidem Rechtsmissbrauch die Bürgschaft nicht auszuzahlen, auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen und auf diesem Weg verhindern, dass er mit dem Aufwendungsersatzanspruch belastet wird (Horn, Rn. 566, 583 ff.; Eleftheriadis, 131 ff.; OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 174; BB 1993, 96; OLG Stuttgart NJW-RR 1994, 1204). Dabei ist glaubhaft zu machen, dass ein Rechtsmissbrauch liquide bewiesen werden kann (Horn, Rn. 589; enger OLG Köln WM 1988, 21 ff., das nur Offenkundigkeit des Rechtsmissbrauchs und Urkunden zulässt).
26
V. Die Rechtsbeziehungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger. In der Regel liegt der Erteilung der Bürgschaft eine Sicherungsabrede zugrunde. Danach darf der
27
Lindner
840
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Gläubiger den Bürgen nur zur Zahlung auffordern, wenn die gesicherte Forderung fällig und auch im übrigen keinen Einreden ausgesetzt ist (BGHZ 152, 246 (251); BGH WM 2000, 2373 (2374); NJW 1984, 2456 f.). Darüber hinaus muss sich der Hauptschuldner auch wirksam zur Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern verpflichtet haben. Dies ist insbesondere bei formularmäßigen Verpflichtungen in Bauverträgen häufig nicht der Fall (s.o. Rn. 16 und unten Rn. 44, 65). Hat der Bürge in solchen Fällen zumindest materiell zu Unrecht gezahlt, ist der Gläubiger auch dem Hauptschuldner gegenüber verpflichtet, den angeforderten Betrag an den Bürgen zurückzugewähren (BGHZ 152, 246 (252)). Gleichzeitig kann der Hauptschuldner Freistellung von den Regressforderungen des Bürgen verlangen, selbst wenn der Gläubiger schuldlos gehandelt oder der Bürge bei der Auszahlung seinerseits seine Prüfungspflichten verletzt und damit an sich keinen Aufwendungsersatzanspruch erworben hat (BGHZ 152, 246 (253)). Hat der Hauptschuldner jedoch dem Bürgen schon seine Leistungen erstattet, kann er auch die Rückzahlung an sich selbst verlangen, so wie er auch eine Sicherheit an sich herausverlangen könnte, wenn der Sicherungsfall nicht mehr eintreten kann (BGHZ 139, 325 (329); 152, 246 (252)). 28
Wie beim Rückforderungsanspruch des Bürgen kommt es nur darauf an, ob der Sicherungsfall nach dem aktuellen Sach- und Streitstand nicht eingetreten ist. Der Gläubiger trägt auch hier die Darlegungs- und Beweislast für dessen Vorliegen (BGHZ 152, 246 (252)). Ist der Sicherungsfall, dessen Voraussetzungen bei der Anforderung und Zahlung der Bürgschaftsforderung noch nicht vorlagen, nunmehr eingetreten, steht dem Hauptschuldner allerdings ein Schadensersatzanspruch wegen der unberechtigten voreiligen Durchsetzung der Gläubigerforderung zu (BGHZ 152, 246 (252)). Der Gläubiger kann gegen den Rückforderungsanspruch des Hauptschuldners regelmäßig nicht mit anderen Forderungen aufrechnen, obwohl diese im Gegenseitigkeitsverhältnis stünden. Denn dies führte im Ergebnis dazu, dass die ohnehin risikoreiche Bürgschaft auf erstes Anfordern zur Befriedigung aller anderen Forderungen des Gläubigers eingesetzt werden könnte. Die Aufrechnung ist daher nur mit unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig (BGHZ 139, 325 (331 ff.)). Eine Ausnahme wird jedoch für den Fall gemacht, dass der Hauptschuldner für andere Forderungen seine Verpflichtung, Sicherheiten zu stellen, nicht erfüllt und damit seinerseits vertragswidrig gehandelt hat (BGHZ 139, 325 (332 f.)).
29
Der Hauptschuldner kann seinen Unterlassungsanspruch auf Nichtanfordern der Bürgschaft (BGHZ 152, 246 (251 f.) ebenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung sichern (OLG Düsseldorf BauR 2001, 1940).
30
B. Bürgschaften im Bauwesen I. Übersicht. Bürgschaften werden im Bauwesen zu verschiedenen Sicherungszwecken eingesetzt. Einerseits kann die Vergütungsforderung des Bauunternehmers/Auftragnehmers gegen den Besteller/Auftraggeber verbürgt werden (im folgenden wird für BGBund VOB-Verträge einheitlich die Bezeichnung Auftraggeber und Auftragnehmer verwendet). Andererseits können sie aber auch zugunsten des Auftraggebers bestellt werden und als Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaft die ordnungsgemäße und vollständige Erbringung der Werkleistung durch den Auftragnehmer sichern. Als Vorauszahlungs- oder Abschlagszahlungsbürgschaft können sie schließlich Sicherheit dafür bieten, dass der vor vollständiger Erfüllung der Bauleistung gezahlten Vergütung später auch die vereinbarte Werkleistung gegenübersteht.
31
Das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wird durch die Sicherungsabrede bestimmt, die in der Regel im Bauvertrag getroffen wird, aber auch erst später vereinbart werden kann (zur oft übersehenen Bedeutung der Sicherungsabrede in-
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
841
struktiv Thode, ZfBR 2002, 4 ff.). Wesentlicher Inhalt ist die Bestimmung des Sicherungszwecks und des Sicherungsfalls. Letzterer wird meist nicht ausdrücklich geregelt, kann aber regelmäßig anhand der Interessen der Beteiligten in ergänzender Auslegung ermittelt werden. Er legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Sicherheit vom Auftraggeber verwertet werden darf. Diese Voraussetzungen können – wie insbesondere eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zeigt – erheblich enger sein, als die aus der Sicherheit selbst fließende Rechtsmacht. Die Verwertungsbefugnis setzt zumindest das Entstehen und die Fälligkeit einer vom Sicherungszweck umfassten Forderung voraus (Thode, ZfBR 2002, 4 (5) unter Hinweis auf BGHZ 148, 151 (154) = WM 2001, 2670). Da die Bürgschaft in der Regel auf eine Geldforderung gerichtet ist, muss der gesicherte Anspruch – hier der Erfüllungsanspruch gegen den Auftragnehmer – in einen ebenfalls fälligen Geldanspruch übergegangen sein (BGHZ 148, 151 (154); BGH WM 2000, 2373 (2374) = BauR 2001, 109 (111); Thode, ZfIR 2000, 165 (171 f.); Quack, BauR 1997, 754 (756)). Gleichzeitig ergeben sich auch die gesicherten Forderungen in der Regel aus dem Bauvertrag. Davon zu unterscheiden sind das Verhältnis zwischen Bürge und Bürgschaftsgläubiger, das durch die Bürgschaftsregelungen selbst ausgestaltet wird, und die Beziehung zwischen Bürge und Hauptschuldner, der in der Regel ein Geschäftsbesorgungsvertrag, häufig eine Avalkreditvereinbarung zugrunde liegt. Obwohl Sicherungsabrede und Bürgschaft häufig aufeinander bezogen sind und eine kongruente Ausgestaltung angestrebt werden sollte (Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509 (516)), sind beide Vereinbarungen unabhängig voneinander auszulegen – nicht nur, weil es sich um eigenständige Vertragsverhältnisse mit unterschiedlichen Vertragsparteien handelt, sondern vor allem, weil die Bürgschaft in erster Linie anhand der schriftlich niedergelegten Erklärung auszulegen ist und Unklarheiten bei der Bestimmung der gesicherten Hauptschuld zu Lasten des Bürgschaftsgläubigers gehen (BGHZ 76, 187 ff. = NJW 1980, 1459; allg. zur Formstrenge und zur Auslegung von Bürgschaften § 25 Rn. 5 ff.). Rechtlich wird der Inhalt dieser Vereinbarungen durch bau- bzw. werkvertragsspezifische gesetzliche (etwa §§ 648a BGB, 7 MaBV) oder vertragliche Regelungen (etwa § 17 VOB/B) beeinflusst.
32
II. Bürgschaften für die Vergütungsforderung des Bauunternehmers. 1. Allgemeines. Der Auftraggeber kann sich im Rahmen der bauvertraglichen Regelungen verpflichten, eine Bürgschaft für die Werklohnforderung zu stellen. Dem Gesetz oder der VOB lässt sich eine derartige Verpflichtung nicht entnehmen. In § 17 VOB/B finden sich nur Regelungen für Sicherheiten, die der Auftragnehmer zu stellen hat. Ohne eine rechtlich zulässige Verweisung auf diese Regelungen in der Sicherungsabrede bzw. im Bauvertrag sind sie daher auf die Zahlungsbürgschaft nicht, auch nicht analog anwendbar (Ingenstau/ Korbion-Joussen, § 17 VOB/B Rn. 8).
33
Nach § 768 Abs. 1 BGB kann der Bürge sich auf die Einreden und Einwendungen berufen, die der Auftraggeber gegen die gesicherte Vergütungsforderung hat. Er kann etwa vor der Abnahme die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) erheben oder sich nach der Abnahme bei Mängeln des Werks auf das Leistungsverweigerungsrecht des § 641 Abs. 3 BGB berufen, bis der Bauunternehmer nachgebessert hat (Tiedtke, DB 2006, 2162). Wie dem Vergütungsanspruch steht dem Bürgschaftsanspruch die Rücktritts- oder Minderungseinrede auch dann noch entgegen, wenn das Rücktritts- oder Minderungsrecht wegen Ablaufs der Verjährungsfrist nicht mehr wirksam ausgeübt werden kann, Vergütungsansprüche aber noch offen sind (§§ 634a Abs. 4 S. 2, Abs. 5 i.V.m. § 638 Abs. 1 BGB). Da eine formularmäßige Vereinbarung, die die Vorleistungspflicht des Unternehmers aufhebt und den Auftraggeber in erheblichem Umfang über Abschlagszahlungen oder den Ausschluss von Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechten vorleistungspflichtig macht, gegen § 307 Abs. 2 BGB verstößt, dürfte die formularmäßige Ver-
34
Lindner
842
35
36
37
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
pflichtung des Auftraggebers, zur Sicherung des Vergütungsanspruchs eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, ebenfalls unwirksam sein (vgl. BGH WM 1986, 784 ff. = BauR 1986, 455 ff. für eine Bankgarantie; anders für eine Individualabrede Kniffka, BauR 2007, 245 (251 f.)). Auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede kann sich auch der Bürge berufen, sofern man sie – wie bei den anerkannten Fällen – als offenkundig ansieht (s.o. Rn. 16). 2. Bürgschaft und § 648a BGB. a) Persönlicher Anwendungsbereich. Der Bauunternehmer, aber auch etwa Architekten oder Sonderfachleute (Kniffka, BauR 2007, 245 (249 f.); OLG Düsseldorf BauR 2005, 585 (586); nach BGH BauR 2005, 1019 f. nicht Unternehmer, die isoliert nur mit Rodungs- oder Abbrucharbeiten beauftragt wurden; dagegen Hildebrandt, BauR 2006, 2 ff. m.w.N.) können nach § 648a BGB unabhängig von der vertraglichen Vereinbarung einer Sicherheitsleistung Sicherheit für die Vergütung ihrer Leistungen verlangen. Diese Sicherheit kann auch durch die Stellung einer Bankbürgschaft erbracht werden (§ 648a Abs. 2 S. 1 BGB). b) Verhältnis zu vertraglichen Regelungen. Anders als regelmäßig eine vertragliche Vereinbarung begründet § 648a Abs. 1 BGB jedoch keinen Anspruch auf Beibringung der Bürgschaft, sondern gewährt dem Bauunternehmer nur das Recht, seine Leistung zu verweigern, sollte der Besteller innerhalb einer angemessenen Frist und nach Androhung der Leistungsverweigerung keine den Bestimmungen des § 648a BGB entsprechende Sicherheit stellen (BGHZ 167, 345 (348)). Da die gesetzliche Regelung nur den Fall eines nachträglichen Sicherungsverlangens erfasst, schließt sie eine vertraglich vereinbarte Pflicht des Bestellers, Sicherheit insbesondere etwa durch eine Bürgschaft zu stellen, aber auch nicht aus. Diese kann auch inhaltlich von den in § 648a BGB vorgesehenen Sicherheiten abweichen (BGHZ 167, 345 (347 f.)). So kann etwa der Besteller – anders als nach § 648a Abs. 3 BGB – verpflichtet sein, die Kosten für die vertraglich geschuldete Sicherheit in vollem Umfang zu tragen. Auch die Voraussetzungen für die Verwertung der vertraglichen Sicherheit können abweichend von § 648a Abs. 2 S. 2 BGB vereinbart werden (zu den Nachteilen, die die gemäß § 648a Abs. 2 S. 2 BGB bis zum Anerkenntnis oder einem vollstreckbaren Urteil hinausgeschobene Fälligkeit der Bürgschaft mit sich bringt, Schmitz, BauR 2006, 430 (431 f.)). Allerdings können einzelne vertragliche Vereinbarungen gegen das Abänderungsverbot des § 648a Abs. 7 BGB verstoßen, sofern sie unmittelbar oder mittelbar die Rechte aus § 648a BGB beschränken. Insbesondere darf die vertragliche Vereinbarung nicht weitergehende Rechte des Unternehmers aus § 648a BGB ausschließen, indem sie sein Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf die vertraglich vorgesehene Sicherheit geringeren Umfangs beschränkt oder mit einem Verzicht auf diese Rechte verbunden wird (BGHZ 146, 24 (28) = NJW 2001, 822 = BauR 2001, 386). Umgekehrt können die Verpflichtungen des Bestellers für das einseitige Sicherungsverlangen des Unternehmers nach § 648a BGB nicht erweitert werden. Weder dürfen ihm die damit verbundenen Kosten auferlegt, noch kann er zur Stellung einer weitergehenden Sicherheit etwa auf erstes Anfordern verpflichtet werden (Kniffka, BauR 2007, 245 (252); großzügiger dagegen Vogel, ZfIR 2005, 285). Mittelbare Schlechterstellungen des Unternehmers, wie etwa die Vereinbarung eines Rechts des Bestellers, seinerseits Sicherheit zu fordern, wenn der Unternehmer nach § 648a BGB vorgeht, oder die Reduzierung vertraglich vorgesehener Abschlagszahlungen auf die Berechtigung nach § 632a BGB, sofern Sicherheit verlangt wird, dürften ebenfalls an § 648a Abs. 7 BGB scheitern, weil sie die vertragliche und gesetzliche Rechtsposition des Unternehmers verschlechtern (Kniffka, BauR 2007, 245 (252); a.A. Oberhauser, BauR 2004, 1864 (1866); Hofmann, BauR 2006, 763 (766)).
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
843
c) Umfang der Sicherheit. Der Unternehmer kann nach § 648a Abs. 1 S. 3 BGB grundsätzlich Sicherheit in Höhe seines gesamten vertraglichen Vergütungsanspruchs zuzüglich der Vergütung für nachträglich erteilte Zusatzaufträge etwa nach §§ 1 Nr. 3 oder Nr. 4, 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B und Nebenforderungen verlangen. Letztere sind mit 10 % des Vergütungsanspruchs anzusetzen. Gesichert ist auch der Anspruch nach § 649 BGB (Kniffka, BauR 2007, 245 (250) gegen OLG Düsseldorf BauR 2000, 919 (920)). Gleiches gilt, wenn der Vergütungsanspruch trotz Unmöglichkeit der Bauleistung nach § 326 Abs. 2 BGB erhalten bleibt, indem der Besteller sie etwa durch einen Dritten ausführen lässt, ohne den Vertrag zu kündigen (Kniffka, a.a.O.). Dagegen sind Ansprüche aus Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag sowie Schadensersatzansprüche statt der Leistung oder wegen Verzögerung nicht gesichert, da es sich nicht um Vergütungsansprüche handelt (Kniffka, BauR 2007, 245 (250 f.); großzügiger Weise, Rn. 636; Staudinger-Peters (2003), § 648a Rn. 8, soweit sie dem Vergütungsanspruch wirtschaftlich entsprechen).
38
Der Inhalt einer Bürgschaft, die aufgrund eines Verlangens nach § 648a BGB erteilt wird, wird in erster Linie durch die Bürgschaftserklärung selbst bestimmt (OLG Koblenz WM 2005, 2035 f.). Ihr Bezug auf § 648a BGB ist bei der Auslegung mit zu berücksichtigen. Sie bleibt auch wirksam, wenn sie hinter den Voraussetzungen dieser Vorschrift zurückbleibt, obgleich der Unternehmer weiterhin die Leistung verweigern kann. Umgekehrt ist zweifelhaft, ob das Abänderungsverbot des § 648a Abs. 7 BGB dazu führt, dass für eine nach § 648a BGB gestellte Bürgschaft die gesetzlichen Zahlungsvoraussetzungen des § 648a Abs. 2 S. 2 BGB auch ohne ausdrückliche Übernahme gelten (dafür wohl BGH WM 2001, 1208 (1210); BauR 2005, 1019 (1020); a.A. Schmitz, BauR 2006, 430 unter Berufung auf BT-Drucks. 12/1836, S. 10).
39
d) Sicherungsverlangen nach Abnahme. Der Unternehmer kann die Sicherheit auch noch nach Abnahme seiner Leistung verlangen, sofern er zur Nachbesserung verpflichtet ist und der Besteller noch Werklohn schuldet (BGHZ 157, 335 (339 f.) = NJW 2004, 1515 = BauR 2004, 826; BGH BauR 2004, 830 ff.; BauR 2005, 749 ff.). Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers wegen etwaiger Mängel bleibt jedoch auch dann erhalten, wenn er die Sicherheit nicht stellt (BGH a.a.O.). Wie vor der Abnahme (dazu etwa BGH BauR 2005, 1926 f.) wird der Unternehmer nach Fristablauf von seiner Leistungspflicht befreit, der Besteller verliert mithin seinen Nachbesserungsanspruch, und ersterer kann seine Leistungen insgesamt abrechnen. Sein Vergütungsanspruch verringert sich allerdings entsprechend §§ 648a Abs. 5 i.V.m. 643, 645 Abs.1 BGB um den Minderwert, der auf dem Mangel beruht (BGHZ 157, 335 (342); BGH BauR 2005, 749 (750); BGHZ 169, 261 (262 f.) = NJW 2007, 60). Nach Entfallen der Leistungspflicht kann auch kein Schadensersatzanspruch statt der Leistung mehr entstehen. Soweit dessen Voraussetzungen jedoch vor Ablauf der für die Sicherheitsleistung gesetzten Frist entstanden sind, bleibt er wie zuvor entstandene Gestaltungsrechte bestehen (BGH BauR 2006, 375 (376) = WM 2006, 447 (448); Kniffka, BauR 2007, 245 (249)).
40
III. Vertragserfüllungsbürgschaft zugunsten des Bestellers. 1. Allgemeines. a) Während §§ 648 f. BGB dem Unternehmer von Gesetzes wegen die Möglichkeit geben, für seine Vergütungsforderung Sicherheiten zu erlangen, ist der Besteller grundsätzlich darauf verwiesen, sich vertraglich eine Sicherheit auszubedingen. Außerhalb von §§ 2, 7 MaBV gibt ihm das Gesetz keine Handhabe, auf die er sein Sicherheitsverlangen stützen könnte. Auch § 17 VOB/B setzt wie §§ 232 ff. BGB eine Sicherungsabrede und einen vertraglichen Anspruch auf Sicherheitsleistung voraus und regelt nur einzelne Modalitäten dieses Anspruchs. Im Bauvertragswesen ist eine Sicherung auch nicht verkehrsüblich oder Handelsbrauch, so dass auch insoweit eine Sicherungsabrede nicht ersetzt werden kann (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 2 f.; Thode, ZfBR 2002, 4 f.;
41
Lindner
844
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Kuffer, BauR 2003, 155). Die fehlende gesetzliche Ausprägung bedingt, dass vorrangig immer der Inhalt der konkreten Sicherungsabrede und Bürgschaft zu ermitteln und auszulegen ist. 42
Auch wenn dem Besteller von Gesetzes wegen kein Anspruch auf Absicherung seiner werkvertraglichen Ansprüche eingeräumt wurde, ist die formularmäßige Vereinbarung eines solchen Anspruchs wegen seiner berechtigten Sicherungsinteressen rechtlich unbedenklich (BGH BauR 2000, 1498 (1499 f.) = WM 2000, 1901 sogar für den Fall, dass abweichend von § 17 Nr. 7 VOB/B die Bürgschaft bereits bei Vertragsabschluss zu stellen war).
43
Stellt der Auftragnehmer die wirksam vereinbarte Bürgschaft nicht, kann der Auftragnehmer beim VOB-Vertrag Zahlungen bis zur Höhe der vereinbarten Sicherheit einbehalten, muss das einbehaltene Geld aber auf ein Sperrkonto einzahlen, § 17 Nr. 7 i.V.m. § 17 Nr. 6 VOB/B. Ein mit einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. § 281 Abs. 1 BGB verbundenes Rücktrittsrecht, wie es unter den Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB beim BGB-Vertrag entstehen kann, soll beim VOB-Vertrag durch die besonderen Regelungen der §§ 17 Nr. 7, 4 Nr. 7, 8 VOB/B ausgeschlossen sein (Ingenstau/KorbionJoussen, § 17 Nr. 7 VOB/B Rn. 8; zu Recht a.A. Schulze-Hagen, BauR 2007, 170 (174), der neben § 8 VOB/B weiterhin eine Kündigung aus wichtigem Grund für möglich hält, sofern die Fortsetzung des Vertrags wegen der vorenthaltenen Sicherheit unzumutbar wird, etwa weil dies die fehlende Bonität des Auftragnehmers indiziert).
44
2. Anforderungen an vorformulierte Sicherungsabreden. a) Unwirksam sind formularmäßige Sicherheitsabreden, die eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsehen. Sie geben dem Besteller in unangemessener Weise die Möglichkeit, sich liquide Mittel zu verschaffen, ohne dass der Sicherungsfall eingetreten sein muss, und bürden dem Unternehmer zudem das Insolvenzrisiko bei missbräuchlicher Inanspruchnahme auf (grdl. BGHZ 150, 299 (303 f.) = NJW 2002, 2388 = BauR 2002, 1239; BGHZ 151, 229 (231 f.) = BauR 2002, 1533). Obwohl das Insolvenzrisiko zurücktritt, gilt dies wegen der unberechtigten Liquiditätsvorteile auch, wenn Auftraggeber die öffentliche Hand ist (BGH BauR 2004, 1143 (1144 f.) = WM 2004, 1079; s.a. BGH NJW-RR 2005, 458; 2006, 389; a.A. Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 4 VOB/B Rn. 69). Ebenso wenig wird die unangemessene Benachteiligung beseitigt, wenn der Besteller stattdessen nach seiner Wahl Sicherheit durch Hinterlegung leisten kann (BGH WM 2008, 999). § 17 Nr. 4 S. 3 VOB/B schließt daher nunmehr ausdrücklich die Forderung nach einer Bürgschaft auf erstes Anfordern aus. Der Sicherungsvereinbarung kann für Verträge, die nach Bekanntwerden des Urteils vom 04.07.2002 (BGH BauR 2004, 1143 (1145) setzt eine Übergangsfrist bis 01.01.2003) geschlossen wurden, auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung die Verpflichtung zur Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft entnommen werden (BGH BauR 2004, 1143 (1145); zur Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung bei früheren Vertragsabschlüssen s.a. BGHZ 151, 229 (234 ff.)).
45
b) Unwirksam sind auch Klauseln, die den Auftragnehmer verpflichten, eine Sicherung in unangemessener Höhe zu stellen. Einen ersten Anhaltspunkt für eine dem berechtigten Sicherungsinteresse entsprechende Höhe bietet § 14 Nr. 2 VOB/A. Danach soll für die Erfüllung sämtlicher Vertragspflichten im Regelfall eine Sicherheit von nicht mehr als 5% der Auftragssumme gefordert werden. In der Praxis werden allerdings überwiegend 10% der Auftragssumme als zu stellende Sicherheit vereinbart. Da das Schadensrisiko bei vorzeitiger Leistungseinstellung gegenüber dem Gewährleistungsrisiko nach Abnahme erheblich höher ist und die Rechtsprechung eine Gewährleistungssicherheit von 5% der Bausumme beanstandungslos hinnimmt (BGH BauR 2004, 841 ff.; BGHZ 157, 29 (31 f.)
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
845
= NJW 2004, 443) erscheint eine Sicherheit bis zu dieser Höhe nicht unangemessen. Wird sie allerdings – auch durch Kombination mit weiteren Sicherungsmitteln (etwa einem Einbehalt bei den Abschlagszahlungen, OLG Brandenburg BauR 2001, 1450 f) – überschritten, wird heute ganz überwiegend eine unangemessene Benachteiligung des Auftraggebers bejaht (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 34). In der Regel ist die Bruttovergütung als Bezugsgröße anzusehen, weil sie die vereinbarte Vergütung darstellt (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 35; Kapellmann/ Messerschmidt-Thierau, § 17 VOB/B Rn. 87; a.A. auch schon für die Feststellung der angemessenen Höhe Schulze-Hagen, BauR 2007, 170 (177), sofern der Auftraggeber vorsteuerabzugsberechtigt oder § 13b UStG anzuwenden ist). In jedem Fall ist die Bemessungsgrundlage klar festzulegen, da sonst die Sicherungsabrede, bei entsprechender Übernahme in die Bürgschaft auch letztere aufgrund Intransparenz unwirksam sein kann (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 34; Kapellmann/MesserschmidtThierau, § 17 VOB/B Rn. 85 f.). Verringert sich die ursprünglich vereinbarte Gesamtauftragssumme während der Vertragsabwicklung erheblich, kann der Auftragnehmer eine entsprechende Reduzierung der Sicherheit verlangen (OLG Frankfurt BauR 2006, 735 (Ls.)). Umgekehrt kann der Auftraggeber regelmäßig schon nach der Sicherungsabrede eine Aufstockung der Sicherheit verlangen, wenn sich die Gesamtbauleistung durch Nachtragsaufträge und Zusatzleistungen erheblich erhöht.
46
c) Rechtsfolgen unwirksamer Sicherungsabreden. Ist die Sicherungsvereinbarung unwirksam, besteht kein Anspruch auf die Stellung der darin vorgesehenen Sicherheiten (vgl. BGHZ 147, 99 (108) = NJW 2001, 1857 (1859)). Der Auftragnehmer kann daher eine bereits gestellte Bürgschaft herausverlangen (BGH NJW 1989, 1482 (1483); BGHZ 150, 299 ff. = NJW 2002, 2388 f.), wobei er die Rückgabe an den Bürgen verlangen muss, sofern davon der Bestand der Bürgschaft abhängig ist (OLG Düsseldorf BauR 2002, 1714 f.; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 1313 (1314); a.A. Vogel, BauR 2005, 218 (226); Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 8 VOB/B Rn. 32: Herausgabe auch an den Auftragnehmer). Über § 768 Abs. 1 S. 1 BGB kann auch der Bürge die aus der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede folgende Bereicherungseinrede dem Gläubiger/Auftraggeber entgegenhalten bzw. Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangen (s.o. Rn. 16; Schmitz/ Vogel, ZfIR 2002, 509 (515); Tiedtke, JZ 2006, 940 (942)). Dem Auftraggeber steht auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen anderer Ansprüche aus dem Bauvertrag zu, weil ihm dies wirtschaftlich eine ihm nicht zustehende Sicherheit gewähren würde (BGHZ 147, 99 (107) = NJW 2001, 1857 (1859); Hildebrandt, BauR 2007, 203 (205)). Aus dem gleichen Grund soll er nach unberechtigter Inanspruchnahme auch nicht mit ungesicherten Forderungen gegen den Rückforderungsanspruch aufrechnen können (OLG Celle BauR 2004, 1794 (1795)). Gerät der Auftraggeber mit seiner Rückgabeverpflichtung in Verzug, hat er dem Auftragnehmer die fortlaufenden Avalzinsen als Verzugsschaden zu ersetzen (OLG Koblenz NJW-RR 2006, 1313 ff.).
47
3. Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft. a) § 17 VOB/B gibt für VOBVerträge eine Zweckbestimmung für die zu stellende Sicherheit vor. Danach soll sie die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und die Mängelansprüche sicherstellen. Nicht selten weichen die tatsächlich gestellten Bürgschaften jedoch davon ab, indem sie etwa auf Gewährleistungsansprüche oder die Vertragserfüllung beschränkt werden (Ingenstau/ Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 14; Thierau, Jahrbuch Baurecht 2000, 66 (68 ff.); Schulze-Hagen, BauR 2007, 170 (171)). Es ist daher zwischen den beiden Bürgschaftsarten und den zugrunde liegenden Sicherungsabreden zu unterscheiden. a) Gesicherte Forderungen. Vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen sichert eine Bürgschaft für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung des Auftragneh-
Lindner
48
49
846
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
mers die Verpflichtung zur fristgerechten Erfüllung, d.h. der Bürge haftet für Schadensersatz aus Verzug einschließlich einer für den Fall der Terminsüberschreitung wirksam vereinbarten Vertragsstrafe (BGH BauR 2003, 870 (872); 1982, 506 (507); WM 1990, 841 f.). 50
Sie umfasst grundsätzlich auch die Ansprüche wegen mangelhafter Leistung im Ausführungsstadium. Dem Auftraggeber stehen insoweit jedenfalls die Ansprüche nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht zu, die seinen Erfüllungsanspruch sichern (PalandtSprau, vor § 633 BGB Rn. 7). Dazu gehören auch Ansprüche wegen Mangelfolgeschäden nach Beseitigung des Mangels (vgl. BGHZ 153, 311 (319) = BauR 2003, 349 (350) = NJW 2003, 1805 ff.). Nichts anderes kann gelten, soweit man dem Auftraggeber zusätzlich die Rechte aus § 634 BGB ohne Abnahme einräumt (May, BauR 2007, 187 (189 f.); Kniffka, ibr-online-Kommentar, Stand 03.06.2008, § 634 BGB Rn. 11 f.; Palandt-Sprau, vor § 633 BGB Rn. 7). Soweit sich nicht aus weiteren Umständen – insbesondere eine ausdrückliche Befristung der Bürgschaft bis zur Abnahme, die Stellung einer gesonderten Gewährleistungsbürgschaft (BGH BauR 2003, 246 (249) = NJW 2003, 352 ff.; OLG Celle BauR 2006, 1647) oder die Reduzierung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf eine Gewährleistungsbürgschaft mit der Abnahme – etwas anderes ergibt, kann sie auch die Gewährleistungsansprüche nach Abnahme umfassen. Denn auch sie gehören grundsätzlich zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung (Ingenstau/Korbion-Joussen § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 19; OLG Hamburg VersR 1984, 48; a.A. OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 533, das unabhängig von der dogmatischen Einordnung der Gewährleistungsansprüche die Erfüllungsbürgschaft in Gegenüberstellung zur Gewährleistungsbürgschaft auf die Ansprüche vor Abnahme beschränkt). Bei VOB-Verträgen fallen auch die Ansprüche nach § 4 Nr. 7 S. 2 VOB/B und der Ersatzanspruch für die Mehrkosten nach Entziehung des Auftrags wegen der mangelhaften Leistung nach § 8 Nr. 3 VOB/B in den Sicherungszweck.
51
Desgleichen haftet der Bürge für Ansprüche wegen unvollständig oder nicht erbrachter Leistungen, insbesondere also Schadensersatzansprüche und Ansprüche auf Ersatz der Mehrkosten nach einer vorzeitigen Vertragskündigung. Rückforderungsansprüche nach einer Überzahlung sind vorbehaltlich einer weitergehenden Abrede dagegen nur gesichert, soweit sie als Positionen eines Schadensersatzanspruches statt der Leistung geltend gemacht werden können (BGH BauR 1988, 220 (221 f.); OLG Celle BauR 1997, 1057 f.), nicht aber soweit es sich um einfache Überzahlungen handelt (BGHZ 76, 187 (189 ff.) = NJW 1980, 1459).
52
Umstritten ist, inwieweit eine allgemein für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung gestellte Bürgschaft auch den Regressanspruch des Auftraggebers absichert, der nach § 1a AEntG auf Zahlung des Mindestlohns von Arbeitnehmern des Auftragnehmers in Anspruch genommen wurde (dafür Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 21; Maser, FS Jagenburg, 557 (560); a.A. OLG Stuttgart BauR 2002, 1093 (1094 f.); SchulzeHagen, BauR 2007, 170 (180 ff.): intransparent; zweifelnd auch Vogel BauR 2002, 1013 (1015 ff.)).
53
Die auf den Bauvertrag bezogene Sicherungsabrede beim VOB-Vertrag erfasst auch angeordnete Leistungsänderungen oder Zusatzleistungen nach § 1 Nrn. 3 und 4 S. 1 VOB/B, weil der Bauvertrag nach der VOB/B diese Leistungsbestimmungsrechte einschließt. Entsprechendes dürfte aber auch für den Fall des § 1 Nr. 4 S. 2 VOB/B und beim BGB-Vertrag gelten, wenn der Auftraggeber die Zusatzleistungen ausführt und der vertragliche Leistungsinhalt insoweit einvernehmlich geändert wird. Denn zumindest konkludent wird dann auch die Sicherungsabrede auf die neue Gesamtleistung erstreckt werden (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 28; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002,
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
847
513 (514); zweifelnd Weise Rn. 57). Davon unabhängig ist jedoch im Hinblick auf die nach § 767 Abs. 1 S. 3 BGB verbotene Fremddisposition (§ 25 Rn. 29) zu prüfen, inwieweit eine Vertragserfüllungsbürgschaft auch solche ursprünglich nicht vertraglich fixierten Leistungen abdeckt. Soweit der ursprüngliche Vertrag dem Auftraggeber ein einseitiges Gestaltungsrecht einräumt, mit dem er den Leistungsumfang des Auftragnehmers verändern, also etwa bei Vereinbarung der VOB gem. § 1 Nr. 3 und Nr. 4 S. 1 VOB/B Leistungsänderungen und Zusatzleistungen anordnen kann, handelt er im Rahmen des ursprünglich abgeschlossenen Bauvertrags. Für die so veränderten Leistungspflichten muss daher auch der Bürge einstehen, der sich für die Erfüllung der bauvertraglichen Leistungen verbürgt hat (BGH BauR 2007, 1722 (1724); Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 VOB/B Rn. 29; Thierau, Jahrbuch Baurecht 2000, 66 (74 ff., 80); Hildebrand, BauR 2007, 1121 (1123); a.A. OLG München BauR 2004, 1316 (1317 ff.), Maser, FS Jagenburg, S. 557 (563 ff.), die nicht zwischen einseitigen und beidseitigen Rechtsgeschäften unterscheiden wollen; Schwenker, BauR 2008, 175 (179 ff.); zweifelnd Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509 (516)). Dagegen kann der Bürge nicht durch Leistungsänderungen belastet werden, die – wie etwa die Verlängerung der Ausführungsfristen (OLG Hamm BauR 2002, 495 ff.) – nur im Einvernehmen mit dem Auftragnehmer vereinbart werden können. Der Bürge wird dadurch jedoch nicht insgesamt leistungsfrei, sondern nur, soweit sich seine Stellung durch die nachträgliche Vereinbarung verschlechtert hat (BGH WM 1980, 773 (774); Hildebrand, BauR 2007, 1121 (1122 f.)). Bei einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung, bei der die Mangelhaftung für die schon erbrachten Bauleistungen aufrecht erhalten wird, muss der Bürge nur noch für diese einstehen, nicht aber für die Mehrkosten, die durch die Vollendung der noch ausstehenden Gewerke anfallen (OLG SachsenAnhalt, Urt. v. 06.07.2006 - 2 U 32/06; s.a. BGH WM 2002, 2278 ff.). b) Der Sicherungsfall (Rn. 31) tritt bei der Vertragsfüllungsbürgschaft ein, wenn die Voraussetzungen für einen Verzugsschadensersatzanspruch oder einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung bzw. den Anspruch auf Mehrkostenersatz gem. § 8 Nr. 3 VOB/ B eingetreten sind. Ist der Auftragnehmer insolvent geworden, entsteht der Schadensersatzanspruch wegen der Nichterfüllung erst, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung abgelehnt hat (§ 103 InsO; BGHZ 150, 353 (359 f.) = WM 2002, 1199 ff.; Ingenstau/ Korbion-Joussen, § 17 Nr. 8 VOB/B Rn. 26; Masloff/Langer, ZfIR 2002, 269 (272 f.)), es sei denn, der Auftraggeber hat den Vertrag bereits vor Insolvenzeröffnung etwa gem. § 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B wirksam gekündigt.
54
Kann der Sicherungsfall nicht mehr eintreten – insbesondere weil das Bauwerk abgenommen und die Vertragserfüllungsbürgschaft auf die Ansprüche vor Abnahme beschränkt sein sollte – ist die Bürgschaft ebenfalls zurückzugeben (BGHZ 139, 325 (328)) und ihre Verwertung unzulässig. Die Rechtsfolgen entsprechen der bei unwirksamer Sicherheitsabrede (s.o. Rn. 47). Eine spezielle Regelung enthält § 17 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B für VOBVerträge.
55
IV. Gewährleistungsbürgschaft. 1. Sicherungszweck. Zwar soll nach § 17 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B eine vereinbarte Sicherheitsleistung sowohl die vertragsgemäße Ausführung wie die Mängelansprüche sicherstellen. Dies gilt jedoch nur, sofern weder die Sicherungsvereinbarung noch die Bürgschaftserklärung abweichende Regelungen treffen. Häufig wird darin differenziert.
56
a) Gesicherte Forderungen. Wird eine Sicherheit speziell für Mängelansprüche bzw. nach altem Recht für Gewährleistungsansprüche vereinbart und/oder gestellt, sichert sie grundsätzlich nur die Mängelansprüche nach der Abnahme, mithin beim BGB-Vertrag die in § 634 BGB genannten Ansprüche und beim VOB-Vertrag die sich aus § 13 VOB/B er-
57
Lindner
848
58
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
gebenden Forderungen (etwa BGH BauR 1998, 332 (333 f.) = WM 1998, 333 ff. noch zum alten Recht; Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 22 f.; May, BauR 2007, 187 (188 f.)). Gesichert sind daher der Anspruch auf Kostenvorschuss für die Mangelbeseitigung, der Kostenerstattungsanspruch bei der Selbstvornahme und alle mangelbedingten Schadensersatzansprüche (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 26; Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509 (513)). Letzteres wird zum alten Recht für die nicht unter § 635 BGB a.F. fallenden Ersatzansprüche wegen der sog. entfernteren Mangelfolgeschäden (vgl. BGHZ 67, 1 (6); MK-Soergel, 3. Aufl. 1997, § 635 BGB Rn. 28) verneint (Thode, ZfIR 2000, 165 (171); Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509 (513); OLG Saarbrücken BauR 2001, 266 (268 f.); OLG Koblenz OLGR 2003, 237 (241)). Keine Rolle spielt es hingegen, ob der Mangel bereits vor der Abnahme oder erst danach entdeckt wurde. Die Gewährleistungsbürgschaft sichert demnach auch die Ansprüche wegen der bei der Abnahme erkannten und vorbehaltenen Mängel (BGH BauR 1998, 332 (334); May, BauR 2007, 187 (190)). b) Nicht gesicherte Ansprüche. Nicht umfasst sind die Ersatzansprüche aus einer nicht mit einem Mangel zusammenhängenden Pflichtverletzung, etwa wegen unterbliebener oder unrichtiger Beratung (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 25; s. auch schon BGH BauR 1998, 332 (333)) und beim VOB-Vertrag die Ansprüche aus § 4 Nr. 7 VOB/B (BGH BauR 1998, 332 (334)), es sei denn sie wandeln sich durch die Abnahme des u.U. nur teilweise fertig gestellten Werks in Gewährleistungsansprüche nach § 13 VOB/B um (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 23; BGHZ 153, 244 (249 f.)). Unter dieser Voraussetzung sind auch die Ansprüche auf Restfertigstellung gesichert, obwohl sie vorrangig in den Sicherungszweck einer Vertragserfüllungsbürgschaft fallen (Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 1 VOB/B Rn. 24).
59
Aus der Akzessorietät der Bürgschaft folgt, dass der Bürgschaftsgläubiger noch Inhaber der gesicherten Forderung sein muss, wenn die Bürgschaft begründet wird. Die Bürgschaft kommt daher nicht wirksam zustande, wenn diese erst nach deren Abtretung – bei Gewährleistungsansprüchen häufig an die Erwerber der errichteten Immobilie – übernommen wird (sog. „Abtretungsfalle“, etwa BGH WM 2003, 969 (971); May, BauR 2007, 187 (191)). Dem kann vorgebeugt werden, indem etwa in der Abtretungsvereinbarung auch die Übertragung künftiger Sicherheiten vorgesehen (BGH WM 2002, 1968 ff.; das hält Lindner-Figura, NJW 2002, 3134 ff., für den Regelfall) oder schon die Bürgschaft auch zugunsten des Zessionars bestellt wird (BGH WM 2003, 969 (971 f.); 1982, 485 (486)).
60
c) Teilüberschneidung des Sicherheitszwecks von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft. Da Gewährleistungsansprüche auch von der Vertragserfüllungsbürgschaft gedeckt sein können, jedenfalls sofern sie vor der Abnahme fällig geworden sind (BGH NJW 1999, 55 (57) zum alten Recht; für §§ 634 BGB n.F. ist ungeklärt, aber wohl zu bejahen, dass Mängelansprüche auch vor und unabhängig von der Abnahme geltend gemacht werden können, dafür etwa May, BauR 2007, 187 (189 f.); Kniffka, ibr-online-Kommentar, Stand 03.06.2008, § 634 BGB Rn. 11 f.; Palandt-Sprau, vor § 633 BGB Rn. 7) kann es zu Überschneidungen zweier Bürgschaften kommen, soweit sich nicht entweder durch Auslegung der Sicherungsabrede oder der Bürgschaften ergibt, dass nur eine Bürgschaft in Anspruch genommen werden kann, oder nach dem Vorbild des § 17 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B eine Bürgschaft für beide Vertragsstadien bestellt wurde. Sind auch die Bürgen personenverschieden, dürfte eine Mitbürgschaft gem. § 769 BGB entstehen und damit die Möglichkeit, dass sich der Gewährleistungsbürge bei vorzeitiger Entlassung des Vertragserfüllungsbürgen auf die Haftungsbefreiung gem. § 776 BGB berufen kann (May, BauR 2007, 187 (190)).
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
849
2. Sicherungsfall. Auch die Gewährleistungsbürgschaft darf erst in Anspruch genommen werden, wenn ein auf Geld gerichteter Gewährleistungsanspruch entstanden und fällig geworden ist (Rn. 31). Insbesondere rechtfertigen daher die Nacherfüllungsansprüche gem. §§ 634 Nr. 1, 635 BGB bzw. § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B allein noch nicht die Inanspruchnahme der Bürgschaft. Es müssen vielmehr die Voraussetzungen für die Selbstvornahme und damit einen Kostenvorschussanspruch oder einen Schadensersatz- oder Kostenerstattungsanspruch vorliegen (BGHZ 148, 151 (154) = NJW 2001, 3629; OLG Köln, BauR 2006, 719 (720); OLG Brandenburg IBR 2008, 448). Wird in der Bürgschaft (oder einer damit korrespondierenden Sicherungsvereinbarung) die Inanspruchnahme von einer förmlichen Abnahme abhängig gemacht, entsteht der Anspruch erst, wenn diese Abnahme auch durchgeführt wurde (OLG Frankfurt OLGR 2007, 655 f.; s.a. OLG Hamburg BauR 1990, 745 ff.). Eine stillschweigende Abnahme löst die Bürgenhaftung nicht aus, vor allem, wenn zusätzlich eine mangelfreie Abnahme vorausgesetzt wird. Auch die Gewährleistungsbürgschaft ist zurückzugeben, wenn der Sicherungsfall nicht mehr eintreten kann, namentlich die Mängelansprüche verjährt sind. Abweichend dazu verpflichtet § 17 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B zur Rückgabe bereits zwei Jahre nach Abnahme. 3. Anforderungen an vorformulierte Sicherungsabreden. a) Sicherungseinbehalt nach Abnahme. Beginnend mit BGHZ 136, 27 ff. (= WM 1997, 1675 = BauR 1997, 829) hat der Bundesgerichtshof formularmäßige Sicherungsabreden, die den Auftragnehmer berechtigen, nach beanstandungsfreier Abnahme einen nicht unbeträchtlichen Betrag als Sicherheit für mögliche Mängel einzubehalten, ohne dass dem Auftragnehmer dafür ein angemessener Ausgleich eingeräumt wird, als unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 9 AGBG (jetzt: § 307 BGB) angesehen. Zwar erkennt er ein Sicherungsbedürfnis des Auftraggebers für die Zeit der Gewährleistung an, weil immer mit Mängeln zu rechnen ist und er sonst das Bonitätsrisiko des Auftragnehmers uneingeschränkt zu tragen hätte (BGHZ 136, 27 (31)). Gleichwohl steht dem Auftragnehmer nach vorbehaltloser Abnahme der Werklohn in voller Höhe zu (§ 641 BGB) und ist es nicht gerechtfertigt, ihm für den verhältnismäßig langen Zeitraum der Gewährleistungsfrist einen nicht unerheblichen Teil der Vergütung ohne Verzinsung vorzuenthalten und ihm zudem das Bonitätsrisiko des Auftraggebers aufzubürden (BGHZ 136, 27 (31 f.)). Dieses Bonitäts- bzw. Insolvenzrisiko ist allerdings nach der späteren Rechtsprechung für die Unangemessenheit der Regelung nicht entscheidend. Denn auch öffentliche Auftraggeber, deren Zahlungsfähigkeit regelmäßig gesichert ist, sind danach nicht berechtigt, Sicherheitseinbehalte ohne angemessenen Ausgleich vorzunehmen (BGH BauR 2005, 539 = NJW-RR 2005, 458; NJW-RR 2006, 389). Dabei sieht der BGH die Regelungen in § 17 VOB/B als einen solchen angemessenen Ausgleich an: Nach § 17 Nr. 3 VOB/B kann der Auftraggeber wählen, ob er einen Sicherungseinbehalt zulässt, der aber auf sein Verlangen auf ein gemeinschaftliches Sperrkonto (Und-Konto, vgl. § 42 Rn. 18 ff.) einzuzahlen ist, dessen Zinsen ihm zustehen, oder ob er den Sicherungseinbehalt durch eine Bürgschaft ablöst, die nach § 17 Nr. 4 VOB/B als selbstschuldnerische Bürgschaft auszugestalten ist, und sich so Liquidität verschafft (BGHZ 136, 27 (32); s.a. BGHZ 157, 29 (31 f.) = NJW 2004, 443, wo die Ablösung des Sicherungseinbehalts durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft ausdrücklich zugelassen wird, die Klausel aber daran scheitert, dass der Austausch zusätzlich vom Fehlen wesentlicher Mängel abhängig gemacht und so vom Auftraggeber nahezu beliebig blockiert werden kann; die Einzahlung auf ein Sperrkonto muss daneben nicht vorgesehen werden, BGH BauR 2004, 841 (842) = WM 2004, 718).
Lindner
61
62
63
64
850
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
65
Nicht ausreichend ist es jedoch, wenn die Sicherungsabrede nur eine Ablösung durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsieht. Denn mit ihrer Hilfe kann der Auftraggeber die an sich dem Auftragnehmer zustehenden Mittel ohne weiteres wieder an sich ziehen und diesen auf einen langwierigen Rückforderungsprozess verweisen, währenddessen letzterer wiederum das Bonitätsrisiko des Auftraggebers zu tragen hat (BGHZ 136, 27 (32 f.); zu den Wirkungen der Bürgschaft auf erstes Anfordern o. Rn. 3 f.). Ist die VOB/ B nur nachrangig vereinbart, wird durch solche Klauseln auch das Wahlrecht des § 17 Nr. 3 VOB/B und die Verpflichtung zur Einzahlung auf ein Sperrkonto (§ 17 Nr. 6 VOB/ B) ausgeschlossen (BGH BauR 2002, 1392 f. = WM 2002, 1508). Lässt die Sicherungsvereinbarung offen, mit welcher Art Bürgschaft der Sicherungseinbehalt abgelöst werden kann, indem sie nur auf ein Muster des Auftraggebers verweist und gleichzeitig § 17 Nr. 4 VOB/B ausschließt, ist sie ebenfalls unwirksam, weil der Auftraggeber danach auch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangen könnte (BGH BauR 2000, 1052 (1053) = WM 2000, 1299; anders dagegen, wenn schon in der Sicherungsabrede selbst eine selbstschuldnerische Bürgschaft vorgesehen wird, weil davon durch ein nicht Vertragsinhalt gewordenes Muster nicht abgewichen werden darf, BGH BauR 2004, 841 (842) = WM 2004, 718 (719)). Nicht ausreichend ist es auch, wenn der Auftraggeber lediglich verpflichtet wird, den Sicherungseinbehalt auf ein Verwahrgeld- oder Sperrkonto einzuzahlen oder zu hinterlegen, sofern er nicht durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst wird. Denn dadurch erlangt der Auftragnehmer ebenfalls keine Liquidität (BGH BauR 2006, 374; 2007, 1575 f.; a.A. Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 4 Rn. 63 m.w.N., der meint, dies widerspräche dem Sicherungssystem der VOB/B; Kapellmann/ Messerschmidt-Thierau, § 17 VOB/B Rn. 176). Gleiches gilt, wenn die Ablösung nur durch eine Bürgschaft zugelassen wird, deren Befristung im Belieben des Auftraggebers steht (BGHZ 154, 378 (386 f.) = NJW 2003, 2605).
66
b) Höhe der Sicherheit. Die nach § 307 BGB zulässige Höhe einer Sicherung ist höchstrichterlich nicht geklärt. Wohl überwiegend wird eine Höhe von 5% der Abrechnungssumme noch als angemessen angesehen, wobei für besonders mängelanfällige Gewerke Ausnahmen möglich sein sollen (Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509 (515); strenger Siegburg, EWiR 2001, 785 (786): 3% in Anlehnung an § 14 Nr. 2 S. 3 VOB/B; großzügiger Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 2 Rn. 33: generell 10%). Der Bundesgerichtshof (BGH BauR 2004, 1143 (1145)) hat in einem Fall 6% noch als angemessen angesehen. Dort sollte die Bürgschaft aber zusätzlich noch Überzahlungen sichern. Streitig ist auch hier wieder, ob der Brutto- oder die Nettoabrechnungsbetrag zugrunde zu legen ist. Die besseren Gründe sprechen auch hier für den Bruttobetrag (s.o. Rn. 46; a.A. Schmitz, Sicherheiten, Rn. 77).
67
c) Sonstige Unwirksamkeitsgründe. Ebenso unwirksam ist der uneingeschränkte, auch auf rechtskräftig festgestellte und unstreitige Forderungen erstreckte Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit (BGH WM 2003, 669 ff.; § 25 Rn. 70). Ob dies auf den Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit bei unstrittigen und rechtskräftig festgestellten Anfechtungsgründen übertragen werden kann (so May, BauR 2007, 187 (200 f.)) ist zweifelhaft, weil eine § 309 Nr. 3 BGB vergleichbare Regelung fehlt und es – anders als bei der Aufrechnung – nicht nur um den vorrangigen Einsatz der Forderung des Hauptschuldners, sondern um die Aufrechterhaltung des gesamten Rechtsgeschäfts geht. Unwirksam ist auch der Verzicht auf die Einreden des § 776 BGB (BGHZ 144, 52 (56 ff.); § 25 Rn. 76).
68
d) Folge der Unwirksamkeit der Sicherheitsabrede ist auch hier, dass der Auftragnehmer die Bürgschaft nicht verwerten, d.h. die Bürgschaftsforderung nicht geltend machen darf und die Bürgschaft herauszugeben hat. Eine unwirksame Klausel kann auch nicht in der Weise aufrechterhalten werden, dass statt einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nur eine
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
851
selbstschuldnerische Bürgschaft zu stellen wäre. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung kommt jedenfalls ohne konkrete Umstände, die für einen solchen hypothetischen Vertragswillen sprächen, nicht in Betracht (BGH BauR 2005, 539; 1154; a.A. Hildebrandt, ZfIR 2002, 872 (874 ff.); Schulze-Hagen, BauR 2003, 785 (792); s.a. OLG Frankfurt IBR 2008, 326 und OLG Köln OLGR 2008, 244 ff. für einen Verzicht auf die Einrede des § 768 BGB). Stellt der Bürge allerdings eine Bürgschaft auf erstes Anfordern, ohne dass die Sicherungsabrede – wie etwa § 17 Nr. 4 S. 2 VOB/B – eine derartige Verpflichtung vorsieht, bleibt der Auftraggeber berechtigt, diese nach Maßgabe einer selbstschuldnerischen Bürgschaft geltend zu machen. Zur Klarstellung hat er sich allerdings schriftlich gegenüber Auftragnehmer und Bürgen zu verpflichten, nur in diesem Umfang vorzugehen (BGHZ 154, 378 (386) = NJW 2003, 2605). Der Auftraggeber hat aber auch eine etwa einbehaltene Barsicherheit auszuzahlen (Kapellmann/Messerschmidt-Thierau, § 17 VOB/B Rn. 176; Thode, ZfIR 2000, 165 (168)). Das ergibt sich schon aus der Unzulässigkeit des Sicherungseinbehalts ohne fairen Ausgleich. Ein Zurückbehaltungsrecht ist auch hier ausgeschlossen (s.o. Rn. 47).
69
4. Austauschrecht des Auftragnehmers. Das in § 17 Nr. 3 VOB/B vorgesehene Wahlbzw. Ablösungsrecht des Auftragnehmers führt häufig dann zu Auseinandersetzungen, wenn der Auftraggeber sich trotz Stellung der Bürgschaft weigert, den Sicherungseinbehalt auszubezahlen, weil er gegen den Auszahlungsanspruch mit tatsächlichen oder vermeintlichen Mängelhaftungsansprüchen aufrechnet. Da es in der Entscheidung des Auftragnehmers liegt, welche Sicherheit er leistet, ist der Auftraggeber grundsätzlich verpflichtet, den Sicherungseinbehalt auszuzahlen, sobald der Auftragnehmer eine ordnungsgemäße Bürgschaft gestellt hat (BGHZ 148, 151 (153 f.) = BauR 2001, 1893). Er darf die Auszahlung nicht schon im Hinblick auf bestehende Mängel verweigern, sondern nur, soweit er die einbehaltene Summe bereits verwertet hat, indem er sie mit einem fälligen, auf Geld gerichteten Mängelhaftungsanspruch verrechnet hat. Dann muss er aber die Bürgschaft zurückweisen (BGHZ 148, 151 (155)). Ist der Sicherungsfall bei Stellung der Bürgschaft bereits eingetreten und der Bareinbehalt noch vorhanden, kann der Auftraggeber wählen, ob er den Bareinbehalt verwertet und die Bürgschaft zurückweist oder ihn auszahlt und die Bürgschaft annimmt. Dazu muss er sich unverzüglich erklären. Lässt er diese Frist verstreichen, muss er den vom Auftragnehmer gewählten Sicherheitstausch hinnehmen, d.h. er muss die Bürgschaft behalten und den Sicherungseinbehalt auszahlen (BGH a.a.O.; BGH BauR 2002, 1153 (1154); zu weitgehend Tiedtke, DB 2006, 2162 (2165), der meint, der Auftraggeber könne auch nicht aus der Bürgschaft vorgehen, weil er sie nicht angenommen habe). Ist der Sicherungsfall dagegen noch nicht eingetreten, muss er die Bürgschaft annehmen und ist wiederum verpflichtet, den einbehaltenen Betrag auszuzahlen. Anders kann es nur sein, wenn der Sicherungsfall kurz bevor steht, weil etwa eine gesetzte Nachbesserungsfrist in wenigen Tagen abläuft (BGH a.a.O.).
70
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Bürgschaft zumindest stillschweigend unter der auflösenden Bedingung übergeben wurde, dass der Auftraggeber den Sicherungseinbehalt auch tatsächlich auszahlt (BGHZ 136, 195 (197 f.); BGH BauR 1998, 544 (545) = NJW 1998, 2057; Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 3 VOB/B Rn. 26; zweifelnd Leinemann, NJW 1999, 262 (263); Otto, BauR 1999, 322 (323 ff.)). Es besteht daher auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr der Bürgschaft, wenn der Sicherungseinbehalt nicht umgehend ausbezahlt wurde, sei es, weil der Auftraggeber der Auffassung ist, er könne ihn verwerten, sei es, weil er insolvent geworden ist. Ob der Auftragnehmer dagegen noch einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, weil der Auftraggeber die Bürgschaft verwertet hat, ist zweifelhaft. Denn er hat damit lediglich den
71
Lindner
852
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
angebotenen Austausch vollzogen (vgl. BGHZ 148, 151 (155)). Schadensersatzpflichtig ist er daher nur, wenn und soweit er den Sicherungseinbehalt nicht auszahlt (a.A. Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 3 VOB/B Rn. 29 unter Hinweis auf die insoweit überholten Entscheidungen BGH BauR 2000, 1501 ff.; 2001, 109 ff.). 72
Nach BGH BauR 2006, 379 (381 f.) = WM 2006, 542 soll der Auftraggeber seine Sicherheiten jedoch gem. § 17 Nr. 6 Abs. 3 S. 2 VOB/B vollständig verlieren, wenn er den Sicherheitseinbehalt nicht binnen 18 Tagen auf ein Sperrkonto einzahlt; diese Regelung erfasse auch die Lage nach Ablösung durch eine Bürgschaft, obwohl der Auftraggeber hier in erster Linie verpflichtet ist, den Bareinbehalt auszuzahlen (a.A. mit beachtlichen Argumenten Voit, ZfIR 2006, 407 (408 ff.)).
73
Da der Auftragnehmer unabhängig vom Austausch der Sicherheiten entscheiden kann, ob er die jeweils bestehende Sicherheit verwertet oder sie für künftig noch auftretende Mängel einsetzt und seine aktuell bestehenden Mängelansprüche unmittelbar durchsetzt (vgl. BGHZ 148, 151 (155, Var. 3), Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 3 VOB/B Rn. 24) kann er über den Sicherungseinbehalt bzw. nach dem Austausch über die Bürgschaft hinaus Werklohn zurückhalten, soweit er dazu aufgrund eines Mangels berechtigt ist (OLG Frankfurt, BauR 2007, 157 (Ls.)).
74
5. Verjährungsfragen. Mit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform stellt sich einerseits die bislang im Wesentlichen geklärte Frage neu, inwieweit sich der Bürge auf die Verjährung der Gewährleistungsansprüche berufen kann. Andererseits wird durch die Verkürzung der für die Bürgschaft geltenden Regelverjährung das Problem aufgeworfen, ob und inwieweit sich der Bürge auf die Verjährung seiner Verpflichtung berufen kann, wenn der gesicherte Mängelhaftungsanspruch noch nicht verjährt ist.
75
a) Verjährung der Mängelansprüche. Der Bundesgerichtshof hat – gestützt auf § 17 Nr. 8 VOB/B und §§ 639 Abs. 1, 478 Abs. 1 BGB a.F. entschieden, dass der Auftraggeber im Verhältnis zum Auftragnehmer berechtigt ist, die Gewährleistungsbürgschaft zurückzuhalten und zu verwerten, auch wenn der gesicherte Anspruch inzwischen verjährt ist, sofern er nur den zugrunde liegenden Mangel in unverjährter Zeit gerügt hat (BGHZ 121, 168 (171 f.) = NJW 1993, 1131 = BauR 1993, 335). Übernimmt der Bürge eine Bürgschaft nach der VOB/B umfasst ihr Sicherungszweck auch diese verjährten Ansprüche. Er kann sich daher auf deren Verjährung nicht berufen (BGHZ 121, 173 (177 f.) = NJW 1993, 1133 = BauR 1993, 337).
76
Ob mit der Schuldrechtsreform die Notwendigkeit entfiel, dass sich der Auftraggeber in unverjährter Zeit auf die Mängel berufen muss, ist zweifelhaft. Zwar enthalten § 634a Abs. 4 S. 2, Abs. 5 BGB keine entsprechende Einschränkung. Man wird aber fordern können, dass zumindest die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht in unverjährter Zeit geschaffen wurden (Palandt-Sprau, § 634a BGB Rn. 23). Um in jedem Fall zu verhindern, dass der Auftraggeber die Rückgabe der Bürgschaft hinauszögert, um nach Eintritt der Verjährung noch nicht erkannte Mängel weiter absichern zu können, wurde in § 17 Nr. 8 Abs. 2 S. 2 VOB/B 2002 zusätzlich vorausgesetzt, dass ein Mängelanspruch in unverjährter Zeit erhoben wurde. Soweit eine Bürgschaft auf diese Regelungen im Werkvertrag verweist, ist daher weiterhin auch die Sicherung verjährter Ansprüche umfasst (a.A. May, BauR 2007, 187 (198 f.), der eine formularmäßige Regelung für unangemessen benachteiligend und deshalb für unwirksam hält; kritisch auch Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509 (521)).
77
Es war schon zum alten Recht fraglich, ob die auf § 17 Nr. 8 VOB/B gestützten Entscheidungen auf BGB-Verträge übertragen werden können. Der Umstand allein, dass die Gewährleistungsbürgschaft an die Stelle eines Sicherungseinbehalts treten sollte, ließ eine
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
853
Erweiterung des Sicherungszwecks auf verjährte Gewährleistungsansprüche nicht zwingend erscheinen (vgl. BGHZ 138, 49 (54 f.) = WM 1998, 548 für eine Mietkaution; Staudinger-Horn, § 768 BGB Rn. 14). Noch weniger kann davon nach der Schuldrechtsreform ausgegangen werden, nachdem deren Verfasser der Akzessorietät der Bürgschaft gerade auch in diesem Zusammenhang Vorrang eingeräumt haben (BT-Drucks. 14/6040, S. 123). Es wird allerdings vertreten, dass die Gewährleistungsbürgschaft entsprechend ihres Sicherungszwecks auch verjährte Mängelansprüche sichere, soweit der Auftraggeber die Auszahlung eines Einbehalts unter Berufung auf § 634a Abs. 4 S. 2; Abs. 5 BGB verweigern könne (Tiedtke, JZ 2006, 940 (944); DB 2006, 2162 (2166); s.a. OLG Saarbrücken OLGR 2007, 268 (270); a.A. Maxem, NZBau 2007, 72 (73 f.), der aus § 215 BGB folgert, dass der Mangel in unverjährter Zeit aufgetreten sein muss). Der Auftragnehmer wird daher darauf zu achten haben, den Ablauf der Verjährungsfrist gegenüber dem Auftraggeber insbesondere auch bei dessen Insolvenz durch verjährungshemmende bzw. –unterbrechende Maßnahmen zu verhindern, um die Sicherungswirkung der Bürgschaft nicht zu verlieren (vgl. BGHZ 139, 214 (216 ff.) = WM 1998, 1766; WM 1998, 2540 ff.). Ein Anerkenntnis des Auftragnehmers wirkt allerdings nicht zu Lasten des Bürgen (MK-Habersack, § 767 BGB Rn. 12). Erst wenn der Hauptschuldner wegen Vermögenslosigkeit untergegangen ist und gegen ihn keine verjährungshemmenden oder –unterbrechenden Maßnahmen mehr möglich sind, können sie unmittelbar gegenüber dem Bürgen ergriffen werden (BGHZ 153, 337 (342 f.) = WM 2003, 487 ff.) b) Verjährung der Bürgschaft. Ebenso große Beachtung muss nach der Schuldrechtsreform die Verjährung der Bürgschaftsforderung selbst finden (s.a. § 25 Rn. 75). Die für sie geltende Regelverjährung wurde von 30 Jahren auf nunmehr 3 Jahre ab Kenntnis des Anspruchs (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB n.F.) verkürzt. Sie kann also durchaus vor der 5-jährigen Verjährungsfrist für Mängelansprüche ablaufen, deren Ablauf zudem durch verjährungshemmende Maßnahmen gegenüber dem Auftragnehmer hinausgeschoben werden kann. Nach § 199 Abs. 1 BGB kommt es grundsätzlich auf die Fälligkeit der Forderung an. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr sowohl für eine selbstschuldnerische Bürgschaft (BGH WM 2008, 729 (732); so auch schon OLG Saarbrücken OLGR 2007, 268 (270); KG OLGR 2007, 502 (505); Kapellmann/Messerschmidt-Thierau, § 17 VOB/B Rn. 193 a.E.; MK-Habersack, § 765 Rn. 82; Bräuer, NZBau 2007, 477 (478 f.); Hohmann, WM 2004, 757 (760); Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509 (518 f.); beiläufig auch BGH WM 2004, 371) wie für eine Bürgschaft auf erstes Anfordern (BGH Urteil v. 08.07.2008 – XI ZR 230/07, Tz. 21 ff.) entschieden, dass die Bürgschaftsforderung schon mit der Fälligkeit der verbürgten Forderung eintritt, mithin mit der Fälligkeit eines auf Geld gerichteten Mängelhaftungsanspruchs. Dabei konnte er sich auf entsprechende Vorstellungen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 14/7052, S. 206) stützen. Er hat damit der Gegenmeinung, die zusätzlich eine Inanspruchnahme durch den Gläubiger fordert (so etwa noch BGHZ 92, 295 (300); BGH NJW 1989, 1284 (1285); 1991, 100; Staudinger-Horn, § 765 BGB Rn. 112; Ingenstau/Korbion-Joussen, § 17 Nr. 4 VOB/B Rn. 103; Gay, NJW 2005, 2585 ff.), eine Absage erteilt. Weniger überzeugend ist die Gleichbehandlung der Bürgschaft auf erstes Anfordern, deren Geltendmachung regelmäßig an die Erfüllung bestimmter formalisierter Anforderungen geknüpft wird. Hier gleicht die Rechtslage derjenigen, die entsteht, wenn die Geltendmachung des Anspruchs eine Rechnungsstellung voraussetzt (etwa BGH WM 2001, 1769 f. für Architektenhonorar). Dass diese zusätzlichen Anforderungen den Bürgen vor übereilter Inanspruchnahme schützen sollen, ändert nichts daran, dass die Durchsetzung und damit die Fälligkeit des Bürgschaftsanspruchs davon abhängt (gegen BGH, Urteil v. 08.07.2008 – XI ZR 230/07, Tz. 23).
Lindner
78
854
79
80
81
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
V. Vorauszahlungs- und Abschlagszahlungsbürgschaften. 1. Sicherungszweck. Vorauszahlungs- und Abschlagszahlungsbürgschaften sollen den Auftraggeber, der entgegen der gesetzlich verordneten Vorleistungspflicht des Werkunternehmers Zahlungen leistet, davor absichern, dass er keine der Vorauszahlung entsprechende Bauleistung erhält. Einen gesetzlichen Sonderfall regelt die Makler- und Bauträgerverordnung (dazu im Einzelnen unten Rn. 81 ff.). § 16 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 und Nr. 2 Abs. 1 S. 1 VOB/B sehen dementsprechend vor, dass der Auftraggeber Sicherheit verlangen kann, soweit Abschlags- oder Vorauszahlungen nicht durch wertentsprechende Leistungen gedeckt sind. Soweit sie auf die Sicherung der an sich noch nicht fälligen Vorauszahlungen bezogen wird, kann zulässigerweise auch die Gestellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart werden, da selbst bei missbräuchlicher Geltendmachung nur die gesetzliche Leistungsfolge wieder hergestellt würde (OLG Düsseldorf BauR 2004, 1319 (1320); s.a. BGHZ 148, 283 (287)). Zweifelhaft wird dies allerdings, soweit der Auftragnehmer damit auch nach § 632a BGB fällige Abschlagszahlungen zurückholen könnte. Bei vorzeitiger Beendigung des Bauvertrages haftet der Bürge dem Sicherungszweck entsprechend nur, soweit die für die bis dahin erbrachte Bauleistungen berechenbare Vergütung hinter den Vorauszahlungen zurückbleibt. Mängel dieser Leistungen können diese Vergütung zusätzlich mindern (BGH NJW 2000, 511 (512); NJW 1986, 1681 (1684)). Sichert die Bürgschaft nur einen Teil der Vorleistungen, ist weiter zu prüfen, ob dieser Teil nicht schon auf konkret erbrachte Leistungen anzurechnen ist und in welchem Verhältnis eine nicht für konkrete Leistungen zu verrechnende Vorleistung zu den anderen nicht gesicherten Vorleistungen steht. Der Bürge haftet dann nur, soweit die gesicherte Vorauszahlung noch nicht durch erbrachte Leistungen gedeckt ist und für den Anteil des Rückzahlungsanspruchs, der der gesicherten Vorausleistung entspricht (BGH BauR 1999, 1023 (1024 f.) = NJW 1999, 2113). Für Vorauszahlungsbürgschaften, die nicht auf § 7 MaBV bezogen sind, ist unklar, ob sie auch den Schadensersatzanspruch wegen des Mehraufwands der Fertigstellung decken (Schmitz, Sicherheiten, Rn. 15, 28). Jedenfalls soweit sie in die Gesamtabrechnung vergütungsmindernd eingestellt werden können, dürften auch sie vom Sicherungszweck umfasst sein (BGH NJW 2000, 511 (512)). Eine Klarstellung in der Bürgschaftserklärung ist ratsam. Nicht gesichert hingegen ist ein Rückzahlungsanspruch, der nach Zahlung auf eine Schlussrechnung entsteht, in der erbrachte und an sich gesicherte Abschlagszahlungen nicht berücksichtigt wurden (BGH WM 1992, 1395 (1396 f.)). 2. Bürgschaften nach § 7 MaBV. a) Der gesetzliche Rahmen der MaBV. Eine erhebliche Rolle spielen Vorauszahlungsbürgschaften im Bauträgergeschäft. Bauträger i.S.d. § 34c Nr. 2a GewO können mit ihren Kunden wirksam nur dann von den Vorgaben des § 3 MaBV abweichen und Vorauszahlungspflichten vereinbaren, wenn sie Sicherheit für alle etwaigen Ansprüche des Auftraggebers auf Rückgewähr oder Auszahlung dieser Vorauszahlungen leisten, § 7 Abs. 1 MaBV. Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, § 12 MaBV. Unwirksam ist nach der ständigen Rechtsprechung allerdings nur die Abschlagszahlungsvereinbarung, nicht der Vertrag im Übrigen (OLG Stuttgart BauR 2007, 406 (407)). Die nichtige Abschlagszahlungsvereinbarung wird auch nicht durch den in § 3 Abs. 2 MaBV vorgesehenen Zahlungsplan ersetzt. Es gilt vielmehr § 641 Abs. 1 BGB. § 632a BGB ist auf Bauverträge, die der MaBV unterfallen, nicht anwendbar (BGH NJW 2007, 1947 (1948 f.); 1360 (1361); grdl. BGHZ 146, 250 (257 ff.) = NJW 2001, 818 ff.). Die Vergütung wird daher insgesamt erst mit Abnahme fällig. Gleichwohl erbrachte Voraus- oder Abschlagszahlungen können bereicherungsrechtlich nach § 817 BGB zurückgefordert werden. § 813 BGB steht nicht entgegen - allerdings nur in dem Umfang, in dem sie nicht auch schon nach § 3 Abs. 2 MaBV hätten verlangt werden können. Denn insoweit hat sich der Schutz der MaBV realisiert (BGH NJW 2007, 1947 (1949)).
Lindner
§ 26 Bürgschaft auf erstes Anfordern und Baubürgschaft
855
b) Sicherungsumfang einer Bürgschaft nach § 7 MaBV. Sind Vorauszahlungen gegen Sicherheitenstellung entsprechend § 7 MaBV wirksam vereinbart, können sie erst fällig werden, wenn der Bauträger eine § 7 Abs. 1 MaBV entsprechende Sicherheit tatsächlich gestellt hat (etwa BGHZ 151, 147 (151) = NJW 2002, 2563; Freckmann, BKR 2003, 399 (400 f.)). Eine Verwahrung der Bürgschaftsurkunde beim Notar genügt nur, wenn er dabei allein den Weisungen des Auftraggebers unterliegt (BGH NJW 2007, 1360 (1361) m. Anm. Vogel; Basty, MittBayNot 2007, 398 ff.). Neben den sich aus § 2 Abs. 2 MaBV ergebenden Voraussetzungen – selbstschuldnerische (s. dazu und zu einer unwirksamen formularmäßigen Einschränkung BGHZ 169, 1 (15 f.) = WM 2006, 1901) Bürgschaft einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, eines zugelassenen Kreditinstituts oder eines Versicherungsunternehmens, das Bürgschaftsversicherungen vergeben darf – muss sie daher auch dem in § 7 Abs. 1 MaBV vorgeschriebenen Sicherungsumfang entsprechen. Ungenügend ist eine Bürgschaft, nach der sich der Bürgschaftsbetrag entsprechend der Fälligkeit der Vergütungsforderung verringert, auch wenn die Fälligkeitszeitpunkte dem Zahlungsplan des § 3 Abs. 2 MaBV entsprechen (BGH WM 2003, 1259).
82
Der Höhe nach muss sie die gesamte, vom Erwerber nach dem Erwerbsvertrag vorzuleistende Summe abdecken. Das umfasst auch den Anteil, der nicht auf die eigentliche Bauleistung, sondern auf andere Leistungselemente, wie etwa das ebenfalls zu übertragende Baugrundstück, entfällt (Fischer, WM 2003, 1).
83
Hinsichtlich des Umfangs der gesicherten Forderungen wird in der Regel auch in der Bürgschaftsurkunde darauf verwiesen, dass die Bürgschaft gemäß § 7 MaBV zu leisten sei. Die verbürgten Forderungen entsprechen danach den nach § 7 Abs. 1 MaBV zu sichernden Ansprüchen, die wiederum durch den Schutzzweck dieser Vorschrift bestimmt werden (BGHZ 162, 378 (381) = WM 2005, 1024; BGHZ 151, 147 (151 f.); zu Unrecht zweifelnd Vogel, ZfIR 2003, 60). Da die MaBV sicherstellen soll, dass der Erwerber/Auftraggeber entweder die versprochenen Leistungen bekommt oder aber seine bereits aufgebrachten Mittel zurückerhält, wenn der Wert der erbrachten Leistungen hinter demjenigen der geschuldeten Leistungen des Bauträgers zurückbleibt, sind alle Ansprüche umfasst, die sich aus der Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses zwischen den geschuldeten und im Voraus geleisteten Zahlungen des Erwerbers und dem Wert der geschuldeten und erbrachten Leistungen des Bauträgers ergeben (BGHZ 151, 147 (153) = NJW 2002, 2663; 160, 277 (281) = WM 2004, 2386; BGH WM 2002, 1506 (1507)).
84
Zu den danach zu sichernden Ansprüchen auf Rückgewähr bzw. Auszahlung der übertragenen Vermögenswerte gehören zunächst alle Rückerstattungsansprüche, die aufgrund der Unwirksamkeit des Vertrages (BGH WM 2008, 729 (731) für Formnichtigkeit) oder seiner Aufhebung entstehen, sei es infolge mangelhafter, verzögerter oder unvollständiger Leistungserbringung, infolge der Insolvenz des Bauträgers oder im Einvernehmen, auch ohne dass sie vom Auftragnehmer zu vertreten sein muss, (BGHZ 162, 378 (383) = WM 2005, 1024 = ZfIR 2005, 546 ff. m.Anm. Thode; BGHZ 160, 277 (281 f.) = WM 2004, 2386; BGH WM 2002, 1506 (1507)). Erst wenn die Vertragsaufhebung bewusst zum Nachteil des Bürgen erfolgt, soll seine Leistungspflicht entfallen (BGHZ 162, 378 (383); BGH WM 2004, 724 (726); zweifelnd Thode, ZfIR 2005, 548 (549)).
85
Mängelhaftungsansprüche. Gesichert sind aber auch Ansprüche auf Rückgewähr nach mangelbedingter Wandelung bzw. nunmehr Rücktritt (BGH WM 2002, 1506 (1507)), auf großen Schadensersatz (BGH BauR 2008, 1142), aufgrund Minderung (BGH BauR 2001, 1727 (1730) = NJW 2001, 3329) und auf die Erstattung der Mangelbeseitigungskosten bei Selbstvornahme (BGHZ 151, 147 (153) = NJW 2002, 2563; BGH NJW 1999, 1105
86
Lindner
856
87
88
89
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
(1107); a.A. Tiedtke, DB 2006, 2162 (2166 f.), der insoweit weiterhin eine Abgrenzung zur Gewährleistungsbürgschaft vornehmen will; Pauly, BauR 2004, 19 (22 f.)). Dies gilt jedoch nur, soweit diese Ansprüche vor der vollständigen Fertigstellung i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 3 MaBV, der die Abnahmereife entspricht (Nobbe, FS Horn, 801 (814 f.); Fischer, WM 2003, 1 (3); a.A. Kaufmann, BauR 2002, 997 (1004 f.): Ablauf der Gewährleistungsfrist; Eisenried, BauR 2008, 754 (755 ff.): mangelfreie Herstellung) entstanden sind. Denn damit endet das Vorleistungsrisiko, da die gesicherte Werklohnforderung fällig wird. Hat der Erwerber das Bauwerk abgenommen, haftet der Bürge daher nicht für Ansprüche, die aus Mängeln erwachsen, die erst nach der Abnahme entdeckt wurden (BGH NJW 2003, 283 (286); NJW-RR 2003, 452 (453)). Gesichert bleiben aber die Ansprüche, die aus Mängeln resultieren, die bei der Abnahme vorbehalten wurden, und aus Fehlern, die bis zur Beseitigung der vorbehaltenen Mängel auftreten. Denn insoweit stünde dem Erwerber, der nicht vorgeleistet hat, ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 320 BGB zu (Nobbe, FS Horn, 801 (815 f.); Fischer, WM 2003, 1 (4); Kunze, ZfIR 2003, 540 (545); vgl. a. BGHZ 162, 378 (382)). Die Übertragung lastenfreien Eigentums wird hingegen nicht durch die Bürgschaft, sondern durch die Vorkehrungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 MaBV sichergestellt. Deshalb wird die zeitliche Grenze des Sicherungszwecks der MaBV-Bürgschaft nicht bis zur Eigentumsübertragung hinausgeschoben (Nobbe, FS Horn, 801 (816 f.) gegen Thode, ZfIR 2005, 548 (550); Beining, VuR 2003, 450 (454)). c) Nicht gesichert sind dementsprechend aber auch Ersatzansprüche für Schäden, die nicht in einer Wertminderung oder dem Ausfall der Bauträgerleistung liegen, auch wenn sie mit dem Bauträgervertrag zusammenhängen und der Erwerber insoweit ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen oder aufrechnen könnte (a.A. Basty, Rn. 567; Martinek, JZ 2003, 260 (262); Beining, VuR 2003, 450 (453 f.); Blank, BTR 2005, 54 (56)). Sie liegen außerhalb des Schutzzwecks der MaBV, das Äquvalenzverhältnis für die im Voraus geleistete Vergütung und die Bauleistung sicherzustellen. Das betrifft Ansprüche wegen entgangener Nutzungen oder steuerlicher Nachteile (BGHZ 151, 147 (155) = NJW 2002, 2563; NJW 2003, 285 (286)), Ansprüche auf Freistellung von öffentlichen Abgaben (BGH NJW 2003, 285 (286)), auf Ersatz des Verzugsschadens (BGH NJW 2003, 285 (286); NJW-RR 2003, 592 (593); 959 (960); BauR 2008, 1142) oder auf Vertragsstrafe (Fischer, WM 2003, 1 (2), s.a. Thode, ZNotP 2006, 208 (213); Nobbe, FS Horn, 801 (812 f.). d) Wird eine Bürgschaft nach MaBV gestellt und hat der Bauträger daraufhin Vorleistungen erhalten, können sich weder dieser noch der Bürge auf eine etwa fehlende Sicherungsabrede berufen. Der Bauträger verhielte sich widersprüchlich und damit treuwidrig, wenn er den beim Erwerber durch Stellung der Bürgschaft erweckten Eindruck zerstören könnte, seine Vorauszahlungen seien entsprechend der MaBV gesichert (BGHZ 160, 277 (280 f.) = WM 2004, 2386). Der Bundesgerichtshof hält es unter bestimmten Voraussetzungen auch für zulässig, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft in gewillkürter Prozessstandschaft die den einzelnen Erwerbern/Wohnungseigentümern erteilte MaBV-Bürgschaften geltend machen kann, soweit dadurch auch Kostenerstattungsansprüche für die Beseitigung von Mängeln des Gemeinschaftseigentums gesichert sind. Die Haftung des Bürgen ist aber auf den Kostenanteil beschränkt, den der gesicherte Erwerber zu tragen hätte, sofern kein Dritter dafür einzustehen hätte (BGH WM 2007, 1089 ff. = NJW 2007, 1957 ff.).
Lindner
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
857
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
Schrifttum Altmeppen, Zur Rechtsnatur der handelsrechtlichen Pfandrechte, ZHR 157 (1993), 541; Apfelbaum, Die Verpfändung der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft, 2005; Brauer/Sopp, Sicherungsrechte an Lizenzrechten; eine unsichere Sicherheit?, ZUM 2004, 112; Bruhns, Verpfändung von GmbH-Anteilen in der Finanzierungspraxis, GmbHR 2006, 587; Bülow, Sicherungstreuhand im Inkassogeschäft nach AGBBanken und AGB-Sparkassen, BB 1995, 2485; Zwei Aspekte im neuen Handelsrecht: Unterscheidungskraft und Firmenunterscheidbarkeit – Lagerhalterpfandrecht, DB 1999, 269; Didier, Pfand-, Sicherungsund Zurückbehaltungsrechte des Frachtführers bei drohender Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz des Absenders, NZI 2003, 513; Eckardt, Kreditsicherung versus Insolvenzanfechtung – Zur Anfechtung globaler Kreditsicherheiten, dargestellt anhand des AGB-Pfandrechts der Banken, ZIP 1999, 1417; Elfring, Die Verwertung verpfändeter und abgetretener Lebensversicherungsansprüche in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, NJW 2005, 2192; Ehlscheid, Die Ausgleichsansprüche unter Sicherungsgebern, BB 1992, 1290; Finger, Die Konkurrenz der Rückgriffsansprüche von Pfandschuldner und Bürge, BB 1974, 1416; Fennen, Das Pfandrecht nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken – Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung zur Pfandklausel in Nr. 14 ABG-Banken -, 2005; Ganter, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts – Entwicklungslinien und Tendenzen –, WM 2006, 1081; Hammen, Zinsobergrenzen im letzten „Reservat“ des Faustpfands, WM 1995, 185; Hartmann/Klein, Zulässigkeit der Verpfändung von KG-Komplementäranteilen ohne Kapitalanteil, BKR 2007, 323; Hey/Hartung, Pfandrechte an Telekommunikationslizenzen – taugliche Sicherheit für Kreditgeber?, K&R 2000, 533; Hirte/Knof, Das Pfandrecht an globalverbrieften Aktien in der Insolvenz, WM 2008, 7 und 49; Klawitter/Hombrecher, Gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte als Kreditsicherheiten, WM 2004, 1213; Kollhosser; Drittaufrechnung und Aufrechnung in Treuhandfällen, in: FS Lukes, 1989, 721; Kollhosser/Bork, Rechtsfragen bei der Verwendung von Mehrwegverpackungen, BB 1987, 909; Krohn, Die Pfandrechte an registrierten Schiffen, 2003; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung, 2004; Lipp, Das Pfändungspfandrecht, JuS 1988, 119; Martinek, Das Flaschenpfand als Rechtsproblem, JuS 1987, 514; Leergut im Zwischenhandel, JuS 1989, 268; Maier-Reimer/Webering, Verwertung von Pfandrechten an Unternehmensbeteiligungen, BB 2003, 1630; Oertmann, Die rechtliche Natur der Aufrechnung, AcP 113 (1915), 376; Paschke, Das Vermieterpfandrecht, Grundeigentum 2006, 420; Plath, Pfandrechte an Rechten – Ein Konzept zur Lösung des Insolvenzproblems?, Computer und Recht 2006, 217; Primozic/Voll, Zur Frage eines Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters bei verpfändeten Unternehmensbeteiligungen – Unter besonderer Berücksichtigung des Gesetzes zur Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie –, NZI 2004, 363; Reinicke, Wechselbürgschaft und Bürgschaft für eine Wechselverbindlichkeit, WM 1961, 466; Reuleaux, Sicherungsrechte an Flugzeugtriebwerken, ZBB 2005, 354; Reymann, Die Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2005, 425; Risch, Die Begründung gesetzlicher Pfandrechte an Dritteigentum im Speditions- und Frachtrecht, TranspR 2005, 108; Schlechtriem, Ausgleich zwischen mehreren Sicherern fremder Schuld, in: FS v. Caemmerer, 1978, 1013; Schrell/Kirchner, Das Gesamtpfandrecht als Kreditsicherheit bei der Finanzierung eines Unternehmenskaufs, BKR 2003, 444; Schuch, Der Einfluss der Forderungsverjährung auf dingliche Sicherungsrechte, 2002; Tetzlaff, Verwertung von Pfandrechten an Unternehmensbeteiligungen durch öffentliche Versteigerung und freihändige Veräußerung, ZInsO 2007, 478; Tiedtke, Ausgleichsanspruch zwischen dem Eigentum des mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks und dem Bürgen, BB 1984, 19; Der Einfluss einer unwirksamen Sicherungsübereignung auf die Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts, WiB 1995, 582; Weimar, Die Verpfändung von Rechten und Forderungen, MDR 1969, 824; Werner, Die Bedeutung der Pfändungspfandrechtstheorien, JR 1971, 278. Inhaltsübersicht A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Entstehung des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Vertragliches Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Pfandrecht an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Pfandrecht an Rechten . . . . . . . . . . . . . . 17 3. Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Pfandrechte in den AGB der
Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Pfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . III. Pfändungspfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gutgläubiger Erwerb von Pfandrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gutgläubiger Erwerb beim Pfandrecht an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . .
Matusche-Beckmann
30 33 36 38 38 40
858
C.
D. E.
F.
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
3. Gutgläubiger Erwerb beim Pfandrecht an Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gutgläubiger Erwerb bei gesetzlichen Pfandrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gutgläubiger Erwerb bei Pfändungspfandrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rangverhältnisse bei mehrfacher Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.Umfang der Haftung des Pfandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsverhältnis zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch bei drohender Entwertung des Pfandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Recht zu Nutzungen und Fruchtbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechte des Pfandgläubigers bei Beeinträchtigung des Pfandes . . . . . . . . 5. Erfüllung der gesicherten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einwendungen und Einreden gegenüber dem Pfandgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragung des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . Rechte der Beteiligten, wenn ein Dritter die Zwangsvollstreckung betreibt . . . . . . . . . . . I. Einzelzwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . 1. Pfandrecht an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pfandrecht an Rechten . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pfandrecht an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pfandrecht an Rechten . . . . . . . . . . . . . . Erlöschen des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erlöschensgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erlöschen der gesicherten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 42 47 48 48 52 54 54 57 59 60 61 64 66 69 69 69 71 72 72 74 75 75
2. Lastenfreier Erwerb; Untergang der Pfandsache; Befristung oder Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Pfandrückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4. Bestehen einer dauernden Einrede . . . . 78 5. Verzicht durch Pfandgläubiger . . . . . . . 79 6. Konfusion und Konsolidation . . . . . . . . 80 7. Besonderheiten bei Vermieter- und Gastwirtpfandrechten . . . . . . . . . . . . . . 81 8. Handelsrechtliche Pfandrechte . . . . . . . 82 II. Folgen des Erlöschens . . . . . . . . . . . . . . . . 83 G. Pfandverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Pfandverwertung bei beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Privatverkauf durch Pfandgläubiger (§§ 1233 I, 1234 ff. BGB) . . . . . . . . . . . 87 2. Verwertung nach Vollstreckungsrecht (§§ 1233 II BGB, 814 ff. ZPO) . . . . . . . 95 3. Verwertung nach Parteivereinbarung (§ 1245 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Verwertung entsprechend einer Anordnung des Gerichts (§ 1246 II BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 5. Pflichtverletzungen im Rahmen der Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 III. Pfandverwertung beim Pfandrecht an Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Verwertung des Pfandrechts an einer Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Verwertung des Pfandrechts an einem anderen Recht als einer Forderung . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Verwertung des Pfandrechts an wertpapierrechtlich verbrieften Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 IV. Verfallvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . 110 H. Pfandleihgewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
75
Stichwortverzeichnis Abwehranspruch des Pfandgläubigers . . . . . . . . . . 60 AGB der Kreditinstitute . . . . . . . . . . 24, 30 ff., 45, 51 AGB der Werkunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 26 Anzeigeerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 30 Ausgleich unter mehreren Sicherungsgebern . . . . . 14 Besitz an Pfandsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ff. Bestellung des Pfandrechts an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ff. Bestellung des Pfandrechts an Rechten . . . . . . . 17 ff. Causa für Pfandrechtsbestellung. . . . . . . . . . . . . . . . 3 Eigentümerpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 80 Einwendungen gegenüber Pfandgläubiger . . . . . . . 64 Entstehungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erfüllung der gesicherten Forderung . . . . . . . . . . . 61 Erlös aus Pfandverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Erlöschen des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 ff. Faustpfandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Flaschen- und Behälterpfand . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Forderungsverpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Fürsorgepflichten des Pfandgläubigers. . . . . . . . 55 ff. Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Gesamtpfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Gesetzliche Pfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 ff. Gesicherte Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 26 Gutgläubiger Erwerb von Pfandrechten . . . . . . . 38 ff. Herausgabeanspruch des Pfandgläubigers . . . . . . . 60 Inhaberpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 108 Insolvenz und Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 ff. Irreguläres Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kündigung unbefristeter Pfandrechtsbestellung. . . 31 Mehrfache Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 ff. Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Mitverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Namenspapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Orderpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 108 Pfandhalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Pfandleihgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 ff. Pfändungspfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 ff. Pfandreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Pfandverwertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 ff. Pfändung schuldnerfremder Sache . . . . . . . . . . . . . 37 Pfandrecht an mehreren Sachen . . . . . . . . . . . . . . 13 Pfandrecht an Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 ff. Pfandrechtsbestellung in AGB . . 24, 30 ff., 44, 45, 51 Pfandrechtsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 7 ff., 19 ff.
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
Praktische Bedeutung des Pfandrechts . . . . . . . . . . . 2 qualifizierter Mitbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Rangverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 ff. Rechtsnatur des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Registerpfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Rektapapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 108 Sicherungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Sorgfaltspflichten des Pfandgläubigers. . . . . . . . 55 ff. Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Übertragung der gesicherten Forderung . . . . . . . . . 11 Übertragung des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Umdeutung unwirksamer Pfandrechtsbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
859
Umfang der Haftung des Pfandes. . . . . . . . . .12, 52 f. Verpfändungsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Verpfändung eines Anwartschaftsrechts. . . . . . . 7, 21 Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 ff. Vertretbare Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Verwahrungsverhältnis zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 ff. Verwertung schuldnerfremder Sache . . . . . . . . . . . 37 Werkunternehmerpfandrecht . . . . . . . . . . . . 33, 42 ff. Wertpapiere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 ff. Zusammentreffen eines Pfandrechts mit einer Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Zwangsvollstreckung in Pfandgegenstand . . . . . 69 ff.
A. Grundlagen
1
Von der Struktur her wie Grundpfandrechte dienen das Pfandrecht an einer beweglichen Sache und das Pfandrecht an einem Recht dem Zweck dinglicher Sicherung des Gläubigers durch Belastung der Sache bzw. des Rechts mit einem Verwertungsrecht, das die Befriedigung des sicherzustellenden Gläubigers gewährleistet; es handelt sich um ein beschränkt dingliches akzessorisches Verwertungsrecht (Baur/Stürner, § 55 Rn. 1, § 36 Rn. 62 ff.; Bülow, S. 154 ; Staudinger-Wiegand, Vorbem zu §§ 1204 ff. Rn. 1, 10; zur dinglichen Wirkung des Pfandrechts an Rechten Staudinger-Wiegand, Vorbem zu §§ 1273 ff. Rn. 5 f. m. w. N.; Schwab/Prütting, § 69 III). Der durch das Pfandrecht gesicherte Gläubiger hat gegenüber ungesicherten Gläubigern ein Vorzugsrecht (vgl. § 805 ZPO; § 50 InsO). Nach dem Entstehungsgrund werden unterschieden rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrechte an beweglichen Sachen (§§ 1204 – 1258 BGB) oder Rechten (§§ 1273 – 1296 BGB, s. Rn. 3 ff.), gesetzliche Pfandrechte (vgl. § 1257 BGB, Rn. 33 ff.) und Pfändungspfandrechte (vgl. §§ 803 ff. ZPO, Rn. 36 ff.). Praktische Bedeutung: Die Belastung mit einem Pfandrecht ist strengen Publizitätserfordernissen unterworfen. Das Pfandrecht an beweglichen Sachen ist grds. als Faustpfand ausgestaltet, bedarf also grds. zur Bestellung der Besitzübertragung (§ 1205 I BGB, Rn. 4 ff.); das Pfandrecht an Rechten (insb. an Forderungen) erfordert die Offenlegung in Form einer Verpfändungsanzeige an den Schuldner (§ 1280 BGB). Da dem gegenüber die Sicherungsübereignung ermöglicht, dass der Kreditnehmer die Sachen selbst weiter nutzt, und die kautelarischen Kreditsicherheiten i. d. R. diskreter zu handhaben sind, ist das Vertragspfandrecht in der Praxis in den Hintergrund getreten. Gleichwohl verbleiben bedeutsame Anwendungsbereiche für das Vertragspfand: Praxisrelevant sind vor allem die in den AGB der Kreditinstitute (s. Rn. 30 ff.) und Werkunternehmer (s. Rn. 33, 42 ff.) vorgesehenen Pfandrechte, § 50 ADSp sowie die Pfandgeschäfte der Pfandleihanstalten (s. Rn. 111 ff.). Die Verpfändung von Wertpapieren ist insbes. im Lombardgeschäft praxisrelevant, aber auch – wiederum über die AGB-Banken – beim Einzug von Schecks und Wechseln (BGH ZIP 1990, 368; Bülow, S. 155 f.; BB 1995, 2485). Insgesamt hat heute das Pfandrecht an Rechten eine größere praktische Bedeutung als das an beweglichen Sachen.
2
B. Entstehung des Pfandrechts
3
I. Vertragliches Pfandrecht. 1. Pfandrecht an beweglichen Sachen. a) Grundlagen. Die Bestellung eines Pfandrechts an einer beweglichen Sache erfolgt, indem sich der Eigentümer der zu belastenden Sache mit dem Gläubiger der zu sichernden Forderung dinglich darüber einigt, dass dem Gläubiger das Pfandrecht an dem bestimmten Pfandgegenstand zur Sicherung zustehen soll (contractus pigneraticius) und der Eigentümer dem
Matusche-Beckmann
860
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Gläubiger die Sache übergibt (§§ 1204 f. BGB; s. Westermann/Gursky, § 128 I 1; PalandtBassenge, § 1205 Rn. 3 ff.). Erforderlich sind ferner Existenz der zu sichernden Forderung (vgl. § 1204 I BGB) und grds. die Berechtigung des Verpfänders (zum gutgläubigen Erwerb s. Rn. 38 ff.). Dem dinglichen Verpfändungsgeschäft liegt als Causa die Sicherungsabrede (pactum de oppignorando, Pfandvertrag) zugrunde. Ist die Sicherungsabrede nichtig, kann der Verpfänder das wirksam bestellte Pfandrecht nach § 812 I BGB zurückfordern; der Gläubiger ist dann zur Aufhebung des Pfandrechts verpflichtet (§ 1255 BGB). 4
b) Übergabe. Zur Wirksamkeit der dinglichen Pfandrechtsbestellung muss der Gläubiger Besitz an der Pfandsache erlangen (Faustpfandprinzip); dies erfolgt i. d. R. durch Übergabe der Pfandsache (§§ 1205 I 1 i. V. m. 929 BGB). Mangels ausreichender Publizität kommt eine wirksame Verpfändung nicht zustande, wenn Verpfänder und Gläubiger lediglich ein Besitzkonstitut (vgl. § 930 BGB) vereinbaren, nach dem der Verpfänder die Sache fortan für den Gläubiger besitzt. Ist der Gläubiger bereits im Besitz der Sache, genügt die dingliche Einigung über die Entstehung des Pfandrechts (Übergabe kurzer Hand, § 1205 I 2 BGB). Ist ein Dritter im Besitz der Sache, reicht allein die Abtretung des Herausgabeanspruchs (vgl. § 931 BGB) als Übergabesurrogat nicht aus: Vielmehr muss der Verpfänder zusätzlich seinen mittelbaren Besitz durch Abtretung des Herausgabeanspruchs auf den Gläubiger übertragen und – als Ersatz für die ansonsten fehlende Publizität – die Verpfändung dem Besitzer anzeigen (§ 1205 II BGB). Diese Verpfändungsanzeige ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (grds. RGZ 89, 289 [291 f.]), die vom Verpfänder selbst ausgehen muss; mithin reicht eine Kenntniserlangung von der Verpfändung durch den Besitzer auf andere Weise nicht aus (Staudinger-Wiegand, § 1205 Rn. 27). Da der Verpfänder Eigentümer der Pfandsache bleibt, ist – anders als bei Übereignung – ein vollständiger Besitzverlust durch ihn nicht erforderlich. Dementsprechend sieht § 1206 BGB ein für die Bankpraxis wichtiges Übergabesurrogat vor: Für die wirksame Pfandrechtsbestellung reicht die Einräumung sog. qualifizierten Mitbesitzes aus: § 1206, 1. Alt. BGB stellt den sog. Mitverschluss der Übergabe gleich. Mitverschluss liegt vor, wenn weder Verpfänder noch Gläubiger allein auf die Sache zugreifen können, vielmehr beide nur gemeinsam die tatsächliche Sachherrschaft ausüben können, z. B. Verschluss mit zwei sich ergänzenden Schlüsseln, von denen jede Partei einen besitzt (zum Mitverschluss vgl. RGZ 77, 202 [207]). Bei der Beurteilung sind allein tatsächliche, nicht rechtliche Verhältnisse maßgeblich (BGHZ 86, 300 [308]). Nicht ausreichend sind die bloße gesonderte Lagerung der Pfandsache oder das Anbringen von Pfandmarken (RGZ 74, 146). Kein Mitverschluss besteht am Inhalt eines Banksafes, da der Doppelverschluss hier allein der Sicherung und Kontrolle dient; der Kunde ist unmittelbarer Alleinbesitzer des Inhalts. Bei Verpfändung muss der Mitbesitz am Safeinhalt besonders begründet werden (Staudinger-Wiegand, § 1206 Rn. 5; Bülow, S. 162). Als weiteres Übergabesurrogat lässt § 1206, 2. Alt. BGB ausreichen, dass sich die Pfandsache im unmittelbaren Besitz eines Dritten (sog. Pfandhalter) befindet, der schuldrechtlich verpflichtet ist, die Sache nur an Verpfänder und Pfandgläubiger gemeinschaftlich herauszugeben (vgl. RGZ 118, 34 [37]; 87, 36 [41 f.]).
5
Eine Übergabe der Pfandsache kann ausnahmsweise entbehrlich sein kraft spezialgesetzlicher Regelung, z. B. bei den besitzlosen Registerpfandrechten, z. B. Luftfahrzeugregistergesetz (BGBl. I 57, 223, BGBl II 68, 7) für das Pfandrecht an Luftfahrzeugen. Zu Sicherungsrechten an Flugzeugtriebwerken Reuleaux, ZBB 2005, 354. Das frühere Kabelpfandgesetz (BGBl. I 57) für die Verpfändung von Hochseekabeln ist schon zum 1.1.1995 aufgehoben worden durch Art. 13 § 1 Nr. 1, Art. 15 Postneuordnungsgesetz (BGBl. I 2325, 2396 f.). Vgl. auch das Pachtkreditgesetz (BGBl. I 494), wonach der Päch-
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
861
ter eines landwirtschaftlichen Grundstücks an dem ihm gehörenden Inventar ein besitzloses Pfandrecht bestellen kann; hier sind ein schriftlicher Verpfändungsvertrag und dessen Niederlegung beim Amtsgericht erforderlich, §§ 1 ff. Pachtkreditgesetz (Westermann/ Gursky, § 134; Soergel-Heintzmann, vor § 585 Rn. 7). Zu den Besonderheiten bei Schiffen Bülow, S. 163 f.; Krohn, Die Pfandrechte an registrierten Schiffen; Kommentierung des Schiffsregistergesetzes bei Staudinger-Nöll. Genügt die Besitzübertragung nicht pfandrechtlichen Publizitätserfordernissen (z. B. Verpfänder und Gläubiger haben nur Besitzkonstitut vereinbart; Anzeige durch den Verpfänder an den Besitzmittler im Falle von § 1205 II BGB fehlt), ist im Einzelfall zu untersuchen, ob eine Umdeutung (§ 140 BGB) der pfandrechtlichen Einigung zur Annahme eines vertraglichen Zurückbehaltungsrechts führt (OGHBrZ NJW 1950, 784 [785]; RGRK-Kregel, § 1204 Rn. 4) oder die Umdeutung in eine Sicherungsübereignung in Frage kommt (befürwortend Staudinger-Wiegand, § 1205 Rn. 31).
6
c) Pfandrechtsgegenstand. Verpfändbar sind alle beweglichen Sachen (§ 1204 I BGB); das Pfandrecht erfasst die wesentlichen Bestandteile (§§ 93, 94 BGB) auch nach Trennung (§ 1212 BGB), nicht aber Zubehör (anders § 1120 BGB für Hypothek); insoweit bedarf es einer gesonderten Verpfändung. Die umstrittene Frage, ob Software Sacheigenschaft zukommt, kann stets nur mit Blick auf die konkrete Fragestellung beantwortet werden (zum Meinungsstand Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, Teil D, Rn. 95 ff.; Beispiel in Rn. 19). – Auch ein Miteigentumsanteil ist verpfändbar (§ 1258 I BGB) ebenso wie Scheinbestandteile eines Grundstücks (§ 95 BGB). – Ob auch Windkraftanlagen Scheinbestandteile sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer Ansicht handelt es sich im Hinblick darauf, dass Windkraftanlagen nur zu einem vorübergehenden Zweck mit Grund und Boden verbunden sind, um Scheinbestandteile (so OLG Schleswig, WM 2005, 1909; Ganter, WM 2006, 1081), während nach anderer Ansicht Windkraftanlagen mit ihrer Errichtung wegen des festen Betonfundaments nach §§ 93, 94 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden (FG Sachsen-Anhalt, EFG 2002, 1250), so dass sie nicht Gegenstand eines Pfandrechts sein können. – Verpfändbar sind auch nach § 811 ZPO unpfändbare Sachen, denn der Übergabezwang bietet ausreichenden Schutz vor leichtsinniger Verpfändung (Westermann/Gursky, § 126 I 2). Verpfändbar sind nur Sachen mit selbständigem Vermögenswert; deshalb kann an Beweisurkunden oder Legitimationspapieren kein Pfandrecht begründet werden (zu Order- und Inhaberpapieren, §§ 1292 f. BGB, Rn. 27 ff.). Wurde das Anwartschaftsrecht eines Eigentumsvorbehaltskäufers (§ 449 BGB) verpfändet (Rn. 21), setzt sich das Pfandrecht mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate entsprechend § 1287 BGB als Pfandrecht am Kaufgegenstand fort (Soergel- Mühl, § 1204 Rn. 13; Wieling, SachenR I, § 17 IV 2). Bei Sachgesamtheiten ist der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten: Eine wirksame Verpfändung der die Sachgesamtheit bildenden einzelnen Sachen erfordert, dass anhand äußerer Kriterien ohne weiteres ersichtlich ist, welche bestimmten Sachen belastet sein sollen. Ein Gewerbebetrieb bzw. Unternehmen als solches ist nach h. M. nicht verpfändbar (BGH NJW 1968, 392; RGZ 95, 235 [237]), vielmehr nur die einzelnen zum Unternehmen gehörenden Sachen und Rechte. Möglich ist aber die Verpfändung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand nach den von der Rechtsprechung zur Sicherungsübereignung entwickelten Kriterien (BGHZ 128, 295 [299]; Westermann/ Gursky, § 128 I 2, S. 895; kritisch Tiedtke, WiB 1995, 582); eine qualifizierte Freigabeklausel, wie die Rechtsprechung sie für die Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand verlangt, ist bei Verpfändung nicht erforderlich, da das Gesetz bei Verpfändung eine Freigabeklausel grds. nicht fordert. Deshalb kann ein Pfandrecht nach Nr. 14 AGB-Banken (s. Rn. 30 ff.) auch dann wirksam entstanden sein, wenn eine Si-
7
Matusche-Beckmann
862
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
cherungsübereignung am Fehlen einer qualifizierten Freigabeklausel scheitert (BGHZ 128, 295 [300 f.]). 8
Übergibt der Verpfänder vertretbare Sachen als Pfand (z. B. Geld oder Wertpapiere), kann es sich um ein „echtes“ reguläres (regelmäßiges) Pfandrecht handeln, aber auch um ein sog. irreguläres (unregelmäßiges) Pfandrecht, das nicht als Pfandrecht i.e.S. zu qualifizieren ist. Ob reguläres oder irreguläres Pfandrecht gewollt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Von einem irregulären (unregelmäßigen) Pfandrecht ist die Rede, wenn der Gläubiger die sicherungshalber übergebene Sache für sich verwenden darf und lediglich eine gleichartige Sache zurückgewähren muss. Zwar handelt es sich hierbei nicht um ein echtes Sachpfand; die Vorschriften der §§ 1204 ff. BGB sind aber ggf. entsprechend anzuwenden (BGH NJW 1994, 3287). Soll nach dem Parteiwillen der Gläubiger sogleich Eigentum an sicherungshalber übergebenen Sachen erwerben und lediglich verpflichtet sein, gleichartige Sachen zurückzugewähren, liegt kein Pfandrecht, sondern ein die Forderung sicherndes Darlehen vor (Weber, S. 160 ; vgl. auch MünchKommBGBDamrau, § 1204 Rn 8 f.).
9
Ein „echtes“ Pfandrecht entsteht, wenn sich der Wille zu dessen Begründung aus den Umständen ergibt, wie etwa bei der Aushändigung einer verschlossenen Geldkassette oder wenn vereinbart ist, dass der Pfandgläubiger u. U. Sachen durch andere ersetzen darf (vgl. §§ 1219 II, 1247 S. 2 BGB, Staudinger-Wiegand, § 1204 Rn. 53). In der Regel (Weber, S. 160 f. ; Wolff/Raiser, § 173 I, S. 714 f.; Westermann/Gursky, § 126 I 2, S. 889: „im Zweifel“) ist bei der Hingabe von (Geld-)Kautionen ein irreguläres Pfandrecht gewollt (zum Vermieterpfandrecht an Geld des Mieters Rn. 35). Wurde dem Gläubiger aber ein reguläres Pfandrecht an Geld bestellt und ist Pfandreife (Rn. 86) eingetreten, erfolgt die Verwertung des Pfandes durch Aneignung; in Höhe der Forderung erwirbt der Gläubiger Eigentum an dem Geld; i. Ü. erlischt das Pfandrecht (Weber, S. 161 ; Wolff/Raiser, § 173 I, S. 715; Staudinger-Wiegand, § 1204 Rn. 57). Die Sperrung eines Bankguthabens zugunsten eines Gläubigers zur Sicherung seiner Forderung wird als irreguläres Pfandrecht qualifiziert. Nach Beendigung des gesicherten Schuldverhältnisses kann der Verpfänder die Freigabe insoweit verlangen, als das Guthaben zur Deckung der Forderung des Pfandgläubigers nicht benötigt wird (OLG Koblenz, BB 1974, 199).
10
Auch beim Flaschen- oder Behälterpfand nimmt die traditionelle Auffassung ein irreguläres Pfandrecht an Geld an (Palandt-Bassenge, Überblick vor § 1204 Rn. 7); die modernere Literatur geht vermehrt von einem Verkauf mit Rückkaufspflicht des Verkäufers aus (ausführlich Martinek, JuS 1987, 514; JuS 1989, 268; Kollhosser/Bork, BB 1987, 909 [911, 916]; Wieling, SachenR, S. 215 f.). Auch der Hersteller/Vertreiber, der eine individualisierte und dauerhaft von den Produkten anderer unterscheidbare Getränkeflasche mit dem Aufdruck „Pfand [Betrag] Euro“ gefüllt in den Verkehr bringt, ist gegenüber jedermann zur Rücknahme der leeren Flaschen gegen Zahlung des Pfandbetrages verpflichtet (BGH NJW 2007, 2912 f.). Sein Eigentum an einer individualisierten Mehrwegpfandflasche verliert er weder durch den Verkauf des Getränks an den Großhändler noch durch den weiteren Vertrieb bis zum Endverbraucher. Von seinen Konkurrenten kann er Herausgabe seiner leeren Flaschen fordern und sie wegen der Vernichtung seiner Flaschen auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Grundsätzlich steht dem Eigentümer wegen Verlusts seiner Flaschen auch ein Schadensersatzanspruch zu, auf den er sich jedoch den vereinnahmten Pfandbetrag anrechnen lassen muss (BGH NJW 2007, 2913 ff.). Wegen der unterschiedlichen Interessen z.B. des Großhändlers, des Produzenten kleiner Stückzahlen mit besonderen Flaschen und des Verbrauchers, wird eine pauschale Beurteilung indes kritisiert und dafür plädiert, auf den Einzelfall abzustellen (z. B. OLG Köln NJW-RR 1988, 373; OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 370; Staudinger-Wiegand, § 1204
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
863
Rn. 59 m. w. N.). Entsprechendes gilt für das Pfand für Getränkedosen und Einwegflaschen. d) Gesicherte Forderung und Akzessorietät. Das Pfandrecht ist in Entstehen, Umfang und Bestand von der gesicherten Forderung abhängig (Akzessorietät, vgl. §§ 1210 I, 1252 BGB). Die gesicherte Forderung kann eine künftige oder bedingte sein (§ 1204 II BGB), sofern sie bestimmt bzw. bestimmbar ist (BGH NJW 1983, 1619 [1620]; Wieling, SachenR I, § 15 IV d; Staudinger-Wiegand, § 1204 Rn. 24). Das Pfandrecht entsteht in einem solchen Fall nach h.M. schon im Zeitpunkt der Bestellung, während die Verwertung erst mit Entstehung und Fälligkeit der gesicherten Forderung möglich ist. Der Rang des Pfandrechts richtet sich nach dem Zeitpunkt der Bestellung (BGHZ 86, 340 [346]; BGH NJW 1983, 1619 [1620]; Baur/Stürner, § 55 Rn. 13). Die gesicherte Forderung muss keine Geldforderung sein; eine Verwertung des Pfandes kommt jedoch erst nach dem Übergang des Anspruchs in eine Geldforderung in Betracht (§ 1228 II 2 BGB). Mit Übertragung der gesicherten Forderung geht das Pfandrecht auf den neuen Gläubiger kraft Gesetzes – auch ohne Übergabe der Pfandsache – über (§ 1250 I BGB, beachte § 1251 BGB). Ohne die Forderung kann das Pfandrecht nicht übertragen werden (§ 1250 I 2 BGB). Wird bei Übertragung der Forderung der Übergang des Pfandrechts ausgeschlossen, erlischt das Pfandrecht (§ 1250 II BGB).
11
Umfang der Haftung des Pfandes. Das Pfand haftet für die Forderung in ihrem jeweiligen Bestand, auch für eventuelle Nebenansprüche (vgl. § 1210 BGB). Wird die gesicherte Forderung erfüllt (§ 362 BGB), erlischt das Pfandrecht (ggf. teilweise); grds. entsteht kein Eigentümerpfandrecht (vgl. aber § 1256 BGB, dazu Rn. 80); zum Umfang der Haftung des Pfandes näher Rn. 52 f.
12
e) Pfandrecht an mehreren Sachen (sog. Gesamtpfand). Zur Sicherung ein- und derselben Forderung können Pfandrechte an mehreren Sachen bestellt werden. Jede einzelne Sache haftet dann für die ganze Forderung, sog. Gesamtpfand (§ 1222 BGB). Insbesondere bei der Finanzierung eines Unternehmenskaufs bietet sich das Gesamtpfand als Kreditsicherheit an (vgl. hierzu Schrell/Kirchner, BKR 2003, 444). Anders als bei der Gesamthypothek (vgl. § 1132 II BGB) hat der Gläubiger beim Pfandrecht an beweglichen Sachen nicht die Möglichkeit, die Pfandhaftung auf die einzelnen Pfänder in Höhe eines Betrags zu verteilen; er hat jedoch nach § 1230 BGB die Wahl, welches Pfand zur Verwertung dienen soll. Solange der Pfandgläubiger wegen der zu sichernden Forderung nicht voll befriedigt ist, kann grds. keiner der Verpfänder einen Pfandgegenstand zurückverlangen. Auch der Erwerber eines dergestalt belasteten Pfandgegenstandes kann i. d. R. nicht mit dem Einwand durchdringen, dass anderweitige Sicherheiten ausreichen und deshalb die von ihm erworbene Sache freigegeben werden müsse (vgl. OLG München, WM 1995, 429). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Deckung der Schuld durch mehrere Sachen ersichtlich ausreicht und sich die Weigerung des Pfandgläubigers, einen Teil der Pfandsachen freizugeben als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellt (vgl. BGHZ 128, 295 [300]; BGH BB 1956, 159). Den Pfandgläubiger trifft keine Pflicht, auf etwaige Ersatzansprüche der Pfandeigentümer untereinander Rücksicht zu nehmen; § 776 BGB ist nicht entsprechend anwendbar (BGH NJW-RR 1991, 499).
13
f) Ausgleich unter mehreren Sicherungsgebern. Beim sog. Gesamtpfand (Rn. 13) ist denkbar, dass entweder ein Verpfänder mehrere Sachen verpfändet oder personenverschiedene Verpfänder für dieselbe Forderung ein Pfand bestellen. Im zuletzt genannten Fall ist umstritten, ob der den Gläubiger befriedigende Pfandeigentümer einen Regressanspruch gegen den oder die anderen Sicherungsgeber hat. Eine Vorschrift wie § 1173 BGB, der für die Gesamthypothek den Regressanspruch ausschließt, findet sich in den
14
Matusche-Beckmann
864
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
§§ 1204 ff. BGB nicht. Vielmehr verweist § 1225 S. 2 BGB auf die „Vorschriften“ des § 774 BGB, nach dessen II Mitbürgen als Gesamtschuldner haften. Die h. M. in der Literatur geht deshalb zu Recht von einer Anwendung des § 426 BGB auf mehrere Pfandgeber aus (vgl. die Diskussion bei Reinicke/Tiedtke, S. 311 f.). Bei der Höhe des Ausgleichsanspruchs ist nicht vom Wert der Pfandsachen auszugehen (so aber die ältere Ansicht, z. B. OLG Frankfurt, JW 1931, 2751 m. w. N., aber nunmehr auch Westermann/ Gursky, § 129 IV 2, S. 915), sondern aus Praktikabilitätsgründen grds. eine Haftung zu gleichen Teilen anzunehmen (wohl h. M., Staudinger-Wiegand, § 1225 Rn. 20 ff. m. w. N.; Jauernig-Jauernig, § 1225 Rn. 2). Die Obergrenze der Regresshaftung des einzelnen Eigentümers ist auf den Wert der von ihm verpfändeten Sache begrenzt (keine Haftung mit sonstigem Vermögen), da ansonsten der Ausgleichsberechtigte mehr erhielte, als dem Pfandgläubiger zur Verfügung gestanden hätte. 15
Eine ähnliche Situation ergibt sich beim Zusammentreffen eines Pfandrechts mit einer Bürgschaft: Nach dem Gesetzeswortlaut würde der zuerst Zahlende die zu sichernde Forderung (§§ 1225 bzw. 774 I BGB) und mit ihr das Sicherungsrecht des anderen erlangen (§§ 1250, 412, 401 BGB). Diese Situation (Stichwort: „Wettlauf der Sicherungsgeber“) führt zu Ungereimtheiten und entspricht nicht der Interessenlage. Eine Ansicht befürwortet wegen der Wertung in § 776 BGB einen einseitigen Rückgriff nur zugunsten des Bürgen (so Baur/Stürner, § 55 Rn. 23; Reinicke/Tiedtke, S. 141 ff.; Tiedtke, BB 1984, 19 [20]; Reinicke, WM 1961, 466 [469 f.]); dem ist zu entgegnen, dass der Regelungsbereich des § 776 BGB allein das Verhältnis zwischen Bürgen und Gläubiger vor Zahlung auf die Hauptschuld berührt und Anhaltspunkte für einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen fehlen (vgl. zur Diskussion Ehlscheid, BB 1992, 1290 [1292]; Westermann/Gursky, § 129 IV 3, S. 916 f.; Finger, BB 1974, 1416 [1419]). Sachgerechter erscheint daher – vorbehaltlich einer zulässigen anderweitigen Vereinbarung –, mehrere gleichrangige Sicherungsgeber analog § 426 BGB als Gesamtschuldner zu behandeln, so dass der zuerst Zahlende die Sicherheit des anderen grds. (nur) anteilig erwirbt (Argument aus dem Rechtsgedanken der §§ 769, 774, 1225 BGB; h. M., BGH NJW 1992, 3228; WM 1990, 1956 [1957]; Westermann/Gursky, § 129 IV 3, S. 917; Wolff/Raiser, § 165 II, S. 691; Ehlscheid, BB 1992, 1290 [1292]).
16
Umstritten ist des Weiteren, wie der Ausgleich zu erfolgen hat, wenn Sicherheiten in unterschiedlicher Höhe bestellt wurden. Wie beim Gesamtpfand (s. Rn. 13) ist hier eine Aufteilung nach Köpfen vorzunehmen (BGHZ 108, 176 [179]; Palandt-Bassenge, § 1225 Rn. 3; a. A.: Anteile sind nach der Höhe des übernommenen Risikos [Quotenmodell] zu berechnen, Schlechtriem, FS v. Caemmerer, S. 1013 [1039 ff.]; Ehlscheid, BB 1992, 1290 [1291 f.]).
17
2. Pfandrecht an Rechten. a) Grundlagen. Gegenstand eines Pfandrechts kann auch ein Recht sein (§ 1273 BGB). Die Bestellung eines vertraglichen Pfandrechts an Rechten erfolgt nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften (§ 1274 I 1 BGB). Daher sind u. U. Formvorschriften einzuhalten (z. B. § 15 GmbHG; § 2033 BGB), so dass dann der Verpfändungsvertrag (dingliche Einigung) der notariellen Beurkundung bedarf. Formfrei bleibt hingegen das zugrunde liegende obligatorische Geschäft (Sicherungsabrede, Rn. 3), wenn nicht anders vereinbart (§ 127 BGB) oder gesetzlich besonders vorgeschrieben. Auf das Pfandrecht an Rechten finden die §§ 1204 ff. BGB entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den §§ 1274 ff. BGB ein anderes ergibt (§ 1273 II BGB).
18
b) Publizitätserfordernisse. Die Verpfändung einer Forderung, zu deren Übertragung der Abtretungsvertrag genügt, ist nur wirksam, wenn der Gläubiger (Verpfänder) sie dem
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
865
Schuldner anzeigt (sog. Verpfändungsanzeige, § 1280 BGB) mit der Folge des § 409 BGB. Der Anzeige bedarf es nicht bei der Verpfändung von Rechten, die keine Forderungen sind (z. B. Immaterialgüterrechte) und bei Forderungen und Rechten, zu deren Abtretung ohnehin ein besonderes Vollzugsmoment hinzutreten muss (z. B. Grundbucheintragung, Briefübergabe). Dies ergibt sich daraus, dass hier dem Publizitätsprinzip hinreichend Rechnung getragen ist (vgl. Wolff/Raiser, § 175 III 1 b, S. 720; Weber, S. 289). Ist zur Übertragung des Rechts die Übergabe einer Sache erforderlich (z. B. Hypothekenbrief, § 1154 BGB), muss der Pfandgläubiger den Besitz daran gem. §§ 1205, 1206 BGB erlangen (§ 1274 I 2 BGB). Die Verpfändungsanzeige durch einen Stellvertreter, welcher auch der Pfandgläubiger sein kann, ist zulässig. Nicht ausreichend ist aber die Vorlage einer Urkunde über die Verpfändung oder die Vorlage des Sparbuchs bei Verpfändung des Sparguthabens durch den hierzu nicht bevollmächtigten Gläubiger: § 409 I 2 BGB kann hier nicht entsprechend angewandt werden, da die Anzeige bei § 1280 BGB Entstehungsvoraussetzung ist, während die Abtretungsanzeige bei § 409 BGB nur dem Schuldnerschutz dient (RGZ 85, 431 [436]). c) Pfandrechtsgegenstand. Verpfändbar sind alle selbständig übertragbaren und selbständig verwertbaren Rechte (§ 1274 II BGB). Nicht rechtsgeschäftlich verpfändbar sind höchstpersönliche Rechte (vgl. für Mitgliedschaft § 38 BGB), Forderungen i. S. v. § 399, 1. Alt. BGB (Beispiele bei Staudinger-Wiegand, § 1274 Rn. 27 ff.), § 399, 2. Alt. BGB (vgl. aber § 851 II ZPO) und unpfändbare Forderungen (§ 400 BGB). Unübertragbar sind i. d. R. die Beteiligungsrechte an GbR, OHG oder KG (§§ 719 BGB, 105 II, 161 II HGB), es sei denn, der Gesellschaftsvertrag gestattet die Abtretung bzw. Verpfändung oder alle Gesellschafter stimmen zu (BGHZ 58, 316 zum Nießbrauch am Kommanditanteil; zur Zulässigkeit der Verpfändung von KG-Komplementäranteilen ohne Kapitalanteil Hartmann/Klein, BKR 2007, 323 f.). Bei unübertragbaren Rechten, deren Ausübung überlassen werden kann (§§ 1059 S. 2, 1092 I 2 BGB), ist das Recht zur Überlassung verpfändbar wie beispielsweise die einzelnen Nutzungsrechte nach §§ 31 ff. UrhG, MünchKommBGB-Damran, § 1274 Rn. 87). Auch andere gewerbliche Schutzrechte, etwa Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster (§ 30 I Nr. 1 GeschmMG) sowie Marken (§ 29 I Nr. 1 MarkenG), sind verpfändbar (vgl. hierzu Klawitter/Hombrecher, WM 2004, 1213). Weder das aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erworbene Pfandrecht an einer Forderung noch das Einziehungsrecht sind selbständige Vermögensrechte; sie unterliegen deshalb auch nicht der Pfändung (LG Leipzig RPfleger 2000, 401). Nur in dem Ausnahmefall, dass die gepfändete Forderung bzw. das gepfändete Recht nicht zur Einziehung, sondern an Zahlungs Statt überwiesen ist, geht das Recht auf den Gläubiger über (vgl. §§ 857 I, 835 I, II ZPO); zur Verpfändung von (Telekommunikations-)Lizenzen Hey/Hartung, K&R 2000, 533; zu dem Schicksal von Sicherheiten an Lizenzrechten Brauer/Sopp, ZUM 2004, 112. Problematisch ist insbesondere die Sicherung des Bestandes von Softwarelizenzen im Falle der Insolvenz des Lizenzgebers. Plath (Computer und Recht 2006, 217) schlägt vor, dem Lizenznehmer ein Pfandrecht an Nutzungsrechten an Software zu bestellen. Gesichert werde dabei der künftig entstehende Schadensersatzanspruch, wenn der Insolvenzverwalter die Wahl trifft, den Lizenzvertrag nicht zu erfüllen. Da es dem Lizenznehmer um die Sicherung der Nutzungsrechte im Insolvenzfall gehe und zwar unabhängig davon, ob ihm die Software auf einem Datenträger überlassen werde oder in sonstiger Weise, seien in diesem speziellen Fall die Regelungen über Pfandrechte an Rechten anwendbar. Eine Internet-Domain als solche kann nicht Gegenstand eines Rechtspfandes sein. Denn der Domain kommt keine etwa dem Patent- oder Markenrecht vergleichbare ausschließliche Stellung zu. Zwar wird eine Internet-Domain von der DENIC nur einmal vergeben, doch begründet diese rein technisch bedingte Ausschließlichkeit kein absolutes Recht (so
Matusche-Beckmann
19
866
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
BGH NJW 2005, 3353; a. A. OLG München, K&R 2004, 496, LG Düsseldorf, JurBüro 2001, 548). Die schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber einer Internet-Domain gegenüber der DENIC oder einer anderen Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen, sind vielmehr Gegenstand eines Pfandrechts an Rechten (BGH NJW 2005, 3353). 20
Akzessorische Sicherungsrechte (Bürgschaft, Hypothek) sind nicht selbständig übertragbar, deshalb nicht selbständig verpfändbar. So kann z. B. nicht die Hypothek als solche, sondern nur die hypothekarisch gesicherte Forderung verpfändet werden (vgl. § 1153 II BGB); das Pfandrecht an der Forderung erstreckt sich auf die Hypothek. Die Verpfändung der hypothekarisch gesicherten Forderung erfolgt nach den §§ 1274 I, 1154 III, 873 BGB (Buchhypothek) bzw. §§ 1274 I, 1154 I BGB (Briefhypothek). Die Verpfändung der nicht-akzessorischen Grundschuld erfolgt hingegen über § 1274 BGB nach den §§ 1192, 1154, 1155 BGB.
21
Da das Anwartschaftsrecht nicht als Forderung zu qualifizieren ist, richtet sich die Verpfändung des Anwartschaftsrechts nach den für die Verpfändung des Vollrechts geltenden Vorschriften: Die Verpfändung des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung einer beweglichen Sache erfolgt durch Einigung und Übergabe der Sache nach §§ 1205 ff. BGB. Zur Folge des Bedingungseintritts s. Rn. 7. Die Verpfändung eines Anwartschaftsrechts aus Auflassung erfolgt durch Einigung in der Form des § 925 BGB nach § 1287 BGB (Grundbucheintragung der Verpfändung nur möglich bei Eintragung einer Auflassungsvormerkung, Erman-Michalski, § 1274 Rn. 9). Bei Bedingungseintritt verwandelt sich das Pfandrecht am Anwartschaftsrecht analog § 1287 BGB in eine Sicherungshypothek (BGHZ 49, 197 [205]; Palandt-Bassenge, § 1287 Rn. 5).
22
Auch künftige oder bedingte Forderungen sind verpfändbar, z. B. die zukünftige Gutschrift aus einer Bankverbindung (BGH WM 1996, 2250). Voraussetzung ist, dass das zu verpfändende Recht zweifelsfrei bestimmt werden kann, auch durch Dritte (StaudingerWiegand, § 1273 Rn. 15 m. w. N.). Das Pfandrecht entsteht hier erst zu dem Zeitpunkt, in dem die verpfändete Forderung entsteht (OLG Köln ZIP 1987, 907). Der Entstehungszeitpunkt ist insb. bei Insolvenz bedeutsam: Bestellt ein Gesellschafter/Kommanditist für die Gesellschaft ein Pfandrecht an seinem Auseinandersetzungsanspruch, entsteht das Pfandrecht erst mit Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Das Pfandrecht am Auseinandersetzungsanspruch ist also nicht insolvenzfest, wenn die Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses auf der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters beruht, da der Gesellschafter bei seinem Ausscheiden nicht mehr verfügungsbefugt ist. Die Verpfändung wird hinfällig; der Auseinandersetzungsanspruch fällt in die Gesamtvollstreckungsmasse (OLG Stuttgart DB 2000, 2009 m. w. N.).
23
Ist hingegen die gesicherte Forderung eine zukünftige, entsteht das an einer bereits bestehenden Forderung bestellte Pfandrecht im Zeitpunkt der Bestellung (s. Rn. 11; vgl. BGHZ 93, 71). Etwas anderes kann sich aus der Parteivereinbarung ergeben.
24
So bestimmt Nr. 21 III 3 AGB-Sparkassen, dass „Ansprüche gegen Kunden aus übernommenen Bürgschaften ... erst ab deren Fälligkeit gesichert“ werden. Dem Wortlaut nach erfasst die Klausel auch den nach § 774 S. 1 BGB auf ein Kreditinstitut, das für einen Kunden gebürgt und die Bürgenschuld erfüllt hat, übergegangenen Anspruch des Gläubigers gegen den Hauptschuldner. Dasselbe gilt für einen Anspruch aus dem Innenverhältnis zwischen Bürge und Hauptschuldner. Hier entsteht also das Pfandrecht erst mit Fälligkeit der Bürgschaftsschuld des Hauptschuldners (vgl. BGH WM 1998, 2463).
25
Auch Rechte an Unternehmen und Unternehmensanteilen sind im Rahmen der Übertragbarkeit verpfändbar (s. Bülow, S. 204 ff.), so etwa der Geschäftsanteil einer GmbH (Reymann, DNotZ 2005, 425; zu Besonderheiten in der Finanzierungspraxis Bruhns,
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
867
GmbHR 2006, 587 ff.) oder AG (zu Aktien s. Rn. 27, 31; ferner Apfelbaum, Verpfändung der Mitgliedschaft in der AG). Einer Verpfändungsanzeige (§ 1280 BGB) bedarf es nicht, da es sich bei Mitgliedschaftsrechten nicht um Forderungen handelt. Der Pfandgläubiger wird durch die Pfandrechtsbestellung nicht selbständiger Gesellschafter, insb. nicht stimmberechtigt; gleichwohl kann er auf die inneren Verhältnisse der Gesellschaft Einfluss ausüben: Insb. bedarf nach § 1276 BGB die Aufhebung oder Änderung des verpfändeten Rechts der Zustimmung des Pfandgläubigers. Allerdings hat diese Beschränkung keine Außenwirkung, so dass etwa eine Stimmabgabe des verpfändenden Gesellschafters ohne Zustimmung des Pfandgläubigers dennoch wirksam ist und die Beschlussfassung nicht verhindert. Verzichtet der Verpfänder aber z. B. auf Ansprüche, so ist dies dem Pfandgläubiger gegenüber gem. § 1276 BGB unwirksam. Grds. erstreckt sich das Pfandrecht nicht auf die eigentlichen Mitgliedschaftsrechte. Der verpfändende Gesellschafter bleibt daher i. d. R. in deren Ausübung, insb. in der Ausübung seines Stimmrechts, frei (BGHZ 119, 191). Etwas anderes gilt, wenn sich der Pfandgläubiger durch zusätzliche Vereinbarungen eine Position einräumen lässt, die der Stellung eines Gesellschafters gleich oder zumindest nahe kommt (insb. im Hinblick auf die Einflussnahme auf Geschäftsführung oder Gestaltung der Gesellschaft). U. U. trägt er dann wie ein stiller Gesellschafter auch die Finanzierungsverantwortung für die GmbH, selbst dann, wenn er lediglich Sicherungsinteressen verfolgt (z. B. Pfandgläubiger sichert sich über die übliche Pfändung des Gesellschaftsanteils hinaus Rechte, die sonst nur einem Gesellschafter zustehen, z. B. Gewinnbezugsrechte, vgl. BGHZ 119, 191). d) Gesicherte Forderung und Akzessorietät. Für die Abhängigkeit des Pfandrechts an Rechten von der gesicherten Forderung gilt das zum Pfandrecht an beweglichen Sachen Ausgeführte entsprechend (s. Rn. 11).
26
3. Wertpapiere. Inhaberpapiere (insb. Schuldverschreibungen auf den Inhaber [§ 793 BGB], zu deren Verpfändung vgl. BGH ZIP 1997, 1102 mit Anm. Hager, EWiR 1998, 25, Schecks [Art. 5 ScheckG], Aktien [§ 10 I AktG], Briefgrundschulden [§ 1195 BGB]) werden nach den Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen verpfändet (§§ 1293 i. V. m. 1205, 1206 BGB; zur Aktienpfändung Nodoushani, WM 2007, 289 ff.; Hirte/Knof, WM 2008, 7 ff. zum Pfandrecht an globalverbrieften Aktien in der Insolvenz). Bedeutung hat diese Form der Verpfändung insb. beim Depotgeschäft (§ 1 I Nr. 5 KWG), bei dem der Anleger Wertpapiere im Depot an die verwahrende Bank zur Kreditsicherung verpfändet. Befinden sich die Papiere in einem offenen Depot, stehen sie im unmittelbaren Besitz des verwahrenden Kreditinstituts, so dass die Einigung über die Verpfändung ausreicht; die bloße Einigung genügt auch dann, wenn das Kreditinstitut den unmittelbaren Besitz auf eine Wertpapiersammelbank übertragen hat und sie mittelbare Besitzerin ist (BGH NJW 1997, 2110). Die Einigung über die Pfandrechtsbestellung ist i. d. R. bereits in den AGB der Kreditinstitute enthalten (s. Rn. 30 ff.). Zur Verpfändung von Inhaberpapieren in einem geschlossenen Depot (z. B. Safe) s. Rn. 4. Zum Vorstehenden Bülow, S. 164, 201.
27
Namens- oder Rektapapiere (insb. Hypotheken-, Grundschuld- u. Rentenschuldbrief, Anweisung des bürgerlichen Rechts) werden nach den für die Veräußerung geltenden Vorschriften verpfändet, d. h. durch Verpfändung des verbrieften Rechts (§§ 1291, 1273 ff. BGB). Deshalb entsteht ein Pfandrecht an Forderung und Papier (§ 952 I 2 BGB) infolge der Forderungsabtretung zum Zwecke der Verpfändung z. B. beim Sparbuch (§ 808 BGB) oder bei den nicht mit Orderklausel versehenen kaufmännischen Papieren des § 363 HGB. Da für die Verpfändung die für das Recht geltenden Veräußerungsvorschriften greifen, ist u. U. neben der Abtretung eine Verpfändungsanzeige erforderlich (§ 1280 BGB). Zur Verpfändung einer hypothekarisch gesicherten Forderung s. Rn. 20.
28
Matusche-Beckmann
868
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
29
Orderpapiere (insb. Wechsel, Namensscheck, Namensaktie, auf Order gestellte kaufmännische Papiere des § 363 HGB) werden i. d. R. durch Indossament und Übergabe des Papiers verpfändet (§§ 1292, 1294 BGB, vgl. ferner Art. 11 ff. WG, 14 ff. ScheckG); eine Verpfändungsanzeige ist nicht erforderlich (s. i. E. Bülow, S. 203). Alternativ ist bei Orderpapieren auch eine Verpfändung nach §§ 1274, 398 BGB durch Einigung über das Pfandrecht und Übergabe des nichtindossierten Papiers möglich, aber selten (Westermann/Gursky, § 138 II 3, S. 959; Palandt-Bassenge, § 1292 Rn. 2).
30
4. Pfandrechte in den AGB der Kreditinstitute. Die AGB der Kreditinstitute (vgl. nur Nr. 14 AGB-Banken, hierzu Fennen) sehen zur Sicherung ihrer Forderungen gegen den Kunden die Begründung eines Pfandrechts an den „in den Besitz oder die Verfügungsgewalt ... der Bank gelangten oder noch gelangenden Sachen und Rechten, einschließlich der Ansprüche des Kunden gegen die Bank selbst“ vor. Die Rechtsprechung hat bisher diese AGB-mäßige Pfandrechtsbestellung anerkannt, sofern die Sachen mit Willen des Kunden im bankmäßigen Geschäftsverkehr in die Verfügungsgewalt der Bank gelangten (vgl. nur BGHZ 128, 295 [300]; 93, 75 [76]; OLG Dresden WM 2001, 803 [804]; Batereau, WuB I F 2 Pfandrechte 1.01, 781 [782]; Wolf/Horn/Lindacher-Horn, § 23 Rn. 734 m. w. N.). Allerdings ist die in Nr. 21 III Satz 2 Muster-AGB Sparkassen enthaltene Klausel, wonach das Pfandrecht auch Ansprüche der Sparkasse gegen Dritte, für deren Verbindlichkeiten der Kunde persönlich haftet, sichert, wegen Verstoßes gegen § 305 c I BGB, unwirksam (OLG Schleswig, BKR 2006, 414). Zur Erstreckung des gemäß Nr. 21 III Satz 1 Muster-AGB Sparkassen vereinbarten Pfandrechts an Kontoguthaben einer Komplementär-GmbH auf Ansprüche gegen die GmbH gemäß §§ 128 Satz 1, 161 II HGB wegen Darlehensverbindlichkeiten der GmbH & Co. KG vgl. BGH ZIP 2007, 905 ff.; Toussaint, EWiR 2007, 417 f.
31
Die Klauseln begründen eine antizipierte dingliche Einigung; die Pfandrechtsbestellung erfordert kein aktuelles Rechtsfolgenbewusstsein der Parteien im Zeitpunkt des Rechtsübergangs (BGHZ 128, 295 [299]). Die Pfandrechtsbestellung kann im Voraus für die Gesamtdauer der Geschäftsbeziehung erteilt werden; zu Voraussetzungen und Wirkungen der Kündigung einer unbefristeten Pfandrechtsbestellung für Bankverbindlichkeiten eines Dritten (vormaliger Ehegatte) s. BGH NJW 2003, 61. Die Wirksamkeit der antizipierten Einigung wird durch eine später eintretende Geschäftsunfähigkeit des Kunden nicht berührt, so dass das Pfandrecht trotzdem wirksam entsteht. Dies folgt daraus, dass der Besitzverschaffungswille des Kunden kein rechtsgeschäftlicher, sondern nur ein natürlicher Wille ist (BGH NJW 1988, 3260; Schellhammer, S. 581). Auch die Übergabe einer beweglichen Sache im Rahmen einer von den Parteien irrig für wirksam gehaltenen Sicherungsübereignung steht der Entstehung des AGB-Pfandrechts nicht entgegen, wenn die Übergabe gerade der Verwertung durch den Pfandgläubiger dienen sollte (BGHZ 128, 295 [300 f.]). Zur Verpfändung eines Warenlagers, wenn gewollte Sicherungsübereignung am Fehlen einer qualifizierten Freigabeklausel scheitert, s. Rn. 7. Die Klausel ersetzt nicht das Anzeigeerfordernis bei Forderungen (§ 1280 BGB) oder das Zustimmungserfordernis bei vinkulierten Namensaktien (§§ 1274 I 1 BGB, 68 II AktG, Wolf/ Horn/Lindacher-Horn, § 23 Rn. 735). Bei Bestehen eines entsprechenden Sicherheitsbedürfnisses kann die Bank von ihrem Pfandrecht an der Forderung eines Kunden aus einem Kontoguthaben auch schon vor Pfandreife Gebrauch machen, indem sie zur Sicherung einer späteren Verwertung keine Verfügungen des Kunden mehr zuläßt. Diese Kontosperre ist von § 1281 Satz 2 Halbsatz 1 BGB gedeckt (BGH NJW 2004, 1660 [1661]. Die Eintragung „Sperrkonto“ in das Kundenhinweisfeld eines Kontos erzeugt keine Rechtswirkungen, sondern soll dem Bankkunden lediglich als „Etikett“ dienen. Daher bewirkt der eingetragene Hinweis „Kontosprerre“ auch keine Ausnahme vom
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
869
Pfandrecht nach Ziffer 14 III der AGB-Banken (OLG München, Urteil vom 19.12.2006, AZ 9 U 3780/06, OLGR München 2007, 142). Das AGB-Pfandrecht der Kreditinstitute kann durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. An die stillschweigende Abbedingung sind indes strenge Anforderungen zu stellen (BGH WM 1974, 155 [157]; OLG Dresden, WM 2001, 803 [804]; Batereau, WuB I F 2 Pfandrechte 1.01, 781 [782]; Wolf/Horn/Lindacher-Horn, § 23 Rn. 740). Eine Abbedingung kann nur angenommen werden, wenn der Kunde bei einem Geschäft erkennbar macht, dass seine Zustimmung zur Entstehung des Pfandrechts für diesen Fall nicht gelten soll; dies gilt insb. bei der Übertragung von Werten mit besonderer Zweckbestimmung. Allerdings reicht für die Abbedingung des Pfandrechts z. B. die Bezeichnung als „Mietkonto“ nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine Offenlegung der besonderen Treuhandbindung gegenüber dem Kreditinstitut. Wurde die Zweckbindung dem Kreditinstitut nicht offen gelegt, entsteht das AGB-Pfandrecht. Durch die bloße spätere Kenntniserlangung von der besonderen Zweckbindung erlischt es nicht. Hier bedarf es vielmehr einer Parteivereinbarung zur Aufhebung des Pfandrechts. Ein stillschweigender Verzicht auf das Pfandrecht kann aber schon dann angenommen werden, wenn das Kreditinstitut nach Offenlegung einer besonderen Treuhandbindung nicht widerspricht. Aber auch ohne Verzicht ist das Kreditinstitut ggf. nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn es auf seinem Vertragspfandrecht besteht, da es so die „besseren“ Ansprüche der Treugeber unbillig vereitelt (BGH WM 1990, 1954 [1955 m. w. N.]). Für die Abbedingung genügt u. U. die Umbuchung einer Forderung auf ein Unterkonto, um ein von mehreren Gläubigerbanken getragenes Sanierungsvorhaben zu sichern (BGH NJW-RR 1998, 484). Wird der Sparkasse eine Sache oder Forderung auf Grund einer Pfändungsvereinbarung, die nur einen bestimmten Sicherungszweck vorsieht, übergeben, entsteht daneben kein allgemeines Pfandrecht nach Nr. 21 I AGB-Sparkassen; dies gilt auch dann, wenn der Schuldner noch weitere Verbindlichkeiten bei der Sparkasse hat (Saarländisches OLG, MDR 2006, 824 f.). Zur Treuwidrigkeit der Berufung auf den besseren Rang eines AGB-Pfandrechts s. Rn. 51. Lässt die Sparkasse zu, dass der Kunde über Beträge vom verpfändeten Konto verfügt, werden diese vom Pfandrecht frei (BGH NJW 2004, 1660 ff.).
32
II. Gesetzliche Pfandrechte. Nach BGB entstehen gesetzliche Pfandrechte zugunsten des Berechtigten an hinterlegten Sachen (§ 233 BGB), des Vermieters an eingebrachten Sachen des Mieters (vgl. §§ 562 BGB, zum Vermieterpfandrecht Paschke, Grundeigentum 2006, 420), des Verpächters an Früchten und eingebrachten Sachen (vgl. §§ 581 II, 562, 592 BGB), des Grundstückspächters (§§ 583, 585 II BGB), des Werkunternehmers (§ 647 BGB) und des Gastwirts (vgl. § 704 BGB). Das HGB sieht insbes. gesetzliche Pfandrechte zugunsten des Kommissionärs (§ 397 HGB), des Spediteurs (§ 464 HGB), des Lagerhalters (§ 475 b HGB, dazu Bülow, DB 1999, 269 [270 f.]), des Frachtführers (§ 441 HGB, dazu Didier, NZI 2003, 513), des Verfrachters (§ 623 HGB) und des Beförderers (§ 674 HGB) vor (zu den HGB-Pfandrechten Altmeppen, ZHR 1993, 541; zur Begründung gesetzlicher Pfandrechte an Dritteigentum im Speditions- und Frachtrecht Risch, TranportR 2005, 108). Überdies enthalten Sondergesetze gesetzliche Pfandrechte (vgl. u. a. die Auflistung in Schönfelder, Deutsche Gesetze, zu § 1257 BGB, Fn. 1).
33
Auf ein kraft Gesetzes entstandenes Pfandrecht finden die Vorschriften über das vertraglich begründete Pfandrecht entsprechend Anwendung (§ 1257 BGB). Betreffen die gesetzlichen Pfandrechte bewegliche Sachen, steht an der Stelle der Übergabe als Entstehungsvoraussetzung der Besitz des Gläubigers (z. B. Besitzpfandrecht des Werkunternehmers, § 647 BGB) bzw. die Einbringung der Sache durch den Schuldner (z. B. die besitzlosen Pfandrechte des Vermieters und Verpächters, §§ 562 I 1, 583 I, 592 BGB).
34
Matusche-Beckmann
870
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Eingebracht sind auch diejenigen beweglichen Sachen, die auf einem Mietgrundstück hergestellt werden (BGHZ 101, 37). Unter Umständen betrifft das gesetzliche Pfandrecht auch Rechte (z. B. § 233 BGB, § 1287 BGB bei Verwertung einer gepfändeten Forderung, s. u. Rn. 102). 35
Das Vermieterpfandrecht erfasst auch eingebrachtes Geld des Mieters; die §§ 1204 ff. BGB sind direkt anwendbar. Bei Pfandreife (Rn. 86) ist keine Verwertung erforderlich, sondern der Gläubiger darf sich aufgrund seines Verwertungsrechts das Geld in Höhe seiner Forderung aneignen (s. Rn. 9; Wieling, SachenR I, § 15 VII 3 a bb; Staudinger-Wiegand, § 1204 Rn. 53, 56; vgl. auch § 815 I ZPO).
36
III. Pfändungspfandrechte. Vollstreckt der Gläubiger in das Vermögen des Schuldners, entsteht zu seinen Gunsten ein Pfändungspfandrecht. Bei der Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen erwirbt der Gläubiger das Pfändungspfandrecht durch Pfändung der Sache (vgl. §§ 803, 804, 808 ZPO); zugleich bewirkt die Pfändung die öffentlich-rechtliche Verstrickung (Beschlagnahme) der Sache (vgl. § 136 StGB). Die Pfändung einer Forderung, die der Schuldner gegen einen Drittschuldner hat, erfolgt durch Pfändungsbeschluss (§§ 828, 829, 834 ZPO) ebenso wie bei Pfändung eines anderen Vermögensrechts (§ 857 ZPO); Folgen sind die Verstrickung und das Entstehen des Pfändungspfandrechts. Bei der Pfändung einer künftigen Forderung entsteht das Pfändungspfandrecht nicht bereits mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner, sondern erst mit der Entstehung der Forderung. Bedeutsam ist dies im Falle der Insolvenz. Liegt der Entstehungszeitpunkt der gepfändeten Forderung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist die Sicherung nicht insolvenzfest. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird sie ipso iure unwirksam (BFHE 209, 34).
37
Umstritten ist, ob auch bei der Pfändung schuldnerfremder Sachen ein Pfändungspfandrecht entsteht. Nach der zur Rechtsnatur des Pfändungspfandrechts vertretenen öffentlich-rechtlichen Theorie entsteht ein Pfändungspfandrecht mit jeder wirksamen Pfändung als notwendige Folge der Verstrickung, während nach h. M. (gemischt privatöffentlichrechtliche Theorie) lediglich die Verstrickung bewirkt wird (zum Meinungsstand BGHZ 119, 75; Lipp, JuS 1988, 119; Werner, JR 1971, 278). Beide Theorien gelangen aber für den Fall der Verwertung einer schuldnerfremden Sache zum Ergebnis, dass aufgrund der Verstrickung der Ersteher kraft Hoheitsakts Eigentum erwirbt, der Erlös jedoch dem wahren Eigentümer zusteht (§§ 812 I 1, 823 I BGB). Allerdings können die Theorien für die Bestimmung der Rangfolge bedeutsam sein (vgl. Reinicke/Tiedtke, S. 357 f.).
38
IV. Gutgläubiger Erwerb von Pfandrechten. 1. Grundlagen. Ist der Verpfänder weder Eigentümer der Sache noch zur Verfügung ermächtigt (§ 185 BGB), finden §§ 932, 934 u. 935 BGB entsprechende Anwendung (§ 1207 BGB). Der fehlende Verweis auch auf § 933 BGB rührt daher, dass eine Pfandrechtsbestellung mittels Besitzkonstituts nicht möglich ist (s. Rn. 4). Auch auf § 936 BGB verweist § 1207 BGB nicht, da der Pfandgläubiger über die Möglichkeit des gutgläubigen Vorrangerwerbs (§ 1208 BGB) ausreichend geschützt ist; ein nachrangiges Pfandrecht beeinträchtigt seine Rechtsstellung nicht. Der gutgläubige Erwerb erfordert den rechtsscheinbegründenden Besitz des Verfügenden und den guten Glauben des Erwerbers an das Eigentum des Verpfänders (u. U. genügt guter Glaube an die Verfügungsbefugnis, s. §§ 366 f. HGB). Die Gutgläubigkeit muss bis zu dem Zeitpunkt andauern, in welchem bei unterstellter Eigentümerposition des Veräußerers die Pfandrechtsbestellung vollendet wäre (einschließlich des Zugangs der Anzeige im Fall des § 1205 II BGB, Westermann/Gursky, § 128 IV 2, S. 902 f.; a. A. Staudinger-Wiegand, § 1207 Rn. 11: Gutgläubigkeit nur bei Einigung u. Abtretung des
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
871
Herausgabeanspruchs erforderlich; Wieling, SachenR I, § 15 V 2 b: der gute Glaube muss bis zur Vornahme der letzten Erwerbshandlung vorhanden sein). Grundsätzlich darf die Pfandsache dem Eigentümer nicht abhanden gekommen sein (§ 935 BGB, s. aber §§ 935 II, 1207, 1293 BGB). Ein gutgläubiger Erwerb bei der Übertragung von Pfandrechten kommt nicht in Betracht. Aufgrund der Akzessorietät des Pfandrechts (§ 1250 I BGB, s. Rn. 11) scheidet nach h. A. die Übertragung eines Pfandrechts, das eine nicht (mehr) existente Forderung sichert (sog. gutgläubiger Zweiterwerb), aus, da die §§ 1204 ff. BGB keine der Ausnahmevorschrift des § 1138 BGB entsprechende Norm enthalten und sich auch eine Parallele hierzu wegen der strengen Akzessorietät verbietet (Schwab/Prütting, § 71 IX). In dem Fall, dass der Abtretende zwar Forderungsinhaber ist, das Pfandrecht aber nicht wirksam bestellt wurde, erwirbt der Zessionar nach h. M. kein Pfandrecht; aufgrund der formlos möglichen Abtretung fehlt es an dem erforderlichen Rechtsscheintatbestand (Baur/ Stürner, § 55 Rn. 32; Bülow, S. 173 ; a. A. Wieling, SachenR I, § 15 VIII 1 b). 2. Gutgläubiger Erwerb beim Pfandrecht an beweglichen Sachen. Bei der vertraglichen Bestellung von Pfandrechten an beweglichen Sachen ergeben sich grds. keine besonderen Probleme; zur Ausgestaltung des gutgläubigen Erwerbs je nach Verpfändungsmodalität i.S.d. §§ 1205 f. BGB vgl. Reinicke/Tiedtke, S. 344 ff. Gleichbehandelt wird nach h. M. das durch Hinterlegung begründete Pfandrecht aus § 233 BGB (Staudinger-Repgen, § 233 Rn. 4 m. w. N.). 3. Gutgläubiger Erwerb beim Pfandrecht an Rechten. Ist der Verpfänder nicht Inhaber des verpfändeten Rechts, kann auch bei Gutgläubigkeit grds. kein Pfandrecht entstehen. Der gutgläubige Erwerb des Pfandrechts an einem Recht, das dem Verpfänder nicht zusteht, ist nur insoweit möglich, wie der gutgläubige Erwerb des verpfändeten Rechts selbst möglich ist (vgl. § 1274 I 1 BGB); § 1207 BGB findet keine Anwendung, da die Vorschrift an den Besitz einer Sache anknüpft (Bülow, S. 200). Die §§ 398 ff. BGB lassen den gutgläubigen Forderungserwerb grds. nicht zu, so dass das Pfandrecht an einer persönlichen Forderung nicht kraft guten Glaubens entsteht. Allerdings ist gutgläubiger Pfandrechtserwerb bei den Grundpfandrechten denkbar (vgl. Reinicke/Tiedtke, S. 358 f.; z. B. gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts an einer Hypothek, wenn der nicht berechtigte, aber im Grundbuch eingetragene Hypothekengläubiger die Hypothekenforderung verpfändet: gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts an der Hypothek über §§ 1274 I, 1154, 892, 1138 BGB möglich (Weimar, MDR 1969, 824 [825]). 4. Gutgläubiger Erwerb bei gesetzlichen Pfandrechten. a) Grundlagen. Umstritten ist die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs bei den gesetzlichen Besitzpfandrechten (zum Sonderfall des Pächterpfandrechts nach § 583 BGB vgl. Staudinger-Wiegand § 1257 Rn. 6 m. w. N.), insbesondere die Frage nach der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs des Werkunternehmerpfandrechts (§ 647 BGB). Der Streit hat Praxisrelevanz vor allem bei in Reparatur gegebenen Kfz, die unter Eigentumsvorbehalt gekauft bzw. an ein Kreditinstitut sicherungsübereignet sind. Zwar erwirbt der Werkunternehmer im ersten Fall ein Pfandrecht am Anwartschaftsrecht des Werkbestellers; dieses ist jedoch aufgrund seiner Abhängigkeit vom schuldrechtlichen Anspruch des Eigentumsvorbehaltskäufers praktisch wertlos. Der Wortlaut des § 1257 BGB schließt eine direkte Anwendung des § 1207 BGB aus, da die Vorschrift von einem schon entstandenen Pfandrecht ausgeht. Die Entstehung gesetzlicher Pfandrechte richtet sich ausschließlich nach den Sondervorschriften (Staudinger-Wiegand, § 1257 Rn. 5). Seit der Grundsatzentscheidung BGHZ 34, 153 (154 ff.) verneint die Rechtsprechung die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs gesetzlicher Pfandrechte (ständige Rechtsprechung, z. B. BGHZ 100, 95 [101]; befürwortend Westermann/Gursky, § 133 I, S. 936) und
Matusche-Beckmann
39
40
41
42
43
872
44
45
46
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
verweist den Werkunternehmer auf sein Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 BGB. Z. T. spricht sich die Literatur für die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs aus: Eine Ansicht will §§ 183, 185 BGB analog anwenden, wenn der Eigentümer den Werkbesteller zur Instandhaltung der Sache verpflichtet hatte (Medicus, BR, Rn. 594). Dem ist zu entgegnen, dass sich die Entstehung gesetzlicher Pfandrechte gerade unabhängig vom Willen der Beteiligten vollzieht, so dass es auf die Frage einer Einwilligung zur Instandsetzung nicht ankommt (Westermann/Gursky, § 133 I, S. 936). Gegen die analoge Anwendung von § 1207 BGB spricht, dass ausweislich der Gesetzesmaterialien keine planwidrige Regelungslücke vorliegt (Mot. II 404, 405; Mot. III 797; ausführlich Gursky, Fälle mit Lösungen, S. 169 ff.; Westermann/Gursky, § 133 I, S. 936). Auch § 366 III HGB kann nach richtiger Ansicht nicht analog angewandt werden, da die Regelung als Spezialvorschrift einer Analogie nur begrenzt zugänglich ist (BGHZ 34, 153 [156]; a. A. Staub-Canaris, HGB, § 366 Rn. 112 ff.; Staudinger-Wiegand, § 1257 Rn. 14). b) AGB-Praxis. Als Folge der genannten BGH-Rechtsprechung nehmen die Werkunternehmer in der Praxis in ihre AGB eine Klausel über die Bestellung eines Pfandrechts an allen in ihren Besitz gelangenden Gegenständen auf. Der BGH hält derartige Klauseln für unbedenklich (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 68, 323; BGHZ 87, 274 [279]). Folge ist die Begründung eines vertraglichen Pfandrechts, für das § 1207 BGB direkt gilt. Im Hinblick darauf, dass die in Rede stehenden AGB-Klauseln gerade den Pfandrechtserwerb an bestellerfremden Sachen ermöglichen sollen – ansonsten gelangt ja bereits das gesetzliche Pfandrecht zur Entstehung –, wird diese Klausel z. T. als sittenwidrig (Westermann/Gursky, § 128 IV 3, S. 904 m. w. N.) oder überraschend i. S. v. § 305 c I BGB qualifiziert (Jauernig, § 1257 Rn. 2) oder die Gutgläubigkeit des Werkunternehmers in Abrede gestellt (Bülow, S. 182). Gegen die Beurteilung als sittenwidrig spricht jedoch, dass eine Regelung, die im Wege individualvertraglicher Vereinbarung ohne weiteres zulässig wäre, nicht alleine deshalb dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender“ widerspricht, weil sie in AGB getroffen wird. Auch sagt die Verwendung der Klausel nichts über den guten Glauben des Werkunternehmers im Einzelfall aus; dies hängt vielmehr davon ab, ob im konkreten Fall Anlass zu der Annahme bestand, der Besteller sei nicht Eigentümer des Fahrzeugs. Des Weiteren ist hier, da es sich um eine vertragliche Pfandrechtsbestellung handelt – anders als beim gesetzlichen Pfandrecht – auch grds. möglich, in der Verpflichtung zur Reparatur des Kfz eine entsprechende Verfügungsermächtigung des Sicherungseigentümers oder Eigentumsvorbehaltverkäufers zu sehen; dies gilt umso mehr, als die AGB-Praxis der Werkstätten den interessierten Verkehrskreisen i. d. R. bekannt ist. Mit ähnlichen Bedenken begegnet ein Teil der Literatur (Westermann, S. 904) auch der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs des in den AGB der Kreditinstitute vorgesehenen Pfandrechts (Nr. 14 AGB-Banken bzw. Nr. 21 I AGB-Sparkassen, s. Rn. 30 ff.); auch hier sind die Einwände mit der Rechtsprechung als unbegründet zu werten (i. E. wohl auch Staudinger-Wiegand, Anh. zu § 1257 Rn. 15). Für die Gutgläubigkeit des Werkunternehmers im Rahmen von § 1207 BGB verlangt der BGH nicht die Vorlage des Kfz-Briefs (BGHZ 68, 323 [326 ff.]). Dem ist zuzustimmen, da es bei Erteilung von Reparaturaufträgen – anders als beim Autokauf – unüblich ist, den Kfz-Brief vorzulegen. Eine Einschränkung wird allerdings insoweit vorgenommen, als nur die Haftung für konnexe Forderungen zulässig sein soll (zu AGB im Speditionsgewerbe BGHZ 17, 1; diese Beschränkung soll auch für Reparaturverträge gelten, vgl. Staudinger-Wiegand, Anh. zu § 1257 Rn. 10 m. w. N.), wobei aber die Einbeziehung früherer Leistungen grds. zulässig ist (BGHZ 101, 307 [315]).
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
873
5. Gutgläubiger Erwerb bei Pfändungspfandrechten. Ein gutgläubiger Erwerb von Pfändungspfandrechten ist ausgeschlossen, da ein solcher dem Zwangsvollstreckungsrecht fremd ist.
47
C. Folgen der Verpfändung
48
I. Mehrere Pfandrechte; Rangverhältnisse. Eine Pfandsache kann mehrfach verpfändet werden, indem der Verpfänder den ihm gegen den erstrangigen Pfandgläubiger zustehenden aufschiebend bedingten Herausgabeanspruch (§ 1223 BGB) an einen weiteren Pfandgläubiger abtritt und ersterem die weitere Verpfändung anzeigt (vgl. §§ 1205 II BGB). Nach dem sog. Prinzip der gleitenden Rangordnung rücken bei Erlöschen eines Pfandrechts die anderen auf (Wieling, SachenR I, § 15 VI c). Ein Zusammentreffen mehrerer Pfandrechte kommt insbesondere auch dann in Betracht, wenn ein Vertragspfandrecht mit einem Pfändungspfandrecht (§ 804 ZPO) oder mit einem gesetzlichen Pfandrecht zusammentrifft. Für den Rang der Pfandrechte gilt der Prioritätsgrundsatz (§ 1209 BGB, BGHZ 93, 71 [76]); im Falle der Verwertung wird zunächst der Gläubiger des früher entstandenen Pfandrechts befriedigt. Das Verwertungsrecht eines Pfandgläubigers wird durch ein vorrangiges Pfandrecht zwar nicht aufgehoben; Voraussetzung für die Verwertung ist indes Alleinbesitz. Jedoch hat der vorrangige Pfandgläubiger gegenüber allen Nachfolgenden das bessere Recht zum Besitz (§§ 1227, 985 BGB; Ausnahme: § 1232 BGB). Veräußert der vorrangige Pfandgläubiger bei Pfandreife (Rn. 86) das Pfand, gehen die anderen Pfandrechte nach § 1242 II BGB unter. Nachrangigen Pfandgläubigern haftet er dafür nicht, da ihn sein Verwertungsrecht zur lastenfreien Veräußerung auch gegenüber nachrangigen Gläubigern berechtigt; das Pfandrecht setzt sich gem. § 1247 BGB am Erlös fort.
49
Der Vermieter kann gegenüber einem Dritten, für den die Sache gepfändet wird, das Vermieterpfandrecht nicht wegen der Miete für eine frühere Zeit als für das letzte Jahr vor der Pfändung geltend machen (vgl. § 562 d BGB). Bei gleichzeitigem Entstehen von Vermieterpfandrecht und Sicherungsübereignung (z. B. Einbringung von Sachen in ein zur Sicherheit übereignetes Warenlager) gebührt der Vorrang dem Vermieterpfandrecht, um dieses nicht auszuhöhlen (BGH NJW 1992, 1156; a. A. Wieling, SachenR I, § 15 X d m. w. N., der auf das objektiv wertende Prioritätsprinzip abstellt).
50
Liegt ein gutgläubiger Erwerb des Vorrangs vor (§ 1208 BGB), werden alle belastenden dinglichen Rechte, also grds. auch ältere gesetzliche Pfandrechte oder Pfändungspfandrechte sowie eine hypothekarische Haftung (§ 1120 BGB) verdrängt (Staudinger-Wiegand, § 1208 Rn. 7 m. w. N.). Die Berufung auf den Vorrang des eigenen Pfandrechts kann treuwidrig sein, z. B. wenn sich ein Kreditinstitut auf sein AGB-Pfandrecht (s. Rn. 30 ff.) beruft, obwohl es auf einem angelegten Sparkonto den Aufdruck „gesperrt wegen Mietkaution“ angebracht hatte. Der Vermieter darf aufgrund dieses Vermerks darauf vertrauen, dass kein anderer über die Forderung verfügen kann (OLG Nürnberg WM 1998, 1968). Ferner ist das AGB-Pfandrecht der Kreditinstitute dann nicht vorrangig, wenn das Kontokorrent führende Kreditinstitut erst nach Pfändung des Kontokorrentsaldos durch einen Gläubiger des Bankkunden eine Forderung gegen diesen erwirbt; hier geht § 357 S. 1 HGB als speziellere Vorschrift vor (BGH WM 1997, 1324).
51
II. Umfang der Haftung des Pfandes. Das Pfand haftet für die Forderung in ihrem jeweiligen Bestand, insbes. auch für Zinsen und Vertragsstrafen, § 1210 I 1 BGB; die Vorschrift ist dispositiv. Ist der Verpfänder zugleich der persönliche Schuldner, folgt das Pfandrecht in vollem Umfang der zu sichernden Forderung und erstreckt sich ggf. auch auf Schadensersatzansprüche (§ 1210 I 1 BGB). Die h. M. nimmt hin, dass das Pfandrecht
52
Matusche-Beckmann
874
53
54
55
56
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nachstehender Berechtigter durch eine Erweiterung entwertet werden kann. Begründet wird dies damit, dass der später hinzu kommende Pfandgläubiger bei Kenntnis der Belastung hiermit rechnen müsse; andernfalls greife § 1208 BGB (Staudinger-Wiegand, § 1210 Rn. 6). Sind persönlicher Schuldner und Pfandeigentümer personenverschieden, beschränkt § 1210 I 2 BGB die Möglichkeit rechtsgeschäftlicher Erweiterungen; dies gilt auch im Falle des späteren Auseinanderfallens von persönlicher Schuld und Eigentum wie etwa bei Veräußerung der Sache durch den Verpfänder (s. i. E. Staudinger-Wiegand, § 1206 Rn. 9 f.). Das Pfändungspfandrecht begründet eine Haftung nur für die nach Maßgabe des Titels gepfändete Forderung, nicht hingegen für eine spätere Umwandlung des titulierten Erfüllungsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch (Staudinger-Wiegand, § 1210 Rn. 14). Zum Haftungsumfang einer beweglichen Pfandsache gehören ihre wesentlichen Bestandteile, Erzeugnisse auch nach der Trennung (§ 1212 BGB), nicht aber Zubehör. Zubehör wird aber im Zweifel von der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Pfandrechtsbestellung erfasst (§ 311 c BGB). Etwaige Schadensersatz- und Versicherungsansprüche treten – anders als im Hypothekenrecht (§§ 1127, 1128 BGB) – nicht an die Stelle der Pfandsache; der Pfandgläubiger hat insoweit auch keinen Anspruch auf eine Pfandrechtsbestellung (Staudinger-Wiegand, § 1212 Rn. 5). Eine Surrogation im Hinblick auf den Erlös tritt nur in den gesetzlich geregelten Fällen ein. Auf Pfandrechte an Rechten ist § 1212 BGB nicht anwendbar (vgl. § 90 BGB). III. Rechtsverhältnis zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger. 1. Grundlagen. Aus dem schuldrechtlichen Sicherungsvertrag (Rn. 3) folgt für den Pfandgläubiger die Pflicht zur Verwahrung des Pfandes (§ 1215 BGB); dies gilt aufgrund des Trennungs- und Abstraktionsprinzips auch dann, wenn der dingliche Verpfändungsvertrag unwirksam ist. Vorbehaltlich individualvertraglicher Abreden gelten die §§ 688 ff. BGB, die allerdings zugrunde legen, dass die Verwahrung im Interesse des Hinterlegers erfolgt, während sie bei der Verpfändung im Interesse des Verwahrers, des Pfandgläubigers, erfolgt. Deshalb ist die Haftungsprivilegierung des § 690 BGB zugunsten des Pfandgläubigers nicht anwendbar. Entgegen § 691 S. 1 BGB darf der Pfandgläubiger die Sache auch hinterlegen, ggf. ist er hierzu sogar verpflichtet (vgl. § 1217 BGB, dazu Rn. 55). Den Pfandgläubiger treffen Fürsorgepflichten zur Abwehr von Verlust, Verschlechterung oder Wertminderung der Sache; eine Pflicht zur Versicherung der Pfandsache besteht indes nicht (Staudinger-Wiegand, § 1215 Rn. 9 f.; anders im Pfandleihgewerbe, s. Rn. 112). Rechtsverletzungen durch den Pfandgläubiger können dazu führen, dass die Pfandsache hinterlegt bzw. in Verwahrung genommen werden muss (vgl. i. E. § 1217 BGB). Verletzt der Pfandgläubiger seine Pflichten schuldhaft, ist er nach den allgemeinen Regeln (§§ 280 ff. BGB) zum Schadensersatz verpflichtet. Umgekehrt hat der Pfandgläubiger gegen den Verpfänder Anspruch auf Ersatz der auf die Pfandsache gemachten Verwendungen (§ 1216 S. 1 BGB i. V. m. §§ 677, 683, 670 BGB). Die genannten Ansprüche verjähren in sechs Monaten (§ 1226 BGB, Beginn nach § 1226 S. 2 BGB i. V. m. § 548 BGB). Andere Ansprüche, insbesondere die des Eigentümers, der nicht selbst Verpfänder ist, werden von dieser Verjährungsregelung nicht erfasst. Bei der Rechtspfändung sind die Sorgfaltspflichten des Pfandgläubigers weniger betont als bei der Sachpfändung, da mangels tatsächlicher Beherrschung die Einwirkungsmöglichkeit fehlt. Sofern eine solche ausnahmsweise gegeben ist, treffen den Pfandgläubiger auch hier Sorgfaltspflichten (Westermann/Gursky, § 136 II 2, S. 945). Bei einem Pfändungspfandrecht treffen den Gläubiger keine besonderen Sorgfaltspflichten, da hier der Gerichtsvollzieher die Sache in amtliche Verwahrung nimmt.
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
875
2. Anspruch bei drohender Entwertung des Pfandes. Droht der Verderb oder eine wesentliche Wertminderung der Pfandsache, haben sowohl Verpfänder (§ 1218 BGB) als auch Pfandgläubiger (§ 1219 BGB) einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Änderung der momentanen Verhältnisse. Verderb bedeutet eine körperliche Verschlechterung der Sache selbst; eine sonstige Wertminderung kann sich insbesondere aus einer Veränderung äußerer Beziehungen der Sache ergeben, wie z. B. Änderungen des Marktoder Börsenpreises (Staudinger-Wiegand, § 1218 Rn. 2 f.). Der Verpfänder kann in diesen Fällen Rückgabe der Pfandsache gegen anderweitige Sicherheitsleistung verlangen (§§ 1218 I, 233 ff. BGB). Ist der Verpfänder mittellos und kann keine anderweitige Sicherheit beschaffen, ist er berechtigt, vom Pfandgläubiger den Verkauf der Sache zur vorzeitigen Befriedigung oder Sicherheitsleistung durch Hinterlegung des Erlöses zu verlangen (Staudinger-Wiegand, § 1218 Rn. 7).
57
Der Pfandgläubiger kann, wenn seine Sicherheit gefährdet ist, das Pfand öffentlich versteigern lassen (§ 1219 I BGB); daneben hat er das Recht, nach § 1218 BGB zu verfahren (zum Verhältnis der Vorschriften zueinander Staudinger-Wiegand, § 1219 Rn. 2). Auf die Versteigerung (§ 383 BGB) sind wegen der gleichen Interessenlage die pfandrechtlichen Vorschriften anzuwenden; die Veräußerungsbefugnis aus § 1219 BGB wird als gesetzliche Ermächtigung zum Verkauf des Pfandes verstanden. § 1219 II BGB ordnet die dingliche Surrogation hinsichtlich des Erlöses an. Da dem Pfandgläubiger kein Recht auf vorzeitige Befriedigung zusteht, wird der Eigentümer der Pfandsache auch Eigentümer des Erlöses. Besondere Erfordernisse für die Versteigerung nach § 1219 BGB ergeben sich aus § 1220 BGB (Androhung, Fristsetzung, Benachrichtigung).
58
3. Recht zu Nutzungen und Fruchtbezug. Kraft Vereinbarung kann der Pfandgläubiger berechtigt werden, Nutzungen des Pfandes zu ziehen, sog. Nutzungspfandrecht (§§ 1213 I, 1214 BGB); im Zweifel ist der Pfandgläubiger auch zum Fruchtbezug berechtigt (s. i. E. § 1213 II BGB). Dies gilt nicht für Geld (BGH NJW 1994, 3287; 1982, 2186 m. w. N.). Der Vermieter hat aufgrund des gesetzlichen Vermieterpfandrechts ebenfalls keine Nutzungsbefugnis an einbehaltenen Sachen (OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 585); bei unberechtigter Nutzung steht dem Mieter ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu (LG Münster, MietRB 2004, 232). Wenn nicht anders vereinbart, wird der Reinertrag der Nutzungen auf die Kosten und Zinsen sowie die geschuldete Leistung angerechnet (§ 1214 II, III BGB); dies gilt auch, wenn der Pfandgläubiger unberechtigt Nutzungen zieht (RGZ 105, 408). Beim Pfandrecht an Rechten gilt die Zweifelsregelung zum Fruchtbezugsrecht zugunsten des Pfandgläubigers ebenso wenig (§§ 1273 II 2 i. V. m. 1213 II BGB) wie beim Pfändungspfandrecht (Staudinger-Wiegand, § 1213 Rn. 10).
59
4. Rechte des Pfandgläubigers bei Beeinträchtigung des Pfandes. Als Inhaber eines absoluten Rechts stehen dem Pfandgläubiger bei einer Beeinträchtigung seines Rechts die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften in entsprechender Anwendung zu (§ 1227 BGB). Insbesondere stehen ihm die dem Eigentümer gegebenen Abwehr- und Herausgabeansprüche zu (§§ 1227 i. V. m. 985 ff. BGB, auch gegenüber dem Eigentümer; Schadensersatzanspruch gem. §§ 1227 i. V. m. 823 I BGB, vgl. RGZ 100, 274 [278]; Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gem. §§ 1227 i. V. m. 1004 BGB). Sofern die gesicherte Forderung besteht, greift zugunsten des besitzenden Pfandgläubigers die Vermutung nach § 1006 BGB dafür ein, dass das Pfandrecht besteht (Bülow, S. 169).
60
5. Erfüllung der gesicherten Forderung. Sobald der Schuldner zur Leistung berechtigt ist, steht dem Verpfänder und jedem, der durch die Verwertung ein Recht an dem Pfand verlieren würde (§ 1249 BGB), ein Ablösungsrecht zu. Ist der Verpfänder zugleich per-
61
Matusche-Beckmann
876
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
sönlicher Schuldner und befriedigt er den Pfandgläubiger, erlischt mit der gesicherten Forderung auch das Pfandrecht (§ 1252 BGB, kein Eigentümerpfandrecht, s. Rn. 12). Sind Verpfänder und persönlicher Schuldner personenverschieden, hat der Verpfänder das Recht, den Pfandgläubiger zu befriedigen (§ 1223 II BGB), auch durch Aufrechnung oder Hinterlegung (§ 1224 BGB), auch gegen den Widerspruch des Schuldners (entgegen § 267 II BGB). Hier geht die gesicherte Forderung kraft Gesetzes auf denjenigen über, der den Gläubiger befriedigt (§§ 1225, 774 BGB, §§ 1249, 268 III 1 BGB). Mit der Forderung geht auch das Pfandrecht über, sofern ein nach § 1249 BGB Ablösungsberechtigter geleistet hat (vgl. OLG Celle NJW 1968, 1139 zum Rang nach einem Teilübergang). 62
63
64
65
Zahlt der Schuldner, obwohl nach der Absprache im Innenverhältnis ausnahmsweise der Eigentümer zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet ist, so hat der Schuldner zwar einen Ersatzanspruch gegen den Eigentümer. Dieser Anspruch wird jedoch nicht durch das Pfandrecht abgesichert, da eine dem § 1164 BGB entsprechende Regelung fehlt. Eine analoge Anwendung des § 1164 BGB scheidet aus, da keine ungewollte Gesetzeslücke vorliegt (vgl. Reinicke/Tiedtke, S. 349). Es bleibt daher bei der allgemeinen Regelung: Die Forderung erlischt (§ 362 BGB) und mit ihr auch das Pfandrecht (§ 1252 BGB). Nach Erlöschen des Pfandrechts hat der Verpfänder Anspruch auf Herausgabe des Pfandes (§ 1223 I BGB); ist der Verpfänder zugleich Eigentümer, folgt der Anspruch auch aus § 985 BGB. Auch wenn ein Nichtberechtigter eine fremde Sache an einen gutgläubigen Pfandgläubiger verpfändet hatte, ist das Pfand grds. an den Verpfänder herauszugeben, nicht an den Eigentümer; allerdings kann im Einzelfall nach § 242 BGB anderes geboten sein (vgl. Bülow, S. 170 ; vgl. zu den aus dem Nebeneinander der Ansprüche sich ergebenden Fragen BGHZ 73, 317 [321 ff.] m. w. N.; Baur/Stürner, § 55 B VI 3, Rn. 35). Der Verpfänder einer beweglichen Sache ist nicht vorleistungspflichtig, sondern darf seine Zahlung bis zur Rückgabe des Pfandes zurückhalten (§ 273 BGB); dies gilt auch dann, wenn der Verpfänder nicht Eigentümer der Pfandsache ist (BGHZ 73, 317). 6. Einwendungen und Einreden gegenüber dem Pfandgläubiger. Sind Schuldner und Verpfänder personenverschieden, stehen dem Schuldner gegenüber dem Pfandgläubiger lediglich die schuldnerbezogenen Einwendungen und Einreden zu (nicht die eigentümerbezogenen). Hingegen kann ein Verpfänder, der Eigentümer der Pfandsache ist, neben den eigentümerbezogenen Einwendungen und Einreden dem Pfandgläubiger gegenüber auch die dem persönlichen Schuldner gegen die Forderung sowie die nach § 770 BGB einem Bürgen zustehenden Einreden (Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit) geltend machen (§ 1211 I 1 BGB). Ist der Verpfänder nicht Eigentümer der Pfandsache (z. B. § 1207 BGB), stehen die Einreden des § 770 BGB auch dem Eigentümer zu (RG JW 1912, 749; Staudinger-Wiegand, § 1211 Rn. 7). Auch wenn dem Schuldner Einreden rechtskräftig abgeschnitten sind oder er auf sie verzichtet hat, verliert der Verpfänder die Einrede nicht (§ 1211 II BGB). Die einredeweise Geltendmachung seiner Rechte kommt für den Verpfänder nur in Betracht, wenn der Gläubiger nicht bereits Alleinbesitzer der Pfandsache ist. Der Verpfänder kann seine Einreden und Gegenrechte auch im Klageweg geltend machen (zu den Klagemöglichkeiten s. Staudinger-Wiegand, § 1211 Rn. 20). Nicht berufen kann sich der Verpfänder auf die beschränkte Erbenhaftung des persönlichen Schuldners (§ 1211 I 2 BGB), auf die Verjährung der Hauptverbindlichkeit (§ 216 I BGB) oder auf diejenigen Einreden, die auf der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beruhen (z. B. Rechte des Schuldners aus dem Insolvenzplan, § 254 II InsO; § 1971 BGB bei Aufgebot der Nachlassgläubiger); das Pfandrecht soll den Gläubiger ja gerade vor diesen Risiken schützen.
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
877
D. Übertragung des Pfandrechts
66
Zur Übertragung des Pfandrechts ist die Abtretung der gesicherten Forderung (§ 398 BGB) erforderlich. Nach §§ 1250 I 1, 412, 401 BGB geht das Pfandrecht mit Abtretung der gesicherten Forderung auf den Erwerber über (Akzessorietät, s. Rn. 11). Ist die isolierte Abtretung der Forderung vereinbart, erlischt das Pfandrecht (§ 1250 II BGB). Die isolierte Abtretung des Pfandrechts ist ausgeschlossen; u. U. ist in derartigen Fällen aber eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend möglich, dass auch die Forderung abgetreten werden sollte (BGH NJW-RR 1990, 817). Der Pfandrechtserwerber hat gegen den früheren Pfandgläubiger einen Anspruch auf Herausgabe der Pfandsache (§ 1251 I BGB). Dabei kann er nur die Übertragung desjenigen Besitzes verlangen, den der vormalige Pfandgläubiger innehatte. Ggf. haften der alte und neue Pfandgläubiger dem Verpfänder (vgl. i. E. § 1251 II BGB).
67
Der Eigentümer der Pfandsache kann diese trotz bestehender Verpfändung veräußern; die Sache bleibt dabei, abgesehen von der Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs, grds. mit dem Pfandrecht belastet (BGH NJW 1992, 1156; OLG München, WM 1995, 429). Das gleiche gilt für die Übertragung verpfändeter Rechte; hier existiert indes kein gutgläubiger lastenfreier Erwerb, da § 936 BGB nicht greift. Deshalb kann z.B. der Erwerber einer mit einem Pfandrecht nach Nr. 14 AGB-Banken belasteten Forderung nicht mit Erfolg geltend machen, er habe diese AGB nicht vereinbart und auch nicht gekannt. Er kann die Forderung nur in ihrem jeweiligen Bestand und ihrer individuellen Ausgestaltung erwerben (§ 404 BGB); auf die Kenntnis oder Unkenntnis kommt es nicht an (OLG Nürnberg WM 1998, 1968).
68
E. Rechte der Beteiligten, wenn ein Dritter die Zwangsvollstreckung betreibt
69
I. Einzelzwangsvollstreckung. 1. Pfandrecht an beweglichen Sachen. Lässt ein an der Verpfändung unbeteiligter Gläubiger die Pfandsache im Wege der Zangsvollstreckung gegen den Pfandgläubiger pfänden, ist die Pfändung zwar wirksam (vgl. § 808 ZPO), der Eigentümer hat aber die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO). Wird die Sache im Rahmen einer Zwangsvollstreckung gegen den Gewahrsamsinhaber gepfändet, der ja nicht der Pfandgläubiger sein muss (vgl. §§ 1205, 1206), steht dem Pfandgläubiger die Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO) zur Verfügung, wenn sein Pfandrecht gegenüber dem Pfändungspfandrecht vorrangig ist. Lässt ein anderer Gläubiger des Schuldners die Pfandsache im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner bei dem besitzenden Pfandgläubiger pfänden, kann der Pfandgläubiger aus seinem Besitzrecht im Wege der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) vorgehen. Veräußert der Eigentümer die Pfandsache an einen Dritten und betreibt dieser nach § 886 ZPO die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe gegen den besitzenden Pfandgläubiger, so kann der Pfandgläubiger wahlweise nach § 771 ZPO oder § 805 ZPO vorgehen.
70
2. Pfandrecht an Rechten. Besteht das Pfandrecht an einem Recht und betreibt ein Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung die Rechtspfändung, kann sich der Pfandgläubiger entsprechend § 805 ZPO (vgl. Bülow, S. 194) gegen die Pfändung bei dem Inhaber des Rechts wehren. Wird die Zwangsvollstreckung gegen den Pfandgläubiger in das verpfändete Recht selbst betrieben, so ist die Pfändung gegenstandslos, da er nicht Inhaber des Rechts ist. Doch kann der Inhaber des Rechts zur Beseitigung des Anscheins einer Pfändung nach § 771 ZPO vorgehen.
71
II. Insolvenz. 1. Pfandrecht an beweglichen Sachen. In der Insolvenz des Pfandeigentümers hat der Sachpfandgläubiger ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 50
72
Matusche-Beckmann
878
73
74
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
InsO. Bei den besitzgebundenen Pfandrechten darf der Pfandgläubiger nach § 173 I InsO selbst die Verwertung betreiben; die Kostenpauschalen gemäß §§ 170, 171 InsO fallen somit nicht an. Mit der Frage, ob dieser Umstand zu einer Renaissance der Pfandrechte führen könnte, beschäftigt sich Ganter, WM 2006, 1081. Bei den besitzlosen Pfandrechten hingegen kann der Insolvenzverwalter nach seiner Wahl selbst verwerten oder die Sache dem Pfandgläubiger zur Verwertung überlassen (§ 170 II InsO). Macht der Insolvenzverwalter von seinem Verwertungsrecht Gebrauch, kann der Vermieter der Entfernung von Sachen, die mit einem Vermieterpfandrecht belastet sind, nicht widersprechen; das Pfandrecht setzt sich aber am Erlös fort. Veräußert der Sequester Sachen, die mit einem Vermieterpfandrecht belastet sind, und gelangt der Erlös vor Konkurseröffnung in das Vermögen des Schuldners, steht dem Vermieter kein Ersatzabsonderungsrecht am Erlös zu (BGHZ 130, 38). Zum Absonderungsrecht beim Pfandrecht zur Sicherung künftiger Forderungen BGH ZIP 1999, 79 f.; Johlke/Schröder, EWiR 2000, 337. Da dem Pfandgläubiger an der Pfandsache ein Besitzrecht zusteht, hat der Pfandeigentümer bei Insolvenz des Pfandgläubigers kein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO. Bei Pfandreife verwertet der Insolvenzverwalter nach § 166 I InsO die Sache. Da jedoch lediglich das Pfandrecht, nicht aber die Pfandsache zur Masse gehört, steht dem Eigentümer auch die Möglichkeit offen, diese gegen Ablösung (§ 1223 II BGB) auszusondern. 2. Pfandrecht an Rechten. Beim Rechtspfand hat der Pfandgläubiger bei Insolvenz des Rechtsinhabers ein Absonderungsrecht (§ 50 InsO). Bei der Verwertung einer an den Gesellschafter-Geschäftsführer verpfändeten Rückdeckungsversicherung mit widerruflichem Bezugsrecht in der Insolvenz der Gesellschaft hat der BGH unlängst entschieden, dass der Insolvenzverwalter zur Kündigung der Lebensversicherungsverträge vor Eintritt des Versorgungsfalles und anschließender Einziehung der Rückkaufswerte zur Insolvenzmasse ohne Zustimmung der Pfandrechtsgläubiger berechtigt sei, da es sich bei den Rückkaufswerten um aufschiebend bedingte Forderungen und nicht um betagte Forderungen i. S. d. § 41 InsO handele (BGH NJW 2005, 2231; kritisch Elfring, NJW 2005, 2192). Zur Frage eines Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters bei verpfändeten Unternehmensbeteiligungen Primozic/Voll, NZI 2004, 363. Bei Insolvenz des Pfandgläubigers kann der Insolvenzverwalter das Pfandrecht geltend machen; will der Insolvenzverwalter aber das verpfändete Recht selbst, nicht das Pfandrecht, in Anspruch nehmen, steht dem Rechtsinhaber ein Aussonderungsrecht zu (§ 47 InsO). Allerdings ist ein auf Nr. 14 I 2 AGB-Banken (bzw. Nr. 21 I AGB-Sparkassen) gestütztes Pfandrecht am Anspruch des (nunmehr insolventen) Kunden auf oder aus Gutschriften wegen Zahlungseingängen im letzten Monat vor der Stellung des Insolvenzantrags als inkongruente Sicherheit anfechtbar nach § 131 I Nr. 1 InsO. Selbst wenn man die AGBKlausel dahin auslegt, dass sich Kreditinstitut und Kunde nicht nur über die Pfandrechtsbestellung dinglich einig sind, sondern zugleich einen schuldrechtlichen Anspruch darauf begründen wollen (strittig, offen gelassen von BGHZ 150, 122 m. w. N.), konkretisiert sich dieser Anspruch erst dann auf einen bestimmten Pfandgegenstand, wenn die Sache in den Besitz des Kreditinstituts gelangt bzw. die zu verpfändende Forderung entsteht (BGH WM 1996, 2251). Eine vor diesem Zeitpunkt erfolgte Einigung über die Verpfändung zukünftig in den Besitz kommender Sachen oder künftig für den Kunden entstehender Ansprüche reicht nicht aus, um eine kongruente Sicherheit zu begründen (BGHZ 150, 122 m. w. N.); ansonsten würde es dem Ermessen der Beteiligten überlassen sein, welche konkreten Sicherheiten erfasst werden. Dies würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung einzelner Gläubiger im Insolvenzfall führen. Vgl. zur Insolvenzanfechtung Eckardt, ZIP 1999, 1417.
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
879
F. Erlöschen des Pfandrechts
75
I. Erlöschensgründe. 1. Erlöschen der gesicherten Forderung. Aufgrund der Akzessorietät erlischt das Pfandrecht mit dem Erlöschen der gesicherten Forderung (§ 1252 BGB, s. Rn. 61); es entsteht grds. kein Eigentümerpfandrecht (s. Rn. 12). Bei der Sicherung einer künftigen Forderung steht es dem Erlöschen gleich, wenn die Forderung nicht (mehr) entstehen kann (BGH NJW 1983, 1123). Ist das Pfandrecht zur Sicherung von Forderungen aus laufender Geschäftsbeziehung bestellt (insb. Überziehungskredit, Kontokorrent), erlischt das Pfandrecht nicht bereits dadurch, dass die gesicherte Forderung auf Null absinkt, da auch künftige Verpflichtungen erfasst werden (vgl. § 1204 II BGB; OLG Dresden WM 2001, 803 [805]; Batereau, WuB I F 2 Pfandrechte 1.01, 781 [782]). Dem Erlöschen der Forderung steht es gleich, wenn die Parteien ein Tilgungsverbot hinsichtlich der Forderung vereinbaren, da die Ablösungsbefugnis wesentliches Merkmal des Pfandrechts ist (BGHZ 23, 293). Nicht zum Erlöschen führt hingegen die Verjährung der gesicherten Forderung (§ 216 I BGB). 2. Lastenfreier Erwerb; Untergang der Pfandsache; Befristung oder Bedingung. Das Pfandrecht erlischt, wenn ein Dritter an der Pfandsache (sei es nach §§ 932, 936 I BGB oder nach §§ 946 ff., 949 BGB) lastenfreies Eigentum erwirbt bzw. die Pfandsache untergeht (z. B. Aktien dauerhaft wertlos werden, vgl. RGZ 96, 184 [185]). Bei befristeter oder bedingter Pfandrechtsbestellung erlischt das Pfandrecht durch Zeitablauf bzw. Bedingungseintritt. Wurde ein Gesellschaftsanteil eines ausscheidenden Gesellschafters mit einem Pfandrecht belegt, so erlischt dieses auch ohne Zustimmung des Pfandgläubigers mit Ausscheiden aus der Gesellschaft (OLG Stuttgart, DB 2004, 1307 f.).
76
3. Pfandrückgabe. Das Pfandrecht erlischt ferner durch Rückgabe der Pfandsache seitens des Pfandgläubigers (§§ 1253, 1254 BGB). Ausnahmsweise führt die Rückgabe des Pfandes dann nicht zum Erlöschen des Pfandrechts, wenn der Pfandgläubiger das Pfand dem Verpfänder oder Eigentümer nur ganz kurzfristig überlässt, sofern der Pfandgläubiger seinen Besitz an dem Pfand nicht wirklich aufgibt (OLGR Bremen 2007, 232 ff.). Eine Vereinbarung des Fortbestehens des Pfandrechts trotz Rückgabe ist unwirksam (§ 1253 I 2 BGB), da dies der Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB) gleichkäme, die dem Publizitätserfordernis nicht genügt (s. Rn. 4). Dabei führt nur die freiwillige Rückgabe zum Erlöschen, d. h. die willentliche Wiedereinräumung des Besitzes (nicht ausreichend: Rückgabe infolge Bedrohung; Besitzverschaffung durch Dritte ohne Kenntnis des Pfandgläubigers). Der Zweck der Rückgabe ist unerheblich. Beachte die Vermutungen des § 1253 II BGB. Da die Rückgabe keine Willenserklärung, sondern geschäftsähnliche Handlung ist (Bülow, S. 176), unterliegt sie nicht der Anfechtung. 4. Bestehen einer dauernden Einrede. Steht dem Pfandrecht eine die Verwertung dauerhaft hindernde peremptorische Einrede entgegen (z. B. §§ 242, 821, 853 BGB, Verwertungsverzicht), kann der Verpfänder die Rückgabe des Pfandes verlangen (§ 1254 I BGB); mit der Herausgabe erlischt das Pfandrecht (§ 1253 BGB).
77
5. Verzicht durch Pfandgläubiger. Das Pfandrecht erlischt durch einseitigen Verzicht des Pfandgläubigers (§ 1255 I BGB). Ist das Pfandrecht selbst mit dem Recht eines Dritten belastet (z. B. bei Rechtspfändung), so ist dessen Zustimmung erforderlich (§ 1255 II BGB).
79
6. Konfusion und Konsolidation. Das Pfandrecht erlischt bei Zusammenfallen von Gläubiger- u. Schuldnerstellung (sog. Konfusion), weil hier die Forderung erlischt und mit ihr das Pfandrecht (§ 1252 BGB). Grds. erlischt es auch, wenn Eigentum und Pfandrecht in einer Person zusammenfallen, sog. Konsolidation (BGHZ 27, 227 [233]), s. § 1256 I 1 BGB. Allerdings kann in diesem Fall ein sog. unechtes Eigentümerpfand-
80
Matusche-Beckmann
78
880
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
recht entstehen: Das Erlöschen des Pfandrechts tritt nicht ein, wenn die Forderung, für die das Pfandrecht besteht, mit dem Recht eines Dritten belastet ist (§ 1256 I 2 BGB); das Pfandrecht gilt als nicht erloschen, wenn der Eigentümer am Fortbestehen ein rechtliches Interesse hat (§ 1256 II BGB), z. B. nachrangige Rechte vorrücken würden (vgl. näher Bülow, S. 178). 81
7. Besonderheiten bei Vermieter- und Gastwirtpfandrecht. Für das Vermieter- u. Gastwirtpfandrecht ist die Entfernung eingebrachter Sachen Erlöschensgrund für das Pfandrecht (§ 562 a BGB ggf. i. V. m. § 704 S. 2 BGB), außer wenn sie ohne Wissen oder unter berechtigtem Widerspruch des Vermieters bzw. Gastwirts erfolgt. § 562 b II 1 BGB gibt dem Pfandgläubiger in diesen Fällen einen Anspruch auf Zurückschaffung der Sachen. Das Pfandrecht bleibt hier zunächst bestehen, erlischt aber mit dem Ablauf eines Monats nach Kenntniserlangung von der Entfernung, wenn der Pfandgläubiger den Zurückschaffungsanspruch nicht vorher gerichtlich geltend macht (§ 562 b II 2 BGB). Ein Verzicht auf das Vermieterpfandrecht kann nur dann angenommen werden, wenn der Vermieter nach dem objektiven Gehalt seiner Erklärung in Kenntnis des Sicherungsrechtes dieses Recht nicht ausüben will und sich dem Entfernen vom vermieteten Grundstück nicht widersetzt (Thüringer OLG, Grundeigentum 2006, 383).
82
8. Handelsrechtliche Pfandrechte. Die handelsrechtlichen Pfandrechte der §§ 397, 441, 464 und 475 b HGB erlöschen grds. mit Besitzverlust durch den Pfandgläubiger. Nach § 398 HGB ist, abweichend von § 1256 II BGB, ein Pfandrecht auch an eigenen Sachen des Kommissionärs möglich.
83
II. Folgen des Erlöschens. Ein einmal erloschenes Pfandrecht lebt grds. auch durch Rückgabe der Sache an den früheren Pfandgläubiger nicht automatisch wieder auf; u.U. beinhaltet die Rückgabe die konkludente Vereinbarung einer Neubestellung (Bülow, S. 176). War aber die gesicherte Forderung erloschen und lebt wieder auf, z. B. infolge einer Anfechtung nach dem AnfG (RGZ 3, 208 [210]), lebt auch das Pfandrecht wieder auf.
84
Nach Erlöschen des Pfandrechts ist der Pfandgläubiger verpflichtet, das Pfand dem Verpfänder zurückzugeben (§ 1223 I BGB, s. Rn. 63).
85
G. Pfandverwertung I. Grundlagen. Mit Pfandreife (s. Rn. 86) ist der Pfandgläubiger zur Verwertung des Pfandgegenstandes berechtigt, aber nicht verpflichtet (anders im Pfandleihgewerbe, s. u. Rn. 111 ff.). Eine Verwertungspflicht kann sich ausnahmsweise aus der vertraglichen Treuepflicht, dem Verpfänder nicht zu schaden, ergeben, wenn letzterer zur Auslösung nicht in der Lage ist und durch eine Verzögerung der Verwertung ein Schaden zu entstehen droht (z. B. weitere Verzinsung des geschuldeten Betrags); ggf. kann dem Pfandgläubiger in solchen Fällen analog § 1217 I BGB die Ausübung des Verwertungs- und Besitzrechts entzogen werden. Ist der persönliche Schuldner zugleich der Verpfänder, so steht ihm das Recht zu, den Pfandgläubiger zuerst auf die Verwertung des Pfandes zu verweisen (beneficium excusionis realis), dies allerdings erst in der Zwangsvollstreckung, wo er das Recht mit der Erinnerung gem. § 777 ZPO geltend machen kann (Wieling, SachenR I, § 15 VII 3 a aa m. w. N.).
86
II. Pfandverwertung bei beweglichen Sachen. Der Pfandgläubiger ist zur Verwertung berechtigt, sobald die gesicherte Forderung ganz oder zum Teil fällig ist (Pfandreife, § 1228 II 1 BGB). Besteht der geschuldete Gegenstand nicht in Geld, ist die Verwertung erst zulässig, wenn die Forderung in eine Geldforderung übergegangen ist (§ 1228 II 2 BGB). Grds. ist die Verwertung zuvor anzudrohen, um dem Eigentümer einen Monat ab Zugang der Androhung Gelegenheit zur Erfüllung zu geben (§ 1234 BGB; beachte § 368
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
881
I HGB: Wartefrist lediglich eine Woche). Die Androhung kann nicht schon mit der Handlung verbunden werden, die die Fälligkeit der Forderung erst begründet (z. B. Kündigung). Das Gesetz sieht für bewegliche Sachen vier Verwertungsformen vor: 1. Privatverkauf durch Pfandgläubiger (§§ 1233 I, 1234 ff. BGB). a) Öffentliche Versteigerung und freihändiger Verkauf. In aller Regel erfolgt die Verwertung der Pfandsache durch Privatverkauf im Wege der öffentlichen Versteigerung (§§ 1233, 1235, 383 III BGB), d.h. einer allgemein zugänglichen Versteigerung durch die in § 383 III BGB benannten Personen. Hat das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis, kann der Pfandgläubiger den Verkauf aus freier Hand durch einen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler (§ 93 HGB) oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person (insb. Gerichtsvollzieher, öffentliche Versteigerer) zum laufenden Preis bewirken (§§ 1235 II, 1221 BGB). Das ist der Fall, wenn die in Rede stehenden Sachen so häufig an der Börse oder auf einem Markt verkauft werden, dass sich Durchschnittspreise gebildet haben (vgl. Staudinger-Wiegand, § 1221 Rn. 2). Bei der öffentlichen Versteigerung verkauft und übereignet der Pfandgläubiger die Pfandsache; dabei wird der Versteigerer als Vertreter des Pfandgläubigers, nicht als Hoheitsträger tätig (gesetzliche Verfügungsermächtigung). Die öffentliche Bestellung des Auktionators (§ 34 b V GewO) dient nur dem Schutz des Publikums (Schellhammer, S. 585). Der vom Versteigerer als Vertreter des Pfandgläubigers geschlossene Vertrag kommt durch Zuschlag zustande (§ 156 BGB). Der Pfandgläubiger veräußert als Berechtigter, da er mit Eintritt der Pfandreife gesetzlich zur Verfügung ermächtigt ist (§ 1228 BGB). Durch die Veräußerung des Pfandes erlangt der Erwerber die gleichen Rechte, wie wenn er die Sache von dem Eigentümer erworben hätte (§ 1242 I 1 BGB). Dies gilt auch dann, wenn dem Pfandgläubiger, der selbst mitbietet (vgl. § 1239 BGB), der Zuschlag erteilt wird (§ 1242 I 2 BGB). Rechte wegen eines Mangels stehen dem Käufer nur bei arglistigem Verschweigen oder Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie zu (§ 445 BGB). Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Veräußerung sind ein bestehendes Pfandrecht des Pfandgläubigers (RGZ 100, 274 [277]) und die Beachtung der in § 1243 I BGB genannten Vorschriften, soweit nicht Abweichungen nach §§ 1245, 1247 BGB zulässig sind. Werden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen verletzt, handelt der Pfandgläubiger (vertreten durch den Versteigerer) als Nichtberechtigter (Folgen: Rn. 90). Daneben sind die Ordnungsvorschriften der §§ 1234, 1237 S. 2, 1238 I, 1239 und 1241 BGB zu beachten, deren Verletzung den Eigentumserwerb des Erwerbers zwar nicht in Frage stellt, aber bei Verschulden zu einem Schadensersatzanspruch des (früheren) Eigentümers der Pfandsache gegen den Pfandgläubiger führt (§ 1243 II BGB). b) Gutgläubiger Eigentumserwerb des Erstehers. Wird die Pfandsache in einer öffentlichen Versteigerung veräußert, erwirbt der Ersteher auch dann Eigentum, wenn die Versteigerung nicht rechtmäßig war wegen Verstoßes gegen §§ 1228 II, 1230 S. 2, 1235, 1237 S. 1, 1240 I BGB, er aber gutgläubig von der Rechtmäßigkeit ausging (§ 1244 BGB). Nach § 1244 BGB kann auch derjenige gutgläubig (§ 932 II BGB) Eigentum erwerben, der den Veräußerer bei der öffentlichen Versteigerung für den Eigentümer hält. Danach ist also auch der Erwerb einer in Wahrheit nicht verpfändeten Sache bei einer öffentlichen, aber nach § 1243 BGB rechtswidrigen Versteigerung möglich, wenn der Erwerber in beider Hinsicht gutgläubig ist (BGHZ 119, 75 [89 f.]). Im Vergleich zu den allgemeinen Gutglaubensvorschriften ist der Erwerb in einer öffentlichen Versteigerung insoweit erleichtert, als § 1244 BGB nicht auf § 935 BGB verweist, also auch abhanden gekommene Sachen gutgläubig erworben werden können, auch durch den Pfandgläubiger selbst. Dies gilt auch bei der öffentlichen Versteigerung von gem. § 383 III BGB hinterlegten Sachen (BGH NJW 1990, 899).
Matusche-Beckmann
87
88
89
90
882
91
92
93
94
95
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Eine nicht ordnungsgemäße Pfandverwertung kann auch durch nachträgliche Genehmigung des Pfandeigentümers geheilt werden. Dann tritt die gleiche Rechtslage wie bei ordnungsgemäßer Pfandverwertung ein (auch im Hinblick auf einen etwa überschießenden Erlös). Der Erwerber kann hier auch bei fehlender diesbezüglicher Gutgläubigkeit Eigentum erwerben (BGH NJW 1995, 1350 zu Verstoß gegen § 1235 BGB; a. A. Westermann/ Gursky, § 130 II 3, S. 923: Schranke des § 1245 II BGB gelte auch hier). Bei freihändigem Verkauf geht das Eigentum ebenfalls mit der Veräußerung über, sofern das Pfandrecht besteht oder die Voraussetzungen des § 1244 BGB vorliegen. Das Nichterreichen des Marktpreises kann allenfalls zu Schadensersatzansprüchen gegen den Veräußerer führen, hat aber keine Auswirkungen auf die Rechtsfolgen (Staudinger-Wiegand, § 1222 Rn. 4). c) Erlös. Der Erlös aus dem Pfandverkauf wird dem Pfandgläubiger ausgehändigt. Soweit der Erlös dem Pfandgläubiger gebührt, gilt die Forderung als von dem Eigentümer berichtigt (§ 1247 S. 1 BGB). Die gesicherte Forderung erlischt, wenn der (vormalige) Pfandeigentümer zugleich persönlicher Schuldner ist; andernfalls erwirbt der (vormalige) Pfandeigentümer die gesicherte Forderung analog § 1225 BGB (Palandt-Bassenge, § 1247 Rn. 1; Weber, S. 154 ; a. A., die dasselbe Ergebnis aus §§ 1249, 268 III BGB herleitet, Schellhammer, S. 586; vgl. auch Staudinger-Wiegand, § 1247 Rn. 19 f. m. w. N.). Ist die Verwertung gesetzmäßig erfolgt, so wird der Pfandgläubiger Eigentümer des gesamten Erlöses, ansonsten gilt § 1247 S. 2 BGB. Im Falle eines Überschusses erwirbt der Pfandgläubiger zunächst Miteigentum am gesamten Erlös. Der Überschuss gebührt kraft dinglicher Surrogation dem Eigentümer der Pfandsache (§ 1247 S. 2 BGB). Steht dem Pfandgläubiger der Erlös nicht zu (z. B. Forderung oder Pfandrecht bestanden nicht), gilt das Gleiche. d) Rechte Dritter an der Pfandsache. Vor der Verwertung steht Dritten, die durch die Veräußerung ein Recht an dem Pfande verlieren würden, ein Ablösungsrecht zu (§ 1249 BGB, s. Rn. 61). Macht der Dritte hiervon keinen Gebrauch, erlischt das Recht bei rechtmäßiger Veräußerung (vgl. § 1242 II BGB), setzt sich jedoch am Surrogat fort (§ 1247 BGB). 2. Verwertung nach Vollstreckungsrecht (§§ 1233 II BGB, 814 ff. ZPO). Hat der Pfandgläubiger für sein Recht zum Verkauf einen vollstreckbaren Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Eigentümer der Pfandsache erlangt, kann er den Verkauf auch nach den für den Verkauf einer gepfändeten Sache geltenden Vorschriften bewirken lassen (§§ 1233 II BGB). Die Art des Pfandverkaufs richtet sich dann nach §§ 814 ff. ZPO. Da es sich um die Verwertung verpfändeter, nicht gepfändeter Sachen handelt, kommen §§ 811 ff. ZPO nicht zur Anwendung (MünchKommBGB-Damrau, § 1233 Rn. 7; Westermann/Gursky, § 130 III 2; Weber, S. 154; a .A. Soergel-Mühl, § 1204 Rn. 15). Neben dem Vorgehen nach § 1233 II BGB ist auch die Zwangsvollstreckung aufgrund eines Zahlungstitels möglich: Erwirkt der Pfandgläubiger wegen der gesicherten Forderung einen Zahlungstitel und pfändet der Gerichtsvollzieher die Pfandsache, wird sie aufgrund der dann eintretenden öffentlich-rechtlichen Verstrickung verwertet. Hier ist § 811 ZPO allerdings zu beachten. Eine gegen die Pfändung gerichtete Drittwiderspruchsklage des vom Schuldner personenverschiedenen Eigentümers ist unbegründet, da dieser wegen des Pfandrechts die Vollstreckung dulden muss (dolo facit qui petit qoud statim redditurus est, vgl. RGZ 143, 275 [277 f.]; Palandt-Heinrichs, § 242 Rn. 52). Die Verwertung nach Vollstreckungsrecht richtet sich ausschließlich nach den §§ 814 ff. ZPO, so dass der Eigentumserwerb unabhängig von der Gutgläubigkeit des Erwerbers durch Hoheitsakt eintritt; auf § 1244 BGB kommt es hier nicht an.
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
883
3. Verwertung nach Parteivereinbarung (§ 1245 BGB). Pfandgläubiger und Eigentümer der Pfandsache können eine von §§ 1234 ff. BGB abweichende Art des Pfandverkaufs vereinbaren (§ 1245 I BGB). Allerdings unterliegen gewisse Mindestvoraussetzungen des Pfandverkaufs zum Schutz des Eigentümers nicht der Parteidisposition vor Eintritt der Pfandreife (§ 1245 II BGB). Die Parteien können sich insb. auf einen freihändigen Verkauf verständigen. Rechte Dritter an der Pfandsache sind zu berücksichtigen (§ 1245 I 2 BGB). Während § 1245 BGB lediglich die Art des Pfandverkaufs betrifft, sind sonstige Vereinbarungen an den allgemeinen Vorschriften zu messen (z. B. Verbot der Verfallvereinbarung gem. § 1229 BGB, vgl. RG JW 1935, 2886 mit Anm. Boesebeck, s. Rn. 110). Als unzulässig angesehen wurde z. B. eine Vereinbarung, nach der der Pfandgläubiger bei der Reparatur gekaufter Geräte bei Nichtabholung innerhalb von zwei Monaten und einer Nachfrist von zwei Wochen (nach Aufforderung) berechtigt sein sollte, das Gerät freihändig zu marktüblichem Preis zu veräußern und aus dem Verkaufserlös die Reparaturkosten und die Kosten der Veräußerung abzudecken (Verstoß gegen früheren § 9 II Nr. 1 AGBG: OLG Hamm VuR 1998, 251).
96
4. Verwertung entsprechend einer Anordnung des Gerichts (§ 1246 II BGB). Entspricht eine von den Vorschriften der §§ 1234 ff. BGB abweichende Art des Pfandverkaufs nach billigem Ermessen den Interessen der Beteiligten und kommt eine Vereinbarung nach § 1245 BGB nicht zustande, kann jeder der Beteiligten verlangen, dass der Verkauf in dieser Art erfolgt. Es reicht auch aus, dass die Vereinbarung dem billigen Interesse eines der Beteiligten entspricht und für die anderen neutral ist. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet das Gericht (§ 1246 I, II BGB; Zuständigkeit s. § 166 I FGG). Das Verlangen einer anderen Art des Pfandverkaufs kann nur vor Durchführung der Verwertung, nicht nachträglich geltend gemacht werden (vgl. OLG Köln EWiR 1995, 753).
97
5. Pflichtverletzungen im Rahmen der Verwertung. Bei Pflichtverletzungen im Rahmen der Verwertung kommen Schadensersatzansprüche in Betracht. Z. B. hat ein Kreditinstitut bei Verwertung von Bundesschatzbriefen die ihm bekannten steuerlichen Erwägungen des Verpfänders zu berücksichtigen (AG Halle EWiR 1998, 1079). Diese Pflicht ist auch in den AGB der Kreditinstitute regelmäßig enthalten (vgl. Nr. 17 I 2 AGB-Banken: Pflicht zur Rücksichtnahme bei Verwertung).
98
III. Pfandverwertung beim Pfandrecht an Rechten. 1. Verwertung des Pfandrechts an einer Forderung. Voraussetzung für die Verwertung ist auch beim Pfandrecht an einer Forderung der Eintritt der Pfandreife (§ 1228 II BGB, s. Rn. 86). Muss die Fälligkeit der verpfändeten Forderung noch durch Kündigung herbeigeführt werden, kann nach Eintritt der Pfandreife der Pfandgläubiger – unbeschadet des fortbestehenden Kündigungsrechts des Gläubigers – allein kündigen (§ 1283 III BGB; str. für Verpfändung von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen, vgl. Westermann/Gursky, § 137 III 1 a, StaudingerWiegand, § 1283 Rn. 4; a. A. MünchKommBGB-Damrau, § 1283 Rn. 4). Bei Gefährdung der Forderung besteht u.U. eine Kündigungspflicht des Gläubigers (vgl. § 1286 BGB). Die Kündigung durch den Schuldner vor Pfandreife ist nur wirksam, wenn sie gegenüber Pfandgläubiger und Gläubiger erklärt wird (§ 1283 II BGB); nach Pfandreife genügt auch die Kündigung gegenüber dem Pfandgläubiger, nicht hingegen nur die gegenüber dem Gläubiger (Palandt-Bassenge, § 1283 Rn. 1; Westermann/Gursky, S. 953.)
99
a) Verwertung durch Einziehung der Forderung. Die Verwertung von Forderungen aller Art erfolgt durch Einziehung der Forderung beim Schuldner; dem Pfandgläubiger steht ein alleiniges gesetzliches Einziehungsrecht zu (§ 1282 I 1 BGB; zu den Folgen i. E. Westermann/Gursky, § 137 III 1 a m. w. N.). Bei der Zahlung des Schuldners einer verpfändeten Forderung auf Aufforderung der Bank, die zugleich Pfandgläubigerin ist, auf
100
Matusche-Beckmann
884
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ein Gläubigerkonto, dessen Sollsaldo zuvor durch Kündigung der Bank fällig gestellt worden ist, handelt es sich um eine ausschließlich mit befreiender Wirkung erbrachte Leistung an die Pfandgläubigerin nach §§ 1282 I, 1228 II BGB (OLG Bamberg, ZIP 2007, 389 ff.). Ein Duldungstitel ist nicht erforderlich. An Stelle der bei verpfändeten beweglichen Sachen erforderlichen Verkaufsandrohung (§ 1234 BGB) tritt die bloße Benachrichtigung (§ 1285 II 2 BGB). Eine Sachforderung darf der Pfandgläubiger uneingeschränkt, eine Geldforderung nur in Höhe der Pfandforderung einziehen (§ 1282 I BGB). 101
Das gesetzliche Einziehungsrecht besteht nur in Höhe der gesicherten Forderung; der Schuldner kann darüber hinaus grds. nicht mit befreiender Wirkung an den Pfandgläubiger leisten (§ 1282 I 2 BGB). Nach h. M. kann der Rechtsgedanke des § 1247 S. 2 BGB auf einen die gesicherte Forderung überschießenden Betrag nicht angewandt werden, da § 1288 II BGB nur auf § 1247 S. 1 BGB verweist (Westermann/Gursky, § 137 III 1 a; Soergel-Mühl, § 1288 Rn. 2; Wieling, SachenR I, § 16 II 5 b dd; a. A. Staudinger-Wiegand, § 1288 Rn. 4 m. w. N.). Ausnahmsweise kann für den an den Pfandgläubiger zahlenden Schuldner doch Befreiungswirkung eintreten, wenn für ihn aufgrund der Anzeige nach § 1280 BGB unklar ist, in welcher Höhe die Forderung verpfändet ist (Einziehungsermächtigungsanschein, vgl. Bülow, S. 213).
102
Handelt es sich um eine Geldforderung, gilt der Pfandgläubiger mit Einziehung als befriedigt (§ 1288 II BGB); das vom Schuldner gezahlte Geld wird sein Eigentum. Sind Verpfänder und Schuldner der gesicherten Forderung personenverschieden, geht die gesicherte Forderung auf den Verpfänder über (§§ 1273 II, 1215 BGB). Alternativ zur Einziehung kann sich der Pfandgläubiger die Geldforderung auch an Zahlungs statt abtreten lassen (§ 1282 I 3 BGB). Ist die verpfändete Forderung auf eine Sachleistung gerichtet, gilt § 1287 BGB bei der Einziehung: Der Gläubiger erwirbt die geschuldete Leistung und der Pfandgläubiger ein Pfandrecht daran; der Pfandgläubiger kann die Sache nun aufgrund des Pfandrechts nach den §§ 1233 ff. i. V. m. 1273 II, 1287 BGB verwerten und sich aus dem Erlös befriedigen.
103
Wegen § 1282 II BGB will eine Literaturansicht dem Pfandgläubiger die Aufrechnung einer eigenen Schuld gegenüber dem Schuldner versagen (Larenz, SchuRAT, § 18 VI a 1, S. 256, Fn. 48 a. E.; Oertmann, AcP 113, 376 [417 ff.]). Da das Interesse des Pfandgläubigers an dieser Verwertungsform aber berechtigt ist und die Interessen von Gläubiger oder Schuldner durch die Aufrechnung grds. nicht verletzt werden, hält die h. M. eine Aufrechnung (RGZ 58, 105 [109]; Kollhosser, FS Lukes, 721 [723 ff.]; Westermann/ Gursky, § 137 III 1 c; Wolff/Raiser, § 176 Fn. 7, S. 726; Weber, S. 298) ebenso wie andere Verfügungen (z. B. Abtretung, Erlass, Annahme einer anderen Leistung an Zahlungs statt, vgl. MünchKommBGB-Damrau, § 1282 Rn. 6; Westermann/Gursky, § 137 III 1 c) mit der Wirkung von § 1288 II BGB für zulässig. Bei mehrfacher Verpfändung derselben Forderung steht nur dem rangbesten Gläubiger das Einziehungsrecht zu (§ 1290 BGB), s. Rn. 48 ff. Mit dessen Befriedigung geht es hinsichtlich eines Forderungsrestes auf den rangnächsten Gläubiger über. Bei mehreren gleichrangigen Verpflichtungen muss der Schuldner an alle gemeinschaftlich leisten (§ 432 I BGB). Trotz Priorität kann aber ein vorrangiger Pfandgläubiger nach Treu und Glauben gehalten sein, sich nicht auf sein Pfandrecht zu berufen (s. Rn. 13).
104
b) Andere Arten der Verwertung. Neben dem Verfahren nach §§ 1281 ff. kann sich der Pfandgläubiger auch für eine Verwertung nach Zwangsvollstreckungsrecht entscheiden (§§ 1282 II, 1277 BGB). Aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Forderungsgläubiger kann er sich dann die Forderung zur Einziehung oder an Zahlungs statt überweisen lassen. Zu den Problemen der internationalen Rechts- und Forderungspfändung Lange.
Matusche-Beckmann
§ 27 Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten
885
Denkbar ist ferner die Vereinbarung einer abweichenden Verwertungsart (§ 1284 BGB). c) Grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen. Die Verwertung grundpfandrechtlich gesicherter Forderungen erfolgt wie bei den nicht gesicherten Forderungen. Den Anspruch aus einer Hypothek macht der Pfandgläubiger im eigenen Namen geltend. Die Vorschrift über das Pfandrecht an einer Forderung gelten auch für das Pfandrecht an einer Grund- und Rentenschuld (§ 1291 BGB); der Pfandgläubiger kann hier nur den Anspruch auf Vollstreckung in das Grundstück einziehen.
105
2. Verwertung des Pfandrechts an einem anderen Recht als einer Forderung. Andere Rechte als Forderungen kann der Pfandgläubiger grds. nur aufgrund eines vollstreckbaren Titels gegen den Rechtsinhaber nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften verwerten (§ 1277 BGB). Der Pfandgläubiger muss also einen Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung erwirken und den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragen (§§ 829, 835 ZPO). Das Gericht kann die Art der Verwertung bestimmen (§ 857 ZPO). Hinsichtlich des Erlöses sowie der Ablösungsrechte gilt das zur Verwertung des Pfandrechts an einer beweglichen Sache Gesagte entsprechend (s. Rn. 93 f.). Auch hier sind abweichende Vereinbarungen grds. zulässig (z. B. Vereinbarung der Entbehrlichkeit eines Duldungstitels), nicht aber Verfallvereinbarungen (s. Rn. 110).
106
Bei verpfändeten Unternehmensanteilen richtet sich die Verwertung zumindest dann nach § 1277 BGB, wenn die Mitgliedschaft als solche verpfändbar ist, wie etwa bei der GmbH (BGHZ 119, 191). Ob dies auch bei Personengesellschaften gilt oder hier die Regeln über die Forderungspfändung anzuwenden sind, ist umstritten (s. i. E. Bülow, S. 214 f.; Maier-Reimer/Webering, BB 2003, 1630). Zur Verwertung von Pfandrechten an Unternehmensbeteiligungen durch eine öffentliche Versteigerung und freihändige Veräußerung vgl. Tetzlaff, ZInsO 2007, 478 ff.
107
3. Verwertung des Pfandrechts an wertpapierrechtlichen verbrieften Forderungen. Bei Rektapapieren, die eine Forderung verbriefen, erfolgt die Verwertung durch Einziehung der Forderung (§ 1282 BGB), ansonsten nach § 1277 BGB. Inhaber- u. Orderpapiere können schon vor Pfandreife eingezogen werden (§ 1294 BGB). Bei den Orderpapieren erfolgt die Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 1277 BGB) oder durch Verkauf (§§ 1295, 1221 BGB). Bei den Inhaberpapieren stehen bei Pfandreife die allgemeinen Verwertungsmöglichkeiten zur Verfügung (freihändiger Verkauf nach §§ 1228 ff., 1235 II, 1221 BGB, öffentliche Versteigerung nach §§ 1228, 1235 I BGB, Zwangsvollstreckung nach § 1277 BGB und Einziehung nach § 1294 BGB).
108
Die Deutsche Bundesbank ist selbst berechtigt, mit Eintritt der Pfandreife Pfänder durch einen Mitarbeiter oder durch eine zu Versteigerungen befugte Person zu versteigern bzw. einen freihändigen Verkauf vorzunehmen (s. § 19 Nr. 1 BBankG).
109
III. Verfallvereinbarungen. Bei allen Pfandrechten ist eine vor dem Eintritt der Verkaufsberechtigung getroffene Vereinbarung, nach der dem Pfandgläubiger, falls er nicht (rechtzeitig) befriedigt wird, das Eigentum an der verpfändeten Sache zufallen oder übertragen werden soll, nichtig (§ 1229 BGB). Dieses Verbot einer sog. Verfallvereinbarung (lex commissaria), dem § 1149 BGB für die Hypothek entspricht, dient dem Schutz des Schuldners vor unvorsichtigem Handeln in der Erwartung, die Bedingung werde nicht eintreten. Dabei ist unerheblich, ob dem Pfandgläubiger nur das Recht eingeräumt wurde, die Sache in Zahlung zu nehmen, oder ob er berechtigt sein soll, sie zu einem bestimmten Preis zu übernehmen und den etwaigen Überschuss auszuzahlen (BGHZ 130, 101). Erst bei Pfandreife sind derartige Vereinbarungen zulässig, da nun keine Erwartungen des Schuldners mehr bestehen, die ausgenutzt werden könnten (BGH NJW 1995, 2635). Nichtig sind nach § 1229 BGB sowohl obligatorische Geschäfte als auch aufschiebend
110
Matusche-Beckmann
886
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
bedingte dingliche Einigungen. Das Verbot erfasst auch Vereinbarungen, nach denen der Pfandgläubiger die Sache zum Marktpreis behalten soll. Zulässig sind dagegen Vereinbarungen, die den Verfall nicht an die (fehlende) Befriedigung als Bedingung knüpfen, also etwa dem Pfandgläubiger die Wahl zwischen Verfall und geschuldeter Leistung lassen, oder die die gesicherte Forderung unberührt lassen (vgl. Bülow, S. 189; BGHZ 130, 101). 111
112
H. Das Pfandleihgewerbe Die §§ 1204 ff. BGB gelten grds. auch für das Pfandleihgeschäft. Neben den an Bedeutung verlierenden, i. d. R. gemeinnützigen öffentlichen Pfandleihanstalten, für die nach Art. 94 EGBGB Landesrecht gilt, gibt es vor allem private gewerbliche Pfandleiher (vgl. VO über den Geschäftsbetrieb der gewerblichen Pfandleiher vom 1.2.1961, PfandleihVO, BGBl. I, S. 58, i. d. F. der Bekanntmachung v. 1.6.1976, BGBl. I, S. 1334; vgl. ferner § 34 b GewO und VersteigerungsVO; s. Hammen, WM 1995, 185). Unternehmen des Pfandleihgewerbes, die die Gewährung von Darlehen gegen Faustpfand betreiben, gelten nicht als Kreditinstitute i. S. d. KWG (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 KWG), da die Gewerbeaufsicht angesichts i. d. R. geringer Beträge für ausreichend gehalten wird. Zur Verhinderung von Geschäften, die die Regeln der PfandleihVO umgehen, verbietet § 34 IV GewO den gewerbsmäßigen Ankauf beweglicher Sachen unter Vereinbarung einer Rückkaufsklausel. Die PfandleihVO beinhaltet überwiegend öffentlich-rechtliche Ordnungsvorschriften, enthält aber auch privatrechtliche Regelungen. § 5 I Nr. 1 PfandleihVO schreibt eine reine Sachhaftung vor: Der Pfandleiher darf das Pfand nur annehmen, wenn er mit dem Verpfänder vereinbart, dass er sich wegen seiner Rückzahlungs- und Nebenforderungen nur aus dem Pfand befriedigen darf. Der Verpfänder ist zur Rückzahlung des Darlehens lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet. Der Pfandleiher kann den Verpfänder umgekehrt nicht persönlich haftbar machen, wenn bei der Verwertung ein Mindererlös erzielt wird. Der Pfandleiher muss dem Verpfänder einen Pfandschein aushändigen (§ 6 PfandLeihVO; Legitimationspapier nach §§ 808, 952 BGB, vgl. Schellhammer, S. 576). § 8 PfandleihVO verpflichtet den Pfandleiher, die Pfandsache gegen bestimmte Gefahren zu versichern. Die Verwertung ist in § 9 PfandleihVO dezidiert geregelt. Nach § 9 II, III PfandleihVO muss die Verwertung innerhalb bestimmter Fristen erfolgen (z. B. § 9 II 1 PfandleihVO: spätestens sechs Monate nach Pfandreife). Allerdings enthält § 9 PfandleihVO keine von § 1228 BGB abweichende Regelung über den Zeitpunkt der Pfandreife (BGH WM 1987, 185). In § 9 PfandleihVO finden sich ferner Besonderheiten zur Bekanntmachung der öffentlichen Versteigerung; daneben bleibt es bei den Benachrichtigungspflichten aus §§ 1237 S. 2, 1248 BGB. Zum Pfandleihgeschäft s. Staudinger-Wiegand, Anh. zu § 1257 Rn 30 ff.
Matusche-Beckmann
§ 28 Sicherungszession
887
§ 28 Sicherungszession
Schrifttum Brämer, Die Sicherungsabtretung von Markenrechten 2005; Bruckhoft, Insolvenzfestigkeit der Globalzession, NZI 2008, 87; Bruns, Die Dogmatik rechtsgeschäftlicher Abtretungsverbote im Lichte des § 354a HGB und der UNIDROIT Factoringkonvention, WM 2000, 505; Danielewsky/Lehmann, Die UNCITRAL-Konvention über internationale Forderungsabtretungen und ihre Auswirkungen auf AssetBacked-Securities-Transaktionen, WM 2003, 221; Feuerborn, Insolvenzanfechtung bei AGB-Pfandrecht und Sicherungszession, ZIP 2002, 290; Ganter, Die ursprüngliche Übersicherung, WM 2001, 1; Ganter, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts – Entwicklungslinien und Tendenzen –, WM 2006, 1081; Hadding/Schneider (Hrsg.), Die Forderungsabtretung, insbesondere zur Kreditsicherung, in ausländischen Rechtsordnungen 1999; Kammel/Staps, Die Deckungsanfechtung von Globalzessionen, NZI 2008, 143; Kesseler, Sicherungszessionen und das Aufrechnunsgverbot nach § 96 I Nr. 2 InsO, ZinsO 2001, 148; Kesseler, Der Aufrechnungsschutz bei sicherungszedierten Forderungen, NJW 2003, 2211; Kieninger, Nationale, europäische und weltweite Reformen des Mobiliarsicherungsrechts – Teil II -, WM 2005, 2353; Kindl, Der Beschluss des Großen Senats in Zivilsachen vom 27.11.1997 zur Freigabe von revolvierenden Globalsicherheiten – eine Nachbetrachtung, JURA 2001, 92; Koziol, Verpflichtung des Gläubigers zur Verwertung von Sicherheiten?, in: FS Schimansky 1999, 355; Lwowski, Die anfängliche Übersicherung als Grund für die Unwirksamkeit von Sicherheitenbestellungen (§ 138 BGB), in: FS Schimansky 1999, 389; Marx/Salentin, § 13c UstG n.F. – Eine Gefahr für Sicherungszessionen als Instrument zur Beschaffung von (Waren)Krediten und als Sicherheit für Lieferanten?, NZI 2005, 281; Molitor, Anfechtbarkeit von Banksicherheiten in der Insolvenz des Kreditnehmers, ZinsO 2006, 23; Nobbe, Konsequenzen aus dem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen des BGH zur Sicherheitenfreigabe, in: FS Schimansky 1999, 433; Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, 1537; Nobbe, Der Verkauf von Krediten, ZIB 2008, 97; Piekenbrock, Zum Wert der Globalzession in der Insolvenz, WM 2007, 141; Sander, Zur (Un-)Anwendbarkeit von § 114 InsO auf Honorare von Kassenärzten, ZInsO 2003, 1129; Schafft, Internet-Domains als Kreditsicherheit, BB 2006, 1013; Schmidt, Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Abtretung von Forderungen im Internationalen Handel. Ein Fortschritt für die Forfaitierungs- und Kreditsicherungspraxis?, IPRax 2005, 93; Schwintowski/Schantz, Grenzen der Abtretbarkeit grundpfandrechtlich gesicherter Darlehensforderungen, NJW 2008, 472; Stadler, Der Streit um das Zessionsstatut – eine endlose Geschichte? IPRax 2000, 104; Tetzlaff, Die anfängliche Übersicherung. Eine neue Gefahr für Sicherheitenbestellungen in der Insolvenz des Sicherungsgebers?, ZIP 2003, 1826; Uhlenbruck, Insolvenzrechtliche Probleme der vertragsärztlichen Praxis, ZVI 2002, 49; Wegener/Köke, Der Bestand der Forderungszession niedergelassener Ärzte in der Insolvenz, ZVI 2003, 382; Woeste, Immaterialgüterrechte als Kreditsicherheit im deutschen und US-amerikanischen Recht 2002. Inhaltsübersicht A. Begriff, Gegenstand, Zulässigkeit; wirtschaftliche Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Begriff, Gegenstand, Zulässigkeit . . . . . . . . . 1 II. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Vornahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 I. Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 IV. Einziehungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . 21 C. Besondere Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . 22 I. Vorauszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Begriff und Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . 22 2. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Teilzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
D. Kollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Globalzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auflösung der Kollision . . . . . . . . . . . . . 2. Bereicherungsausgleich . . . . . . . . . . . . . II. Globalzession und verlängerte Sicherungsübereignung. . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen der Vertragsbruchstheorie. . . . . . . IV. Factoringzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Factoringzession und Globalzession. . . . . . VI. Diskontgeschäft und verlängerter Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Erledigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Prozessuales; Beweislast, Streitwert . . . . . . . . .
Schanbacher
30 30 30 34 35 36 37 38 39 40 45 47
888
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten Stichwortverzeichnis
Absonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 14, 17, 42 Abtretungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . 12, 13, 14, 24 Änderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Anlassrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Anschlusskredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Anschlusszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 28 Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Asset Backed Securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Aussonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 23 Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Bezugsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Deckungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Direkterwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Drittwiderspruchsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Durchgangserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Eigentumsvorbehalt – verlängerter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 21, 23, 28 Einziehungsermächtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Entgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Empfangszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Ersatzabsonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Ersatzakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Factoring – echtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 37 – unechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 37 Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 45 Forderungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 21, 24, 25, 33 Forderungsverpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 26 Freigabe – ermessensabhängige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – ermessensunabhängige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Freigabeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Gehaltsforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 20 Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 29 Honorarforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 12, 17, 24, 40, 42, 46 Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 43 Insolvenzverwalter – vorläufiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Kommissionsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 13, 25 Konsumentenkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 17 Lebensversicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Lohnforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 6, 20 Mantelzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1
Nennwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Prozessführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Prozessstandschaft – gewillkürte . . . . . . . . . . . . . . 47 Quasidingliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Rechenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Refinanzierungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Rückabtretungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Rückgewähranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Schlusssaldo – kausaler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Sicherheitenpool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Sicherungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Sicherungsübereignung – verlängerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 5, 35 Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 4, 5, 45 Sicherungszweck – weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Teilverzichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Teilverzichtsklausel – dingliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – schuldrechtliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – doppelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Transparenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Treuhänderische Bindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Übersicherung – anfängliche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – nachträgliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 20 UNCITRAL-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 UNIDROIT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Verfügungsverbot – allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Vertragsbruchstheorie . . . . . . . . 30, 35, 36, 37, 38, 39 Verwertungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Verwertungserlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Verwertungsreife. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Verzugsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Vorauszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13, 22-27 Wert – realisierbarer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Zahlstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Zahlstellenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Zession – stille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 21 – offene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 21 – bestätigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Zessionslisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Zessionsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 31 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
A. Begriff, Gegenstand, Zulässigkeit; wirtschaftliche Bedeutung I. Begriff, Gegenstand, Zulässigkeit. Sicherungszession meint eine Zession (Abtretung, § 398 BGB), die durch einen Sicherungszweck geprägt ist. Zweck der Zession ist die Sicherung einer Kreditforderung. Die Prägung durch den Sicherungszweck kann (a) unmittelbar sein oder (b) mittelbar. Eine Sicherungszession ist durch den Sicherungszweck un-
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
889
mittelbar geprägt (a), wenn sie durch die Entstehung der Kreditforderung aufschiebend oder durch ihr Erlöschen auflösend bedingt ist (§ 398 i. V. m. § 158 I, II BGB, s. dazu Rn. 10). Eine Sicherungszession ist durch den Sicherungszweck mittelbar geprägt (b), wenn sie nur durch den Sicherungsvertrag (Rn. 2 ff.) auf den Sicherungszweck festgelegt ist. Die zweite Form (b) wird in der Praxis bevorzugt. Gegenstand der Sicherungszession sind Forderungen und sonstige Rechte (wie etwa Gesellschaftsanteile, s. dazu Pottschmidt/Rohr, Rn. 654a ff.; Bülow, Recht der Kreditsicherheiten Rn. 1367, 1439ff.); in der Praxis geht es überwiegend um Forderungen. Die Zulässigkeit der Sicherungszession steht im deutschen Recht außer Frage (vgl. § 216 II 1 BGB oder § 51 Nr. 1 InsO). Auch in vielen anderen Rechten ist die Sicherungszession zulässig; doch sind die Anforderungen unterschiedlich. Nicht zulässig ist die Sicherungszession in den Niederlanden; nicht gebräuchlich ist sie in Spanien (Stadler, IPRax 2000, 104 (107)). II. Wirtschaftliche Bedeutung. Die Sicherungszession hat erhebliche praktische Bedeutung. Sie dient als sog. Anschlusszession in verlängerten Eigentumsvorbehalten der Sicherung von Lieferantenforderungen, in verlängerten Sicherungsübereignungen der Sicherung von Bankkrediten (BGH WM 1999, 126). Sehr verbreitet ist die Abtretung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen zur Sicherung geschäftlicher Kredite (Globalzession, s. dazu Rn. 29); ferner die Abtretung von Lohn- und Gehaltsforderungen zur Sicherung von Konsumentenkrediten.
B. Vornahme
2
I. Sicherungsvertrag. Der grundsätzlich formlos gültige (zu Ausnahmen vgl. §§ 518 BGB; 15 IV GmbHG; 2371 i. V. m. §§ 1922 II, 2385 BGB) Sicherungsvertrag verpflichtet den Sicherungsgeber gegenüber dem Sicherungsnehmer zur Sicherungszession (Rn. 8 ff.) (bei zeitlichem Zusammenfall von Sicherungsvertrag und Sicherungszession zur Forderungsbelassung) und enthält damit den Rechtsgrund der Sicherungszession (vgl. § 812 I 1 BGB). Verpflichtung zur und Rechtsgrund der Sicherungszession ergeben sich nicht aus dem Kreditvertrag (a. A. Richrath, WM 1999, 1698 (1708): für Kreditvertrag und Sicherungsvertrag als ‚Doppelcausa‘). Der aus dem Kreditvertrag hervorgehende Darlehensrückerstattungsanspruch (§ 488 I 2 BGB) beinhaltet keine Sicherungspflicht (BGH ZIP 2000, 82 (83)), schon gar nicht eine Pflicht gerade zur Sicherungszession. Der Sicherungsvertrag ist ein Vertrag über eine entgeltliche Leistung (vgl. § 312 I 1 BGB), wenn er den Sicherungsnehmer zu einer Gegenleistung (Kreditgewährung, Stundung) verpflichtet (synallagmatische Verknüpfung, vgl. §§ 320 ff. BGB) oder diese zur Bedingung der Sicherungsgeberverpflichtung macht (konditionale Verknüpfung); der Sicherungsvertrag steht einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung gleich, wenn die Gegenleistung des Sicherungsnehmers Zweck der Sicherungszession ist (kausale Verknüpfung, s. RGZ 163, 348 (356), etwas weitergehend BGHZ 131, 1, 4). Ansonsten ist der Sicherungsvertrag ein Vertrag über eine unentgeltliche Leistung (§§ 516 ff. BGB). Als entgeltlich gilt die Sicherung einer eigenen entgeltlich begründeten Verbindlichkeit (BGHZ 137, 267 (282); BGH ZIP 2000, 932 (934 f.); BGH WM 2004, 1837 (1838 f.) (zu § 134 InsO); HK-InsO-Kreft, § 134 Rn. 11; krit. Ganter, WM 2006, 1081 (1084)). Unentgeltlich (§ 134 InsO) ist hingegen die Sicherung einer fremden Schuld ohne Gegenleistung und ohne rechtliche Verpflichtung (HK-InsO-Kreft, § 134 Rn. 12). Der Sicherungsvertrag zu einer Globalzession (Rn. 29) verpflichtet den Sicherungsgeber zur Information des Sicherungsnehmers über den Forderungsbestand, etwa durch Zusendung von Bestandslisten. Der Sicherungsgeber, der die Herausgabe von Bestandslisten verweigert, kann dazu im Wege einer einstweiligen Verfügung angehalten werden (OLG Rostock WM 1998, 1530 f.; Ganter, WM 1999, 1741 (1748)).
Schanbacher
890
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
3
Der Sicherungsvertrag legt den Sicherungszweck fest, indem er die Sicherungszession der Kreditforderung zuordnet, die durch die Sicherungszession gesichert werden soll, etwa allen gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (weiter Sicherungszweck; vgl. BGH WM 2005, 1168 (1169) (alle bestehenden und künftigen eigenen Verbindlichkeiten des Sicherungsgebers)). Die formularmäßige Festlegung eines weiten Sicherungszwecks kann allerdings an § 305c I BGB scheitern, mit der Folge, dass im Wege ergänzender Vertragsauslegung (§ 157 BGB) der Sicherungszession nur die Forderungen als gesichert zugeordnet werden, welche Anlass der Sicherungszession waren. So verfährt der BGH bei weiten Zweckerklärungen im Grundschuldrecht (BGHZ 131, 55 (58 ff.) – Anlassrechtsprechung). Anders als im Bürgschaftsrecht (vgl. BGHZ 130, 19 (31 ff.); BGHZ 132, 6 (8 f.); BGH WM 1998, 1675) kommt im Grundschuldrecht § 307 BGB mangels einer unangemessenen Benachteiligung des Sicherungsgebers durchaus nicht zum Tragen; ein Grund dafür ist das Fehlen eines gesetzlichen Leitbildes im Grundschuldrecht, wie es § 767 I 3 BGB für das Bürgschaftsrecht darstellt (BGHZ 131, 55 (58); BGH WM 1995, 790 (791 f.); WM 1996, 2233 (2234); WM 1997, 1615 (1616); WM 2001, 623 (625); OLG Hamm WM 1999, 2065 (2066 f.); str. a. A. Knops, ZfIR 1998, 577 (582 f.); Bülow, Kreditsicherheiten Rn. 163; Reinicke/Tiedtke, Rn. 1089 ff.). So bleibt auch für die Sicherungszession nur § 305c I BGB (vgl. OLG Oldenburg WM 1993, 2162, (2165 ff.) zur Sicherungsübereignung; a. A. konsequent Bülow, Rn. 1150).
4
Aus der Festlegung des Sicherungszwecks folgt (a) eine Verwertungsbefugnis des Sicherungsnehmers im Sicherungsfall, soweit die Kreditforderung reicht und deren Erlöschen im Zuge der Verwertung (bei Personenverschiedenheit von Sicherungsgeber und Kreditnehmer eine Verfügung zugunsten Dritter) (Rn. 40 ff.) und (b) ein Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers, soweit sich der Sicherungszweck erledigt hat (Rn. 45 f.). Ein Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers besteht allgemein, ohne besondere Regelung, schon vor vollständiger Erledigung des Sicherungszwecks, soweit die übertragenen Sicherheiten endgültig nicht mehr benötigt werden (BGHZ 137, 212 (219 f.); BGH WM 2005, 1168 (1169)). Eine formularmäßige Beschränkung des Rückgewähranspruchs (ermessensabhängige Freigabe) ist wegen unangemessener Benachteiligung des Sicherungsgebers unwirksam (BGHZ 137, 212 (220 f.)). Erst recht gilt dies für den formularmäßigen Ausschluss bis zur vollständigen Erledigung des Sicherungszwecks (s. BGHZ 108, 98 (108)). Der Sicherungsvertrag bleibt wirksam; es besteht auf seiner Grundlage der allgemeine unbeschränkte (ermessensunabhängige) Rückgewähranspruch (§ 306 II BGB; BGHZ 137, 212 (221 f.)). Reinicke/Tiedtke, Rn. 743 ff. kritisieren die Anwendung des § 306 II BGB. Dasselbe Ergebnis ließe sich jedoch auch über § 305b BGB erreichen. Der Rückgewähranspruch setzt mangels anderweitiger (wirksamer) Regelung ein, sobald der realisierbare Wert der sicherungszedierten Forderungen die Kreditforderung um mehr als 10 % übersteigt oder ihr Nennwert um mehr als 50 % darüber liegt (BGHZ 137, 212 (224 ff., 232 ff.)). Nunmehr ist das Risiko des Sicherungsnehmers, gem. § 13c UStG n.F. für die vom Sicherungsgeber nicht entrichtete Umsatzsteuer in Anspruch genommen zu werden, mit zu berücksichtigen (s. Marx/Salentin, NZI 2005, 258 ff.; Ganter, WM 2006, 1081, 1086 f.; Piekenbrock, WM 2007, 141ff.)
5
Der Sicherungsnehmer soll zwar Forderungsinhaber werden, jedoch auf den Sicherungszweck verpflichtet sein. Der Sicherungszweck begründet eine treuhänderische Bindung des Sicherungsnehmers (BGHZ 137, 212 (218 f.)). Kommissionsklauseln, wie sie in verlängerten Sicherungsübereignungen (Rn. 1) vorkommen (BGH WM 1999, 126), beinhalten umgekehrt eine treuhänderische Bindung des Sicherungsgebers. Beides ist unverträglich (Bülow, Rn. 1746). Die Sicherungstreuhand ist prävalent; die Kommissionsklausel
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
891
kommt demgegenüber nicht zum Tragen (Bülow, Rn. 1748). Die treuhänderische Bindung des Sicherungsnehmers wirkt zunächst schuldrechtlich. Darüber hinaus entfaltet sie gewisse quasidingliche Wirkungen (Gernhuber, Bürgerliches Recht, 3. Aufl. 1991, 188 f.). In der Insolvenz des Sicherungsgebers (a) steht dem Sicherungsnehmer nur ein Absonderungsrecht zu (§§ 50, 51 Nr. 1 InsO), das sich gegebenenfalls (bei unberechtigter Einziehung) in einem Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO fortsetzt (BGH WM 2006, 915 (916 f.) (zu § 131 I Nr. 1 InsO); BGH WM 2006, 1018 (1019) (zu § 130 I 1 Nr. 1 InsO); Bülow, Rn. 1248)); in der Zwangsvollstreckung gegen den Sicherungsgeber hat der Sicherungsnehmer hingegen die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO). In der Insolvenz des Sicherungsnehmers (b) kann der Sicherungsgeber bei pflichtgemäßer Rückführung des Kredits aussondern (§ 47 InsO); in der Zwangsvollstreckung gegen den Sicherungsnehmer steht dem Sicherungsgeber bis zum Eintritt des Sicherungsfalles (Rn. 40) die Drittwiderspruchsklage zu (§ 771 ZPO). Eine Rückabtretung der Forderung an den Sicherungsgeber nach Erledigung des Sicherungszwecks ist nicht als ‚Erwerb der Forderung‘ i.S.d. § 406 Hs. 2 BGB anzusehen (BGH WM 2003, 578 (579 f.); Kesseler, NJW 2003, 2211 ff.; Kohler, EWiR 2003, 401 f.). Jedoch hat der Schuldner nach § 410 BGB Anspruch auf Aushändigung einer Rückabtretungsurkunde (OLG Celle, OLGReport 2004, 445 f.). Quasidingliche Wirkungen der Sicherungsabrede zeigen sich auch sonst (s. u. Rn. 45 a. E.). Der Sicherungsvertrag kann vorsehen, dass die Zession nicht aufgedeckt werden soll (sog. stille Zession, ansonsten offene Zession oder sogar bestätigte; vgl. insofern BGH WM 1985, 1177 f.). Dies bindet den Sicherungsnehmer im allgemeinen, solange der Sicherungsgeber seinen Verpflichtungen nachkommt. Eine vorzeitige Offenlegung der Zession kann den Sicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichten (BGH NJW 1994, 2754 f.). Eine formularmäßige Globalzession (Rn. 29), bei der der Sicherungsnehmer dem Schuldner jederzeit die Abtretung anzeigen darf, ist nach § 307 BGB unwirksam (BGH NJW 1994, 2754 f.). Ob eine anstehende Offenlegung vorher anzudrohen ist, ist fraglich (Ganter, WM 1998, 2081 (2091)). Eine formularmäßige Abtretung von Lohn- und Gehaltsforderungen, die den Sicherungsnehmer davon freistellt, ist nach § 307 BGB unwirksam (BGH a. a. O. u. NJW 1992, 2626 f.; bestätigend BGH WM 2005, 1168 ff.).
6
Eine besondere Form des Sicherungsvertrages ist die sog. Mantelzession. In ihr verpflichtet sich der Sicherungsgeber, an den Sicherungsnehmer zur Sicherung der Kreditforderung laufend Forderungen abzutreten, und zwar in der Anzahl und Höhe, dass der Gesamtwert der abgetretenen Forderungen zu jeder Zeit einen gewissen Mindestbetrag (sog. Deckungsgrenze) erreicht. In regelmäßigen Abständen sollen Listen mit den abzutretenden Forderungen (Zessionslisten) oder Rechnungsdurchschriften übersandt werden, worin die Abtretungserklärung des Sicherungsgebers liegt.
7
II. Sicherungszession. Die Sicherungszession wird zwischen Sicherungsgeber als Zedent und Sicherungsnehmer als Zessionar durch Abtretungsvertrag vorgenommen (§ 398 BGB). Nimmt der Gläubiger die vom Schuldner unterschriebene und überreichte Abtretungsvereinbarung zu den Unterlagen, so liegt bereits darin die Annahme des Abtretungsangebots (‚Willensbetätigung‘ gem.§ 151,1 BGB, s. OLG Celle, OLGReport 2004, 405 f.). Die Anwendung des deutschen Zessionsrechts (§§ 398 ff. BGB) setzt voraus, dass die abzutretende Forderung deutschem Recht unterliegt. Das Zessionsstatut richtet sich gem. Art. 33 II EGBGB nach dem Forderungsstatut (BGHZ 111, 376 (379 ff.); BGH WM 1999, 126 f.; Kropholler, IPR, 493 f.). Eine Sicherungszession von Auslandsforderungen muss daher auf die Geltung von Anforderungen ausländischen Rechts gefasst sein. So bestehen etwa in Österreich besondere Publizitätsanforderungen (Buchvermerk, Drittschuldnerverständigung; s. dazu Koziol, DZWiR 1993, 353 (355 f.) u. § 78 Rn. 38). Die
8
Schanbacher
892
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
frz. cession civile ist im Hinblick auf künftige Forderungen nur möglich, wenn diese dem Grunde nach bereits existieren (existence en germe) und setzt zu ihrer allgemeinen Wirkung die förmliche Benachrichtigung des Schuldners (signification) voraus; diese kann durch das notarielle Anerkenntnis der Zession (acceptation) des Schuldners ersetzt werden. Als offener erscheint demgegenüber die cession de créances professionnelles, welche gem. der sog. Loi Dailly durch die Übergabe einer Forderungsliste (bordereau) an den Zessionar (Kreditinstitut) und die Datierung durch diesen bewirkt wird (s. Rosch/Klingenfuß, ZEuP 2000, 311 ff.). Von Seiten der Vereinten Nationen wird eine Vereinheitlichung des Rechts der Forderungsabtretung zur Kreditfinanzierung bei internationalem Einschlag angestrebt (UNCITRAL-Entwurf vom Oktober 1999; der Entwurf ist 2001 von der UN-Vollversammlung angenommen worden und liegt zur Zeichnung auf, s. H.Schmidt, IPRax 2005, 93 ff.; Kieninger, WM 2005, 2353 f.). Zu Plänen für ein Europäisches Rechtsstatut als Wahlrecht u. a. im Bereich der Sicherungsrechte s. Becker-Melching, WM 2002, 519 f. 9
Anders als die Forderungsverpfändung (vgl. § 1280 BGB) bedarf die Sicherungszession zu ihrer Wirksamkeit nicht der Anzeige an den Schuldner. Sie ist ein publizitätsloses, geheimes und also dezentes Sicherungsmittel. Als solches hat sie in der Praxis die Forderungsverpfändung weithin verdrängt (vgl. BGH NJW 1982, 275 (276)). Der Abtretungsvertrag ist grundsätzlich formlos gültig (Ausnahme § 1154 BGB; vgl. ansonsten etwa § 2033 I 2 BGB; § 15 III GmbHG). Welche Forderungen die Abtretung erfasst, ist eine Frage der Auslegung. Werden Mietzinsforderungen zur Sicherheit abgetreten, so erfasst dies naheliegend auch Ansprüche auf Entschädigung und Nutzungsherausgabe /-ersatz aus §§ 546a, 987, 990 BGB (BGH WM 1999, 219 (220 f.)). Gestaltungsrechte verbleiben grundsätzlich beim Sicherungsgeber (BGH WM 2002, 649 f.; OLG Bamberg, OLGReport 2003, 307 f.). Werden künftige im Hinblick auf Gewährleistungsansprüche bestehende Ansprüche (aus einem Schuldbeitritt) im voraus abgetreten, so gehen die Ansprüche aus einer dafür vorweg (vgl. § 765 II BGB) oder zugleich bestellten Bürgschaft mit diesen auf den Sicherungsnehmer über (BGH WM 2002, 1968 (1970)). Dass der Abtretungsvertrag den Mitübergang eigens vorsieht (BGH, a. a. O.), wird nicht erforderlich sein, vielmehr nur, dass er ihn nicht ausschließt (vgl. § 401 I BGB).
10
Die Abtretung kann unter die aufschiebende Bedingung gestellt werden, dass die Kreditforderung entsteht und unter die auflösende Bedingung, dass sie erlischt (vgl. § 398 i. V. m. § 158 I, II BGB). Geschieht dies ausdrücklich, ist daran nicht zu rütteln. Es wird auf diese Weise eine Art „Ersatzakzessorietät“ geschaffen (Reinicke/Tiedtke, Rn. 774). Doch geht diese nicht so weit, dass – wie dies bei akzessorischen Sicherungsrechten der Fall ist – die sicherungszedierte Forderung der Kreditforderung folgt. Die Rechtslage bei einer Sicherungszession, welche eine ausdrückliche Bedingung nicht enthält, ist zweifelhaft. Nach Auffassung des BGH soll die Sicherungszession, wird das zu sichernde Darlehen nicht ausgezahlt, keinerlei rechtliche Wirkung haben. Denn die Beteiligten wollten nur die mit einer Forderungsverpfändung verbundene Publizität (vgl. § 1280 BGB) vermeiden, nicht die Akzessorietät (BGH NJW 1982, 275 (276 f.)). In der Rechtslehre ist dies aufgegriffen worden und gesagt worden: Bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung über die Bedingtheit der Sicherungszession sei davon auszugehen, dass diese stillschweigend sowohl unter die aufschiebende als auch unter die auflösende Bedingung gestellt sei (Pottschmidt/ Rohr, Rn. 640, 660; Reinicke/Tiedtke, Rn. 774). Doch ist der BGH von jener Sicht – allerdings für die Sicherungsübereignung – hernach wieder abgerückt (BGH NJW 1984, 1184 (1185 f.); NJW 1991, 353 f.).
11
III. Wirksamkeit. 1. Forderung. a) Bestimmtheit und Bestimmbarkeit. Nicht der Sicherungsvertrag (Rn. 2 ff.), wohl aber die Sicherungszession (Rn. 8 ff) unterliegt den
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
893
Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Danach muss der Abtretungsvertrag die abgetretene Forderung nach Schuldner, Schuldgrund und Inhalt bestimmen. Diese Anforderungen sind bei der Abtretung bestehender Forderungen unschwer zu erfüllen, nicht so hingegen bei der Abtretung künftiger Forderungen. Doch ermäßigt sich dort die Bestimmtheitsanforderung zur Bestimmbarkeitsanforderung (Rn. 23). b) Abtretbarkeit. Die Zession einer Forderung, deren Abtretbarkeit durch Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger wirksam ausgeschlossen worden ist (§ 399 Fall 2 BGB), ist absolut unwirksam (BGHZ 108, 172 (176)). Ein späteres Einverständnis des Schuldners mit der Abtretung (‚Genehmigung‘) stellt (1) keine Genehmigung nach §§ 182, 184 BGB dar, ist vielmehr (a) als Teil eines Änderungsvertrages anzusehen, durch den die Unabtretbarkeit der Forderung für die Zukunft beendet wird oder (b) als ein Verzicht des Schuldners auf die Einrede des § 399 BGB (BGH a. a. O.). Der Zessionar kann ermächtigt sein, mit dem Schuldner die Aufhebung des Abtretungsausschlusses zu vereinbaren (BGH NJW-RR 1991, 763 (764)). Der Änderungsvertrag bewirkt, dass die Forderung nunmehr abtretbar ist. Sie geht nun auf der Grundlage des ergänzend ausgelegten (§ 157 BGB) Abtretungsvertrages auf den Zessionar/Sicherungsnehmer über (es sei denn, gegen den Sicherungsgeber ist inzwischen ein allgemeines Verfügungsverbot verhängt worden oder er ist insolvent: §§ 21 II Nr. 2, 24 I, 81 InsO). Ist die Forderung mehrfach abgetreten worden, folgt sie nach dem Prioritätsprinzip grundsätzlich der frühesten Zession. Dass der Schuldner wählen soll können, welcher Abtretung er zustimmt (OLG Koblenz WM 1992, 73 (74); Reinicke/Tiedtke, Rn. 802; Palandt-Grüneberg, § 399 Rn. 11; Bedenken dagegen zu Recht bei Pottschmidt/Rohr, Rn. 162 Fn. 33), ist grundsätzlich nicht einzusehen. Nach a. A. (2) liegt in der Zustimmung des Schuldners zur Abtretung eine Genehmigung analog § 185 II 1 BGB, welche analog § 184 BGB zurückwirke (Medicus, Schuldrecht I, 13. Aufl. 2002, Rn. 718). Das Ergebnis ist merkwürdig: Der Schuldner wählt, welche Zession er wirksam werden lässt (wie soeben). Die Abtretung kann durch Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger auch lediglich an die Zustimmung des Schuldners gebunden werden (BGHZ 40, 156) oder an eine Anzeige an ihn (BGHZ 108, 172). Auch Zustimmung (BGHZ 108, 172 (176 ff.); vgl. BGHZ 70, 296 (303 f.)) und Anzeige wirken nur für die Zukunft. Sie eröffnen die Abtretbarkeit der Forderung, und zwar diesmal gegenüber dem Zessionar, dessen Zession zugestimmt oder dessen Zession angezeigt wird; letztlich entscheidend ist allerdings immer der Inhalt der betreffenden Vertragsklausel. So können hier in der Tat Zustimmung oder Anzeige (an Stelle des Prioritätsprinzips) bestimmen, welche von mehreren Zessionen wirksam wird (vgl. BGHZ 40, 150 (161)). Allerdings soll ein Zustimmungsvorbehalt gegenüber einem schlichten Abtretungsausschluss keine eigenständige materiellrechtliche Bedeutung haben (BGHZ 108, 172 (177)). In diesem wie in jenem Fall soll die Zession geschützten Drittinteressen weichen (BGH ebd. 178). Demgemäß bleibt eine zwischen Abtretung und Zustimmung des Schuldners ausgebrachte Pfändung (§ 851 II ZPO) wirksam (BGH a. a. O.). Für das Prioritätsprinzip plädiert Häsemeyer, InsR, 2. Aufl. 1998, 18.60.
12
Ein wirksamer Abtretungsausschluss setzt sich auch gegen eine Vorauszession durch (BGHZ 77, 274 (276); BGH NJW 1988, 1210 (1211); Bülow, Rn. 1409, 1421; PalandtGrüneberg, § 399 Rn. 8; a. A. Pottschmidt/Rohr, Rn. 160; Hennrichs, JZ 1993, 225 (230)). Auf die Verfügungsmacht, die der Gläubiger nicht mehr haben soll, kann es für die Wirksamkeit des Abtretungsausschlusses nicht ankommen. Denn dieser ist – anders als seine Aufhebung (Rn. 12) – keine Verfügung (Maier, JuS 1982, 487 (488); Gernhuber, S. 271). Auch durch eine Kommissionsklausel (vgl. § 392 II HGB) ist von Seiten des Sicherungsnehmers gegen einen Abtretungsausschluss nicht wirksam Vorsorge zu treffen (Bülow, Rn. 1749). Abtretungsausschlüsse unterliegen nicht den Regeln der Vertrags-
13
Schanbacher
894
14
15
16
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
bruchstheorie (BGHZ 51, 113 (114 ff.); BGH WM 2006, 2142 (2143); Rimmelspacher, Rn. 146 ff.). Ein in AGB enthaltener Abtretungsausschluss oder eine Beschränkung ist aufgrund des Schuldnerinteresses an der Übersichtlichkeit des Abrechnungsverkehrs keine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers (BGH NJW 1997, 3434 (3435); Palandt-Grüneberg, § 399 Rn. 10; a. A. Pottschmidt/Rohr, Rn. 161, 442). Die Wirkung eines auf eine Geldforderung bezogenen Abtretungsausschlusses (§ 399 Fall 2 BGB) kann beschränkt sein. Denn ungeachtet des Abtretungsausschlusses oder auch eines Zustimmungsvorbehalts (OLG Celle NJW-RR 1999, 618 f.) ist die Abtretung einer Geldforderung wirksam, sofern das Rechtsgeschäft, das die Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist oder der Schuldner eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlichrechtliches Sondervermögen ist (§ 354a, Satz 1 HGB). Ein Anzeigeerfordernis kann (trotz § 354a HGB) den Forderungsübergang hindern (OLG Schleswig NJW 2001, 818 (819 f.); str.; a. A. Reinicke/Tiedtke, Rn. 810). Nicht betroffen ist der bei einem Kontokorrentverhältnis bestehende Abtretungsausschluss (Häsemeyer, InsR 18.59 Fn. 178; Reinicke/Tiedtke, Rn. 812). Der vereinbarte Abtretungsausschluss ist nicht schlechthin unwirksam; doch beschränkt sich seine Wirkung darauf, eine Empfangszuständigkeit des Gläubigers zu begründen (§ 354a, Satz 2 HGB). Trotz seiner Empfangszuständigkeit ist der Gläubiger/Sicherungsgeber infolge der Zession Nichtberechtigter und als solcher nach einer (wirksamen) Leistung des Schuldners an ihn aus § 816 II BGB dem Sicherungsnehmer zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet. In der Insolvenz des Sicherungsgebers wird dem Sicherungsnehmer ein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO zuerkannt (Häsemeyer, InsR 18.63). § 354a, Satz 2 HGB erfasst nur den Leistungsfall, wozu auch die Aufrechnung zählt (Reinicke/Tiedtke, Rn. 812). Andere Rechtsgeschäfte zwischen Schuldner und Zedent/Sicherungsgeber in Ansehung der Forderung (Erlass, Stundung) wirken gegen den Zessionar/ Sicherungsnehmer nicht nach § 354a, Satz 2 HGB, vielmehr gegebenenfalls nach § 407 I BGB (eingehend Reinicke/ Tiedtke, Rn. 813 ff.; Derleder, BB 1999, 1561 (1562)). Ob eine Kenntnis der Vorauszession beim Erwerb von Gegenforderungen dem Schuldner die Aufrechnungsmöglichkeit verschließt oder ungeachtet einer Kenntnis der Vorauszession die vorauszedierten Forderungen noch mit Gegenforderungen ‚belastet‘ werden können, ist strittig (s. OLG Köln WM 2001, 1431; Schwarz, WM 2001, 2185). Das in Deutschland am 01.12.1998 in Kraft getretene UNIDROIT-Abkommen über das internationale Factoring vom 28.05.1988 sieht für seinen Geltungsbereich vor, dass vertragliche Abtretungsverbote die Wirksamkeit einer verbotswidrigen Factoringzession unberührt lassen (Bruns, WM 2000, 505 (507 f.)). Im Refinanzierungsregister (Ges. v. 22.9.2005, BGBl. I, S. 2809) eingetragene Forderungen sind an den Übertragungsberechtigten veräußerbar, selbst wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen worden ist, § 22d IV 1 KWG n.F.; s. Ganter, WM 2006, 1081 (1090). c) Bezugsrechte Dritter. Die Zession von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen muss dem Versicherer etwa schriftlich angezeigt werden (s. BGHZ 112, 387 (388 ff.)). Bezugsrechte Dritter müssen widerrufen werden. Dies kann in der Zessionsurkunde geschehen, welche dem Versicherer zugeleitet wird (BGHZ 109, 67 (70)). Der Widerruf eines Bezugsrechts für die Dauer der Abtretung und soweit es den Rechten des Sicherungsnehmers entgegensteht ist (a) durch die Rückabtretung auflösend bedingt und (b) auf eine rangmäßige Zurücksetzung des Bezugsberechtigten gegenüber dem Sicherungsnehmer gerichtet (BGHZ 109, 67 (70 ff.)). Nach dem Sicherungszweck nicht benötigte Teile der Versicherungssumme werden von der Abtretung nicht erfasst, verbleiben vielmehr dem Bezugsberechtigten (BGH, ebd. 71 f.; BGH WM 2001, 1513 (1514); WM 2002, 335 (336 f.)).
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
895
d) Insolvenz des Sicherungsgebers. Die Zession einer Forderung durch den Sicherungsgeber nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist gem. § 81 InsO unwirksam. Unwirksam ist gem. § 91 InsO auch die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Zession einer künftigen Forderung, die erst nach Eröffnung entsteht (Vorauszession, s. Rn. 22 ff.; s. BGHZ 162, 187 (190)), wie auch die Zession einer Forderung, die hernach von einem Dritten zurückerworben wird (vgl. § 185 II 1 Fall 2 BGB; s. OLG Nürnberg, EWiR 2003, 811 f.(J.Kohler); Bülow, Rn. 1249, 1251). Handelt es sich allerdings um eine aufschiebend bedingte Forderung, ist die Zession wirksam, auch wenn die Bedingung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt (BGH WM 2006, 918 (919); Ganter, WM 1999, 1741 (1748); vgl. BGHZ 123, 183 (190)). Die Zession einer noch vor Verfahrenseröffnung entstandenen Forderung ist wirksam, soweit nicht schon vor der Zession ein allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 II Nr. 2 InsO) verhängt worden ist (s. §§ 24 I, 81 InsO). Als dem Grunde nach bereits vor Verfahrenseröffnung bestehend gilt eine Forderung aus dem kausalen Schlusssaldo beim Kontokorrent (BGHZ 70, 86 (94 ff.); Bülow, Rn. 1249; ähnlich Pottschmidt/Rohr, Rn. 714). Die Zession bleibt von Bestand, soweit sie nicht der Insolvenzanfechtung (s. §§ 129 ff. InsO) unterliegt (Ganter, WM 1999, 1741 (1748 f.); Feuerborn, ZIP 2002, 290 (294 f.)). Entstammt die abgetretene Forderung allerdings einem gegenseitigen Vertrag (§§ 320 ff. BGB), ist der bleibende Erfolg der Zession (Absonderungsrecht) gefährdet. Ist nämlich der Vertrag beiderseits (Sicherungsgeber/ Schuldner) noch nicht vollständig erfüllt, erlöschen nach neuerer Rspr. des BGH mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die gegenseitigen Forderungen, um gegebenenfalls, bei entsprechender Wahl des Insolvenzverwalters, neu zu entstehen (BGH WM 1998, 358 f.). Die sicherungszedierte Forderung wird infolgedessen dem Sicherungsnehmer entzogen. Wählt der Insolvenzverwalter Erfüllung, entsteht die Forderung neu (Novation). Doch kann sie jetzt nicht mehr, etwa auf der Grundlage eines ergänzend ausgelegten (§ 157 BGB) Abtretungsvertrags, auf den Sicherungsnehmer übergehen (§ 91 InsO). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Aufwendungen der Masse nicht einzelnen Insolvenzgläubigern, vielmehr der Gesamtheit der Gläubiger zugute kommen sollen. Es liegt in der Konsequenz dieses Gedankens, dass der Sicherungsnehmer die Forderung dagegen behält, soweit sie noch durch eine (Teil)Leistung des Sicherungsgebers vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens werthaltig geworden ist (Ganter, WM 1998, 2081 (2082)). Nach neuester Rspr. des BGH sollen hingegen die gegenseitigen Forderungen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr erlöschen, vielmehr, soweit ihnen nicht eine bereits erbrachte Leistung zugrundeliegt, nur undurchsetzbar werden. Mit der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters wird ihnen ‚die Rechtsqualität von originären Masseverbindlichkeiten und -forderungen‘ beigelegt (BGHZ 150, 353 (359); s. Kirchhof, WM SBeil. Nr. 2/ 2005, S. 12). Eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Sicherungszession wird, soweit sie Ansprüche wegen nach Verfahrenseröffnung erbrachter Leistungen erfaßt, wirkungslos (BGHZ 150, 353, 359 f.; BGH WM 2006, 918 (919 f.)).
17
2. Zession. a) Gesetzesverstöße. Die Zession von Honorarforderungen durch einen Arzt (a), einen Rechtsanwalt (b) oder eine andere zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Person ohne Zustimmung des Patienten oder Mandanten ist wegen der umfassenden Informationspflicht des Zedenten (§ 402 BGB) grundsätzlich gesetzwidrig (§ 203 I Nr. 1, 3 StGB; der objektive Verstoß reicht) und daher gem § 134 BGB nichtig (BGHZ 115, 123 (124 ff.); 116, 268 (272 ff.); BGH NJW 1993, 2371 (2372); BGHZ 162, 187 (190 f.) (a); BGHZ 122, 115 (117 ff.); BGH NJW 1995, 2915 f. (b); OLG Jena MDR 2005, 1180 f. (Steuerberater)). Die Zession einer Gebührenforderung durch einen Rechtsanwalt an einen Kollegen ist jedoch zulässig (§ 49b IV BRAO). Die Zession einer Gehaltsforderung durch einen GmbH-Gesellschafter ist nicht ohne weiteres nichtig (BGH NJW 1995,
18
Schanbacher
896
19
20
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
2576 f.). Gelegentlich ist angenommen worden, die Zession von Darlehensrückerstattungsansprüchen durch eine Bank (etwa im Rahmen sog. Asset Backed Securities-Transaktionen) sei wegen des Bankgeheimnisses und eines damit verbundenen Abtretungsausschlusses unwirksam (OLG Frankfurt a.M. WM 2004, 1386 (1387 ff.); zweifelnd AnwKBGB/Eckardt, 2005, Anhang zu §§ 398-413 Rn. 27; ablehnend u.a. OLG Köln WM 2005, 2385 (2386 f.); Nobbe, WM 2005, 1537 ff.; Ganter, WM 2006, 1081 (1090) und nunmehr BGH NJW 2007, 2106 (2107); vgl. dazu Nobbe, ZIP 2008, 97 (100) und (krit.) Schwintowski/Schantz, NJW 2008, 472 (474 f.)). b) Sittenwidrigkeit und unangemessene Benachteiligung. Sicherungsvertrag und Sicherungszession können wegen anfänglicher Übersicherung sittenwidrig sein (BGHZ 137, 212 (223)). Eine anfängliche Übersicherung liegt vor, wenn bereits bei Vertragsschluss gewiss ist, dass der realisierbare Wert der zu stellenden Sicherheiten den Betrag der zu sichernden Kreditforderung im Verwertungsfall derart übersteigt, dass er zu dieser in einem auffälligen Missverhältnis steht (BGH WM 1998, 856 (857); LG Dessau WM 1999, 1711 (1712); KG, OLGReport 2004, 151; Ganter, WM 1999, 1741 (1742)). Es besteht die Neigung, sich hier am Maßstab des Doppelten zu orientieren und ein auffälliges Missverhältnis dann anzunehmen, wenn der Wert der Sicherheiten mehr als das Doppelte dessen beträgt, was das Sicherungsbedürfnis des Sicherungsnehmers erfordert (Lwowski, FS Schimansky 389 (391)). Dies würde dem Vorgehen in anderen Zusammenhängen (wucherähnliche Geschäfte, vgl. Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 27, 67; BGH WM 2001, 637 (638 ff.) u. ö. entsprechen und stände mit dem historischen Gedanken der laesio enormis in Einklang (skeptisch jedoch Ganter, WM 2001, 1, 3 ff.). Anderweitige Sicherheiten sind mit zu berücksichtigen. So besteht eine Übersicherung, wenn zur Sicherung eines Anschaffungskredits Lohnforderungen im Voraus abgetreten werden, obwohl auch die anzuschaffende Sache zur Sicherheit übereignet wird (OLG Frankfurt NJW 1986, 2712 (2713 f.); vgl. BGHZ 108, 98 (109)). Der allgemeine sicherungsrechtliche Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers (Rn. 4) kann eine anfängliche Übersicherung nicht abwenden. Denn er soll nach dem betreffenden Sicherungsvertrag gerade ausgeschlossen sein. Freigabeanspruch und Übersicherung (Ganter, WM 1999, 1741 (1742); WM 2001, 1; OLG Hamm WM 2002, 451 (454)) schließen einander aus. Ein späteres Auseinanderdriften von realisierbarem Wert der sicherungszedierten Forderungen und Betrag der zu sichernden Kreditforderung (nachträgliche Übersicherung) wird hingegen durch den allgemeinen sicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers, der schon vor vollständiger Erledigung des Sicherungszwecks einsetzt, soweit Sicherheiten endgültig nicht mehr benötigt werden (Rn. 4), aufgefangen (BGHZ 137, 212 (222)). Die formularmäßige Vorauszession (Rn 22 ff.) künftiger Lohn- und Gehaltsforderungen ist vom BGH besonderen Anforderungen hinsichtlich (a) der Transparenz und (b) der Vermeidung einer Übersicherung unterworfen worden. (a) Zweck und Umfang der Abtretung sowie die Voraussetzung der Verwertung müssen hinreichend deutlich bestimmt werden (BGHZ 108, 98 (104 ff.)). Ferner (b) muss einer sich im Laufe der Zeit verstärkenden Übersicherung durch eine betragsmäßige Begrenzung i. V. m. einer geeigneten Freigabeklausel begegnet werden (BGH ebd. 106 ff.). Die letztere Anforderung (b) dürfte durch die Entscheidung des Großen Senats in Zivilsachen, wonach die Wirksamkeit einer Globalzession nicht vom Vorhandensein einer ausdrücklichen Freigaberegelung und einer zahlenmäßig bestimmten Deckungsgrenze abhängt (BGHZ 137, 212 (218 ff.)), überholt sein (abw. Nobbe, FS Schimansky, S. 433 (440 f.): Begrenzung weiterhin erforderlich). c) Kollisionen. Wegen einer Unwirksamkeit der Sicherungszession aus Gründen der Kollision s. u. Rn. 30 ff.
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
897
IV. Einziehungsermächtigung. Der Sicherungsgeber wird vom Sicherungsnehmer, welcher Forderungsinhaber wird, zur Einziehung der Forderung ermächtigt. Grundlage der Einziehungsermächtigung sind § 185 I BGB und Gewohnheitsrecht. Deutsches Recht ist maßgeblich, wenn die betreffende Forderung deutschem Recht unterliegt. Nach Art. 33 II EGBGB entscheidet das Forderungsstatut (BGHZ 125, 196 (204 f.); Kropholler, IPR 494). Aus der Vereinbarung einer stillen Zession (Rn. 6) ergibt sich eine stillschweigende Einziehungsermächtigung (OLG Hamm, OLGReport 2006, 289 (290); Ganter, WM 1998, 2081 (2091)). Inhalt der Einziehungsermächtigung ist die Befugnis, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Mit einer stillen Zession verbindet sich die Befugnis, Leistung an sich selbst, mit einer offenen Zession die Befugnis, Leistung an den Zessionar zu fordern (BGH WM 1999, 219 (221); WM 1999, 1065 (1066); WM 2002, 649 (650)). Die vom Schuldner zu erhebenden Einwendungen bestimmen sich nach der Person des Zessionars (BGH NJW 1990, 2544 (2545)). Im Fall einer Globalzession (Rn. 29) braucht der Sicherungsgeber die eingezogenen Beträge nicht an den Sicherungsnehmer abzuführen (BGHZ 138, 291 (303)). Ist die Sicherungszession unwirksam (Rn. 11ff.), so ist es auch die Einziehungsermächtigung. Mit der Leistung des Schuldners an den Sicherungsgeber erlischt die Forderung (§ 362 I BGB). Bei Wirksamkeit der Sicherungszession und Unwirksamkeit der Einziehungsermächtigung erlischt die Forderung nicht nach §§ 362 II, 185 I BGB, jedoch ggf. analog §§ 407 ff. BGB (Pottschmidt/Rohr, Rn. 661). Der Sicherungsnehmer kann die Einziehungsermächtigung frei widerrufen oder abändern (BGHZ 82, 283 (290 f.); BGH WM 2006, 1018 (1019); a. A. Pottschmidt/Rohr, Rn. 662). Ansonsten erlischt sie mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungsgebers (BGHZ 144, 192 (199 f.); BGH WM 2004, 39 (40)). Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters läßt sie dagegen im allgemeinen noch unberührt (BGH WM 2004, 39 (40); WM 2006, 241 (242)). Die mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt verbundene Einziehungsermächtigung an den Vorbehaltskäufer deckt desweiteren eine Zession im Rahmen eines sog. echten Factoring – dies steht dem erlaubten Forderungseinzug gleich -, nicht hingegen eine Zession im Rahmen eines sog. unechten Factoring (BGHZ 82, 50 (58 ff.); 82, 283 (288); Einschränkungen bei Rimmelspacher, Kreditsicherungsrecht, Rn. 480 f.). Doch kann der Lieferant die Zession im Rahmen eines echten Factoring wirksam untersagen (BGHZ 82, 283 (290); Pottschmidt/ Rohr, Rn. 687, 690; a. A. Rimmelspacher, Rn. 480 (allg. nicht); Reinicke/Tiedtke, Rn. 963 (nicht in AGB)). Die mit einer Globalzession (Rn. 29) verbundene Einziehungsermächtigung an den Sicherungsgeber schließt eine Factoringzession nicht ein (BGHZ 75, 391 (397 f.); 82, 283 (288 f.); Rimmelspacher, Rn. 483; Pottschmidt/ Rohr, Rn. 691). Allgemein ist mangels verlässlichen Anhalts gegenüber einer ausdehnenden Auslegung der Einziehungsermächtigung aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen Zurückhaltung geboten (BGHZ 82, 283 (289)).
21
C. Besondere Erscheinungsformen
22
I. Vorauszession. 1. Begriff und Zulässigkeit. Vorauszession meint die Abtretung einer künftigen Forderung. Ihre Zulässigkeit steht heute außer Frage (s. Rimmelspacher, Rn. 406 ff.). 2. Wirksamkeit. a) Bestimmbarkeit. Statt wie sonst bei der Zession gegenwärtiger Forderungen auf die Bestimmtheit der abgetretenen Forderung (Rn. 11) kommt es bei der Vorauszession lediglich auf deren Bestimmbarkeit an. Eine Forderung ist bei der Zession als abgetretene bestimmbar, wenn sie bei ihrer Entstehung durch den Abtretungsvertrag als abgetretene (nach Schuldner, Schuldgrund und Inhalt) bestimmt ist. Sollte dies bei anderen Forderungen, auf welche sich die Zession auch noch erstreckt, nicht so sein, so
Schanbacher
23
898
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ist dies unschädlich (BGHZ 7, 364 (368 ff.); seitdem st. Rspr., s. u. a. BGHZ 108, 98 (105)). Erfordert die Feststellung der vorausabgetretenen Forderung im Einzelfall einen erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand, so ist dies unschädlich (BGHZ 70, 86 (90)). Der Entstehungszeitpunkt ist grundsätzlich maßgeblich. Ausnahmsweise kommt es auf einen späteren Zeitpunkt an. (a) Lässt sich ein Rohstofflieferant von einem Bauunternehmer im Voraus Werklohnforderungen in Höhe des Wertes der Rohstofflieferungen abtreten (Teilzession; s. dazu Rn. 28)), so kann es für die Bestimmtheit der abgetretenen Forderungen (auch dem Inhalt nach) nicht auf den Entstehungszeitpunkt (Werkvertragsabschluss) ankommen, vielmehr nur auf den Zeitpunkt der Bauausführung (Rimmelspacher, Rn. 416). (b) Lässt sich ein Vorbehaltsverkäufer vom Vorbehaltskäufer im voraus die Kaufpreisforderungen aus der Veräußerung von Vorbehaltsware abtreten (verlängerter Eigentumsvorbehalt), so kann es im Fall von Gattungskäufen für die Bestimmtheit der abgetretenen Forderungen (auch nach Schuldner und Inhalt) nicht auf den Entstehungszeitpunkt (Kaufvertragsabschluss) ankommen, vielmehr nur auf den Zeitpunkt der Konkretisierung (Rimmelspacher, Rn. 416 f.; Pottschmidt/Rohr, Rn. 645). 24
b) Entstehung der Forderung; Abtretbarkeit; Insolvenz des Sicherungsgebers; Mehrfachzession. Die Vorauszession wird wirksam, der Sicherungsnehmer erwirbt die abgetretene Forderung, sobald diese in der Hand des Sicherungsgebers entsteht. Der Erwerb vollzieht sich über den Sicherungsgeber (Durchgangserwerb; Gernhuber, 269 f.; str., a. A. u. a. Bülow, Rn. 1419 f.: Direkterwerb; offen BGH WM 2002, 1968 (1970)). Ein zwischenzeitlicher „Widerruf“ verhindert den Forderungserwerb nicht (Rimmelspacher, Rn. 420). Die Vorauszession scheitert dagegen, wenn die abgetretene Forderung (a) gar nicht entsteht (vielmehr eine andere: OLG Nürnberg EWiR 1998, 585 (Muth)) oder (b) zwar entsteht, jedoch nicht in der Hand des Sicherungsgebers, vielmehr in der Hand eines Dritten, wie im Fall der Vorauszession eines Auseinandersetzungsanspruchs durch einen Gesellschafter, der seine Beteiligung später an einen Dritten veräußert hat (BGHZ 88, 205 (208); 104, 351, 353 (354); BGH WM 1997, 1709 (1710)). Die Vorauszession scheitert weiter (c) im Fall eines wirksamen Abtretungsausschlusses (§ 399 Fall 2 BGB; vgl. jedoch § 354a HGB). Auch eine zwischenzeitliche Insolvenz des Sicherungsgebers (d) verhindert den Forderungsübergang auf den Sicherungsnehmer (Rn. 17). Dies ist darin begründet, dass die abgetretene Forderung zwangsläufig zunächst in der Hand des Sicherungsgebers entsteht (zögernd BGH NJW 1955, 544; a. A. Medicus, JuS 1967, 385 (388) – Wertung; Reinicke/Tiedtke, Rn. 798 – Interessenabwägung). Die Wirkung eines zwischen Vorauszession und Forderungsentstehung ergangenen allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 II Nr. 2 InsO) ist zweifelhaft. Da § 24 I InsO nur auf § 81 verweist, scheint der Forderungserwerb zu gelingen (BGHZ 135, 140, (144, 146 f.); abl. D.Eckardt, ZIP 1997, 957 ff.; a. A. HK-InsO-Kirchhof, § 24 Rn. 8). Die Wirkung einer Vorauszession von Mietund Pachtzinsforderungen ist u. a. in der Insolvenz des Sicherungsgebers begrenzt (s. § 110 I InsO; BGH WM 2005, 1371, 1372). Vorauszessionen über Ansprüche von Ärzten gegen kassenärztliche Vereinigungen sind nicht § 114 InsO zuzuordnen (Wegener/Köke, ZVI 2003, 382 ff.; ferner Sander, ZInsO 2003, 1129 ff. Gegen OLG Düsseldorf ebd. 1149 f.; a.A. Uhlenbruck, ZVI 2002, 49, 50 ff.
25
Die Vorauszession scheitert nicht an nachfolgenden Vorauszessionen (e). Es gilt das Prioritätsprinzip, wonach unter mehreren Vorauszessionen die frühere sich durchsetzt (§ 185 II 2 BGB; BGHZ 30, 149 (151 f.); 32, 361 (363); 104, 123 (128); 104, 351 (353); BGH WM 1999, 1216 (1217); Ganter, WM 1998, 2081 (2089); WM 1999, 1741 (1746)). Das Prioritätsprinzip knüpft an die Zession (Verfügung) an; die Entstehung der abgetretenen Forderung (Verfügungsobjekt) ist nicht Teil der Zession (Verfügung) (Schanbacher,
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
899
WM 2000, 268; a. A. Bülow, Rn. 1666, 1672; zu eng Neef, WM 2005, 2365 (2370)). In dieser Form entspricht es dem Prioritätsprinzip des klassischen römischen Rechts (Schanbacher, Gnomon 69 (1997) 136, 138 f.). § 161 BGB (Hennrichs, JZ 1993, 225 (228 ff.)) passt nicht. Das Prioritätsprinzip ist in seiner deutschrechtlichen Ausprägung allerdings nur maßgeblich, soweit deutsches Recht zur Anwendung kommt. Dies hängt nach Art. 33 II EGBGB vom Forderungsstatut ab (Rn. 8). In ausländischen Rechten begegnet das Prioritätsprinzip in abweichender Gestalt, im englischen Recht etwa mit einer grundsätzlichen Anknüpfung an die Reihenfolge der Abtretungsanzeigen (s. BGHZ 111, 376 (382); Stadler, IPRax 2000, 104 (109) Fn. 66). Das Prioritätsprinzip wird durch eine Forderungszuordnung nach § 392 II HGB verdrängt, indem eine frühere Zession gegenüber dem Kommittenten unwirksam, die spätere an ihn wirksam ist (BGHZ 104, 123 (126 ff.)). Die auf eine Forderungszuordnung gem. § 392 II HGB hinzielende Verwendung von Kommissionsklauseln im Sicherungsvertrag ist jedoch wirkungslos (Rn. 5). Fraglich ist die Wirkung einer nur in Grenzen möglichen, zumal nach § 829 III ZPO auf die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner angewiesenen (s. Brox/ Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl. 2004, Rn. 509) Vorauspfändung der Forderung (wie der -verpfändung), welche (a) der Vorauszession nachfolgt oder (b) ihr vorausgeht. Im einen wie im anderen Fall soll die Forderungspfändung unwirksam sein (zu (a) Reinicke/Tiedtke, Rn. 789 (mit arg. Direkterwerb), Rn. 930 (ohne); Ganter, WM 1999, 1741 (1746) (mit – schwankendem – arg. der verlorenen Verfügungsmacht); zu (b) Brox/ Walker, Rn. 615; vgl. differenzierend Palandt-Heinrichs, § 185 Rn. 12). Doch müsste in beiden Fällen auch die Pfändung wirksam werden. Für die Vorauszession ist die Wirksamkeit fraglos. Die Forderungspfändung wird analog § 185 II 1 Fall 2 BGB nicht weniger wirksam als die Pfändung einer sicherungszedierten Forderung beim Sicherungsgeber, wenn dieser sie nach Erledigung des Sicherungszwecks zurückerwirbt (Rn. 45). Der Erwerb der Forderung und des Pfändungspfandrechts erfolgen über den Zwischenerwerb des Sicherungsgebers. Die frühere Vorauszession (a) schließt den Erwerb des Pfändungspfandrechts nicht aus. Die ausschließliche Entstehung des früher begründeten Rechts wird vom Prioritätsprinzip nur für miteinander nicht in Einklang stehende Verfügungen vorgesehen (§ 185 II 2 BGB). Dazu gehören Zession und Pfändung nicht (a. A. Reinicke/ Tiedtke, Rn. 930). Einbrüche in die Vorauszession folgen u.a. auch aus §§ 566b, 1056 I, 2135 BGB (s. BGH WM 2005, 1371 (1372)). Eine Pfändung für einen Hypotheken- oder Grundschuldgläubiger setzt sich gegenüber einer Vorauszession nach § 1124 II BGB durch (BGH WM 2005, 1371 ff.). Auch vor der Gefahr, dass der Sicherungsgeber insolvent wird, ist die Vorauszession nicht sicher (Rn. 17, 24). Das Ergebnis stimmt zur Lösung des Falles einer Kollision von antizipierter Sicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht (BGH NJW 1992, 1156 f.).
26
(f) Verzögert sich die Erfassung der abgetretenen Forderung durch die Vorauszession (Rn. 23), so ordnet eine zwischenzeitliche anderweitige Zession die Forderung zunächst dem Zweitzessionar zu; hernach fällt sie an den Erstzessionar (Rimmelspacher, Rn. 417; a. A. Pottschmidt/Rohr, Rn. 645, 714 Fn. 122). Eine zwischenzeitliche Pfändung ist zunächst wirksam, wird aber hernach hinfällig (Rimmelspacher, a. a. O.; a. A. Pottschmidt/ Rohr, Rn. 645). Wird der Sicherungsgeber zwischenzeitlich insolvent, fällt die Forderung allerdings in die Insolvenzmasse (§ 35 InsO) und bleibt dort (§ 91 InsO), vgl. HK-InsOEickmann, § 91 Rn. 14.
27
II. Teilzession. Ihrem Gegenstand nach teilbare Forderungen wie insbesondere Geldforderungen können auch zu einem Teil abgetreten werden. Der abgetretene Forderungsteil muss bestimmt oder, im Fall der Vorauszession (Rn. 22 ff.), bestimmbar sein. Dies betrifft vor allem die Höhe des Forderungsteils. So kann die Anschlusszession bei einem ver-
28
Schanbacher
900
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
längerten Eigentumsvorbehalt sich der Höhe nach am Rechnungswert der Vorbehaltsware orientieren (BGH NJW 1987, 487 (490)). Eine Ausrichtung der Teilzession an der Höhe der jeweils bestehenden Kreditforderung ist dagegen unzulänglich (BGH, a. a. O.). Eine Abtretung gegenwärtiger und künftiger Werklohnforderungen an einen Baumaschinenvermieter ‚in Höhe der Mietforderungen‘ (wie im Fall BGH WM 2005, 378) ist unwirksam (Ganter, WM 2006, 1081 (1083)). Eine Teilzession kann als solche ausgeschlossen werden (§ 399 Fall 2 BGB) oder von einer Zustimmung des Schuldners abhängig gemacht werden (BGHZ 56, 173 (175)). Die durch die Teilzession entstehenden Forderungsteile haben gleichen Rang, sofern Zedent und Zessionar nichts anderes festlegen (BGHZ 46, 242 (243 ff.); BGH NJW 1983, 1902 (1903); 1903 (1905); NJW 1991, 2629 (2630)). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Abtretungsvertrags (Rn. 8 ff.) zu ermitteln, die gewiss auch den Sicherungsvertrag (Rn. 2 ff.) zu berücksichtigen hat. Doch folgt allein aus dem Sicherungscharakter der Teilzession noch nicht ein Vorrang des abgetretenen Forderungsteils (BGH NJW 1991, 2629 (2630)). Der alte Erfahrungssatz Nemo subrogat contra se (vgl. § 774 I 2 BGB u. ö.) legt Zurückhaltung nahe. Die in einer Teilzession getroffene Vorrangabrede muss allerdings gegenüber einer zuvor mit einem anderen Teilzessionar getroffenen Vorrangsabrede wirkungslos sein. Der Rang der Forderungsteile beeinflusst (a) den Ansatz von Gegenrechten und (b) die Anrechnung von beim Sicherungsgeber eingehenden Zahlungen des Schuldners. In ersterer Hinsicht (a) bedeutet Gleichrang den verhältnismäßigen Ansatz, Vorrang den nachrangigen Ansatz, Nachrang den vorrangigen Ansatz. In letzterer Hinsicht (b) bedeutet Gleichrang die verhältnismäßige Tilgung der Forderungsteile durch die beim Sicherungsgeber eingehenden Beträge, Vorrang vorrangige Tilgung, Nachrang nachrangige Tilgung; eine Leistungszweckbestimmung des Schuldners kann etwas anderes vorsehen. Insofern (b) kann eine Vorrangstellung für den Sicherungsnehmer auch nachteilig sein (OLG Karlsruhe ZIP 1984, 609 (610 f.) und BGH NJW 1991, 2629 f.). 29
III. Globalzession. Globalzession meint die Zusammenfassung von Abtretungen einer Mehr- oder Vielzahl gegenwärtiger oder künftiger Forderungen des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. Dass es sich dabei etwa um sämtliche Forderungen des Sicherungsgebers gegen seine Kunden handelt, ist nicht nötig (BGH WM 1999, 1216 (1218); vgl. etwa BGH WM 2004, 1837 (gegenwärtige und künftige Kaufpreisforderungen aus Immobilienverkäufen)). Der Ausdruck ist missverständlich. Es handelt sich um so viele Abtretungen als Forderungen betroffen sind. Die Globalzession führt zu einer umfänglichen Sicherung des Sicherungsnehmers, beinhaltet jedoch auch erhebliche Risiken. Sie muss etwa den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügen (Rn. 11, 23), eine Übersicherung vermeiden (Rn. 19); sie muss weiter einer Kollision mit verlängerten Eigentumsvorbehalten und verlängerten Sicherungsübereignungen ausweichen (Rn. 30 ff.). Auch besteht die Gefahr, dass sie mit Forderungen, die innerhalb der letzten drei Monate vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungsgebers entstanden oder werthaltig gworden sind, nach § 130 I 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist (BGH WM 2008, 204 (205 ff.) mit Anm. Schönfelder, WuB VI A. § 130 InsO 2.08; BGH, Beschluss vom 17.1.2008, IX ZR 134/07: grundsätzlich keine Anfechtbarkeit nach § 131 InsO). Eine Globalzession ist grundsätzlich (Rn. 20) auch in AGB möglich (BGHZ 130, 115; vgl. OLG Frankfurt a. M. WM 2005, 2134, 2135 ff. (Handelsvertreterausgleichsanspruch)).
30
D. Kollisionen I. Globalzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt. 1. Auflösung der Kollision. Trifft eine Globalzession zugunsten einer Bank (oder zugunsten eines anderen Siche-
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
901
rungsnehmers, s. u. Rn. 31 a. E.) mit einer Anschlusszession in einem verlängerten Eigentumsvorbehalt zugunsten eines Warenlieferanten zusammen, so weist das Prioritätsprinzip die Forderung dem Erstzessionar zu (Rn. 25). Dies ist meistens die Bank. Die Zuweisung der Forderung an den Erstzessionar ist jedoch nur dann entscheidend, wenn die Erstzession auch wirksam ist (BGHZ 104, 123 (128)). Die meist frühere Globalzession an die Bank unterfällt den vom BGH entwickelten Regeln der sog. Vertragsbruchstheorie. Mit der Globalzession an die Bank verbindet sich der Vorwurf, den Zedenten gegenüber den Lieferanten zu Täuschung und Vertragsbruch zu veranlassen. Die Globalzession ist daher i. d. R. sittenwidrig und nichtig (§ 138 I BGB), soweit sie auch Forderungen umfassen soll, die der Zedent seinen Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts abtreten muss und abtritt. Nicht sittenwidrig ist eine Globalzession nur, wenn es aufgrund besonderer Umstände in Ausnahmefällen an einer verwerflichen Gesinnung der Bank fehlt, so wenn sie nach den Umständen, etwa wegen der Unüblichkeit verlängerter Eigentumsvorbehalte in der betreffenden Branche, eine Kollision für ausgeschlossen halten durfte (BGH WM 1999, 126 (127); WM 1999, 1215 (1217 f.)). Je weniger Forderungen eine Globalzession umfasst, desto weniger Bedenken wegen einer späteren Kollision mit verlängerten Eigentumsvorbehalten muss ein Zessionar haben (BGHZ 32, 361 (366 f.)). Abgesehen davon wird eine Sittenwidrigkeit der Globalzession von vornherein dadurch vermieden, dass ein Vorrang des verlängerten Eigentumsvorbehalts in jedem Fall und mit dinglicher Wirkung vorgesehen wird (BGH WM 1999, 126 (127); WM 1999, 1216 (1218)). Dies geschieht durch eine dingliche Teilverzichtsklausel, wie etwa die folgende: „Falls an die Bank eine Forderung abgetreten wird, die von einem Lieferanten des Sicherungsgebers aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts gegenwärtig oder künftig berechtigterweise in Anspruch genommen werden kann, soll die Abtretung erst mit dem Erlöschen des verlängerten Eigentumsvorbehalts wirksam werden. Soweit die Forderung einem Lieferanten nur teilweise zusteht, ist die Abtretung an die Bank zunächst auf den Forderungsteil beschränkt, der dem Lieferanten nicht mehr zusteht; der Restteil wird auf die Bank erst übergehen, wenn er durch den verlängerten Eigentumsvorbehalt nicht mehr erfasst wird“ (Pottschmidt/Rohr, Rn. 681; oder s. etwa die Formulierung bei Erdmann in Heidel/Pauly/Amend, AnwaltFormulare 5. Aufl., 2006, 7.115). Eine solche Klausel stellt die Globalzession hinsichtlich der angesprochenen Forderungen unter die aufschiebende Bedingung des „Erlöschens des Eigentumsvorbehalts“, womit die Tilgung der Lieferantenforderung gemeint ist. Mit Bedingungseintritt erwirbt die Bank die angesprochene Forderung. Verpflichtungen gegenüber den Lieferanten werden dadurch nicht übernommen (BGH NJW 1979, 1704 (1705)). Eine Abtretung des Rückgewähranspruchs gegen den Lieferanten oder des Anwartschaftsrechts aus auflösend bedingter Anschlusszession (Pottschmidt/ Rohr, Rn. 657; vgl. BGH WM 2002, 1343 (1344)) erübrigt sich daneben. Eine Beschränkung des Teilverzichts auf branchenübliche verlängerte Eigentumsvorbehalte ist legitim (BGH NJW 1987, 487 (490)). Nicht ausreichend ist eine Teilverzichtsklausel, die den Vorrang des verlängerten Eigentumsvorbehalts zwar mit dinglicher Wirkung, jedoch nicht in jedem Fall vorsieht, ihn etwa von einem bestimmten Verhalten des Zedenten abhängig macht (wie der fortlaufenden Kennzeichnung als „nicht von der Abtretung erfasst“ in den Offene-Posten-Listen (BGH WM 1999, 126 (127)). Nicht ausreichend ist eine schuldrechtliche Teilverzichtsklausel. Es führt auch nicht weiter, ersatzweise einen Forderungsübergang mit Einreichung von Bestandslisten o. ä. vorzusehen oder dem Lieferanten nochmals nachrangig die bereits globalzedierten Forderungen abzutreten (wie im Fall OLG Köln ZInsO 2002, 633 geschehen). Bemerkenswert ist, dass das Sittenwidrigkeitsurteil und damit die Nichtigkeit der Globalzession davon abhängt, dass die Kollision eintritt (vgl. etwa BGH WM 2005, 378 ff.;
Schanbacher
31
902
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
BGH WM 2006, 241 (242); s. Glöckner, DZWiR 2000, 70 ff. (zu BGH WM 1999, 1216). Das bedeutet: Eine Globalzession ist angesichts branchenüblicher verlängerter Eigentumsvorbehalte auch ohne hinreichende dingliche Teilverzichtsklausel nicht unwirksam, soweit sie Forderungen umfasst, die der Sicherungsgeber dann doch nicht im Wege verlängerten Eigentumsvorbehalts abtritt. Doch ist dies unsicher, und es empfiehlt sich allemal, durch eine den Anforderungen genügende Teilverzichtsklausel vorzusorgen. Ein Zustimmungsvorbehalt (§ 399 Fall 2 BGB) soll die Anwendung der Regeln der Vertragsbruchstheorie allerdings nicht hindern (BGH NJW 1971, 372 (373 f.)). Nach den vorstehenden Regeln verfährt der BGH auch dann, wenn Empfänger der Globalzession ein Warenlieferant ist (BGH WM 1999, 1216 (1218)). 32
Die besondere Schutzwürdigkeit der Lieferanten ist bezweifelt, ihre Bevorzugung gegenüber den Banken durch die Regeln der Vertragsbruchstheorie kritisiert worden (Baur/ Stürner, § 59 B V, S. 765 f.; Reinicke/Tiedtke, Rn. 954; Medicus, Bürgerliches Recht, 21. Aufl. 2007, Rn. 525, 527). Doch wird durch sie der alte Gedanke verwirklicht, „dass“ unter mehreren Sicherungsnehmern „derjenige vorgehen soll, dessen Geld in der Sache steckt“ (Windscheid/Kipp, Lb. d. Pandektenrechts I, 9. Aufl. 1906 Neudruck 1984, 1240 Fn. 6; Anklang in BGH WM 2005, 378 (379) (weitere Sicherung des in der Sache verkörperten Wertes; besonderes Schutzbedürfnis) und bei Ganter, WM 2006, 1081 (1084) (Werkleistung unter Zuhilfenahme der gemieteten Sache)). Auf dieser Linie liegt auch die Rspr. des frz. Kassationsgerichtshofs, der im Fall der Kollision von Eigentumsvorbehalt und Abtretung der Kaufpreisforderung aus dem Weiterverkauf gem. der Loi Dailly an eine Bank mit dem Argument einer dinglichen Surrogation (subrogation réelle) dem Lieferanten den Vorzug gibt (s. Blaise/Desgorces, in Hadding/ Schneider, Die Forderungsabtretung, insbes. zur Kreditsicherung, in ausländischen Rechtsordnungen (1999), S. 245, 290).
33
Die Beurteilung der Mehrfachabtretung nach deutschem Recht und der Einsatz der Regeln der Vertragsbruchstheorie setzen voraus, dass die abgetretene Forderung deutschem Recht unterliegt; maßgeblich ist gem. Art. 33 II EGBGB das Forderungsstatut (BGH WM 1999, 126 f.; Kropholler, IPR 493; abw. Stadler, IPRax 2000, 104 (109) (für nur hilfsweise Anwendung des Forderungsstatuts)).
34
2. Bereicherungsausgleich. Leistet der Schuldner nach einer nichtigen Globalzession an die Bank, so steht dem Lieferanten, ist die Leistung etwa analog §§ 407, 408 BGB oder nach § 185 II 1 Fall 1 BGB wirksam, gegen die Bank aus § 816 II BGB ein Anspruch auf Herausgabe des Geleisteten zu (nicht hingegen dem Doppelzedenten (vgl. jedoch OLG Köln ZInsO 2002, 633 ff.)). In Fällen mit Auslandsberührung steht die Anwendung deutschen Bereicherungsrechts (§ 816 II BGB) in Frage. Sie hängt davon ab, dass die forderungsentziehende Leistung im Inland erfolgt ist. Die Eingriffskondiktion richtet sich gem. Art. 38 II EGBGB nach dem Recht der Staates, in dem der Eingriff erfolgt ist (zu den Unsicherheiten bei der Bestimmung des Eingriffsortes AnwK-BGB/Huber 2005, Art. 38 EGBGB Rn. 19). Eine Orientierung des Bereicherungsausgleichs am Forderungsstatut (so noch BGH WM 1999, 126) ist unter der Geltung der Artt. 38 ff. EGBGB nurmehr möglich, wenn man die Ausweichklausel des Art. 41 anwendet (Stadler, IPRax 2000, 104 (110); Palandt-Heldrich, EGBGB Art. 38 Rn. 3). Der Anspruch hängt an sich davon ab, dass an die Bank geleistet worden ist. Eine Zahlung des Schuldners auf ein vom Sicherungsgeber bei der Bank geführtes Konto ist an sich eine Leistung an den Sicherungsgeber, nicht an die Bank, welche nur Zahlstelle ist (BGHZ 72, 316 (318 ff.)). Zwar kommen die Zahlungen der Bank zugute, indem sie den Schuldsaldo des Sicherungsgebers verringern. Gleichwohl ist die Bank nicht ohne Weiteres dem Anspruch des Lieferanten aus § 816 II BGB ausgesetzt (BGHZ 72, 316 (320 f.); OLG Düsseldorf WM 1992, 859 (861);
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
903
a. A. anscheinend Bülow, Rn. 1663). Die Zahlungen gelten aber als Leistungen an die Bank (Fiktion), wenn die Bank ihre Zahlstellenfunktion treuwidrig ausnutzt, um sich auf Kosten anderer Gläubiger, wie der Lieferanten, Vorteile zu verschaffen (OLG Brandenburg WM 1999, 267 (269)). Dies ist bejaht worden (a) in Fällen der sog. Zahlstellenklausel, durch welche die Bank ihren Kunden verpflichtete, Zahlungen seiner Abnehmer ausschließlich über ein bei ihr geführtes Konto einzuziehen (BGHZ 72, 316 (320 ff.) (mit Häufung von Analogie und Fiktion); OLG Frankfurt WM 1981, 972 (973 f.); PalandtGrüneberg, § 398 Rn. 25). Bedenklich (Peters/Lwowski, WM 1999, 258 (262)) sind – als Alternativen – Fiktion und Analogie nicht; auf die eine oder andere Weise ist einer Umgehung von § 816 II BGB entgegenzuwirken. Schadensersatzrechtliche Möglichkeiten (§ 826 BGB (Peters/Lwowski, WM 1999, 258, 262 (265))) ändern nichts an der bereicherungsrechtlichen Gesetzeslücke. Inzwischen wird die Zahlstellenklausel im Kreditwesen nicht mehr verwendet (Peters/Lwowski, ebd. 261). Doch kann treuwidriges Ausnutzen der Zahlstellenfunktion, um sich auf Kosten anderer Gläubiger Vorteile zu verschaffen, auch sonst vorkommen. Es kann etwa (b) darin bestehen, dass die Bank ihren Kunden durch Druck veranlasst, sie anzuweisen, eingehende Beträge einem bei ihr geführten Konto gutzuschreiben (OLG Brandenburg WM 1999, 267 (270)), ferner (c) darin, dass die Bank durch Druck und Drängen den Kunden veranlasst, Lastschriften des Vorbehaltslieferanten zu widerrufen (so im Fall von BGH WM 2001, 1458). In all diesen Fällen verlässt die Bank ihre Rolle als Zahlstelle, um sie mit der Rolle der sicherungsbestrebten Gläubigerin zu vertauschen. Als solche veranlasst sie ihren Kunden zu den sein bei ihr geführtes Konto berührenden Dispositionen: zum Einzug der Weiterverkaufsforderungen über das Konto (a), zu der Weisung, gewisse eingehende Beträge dem Konto gutzuschreiben (b), zum Widerruf von Lastschriften (c). Als solche, nämlich als sicherungsbestrebte Gläubigerin muss sie sich daher auch behandeln lassen. Die auf dem Konto eingehenden Beträge müssen dann als Leistungen an die Bank gelten (Fiktion). Dieses Verfahren findet seine Grundlage im Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB). Dieser Gedanke führt die genannten Fälle (a) – (c) in die Fiktion, andere hingegen nicht. So wird (d) die Entgegennahme der Globalzession allein (vgl. OLG Brandenburg WM 1999, 267 (269 f.)) noch keine Bindung im Sinne dieses Satzes auslösen können; hier wirkt die konkurrierende Zahlstellentätigkeit der Bank gewissermaßen „neutralisierend“. Auch wird „bewusstes Unterlaufen“, „unredliches Verhalten“ (vgl. OLG Brandenburg ebd. 270) nicht zu fordern sein (Schanbacher, WuB I B4.-2.01). II. Globalzession und verlängerte Sicherungsübereignung. Die Globalzession zugunsten einer Bank ist vom BGH auch im Hinblick auf eine verlängerte Sicherungsübereignung den Regeln der Vertragsbruchstheorie unterworfen worden (BGH WM 1999, 126 f.). Mit der Globalzession verbindet sich hier der Vorwurf, den Zedenten zu Täuschung und Vertragsbruch gegenüber dem Sicherungseigentümer zu veranlassen. Die Globalzession zugunsten der Bank ist daher i. d. R. sittenwidrig und nichtig (§ 138 I BGB), soweit sie auch Forderungen umfassen soll, die der Zedent an Sicherungseigentümer im Wege einer verlängerten Sicherungsübereignung abtreten muss und abtritt. Die Globalzession ist nicht sittenwidrig, wenn es an einer verwerflichen Gesinnung der Bank fehlt, so wenn sie eine verlängerte Sicherungsübereignung für ausgeschlossen halten durfte (vgl. Schanbacher, WuB I F4.-1.99). Abgesehen davon wird eine Sittenwidrigkeit der Globalzession von vornherein dadurch vermieden, dass ein Vorrang der verlängerten Sicherungsübereignung in jedem Fall und mit dinglicher Wirkung vorgesehen wird (vgl. BGH a. a. O., der insofern allerdings verlängerte Eigentumsvorbehalte in Betracht zieht, auf welche es, da sie nicht zum Tragen kommen, auch nicht ankommt). Zwar kann die Globalzession hinsichtlich einer Forderung nur entweder mit einem verlängerten Eigen-
Schanbacher
35
904
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
tumsvorbehalt oder mit einer verlängerten Sicherungsübereignung kollidieren. Da man jedoch nicht weiß, welche der möglichen Kollisionen eintreten wird, kann es sich empfehlen, durch eine doppelte Teilverzichtsklausel Vorsorge zu treffen. 36
37
III. Grenzen der Vertragsbruchstheorie. Die Globalzession unterliegt den Regeln der Vertragsbruchstheorie nicht im Hinblick auf eine andere nach Art und Umfang gleichartige Globalzession (BGH WM 2005, 378 (380); s.a. Pottschmidt/ Rohr, Rn. 684), zumal nicht im Hinblick auf eine Globalzession (gegenwärtiger und künftiger Werklohnforderungen) an einen Baumaschinenvermieter (BGH WM 2005, 378 (379 f.)). Es fehlt an einer vergleichbaren Zwangslage; der Vermieter riskiert anders als ein Vorbehaltseigentümer nicht den Verlust der Sache selbst, vielmehr lediglich den Verlust der Nutzung (BGH a.a.O., z.T. zweifelnd Ganter, WM 2006, 1081 (1083 f.)). IV. Factoringzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt. Die Globalzession zugunsten eines Factoringunternehmens wird vom BGH nicht nach den Regeln der Vertragsbruchstheorie beurteilt, wenn es sich (a) um eine Zession im Rahmen eines sog. echten Factoring handelt, bei dem der Factor das Risiko der Uneinbringlichkeit der abgetretenen Forderungen übernimmt. Das echte Factoring ist ein Forderungskauf, der durch die Zession erfüllt wird (BGHZ 69, 254 (257 ff.); 100, 353 (358 f.); zustimmend Rimmelspacher, Rn. 473 ff.; ablehnend und für die Anwendung der Vertragsbruchstheorie Pottschmidt/Rohr, Rn. 690). Die frühere Factoringzession setzt sich daher nach dem Prioritätsprinzip (Rn. 25) gegen den späteren verlängerten Eigentumsvorbehalt durch. Jedoch kann dem Factor die Berufung auf den zeitlichen Vorsprung seiner Zession nach Treu und Glauben verwehrt sein (§ 242 BGB), so wenn er gebotene Schutzmaßnahmen zugunsten der Vorbehaltslieferanten unterlassen hat oder gar aktiv an einer Vereitelung der Befriedigung der Lieferantenforderungen mitgewirkt hat (BGHZ 100, 353 (360 ff.); krit. Gernhuber, S. 276). Handelt es sich hingegen um eine Zession im Rahmen eines sog. unechten Factoring, bei dem der Factor das Risiko der Uneinbringlichkeit der abgetretenen Forderungen nicht übernimmt, kommen jene Regeln zum Zug. Denn dieses ist ein Kreditgeschäft, die Zession eine Sicherungszession (BGHZ 82, 50, 61 (64 ff.); 100, 353 (358); abw. Rimmelspacher, Rn. 479). Zum Inhalt der mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt verbundenen Einziehungsermächtigung im Hinblick auf das Factoring s.o. Rn. 21. Das unechte Factoring kommt heute kaum noch vor (Reinicke/Tiedtke, Rn. 972).
38
V. Factoringzession und Globalzession. Weder Globalzession noch Factoringzession unterliegen in gegenseitiger Hinsicht den Regeln der Vertragsbruchstheorie. Die Forderung wird durch das Prioritätsprinzip dem Erstzessionar zugeordnet (Rimmelspacher, Rn. 482 f.; Pottschmidt/Rohr, Rn. 691).
39
VI. Diskontgeschäft und verlängerter Eigentumsvorbehalt. Die Gefährdung verlängerter Eigentumsvorbehalte mittels Diskontierung von Kundenwechseln durch die Bank wird von der Rspr. nicht unter dem Gesichtspunkt der Vertragsbruchstheorie gesehen (BGH NJW 1979, 1704 f.; wegen der Üblichkeit einer Vorausübertragung der Wechsel – Erlösklausel – und der etwaigen wechselrechtlichen Rückgriffshaftung des Sicherungsgebers ablehnend Pottschmidt/Rohr, Rn. 684; vgl. auch Rimmelspacher, Rn. 458).
40
E. Verwertung Der Sicherungsnehmer ist durch die Zession Inhaber der abgetretenen Forderung geworden. Dem Sicherungsgeber gegenüber ist er nach dem Sicherungsvertrag (Rn. 2 ff.) zur Verwertung der Forderung befugt, sobald der Sicherungsfall eingetreten ist (Verwertungsreife). Eine Verpflichtung zur Verwertung besteht grundsätzlich nicht. Der Sicherungsfall tritt ein mit der Fälligkeit der Kreditforderung oder dem Eintritt des Zahlungsverzugs (dafür RGZ 142, 139 (141); BGHZ 108, 98 (106) (naheliegend); Kothe, ZIP 1988,
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
905
1225 (1237); Bülow, ZIP 1999, 985 (987)), immer aber mit der Insolvenz des Kreditnehmers; die Kreditforderung gilt dann als fällig (§ 41 I InsO). Der Sicherungsnehmer einer Globalzession (o. Rn. 29) hat bei Eintritt des Sicherungsfalles gegen den Sicherungsgeber Anspruch auf Unterlassung der Einziehung der abgetretenen Forderung (OLG Brandenburg MDR 2005, 950). Ob die Verwertung dem Sicherungsgeber zuvor anzudrohen ist (so Pottschmidt/Rohr, Rn. 705), ist in dieser Allgemeinheit fraglich und eher vom Einzelfall abhängig. Nr. 21 V der AGB-Sparkassen 2002 machen die Verwertung von Fälligkeit, Mahnung, Nachfristablauf und Verwertungsandrohung abhängig. Die Verwertung der abgetretenen Forderung ist auf den Betrag der fälligen oder in Verzug stehenden Kreditforderung beschränkt. Sie erfolgt durch Einziehung, ansonsten durch Verkauf oder auch durch Übernahme der Forderung durch den Sicherungsnehmer (vgl. jedoch §§ 1273 II, 1229, 1259 BGB und – zurückhaltend – Bülow, Recht der Kreditsicherheiten Rn. 1228), ferner durch Pfändung. Den Sicherungsnehmer trifft die Pflicht, das Interesse des Sicherungsgebers soweit zumutbar zu wahren. Dies kann bedeuten, dass eine Forderung schon vor Eintritt des Sicherungsfalles einzuziehen ist, so wenn sie zu verjähren droht (Pottschmidt/Rohr, Rn .702). Im Fall des Zahlungsverzugs des Schuldners erwächst dem Sicherungsnehmer ein Verzugsschadensersatzanspruch aus § 280 I, II i. V. m. § 286 BGB. Einen Verzugsschaden, der nicht beim Sicherungsnehmer, sondern beim Sicherungsgeber entstanden ist (Schmälerung des an den Sicherungsgeber auszukehrenden Übererlöses; Zinsschaden), macht der Sicherungsnehmer im Wege der Drittschadensliquidation geltend (BGHZ 128, 371 (376 ff.); BGH WM 1997, 2171 (2172); BGH WM 2006, 1104 f.). Soweit der Verwertungserlös reicht, erlischt die Kreditforderung; soweit er die Kreditforderung übersteigt, ist er an den Sicherungsgeber herauszugeben (BGHZ 128, 371 (374)). Abzusetzen ist die Umsatzsteuer, die der Sicherungsnehmer nunmehr gem. § 13c UStG n.F. für den Sicherungsgeber entrichtet (s.o. Rn. 4 a.E.). In der Insolvenz des Sicherungsgebers hat der Sicherungsnehmer ein Absonderungsrecht (Rn. 5). Der Insolvenzverwalter kann die abgetretene Forderung einziehen oder sonstwie verwerten (§ 166 II InsO); s. KG ZIP 2001, 2012 (2013); OLG Frankfurt a.M., InVo 2005, 404 f.; BGH WM 2006, 241 f. (sofern sie noch besteht; vgl. § 378 BGB); BGH WM 2006, 816 (817 f.) (zu § 96 I Nr. 3 InsO). Der Sicherungsnehmer erhält anschließend den Verwertungserlös abzüglich der Feststellungs- und Verwertungskosten (§§ 170 I, 171 InsO; s. Ganter, WM 2006, 1081 f.; vgl. OLG Frankfurt a.M., WM 2005, 2134 (2135)). Treuhänderisches Halten der Sicherheit für andere einem ‚Sicherheitenpool‘ angehörige Gläubiger begründet für diese kein Recht auf abgesonderte Befriedigung (BGH WM 2005, 1790 (1791 f.) im Hinblick auf § 130 I 1 Nr. 2 InsO; s. Ganter, WM 2006, 1081 (1087 f.)). Wie bisher aufgrund der Einziehungsermächtigung (Rn. 21) der Sicherungsgeber, so kann im Eröffnungsverfahren auch der vorläufige Insolvenzverwalter (§ 21 II Nr. 1 InsO) die abgetretene Forderung einziehen; zur Verwertung soll er jedoch grundsätzlich nicht befugt sein (BGH WM 2003, 694 (696 f.); BGH WM 2004, 39 (40); HKInsO-Kirchhof, § 22 Rn. 13). Die Rechte des Sicherungsnehmers können gegen seinen Willen durch den Insolvenzplan oder im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren beschränkt werden (s. Obermüller, WM 1998, 483 ff.). Der Sicherungsnehmer muss dem Sicherungsgeber über die Verwertung Rechenschaft ablegen (§ 666 i. V. m. § 259 BGB). In der Insolvenz des Sicherungsgebers ist umgekehrt der Insolvenzverwalter dem Sicherungsnehmer rechenschaftspflichtig (s. Lwowski/Heyn, WM 1998, 473 (475); Ganter, WM 1999, 1741 (1742)). Besteht die sicherungszedierte Forderung in Wirklichkeit nicht und zahlt der vermeintliche Schuldner an den Sicherungsnehmer, so erwächst ihm daraus (1) ein Bereicherungsanspruch gegen den Sicherungsnehmer (Tiedtke, WM 1999, 517 (519 ff.); Reinicke/
Schanbacher
41
42
43
44
906
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Tiedtke, Rn. 826 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 685a; entspr. BFH für den öffentlichrechtlichen Bereicherungsanspruch aus § 37 AO (BFH, BStBl 1998 II 499, 500)). Nach Auffassung des BGH (2) soll dem „Schuldner“ hingegen grundsätzlich ein Bereicherungsanspruch gegen den Sicherungsgeber zustehen (BGHZ 105, 365 (368 ff.); 122, 46 (50 ff.); BGH WM 1997, 13 (17); auch so Bülow, Recht der Kreditsicherheiten Rn. 1380). Nach (2) behält der Sicherungsnehmer den eingezogenen Betrag. Das Risiko der Insolvenz des Sicherungsgebers wird vom Sicherungsnehmer auf den zahlenden „Schuldner“ verschoben. Dies erscheint als bedenklich. Die Annahme eines Bereicherungsanspruchs des „Schuldners“ gegen den Sicherungsgeber entfernt sich auch von den bereicherungsrechtlichen Maßgaben. Der „Schuldner“ zahlt auf die angebliche sicherungszedierte Forderung und leistet damit an den Sicherungsnehmer. Zahlt der Drittschuldner nach Pfändung und Überweisung einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Forderung an den Vollstreckungsgläubiger, so kondiziert er den gezahlten Betrag auch bei diesem (BGH WM 2002, 1545 f.). Sollte der Vertrag als solcher den Rechtsgrund darstellen (so erneut BGH WM 2005, 759 (760): „sachlicher Grund“ für die grundsätzliche Leistungskondiktion gegen den Zedenten; der Rspr. zustimmend AnwK-BGB/v.Sachsen Gessaphe, 2005, § 812 Rn. 160), so läge dieser vor und die Leistungskondiktion gegen den Zedenten wäre gerade nicht begründet. 45
F. Erledigung Mit der Tilgung der Kreditforderung, mit der ersatzweisen Stellung einer anderen Sicherheit oder mit der Befriedigung des Sicherungsnehmers durch Verwertung anderer Sicherheiten erledigt sich der Sicherungszweck. Der Sicherungsnehmer ist in diesem Fall (a) nach dem Sicherungsvertrag verpflichtet, die abgetretene Forderung an den Sicherungsgeber zurückabzutreten. Der Rückabtretungsanspruch besteht seit Abschluss des Sicherungsvertrages, nur ist er durch die Erledigung des Sicherungszwecks aufschiebend bedingt (Bülow, Rn. 1169, 1251). An den Vollzug der Rückabtretung werden von der Rspr. keine hohen Anforderungen gestellt (BGH WM 1986, 670). Es kann genügen, dass die Abtretung den Zwecken und Absichten der Beteiligten entspricht (BGH NJW 1986, 977; OLG Celle, OLGReport 2004, 445 (446)). Lebt die Kreditforderung infolge einer Anfechtung der Forderungstilgung wieder auf (§ 12 AnfG; § 144 I InsO), kann der Gläubiger Neuabtretung der zuvor rückabgetretenen Forderung verlangen (s. OLG Frankfurt a.M., NZI 2004, 267 f. (‚Wiederaufleben‘); Ganter, WM 2006, 1081 (1085 f.)). (b) Im Fall der durch Erledigung des Sicherungszwecks auflösend bedingten Sicherungszession (Rn. 10) fällt die abgetretene Forderung von selbst wieder an den Sicherungsgeber zurück. Etwaige Zwischenverfügungen des Sicherungsnehmers, desweiteren Pfändungen beim Sicherungsnehmer werden wirkungslos (§ 161 II BGB). Mit dem Rückerwerb der Forderung auf dem einen oder anderen Wege werden zwischenzeitliche Verfügungen des Sicherungsgebers über die Forderung wirksam (§ 185 II 1 Fall 2 BGB). Eine vor dem Rückerwerb erfolgte Pfändung beim Sicherungsgeber soll hingegen unwirksam bleiben (BGHZ 56, 339 (350 f.); 100, 36 (42 f.); BGH WM 2002, 279 (281)). Dies wird in der Rechtslehre jedoch anders gesehen. Nicht anders als im Fall der Rückübereignung von Sicherungsgut an den Sicherungsgeber nach Wegfall des Sicherungszwecks gem. § 929 Satz 2 BGB eine zuvor beim Sicherungsgeber erfolgte Sachpfändung analog § 185 II 1 Fall 2 BGB wirksam wird, sollte auch im Fall einer Rückabtretung oder eines Rückfalls der sicherungszedierten Forderung eine zuvor beim Sicherungsgeber erfolgte Forderungspfändung wirksam werden (Reinicke/Tiedtke, Rn. 834). Die zwischenzeitliche Insolvenz des Schuldners hindert eine Aufrechnung des Sicherungsgebers mit der zurückerworbenen Forderung (trotz § 96 I Nr. 2 InsO) nicht (Kesseler, ZInsO 2001, 148 ff.; ders., NJW 2003, 2211, 2212 f. str.).
Schanbacher
§ 28 Sicherungszession
907
Der Sicherungsgeber kann seine im Hinblick auf die Erledigung des Sicherungszwecks bestehende Rechtsstellung (Rückabtretungsanspruch (a), sein Anwartschaftsrecht aus auflösend bedingter Sicherungszession (b)) als Unterlage für einen weiteren Kredit (Anschlusskredit) verwenden. Der Erwerb des Rückabtretungsanspruchs (a) durch einen weiteren Sicherungsnehmer wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Sicherungsgeber nach der Zession insolvent wird. § 91 InsO (kein Rechtserwerb nach Verfahrenseröffnung) steht nicht entgegen. Denn der Rechtserwerb hat schon stattgefunden. Der Rückabtretungsanspruch besteht durch die Erledigung des Sicherungszwecks aufschiebend bedingt schon seit Abschluss des Sicherungsvertrages (Rn. 45). Auch ein Erwerb der Forderung selbst (b) wird durch die Insolvenz des Sicherungsgebers nach der Abtretung nicht in Frage gestellt (Pottschmidt/Rohr, Rn. 658). Tilgt der weitere Sicherungsnehmer die Restschuld des Sicherungsgebers beim ersten, so erwirbt er direkt die Forderung (Pottschmidt/Rohr, a. a. O.). Eine Abtretung der gegenwärtig beim Sicherungsnehmer befindlichen Forderung selbst (c) wäre schwebend unwirksam (vgl. § 185 II 1 BGB). Eine Umdeutung in eine Abtretung des Rückgewähranspruchs (§ 140 BGB) ist nicht möglich. Zwar würde die Insolvenzfestigkeit dieser Abtretung (Bülow, WM 1998, 845 (848)) dafür sprechen. Doch ist ein nur schwebend unwirksames Rechtsgeschäft der Umdeutung nicht zugänglich (Palandt-Heinrichs, § 140 Rn. 3).
46
G. Prozessuales; Beweislast, Streitwert
47
Der zur Einziehung ermächtigte Sicherungsgeber (Rn. 21) ist nach den Regeln der gewillkürten Prozessstandschaft aufgrund eines eigenen schutzwürdigen Interesses an der Einziehung prozessführungsbefugt; und zwar grundsätzlich auch dann, wenn er vermögenslos ist (BGH DB 1999, 1317; vgl. OLG Brandenburg ZIP 2002, 1444 ff.). Die vom einziehungsermächtigten Sicherungsgeber erhobene Klage hemmt die Verjährung (§ 204 I Nr. 1; vgl. BGH WM 1999, 1065 (1066) zu § 209 BGB a. F.). Bei einer stillen Zession (Rn. 6) braucht die Prozessführungsbefugnis ausnahmsweise nicht offengelegt zu werden (BGH WM 1999, 1065 (1066)). Der Sicherungsgeber macht, auch wenn er Zahlung an sich verlangt, grundsätzlich die abgetretene Forderung geltend. Wird dann nach Offenlegung der Sicherungszession der Klagantrag auf Zahlung an den Sicherungsnehmer umgestellt, so liegt darin keine Änderung des Streitgegenstandes (Klageänderung), vielmehr lediglich die notwendige Anpassung an die nach Offenlegung der Abtretung veränderte prozessuale Lage. Denn nach Aufdeckung der Sicherungszession kann der Sicherungsgeber nurmehr Zahlung an den Sicherungsnehmer verlangen (BGH a. a. O.). Die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich auf den Sicherungsnehmer (s. Schellhammer, Schuldrecht, 4. Aufl. 2002, Rn. 1778). Die Beweislast für die Sicherungszession als solche (Rn. 8) trägt i. d. R. der Sicherungsnehmer; Gründe für eine etwaige Unwirksamkeit, wie etwa einen Abtretungsausschluss (Rn. 12), hat hingegen nach allgemeiner Regel der Schuldner zu beweisen (Schellhammer, a. a. O., Rn. 1755, 1779). Im Fall einer Klage des Sicherungsnehmers auf Sicherungszession (Rn. 2) bemisst sich der Streitwert gem. § 6 ZPO grundsätzlich nach dem Betrag der Kreditforderung (s. Zimmermann, ZPO, 6. Aufl. 2002, § 6 Rn. 2; generell wäre der Betrag der beanspruchten Forderung maßgeblich; s. BGH NJW-RR 1997, 1562); der Betrag der abzutretenden Forderung bildet die Obergrenze (§ 6, Satz 2 ZPO; vgl. (zur Klage auf Sicherungsübereignung) BGH NJW 1959, 939; Hillach/Rohs, Hdb. des Streitwerts in Zivilsachen, 9. Aufl. 1995, S. 203, 227). Auch im Fall einer Klage des Sicherungsnehmers aus der Sicherungszession (Rn. 8, 41) ist grundsätzlich, bis zur Grenze des Betrages der abgetretenen Forderung, der Betrag der Kreditforderung für den Streitwert maßgeblich (s. Zimmermann, ZPO, § 6
Schanbacher
908
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Rn. 3). Im Fall einer Klage des Sicherungsgebers auf Rückabtretung (Rn. 45) bestimmt sich der Streitwert nach dem Betrag der – getilgten – Kreditforderung, begrenzt durch den Betrag der rückabzutretenden Forderung (s. Zimmermann, a. a. O.; vgl. BGH NJW 1959, 939; Hillach/Rohs, S. 202; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 11. Aufl. 1996, Rn. 4044 (zur Sicherungsübereignung); vgl. ferner BGH NJW-RR 1995, 362 (Anspruch auf Freistellung von einer Verpfändung)). Zur vergleichbaren Konstellation der Klage auf Einwilligung in die Löschung eines nicht mehr valutierten Grundpfandrechts vgl. OLG Düsseldorf MDR 1999, 506f.; LG Saarbrücken MDR 2001, 897 f. (für Maßgeblichkeit des Nennwertes der Belastung begrenzt durch den Grundstückswert); OLG Celle NJW-RR 2001, 712 ff. (nach str. Restforderung zzgl. 20% des verbleibenden Nominalbetrages); Thomas/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 3 Rn. 99 (nach Valutierung, Löschungsinteresse und Grundstückswert). Der Wert der sicherungszedierten Forderung ist auch zugrunde zu legen, wenn die Höhe der gesicherten Kreditforderung nicht festzustellen ist (vgl. BGH NJW-RR 1995, 362).
Schanbacher
§ 29 Factoring
909
§ 29 Factoring
Schrifttum Bette, Factoring, Finanzdienstleitung für mittelständische Unternehmen, 2002; Bette, Inkongruenz der Globalzession in der Krise des Sicherungsgebers, FLF 2007, 203; Bette, Konsequenzen für das Factoringgeschäft aus § 13c UStG und dem Anwendungserlass, FLF 2004, 202; Bette, Das neue Refinanzierungsregister und das Factoringgeschäft, FLF 2006, 171; Bette/Marwede, Die Ermächtigung zur deckungsgleichen Verfügung, Lösungsprinzip der Kollisionsproblematik bei Mehrfachabtretungen, BB 1979, 121; Brink, Der Factoringvertrag, 1998; Forfaitierung und Factoring im Licht derSchuldrechtsreform, WM 2003, 1355; Canaris, Verlängerter Eigentumsvorbehalt und Forderungseinzug durch Banken, NJW 1981, 249; Hadding/Schneider, Die Forderungsabtretung, insbesondere zur Kreditsicherung, in ausländischen Rechtsordnungen, 1999; Häusler, Das UNIDROIT Übereinkommen über internationales Factoring (Ottawa 1988) unter besonderer Berücksichtigung seiner Anwendbarkeit, 1997; Hagenmüller/Sommer/Brink, Handbuch des nationalen und internationalen Factoring, 3. Aufl., 1997; Herrman, Jürgen, Handbuch Factoring, 2006; Kohl, Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung auf das Factoring-Geschäft in Deutschland, FLF 2003, 80; Philipp, Der Factoringvertrag, 2006; Schwarz, Factoring, 4. Aufl. 2002; Salinger, Factoring in Law and Practice, 1991; Serick, Die Globalzession der Vorbehaltslieferanten, BB 1974, 845. Inhaltsübersicht A. Gesetzliche Grundlagen des Factoringgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Bürgerliches Gesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Kreditwesengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Ottawa Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Die vertragliche Grundlage: Der Factoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Neues Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Wesensmerkmale des Factoringvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Wechselseitige Verpflichtungen . . . . . . . . 26 IV. Forderungsübertragung, Bestandsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 V. Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 C. Die Forderung als Kaufgegenstand und als Objekt widerstreitender Interessen . . . . . . . . . 40 I. Zankapfel Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . 40
II. Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Lösung des Konflikts bei Mehrfachabtretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausschluss der Abtretung, § 354a HGB . V. Grenzüberschreitende Forderungen . . . . . VI. Haftung für Umsatzsteuerschuld, § 13c UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Factoring in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. In Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. In Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Weitere Entwicklung des Factoringgeschäfts in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . I. Baseler Beschlussempfehlungen . . . . . . . II. Auswirkungen der Baseler Beschlüsse auf das Bankgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderstellung des Factors . . . . . . . . . . . F. Anhang: Factoring-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . .
42 44 47 51 53 54 54 57 58 58 58 59 60
Stichwortverzeichnis Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 60 – aufschiebende Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 – global im voraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Abtretungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49, 60 Andienungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 60 Annahmepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 25, 60 Aufrechnungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Bankgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 58 Baseler Beschlussempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . 58 Bestandsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Debitor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 17, 60 Delkrederefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 60 Diskont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Doppelinanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 – verlängerter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Einbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Entgeltlicher Erwerb von Geldforderungen . . . . . 10 Endgültiger Verbleib . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Factoring – mit Delkredere (without recourse) . . . . . . . . . 2, 13 – ohne Delkredere (with recourse) . . . . . . . . . . 2, 13 – Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Factoringgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 26 Finanzunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Finanzierungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 – Zankapfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 – grenzüberschreitende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Forderungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 60 Forderungsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Fortlaufend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 globale Vorausabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Haftung nach § 13c UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Bette
910
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Inhouse-Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Inkongruente Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Kaufpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 60 Kollision bei Mehrfachabtretungen . . . . . . . . . . . . . 2 Kreditnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Kreditwesengesetz (KWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Kreditwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Limit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Mehrfachabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Nachbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Neues Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Offenlegung – offengelegt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 – der wirtschaftlichen Verhältnisse . . . . . . . . . . . . 14 – der Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 60 – offenes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 55 Ottawa-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 51, 52 Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1
Rechtlicher Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Refinanzierungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Rückgriffsmöglichkeit (recourse) . . . . . . . . . . . . . 33 Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Sonderstellung des Factors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Standardfactoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Teilverzichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Umsatzsteuerschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 – § 13c UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Umsatzvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Uncitral Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 51, 52 Vertragsbruchstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Wechselseitige Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . 26 Weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Weiterleitungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 50, 60 Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Zug um Zug-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 29
A. Gesetzliche Grundlagen des Factoringgeschäfts I. Bürgerliches Gesetzbuch. Factoring ist Forderungskauf gemäß § 433 BGB i. V. m. § 453 BGB. Der Forderungskauf ist danach geregelt wie der Kauf einer beweglichen Sache. Die besonderen Regelungen für den Forderungskauf in den §§ 437, 438 a.F. BGB sind entfallen. Beide Bestimmungen sind ersatzlos gestrichen worden. Die grundsätzliche Gleichbehandlung des Kaufs von Forderungen und von beweglichen Sachen im neuen Schuldrecht beseitigt Missverständnisse, die, gerade in Bezug auf das Factoring, Jahrzehnte lang bestanden und zu Missdeutungen geführt hatten. Diese folgten aus der Tatsache, dass Bestand und Wert einer Forderung, anders als bei der beweglichen Sache, nicht allein von dieser selbst bestimmt werden, sondern von einer dritten Person, dem Forderungsschuldner (Debitor), abhängig sind. Der Finanzierungseffekt des Factoring, der durch die vorzeitige Zahlung des Kaufpreises für die Forderung anstelle der Zahlung durch den Debitor für den Factorkunden entsteht, führte zu der Auffassung, dass es sich bei dem Factoring um ein Finanzierungsgeschäft oder um eine Art Kreditgeschäft handele (so insbesondere Canaris, NJW 1981, 249 (250)). Die Tatsache, dass der Factor den Kaufpreis für die Forderung auch dann zahlt, wenn der Debitor nicht zahlen kann, legte den Gedanken nahe, dass es sich bei dem Factoring um eine Art Versicherungsgeschäft handele. Die Gleichstellung des Forderungskaufs mit dem Kauf beweglicher Sachen macht deutlich, dass die Abhängigkeit von Bestand und Wert des Kaufgegenstandes (Forderung) von dem Debitor die Charakterisierung des Geschäfts als Kauf nicht beeinflussen kann (vgl. Brink, WM 2003, 1355).
2
Unterschiedlich betrachtet werden muss indessen das Factoring without recourse, Factoring mit Delkredere, meist echtes Factoring (siehe zum Begriff des echten Factoring: Erman-Westermann, § 398 Rn. 23; Palandt-Heinrichs, § 398 Rn. 18) genannt, im Gegensatz zu dem sog. unechten Factoring, dem Factoring ohne Delkredere, oder with recourse (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 102 Rn. 19). Die Charakterisierung des Factoring als Forderungskauf gilt uneingeschränkt nur für das echte Factoring. Das sog. unechte Factoring wird von der Rechtsprechung und von der überwiegenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur wirtschaftlich als Kreditgeschäft betrachtet (vgl. dazu die umfangreiche Rechtsprechungsübersicht und Kommentierung mit Schrifttumsnachweisen, bei MünchKommBGB-Roth, § 398 Rn. 164, 189). Rechtliche Folgen hat diese unterschiedliche Betrachtungsweise für die Kollision bei
Bette
§ 29 Factoring
911
Mehrfachabtretungen von Forderungen. Der häufige Kollisionsfall von mehrfacher Abtretung der gleichen Forderung an verschiedene Erwerber ist nicht gerecht zu lösen, wenn allein das Prioritätsprinzip angewendet wird, d.h. wenn nur die zeitlich frühere Abtretung wirksam, eine spätere Abtretung aber unwirksam ist (vgl. BGH NJW 1959, 1536; BGHZ 32, 363; Serick, BB 1974, 845). Häufigster Kollisionsfall ist der Konflikt zwischen einer Vorausabtretung aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts an Warenlieferanten mit einer Vorausabtretung an Finanzierungsinstitute. Beim echten Factoring wird dieser Konflikt von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft zugunsten des Factors gelöst (vgl. BGHZ 69, 254). In Deutschland überwiegt das echte Factoring gegenüber dem sog. unechten Factoring so stark, dass hier nur das echte Factoring behandelt werden soll. Für das europäische Ausland gilt dies nicht. Konflikte zwischen Warenlieferanten und Finanzierungsinstituten aufgrund mehrfacher Vorausabtretungen der gleichen Forderung sind dort weithin unbekannt. Es kann daher dort auch das allgemein bestehende Interesse an dem Factoringgeschäft with recourse befriedigt werden.
3
In England überwiegt die Form des Factoring with recourse, invoice discounting. Auch hierbei erfolgt Zug um Zug gegen Zahlung des Forderungskaufpreises die Übertragung der gekauften Forderungen auf den Factor. Der Factor lässt sich über die erworbenen Forderungen hinaus wegen seiner (Rückgriffs-)Ansprüche gegen seinen Kunden absichern. Als Sicherungsinstrumente dienen Debentures, Fixed and Floating Charge, Charge Over the Book Debts, Cross Guarantee und Personal Guarantee. Die Factoringpraxis in England (Invoice Discounting) ist damit dem deutschen Instrument des Zessionskredits zur Betriebsmittelfinanzierung durch Banken eng verwandt (vgl. zur Factoringpraxis in England: Salinger, S. 24).
4
In Frankreich basiert die Forderungsabtretung im Factoringgeschäft auf der Subrogation Conventional gem. Artikel 1250/1251 Code Civil (Hadding/Schneider-Blaise/Desgorces, 261). Danach hat ein Dritter (Factor) die Möglichkeit, dem Forderungsgläubiger (Factorkunden) die offene Forderung mit der Wirkung zu bezahlen, dass die Forderung gegen den Forderungsschuldner (Debitor) auf den Factor übergeht. Eine vergleichbare Vorschrift stellt § 268 III BGB dar. Nach BGB sind das Ablösungsrecht Dritter und der Forderungsübergang aber an die engeren Voraussetzungen des § 268 I BGB geknüpft.
5
In Spanien sind sowohl die Subrogation als auch die Zession als Institute der Forderungsübertragung bekannt (Hadding/Schneider-Reichmann, S. 598). Das Factoring basiert auf der Zession.
6
In Italien basiert das Factoring auf der Zession (Hadding/Schneider Dolemetta/Portale, S. 344).
7
In den Niederlanden überwiegt wie in England das Factoring with recourse. Rechtsgrundlage für das Factoringgeschäft bildet ein Pfandrecht an den vom Factor finanzierten Forderungen (Hadding/Schneider-Reehuis, S. 472). Das Pfandrecht an der Forderung wird durch einen notariellen Akt bestellt, der zwischen Factor und Factorkunde vorgenommen wird. Auch die Bestellung durch Registrierung ist möglich, oder auch durch Anzeige der Pfandrechtsbestellung an den Forderungsschuldner, ähnlich wie nach § 1280 BGB. Letzteres ist unüblich. Wie in England lässt sich der Factor über das Pfandrecht hinaus durch weitere Sicherheiten vom Factorkunden oder durch Dritte absichern.
8
In Belgien basiert das Factoringgeschäft regelmäßig auf der Forderungsabtretung, auch die Subrogation Conventional ist als Instrument der Forderungsübertragung möglich und gebräuchlich. Ein weiteres Instrument stellt das Endorsement dar, vergleichbar dem
9
Bette
912
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Wechsel, das auf der Rückseite der finanzierten Rechnung angebracht wird (Hadding/ Schneider-Foriers/Gregoire, S. 152). 10
II. Kreditwesengesetz. Factoring ist als Kauf von Forderungen zugleich auch ein Fall des entgeltlichen Erwerbs von Geldforderungen, mit welcher Formulierung das Kreditwesengesetz das Factoringgeschäft erfasst. Gegenstand des Forderungskaufs im Factoringgeschäft sind Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen des Factorkunden gegen seine Abnehmer und Auftraggeber. Die daraus erwachsenen Ansprüche des Factorkunden sind Ansprüche auf Zahlung von Geld, also Geldforderungen, die spätestens Zug um Zug mit der Bezahlung des Kaufpreises für die Forderungen vom Factor erworben werden (vgl. Reischauer/Kleinhans, § 1 Rn. 255 ff.).
11
Das KWG bildet den gesetzlichen Regelungsrahmen für das Bankgeschäft und andere Finanzdienstleistungen. Die Aufnahme des Factoringgeschäfts unter dem Stichwort entgeltlicher Erwerb von Geldforderungen in das Regelwerk des KWG legt die Annahme nahe, dass es sich bei dem Factoringgeschäft um ein Bankgeschäft handele. Aus § 1 (3) KWG wird indessen deutlich, dass der entgeltliche Erwerb von Geldforderungen nicht zu den Bankgeschäften zählt. Es heißt dort nämlich: „...Finanzunternehmen sind Unternehmen, die keine Institute sind und deren Haupttätigkeit darin besteht,... 2. Geldforderungen entgeltlich zu erwerben.“ Nach § 1 (1) b KWG sind Institute im Sinne dieses Gesetzes Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute. Kreditinstitute sind nach § 1 (1) KWG Institute, die Bankgeschäfte betreiben, und Finanzdienstleistungsinstitute solche, die Finanzdienstleistungen betreiben. Bankgeschäfte sind im § 1 (1) KWG definiert, Finanzdienstleistungen im § 1 (1) b KWG. Der entgeltliche Erwerb von Geldforderungen zählt danach weder zu den Bankgeschäften noch zu den Finanzdienstleistungen. Factoringinstitute sind nach dem KWG also Finanzunternehmen, deren Geschäft der entgeltliche Erwerb von Geldforderungen ist (Reischauer/Kleinhans, § 1 Rn. 257).
12
Obwohl Finanzunternehmen, die sich mit dem entgeltlichen Erwerb von Geldforderungen gewerbsmäßig befassen, keine Kreditinstitute sind, wird das Factoringgeschäft doch verschiedentlich in Unternehmen betrieben, die Bankeigenschaft haben. Betreiben sie das Factoringgeschäft, so unterliegen sie als Bank der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleisungsaufsicht (BaFin) und bezüglich des entgeltlichen Erwerbs von Geldforderungen den eigens hierfür aufgestellten Regeln der §§ 19 (5), 21 (1) und (4) KWG (Reischauer/Kleinhans, § 19 Rn. 102 f.).
13
Auch das KWG unterscheidet zwischen dem Factoring without recourse (echtes Factoring) und dem Factoring with recourse (sog. unechtes Factoring). Beim unechten Factoring gilt der Kunde des Factors, also der Partner des Factoringvertrages, als Kreditnehmer des Factors. Beim echten Factoring gelten dagegen die Abnehmer oder Auftraggeber des Factorkunden (Debitoren) als Kreditnehmer des Factors § 19 (5) KWG; s. dazu Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Bock, § 19 Rn. 143).
14
Nach § 18 KWG muss sich ein Kreditinstitut von seinem Kreditnehmer die wirtschaftlichen Verhältnisse insbesondere durch Vorlage von Jahresabschlüssen offenlegen lassen, wenn der Kredit den Betrag von 750.000,-- € übersteigt. Die Vorschrift des § 18 KWG gilt auch für den entgeltlichen Erwerb von Geldforderungen. Die Vorschrift bereitet für das unechte Factoring keine Schwierigkeiten, da der Factor aufgrund seines Vertragsverhältnisses mit seinem Kunden jederzeit die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse verlangen kann. Anders dagegen beim echten Factoring: hier gilt als Kreditnehmer der Debitor der vom Factor gekauften Forderung. Zu ihm hat der Factor keine vertragliche Beziehung sondern nur einen gegen ihn gerichteten Zahlungsanspruch. Aus dem Erwerb eines Anspruchs auf Geldzahlung lässt sich für den Factor kein Anspruch gegenüber den
Bette
§ 29 Factoring
913
Debitoren ableiten, von ihnen die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu verlangen, (Boos/Fischer/SchulteMattler-Bock, § 21 Rn. 97). Auf diese Besonderheit nimmt § 21 (4) KWG Rücksicht. Der Factor kann gegenüber den Debitoren, die als seine Kreditnehmer anzusehen sind, auf die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse verzichten, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: 1. es handelt sich um den Ankauf von Forderungen im Factoring without recourse, 2. zwischen Ankauf und Fälligkeit der gekauften Forderung liegen nicht mehr als drei Monate und 3. der Forderungsankauf erfolgt fortlaufend Die Sonderregelung für den entgeltlichen Erwerb von Geldforderungen erscheint im Hinblick auf die Kurzfristigkeit der Kreditierung (nicht länger als drei Monate) und das damit verbundene geringere Kreditrisiko als zweckentsprechend. Vergleichbare Regelungen im europäischen Recht anderer Staaten, die eine ähnliche konsequente Unterscheidung zwischen dem Factoring with recourse und dem Factoring without recourse vornehmen, bestehen nicht. Obwohl das Factoringgeschäft als entgeltlicher Erwerb von Geldforderungen in das Kreditwesengesetz aufgenommen worden ist und sich dort unterschiedliche Regelungen für das echte und das unechte Factoring finden, bleibt festzuhalten, dass das Factoringgeschäft als Forderungskauf oder, wie es das KWG ausdrückt, als entgeltlicher Erwerb von Geldforderungen kein Bankgeschäft (MünchKommHGB-Brink/Ferrari, FactÜ, Art. 1 Rn. 37) ist, gleichgültig ob es in der Form des echten oder des sog. unechten Factoring betrieben wird. Das Factoringgeschäft kann und wird deshalb auch von Finanzunternehmen betrieben, die keinen Bankstatus haben. Auf sie finden die Regelungen des KWG keine Anwendung. Sie unterliegen auch nicht der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleisungsaufsicht (BaFin) (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Bock, § 1 Rn. 51).
15
Andere europäische Länder unterwerfen Factoringinstitute und das Factoringgeschäft ohne Unterschied, ob es als Factoring with oder without recourse betrieben wird, der staatlichen Aufsicht für Bankgeschäfte, in Frankreich der Aufsicht für Kreditinstitute und Investmentgesellschaften, in Italien der Bank von Italien; in England werden dagegen die Factoringaktivitäten grundsätzlich nicht von der Bank von England überwacht. Zum Teil ist die Frage der Überwachung auch abhängig davon, ob eine Factoringgesellschaft, die selbst keine Bankeigenschaft hat, zum Konsolidierungskreis einer der Zentralbank unterliegenden Bank gehört, wie z. B. in den Niederlanden. Mit den §§ 22a-p sind im Jahr 2005 Vorschriften über ein Refinanzierungsregister in das Kreditwesengesetz eingefügt worden. Danach kann an die Stelle der Abtretung, die ja auch dingliche Grundlage des Factoringgeschäfts ist, die Eintragung der abzutretenden Forderungen in das Refinanzierungsregister erfolgen. Die Eintragung in das Refinanzierungsregister entfaltet grundsätzlich die gleichen rechtlichen Wirkungen wie die Abtretung. Entscheidende Vorteile für das Factoringgeschäft, die Basis der Abtretung gegen die Eintragung im Refinanzierungsregister einzutauschen, sind nicht erkennbar. Andererseits sind erhebliche Aufwendungen für die Führung, Verwaltung und Überwachung des Refinanzierungsregisters offenkundig. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass das Factoringgeschäft auf diese neue gesetzliche Grundlage, die sich auch ihm grundsätzlich eröffnet, umgestellt wird (ausführlich dazu Bette in FLF 4/2006, S. 171 ff) ).
16
III. Ottawa-Konvention. Eine weitere gesetzliche Regelung des Factoringgeschäfts findet sich in der Ottawa-Konvention (Häusler, 403; vgl. auch MünchKommHGB-Brink/ Ferrari, FactÜ, Einleitung). Dieses internationale Übereinkommen des Unidroit Instituts für die Harmonisierung des Privatrechts ist seit 1998 geltendes deutsches Recht. Die
17
Bette
914
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Ottawa- Konvention gilt aber nur für das internationale Factoring. Nach ihrer Definition liegt internationales Factoring dann vor, wenn eine Forderung von einem Factor gekauft wird, deren Debitor in einem anderen Land als der Gläubiger der Forderung, Warenlieferant oder Dienstleister, seinen Sitz hat. Die Ottawa-Konvention regelt das Factoringgeschäft als eine Dienstleistung, die vier Komponenten enthält: 1. Finanzierung der Forderungen, 2. Schutz vor Forderungsausfall, 3. Verwaltung der übernommenen Forderungen und 4. Inkasso der übernommenen Forderungen Liegen zwei der genannten vier Voraussetzungen vor, findet die Ottawa Konvention auf das internationale Factoring Anwendung. Allerdings setzt die Anwendbarkeit der Ottawa Konvention voraus, dass der Übergang der Forderungen vom Warenlieferanten oder Dienstleister auf den Factor dem Debitor angezeigt wird (Offenlegung der Abtretung) (MünchKommHGB-Brink/Ferrari, FactÜ, Art. 1 Rn. 37; vgl. auch Häusler, S. 201). Die Ottawa-Konvention setzt für ihre Anwendbarkeit also eine offene Forderungsabtretung voraus. Das BGB setzt für die Wirksamkeit des Forderungskaufs und der Übertragung der Forderung die offene Abtretung nicht voraus (Staudinger-Busche, § 407 Rn. 1). Für den entgeltlichen Erwerb von Geldforderungen im Sinne des KWG ist die Frage, ob die Forderungsübertragung offen oder still erfolgt, ebenfalls nicht von Belang. Die Ottawa-Konvention findet Anwendung, wenn der Factor z.B. nur die Finanzierung seiner Kunden und dessen Buchhaltung übernimmt aber den Schutz vor Forderungsausfall nicht gewährt. In diesem Falle handelt es sich dann um Factoring with recourse. Die Ottawa-Konvention ist auf diese Form des internationalen Factoring mit allen Vorschriften und Rechtsfolgen in gleicher Weise anwendbar wie für den Fall der Gewährung des Schutzes vor Forderungsausfall. Die Ottawa-Konvention macht deshalb keinen Unterschied zwischen Factoring with recourse und without recourse (MünchKommHGB-Brink/Ferrari, FactÜ, Art. 1 Rn. 43). 18
Die Ottawa-Konvention ist außer von der Bundesrepublik Deutschland noch von Frankreich, Italien, Ungarn, Nigeria, Lettland und der Ukraine ratifiziert worden. Gezeichnet wurde die Ottawa-Konvention von 59 Industriestaaten, die an der Ausarbeitung des Übereinkommens beteiligt waren (Hagenmüller/Sommer/Brink-Häusler, S. 272). Die Ratifizierung der Konvention durch weitere Staaten könnte dadurch in Frage stehen, dass zwischenzeitlich ein anderes internationales Übereinkommen über Abtretungsfinanzierungen von Mitgliedstaaten der UNO fertiggestellt worden ist und zur Zeichnung am Sitz der Vereinten Nationen in New York ausliegt. Diese Konvention der United Nation Kommission for international Tradelaw (Uncitral Konvention; vgl. www.uncitral.org; MünchKommHGB-Brink, FactÜ, Art. 5 Rn. 33) bietet eine viel umfassendere Regelung der Finanzierung von Forderungen im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr. Sie ist auf alle Finanzierungen anwendbar, die auf der Abtretung von Forderungen beruhen, bei denen Forderungsschuldner und Gläubiger oder Gläubiger und Finanzierungsinstitute in unterschiedlichen Staaten ihren Sitz haben. Sie ist im Gegensatz zur Ottawa-Konvention auch anwendbar, wenn die Abtretung der Forderung zum Zwecke der Finanzierung nicht offengelegt wird. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Uncitral Konvention die Ottawa- Konvention zurückdrängen wird. Die Uncitral Konvention nimmt auf die Ottawa- Konvention aber insofern Rücksicht, als sie die Ottawa-Konvention als lex specialis gegenüber der Uncitral- Konvention gelten lassen will, wenn deren Voraussetzungen ebenfalls vorliegen (vgl. hierzu die Kommentierung zum UNIDROIT-Übereinkommen über internationales Factoring (Ottawa 1988) in MünchKommHGB-Brink/Ferrari, FactÜ).
Bette
§ 29 Factoring
915
B. Die vertragliche Grundlage: Der Factoringvertrag
19
I. Neues Schuldrecht. Das Bürgerliche Gesetzbuch verweist in seinem neuen Schuldrecht für die Regelung des Forderungskaufs auf die Regelung für den Kauf beweglicher Sachen. Es nimmt also auf die Besonderheiten des Kaufgegenstandes Forderung keine besondere Rücksicht. Deutlich wird dies z. B. am Institut der Nachbesserung, die bei Mängeln des Kaufgegenstandes vom Käufer beansprucht werden kann, für die Forderung aber keine praktische Bedeutung haben kann. Die Besonderheit des Kaufgegenstandes Forderung besteht darin, dass ihre Freiheit von Mängeln, anders ausgedrückt ihr Wert und Bestand, zum einen abhängig ist von der ihr zugrundeliegenden Warenlieferung oder Dienstleistung, zum anderen vom Verhalten des Forderungsschuldners und schließlich von Zeitfaktoren wie Fälligkeitszeitpunkt, Eintritt des Verzuges und Entstehung von Verzugszinsen, Verrechnungsmöglichkeiten und vereinbarten Abzügen wie Skonti, Rabatte usw. Deswegen muss der Forderungskauf eingehend vertraglich geregelt werden, um einen zweckentsprechenden Interessenausgleich zwischen Forderungskäufer und Verkäufer zu erreichen. Dem dient der Factoringvertrag (vgl. dazu Brink, S. 1 ff.), der zwischen dem Factor und seinem Kunden (Factorkunde) bei der Aufnahme einer Factoringverbindung abgeschlossen wird. Die für das Factoringgeschäft in Deutschland verwendeten Verträge weisen für das Standardfactoringgeschäft gemeinsame charakteristische Grundzüge auf (vgl. dazu den Vorschlag für einen Vertragstext im Anhang). Factoringverträge werden auf längere Dauer angelegt; als Mindestlaufzeit werden zwei Jahre angestrebt. Die Zusammenarbeit zwischen Factor und Factorkunde bedarf auf beiden Seiten einer Umstellung im Bereich der Debitorenbuchhaltung, der Kundenüberwachung, des Zahlungsverkehrs, des Mahnwesens usw. Der dadurch entstehende Aufwand rentiert sich erst nach einem gewissen Zeitablauf. Die Eingehung einer Factoringverbindung setzt Vertrauen der Vertragspartner zueinander voraus. Für den Factorkunden muss gewährleistet sein, dass der Factor die ihm übertragenen Forderungen auch bezahlen kann und sie korrekt verwaltet. Der Factor muss darauf vertrauen können, dass die ihm zum Kauf angebotenen Forderungen rechtsbeständig und werthaltig sind und dass der Factorkunde ihn korrekt über alle, die verkauften Forderungen betreffenden Ereignisse informiert.
20
II. Wesensmerkmale des Factoringvertrages. In der Präambel des Factoringvertrages wird das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Factor und seinem Kunden ausdrücklich festgestellt. Die Präambel weist den Factorkunden darauf hin, dass die Factoringerlöse der Umlauffinanzierung, insbesondere der Bezahlung der Lieferantenverbindlichkeiten dienen. Diese Zweckbestimmung ist, wie allgemein anerkannt (BGH WM 1977, 1198), eine betriebswirtschaftliche Selbstverständlichkeit, der Hinweis ist trotzdem zu empfehlen.
21
Der Factoringvertrag spiegelt die dogmatische Trennung von Forderungskauf und Forderungsabtretung wider, die das deutsche Recht auch nach der Änderung des Schuldrechts prägt. Danach ist der Forderungskauf das Verpflichtungsgeschäft, das die Vertragspartner bindet: der Forderungskäufer ist zur Zahlung des Kaufpreises für die Forderung verpflichtet; der Forderungsverkäufer ist zur Erfüllung des Kaufvertrages durch Übertragung der Forderung verpflichtet. Diesem obligatorischen Geschäft steht das dingliche Geschäft der Forderungsabtretung – Übertragung der Forderung vom Verkäufer auf den Käufer – gegenüber. Darüber hinaus wird der Factoringvertrag vor allem von dem Wesensmerkmal des Zug-um-Zug-Geschäfts – Geld gegen Forderung – geprägt.
22
Der Forderungskaufvertrag setzt sich aus der Pflicht des Factorkunden, alle in seinem Unternehmen laufend entstehenden Forderungen dem Factor zum Kauf anzubieten (Andie-
23
Bette
916
24
25
26
27
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nungspflicht) und der Pflicht des Factors zusammen, das Kaufangebot seines Kunden anzunehmen (Annahmepflicht) (Brink, Rn. 75, 91). Die Andienungspflicht bezieht sich auf die vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an entstehenden Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen (Brink, Rn. 38). Gelegentlich werden vom Factor auch bereits bestehende Forderungen des Factorkunden übernommen. Dies setzt aber voraus, dass der Factor auf Korrektheit und Aktualität der Debitorenbuchhaltung seines Kunden vertrauen kann. Für die künftig entstehenden Forderungen, die der Factor übernimmt, führt er die Debitorenbuchhaltung selbst. Wenn grundsätzlich auch alle entstehenden Forderungen angedient werden müssen, können abstrakt definierte Forderungsgruppen auch ausgeklammert werden (z. B.Exportforderungen in ein bestimmtes Land oder Forderungen aus der Lieferung bestimmter Produkte). Es soll damit vermieden werden, dass der Factorkunde eine Forderungsauswahl nach seinem Belieben trifft. Das Angebot des Factorkunden zum Kauf der Forderungen ist nicht unbefristet. Die Ablehnung durch den Factor, soweit sie vertraglich möglich ist, soll so zügig erfolgen, dass der Factorkunde alsbald über abgelehnte Forderungen frei verfügen kann (Hagenmüller/Sommer/Brink-Brink, 195 f.). Die Annahmepflicht des Factors besteht für alle Forderungen, für deren Debitoren ein bestimmter Kreditrahmen eingeräumt worden ist (Limit), in dessen Grenzen der Factor sich verpflichtet hat, das Angebot zum Kauf von Forderungen anzunehmen. Die Limits werden für jeden einzelnen Debitoren in der Regel bei Beginn der Zusammenarbeit im Factoringverfahren eingeräumt oder, wenn neue Debitoren hinzutreten, im Laufe der Geschäftsbeziehung festgelegt. Solange ein Limit nicht ausgefüllt oder überschritten ist, kann der Factor eine ihm zum Kauf angebotene Forderung nicht ablehnen (Brink, Rn. 99). Eine Herabsetzung oder Streichung des Limits darf der Factor nur vornehmen, wenn bisher unbekannte Tatsachen bekannt werden, die die Kreditwürdigkeit des Debitors wesentlich beeinträchtigen. Auch wenn der Factorkunde Waren an einen Debitoren ausliefert, bevor ihm der Factor die Streichung des Limits mitgeteilt hat, bleibt die Forderung, die aus dieser Warenlieferung entstanden ist, durch den Factor gedeckt (Hagenmüller/ Sommer/Brink-Seraphim, 120 ff.). III. Wechselseitige Verpflichtungen. Der Kaufpreis, der vom Factor zu zahlen ist, entspricht dem für die Warenlieferung in Rechnung gestellten Betrag zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Hiervon wird nur die Factoringgebühr in Abzug gebracht. Die Factoringgebühr liegt im Inland bei meist unter 1 %, für Auslandsforderungen liegt sie je nach dem Land des Importeurs darüber, höchstens 2,5 %. Darüber hinaus wird ein Diskont für den Forderungsankauf in Rechnung gestellt. Dieser Diskontsatz wird nach der tatsächlichen Laufzeit der angekauften Forderung berechnet. Da bei einer Buchforderung die Laufzeit anders als beim Wechsel ungewiss ist – die Forderung kann vor der Fälligkeit, aber auch nach der Fälligkeit bezahlt werden – erfolgt die Berechnung des Diskontabschlages nachträglich, d. h. bei Eingang der Zahlung. Der Diskontsatz entspricht dem jeweiligen Marktzins für Kontokorrentkredite, bezogen auf die Dauer der Inanspruchnahme (Brink, Rn. 105). Der Kaufpreis ist nicht in voller Höhe sofort fällig. Ein Anteil des zu zahlenden Kaufpreises in Höhe von 10–20 % wird vom Factor zunächst einbehalten. Dieser Einbehalt dient dazu, Reklamationen von Debitoren abzufangen, die Einreden wegen der Qualität der Ware, wegen verspäteter Lieferung usw. erheben können. Der Einbehalt dient dem Factor also als Sicherheit für einen Mangel im Bestand der von Ihm gekauften Forderungen. Zahlt der Debitor oder tritt der Delkrederefall ein, wird der vom Factor einbehaltene Betrag frei oder, anders ausgedrückt, der Restkaufpreis für die angekaufte Forderung fällig (Hopt-Scharff, S. 987).
Bette
§ 29 Factoring
917
Der Delkrederefall ist gegeben, wenn der Debitor zahlungsunfähig ist. Da dieser Zeitpunkt ungewiss ist, wird er zwischen Factor und seinem Kunden auf einen bestimmten Tag nach Ablauf der Rechnungsfälligkeit festgelegt, meistens 120 Tage nach Fälligkeit. Das ist der Zeitpunkt in dem, vorausgesetzt der Debitor hat bis dahin nicht gezahlt, der noch nicht fällige Restkaufpreis an den Factorkunden auszukehren ist. Das ist auch der Zeitpunkt, in dem der Zinslauf für die angekaufte Forderung endet. Ist der Debitor tatsächlich zahlunsunfähig, hat der Factorkunde die Möglichkeit, die von ihm bereits abgeführte Umsatzsteuer (MwSt) für die Forderung vom Finanzamt zurückzuverlangen oder mit neuen abzuführenden Umsatzsteuern zu verrechnen. Der Faktorkunde wäre dann um den MwSt-Betrag für die Forderung bereichert, es besteht die Vereinbarung, dass der Factor insoweit seinerseits zur Verrechnung der MwSt mit neu angekauften Forderungen berechtigt ist (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 102 Rn. 94). Die Zahlung des Kaufpreises wird in dem Factoringvertrag als Annahme des Kaufangebots für die Forderung definiert. Der zu zahlende Kaufpreis wird auf einem Konto des Faktorkunden gutgeschrieben. Die Gutschrift bedeutet zugleich den Zugang der Erklärung des Factors, dass er das Kaufangebot für die angediente Forderung angenommen hat. Damit ist der Kaufvertrag zustande gekommen (Brink, Rn. 83).
28
Verpflichtung des Verkäufers einer beweglichen Sache ist es, dem Käufer das Eigentum an der gekauften Sache zu verschaffen. Der Eigentumsverschaffungspflicht bei beweglichen Sachen entspricht die Pflicht des Verkäufers einer Forderung, die verkaufte Forderung an den Käufer zu übertragen, d.h. ihm die Inhaberschaft an der Forderung zu verschaffen, also wie es in § 398 BGB heißt, die Forderung abzutreten (Staudinger-Busche, § 398 Rn. 1). Der Factoringvertrag sieht vor, dass die Forderungsabtretung in dem Augenblick sich vollzieht, in dem der Forderungskaufvertrag zustande kommt. Der Forderungskaufvertrag kommt durch die Erklärung des Factors zustande, dass er das Angebot zum Ankauf der angedienten Forderung annimmt. Diese Annahmeerklärung erfolgt, wie im vorstehenden Absatz gezeigt, durch die Gutschrift des Kaufpreises für die angebotene Forderung auf einem Konto des Forderungsverkäufers. Mit dieser Gutschrift ist zugleich die Leistungspflicht des Forderungskäufers erfüllt. In der gleichen logischen Sekunde vollzieht sich die Abtretung der Forderung auf den Factor. Hier wird der Charakter des Factoringgeschäfts als ein Zug-um-Zug-Geschäft nochmals deutlich. Zahlung des Kaufpreises an den Forderungsverkäufer und Übergang der Forderung auf den Factor vollziehen sich in der gleichen logischen Sekunde. Erfüllung des Forderungskaufvertrages erfolgt von beiden Seiten gleichzeitig. Forderungen, die der Factor nicht kauft und nicht bezahlt, gehen nicht auf den Factor über, verbleiben also dem Forderungsanbieter zu dessen freier Disposition (Hagenmüller/Sommer/Brink-Brink, 195 f.). Dies ist für das in Deutschland betriebene Factoringgeschäft charakteristisch. Dass darüber hinaus verschiedentlich Sicherungsrechte zugunsten des Factors an Forderungen begründet werden, die der Factor nicht ankauft und bezahlt, schließt den Zug-um-Zug-Charakter des Factoringgeschäfts nicht aus.
29
IV. Forderungsübertragung, Bestandsgarantie. Der Zug-um-Zug-Charakter des Factoringgeschäfts wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Forderungsabtretung an den Factor regelmäßig schon im voraus bei Abschluss des Factoringvertrages für sämtliche Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen, die beim Factorkunden entstehen, erfolgt. Die Abtretung sämtlicher Forderungen erfolgt nämlich unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises für die Forderungen durch den Factor. Die Bedingung, unter der der Factor Inhaber der Forderung wird, ist also seine Leistung, die Bezahlung des Kaufpreises für die angediente Forderung. Tritt die Bedingung nicht ein, weil der Factor den Forderungskaufpreis nicht bezahlt, fällt die Forderung
30
Bette
918
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
an den Factorkunden auf dessen Verlangen zurück und steht zu seiner freien Verfügung (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 102 Rn. 24). 31
Zweck dieser globalen Vorausabtretung aller Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen des Factorkunden an den Factor ist es, die Forderung ab Zustandekommen des Factoringvertrages dem Zugriff Dritter, z. B. durch Pfändung der Forderung, und der Verfügungsmacht des Factorkunden zu entziehen. Gemäß § 161 (1) BGB ist ein Zugriff Dritter auf die dem Factor unter der aufschiebenden Bedingung im voraus abgetretene Forderung, unwirksam. Auch eine anderweitige Verfügung des Factorkunden über die so abgetretene Forderung ist dem Factor gegenüber unwirksam. Der Factor wird also durch seine Zahlung Inhaber der Forderung, auch dann wenn der Factorkunde zwischenzeitlich anderweitig darüber verfügt haben sollte oder ein Zugriff Dritter auf die Forderung erfolgt ist (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 102 Rn. 63 ff.).
32
Vereinzelt liegt dem Factoringvertrag auch eine Abtretung zugrunde, die unmittelbar an den Forderungsankauf durch den Factor anknüpft. Der Zug-um-Zug-Charakter des Factoringgeschäfts tritt hier noch deutlicher zutage. Die Nachteile dieser Form der Abtretung ergeben sich aus den Erläuterungen im vorstehenden Absatz zu § 161 (1) BGB. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass der Factorkunde dann auch rechtstechnisch in der Lage wäre, eine Forderungsauswahl zu treffen. Es kann aber durchaus gewollt sein, dass der Factor nur bestimmte Forderungen kaufen und der Factorkunde nur bestimmte Forderungen andienen will. Diese Form des Geschäfts nähert sich praktisch sehr der Handhabung beim Wechseldiskontgeschäft an. Die Verwandtschaft zwischen diesem und dem Factoringgeschäft liegt ohnehin auf der Hand, nicht umsonst hat man das Factoringgeschäft auch als das wechsellose Wechselgeschäft bezeichnet, ein Vergleich, der indessen auf das sog. unechte Factoring passt, da beim Factoring without recourse ein Rückgriff auf den Kunden (Aussteller) ausgeschlossen ist.
33
Der § 437 BGB a.F. sah vor, dass der Forderungsverkäufer für den rechtlichen Bestand der Forderung haftet (Palandt-Putzo, § 437 Rn. 6; Erman-Grunewald, § 437 Rn. 3; vgl. auch Brink, WM 2003, 1355). Diese Haftung war verschuldensunabhängig und führte zu der Rückgriffsmöglichkeit des Factors auf seinen Kunden für den Fall, dass eine verkaufte Forderung rechtlich nicht bestand (MünchKommBGB-Westermann, § 437 Rn. 1; BGH NJW 1970, 556 (557); WM 1990, 1059). Nach neuem Recht setzt der Rückgriff des Forderungskäufers auf den Forderungsverkäufer eine Pflichtverletzung des letzteren voraus (Kohl, FLF 2003, 80 (82)). Der frühere Rechtszustand, der durch § 437 BGB a.F. gegeben war, muss daher vertraglich geschaffen werden. Eine selbständige Garantie des Forderungsverkäufers, wie sie durch § 437 BGB a.F. vorgesehen war, findet sich deshalb im Factoringvertrag und ist durch § 276 (1) BGB vorgesehen.
34
Der rechtliche Bestand der an den Factor verkauften Forderungen ist also vertraglich mit einer selbständigen Garantie des Forderungsverkäufers für den Forderungsbestand gesichert. Der rechtliche Bestand der Forderung kann vor allem durch Mängel der Lieferung oder Leistung beeinträchtigt sein. Der Debitor kann Nachbesserung verlangen, vom Vertrag zurücktreten oder seine Leistungspflicht mindern. Der Factor kann dann für die gekaufte Forderung vom Debitor keine Zahlung oder nur eine geringere Zahlung als den nominellen Forderungsbetrag verlangen. Der Debitor kann auch mit Gegenforderungen aufrechnen. In diesen Fällen ist der Rückgriff des Factors auf seinen Kunden möglich (Brink, WM 2003, 1355).
35
Zahlt der Debitor dagegen nicht, weil er insolvent ist, bleibt der Rückgriff auf den Factorkunden ausgeschlossen. Der Factor haftet also für die Zahlungsfähigkeit des Debitors, der Factorkunde für den rechtlichen Bestand der Forderung (Hopt-Scharff, S. 988). Der
Bette
§ 29 Factoring
919
Factoringvertrag geht von der Zahlungsunfähigkeit des Debitors zu einem vereinbarten Zeitpunkt nach Fälligkeit der Rechnung aus. Zu diesem Zeitpunkt muss der Factor also die Forderung anstelle des Debitors bezahlen. Da die Zahlung des Kaufpreises für die Forderung regelmäßig mit dem Zeitpunkt des Forderungsankaufs zusammenfällt, bezieht sich die Zahlungspflicht des Factors nur noch auf den einbehaltenen Sperrbetrag 10–20 %. Im vereinbarten Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit des Debitors endet auch der Zinslauf für die angekaufte Forderung. Bestreitet der Debitor seine Zahlungspflicht und greift damit den rechtlichen Bestand der Forderung an, ist der Factor zum Rückgriff auf seinen Kunden nur dann berechtigt, wenn das Bestreiten in sich schlüssig und plausibel ist (Brink, Rn. 125). In diesem Falle ist der Factor zu einer Rückbelastung seines Kunden zu seiner vorläufigen Sicherung berechtigt, für den Fall, dass der Debitor im Recht ist. Endgültig erfolgt die Rückbelastung erst, wenn der Factorkunde im Streit mit dem Debitor einlenkt oder in einem Rechtsstreit festgestellt wird, ob der Debitor seine Zahlungsverpflichtung zu Recht bestreitet oder in Wirklichkeit nur zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig ist. Wird der Debitor im Verlauf des Rechtsstreits zahlungsunfähig, geht dies zu Lasten des Factors, wenn der rechtliche Bestand der Forderungen feststeht oder festgestellt wird. V. Sicherungsrechte. Der Factoringvertrag enthält ferner einige Bestimmungen, die der Sicherung des Factors dienen. Diese Sicherungen sind aber alle factoringtypisch und beziehen sich unmittelbar auf die verkauften Forderungen. Der Factorkunde behält sich als Warenlieferant, bis zur vollständigen Bezahlung durch den Debitor, das Eigentum an der gelieferten Ware vor. Dieses Eigentum überträgt er auf den Factor zusammen mit der Forderung. Der Eigentumsvorbehalt gehört nicht zu jenen Sicherungsrechten, die automatisch gemäß § 401 BGB auf den Zessionar (Factor) mit der Forderung übergehen. Der Factor bleibt Eigentümer der ausgelieferten Waren, auch dann, wenn sie wieder zurückgesandt werden oder sich bei Dritten, z.B. auf dem Transport, befinden. Das vorbehaltene Eigentum sichert die verkaufte Forderung bis zu ihrer Bezahlung durch den Debitor (Hagenmüller/Sommer/Brink-Brink, 194). Leistet der Debitor Zahlungen auf angekaufte Forderungen an den Factorkunden, stehen diesem solche Zahlungen nicht zu, er hat den Gegenwert ja bereits vom Factor erhalten. Deshalb sieht der Factoringvertrag die antizipierte Übertragung von Zahlungsmitteln vor, die beim Factorkunden eingehen, oder die Vorausabtretung bzw. Verpfändung von aus solchen Zahlungen entstehenden Guthaben. Für den Fall, dass der Factor trotz dieser Sicherungsmaßnahmen nicht in den Besitz der vom Debitor an den Factorkunden geleisteten Zahlungen gelangt, kann der Factor den Debitor auf nochmalige Zahlung in Anspruch nehmen. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur, wenn dem Debitor die an den Factor erfolgte Abtretung bekannt ist, also im sog. offenen Verfahren (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 102 Rn. 24). Die Möglichkeit der Doppelinanspruchnahme des Debitors durch den Factor ist durch § 354a Satz 2 HGB eingeschränkt. Besteht zwischen Debitor und Factorkunde eine Vereinbarung gemäß § 399 BGB, wonach die Forderungsabtretung ausgeschlossen ist, so hat der Debitor gemäß § 354a Satz 2 HGB das Wahlrecht, an den bisherigen Gläubiger, den Factorkunden, oder an den neuen Gläubiger, den Factor, zu leisten. In beiden Fällen ist seine Leistung schuldbefreiend (MünchKommHGB-Schmidt, § 354a Rn. 18). Alle Ansprüche des Factors gegen seinen Kunden aus der Geschäftsverbindung mit ihm gelten nach dem Factoringvertrag als sofort fällig. Damit werden Aufrechnungsmöglichkeiten zwischen Factor und seinem Kunden erweitert, die nach BGB oder der Insolvenzordnung für den Fall eingeschränkt sind, dass gegenseitige Forderungen noch nicht fällig sind.
Bette
36
37
38
39
920
40
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
C. Die Forderung als Kaufgegenstand und als Objekt widerstreitender Interessen I. Zankapfel Forderung. Die Forderung eines Unternehmens, entstanden aus einer Warenlieferung oder einer Dienstleistung, ist Gegenstand des Interesses vieler am Wirtschaftsleben Beteiligter. Lieferanten des Unternehmens sehen in der Forderung für die Gewährung von Warenkrediten an das Unternehmen ein Sicherungsinstrument. Auch die Banken sehen in der Forderung für ihre Geldkredite ein geeignetes Sicherungsmittel. Auch die Forderungsschuldner (Debitoren) können bestimmte Absichten mit der gegen sie gerichteten Forderung verfolgen. Sie kann zu einer Aufrechnungslage führen, also wiederum als Sicherungsinstrument benutzt werden, sie kann auch als Mittel zur Machtausübung des Debitors gegenüber seinem Gläubiger instrumentalisiert werden. Schließlich ist die Forderung Gegenstand des Kaufvertrages zwischen dem Unternehmen und seinem Factor. Diese Beteiligten wollen entweder zur Befriedigung ihrer Interessen die Forderung erwerben oder die Debitoren diesen Erwerb verhindern.
41
Grundlage des Erwerbs ist die Abtretung der Forderung, geregelt in den §§ 398 ff BGB. Grundlage der Verhinderung des Erwerbs ist § 399 BGB. Der Konflikt der gegensätzlichen Interessen der Beteiligten entzündet sich an einer mehrfachen Abtretung der Forderung und den Folgen einer Abtretung, die der Debitor verhindern will (Brink, Rn. 58 ff.).
42
II. Prioritätsprinzp. Der Zeitpunkt der Forderungsabtretung ist für die Wirksamkeit der Abtretung entscheidend. Bei mehrfachen Abtretungen ist nur die zeitlich früheste wirksam, nachfolgende Abtretungen sind unwirksam (Prioritätsprinzip) (BGH NJW 1960, 1716). In dem Interessenstreit um den Zugriff auf Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen als Instrument der Kreditsicherung suchen die Beteiligten daher für ihre Abtretung einen möglichst frühen Zeitpunkt zu erreichen. Die Banken benutzen dafür das Instrument der Abtretung zukünftiger Forderungen, meist in der Form einer Globalzession. Zeitpunkt der Abtretung, auch künftig erst entstehender Forderungen, ist das Datum des Vertragsschlusses (Serick, Band V, 474 ff). Lieferanten, die ihren Warenkredit durch eine Abtretung künftig entstehender Forderungen aus dem Weiterverkauf der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware absichern wollen (verlängerter Eigentumsvorbehalt), knüpfen ihre Abtretung an die Lieferung ihrer Waren an. Theoretisch könnten sich Lieferanten ebenso wie Banken der Globalzession bedienen. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Globalzession jedoch als sittenwidrig charakterisiert (BGH WM 1977, 480). Ein Konflikt besteht somit nur mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt. Die Abtretungen an die Banken hatten fast immer den zeitlichen Vorrang. Die Lösung des Interessenstreits, allein auf der Grundlage des Prioritätsprinzips, das sich regelmäßig zum Nachteil der Lieferanten auswirkte, wurde als ungerecht empfunden. Die Rechtswissenschaft bot vielfältige Lösungen an, die alle auf einer Modifizierung des Prioritätsprinzips beruhten. Die Rechtsprechung durchbrach das Prioritätsprinzip mit ihrer Vertragsbruchstheorie (BGHZ 30, 149). Danach galt das Handeln der Bank im Zusammenwirken mit ihrem Kunden durch Abschluss eines Globalzessionsvertrages als Vertragsbruch und als sittenwidrig mit der Folge der Nichtigkeit des Globalzessionsvertrages.
43
Die Banken änderten daraufhin ihre Globalzessionsverträge in der Weise ab, dass in einem Konfliktfall bei Mehrfachabtretungen den verlängerten Eigentumsvorbehalten der Lieferanten ihres Kunden den Vorrang gegenüber der Abtretung an die Bank eingeräumt wurde (dingliche Teilverzichtsklauseln) (BGH NJW 1974, 942; vgl. Serick, Band V, 868 ff). Für Factoringinstitute, die alle Forderungen ihres Kunden kaufen und bezahlen, kam ein derartiger Verzicht nicht in Betracht. Sie beharrten auf der Abtretung auch solcher Forderungen ihres Kunden, die von einem verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst wer-
Bette
§ 29 Factoring
921
den konnten oder bereits waren. Auch sie bedienten sich meistens der globalen Vorausabtretung künftig entstehender Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen ihres Kunden, meist in der Form, dass die Abtretung mit der Bezahlung des Forderungskaufpreises wirksam werden sollte. Vereinzelt erfolgte die Forderungsabtretung aber auch zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrages und der Bezahlung der Forderung. Im Konflikt zwischen Factoringinstitut und Lieferanten des Factorkunden war deshalb noch die Frage zu lösen, wem bei der Mehrfachabtretung die Forderung zusteht. Ist der Konflikt aufgrund des Prioritätsgrundsatzes, allein oder in modifizierter Form, der Vertragsbruchstheorie oder anders zu lösen (vgl. Bette/Marwede, BB 1979, 121 ff.). III. Lösung des Konflikts bei Mehrfachabtretungen. Die Rechtsprechung beschritt für das Factoringgeschäft einen grundsätzlich anderen Weg als für den Konfliktfall zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und einer kreditsichernden Globalzession. In einem Konfliktfall zwischen der Abtretung an den Factor und der Abtretung aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts zugunsten eines Lieferanten des Factorkunden, lag die Priorität der Abtretung beim Factor. Auch hier lag eine globale Vorausabtretung unter der aufschiebenden Bedingung der Bezahlung des Kaufpreises vor. Der Bundesgerichtshof verneinte ein sittenwidriges Verhalten des Factoringinstituts bei Abschluss des Factoringvertrages, der die Globalzession enthielt. Er begründete dies vor allem mit der Eigenart des Factoringgeschäfts, das darauf gerichtet sei, mit Hilfe der Factoringerlöse die Lieferantenverbindlichkeiten zu befriedigen und nicht vorrangig dem Sicherungsinteresse des Factoringinstituts diene (BGH WM 1977, 1198). Wenig später entschied der Bundesgerichtshof einen weiteren Kollisionsfall zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und einer Factoringzession. Hier lag die zeitliche Priorität bei der Abtretung an den Lieferanten. In dieser Entscheidung (BGH WM 1978, 787) bestätigte sich nun, dass der Bundesgerichtshof in dem Factoringgeschäft ein Geschäft eigener Art sieht. Dies gilt indessen nur für das echte Factoring. Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs setzt nämlich voraus, dass der Factoringerlös, den der Factor dem Kunden für die gekauften Forderungen zur Verfügung stellt, endgültig bei diesem verbleibt und nicht aus Gründen mangelnder Bonität des Forderungsschuldners zurückverlangt werden kann. Eine weitere Voraussetzung für das Abweichen vom Prioritätsprinzip zugunsten des Factors ist, dass der zur Verfügung gestellte Factoringerlös ausreicht, um die Lieferantenverbindlichkeiten zu bezahlen. Die wirtschaftliche Begründung für diese Entscheidung sieht der Bundesgerichtshof darin, dass der Factorkunde durch den Verkauf seiner Forderungen an einen Factor nicht anders dasteht, als würden die Debitoren sofort nach Erhalt der Rechnungen an den Factorkunden zahlen. Die rechtsdogmatische Begründung findet der BGH in § 185 BGB, wonach die Verfügung eines Nichtberechtigten (des Factorkunden) gegenüber dem Berechtigten (Lieferant des Factorkunden) dann wirksam ist, wenn sie mit dessen Einwilligung (Ermächtigung) geschieht. Die Einwilligung des Lieferanten zum Verkauf der Forderungen des Kunden an den Factor und einer Zweitabtretung dieser Forderungen an den Factor sieht der BGH darin, dass der Lieferant seinem Kunden auch ermächtige, bei den Debitoren alle Zahlungen zu kassieren und er darauf vertraut, dass er das so erhaltene Geld von seinem Kunden bekommt (Weiterleitungsrisiko) (Hagenmüller/Sommer/ Brink-Brink, S. 184).
44
Als Schlussfolgerung aus den beiden zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu dem Konflikt zwischen echtem Factoring und verlängertem Eigentumsvorbehalt ist daher folgendes festzuhalten: Es ist gleichgültig, obdie Factoringzession zeitlich der Abtretung aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts vorgeht oder nicht, die Factoringzession hat den Vorrang. Voraussetzung dafür ist, dass die Factoringerlöse endgültig beim Factorkunden verbleiben (Factoring without recourse) und die Factoringerlöse ausreichen, die
45
Bette
922
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Lieferantenverbindlichkeiten des Factorkunden zu bezahlen (MünchKommBGB-Roth, § 398 BGB Rn. 171, 172). 46
In der Praxis weniger häufig, aber dennoch nicht selten, ist der Kollisionsfall zwischen Abtretungen an eine Bank und einen Factor. Die Grundsätze für die Kollision bei Mehrfachabtretungen zwischen Lieferanten und Banken einerseits und Lieferanten und Factoringinstituten andererseits, lassen sich auf den Konflikt Bank und Factor übertragen. Allerdings ist die Bank im Gegensatz zum Lieferanten berechtigt, den Verkauf und die nochmalige Abtretung einer bereits an die Bank zedierten Forderung, z.B. im Wege des Factoringverfahrens, ihrem Kunden zu untersagen. In diesem Falle bleibt es zur Lösung des Konflikts bei der Mehrfachabtretung beim Prioritätsprinzip (MünchKommBGBRoth, § 398 BGB Rn. 173; BGH ZIP 1982, 40; 1980, 183).
47
IV. Ausschluss der Abtretung, § 354a HGB. Debitoren stehen einem Gläubigerwechsel regelmäßig nicht gleichgültig gegenüber. Die Forderungsabtretung bezieht sich zwar nur auf den Anspruch auf Zahlung von Geld, der aus einer Warenlieferung oder Dienstleistung resultiert, im übrigen bleiben die Vertragsbeziehungen zwischen dem ursprünglichen Gläubiger und dem Debitor bestehen. So richten sich die Ansprüche auf Nachbesserung und sonstige Ansprüche aus dem Kaufvertrag auch nach der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger. Die Forderungsabtretung und die Kenntnisse des Debitors von der Abtretung hindern ihn indessen, mit Ansprüchen, die er seinerseits gegen den bisherigen Gläubiger haben kann, nach Kenntnis von der Abtretung aufzurechnen (§§ 406, 407 BGB; s. dazu Staudinger-Busche, § 407 Rn. 14).
48
Der Ausschluss der Forderungsabtretung oder eine vereinbarte Abhängigkeit von der Zustimmung des Debitors stellt eine Machtposition des Debitors gegenüber dem Gläubiger dar (Bette, S. 98 ff). Bei Fragen der Forderungsfinanzierung durch Abtretung entsteht eine Abhängigkeit vom guten Willen des Debitors. Das BGB hat die Forderungsabtretung grundsätzlich frei und unabhängig von Zustimmung oder Kenntnis der Abtretung des Forderungsschuldners (Debitors) geregelt (§ 398 BGB).
49
Diese grundsätzliche Freizügigkeit findet eine Einschränkung in der Ausnahmerege-lung des § 399 2. Alternative BGB. Danach können Gläubiger und Schuldner eine Vereinbarung treffen, die die Forderungsabtretung ausschließt (meist Abtretungsverbot genannt) (Staudinger-Busche, § 399 Rn. 50 ff.). In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts wurde diese Ausnahme fast zur Regel im Geschäftsverkehr. In vielen Branchen galten Vereinbarungen, die Forderungsabtretungen ausschlossen, flächendeckend. Dabei kam die Vereinbarung stets aufgrund der Marktmacht großer Abnehmer zustande.
50
Diesem Missstand half die Bestimmung des § 354a HGB ab, die 1994 in das HGB eingefügt wurde. Sie macht auch solche Forderungen frei abtretbar, über die eine Vereinbarung zum Ausschluss der Abtretung zwischen Gläubiger und Schuldner besteht, sofern es sich um Forderungen aus Handelsgeschäften oder gegen die öffentliche Hand handelt. Damit sind seit dem Jahre 1994 auch solche Forderungen wieder finanzierbar, die durch eine Vereinbarung gemäß § 399 2. Alternative BGB gebunden sind. § 354a HGB nimmt jedoch Rücksicht auf die Interessen des Forderungsschuldners, der mit seinem Gläubiger eine Vereinbarung über die Nichtabtretung gemäß § 399 2. Alternative BGB geschlossen hat. § 354a Satz 2 HGB gestattet dem Schuldner, mit schuldbefreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger zu leisten (MünchKommHGB-Schmidt, § 354a, Rn. 18). Die Finanzierung solcher Forderungen, für die ein Abtretungsverbot besteht, ist daher mit einem besonderen Weiterleitungsrisiko behaftet. Der Forderungszessionar kann den Forderungsschuldner auch dann nicht zu einer Zahlung an sich in Anspruch nehmen, wenn der Debitor an den bisherigen Gläubiger geleistet hat, obwohl ihm
Bette
§ 29 Factoring
923
die Abtretung bekannt war. Auch nach Kenntnis der Abtretung bleibt dem Schuldner die Aufrechnungsmöglichkeit mit Gegenforderungen gegenüber dem bisherigen Gläubiger (MünchKommHGB-Schmidt, § 354a Rn. 22). Durch Vereinbarungen mit Debitoren haben Factoringinstitute versucht, das Wahlrecht des Debitoren gemäß § 354a Satz 2 HGB und damit auch die Aufrechnungsmöglichkeit einzuschränken. Solche Vereinbarungen verstoßen jedoch gegen Satz 3 der Bestimmung, wonach entgegenstehende Vereinbarungen unwirksam sind (Thür. OLG, NJ 208, 28). V. Grenzüberschreitende Forderungen. Auch im Recht anderer europäischer Staaten ist eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner über eine Forderung möglich, die deren Abtretung verhindern soll (Italien: Hadding/Schneider-Dolemetta/Portale, S. 358 ff; Spanien: Hadding/Schneider-Reichmann, S. 614 ff). Regelmäßig ist die Wirkung einer Vereinbarung zum Ausschluss einer Forderungsabtretung aber auf die Parteien dieser Vereinbarung beschränkt. Die Ottawa-Konvention erklärt in Art. 6 eine solche Vereinbarung für grenzüberschreitende Forderungen grundsätzlich für unwirksam. Sie eröffnet aber dem einzelnen Zeichnungsstaat die Möglichkeit eines Vorbehalts zu dieser Bestimmung. Die Ausübung des Vorbehalts hat die Wirkung, dass die Vereinbarung über die Ausschließung der Abtretung nur zwischen den Parteien (Gläubiger und Schuldner) wirksam ist, den Forderungserwerb durch einen Factor durch eine Abtretung entgegen der Vereinbarung nicht hindert. Die UNCITRAL-Konvention statuiert dagegen die generelle Unwirksamkeit von Vereinbarungen über einen Abtretungsausschluss, ohne die Eröffnung eines möglichen Vorbehalts (MünchKommHGB-Brink, FactÜ, Art. 5 Rn. 33 ff.).
51
Ottawa- und UNCITRAL-Konvention können ihre Wirkung nur für grenzüberschreitende Forderungen entfalten. Für rein inländische Forderungen gilt in Bezug auf das sog. Abtretungsverbot (anders als in Deutschland) in den europäischen Staaten, das seine Wirkungen auf die Parteien der Vereinbarung (Gläubiger und Schuldner) beschränkt sind. In Deutschland ist die Wirkung des Abtretungsverbots dagegen absolut, d.h. eine mit einem Abtretungsverbot belastete Forderung entsteht als unabtretbare Forderung mit der Wirkung, dass die Ausschließungsvereinbarung nicht auf die Parteien beschränkt bleibt, sondern den Forderungserwerb ausschließt (Palandt-Heinrichs, § 399 Rn. 11). Diese Wirkung wurde durch § 354a HGB für Forderungen aus Handelsgeschäften und gegen die öffentliche Hand aufgehoben (MünchKommHGB-Schmidt, § 354a Rn. 7 ff.).
52
VI. Haftung für Umsatzsteuerschuld, § 13c UStG. Mit der Einfügung des § 13c in das Umsatzsteuergesetz ist im Jahre 2003 als weiterer Beteiligter am Interessenstreit um Forderungen das Finanzamt hinzu getreten. § 13c ist ein Haftungstatbestand für rückständige Umsatzsteuer für den Zessionar einer abgetretenen Forderung. Bleibt nach § 13c der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer auf eine abgetretene Forderung schuldig, haftet der Abtretungsempfänger als Gesamtschuldner für den Umsatzsteuerteil, soweit er die Forderung vereinnahmt. Im Insolvenzfall des Factorkun-den sind gegen ihn regelmäßig Ansprüche des Finanzamts aus nicht gezahlter Umsatzsteuer offen. Dafür haftet der Factor nach dem Wortlaut des § 13c als Gesamtschuldner, soweit er die Forderungen vereinnahmt hat. Nach dem Anwendungserlass des Bundesfinanzministers vom 24.5.2004 (Tz 20), der wortgleich in die Umsatzsteuerrichtlinie 172d eingegangen ist, gilt beim Forderungskauf die Gegenleistung für die Forderung als durch den Zedenten vereinnahmt soweit der Zessionar die Gegenleistung für die abgetretene Forderung an ihn, den Zedenten, gezahlt hat. Damit ist der Factor von der Haftung frei (so ausführlich Bette in FLF 2004, 202). Trotz dieser Klarstellung erwachsen aus der Vorschrift des § 13c UStG auch für den Factor kaum überschaubare Risiken (BGH WM 2007, 558). Im Insolvenzfall eines Factorkunden
53
Bette
924
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
hat der Factor den offenen Umsatzsteuerbetrag, der von ihm sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Finanzamt gefordert wurde, zur Schuldbefreiung hinterlegt. Der Bundesgerichtshof hat ein Zurückbehaltungsrecht des Factors gegenüber dem Insolvenzverwalter verneint. Damit entfiel der Hinterlegungsgrund. Die Frage, ob der Factor darüber hinaus auch gegenüber dem Finanzamt in der Haftung ist, ist offen. Hierüber wird vor dem Finanzgericht Hamburg gestritten. Der klageführende Factor stützt seine Argumente u.a. auch auf meinen Beitrag in der FLF 2004, 202. 54
D. Factoring in der Praxis I. In Deutschland. Im deutschen Factoringmarkt betätigen sich aktiv etwa 50 Factoringinstitute. Dabei werden derzeit von 23 Instituten, die dem deutschen Factoringverband e.V., gegründet 1974, angehören, ca. 85 % des Marktes bedient. Diese Institute sind bis auf wenige, privat gehaltene Institute, entweder selbst Banken, haben Bankhintergrund oder sind von Versicherungsunternehmen gegründet worden (ausführliche Informationen unter www.factoring.de sowie Bette, S. 1 ff.; Hagenmüller/Sommer/Brink-Kaufhold, S. 55). Diese Institute bedienen ein Marktsegment von Unternehmen ab einer Umsatzgröße von ca. 1 Milliarde €. Wegen der großen Nachfrage von Unternehmen nach Factoring, die niedrigere Umsätze tätigen, haben sich weitere Factoringinstitute etabliert, die sich im Jahre 2001 zu dem Bundesverband Factoring für mittelständische Unternehmen, Limburg, zusammengeschlossen haben. Vor kurzem ist eine Institutsgruppe von derzeit 18 regional gegliederten Einzelinstituten dem Deutschen Factoringverband beigetreten, die sich auf Firmen mit wesentlich kleineren Umsätzen spezialisiert hat. Die Institute, die dem deutschen Factoringverband angehören, haben im Jahr 2007 ein Umsatzvolumen (angekaufte Forderungen) von ca. 85 Milliarden € erzielt (Quelle Deutscher Factoringverband e.V., Berlin, Jahresbericht 2007). Das Umsatzvolumen, der dem Bundesverband Factoring für mittelständische Unternehmen angehörenden Institute liegt bei mindestens 1 Milliarde €. Hohe konzerninterne Factoringumsätze, deren Größenordnung nicht bekannt ist, aber erheblich sein dürfte, sind in die genannten Umsatzzahlen nicht eingerechnet.
55
Die Nachfrage nach Factoring kommt etwa zu gleichen Teilen aus der verarbeitenden Industrie und dem Großhandel. Dienstleistungsunternehmen haben einen wachsenden Anteil, liegen aber unter 10 %. Im Vordergrund der Factoringanwender stehen die Industriezweige Textil, Möbel, Kunststoff- und Metallverarbeitung und Standardmaschinenfertigung. Aus dem Dienstleistungsbereich sind die Standardsoftware und Gebäudereinigung zu nennen sowie neuerdings auch Honoraransprüche von Rechtsanwälten, deren Abtretung in einem engen, vom BGH abgesteckten Rahmen, zulässig ist (BGH Urt. v. 24.04.2008 – IX ZR 53/07). Der Factoringumsatz der deutschen Factoringinstitute wird zu 20 % im grenzüberschreitenden Verkehr als Export- oder Importfactoring abgewickelt. Das Verhältnis zwischen internationalem Factoring und Inlandsfactoring ist über die letzten zehn Jahre nahezu konstant. Erst in jüngerer Zeit hat sich der Anteil zugunsten des Exportfactoring geringfügig verschoben. Beim Factoring-Standardverfahren übermittelt der Factorkunde dem Factor täglich die Rechnungsausgangsdaten und erhält im Gegenzug den Rechnungsbetrag zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer in Höhe des vereinbarten, sofort fälligen Anteils (80–90 %) ausgezahlt. Der Restanteil von 10-20 % wird zur Auszahlung fällig, entweder bei Zahlung durch den Rechnungsadressaten (Debitor) oder bei Eintritt des Delkrederefalles (der Delkrederefall tritt ein, entweder zu einem vereinbarten Zeitpunkt nach Fälligkeit der Rechnung, oft 120 Tage oder früher bei Bekanntwerden einer Insolvenz des Debitors). Der Fac-
Bette
§ 29 Factoring
925
tor ist im Rahmen bestehender Limite zum Ankauf der angebotenen Forderung und damit zur Auszahlung des Gegenwertes verpflichtet. Besteht noch kein Limit, muss der Factor unverzüglich über den Ankauf der Forderung entscheiden. Die übermittelten Daten eines Kunden stellt der Factor in seine Debitorenbuchhaltung für den betreffenden Kunden ein. Er verwaltet die Forderungen und treibt sie notfalls bei. Bei ihm eingehende Debitorenzahlungen ordnet er den von ihm geführten Debitorenkonten zu und vermittelt seinem Kunden laufend ein Spiegelbild, der von ihm, dem Factor, geführten Debitorenbuchhaltung. Die Abnehmer des Factorkunden (Debitoren) werden von der Forderungsübertragung auf den Factor informiert. Nur so wird der Umweg der Zahlungen an den Factor über den Factorkunden und damit auch ein Weiterleitungsrisiko vermieden. Das sog. offene Verfahren ist außerdem zweckmäßig, weil die Forderungslaufzeit und damit Zinsaufwand für die Finanzierung der noch offenen Forderungen erspart wird. Die Verkürzung der Forderungslaufzeit ergibt sich zum einen aus der Vermeidung der Umwegsbezahlung, zum anderen durch die Kenntnis des Debitors von der Einschaltung eines Factors, dessen professionelle Forderungsverwaltung ihm geläufig ist. In den letzten Jahren erfreut sich eine Variante dieses Verfahrens unter dem Stichwort Inhouse-Factoring zunehmender Beliebtheit. Hierbei führt nicht der Factor die Buchhaltung für den Factorkunden, vielmehr führt der Factorkunde seine Buchhaltung unter Berücksichtigung der Interessen des Factors fort und überspielt diesem alle erforderlichen Daten für Forderungsbestand, Debitorenverpflichtungen, Zahlungen der Debitoren und der Zahlungszuordnung. Dies setzt großes Vertrauen des Factors in die absolute Zuverlässigkeit des Factorkunden voraus, insbesondere dann, wenn auch auf die Unterrichtung der Debitoren von der Forderungsabtretung an den Factor verzichtet wird. Der Factor behält sich jedoch vor, jederzeit zu verlangen, dass die Buchhaltung auf ihn übertragen wird und die Debitoren von der Forderungsabtretung unterrichtet werden. II. In Europa. Die folgende Tabelle spiegelt die Factoringumsatzzahlen der Staaten der Europäischen Länder (ohne Schweiz) für das Jahr 2007 wider (Quelle: www.factorschain.com). Die genannten Factoringumsatzzahlen unterscheiden nicht zwischen Factoring without recourse und Factoring with recourse. Im europäischen Ausland überwiegt, so z.B. in England, das Factoring with recourse. Factoringumsatz der Länder in 2007 in Millionen Euro Länder
Zahl d. Gesellschaften
Inland
International
Total
Österreich
4
4,176
1,043
5,219
Belgien
6
14,200
5,000
19,200
Bulgarien
5
260
40
300
Kroatien
10
1,000
100
1,100
Zypern
3
2,940
45
2,985
Tschechische Republik
8
3,840
940
4,780
Dänemark
9
5,574
2,900
8,474
Estland
3
1,000
300
1,300
4
12,000
650
12,650
Frankreich
Finnland
26
107,040
14,620
121,660
Deutschland
50
65,000
24,000
89,000
Bette
56
57
926
Griechenland
10
6,500
920
7,420
Ungarn
27
2,940
160
3,100
Island
1
0
5
5
Irland
6
22,619
300
22,919
Italien
40
112,820
9,980
122,800
7
770
390
1,160
Littauen
8
1,870
820
2,690
Luxemburg
1
360
130
490
Malta
4
20
5
25
Niederlande
5
24,500
7,320
31,820
Norwegen
7
15,000
2,000
17,000
Polen
20
7,150
750
7,900
Portugal
16,888
Lettland
10
15,582
1,306
Rumänien
9
1,000
300
1,300
Russland
15
12,850
250
13,100
Serbien
4
200
26
226
Slowakei
9
900
480
1,380
Slowenien
5
375
80
455 83,699
Spanien
23
78,618
5,081
Schweden
50
18,000
3,700
21,700
Türkei
90
16,930
2,695
19,625
Ukraine Vereinigtes Königreich
58
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
38
850
40
890
107
274,530
11,966
286,496
E. Weitere Entwicklung des Factoringgeschäfts in Deutschland und Europa I. Baseler Beschlussempfehlungen. Die 10 wichtigsten Industriestaaten der Welt arbeiten in Zusammenarbeit mit der Bank für internationalen Zahlungsverkehr in Basel seit 1975 an der Neuordnung des Bankgeschäfts. Ziel dieser Arbeiten ist es, Risiken im Bankgeschäft einzugrenzen, um Zusammenbrüche von Banken mit weltweit schädlichen Auswirkungen auf einzelne Volkswirtschaften und die Weltwirtschaft zu vermeiden. Die Neuordnung, insbesondere des Kreditgeschäfts, hat ihren Niederschlag in den Baseler Beschlüssen – bekannt unter dem Stichwort Basel II – gefunden. Diese Beschlussempfehlungen sind für die 27 Staaten in der Europäischen Union in die Europäische Richtlinie 2006/49/EG eingegangen. Es handelt sich um die Richtlinie zu Eigenkapitalanforderungen vom 14. Juni 2006 (Amtsblatt der Europäischen Union 2006 L 177/201). In der Bundesrepublik Deutschland ist diese Richtlinie in nationales Recht bereits umgesetzt worden, und zwar durch das Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 17. November 2006 (BGBl 2006, Teil I, Nr. 53, ausgegeben am 22.11.06, S. 2606). Gemäß diesen Vorschriften sind die Kreditengagements der Banken neu zu bewerten. Die Neuerung ist insbesondere darin zu sehen, dass jedem Kreditengagement je nach dessen spezieller Risikobewertung eine adäquate Eigenkapitalquote der Bank zugrunde zu legen ist. Dabei ist dem Engagement mit dem größeren Ausfallrisiko eine entsprechend höhere Eigenkapitalquote zugrunde zu legen.
Bette
§ 29 Factoring
927
Schon die erwarteten Neuregelungen haben seit langem dazu geführt, dass Banken Kreditengagements mit höherem Ausfallrisiko abzubauen begonnen haben und solchen Neuengagements gegenüber zurückhaltend waren. Das Inkrafttreten dieser Bestimmungen wird diese Tendenz verfestigen. Die gegenwärtige Finanzkrise aufgrund des Zusammenbruchs des Immobilienmarktes in den USA kommt hinzu. Betroffen von dieser Tendenz sind in Deutschland vor allem die mittelständischen Unternehmen, für die eine geringe Eigenkapitalausstattung charakteristisch ist. Die Eigenkapitalausstattung der Kreditnehmer ist aber ein maßgebliches Kriterium für die Risikobewertung von Kreditengagements der Banken. Zielgruppe der Factoringinstitute für Factoringengagements sind insbesondere mittelständische Unternehmen. Dass aufgrund dieser neuen Rechtslage der Bedarf nach Sonderfinanzierungsformen, insbesondere auch das Factoringgeschäft zunehmen wird, ist unschwer zu erkennen. Schon die Erwartung der gesetzlichen Neuregelungen hatte ja – wie die gestiegenen Umsätze im Factoringgeschäft zeigen – zu einer erhöhten Nachfrage nach Factoring geführt. Deutschland nimmt hier innerhalb Europas insofern eine Sonderstellung ein, als das Kreditwesengesetz in Bezug auf die Kreditnehmereigenschaft nach Factoring with und Factoring without recourse unterscheidet. Kann der Factor im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der gekauften Forderung (Debitor) auf den Forderungsverkäufer (Factorkunde) zu seiner Befriedigung zurückgreifen (Factoring with recourse), gilt nach dem Kreditwesengesetz der Factorkunde als Kreditnehmer. Ist der Rückgriff ausgeschlossen (Factoring without recourse), gilt dagegen der Debitor als Kreditnehmer des Factors. In den übrigen Ländern der Europäischen Union wird diese Unterscheidung nicht getroffen, dort ist vielmehr stets der Factorkunde als Kreditnehmer des Factors anzusehen. Soweit die gesetzliche Neuregelung auf das Factoringgeschäft anzuwenden ist, bedeutet dies für das Factoring without recourse, auf das in diesem Beitrag allein das Augenmerk gelegt worden ist, keine grundlegende Veränderung, da für das Factoring without recourse die günstigere Regelung für das Retailgeschäft gilt. Die Finanzierung der Forderungen (Außenstände eines Unternehmens) durch Factoring wird die Umsetzung der Baseler Beschlüsse nicht beeinträchtigen. Die Eigenart des Factoring als Finanzdienstleistung anderer Art erweist sich auch hier. II. Auswirkungen der Baseler Beschlüsse auf das Bankgeschäft. Die dem Factoring vergleichbare Finanzierung von Forderungen durch Bankkredite auf der Basis von Forderungsabtretungen zur Sicherheit wird unmittelbar von den Baseler Beschlussempfehlungen betroffen. Kreditnehmer ist hierbei der Kunde der Bank, nicht die Vielzahl der Forderungsschuldner. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass zur Sicherung abgetretene Forderungen nicht zu den Sicherheiten gehören, die das Kreditrisiko nach den Kriterien der Baseler Beschlüsse mindern. Durch die erwartete Veränderung des Kreditgeschäfts der Banken nimmt der Bedarf an Sonderfinanzierungsformen zu. Dazu gehört auch das Factoring. Dies gilt insbesondere für Deutschland. III. Sonderstellung des Factors. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Karlsruhe, ZIP 2005, 1248, Dresden, ZIP 2005, 2167, München, NZI 2006, 530 eröffnet dem Insolvenzverwalter ein Anfechtungsrecht gegenüber dem Abtretungsempfänger, das eine kreditsichernde Globalzession uninteressant macht. Die Entscheidung stützt sich auf § 140 InsO; danach gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre Wirkungen eintreten. Die Rechtshandlung des Schuldners, die angefochten werden kann, ist die Abtretung der Forderung. Diese ist im Rahmen einer globalen Vorausabtretung zwar regelmäßig lange Zeit vor der Insolvenz vorgenommen worden, läge also außerhalb der
Bette
59
928
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Anfechtungszeiträume. Die Wirkung der Abtretung tritt nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe indessen erst mit der Entstehung der im voraus abgetretenen Forderung ein. Die Forderung entsteht erst bei Abschluss des Liefervertrages, den der Schuldner mit seinem Abnehmer schließt (inkongruente Deckung). Damit fallen die jeweils jüngsten Forderungen in den Anfechtungszeitraum. Die jüngsten Forderungen sind aber die wertvollsten, die älteren sind entweder beglichen oder überfällig, daher geringwertig. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung (BGH NJW 2008, 430) die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung indessen korrigiert und dabei insbesondere auf den wirtschaftlichen Gesichtspunkt hingewiesen, dass nur die jüngsten Forderungen, die in den Anfechtungszeitraum fallen, den Wert der kreditsichernden Globalzession bestimmen und sie damit als Kreditsicherungsinstrument grundsätzlich entwerten würde. Auch der Factoringvertrag sieht eine Globalzession vor und die Wirksamkeit der darin enthaltenen Rechtshandlung des Schuldners tritt nach § 140 InsO ebenfalls erst mit der Entstehung der an den Factor verkauften Forderungen ein. § 142 InsO schließt aber eine Anfechtung bei Bargeschäften aus. Erhält der Schuldner für seine Leistung unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung, ist eine Anfechtung der Rechtshandlung des Schuldners nur dann möglich, wenn sie eine vorsätzliche Benachteiligung der Gläubiger darstellt (§ 139 InsO). Auf den Zug-um-Zug-Charakter des Factoring, der sich vor allem in der Globalzession unter der aufschiebenden Bedingung des Kaufs der Forderungen manifestiert, ist in diesem Beitrag mehrfach hingewiesen worden. Auch wenn man dem OLG Karlsruhe folgt und die Wirksamkeit der Rechtshandlung des Schuldners erst im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung annimmt, geht die Forderung auf den Factor nur bei Bezahlung des Kaufpreises für die Forderung über. Die Bedingung für die Wirksamkeit der Rechtshandlung des Schuldners ist die unmittelbare Erbringung der gleichwertigen Gegenleistung des Factors im Zeitpunkt des Erwerbs der Forderung. Damit liegt ein Bargeschäft i.S. des § 142 InsO vor. Auf das Factoringgeschäft kann deshalb die Entscheidung des OLG Karlsruhe keine Anwendung finden. Die praktische Auswirkung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung bedeutet eine weitere gravierende Einengung des Spielraums der Banken bei der Finanzierung von Forderungen in Deutschland. Entsprechend erhöht sich der Bedarf für die Factoringfinanzierung. Grundzüge eines Factoringvertrages als Zusammenfassung der vorstehenden Erläuterungen: 60
F. Anhang FACTORING-VERTRAG zwischen FIRMA und Factor Präambel Der Factoringvertrag begründet ein auf Dauer angelegtes gegenseitiges Treueverhältnis, das ein enges Zusammenwirken und gegenseitige Information bedingt. Die Erlöse aus dem Verkauf der Forderungen dienen der Finanzierung des Umlaufvermögens, vorrangig zur Befriedigung der Lieferantenverbindlichkeiten der Firma.
Bette
§ 29 Factoring
929
1. Andienungspflicht und Angebot zum Forderungskauf 1.1. Die FIRMA verpflichtet sich, ihre künftig entstehenden Forderungen aus vollständig erbrachten Warenlieferungen oder Leistungen gegen ihre sämtlichen Abnehmer (Debitoren) fortlaufend dem FACTOR zum Kauf anzubieten. 1.2. Die FIRMA bietet den Abschluss des Kaufvertrages dadurch an, dass sie dem FACTOR alle wesentlichen Daten der Forderung gegen den Debitor übermittelt. 1.3. Die FIRMA ist an ihr Kaufangebot nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gebunden. Erklärt sich der FACTOR nach Ablauf eines Zeitraumes, der nach normalem Lauf für die Kaufentscheidung ausreicht, nicht, so kann die FIRMA dem FACTOR für die Annahme ihres Angebotes eine abschließende Frist von acht Tagen ab Zugang ihrer schriftlichen Erklärung setzen. Danach kann die FIRMA, sofern der FACTOR das Angebot nicht fristgemäß angenommen hat, über Forderungen frei verfügen. 2. Ankaufspflicht und Annahme 2.1. Der FACTOR verpflichtet sich, das Kaufangebot der FIRMA anzunehmen, wenn die zum Kauf angebotene Forderung den Bestimmungen entspricht und unter Berücksichtigung bereits angekaufter Forderungen im Rahmen des Limits liegt, das der FACTOR für diesen Debitor eingeräumt hat. Der FACTOR hat darüber hinaus das Recht, alle ihm angedienten Forderungen anzukaufen. Passt eine angebotene Forderung ganz oder teilweise nicht mehr in das Limit, so rückt sie insoweit nach, als durch Debitorenzahlungen das Limit für diese Forderung freigeworden ist. Ziff. 1.3 gilt entsprechend. 2.2. Die Entscheidung über Einräumung, Änderung oder Streichung eines Limits nimmt der FACTOR nach pflichtgemäßem Ermessen unter banküblichen Gesichtspunkten vor. Streichungen und Änderungen des Limits dürfen nur für nichtangekaufte Forderungen erfolgen. Der FACTOR bleibt trotz Änderung des Limits zum Ankauf von Forderungen verpflichtet, soweit die FIRMA die Ware versandt und die Leistung erbracht hat und hierbei auf das eingeräumte Limit vertrauen durfte. 2.3. Das Kaufangebot der FIRMA nimmt der FACTOR durch Gutschrift des Kaufpreises für die Forderung auf dem Abrechnungskontoder FIRMA an. Gemäß § 151 Satz 1 BGB verzichtet die FIRMA auf den Zugang der Annahmeerklärung. 3. Abtretung der angekauften Forderungen 3.1. Die FIRMA tritt hiermit dem FACTOR im Voraus alle künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen, die ihr gegen ihre sämtlichen Abnehmer zustehen werden, unter der aufschiebenden Bedingung ab, dass die jeweilige Forderung von dem FACTOR angekauft wird. 3.2. Kauft der FACTOR eine Forderung nur teilweise an, so ist sie zunächst nur in der Höhe dieses Teilbetrages abgetreten. 3.3. Lehnt der FACTOR den Ankauf der Forderung endgültig ab, so behält derjenige sie endgültig, dem sie in der Schwebezeit gehört hat. 3.4. Soweit nach dem auf die abzutretende Forderung anwendbaren Recht eine Vorausabtretung unwirksam ist, verpflichtet sich die FIRMA, unverzüglich nach dem Entstehen einer solchen Forderung diese an den FACTOR abzutreten. Die Übermittlung der wesentlichen Daten der Forderung gilt Abtretungsangebot, die Gutschrift auf dem Abrechungskonto durch den FACTOR als Annahmeerklärung. 3.5. Die FIRMA bevollmächtigt hiermit den FACTOR unwiderruflich, für sie die Abtretungsanzeige gegenüber dem Debitor abzugeben. 4. Kaufpreis 4.1. Der FACTOR ist zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. 4.2. Der Kaufpreis ist der Betrag der bestehenden Forderung der FIRMA gegen den jeweiligen Debitor abzüglich eines Diskonts, der aus dem Zwischenzins für die tatsächliche Laufzeit der Forderung (Zahlungseingang beim FACTOR bzw. Eintritt des FACTORS im Delkrederefall) und aus der Factoringgebühr besteht.
Bette
930
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
4.3. Der Kaufpreis mindert sich im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Debitors um den Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch, den die FIRMA bei Ausfall der Forderung geltend machenkann. 4.4. Der Kaufpreis ist – abzüglich des Sperrbetrages – sofort fällig. 4.5. Der FACTOR behält einen der Höhe nach gesondert vereinbarten Anteil vom Kaufpreis als Sperrbetrag ein. Dieser Sperrbetrag sichert die Ansprüche des FACTORS gegen die FIRMA, insbesondere aus der Garantie nach Ziff. 6 dieses Vertrages. 4.6. Der Sperrbetrag ist bei Eingang der Debitorenzahlung, spätestens im Delkrederefall fällig. Unbeschadet von der Höhe des vorläufigen Sperrbetrages vollzieht sich der Übergang der Forderung auf den Factor gemäß Ziff. 3 in voller Höhe. 4.7. Der Factor ist berechtigt, einen gesonderten Einbehalt bis zur Höhe der in den abgetretenen Forderungen enthaltenen Umsatzsteuer zu bilden oder den vereinbarten Sperrbetrag entsprechend zu erhöhen. Für diesen Betrag steht dem Factor ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Klärung des Anspruchsberechtigten zu. Zahlungen des Factors auf die Umsatzsteuer an das Finanzamt erfolgen mit schuldbefreiender Wirkung gegenüber der Firma. 5. Delkredere 5.1. Den Rechtsbestand der Forderung vorausgesetzt, trägt der FACTOR für die von ihm angekauften Forderungen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Debitors (Delkredere). 5.2. Zahlungsunfähigkeit wird vermutet, wenn der Debitor nicht innerhalb der vereinbarten Frist nach Fälligkeit zahlt, es sei denn, der Debitor bestreitet substantiiert seine Zahlungsverpflichtung, gleichgültig ob vor oder nach Ablauf vorgenannter Frist. 5.3. Werden der FIRMA Umstände bekannt, die die Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers betreffen, insbesondere die Durchsetzung einer abgetretenen Forderung gefährden könnten, so hat sie dem FACTOR diese Umstände unverzüglich mitzuteilen. 6. Veritätsgarantie der FIRMA 6.1. Die FIRMA ist zur Abtretung bestehender, unbestrittener und rechtlich einwandfreier Forderungen verpflichtet. 6.2. Die FIRMA garantiert dem FACTOR – unabhängig von Vorsatz oder Fahrlässigkeit –, dass die Forderung, so wie sie in den übermittelten Daten beschrieben wurde, einschließlich aller Nebenrechte besteht, abtretbar und nicht mit Einreden, Einwendungen oder Gegenrechten des Debitors oder anderer Dritter behaftet ist. Sie garantiert ferner in gleicher Weise, dass die Forderung bis zu ihrer Erfüllung nicht nachträglich in ihrem rechtlichen Bestand verändert wird, insbesondere nicht durch Einreden, Einwendungen oder Zurückbehaltungsrechte, wie z.B. Auf- und Verrechnung, Anfechtung, Minderung, Rücktritt des Debitors, Schadenersatz, Nachleistung oder Nachbesserung beeinträchtigt wird. Die FIRMA garantiert weiterhin, dass sie zur Abtretung dieser Forderung berechtigt ist. 6.3. Im Garantiefall kann der FACTOR die Beseitigung des Mangels verlangen (Nacherfüllung). Nach fruchtlosem Fristablauf kann der FACTOR den Kaufpreis mindern, vom Forderungskauf zurück treten sowie daneben Schadensersatz geltend machen. Gleiches gilt, wenn eine Fristsetzung auf Grund gesetzlicher Vorschriften entbehrlich ist. 6.4 . Die FIRMA sichert zu, dass sie zur Abtretung der Forderungen berechtigt ist, und dass sie über die Forderungen nicht anderweitig zugunsten Dritter Verfügungen getroffen hat. 7. Verfahren bei Einreden oder Einwendungen des Debitors 7.1. Der FACTOR ist, wenn der Debitor substantiiert Einwendungen, Einreden oder Gegenrechte jeder Art geltend macht, berechtigt, das Abrechnungskonto vorläufig mit dem gutgeschriebenen Kaufpreis für die Forderung zu belasten. ohne dass hiermit eine Ausübung der Rechte nach Ziff. 6.3. erfolgt. Die vorläufige Belastung wird zu dem Zeitpunkt rückgängig gemacht, zu dem der rechtliche Bestand der Forderung rechtskräftig festgestellt wird oder der Debitor die Forderung endgültig anerkennt Die FIRMA kann zur Vermeidung einer vorläufigen Belastung dem FACTOR genehme Sicherheiten leisten oder nachweisen, dass die Einwendungen oder Einreden nicht bestehen.
Bette
§ 29 Factoring
931
7.2. Soweit die FIRMA die Einreden oder Einwendungen anerkennt, ihre Pflichten nach § 402 BGB verletzt oder die Berechtigung der Einreden oder Einwendungen durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, kann der FACTOR seine Rechte aus Ziff. 6.3 endgültig geltend machen. 7.3. Für den Fall der gerichtlichen Auseinandersetzung des FACTORS mit dem Debitor trägt im Verhältnis zur FIRMA der FACTOR die Kosten, soweit er nach der Kostengrundentscheidung Kostenerstattung von Debitor zu beanspruchen hat. Soweit der FACTOR die gerichtliche Auseinandersetzung verliert oder nur deshalb gewinnt, weil die FIRMA den rechtlichen Bestand der Forderung nachträglich hergestellt hat, oder eine Kostenerstattung nach dem anwendbaren Recht nicht vorgesehen ist trägt die Kosten die FIRMA. Für einen Debitorenprozess kann der FACTOR in jedem Fall einen angemessenen Vorschuss von der FIRMA verlangen, der auch evtl. Kostenerstattungsansprüche des Debitors umfasst. 7.4. Über die gerichtliche Auseinandersetzung ist die FIRMA laufend zu unterrichten. Die FIRMA kann sich gegenüber dem FACTOR nicht darauf berufen, dass der Rechtsstreit mit dem Debitor unrichtig entschieden sei oder dass der FACTOR den Prozess mangelhaft geführt hat, wenn der FACTOR die FIRMA zur Mitwirkung aufgefordert hat. 8. Verrechnungen, Fälligkeit und Abtretungsverbot 8.1 Sämtliche Ansprüche und Forderungen des FACTORS gegen die FIRMA aus diesem Vertrag sind sofort fällig, soweit nicht anders ausdrücklich vereinbart. 8.2. Die Aufrechnung und die Ausübung von Zurückbehaltungsrechten der FIRMA ist nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen zulässig. 8.3. Ansprüche der FIRMA gegen den FACTOR können nur mit Zustimmung des FACTORS abgetreten werden. § 354a HGB bleibt unberührt. 9. Pflichten der FIRMA im Verhältnis zu ihren Abnehmern 9.1. Die Firma hat mit dem Debitor wirksame Vereinbarungen über einfachen, erweiterten und verlängerten Eigentumsvorbehalt zu treffen, wie sie in ihrer Branche üblich sind. 9.2. Die Firma hat entgegenstehenden Geschäftsbedingungen ihrer Debitoren wirksam zu widersprechen. 9.3 Die Firma hat die Berechtigung der Forderungsabtretung gegenüber den Debitoren durchzusetzen und eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen, aufgrund derer die Firma im Bezirk des für ihren Sitz zuständigen Gerichts Klage erheben kann. 9.4 Die Firma hat dem Factor ihre Geschäftsbedingungen, insbesondere ihre Liefer- und Zahlungsbedingungen in ihrer jeweils gültigen Fassung unverzüglich zu übermitteln. 10. Offenlegung der Forderungsabtretung Die Firma hat ihre Debitoren über die Forderungsabtretung an den Factor zu unterrichten, insbesondere durch einen entsprechenden Vermerk auf ihren Ausgangsrechungen. Form und Inhalt der Unterrichtung, insbesondere des Vermerks auf den Ausgangsrechnungen, sind mit dem Factor abzustimmen. 11. Weiterleitung von Zahlungseingängen bei der FIRMA 11.1. Die FIRMA ist verpflichtet, sämtliche bei ihr eingehenden Zahlungen auf die dem FACTOR abgetretenen Forderungen am Tage des Eingangs an den FACTOR mit allen Originalbelegen weiterzuleiten und den FACTOR unverzüglich von dem Eingang zu unterrichten. Bis dahin ist die FIRMA verpflichtet, sämtliche bei ihr eingehende Zahlungen getrennt von ihrem eigenen Vermögen zu halten und für den FACTOR zu verwahren. 11.2. Ziff. 11.1 gilt entsprechend für Wechsel, Schecks und alle sonstigen erfüllungshalber oder an Erfüllung Statt erfolgten Leistungen. FIRMA und FACTOR sind sich darüber einig, dass diese Zahlungsmittel oder zum Zweck der Zahlung empfangenen Leistungen im Zeitpunkt des Eingangs bei der FIRMA in das Eigentum bzw. in den Verfügungsbereich des FACTORS übergehen, wobei die FIRMA sie bis zur Übersendung an den FACTOR für diesen als Treuhänderin unentgeltlich verwahren wird. Die durch Wechsel und Schecks verbrieften Ansprüche tritt die FIRMA schon jetzt an den FACTOR ab und wird diese Papiere an den FACTOR, soweit erforderlich, indossieren.
Bette
932
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
12. Übertragung von Sicherheiten 12.1. FIRMA und FACTOR sind sich darüber einig, dass mit der Abtretung der Forderung an den FACTOR alle Ansprüche und Rechte, die der FIRMA auf Grund Gesetz oder Vertrag mit dem Debitor zustehen, insbesondere auf Herausgabe oder Rückgabe gelieferter Waren auf den FACTOR übergehen. Diese Abtretung umfasst insbesondere auch das Recht der FIRMA, im Falle einer Insolvenz des Debitors den Insolvenzverwalter zur Ausübung seines Wahlrechts aufzufordern. 12.2. FIRMA und FACTOR sind sich auch darüber einig, dass alle Rechte auf den FACTOR übergehen, die die FIRMA an den Waren hat, wie sie aus den Rechnungen ersichtlich sind und der FACTOR die diesen Rechnungen zu Grunde liegenden Forderungen angekauft hat, wie insbesondere (vorbehaltenes) Eigentum, Miteigentum und Anwartschaftsrechte. Zugleich tritt die FIRMA ihre Herausgabeansprüche gegen den Debitor oder Dritte, die unmittelbare Besitzer der Waren sind, ab. Waren, die sich noch oder wieder in unmittelbarem Besitz der FIRMA befinden, werden treuhänderisch unentgeltlich und getrennt von anderen Waren, von ihr für den FACTOR verwahrt. 12.3. Beim Versendungskauf tritt die FIRMA ihre Ansprüche gegen den Transporteur und ihr Verfolgungsrecht an der Ware an den FACTOR ab. Die FIRMA ist verpflichtet, in den Versanddokumenten, z.B. im Frachtbrief, vermerken zu lassen, dass dem FACTOR ein Weisungsrecht bezüglich der Ware zusteht. Die Verpflichtungen der FIRMA gegenüber dem Transporteur bleiben hiervon unberührt. 12.4. Darüber hinaus tritt die FIRMA schon jetzt ihre sämtlichen Versicherungsansprüche in Bezug auf die abgetretenen Forderungen und übereigneten Waren (wie z.B. Kreditversicherung, Transport-, Einbruchs-, Diebstahls-, Brandversicherung etc.) an den FACTOR ab. Soweit die Abtretung von besonderen weiteren Voraussetzungen abhängig ist, verpflichtet sich die FIRMA, die Abtretung in der entsprechenden Weise vorzunehmen. 12.5. Dem FACTOR abgetreten werden auch alle sonstigen Nebenrechte, insbesondere das Recht, wegen Zahlungsverzug des Debitors Verzugszinsen zu fordern, vom Vertrag zurückzutreten und/oder Schadensersatz zu verlangen. Der FACTOR nimmt die vorstehenden Abtretungen an. 12.6. Bezüglich nichtabtretbarer Rechte ist der FACTOR berechtigt, die der FIRMA zustehenden Rechte, insbesondere vertragliche Gestaltungsrechte, im eigenen Namen auszuüben. Diese Ermächtigung endet nicht mit der Beendigung dieses Vertrages. 12.7. Die Parteien sind sich darüber einig, dass diese Sicherheiten sowohl die Forderung des FACTORS gegen die Debitoren als auch alle Ansprüche des FACTORS gegen die FIRMA sichern. 13. Informationspflichten der FIRMA und Datenspeicherung 13.1. Boni oder andere Abzüge, die sich nicht aus der Rechnung ergeben, sind dem FACTOR vor Forderungskauf anzugeben. 13.2. Die FIRMA wird dem FACTOR nach Abschluss des Geschäftsjahres ihren Jahresabschluss übergeben. Dies bezieht sich auf alle rechtlich oder wirtschaftlich mit der FIRMA verbundenen Untenehmen. 13.3. Die FIRMA wird den FACTOR über alle geplanten Änderungen rechtlicher oder wirtschaftlicher Art sowie geschäftspolitische Maßnahmen, welche grundsätzliche Auswirkungen auf Bestand oder Durchsetzbarkeit von Forderungen und Sicherheiten haben können. unverzüglich informieren. 13.4. Der FACTOR ist berechtigt, alle vorgenannten Informationen und Daten über die FIRMA zu speichern, zu verarbeiten und vertraulich an Dritte weiterzugeben, soweit dies zur Durchführung des Factoringvertrages erforderlich ist. 14. Vertragsbeendigung 14.1. Die Vertragsdauer beginnt mit dem Datum der Unterschrift des FACTORS und endet nach Ablauf von 24 Monaten zum Monatsende. Danach läuft er auf unbestimmte Zeit weiter, wenn er nicht spätestens vor Ablauf des 18. Monats zum Ende des 24. Monats der Vertragsdauer ge-
Bette
§ 29 Factoring
933
kündigt wird. Für einen späteren Zeitpunkt kann der Vertrag mit einer Frist von sechs Monaten jeweils zum Ende eines Kalenderquartals gekündigt werden. 14.2. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn sie durch eingeschriebenen Brief erfolgt. 14.3. Die Kündigung aus wichtigem Grund bleibt beiden Vertragspartnern vorbehalten. Als wichtiger Grund, der wegen der besonderen Bedeutung der Pflichtverletzung eine Fortsetzung des Vertrages – auch unter Berücksichtigung der Interessen der FIRMA – ohne Abmahnung unzumutbar macht, sind insbesondere anzusehen: 14.3.1. Aufforderung der FIRMA an ihre Abnehmer, entgegen den Vereinbarungen dieses Vertrages Zahlungen unmittelbar an die FIRMA zu leisten 14.3.2. Täuschen oder Verschweigen von für den Vertragsschluss oder -fortführung wesentlichen Umständen 14.3.3. Unterlassung der Einräumung vertraglich vereinbarter Sicherheiten oder deren Widerruf oder Kündigung durch den Sicherungsgeber 14.3.4. drohende oder eingetretene wesentliche Vermögensverschlechterung der FIRMA, insbesondere, die Beantragung des Insolvenzverfahrens, Scheck- oder Wechselproteste oder Rücklastschriften mangels Dekkung, Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, Beschluss über die Liquidation wegen Vermögenslosigkeit.
Bette
“This page left intentionally blank.”
§ 30 Sicherungsübereignung
935
§ 30 Sicherungsübereignung
Schrifttum Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte, 1980; Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 965; Barbier, Konkurrierende vorweggenommene Sicherungsübereignungen: Bewältigung einer unbefriedigenden Rechtslage, ZIP 1985, 520; Blitz, Sonderinsolvenzverfahren im Internationalen Insolvenzrecht, 2001; Bork, Die Verbindung, Vermischung und Verarbeitung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter, FS Gaul, 1997, S. 71; Brox, Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers, JuS 1984, 657; Bülow, Anwendbarkeit von Pfandrechtsbestimmungen auf die Sicherungstreuhand, WM 1985, 405; De Weerth, Umsatzsteuer bei der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände, ZInsO 2003, 2466; Derleder, Sicherungsübereignung und Wertausschöpfung, BB 1969, 725; Fischer, Vorrang des Vermieterpfandrechts vor dem Sicherungseigentum? BGHZ 117, 200, JuS 1993, 542; Funk, Die Sicherungsübereignung in Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenz, 1996; Furtner, Die Pfändung eigener Sachen des Gläubigers, MDR 1963, 445; Ganter, Die ursprüngliche Übersicherung, WM 2001‚ 1; ders., Die Sicherungsübereignung von Windkraftanlagen als Scheinbestandteil eines fremden Grundstücks, WM 2002, 105 ff.; Geibel, Die Kollision zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und antizipierter Sicherungsübereignung, WM 2005, 962; Geißler, Einzelprobleme und Kollisionslagen bei der Verwertung von Sicherungseigentum, KTS 50 (1989), 787; Geurts, Umsatzsteuerliche Aspekte bei Insolvenzverfahren nach dem 1.1.1999, DB 1999, 818; Giesen, Mehrfachverfügungen des Sicherungsgebers nach § 930 BGB, AcP 203 (2003), 210; Gnamm, Zusammentreffen von Sicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht, NJW 1992, 2806; Grunsky, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung und Eigentumsvorbehalt in der Zwangsvollstreckung und im Konkurs des Schuldners, JuS 1984, 497; Haunschild, Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters und Kostenbeiträge der Gläubiger nach §§ 165 ff. InsO, DZWIR 1999, 60; Henckel, Zur Dogmatik der besitzlosen Mobiliarsicherheiten, FS Zeuner, 1994, S. 193; Hennrichs, Raumsicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht, DB 1993, 1707; ders., Kollisionsprobleme bei der (Voraus-)Abtretung zukünftiger Forderungen, JZ 1993, 225; Hromadka, Die Entwicklung des Faustpfandrechts im 18. und 19. Jahrhundert, 1971; ders., Sicherungsübereignung und Publizität, JuS 1980, 89; Jäckle, Die Sicherungsgrundschuld bei Störung des Kreditverhältnisses, JZ 1982, 50; Kling, Steuerrechtliche Auswirkungen der neuen Insolvenzordnung, DStR 1998, 1813; Kohte, Die vorformulierte Abtretung von Arbeitsentgelt und Sozialleistungen, ZIP 1988, 1225; Koller, Sittenwidrigkeit der Gläubigergefährdung und Gläubigerbenachteiligung, JZ 1985, 1013; Liebelt-Westphal, Die gesetzliche Deckungsgrenze bei der Gewährung von Sicherheiten, ZIP 1997, 230; Marotzke, Die dinglichen Sicherheiten im neuen Insolvenzrecht, ZZP 109 (1996), 429; Menke, Mehrfache Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand, WM 1997, 405; Meyer/Bundschuh, Sicherungsübereignung börsennotierter Aktien, Pflichtangebot und Meldepflichten, WM 2003, 960; Müller, Die Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, 1969; Nam, Die Sicherungsübereignung im deutschen, US-amerikanischen und koreanischen Recht, 1996; Nicolai, Vermieterpfandrecht und (Raum-)Sicherungsübereignung JZ 1996, 219; Nobbe, Konsequenzen aus dem Beschluß des Großen Senats des Bundesgerichtshofs zur Sicherheitenfreigabe, FS Schimansky, 1999, S. 433; Otten, Sicherungsvertrag und Zweckerklärung, 2003; Maren Pallas, Die Rechtsstellung der Sicherungsgeber bei der Verwertung des Sicherungseigentums, 2003; Reich, Die Sicherungsübereignung, 1970; Reinicke/ Tiedtke, Begründung des Sicherungseigentums, DB 1994, 2173; dies., Sonderfälle des Sicherungseigentums Zwangsvollstreckung und Verwertung, DB 1994, 2601; Riggert, Die Raumsicherungsübereignung: Bestellung und Realisierung unter den Bedingungen der Insolvenzordnung, NZI 2000, 241; Karsten Schmidt, Zur Akzessorietätsdiskussion bei Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung, FS Serick, 1992, 329; Schreiber, Das Sicherungseigentum und seine Verwertung, JZ 1984, 485; Smid, Probleme der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters am Sicherungsgut, WM 1999, 1141; Taupitz, Das (zukünftige) europäische Internationale Insolvenzrecht insbesondere aus internationalprivatrechtlicher Sicht, ZZP 111 (1998), 315; Terlau, Sittenwidrigkeit wegen ursprünglicher Übersicherung, BB 1998, 1498; Tiedtke, Erwerb und Verlust des Sicherungseigentums an eingelagerter Ware, WM 1978, 446; Trinkner, Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände, BB 1962, 80; von Wilmowsky, Kreditsicherheiten im Binnenmarkt, 1997; Vortmann, Raumsicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht, ZIP 1988, 626; Weber, Reform der Mobiliarsicherheiten, NJW 1976, 1601; Weber/Rauscher, Die Kollision von Vermieterpfandrecht und Sicherungseigentum im Konkurs des Mieters, NJW 1988, 1571; Welzel, Masseverwertung nach der InsO aus umsatzstererrechtlicher Sicht, ZIP 1998, 1823; Zenker, Der Zeitpunkt der Vornahme einer Sicherheitenbestellung an künftigen Gegenständen und für künftige Forderungen, ZVI 2006, 327.
Derleder
936
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten Inhaltsübersicht
A. Die Herausbildung des Sicherungseigentums als zentrale Mobiliarsicherheit . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Die Kodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Die Geschichte der Kritik am Institut des Sicherungseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 B. Die systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . 3 C. Vergleich mit anderen Rechtsordnungen . . . . . . 4 D. Die Struktur der Sicherungsübereignung . . . . . . 5 I. Der Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Das Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Bestimmtheits- und Spezialitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Die Übereignungsformen . . . . . . . . . . . 9 3. Rangverhältnisse zwischen Sicherungseigentum und anderen Sicherheiten . . 13 III. Die gesicherte Forderung . . . . . . . . . . . . . 15 IV. Der Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Der Inhalt des Sicherungsvertrags . . . . 16 2. Die weite Zweckerklärung im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Die Rechte und Pflichten der Sicherungsvertragsparteien im Einzelnen . . 20 E. Die Übersicherungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Die nachträgliche Übersicherung . . . . . . . 21 II. Die anfängliche Übersicherung . . . . . . . . 24 F. Die Verwertung des Sicherungsguts . . . . . . . . 26 I. Die Verwertung durch den Forderungsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
II. Die Rechtsgrundlagen der Verwertung . . III. Die Verwertungsreife . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Art und Weise der Verwertung . . . . . G. Sicherungseigentum und Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verwertung durch Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Sicherungsgebers . . . . . . . III. Die Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Sicherungsnehmers . . . . . . H. Das Sicherungseigentum in der Insolvenz . . . I. Die Insolvenz des Sicherungsgebers . . . . 1. Die Insolvenz des Sicherungsgebers und Darlehensschuldners . . . . . . . . . . 2. Die Insolvenz des Drittsicherungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Insolvenz des Sicherungsnehmers . . . III. Sicherungseigentum und Insolvenz im globalen Handelsverkehr . . . . . . . . . . 1. Die internationalprivatrechtliche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die grenzüberschreitende Insolvenz . . 3. Grenzüberschreitende Insolvenzverfahren ohne Auswirkung auf das Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Kombination von Sicherungseigentum und Eigentumsvorbehalt . . . . .
28 29 30 32 32 33 34 36 36 36 43 44 45 45 46
47 48
Stichwortverzeichnis Absonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 48 ff. Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 17 Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 14, 48 Aussonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Bedingung der Übereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Besitzkonstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Besitzmittlungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Deckungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Drittsicherungsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 43 Drittwiderspruchsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 34 Durchgangserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 50, 51 Europäische Insolvenzordnung. . . . . . . . . . . . . . . . 46 Faustpfandrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Freigabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 23 Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 grenzüberschreitende Insolvenz . . . . . . . . . . . . 46, 47 Hauptinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 47 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 43, 44 Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 37, 39 Konfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Lex fori concursus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Lex rei sitae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Partikularinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Publizitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rangverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Registerpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Schätzwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 25 Scheingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Sekundärinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 16, 20 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Spezialitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Treuhandverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Übersicherung, anfängliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Übersicherung, nachträgliche . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Vermieterpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Verwertungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Verwertungsreife. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Warenlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Zweckerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 18
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
937
A. Die Herausbildung des Sicherungseigentums als zentrale Mobiliarsicherheit
1
I. Die Kodifikation. Der Gesetzgeber des BGB hat das Vertragspfandrecht in den §§ 1204 ff. BGB als Faustpfand in sehr differenzierter Weise geregelt und auch den Eigentumsvorbehalt ausdrücklich normiert, während die Sicherungsübereignung im Text nicht einmal angedeutet wurde. Die Ausgestaltung der Sicherungsübereignung wurde vielmehr der Interpretation der §§ 929 ff. BGB überlassen, wobei allerdings die weitgehende Gleichstellung von mittelbarem und unmittelbarem Besitz schon die Richtung für eine Reduktion des Publizitätsprinzips vorgab. Bei den Beratungen der Ersten Kommission war jedoch die Sicherungsübereignung durchaus ein Thema. So heißt es in den Motiven, dass es den Verkehr erschweren würde, wenn die Übereignung mittels Besitzkonstituts – etwa als Scheingeschäft – für unwirksam erklärt werde (Motive Bd. III, S. 335). Außerdem befürchtete man, dass eine rigide Norm mit dem Erfordernis der Übergabe durch Verschaffung des unmittelbaren Besitzes mittels Hingabe und Rückempfang der Sache umgangen würde. Auch bei der Beratung der Zweiten Kommission war die Mehrheit durchaus für eine Sicherungsübereignung durch Besitzkonstitut, da es sich insoweit nicht um ein illegitimes Geschäft handele. Vielmehr diene diese Rechtsform sehr häufig der Finanzierung der kleinen Leute, die nur ihre bewegliche Habe als Sicherheit hätten, aber deren Besitz und Gebrauch nicht entbehren könnten (Protokolle Bd. 3, S. 201). Diese historische Entwicklung ist insbesondere von Hromadka (Die Entwicklung des Faustpfandprinzips im 18. und 19. Jahrhundert, 1971, S. 172 ff.) ausgearbeitet worden. Es lag daher nahe, anstelle einer Pfandrechtsbestellung auf die Vollrechtsübertragung nach § 930 BGB auszuweichen, um damit faktisch eine besitzlose Mobiliarsicherheit zu erreichen (Reich, in: AK-BGB, vor § 929 ff. Rn. 8). Die Rechtsprechung erkannte die Sicherungsübereignung dann alsbald an (RGZ 49, 170). Sie sei nicht etwa als Scheingeschäft unwirksam. Daraus wird heute eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung abgeleitet. II. Die Geschichte der Kritik am Institut des Sicherungseigentums. Die Kritik an dieser Entwicklung hielt sich jedoch jahrzehntelang (s. dazu die Darstellung bei Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Band II 2, 1952, S. 141 ff.). Sie ging dahin, das Sicherungseigentum sei eine Rechtsschöpfung praeter legem; es bedeute eine Mobiliarhypothek ohne Publizität, mit der Gefahr der Übersicherung und der Knebelung. Diese Kritik mündete dann weitgehend in Kontroversen über die Ausgestaltung der Sicherungsübereignung. Vorbehalte dagegen, dass die kreditgebenden Gläubiger eine zu weitreichende Rechtsstellung erhielten, die sogar in stereotyper Weise durch AGB begründet werden könne, gingen in zahlreiche zivilrechtliche Kontroversen ein. Die Zulässigkeit der Sicherungsübereignung wird als solche heute aber nicht mehr in Frage gestellt. Vielmehr wird das Bedürfnis der Verbraucher und der mittelständischen Unternehmen an einer leichtgängigen Sicherheit zur Krediterlangung betont. Abgesehen von den Einzelfragen einer sicherungsgerechten Begrenzung der Gläubigerrechte hat sich lediglich mit der Lehre vom Anwartschaftsrecht ein Institut entwickelt, das eine gewisse Korrektur einer zu umfassenden Sicherung darstellen kann. Dies hat sich auch zum Eigentumsvorbehalt in der Rechtsprechung niedergeschlagen, während die Kreditwirtschaft dies bei der Sicherungsübereignung vermeiden konnte. Die Kritik könnte ferner auf die grundsätzliche Anwendung der Pfandrechtsbestimmungen auf das Sicherungseigentum hinauslaufen (s. dazu Bülow, WM 1985, 405), was die Rechtsprechung jedoch nur ansatzweise aufgegriffen hat. Wesentliches Resultat der Kritikverarbeitung ist daher bislang eher die Konstruktion des Sicherungseigentums als eigennütziges Treuhandeigentum, mit einer schuldrechtlichen Rückbindung des Eigentümers an den Sicherungszweck. Es bleibt dann dabei, dass das Sicherungseigentum grundsätzlich sachenrechtliches Volleigentum ist, der Inha-
Derleder
2
938
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ber jedoch schuldrechtlich an den Sicherungsvertrag gebunden ist. Charakterisiert man das Sicherungseigentum jedoch als eigennütziges Treuhandeigentum (so die h.M., siehe nur Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 13), dann erhält der Treugeber gegenüber den Treuhänder bei dessen Insolvenz noch eine dingliche Rechtsstellung. Im Grundsatz bleibt es aber dabei, dass der Sicherungseigentümer grundsätzlich nach § 903 BGB mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren kann und nur schuldrechtlich eingeschränkt ist. 3
B. Die systematische Einordnung Das Sicherungseigentum ist damit zu einer durchgehend genutzten Realsicherheit geworden, die dem Gläubiger in der Krise des Schuldners die exklusive Verwertung der Sicherheit mit Vorrang vor allen anderen Gläubigern ermöglicht. Da keine Akzessorietät zwischen der gesicherten Forderung und dem Sicherungseigentum besteht, bleibt die Sicherheit nach Tilgung der gesicherten Forderung in den Händen des Gläubigers und kann eventuell für weitere Kreditierung genutzt werden. Der Schuldner muss erst seinen sicherungsvertraglichen Rückgewähranspruch geltend machen, wenn sich der Kredit und der Sicherungszweck erledigt haben. Eine gewisse Verstärkung der Schuldnerrechte würde es mit sich bringen, wenn die Sicherungsübereignung bedingt wäre und damit eine Anwartschaft des Sicherungsgebers bestünde. Eine derartige Ausgestaltung hat die Kreditwirtschaft jedoch ebenfalls vermeiden können. Die Vereinbarung einer auflösend bedingten Sicherungsübereignung hindert den Gläubiger allerdings auch noch nicht daran, den Sicherungszweck so zu erweitern, dass das Eigentum nicht nur als Sicherheit für gegenwärtige, sondern auch für künftige Kredite dient.
4
C. Vergleich mit anderen Rechtsordnungen Andere Rechtsordnungen haben dafür gesorgt, dass bei der gängigsten Mobiliarsicherheit mehr Publizität gesichert ist. Dies kann etwa durch ein Registerpfandrecht oder eine Registrierung der Sicherungsübereignung geschehen. Ferner wird teilweise auch die Akzessorietät der Mobiliarsicherheiten gewährleistet. Die Publizität durch den nach dem HGB gebotenen Ausweis von Sicherheiten im Jahresabschluss erscheint als ein kümmerliches Äquivalent. Insgesamt hat es damit die Kreditwirtschaft verstanden, bei der Ausgestaltung des Instituts des Sicherungseigentums zu ihrem Nutzen die Gläubigerstellung zu optimieren. Den Kreditschuldnern kommt zwar der geringe Transaktionsaufwand einer formularmäßigen Sicherungsübereignung zugute. Diese gibt ihm allerdings im Krisenfall zu wenig Rechte, auch wenn man das berechtigte Sicherungsbedürfnis des Gläubigers zugrunde legt. Hinzu kommt, dass sich viele mittelständische Unternehmen der Reichweite ihrer Sicherungsverträge und der Sicherungsübereignungen nicht bewusst sind und deswegen häufig weitere Sicherungsübereignungen desselben Gutes realisieren, bei denen sie sogar mit den strafrechtlichen Vorschriften in Konflikt kommen können. Auf die Dauer kann die Sicherungsübereignung als Institut nur dann Ausgewogenheit der Interessenkonfliktregelung beanspruchen, wenn die Rechtsstellung des Sicherungseigentümers auf sein berechtigtes Sicherungsbedürfnis zurückgeschnitten wird.
5
D. Die Struktur der Sicherungsübereignung I. Der Gegenstand. Die Sicherungsübereignung betrifft bewegliche Sachen, die gem. § 930 BGB aufgrund eines Besitzkonstituts übereignet werden. Der Sicherungsgeber behält danach anders als beim Faustpfandrecht (§ 1204 BGB) den unmittelbaren Besitz der Sache und kann diese weiterhin nutzen, sei es als Verbraucher für Konsumzwecke, sei es als mittelständisches Unternehmen für die Produktion. Sicherungsgut können auch Tiere (§ 90a), Wertpapiere und auch Anwartschaften auf den Eigentumserwerb beweglicher Sa-
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
939
chen sein, da diese nach den Regeln des Mobiliarsachenrechts, insbesondere § 930 BGB, übertragen werden (BGH NJW 1984, 1184). Die Übereignung unpfändbarer Sachen ist nicht ohne Weiteres sittenwidrig. Eine Sicherungsübereignung von Grundstücken ist zwar theoretisch möglich (siehe nur Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 22), wird in der Praxis jedoch wegen des damit verbundenen Transaktionsaufwandes nicht realisiert. Die Kreditwirtschaft bevorzugt demgegenüber die Belastung von Grundstücken mit einer Grundschuld, die ihr nach der gegenwärtigen Rechtslage noch eine weitergehende Rechtsmacht eröffnet. Parallelen zur Sicherungsübereignung weist die Sicherungsübertragung von Rechten, etwa von Geschäftsanteilen einer GmbH, auf. Will der Schuldner seine Gesellschafterrechte allerdings ausüben, so empfiehlt sich die Bestellung eines Pfandrechts anstelle einer Sicherungsübertragung, wie dies auch in der Praxis anzutreffen ist. Die Bestellung eines Pfandrechts an einer Forderung ist dagegen nach § 1280 BGB mit einer Anzeige an den Schuldner verbunden, so dass aus Publizitätsvermeidungsgründen die Sicherungsabtretung nach § 398 BGB bevorzugt wird. II. Das Verfügungsgeschäft. Der Kreditgeber hat dem Kreditnehmer aufgrund der Sicherungsabrede eine Sicherheit durch Mobiliareigentum zu verschaffen, was theoretisch in jeder Form der Übereignung einer beweglichen Sache nach den §§ 929 ff. BGB möglich ist. Praktisch dominiert dagegen die Übereignung mittels Besitzkonstituts nach § 930 BGB. Das Verfügungsgeschäft besteht daher aus der dinglichen Einigung über den Eigentumsübergang im Sinne des § 929 BGB und dem Besitzkonstitut nach § 930 BGB. Für dieses Besitzkonstitut bedarf es nicht der Annahme eines Leih- oder Verwahrungsvertrages (so die ältere Lehre), da die Sicherungsabrede für die Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses genügt. Die Sicherungsabrede muss nicht im Einzelnen ausgestaltet sein (BGH NJW-RR 2005, 280), da dann die von der Rechtsprechung entwickelten dispositiven Regeln des Sicherungsvertrags zum Zug kommen. Es entsteht dann ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis nach § 868 BGB, nach dem der Sicherungsgeber unmittelbarer Besitzer bleibt und der Sicherungsnehmer mittelbarer Besitzer wird.
6
1. Bestimmtheits- und Spezialitätsgrundsatz. Die Sicherungsübereignung muss den Bestimmtheitsgrundsatz wahren. Dieser setzt voraus, dass jeder Dritte, der die Verhältnisse kennt, zu dem Zeitpunkt, in dem das Eigentum übergehen soll, anhand einfacher äußerer Merkmale unschwer erkennen kann, welche Sachen in das Eigentum des Erwerbers fallen sollen. Die Rechtsprechung schwankt hier allerdings teilweise in ihren Anforderungen (einerseits mit strengerem Maßstab BGH NJW 1995, 2348, andererseits BGH NJW-RR 1994, 1537). Sachenrechtlichen Maßstäben ist jedoch nur genügt, wenn zum vorgesehenen Eigentumsübertragungszeitpunkt die Abgrenzung der als Sicherheit dienenden Sachen von anderen gewährleistet ist. Der Bestimmtheitsgrundsatz wird insoweit durch den Spezialitätsgrundsatz ergänzt, nach dem für jede einzelne Sache die Eigentumslage zu bestimmen ist. Dies schließt es nicht aus, dass ein Ensemble von Sachen übereignet wird, wenn nur für jede einzelne Sache der Übereignungswille fassbar ist. Einigung und Besitzkonstitut können dabei auch vorweggenommen werden. Die sog. antizipierte Einigung wird insbesondere bei Warenlagern mit wechselndem Bestand relevant. Aber auch hier ist der Bestimmtheitsgrundsatz nur zu wahren, wenn die zu übereignenden Sachen individuell beschrieben sind oder eine vereinbarte spätere Individualisierung auch vorgenommen worden ist.
7
Die Rechtsprechung zur Übereignung von Sachgesamtheiten, insbesondere Warenlagern oder sonstigen Sachmengen, ist im Einzelnen ausdifferenziert. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist gewahrt, wenn die Übereignung sich unter einer Sammelbezeichnung auf alle Sachen in einem bestimmten örtlichen Bereich erstreckt und die Einzelsachen klar zu erkennen sind (BGH NJW 1992, 1161). Die Rechtsprechung hat es dabei auch seit langem
8
Derleder
940
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
genügen lassen, dass der Veräußerer an einzelnen Sachen nur ein Anwartschaftsrecht, an anderen aber das Volleigentum hat (seit RGZ 132, 183). So kann das Inventar eines Hauses (BGHZ 73, 253) und eines Hofes (BGH LM Nr. 9 zu § 930 BGB) übereignet werden. Die Sachen einer bestimmten Warengattung in einem bestimmten örtlichen Bereich, insbesondere in einem vertraglich festgelegten Raum (BGH NJW 2000, 2898) können Gegenstand einer wirksamen Übereignung sein. Die Rechtsprechung hat es sogar gestattet, dass der Veräußerer den Raum auswählt (BGH WM 1960,1223) oder die zu übereignenden Sachen besonders kennzeichnet (BGH NJW 1992, 1161; ebenso bei Aufnahme in ein Verzeichnis BGH NJW 1991, 2144). Unzulässig ist eine Sicherungsübereignung mit bloßen Wert- oder Mengenangaben (BGHZ 21, 52), mit rechtlichen Unterscheidungsmerkmalen (BGH NJW 1986, 1985) oder unter Bezug auf die Pfändbarkeit (BGH FamRZ 1988, 255). Ebenso wenig genügen funktionale Bezeichnungen den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes, wenn mit ihnen keine äußerliche Abgrenzung verbunden ist (BGH NJW 1992, 116; NJW-RR 1994, 1547). Die Sicherungsübereignung einer Sachgesamtheit mit wechselndem Bestand ist in der Weise möglich, dass der Sicherungsgeber den Sicherungsnehmer zur Weiterveräußerung oder Entfernung ermächtigt, sich mit diesem jedoch zugleich über die Übereignung der künftig hinzukommenden Sachen einigt (BGHZ 73, 253; BGH NJW 1986, 1985). Dann muss aber die Aufnahme der neu hinzukommenden Sachen auf der Basis der Einigung der Parteien auch geschehen, damit der Übereignungserfolg eintritt. 9
2. Die Übereignungsformen. Auch wenn die Sicherungsübereignung nach § 930 BGB der Regelfall ist, ist doch eine Sicherungsübereignung in einer anderen Übereignungsform möglich. So kann sich die Bank etwa nach § 929 Satz 2 BGB in ihrem Depot befindliche Wertpapiere übereignen lassen. Auch eine Sicherungsübereignung nach § 931 BGB ist möglich, etwa wenn der Vorbehaltsverkäufer, um dem Käufer die Finanzierung des Erwerbs zu ermöglichen, das Eigentum an der bereits vom Käufer genutzten Sache auf dessen kreditgebende Bank überträgt. In diesem Fall kann die kreditgebende Bank nicht wie eine Vorbehaltseigentümerin ein Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Käufers geltend machen, sondern nur ein Absonderungsrecht wie eine Sicherungseigentümerin (BGH NJW 2008, 1803). Ein Gläubiger kann auch durch gutgläubigen Erwerb nach den §§ 932 ff. BGB Sicherungseigentümer werden, wobei aber bei einer Übereignung mittels Besitzkonstituts nach § 930 BGB zusätzlich nach § 933 BGB seine Besitzerlangung notwendig ist.
10
Eine bedingte Sicherungsübereignung von beweglichen Sachen ist möglich, während sie bei Grundstücken gem. § 925 II BGB ausgeschlossen ist. Lässt die Formulierung der sicherungsvertraglichen Abrede die Annahme einer auflösenden Bedingung zu, die mit der Kreditrückführung eintritt, dann ist damit nicht nur dem berechtigten Interesse des Gläubigers an einer Sicherheit während des Bestehens einer Kreditforderung Rechnung getragen, sondern auch dem berechtigten Interesse des Schuldners an einer Rückgewinnung des Eigentumsrechts an der von ihm genutzten Sache. Er kann diese dann auch besser als Basis für weitere Kredite nutzen. Das bei einer auflösenden Bedingung der Sicherungsübereignung bestehende Anwartschaftsrecht kann der Sicherungsgeber von vornherein zur Sicherheit an weitere Kreditgeber übertragen und damit den Wert der Sache ausschöpfen. Die Sicherungsübertragung der Anwartschaft vermeidet auch die Gefahr für den Sicherungsnehmer, dass er durch einen Durchgangserwerb des Sicherungsgebers bei dessen Insolvenz leer ausgeht. Der zweite Sicherungsnehmer erwirbt nämlich das volle Sicherungseigentum unmittelbar vom ersten Sicherungsnehmer, sobald dieser befriedigt ist (BGH NJW 1992, 1156). Die Kreditwirtschaft hat jedoch in ihren Geschäftsbedingungen strategisch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung bei Erledigung
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
941
des Sicherungszwecks vermieden, um sich die Sicherheit für künftige Kredite und für etwaige sonstige spätere Rechte aus dem vertraglichen Verhältnis zu erhalten. Die Rechtsprechung ist dem nicht in dem gebotenen Maße entgegengetreten. Vielmehr hat sie die Bedingungskonstruktion und die weiten Zweckerklärungen der Kreditgeber ohne hinreichende AGB-rechtliche Inhaltskontrolle akzeptiert (BGH NJW 1984, 353). Erst nach und nach hat sie wenigstens zugunsten von Drittsicherungsgebern die formularmäßige weite Zweckerklärung beanstandet und auf den sog. Anlasskredit zurückgeführt (s. dazu etwa BGHZ 143, 95). Es wäre nur konsequent, wenn sie die Einschränkung der sicherungsvertraglichen Zweckerklärung zum Ausgangspunkt dafür nähme, auch Sicherungsübereignungsvereinbarungen ohne auflösende Bedingung für den Fall der Erledigung des Kreditzwecks nach § 307 BGB zu beanstanden. Bei der nach dieser Norm gebotenen Interessenabwägung kann kein berechtigtes Interesse der Kreditgeberseite für ein Behalten der Sicherheit trotz Erledigung des Kreditzwecks geltend gemacht werden. Soweit der Sicherungsgeber sein Eigentum an einen ersten Sicherungsnehmer ohne auflösende Bedingung übertragen hat, hat er lediglich einen sicherungsvertraglichen Rückgewähranspruch gegen diesen. Diesen Anspruch kann er wiederum an einen zweiten Sicherungsnehmer im Wege der Sicherungszession übertragen. Dann bleibt es allerdings dabei, dass bei der Geltendmachung des sicherungsvertraglichen Rückgewähranspruchs zunächst der Sicherungsgeber im Wege des Durchgangserwerbs jedenfalls für eine juristische Sekunde Eigentümer wird, mit der Folge, dass der zweite Sicherungsnehmer bei Insolvenz des Sicherungsgebers damit rechnen muss, dass der Gegenstand in die Insolvenzmasse fällt. Ohne die Annahme einer auflösenden Bedingung hat der Sicherungsgeber, der nur den sicherungsvertraglichen Rückgewähranspruch übertragen kann, somit keine hinreichend stabile Sicherheit zu bieten, was die Sicherheitenstellung gegenüber einem Zweitkreditgeber in der Praxis weitgehend ausschließt.
11
Deswegen wird in der Literatur die Alternative erörtert, das Sicherungseigentum an einen zweiten Sicherungsnehmer aufschiebend bedingt für den Fall der Rückerlangung des Sicherungseigentums durch den Sicherungsgeber zu übertragen. Diese Vertragsgestaltung ändert allerdings nichts an dem Durchgangserwerb des Sicherungsgebers, so dass das Sicherungsgut in die Insolvenzmasse des Sicherungsgebers fallen kann. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH mit allgemeinen Grundsätzen zum aufschiebend bedingten Rechtserwerb bei Insolvenz (BGH NJW 1977, 247) wird jedoch die Auffassung vertreten, dass durch eine solche Verfügung ein automatischer Erwerb des zweiten Sicherungsnehmers ohne die Belastung durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Sicherungsgeber und ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen möglich sei. Das kann jedoch nicht überzeugen, da die bedingte Verfügung des Sicherungsgebers als Nichtberechtigten, die mangels der Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs nur durch den Erwerb der Berechtigung seitens des Verfügenden gem. § 185 II 1 BGB ex nunc wirksam werden kann, da es also auf den Zeitpunkt des nachträglichen Eigentumserwerbs des Sicherungsgebers für die Wirksamkeit seiner Verfügung ankommt. Läuft zu diesem Zeitpunkt bereits ein Insolvenzverfahren, so ist seine Verfügung somit unwirksam. Ohnehin bietet die aufschiebend bedingte Sicherungsübereignung an einen zweiten Sicherungsnehmer diesem zu wenig Sicherheit, so dass auch diese Alternative in der Praxis keine Akzeptanz gefunden hat.
12
3. Rangverhältnisse zwischen Sicherungseigentum und anderen Sicherheiten. Bestehen andere dingliche Rechte zum Zeitpunkt der Sicherungsübereignung an der Sache, so bleiben diese bei einer Übereignung mittels Besitzkonstituts nach § 930 BGB erhalten. Ein gutgläubiger Erwerb könnte nur nach § 933 BGB bei Besitzerlangung durch den Gläubiger eintreten, was jedoch bei kreditgebenden Banken praktisch ausgeschlossen ist.
13
Derleder
942
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Ist die Sache aufgrund einer Einbringung in gemietete Räume gem. §§ 562, 578 II BGB mit einem Vermieterpfandrecht belastet, so geht dieses also bei einer nachträglichen Sicherungsübereignung nicht unter. Ebenso ist es, wenn der Mieter die Sache unter Eigentumsvorbehalt erworben und demgemäß ein Anwartschaftsrecht hat, da das Vermieterpfandrecht auch das Anwartschaftsrecht erfasst. Nach Befriedigung des Vorbehaltseigentümers besteht das Vermieterpfandrecht am Eigentum fort, auch wenn dieses dann als Sicherungseigentum beim Gläubiger des Mieters entsteht (BGH NJW 1992, 1156 (1157)). Eine Enthaftung ist nur nach § 562a BGB möglich. Ist der Mieter weder Eigentümer noch Anwartschaftsberechtigter, übereignet er die Sache aber aufgrund eines antizipierten Besitzkonstituts an seinen Kreditgeber, so kann dieser mangels gutgläubigen Erwerbs nur Sicherungseigentümer werden, wenn der Sicherungsgeber gem. § 185 II 1 BGB nachträglich das Eigentum erwirbt; aufgrund des damit verbundenen Durchgangserwerbs ist das Sicherungseigentum dann aber wiederum mit dem Vermieterpfandrecht belastet. Ein Vorrang der Sicherungsübereignung vor dem Vermieterpfandrecht ist also nur dann möglich, wenn das Eigentum vor der Einbringung in die gemieteten Räume an den Sicherungsnehmer übertragen worden ist. Das Vermieterpfandrecht kann dann nicht zum Zug kommen, da es gem. § 562 I 1 BGB nur an Sachen des Mieters besteht. 14
Die Rechtsgrundsätze für das Verhältnis zum Vermieterpfandrecht gelten auch im Verhältnis zu den Grundpfandrechten. Zum Grundpfandrechtsverband gehört nach § 1120 BGB auch Zubehör des Grundstückseigentümers, wobei dem Eigentum auch ein Anwartschaftsrecht des Grundstückseigentümers gleichgestellt wird (BGHZ 35, 85). Erstarkt dieses durch Restkaufpreiszahlung an den Vorbehaltseigentümer zum Eigentum, erstreckt sich das Grundpfandrecht auf dieses, falls kein Enthaftungstatbestand nach §§ 1121, 1122 BGB verwirklicht wird. Wird es erst nach der Sicherungsübereignung bestellt, erfasst es die Sache nicht.
15
III. Die gesicherte Forderung. Regelmäßig wird eine Kreditforderung durch das Sicherungseigentum gesichert. Grundsätzlich kann auch eine künftige oder bedingte Forderung gesichert werden. Die gesicherte Forderung wird durch den Sicherungsvertrag mit dem dinglichen Recht verkoppelt. Die Sicherungsabrede wird in der Praxis oft mit dem Kausalgeschäft zur Begründung der gesicherten Forderung oder mit der Bestellung der Sicherheit verbunden, ist aber rechtsdogmatisch davon zu trennen (Otten, Rn. 767 ff.). Kommt die zu sichernde Forderung nicht zustande, dann kann nach dem Abstraktionsund dem Trennungsgrundsatz das Sicherungseigentum dennoch übertragen werden. Im Zweifelsfall ist allerdings der Parteiwille auf die gleichzeitige Begründung der gesicherten Forderung und des Sicherungseigentums des Gläubigers gerichtet. Entsteht die gesicherte Forderung dann nicht, kommen im Hinblick auf den Einheitlichkeitswillen i.S. des § 139 BGB weder Sicherungsvertrag noch Sicherungsübereignung zustande. Anderenfalls kann bei Nichtentstehung der gesicherten Forderung das Sicherungseigentum gem. § 812 BGB zurückverlangt werden. Ist die gesicherte Forderung verjährt, so wird das Verwertungsrecht aufgrund des Sicherungseigentums davon nicht berührt, wie nunmehr § 216 II 1 BGB ausdrücklich vorsieht. Für Zinsforderungen gilt dies allerdings nach § 216 III BGB nicht.
16
IV. Der Sicherungsvertrag. 1. Der Inhalt des Sicherungsvertrags. Der Sicherungsvertrag ist ein in den letzten Jahrzehnten durch Literatur und Rechtsprechung ausdifferenzierter Vertragstyp, dem es immer noch an der erforderlichen gesetzlichen Normierung fehlt. Er kann als eigenständiger Vertrag geschlossen, aber auch in den Text des Kreditvertrages oder der Sicherheitenbestellungsabrede integriert sein. Er wird vielfach stillschweigend geschlossen und ist formfrei, so dass auch mündliche Änderungen schriftlicher Verträge möglich sind. Das ist insbesondere dort hochproblematisch, wo der
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
943
Gesetzgeber für das schuldrechtliche oder für das dingliche Geschäft eine besondere Form vorgeschrieben hat, um Übereilungsschutz oder Beweissicherheit zu gewährleisten (Otten, Rn. 271 ff.). Der Sicherungsvertrag ist ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft, doch kein gegenseitiger Vertrag i.S. des § 320 BGB. Er verpflichtet den Sicherungsgeber schuldrechtlich zur Übertragung des Sicherungseigentums an den Sicherungsnehmer und bildet den Rechtsgrund dafür, dass dieser das Eigentum solange behalten darf, wie dies der schuldrechtlichen Zweckbestimmung entspricht. Diese sorgt für Klärung darüber, für welche gesicherte Forderung das Sicherungseigentum als Sicherheit verwendet werden darf. Dabei unterscheidet man zwischen einer engen Zweckerklärung, die eine Sicherung für eine konkrete gegenwärtige Forderung vorsieht, und einer weiten Zweckerklärung für alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus einer Geschäftsverbindung mit dem Gläubiger, wie sie die Banken für ihre Kreditforderungen regelmäßig vorsehen. Der Sicherungsvertrag begründet das Besitzmittlungsverhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer. Da der Sicherungseigentümer eine über den Sicherungszweck hinausgehende Rechtsmacht durch Volleigentum erhält, ist eine Einschränkung geboten, die durch die Qualifikation des Sicherungsverhältnisses als eigennützigen Treuhandverhältnisses zu realisieren ist. Darüber hinaus regelt der Sicherungsvertrag oft die weiteren einzelnen schuldrechtlichen Rechte und Pflichten der Sicherungsvertragsparteien für die Dauer des Sicherungseigentums, so dass er ein Dauerschuldverhältnis begründet. Der Sicherungsgeber, also der Veräußerer des Eigentums, muss nicht der Schuldner der gesicherten Forderung sein. Da dass Sicherungseigentum nicht akzessorisch ist, geht das Sicherungseigentum auch nicht mit der Abtretung der gesicherten Forderung auf den Zessionar über. Dafür bedarf es vielmehr einer Weiterübereignung durch einen Zedenten oder einer vertraglichen Einigung unter Einbeziehung des Sicherungsgebers. Ohne besondere Abrede kann es kein Nutzungsrecht des Sicherungsnehmers geben (BGH NJW 2007, 216). Regelmäßig bleibt bei der Sicherungsübereignung nach § 930 BGB der Sicherungsgeber befugt, im eigenen Namen das Sicherungsgut zu nutzen. Auch ohne besondere Abrede hat der Sicherungsgeber das Verwertungsrecht, wenn die gesicherte Forderung fällig wird, sei es durch Zeitablauf oder durch Kündigung. Der Schuldner der gesicherten Forderung kann dem Erfüllungsanspruch des Gläubigers die Einrede des § 273 BGB wegen seines Anspruchs auf Rückgewähr der Sicherheit entgegenhalten, so dass er zur Zahlung Zug um Zug gegen Rückübereignung verpflichtet ist (BGH NJW 1982, 2768).
17
2. Die weite Zweckerklärung im Besonderen. Die Rechtsprechung schützt bisher nur den Drittsicherungsgeber dagegen, dass bei einer Sicherheitenbestellung aus Anlass der Sicherung einer bestimmten Kreditforderung auch alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Gläubigers gegen den Kreditschuldner aufgrund einer formularmäßigen Bestimmung einbezogen werden. Insoweit versagt sie den entsprechenden Klauseln aufgrund ihrer Überraschungswirkung nach § 305c I BGB die Wirksamkeit (BGH NJW 1992, 1822 und 1997, 277 zur Grundschuldbestellung eines Drittsicherungsgebers). Darüber hinaus ist eine derartige Klausel zu Lasten eines Drittsicherungsgebers auch nach § 307 BGB unwirksam, da das berechtigte Interesse einer Sicherung eines anderen oder eines künftigen Kredits durch das Sicherungseigentum nicht feststeht und dies wegen der für solche weiteren Kredite verlangten Sicherheiten auch unberechtigt sein kann. Dies gilt vor allem auch im Hinblick auf die Höhe der Zinsen für künftige Kredite, die regelmäßig nicht auf die Sicherung durch Mobiliareigentum abgestellt sind.
18
Aber auch wenn der Sicherungsgeber mit dem Schuldner der gesicherten Forderung identisch ist, bedarf es einer AGB-rechtlichen Kontrolle, wenn durch Formularklausel außer dem Anlasskredit auch weitere Kredite, insbesondere künftige Kredite aus der Ge-
19
Derleder
944
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
schäftsverbindung abgesichert werden sollen. Auch insoweit ist von einer überraschenden Wirkung einer derartigen Zweckerweiterung nach § 305c I BGB auszugehen. Desgleichen ist mangels Koordination von Zinshöhe und Sicherheitenbestellung zwischen den anderen gegenwärtigen und den weiteren künftigen Krediten einerseits und dem zur Sicherungsübereignung führenden Anlasskredit andererseits eine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers und Kreditnehmers anzunehmen. Es ist dem Kreditgeber zuzumuten, bestimmte andere gegenwärtige Kredite ausdrücklich in die Sicherungsvereinbarung einzubeziehen. Hinsichtlich künftiger Kredite ist bei der gebotenen Abwägung nach § 307 I BGB davon auszugehen, dass eine vorzeitige Bereitstellung einer Sicherheit ohne Rücksicht auf Zinshöhe und andere Sicherheiten nicht gerechtfertigt werden kann. 20
3. Die Rechte und Pflichten der Sicherungsvertragsparteien im Einzelnen. Das sicherungsvertragliche Pflichtgefüge ist bislang zu wenig konkretisiert. Dafür bietet die Monographie von Maren Pallas, Die Rechtsstellung der Sicherungsgeber bei der Verwertung des Sicherungseigentums (2003), für die weitere Ausdifferenzierung eine gute Grundlage. Der Sicherungsgeber darf nach einer Übereignung gem. § 930 BGB die Sache im Besitz behalten und nutzen, muss dies aber sorgsam tun, darf sie also nicht beschädigen und unnötig verschlechtern, um einen über das übliche Maß hinausgehenden Wertverlust zu vermeiden. Der Sicherungsgeber kann auch durch ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet werden, einen Versicherungsvertrag zu schließen. Die Kosten einer der Erhaltung des Sicherungsguts dienenden Unterbringung hat derjenige zu tragen, der das Sicherungsgut in seinem Bestand nutzen kann. Bis der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut erlangt, ist demnach der Sicherungsgeber verpflichtet, die anfallenden Kosten zu tragen. Danach ist der Sicherungsnehmer verpflichtet, das in seinem Besitz befindliche Sicherungsgut vor Beeinträchtigungen zu schützen, entsprechende Versicherungen abzuschließen und die anfallenden Kosten zu begleichen (Pallas, Rn. 235).
21
E. Die Übersicherungsgrenze I. Die nachträgliche Übersicherung. Die Rechtslage bei nachträglicher Übersicherung ist nach intensiver Kontroverse unter den BGH-Senaten durch Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 27.11.1997 (BGHZ 137, 212) geklärt. Danach hat der Sicherungsgeber bei formularmäßig bestellten, revolvierenden Globalsicherheiten wie dem Sicherungseigentum im Falle nachträglicher Übersicherung einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch auch dann, wenn der Sicherungsvertrag keine oder eine ermessensabhängig ausgestaltete Freigabeklausel enthält. Bei solchen Globalsicherungen ist weder eine ausdrückliche Freigaberegelung noch eine zahlenmäßig bestimmte Deckungsgrenze noch eine Klausel für die Bewertung der Sicherungsgegenstände Wirksamkeitsvoraussetzung. Enthält die formularmäßige Bestellung derartiger Globalsicherungen keine ausdrückliche oder eine unangemessene Deckungsgrenze, so richtet sich diese Grenze nach der gesicherten Forderung (Hauptforderung und Zinsen) zuzüglich 10% Feststellungs-, Verwaltungs- und Verwertungskosten einschließlich einer Rechtsverfolgungskostenpauschale, so dass eine Deckungsgrenze von 110% der gesicherten Forderung besteht. Dies stellt eine rein abstrakt-generelle Deckungsgrenze dar, während eine konkret-individuelle Deckungsgrenze wegen der möglichen Schwankungen und Wertermittlungsschwierigkeiten nicht praktikabel ist. Die Festlegung der Deckungsgrenze ist auch nicht den Parteien des Sicherungsvertrags überlassen.
22
Der Sicherungswert ist hingegen der Erlös, der bei der Verwertung der Sicherheiten erzielt werden kann, da sich Sicherheiten bei Leistungsunfähigkeit des Schuldners, also vor allem bei Insolvenz, bewähren müssen. Er kann deswegen nicht mit dem Nennwert einer Forderung angesetzt werden. Auch der realisierbare Wert eines Warenlagers bleibt in der
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
945
Krise des Schuldners erfahrungsgemäß in aller Regel erheblich hinter dem sonst erzielbaren Erlös zurück. Der bei Eintritt des Sicherungsfalls zu realisierende Wert der Sicherungsgegenstände ist, anders als die Deckungsgrenze, keine vertragsimmanente Größe, sondern vom Sicherungsvertrag losgelöst. Er bestimmt sich entscheidend nach den Marktverhältnissen bei Eintritt des Sicherungsfalles. Bei Abschluss des Sicherungsvertrages sind aber weder der Umfang noch der genaue Inhalt des Warenlagers nach Eintritt des in unbekannter zeitlicher Ferne liegenden Sicherungsfalls bekannt. Unsicher ist auch die künftige Entwicklung der Preise, der Konjunktur, der Technik und der Marktverhältnisse in der jeweiligen Branche. Wenn aber über die Bewertung des Sicherungsgutes bei Eintritt des Sicherungsfalles ohne jede Vorgabe gestritten werden könnte, hätte der Freigabeanspruch für den Sicherungsgeber keine nennenswerte Bedeutung. Um dies zu vermeiden, ist aus den §§ 232 ff. BGB die widerlegliche Vermutung abzuleiten, dass dem Sicherungsinteresse des Gläubigers durch einen Abschlag von einem Drittel vom Schätzwert sicherungsübereigneter Waren und vom Nennwert abgetretener Forderungen ausreichend Rechnung getragen wird. Damit knüpft der BGH an § 237 Satz 1 BGB an, nach dem die Verpfändung geeigneter beweglicher Sachen Sicherheit nur in Höhe von zwei Dritteln des Schätzwertes erbringt. Der Schätzwert, d.h. der geschätzte aktuelle Verkehrswert, ist bei sicherungsübereigneten Waren der Marktpreis im Zeitpunkt der Entscheidung über das Freigabeverlangen. Bei Waren, die keinen solchen Preis haben, kann im Interesse einer möglichst einfachen und schnellen Durchsetzung des Freigabeanspruchs des Sicherungsgebers nicht auf den aktuellen Verkehrswert abgestellt werden. Anzuknüpfen ist dann an den Einkaufspreis, zu dem der Sicherungsgeber das Sicherungsgut gekauft hat, und an den Herstellungspreis, wenn er das Gut selbst hergestellt, be- oder verarbeitet hat. Der Bewertungsabschlag von einem Drittel bei beweglichen Sachen führt dazu, dass der Freigabeanspruch regelmäßig erst besteht, wenn der Marktpreis bzw. der Einkaufs- oder der Herstellungspreis der sicherungsübereigneten Waren 150% der gesicherten Forderung ausmacht. In diesem Zuschlag von 50% ist der Anteil von 10% für Feststellungs-, Verwertungs- und Rechtsverfolgungskosten, nicht aber eine beim Sicherungsnehmer anfallende Belastung mit Umsatzsteuer enthalten. Dass sie den zur Befriedigung der gesicherten Forderung zur Verfügung stehenden Erlös schmälern, ist bereits im gesetzlich geregelten Abschlag berücksichtigt. Die Deckungsgrenze von 110% wirkt sich also praktisch im Allgemeinen nur aus, wenn ein ins Gewicht fallendes Verwertungsrisiko nicht besteht. Der Zuschlag von 50% stellt allerdings nur eine Orientierungshilfe dar. Diese bewirkt aber, dass derjenige, der behauptet, einen Abschlag von einem Drittel oder eine Freigabegrenze von 150% sei im Streitfall unangemessen, dies substantiiert darzulegen und zu beweisen hat. Das gilt auch dann, wenn die Parteien den Abschlag bzw. die Deckungsgrenze formularvertraglich ohne Rücksicht auf die konkrete Risikolage anders festgelegt haben. Ohne anderweitige Substantiierung des Verwertungsrisikos tritt für den zunächst bedingten Rückübereignungsanspruch des Sicherungsgebers nach Erbringung von Teilleistungen die aufschiebende Bedingung ein und gewährt ihm einen Freigabeanspruch, wenn der Sicherungswert die noch gesicherte Forderung um 50% übersteigt. Dies gilt allerdings nur bei teilbaren Sicherungsgütern. Bei einem unteilbaren Einzelgegenstand hat der Sicherungsgeber demgegenüber einen Austauschanspruch (Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 25 u.v.a.).
23
II. Die anfängliche Übersicherung. Demgegenüber ist die Rechtslage bei anfänglicher Übersicherung bislang wenig geklärt. Als Maßstab wird hierfür vielfach nur § 138 BGB herangezogen (BGH ZIP 1998, 684). Eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB wird vielfach mit der Begründung zurückgewiesen, das Verhältnis zwischen der Höhe der gesicherten Forderung und dem Sicherungswert werde nicht von Rechtvorschriften bestimmt und un-
24
Derleder
946
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
terliege deswegen nach § 307 III 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle. Ebenso wie die Banknebenentgelte werden jedoch die Sicherungs- und Verwertungskonditionen kaum jeweils individualvertraglich, sondern formularmäßíg oder durch AGB festgelegt. Auch wenn der Sicherungsvertrag im BGB bislang keine hinreichende Normierung erfahren hat, so gelten doch die für ihn von der Rechtsprechung entwickelten dispositiven Regeln als Rechtsvorschriften i.S. des § 307 III 1 BGB, so dass die Abweichungen von ihnen einer Inhaltskontrolle standhalten müssen. Insoweit besteht kein Grund, für die rechtliche Bewertung der anfänglichen Übersicherung von den Rechtsgrundsätzen des BGH zur nachträglichen Übersicherung abzuweichen. Parteien, die andere Bestimmungsgrößen für die Deckungsgrenze und den Sicherungswert einführen wollen, sind demgemäß darauf verwiesen, dies individualvertraglich zu tun. 25
Hierfür gelten dann die Maßstäbe des § 138 BGB. Danach ist neben einem objektiv groben Missverhältnis von Sicherheit und Leistung auch subjektiv eine verwerfliche Gesinnung Voraussetzung, auch wenn diese bei einem groben Missverhältnis vermutet wird (BGH NJW 2000, 1254). Der Anknüpfungspunkt ist dann die für das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei Umsatzgeschäften geltende Faustformel, dass ein auffälliges Missverhältnis anzunehmen ist, wenn der Wert von Leistung und Gegenleistung etwa 100% oder noch mehr auseinanderklafft. Diese für synallagmatische Vertragsverhältnisse passende Formel wird in der Literatur partiell in der Weise herangezogen, dass erst ein Wert von bis zu 300 oder 400% als sittenwidrige Übersicherung angesehen wird. Da die anfängliche Sicherungsvereinbarung auch die Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu bestimmen geeignet ist, wäre damit die Rechtsprechung des BGH zur nachträglichen Übersicherung zu unterlaufen. Die Billigung einer derartigen Übersicherungsgrenze würde auch für mittelständische Unternehmen die Kreditbasis in unerträglicher Weise schmälern. Die 100%-Grenze des § 138 BGB ist stattdessen in sicherungsspezifischer Weise zu konkretisieren. Ein Käufer wird durch sie prinzipiell davor geschützt, dass er für die Kaufsache das Doppelte ihres Marktwertes oder mehr leisten muss. Beim Sicherungsvertrag hat der Sicherungsnehmer in keinem Fall mehr zu beanspruchen als den Wert der gesicherten Forderung. Bei § 138 BGB relevant ist somit nur die Höhe des Aufschlags auf den Schätzwert sicherungsübereigneter Waren. Wenn dieser Aufschlag bei formularvertraglicher Regelung nach dem BGH mit 50% anzusetzen ist, dann kann die Anwendung des § 138 BGB und der bei ihm üblichen 100%-Formel für formularvertragliche Abreden nur dazu führen, dass die Sittenwidrigkeitsgrenze bei einem Aufschlag von etwa 100% auf den Schätzwert überschritten wird. Bleibt eine individualvertragliche Abrede unterhalb dieser Grenze, dann muss sie allerdings auch bei der weiteren Durchführung des Vertrags für den Freigabeanspruch des Sicherungsgebers nach Teilleistungen gelten. Ist dagegen wie im Regelfall nur eine AGB-rechtliche Regelung getroffen, dann gelten für die anfängliche Übersicherung dieselben Rechtsgrundsätze wie für die nachträgliche, handelt es sich also um eine unangemessene Benachteiligung, wenn ein Aufschlag von mehr als 50 % verlangt wird. Nur so ergibt sich ein konsistentes Modell für die Einhaltung der Übersicherungsgrenzen bei den Mobiliarsicherheiten, insbesondere für die Sicherungsübereignung.
26
F. Die Verwertung des Sicherungsguts I. Die Verwertung durch den Forderungsgläubiger. Der Gläubiger ist nach dem Sicherungsvertrag gehalten, das Sicherungsgut für den Verwertungsfall zu behalten. Er kann zwar das Eigentum aufgrund seiner überschießenden dinglichen Rechtsstellung auch vor Verwertungsreife veräußern. Der Sicherungsgeber hat nur bei auflösender Bedingung ein Anwartschaftsrecht, das zudem durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb nach § 936 BGB entfallen kann. Wer vom gesicherten Gläubiger das Eigentum ohne die gesicherte Forde-
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
947
rung gem. § 931 BGB erwirbt, muss sich allerdings gem. § 986 II BGB das Besitzrecht des Sicherungsgebers entgegenhalten lassen, wie es sich aus dem Sicherungsvertrag ergibt. Dies gilt auch in der Konstellation, dass bei auflösend bedingter Sicherungsübereignung der Erwerber gutgläubig lastenfrei erworben hat. Eine isolierte Weiterübereignung des Sicherungsguts vor Verwertungsreife verstößt zudem gegen den Sicherungsvertrag und berechtigt den Sicherungsgeber zum Schadensersatz. Der Sicherungsnehmer kann die Erfüllung der gesicherten Forderung gem. § 273 BGB in jedem Fall nur Zug um Zug gegen Rückgewähr des Sicherungseigentums verlangen. Ungeachtet dieses Schutzes des Sicherungsgebers ist aber die isolierte Weiterübereignung vor Verwertungsreife für den Sicherungsgeber mit den Schwierigkeiten einer komplexen Rechtsverfolgung verbunden. Dies gilt auch für den Fall der isolierten Abtretung der gesicherten Forderung. Mangels Akzessorietät geht das Sicherungseigentum nicht automatisch gem. § 401 BGB auf den Zessionar über. Der Zedent soll aber nach dem Rechtsgedanken des § 401 BGB bei nicht akzessorischen Sicherheiten schuldrechtlich verpflichtet sein, die bestehenden Sicherungsrechte auf den Zessionar zu übertragen (s. etwa BGH NJW 1990, 903). Dafür fehlt es aber vielfach an einer kausalvertraglichen Rechtfertigung. Wer eine nicht gesicherte Forderung kauft, kann nicht anschließend ohne Weiteres Abtretung der Sicherheit verlangen. In jedem Fall muss sich der Zessionar alle sicherungsvertraglichen Einwände und Einreden gem. § 404 BGB entgegenhalten lassen. Das bedeutet wiederum auch, dass er Erfüllung der gesicherten Forderung nur Zug um Zug gegen Rückgewähr des Sicherungseigentums verlangen kann. II. Die Rechtsgrundlagen der Verwertung. Der Sicherungsvertrag kann die Einzelheiten der Verwertung regeln (BGH NJW 1980, 226). Soweit dies nicht geschehen ist, kann prinzipiell auf die Regeln der Verwertung des Pfandguts beim Vertragspfandrecht zurückgegriffen werden (Schreiber, JR 1984, 485 (488); Baur/Stürner, § 57 IV 2; a.A. Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 29; Bülow, WM 1985, 404 (409)). Die Annahme eines freien Verwertungsrechts kann nicht überzeugen und wird dann auch meist durch die Begrenzung mittels der Vertragstreuepflicht – in rechtsdogmatisch diffuser Weise – relativiert. Grundsätzlich sind also die pfandrechtlichen Vorschriften der §§ 1228 ff. BGB zu beachten. Eine Verwertungspflicht des Sicherungsnehmers wird seit langem verneint (BGH NJW 1980, 226). Eine Verwertungspflicht kann sich jedoch ausnahmsweise dann ergeben, wenn der gesicherte Gläubiger einen dramatischen weiteren Sicherungsverlust aufgrund professionellen Wissens prognostizieren kann. III. Die Verwertungsreife. Für die Verwertung des § 1228 II BGB ist entsprechend anzuwenden. Danach ist Voraussetzung der Verwertung, dass die Forderung gegen den Schuldner fällig ist und dieser seine Leistung ganz oder teilweise nicht erbringt. Vor der Fälligkeit ist eine Verwertung unzulässig, also auch durch Weiterübereignung des Sicherungsguts. Ausnahmsweise kann entsprechend § 1219 BGB bei drohendem Verderb des Sicherungsgutes oder einer zu besorgenden wesentlichen Minderung des Wertes der Sicherheit eine vorzeitige Verwertung erfolgen. Der Gläubiger darf aber auch nach Eintritt der Fälligkeit nicht sofort verwerten, sondern muss den Schuldner in Verzug setzen (BGH NJW 1992, 2626 (2627); Baur/Stürner, § 57 Rn. 44; str.). Entsprechend §§ 1220, 1234 BGB muss die beabsichtigte Verwertungsmaßnahme auch angedroht werden. Die ergänzende Vertragsauslegung ergibt jedoch für den Sicherungsvertrag regelmäßig eine Verwertungsregelung derart, dass eine mögliche freihändige Veräußerung der komplizierten und unflexiblen Pfandverwertung vorgezogen wird (Pallas, Rn. 258). Wenn die sicherungsübereigneten Güter aber flexibler als verpfändete Gegenstände verwertet werden können, muss der Sicherungsnehmer grundsätzlich auch strengere Schutzvorschriften einhalten.
Derleder
27
28
29
948
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
30
IV. Die Art und Weise der Verwertung. Auch ohne ausdrückliche Regelung treffen den Sicherungsnehmer die allgemeinen Sorgfaltspflichten eines Treuhandgeschäfts. Der Sicherungsnehmer ist danach gehalten, die in seinen Besitz gelangten Gegenstände sorgfältig zu verwahren, die Verwertung zügig und so schonend wie möglich vorzunehmen, nicht mehr Gegenstände zu verwerten, als zur Befriedigung notwendig ist, sowie das Sicherungsgut insgesamt bestmöglich zu veräußern (Pallas, Rn. 259 ff.). Der Gläubiger darf die Sache nicht verschleudern, schon gar nicht wegen relativ geringfügiger Beträge. Er muss prüfen, welche Verwertungsmöglichkeiten in Betracht kommen und seine Verkaufsabsicht dem Kreis der in Frage stehenden Interessenten hinreichend bekannt machen (BGH WM 1956, 1091). Bei der Verwertung von Kraftfahrzeugen ist der Sicherungsnehmer verpflichtet, eine Begutachtung der Fahrzeuge auf der Grundlage der Schwacke-Liste zu veranlassen (BGH NJW 1997, 1063 (1066)). Ganz allgemein ist anzunehmen, dass der Sicherungsnehmer bei Sicherungsgegenständen, deren Wert mit Hilfe von Tabellen oder Verzeichnissen objektiv ermittelt werden kann, vor der Verwertung gehalten ist, eine Begutachtung auf der Grundlage dieser allgemein anerkannten Bewertungsgrundsätze vorzunehmen oder einen Sachverständigen hinzuzuziehen (Pallas, Rn. 303). Ein Verwertungserlös von nur 50% des Schätzwertes oder weniger indiziert eine Vertragsverletzung des Sicherungsnehmers, weil dieser nicht alle Möglichkeiten für eine Verwertung ausgeschöpft hat. Bei Kraftfahrzeugen muss der Sicherungsnehmer den Sicherungsgegenstand grundsätzlich zunächst zum Endverbraucherpreis anbieten; ein Verkauf zum Händlereinkaufspreis ist nur zulässig, wenn es sich um einen zum Zeitpunkt der Verwertung schwer an einen Endverbraucher zu veräußernden Gegenstand handelt (Pallas, Rn. 316).
31
Der Sicherungsnehmer ist aufgrund seiner Pflicht zur bestmöglichen Verwertung auch gehalten, dem Sicherungsgeber Gelegenheit zu geben, an der Suche nach geeigneten Kaufinteressenten mitzuwirken. Um die besseren Marktkenntnisse des Sicherungsgebers auch faktisch nutzbar zu machen, muss ihm daher ungehinderter oder zumindest nach Absprache ein geeigneter Zugang zum Sicherungsgut gewährt werden, um dieses potentiellen Käufern vorführen zu können (Pallas, Rn. 335). Die Pflicht zur Beteiligung des Sicherungsgebers mit dem Ziel eines möglichst hohen Verwertungserlöses erstreckt sich insbesondere auf die Verpflichtung des Sicherungsnehmers, günstige Verwertungsalternativen des Sicherungsgebers zu berücksichtigen. Dabei ist anhand eines Stufenmodells zu entscheiden, ob die Vorschläge nach dem Maß der Vorbereitung und Konkretisierung bereits eine Pflicht des Sicherungsnehmers begründen, sie zu berücksichtigen. Bloße Ideen, wie das Sicherungsgut besser verwertet werden könnte, müssen vom Sicherungsnehmer nicht aufgegriffen werden. Dagegen sind substantiierte Vorschläge zu beachten. Um solche handelt es sich, wenn der Interessent Preis und Leistung angibt, die Finanzierung gesichert ist und das Angebot für eine angemessene Zeit verbindlich aufrecht erhalten wird. Dabei muss der Sicherungsnehmer weder Vertragsverhandlungen führen noch Bonitätsprüfungen vornehmen. Es ist dem Sicherungsnehmer aber zuzumuten, für eine reibungslose Verwertung noch ausstehende Unterlagen anzufordern. Bringt der Interessent oder der Sicherungsgeber abschlussreife Unterlagen bei, muss sich der Sicherungsnehmer so behandeln lassen, als hätte ihm von Anfang an ein Vertrag vorgelegen (Pallas, Rn. 348). Die Kosten der Verwertung muss dann der Sicherungsgeber tragen. Dies gilt auch für die Umsatzsteuer (BGH NJW 1980, 2473 (2476)). Bleibt nach der Verrechnung der offenen Forderung einschließlich Zinsen, Feststellungs-, Verwertungs- und Rechtsverfolgungskosten sowie der Umsatzsteuer ein Überschuss übrig, so kann der Sicherungsgeber dessen Auszahlung an sich verlangen. Eine Surrogation, bei der der Veräußerungserlös an die Stelle des Sicherungseigentums träte, erfolgt nicht (BGH NJW-RR 2007, 781). Eine Verfallklausel, nach der der Sicherungseigentümer das Eigentum an Erfüllungs
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
949
statt bindungsfrei erhalten soll, soll abweichend von § 1229 BGB zulässig sein (BGH NJW 1980, 226). Sie ist jedoch sittenwidrig, wenn sich der Sicherungsnehmer damit von vornherein einen etwaigen Mehrerlös gegenüber der gesicherten Forderung vorbehalten will.
G. Sicherungseigentum und Zwangsvollstreckung
32
I. Die Verwertung durch Zwangsvollstreckung. Auch der Sicherungsnehmer selbst kann die Zwangsvollstreckung gegen den Sicherungsgeber und Schuldner der gesicherten Forderung betreiben, benötigt dafür aber einen Titel. Da er bereits selbst Eigentümer ist, kann er nicht wie der Pfandgläubiger gem. § 1233 II BGB einen Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung erwirken, sondern nur aus einem Zahlungstitel über die gesicherte Forderung die Pfändung in das Sicherungsgut nach §§ 808 ff. ZPO betreiben, solange der Sicherungsgeber Besitzer der Sache ist. Sein Eigentum steht dem nicht entgegen. Der Schuldner kann aber insoweit Pfändungsschutz in Anspruch nehmen. Hat der Sicherungseigentümer einen Titel erlangt, kann er auch in das anderweitige Vermögen des Schuldners vollstrecken. Aus der Sicherungsabrede ist jedoch zu entnehmen, dass er sich zuvörderst an das Sicherungseigentum als Sicherheit halten soll. Darauf kann sich der Sicherungsgeber im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO berufen. Der Sicherungsnehmer kann allerdings demgegenüber darlegen, dass er ein berechtigtes Interesse an einer Zwangsvollstreckung unter Ausklammerung des Sicherungseigentums hat. In aller Regel wird der Sicherungseigentümer jedoch die Verwertung durch freihändige Veräußerung des Sicherungseigentums realisieren. II. Die Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Sicherungsgebers. Betreiben Gläubiger des Sicherungsgebers die Vollstreckung in das Sicherungsgut, so kann der Sicherungsnehmer bis zur Befriedigung der gesicherten Forderung Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben (BGH NJW 1992, 2014 (2015)). Insoweit wird das Sicherungseigentum in der Zwangsvollstreckung wie Volleigentum behandelt, während der Pfandgläubiger auf die Klage gem. § 805 ZPO auf vorzugsweise Befriedigung verwiesen ist. Gegenüber der Drittwiderspruchsklage kann der vollstreckende Drittgläubiger alle Einwendungen gegen das Sicherungseigentum geltend machen, einschließlich des Anfechtungseinwandes nach § 5 AnfG. Darüber hinaus kann der vollstreckende Gläubiger sich auch unmittelbar auf den Freigabeanspruch des Sicherungsgebers gegen den Sicherungseigentümer bei nachträglicher Übersicherung berufen, ohne diesen Freigabeanspruch vorher pfänden zu müssen. Er ist jedoch gut beraten, wenn er in den sicherungsvertraglichen Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers bei Erledigung des Sicherungszwecks, in den Freigabeanspruch bei Übersicherung und in den Anspruch auf Auszahlung eines etwaigen Mehrerlöses vollstreckt (s. §§ 846 ff., 829 ff. ZPO). Bei einer auflösend bedingten Sicherungsübereignung ist die Vollstreckung in das Anwartschaftsrecht des Sicherungsgebers nach § 857 ZPO möglich, während die Vollstreckung in die Sache nach § 808 ZPO die Drittwiderspruchsklage auslösen kann.
33
III. Die Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Sicherungsnehmers. Vollstrecken die Gläubiger des Sicherungsnehmers, der das Sicherungsgut in Besitz genommen hat, nach Erfüllung der gesicherten Forderung in das Sicherungsgut, so kann der Sicherungsgeber die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben. Grundlage dafür ist nicht der sicherungsvertragliche Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers, sondern die treuhänderische Bindung des Sicherungseigentums. Die Drittwiderspruchsklage muss dem Sicherungsgeber auch gerade dann zustehen, wenn die gesicherte Forderung noch nicht getilgt und noch keine Verwertungsreife eingetreten ist (BGHZ 72, 141). Auch insoweit ist die treuhänderische Bindung maßgeblich, die eine Verwertung des Sicherungsguts vor
34
Derleder
950
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Verwertungsreife nicht zulässt. Nach Eintritt der Verwertungsreife entfällt jedoch die Berechtigung des Sicherungsgebers zu einer Drittwiderspruchsklage, da dann die Gläubiger des Sicherungsnehmers ebenso wie dieser selbst verwertungsbefugt sind. Ist der Sicherungsgeber noch unmittelbarer Besitzer der Gegenstände des Sicherungseigentums, kann er gem. §§ 766, 809 ZPO Erinnerung gegen eine Vollstreckungsmaßnahme der Gläubiger des Sicherungsnehmers einlegen und diese damit dazu zwingen, bei Verwertungsreife den Herausgabeanspruch des Sicherungsnehmers gegen den Sicherungsgeber zu pfänden. 35
Besondere Schwierigkeiten ergeben sich in der Konstellation, dass bei der Verwertung des Sicherungseigentums ein Übererlös erzielt wird, den der Sicherungsnehmer ohne die Pfändung an den Sicherungsgeber auszukehren hätte, wenn der gegen den Sicherungsnehmer vollstreckende Gläubiger aber einen Anspruch hat, der betragsmäßig auch die Inanspruchnahme der Übersicherung rechtfertigen könnte. Verneint man mit der Rechtsprechung (BGH NJW-RR 2007, 781) eine Surrogation, dann kann der Sicherungsgeber dem gegen den Sicherungsnehmer vollstreckenden Gläubiger gegenüber keine Drittwiderspruchsklage wegen des Übererlöses erheben. Dem Sicherungsgeber bleibt dann nur der Anspruch aus § 812 BGB, weil der vollstreckende Gläubiger sich mit der Aneignung des Übererlöses unmittelbar auf Kosten des Sicherungsgebers in größerem Umfang befriedigt, als es das Sicherungseigentum des Sicherungsnehmers rechtfertigt.
36
H. Das Sicherungseigentum in der Insolvenz I. Die Insolvenz des Sicherungsgebers. 1. Die Insolvenz des Sicherungsgebers und Darlehensschuldners. Der Sicherungseigentümer hat, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers und persönlichen Schuldners eröffnet worden ist, (ebenso wie der Pfandgläubiger gem. § 50 InsO) nur ein Absonderungsrecht gem. § 51 Nr. 1 InsO. Nach den §§ 166 ff. InsO hat es der Sicherungsnehmer hinzunehmen, dass das Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter verwertet wird, wenn dieser den Besitz des Schuldners übernommen hat. § 172 InsO eröffnet sogar eine zeitweilige Nutzung durch den Insolvenzverwalter. Der Sicherungsnehmer ist dagegen gem. § 173 I InsO nur verwertungsberechtigt, wenn er Besitzer des Sicherungsgutes ist oder der Insolvenzverwalter ihm die Sache zur Verwertung freigegeben hat. Der Insolvenzverwalter kann dem selbst verwertenden Gläubiger allerdings gem. § 173 II InsO eine Frist setzen, nach deren fruchtlosem Ablauf er selbst zur Verwertung berechtigt ist. Führt der Insolvenzverwalter die Verwertung durch, hat er Anspruch auf Kostenersatz nach § 171 InsO, im Zweifel mit der Feststellungskostenpauschale von 4 % und der Verwertungskostenpauschale von 5 % des Verwertungserlöses. Der Insolvenzverwalter hat ein Verwertungsrecht auch dann, wenn der Schuldner nur mittelbarer Besitzer des Sicherungsgutes war und der Insolvenzverwalter diesen mittelbaren Besitz übernommen hat oder wenn der Insolvenzverwalter seinerseits das Sicherungsgut einem Dritten zur Nutzung überlassen oder bei diesem eingelagert hat (Smid, WM 1999, 1142; Pallas, Rn. 369; Bork, FS Gaul, S. 71 (75) und die h.M.).
37
Die Kooperation zwischen Gläubiger, Schuldner und Insolvenzverwalter regeln die §§ 167 f. InsO. Nach § 167 I 1 InsO hat der Insolvenzverwalter dem absonderungsberechtigten Gläubiger auf dessen Verlangen Auskunft zum Stand der Sache zu erteilen, falls er verwertungsberechtigt ist. Anstelle der Auskunft kann er dem Gläubiger gem. § 167 I 2 InsO gestatten, die Sache zu besichtigen. Bevor der Insolvenzverwalter einen Gegenstand, zu dessen Verwertung er nach § 166 InsO berechtigt ist, veräußert, hat er dem absonderungsberechtigten Gläubiger gem. § 168 I 1 InsO mitzuteilen, auf welche Weise der Gegenstand veräußert werden soll. Er hat dem Gläubiger gem. § 168 I 2 InsO Gelegenheit zu geben, binnen einer Woche auf eine andere, für den Gläubiger günstigere Möglichkeit
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
951
der Verwertung des Gegenstands hinzuweisen. Erfolgt ein solcher Hinweis innerhalb der Wochenfrist oder rechtzeitig vor der Veräußerung, so hat der Verwalter die vom Gläubiger genannte Verwertungsmöglichkeit wahrzunehmen, soweit er damit auch seiner Pflicht zu bestmöglicher Verwertung genügt, oder den Gläubiger so zu stellen, wie wenn er sie wahrgenommen hätte. Die InsO behandelt dagegen nicht die Rechtsstellung des Sicherungsgebers und Schuldners, der aber anderweitige Veräußerungsmöglichkeiten aufgrund seiner Marktnähe oft am besten kennt. Der Schuldner darf sich allerdings nicht damit begnügen, bloße Ideen zu einer besseren Verwertung zu entwickeln, sondern muss dem Insolvenzverwalter möglichst einen unterschriftsreifen Vertrag für eine bessere anderweitige Veräußerung vorlegen, zumindest aber die Seriosität und Verbindlichkeit des Angebots eines Dritten dartun. In diesem Fall muss der Insolvenzverwalter aufgrund seiner Pflicht zur bestmöglichen Verwertung dieser Veräußerungsalternative nachgehen.
38
Solange ein Gegenstand, zu dessen Verwertung der Insolvenzverwalter nach § 166 InsO berechtigt ist, nicht verwertet wird, sind dem Gläubiger gem. § 169 Satz 1 InsO vom Berichtstermin an laufend die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zu zahlen. Ist der Gläubiger schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO an der Verwertung des Gegenstands gehindert worden, so sind die geschuldeten Zinsen spätestens von dem Zeitpunkt an zu zahlen, der drei Monate nach dieser Anordnung liegt (§ 169 Satz 2 InsO). Damit wird der Gläubiger vor Verzögerungen hinreichend durch einen Zinsanspruch geschützt. Der Insolvenzverwalter wird auch tunlichst Verzögerungen vermeiden, da er die Kosten der Erhaltung der Sache zu tragen hat, falls mit dem Sicherungsnehmer nichts anderes vereinbart ist (MünchKommInsO-Lwowski, § 171 Rn. 58 und die h.M.). Aus dem Verwertungserlös hat der Insolvenzverwalter dann gem. § 170 I 2 InsO den Sicherungsnehmer nach Abzug der Kosten unverzüglich zu befriedigen.
39
Führt die Verwertung zu einer Belastung der Masse mit Umsatzsteuer, so ist der Umsatzsteuerbetrag zusätzlich zu den Verwertungskosten anzusetzen (§ 171 II 3 InsO). Umsatzsteuer fällt an, wenn der Insolvenzverwalter zur Verwertung ein Umsatzgeschäft vornimmt (Geurts, DB 1999, 819), während die Auszahlung des Erlöses an den Gläubiger nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Zieht der Insolvenzverwalter die Feststellungs- und Verwertungskosten gem. § 170 II InsO vom Verwertungserlös ab, so liegt darin ebenso wenig ein umsatzsteuerbarer Vorgang (Geurts, a.a.O.). Die anfallende Umsatzsteuer kann der Insolvenzverwalter ebenfalls vom Verwertungserlös abziehen, so dass der Gläubiger nur den Restbetrag erhält. Anders ist die Rechtslage, wenn der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut gem. § 170 II InsO dem Gläubiger zur Verwertung überlässt. Dies stellt ebenso einen umsatzsteuerbaren Vorgang dar wie die Veräußerung durch den Gläubiger an einen Dritten (Welzel, ZIP 1998, 1824; Kling, DStR 1998, 1816 und die h.M.). Aufgrund seiner Umsatzsteuerpflicht hat der Insolvenzverwalter nach § 170 II InsO einen Erstattungsanspruch gegen den Gläubiger, dem er die Verwertung überlassen hat. Dieser hat dann die Umsatzsteuer gem. § 13b I Nr. 2 UStG dem Finanzamt zu erbringen, ist aber zum Vorsteuerabzug wegen des Umsatzes des Sicherungsgebers berechtigt. Dem Gläubiger bleibt der Verwertungserlös somit abzüglich der Umsatzsteuer.
40
Ein Insolvenzplan eröffnet gem. § 217 InsO den Gläubigern die Chance, abweichende Regelungen zu treffen, insbesondere zum Zwecke der vollständigen oder teilweisen Sanierung eines insolventen Unternehmens. Besagt der Insolvenzplan nichts über die Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger, etwa der Sicherungseigentümer nach § 51 Nr. 1 InsO, so wird deren Rechtsstellung jedoch nicht geändert (§ 223 I 1 InsO). Die absonde-
41
Derleder
952
42
43
44
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
rungsberechtigten Gläubiger haben in diesem Fall zwar gem. § 238 I und II i.V. mit § 237 II InsO kein Stimmrecht, können aber ihre gesetzlichen Rechte uneingeschränkt geltend machen. Sie können aber auch in den Insolvenzplan einbezogen werden, insbesondere durch Reduzierung ihrer Rechte, etwa durch Stundung, Nutzungsvereinbarungen oder eine bruchteilsmäßige Kürzung ihrer Rechte gem. § 223 II InsO. Die Kürzung kann auch aus der Bildung eines Verwertungspools bestehen, wie dies in der Praxis häufig geschieht. Soweit im Insolvenzplan die Rechtsstellung absonderungsberechtigter Gläubiger geregelt wird, sind gem. § 238 I 1 InsO im Termin die Rechte dieser Gläubiger einzeln zu erörtern. Ein Stimmrecht gewähren die Absonderungsrechte gem. § 238 I 2 InsO, die weder vom Insolvenzverwalter noch von einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten werden. Für das Stimmrecht bei streitigen, aufschiebend bedingten oder nicht fälligen Rechten gelten gem. § 238 I 3 InsO die Fälligkeitsregelung des § 41 InsO und die Regelungen des § 77 II und III Nr. 1 InsO entsprechend, nach denen insbesondere eine Einigung des Verwalters und der erschienenen stimmberechtigten Gläubiger über das Stimmrecht entscheidet. Die absonderungsberechtigten Gläubiger bilden bei der Abstimmung eine eigene Gruppe gem. § 222 I 2 Nr.1 InsO, bei der auch gem. § 244 I InsO eine eigene Mehrheit erreicht werden muss. Wird eine solche verfehlt, so kann sie noch über das Obstruktionsverbot des § 245 InsO eventuell ersetzt werden. In jedem Fall bleibt ihnen auch der Minderheitenschutz des § 251 InsO, nach dem auf Gläubigerantrag die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans nach § 248 InsO insbesondere deswegen versagt werden kann, weil der Plan voraussichtlich die Gläubiger schlechter stellt, als sie ohne einen Plan stünden. Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans treten die in dessen gestaltendem Teil vorgesehenen Wirkungen für und gegen alle Beteiligten gem. § 254 I 1 InsO ein. 2. Die Insolvenz des Drittsicherungsgebers. Wird über das Vermögen eines Drittsicherungsgebers das Insolvenzverfahren eröffnet, so gehört das Sicherungsgut bei einer Sicherungsübereignung mittels Besitzkonstituts zur Insolvenzmasse (MünchKommInsOGanter, § 47 Rn. 384). Auch hier kann der Insolvenzverwalter, auf den das Verwaltungsund Verfügungsrecht gem. § 80 I InsO übergeht, den Besitz gem. § 148 I InsO übernehmen und gem. §§ 166 ff. InsO das Sicherungsgut verwerten. Auch insoweit bleibt der Sicherungsnehmer mit den Feststellungs- und Verwertungskosten gem. §§ 170 und 171 InsO belastet. Die Einbeziehung des absonderungsberechtigten Gläubigers in den Insolvenzplan ist hier ebenfalls möglich, da der Sanierungszweck bei Insolvenz eines Drittsicherungsgebers die Kürzung von Rechten derart gesicherter Gläubiger erfordern kann. II. Die Insolvenz des Sicherungsnehmers. In der Insolvenz des Sicherungsnehmers gewährt die h.M. dem Sicherungsgeber ein Aussonderungsrecht aufgrund des treuhänderischen Charakters des Sicherungseigentums auch dann, wenn der Sicherungsgeber nur einen Rückübereignungsanspruch gegen den Sicherungsnehmer hat (s. nur Palandt-Bassenge, § 930 Rn. 36). Auch wenn die gesicherte Forderung noch nicht erfüllt ist und auch noch keine Verwertungsreife eingetreten ist, besteht ein Aussonderungsrecht des Sicherungsgebers, dem der Insolvenzverwalter aber das sicherungsvertragliche Besitzrecht entgegenhalten kann. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungsnehmers führt auch nicht dazu, dass der Sicherungsgeber in Abweichung vom Kredit- oder Sicherungsvertrag ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters vorzeitig den gesicherten Anspruch erfüllen darf. Tritt die Verwertungsreife nach Verfahrenseröffnung ein, darf der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut in gleicher Weise verwerten, wie es der Sicherungsnehmer ohne Insolvenzverfahren hätte tun können.
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
953
III. Sicherungseigentum und Insolvenz im globalen Handelsverkehr. 1. Die internationalprivatrechtliche Rechtslage. Grundsätzlich gilt für die Sicherungsübereignung im internationalen Sachenrecht die lex rei sitae. Art. 43 I EGBGB bestimmt, dass für die Bestellung von Sicherungseigentum das Recht des Belegenheitsstaates maßgeblich ist. Bei Weiterveräußerung in einen anderen Staat, auch einen anderen Mitgliedstaat der EU, besteht das Sicherungseigentum grundsätzlich weiter. Es kann gem. Art. 43 II EGBGB aber nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung eines anderen Staates geltend gemacht werden. In den Niederlanden, die kein publizitätsloses Sicherungseigentum anerkennen, muss somit auch damit gerechnet werden, dass die Rechtsfolgen des Sicherungseigentums dort nicht eingeklagt werden können; v. Wilmowsky (Europäisches Kreditsicherungsrecht, S. 4 ff.) hält dies für einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages.
45
2. Die grenzüberschreitende Insolvenz. Aufgrund der Globalisierung des Handelsverkehrs ist zunehmend das internationale Insolvenzrecht anzuwenden. Die Europäische Insolvenzordnung (EuInsVO) vom 29.05.2000 (ABl. 2000 EG L 160/1) stellt eine einheitliche Normierung für die Mitgliedstaaten der EU dar und ist unmittelbar geltendes Recht für die Mitgliedstaaten. Das autonome deutsche Insolvenzkollisionsrecht orientiert sich daran weitgehend. Grundsätzlich ist nach Art. 4 EuInsVO und § 335 InsO für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Recht des Staates maßgebend, in dem das sog. Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wird. Dabei wird auf den Interessenmittelpunkt des Schuldners abgestellt. Für das Sicherungsgut, das in dem Staat des Hauptinsolvenzverfahrens belegen ist, gilt also die lex fori concursus. Wenn sich das Sicherungsgut jedoch in einem anderen Mitgliedstaat befindet, kann dort ein Partikular- oder Sekundärinsolvenzverfahren durchgeführt werden, mit der Folge, dass dann für das Sicherungseigentum das Insolvenzrecht dieses Staates zur Anwendung kommt, jedoch nur mit Wirkung für das Gebiet des Verfahrensstaates und das dort belegene Schuldnervermögen. Ein Sekundärinsolvenzverfahren findet nach Art. 3 III EuInsVO statt, wenn bereits ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet ist, ein Partikularinsolvenzverfahren gem. Art. 3 IV EuInsVO, wenn ein solches Hauptinsolvenzverfahren noch nicht durchgeführt wird.
46
3. Grenzüberschreitende Insolvenzverfahren ohne Auswirkung auf das Sicherungseigentum. Es kann auch sein, dass das Sicherungsgut weder im Staat des Hauptinsolvenzverfahrens belegen ist noch ein Sekundär- oder Partikularinsolvenzverfahren stattfindet. Nach Art. 5 I EuInsVO werden dingliche Rechte eines Gläubigers an Gegenständen, die sich zur Zeit der Verfahrenseröffnung in einem anderen Mitgliedstaat befinden, auch vom Hauptinsolvenzverfahren grundsätzlich nicht berührt. Eine Ausnahme davon gibt es nur für Streitigkeiten über die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relative Unwirksamkeit einer Rechtshandlung, die sich in jedem Fall nach dem Recht des Staates richten, in dem das Hauptinsolvenzverfahren betrieben wird. Nach dem autonomen deutschen Insolvenzkollisionsrecht, hier § 351 InsO, ist das Recht eines Dritten an einem Gegenstand der Insolvenzmasse, das einen zur Zeit der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens im Inland belegenen Gegenstand betrifft und das nach inländischem Recht einen Anspruch auf Aussonderung oder auf abgesonderte Befriedigung gewährt, durch die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens ebenfalls nicht eingeschränkt. Für dingliche Rechte an im Ausland belegenen Sachen bleibt es dagegen nach § 335 InsO dabei, dass das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen dem Recht des Staates unterliegen, in dem das Verfahren eröffnet wird (s. zu den Einzelheiten Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, 2002).
47
IV. Die Kombination von Sicherungseigentum und Eigentumsvorbehalt. Handel, Handwerk und verarbeitende Industrie erwerben die ihnen gelieferten Waren regelmäßig
48
Derleder
954
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
unter einfachem, erweitertem oder verlängertem Eigentumsvorbehalt, soweit dieser nach § 449 BGB zulässig ist. Darüber hinaus nehmen sie Betriebsmittelkredite bei Banken und Sparkassen auf, wobei sie die gelieferten Waren als Sicherheit für den Kreditgeber verwenden, soweit dies möglich ist. Vielfach dienen die Kredite auch der Finanzierung des Erwerbs vom Lieferanten. Ein gutgläubiger Erwerb der Kreditinstitute an den unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren scheidet in aller Regel aus, wenn die Händler die Ware weiterhin in Besitz behalten und nutzen, da der gutgläubige Erwerb von Sicherungseigentum mittels Besitzkonstituts gem. § 930 BGB zusätzlich die Besitzerlangung nach § 933 BGB erfordert und die Kreditinstitute den Besitz nicht übernehmen wollen, solange ihr Kreditschuldner nicht in der Krise ist. Der Vorbehaltskäufer hat jedoch ein Anwartschaftsrecht aufgrund der bedingten Übereignung nach §§ 929, 158 BGB, da sein Rechtserwerb nur noch von seinem eigenen Verhalten abhängig ist. Dieses Anwartschaftsrecht kann er an den Kreditgeber übertragen. Ist vertraglich eine Sicherungsübereignung vorgesehen, aber nicht wirksam zustande gekommen, so lässt sich wenigstens die Übertragung der Anwartschaft durch den Vorbehaltskäufer als Berechtigten an den Kreditgeber aufrecht erhalten, sei es aufgrund entsprechender Vertragsauslegung oder kraft Umdeutung nach § 140 BGB. Die Anwartschaftsrechtsübertragung folgt, da die Anwartschaft ein wesensgleiches Minus des Eigentums ist, den Regeln der §§ 929 ff. BGB, bei der Übertragung einer Sicherungsanwartschaft in der Regel also § 930 BGB. Falls dann der Kreditgeber auf Weisung des Vorbehaltskäufers den Restkaufpreis in Form der Darlehensvaluta an den Vorbehaltskäufer zahlt, tritt die Bedingung für die Veräußerung des Vorbehaltsverkäufers ein, mit der Folge, dass das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht erstarkt, und zwar nach Übertragung der Sicherungsanwartschaft an den Kreditgeber unmittelbar bei diesem (BGHZ 20, 88; BGH NJW 1984, 1884), also ohne Durchgangserwerb beim Vorbehaltskäufer, so dass Vollstreckungsmaßnahmen gegen diesen oder dessen Insolvenz keine Bedeutung mehr für den Erwerb haben. Der Kreditgeber wird als Sicherungsanwartschaftsberechtigter durch die Restkaufpreiszahlung somit selbst Sicherungseigentümer und hat infolgedessen bei der Vollstreckung gegen den Sicherungsgeber die Drittwiderspruchsklage und bei Insolvenz des Sicherungsgebers das Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO. Das ist insgesamt gesicherte Rechtsanwendung. 49
Teilweise sind die Kreditgeber aber auch dazu übergegangen, sich zusätzlich aufgrund einer Rahmenvereinbarung mit den Vorbehaltsverkäufern deren Vorbehaltseigentum nach § 931 BGB übertragen zu lassen. Dann können Vorbehaltseigentum und Anwartschaftsrecht in der Hand des Kreditgebers zusammentreffen (Konfusion), ohne dass damit der Untergang des Anwartschaftsrechts zwingend verbunden wäre. Entsprechend § 1256 II BGB kann das Anwartschaftsrecht fortbestehen, soweit der Kreditgeber als Eigentümer ein rechtliches Interesse an seinem Fortbestand hat. Ein solches berechtigtes Interesse ist anzunehmen, da die Abwicklung des Kaufvertragsverhältnisses und des Kreditvertragsverhältnisses nicht zwingend miteinander verkoppelt ist. Wird der Kaufvertrag erfüllt, wird danach der Kreditgeber aufgrund des Erstarkens der Anwartschaft Sicherungseigentümer. Wird das Kreditverhältnis beendet, ohne dass der Kaufpreisanspruch erfüllt ist, kann das zur Aussonderung berechtigende Vorbehaltseigentum bestehen bleiben.
50
Aufgrund Urteils des BGH vom 27.03.2008 (NJW 2008, 1803) ist jedoch zu befürchten, dass die Kreditgeber eine noch weitergehende Sicherung beanspruchen und sich in Rahmenverträgen mit den Vorbehaltslieferanten außer dem Kreditrückzahlungsanspruch und der Sicherungsanwartschaft auch noch die Abtretung des Restkaufpreisanspruches und das Vorbehaltseigentum zu sichern versuchen, was in der Weise geschehen könnte, dass der Kreditgeber nicht zur Bezahlung des Restkaufpreises angewiesen wird, sondern ihm gestattet wird, den Restkaufpreisanspruch vom Vorbehaltseigentümer gegen Zahlung
Derleder
§ 30 Sicherungsübereignung
955
des Restkaufpreisbetrags mittels Abtretung zu erwerben und damit verbunden zugleich das Vorbehaltseigentum. Dies könnte dazu führen, dass der Kreditrückzahlungsanspruch nicht nur durch Sicherungsanwartschaft und Sicherungseigentum, sondern auch noch durch den Restkaufpreisanspruch und das Vorbehaltseigentum gesichert wird. Dies hat der BGH für möglich erklärt und den Vorbehaltskäufer damit beruhigt, dass ein Verkäuferrücktritt nicht mehr erfolgen könne, weil keine offene Forderung mehr bestehe, deren Nichterfüllung als Leistungsstörung angesehen werden könne. Im Übrigen sei die Darlehensforderung wesentlicher als die Kaufpreisforderung und der Kreditgeber müsse sich zunächst auf jene stützen. Mit widerspruchsvoller Begründung hat der BGH dann aber dem Kreditgeber trotz des Erwerbs des Vorbehaltseigentums nur ein zur Absonderung berechtigendes Sicherungseigentum zugesprochen, da das Eigentum einen Funktionswandel erlebe. Ließe man eine derartige Konstruktion zu, bliebe der Restkaufpreisanspruch für immer bestehen, auch wenn der Kredit zurückbezahlt wäre, falls man nicht annehmen will, mit der Erledigung des Kredit- und Sicherungszwecks erlösche dann auch irgendwie der abgetretene Restkaufpreisanspruch. Die Begründung des BGH ist jedoch aus mehreren Gründen nicht haltbar. Zum einen kann die formularmäßige Kumulierung von Kreditforderung, Sicherungsanwartschaft, Vorbehaltseigentum und Restkaufpreisforderung einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhalten, da der Kreditgeber aufgrund des ihm übertragenen Sicherungsanwartschaftsrechts und des damit vermeidbaren Durchgangserwerbs beim Vorbehaltskäufer mit der Restkaufpreiszahlung das Sicherungseigentum erwirbt, wie es seinem berechtigten Gläubigerinteresse entspricht. Eine darüber hinausgehende Sicherung mittels Erwerbs der Kaufpreisforderung des Vorbehaltsverkäufers und des Vorbehaltseigentums stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, soweit damit die Restkaufpreisforderung trotz Befriedigung des Vorbehaltsverkäufers bestehen bleibt. Im Übrigen wird auch bei einer individualvertraglichen Rechtsgestaltung dieser Art der Eintritt der Bedingung im Sinne des § 162 I BGB verhindert, so dass die Bedingung als eingetreten gilt und damit das Sicherungsanwartschaftsrecht zum Sicherungseigentum des Kreditgebers erstarkt. Eine Kumulierung der Sicherungsrechte des Kreditgebers durch Erwerb der Rechte des Vorbehaltskäufers wie des Vorbehaltsverkäufers ist damit ausgeschlossen.
Derleder
51
“This page left intentionally blank.”
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
957
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
Schrifttum Bartels, Die Sicherungsgesamtschuld als akzessorische Kreditsicherheit, JZ 2000, 608; Baumann, Zur Form von Schuldbeitritt und Schuldanerkenntnis, ZBB 1993, 171; Bernuth, Harte Patronatserklärungen in der Klauselkontrolle, ZIP 1999, 1501; Borzutzki-Pasing, Haftung aufgrund einer so genannten harten Patronatserklärung, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4; Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 32. Aufl. 2007; Bülow/Artz, Folgeprobleme der Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf Schuldbeitritt und andere Interzessionen, ZIP 1998, 629; Canaris, Die Bedeutung des „materiellen“ Garantiefalles für den Rückforderungsanspruch bei der Garantie „auf erstes Anfordern“, ZIP 1998, 493; Dehn, Zur Form des Schuldbeitritts zu einem Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB, WM 1993, 2115; Derleder, Das Outsourcing notleidender Bankkredite und seine rechtlichen Grenzen, VuR 2007, 81; Zession und Gesamtschuld, FS für Heinrichs 1998, S.155 ff.; Drexl, Der Bürge als Verbraucher, JZ 1998, 1046; Edenfeld, Offene Fragen des Beitritts zur Dauerschuld, JZ 1997, 1034; Einsele, Anm. z. BGH, Urt. v. 10. 11. 1998 – XI ZR 370/97, JZ 1999, 466; Fischer, Schutz vor missbräuchlicher Nutzung der Bürgschaft auf erstes Anfordern, WM 2005, 529; Bürgschaft und Verbraucherkreditgesetz, ZIP 2000, 828; Fleischer, Gegenwartsprobleme der Patronatserklärung im deutschen und europäischen Privatrecht, WM 1999, 666; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989; Gerth, Atypische Kreditsicherheiten – Liquiditätsgarantien und Patronatserklärungen deutscher und ausländischer Muttergesellschaften, 2. Aufl. 1980; Grigoleit/Herresthal, Die Schuldübernahme, Jura 2002, 393; Der Schuldbeitritt, Jura 2002, 825; Gröschler, Einwendungsausschluß bei der Garantie auf erstes Anfordern und der einfachen Garantie, JZ 1999, 822; Habersack, Die Akzessorietät – Strukturprinzip der europäischen Zivilrechte und eines künftigen europäischen Grundpfandrechts, JZ 1997, 857; Harke, Schuldbeitritt und Form, ZBB 2004, 147; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, Handbuch des Schuldrechts, Band X, 2003; Holznagel, Der Bürgschaftsvertrag im Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes? Die Entscheidung des EuGH zur Verbraucherkredit-Richtlinie, Jura 2000, 581; Jungmann, Schadensersatzansprüche in Schrottimmobilienfällen – Die unterschiedlichen Vorstellungen von EuGH und BGH, NJW 2007, 1562; Kiethe, Haftungs- und Ausfallrisiken bei Patronatserklärungen, ZIP 2005, 646; Knops, Die weite Sicherungszweckerklärung des persönlich schuldenden Eigentümers in der AGB-Kontrolle, ZIP 2006, 1965; Koch, Die Patronatserklärung, 2005; Kohte, Die Stellung des Schuldbeitritts zwischen Bürgschaft und Schuldübernahme, JZ 1990, 1000; Kröll, Rechtsfragen elektronischer Bankgarantien, WM 2001, 1553; Kulke, Neue Rechtsprechung zu den Immobilienerwerbermodellen, ZGS 2007, 10; Widerrufsrechte beim Sicherungsgeschäft, NJW 2006, 2223; Haustürwiderrufsrecht und Realkreditvertrag, ZBB 2002, 33; Sittenwidrigkeit eines Schuldbeitrittes und Teilnichtigkeit, ZIP 2001, 985; Haustürwiderrufsrecht und Bürgschaft, JR 1999, 485; Limmer, „Harte“ und „weiche“ Patronatserklärungen in der Konzernpraxis, DStR 1993, 1750; Anm. z. OLG Karlsruhe, Urt. v. 7. 8. 1992 – 15 U 123/91, DStR 1993, 488; Looschelders, Schuldrecht BT, 2. Aufl. 2008; Madaus, Die persönliche Mithaftung des Verbrauchers bei Haustürgeschäften und Kreditverträgen – Die Entscheidung des BGH vom 2. 5. 2007 – XII ZR 109/04 (LG Frankfurt/Oder), NJW 2007, 2110, BKR 2008, 54; Der Schuldbeitritt als Personalsicherheit, Diss., 2001; Nobbe, Der Verkauf von Krediten, ZIP 2008, 97; Oechsler, Die Geschichte der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft und ihre Stellung im europäischen Gesellschaftsrecht, NJW 2008, 2471; Vertragliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2007; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 3. Aufl. 2007; Reifner, Die Mithaftung der Ehefrau im Bankkredit – Bürgschaft und Gesamtschuld im Kreditsicherungsrecht, ZIP 1990, 427; Reinicke/Tiedtke, Formbedürftigkeit des Schuldbeitritts zu einem Kreditvertrag, WiB 1997, 449; von Rosenberg/Kruse, Patronatserklärungen in der M&A-Praxis und in der Unternehmenskrise, BB 2003, 641; Rüssmann, Formzwang und Übereilungsschutz in Interzessionsverhältnissen, FS für Heinrichs, 1998, 451ff.; K. Schmidt, Die Sozietät als Sonderform der BGB-Gesellschaft – Wandlung einer klassischen Rechtsform im Lichte der Rechtsprechung, NJW 2005, 2801; Die Gesellschafterhaftung bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als gesetzliches Schuldverhältnis – Zum Stand der Rechtsfortbildung nach den BGH-Urteilen vom 24. 2. 2003 und vom 7. 4. 2003, NJW 2003, 1897; Schneider, Uwe H., Patronatserklärungen gegenüber der Allgemeinheit, ZIP 1989, 619; Schröder, H., Die Lücken des deutschen Rechts im Bürgenschutz, Diss., 2008; Schürnbrand, Schuldbeitritt, Diss., 2003; Schwintowski/Schantz, Grenzen der Abtretbarkeit grundpfandrechtlich gesicherter Darlehensforderungen, NJW 2008, 472; Tiedtke, Aus dem Hauptschuldverhältnis abgeleitete und eigene Einreden des Bürgen, JZ 2006, 940; Wittig, Moderne Patronatserklärungen, WM 2003, 1981; Ch. U. Wolf, Schuldrechtliche Verlustdeckungszusagen, ZIP 2006, 1885; Die Patronatserklärung, 2005; Zahrnt, Die Kreditkarte
Kulke
958
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
unter privatrechtlichen Gesichtspunkten, NJW 1972, 1077; Zahn, Die Bürgschaft des Verbrauchers bei Haustürgeschäften und Kreditverträgen, ZIP 2006, 1069.
Inhaltsübersicht A. Allgemeines und Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 I. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4. Wirksamkeitshindernisse . . . . . . . . . . 14 5. Beitritt zu einer zukünftigen oder bedingten Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . 15 6. Unwirksamkeitsfolgen . . . . . . . . . . . . 16 II. Gesetzlicher Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . 17 1. Firmenfortführung, § 25 HGB . . . . . . 18 2. Geschäftseintritt, § 28 HGB . . . . . . . . 19 III. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Mitdarlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . 21 2. Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4. Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 5. Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . 27 6. Schuldrechtliche Verlustdeckungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Limitierte Akzessorietät . . . . . . . . . . . 30 2. Grundsätzliche Wirkung der Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5. Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 6. Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . 40 7. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 V. Besonderheiten bei Verbraucherverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. §§ 312 f. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. §§ 491 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. Schuldbeitritt von sog. Nahbereichspersonen . . . . . . . . . . . . . 55 5. Weitere mögliche Widerrufsrechte des Beitretenden . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
6. Rechtsfolgen nicht (ordnungsgemäß) erfolgter Belehrung . . . . . . . . 59 C. Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Garantieerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Vertrag des Garanten mit dem Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Vertrag des Schuldners als Garanten mit dem Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Vertrag des Schuldners mit dem Garanten als echter Vertrag zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Patronatserklärung . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Bankgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 D. Patronatserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Weiche Patronatserklärungen . . . . . . . . . 78 1. Abstufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Formulierungsbeispiele . . . . . . . . . . . 83 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Harte Patronatserklärungen . . . . . . . . . . . 85 1. Einordnung und Rechtsnatur . . . . . . . 86 2. Sicherungsgeber und Sicherungszweck bei der harten Patronatserklärung . . . 87 3. Zustandekommen der harten Patronatserklärung . . . . . . . . . . . . . . . 88 4. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 6. Voraussetzung und Rechtsfolgen . . . . 96 7. Formulierungsbeispiele . . . . . . . . . . . 97 8. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 9. Passivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 10. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 E. Gemeinschaftsrechtliche Bezüge . . . . . . . . . 101
Stichwortverzeichnis Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 66, 90 Akzessorietät . . . . . . . . . . . 4, 9, 26, 30 f., 38, 63, 84 Alleingeschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 51 Alleingesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 51 Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . 43f. Analogie . . . . . . . . . . . . . . 9, 25, 33 ff., 38, 39, 50, 96 Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 33, 49 Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Anlassrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 94 Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Auskunftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Bankgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63, 73 ff. Beitretender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 f., 45 f., 47 ff. Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 30 Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 15
Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Bonitätsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9, 24 f. Causa societatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Comforting effect . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Darlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21f. Dauerschuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 5, 28, 31, 36 Deckungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Effektivklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Einflussnahmeklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 ff. Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 ff. Einwendungsausschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Einzelbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 f. Erklärungswillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Existenzgründungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Fernabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Firmenfortführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff., 26 Formularvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 94 Fremddisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 60 ff. Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 ff., 38, 91 Geschäftseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 51 Geschäftsführungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 51 Grundstückskaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 11 Haustürgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 f. Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 52 Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 24 f., 26 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 100 Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Kaufpreisforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kontoeröffnungsformular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 37 Kreditkartensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 96 Liqiditätszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Mahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Mehrheitsgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 51 Mitdarlehensnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 f. Mithaftungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Mithaftungsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Nahbereichspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 f. Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 16, 48, 55 f. Öffentlichrechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Passivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Patronatserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 60, 62, 77 ff. Rechtsscheinsvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Rücktrittsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
959
Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59, 96, 98 Schenkungsversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 27 Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 ff. Schuldnerverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 8 Schuldmitübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Sicherungsbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 9 Sicherungsgesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 f., 95 Standby Letter of Credit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Teilnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Übernahmebeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 9 Überraschungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 94 Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 16, 92 ff. Valutaverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50, 51 Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ff. Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ff. Verbraucherwiderruf . . . . . . . . . . . . . . . .33, 42, 59 f. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Verlustdeckungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 91 Vertrag zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 90 Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . 6 ff., 68 ff., 88 ff. Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 82 Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Verzugsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 49 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33, 52, 57 f. Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 66, 90 Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 87 Zusammentreffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
A. Allgemeines und Begriffe
1
Unter den im Folgenden erörterten sonstigen Kreditsicherheiten sind in erster Linie solche Sicherheiten zu verstehen, die nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind. Gebräuchlich ist es, in diesem Zusammenhang auch von atypischen Kreditsicherheiten zu sprechen, da diese Sicherheiten keinem im Schuldrecht geregelten Schuldvertragstyp entsprechen (vgl. Gerth, 1ff.). Die folgenden Ausführungen behandeln Schuldbeitritt, Garantie und Patronatserklärung und im Rahmen der Abgrenzung dieser Institute von einander auch andere, mögliche Erscheinungsformen von Kreditsicherheiten.
B. Schuldbeitritt
2
Bei dem Schuldbeitritt handelt es sich um eine Personalsicherheit, die dem Gläubiger zu einem bereits bestehenden Anspruch gegen einen Schuldner eine zusätzliche Sicherheit durch einen weiteren Schuldner gewährt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem rechtsgeschäftlichen (unter I) und dem gesetzlichen Schuldbeitritt (unter II). Der Schuldbeitritt ist von anderen Instituten abzugrenzen (unter III), bevor seine Rechtsfolgen (unter IV) und die zu beachtenden Besonderheiten bei Verbraucherverträgen zu erörtern sind (unter V). Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen liegt entsprechend der praktischen bankrechtlichen Bedeutung auf dem rechtsgeschäftlichen Schuldbeitritt.
Kulke
960
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
3
I. Begründung. Der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt wird durch Vertrag begründet (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1035)), während der gesetzliche Schuldbeitritt unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen von Gesetzes wegen angeordnet wird.
4
1. Begriff. a) Allgemeines. Bei dem vertraglichen Schuldbeitritt übernimmt der Beitretende nur die Schuld des alten Schuldners mit, nicht aber dessen Rechte (Reinicke/Tiedtke, Rn. 2). Da der Beitretende aber nicht an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, sondern neben ihn, wird der vertragliche Schuldbeitritt auch als Schuldmitübernahme oder kumulative Schuldübernahme (Medicus, SchuRBT, Rn. 814), Mithaftungserklärung, Mithaftungsübernahme oder bestärkende Schuldübernahme bezeichnet. Trotz der unterschiedlichen Begriffe ist damit nach vorherrschender Auffassung ein und dasselbe Institut erfasst (anders wohl das OLG Frankfurt OLGR 2007, 805). Von der Frage der Bezeichnung dieses Sicherungsrechtes ist die Frage nach den Rechtsfolgen zu unterscheiden. Nach einer im Schrifttum zunehmend vertretenen Auffassung nämlich soll bei dem Schuldbeitritt stets zwischen dem Übernahmebeitritt und dem Sicherungsbeitritt zu unterscheiden sein (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 12; siehe dazu und zu den Konsequenzen hieraus im Folgenden). Der Schuldbeitritt ist im Gegensatz zur befreienden (privativen) Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB nicht gesetzlich geregelt (Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 393; Palandt-Grüneberg, v. § 414 Rn. 2). Die Zulässigkeit des Schuldbeitrittes als einseitig verpflichtendem Vertrag folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, § 311 BGB (Palandt-Grüneberg, v. § 414 Rn. 2). Der Beitretende begründet durch den Beitritt nach vorherrschender Auffassung eine neue, eigene, in ihrer weiteren Entwicklung grundsätzlich nichtakzessorische zusätzliche Verbindlichkeit (Habersack, JZ 1997, 857 (864)). Nach der Auffassung, die zwischen dem Übernahmebeitritt und dem Sicherungsbeitritt unterscheiden will, ist dagegen der Sicherungsbeitritt als akzessorische Sicherheit anzusehen. Nach vorherrschender Auffassung jedoch stehen dem Gläubiger zwei in ihrer Entwicklung selbständige Forderungen zu (Reinicke/Tiedtke, Rn. 2). Der Schuldbeitritt verstärkt damit erheblich die Stellung des Gläubigers (Brox/ Walker, § 35 Rn. 19).
5
b) Die zu sichernde Schuld. Als zu sichernde Schuld kommt jede Schuld des Schuldners aus einem Schuldverhältnis, gerade auch aus einem Dauerschuldverhältnis, in Betracht, gleich ob diese aus einem Kaufvertrag, aus einem Darlehensvertrag, aus einem Mietvertrag, einem Werkvertrag oder aus einem anderen Schuldverhältnis resultiert. Der Beitretende kann auch den Beitritt zu einer Schuld wegen einer unerlaubten Handlung oder ungerechtfertigter Bereicherung erklären. Zu fordern ist lediglich die Bestimmbarkeit der Schuld (siehe dazu unter I 5 sowie V 1).
6
2. Vertragsschluss. Der Vertragsschluss im Rahmen eines vertraglichen Schuldbeitrittes folgt den Regeln der Rechtsgeschäftslehre des Allgemeinen Teils. Er kommt durch Angebot und Annahme zustande, §§ 145 ff. BGB (Reinicke/Tiedtke, Rn. 8). Möglich ist der Vertragsschluss zwischen Beitretendem und Gläubiger, ebenso aber zwischen Beitretendem und Schuldner.
7
a) Vertrag zwischen Gläubiger und Beitretendem. Der vertragliche Schuldbeitritt kann durch Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Beitretenden begründet werden. Dies ist in der Praxis der Regelfall. Denn sehr häufig werden die Fälle des vertraglichen Schuldbeitritts den Beitritt zu einer Schuld aus einem Darlehensvertrag betreffen (§§ 488–498 BGB). Dann sind Geldgeber zumeist Banken, Sparkassen oder sonstige Finanzdienstleister. Diese werden den Schuldbeitritt aber mit dem Beitretenden selbst abschließen wollen, weil der Beitritt eine zusätzliche Sicherheit nur bieten kann, wenn der Beitretende solvent ist. Auch hier gelten die Regeln der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Daher setzt die
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
961
Annahme einer entsprechenden Willenserklärung, die auf den Abschluß eines Schuldbeitrittes gerichtet ist, nach vorherrschender Auffassung nicht notwendig das Vorliegen eines hierauf gerichteten Erklärungswillens (Erklärungsbewusstseins) voraus. Eine ohne Erklärungswillen vorgenommene Handlung kann dem Erklärenden aber nur dann als Willenserklärung zugerechnet werden, wenn dieser bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens aufgefasst werden könnte und beim Erklärungsempfänger Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt hervorgerufen habe (vgl. BGH, Urt. v. 11. 1. 2007 – I ZR 167/04, dort im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Schuldbeitritt des § 421 HGB; BGHZ 91, 324 (331) für eine Bürgschaft). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bedarf das Angebot des Beitretenden auf Vereinbarung eines Schuldbeitrittes gegenüber dem Gläubiger nach der Verkehrssitte im allgemeinen keiner Annahmeerklärung gegenüber dem Antragenden (BGH WM 1994, 303 (305)). Da die Erklärung dem Gläubiger nur Vorteile bringt, soll der Beitretende davon ausgehen können, dass der Gläubiger den Antrag angenommen hat, auch wenn er, der Gläubiger, dies dem Beitretenden gegenüber nicht ausdrücklich erklärt hat (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 8). Gemäß § 151 BGB soll auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet werden können, da bei einem für den Antragsempfänger lediglich vorteilhaftem Geschäft eine entsprechende Verkehrssitte besteht (BGH NJW 1999, 1328; 2000, 277). Diese Auffassung ist jedoch nicht überzeugend. Zum einen ist die Vorteilhaftigkeit der Antragserklärung nur bei Solvenz des Beitretenden zu bejahen. Es ist zweifelhaft, dass der Gläubiger alleine aus der Antragserklärung Kenntnis über eine solche Solvenz des Beitretenden erlangt. Zum anderen ist es aus Gründen der Rechtssicherheit auch für den Beitretenden von Bedeutung, durch den üblicherweise für das Wirksamwerden von empfangsbedürftigen Willenserklärungen erforderlichen Zugang gemäß § 130 I 1 BGB Kenntnis von der Annahmeerklärung des Gläubigers zu erlangen. Der Beitretende soll wissen, ob er aus der von ihm erklärten Mithaftungsübernahme vom Gläubiger in Anspruch genommen zu werden droht oder ob dies nicht der Fall ist. b) Vertrag zwischen Beitretendem und Schuldner. Der vertragliche Schuldbeitritt kann aber auch durch Vertrag zwischen dem Beitretenden und dem Schuldner begründet werden. Bei einer solchen Gestaltung liegt ein echter Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß § 328 I BGB vor (Reinicke/Tiedtke, Rn. 26), da der Gläubiger als Dritter ein eigenes Forderungsrecht gegen den Beitretenden als Versprechendem erwirbt. Eine Mitwirkung des Gläubigers ist anders als bei der befreienden Schuldübernahme (§ 415 I 1 BGB, dazu unten III 2) in diesem Falle grundsätzlich nicht erforderlich, da der Gläubiger nur eine zusätzliche Sicherheit erhält (Jauernig-Stürner, v. §§ 414 f. Rn. 2). Der Gläubiger wird damit Inhaber einer neuen Forderung, ohne von seinem Glück zu wissen (Reinicke/Tiedtke, Rn. 26). Der Gläubiger kann aber das aus dem Vertrag erworbene Recht dem Versprechenden gegenüber zurückweisen, so dass dieses als nicht erworben gilt (§ 333 BGB; s. dazu Scheyhing/Nörr, § 29 III 1 S. 261; Reinicke/Tiedtke, Rn. 26). Ein dem Gläubiger ungünstiger Umstand ergibt sich allerdings aus § 334 BGB, dazu unten IV 2.
8
3. Form. a) Grundsatz. Der Schuldbeitritt ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich formfrei wirksam (BGH NJW 1991, 3095 (3098); 1993, 584). Die für die Erteilung der Bürgschaftserklärung geltende Formvorschrift des § 766 S. 1 BGB gilt nach der Rechtsprechung (BGHZ 121, 1 (3)) und der vorherrschenden Auffassung im Schrifttum (Palandt-Grüneberg, v. § 414 Rn. 3; Reinicke/Tiedtke, Rn. 20) weder direkt noch entsprechend für die Erklärung des Beitritts zu einer bestehenden Schuld. Der Formvorschrift des § 766 S. 1 BGB liegt die Erwägung zugrunde, dass der Bürge aus altruistischen Motiven handelt und dementsprechend weniger von rationalen Erwägungen geleitet seine
9
Kulke
962
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Bürgschaftserklärung abgibt, so dass er besonders vor Übereilung zu schützen ist. Der Beitretende wird dagegen in der Regel mit seiner Mithaftungsübernahme zumeist eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Fehlt aber dem Beitretendem dieses eigene wirtschaftliche Interesse aber, so soll nach einer Auffassung in der Lehre der Schuldbeitritt in Analogie zu § 766 S. 1 BGB schriftformbedürftig sein (Harke, ZBB 2004, 147 (151); Madaus, BKR 2008, 54 (56); ders., S. 259 (271); MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 13; Baumann, ZBB 1993, 171 (177); Schürnbrand, S. 57 ff.), da sich dann die Interessenlage nicht anders darstelle als bei der Bürgschaft. Noch weitergehend kann der Schuldbeitritt nach einer anderen Auffassung unterschiedlich ausgestaltet sein, so dass zwischen einem Sicherungsbeitritt und einem Übernahmebeitritt zu unterscheiden sei (Schürnbrand, S. 32 ff.; MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 12, m. w. N. in Fn. 30). Diese Auffassung hat weitreichende Konsequenzen ( MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 14), denn für den Sicherungsbeitritt sollen nicht nur alle bürgschaftsrechtlichen Vorschriften, welche die Akzessorietät zum Ausdruck bringen, analog unabhängig von dem Bestehen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses gelten, sondern auch § 766 BGB. Der Sicherungsbeitritt sei nach dieser Auffassung durch das Vorhandensein einer Sicherungsabrede gekennzeichnet („Erstreckungsabrede“, vgl. Habersack, JZ 1997, 857 (865)), die den Sicherungszweck des Beitrittes festlege und damit die Haftung des Beitretenden zumindest im Grundsatz an diejenige des Hauptschuldners binde, während es dem Übernahmebeitritt dagegen immanent sei, dass der Übernehmer im Innenverhältnis die Schuld alleine und endgültig zu tragen verpflichtet sein soll (wie im Fall der § 2382 BGB, § 25 HGB, MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 12). Bei dem Sicherungsbeitritt sei es gerade der Hauptschuldner, der im Innenverhältnis alleine verpflichtet sein soll (Habersack, JZ 1997, 857 (865)). Wenngleich der Bundesgerichtshof und die h. M. im Schrifttum teilweise auch eine eingeschränkte Akzessorietät des rechtsgeschäftlichen Schuldbeitrittes befürworten, so vermag das Eintreten für einen rein akzessorischen Sicherungsbeitritt mit der Konsequenz einer analogen Anwendung aller bürgschaftsrechtlichen Vorschriften, welche Ausdruck der Akzessorietät sind, nicht zu überzeugen. Vereinbaren die Parteien bei einem Schuldbeitritt eine strenge Bindung der Schuld des Beitretenden an die Hauptschuld, so ist zunächst daran zu denken, ob sie nicht eine Bürgschaft vereinbaren wollten. Vereinbaren die Parteien allerdings keine strenge Bindung der Schuld des Beitretenden an die Hauptschuld, so mag dies gerade ein starkes Indiz für einen gewollten Schuldbeitritt und damit einer grundsätzlich nicht-akzessorischen Haftung des Beitretenden sein (siehe unter III, insbes. III 3). Daher bleibt es bei dem Grundsatz der vorherrschenden Auffassung, dass der Schuldbeitritt nicht dem Formerfordernis des § 766 BGB unterfällt. Gilt das Schriftformerfordernis gemäß §§ 766 S. 1, 126 BGB nicht, so kann ein Schuldbeitritt auch per Telefax oder per E-Mail (OLG Frankfurt, Urt. v. 20.12.2005 – 11 U 30/05) erklärt werden (in der Textform gemäß § 126b BGB). Auch gilt § 766 S. 2 BGB nicht, so dass ein Schuldbeitritt theoretisch auch in elektronischer Form gemäß § 126a BGB erklärt werden kann. 10
b) Ausnahme Formdürftigkeit. Ist die Verbindlichkeit, zu der die Mithaftungsübernahme erklärt wird, ihrerseits formbedürftig, so bedarf aber auch der Schuldbeitritt zu dieser Verbindlichkeit in jedem Fall der entsprechenden Form (BGH NJW 1991, 3098; Palandt-Grüneberg, v. § 414 Rn. 3, mit dem Hinweis auf §§ 311b I 1 und 518 I BGB; Reinicke/Tiedtke, Rn. 21, mit Hinweis auf § 766 BGB). Denn ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach stets die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der erklärt wird (BGH DB 2007, 2830 (Rn. 23)). Allerdings soll es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 1993, 584) für die Frage der Formbedürftigkeit des Schuldbeitrittes auf den Zweck der jeweils in Betracht kommenden Formvorschrift ankommen, siehe so-
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
963
gleich. Im Folgenden werden einzelne, bedeutsame Formvorschriften beispielhaft erörtert, ohne dass es sich hierbei um eine abschliessende Erfassung aller in Betracht kommenden Formvorschriften handelt. Zu den besonderen Formanforderungen aufgrund verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften siehe unter V 3. c) Schuldbeitritt zur Kaufpreisforderung aus einem Grundstückskaufvertrag. Der Käufer und Erwerber, der einen Grundstückskaufvertrag abschließt, genießt den vollen Schutz des § 311b I 1 BGB hinsichtlich seiner Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung, da der Grundstückskaufvertrag als solcher notariell zu beurkunden ist. Der Erwerber soll durch diese Formbedürftigkeit vor unüberlegten Schritten geschützt werden. Er soll davor geschützt werden, ein vielleicht wertloses oder nicht entsprechend werthaltiges Grundstück zu erwerben. Die Formbedürftigkeit des Grundstückskaufvertrages soll den Erwerber aber auch und gerade davor schützen, unüberlegt eine Verpflichtung zur Zahlung des entsprechenden Kaufpreises einzugehen. Der Schutz bezieht sich somit vor allem auf die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises (Reinicke/Tiedtke, Rn. 21). Durch den Beitritt übernimmt der Mithaftende die Haftung für diese Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung in vollem Umfang. Es kann daher für den Beitretenden nichts anderes gelten als für den Erwerber (Reinicke/Tiedtke, Rn. 21). Der Schuldbeitritt zu einer gegen den Erwerber gerichteten Kaufpreisforderung im Rahmen eines Grundstückskaufvertrages ist daher formbedürftig gemäß § 311b I 1 BGB (Palandt-Grüneberg, v. § 414 Rn. 3). In diesem Sinne ist letztlich wohl auch der Bundesgerichtshof zu verstehen (BGH WM 2005, 991). In einem von ihm zu entscheidenden Sachverhalt ging es um die Haftung für eine Kaufpreisforderung aus einem Firmengrundstückskaufvertrage, in dessen Rahmen eine weitere, am Kaufvertrage nicht beteiligte Person in der Vertragsurkunde im Wege des Schuldbeitrittes die Mithaftung für die vertraglichen Verpflichtungen der Käuferin übernahm und mit der Käuferin zusammen auf Kaufpreiszahlung verklagt wurde. Der Firmengrundstückskaufvertrag war jedoch mangels vollständiger notarieller Beurkundung formnichtig, §§ 311b I 1, 125 S. 1 BGB. Der Bundesgerichtshof konnte die Klage der Verkäuferin gegen die Käuferin und die Beitretende zwar nicht abweisen, weil der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif war. Es ist der Entscheidung aber klar zu entnehmen, dass der Bundesgerichtshof einen Anspruch gegen die Beitretende für den Fall, dass der Firmengrundstückskaufvertrag nichtig ist und die Beklagten sich darauf berufen können, verneinen will. Zwar kann die Entscheidung auch so verstanden werden, dass ein Beitritt zu einer nicht bestehenden, da unwirksam begründeten Schuld ins Leere geht und damit wirkungslos bleibt, also der Beitretende nicht in Anspruch genommen werden kann (vgl. unter Rn. 14). Es ist aber davon auszugehen, dass auch der Bundesgerichtshof die Formbedürftigkeit einer Beitrittserklärung zu einer Kaufpreisforderung aus einem Grundstückskaufvertrage bejaht.
11
d) Schuldbeitritt zum Schuldanerkenntnis. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes soll der Schuldbeitritt zu einem abstrakten Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB nicht der Schriftform bedürfen (BGH WM 1993, 287). Der Bundesgerichtshof begründet seine dem Beitretenden ungünstige Auffassung mit der Behauptung, die wesentliche Funktion des Formzweckes eines abstrakten Schuldanerkenntnisses im Sinne des § 781 BGB sei in erster Linie in der Rechtssicherheit und nicht im Schuldnerschutz zu sehen (BGH WM 1993, 287; ebenso Baumann ZBB 1993, 171 (177)). Zwar erscheint es zutreffend, für die Frage der Formbedürftigkeit eines Schuldbeitritts auf den Zweck der jeweils in Betracht kommenden Formvorschrift abzustellen (BGH NJW 1993, 584). Allerdings ist der vom Bundesgerichtshof unter Heranziehung der Motive zum BGB gezogene Schluss, dass die Formvorschrift des § 781 BGB nicht den Schutz des Schuldners vor Übereilung bezwecke, sondern der Rechtssicherheit durch Schaffung klarer Beweisver-
12
Kulke
964
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
hältnisse diene, weder zwingend noch überzeugend. Es liegt nahe, dass die Formvorschrift des § 781 BGB auch dem Übereilungsschutz des Anerkennenden dienen soll und nicht nur der Beweissicherung. Mag der Zweck der Beweissicherung auch vorrangig in den Motiven genannt sein, so ist damit doch nicht gesagt, dass der Übereilungsschutz gerade nicht auch ein mit dieser Formvorschrift verfolgter Zweck sein soll. Dies muss insbesondere auch deshalb gelten, weil derjenige, der eine Schuld anerkennt, davor geschützt werden muss, dies unüberlegt, ohne Überdenken der damit verbundenen Folgen, zu tun. § 781 BGB dient also auch dem Übereilungsschutz (Reinicke/Tiedtke, Rn. 23). Dann muss aber auch der Schuldbeitritt zu einem Schuldanerkenntnis dem Formerfordernis des § 781 BGB genügen. Denn der Schutz des § 781 BGB muss – entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – auch dem Beitretenden zugute kommen (Dehn, WM 1993, 2115 (2118)). Von der Frage, inwieweit der Schuldbeitritt zu der Schuld aus einem Schuldanerkenntnis dem Formerfordernis des § 781 BGB unterliegt, ist die Frage zu unterscheiden, ob ein Schuldbeitritt erklärt worden oder ein Schuldanerkenntnis erteilt worden ist. Dazu siehe unten III 5. 13
e) Formerfordernis des § 518 I BGB. Das Formerfordernis des § 518 I BGB ist einzuhalten, wenn der Beitretende einem nach § 518 I BGB notariell zu beurkundenden und beurkundeten Schenkungsversprechen beitritt (Reinicke/Tiedtke, Rn. 21).
14
4. Wirksamkeitshindernisse. Der Schuldbeitritt unterliegt ansonsten den gleichen Wirksamkeitserfordernissen wie andere Rechtsgeschäfte auch. Der Schuldbeitritt kann aufgrund von Willensmängeln gemäß den §§ 116 ff. BGB nichtig sein, er unterliegt in gleichem Maße den Regeln über die Anfechtung, den §§ 119 ff. BGB, wie andere Rechtsgeschäfte auch. Allerdings ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Beitritt zu einer nicht entstandenen Schuld nicht nichtig ist (BGH NJW 1987, 1698 (1699); anders Reinicke/Tiedtke, Rn. 18, denen zufolge die Beitrittserklärung nichtig und damit einer Bestätigung zugänglich ist). Diese Beitrittserklärung geht schlicht ins Leere. Infolgedessen scheidet nach der Rechtsprechung eine Bestätigung einer solchen Beitrittserklärung als Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäftes gemäß § 141 BGB aus (BGH NJW 1987, 1698 (1699)). Auf den Unwirksamkeitsgrund der Sittenwidrigkeit wird gesondert einzugehen sein.
15
5. Beitritt zu einer zukünftigen oder bedingten Schuld. Von dem Beitritt zu einer nicht entstandenen Schuld ist der Fall zu unterscheiden, dass der Mithaftende einer noch nicht entstandenen Schuld beitritt, die aber noch zur Entstehung gelangen kann oder deren Entstehung sogar unmittelbar bevorsteht. Gemäß § 765 II BGB kann der Bürge die Bürgschaft auch für eine künftige oder bedingte Verbindlichkeit übernehmen. Es ist kein Grund ersichtlich, dass die Rechtslage beim Schuldbeitritt anders sein sollte (Reinicke/Tiedtke, Rn. 19; für den Schuldbeitritt zu einer zukünftigen Verbindlichkeit aus Kreditvertrag BGH NJW 1996, 2865 (2866)). Dieser antizipierte Schuldbeitritt setzt nach allgemeinen Regeln lediglich Bestimmbarkeit der zukünftigen beizutretenden Schuld voraus (BGH WM 1959, 16 (22); 1971, 1498; ZIP 1997, 275). Auch einem Beitritt zu einer bedingten Schuld stehen keine Bedenken gegenüber, da hier die Schuld ohnehin schon bestimmt sein wird. Der Beitretende kann also auch einer zukünftigen oder bedingten Schuld beitreten.
16
6. Unwirksamkeitsfolgen. Bei einer Unwirksamkeit aus materiellrechtlichen Gründen, wie zum Beispiel §§ 134, 138, 142 I BGB, aber auch § 307 BGB a.F., stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 139 bis 141 BGB. Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung ist der Beitritt zu einer nicht entstandenen Schuld unwirksam und damit nichtig, so dass eine Bestätigung dieses nichtigen Rechtsgeschäftes gemäß § 141 BGB in Betracht kommt (Reinicke/Tiedtke, Rn. 18). Bei einem sittenwidrigen Schuldbeitritt hat der
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
965
Bundesgerichtshof eine Widerlegung der in § 139 Hs. 1 BGB angeordneten Gesamtnichtigkeit zugelassen (BGH ZIP 2001, 189, siehe hierzu V 4). Schließlich kommt neben der Anwendung der §§ 139, 141 BGB auch eine Umdeutung eines nichtigen Schuldbeitrittes in eine andere Personalsicherheit gemäß § 140 BGB in Betracht. Nach der Auffassung des XI. Senats des Bundesgerichtshofes ist eine Mithaftungserklärung dann in eine selbstschuldnerische Bürgschaft umzudeuten, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit der Mithaftungserklärung eine solche Bürgschaft gewollt hätten (BGH DB 2007, 2830 (2832, Tz. 27)). Davon soll im Zweifel auszugehen sein, wenn durch eine solche Bürgschaft derselbe wirtschaftliche Erfolg erreicht werden kann, da es den Vertragsparteien weniger auf die Rechtsform ihres Geschäfts als auf den von ihnen beabsichtigten wirtschaftlichen Erfolg ankommt und ihnen im Zweifel jedes rechtliche Mittel willkommen sein wird, das diesen Erfolg, wenn vielleicht auch nicht ganz, so aber doch annähernd gewährleistet (BGH DB 2007, 2830 (2832, Tz. 27)). Nach anderer, zustimmungswürdiger Auffassung soll jedoch eine Umdeutung einer unwirksamen und nichtigen Beitrittserklärung in eine wirksame Bürgschaft angesichts der regelmäßig unterschiedlichen Rechtsvoraussetzungen und Rechtsfolgen genauso wenig möglich sein wie die einer formnichtigen Bürgschaft in einen wirksamen Schuldbeitritt (BGH JR 1972, 61 (62); MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 22 a. E.) Erforderlich für eine solche Umdeutung ist aber schon nach dem Wortlaut des § 140 BGB die Einhaltung der gemäß § 766 S. 1 BGB vorgeschriebenen Form (anderes gilt nur gemäß § 350 HGB). Zu beachten ist, dass nach den bis zum 31. 12. 2001 anzuwendenden Vorschriften des BGB ein Schuldbeitritt nichtig sein kann, weil die Rechtsordnung eine privatrechtliche Mithaftungsvereinbarung als Sicherungsmittel für eine öffentlich-rechtliche Forderung nicht anerkennt. Denn § 306 BGB a. F. galt auch für die Fälle, in denen die Vertragsparteien einen Rechtserfolg herbeiführen wollen, insbesondere eine Verpflichtung schaffen wollen, die die Rechtsordnung nicht anerkennt (BGH DB 2007, 2830 (2832, Tz. 20 f.)). Wollen die Parteien eine (bedingte) öffentlich-rechtliche Rückforderung durch einen Schuldbeitritt sichern, müssen die Parteien einen öffentlich-rechtlichen Vertrag unter Beachtung des Schriftformerfordernisses des § 57 VwVfG schließen (BGH DB 2007, 2830 (2832, Tz. 23)). Hinsichtlich des auf eine unmögliche Leistung gerichteten Vertrages stellt sich dies aber unter dem geltenden Recht gemäß § 311a I BGB anders dar, da ein solcher Vertrag nun wirksam ist. II. Gesetzlicher Schuldbeitritt. In einigen Fällen werden Schuldmitübernahme oder aber zumindest deren Wirkungen gesetzlich angeordnet. Solche Fälle finden sich im BGB unter anderem in § 546 II BGB (überlassene Mietsache), § 613a II (Betriebsübergang) und § 2382 I 1 BGB sowie § 2385 BGB (Erbschaftskauf). Im Handelsgesetzbuch sind insbesondere von Bedeutung § 25 HGB (Firmenfortführung), § 28 HGB (Geschäftseintritt) sowie § 130 HGB (Gesellschaftseintritt) und § 421 HGB. Von Bedeutung sind weiterhin Art. 28 WG, § 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVersG, § 53 ZVG sowie § 28 II 2 VerlG. Bis zur Einführung der Insolvenzordnung galt § 419 BGB (für Altfälle vgl. § 223a EGBGB).
17
1. Firmenfortführung, § 25 HGB. Gemäß § 25 I 1 HGB haftet derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Zum Zeitpunkt des Erwerbs muss ein Handelsgeschäft, also ein von einem Kaufmann geleitetes Unternehmen betrieben werden (BGH NJW 1992, 113), wobei der Veräußerer eine Firma führen muss (§§ 17 ff. HGB). Weder muss die alte bisherige (BGH NJW 2001, 1352) noch die neue Firma zulässig sein (OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1120). Der Erwerb muss sich im Wege der Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden vollziehen, es muss ein Wechsel in
18
Kulke
966
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
der Unternehmensträgerschaft stattfinden (Koller-Roth-Morck, § 25 Rn. 4), wobei eine tatsächliche einverständliche Übernahme entsprechend dem Zweck der Vorschrift ausreicht, ohne dass ein rechtsgeschäftlicher Erwerb zugrundeliegt (BGH NJW 2006, 1002). Daher hindert nach vorherrschender Auffassung (Koller-Roth-Morck, § 25 Rn. 4; a. A. Canaris, § 7 Rn. 24) weder die Unwirksamkeit des Übernahmevertrages (Kauf, Pacht, vgl. § 22 II HGB) noch das Fehlen eines Rechtsgrundes (BGHZ 22, 239) das Eingreifen des § 25 I 1 HGB. Nach der vorherrschenden Auffassung muss der Erwerber alleine die für § 25 I 1 HGB notwendige nach außen dokumentierte Kontinuität durch Fortführung des Unternehmens und der Firma verwirklichen (Koller-Roth-Morck, § 25 Rn. 5). Ausreichend ist für § 25 I 1 HGB die Fortführung mit dem den Schwerpunkt des Unternehmens bildenden wesentlichen Bestand (BGH NJW 1992, 911), so dass also nicht die Übertragung des ganzen Unternehmens erforderlich ist (Unternehmenskontinuität). Für die Firmenkontinuität ist alleine entscheidend, ob der Verkehr die neue Firma noch mit der alten identifiziert, so dass weder eine wortlautgetreue Übernahme der bisherigen Firma erforderlich noch ein Hinzufügen eines neuen Rechtsformzusatzes schädlich ist (BGH NJW 1992, 912; WM 2004, 1178; NJW 2006, 1002). Liegen die Voraussetzungen des § 25 I 1 HGB vor, so ordnet die Vorschrift nach vorherrschender Lehre einen gesetzlichen Schuldbeitritt an (Koller-Roth-Morck, § 25 Rn. 7). Der Bundesgerichtshof hat dies in Bezug auf die Haftung aus einem Mietvertrag verneint, im übrigen die Frage aber offen gelassen (BGH DB 2001, 1301). Die unbeschränkte persönliche Haftung des Erwerbers bezieht sich auf alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten, wobei die vorherrschende Auffassung (BGH NJW 2001, 2252) bei Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen mit immer wiederkehrenden Leistungen nach Leistung und Gegenleistung differenziert. Der Rechtsgrund für die Entstehung der Verbindlichkeiten ist irrelevant, so dass sowohl Steuerverbindlichkeiten als auch Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung oder Bereicherungsrecht von § 25 I 1 HGB erfasst werden. Da der Veräußerer neben dem Erwerber für die bisher begründeten Verbindlichkeiten forthaftet, entsteht mit dem Erwerb eine Gesamtschuld (Koller-Roth-Morck, § 25 Rn. 7). Das bedeutet zugleich, dass die Haftung des Erwerbers im Außenverhältnis nichts über die Haftungsverteilung im Innenverhältnis besagt. § 25 I 2 HGB ordnet aus Gründen des Schuldnerschutzes einen Forderungsübergang an, der an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 I 1 HGB anknüpft. Die dogmatischen Streitigkeiten über die Einordnung des § 25 I 2 HGB lassen sich am ehesten von dem Zweck der Vorschrift her auflösen, so dass von einer widerlegbaren Vermutung eines Forderungsüberganges durch Abtretung auszugehen ist (vgl. Canaris, § 7 Rn. 67). Der Erwerber kann die Haftung für Altverbindlichkeiten vermeiden, indem er mit dem Veräußerer einen Haftungsausschluss vereinbart, welcher in der in § 25 II HGB vorgeschriebenen Form bekanntgemacht oder mitgeteilt wird. 19
2. Geschäftseintritt. Gemäß § 28 I 1 HGB haftet die Gesellschaft, wenn jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmannes eintritt, auch wenn sie die frühere Firma nicht fortführt, für alle im Betriebe des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers. Vom Tatbestand her erfordert § 28 I 1 HGB einen „Eintritt“ durch Gründung einer Personenhandelsgesellschaft unter Beteiligung des bisherigen Altunternehmers in Verbindung mit der Einbringung von dessen Handelsgeschäft als Einlage (Koller-Roth-Morck, § 28 Rn. 3). Der Eintretende muss, anders als der Altunternehmer, gerade nicht Kaufmann sein. Bei dem bestehenden Geschäft muss es sich um ein Handelsgeschäft handeln, so dass § 28 I 1 HGB bereits dem Wortlaut zufolge auf kleingewerbliche Unternehmen keine Anwendung findet, so dass dann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsteht (BGH WM 1972, 22; OLG Düsseldorf ZIP 2002, 619). Umstritten ist – nicht nur, aber auch in einem solchen
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
967
Fall – die analoge Anwendung des § 28 I 1 HGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die unter anderem damit begründet wird, dass § 28 HGB einen Bestandteil eines allgemeinen Außenprivatrechts der Unternehmen darstellt und nicht nur Ausdruck des positivrechtlich geregelten HGB-Kaufmannsrechts (K. Schmidt, NJW 2003, 1897 (1903); dagegen Canaris, § 1 Rn. 24 ff.). Zumindest für die freien Berufe wie für Rechtsanwälte muss eine Analogie verneint werden (BGH NJW 2004, 836; dafür aber K. Schmidt, NJW 2005, 2801 (2807)), da für diese Berufsgruppen nicht eine entsprechende Möglichkeit besteht, eine abweichende Vereinbarung im Sinne von § 28 II HGB in das Handelsregister eintragen zu lassen (BGH NJW 2004, 836 (838)) und diese Berufsgruppen nicht in die Form der Partnerschaft gezwungen werden dürfen (Koller-Roth-Morck, § 28 Rn. 5). Ähnlich wie bei § 25 HGB ist es auch für § 28 HGB erforderlich, dass mittels der Einbringung alleine eine tatsächliche Fortführung des Geschäfts erfolgt, ohne dass es nach vorherrschender Auffassung auf die Wirksamkeit des Übertragungsgeschäftes ankommt (Baumbach/Hopt, § 28 Rn. 3; Koller-Roth-Morck, § 28 Rn. 5). Dementsprechend muss aber auch die Unternehmenskontinuität gewahrt sein, während es schon alleine auch dem Wortlaut zufolge einer Firmenfortführung nicht bedarf. Nach vorherrschender Auffassung ordnet § 28 I 1 HGB bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einen gesetzlichen Schuldbeitritt an (BGH WM 1989, 1221; zuletzt aber offengelassen von BGH NJW 2001, 2252; 2004, 836 (837)). Die Gesellschafter, sowohl der bisherige Inhaber als auch der neu Eintretende, haften nach vorherrschender Auffassung für alle im Betriebe des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten gemäß §§ 128, 171 ff. HGB (Koller-Roth-Morck, § 28 Rn. 11). Der in § 28 I 2 HGB angeordnete Forderungsübergang entspricht der Regelung des § 25 I 2 HGB, ebenso wie die mögliche abweichende Vereinbarung und deren Wirkung gegen Dritte gemäß § 28 II HGB wortlautgetreu wie § 25 II HGB formuliert ist. III. Abgrenzung. Der Schuldbeitritt muss von verschiedenen anderen Instituten der Haftung und der Kreditsicherung abgegrenzt werden, da die Rechtsfolgen im Gegensatz zu diesen unterschiedlich sein können oder sind.
20
1. Mitdarlehensnehmer. Der entscheidende Unterschied zwischen Mitdarlehensnehmer und Beitretendem besteht darin, dass der Mitdarlehensnehmer ebenso wie der Darlehensnehmer selbst einen Anspruch auf die Gegenleistung und die Gegenleistung selbst erhält, während der Beitretende wie auch alle anderen Sichernden keinen Anspruch gegen den Kreditgeber erhält (Heermann, S. 597 (Rn. 5); Madaus, S. 184; MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 10). Der Beitretende soll nach der Vertragsgestaltung zu keinem Zeitpunkt einen eigenen Anspruch auf die Auszahlung der Darlehenssumme oder deren Verwendung haben (Madaus, BKR 2008, 54 (55)). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes soll darüber hinaus Mitdarlehensnehmer nur derjenige sein, der ein eigenes Interesse an der Kreditgewährung hat und über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf, während der Mithaftende (Beitretende) der Bank nicht als gleichberechtigter Darlehensnehmer gegenüber steht (BGH ZIP 2001, 189 (190); 2002, 210 (211); NJW 2005, 973 (975)). Danach kommt es im wesentlichen darauf an, ob bei Beteiligung weiterer Personen neben dem eigentlichen Darlehensnehmer für diese weitere Person eine echte Gläubigerstellung begründet wird, diese weitere Person an der Gewährung des Darlehens ein eigenes unmittelbares Interesse hat und diese weitere Person auch über die Verfügbarkeit der Darlehensvaluta frei mitentscheiden kann. Die Begründung einer echten eigenen Gläubigerstellung der weiteren Person darf dabei aber nicht nur formell zu bejahen sein. Vielmehr muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH ZIP 2001, 189 (190); 2002, 210 (211)) auch in materieller Hinsicht eine Gleichberechtigung hinsichtlich der Entscheidungsfreiheit über die Verwendung der Darlehensvaluta gegeben sein. Diese soll aus dem eigenen unmittelbaren
21
Kulke
968
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Interesse an der Darlehensgewährung folgen. Dieses letztgenannte von der Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis aber ist zweifelhaft. Denn ein Darlehensvertrag setzt nicht voraus, dass der Darlehensnehmer an der Gewährung des Darlehens ein eigenes unmittelbares Interesse hat (Reinicke/Tiedtke, Rn. 11). Der Bundesgerichtshof versucht nichts anderes, als über die Annahme einer Mithaftungserklärung zur Haftungsbefreiung des Mithaftenden gemäß § 138 I BGB zu gelangen, was bei Annahme einer Mitdarlehensnehmerschaft nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes nur unter wesentlich anderen Voraussetzungen möglich wäre (vgl. Tiedtke, EWiR 2002, 417 (418); deutlich, wenngleich auch dem BGH zustimmend, Madaus, BKR 2008, 54 (55), dem zufolge der Schuldbeitritt anders als ein Kreditvertrag etwa bei krasser Überforderung nach § 138 BGB nichtig sein kann). 22
Diese Annahme des Bundesgerichtshofes ist abzulehnen: Aus der Tatsache, dass die beklagte Mitdarlehensnehmerin als Mitdarlehensnehmerin eben nicht (nach Auffassung des Bundesgerichtshofes) über § 138 I BGB geschützt zu werden vermag, lässt sich nicht schließen, dass sie einen derartigen Vertrag nicht geschlossen habe (Tiedtke, EWiR 2002, 417 (418)). Eine solche Annahme verstößt in gravierender Weise gegen die Privatautonomie, da der Bundesgerichtshof seine Auffassung an die Stelle des Parteiwillens setzt. Sinnvoller erscheint in einem solchen Fall die Annahme eines atypischen Darlehensvertrages, welche sodann auch eine Anwendung des § 138 I BGB auf die Verpflichtung der Mitdarlehensnehmerin rechtfertigt (Reinicke/Tiedtke, Rn. 12). Entscheidend sollte für die Annahme einer Mitdarlehensnehmerschaft in Abgrenzung zur bloßen Mithaftungsübernahme lediglich sein, wie sich die Situation aus der Perspektive des Gläubigers darstellt, ob eine eigene echte Gläubigerstellung für die weitere Person begründet wird oder nicht. Ansonsten können sich für den Gläubiger schwierige Fragen im Rahmen der Valutierung des Darlehens stellen (dazu Bülow/Artz, ZIP 1998, 629 (632)).
23
2. Schuldübernahme. Die Schuldübernahme ist im Gegensatz zu dem Schuldbeitritt eine den Gläubiger wesentlich nachhaltiger treffende Veränderung. Während bei dem Schuldbeitritt ein neuer zusätzlicher Schuldner für den Gläubiger zur Befriedigung neben den bisherigen Schuldner hinzutritt, bedeutet die Schuldübernahme eine Auswechslung des bisherigen Altschuldners gegen den dessen Schuld übernehmenden Neuschuldner (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 19). Was von den Parteien gewollt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (Palandt-Grüneberg, v. § 414 Rn. 5). Bestehen Zweifel, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom Vorliegen eines Schuldbeitrittes auszugehen, da dieser den Gläubiger nicht belastet (BGH DB 1978, 2216). Für die Annahme einer Schuldübernahme dagegen bedarf es wegen der für den Gläubiger nachhaltigen Änderung des Schuldneraustausches besonderer Umstände (MünchKommBGBMöschel, v. § 414 Rn. 19). Solche können gegeben sein, wenn die Übernahme einer durch eine Hypothek gesicherten Schuld (§ 416 I BGB) vorliegt (Palandt-Grüneberg, v. § 414 Rn. 5), oder daraus folgen, dass erkennbar der Schwerpunkt des Interesses an der Tilgung wirtschaftlich beim Übernehmer liegt (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 19). Überdies ist zu bedenken, dass bei der befreienden Schuldübernahme eine Mitwirkung des Gläubigers erforderlich ist, vgl. § 415 I 1 BGB. Kommt die Schuldübernahme im Wege einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen ausscheidendem und übernehmendem Verbraucher und dem Darlehensgeber zustande, sind die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB auf die Schuldübernahme ohnehin auch entsprechend anwendbar, da das Schutzbedürfnis des Übernehmers nicht geringer ist als dasjenige des durch einen Darlehensvertrag belasteten Verbrauchers (BGHZ 129, 371 (378); 142, 23 (29)). Insofern erscheint der Schutz des Übernehmenden in gleicher Weise wie der des Beitretenden gewährleistet. Bei nicht eindeutiger Befreiungserklärung durch den Gläubiger ist nach der Rechtsprechung aber
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
969
wegen der geringeren Belastung des Gläubigers Schuldbeitritt anzunehmen (BGH NJW 1983, 679). 3. Bürgschaft. Der grundlegende dogmatische Unterschied des Schuldbeitrittes zur Bürgschaft liegt in der Begründung einer neuen eigenen Schuld, während der Bürge akzessorisch für eine fremde Verbindlichkeit haftet, §§ 765, 767 BGB (Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 10; Reinicke/Tiedtke, Rn. 4; MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 21). Anders ist dies nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung zu beurteilen, da im Rahmen eines Sicherungsbeitrittes auch eine Anlehnung an die zu sichernde Schuld gegeben sein soll, so dass auch der Sicherungsbeitritt lediglich eine in weiten Teilen akzessorische Haftung begründet (vgl. oben Rn. 9, sowie im Einzelnen MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 15). In erster Linie ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob von den Parteien eine selbstständige oder nur eine angelehnte Schuld gewollt ist (BGH NJW 1986, 580; OLG Hamm NJW 1993, 2625; LG Gießen NJW-RR 1995, 586). Nur im ersten Fall liegt die Annahme eines Schuldbeitrittes nahe, während im zweiten Fall in der Regel eine Bürgschaft gewollt ist (LG Gießen NJW-RR 1995, 586). Im Zweifel soll nach der überwiegenden Auffassung im Schrifttum und der Rechtsprechung stets vom Vorliegen einer Bürgschaft auszugehen sein (BGH NJW 1986, 580; DB 1987, 1139; für das Schrifttum vgl. Schröder, S. 67 f. m.w.N. in Fn. 330). Auch darf die Annahme eines Schuldbeitrittes nicht zur Umgehung des mit der Bürgschaftsform bezweckten Schutzes führen (MünchKommBGBMöschel, v. § 414 Rn. 21). Aus diesem Grunde verbietet sich eben auch eine Umdeutung (§ 140 BGB) einer formunwirksamen Bürgschaft in einen wirksamen Schuldbeitritt (Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 12; Reinicke/Tiedtke, Rn. 5). Ein Indiz für die Annahme eines Schuldbeitrittes kann nach der Rechtsprechung das eigene wirtschaftliche, rechtliche oder sachliche Interesse an der Erfüllung der Verbindlichkeit bilden (RGZ 90, 415 (418); BGH WM 1971, 1498 (1499); 1973, 1289 (1290); NJW 1981, 47). Das Vorliegen eines solchen Interesses spricht aber weder zwingend für die Annahme eines Schuldbeitrittes noch indiziert das Fehlen eines solchen Interesses das Vorliegen einer Bürgschaft (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 4; OLG Hamm NJW 1993, 2625; a. A. Medicus, SchuRBT, Rn. 519, dem zufolge bei Fehlen eines eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses ohne Rücksicht auf die von den Parteien gewählten Worte eine Bürgschaft vorliege). Es ist also das wirtschaftliche Eigeninteresse nach vorherrschender und zutreffender Auffassung nur ein Anzeichen unter mehreren (BGH NJW 1986, 580; Reinicke/Tiedtke, Rn. 4), jedoch kann dieses bei Mehrdeutigkeit der Erklärungen eben ein wichtiges Indiz für das Vorliegen eines Schuldbeitrittes sein (BGH NJW 1981, 47). Bei verbleibenden Zweifeln soll aber auch in einem solchen Fall eine Bürgschaft anzunehmen sein (BGH NJW 1968, 2332; BB 1976, 1431). Grundsätzlich darf der Schuldbeitritt dementsprechend nur bei eindeutigen Anhaltspunkten für einen selbstständigen Verpflichtungswillen des Versprechenden bejaht werden, der die Begründung einer von der des ursprünglichen Schuldners von vornherein und fortdauernd unabhängigen Verpflichtung voraussetzt (BGHZ 6, 385 (397)).
24
Die hier dargestellte Entscheidungspraxis geht ersichtlich von der Annahme aus, dass das Vorliegen einer Bürgschaft dem Interzedenten grundsätzlich günstiger und damit die Rechtsposition des Beitretenden ohnehin ungünstiger sei (ausdrücklich Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 12; differenzierend dagegen BGH JR 1972, 61 (62); ebenso Schröder, S. 67), da der Gesamtschuldner im Allgemeinen stärker als der Bürge hafte (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 4). Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsprechung den Schuldbeitritt eines Verbrauchers zu einer Verbindlichkeit aus einem Darlehensvertrag, gleich ob Verbraucherdarlehensvertrag oder Unternehmerdarlehensvertrag, dem Formerfordernis des § 492 BGB unterwirft und dem Beitretenden ein eigenes Widerrufsrecht gemäß den §§ 495, 355 BGB gewährt (grundlegend BGHZ 133, 71 (74); BGHZ 165, 43 (47) und
25
Kulke
970
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
BGH DB 2007, 2251; siehe dazu im einzelnen unter V 3 b) und das überwiegende Schrifttum dem folgt (Looschelders, SchuRBT, Rn. 940; Oechsler, Rn. 450; Reinicke/Tiedtke, Rn. 37 ff.). Der Bürge dagegen wird nach der Auffassung der Rechtsprechung und des vorherrschenden Schrifttums nicht durch das Verbraucherkreditrecht geschützt (BGHZ 138, 321 (326 ff.); Fischer, ZIP 2000, 828 (830); Looschelders, SchuRBT, Rn. 965; Reinicke/Tiedtke, Rn. 468 (470 ff.); Zahn, ZIP 2006, 1069 (1071); vgl. dazu vor allem die Darstellung bei Schröder, S. 63 ff.). Auch muss der Bürge gemäß § 767 I BGB für den Verzugsschaden haften, der Beitretende, der mit seiner eigenen Schuld gegenüber dem Gläubiger nicht in Verzug gerät, dagegen nach §§ 421, 425 I, II BGB grundsätzlich nicht (vgl. Reinicke/Tiedtke, Rn. 7). Hinsichtlich des nicht tragbaren Wertungswiderspruches, der durch die Geltung des Verbraucherdarlehensrechtes zwar für den Schuldbeitritt (unten V 3 b), nicht aber für die Bürgschaft, entsteht („bizarre Rechtslage“, Holznagel, Jura 2000, 578 (581)), sollte die Rechtsprechung sich daher zu einer (analogen) Anwendung der verbraucherdarlehensrechtlichen Vorschriften auch auf die Bürgschaft entschließen (Holznagel, Jura 2000, 578 (582); Kulke, NJW 2006, 2223 (2224); kritisch auch Oechsler, Rn. 453; für eine Analogie auch Schröder, S. 68; a. A. Madaus, BKR 2008, 54 (56); Rüssmann, FS Heinrichs, 452, 459, 470 f. (485)). Auch der Bürge hat ein Interesse daran, dass die Schuld, für die er sich verbürgt, zu den günstigsten am Markt erzielbaren Konditionen begründet wird, und auch für ihn ist die durch das Formerfordernis gewährleistete Transparenz ein wichtiger Schutz, um sich die einzugehende Verpflichtung und das damit verbundene Risiko deutlich zu machen (Drexl, JZ 1998, 1046 (1053 ff.); Kulke, NJW 2006, 2223 (2224); a. A. wenig überzeugend Madaus, BKR 2008, 54 (56); Rüssmann, FS Heinrichs, 452 (470)). Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung ist daher mit der Aussage, dass die Annahme einer Bürgschaft für den Interzedenten grundsätzlich günstiger sei, aus den soeben dargelegten Gründen zurückhaltend und vorsichtig zu verfahren. Verbleiben trotz Auslegung der Erklärungen daher noch Zweifel, ob die Parteien eine Bürgschaft oder einen Schuldbeitritt vereinbaren wollten, so sollte diejenige Personalsicherheit angenommen werden, die dem Interzedenten in der konkreten Situation den effizientesten Schutz gewährt (ähnlich für die Verzugshaftung des Beitretenden Reinicke/Tiedtke, Rn. 7, die den Beitretenden als Bürgen mit der Maßgabe haften lassen wollen, dass er zu keinem höheren Betrag in Anspruch genommen werden könnte, als dies der Fall wäre, wenn er die Schuld mit übernommen hätte). 26
4. Garantievertrag. Die Zulässigkeit des gesetzlich nicht geregelten Garantievertrages folgt aus der Vertragsfreiheit (§ 311 I BGB). Der formfreie Garantievertrag begründet im Rahmen der sonstigen Kreditsicherheiten die strengste Form der Haftung und ist dementsprechend vom Schuldbeitritt abzugrenzen. Der garantierende Dritte verpflichtet sich, unabhängig von Schuldverhältnis und dem Leistungsvermögen des Schuldners für einen bestimmten Leistungserfolg einzustehen (BGH WM 1982, 632). Im Gegensatz zum Schuldbeitritt reicht der selbständige Garantievertrag noch weiter. Zwar wird durch den Garantievertrag wie beim Schuldbeitritt eine neue Schuld begründet, allerdings kann das Eintreten des Garantierenden auch für den Fall versprochen werden, dass die Hauptschuld nicht zur Entstehung gelangt ist. Der einseitig verpflichtende Vertrag begründet nach vorherrschender Auffassung weder eine akzessorische noch eine gesamtschuldnerische Haftung (Reinicke/Tiedtke, Rn. 610), sondern eine reine Erfolgshaftung (BGH NJW 1967, 1020). In Abgrenzung zum Schuldbeitritt ist daher für die Annahme eines selbständigen Garantievertrages im Hinblick auf Zahlungseingänge ein besonders nachhaltiges eigenes wirtschaftliches Interesse des Garantierenden an dem Erfolg vorauszusetzen (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes soll dies allerdings nur ein Anhaltspunkt für die Annahme eines Garantievertrages
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
971
sein und keine zwingende Voraussetzung (BGH NJW 1981, 2295; 1967, 1020; WM 1962, 576). Erforderlich ist vielmehr ein unbedingter Einstandswille auf Seiten des garantierenden Dritten, aufgrund dessen ein Garantievertrag angenommen werden kann (vgl. MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 23). Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Garant anders als der Beitretende nicht gesamtschuldnerisch, sondern nur im Garantiefall haftet (Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 18). Als Beispiele gelten im internationalen Warenverkehr Bietungsgarantien bei Ausschreibungen, Auszahlungsgarantien und Erfüllungsgarantien im langfristigen Liefergeschäft (Reinicke/Tiedtke, Rn. 610) sowie im Kreditkartensystem die Verpflichtung des Finanziers gegenüber dem Händler, die Verbindlichkeiten von Kunden aus Käufen und Dienstleistungen zu bezahlen, da der Finanzier deren Erfüllung garantiert (Zahrnt, NJW 1972, 1077 (1078)). Zu weiteren möglichen Erscheinungsformen der Garantie siehe unter C III. 5. Schuldanerkenntnis. Gemäß § 781 S. 1 BGB ist zur Gültigkeit eines Vertrages, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntnis), schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Regelmäßig wird ein Schuldanerkenntnis abgegeben, wenn es um ein selbständiges Versprechen des Schuldners gegenüber dem Gläubiger geht, den zugrunde liegenden Anspruch zu erfüllen. Dann wird es sich aber regelmäßig um eine eigene, diesem Anerkenntnis zugrunde liegende Schuld handeln. Da dies aber nicht zwingend ist, vielmehr das konstitutive Schuldanerkenntnis auch für eine fremde Schuld abgegeben werden kann (BGH ZIP 2000, 972; BGH ZIP 2007, 1602, Tz. 10), ist das Schuldanerkenntnis vom Beitritt zu einer fremden Schuld abzugrenzen. Beiden ist gemeinsam, dass durch die Erklärung und den dadurch zustande kommenden einseitig verpflichtenden Vertrag eine neue Verbindlichkeit geschaffen wird. Entscheidend aber ist, dass es sich bei dem Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB um eine abstrakte Verbindlichkeit handelt („abstrakter Schuldvertrag“, Oetker/Maultzsch, § 15 Rn. 3; der Bundesgerichtshof scheint allerdings in BGH ZIP 2007, 1602 (Tz. 11), das konstitutive Schuldanerkenntnis und den Schuldbeitritt vollkommen gleichzusetzen). Daher mag als Abgrenzungskriterium die Bezugnahme auf die zu sichernde Verbindlichkeit gelten. Denn wird der Sicherungscharakter der Personalsicherheit in der Erklärung besonders deutlich oder erfolgt in der Vereinbarung, sei es zwischen Interzedenten und dem Gläubiger, sei es zwischen dem Interzedenten und dem Schuldner, eine ausdrückliche Bezugnahme auf die zu sichernde Schuld, so ist im Zweifel nicht davon auszugehen, dass eine abstrakte Schuld des Sicherungsgebers begründet werden soll (vgl. MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 21, Fn. 106 m. w. N.). In der Regel wird dann gerade eine kausale Verbindlichkeit begründet werden wollen, so dass auch hier in Zweifelsfällen eher von der dem Sicherungsgeber günstigsten Form der Sicherheit, also entweder einer Bürgschaft oder einem Schuldbeitritt auszugehen ist (siehe oben III 3). Gleiches muss für ein Schuldversprechen gemäß § 780 S. 1 BGB und dessen Abgrenzung zu einem Schuldbeitritt gelten. Ein selbständiges, abstraktes Schuldversprechen gemäß § 780 S. 1 BGB liegt nur dann vor, wenn die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, das heißt ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll (BGH ZIP 2008, 453 (454 Tz. 15); NJW 1999, 574 (575); NJW-RR 1995, 1391 f.). Soweit ein solcher unbedingter Leistungswille nicht eindeutig und unzweifelhaft zum Ausdruck kommt, kann auch ein selbständiges, abstraktes Schuldversprechen gemäß § 780 S. 1 BGB nicht angenommen werden.
27
6. Schuldrechtliche Verlustdeckungszusage. Bei einer schuldrechtlichen Verlustdeckungszusage handelt es sich um die vertraglich begründete Verpflichtung eines Gesellschafters zur Deckung der Verluste der Gesellschaft, durch die eine mit Verlusten arbei-
28
Kulke
972
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
tende Gesellschaft vor der Insolvenz bewahrt werden soll (Wolf, ZIP 2006, 1885 (1886)). Durch eine schuldrechtliche Verlustdeckungszusage verspricht sich der Gesellschafter unmittelbar eine Stärkung der Gesellschaft sowie mittelbar eine Verbesserung seiner eigenen, durch die Mitgliedschaft in der Gesellschaft vermittelten Vermögenslage (Wolf, ZIP 2006, 1885 (1886); BGH ZIP 2006, 1199 (1200)). Damit verfolgt auch der Gesellschafter mit einer schuldrechtlichen Verlustdeckungszusage ähnlich wie der Beitretende eigene wirtschaftliche Interessen. Allerdings erfolgt die schuldrechtliche Verlustdeckungszusage gerade wegen der Stellung des Gesellschafters im Hinblick auf seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft (causa societatis), so dass eine schuldrechtliche Verlustdeckungszusage grundsätzlich wohl eher nur bei einer Gesellschafterstellung oder einer Mitgliedschaft auch in einer juristischen Person des Sicherungsgebers in Erwägung zu ziehen ist (vgl. BGH ZIP 2008, 453 (454), zur Auslegung einer Finanzierungszusage eines Vereinsvorstands causa societatis). Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass eine schuldrechtliche Verlustdeckungszusage nicht alleine im Sinne eines Beitrittes zu einer Schuld gegeben wird, sondern deren Konsequenzen viel weiter reichen. Schuldrechtliche Verlustdeckungszusagen begründen grundsätzlich ebenso wie konzernrechtliche Verlustausgleichspflichten ein Dauerschuldverhältnis, aus dem die Verpflichtung zum Ausgleich eines entstandenen Verlustes bei der Schuldnerin zu einem bestimmten Stichtag oder über einen bestimmten Zeitraum entsteht (vgl. Wolf, ZIP 2006, 1885 (1888)). Dies verdeutlicht zugleich einen weiteren wesentlichen Unterschied zum zumindest herkömmlichen Schuldbeitritt. Kommt der übliche Schuldbeitritt nämlich durch Vertrag zwischen Gläubiger und Beitretendem zustande, so wird hieraus unmittelbar der Gläubiger, in der Regel, ein Kreditgeber berechtigt. Dagegen begründet eine schuldrechtliche Verlustdeckungszusage zunächst nur Rechte und Pflichten zwischen dem Versprechendem und der Schuldnerin, soweit nicht ein echter Vertrag zu Gunsten Dritter vorliegt (vgl. Wolf, ZIP 2006, 1885 (1889 f.)). Zur Abgrenzung des Schuldbeitritts von der schuldrechtlichen Verlustdeckungszusage ist daher zu fragen, wer (Außenstehender oder Gesellschafter oder Mitglied einer juristischen Person?) sich wem gegenüber (der Gesellschaft oder juristischen Person oder dem Gläubiger der Gesellschaft gegenüber?) aus welchem Grunde (alleine wegen der Mitgliedschaft oder aus anderen Gründen?) zu was (Beitritt zu einer bestehenden oder künftigen Schuld oder reine Verlustausgleichsverpflichtung?) verpflichtet. 29
IV. Rechtsfolgen. Der Beitretende und der Schuldner haften nach vorherrschender Auffassung als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff. BGB dem Gläubiger auf Ausgleich seiner Forderung (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1036); Looschelders, SchuRBT, Rn. 938; Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 9). Allerdings gelten gewisse Besonderheiten.
30
1. Limitierte Akzessorietät. Der Schuldbeitritt ist in seiner Begründung akzessorisch, da er das Bestehen einer Schuld, zu welcher der Beitritt erklärt wird, voraussetzt (Begründungsakzessorietät, vgl. Gernhuber, S. 339; Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1036); Kohte, JZ 1990, 997 (998)). Darüber hinaus orientiert sich die Schuld des Beitretenden an der bestehenden Schuld, zu welcher der Beitritt erklärt worden ist. Die Einzelverpflichtungen, die bei Begründung der Gesamtschuld vorliegen, sind insoweit voneinander abhängig (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 17). Die alte und die neue Verbindlichkeit haben im Zeitpunkt des Schuldbeitrittes den gleichen Inhalt (Reinicke/Tiedtke, Rn. 14). Befindet sich der Schuldner zum Zeitpunkt der Beitrittserklärung mit seiner geschuldeten Leistung oder Zahlung im Verzug, wirkt dies zu Lasten des Beitretenden und seiner Mithaftung (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1036)). Allerdings gibt es nach der Rechtsprechung schon rein begrifflich keinen Beitritt zu einer nicht bestehenden Schuld und ein Beitritt geht daher ins Leere, wenn die Schuld nicht besteht, zu welcher der Beitritt erklärt wird (BGH NJW 1987, 1698 (1699); anders Reinicke/Tiedtke, Rn. 18, nach denen
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
973
der Schuldbeitritt nichtig ist und dementsprechend auch einer Bestätigung zugänglich sein soll). Ebenso verhält es sich wegen § 142 I BGB, wenn die Schuld, zu welcher der Beitritt erklärt wird, wegen einer erklärten Anfechtung durch den Schuldner nach der Beitrittserklärung rückwirkend entfallen ist. Zum Zeitpunkt der Beitrittserklärung besteht zwar eine Schuld, zu welcher der Beitritt wirksam erklärt werden konnte, allerdings ist diese rückwirkend entfallen. Damit wurde der Beitritt zu einer Schuld erklärt, die schon im Zeitpunkt der Mithaftungsübernahme nicht bestanden hat (Reinicke/Tiedtke, Rn. 56). Anders verhält es sich bei der Anfechtung von den in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff. BGB) und Gesellschaftsverhältnis (§§ 705 ff. BGB). Hier wirken Abschlussmängel wie z. B. die Anfechtung nur ex nunc auflösend, so dass das Dienstverhältnis oder Gesellschaftsverhältnis zwar sofort abgebrochen oder gekündigt werden kann, für die abgelaufene Zeit aber als voll wirksam behandelt wird (Jauernig-Mansel, v. § 611 Rn. 5 m. w. N.), soweit die Voraussetzungen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses oder fehlerhaften Gesellschaftsverhältnisses vorliegen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang der Vorlagebeschluss des II. Zivilsenates (BGH NZG 2008, 460; kritisch hierzu unter besonderer Berücksichtigung der Geltung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft Oechsler, NJW 2008, 2471 (2474 f.)) zu der Frage, in welchem Zusammenhang die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zum Verbraucherschutzrecht, insbesondere zum Haustürwiderrufsrecht steht. Die zweite Frage dieses Vorlagebeschlusses lautet: „b) Ist die Bestimmung des Art. 5 II der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen dahin auszulegen, dass sie einer nationalen (richterrechtlichen) Rechtsfolge i. S. des Art. 7 der Richtlinie entgegensteht, die besagt, dass ein solcher in einer Haustürsituation erklärter Beitritt eines Verbrauchers im Falle des Widerrufs des Beitritts dazu führt, dass der widerrufende Verbraucher einen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs berechneten Anspruch gegen die Gesellschaft, den Verein oder die Genossenschaft auf sein Auseinandersetzungsguthaben, das heißt einen dem Wert seines Gesellschafts-, Vereins- oder Genossenschaftsanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens entsprechenden Betrag erhält, mit der (möglichen) Folge, dass er wegen der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft, des Vereins oder der Genossenschaft entweder weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhält oder sich ihnen gegenüber sogar noch über den Verlust der geleisteten Einlage hinausgehenden Zahlungspflichten ausgesetzt sieht, weil das Auseinandersetzungsguthaben negativ ist?“. Für den Beitretenden stellt sich damit die Frage, ob er im Falle des erfolgten Widerrufs eventuell auch auf einen Verlust haftet (siehe dazu unten und unter V 3 a); wenn allerdings der Europäische Gerichtshof entscheidet, dass die Vorschriften des Haustürwiderrufsrechtes so auszulegen sind, dass sie einer Anwendung der Grundsätze von der fehlerhaften Gesellschaft auf einen vollzogenen, aber widerrufenen Beitritt zu einer Gesellschaft, einem Verein oder einer Genossenschaft entgegenstehen, entfiele grundsätzlich auch eine Haftung des Beitretenden, da es dann auch keine Haftung des Widerrufenden auf einen möglichen Verlust geben kann. Erklärt der Gläubiger die Anfechtung, dann muss dies sowohl gegenüber dem Schuldner als auch gegenüber dem Beitretenden erfolgen (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1041)). Diese Abhängigkeit des Schuldbeitrittes vom Bestehen einer wirksam entstandenen Schuld ist allerdings beschränkt auf die Entstehung der Schuld aus der Beitrittserklärung. Anders als die Bürgschaft ist der Schuldbeitritt hinsichtlich seiner weiteren Entwicklung nach der vorherrschenden Auffassung nicht mehr angelehnt an die Schuld, zu welcher der Beitritt erklärt wurde. Die Schuld, zu welcher der Beitritt erklärt wurde, und die Schuld aus dem Schuldbeitritt können von nun an verschiedene Wege gehen und sich
Kulke
31
974
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
unterschiedlich entwickeln (Reinicke/Tiedtke, Rn. 3; Palandt-Grüneberg, v. § 414 Rn. 4, 6). Soweit gesagt wird, dass der Schuldbeitritt nicht akzessorisch ist, bezieht sich dies damit eben nur auf die weitere Entwicklung der Schuld (fehlende Entwicklungsakzessorietät, s. dazu Gernhuber, S. 339; Kohte, JZ 1990, 997 (998)), nicht aber auf die Entstehung. Es handelt sich damit um eine limitierte Akzessorietät (Derleder, FS Heinrichs, 155 (170)). Nach anderer Auffassung dagegen soll auch der Schuldbeitritt, soweit es sich um einen Sicherungsbeitritt handelt (siehe bereits oben I 3), als akzessorische Sicherheit auch und gerade in seiner weiteren Entwicklung anzusehen und zu behandeln sein. 32
2. Grundsätzliche Wirkung der Gesamtschuld. Durch den Schuldbeitritt entsteht eine vertraglich begründete Gesamtschuldnerschaft zwischen dem bisherigem Schuldner und dem Beitretenden, eine so genannte Sicherungsgesamtschuld (Bartels, JZ 2000, 608; Bülow/Artz, ZIP 1998, 629 (632); Heermann, 597 (Rn. 5)). Die zu einer Gesamtschuld verbundenen Forderungen sind abgesehen von der bestehenden Tilgungsgemeinschaft selbständige Forderungen, können also eine ganz unterschiedliche Entwicklung nehmen (vgl. Derleder, FS Heinrichs, 155 (163)).
33
Für die zur Zeit des Beitritts begründeten Einwendungen und Einreden gilt nach herrschender Meinung grundsätzlich § 417 I BGB entsprechend (BGHZ 85, 349; BGH NJW 1986, 1873). Dem Beitretenden stehen gegenüber dem Gläubiger die Einwendungen und Einreden zu, die dem bisherigen Schuldner gegen den Gläubiger zustehen (Reinicke/Tiedtke, Rn. 14). Dabei ist es für das Bestehen der Einwendungen und Einreden ebenso wie bei § 404 BGB ausreichend, dass sie in dem Schuldverhältnis angelegt sind (Reinicke/Tiedtke, Rn. 15). Das gilt insbesondere für die Anfechtung und den Rücktritt sowie die Ausübung aller anderen Gestaltungsrechte. Diese stehen nach wie vor dem bisherigen Schuldner zu und dieser alleine kann sie ausüben. Übt er sie aus, so erlischt die Schuld, zu welcher der Beitretende die Mithaftungsübernahme erklärt hat, oder sie wandelt sich um. Im Falle der Anfechtung muss auch der Beitretende nicht bezahlen, seine Verpflichtung entfällt. Eine andere, davon zu unterscheidende Frage ist es, ob die Mithaftungserklärung (ausnahmsweise) bei Erklärung von Anfechtung, Rücktritt oder Widerruf durch den Schuldner auch für Verbindlichkeiten und Forderungen aus einem eventuell entstehenden bereicherungsrechtlichen Schuldverhältnis oder einem Rückgewährschuldverhältnis erklärt wurde, siehe unten sowie unter V 3 a. Übt der Schuldner diese Rechte nicht aus, obwohl sie ihm zustehen, und nimmt der Gläubiger den Beitretenden in Anspruch, so sollte dem Beitretenden in entsprechender Anwendung des § 770 I BGB eine Einrede zustehen (Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 825 (829); MünchKommBGBMöschel, v. § 414 Rn. 17 (ohne Bezugnahme auf eine entsprechende Anwendung); nach Reinicke/Tiedtke, Rn. 57, gilt dies nur, wenn es zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart ist). Diese Einrede des § 770 I BGB gilt über den Wortlaut hinaus entsprechend auch für andere Gestaltungsrechte des Schuldners (Jauernig-Stadler, § 770 Rn. 1), so dass der Beitretende die Leistung verweigern kann, solange sich der Schuldner durch Ausübung eines Gestaltungsrechts noch von seiner Schuld befreien kann (Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 825 (829)). Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung (vgl. PalandtSprau, § 770 Rn. 1 m. w. N.) muss ein Leistungsverweigerungsrecht für den Beitretenden auch dann bestehen (sei es über § 770 II BGB in erweiternder Auslegung, sei es über § 770 I BGB analog), wenn alleine dem Schuldner und gerade nicht dem Gläubiger, z. B. wegen bestehender Aufrechnungsverbote (§§ 393, 394 BGB), eine Aufrechnungsbefugnis zusteht (Reinicke/Tiedtke, Rn. 323; Tiedtke, JZ 2006, 940 (947)). Die analoge Anwendung des § 770 I BGB gilt insbesondere für das verbraucherschützende Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB, das nunmehr als ein besonderes Rücktrittsrecht ausgestaltet ist (Jauer-
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
975
nig-Jauernig, § 355 Rn. 3). Steht dem Schuldner als Verbraucher ein solches Widerrufsrecht zu, weil er seine Verbindlichkeit im Rahmen besonderer Vertriebsformen, etwa nach den §§ 312 ff. BGB, oder im Rahmen eines besonders komplexen Vertrages, wie zum Beispiel nach den §§ 481 ff. BGB oder den §§ 491 ff. BGB, übernommen hat, übt er dieses aber nicht innerhalb der Widerrufsfrist aus, so muss dem Beitretenden die Einrede des § 770 I BGB in entsprechender Anwendung bis zum Fristablauf zugestanden werden. Wurde der Schuldner nicht ordnungsgemäß belehrt, steht ihm bis zur Grenze der Verwirkung ein unbefristetes Widerrufsrecht gemäß § 355 III 3 BGB (vgl. dazu EuGH WM 2001, 2434, 2437 (2438); noch offen gelassen von BGHZ 150, 248 (262); vgl. dazu unten V 6) und dem Beitretenden dementsprechend eine unbefristete Einrede analog § 770 I BGB zu (für den Bürgen vgl. BGH NJW 2006, 845 (846)). Auch die Vorschrift des § 417 II BGB, die für die befreiende Schuldübernahme regelt, dass der Beitretende dem Gläubiger gegenüber keine Einwendungen aus seinem Verhältnis zum eigentlichen Schuldner entgegensetzen kann, gilt für den Schuldbeitritt entsprechend (Scheyhing/Nörr, § 29 III 2 S. 262; Reinicke/Tiedtke, Rn. 13). Allerdings besteht kein Ausschluss der Einwendungen durch § 417 II BGB, wenn diese Vorschrift durch § 334 BGB verdrängt wird (BGH WM 1973, 1289 (1291); anders Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 825 (830)). Das ist der Fall, wenn alter und neuer Schuldner einen Schuldmitübernahmevertrag vereinbaren, der eine Forderung des Gläubigers gegen den neuen Schuldner begründet. In einem solchen Fall liegt ein Vertrag zu Gunsten Dritter vor. Dadurch steht der Gläubiger schlechter, als wenn er den Vertrag über den Schuldbeitritt mit dem Beitretenden selber abgeschlossen hätte. Denn der Gläubiger muss sich nun gemäß § 334 BGB die Einwendungen des Beitretenden aus seiner Vereinbarung mit dem alten Schuldner entgegenhalten lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt dies auch dann, wenn der Beitretende selbst dem Gläubiger gegenüber den mit dem bisherigen Schuldner vereinbarten Beitritt mitgeteilt und danach seine Beitrittserklärung im Rahmen des Vertrages zu Gunsten Dritter mit dem bisherigen Schuldner angefochten hat (BGHZ 31, 321 (328)).
34
Das Schrifttum ist dem entgegengetreten und hat eine Vertrauenshaftung aus der dem Gläubiger gegenüber erklärten Mitteilung gefordert, da der Gläubiger insoweit, wenn er von der Täuschung nichts wusste und nichts wissen konnte, schutzbedürftig sei (Brox, JZ 1960, 369 (370)). Allerdings sind an den eigenen Erklärungswert einer solchen Mitteilung und einer hierauf gestützten Vertrauenshaftung gesteigerte Anforderungen zu stellen (vgl. auch Scheyhing/Nörr, § 29 III 2 S. 262). Auch der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung die von ihm selbst angestellte Erwägung, die Mitteilung könne zugleich ein Angebot auf Abschluss eines Schuldmitübernahmevertrages sein, nicht weiter verfolgt (BGHZ 31, 321 (329)). Vielmehr sind in Parallele zu der nach außen kundgemachten Innenvollmacht im Rahmen des Vertretungsrechts bezüglich der möglichen Mitteilungen an den Gläubiger genaue Differenzierungen zwischen Wissenserklärungen einerseits und Willenserklärungen andererseits vorzunehmen. Eine Vertrauenshaftung des Beitretenden gegenüber dem Gläubiger ist demnach nur unter sehr engen Voraussetzungen anzunehmen, so etwa, wenn die Geltendmachung des Nichtbestehens der Beitrittsschuld gegen Treu und Glauben verstoßen würde (BGHZ 31, 321 (329)).
35
Für die nach dem Zeitpunkt der Beitrittserklärung entstehenden Einwendungen und Einreden dagegen gelten die §§ 422 bis 425 BGB, die für die zwei jeweils für sich stehenden Schuldverhältnisse eine Art Abwicklungsprogramm enthalten (Scheyhing/Nörr, § 29 III 4 S. 264). Dabei ist gemäß § 425 I BGB insbesondere zu beachten, dass nur im Zweifel alle anderen, nicht in §§ 422 bis 424 BGB genannten Tatsachen, Einzelwirkung haben, Ausnahmen also nach dem Inhalt oder dem Zweck des Schuldverhältnisses möglich sind
36
Kulke
976
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
(vgl. § 425 I BGB: „soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt.“). Beitrittserklärung und Schuldverhältnis sind daher entsprechend auszulegen und darauf zu untersuchen, ob die gesamtschuldnerische Haftung eventuell durch die analoge Anwendung von Regelungen aus dem Bürgschaftsrecht zu modifizieren ist. Allerdings ist bei dieser Auslegung große Vorsicht und Zurückhaltung geboten (Reinicke/Tiedtke, Rn. 57). Der Schuldbeitritt ist nach dem Zeitpunkt des Beitritts nach vorherrschender Auffassung nicht akzessorisch, und daher muss es im Grundsatz bei der Anwendung des § 425 BGB bleiben. Wird der Schuldbeitritt zu einer Kontokorrentverbindlichkeit aus einem Girovertrag als entgeltlichem Geschäftsbesorgungsvertrag erklärt, bezieht er sich alleine auf diese ursprüngliche Kontokorrentschuld und nicht auf den Saldoanspruch, der mit dem Abschluss der Rechnungsperiode die erbrachten Leistungen ersetzt, und etwaige Herausgabeansprüche des Saldos wegen fehlerhafter Gutschriften nach § 812 BGB (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1037)). Da der Beitretende aber als Gesamtschuldner mithaftet, bleibt die Beitrittsschuld als Sicherheit im Sinne des § 356 II, I HGB bestehen, weil diese Vorschrift die Sicherheit auch für die neu geschaffene Schuld aufrechterhält (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1037)). § 425 BGB gilt auch für die verzugsbegründende Mahnung (§ 286 I BGB). Mahnt der Gläubiger den Schuldner nach dem Beitritt, nicht aber den Beitretenden, so wirkt diese Mahnung nur in Bezug auf die Schuld, zu welcher der Mithaftende den Beitritt erklärt hat. Die Mahnung wirkt aber nicht bezüglich der Beitrittsschuld, gegenüber dem Beitretenden tritt ohne Mahnung kein Verzug ein (Reinicke/Tiedtke, Rn. 55). Ebenso wirkt die Kündigung eines Gesamtschuldners, soweit sich aus dem Schuldverhältnis nicht etwas anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, der diese Kündigung erklärt (BGH WM 1985, 1059). Dabei besteht ein Kündigungsrecht des Beitretenden nach der Rechtsprechung aber allenfalls unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Bürgschaft (BGH NJW 1986, 252 (253)). Wird die Kündigung dagegen durch den Gläubiger nur gegenüber dem Schuldner, nicht aber auch gegenüber dem Beitretenden erklärt, um das Schuldverhältnis zu beenden, so unterliegt sie der Gesamtwirkung (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1040)). Erklärt der Gläubiger im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses gegenüber dem Schuldner den Rücktritt, hat dies zur Folge, dass das ursprüngliche Dauerschuldverhältnis nicht fortgeführt, sondern in seinem Bestand wesentlich verändert wird. Die Schuld, zu welcher der Beitretende seine Mithaftungsübernahme erklärt hat, besteht in dieser Form nicht mehr. Daher muss der Rücktritt entgegen § 425 BGB schon alleine wegen der Regelung des § 351 BGB sowohl dem Schuldner als auch dem Beitretenden gegenüber erklärt werden (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1040)). Ob der Beitretende dann auch für die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Forderungen des Gläubigers gegen den Schuldner haftet, lässt sich nicht pauschal beantworten. Das jeweilige Schuldverhältnis bedarf einer entsprechenden Auslegung. In der Regel wird eine solche Haftung allerdings eher zu verneinen sein, vgl. dazu unten V 3 a. 37
3. Verjährung. Für Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung der Beitrittsschuld entscheidet zunächst der ursprüngliche Zustand der Schuld zum Zeitpunkt der Beitrittserklärung (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1041)). Daher wirken der vor dem Beitritt begonnene Lauf der Verjährung sowie Hemmungen und Unterbrechungen auch für und gegen den Beitretenden (BGH NJW 1984, 794). Dabei soll die Verjährungsfrist der übernommenen Schuld selbst dann für den Beitretenden gelten, wenn die für die Dauer der Frist maßgeblichen Voraussetzungen in der Person des Beitretenden nicht erfüllt sind (BGH NJW 1993, 1915). Ist gegen den Schuldner ein rechtskräftiges Urteil ergangen, so gilt § 197 I Nr. 3 BGB auch gegenüber dem Beitretenden (BGH NJW 1987, 2863 (2864), für § 218 BGB a.F.). Erhebt der Gläubiger nach dem Beitritt Klage gegen den Schuldner, nicht aber gegen den Beitretenden, so wird die Verjährung jedoch nur bezüglich der eingeklagten Forderung gehemmt (§ 204 I Nr. 1 BGB), die Hemmung der Verjährung wirkt
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
977
aber nicht bezüglich der Schuld des Beitretenden (Reinicke/Tiedtke, Rn. 53). Wird der Beitritt zu einer Forderung erklärt, bevor diese Forderung in das Kontokorrent eingestellt und die Kontokorrentbindung begründet worden ist, so sind die §§ 767 I 2, 3, 1210 I 2 BGB analog anzuwenden (Koller/Roth/Morck, § 356 Rn. 4). Daraus folgt unter anderem, dass der Beitretende sich auf die Verjährung der Forderung, zu welcher er den Beitritt erklärt hat, so berufen darf, als wäre diese Forderung nicht in das Kontokorrent eingestellt worden (BGH NJW-RR 2000, 1717; Koller/Roth/Morck, § 356 Rn. 4). 4. Abtretung. Nach der vorherrschenden Auffassung entsteht durch den Schuldbeitritt eine rechtsgeschäftlich begründete Gesamtschuld. Dem Gläubiger stehen damit zwei Forderungen zu, gegen den Schuldner und gegen den Beitretenden. Handelt es sich bei der zu sichernden Forderung um eine solche aus einem Darlehensvertrag und bei dem Darlehensgeber um ein Kreditinstitut, stellen sich im Zusammenhang mit einer Zession mehrere Fragen, welche in dieser Intensität nicht auftreten dürften, wenn die Forderungen aus einem anderen Schuldverhältnis herrühren. Zum einen stellt sich die Frage, ob die Abtretung der Forderung gegen den Schuldner aus § 488 I 2 BGB ohne jegliche Zustimmung des Schuldners überhaupt möglich und zulässig ist. Zum anderen fragt sich, was in dem Fall, dass eine solche Abtretung möglich und zulässig ist, mit der Forderung gegen den Beitretenden geschieht. Die Bejahung der ersten Frage erscheint deshalb zweifelhaft, da es sich bei der Abtretung einer Forderung aus einem Darlehensvertrag mit einem Kreditinstitut um ein Rechtsgeschäft handelt, in dessen Rahmen sehr sensible Daten des Schuldners betroffen sind. Eine solche Abtretung könnte daher wegen des Bankgeheimnisses oder aus anderen Gründen entweder a priori unwirksam sein (für eine Unwirksamkeit der Abtretung wegen Änderung des Inhaltes der Forderung gemäß § 399 Alt. 1 BGB z. B. Schwintowski/Schantz, NJW 2008, 472 ff. (476)) oder aber infolge des Bankgeheimnisses zumindest der Information des Schuldners bedürfen (Rechtsgedanke des § 1280 BGB). Beides hat der Bundesgerichtshof allerdings verneint (BGH NJW 2007, 2106) und das wohl überwiegende Schrifttum (welches allerdings stark interessengeleitet erscheint) stimmt dem Bundesgerichtshof auch zu (vgl. hierzu nur Nobbe, ZIP 2008, 97 ff.). Dabei dürften anders als bei der Forderungsabtretung, welche nicht Forderungen aus einem Dauerschuldverhältnis, insbesondere einem Darlehensvertrag betrifft, das in besonders gravierender Art und Weise die Rechtsstellung des betroffenen Schuldners tangiert, schutzwürdige Interessen für ein Abtretungsverbot oder aber zumindest für ein Informationserfordernis, wenn nicht sogar ein Zustimmungserfordernis des Schuldners streiten (vgl. Derleder, VuR 2007, 81, 84 (86)). Folgt man der Auffassung des Bundesgerichtshofes, stellt sich die Frage, was im Rahmen der Abtretung der Forderung gegen den Schuldner mit der Forderung des Gläubigers gegen den Beitretenden geschieht. Der Darlehensgeber kann seine Forderungen gegen den Schuldner als auch gegen den Beitretenden, also beide Forderungen, an den neuen Gläubiger abtreten (Derleder, FS Heinrichs, 155; Reinicke/Tiedtke, Rn. 61). Noch weitergehend ist ein wesentlicher Unterschied zumindest nach der h. M. zwischen der Bürgschaft und dem Schuldbeitritt in der Abtretbarkeit der Forderungen aus dem jeweiligen Schuldverhältnis zu sehen. Nach der Rechtsprechung (BGHZ 115, 177 (182 ff.)) und wohl auch der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 79; Palandt-Sprau, § 765 Rn. 26; dagegen wohl zutreffend Reinicke/Tiedtke, Rn. 182, nach denen die grundsätzlich zu bejahende isolierte Abtretbarkeit der Forderung aus dem Bürgschaftsvertrag zu unterscheiden ist von der praktischen Relevanz der Frage, wer schon eine akzessorische Forderung ohne die zu sichernde Forderung erwerben wollte) ist eine isolierte Abtretung der Bürgschaftsforderung ohne die Hauptforderung analog § 1250 I 2 BGB unwirksam und eine Abtretung der Hauptforderung ohne die Bürgschaft führe analog § 1250 II BGB zum Untergang der Bürgschaftsforderung (Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 79; dagegen aber wiederum überzeugend Reinicke/
Kulke
38
978
39
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Tiedtke, Rn. 178 ff.). Nach vorherrschender Auffassung kann der Gläubiger im Rahmen eines Schuldbeitritts aber auch die Forderung gegen den Schuldner abtreten und diejenige gegen den Beitretenden behalten (Derleder, FS Heinrichs, 155, 160, 163 (169), „Separatzession“; Reinicke/Tiedtke, Rn. 61). Dies allerdings ist zwischen den Parteien ausdrücklich zu vereinbaren und der neue Gläubiger, der sich auf ein solches Geschäft einlässt, ist auch nicht schutzbedürftig. Die Rechtstellung der Gesamtschuldner wird dadurch auch nicht verschlechtert. Problematisch aber ist der Fall, dass der Gläubiger die Forderung gegen den Schuldner an einen neuen Gläubiger abtritt, aber in dem Vertrag zwischen Neugläubiger und Altgläubiger nichts vereinbart ist, was mit der Forderung gegen den Beitretenden geschehen soll. Dann ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten (Derleder, FS Heinrichs, 155 (169)). Bei einer entgeltlichen Zession wird daher im Zweifel eine Mitübertragung auch der Forderung gegen den Beitretenden als gewollt anzusehen sein (vgl. Derleder, FS Heinrichs, 155 (170)). Ist aber wie bei einem Schuldbeitritt typischerweise die Forderung gegen den einen Gesamtschuldner, den Beitretenden, zur Sicherung der Forderung gegen den anderen Gesamtschuldner begründet worden, liegt ein Mitübergang der Sicherungsforderung kraft Parteiwillens besonders nahe (Derleder, FS Heinrichs, 155 (170); sinngemäß wohl auch Reinicke/Tiedtke, Rn. 65). Wollte man einen entsprechenden Parteiwillen aber verneinen, stellt sich die Frage, inwieweit ein Übergang der Forderung gegen den Beitretenden kraft Gesetzes erfolgt, so dass es auf einen entsprechenden Parteiwillen nicht ankommt. Nach vorherrschender Auffassung handelt es sich bei den einzelnen Forderungen gegen die beiden Gesamtschuldner um selbständige Forderungen. Damit sind die Forderungen grundsätzlich nicht aneinander angelehnt, sie sind in ihrem Bestand und ihrer Durchsetzbarkeit nach herrschender Auffassung gerade nicht akzessorisch zueinander. § 401 BGB ist daher auf die Ansprüche gegen mehrere Gesamtschuldner grundsätzlich nicht anwendbar (Reinicke/Tiedtke, Rn. 64). Von diesem Grundsatz ist aber eine Ausnahme zu machen, wenn die Forderung gegen den Beitretenden ausschließlich die Aufgabe hat, die Forderung gegen den Schuldner zu sichern (BGH NJW 1972, 437; 2000, 575). Dieser Ausnahmefall ist aber beim Schuldbeitritt häufig gegeben (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 64; sinngemäß auch Derleder, FS Heinrichs, 155 (172)). Daher wendet die Rechtsprechung bei einem reinen „Sicherungsbeitritt“ § 401 BGB entsprechend auf den Schuldbeitritt an (BGH NJW 1972, 437; 2000, 575; BAG WM 1990, 734 (737)), so dass die Forderung gegen den Beitretenden mit der Abtretung der durch den Beitritt gesicherten Forderung mit übergeht. Dies kann aber nicht gelten und § 401 BGB ist nicht analog anwendbar, wenn der Schuldbeitritt kein akzessorisches Recht im Sinne von § 401 BGB darstellt, wie es in dem Fall liegt, wenn der Verkäufer eines Kraftfahrzeuges der Schuld des Käufers aus einem Darlehensvertrag mit einer Bank beitritt und das Darlehen ausschließlich der Aufbringung des Kaufpreises dient (BGHZ 46, 14; vgl. dazu unten IV 6). Dann gilt wiederum der oben genannte Grundsatz, dass § 401 BGB auf die Ansprüche gegen mehrere Gesamtschuldner grundsätzlich nicht anwendbar ist. 5. Prozess. Dem Gläubiger steht es frei, gegen welchen Gesamtschuldner er klagt. Nach vorherrschender Auffassung gilt § 771 BGB nicht entsprechend (MünchKommBGBHabersack, Vor § 765 Rn. 15), so dass der Gläubiger auch zuerst den Beitretenden verklagen kann und nicht erst bei dem Schuldner Befriedigung suchen muss. Der Gläubiger kann aber auch den Schuldner und den Beitretenden in einem Prozess verklagen; führt er nur einen Rechtsstreit gegen beide Gesamtschuldner, so sind die Gesamtschuldner gewöhnliche Streitgenossen, §§ 59 ff. ZPO (Thomas/Putzo, §§ 59, 60 Rn. 2). Da sich nach vorherrschender Auffassung die Forderungen gegen den Schuldner und gegen den Beitretenden unterschiedlich entwickeln können, kann dementsprechend auch die Ent-
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
979
scheidung des Gerichts hinsichtlich der Gesamtschuldner unterschiedlich lauten, vgl. § 425 I, II BGB (vgl. Reinicke/Tiedtke, Rn. 81). Ist der Gläubiger aber nach stattgebendem Urteil gegen beide Gesamtschuldner im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner befriedigt worden, kann der Beitretende einer Zwangsvollstreckung im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO entgegentreten (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 81). 6. Ausgleichsansprüche. Gemäß § 426 I 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Ist nicht ein anderes bestimmt, so haften die Gesamtschuldner pro rata und es besteht für jeden der Gesamtschuldner ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis. Diese Gläubigerstellung des einen Gesamtschuldners gegen den anderen Gesamtschuldner entsteht bereits in dem Augenblick, in welchem die Gesamtschuld zur Entstehung gelangt (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 70). Sichert der Schuldbeitritt nur die Schuld des ursprünglichen Schuldners, so werden die Gesamtschuldner in der Regel vereinbaren, dass der Beitretende von dem anderen Gesamtschuldner, dem ursprünglichen Schuldner, in vollem Umfang Ausgleichung verlangen kann (Reinicke/Tiedtke, Rn. 66). Dann ist ein anderes bestimmt. Ebenso verhält es sich, wenn die Gesamtschuldner zwar nicht ausdrücklich vereinbart haben, dass im Falle eines Schuldbeitrittes der ursprüngliche Schuldner im Innenverhältnis alleine die ganze Schuld zu tragen verpflichtet sein soll, sich aber ein Ausgleichsanspruch des Beitretenden aus einem Auftrag gemäß §§ 662 ff. BGB oder einem Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 675 I, 611 ff. oder 631ff. BGB ergibt (Reinicke/Tiedtke, Rn. 66), aufgrund dessen der Beitretende mit dem Schuldner vereinbart hat, dessen Schuld beizutreten. Nach dem Bundesgerichtshof soll bereits dadurch ein anderes bestimmt sein, wenn die Gesamtschuld die Sicherung einer Forderung bezweckt; dann haftet im Innenverhältnis im Zweifel der Hauptschuldner allein (BGH NJW-RR 2007, 1407), ohne dass es auf eine gesonderte Vereinbarung ankommt oder eines Rückgriffes auf die §§ 662, 683, 670 BGB bedarf. Die Auslegung des Schuldbeitrittes kann aber auch ein anderes ergeben, ob im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern eine Haftungsverteilung gewollt ist oder nicht. Denn wird im Rahmen der Abgrenzung des Schuldbeitrittes von der Bürgschaft als ein Indiz das wirtschaftliche (Eigen-) Interesse des Sicherungsgebers besonders deutlich (oben III 3), so mag dies für einen Schuldbeitritt (und nicht eine Bürgschaft) und damit auch für eine Verantwortung nicht nur im Außenverhältnis, sondern auch und gerade im Innenverhältnis sprechen. Denn hat der Beitretende ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, dass die Schuld des ursprünglichen Schuldners getilgt wird, so kann dies zu einer anderen Haftungsverteilung im Innenverhältnis führen (vgl. Reinicke/Tiedtke, Rn. 66). Dies mag soweit gehen, dass der Beitretende im Innenverhältnis gar alleine verpflichtet ist. Hierfür werden aber besonders deutliche Anhaltspunkte zu fordern sein. Aber auch bei einem starken wirtschaftlichen Eigeninteresse des Beitretenden ist es nicht zwingend, daraus auf eine anteilige Verantwortung und Haftung auch im Innenverhältnis zu schließen. Dies hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu dem Sachverhalt deutlich gemacht, bei welchem der Verkäufer der Darlehensschuld des Käufers, die dieser zur Finanzierung des Kaufpreises eingegangen war, bei einer Bank beigetreten war (BGHZ 46, 14), und sich ein Bürge für diese Darlehensschuld noch einzustehen verpflichtete. In einer solchen Konstellation ist es evident, dass im Innenverhältnis der Käufer und ursprüngliche Schuldner alleine die Darlehensschuld zu tragen hat und nicht gegenüber dem der Bank gesamtschuldnerisch haftenden Verkäufer ausgleichungsberechtigt ist, wenn er das Darlehen an die Bank zurückzahlt (BGHZ 46, 14 (16)). Befriedigt der Bürge oder der Beitretende (Verkäufer) den Gläubiger, stellt sich aber die Frage, ob der leistende Sicherungsgeber dann bei dem anderen Sicherungsgeber Ausgleichung verlangen kann, also welche
Kulke
40
980
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Ausgleichsansprüche ihm zustehen. Dies bestimmt sich danach, in welchem Verhältnis die Sicherungsrechte zu der zu sichernden Forderung stehen (vgl. einerseits §§ 765, 774 I 1, 488 I 2, 412, 401 (analog) BGB, andererseits §§ 426 II 1, 426 I 1, 488 I 2, 412, 401, 765 BGB). Die Frage wird vor allem beim Zusammentreffen von Bürgschaft und Schuldbeitritt relevant, daher wird sie dort erörtert, vgl. § 25. 41
7. Insolvenz. Gemäß § 43 InsO kann ein Gläubiger, dem mehrere Personen für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, im Insolvenzverfahren gegen jeden Schuldner bis zu seiner vollen Befriedigung den ganzen Betrag geltend machen, den er zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zu fordern hatte. Dies ist der Fall, wenn das Insolvenzverfahren sowohl über das Vermögen des Schuldners als auch über das Vermögen des Beitretenden eröffnet wird (Reinicke/Tiedtke, Rn. 83). Wird das Insolvenzverfahren nur über das Vermögen eines der beiden Gesamtschuldner eröffnet, so kann der Gläubiger sich an den anderen Gesamtschuldner halten und von ihm Zahlung fordern. Zugleich kann er aber, wenn der solvente Schuldner an ihn nicht den vollen Betrag leistet, die Forderung in vollem Umfang gegen den insolventen Schuldner geltend machen (BGH NJW 1969, 796). Nur wenn der solvente Schuldner den Gläubiger vollständig befriedigt und von dem anderen, insolventen Schuldner Ausgleichung verlangen kann, ist es dem solventen Schuldner möglich, an Stelle des jetzt ja befriedigten Gläubigers die Forderung geltend zu machen (BGH ZIP 1997, 372 (373)). Ist dies nicht der Fall, steht § 44 InsO einer Beteiligung des anderen Gesamtschuldners entgegen.
42
V. Besonderheiten bei Verbraucherverträgen. Bei dem Schuldbeitritt eines Verbrauchers sind mehrere Besonderheiten zu bedenken. Dies betrifft sowohl die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und deren Inhalt als auch die Geltung der so genannten verbraucherschützenden Widerrufsrechte sowie die Problematik der einkommensund vermögenslosen Mithaftenden. Besondere Rechtsfolgen können sich schließlich nach neuerer Rechtsprechung bei nicht (ordnungsgemäß) erfolgter Belehrung ergeben.
43
1. §§ 305 ff. BGB. Wird der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt im Rahmen eines Formularvertrages erklärt, gelten die §§ 305 ff. BGB. Nach der Rechtsprechung soll der ohne besondere Hervorhebung auf der Rückseite eines Kontoeröffnungsformulars enthaltene Schuldbeitritt in der Regel gemäß § 309 Nr. 11a BGB unwirksam sein (OLG Koblenz ZIP 1998, 1670). Unwirksamkeit soll dagegen zu verneinen sein, wenn der Verwender ein berechtigtes Sicherungsinteresse hat und die Haftung sachlich begrenzt ist (OLG Hamm NJW- RR 1986, 1248). Allerdings spricht einiges dafür, im Falle des auf der Rückseite eines Kontoeröffnungsantrages enthaltenen Schuldbeitrittes, der nicht deutlich hervorgehoben ist, Nichteinbeziehung gemäß § 305c I BGB anzunehmen.
44
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verstößt die formularmäßige Ausdehnung der Mithaftung auf künftige Forderungen bei der Bürgschaft grundsätzlich gegen §§ 305c, 307 I, II BGB (BGHZ 130, 19 (34); BGH NJW 2000, 658 (659), sog. Anlassrechtsprechung). Verbürgt sich jemand ohne Beschränkungen für die künftigen Verbindlichkeiten eines anderen, wird vom gesetzlichen Leitbild des § 767 I 3 BGB abgewichen. Denn diese Vorschrift bestimmt, dass die Bürgenverpflichtung nicht durch ein Rechtsgeschäft erweitert wird, das der Hauptschuldner nach Übernahme der Bürgschaft vornimmt. Damit ist das Verbot der Fremddisposition vertragswesentlich. Sichert die Bürgschaft einen Tilgungskredit, so ist dieser objektiver Anlass für die Übernahme der Bürgschaft, bei einem Kontokorrentkredit ist es das im Zeitpunkt der Verbürgung geltende Kreditlimit. Daher ist es mit dem Verbot der Fremddisposition unvereinbar, dass Gläubiger und Hauptschuldner eigenmächtig die Haftung des Bürgen beliebig ausweiten dürfen. Für den Schuldbeitritt kann nichts anderes gelten (BGH NJW 1996, 249). Daher
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
981
ist auch auf den Schuldbeitritt die so genannte Anlassrechtsprechung anzuwenden (MünchKommBGB-Möschel, v. 414 Rn. 14). Denn der Schuldbeitritt steht insbesondere einer selbstschuldnerischen Bürgschaft so nahe, dass sich in Bezug auf die Haftungsrisiken keine nennenswerten Unterschiede ergeben (BGH NJW 1997, 2677). Insbesondere die Rechtstatsache, dass der Bestimmtheitsgrundsatz sowohl für die Bürgschaft als auch den Schuldbeitritt gilt, lässt keinen Zweifel an der analogen Anwendung des § 767 I 3 BGB auf den Schuldbeitritt aufkommen (BGH NJW 1997, 2677). Darüber hinaus muss das Verbot der Fremddisposition umso mehr gelten, weil der Beitretende die Schuld übernimmt, wie sie zum Zeitpunkt der Beitrittserklärung besteht, während die weitere Entwicklung noch stärker als bei der Bürgschaft seinem Einfluss entzogen ist (Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 825 (832 f.)). Daher gilt § 767 I 3 BGB entsprechend für den Schuldbeitritt (BGH NJW 1997, 2677; Grigoleit/Herresthal, Jura 2002, 825 (833); anders wohl Reinicke/Tiedtke, Rn. 58, nach denen alleine die Eigenschaft des Schuldbeitrittes als Sicherungsrecht nicht ausreichen soll, um die gesamtschuldnerische Haftung durch die analoge Anwendung des Bürgschaftsrechts zu modifizieren). Eine formularmäßige Zweckerklärung in einer Beitrittserklärung, die sich nicht auf einen bestimmten zu sichernden Anspruch bezieht, kann zugleich unabhängig vom Bestimmtheitserfordernis gegen § 305c I BGB verstoßen (Palandt-Sprau, § 765 Rn. 20). Allerdings kann bei einer solchen Klausel unter Umständen das Überraschungsmoment fehlen. Dies wird zu bejahen sein, wenn es sich bei dem Beitretenden um den Geschäftsführer, Alleingesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter handelt, der seine Beitrittserklärung zu der Schuld der Gesellschaft abgibt (so für die Bürgschaft BGH NJW 2000, 1179 (1182)). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erstreckt sich die Nichtigkeit nicht nur auf die nachträglich entstandenen Verbindlichkeiten, die über den Rahmen des zur Zeit der Beitrittserklärung bestehenden Kreditverhältnisses hinausgehen, sondern erfasst wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot auch die bestehenden Verbindlichkeiten mit Ausnahme derjenigen, die den Anlass zu dem Schuldbeitritt gaben (MünchKommBGBMöschel, v. § 414 Rn. 14). Jedoch sollen diese Grundsätze nicht für Fallgestaltungen gelten, bei denen es an einer Schutzbedürftigkeit des Sicherungsgebers fehlt. Dies wird man von der Rechtsprechung zur Bürgschaft ausgehend entsprechend für den Schuldbeitritt bejahen können, wenn es sich um Beitrittserklärungen von Geschäftsführern und Gesellschaftern zu bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft handelt, da hier das Engagement für die Gesellschaft im Vordergrund steht und der Beitretende sich ohne weiteres Kenntnis vom Umfang der Verbindlichkeit schaffen kann (für die Bürgschaft BGHZ 143, 95 (101)). Dabei wird auch danach zu fragen sein, inwieweit der Beitretende Einflussnahmemöglichkeiten auf die weitere Entwicklung der zu sichernden Schuld hat, so als Geschäftsführer oder Mehrheitsgesellschafter oder andere Personen, denen interne Mitwirkungsbefugnisse zustehen (BGH NJW 1996, 3205; 2003, 1521). Bei Kommanditisten wird dies regelmäßig zu verneinen sein (OLG München WM 2006, 684), so dass bei diesen die Schutzbedürftigkeit als Sicherungsgeber zu bejahen ist. 2. §§ 312 f. BGB. Einem Beitretenden, der zur Erklärung des Schuldbeitrittes aufgrund einer Haustürsituation im Sinne des § 312 I BGB bestimmt worden ist, steht das Widerrufsrecht gemäß den §§ 355 ff. BGB bezüglich seiner Beitrittserklärung zu (bezogen auf alle Sicherungsgeschäfte ohne entsprechende Differenzierung der XI. Zivilsenat, BGHZ 165, 363 (367 f.); sowohl für Bürgschaft als auch Schuldbeitritt der XII. Zivilsenat, BGH NJW 2007, 2110, Rn. 23 (Rn. 27); Reinicke/ Tiedtke, Rn. 48; Madaus, BKR 2008, 54 (56); ders., S. 184 ff., 200). Dieses Widerrufsrecht besteht nur deshalb, weil der Beitretende seine Willenserklärung aufgrund einer gesetzlich typisierten Überrumpelungssituation abgegeben hat. Der Beitretende ist aufgrund dieser Überrumpelungssituation in seiner
Kulke
45
982
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
wirtschaftlichen Selbstbestimmung beeinträchtigt. Er hat in dieser Situation keine Möglichkeit zur gewissenhaften Überlegung und ihm steht keinerlei Marktvergleich zur Verfügung. Die Kompensation der wirtschaftlichen Selbstbestimmung des überrumpelten Beitretenden wird im Rahmen der Gewährung des situativen Übereilungsschutzes durch die Einräumung eines Widerrufsrechtes gemäß § 355 BGB sichergestellt. Der Beitretende wird überrumpelt. Es kommt daher nur auf seine Person an und nicht auf die Person desjenigen, zu dessen bereits bestehender Verbindlichkeit der Beitretende die Mithaftung erklärt (Drexl, JZ 1998, 1046 (1055 f.); Holznagel, Jura 2000, 578 (581, Fn. 50); Madaus, S. 184 ff. (200); Reinicke/Tiedtke, Rn. 48, 49; sog. Einzelbetrachtung). Handelt der Beitretende zu einem Zweck, der weder seiner selbständigen beruflichen noch seiner gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, steht ihm ein Widerrufsrecht aus § 312 I 1 BGB zu. Die Person desjenigen, zu dessen Verbindlichkeit der Beitretende die Mithaftung erklärt, ist im Rahmen des situativen Übereilungsschutzes irrelevant. Ebenso ist es für das Bestehen eines Widerrufsrechtes für den überrumpelten Beitretenden irrelevant, ob die Verbindlichkeit, zu der der Beitretende die Mithaftung erklärt, der selbständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (Reinicke/Tiedtke, Rn. 48, 49). 46
Der EuGH hat in der Rechtssache Dietzinger (EuGH NJW 1998, 1295), entgegen der Auffassung des IX. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 1998, 2356), auch für die Bürgschaft nichts anderes erklärt (vgl. für die Bürgschaft eingehend Kulke, JR 1999, 485 (491 ff.); zur Rechtsentwicklung vgl. insbesondere Schröder, S. 58 ff.). Die von dem IX. Zivilsenat durchgeführte Gesamtbetrachtung ließ sich der Entscheidung des EuGH nicht zwingend entnehmen. Daher war eine klärende Entscheidung des nunmehr auch für Bürgschaftsfragen zuständigen XI. Zivilsenates erforderlich (vgl. Kulke, ZBB 2002, 33 (47)), der schon frühzeitig seine Bereitschaft zu einem umfassenden Schutz des überrumpelten Sicherungsgebers im Rahmen einer Einzelbetrachtung erklärt hatte (BGH NJW 1996, 55 (56)), gleich ob es sich hierbei um eine Personalsicherheit oder eine Realsicherheit handelte. Diese Klärung hat der XI. Zivilsenat nun auch für alle Sicherungsgeschäfte herbeigeführt (BGHZ 165, 363 (367 f.); ihm folgend der XII. Zivilsenat für Bürgschaft und Schuldbeitritt, BGH NJW 2007, 2110, Rn. 23 (Rn. 27); die Entscheidung ebenso befürwortend Schröder, S. 62), indem er im Rahmen eines Rechtsstreites, bei welchem es eigentlich um die Verpfändung von Wertpapieren ging, ausführte, dass der Bürgschaftsvertrag ein eigenes Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen begründet und dem Bürgen daher unabhängig von der Person des Hauptschuldners ein eigenes Widerrufsrecht zusteht (BGHZ 165, 363 (367 f.); Kulke, NJW 2006, 2223). Entsprechend dem oben Gesagten ist der Mithaftende über sein eigenes ihm zustehendes Widerrufsrecht ordnungsgemäß zu belehren, es sind ihm gegenüber die entsprechenden Formalia einzuhalten und ihm sind die entsprechenden Unterlagen zu überlassen. Erst wenn dies der Fall ist, beginnt auch dem Beitretenden gegenüber hinsichtlich des von diesem erklärten Beitrittes die Widerrufsfrist zu laufen. Unterbleibt dagegen die ordnungsgemäße Belehrung des Beitretenden über sein ihm zustehendes eigenes Widerrufsrecht, so steht dem Beitretenden entsprechend dem oben Gesagten bis zur Grenze der Verwirkung ein unbefristetes Widerrufsrecht zu (siehe unter 6).
47
3. §§ 491 ff. BGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der herrschenden Auffassung im Schrifttum sind die Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts, die §§ 491 ff. BGB, auch für den Beitretenden von Bedeutung. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den derivativen (oder mittelbaren) Wirkungen der Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechtes, die den Beitretenden im Rahmen eines Schuldbeitrittes zu einer Verbindlichkeit aus einem Verbraucherdarlehensvertrag treffen, und den originären (oder
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
983
unmittelbaren) Wirkungen auf die Beitrittserklärung selbst im Rahmen des Schuldbeitrittes (vgl. Reinicke/Tiedtke, Rn. 35 (37 ff.)). a) Derivative (abgeleitete oder mittelbare) Wirkung des Verbraucherdarlehensrechtes. Das Verbraucherdarlehensrecht kommt dem Beitretenden über eine von der bestehenden Schuld abgeleitete Wirkung mittelbar zugute, wenn es um die Entstehung und den Bestand der Schuld geht, zu welcher der Beitretende die Mithaftung erklärt hat. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, dass der Schuldner der Darlehensrückzahlungsverpflichtung aus § 488 I 2 BGB im Rahmen des Abschlusses des Darlehensvertrages als Verbraucher handelt. Nur dann liegt ein Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne der §§ 491 ff. BGB vor. Nicht entscheidend ist dagegen, in welcher Funktion der Beitretende die Mithaftungsübernahme zu der Verbindlichkeit des Schuldners erklärt. Er mag sie als Unternehmer erklären oder als Verbraucher, dies ist für die derivative Wirkung irrelevant. Entscheidend ist in dem Fall der derivativen Wirkung des Verbraucherdarlehensrechtes zugunsten des Beitretenden alleine, wie sich die Schuld entwickelt, zu welcher der Mithaftende den Beitritt erklärt hat. Ist die vorgeschriebene Schriftform nicht gewahrt oder fehlen bestimmte Angaben der in § 492 I 5 BGB aufgeführten Pflichtangaben, so ist der Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § 494 I BGB nichtig. Der Beitretende hat zu einem nichtigen Vertrag und damit einer unwirksamen Verbindlichkeit die Mithaftungsübername erklärt. Folglich geht seine Erklärung nach vorherrschender Auffassung ins Leere (vgl. bereits oben I 4 und 6). Der gemäß § 494 I BGB formnichtige Verbraucherdarlehensvertrag zwischen dem Unternehmer und dem Schuldner kann jedoch gemäß § 494 II 1 BGB gültig werden, soweit der Schuldner das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt. Diese Heilung wirkt sich auch auf den Beitretenden, seine Beitrittserklärung und seine Haftung aus. Wird die ursprünglich formnichtige Verbindlichkeit, zu welcher der Mithaftende den Beitritt erklärt hat, gemäß § 494 II 1 BGB gültig, so haftet der Beitretende aus seiner Mithaftungsübernahme. Die Verbindlichkeit wird aber nicht rückwirkend gültig, sondern ex nunc. Also haftet der Beitretende auch nur mit Wirkung ex nunc (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 36).
48
Widerruft der Schuldner in Ausübung des ihm zustehenden Widerrufsrechtes gemäß den §§ 495, 355 BGB seine auf den Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages gerichtete Willenserklärung, so wandelt sich das bis dahin schwebend wirksame Schuldverhältnis des Verbraucherdarlehensvertrages in ein besonders ausgestaltetes Rückgewährschuldverhältnis um. Die Verbindlichkeit, welcher der Mithaftende beigetreten ist, besteht in dieser Art nicht mehr. Vielmehr hat sie sich umgewandelt. Die Beitrittserklärung des Mithaftenden ist nunmehr dahingehend auszulegen, ob der Mithaftende, ähnlich den Fällen einer Bürgschaft für einen sittenwidrigen und daher nichtigen Kreditvertrag (vgl. BGH NJW 1992, 1234 (1235 f.)), auch für die hierdurch entstandene Verbindlichkeit seinen Beitritt erklären wollte oder ob dies nicht der Fall ist (vgl. BGH NJW 2001, 1859 (1860)). Dabei ist der Fall anders gelagert als der, in dem der Schuldner die Anfechtung gem. §§ 143, 142 BGB erklärt. Denn der Widerruf hat anders als die Anfechtung keine Rückwirkung, vgl. §§ 357 I, 346 BGB. Der Beitretende hat seine Mithaftungserklärung nicht zu einer nichtigen Schuld erklärt. Im Zeitpunkt, als der Beitritt erklärt wurde, bestand die Verbindlichkeit und diese ist auch nicht rückwirkend weggefallen. Aber der Inhalt der Verbindlichkeit, der Inhalt des Schuldverhältnisses hat sich umgestaltet. In der Regel wird es daher zu verneinen sein, dass der Beitretende auch die Mithaftungsübernahme für die Verpflichtung des Schuldners aus dem Rückgewährschuldverhältnis erklären wollte, da die Verbindlichkeiten einen unterschiedlichen Inhalt haben. Der Beitretende hat die Mithaftungsübernahme bezüglich der Darlehensrückzahlungsforderung aus dem Verbraucherdarlehensvertrag erklärt. Er hat nicht die Mithaftungsübernahme bezüg-
49
Kulke
984
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
lich der den Darlehensnehmer aus dem Rückgewährschuldverhältnis treffenden Rückgewährsverpflichtungen erklärt. Daher müssen besondere Anhaltspunkte im Rahmen der Beitrittserklärung oder der Beitrittsvereinbarung vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Forderungen aus dem Rückabwicklungsverhältnis auch von der Mithaftungsübernahme erfasst sein sollen (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1040)). Dies wird dann zu bejahen sein, wenn der Schuldbeitritt für alle finanziellen Verpflichtungen aus einem Dauerschuldverhältnis erklärt wird und sich die Mithaftung nach dem Sinn und Zweck des Beitritts gerade auch auf den Fall des Rücktritts erstrecken soll (KG NJW-RR 1989, 1075 (1078)). Anderenfalls ist eine solche Haftungserstreckung zu verneinen. Denn nach der Rechtsprechung erfasst der Schuldbeitritt auch nicht Forderungen des Gläubigers, die außerhalb der Schuldbeitrittsvereinbarung liegen (OLG Nürnberg ZIP 2000, 1975 (1976)). 50
b) Originäre (unmittelbare) Wirkungen auf die Beitrittserklärung selbst. Das Verbraucherdarlehensrecht kommt dem Beitretenden nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der überwiegenden Auffassung in der Lehre aber auch originär, unmittelbar zugute, wenn es um die Entstehung und den Bestand der Beitrittserklärung selbst geht. Im Gegensatz zu dem soeben Ausgeführten geht es aber nun um die Person des Beitretenden und nicht um die Person des Darlehensnehmers. Nun muss der Beitretende als Verbraucher handeln. Ist dies der Fall, so wendet die Rechtsprechung und die h. M. in der Rechtslehre das Verbraucherdarlehensrecht analog auf den Schuldbeitritt an (BGH NJW 1996, 2156 (2157); 1997, 654 (655); BGHZ 144, 370 (380); 165, 43 (47 f.); BGH DB 2007, 2251 (Rn. 20); für die Rechtslehre vgl. nur Reinicke/Tiedtke, Rn. 37). Der Schuldbeitritt ist zwar kein Darlehensvertrag (Reinicke/Tiedtke, WiB 1997, 449), er stellt auch nicht einen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe dar (BGH NJW 1996, 2156 (2157)). Insofern scheidet eine direkte Anwendung der Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechtes aus (Reinicke/Tiedtke, WiB 1997, 449; anders mit beachtlichen Gründen Bülow, Verbraucherkreditrecht, Rn 113, 116, 119 (122)). Der Beitretende erlangt kein Darlehen, er übernimmt lediglich die Mithaftung für die Verpflichtung des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag, ohne jedoch dessen Anspruch gegen den Darlehensgeber auf Auszahlung des Darlehens zu erlangen (BGH NJW 1996, 2156 (2157); Madaus, BKR 2008, 54 (55)). Allerdings ist das Verbraucherdarlehensrecht deshalb entsprechend auf den Schuldbeitritt anwendbar, weil der Schuldbeitritt dem Darlehensvertrag gleichzustellen ist. Das Verbraucherdarlehensrecht regelt die Beteiligung Dritter auf Seiten des Darlehensnehmers nicht. Es besteht somit eine Regelungslücke. Diese Lücke ist im Falle des Schuldbeitritts zu einem Darlehensvertrag durch eine entsprechende Anwendung des Verbraucherdarlehensrechtes zu schließen (BGH NJW 1996, 2156 (2157); gegen eine entsprechende Anwendung Madaus, BKR 2008, 54 (56)). Denn im Falle des Schuldbeitrittes zu einem Darlehensvertrag ist das Schutzbedürfnis des Beitretenden nicht geringer, sondern eher größer als das des Darlehensnehmers, weil der Beitretende trotz voller Mitverpflichtung keine Rechte gegen den Darlehensgeber erlangt, insbesondere keinen Anspruch auf Auszahlung des Darlehens hat. Da der Gläubiger durch den Schuldbeitritt aber einen zusätzlichen Schuldner erhält, ist es auch aus seiner Sicht gerechtfertigt, auf den Schuldbeitritt eines Verbrauchers zu einem Darlehensvertrag das Verbraucherdarlehensrecht entsprechend anzuwenden (BGH NJW 1996, 2156 (2157)). Irrelevant ist es dagegen, in welcher Funktion der Schuldner handelt. Auf ihn und seine Person kommt es nicht an. Der Schuldbeitritt begründet ein selbstständiges Schuldverhältnis zwischen dem Beitretenden und dem Darlehensgeber, daher ist allein der Zweck des Beitrittes maßgeblich und nicht der Zweck des Darlehensvertrages (BGH NJW 1996, 2156 (2157)). Also kommt es für die entsprechende Anwen-
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
985
dung des Verbraucherdarlehensrechtes auf den Schuldbeitritt allein auf die persönlichen Verhältnisse und damit auf die Verbrauchereigenschaft des Beitretenden zum Zeitpunkt der Mithaftungserklärung an (BGHZ 133, 71 (76 f.); 134, 94 (97); BGH ZIP 2000, 1523 (1524)). c) Verbrauchereigenschaft des Beitretenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und einer wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum ist die Verbrauchereigenschaft des Beitretenden auch dann zu bejahen, wenn der Beitretende Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer des Schuldners, einer GmbH, ist. Der Schuldbeitritt ist in einem solchen Fall nach dem Inhalt des Beitrittsvertrages nicht für die bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit bestimmt, denn das Halten eines GmbH-Geschäftsanteiles ist keine gewerbliche Tätigkeit, sondern Vermögensverwaltung, und die Geschäftsführung einer GmbH ist keine selbstständige, sondern eine berufliche Tätigkeit im Anstellungsverhältnis (BGHZ 133, 71 (78); 220 (223); BGH ZIP 2000, 1523 (1524); BGHZ 165, 43 (47)). Das Verbraucherdarlehensrecht ist auf den Schuldbeitritt eines GmbH-Gesellschafters für ein Darlehen der Gesellschaft sogar ohne Rücksicht auf den Umfang seiner Beteiligung an der Gesellschaft entsprechend anwendbar (BGH NJW 1997, 1443 (1444); BGHZ 144, 370 (380); 165, 43 (47 f.)). Denn der Beitretende ist in Bezug auf die persönliche Mithaftungsübernahme nicht wie ein Kaufmann, Unternehmer, Gewerbetreibender oder Freiberufler zu behandeln, sondern als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB (noch für § 1 I VerbrKrG BGHZ 165, 43 (47 f.)). Dies gilt eben nicht nur dann, wenn der Beitretende Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer (BGHZ 133, 71 (77 f.)) oder Hauptgesellschafter und Mitgeschäftsführer der kreditnehmenden Hauptschuldnerin ist (BGHZ 133, 220 (223)), sondern auch dann, wenn es sich bei ihm um den geschäftsführenden Alleingesellschafter handelt (BGHZ 144, 370 (380); 165, 43 (47 f.)). Der Bundesgerichtshof hat erst unlängst bestätigt, dass er an dieser Rechtsprechung trotz der im Schrifttum hierzu geäußerten Kritik (vgl. nur Canaris, AcP 200 (2000), 273, 355 (359)) festhält und festhalten wird (BGHZ 155, 240 (243); 165, 43 (47 f.); BGH DB 2007, 2251 (Rn. 20)). Dieser Rechtsprechung ist vor allem auch in Bezug auf die bestehende Gesetzeslage zuzustimmen. Denn wenn auch ein geschäftsführender Alleingesellschafter die Lenkungs- und Leitungsmacht über die von ihm beherrschte Gesellschaft haben mag, so ist bei einer GmbH alleine diese Kaufmann, nicht aber der Geschäftsführer und der oder die jeweiligen Gesellschafter, vgl. § 13 III GmbHG i. V. m. § 6 I HGB und § 14 I BGB. Für einen Kaufmann ist nach der Wertung der §§ 1 ff. HGB charakteristisch, dass er für die unter seiner Geschäftsleitung begründeten Verbindlichkeiten persönlich mit seinem ganzen Vermögen haftet (BGHZ 165, 43 (48)). Das aber ist bei einem geschäftsführenden Alleingesellschafter einer GmbH grundsätzlich gerade nicht der Fall, da nach vorherrschender Auffassung bei der juristischen Person immer noch das Prinzip des Verbotes der Durchgriffshaftung gilt (vgl. § 13 I, II GmbHG; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, Einf v § 21 Rn. 12; BGH JZ 2008, 516; BGH NJW 2007, 2689). Daher ist auch selbst eine noch so große geschäftliche oder gar kaufmännische Erfahrung für sich genommen kein den Kaufmannsstatus begründendes Element (BGHZ 165, 43 (48, 50); BGH DB 2007, 2251 (Rn. 29, 31)). Aus diesem Grunde auch ist ein Hochschullehrer der Rechtswissenschaften, der sich Zeit seines Lebens nur mit Kreditsicherungsrecht befasst, kein Unternehmer gemäß § 14 BGB und erst recht kein Kaufmann gemäß § 1 HGB, wenn er eine Bürgschaftserklärung zur Sicherung einer Forderung gegen seine Tochter oder seinen Sohn abgibt. Ein Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, der im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit eine Bürgschaftserklärung abgibt, mag zwar Unternehmer gemäß § 14 BGB sein, aber kein Kaufmann gemäß § 1 HGB, so dass für ihn die Formvorschrift des § 766 S. 1 BGB gilt und nicht die Ausnahme des § 350 HGB (zur Kritik an dieser Situation vgl. Koller/Roth/Merck, § 1 Rn. 13). Tritt
Kulke
51
986
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ein Rechtsanwalt einer Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts als Privatmann einer Schuld der nach vorherrschender Auffassung nunmehr teilrechtsfähigen Anwaltsaußengesellschaft (vgl. Medicus, Rn. 793) bei, so ist auch er als Verbraucher anzusehen und die aufgezeigten Grundsätze gelten auch zu seinen Gunsten. Der Gesetzgeber hat diese Rechtslage bislang nicht verändert, so dass daran festzuhalten ist. Wird als Maßstab für die Begründung des Kaufmannsstatus allerdings maßgeblich die persönliche Haftung herangezogen (siehe BGHZ 165, 43 (48)), dann könnte diese Wertung durchaus auch auf den Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts zu übertragen sein. Entscheidender Anknüpfungspunkt sollte daher der Gewerbebetrieb sein und die Frage, wer das Gewerbe betreibt. Infolgedessen auch gilt nach zwar bestrittener, aber ständiger Rechtsprechung ein anderes, wenn es sich bei dem Schuldner nicht um eine juristische Person wie die GmbH handelt, sondern um eine Personenhandelsgesellschaft, also eine OHG oder eine KG, und ein Gesellschafter einer Schuld der Gesellschaft beitritt. Dann ist hinsichtlich der Kaufmannseigenschaft zu differenzieren. Infolge der persönlichen und unbeschränkten Haftung (§ 128 HGB) und der grundsätzlich bestehenden Einzelvertretungsberechtigung (§ 125 I HGB) sind die Gesellschafter einer OHG nach vorherrschender Auffassung neben der OHG auch Kaufleute im Sinne des § 1 I HGB, da sie das Gewerbe betreiben (BGH ZIP 2005, 2070). Bei einer KG dagegen wird man den Kaufmannsstatus regelmäßig nur für die Komplemetäre bejahen können, nicht dagegen aber für die beschränkt haftenden Kommanditisten (vgl. §§ 161 I, 171 ff. HGB; Koller/Roth/ Merck, § 1 Rn. 23). Die aufgezeigten Grundzüge gelten ebenso für den Schuldbeitritt zu einem Existenzgründungsdarlehen (BGH NJW 1997, 1442 (1443); BGH DB 2007, 2251 (Rn. 21, 23)). Allerdings gilt der Schutz zugunsten des Verbrauchers nicht, wenn es sich um einen privatrechtlichen Schuldbeitritt zu einem verlorenen Investionszuschuss der öffentlichen Hand handelt; dann finden die verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften aus dem Verbraucherdarlehensvertragsrecht weder direkte noch entsprechende Anwendung (BGH DB 2007, 2830). Dagegen ist der Beitretende in der gleichen Art und Weise schutzwürdig, der die Mithaftungsübernahme zu einem Finanzierungsleasingvertrag erklärt (BGH NJW 1997, 3169 (3170)). In gleichem Umfang müssen dann auch die Vorschriften, auf welche im Rahmen eines Teilzahlungsgeschäftes oder eines Ratenlieferungsvertrages verwiesen wird, zur entsprechenden Anwendung auf den Schuldbeitritt eines Verbrauchers gelangen. 52
d) Rechtsfolgen. In konsequenter Anwendung des Verbraucherdarlehensrechts sind gegenüber dem Beitretenden damit nicht nur die Formerfordernisse des § 492 I BGB und die in § 492 I 5 BGB vorgesehenen Mindestangaben einzuhalten, vielmehr steht dem Beitretenden auch gemäß § 495 BGB ein eigenes Widerrufsrecht hinsichtlich seiner Beitrittserklärung zu. Wird die gesetzlich vorgeschriebene Form des § 492 I BGB nicht eingehalten oder fehlen die in § 492 I 5 BGB vorgeschriebenen Mindestangaben in entsprechender Anwendung des Verbraucherdarlehensrechtes auf den Schuldbeitritt gegenüber dem Beitretenden, so ist gemäß § 494 I BGB entsprechend der Schuldbeitritt nichtig (BGH NJW 1997, 654 (655)). Dem Schriftformerfordernis ist dabei auch nur dann Genüge getan, wenn der Beitretende vor Begründung der Mithaftung über alle Kreditkonditionen im Sinne des § 492 I 5 BGB informiert wird (BGH ZIP 2000, 1523 (1524), zu § 4 I 4 VerbrKrG). Eine Heilung des in entsprechender Anwendung des § 494 I BGB nichtigen Schuldbeitrittes durch eine entsprechende Anwendung des § 494 II 1 BGB kommt nicht in Betracht. Gemäß § 494 II 1 BGB wird der Verbraucherdarlehensvertrag ungeachtet eines Mangels nach I gültig, soweit der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift ist von ihrem Sinn und Zweck her aber nicht gerechtfertigt. Der Zweck der Heilung liegt darin, dass der Darlehensnehmer das Darlehen, wenn er es noch nicht erhalten hat, soll beanspruchen können,
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
987
oder aber wenn er es bereits empfangen hat, auch soll behalten können (Reinicke/Tiedtke, Rn. 43). Der Beitretende hat aber weder etwas vom Gläubiger zu beanspruchen noch hat er etwas von dem Gläubiger erhalten, was er bei Nichtigkeit seiner Beitrittserklärung sofort zurückzahlen müßte (Reinicke/Tiedtke, Rn. 43). Auch würde man dem Beitretenden bei der analogen Anwendung des § 494 II 1 BGB den Schutz, der durch die entsprechende Anwendung des Verbraucherdarlehensrechtes gewährt wird, wieder nehmen (BGH NJW 1997, 654 (655); Reinicke/Tiedtke, WiB 1997, 449 (451)). Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet eine Heilung gemäß § 494 II 1 BGB des nichtigen Schuldbeitrittes auch dann nicht statt, wenn der Beitretende aus der Auszahlung des Darlehens an den Darlehensnehmer mittelbar Vorteile erlangt (BGHZ 134, 94 (97 f.)). Allerdings kann es dem Beitretenden nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben ausnahmsweise auch verwehrt sein, sich auf die Formnichtigkeit des Schuldbeitrittes zu berufen. Ein Mangel der durch Gesetz vorgeschriebenen Form kann aber nur unter ganz besonderen Umständen und Verhältnissen wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich sein (BGHZ 165, 43 (53)). Ein solcher Ausnahmefall liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes vor, wenn eine Partei sich unter Berufung auf den Formmangel ihrer vertraglichen Verpflichtung entziehen will, obwohl sie längere Zeit aus dem nichtigen Vertrag geldwerte Vorteile im beträchtlichen Umfang gezogen hat. Dabei soll auch ein bloß mittelbarer Vorteil als Anknüpfungspunkt für ein treuwidriges Verhalten in Betracht kommen (zur Bürgschaft BGHZ 121, 224 (233 f.); zum Schuldbeitritt BGH WM 1997, 2000 (2001), und BGHZ 165, 43 (53)). Hierfür müssen allerdings konkrete Umstände vorgetragen werden. Zweifelhaft mag diese Rechtsprechung hinsichtlich der genannten Vorteile (kritisch MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 15) und auch hinsichtlich der Nichtigkeitssanktion, die dadurch unterlaufen werden kann, erscheinen. Der Bundesgerichtshof sollte daher nicht durch die Annahme einer vermeintlich unzulässigen Rechtsausübung den Schutz, der dem Beitretenden zu gewähren ist, wieder einschränken (wohl auch gegen die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Treu und Glauben Reinicke/Tiedtke, Rn. 45 f.). Durch die gesetzliche Neuregelung des Verbraucherdarlehensrechts wird nun auch die Erteilung einer Vollmacht zur Aufnahme eines Verbraucherdarlehensvertrages den Formerfordernissen des § 492 I, II BGB unterworfen (§ 492 IV BGB). Die konsequente (entsprechende) Anwendung des Verbraucherdarlehensrechts auf den Schuldbeitritt erfordert es, § 492 IV BGB entsprechend auf die Vollmachtserteilung des Beitretenden hinsichtlich seiner Mithaftungsübernahmeerklärung bezüglich einer Verbraucherdarlehensrückzahlungsforderung gemäß § 488 I 2 BGB anzuwenden.
53
Die Widerrufserklärung des beitretenden Verbrauchers braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden. Sie kann im Sinne eines effizienten Verbraucherschutzes sowohl in dem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid (BGH NJW 1996, 2156 (2158)) als auch alleine in der innerhalb der Jahresfrist abgegebenen und der Klagepartei zugegangenen Erklärung der Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren gem. § 276 I 1 ZPO gesehen werden (OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1438 (1439)). Die Rücktrittsfiktion des § 503 II 4 BGB findet zugunsten eines beitretenden Verbrauchers, der neben dem Darlehensnehmer lediglich als Gesamtschuldner mithaftet, aber aus dem Darlehensvertrag selbst nicht berechtigt ist, keine Anwendung, wenn der Darlehensgeber die gelieferte Sache bei dem Darlehensnehmer, der nicht Verbraucher ist, wieder an sich nimmt (BGH WM 2001, 2162). Will der Darlehensgeber den Beitretenden aus dessen Mithaftungsübernahme in Anspruch nehmen, muss er zwingend den Vertrag auch gegenüber dem Beitretenden unter Einhaltung der in § 498 BGB genannten erhöhten Anforderungen kündigen (OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1438 (1439 f.)). Hinsichtlich der Widerrufsfristen des § 355
54
Kulke
988
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
BGB ist zu beachten, dass für jeden der Beteiligten seine eigene Willenserklärung unabhängig von der Willenserklärung des anderen Teiles maßgeblich ist (Edenfeld, JZ 1997, 1034 (1036)). Die Widerrufsfrist für die Beitrittserklärung beginnt mit der Abgabe der Willenserklärung des beitretenden Verbrauchers (BGHZ 133, 220 (225 f.)), sofern der Beitretende zu diesem Zeitpunkt gemäß § 355 II 1 BGB ordnungsgemäß belehrt wird. Zu den Rechtsfolgen einer nicht (ordnungsgemäß) erfolgten Belehrung siehe unten 6. Widerruft nur der Beitretende seine Beitrittserklärung, nicht aber der Schuldner seine Verbraucherdarlehensvertragserklärung, so ist es nach § 139 BGB zu beurteilen, ob der Verbraucherdarlehensvertrag bestehen bleiben soll oder nicht (Bülow, Verbraucherkreditrecht, Rn. 62). 55
56
57
4. Schuldbeitritt von sogenannten Nahbereichspersonen. Der Schuldbeitritt von sogenannten Nahbereichspersonen unterliegt in derselben Art und Weise der Sittenwidrigkeitskontrolle wie die Bürgschaften solcher Personen (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 16). Die von der Rechtsprechung in erster Linie anhand von Bürgschaften entwickelte Figur der krassen finanziellen Überforderung gilt ebenso für den Mithaftenden. Danach sind Schuldbeitritte von sogenannten Nahbereichspersonen unwirksam (§ 138 I BGB), soweit folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Der Beitretende ist nicht in der Lage, aus seinem Einkommen und Vermögen oder soweit nur eines davon vorhanden ist, aus diesem, die laufenden Zinsen für die Schuld, die er übernommen hat, zu tilgen. Des weiteren hat der Beitretende den Beitritt aus emotionaler Verbundenheit heraus erklärt. Und schließlich hat der Gläubiger sich diese emotionale Verbundenheit zunutze gemacht und in Kenntnis derselben die Beitrittserklärung angenommen (vgl. Kulke, ZIP 2000, 952 (955 ff.)). Darüber hinaus kommt eine Unwirksamkeit des Schuldbeitrittes gemäß § 138 I BGB in Betracht, wenn eine sogenannte Umstandssittenwidrigkeit vorliegt, das heißt, der Gläubiger irgendwelche unlauteren Umstände ausgenutzt hat, um die Mithaftungserklärung zu erlangen oder er die Bedeutung der Mithaftung heruntergespielt hat. Zu den einzelnen Voraussetzungen diesbezüglich vgl. § 25. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH ZIP 2001, 189 (192)) soll bei einer teilbaren Verbindlichkeit aus einem Umschuldungsdarlehen, mit welchem teilweise private, teilweise geschäftliche Verbindlichkeiten getilgt werden sollten und zu welchem die Ehefrau des Darlehensnehmers die Mithaftungsübernahme erklärte, trotz des eigentlichen Vorliegens der Voraussetzungen des § 138 I BGB eine Aufrechterhaltung der sittenwidrigen Mithaftungsabrede über die Anwendung des § 139 BGB in Betracht kommen, soweit die privaten Verbindlichkeiten betroffen sind (BGH ZIP 2001, 189 (193)). Diese Rechtsprechung ist abzulehnen, da die Vertragsparteien nicht von einem teilbaren Vertrag ausgegangen waren, sondern den Vertrag eben gerade als einen einheitlichen Vertrag abgeschlossen hatten. Es liegt in einem solchen Fall kein entsprechender hypothetischer Parteiwille vor, wie er jedoch für die Anwendung des § 139 BGB zwingende Voraussetzung ist (Kulke, ZIP 2001, 985 (992 ff.)). Vielmehr setzt auch hier der Bundesgerichtshof in unzulässiger Art und Weise seinen Willen an die Stelle des Parteiwillens (vgl. hierzu bereits oben Rn. 21, 22). 5. Weitere mögliche Widerrufsrechte des Beitretenden. Auch wenn der Schuldbeitritt zu anderen Verbindlichkeiten als solchen aus Verbraucherdarlehensvertrag (BGHZ 133, 71; 220; 134, 94; 138, 321) oder Finanzierungsleasingvertrag (BGH NJW 1997, 654; 1443; 3169) erklärt wird, kann eine Notwendigkeit gegeben sein, den Beitretenden entsprechend der gesetzlich vorgeschriebenen Form genauso zu belehren wie den kontrahierenden Verbraucher selber und dem Beitretenden in derselben Art und Weise ein Widerrufsrecht einzuräumen.
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
989
Dies gilt insbesondere, wenn der Beitretende die Mithaftungsübernahme hinsichtlich einer Verbindlichkeit des Schuldners aus einem Vertrag über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen eines Fernabsatzvertrages gemäß § 312b BGB erklärt hat. Gleiches muss gelten, wenn der Mithaftende einer Verbindlichkeit des Schuldners zur Zahlung eines Gesamtpreises aus einem Teilzeit-Wohnrechtevertrag gemäß § 481 BGB beitritt. Auch in allen diesen genannten Fällen ist die Schutzbedürftigkeit des Beitretenden hinsichtlich der ihm gegenüber einzuhaltenden Informationsund Belehrungspflichten eher noch größer als diejenige des handelnden Verbrauchers. Der Beitretende muss lediglich als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB handeln. Dann gilt wie sonst auch bei der ausnahmsweise zu bejahenden Formbedürftigkeit des Schuldbeitrittes, dass der Schuldbeitritt den formellen Anforderungen genügen muss, denen die Verbindlichkeit, zu welcher der Mithaftende den Beitritt erklärt, unterworfen ist, wenn es der Zweck der jeweiligen Formvorschrift gebietet. Bei den verbraucherschützenden Vorschriften ist dies zu bejahen, da durch diese Vorschriften Informationsdefizite und typisierte strukturelle Unterlegenheitssituationen ausgeglichen werden sollen. Für einen solchen Ausgleich besteht umso mehr ein Bedürfnis, wenn der Mithaftende nur verpflichtet, nicht aber auch berechtigt wird. Hinsichtlich der Widerrufsbelehrung, der Informationspflichten und der Formerfordernisse sowie bezüglich des Laufs der Widerrufsfristen und der Widerrufsrechte gilt sinngemäß das zu den §§ 312 f. BGB und §§ 491 ff. BGB Gesagte.
58
6. Rechtsfolgen nicht (ordnungsgemäß) erfolgter Belehrung. Wird der Beitretende (Verbraucher) durch den Unternehmer, also in der Regel ein Kreditinstitut, nicht ordnungsgemäß über sein ihm zustehendes Widerrufsrecht belehrt, so erlischt gemäß § 355 III 3 Hs. 1 BGB abweichend von § 355 III 1 BGB das Widerrufsrecht nicht. Damit ist zuerst klargestellt, dass auch eine nicht ordnungsgemäße Belehrung die Widerrufsfrist nicht in Gang zu setzen vermag (vgl. Palandt-Grüneberg, § 355 Rn. 12). Das Verhältnis von § 355 III 1 BGB zu § 355 III 3 BGB ist aus dem Wortlaut des Gesetzes erkennbar. § 355 III 3 BGB gilt nur für den Fall, dass der Unternehmer den Verbraucher nicht oder nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt. § 355 III 1 BGB gilt dagegen nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher zwar ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt, nicht aber die ihn sonst treffenden Informationspflichten erfüllt, so dass die Widerrufsfrist abweichend von § 355 II 1 BGB nicht beginnen konnte (Palandt-Grüneberg, § 355 Rn. 22). Zwar ist § 355 III 3 BGB durch die Heininger-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes veranlasst in das BGB aufgenommen worden und diese Entscheidung bezog sich nur auf das Widerrufsrecht des überrumpelten Verbrauchers aus der Haustürgeschäfterichtlinie. Nach dem insoweit aber klaren Gesetzeswortlaut und der ganz herrschenden Auffassung gilt § 355 III 3 BGB aber für alle Widerrufsrechte, gleich worauf sie beruhen (für den Beitritt insbesondere relevant §§ 312, 495 BGB, siehe oben 2, 3 und 5). § 355 III 3 Hs. 2 BGB dagegen kann auf einen Schuldbeitritt nach herrschender Auffassung keine Anwendung finden, da es sich bei einem Schuldbeitritt nicht um eine Finanzdienstleistung gemäߧ 312b I 2 BGB handelt (vgl. Palandt-Grüneberg, § 312b Rn. 10c). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2007, 357 (360)) und der mittlerweile auch im Schrifttum vorherrschenden Auffassung (Jungmann, NJW 2007, 1562 (1563); Kulke, ZGS 2007, 10 (12)) handelt es sich bei der gesetzlich vorgeschriebenen Belehrung des Verbrauchers durch den Unternehmer um eine echte Rechtspflicht. Das hat wiederum Konsequenzen hinsichtlich der Rechtsfolgen, wenn der Unternehmer seine Belehrungspflicht über das Widerrufsrecht gegenüber dem Beitretenden verletzt. Dann kann der Beitretende unter den Voraussetzungen des § 280 I 1, 2 BGB Schadensersatz des ihm durch die Pflichtverletzung entstehenden Schadens verlangen. Allerdings
59
Kulke
990
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
muss der Beitretende den Nachweis der Kausalität der Pflichtverletzung für den ihm entstandenen Schaden führen. Der Bundesgerichtshof lässt die Grundsätze über die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens hier nicht gelten (BGH NJW 2007, 357 (360)). Wird ein Beitretender von dem Kreditinstitut, welches ihn über das Widerrufsrecht nicht belehrt hat, auf Zahlung in Anspruch genommen, so kann der Beitretende diesem Zahlungsverlangen einen Schadensersatzanspruch aus vorvertraglicher Pflichtverletzung entgegenhalten, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass er, der Beitretende, bei entsprechender Belehrung über das Widerrufsrecht seine Beitrittserklärung tatsächlich widerrufen hätte. Dabei sollten an den Kausalitätsnachweis nicht zu hohe Voraussetzungen gestellt werden. Schwierigkeiten können sich aber für den Beitretenden bezüglich dieses Kausalitätsnachweises ergeben, wenn ihm das Kreditinstitut das wirtschaftliche Eigeninteresse entgegenhält, welches er, der Beitretende, gerade auch an der Erfüllung der Schuld hatte und welches ihn letztlich zum Beitritt veranlasst hat. 60
C. Garantie Neben dem Schuldbeitritt sind in der Praxis noch der Garantievertrag (auch Gewährvertrag) und – nach wohl überwiegender Auffassung als garantieähnliche Haftung oder mögliche Ausprägung einer Garantie – die Patronatserklärung (dazu unter D) von besonderer Bedeutung.
61
I. Allgemeines. Der Begriff des Garantievertrages sowie seine einzelnen Voraussetzungen sind zugleich in Abgrenzung des Garantievertrages von anderen Sicherungsinstituten zu bestimmen.
62
1. Begriff. Der Begriff der Garantie ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Sicherungsformen. Das Gesetz verwendet den Begriff der Garantie für die Übernahme einer Einstandspflicht, zum einen im Sinne einer verschuldensunabhängigen Haftung für die im Rahmen eines anderen Vertrages übernommenen vertragstypischen Verpflichtungen (vgl. nur §§ 276 I 1 Hs. 2, 433 I 2, 633 I BGB), zum anderen als selbständige Garantie oder selbständigen Garantievertrag im Sinne des Einstehens für einen eigenständigen Erfolg, auch im Sinne des Ausbleibens eines schädigenden Ereignisses (Palandt-Sprau, Einf v § 765 Rn. 16). Bei dem erstgenannten Fall kann damit von einer unselbständigen Garantie gesprochen werden, während es sich bei dem zweitgenannten Fall um eine selbständige Garantie oder genauer einen selbständigen Garantievertrag handelt. Hinsichtlich des selbständigen Garantievertrages sind wiederum vor allem zwei Fälle zu unterscheiden. Das unbedingte Einstehen für einen bestimmten Erfolg kann vereinbart werden, ohne dass der Garant vertraglich schon vorher eine entsprechende Leistung schuldet (wichtigster Fall: Bankgarantie, siehe unten III 2), oder es kann zu einer solchen Leistungspflicht hinzutreten (Palandt-Sprau, Einf v § 765 Rn. 16). Im letztgenannten Fall kann nochmals zwischen der Eigengarantie und der Fremdgarantie unterschieden werden (siehe dazu unten II). Eine letzte Unterscheidung schließlich betrifft diejenige zwischen dem einfachen Garantievertrag und der Garantie auf erstes Anfordern (siehe dazu unten 4). Der selbstständige Garantievertrag ist ein einseitig verpflichtender Vertrag, durch den sich der Garant (Schuldner) gegenüber dem Garantienehmer (Gläubiger) verpflichtet, für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen oder den Garantienehmer im Garantiefall so zu stellen, als ob der ins Auge gefasste Erfolg eingetreten oder der Schaden nicht entstanden wäre (BGH NJW 1985, 2941 (2942); 1996, 2569 (2570)). Der Garant garantiert damit einen bestimmten Erfolg (Reinicke/Tiedtke, Rn. 610). Dieser garantierte Erfolg muss aber stets, soweit eine ohnehin schon gegebene Leistungspflicht besteht, über die bloße Vertragsleistung hinausgehen (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 16); damit übernimmt der Garant ein Risiko, das sonst der Gläubiger tragen
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
991
müsste (BGH WM 1999, 779 (780)). Der Garant haftet hierbei auch für alle nicht typischen Zufälle (BGH NJW 1996, 2569). Der Garantievertrag stellt folglich gegenüber der Bürgschaft und dem Schuldbeitritt die schärfste Form der Haftung dar. Der Garantievertrag ist ein gesetzlich nicht geregelter verkehrstypischer Vertrag (BGHZ 104, 83 (90)), dessen Zulässigkeit aus § 311 BGB folgt (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 23). Für die sogenannte Herstellergarantie ist im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung eine gesetzliche Regelung erfolgt (§§ 443, 477 BGB), wobei § 443 BGB die Beschaffenheitsgarantie und die Herstellergarantie erfasst, während § 477 BGB lediglich besondere formale Anforderungen an die Garantie im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufvertrages stellt. 2. Abgrenzung. Schwierigkeiten können sich vor allem aus der Abgrenzung zur Bürgschaft ergeben, wenn Gegenstand des selbständigen Garantievertrages eine Forderung ist. Anknüpfungspunkt ist zunächst wie bei jeder Vertragsauslegung der Wortlaut der Verpflichtungserklärung (Schwintowski/Schäfer, § 10 Rn. 44). Im Gegensatz zur Bürgschaft ist die Schuld des Garanten vom Fortbestand, manchmal sogar von der Entstehung der gesicherten Schuld unabhängig (BGH NJW 1996, 2569). Die Haftung des Garanten ist nach der vorherrschenden Auffassung also streng nichtakzessorisch ausgestaltet (Einsele, JZ 1999, 466; Gröschler, JZ 1999, 822 (823 f.); Kröll, WM 2001, 1553; MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 18; Reinicke/Tiedtke, Rn. 610; BGH JZ 1999, 464 (465)), sie stellt eine primäre und unbedingte Haftung dar. Soll der Begünstigte eine abstrakte, von dem zugrundeliegenden Kausalgeschäft losgelöste Rechtsstellung erhalten, so ist regelmäßig eine Garantie anzunehmen (Schwintowski/Schäfer, § 10 Rn. 44, für die Bankgarantie). Dies bedeutet andererseits nicht, dass der Garantievertrag eine abstrakte Verbindlichkeit begründet. Vielmehr verspricht der Garant, anders als der Schuldner bei einem abstrakten Schuldversprechen gemäß § 780 BGB, nicht Zahlung schlechthin, sondern nur Zahlung für den Fall, dass sich ein im Vertrag näher bezeichnetes Risiko verwirklich (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 18). In Abgrenzung zur Bürgschaft muss daher die Eigenständigkeit der Schuld entscheiden. Es ist zu fragen, ob eine selbständige Verbindlichkeit begründet werden sollte, die vom weiteren Schicksal der Forderung gegen den Erstschuldner unabhängig ist (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 23). Ist dies der Fall, spricht vieles für das Vorliegen eines Garantievertrages. Das rückt die selbständige Garantie in die Nähe des Schuldbeitrittes, da wie bei diesem auch durch den Garantievertrag eine selbständige und keine angelehnte Schuld begründet werden soll; dann ist aber danach zu fragen, ob die Erklärung des Sicherungsgebers so weit reicht, dass eine Ausfallhaftung auch für den Fall eintritt, dass überhaupt keine Hauptverbindlichkeit zur Entstehung gelangt ist (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 23). Im Zweifel sollte bei Bestehen einer zu sichernden Forderung aber stets Bürgschaft anzunehmen sein (BGH WM 1985, 1417; OLG Bamberg OLGR 2003, 176).
63
Andererseits soll auch gerade ähnlich wie bei dem Schuldbeitritt Anhaltspunkt für einen Garantievertrag das Eigeninteresse des Garanten an der Erfüllung der Hauptverpflichtung sein (BGH WM 1982, 632; 2001, 1566 (1567)). In Abgrenzung zum Schuldbeitritt ist daher für die Annahme eines Garantievertrages ein unbedingter Einstandswille des Garanten für den Eintritt des durch die Garantie versprochenen Erfolges zu fordern (vgl. MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 23). Liegt ein solcher vor, ist von einer Garantie auszugehen. Bei geschäftsgewandten Personen kommt dem Wortlaut besondere Bedeutung zu, eine davon abweichende Auslegung ist nur bei besonders gewichtigen Umständen gerechtfertigt (BGH WM 1975, 348 (349)). Ein unbedingter Einstandswille ist nicht anzunehmen, wenn der Gläubiger zuerst versuchen muss, die Forderung gegen den Schuldner durchzusetzen (BGH WM 1987, 616 (617)). Eine solche subsidiäre und akzes-
64
Kulke
992
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
sorische Haftung spricht eindeutig gegen das Vorliegen einer Garantie (Reinicke/Tiedtke, Rn. 610), sondern vielmehr für das Vorliegen einer Bürgschaft. Bei der Abgrenzung ist zu beachten, dass Einwendungen und Einreden dem Bürgen stets, dem Beitretenden möglicherweise und dem Garanten grundsätzlich niemals zugute kommen sollen (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 610). Da die Haftung des Garanten im Gegensatz zur Bürgenhaftung und zur gesamtschuldnerischen Haftung besonders streng ist, kann eine Garantie nur angenommen werden, wenn der Vertrag dies eindeutig erkennen lässt (Reinicke/Tiedtke, Rn. 620). 65
3. Voraussetzungen. Der selbständige Garantievertrag ist ein einseitig verpflichtender Vertrag eigener Art (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 16), kein Bürgschaftsvertrag. Die Vorschriften über die Bürgschaft gelten nicht, nach vorherrschender Auffassung auch nicht entsprechend (Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 18; Palandt-Sprau, Einf v § 765 Rn. 16), daher gilt auch das Formerfordernis des § 766 BGB nicht für den Garantievertrag (BGH WM 1964, 60 (62)); der Garantievertrag ist vielmehr grundsätzlich formlos möglich (MünchKommBGB-Möschel, v. § 414 Rn. 23). Das folgt bereits aus der Abgrenzung zur Bürgschaft und zum Schuldbeitritt. Es erscheint undenkbar, dass ohne jegliches eigene Interesse auf Seiten des Garanten ein unbedingter Einstandswille festgestellt werden kann, aufgrund dessen der Garant den Erfolgseintritt unabhängig von jeglicher Entwicklung der Schuld garantieren will (MünchKommBGB- Möschel, v. § 414 Rn. 23). Garantien, insbesondere Bankgarantien, können auch in Form eines elektronischen Dokuments abgegeben werden (Kröll, WM 2001, 1553 (1556)). Dabei können Ansatzpunkte für den verstärkten Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel sowohl der Antrag auf Stellung einer Garantie, die Stellung der Garantie selbst sowie auch die Ziehung der Garantie bilden (dazu sowie zu den Einzelheiten Kröll, WM 2001, 1553 (1554)).
66
4. Inhalt. Der Inhalt des Garantievertrages richtet sich grundsätzlich nach der übernommenen Garantie und der getroffenen Vereinbarung. Grundsätzlich werden Garantiefall und Einstandspflicht vom Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände abhängig gemacht, wobei der konkrete Inhalt des Garantiefalles gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln ist (BGH NJW-RR 2000, 1581). Bei der einfachen Forderungsgarantie obliegt es dem Garantiebegünstigten, Nachweis über den Eintritt des Garantiefalles zu erbringen (Schwintowski/Schäfer, § 10 Rn. 39), und der Garant muss regelmäßig nur zahlen, wenn der Schuldner nicht leistet, obwohl die gesicherte Forderung tatsächlich besteht, so genannter materieller Garantiefall (Gröschler, JZ 1999, 822 (825)). Damit setzt die Inanspruchnahme des Garanten den materiellen Garantiefall voraus, dieser Eintritt des Garantiefalles ist Anspruchsvoraussetzung (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 22). Infolgedessen kann sich je nach vertraglicher Definition des Garantiefalles eine mehr oder weniger starke Abhängigkeit des Garantieanspruches von der zu gesicherten Forderung ergeben (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 22). Der Garant garantiert Erfüllung. Im Rahmen einer einfachen Forderungsgarantie hat der Garant daher dem Gläubiger den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass der Schuldner dem Gläubiger gegenüber nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt (BGH WM 1961, 204). Der Umfang der Schadloshaltung bestimmt sich nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechtes. Der Garantieschuldner hat im Falle der Gewährleistung den Gläubiger so zu stellen, als ob der garantierte Erfolg eingetreten oder der Schaden nicht entstanden wäre (BGH WM 1999, 779 (781)). Allerdings kann nach den Umständen des Einzelfalles eine Ermäßigung der garantierten Verpflichtung zu Gunsten des Garanten zu berücksichtigen sein (BGH WM 1984, 625 (631)). Bei der Garantie auf erstes Anfordern (auch bezeichnet als Garantie „ohne (weitere) Einwendungen“ (vgl. Staudinger/Horn, v. §§ 765 ff. Rn. 231)) dagegen muss der Garant unabhängig vom Eintritt des materiellen Garantiefalles bereits dann zah-
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
993
len, wenn die formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme, wie sie im Garantievertrag festgelegt sind, erfüllt sind, also gegen Vorlage von bestimmten Dokumenten (Kröll, WM 2001, 1553), so genannter formeller Garantiefall (Gröschler, JZ 1999, 822). Dies ist nach vorherrschender Auffassung darin begründet, dass es Zweck der Garantie auf erstes Anfordern sei, rechtliche und tatsächliche Streitfragen hinsichtlich des materiellen Streitfalles ausschließlich im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger zu klären (BGH JZ 1999, 464; BGHZ 94, 167 (170); Canaris, ZIP 1998, 493 (495 ff.); Einsele, JZ 1999, 466; Gröschler, JZ 1999, 822 (Fn. 5 m. w. N.)). Genauer ist der Zweck der Garantie auf erstes Anfordern vor allem darin zu sehen, dem Gläubiger möglichst problemlos zu seinem Anspruch zu verhelfen und im Streitfall die Prozesslage umzukehren und rechtliche oder tatsächliche Streitfragen, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, nach vollzogener Zahlung in einen eventuellen Rückforderungsprozeß zwischen Garantieauftraggeber und Begünstigtem zu verlagern (Reinicke/Tiedtke, Rn. 611 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsrechung in Fn. 24). Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, wie ein eventueller Ausgleich vorzunehmen ist, wenn der materielle Garantiefall nicht eingetreten war und der Garant Rückforderung begehrt (vgl. dazu unten III 2). Die auf Zahlung einer Geldsumme gerichtete Forderung aus einem Garantievertrag (gleich ob aus einer einfachen Garantie oder aus einer Garantie auf erstes Anfordern) kann abgetreten werden, jedoch geht bei einer Abtretung der durch die Garantie gesicherten Forderung nicht die Forderung aus der Garantie kraft Gesetzes gemäß § 401 BGB mit über (Reinicke/ Tiedtke, Rn. 616), was sich dadurch erklärt, dass die Garantie eben nicht akzessorisch ist. II. Garantieerklärung. Entsprechend den obigen Ausführungen zum Zustandekommen des Schuldbeitrittvertrages ist auch bei dem Garantievertrag danach zu unterscheiden, ob der Garantievertrag zwischen dem Garanten und dem Gläubiger zustandekommt, wobei der Garant eine andere Person als der Schuldner ist, oder ob der der Garantievertrag zwischen dem Schuldner selbst als Garanten und dem Gläubiger oder zwischen dem Schuldner und dem Garanten zustandekommt. 1. Vertrag des Garanten mit dem Gläubiger. Üblicherweise kommt der Garantievertrag zwischen Garant und Gläubiger zustande (siehe oben). Das ist in der Weise möglich, dass es sich um eine so genannte selbständige Fremdgarantie handelt (MünchKommBGBMöschel, v. § 414 Rn. 23), es sich also bei dem Schuldner und dem Garanten um zwei verschiedene Personen handelt. Dieser Fall der Fremdgarantie mag als der klassische Fall einer Garantie angesehen werden. Denkbar ist entgegen einer Entscheidung des Kammergerichtes aber auch der Fall, dass der Schuldner selbst als Garant eine zusätzliche Gewähr für die Erfüllung übernimmt (BGH WM 1999, 779) oder aber dass Schuldner und Garant als zwei unterschiedliche Personen einen Garantievertrag als Vertrag zu Gunsten des Gläubigers abschließen. 2. Vertrag des Schuldners als Garanten mit dem Gläubiger. Der Schuldner kann damit neben seiner ohnehin dem Gläubiger gegenüber bestehenden vertraglichen Verpflichtung dem Gläubiger gegenüber noch einmal eine vertragliche Verpflichtung übernehmen, und zwar eine solche aus Garantievertrag (BGH WM 1999, 779 (780); Reinicke/Tiedtke, Rn. 618), so genannte selbständige Eigengarantie (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 16). Der Schuldner kann für seine eigenen Leistungen durch zusätzliche Vereinbarungen die Gewähr übernehmen, wenn der gewährleistete Erfolg weiter geht als die bloße Vertragsmäßigkeit der Leistung (BGH WM 1999, 779 (780); 1958, 993; MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 16). Das ist dann der Fall, wenn der Schuldner über seine eigene Verpflichtung hinaus persönlich und – insoweit weitergehend als bei der bloßen Vertragsleistung – verschuldensunabhängig dafür einstehen will, dass eine Ablösung von Drittverbindlichkeiten innerhalb vorgegebener Zeit erfolgt (BGH WM 1999, 779 (781)).
Kulke
67
68
69
994
70
71
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
3. Vertrag des Schuldners mit dem Garanten als echter Vertrag zu Gunsten Dritter. Neben den beiden bezeichneten Möglichkeiten ist kein Grund ersichtlich, auch den selbständigen Garantievertrag nicht zwischen dem Schuldner und dem Garanten als echten Vertrag zu Gunsten Dritter, nämlich zu Gunsten des Gläubigers gemäß den §§ 328 ff. BGB abzuschließen. Für den Fall der konzerninternen Patronatserklärung wird dies von einer sehr starken, wenn nicht sogar vorherrschenden Auffassung bestritten (vgl. von Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (643); vgl. auch Wolf, ZIP 2006, 1885 (1889 f.), für die Liquiditätszusage), allerdings erscheinen die vorgetragenen Argumente nicht zwingend (vgl. dazu unten D I 2). III. Beispielsfälle. Neben der Ausfall- oder Ausbietungsgarantie, der Bietungsgarantie bei Ausschreibungen und der Erfüllungsgarantie (zu den möglichen Erscheinungsformen einer Garantie und denkbaren Grenzfällen vgl. MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 23, 24, 27, 37, 38, 41 ff.) kommen in der Praxis – nach der wohl vorherrschenden oder zumindest einer weit verbreiteten Auffassung – vor allem der Patronatserklärung und der Bankgarantie als Regelfall der Garantie auf erstes Anfordern besondere Bedeutung zu.
72
1. Patronatserklärung. Durch eine Patronatserklärung verspricht der Patron gegenüber dem Gläubiger eines Dritten ein bestimmtes Verhalten, durch das die Aussicht auf Vertragserfüllung durch den Dritten gegenüber dem Gläubiger deutlich verbessert und dadurch die Kreditwürdigkeit des Dritten erhöht wird (Palandt-Sprau, v. § 765 Rn. 21). Eine Patronatserklärung kann abgegeben werden, um laufende Verbindlichkeiten zu besichern, aber auch um zukünftige Verbindlichkeiten – Darlehen – überhaupt erst zu ermöglichen. Im Falle der „harten Patronatserklärung“ haftet der Patron auf Schadensersatz statt der Leistung bei Nichterfüllung der gesicherten Forderung durch den Schuldner (Fleischer, WM 1999, 666 (670 f.); v. Bernuth, ZIP 1999, 1501 (1502)). Anders ist dies dagegen nach vorherrschender Auffassung bei der „weichen Patronatserklärung“. Ihrer Bedeutung wegen wird die Patronatserklärung gesondert erörtert (unten D).
73
2. Bankgarantie (Garantie auf erstes Anfordern). Die Abhängigkeit des Garantieanspruches bei dem einfachen selbständigen Garantievertrag, die durch den Nachweis des Garantiefalles entsteht, haben insbesondere im internationalen Wirtschaftsverkehr zur weiten Verbreitung der so genannten Garantie auf erstes Anfordern und dem ihr funktional vergleichbaren Standby Letter of Credit geführt (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 27). Die Bankgarantie dient grundsätzlich der Sicherung einer Verbindlichkeit des Auftraggebers der Bank gegenüber dem daraus Begünstigten. Sie entspricht insoweit grundsätzlich der Bürgschaft auf erstes Anfordern, bei welcher der Bürge sich verpflichtet, auf einfaches formalisiertes Verlangen des Gläubigers hin sofort und unter einstweiligem Verzicht auf Einwendungen zu zahlen (BGH NJW 2001, 1857 (1858)). Es sind daher die verschiedenen Rechtsverhältnisse zu unterscheiden, das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Begünstigtem, das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Bank sowie das Verhältnis zwischen Bank und Begünstigtem.
74
a) Valutaverhältnis (Verhältnis zwischen Auftraggeber und Begünstigtem). Das Valutaverhältnis ist grundsätzlich maßgeblich für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Garantie durch den Begünstigten. Besteht die durch die Garantie gesicherte Verbindlichkeit des Auftraggebers gegenüber dem Begünstigten nicht, kann der Auftraggeber vom Begünstigten verlangen, dass er die Bankgarantie nicht in Anspruch nimmt, auf die Rechte aus ihr verzichtet und die Garantieerklärung zurückgibt (BGH WM 1987, 367 (369); NJW 1984, 2037 (2038)). Allerdings gilt für die Garantie auf erstes Anfordern der Grundsatz, dass Einwendungen gegen die materielle Berechtigung der Ansprüche des Be-
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
995
günstigten erst nach Zahlung durch Rückforderungsklage gegen den Begünstigten geltend gemacht werden können. Nur in Fällen, in denen die missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung klar erkennbar, das heißt offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen (formeller Garantiefall) der Garantiefall im Valutaverhältnis (materieller Garantiefall) nicht eingetreten ist, scheitert der Zahlungsanspruch aus der Garantie am Einwand des Rechtsmissbrauchs (BGHZ 90, 287 (292); BGH WM 2000, 2334 (2335)) und es entfällt die Zahlungspflicht des Garanten. Streitfragen tatsächlicher oder rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind dagegen in einem eventuellen Rückforderungsprozess zwischen dem Auftraggeber und dem Begünstigten auszutragen (BGH NJW 2001, 282 (283 f.)). Damit hat das Valutaverhältnis, abgesehen von dem Fall der missbräuchlichen Inanspruchnahme, grundsätzlich keine Bedeutung für die Zahlungspflicht des Garanten gegenüber dem Begünstigtem. Liegt kein missbräuchliches Verhalten des Begünstigten vor, so spielt die Frage, ob die Forderung des Gläubigers im Valutaverhältnis (nicht mehr) besteht, keine Rolle (Reinicke/Tiedtke, Rn. 615). b) Deckungsverhältnis (Verhältnis zwischen Auftraggeber und Bank). Der Vertrag zwischen dem Auftraggeber und der Bank ist grundsätzlich als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter zu qualifizieren (Palandt-Sprau, v. § 765 Rn. 24). Aufgrund dieses Vertrages verpflichtet sich die Bank, bei Eintritt des Garantiefalles, grundsätzlich bei Vorliegen von Leistungsstörungen und unter Vorlage bestimmter Dokumente, an den Begünstigten bestimmte Beträge zu bezahlen. Gewährt eine Bank eine Garantie mit dem Wortlaut: „Zahlung auf erstes Anfordern, falls der Verkäufer den Lieferpflichten nicht nachkommt.“, so ist eine solche so genannte Effektivklausel (vgl. MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 32) in sich widersprüchlich: Einerseits soll Zahlung auf erstes Anfordern erfolgen, andererseits soll die Zahlung nur bei Vorliegen des materiellen Garantiefalles erfolgen (Schwintowski/Schäfer, § 10 Rn. 39). Solche Effektivklauseln sind daher aufgrund ihres Wortlautes und der näheren Vertragsumstände auszulegen (Schwintowski/Schäfer, § 10 Rn. 39). Die Bank darf aber die Garantie nur einlösen, wenn ihr keine Einwendungen gegen den Begünstigten zustehen (Palandt-Sprau, v. § 765 Rn. 24). Nach zutreffender Ansicht sollten Effektivklauseln im Zweifel zur Folge haben, dass der Eintritt des Garantiefalles, soweit auf ihn Bezug genommen wird, vom Begünstigten nachzuweisen und von der Bank zu überprüfen ist, dass im Übrigen aber auf erstes Anfordern zu leisten ist (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 32). Dies ist nicht der Fall, wenn der Garantievertrag als solcher unwirksam ist (Palandt-Sprau, v. § 765 Rn. 25), wenn der Anspruch aus dem Garantievertrag abgetreten worden ist (vgl. BGHZ 140, 49 (51)) oder wenn die formalen Anforderungen nicht eingehalten sind, dass heißt, wenn die Zahlungsaufforderung des Begünstigten nicht den im Garantievertrag festgelegten formellen Anforderungen entspricht (vgl. BGH NJW 2001, 282 (283)). Stehen der Bank solche Einwendungen gegen den Begünstigten zu, muss sie dem Begünstigten unverzüglich ihre Beanstandungen mitteilen, da sie sich ansonsten bis zur Höhe der Garantiesumme schadensersatzpflichtig macht (OLG Karlsruhe WM 1992, 2095). Kennt der Begünstigte die Mängel der Zahlungsaufforderung, entfällt die Beanstandungspflicht für die Bank (BGH NJW 1996, 1052 (1053)). Liegen die Voraussetzungen für eine Zahlung der Bank an den Begünstigen vor, erwirbt die Bank durch die Zahlung an den Begünstigten einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Auftraggeber nach § 670 BGB. Leistet die Bank dagegen an den Begünstigten, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, entfällt ihr Aufwendungsersatzanspruch gegen den Auftraggeber (Palandt-Sprau, v. § 765 Rn. 24) und dieser kann Unterlassung des Rückgriffes von der Bank fordern (OLG Frankfurt WM 1988, 1479 (1480)). Hat allerdings die Bank einen Aufwendungs-
Kulke
75
996
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
ersatzanspruch gegen den Auftraggeber, wird sich der Auftraggeber an den Begünstigten halten. 76
c) Garantievertrag (Verhältnis zwischen Bank und Begünstigtem). Durch den eigentlichen Garantievertrag verpflichtet sich die Bank gegenüber dem Begünstigten, bei Vorliegen des Garantiefalles einen bestimmten Betrag oder bestimmte Beträge an den Begünstigten zu bezahlen (Reinicke/Tiedtke, Rn. 610). Meistens ist in dem Garantievertrag Zahlung auf erstes Anfordern vereinbart, allerdings ist eine ausdrückliche Bezeichnung als derartige Garantie nicht erforderlich (OLG Saarbrücken ZIP 2001, 1318). Grundsätzlich gilt für die Inanspruchnahme der Garantie der formelle Garantiefall (BGHZ 140, 49 (51 f.)), also eine Zahlungsaufforderung des Begünstigten an den Garanten, die den im Garantievertrag festgelegten formellen Anforderungen entspricht (BGH NJW 2001, 282 (283); Canaris, ZIP 1998, 493). Dagegen muss der materielle Garantiefall im Verhältnis zwischen Bank und Begünstigtem nicht gegeben sein (Reinicke/Tiedtke, Rn. 615; Canaris, ZIP 1998, 493). Vielmehr bleiben diese Fragen im Rahmen der üblicherweise vorliegenden Garantie auf erstes Anfordern dem Rückforderungsprozess vorbehalten (BGH NJW 2001, 282 (283 f.); Reinicke/Tiedtke, Rn. 615). Nach vorherrschender Auffassung bedeutet dies, dass die Zahlungspflicht der Bank, sofern nicht im Garantievertrag ein anderes vereinbart ist, grundsätzlich unabhängig von den Einwendungen der Bank gegen den Auftraggeber aus dem Deckungsverhältnis und auch unabhängig von Einwendungen des Auftraggebers gegen den Begünstigten aus dem Valutaverhältnis besteht (Palandt-Sprau, Einf v § 765 Rn. 25; OLG Koblenz NJW-RR 2005, 1491; BGHZ 94, 167; kritisch hierzu Gröschler, JZ 1999, 822 (825 ff.)). Einwendungen des Auftraggebers gegen den Begünstigten sind nach vorherrschender Auffassung damit erst im Rückforderungsprozess des Auftraggebers gegen den Begünstigten zu beachten. Der Auftraggeber kann seine Rückforderung nach vorherrschender Auffassung auf § 812 I 1 Alt. 1 BGB stützen (BGHZ 140, 49 (53); Palandt-Sprau, Einf v § 765 Rn. 25). Nach anderer Auffassung dagegen soll der Rückforderungsanspruch des Auftraggebers gegen den Begünstigten, vergleichbar der Rechtslage bei der Sicherungsübereignung (MünchKommBGBHabersack, v. § 765 Rn. 29), aus der Sicherungsabrede folgen, vertraglicher Natur sein und nicht unter dem Vorbehalt des § 818 III BGB stehen (Einsele, JZ 1999, 466 (468); MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 29). Dagegen steht der Bank kein Bereicherungsanspruch gegen den Begünstigten zu (BGHZ 140, 49; Canaris, ZIP 1998, 493). Trotz aller Kritik an diesen Grundsätzen ist der vorherrschenden Auffassung zuzustimmen. Entsprechend der Situation bei den Überweisungsfällen (vgl. dazu zuletzt BGH NJW 2008, 2331, unter eingehender Auseinandersetzung mit der Kritik durch Teile der Lehre) und deren Modellcharakter (Medicus, Rn. 685) sollte ausgehend vom Leistungsbegriff die Rückabwicklung in den jeweiligen Leistungsverhältnissen erfolgen. Stehen Wertungskriterien einer solchen Rückabwicklung entgegen, so sollte ausnahmsweise auch eine Direktkondiktion der Bank als Garant gegen den Begünstigten zugelassen werden.
77
D. Patronatserklärung I. Begriff. Als weitere, atypische und damit gesetzlich nicht geregelte Personalsicherheit hat sich neben dem Schuldbeitritt und der Garantie die so genannte Patronatserklärung herausgebildet (vgl. Oetker/Maultzsch, § 15 Rn. 3), wobei die Bezeichnung „Patronatserklärung“ einen Sammelbegriff für eine Vielzahl von Erscheinungsformen bildet (von Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641; Reinicke/Tiedtke, Rn. 600; Schneider, ZIP 1989, 619 (620)). Die Erklärungen reichen von bloßen Wissensmitteilungen, Bonitätsbescheinigungen und Vertrauensbezeugungen über Zusagen, die Beteiligung an der Tochter auf-
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
997
recht zu erhalten oder ihr Vermögen nicht auszuhöhlen bis hin zu solchen Aussagen, welche ausdrücklich Ansprüche Dritter oder der Tochter gegen die Patronin begründen und im erstgenannten Fall (nach anderer Auffassung unter gewissen Umständen auch im zweitgenannten Fall) als Kreditsicherungsmittel anerkannt werden (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641) Eine grundlegende Unterscheidung aber stellt jene nach ganz vorherrschender Auffassung anerkannte Unterscheidung nach der so genannten „weichen“ und der so genannten „harten“ Patronatserklärung dar (Kiethe, ZIP 2005, 646 (647); ohne diese Terminologie, aber nach Absichtserklärung oder rechtsgeschäftlicher Verpflichtung unterscheidend Schneider, ZIP 1989, 619 (623)). Kennzeichnend für die harte Patronatserklärung ist der in jedem Fall gegebene Rechtsbindungswille, der rechtsverbindliche Charakter der Erklärung (Wittig, WM 2003, 1981 (1982)), welcher bei der weichen Patronatserklärung je nach Sachverhalt eventuell ausnahmsweise auch ermittelt werden kann (im Einzelnen ist es umstritten, inwieweit bei einer weichen Patronatserklärung überhaupt irgendeine Art der Haftung in Betracht kommt, siehe dazu unter II 1, 3). Patronatserklärungen haben letztlich wie andere Kreditsicherheiten auch das Ziel, einer Tochtergesellschaft einen Kredit zu verschaffen, allerdings soll dies anders als bei gängigen Kreditsicherheiten die Muttergesellschaft nichts kosten (vgl. Reinicke/Tiedtke, Rn. 600). Hauptmotiv für die Abgabe einer Patronatserklärung ist es, die aus klassischen Sicherheiten resultierenden Belastungen und die für Eventualverbindlichkeiten in Form von Bürgschaften und Gewährleistungsverträgen bestehende Pflicht zum Bilanzvermerk bzw. zum Ausweis im Geschäftsbericht nach §§ 251, 285 Nr. 3 HGB zu vermeiden (Lwowski/Scholz, S. 391 Rn. 441). Bedeutung hat die Beantwortung der Frage, ob die Kreditverschaffung die Muttergesellschaft tatsächlich nichts kostet. Sie beurteilt sich danach, ob eine weiche (dazu unten II) oder eine harte Patronatserklärung (dazu unten III) vorliegt (zu einer weitergehenden Unterscheidung siehe unten II 1 sowie eingehend Lwowski/Scholz, S. 393 ff.). II. Weiche Patronatserklärung. Die Abgrenzung der weichen Patronatserklärung von der harten Patronatserklärung ist aufgrund der Vielzahl von anzutreffenden Erscheinungsformen (vgl. MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 54) von der Rechtsfolge her zu bestimmen sowie von der bilanztechnischen Einordnung. Weiche Patronatserklärungen begründen nach vorherrschender Auffassung grundsätzlich keine rechtlichen Verpflichtungen des Patrons gegenüber dem Gläubiger (Reinicke/Tiedtke, Rn. 602). Hinsichtlich der weichen Patronatserklärung bedarf es daher nach zumindest vorherrschender Auffassung keines Rückgriffes auf die Vertragsfreiheit, da diese nur im rechtsgeschäftlichen Bereich von Bedeutung sein kann. Bei der weichen Patronatserklärung soll dem Patron aber gerade der Wille fehlen, rechtsgeschäftlich zu handeln und sich rechtlich zu etwas zu verpflichten (siehe dazu im Einzelnen unter 1). Hinsichtlich der Rechtsfolge der weichen Patronatserklärung lässt sich feststellen, dass trotz aller bestehenden Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall durch eine weiche Patronatserklärung keine unmittelbare Einstandspflicht der Patronin gegenüber dem Gläubiger bei Nichterfüllung des Kredits durch die Tochter begründet wird (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 54; Kiethe, ZIP 2005, 646 (647); Limmer, DStR 1993, 1750 (1751); Palandt/Sprau, v. § 765 Rn. 21). Kennzeichnend für die weiche Patronatserklärung ist es daher, dass durch sie keine Liquiditätsausstattungspflicht der Patronin gegenüber dem Gläubiger begründet wird. Des Weiteren besteht bei der weichen Patronatserklärung keine Pflicht des Patrons, sie in der Bilanz als Eventualverbindlichkeit auszuweisen, da sie nicht unter §§ 251, 268 VII HGB fällt (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 54). Dagegen ist der weitverbreiteten, wenn nicht sogar vorherrschenden Auffassung entgegenzutreten, dass es bei einer weichen Patronatserklärung dem Patron stets am Rechtsbindungswillen fehle
Kulke
78
998
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
(MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 54 („kein rechtsgeschäftlicher Charakter“, „Fehlen einer rechtsgeschäftlichen Bindung des Patrons ist für den Tochtergläubiger erkennbar“); Palandt/Sprau, v. § 765 Rn. 21 („erkennbar ohne Rechtsbindungswillen“); Wittig, WM 2003, 1981 (1982, insbes. Fn. 10, „rechtlich unverbindlich“); zu Recht vorsichtiger dagegen Kiethe, ZIP 2005, 646 (647, „fehlt regelmäßig ein Rechtsbindungswille der Patronin“); Reinicke/Tiedtke, Rn. 602 („begründen grundsätzlich keine rechtlichen Verpflichtungen des Patrons gegenüber dem Gläubiger“)). Es ist daher auch bei weichen Patronatserklärungen eine Differenzierung nicht nur möglich, sondern auch erforderlich und geboten. Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung sollte dabei das Gesetz sein, konkret § 241 I und II BGB. Damit ist zuvorderst nach einem Schuldverhältnis zu fragen. Ein solches kann als rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis durch Vertrag begründet werden, §§ 311 I, 145 ff. BGB, oder aber als vorvertragliches Schuldverhältnis, § 311 II BGB. Schließlich kann ein Schuldverhältnis auch zu Personen entstehen, die nicht Vertragspartner werden sollen, § 311 III BGB. Für eine weiche Patronatserklärung bestehen keine Formerfordernisse, so dass diese Erklärungen nicht nur mündlich, sondern auch in Form einer Presseerklärung oder eines Geschäftsberichtes abgegeben werden können (zu den weichen Patronatserklärungen „ad incertas personas“ vgl. eingehend Koch, 343 ff.). Bei bloß mündlich erklärten, weichen Patronatserklärungen können sich jedoch im Falle eines Schadensersatzverlangens erhebliche Beweisschwierigkeiten ergeben. Darüber hinaus können aus solchen bloß mündlich abgegebenen Erklärungen Risiken bei Unternehmenserwerb resultieren. Dies wiederum bedingt im Rahmen einer durchzuführenden Due-Diligence-Prüfung hohe Sorgfaltsanforderungen (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641). 79
1. Abstufungen. Entgegen der verbreiteten, vielleicht gar vorherrschenden Auffassung, dass aus einer weichen Patronatserklärung keinerlei rechtliche Konsequenzen für den Patron resultieren, da seine Erklärung für den Gläubiger erkennbar keinen Rechtsbindungswillen beinhalte, so dass weder ein Anspruch auf (eine wie auch immer geartete) Leistung besteht noch ein Anspruch auf Schadensersatz aus Vertrauenshaftung, auch nicht wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung (so OLG Karlsruhe, ZIP 1992, 1394; deutlich Wittig, WM 2003, 1981 (1982, insbes. Fn. 10)), muss auch bei einer weichen Patronatserklärung die Möglichkeit einer Haftung nicht a priori verneint werden (in diese Richtung überzeugend Kiethe, ZIP 2005, 646 (648, 650 f.); Limmer, DStR 1993, 1750 (1751)). Geboten ist vielmehr auch bei solchen Erklärungen, ihren genauen Aussagegehalt herauszuarbeiten (vgl. Fleischer, WM 1999, 666 (676)). Ist eine Haftung aus einer weichen Patronatserklärung damit nicht a priori ausgeschlossen, stellt sich die Frage nach einer möglichen Differenzierung (eingehend Koch, 343 ff.). Eine solche Differenzierung hat sich den Grundsätzen der Auslegung folgend an dem Wortlaut der Erklärung des Patrons zu orientieren. Es ist daher zu fragen, welcher Erklärungsgehalt der Erklärung vom objektiven Empfängerhorizont beizumessen ist. Erschöpft sich der objektive Erklärungsgehalt der Patronatserklärung lediglich in einer Mitteilung des Patrons an den Gläubiger vom Wissen um die Kreditaufnahme, so ist vom Fehlen eines jeglichen Rechtsbindungswillens auszugehen. Entsprechend den Grundsätzen der Differenzierung von Wissenserklärungen und Willenserklärungen (beispielsweise im Rahmen einer nach außen kundgemachten Innenvollmacht, vgl. Medicus, Rn. 97) kann diese Erklärung ohne weiteres als reine Wissenserklärung eingeordnet werden, der jeglicher rechtsgeschäftliche Charakter fehlt und an welche daher auch keinerlei Haftung anknüpft (Kiethe, ZIP 2005, 646 (651); Lwowski/Scholz, S. 394 Rn. 446). Fehlt es an einer Willenserklärung auf Seiten des Patrons, kann aber auch kein einseitig verpflichtender Vertrag zustande kommen, mag der Gläubiger auch noch so sehr eine entsprechende Annahme erklären. In einem solchen Fall
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
999
stellt die weiche Patronatserklärung lediglich eine so genannte good-will-Erklärung dar (Reinicke/Tiedtke, Rn. 602). Es besteht aus dieser Erklärung keinerlei Anspruch auf Leistung und es wird auch kein Vertrauenstatbestand erzeugt, auf welchen sich der Gläubiger für einen eventuellen Schadensersatzanspruch stützen könnte. Auf dieser ersten, untersten Stufe ist daher eine Haftung des Patrons aus allen rechtlichen Gesichtspunkten zu verneinen. Dieser ersten, untersten Stufe wird von der wohl vorherrschenden Auffassung der Fall gleichgestellt, dass die Erklärungen des Patrons gegenüber dem Gläubiger nicht die Kreditaufnahme als solche betreffen, sondern die Erklärung konkret Bezug auf die Rückzahlung eines ganz bestimmten Kredits, also auf die Verbindlichkeit des Schuldners, oder auf die Beteiligungsverhältnisse des Patrons an dem Schuldner nimmt (vgl. Kiethe, ZIP 2005, 646 (651); Limmer, DStR 1993, 1750 (1751); wohl auch Reinicke/Tiedtke, Rn. 602). So soll ein Rechtsbindungswille zu verneinen sein und es sich um eine reine Absichtserklärung handeln, wenn der Patron erklärt, es entspreche seiner Geschäftspolitik die Bonität der Tochter aufrechtzuerhalten oder die Tochter finanziell so auszustatten, dass diese sämtliche gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten erfüllen kann (Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)). Hier erscheint eine Differenzierung zu der ersten Stufe allerdings geboten. Mit der Erklärung, die auf die Rückzahlungsverpflichtung und nicht alleine auf die Kreditaufnahme als solche Bezug nimmt, wird ebenso wie mit der Erklärung hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse oder aber hinsichtlich der Ausstattung der Tochter mit den entsprechenden Mitteln ein Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen der Kreditgeber sich zur Kreditgewährung entscheidet. Anknüpfungspunkte hierfür bilden die § 311 II Nr. 3 (ähnliche geschäftliche Kontakte) und § 311 III 1, 2 BGB. Damit wäre es grundsätzlich möglich, ein Schuldverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Patron zur Entstehung gelangen zu lassen (Kiethe, ZIP 2005, 646 (651); eingehend hierzu Koch, 359 f. (383 ff.)).
80
Noch weitergehend ist auf einer dritten Stufe eine Erklärung des Patrons möglich, welche nicht nur die Beteiligungsverhältnisse an der Tochtergesellschaft, sondern konkret die hieraus resultierenden Einwirkungsmöglichkeiten des Patrons auf die Tochtergesellschaft hinsichtlich der Rückführung des Kredits betrifft, zum Beispiel bezogen auf die Geschäftsführung der Tochter (vgl. Kiethe, ZIP 2005, 646 (651); Limmer, DStR 1993, 1750 (1751)). Koch unterscheidet hier entsprechend den in der Rechtswirklichkeit gegebenen Möglichkeiten nach den verschiedenen Klauseln (Koch, 413 ff., so als Beispiele Managementklauseln, Kontrollklauseln, Einflussnahmeklauseln). Erklärt der Patron, die Tochtergesellschaft zur ordentlichen Kreditabwicklung anzuhalten und seine im Rahmen des Gesellschaftsrechts zulässigen Einflussmöglichkeiten auf die Tochtergeschäftsführung in diesem Sinne auszuüben, handelt es sich um solch konkrete Erklärungen, bei welchen es nicht verständlich wäre, hieran keinerlei Rechtsfolgen zu knüpfen (vgl. Limmer, DStR 1993, 1750 (1751); ähnlich Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)). Solche Erklärungen können beim Gläubiger zu Recht die Erwartung hervorrufen, der Patron werde für den Forderungsausgleich durch den Schuldner entsprechend Sorge tragen, so dass der Gläubiger (nur) aufgrund dieser Erklärung den Kredit gewährt und es zu einer Leistung des Gläubigers an den Schuldner, die Tochtergesellschaft kommt (Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)). Der Patron nimmt hiermit besonderes Vertrauen für sich in Anspruch, er ist nicht eine außen stehende Person, sondern er ist die Muttergesellschaft und er bezieht sich im Zusammenhang mit der Kreditvergabe des Gläubigers an den Schuldner, die Tochtergesellschaft, auf diese gesellschaftsrechtlich relevante Position (vgl. Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)). Das wird auch dann zu bejahen sein, wenn die Muttergesellschaft durch die wohl kalkulierte Erzeugung eines comforting effect Bedenken des Gläubigers des Tochterunternehmens
81
Kulke
1000
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
gezielt zerstreut und bewusst verharmlost (Fleischer, WM 1999, 666, 672 (676)). Damit kann zwischen dem Patron und dem Gläubiger ein Schuldverhältnis nach § 311 III 1, 2 BGB entstehen. Die Erklärungen des Patrons sind in diesem Rahmen dann immer noch nicht als harte Patronatserklärungen einzuordnen, und doch bewegen sie sich hart an der Grenze zur bürgschaftsähnlichen Verpflichtung (Fleischer, WM 1999, 666 (676, mit Formulierungsbeispielen auf S. 671, S. 672, S. 673 und S. 675)). 82
Auf einer vom Erklärungswert her noch weiter reichenden, vierten Stufe kann es durch eine weiche Patronatserklärung zu einem Vertragsschluss kommen, §§ 311 I, 145 ff. BGB, wenn der Erklärung tatsächlich ein rechtsverbindlicher Charakter zukommt. Handelt es sich bei der Erklärung des Patrons tatsächlich um eine Willenserklärung und nicht um eine reine Wissenserklärung, so kann diese Willenserklärung als Angebot auf Abschluss eines Vertrages verstanden werden, § 145 BGB. Ein solches Angebot auf Abschluss eines Vertrages kann in der Erklärung des Patrons gegenüber dem Gläubiger liegen, Alleingesellschafter des Schuldners zu sein und dass er, der Patron, seine Tochtergesellschaft, die Schuldnerin, in allen wesentlichen Angelegenheiten kontrolliere (vgl. Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)). Trifft der Gläubiger dann seine Entscheidung für den Patron erkennbar in Abhängigkeit von diesen Aussagen, wird deutlich, dass der Patron dem Gläubiger dann Auskunft unter Beobachtung aller Sorgfaltspflichten nach bestem Wissen und Gewissen schuldet (Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)). Erforderlich, aber auch ausreichend für eine solche Willenserklärung ist nach der vorherrschenden Auffassung ein Handlungswille des Erklärenden und ein potentielles Erklärungsbewusstsein (Erklärungsfahrlässigkeit), so dass ein Angebot auch als Willenserklärung kraft Zurechnung von dem Patron abgegeben werden kann. Ein solches Angebot kraft Zurechnung liegt vor, wenn es sich dem äußerlichen Anschein nach um eine Willenserklärung handelt, der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass der Erklärungsempfänger, also der Gläubiger, die Erklärung nur als verbindliche Willenserklärung verstehen konnte und der Erklärungsempfänger schutzwürdig ist in seinem Vertrauen auf den Bestand einer Willenserklärung (grundlegend für die Bürgschaft BGHZ 91, 324 (331)). In diesem Fall wird dem Erklärenden das Verhalten als Willenserklärung zugerechnet, obwohl der Erklärende ohne Erklärungswillen (Erklärungsbewusstsein) handelt. Aus dem fehlenden Erklärungswillen (Erklärungsbewusstsein) lässt sich daher nicht schließen, dass es an einer rechtlich bindenden Erklärung fehle. Zu berücksichtigen sind hierbei im Einzelfall der jeweilige Erklärungsinhalt, der Handelsbrauch in der Unternehmenspraxis, die besonderen Umstände des Einzelfalles, unter denen die Erklärung abgegeben worden ist, sowie einerseits die Vermögensdispositionen, die von der anderen Seite im Blick auf die Erklärungen getroffen werden und andererseits die Risiken, die der Erklärende eingeht (Schneider, ZIP 1989, 619 (624)). Liegt ein Angebot des Patrons auf Abschluss eines Vertrages vor, so kann dies vom Gläubiger angenommen werden. Nach dem Inhalt der Leistungspflichten wird in der Regel ein Auskunftsvertrag zwischen dem Gläubiger und dem Patron wirksam zustande kommen, §§ 662 ff. BGB (vgl. MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 54; Kiethe, ZIP 2005, 646 (651); v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641), wobei dann Zweifel an der Unentgeltlichkeit der Geschäftsbesorgung Auskunftserteilung bestehen können, wenn der Patron von der Darlehensgewährung an die Tochtergesellschaft profitiert. Aufgrund dieses Auskunftsvertrages ist genau zu ermitteln, welche Auskunft der Patron dem Gläubiger schuldet, beispielsweise hinsichtlich des Haltens oder der Aufgabe der Beteiligung, der Möglichkeit der Kontrolle und weiterer Maßnahmen, beispielsweise zur ständigen Kontrolle des Tilgungsverhaltens, zur ständigen Kontrolle des gesamten Finanzgeschehens oder zur Durchführung weiterer Überwachungs- und Geschäftsführungspflichten (vgl. Limmer,
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
1001
DStR 1993, 1750 (1751)). Diese vierte Stufe der weichen Patronatserklärung stellt zugleich die schärfste Form der weichen Patronatserklärung dar. 2. Formulierungsbeispiele. Folgt man einer abgestuften Einordnung der weichen Patronatserklärungen, so können die Formulierungen auch je nachdem, worauf sich die Erklärungen beziehen, zuverlässig eingeordnet werden. Als reine Wissensmitteilungen, die keinerlei Haftung, gleich aus welchem rechtlichen Grunde, auslösen, können die folgenden Erklärungen gelten. „Wir haben von der Kreditaufnahme unserer Tochtergesellschaft Kenntnis genommen.“, oder „Wir haben von der Kreditaufnahme unserer Tochtergesellschaft Kenntnis genommen und sind damit einverstanden.“, oder „Wir stehen hinter unserer Tochtergesellschaft und sind mit der Kreditaufnahme einverstanden“ (vgl. Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)). Auch nach der differenzierenden, aber hierzu wohl überwiegend vertretenen Auffassung sollen aber Erklärungen wie die folgenden ebenfalls keine Haftung auslösen können: „Die Muttergesellschaft sieht Verbindlichkeiten der Tochter immer als eigene an“ (Limmer, DStR 1993, 1750 (1751)), oder „Es entspricht unserer Geschäftspolitik, die Bonität unserer Tochter aufrecht zu erhalten“, oder „Wir werden unsere Tochter finanziell so ausstatten, dass sie ihre sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten zu erfüllen in der Lage ist“ (Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)), oder „Wir haben mit Rücksicht auf unser Ansehen Verbindlichkeiten unserer Tochter stets so betrachtet wie eigene Verbindlichkeiten“, „Die Firma ist eine 100%-ige Tochtergesellschaft von uns. Ihre Leitung genießt unser Vertrauen“, oder aber „Weiterhin möchten wir bemerken, dass es unser Prinzip ist, die Bonität unserer Tochter aufrechtzuerhalten“ (Reinicke/Tiedtke, Rn. 602). Nach der hier vertretenen Auffassung ist dieser Sicht zu widersprechen. Die Erklärung des Patrons zielt konkret auf die Erzeugung eines Vertrauenstatbestandes, so dass bei einer solchen Erklärung die zweite Stufe erreicht und der Grad der Unverbindlichkeit überschritten ist. Sowohl die dritte als auch die vierte Stufe einer weichen Patronatserklärung können nach der hier vertretenen Auffassung aber erreicht sein, wenn die Erklärung wie folgt lautet: „Die Schuldnerin ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von uns und wir werden unseren Einfluss bei ihr geltend machen, damit sie ihrer Verbindlichkeit aus dem Kreditvertrag mit Ihnen nachkommt“, „Wir werden darüber wachen, dass unsere Tochtergesellschaft jederzeit zur Rückzahlung des Kredites bei Ihnen in der Lage ist“, „Wir werden unsere Beteiligung an der Tochtergesellschaft während der Laufzeit des Kredites aufrecht erhalten beziehungsweise unverändert beibehalten“, oder „Wir beabsichtigen nicht, die Beteiligung während der Laufzeit des Kredites zu reduzieren oder aufzugeben“ (vgl. zu letzterer v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641). Ausreichend für eine Vertrauenshaftung ist entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe (ZIP 1992, 1394, bestätigt durch den BGH DStR 1993, 1753) auch eine Formulierung wie die folgende: „Wir werden unseren Einfluss als Kapitaleignerin der Schuldnerin in der Weise geltend machen, dass diese ihrer Darlehensverbindlichkeit Ihnen gegenüber vereinbarungsgemäß nachkommt.“. Bei dieser Erklärung vertraut die Gläubigerin darauf, dass die Muttergesellschaft auch wirklich Kontroll- und Mitwirkungspflichten wahrnimmt (vgl. Limmer, DStR 1993, 1750 (1752)).
83
3. Rechtsfolge. Im Rahmen einer solchen differenzierenden Betrachtung, wie sie von einer zumindest verbreiteten Auffassung vorgenommen wird, besteht damit auch bei weichen Patronatserklärungen grundsätzlich die Möglichkeit einer Haftung des Patrons (vgl. auch Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 22; v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641). Die Haftung kann aber bei einer solchen Betrachtung nicht zu dem gleichen Ziel führen, wie dies bei der harten Patronatserklärung der Fall ist. Möglich ist damit nicht eine Haftung auf das Interesse statt der Leistung, also auf das Erfüllungsinteresse, sondern in Betracht kommen kann nur eine Haftung auf den Ersatz des negativen Interesses (des Vertrauensinteresses).
84
Kulke
1002
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Allerdings kann der Anspruch auf das negative Interesse auf verschiedenen Gründen beruhen. Möglich ist dabei sowohl die Haftung aus §§ 280 I 1, 2, 311 II Nr. 3, 241 II, 249 I BGB (so das OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 178) als auch wegen Pflichtverletzung eines Auskunftsvertrages gemäß §§ 280 I 1, 2, 662, 249 I BGB (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641). Schwierigkeiten werden sich bei der Frage der Pflichtverletzung immer ergeben, wenn die Frage lautet, welche Pflicht konkret der Patron verletzt haben soll. Dies allein rechtfertigt es aber nach der hier vertretenen Auffassung nicht, dass der Patron keinerlei Konsequenzen aus dieser Erklärung zu tragen verpflichtet ist. Im Zweifel lassen sich aus den Umständen nähere Pflichten, sei es zur Mitwirkung oder zur Kontrolle, ermitteln, so dass eine Haftung des Patrons auf das negative Interesse gerechtfertigt erscheint. Hierbei könnten zugunsten des Gläubigers die Rechtsinstitute der sekundären Behauptungslast und des Vortrages auf der Grundlage einer zivilrechtlichen Vermutungsbasis herangezogen werden (Kiethe, ZIP 2005, 646 (651)). Für die hier vertretene Auffassung dürfte auch § 311 III 1, 2 BGB sprechen. In jedem Fall sollte es nicht alleine bei einer Verneinung jeglicher rechtlicher Verpflichtung des Patrons gegenüber dem Gläubiger bleiben, wie es Reinicke/Tiedtke meinen: „Diese Erwägungen zeigen, dass die Muttergesellschaft sich mit schönen Worten begnügt hat und keine rechtlichen Verpflichtungen eingegangen ist.“ (Reinicke/Tiedtke, Rn. 603). 85
III. Harte Patronatserklärung. Die wohl vorherrschende Auffassung hat in der Praxis dazu geführt, dass sich die Kreditgeber nicht mit warmen und schönen Worten zufrieden geben. Sie wollen – wenn überhaupt, wie zum Beispiel das OLG Düsseldorf (GmbHR 2003, 178) – keine Haftung auf das negative Interesse, sondern eine Möglichkeit der Schadloshaltung für den Fall, dass der Schuldner seiner Verpflichtung aus dem Kreditvertrag nicht nachkommt. Die Gläubiger wollen eine echte Kreditsicherheit (Wittig, WM 2003, 1981 (1982)). Diese erhalten sie mit der harten Patronatserklärung. Die harte Patronatserklärung verpflichtet den Patron gegenüber dem Gläubiger, ähnlich einem Garanten für den garantierten Erfolg einzustehen. Da dieser Erfolg zumeist darin begründet sein wird, dass eine Tochtergesellschaft ihre Verpflichtungen gegenüber einem Kreditunternehmen erfüllen wird, besteht die geschuldete Leistung in der entsprechenden Ausstattung des Tochterunternehmens mit den hierzu erforderlichen Mitteln oder aber direkt in der Zahlung der entsprechenden Mittel im Wege der Leistung des Schadensersatzes statt der Leistung (v. Bernuth, ZIP 1999, 1501 (1502 f.); Fleischer, WM 1999, 666 (667 f.); Kiethe, ZIP 2005, 646 (647)); Reinicke/Tiedtke, Rn. 604; v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (642)). Gegenstand der harten Patronatserklärung ist damit eine konkrete Liquiditätsausstattungspflicht.
86
1. Einordnung und Rechtsnatur. Eine Patronatserklärung kann den Patron (Erklärenden) gegenüber einem Gläubiger zu einer bürgschaftsähnlichen Kapitalausstattung des Schuldners (i.d.R. konzernabhängiges Tochterunternehmen) verpflichten. Dann handelt es sich um eine klassische harte Patronatserklärung. Bei harten Patronatserklärungen handelt es sich nach vorherrschender Auffassung um mittlerweile wohl vertraute Kreditsicherungsformen, die in ihrer rechtlichen Substanz zuverlässig eingeordnet werden können (Wittig, WM 2003, 1981 (1982)) und vor allem in Konzernverhältnissen zur Anwendung gelangen (Fleischer, WM 1999, 666), da als Patron häufig eine dem Schuldner übergeordnete Gesellschaft auftritt (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 54). Zwingend ist dies jedoch nicht (vgl. unten 2). Eine zuverlässige rechtliche Einordnung ist durch Auslegung der entsprechenden Erklärungen möglich, wobei die dogmatische Einordnung der „harten“ Patronatserklärung im Einzelnen durchaus umstritten ist. Neben der Einordnung der „harten“ Patronatserklärung als atypischer Garantievertrag, als Kreditauftrag oder als einseitig verpflichtender Vertrag sui generis (v. Rosenberg/Kruse, BB
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
1003
2003, 641) überwiegen die Stimmen, welche die Patronatserklärung in der Nähe zur Bürgschaft oder zum Garantievertrag sehen (zur Rechtsnatur der Patronatserklärung vgl. eingehend Koch, 107 ff.). Am überzeugendsten erscheint es, die Patronatserklärung als eigene atypische Personalsicherheit anzusehen, die je nach konkreter inhaltlicher Ausgestaltung dem Garantievertrag oder der Bürgschaft näher steht (in diesem Sinne wohl Koch, 127 f.). Allgemein wird die Verpflichtung des Patrons, dem Gläubiger neben dem Schuldner für die Leistung auf dasselbe zu haften, als ein der Bürgschaft oder der Garantieerklärung vergleichbares Sicherungsmittel angesehen (BGHZ 117, 127 (132); BGH WM 2003, 1178 (1179); OLG Rostock, MDR 2005, 1277 („garantie- und bürgschaftsähnliches Rechtsinstitut“); OLG Schleswig, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4 („garantieähnlicher Charakter der Patronatserklärung“); MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 50 („bürgschaftsähnliche Kapitalausstattungspflicht“); Kiethe, ZIP 2005, 646 (647, „ harte Patronatserklärung kommt hinsichtlich ihres Sicherheitenwertes einer Bürgschaft oder Garantie sehr nahe“); Limmer, DStR 1993, 1750 („am ehesten mit einer Bürgschaft oder Garantie vergleichbar“); v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 („bürgschaftsähnliche harte Patronatserklärung“); Wittig, WM 2003, 1981 (1982, „wirtschaftliches Ergebnis ähnlich wie eine Garantie oder Bürgschaft“)). 2. Sicherungsgeber und Sicherungszweck bei der harten Patronatserklärung. Wenn auch das Institut der harten Patronatserklärung aus dem Konzernzusammenhang herrührt und dort seine wesentliche Bedeutung findet, kann die harte Patronatserklärung auch durch andere Personen und in anderen Bereichen als echte Kreditsicherheit vereinbart werden (Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4 C. 3.). Nach Auffassung von Wittig kommen als Sicherungsgeber für eine harte Patronatserklärung ohnehin nur Muttergesellschaften in Betracht, die Allein- oder Mehrheitsgesellschafter des Kreditnehmers sind (Wittig, WM 2003, 1981 (1982); ähnlich wohl auch Schneider, ZIP 1989, 619 (620), der ausschließlich von Patronatserklärungen der Muttergesellschaft spricht), um den Einwand zu vermeiden, dass der Patron gegenüber den anderen Gesellschaftern die erforderliche Ausstattung nicht hat durchsetzen können. Zugleich empfiehlt er auch bei harten Patronatserklärungen nur Handelsgesellschaften als Sicherungsgeber zu akzeptieren, während bei natürlichen Personen nur das Sicherungsmittel der Bürgschaft verwendet werden sollte (Wittig, WM 2003, 1981 (1983)). Trotzdem können nicht nur juristische Personen und Personen(handels)gesellschaften als Sicherungsgeber Vertragspartner eines Patronatsvertrages sein, sondern vielmehr auch natürliche Personen. (vgl. OLG Rostock MDR 2005, 1277; OLG Schleswig jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4; OLG Düsseldorf WM 1989, 1642). Eine Beschränkung im persönlichen Anwendungsbereich besteht nicht (Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4 C. 3.). Allerdings werden sich natürliche Personen nicht immer klar sein über die Reichweite ihrer Erklärung. Daher sollte bei natürlichen Personen dem Vorschlag Wittigs gefolgt werden, mit diesen nur Bürgschaftsverträge abzuschließen und der Anwendungsbereich von harten Patronatserklärungen auf juristische Personen und Personen(handels)gesellschaften beschränkt werden. Andernfalls sollten an eine harte Patronatserklärung durch eine natürliche Person sehr hohe Anforderungen zu stellen sein. Die Entscheidung des OLG Rostock (MDR 2005, 1277) verdient insoweit keine Zustimmung, als dass keine Auseinandersetzung mit der Frage erfolgt, inwieweit im vorliegenden Fall nicht doch eher von einer Bürgschaft gemäß §§ 765 ff. BGB oder einem dem Schuldner günstigeren Sicherungsrecht auszugehen war. Hier sollte bei natürlichen Personen eine widerlegbare Vermutung zugunsten des Sicherungsgebers gelten, dass eine Bürgschaft und keine harte Patronatserklärung gewollt ist. Hinsichtlich des Sicherungszwecks ist eine harte Patronatserklärung nicht beschränkt auf die Pflicht zur Kapitalausstattung eines Kreditnehmers. So ist eine harte Patronatser-
Kulke
87
1004
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
klärung auch denkbar, wenn der Geschäftsführer einer GmbH Co & KG, welche von einem Vermieter Gewerberäume anmietet, bei Vertragsschluss des Mietvertrages gegenüber dem Vermieter eine schriftliche Zusicherung abgibt, die Mieterin für die Zeit des Bestehens von Verpflichtungen aus dem Mietvertrag finanziell so auszustatten, dass diese stets alle Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllen kann (OLG Schleswig jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4). Allerdings kann die Reichweite des Sicherungszwecks von Bedeutung sein für die Frage nach der Wirksamkeit einer harten Patronatserklärung (siehe unten 5 b). 88
3. Zustandekommen der harten Patronatserklärung. Patronatserklärungen kommen, entgegen ihrer Bezeichnung, nicht als einseitiges Rechtsgeschäft, sondern als einseitig verpflichtender Vertrag zustande (v. Bernuth, ZIP 1999, 1501 (1502); Reinicke/Tiedtke, Rn. 601; v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641; Wittig, WM 2003, 1981 (1987)). Als Sicherungsgeber einer harten Patronatserklärung kommen dabei sowohl juristische als auch natürliche Personen in Betracht (siehe dazu noch sogleich). Ebenso wie bereits beim Schuldbeitritt erörtert, soll auch bei der harten Patronatserklärung ein Zugang der Annahmeerklärung des Gläubigers bei dem Patron gemäß § 151 BGB entbehrlich sein (v. Bernuth, ZIP 1999, 1501 (1502); Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4 C. 1.; Wittig, WM 2003, 1981 (1987); LG Berlin WM 2000, 1060). Dem ist zuzustimmen, soweit die harte Patronatserklärung von einer Muttergesellschaft abgegeben wird. Dagegen sollte § 151 BGB nicht zur Anwendung gelangen, wenn die harte Patronatserklärung von einer natürlichen Person abgegeben wird (vgl. den Fall des OLG Rostock MDR 2005, 1277: Erklärung des Vaters gegenüber dem Gläubiger seines Sohnes, dessen Verbindlichkeit werde bis zu einem bestimmten Zeitpunkt getilgt und er werde seinem Sohn zu diesem Zweck ein Darlehen gewähren). Nach bestrittener, aber wohl vorherrschender Auffassung besteht für die harte Patronatserklärung kein Formerfordernis, die Vorschrift des § 766 BGB gilt nicht analog (vgl. v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641; für eine Analogie dagegen MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 51, dem zufolge die §§ 765 ff., 401 BGB grundsätzlich entsprechende Anwendung finden sollten; offen gelassen von OLG Rostock MDR 2005, 1277). Allerdings sollte auch hier nach der Person des Sicherungsgebers differenziert werden. Handelt es sich bei dem Sicherungsgeber um eine natürliche Person, sollte die Vorschrift des § 766 BGB entsprechende Anwendung finden. In der Regel wird bei den herkömmlichen Sicherungsgebern einer Patronatserklärung ohnehin die Vorschrift des § 766 S. 1 BGB wegen § 350 HGB keine besondere Bedeutung erlangen (vgl. MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 51).
89
Das Zustandekommen der Patronatserklärung ist ebenso wie bei dem Schuldbeitritt und dem selbständigen Garantievertrag sowohl als Vertrag zwischen Gläubiger und Patron oder aber auch als Vertrag zwischen Schuldner und Patron denkbar (vgl. Kiethe, ZIP 2005, 646 (649 f.)). Dabei ist es üblich, in Konzernverhältnissen die Patronatserklärung des Patrons gegenüber dem Gläubiger als konzernexterne Patronatserklärung und die Patronatserklärung des Patrons gegenüber dem Schuldner als konzerninterne Patronatserklärung zu bezeichnen (vgl. v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (641 f.); Schneider, ZIP 1989, 619 (620)). Die gegenüber dem Gläubiger abgegebene harte Patronatserklärung, gleich ob konzernextern oder anderweitig extern, ist kein Vertrag zu Gunsten des Schuldners im Sinne des § 328 I BGB, weil der Schuldner hierdurch nur reflexartig begünstigt wird (Kiethe, ZIP 2005, 646 (648)). Zu beachten ist bei der konzerninternen Patronatserklärung, welche auch als Liquiditätsgarantie, Liquiditätshilfegarantie oder Liquiditätszusage bezeichnet wird (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (642)), dass diese für sich genommen keine Rechte des Gläubigers begründen kann, sondern lediglich ein aufschiebend bedingtes Darlehensversprechen gemäß § 488 BGB gegenüber dem Schuldner darstellt (Kiethe, ZIP 2005, 646 (649 f.)), wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
1005
gegeben sind (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (642)). Ob das bejaht werden kann, ist im Einzelfall zu ermitteln (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (642)). Das OLG Celle (OLGR 2001, 39) und das LG München (Urt. v. 25. 2. 2004 – 5 O 6088/02) haben das Vorliegen einer harten Patronatserklärung in dem Fall der lediglich internen Patronatserklärung des Patrons gegenüber dem Schuldner, der Patron werde ihn in die Lage versetzen, seine Verpflichtungen fristgemäß zu erfüllen, verneint und dem Insolvenzverwalter der Schuldnerin einen Anspruch auf Zahlung ausgefallener Forderungen versagt, da ein etwaiger Anspruch jedenfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens untergegangen sei. Letztgenanntes Argument vermag nicht zu überzeugen, da die Ausstattungszusage des Patrons gerade im Insolvenzfall ihre eigentliche Bedeutung erlangt (Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4 C. 1). Es ist daher der Auffassung des OLG München (OLG München ZIP 2004, 2102) zu folgen, dem zufolge auch die alleine gegenüber einem Schuldner intern abgegebene Ausstattungszusicherung einen Sonderfall beziehungsweise einen Unterfall der harten Patronatserklärung darstellt. Wenn durch Auslegung ermittelt werden kann, dass der Patron gegenüber dem Schuldner eine rechtsverbindliche Einstandspflicht eingegangen ist, dann bestehen diesbezüglich Ansprüche des Schuldners. Von der Frage, ob eine interne Patronatserklärung überhaupt eine Haftung des Patrons gegenüber dem Schuldner auslösen kann, ist die Frage zu unterscheiden, inwieweit durch eine interne Patronatserklärung auch der Gläubiger berechtigt werden kann. Denn der Gläubiger könnte aus einer solchen konzerninternen Patronatserklärung, die die Patronin alleine gegenüber dem Schuldner abgegeben hat, Ansprüche nur herleiten, wenn die Voraussetzungen des § 328 BGB erfüllt sind, also regelmäßig nur dann, wenn der Schuldner die Patronatserklärung dem Gläubiger bei den Vertragsverhandlungen auch vorgelegt hat (Kiethe, ZIP 2005, 646 (650)). Ob aber die Begründung eines Anspruches des Gläubigers unmittelbar gegen den Patron über die Konstruktion eines echten Vertrages zu Gunsten Dritter überhaupt möglich ist, ob also die konzerninterne harte Patronatserklärung überhaupt als echter Vertrag zu Gunsten Dritter abgeschlossen werden kann, ist im Einzelnen umstritten. Folgt nicht unmittelbar aus der Erklärung eine Auslegung als echter Vertrag zu Gunsten Dritter (vgl. v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (642)), so wird eine Möglichkeit zur Einordnung der harten konzerninternen Patronatserklärung als echter Vertrag zu Gunsten Dritter von der wohl vorherrschenden Auffassung im Schrifttum a priori verneint (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (642, m. w. N. in Fn. 14); gegen eine solche „allgemeine Aussage“ aber auch zutreffend Schneider, ZIP 1989, 619 (623)). Allerdings vermag dies vor allem unter Berücksichtigung der Argumente nicht zwingend zu überzeugen, die von dieser wohl überwiegenden Auffassung herangezogen werden. Soweit darauf abgestellt wird, dass eine Außenhaftung des Patrons gegenüber dem Gläubiger durch ein mit dem Schuldner, also der Tochtergesellschaft, vereinbartes Verwendungsverbot dieser Patronatserklärung gegenüber dem Gläubiger gerade vermieden werden soll, bleiben zwei wesentliche Punkte außer Acht. Zum einen ist an das schutzwürdige Interesse des Gläubigers zu denken, dem eine solche Patronatserklärung im Rahmen von Vertragsverhandlungen mit dem Schuldner vorgelegt wird und der von einem etwaigen Verwendungsverbot nichts weiß; zum anderen liegt der Gedanke an eine Rechtsscheinshaftung des Patrons und damit verbunden die Frage nach der Rechtsfolge hieraus nahe. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Patron in der Regel davon ausgehen darf, dass eine Kreditaufnahme durch die Patronatserklärung erheblich erleichtert, wenn nicht gerade erst ermöglicht wird. Daher sollte eine Einordnung der konzerninternen harten Patronatserklärung als echter Vertrag zu Gunsten Dritter danach vorgenommen werden, ob Patron und Schuldner vereinbaren, dass letzterer im Rahmen von Vertragsverhand-
Kulke
90
1006
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
lungen mit potentiellen Gläubigern berechtigt ist, die Patronatserklärung vorzulegen, um damit seine Verhandlungsposition zu stärken. Ist dies der Fall, stellt die Patronatserklärung einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter dar (Schneider, ZIP 1989, 619 (623); dagegen v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (643), die letztlich aber doch konzedieren müssen, dass in einem solchen Fall für den Patron ein erhebliches Risiko besteht, dass der Tochtergläubiger die Offenlegung der Erklärung als Angebot des Patrons auf Abschluss eines Patronatsvertrages verstehen durfte, aus welchem ihm der Patron bei Zahlungsunfähigkeit der Tochter unmittelbar haftet). Anders mag dagegen der Fall zu beurteilen sein, wenn der Patron die Patronatserklärung dem Schuldner überlässt und die Parteien nicht ausdrücklich vereinbaren, dass die Erklärung vom Schuldner vorgelegt werden darf oder kann. Hier muss der Patron in der Regel damit rechnen, dass der Schuldner zur Verbesserung seiner Verhandlungsposition die Patronatserklärung dem potentiellen Gläubiger vorlegt. Dies alleine für sich genommen rechtfertigt es allerdings nicht, die Patronatserklärung als echten Vertrag zu Gunsten Dritter zu klassifizieren. In Betracht kommt hier jedoch eine Rechtsscheinhaftung nach den allgemeinen Grundsätzen. Von besonderer Bedeutung kann in einem solchen Fall auch die Frage nach einer Rechtsscheinvollmacht sein, wenn der Schuldner in fremdem Namen handelnd die Patronatserklärung vorlegt (vgl. v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (643, 646)). Besteht ein Anspruch des Schuldners gegen den Patron aus einer internen Patronatserklärung, so verbleibt für die Gläubiger des Schuldners die Möglichkeit, den Patron aus abgetretenem Recht in Anspruch zu nehmen. Dies gilt aber auch nur, soweit der Patron und der Schuldner kein ausdrückliches Abtretungsverbot (§ 399 Alt. 2 BGB) vereinbart haben und ein solches auch nicht konkludent den Gesamtumständen entnommen werden kann (vgl. hierzu v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (643 f.)). Zwar ist der Anspruch des Schuldners auf Krediteinräumung und Ausnutzung des Darlehens höchstpersönlicher Natur und daher nicht abtretbar; dagegen aber ist der Anspruch auf Auszahlung abtretbar (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (644)). 91
4. Abgrenzungen. Schwierigkeiten bereitet eine eindeutige Einordnung der harten Patronatserklärung als rein bürgschaftsähnlich, weil die gesetzliche Vorstellung der Haftung des Bürgen von einer nachrangigen Haftung ausgeht (vgl. §§ 771, 774 BGB), die jedoch dann unmittelbar zu einem Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen führt. Dagegen führt die harte Patronatserklärung nicht zu einer nachrangigen Haftung des Patrons, vielmehr begründet eine harte Patronatserklärung eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen Schuldner und Patron, §§ 421 ff. BGB (BGHZ 43, 227 (229 ff.); BGH NJW 1992, 2093 (2095); Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 24/2005, Anm. 4, C. 2.). Aber der Anspruch des Gläubigers richtet sich zuvörderst nicht auf Zahlung des Patrons an ihn, den Gläubiger selbst. Vielmehr wird ein Anspruch des Gläubigers gegen den Patron begründet, dass der Patron den Schuldner mit allen erforderlichen Mitteln ausstattet, so dass der Schuldner seine Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger zu erfüllen in die Lage versetzt wird. Dies stellt einen signifikanten Unterschied zur Bürgschaft dar, denn der Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen ist im Rahmen einer Bürgschaft nicht darauf gerichtet, dass der Bürge dem Hauptschuldner durch Leistung in die Lage versetzt, den Anspruch des Gläubigers zu erfüllen (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 50; in diesem Sinne auch Oetker/Maultzsch, § 13 Rn. 21). Auch trägt der Bürge nicht das Risiko, dass er mehrmals zur Zahlung verpflichtet ist, weil der Hauptschuldner die überlassenen Mittel zweckwidrig verwendet; eine solche Situation ist bei der Bürgschaft schwer vorstellbar, weil der Bürge in der Regel an den Gläubiger leisten wird. Dazu ist er verpflichtet. Der Patron ist aber originär zur Leistung an den Schuldner verpflichtet und trägt daher auch das Risiko, mehrfach leisten zu müssen, wenn der Schuldner die ihm überlassenen Mittel
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
1007
zweckwidrig verwendet (Kiethe, ZIP 2005, 646 (648 f.)). Daher ist die harte Patronatserklärung von der Bürgschaft danach abzugrenzen, ob unmittelbar und direkt ein Anspruch des Gläubigers gegen den Sicherungsgeber begründet werden soll (dann Bürgschaft, §§ 765 ff. BGB) oder ob der Anspruch des Gläubigers gegen den Sicherungsgeber darauf gerichtet ist, den Schuldner mit Kapital auszustatten, so dass dieser seine Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger erfüllen kann (dann harte Patronatserklärung). Darüber hinaus sollte auch nach dem bereits oben Gesagten eine harte Patronatserklärung bei natürlichen Personen als Sicherungsgeber nur angenommen werden, wenn es sich um geschäftserfahrene Personen handelt und der Erklärungsinhalt hinsichtlich der übernommenen Verpflichtungen eindeutig ist und keine andere Auslegung zulässt. Anderenfalls sollte das dem Sicherungsgeber günstigere Sicherungsrecht angenommen werden (siehe schon oben B III 3). Die schuldrechtliche Verlustdeckungszusage und die harte Patronatserklärung stehen nahe beieinander, da beide den Sicherungsgeber verpflichten, den Schuldner mit Kapital auszustatten. Allerdings zielt die schuldrechtliche Verlustdeckungszusage auf den Ausgleich von Verlusten, die wesentlich weiterreichen können als alleine die Kapitalüberlassung an den Schuldner zur Befriedigung einer Kreditverbindlichkeit. Zum anderen wird eine schuldrechtliche Verlustdeckungszusage in erster Linie vom Sicherungsgeber, also in der Regel dem Gesellschafter, gegenüber dem Schuldner erklärt, während die harte Patronatserklärung zumindest doch eher für den Regelfall zwischen Sicherungsgeber und Gläubiger vereinbart wird. 5. Zulässigkeit. Die Zulässigkeit der „harten Patronatserklärung“ folgt aus der Vertragsfreiheit und § 311 BGB (Reinicke/Tiedtke, Rn. 426). Nach der vorherrschenden Auffassung in Rechtsprechung (BGHZ 117, 127 (129); OLG München WM 1999, 686) und Schrifttum (v. Bernuth, ZIP 1999, 1501 (1507); Fleischer, WM 1999, 666 (670 f.); Kiethe, ZIP 2005, 646 (651 f.); Reinicke/Tiedtke, Rn. 432; Wittig, WM 2003, 1981 (1983 f.)) bestehen gegen die Zulässigkeit einer harten Patronatserklärung weder unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Bestimmbarkeit des Leistungsgegenstandes (v. Bernuth, ZIP 1999, 1501 (1503 f.)) noch unter dem Aspekt der Klauselkontrolle (Fleischer, WM 1999, 666 (668 f.)) noch wegen eventueller Sittenwidrigkeit (v. Bernuth, ZIP 1999, 1501 (1506 f.)) Bedenken.
92
a) Unwirksamkeit wegen inhaltlicher Unbestimmtheit. Verpflichtet sich der Patron gegenüber dem Gläubiger zur Ausstattung des Schuldners mit dem entsprechenden Kapital, so dass der Schuldner seine Verpflichtungen gegenüber dem Gläubiger erfüllen kann, kann sich die Frage stellen, ob die Ausstattungsverpflichtung hinsichtlich der Art der geschuldeten Ausstattung als auch hinsichtlich der Höhe der insgesamt zuzuführenden Mittel inhaltlich zu unbestimmt und deshalb unwirksam ist (in diesem Sinne LG München I WM 1998, 1285). Allerdings liegt im Fall einer harten Patronatserklärung ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz als Ausdruck des allgemeinen Prinzips, dass der Gegenstand und die Dauer der geschuldeten Leistung zumindest bestimmbar sein müssen, gerade nicht vor (Kiethe, ZIP 2005, 646 (652)). Denn der Patron schuldet gerade einen ganz bestimmten Erfolg, die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern, den er auf verschiedene Weise bewirken kann. Die Ausstattungspflicht als eigentliche Leistungspflicht des Patrons ist darauf gerichtet, dem Schuldner die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu ermöglichen. Ob dieser Zweck erreicht wird, lässt sich nach objektiven Kriterien bestimmen, so dass die Leistungspflicht nach Art und Umfang hinreichend bestimmt wird (Wittig, WM 2003, 1981 (1983); vgl. auch v. Rosenberg/ Kruse, BB 2003, 641 (644), die im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung in den Ausstattungsanspruch des Schuldners gegen den Patron durch Schuldnergläubiger zutreffend darauf hinweisen, dass der zu pfändende Anspruch exakt bezifferbar ist, da der Gläu-
93
Kulke
1008
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
biger die Pfändung in den Ausstattungsanspruch in Höhe seiner Forderung gegen den Schuldner ausbringen kann). Die harte Patronatserklärung will dem Patron ja gerade die Möglichkeit geben, zwischen verschiedenen Wegen zu wählen. Und dass die Art und Weise der Herbeiführung eines ganz bestimmten Erfolges, also der Erfüllung, dem Schuldner überlassen bleibt, ist im Vertragsrecht nicht untypisch (Kiethe, ZIP 2005, 646 (652)) und muss gerade auch umso mehr zulässig sein, wenn sich der Gläubiger darauf einlässt. Wittig schlägt hinsichtlich der Formulierung einen Text vor, der sicherstellt, dass die harte Patronatserklärung alleine den Zweck verfolgt, Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem Kreditgeber zu sichern (Wittig, WM 2003, 1981 (1983)). Allerdings ist dies nach der vorherrschenden Auffassung nicht erforderlich, denn der Patron will gerade frei sein in der Wahl seiner Mittel, und daher liegen die bewusst undeutlichen Formulierungen zudem gerade im Interesse des Patrons (Kiethe, ZIP 2005, 646 (652); Reinicke/Tiedtke, Rn. 607). Eine Unwirksamkeit wegen inhaltlicher Unbestimmtheit liegt damit nach zutreffender und herrschender Auffassung weder bei der klassischen Formulierung noch im Rahmen des Formulierungsvorschlages von Wittig vor. 94
b) §§ 305 ff. BGB. Eine harte Patronatserklärung hält grundsätzlich auch der Klauselkontrolle im Rahmen der §§ 305 ff. BGB stand, soweit es sich um eine fomularmäßige Patronatserklärung handelt. Allerdings ist bei solchen Patronatserklärungen stets der zu vereinbarende Sicherungszweck zu bedenken, nämlich ob die Kapitalausstattungspflicht sich als Sicherheit mit engem Sicherungszweck nur auf bestimmte Ansprüche des Kreditinstituts gegen den Kreditnehmer beziehen soll oder ob sie als Sicherheit mit weitem Sicherungszweck alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Kreditinstituts gegen den Kreditnehmer erfassen soll (vgl. Wittig, WM 2003, 1981 (1983)). Da aber von der herrschenden Auffassung die Ähnlichkeit der harten Patronatserklärung zu der Bürgschaft betont und hervorgehoben wird, liegt ein Vergleich einer weiten Sicherungszweckerklärung im Rahmen einer harten Patronatserklärung mit der Globalbürgschaft nahe (Kiethe, ZIP 2005, 646 (652); Wittig, WM 2003, 1981 (1983)). Bei der Globalbürgschaft nimmt die Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der wohl vorherrschenden Lehre einen Verstoß gegen §§ 305c I, 307 BGB an, wenn eine aus Anlass eines bestimmten Geschäfts zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner übernommene Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Schuldners aus der Geschäftsverbindung erstreckt wird (BGHZ 126, 174; 130, 19 (26 f.); vgl. dazu bereits oben B V 1 zu der Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Schuldbeitritt). Der Bürge habe ein schutzwürdiges Interesse daran, dass sich aus dem Bürgschaftsformular Gegenstand und Umfang seines Risikos klar ergeben. Dies folgt aus dem in § 767 I 3 BGB verankerten Verbot der Fremddisposition (BGHZ 130, 19 (26 f.); Kiethe, ZIP 2005, 646 (652); Wittig, WM 2003, 1981 (1983)). Allerdings gilt § 767 I 3 BGB nicht direkt und nach wohl vorherrschender Auffassung auch nicht analog für die harte Patronatserklärung (Wittig, WM 2003, 1981 (1984); a. A. MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 51). Jedoch stützt der Bundesgerichtshof die Unwirksamkeit solcher weiten Sicherungszweckerklärungen im Rahmen einer Globalbürgschaft mittlerweile auch auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB (BGH WM 2000, 64), so dass diese allgemeinen Grundsätze auch auf eine harte Patronatserklärung übertragbar sind (Wittig, WM 2003, 1981 (1984)). Eine Einschränkung finden diese Grundsätze über die Unwirksamkeit einer weiten Sicherungszweckerklärung aber über die Person des Sicherungsgebers. Kann dieser nämlich auf das Verhalten des Schuldners dergestalt Einfluss nehmen, dass unkalkulierbare Haftungsrisiken nahezu ausgeschlossen sind (so bei Mehrheitsgesellschafter oder Alleingesellschafter), oder steht bei dem Sicherungsgeber das Engagement für den Schuldner im Vordergrund (Geschäftsführer oder Alleingeschäftsführer), dürften grundsätzlich keine
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
1009
Bedenken gegen die Vereinbarung eines weiten Sicherungszwecks bestehen. Bei harten Patronatserklärungen einer Konzernmuttergesellschaft kann damit ein Verstoß gegen §§ 305c I, 307 BGB praktisch kaum angenommen werden (Kiethe, ZIP 2005, 646 (652)). c) § 138 I BGB. Auch eine Sittenwidrigkeit hinsichtlich der übernommenen Verpflichtung kann ohne das Vorliegen besonderer Umstände nicht angenommen werden (vgl. Kiethe, ZIP 2005, 646 (652); Wittig, WM 2003, 1981 (1983), der den Aspekt der Verschleierung der Haftung des Patrons anspricht). Allerdings können sich nach allgemeinen Grundsätzen Sittenwidrigkeitsbedenken dann ergeben, wenn die harte Patronatserklärung aus zu missbilligenden Gründen auf eine wirtschaftliche Knebelung des Patrons hinausläuft (vgl. Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4 C. 3., zu der harten Patronatserklärung gegenüber dem Vermieter, den Mieter mit den erforderlichen Mitteln auszustatten). Dabei sind die Nähe des Patrons zu den Belangen des Schuldners und das eigene (wirtschaftliche) Interesse des Patrons an der wirtschaftlichen Entwicklung des Schuldners Anhaltspunkte für die dem Patron zuzumutenden Belastungen (vgl. BorzutzkiPasing, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4 C. 3.).
95
6. Voraussetzung und Rechtsfolgen. Voraussetzung für die Annahme einer harten Patronatserklärung ist es, dass der Patron gegenüber dem Gläubiger unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er für die erforderliche Kreditwürdigkeit und Kreditfähigkeit seines Tochterunternehmens sorgen werde, so dass der Gläubiger letztlich keinen Forderungsausfall zu besorgen hat (vgl. Lwowski/Scholz, S. 410 ff. Rn. 464). In Abgrenzung zu der weichen Patronatserklärung ist es bei der harten Patronatserklärung klar und deutlich erkennbar, dass der Sicherungsgeber einen entsprechenden Rechtsbindungswillen hat, aus welchem hervorgeht, dass er sich zur Kapitalausstattung des Schuldners verpflichtet. Harte Patronatserklärungen sind dementsprechend dadurch gekennzeichnet, dass der Patron gegenüber dem Gläubiger des Tochterunternehmens keine unmittelbare Zahlungsverpflichtung, sondern lediglich eine dahingehende Zusage übernimmt, die Tochtergesellschaft mit ausreichender Liquidität auszustatten (Fleischer, WM 1999, 666 (667); MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 50; Kiethe, ZIP 2005, 646 (647); Reinicke/Tiedtke, Rn. 604; v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (642); a. A. Lwowski/ Scholz, S. 411 Rn. 464, wonach Leistungsgegenstand eine erst mit der Zahlungsunfähigkeit der Tochter entstehende Pflicht zur Erfüllung der gesicherten Verbindlichkeiten unmittelbar gegenüber der Bank ist; s. hierzu BGH WM 2003, 1178 (1180)). Die harte Patronatserklärung lässt in der Regel nicht erkennen, auf welche Art und Weise die Muttergesellschaft die Liquidität ihrer Tochtergesellschaft sicherstellen will. Das aber ist gerade das Merkmal der harten Patronatserklärung. Den in der Praxis verwendeten Patronatserklärungen ist oft kaum anzusehen, dass sich aus ihnen möglicherweise Ansprüche des Gläubigers gegen den Patron ergeben. Dies ist aber von dem Patron gerade so gewollt, um dem Gläubiger die Rechtsverfolgung zu erschweren und diesen möglichst von einer Klage abzuhalten (Kiethe, ZIP 2005, 646 (648)). Die Muttergesellschaft soll in der Entscheidung über die konkrete Form der Erfüllung ihrer Ausstattungspflicht frei sein (Kiethe, ZIP 2005, 646 (648); Reinicke/ Tiedtke, Rn. 605), sie will freie Hand darüber haben, in welcher Art und Weise sie die Liquidität ihrer Tochter gewährleistet wissen will (Reinicke/Tiedtke, Rn. 605). Die Muttergesellschaft ist sogar dazu berechtigt, als Dritte im Sinne des § 267 BGB die fälligen Zins- und Tilgungsraten unmittelbar an das Kreditinstitut zu zahlen, wenn die Tochtergesellschaft die ihr von der Muttergesellschaft zur Verfügung gestellten Mittel zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten verwendet (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 51 [Ersetzungsbefugnis des Patrons]; Lwowski/ Scholz, S. 412 Rn. 464; Reinicke/Tiedtke, Rn. 605 a. E.). Das bedeutet zugleich aber auch, dass der Patron das Risiko trägt, dass der Schuldner die ihm zur Verfügung gestellten Mit-
96
Kulke
1010
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
tel zweckwidrig verwendet, wenn sich der Patron dafür entscheidet, die Kapitalausstattung wie geschuldet vorzunehmen und somit die Gefahr für den Patron besteht, dass er mehrmals Maßnahmen zur Herstellung der Liquidität der Tochtergesellschaft oder des jeweiligen Schuldners zu ergreifen hat (Kiethe, ZIP 2005, 646 (648 f.)). Im Übrigen soll die harte Patronatserklärung im Zweifel allein das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sichern, nicht aber dessen Zahlungsunwilligkeit (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 50). Umstritten ist die Haftung des Patrons im Zusammenhang mit der Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Gläubiger. Sieht man die harte Patronatserklärung als ein bürgschaftsähnliches Institut an, liegt der Gedanke an eine akzessorische Haftung des Patrons, also angelehnt an die Verbindlichkeit des Schuldners, nahe (so Fleischer, WM 1999, 666 (669); MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 51; Schäfer, WM 1999, 153 (162 f.)). Wird die harte Patronatserklärung dagegen als garantieähnliches Sicherungsmittel angesehen, so spricht dies gegen eine akzessorische Haftung des Patrons (in diesem Sinne v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641; Schneider, ZIP 1989, 619 (621)). Bedeutung hat dies unter anderem für die entsprechende Anwendung bürgschaftsrechtlicher Vorschriften auf die harte Patronatserklärung. Vorrangig sollte die Auslegung der harten Patronatserklärung entscheiden. Bei einer konkreten Bezugnahme auf die zu sichernde(n) Verbindlichkeit(en) kann eher von einer akzessorischen Haftung des Patrons ausgegangen werden, als wenn eine solche Bezugnahme gänzlich fehlt. Lässt sich über eine Auslegung der harten Patronatserklärung keine klare Entscheidung für eine akzessorische oder nichtakzessorische Haftung des Patrons entnehmen, so sollte im Sinne der bereits oben vorgenommenen Differenzierung nach der Person des Sicherungsgebers auch im Rahmen der Haftung danach differenziert werden, ob es sich bei dem Patron um eine natürliche Person oder um eine Handelsgesellschaft handelt. Ist der Patron eine Handelsgesellschaft, besteht bei weitem nicht das Schutzbedürfnis für ihn, als wenn es sich um eine natürliche Person handelt. Daher sollte eine analoge Anwendung der bürgschaftsrechtlichen Vorschriften und eine akzessorische Haftung des Patrons dann bejaht werden, wenn es sich bei dem Patron um eine natürliche Person handelt; anderenfalls besteht kein Bedürfnis für eine akzessorische Haftung des Patrons und eine analoge Anwendung bürgschaftsrechtlicher Vorschriften. Berücksichtigt man die Nähe einer harten Patronatserklärung zu der Bürgschaft, liegt der Gedanke an die Kündbarkeit einer solchen harten Patronatserklärung und die Übertragung der durch den Bundesgerichtshof zur Kündbarkeit unbefristeter Bürgschaften entwickelten Grundsätze nicht fern (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (645)). In diesem Zusammenhang sollte aber hinsichtlich der Beantwortung der Frage nach einem Kündigungsrecht für den Patron danach unterschieden werden, ob die Aufgabe einer Beteiligung des Patrons an dem Schuldner erfolgt oder aber die Beteiligung aufrechterhalten wird und eine Kündigung im erstgenannten Fall als möglich angesehen werden. Denn ebenso wie bei der Gesellschafterbürgschaft wird eine harte Patronatserklärung zumindest dann, wenn es sich um Konzernverhältnisse handelt und Schuldner eine Tochtergesellschaft ist, im Konzerninteresse gegeben (v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (645)). Gegen eine solche Kündigungsmöglichkeit könnte aber sprechen, dass die harte Patronatserklärung nach Sinn und Zweck so auszulegen ist, dass eine stillschweigende Garantie für die Erfüllbarkeit der Verpflichtungen übernommen wird, so dass die Verpflichtungen der Muttergesellschaft aus einer harten Patronatserklärung nicht erlöschen, wenn der Patron nach Abgabe der Erklärung seine Beteiligung an dem Schuldner aufgibt (Wittig, WM 2003, 1981 (1983), allerdings ohne Bezugnahme auf ein Kündigungsrecht). Ist in der harten Patronatserklärung aber keine ausdrückliche Bezugnahme enthalten, dass eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse die Patronatserklärung unberührt lässt (siehe hierzu das Muster bei Wittig, WM 2003, 1981 (1987)), sollte ein Kündigungsrecht für diesen Fall anerkannt werden (so auch v. Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641 (645)).
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
1011
7. Formulierungsbeispiele. Eine mögliche Formulierung einer harten Patronatserklärung, die Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 117, 127 (128)) war, könnte etwa lauten: „Wir verpflichten uns, unsere Tochtergesellschaft finanziell so auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten Ihnen gegenüber fristgemäß nachzukommen“ (Fleischer, WM 1999, 666 (667)). Eine andere Formulierung lautet: „Zusätzlich werden wir dafür Sorge tragen, dass unsere Tochter bis zur vollständigen Rückzahlung des Kredits in der Weise geleitet und finanziell ausgestattet wird, dass sie jederzeit in der Lage ist, ihre Verpflichtung in Zusammenhang mit diesem Kredit zu erfüllen.“ (Reinicke/Tiedtke, Rn. 604). Eine Formulierung, die jegliche Missverständnisse ausräumt und für alle Sicherungsgeber geeignet sein dürfte, könnte nach dem Vorschlag von Wittig (Wittig, WM 2003, 1981 (1987)) aber deutlich klarer etwa folgendermaßen lauten: „Wir, die Muttergesellschafterin, sind direkt oder indirekt zu 100 % oder mehrheitlich mit einem Gesellschafteranteil von ..% an der Schuldnerin (Tochtergesellschaft) beteiligt. Eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse lässt diese Vereinbarung unberührt. Die Muttergesellschaft bestätigt hiermit die Kenntnisnahme, dass die Gläubigerin der Tochtergesellschaft gemäß Kreditzusage/Kreditvertrag vom … … ….. mit einem (Bezeichnung des Kredits) in Höhe von ….. € zur Verfügung steht. Als Sicherheit für sämtliche Ansprüche der Bank aufgrund der Kreditgewährung übernimmt die Muttergesellschaft hiermit gegenüber der Bank die uneingeschränkte Verpflichtung, sicherzustellen, dass die Tochtergesellschaft in der Weise finanziell geleitet und finanziell ausgestattet wird, dass sie stets in der Lage ist, allen ihren Verbindlichkeiten aufgrund der Kreditgewährung fristgemäß nachzukommen, und dass der Bank die auf die Verbindlichkeiten gezahlten Beträge, insbesondere auch bei Insolvenz der Tochtergesellschaft, endgültig verbleiben. Die Muttergesellschaft kann ihre Verpflichtung auch durch Zahlung der jeweils fälligen Beträge an die Bank erfüllen. Diese Vereinbarung bleibt gültig, bis sämtliche Ansprüche der Bank aus der Kreditgewährung nicht nur vorübergehend zurückgeführt sind. Diese Vereinbarung unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Gerichtsstand ist …, Bundesrepublik Deutschland; die Muttergesellschaft kann jedoch vor jedem anderen zuständigen Gericht verklagt werden.“.
97
8. Durchsetzung. Nach der wohl vorherrschenden Auffassung steht dem Gläubiger der Tochtergesellschaft bei Vorliegen einer harten Patronatserklärung ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu (vgl. v. Bernuth, ZIP 1999, 1501 (1502 f.)), aufgrund dessen der Gläubiger verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn das Tochterunternehmen seine Kreditverbindlichkeit erfüllt oder aber der Patron seine Zusage erfüllt hätte. Fraglich ist aber, ab welchem Zeitpunkt der Gläubiger einen solchen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegen den Patron geltend machen kann und welche Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen. Nach einer zumindest verbreiteten Auffassung soll die Insolvenz des Schuldners dabei nicht Voraussetzung für eine direkte Inanspruchnahme des Patrons sein (OLG Schleswig jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4, unter Berufung auf den Bundesgerichtshof). Denn wer vereinbarungsgemäß für die Vertragserfüllung eines anderen zu sorgen hat, haftet bei zu vertretender Nichterfüllung grundsätzlich neben diesem als Gesamtschuldner in voller Höhe (so BGHZ 43, 227 (229 ff.); BGH NJW 1992, 2093 (2095)). Nach einer anderen Auffassung soll sich der Ausstattungsanspruch des Gläubigers gegen den Patron erst dann in einen unmittelbar dem Gläubiger gegenüber zu erfüllenden Zahlungsanspruch umwandeln, wenn der Schuldner insolvent wird (MünchKommBGB-Habersack, v. § 765 Rn. 52; Kiethe, ZIP 2005, 646 (649 m. w. N.); Wittig, WM 2003, 1981 (1984)). Folgt man der erstgenannten Auffassung, so kann sich der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung entweder aus den §§ 280 I 1, 2, III, 281 BGB oder aus den §§ 280 I 1, 2, III, 283 BGB ergeben.
98
Kulke
1012
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Welche Anspruchsgrundlage konkret einschlägig ist, bestimmt sich danach, ob die vom Patron geschuldete Leistung, also die Kapitalausstattung des Schulners, noch erbringbar ist oder ob dies nicht mehr der Fall ist. Entgegen der oben zweitgenannten Auffassung ist dem Gläubiger eben umgehend ein auf Geld gerichteter Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz zu gewähren, wenn der Schuldner die durch die Verpflichtung des Patrons gesicherte Verbindlichkeit nicht erfüllt (BGH WM 2003, 1178 (1180)), mit den entsprechenden vollstreckungsrechtlichen Konsequenzen. Die Möglichkeit der sofortigen Inanspruchnahme auf Leistung von Geld folgt aus Inhalt und Zweck dieses bürgschaftsund garantieähnlichen Rechtsinstituts (BGH WM 2003, 1178 (1180); BGHZ 117, 127 (132 f.)). Damit wird dem Gläubiger zugleich nicht der beschwerliche Weg zugemutet, den Sicherungsgeber einer harten Patronatserklärung erst auf Kapitalausstattung des Schuldners mit dem zur Tilgung der Kreditverbindlichkeit bei dem Gläubiger erforderlichen Kapital zu verklagen (Reinicke/Tiedtke, Rn. 608 a. E.). Unabhängig davon kann auch ein Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 280 I BGB bestehen (Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4: Kündigungsfolgeschaden). Dieser Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung kann sich aus § 280 I 1 BGB ergeben oder aber wegen Verzuges aus §§ 280 I 1, 2, II, 286 BGB (Lwowski/Scholz, S. 412 Rn. 464). Besteht der geltend gemachte Schaden darin, dass der Schuldner selber die aus einer Patronatserklärung verpflichtete Person ausgeplündert und diese Sicherheit damit finanziell entwertet hat, kann der Gläubiger als Ausgleich in der Regel nicht eine eigene Patronatserklärung des Schuldners, sondern allein Geldersatz verlangen (BGH WM 2003, 1178 (1179)). 99
9. Passivierung. Verpflichtungen aus einer harten Patronatserklärung sind erst zu passivieren, wenn die Gefahr einer Inanspruchnahme ernsthaft droht (BGH DB 2007, 492). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Inanspruchnahme aus einer konzerninternen Patronatserklärung der Muttergesellschaft für ein Tochterunternehmen dann nicht droht, wenn das Schuldnerunternehmen zwar in der Krise ist, innerhalb des Konzerns ein Schwesterunternehmen aber die erforderliche Liquidität bereitstellt und aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit nicht damit zu rechnen ist, dass dieses Schwesterunternehmen Ansprüche gegen die Muttergesellschaft geltend machen wird (BGH DB 2007, 492).
100 .
10. Insolvenz. Die Muttergesellschaft haftet im Falle einer harten Patronatserklärung gleichrangig neben der Tochtergesellschaft und nicht nachrangig (Reinicke/Tiedtke, Rn. 609). Denn der Patron verletzt seine Ausstattungspflicht spätestens dann, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird, denn gerade dieser Fall soll durch die harte Patronatserklärung vermieden werden (Kiethe, ZIP 2005, 646 (650)). Der Patron hat in einem solchen Fall dem Schuldner beziehungsweise dem Insolvenzverwalter die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die der Schuldner benötigt, um seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber Dritten zu erfüllen, das Insolvenzverfahren zu beenden und den Geschäftsbetrieb fortzusetzen (OLG München ZIP 2004, 2102). Entgegen einer Mindermeinung geht der Ausstattungsanspruch des Schuldners im Falle einer harten internen Patronatserklärung auch nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter (so aber das OLG Celle NdsRpfl 2000, 309 (310)), sondern vielmehr stehen dann dem Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung der Ausstattungsverpflichtung gegen den Patron zu (OLG München ZIP 2004, 2102 (2104); Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 24/2005 Anm. 4 C. 1.; Kiethe, ZIP 2005, 646 (650)). Von der Insolvenz des Schuldners ist der Fall zu unterscheiden, dass neben dem Schuldner auch der Patron insolvent wird. Fällt alleine der Schuldner in die Insolvenz, zeigt sich gerade der Sinn und Zweck der harten Patronatserklärung. Da die harte Patronatserklärung,
Kulke
§ 31 Sonstige Kreditsicherheiten
1013
welche die Ausstattung der Tochtergesellschaft zum Gegenstande hat, einer Bürgschaft oder Garantie ähnelt, begründet diese auch in der Insolvenz des Schuldners, also des Tochterunternehmens, grundsätzlich eine gleichrangige Haftung (BGHZ 117, 127 (133)). § 43 InsO weist den gleichen Inhalt auf wie § 68 KO, so dass sich durch die Insolvenzrechtsreform in der Sache nichts verändert hat. E. Gemeinschaftsrechtliche Bezüge Im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Bezüge sonstiger Kreditsicherheiten ist ausgehend von dem Vorschlag zu einer Änderungsrichtlinie zur geltenden Verbraucherkreditrichtlinie (KOM(2002) 443endg) die nunmehr vorliegende Richtlinie zu berücksichtigen. In dem ursprünglichen Vorschlag zu dieser Änderungsrichtlinie wurden in den Artt. 2 lit. e) und lit. f), 3 I RiLV gemeinschaftsrechtliche Regelungen für Kreditsicherheiten getroffen. Von Bedeutung waren dabei insbesondere gewisse Pflichten des Sicherungsnehmers (also im Wesentlichen der Kreditinstitute) gegenüber dem Sicherungsgeber (so beispielsweise die Pflicht zur Aushändigung des Kreditvertrages gemäß Art. 10 I 2 RiLV) sowie bestimmte Rechte des Sicherungsgebers gegenüber dem Sicherungsnehmer hinsichtlich der Begründung und der Aufhebung von Kreditsicherheiten (Widerrufsrecht gemäß Art. 11 RiLV). In der jetzt vorliegenden Richtlinie dagegen sind lediglich in Art. 5 I lit. n) Sicherheiten, die von dem Kreditnehmer zu bestellen sind, genannt.
Kulke
101
“This page left intentionally blank.”
§ 32 Nichtigkeit
1015
§ 32 Nichtigkeit
Schrifttum Braun, Rechtskraft und Restitution. Erster Teil: Der Rechtsbehelf gem. § 826 BGB gegen rechtskräftige Urteile, 1979; Zur Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides, WM 1986, 781; Rechtskraftdurchbrechung bei rechtskräftigen Vollstreckungsbescheiden, ZIP 1987, 687; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, 3. Aufl. 1997; Canaris, Der Bereicherungsausgleich bei sittenwidrigen Teilzahlungskrediten, WM 1981, 978; Die Auswirkungen der Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen auf Folgeverträge, WM 1986, 1453; Derleder, Kettenkreditverträge, JZ 1983, 81; Jung, Das wucherähnliche Rechtgeschäft, 2001; Grün, Die Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden über sittenwidrige Ratenkreditforderungen, 1991; Notwendigkeit und Zulässigkeit der Rechtskraftbeschränkung beim Vollstreckungsbescheid, NJW 1991, 2860; Grunsky, Voraussetzungen und Umfang der Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB bei sittenwidrigen Ratenkreditverträgen, ZIP 1986, 1361; Prütting/Weth, Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln, 2. Aufl. 1994; Reifner, Die Rückabwicklung sittenwidriger Ratenkreditverträge, JZ 1984, 637; Steinmetz, Sittenwidrige Ratenkreditverträge in der Rechtspraxis auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung, NJW 1991, 881; Völker, Preisangabenrecht, 2. Aufl. 2002. Inhaltsübersicht A. Sittenwidriger Konsumentenkredit . . . . . . . . . . . 1 I. Sittenwidriger Konsumentenkredit und Verbraucherkreditrecht . . . . . . . . . . . . . 2 II. Gesicherte Rechtslage durch ausgefeilte Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Objektiver Tatbestand der Sittenwidrigkeit – Gesamtwürdigung des Kreditvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Überhöhter effektiver Jahreszins . . . . . . 7 2. Berücksichtigung sonstiger Vertragsbedingungen im Rahmen der Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 IV. Subjektiver Tatbestand der Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
B. Sittenwidriger gewerblicher Kreditvertrag . . . . C. Gelegenheitskreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Besondere Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Interne Umschuldung (Kettenverträge). . . II. Externe Umschuldung. . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusatzkreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Andere Nichtigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sittenwidrigkeit aus anderem Grund . . . . II. Gesetzwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Rechtskraftdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . K. Kreditsicherheiten und Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 26 27 28 34 36 37 38 41 44 48 49
Stichwortverzeichnis Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . 18 Auffälliges Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Ballonrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 42, 44 ff. Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 25 Disagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Effektiver Jahreszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 ff., 26 Gelegenheitskreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Geltungserhaltende Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 6, 15, 17 ff. Gesetzwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 ff. Gewerblicher Kreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 24 f. Grenzwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 26 Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 42 Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kettenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 47 Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 44, 49 f. Kreditvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Lohnabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Marktzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 24 Moderner Schuldturm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 14 f., 30 ff., 37 ff. packing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 22 Preisangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 21 Preisvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Rechtskraftdurchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Rechtsprechungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . 4 ff., 15 Restschuldversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 45 Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 SCHUFA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Schuldanerkenntnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Schlüssigkeitsprüfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Schwerpunktzinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Sittenwidrige Schädigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Sittenwidriger Konsumentenkredit . . . . . . . . . . . . 1 ff. Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Stundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 32 Teilzahlungsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Tilgungsanrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Überforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Umschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 ff. Unwirksame Klauseln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Artz
1016
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Unzulässige Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 18, 26 Verbraucherkreditrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2, 9, 21, 42 Verfügungsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Vermittlungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 24, 45 Vermutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 25 Versicherungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Vertragsanpassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
1
Vertragsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .3, 6, 21 f. Vertragszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 8, 24, 47 Verwendungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Verzug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 22 Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Zinsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Zusatzkreditvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Zwangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
A. Sittenwidriger Konsumentenkredit Rechtstatsächlich ist die Sittenwidrigkeit von Kreditverträgen vor allem im Verhältnis zwischen gewerblich tätigem Kreditgeber und privatem Kunden, dem Verbraucher, anzutreffen. Man spricht vom sittenwidrigen Konsumentenkredit. Sitz der Materie ist § 134 I BGB (zum sittenwidrigen Gewerbekredit siehe nachf. Rn. 24, zum Gelegenheitskredit nachf. Rn. 26).
2
I. Sittenwidriger Konsumentenkredit und Verbraucherkreditrecht. Die Problematik des sittenwidrigen Konsumentenkredits ist streng zu unterscheiden von den Regelungen über den Verbraucherkredit. Beide Rechtsmaterien gehorchen völlig unterschiedlichen Prinzipien. Das Verbraucherkreditrecht, welches seit der Modernisierung des Schuldrechts im BGB zu finden ist (§§ 491 ff. BGB regeln den Verbraucherdarlehensvertrag und die sonstigen Finanzierungshilfen sowie den Ratenlieferungsvertrag, §§ 655a ff. BGB haben die Darlehensvermittlung zum Gegenstand, allgemeine Vorschriften über das Widerrufsrecht und das verbundene Geschäft sind in §§ 355 ff. BGB zu finden), geht von der abstrakt generellen Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers aus, der mit einem professionell handelnden Kreditgeber einen Vertrag abschließt. Allein das Aufeinandertreffen von privat handelndem Kreditnehmer (§§ 13, 507 BGB) und gewerblich tätigem Kreditgeber (§ 14 BGB) löst den Schutzmechanismus des Verbraucherkreditrechts aus, der etwa darin besteht, dass der Kreditgeber qualifizierte Informationspflichten zu beachten hat und sich der Kreditnehmer durch Ausübung des Widerrufsrechts wieder von dem Vertrag lösen kann. Auf die persönliche, individuelle Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers kommt es im Verbraucherkreditrecht nicht an. Ebensowenig bedarf es einer unbilligen Gesinnung des Kreditgebers. Auch die seriös handelnde Bank treffen die Informationspflichten des Verbraucherkreditrechts (zum Ganzen Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, S. 1 ff. und 17 ff.; siehe auch oben § 15).
3
Aus einem ganz anderen Gesichtspunkt ist die hier darzustellende Problematik des sittenwidrigen Konsumentenkredits zu betrachten. Schutzobjekt ist der wirtschaftlich schwache und geschäftsungewandte Verbraucher (Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 87; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 4 ff.). Die Feststellung eines Verstoßes gegen die guten Sitten hat sich an den Umständen und Bedingungen des konkret abgeschlossenen Vertrages zwischen eben diesen Parteien zu orientieren. Es muss eine wertende Gesamtbetrachtung geschehen, anhand derer zu entscheiden ist, ob die vertragliche Vereinbarung mit der Rechtsordnung vereinbar oder mit dem Makel der Sittenwidrigkeit behaftet und damit unheilbar nichtig ist. Hier sind spezifische Kenntnisse und Gesinnungen auf beiden Seiten des Vertrages in die Wertung einzubeziehen. Auszugehen ist dabei freilich stets von dem durch die Gestaltungsfreiheit geprägten Prinzip der Privatautonomie. Dem Kreditnehmer steht es grundsätzlich frei, sich Kapital zu einem hohen Zinssatz bzw. ungewöhnlichen sonstigen Bedingungen gewähren zu lassen. Ihre Grenze findet die Vertragsfreiheit in der Übervorteilung des schwächeren Vertragspartners, die ein Ausmaß annimmt, das die Rechtsordnung nicht mehr zu akzeptieren bereit ist. Daher wird den Parteien die Dispositionsfreiheit entzogen (siehe dazu Bülow, Sit-
Artz
§ 32 Nichtigkeit
1017
tenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 1 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 1 ff.; MünchKommBGB-Armbrüster, § 138 Rn. 91). II. Gesicherte Rechtslage durch ausgefeilte Rechtsprechung. Maßstab der Sittenwidrigkeit kann in Folge der Notwendigkeit, sämtliche objektiven und subjektiven Umstände des konkreten Vertrages zu berücksichtigen, nicht eine abstrakt generelle Regelung, etwa in Form einer gesetzlichen Norm sein, die starre Zulässigkeitsgrenzen bestimmt (BGHZ 80, 153 (157 ff.)). Vielmehr blieb es der Rechtsprechung überlassen, im Rahmen des § 138 BGB Maßstäbe für die Sittenwidrigkeitskontrolle eines Konsumentenkreditvertrages zu entwickeln. Nachdem die Problematik des sittenwidrigen Konsumentenkredits insbesondere in den 80er und 90er Jahren heftig diskutiert wurde, ist nun Ruhe eingetreten. Es ist zu einer Konsolidierung der Rechtslage gekommen, und der Rechtsanwender kann heute bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Kreditvertrages auf ein seitens der höchstrichterlichen Rechtsprechung errichtetes standsicheres Gerüst zurückzugreifen. Dies gilt sowohl für den Konsumentenkredit als auch für die Kreditvergabe an Gewerbetreibende sowie für Gelegenheitsdarlehen. Anzuführen sind hier insbesondere: BGHZ 80, 153; 98, 174; 99, 333; 101, 380; 104, 102 und 110, 336.
4
III. Objektiver Tatbestand der Sittenwidrigkeit – Gesamtwürdigung des Kreditvertrages. Zur Überprüfung eines Kreditvertrages am Maßstab von § 138 I BGB bedarf es einer Gesamtwürdigung der Vertragsbedingungen, in die zum einen die Höhe des vereinbarten effektiven Jahreszinses einfließt und bei der zum anderen sämtliche weiteren Bedingungen des Vertrages zu berücksichtigen sind. Es ist also zu prüfen, ob Leistung und Gegenleistung der Parteien in einem auffälligen Missverhältnis zu einander stehen, sog. Äquivalenzprüfung. Darüber hinaus sind die Nebenbestimmungen des Vertrages zu begutachten (Erman-Palm, § 138 Rn. 91 b; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 16).
6
1. Überhöhter effektiver Jahreszins. Begehrt ein Kunde Kredit, so hat er vor Abschluss eines Vertrages ein wirtschaftliches Interesse an einem Preisvergleich. Dieser fällt bei der Ware Kapital, deren Preis sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt, ungleich schwerer als etwa beim Barkauf einer beweglichen Sache. Vergleichbar werden unterschiedliche Finanzierungsangebote durch die Berechnung des effektiven Jahreszinses. Angesichts dieses Wertes ist es dem Verbraucher möglich, verschiedene Wege der Finanzierung miteinander zu vergleichen.
7
a) Berechnung des effektiven Jahreszinses. Unter dem Begriff des effektiven Jahreszinses versteht man die auf ein Jahr bezogene durch den Kreditnehmer für die Kapitalüberlassung zu erbringende Gegenleistung. Der effektive Jahreszins setzt sich zusammen aus dem zwischen den Vertragsparteien vereinbarten nominalen, in regelmäßigen Abständen zu entrichtenden und laufzeitabhängigen Zins sowie sämtlichen mit dem Kredit verbundenen Kosten. Solche können hinsichtlich des Vertrages einmalig anfallen, etwa Antrags- und Bearbeitungsgebühren sowie weitere auf den konkreten Vertrag bezogene Auslagen der Bank (s. zu den einzelnen Kosten des Kredits Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 BGB Rn. 103; Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 60 ff.) und sind dann auf die dadurch entstehende jährliche Belastung umzurechnen. Ebenso einzubeziehen sind Kosten der Vermittlung des Kredits (dazu nachf. Rn. 9). Weiterhin entstehen oftmals laufzeitabhängige Kreditgebühren. Einzuberechnen ist auch, soweit vereinbart, ein Disagio (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 72).
8
Vermittlungskosten sind grundsätzlich in die Berechnung des effektiven Jahreszinses einzubeziehen, da sie im überwiegenden Interesse des Kreditgebers liegen (BGHZ 104,
9
Artz
5
1018
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
102 (104); BGH NJW 1991, 1810; NJW 1987, 181). Diese können offen, u. U. aber auch verborgen, in Form des sog. packing, bei dem der Kreditgeber an den Vermittler leistet und die Kosten an den Kreditnehmer weitergibt, in die seitens des Kreditgebers geltend gemachten Kosten einfließen. Bedient sich der Kreditgeber eines Vermittlers, so bleibt es ihm erspart, ein Filialnetz auf- bzw. auszubauen resp. Personal zu beschäftigen, was sich kostenmindernd auswirkt. Bei der Einbeziehung der Vermittlungskosten in Form des packing in die Berechnung des effektiven Jahreszinses hat es im Rahmen der Sittenwidrigkeitskontrolle sein Bewenden. Die Verschleierung der Kosten seitens des Kreditgebers gegenüber dem Verbraucher hat mit anderen Worten im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Vertragsbedingungen keine weitere Relevanz mehr (dazu nachf. Rn. 17 ff.; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 271 ff. mit zahlreichen Nachweisen auf die Rspr.). Auch wenn zwischen den Parteien vereinbart wurde, dass der Kreditnehmer die Provision direkt an den Vermittler zahlt, wird diese in die Kostenberechnung einbezogen. Ausnahmsweise nicht einzubeziehen sind die Vermittlungskosten, wenn der Kreditvermittler auf Veranlassung des Kreditnehmers bzw. in dessen besonderem Interesse und u. U. ohne Kenntnis des Kreditgebers tätig wurde (Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 89; Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 26; Erman-Palm, § 138 Rn. 91 c; Staudinger-Sack, § 138 Rn. 183; OLG Köln ZIP 2002, 563: Tätigwerden des Kreditvermittlers im Auftrag eines Kreditnehmers, der auf Grund seiner persönlichen Kreditunwürdigkeit auf Kreditgeber angewiesen ist, die sich auf Risikofinanzierung spezialisiert haben; zur Angabepflicht im Verbraucherkreditrecht auch im Falle der Veranlassung durch den Verbraucher nach § 492 I 5 Nr. 4 BGB Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, Rn. 104, str.). 10
11
12
b) Anders verhält es sich hinsichtlich der Kosten für eine Restschuldversicherung, die nach h. M. weder in die Berechnung des effektiven Jahreszinses noch des Marktzinses einzubeziehen sind, da die Versicherung beiden Parteien dient (BGH NJW 1988, 1659 (1661); BGHZ 99, 333 (336); BGH NJW-RR 1989, 1321 (1322); Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 26; MünchKommBGB-Armbüster, § 138 Rn. 119; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 82; noch a. A. BGHZ 80, 153 (167 f.)) Die Kostentragungspflicht hinsichtlich der Restschuldversicherung kann indes im Rahmen der Gesamtwürdigung sämtlicher Vertragsbedingungen eine Rolle spielen (dazu nachf. Rn. 17 ff.). Nach Maßgabe von § 492 I 4 Nr. 6 BGB sind die Kosten für eine Restschuldversicherung aber im Verbraucherdarlehensvertrag anzugeben (dazu Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 BGB Rn. 127, ebenso zu dem Gebot der Einbeziehung in den effektiven Jahreszins nach Verbraucherdarlehensrecht bzw. § 6 PAngVO, § 492 BGB Rn. 104 a. E., dazu auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 20). Nicht einzubeziehen sind schließlich Kosten, die dem Kreditgeber durch die Bestellung von Sicherheiten entstehen. Zu nennen sind etwa Notar-, Schätz- oder Grundbuchkosten. Ebensowenig sind Bereitstellungszinsen Bestandteil des effektiven Jahreszinses (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 61). c) Berechnungsmethode. Der effektive Jahreszins ist bei längerfristigen Krediten nach dem Tabellenwerk von Sievi/Gillardon/Sievi zu berechnen (BGHZ 104, 102 (104); 110, 336 (338); BGH WM 1987, 613; s. dazu Palandt-Heinrichs, § 246 Rn. 7 f.; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 57 ff.). Kurzfristige Kredite, mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten, sind mit hinreichender Genauigkeit der Uniformmethode zugänglich (BGHZ 104, 102 (104); Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 51 ff.). Den Anforderungen der PAngVO (§ 6) wird man indes nur mit einer sehr viel präziseren Methode gerecht (dazu Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 BGB Rn. 113 ff.; Völker, Preisangabenrecht, § 6 PAngVO Rn. 45 ff.).
Artz
§ 32 Nichtigkeit
1019
d) Vergleichsgrundlage: Marktüblicher Zinssatz. Vergleichsmaßstab für die Angemessenheit des vertraglich vereinbarten effektiven Jahreszinses, das heißt für die Frage des auffälligen Missverhältnisses, ist der auf dem Markt für Konsumentenkredite üblicherweise geltende effektive Zins, wobei Teilzahlungsbanken keinen Sondermarkt bilden, sondern in die allgemeine Berechnung einzubeziehen sind (BGHZ 80, 153 (163 ff.); ausführlich dazu Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 22 ff.; MünchKommBGB-Armbrüster, § 138 Rn. 119). Zu Grunde zu legen ist der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Schwerpunktzinssatz, dem pauschal eine Bearbeitungsgebühr von 2,5 % zugeschlagen wird (BGH NJW 1995, 1019; SoergelHefermehl, § 138 Rn. 93; Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 26).
13
e) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt. Die Begutachtung des Äquivalenzverhältnisses zwischen dem vereinbarten und dem marktüblichen effektiven Jahreszins hat in Bezug auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu erfolgen (Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 40 ff.; MünchKommBGB-Armbrüster, § 138 Rn. 119; Staudinger-Sack, § 138 Rn. 79; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 7 ff.). Wurde ein Vertrag zu akzeptablen Bedingungen abgeschlossen und kommt es in der Folgezeit zu einer Absenkung des allgemeinen Zinsniveaus, so kann dies die Wirksamkeit des damals geschlossenen Vertrages nicht mehr beeinflussen. Es tritt keine rückwirkende Sittenwidrigkeit ein (ErmanHefermehl, § 138 Rn. 102). Auch in dem Fall, dass Leistungen aus einem ursprünglich wirksamen Vertrag noch nicht erfolgt sind und der Vertrag unter Zugrundelegung der aktuellen Verhältnisse unwirksam wäre, tritt keine Nichtigkeit ein. Der Kreditnehmer kann aber dem Erfüllungsverlangen des Kreditgebers den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegenhalten (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 9). Ebensowenig kommt es zur Heilung eines ursprünglich sittenwidrigen Vertrages dadurch, dass das allgemeine Zinsniveau steigt.
14
f) Rechtsprechungsgrundsätze zum zulässigen Maß der Überschreitung. Ohne dass starre Grenzen hinsichtlich der Sittenwidrigkeit eines vereinbarten Zinses gelten, sind von der Rechtsprechung Grenzwerte erarbeitet worden, deren Erreichen einen Verstoß gegen die guten Sitten nahe legt. Diesbezüglich herrscht nun weitgehend Rechtssicherheit. So ist ein auffälliges Missverhältnis zwischen vereinbartem effektiven Zins und marktüblichem Effektivzinssatz in der Regel anzunehmen, wenn der Vertragszins den Marktzins relativ um 100 % übersteigt (BGHZ 104, 102 (105); 110, 336 (338); BGH NJW 2000, 2669; OLG Brandenburg BB 1999, 655; ausführlich dazu Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 33 ff.). Abhängig von dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Zinsniveau hat die Rechtsprechung diesen Richtwert modifiziert. Da eine Abweichung von weniger als 100% vom Marktzins in einer Hochzinsphase zu einer absolut nicht hinnehmbaren Belastung führen kann, geht man davon aus, dass eine Abweichung von nominal 12 % ebenfalls die Sittenwidrigkeit, vorbehaltlich der Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, begründet (BGHZ 110, 336 (340), relativ: 76,08 %; BGHZ 104, 102, relativ: 83,72 %, absolut: 13,58 %; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 39 ff.; krit. dazu Jauernig, § 138 Rn. 16, der die Nichtigkeitsfolge wegen der Belehrungspflicht aus § 492 BGB für regelmäßig überflüssig hält). Auf der anderen Seite kann in einer Niedrigzinsphase eine Abweichung um 100 % noch hinnehmbar erscheinen, so dass, wenn der Vertrag keine Zinsanpassungsklausel enthält, ein Überschreiten von bis zu 110 % als zulässig angesehen werden kann (BGH NJW 1991, 834). Unabhängig vom Zinsniveau geht die Rechtsprechung davon aus, dass bei einem Abweichen des Vertragszinses vom Marktzins von höchstens 90 % regelmäßig kein Verstoß gegen die guten Sitten anzunehmen ist (BGHZ 104, 102 (105); 110, 336 (338)).
15
Artz
1020
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
16
In aller Deutlichkeit sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Nichtigkeit eines Kreditvertrages allein durch das Erreichen o. g. Richtwerte nicht begründet werden kann (Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 87; Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 28; Erman-Palm, § 138 Rn. 91 e; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 29; BGHZ 80, 153 (155); 104, 102 (107)). Es bedarf zum einen stets einer Gesamtwürdigung, deren Ergebnis die Feststellung der Sittenwidrigkeit bei einer Überschreitung von weniger als 100 % resp. der Vertragswirksamkeit trotz eines Überschreitens des Grenzwertes sein kann (vgl. die Übersicht zu Entscheidungen, in welchen ein auffälliges Missverhältnis auch bei Unterschreiten der 90 %-Grenze bejaht wurde bei Erman-Palm, § 138 Rn. 91 c). Zum anderen muss die subjektive Komponente der Sittenwidrigkeit vorliegen (BGHZ 80, 153 (156)).
17
2. Berücksichtigung sonstiger Vertragsbedingungen im Rahmen der Gesamtwürdigung. Wie vorstehend ausgeführt wurde, hat das Überschreiten der relativen bzw. absoluten Zinsrichtwerte allein nicht die Nichtigkeit des Kreditvertrages zur Folge. Vielmehr bedarf es einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Vertragsbedingungen, deren Gewichtung sich umgekehrt proportional zum Maß der Überschreitung des Marktzinses verhält (BGHZ 98, 174 (177): Bei einer Überschreitung von über 170 % bedarf es nur weniger sonstiger Umstände).
18
a) Unwirksame Klauseln. Fraglich ist, wie Vertragsbedingungen zu bewerten sind, die wegen eines Verstoßes gegen AGB-rechtliche Vorschriften, insbesondere §§ 307 ff. BGB, unwirksam sind. Richtigerweise sind auch derartige Klauseln in die Sittenwidrigkeitskontrolle mit einzubeziehen, da sie den im Zweifel rechtsunkundigen Verbraucher belasten. Er weiß bis zu einer gerichtlichen Klärung nicht, dass er Forderungen des Kreditnehmers wegen eines Verstoßes einer vertraglich vereinbarten Klausel gegen §§ 305 ff. BGB nicht nachzukommen hat (BGHZ 98, 174 (177); Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 96; Erman-Palm, § 138 Rn. 91 f.; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 119 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 31).
19
b) Nicht ausgeübte Rechte bzw. geltend gemachte Ansprüche. Weiterhin kommt es nicht darauf an, dass eine den Kreditnehmer benachteiligende Klausel auch zur Anwendung kam, der Kreditgeber also sein wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB nicht bestehendes Recht auch ausgeübt hat (resp. einen Anspruch geltend gemacht hat). Entscheidend ist allein, ob der Kreditgeber auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarung entsprechend hätte vorgehen können (Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 98; MünchKommBGBArmbrüster, § 138 Rn. 113 a. E.; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 17).
20
c) Transparenzgebot. Mangelnde Transparenz vertraglicher Vereinbarungen kann den Sittenverstoß begründen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82, Rn. 46).
21
d) Einzelne Vertragsbedingungen. An dieser Stelle seien einige in Erwägung zu ziehende belastende Vertragsbedingungen genannt: – Vorfälligkeitsentschädigung: Eine unangemessene Belastung des darlehensnehmenden Verbrauchers kann dadurch eintreten, dass er für den Fall der vorzeitigen Kündigung nach § 489 I Nr. 2 BGB mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung belastet wird (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 123 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 33). – Fehlende Preisangabe: Der Kreditnehmer ist nach § 4 PAngVO verpflichtet, den Preis seiner Leistung, also den effektiven Jahreszins (dazu vorst. Rn. 8 ff.) anzugeben. Unterlässt er dies, ist die fehlende Angabe im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen (Palandt/Heinrichs, § 138 Rn. 28; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 127 ff.).
Artz
§ 32 Nichtigkeit
1021
– Verzugsregelungen: Erhebliche Belastungen können für den Kreditnehmer dadurch erwachsen, dass die Folgen des Verzuges abweichend von der gesetzlichen Regelung bestimmt werden (Erman-Palm, § 138 Rn. 91 f.; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 136 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 39). – Kontokorrent: Die Vereinbarung eines Kontokorrentverhältnisses mit dem Verbraucher kann die Sittenwidrigkeit untermauern (Erman-Palm, § 138 Rn. 91 f.). – Tilgungsanrechnungen: Kann der Kreditnehmer nur einen Teil jeweils fälliger Raten zurückzahlen, wirkt sich die Art und Weise der Verbuchung des Teilbetrags erheblich auf die Aussichten des Verbrauchers, den Kredit noch einmal abzahlen zu können, aus. Man spricht vom „Modernen Schuldturm“ (siehe dazu Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, S. 91). Im Verbraucherkreditrecht gilt daher nach Maßgabe von § 497 III 1 BGB eine von § 367 I BGB abweichende Tilgungsfolge (dazu Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 497 Rn. 61 ff.). Eine im Konsumentenkreditvertrag enthaltene, den Kreditnehmer belastende Regelung über die Anrechnung von Teilleistungen kann die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründen (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 153 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 38). – Ballonraten: Probleme der Sittenwidrigkeit können auch im Zusammenhang mit unverhältnismäßig hohen Schlussraten, sog. Ballonrate entstehen (OLG Köln ZIP 1985, 22; Erman-Palm, § 138 Rn. 91 f.). Der Sittenverstoß kann auch in der Zweckgebundenheit der von der Ballonrate erfassten Mittel liegen (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 208 ff.). Wegen Unbedenklichkeit bei der Gesamtwürdigung nicht zu berücksichtigen sind: – packing: Eine Vereinbarung über das packing (s. vorst. Rn. 9). – Kosten für Stundung: Die Parteien können bei Abschluss des Vertrages vereinbaren, dass dem Verbraucher nicht erbrachte Zahlungen gestundet werden und dieser in Folge dessen nicht in Verzug gerät. Diese Vereinbarung kann zulässigerweise bereits eine Gebühr für den Eintritt des betreffenden Falls vorsehen (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 110 f.). – Lohnabtretungen: Die Abtretung zukünftiger Einkünfte ist grundsätzlich, soweit die Forderungen hinreichend bestimmt sind, unbedenklich (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 112; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 35). – SCHUFA-Information: Eine Vereinbarung, durch die die Bank berechtigt wird, eine SCHUFA-Auskunft einzuholen, kann einen Sittenverstoß nicht begründen (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 113)
22
IV. Subjektiver Tatbestand der Sittenwidrigkeit. Gewährt ein Gewerbetreibender einem Verbraucher einen Kredit unter Bedingungen, die objektiv gegen § 138 I BGB verstoßen, was der Kreditnehmer darzulegen und zu beweisen hat, so besteht eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass der Kreditgeber, im Zweifel eine Bank, die schwächere wirtschaftliche Lage des Kunden in verwerflichem Gewinnstreben bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt, sich zumindest der entsprechenden Erkenntnis leichtfertig verschlossen hat (BGHZ 98, 174 (178); OLG Bamberg NJW-RR 2002, 264; Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 18; siehe zur Widerlegung der Vermutung durch den Kreditgeber Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 60 mit zahlr. Hinweisen auf die Rspr.). Im Interesse der Methodenehrlichkeit wird angesichts der ständigen Rechtsprechung die Forderung erhoben, in derartigen Fällen auf das Element des subjektiven Tatbestandes völlig zu verzichten und den Sittenwidrigkeitsvorwurf unmittelbar aus dem Vorlegen des objektiven Tatbestandes, der Gesamtwürdigung von Zinsbelastung und sonstigen Vertragsbedingungen, folgen zu lassen (so MünchKommBGB-Armbrüster, § 138 Rn. 116, 120).
23
Artz
1022
24
25
26
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
B. Sittenwidriger gewerblicher Kreditvertrag Die vorstehenden Ausführungen zum auffälligen Missverhältnis zwischen effektivem Vertrags- und Marktzins beim Konsumentenkredit beanspruchen grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen Gewerbetreibenden Geltung. Die von der Rechtsprechung erarbeiteten Richtwerte sind entsprechend anwendbar (BGH NJW 1991, 1810; Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 97). Jedoch ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung sämtlicher Vertragsbedingungen die geringere persönliche Schutzbedürftigkeit von Kaufleuten, Freiberuflern und anderen Gewerbetreibenden zu berücksichtigen (Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 87; BGH NJW 1980, 445 (446); zum ehemals sog. Minderkaufmann BGH NJW 1983, 1420). Ebenso sind Vermittlungskosten nicht ohne weiteres dem Kreditgeber zuzuschlagen (BGH NJW 1991, 1810 (1811)). In Bezug auf den subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit gilt die widerlegbare tatsächliche Vermutung bei Verträgen mit Kaufleuten und Freiberuflern, ebenso nicht kaufmännischen Gewerbetreibenden – früheren Minderkaufleuten – nicht (BGH NJW 1991, 1810 (1811); NJW 1995, 1019 (1022)). Vielmehr muss positiv festgestellt und seitens des gewerblich tätigen Kreditnehmers bewiesen werden, dass der Kreditgeber die Lage des Vertragspartners bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat (BGH NJW 1983, 1420 (1422); MünchKommBGB-Armbrüster, § 138 Rn. 116 a. E.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 62; siehe zum sittenwidrigen gewerblichen Kredit auch BuB/ Früh Rn. 3/59 b).
C. Gelegenheitskreditvertrag Wiederum anders hat die Beurteilung zu erfolgen, wenn der Kredit von einem Verbraucher gewährt wird. So wird man dem Verbraucher als Kreditgeber eine verwerfliche Gesinnung nur dann unterstellen können, wenn das Missverhältnis zwischen dem vereinbarten effektiven Jahreszins und dem Marktzins besonders drastische Ausmaße annimmt (BGH NJW- RR 1990, 1199; NJW 1991, 1810; 1994, 1275 zu § 138 II BGB; 1995, 1022; OLG Brandenburg BB 1999, 655). Ebensowenig hält die Rechtsprechung bei privater Kreditvergabe an dem Richtwert der 100%-igen Überschreitung (vorst. Rn. 15) fest (BGH NJW-RR 1990, 1199; vgl. dazu Erman-Palm, § 138 Rn. 91 k; Staudinger-Sack, § 138 Rn. 187).
27
28
29
30
D. Besondere Konstellationen Kreditverträge, insbesondere Konsumentenkreditverträge, werden oftmals geschlossen, um bereits bestehende, meistens notleidend gewordene Verträge abzulösen. Es kommt zu einer Umschuldung (ausf. unten § 33). Hier ergeben sich spezifische Probleme der Sittenwidrigkeit. Zu unterscheiden ist zwischen der internen und der externen Umschuldung. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass der Kreditgeber dem bedürftigen Kunden einen zusätzlichen Kredit gewährt, von dem der notleidende Vertrag unberührt bleibt. I. Interne Umschuldung (Kettenverträge). Wird ein Kredit notleidend, kann die Bank dem Kreditnehmer den Abschluss eines neuen Vertrages anbieten, in dessen Saldo der Rest des bereits bestehenden Vertrages eingestellt wird. Sind beide Verträge, Vor- und Folgevertrag, einzeln betrachtet wirksam, so folgt regelmäßig auch aus dem Umstand der Umschuldung kein Sittenwidrigkeitsvorwurf. Dieser kann sich jedoch ausnahmsweise daraus ergeben, dass die Bedingungen des Folgevertrags bedeutend schlechter sind (OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 427, dazu ausf. Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 176 ff.). Sollten beide Verträge isoliert betrachtet sittenwidrig sein, besteht an der Nichtigkeit kein Zweifel.
Artz
§ 32 Nichtigkeit
1023
Wird der Folgevertrag zu sittenwidrigen Bedingungen abgeschlossen und war der zu Grunde liegende Vertrag nicht zu beanstanden, so sind die Rückstände aus dem ursprünglich wirksamen Vertrag durch Erfüllung erloschen, und es tritt Nichtigkeit hinsichtlich des Folgevertrags ein (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 179; BGHZ 99, 333 (338, 339)).
31
Für den umgekehrten Fall, dass ein wirksamer Folgevertrag einen sittenwidrigen Vertrag ablöst, ist zunächst festzustellen, dass in der Umschuldung nicht ohne weiteres eine Bestätigung im Sinne des § 141 BGB bzw. ein Schuldanerkenntnis zu sehen ist (BGHZ 99, 333 (335)). Jedoch kann die Sittenwidrigkeit des ersten Vertrages bei der Beurteilung des zweiten nicht völlig ignoriert werden. Es können der Bank Vorteile zukommen, die ihr an sich wegen der Sittenwidrigkeit des ersten Vertrages nicht mehr zustünden. Es fragt sich, ob der zweite Vertrag infiziert wird. Handelte die Bank in Kenntnis der Sittenwidrigkeit des Vorvertrages und verfolgte sie das Ziel, Vorteile aus dem bekanntermaßen nichtigen Vorvertrag zu sichern, so hat dies die Nichtigkeit des Folgevertrages zur Folge (BGHZ 99, 333; weitergehend Derleder, JZ 1983, 82). Liegen die subjektiven Voraussetzungen hinsichtlich der Ablösung eines nichtigen Vertrages beim Kreditgeber nicht vor, so ist der Folgevertrag wirksam (BGHZ 110, 220 (223); 104, 19 (23 ff.); 104, 102 (104)). Die Nichtigkeit des Folgevertrages kann sich weiterhin daraus ergeben, dass dessen Bedingungen an der Grenze zur Sittenwidrigkeit liegen und eine Gesamtbetrachtung von beiden Verträgen die Gesamtnichtigkeit anzeigt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 65).
32
Es stehen dem Kreditgeber aus dem neuen Vertrag aber nur die Ansprüche zu, die ihm unter Berücksichtigung der Nichtigkeit des alten Vertrages, das heißt der aus diesem allein bestehenden bereicherungsrechtlichen Verpflichtung des Kreditnehmers zur Rückzahlung des Kapitals, von welchem bereits rechtsgrundlos gezahlte Zins- und Kostenanteile abzuziehen sind, billigerweise zuzuerkennen sind. Es bedarf der Anpassung des zweiten Vertrages (BGHZ 99, 333 (337 ff.); BGH NJW-RR 1988, 363; bestätigt durch Urt. vom 26.02.2002 BGH ZIP 2002, 701; zur Berechnungsmethode Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 190 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 154).
33
II. Externe Umschuldung. Bei der externen Umschuldung kann der Fall eintreten, dass sich die Sittenwidrigkeit allein aus dem unangemessenen Verhältnis zwischen den Bedingungen des abgelösten und des neu abgeschlossenen Vertrags ergibt, beide Verträge separat betrachtet einer Sittenwidrigkeitskontrolle aber standgehalten hätten (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 165 ff.). Die Nichtigkeit folgt daraus, dass die Bank ihre Interessen in unangemessener Weise dadurch geltend macht, dass der Abschluss des an sich unter hinnehmbaren Zinsbedingungen vereinbarten neuen Vertrags von der Ablösung eines zinsgünstigeren Vertrages abhängig gemacht wird und die Umschuldung als wirtschaftlich unvertretbar erscheint (BGHZ 104, 102 (107) – relativ 83,72 %; BGH NJW 1988, 818 – relativ 91,5 %).
34
Allein die Sittenwidrigkeit des abzulösenden Vertrages infiziert den neuen Vertrag indessen jedenfalls dann nicht, wenn der Sittenverstoß dem neuen Kreditgeber nicht bekannt war und ihm auch keine fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen ist (BGHZ 99, 333, 337; dazu MünchKommBGB-Armbrüster, § 138 Rn. 121; Schimansky/Bunte/LwowskiGundlach, § 82 Rn. 69).
35
III. Zusatzkreditvertrag. Die Einräumung eines zusätzlichen Kredits lässt zwar den bereits bestehenden Vertrag unangetastet, verlängert aber dessen Laufzeit dadurch, dass beide Verträge gleichzeitig abbezahlt, das heißt, die Ratenzahlungen gesplittet werden müssen. Es kommt zur Aufstockung des Erstvertrags (Schimansky/Bunte/Lwowski-
36
Artz
1024
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Gundlach, § 82 Rn. 63). Folge dieses Umstandes ist es, dass der zusätzlich abgeschlosene Vertrag nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern als Vergleichsmaßstab die Marktbedingungen für einen Vertrag heranzuziehen sind, mit dem der Kreditnehmer den bisherigen Vertrag hätte ablösen und darüber hinaus über das zusätzliche Kapital hätte verfügen können (BGH NJW 1990, 1597 (1599); Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 202 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 67). 37
38
39
40
41
E. Andere Nichtigkeitsgründe Neben der dargestellten Problematik der Vertragsnichtigkeit auf Grund eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung kommen weitere Nichtigkeitsgründe in Betracht. I. Sittenwidrigkeit aus anderem Grund. Der Kreditvertrag kann mit einem Sittenverstoß wegen der finanziellen Überlastung des Kreditnehmers behaftet sein. Dabei ist jedoch zu beachten, dass allein eine erhebliche Verschuldung des Kreditnehmers einen Verstoß gegen die guten Sitten nicht begründet (Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 214 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 91). Praktische Relevanz hat das Kriterium der finanziellen Überforderung vielmehr bei der Sittenwidrigkeitskontrolle von Personalsicherheiten (siehe dazu Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, Rn. 867 ff.; sowie oben § 25). Weiterhin kommt die Sittenwidrigkeit des Kreditvertrages wegen der Vereinbarung eines gesetzes- bzw. sittenwidrigen Verwendungszwecks in Betracht (zahlreiche Bsp. bei Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 126 ff.). Die Sittenwidrigkeit eines Kreditvertrages wegen des auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ergibt sich vornehmlich aus einem Verstoß gegen § 138 I BGB (ausf. vorst. Rn. 6 ff.). § 138 II BGB ist regelmäßig nicht erfüllt, da es im Zweifel an den spezifischen Tatbestandsmerkmalen, insbesondere der Zwangslage, mangelt (BGHZ 80, 153, 159 f.; Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 25; Schimansky/Bunte/Lwowski- Gundlach, § 82, Rn. 11 und 51 ff.). II. Gesetzwidrigkeit. Ein Kreditvertrag kann schließlich wegen eines Verstoßes gegen ein Gesetz nichtig sein (zusammenfassend Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 280 ff.).
42
Hingewiesen sei hier auf die Nichtigkeitsfolge des Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis beim Verbraucherdarlehensvertrag aus § 492 I BGB, die § 494 I BGB bestimmt (dazu oben § 15). Um den Verbraucher vor einer bereicherungsrechtlichen Inanspruchnahme zu schützen, ist die Nichtigkeit des Verbraucherdarlehensvertrags keine endgültige. Vielmehr tritt nach Darlehensempfang gem. § 494 II BGB Heilung auf einem gesetzlich normierten Zinsniveau ein (siehe dazu Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, S. 85).
43
Der Abschluss eines Kreditvertrages kann gem. § 54 KWG verboten sein, wenn es dem Kreditgeber an der notwendigen Erlaubnis aus §§ 1, 32 KWG fehlt. Ein derartiger Gesetzesverstoß führt aber nicht zur Nichtigkeit des Vertrages, sondern wird durch § 54 KWG mit einer Strafe belegt (Boos/Fischer/Schütte-Mattler-Lindemann, § 54 KWG Rn. 5; Erman-Palm, § 138 Rn. 53).
44
F. Rechtsfolgen Verstößt der Kreditvertrag gegen die guten Sitten, so ist er nach § 138 I BGB unheilbar nichtig und nach §§ 812 ff. BGB abzuwickeln. Insbesondere ist eine geltungserhaltende Reduktion auf einem erträglichen Zinsniveau oder zu hinnehmbaren Vertragsbedingungen nicht in Erwägung zu ziehen (zu den Besonderheiten der Vertragsanpassung bei Ket-
Artz
§ 32 Nichtigkeit
1025
tenverträgen siehe vorst. Rn. 33). Nicht von der Nichtigkeit betroffen ist eine etwaige bereits erfolgte Vermögensverfügung, das Verfügungsgeschäft (anders bei Sittenwidrigkeit nach § 138 II BGB, dazu BGH NJW 1994, 1275; NJW 1982, 2767; MünchKommBGBArmbrüster, § 138 Rn. 164 f.), sowie die Bestellung abstrakter Sicherheiten. Freilich sind akzessorische Sicherheiten, etwa eine Bürgschaft, bei Unwirksamkeit der gerichtlichen Forderung nicht mit Erfolg geltend zu machen. In Folge der Nichtigkeit des Kreditvertrages kommt es zur Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB. Für den Zeitraum, in dem der Kreditnehmer über das Kapital verfügte, hat er weder Zinsen noch eine Nutzungsentschädigung zu leisten (s. zur Bedeutung des § 817 S. 2 BGB in diesem Zusammenhang Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 142 ff.). Jedoch hat der Kreditnehmer die Hälfte der Restschuldversicherungsprämie zu zahlen (BGH NJW 1983, 1420 (1422); Steinmetz, NJW 1991, 881 (884)): Ein Ausgleichsanspruch hinsichtlich der Vermittlungskosten steht dem Kreditgeber indes nicht zu (BGHZ 110, 336 (342)). Zur Rückzahlung des Nettokreditbetrages ist der Kreditnehmer trotz Nichtigkeit des Vertrages und Unwirksamkeit der Tilgungsbestimmung nicht unmittelbar in vollem Umfang verpflichtet. Andernfalls träfe den übervorteilten Kreditnehmer ein Nachteil aus der Nichtigkeitsfolge. Vielmehr kann der Kreditnehmer ein ausgezahltes Darlehen der nun nichtigen Vereinbarung entsprechend, also in den vorgesehenen Raten, zurückzahlen, ist aber nur noch zur Begleichung des Nettokreditvertrages verpflichtet (BGHZ 99, 333, 338 (339)). Der Darlehensnehmer hat seinerseits einen Anspruch auf Rückerstattung bereits geleisteter Zahlungen, etwa auf Zinsen oder Kosten des Kredits (Schimansky/Bunte/LwowskiGundlach, § 82 Rn. 150).
G. Rechtskraftdurchbrechung
45
46
47
48
Hinsichtlich der Sittenwidrigkeit von Kreditverträgen ist eine umfangreiche Rechtsprechung zur Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB ergangen. Trotz der Nichtigkeit des Kreditvertrages kann der Kreditgeber über einen rechtskräftigen Titel verfügen, aus dem er vollstrecken möchte. Stützt der Kreditnehmer seine Verteidigung gegen die Zwangsvollstreckung auf die Sittenwidrigkeit des Vertrages, so ist er präkludiert. § 767 ZPO steht ihm nicht zur Seite. Daher hat die Rechtsprechung in einer Vollstreckung aus einem Titel, der auf einem sittenwidrigen Kreditvertrag beruht, unter bestimmten Voraussetzungen eine sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB gesehen, durch welche die Rechtskraft durchbrochen wird (BGHZ 101, 380; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit BVerfG NJW 1993, 1125; NJW 1993, 1326; NJW 1991, 2412). Die Rechtskraftdurchbrechung kommt bei Titeln mit notwendiger Schlüssigkeitsprüfung im Grunde nicht in Betracht. Zentraler Anwendungsfall ist das Vorgehen aus einem Vollstreckungsbescheid, der ohne Schlüssigkeitsprüfung der Rechtskraft fähig ist (BGHZ 101, 380 (382); ausf. dazu Steinmetz, NJW 1991, 881 (885 f.); beachte § 688 II Nr. 1 ZPO, dazu Zöller/Vollkommer, § 688 ZPO Rn. 6; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 4. Teil). § 826 BGB ist anwendbar, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen (BGHZ 101, 380 (384 ff.)): – Der Titel ist materiell unrichtig. – Dem Vollstreckungsgläubiger war die Sittenwidrigkeit bewusst. – Es liegen besondere Umstände vor, die es angemessen erscheinen lassen, dass der Gläubiger seine Rechtsposition aufgibt. – (s. insb. zu den anerkannten Fällen der besonderen Umstände Bülow, Sittenwidriger Konsumentenkredit, Rn. 384 ff.; ebenso Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82, Rn. 165 ff.).
Artz
1026
49
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
K. Kreditsicherheiten und Sittenwidrigkeit Grundsätzlich unberührt bleibt die Wirksamkeit des Kreditvertrages selbst von der Nichtigkeit für diesen bestellter Sicherheiten. Praktische Relevanz erlangen hier insbesondere die Nichtigkeit wegen anfänglicher oder später eintretender Übersicherung, etwa im Falle der Sicherungsübereignung oder -abtretung (dazu oben §§ 28, 30). Weiterhin hat sich die Rechtsprechung ausgiebig mit der Frage der finanziellen Überforderung dem Schuldner nahestehender Personen, insbesondere Familienangehöriger, die eine Personalsicherheit, insbesondere Bürgschaft, leisten, auseinander gesetzt (dazu oben § 25).
50
Auswirkungen zeitigt die Nichtigkeit von Sicherungsvertrag und Kreditsicherheit auf den Kreditvertrag indes nur insoweit, als der Kreditnehmer einen ungesicherten Kredit erhält.
Artz
§ 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung
1027
§ 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung
Schrifttum Busch, Umschuldung sittenwidriger Ratenkredite, 1989; Canaris, Die Auswirkung der Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen auf Folgekreditverträge, WM 1986, 1453; Derleder, Kettenkreditverträge – Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Umschuldung von Konsumentenkrediten, JZ 1983, 81; Knops, Die Ersatzkreditnehmerstellung, WM 2000, 1427; Meese, Die Aufklärungspflicht bei der Umschuldung sittenwidriger Kredite, 1993; Simon, Die Kreditumschuldung – Zur Ablösung und Aufstockung von Verbraucherdarlehen, 1990; Steinmetz, Sittenwidrige Ratenkreditverträge in der Rechtspraxis auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung, NJW 1991, 881. Inhaltsübersicht A. Begriff und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Interne und externe Umschuldung . . . . . . . 4 II. Ablösung, Verlängerung und Aufstockung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III. Verbraucher- und Unternehmerdarlehen . . 11 IV. Kosten der Umschuldung . . . . . . . . . . . . . 12 C. Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 III. Aufklärungspflichten zwischen den beteiligten Banken? . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 D. Sittenwidrigkeit einer Umschuldung . . . . . . . . 23
I.
Wirtschaftlich unvertretbares Umschuldungsverlangen . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung der Sittenwidrigkeit des Vorkredits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Mitwirkung von Darlehensvermittlern . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Im Besonderen: Die sog. „Schuldenregulierung“ . . . . . . . . . . . . . . F. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. „Umschuldung“ durch Schuldnerwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25 33 43 44 44 47 52 56 59
Stichwortverzeichnis Ablösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 22, 58 Aufstockung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Darlehensvermittler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (Ehegatten-)Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Ersatzkreditnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Forderungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Kosten der Umschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Nachforschungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 40 Novation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Packing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Rechtsdienstleistungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Schuldanerkenntnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Schuldenregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Schuldnerwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sittenwidrigkeit (Vorkredit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Umschuldung (externe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 38 Umschuldung (interne) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 34 Umschuldung (im engeren Sinn) . . . . . . . . . . . . 1, 49 Umschuldungskarussell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Unternehmerdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Verbraucherdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 47 Verlängerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 35
A. Begriff und Bedeutung
1
Umschuldung versteht § 655c S. 2 BGB, allerdings in einem speziellen Zusammenhang (s. unten Rn. 49), als die vorzeitige Ablösung eines Darlehens durch ein anderes Darlehen (Umschuldung im engeren Sinne). Gemeinhin wird darüber hinaus unter den Begriff der Umschuldung auch die Verlängerung oder Aufstockung von Krediten subsumiert (Umschuldung im weiteren Sinne). Hier wird grundsätzlich von diesem weiteren Verständnis ausgegangen. Als Motiv für eine Umschuldung ist häufig – und zwar sowohl bei Unternehmen als auch bei Verbrauchern – ein finanzieller Engpass auszumachen. Sie dient in diesen Fällen der Herabsetzung der Tilgung und damit des laufenden Kapitaldienstes, um so – freilich auf Kosten eines zunehmenden Gesamtzinsvolumens – kurzfristig zusätzliche Liquidität zu
Eckardt
2
1028
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
schaffen. Weitere wichtige Gründe für Umschuldungen sind die Befriedigung zusätzlichen Kreditbedarfs oder die Verbesserung der Kreditkonditionen (z.B. bei sinkendem Marktzins oder bei einer überzogenen Kontokorrentkreditlinie). Schließlich kann eine Rolle spielen der Wunsch des Kreditnehmers bzw. das Verlangen eines neuen Kreditgebers, in Zukunft nur an einen Gläubiger zu zahlen. 3
Ob Umschuldungen im Einzelfall wirtschaftlich vernünftig sind, sollte sorgfältig geprüft werden. Immerhin werden regelmäßig Kosten ausgelöst, sei es in Gestalt zusätzlichen Zinsaufwandes, einer Vorfälligkeitsentschädigung oder des Verlustes laufzeitunabhängiger Gebühren (s. genauer Rn. 12). Auffällig bei der Umschuldung von Verbraucherdarlehen ist zudem, dass häufig gewerbliche Darlehensvermittler mitwirken (vgl. mit empirischen Angaben z. B. Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 655c BGB Rn. 4). Nicht zuletzt die dadurch verursachten weiteren Kosten haben zu dem viel beklagten Umschuldungskarussell geführt, auf dem sich eine zunehmende Zahl privater Haushalte befindet. Inzwischen handelt es sich um ein Problem volkswirtschaftlichen Ausmaßes, wodurch der Begriff der Umschuldung zunehmend negativ besetzt ist.
4
B. Arten Bei der Erfassung der durch Umschuldungen aufgeworfenen rechtlichen Probleme sind folgende Unterscheidungen von Belang: I. Interne und externe Umschuldung. Sind der Gläubiger des Vor- und des Neukredits bei der internen Umschuldung identisch, wird demgegenüber bei der externen Umschuldung der bisherige Kreditgeber befriedigt und durch einen Dritten ersetzt. Es handelt sich rechtlich selbst bei identischen Konditionen um voneinander unabhängige Verträge. Die zur Ablösung nötige Valuta wird regelmäßig unmittelbar vom Neukreditgeber auf Weisung des Kreditnehmers an dessen bisherigen Gläubiger gezahlt. Was die für den Vorkredit bestellten Sicherheiten anbetrifft, gilt grundsätzlich, dass eine Neubestellung für den Folgevertrag nötig ist. Vermeidbar ist dies nur, wenn die Umschuldung (ausnahmsweise) als dreiseitige Vertragsübernahme (§ 311 I BGB) durchgeführt wird (vgl. AnwK-Eckardt, § 398 Rn. 41 ff.) oder wenn der Altkreditgeber seinen Rückzahlungsanspruch an den Neukreditgeber – mit der Folge des § 401 BGB – abtritt (BGH NJW 1997, 730; s. auch Rn. 22).
5
Bei der internen Umschuldung kann der Neukredit – schon infolge des Gläubigerwechsels ist dies bei einer externen Umschuldung stets der Fall – einerseits im Wege eines selbstständigen Folgevertrages durch eine sog. Schuldumschaffung (Novation) gewährt werden. Denkbar ist aber auch andererseits, dass eine bloße Änderung des Erstvertrags erfolgt. Von Bedeutung ist dies im Hinblick auf die bestehenden Sicherheiten, die nur bei einer Novation neubestellt werden müssen. Streit entzündet sich in diesem Zusammenhang vor allem bei der Einordnung von Prolongationsabreden und der Umwandlung von Kontokorrentkrediten in Tilgungsdarlehen. Zu klären ist hier, ob sich in diesen Fällen z. B. eine für den Erstvertrag bestellte Bürgschaft auch auf den geänderten Kredit erstreckt.
6
Die Rechtsprechung geht mit grundsätzlicher Zustimmung des Schrifttums von folgender Auslegungsregel aus: Wegen der einschneidenden Folgen (für die bestehenden Sicherheiten) ist bei der Annahme einer Novation Vorsicht geboten und im Zweifel nur eine Vertragsänderung als gewollt anzunehmen (BGH NJW 1999, 3708 zu I.1.; BGH NJW 2003, 59 (60); OLG Hamm NJW- RR 1994, 1133; OLG Köln ZIP 1999, 1046; OLG Saarbrücken OLGR 2006, 119; OLG Stuttgart ZIP 2005, 1777 mit Anm. Bütter, EWiR 2005, 783; OLG München ZIP 2007, 1804; BuB-Früh, Rn. 3/40; Tiedtke, EWiR § 767 2000, 171). Dem ist zuzustimmen. Es entspricht dem Rechtsgedanken des § 364 II BGB (Frings, WuB
Eckardt
§ 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung
1029
1996, 664 (665)). Maßgeblich ist demnach die Analyse der Interessenlage sowie u. a., ob die Sicherheiten in dem Neuvertrag erwähnt sind (vgl. etwa BGH NJW 1999, 3708). Keine Bedeutung kommt bei der Auslegung dagegen dem Umstand zu, dass meist banktechnisch eine Umbuchung auf ein neues Konto stattfindet. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang richtiger Weise als ambivalent anzusehen (OLG Köln ZIP 1999, 1046). Wird ein Darlehen zu identischen Konditionen umgebucht, wird regelmäßig nicht einmal eine Vertragsänderung vorliegen (OLG Karlsruhe, WM 1996,198; Nobbe, Rn. 485). Zu beachten ist unabhängig davon, dass die bloße vertragliche Vereinbarung im Folgevertrag, mit einem Teil des zugesagten Neukredits solle z. B. ein Kontokorrentkredit getilgt werden, für sich noch nicht den Vollzug der Ablösung bzw. Umschuldung darstellt. Hierfür ist die tatsächliche Vornahme der Umbuchung und Verrechnung durch das Kreditinstitut erforderlich. Solange dies nicht geschehen ist, liegt weder eine vollzogene Vertragsänderung noch eine Novation vor (zutreffend BGH WM 1991, 495 (496 zu I.3.a); missverständlich: BuB-Früh, Rn. 3/40 und Schimansky/Bunte/Lwowski-Lwowski/Wunderlich, § 76 Rn. 33).
7
Die Abgrenzung ist auch relevant bei der Aufstockung von Ratenkrediten. Denkbar ist hier, dass der Saldo des Vorkredits ohne Rückrechnung unverbrauchter Kreditgebühren übernommen und lediglich der zusätzliche Kreditbedarf samt hierauf entfallendem Zins addiert wird. Dies wäre als bloße Änderung des Erstvertrages anzusehen. Andererseits kommt es vor, dass der Gläubiger auf den Erstkredit die nicht verbrauchten Kreditgebühren gutschreibt und mit dem sich ergebenden Saldo der Erstkredit abgelöst und beendet wird. Dieser Ablösebetrag wird dann mit den zusätzlich gewährten Mitteln als Nettokreditbetrag in den neu zu verzinsenden Folgevertrag eingestellt. Dies wäre – mit den eingangs geschilderten Konsequenzen für bestehende Sicherheiten – als Novation zu behandeln (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 63).
8
II. Ablösung, Verlängerung und Aufstockung. Unter Ablösung versteht man die Beendigung des Erstvertrages, verbunden mit der Einstellung des zuvor ermittelten Ablösebetrages als neuem Nettokreditbetrag in den Folgevertrag. Dies ist sowohl bei einer internen als auch bei einer externen Umschuldung möglich. Eine Verlängerung oder mit anderen Worten eine Prolongation, insbesondere bei der sog. unechten Abschnittsfinanzierung (Gewährung eines langfristigen Kapitalnutzungsrechts mit nur zeitlich begrenzter Festzinsvereinbarung), stellt dagegen keine Neuaufnahme dar und ist folglich nur bei internen Umschuldungen anzutreffen. Ein bei Abschluss des Erstvertrages begründetes Haustürwiderrufsrecht bleibt bestehen (vgl. BGH ZIP 2005, 67 mit Anm. Reiff, EWiR 2005, 381). Ablösung und Verlängerung können mit einer Aufstockung verbunden sein, wenn der Kreditnehmer einen zusätzlichen Kreditbedarf befriedigen möchte (vgl. nur Canaris, WM 1986, 1453 (1454)).
9
Teilweise wird von Aufstockung nur in den Fällen gesprochen, in denen der Erstvertrag um den Zusatzkredit „ergänzt“, nicht dagegen, wenn er abgelöst wird (vgl. Schimansky/ Bunte/Lwowski-Gundlach, § 82 Rn. 63 und Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 54). Dem ist nicht zu folgen. Für eine Aufstockung ist begrifflich die Gewährung eines zusätzlichen Kredits prägend, nicht die konstruktive Behandlung des Erstvertrages (so z. B. auch Canaris, WM 1986, 1453 (1454)). Unabhängig hiervon ist die engere Verwendung des Umschuldungsbegriffs in § 655c S. 2 BGB zu sehen (Rn. 49).
10
III. Verbraucher- und Unternehmerdarlehen. Ist die Umschuldung als Gewährung eines Verbraucherdarlehens im Sinne des § 491 BGB zu betrachten, gelten ergänzend die §§ 492 ff. BGB. Dies bedeutet vor allem, dass die Schriftform nach Maßgabe des § 492 BGB einzuhalten ist und dass der Verbraucher ein Widerrufsrecht besitzt (§ 495 BGB). Ist
11
Eckardt
1030
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
der Kredit vermittelt worden, sind ergänzend die §§ 655a ff. BGB zu berücksichtigen. Keine diesbezüglichen Besonderheiten gelten bei der Umschuldung des einem Unternehmer (§ 14 BGB) gewährten Darlehens, es sei denn es würde sich um ein Existenzgründungsdarlehen im Sinne des § 507 BGB handeln. Die Regeln für Verbraucherdarlehensverträge werden im Zusammenhang dargestellt in § 15. 12
IV. Kosten der Umschuldung. Umschuldungen sind in aller Regel mit spezifischen Kosten für den Kreditnehmer verbunden. Dies beginnt bei Ratenkrediten damit, dass zwar eine Zinsrückrechnung stattfindet, jedoch anteilige Einmalkosten wie Bearbeitungsgebühren und Vermittlercourtage nicht erstattet werden, sondern im Gegenteil für den Umschuldungskredit erneut anfallen. Zudem können Rückkaufswertverluste bei Restschuldversicherungen eintreten (vgl. nur Erman-Saenger, § 655c Rn 4). Bei festverzinslichen Immobiliarkrediten löst die vorzeitige Umschuldung regelmäßig einen Anspruch des Kreditgebers auf die sog. Vorfälligkeitsentschädigung aus (vgl. § 490 II 3 BGB; s. dazu § 14). Wird eine externe Umschuldung gewünscht, dürfen im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht die Kosten von Notar und Grundbuchamt für die Abtretung bzw. Neubestellung des Grundpfandrechts vergessen werden. Insgesamt gilt, dass die genannten Kostenfaktoren im Einzelfall dazu führen können, dass die von der Umschuldung erhofften Vorteile (s.o. Rn. 2) nicht eintreten.
13
C. Aufklärungspflichten Werden umgeschuldete Kredite notleidend, suchen die Kreditnehmer häufig ihr Heil in der Berufung auf eine tatsächliche oder vermeintliche Aufklärungspflichtverletzung der umschuldenden Bank.
14
I. Grundsatz. Aufklärungspflichten bestehen bei einer Umschuldung im gleichen Umfang wie bei der erstmaligen Kreditaufnahme. Dies bedeutet (s. im Einzelnen § 4): Die Bank muss prinzipiell nicht über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des Geschäfts aufklären. Das Risiko der Verwendung der Mittel trägt der Kreditnehmer. Ungefragt muss die Bank nach Treu und Glauben z. B. Hinweise nur erteilen, wenn sie einen Wissensvorsprung besitzt oder einen Gefährdungstatbestand geschaffen hat (Nobbe, Rn. 464 ff.). Fehlen dem Kreditnehmer die für die Beurteilung notwendigen Kenntnisse, ist ihm im Allgemeinen zuzumuten, eine Beratung durch die Bank nachzufragen. Lässt die Bank sich hierauf ein, wird zumindest stillschweigend ein Beratungsvertrag mit selbstständigen weitergehenden Pflichten zustande kommen (vgl. nur BGH NJW 1989, 1667 (1668)).
15
Rechtsfolge einer Aufklärungspflichtverletzung ist ein Schadensersatzanspruch des Kreditnehmers, der sich bei internen Umschuldungen unmittelbar aus § 280 I BGB und eventuell aus § 282 BGB ergibt. Bei externen Umschuldungen handelt es sich um ein Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 II, 280 BGB). Der Kreditnehmer kann im Ergebnis verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Aufklärung stünde, wobei aufklärungsgerechtes Verhalten vermutet wird. Dies führt in der Regel dazu, dass er von den durch die Umschuldung verursachten Zusatzkosten frei zu stellen ist (vgl. BGH WM 1991, 271; s. dazu § 4).
16
II. Einzelheiten. 1. Nach dem Vorstehenden ist von der Bank bei einer internen Umschuldung grundsätzlich nicht zu verlangen, dass sie von sich aus über die verschiedenen Möglichkeiten der Anschlussfinanzierung aufklärt. Beispielsweise muss sie den Kunden nicht darauf hinweisen, dass er den negativen Saldo auf einem Kontokorrentkonto mit dem positiven Saldo auf einem weiteren derartigen Konto verrechnen könnte (so OLG Düsseldorf WM 1996, 1810 gegenüber einem Kaufmann). Etwas anderes gilt dann, wenn die Bank einem geschäftsunerfahrenen Kunden eine Finanzierung vorschlägt, die spezielle
Eckardt
§ 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung
1031
Risiken und Nachteile birgt. Dies ist etwa der Fall, wenn statt eines Ratenkredits ein mit einer Kapitallebensversicherung verbundener Kredit angeboten wird. Die effektive Gesamtbelastung ist bei einer derartigen Vertragskombination für einen durchschnittlichen Kreditnehmer weitgehend undurchschaubar und deshalb erläuterungsbedürftig (BGH NJW 1989, 1667 (1668); 1990, 1844 (1845); zur Schadensbemessung genauer Mülbert, JZ 1992, 401 (407)). Im Übrigen gilt selbstverständlich generell, dass die tatsächliche durch eine Umschuldung bedingte Belastung deutlich gemacht werden muss (vgl. § 492 BGB und Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 56 m. w. N.). 2. Diese Überlegungen gelten im Ansatz auch bei einer externen Umschuldung. Ist die angebotene Umschuldung des Vorkredits wirtschaftlich vertretbar, kann der Kreditnehmer nicht damit gehört werden, die Bank habe nicht von sich aus eine für ihn günstigere Vorgehensweise vorgeschlagen (BGH NJW 1990, 1048 (1049); 1597 (1598); Schimansky/ Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 57). Andererseits darf die Bank nicht so weit gehen, dass sie eine als „wirtschaftlich unvertretbar“ anzusehende Umschuldung verlangt. Unterfällt ein derartiges Ansinnen nicht ohnehin dem Sittenwidrigkeitsverdikt (s. Rn. 25 ff.), ist zumindest eine (eingehende) Aufklärung von Nöten. Zu denken ist hier konkret etwa an Fälle, in denen der Umschuldungskredit – gemessen am abzulösenden Kredit – zu wesentlich ungünstigeren Bedingungen gewährt wird, aber noch nicht selbst sittenwidrige Ausmaße erreicht (BGH WM 1991, 271 mit Anm. Reifner, EWiR 1991, 229 f.).
17
Man wird dieser Rechtsprechung zustimmen können (zweifelnd BuB-Früh, Rn. 3/41). Eine Bank trifft keine Aufklärungspflicht über Alternativen, wenn sie eine wirtschaftlich vertretbare Umschuldung anbietet, es sei denn, dass sie eine Beratung übernommen hat. Erst recht ist dies der Fall, wenn die Umschuldung nicht von der Bank betrieben, sondern von dem Kunden angestrebt wird. Etwas anderes gilt nur, wenn der Kunde in völliger Verkennung der Verhältnisse eine wirtschaftlich unvertretbare Umschuldung wünscht. Hier ist im Hinblick auf die überlegene Sachkenntnis der Bank eine Aufklärung nach Treu und Glauben geschuldet (BGH NJW 1990, 1048; wohl a. A. BuB-Früh, Rn. 3/41 a. E.).
18
Hiermit verwandt erscheint der Fall, dass die (externe) Umschuldung letztlich daran scheitert, dass der zur Verfügung gestellte Neukredit nicht zur Ablösung des Altkredits ausreicht. Man wird die Bank für verpflichtet ansehen dürfen, unaufgefordert auf dieses Risiko hinzuweisen (OLG München WM 1990, 396; OLG Naumburg WM 2004, 782 mit Anm. van Look, WuB I E 1 Kreditvertrag 2.04; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 57; Fischer/Klanten, Rn. 5.69; a. A. BuB-Früh, Rn. 3/42). Wertungsmäßig ist hierbei entscheidend, dass vielen Bankkunden nicht bewusst ist, dass neben dem reinen Kreditsaldo gegebenenfalls noch eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt. Aufgrund ihres besonderen Sachwissens ist die Bank dazu berufen, dem geschäftlich nicht erfahrenen Kunden diesen Aspekt vor Augen zu führen.
19
Andererseits muss die Bank nicht von sich aus sämtliche eventuell aus der Umschuldung resultierenden Gefahren erforschen. Es trifft sie daher z. B. keine Nachforschungspflicht, ob bei dem früheren Kreditgeber staatliche Zinsverbilligungsmittel gewährt wurden (BGH NJW-RR 1990, 623; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 59).
20
3. Zu einem delikaten Thema führt die Frage, ob und inwieweit eine Bank verpflichtet ist, den Kunden darüber aufzuklären, dass der Vorkredit sittenwidrig ist oder sein könne. Bei internen Umschuldungen ist dies teilweise angenommen worden (OLG Hamm NJWRR 1986, 1491 (1492); Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 56). Es erscheint jedoch zweifelhaft. Kennt die Bank die Nichtigkeit, ist ihr Handeln sittenwidrig (s. Rn. 34) und auf eine eventuelle Aufklärungspflicht kommt es nicht an. Ist dies nicht der Fall, findet eine Anpassung über die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage statt (s. Rn. 35).
21
Eckardt
1032
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Für eine noch weitergehende Verschiebung der vertraglichen Risikoverteilung durch Annahme einer Aufklärungspflicht besteht daher keine Veranlassung (vgl. Simon, S. 164 f.; Canaris, WM 1986, 1453 (1457 u. 1464); Mülbert, JZ 1992, 289 (295)). 22
III. Aufklärungspflicht zwischen den beteiligten Banken? Das Bestehen von Aufklärungspflichten wird nicht nur im Verhältnis zwischen dem Kreditinstitut und dem Schuldner diskutiert. Bei einer externen Umschuldung könnte man auch auf die Idee kommen, dass die Bank gegenüber einem Kreditinstitut, das bei ihr einen Kredit ablösen möchte, zur Aufklärung über bestehende Risiken (z. B. die fehlende Werthaltigkeit von Sicherheiten, die Vermögensverhältnisse des Schuldners) verpflichtet ist. Ein entsprechende Nebenpflichten auslösendes Schuldverhältnis könnte zumindest dann gegeben sein, wenn sich der Neukreditgeber abredegemäß den Darlehensrückzahlungsanspruch des Altkreditgebers gegen den Schuldner Zug um Zug gegen Leistung des Ablösebetrages abtreten lässt. Dem liegt jedoch kein Forderungskauf zugrunde, so dass sich keine entsprechenden Vertragspflichten ergeben. Die Abtretung ist vielmehr lediglich als Instrument zur Erhaltung der Sicherheiten gewählt. Den Altkreditgeber treffen daher grundsätzlich keine derartigen Aufklärungspflichten (BGH NJW 1989, 2882 (2883); Schimansky/Bunte/ Lwowski-Siol, § 44 Rn. 60). Ebenso wenig kann ein Schadensersatzanspruch des Neukreditgebers daraus hergeleitet werden, dass der Altkreditgeber es unterlassen habe, der SCHUFA eine meldepflichtige Tatsache mitzuteilen (OLG Dresden WM 2007, 251).
23
D. Sittenwidrigkeit einer Umschuldung Die umfangreiche Rechtsprechung der letzten ca. 20 Jahre zur Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen (s. § 15 und § 32) ist eng verbunden mit Umschuldungsfällen. Die Analyse der einschlägigen Entscheidungen zeigt, dass in den zugrundeliegenden Fällen sehr häufig nicht nur ein Ratenkreditvertrag geschlossen worden war, sondern eine ganze Kette derartiger Verträge letztendlich in die Zahlungsunfähigkeit geführt hatte. Die spezifischen sich in diesem Zusammenhang stellenden Rechtsprobleme können heute angesichts der gefestigten Rechtsprechung des BGH als im Wesentlichen geklärt angesehen werden.
24
Es geht hierbei nicht um die Behandlung der Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen im Allgemeinen, also vor allem des maßgeblichen (absoluten oder relativen) Verhältnisses zwischen Markt- und Vertragszins. Dargestellt werden vielmehr die besonderen aus der Umschuldungskonstellation folgenden Probleme. Dies ist zum einen die Erfassung von wirtschaftlich unvertretbaren Umschuldungen (I), zum anderen der Auswirkungen eines nach allgemeinen Grundsätzen sittenwidrigen Vorkredits auf den Folgevertrag (II).
25
I. Wirtschaftlich unvertretbares Umschuldungsverlangen. Sind die Konditionen eines Umschuldungskredits für sich betrachtet noch nicht unter dem Aspekt des § 138 BGB zu beanstanden, kommt gleichwohl eine Sittenwidrigkeit in Betracht, wenn die Bank die Kreditgewährung von der Ablösung bestehender günstigerer Kredite abhängig gemacht hat. Im Einzelnen:
26
1. Veranlassung zur Prüfung unter diesem Gesichtspunkt besteht insbesondere bei externen Umschuldungen. Denn eine Bank darf ihr (grundsätzlich legitimes) Anliegen, alleinige Gläubigerin des Kreditnehmers zu werden, nicht ohne Rücksicht auf dessen wirtschaftliche Belange durchzusetzen versuchen. Bei der Verfolgung ihrer Sicherungsinteressen sind ihr danach vor allem dann Grenzen gesetzt, wenn das neue Darlehen deutlich hinter den Konditionen des Vorkredits zurückbleibt und damit dem Kreditnehmer aus der Umschuldung erhebliche Nachteile erwachsen. Geht dies so weit, dass die Umschuldung als „wirtschaftlich unvertretbar“ zu bezeichnen ist, wird die im Rahmen des § 138 BGB vorzunehmende Gesamtwürdigung regelmäßig zu Lasten des Kreditinstituts ausfal-
Eckardt
§ 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung
1033
len (vgl. BGHZ 104, 102 = NJW 1988, 1659 (1660); BGH NJW 1988, 818 (819); WM 1991, 271 (272); Steinmetz, NJW 1991, 881 (886)). Die Analyse der Rechtsprechung zeigt, dass als kritisch in diesem Sinne nicht schon jede Verschlechterung der Kreditbedingungen anzusehen ist. Zu berücksichtigen ist neben dem Vergleich der Konditionen von Vor- und Neukredit, in welcher Höhe der Vorkredit noch valutiert, und damit das Verhältnis zwischen Ablösebetrag und Gesamtumfang des Neukredits. Schließlich ist es Sittenwidrigkeitselement, wenn der Vertragszins des Umschuldungskredits für sich betrachtet deutlich über dem Marktzins liegt (vgl. nur Mülbert, JZ 1992, 289 (295)).
27
Konkret wurde ein Sittenverstoß bejaht in folgenden Fällen: Zins des Vorkredits von 0,32 % p. M. bei einem Zins für den Neukredit von 0,60 % p. M., Ablösebetrag von 8.000 DM bei einem Gesamtneukredit von 16.617 DM und Vertragszins des Neukredits relativ um 88,6 % über dem Marktzins (BGH NJW 1988, 818). Zinsen der Vorkredite von 9,5 %, 12 % und 19,75 % bei 29,8 % für den Neukredit, Ablösebetrag von 25.000 DM bei Gesamtneukredit von 30.000 DM und Vertragszins des Neukredits relativ um 83,72 % über Marktzins (BGHZ 104, 102 = NJW 1988, 1659). Demgegenüber wurden als nicht ausreichend angesehen: Vorkreditzins von 13,9 % bei Neukredit für 17,44 %, Ablösebetrag von ca. 10.000 DM bei Gesamtneukredit von 40.000 DM und Vertragszins des Neukredits relativ um 69,65 % über Marktzins (BGH NJW 1990, 1048). Zinsen für fünf Vorkredite zwischen 8,15 % und 31,18 % bei Neukreditzins von 22,92 %, Gesamtablösebetrag von ca. 45.000 DM bei einem Gesamtneukredit von 65.000 DM und Vertragszins des Neukredits relativ um 69,78 % über Marktzins (BGH NJW 1990, 1597).
28
Man wird angesichts dieser Judikate von folgender Faustregel ausgehen dürfen: Eine Umschuldung ist jedenfalls dann wirtschaftlich unvertretbar und sittenwidrig, wenn der Zins des Neukredits deutlich über demjenigen des Vorkredits liegt, wenigstens die Hälfte des Neukredits der Ablösung dient und der Zins des Neukredits deutlich über dem Marktzins liegt.
29
Als zusätzliches Sittenwidrigkeitskriterium kann noch eine fehlende Aufklärung über die Nachteile der Umschuldung herangezogen werden (vgl. nur BGH NJW 1990, 1597). Dies heißt allerdings nicht, dass umgekehrt die erfolgte Aufklärung stets und automatisch einer wirtschaftlich unvertretbaren Umschuldung den Ruch der Sittenwidrigkeit nähme. Hier ist insbesondere an den Fall zu denken, dass der Kreditnehmer auf den Neukredit unbedingt angewiesen ist (BGH NJW 1988, 818).
30
Die vorstehenden Rechtsgrundsätze sind zu Konstellationen entwickelt worden, in denen die Bank die Umschuldung der Kredite verlangte. Geht der Umschuldungswunsch vom Kunden aus, führt auch eine erhebliche Verschlechterung der Bedingungen nicht automatisch zur Sittenwidrigkeit. Zur Aufklärungspflicht bei wirtschaftlich unvertretbarer Umschuldung s. Rn. 17.
31
2. Bei internen Umschuldungen stellt sich die zu 1. behandelte Problematik in der Praxis nicht, da Vor- und Neukreditgeber identisch sind. Sollte allerdings die Bank die Gewährung eines weiteren Kredits an ihren Kunden von einer wirtschaftlich unvertretbaren Ablösung des (bei ihr) bestehenden Kredits abhängig machen, ist § 138 BGB anzunehmen.
32
II. Bedeutung der Sittenwidrigkeit des Vorkredits. Die Formel „sittenwidriger Erstvertrag = sittenwidriger Folgevertrag“ erscheint auf den ersten Blick bestechend. Sie wird in dieser Allgemeinheit jedoch der Sach- und Interessenlage in den verschiedenen Konstellationen nicht gerecht. Zu denken ist hier insbesondere an den Fall, dass ein Wucherkredit im Rahmen eines Folgevertrages zu angemessenen Konditionen aufgestockt wird.
33
Eckardt
1034
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Wollte man eine Automatik im Sinne der eben genannten Formel annehmen, müsste der Kreditnehmer den neu gewährten Kreditbetrag nicht verzinsen. Er hätte andererseits auch keinen Anspruch auf die Auszahlung. Beides erscheint nicht sachgerecht. Im Grundsatz kann daher auch bei den sog. Kettenkreditverträgen nicht auf eine eigenständige Beurteilung jedes einzelnen Vertrages verzichtet werden (BGHZ 99, 337 = NJW 1987, 944; BGH NJW 1990, 1597; MünchKommBGB-K.P.Berger, § 488 Rn. 119; Staudinger-Sack, § 138 Rn. 244; Canaris, WM 1986, 1453 (1457)). Dies bedeutet freilich nicht, dass nicht unter noch darzustellenden Umständen die Sittenwidrigkeit des Erstvertrags Auswirkungen auf den Folgevertrag haben kann. 34
1. Bei internen Umschuldungen gilt dem gemäß folgendes: a) Die Sittenwidrigkeit des Vorkredits schlägt ausnahmsweise automatisch auf den Neukredit durch, wenn der Kreditgeber die Nichtigkeit des Erstvertrages positiv kennt und mit dem Neuvertrag das Ziel verfolgt, sich den unberechtigten Gewinn aus dem sittenwidrigen Erstvertrag zu sichern (BGHZ 99, 337 = NJW 1987, 944; MünchKommBGB-K.P.Berger, § 488 Rn. 119). Gleichfalls kommt eine „Infizierung“ in Betracht, wenn die Konditionen des Folgekredits schon bei isolierter Betrachtung auf der Grenze des Erlaubten liegen (z. B. Vertragszins ca. 90 % über Marktzins) und die Nichtigkeit des Vorvertrags als (entscheidendes) Kriterium in die Gesamtwürdigung einfließen kann (BGH a.a.O.; ausführlich OLG Köln NJWRR 1991, 1456 (1457)).
35
b) Liegt keine dieser Ausnahmen vor, wirkt sich die Nichtigkeit des Vorkredits bei der Beurteilung des Folgekreditvertrags in der Weise aus, dass der zweite Vertrag der Rechtslage, die sich aus der Nichtigkeit des ersten ergibt, nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen ist. Dies bedeutet: Dem Kreditgeber stehen Ansprüche aus dem Folgevertrag nur in dem Umfang zu, in dem die Vertragsparteien solche Ansprüche billigerweise auch dann begründet hätten, wenn sie die Nichtigkeit des Erstvertrags und deren Auswirkungen auf ihre Rechtsbeziehungen gekannt hätten (BGH NJW 1990, 1597 (1599); ZIP 2002, 701 (702) m. w. N.). Ihm wird so der Vorteil genommen, der ihm im Widerspruch zur wahren Rechtslage aus der Ablösung zugeflossen ist.
36
Die demgemäß zur Anpassung nötige Berechnung ist im Einzelfall, insbesondere bei ganzen Kreditketten, nicht unkompliziert (daher kritisch zum Ganzen z. B. Münstermann, WM 1987, 745). Anzusetzen ist bei den vom Kreditnehmer auf den sittenwidrigen Vorkredit geleisteten Zahlungen. Sie sind linear – und nicht staffelmäßig – auf das Kapital und die nicht geschuldeten Kreditkosten zu verteilen. Der dem Kreditnehmer danach in Höhe der geleisteten Kreditkosten zustehende Bereicherungsanspruch wird mit dem Barkreditbetrag des Folgevertrages verrechnet. Ergibt sich ein Überschuss für den Kreditnehmer, entfällt jegliche Verpflichtung aus dem Folgevertrag. Verbleibt ein Kreditbedarf, ist der Folgevertrag auf der Grundlage dieses Nettokreditbetrages neu durchzurechnen. Der sich ergebende Gesamtbetrag von Kapital und Kosten wird auf die Restlaufzeit des nichtigen Vorkredits verteilt. Erhöht um die bereicherungsrechtlich aus dem Vorkredit ggfs. noch geschuldeten Kapitalrückzahlungsraten erhält man die korrekte Monatsrate. Um die Berechnung zu vereinfachen, können die aus dem Vorkredit geschuldeten Kapitalrückzahlungsraten auch, bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Neukredits, mit dessen Zinssatz abgezinst und als Teil des Neukredits in den Folgevertrag eingestellt werden (s. hierzu und wegen weiterer Details sowie mit Berechnungsbeispielen Palandt-Heinrichs, 53. Aufl., § 138 Anm. 2 b ee (nicht mehr in den Folgeaufl.); Reifner, KreditR, § 36 Rn. 9 ff.; Schmelz, Der Verbraucherkredit, Rn. 503 ff.).
37
c) Die vorstehend beschriebenen Auswirkungen sittenwidriger Vorkredite auf den Neukredit können nicht durch den Hinweis auf eine angebliche Bestätigung (§ 141 BGB)
Eckardt
§ 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung
1035
geleugnet werden. Ebenso wenig kann in dem Abschluss des Folgevertrages ein Schuldanerkenntnis gesehen werden. Beides würde nämlich voraussetzen, dass den Vertragschließenden die Nichtigkeit bewusst war bzw. dass sie sich hierüber zumindest im Unklaren waren. Hieran wird es auf Seiten des Kreditnehmers regelmäßig fehlen. Soweit auf Seiten des umschuldenden Kreditinstituts die Problematik präsent gewesen sein sollte, wäre ein Vorgehen aus den oben zu Rn. 34 genannten Gründen sittenwidrig. Eine Heilung durch Bestätigung oder Schuldanerkenntnis kommt daher nicht in Betracht (vgl. OLG Köln NJW-RR 1991, 1456 (1457); OLG Hamm NJW-RR 1994, 1133). Schließlich kann der Erstvertrag auch regelmäßig nicht als Teil des Folgevertrages im Sinne des § 139 BGB angesehen werden. Es handelt sich, abgesehen von der Übernahme des (zu hohen) Restsaldos, nicht um ein einheitliches Geschäft (vgl. nur OLG Hamm NJW-RR 1986, 1491; Busch, Umschuldung sittenwidriger Ratenkredite, S. 73 f.; Canaris, WM 1986, 1453 (1456); a. A. Derleder, JZ 1983, 81 (84 ff.) für den Fall, dass der Folgevertrag bei Kenntnis der Sittenwidrigkeit des Endvertrages nicht abgeschlossen worden wäre). 2. Bei der Betrachtung externer Umschuldungen ist von folgender Überlegung auszugehen: Die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit des Vorkredits können für den Neukreditgeber nicht belastender sein, als dies bei einer internen Umschuldung der Fall wäre, da er für den sittenwidrigen Vorkredit nicht verantwortlich zeichnet (vgl. BGH NJW 1990, 1597 (1598)). Dem gemäß liegt hier die selbstständige Behandlung der Folgeverträge erst recht nahe.
38
a) Die Sittenwidrigkeit eines für sich nicht zu beanstandenden Neukredits ist daher im vorliegenden Zusammenhang nur dann denkbar, wenn der Kreditgeber positive Kenntnis von der Nichtigkeit des Vorkredits hat. Es genügt nicht, dass er sich möglicher Weise leichtfertig der Einsicht in die Sittenwidrigkeit verschlossen hat. Allerdings muss er es sich entgegen halten lassen, „wenn und soweit im Zeitpunkt der Umschuldung die entscheidenden Rechtsfragen von der Rechtsprechung bereits so eindeutig, umfassend und endgültig geklärt sind, dass die Nichtigkeit und deren Rechtsfolgen sich ihm auf den ersten Blick aufdrängen“ (BGH NJW 1990, 1597 und 1599 mit Beispiel; Soergel-Hefermehl, § 138 Rn. 98).
39
An diesem Maßstab gemessen wird z.B. ein exorbitant hoher Zins im Erstvertrag die Kenntnis der Sittenwidrigkeit ohne weiteres vermitteln. Fraglich ist allerdings, ob und inwieweit sich der Neukreditgeber mit dem Erstvertrag befassen muss. Auszugehen ist davon, dass der Kreditgeber sich nur bei dem Verlangen der Umschuldung mit deren wirtschaftlicher Vertretbarkeit – und damit den Konditionen des Erstvertrages – auseinandersetzen muss (s. o. Rn. 17 f.). Eine generelle Nachforschungs- bzw. Aufklärungspflicht besteht nicht (s. o. Rn. 20).
40
Ist der Folgevertrag nach alledem als sittenwidrig anzusehen, ist ein etwaiger Aufstockungsanteil nach den allgemeinen Grundsätzen (s. § 32) rück abzuwickeln. Soweit dagegen die Valuta des Neukredits der Ablösung des sittenwidrigen Vorkredits gedient haben, beschränkt sich die bereicherungsrechtliche Verpflichtung des Kreditnehmers darauf, seinen Bereicherungsanspruch gegen den Vorkreditgeber an den Neukreditgeber abzutreten (vgl. BGH ZIP 1991, 359 (361); Schmelz, Der Verbraucherkredit Rn. 518; Mülbert, JZ 1992, 401 (403)).
41
b) Ist der Umschuldungskredit nach dem zu a) Ausgeführten dagegen nicht als sittenwidrig zu beurteilen, schuldet der Kreditnehmer die Erfüllung. In diesem Fall liegt die Ablösung eines sittenwidrigen Vorkredits ausschließlich im Risikobereich des Kreditnehmers. Anders als bei der internen Umschuldung scheidet insbesondere eine Vertragsanpassung über die Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage aus. Dem Kreditnehmer stehen
42
Eckardt
1036
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nur Bereicherungsansprüche gegen den Vorkreditgeber zu (BGH NJW 1990, 1597 (1599); Canaris, WM 1986, 1453 (1456/1457); missverständlich Staudinger-Sack, § 138 Rn. 245 einerseits, Rn. 246 a. E. andererseits). 43
III. Sonstiges. Nach den oben Rn. 34 dargestellten Grundsätzen ist auch der Fall zu behandeln, dass ein Kreditinstitut versucht, eine sittenwidrige (Ehegatten-)Bürgschaft gegen eine darlehensvertragliche Primärhaftung des Ehegatten auszutauschen. Fehlt dem Ehegatten ein eigenes Interesse und sind die maßgeblichen Umstände für das Kreditinstitut erkennbar, ist diese „Umschuldung“ durch Mithaftungsübernahme nichtig in Fortwirkung der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft (BGH NJW 2005, 973 mit Anm. Klaas, EWiR 2005, 561). Hat der Ehegatte dagegen ein eigenes Interesse (z.B. bei ehenützlichen Investitionen), handelt das Kreditinstitut nicht anstößig, wenn es für eine Umschuldung die Unterschrift dieses – bisher nicht verpflichteten – Ehegatten als neuen Mitdarlehensnehmers verlangt. Selbst dass er hierdurch finanziell überfordert wird, begründet nicht bereits für sich das Sittenwidrigkeitsverdikt (vgl. BGH NJW 1999, 135; OLG Koblenz WM 2005, 693 Rn. 31; s. auch § 25).
44
E. Mitwirkung von Darlehensvermittlern I. Allgemeines. Die Mitwirkung von gewerblichen Darlehensvermittlern verteuert eine Umschuldung zwangsläufig und erhöht damit das Risiko, dass die neuen Gesamtverpflichtungen für den Schuldner nicht tragbar sind. In der ganz überwiegenden Zahl der entschiedenen Fälle waren die Ratenkredite gegen nicht unerhebliche Gebühren vermittelt worden. Die gewerbliche Darlehensvermittlung ist ohne Übertreibung ein Tummelplatz für Personen und Institutionen von zumindest zweifelhafter Seriosität. Die Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens hat ihnen einen zusätzlichen Boom beschert (s. näher Rn. 52 ff.).
45
Die gewerblichen Darlehensvermittler sind aufgrund dessen in erheblichem Umfang für die stark zunehmende Zahl überschuldeter Privathaushalte verantwortlich. Dieser Umstand hat den Gesetzgeber seinerzeit bei Erlass des Verbraucherkreditgesetzes veranlasst, besondere zivilrechtliche Schutzvorkehrungen gegen unangemessene Vermittlungsvergütungen zu treffen, ohne dass dies freilich eine durchschlagende Wirkung gehabt hätte.
46
Etwaige Pflichtverletzungen eines Vermittlers sind nach der Rechtsprechung dem umschuldenden Kreditinstitut zuzurechnen, wenn der Betreffende mit Wissen und Wollen des Kreditinstituts tätig geworden ist (vgl. BGH NJW 1990, 1597; 1844 (1845/6); OLG München WM 1990, 396; OLG Celle WM 1992, 1145). Dies kann insbesondere im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufklärungspflichten relevant werden (dazu oben Rn. 13 ff.).
47
II. Verbraucherdarlehen. Bei der gewerblichen Vermittlung von Verbraucherdarlehen (zum Begriff § 491 BGB) bestehen laut § 655c BGB, der bis auf terminologische Modifikationen mit dem bisherigen § 16 VerbrKrG sachlich identisch ist, besondere Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch des Vermittlers.
48
Nach S. 1 der Vorschrift ist der Verbraucher generell zur Zahlung der Vergütung nur verpflichtet, wenn das Darlehen infolge der Vermittlung tatsächlich geleistet worden und ein Widerruf nach §§ 495 I, 355 BGB nicht mehr möglich ist (s. hierzu näher § 11; außerdem Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 655c Rn. 9). Bei der Berechnung der Widerrufsfrist ist übrigens zu berücksichtigen, dass (selbstverständlich) als „Empfang“ des Darlehens im Sinne des § 494 II BGB auch anzusehen ist, dass der Neukredit auf den Vorkreditsaldo verrechnet wird (vgl. Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 655c Rn. 11; a. A. LG Köln NJW-RR 2001, 778). Die Regelung des § 655c S. 1 BGB hat zwingenden Charakter (vgl.
Eckardt
§ 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung
1037
§ 655e BGB), so dass die individualvertragliche Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Vergütung nicht möglich ist. Zulässig ist es allerdings nach § 655d S. 2 BGB, dass sich der Vermittler die Erstattung erforderlicher Auslagen zusagen lässt. S. 2 des § 655c BGB enthält darüber hinaus eine spezifische Regelung für den Fall der Vermittlung eines Umschuldungsdarlehens. Danach steht dem Vermittler (zur Vermeidung des Umschuldungskarussells) eine Vergütung nur zu, wenn sich durch den von ihm vermittelten Verbraucherdarlehensvertrag die Kosten für den Kreditnehmer nicht erhöhen. Hierbei ist unerheblich, ob es sich schon bei dem umzuschuldenden Darlehen um ein Verbraucherdarlehen gehandelt hat; ebenso ist ohne Belang, ob Alt- und Neukreditgeber identisch sind. Allerdings greift die Vorschrift nur bei Umschuldungen im engeren Sinne, d. h. bei vorzeitiger Ablösung eines bestehenden Darlehens. Dies ist nicht der Fall, wenn der Vorkredit schon fällig oder von dem Kreditgeber wirksam gekündigt war. Gleiches gilt für bloße Prolongationsabreden oder sonstige Tilgungsstreckungen im Rahmen des bestehenden Vorkredits. Bei Kreditaufstockungen ist § 655c S. 2 BGB schließlich nicht hinsichtlich des Aufstockungsanteils („soweit“) einschlägig (vgl. Insgesamt MünchKommBGB-Habersack, § 655c Rn. 17 ff.; AnwK- Reiff, § 655c Rn. 7; Staudinger-Kessal-Wulf, § 655c Rn. 11). Maßstab für den Kostenvergleich zwischen Vor- und Neukredit ist allein der jeweilige effektive Jahreszins, der sich nicht erhöhen darf. Bei der Berechnung bleiben etwaige Vermittlungskosten des Vorkredits unberücksichtigt (§ 655c S. 2 Hs. 2 BGB). Dies gilt auch, wenn sie im Wege des sog. Packing an den Vorkreditgeber zu zahlen waren (PalandtSprau, § 655c Rn. 5). War der Zins des Vorkredits variabel, ist auf die Zinshöhe zum Zeitpunkt der Umschuldung abzustellen (vgl. nur MünchKommBGB-Habersack, § 655c Rn. 27). Ob eine Herabsetzung der Tilgung in dem Folgevertrag zu einer höheren Gesamtbelastung führt, ist nicht von Bedeutung. Letztlich hängt also der Vergütungsanspruch des Vermittlers davon ab, dass der effektive Jahreszins für den Neukredit (unter Einschluss der Provision) nicht höher ist als der effektive Jahreszins für den Vorkredit ohne Vermittlerprovision (vgl. insgesamt mit weiteren Einzelheiten Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 655c Rn. 15 ff., 25 f.). Die Entstehung des Provisionsanspruchs unterliegt nicht den beschriebenen Restriktionen des § 655c S. 2 BGB, wenn der Vermittler keine Kenntnis von dem Verwendungszweck des Neukredits hat. Dies folgt über den Wortlaut hinaus („mit Wissen“) auch unmittelbar aus dem Sinn und Zweck der Norm: Wer von dem Ablösungszweck nichts weiß, dem kann nicht vorgeworfen werden, das Umschuldungskarussell zu beschleunigen. Freilich obliegt es dem Vermittler, im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass er keine Kenntnis hatte (vgl. Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, § 655c Rn. 24). III. Im Besonderen: Die sog. „Schuldenregulierung“. Hochkonjunktur haben in den letzten Jahren selbsternannte gewerbliche „Schuldenregulierer“. Sie machen sich den (unreflektierten) Wunsch der zunehmenden Zahl überschuldeter Privathaushalte zunutze, mit einem Umschuldungsdarlehen, das sie von keiner Bank mehr bekommen würden, die bestehenden Verbindlichkeiten abzulösen, um es dann nur noch mit einem Gläubiger zu tun zu haben. Eine Rolle spielt auch die Hoffnung, durch das 1999 eingeführte Verbraucherinsolvenzverfahren Schuldenfreiheit zu erlangen. Die „geeigneten Stellen“ im Sinne des § 305 InsO (Verbraucherschutzvereine, staatlich anerkannte sonstige Schuldnerberatungsstellen) sind freilich stark überlastet, womit der Nährboden für allerlei unseriöse Aktivitäten bereitet ist. Die Schuldner werden typischerweise geködert durch Kleinanzeigen, in denen geworben wird mit „Bei uns gibt es keine Wartezeiten“, „Finanzielle Schwierigkeiten? Keine
Eckardt
49
50
51
52
53
1038
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Bank hilft – wir helfen sofort“, „Kredite ohne Sicherheiten – sofort Umschuldungen“ o. ä. Der Inserent tritt, wie sich nach Kontaktaufnahme zeigt, als Vermittler eines „Finanzdienstleistungsunternehmens“ auf. Schnell wird dem Anfragenden mitgeteilt, einer Sanierung stehe nichts im Wege, wenn nur zunächst eine Vermittlungsgebühr gezahlt werde. Diese beläuft sich auf bis zu 5 % der Schuldsumme. Nach deren Zahlung erhalten die Schuldner lediglich ein z. B. als „Finanzdienstleistungs-Vertrag“ bezeichnetes Papier, in dem vorgesehen ist, dass ein monatlicher Betrag an das Unternehmen überwiesen und von diesem sodann an die Gläubiger verteilt werden soll. Als Gegenleistung für diese dürftige Dienstleistung wird eine einmalige „Bearbeitungsgebühr“ verlangt, die je nach Gläubigerzahl zwischen 300 und 450 € liegt. Außerdem fällt eine wiederum gestaffelte laufende „Verwaltungsgebühr“ von monatlich 30 bis 45 € an (vgl. zu einem derartigen Sachverhalt beispielhaft OLG München, Urt. v. 18.02.1999 – 6 U 5601/98). Eine Regulierung der Schulden findet regelmäßig nicht statt und ist wohl auch nicht intendiert. 54
Ein solcher Vertrag wird bereits als sittenwidrig anzusehen sein, wenn die Leistung des Vermittlers von vornherein nicht auf Konsens der Gläubiger stoßen kann und wegen jederzeit möglicher Vollstreckung wertlos ist. Hinzu kommt, dass jede rechtsberatende Tätigkeit – also z. B. die materielle Prüfung der Forderungen nach Grund und Höhe oder der Versuch, außergerichtliche Einigungen mit den Gläubigern herbeizuführen – einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) darstellen würde und schon deshalb nicht angeboten werden kann (vgl. noch zum RBerG BGH NJW 1998, 1955 mit Anm. Frings, WuB 1998, 988; MünchKommBGB-Armbrüster, § 134 Rn. 93; großzügiger OLG Hamburg NJW-RR 2007, 40; wie hier zum RDG Grunewald/Römermann-Römermann, RDG, 2008, § 2 Rn. 90).
55
Die beschriebene Geschäftsmethode wird von der Justiz, wenn man denn der Täter habhaft wird, zu Recht auch unter dem strafrechtlichen Aspekt des Betruges (s. etwa den in der FAZ v. 03.06.2006 beschriebenen Fall) sowie zivilrechtlich u.a. als irreführende Werbung verfolgt (vgl. OLG Köln NJW-RR 1990, 1383). Den umworbenen Verbrauchern kann man nur raten, auf Anzeigen der skizzierten Art nicht zu reagieren und stattdessen im Bedarfsfall unbedingt eine staatlich anerkannte Schuldnerberatungsstelle aufzusuchen (weitere Informationen z.B. unter www.forum-schuldnerberatung.de).
56
F. Beweislast Auszugehen ist von den allgemeinen Beweislastgrundsätzen, ohne dass Besonderheiten bestünden. Daher obliegt dem aus einem Umschuldungsdarlehen vorgehenden Kreditinstitut grundsätzlich nur der Nachweis des entsprechenden Vertragsabschlusses und der Valutierung. Behauptet der Kreditnehmer, dass ein abgelöster Kreditsaldo nicht (z. B. infolge Sittenwidrigkeit) bzw. nicht in der angenommenen Höhe bestanden habe, ist er folglich insoweit beweispflichtig (so zutreffend BGH ZIP 2002, 701 (702); OLG Hamm NJW- RR 1994, 1133; BuB-Früh, Rn. 3/40).
57
Vor allem bei internen Umschuldungen stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob und, wenn ja, inwieweit das Kreditinstitut zur Vermeidung des Vorwurfs der Beweisvereitelung verpflichtet ist, die Vertragsunterlagen des Vorkredits vorzulegen bzw. zumindest Auskunft zu erteilen. Auszugehen ist zumindest davon, dass sich der Kreditnehmer bei Einhaltung der zu erwartenden Sorgfalt in keiner Beweisnot befindet, da er alle maßgeblichen Dokumente bis hin zum Ausgangskredit erhalten hat. Es bedarf daher schon besonderer Umstände, um ausnahmsweise eine Vorlage- bzw. Auskunftsverpflichtung der Bank um den Darlehensvertrag zu begründen, die zudem in jedem Fall auf den Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten beschränkt wäre (vgl. Batereau, WuB 2002,
Eckardt
§ 33 Umschuldung und Ersatzkreditnehmerstellung
1039
1026 f.; Canaris, WM 1986, 1453 (1457); weitergehend Reifner, KreditR, § 49 Rn. 11 ff.; Derleder, JZ 1983, 81 (82)). Zum Auskunftsanspruch beim Girovertrag s. BGH NJW 1985, 2699. Ist bei einer Aufstockung eine Aufklärungspflichtverletzung begangen worden, spricht eine Vermutung dafür, dass der Kreditnehmer den Zusatzkreditbetrag auch ohne Ablösung des vorhandenen Kredits aufgenommen hätte. Behauptet der Kreditnehmer, dass dies ohne Umschuldung nicht der Fall gewesen wäre, obliegt ihm der diesbezügliche Beweis. Macht andererseits der Kreditgeber geltend, dass der Kreditnehmer auch bei gehöriger Aufklärung in die Ablösung des Vorkredits eingewilligt hätte, muss er dies beweisen. Schutzzweck der Aufklärungspflicht ist nämlich nur die Bewahrung des Kreditnehmers vor den Mehrkosten der Umschuldung (vgl. oben Rn. 15 und Mülbert, JZ 1992, 401 (407)).
58
G. „Umschuldung“ durch Schuldnerwechsel
59
Bei der internen Umschuldung wird die bestehende Darlehensforderung modifiziert bzw. ersetzt. Bei externen Umschuldungen ändert sich die Person des Kreditgebers. Denkbar ist auch der „Austausch“ des Kreditnehmers. Eine derartige Operation wird allerdings nicht unter den Begriff der Umschuldung subsumiert. Es bedarf einer privativen Schuldübernahme nach Maßgabe der §§ 414 ff. BGB bzw. einer vollständigen Vertragsübernahme (vgl. BuB-Früh, Rn. 3/39). Stimmen sämtliche Beteiligten zu, ist eine derartige Regelung unbedenklich möglich. Neuerdings wird darüber hinaus verstärkt diskutiert, ob der Kreditnehmer einen Anspruch gegen die Bank auf die Stellung eines „Ersatzkreditnehmers“ haben kann. Wirtschaftlich interessant erschiene dies vor allem für einen Immobilieneigentümer, wenn er veräußern möchte und ein grundpfandrechtlich gesichertes, langjähriges und nicht ordentlich kündbares (§ 489 I BGB) Festzinsdarlehen besteht. In derartigen Fällen hat er zwar unter bestimmten Voraussetzungen nach § 490 II BGB eine Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages. Nach S. 3 dieser im Wesentlichen die bisherige Rechtsprechung (vgl. BGHZ 136, 161 = NJW 1997, 2875; BGH NJW 2001, 509) kodifizierenden Norm ist die Ausübung des Kündigungsrechts freilich mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verbunden (vgl. im einzelnen § 14).
60
Diese Konsequenz ließe sich vermeiden, wenn dem Kreditnehmer gestattet würde, einen Ersatzkreditnehmer zu stellen. Nachdrücklich befürwortet hat dies unter Berufung auf das im Mietrecht unter bestimmten Voraussetzungen anerkannte Recht des Mieters zur Stellung eines Ersatz- oder Nachmieters Knops (WM 2000, 1427 ff. m. w. N.). Danach soll die Bank gehalten sein, einen „zumutbaren“ Ersatzkreditnehmer zu akzeptieren. Als Maßstab werden vor allem dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie der Umstand angesehen, dass er bereit ist, den Vertrag zu den bestehenden Konditionen zu übernehmen (s. wegen der Einzelheiten Knops, a. a. O.). Lehne die Bank gleichwohl ab, soll die Zinspflicht – auch dies als Parallele zum Mietrecht gedacht – für den bisherigen Kreditnehmer entfallen (Knops, a. a. O., 1438).
61
Die Annahme einer Obliegenheit, einen zumutbaren Ersatzkreditnehmer zu akzeptieren, findet in der Literatur Zustimmung (Palandt-Putzo, 61. Aufl., § 609 BGB Rn. 10; Ebenroth/Boujong/Joost-Thessinga, Bd. 2, Bankrecht, Rn. IV 101). Dagegen überzeugt der Einwand, damit werde ein dem deutschen Recht fremder Kontrahierungszwang begründet (so Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2003, S. 65) nicht. Denn der Ansatz hier ist derselbe wie im Mietrecht. Dort jedoch ist allgemein akzeptiert, dass die Ablehnung eines Ersatzmieters durch den Vermieter gegen § 242 BGB verstoßen kann, wenn grundlos eine zumutbare, solvente, die Vertragsbedingungen unein-
62
Eckardt
1040
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
geschränkt übernehmende Person abgelehnt wird (vgl. nur BGH NJW 2003, 1246; Palandt-Weidenkaff, § 537 BGB Rn. 8 f. m. w. N.). Dies muss auch im Darlehensrecht gelten. 63
64
Allerdings fragt sich, ob sich in der Praxis in nennenswertem Umfang übernahmewillige Ersatzkreditnehmer finden lassen. In Betracht kommen werden regelmäßig ohnehin nur die potentiellen Erwerber der fraglichen Immobilie. Deren Kapitalbedarf müsste sodann idealer Weise übereinstimmen mit dem noch valutierenden Saldo des bestehenden Darlehens. Außerdem dürften sie keine Sonderwünsche hinsichtlich Tilgung, Zulassung von Sondertilgungen oder der Verwendung öffentlicher Mittel haben. Dies wird mehr als selten der Fall sein (vgl. Köndgen, NJW 2000, 468, 480 Fn. 212; optimistischer Knops a. a. O., S. 1427 f.; zudem § 14 Rn. 60). Hinzu kommt, dass das Risikoprofil von Alt- und Ersatzkreditnehmer vergleichbar sein müsste. An der Bedeutung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers kann nämlich auch eine fortbestehende grundpfandrechtliche Sicherung nichts ändern (a. A. Knops, WM 2000, 1427 (1438)). Die Realisierung eines Grundpfandrechts durch Zwangsversteigerung bzw. -verwaltung ist mit großem Zeit- und Kostenaufwand verbunden und kann einen solventen Schuldner nicht erübrigen. Als Fazit ist festzuhalten, dass die Stellung eines Ersatzkreditnehmers weniger aus rechtlichen Gründen scheitern wird als an der Schwierigkeit, einen einstiegswilligen Erwerber – dies ist immerhin die erste Voraussetzung – zu finden. Sollte schon bei Abschluss des Kreditvertrages eine Ersatzkreditnehmerbestellung im Rahmen des Denkbaren liegen, dürfte es sich – ebenfalls in Parallele zum Mietrecht – für den Kreditnehmer empfehlen, die Aufnahme einer diesbezüglichen Vertragsklausel anzustreben.
Eckardt
§ 34 Beendigung
1041
§ 34 Beendigung
Schrifttum Baum/Reiter, Gesetzgeberischer Nachholbedarf für einen verbesserten Anlegerschutz, BKR 2002, 851; Becher/Lauterbach, Darlehenskündigung nach § 490 II BGB wegen günstiger Zinskonditionen?, WM 2004, 1163; Bruchner, Bankenhaftung bei fremdfinanziertem Immobilienerwerb, WM 1999, 825; Bühler/ Köndgen/H. Schmidt, Schutz und Diskriminierung durch § 609 a BGB, ZBB 1990, 49; Canaris, Kreditkündigung und Kreditverweigerung gegenüber sanierungsbedürftigen Bankkunden, ZHR 143, 113; De Meo, Bankenkonsortien, 1994; Derleder, Die Kreditabwicklung bei gescheiterten Steuersparmodellen des Immobiliensektors, ZfIR 2003, 177; Felke/Jordans, Umsetzung der Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen, NJW 2005, 710; Freitag, Die Beendigung des Darlehensvertrages nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, WM 2001, 2370; Hammen, Vorzeitige Darlehenstilgung und Zinspflicht, DB 1991, 953; Hopt, Rechtspflichten der Kreditinstitute zur Kreditversorgung, Kreditbelassung und Sanierung von Unternehmen, ZHR 143, 139; Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Übernahme von Immobiliarkreditverhältnissen, 2000; Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung bei Darlehen mit fester Laufzeit ZfIR 2001, 438; Die Anwendbarkeit des § 271 Abs. 2 BGB auf verzinsliche Darlehen, VuR 2001, 239; Verbraucherschutz und Kreditrecht, VuR 1998, 107; Köndgen, Zur Praxis der sogenannten nachträglichen Tilgungsverrechnung beim Hypothekenkredit, NJW 1987, 160; Anmerkung zu BGH ZIP 1996, 1641, ZIP 1997, 1645; Darlehen, Kredit und finanzierte Geschäfte nach neuem Schuldrecht – Fortschritt oder Rückschritt?, WM 2001, 1637; v. Koppenfels, Das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen im BGB – eine Untersuchung des § 355 Abs. 1 BGB-RegE, WM 2001, 1360; Lang/ Beyer, Vorzeitige Ablösung von Festzinsdarlehen und Vorfälligkeitsentschädigung, WM 1998, 897; Mankowski, Zur Neuregelung der Widerrufsfrist bei Fehlen einer Belehrung im Verbraucherschutzrecht, JZ 2001, 745; Metz/Wenzel, Vorfälligkeitsentschädigung: Entgelt für die Vertragsauflösung oder Schadenersatz, 1996; Mülbert, Die Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung im Recht des „bürgerlichen“ Darlehensvertrages, WM 2002, 465; Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, 1537; Der Verkauf von Krediten, ZIP 2008, 97; Reifner, Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen, ZBB 2001, 193; Reinicke/Tiedtke, Das Schicksal der persönlichen Forderung bei Ablösung der Grundschuld durch den Eigentümer des Grundstücks, WM 1987, 485; Rösler, Vorfälligkeitsentgelt bei Festzinskrediten, BB 1997, 1369; Rösler/Wimmer, Zahlungsverpflichtungen und Zahlungsströme bei vorzeitiger Beendigung von Darlehensverträgen, WM 2000, 164; Schmelz/Klute, Zum Gesetzentwurf für ein Verbraucher-Kreditgesetz, ZIP 1989, 1509; Schwintowski/Schantz, Grenzen der Abtretbarkeit grundpfandrechtlich gesicherter Darlehensforderungen, NJW 2008, 472; Seibert, Handbuch zum Gesetz über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozessordnung und anderer Gesetze, 1991; Staudinger, Die Zukunft der „Schrottimmobilien“ nach den EuGH-Entscheidungen vom 25.10.2005, NJW 2005, 3522; Stüsser, Bankenhaftung bei gesicherten ImmobilienTreuhandmodellen, NJW 1999, 1586; Stupp/Mucke, Die Auswirkung kreativer „Zins“-Vereinbarungen auf die ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensnehmers, BKR 2005, 20; W. Weber, Das Vorfälligkeitsentgelt bei vorzeitiger Rückzahlung eines Hypothekendarlehens, NJW 1995, 2951; Wenzel, Vorzeitige Beendigung langfristiger Hypothekendarlehen, WM 1997, 2340; Zahn, Neues Recht des Leasingvertrages durch das Verbraucher Kreditgesetz, DB 1991, 81. Inhaltsübersicht A. Arten der Beendigung des Darlehensvertrages . . 1 B. Widerruf (§ 355 BGB). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Verbraucherdarlehensvertrag (§ 495 BGB) . 5 1. Berechtigung zum Widerruf . . . . . . . . . . 6 2. Abweichende Vereinbarungen. . . . . . . . . 7 II. Haustürgeschäft (§ 312 BGB) . . . . . . . . . . . 9 1. Voraussetzungen des Haustürgeschäfts . 10 2. Ausschluss des Widerrufsrechts . . . . . . 12 3. Widerrufsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4. Verhältnis zu anderen Regelungen . . . . 16 III. Fernabsatzvertrag (§ 312d BGB) . . . . . . . . 17 IV. Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . 20 1. Erklärung des Widerrufs . . . . . . . . . . . . 20 2. Widerrufsfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3. Rückabwicklungsschuldverhältnis . . . . C. Kündigung des Darlehensvertrages. . . . . . . . . . I. Ordentliche Kündigung unbefristeter Darlehensverträge (§ 488 III BGB) . . . . . . 1. Kündigungsvoraussetzungen. . . . . . . . . 2. Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . II. Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (§ 489 BGB) . . . . . . . . 1. Kündigungsberechtigung . . . . . . . . . . . 2. Umgehungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . III. Außerordentliche Kündigung des Darlehensgebers (§ 490 I BGB) . . . . . . . . 1. Verhältnis zu § 610 BGB a.F. . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Ziff. 19 II AGB-Banken .
Baum/Reiter/Methner
29 36 37 38 40 41 41 44 47 48 50
1042
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
3. Voraussetzungen der Kündigung gemäß § 490 I BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Zeitpunkt der Kündigung . . . . . . . . . . . 69 5. Rechtsfolgen der außerordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Außerordentliche Kündigung des Darlehensnehmers (§ 490 II BGB) . . . . . . 78 1. BGH-Rechtsprechung zur vorfälligen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Einführung des § 490 II BGB . . . . . . . . 81 3. Voraussetzungen des Kündigungsrechts gemäß § 490 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . 82 4. Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . 86 V. Gesamtfälligstellung (§ 498 BGB) . . . . . . 87 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Voraussetzungen für die Gesamtfälligstellung . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . 97 4. Kündigungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . 100 VI. Beendigung des Darlehensvertrages gemäß §§ 313, 314 BGB . . . . . . . . . . . . . 103 1. Voraussetzungen des § 314 BGB. . . . . 104 2. Verhältnis des § 314 BGB zu anderen Kündigungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Anwendungsfälle des § 314 BGB . . . . 107 VII. Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 VIII. Disagioerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Berechtigte Kündigung des
Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechtigte Kündigung des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Ausschluss der Kündigung . . . . . . . . . . . 1. Entgegenstehende Vereinbarung oder Zwecksetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kündigung zur Unzeit . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsmissbräuchliche Kündigung. . . D. Sonstige Beendigungsgründe . . . . . . . . . . . . . I. Nichtabnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen des Schadenersatzes 2. Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einvernehmliche Beendigung . . . . . . . . . III. Widerruf der Darlehenszusage und Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerruf der Darlehenszusage . . . . . . 2. Rücktritt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Leistung vor Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . VI. Leistung auf die fällige Grundschuld . . . 1. Ablösung der Grundschuld . . . . . . . . . 2. Auswirkung auf die gesicherte Forderung (Darlehensvertrag). . . . . . . . . . E. Nichtentstehen oder Wegfall der Forderung und Auswirkungen auf Sicherheiten . . . . . . . . I. Nichtentstehen der Forderung . . . . . . . . . II. Wegfall der Forderung . . . . . . . . . . . . . . .
113 115 116 117 121 127 130 130 131 133 135 136 136 137 138 141 144 145 147 151 152 155
Stichwortverzeichnis Abhängigkeit vom Darlehensgeber. . . . . . . . 118, 124 Abmahnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Abrechnungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108, 129 abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Abwicklungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 AGB-Banken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50, 51, 52 akzessorische Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 153, 155 Arglist des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Arten der Beendigung des Darlehensvertrages. . . . . 1 Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85, 135 Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Austauschsicherheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Beendigung des Darlehensvertrages . . . . . . . . . . . 103 Befristete Darlehensverträge. . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Berechtigte Belange des Bankkunden . . . . . . . . . . 52 Bereitstellungsprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Bestimmte Laufzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Bezifferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Devisenbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Disagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 77, 102, 135 Disagioerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112, 135 Dritter als Sicherungsgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 62 Durchschnittszinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Duldung von Überziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Eigentümergrundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 einseitige Bestimmung (der Fälligkeit). . . . . . . . . 140 einvernehmliche Vertragsauflösung . . . . . . . 115, 135 entgeltliche Leistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Existenzgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Fälligkeit – des Rückzahlungsanspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . 122 – Leistung auf die fällige Grundschuld. . . . . . . . . 144 – Leistung vor Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 141, 145
Fernabsatzvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Fernkommunikationsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . .17 f. Fester Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 finanzierter Erwerb von Anteilen einer GbR . . . . . 32 finanzierter Fernabsatzvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 19 finanzierter Grundstückserwerb . . . . . . . . . . . . . .32 f. Fristsetzung mit Kündigungsandrohung. . . . . . . . . 94 Gesamtfälligstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87, 91 Gesprächsangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Gestattung kurzfristiger Überziehungen. . . . . . . . 124 Grundpfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 f. Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 145 f. Haustürgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 11 Immobiliardarlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . 5, 7, 89 Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Kapitaltransferbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . 107 kongruente Deckung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Konsensualvertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 36 – Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42, 85, 116 f. – außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47, 74, 78 f., 93, 104 – außerordentliche konkludente Kündigung. . . . . 150 – Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 – des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 – des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 – durch schlüssiges Verhalten. . . . . . . . . . . . . 97, 150 – Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 97 – Erschwerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 – Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 – nach Darlehensauszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 – ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 41
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
– Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52, 127 – Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 – vor Valutierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 53, 82 – Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 – Zugang der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 – zur Unzeit. . . . . . . . . . . . . . . 52, 121, 122, 123, 125 laufzeitabhängige Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Lebensversicherungskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 marktübliche Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Nachbesicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60, 67 Neubewertung der Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Nichtabnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Nichtabnahmeentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Nichtakzessorische Sicherheit . . . . . . . . . . . 154, 155 Nichtentstehen der Forderung. . . . . . . . . . . . . . . . 152 nominalzinskonstante Berechnung . . . . . . . . . . . . 113 öffentlich beurkundet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 12 Optionsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Personalkreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Personalsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Realkreditvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Realvertragsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Reduzierung der Darlehensschuld . . . . . . . . . . . . 110 Refinanzierungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Rückabwicklungsschuldverhältnisse . . . . . . . . 20, 29 Rückgabe des Vertragsgegenstandes. . . . . . . . . . . . 22 Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Rückzahlung des Darlehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Rückzahlungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Sanierungsauflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Sanierungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Sanierungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96, 125, 131 schuldhafte Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Sicherheitenverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Sicherungsgesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Sicherungsgrundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 sofortige Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 sonstige Beendigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . 103 Teilzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Teilzahlungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Termingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 24 tilgungsfreie Darlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Tilgungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1043
Übersicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Überziehungskredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Umgehungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 unbestimmte Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 141 ungerechtfertigte Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . 152 Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 28 Unverzinsliches Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Valutierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 variabler Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Verbot der sittenwidrigen Schädigung . . . . . . . . . 124 Verbraucherdarlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 5, 13 verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Verfallklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Verhältnis zu anderen Regelungen . . . . . . . . . . . . . 16 Vermögensverschlechterung . . . . . . . . . . . . . . . . .54 f. Verschlechterung der Vermögensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 136 Verschlechterung der Werthaltigkeit einer Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 10 Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Verzug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 92, 131 Vollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . 45, 77, 86 Vorrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 vorzeitige Rückführung des Darlehens. . . . . . . . . 135 Wegfall der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . 103 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 4, 6, 20 – Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 f. – Ausübung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 20 – Belehrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 24, 26, 28, 34 – Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – der Darlehenszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 – des Sicherungsgebers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – Effizienz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 27 widersprüchliches Verhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . 127 wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 wirtschaftliche Handlungsfreiheit. . . . . . . . . . . 79, 83 Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Zinsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Zinserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Zinsfestschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 zwingende Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
A. Arten der Beendigung des Darlehensvertrages Wie alle Dauerschuldverhältnisse kann der Darlehensvertrag grundsätzlich durch einseitige Bestimmung einer Vertragspartei (vor allem Widerruf und Kündigung), einvernehmlich durch eine Aufhebungsvereinbarung und ohne Zutun der Vertragspartner durch Zeitablauf beendet werden. Die Beendigungsgründe sind voneinander unabhängig, unterscheiden sich aber naturgemäß wesentlich hinsichtlich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen.
Baum/Reiter/Methner
1
1044
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
2
Das Widerrufsrecht (§ 355 BGB) setzt voraus, dass einem Verbraucher aufgrund einer besonderen Situation, in der der Darlehensvertrag zustande gekommen ist, gesetzlich eine Bedenkzeit zur Lösung vom bereits geschlossenen Vertrag eingeräumt wird. Relevant ist dies insbesondere für Verbraucherdarlehensverträge (Rn. 5 ff.), aber auch für Darlehensverträge, die in oder aufgrund einer Haustürsituation abgeschlossen wurden (Rn. 9 ff.). Weniger praktische Bedeutung kommt dem Widerrufsrecht für Darlehensverträge im Fernabsatzgeschäft zu (Rn. 17 ff.).
3
Bei der Kündigung ist zu unterscheiden zwischen der ordentlichen Kündigung unbefristeter Darlehensverträge (§ 488 III BGB; Rn. 37 ff.), dem besonderen ordentlichen Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (§ 489 BGB; Rn. 41 ff.) und dem außerordentlichen Kündigungsrecht (§ 490 BGB; Rn. 47 ff., 78 ff.). Für die Kündigung von Verbraucherdarlehensverträgen durch den Darlehensgeber gilt die besondere Vorschrift des § 498 BGB (Rn. 87 ff.).
4
B. Widerruf (§ 355 BGB) Mit dem Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB ist das Widerrufsrecht eines Verbrauchers (§ 13 BGB) einheitlich geregelt. Gesetzlich wird ein Widerrufsrecht dem Verbraucher vor allem für Haustürgeschäfte (§ 312 BGB), Fernabsatzverträge (§ 312d BGB) und Verbraucherdarlehensverträge (§ 495 BGB) eingeräumt. In diesen Fällen ist der Verbraucher an seine Willenserklärung, die auf den Abschluss des Vertrages gerichtet ist, nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat (§ 355 I 1 BGB).
5
I. Verbraucherdarlehensvertrag (§ 495 BGB). Die §§ 491 ff. BGB haben die Regelungen des früheren VerbrKrG zum großen Teil wörtlich oder inhaltlich übernommen (vgl. Freitag, WM 2001, 2370 (2371); Reifner, ZBB 2001, 193 (194 f.)). Für die Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrages ist § 495 BGB von Bedeutung, wonach dem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zusteht. Damit soll der Verbraucher aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung des Darlehensvertrages vor einer übereilten Bindung geschützt werden. Das Widerrufsrecht gilt grundsätzlich für alle Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 I BGB), wobei seit dem 01.08.2002 durch Art. 25 I Nr. 15 OLG-VertretungsÄndG (BGBl. 2002, 2850) auch keine Ausnahme für Immobiliardarlehensverträge mehr besteht. Ausgenommen vom Widerrufsrecht sind lediglich öffentlich beurkundete Verträge (§ 491 III Nr. 1 BGB) und Überziehungskredite (§§ 495 II, 493 I 1 BGB), wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nach der vertraglichen Vereinbarung jederzeit fristlos und ohne zusätzliche Kosten (§ 492 I 5 Nr. 4 BGB) zurückzahlen kann.
6
1. Berechtigung zum Widerruf. Rechtdogmatisch neu ist das Widerrufsrecht in den §§ 355 I, 495 I BGB ausgestaltet (vgl. v. Koppenfels, WM 2001, 1360 ff.), denn im Gegensatz zur Regelung des § 7 VerbrKrG wird der Verbraucherdarlehensvertrag nunmehr bereits mit seinem Abschluss wirksam. Mit Ausübung des Widerrufsrechts entfällt die Wirksamkeit lediglich nachträglich, wodurch der Widerruf stark dem Rücktritt vom Vertrag angenähert wird. Im Falle einer Vertretung steht das Widerrufsrecht dem vertretenen Verbraucher zu, im Übrigen dem vollmachtlosen Vertreter, wenn er die persönlichen Voraussetzungen eines Verbrauchers erfüllt (Palandt-Weidenkaff, § 495 Rn. 5; Bülow, VerbrKrG, § 495 BGB Rn. 63 m. w. N.). Ein Sicherungsgesamtschuldner oder ein sonstiger Dritter, der neben dem Darlehensnehmer für den Darlehensvertrag haftet, hat selbst und für sich alleine das Widerrufsrecht, wenn er ebenfalls die Verbrauchereigenschaft (§§ 13, 491 I, 499 I BGB) aufweist. Dies kann vor allem im Falle der Schlüsselgewalt (§ 1357 I BGB) oder beim Bürgen der Fall sein, da die wirtschaftliche Lage eines bürgenden Verbrauchers mit der Situation eines mithaftenden Darlehensgesamtschuldners gleichgesetzt
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1045
werden kann (anders die h. M.; insbes. BGHZ 138, 321; vgl. zum Meinungsstand Bülow, VerbrKrG, § 491 Rn. 123). Das Widerrufsrecht muss in diesen Fällen nicht gemeinsam ausgeübt werden (anders als bei Darlehensverträgen, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden; vgl. Bülow, VerbrKrG, § 495 BGB Rn. 62), wirkt aber gemäß § 139 BGB im Zweifel für den gesamten Kreditvertrag. 2. Abweichende Vereinbarungen. Die Einräumung des Widerrufsrechts gemäß § 495 I BGB ist zwingend (§ 506 I 1 BGB) und darf nicht umgangen werden (§ 506 I 2 BGB). Die seit dem 01.07.2005 in Kraft getretene Fassung des § 506 BGB sieht eine zwingende Regelung des Widerrufsrechtes gemäß § 495 I BGB vor und enthält keine Ausnahmeregelungen. Es gilt der Vorrang des § 495 BGB, wenn für denselben Verbraucherdarlehensvertrag zugleich ein anderes Widerrufsrecht wegen Vorliegens eines Haustür- (§ 312 BGB) oder Fernabsatzgeschäftes (§ 312d BGB) besteht (§§ 312a, 312d V BGB)
7
In der Fassung des § 506 BGB bis zum 30.06.2005 waren durch die Absätze II und III Ausnahmeregelungen für das Widerrufsrecht nach § 495 BGB vorgesehen, die bei vertraglichen Vereinbarungen gelten sollten. Nach § 506 II konnte vereinbart werden, dass der Widerruf nach § 495 BGB als nicht erfolgt gelten sollte, wenn der Verbraucher das empfangene Darlehen nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlte. Für Immobiliardarlehensverträge konnte das Widerrufsrecht gemäß § 495 BGB vertraglich sogar ganz ausgeschlossen werden (§ 506 III BGB). Die Regelungen der Absätze II – IV des § 506 BGB a. F. sind jedoch seit dem 01.07.2005 außer Kraft getreten (Art. 25 II, Art. 34 OLG – VertrÄndG).
8
II. Haustürgeschäft (§ 312 BGB). Die Widerrufsmöglichkeit gemäß § 312 BGB dient dem Schutz gegenüber den mit Haustürgeschäften verbundenen Gefahren. Der Verbraucher soll die Möglichkeit der Vertragsauflösung haben, wenn er diesen Vertrag aufgrund einer Überrumpelung übereilt geschlossen hat, z. B. wenn er für die durch den Vertrag verschafften Leistungen keinen echten Bedarf hat, wenn der Vertrag die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verbrauchers übersteigt oder die vertragliche Gegenleistung des Verbrauchers erheblich übersetzt ist (vgl. Palandt-Grüneberg, § 312 Rn. 3). 1. Voraussetzungen des Haustürgeschäfts. § 312 BGB gilt für einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer (§§ 13, 14 BGB). Wenn für den Verbraucher ein Vertreter handelt, soll es für das Vorliegen der Haustürsituation nur auf den Vertreter ankommen, selbst wenn dem Vertreter die Vollmacht zum Vertragsschluss in einer Haustürsituation erteilt wurde (BGHZ 144, 223 (227 f.); BGH WM 2008, 1266). Wenn der Vertragspartner des Verbrauchers einen Vertreter oder Vermittler für sich handeln lässt, muss er sich auch in Bezug auf das Vorliegen eines Haustürgeschäfts dessen Verhalten zurechnen lassen (BGH NJW 2006, 497). Gegenstand des Vertrages muss eine entgeltliche Leistung sein, was grundsätzlich beim Darlehensvertrag der Fall ist. Ebenso stellt die Verpflichtung zur Bestellung einer Sicherungsgrundschuld einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung dar (BGH NJW 1996, 55; OLG Hamm WM 1999, 73). Weiterhin muss der Verbraucher durch mündliche Verhandlungen am Arbeitplatz oder in einer Privatwohnung, anlässlich einer Freizeitveranstaltung oder im Anschluss an ein überraschendes Ansprechen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf öffentlichen Verkehrswegen zum Vertragsschluss bestimmt worden sein. Der Verbraucher muss im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation zur Abgabe der zum Vertrag führenden Willenserklärung veranlasst worden sein, wobei eine Mitverursachung der Haustürsituation für den späteren Vertragsschluss ausreicht (BGHZ 131, 385 (391 f.)).
9
Baum/Reiter/Methner
10
11
1046
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
12
2. Ausschluss des Widerrufsrechts. Ausgeschlossen ist das Widerrufsrecht u.a., wenn die Willenserklärung des Verbrauchers notariell beurkundet worden ist (§ 312 III Nr. 3 BGB). Unter diesen Ausschlussgrund fällt auch die Beurkundung einer Bevollmächtigung (BGH NJW 2000, 2268). Die Anwendbarkeit von § 312 III Nr. 3 BGB bei Bauherren- und Erwerbermodellen ist umstritten (vgl. einerseits BGH ZIP 2003, 1692 (1695); BGH NJW 2004, 154 (155); anderserseits Stüsser, NJW 1999, 1586 (1589 m. w. N.); MünchKommBGB-Masuch, § 312, Rn. 107; Staudinger-Thüsing, § 312, Rn. 170). Dass der Erwerbsvertrag über das finanzierte Geschäft notariell beurkundet worden ist und isoliert nicht widerrufen werden kann, schließt die Widerruflichkeit des Darlehensvertrages beim verbundenen Geschäft nicht aus (BGH NJW-RR 2006, 1715).
13
Für Verbraucherdarlehensverträge, die ab dem 01.08.2002 geschlossen wurden, gilt zudem die Regelung des § 312a BGB n. F. Hiernach ist das Widerrufsrecht des § 312 BGB ausgeschlossen, wenn dem Verbraucher zugleich nach anderen Vorschriften das Widerrufsrecht nach § 355 BGB zusteht. Für Vertragsabschlüsse zwischen dem 01.01.2002 und dem 31.07.2002 fand § 312a BGB a. F. Anwendung (Art. 229 § 8 – eigentlich: § 9 – EGBGB). Dabei war das Widerrufsrecht des § 312 BGB für Verbraucherdarlehensverträge selbst dann ausgeschlossen, wenn ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB nicht bestand. Diese Regelung war wegen Verstoßes gegen die Richtlinie 85/577/EWG europarechtswidrig (vgl. Baum/Reiter, BKR 2002, 851 (852 f.)). Wenn dem Verbraucher aufgrund dieser fehlerhaften Umsetzung europäischen Rechtes bei einem zwischen dem 01.01.2002 und dem 31.07.2002 abgeschlossenen Darlehensvertrag ein Schaden entstanden ist, besteht ein Schadenersatzanspruch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Für Realkreditverträge regelte § 5 II HWiG a. F. für die Zeit bis zum 31.12.2001, dass ein Widerrufsrecht nach dem HWiG nicht gegeben ist, wenn ein Haustürgeschäft „zugleich die Voraussetzungen nach dem VerbrKrG erfüllt“. Beim Vorliegen einer Haustürsituation ist jedoch ein Widerruf auch eines Realkreditvertrages zulässig, weil gemäß § 3 II Nr. 2 VerbrKrG ein Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG gerade nicht besteht. In richtlinienkonformer Auslegung des § 5 II HWiG ist daher in einem solchen Fall weiterhin § 1 HWiG einschlägig (BGH NJW 2002, 1881; 2006, 497; vgl. auch EuGH NJW 2002, 281). Diese Rechtslage gilt im Übrigen auch für Personalkreditverträge, um einen Wertungswiderspruch zwischen Real- und Personalkrediten zu vermeiden (vgl. BGH NJW 2002, 1881; 2006, 497). Daher müssen die für Realkreditverträge geltenden Vorgaben der Haustürgeschäftsrichtlinie in gleicher Weise für die in Haustürsituationen zustande gekommenen Personalkredite anwendbar sein, sofern sie dem VerbrKrG unterliegen. 3. Widerrufsbelehrung. Zu erklären ist der Widerruf innerhalb von zwei Wochen nach Abgabe der Willenserklärung (§ 355 II 2 BGB), wobei die Frist erst beginnt, wenn dem Kunden eine ordnungsgemäße Belehrung über sein Widerrufsrecht ausgehändigt worden ist (§ 355 II 1 BGB). Da diese Belehrung keine anderen Erklärungen als die in § 2 I 1 HWiG verlangten Angaben enthalten darf, genügt eine Widerrufsbelehrung nach § 7 VerbrKrG a. F. diesen Anforderungen nicht. Der Hinweis gemäß § 7 III VerbrKrG a. F., wonach der Verbraucher nach Darlehensauszahlung sein Widerrufsrecht verliert, wenn er das Darlehen nicht innerhalb von zwei Wochen nach Auszahlung oder Widerrufserklärung zurückzahlt, führt zur Unwirksamkeit der Belehrung (BGH WM 2003, 61 (63); NJW-RR 2006, 1715 (1716); vgl. auch Staudinger, NJW 2005, 3521 (3523); Reiter/Methner, VuR 2002, 90 (91)). In Ermangelung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist das Widerrufsrecht nach § 355 BGB unbefristet (vgl. auch Mankowski, JZ 2001, 745).
14
15
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1047
4. Verhältnis zu anderen Regelungen. Das Widerrufsrecht nach § 495 BGB geht, wenn es wirklich besteht, dem Widerrufsrecht gemäß § 312 BGB vor (§ 312a BGB). Soweit die Schutzvorschriften für Verbraucherdarlehensverträge nach § 491 II BGB nicht anwendbar sind, ist der Verbraucher jedoch zum Widerruf eines Haustürgeschäftes nach § 312 BGB berechtigt.
16
III. Fernabsatzvertrag (§ 312d BGB). Gemäß § 312d BGB steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Unter den Begriff des Fernabsatzvertrages fallen grundsätzlich Verträge über Waren oder Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems geschlossen werden (§ 312b I 1 BGB).
17
Nach aktueller Rechtslage werden auch Verbraucherdarlehensverträge, die im Fernabsatz geschlossen wurden, in die Regelung der §§ 312b ff. BGB einbezogen (vgl. Palandt-Grüneberg, Vorbem. 2 v. § 312 BGB). Dies ergibt sich aus dem am 08.12.2004 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge (FernAbsÄndG vom 02.12.2004) bei Finanzdienstleistungen, das die Richtlinie 2002/65/EG (FFARL) in deutsches Recht umsetzt (vgl. Felke/Jordans, NJW 2005, 710). Die Vorschriften über Fernabsatzverträge finden allerdings nur Anwendung auf die Finanzgeschäfte, die nach dem 08.12.2004 geschlossen wurden. Verbraucher, die Verträge nach dem 08.10.2004, aber vor dem 08.12.2004 geschlossen haben und die durch die Nichteinhaltung der Umsetzungsfrist der Fernabsatz-Richtlinie zum 09.10.2004 einen Schaden erlitten haben, weil für sie kein Widerruf möglich ist, können einen Schadenersatzanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend machen (vgl. Palandt-Grüneberg, Vorbem. 2 v. § 312 BGB).
18
Im Übrigen ist zu beachten, dass § 312d BGB nicht auf Fernabsatzverträge anwendbar ist, die nicht auf die Gewährung eines Kredites, sondern auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet sind, wenn sie vom Unternehmen oder einem Dritten finanziert werden. In diesem Falle erstreckt sich nämlich das Widerrufsrecht unter den Voraussetzungen des § 358 BGB auch auf den Kreditvertrag (§ 312e BGB). Wenn das Widerrufsrecht des Fernabsatzvertrages gemäß § 312b III BGB oder § 312e II BGB ausgeschlossen ist, bleibt es im Falle des finanzierten Fernabsatzvertrages beim Widerrufsrecht nach § 495 BGB.
19
IV. Ausübung des Widerrufsrechts. 1. Erklärung des Widerrufs. Der aufgrund der widerruflichen Willenserklärung des Verbrauchers geschlossene Vertrag ist zunächst gültig, wird aber durch die fristgemäße Ausübung des Widerrufsrechtes in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt (vgl. OLG Koblenz NJW 2006, 919 (921); Palandt-Grüneberg, § 357 Rn. 2; v. Koppenfels, WM 2001, 1360 (1361)).
20
Der Widerruf bedarf keiner Begründung (§ 355 I 2 BGB) und muss nicht ausdrücklich als „Widerruf“ bezeichnet werden (vgl. BGH NJW 1993, 128 (129); 1996, 1964 (1965)). Es muss sich lediglich aus der Auslegung der Erklärung (§§ 133, 157 BGB) ergeben, dass der Verbraucher den Vertrag nicht mehr gelten lassen will. Wenn sich der Widerruf auf mehrere Verträge beziehen könnte, z.B. auf den Darlehensvertrag oder einen mit diesem verbundenen Kaufvertrag (OLG Dresden ZIP 2000, 362), muss ebenfalls im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob nur einer oder alle in Betracht kommenden Verträge widerrufen werden sollten. Die Formulierung der Widerrufserklärung kann bei der Auslegung eine nur untergeordnete Rolle spielen (vgl. BGHZ 129, 371 (381)). Die Erklärung kann in Textform (§ 126b BGB) oder durch Rückgabe des Vertragsgegenstandes erfolgen (§ 355 I 2 BGB). Die schriftliche Erklärung kann sowohl in Urschrift als auch per Fax oder E-Mail vorgenommen werden, solange die Voraussetzungen des
Baum/Reiter/Methner
21
22
1048
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
§ 126b BGB erfüllt sind. Zeitlich kann der Widerruf in der Zeit zwischen der Abgabe der Willenserklärung (auch bereits vor ihrer Annahme) und dem Ende der Widerrufsfrist erklärt werden. Zur Fristwahrung genügt die Absendung vor Fristablauf (§ 355 I 2 BGB); wirksam wird der Widerruf aber erst mit Zugang (§ 130 I BGB). 23
2. Widerrufsfrist. Die Widerrufsfrist beträgt zwei Wochen (§ 355 I 2 BGB) und kann vertraglich verlängert, aber nicht verkürzt werden. Die Frist beginnt erst, wenn dem Verbraucher vom Unternehmer eine Belehrung zur Verfügung gestellt worden ist, die allen Anforderungen des § 355 II BGB entspricht. Wenn die Belehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt wird, beträgt die Widerrufsfrist einen Monat (§ 355 II 2 BGB).
24
a) Form und Inhalt der Widerrufsbelehrung. Die Belehrung muss in deutlich gestalteter Textform gehalten sein. Ob sie ordnungsgemäß ist, wenn die Bank das richtig ausgewählte und gestaltete Muster der Anlage 2 zu § 14 I, III BGB-InfoV verwendet, ist umstritten (vgl. OLG Koblenz NJW 2006, 919; LG Halle BB 2006, 1817; PalandtGrüneberg, § 14 BGB-InfoV, Rn. 6 m.w.N.). Wenn die Bank einen eigenen Text verwendet, muss sie deutlich über das beliebig und ohne Voraussetzungen ausübbare Widerrufsrecht, die Zwei-Wochen-Frist und den Fristbeginn, Inhalt, Form und mögliche Alternativen der Widerrufserklärung, den Umstand, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung genügt, Name und Anschrift des Widerrufsempfängers sowie den genau bezeichneten Vertrag, auf den sie sich bezieht, belehren (vgl. BGH WM 2007, 1115). Weitere Angaben sind für Verbraucherdarlehensverträge (§ 495 II BGB) und Fernabsatzverträge (§ 312d II BGB) vorgeschrieben. Die Unterschrift des Verbrauchers ist seit 01.08.2002 nicht mehr für die Wirksamkeit der Belehrung erforderlich. Sie sollte aber seitens der Bank vom Verbraucher in ihrem eigenen Interesse verlangt werden, da die Bank die Beweislast für alle Tatsachen trägt, aus denen sie die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist herleiten will (§ 355 II 4 BGB).
25
Weiterhin muss sich die Erklärung durch Farbe, größeren Druck, Sperrschrift oder Fettdruck in nicht zu übersehender Weise aus dem übrigen Text herausheben. Verwirrende oder ablenkende Zusätze darf die Widerrufsbelehrung nicht enthalten (vgl. Palandt-Grüneberg, § 355 Rn. 16 m. w. N.). Sie muss dem Verbraucher mitgeteilt werden, d.h. ein Exemplar der Widerrufsbelehrung muss beim Darlehensnehmer verbleiben (BGH NJW 1998, 540 (542)). Bei einer Übermittlung der Belehrung per E-Mail ist es erforderlich, dass die Bank den Kunden auffordert, die Belehrung auszudrucken oder zu speichern. Bei Verbraucherdarlehensverträgen muss dem Darlehensnehmer wegen des Schriftformerfordernisses (§ 492 BGB) zusätzlich zu der Belehrung die Vertragsurkunde im Original oder in Abschrift ausgehändigt werden (§ 355 II 3 BGB).
26
b) Widerrufsbelehrung bei Altverträgen. Auf Darlehensverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden, findet allerdings noch das VerbrKrG in seiner letzten Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 EGBGB). Die Frage, ob für diese Verträge Widerrufsbelehrungen ordnungsgemäß erteilt wurden, hat sich also an der damaligen Ausgestaltung des Widerrufsrechts zu orientieren. Da das Transparenzgebot bereits für Widerrufsbelehrungen nach § 7 VerbrKrG und § 2 HWiG galt, ist eine Widerrufsbelehrung nach § 2 I HWiG unwirksam, wenn sie einen dem Text des § 7 III VerbrKrG entlehnten Hinweis auf die Folgen einer nicht binnen zweier Wochen nach Widerruf erfolgten Darlehensrückzahlung enthält. Dieser Zusatz ist nämlich geeignet, beim Leser der so gestalteten Widerrufserklärung den unrichtigen Eindruck zu erwecken, das Widerrufsrecht stehe unter Vorbehalten. Da im HWiG eine § 7 III VerbrKrG entsprechende Fiktion fehlte und sich der Widerruf nach dem HWiG richtet (BGH NJW 2002, 1881 ff.), darf die allein nach § 2 HWiG zu beurteilende Belehrung keinen sol-
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1049
chen Zusatz enthalten (BGH WM 2007, 200 (202) m.w.N.; so bereits Reiter/Methner, VuR 2002, 90 (91)). c) Angabe der Widerrufsfrist. Außerdem müssen die entsprechenden Widerrufsbelehrungen die richtige Widerrufsfrist angeben, die bis zum 30.09.2000 eine Woche (§ 7 I VerbrKrG, § 1 I HWiG) und ab dem 01.10.2000 zwei Wochen (§ 361a BGB a. F.) betrug. Relevant ist dies für Haustürgeschäfte, da eine fehlerhafte Belehrung hier eine unbefristete Widerrufsmöglichkeit eröffnet (§ 355 III 3 BGB; vgl. für bis zum 31.12.2001 abgeschlossene Verträge: § 2 I 4 HWiG). Dies gilt auch für Haustürgeschäfte, die vor Inkrafttreten des § 355 III BGB in der Fassung des OLG-VertrÄndG abgeschlossen wurden (Art. 229 § 9 I 2 EGBGB). d) Nachholung der Widerrufsbelehrung. Die Belehrung kann seit dem 01.08.2002 gemäß § 355 II 2 BGB nachgeholt werden, wenn sie versäumt oder nicht ordnungsgemäß erteilt wurde, und setzt dann eine einmonatige Widerrufsfrist in Gang. Da die Nachholung zudem ohne Unterschrift des Verbrauchers gemäß Art. 229 § § 9 EGBGB zulässig sein soll, bestehen erhebliche verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 355 II 2 BGB (vgl. Baum/Reiter, BKR 2002, 851). 3. Rückabwicklungsschuldverhältnis. Im Falle des wirksamen Widerrufs kann der Verbraucher die erbrachten Leistungen, also die an den Darlehensgeber gezahlten Darlehensraten, zurückverlangen (§ 357 I BGB; § 3 HWiG a. F., § 7 VerbrKrG a. F.). Daneben sind die geleisteten Darlehensraten zu verzinsen, auch ohne dass der Darlehensgeber mit der Rückzahlung in Verzug geraten ist (vgl. MünchKommBGB-Ulmer, § 3 HWiG Rn. 15; Erman-Klingsporn § 3 HWiG Rn. 32 f.; Staudinger-Werner, § 3 HWiG Rn. 53), wobei sich die Zinshöhe aus § 288 BGB ergibt (OLG Karlsruhe ZIP 2003, 109 (112)). Allerdings entstehen durch die Umwandlung des Vertragsverhältnisses in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis wechselseitige Ansprüche zwischen den Vertragsparteien, so dass der Darlehensnehmer seinerseits verpflichtet ist, die Leistung des Darlehensgebers zurückzugewähren (§ 357 I BGB; §§ 3, 4 HWiG a. F.). Somit kann der Darlehensgeber die sofortige Rückzahlung der ausgezahlten Darlehensvaluta nebst marktüblicher Verzinsung geltend machen (vgl. BGH NJW 2006, 2099). a) Verbundenes Geschäft. In Ausnahmefällen kann der Darlehensnehmer jedoch die Bank darauf verweisen, den Rückgewähranspruch gegen den Partner des finanzierten Geschäftes und nicht gegen den Darlehensnehmer selbst zu richten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Darlehensvertrag und finanziertes Geschäft eine wirtschaftliche Einheit (vgl. BGH NJW 1996, 3414 ff.; BGH NJW 1996, 3416 f.) bzw. ein verbundenes Geschäft (§ 358 BGB; § 9 VerbrKrG a. F.) darstellen. Vermutet wird eine wirtschaftliche Einheit nach § 358 III 2 BGB u.a., wenn der Darlehensgeber und der Verkäufer bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages arbeitsteilig zusammenwirken. Diese Vermutung ist unwiderleglich (BGH NJW 2003, 2821; 2006, 1788). Ein Rahmenvertrag zwischen Verkäufer und Darlehensgeber ist hierfür nicht erforderlich. Es reicht aus, dass beide faktisch zusammenwirken (BGH NJW 2003, 2821; 2006, 1788). Der Beitritt zu einem Immobilienfonds und die Finanzierung dieses Beitritts durch ein Darlehen bilden eine wirtschaftliche Einheit, wenn die Fondsgesellschaft und die finanzierende Bank dieselbe Vertriebsorganisation nutzen. Hierzu kann z.B. die Bank ihre Darlehensvertragsunterlagen dem Vertriebsunternehmen überlassen, das vom Initiator oder den Gründungsgesellschaftern des Fonds eingesetzt wurde, oder die Selbstauskunftsformulare des Vertriebsunternehmens nutzen (BGH NJW 2004, 2742; BGH NJW-RR 2005, 986 f.). Auch wenn der Anlagevermittler dem Anleger einen Darlehensantrag der Bank vorlegt, die sich zuvor gegenüber dem Vermittler zur Finanzierung bereit erklärt hatte, handelt es sich um ein arbeitsteiliges Zusammenwirken. Dies gilt auch bei einer notariellen Beurkundung des fi-
Baum/Reiter/Methner
27
28
29
30
31
1050
32
33
34
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nanzierten Geschäfts (BGH NJW 2006, 1788; BGH ZIP 2006, 1626 (1629)). Weiterhin liegt eine wirtschaftliche Einheit vor, wenn die Finanzierung nicht durch den Anlagevermittler selbst, sondern in seinem Auftrag durch einen gesonderten Finanzierungsvermittler oder einen Untervermittler besorgt wird (BGH NJW 2004, 3332; BGH NJW-RR 2005, 1073 (1074)). Für Verträge, die seit dem 01.08.2002 geschlossen wurden, bestimmt § 358 III 3 BGB, dass ein verbundenes Geschäft bei einem finanzierten Grundstückserwerb nur vorliegen soll, wenn der Darlehensgeber selbst die Immobilie verschafft oder über die Zurverfügungstellung des Darlehens hinaus den Immobilienerwerb durch Zusammenwirken mit dem Verkäufer fördert. Hingegen soll beim finanzierten Erwerb von Anteilen einer GbR, die Miteigentum an einer Immobilie erwerben soll, gemäß § 358 III 2 BGB eine wirtschaftliche Einheit und damit ein verbundenes Geschäft bereits dann anzunehmen sein, wenn sich der Darlehensgeber bei Vorbereitung oder Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages der Mitwirkung des (Anteils-)Verkäufers bedient (vgl. BGH NJW 1996, 3414 ff.; 1996, 3416 f.). Unter den gleichen Voraussetzungen ist eine wirtschaftliche Einheit beim Erwerb von Anteilen an einem geschlossenem Immobilienfonds anzunehmen (vgl. BGH NJW 2006, 1952 (1954)). Entscheidend für die Frage, ob es sich um einen Immobiliendarlehensvertrag handelt und somit § 358 III 3 BGB anwendbar ist, ist die grundpfandrechtliche Sicherung des Darlehensvertrages (Palandt-Grüneberg, § 358 Rn. 14 m. w. N.). b) Rechtslage bei Altfällen. Bei finanzierten Immobilienerwerbsverträgen, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden und unter den Voraussetzungen des § 1 I HWiG widerrufen werden können, sind der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft grundsätzlich nicht als zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundene Geschäfte anzusehen (BGH WM 2003, 61 (64)). Nach dem wirksamen Widerruf ist der Darlehensvertrag auch nach der alten Rechtslage gemäß §§ 3, 4 HWiG lediglich derart abzuwickeln, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen erstatten muss, während der Darlehensnehmer im Gegenzug den empfangenen Nettokreditbetrag unter „marktüblicher Verzinsung“ zurückzuerstatten hat (BGH WM 2002, 2501 (2502 f.); 2003, 64 (65 f.); BGH NJW 2006, 2099). Nach den Vorgaben des EuGH (NJW 2005, 3551 (3555)) muss der Darlehensgeber aber die Risiken, die mit der Kapitalanlage verbunden sind, tragen, wenn er den Verbraucher nicht bzw. nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt hat. Dies hat der BGH im nationalen Recht nun in der Weise umgesetzt, dass der Verbraucher im Falle eines institutionalisierten Zusammenwirkens des Darlehensgebers mit dem Verkäufer oder Vermittler der Immobilie einen Schadenersatzanspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung in Folge eines konkreten Wissensvorsprungs haben kann (BGH NJW 2006, 2099.). Daneben kann ein Verstoß gegen die Pflicht zu ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung auch zu einer Haftung des Darlehensgebers wegen Verschuldens bei Vertragsschluss führen (BGH NJW 2006, 2099; BGH NJW 2007, 364). Dies setzt voraus, dass der Darlehensvertrag vor dem Kaufvertrag abgeschlossen wurde (BGH NJW 2006, 2099 (3003); OLG Frankfurt WM 2006, 769) oder der Verbraucher aus anderen Gründen nicht an den Kaufvertrag gebunden ist (OLG Bremen NJW 2006, 1210; OLG Celle NJW 2006, 1817). Weitere Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch wegen unterbliebener Widerrufsbelehrung ist die Kausalität, die vorliegt, wenn der Verbraucher im Falle ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung fristgemäß widerrufen hätte (BGH NJW 2007, 364). Außerdem ist ein Verschulden des Darlehensgebers erforderlich, das bei einem fahrlässigen Rechtsirrtum über das Nichtbestehen der Belehrungspflicht zu bejahen ist (OLG Bremen NJW 2006, 1210).
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1051
Im Zusammenhang mit der Rückabwicklung widerrufener Darlehensverträge erscheint aber vollkommen unklar, was exakt unter „marktüblicher“ Verzinsung zu verstehen sein soll. Hierzu wird teilweise auf die in der amtlichen Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Durchschnittszinssätze abgestellt (vgl. Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Bruchner, § 7 Rn. 68 f.). Dies erweist sich in der Praxis als problematisch, weil die Zinssätze kaum vollständig auf das jeweilige Darlehen abgestimmt werden können und zudem monatlich wechseln, so dass eine auf den jeweiligen Monat herunter gerechnete, umfangreiche finanzmathematische Ermittlung notwendig ist. Teilweise wird auch zur Vereinfachung vorgeschlagen, die Formel „Diskontsatz + 3 %“ zu verwenden (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 81 Rn. 108). Der BGH hat hierzu bislang immer noch keine überzeugende Lösung entwickelt.
35
C. Kündigung des Darlehensvertrages
36
Bei der Kündigung handelt es sich allgemein um eine einseitige, empfangsbedürftige und bedingungsfeindliche Willenserklärung, die mit Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam wird (§ 130 BGB). Wenn sie durch einen Vertreter erklärt wird, kann sie der jeweilige Erklärungsempfänger bei fehlender Vollmachtsurkunde zurückweisen (§ 174 BGB). Als zugegangen gilt die Erklärung, wenn sie auf die Art und Weise in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält (vgl. BGHZ 67, 271 (275); BGH NJW 1980, 990; 1983, 929 (930)). Bei mehreren Darlehensnehmern muss die Kündigung des Darlehensgebers jedem zugehen. Sie kann zwar formfrei ausgesprochen werden, wird aber regelmäßig schriftlich und ausdrücklich erklärt werden, da der Erklärende für Erklärung und Zugang der Kündigung die Beweislast trägt. I. Ordentliche Kündigung unbefristeter Darlehensverträge (§ 488 III BGB). Einen Darlehensvertrag, bei dem für die Rückerstattung der Darlehenssumme keine bestimmte Zeit vereinbart ist, können Darlehensgeber und Darlehensnehmer jeweils mit einer Frist von drei Monaten kündigen (§ 488 III BGB). Inhaltlich und sprachlich liegt der einzige Unterschied dieser Regelung im Vergleich zu § 609 I und II BGB a. F. darin, dass nunmehr hinsichtlich der Kündigungsfrist mangels praktischer Relevanz keine Unterscheidung mehr zwischen Kleinbetragsdarlehen mit einem Wert unter 200 Euro und sonstigen Darlehen getroffen wird. 1. Kündigungsvoraussetzungen. Das ordentliche Kündigungsrecht betrifft nur auf unbestimmte Zeit geschlossene Darlehensverträge, wobei unerheblich ist, ob für das Darlehen eine feste oder eine variable Verzinsung vereinbart wurde. Der Grund für die gesetzliche Festlegung des ordentlichen Kündigungsrechts liegt darin, dass bei einem geschlossenen Darlehensvertrag mit unbestimmter Laufzeit eine Regelung für eine ordentliche Beendigung erforderlich ist. Dies ergibt sich aus der Erkenntnis, dass dauerhaft laufende Schuldverhältnisse der geltenden Rechtsordnung fremd sind und ihnen entweder durch Befristung oder Erklärung der Vertragsparteien eine Begrenzung zu setzen ist (vgl. Claussen, § 8 Rn. 43; allgemein hierzu auch MünchKommBGB-K. P. Berger, § 488 Rn. 222). Grundsätzlich kann das ordentliche Kündigungsrecht vertraglich abweichend geregelt werden, so dass auch bei Darlehen mit bestimmter Laufzeit ein Kündigungsrecht festgelegt werden kann. Ebenso können die Parteien den Ausschluss der Kündigung für eine bestimmte Zeit oder auf Dauer vereinbaren; z.B. kann die Kündigung auf Lebenszeit des Darlehensnehmers ausgeschlossen werden, wenn ein Hypothekendarlehen mit einem Lebensversicherungsvertrag verbunden wird (Palandt-Weidenkaff, § 488 Rn. 31).
Baum/Reiter/Methner
37
38
39
1052
40
41
42
43
44
45
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
2. Kündigungserklärung. Die Kündigung gemäß § 488 III BGB kann von beiden Parteien erklärt werden, und zwar bereits ab Vertragsschluss, auch schon vor Valutierung des Darlehens (Mülbert, WM 2002, 465 (469)). Der Kündigungstermin muss in der Erklärung nicht angegeben werden (vgl. bereits BGH BB 1965, 104), da im Zweifel der nächste zulässige Termin gemeint ist. Die Berechnung der Frist ergibt sich aus § 188 II BGB. II. Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (§ 489 BGB). 1. Kündigungsberechtigung. § 489 I BGB gestattet dem Darlehensnehmer die ordentliche Kündigung eines Darlehensvertrages, bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart ist. Die Kündigung eines Teils des Darlehens oder des vollständigen Darlehens ist hiernach grundsätzlich unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Zinsbindungszeitraumes, bei nicht grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen nach sechs Monaten mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist sowie in jedem Fall spätestens nach zehn Jahren unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist möglich. Die Kündigung eines Darlehensvertrages mit variablem Zinssatz kann der Darlehensnehmer jederzeit unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist aussprechen (§ 489 II BGB). An bestimmte Termine ist der Darlehensnehmer nicht gebunden (Stupp/Mucke, BKR 2005, 20, 22). Dieses Kündigungsrecht gilt für alle Darlehensverträge, bei denen die Änderung des Zinssatzes jederzeit eintreten kann., wobei eine zusätzlich vereinbarte Gewinnbeteiligung keinen veränderten Zinssatz bewirkt (Stupp/Mucke, BKR 2005, 20, 23). Durch die Regelung des § 489 BGB sollte die frühere Vorschrift des § 609a BGB in das modernisierte Schuldrecht übernommen werden (BT-Drucks. 14/6040, 253; vgl. Freitag, WM 2001, 2370 (2372)), was auch im Wortlaut deutlich geworden ist. Eine Abgrenzung der Vorschrift zu § 488 III BGB ist nicht erforderlich, da die jeweiligen Kündigungsfristen nun vollständig übereinstimmen. Lediglich der Ausnahmekatalog ist in § 489 IV BGB erweitert worden und sieht nun vor, dass bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften das ordentliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers vertraglich ausgeschlossen oder erschwert werden kann. Ansonsten ist das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 I und II BGB nicht abdingbar (§ 489 IV 1 BGB). Im Übrigen steht das ordentliche Kündigungsrecht allen Darlehensnehmern zu, unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Das zwingende Kündigungsrecht hat zur Folge, dass die Kündigung eines Festzinsdarlehens nach Ablauf von zehn Jahren zu jedem Zeitpunkt bis zum Ende der Zinsbindungsfrist möglich ist. Da dieses Kündigungsrecht bei der Darlehensvergabe zu bewerten ist, wird sein Wert regelmäßig bei der Festlegung der Vertragskonditionen zu Lasten des Kunden berücksichtigt (daher kritisch zur Gesetzesregelung: Köndgen, WM 2001, 1637 (1642)). So kann der Auszahlungskurs reduziert oder der Nominalzinssatz bzw. der Rückzahlungskurs erhöht werden (im Einzelnen hierzu: Bühler/Köndgen/Schmidt, ZBB 1990, 49 (57 ff.)). Dies wird aus rein wirtschaftlichen Überlegungen praktiziert, ohne zu berücksichtigen, dass das Kündigungsrecht den Darlehensnehmer keineswegs zur Kündigung verpflichtet. 2. Umgehungsgeschäfte. Vertragsgestaltungen, die darauf gerichtet sind, einem Darlehensnehmer den Verzicht auf sein gesetzliches Kündigungsrecht zu ermöglichen, sind stets daraufhin zu prüfen, ob sie ein Umgehungsgeschäft darstellen. Im Falle eines Umgehungsgeschäftes liegt regelmäßig ein Verstoß gegen § 489 IV 1 BGB vor, so dass die Vertragsvereinbarung nichtig ist (§ 134 BGB). Unzulässig sind grundsätzlich Vertragsstrafen oder die Festlegung einer Vorfälligkeitsentschädigung (§ 490 II 3 BGB), die sich auf den Zinsverlust des Darlehensgebers
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1053
erstreckt (vgl. Palandt-Weidenkaff, § 489 Rn. 19 m. w. N.) Weiterhin kann eine Kündigungserschwerung durch das Disagio bei der Auszahlung festgelegt werden, wodurch sich der Nominalzinssatz reduziert und eine Kündigung weniger interessant wird. Bei einer berechtigten Kündigung durch den Darlehensnehmer steht diesem aber ein Anspruch auf Erstattung des zeitanteiligen Disagios zu (§ 14 Rn. 46; vgl. BGHZ 133, 355 (358)). Daher ist die Vereinbarung eines Disagios nur zulässig, wenn es so berechnet wird, dass der Darlehensgeber einen Ausgleich für den erlittenen Zinsverlust erhält. Soweit mit dem Disagio ein Aufwand ersetzt wird, der dem Darlehensgeber bei der Auszahlung entstanden ist, darf dieser Teil des Disagios im Falle der Kündigung berechtigterweise beim Darlehensgeber verbleiben. Das Disagio muss hingegen nach erfolgter Kündigung dem Darlehensnehmer zurückgezahlt werden, soweit ihm Zinscharakter zukommt. Wenn es in dieser Form nach der vertraglichen Vereinbarung im Kündigungsfall nicht vom Darlehensgeber zurückgezahlt werden muss, ist diese Vereinbarung als unzulässige Beschränkung des Kündigungsrechtes nach § 489 IV 1 BGB unwirksam (vgl. StaudingerHopt/Mülbert, 12. Aufl., § 609a, Rn. 48). Andere sog. „Kündigungshemmer“ stellen die Vereinbarung abgestaffelter Nominalzinssätze oder eines besonderen „Tilgungsagios“ bzw. „-disagios“ dar (zu Einzelheiten vgl. Bühler/Köndgen/Schmidt, ZBB 1990, 49 (67 ff.)). Eine weitere Umgehung des zwingenden Kündigungsrechtes besteht darin, den Kunden einen zusätzlichen Vertrag mit einem zweiten Darlehensgeber schließen zu lassen, der die Kündigung des ersten Vertrages wirtschaftlich ausschließt (Termin- oder Optionsgeschäft, vgl. Bühler/Köndgen/Schmidt, a. a. O.). Ein ausschließlich für den Fall der gesetzlich zulässigen Kündigung vereinbartes Aufgeld (Tilgungsagio) oder eine für den Fall der nicht ausgeübten Kündigung zugesagte Prämie zum Ausgleich eines bei Vertragsschluss vereinbarten Aufgeldes (Tilgungsdisagio) ist greifbar gesetzeswidrig und somit nichtig. Bei Termin- oder Optionsgeschäften sind jedenfalls die Bestimmungen des BörsG und des WpHG, insbesondere das Erfordernis der Termingeschäftsfähigkeit (§ 37d WpHG), zu beachten. Auch gibt es Fallgestaltungen, bei denen eine Verpflichtung des Darlehensnehmers einem Dritten gegenüber, das Darlehen auch nach den in § 489 I BGB genannten Zeitpunkten nicht zu kündigen, eine Umgehung des Schutzes des § 489 IV BGB bedeuten und daher seine entsprechende Anwendung finden. Dies kann der Fall sein, wenn sicher Darlehensnehmer gegenüber einem Dritten zur Unterlassung der Kündigung verpflichtet, der jedoch im Lager des Darlehensgebers steht (vgl. OLG Karlsruhe WM 2008, 1551 (1552)).
46
III. Außerordentliche Kündigung des Darlehensgebers (§ 490 I BGB). Mit § 490 I BGB hat der Gesetzgeber der Kreditwirtschaft ein neues außerordentliches Kündigungsrecht gewährt, das als Kernstück der Reform des Darlehensvertragsrechts die gesetzlich zugestandenen Befugnisse des Darlehensgebers erheblich erweitert und ihm einen praktisch höchst relevanten Gestaltungs-, aber auch Verantwortungsbereich überlässt. Nun ist nämlich gesetzlich festgelegt, dass der Darlehensgeber den Darlehensvertrag fristlos kündigen darf, wenn aufgrund der eingetretenen oder bevorstehenden wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers die Rückführung des Darlehens als gefährdet erscheint. Zu beachten ist bei Verbraucherdarlehensverträgen aber immer der besondere Kündigungsschutz gemäß § 498 BGB.
47
1. Verhältnis zu § 610 BGB a. F. Nach altem Darlehensrecht in der Fassung des BGB bis zum 31.12.2001 existierte die Vorschrift des § 610 BGB a. F., die im Grundsatz als Vorbild für die Regelung des § 490 I BGB dienen sollte. Sprachlich ist in § 490 I BGB nicht mehr vom „Widerrufsrecht“, sondern entsprechend der rechtsdogmatischen Neuordnung des Darlehensvertragsrechts vom „außerordentlichen Kündigungsrecht“ die Rede. Das alte Darlehensrecht hatte das überkommene Realvertragsprinzip zugrunde gelegt, wonach
48
Baum/Reiter/Methner
1054
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
der Darlehensvertrag erst mit dem Realakt der Darlehensausreichung (Valutierung) wirksam zustande kommt (vgl. zum theoretischen Streit zwischen Real- und Konsensualvertragstheorie: Claussen, § 8, Rn. 7 ff. m. w. N.; MünchKommBGB-Westermann, 3. Aufl., vor § 607 Rn. 7 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Lwowski, § 76 Rn. 3 ff.). Somit war gemäß § 610 BGB der Darlehensnehmer vor der Valutierung lediglich durch ein „Darlehensversprechen“ des Darlehensgebers begünstigt, der dieses Versprechen unter den dort festgelegten Voraussetzungen „widerrufen“ und somit rückwirkend beseitigen konnte. Eine Kündigung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, da ein wirksamer Darlehensvertrag noch nicht vorlag. 49
Bereits nach der alten Rechtslage wurde jedoch nach h. M. die Realvertragstheorie zu Gunsten der bei anderen Verträgen üblichen Theorie des Konsensualvertrages aufgegeben (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Lwowski, § 76 Rn. 3 m. w. N.). Nach dem neuen Darlehensrecht ist nun klargestellt, dass auch dem Darlehensvertrag das Konsensualprinzip zugrunde liegt und der Darlehensvertrag somit durch die Einigung der Parteien ohne Rücksicht auf die Valutierung zustande kommt (vgl. hierzu ausdrücklich BT-Drucks. 14/ 6040, S. 252). Gleichzeitig wird jetzt deutlich zwischen Kündigung und Widerruf unterschieden: Ein wirksamer Darlehensvertrag kann auch vor Valutierung grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft gekündigt werden, wogegen ein Widerruf nur beim Verbraucherdarlehensvertrag im besonderen Fall des § 495 BGB möglich ist.
50
2. Verhältnis zu Ziff. 19 II AGB-Banken. Ein Abgrenzungsproblem stellt sich weiterhin im Verhältnis des § 490 I BGB zu Ziff. 19 II AGB-Banken. Nach dieser Vertragsbestimmung wird den Banken erlaubt, Kredite und Kreditzusagen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 79 Rn. 33; Kümpel, Rn. 5.56).
51
a) Zulässigkeit von Ziff. 19 II AGB-Banken. Im Ergebnis wurde in der Vergangenheit von der Rechtsprechung die Frage, ob die jederzeit zulässige Kündigung gemäß Ziff. 19 II AGB-Banken gegen das gesetzliche Leitbild der dreimonatigen Kündigungsfrist gemäß § 609 II BGB a. F. verstoße und daher gemäß § 9 AGBG unwirksam sei, verneint, da hierdurch nicht erheblich und unangemessen in die rechtlich geschützten Interessen des Darlehensnehmers eingegriffen werde (OLG Köln WM 1999, 1004). Gleiches dürfte nunmehr im Verhältnis von Ziff. 19 II AGB-Banken zu § 490 BGB gelten, zumal der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtmodernisierung wohl zum Ausdruck bringen wollte, dass die gesetzlichen Kündigungsregeln nicht abschließend sein sollen (BTDrucks. 14/6040, S. 254; vgl. Freitag, WM 2001, 2370 (2375)). Insbesondere das Kündigungsrecht gemäß Ziff. 19 II AGB-Banken will der Gesetzgeber offenbar von § 490 BGB unberührt bleiben lassen, obwohl nicht ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen wurde, dass weitergehende Vertragsvereinbarungen über ordentliche Kündigungsrechte zulässig sein sollen.
52
b) Einschränkung von Ziff. 19 II AGB-Banken. Jedenfalls hat die Bank im Rahmen der Ziff. 19 II AGB-Banken kein willkürliches sofortiges Kündigungsrecht, sondern muss auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen und darf bei einer Abwägung der berechtigten Belange beider Parteien nicht gegen Treu und Glauben verstoßen (BGH WM 1977, 1281 (1284); WM 2002, 1764 (1765); OLG Schleswig WM 2006, 1338)). Dies umfasst eindeutig das Verbot einer Kündigung zur Unzeit und des Rechtsmissbrauchs. Die Kündigung nach Ziff. 19 II AGB-Banken kann daher im Einzelfall unzulässig sein, wenn ein daraus resultierender Schaden des Kreditnehmers unverhältnismäßig groß wäre und die Unterlassung der Kündigung den Darlehensgeber bei ausreichenden Sicherheiten
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1055
nur geringfügig belastet. Ebenso kann die Kündigung nach den Besonderheiten des Einzelfalls ausgeschlossen sein, wenn die Bank wiederholt oder längerfristig erhebliche Überziehungen durch den Darlehensnehmer geduldet hat und der Darlehensnehmer darauf vertrauen konnte, dass die Bank auch zukünftig die Kontoüberziehungen in der bisherigen Höhe zulässt (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 79 Rn. 35). Nur unter dieser Maßgabe des Rücksichtnahmegebotes konnte in der Vergangenheit ein Verstoß dieses Kündigungsrechtes gegen § 9 AGBG bzw. nunmehr § 307 BGB verneint werden (OLG Köln WM 1999, 1004). 3. Voraussetzungen der Kündigung gemäß § 490 I BGB. Sachliche Voraussetzung des Kündigungsrechts ist zum einen die wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers bzw. die wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit. Zum anderen muss der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers gefährdet sein, damit dieser zur Kündigung berechtigt ist. Die Beweislast für sämtliche Kündigungsgründe gemäß § 490 I BGB trägt der Darlehensgeber. Ausgeschlossen ist die Kündigung, wenn die Umstände, die zur Kündigung herangezogen werden, dem Darlehensgeber bereits im Zeitpunkt der Darlehensgewährung bekannt waren (BGH WM 2002, 1345 (1346)). Dies muss im Streitfall der Darlehensnehmer beweisen.
53
a) Vermögensverschlechterung. Problematisch am Begriff der „Vermögensverschlechterung“ ist der Umstand, dass eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ihrem Charakter nach immer nur aufgrund einer Prognose für zukünftige Unsicherheit motiviert sein darf. Hingegen ist eine solche Kündigung nicht zu akzeptieren, wenn sie als Vergeltung oder mechanistische Reaktion auf äußere Umstände ausgesprochen wird (vgl. Reifner, ZBB 2001, 193 (199)). Wann sich die Vermögenssituation des Darlehensnehmers derart verschlechtert oder zu verschlechtern droht, dass die Rückführung des Darlehens gefährdet ist, ist vor dem Hintergrund der Berücksichtigung des berechtigten Schuldnerschutzes unter Heranziehung der Grundsätze zu §§ 610, 321 BGB a. F. und Ziff. 19 III AGB-Banken festzulegen (vgl. Freitag, WM 2001, 2370 (2373); Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bunte, § 24 Rn. 33 m. w. N.). Hiernach sind stets eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles und eine Abwägung der Interessen beider Vertragsteile vorzunehmen. Außerdem muss in jedem Fall die Verschlechterung „wesentlich“ sein, also die Erfüllung der Darlehensverbindlichkeiten gefährden. Eine Verschlechterung der Vermögenslage setzt dabei im Übrigen voraus, dass sich das Vermögen des Darlehensnehmers mindert. Der Darlehensgeber verhält sich treuwidrig, wenn er in Kenntnis einer verschlechterten Vermögenssituation des Darlehensnehmers neue Proloingationsvereinbarungen mit ihm schließt und er danach das Darlehen kündigt, ohne dass sich die Vermögenssituation des Darlehensnehmers weiter verschlechtert hat. Wenn der Darlehensgeber über einen längeren Zeitraum Vertragsstörungen hingenommen hat, ist die Vertrauensgrundlage zwischen den Vertragsparteien nicht durch ein schuldhaftes Verhalten des Darlehensnehmers in dem Sinne zerrüttet, dass dem Darlehensgeber bei unveränderten Umständen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden könnte (vgl. OLG Frankfurt/ Main, Urt. v. 05.05.2008, 17 U 131/07).
54
b) Drohende Vermögensverschlechterung. Im Gegensatz zu §§ 610, 321 BGB a. F. besteht gemäß § 490 I BGB aber auch dann ein Kündigungsrecht, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers tatsächlich nicht verschlechtert haben, sondern eine Vermögensverschlechterung lediglich droht. Diese Formulierung in Anlehnung an Ziff. 19 III AGB-Banken findet ihre Motivation darin, dass die schützenswerten Interessen der Bank angeblich schon dann gefährdet sein sollen, wenn sie die Darlehensvaluta an einen Darlehensnehmer, dessen Vermögenslosigkeit sich objektiv anbahnt, auszahlen
55
Baum/Reiter/Methner
1056
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
muss (BGH NJW-RR 1990, 110; OLG Zweibrücken WM 1984, 1635 (1639); OLG Frankfurt a. M. WM 1992, 1018 (1021); OLG München WM 1996, 1623; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bunte, § 24 Rn. 37 m. w. N.). Die Kündigung muss sich gemäß § 404 BGB auch ein Dritter entgegenhalten lassen, an den der Darlehensauszahlungsanspruch abgetreten wurde (vgl. BGH WM 2004, 1080 (1081 f.)). 56
Allerdings rechtfertigt nicht jede Vermögensgefährdung die Kündigung des Darlehensvertrages, sondern es ist zusätzlich erforderlich, dass durch den eingetretenen oder drohenden Vermögensverfall die Interessen der Bank nicht unerheblich beeinträchtigt werden. Dies ist vor allem dann regelmäßig zu verneinen, wenn der Kunde ausreichende Sicherheiten gestellt hat (vgl. OLG München WM 1996, 1623; Mülbert, WM 2002, 465 (474 m. w. N.)). Außerdem ist die Kündigung wegen eingetretener oder drohender Vermögensverschlechterung nur dann zulässig, wenn die Vermögensverschlechterung nach objektiven Kriterien vorliegt oder bevorsteht. Eine Beurteilung allein aus subjektiver Sicht des Darlehensgebers reicht in keinem Fall aus, um die Kündigung zu begründen. Eine drohende Vermögensverschlechterung ist weiterhin dann nicht anzunehmen, wenn bei verminderter Werthaltigkeit von Sicherheiten zusätzlicher Finanzbedarf durch neues Eigenkapital oder Eigenkapitalsurrogate gedeckt werden kann (vgl. BGH WM 1957, 949 (951)).
57
Mit § 490 BGB hat der Gesetzgeber im Übrigen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ziff. 19 III AGB-Banken gemäß § 9 AGBG bzw. § 307 BGB ausgeräumt, soweit die Kündigung wegen Vermögensverfalls betroffen ist. § 490 BGB hat insofern eine gesetzliche Leitbildfunktion erhalten (zur früheren Rechtslage: Kümpel, Rn. 5.199).
58
Im Ergebnis wird sich der Darlehensgeber auch nicht außerhalb des Kündigungsrechtes nach § 490 I BGB auf das vertragliche allgemeine Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach Ziff. 19 III AGB-Banken berufen können. Nach früherem Recht wurde eine erhebliche Vertragsverletzung des Darlehensnehmers als fristloser Kündigungsgrund bejaht, wenn diese Vertragsverletzung in der Schwere einer wesentlichen Vermögensverschlechterung gleichkam. Vollstreckungsmaßnahmen, Scheck- und Wechselproteste sowie die Einstellung von Ratenzahlungen waren in der Praxis der Banken die häufigsten außerordentlichen Kündigungsgründe (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 24 Rn. 42). Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung ist z.B. bejaht worden, nachdem der Kunde die Zahlung fälliger Zinsen und Tilgungen eingestellt hatte (BGH WM 1984, 1273). Die Kündigung wegen Zahlungsverzuges ist nunmehr in § 489 BGB geregelt. Nach § 490 I BGB ist für das außerordentliche Kündigungsrecht aber danach zu unterscheiden, ob der Zahlungsverzug auf die Vermögenslosigkeit des Darlehensnehmers oder auf eine Zahlungsverweigerung aus anderen Gründen, z.B. taktische Zahlungsverweigerung, zurückzuführen ist. Für den Fall des Vermögensverfalls trifft § 490 I BGB eine abschließende Sonderregelung, neben der keine vertraglichen Kündigungsmöglichkeiten bestehen (kritisch Freitag, WM 2001, 2370 (2374)).
59
Wenn § 490 I BGB aber eine abschließende Regelung für den Fall der Vermögensverschlechterung trifft, ist auch eine außerordentliche Kündigung gemäß Ziff. 19 III AGBBanken aus den sonstigen o. g. „wichtigen Gründen“ nur restriktiv zulässig. So muss z.B. auch bei von Dritten gegen den Darlehensnehmer eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen das außerordentliche Kündigungsrecht der Bank darauf beschränkt werden, dass die Vollstreckung tatsächlich auf der objektiven Vermögenslosigkeit des Darlehensnehmers beruht. Allenfalls kann eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht kommen, wenn der Bank bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine Fortsetzung des Darlehensvertrages nicht zugemutet
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1057
werden kann (vgl. BGH WM 1988, 195 (197)). Die Bank muss also z.B. beweisen, dass im konkreten Einzelfall die Liquidität des Darlehensnehmers nicht mehr zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten ausreicht und daher seine Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevorsteht oder zumindest unmittelbar droht (vgl. BGH WM 2003, 1416 (1417)). Problematisch erscheint, ob es dem Darlehensgeber zuzumuten ist, bei länger anhaltendem Zahlungsverzug des Darlehensnehmers erst zu überprüfen, ob er vermögenslos ist oder willkürlich seine Zahlung verweigert hat. Hier kann aber Ziff. 19 III 3 AGB-Banken herangezogen werden, wonach die Bank den Darlehensnehmer zur Nachbesicherung auffordern kann, wenn er die Zahlungen einstellt und die Bank die Ursache hierfür nicht kennt. Erst wenn der Darlehensnehmer der Aufforderung zur Nachbesicherung nicht in angemessener Zeit Folge leistet, darf die Bank das Darlehen außerordentlich kündigen.
60
c) Verschlechterung der Werthaltigkeit einer Sicherheit. In der zweiten Alternative des § 490 I BGB wird nun dem Darlehensgeber auch ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall der eingetretenen oder drohenden wesentlichen Verschlechterung der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit gewährt. Bei Grundpfandrechten ist der Wertverlust des Grundstückes maßgeblich (Palandt-Weidenkaff, § 490 Rn. 7).
61
Dies gilt im Übrigen auch für den Fall, dass ein Dritter Sicherheiten für das Darlehen stellt. Auf die Vermögensverhältnisse dieses Dritten kommt es an, wenn Personalsicherheiten, wie z.B. eine Bürgschaft (§ 765 BGB), gewährt worden sind. Hingegen ist die Werthaltigkeit der Sicherheit des Dritten ohne Rücksicht auf die Entwicklung seiner persönlichen Bonität zu beurteilen, soweit Sicherungseigentum oder Grundpfandrechte von dieser Person gestellt wurden (vgl. hierzu auch Köndgen, WM 2001, 1637 (1642)).
62
Das Kündigungsrecht für den Fall, dass sich die Werthaltigkeit der Sicherheit eines Dritten verschlechtert, ist zurückhaltend anzuwenden. Wenn sich der Darlehensgeber nur noch unter Verwertung der Drittsicherheit befriedigen kann, könnte für den Darlehensgeber der faktische Zwang bestehen, diese Drittsicherheit in Anspruch zu nehmen. Hierdurch entsteht jedoch ein Wertungswiderspruch zur Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB), wonach im Bürgschaftsrecht der Bürge als Sicherungsgeber zunächst vor einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger geschützt werden soll. Zwar kann die Regelung des § 771 BGB abbedungen werden, was in der Praxis meistens der Fall ist. Dennoch sollte die gesetzgeberische Entscheidung, dem Bürgen die Einrede der Vorausklage zuzugestehen, auch bei der Interpretation des § 490 I BGB berücksichtigt werden. Die Einschränkung dieser Einrede im Rahmen des § 490 I BGB („auch unter Verwertung der Sicherheit“) kann daher, soweit die Sicherheit eines Dritten betroffen ist, vertraglich ausgeschlossen werden (Mülbert, WM 2002, 465 (474)).
63
Die Kündigung durch den Darlehensgeber scheidet aus, wenn ihm ausreichende Sicherheiten zur Verfügung stehen, da dann die Rückzahlungsansprüche regelmäßig nicht konkret gefährdet sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 24 Rn. 39). Dies manifestiert sich inzwischen auch im Gesetzeswortlaut des § 490 I BGB, nach dem das Kündigungsrecht die Gefährdung der Darlehensrückführung „auch unter Verwertung der Sicherheit“ erfordert. Dabei darf sich die Bank nicht übersichern und ist zudem zur Freigabe von Sicherheiten verpflichtet, die sie dauerhaft nicht mehr benötigt (vgl. BGH WM 1991, 1499 (1500)). Die Bank muss dem Darlehensnehmer vor der Kündigung zudem die Gelegenheit geben, Austauschsicherheiten zu leisten oder die bestehenden Sicherheiten zu verstärken (vgl. BGH WM 1991, 1452).
64
Aus Bankensicht werden Zweifel an der Sinnhaftigkeit der zweiten Alternative des § 490 I BGB (Verschlechterung der Werthaltigkeit der Sicherheit) angemeldet. Da auch im Falle
65
Baum/Reiter/Methner
1058
66
67
68
69 70
71
72
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
der Verschlechterung der Werthaltigkeit einer für das Darlehen bestellten Sicherheit die Kündigung voraussetzt, dass die Darlehensrückzahlung gefährdet ist, bestehe kein eigenständiger Anwendungsbereich der Regelung, da praktisch ein Darlehensgeber von diesem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen werde und könne (Freitag, WM 2001, 2370 (2375)). Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Vorschrift eine kurzfristige Lösung vom Darlehensvertrag ermöglichen soll, wenn sich die typischen Risiken des Darlehensvertrages realisieren und Vermögensverluste aufgehalten werden sollen. Daher ist die Kündigung berechtigt und praktisch relevant, z. B. wenn sich die ohnehin schlechten Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers nicht weiter reduzieren, aber dafür der Wert einer zur Sicherheit bestellten Grundschuld oder Bürgschaft verfällt. Wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nicht zurückzahlt, weil er zahlungsunfähig ist, aber eine Sicherheit noch besteht, ist vor einer Kündigung in jedem Fall eine Neubewertung der Sicherheit durch den Darlehensgeber erforderlich. Dies kann von der Bank selbst dann verlangt werden, wenn sich ihr Arbeits- und Kostenaufwand hierdurch steigert, sie zur Gewährung einer „Schonfrist“ für den Darlehensnehmer gezwungen wird oder sich die Werthaltigkeit der Sicherheit im Falle der Insolvenz des Darlehensnehmers möglicherweise weiter verschlechtert. Diese Risiken hat die Bank auf sich zu nehmen, solange dies nicht unzumutbar ist. Auch im Fall der Verschlechterung der Werthaltigkeit einer Sicherheit ist das Kündigungsrecht unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu betrachten und darf nur ausgeübt werden, wenn die Interessen des Darlehensgebers nicht (mehr) auf andere Weise gewahrt werden können. Vorrangig ist daher eine Sicherheitenverstärkung oder Nachbesicherung, die die Banken gemäß Ziff. 13 III AGB-Banken verlangen dürfen. Im Übrigen besteht auch im Falle einer Sicherheitenverschlechterung ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers nur, wenn zusätzlich die Rückführung des Darlehens gefährdet ist. Solange der Darlehensnehmer zahlungsfähig und –willig bleibt, kann der Darlehensgeber den Vertrag daher nicht wirksam kündigen. 4. Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 490 I BGB ist weiterhin zu unterscheiden, ob der Darlehensgeber den Vertrag vor oder nach der Valutierung kündigen will. Vor Auszahlung des Darlehens kann der Darlehensgeber „im Zweifel stets“, nach Auszahlung nur „in der Regel“ die außerordentliche Kündigung aussprechen. Hierdurch wird das Kündigungsrecht des Darlehensgebers nach Valutierung „weicher ausgestaltet“ (BTDrucks. 14/6040, S. 254), d.h. an strengere Voraussetzungen gebunden als vor der Valutierung. Der Darlehensgeber soll nämlich nach Auszahlung des Darlehens nur dann kündigen und die Valuta zurückfordern dürfen, wenn „durch das weitere Belassen der Mittel beim Darlehensnehmer die Rückgewähr so stark gefährdet wird, dass unter Preisgabe des Interesses des Schuldners am Behalten bis zum vereinbarten Fälligkeitstermin so schnell wie möglich gerettet werden muss, was zu retten ist“ (BT-Drucks. 14/6040 S. 254; vgl. auch MünchKommBGB-Westermann, § 610 Rn. 13). a) Kündigung vor Valutierung. „Im Zweifel“ bedeutet als Auslegungsregel, dass eine gesetzliche Vermutung zugunsten der (stillschweigenden) Vereinbarung eines Kündigungsrechts festgelegt wird (vgl. Palandt-Heinrichs, § 133 Rn. 22). Der Darlehensnehmer muss demnach bei einer Kündigung vor Valutierung beweisen, dass die Kündigung trotz Bestehens der Voraussetzungen unberechtigt war. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn eine solche Kündigung im Einzelfall vertraglich ausgeschlossen wurde oder wenn der Darlehensgeber das Bestehen der Kündigungsvoraussetzungen beim Vertragsschluss kannte.
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1059
b) Kündigung nach Darlehensauszahlung. Dagegen ist die Kündigung nach der Darlehensauszahlung beim Vorliegen der Kündigungsvoraussetzungen noch „in der Regel“ zulässig. Es bedarf also bei einer Kündigung zu diesem Zeitpunkt stets einer Einzelfallprüfung und Gesamtwürdigung der Kündigungssituation unter Berücksichtigung auch der Belange des Darlehensnehmers, um zu entscheiden, ob der Darlehensgeber die Interessen des Darlehensnehmers an der Beibehaltung der vereinbarten Rückzahlungsmodalitäten preisgeben und vorzeitig die Rückgewähr des Darlehens verlangen darf (vgl. BTDrucks. 14/6040, S. 254). Nach Valutierung kommt also eine auf den Einzelfall bezogene Interessenabwägung zum Tragen, für die die Kündigungsvoraussetzungen gemäß § 490 I als Leitbild dienen können (hierzu ohne Vertiefung der rechtsdogmatischen Differenzierung: Freitag, WM 2001, 2370 (2375)).
73
5. Rechtsfolgen der außerordentlichen Kündigung. Rechtsfolge der außerordentlichen Kündigung ist zunächst die Fälligkeit des Darlehens und damit die Verpflichtung des Darlehensnehmers, das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuerstatten (§ 488 I 2 BGB).
74
a) Rückzahlungsfrist. Im Falle der fristlosen Kündigung wird die Bank jedoch dem Kunden für die Rückzahlung nach Ziff. 19 V AGB-Banken eine angemessene Frist einräumen. Erst nach Ablauf der Rückzahlungsfrist gerät der Darlehensnehmer in Verzug. Es unterliegt der Parteivereinbarung, welcher Zinssatz für den Zeitraum zwischen Zugang der fristlosen Kündigung und dem festgesetzten Rückzahlungstermin vereinbart sein soll. Ohne ausdrückliche Vereinbarung kann dem Darlehensgeber nach § 242 die Berufung auf die Kündigungserklärung verwehrt sein, wenn er mehrmals die Zinszahlungen des Darlehensnehmers ohne Beanstandung entgegennimmt (vgl. Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 609 Rn. 30). In der Praxis wird allerdings unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Vertragspartner im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung in der Regel der vertraglich vereinbarte Zinssatz bis zum Ablauf der Rückzahlungsfrist zugrunde gelegt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 79 Rn. 65).
75
b) Abrechnungsverhältnis. Mit dem Eintritt der Rechtsfolgen der Kündigung wird das Darlehensverhältnis vorzeitig abgewickelt, so dass an die Stelle der gegenseitigen Leistungspflichten ein Abrechnungsverhältnis tritt. Die einzelnen Ansprüche werden dabei regelmäßig nur noch als Rechnungsposten bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs, der einem der Vertragspartner zusteht, berücksichtigt. Wenn im Darlehensvertrag vereinbart war, dass Zinszahlungen nachträglich erfolgen sollten, werden die bereits entstandenen Zinsansprüche mit der außerordentlichen Vertragsbeendigung fällig (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 79 Rn. 66 f.).
76
c) Vorfälligkeitsentschädigung. Wenn die vorzeitige Vertragsbeendigung vom Darlehensnehmer verschuldet worden ist, kann der Darlehensgeber zudem Schadenersatz in Form der Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen (Knops, ZfIR 2001, 438 f.; im Einzelnen § 10 III). Im Gegenzug steht dem Darlehensnehmer ein Anspruch auf Rückerstattung eines nicht verbrauchten Disagios zu, wenn das für eine bestimmte Laufzeit vereinbarte Darlehen vorzeitig gekündigt wurde. Zudem sind bei Ratenkrediten nicht verbrauchte Zinsen und Darlehensgebühren staffelmäßig zu berechnen und entsprechend zu erstatten. Abgerechnet werden die wechselseitigen Ansprüche, die mit der Darlehenskündigung entstanden sind, durch Verrechnung und Saldierung (vgl. Schimansky/Bunte/ Lwowski-Bruchner, § 79 Rn. 69).
77
IV. Außerordentliche Kündigung des Darlehensnehmers (§ 490 II BGB). § 490 II BGB räumt dem Darlehensnehmer eines grundpfandrechtlich gesicherten Festzinsdarlehens ein vorzeitiges Kündigungsrecht unter Einhaltung der Kündigungsfristen gemäß § 489 I Nr. 2 BGB ein, sofern seine Interessen dies gebieten. Ein solcher Kündigungs-
78
Baum/Reiter/Methner
1060
79
80
81
82
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
grund liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer „ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung“ des zur Sicherung des Darlehens beliehenen Objektes hat. Mit diesem außerordentlichen Kündigungsrecht des Darlehensnehmers geht seine Verpflichtung einher, dem Darlehensgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Die Bestimmung des Rechtsbegriffs der „berechtigten Interessen“ wurde vom Gesetzgeber bewusst der Rechtsprechung und Rechtslehre überlassen (BT-Drucks. 14/7052; S. 254; vgl. Becher/Lauterbach, WM 2004, 1163). 1. BGH-Rechtsprechung zur vorfälligen Kündigung. Hintergrund dieser Regelung ist die Rechtsprechung des BGH zur vorfälligen Kündigung festverzinslicher Realkredite (BGHZ 136, 161; BGH NJW 1997, 2878; vgl. Freitag, WM 2001, 2370 (2376)). Hierbei hat der BGH entschieden, dass in Abweichung von § 609a BGB a. F. eine zehnjährige Bindung des Kreditnehmers an einen festverzinslichen Grundpfandkredit unbillig ist, wenn diese Bindung die „wirtschaftliche Handlungsfreiheit“ des Darlehensnehmers beeinträchtigt. Für diesen Fall wurde dem Darlehensnehmer ein Anspruch auf Aufhebung des Vertrages gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zugestanden. Der Grundsatz der Vertragstreue sollte nach Ansicht des BGH bei Dauerschuldverhältnissen nämlich dann ausnahmsweise durchbrochen werden, wenn berechtigte Interessen eines Vertragsteils dies erfordern. Sofern in derartigen Fällen der Darlehensgeber auf der unveränderten Vertragsdurchführung beharren würde, handelte es sich um einen unzulässigen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Darlehensnehmers (BGHZ 136, 161 (166 f.)). Dem Darlehensgeber ist in solchen Fällen eine vorzeitige Vertragsabwicklung auch zumutbar, wenn er hierdurch keine finanziellen Nachteile erleidet. Wenn die vorzeitige Vertragsabwicklung ohnehin für den Darlehensgeber finanziell vorteilhaft ist, besteht der Anspruch des Darlehensnehmers auf vorzeitige Vertragsauflösung erst recht. 2. Einführung des § 490 II BGB. Mit der Einführung des Kündigungsrechtes gemäß § 490 II BGB geht allerdings möglicherweise eine erhöhte allgemeine Zinsbelastung der Bankkunden einher. Da nach dem Prinzip der „kongruenten Deckung“ die Kapital- und Zinsansprüche der Anleger aus den umlaufenden Pfandbriefen eine Hypothekenbank stets in mindestens gleicher Höhe und mindestens gleichem Zinsertrag u. a. durch Hypothekarkredite gesichert sein müssen (§ 6 I 1 HBG), müssen für Hypothekenpfandbriefe eigene Deckungsmassen gebildet werden (§§ 30, 41 HBG). Mit der Kündigung nach § 490 II BGB scheiden die als Sicherheit dienenden Immobilien aus diesem Haftungsfonds aus, was die Banken zur Ersatzdeckung (§ 6 IV HBG) zwingt und möglicherweise dazu führt, dass die auf die Anleihen an die Anleger zu zahlenden Zinsen und damit auch die Darlehenszinsen steigen könnten (vgl. Freitag, WM 2001, 2370 (2376)). Andererseits ist mit dem Kündigungsrecht gemäß § 490 II BGB lediglich die bereits seit Jahren praktizierte Rechtsprechung des BGH zum Anspruch des Darlehensnehmers auf vorzeitige Vertragsauflösung umgesetzt worden, so dass die Kreditwirtschaft ausreichend Gelegenheit zur Berücksichtigung dieser Darlehensbeendigung hatte und die neue Gesetzeslage nicht als Anlass für eine Änderung der Zinspolitik nehmen darf. 3. Voraussetzungen des Kündigungsrechts gemäß § 490 II BGB. Der vom BGH nach früherem Recht festgelegte vertragliche Aufhebungsanspruch des Darlehensnehmers (BGHZ 136, 161; BGH NJW 1997, 2878) ist gemäß § 490 II BGB nunmehr als außerordentliches Kündigungsrecht ausgestaltet worden. Der Gesetzgeber wollte mit seiner Formulierung die neue Gesetzesregelung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung verstanden wissen (BT-Drucks. 14/6040, S. 255). Daher entsprechen die Voraussetzungen dieses Kündigungsrechtes den Voraussetzungen des Anspruchs auf Vertragsaufhebung nach der bisherigen Rechtsprechung (kritisch Reifner, ZBB 2001, 193 (200)).
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1061
a) Erhalt der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit. Der Grundsatz der Vertragstreue wird bei Dauerschuldverhältnissen durchbrochen, wenn berechtigte Interessen eines Vertragspartners dies erfordern. Wenn der Darlehensnehmer das Pfandobjekt anderweitig verwerten, regelmäßig verkaufen, will, darf der Darlehensgeber diese Verwertung nicht durch ein Festhalten an der unveränderten Durchführung des Darlehensvertrages vereiteln. Dies würde einen Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Darlehensnehmers darstellen, die auch bei der grundpfandrechtlichen Belastung von Immobilien im Verhältnis zum Pfandgläubiger zu gewährleisten ist (vgl. BGHZ 76, 371, 373). Dies zeigt sich an der Regelung des § 1136 BGB, wonach sich der Eigentümer eines Grundstückes nicht wirksam gegenüber dem Hypothekengläubiger verpflichten kann, das Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten. Gleiches gilt, wenn der Darlehensnehmer das belastete Grundstück zur Absicherung eines erheblich umfangreicheren Darlehens benötigt, das er beim bisherigen Darlehensgeber nicht erhält. Auch hier steht die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Grundstückseigentümers auf dem Spiel, da die Regelung des § 1136 BGB nicht nur die Veräußerungsfreiheit, sondern auch die Belastungsfreiheit des Grundstückseigentümers schützt (vgl. BGHZ 136, 161; BGH NJW 1997, 2878; Becher/Lauterbach, WM 2004, 1163 (1165)).
83
Vor diesem Hintergrund kommt es im Übrigen nicht auf das Motiv des Darlehensnehmers für den Verkauf des Objektes an, so dass das außerordentliche Kündigungsrechtemäß § 490 II BGB sowohl bei einem Verkauf aus privaten Gründen (z.B. Ehescheidung, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Überschuldung, Umzug) als auch bei der Verkaufsentscheidung aus wirtschaftlichen Gründen angesichts einer günstigen Verkaufsgelegenheit besteht (vgl. hierzu Nobbe, Rn. 701; a. A. Metz/Wenzel-Wenzel, Rn. 230, der bei wirtschaftlichen Gründen einen Verstoß des Darlehensnehmers gegen nebenvertragliche Schutzund Treuepflichten sieht). Dies gilt auch, wenn dem Darlehensnehmer aufgrund einer Änderung seiner Einkommensverhältnisse die Darlehensverbindlichkeiten nur noch nach einer Umschuldung bedienen kann und er hierzu das bisherige Darlehensverhältnis beenden möchte (OLG Naumburg BKR 2007, 375 (376)). Sofern der Darlehensnehmer das Pfandobjekt veräußern oder belasten möchte, kann in einer grundlosen Verweigerung der Bank und einer sich hieraus ergebenden Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Darlehensnehmers zudem ein Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen werden (vgl. Knops, S. 118 ff.). Hat der Darlehensgeber z.B. durch Berechnung und Mitteilung der Vorfälligkeitsentschädigung beim Darlehensnehmer ein schutzwürdiges Vertrauen in die Erteilung der Einwilligung zur vorzeitigen Ablösung des Darlehens erweckt, ist dieser Umstand bei der im Rahmen des § 490 II BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen (OLG Naumburg BKR 2007, 375 (376)).
84
b) Ausschluss berechtigter Interessen. Anders kann der Fall liegen, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen allein wegen des Erhalts günstigerer Konditionen ablösen möchte, ohne dass das Pfandobjekt auf irgendeine Weise berührt ist (vgl. LG München I WM 2004, 616; Becher/Lauterbach, WM 2004, 1163 (1166)). Ähnliche Bedenken bestehen, ob der Grundsatz der Vertragstreue bereits zugunsten des Darlehensnehmers eingeschränkt werden kann, wenn das Verhältnis zwischen den Parteien des Darlehensvertrages gestört ist (so aber Reifner, ZBB 2001, 193 (200)). Hier kann aber möglicherweise nach Treu und Glauben ein Anspruch auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages angenommen werden (vgl. Lang/Beyer, WM 1998, 897 (905)). Außerdem sieht die zwischen den europäischen Verbraucherschutzverbänden und der Kreditwirtschaft am 05.03.2001 abgeschlossene Vereinbarung eines freiwilligen Verhaltenskodex über vorvertragliche Informationen für wohnungswirtschaftliche Kredite eine Information des Verbrauchers über länger- und kürzerfristige Immobilienfinanzierungen vor (vgl. Becher/Lauterbach,
85
Baum/Reiter/Methner
1062
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
WM 2004, 1163 (1167 f.) m. Nachw.). Auch wenn im Grundsatz die Beweislast für das Vorliegen der berechtigten Interessen gemäß § 490 II BGB beim Darlehensnehmer liegt, kann eine Umkehr der Beweislast angenommen werden, wenn der Darlehensnehmer vor Abschluss des Darlehensvertrages nicht nach dem Verhaltenskodex informiert worden ist. 86
4. Vorfälligkeitsentschädigung. Rechtsfolge der Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechtes gemäß § 490 II BGB ist neben der Beendigung des Darlehensvertrages die Verpflichtung des Darlehensnehmers zum Ersatz des durch die vorzeitige Kündigung entstandenen Schadens, d.h. zur Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Die Vorfälligkeitsentschädigung (§ 490 II 3 BGB) umfasst den Ersatz des Schadens, der dem Darlehensgeber dadurch entsteht, dass der Darlehensnehmer mit seiner Kündigung vorzeitig den Darlehensvertrag beendet und damit die vereinbarte Restlaufzeit des Darlehens verkürzt. Zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist die sog. Aktiv-Aktiv-Methode oder die Aktiv-Passiv-Methode zulässig (hierzu zuletzt BGH NJW 2005, 751; WM 2005, 322; LG Stuttgart NJW-RR 2007, 122). Im Falle des Mitverschuldens (§ 254 BGB) kann der Schaden zu mindern sein (vgl. Palandt-Weidenkaff, § 490, Rn. 15). Im Einzelnen § 14.
87
V. Gesamtfälligstellung (§ 498 BGB). Gemäß § 498 BGB kann der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers das Teilzahlungsdarlehen eines Verbrauchers nur unter erschwerten Voraussetzungen kündigen. Die frühere Regelung des § 12 VerbrKrG, die zum einen die Grenze der Unzumutbarkeit für den Kreditgeber im Falle des Zahlungsverzugs festlegte und zum anderen zur Lösung der sog. „Schuldturmproblematik“ beitragen sollte (vgl. BT-Drucks. 11/5462, S. 13 f.; Schmelz/Klute, ZIP 1989, 1509 (1519)), wurde hierbei fast wortgleich übernommen. So darf die Kündigung mit der Folge der Gesamtfälligstellung vom Darlehensgeber nur erklärt werden, wenn der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinander folgenden Raten in Höhe von 10 % bzw. 5 % des Darlehensnennbetrages in Verzug ist und ihm der Darlehensgeber erfolglos eine Nachfrist mit Androhung der Gesamtfälligkeit gesetzt hat.
88
1. Geltungsbereich. Die Kündigungsregelung gilt für alle Verbraucherdarlehensverträge, bei denen nicht nur die Nebenleistungen wie Zinsen, sondern auch der Nettodarlehensbetrag (§ 492 I Nr. 1 BGB) in Teilzahlungen zu tilgen ist. Auf tilgungsfreie Darlehen ist die Vorschrift nicht anzuwenden, selbst wenn Zinsen und andere Nebenleistungen in wiederkehrenden Abständen zu zahlen sind und der Darlehensnehmer mit diesen Leistungen in Verzug gerät (OLG Brandenburg MDR 1998, 483). Solche tilgungsfreien Kredite werden somit nur nach Vereinbarung bzw. durch Kündigung gemäß §§ 488 III, 489 BGB oder analog § 490 BGB aus wichtigem Grund fällig. Eine Vorfälligkeitsvereinbarung kann für tilgungsfreie Kredite vereinbart werden, ohne dass § 498 BGB anwendbar ist (vgl. BGH NJW 1998, 602).
89
Aus § 498 I BGB ergibt sich, dass mindestens drei Raten vereinbart sein müssen. § 498 III BGB a.F. nimmt Immobiliardarlehensverträge von der Regelung der Absätze I und II aus. Für Immobiliardarlehensverträge, die nach dem 18.08.2008 abgeschlossen wurden, gilt jedoch eine gemäß § 498 III BGB (i.d.F. des Risikobegrenzungsgesetzes vom 12.08.2008, BGBl. 2008 I, 1666). Im Übrigen findet § 498 BGB entsprechende Anwendung auf sog. Lebensversicherungskredite Anwendung, bei denen Festdarlehen mit einem Lebensversicherungsvertrag in der Weise gekoppelt sind, dass das Darlehen am Ende der Laufzeit in einer Summe durch die Versicherungsleistung zurückgezahlt wird und statt einer Tilgung die Versicherungsprämien gezahlt werden müssen. Für den Darlehensnehmer macht es nämlich keinen Unterschied, ob er Tilgungsraten oder Versiche-
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1063
rungsprämien mit Kapitalanteil zahlt (Bülow, VerbrKrG, § 498 Rn. 15; Palandt-Weidenkaff, § 498 Rn. 2; vgl. auch BGHZ 111, 117; OLG Karlsruhe WM 2000, 1996). Wenn der Darlehensgeber bei einem Teilzahlungskredit trotz seines gesetzlichen Kündigungsrechts eine Vereinbarung zur Gesamtfälligstellung trifft und hierbei zu Lasten des Verbrauchers von der Regelung des § 498 I BGB abweicht, ist diese Vereinbarung gemäß § 506 I 1 BGB unwirksam. Es gilt in diesem Fall die gesetzliche Regelung, wobei der Darlehensvertrag im Übrigen wirksam bleibt, da § 139 BGB nicht anzuwenden ist. Eine entgegenstehende Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam (OLG Koblenz NJW-RR 1989, 1459 (1461); OLG Hamm NJW-RR 1992, 502; LG Köln WM 2000, 720).
90
2. Voraussetzungen für die Gesamtfälligstellung. Das Teilzahlungsdarlehen darf gemäß § 498 I BGB seitens des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs nur gekündigt werden, wenn der Verbraucher mit mindestens zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mindestens 10 %, bei einer Laufzeit des Verbraucherdarlehensvertrages über drei Jahre mit 5 % des Nennbetrages oder des Teilzahlungspreises in Verzug ist und die Nachfristsetzung mit Kündigungsandrohung fruchtlos geblieben ist. Für Immobiliardarlehensverträge, die nach dem 18.08.2008 abgeschlossen wurden, gilt gemäß § 498 III BGB ein Schwellenwert von 2,5 % des Nennbetrages. Die Darlegungsund Beweislast für sämtliche Voraussetzungen der Gesamtfälligstellung trägt der Darlehensgeber. Wenn die Zahlungsklage mangels Darlegung der Kündigungsvoraussetzungen abgewiesen wurde, kann der Darlehensgeber zwar nach Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen das Darlehen erneut kündigen. Er kann eine Berufung gegen die Abweisung seiner Zahlungsklage aber nicht allein auf die erneute Kündigung des Darlehens stützen. Dies führt zur Unzulässigkeit der Berufung (OLG Köln WM 2004, 502 f.).
91
a) Verzug des Darlehensnehmers. Der Verzugseintritt richtet sich nach § 286 BGB. Die beiden Verzugsvoraussetzungen gemäß § 498 I Nr. 1 BGB müssen kumulativ erfüllt sein, d.h. der Darlehensnehmer muss mit den Raten in Verzug geraten und dabei die relative Rückstandssumme erreicht haben, damit die Kündigung wirksam wird (BT-Drucks. 11/ 5462, S. 27; MünchKommBGB-Habersack, § 12 VerbrKrG Rn. 9; Bruchner/Ott/WagnerWieduwilt-Bruchner, § 12 Rn. 12). Allerdings setzt die Kündigung nicht voraus, dass zwei aufeinander folgende Teilzahlungen jeweils auch die relative Rückstandssumme von zehn bzw. fünf Prozent ergeben. Befindet sich der Darlehensnehmer mit der Leistung von Teilbeträgen in Verzug oder sind die Raten bei langer Vertragslaufzeit besonders niedrig, muss der Darlehensgeber ggf. mehrere Zahlungstermine abwarten, bis der relative Rückstandsbetrag erreicht ist. Der Verbraucher kann den Verzug mit „zwei aufeinander folgenden Raten“ allerdings nicht dadurch umgehen, dass er z.B. nur jede zweite Ratenzahlung erbringt (Seibert, § 12 Rn. 3; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Bruchner, § 12 Rn. 12; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 81 Rn. 216; im Ergebnis ebenso Staudinger-Kessal- Wulf, § 12 VerbrKrG Rn. 11).
92
Demgegenüber wird die Gegenansicht vertreten, der Darlehensnehmer dürfe diejenige rückständige Rate bestimmen, auf die seine Tilgungsleistung erfolgen soll (§ 366 I BGB) und könne so das Kündigungsrecht des Darlehensgebers umgehen (v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, § 12 Rn. 28 f.). Bei einem arglistigen Verhalten des Darlehensnehmers dürfte hier aber jedenfalls ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers aus wichtigem Grunde bestehen (siehe Rn. 104). Das Verhalten des Darlehensnehmers ist zumindest dann als arglistig zu bewerten, wenn er z.B. wiederholt auf diese Weise verfährt und so gezielt das Kündigungsrecht gemäß § 498 BGB umgehen will oder wenn er konsequent
93
Baum/Reiter/Methner
1064
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
unpünktlich zahlt, aber sorgfältig auf die Vermeidung des Verzuges mit zwei aufeinander folgenden Raten achtet (v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, § 12 Rn. 29). 94
b) Fristsetzung mit Kündigungsandrohung. Weiterhin setzt die wirksame Kündigung gemäß § 498 BGB eine Fristsetzung von mindestens zwei Wochen mit der Erklärung des Darlehensgebers voraus, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange. Mit der Fristsetzung und Kündigungsandrohung muss also der geforderte ausstehende Betrag, der die rückständigen Teilzahlungen (§ 498 I Nr. 1 BGB), geschuldete Verzugszinsen (§ 497 I BGB) sowie ggf. aufgelaufene Zinsen gemäß § 497 II BGB umfasst, genau beziffert werden (Seibert, § 12 Rn. 3; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Bruchner, § 12 Rn. 15). Die bloße Androhung der Darlehenskündigung für den Fall nicht rechtzeitiger Zahlung genügt nicht und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung (OLG Celle WM 2005, 1750). Auch wenn der Darlehensgeber einen höheren als den vom Verbraucher tatsächlich geschuldeten rückständigen Betrag fordert, ist die Kündigungsandrohung fehlerhaft und die hierauf gestützte Kündigung unwirksam, selbst wenn es sich nur um eine geringfügige Zuvielforderung handelt (BGH WM 2005, 459 (461)). Der Zweck der Nachfristsetzung besteht in ihrer besonderen Warnfunktion, die dem Verbraucher letztmals die Möglichkeit zur Erfüllung des Darlehensvertrages geben soll. Aus diesem Grunde sind Verfallklauseln, wonach das gesamte Restdarlehen bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen automatisch fällig wird (vgl. hierzu noch vor Inkrafttreten des VerbrKrG: BGHZ 95, 362 (371 ff.)), unzulässig (Seibert, § 12 Rn. 2; Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt-Bruchner, § 12 Rn. 17). Die Kündigung ohne vorherige separate Nachfristsetzung würde den Verbraucher nämlich im Ergebnis schlechter stellen und somit gegen § 506 I BGB verstoßen. Allenfalls kann im Einzelfall ausnahmsweise auf die Nachfristsetzung verzichtet werden, wenn der Darlehensnehmer definitiv und unter allen Umständen die weitere Bedienung des Kredites verweigert (BGH WM 2007, 440 (442) m. w. N.; a. A. OLG Celle WM 2007, 71 (72 f.)). An die ernsthafte Erfüllungsverweigerung, die der Darlehensgeber beweisen muss, sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Allein die Nichterbringung der Darlehensraten reicht hierfür nicht aus (vgl. OLG Celle a. a. O.). Wenn der Verbraucher innerhalb der Nachfrist die ausstehenden Raten nur teilweise zurückzahlt, aber immerhin hierdurch die relative Rückstandsschwelle von 10 bzw. 5 % wieder unterschreitet, entfallen die Kündigungsvoraussetzungen nicht mehr. Zur Vermeidung einer Kündigung muss der Darlehensnehmer innerhalb der Nachfrist den rückständigen Betrag vollständig zahlen (so nun BGH WM 2005, 459 (461) m. w. N.).
95
c) Gesprächsangebot. Schließlich soll der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer spätestens mit der Fristsetzung ein Gespräch über die Möglichkeiten einer einverständlichen Regelung anbieten (§ 498 I 2 BGB), um auf diese Weise eine sozial verträgliche und für beide Seiten wirtschaftlich sinnvolle Lösung zu ermöglichen. Zu diesem Gesprächsangebot verpflichtet ist der Darlehensgeber jedoch nicht, denn als Soll-Vorschrift stellt das Gesprächsangebot keine zwingende Kündigungsvoraussetzung dar (vgl. BT-Drucks. 11/ 5462, S. 27).
96
Dennoch sollte der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer dieses Angebot unterbreiten, denn im Einzelfall ist nicht auszuschließen, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer Schadenersatz leisten muss, wenn die Kreditkündigung im Zuge des Gesprächsangebotes vermieden worden wäre. Denkbar ist dies z.B., wenn der Darlehensnehmer nachweislich bei einem rechtzeitigen Gesprächsangebot Handlungsalternativen hätte aufzeigen können, die den Interessen beider Parteien gerecht geworden wären und mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Stundung der Darlehensforderung geführt hätten (vgl. Zahn, DB 1991, 81 (84 f.); v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, § 12 Rn. 62; Bruchner/Ott/
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1065
Wagner-Wieduwilt-Bruchner, § 12 Rn. 19; MünchKommBGB-Habersack, § 12 VerbrKrG Rn. 19). 3. Kündigungserklärung. Nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist mit Ablehnungsandrohung darf der Darlehensgeber den Darlehensvertrag kündigen, wobei die allgemeinen Anforderungen an Kündigungserklärungen zu beachten sind. Bei einer Mehrzahl von Darlehensnehmern kann der Darlehensvertrag grundsätzlich nur einheitlich gegenüber allen Darlehensnehmern als Gesamtschuldnern gekündigt werden (BGH WM 2002, 1764). Die Kündigung kann ausdrücklich oder auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden, so z.B. bei einer Klage auf Rückerstattung, bei Durchführung der Zwangsvollstreckung (vgl. BGH WM 1965, 767) oder durch Aufrechnung mit der Rückerstattungsforderung gegenüber einer Forderung des Darlehensnehmers.
97
Die Kündigung darf nicht mit der Nachfristsetzung in einer Erklärung verbunden werden, auch wenn ansonsten anerkannt ist, dass eine Kündigung auch unter Bedingungen erklärt werden kann, deren Eintritt allein vom Willen des Kündigungsempfängers abhängt (BGHZ 97, 264). Da aber die Fristsetzung gemäß § 498 I BGB den Schutz des Schuldners bezweckt, kann es nicht akzeptiert werden, dass die Kündigung für den Fall des fruchtlosen Fristablaufes bereits in dem Schreiben erklärt wird, mit dem die Nachfrist erst gesetzt wird (ebenso LG Bonn WM 1997, 1528; MünchKommBGB-Habersack, § 12 VerbrKrG Rn. 20; Staudinger-Kessal-Wulf, § 12 VerbrKrG Rn. 24; a. A. Bruchner/Ott/ Wagner-Wieduwilt-Bruchner, § 12 Rn. 24; Ermann-Klingsporn/Rebmann, § 12 VerbrKrG Rn. 32). Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 498 I 1 Nr. 2 BGB („erfolglos“) und zum anderen aus dem Zweck des nach § 498 I 2 BGB zu unterbreitenden Gesprächsangebotes.
98
Das Gesprächsangebot würde entgegen dem gesetzgeberischen Willen zu einer reinen Formalität herabgesetzt, wenn der Darlehensgeber beim Zustandekommen des Gespräches bereits aufschiebend bedingt gekündigt hätte. Zudem macht es einen Unterschied, ob aus Sicht des Darlehensschuldners bei fruchtlosem Fristablauf aufgrund der im Raum stehenden Kündigung bereits „alles verloren“ ist oder ob tatsächlich noch Spielraum für eine gütliche Einigung aufgrund des Gesprächsangebotes besteht. Auch wenn grundsätzlich eine Kündigung unter einer Bedingung erklärt werden kann, deren Eintritt einzig vom Kündigungsempfänger abhängt (BGHZ 97, 264 (267)), würde der Schuldnerschutz im Falle des § 498 I BGB unzulässig verkürzt, wenn der Darlehensgeber für die Erklärung der Kündigung nicht den Ablauf der Nachfrist abwarten müsste (LG Bonn WM 1997, 1528).
99
4. Kündigungsfolgen. Die Kündigung hat zur Folge, dass die Darlehensrestschuld abzüglich der gemäß § 498 II BGB nicht zu erstattenden Zinsen und sonstigen laufzeitabhängigen Kosten, die bei staffelmäßiger Berechnung auf die Zeit nach Wirksamwerden der Kündigung entfallen, zur sofortigen Rückzahlung fällig wird. Die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des Rückzahlungsanspruchs obliegt dem Darlehensgläubiger, für die Erfüllung des Darlehensrückzahlungsanspruchs hingegen dem Darlehensschuldner (vgl. BGH WM 2007, 636 (638 f.) zur Verrechnung von Gegenforderungen).
100
Dass die nicht zurückzuzahlenden laufzeitabhängigen Kosten staffelmäßig für die Zeit nach Wirksamwerden der Kündigung zu berechnen sind, ergibt sich aus der besonderen Vertragsmethodik insbesondere bei Verbraucherratenkrediten. So werden bei Ratenkrediten, soweit aus der Summe von Kapital und Kosten gleiche Zahlungsraten gebildet werden, mit jeder Einzelrate Kapital- und Kostenanteile fällig, die dem Verhältnis der Gesamtbeträge entsprechen. Vereinbarungsgemäß gezahlte Ratenbeträge werden in Entsprechung dieser Anteile verrechnet. Die Zinsbeträge sind aber am Anfang der Darlehenslaufzeit höher und sinken dann, je weiter die Tilgung des Kapitals bei staffelmäßiger
101
Baum/Reiter/Methner
1066
102
103
104
105
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Berechnung fortschreitet, immer weiter ab (BGH WM 1987, 101). Deshalb enthält der Betrag der Restschuld zum Zeitpunkt der Kündigung auch Zinsanteile, die bei staffelmäßiger Berechnung erst nach der Kündigung angefallen wären. Um den errechneten Zinsanteil verringert sich die vom Verbraucher nach der Kündigung zu zahlende Restschuld. Erforderlich ist in jedem Fall eine finanzmathematisch exakte Rückrechnung (LG Berlin NJW-RR 2005, 1649; zur finanzmathematischen Berechnung der Abzinsung: Bülow, VerbrKrG, § 498 BGB Rn. 47). Neben den Zinsen sind dem Verbraucher die sonstigen laufzeitabhängigen Kreditkosten zu vergüten, wozu im Allgemeinen ein Disagio gehört (BGH WM 1989, 1011). Nicht auf die Restschuld angerechnet werden dagegen laufzeitunabhängige Kosten, wie z.B. Bereitstellungsprovisionen oder Geldbeschaffungskosten, auch wenn sie als Disagio bezeichnet werden (vgl. BGHZ 81, 124). Das gleiche gilt für Kapitalnutzungskosten, die beim Vertragsabschluss entstehen (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1437), wie z.B. Bearbeitungs-, Antrags- oder Kreditgebühren, Maklerprovisionen oder Versicherungsprämien. Einen Schadenersatzanspruch, der über die Zinsen (§ 497 I BGB) hinaus geht, hat der Darlehensgeber nicht (OLG Zweibrücken WM 2001, 24). VI. Beendigung des Darlehensvertrages gemäß §§ 313, 314 BGB. Gemäß § 314 BGB besteht nunmehr bei Dauerschuldverhältnissen ein allgemeines Kündigungsrecht „aus wichtigem Grund“. In diesem Zusammenhang regelt § 313 BGB die Änderung bzw. den Wegfall (gemeinsam als „Störung“ bezeichnet) der Geschäftsgrundlage. Zu beachten ist hierbei, dass die Bestimmungen über die Störung der Geschäftsgrundlage bei Dauerschuldverhältnissen gegenüber den Kündigungsregeln und somit auch gegenüber § 314 BGB zurücktreten (§ 313 III 2 BGB, vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 177; Freitag, WM 2001, 2370 (2377)). Im Anwendungsbereich des § 314 BGB ist somit für die Regelung des § 313 BGB kein Raum. 1. Voraussetzungen des § 314 BGB. Nach § 314 BGB haben die Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses das Recht, dieses Schuldverhältnis jederzeit fristlos „aus wichtigem Grund“ zu kündigen. Ein wichtiger Grund in diesem Sinne besteht, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der gegenseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages bis zum vereinbarten Vertragsende oder bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. Dies entspricht dem v.a. in § 626 BGB bereits vor der Einführung des § 314 BGB zum Ausdruck gekommenen Grundsatz, dass die Vertragspartnern eines Dauerschuldverhältnisses die Möglichkeit zur Vertragskündigung haben müssen. Voraussetzung ist, dass schwerwiegende Störungen eintreten, die die Fortführung des Vertrages unzumutbar werden lassen (vgl. hierzu Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 79 Rn. 41 m. w. N.). 2. Verhältnis des § 314 BGB zu anderen Kündigungsrechten. Im Verhältnis zu den speziellen außerordentlichen Kündigungsrechten des Darlehensvertrages regelt § 490 III BGB, dass die Vorschriften der §§ 313, 314 BGB unberührt bleiben. Gleichzeitig gelten nach dem Willen des Gesetzgebers die im Besonderen Schuldrechtsteil des BGB enthaltenen spezifischen außerordentlichen Kündigungsrechte als Spezialregeln, die „Vorrang vor § 314 BGB“ haben (BT-Dr. 14/6040, S. 177). Es ist somit davon auszugehen, dass die besonderen außerordentlichen Kündigungsrechte des Darlehensvertrages nur in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich die allgemeinere Regelung des § 314 BGB verdrängen. Auf § 314 BGB kann somit zurückgegriffen werden, wenn das Darlehen außerordentlich aus einem Grund gekündigt werden soll, der nicht von den spezialgesetzlichen Vorschriften des Darlehensvertrages ausdrücklich erfasst oder diesen vergleichbar ist (vgl. Freitag, WM 2001, 2370 (2377); Palandt-Putzo, § 490 Rn. 17; a. A. offenbar Palandt-Heinrichs, § 314 Rn. 4 f.).
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1067
Im Übrigen sind allerdings die meisten Kündigungsgründe außerhalb des Darlehensvertragsrechtes bereits in den AGB-Banken geregelt. Dies betrifft die ordentliche und außerordentliche Kündigung des Kunden (Ziff. 18 AGB-Banken sowie die ordentliche (Ziff. 19 I, II AGB-Banken) und außerordentliche (Ziff. 19 III AGB-Banken) Kündigung der Bank (siehe § 3 Rn. 101 f.).
106
3. Anwendungsfälle des § 314 BGB. § 314 BGB kann anwendbar sein, wenn Umstände vorliegen, die nicht dem Risikobereich nur eines Vertragspartners zugerechnet werden können und die v.a. nicht mit der Zahlungsfähigkeit des Darlehensnehmers zusammenhängen. Ein solches Kündigungsrecht kann also z.B. bestehen, wenn Devisen- oder Kapitaltransferbeschränkungen in Drittstaaten eingeführt werden, wodurch die Darlehensrückführung in der vertraglich vereinbarten Währung beschränkt wird. Auch wenn der maßgebliche Refinanzierungsmarkt zusammenbricht oder sonstige unvorhersehbare Änderungen der rechtlichen oder tatsächlichen Umstände der Darlehensvereinbarung eintreten, die sich auf die Leistungsfähigkeit der Vertragspartner oder die Zulässigkeit des Vertrages auswirken, kann ein Fall des § 314 BGB angenommen werden (vgl. Freitag, WM 2001, 2370 (2377)).
107
Ein Sonderkündigungsrecht für den Darlehensnehmer kann auch im Falle einer Abtretung der Darlehensforderung angenommen werden. Wird eine Darlehensforderung von einer Bank an einen anderen Gläubiger abgetreten, soll dies grundsätzlich nicht gegen das Bankgeheimnis oder gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen. Entgegen einer früheren Auffassung des OLG Frankfurt a. M. (WM 2004, 1386 (1387)) wurde dies mit Urteil vom 27.02.2007 durch den BGH erkannt (BGH WM 2007, 643; hierzu grundlegend Schwintowski/Schantz, NJW 2008, 472; Nobbe, ZIP 2008, 97 sowie § 17, Rn. 75, vgl. bereits Nobbe, WM 2005, 1537 (1545) m. w. N.). Ein Verstoß des Zessionars gegen das Bankgeheimnis liegt aber dann vor, wenn er kundenbezogene nicht anonymisierte Daten des Darlehensnehmers an den Zessionar weitergibt. Ist dies der Fall, steht dem Darlehensnehmer ein Schadenersatzanspruch zu und er kann unter Umständen die Vertragsbeendigung verlangen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen (vgl. auch BTDrucks. 16/5595, S. 6 f.). Eine Weitergabe der nicht anonymisierten Daten verstößt allerdings ausnahmsweise nicht gegen das Bankgeheimnis, wenn der Kreditnehmer selbst seinen Pflichten aus dem Kreditvertrag nicht nachgekommen ist, sich also vertragswidrig verhalten hat. Ein wichtiger Grund für den Darlehensnehmer zur außerordentlichen Kündigung kann dann angenommen werden, wenn es dem Darlehensnehmer unter angemessener Berücksichtigung auch der Belange des Kreditinstituts unzumutbar ist, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen (Nobbe, WM 2005, 1538 (1548)). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Darlehensforderung an eine Privatperson oder an ein Unternehmen weitergegeben wird, welches in einem engeren sozialen Umfeld des Darlehensnehmers steht. Ebenfalls dürfte dem Darlehensnehmer ein fristloses Kündigungsrecht zustehen, wenn die Darlehensforderung zwar an eine Bank weitergegeben wird, er eine Zusammenarbeit mit dieser Bank jedoch bisher bewusst vermieden hat. Die Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes trägt in beiden Fällen der Darlehensnehmer.
108
VII. Teilkündigung. Eine Teilkündigung eines einheitlichen Vertragsverhältnisses ist grundsätzlich nur möglich, wenn dies gesetzlich gestattet oder vertraglich vereinbart ist (vgl. BGH NJW 1993, 1320 (1322); BAG DB 1983, 1368 (1369); Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 346 Rn. 12).
109
Ausnahmsweise kann aber auch eine Teilkündigung aus wichtigem Grund statthaft sein. Solch eine Teilkündigung ist auch bei Darlehensverträgen in Ausnahmefällen zulässig. Beim Darlehensvertrag ist ein wichtiger Grund für eine Teilkündigung u.a. darin zu sehen, dass eine Reduzierung der Darlehensschuld beabsichtigt ist (BGH NJW 1999, 2269
110
Baum/Reiter/Methner
1068
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
(2270)). Daher kann bei einem jederzeit kündbaren Kontokorrentkredit eine Teilkündigung mit der Folge ausgesprochen werden, dass der Darlehensumfang reduziert und das Darlehen in eingeschränktem Umfang, aber im Übrigen zu unveränderten Bedingungen fortgeführt wird. 111
112 113
114
115
Für das ordentliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers bestimmt § 489 I BGB im Übrigen ausdrücklich, dass auch eine teilweise Kündigung des festverzinslichen Darlehensvertrages möglich ist. Da nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber im Umkehrschluss eine Teilkündigung in anderen Fällen gänzlich ausschließen wollte, bleibt die Teilkündigung in den o.g. Ausnahmefällen zulässig (anders für den Fall variabler Verzinsung: Palandt-Putzo, § 489 Rn. 15). VIII. Disagioerstattung. Wenn einer der Vertragspartner ein Kündigungsrecht ausübt, hängt die Erstattung des Disagios vom Kündigungsgrund ab. 1. Berechtigte Kündigung des Darlehensnehmers. Sofern der Darlehensnehmer eine berechtigte Kündigung ausspricht, hat er einen Anspruch auf Erstattung des Disagios. Das Disagio ist nämlich grundsätzlich als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzinssatz zu verstehen (BGHZ 111, 287 (290); 133, 355 (358); BGH WM 1993, 2003 (2004)), was sich zumindest regelmäßig aus der Auslegung des Darlehensvertrages ergibt. Im Falle der berechtigten Kündigung durch den Darlehensnehmer fällt der Rechtsgrund für das unverbrauchte Disagio weg, so dass dem Darlehensnehmer ein Bereicherungsanspruch aus § 812 I BGB auf Erstattung des zeitanteiligen Disagios zusteht. Allein sachgerecht ist hierbei die nominalzinskonstante Berechnung (BGH NJW 1998, 1062 (1063)), bei der der Verbrauch des Disagios proportional zu den anfallenden Nominalzinsen des betrachteten Zeitraumes ermittelt wird. Ebenso dürfte ein Anspruch des Darlehensnehmers auf Erstattung des anteiligen Disagios bestehen, wenn er die Kündigung nach § 490 II BGB ausspricht. Da der Gesetzgeber dem Darlehensnehmer diese Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsbeendigung durch eine ordentliche Kündigung eingeräumt hat, dürfte der Rechtsgrund für das unverbrauchte Disagio bei dieser Kündigung entfallen. Die Zinserwartung der Bank dürfte nicht schutzwürdig sein, auch wenn der Darlehensnehmer zur Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet ist (§ 14 Rn. 68). 2. Berechtigte Kündigung des Darlehensgebers. Bei einer berechtigten Kündigung des Darlehensgebers, die der Darlehensnehmer zu vertreten hat, wird die Zinserwartung der Bank geschützt. Dies ist der Fall, wenn die Bank z.B. aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung des Darlehensnehmers den Vertrag kündigt, oder auch im Falle der einvernehmlichen Vertragsauflösung auf Wunsch des Darlehensnehmers. Ein Anspruch auf Erstattung des Disagios besteht in diesen Fällen nicht. Allerdings kommt ein Anspruch auf Berücksichtigung des Vorteils eines gestiegenen Zinsniveaus gegenüber der Bank in Betracht (vgl. Rösler/Wimmer, WM 2000, 164 (168)).
116
IX. Ausschluss der Kündigung. Das Kündigungsrecht, insbesondere des Darlehensgebers, kann aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen oder eingeschränkt sein.
117
1. Entgegenstehende Vereinbarung oder Zwecksetzung. Wenn für das Darlehen eine bestimmte Laufzeit festgelegt worden und eine Regelung zur vorzeitigen Kündigung nicht vereinbart worden ist, kann der Darlehensgeber nicht ordentlich kündigen. Aber auch ohne Festlegung einer bestimmten Laufzeit scheidet ein ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers aus, sofern das Darlehen absprachegemäß einem bestimmten Zweck dient und aufgrund dieser Zwecksetzung die Kündigungsmöglichkeiten eingeschränkt sein sollen. Die Beweislast für solche Absprachen trägt der Darlehensnehmer.
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1069
a) Existenzgründung. So kann stillschweigend ein Ausschluss des Kündigungsrechtes vereinbart worden sein, wenn das Darlehen z.B. zur öffentlichen Förderung einer Existenzgründung ausgegeben wurde und als Folge der Darlehenskündigung auch andere öffentliche Existenzgründungsdarlehen fällig gestellt würden (vgl. OLG Hamm WM 1985, 1411 (1413)). Die ordentliche Darlehenskündigung würde die ursprüngliche Zwecksetzung der Existenzgründung vereiteln, wenn der Darlehensnehmer zumindest während der Existenzgründung wirtschaftlich in völliger Abhängigkeit vom Darlehensgeber steht. In diesem Falle könnte der Darlehensgeber den Vertrag allenfalls außerordentlich aus wichtigem Grund kündigen. Erforderlich ist dann aber eine Interessenabwägung zwischen dem Bedürfnis des Darlehensgebers, sich von dem Darlehensnehmer zu trennen, und dem Schaden, der dem Darlehensnehmer durch die Kündigung entstehen würde (OLG Hamm a. a. O.). Das überwiegende Interesse an der Kündigung muss der Darlehensgeber darlegen und beweisen. b) Sanierung. Eine ähnliche Situation besteht beim Sanierungsdarlehen, das die finanzielle Gesundung eines Not leidenden Unternehmens bezwecken soll (vgl. hierzu § 18 Rn. 19 ff.). Der Sanierungszweck schließt eine ordentliche Kündigung des Darlehens aus, so dass der Darlehensgeber sich nicht ohne weiteres vom Sanierungsdarlehen trennen darf, wenn er bemerkt, dass er mit dem Abschluss des Darlehensvertrages eine unternehmerische Fehlentscheidung getroffen hat (vgl. BGH WM 2004, 1676 (1679); 2004, 2200 (2202); Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 607 Rn. 209 u. § 609 Rn. 74, 81; De Meo, Kap. 3, Rn. 196; Schimansky/Bunte/Lwowski-Häuser, § 85 Rn. 62 m. w. N.). Dies gilt auch im Rahmen der Sanierung einer Unternehmensgruppe, selbst wenn Schwesterunternehmen des Darlehensnehmers zwischenzeitlich bereits Insolvenzantrag gestellt haben (BGH WM 2004, 1676 (1679)). Allenfalls zeitliche oder sachliche Vorgaben in der Sanierungsvereinbarung über den Sanierungserfolg können den Ausschluss der Kündigung begrenzen. Die ordentliche Kündigung gemäß Ziff. 19 II AGB-Banken ist jedenfalls aufgrund der Mitwirkungspflicht der Bank an der Sanierung ausgeschlossen, solange sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens nicht verschlechtert und der Darlehensnehmer nicht gegen die Sanierungsauflagen verstößt (Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 607 Rn. 208 ff. u. § 609 Rn. 74). Dies entspricht dem Sanierungszweck und ergibt sich in der Regel zumindest konkludent aus der Sanierungsvereinbarung, die der Darlehensgewährung zugrunde liegt. Nur wenn die Sanierungsbemühungen objektiv zu scheitern drohen, kann die Bank zur ordentlichen Kündigung eines unbefristeten Sanierungsdarlehens berechtigt sein (OLG Hamm WM 1991, 402 f.; OLG Frankfurt/Main WM 1992, 1018 (1021 ff.)). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Darlehensnehmer die völlige Einstellung seiner Zahlungen ankündigt, ohne noch ein Sanierungskonzept zu seiner finanziellen Situation vorlegen zu können oder wenn sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers nach Abschluss des Sanierungskonzeptes so verschlechtern, dass die Sanierung keine Aussicht mehr hat (BGH WM 2004, 2200 (2202). Dass der Sanierungszweck nicht mehr erreicht werden kann, muss der Darlehensgeber darlegen und beweisen. 2. Kündigung zur Unzeit. Das Recht des Darlehensgebers, unbefristete Darlehen jederzeit und ggf. ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, ist auch ausgeschlossen, wenn die Kündigung gegen das Verbot der Kündigung zur Unzeit verstößt. a) Rechtsgrundlage. Das Verbot einer Kündigung zur Unzeit besteht in analoger Anwendung der wenigen, in §§ 627 II, 671 II, 675 I BGB positivrechtlich festgeschriebenen Gesetzesregelungen (vgl. OLG Köln WM 1985, 1128 (1133); OLG Hamm WM 1991, 402 f.; Hopt, ZHR 143, 139 (163); Canaris, ZHR 143, 113 (114)). Es beruht auf dem verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken, dass die Kündigung nicht gegen das
Baum/Reiter/Methner
118
119
120
121
122
1070
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Gebot der Rücksichtnahme verstoßen darf. Es soll hierdurch eine Überrumpelung des Darlehensnehmers durch die Kündigung verhindert werden, die dazu führen würde, dass er die Darlehensvaluta nicht rechtzeitig bis zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs anderweitig aufnehmen kann. Dass sich die analog herangezogenen Vorschriften nur auf fremdnützige Verträge und Interessenwahrnehmungsverträge beziehen, hindert nicht die Übertragung dieses Rechtsgedankens auf den Darlehensvertrag, bei dem der eine Vertragsteil auf die Leistung des anderen besonders angewiesen ist (Hopt, ZHR 143, 139 (163)). 123
b) Fälle der Kündigung zur Unzeit. Aus dem Verbot der Kündigung zur Unzeit folgt die Pflicht des Darlehensgebers, seinen Vertragspartner zumindest frühzeitig von seiner Kündigungsabsicht zu informieren (Claussen, § 8 Rn. 44). Die Bestimmung der zulässigen Kündigungsfrist richtet sich dabei insbesondere nach der wirtschaftlichen Lage des Darlehensnehmers und danach, ob er sich auf einen vom Darlehensgeber gesetzten Vertrauenstatbestand verlassen durfte. Eine Kündigung erfolgt danach zur Unzeit, wenn der Darlehensgeber zurechenbar den Eindruck erweckt hat, er werde nicht kündigen, und sich der Darlehensnehmer aus diesem Grunde nicht für den Fall der Kündigung vorbereitet hat. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Bank bei der Kündigung in Kenntnis der besonderen Schwierigkeiten handelt, vor die sich der Kunde beim plötzlichen Abbruch der Darlehensgewährung gestellt sieht (vgl. Hopt, ZHR 143, 139 (163)). Ebenso ist eine Kündigung zur Unzeit anzunehmen, wenn der Darlehensnehmer ohne Überschreitung seines Kreditrahmens Schecks zahlungshalber an Dritte begibt und die Bank deren Einlösung ohne jede Vorwarnung wegen einer zwischenzeitlich ausgesprochenen Darlehenskündigung verweigert. Hier muss die Bank den Kunden zunächst wegen der Überschreitung der Kreditlinie abmahnen und ihm alsdann Gelegenheit zur Rückführung der Überziehung geben (OLG Hamm WM 1985, 1411 (1413)).
124
Aus den Verhaltenspflichten der Bank im Zusammenhang mit der Kündigung folgt weiterhin, dass der Entscheidungsfreiheit der Bank unter bestimmten Umständen durch das Verbot der sittenwidrigen Schädigung (zeitliche) Grenzen gezogen sein können. So kann sich z.B. aus der praktischen Abhängigkeit eines Unternehmens von der Bereitstellung von Liquidität durch Kreditmittel eine Lage ergeben, die gegenüber den Risiken der Bank bei der Belassung eines ausgereichten Darlehens abgewogen werden müssen. Dies kann zu einer Pflicht zur Gestattung kurzfristiger Überziehungen führen, deren Zulassung zumindest für einen kurzen Zeitraum einen unverhältnismäßigen Schaden vom Darlehensnehmer abwenden könnte. Hier besteht grundsätzlich eine Rücksichtnahmepflicht der Bank aufgrund ihrer Treubindung, auch wenn die Bank nur in Ausnahmefällen von ihrem berechtigten Sicherheitsbedürfnis absehen und einen ungesicherten Kredit gewähren muss (vgl. MünchKommBGB-Westermann, § 610 Rn. 3).
125
c) Rechtsfolgen der Kündigung zur Unzeit. Die Kündigung zur Unzeit führt nicht zur Unwirksamkeit (vgl. OLG Düsseldorf WM 1983, 873 (882); OLG Celle ZIP 1982, 942 (951)). Dies ergibt sich aus der Formulierung der analog herangezogenen Vorschriften der §§ 627 II, 671 II, 723 II BGB, die einen Schadenersatzanspruch für den Fall der Kündigung zur Unzeit festlegen und somit von der Wirksamkeit der Kündigung ausgehen. Wäre die Kündigung unwirksam, wären diese Schadenersatzregelungen überflüssig, da sich bei Nichterfüllung aufgrund einer unwirksamen Kündigung Schadenersatzansprüche des Kündigungsempfängers bereits nach allgemeinen Regeln ergeben (vgl. auch MünchKommBGB-Westermann, § 610 Rn. 3; auch Canaris, ZHR 143, 113 (114 ff.)). Allerdings wird die Kündigung um eine angemessene Frist hinausgeschoben (vgl. MünchKommBGB-Westermann, § 609 Rn. 6). Dem Darlehensnehmer steht zudem der Schadenersatzanspruch gegen den Darlehensgeber analog §§ 627 II, 671 II 2, 675 I, 723 II 2 BGB zu,
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1071
ohne dass es auf ein Verschulden des Darlehensgebers ankommt (BGH WM 1985, 769; 1985, 1437; Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 609 Rn. 23, 32). Wird also beispielsweise ein noch nicht voll ausgeschöpfter Kontokorrentkredit oder ein nicht vollständig ausgezahltes Darlehen zur Unzeit gekündigt, darf der Kreditnehmer den Kredit grundsätzlich nicht mehr in voller Höhe in Anspruch nehmen, da die Kündigung wirksam bleibt. Er kann aber Ersatz des Schadens verlangen, der ihm dadurch entsteht, dass ihm aufgrund der Kündigung zur Unzeit keine Möglichkeit gegeben wurde, rechtzeitig anderweitig einen Kredit aufzunehmen (vgl. Canaris, ZHR 143, 113 (115)).
126
3. Rechtsmissbräuchliche Kündigung. Das Kündigungsrecht der Bank wird zudem durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB eingeschränkt (vgl. Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 609 Rn. 77). Eine rechtsmissbräuchliche und damit unwirksame Kündigung liegt insbesondere im Falle des widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) vor, wenn der Darlehensgeber beim Darlehensnehmer das berechtigte Vertrauen auf den Bestand des Darlehensvertrages geweckt hat und weitere Umstände hinzukommen (Staudinger-Hopt/Mülbert, 12. Aufl., § 609 Rn. 18, 79). Auch in diesem Zusammenhang kann die Kündigung ausgeschlossen sein, wenn dem Darlehensnehmer aus der Kündigung ein großer Schaden entstehen würde, während die Bank ohne Kündigung beispielsweise aufgrund ausreichender Sicherheiten nur geringfügig belastet wäre (vgl. OLG Hamm WM 1985, 1411 (1413); Hopt, ZHR 143, 139 (163)).
127
Ein widersprüchliches und damit rechtsmissbräuchliches Verhalten kann weiterhin vorliegen, wenn die Bank dem Darlehensnehmer zunächst ein neues Darlehen gewährt und unmittelbar danach den alten Darlehensvertrag kündigt (vgl. BGH WM 1985, 769) oder wenn der Darlehensgeber unmittelbar vor der Kündigung noch einer nachhaltigen Aufstockung des Darlehens zugestimmt hat. Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Darlehensgeber mit seiner Kündigung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, sind allerdings stets die Umstände des Einzelfalles.
128
Im Falle einer Abtretung der Darlehensforderung (vgl. Rn. 108) ist ebenfalls eine Einschränkung des Kündigungsrechts für den neuen Forderungsinhaber anzunehmen. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs führt dazu, dass zumindest bei ordnungsgemäßer Weiterbedienung der Darlehensraten (sog. „Performing Loans“) ein Kündigungsrecht des „neuen“ Darlehensgebers z.B. wegen angeblicher Verringerung der Werthaltigkeit der als Sicherheit dienenden Immobilie gemäß § 490 I BGB, ausgeschlossen werden muss. Zudem ist im Falle einer Darlehensabtretung in jedem Fall vor einer Kündigung ein obligatorischer Sanierungsversuch entsprechend § 498 I 2 BGB vom neuen Forderungsinhaber zu verlangen. Für Darlehensverträge, die nach dem 18.08.2008 abgeschlossen wurden, gilt dies nach Maßgabe des § 498 III BGB ohnehin.
129
D. Sonstige Beendigungsgründe
130
I. Nichtabnahme. Bei der Nichtabnahme kann es sich um eine Pflichtverletzung des Darlehensnehmers handeln, die den Ausschluss der Vertragserfüllung zur Folge haben kann. Vorraussetzung ist dafür jedoch die individualvertragliche Festlegung einer Abnahmepflicht (siehe dazu § 14 Rn. 2). Die Verletzung der Pflicht zur Abnahme des Darlehens hat zur Folge, dass die Bank als Schadenersatz eine Nichtabnahmeentschädigung geltend machen kann (vgl. § 14 Rn. 2). 1. Voraussetzungen des Schadenersatzes. Der Anspruch der Bank auf Zahlung der Nichtabnahmeentschädigung ergibt sich aus §§ 280, 281 BGB als Anspruch auf Schadenersatz statt der Leistung. Wenn sich der Darlehensnehmer mit der Abnahme des Darlehensbetrages in Verzug befindet, muss ihm der Darlehensgeber eine Nachfrist zur
Baum/Reiter/Methner
131
1072
132
133
134
135
136
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Darlehensabnahme setzen. Nach früherem Recht musste diese Nachfrist mit einer Ablehnungsandrohung verbinden, aus der sich eindeutig ergeben musste, dass der Darlehensgeber nach Ablauf der Frist die Vertragsdurchführung und damit die Auszahlung der Valuta ablehnen werde (Palandt-Heinrichs, 61. Aufl., § 326 Rn. 18). Erst wenn der Darlehensnehmer das Darlehen auch innerhalb der Nachfrist nicht abnimmt, kann der Darlehensgeber seinen Schadenersatzanspruch gemäß § 281 I BGB geltend machen. Dies gilt für Verträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden (Art. 229 § 5 EGBGB). Ausnahmsweise ist die Nachfristsetzung entbehrlich, wenn der Darlehensnehmer die Vertragserfüllung ernsthaft und endgültig verweigert oder besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Beanspruchung des Schadenersatzes rechtfertigen (§ 281 II BGB; vgl. auch BGH NJW 1992, 967 (971); PalandtHeinrichs, § 281, Rn. 14 f.). 2. Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung. Gegenstand des Schadenersatzanspruches wegen Nichtabnahme des Darlehens ist der Zinsschaden, der der Bank für die Zeit der rechtlich geschützten Zinserwartung entsteht (ausf. § 14 Rn. 23 ff.). Allerdings endet dieser Zeitraum der rechtlich geschützten Zinserwartung spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem der Darlehensnehmer ein ihm zustehendes Kündigungsrecht, insbesondere gemäß § 490 II BGB, hätte ausüben können. Nach diesem Ende der Zinsfestschreibung kann der Darlehensgeber nicht mehr darauf vertrauen, dass der Darlehensnehmer vertragsgemäß seine Zins- und Tilgungsleistungen erbringt. Weiterhin kann die Bank im Falle der Nichtabnahme vom Darlehensnehmer bis zum Zeitpunkt der endgültigen Nichtabnahme eine Bereitstellungsprovision verlangen, wenn diese im Darlehensvertrag wirksam vereinbart wurde (BGH WM 1978, 422 (423)). Diese Provision stellt die Gegenleistung für die Bereitstellung des Darlehensbetrages dar, während der noch keine Vertragszinsen fällig werden. Die Bereitstellungsprovision entfällt mit dem Zeitpunkt der endgültigen Nichtabnahme und wird dann mit der Nichtabnahmeentschädigung summiert. II. Einvernehmliche Beendigung. Wie jedes Dauerschuldverhältnis kann auch der Darlehensvertrag im Rahmen der Vertragsfreiheit einvernehmlich beendet werden. In Betracht kommt dies insbesondere, wenn der Darlehensnehmer eine vorzeitige Rückführung des Darlehens wünscht, ohne dass seinerseits ein berechtigtes Interesse hieran vorliegt, das ihn gemäß § 490 II BGB zur vorzeitigen außerordentlichen Kündigung berechtigen würde. Dies ist z.B. der Fall, wenn er bei einem anderen Kreditinstitut günstigere Konditionen erhalten kann (vgl. Rn. 82 ff.). In diesen Fällen bleibt es der Vereinbarung der Parteien überlassen, ob und mit welchem Inhalt sie einen Aufhebungsvertrag schließen. Allerdings unterliegt die Höhe der Entschädigungsfestlegung der Grenzen des § 138 BGB und richterlicher Angemessenheitskontrolle (im Einzelnen § 14 Rn. 47 f.). Wenn der Darlehensnehmer eine vorzeitige Vertragsbeendigung wünscht, ohne zur Kündigung berechtigt zu sein, darf die Bank grundsätzlich verlangen, dass ihr auch das gesamte Disagio verbleibt, das bei der Darlehensauszahlung einbehalten wurde (BGHZ 133, 355 (360)). Wenn sie allerdings als Entschädigung die ihr aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung entgangenen Zinsen für die verbleibende Darlehenslaufzeit auf der Grundlage des Effektivzinses berechnet, muss sie den unverbrauchten Anteil des Disagios abziehen, da der Effektivzins bereits das Disagio enthält. III. Widerruf der Darlehenszusage und Rücktritt. 1. Widerruf der Darlehenszusage. Ein Widerruf wie nach § 610 BGB a. F. ist vor der Valutierung nicht mehr vorgesehen. Eine Kündigung ist unter den Voraussetzungen des § 490 I BGB möglich, also insbesondere bei Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers.
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1073
2. Rücktritt. Im Übrigen kommt ein Rücktrittsrecht beider Vertragsparteien (§§ 323, 324 BGB) sowohl vom Vorvertrag als auch vom Darlehensvertrag in Betracht, wenn die jeweils andere Partei ihre Pflicht aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis verletzt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Darlehensgeber den Geldbetrag nicht zur Verfügung stellt oder der Darlehensnehmer eine vereinbarte Sicherheit nicht leistet (vgl. PalandtWeidenkaff, § 488 Rn. 28). Allerdings ist der Rücktritt grundsätzlich nur vor der Auszahlung des Darlehensbetrages zulässig, da spätestens nach der Darlehensauszahlung nur noch eine Kündigung in Betracht kommt. IV. Zeitablauf. Wenn das Darlehen für eine bestimmte Laufzeit vereinbart worden ist, endet der Darlehensvertrag ohne weiteres Zutun der Parteien mit dem Ablauf der vereinbarten Zeit. Die bestimmte Laufzeit kann ausdrücklich, stillschweigend oder auch einseitig festgelegt sein.
137
Ausdrücklich kann vereinbart sein, dass der Darlehensvertrag an einem bestimmten Kalendertag oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes von Monaten oder Jahren nach einem bestimmten Tag oder Ereignis, z.B. nach Darlehensauszahlung, endet. Auch aus einer Tilgungsvereinbarung kann sich eine Laufzeitregelung ergeben (vgl. BGH WM 1970, 402 (403)). Ohne ausdrückliche Vereinbarung kann sich die Laufzeit auch stillschweigend aus dem Zweck des Darlehens ergeben, wenn z.B. ein Unternehmen in der Existenzgründung bis zur Gewinnerzielung finanziert oder vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten überbrückt werden sollen (vgl. BGH NJW 1995, 2282 (2283); OLG Düsseldorf NJW 1989, 908 f.; Palandt-Weidenkaff, § 488 Rn. 15).
139
Wenn die Laufzeit vereinbarungsgemäß freigestellt ist, kann der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung und damit die Fälligkeit einseitig vom Darlehensgeber oder Darlehensnehmer bestimmt werden. Der Vertragspartner, der die Leistungszeit bestimmen darf, hat diese Leistungszeit allerdings im Zweifel nach billigem Ermessen festzulegen (§ 315 BGB).
140
V. Leistung vor Fälligkeit. Eine vorzeitige Rückerstattung und damit die vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrages ist ohne Kündigung oder vor Ablauf der Kündigungsfrist bei unverzinslichen Darlehen zulässig (§ 488 III 3 BGB). Inwieweit dies auch für verzinsliche Darlehen gilt, ist umstritten. Grundsätzlich besteht für den Darlehensnehmer beim verzinslichen Darlehen die Möglichkeit der Vertragsbeendigung aufgrund einer wirksamen Kündigung nach § 489 BGB (Rn. 41) oder § 490 BGB (Rn. 78). In diesen Fällen kann der Darlehensnehmer ebenso wie beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages (Rn. 136) die Valuta vorzeitig zurückzahlen. Allerdings ist die Leistung des Schuldners gemäß § 271 II BGB im Zweifel auch vor der vertraglich vereinbarten Leistungszeit zulässig. Aus der ausdrücklichen Erwähnung der Zulässigkeit einer vorzeitigen Darlehensrückzahlung in § 488 III 3 BGB lässt sich somit der Umkehrschluss ziehen, dass das Recht zur vorzeitigen Tilgung bei verzinslichen Darlehen ausgeschlossen ist (Palandt-Heinrichs, § 271, Rn. 11). Dies gilt zumindest für unbefristete Darlehen, denn ansonsten wäre § 488 III 3 BGB eine überflüssige Bestimmung (Hammen, DB 1991, 953 ((955).
141
Eine Aussage für befristete Darlehensverträge kann hieraus nicht entnommen werden (vgl. Hammen, a. a. O.). In der Literatur ist für Altverträge zu Recht darauf hingewiesen worden, dass nach dem ursprünglichen Willen des BGB-Gesetzgebers eine Ausnahme des Grundsatzes des § 271 II BGB, wonach der Schuldner bereits vor Fälligkeit leisten darf, für verzinsliche Darlehen nicht vorgesehen war (Knops, VuR 2001, 239 (243)). Für Teilzahlungsgeschäfte wurde dies auch in § 14 VerbrKrG a. F. sowie nunmehr in § 504 BGB ausdrücklich geregelt. Die Regelung beruht auf Art. 8 der Verbraucherkreditrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die vorzeitige Erfüllungsmöglichkeit mit einer angemessenen Ermäßigung der Kreditkosten gesetzlich gewährleisten müssen.
142
Baum/Reiter/Methner
138
1074
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
143
Für alle Geldkredite einschließlich der drittfinanzierten Geschäfte hat der Gesetzgeber allerdings die Richtlinienforderung bereits durch das Kündigungsrecht des Darlehensschuldners gemäß § 609a I Nr. 2 BGB a.F. erfüllt gesehen (BT-Drucks. 11/5462, S. 28). Offensichtlich wollte der Gesetzgeber die vorzeitige Darlehensrückzahlung gemäß § 271 II BGB auf das Teilzahlungsgeschäft (§ 14 VerbrKrG a. F.; § 504 BGB) und auf unverzinsliche Darlehen (§ 609 III 3 a. F.; § 488 III 3 BGB) beschränken und im Übrigen die vorzeitige Darlehensrückführung an die vorherige Kündigung (§ 609a I Nr. 2 BGB a. F.) anknüpfen. Dies spricht dafür die Zweifelsfallregelung des § 271 II BGB nicht für die vorzeitige Erfüllung des Darlehensvertrages gelten zu lassen (a. A. Knops, VuR 2001, 239 f.). Wenn der Darlehensnehmer jederzeit zur vorzeitigen Darlehensrückführung berechtigt wäre, dann wäre für die außerordentliche Kündigung nach § 490 II BGB keine Fallkonstellation mehr denkbar und diese Regelung erschiene überflüssig.
144
VI. Leistung auf die fällige Grundschuld. Regelmäßig ist der Schuldner schon nach dem Sicherungsvertrag zur Leistung auf die fällige Grundschuld berechtigt; in diesem Falle kann die Leistung auf die Grundschuld auch zur außerordentlichen Beendigung des Darlehensvertrages führen (im Einzelnen Knops, S. 191 ff. und § 14 Rn. 69 f.): 1. Ablösung der Grundschuld. Wenn die Grundschuld, mit der eine Darlehensforderung gesichert wird, sofort fällig gestellt oder jederzeit fristlos gekündigt werden kann (vgl Schimansky/Bunte/Lwowski-Merkel, § 94 Rn. 205 ff.), darf der Schuldner damit regelmäßig sofort auf die Grundschuld zahlen und sie auf diese Weise erlöschen lassen. Durch diese Zahlung erlangt die Bank die Leistung in Höhe des Grundschuldbetrages also nicht ohne rechtlichen Grund (§ 812 I BGB; vgl. BGH NJW 1987, 946). Folge der Zahlung des Eigentümers auf die Grundschuld ist die Entstehung einer Eigentümergrundschuld, die nach Maßgabe der §§ 1178, 1192 BGB erlischt. Dies gilt auch bei einer Ablösung vor Fälligkeit (vgl. Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 10 m. w. N.). Alternativ kann der Schuldner die Fälligkeit der Grundschuld auch nach § 1193 I BGB herbeiführen, indem er sein Kündigungsrecht ausübt. Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass tatsächlich auf die Grundschuld geleistet wird. Ob auf die Grundschuld oder auf die Forderung gezahlt wird, entscheidet sich vorrangig nach dem erklärten Willen des Zahlenden (BGH NJW-RR 1989, 1036, (1037)). Wenn bei der Zahlung der Wille nicht eindeutig erklärt wird, ist der mutmaßliche Wille aus den Umständen, insbesondere aus der Interessenlage, zu ermitteln (BGH NJW-RR 1987, 1350, 1351). Im Zweifel zahlt der persönliche Schuldner, der nicht zugleich Eigentümer ist, nur auf die Forderung. Gleiches gilt für den persönlichen Schuldner, der zugleich Eigentümer ist, wenn er die laufenden Teilzahlungen leistet. Der volle Betrag eines langfristigen Anlagekredites wird dagegen ebenso auf die Grundschuld geleistet (BGH BB 1969, 698), wie eine Zahlung bei angedrohter oder in die Wege geleiteter Zwangsvollstreckung (Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 41 m. w. N.). 2. Auswirkung auf die gesicherte Forderung (Darlehensvertrag). Auch wenn die gesicherte Forderung selbst nicht fällig ist, ist eine Leistung erfüllungshalber durch die Leistung auf die fällige Grundschuld möglich (Knops, S. 200; vgl. auch Palandt-Bassenge, § 1191, Rn. 42 ff.; offen gelassen von BGH NJW 1980, 2198 (2199)). Dies erscheint auch interessengerecht, weil sich das Interesse des Darlehensgebers darin erschöpft, die Darlehenssumme zuzüglich der Zinsen und weiteren Kosten zurück zu erhalten. Durch die Leistung auf die Grundschuld in Höhe seines wirtschaftlichen Interesses, das gleichermaßen in Höhe der Forderung und der Grundschuld besteht, befriedigt. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Forderung selbst nicht fällig ist (Knops, S. 201). Sofern der Darlehensnehmer vor Fälligkeit auf die Forderung leistet, kann der Darlehensgeber die Resttilgung sowie die Zinszahlung für die Zeit bis zur Fälligkeit verlangen.
145
146
147
148
Baum/Reiter/Methner
§ 34 Beendigung
1075
Diese Positionen sind entweder Bestandteile des Erfüllungsanspruchs oder des Schadenersatzanspruches in Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung. Leistet der Darlehensnehmer aber auf die Grundschuld, dann entsteht eine Eigentümergrundschuld und geht die Darlehensrestforderung durch Erfüllung unter (§ 362 I BGB). Der Darlehensgeber darf die vorzeitige Zahlung auf die Grundschuld selbst dann nicht zurückweisen, wenn sie ihm nicht gelegen erscheint (Knops, S. 207). Der Wille des Kreditgebers, die Leistung als Erfüllung anzunehmen, hat keine Bedeutung für die Erfüllungswirkung (Bülow, VerbrKrG, § 504 Rn. 13). Sofern der Darlehensgeber zur Entgegennahme der Zahlung nicht bereit ist, kann der Darlehensnehmer mit Erfüllungswirkung die Zahlung hinterlegen (§§ 1142 II, 372 BGB), wenn er auf die Rückforderung verzichtet (§ 376 II Nr. 1 BGB; vgl. BGH NJW 1996, 1207). Unter der Voraussetzung, dass der Schuldner zur Zahlung auf die Grundschuld berechtigt ist, erlischt mit der Leistung auf die Hauptschuld auch der hierauf entfallende Zinsanspruch (vgl. BGHZ 106, 42 (47); Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 78 Rn. 5; Köndgen, NJW 1987, 160 (163)). Beim Darlehensvertrag besteht nämlich ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der Kapitalüberlassungspflicht des Darlehensgebers und der Zinsleistungspflicht des Darlehensnehmers (Knops, ZfIR 1998, 577 (579 m. w. N.). Der Zinsanspruch entsteht dementsprechend nur, solange dem Darlehensnehmer die Valuta tatsächlich belassen ist. Wenn die Hauptschuld aufgehoben bzw. erfüllt ist, besteht kein Zinsanspruch mehr. Durch die zulässige Zahlung auf die Grundschuld ist der Darlehensnehmer auch berechtigt, den ausgezahlten Betrag in Höhe der Grundschuld an den Sicherungsnehmer zu zahlen. Durch die Leistung der valutierten Grundschuldsumme und die Entstehung der Eigentümergrundschuld fällt die Zinsleistungspflicht ebenfalls weg (Knops, S. 198 f.; vgl. BGH NJW 1987, 946 (947)). Sofern der Schuldner vertragsgemäß auf die Grundschuld leistet, steht dem Darlehensgeber mangels Verschulden ein Schadenersatzanspruch nicht zu (§ 314 IV BGB), mithin auch keine Vorfälligkeitsentschädigung zu (Knops, S. 209).
149
Trotz der Erfüllungswirkung der Leistung auf die fällige Grundschuld führt diese Leistung aber nicht automatisch zur Beendigung des Darlehensvertrages. Die tatsächliche Handlung eines Vertragspartners ist kein Beendigungsgrund. Vielmehr bleibt es dabei, dass ein Dauerschuldverhältnis nur durch Zeitablauf, eine Aufhebungsvereinbarung oder eine einseitige Willenserklärung (i. d. R. Kündigung, Widerruf) beendet werden kann. Die Leistung auf die fällige Grundschuld kann aber rechtsdogmatisch als außerordentliche konkludente Kündigung aus wichtigem Grund verstanden werden, wodurch der Grundsatz „pacta sunt servanda“ durchbrochen werden kann (vgl. auch Knops, VuR 1998, 107 (110)). Durch die Fälligkeit der Grundschuld ist der Darlehensnehmer zu dieser Kündigung berechtigt.
150
E. Nichtentstehen oder Wegfall der Forderung und Auswirkungen auf Sicherheiten
151
Wenn die zu sichernde Forderung nicht entsteht oder wegfällt, hängt das Schicksal der Sicherheit davon ab, ob sie akzessorisch ist oder nicht. I. Nichtentstehen der Forderung. Die zu sichernde Forderung entsteht nicht, wenn das zu sichernde Darlehen ganz oder teilweise nicht ausgezahlt wird. Dies ist der Fall, wenn der Darlehensvertrag vor Valutierung durch Widerruf, Kündigung oder einvernehmlich beendet wird. Wenn das Darlehen zum Zeitpunkt der außerplanmäßigen Beendigung bereits ganz oder teilweise ausgezahlt ist, hängt der Bestand der Sicherheit davon ab, ob die Sicherheit aufgrund der vertraglichen Vereinbarung ggf. auch einen Anspruch auf Rück-
Baum/Reiter/Methner
152
1076
153
154
155
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
zahlung des bereits gewährten Darlehensbetrages aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung deckt (Lwowski/Scholz, Rn. 209). Bei einer akzessorischen Sicherheit hat der Sicherungsnehmer trotz der Sicherungsvereinbarung die Sicherheit nicht erworben, soweit die gesicherte Forderung ganz oder teilweise nicht entsteht. Der Sicherungsnehmer muss also beweisen, dass die Forderung entstanden ist, wenn er die Sicherheit verwerten will. Die Sicherheit kann nicht mehr erworben werden, wenn endgültig feststeht, dass die Forderung nicht entstanden ist. Hingegen kann der Sicherungsnehmer die Sicherheit bereits auf Grund der Sicherungsvereinbarung erwerben, wenn es sich um eine nichtakzessorische Sicherheit handelt. Der Sicherungsnehmer ist allerdings schuldrechtlich verpflichtet, die Sicherheit nicht zu verwerten, sondern sie an den Sicherungsgeber zurück zu übertragen, wenn die zu sichernde Forderung ausbleibt. II. Wegfall der Forderung. Der Wegfall der gesicherten Forderung liegt vor, wenn sie durch Erlass, Aufrechnung, Novation etc. sich nachträglich reduziert oder vollständig erlischt. Am häufigsten erlischt die Forderung bei Fälligkeit durch Zahlung des Darlehensnehmers oder eines Dritten, der für Rechnung des Schuldners an die Bank leistet. Bei vollständigem oder teilweisem Wegfall der Forderung verliert der Sicherungsnehmer eine akzessorische Sicherheit unmittelbar (vgl. Lwowski/Scholz, Rn. 213). Hingegen verbleibt dem Sicherungsnehmer die Sicherheit auch beim Wegfall der Forderung, wenn es sich um eine nichtakzessorische Sicherheit handelt. Es besteht allerdings auch hier die schuldrechtliche Pflicht zum Verzicht auf die Verwertung sowie zur Rückübertragung der Sicherheit (im Einzelnen § 23).
Baum/Reiter/Methner
§ 35 Kredit und Insolvenz
1077
§ 35 Kredit und Insolvenz
Schrifttum Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte – Ein Beitrag zur Reform der Mobiliarsicherheiten, 1980; Ampferl, Der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter in der Unternehmensinsolvenz, 2002; Andres/ Leithaus, Insolvenzordnung, 2006; Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e.V., Köln (Hrsg.), Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., 2000; ders. Insolvenzrecht auf dem Prüfstand, 2002; Bales/Brinkmann, Sanierung von Unternehmen durch Kreditinstitute, Manager und Berater, 2005; Balz, Das neue Europäische Insolvenzübereinkommen, ZIP 1996, 948; Beck/Depre, Praxis der Insolvenz, 2003; Beck, NZI 2007, 1; Bichlmeier/Engberding/Oberhofer, Insolvenzhandbuch, 2. Aufl. 2003; Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 4. Aufl., 2005; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., 1981; Deutsches Anwaltsinstitut, Festschrift 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut e.V., Ein Beitrag für die anwaltliche und notarielle Beratungs- und Gestaltungspraxis, 2003; Drukarczik, Kreditsicherheiten und Insolvenzverfahren, ZIP 1987, 205; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung, Kommentar, 2002; Ehricke, Die Wirkungen einer ausländischen Restschuldbefreiung im Inland nach deutschem Recht, RabelsZ 62 (1998), 712; Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, 1999; Fassbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht im Konzern, 2004; Fechner/Kober, Praxis der Unternehmenssanierung, 2. Aufl., 2004; Ganter, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts – Entwicklungslinien und Tendenzen –, WM 2006, 1081; Gawaz, Bankenhaftung für Sanierungskredite, 1997; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997; Graf-Schlicker (Hrsg.), InsO, 2007; Habersack, Gesellschafterdarlehen nach MoMiG: Anwendungsbereich, Tatbestand und Rechtsfolgen der Neuregelung, ZIP 2007, 2145; Hax/Marschdorf, BFuP 1983, 112, 124; Heise, Verbraucherkredit und Geschäftskredit in der Insolvenz, 2001; Höche, Banken und Umwelt, WM 1996, 1852; Hölzle, Wege in die Restschuldbefreiung und Schuldenerlass im Exil – Oder: Lohnt die Fluch nach Frankreich wirklich?, ZVI 2007, 1; Huber, Internationales Insolvenzrecht in Europa, ZZP (2001), 133, 136; Huth, Kreditsicherungsrecht im Lichte der neuen Insolvenzordnung, 2000; Jungmann, Grenzen des Widerspruchsrechts des Insolvenzverwalters beim Einzugsermächtigungsverfahren, NZI 2005, 84; Kammel/Staps, Die Deckungsanfechtung von Globalzessionen, NZI 2008, 143; Knops/Bamberger/Maier-Reimer (Hrsg.), Recht der Sanierungsfinanzierung, 2004; Kohte/Ahrens/Grote, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, 1999; Leible/Staudinger, Die europäische Verordnung über Insolvenzverfahren, KTS 2000, 53; Liersch, Sicherungsrechte im Internationalen Insolvenzrecht, 2001; Lutter/Scheffler/Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998; Lwowski/Tetzlaff, Umweltrisiken und Altlasten in der Insolvenz, 2002; Münchener Kommentar-InsO, Bd. 1, 2001; Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., 2007; Neuhof, Sanierungsrisiken der Banken: Die Vor-Sanierungsphase, NJW 1998, 3225; Picot/ Aleth, Unternehmenskrise und Insolvenz, 1999; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 6. Aufl., 2002; Schilken/Kreft/Wagner/Eckardt (Hrsg.), Festschrift für Gerhardt, 2004; Paulus, Europäische Insolvenzverordnung, Kommentar, 2006; ders. NZI 2001, 505 Piepenburg (Hrsg.), Festschrift für Greiner, 2005; Prütting/Vallender (Hrsg.), Insolvenzrecht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Uhlenbruck, 2000; Prütting (Hrsg.) Insolvenzrecht 1996, 1997; Richter/Schüler/Schwetzler (Hrsg.), Kapitalgeberansprüche, Marktwertorientierung und Unternehmenswert, Festschrift für Drukarczyk, 2003; Rittscher, Cash-Management-Systeme in der Insolvenz, 2007; Runkel (Hrsg.), Anwaltshandbuch Insolvenzrecht, 2005; Schildbach, Sicherheiten versus par conditio creditorum, BB 1983, 2129; Schilken/Kreft/ Wagner/Eckardt (Hrsg.), Festschrift für Gerhardt, 2004; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, 2. Aufl., 2001; K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 3. Aufl., 2003; Theewen, Haftungsrisiken der Kreditinstitute in der Krise ihrer Schuldner, BKR 2003, 144; Tschauner/Desch, Anfechtbarkeit von Globalzessionen, BB 2008, 244; Uhlenbruck, Das neue Insolvenzrecht, Insolvenzordnung und Einführungsgesetz nebst Materialien, 1994; ders, InsO, 12. Aufl., 2003; ders. Zum Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts, ZRP 1988, 471; Uhlenbruck/Klasmeyer/Kübler (Hrsg.), Einhundert Jahre Konkursordnung 1877-1977, 1977; Vallender, Grundzüge des Regelinsolvenzverfahrens, Das eröffnete Verfahren, ZAP 2004, Fach 14, 493; ders., Aufgaben und Befugnisse des deutschen Insolvenzrichters in Verfahren nach der EuInsVO, KTS 2005, 283; Vallender/Fuchs, Die Antragspflicht der organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person vor dem Hintergrund der europäischen Insolvenverordnung, ZIP 2004, 829; Vallender/Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht vom 3.5.1996 zum Entwurf eines Europäischen Insolvenzübereinkommens, abgedruckt ua in Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997; Wenzel, Bankenhaftung bei fehlgeschlagenem Sanierungskredit, NZI 1999, 294; Wit-
Vallender
1078
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
tig, Kreditfinanzierung der Unternehmensfortführung in Insolvenzverfahren, DB 1999, 197; ders., Kritische und notleidende Kreditengagements – Änderungen auf Grund der Schuldrechtsreform, NZI 2002, 633; Wunderer, Auswirkungen des Europäischen Übereinkommens über Insolvenzverfahren auf Bankgeschäfte, WM 1998, 793.
Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Kredit und Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Kalkulierbarkeit des Risikos . . . . . . . . . . . 4 II. Marktkonformes Leitbild des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 III. Unterschiedliche Fragestellungen in Krise und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . 7 C. Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Kreditengagement in der Krise . . . . . . . . . 9 1. Stillhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Stundung und Verzicht . . . . . . . . . . . . 11 3. Umschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 5. Gewährung eines Überbrückungs-/ Sanierungskredits . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Das Insolvenzeröffnungsverfahren . . . . . . 35 1. Bankverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Widerspruch im Lastschriftverfahren durch vorläufigen Insolvenzverwalter 40 3. Insolvenzgeldvorfinanzierung durch Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4. Massekredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
II. Das eröffnete Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Bankverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Kreditierung durch Sicherheitenverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Massekredit und Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . 66 5. Cash-Pooling-Vereinbarungen . . . . . . 71 6. Geltendmachung und Befriedigung der Bankforderungen im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . 74 7. Kredit im Insolvenzplanverfahren . . . 85 III. Kredit und Restschuldbefreiung . . . . . . . 89 1. Umfang der Restschuldbefreiung . . . . 90 2. Versagung der Restschuldbefreiung . . 94 3. Restschuldbefreiung im Ausland und Wirkungen im Inland . . . . . . . . . . 96 IV. Kreditengagements bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren . . . . . . . 97 1. Eröffnung des Anwendungsbereichs der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Geltendmachung von Forderungen . . 99 3. Dingliche Rechte Dritter . . . . . . . . . . 106
Stichwortverzeichnis Absonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83, 91, 92 AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 – Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 16 – Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Allgemeines Verfügungsverbot. . . . . . . . . . 37, 48, 51 Altlastenrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ff., 42, 49, 62 Arbeitseinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 7 Bankvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 53 Beschlagnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Cash-Pooling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 ff. Dingliches Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 27 Entschuldungstourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Erlassfalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Festzinsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Finanzierungsleasing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 ff. Forderungsanmeldung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 102 Forderungsausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 111 Forderungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Fortführungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . 43, 45, 62 Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 26, 27 Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53, 54 Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Hauptinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Hausbank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Informationsrisiko. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Insolvenzgeldvorfinanzierung. . . . . . . . . . . . . . 43, 44
Krediteröffnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Kontokorrentvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 53 Kreditsicherheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Kreditzusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 14 ff. – außerordentliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 17 – fristlose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 16 Lastschriftabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 lex fori concursus . . . . . . . . . . 99, 101, 103, 106, 109 Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Massekredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ff., 63 Masseschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60, 64 Masseunzulänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 65 MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 27 Moratorium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 offene Kreditlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Prüfungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84, 89 ff. Saldenabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 8, 9 – Gutachten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 24 – Sanierungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 19, 21 – übertragende Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Schlussverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Sekundärinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . 105, 111 Sicherheiten . . . . . 29, 60, 62, 79, 82, 97, 102, 106 ff. Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63, 64 Sicherheitenverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Sparvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Stillhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 10 Stundung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz Terminseinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Tilgungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Überbrückungskredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 20 Umlaufvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Umschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1079
Verbraucherdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbraucherinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 61 80 55 38
A. Einleitung
1
Von dem berühmten Insolvenzrechtler Ernst Jäger stammen die viel zitierten Sätze: „Der Konkurs ist ein Wertevernichter schlimmster Art und obendrein das teuerste Schuldentilgungsverfahren. Je größer das ihm verfallende Unternehmen ist, je weitere Wirtschaftskreise der Zusammenbruch in Mitleidenschaft zieht, desto erwünschter muss es sein, wenn Schuldner und Gläubiger durch Vereinbarung eines Ausgleichs dem Konkurse vorbeugen“ (Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts, 8. Aufl. 1932, zitiert von Uhlenbruck, in: „Einhundert Jahre Konkursordnung“, S. 20) . An dieser Erkenntnis hat sich auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999 nichts Grundlegendes geändert. Nach wie vor sind die Kreditgeber regelmäßig die Hauptbetroffenen in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Da die Quoten in Insolvenzverfahren auch nach der Reform des Insolvenzrechts weiterhin bescheiden ausfallen, droht diesen Gläubigern ein erheblicher Forderungsausfall, wenn sie nicht hinreichend gesichert sind. Selbst bei ausreichender Besicherung ihrer Darlehensforderungen können Kreditinstitute oder sonstige Darlehensgeber auf die Insolvenzfestigkeit ihrer Sicherheiten nicht ohne weiteres vertrauen. Denn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es einer der ersten Aufgaben des Insolvenzverwalters, anfechtbaren Rechtshandlungen des Schuldners in der wirtschaftlichen Krise nachzugehen (näher dazu Kirchhof, Anfechtbarkeit von Sachsicherheiten insbesondere der Banken in der Insolvenz des Kunden, S. 355 ff., in: Festschrift 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut e.V.). Dabei beschränkt sich das Anfechtungsrisiko regelmäßig auf Sachsicherheiten. Selbst wenn die einem Kreditinstitut gewährte Sicherheit nicht der Anfechtung unterliegt, führt die Insolvenz des Kunden regelmäßig zu wirtschaftlichen Beeinträchtigungen in Form von Forderungsausfällen oder von Kostenbeiträgen für die Verwertung von Gegenständen, an denen Sicherungsrechte wie Grundpfandrechte, Sicherungszessionen oder Sicherungsübereignungen bestehen.
B. Kredit und Ausfallrisiko
2
3
Jeder Kreditvergabeentscheidung ist ein Risiko immanent, weil Forderungsausfälle bei einer Kreditvergabe niemals ganz auszuschließen sind. Dabei sind die Risiken, denen die potenziellen Tilgungsbeiträge bis zum tatsächlichen Rückzahlungszeitpunkt unterliegen, unterschiedlicher Natur. Wie jede andere Investitionsmaßnahme kann es auch bei einer Kreditgewährung dazu kommen, dass die Gewinne, die der Kreditnehmer sowie der Kreditgeber aus den durch die Darlehenssumme finanzierten Investitionen des Kreditnehmers erwarten, aus verschiedenen Gründen derart variieren, dass diese nicht zur Tilgung aller festen Ansprüche an dem aufgenommenen Fremdkapital ausreichen (sogen. „technologisches Risiko“, vgl. Schildbach, BB 1983, 2129, 2130). Daneben tritt das Informationsrisiko des Kreditgebers. Es ist nicht fernliegend, dass der Kreditnehmer durch eine selektive Informationsweitergabe versucht, die Kreditgeber zu einer eher optimistischen Einschätzung der Lage zu veranlassen (Huth, S. 13). Nicht zu vernachlässigen ist ferner der Umstand, dass der Kreditnehmer auf Grund seines freien Entscheidungsrechts bezüglich aller unternehmerischen Fragen den ökonomischen Ertragswert seines Unternehmens beeinflussen kann (sog. Kreditrisiko aus „moral hazard“, vgl. Drukarczik, ZIP 1987, 205,
Vallender
1080
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
206). Weitere Risiken für Kreditinstitute ergeben sich unter Umständen aus Umweltschäden. So können ursprünglich werthaltige Grundpfandrechte, bei denen ein Altlastenrisiko im Rahmen der Beleihungswertermittlung nicht erkannt und nicht berücksichtigt wurde, wertlose Sicherheiten werden. Hinzu kommt, dass in der Insolvenz des Kreditnehmers Umweltbehörden die Kosten der Beseitigung von Umweltschäden gegenüber der Bank geltend zu machen versuchen (Lwowski/Tetzlaff, Rn. H9). Sollten gar Bestrebungen, allein auf Grund der Vergabe von Krediten an ein Unternehmen, das eine umweltschädigende Produktion durchführt, bei einer gewissen Einflussnahme der Bank auf das Management des Unternehmens in der Insolvenz des Kreditnehmers das Kreditinstitut für die Beseitigung der Umweltschäden in die Haftung nehmen zu können (vgl. Höche, WM 1996, 1852), von Erfolg gekrönt sein, potenzieren sich die Haftungsrisiken für den Kreditgeber ins Unüberschaubare und werden zwangsläufig zur Verteuerung von Krediten führen. 4
I. Kalkulierbarkeit des Risikos. Gegen all diese Risiken ist so lange nichts einzuwenden, wie der Kreditgeber im Zeitpunkt der Kreditvergabeentscheidung in der Lage ist, sein Risiko realistisch einzuschätzen. Für ihn ist im Hinblick auf sein Ausfallrisiko deshalb wichtig zu wissen, nach welchen Regeln in Krise und Insolvenz des Kreditnehmers vorgegangen wird und welche Möglichkeiten ihm zur Verfügung stehen, wenn es zu Forderungsverlusten kommt (Hax/Marschdorf, BFuP 1983, 112, 124). Vor allem muss das Ergebnis des Insolvenzverfahrens als eines staatlich vorgeschriebenen Verfahrens zur Gesamthaftungsverwirklichung kalkulierbar sein (Uhlenbruck, ZRP 1988, 471). Ginge es in einem Insolvenzverfahren nicht um die Durchsetzung der zivilrechtlichen Vermögenshaftung, sondern käme es zu Vermögensumverteilungen und einer Neubewertung von vorinsolvenzrechtlich begründeten Rechten und Positionen, hätte dies zur Folge, dass der Kreditgeber entweder keine positive Kreditentscheidung fällt oder er aus Vorsichtsgründen besondere Risikovorsorgemaßnahmen ergreift, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sind (Adams, S. 30).
5
II. Marktkonformes Leitbild des Insolvenzverfahrens. Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit Einführung der Insolvenzordnung vollständig für das marktwirtschaftliche bzw. marktkonforme Leitbild des Verfahrens entschieden. Das Insolvenzrecht schafft die rechtliche Ordnung für den Marktaustritt oder den finanziellen Umbau am Markt versagender Wirtschafteinheiten. Das Insolvenzverfahren stellt ein vermögensorientiertes Verfahren dar, das den Gleichrang von Liquidation, übertragender Sanierung und Sanierung des schuldnerischen Unternehmens vorsieht. Die Ordnung des gerichtlichen Verfahrens ist darauf angelegt, privatautonome Vereinbarungen zu fördern und dort, wo diese nicht zustande kommen, Regeln als Entscheidungsgrundlage vorzugeben.
6
Allerdings würde das Insolvenzverfahren seiner Aufgabe nicht vollends gerecht werden, wenn es die Insolvenz lediglich als einen Verteilungskonflikt erfasst (Allg. Begr. RegE S. A9, abgedruckt bei Uhlenbruck, Das neue Insolvenzrecht, 228). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers muss das Insolvenzrecht daher im besonderen Maße auf die Steuerungsund Ordnungsfunktion des Rechts für die Abläufe und Strukturen der gesamten Wirtschaft Rücksicht nehmen. Dabei wird der Privatautonomie nicht nur hinsichtlich des Verfahrensziels, sondern auch für die Verfahrensgestaltung ein hoher Stellenwert eingeräumt. Vor diesem Hintergrund schafft das Insolvenzverfahren eine vorhersehbare Grundlage für die Behandlung des Kredits in der Insolvenz.
7
III. Unterschiedliche Fragestellungen in Krise und Insolvenz. Die Fragestellungen, die sich für einen Kreditgeber bei der Einschätzung seines Ausfallrisikos ergeben, sind in Krise und Insolvenz des Unternehmens höchst unterschiedlich. Bei einer wirtschaftli-
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1081
chen Krise ist für den Kreditgeber von zentraler Bedeutung, ob und in welchem Umfang er sein bisheriges Engagement fortsetzen soll und welche Maßnahmen er ergreifen sollte, um in einem möglichen Insolvenzverfahren nicht auszufallen. Wird über das Vermögen des Kreditnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, weil die Krise nicht gemeistert werden konnte, besteht für den Kreditgeber die Gefahr des vollständigen, mindestens jedoch des teilweisen Ausfalls, sofern keine hinreichenden Sicherheiten bestellt sind. Ist der Kredit bereits valutiert, ist die adäquate Beteiligung am Insolvenzverfahren vordringliches Ziel. Steht dagegen die Valutierung noch aus (Darlehensversprechen), rückt angesichts des nunmehr manifestierten Ausfallrisikos die Beendigung des Kreditengagements in den Vordergrund der Überlegungen (vgl. in der ersten Auflage Heise, § 29 Rn. 2, 8).
C. Krise
8
Eine (Unternehmens-) Krise ist das Endstadium eines vom betroffenen Unternehmen in aller Regel ungewollten Prozesses, in dessen Verlauf die Erfolgspotentiale für das Reinvermögen und/oder die Liquidität des Unternehmens sich so ungünstig entwickelt haben, dass die Existenz des Unternehmens akut bedroht ist (Fechner/Kober, S. 4). Abzustellen ist dabei auf die wirtschaftliche Gesamtsituation, die den Bestand des Unternehmens gefährdet (Picot/Aleth, Rn. 4). Soweit es die GmbH betrifft, hat der Gesetzgeber den Begriff der Krise in § 32a GmbHG definiert. Danach liegt bei dieser Kapitalgesellschaft eine Krise in dem Zeitpunkt vor, in dem ein wie ein ordentlicher Kaufmann handelnder Gesellschafter der GmbH Eigenkapital zuführen würde, also dann, wenn Gesellschafterdarlehen in Kapitalersatz umzuqualifizieren sind (Wittig, in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Rn. 472). Kreditinstituten kommt in dieser Phase der Unternehmensentwicklung eine tragende Rolle zu, weil für die Erfolgsaussichten einer angestrebten Sanierung die Finanzierung des Unternehmens häufig von ausschlaggebender Bedeutung ist. Denn meist sind nur kurzfristige Sanierungsbeiträge im eigentlichen Sinne geeignet, die drohende Insolvenz zu verhindern. Das Interesse der Kreditinstitute an der Sanierung des Kreditnehmers bzw. Kunden ist vor allem darauf ausgerichtet, bereits gewährte Kredite zu retten, unter Umständen aber auch darauf, diesen als Geschäftspartner zu behalten. Aller Voraussicht nach wird noch im Laufe des Jahres 2008 das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in Kraft treten. Mit diesem Gesetz werden tiefgreifende Veränderungen verbunden sein, von denen insbesondere die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts (u.a. werden die Vorschriften der §§ 32a und b GmbH aufgehoben) erhebliche Konsequenzen zeitigen wird (Burg/Poertzgen, ZInsO 2008, 473) und gleichzeitig einen Paradigmenwechsel bedeutet, „wie er fundamentaler kaum sein könnte“ (Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147). Das MoMiG in seiner gegenwärtigen Fassung (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23.5.2007) sieht eine Verlagerung der Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen in das Insolvenzrecht vor. Auf die Qualifizierung „kapitalersetzend“ wird künftig verzichtet. Gesellschafterdarlehen werden im Insolvenzfall stets mit Nachrang versehen; im Fall der Rückzahlung durch die Gesellschaft im Jahr vor der Insolvenz kann der Betrag durch Insolvenzanfechtung wieder zur Masse gezogen werden (§ 135 I Nr. 2 RegE-InsO). Es wird keine Unterscheidung zwischen „kapitalersetzenden“ und „normalen“ Gesellschafterdarlehen geben. Zugleich wird die parallele Anwendung des Rechts der Kapitalerhaltung auf Gesellschafterdarlehen verhindert. Als Fremdkapital gegebene Beträge sind nicht dem Eigenkapital zuzurechnen. Auf diese Weise wird die verwirrende Doppelspurigkeit der sog. Rechtsprechungsregelungen und der Novellenregelungen über die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen beseitigt (Begr. RegE S. 58).
Vallender
1082
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
9
I. Kreditengagement in der Krise. Im Hinblick auf die aktuelle Weiterbehandlung des in die Krise geratenen Kreditengagements stellt sich für die Bank zunächst die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung des Darlehensvertrages möglich ist, um bei noch offener Kreditlinie weitere Auszahlungen, die den befürchteten Ausfall erhöhen könnten, zu vermeiden (Wittig, NZI 2002, 633). Soweit der Kredit bereits valutiert ist, geht es um die Frage, ob der Ausfall noch verhindert oder zumindest verringert werden kann. Daneben kann aber auch die Frage nach einem Stillhalten oder der Gewährung eines Sanierungskredits außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in den Vordergrund der Überlegungen rücken (Neuhof, NJW 1998, 3225, 3228). Angesichts der erheblichen Haftungsrisiken, mit denen die Rechtsprechung die Kredit gebenden Institute unter dem Gesichtspunkt des § 826 BGB überzieht (siehe nur BGH WM 1965, 918), spricht vieles dafür, die erste Gelegenheit zu einer Kündigung des Kredits zu nutzen. Damit ist allerdings auch häufig die Beendigung der gesamten Geschäftsbeziehung zum Kunden verbunden. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten muss dies nicht immer die bessere Lösung sein; vielmehr kann ein „Stillhalten“ unter Umständen ökonomisch sinnvoller sein. Das passive Abwarten der künftigen Entwicklung, das als aktives Element die Aufrechterhaltung der Kreditlinien verbunden mit der Befugnis des Kreditnehmers, auch über eingehende, möglicherweise einer Zession unterliegende Forderungen weiterhin verfügen zu dürfen, beinhaltet für Kreditinstitute grundsätzlich kein haftungsrechtliches Risiko. Allerdings trägt ein solches Verhalten des Kreditinstituts nicht wesentlich zur „finalen Problemlösung“ bei. Für den von der Insolvenz bedrohten Kunden ist vielmehr die Weiterbehandlung des Kreditengagements in der Krise durch Gewährung eines Überbrückungs-/Sanierungskredits von zentraler Bedeutung für eine beabsichtigte Sanierung des Unternehmens. Für das Kreditinstitut birgt dieses Engagement bei einem Scheitern der Sanierungsbemühungen allerdings erhebliche Risiken (näher dazu C 5 c). Als Hemmschuh einer finanziellen Neuordnung und Sanierung im Krisenfall kann sich die unter der Egide des Konkursrechts immer weiter ausgebaute Kasuistik zum Kapitalersatz von Darlehen, zur Verschleppung des Insolvenzverfahrens und zu den Anfechtungsmöglichkeiten in Bezug auf die für den Kredit gestellten Sicherheiten erweisen (Knops, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 7A Rn. 5). Als mögliche Alternative zu einem Sanierungsbeitrag kommt die Ablösung des krisenbehafteten Engagements durch Dritte in betracht. Bei ihrer Entscheidung für die eine oder andere Alternative wird das Kreditinstitut nicht nur den potentiellen Ertrag sondern auch die unterschiedlichen Kosten zu berücksichtigen haben (Bales/Brinkmann, S. 116).
10
1. Stillhalten. Wenn es der Bank ökonomisch sinnvoll erscheint, kann sie in der Krise des Kunden „stillhalten“ (BGH WM 1963, 1094; 2001, 1458). Ein Stillhalten umfasst als Oberbegriff die Unterlassung der Kündigung eingeräumter Kreditlinien (Krediteröffnungsverträge), die Unterlassung der Kündigung (Fälligstellung eines ausgereichten Kredits), die Unterlassung des Herausgabeverlangens bzw. der Verwertung von Sachsicherheiten, die Unterlassung gerichtlicher Beitreibung fälliger Geldforderungen bzw. der Vollstreckung aus erlangten Titeln und schließlich die Unterlassung der Stellung eines Insolvenzantrags (Eidenmüller, S. 731). Es dürfte zu weitgehend sein, selbst bei Vorhandensein einer realistischen Reorganisationschance für das krisengeschüttelte Unternehmen und der Annahme, dass eine der zuvor geschilderten Maßnahmen diese Chance zerstören würde, von einer grundsätzlichen Verpflichtung der Bank zum Stillhalten auszugehen. Diese Betrachtungsweise ändert aber nichts an der Tatsache, dass ein Tätigwerden in der Krise des Kunden haftungsrechtliche Konsequenzen haben kann. Aus diesem Grunde bedürfen gestaltende Eingriffe in dieser Phase der Unternehmensentwicklung einer sorgfältigen Abwägung. Deshalb kann sich bei einem Kreditengagement
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1083
mehrerer Kreditinstitute der Abschluss eines Stillhalteabkommens (Moratorium) anbieten. Dieses dient dazu, die bestehenden Kreditlinien im Interesse der Aufrechterhaltung der Zahlungsbereitschaft des Kunden für eine gewisse Zeit festzuschreiben (Obermüller, Rn. 5.48). Auf diese Weise kann zugunsten des Schuldners erreicht werden, dass besonders drängende Kreditinstitute sich bei realistischen Sanierungschancen nicht auf Kosten anderer aus dem kritischen Engagement zurückziehen und gleichzeitig Chancen für die Reorganisationsmaßnahmen zunichte machen. Soweit das Kreditinstitut Ratenzahlungen des Schuldners entgegennimmt, die es mit diesem in einem Stillhalteabkommen vereinbart hat, besteht die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter gezahlte Raten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden im Wege der Anfechtung zur Masse zieht. In einem solchen Fall ist zu vermuten, dass das Kreditinstitut die Absicht des Schuldners kennt, die Gläubiger zu benachteiligen, wenn es weiß, dass der Schuldner noch weitere Gläubiger hat, die erfolglos zu vollstrecken versucht haben, und die Raten auch nur unregelmäßig gezahlt werden (BGH WM 2008, 452 = ZIP 2008, 420 = NZI 2008, 231). Das Kreditinstitut hat nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Kunden darzulegen und zu beweisen, warum es später davon ausging, der Schuldner habe seine Zahlungen allgemein wieder aufgenommen (BGH WM 2008, 190 = ZIP 2006, 290 = NZI 2006, 169). Ein Kreditinstitut überschreitet die Grenze des bloßen Stillhaltens, wenn es von der Kreditkündigung oder der Beitreibung schon fälliger Forderungen nur gegen Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten absieht (OLG Hamm BB 1972, 1028). Ein solches Verhalten kann bereits zu einer Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB gegenüber dem Kreditnehmer und anderen Gläubigern führen. Ebenso kommt unter besonderen Umständen eine Haftung nach der vorgenannten Bestimmung in Betracht, wenn die Bank von der Kündigung absieht, obwohl sie von der wirtschaftlich aussichtlosen Lage des Kreditnehmers Kenntnis hat. Diese sind z.B. dann gegeben, wenn die Bank ihre wirtschaftliche Macht im Verhältnis zum Kreditnehmer ausspielt (BGHZ 19, 12, 18) oder sie sonstigen wirtschaftlichen Druck ausübt (BGH WM 1985, 866). 2. Stundung und Verzicht. Unabhängig davon, ob man die Stundung und den Verzicht noch als eine Form des Stillhaltens ansieht oder nicht, kann schon dieser geringste Sanierungsbeitrag eines Kreditgebers unter Umständen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung beitragen. Selbst bei einem langjährigen Kreditverhältnis zum insolventen Unternehmen besteht indes eine Rechtspflicht der Bank, Tilgungs- oder Zinsstundungen zu gewähren, auch dann nicht, wenn die zu überbrückende Zahlungsunfähigkeit möglicherweise nur vorübergehend ist (OLG Karlsruhe WM 1990, 1332). Bei Überschuldung reicht eine Stundung zur Sanierung nicht aus, weil sie ausschließlich liquiditätsmäßige Wirkungen zeigt. In einem solchen Fall hilft indes ein Forderungsverzicht weiter. Erklärt sich das Kreditinstitut hierzu bereit, können Kreditsicherheiten wegen der Schuld tilgenden Wirkung nach Erlass der Forderung nicht mehr verwertet werden. Sie sind vom gesicherten Kreditgeber, sofern sie nicht zugleich für andere Forderungen bestellt sind, freizugeben bzw. werden als akzessorische Sicherheiten kraft Gesetzes frei (Wittig, in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Rn. 505). Bei vorangegangenen Sanierungsverhandlungen, die u.a. einen Forderungsverzicht zum Gegenstand hatten, müssen Kreditinstitute darauf achten, nicht in eine Erlassfalle zu tappen. Diese besteht darin, dass nach der Rechtsprechung des BGH (WM 1995, 695) in der vorbehaltlosen Verbuchung des abredegemäß vom Kreditnehmer überwiesenen Restkreditbetrages eine stillschweigende Annahme des Angebots zum Abschluss des Erlassvertrages liegt, wenn in Vorverhandlungen für ein Sanierungskonzept Einigkeit über alle wichtigen Punkte eines Teilerlasses zwischen dem Kreditnehmer und seinen Gläubigerbanken erzielt worden ist.
Vallender
11
12
1084
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
13
3. Umschuldung. Die Umschuldung (im weiteren Sinne), d.h. die Verlängerung oder Aufstockung von Krediten, dient in erster Linie der Herabsetzung der Tilgung und damit des laufenden Kapitaldienstes, um so kurzfristig zusätzliche Liquidität zu schaffen. Entschließt sich das Kreditinstitut zu einer solchen Maßnahme, muss es sich des Risikos bewusst sein, durch Modifikation bestehender Kreditkonditionen Sicherheiten zu verlieren (BGH WM 1995, 1397). Dringend zu empfehlen ist in jedem Fall die Einbeziehung von Sicherungsgebern (vgl. BGH a.a.O.). Neben einer Modifizierung der Konditionen des gewährten Kredits bietet sich die Umwandlung von Überziehungs- oder Kontokorrentkrediten in Festzinsdarlehen an, um Zinsen zu reduzieren, die Liquidität zu entlasten und damit Mittel für den weiteren Schuldenabbau („Tilgung statt Zinsen“) zu generieren (Bales/Brinkmann, S. 142). Soweit sich die Vertragsparteien lediglich auf eine Änderung des bestehenden Vertragsverhältnisses beschränken und keine Schuldumwandlung bzw. Schuldersetzung vereinbaren, berühren solche „Sanierungsbeiträge“ fiduziarische bzw. akzessorische Sicherheiten nicht.
14
4. Kündigung. Um einen drohenden Ausfall zu vermeiden oder zu verringern, bietet sich (vordergründig) eine vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags und die sofortige Fälligstellung des Rückzahlungsanspruchs durch fristlose Kündigung an. Eine Pflicht der Bank zur Beendigung des Kreditengagements besteht nicht (BGH WM 1963, 1094; WM 1965, 476; WM 1970, 400; WM 1992, 1083; WM 2001, 1458).
15
Bei Fehlen einer Laufzeitvereinbarung eröffnen Nr. 19 II AGB-Banken bzw. Nr. 26 I AGB-Sparkassen den Weg zu einer fristlosen Kündigung. Ist dies nicht der Fall, rückt eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 490 BGB in den Fokus der Überlegungen. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Kündigung zur Unzeit oder die Ablehnung einer Kreditierung zu Schadensersatzansprüchen des Kunden führen kann (MünchKommBGB-Berger, vor § 488 BGB Rn. 109 m.w.N.).
16
a) Ordentliche, fristlose Kündigung. Nr. 19 II AGB-Banken erlaubt es den Kreditinstituten, Kredite und Kreditzusagen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 79 Rn. 33). Dies bedeutet aber nicht, dass der Bank ein willkürliches sofortiges Kündigungsrecht zusteht. Vielmehr hat sie auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht zu nehmen (BGH WM 1977, 1281, 1284). Sie darf weder zur Unzeit kündigen noch von ihrer Befugnis in rechtsmissbräuchlicher Weise Gebrauch machen. Nr. 19 V AGB-Banken sieht ausdrücklich vor, dass bei einer Kündigung dem Darlehensnehmer eine angemessene Abwicklungsfrist einzuräumen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Vereinbarung vertraglicher, ordentlicher Kündigungsrechte nicht durch die gesetzlichen Regelungen der außerordentlichen Kündigungsrechte in § 490 BGB berührt werden (Begr. z. FraktionsE (zu § 488), BT-Drucks. 14/6040 v. 14.5.2001, S. 254).
17
b) Außerordentliche Kündigung. Sachliche Voraussetzung einer fristlosen Kündigung nach § 490 BGB ist zum einen die wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers bzw. die wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit. Zum anderen muss der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers gefährdet sein, damit dieser zur Kündigung berechtigt ist (AG Köln, NZI 2007, 666; näher zu den Voraussetzungen und Folgen einer Kündigung nach § 490 BGB siehe § 28 Rn. ff). Nach § 490 BGB ist zu unterscheiden, ob der Darlehensgeber den Vertrag vor oder nach der Valutierung kündigen will. Vor Auszahlung des Darlehens kann der Darlehensgeber „im Zweifel stets“, nach Auszahlung nur „in der Regel“ die außeror-
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1085
dentliche Kündigung aussprechen. Im letztgenannten Fall bedarf es beim Vorliegen der Kündigungsvoraussetzungen stets einer Einzelfallprüfung und Gesamtwürdigung der Kündigungssituation unter Berücksichtigung auch der Belange des Darlehensnehmers, um zu entscheiden, ob der Darlehensgeber die Interessen des Darlehensnehmers an der Beibehaltung der vereinbarten Rückzahlungsmodalitäten preisgeben und vorzeitig die Rückgewähr des Darlehens verlangen darf (vgl. § 34 Rn. 73). Nach Auffassung des LG Frankenthal (ZIP 2006, 752) folgt aus dem Gebot von Treu und Glauben sowie einer Analogie zu den §§ 627 II, 671 II, 675 I HS 2, 723 II BGB, dass ein Kreditinstitut ein gewährtes Darlehen nicht zur Unzeit kündigen darf. Bei einem solch schwerwiegenden Eingriff sei vielmehr stets eine Prüfung des Einzelfalls durch den Darlehensgeber geboten. Unterbleibe eine solche Prüfung, sei die Kündigung bereits deshalb unberechtigt.
18
Steht allerdings die Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers unmittelbar bevor, ist der Darlehensgeber zur fristlosen Kündigung berechtigt (BGH NJW 2003, 2674; BGH NJWRR 1990, 110; WM 1985, 1493). Hat dahingegen der Kreditgeber ein Darlehen gewährt, das gerade die finanzielle Erholung des von der Insolvenz bedrohten Unternehmens bezwecken soll, ist es ihm ebenfalls nicht ohne weiteres gestattet, das Kreditengagement zu beenden, wenn er feststellt, dass er mit dem Abschluss des Darlehensvertrags eine unternehmerische Fehlentscheidung getroffen hat (vgl. BGH WM 1956, 217; OLG Hamm 1991, 1116, 1118; OLG Naumburg OLGR 2003, 213). Denn der Sanierungszweck schließt eine ordentliche Kündigung des Darlehens aus. Soweit die Parteien in die Sanierungsvereinbarung zeitliche oder sachliche Vorgaben über den Sanierungserfolg aufgenommen haben, können diese den Ausschluss der Kündigung begrenzen. Nach der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte (OLG Hamm WM 1991, 402 ff.; OLG Frankfurt WM 1992, 1018, 1021) soll eine ordentliche Kündigung nach Nr. 19 II AGB-Banken bei einem unbefristeten Sanierungsdarlehen zulässig sein, wenn die Sanierungsbemühungen objektiv zu scheitern drohen.
19
5. Gewährung eines Überbrückungs-/Sanierungskredits. In einer Situation, in der abzusehen ist, dass ohne Stützungsmaßnahmen die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebes und die Abdeckung der bestehenden Verbindlichkeiten erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden kann, ist mangels näherer Kenntnisse des Krisenunternehmens häufig nur die „Hausbank“ des Unternehmens zur Gewährung eines Darlehens bereit (vgl. Knops, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 7A Rn. 6). Dabei befindet sie sich aus mehreren Gründen in einer schwierigen Position. Sie sieht sich zunächst mit der Frage einer möglichen Verpflichtung zur Kreditversorgung der Wirtschaft konfrontiert; daneben hat sie Pflichten gegenüber dem insolvenzgefährdeten Kunden sowie gegenüber anderen Gläubigern des sanierungsbedürftigen Unternehmens zu berücksichtigen (Bales/Brinkmann, S. 122). Schließlich spielen bei ihrer Entscheidungsfindung betriebswirtschaftliche Aspekte eine maßgebliche Rolle. Angesichts der kritischen Rechtsprechung zum Sanierungskredit warnen zahlreiche Stimmen in der Literatur vor einem solchen Engagement (Obermüller, Rn. 5.107; Wenzel, NZI 1999, 294).
20
a) Sanierungskredit. Bevor die Bank sich zur Gewährung eines Sanierungskredits bereit erklärt, hat sie sich darüber zu vergewissern, dass ihr Kreditnehmer sanierungsfähig ist. Es müssen sowohl die Behebbarkeit als auch die tatsächliche Behebung der Krisenursachen gewährleistet sein. Damit ist die Verpflichtung zur sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Kreditnehmers begründet (grundlegend BGHZ 10, 228; WM 1971, 441, 442). Da die Kreditinstitute eine sachkundige Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Kreditnehmers im eigenen Hause mit Recht ablehnen (Hausmann,
21
Vallender
1086
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
in: Insolvenzrecht auf dem Prüfstand, S. 87), bedarf es der Hinzuziehung externer Fachleute. Diese sollten angesichts der Komplexität eines fundierten Sanierungsgutachtens sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht von den Beteiligten unabhängig sein (Gawaz, Rn. 328 ff. m.w.N.). Eine Prüfungspflicht bei Sanierungskrediten, die durch staatliche Bürgschaften besichert sind, lehnt die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur in der Regel mit der Begründung ab, die staatlichen Stellen hätten die wirtschaftliche Lage des Schuldnerunternehmens und die Sanierungsaussichten bereits geprüft (BGH WM 1958; 845; OLG Schleswig WM 1982, 25; Obermüller, Rn. 5.125 m.w.N.; Theewen, BKR 2003, 144; a.A. Neuhof, NJW 1998, 3230). 22
Der Umfang der Sanierungsprüfung richtet sich sowohl bei der Prüfung durch einen neutralen Dritten als auch bei der Prüfung durch die Bank selbst nach den in der Stellungnahme FAR 1/1991 niedergelegten Grundsätzen der Wirtschaftsprüfer an Sanierungskonzepte (näher dazu Bales/Brinkmann, S. 128 ff.). Um etwaigen Schadensersatzansprüchen bei einem Fehlschlagen der Sanierung erfolgreich entgegentreten zu können, ist im Hinblick auf die Beweisverlastung (dazu BGH WM 1958, 249, 250) eine Dokumentation der Prüfung unerlässlich.
23
Gelangt die Bank nach entsprechender Prüfung zu der Erkenntnis, dass die Krise des Kunden noch mit ihrer Hilfe überwindbar sein wird, d.h. ihr Kredit zur Sanierung des in der Krise befindlichen Unternehmens geeignet ist, und hält sie den Kunden auch für sanierungswürdig, bestehen gegen die Einräumung neuer Kredite keine grundlegenden rechtlichen Bedenken (BGH WM 1965, 476; BGH WM 1986, 2; OLG Düsseldorf ZIP 1983, 786; OLG München NZI 1999, 29; OLG Hamm WM 2000, 518). Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Zweibrücken ZIP 1984, 1334; OLG Frankfurt MDR 1986, 849; OLG Frankfurt WM 1992, 1018; a.A. Eidenmüller, S. 591 ff.; 619 ff.; 682, 886 ff.) trifft das Kreditinstitut keine Rechtspflicht, ihren Kunden mit Sanierungsbeiträgen zu stützen und ihm das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen. Nichts anderes gilt selbst bei einem langjährigen Kreditverhältnis (Wittig, in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Rn. 478). Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Frage noch nicht dezidiert Stellung genommen. Er hat lediglich allgemein festgestellt, dass es der Bank freistehe, ein Unternehmen in der Krise fallen zu lassen (BGHZ 90, 381, 399). b) Überbrückungskredit. Dieser Kredit dient dazu, einen Liquiditätsengpass zu beseitigen. Mit der Ausreichung des Kredits will das Kreditinstitut dem Darlehensnehmer ermöglichen, den Zeitraum bis zum Erhalt des Sanierungsgutachtens wirtschaftlich zu überstehen (BGH WM 1998, 248, 251; OLG Schleswig a.a.O.; Bales/Brinkmann, S. 140). Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) steht es im freien Ermessen der Bank, während des Prüfungszeitraums über die Sanierung, aber noch vor Abschluss der Prüfung, dem insolvenzreifen Unternehmen neue Kredite einzuräumen, um dadurch die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Dabei muss im Zeitpunkt der Kreditgewährung nicht feststehen, dass das Unternehmen überhaupt sanierungsfähig ist. Selbst wenn sich nach Vorlage des Sanierungsgutachtens herausstellen sollte, dass das Unternehmen nicht sanierungsfähig ist, begegnet der Überbrückungskredit nicht dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit (Obermüller, Rn. 5.134). Gewährt indes die Bank dem Kunden mehrfach innerhalb einer überschaubaren Zeitspanne ein Überbrückungsdarlehen, kommt eine Qualifizierung als Eigenkapitalersatz in Betracht (BGHZ 67, 171, 177 ff.). Da das Ausfallrisiko des Kreditinstituts angesichts der geringeren Prüfungsdichte nicht unerheblich ist, sollte die Bank einem solchen Engagement mit größter Zurückhaltung gegenübertreten (näher dazu Bales/ Grundmann, S. 141).
24
25
c) Risiken einer Kreditgewährung in der Krise. Solange der Rettungsversuch erfolgreich ist, sieht sich ein Kreditinstitut grundsätzlich keinen Haftungsrisiken ausgesetzt. Bei
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1087
einem Fehlschlagen kann die Grenze zu einer Haftung aus § 826 BGB gegenüber anderen Gläubigern des insolventen Unternehmens schnell überschritten sein. In einem eröffneten Insolvenzverfahren wird der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter sein Augenmerk insbesondere auf die Gewährung von Sicherheiten in der Krise und ihre mögliche Anfechtbarkeit richten. aa) Kapitalersatz. Bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der Bank an dem Sanierungsunternehmen finden die Eigenkapitalersatzregeln Anwendung. Dabei genießen Banken keine Sonderstellung (BGHZ 81, 311; 105, 108). Sobald die Gesellschaft in eine aktuelle oder auch nur drohende Krise geraten ist, müssen sich die Gesellschafter entscheiden, ob sie die Gesellschaft liquidieren oder ihr frisches Eigenkapital zuführen wollen. Entschließen sich die Gesellschafter, den Kapitalbedarf ihrer auch bei Dritten kreditwürdigen Gesellschaft (GmbH) selbst zu decken, so steht es in ihrem Belieben, ob sie Eigen- oder Fremdkapital zuführen wollen. In der Insolvenz der Gesellschaft werden die anstelle des Eigenkapitals gewährten Kreditmittel lediglich nachrangig berücksichtigt (§ 39 I Nr. 5 InsO).
26
Mit Einführung des § 32a III 3 GmbHG (Art. 10 KonTraG) ist die anstelle des Eigenkapitals gewährte Zuführung von Krediten durch die Banken unter Gesellschaftsbeteiligung risikolos geworden (Knops, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 7A Rn. 28; siehe auch BGH NZI 2006, 604). Das Sanierungsprivileg soll den Banken, aber auch anderen Gläubigern, die Möglichkeit einräumen, sich zu Sanierungszwecken am Unternehmen zu beteiligen, ohne eine rückwirkende Umqualifizierung ihrer bestehenden Kredite befürchten zu müssen (Picot/Aleth, Rn. 504). Die Vorschrift dürfte indes keine Anwendung finden, wenn eine bestehende Beteiligung lediglich aufgestockt wird. In einem solchen Fall unterliegen Darlehensrückzahlungen und Sicherheiten der Anfechtung außerhalb und innerhalb des Insolvenzverfahrens gemäß § 6 AnfG bzw. § 135 InsO (BGH WM 1990, 502).
27
Auf Grund der Verlagerung der Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen in die Insolvenzordnung auf Grund des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) findet sich die Regelung des § 32a III 3 GmbHG künftig in § 39 IV 2 RegE-InsO. Das Sanierungsprivileg gilt auch zukünftig für Personen, die vor dem Anteilserwerb aus dem Anwendungsbereich des § 39 I Nr. 5 InsO herausfielen, also weder Gesellschafter noch gleichgestellte Person waren oder vor dem Hinzuerwerb weiterer Anteile dem Kleinbeteiligtenprivileg nach § 39 Abs. 5 RegE-InsO unterfielen. Infolge der durchgängigen Aufgabe des Merkmals der Krise greift das Sanierungsprivileg künftig ab dem Zeitpunkt der drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung der Gesellschaft und bleibt bis zur „nachhaltigen Sanierung“ bestehen (Begr. RegE S. 131). bb) Insolvenzverschleppung. Dass ein Sanierungskredit nicht per se sittenwidrig ist, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 11.11.1985 (NJW 1986, 837) wie folgt deutlich gemacht: „Der (echte) Versuch einer Bank, ein notleidendes Unternehmen zu retten, kann allerdings nicht gegen die guten Sitten verstoßen, auch wenn der Sanierungsversuch misslingen kann und damit die Möglichkeit einer Schädigung anderer Gläubiger besteht, die infolge zu günstiger Beurteilung der Lage ihre Forderung nicht rechtzeitig beitreiben oder sichern, oder die neue Geschäfte mit dem Unternehmen eingehen.“ Danach dürfte eine Haftung der Bank gemäß § 826 BGB nur dann in Betracht kommen, wenn der Kredit nicht der Sanierung, sondern der Verschleppung gedient und die Kreditgewährung den Untergang des Unternehmens verlängert hat (BGHZ 96, 231; Knops, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 7A Rn. 29). Die Bank muss durch ihr Verhalten andere Gläubiger über die Kreditfähigkeit des Schuldners getäuscht und diese geschädigt haben. Ferner
Vallender
28
1088
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
muss sie sich dieser Erkenntnis mindestens leichtfertig verschlossen haben (BGH NJW 1995,1688 = ZIP 1995, 630, 632 = WM 1995, 995). Im Streitfall trägt die Bank die Beweislast dafür, dass vor Kreditgewährung eine hinreichende Sanierungsprognose gegeben war (BGH WM 1958, 249, 250; WM 1965, 919; WM 1985, 1136; OLG Düsseldorf WM 1984, 586). Wenzel (NZI 1999, 294, 296) weist mit Recht darauf hin, dass sich angesichts der starken Betonung einer einzelfallorientierten Betrachtung noch keine klaren Konturen herauskristallisiert haben, anhand derer ein Kreditinstitut sein Handeln bei der Gewährung oder Versagung eines Sanierungskredits hinreichend sicher ausrichten kann. 29
cc) Anfechtung. Bei der Einräumung von Sicherheiten für die Gewährung eines Sanierungskredits sind die Anfechtungstatbestände gemäß §§ 129 ff. InsO zu beachten. Nur dann, wenn die Sicherung als Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO qualifiziert werden kann, ist die nachträgliche Anfechtung ausgeschlossen. Dies setzt voraus, dass die Sicherheiten ausschließlich für neue Kredite vom Schuldner gewährt werden; der Sicherheitsleistung muss eine Gegenleistung gegenüberstehen, die nach objektiven Maßstäben gleichwertig ist (BGH WM 1955, 404; ZIP 1998, 793). Der Sicherungswert ist nach den Kriterien festzulegen, wie sie bei der Übersicherung oder dem Sicherheitenaustausch anzulegen sind (Knops, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 7A Rn. 32).
30
Bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass bei einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Sanierungsversuchs der wirtschaftliche Wert des Kredits für den Schuldner geringer sein soll als der nominelle Wert der gewährten Sicherheit (OLG Rostock ZIP 2002, 1902, 1907).
31
Um von einer kongruenten Deckung i.S.d. § 130 InsO ausgehen zu können, müssen die gesicherte Forderung und das Sicherungsgut so bestimmt umschrieben sein, dass auf die Vereinbarung eine Klage auf Einräumung des Sicherungsguts gestützt werden kann (BGH ZIP 1993, 276). Wird indes für bestimmte Verbindlichkeiten vor oder bei deren Begründung die Stellung einer Sicherheit vereinbart, ist daraus kein Anspruch abzuleiten, auch andere – z.B. schon bestehende ältere – Verbindlichkeiten dieser Sicherheit zu unterstellen (BGH ZIP 1998, 248 = WM 1998, 248). Soll die für einen neuen Kredit gegebene Sicherheit zugleich ältere Ansprüche des Gläubigers sichern, handelt es sich insgesamt um ein inkongruentes Deckungsgeschäft (BGH ZIP 1993, 276).
32
Seit der Entscheidung des IX. Zivilsenats des BGH vom 29.11.2007 (BGHZ 174, 298 = ZIP 2008, 183 = NJW 2008, 430 = NZI 2008, 89) ist die Rechtslage bzgl. der Kongruenz der in der Kreditsicherungspraxis der Kreditinstitutsgruppen üblichen Globalzession geklärt. In seinem vorgenannten Urteil stellt der Senat zunächst klar, dass Globalzessionsverträge auch hinsichtlich der zukünftig entstehenden Forderungen grundsätzlich nur als kongruente Deckung anfechtbar sind. Zwar seien die im Zeitpunkt des Globalabtretungsvertrages künftig entstehenden Forderungen nicht konkret bestimmt. Die Begründung zukünftiger Forderungen sei jedoch – anders als bei Sicherheiten gemäß Nr. 13 bis 15 AGB-Banken – nach Inhalt und Sinn eines Vertrages dem freien Belieben des Schuldners entzogen. Werde bereits bei Abschluss des Globalabtretungsvertrages das dingliche Geschäft vollzogen und gleichzeitig die schuldrechtliche Seite in dem vertragsrechtlich möglichen Maße konkretisiert, sei kein einleuchtender Grund erkennbar, die Kongruenz der Sicherheit nur deshalb zu verneinen, weil die zukünftig entstehenden Sicherheiten nicht sogleich identifizierbar waren. Darüber hinaus führt der BGH in Fortsetzung seiner Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit einer durch Wertschöpfung geschaffenen Aufrechnungslage (BGHZ 145, 245, 254 ff.; BGH WM 2001, 2208, 2209 ff.) aus, dass das Werthaltigmachen zukünftiger Forderungen aus Globalzessionen als selbständige Rechtshandlung nach § 130 InsO anfechtbar sei, wenn es dem Vertragsschluss zeitlich nachfolge;
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1089
insoweit handele es sich ebenfalls um eine kongruente Deckung, wenn dies für das Entstehen der Forderung zutreffe. Der Sicherungsgeber ist danach gezwungen, die entstandenen Forderungen werthaltig zu machen, sofern er nicht Gefahr laufen möchte, dass die Bank als Sicherungsnehmer den zu Grunde liegenden Kredit mangels werthaltiger Sicherheiten kündigt (Kammel/Staps, NZI 2008, 143, 145). Aus Sicht der Kreditinstitute dürfte schließlich die weitere Feststellung im Urteil vom 29.11.2007, eine Insolvenzanfechtung nach § 130 InsO scheitere nicht an der Bestimmung des § 142 InsO, weil die Voraussetzungen eines Bargeschäfts bezüglich künftiger von der Globalzession erfasster Forderungen in aller Regel nicht gegeben seien, auf wenig Gegenliebe stoßen. Das Stehenlassen der Darlehensforderung enthalte keine ausreichende Gegenleistung, weil damit dem Schuldner kein neuer Vermögenswert zugeführt werde. Aufgrund dieser und der weiteren Entscheidung des BGH vom 28.2.2008 (ZInsO 2008, 375) ist die Globalzession wieder werthaltiger geworden. Der BGH hat damit zu der früheren Annahme der Kongruenz (BGH v. 30.6.1959 – VIII ZR 11/59) zurückgefunden. Die im Urteil vom 29.11.2007 aufgestellten Grundsätze dürften sich gleichermaßen auf alle anderen revolvierenden Kreditsicherheiten übertragen lassen, insbesondere Mantelzession, Raumsicherungsübereignungen, Mantelsicherungsübereignungen und Sicherungsübereignungen durch Markierungsverträge (näher dazu Obermüller, LMK 2008, 254403). Es wäre indes verfehlt, die Entscheidung vom 29.11.2007 als Begründung der Insolvenzfestigkeit der Globalzession miss zu verstehen (Tschauner/Desch, BB 2008, 244). Der Insolvenzverwalter kann auch künftig eine Globalzession mit Erfolg nach § 130 InsO anfechten, wenn die Erfüllungshandlung – als regelmäßig maßgeblicher Zeitpunkt – im Dreimonatszeitraum vor dem Insolvenzantrag erfolgte und der Sicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt entweder positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte oder die Umstände kannte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen, § 130 I, II InsO. Soweit die Forderungen im Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung werthaltig wurden, ist der Insolvenzverwalter zusätzlich bei Kenntnis des Kreditgebers vom Eröffnungsantrag zur Anfechtung berechtigt (Tschauner/ Desch, a.a.O.). Allerdings hat der Insolvenzverwalter die Anfechtungsvoraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Kunden oder dem Eröffnungsantrag wird die Bank ohnehin in aller Regel in der Lage sein, ihre Sicherungsinteressen etwa durch Kündigung des Kredits (§ 490 I 1 BGB, Nr. 19 III Alt. 2 AGB-Banken bzw. Nr. 26 II lit. a AGB-Sparkassen) und Zugriff auf den Forderungserlös zu wahren (Kammel/Staps, a.a.O., 146).
33
D. Insolvenz
34
Die Insolvenz des Bankkunden liegt vor, wenn die Insolvenzgründe drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) gegeben sind. Damit schafft das Vorliegen eines Insolvenzgrundes erst die Voraussetzung für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Ziel eines solchen Verfahrens ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners. I. Das Insolvenzeröffnungsverfahren. Auch nach einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden behält dieser die Befugnis, sich rechtsgeschäftlich zu verpflichten und über sein Vermögen zu verfügen.
35
1. Bankverträge. Die Bank ist während des Insolvenzeröffnungsverfahrens nicht daran gehindert, mit dem Schuldner (neue) Bankverträge abzuschließen. Dabei sollte sie sich aber des gesteigerten Ausfallrisikos bewusst sein und im Zweifel die Aufnahme einer
36
Vallender
1090
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Geschäftsbeziehung ablehnen. Der Eintritt der Krise lässt bereits abgeschlossene Bankverträge unberührt (LG Stuttgart WM 1996, 154). Eben sowenig führt der Eröffnungsantrag zur Beendigung bestehender Kreditverträge (Wittig, DB 1999, 197, 198). Trotz Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung bleibt der Bankkunde weiterhin verfügungsbefugt. Nur dann, wenn der Kunde sein Vermögen den Gläubigern entziehen will, kann die Bank unter Hinweis auf § 826 BGB die Verfügung ablehnen (Obermüller, Rn. 2.7). 37
Etwas anderes gilt indes, wenn das Insolvenzgericht von seiner Befugnis zum Erlass von Sicherungsmaßnahmen nach Maßgabe des § 21 II InsO Gebrauch macht und ein allgemeines Verfügungsverbot erlässt, das regelmäßig mit der Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung verknüpft ist. Das allgemeine Verfügungsverbot ist ein gerichtliches Verfügungsverbot i.S. der §§ 135, 136 BGB. Es hat die Unwirksamkeit aller nach seinem Erlass vorgenommenen rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Schuldners über das ihm gehörende Vermögen zur Folge (§§ 24 I, 81, 82 InsO).
38
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen in Gestalt einer vorläufigen Insolvenzverwaltung und Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes lässt ebenso wie die Anordnung eines Verfügungsverbotes den Fortbestand des allgemeinen Bankenvertrages unberührt (Vallender, in: Festschrift für Uhlenbruck, S. 135). Dagegen greift das Verfügungsverbot in den Kontokorrentvertrag in der Weise ein, dass die in der Kontokorrentvereinbarung enthaltene antizipierte Verfügungs- und Verrechnungsvereinbarung beendet wird (OLG Düsseldorf WM 1986, 626; OLG Koblenz ZIP 1984, 164). Das Kreditinstitut hat bei einer solchen Sicherungsmaßnahme des Insolvenzgerichts den Saldo auf den Tag der Anordnung der Maßnahme zu ziehen (Obermüller, Rn. 214). Solange das Insolvenzverfahren nicht eröffnet wird, bleibt der Bankvertrag bestehen. Dies folgt bereits daraus, dass die Vorschriften der §§ 115, 116 InsO die Verfahrenseröffnung voraussetzen. Gleichwohl stellt sich für die Kreditinstitute die Frage, wie das Konto nach Erlass des Verfügungsverbotes weiter zu behandeln ist. Die Bank ist zwar verpflichtet, das Konto für Zahlungseingänge weiter offen zu halten, darf indes keine Ausgänge (Barauszahlungen, Überweisungen, Belastung von Schecks, Lastschriften und Kündigung des Kontos) mehr zulassen (näher dazu Obermüller, Rn. 3.10 ff.). Da die vereinbarte Verrechnung nunmehr einer Aufrechnung nach Maßgabe der §§ 387 ff. BGB zu weichen hat und damit neue Zahlungseingänge nicht mehr unmittelbar dem fortbestehenden Kontokorrentkonto gutgeschrieben werden können, empfiehlt Obermüller (Rn. 2.16) die Einrichtung eines Zwischenkontos zur Aufnahme und buchhalterischen Erfassung der Eingänge bis zur Abgabe der Aufrechnungserklärung.
39
Der Erlass eines Verfügungsverbotes im Insolvenzeröffnungsverfahren ändert auch nichts am Bestand von Sparverträgen und Termineinlagen. Es tritt weder eine vorzeitige Fälligkeit ein noch erwirbt der Kunde ein Recht zur vorzeitigen Kündigung dieser Verträge (Obermüller, Rn. 2.19). Nichts anderes gilt für Gemeinschaftskonten (vgl. BGH WM 1985, 1059). Das Verfügungsverbot hat lediglich Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis über dieses Konto. Soweit mehreren Personen eine gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis eingeräumt war, erlischt diese. Dagegen ist bei einem mit einer Einzelverfügungsbefugnis ausgestatteten Gemeinschaftskonto nur der insolvente Schuldner nicht mehr zur Verfügung befugt.
40
2. Widerspruch im Lastschriftverfahren durch vorläufigen Insolvenzverwalter. Beim Lastschriftverfahren (näher dazu § 45) holt der Zahlungsempfänger beim Zahlungspflichtigen die Erlaubnis ein, die Forderung bei der Zahlstelle einziehen zu lassen. Das Vorliegen der Ermächtigung wird von der Zahlstelle nicht geprüft. Dies ist im System des
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1091
Lastschriftverfahrens gewollt. Seine Rechtfertigung findet es darin, dass allein der Schuldner bestimmen kann, ob er die Lastschrift genehmigt oder aber den Zahlungsvorgang durch Widerspruch (BGH WM 1977, 1196, 1197) rückgängig macht. In einem solchen Fall muss die Zahlstelle das Konto des Schuldners berichtigen, kann aber in den ersten sechs Wochen nach der Belastungsbuchung gemäß Abschnitt III Nr. 2 S. 1 Lastschriftabkommen von der ersten Inkassostelle Rückvergütung verlangen. Diese wiederum hat, zeitlich unbefristet (Jungmann, NZI 2005, 85), nach Nr. 7 der Inkassovereinbarung die Möglichkeit, das Konto des Gläubigers rückzubelasten. Nach Auffassung des IX. Zivilsenats des BGH (NZI 2005, 99, 100; ZIP 2006, 2046 ff.; ebenso KG ZInsO 2004, 1361, 1362; OLG Dresden ZInsO 2005, 1272, 1274) hat nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern auch ein vorläufiger Insolvenzverwalter weitergehende Rechte zum Widerspruch, als sie zuvor der Schuldner hatte. Der vorläufige Insolvenzverwalter (in beiden Erscheinungsformen, vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2 1. und 2. Alt. InsO) könne im Eröffnungsverfahren die Genehmigung von Belastungsbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren verhindern, ohne dass sachliche Einwendungen gegen die einbezogene Forderung bestehen (BGH NZI a.a.O. und BGH ZInsO 2004, 1353 m. Anm. Kuder; ebenso Fischer, in Festschrift Gerhardt, S. 230 ff.; Ganter, WM 2005, 1557; a.A. Bork, in Festschrift Gerhardt, S. 69 ff.; Jungmann, NZI 2005, 84; Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885 ff.). Dies folge daraus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter in beiden Erscheinungsformen die künftige Masse zu sichern und zu erhalten habe. Deshalb dürfe er nicht eine vor dem Eröffnungsantrag unvollständig erfüllte Verbindlichkeit des Schuldners vollständig erfüllen oder einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit verleihen, falls dies nicht im Interesse aller Gläubiger liege. Der vorläufige Insolvenzverwalter sei vielmehr verpflichtet, die Rechtsfolge des § 81 I 1 InsO durch einen Widerspruch oder die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegzunehmen (BGH a.a.O., 101).
41
Verhindert der vorläufige Insolvenzverwalter die Genehmigung von Belastungsbuchungen, begründet ein solches Verhalten für den Gläubiger weder eine Schadensersatzforderung nach § 826 BGB noch eine Haftung nach § 60 InsO. Der vorläufige Insolvenzverwalter läuft nach Auffassung des BGH (a.a.O.) vielmehr Gefahr, sich bei einer Genehmigung bzw. Zustimmung zur Genehmigung durch den Schuldner schadensersatzpflichtig zu machen, weil sein Verhalten grundsätzlich als insolvenzzweckwidrig anzusehen ist. Eine Erfüllung der Gläubigerforderung durch Genehmigung der Belastungsbuchung unterläge im Übrigen nach Insolvenzeröffnung der Insolvenzanfechtung (BGH a.a.O.).
42
3. Insolvenzgeldvorfinanzierung durch Kreditinstitute. Im Insolvenzeröffnungsverfahren bietet sich die sogen. Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes durch ein Kreditinstitut an, wenn insbesondere die Personalkosten nicht mehr erwirtschaftet werden können (Vallender, in: Piepenburg (Hrsg.), Festschrift für Greiner, S. 333). Diese Form des Kreditengagements hat sich für Kreditinstitute zu einer interessanten, margenstarken und „nahezu risikoarmen“, jedoch mit der Person des vom Gericht eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalters sehr eng verbundenen, Finanzierungsform entwickelt (Hausmann, in: Insolvenzrecht auf dem Prüfstand, S. 93). Dabei schießt die regelmäßig vom vorläufigen Insolvenzverwalter eingeschaltete Bank die Löhne und Gehälter vor und lässt sich die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen das schuldnerische Unternehmen abtreten (§ 437 BGB i.Vm. § 398 BGB; siehe das Muster eines Forderungskaufvertrages bei Bichlmeier/ Engberding/Oberhofer, Insolvenzhandbuch, S. 583/584). Der Schuldner wiederum verpflichtet sich, mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters an das Kreditinstitut für dessen Bevorschussung der Nettoarbeitsentgelte einen bestimmten Zinssatz sowie
43
Vallender
1092
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
eine einmalige Bearbeitungsgebühr zu zahlen sowie Differenzen zwischen dem von der Bank gezahlten Kaufpreis und dem von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Insolvenzgeld der Bank zu erstatten (Vallender, a.a.O., S. 335). Ein Ausfallrisiko für die Bank besteht nur dann, wenn das Insolvenzereignis nicht eintritt, sei es, dass der Insolvenzantrag als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen oder der Insolvenzantrag vor einer verfahrensabschließenden Entscheidung des Insolvenzgerichts zurückgenommen wird. In diesen Fällen bleibt es dabei, dass sich der Anspruch des Kreditinstituts gegen den Arbeitgeber, das schuldnerische Unternehmen, richtet. Um einen Forderungsausfall zu vermeiden, empfiehlt es sich, dass die Bank, soweit ihr eine Forderung gegen den Schuldner zusteht, selbst einen Insolvenzantrag gegen den Kreditnehmer stellt, der die Grundlage für eine Eröffnungsentscheidung zu schaffen geeignet ist. Da ein vorläufiger Insolvenzverwalter bei einer Insolvenzgeldvorfinanzierung die Produktivität auf längsten drei Monate erhalten kann, ohne für diesen Aufwand den Lohn zu gewährleisten, bildet dieses Instrument eine wesentliche Grundlage für eine Fortführungsfinanzierung. 44
4. Massekredit. Um die Sanierung des Unternehmens in die Wege zu leiten, ist der vorläufige Insolvenzverwalter dringend auf Liquidität angewiesen. Ohne Finanzierung sind insolvente Unternehmen „fortführungsunfähig“ (Braun, in: Festschrift für Drukarczyk, S. 95). Auch wenn die Insolvenzgeldvorfinanzierung eine Grundlage für die Fortführungsfinanzierung schafft, reicht dieses Instrument alleine nicht aus, um den Geschäftsbetrieb insgesamt aufrecht zu erhalten. Im Regelfall wird ein Kontoguthaben in ausreichender Höhe nicht vorhanden sein. Auch wird der vorläufige Insolvenzverwalter auf Grund von Kündigungen auf bestehende offene Kreditlinien nicht zurückgreifen können. Will er in einer solchen Situation den Zusammenbruch des Unternehmens verhindern, bleibt ihm nur die Möglichkeit, über neue Kredite zu verhandeln. Mangels gesetzlicher Grundlage bedarf der vorläufige Insolvenzverwalter zur Aufnahme eines Massedarlehens weder der Zustimmung eines vorläufigen Gläubigerausschusses noch der des Insolvenzgerichts (a.A. Ampferl, Rn. 428; Beck, in: Beck/Depre, § 6 Rn. 57).
45
Bei einer Fortführungsfinanzierung ist das Interesse des Finanziers regelmäßig eigenorientiert. So wird ein Avalkreditgeber nur solange finanzieren, bis sein avalgesichertes Produktionsstück fertig gestellt und ausgeliefert ist, während die Bank als Fremdkreditgläubiger im Wesentlichen ein Interesse daran hat, dass ihr Sicherungsgut optimal verwertet werden kann (Braun, a.a.O., S. 99/100). Da im Zeitpunkt der Kreditvergabe die hierfür notwendige Fortführungsrechnung regelmäßig einen wenig aussagekräftigen Informationssachverhalt begründet, verlässt sich der Kreditgeber meist auf die Erfahrungen, die er mit dem betreffenden (vorläufigen) Insolvenzverwalter gemacht hat.
46
Gleichwohl muss sich ein Kreditinstitut, das bereit ist, dem schuldnerischen Unternehmen ein Masse- oder Betriebsmitteldarlehen auszureichen (zu den Anforderungen bzw. Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Massekredit siehe Braun, a.a.O., S. 107 ff.), der besonderen Risiken, die mit einer solchen Kreditaufnahme verbunden sind, bewusst sein. Denn im Falle der Anordnung einer schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung (§ 21 II Nr. 2 2. Alt. InsO) hat der Rückzahlungsanspruch der Bank im eröffneten Verfahren lediglich die Qualität einer einfachen Insolvenzforderung (§ 38 InsO). Die Privilegierung einer Masseschuld erlangt die Forderung allerdings bei Anordnung einer starken vorläufigen Insolvenzverwaltung (§§ 21 II Nr. 2 2. Alt.; 55 II InsO), die allerdings in der gerichtlichen Praxis die Ausnahme darstellt. Das Insolvenzgericht kann aber auch dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter – jedenfalls in Verbindung mit dem Erlass eines besonderen Verfügungsverbots – die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erteilen (BGH NZI 2002, 543). Das Insolvenzgericht hat die Maßnahmen, zu denen der vorläufige Insolvenzverwalter berechtigt sein soll, aus Gründen der
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1093
Rechtsklarheit bestimmt zu bezeichnen. Aus der gerichtlichen Anordnung selbst muss unmissverständlich hervorgehen, mit welchen Einzelbefugnissen – nach Art und Umfang – der vorläufige Insolvenzverwalter ausgestattet hat (so BGH a.a.O). Bei einer Ermächtigung zur Aufnahme eines Massekredits sollte das Gericht in seinem Beschluss zumindest den Darlehensbetrag angeben. Dagegen ist die weitere Ausgestaltung des Vertrages dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu überlassen (einschränkend Wittig, in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Rn. 1074). Aber auch bei einer solchen Maßnahme ist der Rückzahlungsanspruch keineswegs gesichert, weil die Gefahr besteht, dass der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren Masseunzulänglichkeit anzeigt (§ 208 InsO). Bei Masseunzulänglichkeit erhält der Rückzahlungsanspruch der Bank lediglich den dritten Rang in der Befriedigungsreihenfolge (§ 209 I Nr. 3 InsO). Vermag der (spätere) Insolvenzverwalter den Kredit nicht oder nicht vollständig aus der Masse zurückzuzahlen, haftet er dem Kreditgeber unter den Voraussetzungen des § 61 InsO i.V.m. § 21 II Nr. 1 InsO persönlich (näher dazu BGH NZI 2004, 435). Allerdings steht ihm die Exkulpationsmöglichkeit des § 61 a.E. InsO zu (hierzu näher BGH NZI 2005, 222). Die Beweislast trifft den Insolvenzverwalter. Er kann sich dadurch entlasten, dass er entweder beweist, er habe objektiv von einer zur Erfüllung der Verbindlichkeit ausreichenden Masse ausgehen dürfen oder er habe die Unzulänglichkeit nicht erkennen können (BGH a.a.O.). Entlastend dürften sich dabei die meist unübersichtlichen Vermögensverhältnisse des Schuldners sowie der erhebliche Zeitdruck, unter dem der vorläufige Insolvenzverwalter jedenfalls in den ersten Tagen nach Anordnung der Sicherungsmaßnahme steht, auswirken (Vallender, EWiR 2004, 765). Vor diesem Hintergrund wird ein Kreditgeber seine Kreditentscheidung kaum auf die (mögliche Haftung) des vorläufigen Insolvenzverwalters stützen.
47
Das Kreditinstitut kann sein Haftungsrisiko bei der Gewährung eines Massekredits im Eröffnungsverfahren vor allem durch die Bereitstellung von Sicherheiten minimieren. Bei Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots ergibt sich für den potentiellen Kreditgeber dadurch eine neue Perspektive der Besicherung seiner Darlehensforderung, dass Sicherungsverträge, die der Schuldner vor dem Insolvenzantrag geschlossen hat, ihre Wirkung im Hinblick auf nach dem Erlass der Sicherungsmaßnahme neu erworbenes Vermögen ihre Wirkung verlieren. Diese Vermögenswerte des Umlaufvermögens stehen damit dem vorläufigen Insolvenzverwalter als Sicherheiten für die Ausreichung neuer Kredite zur Verfügung (näher dazu Wittig, in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Rn. 1083).
48
Soweit Sicherheiten im schuldnerischen Unternehmen – ausnahmsweise – noch vorhanden sind, unterliegt die Gewährung dieser Sicherheiten grundsätzlich nicht der Anfechtung, weil es sich bei einer für einen Neukredit bestellten Sicherheit um ein Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO handelt. Etwas anderes gilt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 133 InsO oder bei einer nicht adäquaten Gegenleistung des Kreditinstituts. Die Bereitstellung von Sicherheiten durch Dritte unterliegt ebenfalls nicht der Anfechtung, weil es dabei nicht um eine die Insolvenzgläubiger benachteiligende Rechtshandlung handelt. Dies gilt gleichermaßen bei der Bestellung von Sicherheiten durch den vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter.
49
Vorsicht ist jedoch bei einer Besicherung aus dem Umlaufvermögen (Globalzession, Raumsicherungsübereignung) geboten (näher dazu Rn. 29 ff.).
50
Bei Anordnung eines Verfügungsverbotes ist der Schuldner rechtlich daran gehindert, Sicherheiten zu bestellen (§§ 24 I, 81, 82 InsO). An seine Stelle tritt der vom Gericht bestellte „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter (vgl. § 22 I 1 InsO). Bei entsprechender gerichtlicher Ermächtigung ist auch der „schwache“ vorläufige Verwalter berechtigt, dem
51
Vallender
1094
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Kredit gewährenden Kreditinstitut Sicherheiten aus dem schuldnerischen Vermögen zu bestellen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Art der Besicherung und der Betrag im Beschluss festgelegt sind. 52
II. Das eröffnete Verfahren. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Damit tritt gleichzeitig die Beschlagnahme der Insolvenzmasse als wichtigste Wirkung der Verfahrenseröffnung ein (Bork, Rn. 115) ein. Unter Insolvenzmasse versteht das Gesetz „das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt“ (§ 35 InsO). Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 I InsO). Die Arbeitseinkünfte des Schuldners unterliegen nur dem Insolvenzbeschlag, soweit sie nach §§ 850 bis 850i ZPO pfändbar sind.
53
1. Bankverträge. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners erlischt der mit diesem geschlossene Bankvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 115 I, 116 I 1 InsO; BGHZ 74, 253; BGH NJW 1985, 1483). Dies gilt gleichermaßen für den Girovertrag (BGH NJW 2006, 503, 505). Gleichzeitig endet damit auch das bestehende Kontokorrentverhältnis (RGZ 125, 411; BGH WM 1995, 745; OLG Celle NZI 2000, 181). Alle zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen sowie erbrachten Leistungen werden in das Kontokorrent eingestellt – auch wenn noch nicht buchungstechnisch erfasst (BGHZ 74, 129).
54
Der Girovertrag, auf dem die Kontokorrentabrede beruht, erlischt auch dann, wenn er wegen schuldloser Unkenntnis der Bank als fortbestehend angesehen wird (BGH WM 1979, 719). Die kontoführende Bank ist grundsätzlich nicht verpflichtet, nachträglich eingehende Beträge auf dem Konto zu buchen (BGH ZIP 2007, 319, 320). Mit dem Girovertrag erlöschen auch die damit verbundenen Vereinbarungen, etwa ein Scheckvertrag, eine Lastschriftinkassovereinbarung, ein Abbuchungsauftrag und ein Kontokorrentkreditvertrag sowie darauf beruhende, noch nicht ausgeführte Aufträge (Nobbe, Das Girokonto in der Insolvenz, in: Prütting, Insolvenzrecht 1996, S. 99, 103, 110), nicht aber bereits geschlossene Überweisungsverträge (§ 116 S. 3 InsO).
55
Das Kreditinstitut hat zum Eröffnungszeitpunkt einen außerordentlichen Saldenabschluss durchzuführen (BGH WM 1991, 60). Dabei darf es nur diejenigen Forderungen gegeneinander verrechnen, die vor Insolvenzeröffnung entstanden und damit kontokorrentgebunden sind (BGH WM 1979, 720). Zinsen können nur noch als nachrangige Forderungen geltend gemacht werden (§ 39 I Nr. 1 InsO). Sie sind deshalb außerhalb des Schlusssaldos auszuweisen (Vortmann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 27 Rn. 1). Mit einem etwaigen Saldo zu ihren Gunsten bleibt die Bank Insolvenzgläubigerin (§ 38 InsO).
56
Zwar wird die Auffassung vertreten, dass Giroverträge zur Einziehung unpfändbarer Forderungen des Schuldners weder erlöschen noch dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders zugeordnet werden. Allerdings solle dies nur dann gelten, wenn zwischen Kreditinstitut und Kunden vereinbart worden sei, dass die Verwaltungsbefugnis über das Konto weiter dem Kunden zustehe (Kohte/Ahrens/Grote, S. 335). Soweit eine solche Vereinbarung nicht getroffen wurde oder die Bank sich auf das Erlöschen des Bankvertrages beruft, bleibt dem Kunden nur die Möglichkeit, einen neuen Bankvertrag abzuschließen. Die Insolvenzeröffnung steht dem nicht entgegen, weil der Schuldner sein Recht, schuldrechtliche Verträge abzuschließen, nicht einbüßt. Soweit die Bank zu einem solchen Vertragsschluss bereit ist, muss sie darauf achten, dass auf dem für den Kunden neu eingerichteten Konto keine massezugehörigen Beträge eingehen. Der
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1095
Kunde ist nur befugt, über pfändungsfreie Beträge (§ 36 InsO) und den ihm etwa aus der Masse bewilligten Unterhalt (§ 100 InsO) zu verfügen. Führt die Bank das Konto trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort, ist in diesem Verhalten ein vertraglicher Neuabschluss zu sehen, der vom Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters nicht umfasst wird (Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 6 Rn. 221). Soweit das Konto ein Guthaben aufweist, kann die Bank nicht mit dem Altsaldo der Insolvenzforderung gegen die Guthabenforderung aufrechnen (§ 96 I Nr. 1 InsO).
57
Krediteröffnungsverträge erlöschen ebenfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH WM 1979, 719). Damit werden eingeräumte Kredite sofort zur Rückzahlung fällig (§ 41 InsO). Der Schuldner ist nicht mehr befugt, nicht ausgeschöpfte Kreditlinien in Anspruch zu nehmen. Einer besonderen Kündigungserklärung der Bank bedarf es nicht mehr (Vortmann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 27 Rn. 79).
58
Das gleiche gilt für Tilgungskredite, d.h. Kredite mit fester Vereinbarung hinsichtlich der Auszahlung und Rückzahlung, wenn der Kreditgeber dem Kreditnehmer den Kredit bereits überlassen hat (§ 41 InsO). In einem solchen Fall ist für eine Anwendung des § 103 InsO kein Raum. Einer Kündigung durch die Kredit gewährende Bank bedarf es grundsätzlich nicht (Obermüller, Rn. 5.270). Der Darlehensrückzahlungsanspruch wird mit Insolvenzeröffnung fällig, § 41 InsO (BGHZ 31, 337; BGH WM 1990, 54; a.A. Heise, Rn. 311). Auch bei einem Kredit, für den der Bankkunde Sicherheiten bestellt hat, die zu einer abgesonderten Befriedigung berechtigen, tritt grundsätzlich mit Verfahrenseröffnung sofortige Fälligkeit ein (BGH WM 1960, 229).
59
Soweit die Bank dem Schuldner lediglich eine Kreditzusage erteilt und den Kredit noch nicht ausgezahlt hat, finden die §§ 115, 116 InsO keine Anwendung (Eidenmüller, S. 870; a.A. Canaris, Rn. 1258 ff.). Vielmehr steht dem Insolvenzverwalter in diesem Falle ein Wahlrecht nach § 103 InsO zu. Ist die Valutierung des Darlehens für die Masse günstig, wird er die Erfüllung des Vertrages verlangen. Der Rückzahlungsanspruch wird gemäß § 55 I Nr. 2 InsO zur Masseschuld. Ohne die Bereitstellung ausreichender Sicherheiten ist die Bank indes nicht verpflichtet, den Kredit auszureichen. Vermag der Insolvenzverwalter dem nicht zu entsprechen, erscheint es gerechtfertigt, dem Kreditinstitut ein Leistungsverweigerungsrecht zuzubilligen (vgl. Canaris, Rn. 1258). Unbeschadet dessen ist die Bank unter den Voraussetzungen des § 490 BGB zur Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigt (Obermüller, Rn. 5.273 ff.; Vortmann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 27 Rn. 82). Eine fristlose Kündigung begegnet allerdings Bedenken, wenn das Unternehmen nach einer kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Bestandsaufnahme reorganisationsfähig und-würdig erscheint.
60
Für das im Neunten Teil der Insolvenzordnung normierte Verbraucherinsolvenzverfahren gelten keine Besonderheiten, weil auf dieses Verfahren die allgemeinen Vorschriften Anwendung finden, soweit die §§ 304 ff. InsO keine andere Bestimmung enthalten. Hat ein diesem Verfahren zuzuordnender Schuldner ein Verbraucherdarlehen in der regelmäßigen Ausgestaltung als Ratenkredit (näher dazu § 15) aufgenommen, finden hierauf ebenfalls die Vorschriften der §§ 115, 116 InsO Anwendung. Der eingeräumte Kredit wird sofort zur Rückzahlung fällig (§ 41 InsO).
61
2. Kreditierung durch Sicherheitenverwertung. Eine besondere Form der Fortführungsfinanzierung durch ein Kreditinstitut stellt die verzögerte, vertraglich vereinbarte Abführung der Liquidität aus der Verwertung von Sicherungsgut dar. Dabei handelt es sich nicht um einen Bankneukredit, sondern um eine modifizierte Sicherheitenverwertung. Bedeutung gewinnt diese Form der Finanzierung vor allem im Eröff-
62
Vallender
1096
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
nungsverfahren (näher dazu Beck, in: Beck/Depre, Praxis der Insolvenz, § 10 Rb. 117). Schnelle Liquidität kann der Insolvenzverwalter dadurch schaffen, dass er an die Bank zedierte Forderungen auf seinem Anderkonto einzieht, die Auskehrung des Gegenwertes (abzüglich etwaiger Kostenbeiträge) entweder verzögert oder nach vereinbarter Zeit auszahlt. Bei der Verwertung von Sachsicherheiten ergibt sich eine ähnliche Situation. Da bei dieser Form der Finanzierung gerade auf Sicherheiten, die schon für Kredite verhaftet waren, zurückgegriffen wird, stellt sich für die Bank allerdings die Frage, wie ein solcher „Kredit“ noch hinreichend besichert werden kann. Braun (a.a.O., S. 106) bietet insoweit einen interessanten Lösungsvorschlag an. Er hält es für zulässig, dass kraft Vereinbarung zwischen (vorläufigem) Verwalter und Kreditgeber Neu- bzw. Fortführungsforderungen des schuldnerischen Unternehmens zum Sicherungsgut des Kreditinstituts werden; diese Forderungen wüchsen quasi als Sicherungsgut nach. Im Hinblick auf die Anfechtbarkeit solcher Vereinbarungen hat das Kreditinstitut vor allem darauf zu achten, dass ein adäquates Verhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht und die Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs gewahrt bleibt (vgl. § 142 InsO). 63
3. Massekredit und Sicherheitenbestellung. Bei der Gewährung eines Massekredits im eröffneten Verfahren gelten für die Bank die gleichen Grundsätze wie im Eröffnungsverfahren. Auch in diesem Verfahrensstadium ist für den Kreditgeber von entscheidender Bedeutung, dass zum Zeitpunkt der Kreditentscheidung nach bestem Wissen kein Kreditausfall wahrscheinlich ist oder gar droht. Vom Insolvenzschuldner bereits gestellte Sicherheiten haften nicht für einen Kredit (Obermüller, WM 1994, 1829, 1835).
64
Bei Aufnahme eines neuen Kredits im eröffneten Verfahren, der nach § 55 I Nr. 2 InsO eine Masseschuld darstellt, bedarf der Insolvenzverwalter zum Abschluss dieses Rechtsgeschäfts der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung (§ 160 I i.V.m. II Nr. 2 InsO). Dies gilt auch für eine Sicherheitenbestellung durch den Insolvenzverwalter. Zwar führt die Vorschrift eine Genehmigungspflicht lediglich für das Darlehen an, jedoch sind Kreditvertrag und Sicherheitenbestellung als einheitliche Rechtshandlung i.S.d. § 160 InsO zu verstehen (Vortmann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, § 27 Rn. 114). Ein Verstoß gegen das in dieser Vorschrift normierte Zustimmungserfordernis betrifft indes nur das Innenverhältnis. Die Wirksamkeit des Rechtsgeschäft wird davon nicht berührt (§ 164 InsO).
65
Bei Masseunzulänglichkeit erhält der Rückzahlungsanspruch der Bank lediglich den dritten Rang (§ 209 I Nr. 3 InsO). Ebenso wie im Eröffnungsverfahren haftet der Verwalter auch bei Aufnahme eines Massekredits im eröffneten Verfahren persönlich für die Erfüllung der begründeten Kreditverbindlichkeit. Allerdings steht ihm die Exkulpationsmöglichkeit des § 61 a.E. InsO zu.
66
4. Finanzierungsleasing. Unter einem Finanzierungsleasing ist ein Vertrag über die „mietweise“ Überlassung eines langfristigen Investitionsgutes für eine „feste“ Grundmietzeit zu vestehen. Diese ist etwas kürzer als die gewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggutes (Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 43 Rn. 37). Beim Finanzierungsleasing sucht der Leasingnehmer das Leasinggut zumeist selbst beim Hersteller aus; der Leasinggeber erwirbt es und finanziert den Kaufpreis (Drees, in: Runkel, Anwaltshandbuch, § 6 Rn. 50). Bei dieser Form des Leasing steht die Finanzierungsfunktion des Leasinggebers im Vordergrund (Gottwald/Adolphsen, Kölner Schrift zur InsO, S. 1043 ff. Rn. 70).
67
Die rechtliche Einordnung des Vertrages ist streitig. Nach h.M. (vgl. Gottwald/Adolphsen, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, Rn. 71 Fn. 162 m.w.N.) ist der Finanzierungs-
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1097
leasingvertrag als Mietvertrag anzusehen, auf den die Vorschriften der § 103 ff. InsO Anwendung finden. Damit werden die Kündigungsmöglichkeiten des Leasinggebers gemäß § 112 InsO bereits ab Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leasingnehmers eingeschränkt. Denn die Vorschrift schließt eine Kündigung aus, wenn sich der Leasingnehmer vor der Antragstellung in Verzug befand, der Leasinggeber aber noch nicht gekündigt hatte. Das gleiche gilt bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Leasingnehmers (§ 112 I Nr. 2 InsO). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass sich der Leasinggeber ein solches Kündigungsrecht im Vertrag ausbedungen hat. Da der Vermögensverfall keinen gesetzlichen Kündigungsgrund darstellt, ist Nr. 2 so zu verstehen, dass entsprechende vertragliche Kündigungsrechte und das Rücktrittsrecht des § 321 BGB nach Antragstellung nicht mehr ausgeübt werden können (Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 112 Rn. 9). Da die Kündigungssperre nach § 119 InsO zwingend ist, sind auch solche Klauseln unwirksam, die eine Umgehung der Vorschrift vorsehen. Dies gilt auch für Klauseln, die eine auf den Vermögensverfall oder die Verfahrenseröffnung bezogene auflösende Bedingung enthalten (Andres, a.a.O., Rn. 10). Der Leasinggeber ist dagegen zur Aussonderung des Leasinggutes befugt, wenn die Kündigung vor Antragstellung erfolgt war. Als Ausnahmevorschrift steht § 112 InsO der Kündigung durch den Leasinggeber nicht entgegen, wenn Verzug erst nach Antragstellung eintritt (BGH ZInsO 2002, 819; OLG Celle ZInsO 2004, 207; OLG Köln NZI 2003, 149, 150). Schließlich werden die Kündigungsmöglichkeiten wegen sonstiger Vertragsverletzungen nicht berührt (Gottwald/Adolphsen, a.a.O., Rn. 77). In der Insolvenz des Leasingnehmers kann der Leasinggeber, der als „echter“ Eigentümer angesehen wird, bei Erfüllungsverweigerung des Insolvenzverwalters (vgl. § 103 Abs. 1 InsO) das Leasinggut aussondern (§ 47 InsO, BGH WM 1986, 228; 1990, 2042). Daneben steht dem Leasinggeber wegen Nichterfüllung ein Schadensersatzanspruch als Insolvenzforderung zu (§ 103 II InsO). Diesen Anspruch hat er ebenso wie den Restamortisationsanspruch – auch ohne vertragliche Vereinbarung – als leasingtypische Verpflichtung zur Tabelle anzumelden (BGH WM 1985, 660). Vor Verfahrenseröffnung steht einem vorläufigen Insolvenzverwalter ein Wahlrecht nicht zu (OLG Düsseldorf CR 2003, 187). Wählt der Verwalter die Erfüllung, treffen ihn dieselben Rechte und Pflichten wie den Leasingnehmer. Die Leasingraten bilden Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 I Nr. 2 InsO (Drees, a.a.O., Rn. 54 m.w.N.). Bei den rückständigen Leasingraten aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung handelt es sich um Insolvenzforderungen (§ 38 InsO). 5. Cash-Pooling-Vereinbarungen. In der Grunddefinition bezeichnet Cash-Pooling die Zusammenfassung der Bankkonten beteiligter Konzernunternehmen (Rittscher, S. 24 Fn. 23 m.w.N.). Nach außen hin behalten die Tochtergesellschaften zwar ihre Bankverbindung, diese werden der Funktion nach aber nur noch als Durchlauf- oder Zahlungsverkehrskonten geführt (Schneider, in: Handbuch der Konzernfinanzierung, Rn. 25.18). Die Muttergesellschaft kann über die Zusammenfassung der jeweiligen Tagessalden hinausgehend für die Tochtergesellschaft den gesamten Zahlungsverkehr abwickeln (Fassbender, S. 37). a) Vereinbarung mit der Bank. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Erlöschen von Geschäftsbesorgungsverträgen (§§ 115, 116 InsO) und der Verrechnungsvereinbarung (§ 91 I InsO) zur Folge. Betroffen sind die Vereinbarungen bezüglich der insolventen Gesellschaft. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Muttergesellschaft wird die Vereinbarung in Gänze hinfällig (Rittscher, S. 81).
Vallender
68
69
70
71
72
1098
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
73
b) Konzerninterne Vereinbarung. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Tochtergesellschaft erlischt der als Cash-Management-Vereinbarung einzustufende Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft gemäß §§ 115, 116 InsO. Soweit dies wirtschaftlich sinnvoll erscheint, kommt ein Neuabschluss der Cash-Pooling-Vereinbarung durch den Insolvenzverwalter in Betracht. Vom Insolvenzverwalter eingegangene Verbindlichkeiten haben die Qualität einer Masseverbindlichkeit (§ 55 I Nr. 1 InsO). In der Insolvenz der Muttergesellschaft finden die §§ 115, 116 InsO zwar nicht ohne weiteres Anwendung, weil die Muttergesellschaft nicht der Geschäftsherr oder Auftraggeber ist. Jedoch ist auch für diesen Fall anzunehmen, dass die Cash-Pooling-Vereinbarung automatisch mit Eröffnung des Verfahrens beendet werden soll (näher dazu Rittscher, S. 84). Denn mit dem Erlöschen der Vereinbarungen mit der Bank ist die Grundlage für das Cash-Pooling entzogen. Die Abwicklung gegenseitiger Zahlungen ist nicht mehr möglich.
74
6. Geltendmachung und Befriedigung der Bankforderungen im Insolvenzverfahren. In einem Insolvenzverfahren können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO).
75
a) Forderungsanmelde- und Prüfungsverfahren. Forderungen des Kreditinstituts gegen ihren insolventen Kunden, die bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren, können bei der Verteilung nur berücksichtigt werden, wenn sie zur Insolvenztabelle festgestellt sind. Zur Aufnahme in die Tabelle hat die Bank ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 174 I InsO). Beweismittel (z.B. Kopien von Rechnungen, Verträge, Schecks u.ä.) sind beizufügen. Der Vorlage des Originaltitels im Prüfungsverfahren oder im Feststellungsrechtsstreits bedarf es nicht (BGH NZI 2006, 173).
76
Nach § 174 II InsO sind bei der Anmeldung der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben, damit die Forderung individualisierbar ist. Der Insolvenzverwalter hat jede angemeldete Forderung mit den in § 174 II und III InsO genannten Angaben in eine Tabelle einzutragen. Da der Verwalter eine rein beurkundende Tätigkeit ausübt, ist er nicht befugt, eine Anmeldung, die nicht den formellen und inhaltlichen Anforderungen des § 174 I 2 InsO genügt, als unzulässig zurückzuweisen. Diese Aufgabe obliegt dem Insolvenzgericht im Prüfungstermin, wobei indes dem Anmeldenden zuvor Gelegenheit zu geben ist, den Mangel bis zum Prüfungstermin zu beheben (Vallender, ZAP 2004, 125, 131).
77
Bei Forderungen aus unerlaubter Handlung gilt die Besonderheit, dass die Gläubiger nicht nur den Grund und Betrag ihrer Forderung anzugeben haben, sondern auch die Tatsachen, aus denen sich nach ihrer Einschätzung ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt (§ 174 II InsO). Der Eintrag in die Tabelle, die Forderung stamme aus einer unerlaubten Handlung, wirkt nach § 178 III InsO wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern, wenn der Schuldner dem Vortrag des Gläubigers nicht widerspricht.
78
Im Prüfungstermin werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach geprüft (§ 176 1 InsO). Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben (§§ 179 I, 180 InsO). Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen (§§ 179 II, 180 InsO).
79
Verfügt ein Gläubiger über Sicherungsrechte an beweglichen Sachen oder an Rechten des Schuldners, hat er auch diese gegenüber dem Verwalter anzumelden und die besicherte Forderung zu bezeichnen (§ 28 II InsO). Den Insolvenzverwalter trifft nämlich die
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1099
Pflicht, die absonderungsberechtigten Gläubiger in dem Gläubigerverzeichnis aufzuführen, § 152 II 1 InsO. Allerdings werden die Absonderungsrechte nicht zur Tabelle angemeldet, weil die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger nicht im Rahmen der Verteilung der Insolvenzmasse, sondern grundsätzlich vorweg erfolgt (§§ 50, 51 InsO). b) Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Mit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger kann erst nach dem allgemeinen Prüfungstermin begonnen werden. Verteilungen an die Insolvenzgläubiger können stattfinden, sooft hinreichende Barmittel in der Insolvenzmasse vorhanden sind. Nachrangige Insolvenzgläubiger werden bei Abschlagsverteilungen nicht berücksichtigt. Die Verteilungen werden vom Insolvenzverwalter vorgenommen. Vor jeder Verteilung hat er die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist (§ 187 InsO). Ein Insolvenzgläubiger, dessen Forderung nicht festgestellt ist und für dessen Forderung ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil nicht vorliegt, hat spätestens innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung (vgl. § 188 S. 3 InsO) dem Insolvenzverwalter nachzuweisen, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist (§ 189 I InsO). Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt (§ 189 III InsO). Soweit die Bank gleichzeitig über Sicherheiten verfügt, die ihr ein Absonderungsrecht gewähren, genügt es zu ihrer Berücksichtigung bei einer Abschlagsverteilung, wenn sie spätestens innerhalb der vorgenannten Ausschlussfrist dem Verwalter nachweist, dass die Verwertung des Gegenstands betrieben wird, an dem das Absonderungsrecht besteht und den Betrag des mutmaßlichen Ausfalls glaubhaft macht. In diesem Fall wird der auf die Forderung entfallende Anteil bei der Verteilung zurückbehalten (§ 190 II 1 und 2 InsO). Ist nur der Verwalter zur Verwertung des Gegenstandes berechtigt, an dem das Absonderungsrecht besteht, so sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden (§ 190 III 1 InsO). Steht bei einem Absonderungsrecht an einem beweglichen Gegenstand das Verwertungsrecht nach § 166 InsO dem Verwalter zu, so hat er dafür zu sorgen, dass der Gegenstand vor der Schlussverteilung verwertet wird und der Ausfall des Gläubigers damit rechtzeitig feststeht (Vallender, ZAP 2004, 135). Bei einer Abschlagsverteilung hat der Insolvenzverwalter den Ausfall des Absonderungsgläubigers zu schätzen. Die Schlußverteilung erfolgt, sobald die Verwertung der Insolvenzmasse beendet ist (§ 196 I InsO). Üblicherweise überweist der Insolvenzverwalter die auszuzahlende (Rest-) Quote wie bei den Abschlagsverteilungen. Dabei wird die Quote wie folgt berechnet:
80
81
82
83
Geldbetrag der Masse × 100 Summe der im Schlusstermin aufgeführten Forderungen
Sobald die Schlussverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO). Nach der Aufhebung des Verfahrens können die Insolvenzgläubiger ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen (§ 201 I InsO). Soweit bereits ein Titel vorlag, wird dieser durch die Feststellung der Forderung zur Tabelle „aufgezehrt“ und durch einen neuen Titel in der durch die InsO inhaltlich geänderten Fassung (vollstreckbare Ausfertigung aus der Tabelle, § 201 II InsO) ersetzt (Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 201 Rn. 9). Das Recht auf unbeschränkte Nachforderung besteht indes nicht, sofern dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wird (§ 201 III InsO).
Vallender
84
1100
85
86
87
88
89
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
7. Kredit im Insolvenzplanverfahren. Um einen Massekredit auch über den Zeitpunkt der Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 254 InsO) „gefahrlos“ stehen lassen zu können, bedarf es einer besonderen Regelung im Plan. Denn ohne eine Abweichung von der gesetzlichen Vorgabe würde der Kredit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens keine vorrangige Stellung einnehmen, sondern hätte in einem Anschlussinsolvenzverfahren lediglich die Qualität einer Insolvenzforderung. Nach Bestätigung eines Insolvenzplans wird ein Kreditinstitut üblicherweise nicht bereit sein, dem schuldnerischen Unternehmen ohne Absicherung einen Kredit zu gewähren (Wittig, in: Schmidt/Uhlenbruck, Rn. 1691). Im Regelfall dürften dem Unternehmen die üblichen Kreditsicherheiten nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Ohne die Gewährung von Krediten wird es dem Unternehmen in der schwierigen Anlaufzeit nach dem Insolvenzverfahren allerdings kaum möglich sein, die angestrebte Sanierung zu schaffen. Diesem Umstand trägt § 264 I InsO dadurch Rechnung, dass in einem Insolvenzplan geregelt werden kann, dass die Forderungen, die den Gläubigern nach dem Plan zustehen, im Rang zurücktreten gegenüber den Forderungen aus Krediten, die während der Zeit der Planüberwachung aufgenommen worden sind. Damit wird die Vorschrift zu einer zentralen Bestimmung des Nachverfahrens. Neu vergebene Kredite erhalten indes nur dann Vorrang, wenn mit dem betreffenden Kreditgeber vereinbart wird, dass und in welcher Höhe der von ihm gewährte Kredit nach Hauptforderung, Zinsen und Kosten innerhalb des Kreditrahmens liegt, und wenn der Insolvenzverwalter diese Vereinbarung schriftlich bestätigt (§ 264 II InsO). Das Privileg des Kreditgebers ist darüber hinaus nicht zeitlich unbegrenzt. Vielmehr gilt es nur für ein Anschlussinsolvenzverfahren, das während der dreijährigen Überwachungsphase eröffnet wird (§§ 260 I, 268 I Nr. 2 InsO). Der Gesetzgeber schützt die Insolvenzgläubiger in ihrer Rechtsposition zunächst dadurch, dass der Gesamtbetrag der Neukredite im Insolvenzplan festgelegt werden muss (sogen. Kreditahmen). Neukredite, die diesen Kreditrahmen übersteigen, nehmen an dem Vorrecht des § 264 InsO nicht teil (kritisch dazu Braun, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 1144 Fn. 27). Um die Insolvenzgläubiger darüber hinaus vor einer übermäßigen Kreditaufnahme zu schützen, begrenzt § 264 I 3 InsO den Kreditrahmen auf den Wert der Vermögensgegenstände, die in einer Vermögensübersicht dem Plan beigefügt sind. III. Kredit und Restschuldbefreiung. Der Gesetzgeber betrachtet es als ein zugleich soziales und freiheitliches Anliegen, dem redlichen Schuldner nach der Durchführung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen leichter als nach den Bestimmungen des früheren Konkurs- und Vergleichsrechts eine endgültige Schuldenbereinigung zu ermöglichen. Mit Hilfe der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) können sich nicht nur Verbraucher, sondern auch unternehmerisch tätige Schuldner, verschuldete Freiberufler und andere selbständig tätige natürliche Personen von ihren Verbindlichkeiten befreien. Unterschiede zwischen den einzelnen Personengruppen bestehen lediglich hinsichtlich des vorgeschalteten Insolvenzverfahrens (vgl. § 305 I InsO). Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Entlassung des Schuldners in die Wohlverhaltensperiode erhält dieser seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück (§§ 289, 291, 201 InsO). Soweit er Inhaber eines Kontos ist, steht ihm hierüber wieder die uneingeschränkte Verfügungsmacht zu. Angesichts der Tatsache, dass der Schuldner sein pfändbares Arbeitseinkommen seinen Gläubigern für die Dauer der Laufzeit der Abtretungserklärung zur Verfügung zu stellen hat (§§ 287 II 1, 292 I 2 InsO), sollte das Kreditinstitut der Vermögenssituation des Schuldners weiterhin besondere Aufmerksamkeit widmen (Obermüller, Rn. 2.161).
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1101
1. Umfang der Restschuldbefreiung. Von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen sind lediglich Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, Geldstrafen und die die diesen in § 39 I Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners sowie Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden (§ 302 InsO).
90
Darüber hinaus bleiben von der Restschuldbefreiung die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen, die Rechte der Insolvenzgläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung sowie die Rechte der Insolvenzgläubiger aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, unberührt.
91
Die Rechte der Gläubiger, die im Insolvenzverfahren abgesonderte Befriedigung verlangen können, werden durch die Restschuldbefreiung ebenfalls nicht berührt. Die Rechte zur abgesonderten Befriedigung ergeben sich aus den §§ 49 bis 51 InsO. Auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung sind die Absonderungsberechtigten befugt, ihr Absonderungsrecht geltend zu machen. Eine Einschränkung erfahren allerdings die Abtretung von Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge (§ 51 Nr. 1 InsO) und Verpfändungen (§ 50 I InsO) von Forderungen. Sie werden zwei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, gerechnet zum Monatsende, unwirksam (§ 114 I InsO).
92
Soweit der Schuldner dem absonderungsberechtigten Gläubiger persönlich haftet, ist dieser in voller Höhe seiner Forderung Insolvenzgläubiger. Allerdings ist das Befriedigungsrecht in den Verteilungen – ungeachtet der umfassenden Feststellung – auf den mußmaßlichen bzw. endgültigen Ausfall beschränkt (§ 190 InsO), soweit der Gläubiger nicht auf das Absonderungsrecht verzichtet. Während die persönlichen Ansprüche von der Restschuldbefreiung erfaßt werden, sichert § 301 II InsO die dingliche Haftung für die ganze Forderung (Uhlenbruck/Vallender, § 301 Rn. 25).
93
2. Versagung der Restschuldbefreiung. Will das Kreditinstitut seiner Darlehensforderung nicht endgültig verlustig gehen, muss es von den in der Insolvenzordnung bereitgestellten Möglichkeiten zur Versagung der Restschuldbefreiung konsequent Gebrauch machen. Ein Einschreiten des Insolvenzgerichts von Amts wegen sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Während § 290 InsO auf ein unredliches Verhalten des Schuldners vor oder während des Insolvenzverfahrens abstellt, sanktioniert § 296 InsO einen Verstoß des Schuldners gegen Obliegenheiten während der Wohlverhaltensperiode.
94
Der Antrag des Insolvenzgläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO ist zwingend im Schlusstermin zu stellen (BGH ZInsO 2003, 414). Zur Glaubhaftmachung kann sich der Insolvenzgläubiger gemäß § 4 InsO i.V.m. § 294 I ZPO aller Beweismittel bedienen (vgl. LG München ZinsO 2001, 767). Da nur ein redlicher Schuldner Restschuldbefreiung erlangen soll, stellt es einen Versagungsgrund dar, wenn der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, um Sozialleistungen oder andere Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder um Steuerzahlungen oder andere Leistungen an öffentlichen Kassen zu vermeiden (Begr. zu § 239 RegE, BR-Drucks. 1/92, 190, 191).
95
3. Restschuldbefreiung im Ausland und Wirkungen im Inland. Die Möglichkeit der Entschuldung nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens sehen auch andere Rechtsordnungen vor (näher dazu Ehricke, ZVI 2005, 285). Dies schafft angesichts der relativ langen Dauer eines Restschuldbefreiungsverfahrens in Deutschland (vgl. § 287 II InsO) hinreichend Anreiz, in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die
96
Vallender
1102
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Entschuldung anzustreben. Für zahlreiche Schuldner scheint Frankreich inzwischen ein attraktiver „Entschuldungsplatz“ geworden zu sein (näher dazu Hölzle, ZVI 2007, 1). Nach dem Code de la Consommation (CdC) steht die Restschuldbefreiung bereits am Ende des Insolvenzverfahrens. In einem masselosen Verfahren kann der Schuldner unmittelbar die Eröffnung eines Schuldenbereinigungsverfahren beantragen (Art. L 332-9 CdC). Nach Einstellung des Verfahrens wird dem Schuldner nach entsprechendem Antrag die Restschuldbefreiung erteilt (Art. L 330-1 III 3 CdC). Die Verfahrenslaufzeit beträgt 9 bis 18 Monate (vgl. Hölzle, a.a.O., 5). Wie für jeden anderen Gläubiger birgt der Entschuldungstourismus auch für Kreditinstitute besondere Risiken. Oft erfahren Sie nichts von dem ausländischen Verfahren, so dass es ihnen aus tatsächlichen Gründen verwehrt ist, ihre Forderungen geltend zu machen. Die Wirkungen einer im Anwendungsbereich der EuInsVO erteilten Restschuldbefreiung sind im Inland grundsätzlich anzuerkennen. Dies folgt aus Art. 4 II lit k. i.V.m. Art. 25 I 1 EuInsVO, wonach auch die mit einer Verfahrensbeendigung einhergehenden Wirkungen wie z.B. die Restschuldbefreiung anzuerkennen sind (siehe auch Ehricke, RabelsZ 62 (1998), 712, 736 ff.). Damit im Einklang steht eine vor Inkrafttreten der EuInsVO ergangene Entscheidung des BGH, in der einem Kreditinstitut die Vollstreckung gegen den Schuldner, dem in Frankreich Restschuldbefreiung erteilt worden war, wegen der von der Restschuldbefreiung erfassten Forderung untersagt worden war (BGH ZIP 2002, 365 = NJW 2002, 960). 97
IV. Kreditengagements bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren. Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitendem Bezug spielen auch in der Praxis der Kreditinstitute zunehmend eine wichtige Rolle. Dies ist vor allem auf die vielfachen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Rechtssubjekten innerhalb und außerhalb der Europäischen Gemeinschaft zurückzuführen. Die Geschäftstätigkeit von Unternehmen greift mehr und mehr über die einzelstaatlichen Grenzen hinaus (Vallender, KTS 2005, 284). Auch Privatpersonen verfügen über erhebliches Auslandsvermögen vornehmlich in Form von Immobilien (nach einer Schätzung deutscher Banken sollen 800.000 bis 1 Million deutscher Immobilien im europäischen Ausland, vornehmlich im Süden Europas besitzen). Für die Banken steht bei solchen Verfahren ebenso wie bei einer rein nationalen Insolvenz die Frage nach der Realisierbarkeit ihrer Forderungen und dem Bestand etwaiger Sicherheiten im Vordergrund des Interesses. Da bei einem grenzüberschreitenden Verfahren mehrere Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen können, ist es in diesen Fällen besonders wichtig, die Risiken für das eigene Kreditengagement bei einer Insolvenz des Kunden, vor allem die Gefahr eines Forderungsausfalls hinreichend sicher einzuschätzen zu können. Bis zum 31.5.2002 gab es keinen rechtlichen Rahmen zur Koordinierung von internationalen Insolvenzen im Bereich der Europäischen Gemeinschaft. Mit dem Inkrafttreten der Europäischen Insolvenzordnung (Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 (ABl. EG Nr. 160/1 vom 30.6.2000)) hat sich diese Situation grundlegend gewandelt. Innerhalb ihres sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs ersetzt die EuInsVO andere zwischen den Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkünfte. Sie ist als Sekundärrechtsakt gem. Art. 249 II 2 EGV in all ihren Teilen verbindlich und entfaltet in jedem Mitgliedstaat unmittelbare Geltung. Soweit es sich um grenzüberschreitende Insolvenzen mit Drittstaaten handelt (Nicht-EU-Mitgliedstaaten), findet das in den §§ 335 bis 358 InsO geregelte autonome Internationale Insolvenzrecht Anwendung.
98
1. Eröffnung des Anwendungsbereichs der EuInsVO. Die Heranziehung der Vorschriften der EuInsVO setzt voraus, dass das beantragte Insolvenzverfahren in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechtsakts fällt (Duusrma-Kepplinger, NZI 2003, 87). Dafür bedarf es des Vorliegens des zeitlichen (Art. 43 EuInsVO), persönlichen (Art. 1 II EuInsVO), sachlichen (Art. 1 I EuInsVO) und räumlichen Anwendungsbereichs (Art. 3
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1103
EuInsVO). Darüber hinaus muss ein besonderer innergemeinschaftlicher – im Sinne eines zwischenmitgliedstaatlichen – grenzüberschreitender Moment vorliegen. Die Insolvenzverordnung erfasst entsprechend ihrer Zielsetzung allein grenzüberschreitende Insolvenzverfahren innerhalb des Binnenmarktes (vgl. Erwägungsgründe 1-5). Ein rein nationales Verfahren, bei dem die Auswirkungen der Insolvenz auf das Gebiet eines Mitgliedstaats beschränkt sind (Huber, ZZP (2001), 133, 136), unterliegt dagegen nicht ihrem Anwendungsbereich. Vielmehr bedarf es eines Auslandsbezugs. Davon ist auszugehen, wenn der Schuldner Vermögen in anderen Mitgliedstaaten besitzt oder Rechtsverhältnisse mit Auslandsbezug bestehen. Nichts anderes gilt im Falle eines Eröffnungsantrags über das Vermögen einer ausländischen Kapitalgesellschaft (z.B. private limited company = Ltd.). 2. Geltendmachung von Forderungen. Nach Art. 4 EuInsVO gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori concursus). Das Recht des Mitgliedstaats regelt wiederum, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist (II). Die Kollisionsnorm des Art. 4 EuInsVO findet auf das Hauptsowie auf die Sekundärinsolvenzverfahren und die (unabhängige) Partikularverfahren (Art. 3 Abs. 4 EuInsVO) gleichermaßen Anwendung (Virgos/Schmit, Rn. 89, 23).
99
a) Eröffnungsantrag. Ein zulässiger Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bankkunden setzt bei einem grenzüberschreitenden Verfahrensbezug zunächst die Internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts voraus. Im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander bestimmt sich die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung von Insolvenzverfahren ausschließlich nach Art. 3 EuInsVO (Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829, 831). Die Vorschrift regelt die – internationale – Zuständigkeit für die in Art. 1 I EuInsVO genannten insolvenzrechtlichen Gesamtverfahren für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks). Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind, ist im Anwendungsbereich der EuInsVO die ausschließliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts verbindlich festgelegt (Paulus, Art. 3 Rn. 2).
100
Die lex fori concursus ist wiederum maßgeblich dafür, unter welchen Voraussetzungen ein Gläubiger ein Insolvenzverfahren nach Bestimmung der Internationalen Zuständigkeit beantragen kann. Dies gilt für das Vorliegen der Insolvenzgründe, der Insolvenzfähigkeit des Schuldners, der örtlichen Zuständigkeit, der Antragsbedürftigkeit und der Antragsberechtigung. Für das Sekundärinsolvenzverfahren enthält Art. 29 EuInsVO eine besondere Regelung des Antragsrechts.
101
b) Forderungsanmeldung. Art. 32 I EuInsVO bestimmt, dass jeder Gläubiger seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren grundsätzlich zum vollen Nominalwert anmelden kann (vgl. Art. 20 II EuInsVO). Handelt es sich allerdings um einen dinglich gesicherten Gläubiger, der bereits im Wege der abgesonderten Befriedigung eine spezielle Befriedigung erhalten hat, kann er nur wegen des unbefriedigten Teilbetrags seine Forderung anmelden, wenn dies das entsprechende Recht vorsieht. Nach Art. 32 II EuInSVO steht den jeweiligen Verwaltern darüber hinaus das Recht der „Sammelanmeldung“ zu, das zahlreiche Probleme aufwirft (näher dazu Beck, NZI 2007, 1, 5).
102
Nach der lex fori concursus richtet sich wiederum, welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind und wie Forderungen zu behandeln sind, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (Art. 4 II lit g EuInsVO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Forderungen privilegiert oder nachrangig oder gleich zu behandeln sind (vgl. Art. 4 II lit i EuInsVO). Für das deutsche Recht sind demnach die §§ 38 ff. InsO maß-
103
Vallender
1104
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
geblich (Paulus, Art. 4 Rn. 29). Ebenso richtet sich die verfahrensrechtliche Seite der Anmeldung, die Prüfung und Feststellung von Forderungen, nach der lex fori concursus (Art. 4 II lit h EuInsVO). Soweit deutsches Recht Anwendung findet, sind die Vorschriften der §§ 28, 174 ff. InsO maßgebend. Zu beachten sind darüber hinaus die Vorschriften der Art. 39 ff. EuInsVO. Art. 39 EuInsVO sieht vor, dass jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, seine Forderung in dem Insolvenzverfahren schriftlich anmelden kann. Nach Art. 40 EuInsVO sind die außerhalb des Mitgliedsstaats der Verfahrenseröffnung residierenden Gläubiger von der Eröffnung und Anmeldemöglichkeit zu unterrichten. Soweit Gläubiger nicht oder verspätet unterrichtet werden und dadurch einen Schaden erleiden, stellt sich für den betroffenen Gläubiger zunächst die Frage, wer Adressat der Unterrichtungspflicht ist und ob das Recht des Eröffnungsstaates bei Pflichtverletzungen Haftungsansprüche vorsieht. Nach deutschem Recht (Art. 102 EGInsO § 11) ist entweder das Insolvenzgericht oder der von diesem Gericht bestellte Verwalter (vgl. § 8 III, 28 I 1, 30 II InsO) zur Unterrichtung der Gläubiger verpflichtet. 104
c) Erlösverteilung und Recht der gesicherten Gläubiger, über das Maß der Sicherung hinaus am Verfahren teilzunehmen. Die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung des Vermögens, der Rang der Forderungen und die Rechte der Gläubiger, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines dinglichen Rechts oder infolge einer Aufrechnung teilweise befriedigt werden, bestimmt sich ebenfalls nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (Art. 4 II lit i EuInsVO). So kann nach der Insolvenzordnung eine gesicherte Forderung zwar in voller Höhe angemeldet werden. Der Gläubiger kann indes bei der Schlussverteilung Befriedigung nur insoweit verlangen, als er bei der Verwertung ausgefallen ist (§ 52 InsO).
105
Im Falle der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens und eines oder mehrerer Sekundärinsolvenzverfahren finden auf Grund der verschiedenen Verteilungsverfahren getrennte Auszahlungen an die Gläubiger statt. Um den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu wahren, sieht Art. 20 II EuInsVO vor, dass „ein Gläubiger, der in einem Insolvenzverfahren eine Quote auf seine Forderung erlangt hat, an der Verteilung im Rahmen eines anderen Verfahrens erst dann teilnimmt, wenn die Gläubiger gleichen Rangs oder gleicher Gruppenzugehörigkeit in diesem Verfahren die gleiche Quote erhalten haben. Dem Verteilungsverfahren liegen vier Axiome zugrunde (Beck, NZI 2007, 1, 6): – Kein Gläubiger erhält mehr als 100% seiner Forderung. – In jedem Verfahren kann die Forderung mit ihrem vollen Wert angemeldet werden. – Eine Forderung wird bei der Verteilung nicht berücksichtigt, bis nicht alle Forderungen gleichen Rangs prozentual gleich befriedigt wurden. – In jedem Verfahren richtet sich der Rang der Forderung nach dem nationalen Recht.
106
3. Dingliche Rechte Dritter. Die Europäische Insolvenzverordnung trifft in Art. 5 eine Regelung zur Behandlung von Sicherungsrechten. Umfasst sind körperliche, unkörperlich, bewegliche oder unbewegliche Gegenstände. Die Vorschrift beschränkt das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters unter der Voraussetzung, dass einem Dritten zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens ein dingliches Recht an dem Vermögensgegenstand (bzw. der Sachgesamtheit) zusteht und der Vermögensgegenstand sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem Eröffnungsstaat befindet (Haas, in: Festschrift für Walter Gerhardt, 319, 331). Art. 5 I EuInsVO führt indes nicht dazu, dass der Vermögensgegenstand, an dem ein Recht eines Dritten besteht, nicht der lexi fori concursus gemäß Art. 4 I EuInsVO unterliegt. Die Vorschrift will lediglich sicherstellen, dass das Recht selbst von der lex fori concursus nicht beeinträchtigt wird (Liersch, S. 46, 2001; Paulus, Art. 5 Rn. 20).
Vallender
§ 35 Kredit und Insolvenz
1105
a) Rechtsstellung der gesicherten Gläubiger. Die – nicht abschließende – Aufzählung der dinglichen Rechte findet sich in Art. 5 II EuInsVO. Es muss sich um ein dingliches Recht eines Gläubigers oder eines Dritten handeln. Während sich die deutschen Grundpfandrechte, das Pfandrecht an beweglichen Sachen und die Sicherungsübereignung unter lit a) der Vorschrift subsumieren lassen, findet sich das Pfandrecht an Rechten und die Sicherungsabtretung unter lit b). Da die Feststellung, wo ein Vermögensgegenstand belegen ist, mitunter Schwierigkeiten bereiten kann, bestimmt Art. 2 lit g EuInsVO, wie der maßgebende Mitgliedstaat zu ermitteln ist. Gegenstände und Rechte, bei denen das Eigentum oder die Rechtsinhaberschaft in einem öffentlichen Register einzutragen ist, sind danach z.B. dort belegen, wo unter der Aufsicht des Mitgliedsstaats das Register geführt wird. Dagegen befinden sich Forderungen in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der zur Leistung verpflichtete Dritte den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen i.S.d. Art. 3 I EuInsVO hat (Haas, a.a.O., 336).
107
Die Frage, ob die Voraussetzungen eines so verstandenen dinglichen Rechts erfüllt sind und dieses Recht überhaupt wirksam entstanden ist, beantwortet nicht die EuInsVO sondern das Internationale Privatrecht des jeweiligen Ortes der Belegenheit der Sache (Wunderer, WM 1998, 793, 798; Gottwald, S. 33; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 551; Erwägungsgrund 25 EuInsVO). Für das deutsche Recht ist die Regelung des Art. 5 III EuInsVO von besonderer Bedeutung. Sie setzt das Institut der Vormerkung einem dinglichen Recht gleich (Balz, ZIP 1996, 948, 950).
108
Auch wenn durch die Regelungen des Art. 5 EuInsVO die im Anwendungsbereich der EuInsVO belegenen Sicherheiten möglicherweise an Attraktivität gewonnen haben (so Paulus, NZI 2001, 505, 507 Fn. 18), ist darauf zu achten, dass bei Verbringung eines Gegenstandes ins Ausland, an dem ein Sicherungsrecht besteht, mit dem Grenzübertritt ein Statutenwechsel eintritt. Letzterer kann dazu führen, dass das – im Inland – wirksam begründete Sicherungsrecht nicht geltend gemacht werden kann (Haas, a.a.O., 333 m.w.N.). Der durch Art. 5 I EuInsVO geschaffene Vertrauensschutz findet schließlich dort seine Schranken, wo sich das dingliche Recht Dritter als nichtig oder relativ unwirksam beziehungsweise anfechtbar erweist (Art. 5 IV, Art. 4 II lit m EuInsVO). In einem solchen Fall, in dem die Einräumung beziehungsweise der Erwerb des dinglichen Rechts nach der lex fori concursus generalis auf einer die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung beruht, verliert das dingliche Recht seinen durch Art. 5 I EuInsVO gewährten „Immunschutz“. Allerdings kann bei einer Anfechtung des Rechtserwerbs durch den Insolvenzverwalter der Anfechtungsgegner die Einrede des Wirkungsstatuts erheben (Art. 13 EuInsVO).
109
b) Verwertung des mit einem Sicherungsrecht eines Dritten belasteten Gegenstandes. Da Art. 5 EuInsVO lediglich das betreffende dingliche Recht unberührt lassen will, hat die insolvenzrechtliche Behandlung des Rechts nach dem Insolvenzrecht des Mitgliedsstaats zu erfolgen, in dem sich der fragliche Gegenstand des Schuldners befindet. Dies bedeutet, dass die Vorschrift nicht die Verwertbarkeit des Gegenstandes ausschließt (Paulus, Art. 5 Rn. 19, 20). Will der Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens den im Ausland belegenen Gegenstand, der mit einem dinglichen Recht belastet ist, verwerten, hat er in dem betreffenden Mitgliedstaat die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zu beantragen (Art. 3 III, 16, 17 II, 27 EuInsVO), was letztlich zu einer Verwertung der belasteten Gegenstände nach der lex fori concursus führt (Art. 28 EuInsVO). Neben dem Insolvenzverwalter ist jede nach dem Recht des Sekundäreröffnungsstaats hierzu ermächtigte Person befugt, einen solchen Antrag zu stellen (Art. 28 EuInsVO). Dem Erläuternden Bericht zur EuInsVO von Virgos/Schmit (Rn. 23, 97, 98) ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens der einzige
110
Vallender
1106
111
112
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Weg sein soll, wie ausländische Sicherheiten als solche für die Masse verwertbar sein sollen. Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens setzt das Vorhandensein einer Niederlassung im betreffenden Staat voraus (Art. 3 II EuInsVO). Nach der Definition des Art. 2 lit h EuInsVO ist unter Niederlassung jeder Tätigkeitsort zu verstehen, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt. Eine Verwertung des mit dem Sicherungsrecht eines Dritten belasteten Gegenstandes des Schuldners im Rahmen eines Sekundärinsolvenzverfahrens kommt indes nur in Betracht, wenn das Recht des Mitgliedsstaates einen Zugriff auf das Sicherungsrecht gestattet. Ist dies nicht der Fall oder befindet sich im Mitgliedsstaat keine Niederlassung, entsteht eine gewisse „Lücke im Masseschutz“ (Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Art. 5 Rn. 26 m.w.N.). Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass das eröffnete Hauptverfahren das gesamte Vermögen des Schuldners erfasst, mithin auch die mit dinglichen Rechten Dritter belasteten Gegenstände des Schuldners (Art. 3 I, 4, 16, 17 EuInsVO). Der Verwalter hat die Möglichkeit, die Sicherheit durch Befriedigung der gesicherten Forderung auszulösen (Paulus, a.a.O., Rn. 22). Reicht die Masse dafür nicht aus, stellt sich die Frage, ob der Sicherungsgläubiger verpflichtet ist, den Sicherungsgegenstand nach dem Recht der Belegenheit der Sache zu verwerten und einen eventuellen Überschuss an den Verwalter auszukehren (so Huber, ZZP 114 (2001), 133, 158). Eine solche Obliegenheit erscheint mehr als fraglich, weil sich eine einheitliche Pflichtengrundlage nicht finden lässt. Schreitet der Sicherungsnehmer zur Verwertung und erzielt er einen Überschuss, hat er diesen umgehend dem Hauptinsolvenzverwalter herauszugeben (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25). Denn dieser Überschuss ist vom Insolvenzbeschlag des Hauptverfahrens erfasst. Soweit der Sicherungsnehmer bei der Verwertung des Sicherungsrechts einen Ausfall erleidet, richtet sich der Umfang seiner Teilnahmeberechtigung nach der lex fori concursus generalis (Art. 4 II lit i EuInsVO), also nach dem Insolvenzrecht des Staates, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Um bei Passivität des Sicherungsnehmers gleichwohl zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen, sieht Paulus (Europäische Insolvenzverordnung, Art. 5 Rn. 25) den Hauptinsolvenzverwalter als berechtigt an, selbst die Verwertung durchzuführen und dem Gläubiger das zu belassen, was er nach dem Insolvenzrecht des Belegenheitsstaates im Falle eines dort durchgeführten Verfahrens bekommen würde. Dagegen ist der Hauptinsolvenzverwalter nicht befugt, den gesamten belasteten Gegenstand zur Masse zu ziehen und ihn nach dem Recht des Lagerortes zu verwerten. Dies folgt bereits daraus, dass Art. 5 I EuInsVO die Befugnisse des Verwalters von vornherein auf den den Sicherungswert übersteigenden Vermögenswert (Überschuss) beschränkt (Duursma-Kepplinger/Duursma/ Chalpsky, a.a.O. Rn. 104 m.w.N.).
Vallender
§ 36 Kreditrating
1107
§ 36 Kreditrating
Schrifttum Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderung, 2004; www.bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel.php; Bäumler/Gutsche, Auswirkungen von Scoring und risikoorientiertem Pricing für Privatkunden, VuR 2008, 81; Behr/Fischer, Basel-II und Controlling, 2005; Bundesministerium der Finanzen,Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV), 2006. Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Basel-II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 I. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Säule I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Säule II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 IV. Säule III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 V. Quantifizierung des Kreditrisikos . . . . . . . . 9 VI. Ausnahmeregelungen für Retailportfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 C. PD-Ermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Scoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Kreditausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 III. Ausnahmeregelungen hinsichtlich Parallelkrediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 IV. Beispiel einer PD-Schätzung für Ratenkredite einer Retailbank . . . . . . . . . 18
D.
E.
F. G.
V. Wiedergesundungen . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Schematische Darstellung der Ausfallwahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . EAD-Ermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Exkurs: EAD-Ermittlung für außerbilanzielle Forderungen . . . . . . . . . . . . . . LGD-Ermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ökonomischer Verlust. . . . . . . . . . . . . . . . II. Beispielhafte Berechnung von Bestschätzer- und Downturn-LGD . . . . . III. Aufsichtlich zu verwendende LGDs . . . . . Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung . . . . . Abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . .
19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Stichwortverzeichnis Ambitionierte Messansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Basisindikatoransatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Bestschätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Bonitätsklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Cluster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Drei-Säulen-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Forderungspool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Fortgeschrittener-IRB-Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Inkassoscoring. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 IRB-Basisansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Kreditrisiko. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Kreditscoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Marktdisziplin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Marktpreisrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Operationelles Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Retailportfolio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Schuldnerkategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Standardansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 4 Workout-Periode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
A. Einleitung
1
In diesem Beitrag wird die Umsetzung des internen Ratingansatzes von Basel-II im Geschäftsfeld der Konsumentenkredite dargestellt. Dazu wird zunächst die Grundkonzeption von Basel-II im Hinblick auf diesen speziellen Anwendungsfall analysiert. Anschließend werden geeignete Vorgehensweisen für die Schätzung der zentralen Risikoparameter innerhalb von Basel-II, die Ausfallwahrscheinlichkeit (PD), der zu erwartende Ausfallsaldo (EAD) und die Verlustquote bei Ausfall (LGD) beschrieben. Abschließend wird aufgezeigt, wie aus diesen Parametern eine im Hinblick auf die Bankenstabilität adäquate Eigenkapitalunterlegung abgeleitet werden kann. Dabei kann die konkrete Ausgestaltung von Bank zu Bank mitunter erheblich abweichen; die in diesem Beitrag beschriebenen Grundmuster werden sich aber in jeder Umsetzung von Basel-II in die Praxis des Retailbanking wiederfinden.
Bäumler
1108
2
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
B. Basel-II I. Historie. Im Jahr 1988 wurde vom Basler Ausschuss erstmals beschlossen, eine Regelung einzuführen, um Eigenkapital für Verluste aus riskanten (Kredit-)Geschäften vorzuhalten und die Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten. Diese Vereinbarungen, die als Basler Kapitalakkord oder kurz Basel-I bezeichnet wurden, sahen vor, dass Banken im Verhältnis zu ihren Aktiva mindestens 8 Prozent Eigenkapital bereithalten mussten. Dabei wurden die Forderungen in vier Schuldnerkategorien eingeteilt. Schuldnerkategorie
Staat
Bank
Hypotheken
Risikogewicht
0%
20 %
50 %
Unternehmen und Privatpersonen 100 %
Die erforderliche Eigenkapitalunterlegung berechnete sich demzufolge: Erforderliches Eigenkapital = Forderungssumme × Risikogewicht × 8% Diese Regelung hatte zur Folge, dass sich die Bonität des einzelnen Kunden nicht ausreichend in dessen Kreditkonditionen widerspiegelte, obwohl ein einwandfreier Kreditnehmer einen Bonus in Form eines niedrigeren Zinses verdient hätte. In der Vergangenheit bestimmte die Bonität des Kunden nur, ob ein Kredit überhaupt vergeben wurde oder nicht. Der Basler Ausschuss gelangte zu der Erkenntnis, dass ein solches System nicht sinnvoll ist und dazu führt, dass riskante Kreditnehmer von den weniger riskanten subventioniert werden. Daraufhin wurden diese Regelungen kontinuierlich weiterentwickelt. 3
II. Säule I. Seit dem 01. Januar 2007 müssen nun die Bestimmungen der neuen Basler Eigenkapitalakkords, Basel-II, umgesetzt werden. Im Kern berührt Basel-II drei, sich gegenseitig ergänzende Bereiche, die regelmäßig als das Drei-Säulen-Konzept bezeichnet werden. Säule I stellt den Hauptbestandteil der neuen Eigenkapitalvereinbarung dar. Hier werden die Regeln zur Festlegung der Mindestkapitalanforderungen für Banken festgelegt. Unter Mindestkapitalanforderungen wird dabei die Eigenermittlung des vorzuhaltenden Eigenkapitals für Verluste aus den bankspezifischen Risiken verstanden. Berücksichtigt werden bei der Berechnung der Eigenkapitalquote das Kredit-, das Markt- und das operationelle Risiko.
4
Als Kreditrisiko wird allgemein das Risiko des Verlustes bezeichnet, das entsteht, wenn ein Kreditnehmer seine Pflichten nicht vereinbarungsgemäß erfüllen kann. Grundlage für die Bemessung des Kreditausfallrisikos nach Basel-II ist die Bonitätsbeurteilung des Schuldners durch ein Rating. Dabei werden drei Bewertungsmethoden für das Rating anerkannt: die (auf externen Ratings basierende) Standardmethode, der IRB-Ansatz (auf internen Ratings basierend) in der Basisversion und in der fortgeschrittenen Version. Dies bedeutet, dass durch Basel-II bei guten Schuldnern weniger Eigenkapital vorzuhalten ist als bei schlechten Schuldnern, sodass eine risikoadäquate Bepreisung der Kredite möglich ist. Es ist daher nahezu zwangsläufig, dass die in hohem Grad variierenden Kreditrisiken nunmehr verstärkt Eingang in die bankbetriebliche Preiskalkulation bei der Kreditvergabe finden.
5
Das Marktpreisrisiko wurde bereits 1996 in Basel-I aufgenommen. Danach müssen Banken das Risiko finanzieller Verluste auf Grund der Änderung von Marktpreisen (Fremdwährungsrisiken, Rohwarenpreisrisiken, Zinsrisiken, Aktienpreisrisiken) mit Eigenmitteln unterlegen. Die Vorschriften zu Marktpreisrisiken wurden weitestgehend unverändert aus Basel-I übernommen.
6
Neu ist auch die Berücksichtigung von operationellen Risiken. Jene sind definiert als die Gefahr von Verlusten infolge von Unangemessenheit oder des Versagens von internen
Bäumler
§ 36 Kreditrating
1109
Verfahren, Menschen und Systemen oder aus externen Ereignissen. Rechtsrisiken sind in dieser Definition enthalten, nicht jedoch Reputationsrisiken und strategische Risiken. Auch hier können Banken zwischen drei unterschiedlich anspruchsvollen Ansätzen zur Bestimmung der Eigenkapitalunterlegung wählen. Basisindikatoransatz: Hier wird der durchschnittliche jährliche Bruttoertrag des Kreditinstituts in den vorangegangenen drei Jahren als Messgröße herangezogen. Die Eigenkapitalunterlegung ergibt sich dann aus der Multiplikation dieser Durchschnittsgröße mit dem festgelegten Faktor von 15%. Standardansatz: Das Bankgeschäft wird vom Basler Ausschuss in acht Geschäftsfelder eingeteilt. Für jedes dieser Geschäftsfelder legt der Ausschuss einen Prozentsatz fest, der dann mit dem jeweiligen Bruttoertrag des Geschäftsfelds multipliziert wird. Ambitionierte Messansätze: Die regulatorische Eigenkapitalanforderung ergibt sich hier aus der Risikokennzahl gemäß dem bankinternen Messsystem. Langfristiges Ziel des Basler Ausschusses ist eine generelle Verwendung der AMA. III. Säule II. Säule II definiert den bankaufsichtlichen Überprüfungsprozess, bei dem die Bankenaufsicht die Einhaltung der maßgeblichen Anforderungen sowie die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung der Banken bewerten und überwachen muss.
7
IV. Säule III. Die dritte Säule, Marktdisziplin, führt zu einer erweiterten Offenlegungspflicht der Banken. Durch die Publikation von Informationen bezüglich der Risikopositionen, Eigenkapitalausstattung und der Messverfahren für Risiken wird erwartet, dass gut informierte Marktteilnehmer eine risikobewusste Geschäftsführung und ein wirksames Risikomanagement von Kreditinstituten in ihren Anlage- und Kreditentscheidungen honorieren beziehungsweise risikoreicheres Verhalten entsprechend sanktionieren. Allerdings liegt der Erlass von Rechungslegungsvorschriften häufig nicht im Bereich der Bankenaufsicht. Um eine Einhaltung der Transparenzvorgaben zu gewährleisten beziehen sich diese daher im Wesentlichen auf die Anwendung der Eigenkapitalvorschriften, die Eigenkapitalausstattung und -struktur sowie quantitative und qualitative Darstellung des eingegangenen Risikos (vgl. http://www.bundesbank.de).
8
Das Grundkonzept von Basel-II Säule I
Säule II
Säule III
Eigenkapital
Aufsicht
Marktdisziplin
Zur Deckung der:
Die Bankenaufsicht soll die Einhaltung der Eigenkapitalvorschriften sowie ein angemessenes Risikomanagement und -controlling überwachen.
Offenlegungsvorschriften sollen die Finanzmärkte dazu bringen, Finanzunternehmen mit gutem Risikomanagement und -controlling entsprechend zu bewerten
Kreditrisiken Marktpreisrisiken Operationellen Risiken
Die Umsetzung in deutsches Recht ist durch das Kreditwesengesetz, die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) für die zweite Säule sowie die Solvabilitätsverordnung (SolvV) für die erste und dritte Säule erfolgt.
Bäumler
1110
9
10
11
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
Im folgenden Verlauf wird nur die erste Säule betrachtet, da insbesondere herausgearbeitet werden soll, welche Auswirkungen Basel-II auf Privatpersonen in ihrer Rolle als Kreditkunden einer Bank hat. Des Weiteren bedeutet diese eingrenzende Betrachtung auch, dass von den drei in der ersten Säule behandelten Risikoarten ausschließlich das Kreditrisiko relevant ist. V. Quantifizierung des Kreditrisikos. Der Standardansatz für Kreditrisiken stellt im Allgemeinen eine Weiterentwicklung der Regelungen von Basel-I dar. Zur Bestimmung des Kreditrisikos können die Banken Beurteilungen von externen Ratingagenturen (Standard & Poor´s, Moody´s, Fitch Ratings) verwenden. Daraus ergibt sich ein Risikogewicht für Unternehmen von 20 Prozent bis 150 Prozent. Darlehen an Kleinunternehmen (Jahresumsatz bis EUR 50 Mio.) bzw. Privatpersonen können dem Retailportfolio (Definition Retailportfolio s. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel-II, 2004, S. 22) zugeordnet werden und erhalten ein Risikogewicht von 75 Prozent. Im IRB-Basisansatz werden bis auf die Ausfallwahrscheinlichkeit (PD, Probability of Default) alle weiteren relevanten Parameter (EAD, LGD, M) durch Basel-II vorgegeben. Der EAD (Exposure at Default) bezeichnet den im Risiko stehenden Betrag des jeweiligen Kredits. Hierfür sind der Nominalbetrag oder produktabhängige Prozentsätze heranzuziehen. Als LGD (Loss Given Default) wird eine Größe von 45 Prozent (bei vorrangigen Darlehen) beziehungsweise 75 Prozent (bei nachrangigen Darlehen) für Kredite ohne Sicherheit vorgegeben. Der LGD ist der prozentuale Anteil eines Kredits, den eine Bank tatsächlich verliert, wenn der Kredit ausfällt; also der ökonomische Verlust. Für die Restlaufzeit (M) wird pauschal ein Zeitraum von 2,5 Jahren angenommen (vgl. Behr/Fischer, Basel-II und Controlling, 2005, S. 44). Im Wesentlichen unterscheiden den Fortgeschrittenen-IRB-Ansatz (auf internen Ratings basierend) von dem einfachen IRB-Basisansatz, dass Kreditinstitute zur Bestimmung der Eigenkapitalunterlegung auf ihre internen Schätzungen aller Risikoparameter zurückgreifen. Diese Schätzmethodik ist allerdings mit einem erhöhten Aufwand und darüber hinaus mit großen Anforderungen an den Datenhaushalt einer Bank verbunden. Dem gegenüber steht eine genauere und dadurch gegebenenfalls geringere Berechnung der Eigenkapitalunterlegung. Wichtig ist, dass für alle Schuldnerkategorien grundsätzlich ein einheitlicher Ansatz zu wählen ist. Nachfolgend sind die zentralen Unterschiede zwischen den beiden IRB-Ansätzen nochmals zusammengefasst: Risikoparamter
Basisansatz
PD (Ausfallwahrscheinlichkeit)
Von der Bank auf Basis interner Ein- Von der Bank auf Basis interner schätzungen ermittelt Einschätzungen ermittelt
Fortgeschrittener Ansatz
EAD (Kredithöhe zum Zeitpunkt des Ausfalls)
Aufsichtliche Werte nach Vorgaben des Ausschusses
Von der Bank auf Basis interner Einschätzungen ermittelt
LGD (Ausfall-quote)
Aufsichtliche Werte nach Vorgaben des Ausschusses
Von der Bank auf Basis interner Einschätzungen ermittelt
M (Restlaufzeit)
Aufsichtliche Werte nach Vorgabe des Ausschusses oder Nach nationalem Ermessen von der Bank auf Basis interner Einschätzungen ermittelt (wobei bestimmte Kredite ausgenommen werden können)
Von der Bank auf Basis interner Einschätzungen ermittelt (wobei bestimmte Kredite ausgenommen werden können)
Bäumler
§ 36 Kreditrating
1111
VI. Ausnahmeregelungen für Retailportfolios. Für Forderungen, die dem Retailportfolio zugeordnet werden, müssen Banken die Riskoparameter PD, EAD und LGD bei Verwendung eines IRB-Ansatzes immer selbst schätzen. Bei diesen Forderungen wird also nicht zwischen einem Basis- und einem fortgeschrittenem Ansatz unterschieden. Nicht erforderlich ist hingegen eine explizite Schätzung der Restlaufzeit (M). Basel-II enthält noch zahlreiche weitere Erleichterungen für das Retailgeschäft, auf die hier aber nicht näher eingegangen wird.
12
C. PD-Ermittlung
13
Für die Berechnung der Eigenkapitalunterlegung in den Basel-II-IRB-Ansätzen ist eine anzahlbezogene PD erforderlich, die auf Grundlage historischer Daten bestimmt wird. Die Länge der zu Grunde gelegten Beobachtungsperiode für die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit muss mindestens fünf Jahre betragen. Zusätzlich muss die PD einen Sicherheitszuschlag beinhalten, der in Beziehung zur möglichen Fehlerspannbreite steht; des Weiteren muss sie aber in jedem Fall 0,03 Prozent betragen. Eine Ausfallwahrscheinlichkeit einer bestimmten Ratingklasse von 3 Prozent bedeutet nichts anderes, als dass von 100 Forderungen, die in diese Ratingklasse eingeordnet sind, innerhalb eines Jahres durchschnittlich drei ausfallen. I. Scoring. Um nun im weiteren Verlauf die Ausfallwahrscheinlichkeit aller Forderungen bestimmen zu können, werden die Kreditnehmer im ersten Schritt mit Hilfe des sog. Scorings in unterschiedliche Bonitätsklassen eingeteilt. Scoring ist dabei eine Weiterentwicklung der bislang manuellen Prüfung der Bonität eines Kunden hin zu einer – in der Unternehmensfinanzierung bereits bewährten Form der technisch unterstützten Bonitätsbewertung. Grundidee eines Scoringverfahrens ist, auf Grundlage der im Rahmen der Kreditberatung erhobenen Daten aller Kreditnehmer ein statistisches Modell für Prognose des Kreditausfalls zu entwickeln. Vom Ergebnis dieses Modells hängt dann im Einzelfall ab, ob der Kunde kreditwürdig ist und wie viel Eigenkapital die Bank für die ausgegebene Summe hinterlegen muss. Es ist daher nahezu zwangsläufig, dass die in hohem Grad variierenden Kreditrisiken nunmehr verstärkt Eingang in die bankbetriebliche Preiskalkulation bei der Kreditvergabe finden. In der Vergangenheit bestimmte die Bonität des Kunden hingegen nur, ob ein Kredit überhaupt vergeben wurde oder nicht. So wird beispielsweise im Versicherungsbereich eine Form von Scoring schon lange Zeit genutzt, wie es am Beispiel der Prämienberechnung für eine Kfz-Versicherung deutlich wird. Jeder Autofahrer zahlt einen individuellen Beitrag für seine Versicherung. Diese Prämie bemisst sich nach verschiedenen Kriterien, die der Versicherung eine Indikation zum individuellen Risiko des Versicherungsnehmers geben. Zu diesen Kriterien zählen z. B. Fahrpraxis (Teilnahme an Fahrsicherheitstrainings), Anzahl der Schadensfreiheitsjahre und die geplante jährliche Fahrleistung. Fährt der Autofahrer schon lange unfallfrei oder ist die jährliche Kilometerleistung niedrig, muss er eine geringere Prämie zahlen als ein Vielfahrer, der möglicherweise zudem in der Vergangenheit schon mehrere Unfälle verursacht hat. Ein weiteres (Hilfs-) Kriterium kann z. B. das Alter sein. So ist der KfzVersicherungsbeitrag bis zu einem Alter von Mitte oder Ende 20 häufig höher, da bei jüngeren Versicherten statistisch gesehen das Risiko eines Versicherungsfalls größer ist. Letztlich werden also Kunden, deren Eigenschaften aufgrund relevanter statistischer Erkenntnisse auf ein ähnliches Risikoprofil schließen lassen, in eine homogene Klasse (Cluster) zusammengefasst. Eine Beurteilung erfolgt ganzheitlich für diese Cluster. Natürlich werden im konkreten Einzelfall auch junge Fahranfänger unfallfrei fahren. Im Vor-
Bäumler
14
1112
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
feld – also zum Zeitpunkt der Prämienberechnung – ist dies jedoch nicht bekannt, sodass wie eben beschrieben Eigenschaften herangezogen werden müssen, die auf – aus vergangenen Erfahrungen ermittelten – Wahrscheinlichkeiten beruhen.
15
Eine solche individuellere Staffelung der Beiträge wird allgemein akzeptiert, denn jeder Versicherungsnehmer muss damit nicht pauschal für das Risiko aller anderen mitzahlen, sondern erfährt eine stärker personenbezogene Bepreisung seines Versicherungsschutzes. Beim Kreditscoring bzw. Kreditrating – die Begriffe werden häufig synonym verwendet – ist es in gewissem Sinne ähnlich. Durch das Scoring im Rahmen der Kreditvergabe soll insgesamt erreicht werden, dass in die Kreditentscheidung eine größere Objektivität einfließt, d. h. das Gewicht einer möglichen subjektiven, beraterabhängigen Bewertung reduziert wird. Der Berater erhält nunmehr quasi auf Knopfdruck eine systemunterstützte Bewertung zur Ausfallwahrscheinlichkeit des konkreten Kredites. Damit soll dieser (Teil-) Aspekt der Kreditentscheidung nicht von der individuellen Tagesform des Beraters, dessen persönlichen Präferenzen oder dessen Bewertung des individuellen Auftretens des Kunden beeinflusst werden. Vielmehr sollen die objektiv greifbaren Informationen des Kunden höheres Gewicht erhalten und durch das systematische Verfahren zu einer zügigeren Kreditentscheidung beitragen. Dabei ermöglicht der Einsatz eines innerhalb der Bank einheitlichen Scoringverfahrens, dass in die Kreditentscheidung ein Vielfaches an Erfahrungswerten aus der Vergangenheit einfließen kann. So wird im Vergleich mit den anonymisierten Daten früherer Kreditverträge von der Bank eine Ausfallwahrscheinlichkeit für die Zukunft prognostiziert, welche in die Kreditentscheidung als Teilaspekt mit einfließt. Mitunter werden Bedenken vorgetragen, dass im Rahmen des Scorings sensible Daten abgefragt werden, mit denen die Bank den Kunden „ausforschen“ will. Diese Bedenken können zweifelsfrei ausgeräumt werden, da im Rahmen des Ratingverfahrens ausschließlich Parameter erfragt werden, die eine Aussagekraft über das Risiko der Nichtrückzahlung des Kredites haben. Sonstige nicht kreditrelevante Daten über den Kunden werden im Rahmen des Scorings nicht berücksichtigt. Die Erhebung und Nutzung besonders sensibler personenbezogener Daten ist sogar gesetzlich untersagt, unabhängig davon, ob eventuell statistische Gründe für eine Relevanz hinsichtlich der Bonitätsbewertung Beispiele relevanter Daten für das sprechen könnten. Dies betrifft z. B. die Kredit-Scoring: ethnische Herkunft, politische Meinungen, personenbezogene Daten: religiöse Überzeugungen oder eine Ge– Anzahl der Personen im Haushalt werkschaftszugehörigkeit. – Familienstand In der separaten Übersicht sind beispielhaft – Berufsgruppe und Branche einige Daten aufgeführt, die im Scoring beeinkommensbezogene Daten: rücksichtigt werden. Dabei ist festzuhalten, – Höhe der Gesamteinkünfte (z. B. Eindass die Ausprägungen der einzelnen Parakommen, Kapitaleinkünfte, Mieteinmeter mit unterschiedlicher Gewichtung in nahmen) das Scoring eingehen; so haben z. B. die kundenbezogene Daten: einkommensbezogenen Daten ein höheres – bisheriges Zahlungsverhalten Gewicht. Das Scoringergebnis ergibt sich aber immer aus der Kombination aller zu produktbezogene Daten: Grunde gelegten Daten. Kommt es im un– Kreditbetrag günstigen Fall zu einer Ablehnung des Kre– Verwendungszweck ditantrages, so ist dies in der Regel auf ein externe Kundeninformationen: Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu– Schufa-Daten rückzuführen.
Bäumler
§ 36 Kreditrating
1113
Die Qualität des Scoringergebnisses wird von der Richtigkeit und der Qualität der erfassten Kundendaten bestimmt. Je aktueller und umfassender die Daten sind, die der Kreditnehmer seiner Bank zur Verfügung stellt, desto individueller und präziser kann die Bewertung der Bonität des Kunden erfolgen. Um die Systeme auf einem aktuellen Standard zu halten, unterliegen die Ratingverfahren einer kontinuierlichen Überprüfung und Verbesserung. II. Kreditausfall. Um für die jeweilige Bonitätsklasse eine Ausfallwahrscheinlichkeit zu errechnen, muss zunächst der Kreditausfall definiert werden. Der Kreditausfall im Hinblick auf einen spezifischen Schuldner gilt als gegeben, wenn mindestens eines der folgenden Ereignisse eingetreten ist: 1. Die Bank geht davon aus, dass der Schuldner seinen Kreditverpflichtungen gegenüber der Bankengruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in voller Höhe nachkommen wird, ohne dass die Bank auf Maßnahmen wie beispielsweise die Verwertung von Sicherheiten (soweit vorhanden) zurückgreift. 2. Eine wesentliche Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber der Bankengruppe ist mehr als 90 Tage überfällig. Überziehungen werden als überfällig betrachtet, wenn der Kreditnehmer ein zugesagtes Limit überschritten hat oder ihm ein geringeres Limit als die aktuelle Inanspruchnahme mitgeteilt wurde (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel-II, 2004, S. 106).
16
Als Hinweise auf die drohende Zahlungsunfähigkeit gelten: 1. Die Bank verzichtet auf die laufende Belastung von Zinsen. 2. Die Bank bucht eine Wertberichtigung oder Abschreibung auf Grund einer deutlichen Verschlechterung der Kreditqualität seit der Hereinnahme des Kredits. 3. Die Bank verkauft die Kreditverpflichtung mit einem bedeutenden bonitätsbedingten wirtschaftlichen Verlust. 4. Die Bank stimmt einer unausweichlichen Restrukturierung des Kredits zu, die voraussichtlich zu einer Reduzierung der Schuld durch einen bedeutenden Forderungsverzicht oder Stundung führt (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel-II 2004, S. 106). III. Ausnahmeregelungen hinsichtlich Parallelkrediten. Für Retailkredite kann die Ausfalldefinition auf der Ebene einer bestimmten Forderung statt auf der Ebene eines Kreditnehmers angewandt werden. Wenn entsprechend vorgegangen wird, bedeutet der Ausfall einer Forderung gegenüber einem Kreditnehmer nicht, dass alle anderen Forderungen der Bankengruppe an diesen Kunden ebenfalls als ausgefallen zu behandeln sind (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel-II, 2004, S. 107).
17
IV. Beispiel einer PD-Schätzung für Ratenkredite einer Retailbank. Die Schätzung der PD für Ratenkreditforderungen erfolgt auf Grundlage von Forderungspools. Die Zuordnung von Ratenkreditforderungen zu Forderungspools zur Schätzung der PD erfolgt hauptsächlich auf Grundlage der Bonitätsklasse, welcher die Forderung zugeordnet ist, sowie ggf. weiterer Parameter. Die Zuordnung von Forderungen zu Bonitätsklassen erfolgt auf Grundlage des Scores der Forderung, welche diese durch das Scoringverfahren zugewiesen bekommen hat. Für die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit werden alle relevanten Daten in einem Datawarehouse gespeichert. Grundlage für die Schätzung bilden Ausfallraten, die in der Datenbasis in überlappenden 12-Monats-Perioden (t=1 bis t=49) beobachtet werden. Dabei wird auf eine Datenbasis der vorangegangenen fünf Jahren zurückgegriffen. Zur Schätzung werden die ermittelten Ausfallraten der überlappenden 12-Monats-Perioden
18
Bäumler
1114
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
gemittelt und so die PD des jeweiligen Pools abgebildet. Als Sicherheitszuschlag wird die Standardabweichung der PD-Schätzung verwendet.
01.01.2005
01.01.2006
01.01.2007
01.01.2008
01.01.2009
01.01.2010
t=1 t=2 t=3
t=47 t=48 t=49
AR1 AR2 AR3
Die grundlegende Methodik der Messung einer Ausfallrate für eine bestimmte Grundgesamtheit von Fällen (Forderungen) basiert darauf, dass zu Beginn des Beobachtungszeitraums die Fälle des Forderungspools in einer Grundgesamtheit und am Ende des Beobachtungszeitraums die in dieser Grundgesamtheit neu eingetretenen Ausfälle ausgezählt werden. Die realisierte Ausfallrate (ARt) der 12-Monats-Perioden ist der Quotient aus der Anzahl der Ausfälle (At) und der Anzahl der Fälle in der Grundgesamtheit (GGt): ARt = At / GGt Die Verdichtung der Einzelmessungen je Beobachtungszeitraum auf eine PD-Schätzung, die für jeden Forderungspool separat durchzuführen ist, erfolgt, indem alle Ist-Ausfallraten aus den rollierend gebildeten 12-Monats-Beobachtungszeiträumen gemittelt und so die jeweilige PD0 pro Pool abbildet.
PD0 =
∑ AR 49
t
t =1
49
Als Sicherheitszuschlag (ε) wird die Standardabweichung der 12-Monats-Perioden verwendet.
∑ ( AR − PD ) 49
ε=
t =1
2
t
0
49 − 1
Die Summe aus PD0 und ε ergibt die Ausfallrate (PD), die für jeden Forderungspool bzw. separat berechnet wird.
PD = max{PD0 + ε ;0,03%} 19
V. Wiedergesundungen. Gelangt das Kreditinstitut zu der Auffassung, dass die Referenzdefinition auf eine als ausgefallen eingestufte Forderung nicht mehr zutrifft, so beurteilt es den Schuldner in der gleichen Weise wie bei einer nicht ausgefallenen Forderung. In bestimmten Fällen wird eine ausgefallene Forderung als wieder „lebend“ behandelt und geht nicht mehr als Ausfall in die PD-Schätzung ein. Dies kann z.B. sein, wenn folgende Kriterien kumulativ erfüllt sind: 1. eine aktuelle Kündigung bzw. Insolvenz liegt nicht vor, 2. das Datum der letzten Ratenplanänderung liegt mindestens zwölf Monate zurück,
Bäumler
§ 36 Kreditrating
1115
3. der Zeitpunkt des Ausfalls liegt mindestens zwölf Monate zurück und die Forderung wurde seit dem vertragskonform bedient. Sollte die Ausfalldefinition später wieder zutreffen, so ist von einem erneuten Ausfall auszugehen und die Forderung geht wieder als Ausfall in die PD-Schätzung ein. VI. Schematische Darstellung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Ein geeignetes Ratingsystem zur Verwendung für den IRB-Ansatz weist solide Risikosteuerungs- und Risikoeinstufungssysteme auf. Insbesondere das Verfahren zur Zuordnung von IRBA-Positionen zu Risikopools muss eine aussagekräftige Risikodifferenzierung gewährleisten, eine Gruppierung von hinreichend homogenen IRBA-Positionen sicherstellen und korrekte und konsistente Schätzungen von Verlustmerkmalen auf Ebene des Risikopools ermöglichen.
20
Es ist letztlich nicht entscheidend, ob die Kurve genauso verläuft wie dargestellt. In einem geeigneten Scoringsystem wird aber die Ausfallwahrscheinlichkeit je Forderungspool stetig zunehmen. PDo
Sicherheitszuschlag
60,000%
Ausfallwahrscheinlichkeit
50,000%
40,000%
30,000%
20,000%
10,000%
0,000% 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
PD-Pool
D. EAD-Ermittlung
21
Der EAD ist die erwartete Höhe einer Forderung zum Zeitpunkt des Ausfalls. Dabei bestimmt sich die Höhe sowohl von bilanziellen (als auch von außerbilanziellen) Forderungen vor Einzelwertberichtigungen oder Teilabschreibungen. Für bilanzielle Forderungen gilt, dass das verwendete EAD nicht geringer sein darf als der aktuell in Anspruch genommene Kreditbetrag. Für Ratenkredite wird i.d.R kein aufwändiges Verfahren zur Bestimmung des EAD eingesetzt, da Ratenkredite keine außerbilanziellen Forderungsanteile besitzen. Es kann nicht zu Inanspruchnahmen über den aktuellen bilanziellen Buchwert der Forderung hinaus kommen. Der EAD entspricht daher dem bilanziellen Buchwert der Forderung, d.h. dem Nettokreditbetrag zum Zeitpunkt des Ausfalls. I. Exkurs: EAD-Ermittlung für außerbilanzielle Forderungen. Anders als bei bilanziellen Forderungen wird bei außerbilanziellen Geschäften in Form von Kreditzusagen der Forderungsbetrag bei Vertragsbeginn nicht festgelegt; stattdessen wird eine maximale Kredithöhe vereinbart, die vom Kreditnehmer in Anspruch genommen werden kann. Auch für offene Kreditlinien, etwa von Girokonten, ist gemäß Basel-II ein EAD zu bestimmen, der die zukünftige Inanspruchnahme des zugesagten Kredits berücksichtigt. Da-
Bäumler
22
1116
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
für ist zu schätzen, welchen Anteil der offenen Linie ein Kunde bis zum Ausfall noch in Anspruch nehmen wird. Dieser Faktor wird als Kreditumrechnungsfaktor (Credit Conversion Factor, CCF) bezeichnet. Bei einem Wert CCF=100% wird also angenommen, dass in der Zukunft gekündigte Girokonten die heute zugesagte Linie vollständig ausnutzen, nicht jedoch überschreiten. Die Überziehung über die heute zugesagte Linie hinaus würde in einem CCF größer als 100% resultieren. Durch Multiplikation des CCF mit der noch offenen Linie wird dann der bis zum Kreditausfall zusätzlich in Anspruch genommene Betrag ermittelt. 23
E. LGD-Ermittlung Für die Berechnung der Eigenkapitalunterlegung in den Basel-II-IRB-Ansätzen ist für jeden Kredit die Verlustquote bei Ausfall (LGD) als Höhe des Verlustes in Prozent des EAD zu messen. Hierfür werden wiederum die ausgefallenen Forderungen mit ähnlichen Ausprägungen relevanter Merkmale in Pools eingeordnet. Die Mindestbeobachtungsperiode für LGD-Schätzungen von Retailkrediten beträgt ebenfalls fünf Jahre.
24
I. Ökonomischer Verlust. Grundlage für die Schätzung der LGD ist der sog. ökonomische Verlust. Dieser ist definiert als barwertiger Nettoverlust unter Berücksichtigung aller zukünftigen Kundenzahlungen sowie aller direkten und indirekten Kosten, die durch den Kreditausfall und die nachgelagerten Maßnahmen entstehen. Die LGD ist somit definiert als ökonomischer Verlust einer Forderung dividiert durch den EAD. Somit ist die LGD eine einheitenlose Größe (Prozentwert). Aus den beschriebenen Anforderungen an die Ermittlung des ökonomischen Verlustes ergeben sich drei wesentliche Faktoren, die bei der Ermittlung des geschätzten LGD für ausgefallene Ratenkredite berücksichtigt werden müssen: 1. Bestimmung der Rückflüsse (Recoveries) und Kosten nach Ausfall je Forderungspool. 2. Bestimmung eines Diskontierungszinssatzes zur Verbarwertung auf den Ausfallzeitpunkt. 3. Definition des Betrachtungshorizontes zur Bestimmung des ökonomischen Verlustes. In der nachfolgenden Abbildungen sind alle wesentlichen Komponenten des LGD nochmals zusammengefasst. Zahlungen nach Ausfall
EAD Forderungshöhe zum Zeitpunkt des Ausfalls
Abwicklungskosten
Erlöse aus Sicherheitenverwertung Zinsverlust
LGD
Kapitalverlust
Formal ergibt sich die LGD einer Einzelforderung i bei einer Retailbank grundsätzlich gemäß folgender Formel: Barwert (EZ − K D − K I + WS) LGDIst (i ) = 1 − EAD
Bäumler
§ 36 Kreditrating
1117
Dabei bezeichnet: EAD = den Saldo des Ratenkredits bei Ausfall EZ = alle Zahlungseingänge der Workoutperiode KD = alle direkten Kosten der Workoutperiode KI = alle indirekten Kosten der Workoutperiode WS = den Saldo bei Wiedergesundung (soweit erfolgt). Der Betrachtungszeitraum wird fachsprachlich auch als Workout-Periode bezeichnet. Das Ende dieser Periode ist als die Erreichung eines der folgenden Zustände definiert: 1. Ausbuchung der Forderung, 2. Wiedergesundung der Forderung, 3. Erreichen der festgelegten maximalen Workoutperiode von sieben Jahren ab dem Ausfallzeitpunkt. In Praxis erfolgt die Bestimmung der Rückflüsse in dieser Phase durch die Erfassung aller Buchungen unter dem jeweiligen ausgefallenen Konto in der Basel-II-Datenbank. II. Beispielhafte Berechnung von Bestschätzer- und Downturn-LGD. Zum Ranking der Werthaltigkeit bei ausgefallenen Krediten verwende eine Retailbank beispielsweise ein Inkassoscoringverfahren. Das Inkassoscoring ist ausschließlich auf internen Daten aufgebaut. Ziel des Scorings ist die Beurteilung einer ausgefallenen Forderung nach Werthaltigkeit. Die Einstufung in unterschiedliche Inkassoscoreklassen bildet eine Grundlage für die Poolbildung und Schätzung des LGD.
25
Zusätzlich erfolgt die Zuordnung von Krediten zu Forderungspools auf der Grundlage von Ausfallstatus und Produktmerkmalen. Externe Daten werden für die Forderungspoolbildung der LGD-Schätzung nicht herangezogen. Zur Schätzung der Basel-II-LGD je Forderungspool werden zunächst die jeweiligen Einzel-LGDs gemittelt:
∑ LGD LGD (h ) = Nh
Ist
i =1
0
(i )
Nh
Dabei bezeichnet h den Forderungspools und Nh die Anzahl der in ihm enthaltenen Einzelforderungen. Hierauf wird zur Bestimmung des Downturn-LGD ein Risikoaufschlag addiert, welcher der Standardabweichung S(h) der LGDs in dem Forderungspool entspricht. Formal heißt das:
∑ (LGD (i) − LGD (h)) −1 144444N24 44443 2
LGDDownturn ( h) = LGD0 (h) +
Ist
0
h
S (h)
III. Aufsichtlich zu verwendende LGDs. Bei der Ermittlung des Risikogewichts einer Forderung im IRB-Ansatz wird für den zu verwendenden LGD-Wert zwischen lebenden und ausgefallenen Forderungen unterschieden. Für lebende Forderungen ist nach dem Vorsichtsgebot der Downturn-LGD anzusetzen, da hier im Hinblick auf die Schätzung des ökonomischen Schadens durch einen Ausfall noch eine relativ hohe Unsicherheit besteht. Für ausgefallene Forderungen wird hingegen vereinfacht gesprochen der mittlere LGD, der in diesem Kontext auch als Bestschätzer bezeichnet wird, verwendet.
Bäumler
26
1118
Kap. II – Kredit und Kreditsicherheiten
LGDBestschätzer (h) = LGD0 (h ) Tatsächlich ist die LGD-Berechnung für ausgefallene Forderungen etwas differenzierte vorzunehmen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird aber hier auf eine Darstellung der Feinheiten verzichtet. 27
F. Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung Die Eigenkapitalunterlegung eines Kreditinstitutes, das den IRB-Ansatz anwendet wird hier schematisch und nur für das Kreditrisiko lebender Forderungen dargestellt. Die genaue Definition ist in der Solvabilitätsverordnung, Abschnitt 4 beschrieben. Im Unterschied zur früheren Regelung Basel-I ist nicht mehr nur die Schuldnerkategorie maßgeblich für die Höhe der Eigenkapitalunterlegung einer Forderung, sondern jeder Kreditnehmer wird individuel beurteilt. So kommt es zu verschiedenen Eigenkapitalanforderungen auch innerhalb einer Schuldnerkategorie. In die Berechnung des Risikogewichts einer Retailfoderung gehen die drei vorher geschätzten Risikoparameter ein. Hierfür werden die für alle Kunden die jeweils zutreffenden Forderungspools miteinander kombiniert und das Resultat mit 8 Prozent Eigenkapital unterlegt. Ein Kredit mit einem EAD von EUR 10.000 und einem Risikogewicht von 100 Prozent wird somit weiterhin mit EUR 800 Eigenkapital unterlegt, bei einem Risikogewicht von 90 Prozent aufgrund einer besseren Bonität hingegen mit EUR 720.
Eigenkapitalanforderung
=
EAD
X
Risikogewicht
PD*
X
Solvabilitätskoeffizient (8%)
LGD
*Auf eine Berücksichtigung der Assetkorrelation zur Bestimmung des Risikogewichtes wurde verzichtet. Diese wird von der PD beeinflusst und beschreibt die Abhängigkeit von Ausfällen innerhalb eines Forderungspools.
28
G. Abschließende Würdigung Insgesamt zeigt sich, dass die Implemtierung des IRB-Ansatzes im Retailbanking trotz der für dieses Geschäftsfeld geltenden Vereinfachungen im Kern einer unfassenden Datenhaltung und einer methodisch fundierten Auswertung dieser Daten mittels statistischer Klassifikationsverfahren bedarf. Für eine Bank ist sie daher mit erheblichen Kosten verbunden, bringt aber auch einen substantiellen Nutzengewinn für die Risikosteuerung und eine intelligente Preisgestaltung. Zum einen erhält die Bank ein klareres Bild vom unter Risikogesichtspunkten erforderlichen Eigenkapitalbedarf und kann sich so krisensicher aufstellen. Zum anderen wird es ihr durch eine differenziertere Preisgestaltung möglich, insbesondere bonitätsstarke Kunden zu akquirieren und so ein gesundes Gesamtportfolio aufzubauen. Wettbewerber mit einer schwächer ausgeprägten Kompetenz im Risikomanagement werden hingegen mit-
Bäumler
§ 36 Kreditrating
1119
telfristig über adverse Selektion überdurchschnittlich risikobehaftete, nicht adäquat mit Eigenkapital unterlegte Kundenstämme aufweisen. Vor diesem Hintergund sind aus gesamtgesellschaftlicher Sicht eine höhere Verbreitung von IRB-Ansätzen und eine risikoorientierte Bepreisung von Krediten wünschenswert.
Bäumler
“This page left intentionally blank.”
112
Kapitel III Konto und Zahlungsverkehr
Derleder
“This page left intentionally blank.”
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1123
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
Schrifttum Armbrüster, Antidiskriminierungsgesetz – ein neuer Anlauf, ZRP 2005, 41; Bachmann, Kontrahierungspflichten im privaten Bankrecht, ZBB 2006, 257; Berresheim, Kontrahierungszwang der Kreditwirtschaft für Girokonten aufgrund von Selbstverpflichtungserklärungen, ZBB 2005, 420; Boemke, Kontenkündigung als Sittenverstoß, JuS 2001, 444; Kündigung von NPD-Konten und § 138 BGB, NJW 2001, 43; Bork, Schenkungsvollzug mit Hilfe einer Vollmacht, JZ 1988, 1059; P. Bydlinski, Bemerkungen zum Regierungsentwurf eines Überweisungsgesetzes, WM 1999, 1046; Canaris, Die Problematik der AGB-Kontrolle von Postenpreisen für Buchungsvorgänge auf Girokonten, WM 1996, 237; Derleder/Metz, Die Nebenentgelte der Banken, ZIP 1996, 573 und 621; Eicholt, Nochmals: Kündigung von NPD-Konten, NJW 2001, 1400; Ehmann/Hadding, EG-Überweisungs-Richtlinie und Umsetzung, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 3; Gößmann/van Look, Die Banküberweisung nach dem Überweisungsgesetz, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1; Grüneklee, Der Kontrahierungszwang für Girokonten bei Banken und Sparkassen 2001; Hadding, Zum grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr nach deutschem Recht, in: Hadding/Schneider, Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung 1992, 13; Horn, Die richterliche Kontrolle von Entgeltklauseln nach dem AGB-Gesetz am Beispiel der Kreditwirtschaft, WM 1997, Sonderbeil. Nr. 1; Jacoby, Die Tilgung der Bestattungskosten vom Nachlasskonto, WM 2003, 368; Kaiser, Der Kontrahierungszwang beim Girokonto in Europa, VuR 2000, 335; Kindler, Entgeltklauseln in der Kreditwirtschaft, in: Bankrechtstag 2001: Entgeltklauseln in der Kreditwirtschaft und E-Commerce von Kreditinstituten, 2002, 1; Klamt/Koch, Das neue Überweisungsgesetz, NJW 1999, 2776; Das neue Überweisungsrecht, DB 1999, 943; Klein, Zum Verlangen minderjähriger Kinder, den Guthabensbetrag eines auf sie lautenden Kontos auf ein Konto ihrer Eltern zu überweisen, BKR 2004, 180; Koch, Das Girokonto für jedermann – ein altes Problem in neuem Licht, WM 2006, 2242; Köndgen, Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1992 – 1995, NJW 1996, 558; Bankgebühren – Ökonomie und Recht kreditwirtschaftlicher Entgeltgestaltung, ZBB 1997, 117; Das neue Recht der Banküberweisung…und die heimliche Aushöhlung des AGB-Gesetzes, ZBB 1999, 103; Kothe, Das Girokonto für jedermann im Licht der Rechtsgeschäftslehre, FS Derleder 2005, 405; Kuchinke, Das versprochene Bankguthaben auf den Todesfall und die zur Erfüllung des Versprechens erteilte Verfügungsvollmacht über den Tod hinaus, FamRZ 1984, 109; Kunkel, Das junge Konto – Minderjährigenschutz im Rahmen des Girovertrages, Rpfleger 1997, 1; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2001; Lange/Werkmüller, Der Erbfall in der Bankpraxis 2002; Lehnhoff, Die Kontofähigkeit (insbesondere) der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, FS Hadding 2004, 935; Meder, Annahme durch Schweigen bei Überweisungsvertrag und Gutschrift, JZ 2003, 443; Mülbert, Der Kontovertrag als bankgeschäftlicher Vertragstypus, FS Kümpel 2003, 395; Selbstverpflichtungen zu künftigem Verhalten, FS Konzen 2006, 561; Reifner, Bargeldloser Zahlungsverkehr und Diskriminierungsverbot, JZ 1994, 454; Das Recht auf ein Girokonto, ZBB 1995, 243; M. Roth, Der allgemeine Bankvertrag, WM 2003, 480; Schimansky, Irreführung des Bankkunden durch Kontostandsauskunft am Geldautomaten?, BKR 2003, 179; Schulz, Das neue Recht der Banküberweisung, ZBB 1999, 287; Segna, Anspruch auf Einrichtung eines Girokontos aufgrund der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“?, BKR 2006, 274; Steppeler, Der Rechtsrahmen für Bankenentgelte, WM 2001, 1176; Werkmüller, Bankrechtliche Probleme der Vor- und Nacherbschaft, ZEV 2004, 276; Zimmermann, Die Vorsorgevollmacht im Bankgeschäft, BKR 2007, 226. Inhaltsübersicht A. Girogeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Zahlungs- und Abrechnungsverkehr . . . . . . 2 B. Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Die Neuregelung des § 676f BGB. . . . . . . . 5 II. Der Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Zustandekommen und Form . . . . . . . . . 8 3. Kontrahierungszwang für Giroverträge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4. Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 13
III. Die girovertraglichen Pflichten. . . . . . . . . 1. Pflichten des Kreditinstituts. . . . . . . . . 2. Pflichten des Kunden. . . . . . . . . . . . . . IV. Beendigung des Girovertrages . . . . . . . . . 1. Aufhebungsvertrag und Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tod und Geschäftsunfähigkeit . . . . . . . C. Kontoeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Bedeutung . . . . . . . . . . . .
Singer
17 17 24 26 26 28 29 30 30 30
1124
II.
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
2. Pflichten des kontoführenden Kreditinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweiskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontoinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontofähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung des Kontoinhabers . . . . . 4. Öffentlich-rechtliche Identifizierungspflichten . . . . . . . . . . .
III. Vertretungs- und Verfügungsmacht über das Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . 3. Transmortale und postmortale Vollmachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 32 33 33 34 35
39 39 42 44
38
Stichwortverzeichnis Abrechnungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 4 Allgemeiner Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz . . . . . . . . . 12 Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 f. Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 31 Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bankkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Bankvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Barauszahlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 18 – Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – an Vertreter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Bareinzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 18 – Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Beleidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Bestattungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Betreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Direktbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ec-Karte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 18 Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 f. Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 44 ff. Fälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 39 Fehlbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 31 Geldausgabeautomat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 f. Geldwäschegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Gemischttypischer Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Generalermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Gesamtvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Geschäftsunfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 29 Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 ff. Girokonten-Sondermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 Giroverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 ff. – Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – Abschlusspflicht s. Kontrahierungszwang – Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 – Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – und Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 26 f. – Leitbild. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 – Nachwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 30 – Störung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 – Teilkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 – weitergeleitete Angaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 f. – Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 27
Identitätsprüfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 22 f. Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Insichgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Insolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Jugendkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 20 – Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 47 – Auszug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 31 – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 30 – Beweiskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Bezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 ff. – Deckung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Eröffnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 ff. – Inhaber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 ff. – für Jedermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 f. – Kontrollpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 24, 26, 31 – Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Sperre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 – Trennungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Überziehung . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff., 15, 23 f., 40 – Verhältnis zum Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kontoauszugsdrucker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 31 Kontofähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Kontoforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kontokorrent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Kontovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kontovollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 39 ff. – postmortale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ff. – Widerruf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff., 21, 27 Korrespondenzbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 24 Kreditgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 20, 40 Lastschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 18, 24 Lorokonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Massengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Minderjährigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 ff., 36 Nacherbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Nachlassverwalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Nostrokonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 NPD-Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 21, 27 Nummernkonto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Online-Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 23 Pfändung s. Konto Pflichten – des Kreditinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 ff., 31 – des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 f. Plus-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 31
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
Scheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 24, 40 Schenkung – Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 – unter Lebenden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 – von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Schweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Scientology . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Selbstverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. Sichteinlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Skontration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Sonderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 36 Sparkasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff., 26 f. Überweisung – Fälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – grenzüberschreitende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 – Mitteilungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – vom Konto der Kinder auf das der Eltern . . . 39, 43 Überweisungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 6
1125
Überweisungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 21 Unterschriftsprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Tagessaldo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Trennungstheorie s. Konto Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 44 Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Unregelmäßige Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Verdachtsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 ff. – Missbrauch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ff., 46 Verwahrungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Vorerbenkonto-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Vormundschaftsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Vorsorgevollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Werbeaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 f. Zentraler Kreditausschuss (ZKA) . . . . . . . . . . . .10 f. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 f., 20
A. Girogeschäft
1
I. Definition. Das Girogeschäft gehört zu den aufsichtspflichtigen Bankgeschäften (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG) und beinhaltet nach der gesetzlichen Definition die „Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs“. Rechtliche Grundlage ist der Abschluss eines formularmäßigen Girovertrages, dessen Mindestinhalt § 676f BGB bestimmt (Rn. 15). Der Begriff „Giro“ stammt aus dem Italienischen und kennzeichnet den beim bargeldlosen Zahlungsverkehr entstandenen „Kreislauf“ des Geldes (Kümpel 4.3.; zu den lateinisch-griechischen Wurzeln des Begriffs und der Geschichte des Girogeschäfts vgl. Schwintowski/Schäfer, § 7 Rn. 1). II. Zahlungs- und Abrechnungsverkehr. Die Übertragung von Buchgeld setzt voraus, dass sowohl Zahlender als auch Zahlungsempfänger über ein Konto verfügen. Der Geldtransport erfolgt durch Einschaltung der kontoführenden Kreditinstitute, die im Rahmen der girovertraglichen Beziehungen zu den Kontoinhabern (§ 676f BGB) tätig werden. Während das Konto des Überweisenden mit einem Aufwendungsersatz- oder Vorschussanspruch der Schuldnerbank belastet wird (§§ 669, 670 BGB), erlangt der Zahlungsempfänger im Regelfall eine Gutschrift auf seinem Konto, zu deren Erteilung das Kreditinstitut des Begünstigten verpflichtet ist (§§ 676f, 676g BGB). Je nach Sachlage kann sich aus dem „magischen Viereck“ der beteiligten Parteien (Schön, AcP 198, 1998, 407) ein Drei- oder Mehreck entwickeln. Bei der Haus- oder Filialüberweisung ist die Bank des Überweisenden zugleich Empfängerbank, während im außerbetrieblichen Zahlungsverkehr neben den kontoführenden Instituten mindestens ein weiteres Kreditinstitut als Korrespondenz- oder Zwischenbank beteiligt ist (§ 676a Abs. 1 Satz 2 BGB).
2
Im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr bilden sich oftmals ganze Ketten von Korrespondenz- und Zwischenbanken (Hadding 15). Um die Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Kostengünstigkeit grenzüberschreitender Zahlungen zu verbessern, haben der Rat und das Europäische Parlament die Richtlinie 97/5/EG vom 27.1.1997 (ABl. 1997 L 43/25) erlassen, die durch das Überweisungsgesetz vom 21.7.1999 (BGBl. 1999 I 1642) in nationales Recht umgesetzt wurde. Der Gesetzgeber hat sich dabei nicht auf eine Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben beschränkt, sondern das Giro- und Überweisungsrecht auch für das nationale Recht grundlegend neu gestaltet (Rn. 5).
3
Während bei der Filial- oder Hausüberweisung nur interne Buchungen vorgenommen werden können und auch im bilateralen Verkehr zwischen den kontoführenden Kreditinstituten eine einfache Verrechnung über wechselseitig unterhaltene Nostro- und Loro-
4
Singer
1126
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
konten möglich ist, kommt es bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über zentrale Buchungsstellen zu einem komplexen „Abrechnungsverkehr“. Dessen Durchführung gehört zu den Hauptaufgaben der Deutschen Bundesbank. Diese ist als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und sorgt für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland (§ 3 BBankG). In Erfüllung dieser Verpflichtung unterhält die Bundesbank bei den früher als Landeszentralbanken bezeichneten Verwaltungen Abrechnungsstellen, die mit den zugelassenen Kreditinstituten einen Abrechnungsverband bilden. Neben der deutschen Bundesbank unterhalten auch Sparkassen, Kreditgenossenschaften, die Postbank sowie die deutschen Großbanken eigene Gironetze (Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 46 Rn. 17). Da die individuelle, zeitnahe Verrechnung der einzelnen Zahlungsvorgänge voraussetzt, dass auf dem Konto der auftraggebenden Bank ausreichend Deckung vorhanden ist (Brutto-System), und dadurch Liquidität gebunden wird, sind in der Praxis alternative Abrechnungssysteme entwickelt worden, die eine individuelle Liquiditätssteuerung ermöglichen und die Risiken für die Teilnehmer begrenzen sollen (vgl. dazu näher Schimansky/Bunte/Lwowski, § 46 Rn. 9 ff.; zur Risikostruktur der Abrechnungssysteme Langenbucher-Gößmann/Werner, § 7 Rn. 7 ff.). Das bis vor kurzem von der Bundesbank für Großbetragszahlungen verwendete Zahlungssystem RTGSplus wurde 2007 durch das verbesserte TARGET2 System ersetzt und in das von der Europäischen Zentralbank betriebene Zahlungsverkehrssystem integriert. TARGET steht für Trans-European Automated Real-time Gross settlement Express Transfer system und ist das Zahlungssystem der Zentralbanken des Eurosystems für die Abwicklung eilbedürftiger Überweisungen in Echtzeit. Zur Abwicklung nicht eilbedürftiger Zahlungen bietet die Bundesbank ein Abrechungssystem im Elektronischen Massenzahlungsverkehr (EMZ) an, das als Bruttosystem konzipiert ist und daher keine Kreditrisiken für die Empfängerbank birgt. Seit 2003 hat die Bundesbank ihren EMZ an das STEP2-System der Euro Banking Association (EBA) angeschlossen, das der Abwicklung von Euro-Zahlungen zwischen Ländern des EWR (= EU-Staaten plus Island, Liechtenstein und Norwegen) dient. Dabei handelt es sich um Überweisungen bis 50.000 €, die eine gültige IBAN (International Bank Account Number) des Begünstigten, einen gültigen BIC (Bank Identifier Code) der Bank des Begünstigten und den Gebührenschlüssel „SHA“ (shared) beinhalten (detaillierte Informationen über die Abrechnungssysteme bietet die homepage der Deutschen Bundesbank http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr.php). 5
B. Girovertrag I. Die Neuregelung des § 676f BGB. Der Girovertrag bildet die maßgebliche Grundlage für die Einzelgeschäfte des bargeldlosen Zahlungsverkehrs: Überweisungsvertrag (§ 676a BGB; dazu § 43), Zahlungsvertrag (§ 676d BGB) und Gutschrift (§ 676g BGB; dazu § 44). Seit Inkrafttreten (Rn. 6) des Überweisungsgesetzes (Rn. 3) bestimmt § 676f BGB die vertragstypischen Pflichten der Girovertragsparteien: „Durch den Girovertrag wird das Kreditinstitut verpflichtet, für den Kunden ein Konto einzurichten (dazu näher unten Rn. 30 ff.), eingehende Zahlungen auf dem Konto gutzuschreiben und abgeschlossene Überweisungsverträge zu Lasten dieses Kontos abzuwickeln.“ (zu weiteren girovertraglichen Pflichten s. näher unten Rn. 17). Während nach bisherigem Verständnis die Überweisung aufgrund einer girovertraglichen Weisung erfolgte (BGH WM 1991, 797; Canaris, Rn. 320), verlangt § 676a BGB den Abschluss eines Überweisungsvertrages. Da die beauftragte Bank auch für das Handeln zwischengeschalteter Kreditinstitute verantwortlich ist, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt (§§ 676b und 676c BGB), muss diese nach Auffassung des Gesetzgebers Überweisungsaufträge auch ablehnen können (BR-Drucks. 163/99, 23 f.; BT-Drucks. 14/745, 11 f.). Im Schrifttum wird das Be-
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1127
dürfnis für eine umfassende Neukonzeption des Girovertragsrechts bezweifelt, weil man die europarechtlichen Vorgaben (Rn. 3) auch im Rahmen des bisherigen Rechts hätte berücksichtigen können (Ehmann/Hadding, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 3, 10 ff.; Gößmann/ van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 18; früher schon Hadding/Häuser, ZHR 145, 1981, 138 (166 ff.)). Auf Kritik stieß vor allem die Konstruktion der Überweisung als Vertrag gemäß § 676 a BGB, da sie mit der girovertraglichen Verpflichtung zur Ausführung von Überweisungen (Rn. 21) in Konflikt gerate (P. Bydlinski, WM 1999, 1048; Einsele, JZ 1999, 9 (10 f.); Köndgen, ZBB 1999, 103 f.; Wilkens, MDR 1999, 1236 (1237)). Bei interessengerechter Auslegung verpflichtet die Giroabrede freilich nicht zur Annahme eines jeden Angebots (dazu näher unten Rn. 21). Das Überweisungsgesetz (Rn. 3) ist am 14.8.1999 in Kraft getreten, gilt aber gemäß Art. 228 Abs. 2 EGBGB für den inländischen Zahlungsverkehr und Überweisungen in Staaten außerhalb der EG erst seit 1.1. 2002. Da es sich bei dem Giroverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis handelt, ist die Neuregelung gemäß Art. 229 § 5 EGBGB seit 1.1.2003 auch auf alle vorher abgeschlossenen Verträge anwendbar.
6
II. Der Girovertrag. 1. Rechtsnatur. Der Girovertrag bildet einen Unterfall des entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 675 Abs. 1 BGB. Dabei hat die h.M. schon immer den Standpunkt vertreten, dass das Giroverhältnis in erster Linie durch dienstvertragliche Elemente geprägt sei (BGHZ 131, 60 (63); 133, 10 (14); BGH WM 1991, 317 (318); Fischer/Klanten, Rn. 3.8). Werkvertragscharakter besaß aber jedenfalls die Verpflichtung, eingegangene Überweisungen dem Konto des Empfängers gutzuschreiben, so dass der Girovertrag zu Recht als gemischttypischer Vertrag qualifiziert wurde (Canaris, Rn. 315). Davon geht nunmehr auch die Regierungsbegründung zum Überweisungsgesetz und das überwiegende Schrifttum aus (BT-Drucks. 14/745, 12; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 19; Klamt/Koch, NJW 1999, 2776 f.; Palandt-Sprau, § 676f Rn. 1). Allerdings haben die werkvertraglichen Elemente im neuen Überweisungsrecht deutlich an Gewicht gewonnen. So hat die beauftragte Bank bei einer Haus- oder Filialüberweisung den Überweisungsbetrag dem Empfängerkonto gutzuschreiben, und bei der außerbetrieblichen Überweisung ist sie gemäß § 676a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht nur zur Weiterleitung des Betrages verpflichtet, sondern muss diesen dem Kreditinstitut des Begünstigten übermitteln. Im Gegensatz zum früheren Recht schuldet die Bank also insoweit einen Erfolg (BT-Drucks. 14/745, 11; Ehmann/Hadding, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 3, 13; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 10 f. (19); kritisch P. Bydlinski, WM 1999, 1049). Diese Erfolgsbezogenheit der Pflichten aus einem zustande gekommenen Überweisungsvertrag wird zwar dadurch abgeschwächt, dass das Kreditinstitut den Abschluss eines Überweisungsvertrages ablehnen kann, aber nach richtiger Ansicht darf sie dies nur beim Vorliegen eines sachlichen Grundes (Rn. 21).
7
2. Zustandekommen und Form. Der Abschluss des Girovertrages erfolgt nach den allgemeinen Regeln der §§ 145 ff. BGB. Er ist auch bei der Einräumung von Überziehungskrediten (§ 493 BGB) grundsätzlich formfrei (BGH WM 1958, 588 (589)), erfolgt aber schon wegen der Einbeziehung von AGB und der Identitätsprüfung gemäß § 154 AO (Rn. 38) i.d.R. schriftlich (Jauernig-Mansel, § 676f Rn. 4).
8
3. Kontrahierungszwang für Giroverträge? Weil eine bankmäßige Kontoverbindung unverzichtbare Voraussetzung für die Teilnahme am Wirtschaftsleben ist, stellt sich die Frage, ob Kreditinstitute verpflichtet sind, ein „Girokonto für jedermann“ einzurichten. Die Sparkassenverordnungen von gegenwärtig sieben Bundesländern (Fink, WuB I A 2. Nr. 19 AGB-Banken 1993 3.01) sehen weitgehend gleich lautende öffentlich-rechtliche Abschlusspflichten für Sparkassen vor. So bestimmt z. B. § 5 SpKVO M-V (ähnlich
9
Singer
1128
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
z. B. § 8 SpKVO NRW, dazu Günnewig, ZIP 1992, 1670; Reifner, ZBB 1995, 243 (249); kritisch Rohe, ZRP 1995, 260 (262 f.)): „(1) Die Sparkasse ist verpflichtet, für natürliche Personen mit Wohnsitz im Gewährträgergebiet auf Antrag Girokonten zur Entgegennahme von Einlagen zu führen. (2) Eine Verpflichtung zur Führung eines Girokontos besteht nicht, wenn 1. der Kontoinhaber Leistungen bei Kreditinstituten missbraucht hat, 2. das Konto ein Jahr lang umsatzlos geführt wurde, 3. das Konto kein Guthaben aufweist und der Kontoinhaber trotz Aufforderung nicht für Guthaben sorgt, 4. aus anderen wichtigen Gründen die Aufnahme oder Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen der Sparkasse nicht zumutbar ist.“
In Ländern, deren Sparkassenordnungen keine Abschlusspflicht vorsehen (wie z.B. Berlin), ergibt sich ein Kontrahierungszwang für die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und für Kreditinstitute, die sich ausschließlich in öffentlicher Hand befinden – wie früher die Postbank –, aus der unmittelbaren Bindung an den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Wenn solche Institute die Einrichtung eines Girokontos anbieten, dürfen sie gemäß Art. 3 GG nicht sachwidrig differenzieren (Brömmelmeyer, WuB I B 6.-1.04 im Anschluss an BGHZ 154, 146 (149) und BGH NJW 2004, 1031; vgl. dazu auch Rn. 11 und 26 f.). Darüber hinaus verpflichtet § 5 ParteienG Träger öffentlicher Gewalt zur Gleichbehandlung der Parteien bei der Gewährung „öffentlicher Leistungen“; dazu gehört auch die Einrichtung eines Girokontos (OVG Berlin NJW 2004, 3585). Eine vereinzelt gebliebene, drei Jahre zurückliegende Beleidigung der Filialleiterin rechtfertigt jedoch keine Ablehnung des Kunden (LG Berlin WM 2003, 1895). Ob ein sachlicher Grund darin besteht, dass der Antragsteller früher die eingeräumte Kreditlinie ohne Rücksprache erheblich überzogen hat (so AG Nürnberg WM 2005, 1028), ist ebenfalls zweifelhaft, weil die Bank das Konto nur auf Guthabenbasis führen muss (LG Bremen WM 2005, 2137 (2139); Brömmelmeyer, WuB I C 1.- 1.05). 10
Im Jahre 2005 haben die im Zentralen Kreditausschuss zusammengeschlossenen Verbände der Kreditwirtschaft ihren Mitgliedern empfohlen, für jedermann auf Wunsch ein Girokonto einzurichten. Der Kern der Empfehlung hat folgenden Wortlaut (vgl. BTDrucks. 15/2500, S. 8): „Alle Kreditinstitute, die Girokonten für alle Bevölkerungsgruppen führen, halten für jede/ jeden Bürgerin/Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto bereit. Der Kunde erhält dadurch die Möglichkeit zur Entgegennahme von Gutschriften, zu Bareinund -auszahlungen und zur Teilnahme am Überweisungsverkehr. Überziehungen braucht das Kreditinstitut nicht zuzulassen. Jedem Institut ist es frei gestellt, darüber hinausgehende Bankdienstleistungen anzubieten. Die Bereitschaft zur Kontoführung ist grundsätzlich gegeben, unabhängig von Art und Höhe der Einkünfte, z.B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe. Eintragungen bei der Schufa, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse hindeuten, sind allein kein Grund, die Führung eines Girokontos zu verweigern. Das Kreditinstitut ist nicht verpflichtet, ein Girokonto für den Antragsteller zu führen, wenn dies unzumutbar ist. …“
Aus dieser Empfehlung ergibt sich kein individueller Rechtsanspruch auf Abschluss eines Girovertrages, weil der Kreditausschuss lediglich die 5 Spitzenverbände vertritt und nicht die einzelnen Kreditinstitute (Mülbert, WuB I C 1.- 1.06; Berresheim, ZBB 2005, 420 (424); OLG Bremen ZIP 2006, 798 f.; AG Stuttgart WM 2005, 2139; a.A. LG
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1129
Bremen WM 2005, 2137 m. zust. Anm. Derleder, EWiR 2006, 9; ders. schon EWiR 2003, 963 f.). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob Kreditinstitute, die mit der Einführung des „Girokontos für jedermann“ werben, ein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines solchen Girovertrages abgeben. Das hängt vom Inhalt der gemäß §§ 133, 157 BGB aus Sicht des Erklärungsempfängers auszulegenden Erklärung an die Öffentlichkeit ab (Berresheim, ZBB 2005, 420 (425); Bachmann, ZBB 2006, 257 (262)). Im Fall des OLG Bremen verhielt es sich so, dass das Kreditinstitut in seiner Internetpräsentation unter der Rubrik Firmengeschichte für das Jahr 1995 u.a. die „Einführung des ‚Girokonto für jedermann‘“ angeführt hatte. Mit Rücksicht auf diesen Kontext liegt es fern, auf einen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen zu schließen; es handelt sich erkennbar um eine „werbende Anpreisung“ (OLG Bremen ZIP 2006, 798 (799); Segna, BKR 2006, 275 (278)). Anders verhält es sich jedoch, wenn ein Kreditinstitut ausdrücklich erklärt, dass man sich „zur Einhaltung der ZKA-Empfehlung zum Girokonto für jedermann verpflichtet“ habe (so die Wiedergabe der Erklärung bei Kothe, FS Derleder 2005, 405 (411 f.); ders., VuR 2005, 352 f.). Vor allem unter Berücksichtigung des Verständnishorizontes durchschnittlicher Bankkunden sollte man hier nicht an einem Rechtsbindungswillen zweifeln und das Angebot „ad incertas personas“ selbst dann als verbindlich anerkennen, wenn es unter dem konkretisierungsbedürftigen, aber auch konkretisierungsfähigen Vorbehalt der Zumutbarkeit steht. Wer erklärt, sich zu „verpflichten“, befolgt nicht nur eine freiwillige Empfehlung (des ZKA), sondern bedient sich der üblichen Formen, in denen rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben werden (Kothe, aaO.; J. Koch, WM 2006, 2242 (2247 ff.); a.A. Berresheim, ZBB 2005, 420 (425 f.); Mülbert, FS Konzen 2006, 561 (569 f.)). Auf einen Rechtsbindungswillen lässt auch die von der Berliner Sparkasse gegenüber der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen übernommene „Selbstverpflichtung“ schließen, da diese in einer Presseerklärung verlautbart hatte, sie biete „jedem Privatkunden, unabhängig von seiner sozialen Stellung, ein Privatkonto an“ (Derleder, EWiR 2003, 9663 f.; Kothe, aaO. S. 415; a.A. LG Berlin WM 2003, 1895; Segna, BKR 2006, 275 (279 f.)). Abgesehen von solchen ausdrücklichen Selbstverpflichtungen oder verfassungsrechtlichen Bindungen, denen die in öffentlicher Hand befindlichen Institute unterliegen, wird ein Kontrahierungszwang für private Kreditinstitute im Allgemeinen abgelehnt (LG Saarbrücken WM 2001, 1807 (1808); Palandt/Sprau, § 676f Rn. 3; Eicholt, NJW 2001, 1400 (1401)). Bei öffentlich angebotenen Gütern und Leistungen, auf die der Interessent angewiesen ist, besteht zwar grundsätzlich eine Pflicht zum Vertragsschluss, wenn es keine zumutbare Ausweichmöglichkeit gibt und die Ablehnung des Vertragschlusses nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (Staudinger-Bork, BGB, 13. Bearb. 1996, Vorbem zu §§ 145 ff., Rn. 22; Palandt-Heinrichs, Einf v § 145 Rn. 10). Mit Blick auf die Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses von 1995 (oben Rn. 10) ist aber zweifelhaft geworden, ob sich Bankkunden in einer solchen Notlage befinden (Steuer, WM 1998, 439). Die von einem Teil des Schrifttums geäußerte Vermutung, dass nun zumutbare Ausweichmöglichkeiten bestünden, ist aber durch praktische Erfahrungen widerlegt, da nach wie vor Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger Schwierigkeiten haben, ein Konto einzurichten (vgl. LG Saarbrücken WM 2001, 1807), ebenso Kunden, die in der Vergangenheit durch unberechtigte Überziehungen aufgefallen sind oder Kontenpfändungen (dazu § 38 Rn. 60 ff.) ausgesetzt waren (LG Bremen VuR 2003, 350 (351);vgl. auch den Bericht der Bundesregierung zur ungenügenden Umsetzung der ZKA-Empfehlung, BTDrucks. 16/2265; WM 2006, 1650). Da die Versagung eines Girokontos auf Guthabenbasis in solchen Fällen nicht gerechtfertigt ist, sollte man einen Kontrahierungszwang jedenfalls dann annehmen, wenn ernsthafte Bemühungen des Kunden bei einer nennens-
Singer
11
1130
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
werten Anzahl von Kreditinstituten nicht zum Erfolg geführt haben (zustimmend Segna, BKR 2006, 274 (275 Fn. 16); ähnlich Jauernig-Teichmann, § 676f Rn. 4; Reifner, ZBB 1995, 243 ff.; strenger Grüneklee 180 ff.; a.A. Köndgen, NJW 1996, 558 (559); SoergelHäuser/Welter, § 675 Rn. 37). In den Prozessen um die Kündigung von NPD-Konten wurden von den Gerichten allerdings zu Recht hohe Anforderungen an die Substantiierungslast gestellt (OLG Brandenburg NJW 2001, 450 (451 f.); OLG Köln NJW 2001, 452; OLG München NJW-RR 2002, 193 f.; vgl. auch BVerfG NJW 2001, 1413 (1414); Beule, BKR 2002, 139 f.; Eicholt, NJW 2001, 1400), da jedenfalls Sparkassen einem Kontrahierungszwang unterliegen und somit auch für undemokratische Parteien und Gruppierungen Ausweichmöglichkeiten bestehen (Neuner, LMK 2003, 100 (101); Grüneklee 189). Diese „komfortable Situation“, Grundrechtsträger an Auffanginstitutionen „zweiter Wahl“ (Bachmann, ZBB 2006, 257 (264)) weiterreichen zu können, ist Ausfluss der größeren Vertragsfreiheit für Private und daher keine Diskriminierung der öffentlich-rechtlichen Institute. Den Sparkassen droht auch kein Imageschaden, weil sie darauf verweisen können, dass sie aus Rechtsgründen „unliebsame Kunden“ akzeptieren müssen. Die Vertragsfreiheit unterliegt im Privatrechtsverkehr nur dann Einschränkungen zugunsten anderer Grundrechtsträger, wenn den Gesetzgeber oder Richter die Pflicht trifft, deren Grundrechte zu schützen (s.a. Rn. 27). Angesichts der bestehenden Ausweichmöglichkeiten fehlt es jedoch an der Schutzwürdigkeit der NPD und damit an einer Schutzpflicht gegenüber solchen Parteien mit undemokratischer Gesinnung. 12
Die Vertragsfreiheit der Kreditinstitute wird auch durch das am 18.6.2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (BGBl. I S. 1897) eingeschränkt. Dieses verbietet eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität auch beim Zustandekommen eines Girovertrages, da es sich nach richtiger Auffassung um ein Massengeschäft i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, jedenfalls aber um ein Quasi-Massengeschäft gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 AGG handelt (eingehend Bachmann, ZBB 2006, 257, 266 f.). Umstritten ist, ob der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 AGG auch die Verpflichtung zum Abschluss des verweigerten Vertrages umfasst (dafür mit eingehender Begründung MünchKommBGBThüsing, AGG, 5. Aufl. 2007, § 21 Rn. 18 ff.; ebenso Armbrüster, ZRP 2005, 41 (43); Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 6; a.A. Bachmann, ZBB 2006, 257 (266)). Für einen Kontrahierungszwang spricht die wortlautgetreue Anwendung des Gesetzes: Wenn die Diskriminierung in der Verweigerung des Vertragsschlusses besteht, kann die Beseitigung dieser Diskriminierung zwangsläufig nur im Zustandebringen des Vertrages bestehen. Demgegenüber besitzen die rechtspolitischen Äußerungen im „politischen Umfeld“ (Bachmann, aaO.) nicht die erforderliche Klarheit und Eindeutigkeit, um daraus auf den Willen des Gesetzgebers zur Ablehnung eines Kontrahierungszwanges schließen zu können (MünchKommBGB-Thüsing, aaO., Rn. 22).
13
4. Geschäftsfähigkeit. a) Girokonto für Minderjährige. Die Kontoeröffnung bedarf der Einwilligung durch die Eltern als gesetzliche Vertreter, da das Rechtsgeschäft wegen der damit verbundenen Verpflichtungen und Belastungen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist (§§ 107, 108 BGB), auch wenn es als sog. Jugendkonto gebühren- und kostenfrei geführt wird (Kunkel, Rpfleger 1997, 1 (2); Hagemeister, JuS 1992, 839 (840)). Ist der Minderjährige zur Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ermächtigt, ist er gemäß § 113 BGB auch für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt („partiell“) geschäftsfähig, die der Vertragsabwicklung dienen. Dazu gehören die Einrichtung eines Gehaltskontos und Barabhebungen von diesem Konto in Höhe des Gehalts, ferner Überweisungen, die der Bezahlung von Arbeitsmitteln und dgl. dienen, nicht aber die allgemeine
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1131
Teilnahme am Überweisungsverkehr oder die Vereinbarung eines Überziehungskredits (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 30 Rn. 4). Berufsausbildungsverträge fallen nicht unter § 113 BGB, da bei ihnen der Ausbildungszweck überwiegt (Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 113 Rn. 2). Ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters kann der Minderjährige im Übrigen keine Bareinzahlungen, Barabhebungen oder Überweisungen vornehmen, da alle diese Geschäfte mit rechtlichen Nachteilen wie dem Verlust von Eigentum oder dem Erlöschen von Forderungen verbunden sind (Kunkel, Rpfleger 1997, 1 (5)). Um den minderjährigen Kunden eine aktive Nutzung des Kontos zu ermöglichen, sehen die Kontoeröffnungsformulare der Kreditinstitute daher üblicherweise eine Generalermächtigung durch die Eltern vor. Wegen der darin liegenden Gefahr einer Aushöhlung des Minderjährigenschutzes bedarf die Ermächtigung einer inhaltlichen Beschränkung auf einen bestimmten Kreis von Geschäften (BAKred ZIP 1995, 691; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 30 Rn. 7). Für die Überziehung des Kontos genügt nicht einmal die Einwilligung der Eltern, da eine Kreditaufnahme (§ 493 BGB) der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht bedarf (§§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 8 BGB). Aus diesem Grunde können ec-Karten und Kreditkarten an Minderjährige nur ausgegeben werden, wenn die Umsätze ausschließlich über das Konto der Eltern verbucht werden und eine eigene Haftung des Minderjährigen ausgeschlossen ist (Kümpel 3.192). Die Ausgabe von Kundenkarten an Minderjährige setzt voraus, dass bei der Benutzung an Kassen und Geldausgabeautomaten über Online-Verbindungen zu zentralen Rechnern sichergestellt ist, dass nur Guthaben in Anspruch genommen werden (BAKred, ZIP 1995, 694).
14
15
b) Geschäftsunfähigkeit und Betreuung. Bankgeschäfte mit Geschäftsunfähigen sind auch im Falle einer Betreuung gemäß § 1896 BGB mit Unsicherheiten verbunden. An die Stelle der früheren Entmündigung ist der Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB getreten, doch sind die §§ 104 Nr. 2, 105 BGB daneben anzuwenden. Rechtsgeschäfte eines Geschäftsunfähigen bleiben daher auch dann unheilbar nichtig, wenn sie mit Einwilligung des Betreuers vorgenommen worden sind oder zum Kreis der einwilligungsfreien Geschäfte gemäß § 1903 Abs. 3 BGB gehören (Palandt-Diederichsen, § 1903 Rn. 19; Klüsener, Rpfleger 1991, 225 (227)). Kreditinstituten ist daher zu empfehlen, wichtige Rechtsgeschäfte von vorneherein mit dem Betreuer abzuschließen. Verfügungen des Betreuers über das Konto des Betreuten unterliegen gemäß § 1908i i.V.m. § 1812 BGB grundsätzlich der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, die in Form einer allgemeinen Ermächtigung gemäß § 1825 BGB erteilt werden kann. Auszahlungen ohne die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts haben keine befreiende Wirkung gegenüber dem Betreuten. Dieser behält also seine Einlageforderung, während das Kreditinstitut darauf verwiesen ist, die Belastungsbuchung rückgängig zu machen und den Betreuer in Regress zu nehmen (BGH WM 2006, 179 (181)). Beträgt das Guthaben nicht mehr als 3000.- Euro, kann der Betreuer gemäß § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts über das Konto verfügen. Nicht maßgeblich ist die Höhe der Einzelverfügungen (OLG Köln FamRZ 1995, 187 f.; OLG Karlsruhe WM 2001, 1899 f.; Hertel, WuB IV. A. § 1813 BGB 1.01; Palandt-Diederichsen, § 1813 Rn. 3; a.A. AG Emden FamRZ 1995, 1081 f.; AG Herborn FamRZ 1999, 1690 (1692); Wüstenberg, Rpfleger 2005, 177 (179)).
16
III. Die girovertraglichen Pflichten. 1. Pflichten des Kreditinstituts a) Leitbild des Girovertrages. Durch den Girovertrag wird das Kreditinstitut verpflichtet, für den Kunden ein Konto einzurichten, eingehende Zahlungen auf dem Konto gutzuschreiben und
17
Singer
1132
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
abgeschlossene Überweisungsverträge zu Lasten dieses Kontos abzuwickeln (§ 676f Satz 1 BGB). Zu den – vom Gesetzgeber nicht erwähnten – girovertraglichen Pflichten gehören ferner das Scheckinkasso und die Abbuchung von Lastschriften (Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 47 Rn. 7). Eine Kontokorrentabrede (§ 38) ist regelmäßig mit dem Abschluss eines Girovertrages verbunden (vgl. Nr. 7 AGB-Bk), gehört aber nicht zu den zwingenden Erfordernissen (BGHZ 84, 371, 375; vgl. Abschnitt II Nr. 2 Abs. 1 AGB Deutsche Bundesbank). Für die Lehre vom allgemeinen Bankvertrag, durch den sich die Bank im Rahmen der Geschäftsbeziehung zum Abschluss einzelner vom Kunden gewünschter risikoneutraler Geschäfte bzw. zu dessen Schutz und Fürsorge verpflichten soll, fehlt es an einer ausreichenden Grundlage im Willen der Vertragsparteien (BGH NJW 2002, 3695 (3696) im Anschluss an Canaris, Rn. 5 ff.; Balzer, BKR 2002, 1092 (1093 f.); a.A. M. Roth, WM 2003, 480 (482)). Schutz und Fürsorge schuldet das Kreditinstitut im Rahmen des durch den Girovertrag begründeten Schuldverhältnisses (§ 241 Abs. 2 BGB). 18
Weitere Leistungen des Kreditinstituts bedürfen gesonderter Vereinbarung. Wegen der erhöhten Sicherheitsrisiken gilt dies insbesondere für das Kreditgeschäft, die Ausgabe von ec-Karten, die Einziehung von Lastschriften für den Kunden, die Zulassung zum Online-Banking (BGH ZIP 2001, 152 (153); Wiesgickl, WM 2000, 1039 (1043)) und die Nutzung einer Bankkarte mit PIN, die dem Kunden die Bedienung von Bankautomaten ermöglicht (BGH WM 2006, 179 (181)). Für diese Geschäfte gelten gesonderte Bedingungen. Sie können daher unabhängig vom (Fort-)Bestand des Girovertrages unter Einhaltung der Sechswochenfrist des § 19 Abs. 1 S. 3 AGB-Banken ordentlich gekündigt werden (BGH WM 2006, 179 (181); zur unzulässigen Teilkündigung einzelner Elemente des Girovertrages s.u. Rn. 26). Das vom Bundesrat vorgeschlagene Bareinzahlungsrecht wurde nicht Gesetz (vgl. § 676a Abs. 1 S. 3 BGB), weil Direktbanken keine eigenen Geschäftstellen unterhalten (Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/1067, 20). Auch auf eine Regelung der Barauszahlungspflicht hat der Gesetzgeber verzichtet (BT-Drucks. 14/745, 13), obwohl er sie zu den „Basisleistungen“ des Girovertrages rechnet (aaO. 12). In der Tat folgt ein Barauszahlungsanspruch des Kunden daraus, dass mit dem Girovertrag in der Regel eine unregelmäßige Verwahrung verbunden ist und die Bank daher gemäß § 700 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. §§ 695, 697 BGB grundsätzlich zur Herausgabe des geschuldeten Geldbetrages verpflichtet ist (BGHZ 84, 371 (373); 124, 254 (257); 133, 10 (14); BGH NJW 2007, 914 (916); Palandt-Sprau, § 676f Rn. 8). An dieser Rechtslage hat das Überweisungsgesetz nichts geändert (P. Bydlinski, WM 1999, 1046 (1049); abw. Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, S. 19). Ausgeschlossen ist die Barauszahlung allerdings vereinbarungs- und interessegemäß im Giroverkehr mit Direktbanken. Bei einer unberechtigten Kontensperre haftet die Bank grundsätzlich für Schäden, die dem Kunden aus der Vorenthaltung des Guthabens entstehen (OLG Rostock WM 2002, 1602; Batereau, WuB I B 4.-1.03); dieser ist aber zur Schadensminderung verpflichtet (einschränkend Reiff, EWiR 2002, 367).
19
Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sind die Pflichten noch dahingehend erweitert worden, dass das Kreditinstitut des Empfängers dem Kunden die weitergeleiteten Angaben zur Person des Überweisenden und zum Verwendungszweck mitzuteilen hat (§ 676 f S. 2 BGB). Die Verpflichtung zur Weiterleitung der betreffenden Angaben folgt für das überweisende und ggf. zwischengeschaltete Institut aus § 676a Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Weitere Informationspflichten bestehen in Bezug auf die Konditionen für Überweisungen gemäß § 675a Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 12, 13 BGB-InfoV vom 2.1.2002 (BGBl. 2002 I, 342; dazu näher Schulz, ZBB 1999, 287 (290 f.)).
20
b) Das Konto. Der Zweck des Girovertrages, den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu ermöglichen, erfordert die Einrichtung eines Kontos mit jederzeitiger Verfügungsmöglich-
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1133
keit, also ein Konto mit „Sichteinlagen“. Im Unterschied zu Einlagen, die zu einem bestimmten Termin oder nach vorangegangener Kündigung fällig werden, sind Sichteinlagen dadurch gekennzeichnet, dass sie sofort fällig sind und die typologischen Merkmale der unregelmäßigen Verwahrung gemäß § 700 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 695 S. 1 BGB erfüllen (Kümpel 3.105; Canaris, Rn. 1164 f.). Bei einem Guthaben auf dem Konto besteht daher neben dem Girovertrag ein davon zu unterscheidendes Verwahrungsverhältnis (BGHZ 84, 371 (373); 124, 254 (257); Canaris, Rn. 318). Werden Überweisungen auf debitorischer Grundlage durchgeführt, ist mit dem Girovertrag ein Kreditgeschäft gemäß §§ 488, 493 BGB verbunden. c) Kontrahierungszwang für Überweisungsverträge. Nach § 676a Abs. 1 BGB erfolgen Banküberweisungen aufgrund von Überweisungsverträgen. Das beauftragte Kreditinstitut ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Überweisungsvertrag abzuschließen, weil der angenommene Überweisungsantrag zum Überweisungserfolg verpflichtet und die Bank daher ein Interesse daran hat, die Annahme eines Überweisungsantrags ablehnen zu können (BT-Drucks. 14/745, 19). § 676a BGB hindert die Bank jedoch nicht daran, sich rechtsgeschäftlich zum Abschluss eines Überweisungsvertrages zu verpflichten, z.B. wenn diese in einem Vertrag über die Einrichtung eines Sparkontos die Verfügbarkeit des Kontoguthabens nach fristgerechter Kündigung vereinbart hat (BGH NJW 2004, 2517 f.). Da der Zweck des Girovertrages gerade in der Durchführung des bargeldlosen Überweisungsverkehrs besteht (Rn. 1), dürfen Überweisungsanträge darüber hinaus nur aus sachlichen Gründen abgelehnt werden (Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 22; Schulz, ZBB 1999, 287 (291); Palandt-Sprau, § 676f Rn. 14; im Wege richtlinienkonformer Auslegung der Überweisungsrichtlinie 97/5/EG auch Langenbucher – Gößmann/ Werner, § 1 Rn. 28 f.; einschränkend Risse/Lindner, DB 1999, 2201 (2202); Einsele, JZ 2000, 9 (10 f.); Meder, JZ 2003, 443 (447); offen gelassen von BGH NJW 2004, 2517 (2518); vgl. dazu auch Rn. 22). Die in der Regierungsbegründung genannten Beispiele – Verdacht der Geldwäsche, Überweisung in unsichere Länder oder an rechtsradikale Parteien- stellen solche sachlichen Gründe dar (P. Bydlinski, WM 1999, 1048 Fn. 25; zu öffentlich-rechtlichen Bindungen der Sparkasse s. aber Rn. 27). Im Übrigen ist die Bank zur Ausführung von Überweisungsaufträgen verpflichtet, wenn dem Kreditinstitut die erforderlichen Angaben vorliegen und ein zur Ausführung der Überweisung ausreichendes Guthaben vorliegt oder genügender Kredit eingeräumt ist (§ 676a Abs. 2 Satz 3 BGB). Im Umfang der Abschlusspflicht ist auch das Kündigungsrecht des beauftragten Kreditinstituts gemäß § 676 a Abs. 3 BGB einzuschränken. Sofern das Kreditinstitut trotz bestehender Abschlusspflicht einen Überweisungsauftrag nicht ausführt, steht dem bestimmungsgemäßen Empfänger kein Schadensersatzanspruch gem. § 280 I BGB zu, da die Überweisungsbank keine Schutzpflichten zugunsten des mit ihr nicht in vertraglichen Beziehungen stehenden Überweisungsempfängers treffen (BGHZ 69, 82 (85); BGH NJW 1987, 317 (318); OLG Karlsruhe WM 2007, 300 (301)).
21
Im Falle der Ablehnung von Überweisungsaufträgen muss das Kreditinstitut gemäß § 362 Abs. 1 HGB diese unverzüglich dem Kunden mitteilen, wenn dieser davon ausgehen durfte, sein Auftrag werde trotz fehlender Deckung angenommen (BGH NJW 2001, 1419 (1420); P. Bydlinski, WM 1999, 1044 (1049)). Wegen der Besonderheiten der Zahlungsabwicklung besteht im Lastschriftverfahren eine solche Verpflichtung auch dann, wenn der Kunde nicht damit rechnen durfte, die Bank werde die Überziehung des Kontos zulassen (BGH NJW 1989, 1671). Dies gilt allerdings nicht, wenn das betreffende Konto als sog. „Plus-Konto“ vereinbarungsgemäß vom Zahlungsverkehr ausgenommen sein sollte (LG Nürnberg-Fürth WM 2001, 1900 f.; abw. Freitag, WuB I C 1.-3.01). Schweigen der Bank gilt als Annahme des Überweisungsvertrags (Meder, JZ
22
Singer
1134
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
2003, 443 (444 f.)). Da der Kunde damit rechnen kann, dass das Kreditinstitut die in § 676a Abs. 2 Nr. 1 – 3 BGB bestimmten Ausführungsfristen einhält, muss sich dieses im Regelfall binnen eines Bankarbeitstages erklären, wenn es einen Antrag ablehnen will (Erman-v.Westphalen, § 676a Rn. 6 f.). Sehen die Geschäftsbedingungen vor, dass Überweisungsträger bis 15.30 Uhr einzureichen sind, kann der Kunde erst mit einer Antwort am darauf folgenden Bankgeschäftstag rechnen (BT-Drucks. 14/745, 18 f.; Gößmann/ van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 31; Klamt/Koch, DB 1999, 943 (944)). Da bei einem rechtzeitigen Widerspruch kein Überweisungsvertrag zustande kommt, lassen sich nicht alle Fälle nach den Grundsätzen des Schweigens interessengerecht lösen (a.A. Meder, JZ 2003, 443 (447)). Dies gelingt nur, wenn man von einer prinzipiellen Verpflichtung zur Durchführung von Überweisungen aufgrund der Giroabrede ausgeht und dem Kreditinstitut lediglich gestattet, einen Überweisungsauftrag aus sachlichen Gründen abzulehnen (näher oben Rn. 22). 23
d) Weitere Pflichten. Die Kreditinstitute sind gem. § 666 BGB, der auf den Girovertrag anwendbar ist (§ 675 Abs. 1 BGB), verpflichtet, dem Kunden über den Stand und die fortlaufende Entwicklung des Kontos Auszüge zu erteilen sowie periodische Rechnungsabschlüsse zu fertigen und zu übermitteln (Rn. 30). Sofern das Auskunftsverlangen nicht mutwillig oder missbräuchlich erscheint, kann der Kunde auch nach Ablauf der inzwischen auf 10 Jahre ausgedehnten Aufbewahrungsfrist des § 257 HGB erneut Auskunft verlangen, wenn dies dem Kreditinstitut möglich und zumutbar ist (BGH NJW 2001, 1486 (1487); Koller, LM Nr. 24 zu § 666 BGB). Die Bank ist daher verpflichtet, gegen Erstattung ihrer Aufwendungen (a.A. mit guten Gründen Köndgen, WuB I B 3.-2.01) und Zahlung eines Vorschusses (§ 669 BGB) Ersatzexemplare zu liefern, wenn der Kunde einzelne Tagesauszüge oder Saldenmitteilungen verloren oder – ohne Mutwilligkeit – vernichtet hat (OLG Hamm WM 1992, 1100 (1101)). Darüber hinaus ist die Bank zu weiteren Erläuterungen verpflichtet, wenn die vom Kunden benötigten Informationen aus den Kontounterlagen nicht ersichtlich sind – wie z.B. bei der pauschalen Erhebung von Zinsen und Gebühren (BGH NJW 1985, 2699 (2700)) oder dem Verdacht weisungswidriger Verbuchung eingegangener Überweisungsbeträge (OLG Schleswig NJW-RR 2000, 780). Liegt der Umstand, der die nachträgliche Auskunftserteilung auslöst, in der Sphäre der Bank (wie im Falle unberechtigt erhobener Gebühren für Ein- und Auszahlungen am Schalter; dazu Rn. 24), muss diese die gebotene Aufschlüsselung der Gebührenberechnungen unentgeltlich erteilen (OLG Schleswig ZIP 2000, 789 (790); AG Siegen NJW-RR 2000, 641; a.A. Palandt-Sprau, § 676f Rn. 15). Die an Geldausgabeautomaten erteilte Kontostandsauskunft ist zwar nicht unrichtig, wenn sie eingegangene Überweisungen vor der – ausschließlich für die Zinsberechnung maßgebenden – Wertstellung als Guthaben ausweist ( OLG Celle NJW-RR 2004, 1346; a.A. BGH NJW 2002, 3408 (3409)), verpflichtet aber die Bank zum Schadensersatz, falls geschäftlich unerfahrenen Kunden dadurch ein Zinsschaden entsteht (Schimansky, BKR 2003, 179 (182)). Bei Kontoauszugsdruckern wird zwar bei den einzelnen Buchungen nicht nur der Buchungstag, sondern auch das Datum der Wertstellung ausgewiesen – dennoch kann eine unzulässige Irreführung gem. § 3 UWG vorliegen, wenn als „Neuer Kontostand“ ein Betrag ausgewiesen wird, der noch nicht wertgestellte Buchungen enthält (OLG Celle NJW-RR 2004, 1346; LG Hannover WM 2004, 787 f.; a.A. Ellenberger, WuB V B. § 3 UWG 2.04). Eine Bank ist nicht verpflichtet, Aufträge abzulehnen, die zu einer Kontoüberziehung führen (Palandt-Sprau, § 676f Rn. 14 a.E.). Direktbanken müssen zwar gemäß § 312e Abs. 1 Nr. 1 BGB technische Mittel zum Erkennen und Berichtigen von Eingabefehlern durch den Kunden zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sind sie aber nicht zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet, auch wenn der erteilte Auftrag erhebliche Kontoüberziehungen
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1135
zur Folge hat (Balzer, EWiR 2001, 615 f.; Held, EWiR 2003, 57; Escher, WuB I G 2.-2.01; a.A. LG Nürnberg-Fürth ZIP 2001, 786 f.). Beim online-Banking ist die Bank verpflichtet, für die Funktionsfähigkeit und Betriebssicherheit des eigenen Rechnersystems zu sorgen und kann sich von der Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht formularmäßig freizeichnen (BGH ZIP 2001, 152 (153)). 2. Pflichten des Kunden. a) Entgeltpflicht. Der Girovertrag verpflichtet den Kunden zur Zahlung der vereinbarten Entgelte. Ihre Höhe ergibt sich aus den „Preisaushängen“ und diese ergänzenden „Preis- und Leistungsverzeichnissen“ (Nr. 12 Abs. 1 AGB-Bk; 17 Abs. 2 AGB-Spk; zur Problematik der Einbeziehung in den Girovertrag Derleder/Metz, ZIP 1996, 573 (578 ff.)). Für darin nicht aufgeführte Leistungen kann die Höhe des Entgelts nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) bestimmt werden. Nach der umstrittenen, aber sachgerecht differenzierenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH unterliegt die Entgeltregelung der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB, wenn die vereinbarte Vergütung nicht für „echte“ girovertragliche Leistungen verlangt wird, sondern für die Verfolgung eigener Zwecke oder die Erfüllung ohnehin bestehender Pflichten (BGHZ 137, 43 (46)). Für solche Leistungen des Verwenders greift die Ausnahmeregelung des § 307 Abs. 3 BGB nicht ein, da im Falle der Unwirksamkeit der Klausel an ihre Stelle dispositives Recht tritt und daher die für die Zulässigkeit einer Inhaltskontrolle erforderliche Abweichung von „Rechtsvorschriften“ vorliegt (BGHZ 124, 254 (256); 133, 10 (15 f.); 137, 43 (46); im Wesentlichen übereinstimmend Derleder/Metz, ZIP 1996, 621 (623 ff.); Kindler 11; Reifner, JZ 1994, 454 (457); abl. Canaris, WM 1996, 237 (241 ff.); Horn, Sonderbeil. 8 ff.; Köndgen, ZBB 1997, 117 (134 ff.); Steppeler, WM 2001, 1176 (1183 ff.)). Da es sich bei Ein- und Auszahlungen am Bankschalter um Akte handelt, die lediglich der Abwicklung eines bestehenden Darlehens- oder Verwahrungsvertrages dienen, wird der Kunde unangemessen benachteiligt, wenn die betreffende Klausel dafür gezielt Gebühren vorsieht (BGHZ 124, 254 (259)). Zulässig sind hingegen Entgeltpauschalen, die dem Kunden bis zu fünf kostenfreie Ein- und Auszahlungen im Monat ermöglichen, da diese Freiposten den normalen Bedürfnissen des Kunden angemessen Rechnung tragen (BGHZ 133, 10 (16)). Entsprechendes gilt für „echte“ Zusatzleistungen wie die Bereitstellung von Geldausgabeautomaten (BGHZ 133, 10 (17)), den Auslandseinsatz von Kreditkarten (BGHZ 137, 27 (30)) und die Ausstellung eines Ersatzsparbuchs (BGH BB 1998, 1864). Für unwirksam hält der Senat dagegen Entgeltklauseln für die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen gegen Kunden (BGHZ 141, 380 (385); zur Kontenpfändung vgl. § 38 Rn. 60 ff.), für die Nichtausführung von Zahlungsaufträgen wegen fehlender Kontodeckung (BGHZ 137, 43 (45)) und für die Benachrichtigung darüber (BGHZ 146, 377 (382)). Klauseln, die Scheckeinreicher mit dem Entgelt belasten, das Inkassobanken bezogenen Banken zu zahlen haben, sind einer Inhaltskontrolle entzogen, weil der Kunde zur Erstattung dieser Kosten schon aufgrund des § 670 BGB verpflichtet ist (BGH NJW 2002, 1950 (1951)). Entstehen jedoch die Kosten für die Rückgabe von Lastschriften, mit denen die Inkassobank eigene Forderungen gegen den Kunden einziehen will, kann dies den Kunden unangemessen benachteiligen, sofern dieser auch verpflichtet wird, wenn er die Rückgabe nicht zu vertreten hat (BGH aaO.; Lang, EWiR 2002, 549 f.; Oechsler, LM Nr. 49 zu § 8 AGBG). Zulässig sind auch Entgelte für Bareinzahlungen und -auszahlungen am Schalter, wenn diese ausschließlich für Dispositionen gilt, die auch an Geldautomaten getätigt werden könnten, und der Kunde die Wahl hat zwischen einem solchen „Girokonten-Sondermodell“ mit geringer Grundgebühr und einem alternativen Modell, das kostenlose Schalterverfügungen zu im Übrigen akzeptablen Bedingungen und Grundgebühren ermöglicht (Steppeler, EWiR 2005, 293 f. unter Bezugnahme auf LG Hannover ZBB 2005, 206 (LS)).
Singer
24
1136
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
25
b) Weitere Pflichten. Zu den girovertraglichen Pflichten des Kontoinhabers gehört es, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Schädigungen der Bank zu verhindern (Liesecke, WM 1975, 238 (245)). Der Bankkunde schuldet ein gewisses Maß an Kontrolle der ihm in den Auszügen mitgeteilten Kontenbewegungen und Kontostände (Nr. 11 Abs. 4 AGB-Bk, Nr. 20 Abs. 1 g AGB-Spk) und ist verpflichtet, das kontoführende Institut auf unberechtigte Doppelbuchungen (BGHZ 72, 9 (15); OLG Zweibrücken NJWRR 1997, 1546 (1547)) und Verfügungen (BGHZ 73, 207 (211); KG NJW-RR 1996, 427 (428)) hinzuweisen. Für den der Bank entstehenden Schaden haftet der Kontoinhaber gemäß § 280 Abs. 1 BGB, ohne sich auf den Einwand der Entreicherung gemäß §§ 818 Abs. 3, 819 BGB berufen zu können (BGHZ 72, 9 (14 f.)). Aus dem Girovertrag folgt ferner die Pflicht, die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung von Überweisungsvordrucken durch Fälschung so weit wie möglich auszuschalten (BGH NJW 1994, 3344 (3345); 2001, 3190 (3192); großzügig aber BGH NJW 2001, 2968 (2969); kritisch Derleder, EWiR 2001, 995 f.; offen Pfeiffer, WuB I D 1.-2.02). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob den Bankkunden bei Fehlbuchungen (Rn. 30) und Fehlüberweisungen eine strafrechtliche Garantenpflicht zur Aufklärung trifft (dies verneinen BGH NJW 2001, 453 (454); Hefendehl, NStZ 2001, 281; Ranft, JuS 2001, 854; a.A. Joerden, JZ 2001, 614 f.).
26
IV. Beendigung des Girovertrages. 1. Aufhebungsvertrag und Kündigung. Der Girovertrag kann jederzeit durch Aufhebungsvertrag beendet werden. Sofern auf einem laufenden Konto mehrere Jahre lang keine oder nur unerhebliche Kontobewegungen stattgefunden haben, spricht dies nicht gegen die Fortdauer des Girovertrages, wenn der Kunde den ihm weiterhin übermittelten Tagesauszügen und Jahresabschlüssen nicht widersprochen hat (BGH WM 1984, 426 (428)). Die aufgrund des Girovertrages von dem Kreditinstitut zu erbringenden Dienstleistungen sind solche „höherer Art“ und begründen daher gemäß §§ 675 Abs. 1, 627 Abs. 1, 671 Abs. 2 BGB für beide Teile ein Kündigungsrecht, ohne dass die Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegen müssen. Gemäß § 627 Abs. 2 BGB darf diese ohne Einhaltung einer Frist mögliche Kündigung allerdings nicht zur Unzeit erfolgen, sondern muss dem Kunden angemessene Zeit zum Wechsel des Kreditinstituts geben (vgl. auch Nr. 19 Abs. 1 AGB-Bk). Die Teilkündigung einzelner Leistungselemente des Girovertrages (oben Rn. 17) – wie die Abbuchung von Lastschriften, die Ausführung von Daueraufträgen und die Bearbeitung von Überweisungsaufträgen, die in den Bankbriefkasten eingeworfen werden – ist nicht zulässig, weil und sofern es sich nicht um abtrennbare Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 19 Abs. 1 S. 1 AGB-Banken handelt (BGH WM 2006, 179 (180); zur – zulässigen – isolierten Kündigung eines Bankkartenvertrages s. oben Rn. 18). Im Gegensatz zu privaten Kreditinstituten unterliegen jedoch Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts darüber hinausgehenden Bindungen. Diese müssen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG beachten und dürfen folglich von dem Kündigungsrecht nicht ohne sachlichen Grund Gebrauch machen (BGHZ 154, 146 (151) m. Anm. Brömmelmeyer, WuB I A 3. – 1.03; Reiff, EWiR 2003, 501; Neuner, LMK 2003, 100; OLG Dresden NJW 2002, 757; vgl. auch Nr. 26 Abs. 1 AGB-Spk n.F.). Gleiches gilt für die Kündigung eines Girokontos durch die Postbank, wenn sich diese zum Zeitpunkt der Kündigung ausschließlich in öffentlicher Hand befunden hat – wie in der Zeit vor dem Börsengang (BGH NJW 2004, 1031 m. Anm. Meder, LMK 2004, 103; van Look, EWiR 2004, 731). Störungen des Geschäftsgangs durch wiederholte Anfragen, Beschwerden und ungerechtfertigte Verdächtigungen (BGH NJW 1991, 978 f.; OLG Köln WM 1993, 325 (327); AG Arnstadt WM 2000, 2097; Burghardt, WuB I A 2. Nr. 19 AGBBanken 1993 1.01) sind ausreichende Sachgründe, wohingegen die Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Kunden nicht ausreichen dürfte, da das Kreditinstitut
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1137
lediglich verpflichtet ist, das Girokonto auf Guthabenbasis zu führen (vgl. die ZKAEmpfehlung oben Rn. 10; a.A. Voraufl.). Auch die erforderliche Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen darf nicht zum Anlass einer Kündigung genommen werden (a.A. LG Saarbrücken NJW-RR 2001, 481), da der Kunde aufgrund des Girovertrages nicht verpflichtet ist, es nicht zu einer Pfändung kommen zu lassen (BGHZ 141, 380 (384 f.)). Da Sparkassen einer unmittelbaren Bindung an das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG unterliegen (Rn. 26), scheitert auch die umstrittene Kündigung von NPD-Konten am Fehlen eines sachlichen Grundes. Obwohl an der verfassungsfeindlichen Zielsetzung der NPD kein Zweifel besteht, darf diese wegen Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG nicht als Ablehnungsgrund herangezogen werden, solange das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Partei nicht festgestellt hat (BGHZ 154, 146, 151; OLG Dresden NJW 2001, 1433 f.; 2002, 757 (758 f.); abw. noch OLG Brandenburg NJW 2001, 450 (451 f.); OLG Köln NJW 2001, 452; OLG München NJW-RR 2002, 193 f.; vgl. auch Beule, BKR 2002, 139 f.; Eicholt, NJW 2001, 1400; zum Kontrahierungszwang oben Rn. 9 ff.; zur Zuständigkeit der Zivilgerichte VG Hannover NJW 2001, 3354; zur Einstellung des Parteiverbotsverfahrens BVerfG NJW 2003, 1577). Entsprechendes gilt für private Kreditinstitute, die ausschließlich von der öffentlichen Hand beherrscht werden, wie früher die Postbank (BGH NJW 2004, 1031 m. zust. Anm. Meder, LMK 2004, 103; van Look, EWiR 2004, 731). Im Regelfall sind jedoch private Kreditinstitute nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden, vor allem nicht an das staatsgerichtete Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG (a.A. Boemke, NJW 2001, 43 (44); JuS 2001, 444 (448)). Da die NPD in den von ihr geführten Prozessen nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie durch die Kündigung von der Teilnahme am Zahlungsverkehr ausgeschlossen ist (BVerfG NJW 2001, 1413 (1414); NVwZ 2002, 847), kommt auch eine Schutzpflicht des Staates (vgl. Canaris, AcP 184 (1984) 232 ff.; Singer, JZ 1995, 1133 (1136 ff.)) nicht in Betracht. Aus dem gleichen Grund ist die Kündigung von Girokonten der Scientology-Gemeinschaft durch eine Privatbank nicht zu beanstanden (LG Stuttgart WM 1996, 1770 (1774)). An dieser Rechtslage hat sich durch das AGG (Rn. 12) nichts geändert, da im allgemeinen Zivilrechtsverkehr eine Benachteiligung wegen der Weltanschauung nicht verboten ist (§ 19 Abs. 1 AGG) und die Scientology-Gemeinschaft keine Religionsgemeinschaft darstellt, sondern ein Unternehmen mit einer besonderen Unternehmensphilosophie (BAG NJW 1996, 143 (146 f.); Palandt-Heinrichs, AGG, § 1 Rn. 4; a.A. MünchKomm-Thüsing, AGG, § 1 Rn. 58).
27
2. Insolvenz. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden erlischt der Girovertrag gemäß §§ 115 Abs. 1, 116 S. 1 InsO (BGHZ 74, 253 (254); BGH NJW 1995, 1483). Allerdings gilt der Girovertrag der Bank gegenüber als fortbestehend, solange diese unverschuldet keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hat (§ 115 Abs. 3 InsO). Mit Beendigung des Girovertrages verliert das Konto seine Funktion als Zahlungsverkehrskonto. Daran hat der mit dem Überweisungsgesetz eingefügte § 116 S. 3 InsO, der sich nur auf noch vor der Verfahrenseröffnung zustande gekommene (ausgeführte) Überweisungsverträge, nicht auf Überweisungsaufträge bezieht, nichts geändert (MünchKomm-InsO-Ott/Vuia, § 116 Rn. 52). Bei Ausführung eines – nach Verfahrenseröffnung nicht mehr annahmefähigen – Überweisungsauftrags erwirbt das Kreditinstitut lediglich eine Insolvenzforderung (MünchKomm-InsO-Ott/Vuia, § 116 Rn. 52). Eingehende Überweisungen muss die kontoführende Bank nicht auf dem bisherigen Konto verbuchen. Aufgrund der Nachwirkung des erloschenen Girovertrages ist diese jedoch befugt, eingehende Zahlungen für ihren früheren Kunden weiterhin entgegenzunehmen (BGH NJW 2007, 914 (915); abweichend OLG Rostock ZIP 2006, 1812
28
Singer
1138
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
(1813)). In diesem Fall muss sie den Betrag gemäß § 667 BGB an die Masse auskehren (BGH NJW 2007, 914 (915)) und darf diesen nicht etwa mit einem Debet des Gemeinschuldners verrechnen (BGH NJW 1995, 1483). Die Insolvenz des Kreditinstituts führt nicht zur Beendigung des Girovertrages, da dieser Fall von den §§ 115, 116 InsO nicht geregelt wird (Schimansky/Bunte/Lwowski, § 47 Rn. 34; Canaris, Rn. 511). 29
3. Tod und Geschäftsunfähigkeit. Tod und Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Kunden führen nicht zum Erlöschen des Girovertrages (§§ 672, 673 BGB), wohl aber der Tod des Bankiers bzw. bei juristischen Personen der Verlust der Rechtsfähigkeit der Bank (Canaris, Rn. 492). Der Erbe tritt in die Rechte und Pflichten des Erblassers ein (§§ 1922, 1967 BGB), wird also auch Partei des Giroverhältnisses und Gläubiger der Einlageforderung gem. § 700 I 1 i.V.m. § 488 I 2 BGB (BGHZ 131, 60 (64)). Sofern er das Girokonto für den eigenen Zahlungsverkehr benutzt, tritt er mit Rücksicht auf die Besonderheiten des girovertraglichen Rechtsverhältnisses, die eine wirtschaftliche Zuordnung des Kontos zur Geschäftstätigkeit des Kontoführers erfordern, in eine eigene persönliche Rechtsbeziehung zur Bank. Die von einem Vorerben laufend benutzte Kontoverbindung fällt daher bei seinem Tode nicht den Nacherben, sondern seinen eigenen Erben an (BGHZ 131, 60 (64 f.); eingehend dazu unten Rn. 30). Aus dem gleichen Grunde erlangen Miterben, die ein Girokonto des Erblassers übernehmen und für den eigenen Zahlungsverkehr benutzen, eine eigene, vom Nachlass abgelöste girovertragliche Position (BGH WM 2000, 469 f.). Der Vorerbe hat gemäß § 2112 BGB das Recht, den Girovertrag jederzeit zu kündigen und ein bestehendes Guthaben auf ein anderes Konto zu überweisen (LG Lüneburg WM 2002, 2242 f.). Auch der befreite Vorerbe bleibt aber gem. § 2138 Abs. 1 BGB gegenüber dem Nacherben zur Herausgabe von Nachlasssurrogaten verpflichtet, etwa von Umschichtungsgewinnen aus der Veräußerung von Wertpapieren oder Beteiligungen (vgl. dazu und zu weiteren bankrechtlichen Problemen der Vor- und Nacherbschaft Werkmüller, ZEV 2004, 276 (277); Lange-Werkmüller, § 11 Rn. 13 ff.).
30
C. Kontoeröffnung I. Konto. 1. Begriff und Bedeutung. Zu den Hauptpflichten aus dem Girovertrag gehören gemäß § 676f Satz 1 BGB die Einrichtung und Führung eines Kontos (BGH NJW 2001, 453). Mit dem Begriff des Kontos verbinden sich je nach Blickwinkel unterschiedliche Inhalte (eingehend Mülbert, FS Kümpel 2003, 395 ff.). Unter bilanzrechtlichen Gesichtspunkten ist das Bankkonto (ital. „contare“ = zählen) Bestandteil des Handelsbuchs (§ 238 HGB) und unterliegt öffentlich-rechtlichen Buchführungsvorschriften. Mit dem Begriff des Kontos wird aber auch das Rechtsverhältnis zwischen Kunde und Kreditinstitut bezeichnet, das höchst unterschiedlich charakterisiert wird. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob das Konto das gesamte Rechtsverhältnis zwischen Kunde und Bank bezeichnet (so z.B. Staudinger-Hopt-Mülbert, Vorbem. 40 zu §§ 607 ff.; SchwintowskiSchäfer, § 5 Rn. 37) oder sich darin erschöpft, eine Forderung entweder des Kontoinhabers oder – bei einem Debet – der Bank zu bezeichnen (so z.B. Canaris, Rn. 142; Kümpel 3.105). Gegen die letztgenannte Interpretation spricht, dass bei einem Kontostand „Null“ formal betrachtet überhaupt kein Konto bestünde und bei Abtretung einer Guthabenforderung der Zessionar Kontoinhaber würde. Solche Unklarheiten und Unsicherheiten über die Person des Kontoinhabers sind dem Giroverkehr nicht zuzumuten. Rechtsprechung und überwiegendes Schrifttum befürworten daher eine Sicht, bei der zwischen der Kontoforderung, die ihre Grundlage in einer unregelmäßigen Verwahrung gem. § 700 I 1 i.V.m. § 488 I 2 BGB hat, und dem auf dem Girovertrag beruhenden Giroverhältnis unterschieden wird (BGHZ 131, 60 (64); BGH WM 2000, 469; Bydlinski, EWiR 1996, 105 f.; Lange, WuB I B 2. – 2.96; Grziwotz, JR 1996, 286 f.; Koller, LM § 675 Nr. 222).
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1139
Erhebliche Bedeutung hat diese Trennungstheorie in erbrechtlichen Konstellationen. Im Vorerbenkonto-Fall BGHZ 131, 60 hatte die Vorerbin das Nachlasskonto fortgeführt und für eigene Zwecke benutzt. Die Vorstellung, das Girokonto dem Nacherben anfallen zu lassen, nachdem dieses womöglich jahrzehntelang vom Vorerben weiterbenutzt wurde, erschien den Richtern „unerträglich“. Die Gegenmeinung kritisiert die konstruierte „Nachlassfreiheit“ des Giroverhältnisses, da diese in Widerspruch zu den erbrechtlichen Vorschriften stehe, und schlägt vor, die Trennung von Einlageforderung und Giroabrede zugunsten eines einheitlichen gemischttypischen Kontovertrages aufzugeben (Mülbert, FS Kümpel 2003, 395 (404); vgl. schon Staudinger-Hopt-Mülbert, Vorbem 40 zu §§ 607 ff. BGB; Schwintowski-Schäfer, § 5 Rn. 37; dem BGH zustimmend § 6 Rn. 80). Das Konzept eines einheitlichen Rechtsverhältnisses, das seine Grundlage in einem Giro(konto)vertrag oder Terminkontovertrag hat, trifft im Regelfall das Richtige, bedarf aber einer Modifikation für den Fall, dass Rechtsnachfolger das Konto für eigene Zwecke nutzen. Da das Giroverhältnis lediglich den Rahmen bildet, innerhalb dessen die Kontobeziehung abgewickelt wird, und die Verhältnisse nicht anders wären, wenn der Vorerbe ein neues Konto eröffnet und den Zahlungsverkehr über dieses abgewickelt hätte, erscheint es geboten, in diesen Fällen zwischen Giroverhältnis und Einlagenforderung zu unterscheiden und das Giroverhältnis der Person zuzuordnen, die das Konto für eigene Zwecke nutzt. Insoweit wird zwar das Giroverhältnis aus dem Nachlass herausgelöst. Diese – geringfügige – Modifikation der erbrechtlichen Vorschriften ist aber mit Rücksicht auf die deutlich überwiegenden Interessen des Kontoinhabers gegenüber den Nacherben (BGHZ 131, 60) oder Miterben (BGH WM 2000, 469) gerechtfertigt. Ein anderes Ergebnis wäre schlichtweg unverhältnismäßig (zur Einschränkung von Rechten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vgl. Palandt-Heinrichs, § 242 Rn. 53 f.), zumal der Vorerbe die Möglichkeit hat, den Girovertrag zu kündigen (§ 2112 BGB) und der Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (§ 2042 BGB) verlangen kann. Insofern besitzt der von BGHZ 131, 60 (64 f.) betonte, im Schrifttum (insbesondere von Hadding, WuB I B 2 – 2.00, Koller, LM § 675 BGB Nr. 222 und Mülbert, FS Kümpel 395 (400 f.)) kritisch beurteilte Gedanke, dass dem Giroverhältnis für sich gesehen kein oder jedenfalls kein erheblicher Vermögenswert zukomme, einen richtigen Kern. Der Bankpraxis ist zu empfehlen, bei erkennbarer und dauerhafter Nutzung des Nachlasskontos für klare Verhältnisse zu sorgen und das Konto auf die Namen der Miterben umzuschreiben. Bei – erkennbarer – Vorerbschaft sollten die Nachlassvaluta auf einem Unterkonto separiert werden, um den Nacherben die Möglichkeit zu erhalten, ihr Erbrecht durchzusetzen (LangeWerkmüller, § 11 Rn. 21). 2. Pflichten des kontoführenden Kreditinstituts. Aus der girovertraglichen Pflicht zur Geschäftsbesorgung folgt auch die Verpflichtung der Bank zur Rechnungslegung gegenüber ihrem Kunden gemäß §§ 675 Abs. 1, 666 BGB (BGH WM 1989, 518 (519)). Diese Rechnungslegungspflicht hat zum Inhalt, dem Kunden „die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen Auskunft über den Stand des Geschäfts zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen“. Zu den erforderlichen Nachrichten gehört insbesondere die Mitteilung von Kontoauszügen, die über den Stand und die Abwicklung der Bankgeschäfte informieren (BGH NJW 2001, 1486; Hadding/Häuser, ZHR 145, 1981, 138 (164 f.); vgl. noch oben Rn. 23). Dabei handelt es sich um einen selbstständigen Anspruch aus dem Girovertrag, der bei einer Kontenpfändung (dazu § 38 Rn. 60 ff.) nicht als Nebenanspruch mit der Hauptforderung mitgepfändet werden kann. Sonst würde der Pfändungsgläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung Informationen erhalten, die keine Beziehung zu dem gepfändeten Hauptanspruch auf Auszahlung des positiven Saldos haben; dies würde auf eine unzulässige Ausforschungspfändung hinauslaufen (BGH NJW 2006, 217 (218)). Der in den Kontoauszügen ausgewiesene Tages-
Singer
31
1140
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
saldo hat im Übrigen keine konstitutive schuldumschaffende Wirkung im Sinne des § 355 HGB, sondern dient lediglich dem Zweck, dem Kreditinstitut die Kontrolle über die vom Kunden vorgenommenen Dispositionen und dem Kunden die Übersicht über den Stand seines Kontos zu erleichtern (Hadding/Häuser, ZHR 145, 1981, 138 (165 f.); BGHZ 50, 277 (280); 73, 207 (210); KG KG Report 2004, 366). Auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit, den Rechnungsabschluss über den Kontoauszugsdrucker abzurufen, führt nicht zum Zustandekommen eines Saldoanerkenntnisses gemäß § 781 BGB. Der Kontoauszugsdrucker der Bank ist keine Empfangseinrichtung des Kunden, sondern lediglich eine Ausgabestelle der Bank (OLG Köln BKR 2007, 170 (172)). Der Kunde hat einen Anspruch auf richtiges und vollständiges Buchen, so dass er im Falle von Fehlbuchungen deren rückwirkende Beseitigung verlangen kann (BGHZ 121, 98 (106); OLG Rostock OLG-NL 2005, 241 (242); Palandt-Sprau, § 676f Rn. 7; s.a. Rn. 23). 32
3. Beweiskraft. Das Konto verkörpert eine Privaturkunde, die wegen der üblicherweise fehlenden Unterschrift nicht zu den in § 416 ZPO mit formeller Beweiskraft ausgestatteten Urkunden gehört und daher freier Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO unterliegt (OLG Hamm NJW 1987, 964 (965); Zöller/Geimer, ZPO, § 416 Rn. 13). Wenngleich die Beweiserleichterungen des prima-facie-Beweises nicht in Betracht kommen, begründen ordnungsgemäß geführte Handelsbücher und somit auch Bankkonten eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass die darin enthaltenen Eintragungen inhaltlich richtig und vollständig sind (BGH WM 1955, 156; Liesecke, WM 1975, 214 (216)).
33
II. Kontoinhaberschaft. 1. Bedeutung. Wer Inhaber des Kontos ist, hat große praktische und rechtliche Konsequenzen. Dies ist von Bedeutung für die Frage, wer gegenüber der Bank Verfügungsbefugnis hat, wer ihr Gläubiger und Schuldner ist und an wen sie mit befreiender Wirkung leisten kann. Nach der Person des Kontoinhabers richtet sich ferner, ob ein Konto in den Nachlass fällt, zur Insolvenzmasse gehört oder einem Pfandgläubiger haftet.
34
2. Kontofähigkeit. Kontoinhaber kann jede natürliche oder juristische Person sein, ferner sämtliche Personengesellschaften, nicht nur OHG und KG (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB), sondern auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (OLG Köln WM 2001, 2340 (2341); Hadding, ZGR 2001, 712 (722 f.); Lehnhoff, FS Hadding 2004, 935 (944 f.)). Entsprechendes gilt für die Vor-GmbH, die eine Organisation eigener Art verkörpert und als solche „kontofähig“ ist (BGHZ 45, 338 (347); OLG Brandenburg NZG 2002, 182 (183)). Sobald die Vorgesellschaft Rechtsfähigkeit erlangt, gehen die Rechte und Pflichten auf die eingetragene GmbH über (BGHZ 134, 333 (339)); diese wird dann ipso iure Kontoinhaber (Canaris, Rn. 143).
35
3. Bestimmung des Kontoinhabers. Kontoinhaber wird, wer bei der Kontoerrichtung als Forderungsberechtigter auftritt oder bezeichnet wird. Nach einer vom BGH ständig verwendeten Formel kommt es nicht auf den inneren Willen des Bankkunden an, vielmehr ist „unter besonderer Berücksichtigung des Einzelfalls zu prüfen, wer nach dem für die Bank erkennbaren Willen des die Kontoeröffnung Beantragenden Gläubiger der Bank werden soll“ (BGHZ 21, 148 (150); 127, 229 (231); BGH WM 1986, 35; 1990, 537 (538); NJW 1996, 840 (841)). Es gelten also die allgemeinen Grundsätze der objektiven Auslegung von Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB (Canaris, Rn. 151). Dabei kommt der Bezeichnung des Kontoinhabers bei der Eröffnung eines Girokontos besonderes Gewicht zu, weil im Giroverkehr ein praktisches Bedürfnis für einfache und klare Rechtsverhältnisse besteht und die Bank mit Rücksicht darauf, dass Girokonten auch passiv werden können, ein stärkeres Interesse an einer eindeutigen Festlegung des Kontoinhabers hat (BGH NJW 1996, 840 (841); OLG Düsseldorf WM 1989, 91 (92); OLG Köln WM 1998,
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1141
1327 (1328); Canaris, NJW 1973, 825 (826)). Aus der bloßen Namensbezeichnung des Kontos kann die Gläubigerstellung allerdings nicht abgeleitet werden. Wird z.B. von einer Bank ein Konto für Abwicklungszwecke eingerichtet, die mit der Liquidation einer Gesellschaft zusammenhängen, so kann diese Gesellschaft aus der Erwähnung in der Kontobezeichnung nicht ihre Gläubigerstellung ableiten, wenn weder das Konto noch die Zahlung für sie bestimmt war (BGH WM 1990, 537 (538)). Entsprechendes gilt bei mehrdeutigen Kontobezeichnungen. Hier ist regelmäßig derjenige Kontoinhaber, der gegenüber der Bank bei der Kontoeröffnung als Verfügungsberechtigter aufgetreten ist (BGHZ 21, 148 (150); BGH WM 1983, 14 (15); 1994, 731; OLG Hamm WM 1993, 1713 (1714): „Joint-Venture-Konto“). Demgegenüber ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, aus wessen Mitteln die eingezahlten Gelder stammen (BGH WM 2005, 1216), ob das Konto allein zu Zwecken des Kontobevollmächtigten genutzt wurde (OLG Köln WM 1998, 1327; OLG Celle ZIP 2006, 1878 (1879)) oder diesem sogar steuerlich zuzuordnen ist (BGHZ 127, 229 (232)). Zwischen Kontoinhaberschaft und Kontovollmacht (Rn. 39 ff.) ist streng zu unterscheiden, da der Bevollmächtigte nur eine vom Kontoinhaber abgeleitete Verfügungsbefugnis besitzt (BGHZ 61, 72 (76); BGH WM 1995, 20 (21)) und nicht ohne weiteres anzunehmen ist, dass der Bevollmächtigte auch für ein Debet haften soll (Canaris, Rn. 159). Umgekehrt haftet der formelle Kontoinhaber auch für Veruntreuungen durch den Kontobevollmächtigten (OLG Köln WM 1998, 1327 (1328)). Bei Sparkonten (§ 39) kommt dem Besitz am Sparbuch eine größere, gegenüber der Kontobezeichnung im Regelfall vorrangige Indizwirkung zu, weil die Bank gemäß § 808 Abs. 1 S. 1 BGB an den Inhaber mit befreiender Wirkung leisten kann und daher der Schluss nahe liegt, dass diesem auch die Verfügungsbefugnis zustehen soll (BGHZ 46, 198 (200 f.); BGH WM 1972, 383 (384); 2005, 462 (463); Canaris, Rn. 156; Kümpel 3.135). Schreiben die Eltern ein auf ihren Namen lautendes Sparbuch auf den Namen ihres volljährigen Kindes um, ohne diesem das Buch auszuhändigen und es zu benachrichtigen, spricht dies dafür, dass die Eltern bis auf weiteres Inhaber der Einlageforderung bleiben wollen (BGH WM 1970, 712 f.; LSG Rheinland-Pfalz WM 1993, 837 (840)). Dies gilt erst recht, wenn sich der im Besitz des Sparbuchs befindliche Großvater von den Eltern des minderjährigen Kindes gleichzeitig mit der Anlegung der Sparkonten eine Vollmacht erteilen lässt, um gegenüber der Sparkasse über die Konten zu verfügen (BGH WM 2005, 462 (463) m. zust. Anm. Leisch, WuB I C 2. – 1.05). Die Indizwirkung des Besitzes kommt jedoch nur zum Tragen, wenn die Umstände keinen eindeutigen Schluss darauf zu lassen, wer „nach dem erkennbaren Willen des die Kontoeröffnung beantragenden Kunden Gläubiger der Bank werden soll“ (BGH WM 2005, 1216). Die ausdrückliche Erklärung „Gläubiger der Spareinlage ist der Kontoinhaber“ ist daher beim Wort zu nehmen (OLG Koblenz WM 1989, 565 (567)). Wenn volljährige Personen selbst ein auf ihren Namen lautendes Konto eröffnen, gibt es ebenfalls keinen Grund, an dem erklärten Willen zur Kontoinhaberschaft zu zweifeln. Dies gilt auch dann, wenn das auf das Sparkonto eingezahlte Geld aus dem Vermögen eines nahen Angehörigen stammt und sich dieser im Anschluss an die Kontoeröffnung das Sparbuch aushändigen und Kontovollmacht einräumen lässt (BGH WM 1994, 731; zust. Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann § 29 Rn. 10 ff.; kritisch Köndgen, NJW 1996, 558 (562); a.A. OLG Düsseldorf WM 1993, 835 (836) als Vorinstanz). In dem ähnlich gelagerten Fall BGH WM 2005, 1216 f. ergab sich die Gläubigerstellung des volljährigen Sohnes im Verhältnis zu seinem Vater, der das Geld zur Verfügung gestellt und das Sparbuch in Besitz genommen hatte, zusätzlich daraus, dass der Sohn zugleich mit der Kontoeröffnung auf einem Formular der Sparkasse eine Verfügung zugunsten seines Vaters auf den Todesfall getroffen und sich darin als Gläubiger bezeichnet hatte. Damit ist jedoch in solchen Fällen die Kontoinhaberschaft nicht er-
Singer
36
1142
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
schöpfend gewürdigt. In der Übergabe des Sparbuchs ist nämlich im Regelfall die konkludente Abtretung der verbrieften Forderung zu sehen, und zwar auch dann, wenn diese lediglich bezweckte, dem zur Verschwendung neigenden Sohn die Verfügung über das Guthaben vorzuenthalten (Gehrlein, WuB I C 2. – 2.05; a.A BGH WM 2005, 1216 (1217)). Keine Indizwirkung hat der Besitz in jenen Fällen, in denen Eltern das Sparbuch auf den Namen ihrer minderjährigen Kinder anlegen, dieses im Besitz behalten und Einzahlungen vornehmen, weil die Ausübung des Besitzes zur elterlichen Sorge über das Vermögen des Minderjährigen gehört und die Eltern regelmäßig beabsichtigen, Vermögen der Kinder zu bilden (OLG Frankfurt NJW 1986, 64; OLG Braunschweig WM 2006, 273 (274); OLG Zweibrücken WM 1990, 754 (755); Leisch, WuB I C 2. – 1.05; Nobbe, WuB I C 2.-1.06; a.A. KG MDR 1956, 105 (106)). 37
Auch für Sonderkonten gelten die allgemeinen Grundsätze. Kontoinhaber ist im Regelfall derjenige, der im Kontoeröffnungsantrag als Kontoinhaber bezeichnet worden ist (Rn. 29). Wird bei der Kontobezeichnung ein bestimmter Verwendungszweck angegeben oder auf die Eigenschaft als „Sonderkonto“ hingewiesen, ändert dies grundsätzlich nichts an der Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers (BGHZ 21, 148 (150); 61, 73 (78); BGH WM 1986, 35; 1996, 249 (250)). Dies gilt auch dann, wenn über das Konto der Zahlungsverkehr des Unternehmens abgewickelt wird, bei dem der Kontoinhaber beschäftigt ist (OLG Celle ZIP 2006, 1878 f.). Im Regelfall ändert sich an der Kontoinhaberschaft der im Kontoeröffnungsvertrag ausdrücklich genannten Person auch dann nichts, wenn sich aus der Kontobezeichnung ein Hinweis auf die nur treuhänderische Berechtigung des Kontoinhabers oder von ihm wahrgenommene Verwaltungsaufgaben ergibt (OLG München WM 1986, 33 (34)). Dabei ist zwischen Ermächtigungstreuhand und Vollrechtstreuhand zu unterscheiden. Bei der bloßen Ermächtigungstreuhand bleibt ohnehin der Treugeber Inhaber des Kontos, wohingegen bei der Vollrechtstreuhand der Treuhänder als Inhaber des Vollrechts anzusehen ist (BGHZ 61, 73 (79); 127, 229 (232)). Eine bloße Ermächtigungstreuhand liegt etwa vor, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft den Hausverwalter zu Kontoverfügungen auf einem unter seinem Namen eingerichteten Konto nur mit Zustimmung des Beirats ermächtigt, da eine solche Verfügungsbeschränkung mit der Stellung als Kontoinhaber unvereinbar wäre (OLG München NJW-RR 2000, 1682 (1683)). Bei der Errichtung eines Treuhandkontos ist im Regelfall von einer Vollrechtstreuhand auszugehen (OLG Zweibrücken WM 2000, 2489 (2490)). Die Einrichtung eines offenen Treuhandkontos hat allerdings zur Konsequenz, dass der Bank weder ein Pfandrecht am Guthaben, noch ein Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Guthabenforderung zusteht (BGHZ 61, 73 (77); BGH WM 1996, 249 (251)) und das Konto bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung wie ein Fremdkonto behandelt wird (BGH WM 1993, 1524; Kümpel 3.144). Bei der Kontoeröffnung durch Personen, die kraft Amtes Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen haben wie z.B. Nachlass- oder Insolvenzverwalter (§ 2205 BGB; §§ 22, 80 InsO), entspricht dagegen die Einrichtung eines Fremdkontos regelmäßig der Interessenlage. Nur wenn bei der Kontoeröffnung ausdrücklich vereinbart worden ist, dass der Verwalter in Bezug auf das Konto persönlich berechtigt und verpflichtet sein sollte, handelt es sich um ein Eigenkonto des gesetzlichen Verwalters (BGH WM 1988, 1222 (1223)).
38
4. Öffentlich-rechtliche Identifizierungspflichten. Bei der Errichtung eines Kontos hat sich die Bank Gewissheit über die Person und die Anschrift des Verfügungsberechtigten zu verschaffen und die entsprechenden Angaben in geeigneter Form, bei Konten auf dem Konto, festzuhalten (§ 154 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Vorschrift dient fiskalischen Zwecken (weitergehend Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann § 31 Rn. 1) und soll verhindern, dass die Nachprüfung steuerlicher Verhältnisse durch Verwendung falscher oder erdich-
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1143
teter Namen erschwert wird (Tipke/Kruse-Brandis, AO, § 154 Rn. 2, 4). Nummernkonten sind daher zwar nicht privatrechtlich (Canaris, Rn. 124), wohl aber abgabenrechtlich unzulässig (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 31 Rn. 1). § 154 AO soll ausschließlich die formale Kontenwahrheit gewährleisten. Ob der angegebene Inhaber auch materiell Berechtigter ist oder das Konto für fremde Rechnung führt, ist unerheblich (BGHZ 127, 229 (233 f.)). Nach dem Geldwäschegesetz (§ 6) besteht allerdings auch die Pflicht, sich bei dem Kontoerrichtenden zu erkundigen, ob dieser für eigene Rechnung handelt. Gibt dieser an, für fremde Rechnung zu handeln, erstreckt sich die Identifizierungspflicht auf den wirtschaftlich Berechtigten (§ 8 Abs. 1 GwG). III. Vertretungs- und Verfügungsmacht über das Konto. 1. Vertretungsmacht. Ob ein Vertreter zu Verfügungen über das Konto berechtigt ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 164 ff BGB). Eltern dürfen im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht (§§ 1626, 1629 BGB) Guthaben ihrer Kinder auf ein eigenes Konto transferieren. Es handelt sich nicht um verbotene Insichgeschäfte gemäß §§ 1629 II 1, 1795 II, 181 BGB (BGH NJW 2004, 2517 (2518); M. Klein, BKR 2004, 180 (183)), da der Überweisungsvertrag nicht zwischen Kind und Eltern, sondern zwischen Kind und Bank abgeschlossen wird (vgl. dazu auch Rn. 43 a.E.). Ein falsus procurator kann dagegen – abgesehen vom Fall der Rechtsscheinhaftung – nicht zu Lasten des Kontos verfügen. Daher trägt grundsätzlich die Bank das Risiko, wenn sie etwa Barauszahlungen auf der Grundlage einer gefälschten Vollmacht vornimmt (BGH NJW 2001, 2968 (2969) m. Anm. Koller, LM Nr. 180 zu § 607 BGB; OLG Karlsruhe WM 1985, 454).
39
Die Kontovollmacht wird üblicherweise formularmäßig erteilt (vgl. die bei Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 34, abgedruckten Formulare). Im Gegensatz zur Bankvollmacht, die zu sämtlichen Geschäften gegenüber der Bank ermächtigt, beschränkt sich die Kontovollmacht auf Verfügungen über ein einzelnes, vorhandenes Konto. Von ihr gedeckt sind alle Geschäfte, die mit der Kontoführung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, auch Verfügungen mit Hilfe von Schecks und Überweisungen (BGH WM 1986, 901 (902)). Dagegen berechtigt die Kontovollmacht im Regelfall nicht zum Abschluss von Kreditverträgen, wohl aber – so das gebräuchliche Standardformular – zu vorübergehenden Kontoüberziehungen im „banküblichen Rahmen“. Solche tolerierten Überziehungen gehören in der Regel zu den Geschäften, die auch im Interesse des Kontoinhabers liegen und daher in der Regel von seiner Vollmacht gedeckt sind (Canaris, Rn. 165; Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 34 Rn. 20; a.A. Schimansky/Bunte/Lwowski-Schramm, § 32 Rn. 6; Staudinger-Hopt/Mülbert, Vorbem. §§ 607 f. BGB Rn. 72). Als banküblich werden etwa 10% der Summe eines Überziehungskredits gemäß § 493 BGB angesehen (OLG Köln WM 1999, 1003). Ein mündlich vereinbartes Verbot der Kreditaufnahme geht einer formularmäßigen Ermächtigung des Ehepartners gemäß § 305b BGB vor (vgl. OLG Oldenburg WM 1996, 997 (999)). Die Darlegungs- und Beweislast trägt derjenige, der sich auf eine solche mündliche Absprache beruft. Entsprechendes gilt, falls es nach den vorangegangenen Erörterungen der Beteiligten völlig fern liegt und daher überraschend erscheint (§ 305c BGB), dass der Bevollmächtigte im Formularvertrag zur unbegrenzten Überziehung des Kontos berechtigt sein soll (BGH NJW 1987, 2011).
40
Die in Unterschriftsprobenblättern dokumentierte Vertretungsberechtigung ist als Kundgabe einer Vollmacht zu werten (§§ 170, 171 BGB). Ihr Widerruf ist daher dem Kreditinstitut – nicht unbedingt der kontoführenden Zweigstelle (AG Schwabach WM 2001, 902; Wagner, WuB I B 2. – 1.01) – mitzuteilen. Bei sog. Vorsorgevollmachten (zu deren bankrechtlichen Problemen vgl. Zimmermann, BKR 2007, 226 ff.) stellt sich häufig das Problem, dass der Vollmachtgeber nicht mehr geschäftsfähig ist; um einen wirksamen Widerruf zu erklären, ist ggf. ein vom Vormundschaftsgericht bestellter Voll-
41
Singer
1144
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
machtsüberwachungsbetreuer einzuschalten. Die Unterschriftszeichnung kann zu einer Erweiterung der Vertretungsbefugnis führen, z.B. wenn dem Organ einer Gesellschaft, das nach dem Gesellschaftsvertrag nur zur Gesamtvertretung berechtigt ist, Einzelvertretungsbefugnis bescheinigt wird. Die Ermächtigung eines Gesamtvertreters zur Alleinvertretung ist allerdings nicht unbeschränkt zulässig (BGHZ 13, 61 (65); 34, 27 (30)), doch genügt es, wenn sich die erforderliche Begrenzung aus den Umständen – etwa dem Zweck der Geschäftsverbindung (BGH WM 1986, 315 (316)) – ergibt. Dagegen handelt es sich bei der Übertragung von Sicherungseigentum (OLG Celle WM 1967, 1230 (1231)), der Durchführung von Wertpapierverkäufen, deren Erlös nicht dem Konto des Vertretenen, sondern einer Tochtergesellschaft gutgeschrieben werden soll (LG Hamburg WM 1996, 999 (1002)), oder der Einlösung von Schecks, die von der Stellung einer Bürgschaft abhängig gemacht wird (OLG Köln WM 2001, 2340 (2342); Look, WuB I B 2. – 1.02), um so ungewöhnliche Geschäfte, dass sie nicht mehr von der allgemeinen Zeichnungsbefugnis gedeckt sind. Eine Einzelvertretungsbefugnis für den „Kleingeldverkehr“ deckt offensichtlich nicht die Zeichnung von Schecks über 10.000 € (BGH WM 1982, 425 (426 f.)). 42
2. Missbrauch der Vertretungsmacht. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht kommt in Betracht, wenn dem Vertreter im Außenverhältnis eine gesetzlich fest umrissene (§§ 50 Abs. 1, 126 Abs. 2 HGB; 37 GmbHG; 82 AktG) oder – wie bei der Bank- oder Kontovollmacht – gegenständlich weit reichende Vertretungsmacht eingeräumt ist und dieser von ihr im Innenverhältnis zum Nachteil des Vertretenen Gebrauch macht. Dafür genügt es bereits, wenn der Vertreter dem Vertretenen Tatsachen nicht mitgeteilt hat, die diesen vom Abschluss des Geschäfts abgehalten hätten (BGH WM 1972, 1380; NJW 1984, 1461 (1462)). Grundsätzlich geht die Überschreitung der im Innenverhältnis zum Vertretenen bestehenden Bindungen zu Lasten des Vertretenen. Der Vertretene ist gegen einen Missbrauch der Vertretungsmacht nur dann geschützt, wenn der Geschäftsgegner nicht mehr auf die formal bestehende Vertretungsmacht vertrauen darf. Dementsprechend verlangt die Rechtsprechung, dass der Vertreter von seiner Vertretungsmacht „in ersichtlich verdächtiger Weise“ Gebrauch gemacht haben muss (BGHZ 113, 315 (320); BGH WM 1992, 1362 (1363); 1994, 2190 (2191)). Einfache Fahrlässigkeit des Geschäftsgegners genügt hier nicht. Notwendig ist vielmehr eine „massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs“ (BGHZ 127, 239 (241); BGH NJW 1999, 2883). Ob die Pflichtverletzung des Vertreters vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, sollte entgegen einer in der Rechtsprechung vorherrschenden Tendenz (vgl. BGH WM 1976, 658 (659); NJW 1990, 384 (385)) keine Rolle spielen (zutr aber BGH NJW 1988, 3012 (3013); Schimansky/Bunte/Lwowski-Schramm, § 32 Rn. 26), da sich der Vorwurf unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB gegen den Geschäftsgegner richtet, nicht gegen den Vertreter.
43
Der eigennützige Einsatz der Vollmacht gibt in der Regel Anlass zur Aufmerksamkeit (BGH NJW 1999, 2883 (2884); Schimansky/Bunte/Lwowski-Schramm, § 32 Rn. 33; Canaris, Rn. 171). Allerdings braucht eine Bank noch nicht ohne weiteres Verdacht zu schöpfen, wenn der Bevollmächtigte Werte aus dem Vermögen des Vollmachtgebers auf ein für ihn selbst geführtes Konto übertragen lässt (BGH WM 1957, 28 (30); LG München I BKR 2006, 28 (32 f.)). Entscheidend ist, ob weitere Verdachtsmomente hinzukommen. Dies ist nicht der Fall, wenn auch der Vertretene Verfügungsmacht über das Empfängerkonto hat, da dann der Verdacht fern liegt, dass das Vermögen dem Zugriff des Vertretenen entzogen werden soll (BGH WM 1982, 549). An einer Evidenz des Missbrauchs fehlt es auch, wenn der Bevollmächtigte das durch die Veräußerung faktisch aufgelöste Wertpapierdepot in der Vergangenheit vollkommen allein verwaltet und dabei
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1145
u.a. auch als Sicherheit im Eigeninteresse verwendet hat (LG München I BKR 2006, 28 (33) m. zust. Anm. Walz). Verdacht erregen muss hingegen, wenn der Bevollmächtigte ein Sparkonto auflöst, um damit eigene Verbindlichkeiten bei der gleichen Bank zu tilgen, nachdem er einige Tage zuvor das Sparbuch mit einem erheblichen Kreditbetrag aufgestockt hat (BGH NJW 1999, 2883 (2884)). Entsprechendes gilt, wenn der Geschäftsführer einer GmbH sämtliche auf dem Firmenkonto eingehenden Beträge auf sein bei der gleichen Filiale bestehendes Privatkonto überweisen lässt, um über dieses Konto die Geschäfte der GmbH abzuwickeln (BGH WM 1976, 474 (475); s. a. BGH WM 1984, 730 (731)). Bei ungewöhnlich hohen Überweisungen, die nach dem Tode des Vollmachtgebers auf das Privatkonto des Bevollmächtigten vorgenommen werden, besteht für das Kreditinstitut ebenfalls Veranlassung, nachzufragen. Gibt der Bevollmächtigte keinen plausiblen Grund für die ungewöhliche Überweisung an, ist die Bank nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den angetragenen Überweisungsvertrag zu verweigern (OLG Karlsruhe WM 2007, 300 (301); Vorinstanz LG Heidelberg, 20.12.2005 – 2 O 225/ 05 – Rn. 45 (juris; n.v.)). Barauszahlungen an einen Vertreter sind jedenfalls im Verkehr zwischen Banken nicht unüblich und müssen daher auch bei ungewöhnlich hohen Summen (1,5 Mio. DM) erst beim Hinzutreten weiterer Verdachtsmomente – wie z.B. dem Versuch, die Barauszahlung durch Umbuchungen zu verschleiern – Misstrauen erregen (BGH WM 1986, 418). Auch die Überweisung von einem Konto der Kinder auf eines der Eltern (oben Rn. 39) begründet nicht den Verdacht eines evidenten Missbrauchs, wenn – nach dem Vortrag der Eltern – durch die Überweisung eine frühere, irrtümlich zum Zwecke der Steuererparnis vorgenommene, rechtsgrundlose Überweisung auf das Konto der Kinder rückgängig gemacht werden sollte (BGH NJW 2004, 2517 (2518 f.); a.A. M. Klein, BKR 2004, 180 (184), Anm. zum Urteil der Vorinstanz, OLG Frankfurt BKR 2003, 999). 3. Transmortale und postmortale Vollmachten. a) Fortgeltung der Vollmachten nach dem Tode. Mit dem Tode des Kontoinhabers geht das Konto und damit die Einlageforderung (Rn. 20) auf den oder die Erben über (§ 1922 BGB). Auf den Bestand einer vom Kontoinhaber erteilten Vollmacht hat dies keinen Einfluss, weil in der Regel das zugrunde liegende Rechtsverhältnis fortbesteht (§§ 168 S. 1, 672, 675 BGB; vgl. auch § 52 Abs. 3 HGB) und auch das gebräuchliche Muster für Kontovollmachten vorsieht, dass diese über den Tod hinaus (transmortal) gelten sollen (vgl. das bei Schimansky/Bunte/Lwowski, § 34 Rn. 19 abgedruckte Formular). Bei der isolierten Vollmacht, der kein Rechtsverhältnis zugrunde liegt, hängt ihr Fortbestand davon ab, ob es Anhaltspunkte für einen darauf gerichteten Willen des Vollmachtgebers gibt (Trapp, ZEV 1995, 314). Bei der Kontovollmacht für den Ehepartner wird man dies im Zweifel bejahen können (Canaris, Rn. 206; a. A. Staudinger-Schilken, § 168 Rn. 27). Zulässig ist auch eine postmortale Vollmacht. Diese soll erst nach dem Tode des Kontoinhabers wirksam werden, unterliegt aber nicht den Beschränkungen des § 2301 BGB, da sich durch die bloße Bevollmächtigung an der Vermögenszuordnung noch nichts ändert (BGHZ 87, 19, 25). Postmortale Kontovollmachten sollen dem Bevollmächtigten die Abwicklung des Erbfalls ermöglichen, ohne dass dieser seine Berechtigung als Erbe – z.B. durch Vorlage eines Erbscheins – nachweisen muss (BGHZ 127, 239, 244 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Schramm, § 32 Rn. 47). Auch ohne Vorlage einer Vollmacht sind die Kreditinstitute nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag berechtigt (aber nicht verpflichtet), die Bestattungskosten aus dem Nachlasskonto zu begleichen (Jacoby, WM 2003, 368; Sonnenhol/Lange, WuB I B 2.-2.02; Schimansky/Bunte/Lwowski- Gößmann, § 30 Rn. 32; a.A. OLG Saarbrücken WM 2002, 2241 f.; LG Itzehoe WM 2002, 503 (504)).
Singer
44
1146
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
45
b) Postmortale Schenkungen mit Hilfe postmortaler Vollmachten. Als Grundlage für postmortale Schenkungen des Kontoguthabens eignet sich die postmortale Vollmacht grundsätzlich nicht, da unentgeltliche Verfügungen von Todes wegen den erbrechtlichen Formvorschriften unterliegen (§§ 2301 Abs. 1, 2231 ff. BGB) und diese regelmäßig nicht gewahrt sind (zum Wirksamwerden gemäß § 130 Abs. 2 BGB vgl. Staudinger-Singer/ Benedict, BGB, 2004, § 130 Rn. 102 ff.). Eine Heilung kommt bei einer Zuwendung von Todes wegen nur in Betracht, wenn bereits der Erblasser das Schenkungsversprechen vollzogen hat (§ 2301 Abs. 2 BGB). Dafür genügt die Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht nicht, weil die Bevollmächtigung alleine noch keine Änderung in der Vermögenszuordnung bewirkt, sondern diese lediglich vorbereiten soll (BGHZ 87, 19 (25); BGH WM 1978, 895 (896)). Auch wenn sich der Bevollmächtigte das Bankguthaben aufgrund der Vollmacht auszahlen ließe, würde das formnichtige Schenkungsversprechen dadurch nicht geheilt, weil § 2301 Abs. 2 BGB einen Vollzug durch den Schenker verlangt, also eine Verfügung zu seinen Lebzeiten (Bork, JZ 1988, 1059, 1061). Im Regelfall liegt auch kein lebzeitiger Vollzug der Schenkung durch Abtretung der Kontoforderung vor, da und sofern der Vollmachtgeber noch Kontoinhaber bleiben soll. Wenn allerdings dem Versprechensempfänger bereits zu Lebzeiten eine eigene Verfügungsbefugnis eingeräumt wurde – z.B. durch Errichtung eines Oder-Kontos oder durch die Vollmacht, ab sofort über das Guthaben auch zu eigenen Gunsten zu verfügen –, soll dies nach Ansicht des BGH für einen Vollzug gemäß § 398 BGB genügen (BGH WM 1988, 984 (985); NJW-RR 1986, 1133 (1134)).
46
Im Unterschied zu einer Schenkung von Todes wegen kann eine formnichtige Schenkung unter Lebenden gemäß § 518 Abs. 2 BGB geheilt werden, wenn der Versprechensempfänger selbst mit Hilfe der postmortalen Vollmacht die Leistung an sich bewirkt (BGHZ 99, 97 (100)). § 518 Abs. 2 BGB setzt – anders als § 2301 Abs. 2 BGB – nicht voraus, dass der Schenker die Leistung vollzieht. Die Vollmacht bleibt so lange bestehen, bis sie von den Erben widerrufen wird. Vorher ist der Bevollmächtigte nicht verpflichtet, mit dem Erben Rücksprache zu halten, da dies nicht dem – bis zum Widerruf maßgeblichen – Willen des Erblassers entspricht. Eigennützige Verfügungen des Bevollmächtigten stellen daher keinen Missbrauch der Vertretungsmacht dar (BGHZ 127, 239 (243 f.); zust. Bork, JZ 1988, 1059 (1060); Trapp, ZEV 1995, 314 (316 f.); a.A. Canaris, Rn. 207; Schultz, NJW 1995, 3345 (3346)). Folgerichtig braucht sich auch die Bank nicht darum kümmern, ob der Bevollmächtigte in Übereinstimmung mit den Interessen der Erben handelt.
47
Da somit die Wirksamkeit postmortaler Schenkungen davon abhängt, ob der Bevollmächtigte eine Zuwendung unter Lebenden oder eine solche auf den Todesfall erhalten sollte, muss festgestellt werden, was die Parteien gewollt haben. Für eine Schenkung unter Lebenden (§§ 516, 518 BGB) spricht nach Ansicht des BGH, dass der Bedachte bereits zu Lebzeiten verfügungsberechtigt war (BGH NJW-RR 1986, 1133 (1134); WM 1988, 984 (985 f.)). Dieses Abgrenzungskriterium mag dogmatisch korrekt die Trennlinie zwischen § 516 und § 2301 BGB konkretisieren, kann aber in sachlicher Hinsicht kaum zu überzeugen, weil es seine Grundlage nicht in einer unterschiedlichen Willensrichtung des Erblassers, sondern in den Zufälligkeiten der gewählten Rechtskonstruktion hat. Da zudem die erbrechtlichen Formen anerkanntermaßen durch einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall vermieden werden können (BGHZ 41, 95 (96); 46, 198 (201 f.); 66, 8 (11); BGH NJW 1984, 480 (481)), sollte der Erfolg der Zuwendung nicht von Konstruktionen abhängen, deren unterschiedliche Wirkungen den Parteien kaum bewusst sein dürften. Eine einheitliche Behandlung der Fälle ist nur zu erreichen, wenn man sich zu einer großzügigen Anerkennung des lebzeitigen Vollzugs formnichtiger Zuwendungen auf den Todesfall durch stillschweigende Abtretung des Kontoguthabens ent-
Singer
§ 37 Girogeschäft allgemein und Kontoeröffnung
1147
schließt (so Canaris, Rn. 222 Abs. 1). Ansonsten bliebe kein anderer Ausweg, als die Kreditinstitute zur Aufklärung über die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu verpflichten, um wenigstens eine sachgerechte Ausübung des Selbstbestimmungsrechts des Bankkunden zu gewährleisten (dafür auch Kuchinke, FamRZ 1984, 109, 110; Canaris, Rn. 222, Abs. 2).
Singer
“This page left intentionally blank.”
§ 38 Kontokorrent
1149
§ 38 Kontokorrent
Schrifttum Braun, Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2004; Blaurock, Das Anerkenntnis beim Kontokorrent, NJW 1971, 2206; Das Kontokorrent, JA 1980, 691; Canaris, Die Verrechnung beim Kontokorrent, DB 1972, 421; Börsentermingeschäft und Kontokorrent, ZIP 1985, 592; Feuerlein, Insolvenzanfechtung bei AGB-Pfandrecht und Sicherungszession, ZIP 2002, 290; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, Handbuch des Schuldrechts, Band III, 1983; Gierke, J. v., Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. 1958; Hammen, Rechtshistorisches zur Saldofeststellung im kaufmännischen Kontokorrent, WM 1990, 1405; Vorausabtretung versus Inrechnungstellung, JZ 1998, 1095; Hefermehl, Grundfragen des Kontokorrents, FS für Lehmann, 1956, S. 549; Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965; Hess/Weis, Anfechtungsrecht, 2. Aufl. 1999; Kaser, Römisches Privatrecht, 16. Aufl. 1992; Kübler, Feststellung und Garantie, 1967; Liesecke, Das Bankguthaben in Gesetzgebung und Rechtsprechung, WM 1975, 238; Maier, Das Kontokorrent, JuS 1988, 196; Michel, Kontokorrent und Depositengeschäft im französischen Recht, 1967; Müller- Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. und 3. Aufl. 1928, Neudruck 1969; Pallas, Die Rechtsstellung der Sicherungsgeber bei der Verwertung des Sicherungseigentums, 2003; Peckert, Das Girokonto und der Kontokorrentvertrag, 1985; Pikart, Die neue Rechtsprechung des BGH zum Kontokorrentvertrag, WM 1970, 866; Prausnitz, Die Forderungsverrechnung (Aufrechnung, Kontokorrent, Skontration) in geschichtlicher Entwicklung, 1926; Putzo, Erfüllung mit Buchgeld und die Haftung der Beteiligten wegen ungerechtfertigter Bereicherung, 1977; Römer, Die Auswirkungen des Kontokorrents auf die Haftung ausgeschiedener Personenhandelsgesellschafter, 1991; Schlegelberger, (Hrsgb.), Handelsgesetzbuch, Band IV, 5. Aufl. 1976; 1978; Steinhoff, Die insolvenzrechtlichen Probleme im Überweisungsverkehr, ZIP 2000, 1141; Tobias, Der Konsumentenratenkredit im Kontokorrentverhältnis, 1990; Wagner, Neue Argumente zur Pfändbarkeit des Kontokorrentkredits, WM 1998, 1657; Zeiss, Der rechtliche Grund (§ 812 BGB) für Schuldanerkenntnisse und Sicherheitsleistungen, AcP 164 (1964), 50; Zimmermann, The Law of Obligations, 1992. Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . 1 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Das kaufmännische Kontokorrent . . . . . 2 3. Gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . 3 II. Das „Wesen“ des Kontokorrents . . . . . . . . 4 B. Inhalt und Aufgabe des Kontokorrents . . . . . . . . 6 I. Vereinfachung und Vereinheitlichung . . . . 6 II. Sicherung und Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 C. Inhalt und Rechtsnatur des Kontokorrentvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Die Kontokorrentabrede . . . . . . . . . . . . . . . 8 II. Der Geschäftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Der Geschäftsvertrag als Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Der Geschäftsvertrag als Verpflichtung zur Verrechnung . . . . . . 10 III. Die Feststellungsabrede . . . . . . . . . . . . . . 13 IV. Resumee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 D. Voraussetzungen des Kontokorrents . . . . . . . . . 16 I. Die Geschäftsverbindung . . . . . . . . . . . . . 16 II. Kaufmannseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . 20 F. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Zinseszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Kontokorrentbindung . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Die „Lähmung“ der Forderungen und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Die erfassten Ansprüche und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
G.
H.
I. J.
K. L.
III. Anspruch auf Anerkennung des Überschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitpunkt der Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Novation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tilgung durch Verrechnung . . . . . . . . 3. Tilgung durch Schlusszahlung . . . . . . II. Wirkung der Verrechnung . . . . . . . . . . . . 1. Mosaiktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgerlich-rechtliche Erfüllungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tilgung unklagbarer Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verrechnung unpfändbarer Ansprüche Das Anerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zustandekommen des Anerkenntnisses . . II. Wirkung des Anerkenntnisses . . . . . . . . . III. Kondiktion des Anerkenntnisses . . . . . . . 1. Zu niedrige und zu hohe Salden . . . . . 2. Vergessene Forderungen . . . . . . . . . . . IV. Fehlendes Anerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . Das Bankkonto als Staffelkontokorrent . . . . . . Sicherheiten im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . I. Sicherheiten im eigentlichen Sinne . . . . . II. Gesamtschuldnerische Mithaftungen . . . . Pfändung im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beendigung des Kontokorrents . . . . . . . . . I. Allgemeine Beendigungsgründe . . . . . . . II. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kandelhard
26 27 27 28 31 33 34 34 35 38 39 40 40 43 45 45 48 52 53 55 55 58 60 64 64 66
1150
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Stichwortverzeichnis Abstrakter Saldo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Abstraktes Schuldanerkenntnis. . . . . . . . . . . 40 ff., 54 Abtretungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Akzessorische Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Aufrechnungsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 33 Ausscheiden der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . 58 ff. Ausschlussfrist nach Nr. 7 II AGB-Banken . . . . . . 41 Bankkontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 31 Bereicherungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ff. Darlehensvertrag als Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . 17 Deklaratorisches Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . 48 Dispositionskredit (Pfändbarkeit) . . . . . . . . . . . . . . 63 Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Entreicherungseinwand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 f. Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 ff., 35 Erfüllung beim Staffelkontokorrent . . . . . . . . . . 53 f. Erlassvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Feststellungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Forthaftung ausgeschiedener Gesellschafter. . . . 58 f. Genehmigungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 f. Gesamtschuldnerische Mithaftung . . . . . . . . . . . 58 ff. Geschäftsverbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 ff. Geschäftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 54, 66 Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51, 59 Handelsbrauch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Inkongruente Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 ff. In-Rechnung-Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 ff. Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kausaler Saldo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Kondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ff. Kongruente Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 ff.
1
Kontokorrentabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kredit durch Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Kreditlinie (Pfändbarkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 ff. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 ff. Lähmung von Forderungen im Kontokorrent. . . . . 22 Mosaiktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Nachhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 ff. Novation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Novationstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 ff., 43 ff. Periodenkontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 ff. Persönliche Haftung der Gesellschafter . . . . . . . 58 ff. Pfandrecht der Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Pfändung im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . 60 ff. Postensaldo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Saldoanerkenntnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 40 ff. Sicherheiten im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . 55 ff. Staffelkontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 ff. Stundung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Tagessaldo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 60 Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 33, 35 Umkehr der Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 45 Unklagbare Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Unpfändbare Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Unpfändbare Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Verfügungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Vergessene Forderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 ff. Vorausverfügung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Vorvertrag zum Kontokorrent. . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Wesen des Kontokorrents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ff. Zinseszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Zustellungssaldo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Zwangsvollstreckung im Kontokorrent . . . . . . . 60 ff.
A. Einleitung I. Geschichtliche Entwicklung. 1. Grundlagen. Die geschichtlichen Grundlagen für die dogmatische Konstruktion des Kontokorrents finden sich wahrscheinlich in verschiedenen Vergleichstechniken. Im ausgebildeten römischen Recht wird bei der (mit der Novation eng verwandten) stipulatio Aquiliana die Verrechnung zur vergleichsweisen Bereinigung (wechselseitiger) Ansprüche genutzt. Aus den gegenseitigen Forderungen wird ein Saldo gebildet, der entweder umgehend ausgeglichen oder (weiter) kreditiert wird. Gleichzeitig werden die vorherigen Einzelforderungen mit der acceptilatio sofort zum Erlöschen gebracht (s. Flor. D. 46, 4, 18, 1; Inst. III, 29, 2; Kaser, § 54 II 5, S. 246; Zimmermann, 24 II 4, S. 757). Der Zweck dieses Institutes lag aber wohl eher in der Zusammenfassung und Bereinigung der Einzelforderungen als der (erleichterten) Abwicklung von Geschäftsbeziehungen (s. Kaser, § 54 II 5, S. 246), dennoch enthält die stipulatio Aquiliana bereits erhebliche Elemente des künftigen Kontokorrents. Der Gedanke, gegenseitige Forderungen nicht einzeln auszugleichen, sondern insgesamt zu verrechnen und lediglich den sich für eine Seite eventuell ergebenden Überschuss auszugleichen, diente aber auch außerhalb römischen Rechts (und vor der Ausbildung eines eigentlichen Zivilrechts) der Schlichtung gegenseitiger Verfehlungen: So berichtet die isländische Reykdoela-Sage von einem Vergleich zwischen den Parteien einer langwierigen Blutfehde, in dem unter Verrechnung der gegenseitigen Ansprüche lediglich für die Delikte eine Buße ausgesprochen wurde, denen keine korrespondierenden Verfehlungen gegenüberstanden (zitiert nach Prausnitz, S. 9 f., m. w. N.). Derartige Entscheidungen lassen sich im nordi-
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1151
schen Recht vielfach und auch in weiteren Partikularrechten nachweisen (s. Prausnitz, S. 10 ff., m. w. N.). In der Folgezeit bilden sich sogar Regeln für typische Bußverrechnungen heraus (Prausnitz, S. 17 ff., m. umf. N.). Die Verrechnung dient damit der Befriedung: Statt den Parteien durch Verhängung (schwerer) Bußen weiteres Unheil zuzufügen, werden die aus den Delikten folgenden Bußen (Prausnitz, S. 113) verrechnet und so eine erträgliche Strafe (auf den bloßen „Überschuss“) häufig erst ermöglicht. Die (streitvermeidende) Vereinfachung lässt sich unschwer als ein heute noch wesentliches Element des Kontokorrents identifizieren, insofern dürften die technischen und dogmatischen Gemeinsamkeiten kaum zufällig sein. 2. Das kaufmännische Kontokorrent. Im Handelsrecht beginnt die Entwicklung des Kontokorrents damit, dass die Kaufmannschaft im ausgehenden Mittelalter sesshaft wird. Der Kaufmann reiste nicht mehr mit seinem Gut, sondern schaltete hierfür Handelsdiener und Frachtführer ein. Damit entstehen Geschäftsverbindungen zwischen den verschiedenen Niederlassungen derselben Gesellschaft oder unterschiedlichen Handelshäusern (Prausnitz, S. 100 ff.). Dadurch tritt das Erfordernis einer geordneten Buchführung auf, die sich im 15. Jahrhundert auszubilden beginnt und damit das eigentliche Kontokorrent erst ermöglicht (Prausnitz, S. 105 ff.). Spätestens für die städtischen Messen im 16. Jahrhundert lässt sich dann eine Forderungsverrechnung (Skontration) unter Kaufleuten nachweisen. Am Schluss der Messe wurden die Messebücher der Kaufleute abgeglichen und lediglich die Überschüsse ausgezahlt (Prausnitz, S. 49 f., m. w. N.). Anfangs des 17. Jahrhunderts findet sich dann der eigentliche Kontokorrentvertrag. Er dient der Abrechnung zwischen Kommittent und Kommissionär, zwischen Gesellschaftern oder sonstiger langfristiger Geschäftsbeziehungen (Prausnitz, S. 81 ff., 90; in Italien wahrscheinlich schon vor dieser Zeit, siehe Prausnitz, S. 91). Ebenso sind erste Bankkontokorrente nachzuweisen (Prausnitz, S. 90, m. w. N.; ähnliches findet man wohl auch schon im römischen Recht, siehe Prausnitz, S. 153, m. w. N., so konnte der Bankier (argentarius) von vorneherein lediglich auf den zu seinen Gunsten bestehenden Überschuss klagen, siehe Gaius, Inst. IV, 64; dies war den Klagen bonae fidei – zu denen die Klage des argentarius aber nicht gehörte – allerdings in Bezug auf konnexe Gegenforderungen ohnehin inhärent, siehe Zimmermann, 24 IV 2 a, S. 762, unter Verweis auf Gaius, Inst. IV, 61). Zweck dieser Abrechnungsvariationen ist, die Schwierigkeiten (die Aufrechnung vereinfacht die Abwicklung gegenseitiger Obligationen immer, sie vermeidet „an unneccessarily circuitous and uneconomical procedure“, ausführlich Zimmermann, 24 IV 1, S. 760) und Gefahren bei dem Transport von Geld oder der Wechselbegebung zu vermeiden (Prausnitz, S. 92, 149 f., m. w. N.). 3. Gesetzliche Regelungen. Das Kontokorrent hat sich also als besondere Form der Abrechnung gegenseitiger Geschäftsvorfälle in der kaufmännischen Praxis entwickelt. Daraus resultierende Forderungen wurden lediglich gebucht und periodisch verrechnet, so dass nur noch eine einheitliche neue Forderung auf den Überschuss verblieb. Weil hierauf Zinsen selbst dann gefordert werden konnten, wenn in dem Saldo bereits Zinsen enthalten waren, verstieß der Handelsbrauch Kontokorrent jedoch gegen das römisch-rechtliche Verbot des Anatozismus, wie es heute noch in § 248 BGB zu finden ist. In Anerkennung des Kontokorrents erlaubte deshalb II 8 § 697 PrALR, Zinsen auf den Überschuss zu fordern, „wenn gleich darunter Interessen mit begriffen sind“. Über Art. 291 ADHGB fand diese Erlaubnis unter geringfügigen flankierenden Regelungen Eingang in das HGB. § 355 I HGB enthält die Befreiung vom Zinseszinsverbot und definiert auf dem Weg dorthin die Tatbestandsmerkmale des Kontokorrents. Darüber hinaus werden in § 355 S. 3 HGB nur noch die Kündbarkeit, in § 356 HGB das Schicksal von Sicherheiten und in § 357 HGB die Pfändbarkeit kontokorrentgebundener Ansprüche geregelt.
Kandelhard
2
3
1152
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
4
II. Das „Wesen“ des Kontokorrents. Das Gesetz löst nur wenige der mit dem Kontokorrent einhergehenden Rechtsfragen. Vor diesem Hintergrund wurde lange über das „Wesen“ des Kontokorrents und die daraus zu erzielenden Resultate gestritten (zur Kritik s. GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 7; Hammen, JZ 1998, 1096.). Erst spät setzte sich eine Ableitung der Rechtsfolgen aus dem Parteiwillen durch (maßgeblich insbesondere GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 1; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 6). Das Abstellen auf den Willen der Parteien ist – wie bei jedem Vertrag – selbstverständlich, findet aber dort seine Grenzen, wo sich dieser den vertraglichen Vereinbarungen nicht entnehmen lässt. Daran fehlt es jedoch häufig, die Parteien haben primär die erleichterte Abwicklung ihres Geschäftsverkehrs und nur partiell die damit einhergehenden rechtlichen Konsequenzen vor Augen. Daran dürfte regelmäßig auch eine Deduktion der Rechtsfolgen aus dem mutmaßlichen Parteiwillen nach § 157 BGB scheitern. Dennoch lassen sich damit zumindest solche Theorien zurückweisen, die den von den Parteien verfolgen Zwecken zuwiderlaufen – insbesondere der Erleichterungsfunktion des Kontokorrents (zutreffend GKHGB- Canaris, Anm. 2 ff., 6).
5
Da das Kontokorrent lediglich kodifizierter Handelsbrauch (§ 347 HGB) ist, bietet es sich an, ersatzweise auf diesen abzustellen. Doch hat sich das Kontokorrent primär vor dem Hintergrund der erleichterten Abrechnung entwickelt, so dass auch hieraus nur wenig Anhaltspunkte zu gewinnen sein dürften. Letztlich ist die Kodifizierung eines jeden Vertragstyps jedoch kaum anderes als gesetzliche Umsetzung (rechts-) tatsächlicher Geschäftsvorfälle: Die Definitionen von Kauf-, Miet- oder Werkvertrag beschreiben lediglich den schon vorgesetzlichen Gütertausch und ermöglichen im Rechtsstaat die Exekution der damit von den Parteien intendierten (unmittelbaren) Resultate. Soweit die Parteien in den Grenzen des ius cogens nichts anderes vereinbart haben, gilt aber ergänzend jeweils dispositives Gesetzesrecht. Nicht anders verhält es sich bei dem Kontokorrent. Die damit verbundenen Rechtsfragen sind, sofern – wie regelmäßig – hinreichende Anhaltspunkte im Willen der Parteien fehlen, mittels des dispositiven Gesetzesrechts zu lösen.
6
B. Inhalt und Aufgabe des Kontokorrents I. Vereinfachung und Vereinheitlichung. Das Kontokorrent hat sich im Handelsverkehr entwickelt, um die Abrechnung von Forderungen und Leistungen aus einer Geschäftsverbindung zu vereinfachen. Statt Zahlungen je einzeln vorzunehmen und Geld womöglich über weite Entfernungen zu transportieren, wurden die einzelnen Forderungen und Leistungen gebucht, periodisch verrechnet und lediglich der Überschuss vorgetragen oder ausgeglichen. Die (gemeinsame) Anerkennung des Saldos kreiert zudem eine einheitliche Überschussforderung, die der Notwendigkeit enthebt, auf die verrechneten Forderungen und ihr unterschiedliches rechtliches Schicksal zurückzugreifen (zu Recht betont Canaris die Vereinheitlichungsfunktion, s. GKHGB, § 355 Anm. 2). Insofern wird die Abrechnung zwischen den Parteien in doppelter Hinsicht vereinfacht. Damit bewirkt das Kontokorrent eine wesentliche Erleichterung bei der Abrechnung langfristiger Geschäftsverbindungen, die in Zeiten der computergestützten Abwicklung aber längst nicht mehr die Bedeutung früherer Tage hat.
7
II. Sicherung und Kredit. Die Einstellung der Forderung ins Kontokorrent bindet sie für die künftige Verrechnung. Damit ist eine gewisse Sicherung für den Ausgleich der Forderung verbunden, die jedoch mehr Nebenfolge als eigentlicher Zweck des Kontokorrents ist (zutreffend GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 3). Regelmäßig ist mit einer Kontokorrentabrede auch eine Kreditgewährung verbunden. Es mag zwar sein, dass in der Vereinbarung eines Kontokorrents noch kein Krediteröffnungsvertrag liegt (s. RGZ 88, 373 (376);
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1153
GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 4), doch beinhaltet die Abrede erst künftiger Verrechnung – für die Parteien erkennbar – zumindest einen gewissen Zahlungsaufschub (ob es sich um eine Stundung im Rechtssinne handelt, kann dabei dahingestellt bleiben (dagegen MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 35; Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 38). Notwendig führt die erste Leistung oder der Erwerb der ersten Forderung zu einem Debet für die andere Seite. Da dieses erst zukünftig verrechnet werden soll, verzichten die Parteien zumindest konkludent auf die unmittelbare Zahlung des ersten Überschusses. Damit scheidet ein sofortiger Anspruch auf Ausgleich des Debets aus. Richtig ist jedoch, dass ein solcher Anspruch nicht an die engen Voraussetzungen des Darlehensrechts gebunden ist (GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 5). Zunächst werden die Parteien aufgrund der erkennbar eintretenden Kreditierung häufig auch das hierbei einzuhaltende Maß regeln. Ist eine Kreditlinie nicht vereinbart, kann in ergänzender Vertragsauslegung darauf abgestellt werden, welches Debet nach Art der Geschäftsverbindung der Parteien maximal vorhersehbar war (GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 5; wohl auch MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 51f.; auch nach französischem Recht sind außergewöhnliche Geschäftsvorfälle nicht kontokorrentgebunden, s. Michel, S. 33). Reicht der Debetsaldo hierüber hinaus, kann der Gläubiger vorzeitigen Ausgleich verlangen. Zur Not kann der Gläubiger aber auch von seiner jederzeitigen Kündigungsbefugnis nach § 355 S. 3 HGB Gebrauch machen und so die Kreditierung beenden oder vorab unter Androhung dessen eine einvernehmliche Herauslösung der (zu hohen) Forderung aushandeln.
C. Inhalt und Rechtsnatur des Kontokorrentvertrages
8
I. Die Kontokorrentabrede. Prägendes Merkmal des Kontokorrents ist die Kontokorrentabrede. Gem. § 355 S. 1 HGB ist sie die Vereinbarung, die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen (nebst Zinsen) in Rechnung zu stellen und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des Überschusses auszugleichen. Ihr Inhalt geht damit zunächst dahin, die aus den Ansprüchen und Leistungen entstehenden Forderungen zur Verrechnung zu stellen. Dadurch werden die künftigen Forderungen im Hinblick auf die spätere Verrechnung gebunden: sie verlieren ihre Fähigkeit, selbständig geltend gemacht zu werden, und können dementsprechend auch nicht mehr abgetreten oder (auf andere Weise) getilgt werden (BGH, NJW 2005, 1863; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 13; GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 9; weitergehend Hammen, JZ 1998, 1097 ff., der von einer inhaltlichen Beschränkung des Entstehungstatbestandes ausgeht; dies hat Konsequenzen für die Frage der Konkurrenz zu einer Vorausabtretung: diese schließt nach h. M., wenn sie zeitlich vor der Kontokorrentabrede erfolgt, die Kontokorrentbindung aus, während nach Auffassung Hammens die Kontokorrentbindung vorgeht). Zutreffend wird die Kontokorrentabrede daher als antizipierte Verfügung angesehen (GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 9; MünchKommHGB- Hefermehl, § 355 Rn. 13). Streitig ist aber, ob die Verrechnung dann gleichsam automatisch (so MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 13) oder durch einen von der antizipierten Verrechnung zu unterscheidenden Verrechnungsvertrag vollzogen wird (so GKHGB- Canaris, § 355 Anm. 9). Wenn die Verrechnung anlässlich der Kontokorrentabrede jedoch bereits antizipiert wurde, ist für einen (weiteren) Verrechnungsvertrag kein Raum mehr. II. Der Geschäftsvertrag. 1. Der Geschäftsvertrag als Geschäftsverbindung. Neben der Kontokorrentabrede soll auch ein Geschäftsvertrag bestehen, der als gegenseitiger Vertrag die zwischen den Parteien des Kontokorrents bestehenden Rechte und Pflichten beinhaltet (GKHGB-Canaris; § 355 Anm. 10; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 13). Nach einer Ansicht handelt es sich hierbei um die in § 355 S. 1 HGB angesprochene Geschäftsverbindung, im Bankverkehr etwa den Girovertrag (MünchKommHGB-
Kandelhard
9
1154
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Hefermehl, § 355 Rn. 13). Richtig ist zwar, dass ein Kontokorrent ohne Geschäftsverbindung nicht möglich ist. Dennoch ist diese lediglich Voraussetzung für das Vorliegen eines Kontokorrents (zutreffend GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 9), nicht aber Teil des Kontokorrentvertrages. Dessen Charakteristikum ist ausschließlich eine besondere Form der Abrechnung der aus der Geschäftsverbindung entspringenden Forderungen. 10
2. Der Geschäftsvertrag als Verpflichtung zur Verrechnung. Nach anderer Ansicht ist der Geschäftsvertrag die kausale Grundlage für die antizipierte Verrechnung, der neben den allfälligen Nebenpflichten im Sinne des § 241 II BGB die Verpflichtung zur Anerkennung des Saldos und gegebenenfalls zur Vornahme der zur Verrechnung erforderlichen Erklärungen beinhaltet (GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 10). Doch ist fraglich, ob ein von der Kontokorrentabrede zu unterscheidender Geschäftsvertrag vorliegt. Als Grundlage von Nebenpflichten wird er nicht benötigt, da sich diese auch aus Verfügungsverträgen und ohnehin aus der zugrundeliegenden Geschäftsverbindung ergeben (können). Ebenso wenig bedarf es einer Verpflichtung, bei der Feststellung der zu verrechnenden Forderungen und Leistungen mitzuwirken. Die antizipierte Verrechnung wäre keine solche (oder nach dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht wirksam), wenn die einzustellenden Forderungen nicht bereits bei Abschluss der Kontokorrentabrede identifizierbar wären.
11
Dies erkennt prinzipiell auch Canaris an (GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 10; die Verrechnung erfolgt grundsätzlich ipso iure, s. a. Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 44; davon geht augenscheinlich auch BGH NJW 2002, 1722 (1723), aus), doch hält er alternativ einen Geschäftsvertrag für möglich, nach dem die zu verrechnenden Forderungen erst zum Ende der bedungenen Periode bestimmt werden. Dies mag zwar zutreffen, doch handelt es sich dann nicht mehr um ein Kontokorrent im Sinne des § 355 HGB. Wird lediglich ein Buchungsblatt geführt und zu einem bestimmten Zeitpunkt darüber befunden, welche Forderungen verrechnet werden sollen (und welche nicht), fehlt es an einem Wesensmerkmal des Kontokorrents: der Bindung der Forderungen im Hinblick auf die künftige Verrechnung. Ohne diese handelt es sich nicht um die zu einem (eigentlichen) Kontokorrentvertrag gehörige Geschäftsabrede, sondern um einen spontanen Aufrechnungsvertrag.
12
Wird also in einem Geschäftsvertrag vereinbart, später noch auszuhandelnde Forderungen zu verrechnen (und andere ebenso wenig bestimmbare Forderungen nicht), kann dies allenfalls Grundlage für spätere Verhandlungen sein; mangels identifizierbarer Rechtsfolgen würde es sich jedoch nicht einmal um einen Vorvertrag handeln (da die essentialia des späteren Vertrages nicht bestimmbar wären, s. dazu umfassend Henrich, § 10, S. 119 ff.). Insofern wirkt die Distinktion zwischen Geschäftsvertrag und Kontokorrentabrede überkonstruiert, auch wenn sie der (nur) deutschen Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft entspricht. Eine kausale Verpflichtung der Parteien zu einem kontokorrententsprechenden Verhalten existiert damit nicht. Das Kontokorrent erfüllt sich unter Feststellung der einzustellenden Forderungen zum Ende der bedungenen Periode ipso iure.
13
III. Die Feststellungsabrede. Der Geschäftsvertrag kann danach allenfalls Grundlage für die Verpflichtung sein, bei der Feststellung des Saldos mitzuwirken oder die für seine Anerkennung erforderlichen Erklärungen abzugeben. Zwar ist (nach diesseitiger Auffassung) die (gemeinsame) Feststellung des Saldos zum Ende der Periode nicht mehr erforderlich (darüber können allenfalls Meinungsverschiedenheiten bestehen, so dass eine gemeinsame Feststellung zur Streitvermeidung sinnvoll sein kann – rechtlich erforderlich ist sie dennoch nicht), doch erschöpft sich das Kontokorrent nicht in dieser vereinfachten
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1155
Abrechnung. Weitergehend ist die Vereinheitlichung der eingebundenen Forderungen erforderlich, die durch die Anerkennung des Saldos ermöglicht wird: Erst dadurch entsteht die abstrakte Saldoforderung. Daher ist nur folgerichtig, dass auf die Erteilung dieses Anerkenntnisses geklagt werden kann (BGH WM 1955, 1315 (1316); WM 1970, 184 (185); Schlegelberger-Hefermehl, § 355 Rn. 49; GKHGB-Canaris, Rn. 94, 99). Damit hat der Kontokorrentvertrag doch noch einen über die Kontokorrentabrede hinausgehenden kausalen Verpflichtungsinhalt: denjenigen zur (gemeinsamen) Feststellung des Saldos (in Form des abstrakten Schuldanerkenntnisses, s. dazu u. Rn. 39). Zwar ist ein Anerkenntnis des Überschusses von § 355 S. 1 HGB explizit nicht gefordert. Das Gesetz sieht lediglich Verrechnung und Feststellung des Überschusses vor. Da die Verrechnung jedoch aufgrund antizipierter Verfügung ipso iure erfolgt, ist dafür eine Feststellung nicht erforderlich. Mit der Feststellung kann daher nur die von der Identifikation der eingestellten Ansprüche zu trennende Feststellung des Überschusses durch Anerkenntnis gemeint sein. IV. Resumee. Für das Verhältnis zwischen Geschäftsvertrag und Kontokorrentabrede wird damit deutlich, dass diese Elemente des Kontokorrentvertrages nicht im Verhältnis von Verpflichtungs- zu Verfügungsgeschäft stehen (so aber GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 11). Bezüglich der in das Kontokorrent einzustellenden Forderungen ist eine Verpflichtung zur Auswahl der Forderungen nicht erforderlich, da diese bereits in der Kontokorrentabrede als antizipierter Verfügung enthalten ist. Es ist daher unrichtig, dass die Kontokorrentabrede ohne Geschäftsvertrag gegenstandslos wäre (so aber Schlegelberger-Hefermehl, § 355 Rn. 3; GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 11). Ebenso wenig ist die Kontokorrentabrede unselbständiger Teil des Geschäftsvertrages (so aber MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 13; wie hier GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 11), von ihrem Bestand abhängig oder besteht gar insoweit eine Ausnahme vom Abstraktionsprinzip (GKHGB- Canaris, § 355 Anm. 11). All dies ist nicht erforderlich: Eine Kontokorrentabrede ohne hinreichende Identifizierung der einzustellenden Forderungen ist keine solche, sondern allenfalls Verpflichtung zu künftigen Verhandlungen über den Abschluss eines Aufrechnungsvertrages. Der Geschäftsvertrag bildet also lediglich die causa für die Verpflichtung zur Anerkennung des Überschusses. Insofern besteht der Kontokorrentvertrag aus zwei Elementen: 1. der antizipierten Verrechnung bestimmbarer gegenseitiger Forderungen (Kontokorrentabrede), 2. der Verpflichtung zur (gemeinsamen) Feststellung des Überschusses in abstrakter Form (Feststellungsabrede). Der Kontokorrentvertrag hat daher primär verfügenden Charakter, die antizipierte Verrechnung bestimmbarer Forderungen gibt dem Kontokorrent sein eigentliches Gepräge. Die Verpflichtung zur Anerkennung des Saldos ist lediglich ein überschießender Annex, der sich in der kaufmännischen Praxis entwickelt hat und durch die neben die Verrechnung tretende Voraussetzung der Feststellung des Überschusses in § 355 S. 1 HGB zum Inhalt des eigentlichen handelsrechtlichen Kontokorrents geworden ist. Mischformen sind aber möglich: Auch ohne die Vereinbarung, den sich etwa ergebenden Überschuss festzustellen, macht die Kontokorrentabrede Sinn. Für diesen Fall entsteht lediglich ein kausaler Saldo. Ebenso können die Parteien im Rahmen eines Verrechnungsvertrages eine Verpflichtung zum abstrakten Anerkenntnis eines Überschusses konstituieren. Ein solcher Vertrag kann auch vorab mehr oder minder vage in Aussicht genommen werden. Dann liegt eine dem Kontokorrent ähnliche Vereinbarung vor, der jedoch ein notwendiges Element des eigentlichen Kontokorrents im Sinne des § 355 S. 1 HGB fehlt, nämlich die Zur-Verrechnung-Stellung der aus einer bestimmten Geschäftsverbindung entstehenden bestimmbaren Forderungen. Wie auf viele uneigentliche Kontokorrente können auch auf
Kandelhard
14
15
1156
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
derartige Mischformen die §§ 355 ff. HGB weitgehend analog angewendet werden (s. GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 12). 16
D. Voraussetzungen des Kontokorrents I. Die Geschäftsverbindung. Voraussetzung für das Kontokorrent ist eine Geschäftsverbindung aus der beiderseitige Ansprüche und Leistungen entstehen (können). Ansonsten gäbe es keine über die Kontokorrentabrede zu verrechnenden Forderungen. Was für eine Geschäftsverbindung besteht, ist unerheblich, wesentlich ist allein, dass mehrfach Ansprüche und Leistungen entstehen (können).
17
Ein Dienst- oder Arbeitsvertrag soll für eine Geschäftsverbindung im Sinne des § 355 S. 1 HGB nicht hinreichen (GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 18; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 10), wohl aber ein Giro- oder Darlehensvertrag; das Bankkontokorrent wird geradezu als paradigmatischer Fall des § 355 HGB angesehen (GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 20; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 11). Konstituierendes Merkmal für die Geschäftsverbindung im Sinne des § 355 Satz 1 HGB ist ihre Fähigkeit, „beiderseitige Ansprüche und Leistungen“ hervorbringen zu können. Mehrfach entstehen wechselseitige Ansprüche in jedem (gegenseitigen) Dauerschuldverhältnis, ob anlässlich eines Dienst- oder Mietverhältnisses oder im Rahmen eines Giro- oder Darlehensvertrages. Seltener ist, dass beiderseits auch Leistungen erbracht werden. Dies gilt insbesondere für Darlehensverträge. Bei diesen erwirbt der Darlehensnehmer regelmäßig keine Forderungen, sondern erbringt lediglich Leistungen in Form von Tilgungs- und Zinszahlungen. Demgegenüber erwirbt der Darlehensgeber korrespondierende Ansprüche auf Rückzahlung des Kredites und Zahlung der bedungenen Zinsen. Die Ansprüche und Leistungen entstehen daher lediglich einseitig, der Darlehensnehmer erbringt Leistungen, der Darlehensgeber erwirbt Ansprüche. Beiderseitige Ansprüche und Leistungen entstehen allerdings im Rahmen eines Girovertrages. Die Bank erbringt Leistungen in Form der mit dem Girovertrag verbundenen Geschäftsbesorgungen und erwirbt Ansprüche auf Ausgleich des hierfür bedungenen Entgelts (sofern kein kostenloses Konto vorliegt). Der Kunde erwirbt durch Einzahlung auf das Konto Forderungen und erbringt Leistungen durch Zahlung des Geschäftsbesorgungsentgeltes. Insofern fehlt es nur beim Darlehensvertrag an dem Erfordernis beiderseitiger Ansprüche und Leistungen, sofern nicht der Darlehensgeber (wie häufig) Zusatzleistungen erbringt, die über den Zins nicht abgegolten werden (gesonderte Kontoführung, Schätzung, Vermittlung etc.).
18
Jedoch geht die heute h. M. ohnehin davon aus, dass es für ein Kontokorrent hinreicht, wenn eine Seite lediglich Leistungen erbringt, während die andere nur Forderungen erwirbt (RGZ 115, 392 (396); ; BGH WM 1968, 967; LG Bremen, NJW-RR 1989, 171; GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 20; Müller-Erzbach, S. 657; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 11; Peckert, S. 8; unkomplizierter die französische Betrachtung, die lediglich auf aus Leistungen entstehende Forderungen und Verpflichtungen abstellt, s. Michel, S. 25). Diese Auffassung dient im wesentlichen dazu, auf Kontokorrentdarlehen § 355 HGB anwenden zu können (paradigmatisch GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 20; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 12). Dies ist im Hinblick auf die wesentliche Rechtsfolge des Kontokorrents, die Befreiung vom Zinseszinsverbot des § 248 BGB, nicht unproblematisch, da damit eine erhebliche Verteuerung des Kredits einhergeht (Bedenken zu Recht bei GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 21; Tobias, S. 171 ff.). Der Gesetzgeber des HGB hat den Anwendungsbereich des Kontokorrents im Gegensatz zum die Beteiligung zweier Kaufleute erfordernden Art. 291 ADHGB jedoch auch auf Verhältnisse zwischen einem Kaufmann und einem Nichtkaufmann erweitert, um auch Bankkonten zu erfassen (Römer, S. 16 f., m. w. N.). Insofern lässt sich die prinzipielle Anwendbarkeit des § 355
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1157
HGB auf Kontokorrentdarlehen nicht verneinen. Droht eine Umgehung des Zinseszinsverbotes, sind die Voraussetzungen für ein Kontokorrent nach § 355 HGB jedoch besonders sorgfältig zu prüfen (GKHGB- Canaris, § 355 Rn. 21). Als ungeschriebenes Merkmal lässt sich etwa auf den Handelsbrauch abstellen. § 355 HGB hat lediglich das Ziel, in der Handelsrechtspraxis entwickelte Kontokorrente zu exekutieren, nicht aber Umgehungsgeschäfte, deren einziger Sinn die Befreiung vom Zinseszinsverbot ist. Vorausgesetzt ist m. a. W., dass die Vereinfachung der Abrechnung – objektiv betrachtet – primäres Ziel der Parteien ist. Darüber hinaus unterliegen Kontokorrentkredite selbstverständlich der Kontrolle anhand der zur Sittenwidrigkeit von Ratenkrediten entwickelten Kriterien (ausführlich Tobias, S. 171 ff.). Es genügt danach jede Geschäftsverbindung, die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und bei der mehrfach Ansprüche entstehen oder Leistungen erbracht werden. Insbesondere Giro- oder Darlehensverträge reichen hin, um die Anwendbarkeit des § 355 HGB zu begründen. Nicht ohne weiteres ersichtlich ist dagegen, warum die Norm auf Dienst- oder Mietverhältnisse nicht anwendbar sein soll, da auch diese das Kriterium der Geschäftsverbindung erfüllen. II. Kaufmannseigenschaft. Des weiteren erfordert § 355 HGB, dass mindestens eine der beteiligten Parteien Kaufmann ist. Doch können auf ein Kontokorrentverhältnis zwischen Nichtkaufleuten (uneigentliches Kontokorrent) die Vorschriften der §§ 355ff. HGB analog angewendet werden. Davon ausgenommen ist lediglich die primäre Rechtsfolge des § 355 S. 1 HGB: die Befreiung vom Zinseszinsverbot des § 248 I BGB (MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Anm. 9).
F. Rechtsfolgen
19
20
21
I. Zinseszins. Die einzige von § 355 S. 1 HGB angeordnete Rechtsfolge ist die Befreiung vom Zinseszinsverbot. Der Gläubiger des Überschusses kann Zinsen selbst dann fordern, wenn in ihm bereits Zinsen enthalten sind. Vorausgesetzt ist, dass sämtliche Merkmale eines kaufmännischen Kontokorrents vorliegen. II. Kontokorrentbindung. 1. Die „Lähmung“ der Forderungen und Leistungen. Doch nicht nur § 355 S. 1 HGB selbst, auch die zugrundeliegende Kontokorrentabrede zeitigt Rechtsfolgen. Die antizipierte Verfügung zur künftigen Verrechnung bedingt eine In- Rechnung-Stellung der dem Kontokorrent unterfallenden Forderungen. Sie stehen mit Zustandekommen der Kontokorrentabrede zur Verrechnung, können also nicht mehr selbständig geltend gemacht oder gar eingeklagt werden (BGH, NJW 2005, 1863). Damit kann die Forderung auch nicht mehr abgetreten oder gepfändet werden (BGHZ 73, 259 (263); 80, 172 (175 f.), m. w. N.; GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 25). Der Gläubiger hat über die Forderung bereits in der Kontokorrentabrede verfügt, für eine erneute Verfügung fehlt ihm die Rechtsmacht. Möglich ist nur eine Feststellungsklage bezüglich des Bestehens der kontokorrentgebundenen Einzelforderungen (MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 32).
22
Für die Möglichkeit, durch die Kontokorrentgebundenheit auch im Hinblick auf die Unabtretbarkeit der Forderung zu verfügen, wird zunächst zu Recht auf § 399 BGB hingewiesen (MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 33). Seit neuerem kann eine derartige Vereinbarung zwischen Kaufleuten jedoch gegen § 354a HGB verstoßen. Danach ist ein Abtretungsverbot bezüglich auf Geld gerichteter Forderungen gegenüber Dritten unwirksam. Damit kollidiert die kontokorrentrechtlich bewirkte Unabtretbarkeit der Forderung jedoch nicht. Sie ist kein Abtretungsverbot, sondern Vorausverfügung wie die Vorausabtretung, die von § 354a HGB nicht berührt wird. Es ist auch kaum anzunehmen, dass
23
Kandelhard
1158
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
§ 354a HGB die von § 355 S. 1 HGB eröffnete Möglichkeit zum Abschluss eines Kontokorrentvertrages im Hinblick auf eine wesentliche (wenn auch ungeschriebene) Rechtsfolge unterlaufen sollte. 24
2. Die erfassten Ansprüche und Leistungen. Welche Forderungen von der Kontokorrentabrede erfasst werden, entscheidet sich nach dem Inhalt der Kontokorrentabrede zwischen den Parteien. Die Parteien können die erfassten Forderungen näher definieren und etwa nur eine von mehreren Geschäftsverbindungen der kontokorrentmäßigen Abrechnung unterstellen oder bestimmte qualifizierte Forderungen von dem Kontokorrent ausnehmen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 26; s. für das französische Recht auch Michel, S. 33, m. w. N.). Beim Girokonto ist etwa grundsätzlich vereinbart, dass der Kunde einen Anspruch auf Auszahlung des jeweiligen Tagesguthabens hat (BGHZ 84, 325 (329); 84, 371 (373 ff.)). Soweit vereinbart oder sich in Auslegung der Kontokorrentabrede ergibt, kann der Gläubiger auch einen Anspruch auf Ausgleich eines (zu hohen) Debetsaldos bereits vor Ablauf der nächsten Abrechnungsperiode haben (RGZ 124, 416; BGH WM 1970, 184 (186); MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 32, m. w. N.).
25
Es gibt jedoch diverse Forderungen, die ihrer Natur nach nicht in das Kontokorrent fallen. Dies gilt etwa für unpfändbare Forderungen in Analogie zu § 394 BGB (BGH ZIP 1999, 665 (666) m. w. N.; BGH, NJW 2005, 1863; jedoch hinderte § 850 k a.F. ZPO die Verrechnung im Kontokorrent nicht, s. u. Rn. 39) oder rückständige Einlagen bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften (s. dazu GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 40). Ins Kontokorrent eingestellt werden können darüber hinaus nur verrechenbare Forderungen. Dafür ist nicht zwingend erforderlich, dass sie auf Geld gerichtet sind, es reicht aus, wenn die Ansprüche und Leistungen nach einem einheitlichen Maßstab bewertet werden (GKHGB-Canaris, § 355 Anm. 38).
26
III. Anspruch auf Anerkennung des Überschusses. Schließlich kreiert der Kontokorrentvertrag (die Feststellungsabrede) den wechselseitigen Anspruch auf Anerkenntnis des Saldos. Erst dadurch kann sich die Vereinheitlichungsfunktion erfüllen und die von den Parteien beabsichtigte Rechtssicherheit erreicht werden. Dementsprechend kann auf das Anerkenntnis geklagt werden (BGH WM 1955, 1315 (1316); 1970, 184 (185); Schlegelberger-Hefermehl, § 355 Rn. 49; GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 94, 99). Die Vollstreckung eines solchen Urteils erfolgt dann nach § 894 ZPO.
27
G. Die Verrechnung I. Zeitpunkt der Tilgung. Zum Ablauf der vereinbarten, ersatzweise gem. § 355 S. 3 HGB einjährigen Rechnungsperiode tritt die antizipierte Verrechnung ein. Naheliegend wäre es, hierin eine Verrechnung zu sehen, soweit sich die Forderungen verrechenbar gegenüberstehen. Dies ist jedoch keinesfalls selbstverständlich. Spätestens hier beginnen die vielen Streitfragen um das Mysterium des Kontokorrents. Zur Tilgung im Kontokorrent bestehen im wesentlichen drei Auffassungen (die mit den sonstigen Fragen der Verrechnung und des Anerkenntnisses eng verwoben sind): – nach der Novationstheorie hat erst das Schuldanerkenntnis tilgende, novierende Wirkung (RGZ 10, 53 (54); 117, 34 (39); 125, 411 (416); 132, 218 (222); BGH WM 1956, 788; BGHZ 26, 142 (150); 50, 277 (279); BGH WM 1970, 184 (185); 1973, 1014 (1015); NJW 1982, 2192 (2194); WM 1985, 969 (971); NJW 1985, 1706 (1708); Müller-Erzbach, S. 660; Pikart, WM 1970, 866), – nach herrschender Lehre hat jedoch bereits die Verrechnung tilgende Wirkung (GKHGB-Canaris, Rn. 64; Blaurock, JA 1980, 693 f.; Peckert, S. 28 f.; diese Ansicht
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1159
beginnt sich auch in der Rechtsprechung durchzusetzen, s. BGH NJW 1979, 1658 = BGHZ 74, 253; BGH NJW 1985, 1706 (1708) = BGHZ 93, 307; BGHZ 93, 315 (323); BGH NJW 1989, 2120 (2121); zuletzt wohl BGH WM 2002, 951 (953)). – nach teilweise vertretener Auffassung in der Literatur ist die Verrechnung bloß ein realer Vorgang und erfolgt die Tilgung erst mit der Zahlung auf den Schlusssaldo (Schlegelberger-Hefermehl, § 355 Rn. 60; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 60). 1. Novation. Die Novationstheorie ist Inhalt einer sich teilweise widersprechenden und im Detail wechselnden Rechtsprechung, die schon zu frühen Reichsgerichtszeiten begann und vom Bundesgerichtshof bis heute fortgeführt wird. Danach ist die in § 355 S. 1 HGB vorgesehene Feststellung des Saldos abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB. Dieses löst zum einen die Verrechnung mit tilgender Wirkung aus, hat aber auch novierende Kraft, d. h. mit Feststellung des Saldos erlöschen die kontokorrentgebundenen Forderungen, an ihre Stelle tritt eine einheitliche neue Forderung aus dem Schuldanerkenntnis (RGZ 10, 53 (54); 117, 34 (39); 125, 411 (416); 132, 218 (222); BGH WM 1956, 788; BGHZ 26, 142 (150); 50, 277 (279); BGH WM 1970, 184 (185); 1973, 1014 (1015); NJW 1982, 2192 (2194); WM 1985, 969 (971); NJW 1985, 1706 (1708); Müller-Erzbach, S. 660; Pikart, WM 1970, 866). In einigen Entscheidungen differenzieren Reichsgericht und Bundesgerichtshof jedoch zwischen der Verrechnung, dem daraus entstehenden kausalen Saldo und dem anschließenden abstrakten Anerkenntnis (RGZ 56, 19 (23 f.); BGHZ 49, 24 (26); WM 1972, 283 (284); BGHZ 70, 86 (93) 74, 253; 93, 315 (323); 107, 192 (197); ZIP 1999, 626 (627); NJW 2002, 1722 (1723) = WM 2002, 951). Teilweise wird der Kontokorrentabrede sogar der Charakter einer antizipierten Verrechnungsvereinbarung zuerkannt (BGHZ 74, 253). Damit hat der BGH entgegen seiner sonstigen Rechtsprechung schon der Verrechnung partiell Tilgungswirkung zuerkannt (BGH NJW 1979, 1658 = BGHZ 74, 253; BGHZ 93, 315 (323); NJW 1985, 1706 (1708) = BGHZ 93, 307; NJW 1989, 2120 (2121); ZIP 1999, 626 (627); zuletzt wohl WM 2002, 951 (953) = NJW 2002, 1722).
28
Die Theorie der Verrechnung durch Novation lässt sich heute nur noch historisch verstehen (umfassend dazu Hammen, WM 1990, 1406 f.). Zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Annahme abstrakter Verbindlichkeiten nicht ohne weiteres möglich und erst wenig ausgebildet. Zumindest war nach damaliger Auffassung Schriftform zwingend erforderlich (Hammen, WM 1990, 1406 f.). Das Saldoanerkenntnis pflegte jedoch gerade nicht schriftlich erteilt zu werden (Hammen, WM 1990, 1406 f.). Daraus erklärt sich heute noch die Schriftform in den §§ 780, 781 BGB und die entsprechende Ausnahme im Falle des § 782 BGB. Nur bei der Novation war die Annahme einer abstrakten Verbindlichkeit ohne weiteres möglich, zudem war sie ohne Einhaltung der Schriftform zulässig. Darüber hinaus hatte sie den Vorteil, dass sie durch das Erlöschen der vorherigen Einzelforderungen nicht mit dem Zinseszinsverbot in Konflikt kam (Hammen, WM 1990, 1406 f., m. w. N.). Nur vor diesem Hintergrund hat das Reichsgericht das Anerkenntnis im Kontokorrent als Novation gedeutet (s. RGZ 10, 53 ff.; w. Nachw. bei Hammen, WM 1990, 1406 f.; die Historie der Novation könnte sogar bedeutend älter sein, s. o. Rn. 1), diese Konstruktion hat sich beim Bundesgerichtshof ungeachtet aller Angriffe bis heute gehalten (gewisse Annäherung an die herrschende Lehre erstmals in BGH NJW 1989, 2120; die Streitfragen offenlassend BGH ZIP 1999, 626 (627)).
29
Die ganz herrschende Lehre lehnt die Novation jedoch aus vielerlei Gründen zu Recht ab (sie ist spätestens seit den Angriffen Hefermehls in FS Lehmann, S. 549 ff., also seit 1956 endgültig widerlegt, so zu Recht GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 88, der zudem auch noch eine im Grundsatz konsistente Deutung vorgelegt hat; warum die Novationstheorie vom
30
Kandelhard
1160
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Bundesgerichtshof dennoch verbal fortgeschleppt wird, ist kaum mehr verständlich). Bereits § 355 S. 3 HGB zeigt, dass das Gesetz einen kausalen Saldo kennt und die Verrechnung tilgende Wirkung haben kann (Blaurock, JA 1980, 693 f.; GKHGB-Canaris, Rn. 64; Peckert, S. 28 f.). Weiter kann die Novation den in § 356 HGB normierten Fortbestand der Sicherheiten nicht erklären (Blaurock, JA 1980, 693 f.; GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 89; Maier, JuS 1988, 196, 198 f.; nicht zuletzt in dieser Schwierigkeit liegt der Grund für die Existenz der Norm, s. Hammen, WM 1990, 1406). Darüber hinaus widerspricht die Annahme einer Novation in vielerlei Hinsicht dem tatsächlichen und mutmaßlichen Parteiwillen (Putzo, S. 66; Schlegelberger-Hefermehl, § 355 Rn. 58; umfassend GKHGBCanaris, Rn. 64, 88, 90). In jedem Fall ist die „historische Geschäftsgrundlage“ für die Novationstheorie heute entfallen (Hammen, WM 1990, 1607). Die damaligen Schwierigkeiten bei der Entstehung und Begründung abstrakter Verbindlichkeiten bestehen heute nicht mehr (die Bedenken von Kübler, S. 162 ff., haben sich nicht durchgesetzt, s. etwa MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 44). 31
2. Tilgung durch Verrechnung. Jedoch ist nicht nur das dogmatische Konstrukt der Rechtsprechung zu hinterfragen, Zweifel bestehen auch an den zugrunde liegenden Wertungen. Dass nicht bereits die Verrechnung tilgende Wirkung hat, wird mit dem mutmaßlichen Parteiwillen begründet: Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes haben sich die Parteien jenseits besonderer Vereinbarungen regelmäßig die Entscheidung darüber vorbehalten, welche Forderungen und Leistungen verrechnet werden sollen (BGH NJW 1985, 1708 f.). Diese Auffassung beruht – ebenso wie diejenige von der behaupteten Gleichwertigkeit der kontokorrentgebundenen Forderungen (s. dazu Rn. 36) – wohl auf einer Überbetonung des Bankkontos, verkennt jedoch dessen Spezifik: Beim Bankkonto entscheidet tatsächlich der Kunde, welche Forderungen und Leistungen er einbringt, doch geht es dabei um Forderungen Dritter oder gegen Dritte. Diese werden erst bei Einstellung in das Kontokorrent zu Forderungen gegen die Bank und damit Teil der Geschäftsverbindung zu dieser. Im Gegensatz dazu entstehen die Forderungen beim eigentlichen Handelskontokorrent regelmäßig unmittelbar gegen den Kontokorrentpartner; dies ändert jedoch nichts: Auch beim Bankkontokorrent steht (erst) mit Erwerb der Forderung gegen den Kontokorrentpartner (Bank) die Kontokorrentbindung fest.
32
Jedenfalls sollen die Parteien ein Interesse daran haben, dass die Einzelforderungen solange als möglich fortbestehen, insbesondere im Hinblick auf den Fortbestand der Sicherheiten (Schlegelberger-Hefermehl, § 355 Rn. 60). Diese Annahme ist jedoch unzutreffend. Sinn des Kontokorrentverhältnisses ist, die Einzelabrechnung der jeweiligen Forderungen zu ersparen (Blaurock, NJW 1971, 2206; Peckert, S. 27). Die Zur-Verrechnung-Stellung im Kontokorrent erfolgt gerade in der Absicht, die Ansprüche des Gegenübers zu tilgen und die eigenen Forderungen ausgeglichen zu erhalten. Die Forderungen werden im Kontokorrent lediglich „angespart“, damit sie am Ende verrechnet werden können. Deshalb spricht alles dafür, das Wort Verrechnung ernst zu nehmen und ihr tilgende Wirkung zuzusprechen (zutreffend GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 62). Derjenige, dessen Forderungen erfüllt sind, hat kein schutzwürdiges Interesse mehr an ihrem Fortbestand. Der hierfür bestellten Sicherheiten bedarf er nicht mehr.
33
3. Tilgung durch Schlusszahlung. Deshalb erfolgt die Tilgung auch nicht erst bei dem Ausgleich des Überschusses. Es erscheint schwer erklärbar, wie die Zahlung hierauf die Forderungen des Gegenübers in beliebiger Höhe tilgen und auch noch die eigenen Forderungen zum Erlöschen bringen kann (GKHGB-Canaris, Rn. 63b; Peckert, S. 30). Ebenso wenig nachvollziehbar ist die Auffassung des Bundesgerichtshofes, dass dies aufgrund eines entsprechenden Vorbehaltes erfolgen kann. Inhalt der Kontokorrentabrede ist, die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen zur Verrechnung zu stellen. Dem wider-
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1161
spricht die Annahme, dass die Parteien sich die Einstellung der Posten vorbehalten wollen (so zu Recht Canaris, ZIP 1985, 592 (594 f.)). Zwar ist dies möglich, doch handelt es sich dann um den Abschluss eines spontanen Aufrechnungsvertrags (s. o. Rn. 11). Die Verrechnung hat daher tilgende Wirkung. II. Wirkung der Verrechnung. 1. Mosaiktheorie. Umstritten ist auch die Frage, wie die Verrechnung auf die beteiligten Forderungen wirkt. Hierzu gibt es heute im wesentlichen noch zwei Auffassungen. Auf dem Boden der Novationstheorie wird die Auffassung vertreten, dass die Verrechnung zu einer verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung führt. Danach vollzieht sich die Verrechnung in der Weise, dass die aus Forderungen und Leistungen bestehenden Posten der größeren Seite in dem Verhältnis getilgt werden, in dem die Summe der Buchungen der kleineren Seite zu den Buchungen der größeren Seite steht. Infolge dessen erlöschen die Posten der kleineren Seite, während die der größeren Seite ausnahmslos fortbestehen, jedoch gekürzt um den jeweiligen Anteil der kleineren Seite (RGZ 56, 19 (24); 132 (218 f.); 164, 212 (215); BGHZ 49, 24 (30); Müller-Erzbach, S. 659; v. Gierke, S. 496). Wegen des Fortbestehens der Forderungen zu Bruchteilen ist diese Auffassung zu Recht als Mosaiktheorie charakterisiert worden (so Müller-Erzbach selbst, S. 659; ebenso GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 68). 2. Bürgerlich-rechtliche Erfüllungstheorie. Die Rechtsfolgen des Kontokorrents sind – soweit keine anderweitige Vereinbarung besteht – jedoch primär anhand des dispositiven Gesetzesrechts zu bestimmen. Folgerichtig wendet die herrschende Lehre die §§ 366 f., 396 BGB (analog) an. Die verhältnismäßige Gesamtaufrechnung gem. § 366 II letzte Alt. BGB tritt danach erst ein, wenn weder eine Anrechnungsbestimmung gegeben wurde noch die sonstigen Auslegungsregeln des § 366 II BGB zum Zuge kommen (GKHGBCanaris, Rn. 83 f.; Peckert, S. 39; Schlegelberger-Hefermehl, § 355 Rn. 56; MünchKommHGB- Hefermehl, § 355 Rn. 56; Tobias, S. 158). Richtig ist zwar, dass § 366 BGB nicht auf Zahlungen (Leistungen) während der Verrechnungsperiode anwendbar ist, da diese nur zur künftigen Verrechnung gestellt werden (s. MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 37); dies bedeutet jedoch noch nicht, dass die Norm keine Relevanz bei der Verrechnung hat. Demgegenüber bleibt es eine bloße Behauptung des BGH, dass eine Anrechnungsbestimmung wegen der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit der Forderungen im Kontokorrent gar nicht möglich sei (RGZ 56, 19 (23); BGH WM 1970, 183 (186); Müller-Erzbach, S. 657 f.; s. dazu bereits o. Rn. 31). Richtig ist dagegen vielmehr, dass wohl keine Partei je auf ein Ergebnis kommen würde, welches der Mosaiktheorie entspricht (GKHGBCanaris, § 355 Rn. 68). Gerade dann, wenn ein Anerkenntnis nicht zustande kommt, wirkt sich die Zerstückelung der Forderungen durch die Mosaiktheorie beim kausalen Saldo aus (zutreffend Canaris, DB 1972, 421 (422 f.)). Entsteht mehrmals nur ein Überschuss zu Gunsten einer Seite, werden die Forderungen jeweils erneut nur zu einem Bruchteil getilgt und damit atomisiert. Nach längerer Zeit dürften Forderungen in Höhe von 1 oder gar nur 0,1 % keine Seltenheit sein (treffend Müller-Erzbach, S. 660). Diese zu errechnen und mit ihren unterschiedlichen Verjährungsfristen, Erfüllungsorten und Gerichtsständen einzeln geltend zu machen, ist kaum mehr praktikabel (Canaris, DB 1972, 422 f.). Vorzugswürdig ist daher die Anwendung der §§ 366 f., 396 BGB, deren Anrechnungsfolge ohnehin anerkannte gesetzliche Vermutung des Parteiwillens ist (GKHGB-Canaris, Rn. 83; Peckert, S. 35). Danach werden in dem kausalen Saldo nur noch wenige Forderungen enthalten sein, die sich wesentlich leichter gerichtlich geltend machen lassen. Die Verrechnung erfolgt daher unter Anwendung der Anrechnungsbestimmungen bei der Erfüllung durch Zahlung nach dem allgemeinen Schuldrecht des BGB.
Kandelhard
34
35
36
37
1162
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
38
3. Tilgung unklagbarer Verbindlichkeiten. Sind in dem Kontokorrent unklagbare Verbindlichkeiten enthalten, werden diese bei der Verrechnung nur getilgt, wenn sich die Leistung des Kunden bewusst und ausdrücklich als Tilgung bestimmter unklagbarer Verbindlichkeiten darstellt (BGHZ 101, 296 (305)). Daran fehlt es, wenn Einzahlungen des Kunden lediglich der Rückführung auf ein vereinbartes Kreditlimit dienen, auch wenn dieses durch Verluste aus Börsentermingeschäften entstanden ist (OLG Köln, ZIP 2002, 432 (434f.); s. dazu im einzelnen MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 84 ff.). Rückforderungsfest ist dagegen etwa der vorbehaltlose Ausgleich des unklagbare Verbindlichkeiten enthaltenden Debetsaldos bei Beendigung der Kontoverbindung (BGH ZIP 2001, 229). Ähnlich verhält es sich mit einem eventuellen Saldoanerkenntnis. Dieses vermag eine abstrakte Verbindlichkeit nur hervorzubringen, wenn es in dem Bewusstsein der Unklagbarkeit erteilt wurde (BGHZ 93, 307 (312); ZIP 1998, 462 (464)).
39
4. Verrechnung unpfändbarer Ansprüche. Sind in das Kontokorrent unpfändbare Ansprüche eingestellt worden, hinderte § 850 k a.F. ZPO ihre Verrechnung mit anderen in das Kontokorrent eingestellten Ansprüchen jedoch nicht (BGH, NJW 2005, 1863, m. umf. Nachw.). Es handelte sich bei § 850 k ZPO um eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung, die sich auf das Innenverhältnis der Parteien des Kontokorrents nicht erstreckte (BGH, NJW 2005, 1863). Dabei verbleibt es nach nunmehrigem Rechtszustand jedoch nur für Konten, die i.S.d. § 850 k ZPO nicht als Pfändungsschutzkonto geführt werden. Anders verhält es sich dagegen bei § 55 SGB I. Danach ist die Forderung des Sozialleistungsempfängers aus der Gutschrift für sieben Tage unpfändbar gestellt und damit auch der Verrechnung im Kontokorrent entzogen (BGHZ 104, 309, 311). Dies gilt nach der Reform des Kontopfändungsschutzes nunmehr auch für die von § 850 k Abs. 1 und 2 ZPO erfassten Beträge, die nunmehr ebenfalls (für die Dauer von einem Monat) unpfändbar ausgestaltet sind.
40
H. Das Anerkenntnis I. Zustandekommen des Anerkenntnisses. Das Anerkenntnis des Saldos ist ein Vertrag, kommt also durch Antrag und Annahme nach den §§ 145 ff. BGB zustande. Da das Anerkenntnis aufgrund einer Abrechnung erteilt wird, ist es nach § 782 BGB, bei Abgabe durch einen Kaufmann auch nach § 350 HGB formfrei möglich. Regelmäßig wird eine Partei die Abrechnung übernehmen und diese der anderen Partei übermitteln. Darin liegt entweder explizit oder konkludent das Angebot zur Feststellung. Die Annahme kann wiederum ausdrücklich, etwa durch Erteilung einer Quittung (RGZ 96, 20), oder stillschweigend erfolgen. Zu weit geht die Annahme, dass in jeder Verfügung über das ermittelte Guthaben eine Annahme liegt (dahingehend aber MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 46 m. w. N.). Nur wenn das genaue Guthaben insgesamt angefordert wird, kann ein Einverständnis mit dem ermittelten Saldo unterstellt werden.
41
Schweigen allein begründet entsprechend den allgemeinen Regeln noch keine Annahme. Nach Nr. 7 II AGB-Banken ist der Kunde jedoch verpflichtet, Einwendungen gegen den Abschluss binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat vorzubringen, widrigenfalls wird das Anerkenntnis des ermittelten Saldos fingiert. Dies verstößt im Ergebnis nicht gegen § 309 Nr. 15 BGB. Zwar führt die Genehmigungsfiktion zum Abschluss eines abstrakten Anerkenntnisvertrags gem. § 782 BGB und damit an sich zu einer Umkehr der Beweislast (s. BGH NJW 1987, 2015), doch resultiert eine entsprechende Beweislast ohnehin aus der girovertraglichen Nebenpflicht zur Überprüfung der Rechnungsführung durch die Bank. Erhebt der Kunde gegen eine Buchung nicht zeitgerecht Einwendungen, ist er ohnehin verpflichtet, die Unrichtigkeit des jeweiligen Postens zu erklären und gegebenenfalls zu beweisen (BGH WM 1978, 998 (999); Liesecke, WM 1975, 243; Schlenke,
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1163
S. 105 f., jew. m. w. N.). Da die Fiktion zudem nicht nur zu Lasten des Kunden, sondern bei einem Überschuss seinerseits ebenso zu seinen Gunsten wirken und beim Massengeschäft Bankkonto Explizität kaum sinnvoll gefordert werden kann, ist die Klausel mit der ganz h. M. als wirksam anzusehen (BGH WM 1984, 128 (131); OLG Hamm, WM 1986, 704 (706); Liesecke, WM 1975, 242; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 47). Voraussetzung für den Eintritt der Genehmigungsfiktion ist jedoch jeweils, dass dem Kunden der Antrag auf Abschluss eines Anerkenntnisvertrages tatsächlich zugegangen ist. Die bloße Möglichkeit zur Kenntnisnahme, etwa durch Einstellung in den Kontoauszugdrucker der Bank genügt dafür nicht, da dieser eine reine Ausgabestelle der Bank darstellt (OLG Köln, BKR 2007, 170).
42
II. Wirkung des Anerkenntnisses. Welchen Einfluss das Anerkenntnis auf den kausalen Saldo hat, ist erneut umstritten. Nach der Novationstheorie handelt es sich um eine Schuldumschaffung, die die bisherigen Einzelforderungen erlöschen und eine neue abstrakte Verbindlichkeit entstehen lässt. Nach der Rechtsprechung gehen sogar nicht gebuchte Forderungen unter, da mit dem Anerkenntnis auch ein dahingehender (abstrakter) Erlassvertrag gem. § 397 II BGB verbunden sei (BGHZ 51, 346 (348); NJW 1985, 3010). Dennoch musste die Rechtsprechung immer wieder ein berechtigtes Interesse der Parteien an dem Weiterbestehen der Einzelforderungen anerkennen und hat sich dann auch nicht vor kaum begründbaren Ausnahmen gescheut (RGZ 164, 212 (215); BGH WM 1955, 1163 (1164 f.); WM 1970, 183 (186); siehe auch Liesecke, WM 1975, 238 (242); von schon fast absurd anmutender Deutlichkeit etwa BGH ZIP 1999, 626 (627f.)).
43
Eine derart komplexe Interpretation des Anerkenntnisses ist jedoch nicht erforderlich (gegen eine Novation deshalb die ganz h. L., s. GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 63 ff.; Baumbach/Hopt, § 355 Rn. 7; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 57 f., m. w. N.; K. Schmidt, HandelsR § 21 V 1). Vielmehr ergibt sich aus dem dispositiven Gesetzesrecht gem. § 364 II BGB zwanglos, dass der abstrakte Saldo neben den kausalen Saldo tritt (GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 90; MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 59). Dessen Fortbestand stört den vereinfachten Abrechnungsverkehr nicht. Aus § 364 II BGB ergibt sich die Verpflichtung des Gläubigers, zunächst aus dem erfüllungshalber hingegebenen (abstrakten) Schuldanerkenntnis Befriedigung zu suchen. Diese Einrede kann der Schuldner gegen die Geltendmachung des kausalen Saldos erheben, gem. § 404 BGB sogar dann, wenn der Gläubiger die Forderung abtritt (GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 90).
44
III. Kondiktion des Anerkenntnisses. 1. Zu niedrige und zu hohe Salden. Ist die Feststellung des Saldos unrichtig, kann der Betroffene ein abstraktes Schuldanerkenntnis nach § 812 II BGB kondizieren (RGZ 101, 122 (125); BGHZ 51, 346 (348); BGH NJW 1985, 3010 (3011); WM 1994, 2273). Da nur eine Verpflichtung zur Abgabe eines richtigen Anerkenntnisses besteht, ist ein unzutreffendes Anerkenntnis ohne Rechtsgrund abgegeben worden (BGH NJW 1985, 3010 (3011); Zeiss, AcP 164 (1964), 50 (73)). Konsequenz des Anerkenntnisses ist daher primär eine Umkehr der Beweislast, der Benachteiligte muss die Unrichtigkeit des Saldos darlegen und beweisen (BGH NJW 1995, 320).
45
Die Unrichtigkeit des Saldos kann sich in zweierlei Hinsicht auswirken. Ist der Saldo zu Lasten des Überschussgläubigers zu niedrig (weil eine zu seinen Gunsten bestehende Forderung nicht oder nicht in voller Höhe berücksichtigt wurde), kann er den Anerkenntnisvertrag kondizieren und aus dem kausalen Saldo vorgehen. Da die Existenz eines kausalen Saldos in der Rechtsprechung nicht immer anerkannt wird (nach BGHZ 93, 307 (313), entfällt die Verrechnung bei Kondiktion des Anerkenntnisses), dürfte sich jedoch empfehlen, aus der im Kontokorrentvertrag enthaltenen Feststellungsabrede auf Abgabe des zutreffenden Anerkenntnisses zu klagen (nach hier vertretener und h. L. wäre eine sol-
46
Kandelhard
1164
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
che Klage jedenfalls zusätzlich möglich). Gleichzeitig kann in objektiver Klagehäufung (§ 260 ZPO) nach Art der Stufenklage (§ 254 ZPO) auf Zahlung geklagt werden. Dies gilt jedoch nur, soweit die Saldoforderung nicht ihrerseits vorzutragen ist. Ist sie (weiterhin) kontokorrentgebunden, kann der Gläubiger aufgrund der Lähmung der Forderung lediglich auf ihre Feststellung klagen. 47
Die Unrichtigkeit des Saldos kann sich aber auch dahingehend auswirken, dass er zu Lasten des Saldoschuldners bzw. zugunsten des Überschussgläubigers zu hoch ist. In diesem Fall kann der Saldoschuldner gegen den Saldogläubiger die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 821 BGB erheben. Daneben kann er sein unrichtiges Anerkenntnis nach § 812 II BGB kondizieren und auf Neubegründung des zutreffenden Anerkenntnisvertrags klagen (§ 894 ZPO). Soweit der Saldo sich bei richtiger Errechnung sogar umkehrt, also der vermeintliche Saldoschuldner zum Saldogläubiger wird, gelten die Ausführungen zum zu niedrigen Anerkenntnis entsprechend.
48
2. Vergessene Forderungen. In dem Anerkenntnis ist entgegen der Rechtsprechung aber kein Verzicht auf vergessene Forderungen zu sehen, redliche Parteien würden eine derartige Vereinbarung nicht treffen (Gernhuber, S. 360, 363; wohl auch Putzo, S. 66; i. E. auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 45). Dem Interesse der Parteien an Vereinfachung und Klärung der Rechtslage wird vollauf genügt, wenn in negativer Hinsicht lediglich ein deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben wird (GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 96; Gernhuber, S. 363). Der Schuldner der vergessenen Forderung wird durch die damit eintretende Umkehr der Beweislast hinreichend geschützt.
49
Jedoch hat Canaris selbst einen gewichtigen Einwand gegen ein negatives deklaratorisches Anerkenntnis bezüglich vergessener Forderungen vorgebracht: Damit wäre dem Schuldner der Schutz des Entreicherungseinwands genommen (GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 96, 106.). Diesen Gesichtspunkt will er zwar durch die Anwendung der Rechtsgrundsätze zur Verwirkung Rechnung tragen. Diese vermögen § 818 III BGB jedoch nicht zu ersetzen. Zur Verwirkung gehört ein Zeit- und ein Umstandsmoment (s. nur Larenz, SchuRAT S. 134). Mag in dem Anerkenntnis noch ein Umstandsmoment liegen (können), so bleibt der Schuldner doch wegen bis zum Ablauf des Zeitmoments im Vertrauen auf den Saldo vorgenommener Verfügungen ungeschützt. Diese Konsequenz ist letztlich jedoch nicht zu beanstanden. Fällt der Saldo zu Gunsten des Schuldners der vergessenen Forderung aus, wird selbst die vergessene Forderung mit verrechnet und damit in Höhe des Überschusses getilgt (GKHGB-Canaris, § 355 Rn. 64). Lediglich das Anerkenntnis wäre falsch und könnte gem. § 812 II BGB kondiziert werden. Dem Schuldner bliebe demgegenüber die Berufung auf § 818 III BGB möglich.
50
Ergibt sich aber kein Überschuss zu Gunsten des Schuldners der vergessenen Forderung, ist eine Kondiktion entbehrlich. Damit fehlt der Schutz durch den Entreicherungseinwand. Dieses Resultat ist jedoch sachgerecht. Vor der späteren Geltendmachung vergessener Forderungen schützen nur die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Verwirkung und der Verjährung. Nicht ersichtlich ist, warum dies durch die Anerkennung des Saldos anders sein sollte. Nur wenn das Anerkenntnis eine positive Vertrauensbasis für den Schuldner schafft, besteht ein rechtfertigender Grund für den Entreicherungseinwand. Ansonsten muss der Betroffene sich behandeln lassen wie jeder andere Schuldner auch.
51
Die Feststellung der Forderung nach Verrechnung lässt also eine abstrakte Verbindlichkeit entstehen, die gem. § 364 II BGB neben die kausale Saldoforderung tritt. In negativer Hinsicht liegt darin ein deklaratorisches Anerkenntnis, dass weitere Forderungen nicht bestehen. Können diese dennoch nachgewiesen werden, ist zu Gunsten des Gläubigers dieser Forderung entweder eine Kondiktion des (ihm gegenüber zu geringen) Anerkenntnisses
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1165
oder die ergänzende Geltendmachung dieser (kausalen) Forderung möglich. Verrechnet wird sie aufgrund der antizipierten Verfügung aber ohnehin (so ausdrücklich nur GKHGBCanaris, § 355 Rn. 64; interessant insoweit auch die zutreffenden Ausführungen in BGH WM 2002, 951 (953): danach ist die Buchung für die Einstellung ins Kontokorrent weder erforderlich noch geeignet, diese erfolgt nach der Kontokorrentabrede ipso iure). IV. Fehlendes Anerkenntnis. Kommt ein Anerkenntnisvertrag nicht zustande, kann der Saldogläubiger nur den kausalen Saldo geltend machen. Dafür ist bei einfachem Bestreiten des Schuldners erforderlich, dass er (gegebenenfalls ausgehend von dem letzten zustande gekommenen Saldoanerkenntnis), die verrechneten Forderungen und Leistungen schlüssig und nachvollziehbar darlegt (OLG Köln, BKR 2007, 170).
52
I. Das Bankkonto als Staffelkontokorrent
53
Bankkonten werden heute üblicherweise nicht mehr als Perioden-, sondern als Staffelkontokorrent geführt. Diese Sonderform des Kontokorrents ist dadurch gekennzeichnet, dass die Verrechnung nicht periodisch, sondern laufend erfolgt. Streitig ist jedoch, ob diese Verrechnung tilgende Wirkung hat (für das eigentliche Staffelkontokorrent dafür MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 115, der deshalb die Regelungen der § 355 ff. HGB für nicht anwendbar hält, jedoch die Ausgestaltung des Bankkontos dahingehend versteht, dass der Tagessaldo lediglich der Übersicht dient, MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 119, und so letztlich doch ein Kontokorrent für gegeben ansieht; ebenso Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 21; wenn man so unterscheiden möchte, ist das Bankkonto uneigentliches Staffelkontokorrent oder Periodenkontokorrent in staffelförmiger Übersicht). Die Einstellung von Forderungen in den Tagessaldo erfolgt jedoch (zumindest beim Bankkonto) rein deklaratorisch (BGHZ 107, 192 (197); s. a. BGH NJW 1994, 2357 (2359)), der Tagessaldo ist reiner Postensaldo, der nur der Übersicht dient. In ihm liegt daher auch noch kein Antrag auf Abschluss eines Feststellungsvertrages (BGH NJW 1968, 2100; BB 1972, 1163). Dies erfolgt vielmehr erst bei Übersendung des eigentlichen Rechnungsabschlusses, der auch die von den zwischenzeitlichen Salden gezogenen Zinsen enthält (s. dazu näher MünchKommHGB-Hefermehl, § 355 Rn. 39). Der Besonderheit des Giroverkehrs entspricht es jedoch, dass bereits jede Gutschrift der Bank gegenüber dem Kunden ein einseitiges, abstraktes Schuldanerkenntnis (für diesen Einzelposten) enthält (BGHZ 103, 143 (146); 105, 263 (269); die Belastungsbuchung erfolgt dagegen nur deklaratorisch, s. BGHZ 107, 192 (197)). Es entsteht damit ein abstrakter Anspruch des Kunden aus der Gutschrift, der von einer etwaigen Forderung aus dem (ebenfalls abstrakten) Saldo zu unterscheiden ist und unmittelbar geltend gemacht werden kann (zum jederzeitigen Anspruch auf Auszahlung s. bereits o. Rn. 24).
54
J. Sicherheiten im Kontokorrent
55
I. Sicherheiten im eigentlichen Sinne. Nach § 356 I HGB kann der Gläubiger eine Sicherheit für eine kontokorrent-gebundene Forderung auch nach Saldierung und Anerkenntnis insoweit verwerten, als der Schuldner danach über ein entsprechendes Guthaben verfügt. Damit ist der Gesetzgeber der Novationstheorie explizit entgegengetreten (s. Hammen, WM 1990, 1406), die an sich zum Erlöschen der Forderungen und damit auch der für sie bestellten (akzessorischen) Sicherheiten führt. Folgerichtig hat die Rechtsprechung erhebliche Probleme mit der Norm, die bei konsequenter Deutung des Kontokorrents auf der Basis des dispositiven Gesetzes wiederum vermeidbar wären. Nach der Rechtsprechung meint § 356 I HGB die Sicherheit in ihrer ursprünglichen Höhe. Obwohl die Forderung durch die Verrechnung ganz oder mosaikartig getilgt und damit zu-
Kandelhard
56
1166
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
mindest vermindert wurde, bleibt die Sicherheit in einstiger Höhe bestehen (s. etwa RGZ 77, 330 (333)), soweit dem Schuldner der gesicherten Forderung aus der laufenden Rechnung ein Guthaben zusteht. Dies setzt sich an weiteren Periodensalden fort (immer begrenzt durch die ursprüngliche Forderung und den ersten Saldo). Zwischenzeitliche Verminderungen während der Rechnungsperiode haben dagegen keine Relevanz. Die Sicherheit bleibt also in Höhe des niedrigsten zwischenzeitigen Periodensaldos bestehen, begrenzt durch die Höhe der ursprünglich gesicherten Forderung (BGHZ 26, 150; 50, 277 (283); BGH WM 1991, 495). Die Möglichkeit, aus der Sicherheit Befriedigung zu suchen, erlischt also erst, wenn zugunsten des Schuldners der gesicherten Forderung ein Überschuss (oder ein Nullsaldo) entsteht (BGH WM 1972, 284). 57
Es ist jedoch kaum einzusehen, warum die Sicherheit trotz Tilgung plötzlich ganz anderen (neuen) Forderungen dienen soll. Eine solche Interpretation lässt sich § 356 I HGB nicht entnehmen. Eine in das Kontokorrent eingestellte Forderung wird anlässlich der Verrechnung getilgt, entweder teilweise mosaikartig oder nach hier vertretener Auffassung (etwa als älteste Forderung) eventuell sogar ganz. Damit gehen zumindest akzessorische Sicherheiten unter. Davon macht § 356 I HGB nur scheinbar eine Ausnahme: Die Sicherheit bleibt zwar bestehen, soweit sich der Überschuss aus der laufenden Rechnung und die gesicherte Forderung decken, der Gläubiger kann die Sicherheit in Anspruch nehmen (in der Höhe begrenzt durch den je niedrigeren Wert der gesicherten Einzelforderung oder der Überschussforderung des Schuldners). Die Norm bezieht sich jedoch auf die gesicherte Einzelforderung nach und nicht vor Verrechnung (ebenso GKHGB- Canaris, § 356 Rn. 6 ff.: § 356 HGB widerspreche lediglich der novierenden Kraft des Anerkenntnisses, tangiere aber nicht die Verrechnung). Ist die Forderung also getilgt, ist ihr Wert Null, eine dafür bestellte (akzessorische) Sicherheit erlischt damit (durch Tilgung der gesicherten Forderung).
58
II. Gesamtschuldnerische Mithaftungen. § 356 HGB betrifft Sicherheiten aller Art, ob akzessorisch oder nicht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 54a f.). Sie gilt nach § 356 II HGB auch für mithaftende Gesamtschuldner. Nach h. M. ist die Norm zudem auf die persönliche Haftung der Gesellschafter gem. § 128 HGB analog anzuwenden (s. nur BGHZ 50, 277 (284); sowie bereits RGZ 77, 330 (333 f.); obwohl diese keine echte Gesamtschuld ist, s. nur Baumbach/Hopt, § 128 Rn. 19). Für ausscheidende Gesellschafter bedeutet dies nach der Rechtsprechung, dass sich ihre Haftung nach dem Tagessaldo bei Ausscheiden richtet, begrenzt auf den niedrigsten (danach) gezogenen Periodensaldo, ohne dass evtl. noch geringere Tagessalden nach dem Ausscheiden relevant sind (BGHZ 50, 277 (279 ff.)). Ein für 100 mithaftender ausscheidender Gesellschafter haftet danach für 100 fort, auch wenn zunächst eine Forderung von 90 zugunsten der Gesellschaft eingestellt wurde, sofern kurz vor Verrechnung noch eine Forderung zugunsten des Gläubigers in Höhe von 100 zu buchen ist. Betrüge die letzte Forderung jedoch nur 10, würde der ausgeschiedene Gesellschafter lediglich noch auf 20 haften (100 zug. des Gläubigers minus 90 zug. der Gesellschaft plus 10), da der niedrigste nachfolgende Periodensaldo seine Haftung begrenzt.
59
Zu Recht wird demgegenüber jedoch darauf hingewiesen, dass die Ziehung eines Tagessaldos bei Ausscheiden nur prima facie gesellschaftsrechtlicher Normalität entspricht. An sich stehen dem ausscheidenden Gesellschafter nur noch die Rechte aus § 129 III HGB zu, eine Aufrechnung (zu seinen Gunsten) kann er nicht bewirken (GKHGB-Canaris, § 356 Rn. 19). Zudem widerspricht die Ziehung eines Tagessaldos der Abrede erst künftiger Verrechnung im Kontokorrent (GKHGB-Canaris, § 356 Rn. 19). Die Forthaftung des ausscheidenden Gesellschafters für vor seinem Austritt begründete Verbindlichkeiten folgt danach erneut allgemeinen Grundsätzen: Der Gesellschafter haftet für vor seinem Austritt
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1167
begründete Verbindlichkeiten fort, sofern diese nicht anlässlich der periodischen Verrechnung gem. §§ 366 f., 397 BGB bei der (automatischen) Bildung des kausalen Saldos (vollständig) getilgt werden (so zutreffend insbes. GKHGB-Canaris, § 356 Rn. 19f.; ähnlich Römer, S. 85 ff., der lediglich der Theorie von der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung folgt).
K. Pfändung im Kontokorrent
60
Gepfändet werden können kontokorrentgebundene Ansprüche aufgrund der „Lähmung“ durch die Kontokorrentabrede grundsätzlich nicht (BGHZ 80, 172 (175f.), m. w. N.). Nach § 357 S. 1 HGB ist jedoch eine Pfändung des Überschusses aus einem Kontokorrent zulässig. Damit ist nicht der abstrakte Saldo nach Feststellung (Anerkenntnis) gemeint, sondern der Tagessaldo, genauer der Zustellungssaldo nach § 829 III ZPO (BGHZ 80, 172 (176); 84, 325 (327); 93, 315 (323)). Der Gläubiger erwirbt dadurch ein Pfandrecht an dem aktuellen Überschuss des Schuldners gegenüber dessen Kontokorrentpartner (dem Drittschuldner). Spätere Geschäfte, die aufgrund der Kontokorrentabrede zur Verrechnung gestellt werden, vermögen diese Überschussforderung gem. der Klarstellung in § 357 S. 1 HGB zu Lasten des Gläubigers nicht mehr zu verringern. Dies gilt nach § 357 S. 2 HGB jedoch nicht, wenn der Rechtsgrund für die spätere Buchung einer Forderung oder Leistung im Kontokorrent vor der Zustellung gelegt war, also z. B. die Bank eine bereits in Auftrag gegebenen Überweisung oder der Handelspartner die bereits bestellte Lieferung noch ausführt. Daneben können aber auch (sämtliche) künftig evtl. entstehenden Ansprüche des Schuldners aus einem Periodenabschluss als künftige Forderung(en) gem. §§ 829 ff. ZPO gepfändet werden (BGHZ 80, 172 (178)). Da der Anspruch gegen die Bank beim Bankkonto erst mit Einstellung in dieses begründet wird (s. dazu bereits o. Rn. 31), bleibt dem Schuldner jedoch unbenommen, Zahlungen auf ein anderes Konto vorzunehmen oder bewirken zu lassen.
61
Beim Bankkonto ist der Anspruch auf und aus der Gutschrift pfändbar (zur entsprechenden Besonderheit des Girokontos s. o. Rn. 51). Da ersterer zu keinem Zahlungsanspruch führt, muss zusätzlich der aus der Gutschrift folgende Zahlungsanspruch gepfändet werden (BGHZ 93, 315 (323)). Auch diese Pfändung bleibt jedoch erfolglos, wenn die Gutschrift lediglich ein Debet des Schuldners vermindert. Ebenso kann der Anspruch des Schuldners auf Ausführung einer Überweisung gepfändet werden (BGHZ 84, 325 (329)). Der Anspruch des Bankkunden auf Erteilung von Rechnungsabschlüssen und Kontoauszügen ist dagegen ein selbständiger Anspruch aus dem Girovertrag, der von der Pfändung von Gutschriften nicht erfasst wird (BGH, NJW 2006, 217).
62
Höchst umstritten ist dagegen die Pfändbarkeit von Kreditlinien (dafür OLG Köln WM 1983, 1050; dagegen OLG Schleswig, NJW 1992, 579; offen lassend BGHZ 93, 315 (325)). Mangels Anspruchs auf Kredit scheidet dies jedenfalls aus, soweit die Bank eine Überziehung des Kontos lediglich duldet (BGH, NJW 2007, 1357; BGHZ 93, 315 (325); OLG Saarbrücken, ZIP 2006, 2029). Weiter steht eine Zweckbindung des Kredits der Abtret- und damit auch der Pfändbarkeit regelmäßig entgegen (BGH WM 1978, 553; OLG Saarbrücken, ZIP 2006, 2029). Damit können allenfalls freie Dispositionskredite gepfändet werden. Insofern ist zwar prinzipiell nicht einzusehen, warum sich der nicht zahlende Schuldner weiter verschulden können soll, doch lassen sich eine erzwungene Zahlung des Gläubigers mittels Kredit und eine dadurch einsetzende Verschuldungsspirale nur schwer rechtfertigen. Gerade ein Dispositionskredit auf dem Girokonto wird häufig lediglich für den Notfall eingerichtet, ohne dass eine aktuelle Inanspruchnahme geplant ist. Hier würde die Pfändung dazu führen, dass dem Schuldner der Kredit aufgezwungen wird, obwohl er
63
Kandelhard
1168
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
evtl. zur Bedienung eines entsprechenden Darlehens und Zahlung der Zinsen gar nicht in der Lage ist. Dies verdeutlicht, dass die Inanspruchnahme von Kredit eine höchstpersönliche und damit nicht pfändbare Entscheidung ist (so auch die wohl h. L., s. Baumbach/ Hopt, § 357 Rn. 10, m. w. N.; umfassend Wagner, WM 1998, 1657 ff.). 64
L. Die Beendigung des Kontokorrents I. Allgemeine Beendigungsgründe. Das Kontokorrent endet wie jedes Dauer(schuld) verhältnis durch die allgemeinen Beendigungsgründe wie Ablauf einer Befristung, Aufhebungsvertrag oder Kündigung gem. § 355 S. 3 HGB. Ebenso endet das Kontokorrent, wenn eine seiner Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist, insbesondere, wenn die zugrunde liegende Geschäftsverbindung endet. Dafür reicht ein längerer Stillstand aber nicht ohne weiteres aus (BGH NJW 1970, 560). Die Pfändung von Tages- oder künftigen Periodensalden führt gem. § 357 HGB nicht zur Beendigung des Kontokorrents, dem Schuldner bleibt aber unbenommen, nach § 355 S. 3 HGB zu kündigen und somit künftige Salden zu verhindern (s. o. Rn. 58).
65
Überraschenderweise erkennt die Rechtsprechung für den Fall der Beendigung des Kontokorrents sogar einen automatisch entstehenden kausalen Saldo an, der sofort geltend gemacht werden kann (BGHZ 49, 24 (26); 70, 86 (93)). Zu widersprechen ist ihr nach hier vertretener Auffassung jedoch, soweit sie für diese Verrechnung der Theorie von der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung folgt (BGHZ 49, 24 (27 f.)), vielmehr gelten auch insoweit die §§ 366f., 396 BGB.
66
II. Insolvenz. Wird über das Vermögen einer Partei des Kontokorrentvertrages das Insolvenzverfahren eröffnet, erlischt die Kontokorrentabrede (BGHZ 74, 253 (255); BGH ZIP 1991, 155; 1586; Braun-Kroth, § 116 Rn. 10, 12; Pallas, Rn. 360; Steinhoff, ZIP 2000, 1141 (1142)). Die in der Kontokorrentabrede liegende antizipierte Verfügung ist mit dem Verfügungsverbot des § 81 InsO ebenso wenig vereinbar wie die künftige Verrechnung mit den Beschränkungen der Aufrechnung für nachträgliche Forderungen gem. §§ 95 f. InsO. Daneben erlischt auch ein mit dem Kontokorrent evtl. verbundener Girovertrag, da er als Geschäftsbesorgungsvertrag § 116 InsO unterfällt (s. Braun-Kroth, § 116 Rn. 10; Pallas, Rn. 360; streitig ist jedoch, ob dies auch für einen Darlehens- oder Krediteröffnungsvertrag gilt, s. Braun-Kroth, § 116 Rn. 10, 12; Pallas, Rn. 361, m. umf. N.; insoweit dürfte eine Kündigung der Bank erforderlich sein). Konsequenz des Erlöschens der Kontokorrentabrede ist, dass analog § 355 S. 3 HGB automatisch die Verrechnung erfolgt und ein kausaler Saldo entsteht.
67
Die Anfechtung von Verrechnungen im Kontokorrent folgt allgemeinen Regeln. Da das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch Verrechnungsverträge erfasst, ist eine Anfechtung als solche jedoch nicht erforderlich (BGH, ZIP 2005, 1521). Vielmehr ist die Verrechnung einer durch anfechtbare Rechtshandlung eingestellte Forderung ipso iure gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam (BGH, ZIP 2007, 488; OLG Dresden, ZinsO 2007, 45). Entscheidend ist, ob sich die Verrechnung der eingestellten Forderung als kongruente Erfüllung (§ 130 I InsO) eines Rückzahlungsanspruches (der Bank) darstellt (BGH WM 2002, 951 (953); OLG Hamm ZIP 2001, 1683 (1685)). Kongruent ist danach die Rückführung eines gekündigten oder nur geduldeten Überziehungskredites (BGH ZIP 1999, 1271; 1998, 477 (479); OLG Dresden, ZinsO 2007, 45; Steinhoff, ZIP 2000, 1141 (1144); Hess/Weis, § 130 InsO Rn. 81, § 131 InsO Rn. 27, m. w. N.), während die (vorzeitige) Rückführung einer sich im Kreditrahmen bewegenden Überziehung inkongruent sein (BGH ZIP 1999, 477 (479)) und nach § 131 I InsO angefochten werden kann. Die vorzeitige Rückzahlung ungekündigter oder nicht überzogener Kredite ist jedoch dann kongruent, wenn sich die Bank bei der vorherigen Kreditgewährung kontokorrentgerecht ver-
Kandelhard
§ 38 Kontokorrent
1169
halten hat, also Verfügungen des Kunden in der vereinbarten Form und Höhe zugelassen hat. In diesem Fall kommt nur eine (gem. § 130 I Nr. 2 InsO zum Eröffnungsantrag oder gem. § 130 I Nr. 1 InsO drei Monate zurückreichende) Anfechtung nach § 130 I InsO in Betracht, wenn die Bank die Zahlungsunfähigkeit kannte oder aufgrund entsprechender Tatsachen gem. § 130 II InsO zwingend hierauf schließen musste. Aus dem Girovertrag und dem gegebenenfalls damit verbundenen Kontokorrentdarlehen (Dispositionskredit) ergibt sich, dass Verfügungen des Kunden über sein Tagesguthaben prinzipiell möglich sind (BGH WM 2002, 951 (953) = NJW 2002, 1722). Die Rechtsprechung stellt daher bei einem engen zeitlichem Zusammenhang zwischen Zahlungseingang und Verfügung des Kunden über das Tagesguthaben (bzw. des nicht ausgeschöpften Kredits) ergänzend auf die Grundsätze zum Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO (wonach nur noch wegen vorsätzlicher Benachteiligung gem. § 133 I InsO angefochten werden kann) ab: soweit die Bank durch vertragsgerechte Zulassung neuer Verfügungen die erlangte Gutschrift (unmittelbar) wieder auskehrt, ist die Verrechnung der Zahlung nicht inkongruent (BGH ZIP 2001, 525 (526); WM 2002, 951 (953); OLG Hamm ZIP 2001, 1683 (1685 f.); zur GesO und einem debitorisch geführten Konto ebenso bereits BGH ZIP 1999, 665, 666 (668)). Erst wenn die Bank vorzeitigen Ausgleich ihrer Forderungen erlangt, indem sie Verfügungen des Kunden vertragswidrig nicht (mehr) zulässt, kann eine inkongruente Deckung, eine unzeitgemäße Erfüllung durch Verrechnung eintreten (BGH WM 2002, 951 (953)). Dann kann nach § 131 I InsO angefochten werden: – gem. § 131 I Nr. 1 InsO einen Monat zurückreichend ohne weitere Voraussetzungen, – gem. § 131 I Nr. 2 InsO bis zu drei Monaten zurückreichend bei tatsächlicher Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder – gem. § 131 I Nr. 3, II InsO bis zu drei Monaten zurückreichend bei Kenntnis von der Benachteiligung. Die darauf gegründete Anfechtung lässt sich nicht unter Berufung auf das Pfandrecht an den Zahlungseingängen zugunsten des Schuldners gem. § 14 I AGB-Banken negieren, da dieses jeweils dann jedenfalls ebenfalls anfechtbar erworben worden ist (OLG Dresden, ZinsO 2007, 45). Ist die Verrechnung mit dem Zahlungseingang inkongruent, gilt dies auch für das an dieser Leistung bestehende Pfandrecht. Denn die Sicherheit wurde nicht vorab (unter nicht anfechtbaren Umständen), sondern mangels (vorheriger) Bestimmbarkeit erst bei dem Leistungsempfang selbst erworben (BGH WM 2002, 951 (952); OLG Hamm, ZIP 2001, 1683 (1685); Feuerlein, ZIP 2002, 290 (294); s. auch Hess/Weis, § 130 InsO Rn. 3, m. w. N.).
Kandelhard
68
69
“This page left intentionally blank.”
§ 39 Sparkonto und Sparkassenbrief
1171
§ 39 Sparkonto und Sparkassenbrief
Schrifttum Kaiser, Anforderungen der RechnungslegungsVO an die Spareinlage, WM 1996, 141; Koller, Wertpapierrecht, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, (Hrsg.) Bundesminister der Justiz, Bd. II, 1981; Kümpel, Praktische Bedürfnisse für die Fortentwicklung des Wertpapierbegriffs, WM 1983, SB 6; Lieseke, Das Bankguthaben in Gesetzgebung und Rechtsprechung, WM 1975, 214; Schraepler, Bankrisiko bei Auszahlung ohne Sparbuch, NJW 1973, 1864; Szagunn/Wohlschiess, Gesetz über das Kreditwesen, 6. Aufl. 1997; Welter, Aktuelle Rechtsfragen zum Sparverkehr, WM 1987, 1117. Inhaltsübersicht A. Bankaufsichtsrechtliche Regelungen des Sparverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Zur Rechtsnatur der Spareinlage . . . . . . . . . . . . . 7 C. Zur Bestimmung des Forderungsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Sparbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 D. Grenzen der Liberationswirkung . . . . . . . . . . . . 13 I. Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
E. F. G. H.
II. Mangelnde oder beschränkte Geschäftsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Versprochene Leistung“. . . . . . . . . . . . . . . Zur Anwendbarkeit von § 407 BGB . . . . . . . . . Verjährung von Sparforderung und Zinsen . . . . I. Altes Verjährungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . II. Neues Verjährungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . Zinsanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 16 19 22 23 24 28 29
Stichwortverzeichnis Altsparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Aufbewahrungsfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 ff. Besitz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 – am Sparbuch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Drittbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Forderungsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Geschäftsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 – beschränkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 – mangelnde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ff. Kontoinhaber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 siehe Forderungsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Legitimationspapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Liberationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 13 – Sockelbetrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 f.
Mietkautionskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Mindestreserve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Namenspapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rechtsnatur – Sparbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 – Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 – Sparzertifikat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 – Rektapapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Sockelbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 f. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 ff. Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 „versprochene Leistung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Zinsanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zinsverordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
A. Bankaufsichtsrechtliche Regelungen des Sparverkehrs Die für den Sparverkehr relevanten Rechtsquellen lassen sich im Wesentlichen unterteilen in solche bankaufsichtsrechtlicher und solche zivilrechtlicher Natur. Die aufsichtsrechtlichen Regelungen haben in der Vergangenheit eine deutliche Deregulierung erfahren. Diese wurde eingeleitet mit der Aufhebung der sogenannten Zinsverordnung im Jahre 1967; die Zinssätze wurden für die geregelten Einlagearten – Sichteinlagen, befristete Einlagen, Spareinlagen – den Marktkräften überlassen. Im Rahmen der 4. KWG-Novelle erfolgte 1993 die Aufhebung der Vorschriften zum Sparverkehr in den §§ 21 bis 22a KWG. Der Gesetzgeber hielt es für nicht mehr erforderlich, dass durch gesetzlichen Eingriff in die Vertragsfreiheit ein standardisiertes Produkt „Spareinlage“ geschaffen wird (Amtl. Begr., BT-Drucks. 12/3377). Der Gesetzgeber begnügt sich seitdem mit einer Regelung des Sparverkehrs im Rahmen der Bilanzierung und definiert den Begriff der Spareinlage in § 21 IV RechKredV. Diese Definition beschreibt die Mindestanforderungen für die Anerkennung als Spareinlage.
Harbeke
1
1172
2
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Danach muss es sich – um unbefristete Gelder handeln, die durch Ausfertigung einer Urkunde als Spareinlage gekennzeichnet sind (§ 21 IV 1 Nr. 1) – nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt sind (§ 21 IV 1 Nr. 2) – nicht von bestimmten Einlegern angenommen werden (§ 21 IV 1 Nr. 3) und – eine Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten aufweisen (§ 21 IV Satz 1 Nr. 4). Ferner kann in den Sparbedingungen dem Kunden das Recht eingeräumt werden, über seine Spareinlagen bis zu 2000 Euro pro Kalendermonat ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu verfügen (§ 21 IV 2, Kaiser, WM 1996, 141).
3
Diese rechtstechnische Neuregelung des Sparverkehrs hatte zunächst keine Auswirkungen auf seine besondere Qualität im Rahmen des Katalogs der sonstigen Bankpassivprodukte; ihr besonderer Charakter blieb relevant im Rahmen der Grundsätze II und III sowie der Mindestreservepflicht. Mit Einführung der Europäischen Währungsunion haben die Spareinlagen im Rahmen der EZB-Mindestreservepflicht ihre Privilegierung verloren (Art. 4 I der Verordnung (EG) Nr. 2818/98 der EZB über die Aufhebung der Mindestreservepflicht vom 1. Dezember 1998 (ABl. L 356/1 vom 30.12.98) in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 690/2002 vom 18.4.2002 (ABl. L 109/9 vom 23.4.02). Dies ist jedoch keine Benachteiligung der Spareinlagen, sondern liegt in dem Systemwechsel begründet, dass mindestreservepflichtige Einlagen abweichend vom früheren Rechtszustand nunmehr von der Zentralbank verzinst werden.
4
Ihre spezifische Behandlung erfährt die Spareinlage nach wie vor im Bereich der Liquiditätsgrundsätze (Verordnung über die Liquidität der Institute (LiqV), s. bei: Consbruch/ Möller/Bähre/Schneider unter 3.02), wonach die Bankenaufsicht beurteilt, ob die Liquidität eines Kreditinstituts ausreichend ist. Nachdem der Grundsatz II für nach dem 31.12.1997 beginnende Geschäftsjahre von dem Ursprungslaufzeitkonzept auf das Restlaufzeitkonzept umgestellt wurde, müssen die Spareinlagen gem. § 4 I Nr. 3 mit 10 % in das erste Laufzeitband – also für Zahlungsverpflichtungen bis zu einem Monat – eingestellt werden und bleiben im Übrigen unberücksichtigt. Etwas anderes gilt für Spareinlagen mit fest vereinbarten längeren Laufzeiten. Insofern ist im Hinblick auf die Anrechnung in den Liquiditätsgrundsätzen zwischen Einlagen mit fest vereinbarten Laufzeiten von vier Jahren und mehr sowie Einlagen mit kürzeren Laufzeiten zu unterscheiden (Krumnow/Gramlich, Stichwort: Sparbrief).
5
Mangelt es an einem der in § 21 IV RechKredV genannten Kriterien, darf das Produkt gleichwohl als Spareinlage vermarktet werden, soweit keine Nachrangabrede besteht (vgl. § 10 V a 10 KWG). Mit § 21 IV RechKredV ist kein Schutz der Bezeichnung „Spareinlage“ intendiert. Den Kreditinstituten ist es unbenommen, Spareinlagen zu abweichenden Bedingungen hereinzunehmen. Sofern sie davon Gebrauch machen, ist es ihnen lediglich verwehrt, diese Einlage in der Bilanz als Spareinlage auszuweisen mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Grundsatz II (Erste Änderungsverordnung zur RechKredV, Begründung zu Art. 1 Nr. 4, bei Reischauer/Kleinhans, Kza 418). Diese Rechtslage ist bedeutsam zum Beispiel für Sparbriefe, da diese – je nach vertraglicher Ausgestaltung – nicht Spareinlagen i.S.d. RechKredV sind.
6
Die Deregulierung des Sparverkehrs hatte zur Folge, dass die Nichtbeachtung der Regelungen der RechKredV deutlich weniger bankaufsichtsrechtlich sanktioniert wird, als dies bei der Nichtbeachtung der KWG-Vorschriften noch der Fall war. Die zahlreichen Mitteilungen des BAKred zur Auslegung der Sparverkehrsvorschriften des KWG haben gleichwohl noch ihre Gültigkeit (Bankaufsichtliche Stellungnahmen zum Sparverkehr: Nr. 1 Schreiben des BAK vom 3. September 1962 betr. Sparklubs; Nr. 2 Schreiben des
Harbeke
§ 39 Sparkonto und Sparkassenbrief
1173
BAK vom 20. März 1967 betr. Loseblatt-Sparbuch, geändert durch Schreiben des BAK vom 19. September 1973, siehe Nr. 4; Nr. 3 Schreiben des BAK vom 10. Juli 1972 betr. Rückzahlung von Spareinlagen; Nr. 4 Schreiben des BAK vom 19. September 1973 betr. Loseblatt-Sparbuch; Nr. 5 Schreiben des BAK vom 12. März 1974 betr. Geldausgabeautomaten für Sparkonten; Nr. 6 Schreiben des BAK vom 9. Januar 1975 betr. Verfügung über Spar-Zinsen; Nr. 7 Schreiben des BAK vom 25. Mai 1982 betr. Sparurkunden in Loseblatt-Form; Nr. 8 Schreiben des BAK vom 2. Dezember 1985 betr. Werbung für Sparplanangebote; Nr. 9 Rundschreiben Nr. 17/86 der Landeszentralbank in Nordrhein-Westfalen vom 17. September 1986 betr. Mindestreserven, hier: Kündigung bei der Hereinnahme von Spareinlagen sowie systematisch ausgeübte laufende Kündigungen von Spareinlagen; Nr. 10 Schreiben des BAK vom 10. Oktober 1987 betr. Rechtsnatur von Spareinlagen; Nr. 11 Schreiben des BAK vom 22. Dezember 1987 betr. vorzeitige Rückzahlung von Spareinlagen, hier: Ausweis von Vorschußzinsen; Nr. 12 Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 9. August 1994 betr. Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute Geldausgabeautomaten im Sparverkehr/Verwendung von Chip-Karten; s. dazu Reischauer/Kleinhans, Kza. 220 – 222). Die Nichtbeachtung dieser Stellungnahmen des BAKred berührt allerdings nicht die zivilrechtliche Wirksamkeit des Sparvertrags. Wenn also beispielsweise entgegen § 21 IV Nr. 3 RechKredV ein Sparvertrag mit einer Kapitalgesellschaft abgeschlossen und damit der für privilegierte Sparprodukte nach RechKredV zugelassene Personenkreis verlassen wird, ändert dies an der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Vertrags nichts. Gleiches gilt, wenn zum Beispiel entgegen dem Schreiben des BAKred vom 2. Februar 1982 die Endfälligkeit für Spareinlagen in einer Weise vereinbart wird, dass die Unbefristetheit der hereingenommenen Spargelder tangiert ist (§ 21 IV 1. Halbsatz RechKredV).
B. Zur Rechtsnatur der Spareinlage
7
Mit der Einzahlung der Spareinlage durch den Sparer kommt zwischen ihm und dem die Einlage entgegennehmenden Kreditinstitut ein Darlehensvertrag im Sinne von § 488 BGB zustande (BGHZ 64, 278; Soergel-Häuser, vor § 607 Rn. 58; MünchKommBGBHüffer, § 808 Rn. 22). Über die Spareinlage ist entsprechend § 21 IV 1 Nr. 2 RechKredV eine Urkunde auszufertigen. Diese kann unterschiedlich bezeichnet sein, üblicherweise als Sparbuch, aber auch als Sparbrief, Sparzertifikat oder dergleichen. Maßgeblich für die Bestimmung der Rechtsnatur ist jeweils die konkrete Vertragsausgestaltung. Unabhängig von der innerhalb der kreditwirtschaftlichen Gruppen (Sparkasse, Genossenschaftsbanken, Privatbanken) zwar standardisierten, jedoch voneinander doch abweichenden Formulierungen lassen sich vier typische Regelungskreise identifizieren (Welter, WM 1987, 1113 (1118)): a) Das Sparbuch wird für ein dem Gläubiger zustehendes Sparkonto ausgestellt und dokumentiert Kontoveränderungen. b) Das Kreditinstitut ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, an den Vorleger des Sparbuches zu leisten. c) Das Kreditinstitut ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Legitimation des Vorlegers zu prüfen. d) Das Kreditinstitut behält sich vor, Auszahlung nur gegen Vorlage des Sparbuchs vorzunehmen. Wegen der namentlichen Benennung des Berechtigten im Sparbuch und der Übertragung des Anspruchs durch Abtretung und nicht durch Übereignung des Papiers ist das Sparbuch seiner Rechtsnatur nach ein Rektapapier (h. M. BGHZ 28, 368 (370); BGHZ 46, 198 (202); MünchKommBGB-Hüffer, § 808 Rn. 23 m.w.N. auch zu teilweise vertretenen
Harbeke
8
1174
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Mindermeinungen). Das Eigentum am Buch geht nach § 952 BGB ipso iure im Zuge der Abtretung mit über (Canaris, Rn. 1182). Die Liberationswirkung des § 808 BGB ist nicht zwingend; entscheidend ist die vertragliche Absprache der Beteiligten (MünchKommBGB-Hüffer, § 808 Rn. 23). Typischerweise enthalten die Sparbedingungen jedoch entsprechende Liberationsklauseln (vergleiche Nr. 2.5 Sparbedingungen Sparkassen, bei: Recht der Sparkassenorganisation, hrsg. von Fischer/Herbst, Stuttgart, Stand 12.2002 unter C 1.2.15). Das Sparbuch ist zudem qualifiziertes Legitimationspapier ,,da die Kreditinstitute ohne Vorlage der Urkunde zwar leisten dürfen, aber nicht leisten müssen (Welter, WM 1987, 1117 (1118); Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 71 Rn. 42; Kümpel, WM 1983, SB 6, S. 10; Schraepler, NJW 1973, 1864; Baumbach/Hefermehl, Rn. 86; Fischer/ Klanten, Rn. 8.20). 9
Demgegenüber sind Sparbriefe aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung regelmäßig reine Rektapapiere, bei denen das Kreditinstitut nur durch Leistung an den wahren Berechtigten frei wird (Canaris, Rn. 1189; Palandt-Sprau, Einf. vor § 793 Rn. 2). Sie lauten auf den Namen einer bestimmten Person und verpflichten den Aussteller zur Zahlung der verbrieften Geldsumme an den namentlich Genannten (BGH WM 1987, 1038; Baumbach/Hefermehl, Rn. 70; Zotz, WuB IV A. – § 747 BGB – 1.87; Hüffer/v. Look, Rn. 51). Bankwirtschaftlich handelt es sich um Instrumente der mittel- bis langfristigen Fremdfinanzierung von Sparkassen und Banken. Ihre Laufzeiten liegen typischerweise zwischen mindestens einem und höchstens zehn Jahren: (Krumnow/Gramlich, Stichwort: Sparbrief).
10
Sparprodukte treten in vielfältigen weiteren Ausgestaltungen auf, wie etwa in sogenannten Sparkassenzertifikaten, die rechtlich wie ein Sparbuch ausgestaltet sein können, sich wirtschaftlich jedoch durch eine in der Regel neunmonatige Kündigungssperrfrist auszeichnen (Krumnow/Gramlich, Stichwort Sparkassenzertifikat). Darüber hinaus sind am Markt sog. strukturierte Produkte anzutreffen, die eine vom Kreditinstitut hereingenommene und zu verzinsende Einlage mit sonstigen Produktmerkmalen verbindet, typischerweise mit einer Chance, an den Entwicklungen eines bestimmten Indexes, wie etwa dem Aktienindex Dax zu partizipieren. Für die rechtliche Einordnung all dieser innovativen Produkte ist letztendlich die konkrete vertragliche Ausgestaltung maßgeblich.
11
C. Zur Bestimmung des Forderungsinhabers I. Sparbrief. Die unterschiedliche Rechtsnatur von Sparbrief einerseits und Sparbuch andererseits wirkt sich aus bei der Bestimmung des Forderungsinhabers, wenn das Sparprodukt nicht auf den Namen des Einzahlenden, sondern auf den Namen eines Dritten angelegt wird . Anders als bei der Anlegung eines Sparbuchs auf den Namen eines Dritten erwirbt dieser Dritte bei einem auf seinen Namen lautenden Sparbrief die verbriefte Forderung zwingend mit der Ausstellung des Sparkassenbriefs. Dies ist die unmittelbar Folge aus der Qualifikation des Sparbriefs als Namenspapier; wenn ein Kreditinstitut ein solches auf den Namen ausgestelltes Papier begibt, steht fest, wem die verbriefte Forderung originär zustehen soll (BGH WM 1987, 1038; OLG Hamm WM 1987, 1128; Welter, WuB I C 2 – 11.87; OLG Hamm 1991, 984; Denzer, WuB I C 2 – 2.91; zu möglichen Verfügungsbeschränkungen über einen Sparkassenbrief BGH WM 1992, 1522 (1523); Harder, WuB IV A § 826 BGB – 1.93)).
12
II. Sparbuch. Demgegenüber ist beim Sparbuch insbesondere in Drittbegünstigungsfällen die Bestimmung des Gläubigers nicht immer eindeutig. Bisher ging die Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, dass Darlehensnehmer und damit Forderungsinhaber der Einzahlende ist, und zwar auch dann, wenn das Sparbuch auf den Namen eines Dritten an-
Harbeke
§ 39 Sparkonto und Sparkassenbrief
1175
gelegt wurde (BGH WM 1965, 897 (900); WM 1966, 1246 (1248); MünchKommBGBHüffer, § 808 Rn. 26; Lieseke, WM 1975, 214 (222)). Dabei wurde dem Besitz am Buch große Bedeutung beigemessen (Hüffer/v. Look, Rn. 46 m. w. N.). Canaris spricht sogar von einem Vorrang vor der Kontobezeichnung (Canaris, Rn. 156). Behielt der Errichter das Buch im Besitz, wurde regelmäßig von einer Gläubigerstellung des Errichters ausgegangen (z.B. OLG Düsseldorf, WM 1994, 850; Scharrenberg, WuB I C 2 – 4.93). Zwar musste der Wille des Errichters, Forderungsinhaber zu bleiben, nach außen für das Kreditinstitut erkennbar werden. Allerdings maß der BGH der Erkennbarkeit keine große Bedeutung bei. Das Institut überlasse – so der BGH – beim Abschluss des Sparvertrags dem Sparer, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt das Guthaben dem Begünstigten zustehen solle. Für das Kreditinstitut sei es ohne wesentliche Bedeutung zu wissen, unter welchen Voraussetzungen der als berechtigt Bezeichnete der wahre Berechtigte ist. Gemäß § 808 BGB werde das Institut durch die Leistung an den Inhaber des Sparbuchs auf jeden Fall frei (BGH NJW 1984, 480 (481)). Eine BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1994 – als Revisionsurteil zu der oben erwähnten Entscheidung des OLG Düsseldorf – lässt Zweifel aufkommen, inwieweit der BGH dem Besitz am Sparbuch noch die Indizwirkung zukommen lässt, wie dies bisher der Fall war. Nach diesem Urteil muss jetzt aus den schriftlichen Kontounterlagen hervorgehen, wenn abweichend von dem sich aus den Kontoeröffnungsunterlagen eindeutig ergebenden Kontoinhaber ein Dritter im Verhältnis zur Bank Rechte am Guthaben soll geltend machen können (BGH NJW 1994, 931; WM 1994, 731; sehr kritisch Harder, WuB I C 2 – 1.94). Das Urteil scheint ein größeres Maß an Rechtssicherheit zu bieten, als dies nach der bisher notwendigen Exegese der „Umstände“ des Einzelfalls gegeben war. Der Verweis auf die Liberationswirkung des § 808 BGB ist in der Tat unbefriedigend, denn neben den Unwägbarkeiten aus § 808 BGB – Einwand der Bösgläubigkeit – hat das Kreditinstitut zum Beispiel bei Pfändungen Dritter oder bei möglichen Aufrechnungslagen – etwa bei Zweifeln an der Gegenseitigkeit der betreffenden Forderungen – ein von der Rechtsprechung anzuerkennendes Interesse daran, Gewissheit darüber zu erhalten, wer sein Gläubiger ist (kritisch auch Canaris, Rn. 152). Auch Gößmann vertritt offenbar die Auffassung, der Besitz am Sparbuch verliere dann an Bedeutung, wenn das Kontoeröffnungsformular selbst eine Aussage zur Gläubigerschaft treffe (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Gößmann, § 71 Rn. 9). Gleichwohl befriedigt die BGH-Entscheidung nicht (kritisch auch Hüffer/v. Look, Rn. 48). Bei allem Bestreben, möglichst einfach Klarheit in der Frage zu erhalten, wer Gläubiger einer Spareinlage ist, kommt man letztendlich nicht um das Problem herum, den wahren Willen des Errichtenden zu ermitteln. Hierzu bietet sicherlich die Angabe in dem Kontoeröffnungsformular einen gewichtigen Hinweis. Gleichwohl ist in der täglichen Praxis schnell in einem Formular eine Gläubigerbezeichnung eingetragen, die letztendlich doch nicht dem wahren Willen des Errichtenden entspricht. Zwei BGH-Entscheidungen aus dem Jahre 2005 beleuchten das Problem der Bestimmung des „wahren“ Gläubigers in Rechtsstreiten zwischen dem Zuwendenden – also dem Geldgeber – einerseits und dem namentlich benannten Kontoinhaber respektive seinen Erben andererseits. Die Urteile verdeutlichen, dass sich eine schematisierte Betrachtung verbietet. In einer Entscheidung vom 18. Januar (BGH WM 2005, 462 = WuB I C 2. – 1.05 Leich) stellt der BGH in einem „Angehörigen-Fall“ auf die Umstände des Falles ab und misst der formalen Einrichtung des Sparbuch auf den Namen des Dritten keine Bedeutung zu. In dem Fall hatten die Eltern auf den Namen ihres Sohnes und des späteren Klägers ein Sparbuch angelegt, auf das der Großvater eine größere Summe einzahlte und gleichzeitig das Sparbuch an sich nahm. Die spätere Klage des Sohnes gegen seinen Großvater wies der BGH ab; lege ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen
Harbeke
1176
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
eines Kindes an, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, so sei aus diesem Verhalten in der Regel zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten wolle. Im Leitsatz zu BGH WM 2005, 1216, setzt der zweite Senat den Akzent anders; wenn ein Dritter ohne jeden Vorbehalt auf ein Sparkonto, das ein anderer in seiner Gegenwart bei einer Sparkasse eröffnet, eine Einzahlung vornehme, sei der namentlich im Sparbuch bezeichnete Kontoinhaber Gläubiger der Spareinlage, obwohl in dem konkreten Fall der Einzahlende das Sparbuch an sich nahm. Soweit Nobbe eine Systematisierung versucht (OLG Bamberg WM 2006, 273 = WuB I C 2 – 1.06 Nobbe) ist diese zwar hilfreich, deckt sich aber nicht immer mit den vorliegenden Judikaten. Entscheidend ist und bleibt, an Hand aller Umstände der Einzelfälle, die Gläubigerschaft zu bestimmen. 13
D. Grenzen der Liberationswirkung Nach § 808 BGB wird das Kreditinstitut „durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit.“ Es ist anerkannt, dass über den Wortlaut der Vorschrift hinaus grob fahrlässige Verkennung der Nichtberechtigung des Sparbuchvorlegers die Liberationswirkung ebenfalls nicht eintreten lässt. Begründet wird dies mit einer Parallelwertung zu Inhaberpapieren; die Liberationswirkung kann bei qualifizierten Legitimationspapieren wie dem Sparbuch nicht weiter gehen als bei Inhaberpapieren wie beispielsweise beim Wechsel (Art. 40 III WG; vgl. Baumbach/Hefermehl, Rn. 17, MünchKommBGB-Hüffer, § 808 Rn. 15).
14
I. Grobe Fahrlässigkeit. Grob fahrlässig handelt ein Kreditinstitut, wenn im konkreten Einzelfall besondere Umstände auf die fehlende Legitimation des Sparbuchvorlegers zwingend hindeuten und wenn das Kreditinstitut die im bankkaufmännischen Geschäftsverkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen des Einzelfalls in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was jedem Bankangestellten hätte einleuchten müssen (OLG Düsseldorf WM 1984, 636; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Gößmann, § 71 Rn. 49 m. w. N.). Bösgläubigkeit eines Angestellten wird dem Kreditinstitut nach § 166 BGB zugerechnet (MünchKommBGB-Hüffer, § 808 Rn. 28). Geschützt wird der gute Glaube sowohl an die Verfügungs- als auch an die Vertretungsmacht des Vorlegenden (BGHZ 28, 368). In Vertretungsfällen schadet dem Kreditinstitut also die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Verkennung der fehlenden Vertretungsmacht des Vorlegenden, sofern dieser sich als Vertreter des Sparbuchinhabers zu erkennen gibt. Das Landgericht Hamburg (LG Hamburg WM 1983, 577) hat grobe Fahrlässigkeit bejaht, wenn an einen Inhaber eines Sparbuchs DM 10.000 ausgezahlt wurden und dem Bankangestellten die Art der Unterschriftsleistung auffällig erschien, er aber trotzdem auf jede Identitätsprüfung verzichtete. Demgegenüber hat das OLG Düsseldorf (Rümker, EWiR 1988, 983) die Auszahlung von DM 10.000 an den Inhaber eines Sparbuchs als nicht grob fahrlässig qualifiziert, wenn gleichzeitig der ebenfalls gestohlene Reisepass vorgelegt wird und die Unterschriftsprüfung keine Auffälligkeiten zeigt. Hat der Sparbuchinhaber den Verlust der Urkunde dem Kreditinstitut angezeigt, so ist die Nichtbeachtung dieses Hinweises grob fahrlässig (BGH WM 1988, 1478 (1479)). Allerdings muss dem Kreditinstitut eine angemessene Zeit eingeräumt werden, die Kontosperre organisatorisch umzusetzen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.07.2003, Az. I-16 U 196/02; Engau, EWiR 1989, 779 (780); Welter, WuB I C 2. – 5.88). Das gleiche gilt für sonstige Sperrvermerke wie etwa die Vereinbarung von Kennwörtern, durch die sich der Inhaber zusätzlich legitimieren muss. Auch hier führt die Auszahlung an einen Nichtberechtigten unter Nichtbeachtung des vereinbarten Kennworts nicht zu einer Leistungsbefreiung des Kreditinstituts. Im Falle der Auszahlung eines Sparguthabens an einen Bevollmächtigten sind an eine etwaige Kenntnis der Bank an einen Mißbrauch der Vertretungsmacht strenge Anforderun-
Harbeke
§ 39 Sparkonto und Sparkassenbrief
1177
gen zu stellen. Der Umstand, dass ein Bevollmächtigter eine Barauszahlung verlangt, reicht allein für die Annahme eines möglichen Vollmachtmißbrauchs nicht aus (OLG Düsseldorf, Urt. vom 25.07.2003, Az. I-16 U 196/02). Bei Mietkautionskonten (§ 551 BGB) auf Sparbuchbasis, bei denen Kontoinhaber der Mieter ist, der Sperrvermerk zu Gunsten des Vermieters besteht – mit entsprechenden Konsequenzen im Konkurs des Mieters (hierzu Hüffer/v. Look, Rn. 120) – schließt der Sperrvermerk die Liberationswirkung bei Auszahlung an den Mieter aus (zu den unterschiedlichen Fallkonstellationen bei Mietkautionskonten Eckert, ZIP 1984, 1121). II. Mangelnde oder beschränkte Geschäftsfähigkeit des Berechtigten oder aber auch eines Nichtberechtigten schaden grundsätzlich der Liberationswirkung nicht (OLG Düsseldorf WM 1971, 231). Soweit Canaris meint, die Innehabung der Urkunde sage nichts über die Geschäftsfähigkeit des Inhabers aus und setze damit keinen Rechtsschein, auf den das Kreditinstitut im Rahmen von § 808 BGB vertrauen dürfe, so überzeugt diese Aussage nicht. Zu Recht weist Gößmann darauf hin, wenn das Kreditinstitut bei der Leistung an einen Nichtberechtigten frei werde, müsse dies erst recht gelten, wenn die Auszahlung an den wirklichen Gläubiger erfolgt, der das Sparbuch vorlegt, der aber geschäftsunfähig ist (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann § 71 Rn. 51). Hätte das Kreditinstitut allerdings die fehlende oder beschränkte Geschäftsfähigkeit erkennen können, so wird es nicht von der Leistung frei (Soergel-Welter, § 808 Rn. 18).
15
III. „Versprochene Leistung“. Die Liberationswirkung erstreckt sich nur auf die „versprochene Leistung“ im Sinne von § 808 I 1 BGB. Was „versprochene Leistung“ ist, war bis 1993 in § 22 KWG aufsichtsrechtlich vorgegeben und wird seitdem durch die RechKredV und die Sparbedingungen bestimmt. Wesensmerkmal einer Spareinlage ist die Unbefristetheit der Einlage und das grundsätzliche Erfordernis einer Kündigung, falls über die Einlage verfügt werden soll. Entsprechend der in § 21 IV RechKredV zugelassenen Option gewähren die Kreditinstitute über ihre Sparbedingungen dem Kunden die Möglichkeit, von dem Sparkonto einen Sockelbetrag von 2.000 Euro pro Kalendermonat ohne Kündigung zu verfügen; im Übrigen sind Verfügungen nur unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zulässig.
16
Noch unter Geltung der KWG-rechtlichen Bestimmungen hatte sich die Rechtsprechung verschiedentlich mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Liberationswirkung des § 808 BGB auch dann eintritt, wenn über einen höheren als den kündigungsfreien Sockelbetrag ohne Einhaltung der Kündigungsfrist durch einen Nichtberechtigten verfügt wird, oder ob zumindest in Höhe des Sockelbetrags diese Befreiungswirkung eintritt (gegen eine Befreiung auch hinsichtlich des Sockelbetrags LG Essen WM 1987, 1452; LG Hamburg NJW 1983, 1860; OLG Hamm 1961, 1311 (1312); für eine Befreiungswirkung in Höhe des Sockelbetrags LG München I WM 1985, 599; OLG Hamm 1989, 562 (565); LG Hamburg 1987, 9; OLG Düsseldorf EWiR 1988, 983). Seit der Entscheidung des BGH vom 20. März 1986 (BGH WM 1986, 608; Gößmann WuB I C 2 – 2.87) dürfte die Streitfrage als geklärt anzusehen sein (a.A. insofern offenbar MünchKommBGB-Hüffer, § 808 Rn. 32a, der davon ausgeht, dass die Frage durch das BGH-Urteil vom 20. März nicht geklärt ist, wie hier Kümpel, Rn. 3.101). Die Entscheidung ist zwar zu einem Postsparbuch ergangen, welches auf Basis der Postsparordnung ausgestellt war. Die materiellen Regelungen der Postsparordnung sind jedoch die gleichen wie seinerzeit die KWG-rechtlichen Vorschriften, worauf der BGH ausdrücklich hinweist. Der BGH lässt die Befreiungswirkung in Höhe des Sockelbetrags eingreifen, während er eine darüber hinausgehende Liberationswirkung ablehnt. Er begründet dies im Wesentlichen mit einer Auslegung des Begriffs „geschuldete Leistung“ und rekurriert dabei auf die aufsichtsrechtlichen Vorgaben aus den §§ 21, 22 KWG. Er folgert daraus, dass eine vorfristige Leistung nicht
17
Harbeke
1178
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
vereinbart sei und insoweit eine Vertragsänderung durch einen Nichtberechtigten nicht wirksam mit dem Kreditinstitut vereinbart werden könne. 18
Es steht nicht zu erwarten, dass der BGH seine Rechtsprechung vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich aufgehobenen KWG-Vorschrift zum Sparverkehr ändern wird, da eine materielle Definition der „geschuldeten Leistung“ nunmehr im Wesentlichen inhaltsgleich mittels der Sparbedingungen vorgenommen wird (Kümpel, Rn. 3.97). Ein Nichtberechtigter kann allerdings aufgrund der Legitimationswirkung des Sparbuchs die Spareinlage fristgerecht kündigen. Nach Ablauf der Kündigungsfrist leistet das Kreditinstitut sodann mit befreiender Wirkung an den nicht berechtigten Inhaber des Sparbuchs (BGH WM 1975, 733 (735)).
19
E. Zur Anwendbarkeit von § 407 BGB Stark umstritten ist die Frage, wie der Fall zu behandeln ist, dass der Sparer seine Einlagenforderung unter Übergabe des Buchs an einen Dritten abtritt, sich gleichwohl aber gegenüber seinem Kreditinstitut weiterhin als Forderungsinhaber geriert und ohne Vorlage des Buchs Auszahlung verlangt. In diesen Fällen wird zum Teil die Anwendbarkeit von § 407 BGB mit dem Verweis auf den Wertpapiercharakter des Sparbuchs verneint. Da zur Geltendmachung der verbrieften Einlage die Vorlage des Buchs erforderlich sei, handele es sich um ein Rektapapier, bei dem der Schutz des § 407 BGB nicht greife (MünchKommBGB-Hüffer, § 808 Rn. 33; Canaris, Rn. 1183; OLG Hamm WM 1984, 801; OLG Düsseldorf NJW RR 1991, 1337). Zum Teil wird nach dem Wortlaut der Sparbedingungen differenziert. Danach soll maßgeblich sein, ob die Bank berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, nur gegen Vorlage des Sparbuchs zu zahlen. Bei letzterer Konstellation wird zum Teil der Wertpapiercharakter in Frage gestellt und das Sparbuch nur als einfaches Legitimationspapier angesehen (Baumbach/Hefermehl, Rn. 63, 86; Schimansky/Bunte/LwowskiGößmann, § 71 Rn. 44; Kümpel, WM 1983 SB Nr. 6, 10; Welter, WM 1987, 1117 (1119); Schraepler, NJW 1973, 1864; LG Krefeld WM 1980, 351; AG Augsburg WM 1983, 717).
20
Der Aufassung, die § 407 BGB nicht zur Anwendung kommen lässt, kann nicht gefolgt werden. Das BGB fordert für die Wirksamkeit einer Zession regelmäßig eine Anzeige an den Schuldner. Den deswegen erforderlichen Schuldnerschutz gewährleistet insbesondere § 407 BGB, während für die Verpfändung des Sparguthabens die Anzeige des Sparers an sein Kreditinstitut durch § 1280 BGB Wirksamkeitserfordernis ist (s. RGZ 124, 217). Die Meinung, welche bei der Abtretung den Schutz des Schuldners mit der Begründung verwehren will, das Kreditinstitut sei nur bei Vorlage des Buchs zur Leistung verpflichtet, kann den Wertungswiderspruch zur Situation bei der Verpfändung nicht auflösen: es ist nicht einsichtig, weshalb bei einer Verpfändung der Schutz des Schuldners von der Rechtsordnung höher bewertet werden soll, als bei einer Vollrechtsübertragung.
21
Nicht sachgerecht ist auch eine Differenzierung nach dem jeweiligen Wortlaut der Sparbedingungen (so auch Welter, WM 1987, 1117 (1119); für eine Differenzierung nach dem Wortlaut Baumbach/Hefermehl, Rn. 86). Denn schon unter Geltung des KWG hat das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen klargestellt, dass es trotz der – inzwischen aufgehobenen – gesetzlichen Anordnungen im KWG unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Auszahlung ohne Vorlage des Sparbuchs für zulässig erachtet (BAK Mitteilung 1/1964 bei: Reischauer/Kleinhans, KZa 220). Dabei soll hier offen bleiben, ob die im Markt anzutreffenden unterschiedlichen Formulierungen unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten die nötige Transparenz aufweisen, um den Marktteilnehmern die jeweils gravierenden unterschiedlichen Auswirkungen vor Augen zu führen. So sprechen die in der Sparkassenorganisation verwendeten Bedingungen unter Ziffer 2.2. Satz 2 davon:
Harbeke
§ 39 Sparkonto und Sparkassenbrief
1179
„die Rückzahlung von Spareinlagen, die Auszahlung von Zinsen können nur gegen Vorlage des Sparbuchs verlangt werden.“ Etwas „weicher“ formulieren die im Bankenbereich verwendeten Sparbedingungen, wenn es unter Nr. 1 III heißt: „bei Auszahlung ist das Sparbuch vorzulegen“ (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 71 Rn. 5). Nach Meinung von Welter kommt in der Formulierung der Sparkassenorganisation lediglich zum Ausdruck, dass das Kreditinstitut auf aufsichtsrechtliche Bestimmungen verweist, ohne sich des Schuldnerschutzes nach zivilrechtlichen Vorschriften zu begeben (WM 1987, 1117 (1119)). Koller hat daher vorgeschlagen, § 407 BGB dann eingreifen zu lassen, wenn im Einzelfall verkehrsüblich mit einem Verzicht auf die Vorlage der Urkunde gerechnet werden muss (Gutachten, S. 1465). Da die Kreditinstitute in Ausprägung des Servicegedankens sich häufig nicht dem Wunsch nach Auszahlung ohne Vorlage des Buchs entziehen können, ist diese entsprechende Praxis als verkehrsüblich anzusehen. Für das Recht ist es nicht ungewöhnlich, abweichend von gesetzlichen oder AGB-rechtlichen Regelungen auf das tatsächliche Verhalten der Marktteilnehmer abzustellen. So hat der BGH Art. 32 Scheckgesetz und die damit korrespondierende Regelung in Nr. 10 Satz 1 der Scheckbedingungen, wonach ein Widerruf des Schecks erst nach Ablauf der Vorlegungsfrist möglich ist, mit Verweis auf die bei den Kreditinstituten geübte Praxis in der Sache für obsolet erachtet (BGHZ 104, 374 (381)).
F. Verjährung von Sparforderung und Zinsen
22
Beim Auffinden sogenannter Altsparbücher stellt sich neben Beweisproblemen (hierzu unter G) die Frage nach der Verjährung des Anspruchs auf Auszahlung des Sparguthabens. I. Altes Verjährungsrecht. Für das vor Einführung des SchuldrechtsmodernisierungsGesetzes geltende Verjährungsrecht war unzweifelhaft eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gegeben, § 195 BGB a. F. Nicht eindeutig beantwortet wurde die Frage, wann die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Insoweit war eine differenzierende Betrachtung angezeigt. Soweit nämlich in den Sparbedingungen ein beiderseitiges Kündigungsrecht vereinbart war, begann die 30-jährige Verjährungsfrist erst mit Wirksamwerden der Kündigung. Beiderseitige Kündigungsrechte waren insbesondere bei Sparbüchern mit gesetzlicher Kündigungsfrist gegeben, da § 22 I 1 KWG nicht nur dem Kunden, sondern auch dem Kreditinstitut ein Kündigungsrecht einräumte (Szagunn/Wohlschiess, § 22 Rn. 2). Für die Fälle des beiderseitigen Kündigungsrechts wandte der BGH nicht § 199 BGB a. F., sondern § 198 1 BGB a. F. an. Der Sonderfall des § 199 BGB a. F., der den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt vorverlegte, in dem erstmalig die Möglichkeit zur Kündigung bestand, ist in den Fällen des beiderseitigen Kündigungsrechts nicht anwendbar. Nach der ratio legis der Vorschrift soll dem Gläubiger kein Gestaltungsrecht in die Hand gegeben werden, den Beginn der Verjährung zum Nachteil des Schuldners willkürlich hinauszuschieben. Hat – wie bei Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist – auch der Schuldner die Möglichkeit, durch Kündigung die Fälligkeit seiner Schuld herbeizuführen, hängt der Beginn der Verjährung nicht mehr allein vom bloßen Belieben des Gläubigers ab (BGH WM 2002, 1652 (1653); OLG Schleswig WM 1998, 1578 (1580); van Gelder, WuB I C 2. – 1/98 mit ausführlicher Darstellung auch der Rechtsentwicklung; a. A. Arends/Teuber, MDR 2001, 546 (548); allerdings wohl nur für Fälle sog. Uralt-Sparbüchern. LG München I WM 1999, 2498; LG Bonn WM 1995, 2139 (2140)). Nach der Rechtsprechung des BGH soll sich an dieser Regelung des Verjährungsrechts auch hinsichtlich des sogenannten Sockelbetrags nach § 22 I 2 KWG (jetzt Nr. 4 Sparbedingungen Sparkassen) nichts ändern. Der BGH begründet dies in seiner Entscheidung vom 4.6.2002 (BGH WM 2002, 1652 (1653)) recht lapidar mit dem Hinweis, das für den Ausschluss des § 199 BGB
Harbeke
23
1180
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
a. F. maßgebliche Kündigungsrecht des Kreditinstituts werde durch die Verfügungsmöglichkeit über den Sockelbetrag nicht berührt (zur Kritik vgl. unten Rn. 25 f). 24
II. Neues Verjährungsrecht. Mit dem Inkrafttreten des SchuldrechtsmodernisierungsGesetzes erfährt der in § 199 BGB a. F. geregelte Sonderfall keine besondere Ausgestaltung mehr. § 199 I BGB n. F. regelt nunmehr einheitlich den Verjährungsbeginn, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: zum einen muss der Anspruch entstanden sein, zum anderen setzt der Verjährungsbeginn die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners voraus. Da die Fragen nach dem Kennen bzw. Kennenmüssen im vorliegenden Kontext vernachlässigbar sind, kommt es entscheidend darauf an, ob der Anspruch auf Auszahlung des Sparbuchs entstanden ist. Er ist entstanden, sobald er fällig ist und im Wege der Klage geltend gemacht werden kann (Budzikiewicz, WM 2003, 264 (265, 271); Palandt-Heinrichs, § 199 Rn. 3 unter Hinweis auf die schon bisher gültige Rechtslage; vgl. BGHZ 55, 340 (341); 37, 363 (365); BGH WM 2002, 1652 m. w. N. zur Situation, wenn man abweichend von der herrschenden Meinung die Spareinlage als unregelmäßige Verwahrung qualifiziert, vgl. Budzikiewicz, a.a.O, S. 271). Da eine Verfügung über Beträge, die den Sockelbetrag überschreiten, die Kündigung voraussetzt, hat sich an der Rechtslage, wie sie vor Einführung des Schuldrechts-Modernisierungs-Gesetzes bestand, nichts geändert. Wenn ein Uraltsparbuch mit gesetzlicher Kündigungsfrist mehr als 50 Jahre nach der letzten Kontobewegung vorgelegt wird, muss das Kreditinstitut grundsätzlich den Anspruch bedienen und kann sich nicht auf Verjährung berufen. Dem Vorschlag des Bundesrates, für nicht fällige und damit im Ergebnis unverjährbare Erfüllungsansprüche eine allgemeine Ausschlussfrist zu schaffen, ist der Bundestag nicht gefolgt (BT-Drucks. 14/ 6078, 6, 42).
25
Unklar ist aber, unter welchen Voraussetzungen der Sockelbetrag einer Verjährung unterliegt. Insoweit gibt die BGH-Entscheidung vom 4.6.2002 (siehe oben Rn. 23 a. E.) mit ihrem Verweis auf § 199 BGB a. F. keine zufriedenstellende Begründung. Wenn man dem BGH folgend anstatt § 199 BGB a. F. § 198 BGB a. F. anwendet, muss die Frage beantwortet werden, welche Rechtsfolgen die Anwendung von § 198 BGB a. F. für die Verjährung der Ansprüche auf Auszahlung des Sockelbetrags zeitigt; diese Frage hat der BGH aber unbeantwortet gelassen. Qualifiziert man die in den Sparbedingungen eingeräumte Möglichkeit, ohne Kündigung Auszahlung in Höhe des Sockelbetrags verlangen zu können, als eigenständigen Anspruch, so entsteht dieser Anspruch im Sinne von § 198 BGB a. F. bzw. § 199 BGB n. F. Monat für Monat in Höhe des jeweiligen Sockelbetrags revolvierend aufs Neue; denn diese Ansprüche können ohne weitere Voraussetzungen geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden. Für das Verjährungsrecht hätte diese Betrachtung zur Konsequenz, dass der Anspruch auf Auszahlung des Sockelbetrags nach § 199 BGB n. F. in drei Jahren verjähren würde. Innerhalb einer Jahresfrist hätten sich die Sockelbeträge auf 24.000 Euro aufsummiert, die dann nach § 199 BGB n. F. nach drei Jahren dem Verjährungseinwand ausgesetzt wären. Diese Rechtsfolge war weder vom Gesetzgeber gewollt – entsprechende Hinweise finden sich jedenfalls nicht –, noch liegt sie im Interesse von Sparer und Kreditinstitut.
26
Richtiger Ansicht nach ist die Verfügungsmöglichkeit über den Sockelbetrag kein eigenständiger der Verjährung unterliegender Anspruch, sondern eine dem Sparer eingeräumte Option, die zum Monatsultimo jeweils verfällt, wenn von ihr kein Gebrauch gemacht wird, die den Anspruch auf den Sparbetrag aber unberührt lässt.
27
Die Zinsen unterliegen derselben Verjährung wie die Spareinlage selbst. Im Sparverkehr werden die Zinsen grundsätzlich zum Ende eines Kalenderjahres gutgeschrieben und der
Harbeke
§ 39 Sparkonto und Sparkassenbrief
1181
Spareinlage zugerechnet (Nr. 3.3 Sparbedingungen Sparkassen). Maßgebend ist nicht die tatsächliche Gutschrift, sondern das Datum der Wertstellung (BGH WM 2002, 1652 (1654); OLG Frankfurt NJW 1998, 997 (999)). Unmaßgeblich ist auch, ob die Zinsen im Sparbuch selbst nachgetragen wurden. Da die Sparbuchgutschrift kein abstraktes Schuldanerkenntnis darstellt – was wiederum aus der rechtlichen Einordnung als qualifiziertes Legitimationspapier folgt -, kommt es auf die Gutschrift im Sparbuch selbst nicht an; entscheidend ist die Zinsgutschrift im – vom Kreditinstitut geführten – Sparkonto, zu der das Institut wiederum nach den Sparbedingungen verpflichtet ist.
G. Zinsanpassungsklauseln
28
Mit der Problematik der AGB-mäßigen Zulässigkeit von Zinsanpassungsklauseln in langfristigen Sparverträgen befasste sich die Rechtsprechung aufgrund von Klagen von Verbraucherverbänden. Nachdem bereits für das Aktivgeschäft entsprechende Zinsanpassungsklauseln für unwirksam erklärt wurden (Überblick bei Schimansky, WM 2001, 1169; vgl. auch Wand, WM 2005, 1932; 2005, 1969) erfasste die Diskussion auch die Passivprodukte (Zusammenfassung bei Schebesta, WuB IV C § 9 AGBG 3.03; ders., BKR 2002, 564 f.). In einer Entscheidung vom 17.02.2004 (BGH WM 2004, 825) hatte sich der 11. Zivilsenat mit einer Klausel aus einem langfristigen Combi-Sparvertrag zu beschäftigen, wonach die Sparkasse am Ende eines Kalenderjahres dem im Jahresverlauf durch Aushang bekannt gegebenen Zins für das Combispar-Guthaben zahlt. Nach dem Sparplan war vorgesehen, dass für die Zeit nach dem Erreichen des Dreifachen der Jahressparleistung von dem Kreditinstitut jährliche Prämien gezahlt werden, die zunächst 5 % der Jahressparleistung betrugen und bis zum Erreichen des Zehnfachen der Jahressparleistung stufenweise auf 20 % einer Jahressparleistung anstiegen. Die unbefristeten Verträge sahen eine Kündigungsfrist von drei Monaten vor, jedoch unter Anpassung des Prämiensatzes. Vor dem konkreten Vertragshintergrund sah der BGH ein kriterienloses einseitiges Zinsanpassungsrecht der Bank als Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB an. Gleichzeitig betone das Gericht allerdings auch ein berechtigtes Interesse der Kreditinstitute, ihre Zinssätze den veränderten Gegebenheiten des Kapitalmarktes auch bei bestehenden Verträgen, wie im Aktivgeschäft anzupassen. Ein solches Interesse sei auch für das Passivgeschäft grundsätzlich anzuerkennen. Damit gibt der BGH zu erkennen, dass er eine Ausweitung seiner Judikatur auf Sparprodukte mit kürzerer Laufzeit nicht beabsichtigt, was sachlich auch nicht gerechtfertigt wäre. Denn anders als bei der entschiedenen Vertragskonstellation kann der Kunde beim „normalen“ Sparbuch jederzeit kündigen, ohne dass ihm aufgrund des Ausstiegs aus dem Produkt ein wirtschaftlicher Schaden entstünde.
H. Beweisfragen
29
In Ermangelung eines Rechnungsabschlusses kommt im Sparverkehr dem Sparbuch, auf dem die Kontoführung fortgeschrieben wird, eine besondere Bedeutung zu. Da im Sparverkehr Verfügungen ohne Vorlage des Sparbuchs nicht ausgeschlossen sind (vgl. Mitteilung Nr. 1/64, bei Reischauer/Kleinhans, KZA 220, dort Nr. 3b), kann es schon aus diesen Gründen zu Abweichungen zwischen dem Sparbuch einerseits und den bankinternen Unterlagen andererseits kommen. Schwierig wird die Situation insbesondere bei Auftauchen sogenannter Altsparbücher, die entweder vom Kontoinhaber selbst „vergessen“ wurden oder aber erst von dessen Erben aufgefunden werden. Die Beweislastverteilung ist vom Ansatz her eindeutig. Die Beweislast für das Bestehen und die Höhe der Forderung trifft den Kunden. Diesen Beweis kann er mittels des Sparbuchs als Beweismittel im Sinne des § 416 ZPO dann problemlos führen, wenn die Eintragungen im Sparbuch unterzeichnet sind (BGH WM 2002, 1652 (1653). Die Sparbücher
Harbeke
30
1182
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
sind regelmäßig so aufgebaut, dass seitlich neben den Zugängen bzw. Abgängen eine Paraphe des Mitarbeiters gesetzt wird. Der BGH hat wiederholt klargestellt, dass weder eine „Oberschrift“ (BGHZ 113, 48 (51)) noch eine „Nebenschrift“ (BGH WM 1992, 626 (627); vgl. auch BGH WM 2002, 1652 (1653)) eine Unterschrift im Sinne der §§ 416, 440 II ZPO sind. Unabhängig von dieser Rechtsprechung wird dem Sparer durch Vorlage des Buches regelmäßig der Beweis gelingen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der im Sparbuch dokumentierten letzten Vorlage des Buches der dort ausgewiesene Guthabensaldo bestand. 31
Als Schuldner der Spareinlage trägt das Kreditinstitut seinerseits die Beweislast für die Erfüllung der Sparforderung (BGH WM 2002, 1652 (1653); OLG Frankfurt WM 1990, 496; KG WM 1992, 979; Welter, WM 1987, 1117 (1121)). Weil das Sparbuch als externe Urkunde gerade Grundlage des Geschäftsverkehrs mit dem Sparer ist, ist der Beweiswert bankinterner Unterlagen gegenüber dem extern verwendeten Sparbuch grundsätzlich gering (Scharrenberg, WuB I C 2. – 5.93; Schimansky/Bunte/Lwowsky-Gößmann, § 71 Rn. 34).
32
Bei Altsparbüchern räumt die Rechtsprechung im Rahmen der Beweiswürdigung dem Zeitablauf als solchem eine (gewisse) Bedeutung ein (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 71 Rn. 36). Nach dem Nichtannahmebeschluss des BGH vom 21.9.89 (NJW-RR 1989, 1518) ist eine Beweislastumkehr dann denkbar, wenn Umstände dargetan werden, die darauf schließen lassen, dass das Kreditinstitut aus Gründen, die dem Sparer zuzurechnen sind, an der Entwertung des Sparbuchs gehindert war. Ob der Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen für sich genommen eine Umkehr der Beweislast rechtfertigt, ist umstritten (gegen eine Beweislastumkehr BGH WM 2002, 1652 (1653); OLG Celle Az. 3 U 39/08 [Juris]; OLG Frankfurt NJW 1998, 997 (998); für eine Beweislastumkehr OLG Bamberg WM 1995, 918; BGH WM 1972, 281 (zur Ordnungsmäßigkeit der Führung eines Wertpapierdepots); LG München WM 1999, 2498).
33
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass – soweit ersichtlich – gerichtliche Entscheidungen nicht ergehen, wenn die Unstimmigkeiten zwischen Kreditinstitut und Sparer/Erbe während der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen auftreten. Hier ist es dem Kreditinstitut offenbar regelmäßig möglich, durch Vorlage der vom Kunden unterzeichneten Auszahlungsquittung und eines speziellen Legitimationsformulars, in dem die Berechtigung des Kunden zur Abhebung ohne Buch überprüft wird, die tatsächlich vorgenommene Auszahlung an den Kunden darzutun und die Beweiskraft des Sparbuchs zu widerlegen (Harbeke, WuB I C 2. – 3.99).
34
Nach Ablauf der zehnjährigen gesetzlichen Aufbewahrungsfrist sind die zuvor genannten Unterlagen regelmäßig nicht mehr verfügbar. In diesen Fällen kann das Kreditinstitut lediglich noch die internen Unterlagen vorlegen, aus denen sich der Kontoverlauf ergibt. Diese Papiere weisen allenfalls noch eine Paraphe des Mitarbeiters, allerdings nie eine Unterschrift des Kunden auf. Das Kreditinstitut kann in diesen Fällen noch ergänzend auf die Umstände des Einzelfalles verweisen, die mehr oder weniger stark für eine Auszahlung sprechen mögen. Diese je nach Sachverhalt mehr oder weniger gleich gelagerten Indizien werden von der Rechtsprechung jedoch recht unterschiedlich bewertet. Das Landgericht Kaiserslautern (WM 1984, 1604) hat bankinternen Unterlagen kaum einen Beweiswert beigemessen. Ähnlich judiziert das OLG Frankfurt (WM 1990, 496), wenn es ausführt, der Gegenbeweis könne nicht allein durch bankinterne Unterlagen erbracht werden. Sehr weit scheint auch das OLG Köln gehen zu wollen, wenn es urteilt, in Rechtsprechung und Literatur sei anerkannt, dass die Unrichtigkeit eines Sparbuchs mit bankinternen Unterlagen, die dem Kunden nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, nicht
Harbeke
§ 39 Sparkonto und Sparkassenbrief
1183
nachgewiesen werden kann (OLG Köln WM 2001, 2298; zu Recht kritisch, Baterau WuB I C 2. – 1.02). In einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 hat das OLG Köln die Beweiskraft des Sparbuchs als erschüttert angesehen. In dem Fall konnte der Kläger nicht plausibel erklären, woher das Geld für die Eröffnung eines Festgeldkontos über DM 175.000 stammte, wenn nicht vom Sparbuch, dessen Guthaben die gleiche Summe ausgewiesen und dessen – nochmalige – Auszahlung der Kläger erfolglos versuchte. Das Kammergericht (WM 1992, 997) sieht bankinterne Vorgänge durchaus als geeignet an, verlangt aber „gewisse Indizien“ für einen Gegenbeweis. Wenn es Anhaltspunkte für Manipulationen an Kontoblättern nicht gibt, ist das OLG Hamm (WM 1987, 1097) der Meinung, diese bankinternen Kontoblätter stellten ein „starkes Indiz“ für eine Auszahlung dar. In eine ähnliche Richtung geht das Landgericht Bonn (NJW 1996, 557), wenn es ausführt, bankinternen Unterlagen kommen eine „gewisse Indizwirkung“ für die darin vermerkten Abhebungen zu. Das Amtsgericht Hamburg (WM 1993, 1086) sieht den Beweis der Erfüllung anhand bankinterner Unterlagen dann als geführt an, wenn auf einem Sparbuch mit einer höheren Sparsumme über einen Zeitraum von 17 Jahren hinweg keine Eintragungen vorgenommen wurden. Ähnlich argumentiert das OLG Hamburg in einem Fall, in dem über 20 Jahre hinweg ein Buch nicht vorgelegt wurde (WM 1989, 1681). Deutlich restriktiver judiziert wiederum das Landgericht Oldenburg (WM 1998, 1821). Das Landgericht München (WM 1999, 2498) geht zwar von der Regel aus, dass das im Sparbuch aufgeführte Guthaben bestanden hat und nicht zurückgezahlt wurde. Diesen Beweis sieht das Landgericht jedenfalls dann als widerlegt an, wenn das Kreditinstitut seinerseits darlegt und beweist, dass nach dem letzten Eintrag allgemein neue Sparurkunden ohne Einziehung oder Entwertung der alten Sparbücher ausgegeben wurden. Diese Entscheidung ist unter zwei Gesichtspunkten bedeutsam: zum einen wurden bei der Einführung des sogenannten Loseblattsparbuchs die gebundenen Sparbücher häufig nicht flächendeckend eingezogen; zum anderen wurden und werden bei Fusionen von Kreditinstituten neue Sparbücher ausgegeben, weil die Kontonummernkreise der fusionierten Institute harmonisiert werden müssen. Auch in diesen Fällen kommt es zur Ausgabe von neuen Sparbüchern, ohne dass die Einziehung aller alten Sparbücher sichergestellt ist.
Harbeke
“This page left intentionally blank.”
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1185
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
Schrifttum Artz, Die Neuregelung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen, BKR 2002, 603; BVR – Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Jahresbericht 2001; Batereau, Anm. zu LG Bonn, Urt. v. 12.02.1996, WuB I F. 2.-2.96, Bruchner, AGB-rechtliche Zulässigkeit von Zinsanpassungsklauseln, BKR 2001, 16; Canaris, Die Ausgabe von Namensschuldverschreibungen an Arbeitnehmer in bankaufsichtsrechtlicher Sicht, BB 1978, 227; Domke, Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen, BB 2007, 341; Lange, Neue Bedingungen für den Sparverkehr: Sparbuch – quo vadis?, BB 1993, 1677; Liesecke, Das Bankguthaben in Gesetzgebung und Rechtsprechung, WM 1975, 286; Masuch, Neues Muster für Widerrufsbelehrungen, NJW 2008, 1700; Metz, Variable Zinsvereinbarungen bei Krediten und Geldanlagen, BKR 2001, 21; Möllers, Unwirksame Zinsänderungsklauseln in langfristigen Sparverträgen, LMK 2004, 125 f.; Muth, Vorzeitige Verwertung gepfändeter vermögenswirksamer Leistungen nach dem Vierten Vermögensbildungsgesetz, DB 1985, 1381; Pleyer/Huber, Wertstellungen im Giroverhältnis, DB 1989, 1857; Rott, Die Umsetzung der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen im deutschen Recht, BB 2005, 53, Schebesta, Wirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln für Spareinlagen aus Bankensicht, BKR 2002, 564; Schork/Mayer, Verordnung über die Bedingungen, zu denen Kreditinstitute Kredite gewähren und Einlagen entgegennehmen dürfen, Stuttgart 1967; Schütz, Die Rechtnatur von Bank- und Sparkassenguthaben, JZ 1964, 91; Stammkötter, Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen, Heidelberg 2000; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl. Bielefeld 2005. Tönnies, Zur Verpflichtung des Notars auf eine Anlage von auf seinem Anderkonto hinterlegten Geldbeträgen als Festgeld hinzuwirken, DNotZ 1997, 57 ff.; Ulmer, Anm. zu BGH, Urt. v. 09.04.2002 – XI ZR 91/99, ZIP 2002, 1080. Inhaltsübersicht A. Termineinlagen und Einlagenbegriff . . . . . . . . . 2 I. Einlagenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. KWG und Einlagenbegriff . . . . . . . . . . . . 3 2. Einlagenbegriff des BAFin/BAKred . . . . 4 3. Einlagenbegriff der Rechtsprechung . . . . 5 II. Sichteinlagen und Spareinlagen . . . . . . . . . . 7 1. Sichteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Spareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Termineinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Festgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Kündigungsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 B. Vorteile von Termineinlagen . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Für die Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Für den Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Behandlung von Termineinlagen . . . . . . . . . . . 23 I. Zivilrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Bankenaufsichtsrechtlich . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Festgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Kündigungsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Bilanziell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 D. Eröffnung eines Termingeldkontos . . . . . . . . . . 28 I. Buchungstechnische Seite . . . . . . . . . . . . . 28 II. Rechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Vertragsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Bestätigung der Termingeldanlage . . . . . 31 E. Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Zinshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Zinslaufzeit bei Festgeld . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Zinssatzänderung bei Kündigungsgeld . . . . 34 1. Zinsanpassungsklausel im Aktivgeschäft 34 2. Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf das Passivgeschäft . . . . . . . . . . . . . . 35
IV. Besteuerung des Kapitalertrags . . . . . . . . . F. Fälligkeit, Rückzahlung und Prolongation . . . . I. Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kündigungsrecht des Kunden . . . . . . . . 2. Kündigungsrecht der Bank . . . . . . . . . . II. Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Rückzahlung . . . . . . . . . . 2. Vorzeitige Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluss von Barabhebungen . . . . . . III. Prolongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit AGB-Recht . . . . . . . . 3. Zinsen bei Prolongation . . . . . . . . . . . . . G. Verjährung von Rückzahlungsansprüchen, Verjährungserleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . H. Hinterlegungsanweisung an den Notar . . . . . . . I. Pfändung des Rückzahlungsanspruchs, Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pfandrecht an Termingeldeinlagen des eigenen Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergleich mit Sicherungsabtretung . . . . 2. AGB-Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelvertraglich bestelltes Pfandrecht . III. Pfandrecht an Termingeldeinlagen bei Drittbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Zwangsvollstreckung in Termingeldkonten . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsprechung zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . III. Festlegungsfrist und Pfändbarkeit . . . . . . . K. Termingeldkonten und Haustürwiderrufsrecht . I. Haustürsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Batereau
36 37 37 38 39 40 40 41 43 45 45 46 47 48 50 52 53 54 55 56 58 59 60 60 62 63 64 64
1186
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
II Widerrufsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L. Termingeldkonten und Fernabsatzrecht . . . . . . I. Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 66 67
II Unterrichtung des Verbrauchers . . . . . . . . . 68 III. Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
67
Stichwortverzeichnis Anlagedauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Annahme, schlüssige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Anwartschaftsrecht, Pfandrecht an . . . . . . . . . . . . . 52 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Aufrechungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 BAFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 BAKred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Bankenaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 ff. Barabhebungen, Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Bestätigung der Termingeldanlage . . . . . . . . . . . . . 31 Bilanzielle Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 23 Deckungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Drittschuldnererklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Einlage, Begriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ff. Einlage, befristete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Einlage, Einzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 EZB-Mindestreservepflicht-VO MR-VO . . . . 15, 18 Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 37 ff. Fernabsatzvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Fernkommunikationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Festgeld, Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 f. Festgeld-Sparkonto, Zwangsvollstreckung in. . . . . 61 Festlegungsfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 16, 63 Finanzdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Freigabeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Fristengliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Hauptkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Haustürwiderrufsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 ff. Hinterlegungsanweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Hinweispflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Kapitalertragssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Karenztage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Kontoeröffnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 ff. Kontosperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55, 57 Kündigung, außerordentliche . . . . . . . . . . . . . . . 38 f. Kündigung, jederzeitige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 f. Kündigungsfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 30 Kündigungsgeld, Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kündigungsrecht der Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Kündigungsrecht des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Kündigungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kulanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 25 Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 18 Liquiditätsgrundsatz II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Mindestreservepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 ff. MR-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 18, 24 ff. Namensschuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Notar-Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 f. Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 ff. Pfandrechtsbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 ff. Pfandrechtsbestellung, Anzeige . . . . . . . . . . . . 55, 58 Pfändungs- und Überweisungsbeschluss . . . . . . . . 60 Pfändungs- und Überweisungsbeschluss,
Formulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Preisaushang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Preisverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Prolongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ff. RechKredV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 f., 27 Rückzahlung, vorzeitige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41 f. Rückzahlungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 52 Schadensersatz, pauschalisierter. . . . . . . . . . . . . . . 42 Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Sicherungszweckerklärung, weite beim AGB Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Sicherungszweckerklärung, weite beim Drittsicherungsgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Sicherungszweckerklärung, weite beim einzelvertraglich vereinbarten Pfandrecht . . . . . . . 56 Sichteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 f. Solidaritätszuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Sparbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Spareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 19 Spareinlagen, privilegierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Termingeldanlagenkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Termingeldkonto, Eröffnung . . . . . . . . . . . . . . . 28 ff. Termingeldeinlage, Definition . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 68 Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Unterkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Verbraucher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Verbraucherinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Verbrauchermitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Verfügungsmöglichkeit, vorzeitige. . . . . . . . . . . .41 f. Verjährungsfrist, regelmäßige. . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Verjährungserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Verjährungserschwerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Verlängerung, automatische . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Verpfändungsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55, 58 Verpfändungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Verrechnungskonto, Überweisung auf . . . . . . . 44, 47 Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ff. Vertragsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Verwahrung, unregelmäßige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 ff. Vorschusszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Vorteil, für die Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Vorteil, für den Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Widerrufsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Widerrufsbelehrung, Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 69 Widerruf, Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66, 69 Zinsanpassungsklausel, Aktivgeschäft . . . . . . . . . . 34 Zinsanpassungsklausel, Passivgeschäft . . . . . . . . . 35 Zinshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Zinslaufzeit, Beginn, Berechnung, Ende . . . . . . . . 33 Zinssatzänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ZinsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 8, 15, 18 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 ff.
Batereau
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1187
Das Interesse sowohl der Kunden an der Anlage liquider Mittel auf Termingeldkonten (Festgeld- und Kündigungsgeldkonten) als auch der Banken an der Hereinnahme solcher Mittel steigt regelmäßig in Zeiten schwacher Konjunktur und unruhiger Kapitalmärkte. Dies hat verschiedene Gründe: Zum einen sinkt dann bei den Kunden das Interesse an Aktien- und Rentenanlagen, während der Wunsch nach einer krisensicheren Kapitalanlage steigt. Zum anderen brechen bei den Banken die Erträge aus Wertpapierprovisionen ein. Gleichzeitig bietet die Anlage von Geldern auf Termingeldkonten für den Kunden die Möglichkeit, nicht sofort als Barreserve benötigte Mittel, die aber mittelfristig zur Verfügung stehen sollen, höherverzinslich als auf dem Girokonto zu „parken“, während die Bank fortwährend an der längeren Hereinnahme von Mitteln zur Refinanzierung ihres Aktivgeschäftes interessiert ist. Dies hat zur Folge, dass selbst bei der heutigen großen Vielfalt von Anlageprodukten die „konservative“ Anlage von Mitteln auf Festgeldund Kündigungsgeldkonten für beide Seiten nichts von ihrem Reiz verloren hat. Ende 2006 betrugen allein die bei Volks- und Raiffeisenbanken unterhaltenen Termineinlagen rd. 85 Mrd. Euro (vgl. BVR Jahresbericht 2006, 62).
1
Bei der Anlage von Geldern auf Termingeldkonten sind zahlreiche rechtliche Besonderheiten zu beachten.
A. Termineinlagen und Einlagenbegriff
2
Die Termingeldanlage (Anlage von Fest- und Kündigungsgeld, Rn. 13 ff.) gehört zum Passivgeschäft der Banken. Neben diesen Termingeldanlagen gibt es noch andere Einlagetypen. Eine Einordnung der Termingeldanlagen hat nach einer Klärung des Begriffs der Einlage unter Abgrenzung von den anderen Einlagearten zu erfolgen. I. Einlagenbegriff. 1. KWG und Einlagenbegriff. § 1 I 2 Nr. 1 KWG trifft die Bestimmung, dass die „Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- und Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden“ ein Bankgeschäft ist. Das BVerwG hat richtigerweise erkannt, dass diese gesetzliche Umschreibung des Einlagenbegriffs im KWG lediglich besagt, dass die angenommenen Gelder nicht endgültig bei dem annehmenden Kreditinstitut verbleiben sollen, sondern dieses vielmehr verpflichtet ist, Geld in gleicher Menge nach Maßgabe der hierbei getroffenen Vereinbarungen dem Berechtigten zurückzuerstatten. Eine Definition des Begriffs „Einlage“ findet sich hingegen im KWG nicht (BVerwG WM 1984, 1364 (1367)). Auch § 248 BGB benutzt zwar im Zusammenhang mit Zinseszinsregelungen den Begriff der „Einlage“, definiert ihn aber nicht näher.
3
2. Einlagenbegriff des BAFin/BAKred. Das BAKred hat unter Einlagen die laufende Entgegennahme von Geldern von einer Vielzahl von Geldgebern, die keine Kreditinstitute sind, in darlehens- oder in ähnlicher Weise auf der Grundlage typisierender Verträge verstanden, wobei diese Gelder nicht banküblich besichert werden dürfen (Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rn. 37 mit Verweis auf das Schreiben des BAKred v. 24.04.1968; kritisch zum Einlagenbegriff des BAKred Canaris, BB 1978, 227).
4
3. Einlagenbegriff der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung vertritt einen funktionalen Einlagenbegriff. Nach Ansicht des BVerwG kommt es für die Definition als „Einlage“ nicht allein auf den Vorgang der Hereinnahme der Gelder an, sondern ebenfalls auf die Verwendung des Geldes. Für den Charakter als Einlage spricht nach dem BVerwG deswegen die Verwendung der Gelder zur kontinuierlichen Ansammlung und Bereithaltung liquiden Kapitals, um das Aktivgeschäft zu refinanzieren (BVerwG WM 1984, 1364 (1367)).
5
Batereau
1188
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Mit Einführung der 6. KWG-Novelle zum 1. Januar 1998 ist der Begriff des Einlagengeschäftes um den EU-rechtlichen Ansatz der “Annahme rückzahlbarer Gelder des Publikums als Auffangtatbestand erweitert worden. Da es insoweit auf den Zweck der Mittelüberlassung nicht ankommt, hat der funktionale Ansatz der Rechtsprechung an Bedeutung verloren (Thessinga, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bank- und Börsenrecht III Rn. 77a m. w. N.). 6
Der Einlagenbegriff spielt bei zugelassenen Kreditinstituten nur noch eine untergeordnete Rolle; von Bedeutung ist lediglich § 21 IV RechKredV (siehe dazu Rn. 10 f.), in dem Spareinlagen definiert werden (so auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 69 Rn. 6).
7
II. Sichteinlagen und Spareinlagen. Allgemein kann man bei Einlagen Sichteinlagen, befristete Einlagen und Spareinlagen voneinander unterscheiden. Diese Unterscheidung ist auf § 13 I ZinsVO (ZinsVO v. 05.02.1965, BGBl. 1965 I, 33) zurückzuführen. Zwar wurde die ZinsVO 1967 wieder aufgehoben (BGBl. 1967 I, 352); trotzdem ist diese Unterscheidung auch heute noch von Bedeutung, denn von der Qualifikation der Einlage hängt ihre Berücksichtigung im Rahmen des Liquiditätsgrundsatzes II ab (vgl. Bekanntmachung des BAKred v. 25.11.1998, Bundesanzeiger v. 9.12.1998, 16985 ff., in Kraft getreten zum 1. Juli 2000), der die Anforderungen des § 11 KWG (Gewährleistung einer ausreichenden Zahlungsbereitschaft der Banken) konkretisiert und mit Hilfe dessen ausgehend von den Restlaufzeiten die Liquidität der Banken beurteilt wird.
8
1. Sichteinlagen. Sichteinlagen sind täglich fällige Gelder. Lt. § 13 II ZinsVO sind Sichteinlagen Einlagen, „für die eine Laufzeit oder eine Kündigungsfrist nicht vereinbart ist. Als Sichteinlagen gelten auch Einlagen, für die eine Kündigung von weniger als einem Monat oder eine Laufzeit von weniger als dreißig Zinstagen vereinbart ist.“
9
Der Gläubiger einer Sichteinlage kann jederzeit die Auszahlung seines Guthabens verlangen. Aufgrund dieses jederzeitigen Rückforderungsrechts muss die Sichteinlage als Fall der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 BGB) qualifiziert werden (BGH WM 1982, 816 (817); Palandt-Weidenkaff, Vorb. v. § 488 Rn. 19), denn § 700 I S. 3 BGB verweist (im Zweifel) auf die Regelungen des Verwahrvertrags und damit auf § 695 BGB, demzufolge der Hinterleger ein jederzeitiges Rückforderungsrecht hat.
10
2. Spareinlagen. Seit dem In-Kraft-Treten der RechKredV (BGBl. 1992 I, 203) trifft § 21 RechKredV lediglich formalisierte Minimalregelungen zum Sparverkehr, ohne jedoch den Begriff der Spareinlage selbst zu definieren. Jedes Kreditinstitut kann deswegen nach eigenem Ermessen die Bedingungen für Spareinlagen bestimmen und „Spareinlagen“ in individueller Ausgestaltung und Bezeichnung anbieten (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Gößmann, § 70 Rn. 10).
11
Auf die Definition der Spareinlage nach § 21 IV RechKredV kommt es nur für Zwecke der Bilanzierung, Mindestreserveberechnung und Liquiditätsgrundsätze nach § 11 KWG an (Baumbach/Hopt, HGB, AGB-Banken (7) Bankgeschäfte, B/1). § 21 IV RechKredV bestimmt: „Als Spareinlagen sind nur unbefristete Gelder auszuweisen, die folgende vier Voraussetzungen erfüllen: 1. sie sind durch Ausfertigung einer Urkunde, insbesondere eines Sparbuchs, als Spareinlagen gekennzeichnet; 2. sie sind nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt; 3. sie werden nicht von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, wirtschaftlichen Vereinen, Personenhandelsgesellschaften oder von Unternehmen mit Sitz im Ausland mit vergleichbarer Rechtsform angenommen, es sei denn, diese Unternehmen dienen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken oder es handelt sich bei den von diesen Unternehmen angenommenen Geldern um Sicherheiten gemäß § 551 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder § 14 IV des Heimgesetzes; 4. sie weisen eine Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten auf. Sparbedingungen, die dem Kunden das
Batereau
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1189
Recht einräumen, über seine Einlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten bis zu einem bestimmten Betrag, der jedoch pro Sparkonto und Kalendermonat 2.000 Euro nicht überschreiten darf, ohne Kündigung zu verfügen, schließen deren Einordnung als Spareinlagen im Sinne dieser Vorschrift nicht aus. Geldbeträge, die auf Grund von Vermögensbildungsgesetzen geleistet werden, gelten als Spareinlagen. Bauspareinlagen gelten nicht als Spareinlagen.“ Somit kommt es auf die Ausstellung einer Urkunde, das Verbot der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über das Sparkonto, den bestimmten Einlegerkreis sowie auf die Ausgestaltung als Kündigungsgeld an. Im Unterschied zur Sichteinlage handelt es sich bei der Spareinlage aus zivilrechtlicher Sicht um einen Darlehensvertrag i.S.v. § 488 BGB, weil die Einlage erst nach Ausspruch der Kündigung fällig ist (BGHZ 64, 278 (284); MünchKommBGB – Berger, Vor § 488 Rn. 67 f.).
12
III. Termineinlagen. Bei Termingeldkonten lassen sich Festgeldkonten (Rn. 14 ff.) und Kündigungsgeldkonten (Rn. 18 ff.) voneinander unterscheiden. Beiden gemeinsam ist, dass es sich um befristete Einlagen handelt, wobei diese Befristung jedoch verschiedenartig ausgestaltet ist.
13
1. Festgeld. a) Beim Festgeldkonto wird bei der Kontoeröffnung eine bestimmte Laufzeit (sog. Festlegungsfrist) und eine bestimmte Fälligkeit für die Anlage eines bestimmten Geldbetrags vereinbart. Bei Festgeldern herrschen Laufzeiten von 30, 60, 90 und 180 Tagen vor.
14
b) § 13 II ZinsVO enthielt eine Legaldefinition für Festgelder, nach der es sich dabei um befristete Einlagen handelt, die mit einer Laufzeit von mindestens dreißig Zinstagen entgegengenommen werden (siehe dazu ausführlich Schork/Mayer, § 13 ZinsVO Rn. 3). Aufgrund von Art. 4 EZB-Mindestreservepflicht-VO (dazu noch ausführlich Rn. 24 ff.), der in Art. 4 I lit. a vorsieht, dass für Einlagen mit einer vereinbarten Laufzeit von über zwei Jahren ein Mindestreservesatz von 0% gilt, und in Art. 4 II, dass für alle anderen Verbindlichkeiten ein Mindestreservesatz von 2% gilt, ist für die Qualifikation als Festgeld die einmonatige Laufzeit nicht mehr ausschlaggebend.
15
c) Die von Anfang an bestehende Festlegungsfrist unterscheidet das Festgeld abgesehen vom Fehlen einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit während der Festlegungsfrist grundlegend von der Spareinlage, die von Anfang an unbefristet hereingenommen wird. Selbst wenn eine Einlage als Spareinlage gekennzeichnet und für sie ein Sparbuch ausgestellt worden ist, ändert sich bei einer von vorneherein vorgesehen Befristung nichts daran, dass es sich bei der Einlage nicht um eine Spareinlage, sondern um ein Festgeld handelt (OLG Celle ZIP 1981, 1323).
16
d) Festgelder können auch in Form eines Sparbriefs vereinbart werden. Bei der Geldanlage in einem Sparbrief ist dessen Charakter als Namensschuldverschreibung (so genanntes Rektapapier) zu berücksichtigen. Er wird durch Abtretung des Anspruchs übertragen, vgl. § 952 BGB (BGH WM 1987, 1038). Nur der namentlich Berechtigte oder sein Rechtsnachfolger ist befugt, die verbrieften Ansprüche geltend zu machen (BGH WM 1992, 1522 (1523)). Die Bank kann mit befreiender Wirkung nur an die in der Vertragsurkunde als Gläubiger bezeichnete Person leisten, die ohne ausdrückliche anders lautende Vereinbarung stets auch Kontoinhaber ist. Sparbriefe haben regelmäßig längere Laufzeiten als das normale Festgeld (ein Jahr und länger). Ausführlich zum Sparbrief: § 39.
17
2. Kündigungsgeld. a) Kündigungsgelder sind mit einer Kündigungsfrist versehen. § 13 II ZinsVO enthielt auch eine Legaldefinition der Kündigungsgelder und definierte sie als
18
Batereau
1190
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
befristete Einlagen, für die eine Kündigungsfrist von mindestens einem Monat vereinbart ist (dazu ausführlich Schork/Mayer, § 13 ZinsVO Rn. 3). Aufgrund von Art. 4 I lit. b und II EZB-Mindestreservepflicht-VO (dazu ausführlich Rn. 24 ff.) ist nunmehr nur noch bedeutsam, ob die Kündigungsfrist mehr als zwei Jahre beträgt. 19
20
21
22
23
24
b) Spareinlagen stellen letztlich nur eine Sonderform des Kündigungsgeldes dar. Sofern sie die Voraussetzungen des § 21 IV RechKredV erfüllen (privilegierte Spareinlagen, siehe Rn. 11), gelten für sie besondere Bedingungen. Ausführlich zum Sparkonto § 39. c) Eine Kombination zwischen Kündigungsgeld und Festgeld stellen Kündigungsgelder mit Kündigungssperre dar. Für die Zeit der Sperrfrist hat die Einlage den Charakter eines Festgeldes, nach deren Ablauf den eines Kündigungsgeldes.
B. Vorteile von Termineinlagen I. Für die Bank. Termingeldeinlagen sind für die Bank – beispielsweise als Grundlage für eigene Ausleihungen – besser einsatzfähig als Sichteinlagen. Für die Bank eignet sich die Hereinnahme von Termineinlagen insbesondere zur Finanzierung ihres kurz- oder mittelfristigen Kreditgeschäfts. Als Vorteil für die Bank ist vor allem die genaue zeitliche Dispositionsmöglichkeit zu nennen. Des Weiteren kann auch bei Termineinlagen mit einem bestimmten Bodensatz an nicht abgerufenen Einlagen gerechnet werden, weil ein gewisser Anteil fälliger Termineinlagen prolongiert wird und abfließenden neu angelegte gegenüberstehen. II. Für den Kunden. Der Kunde hat die Gewissheit, zu einem bestimmten Termin (ggf. nach Kündigung) über den gesamten Anlagebetrag verfügen zu können. Er verzichtet zwar vorübergehend auf sein Verfügungsrecht, erhält dafür aber auch eine höhere Verzinsung als für Sichteinlagen. Für den Kunden bieten Termineinlagen den Vorteil, dass er vorübergehend (höhere) Geldbeträge anlegen kann, die zu einem späteren Termin bereitstehen müssen (z. B. für Steuerzahlungen) oder für die kurzfristig keine Verwendung besteht oder für die günstigere Anlagemöglichkeiten abgewartet werden sollen.
C. Behandlung von Termineinlagen I. Zivilrechtlich. Die bei Termineinlagen bestehende zeitliche Befristung der Anlagedauer hat für ihre zivilrechtliche Qualifikation insofern Bedeutung, als die sich bei allen Einlagearten stellende Frage, ob es sich bei der Einlage eines Kunden um ein Darlehen i.S.v. § 488 BGB oder um eine unregelmäßige Verwahrung i. S. v. § 700 BGB handelt, bei Termineinlagen zu Gunsten des Darlehens entschieden werden muss (OLG Dresden WM 2001, 803 (804); OLG Hamm WM 1979, 1223 (1225); Palandt-Weidenkaff, Vorb. v. § 488 Rn. 19; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 70 Rn. 7; kritisch Schütz, JZ 1964, 91 ff.). Zum einen wird nur ein Darlehen nach Kündigung oder nach Ablauf einer Frist zur Rückzahlung fällig, während der Hinterleger bei der unregelmäßigen Verwahrung ein jederzeitiges Rückforderungsrecht (§§ 700, 695 BGB) hat. Zum anderen zeigen bereits Laufzeitvereinbarung und Zinszahlung, dass hier das Hinterlegungsinteresse hinter dem Geldanlageinteresse des Kunden zurücktritt. II. Bankenaufsichtsrechtlich. Im Rahmen des Bankaufsichtsrechts ist die Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 der Europäischen Zentralbank vom 12. September 2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht ((EZB/2003/9), sog. EZB-MindestreserpflichtVO, Abl. 2003 L 250/10 vom 2.10.2003) zu beachten, durch die die EZB den Banken (grundsätzlich) eine Mindestreservepflicht auferlegt. Nach Art. 4 der EZB-Mindestreservepflicht-VO ist die mindestreserverechtliche Behandlung von Einlagen davon abhängig, ob ihre Laufzeit oder ihre Kündigungsfrist länger als zwei Jahre ist (kein MindestreserveSatz) oder nicht (Mindestreserve-Satz: 2 %).
Batereau
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1191
1. Festgeld. Für Festgelder mit einer Laufzeit von bis zu 2 Jahren gilt eine einheitliche Mindestreservepflicht von 2 %, Art. 4 II EZB-Mindestreservepflicht-VO. Für Einlagen mit einer vereinbarten Laufzeit von über zwei Jahren besteht keine Mindestreservepflicht, Art. 4 I lit. a EZB-Mindestreservepflicht-VO. 2. Kündigungsgeld. Wie beim Festgeld differenziert Art. 4 EZB-MindestreservepflichtVO beim Kündigungsgeld danach, ob die Kündigungsfrist länger als zwei Jahre ist oder nicht. Für Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von mehr als zwei Jahren besteht keine Mindestreservepflicht (Art. 4 I lit. b EZB-Mindestreservepflicht-VO), wohingegen für Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu zwei Jahren eine Mindestreservepflicht von 2 % besteht. III. Bilanziell. Die zeitliche Staffelung von Termingeldern hat im Rahmen der Fristengliederung der Bankbilanz Bedeutung, die in der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute (RechKredV, BGBl. 1992 I, 203 i.d.F. v. 11.12.1998, BGBl. 1998 I, 3659, zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 22.05.2005, BGBl. I S. 1373) in § 9 RechKredV geregelt wird. § 9 RechKredV sieht vor, dass im Anhang gesondert die Beträge der Verbindlichkeiten gegenüber Kunden mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist aufzugliedern sind (§ 9 I 1 Nr. 5 RechKredV). Gem. § 9 II RechKredV sind dabei folgende Restlaufzeiten maßgebend: 1. bis drei Monate, 2. mehr als drei Monate bis ein Jahr, 3. mehr als ein Jahr bis fünf Jahre, 4. mehr als fünf Jahre.
25
D. Eröffnung eines Termingeldkontos
28
I. Buchungstechnische Seite. Die buchungstechnische Behandlung von Termingeldanlagen gestaltet sich in der Praxis durchaus unterschiedlich. Während die Termingeldanlage oftmals lediglich von einem bestehenden Hauptkonto (beispielsweise einem Girokonto) auf ein Unterkonto umgebucht und bei Fälligkeit auf das Hauptkonto zurückgebucht wird, wird vereinzelt auch mit einem eigens dafür eröffneten Termingeldanlagenkonto gearbeitet. Von dieser abwicklungstechnischen Behandlung der Termingeldanlage ist aber die vertragliche Seite streng zu trennen. II. Rechtliche Seite. 1. Vertragsschluss. Die Eröffnung eines Termingeldkontos bedarf – wie jeder andere Vertrag auch – grundsätzlich der Vereinbarung zwischen Kunde und Bank und richtet sich nach den Regeln über den Vertragsschluss (§§ 145 ff. BGB). Der Vertragsschluss vollzieht sich in der Regel in der Form eines Antrags des Kunden, der ein Kontoeröffnungsantragsformular unterschreibt, und der Annahme durch die Bank. Ebenfalls auf dem Kontoeröffnungsantragsformular enthalten ist der Hinweis, dass für den gesamten Geschäftsverkehr ergänzend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank (in der Fassung der AGB-Banken oder der AGB-Sparkassen) gelten und dass der Wortlaut dieser Bedingungen in den Geschäftsräumen der Bank eingesehen werden kann und auf Verlangen des Kunden diesem ausgehändigt wird. Bei einem Vertragsabschluss im Fernabsatz (z. B. über Internet) sind die §§ 312b ff. BGB zu beachten (siehe dazu Rn. 67 ff.). 2. Vertragsbestandteile. Für die wirksame Vereinbarung eines Festgeldes bzw. Kündigungsgeldes müssen sich Bank und Kunde über die die Termingeldanlage kennzeichnenden Vertragsbestandteile insbesondere über den Anlagebetrag, die Anlagedauer bei Festgeld bzw. die Kündigungsfrist bei Kündigungsgeld sowie den Zinssatz einigen. Eventuell einigen sich Bank und Kunde zudem noch über die Prolongation des Festgeldes (siehe dazu Rn. 45 ff.), Zinsanpassungen beim Kündigungsgeld (siehe Rn. 34 f.) und die Verbuchung des Anlagebetrags und / oder der Zinsen auf ein Verrechnungskonto nach Ablauf der Festlegungsfrist bzw. nach Kündigung (dazu Rn. 44).
Batereau
26
27
29
30
1192
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
31
3. Bestätigung der Termingeldanlage. Denkbar ist auch, dass die Bank dem Kunden die ausgehandelten Konditionen sowie den Anlagebetrag schriftlich „bestätigt“. Diese „Bestätigung der Termingeldanlage“ ist dann als Angebot der Bank an den Kunden zu sehen. Nimmt der Kunde anschließend die für die Festgeldanlage gezahlten Zinsen entgegen, erklärt er spätestens mit dieser Annahme der vertraglich vereinbarten Leistung schlüssig seine Annahme (Palandt-Heinrichs-Ellenberger, Einf. v. § 116 Rn. 6).
32
E. Verzinsung I. Zinshöhe. Maßgeblich für die Höhe des Zinses ist zunächst die vertragliche Vereinbarung. Fehlt eine solche Vereinbarung, gelten lt. Nr. 12 I AGB-Banken bzw. Nr. 17 II AGB-Sparkassen die im Preisaushang bzw. im Preisverzeichnis aufgeführten Zinssätze. Der Zinssatz für Termineinlagen ist regelmäßig höher als der für Sichteinlagen, sofern letztere überhaupt noch verzinst werden.
33
II. Zinslaufzeit bei Festgeld. Die Berechnung des Zinslaufzeit bei Festgeldern erfolgt analog §§ 187 ff. BGB. Zwar regeln die §§ 187 ff. BGB die Berechnung von Fristen, allerdings hat der Gesetzgeber für die Berechnung von Zinslaufzeiten keine gesetzliche Regelung getroffen und Sinn und Zweck der Fristenregelungen stehen einer analogen Anwendung nicht im Wege (OLG Karlsruhe NJW 1988, 74 (75); im Ergebnis ebenso, aber mit dem Hinweis, dass es sich beim Zinslauf um einen Termin i.S.v. § 186 BGB handelt: Pleyer/Huber, DB 1989, 1857 (1859)). Für den Beginn der Zinslaufzeit ist somit § 187 BGB maßgeblich, demzufolge bei der Berechnung der Frist der Tag der Einzahlung des Festgeldes nicht mitgerechnet wird. Für das Ende der Zinslaufzeit ist § 188 I BGB maßgeblich, so dass für den Tag der Rückzahlung noch Zinsen gezahlt werden. Eine andere Sichtweise (gegen eine Anwendung des § 188 I BGB: MünchKommBGB-Grothe, § 188 Rn. 2) hätte zur Folge, dass weder der Tag der Hingabe des Geldes noch derjenige der Rückzahlung in die Zinslaufzeit einzurechnen wäre. Dies kann aber nicht richtig sein und ist deswegen abzulehnen (für den Fall der Darlehensvergabe durch eine Bank ebenso OLG Karlsruhe NJW 1988, 74 (75)), denn wenn man beide Tage einrechnet, bekommt derjenige, der Geld Tag für Tag ausleiht, für 720 Tage Zinsen; wenn man beide Tage nicht mit einrechnet, bekommt er in einem solchen Fall gar keine Zinsen. § 193 BGB ist indes nicht anwendbar. Da Zinsen ein Entgelt für die dem Schuldner eingeräumte Möglichkeit sind, das Kapital zu nutzen, und die Bank das Festgeld bei Fälligkeit auf das Girokonto zurückbucht, entfällt zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, das Kapital zu nutzen, so dass für Karenztage keine Zinsen zu zahlen sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 70 Rn. 8).
34
III. Zinssatzänderung bei Kündigungsgeld. 1. Zinsanpassungsklauseln im Aktivgeschäft. Im Aktivgeschäft sieht die höchstrichterliche Rechtsprechung die Notwendigkeit für Banken, den Zinssatz für Darlehen mit variabler Verzinsung anzupassen. Diese Notwendigkeit besteht nach der Rechtsprechung wegen der sich ständig verändernden Gegebenheiten auf dem Geld- und Kapitalmarkt, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder vorhersehbar noch überschaubar sind (BGH WM 1986, 580 (581)). Eine Zinsanpassungsklausel ist dieser Rechtsprechung folgend grundsätzlich wirksam und hält einer AGB-Kontrolle stand, wenn sie der Bank nicht nur lediglich ein Anpassungsrecht gibt, sondern ihr auch eine Verpflichtung zur Anpassung zu ihren Lasten innerhalb angemessener Frist bei definierten Änderungen am Zins- und Kapitalmarkt auferlegt (BGH WM 1986, 580 (581); ZIP 2000, 962 (964); OLG Köln BB 1998, 1916 eingehend zu dieser Thematik Bruchner, BKR 2001, 16 ff. Das LG Dortmund WM 2000, 2095 (2096) stimmt dieser Rechtsprechung zu, hält eine Zinsanpassungsklausel aber wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG (§ 307 BGB) dann für unwirksam, wenn sie keine Angaben über den
Batereau
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1193
Referenzzinssatz und die Anpassungsmarge enthält). In diesem Sinne sind Zinsanpassungsklauseln im Zweifel auszulegen. Inzwischen hat der BGH allerdings in Frage gestellt, ob er an seiner liberalen Rechtsprechung zu Zinsanpassungsklauseln im Aktivgeschäft festhalten wird (BGH, NJW 2004, 1588, 1589). 2. Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf das Passivgeschäft. Bei variablen Zinsvereinbarungen im Passivgeschäft, also bei Geldanlagen, war die Rechtsprechung der Instanzgerichte bei der Annahme einer Kontrollfähigkeit am Maßstab der AGB-rechtlichen Normen zurückhaltender. Sie sah kein schutzwürdiges Interesse der Kunden daran, diesen vor nachträglichen Äquivalenzstörungen zu bewahren (vgl. OLG Hamm, WM 2003, 1169; OLG Düsseldorf, NJW 2004, 1532 ff.). Vor allem die Verbraucherschutzverbände haben sich gegen eine inhaltlich unbegrenzte und nicht definierte Zinsänderungsbefugnis bei langfristigen Sparverträgen ausgesprochen (vgl. Metz, Variable Zinsvereinbarungen bei Krediten und Geldanlagen, BKR 2001, 21 ff.). Sie haben dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass mit der Geldanlage langfristige Versorgungsziele abgedeckt werden können, die dem Einleger eine Vorhersehbarkeit und Kontrollfähigkeit bei der Entwicklung der getätigten Einlage ermöglichen müssen. Der BGH hat sich dieser Sichtweise angeschlossen. Bei langfristig angelegten Sparverträgen ist eine formularmäßige Zinsänderungsklausel, die der Bank eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräumt, gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam (BGH, NJW 2004, 1588 ff. mit Anm. Möllers, LMK 2004, 125 f.; LG Düsseldorf, WM 2006, 570 f.). Mit dieser Rechtsprechung sind die Banken in der Möglichkeit beschränkt worden, durch die Gestaltung der Einlagezinsen ihr Aktivgeschäft durch den Gebrauch weiter Zinsänderungskluseln kongruent zu finanzieren. Offen gelassen hat der BGH die Frage, ob eine Regelung über die Bekanntgabe der Zinssätze durch Aushang mit § 307 BGB (§ 9 AGBG) vereinbar ist. IV. Besteuerung des Kapitalertrags. Von den Zinsen behält die Bank ggf. 30 % Kapitalertragssteuer (§§ 43, 43a EStG) sowie 5,5 % Solidaritätszuschlag ein, wenn nicht der Kunde der Bank einen Freistellungsauftrag übermittelt hat (§ 44a I Nr. 1 i. V. m. § 20 IV und § 9a S. 1 Nr. 2 EStG) und dieser noch nicht ausgeschöpft ist.
35
F. Fälligkeit, Rückzahlung und Prolongation
37
I. Fälligkeit. Termingelder werden zum vereinbarten Termin fällig (§ 271 II BGB). Bei Festgeldern ist dies der vereinbarte Termin am Ende der Festlegungsfrist. Kündigungsgelder müssen zunächst gekündigt werden und sind am Ende der Kündigungsfrist fällig (B. und B.-Gößmann, Rn. 2/175). 1. Kündigungsrecht des Kunden. Durch die Vereinbarung einer Laufzeit bei Festgeldern ist das dem Kunden durch Nr. 18 I AGB-Banken bzw. Nr. 26 I AGB-Sparkassen gewährte jederzeitige Kündigungsrecht ausgeschlossen. Selbstverständlich bleibt dem Kunden die Möglichkeit, den Vertrag jederzeit aus wichtigem Grund zu kündigen (§ 314 BGB). Nr. 18 II AGB-Banken bzw. Nr. 26 II AGB-Sparkassen, die dem Kunden ebenfalls ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund einräumen, haben insofern rein deklaratorische Wirkung. 2. Kündigungsrecht der Bank. Was das Kündigungsrecht der Bank betrifft, so ist zunächst festzuhalten, dass ein jederzeitiges Kündigungsrecht der Bank aufgrund der Laufzeitvereinbarung bzw. der abweichenden Kündigungsregelung lt. Nr. 19 I AGBBanken bzw. Nr. 26 I AGB-Sparkassen ausgeschlossen ist. Selbstverständlich steht auch der Bank wie dem Kunden ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu (§ 314 BGB i. V. m. Nr. 19 III AGB-Banken bzw. Nr. 26 II AGB-Sparkassen). Dies dürfte aber nicht schon dann anzunehmen sein, wenn mit der Kündigung Steuerungs- und Kongruenzinteressen der Bank verfolgt werden.
Batereau
36
38
39
1194
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
40
II. Rückzahlung. 1. Anspruch auf Rückzahlung. Der Anspruch auf Rückzahlung von Termingeldern entsteht bereits mit Einzahlung der Einlage (OLG Dresden WM 2001, 803 (804); siehe auch Rn. 52), denn aufgrund der anzuwendenden Darlehensvorschriften gilt § 488 I 2 BGB. Er ist dann jedoch noch nicht fällig (siehe Rn. 37). Für die Rückzahlung von Festgeldern ergibt sich der Rückzahlungsanspruch also aus § 488 I 2 BGB, für Kündigungsgelder gilt § 488 I 2 i. V. m. III 2 BGB, wobei die dreimonatige Kündigungsfrist, die § 488 III 2 BGB vorsieht, vertraglich abdingbar ist (Palandt-Weidenkaff, § 488 Rn. 33; siehe auch BT-Drucks. 14/6040 vom 14.05.2001, zu § 488, 253), was bei Kündigungsgeldern der Fall ist.
41
2. Vorzeitige Rückzahlung. a) Zur Gestattung der vorzeitigen Rückzahlung von Termineinlagen (bzw. zur vorzeitigen Verfügungsmöglichkeit aus Sicht des Kunden) sind Banken rechtlich nicht verpflichtet. Entsprechen sie trotzdem dem Wunsch des Kunden, so geschieht dies aus Kulanz. Häufig wird der vereinbarte Zinssatz dann rückwirkend auf den Zinssatz der verkürzten Anlagedauer gesenkt bzw. für die gesamte Anlagedauer kein über den Zinssatz für Sichteinlagen hinausgehender Zinssatz gezahlt. b) Denkbar ist auch eine an Klausel Nr. 4 (2) der Bedingungen für den Sparverkehr orientierte vertragliche Vereinbarung, nach der im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung ein Vorfälligkeitspreis (Vorschusszins) verlangt werden kann. Bei der Vereinbarung von Vorschusszinsen handelt es sich um eine Klausel, mit der die Vertragsparteien auf die vereinfachte Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Schadensersatzanspruches zielen. Dogmatisch handelt es sich deswegen um einen pauschalierten Schadensersatz für den aus der Anlage entgangenen Gewinn (so für den Vorschusszins im Sparverkehr auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 71 Rn. 71) und nicht um eine Vertragsstrafe (so aber für den Vorschusszins im Sparverkehr: Lange, BB 1993, 1677 (1681)), so dass eine Kollision mit § 309 Nr. 6 BGB nicht in Betracht kommt. Wohl aber muss § 309 Nr. 5 BGB beachtet werden, so dass die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigen darf (§ 309 Nr. 5 lit. a BGB). Außerdem muss dem Kunden der Nachweis gestattet sein, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale sei (§ 309 Nr. 5 lit. b BGB). 3. Ausschluss von Barabhebungen. a) § 3 Nr. 3 KWG verbietet Klauseln, die Barabhebungen ausschließen oder erheblich erschweren. Zivilrechtlich muss man § 3 Nr. 3 KWG als Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB sehen (Palandt-Heinrichs, § 134 Rn. 20, offengelassen in: BGH, NJW 1995, 1494). Es darf deswegen nicht vertraglich ausgeschlossen werden, vom Konto bar abzuheben. Gleiches gilt für die (allerdings bei Termingeldkonten nicht vorkommende) vertragliche Abrede, es dürfe über ein Konto nur mittels Scheck oder Überweisung verfügt werden. Diese Abreden sind i.S.v. § 134 BGB nichtig (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Gößmann, § 69 Rn. 12; Liesecke, WM 1975, 286 (297); OLG Stuttgart NJW 1980, 1798 (1800)). b) Allerdings verstößt die vertragliche Abrede, eine Einlageschuld und damit auch einen Festgeld- bzw. Kündigungsgeldrückzahlungsanspruch, durch Überweisung auf ein anderes Konto (sog. Verrechnungskonto) zu erfüllen, nicht gegen § 3 Nr. 3 KWG. Es kann also vertraglich vereinbart werden, dass der Gegenwert bei Fälligkeit einem genau bezeichneten Konto gutgeschrieben werden kann. In einem solchen Fall sind Barauszahlungen vom Konto, auf das der Einlagebetrag überwiesen wird, ohne weiteres möglich; außerdem erleichtert die Abrechnung über ein Verrechnungskonto die buchhalterische Abwicklung der Bank erheblich (ebenso Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 69 Rn. 12).
42
43
44
Batereau
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1195
III. Prolongation. 1. Vertragsklausel. Festgelder werden nach Ablauf der Anlagezeit von selbst fällig und werden sodann zumeist dem Girokonto gutgeschrieben. Allerdings können Bank und Kunde eine abweichende Vereinbarung treffen und die Prolongation, also die automatische Verlängerung des Festgeldes, vorsehen. Dies kann beispielsweise durch folgende Vertragsklausel geschehen: „Sofern uns nicht bis zum letzten Bankarbeitstag vor Fälligkeit eine Verwendungsaufgabe zugeht, werden wir die Einlage zu dem jeweils geltenden Zinssatz um die gleiche Anlagedauer unter Anzeige an Sie verlängern.“ Bei großen Anlagebeträgen bitten Banken meistens von sich aus einige Tage vor Fälligkeit um Weisungen.
45
2. Vereinbarkeit mit AGB-Recht. Prolongationsvereinbarungen sind als Fall des vertraglich vereinbarten Schweigens zu werten und stellen keinen Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB (fingierte Erklärungen) dar, denn diese Regelung bezieht sich nur auf die Fiktion im Rahmen der Vertragsdurchführung. Die in Frage stehende Prolongationsabrede aber hat den Vertragsabschluss selbst zum Gegenstand (ähnlich: Ulmer/Brandner/HensenSchmidt, § 308 Nr. 5, Rn. 6; zu § 10 Nr. 5 AGBG Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 70 Rn. 8; siehe auch: BGH WM 1990, 1787 (1788);). 3. Zinsen bei Prolongation. Wird eine automatische Prolongation des Festgeldbetrags vereinbart, so kann außerdem vertraglich vorgesehen werden, dass die Zinsen jeweils nach Ablauf der Festlegungsfrist auf ein in der Vereinbarung näher zu bestimmendes Verrechnungskonto gebucht werden.
46
G. Verjährung von Rückzahlungsansprüchen, Verjährungserleichterungen
48
Ansprüche aus Festgeld- und Kündigungsgeldeinlagen verjähren innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). § 202 II BGB verbietet Verjährungserschwerungen über eine Verjährung von dreißig Jahren hinaus. Aus der Regelung des § 202 I BGB folgt, dass Verjährungserleichterungen (mit Ausnahme hinsichtlich der Haftung wegen Vorsatzes) vertraglich vereinbart werden können. Bei Festgeldkonten stellt sich insbesondere die Frage, inwiefern die Bank die Verjährung gegenüber dem Kunden erleichtern, also verkürzen kann. Verjährungsregelungen in den AGB (nach § 305 I BGB; für Verbraucherverträge gem. § 310 III BGB) sind nur wirksam, wenn sie den Anforderungen des § 307 BGB entsprechen. Zwar ist bei der Inhaltskontrolle (§ 307 II Nr. 1 BGB) die Leitbildfunktion der Verjährungsregelungen zu beachten, allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass das Verjährungsrecht seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (BGBl. 2001 I, 3138) stärker als zuvor dem Grundsatz der Vertragsfreiheit folgt (vgl. § 202 BGB ggü. § 226 BGB a. F.; siehe auch BT-Drucks. 14/6040, 110 f.). Bei Ansprüchen aus Termingeldkonten wird der Kunde in aller Regel innerhalb kürzester Zeit feststellen können, ob er Ansprüche gegen die Bank hat, und diese bei der Bank anmelden können, so dass eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr wirksam sein müsste und keinen Verstoß gegen AGB-Recht, nämlich gegen § 307 II Nr. 1 BGB, darstellt (so mit ähnlicher Argumentation für eine Verkürzung der Verjährungsfrist bei einem Sparbrief von der dreißigjährigen regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. auf sechs Jahre OLG Hamm WM 1999, 2021; für die Zulässigkeit einer Verkürzung der Verjährungsfrist für oftmals nicht leicht feststellbare Ansprüche aus einem Giro-Verhältnis auf zwei Jahre im Rahmen des § 9 AGBG: BGH NJWRR 1988, 559 (561 f.)). Eine formularmäßige Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist ist auch keine überraschende Klausel i.S.v. § 305c I BGB (vgl. nochmals OLG Hamm WM 1999, 2021 zur Verkürzung der Verjährung bei einem Sparbrief). Eine Asymetrie der Verjährungsfristen für die Vertragspartner kann jedoch die Wirksamkeit einer AGB-Regelung gefährden.
Batereau
47
49
1196
50
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
H. Hinterlegungsanweisung an den Notar Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Notar bei der Durchführung eines notariell beurkundeten Kaufvertrages verpflichtet sein, die Parteien darauf hinzuweisen, dass das ihm anvertraute Geld als Festgeld auf dem Notar-Anderkonto angelegt werden kann (BGH DNotZ 1997, 53 (56)). Die Voraussetzungen für eine solche Hinweispflicht sind, dass die dem Notar anvertrauten Gelder auf einem Anderkonto in der Weise als Festgeld angelegt werden können, dass sie trotzdem jederzeit verfügbar sind, bei vorzeitiger Freigabe für den unvollendeten Zeitraum lediglich die für Girokonten gewährten Zinsen gezahlt werden und darüber hinaus keine Nachteile entstehen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so hat der Notar die Beteiligten, die ihn mit der Durchführung eines beurkundeten Kaufvertrages beauftragen, darauf hinzuweisen, wenn mit einer längeren Hinterlegungszeit als üblich zu rechnen ist (BGH DNotZ 1997, 53 (56)).
51
Folgende Hinterlegungsanweisung kann sich vor dem Hintergrund dieser Entscheidung als nützlich erweisen, sofern der Notar weiß, dass die das Anderkonto führende Bank fristlose Kündigungen des Festgeldkontos akzeptiert und dass diese nur für den jeweils angebrochenen Anlagezeitraum zu rückwirkenden Zinsverlusten führen und das Anderkonto nicht sowieso schon nahezu wie ein Festgeldkonto verzinst wird: „Der Notar wird angewiesen, auf dem Anderkonto eingehende Beträge für einen Monat mit jeweils automatischer Verlängerung für einen weiteren Monat als Festgeld anzulegen, bis die Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen. Liegen diese vor, sind bei sofort vorzunehmender Auszahlung etwaige Festgeldkonten trotz damit verbundener Zinsverluste bezüglich des jeweils angebrochenen Anlagezeitraumes fristlos zu kündigen.“ (Formulierungsvorschlag von Tönnies, DNotZ 1997, 57 (61)).
52
I. Pfändung des Rückzahlungsanspruchs, Aufrechnung. Festgeldguthaben sind neben Sparguthaben und Sparbriefen in der Sicherungspraxis der Banken eine Standardsicherheit. Rechtsgrundlage für die Forderungspfändung sind §§ 1279 BGB ff. (Pfandrecht an Forderungen), die durch §§ 1273 BGB ff. (Pfandrecht an Rechten) ergänzt werden. Da der Rückzahlungsanspruch bereits mit Empfang des Festgeldes durch die Bank entsteht (s.o. Rn. 40), entsteht vor der Fälligkeit / Kündigung des Termingeldes kein Pfandrecht an einem Anwartschaftsrecht, sondern ein Pfandrecht an dem Rückzahlungsanspruch selbst (OLG Dresden WM 2001, 803 (804)).
53
II. Pfandrecht an Termingeldeinlagen des eigenen Kunden. Die Verpfändung von Einlagenforderungen gegen den Pfandgläubiger ist rechtlich zulässig (Pfandrecht an eigener Schuld, BGH WM 1985, 78 (79)).
54
1. Vergleich mit Sicherungsabtretung. Zwar erscheint die Verwertung einer verpfändeten Forderung wegen der Pfandrechtsvorschriften gegenüber der Rechtstellung des Sicherungsgebers, der die volle Rechtsinhaberschaft innehat, etwas umständlich. Die Vorzüge des Pfandrechts zeigen sich aber gerade bei der Verpfändung eines Rückzahlungsanspruchs aus einer Termingeldanlage. Die Sicherungsabtretung eines solchen Anspruchs des Kunden gegen die Bank an diese würde wegen der Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung zu einem Erlöschen der Forderung führen. Dies ist aber regelmäßig nicht gewollt (Batereau, WuB I F 2. – 1.01).
55
2. AGB-Pfandrecht. Der Rückzahlungsanspruch des Kunden unterliegt grundsätzlich dem AGB-Pfandrecht (vgl. Nr. 14 AGB-Banken bzw. Nr. 21 AGB-Sparkassen). Das AGB-Pfandrecht ist allgemein als Pfandrecht i.S.v. § 1204 BGB anerkannt (BGH WM 1995, 375 (377)). Die nach § 1274 I BGB erforderliche Einigung über die Pfandrechtsbestellung liegt in der im Rahmen der Kontoeröffnung erfolgten Einbeziehung der AGB. Die weite Sicherungszweckerklärung in den AGB-Banken bzw. AGB-Sparkassen
Batereau
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1197
(Sicherung aller bestehenden, zukünftigen und bedingten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsbeziehung) ist zulässig und verstößt nicht gegen § 138 bzw. § 307 BGB (OLG Dresden WM 2001, 803 (804)). Zur Wirksamkeit der Verpfändung ist auch nicht erforderlich, eine Deckungsgrenze nebst Freigabeklausel zu vereinbaren (BGH WM 1995, 375 (377)). Die an sich erforderliche Verpfändungsanzeige (§ 1280 BGB) an den Pfandgläubiger ist nicht erforderlich, wenn er sogleich Schuldner der verpfändeten Forderung ist (BGH LM § 610 Nr. 1; OLG Dresden WM 2001, 803 (804)). Wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht, kann eine Bank von ihrem Pfandrecht an den Forderungen eines Kunden aus dem Kontoguthaben schon vor Pfandreife Gebrauch machen, indem sie zur Sicherung einer späteren Verwertung keine Verfügungen des Kunden mehr zulässt („Kontosperre“, BGH, NJW 2004, 1660 (1661)). Hinsichtlich der Konkurrenz zwischen dem AGB-Pfandrecht der Bank und einem separat bestellten Pfandrecht eines Dritten ist insbesondere interessant, ob die Bank dem Drittgläubiger ihr AGB-Pfandrecht entgegenhalten kann, wenn der Kunde zugleich Verbindlichkeiten bei ihr hat. Hierzu ist zu sagen, dass das AGB-Pfandrecht der Bank erst gegenüber dem Pfandrecht des Drittgläubigers den Vorrang hat, wenn die Bank die Forderung an den Kunden fällig gestellt hat (OLG Hamm, Urt. v. 05.07.1995 – 31 U 90/94). 3. Einzelvertraglich bestelltes Pfandrecht. a) Selbstverständlich kann ein Pfandrecht an einer Termingeldeinlage des Kunden auch separat bestellt werden. In einem solchen Fall besteht kein doppeltes Pfandrecht, vielmehr ist die einzelvertragliche Verpfändung eine Modifizierung des bestehenden AGB-Pfandrechts; eine Pfandfreigabe aus der einzelvertraglichen Verpfändung führt nicht zum Erlöschen des AGB-Pfandrechts (so Schimansky/Bunte/Lwowski-Merkel, § 93 Rn. 186). Der weite Sicherungszweck bei einer einzelvertraglichen Pfandrechtsbestellung an einer Termingeldanlage des eigenen Kunden verstößt ebenfalls nicht gegen § 138 bzw. § 307 BGB (so wohl auch OLG Dresden WM 2001, 803 (804)). Umstritten ist aber die Zulässigkeit einer weiten Sicherungszweckerklärung, wenn der Verpfänder ein Drittsicherungsgeber ist. Für einen Verstoß gegen § 9 AGBG (§ 307 BGB) eines weiten Sicherungszwecks in einem solchen Fall spricht sich das LG Bonn aus (WM 96, 1538 (1539)), das die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung zur weiten Zweckerklärung bei der Bürgenhaftung auch auf die Verpfändung anwendet. Für eine solche Sichtweise spricht § 1210 I 2 BGB, der eine Gleichstellung zum Bürgschaftsrecht (§ 767 I 3 BGB) nahe legt. Der BGH jedoch geht davon aus, dass weite Zweckerklärungen in Verpfändungsverträgen aus denselben Gründen wie Sicherungsabreden mit weiten Zweckerklärungen bei Grundschulden nicht gegen § 307 BGB verstoßen (zu § 9 AGBG BGH WM 2002, 919; ebenso Schimansky/Bunte/Lwowski-Merkel, § 93 Rn. 220).
56
b) Wird eine verpfändete Termingeldanlage aufgelöst und überweist die Bank das Guthaben des Kunden auf ein gesondertes Verrechnungskonto, um dem Kunden zu ermöglichen, eine andere Anlageform zu wählen, so fehlt es der Bank an dem nach §§ 1273 II, 1253 BGB erforderlichen Rückgabewillen, so dass ein zur Sicherung von Ansprüchen der Bank gegen Dritte gesondert am Termingeldkonto bestelltes Pfandrecht nicht erlischt (OLG Karlsruhe WM 2000, 521). Zudem kann sich die Bank dadurch absichern, dass sie mit dem Kunden vereinbart, den Gegenwert der Pfandgegenstände einem Konto gutzuschreiben, an dessen Guthaben sie ebenfalls ein Pfandrecht zur Sicherung der Ansprüche bestellt (OLG Karlsruhe a. a. O.). Zum Recht der Bank zur „Kontosperre“, s. Rn. 55.
57
III. Pfandrecht an Termingeldeinlagen bei Drittbanken. Wird ein Pfandrecht an einer Termingeldanlage bei einer Drittbank bestellt, muss eine Anzeige der Pfandrechtsbestellung gegenüber der Drittbank erfolgen (§ 1280 BGB), was bei einem Pfandrecht an der eigenen Termingeldanlage unterbleiben kann (siehe Rn. 55). Es ist jedoch zu beachten, dass
58
Batereau
1198
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
die Drittbank in der Regel auch ein eigenes Pfandrecht auf Grund ihrer AGB geltend machen kann, was sie der das Pfandrecht bestellenden Bank als Einwendung entgegenhalten kann. Außerdem ist zu beachten, dass bzgl. der verpfändeten Festgeldforderung ein Verpfändungsverbot zwischen Kunden und Drittbank vereinbart worden sein kann, was eine Pfandrechtsbestellung unmöglich macht, vgl. § 1274 II BGB. 59
IV. Aufrechnung. Außerdem besteht die Möglichkeit der Aufrechung mit Ansprüchen der Bank gegenüber dem Rückzahlungsanspruch des Kunden (§§ 387 ff. BGB), wobei etwaige Aufrechnungsverbote (§ 394 BGB) zu beachten sind, z.B. § 55 I SGB I (BGH NJW 1988, 709; OVG Lüneburg NJW 1987, 91; OVG Münster NJW 1987, 90). Der Bank kann die Aufrechnung auch wegen der Zweckbindung und Treuhandfunktion verwehrt sein, z.B. bei Baugeld i.S.v. § 1 III BauFdG (OLG Düsseldorf WM 1997, 913 (916); Stammkötter, § 1 Rn. 263 ff.). Einer Aufrechnung des Kunden mit seinem Rückzahlungsanspruch kann das Aufrechnungsverbot in Ziff. 4 AGB–Banken bzw. Ziff. 11 I AGB AGB-Sparkassen entgegenstehen, das in seiner aktuellen Fassung einer AGB-Kontrolle standhalten wird (BGH, WM 2002, 1654 f.).
60
J. Zwangsvollstreckung in Termingeldkonten I. Allgemeines. Termingeldkonten unterliegen wie andere Konten ebenfalls der Zwangsvollstreckung (Pfändung von Geldforderungen) nach § 829 ZPO. Die Geldforderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner wird durch den Pfändungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts gepfändet (§ 829 ZPO) und dem Gläubiger zwecks Verwertung durch Überweisungsbeschluss zur Einziehung überwiesen (§ 835 ZPO), was vom Vollstreckungsgericht bei Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen in der Regel auf einem gemeinsamen Formular, dem sog. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, geschieht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bitter, § 33 Rn. 3; Einzelheiten bei Stöber, Rn. 602 ff.). Dem Schuldner ist nach Wirksamwerden der Pfändung jede Verfügung über die Forderung verboten; der Drittschuldner ist nur noch zur Leistung an den Gläubiger berechtigt und verpflichtet (Stöber, Rn. 607) Die Pfändung wird mit Zustellung an den Drittschuldner wirksam (§ 829 III ZPO). Die Bank darf das gepfändete Guthaben jedoch erst zwei Wochen nach der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Gläubiger auszahlen, (§ 835 III 2 ZPO). Der Aufforderung des Vollstreckungsgläubigers zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung hat der Drittschuldner innerhalb von zwei Wochen nachzukommen (§ 840 ZPO), wobei umstritten ist, ob zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der Erklärung reicht (so richtigerweise mit Hinweis auf den Charakter der Frist als Überlegungfrist Zöller-Stöber, ZPO, § 840 Rn. 9; MünchKomm-ZPO-Smid, § 840 Rn. 9) oder ob die Erklärung auch innerhalb der Frist zugehen muss (so Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 840 Rn. 7; wohl auch BGHZ 79, 275).
61
Wurde für die Termineinlage ein Sparbuch ausgestellt (Festgeld-Sparkonto), so ist für die Verwertung des Kontos die Urkunde vorzulegen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bitter, § 33 Rn. 56). Nach ständiger Rechtsprechung muss der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die gepfändete Forderung und ihren Rechtsgrund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (BGH WM 1988, 950 (951); WM 1991, 779 (781)).
62
II. Rechtsprechung zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Das OLG Karlsruhe stellte fest, dass ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der „auf Zahlungen und Leistungen aus laufender Geschäftsverbindung, aus Sparguthaben, aus Wertpapierkonten, aus Zutritt zu dem Bankstahlfach …“ gerichtet war, nicht den Anspruch des Kunden gegen die Bank aus Festgeldguthaben umfasst (OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 990 (991)). Eine sachgerechte Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hätte
Batereau
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1199
jedoch ergeben, dass von dieser Klausel auch Ansprüche aus Termingeldkonten umfasst werden. In diesem Sinne hat auch das OLG Köln einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der auf die Pfändung von „Guthaben auf Konten bei Banken“ gerichtet war, ausgelegt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass er auch Termingeldkonten umfasst (OLG Köln WM 1999, 2156; kritisch hierzu Bitter, WuB VI. E. § 829 ZPO 1.00). Die Pfändung von Termingeldkonten sollte jedoch sicherheitshalber gesondert beantragt werden, um mögliche Zweifel über den Umfang der Kontenpfändung zu vermeiden. III. Festlegungsfrist und Pfändbarkeit. Die Festlegungsfrist gilt auch gegenüber dem Pfändungsgläubiger, weil dieser durch die Pfändung nicht mehr Rechte erwerben kann, als sie dem Gläubiger des Termingeldkontos zustanden (Schimansky/Bunte/LwowskiBitter, § 33 Rn. 99; vgl. zur Problematik der vorzeitigen Verwertung vermögenswirksamer Leistungen auch Muth, DB 1985, 1381). In der Instanzrechtsprechung ist dies hinsichtlich der Frage, ob der Vollstreckungsgläubiger schon vor Ablauf der Sperrfrist die Auszahlung der Spareinlage verlangen dürfe, jedoch umstritten. Während Teile der Rechtsprechung dies mit dem Hinweis darauf, dass es auch dem Schuldner gestattet sei, vor Ablauf der Sperrzeit prämienschädlich zu verfügen und der Schuldner ansonsten auf Kosten des Vollstreckungsgläubigers Vermögen bilden könne, bejahen (LG Essen MDR 1973, 323; für prämienbegünstigte Lebensversicherung AG Hildesheim DB 1973, 1807), verneint ein anderer Teil der Rechtsprechung dies (AG Augsburg NJW 1977, 1827; AG Biberach WM 1978, 1334; LG Karlsruhe MDR 1980, 765) mit Hinweis darauf, dass durch die Vereinbarung zwischen Bank und Kunde die Fälligkeit des Anspruchs erst mit Ablauf der Festlegungsfrist eintrete.
63
K. Termingeldkonten und Haustürwiderrufsrecht
64
I. Haustürsituation. Probleme können für das Einlagengeschäft im Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsrechts (§§ 312, 312a BGB) auftreten, wenn ein Mitarbeiter der Bank dem Kunden in dessen Privatwohnung eine Termingeldanlage „verkauft“. Ist der Kunde Verbraucher i. S. v. § 13 BGB (die Bank ist bei der Hereinnahme von Termingeld stets Unternehmer i. S. v. § 14 BGB), so schließt der Kunde mit der Bank mit der Eröffnung eines Termingeldkontos, die als Darlehensvergabe i. S. v. § 488 BGB anzusehen ist (Rn. 23), einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung. Ein Vertrag über eine entgeltliche Leistung ist jeder Vertrag, bei dem der vom Unternehmer zu erbringenden Leistung eine Verpflichtung auch des Verbrauchers gegenübersteht Palandt-Grüneberg, § 312 Rn. 7). II. Widerrufsbelehrung. Kommen dazu noch die situativen Voraussetzungen des Haustürwiderrufsrechts, ist der Kunde also durch eine mündliche Verhandlung im Bereich seiner Privatwohnung zum Abschluss des Vertrages bestimmt worden (vgl. § 312 I S. 1 Nr. 1 BGB) und ist die mündliche Verhandlung, auf der der Abschluss der Termingeldanlage beruht, nicht auf vorhergehende Bestellung des Kunden geführt worden (Ausnahme gem. § 312 III Nr. 1 BGB), so steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu (§ 312 I a. E. i. V. m. § 355 BGB). Wird der Kunde über sein Widerrufsrecht in einer Art und Weise belehrt, die den Anforderungen des § 355 II BGB genügt, so steht dem Kunden ein zweiwöchiges Widerrufsrecht zu, beginnend mit der Mitteilung des Widerrufsrechts in Textform (§ 126b BGB), vgl. § 355 I, II BGB. Nicht ordnungsgemäß und damit unwirksam ist eine Widerrufsbelehrung beispielsweise dann, wenn sie überflüssig Zusätze, die von der Belehrung ablenken enthält, weil sie in diesem Fall nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 II 1 BGB (§ 361a III 1 BGB a. F.) entspricht (vgl. BGH, ZIP 2002, 1730 ff.; LG Hamburg, BKR 2003, 32 ff.). Ebenso ist die schriftliche Belehrung nicht in der gesetzlich gebotenen Weise eindeutig, wenn sie nach der Formulierung „zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs …“ den Klammerzusatz „(Datum des
Batereau
65
1200
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Poststempels“) enthält (OLG Oldenburg, ZIP 2006, 1291 ff.).Ob die in der Anlage 2 der BGB-InfoV enthaltene Musterwiderrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entspricht, war bereits in Bezug auf die alte Fassung der Musterwiderrufsbelehrung umstritten (bejahend: LG Münster WM 2007, 121 f.; verneinend: LG Halle WM 2007, 119 ff.; OLG Schleswig, OLGR 2007, 929; OLG Hamm, CR 2007, 387) und harrt einer höchstrichterlichen Klärung. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber die Musterwiderrufsbelehrung neu formuliert (BGBl. I 2008, 292). Es bleibt abzuwarten, ob diese nun „rechtsprechungsfest“ ist (vgl. Masuch, NJW 2008, 1700 ff.). Fehlt es an einer solchen Widerrufsbelehrung oder ist die erfolgte Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß, so hat der Kunde ein Widerrufsrecht ohne jegliche Frist, gem. § 355 III S. 3 BGB, welches er letztlich nur i. S. v. § 242 BGB verwirken kann (die sechsmonatige Widerrufsfrist des § 355 III 1 BGB gilt nur, wenn sonstige Informationspflichten nach BGB-InfoV verletzt wurden, die aber für Haustürgeschäfte nicht bestehen. Insofern ist der Gesetzeswortlaut des § 355 III BGB misslungen, siehe dazu auch Artz, BKR 2002, 603 (605); Ulmer, ZIP 2002, 1080 (1082)). 66
III. Widerrufsrecht. Widerruft der Kunde fristgerecht, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden (§ 355 I S. 1 BGB). Die Rechtsfolgen des Widerrufs bestimmen sich nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt (§ 357 I 1 i. V. m. §§ 346 ff. BGB), so dass der Kunde von der Bank die sofortige Rückzahlung des überlassenen Kapitals verlangen kann (§ 346 I BGB). Der Kunde hat nun zwar auch keinen Anspruch auf die mit der Bank vereinbarten Zinsen mehr, allerdings hat er einen Anspruch auf Nutzungsherausgabe (§ 357 I 1 i. V. m. § 346 I a. E. BGB). Dies dürften die banküblichen Zinsen sein.
67
L. Termingeldkonten und Fernabsatzrecht I. Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen. §§ 312b ff. BGB gelten seit der Neufassung durch das Fernabsatzänderungsgesetz (BGBl I 2004, 3102) auch für Finanzdienstleistungen. Termingelder fallen dabei unter den in § 312 I 2 BGB definierten Begriff der Finanzdienstleistung (Palandt-Grüneberg, § 312b Rn. 10b). Erfolgt die Eröffnung eines Termingeldkontos zwischen Bank und einem Verbraucher (§ 14 BGB) unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln – wozu beispielsweise gem. § 312b II BGB Briefe, Telefonanrufe E-mails und der Vertragsabschluss im Internet zählen und erfolgt der Vertragsabschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems (das letzteres nicht der Fall ist, müsste die Bank beweisen), so finden die §§ 312b ff. BGB Anwendung.
68
II. Unterrichtung des Verbrauchers. Erfolgt die Eröffnung des Termingeldkontos im Fernabsatz, so hat die Bank den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung eine Verbraucherinformation zur Verfügung zu stellen, die inhaltlich den Anforderungen des § 1 BGB-InfoV genügt und insgesamt 20 verschiedene Informationen umfasst. Bei telefonischer Eröffnung eines Termingeldkontos werden diese Informationspflichten durch § 1 III BGB-InfoV nur unwesentlich gemildert, indem dort auf die Informationen nach § 1 II BGB-InfoV verzichtet werden kann. Die Verbraucherinformation kann z.B. in Werbeprospekten, Katalogen oder auf der Homepage der Bank im Internet enthalten sein (KG, NJW 2006, 3215; Rott BB 2005, 53 (55), Palandt-Grüneberg, § 312c Rn. 4). Rechtzeitig vor der Abgabe seiner Vertragserklärung muss dem Verbraucher die Vertragsbedingungen, die Verbraucherinformation sowie die AGB der Bank in Textform (§ 126b BGB) mitgeteilt werden. Für die Textform reicht aus, wenn diese Informationen dem Kunden durch elektronische Medien, wie etwa Disketten, CD-ROMs oder per E-Mail zugehen, die bloße Bereithaltung im Internet reicht jedoch nicht aus, da der Home-
Batereau
§ 40 Termingeldkonto (Fest- und Kündigungsgeld)
1201
pageinhalt nicht von dauerhafter Natur ist (LG Kleve, NJW-RR 2003, 196; a.A. OLG München NJW 2001, 2263 ff.). Der Verbraucher kann darüber hinaus verlangen, dass die Bank ihm während der Laufzeit des Vertrages die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einer Urkunde zur Verfügung stellt (§ 312 c III BGB). III. Widerrufsrecht. Gem. § 312d BGB steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ebenfalls ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, wobei die Widerrufsfrist (vgl. Rn. 65) erst zu laufen beginnt, nachdem die Bank ihren Informationspflichten gem. § 312c II vollumfänglich nachgekommen ist und der Termingeldkontovertrag geschlossen wurde (§ 312d II BGB). Die Bank hat die Möglichkeit, den Lauf der Widerrufsfrist durch nachträgliche (zutreffend und vollständige) Information in Gang zu setzen (Domke, BB 2007, 341 (342)). Gem. § 355 III 1 BGB erlischt das Widerrufsrecht spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss, was aber nur dann der Fall ist, wenn die Bank zwar ordnungsgemäß belehrt und die Anforderungen des § 312c II BGB erfüllt hat, sie aber zusätzliche Informationspflichten verletzt, deren Erfüllung Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist ist (§ 312d II BGB; Palandt-Grüneberg, § 355 Rn. 22). Belehrt die Bank nicht oder nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht oder erfüllt sie ihre Mitteilungspflichten aus § 312c II BGB nicht ordnungsgemäß, so erlischt das Widerrufsrecht trotz Ablauf der 6-Monats-Frist nicht. Das Widerrufsrecht kann in einem solchen Fall allenfalls gem. § 242 BGB verwirkt werden (Domke, BB 2007, 341 (342)). Gem. § 312d III Nr. 1 BGB kommt es darüber hinaus zu einem Erlöschen des Widerrufsrechts, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat, wobei zur vollständigen Erfüllung auch die Auszahlung von Gewinnanteilen, gehört (BGH NJW-RR 2005, 180 (182)) beim Termingeld also die Auszahlung von Zinsen. Diese Regelung gilt auch, wenn der Verbraucher nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde oder die Informationspflichten aus § 312c II i.Vm. § 1 IV BGB-InfoV nicht erfüllt wurden (Palandt-Grüneberg, § 312d Rn. 7a; für § 312d III Nr. 2 BGB: BGH NJW 2006, 1971 (1974)). Da es sich bei Termingeldern nicht um Finanzdienstleistungen mit spekulativem Charakter handelt, ist das Widerrufsrecht bei diesen nicht nach § 312d IV Nr. 6 BGB ausgeschlossen. § 312d VI BGB, der eine einschränkende Regelung für die Wertersatzpflicht des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer im Fall des erfolgten Widerrufs trifft, dürfte für die Eröffnung von Termingeldkonten keine herausgehobene Bedeutung haben. Soweit die erbrachte Finanzdienstleistung bzw. ihr Erfolg in natura wieder rückgängig gemacht werden kann, etwa durch Rückbuchung überwiesenen Geldes oder übertragener Wertpapiere, hat dies selbstredend zu geschehen und hat nichts mit der Wertersatzpflicht des § 312d VI BGB zu tun (MünchKommBGB-Wendehorst, § 312d Rn. 129).
Batereau
69
“This page left intentionally blank.”
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1203
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
Schrifttum Brambring, Kaufpreiszahlung über Notaranderkonto, DNotZ 1990, 615; Canaris, Inhaberschaft und Verfügungsbefugnis bei Bankkonten, NJW 1973, 825; Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, 1973; Bemerkungen zum Treuhandkonto im deutschen Recht, Festschrift für Cohn, 1975, S.23; Publizität und Außenwirkung bei der Treuhand B zu BGHZ 61, 72, FS Bärmann, 1975, S.203; Hadding, Besondere Bedingungen der Deutschen Postbank AG für Anderkonten, FS Schippel, 1996, S. 163; Hellner, Geschäftsbedingungen für Anderkonten, 1963; Überlegungen zu den Anderkonten-Bedingungen, FS Nielsen, 1996, S.29; Henssler, Treuhandgeschäft B Dogmatik und Wirklichkeit, AcP 196 (1996), S. 37; Ganter, Die Rechtssprechung des BGH zu Treuhandkonten in der Insolvenz des Treuhänders, ZInsO 2004, 1217; Gernhuber, Die fiduziarische Treuhand, JuS 1988, 355; Gößmann, Die neuen Anderkonto-Bedingungen 2000, WM 2000, 857; Hüffer/van Look, Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto, 4. Auflage, 2000, Rn. 121 ff.; Kreft, Treuhandkonto und Geschäftsfortführung bei Insolvenz, FS Merz, 1992, S. 313; Lange, Treuhandkonten in Zwangsvollstreckung und Insolvenz, NJW 2007, 2513; Lüke, Das notarielle Anderkonto an der Schnittstelle von Privatrecht und öffentlichem Recht, ZIP 1992, 150; Paulus, Überlegungen zur Kontoführung eines Insolvenzverwalters, WM 2008, 473; K. Schmidt, Das Rätsel Treuhandkonto – Gedanken über „Unmittelbarkeit“, „Mittelherkunft“ und „Offenkundigkeit“ als Kriterien der Verwaltungstreuhand, FS Wiegand, S. 933; Weingärtner, Das notarielle Verwahrungsgeschäft, 1998. Inhaltsübersicht A. Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Formen der Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Inhalt des Kontovertrages . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Kontoinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . 19 4. Pflichten gegenüber dem Treugeber . . 21 5. Zurückbehaltungs-, Aufrechnungsund AGB-Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . 22 IV. Rechtsfolgen aus dem Treuhandverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Treuhänders . . . . . . . . . 28 2. Insolvenz des Treuhänders . . . . . . . . . 34 3. Zwangsvollstreckung und Insolvenz auf Seiten des Treugebers . . . . . . . . . . 35 4. Ermächtigungstreuhand . . . . . . . . . . . 36 B. Anderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Begriff, Anderkontobedingungen . . . . . . . 37 II. Treuhandverhältnis (Berufsrecht) . . . . . . . 41 1. Notare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Rechtsanwälte, Patentanwälte . . . . . . . 45 3. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Zugelassene Kontoinhaber . . . . . . . . . . . . 47 IV. Anderkontoformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
V.
Inhalt des Kontovertrages . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz; Einbeziehung der Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Debet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geldwäscherechtliche Anforderungen und Zinsinformationsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Trennungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . 6. Pflichten gegenüber dem Treugeber . . 7. Aufrechnungs-, Zurückbehaltungsund Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Abtretungs- und Verpfändungsverbot . 9. Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . 1. Kontoinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Treugeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Beweislast und prozessuale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pozessuale Besonderheiten . . . . . . . . . . . D. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedingungen für Rechtsanwälte . . . . . . . II. Bedingungen für Notare . . . . . . . . . . . . . . III. Bedingungen für Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedingungen für Patentanwälte . . . . . . . .
55 55 56
57 59 60 62 63 65 66 67 67 69 70 70 71 72 72 73
74 75
Stichwortverzeichnis Abtretungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Anderkonto – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37-39 – Debet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 – Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 – Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Anderkontobedingungen – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
– Analogiefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 – Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 – Notare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 – Patentanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 – Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – Steuerberater, Steuerbevollmächtigte . . . . . . . . . 74 – Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer . . . . . . 74 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25-26, 63-64
Harders
1204
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44-46, 49, 50 – Notare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 – Patentanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 – Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 – Steuerberater, Steuerbevollmächtigte . . . . . . . . . 46 – Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer . . . . . . 46 Berufsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 51 Einzelanderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Ermächtigungstreuhand . . . . . . . . . . 8, 10, 20, 26, 36 fiduziarische Treuhand . . 4, 10, 19, 21-25, 27-35, 41 Geldwäschegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 57 Gemeinschaftsanderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Insolvenz – Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68-69 – Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34-35 Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 20, 48 Kontoinhaber – Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67-68 – Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6-8 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 63 Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Sammelanderkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 58 Schutzwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 62
1
Sicherungstreuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . .11, 20, 48 Trennungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Treuhand, Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Treuhandkonto – Ausschließlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 – Debet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 – offenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 12-15, 17, 22, 24 – verdecktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 16-17, 19 Verfügungsbefugnis – Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60-61 – Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19-20 Verpfändungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Verwaltungstreuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vollrechtstreuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 63 Zinsinformationsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Zwangsvollstreckung – Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68, 69 – Ausschließlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Offenkundigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28-33 – Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
A. Treuhandkonto I. Begriff. Der Begriff des Treuhandkontos wird nicht einheitlich verwandt. Die Schwierigkeit der Begriffsfindung rührt daher, dass es einen allgemein anerkannten Begriff der Treuhand nicht gibt (vgl. MünchKommBGB-Schramm, Vor § 164 Rn. 28; Gernhuber, JuS 1988, 355). Die Rechtsprechung verwendet den Begriff des Treuhandkontos zur Bezeichnung der Fälle der fiduziarischen Treuhand, also der Fälle, in denen der Treuhänder Vollrechtsinhaber und Kontoinhaber ist (vgl. BGHZ 127, 229 (232): „… ist bei jedem offenen oder verdeckten Treuhandkonto der Fall, ohne dass die Kontoinhaberschaft des Treuhänders in Frage gestellt wird …“; s. ferner die Differenzierung von OLG Hamburg WM 1970, 1307 (1308)), wobei zusätzlich ein Treuhandkonto nur dann vorliegen soll, wenn es ausschließlich für Vermögenswerte des Treugebers bestimmt ist (vgl. BGHZ 61, 72 (78); WM 1996, 249 (251); WM 1987, 922 (923); WM 2003, 1641 (1641); OLG Brandenburg WM 1999, 267 (269)). Angesichts der Vielschichtigkeit der Verwendung des Begriffes „Treuhand“ sollte jedoch auch der Begriff des Treuhandkontos eher umschreibend zur Kennzeichnung der Fallgruppen verwendet werden, in denen ein Konto Gegenstand eines Treuhandverhältnisses in Form der fiduziarischen oder der Ermächtigungstreuhand ist, wobei keine Rolle spielt, ob das Treuhandverhältnis offengelegt wird (im Ergebnis ebenso Canaris, Rn. 263, 267; BuB-Gößmann, Rn. 2/240; Staudinger-Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. Rn. 190; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 2, 4). Die von der Rechtsprechung gemachte Einschränkung auf Konten, in denen der Treuhänder Vollrechtsinhaber ist, also Fälle der fiduziarischen Treuhand, sollte allerdings insoweit aufgegriffen werden, als von Treuhandkonten im engeren Sinn gesprochen wird.
2
Die Besonderheit des Treuhandkontos besteht darin, dass es je nach der Lage des Einzelfalles (auch) Eigen- oder Fremdkonto sein kann, ohne dass es hinsichtlich der Rechtsfolgen durchgängig als Eigen- oder Fremdkonto behandelt wird. Das Treuhandkonto nimmt insoweit eine Zwischenstellung ein (Canaris, Rn. 263). Ein verdecktes Treuhandkonto ist (zunächst) ein Eigenkonto des Treuhänders, welches keine besondere Behandlung erfährt. Die besonderen Rechtsfolgen im Verhältnis zur Bank, nämlich ihr Verzicht
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1205
auf Aufrechnungs-, Zurückbehaltungs- und Pfandrecht, setzen grundsätzlich die Offenlegung voraus. Aus diesem Grund grenzt die Rechtsprechung das offene Treuhandkonto sogar begrifflich vom Eigenkonto ab (BGH WM 1990, 1954, 1955). Bei der Ermächtigungstreuhand kann je nach Sichtweise ein Fremdkonto des Treuhänders oder ein Eigenkonto des Treugebers vorliegen. Der bekannteste Fall von Treuhandkonten sind die Anderkonten (unten B., Rn. 37 ff.). Weitere Fälle von Treuhandkonten: Aufgrund gesetzlicher Pflicht zur Separierung von anvertrauten Vermögenswerten muss ein offenes Treuhandkonto oder ein Fremdkonto eröffnet werden: Mietkautionskonto nach § 551 BGB (BayObLG 1988, 1763, noch zur Vorgängervorschrift § 550 b BGB); Konten des Verwalters nach WEG (§ 27 IV WEG, vgl. BGH WM 1987, 606; OLGR Hamburg 2005, 98); Konten von Maklern, Bauträgern etc. nach § 6 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV); Treuhandkonto in der vorläufigen Insolvenzverwaltung (BGH WM 2007, 2299; ausführlich Bork NZI 2005, 530). Beispiele aus der Rechtsprechung: Konto zur treuhänderischen Einziehung von Mieten (BGH WM 1990, 1954); Anlegerkonto im Rahmen von Bauherrenmodellen (BGH WM 1985, 221); Konto einer Factoring-Bank zur treuhänderischen Verwaltung von Kundenforderungen (OLG München WM 1992, 1732); Verwaltungskonto eines Tankstellenpächters zur Einzahlung aus dem Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen eingenommener Gelder (OLG Hamburg JR 2002, 238). Auch die Vermögensverschleierung kann für die Eröffnung insbesondere verdeckter Treuhandkonten eine Rolle spielen (vgl. BGHZ 124, 298; BGH WM 1993, 1106; LG Bonn NJW 2001, 1736).
3
II. Formen der Treuhand. Welche Form der Treuhand vorliegt, richtet sich allein nach den Vereinbarungen zwischen Treuhänder und Treugeber. Bei Einzahlung von Geld auf einem Treuhandkonto kann ein solcher Treuhandvertrag zwischen Treugeber und Treuhänder bereits durch die vorbehaltlose Annahme eingezahlten Geldes durch den Inhaber eines (offenen) Treuhandkontos zustande kommen (vgl. BGH WM 2006, 2185, 2187). Hinsichtlich der Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses ist nach verschiedenen Gesichtspunkten zu differenzieren. Nach den betroffenen Interessen unterscheidet man zwischen Verwaltungstreuhand (auch uneigennützige oder fremdnützige Treuhand genannt), die (vorrangig) dem Interesse des Treugebers dient und der Sicherungstreuhand (auch als eigennützige Treuhand bezeichnet), bei welcher die Zwecke des Treuhänders im Vordergrund stehen (vgl. Soergel-Leptien, vor § 164 Rn. 50; Gernhuber, JuS 1988, 355 (356)). Daneben ist die Rechtsstellung des Treuhänders von Bedeutung. Erhält der Treuhänder die volle dingliche Rechtsstellung an dem Treugut, wird von einer fiduziarischen Treuhand oder auch Vollrechtstreuhand gesprochen. Diese ist durch die die schuldrechtlichen Vereinbarungen überschreitenden dinglichen Befugnisse gekennzeichnet, da die dingliche Rechtspositon durch die Treuhandabrede nicht beschränkt wird (§ 137 BGB). Erhält der Treuhänder das Treugut nicht zu vollem Recht, sondern wird lediglich auf der Grundlage der Treuhandabrede ermächtigt (§ 185 BGB), im eigenen Namen über das Treugut zu verfügen, liegt eine sog. Ermächtigungstreuhand vor (Soergel-Leptien, vor § 164 Rn. 72; Gernhuber, JuS 1988, 353 (355)). Zu beachten ist, dass hier die Verfügungsbefugnis des Treuhänders durch die Treuhandabrede auch dinglich begrenzt ist. Überschreitet der Treuhänder die durch die Treuhandabrede gesetzten Grenzen, handelt er als Nichtberechtigter im Sinne des § 185 BGB (vgl. OLG Frankfurt KTS 1969, 57 (59); Soergel-Leptien, vor § 164 Rn. 72).
4
III. Inhalt des Kontovertrages. Das Zusammentreffen von Treuhandverhältnis und Kontovertrag wirft in erster Linie Fragen hinsichtlich der Kontoinhaberschaft und der Offenlegung des Treuhandverhältnisses auf. Hiervon ist abhängig, mit wem und mit welchem Inhalt der Kontovertrag zustande kommt. Im Übrigen gelten die für die unterschied-
5
Harders
1206
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
lichen Kontoformen (Girokonto, Sparkonto, etc.) üblichen oder zusätzlich getroffenen Vereinbarungen. Ist ein offenes Treuhandkonto im engeren Sinn in Form eines Girokontos vereinbart, kann ein Debet entstehen, für welches allein der Treuhänder als Kontoinhaber haftet (OLG Düsseldorf WM 1989, 211 (212)). 6
7
8
9
1. Kontoinhaber. Wer Inhaber des Treuhandkontos wird, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Bestimmung der Kontoinhaberschaft (Canaris, NJW 1973, 825 (830)). Nicht allein entscheidend ist danach, wer als Inhaber angegeben ist oder aus wessen Mitteln die eingezahlten Gelder stammen. Maßgebend ist vielmehr, wer bei der Errichtung des Kontos als forderungsberechtigt auftritt oder als solcher bezeichnet wird, wer also unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles nach dem erkennbaren Willen des die Eröffnung Beantragenden Gläubiger und Schuldner des Kreditinstituts sein soll (grundlegend BGHZ 21, 148 (150); vgl. auch BGH WM 1996, 249 (250); BGHZ 127, 229 (231); WM 1990, 537 (538); vgl. dazu auch Singer, § 37 Rn. 33). Beim Girokonto kommt der Bezeichnung des Kontoinhabers mehr als bloße Indizwirkung zu, da im Giroverkehr, der auf rasche und unkomplizierte Abwicklung angelegt ist, ein starkes praktisches Bedürfnis für einfache und klare Rechtsverhältnisse besteht (BGH WM 1996, 249 (250); OLG Brandenburg WM 1999, 267 (268)). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist in den Fällen der fiduziarischen Treuhand Kontoinhaber stets der Treuhänder, unabhängig davon, ob die Treuhandeigenschaft des Kontos dem Kreditinstitut gegenüber offengelegt wird (sog. offenes Treuhandkonto) oder nicht (sog. verdecktes Treuhandkonto) (vgl. BGHZ 127, 229 (232); BGH WM 1996, 249 (251); BGH WM 1989, 211 (212); BGHZ 61, 72 (79)). Der Treugeber ist nicht an dem Kontoguthaben beteiligt. Seine Rechtsposition ist auf das Rechtsverhältnis zum Treuhänder beschränkt. Das Treuhandkonto ist in diesem Fall ein Eigenkonto (im Sinne der herkömmlichen Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdkonto, vgl. Canaris, NJW 1973, 825 (828)) des Treuhänders, da die Kontoinhaberschaft und Verfügungsmacht in seiner Person zusammenfallen. Die Rechtsprechung grenzt allerdings das offene Treuhandkonto vom Eigenkonto ab und bezeichnet nur das verdeckte Treuhandkonto als Eigenkonto (BGH WM 1990, 1954 (1955)). Bei der Ermächtigungstreuhand ist der Treuhänder lediglich gemäß § 185 BGB ermächtigt, Verfügungen über das Kontoguthaben vorzunehmen. Kontoinhaber ist der Treugeber. Aus der Sicht des Treuhänders handelt es sich daher um ein Fremdkonto (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 4; Hüffer/van Look, Rn. 123), aus der Sicht des Treugebers um ein Eigenkonto, da seine Verfügungsmacht mit dinglicher Wirkung nicht ausschließbar ist (s. Rn. 20). Hat der Treuhänder in diesem Fall allerdings abredewidrig bei der Eröffnung des Kontos nicht hinreichend zu erkennen gegeben, dass Kontoinhaber der Treugeber sein soll, entsteht ein Eigenkonto in der Person des Treuhänders. Der Treugeber ist dann nicht mehr dinglich berechtigt, sondern auf Schadensersatzansprüche gegen den pflichtwidrig handelnden Treuhänder angewiesen. 2. Abgrenzungsfragen. Abgrenzungsfragen bestehen dergestalt, dass bei Kontoeröffnung durch den Treuhänder zunächst die Fälle der fiduziarischen Treuhand von Fällen der Ermächtigungstreuhand unterschieden werden müssen. Diese Unterscheidung stellt sich aus der Sicht des Kreditinstituts als die Frage nach dem Fremd- oder Eigenkonto des Treuhänders (vgl. OLG Brandenburg WM 1999, 267 (269); OLG Hamburg WM 1970, 1307 f.) dar. Liegt eine fiduziarische Treuhand und damit ein Treuhandkonto im engeren Sinne vor, ist für die weiteren Rechtsfolgen entscheidend, inwieweit gegenüber dem Kreditinstitut das Treuhandverhältnis hinsichtlich des Kontos offen gelegt worden ist, ob das Konto also als offenes oder verdecktes Treuhandkonto einzuordnen ist.
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1207
a) Fiduziarische Treuhand oder Ermächtigungstreuhand. In der Rechtsprechung stehen die Fälle der fiduziarischen Treuhand im Vordergrund. Unter Berufung auf den Grundsatz, dass der Giroverkehr eindeutige und klare Rechtsverhältnisse erfordert, wird die Kontoinhaberschaft des Treuhänders bejaht und damit mittelbar das Treuhandverhältnis als fiduziarische Treuhand eingeordnet (BGH WM 1996, 249 (250); OLG Karlsruhe WM 1999, 1766 f.; die fiduziarische Treuhand für das Kontoverhältnis im Allgemeinen zugrunde legend schon: BGHZ 11, 37 (43); BGHZ 61, 72 (79)). Da die Rechtsprechung den Begriff des Treuhandkontos letztlich auf die Fälle der fiduziarischen Treuhand beschränkt (Rn. 1), kann diese Form des Treuhandkontos auch als Regelfall bezeichnet werden (a. A. Baumbach/Hopt, AGB-Anderk Nr. 1 Rn. 1: Ermächtigungstreuhand als Regelfall). Die Interessen der Bank sprechen bei Abgrenzungsproblemen dafür, dass im Zweifel der Treuhänder selbst Kontoinhaber sein soll und damit eine fiduziarische Treuhand vorliegt (BuB- Gößmann, Rn. 2/242; differenzierend Canaris, Rn. 268 ff.: Ermächtigungstreuhand bei Übertragung von Konten, Vollrechtstreuhand bei Errichtung durch Treuhänder, zumindest bei Konten, die auch debitorisch werden können; dagegen StaudingerHopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff.: „künstliche Differenzierung“). Die Kontoinhaberschaft und damit den Schuldner eines etwaigen Sollsaldos möchte die Bank eindeutig bestimmt haben. Weisungen der Verfügungsberechtigten sollen nicht Beschränkungen aus der Treuhandabrede, wie dies bei der Ermächtigungstreuhand der Fall wäre, unterliegen. Angesichts des Massengeschäftes im Bereich des Giroverkehrs möchte sich die Bank kaum verpflichten, die Verfügungsberechtigung des Treuhänders im Einzelfall zu prüfen. Anderes kann aber natürlich für Sparkonten gelten, bei denen die vorstehenden Interessen der Bank in einem geringeren Maße bestehen, weswegen die vorstehenden Auslegungsgrundsätze nur eingeschränkt gelten (vgl. BGH WM 1996, 249 (250); OLG Brandenburg WM 1999, 267 (268); Canaris, Rn. 270: bei Sparkonten im Zweifel Ermächtigungstreuhand).
10
Eine Ausnahme besteht teilweise für die gesetzlichen Treuhänder (Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker etc.). Für sie ist eine Ermächtigungstreuhand anzunehmen, wenn der gesetzliche Treuhänder ein Sonderkonto für die Masse, den Nachlass etc. errichtet, der gesetzliche Treuhänder also in seiner Funktion als Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker etc. handelt, da die auf einem Treuhandkonto im engeren Sinn verwahrten Guthaben gerade nicht mehr zum verwalteten Vermögen, sondern zum Vermögen des Treuhänders gehören. Auch würde der Verwalter nicht hinsichtlich des verwalteten Vermögens, sondern persönlich berechtigt und verpflichtet (BGH WM 1995, 352 (353); 1988, 1222 (1223); Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 149 Rn. 11). Allerdings – und insoweit muss im Einzelfall abgegrenzt werden – kann etwa ein vorläufiger Insolvenzverwalter gerade auch ein Treuhandkonto in Form der fiduziarischen Treuhand errichten (vgl. BGH NJW-RR 2008, 295 (296) = BGH WM 2007, 2299; Abgrenzung auch schon bei BGH WM 1995, 352; vgl. auch nachstehend Rn. 48).
11
b) Offenes Treuhandkonto. Ein offenes Treuhandkonto ist vereinbart, wenn der Kontoinhaber im Zeitpunkt der Errichtung des Kontos das Treuhandverhältnis offen legt und deutlich macht, dass auf das Konto ausschließlich Werte gelangen sollen, die ihm in seiner Eigenschaft als Treuhänder zustehen (BGH WM 1996, 249 (251); 1990, 1954; 1989, 1779 (1780); 1987, 922 (923)). Die Anforderungen des „Offenlegens und Deutlich-machens“ sowie eine frühere Entscheidung des BGH (BGHZ 61, 72 (79)) haben Zweifel aufkommen lassen, ob von der Rechtsprechung an die Eindeutigkeit der auf die Vereinbarung eines offenen Treuhandkontos gerichteten Willensklärungen strengere Anforderungen gestellt werden, als die allgemeinen Grundsätze der §§ 133, 157 BGB enthalten (vgl. Canaris, Rn. 263). Vor diesem Hintergrund wird der Begriff der Offenlegung teilweise als
12
Harders
1208
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
ausdrücklicher Hinweis des Kontoeröffnenden auf den Treuhandcharakter des Kontos und die zugrunde liegende Treuhandabrede mit dem Treugeber ausgelegt (BuB-Gößmann, Rn. 2/ 245). Die Vereinbarungen über ein offenes Treuhandkonto sind jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu beurteilen (zutreffend Canaris, Rn. 263; Coing, FS Bärmann, S. 209). Auch die Rechtsprechung fordert letztlich nichts anderes. Gerade hinsichtlich des mit der Eröffnung eines Treuhandkontos beabsichtigten Ausschlusses des Aufrechnungsrechts der Bank spricht der BGH von einer Vereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB (BGH WM 1996, 249 (251); 1987, 922 (923)). Hinsichtlich des Ausschlusses des Pfandrechtes nach AGB-Banken wurde an anderer Stelle auf den „erkennbaren Willen beider Parteien, ein solches Konto zu errichten“, abgestellt (BGH WM 1990, 1954 (1955)), womit nur die Anforderungen der §§ 133, 157 BGB umschrieben sind. Es ist kein Grund erkennbar, warum gerade bei der Vereinbarung von offenen Treuhandkonten andere Maßstäbe anzuwenden sein sollten. Wenn die Auslegung der Willenserklärung des Kontoerrichtenden nach §§ 133, 157 BGB ergibt, dass sie auf den Abschluss eines Vertrages über ein offenes Treuhandkonto gerichtet war, kann das Missverständnis der Bank nicht zu Lasten des Kontoinhabers gehen. Der Bank bleibt die Möglichkeit der Anfechtung wegen Inhaltsirrtums (Canaris, Rn. 263). Die von dieser materiell-rechtlichen Lage zu unterscheidende Frage ist die prozessuale Behandlung. Hier trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Entstehen der besonderen Rechtsfolgen des Treuhandkontos den Kontoinhaber, da er Rechte aus dem Ausschluss des im Übrigen regelmäßig entstehenden Pfand- und Aufrechnungsrechts behauptet (BGHZ 61, 72 (78)). 13
Die Pflicht der Bank nach § 8 I Geldwäschegesetz (GwG) (künftig § 4 V GwG), bei jeder Kontoeröffnung den wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, und eine auf diese Erkundigung erfolgende Offenlegung des Treuhandverhältnisses führen nicht zwangsläufig zur Annahme eines offenen Treuhandkontos. Beide Seiten müssen nach den vorstehenden Grundsätzen den erkennbaren Willen haben, das Konto als offenes Treuhandkonto zu führen. Die Erfüllung der Pflichten nach dem GwG sagt jedoch nichts aus über den Willen der Bank oder des Treuhänders als Kontoinhaber, die besonderen Rechtsfolgen des offenen Treuhandkontos zu vereinbaren. In der Praxis ist aber vor dem Hintergrund, dass Treuhandverhältnisse nach § 8 GwG offen zu legen sind, dringend anzuraten, die Rechtsverhältnisse des Kontos zu klären und die entsprechende Vereinbarung schriftlich nicht zuletzt deswegen festzuhalten, weil schon die Kenntnis von der Treuhandeigenschaft des Kontos Rechtsfolgen nach sich ziehen kann (vgl. Rn. 18).
14
Ob nach diesen Grundsätzen ein offenes Treuhandkonto vereinbart ist, richtet sich maßgeblich nach den Umständen des Einzelfalles. Die Abgrenzung mag im Einzelfall schwierig sein. Neben dem eindeutigen Fall der Bezeichnung des Kontos als Treuhandkonto (OLG Karlsruhe WM 1999, 1766) bzw. des ausdrücklichen Verzichts auf Zurückbehaltungs-, Aufrechnungs- und Pfandrechte (OLG München WM 1992, 1732) ist ein Treuhandkonto auch dann anzunehmen, wenn der Kontoerrichtende eine gesetzliche Pflicht hat, ihm anvertraute Gelder von seinem Vermögen zu separieren und auf Fremdoder Treuhandkonten anzulegen, wie z. B. Wohnungsverwalter (§ 27 V WEG) oder Bauträger (§ 6 MaBV), und dieser Verwendungszweck bei der Eröffnung offen gelegt wird (Canaris, Rn. 266). Ein offenes Treuhandkonto wurde ferner von der Rechtsprechung in folgenden Fällen angenommen: Einzahlung der vom Mieter gestellten Kaution auf ein Sparkonto mit dem Vermerk „Kautionskonto“ (OLG Düsseldorf ZIP 1988, 489); Konto einer Verwalterin nach WEG mit der Bezeichnung „Eigentümerkonto Passagenzentrum T.“ (BGH WM 1988, 606); Bezeichnung eines Kontos als „Separatkonto“ unter Hinzufügung eines vom Kontoinhaber abweichenden Namens (KG WM 1964, 1038 (1039)). Hingegen ist die Zusatzbezeichnung „Mietkonto“ kein zwingendes Indiz für die Eröff-
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1209
nung eines Treuhandkontos, selbst wenn die Bank gewusst hat, dass das Konto zum Mieteinzug für Wohnungen bestimmt war, die nicht im Eigentum des Kontoinhabers stehen (BGH WM 1990, 1954 (1955)). Auch muss sich die Bank nicht die Kenntnis ihres Angestellten nach § 166 BGB zurechnen lassen, wenn dieser als Treuhänder ein Konto eröffnet, aber den Treuhandcharakter im Übrigen nicht gegenüber der Bank offen legt, da der Treuhänder insoweit nicht in einem vertreterähnlichen Verhältnis zur Bank tätig geworden ist (BGH WM 1987, 922 (923)). Nach der Rechtsprechung liegt ferner ein offenes Treuhandkonto nur dann vor, wenn auf das Konto ausschließlich Gelder gelangen, die dem Kontoinhaber in seiner Eigenschaft als Treuhänder anvertraut sind (BGH WM 2003, 1641 (1641); 1996, 249 (251); BGH WM 1990, 1954; BGH WM 1989, 1779 (1780); BGH WM 1987, 922 (923); OLG Brandenburg WM 1999, 267). Nach anderer Ansicht muss die hinreichende Bestimmtheit des Treugutes ausreichen, d. h. Treugut und Eigengut müssen sich etwa im Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung oder der Insolvenzeröffnung (noch) klar trennen lassen (Canaris, WuB I C 3. – 1.94, S. 7; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 28). Der Rechtsprechung ist insoweit zuzustimmen, dass der Verzicht der Bank auf Aufrechnungs-, Zurückbehaltungs- und Pfandrecht vor dem Hintergrund erfolgt, dass dem Treuhandkonto ausschließlich Treugut zugeführt wird. Der Verzicht der Bank auf Aufrechnungs- und Pfandrecht sollte lediglich hinsichtlich des Treugutes erfolgen. Eigengelder des Treuhänders sollen nach dem Willen der Bank zur Erhaltung ihrer Rechte auf Eigenkonten verwahrt werden. Die Bank wird sich mangels Kenntnis der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse zwischen Treugeber und Treuhänder auch nicht auf ein solches „gemischtes“ Konto einlassen, da sie den Umfang ihrer Rechte nicht abschätzen kann. Insofern ist eine den AnderkontoBedingungen vergleichbare Trennungspflicht im Verhältnis Bank- Treuhänder als vereinbart anzunehmen (vgl. Nr. 4 der Anderkontobedingungen RAe/Notare/PAe, Nr. 3 Anderkontobedingungen StB/WP). Eine Verletzung dieser Pflicht führt allerdings nicht zum Wiederaufleben des Aufrechnungs- oder Pfandrechts sondern zu einem Schadensersatzanspruch der Bank gegen den Treuhänder (§ 280 BGB). Daneben steht die Frage, inwieweit im Verhältnis Treugeber-Treuhänder bzw. der Gläubiger des Treuhänders die Vermischung von Treugut und Eigengut die Rechte des Treugebers vereitelt (unten Rn. 30 f.).
15
c) Verdecktes Treuhandkonto. Ist nach den vorstehenden Grundsätzen der Treuhandcharakter des Kontos nicht offen gelegt worden, liegt ein sog. verdecktes Treuhandkonto vor (BGH NJW 1987, 922 (923)). Im Verhältnis zur Bank sind die Rechtsfolgen des offenen Treuhandkontos nicht vereinbart. Es handelt sich aus der Sicht der Bank um ein gewöhnliches Eigenkonto des Treuhänders (BGH NJW 1990, 1954 (1955)). Das Pfandrecht der Bank nach Nr. 14 AGB-Banken sowie das Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht bestehen daher fort. Davon unberührt bleiben allerdings die Rechtsfolgen im Treuhandverhältnis. Unabhängig von der Frage der Offenkundigkeit steht dem Treugeber das Recht zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO oder der Aussonderung nach § 47 InsO zu (BGH WM 1996, 662; 1993, 1524; BGHZ 61, 72 (79); OLG Hamm WM 1999, 1111 (1112), vgl. Rn.28 ff.).
16
d) Nachträgliche Umwandlung des verdeckten in ein offenes Treuhandkonto. Die nachträgliche Umwandlung eines verdeckten in ein offenes Treuhandkonto bedarf grundsätzlich einer Vereinbarung dieses Inhalts (BGH WM 1990, 1954 (1955)). Die Anforderungen an die Vereinbarung entsprechen den zur Eröffnung von offenen Treuhandkonten beschriebenen Grundsätzen (Rn. 12 ff.). Der BGH scheint allerdings das Zustandekommen einer Vereinbarung schon dann bejahen zu wollen, wenn die Bank über die Treuhandbindung unterrichtet wird und nicht widerspricht, da hier die Situation nicht anders sei, als wenn die Treuhandeigenschaft von Anfang an offen gelegt sei und die Bank dies
17
Harders
1210
18
19
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
akzeptiert habe (BGH a. a. O.); ausdrücklich OLG Naumburg WM 2003, 1688 (1670)). Eine Gleichbehandlung der Fälle sollte jedoch nicht erfolgen (ebenso Schimansky/Bunte/ Lwowski-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 46). Aus dem Schweigen eines Beteiligten kann nur in Ausnahmefällen auf seine Willenserklärung geschlossen werden (Palandt-Heinrichs, Einf. v § 116 Rn. 7). Bei der Eröffnung eines offenen Treuhandkontos durch die Bank nach einem entsprechenden Antrag kann in dem Umstand der Eröffnung die Betätigung des Willens der Bank gesehen werden, ein offenes Treuhandkonto mit seinen besonderen Rechtsfolgen zu führen. Diese Betätigung des Willens fehlt, wenn der Bank im Fall des verdeckten Treuhandkontos die Treuhandeigenschaft mitgeteilt wird und sie hierauf schweigt. Diese Willensbetätigung liegt auch nicht in der Fortführung des Kontos, da die Bank hier nur ihre Pflichten aus dem bestehenden Vertragsverhältnis erfüllt. Die Mitteilung der Treuhandeigenschaft des Kontos bleibt aber auch im Falle des ausbleibenden Einverständnisses der Bank nicht folgenlos. Das Festhalten am AGB-Pfandrecht trotz Kenntnis der Treuhandbindung kann hinsichtlich der Gelder, die nach der Mitteilung eingehen, eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB auslösen. Ein solches Verhalten zur Erlangung eigener wirtschaftlicher Vorteile würde jede billige Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Treugebers außer Acht lassen und dessen „bessere“ Ansprüche vereiteln (BGH WM 1996, 249 (251); BGH WM 1990, 1954 (1955)). 3. Verfügungsbefugnis. Die Verfügungsbefugnis folgt grundsätzlich der Kontoinhaberschaft. Im Fall der fiduziarischen Treuhand ist der Treuhänder als Kontoinhaber verfügungsbefugt. Eine Verfügungsbefugnis des Treugebers besteht außerhalb von Sonderfällen (vgl. BGH WM 1972, 588: Treugeber als Bevollmächtigter des Treuhänders) daneben nicht. Schuldrechtliche Beschränkungen aus der Treuhandabrede beschränken nicht die dingliche Verfügungsmacht (§ 137 BGB) und sind daher im Verhältnis zwischen Treuhänder und Kreditinstitut unbeachtlich, weswegen die Verfügungsmacht des Treuhänders grundsätzlich unbeschränkt ist. Die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht finden auf Treuhandverhältnisse nach herrschender Meinung keine Anwendung (BGH NJW 1968, 1471; BGH WM 1977, 525 (527); Henssler, AcP 196 (1996), 37 (68); Soergel-Leptien, Vor § 164 Rn. 60; Canaris, Rn. 274; a. A. Coing, S. 163 ff., S. 168). Verfügt ein Treuhänder allerdings in „offensichtlich treuwidriger Weise“ über das Treugut, soll die Verfügung nichtig sein (so OLGR Koblenz 2004, 635). Die Nichtigkeit von Verfügungen des Treuhänders sollte allerdings auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen das Kreditinstitut vorsätzlich und kollusiv mit dem Treuhänders zusammenwirkt (vgl. etwa LG Osnabrück WM 2007, 212, 213). Bei Anwendung anderer Kriterien würde letztlich doch eine Prüfungspflicht des Innverhältnisses zwischen Treuhänder und Treugeber angenommen werden, während die Treuhand gerade durch die im Außenverhältnis unbeschränkte Rechtsmacht des Treuhänders gekennzeichnet ist. Bei missbräuchlichen Verfügungen des Treuhänders kommt mangels Vertragsverhältnisses zwischen der Bank und dem Treugeber daher nur eine deliktische Haftung nach §§ 823 ff. BGB in Betracht (Canaris, a. a. O.; LG Osnabrück WM 2007, 212, 213; LG Berlin WM 1988, 1309). Nach dem BGH soll unter besonderen Umständen auch der Treugeber das Recht haben, selbst die Auszahlung des Guthabens auf dem Treuhandkonto von dem Kreditinstitut zu verlangen (BGH WM 1987, 1418 (1419)). Die Feststellung wird nicht näher begründet. Auch fehlen Ausführungen zu den besonderen Umständen. Canaris (Rn. 275) folgert aus der sog. Teilverdinglichung der Rechtsstellung des Treugebers sowie einer Analogie zu § 869 BGB einen grundsätzlichen Anspruch des Treugebers auf Auszahlung an den Treuhänder, der allerdings dann auf Zahlung an den Treugeber selbst gerichtet ist, wenn der Treuhänder die Zahlung nicht entgegennehmen kann oder will.
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1211
Bei der Ermächtigungstreuhand tritt neben die fortbestehende Verfügungsbefugnis des Treugebers die des Treuhänders. Eine „verdrängende“ Ermächtigung des Treuhänders, die zum Ausschluss der Verfügungsmacht des Treugebers und Kontoinhabers führt, gibt es nicht (Canaris, Rn. 272). Vereinbarungen aus dem Treuhandverhältnis, soweit sie die Ermächtigung des Treuhänders inhaltlich ausgestalten oder beschränken, haben dingliche Wirkung und sind, da sie die Ermächtigung begrenzen, von dem Kreditinstitut zu beachten (Canaris, Rn. 274; Staudinger-Hopt/Mülbert, Vorbem. zu § 607 ff Rn. 193). Gleiches gilt für die Fälle der gesetzlichen Treuhänder (z. B. Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker) hinsichtlich der gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen (BuB-Gößmann, Rn. 2/248). Die Nichtbeachtung dieser Verfügungsbeschränkungen kann zu Schadensersatzverpflichtungen der Bank aus dem Kontovertrag führen (LG Kempten WM 1991, 69 (71)).
20
4. Pflichten gegenüber dem Treugeber. Wegen des fehlenden Vertragsverhältnisses zwischen Treugeber und der Bank bestehen beim Treuhandkonto (in Form der fiduziarischen Treuhand) grundsätzlich keine Rechtspflichten der Bank gegenüber dem Treugeber, auch wenn die Treuhandeigenschaft des Kontos offen gelegt ist. Auch bestehen keine Schutzwirkungen des Kontovertrages zugunsten des Treugebers (LG Berlin WM 1988, 1309 (1311) zum Anderkonto), da das im Ergebnis zur Anwendung der Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht auf die fiduziarische Treuhand führen würde (h. M.: Canaris, Rn. 275; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 57; StaudingerHopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. Rn. 194). Die Bank braucht daher die Verfügungen des Treuhänders hinsichtlich ihrer Wirksamkeit im Verhältnis zum Treugeber nicht zu überprüfen, selbst wenn sie zugunsten eigener Konten des Treuhänders erfolgen (BGH WM 1973, 722 (723); WM 1957, 28). Die in diesem Bereich bestehenden Risiken fallen primär in das Verhältnis des Treugebers zum Treuhänder (BGH WM 1987, 1416 (1418)). Die Bank kann sich aber natürlich im Wege freier Vereinbarung zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verfügungen im Verhältnis zu Dritten verpflichten. In diesem Fall haftet sie bei Verletzung dieser Pflicht für die Schäden, die dem Dritten entstehen (BGH WM 1967, 1144 (1147)). Der Kontovertrag zwischen Treuhänder und Bank kann bei Vorliegen zusätzlicher Vereinbarungen auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfalten (OLG Düsseldorf WM 1986, 637: Anderkonto nebst Treuhandabrede über die Verwendung der auf dem Anderkonto gutgeschriebenen Gelder). Auch kann beim Zusammenwirken mit dem Treuhänder im Rahmen von Steuersparmodellen eine vorvertragliche Aufklärungspflicht der Bank bestehen, wenn sie den Treuhänder zu Verfügungen verpflichtet, die dessen Treuhänderpflichten verletzen und erkennbar geeignet sind, den Treugeber in seiner Entschließung über den Abschluss des Darlehensvertrages mit der Bank und des Vertrages mit dem Treuhänder zu beeinflussen (BGH WM 1985, 221 (223); BGH WM 1985, 910 (911)).
21
5. Zurückbehaltungsrecht, Aufrechnungsrecht, AGB-Pfandrecht. Beim offenen Treuhandkonto (in Form der fiduziarischen Treuhand) hat das Kreditinstitut durch Vereinbarung auf ein Zurückbehaltungsrecht, auf das Aufrechnungsrecht gegenüber dem Treuhänder als Kontoinhaber sowie auf das AGB-Pfandrecht nach Nr. 14 I AGB-Banken/ Nr. 21 I AGB-Sparkassen verzichtet (BGH WM 1996, 249 (251); BGHZ 61, 72 (78)). Der Verzicht auf das Aufrechnungsrecht umfasst jedoch nicht solche Forderungen, die im Zusammenhang mit dem Konto stehen, z. B. das Rückbelastungsrecht aus einem Protestwechsel (OLG München WM 1992, 1732 (1735)).
22
Mangels entsprechender Vereinbarung liegt der Verzicht auf Zurückbehaltungsrecht, Aufrechnungsrecht und AGB-Pfandrecht nicht beim verdeckten Treuhandkonto vor, so dass hier die Rechte der Bank fortbestehen (BGH WM 1990, 1954 (1955); BGH WM
23
Harders
1212
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
1987, 922 (923)). Der vertragliche Ausschluss nur des AGB-Pfandrechtes muss nicht zwingend mit dem Ausschluss des gesetzlichen Aufrechnungsrechtes einhergehen (BGH WM 1983, 873). 24
25
a) Aufrechnungsrecht der Bank gegenüber dem Treugeber. Das Kreditinstitut hat im Fall des offenen Treuhandkontos die wirtschaftliche Berechtigung des Treugebers an dem Kontoguthaben anerkannt. Mit der Einschränkung der Rechte gegenüber dem Treuhänder geht aber eine Erweiterung der Rechte gegenüber dem Treugeber einher. Nach herrschender Meinung besteht ihm gegenüber das Recht zur Aufrechnung, das Zurückbehaltungsrecht sowie das AGB-Pfandrecht hinsichtlich eines Guthabens auf dem Treuhandkonto wegen Forderungen aus einem weiteren Rechtsverhältnis mit dem Treugeber (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 56; Staudinger-Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. Rn. 198; Canaris, Rn. 286). Dem wird mit Hinweis auf die fehlende Gegenseitigkeit widersprochen (vgl. Soergel-Leptien, vor § 164 Rn. 58 für Treuhandverhältnisse im Allgemeinen, wobei er auch Einschränkungen bei fiduziarischen Inkassozessionen befürwortet). Die Interessen aller Beteiligten sprechen allerdings für die Aufrechnungsbefugnis. Schutzwürdige Interessen des Treuhänders bestehen nicht (Henssler, AcP 196 (1996), 37 (64)), während der Ausschluss des Aufrechnungsrechts gegenüber dem Treuhänder gerade im Interesse des Treugebers erfolgt, wodurch das Abweichen von der formellen Rechtslage zu Lasten des Treugebers gerechtfertigt wird (zutreffend Canaris, Rn. 286). b) Aufrechnungsbefugnis des Treuhänders. Der Treuhänder kann bei fiduziarischer Treuhand gegen persönliche Forderungen, die sich gegen ihn richten, mit einem Guthaben des Treuhandkontos aufrechnen (Staudinger-Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. BGB Rn. 198; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 60; a. A. Canaris, Rn. 285, unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 392 II HGB; Hellner, Rn. 77). Die davon zu unterscheidende Frage ist, ob schuldrechtliche Beschränkungen aus dem Treuhandverhältnis der Aufrechnung entgegenstehen. Dies wird in aller Regel der Fall sein (so z. B. OLG Dresden ZIP 1998, 1498: Unzulässigkeit einer Aufrechnung durch den Notar mit Gebührenforderungen gegenüber dem Anspruch auf Auszahlung eines Guthabens auf einem Anderkonto), wobei auch hier zulässige Aufrechnungslagen anerkannt worden sind (BGH WM 1996, 662 (663); BGHZ 71, 380 (383): Treuhänder darf in der Regel gegenüber dem Herausgabeanspruch des Treugebers mit Forderungen aus dem Treuhandverhältnis aufrechnen und sich insoweit aus dem Treuhandkonto befriedigen). Im Außenverhältnis ist die Verfügungsmacht des Treuhänders aber unbeschränkt (§ 137 BGB). Der Grundsatz der Unbeachtlichkeit der schuldrechtlichen Beschränkungen aus dem Treuhandverhältnis im Verhältnis Treuhänder – Bank sollte auch und gerade für die Aufrechnung beibehalten werden, die als Gestaltungsgeschäft der Rechtsklarheit bedarf und deswegen auch unwiderruflich und bedingungsfeindlich ist (§ 388 S. 2 BGB). Der Aufrechnungsgegner, der sich der Aufrechnung, die aufgrund der Erklärung des Aufrechnenden erfolgt, nicht erwehren kann, muss Klarheit über das Schicksal seiner Forderungen haben. Die Verneinung der Wirksamkeit der Aufrechnung beim offenen Treuhandkonto zieht ihn aber in das Rechtsverhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber hinein und belastet ihn mit der Prüfung, ob die Aufrechnung im konkreten Fall zulässig ist. Der Hinweis auf den Missbrauch der dinglichen Rechtsmacht durch den Treuhänder, die bei der Verfügung zugunsten eigener Verbindlichkeiten nahe liegt (vgl. Canaris, a. a. O.), ist zwar zutreffend. Diese Einschränkungen werden sonst aber nicht gemacht. So wird die Überweisung von Geldern vom Treuhandkonto auf ein Eigenkonto des Treuhänders nicht als unwirksam erachtet, der Bank obliegen in diesem Fall auch keine Prüfungspflichten (BGH WM 1957, 28), obwohl die Überweisung auf ein debitorisches Konto wirtschaftlich der Aufrechnung gleichsteht.
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1213
c) Ermächtigungstreuhand. Mit Ausnahme der hinzutretenden Verfügungsbefugnis des Treuhänders erzeugt die Ermächtigungstreuhand keine besonderen Rechtsfolgen. Da der Treugeber Kontoinhaber ist, kann die Bank gegenüber dem Treugeber aufrechnen und umgekehrt, ihm gegenüber ein Zurückhaltungsrecht oder das AGB-Pfandrecht geltend machen. IV. Rechtsfolgen aus dem Treuhandverhältnis. Von den Rechtsfolgen aus dem Verhältnis zur Bank sind die aus dem Treuhandverhältnis resultierenden Rechtsfolgen hinsichtlich der Behandlung von Forderungen aus dem Konto in Zwangsvollstreckung und Insolvenz zu unterscheiden. Im Vordergrund stehen Widerspruchsrecht nach § 771 ZPO und Aussonderungsrecht nach § 47 InsO des Treugebers bei der fiduziarischen Treuhand. 1. Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Treuhänders. Dem Treugeber steht grundsätzlich das Recht zu, im Falle der Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder der Vollstreckung in das Treuhandkonto nach § 771 ZPO zu widersprechen. Nach der Rechtsprechung ist die Offenkundigkeit der Treuhandeigenschaft des Kontos hierfür keine Voraussetzung (BGH WM 1996, 662; BGH WM 1993, 1524; BGHZ 61, 72 (79)). Die Rechtsordnung verlange nicht, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners für seine Gläubiger ohne weiteres durchschaubar sein müssen, wie die Vorschrift des § 771 ZPO, die stille Zession und viele Formen der Sicherungsübereignung belegten. Einem Missbrauch des Rechtsinstituts der Treuhandverhältnisse könne nur dadurch begegnet werden, dass an den Nachweis einer Aussonderung von Vermögensgegenständen strenge Anforderungen gestellt werden (BGH WM 1993, 1524). Daneben fordert die Rechtsprechung nicht die Einhaltung des sog. Unmittelbarkeitsprinzips, wonach das Treugut unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers in das Vermögen des Treuhänders gelangt sein muss, sondern lässt das Widerspruchsrecht auch hinsichtlich solcher Beträge gelten, die Dritte bestimmungsgemäß auf das Treuhandkonto eingezahlt haben (BGH WM 1996, 662; BGH WM 1959, 686 (688) oder wenn das Kontoguthaben auf der Erfüllung von Forderungen beruht, die nicht in der Person des Treuhänders, sondern als Forderungen des Treugebers entstanden sind (BGH WM 1959, 686; OLG Naumburg WM 2003, 1688 (1669)). Die (vollstreckungs- und insolvenzrechtliche) Zuordnung zum Vermögen des Treugebers erfolgt wegen der auf dem Treuhandvertrag beruhenden Beschränkung der Rechtsmacht des Verwaltungstreuhänders im Innenverhältnis (BGH WM 1996, 662), wobei zusätzlich erforderlich ist, dass der Treuhänder auch den Willen gehabt haben muss, das Geld als fremdes zu verwalten. Verfügt der Treuhänder unrechtmäßig über das Treugut, scheidet es endgültig aus dem Vermögen des Treuhänders aus (BGH WM 1959, 686 (688)). Andererseits führt auch die Beendigung des Treuhandvertrages nicht ohne weiteres zur Beendigung der treuhänderischen Bindung der Kontoforderung, selbst hinsichtlich nach der Beendigung eingehender Zahlungen. Dem Treugeber sei gerade an dem fortbestehenden Schutz vor Zugriffen von Gläubigern des Treuhänders gelegen (BGH WM 2005, 1796 (1798)).
26
In der Literatur ist Kritik an dieser Rechtsprechung geübt worden. Der Grundsatz der Offenkundigkeit des Treuhandverhältnisses sei nur in den Fällen aufzugegeben, in denen zumindest der Grundsatz der Unmittelbarkeit gewahrt sei (Canaris, WuB I.3 – 1.94, S.6) Im Übrigen soll an dem Offenkundigkeitsgrundsatz in abgeschwächter Form festgehalten werden, wonach es für die Offenkundigkeit schon ausreichen solle, wenn der Kontoinhaber ersichtlich zu dem Personenkreis gehöre, dem aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit die Eröffnung eines Anderkontos offenstehe (Staudinger-Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. Rn. 188; Canaris, Rn. 280). Im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung lassen andere für das Widerspruchsrecht die eindeutige Identifizierbarkeit des Kontos als Treugut ausreichen (Henssler, AcP 196 (1996), 37 (58); Coing, FS Bärmann, S. 213).
29
Harders
27
28
1214
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
30
In diesem Zusammenhang ist ferner der Grundsatz der Ausschließlichkeit von Bedeutung. Nach der Rechtsprechung kommt ein Treuhandverhältnis, aufgrund dessen das Guthaben eines Kontos dem Vermögen des Treugebers zuzurechnen ist, nur dann in Betracht, wenn die Einzahlungen auf ein ausschließlich zur Verwaltung von Fremdgeldern eingerichtetes und benutztes Sonderkonto erfolgt sind (BGH WM 1996, 662; für die Aussonderung jetzt erneut BGH NJW 2008, 1152). Die Ausschließlichkeit wird auch von denjenigen gefordert, die die Grundsätze der Offenkundigkeit und der Unmittelbarkeit für nicht maßgeblich halten (ausdrücklich Henssler, AcP 196 (1996), 37 (58); im Ergebnis anscheinend auch Coing, FS Bärmann, S. 213). Diejenigen, die an diesen Grundsätzen zumindest abgeschwächt festhalten wollen, lassen hingegen die Trennbarkeit von Treugut und Eigengut auf dem Konto ausreichen (Staudinger-Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. Rn. 188; Canaris, WuB I.3 – 1.94, S.7). Schließlich tritt K. Schmidt (FS Wiegand 933 (962) dafür ein, Treuhandkonten auch dann anzuerkennen, wenn nicht ausschließlich Drittgelder eingehen, da eine fiktive oder „virtuelle“ Bruchteilsgemeinschaft angenommen werden könne. Auch sei Offenkundigkeit nicht erforderlich.
31
Der Ansicht der Rechtsprechung, unter Verzicht auf das Offenkundigkeitsprinzip und unter Einschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips, aber unter den Voraussetzungen der Ausschließlichkeit und den strengen Anforderungen an den Nachweis des Treuhandverhältnisses dem Treugeber das Widerspruchsrecht einzuräumen, ist zuzustimmen. Der missbräuchlichen Berufung auf ein Treuhandverhältnis kann durch strenge Anforderungen an den tatsächlichen Nachweis hinreichend begegnet werden. Besonders strenge Maßstäbe werden anzulegen sein, wenn der Treuhänder bei Kontoeröffnung nach einer Erkundigung der Bank gem. § 8 I GwG (künftig § 4 V GwG) eine fremde wirtschaftliche Berechtigung verneint. Andererseits wird man den Nachweis als erbracht ansehen können, wenn auf diese Erkundigung der Bank hin die fremde wirtschaftliche Berechtigung offen gelegt ist, auch wenn sodann im Verhältnis zur Bank die Rechtsfolgen des offenen Treuhandkontos nicht vereinbart werden. Der Grundsatz der Ausschließlichkeit erklärt sich aus dem Bestimmtheitserfordernis. So hat Henssler darauf hingewiesen, dass nur individuell bestimmte oder einwandfrei bestimmbare Gegenstände, nie aber eine Geldsumme als solche oder ein Wertbetrag Gegenstand einer Aussonderung oder einer Drittwiderspruchsklage sein könnten, woraus die Notwendigkeit der Vermögenstrennung folge (Henssler, a. a. O. unter Verweis auf BGHZ 58, 257 (258)). Bei Vermischung von Eigen- und Treugut auf einem Konto lässt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, was Treugut ist (BGH WM 2003, 1641). Zusätzlich ist entscheidend, dass bei einem „gemischten“ Konto, auf welchem Eigen- und Treugut verwahrt wird, der Wille des Treuhänders, Geld als Treu- oder Eigengut zu verwalten, nicht zum Ausdruck kommt. Die Voraussetzung für das Widerspruchsrecht, dass der Treuhänder diesen Willen gehabt haben muss, würde mangels äußerer Erkennbarkeit leer laufen. So wäre bei Überweisung des Treugutes auf ein Eigenkonto des Treuhänders nicht einzuordnen, ob es sich um eine missbräuchliche Verfügung oder um eine ordnungsgemäße Verwahrung des Treugutes handelt. Auch ist eine geteilte Berechtigung von Treuhänder und Treugeber an aus Eigenund Treugut bestehenden Vermögensgegenständen rechtlich nicht möglich. §§ 947 ff. BGB sind weder direkt noch entsprechend anwendbar, wenn Treugut mit Eigengut vermischt wird (BGH WM 2003, 1641 (1642)).
32
Unterlässt der Treugeber die Erhebung des Widerspruches nach § 771 ZPO, steht ihm gegen die Bank, die trotz Kenntnis von der Treuhandeigenschaft des Kontos Guthaben des Treuhandkontos dem pfändenden Gläubiger des Treuhänders überwiesen hat, kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Es ist Sache des Treugebers, die Pfändung und Überweisung durch die geeigneten Rechtsmittel abzuwenden (LG Köln WM 1987, 606). In die-
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1215
sem Fall hat der Treugeber allerdings einen Bereicherungsanspruch (§ 812 I S. 1 2. Alt.) gegen den Pfändungsgläubiger, wenn der Zwangsvollstreckung vor Einzug der Forderung nach § 771 ZPO erfolgreich hätte widersprochen werden können (BGH WM 1971, 220 (220f.); BGH WM 1959, 686 (687)). Eine vertragliche Pflicht zur Information des Treugebers bei Pfändung des Kontoguthabens besteht nicht (Canaris, Rn. 281 a; BuB-Gößmann, Rn.2/325 für Anderkonten). Der Kontovertrag entfaltet keine Neben- oder Schutzpflichten gegenüber dem Treugeber (vgl. Rn. 21). Eine Auskunftspflicht kann somit nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 823 ff. BGB zu bejahen sein (dazu Canaris, a. a. O.). 2. Insolvenz des Treuhänders. Der Treugeber hat das Recht zur Aussonderung (§ 47 InsO) in der Insolvenz des Treuhänders bei der für das Treuhandkonto typischen Verwaltungstreuhand (allg. Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 47 Rn. 33 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des BGH gilt dies unter den vorstehend zur Zwangsvollstreckung beschriebenen Voraussetzungen (Rn.28 ff.). Der BGH hat zunächst den Grundsatz der Unmittelbarkeit für die Fälle als unmaßgeblich erklärt, in denen von dritter Seite Geld auf ein Konto gezahlt wird, welches offenkundig der Verwaltung fremder Gelder dient (BGH WM 1993, 83 (84); vorher schon für das Mietkautionskonto BayObLG WM 1988, 1763 (1767) zu § 43 KO, oder in denen die den Zahlungen auf das Konto zugrunde liegenden Forderungen nicht in der Person des Treuhänders, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden waren (BGH WM 1959, 686; OLG Naumburg, WM 2003, 1668 (1669); OLG Hamm WM 1999, 1111 (1112) wendet den Grundsatz außerhalb dieser Fallgruppen an. Kurze Zeit später hat der BGH entschieden, dass der Grundsatz der Offenkundigkeit des Treuhandkontos beim Aussonderungsrecht nicht anzuwenden sei (BGH WM 1993, 1524; OLG Hamm WM 1999, 1111 (1112)). Die Aussonderungsbefugnis setzt ferner voraus, dass es sich um ein Konto handelt, welches ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist (BGH WM 2003, 1641; BGH NJW 2008, 1152; OLG Hamm WM 1999, 1111 (1116 f.); OLG Brandenburg WM 1999, 267 (268)).
33
3. Zwangsvollstreckung und Insolvenz auf Seiten des Treugebers. Gläubiger des Treugebers können im Fall der fiduziarischen Treuhand nicht in das Treuhandkonto vollstrecken, da der Vollstreckung nur das Vermögen des aus dem Titel ersichtlichen Vollstreckungsschuldners unterliegt. Ihrem Zugriff unterliegt nur der Anspruch des Treugebers gegen den Treuhänder auf Auskehrung des Treugutes (BGHZ 11, 37 (42)). Anders als bei der Vollstreckung gegen den Treuhänder ist hier also die formalrechtliche Betrachtungsweise entscheidend. Gleiches gilt im Fall der Insolvenz des Treugebers. Auch der Insolvenzverwalter kann im Fall der Insolvenz des Treugebers bei der fiduziarischen Treuhand seine Ansprüche nicht unmittelbar gegen die Bank, sondern nur im Innenverhältnis zum Treuhänder geltend machen (Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 47 Rn. 40). Die Insolvenz des Treugebers führt zum Erlöschen des Treuhandverhältnisses (§§ 116 S. 1, 115 I InsO, MünchKomm- InsO-Ganter, § 47 Rn. 398). 4. Ermächtigungstreuhand. Im Falle der Ermächtigungstreuhand bestehen keine Besonderheiten, da formelle und wirtschaftliche Kontoinhaberschaft nicht auseinanderfallen. Gläubiger des Treuhänders scheitern also in Zwangsvollstreckung und Insolvenz schon an dem Umstand, dass das Konto formell nicht zum Vermögen des Treuhänders gehört. Andererseits können Gläubiger des Treugebers unmittelbar vollstrecken. Mangels formeller Rechtsposition kann der Treuhänder der Vollstreckung durch Gläubiger des Treugebers in das Konto nicht widersprechen (Canaris, Rn. 278; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 61).
35
Harders
34
36
1216
37
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
B. Anderkonten I. Begriff, Anderkontobedingungen. Anderkonten sind offene Treuhandkonten in Form der fiduziarischen Treuhand, die für Angehörige genau bestimmter Berufsgruppen eingerichtet werden, nämlich Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte. Sie verwalten als Treuhänder fremde Vermögenswerte, die ihnen von ihren Mandanten zu vollem Recht übertragen sind, und unterliegen einem eigenen Standesrecht und einer entsprechenden Standesaufsicht (BGH WM 1988, 1222; Canaris, Rn. 288). Eine Legaldefinition für das Notaranderkonto befindet sich in § 54 b I S. 1 BeurkG. Danach ist ein Notaranderkonto ein Sonderkonto für fremde Gelder.
38
Anderkonten sind Treuhandkonten in Form der Vollrechtstreuhandschaft, da sie der Verwahrung anvertrauter Vermögenswerte dienen, gleichzeitig aber nur der Kontoinhaber berechtigt und verpflichtet wird (Nr. 1 I 2 und 3 Bedingungen RA/ PA, WP/Stb; Nr. 1 I 1 und 2 Bedingungen Notare). Kontoinhaber ist also allein der Berufsangehörige (BGH WM 1995, 352 (353); BGHZ 11, 37 (43)). Dieses Verständnis legen auch die Regelungen in Nrn. 8 und 9 Bedingungen RA/PA bzw. 6 und 7 Bedingungen Notare und Bedingungen WP/Stb zugrunde, wonach die Bank keine Kenntnis vom Rechtsverhältnis zwischen Kontoinhaber und Mandanten nimmt. Anderkonten sind offene Treuhandkonten, da Anderkonten schon nach der Begriffsbestimmung durch die Anderkonto-Bedingungen der Verwahrung fremder Vermögenswerte dienen (Nr. 1 Satz 2 Bedingungen RA/PA/WP/StB bzw. Nr. 1 Satz 1 Bedingungen Notare), weswegen die Eigenschaft des Kontoguthabens als Treugut offenkundig ist. Daher gilt im Grundsatz für das Anderkonto das zum offenen Treuhandkonto Gesagte, soweit nicht die Bedingungen hiervon abweichen.
39
Anderkonten gehen zurück auf die Verhandlungen zwischen der Anwaltskammer Berlin und Bankenverbänden sowie die Beratungen des 36. Deutschen Juristentages 1931 (vgl. Coing, S. 61; Hadding, FS Schippel, S. 163). Anderkonten und Anderdepots sind umfassend und gleichzeitig definitionsbildend in den Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots geregelt, die als besondere Bedingungen neben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken bzw. teilweise an ihre Stelle treten (Baumbach/Hopt AGB-Anderk Einl. Rn. 7). Die Bedingungen sind für den gesamten Bankenbereich einheitlich durch die Spitzenverbände des Kreditgewerbes erstellt mit Ausnahme der Postbank, die über eigene Bedingungen verfügt. Die im Anhang (D., Rn. 72 ff.) wiedergegebenen Bedingungen der Spitzenverbände des Kreditgewerbes werden den nachstehenden Erörterungen zugrunde gelegt. Für die unterschiedlichen Berufsgruppen gibt es jeweils eigene Bedingungen, nämlich für Rechtsanwälte und Gesellschaften von Rechtsanwälten (nachstehend Bedingungen RA), für Notare (nachstehend Bedingungen Notare), für Angehörige der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (nachstehend Bedingungen WP/StB) sowie für Patentanwälte und Gesellschaften von Patentanwälten (nachstehend Bedingungen PA). Die Anderkontobedingungen der Spitzenverbände des Kreditgewerbes haben ihre letzte grundlegende Überarbeitung im Jahre 2000 erfahren (vgl. Gößmann, WM 2000, 857).
40
Die Bedingungen für Anderkonten sind nicht analogiefähig (a. A. OLG Hamburg WM 1970, 1307 (1308)). Auch wenn sie allgemeine Rechtsgrundsätze des offenen Treuhandkontos ausformulieren, sind sie doch stark durch das Berufsrecht der zugelassenen Berufe geprägt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding, § 38 Rn. 4) und sind als Vertragsbestimmungen, die der Vereinbarung bedürfen, schon rechtsmethodisch nicht analogiefähig (Canaris, Rn. 292). Gleichwohl können die Parteien natürlich einzelne Elemente aus den Anderkontenbedingungen übernehmen und sie ihren Vereinbarungen zugrunde legen. Es
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1217
liegt dann aber kein Anderkonto, sondern eventuell ein offenes Treuhandkonto vor. Auch können die Bedingungen als Auslegungshilfen – auch im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung – dienen (Canaris, Rn. 292). II. Treuhandverhältnis. Das Treuhandverhältnis zwischen dem Anderkontoinhaber und seinem Mandanten ist, soweit Anderkonten zur Verwahrung des Treugutes eingeschaltet werden, als Verwaltungstreuhand und fiduziarische Vollrechtstreuhand einzuordnen, da der Berufsangehörige Vollrechtsinhaber und fremdnützig tätig ist.
41
Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater und dem Mandanten ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter, in Einzelfällen auch mit Werkvertragscharakter bzw. ein reiner Dienst- oder Werkvertrag (vgl. Palandt-Putzo, Einf. v § 611 Rn.21; Palandt-Thomas, Einf. v § 631 Rn. 18, 22). Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Notar, der unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes ist (§ 1 BNotO), und den Beteiligten sind ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur (BGHZ 87, 156 (163); Lüke, ZIP 1992, 150 (152)).
42
Die Pflichten des Berufsangehörigen bei Treuhandtätigkeit sind maßgeblich durch das Berufsrecht beeinflusst. Dies berücksichtigen auch die Anderkontenbedingungen, die das maßgebliche Berufsrecht zum Inhalt des Kontovertrages machen und so den Einklang von Kontovertrag und Berufsrecht gewährleisten (vgl. BuB – Gößmann, Rn. 2/288). Wichtige berufsrechtliche Vorschriften für die Behandlung fremder Vermögenswerten für die einzelnen Berufe sind:
43
1. Notare. Notare sind grundsätzlich zuständig, Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten, die ihnen von den Beteiligten übergeben sind, zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zu übernehmen (§ 23 BNotO). Die Verwahrung von Geld durch den Notar richtet sich nach §§ 54 a ff. BeurkG. Der Notar darf den Verwahrungsantrag nur annehmen, wenn hierfür ein berechtigtes Sicherungsinteresse der am Verwahrungsgeschäft beteiligten Personen besteht (§ 54 a II Nr. 1 BeurkG). Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Einschaltung des Notaranderkontos keine tatsächlich nicht vorhandene Sicherheit vorspiegelt (Ziff. 3 Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer, DNotZ 1999, 258). Er darf Bargeld zur Verwahrung nicht entgegennehmen (§ 54 a I BeurkG). Wegen des Grundsatzes der persönlichen Amtsausübung (vgl. Schippel/Bracker-Kanzleiter, § 25 Rn. 2) darf nur der Notar persönlich, dessen amtlich bestellter Vertreter, der Notariatsverwalter oder, wenn dies durch Landesverordnung bestimmt ist, ein anderer Notar (bisher nur Hamburg HambgJVBl. 1985, 2) über das Notaranderkonto verfügen (§ 54 b III S. 1 und S. 3 BeurkG). Verfügungen sind grundsätzlich im bargeldlosen Zahlungsverkehr auszuführen, sofern nicht besondere berechtigte Interessen der Beteiligten die Auszahlung in bar oder mittels Bar- oder Verrechnungsscheck gebieten (§ 54 b III Satz 5 BeurkG). Anvertraute Vermögenswerte sind mit besonderer Sorgfalt zu behandeln. Notaranderkonten müssen entsprechend den von der Vertreterversammlung der Bundesnotarkammer beschlossenen Bedingungen eingerichtet und geführt werden (§ 27 II Dienstordnung für Notare (DONot)). Die 88. Vertreterversammlung am 2. 4. 2004 in Berlin hat Vertragsbedingungen i. S. des § 27 Abs. 2 Satz 1 DONot beschlossen. Sie entsprechen den Empfehlungen von Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Notaren des Zentralen Kreditausschusses (DNotZ 2004, 402).
44
2. Rechtsanwälte, Patentanwälte. Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen (§ 43 V BRAO, § 4 Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) in der Fassung vom 01.07.2008). Sofern die unverzügliche Weiterleitung an den Berechtigten nicht möglich ist, sind Fremdgelder auf Anderkonten zu verwalten. Auf einem Sammelanderkonto dürfen Be-
45
Harders
1218
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
träge über € 15.000 für einen einzelnen Mandanten nicht länger als einen Monat verwaltet werden. Ähnliches gilt für Patentanwälte (§ 39 a V PatentanwaltsO, § 5 Berufsordnung der Patentanwälte, in Kraft getreten am 5. August 1997, letzte Änderung in Kraft getreten am 14.03.2007), wobei allerdings keine Bestimmungen über Sammelanderkonten vorhanden sind. 46
3. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer. Für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer knüpfen die Pflichten hinsichtlich der Verwaltung fremder Vermögenswerte an die Pflicht zur Gewissenhaftigkeit in ihren jeweiligen Berufsgesetzen an (vgl. § 57 Steuerberatungsgesetz (StBerG); § 43 I WPO). Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer haben anvertraute fremde Vermögenswerte gewissenhaft zu verwalten und von dem eigenen und anderen Vermögen getrennt zu halten. Sie sind verpflichtet, Geld und Wertpapiere bei Verwaltung entweder auf den Namen des Treugebers oder auf Anderkonten anzulegen, bzw. durchlaufende fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten (§ 8 Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer BS WP/vBP vom 11.06.1996, zuletzt geändert durch Satzung vom 22.11.2007). Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben die ihnen anvertrauten Vermögenswerte mit besonderer Sorgfalt zu behandeln. Auch sie sind verpflichtet, fremde Vermögenswerte vom eigenen Vermögen zu trennen. Sofern ihnen die unverzügliche Weiterleitung fremder Gelder oder Wertpapiere an den Empfangsberechtigten nicht möglich ist, haben sie sie auf einem Anderkonto oder einem Anderdepot zu verwahren (§ 44 Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer vom 02.07.1997, zuletzt geändert durch Beschluss der Satzungsversammlung vom 21.12.2004).
47
III. Zugelassene Kontoinhaber. Anderkonten können nur durch die in den Anderkontobedingungen bezeichneten Berufsangehörigen oder durch ihre Berufsgesellschaften, bei den Notaren nur durch diese selbst, eröffnet werden. Gehört der Kontoeröffnende nicht zum Kreis der zugelassenen Kontoinhaber, liegt auch nicht ein Anderkonto im Sinne der Definition (BGH WM 1988, 1222), sondern ein offenes Treuhandkonto vor, selbst wenn die besonderen Bedingungen für Anderkonten ausdrücklich zum Gegenstand der Vereinbarung bei Kontoeröffnung gemacht werden. Der Kreis der zulässigen Kontoinhaber ist daher auf die jeweils genannten Berufsangehörigen bzw. bei Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Patentanwälten ihre Berufsgesellschaften (Nr. 1 der jeweiligen Anderkontenbedingungen) beschränkt. Die Beschränkung erklärt sich aus dem Umstand, dass die Bedingungen durch das zugrunde liegende Berufsrecht geprägt sind und daher auf andere Personen nicht anwendbar sind (Schimansky/Bunte/LwowskiHadding, § 38 Rn. 4). Als „standardisierte“ offene Treuhandkonten können sie zudem nur für solche Berufsgruppen bereitgehalten werden, die durch standesrechtliche Regelungen und eine entsprechende Aufsicht auch im Interesse der Treugeber die Gewähr bieten, das Institut des Anderkontos nicht zu missbrauchen (vgl. auch BuB-Gößmann, Rn. 2/258).
48
Anderkonten sind grundsätzlich nicht den gesetzlichen Treuhändern, wie Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker etc. zugänglich (a. A. unter Verweis auf BGH WM 2007, 2299, Paulus, WM 2008, 473 (474)). Im Unterschied zur Rechtslage bei den Anderkonten ist ihnen das anvertraute Vermögen nicht zu vollem Recht, sondern nur zur gesetzlichen Verwaltung überlassen, die den gesetzlichen Beschränkungen unterliegt. Auch haften sie nicht persönlich. Aus diesem Grund eignen sich ihnen anvertraute Gelder ihrer Natur nach nicht zur Anlage auf Anderkonten (BGH WM 1988, 1222 (1223); Hellner, Rn. 16). Erfolgt gleichwohl eine Anlage von Geldern, die zum verwalteten Vermögen gehören, auf einem Anderkonto des Insolvenzverwalters – etwa weil er auch Rechtsanwalt ist – gehört das dort vorhandene Guthaben nicht zum verwalteten Vermögen (BGH WM 1995, 352 (353); BGH
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1219
NJW 2008, 1152 = WM 2007, 2299). In den Fällen, in denen gesetzliche Treuhänder, die zu den zugelassenen Berufen gehören, Anderkonten eröffnen (vgl. LG Heilbronn ZIP 2002, 719; BGH WM 1988, 1222 (1223)), handelt es sich nicht um Anderkonten im Sinne der vorstehenden Definition, sondern um offene Treuhandkonten (zutreffend BuB-Gößmann, Rn. 2/272). Im Zweifel ist sogar eine Auslegung dahingehend vorzunehmen, dass ein Sonderkonto des gesetzlichen Treuhänders nicht als Anderkonto im Sinne der Anderkontobedingungen eröffnet ist (OLG Köln, OLGR 2006, 877 bei Bezeichnung als „Konkurs-Anderkonto“). Die Frage der Abgrenzung von Anderkonto als Treuhandkonto in Form der Vollrechtstreuhand und Sonderkonto des gesetzlichen Treuhänders als typischer Fall einer Ermächtigungstreuhand ist von erheblicher Bedeutung, da die Rechtsinhaberschaft bei Ermächtigungstreuhand bei Wechsel des gesetzlichen Treuhänders unberührt bleibt und die Verfügungsmacht beim Wechsel der Person des Treuhänders automatisch übergeht, während bei Annahme einer Vollrechtstreuhand die Übertragung der Treuhandkonten nur unter Beteiligung des bisherigen Kontoinhabers (Treuhänders) möglich ist. Unabhängig von der Frage, ob die Eröffnung eines offenen Treuhandkontos in diesen Fällen zulässig ist, beispielsweise durch den Insolvenzverwalter, um masseschädigende Vermögensverschiebungen auch tatsächlich unmöglich zu machen und Neugläubiger zu sichern (BGH WM 1995, 352 (355); vgl. ausführlich Kreft, FS Merz, S. 318 ff.; kritisch Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 149 Rn. 11), ist ferner zu beachten, dass der Berufsangehörige im Hinblick auf die Tätigkeit als gesetzlicher Treuhänder nicht dem Berufsrecht unterliegt (vgl. für den Rechtsanwalt Feuerich/Feuerich, § 2 Rn. 15) und die Anderkontobedingungen wegen ihres berufsrechtlichen Hintergrundes, beispielsweise wegen der Bestimmungen über die Rechtsnachfolge (Nr. 13 Bedingungen RA/PA; Nr. 11 IV Bedingungen Notare; Nr. 11 Bedingungen WP/ StB), ins Leere gehen. In diesen Fällen ist Vorsicht bei der Eröffnung von Anderkonten auch insoweit geboten, als die Überweisung auf ein eigenes Anderkonto des Treuhänders seine gesetzliche Verfügungsmacht überschreiten und zu Schadensersatzverpflichtungen der Bank führen kann (LG Kempten WM 1991, 69 für den Nachlasspfleger). Bei Eröffnung des Anderkontos muss der Kontoinhaber, der mehrere Berufe ausübt, z. B. der Rechtsanwalt und Steuerberater, klarstellen, in welcher Eigenschaft er das Konto eröffnet. Das Anderkonto muss der beruflichen Tätigkeit zugeordnet sein, auf Grund derer er gegenüber dem Mandanten tätig geworden ist, um die Einhaltung des spezifischen Berufsrechts über die Anderkontobedingungen auch im Verhältnis zwischen Kontoinhaber und Bank zu gewährleisten. Eine ausdrückliche Auffangregelung enthalten lediglich die Bedingungen RA, PA und Notare zugunsten des Rechtsanwaltsanderkontos. Der Anwaltsnotar im Sinne des § 3 II BNotO übt nicht einen einheitlichen Beruf, sondern zwei Berufe, und zwar den eines Rechtsanwaltes und den eines Notars aus. Nach Nr. 3 der Bedingungen RA und Notare liegt ein Rechtsanwaltsanderkonto vor, es sei denn, es wurde beantragt, das Konto als Notaranderkonto zu führen. Gleiches gilt nach Nr. 3 Bedingungen PA im Verhältnis Rechtsanwalt und Patentanwalt.
49
Unabhängig davon ist allerdings zu beachten, welche Abgrenzungsentscheidung das maßgebliche Berufsrecht trifft. Nach § 24 II BNotO ist anzunehmen, dass der als Rechtsanwalt zugelassene Notar als Notar tätig geworden ist, wenn er Handlungen der in § 24 I BNotO bezeichneten Art vornimmt, die dazu bestimmt sind, Amtsgeschäfte der in §§ 20 bis 23 BNotO bestimmten Art vorzubereiten oder auszuführen. Im Übrigen ist im Zweifel anzunehmen, dass der Anwaltsnotar als Rechtsanwalt tätig geworden ist. Solche Zweifel bestehen nach der Rechtsprechung allerdings dann nicht, wenn nach den objektiven Umständen, insbesondere der Art der Tätigkeit, eine Aufgabe zu erfüllen ist, die in den Bereich der notariellen Tätigkeit fällt, was dann der Fall ist, wenn nicht einseitige Interessenwahrnehmung, sondern eine neutrale, unparteiliche Berücksichtigung der Belange
50
Harders
1220
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
sämtlicher Beteiligter in Rede steht (BGH NJW-RR 2001, 1639 (1640)). In Fällen, in denen nach einem Anlageprospekt ein Treuhandkonto eines Rechtsanwalts und Notars zur Aufnahme von Anlagegeldern eingeschaltet wurde, hat die Rechtsprechung in jüngster Zeit die zugrunde liegende Tätigkeit als notarielle eingeordnet (BGH a. a. O., LG Frankfurt EWiR 2002, 713 mit Anm. Mues; LG Köln ZIP 2001, 1681 (1683)). Es ist allerdings allein die Pflicht des Berufsangehörigen, den beruflichen Zusammenhang herzustellen und das Anderkonto zu wählen, welches in Einklang mit dem maßgeblichen Berufsrecht steht (vgl. ausdrücklich die Pflicht des Anwaltsnotars, zu Beginn seiner Tätigkeit klarzustellen, ob er diese als Notar oder als Rechtsanwalt übernimmt, Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer, Ziffer I. 3. , DNotZ 1999, 258 (259)). 51
52
53
54
Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für interprofessionelle Sozietäten (Sozietäten zwischen Angehörigen der anderkontofähigen Berufe). Die interprofessionelle Sozietät muss festlegen, in welchem rechtlichen Rahmen sie das Mandat betreut und nach Maßgabe dieser Entscheidung das entsprechende Anderkonto wählen. Mangels entsprechender Bedingungen ist das Führen interprofessioneller Anderkonten nicht möglich (vgl. BuB-Gößmann, Rn. 2/284). Die Eigenschaft als Anderkonto kann nicht aufgehoben werden (Nr. 5 Bedingungen RA/Patentanwälte; Nr. 5 Bedingungen Notare; Nr. 4 Bedingungen WP/StB). Es ist also nicht zulässig, das Anderkonto in ein Eigenkonto umzuwandeln, aber ebenso nicht in ein Anderkonto einer anderen Berufsgruppe. Eine Ausnahme bilden insoweit nur die Rechtsanwälte und Patentanwälte einerseits und die Anwaltsnotare andererseits, bei denen die Umwandlung eines Rechtsanwaltsanderkontos in ein Notaranderkonto bzw. ein Patentanwaltsanderkonto und umgekehrt zulässig ist (Nr. 6 bzw. 5 S. 2 Bedingungen RA/Notare/ Patentanwälte). IV. Anderkontoformen. Anderkonten können als Einzelanderkonten (BuB-Gößmann, Rn. 2/266) oder auch Gemeinschaftsanderkonten nicht zwingend soziierter Berufsangehöriger ausgestaltet sein (Hellner, Rn. 45), wobei das Anderkonto einer Berufsgesellschaft im Sinne der jeweiligen Nr. 1 der Anderkontobedingungen in diesem Zusammenhang als Einzelkonto zu behandeln ist. Dies ergibt sich aus der Rechtsfähigkeit der Außengesellschaften, die der BGH mittlerweile auch für Gesellschaften des bürgerlichen Rechts anerkannt hat, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründen (BGHZ 146, 341). Grundsätzlich dient das Anderkonto der Aufbewahrung von Vermögenswerten eines Mandanten, die dem Kontoinhaber anvertraut wurden (vgl. die jeweilige Nr. 1 aller Bedingungen). Nur für Rechtsanwälte und Patentanwälte können sogenannte Sammelanderkonten eröffnet werden, die der Verwahrung von Vermögenswerten verschiedener Mandanten dienen (Nr. 1 II Bedingungen RA/PA). Sie dienen der Durchführung einer Vielzahl von Zahlungsvorgängen und sind daher typische Durchlaufkonten (Baumbach/Hopt AGB-Anderk Nr. 1 Rn. 2). Der Rechtsanwalt darf auf einem Sammelanderkonto allerdings Beträge über € 15.000 für einen einzelnen Mandanten nicht länger als einen Monat verwahren (§ 4 II S. 3 BORA, Nr. 5 Bedingungen RA/PA). Das Führen von Sammelanderkonten ist Notaren ausdrücklich (§ 54 b II S. 3 BeurkG) und Wirtschaftsprüfern durch die Pflicht untersagt, anvertraute fremde Vermögenswerte von anderem fremden Vermögen getrennt zu halten (§ 8 I S. 1 BS WP/vBP). Im Ergebnis führen auch Steuerberater keine Sammelanderkonten. Für diese ist das Führen dieser Konten zwar grundsätzlich berufsrechtlich zulässig, aber in der Praxis unüblich (BuB-Gößmann, Rn. 2/266). Die Anderkontenbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sehen deswegen Sammelanderkonten nicht vor.
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1221
V. Inhalt des Kontovertrages. 1. Grundsatz; Einbeziehung der Bedingungen. Anderkonten können alle Arten von Konten sein. Eine Begrenzung auf bestimmte Kontoformen ist nicht vorgesehen (Hellner, Rn. 9). Es gelten die allgemeinen Grundsätze für die jeweiligen Kontoarten, die aber durch die Anderkontenbedingungen modifiziert sein können. Die Bedingungen werden in der Regel durch einen besonderen Hinweis bei der Kontoeröffnung einbezogen. Bei der Eröffnung eines Anderkontos durch einen entsprechenden Berufsangehörigen darf das Kreditinstitut angesichts der Verkehrsüblichkeit der Einbeziehung der Bedingungen allerdings auch ohne besonderen Hinweis auf deren Geltung davon ausgehen, dass die Bedingungen dem Kontovertrag zugrunde gelegt werden sollen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding, § 38 Rn. 4). Aus dem Umkehrschluss zu Nr. 2 III Bedingungen RA/PA, Nr. 2 II Bedingungen WP/StB, Nr. 2 Satz 3 Bedingungen Notare folgt, dass bei der erstmaligen Eröffnung ein schriftlicher Antrag erforderlich ist, weitere Konten können dann ohne schriftlichen Antrag eingerichtet werden.
55
2. Debet. Ein Debet auf dem Anderkonto ist grundsätzlich möglich. Für einen Sollsaldo haftet im Verhältnis zum Kreditinstitut allein der Berufsangehörige. Er allein ist nach Nr. 1 der jeweiligen Bedingungen berechtigt und verpflichtet (OLG Düsseldorf WM 1989, 211 (212); Baumbach/Hopt AGB-Anderk Nr. 1 Rn. 2; BuB-Gößmann, Rn. 2/265; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding, § 38 Rn. 5; Hellner, Rn. 32; zweifelnd OLG München WM 1973, 438 (439)). Allerdings beruht angesichts des offenkundigen und definitionsimmanenten Zwecks des Anderkontos, fremde Vermögenswerte zu verwahren, die Überziehung letztlich auf einer (zusätzlichen) Vereinbarung zwischen Kontoinhaber und Bank (vgl. auch OLG München a. a. O.). Hat demzufolge der Kontoinhaber die Verfügung selbst veranlasst, etwa durch Überweisungsauftrag oder Ausstellen eines Schecks liegt hierin das Angebot auf Abschluss eines Darlehensvertrags (zutreffend Hellner, Rn. 32), welches durch die Belastung angenommen wird. Das Risiko einer nicht durch Guthaben gedeckten Verfügung trägt allein der Kontoinhaber. Es ist nicht Aufgabe der Bank, die Verfügungen des Kontoinhabers zu prüfen. Fehlt jedoch diese Veranlassung durch den Kontoinhaber, etwa bei Abbuchungen von Lastschriften, bei denen tatsächlich keine Einzugsermächtigung des Kontoinhabers vorlag, kommt ein entsprechender Vertrag nicht zustande.
56
3. Geldwäscherechtliche Anforderungen und Pflichten nach der Zinsinformationsverordnung. Die Regelungen der Bedingungen zur Kontoeröffnung in Ziffer 2. dienen im Wesentlichen der Durchsetzung der grundsätzlichen Pflicht des Kreditinstituts nach § 8 GwG (künftig § 4 V GwG n. F.), den Namen und die Anschrift des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, indem sie dem Kontoinhaber aufgeben, Namen und Anschrift desjenigen mitzuteilen, für dessen Rechnung er handelt. Diese Verpflichtung bestand auch nach den Änderungen des Geldwäschegesetzes durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz vom 08.08.2002 (BGBl. I S. 3105) fort, in welchem die anderkontofähigen Berufe nunmehr selbst gemäß § 3 GwG im Grundsatz den allgemeinen Identifizierungspflichten unterworfen wurden. Die Pflicht des Kreditinstutes nach § 8 GwG blieb durch die Neuregelung unberührt. Die Umsetzung der sog. 3. Geldwäscherichtlinie (Richtline 2005/60/ EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung) in das nationale Recht führt hier zu Modifikationen. § 5 II Nr. 3 GwG n.F. sieht nunmehr „vereinfachte Sorgfaltspflichten“ mit der Maßgabe vor, dass die Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten durch das kontoführende Kreditinstitut entfällt, sofern das Kreditinstitut die Angaben über die Identität des wirtschaftlich Berechtigten auf Nachfrage erhalten kann. Die Befreiung erfolgt im Hinblick auf die schon bestehende Verpflichtung der Anderkontoinhaber den wirtschaftlich Berechtigten, der aus Sicht des
57
Harders
1222
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Kontoinhabers Vertragspartner ist, zu identifizieren (vgl. BR-Drs., 168/08 S. 83 f.). Einer gesetzgeberischen Klärng bedurfte die Frage, ob die Inhaber von Anderkonten Zahlstellen im Sinne der Zinsinformationsverordnung (ZIV) sind. Die sehr allgemein gehaltene Definition in § 4 I und II ZIV lässt diese Einordnung zu. Allerdings könnte Inhaber von Anderkonten – ebenso wie jeder andere Inhaber eines Treuhandkontos – auch als Person im Sinne des § 2 I Ziffer 3 ZIV angesehen werden, die jedenfalls nicht Zahlstellen sind, da diesen Personen gerade eine Mitteilungspflicht gegenüber der Zahlstelle auferlegt wird. Die Finanzverwaltung schien dieser Ansicht zuzuneigen (vgl. Einführungsschreiben zur Zinsinformationsverordnung des Bundesministeriums der Finanzen vom 6.01.2005 Gz. IV C 1 – S 2000 – 363/04 Rz. 22: Dort wird das Beispiel eines Rechtsanwaltsanderkonto für eine Personengruppe genannt. Weitere Aussagen fehlen.) Die Abgrenzung der genannten Fälle scheint darin zu bestehen, dass jeder in Ausübung seines Berufs Handelnde Zahlstelle im Sinne der ZIV ist. Auch im Hinblick auf die allgemeine Verschwiegenheitspflicht der anderkontofährigen Berufe sah sich der Gesetzgeber veranlasst, diese Frage ausdrücklich zu klären. Im Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (Art. 6 Ziffer 4.) wird durch eine Änderung des § 102 Abs. 4 AO klargestellt, dass die Informationspflichten nach der ZIV unmittelbar bei dem Berufsträger selbst ansetzen und nicht etwa das Kreditinstitut selbst Zahlstelle mit der entsprechende Meldeverpflichtung ist (BR-Drucksache 220/07, S.140). 58
Sammelanderkonten der Rechtsanwälte und Patentanwälte sind von der Mitteilungspflicht ausgenommen (Nr. 2 II 2 Bedingungen RA/PA). Allerdings muss auf Verlangen der Bank Name und Anschrift der Berechtigten mitgeteilt werden. Diese Verwaltungsvereinfachung kann vor dem Hintergrund des Nachfragerechts der Bank und der Verpflichtung des Rechtsanwaltes/Patentanwaltes, nach Nr. 5 der Bedingungen RA/PA Werte, die 15.000 überschreiten, nicht länger als einen Monat auf dem Sammelanderkonto zu belassen, in Übereinstimmung mit dem GwG praktiziert werden (vgl. BuB- Gößmann, Rn. 2/296). Mit der Änderung des GwG wird diese Unterscheidung ihre Bedeutung verlieren (s.o. Rn. 57).
59
4. Trennungspflicht. Dem Grundsatz der Ausschließlichkeit folgend sehen auch die Anderkontobedingungen den Grundsatz der Trennung eigener und fremder Vermögenswerte vor, welche durch die Pflicht zur Zuführung zu Eigenkonten abgesichert wird (Nr.4 Bedingungen RA/PA, Nr. 4 Bedingungen Notare, Nr. 3 Bedingungen WP/StB). Diese ohnehin für jede Berufsgruppe schon berufsrechtlich existierende Pflicht (Rn. 44 ff.) wird so vertraglich abgesichert. Gleichzeitig dient die Regelung dem Interesse der Bank, auch tatsächlich nur hinsichtlich des Treugutes auf Aufrechnungs-, Zurückbehaltungsrecht und Pfandrecht zu verzichten. Die Bank hat daher bei nachhaltigen Verstößen die Befugnis, das Konto zu kündigen (BuB-Gößmann, Rn. 2/294). Zusätzlich gewährleistet die Trennungspflicht den Schutz des Treugebers und die Einhaltung der beruflichen Pflicht des Kontoinhabers, anvertraute Vermögenswerte vor dem Zugriff Dritter zu schützen (vgl. z.B. § 44 II S. 3 BO StB), da die Rechtsprechung für das Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) und das Widerspruchsrecht (§ 771 ZPO) fordert, dass das Konto ausschließlich zur Verwahrung anvertrauter Gelder eröffnet und genutzt wird (BGH WM 2003, 1641; 1996, 662, Rn. 30, 34).
60
5. Verfügungsbefugnis. Nur der Berufsangehörige als Kontoinhaber ist verfügungsbefugt. Eine Verfügungsbefugnis des Mandanten daneben gibt es nicht. Dies erklärt sich schon aus den Grundsätzen der fiduziarischen Vollrechtstreuhand, wird aber durch die Bedingungen in Nr. 1 Satz 3 Bedingungen RA/PA/WP/StB bzw. Nr. 1 Bedingungen Notare, wonach der Bank gegenüber allein der Kontoinhaber berechtigt und verpflichtet ist, klargestellt. Der Kreis der zulässigen Bevollmächtigten ist im Übrigen auf die anderkonto-
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1223
fähigen Berufsangehörigen beschränkt (Nr. 7 Bedingungen RA/PA, Nr. 5 Bedingungen WP/StB). Eine Ausnahme bilden die Bedingungen Notare, wo im Ergebnis die gesetzliche Regelung des § 54 b S. 1 und S. 3 BeurkG wiederholt wird (Rn. 44). Die Verfügungsbefugnis über Anderkonten von Berufsgesellschaften richtet sich nach der Vertretungsbefugnis der Gesellschaft, wie sie sich nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag ergibt (ebenso Gößmann, WM 2000, 857 (859)). Dies ist zwingende Folge der Zulassung von Berufsgesellschaften als Inhaber von Anderkonten.
61
6. Pflichten gegenüber dem Treugeber. Es bestehen grundsätzlich keine Rechtsbeziehungen der Bank zum Treugeber. Er kann daher weder verfügen noch die Leistung an sich fordern, noch Auskunft verlangen. Die Bank nimmt keine Kenntnis vom Rechtsverhältnis zwischen Kontoinhaber und Treugeber, insbesondere wird die Rechtmäßigkeit der Verfügungen des Kontoinhabers im Verhältnis zum Treugeber durch die Bank selbst dann nicht geprüft, wenn es sich um Überweisungen auf ein Eigenkonto handelt (vgl. LG Osnabrück WM 2007, 212 (214 f.) mit zustimmender Anm. Gößmann WuB I C 3). Diese sich bereits aus der Rechtsnatur des Anderkontos ergebenden Grundsätze werden nochmals ausdrücklich zum Inhalt der Vertragsbeziehungen zum Berufsangehörigen (Nrn. 8 und 9 Bedingungen RA/PA, Nrn. 6 und 7 Bedingungen Notare/WP/StB). Die Klauseln stellen gleichzeitig klar, dass der Kontovertrag über das Anderkonto keine Schutzwirkungen zugunsten des Treugebers entfaltet, auch wenn die Formulierung der Nr. 7 a. F., wonach die Bank nicht für den einem Dritten aus einer unrechtmäßigen Verfügung entstanden Schaden haftet, bei der Neufassung entfallen ist (Baumbach-Hopt AGB-Anderk Nr. 9 Rn.1), obwohl sie rechtlich nicht zu beanstanden war (ausdrücklich LG Berlin WM 1988, 1309). Gleichwohl können sich Schutzwirkungen aus weiteren Vereinbarungen ergeben, die zwischen Kontoinhaber und Bank im Zusammenhang mit dem Anderkonto getroffen wurden (vgl. BGH WM 1967, 1144; OLG Düsseldorf WM 1986, 637; ). Deliktische Ansprüche (§§ 823 ff BGB) bleiben unberührt. Insgesamt gelten die bereits zum Treuhandkonto dargestellten Grundsätze (Rn. 21).
62
7. Aufrechnungs-, Zurückbehaltungs- und Pfandrecht. Der für das offene Treuhandkonto prägende Verzicht der Bank auf Aufrechnungs-, Zurückbehaltungs- und Pfandrecht wird durch die Bedingungen ausformuliert. Vom Verzicht sind solche Forderungen ausgenommen, die in Bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind (Nr. 12 Bedingungen RA/PA, Nr. 10 Bedingungen Notare/WP/StB, vgl. OLG München WM 1992, 1732 (1735) für das offene Treuhandkonto: Rückbelastung eines Protestwechsels). Nach dem allgemein formulierten Wortlaut gilt dieser Verzicht nicht nur wegen Forderungen gegen den Kontoinhaber, sondern auch wegen Forderungen gegen den Treugeber (BuB-Gößmann, 2/313). Diese Beschränkung der Bank ist zutreffend, da gerade Anderkontoguthaben häufig mehrfacher treuhänderischer Bindung unterliegen (sog. mehrseitige Treuhand, vgl. BGHZ 109, 47 (51 ff.); typische Lage bei der Abwicklung des notariellen Grundstückkaufvertrages, bei dem Gläubiger des Verkäufers abzulösen sind, vgl. Brambring, DNotZ 1990, 615 (626)).
63
Ein Aufrechnungsverbot besteht nach den Bedingungen nur für die Bank, die Aufrechnung durch den Kontoinhaber ist nicht geregelt. Es gilt insoweit nichts anderes als beim Treuhandkonto (Rn. 25). Zu beachten ist zwar, dass das Berufsrecht (vgl. § 54 b III S. 8 BeurkG: Verrechnung von Anderkontoguthaben nur mit Kostenforderungen aus dem zugrunde liegenden Amtsgeschäft, dazu Weingärtner Rn. 171; § 4 III BORA: Keine Verrechnung eigener Forderungen mit Geldern, die zweckgebunden zur Auszahlung an andere als den Mandanten bestimmt sind; § 8 II BO WP/vBP mit Ausnahme der ausdrücklichen Ermächtigung) und auch in der Regel der Inhalt der Treuhandabreden
64
Harders
1224
65
66
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
(OLG Dresden ZIP 1998, 1498) die Aufrechnungsbefugnisse weitgehend einschränken. Die Beachtung des Berufsrechtes ist aber allein Aufgabe des Berufsangehörigen, soweit es nicht über die Anderkontobedingungen Eingang in den Kontovertrag gefunden hat. Das ist aber für die Aufrechung des Berufsangehörigen gerade nicht der Fall. Deswegen ist eine pflichtwidrig erklärte Aufrechnung wirksam (a. A. BuB-Gößmann, Rn. 2/318). Sie führt aber zu Schadensersatzverpflichtungen des Treuhänders gegenüber dem Treugeber. 8. Abtretungs- und Verpfändungsverbot. Nach den Anderkontenbedingungen sind Ansprüche aus Anderkonten nicht abtretbar und nicht verpfändbar (Nr. 10 Bedingungen RA/PA; Nr. 8 Bedingungen Notare/WP/StB). Es handelt sich um ein vertragliches Abtretungsverbot (§ 399 2. Alt BGB). Abtretungen sind damit jedem Dritten gegenüber unwirksam (BGHZ 102, 293 (301); a. A. Hellner, Rn. 83: relative Unwirksamkeit allerdings im Anschluss an die frühere Rechtsprechung des RG, RGZ 148, 110). Das Verbot der Verpfändung folgt wegen der Unübertragbarkeit der Forderungen bereits aus § 1274 II BGB, weswegen der Hinweis auf das Verpfändungsverbot der Klarstellung dient (Hellner, Rn. 84). Das Verbot bezweckt den Schutz des Mandanten und soll daher auch nicht durch ausdrückliche Vereinbarung beseitigt werden können (BuB-Gößmann, Rn. 2/321; Hellner, Rn. 83). Das Abtretungsverbot wirft die Frage nach der Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft auf (Rn. 71). 9. Rechtsnachfolge. Im Falle des Todes des Berufsangehörigen fällt das Anderkonto nicht in den Nachlass, sondern der zuständigen Berufskammer (bzw. bei Patentanwälten dem Patentamt) oder einer von ihr benannten Person und zuletzt der Person zu, die nach dem jeweiligen Berufsrecht die Abwicklung bzw. Verwaltung der schwebenden Angelegenheiten übernimmt. Dies sind für Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater die sog. Abwickler (§ 55 II BRAO, § 48 PAO, § 70 StBerG, ein Kanzleiabwickler ist nach OLG Karlsruhe BRAK-Mitt. 2004, 284 hinsichtlich des vom verwalteten RA-Anderkontos Rechtsnachfolger im Sinne des § 727 ZPO; für Steuerberater kann u. U. auch ein Praxistreuhänder bestellt werden, § 71 I StBerG), bei Notaren der Notariatsverwalter (§ 56 I und II BNotO). Gleiches gilt, wenn der Berufsangehörige infolge Erlöschens seiner beruflichen Zulassung bzw. bei Notaren seines Amtes nicht mehr dem jeweiligen Berufsstand angehört (Nr. 13 Bedingungen RA/PA; Nr. 11 IV Bedingungen Notare; Nr. 11 Bedingungen WP/StB). Bei Wirtschaftsprüfern ist zumindest bei sofortiger Vollziehung des Widerrufs der Zulassung und bei Berufsverbot im Falle eines entsprechenden Bedürfnisses die Bestellung eines Vertreters vorgesehen (§§ 20 VII, 121 WPO), im Übrigen ist die von der Wirtschaftsprüferkammer benannte Person berechtigt. Im Fall der vorläufigen Amtsenthebung eines Notars kann ein Notariatsverwalter oder ein Vertreter bestellt werden (§ 56 IV BNotO). Bis zur Bestellung eines Notariatsverwalters ist der vorläufig amtsenthobene Notar zwar Kontoinhaber, aber nicht verfügungsberechtigt (§ 55 II BNotO, Nr. 11 III Bedingungen Notare). Überweisungsaufträge eines vorläufig seines Amtes enthobenen Notars sind, da § 55 II Satz 3 BNotO eine absolut wirkende Verfügungsbeschränkung enthält, unabhängig vor der Kenntnis oder dem Kennenmüssen des beauftragten Kreditinstituts gemäß § 134 BGB unwirksam (BGH DNotZ 2006, 201). Rechtskonstruktiv handelt es sich bei dem Übergang der Anderkonten auf die in den Bedingungen bezeichneten Kammern und Personen um einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB, Canaris, Rn. 294 a), wie es noch ausdrücklich in Nr. 13 Bedingungen a. F. geregelt war. Nicht umfasst ist ein Übergang eines Debets auf dem Anderkonto, da ein solches Debet der Vereinbarung zwischen Bank und Kontoinhaber bedarf (vgl. Rn. 56) und dadurch zur persönlichen Schuld des ursprünglichen Kontoinhabers geworden ist (zutreffend BuBGößmann, Rn. 2/229).
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1225
VI. Zwangsvollstreckung und Insolvenz. 1. Kontoinhaber. Für Zwangsvollstreckung und Insolvenz des Kontoinhabers gelten die zum Treuhandkonto dargestellten Regeln. Der Treugeber ist berechtigt, nach § 47 InsO auszusondern bzw. nach § 771 ZPO der Pfändung zu widersprechen. Zu dem Fall der Zwangsvollstreckung regeln die Bedingungen, dass die Bank den pfändenden Gläubiger im Rahmen der Drittschuldnererklärung (§ 840 ZPO) auf die Eigenschaft als Anderkonto hinweisen wird. Die Vorläuferbestimmung in Nr. 14 Bedingungen a. F. sah demgegenüber vor, dass die Bank Anderkonten nur dann von der Pfändung als betroffen ansieht, wenn dies aus der Pfändungsurkunde ausdrücklich hervorgeht. Diese Klausel sollte nie den Kreis der gepfändeten Forderungen beschränken, sondern nur den klarstellen, dass Anderkonten im Normalfall nicht dem Zugriff des Gläubigers unterliegen und daher allgemein nicht durch die Pfändung erfasst sein sollen (Hellner, Rn. 144). Mit der in der neuen Fassung der Bedingungen vorgesehenen Mitteilung der Eigenschaft des Kontos als Anderkonto erfüllt die Bank ihre Pflichten im Rahmen der Drittschuldnererkärung (§ 840 I Nr.2 ZPO; Gößmann, WM 2000, 857 (863)). Dem Schutzzweck dieser Erklärung entsprechend (vgl. Zöller-Stöber, § 840 Rn. 1) wird gleichzeitig dem pfändenden Gläubiger die Möglichkeit gegeben, im Hinblick auf das mit dem Anderkonto verbundene Widerspruchsrecht des Treugebers seine weitere Vorgehensweise zu bedenken.
67
Regelungen zur Insolvenz des Kontoinhabers sehen die Anderkontobedingungen nicht (mehr) vor. Nach Nr. 15 a. F. war als Folge der Insolvenz des Kontoinhabers eine gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis von Kontoinhaber und Konkursverwalter vorgesehen. Diese vor dem Hintergrund der fehlenden Massezugehörigkeit des Treugutes als (unzulässiger) Vertrag zu Lasten Dritter kritisierte Regelung (Hadding, FS Schippel, S. 170; Staudinger-Hopt/Mülbert, Vorbem. zu § 607 ff. Rn. 205) ist ersatzlos entfallen. Von einer Umschreibung auf den Treugeber sollte bei Insolvenz des Kontoinhabers allerdings abgesehen werden (a. A. Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding, § 38 Rn. 8), da einerseits die Umwandlung von Anderkonten nach den Bedingungen unzulässig ist (Rn. 52) und andererseits die Bank die zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse gerade nicht kennt (Rn. 62). Fälle der Insolvenz werden letztlich nach den Regeln der Bedingungen über die Rechtsnachfolge zu behandeln sein, da bei allen anderkontofähigen Berufen die Insolvenz den Widerruf der Zulassung bzw. Notaren die Amtsenthebung zur Folge hat (§ 50 Nr. 6 BNotO, § 14 II Nr. 7 BRAO, § 20 II Nr.5 WPO, § 21 II Nr. 8 PAO, § 46 II Nr. 4 StberG). Soweit im Einzelfall die Insolvenz nicht zum Erlöschen der Berufszugehörigkeit führt, ist auch von einer unverändert fortbestehenden (alleinigen) Verfügungsbefugnis des Berufsangehörigen über das Anderkonto auszugehen. Denn in diesem Fall hat die zuständige Berufsaufsicht festgestellt, dass die Belange der Mandanten nicht gefährdet sind.
68
2. Treugeber. Aufgrund eines Titels gegen den Treugeber kann wie beim Treuhandkonto nicht in das Anderkonto gepfändet werden (Rn. 35). Die Insolvenz des Treugebers führt zum Erlöschen des Treuhandverhältnisses (§§ 115, 116 InsO). Der Insolvenzverwalter hat seine Ansprüche aber ausschließlich im Verhältnis zum Treuhänder geltend zu machen. Unmittelbare Ansprüche gegen die Bank bestehen nicht (vgl. Rn. 35).
69
C. Beweislast und prozessuale Besonderheiten
70
I. Beweislast. Die Beweislast für die Vereinbarung eines offenen Treuhandkontos trifft den Kontoinhaber, da er Rechte aus dem Ausschluss des im Übrigen regelmäßig entstehenden Pfand- und Aufrechnungsrechts behauptet (BGHZ 61, 72 (78)). Gleiches gilt für das Anderkonto schon aus der Erwägung heraus, dass dem Berufsangehörigen zuzumuten ist, nach Eröffnung des Anderkontos zu kontrollieren, ob es hinreichend als Anderkonto bezeichnet ist. Bei einer Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Treuhänders in das Treuhandkonto
Harders
1226
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
trifft im Rahmen eines Widerspruches nach § 771 ZPO die Beweislast für das Vorliegen eines Treuhandkontos den Treugeber, wobei an den Nachweis der Treuguteigenschaft des Kontoguthabens strenge Anforderungen zu stellen sind (BGH WM 1993, 1524). Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches des Treugebers aus § 826 BGB gegen die Bank, wenn diese trotz Kenntnis der Treuhandeigenschaft des Kontoguthabens ein Pfandrecht an diesem entstehen lässt (vgl. Rn. 18), hat der Treugeber darzulegen und zu beweisen. Soweit sich in diesem Zusammenhang die Bank zu Unrecht auf das Bankgeheimnis berufen sollte, kommen dem Treugeber Beweiserleichterungen hinsichtlich Schadenseintritt und -höhe zugute (BGH WM 1990, 1954 (1955f.)). 71
II. Prozessuale Besonderheiten. Beim Anderkonto ist umstritten, ob vor dem Hintergrund des Abtretungsverbotes in den Bedingungen (Nr. 10 Bedingungen RA/PA; Nr. 8 Bedingungen Notare/WP/StB) eine gewillkürte Prozessstandschaft zulässig ist (ablehnend BuB-Gößmann, Rn. 2/322). Das OLG Köln (WM 1987, 1279 (1280)) hat eine gewillkürte Prozessstandschaft zumindest in dem Fall als zulässig erachtet, in dem das Treuhandverhältnis infolge der Insolvenz des Treugebers erloschen und nur noch abzuwickeln war. In diesem Fall steht der Zweck des Abtretungsverbotes der AnderkontoBedingungen, die Belange der Bank zu schützen, der gewillkürten Prozessstandschaft nicht mehr entgegen.
72
D. Anhang I. Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Rechtsanwälten und Gesellschaften von Rechtsanwälten Begriffsbestimmungen 1. I Für Rechtsanwälte oder Gesellschaften von Rechtsanwälten (im Weiteren: „Kontoinhaber“) werden Anderkonten und Anderdepots (beide im folgenden „Anderkonten“ genannt) eingerichtet. Diese dienen der Verwahrung von Vermögenswerten eines Mandanten, die dem Kontoinhaber anvertraut wurden. Der Bank gegenüber ist nur der Kontoinhaber berechtigt und verpflichtet. II Ein Sammelanderkonto dient der Verwahrung von Vermögenswerten verschiedener Mandanten. Kontoeröffnung 2. I Bei jeder Kontoeröffnung ist der Kontoinhaber verpflichtet, den Namen und die Anschrift desjenigen mitzuteilen, für dessen Rechnung er handelt (wirtschaftlich Berechtigter). Wird das Anderkonto vom Kontoinhaber für einen anderen als den nach Satz 1 benannten wirtschaftlich Berechtigten wiederverwendet, ist der Kontoinhaber verpflichtet, unverzüglich Name und Anschrift des neuen wirtschaftlich Berechtigten schriftlich mitzuteilen. II Beantragt der Kontoinhaber die Eröffnung eines Sammelanderkontos, so ist dieses als „Sammelanderkonto“ kenntlich zu machen. Nr. 2 I gilt nicht für Sammelanderkonten, jedoch ist der Kontoinhaber auf Verlangen der Bank verpflichtet, Namen und Anschrift des oder der wirtschaftlich Berechtigten schriftlich mitzuteilen. III Auf Wunsch des Kontoinhabers kann die Bank weitere Anderkonten auch ohne schriftlichen Kontoeröffnungsantrag einrichten. 3. Ist der Rechtsanwalt auch Notar (Anwaltsnotar, Notaranwalt) oder Patentanwalt, so führt die Bank seine Anderkonten als Rechtsanwalts-Anderkonten, sofern er nicht beantragt hat, ein Anderkonto als Notar- oder als Patentanwalts-Anderkonto zu führen. Kontoführung 4. Der Kontoinhaber darf Werte, die seinen eigenen Zwecken dienen, nicht einem Anderkonto zuführen oder auf einem Anderkonto belassen. Diese Werte sind auf ein Eigenkonto zu übertragen. 5. Der Kontoinhaber sorgt dafür, dass auf einem Sammelanderkonto in der Regel Werte über 15.000 9 für einen einzelnen Mandanten nicht länger als einen Monat verbleiben.
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1227
6. Die Eigenschaft eines Kontos als Anderkonto kann nicht aufgehoben werden. Ist der Rechtsanwalt auch Notar (Anwaltsnotar, Notaranwalt) oder Patentanwalt, so kann er bestimmen, dass ein Anderkonto in Zukunft als Notar- oder als Patentanwalts-Anderkonto zu führen ist. 7. Eine Kontovollmacht darf der Kontoinhaber nur einem Rechtsanwalt, Notar, Notarassessor, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten erteilen. 8. Die Bank nimmt unbeschadet der Regelung in Nr. 2 I keine Kenntnis vom Rechtsverhältnis zwischen Kontoinhaber und seinem Mandanten. Rechte des Mandanten auf Leistung aus einem Anderkonto oder auf Auskunft über ein Anderkonto bestehen der Bank gegenüber nicht; die Bank ist demgemäß nicht berechtigt, dem Mandanten Verfügungen über ein Anderkonto zu gestatten oder Auskunft über das Anderkonto zu erteilen, selbst wenn nachgewiesen wird, dass das Konto im Interesse des Mandanten errichtet worden ist. 9. Die Bank prüft die Rechtmäßigkeit der Verfügungen des Kontoinhabers in seinem Verhältnis zu Dritten nicht, auch wenn es sich um Überweisungen von einem Anderkonto auf ein Eigenkonto handelt. 10. Ansprüche gegen die Bank aus Anderkonten sind nicht abtretbar und nicht verpfändbar. 11. Im Falle der Pfändung wird die Bank den pfändenden Gläubiger im Rahmen der Drittschuldnererklärung auf die Eigenschaft als Anderkonto hinweisen. 12. Die Bank wird bei einem Anderkonto weder das Recht der Aufrechnung noch ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht geltend machen, es sei denn wegen Forderungen, die in Bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind. Rechtsnachfolge 13. I Wird das Anderkonto als Einzelkonto für einen Rechtsanwalt geführt, so wird im Falle seines Todes die zuständige Rechtsanwaltskammer oder die von ihr bestimmte Person Kontoinhaber, bis die Landesjustizverwaltung einen Abwickler bestellt. II I gilt entsprechend, wenn der Kontoinhaber infolge Zurücknahme oder Erlöschens seiner Zulassung aus der Rechtsanwaltschaft ausscheidet oder gegen ihn ein Berufs- oder Vertretungsverbot verhängt ist. Wird im Falle eines Berufs- oder Vertretungsverbots von der Landesjustizverwaltung ein Vertreter für den Kontoinhaber bestellt, so tritt dieser an die Stelle der in I genannten Personen. Die Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Rechtsanwalts wird durch ein Berufs- oder Vertretungsverbot nicht berührt (§ 155 V BRAO).
II. Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Notaren Begriffsbestimmungen 1. Für Notare werden Anderkonten und Anderdepots (beide im Folgenden „Anderkonten“ genannt) als Sonderkonten für fremde Gelder und Wertpapiere, die ihnen als Notare anvertraut wurden, eingerichtet. Der Bank gegenüber ist nur der Notar berechtigt und verpflichtet. Kontoeröffnung 2. Bei jeder Kontoeröffnung ist der Notar verpflichtet, den Namen und die Anschrift desjenigen mitzuteilen, für dessen Rechnung er handelt. Wird das Anderkonto vom Notar für einen anderen als den nach Satz 1 benannten wirtschaftlich Berechtigten wiederverwendet, ist der Notar verpflichtet, unverzüglich Name und Anschrift des neuen wirtschaftlich Berechtigten schriftlich mitzuteilen. Auf Wunsch des Notars kann die Bank weitere Anderkonten auch ohne schriftlichen Kontoeröffnungsantrag einrichten. 3. Ist der Notar auch Rechtsanwalt (Anwaltsnotar), so führt die Bank das Anderkonto als Rechtsanwaltsanderkonto, sofern er nicht beantragt hat, das Anderkonto als Notaranderkonto zu führen. Kontoführung 4. Der Notar darf Werte, die ihm nicht als Notar anvertraut wurden, nicht einem Anderkonto zuführen oder auf einem Anderkonto belassen.
Harders
73
1228
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
5. Die Eigenschaft eines Kontos als Anderkonto kann nicht aufgehoben werden. Ist der Notar auch Rechtsanwalt (Anwaltsnotar), so kann er bestimmen, dass ein Anderkonto in Zukunft als Rechtsanwaltsanderkonto zu führen ist. 6. Die Bank nimmt unbeschadet der Regelung in Nr. 2 Satz 1 und 2 keine Kenntnis davon, wer bei einem Anderkonto Rechte gegen den Notar geltend zu machen befugt ist. Rechte Dritter auf Leistung aus einem Anderkonto oder auf Auskunft über ein Anderkonto bestehen der Bank gegenüber nicht; die Bank ist demgemäß nicht berechtigt, einem Dritten Verfügungen über ein Anderkonto zu gestatten oder Auskunft über das Anderkonto zu erteilen, selbst wenn nachgewiesen wird, dass das Konto im Interesse des Dritten errichtet worden ist. 7. Die Bank prüft die Rechtmäßigkeit der Verfügungen des Notars in seinem Verhältnis zu Dritten nicht, auch wenn es sich um Überweisungen von einem Anderkonto auf ein Eigenkonto handelt. 8. Ansprüche gegen die Bank aus Anderkonten sind nicht abtretbar und nicht verpfändbar. 9. Im Falle der Pfändung wird die Bank den pfändenden Gläubiger im Rahmen der Drittschuldnererklärung auf die Eigenschaft als Anderkonto hinweisen. 10. Die Bank wird bei einem Anderkonto weder das Recht der Aufrechnung noch ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht geltend machen, es sei denn wegen Forderungen, die in Bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind. Verfügungsbefugnis und Rechtsnachfolge 11. I Über das Notaranderkonto darf nur der Notar persönlich, dessen amtlich bestellter Vertreter oder der Notariatsverwalter oder eine sonstige nach § 54 b III BeurkG berechtigte Person verfügen. II Wenn der Notar oder Notariatsverwalter aus rechtlichen Gründen (z. B. Erlöschen des Amtes, Verlegung des Amtssitzes, vorläufige Amtsenthebung) an der Amtsausübung gehindert ist, endet seine Verfügungsbefugnis. III Nach einer vorläufigen Amtsenthebung steht die Verfügungsbefugnis dem von der Landesjustizverwaltung wegen der Amtsenthebung bestellten Vertreter oder Notariatsverwalter zu, vor dessen Bestellung der zuständigen Notarkammer. Bis zur Bestellung eines Vertreters oder Notariatsverwalters bleibt der Notar Kontoinhaber ohne Verfügungsbefugnis (§ 55 II 3 BNotO). Mit der Bestellung wird der Notariatsverwalter Kontoinhaber (§ 58 I BNotO). IV In den übrigen Fällen wird die zuständige Notarkammer Kontoinhaber, bis die Landesjustizverwaltung einen Notariatsverwalter bestellt oder einem anderen Notar die Verfügungsbefugnis übertragen hat (§ 54 b III 2 BeurkG). Einzelverwahrung von fremden Wertpapieren und Kostbarkeiten 12. Für die Einzelverwahrung von fremden Wertpapieren und Kostbarkeiten, die nicht unter Verwendung eines Anderkontos erfolgt, gelten auf Antrag des Notars die vorstehenden Bedingungen mit Ausnahme von Nr. 2 sinngemäß.
74
III. Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Angehörigender öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe Begriffsbestimmungen 1. Für Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Buchprüfungsgesellschaften und Steuerberatungsgesellschaften (im Weiteren: „Kontoinhaber“) werden Anderkonten und Anderdepots (beide im Folgenden „Anderkonten“ genannt) eingerichtet. Diese dienen der Verwahrung von Vermögenswerten eines Mandanten, die dem Kontoinhaber anvertraut wurden. Der Bank gegenüber ist nur der Kontoinhaber berechtigt und verpflichtet. Kontoeröffnung 2. I Bei jeder Kontoeröffnung ist der Kontoinhaber verpflichtet, den Namen und die Anschrift desjenigen mitzuteilen, für dessen Rechnung er handelt (wirtschaftlich Berechtigter). Wird das
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto
1229
Anderkonto vom Kontoinhaber für einen anderen als den nach Satz 1 benannten wirtschaftlich Berechtigten wiederverwendet, ist der Kontoinhaber verpflichtet, unverzüglich Name und Anschrift des neuen wirtschaftlich Berechtigten schriftlich mitzuteilen. Auf Wunsch des Kontoinhabers kann die Bank weitere Anderkonten auch ohne schriftlichen Kontoeröffnungsantrag einrichten. Kontoführung 3. Der Kontoinhaber darf Werte, die seinen eigenen Zwecken dienen, nicht einem Anderkonto zuführen oder auf einem Anderkonto belassen. Diese Werte sind auf ein Eigenkonto zu übertragen. 4. Die Eigenschaft eines Kontos als Anderkonto kann nicht aufgehoben werden. 5. Eine Kontovollmacht darf der Kontoinhaber nur einem Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Rechtsanwalt, Notar, Notarassessor oder Patentanwalt erteilen. 6. Die Bank nimmt unbeschadet der Regelung in Nr. 2 Satz 1 und 2 keine Kenntnis vom Rechtsverhältnis zwischen Kontoinhaber und seinem Mandanten. Rechte des Mandanten auf Leistung aus einem Anderkonto oder auf Auskunft über ein Anderkonto bestehen der Bank gegenüber nicht; die Bank ist demgemäß nicht berechtigt, dem Mandanten Verfügungen über ein Anderkonto zu gestatten oder Auskunft über das Anderkonto zu erteilen, selbst wenn nachgewiesen wird, dass das Konto im Interesse des Mandanten errichtet worden ist. 7. Die Bank prüft die Rechtmäßigkeit der Verfügungen des Kontoinhabers in seinem Verhältnis zu Dritten nicht, auch wenn es sich um Überweisungen von einem Anderkonto auf ein Eigenkonto handelt. 8. Ansprüche gegen die Bank aus Anderkonten sind nicht abtretbar und nicht verpfändbar. 9. Im Falle der Pfändung wird die Bank den pfändenden Gläubiger im Rahmen der Drittschuldnererklärung auf die Eigenschaft als Anderkonto hinweisen. 10. Die Bank wird bei einem Anderkonto weder das Recht der Aufrechnung noch ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht geltend machen, es sei denn wegen Forderungen, die in Bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind. Rechtsnachfolge 11. I Wird das Anderkonto als Einzelkonto für einen Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten geführt, so wird im Falle seines Todes die zuständige Berufskammer oder die von ihr bestimmte Person Kontoinhaber, bis die zuständige Berufskammer einen Abwickler bestellt. II I gilt entsprechend, wenn der Kontoinhaber infolge Zurücknahme oder Erlöschens seiner Zulassung aus dem Personenkreis der Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausscheidet oder gegen ihn ein Berufs- oder Vertretungsverbot verhängt ist. Wird im Falle eines Berufs- oder Vertretungsverbots von der zuständigen Berufskammer ein Vertreter für den Kontoinhaber bestellt, so tritt dieser an die Stelle der in I genannten Personen. Die Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Wirtschaftsprüfers, vereidigten Buchprüfers, Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten wird durch ein Berufs- oder Vertretungsverbot nicht berührt (§ 144 IV Wirtschaftsprüferordnung; § 139 V StBerG).
IV. Sonderbedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Patentanwälten und Gesellschaften von Patentanwälten Begriffsbestimmungen 1. I Für Patentanwälte oder Gesellschaften von Patentanwälten (im Weiteren: „Kontoinhaber“) werden Anderkonten und Anderdepots (beide im Folgenden „Anderkonten“ genannt) eingerichtet. Diese dienen der Verwahrung von Vermögenswerten eines Mandanten, die dem Kontoinhaber anvertraut wurden. Der Bank gegenüber ist nur der Kontoinhaber berechtigt und verpflichtet.
Harders
75
1230
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
II Ein Sammelanderkonto dient der Verwahrung von Vermögenswerten verschiedener Mandanten.
Kontoeröffnung 2. I Bei jeder Kontoeröffnung ist der Kontoinhaber verpflichtet, den Namen und die Anschrift desjenigen mitzuteilen, für dessen Rechnung er handelt (wirtschaftlich Berechtigter). Wird das Anderkonto vom Kontoinhaber für einen anderen als den nach Satz 1 benannten wirtschaftlich Berechtigten wiederverwendet, ist der Kontoinhaber verpflichtet, unverzüglich Name und Anschrift des neuen wirtschaftlich Berechtigten schriftlich mitzuteilen. II Beantragt der Kontoinhaber die Eröffnung eines Sammelanderkontos, so ist dieses als „Sammelanderkonto“ kenntlich zu machen. Nr. 2 I 2 gilt nicht für Sammelanderkonten, jedoch ist der Kontoinhaber auf Verlangen der Bank verpflichtet, Namen und Anschrift des oder der wirtschaftlich Berechtigten schriftlich mitzuteilen. III Auf Wunsch des Kontoinhabers kann die Bank weitere Anderkonten auch ohne schriftlichen Kontoeröffnungsantrag einrichten. 3. Ist der Patentanwalt auch Rechtsanwalt, so führt die Bank seine Anderkonten als Rechtsanwalts- Anderkonten, sofern er nicht beantragt hat, ein Anderkonto als Patentanwalts-Anderkonto zu führen. Kontoführung 4. Der Kontoinhaber darf Werte, die seinen eigenen Zwecken dienen, nicht einem Anderkonto zuführen oder auf einem Anderkonto belassen. Diese Werte sind auf ein Eigenkonto zu übertragen. 5. Der Kontoinhaber sorgt dafür, dass auf einem Sammelanderkonto in der Regel Werte über 15.000 9 für einen einzelnen Mandanten nicht länger als einen Monat verbleiben. 6. Die Eigenschaft eines Kontos als Anderkonto kann nicht aufgehoben werden. Ist der Patentanwalt auch Rechtsanwalt, so kann er bestimmen, dass ein Anderkonto in Zukunft als Rechtsanwalts- Anderkonto zu führen ist. 7. Eine Kontovollmacht darf der Kontoinhaber nur einem Patentanwalt, Rechtsanwalt, Notar, Notarassessor, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten erteilen. 8. Die Bank nimmt unbeschadet der Regelung in Nr. 2 I keine Kenntnis vom Rechtsverhältnis zwischen Kontoinhaber und seinem Mandanten. Rechte des Mandanten auf Leistung aus einem Anderkonto oder auf Auskunft über ein Anderkonto bestehen der Bank gegenüber nicht; die Bank ist demgemäß nicht berechtigt, dem Mandanten Verfügungen über ein Anderkonto zu gestatten oder Auskunft über das Anderkonto zu erteilen, selbst wenn nachgewiesen wird, dass das Konto im Interesse des Mandanten errichtet worden ist. 9. Die Bank prüft die Rechtmäßigkeit der Verfügungen des Kontoinhabers in seinem Verhältnis zu Dritten nicht, auch wenn es sich um Überweisungen von einem Anderkonto auf ein Eigenkonto handelt. 10. Ansprüche gegen die Bank aus Anderkonten sind nicht abtretbar und nicht verpfändbar. 11. Im Falle der Pfändung wird die Bank den pfändenden Gläubiger im Rahmen der Drittschuldnererklärung auf die Eigenschaft als Anderkonto hinweisen. 12. Die Bank wird bei einem Anderkonto weder das Recht der Aufrechnung noch ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht geltend machen, es sei denn wegen Forderungen, die in Bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind. Rechtsnachfolge 13. I Wird das Anderkonto als Einzelkonto für einen Patentanwalt geführt, so wird im Falle seines Todes das Patentamt oder die von ihr bestimmte Person Kontoinhaber, bis der Präsident des Patentamts einen Abwickler bestellt.
Harders
§ 41 Treuhand- und Anderkonto II
1231
I gilt entsprechend, wenn der Kontoinhaber infolge Zurücknahme oder Erlöschens seiner Zulassung aus der Patentanwaltschaft ausscheidet oder gegen ihn ein Berufs- oder Vertretungsverbot verhängt ist. Wird im Falle eines Berufs- oder Vertretungsverbots vom Präsidenten des Patentamtes ein Vertreter für den Kontoinhaber bestellt, so tritt dieser an die Stelle der in I genannten Personen. Die Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Patentanwalts wird durch ein Berufs- oder Vertretungsverbot nicht berührt (§ 137 V Patentanwaltsordnung).
Harders
“This page left intentionally blank.”
§ 42 Gemeinschafts- und Sperrkonto
1233
§ 42 Gemeinschafts- und Sperrkonto
Schrifttum Bork, Die Errichtung von Konten- und Depotsperren, NJW 1981, 905; Fichtelmann, Gemeinschaftskonten von Ehegatten. Konsequenzen des Oder-Kontos für das Steuerrecht, EStB 2004, 454; Gernhuber, OderKonten von Ehegatten, WM 1997, 645; Gorski, Das Bundesverfassungsgericht und das Oderkonto, DStZ 1996, 137; Hadding, Zur aktuellen Rechtslage bei Gemeinschaftskonten, WM Festgabe Th. Hellner, Sonderheft Mai 1994, 4; Köndgen, Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1992–1995, NJW 1996, 558; ders., Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1999–2003, NJW 2004, 1288; Kollhosser, Die Verfügungsbefugnis bei sog. Sperrkonten, ZIP 1984, 389; Meier, Die Gesamtgläubigerschaft – ein unbekanntes, weil überflüssiges Wesen?, AcP 205 (2005), 858; Münch, Streit um Bankkonten und Wertpapierdepots nach Trennung und Scheidung, FPR 2006, 481; Niehues/Kränke, Die steuer- und zivilrechtlichen Probleme von Oder-Konten, insbesondere im Erbfall, DB 1996, 1158; Oechsler, Die Entwicklung des privaten Bankrechts im Jahr 2004, NJW 2005, 1406; Rieder, Rechtsfragen bei Gemeinschaftskonten, WM 1987, 29; Schmidt, Das Gemeinschaftskonto, in: FS Hadding 2004, 1093. Inhaltsübersicht A. Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Oder-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1. Begriffsbestimmung und Verbreitung . . . . 2 2. Festlegung bei Kontoeröffnung. . . . . . . . . 3 3. Rechtswirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 II. Und-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Begriffsbestimmung und Verbreitung . . 18 2. Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Sperrkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Begriffsbestimmung und Verbreitung . . . . . 28 II. Entstehung von Sperrkonten . . . . . . . . . . . . 30 1. Interner Sperrvermerk . . . . . . . . . . . . . . 30
2. Externer Sperrvermerk . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsgeschäftliche Vereinbarung . . . . . III. Rechtswirkungen der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung . . . . . . . . . . . 1. Sperre, Zession und Verpfändung . . . . . 2. Schuldrechtliche Wirkung . . . . . . . . . . . IV. Rechtsstellung des Begünstigten . . . . . . . . 1. Verfügungen ohne Zustimmung . . . . . . 2. Stellung im Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . .
31 32 33 33 34 36 36 37 39
Stichwortverzeichnis Absonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 40 Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 22 Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Ausgleichsanspruch (im Innenverhältnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 11, 12 Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Aussonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Bauverwendungskonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Börsentermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . . . . 19, 21, 22, 23, 24 Dingliche Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 35, 38, 40 Drittwiderspruchsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 38 Einzelverfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 4 Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 27 Externer Sperrvermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 23 Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis . . . . . . . . 19 Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Gesamthandsgemeinschaft . . . . . . . 19, 21, 22, 23, 24 Gesamthandsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Gesamtschuldner(schaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 21 Gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . 21 Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 21 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 24, 39 Interner Sperrvermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kontoeröffnungsformular . . . . . . 3, 7, 14, 16, 20, 26 Kontoüberziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Miterbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Miturheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Oder-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2-17 Pfändungsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rechtsgeschäftliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . 32 Rechtsstellung des Begünstigten . . . . . . . . . . . .36-39 Rechtswirkungen – Oder-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4-17 – Und-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19-27 Rechtswirkungen der rg. Vereinbarung . . . . . . .33-35 Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Schenkung auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Schuldrechtliche Wirkung . . . . . . . . . . . . . 34, 37, 39 Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 33 Sonderkündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Sparkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Sperrkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28-40 Umwandlung – in Oder-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – in Und-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Und-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18-27 Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Verfügungsbefugnis im Todesfall . . . . . . . . . . 15, 26 Verfügungsbeschränkung(en) . . . . . . . . . . . . . 28, 31 Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 33 Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 36 Vorzugsweise Befriedigung . . . . . . . . . . . . . . . 37, 38 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . 9, 37
Hucke
1234
1
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
A. Gemeinschaftskonto Zu den zentralen Bankgeschäften gehört das Einlagengeschäft gem. § 1 I 2 Nr. 1 KWG. Es definiert sich als Annahme fremder Gelder oder anderer rückzahlbarer Gelder des Publikums, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden. Es wird über Konten abgewickelt (siehe § 40, Rn. 3 ff.). Bezüglich der Kontoinhaberschaft ist durch Auslegung festzustellen, wer Inhaber des Kontos und damit Träger von Rechten und Pflichten des Rechtsverhältnisses sein soll (§§ 133, 157 BGB), wobei unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls darauf abzustellen ist, wer nach dem erkennbaren Willen des die Kontoeröffnung Beantragenden der Gläubiger des Kreditinstituts werden soll (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 21, 148 (150); BGH WM 1963, 455 (456); WM 1966, 1246 (1248); WM 1973, 894 (895); WM 1986, 33 (35); WM 1990, 537 (538); WM 1994, 2270; WM 1996, 249 (250)). Verfügungsberechtigter über das Konto ist derjenige, der Vertragspartner des Kreditinstituts ist. Dabei können auf Seiten der Kunden dem Kreditinstitut mehrere selbständige Rechtssubjekte gegenüber treten. In der Praxis wird dem dadurch entstehenden Gemeinschaftskonto mit zwei typisierten Vertragsgestaltungen begegnet. Die Begründung eines Gemeinschaftskontos erfolgt als Oder-Konto, wahlweise als UndKonto. Wer also behauptet, bei der Kontoeröffnung sei ein Gemeinschaftskonto gewollt gewesen, trägt dafür die Beweislast. Ein Gemeinschaftskonto liegt allerdings nicht vor, wenn vertretungsberechtigte Personen für eine Gesellschaft ein Konto eröffnen; die Gesellschaft ist dann Inhaberin eines Einzelkontos (Einsele, § 3, Rn. 37).
2
I. Oder-Konto. 1. Begriffsbestimmung und Verbreitung. Das zunächst zu behandelnde Oder-Konto ist dadurch charakterisiert, dass jeder Einzelne der beiden oder mehreren Kontoinhaber aufgrund ausdrücklicher, formularmäßiger Abrede Einzelverfügungsbefugnis über das Gemeinschaftskonto besitzt; es handelt sich somit nicht um ein Eigenkonto, für das ein Dritter eine Vollmacht besitzt. Diese Form des Gemeinschaftskontos ist vor allem bei Ehegatten und Familienangehörigen verbreitet, wobei die Verwendung eines Oder-Kontos der steuerrechtlichen Anerkennung eines Ehegattenarbeitsverhältnisses nicht entgegensteht (BVerfG DB 1995, 2572 (2574)). Oder-Konten finden sich als Girokonto, Festgeldeinlage, Depotverhältnis oder Sparkonto.
3
2. Festlegung bei Kontoeröffnung. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen existiert seit dem 01.01.1993 keine ausdrückliche Regelung mehr zu den Gemeinschaftskonten. Vielmehr fällt die Entscheidung über die Errichtung eines Oder-Kontos oder eines Und-Kontos nunmehr aus Transparenzgründen durch Verwendung des einschlägigen Kontoeröffnungsformulars (ein Abdruck findet sich bei Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, Anh. 1 zu § 35). Dieses lautet bei Oder-Konten „Eröffnung von Gemeinschaftskonten/-depots mit Einzelverfügungsberechtigung (‚Oder-Konto‘)“.
4
3. Rechtswirkungen. Das Oder-Konto ist mit folgenden Rechtswirkungen verknüpft: a) Gesamtgläubigerschaft. Jeder Inhaber des Oder-Kontos kann ohne die Zustimmung des anderen Kontoinhabers über die Guthabenforderung verfügen, wobei diese alleinige Verfügungsmacht auf eigener Forderungsinhaberschaft beruht (BGHZ 29, 364; 95, 185 (187); BGH WM 1986, 841 (843); WM 1990, 2067 (2068)), somit nicht auf einer wechselseitigen Ermächtigung gem. § 185 BGB der Kontoinhaber (a.A. Schmidt, FS Hadding 2004, 1093 (1110)). Die Einzelverfügungsbefugnis bezieht sich auf positive Kontensalden, also den kreditorischen Kontostand (BGH WM 1990, 2067 (2068); NJW 2000, 2347 (2348). Hinsichtlich des Guthabens sind die Verfügungsberechtigten Gesamtgläubiger gem. § 428 BGB, wobei das Wahlrecht des Schuldners, an wen er die Leistung bewirken will, dahingehend modifiziert wird, dass an den Gläubiger zu leisten ist, der die Leistung
Hucke
§ 42 Gemeinschafts- und Sperrkonto
1235
als erster fordert (Gernhuber, WM 1997, 645; Rieder, WM 1987, 29 (30); kritisch zur Gesamtgläubigerschaft Meier, AcP 205 (2005), 858 (874 ff.)). Diese uneingeschränkte Dispositionsbefugnis jedes Kontoinhabers stellt ein Risiko der Oder-Konten dar, das auch nicht durch nachträgliche widersprechende Gegenweisungen des anderen Mitinhabers neutralisiert werden kann (Gernhuber, WM 1997, 645 (649). Dennoch obliegen einem Kreditinstitut bei Kontoeröffnung keine speziellen Aufklärungspflichten (OLG Oldenburg WM 1987, 554 (555); Gernhuber, WM 1997, 645 (650); a. A. Canaris, Rn. 227).
5
b) Gesamtschuldnerschaft. Weist das Konto ein Debet auf, entsteht für alle Kontoinhaber aufgrund vertraglicher Abrede im Eröffnungsformular eine gesamtschuldnerische Haftung (§ 427 BGB), so dass jeder Kontoinhaber als Gesamtschuldner in voller Höhe vom Kreditinstitut in Anspruch genommen werden kann, wenn beide Kontoinhaber die Belastungsbuchung gegen sich gelten lassen müssen, was im Einzelfall nachzuweisen ist.
6
Gesamtgläubiger- und Gesamtschuldnerschaft sind explizit im Kontoeröffnungsformular geregelt. Die Rechtswirkung der Einzelverfügungsbefugnis erläutert Nr. 2: Jeder Kontoinhaber darf über die Konten/Depots ohne Mitwirkung der anderen Konteninhaber verfügen und zu Lasten der Konten/Depots alle mit der Konto- /Depotführung im Zusammenhang stehenden Vereinbarungen treffen, sofern nicht nachstehend etwas anderes geregelt ist. Die sich anschließenden vier Ausnahmefälle der Einzelverfügungsbefugnis beziehen sich auf Kreditverträge und Kontoüberziehungen, Termingeschäfte, die Erteilung und den Widerruf von Vollmachten über das Konto/Depot sowie die Auflösung der Konten/Depots. Die Gesamtschuldnerschaft macht Nr. 4 deutlich, nachdem in Nr. 2 a auf die Befugnis jeden Kontoinhabers verwiesen wurde, über dem Konto eingeräumte Kredite zu verfügen sowie vorübergehende Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen vorzunehmen (nach Auffassung des OLG Köln WM 1999, 1003 (1004), liegt der bankübliche Rahmen bei 10% der Summe des eingeräumten Überziehungskredits i.S.v. § 493 Abs. 1 S. 1 BGB, der in der Regel bis zu drei Monatsgehälter beträgt). Letztere Formulierung nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des BGH, nach der eine formularmäßige weitergehende Bevollmächtigung des anderen Kontoinhabers zur Darlehensaufnahme (in unbegrenzter Höhe) eine verbotene Überrumpelung darstellt (§ 305 c BGB) und zudem an der Inhaltskontrolle von § 307 BGB scheitert (vgl. BGH WM 1991, 313 (314) zum AGBG), weil damit ein unkalkulierbares Haftungsrisiko verbunden sein kann. Geduldete Kontoüberziehungen sind nicht pfändbar, wohl aber eine offene Kreditlinie, wenn der Kontoinhaber von ihr Gebrauch macht (BGH NJW 2001, 1937 (1939, 1940)).
7
c) Abtretung und Forderungspfändung. Das eigenständige Forderungsrecht jedes Mitinhabers eines Oder-Kontos hat Auswirkungen auf Verfügungen über das Guthaben. Jeder Kontoinhaber ist befugt, Forderungen selbstständig abzutreten. Dadurch werden die Rechte der übrigen Kontoinhaber nicht berührt (§ 429 III 2 BGB). Eine Abtretung bewirkt weder ein Erlöschen des Rechts noch eine Sperre des Kontos, sondern führt zu einem Gläubigerwechsel.
8
Da zudem jeder Mitinhaber als Gesamtgläubiger (§ 428 BGB) von der Bank Auszahlung des gesamten Betrags an sich verlangen kann, kann diese Forderung ohne Mitwirkung der übrigen Mitinhaber gem. §§ 1274, 1280 BGB verpfändet werden. Dem Gläubiger steht dann das Recht zu, die Guthabenforderung einzuziehen. Im Innenverhältnis besteht eine Ausgleichsverpflichtung des Pfändungsschuldners gegenüber dem Mitinhaber gem. § 430 BGB. Abzulehnen ist die Auffassung, der Forderungsgläubiger erwerbe eine mit dem Ausgleichsanspruch belastete Forderung und könne daher Befriedigung nur unter dessen Berücksichtigung verlangen (OLG Koblenz WM 1990, 1532; ablehnend OLG
9
Hucke
1236
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Nürnberg WM 2003, 243 f.). Ein Vollstreckungsgläubiger benötigt bei der Pfändung der Guthabenforderung gem. §§ 829, 835 ZPO keinen Titel gegen alle Kontoinhaber (OLG Nürnberg, WM 2003, 243). Der andere Mitinhaber des Kontos ist nicht berechtigt, gegenüber dem vollstreckenden Gläubiger einzuwenden, im Innenverhältnis stehe ihm das Guthaben alleine zu, weil er alleine für die finanzielle Ausstattung des Kontos gesorgt habe (OLG Nürnberg, WM 2003, 243 (244)). Auch steht ihm im Zwangsvollstreckungsverfahren kein Recht zur Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) zu. Strittig ist die Frage, ob das Kreditinstitut bei Pfändung der Guthabenforderung aufgrund eines Titels gegen einen Kontoinhaber noch an den anderen leisten darf, da dessen Verfügungsbefugnis dadurch nicht berührt wird. Eine Pfändung nach § 829 ZPO soll dabei nicht genügen, um das Kreditinstitut zur Leistung zu verpflichten, es bedürfe vielmehr eines weiteren Schrittes (wie der Auszahlung durch die Bank, BGH WM 79, 1101 (1102), Einsele, § 3, Rn. 40; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 35, Rn. 11b). 10
Hinsichtlich der Frage, ob das Kreditinstitut verpflichtet ist, mit Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nur noch schuldbefreiend an den Pfändungsgläubiger zu leisten, ist auf die Rechtsprechung des BGH zu verweisen, nach der es zulässig ist, dass der Schuldner schuldbefreiend an den anderen Gesamtgläubiger leistet (vgl. BGH NJW 1979, 2038, (2039)) Das ergibt sich mangels vertraglicher Vereinbarungen bereits aus dem Gesetz (§ 428 S. 2 BGB).
11
d) Insolvenz. Die Einzelverfügungsbefugnis hat auch Auswirkungen für den Fall der Insolvenz eines der Kontoinhaber. Wird ein Mitinhaber insolvent, fällt dessen Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis gegen den anderen in die Insolvenzmasse. Das Verfügungsrecht des Gemeinschuldners geht auf den Insolvenzverwalter über, während die Verfügungsbefugnis des Mitinhabers unberührt bleibt (BGHZ 95, 185 (187)). Diesem steht kein Aussonderungsrecht zu (Canaris, Rn. 229).
12
e) Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis. Im Innenverhältnis steht die Guthabenforderung den Kontoinhabern zu gleichen Teilen zu (§ 430 BGB), es sei denn, es ist etwas anderes bestimmt. Derjenige Gesamtgläubiger, der mehr als seinen hälftigen Anteil am Guthaben erhalten hat, ist somit im Innenverhältnis dem anderen Gesamtgläubiger gegenüber zum Ausgleich verpflichtet. Im Prozess ist darzutun, dass dem anderen Kontoinhaber mehr zugeflossen ist, als seinem hälftigen Anteil entspricht (BGH WM 1990, 239 (240)). Ein solcher Innenausgleich wird Ehegatten von der h. M. bei bestehender intakter Ehe regelmäßig unter Hinweis auf die Besonderheiten des Eherechts (§ 1353 BGB) versagt. Es existiere in der Regel keine Ausgleichspflicht, weil das Konto der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft diene, insbesondere dem Familienunterhalt (BGH FamRZ 1993, 413; OLG Saarbrücken BKR 2003, 263). Ausnahmsweise besteht nach h. M. eine Ausgleichspflicht jedoch, wenn eine Trennung der Ehegatten erfolgt ist oder unmittelbar bevorsteht. Dann hat der Ehegatte, dem während intakter Ehe mehr als sein hälftiger Anteil zugeflossen ist, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn er nicht eine abweichende Gestaltung des Innenverhältnisses nachweisen kann (BGH WM 1990, 239 (240); FamRZ 1993, 413; BGH NJW 2000, 2347 (2348); OLG Saarbrücken BKR 2003, 263). Ein Innenausgleich ist auch unter Ehepartnern immer dann zulassen, wenn die Dispositionen auf Pflichtwidrigkeit eines Kontoinhabers beruhen (LG Hannover FamRZ 1984, 479 (480); Gernhuber, WM 1997, 645 (654)).
13
f) Umwandlung in Und-Konto. Strittig ist, ob es zu den Befugnissen des einzelnen Kontoinhabers gehört, das Oder-Konto durch einseitige Erklärung in ein Und-Konto umzuwandeln. Befürworter dieser Befugnis entnehmen diese der Rechtsstellung der Mitinhaber als Gesamtgläubiger, da die Verfügungsbeschränkung ein Minus zur Einzel-
Hucke
§ 42 Gemeinschafts- und Sperrkonto
1237
verfügungsbefugnis darstelle (OLG Köln, WM 1989, 1888 (1889)). Der BGH hingegen lehnt eine generelle einseitige Umwandlungsbefugnis ab. Er macht deutlich, dass eine Umwandlung eines Oder-Kontos in ein Und-Konto der Zustimmung aller Inhaber bedürfe, weil sich deren Stellung durch die Umwandlung verschlechtere (BGH WM 1990, 2067 (2068)). Ausnahmsweise sei eine derartige einseitige Umwandlung nur zulässig, wenn z. B. im Kontoeröffnungsvertrag ein einseitiges Weisungsrecht zur Umwandlung vereinbart worden sei (BGH WM 1990, 2067 (2068)). Folgerichtig sahen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen bis 1991 vor, dass für die Umwandlung die schriftliche Weisung aller Kontoinhaber notwendig war (Nr. 2 III 1 AGBBanken a. F.; Nr. 2 S. 1 AGB-Sparkassen a. F.). Eine Klausel, die ein einseitiges Weisungsrecht dahingehend enthalte, dass der Weisungsgeber das Konto ohne Mitwirkung des Mitinhabers auf seinen Namen umschreiben lassen könne, sei unvereinbar mit § 9 I AGBG a. F., weil der Mitinhaber ein berechtigtes Interesse am Fortbestand des Kontos habe (vgl. BGH WM 1990, 2067 (2068); LG Kassel WM 1991, 1948 (1950)). Abweichend von dieser Auffassung sieht nunmehr das Kontoeröffnungsformular ausdrücklich in Nr. 5 S. 1 vor, dass jeder Verfügungsberechtigte die Einzelverfügungsbefugnis des anderen Inhabers des Gemeinschaftskontos jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Der Widerruf ist der Bank unverzüglich und (aus Beweisgründen) möglichst in Schriftform zuzuleiten. Mit dem Zugang des Widerrufs wandelt sich das Oder-Konto im Wege der Vertragsänderung in ein Und-Konto, es sind nur noch gemeinsame Verfügungen möglich. Da über das vertraglich vereinbarte Umwandlungsrecht von vornherein Klarheit herrscht, wird die Klausel als zulässig angesehen (Einsele, § 3, Rn. 38; Koendgen erklärt die Zulässigkeit damit, dass der Nachteil nicht von der Bank als AGB-Verwenderin droht, NJW 1996, 558 (561)).
14
g) Verfügungsbefugnis im Todesfall. Aufgrund der eigenen Forderungsinhaberschaft eines jeden Inhabers des Gemeinschaftskontos ist auch keine gesonderte Legitimation des verbleibenden Verfügungsberechtigten notwendig für den Fall, dass der andere Inhaber des Gemeinschaftskontos verstirbt, vielmehr bleibt die unbeschränkte Verfügungsmacht bestehen (BGH WM 1990, 239 (240); WM 2000, 469). Bei Eheleuten kann der Überlebende somit mit Wirkung gegenüber den Erben weiterverfügen, was Nr. 7 I S. 1 des Eröffnungsformulars zum Ausdruck bringt. Im Todesfall gehört die Forderung des Verstorbenen gegen das Kreditinstitut zum Nachlass. Sollten sich die Erben entschließen, das Gemeinschaftskonto weiterzuführen, entsteht ein eigenes Rechtsverhältnis zum kontoführenden Kreditinstitut (BGH WM 2000, 469).
15
Nr. 7 I S. 1 stellt im Kontoeröffnungsformular entsprechend der BGH-Rechtsprechung (BGH WM 1990, 239 (240); WM 2000, 469) klar, dass die Befugnisse des anderen Verfügungsberechtigten unberührt bleiben, und räumt dem anderen Inhaber des Gemeinschaftskontos das Recht ein, dieses auch ohne die Zustimmung der Erben des verstorbenen Inhabers aufzulösen. Mit diesem Sonderkündigungsrecht kann der überlebende Verfügungsberechtigte die Rechtsbeziehungen zum Kreditinstitut beenden. Zudem legt Nr. 7 Abs. 2 S. 1 des Eröffnungsformulars fest, dass die Rechte des Verstorbenen bei mehreren Erben von diesen gemeinschaftlich wahrgenommen werden. Damit wird die Befugnis jedes Erben aus § 2039 BGB abbedungen, im eigenen Namen Leistungen an alle Erben zu fordern. Nicht gemeinschaftlich geltend gemacht werden muss hingegen das Recht, die Einzelverfügungsbefugnis des überlebenden Mitinhabers des Gemeinschaftskontos zu widerrufen. Dieses Recht steht jedem Erben allein zu. Bei einem Widerruf muss der widerrufende Miterbe bei jeder Verfügung mitwirken.
16
Eine Abtretung der Guthabenforderung kann auch im Voraus als Vollzug einer Schenkung auf den Todesfall vereinbart werden, selbst wenn sich die Mitinhaber des Kontos
17
Hucke
1238
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
über die notwendige Ausgestaltung der aufschiebend bedingten Abtretung als dinglichem Übertragungsakt für den Vollzug der Schenkung nicht im Klaren sind (vgl. BGH WM 1986, 786 (787)). Eine entsprechende Klausel fehlt allerdings bislang im Kontoeröffnungsformular. Allgemein ist den Mitinhabern eines Oder-Kontos, insbesondere Ehegatten, aus erbschaftsteuerlichen Gründen zu empfehlen, schriftliche Vereinbarungen über das Innenverhältnis zu treffen, weil ansonsten unter Umständen Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden können oder Erbschaftsteuer anfällt (vgl. Niehues/Kränke, DB 1996, 1158 (1159); allgemein Fichtelmann, EStB 2004, 452). 18
II. Und-Konto. 1. Begriffsbestimmung und Verbreitung. Weniger verbreitet als das Oder-Konto ist in der Bankpraxis das Und-Konto. Beim Und-Konto stehen dem Kreditinstitut ebenfalls mindestens zwei Kontoinhaber gegenüber. Das Und-Konto ist dadurch gekennzeichnet, dass sämtliche Kontoinhaber zusammenwirken müssen, um eine wirksame Verfügung vornehmen zu können. Das Und-Konto wählen z. B. Ehegatten, die im Wege des Ehevertrags anstelle des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft eine Gütergemeinschaft vereinbart haben (§§ 1415 ff. BGB). Einer Erbengemeinschaft, die in die Rechtsposition des Erblassers aufgrund der Universalsukzession (§ 1922 BGB) einrückt, steht eine Guthabenforderung ebenfalls nur gemeinschaftlich zu, so dass sich ein für den Erblasser bislang bestehendes Einzelkonto in ein Und-Konto wandelt. Zu denken ist schließlich noch an Miturheber (§ 8 UrhG), die gemeinschaftliche Vergütungen für ihr Werk erhalten und dafür ein Konto errichten, sowie Wohnungseigentümergemeinschaften. Nicht mehr notwendig ist es hingegen nach neuerer Rechtsprechung, dass alle Gesellschafter gemeinschaftlich für eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts ein UndKonto errichten, da diese vergleichbar einer OHG rechtsfähig ist (BGHZ 146, 341). Vielmehr ist die GbR Inhaberin eines Einzelkontos (Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/ Häuser, § 35, Rn. 21).
19
2. Rechtswirkungen. Das Und-Konto ist mit folgenden Rechtswirkungen verknüpft: a) Gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis. Die Rechtsnatur des Und-Kontos kann nicht einheitlich beurteilt werden. Rechtlich handelt es sich je nach Ausgestaltung des Innenverhältnisses entweder um eine (nicht rechtsfähige) Gesamthandsgemeinschaft oder um eine Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB (BGH WM 1987, 318; WM 1990, 2067 (2068); Canaris, Rn. 232; Rieder, WM 1987, 29 (33); Schebesta, WM 1985, 1330 f.). Die Mitinhaber sind nur zu gemeinschaftlichen Verfügungen befugt (§ 432 BGB), was Nr. 2 S. 1 des Formulars „Eröffnung von Gemeinschaftskonten/-depots mit gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung“ (‚Und-Konto‘) (ein Abruck findet sich bei Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, Anh. zu § 35) deutlich macht. Eine Einzelverfügung eines der Kontoinhaber ist schwebend unwirksam (Canaris, Rn. 230), die ursprüngliche Guthabenforderung bleibt bestehen (BGH WM 1980, 438). Anders als beim Oder-Konto sind die Kontoinhaber somit keine Gesamtgläubiger hinsichtlich der Guthabenforderung. Vielmehr stellt die Guthabenforderung bei Vorliegen einer Gesamthandsgemeinschaft eine Gesamthandsforderung dar. Bei einer Bruchteilsgemeinschaft kann nur gemeinschaftlich über die gesamte Forderung verfügt werden (§ 747 S. 2 BGB), Einzelverfügungsbefugnis besteht am jeweiligen Anteil an der Forderung (§ 747 S. 1 BGB).
20
Im Kontoeröffnungsformular ist in Nr. 2 S. 2 vorgesehen, dass eine Änderung der bestehenden Verfügungsberechtigung nur gemeinschaftlich erfolgen kann. Nr. 3 S. 1 bestimmt, dass Vollmachten betreffend das Konto/Depot ebenfalls nur gemeinschaftlich von allen Inhabern erteilt werden können; für den Widerruf, der nach Nr. 3 S. 3 aus Beweisgründen möglichst schriftlich und unverzüglich beim Kreditinstitut vorzulegen ist, genügt es, wenn ein Inhaber tätig wird. Die Wahrnehmung der eigenen Befugnisse kann der je-
Hucke
§ 42 Gemeinschafts- und Sperrkonto
1239
weilige Kontoinhaber einem Dritten ohne Zustimmung der übrigen übertragen. Da der Dritte in einem solchen Fall in die besonderen Verfügungsbedingungen eines Und-Kontos eingebunden wird, bedarf es der gemeinschaftlichen Vollmachterteilung nicht. b) Gesamtschuldnerische Haftung. Wie beim Oder-Konto haften die Inhaber eines Und-Kontos als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten gegenüber dem Kreditinstitut und zwar unabhängig davon, ob im Innenverhältnis eine Gesamthandsgemeinschaft oder eine Bruchteilsgemeinschaft vorliegt. Daher kann das Kreditinstitut jeden Einzelnen von ihnen auf die gesamte Summe in Anspruch nehmen, wobei zu bedenken ist, dass die Verpflichtungen auf gemeinschaftlichem Handeln der Kontoinhaber beruhen, beispielsweise auf einer Kontoüberziehung (Canaris, Rn. 230). Eine solche gesamtschuldnerische Haftung ist gesetzlich bereits vorgesehen für die Miterbengemeinschaft (§ 2058 BGB) sowie für Ehegatten, die Gütergemeinschaft vereinbart haben (§ 1459 II 1 BGB). Bei Kontobelastungen durch Verfügung nur eines Inhabers kann das Kreditinstitut auf Rückgängigmachung der Belastungsbuchung in Anspruch genommen werden, nicht jedoch auf Rückzahlung eines überwiesenen Betrags, weil der Kontostand materiellrechtlich nicht durch die Belastungsbuchung gemindert wurde (BGH WM 1980, 438.) c) Abtretung und Forderungspfändung. Weil grundsätzlich für alle Verfügungen über das Und-Konto ein einverständliches Zusammenwirken sämtlicher Kontoinhaber notwendig ist, erfordert eine Abtretung der Guthabenforderung ebenfalls ein gemeinschaftliches Vorgehen aller Mitinhaber und ist abhängig vom Innenverhältnis. Ausgeschlossen ist die Abtretung der Guthabenforderung durch einen einzelnen Kontoinhaber bei der Gesamthandsgemeinschaft (§§ 719 I, 2040 I BGB). Bei der Bruchteilsgemeinschaft kann der einzelne Kontoinhaber seinen Anteil gem. § 747 Satz 1 BGB abtreten. Für eine Forderungspfändung auf einem Und-Konto ist es erforderlich, dass der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel gegen sämtliche Kontoinhaber erwirkt (LG NürnbergFürth, NJW 2002, 973), unabhängig davon, ob es sich um eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine Gesamthandsgemeinschaft handelt. Beruht die Pfändung auf einem Titel gegen nur einen Kontomitinhaber, steht dem anderen die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO zu. Das Kreditinstitut selbst erwirkt ein vertragliches Pfandrecht nach Nr. 14 AGB (siehe § 3, Rn. 77 ff.) nur für Verbindlichkeiten, die von allen Kontoinhabern gemeinschaftlich begründet wurden.
21
d) Insolvenz. Wird über das Vermögen eines der Kontoinhaber ein Insolvenzverfahren eröffnet, tritt der Insolvenzverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners und kann daher nur gemeinsam mit dem anderen Kontoinhaber über das Und-Konto verfügen. Zur Beendigung der gemeinschaftlichen Verfügungsbefugnis muss eine Auseinandersetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens gem. §§ 749 I BGB, 84 I 1 InsO erfolgen, weil im Innenverhältnis entweder eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine Gesamthandsgemeinschaft vorliegt (Schebesta, WM 1985 (1332)). e) Umwandlung in Oder-Konto. Sollten sich die Inhaber eines Und-Kontos entschließen, ein Oder-Konto führen zu wollen, bedarf es dazu eines gemeinschaftlichen Änderungsantrags gegenüber dem Kreditinstitut. f) Verfügungsbefugnis im Todesfall. Auch über den Tod eines Kontoinhabers hinaus setzt sich die gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis beim Und-Konto fort. Die Erben treten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an die Stelle des verstorbenen Kontoinhabers und verfügen mit dem überlebenden Inhaber gemeinschaftlich, was auch Klausel Nr. 6 im Kontoeröffnungsformular wiedergibt. Die Universalsukzession führt beim Und-Konto dazu, dass es lediglich zu einer Auswechslung der Person eines der Kontoinhaber kommt, eine Änderung der Verfügungsbefugnis ist mit dem Todesfall hingegen nicht verknüpft.
24
Hucke
22
23
25
26
1240
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
27
Ein Und-Konto kann allerdings auch erst durch einen Todesfall entstehen. Wenn der bisherige Einzelinhaber eines Kontos verstirbt und mehrere Erben an seine Stelle treten, sind diese als Erbengemeinschaft lediglich befugt, gemeinschaftlich über zum Nachlass gehörende Forderungen zu verfügen (§ 2040 I BGB).
28
B. Sperrkonto I. Begriffsbestimmung und Verbreitung. Eigenkonten zeichnen sich regelmäßig durch eine unbeschränkte Dispositionsbefugnis des Kontoinhabers aus. Ein Sperrkonto hingegen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kontoinhaber im Hinblick auf seine Verfügungsbefugnis beschränkt ist, wobei die Beschränkung auf Rechtsgeschäft, Gesetz oder behördlicher Verfügung beruht. Somit bildet das Sperrkonto einen Sonderfall zum Eigenkonto. Ein Sperrkonto liegt aber nicht vor im Fall des Und-Kontos, weil dieses nicht mit einer Beschränkung der Dispositionsbefugnis der Mitinhaber verbunden ist, sondern lediglich für wirksame Verfügungen deren Zusammenwirken erfordert.
29
Sperrkonten finden in der Praxis in diversen Bereichen Verbreitung (Beispiele bei Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 36, Rn. 6 f.), so im Zusammenhang mit Bauverwendungskonten, bei denen durch die Sperre erreicht wird, dass der Bauherr mit Zustimmung eines weiteren am Bau Beteiligten Zahlungen je nach Erbringung von Bauleistungen vornimmt. Sperrkonten gibt es auch im Bereich der Sparkonten, wobei der Sperrvermerk besondere Zugriffsbedingungen für den Begünstigten festlegt (z. B. Erreichen der Volljährigkeit).
30
II. Entstehung von Sperrkonten. 1. Interner Sperrvermerk. Eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers kann auf einem internen Sperrvermerk des Kreditinstituts beruhen, den dieses in diesem Fall auf dem Konto eines Kunden anbringt, dass dieser in Vermögensverfall gerät.
31
2. Externer Sperrvermerk. Sperren können auch auf Gesetz (zum Teil veraltete Beispiele bei Bork, NJW 1981, 905 Fn. 2) oder auf behördlicher Anordnung beruhen. Sperrkonten aufgrund gesetzlicher Regelung kommen in der Praxis allerdings relativ selten vor. Eine Sperre kann sich beispielsweise ergeben aus §§ 24 I, II 25 InvG (bezüglich der Verwahrung von Investmentvermögen) oder aus § 17 Nr. 5 VOB/B (Hinterlegung von Geld des Auftragnehmers auf einem Sperrkonto) oder im Zusammenhang mit einer Währungsreform oder aus Devisenbewirtschaftungsvorschriften (BVerfG WM 1982, 1426 (1428)). Von diesen Fällen abzugrenzen sind gesetzliche Anordnungen der Verfügungsbeschränkung des Kontoinhabers, die nicht zu einem Sperrkonto im engeren Sinn führen wie die gerichtliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis, die auf einer einstweiligen Verfügung oder einem Arrest (§§ 935 ff. und §§ 916 ff. ZPO) begründet ist (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Hadding/Häuser, § 36, Rn. 9).
32
3. Rechtsgeschäftliche Vereinbarung. Vereinbart der Inhaber eines Einzelkontos mit dem Kreditinstitut, dass seine Verfügungen nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, z. B. der Zustimmung eines Dritten, wirksam sein sollen, entsteht ebenfalls ein Sperrkonto, eventuell durch Abschluss eines Vertrags zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB). Der Kontoinhaber kann Verfügungen dann nur mit Zustimmung des begünstigten Dritten vornehmen. Das Gleiche gilt für die Sicherungszession der Guthabenforderung bzw. deren Verpfändung. Die rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen Kontoinhaber und Kreditinstitut stellt die häufigste Form der Entstehung von Sperrkonten dar (Kollhosser, ZIP 1984, 389).
33
III. Rechtswirkungen der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung. 1. Sperre, Zession und Verpfändung. Umstritten ist in der Literatur, welche Wirkung die rechtsgeschäftliche Vereinbarung einer Kontosperre entfaltet, dingliche oder schuldrechtliche (aus-
Hucke
§ 42 Gemeinschafts- und Sperrkonto
1241
führlich erörtern die Gestaltungsmöglichkeiten BGH WM 1984, 799 (800 f.); Canaris, Rn. 250-262). Es stellt sich somit die Frage, ob die Disposition ohne den Sperrbegünstigten unwirksam oder lediglich schadensersatzauslösend ist. Regelmäßig hat die Sperre dingliche Wirkung, wenn eine Verpfändung (§§ 1273, 1280 BGB) oder eine Sicherungszession (§ 398 BGB) der Guthabenforderung vorliegt. Dann erlangt der von der Verfügungsbeschränkung Begünstigte eine dingliche Rechtsposition, nämlich die eines Pfandgläubigers bzw. Sicherungszessionars. Der Dritte erhält ein eigenes Recht an der Guthabenforderung. Sowohl Verpfändung wie Sicherungszession dienen der Sicherung einer Forderung des Gläubigers des Kontoinhabers (Kollhosser, ZIP 1984, 389. Schimansky/Bunte/Lwowski-Hadding/Häuser, § 36, Rn. 2 wollen diese Fälle nicht als Sperrkonten betrachten). Der Begünstigte erhält die Rechtsposition eines Pfandgläubigers bzw. Sicherungszessionar. Beide Instrumente dienen der Sicherung einer Forderung des Gläubigers des Kontoinhabers (Kohlhosser, ZIP 1984, 389). Der Dritte erhält ein eigenes Recht an der Guthabenforderung, eine ohne Zustimmung des Begünstigten vorgenommene Verfügung ist unwirksam. 2. Schuldrechtliche Wirkung. Hat die Kontosperre schuldrechtliche Wirkung, folgt daraus, dass das Kreditinstitut dem Sperrbegünstigten gegenüber verpflichtet ist, keine Verfügungen des Kontoinhabers auszuführen, die der Sperre widersprechen würden – es besteht ein Unterlassungsanspruch des Begünstigten. Eine Zuwiderhandlung durch das Kreditinstitut zieht allerdings keine Unwirksamkeit der Verfügung nach sich, kann jedoch einen Schadensersatzanspruch auslösen. Eine solche rein schuldrechtlich wirkende Vereinbarung ist zulässig (§ 137 S. 1 BGB). Fraglich ist, ob eine Kontosperre auch mit dinglicher Wirkung wirksam vereinbart werden kann, was Vorteile für den Sperrbegünstigten bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und in der Insolvenz des Kontoinhabers mit sich bringen würde. Der dinglichen Wirkung steht aber § 137 S. 1 BGB entgegen, wonach die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht nicht durch Rechtsgeschäft (mit dinglicher Wirkung) ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Dieses Ergebnis hat auch Bestand im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 399 2. Alt. BGB, nach der mit dem Schuldner ein Abtretungsverbot vereinbart werden kann. Bei dieser Norm handelt es sich um eine Schuldnerschutzvorschrift (Schutz vor Gläubigerwechsel), die nach Sinn und Zweck keine Anwendung auf das Sperrkonto findet (Kollhosser, ZIP 1984, 389 (393 ff.)). Vielmehr greift § 137 S. 2 BGB ein, wonach nur eine schuldrechtliche Vereinbarung zulässig ist (BGH WM 1964, 349 (350) mit der zweifelhaften Begründung, Vereinbarungen über die Verfügungsbefugnis unterfielen weder § 137 BGB noch § 399 BGB, sondern dienten der Bestimmung des Verfügungsberechtigten; a. A. Bork, NJW 1981, 905; Kollhosser, ZIP 1984, 389 (396)). Für eine dingliche Wirkung zu Gunsten eines Dritten genügt aber eine Sperre nicht, es ist vielmehr eine Zession oder Verpfändung erforderlich. IV. Rechtsstellung des Begünstigten. 1. Verfügungen ohne Zustimmung. Der Sperrbegünstigte, von dessen Zustimmung die Wirksamkeit einer Disposition des Kontoinhabers abhängig sein soll, hat nur dann einen eigenen Anspruch gegen das Kreditinstitut auf Einhaltung des Zustimmungserfordernisses, wenn bei Kontoerrichtung ein Vertrag zugunsten Dritter abgeschlossen wurde oder das Kreditinstitut sich ausdrücklich gegenüber dem Dritten zur Beachtung verpflichtet hat (Canaris, Rn. 252, 255; Kollhosser, ZIP 1984, 389 (390)). Wird eine Verfügung ohne die Zustimmung vorgenommen, ist sie zwar mangels dinglicher Wirkung der Sperre wirksam, löst aber einen Schadensersatzanspruch des Begünstigten gegenüber dem Kreditinstitut gem. § 280 I BGB aus. Sollte die Verfügung noch nicht ausgeführt worden sein, steht dem Dritten ein Unterlassungsanspruch zu.
Hucke
34
35
36
1242
37
38
39
40
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
2. Stellung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Sollte ein Gläubiger des Kontoinhabers aufgrund eines rechtskräftigen Titels sich das Guthaben auf dem Konto mit Sperrvermerk pfänden und überweisen lassen, folgt aus der schuldrechtlichen Wirkung der Sperrvereinbarung, dass der Begünstigte weder ein Recht zur Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) noch das Recht zur Klage auf vorzugsweise Befriedigung hat (§ 805 ZPO). Anders ist die Rechtsstellung des Sperrbegünstigten zu beurteilen, wenn zu seinen Gunsten eine Sicherungszession oder Forderungspfändung vorliegt, die beide dingliche Wirkung entfalten. Dann hat der Begünstigte sowohl das Recht zur Drittwiderspruchsklage wie auch zur Klage auf vorzugsweise Befriedigung. 3. Stellung in der Insolvenz. Im Falle einer Insolvenz des Kontoinhabers gehört die Guthabenforderung auf dem Sperrkonto bei lediglich schuldrechtlicher Wirkung trotz des Sperrvermerks zur Insolvenzmasse. Der durch den Sperrvermerk Begünstigte erhält somit weder ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO), wie es dinglich gesicherten Gläubigern des Insolvenzschuldners zusteht, noch ein Absonderungsrecht gem. § 49 InsO (Canaris, Rn. 258; Einsele, § 3, Rn. 49). Dagegen ist eine dinglich wirkende Sperre insolvenzfest. Bei Vorliegen einer Sicherungszession oder einer Forderungsverpfändung steht dem Begünstigen somit ein Absonderungsrecht zu.
Hucke
§ 43 Überweisungsverkehr
1243
§ 43 Überweisungsverkehr
Schrifttum Bülow, Scheckrechtliche Anweisung und Überweisungsvertrag, WM 2000, 58; Canaris, Grundprobleme des bankgeschäftlichen Abrechnungsverkehrs, WM 1976, 994; Die girovertragliche „Fakultativklausel“ im Lichte des AGB-Gesetzes, ZIP 1986, 1021; Ehmann/Hadding, EG-Überweisungsrichtlinie und Umsetzung, WM 1999, SB 3; Einsele, Das neue Recht der Banküberweisung, JZ 2000, 9; Bank- und Kapitalmarktrecht, 2006; Gößmann/van Look, Die Banküberweisung nach dem Überweisungsgesetz, WM 2000, SB 1; Grundmann, Grundsatz- und Praxisprobleme des neuen deutschen Überweisungsrechts, WM 2000, 2269; Hadding, Die EG-Richtlinie zum grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, in: Horn/Schimansky, Bankrecht 1998, S. 125; Leistungsstörungen und Rückgriff nach dem neuen Überweisungsrecht, WM 2000, 2465; Hadding/Häuser, Rechtsfragen des Giroverhältnisses, ZHR 145 (1981) 138; Rechtsfragen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, 1984; Gutschrift und Widerruf des Überweisungsauftrags im Giroverhältnis, WM 1988, 1149; Häuser, Der Widerruf des „Überweisungsauftrags“ im Giroverhältnis, NJW 1994, 3121; Zur Umsetzung der Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen (97/5/EG) in deutsches Recht, WM 1999, 1037; Koller, Der Vorschuss bei der Giroüberweisung, der Geldkarte und dem Netzgeld, FS Schimansky, 1999, S. 209; Koch, Neue AGB für Überweisungen, ZBB 2002, 57; Kümpel, Zum Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Banküberweisungen, WM 2001, 2273; Kupisch, Bankanweisung und Bereicherungsausgleich, WM 1979, SB 3; Risse/Lindner, Haftung der Banken nach dem neuen Überweisungsrecht, BB 1999, 2201; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2001; Langenbucher/Gößmann/Werner, Zahlungsverkehr, 2004; Nobbe, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Überweisungsrecht, WM 2001, SB 4; Schön, Prinzipien des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, AcP 198 (1998), 401. Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Überweisungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 I. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1. Vertragsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Vertragsannahme bei Schweigen und Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . 3 3. Fälschungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4. Abstraktheit des Überweisungsvertrags gegenüber dem Girovertrag . . . . . . . . . . 5 II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Anwendungsbereich der Vorschriften . . 6 2. Pflichten des überweisenden Kreditinstituts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3. Pflichten des Überweisenden . . . . . . . . . 9 III. Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Haftung für Verspätung (§ 676 b I BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Verstoß gegen das Abzugsverbot (§ 676 b II BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Erstattungsanspruch bei fehlgeschlagener Überweisung (Money-Back-Garantie; § 676 b III BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
C.
D. E. F.
4. Verschuldenshaftung (§ 676 c I 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftungsbeschränkung und -ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kündigung des Überweisungsvertrags und Rückforderungspflicht . . . . . . . . . . . . 1. Kündigung durch den Überweisenden („Widerruf der Überweisung“) . . . . . . 2. Rückleistungspflicht in sonstigen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kündigung durch das überweisende Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zahlungsvertrag (676 d f.) . . . . . . . . . . . . . I. Leistungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rückgriffsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . III. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bereicherungsausgleich bei fehlender und fehlerhafter Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfüllung im Verhältnis Überweisender und Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 26 27 27 29 30 31 31 32 35 36 40 41
Stichwortverzeichnis Abkommen zum Überweisungsverkehr . . . . . . . . . 31 Abstraktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Abzugsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 33 Annahmezeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Auftragsstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 36 Ausführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 f. Auskehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Auszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Barüberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 14 Beleglose Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bereicherungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Blankoüberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 30 Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 32 Drittwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Empfängerbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Oechsler
1244
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Fakultativklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Falsche Empfängerbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . 20 Fälschungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Fehlerhafte Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Fiktion der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Höhere Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 f., 38 Kontonummer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 22, 30 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 27 ff., 35 Magnetband-Clearing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 f., 23 f.
1
Money-Back-Garantie . . . . . . . . . . . . . . 19 ff., 34, 37 Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 11 Phishing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Rückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 ff. Sammelüberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 6 Schutzwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vorbehalt der Nachdisposition . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Vorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 21 Wertstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 39 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27 f. Zurückweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
A. Einführung Das Überweisungsverfahren stellt neben dem Lastschriftverfahren und dem Scheckeinzug die dritte zentrale Säule des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland dar: Im Jahre 2006 wurden in Deutschland 6.713,14 Millionen Überweisungen von Nichtbanken vorgenommen, davon 5.658, 59 Millionen beleglos und davon wiederum 1.053,94 Millionen online (Deutsche Bundesbank, Statistik über den Zahlungsverkehr in Deutschland, 2006). Das Ziel der Überweisung liegt in der Bewegung von Buchgeld vom Konto des Überweisenden auf das Konto des Begünstigten, wobei der Überweisende zumindest ein Kreditinstitut als sog. überweisendes Kreditinstitut einschaltet (zur Terminologie: § 676 a I 1 BGB). Im Rahmen von Überweisungen, die den Betrieb dieses Kreditinstituts überschreiten, ist zudem die Mitwirkung mehrerer zwischengeschalteter Kreditinstitute zur Durchführung des Zahlungsvorgangs erforderlich. Dabei unterhalten die Banken entweder gegenseitige Verrechnungskonten oder sind einem überregionalen System wie TARGET (Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express Transfer) angeschlossen (zu diesem Stenström, in: Langenbucher/ Gößmann/Werner, § 8). Traditionell folgte das Recht der Überweisung dem Paradigma des Geschäftsbesorgungsvertrags: Der Überweisende erteilte danach dem überweisenden Kreditinstitut eine Weisung im Rahmen eines Girovertrags gem. §§ 675 I, 665 BGB. Dieses erteilte weitere Weisung an das nächste zwischengeschaltete Kreditinstitut und so fort, so dass eine Zahlungsverkehrskette bis zum Kreditinstitut des Begünstigten entstand, der seinerseits einen Anspruch auf Herausgabe des Buchgeldes aus §§ 675 I, 667 BGB gegenüber der Bank erwarb (vgl. hier nur Hadding/Häuser, WM 1988, 1149; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 8 f.). Durch das Überweisungsgesetz vom 21. Juli 1999 (BGBl. I 1642) wurde das Überweisungsrecht indes in den §§ 676 a ff. BGB einer Neuregelung unterworfen. Die Normen setzen die sog. Überweisungsrichtlinie 97/5/EG vom 27. Januar 1997 (ABl. 1997 L 43/25) um, die dem Ziel einer Verbesserung der grenzüberschreitenden Überweisungen im Hinblick auf Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Kostenersparnis verpflichtet ist (vgl. Erwägungsgrund 2). Der Gesetzgeber wollte das Recht der Überweisung indes nicht in einen nationalen und einen grenzüberschreitenden Bereich spalten, sondern hat sich für eine einheitliche Regelung unter Einschluss einzelner Rechtsfragen des Girovertrags entschieden. Während diese konzeptionelle Grundentscheidung begrüßt wurde (Köndgen, ZIP 1999, 103), haben die neugeschaffenen §§ 676 a ff. BGB aus einer Reihe von Gründen heftige Kritik hervorgerufen (vgl. hier nur Hadding/Ehmann, WM 1999, SB 3, 11 f.; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 8 ff.; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Schimansky, § 49 Rn. 1a). Wohl aufgrund eines Missverständnisses ist der Gesetzgeber von der Dogmatik der Überweisung abgewichen und setzt nun als Grundlage der Überweisung den Abschluss eines Vertrags voraus (§ 676 a I 1 BGB, str. Rn. 2). Damit
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1245
unterscheiden sich die neugeschaffenen Normen nicht unbedingt zu ihrem Vorteil vom System des unbaren Zahlungsverkehrs im übrigen, wie ein Beispiel zeigt: Der nach altem Recht unbeschränkbare Herausgabeanspruch des Überweisenden bei fehlgeschlagener Überweisung aus § 667 BGB gegenüber seiner Bank– zeitgemäß als sog. „Money-BackGarantie“ gewandet (§ 676 b III BGB) – ist nun gem. § 676 c III BGB beschränkbar. Die Neuregelung trat für grenzüberschreitende Überweisungen bereits zum 14. August 1999 in Kraft (Art. 228 EGBGB), für Inlandsüberweisungen aber erst am 1. Januar 2002. Im März 2002 kündigte die europäische Bankenbranche die Schaffung eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area, SEPA) an, mit dessen Koordinierung der Europäische Zahlungsverkehrsausschuss betraut ist. Die Europäische Gemeinschaft unterstützt diesen Prozess mit der Zahlungsdiensterichtlinie 2007/ 64/EG, die in Artt. 30 ff. umfassende Regeln für die zivilrechtliche Ausgestaltung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs beinhaltet. Der zentrale Kreditausschuss, der im SEPASystem als nationale Anlaufstelle (NASO = National Adherence Support Organisation) fungiert, hat in einem Umsetzungsplan des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraumes (SEPA) in Deutschland vom November 2007 erklärt, dass die SEPA-Normen im Überweisungsverkehr bereits ab dem 28. Januar 2008 beachtet würden. Tatsächlich dürfte die zu erwartende Umsetzung der umfangreichen Regelungen der Zahlungsdiensterichtlinie für das Lastschriftverfahren auch zu einer Neuregelung des Überweisungsrechts führen. Dabei besteht die Hoffnung, dass dieses wieder dem Paradigma der §§ 665 ff. BGB angepasst wird. Die Richtlinie ist bis zum 1. November 2009 umzusetzen. Auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hinsichtlich der Umsetzungspläne (BT 16/ 7877) reagierte die Bundesregierung jedoch am 11. Februar 2008 noch eher vage (BT 16/ 8026). Nachfolgend stehen die drei das neue Überweisungsrecht gliedernden Vertragstypen im Vordergrund: der zwischen Überweisendem und Kreditinstitut bestehende Überweisungsvertrag (§§ 676 a ff. BGB), der von den zwischengeschalteten Kreditinstituten geschlossene Zahlungsvertrag (§ 676 d f. BGB) und die Regelung über den Girovertrag, soweit sie das Überweisungsverfahren betrifft (§ 676 f f. BGB).
B. Überweisungsvertrag
2
I. Vertragsschluss. 1. Vertragsdogmatik. Nach dem Wortlaut von § 676 a I 1 BGB ist die Überweisung Gegenstand eines eigenen Vertrags zwischen Kunden und Kreditinstitut, der vom zugrundeliegenden Girovertrag (vgl. § 676 f I 1 BGB) unterschieden wird. Nach teilweise vertretener Auffassung (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 49 Rn. 1d) widerspricht die Vertragskonstruktion der Fristenregelung des Art. 6 ÜberweisungsRichtlinie (Rn. 1), da das Kreditinstitut es durch Verzögerung der Annahme des Überweisungsvertrags in der Hand habe, die Ausführungsfrist zu unterlaufen (ähnlich Einsele, JZ 2000, 9, 10). Diese Sichtweise ist indes nicht zwingend, weil der bewussten Verzögerung der Annahme stets ein Rechtsgedanke aus § 162 I BGB entgegensteht: Die Ausführungsfrist nach § 676 a II BGB beginnt in solchen Fällen eben von dem Tag an zu laufen, an dem der Antrag hätte angenommen werden können. Im Übrigen handelt es sich bei der verzögerten Annahme wegen § 362 HGB und dem zu Lasten des Kreditinstituts bestehenden Kontrahierungszwang nur um ein theoretisches Problem (unten Rn. 3). Die Gegenauffassung will dennoch § 676 a I 1 BGB im Wege der richtlinienkonformen Auslegung als Weisungserteilung – ähnlich wie § 665 BGB – verstehen. Obwohl die Aufgabe des Geschäftsbesorgungsparadigmas im Überweisungsrecht rechtspolitisch äußerst fragwürdig ist (vgl. nur noch Häuser, WM 1999, 1037, 1041), bindet der unmissverständliche Normwortlaut, zumal er einem eindeutigen gesetzgeberischen Willen entspricht (BTDrucks. 14/745 S. 11 und 18). Dies gilt insbesondere, weil die Vertragskonstruktion das ganze Binnensystem der §§ 676 a ff. BGB durchzieht: Eine Norm wie § 676 a IV BGB,
Oechsler
1246
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
die das vertragliche Kündigungsrecht des Überweisenden regelt, müsste in ein auf den Auftrag bezogenes Widerrufsrecht umgedeutet werden. Deshalb hat im Schrifttum der vertragliche Ansatz weitgehend Gefolgschaft gefunden (vgl. hier nur Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 10; Palandt-Sprau, § 676 a Rn. 9; Grundmann, WM 2000, 2273), wobei allerdings die praktische Relevanz der Entscheidung zwischen Auftrags- und Vertragskonstruktion gering ist, wenn man von einem Kontrahierungszwang des Kreditinstituts auf einen Antrag des Überweisenden hin ausgeht (Nobbe, WM 2001, SB 4, 4). 3
2. Vertragsannahme bei Schweigen und Kontrahierungszwang. Beim Abschluss des Überweisungsvertrags entfaltet § 362 I 1 HGB praktische Bedeutung, denn beim Kreditinstitut, an das ein Angebot auf Abschluss eines Überweisungsvertrags ergeht, handelt es sich typischerweise um einen Geschäftsbesorgungskaufmann im Sinne der Norm, dessen Schweigen als Annahme gilt (MünchKommBGB-Casper, § 676 a Rn. 14; Meder, JZ 2003, 443). Voraussetzung ist allerdings, dass der Kunde durch den Abschluss des Girovertrags eine dauernde Geschäftsverbindung mit der später überweisenden Bank eröffnet hat. Im Übrigen dürfte aus dem Girovertrag zwischen Kunde und Kreditinstitut ein Kontrahierungszwang zu Lasten des Instituts folgen, wenn der Kunde einen Antrag auf Abschluss eines Überweisungsvertrags abgibt. Der Gesetzgeber hat dies zwar verneint (BTDrucks. 14/745, S. 19) und der BGH lässt die Frage einstweilen offen (BGH NJW 2004, 2517). Entscheidend ist jedoch die Regelung des § 676 f I 1 BGB, nach der der Girovertrag die Bank verpflichtet, „Überweisungsverträge zu Lasten des Kontos abzuwickeln“. Könnte diese den Abschluss jederzeit und ohne Angabe von Gründen verweigern, wäre der Girovertrag weitgehend gegenstandslos (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 22; MünchKommBGB-Casper, § 676a Rn. 14; von der Sache her Staudinger-Martinek, § 676 a Rn. 7). Die Gegenmeinung argumentiert zu Unrecht mit dem Gedanken des Monopolmissbrauchs, um den es hier nicht geht (Einsele, § 6 Rn. 118; widersprüchlich auch das Argument aus § 676 a III BGB; vgl. nämlich ebendort Rn. 120; dazu auch hier Rn. 30). Eine Verweigerung des Vertragsschlusses kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Bank ihre eigenen Risiken aufgrund der Kompliziertheit des Überweisungswegs nicht richtig einschätzen kann (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 22). Denn für die Ausführung der Überweisung bleiben dem Kreditinstitut nur die knapp bemessenen Fristen des § 676 a II BGB, deren Überschreitung nach § 676 b BGB haftungsbegründend wirken kann. Im Übrigen muss das Kreditinstitut die für die Überweisung geforderten Entgelte nach § 675 a I 2 BGB von vornherein bekannt geben: Dies ist nicht bei jeder internationalen Überweisung sofort möglich. Eine Hausbank braucht sich auf für sie unübersehbare Risiken in solchen Fällen nicht einzulassen. Allerdings besteht für den Fall der Nichtausführung eines Auftrags eine unverzügliche Mitteilungspflicht gegenüber dem Kunden (MünchKommBGB-Casper, § 676a Rn.14; Langenbucher, in: Langenbucher/Gößmann/ Werner, § 1 Rn. 24: am Tag des Zugangs, Rn. 8), deren Verletzung zur Begründung von Ansprüchen aus §§ 280 I 1, 311 II Nr. 1 BGB führt. In Grenzen dürfte schließlich auch die Vereinbarung von Annahmezeiten seitens des überweisenden Instituts zulässig sein (Rn. 13).
4
3. Fälschungsrisiko. Der BGH belastete die Banken nach altem Recht mit dem Risiko der Fälschung des Überweisungsauftrags (BGH WM 1966, 396, 397; WM 1992, 1392, 1393; Nobbe, WM 2001, SB 4, 6), was sich nach altem Recht im Hinblick auf §§ 669, 670 BGB und neuerdings mit Blick auf den Rechtsgedanken des § 676 h BGB rechtfertigt: Ein Vorschuss- oder Aufwendungsersatzanspruch, in dessen Höhe die Überweisungsbank das Konto des Überweisenden belasten kann, setz eine wirksame Veranlassung des Kunden voraus. Diese liegt im Rahmen der §§ 676 a ff. BGB im Antrag auf Abschluss eines Überweisungsvertrags. Eine Ausnahme kommt nur dort in Betracht, wo der Bankkunde
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1247
selbst durch Missachtung von Sorgfaltspflichten zur Fälschung beigetragen hat (OLG Düsseldorf WM 1994, 2073, 2074); hier kommen nämlich Gegenansprüche aus §§ 634 Nr. 4, 280 I 1 BGB infrage. Eigene Bedeutung entfaltet in diesem Zusammenhang die Blankoüberweisung: Unterzeichnet der Kunde einen Blankoauftrag, befürwortet die Praxis die Haftung des Kunden aus zurechenbarem Rechtsschein in Rechtsanalogie zu §§ 172, 405 BGB (Blankettmissbrauch; Nobbe, WM 2001, SB 4, 6). Einen Grenzfall stellen hier insbesondere Sammelüberweisungen dar (Zusammenfassungen einer Vielzahl einzelner Überweisungsverträge, MünchKommBGB-Casper § 676 a Rn. 50). Verfährt hier der unterzeichnende Kunde hinsichtlich der einzelnen Überweisungsvorgänge zu sorglos, können die Grundsätze über den Blankettmissbrauch entsprechende Anwendung finden (Nobbe, WM 2001, SB 4, 6). Der BGH hat dies für den Fall bejaht, dass die Unterschrift sich pauschal auf die in einer Anlage beigefügten Überweisungsträger bezog (BGH WM 1992, 1392, 1393 f.). Konkret bedeutet dies, dass ein tatsächlich fehlender Antrag des Kunden auf Abschluss des Überweisungsvertrages durch eine Rechtsscheinhaftung in Rechtsanalogie zu §§ 172, 405 BGB ersetzt wird. Sorgfaltsverstöße – wie das Unterschreiben einer Sammelüberweisung mit hohem Fälschungsrisiko – dürften schließlich Ansprüche aus §§ 634 Nr. 4, 280 I 1 BGB der Überweisungsbank gegenüber ihrem Kunden auslösen, die ebenfalls eine Belastung des Kundenkontos rechtfertigen. 4. Abstraktheit des Überweisungsvertrags gegenüber dem Girovertrag. Kurzer Erwähnung verdient, dass der Überweisungsvertrag nach § 676 a I 1 BGB wohl als ein vom Girovertrag nach § 676 f 1 BGB zu trennender und diesem gegenüber abstrakter Vertrag erscheint (MünchKommBGB-Casper, § 676a Rn. 19; a. A. Palandt-Sprau § 676 a Rn. 9; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 10, rechte Spalte unten). Dies bewahrheitet sich gerade im System des § 116 InsO: Während nach Satz 1 der Norm der Girovertrag (§§ 675 I, 611 BGB) erlischt, bleibt der Überweisungsvertrag nach Satz 3 bestehen. Der Wirkungszusammenhang lässt sich mit vorsichtiger Parallele zu § 929 1 BGB veranschaulichen: So wie der dingliche Verfügungsvertrag der Erfüllung eines obligatorischen Verschaffungsanspruchs (etwa aus § 433 I 1 BGB) dient, so fungiert der Überweisungsvertrag als Erfüllung des Girovertrags. Wirksamkeitshindernisse des letzteren können aber schon deshalb nicht auf die Ebene des Überweisungsvertrags durchschlagen, weil dieser für die Überweisungsbank im Außenverhältnis zu den zwischengeschalteten Kreditinstituten und dem Institut des Begünstigten zur Rechtsgrundlage des Handelns wird. Diese Rechtsgrundlage kann nicht deshalb – und entgegen § 676 a IV BGB – nachträglich entfallen, weil der Girovertrag gescheitert ist. Deshalb kommt es auch im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im Verhältnis zwischen Überweisenden und Überweisungsbank allein auf den wirksamen Abschluss des Überweisungsvertrags und nicht des Girovertrags an (vgl. noch unten Rn. 40).
5
II. Inhalt. 1. Anwendungsbereich der Vorschriften. § 676 a I BGB bezieht sich auf Einzelüberweisungen, Daueraufträge (= Kette von im voraus erteilten Einzelaufträgen), Sammelüberweisungen (= mehrere in einem Sammelverzeichnis zusammengefasste Überweisungsverträge, die durch Unterschrift des Überweisenden auf dem Verzeichnis abgegeben werden, Rn. 4) und Barüberweisungen (§ 676 a I 3 BGB; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Schimansky, § 48 Rn. 4 ff.). Anwendbar ist die Norm sowohl auf das herkömmliche Belegverfahren wie auf das beleglose Überweisungsverfahren (Magnetband-Clearing-Verfahren), im Rahmen dessen der Kunde der Bank nur einen Datenträger (Diskette) mit den zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Daten einreicht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 52). Problematischer ist die Anwendbarkeit in vom Kunden nicht veranlassten Fällen, wenn die Bank aus einer (anderen) Verpflichtung heraus, zu seinen Gunsten eine Geldbewegung vornimmt (zB. Valutierung eines Darlehens,
6
Oechsler
1248
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Herausgabe des Kaufpreises, der aus einem Wertpapierkauf heraus erzielt wurde usw.). Teilweise werden diese Verträge als vom Kunden mittelbar veranlasst ebenfalls unter § 676 a I BGB subsumiert (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 25; offengelassen Schmidt-Räntsch, ZBB 1999, 676, 678). In diesen Fällen wird man wohl auf der Grundlage der §§ 133, 157 BGB danach differenzieren müssen, ob der Kunde anlässlich eines vorangegangenen Geschäfts (Darlehensvertrag, Verkaufskommission) gegenüber seiner Bank einen stillschweigenden Antrag auf Abschluss eines Überweisungsvertrags abgegeben hat oder nicht. 7
2. Pflichten des überweisenden Kreditinstituts. Die zentrale Pflicht der Überweisungsbank liegt in der Ausführung der Überweisung. § 676 a I BGB differenziert zwischen inner- und außerbetrieblichen Überweisungen, also Haus- und Filialüberweisungen auf der einen Seite und Überweisungen im Rahmen einer Zahlungsverkehrskette auf der anderen, innerhalb derer uU. mehrere Institute beteiligt sind. Für außerbetriebliche Überweisungen trifft Satz 2 eine bemerkenswerte, vom alten Recht abweichende Sonderregelung: Nunmehr ist die Überweisungsbank nicht nur zur Einschaltung weiterer Zwischeninstitute verpflichtet, sondern schuldet die Weiterleitung der Überweisungssumme auf ein Konto der Empfängerbank (nicht des Empfängers!), obwohl sie den tatsächlichen Ablauf nicht mehr steuern kann (dennoch kritisch zur Verkürzung der Pflichten Einsele, § 6 Rn. 116). Ein Blick in § 676 c I 3 BGB zeigt, dass das Gesetz dabei die Zwischenbanken praktisch Erfüllungsgehilfen der Überweisungsbank gleichstellt (dazu Kümpel, WM 2000, 797; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 11). Daran zeigt sich auch der werkvertragliche Charakter des Überweisungsvertrags, denn die Bewirkung der Überweisung auf dem Konto der Empfängerbank wird zu dem nach § 631 II BGB geschuldeten Erfolg (vgl. zur „baldmöglichsten Ausführung“ unten Rn. 13; zur Frage, ob eine Überweisung bei teilweiser Deckung teilweise ausgeführt werden muss, Rn. 14). Richtiger Auffassung nach besteht die Ausführungspflicht der Überweisungsbank nicht gegenüber dem Überweisungsempfänger selbst, etwa auf der Grundlage eines Vertrags zugunsten Dritter nach § 328 I BGB (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 29). Aus einigen zentralen gesetzgeberischen Wertentscheidungen (vgl. etwa die Kündigungmöglichkeit nur im Vertragsverhältnis der Beteiligten nach § 676 a IV 3 oder § 676 d II 2 BGB) geht nämlich hervor, dass der Gesetzgeber die Relativität der Vertragsverhältnisse in den Zahlungsverkehrsketten gewahrt wissen will. Verpflichtungen entstehen danach nur gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner und nicht gegenüber Dritten. Deshalb erwirbt auch der Empfänger keine Ansprüche aus dem Überweisungsvertrag, sondern nur den Auskehrungsanspruch aus seinem Vertragsverhältnis mit der Empfängerbank nach § 676 g I 1 BGB; Störungen in der Zahlungsverkehrskette zur Empfängerbank müssen dagegen – wie vor allem § 676 b BGB zeigt – vom Überweisenden geltend gemacht werden.
8
Die Einzelheiten des Valutaverhältnisses zwischen Überweisendem und Empfänger, die die Vermögensverschiebung in beider Verhältnis rechtfertigen, brauchen das überweisende Kreditinstitut grundsätzlich nicht zu interessieren (vgl. auch das Prinzip der Auftragsstrenge, Rn. 15). Deshalb können Schutzpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB nicht im Hinblick auf die aus dem Valutaverhältnis resultierenden Gefahren begründet werden (Nobbe, WM 2001, SB 4, 10, mit Überblick über die Rechtsprechung). So muss die Überweisungsbank prinzipiell nicht auf Bonitätsrisiken des Überweisungsempfängers aufmerksam machen (BGH WM 1961, 510, 511) – eine Regel, die allerdings dann außer Kraft tritt, wenn ihr die bevorstehende Insolvenz der Empfängerbank oder des Empfängers selbst bekannt ist (vgl. BGH WM 1960, 1321, 1322; Nobbe, WM 2001, SB 4, 10). Nebenpflichten der Überweisungsbank im Hinblick auf die Informierung ihres Kunden ergeben sich allerdings aus § 675 a BGB (zurückhaltend auch hier BGH NJW 2004,
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1249
2517). Darüber hinaus resultiert aus einem Umkehrschluss aus § 676 a II 3 BGB die Pflicht des überweisenden Kreditinstituts, seinen Kunden auf mögliche nach dieser Norm bestehende Überweisungshindernisse hinzuweisen. Vor deren Beseitigung beginnt nämlich die Ausführungsfrist für die Überweisung nicht zu laufen, was für den Kunden deshalb gefährlich wird, weil er auf die Ausführung der Überweisung vertraut (vgl. zum alten Recht BGH WM 1978, 637; WM 1986, 1409; nunmehr Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 29; Nobbe, WM 2001, SB 4, 10). Im Übrigen unterliegen die Überweisungsbank und die Zwischeninstitute der Pflicht zur Weiterleitung der die Überweisung begleitenden Informationen (§§ 676 a I 1, 676 f Satz 2 BGB) sowie Verschwiegenheitspflichten (Nobbe, WM 2001, SB 4, 11). 3. Pflichten des Überweisenden. In Höhe des Überweisungsbetrags hat das überweisende Institut einen Anspruch auf Vorschuss aus § 669 BGB, den das Gesetz nebenbei in § 676 a II 3 BGB erwähnt (BGHZ 26, 1, 5 = WM 1957, 1454; Hadding/Häuser, ZHR 145 (1981) 151; Ehmann/Hadding, WM 1999, SB 3, 13; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 29; Nobbe, WM 2001, SB 4, 9). Dieser Anspruch wird idR. durch Belastung eines Kontos des Überweisenden geltend gemacht (vgl. aber auch § 676 a I 3 BGB), und zwar in Höhe des Gutschriftbetrages. Teilweise wird § 669 BGB für nicht anwendbar gehalten, weil bei den meisten inner- und außerbetrieblichen Überweisungen zwischen Belastung und Gutschrift praktisch kein nennenswerter Zeitraum liege, so dass von echtem Aufwendungsersatz nach § 670 BGB auszugehen sei (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 49 Rn. 14). Jedoch legt das System des § 676 a II 3 BGB eine andere Betrachtungsweise nahe: Danach beginnt die Ausführungsfrist für die geschuldete Leistungshandlung nicht vor Bereitstellung der Deckung durch den Überweisenden zu laufen. Eine andere Frage ist, ob die Überweisungsbank die als Vorschuss erlangte Deckung behalten darf, wenn die Überweisung fehlschlägt: Dies richtet sich nunmehr nicht mehr nach § 667 BGB, sondern nach § 676 b III 5 BGB (unten Rn. 21).
9
Neben den Anspruch aus § 669 BGB treten – je nach Vereinbarung – Entgeltansprüche des überweisenden Kreditinstituts für die Werkleistung. Dabei verfährt die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Vereinbarung von Nebenentgelten in AGB trotz § 307 III 1 BGB äußerst streng. Entgelte dürfen nur für Leistungen beansprucht werden und nicht für die Erfüllung bereits entgoltener oder gesetzlicher Verpflichtungen bzw. für Handlungen im ausschließlichen Eigeninteresse des AGB-Verwenders. Insbesondere lässt die Rechtsprechung keine Rechtfertigung durch das sog. Verursacherprinzip zu (BGHZ 137, 43, 45 f. = WM 1997, 2298; Übersicht bei Nobbe, WM 2001, SB 4, 9). Keine Leistung liegt danach etwa in der Weigerung einer Bank, eine Überweisung auszuführen (weitere Beispiele nach Nobbe, WM 2001, SB 4, 9 f.). Auch erfolgt die Überprüfung der Deckung (§ 676 a II 3 BGB) im eigenen Interesse der Bank und ist deshalb ebenfalls nicht abrechnungsfähig; hier soll auch kein Anspruch aus §§ 669, 670 BGB in Betracht kommen. Gleiches gilt für die Benachrichtigung des Kunden über fehlende Deckung oder Nichtausführung, da insoweit Benachrichtigungspflichten der Banken bestehen.
10
Den Bankkunden treffen Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die ihm überlassenen vorcodierten Überweisungsträger; dies gilt allerdings nur, wenn diese mit seinem Willen hergestellt wurden (Nobbe, WM 2001, SB 4, 11 m. w. N.). Im Übrigen trifft den Kontoinhaber eine echte Pflicht und nicht nur eine Obliegenheit, bei der Empfängerbezeichnung und den weiteren nach § 676 a II 3 BGB erforderlichen Angaben Sorgfalt zu wahren, um eine Schadensersatzhaftung nach § 280 I 1 BGB zu vermeiden, wenn die Überweisung scheitern sollte und dadurch der Überweisungsbank Unkosten entstehen (vgl. BGH WM 1991, 1452, 1458; Nobbe, WM 2001, SB 4, 11). Im Rahmen des § 676 c I 3 BGB entspricht dieser Pflicht eine Obliegenheit, deren Verletzung Nachteile bei der verschuldenslosen
11
Oechsler
1250
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Haftung mit sich bringt. Ferner muss der Kunde seine Bank über das Abhandenkommen von Ausweispapieren aufklären (Personalausweis, Reisepass) und seine Kontobewegungen innerhalb eines zumutbaren Zeitrahmens kontrollieren (Nobbe, WM 2001, SB 4, 11 f. m. w. N.). 12
III. Leistungsstörungen. 1. Haftung für Verspätung (§ 676 b I BGB). a) Überblick. Als zentralen Tatbestand der Leistungsstörung regelt das Gesetz die Bewirkung der Überweisung nach der Ausführungsfrist. Diese löst eine Garantiehaftung auf Zinsen nach § 676 b I BGB aus und eröffnet den Weg zur Rückerstattung des Überweisungsbetrags. Unabhängig davon kommt eine Verschuldenshaftung nach §§ 676 c I 2, 280 I 1 BGB in Betracht.
13
b) Ausführungsfrist. Beginn und Laufzeit der Annahmefrist sind in § 676 a II BGB geregelt. Fristbeginn ist der Ablauf des Tages, an dem das überweisende Institut die in § 676 a II 3 BGB genannten Informationen erhält und der Deckungsbetrag zur Verfügung steht. Im Regelfall handelt es sich um den auf den Eingang der Überweisung folgenden Bankarbeitstag (Nobbe, WM 2001, SB 4, 6); führt die Bank die Überweisung bereits am Tag des Eingangs aus, soll die Frist bereits mit diesem Tag beginnen (Bedingungen für den Überweisungsverkehr, ZBB 2002, 61, II 2.2 am Ende). Dann gelten indes Besonderheiten bei der Kündigung des Überweisungsvertrags (Rn. 27). Dabei stellt sich die Frage, ob das Institut im Girovertrag mit dem Überweisenden einen täglichen Annahmeschluss für Überweisungsangebote vereinbaren kann. Denn ein zu früh festgesetzter Annahmeschluss bewirkt für das überweisende Kreditinstitut vom Ergebnis her eine Fristverlängerung. Dabei verdient Beachtung, dass § 676 a II 1 BGB die Möglichkeit einer Fristverlängerung grundsätzlich eröffnet. Allerdings liefert das Gesetz durch den Begriff baldmöglichst eine Wertungsvorgabe im Rahmen des § 307 II Nr. 1 BGB, die den Gestaltungsspielraum auf Seiten des Kreditinstituts deutlich einengen dürfte (ähnlich Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 30). Die Praxis gibt bereits zu erkennen, dass sie diesen Begriff „baldmöglichst“ mit dem früher üblichen „unverzüglich“ gleichsetzt (Nobbe, WM 2001, SB 4, 6). Ein systematisches Argument ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 676 a II 2 Nr. 1 BGB. Danach kommt es für den Lauf der Ausführungsfrist nur bei grenzüberschreitenden Überweisungen auf die gewöhnlichen Öffnungszeiten aller Beteiligten an. Dagegen steht jedoch die Überlegung, dass das überweisende Kreditinstitut die Einhaltung der sehr knapp bemessenen Fristen des § 676 a II 1 BGB in jedem Fall organisieren können muss. Die Gesetzesbegründung hält deshalb einen Einlieferungsschluss um 15.30 Uhr für möglich (BT- Drucks. 14/745, 49; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 30).
14
Der Beginn der Frist hängt schließlich von den Voraussetzungen des § 676 a II 2 BGB ab (vgl. dazu Bedingungen für den Überweisungsverkehr, ZBB 2002, 61, II 1 und III 1). Probleme bereitet die zwingend vorgeschriebene Angabe der Kontonummer. Wegen § 154 AO werden Konten auf den Namen einer Person und nicht als Nummernkonten geführt, weshalb auch bislang die Empfängerbezeichnung ausreichte (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 32 ff.). Insbesondere erzwingt der weite Wortlaut des Art. 2 I Überweisungs-Richtlinie die Angabe der Kontonummer nicht. Bedenkt man schließlich, dass das überweisende Kreditinstitut die Ausführung der Überweisung allein wegen des Fehlens der Kontonummer verzögern könnte, wird deutlich, dass § 676 a II 2 BGB seinem Wortlaut nach nicht mit der Richtlinie vereinbar ist. Denn diese zielt ja auf eine Beschleunigung des Zahlungsverkehrs – ein Ziel, das durch Normierung neuer Verzögerungsgründe gerade gefährdet wird. Dies spricht dafür, die Norm insoweit richtlinienkonform auszulegen, als es für den Beginn der Ausführungsfrist auf die Nennung der Kontonummer nicht zwingend ankommt, wenn der Empfänger feststeht (a. A. MünchKommBGB-Casper, § 676 a Rn. 27 wegen der erheblichen Bedeutung der Kontonummer im beleglosen Ver-
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1251
fahren; wohl auch Bamberger/Roth-Schmalenbach, § 676 a Rn. 30). Zu Recht wird über § 676 a II 2 BGB hinaus gefordert, dass der Überweisende bei der Barüberweisung (§ 676 a I 3 BGB) zusätzlich den eigenen Namen und die Anschrift angeben muss, damit das überweisende Kreditinstitut mögliche Verpflichtungen aus § 676 b BGB gegenüber dem Überweisenden, der ja nicht notwendig Kunde ist, erfüllen kann. Neben den erforderlichen Angaben muss ein zur Ausführung der Überweisung ausreichendes Guthaben vorhanden sein. Für den Stichtag maßgeblich ist nicht der Kontostand des Betroffenen oder eine vom überweisenden Institut eingeleitete Belastungsbuchung, sondern der Zeitpunkt der Freigabe der Mittel für den Vorschussanspruch des überweisenden Instituts (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 33; vgl. auch Rn. 9). Wie die alternative Erwähnung eines ausreichenden Kreditrahmens in § 676 a II 3 BGB zeigt, ist das überweisende Institut im Regelfall nicht verpflichtet, selbst Kredit zu gewähren, sondern braucht erst tätig zu werden, wenn es über die ihm nach § 669 BGB zustehenden Mittel verfügt. Ist dem Überweisenden daher die Verfügungsberechtigung über sein Konto (nachträglich) abhanden gekommen (vgl. § 80, aber für den Überweisungsvertrag auch § 116 S. 3 InsO), beginnt der Lauf der Ausführungsfrist nicht. Fraglich ist, ob die Überweisungsbank den Überweisungsvertrag nicht teilweise ausführen muss, wenn auch teilweise Deckung auf dem Konto des Überweisenden besteht. Dies nimmt der BGH jedenfalls an, wenn dies den ausdrücklich oder zumindest stillschweigend bekundeten bzw. offensichtlichen Interessen des Kunden entspricht (BGH WM 1959, 1002, 1103; 1997, 2298; Nobbe, WM 2001, SB 4, 6; a. A. aber MünchKommBGB-Casper, § 676 a Rn. 29). c) Bewirkung der Überweisung. Die Bewirkung der Überweisung muss schließlich in die Ausführungsfrist fallen. Nach § 676 a I 1 und 2 BGB ist hinsichtlich der Bewirkung der Überweisung zu unterscheiden. Eine innerbetriebliche Überweisung ist bewirkt, wenn der Geldbetrag zur Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten zur Verfügung gestellt ist (Satz 1). Entscheidend kommt es auf die Gutschrift an (EuGH WM 2008, 678, Tz. 21 ff., 28); das Merkmal zur „Verfügung“ hat nämlich nicht die Bedeutung wie etwa in § 36 II 1 AktG. Entscheidend ist nicht die effektive Auszahlung an den Begünstigten, die diesem eine völlig freie Dispositionsmöglichkeit verschafft. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Betrag durch den Kontoinhaber mittels Kontoauszugs oder Einblicks in einen elektronischen Datenbestand in Erfahrung zu bringen ist (BGH NJW 2005, 1771): Vor diesem Zeitpunkt steht eine elektronische Gutschrift nämlich noch unter dem Vorbehalt der Nachdisposition. Bei der außerbetrieblichen Überweisung tritt die Erfüllungswirkung im Verhältnis Überweisender-Überweisungsbank dann ein, wenn der Überweisungsbetrag auf einem Konto des Kreditinstituts des Begünstigten gutgeschrieben ist. Dies ergibt sich aus § 676 f I 1 zweiter Fall i. V. m. § 676 g I 1 BGB (ähnlich Häuser, WM 1999, 1037 (1040)). In beiden Fällen gilt das Prinzip der formalen Auftrags- oder Weisungsstrenge (Nobbe, WM 2001, SB 4, 8): Die überweisende Bank darf die der Überweisung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse nicht beachten, sondern muss ihre Leistungshandlung allein an den Vorgaben des Überweisungsvertrags (früher: Überweisungsauftrags) orientieren. Deshalb liegt ein Bewirken nur vor, wenn die Leistung an den bezeichneten Empfänger selbst, nicht aber eine dritte Person – und weise diese auch Inkassovollmacht vor – weitergeleitet wird (BGHZ 66, 372, 376 f. = WM 1976, 708). Nach neuem Recht muss die Überweisungsbank den Betrag im Rahmen einer außerbetrieblichen Überweisung nicht dem Empfänger unmittelbar zuleiten, sondern einem Konto der Empfängerbank. Mit dieser Änderung lässt sich möglicherweise nach neuem Recht von einer formalen „Überweisungsstrenge“ sprechen: Denn auch hier darf die Bank den Weg zum Konto der Empfängerbank nicht verlassen (dazu OLG Düsseldorf WM 2004, 1233; OLGR Frankfurt 2007, 66). Eine abweichende Vereinbarung in AGB dürfte nunmehr an
Oechsler
15
1252
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
§ 307 I 1 BGB scheitern, weil für den Überweisenden das Risiko entsteht, mit dem Zahlungsvorgang letztlich doch keine Erfüllung zu bewirken (Nobbe, WM 2001, SB 4, 8). 16
d) Rechtsfolge (§ 676 b I BGB). Ist der überwiesene Betrag nicht innerhalb der Ausführungsfrist des § 676 a II BGB dem Konto des Begünstigten gutgeschrieben, so ist er nach § 676 b I 1 BGB in Höhe von fünf Prozent Jahreszins über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Norm – in der Praxis als wenig bedeutsam angesehen (Nobbe, WM 2001, SB 4, 7) – setzt weder ein Verschulden des überweisenden Kreditinstituts noch den Nachweis eines Schadens beim Überweisenden voraus. Sie wird deshalb teilweise als „Strafzins“ kritisiert (Hadding, WM 2000, 2465, 2466) und gemahnt systematisch an den Anspruch auf Fälligkeitszinsen nach § 353 HGB (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 37), im Rahmen dessen der Schaden des Gläubigers unwiderleglich vermutet wird. Auf einen gesetzlichen Bereicherungsanspruch (so Risse/Lindner, BB 1999, 2201, 2203 Fn. 32) läuft die Norm nicht hinaus, weil der Anspruch unabhängig von dem Nachweis besteht, ob das überweisende Kreditinstitut etwas erlangt hat.
17
Die Haftung entfällt nach § 676 b I 1 letzter Halbsatz BGB, wenn der Überweisende oder der Begünstigte die Verspätung zu vertreten hat. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Überweisende eine unrichtige Empfängerbezeichnung (§ 676 a II 3 BGB; Rn. 20) abgegeben und sich dadurch die Ermittlung des Begünstigten verzögert hat. Eingeschränkt wird diese Verantwortung jedoch durch die Prüfpflicht des überweisenden Kreditinstituts bei einer Haus- und Filialüberweisung (BGH WM 1989, 1754; OLG Hamm WM 1991, 1918; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 32). Ein Vertretenmüssen des Empfängers kommt in Betracht, wenn dieser die Bankverbindung mit der Empfängerbank zwischenzeitlich und ohne Mitteilung an den Überweisenden aufgelöst oder verändert hat und dadurch Schäden entstehen. Die Haftung entfällt schließlich auch bei höherer Gewalt (§ 676 b IV BGB): Dabei dürfte es sich – im Umkehrschluss aus dem Rechtsgedanken des § 311 a II 2 BGB – um Ereignisse handeln, die das überweisende Kreditinstitut nicht vorausgesehen hat und nicht voraussehen konnte. Im Schrifttum wird der Fall des Zusammenbruchs der EDV aufgrund von Umständen diskutiert, die die Bank nicht i. S. d. § 276 I BGB zu verantworten hat (Einsele, § 6 Rn. 128). Darunter soll auch der Fall der Insolvenz einer Zwischenbank fallen, auf den die Überweisungsbank keinen Einfluss hatte und den sie nicht vorhersehen konnte (Einsele, § 6 Rn. 128; Langenbucher, in: Langenbucher/Gößmann/Werner, § 1 Rn. 79).
18
2. Verstoß gegen das Abzugsverbot (§ 676 b II BGB). Aus § 676 b II BGB folgt, dass das überweisende Kreditinstitut Teile des Überweisungsbetrags nur einbehalten darf, wenn dies im Überweisungsvertrag vereinbart ist. In der Praxis ist dies etwa bei sog. OUR-Überweisungen der Fall: Hier trägt der Überweisende abredegemäß die Pflicht zur Entrichtung des Entgelts (dazu und zum folgenden Hadding, WM 2002, 2469). Deshalb ist § 676 b II BGB nicht auf BEN- oder SHARE-Überweisungen anwendbar, weil hier der Begünstigte die Kosten trägt oder diese doch zwischen den Parteien aufgeteilt werden. In diesen Fällen trägt das überweisende Kreditinstitut Verantwortung dafür, dass keine Differenz zwischen dem überwiesenen Betrag und dem auf dem Konto der Empfängerbank gutgeschriebenen Betrag entsteht. Andernfalls entsteht nach § 676 b II BGB eine Wahlschuld (§§ 266 ff. BGB) des Überweisenden: Dieser kann zunächst Erstattung des gekürzten Betrags (nicht des gesamten Überweisungsbetrags, arg. e contr. e § 676 b III BGB) verlangen, um die Weiterleitung auf anderem, verlässlicherem Wege zu bewerkstelligen; Erstattung bedeutet in Anlehnung an § 249 Satz 1 BGB Gutschrift auf dem Konto, das zum Zweck der Überweisung belastet wurde (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 37) oder – bei der Barüberweisung (§ 676 a I 3 BGB) – Auszahlung des entsprechenden Barbetrags. Bei institutsinternen Überweisungen (§ 676 a I 1 BGB) entsteht dadurch ein
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1253
Problem, dass das überweisende Kreditinstitut zugleich auch als Empfängerbank auf diesen Betrag nach § 676 g II BGB haftet (dazu auch Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 37). In diesem Fall können Überweisender und Empfänger den Anspruch lediglich als Gesamtgläubiger nach § 428 BGB geltend machen. Bei höherer Gewalt (Rn. 17) entfällt auch hier die Haftung (§ 676 b IV BGB). 3. Erstattungsanspruch bei fehlgeschlagener Überweisung (Money-Back-Garantie; § 676 b III BGB). Mit der Regelung dieses Anspruchs greift die neue gesetzliche Regelung am stärksten in die zuvor bestehende Rechtslage ein. Schlug die Überweisung nämlich fehl, stand dem Überweisenden nach altem Recht gegenüber seiner Bank ein Anspruch aus § 285 BGB auf Abtretung der Herausgabeansprüche der Bank aus § 667 BGB zu, den diese gegenüber ihrem Nachfolger in der Zahlungsverkehrskette geltend machen konnte (vgl. nur BGHZ 4, 244; Canaris, Rn. 349; a. A. Häuser, NJW 1994, 3121 (3126 f.)). Diese Einschränkung erklärte sich daraus, dass die überweisende Bank nach altem Recht nicht für das Vertretenmüssen der nachgeschalteten Zwischeninstitute einzustehen hatte (Ehmann/Hadding, WM 1999, SB 3, 16 f.). Überträgt man diese Lehre auf das System der §§ 676 a I 2, 676 c I 3 BGB, innerhalb dessen die überweisende Bank nun für das Vertretenmüssen der Zwischeninstitute einzustehen hat, träfe sie konsequenterweise selbst und unmittelbar ein Anspruch des Kunden aus § 667 BGB auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten (Ehmann/Hadding, WM 1999, SB 3, 17; Einsele, § 6 Rn. 130; ähnlich etwa Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 49 Rn. 13). Bereits nach altem Recht ging die Rechtsprechung von einem unmittelbaren Anspruch des Kunden gegenüber der Überweisungsbank aus § 667 BGB bei weisungswidriger Ausführung aus (vgl. nur BGH WM 1962, 460, 462; WM 1983, 834; WM 1999, 2255 f.; weitere Nachweise bei Nobbe, WM 2001, SB 4, 9 Fn. 75). An die Stelle dieser vom Vorwurf des Vertretenmüssens unabhängigen unselbstständigen Nebenleistungspflicht lässt nun § 676 b III 1 BGB einen aus Garantie begründeten Haftungsanspruch treten, der zudem höhenmäßig auf 12.500 Euro begrenzt ist. Diese Begrenzung gilt allerdings nicht für die Entgelte und Auslagen, die der Kunde für die Überweisung erbracht hat: Nur greift hier die Haftungsbegrenzungsmöglichkeit nach § 676 c III BGB, von der die Bankwirtschaft in ihren Bedingungen Gebrauch gemacht hat (Bedingungen für den Überweisungsverkehr, ZBB 2002, 62, II 4.3. II). Während nach altem Recht das überweisende Kreditinstitut sich gegenüber dem auf Geldzahlung gerichteten Herausgabeanspruch nicht auf Unmöglichkeit berufen konnte (§ 279 BGB a. F., jetzt § 276 I BGB), sind nun also Haftungsausschlüsse möglich. Unklar ist zur Zeit, ob die Praxis nicht eine Konkurrenz mit dem Anspruch aus § 667 BGB für möglich hält (vgl. mögliche Tendenzen zu einer Konkurrenz bei Nobbe, WM 2001, SB 4, 8 und Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 49 Rn. 13; vgl. auch Einsele, § 6 Rn. 130). Dafür spräche der weitgehend verfehlte Zweck des § 676 b III 1 BGB sowie auch die Zielsetzung der Überweisungsrichtlinie, in der es nur um Mindestregelungen für eine Haftung geht. Gegen eine solche Möglichkeit sprechen indes die gesetzlichen Vorgaben in § 676 b III 5 BGB, die bei einer Konkurrenz mit dem Anspruch aus § 667 BGB leer liefen und deshalb nicht einfach unbeachtet bleiben können. Nach dieser Norm entfällt nämlich der Anspruch auf „Auslagen“ mit dem Verstreichen der nach § 676 b III 1 BGB beginnenden Nachfrist; allerdings ist der Rückgewähranspruch nach § 676 b III 1 BGB in diesem Fall höhenmäßig beschränkt.
19
§ 676 b III BGB fasst den früheren Tatbestand des Fehlschlagens der Überweisung neu: Neben die Versäumung der Ausführungsfrist nach § 676 b I BGB muss zu diesem Zweck ein Erstattungsverlangen des Überweisenden treten, auf das hin 14 Bankgeschäftstage (vgl. die Definition in § 676 a II 2 Nr. 1 BGB) vergehen, ohne dass die Überweisung bewirkt wird oder Ausnahmegründe greifen (§ 676 b III 6, IV BGB). Beim Erstattungs-
20
Oechsler
1254
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
verlangen handelt es sich um eine geschäftsähnliche Handlung, denn die Rechtsfolge tritt unabhängig von einem auf sie gerichteten Willen des Erklärenden ein. Systematisch ist das Verlangen im Bereich der Nacherfüllung angesiedelt: Dafür spricht zum einen, dass nicht sofort, sondern erst nach Fristablauf Erstattung verlangt werden kann (Hadding, WM 2000, 2470), und zum anderen der in § 676 b III 1 BGB verwendete Begriff der Nachfrist. Geht man deshalb davon aus, dass es sich beim Überweisungsvertrag um eine Sonderform des Werkvertrags handelt, so sind prinzipiell die Vorschriften über die Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung nach §§ 634 Nr. 4, 281 II, 636 BGB anwendbar, sofern nicht die Wertungen des § 676 b BGB entgegenstehen. Dann ist die Nachfrist aber auch bei einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung bzw. unter besonderen Umständen entbehrlich. Im neuen Tatbestand des § 676 b III 1 BGB kommt es nicht mehr darauf an, warum die Überweisung fehlgeschlagen ist, etwa weil das überweisende Kreditinstitut weisungswidrig agiert hat (dazu Nobbe, WM 2001, SB 4, 9), sondern allein darauf, dass der geschuldete Erfolg (§ 676 a I 1 und 2 BGB) ausbleibt. Die Haftung ist ausgeschlossen bei höherer Gewalt (§ 676 b IV, Rn. 17), sowie nach § 676 b III 6 BGB bei fehlerhafter oder unvollständiger Weisung durch den Überweisenden. Gegen diesen zweiten Haftungsausschluss bestehen jedoch aus zwei Gründen Bedenken: Zunächst erteilt der Überweisende nach neuem Recht keine Weisungen i. S. d. § 665 BGB, so dass die Regelung allein den Fall einer fehlerhaften Nebenabrede zum Überweisungsvertrag betreffen dürfte, deren Inhalt auf Angaben des Überweisenden zurückgeht. Dabei erscheint die Unvollständigkeit im Übrigen als bloßer Unterfall der Fehlerhaftigkeit. Das in der Praxis bedeutendste Beispiel liegt in der fehlerhaften Empfängerbezeichnung (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 38). Schwerer noch wiegt der Widerspruch zu § 254 BGB, den die h. M. nach altem Recht auf den Anspruch aus § 667 BGB analog anwendete (BGH WM 1998, 2242, 2243). Die Alles-oder-Nichts-Entscheidung des § 676 b III 6 BGB wird teilweise kritisch als Umsetzung der sog. clean-hands-Theorie des angloamerikanischen Equity-Rechts gesehen, nach der der Überweisende nur dann den Schutz der Rechtsordnung in Anspruch nehmen darf, wenn er mit „sauberen Händen“ vor sie tritt (Ehmann/ Hadding, WM 1999, SB 3, 11). Eine solch strenge Interpretation der Norm erscheint indes nicht zwingend. Denn die maßgebliche Vorgabe in Art. 8 III der Überweisungsrichtlinie trifft nur eine „Mindestverpflichtung“ der beteiligten Kreditinstitute (vgl. die Überschrift von Abschnitt III) und lässt folglich Raum sowohl für eine richtlinienkonforme als auch mit dem System des BGB übereinstimmende Interpretation des § 676 b III 6 BGB: Die Norm ist danach entgegen ihrem verengten Wortlaut nur auf den Fall anwendbar, dass die Überweisung allein wegen der fehlerhaften Weisung fehlschlägt. In allen übrigen Fällen bleibt es beim Anspruch aus § 676 b III 1 BGB, der nach § 254 BGB gekürzt werden muss (ähnlich Nobbe, WM 2001, SB 4, 9). 21
Zum Haftungsausschluss kommt es nach § 676 b III 6 BGB auch dann, wenn im Überweisungsvertrag – auf Verlangen des Überweisenden – ein bestimmtes Kreditinstitut als zwischengeschaltetes Institut iSd. §§ 676 d ff. BGB vereinbart wird und gerade dieses die Überweisung nicht ausgeführt hat. Auch hier verbietet sich allerdings eine Alles-oderNichts-Entscheidung: Vielmehr kommt es darauf an, dass dem Zwischeninstitut das ganz überwiegende Mitverschulden zur Last gelegt werden kann (Rn. 20). In den Fällen eines Mitverschuldens des überweisenden Instituts haftet dieses dem Kunden im Außenverhältnis und muss selbst auf das Zwischeninstitut Rückgriff nehmen, und zwar in Höhe dessen Mitverschuldensanteils. Unklar ist dabei die Rechtsfolge des § 676 b III 7 BGB: Das Zwischeninstitut haftet danach anstelle des überweisenden Instituts. Damit kann jedoch kein gesetzlicher Direktanspruch gemeint sein, wie ein Blick § 676 e III 2 BGB zeigt: Nach dieser Norm haftet nämlich ein zwischengeschaltetes Institut in den Fällen des
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1255
§ 676 b III BGB nur gegenüber dem ihm vorgeschalteten Partner in der Zahlungskette. Daraus folgt, dass es sich bei § 676 b III 7 BGB um einen der Drittschadensliquidation angenäherten Fall handelt (weitergehend für ein eigenes gesetzliches Schuldverhältnis: MünchKommBGB-Casper, § 676 b Rn. 19 f.: Der Überweisende macht den Schaden gegenüber dem Zwischeninstitut auf der Grundlage der Ansprüche des Vertragspartners des Zwischeninstituts geltend. § 676 b III 7 BGB erfüllt danach die Funktion einer Legalzession: Die Ansprüche des Vormannes gegen das verantwortliche Zwischeninstitut muss der Überweisende nicht mehr erst innerhalb der Kette nach § 285 BGB herausfordern, sondern erwirbt sie kraft Gesetzes, wenn das überweisende Kreditinstitut als Haftungsschuldner nach § 676 b III 6 BGB ausfällt. Damit beantwortet sich auch die Frage, ob im Fall des § 676 b III 7 BGB das Erfüllungsverlangen des Überweisenden nach § 676 b III 1 BGB an das überweisende Kreditinstitut oder an das verantwortliche zwischengeschaltete Institut gerichtet werden muss: Da der Überweisende Ansprüche des dem Zwischeninstitut vorgeschalteten Vertragspartners geltend macht, muss er das Erfüllungsverlangen direkt an das Zwischeninstitut richten. Dafür spricht nicht zuletzt der Zweck der Nachfrist, dem Haftungsschuldner die Abwendung der Haftung zu ermöglichen. Dieser könnte nicht erreicht werden, wenn die Nacherfüllungsfrist bereits mit der Mitteilung gegenüber dem überweisenden Kreditinstitut liefe. Im Übrigen ist dem Überweisenden in diesem Fall die direkte Auseinandersetzung mit dem zwischengeschalteten Kreditinstitut zumutbar, weil er dieses ja ausgesucht hat (im Ergebnis ebenso Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 40). Von einer echten Drittschadensliquidation (so aber Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 40) unterscheidet sich § 676 b III 7 BGB jedoch insoweit, als hier nicht zwingend eine Schadensverlagerung vorliegen muss: Denn zum einen hat der Erstattungsanspruch nach III 1 Abschöpfungscharakter und zum anderen setzt der Ersatzanspruch nach Satz 2 tatbestandlich keinen Schaden des Kunden voraus. Richtiger Auffassung nach liegt ein Haftungsausschluss wohl auch in den Fällen des § 676 g III BGB vor (Rn. 37; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 22, 39). Übersteigt der Überweisungsbetrag die Grenze von 12.500 Euro, kommen Ansprüche aus Leistungskondiktion (§ 812 I 1 erster Fall BGB) in Betracht, weil mit Ablauf der Nachfrist der Überweisungsvertrag als gekündigt gilt (§ 676 b III 3 BGB) und damit der Rechtsgrund entfallen ist. Mit Ablauf der Nachfrist auf das Erstattungsverlangen wird die Fiktion der Kündigung des Überweisungsvertrags wirksam (§ 676 b III 3 BGB). Im Anschluss an den werkvertraglichen Einschlag des Überweisungsvertrags liegt hier eine Parallele zu § 649 1 BGB nahe (Ehmann/Hadding, WM 1999, SB 3, 4), mit dem signifikanten Unterschied aber, dass an die Stelle des Kündigungsrechts eine Zwangskündigung tritt. So verliert der Überweisende unfreiwillig seinen Erfüllungsanspruch. Ist er dennoch weiterhin an einer Geschäftsbesorgung durch das überweisende Institut interessiert, muss er diesem ein erneutes Angebot auf Abschluss eines Überweisungsvertrags unterbreiten. Dann stellt sich die Frage, ob das Kreditinstitut diesen Antrag annehmen muss (zum Kontrahierungszwang oben Rn. 3). In diesem Zusammenhang gewinnt das Kündigungsrecht nach § 676 b III 4 BGB eigenständige Bedeutung (kritisch Hadding, WM 2000, 2471): Eigentlich hat dieses Recht, das im Wesentlichen eine Unzumutbarkeit für das überweisende Kreditinstitut bei Abwägung der beiderseitigen Interessen voraussetzt, nur dann praktische Bedeutung, wenn das Kreditinstitut während der 14 Tage der Nachfrist kündigt (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 39 f.). Bei der Frage eines neuerlichen Kontrahierungszwangs kann das Kreditinstitut die Verweigerung der Annahme eines neuen Antrags jedoch genau auf die Kündigungsgründe des § 676 b III 4 BGB stützen: Denn dieselben Gründe, die eine vorzeitige Lösung vom alten Überweisungsvertrag rechtfertigen, dürften dem Abschluss eines neuen entgegenstehen. Direkte Folge der Kündigungsfunktion nach § 676 b III 3 BGB
Oechsler
22
1256
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
ist, dass der Überweisende dem überweisenden Kreditinstitut weder Entgelte noch Auslagen schuldet (§ 676 b III 5 BGB). Ein Anspruch auf Teilvergütung entsprechend § 649 Satz 2 BGB besteht danach nicht; der Wegfall des Auslagenanspruchs ist im Grunde eine Wiederholung des § 676 b III 1 BGB: Was die Überweisungsbank vom Kunden als Vorschuss erlangt hat, ist herauszugeben, weil sie keinen endgültigen Aufwendungsersatzanspruch hat; ihre Rückgabepflicht nach dieser Norm ist allerdings höhenmäßig beschränkt. 23
4. Verschuldenshaftung (§ 676 c I 2 BGB). § 676 c I 2 BGB öffnet den Weg für eine Haftung des überweisenden Kreditinstituts wegen Verschuldens, die sich nun i.d.R. nach § 280 I 1 BGB richtet und nur im Sonderfall der ursprünglichen Unmöglichkeit nach § 311 a II 1 BGB. Praktisch relevant ist der Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens infolge Ausbleibens der Hauptleistung (§§ 280 I 1, III, 281 BGB). Die zentrale Besonderheit liegt darin, dass das überweisende Kreditinstitut nach § 676 c I 3 BGB für ein Verschulden der zwischengeschalteten Kreditinstitute wie für eigenes verantwortlich ist. Die Norm erinnert äußerlich an § 278 BGB und rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass das überweisende Kreditinstitut bei einer außerbetrieblichen Überweisung nicht nur zur Weiterleitung des Betrags an das erste zwischengeschaltete Kreditinstitut verpflichtet ist, sondern – darüber hinaus – zur Gutschrift auf dem Konto der Empfängerbank (§ 676 a I 2 BGB; so bereits nach altem Recht Köndgen, Neuere Fragen im Bankhaftungsrecht, 1987, S. 133; Huber, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, 1992, S. 33, 58 ff.; Einsele, AcP 199 (1999) 145, 177 ff.; a. A. Häuser, NJW 1994, 3121, 3124). Diese Entwicklung war bereits im alten Recht vorgezeichnet, weil § 675 I BGB nicht auf § 664 BGB verweist (Ehmann/Hadding, WM 1999, SB 3, 14): Scheidet aber eine Substitution aus, bleibt für die Überweisungsbank nur der Weg, die Zwischeninstitute als Erfüllungsgehilfen einzuschalten.
24
Eine wichtige Konsequenz des § 676 c I 3 BGB besteht darin, dass der Überweisende grundsätzlich keine Direktansprüche gegenüber einem Zwischeninstitut in der Zahlungsverkehrskette geltend machen kann, sondern sich stets an sein eigenes, überweisendes Institut halten muss. Im Umkehrschluss entfaltet der zwischen überweisendem und zwischengeschaltetem Institut geschlossene Zahlungsvertrag nach § 676 d I BGB deshalb auch keine Schutzwirkungen zugunsten des Überweisenden (anders noch Ehmann/ Hadding, WM 1999, SB 3, 15; wie hier nun Einsele, § 6 Rn. 151) – eine gesetzgeberische Wertentscheidung, die auch die Entscheidung in anderen Zahlungsverkehrskonstellationen beeinflussen dürfte (vgl. noch BGHZ 62, 82; im Sinne der Neuregelung aber bereits Hadding, in: FS Werner 1984, S. 165, 178 ff. und nunmehr Nobbe, WM 2001, SB 4, 22 und 23). Gegenüber diesem Grundsatz macht das Gesetz indes dort eine Ausnahme, wo der Überweisende eine zwischengeschaltete Bank vorgibt und gerade diese eine wesentliche Ursache setzt (§ 676 c I 3 zweiter Halbsatz BGB). In diesem Fall ist das Vertretenmüssen des Zwischeninstituts dem überweisenden Institut nicht mehr zuzurechnen, sondern dem Kunden: Dies löst indes keine Direktansprüche des Kunden gegen dieses Institut aus, sondern führt zu einem Sonderfall der Drittschadensliquidation (Rn. 25). Haftungsbefreiend wirkt es für die überweisende Bank, wenn das Zwischeninstitut eine wesentliche Ursache gesetzt hat. Hier fallen Parallelen zu § 676 b III 6 zweiter Fall BGB ins Auge: Wie dort (Rn. 20) muss auch hier gelten, dass die Norm nur anwendbar ist, wenn die Überweisung allein wegen der fehlerhaften Weisung fehlschlägt. In allen übrigen Fällen des Mitverschuldens bleibt es beim Schadensersatzanspruch aus §§ 676 c I 2, 280 I 1 BGB, der dann nach § 254 BGB gekürzt werden muss (vgl. auch Nobbe, WM 2001, SB 4, 9). Dies hat folgende Konsequenz: Haben überweisendes Kreditinstitut und Zwischenbank den Schaden nach § 254 I BGB gemeinsam zu vertreten, haftet das eine dem Kunden nach §§ 676 c I 2 iVm. 280 I 1 BGB, das andere nach § 676 c II iVm. 280 I 1 BGB.
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1257
Zwar kommt in solchen Fällen prinzipiell eine gesamtschuldnerische Haftung der Kreditinstitute zugunsten des Kunden zustande, doch dürfte letzterer sich wohl mit dem zwischengeschalteten Kreditinstitut regelmäßig in einer § 426 BGB begrenzenden Haftungseinheit befinden (vgl. grundsätzlich BGHZ 61, 213, 218; Staudinger-Noack, § 426 Rn. 93 ff.): Aus § 676 c II BGB geht nämlich hervor, dass der Überweisende und das zwischengeschaltete Institut in diesen Fällen eine einheitliche Gefahrenquelle geschaffen haben, die das Gesetz gegenüber dem vom überweisenden Institut zu verantwortenden Tatbeitrag absetzt. Soweit der Überweisende auf die von ihm vorgegebene Zwischenbank zurückgreift, ordnet § 676 c II BGB eine Rechtsgrundverweisung auf § 280 I 1 BGB an (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 42): Das zwischengeschaltete Institut haftet daher ebenfalls nur für Vertretenmüssen. § 676 c II BGB gleicht dabei eine zufällige Schadensverlagerung durch gesetzliche Anordnung einer Drittschadensliquidation aus: Der Schaden des Kunden wird auf der Grundlage der vertraglichen Ansprüche des jeweiligen Vertragspartners der Zwischenbank liquidiert (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 42). Im Rahmen einer Mitverschuldensprüfung nach § 254 I BGB geht die Praxis vorrangig von den Verursachungsanteilen und eher weniger von den Verschuldensanteilen aus: Entscheidend ist danach, wessen Verhalten die Gefahr des konkreten Schadenseintritts erhöht hat (Nobbe, WM 2001, SB 4, 12; a. A. MünchKommBGB-Casper, § 676 c Rn. 11). Auch kommt ein Vorteilsausgleich in Betracht, wenn die Überweisungsbank dem Kunden nicht nach § 280 I 1 BGB haftet: Hier kann der Kunde Abtretung der Ansprüche gegenüber dem zwischengeschalteten Institut nach § 242 BGB verlangen (Nobbe, WM 2001, SB 4, 13).
25
5. Haftungsbeschränkung und -ausschluss. Grundsätzlich kann die Haftung gem. § 676 b BGB nach § 676 c III BGB in drei alternativen Konstellationen beschränkt werden. Die Praxis hat insbesondere von der Haftungsbeschränkung bei Überweisungen über einen Betrag von 75.000 Euro Gebrauch gemacht (s. die in WM 2000, 795 abgedruckten Bedingungen; dazu Hadding, WM 2000, 2466 f.). Für die Haftung nach §§ 676 c I 2, 280 I 1 BGB entsteht durch das Zusammenspiel von § 676 c I 4 und 5 und III BGB ein komplexes System von Haftungsbegrenzungen: (1) Generell darf vom gesetzlichen Tatbestand in den Fällen des § 676 c III BGB „abgewichen“ werden. Wegen § 276 III BGB dürfte allerdings ein Haftungsausschluss wegen Vorsatzes in jedem Fall ins Leere gehen und – im Anwendungsbereich des § 309 Nr. 7 b BGB – auch ein Ausschluss für grobe Fahrlässigkeit in AGB (§ 309 Nr. 7 b BGB). Ein systematischer Umkehrschluss aus § 676 c I 5 BGB – die Norm sieht Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in diesem Fall ausdrücklich als Ausnahmen vor – ist wohl nicht möglich: Dafür erscheint der Gesetzestext in I 5 zu wenig systematisch durchdacht. (2) Die Einstandspflicht des überweisenden Kreditinstituts für zwischengeschaltete Institute kann darüber hinaus nach § 676 c I 4 BGB auf 25.000 Euro begrenzt werden. (3) Darüber hinaus ist wiederum die Verschuldenshaftung – soweit Vermögensfolgeschäden betroffen sind (Beispiel: infolge verspäteter Überweisung beendet der Gläubiger seine Geschäftsbeziehung zum Schuldner) – auf 12.500 Euro begrenzbar (§ 676 c I 5 BGB): Nur gilt dies nicht für den Zinsschaden bzw. im Fall einer Risikoübernahme durch das Kreditinstitut sowie bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Fraglich ist deshalb auch hier, ob wenigstens die Haftungsausnahme nach § 676 c I 4 BGB auch im Falle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit des zwischengeschalteten Kreditinstituts gilt: Wegen §§ 276 III, 309 Nr. 7 b BGB scheint dies indes ebenso problematisch und ist zu verneinen. Zum Haftungsausschluss nach § 676 c I 3 BGB vgl. oben Rn. 24).
26
IV. Kündigung des Überweisungsvertrags und Rückforderungspflicht. 1. Kündigung durch den Überweisenden („Widerruf der Überweisung“). Die Kündigungs-
27
Oechsler
1258
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
möglichkeit des Überweisenden nach § 676 a IV BGB ist § 649 1 BGB nachgebildet (Ehmann/Hadding, WM 1999, SB 3, 4) und deshalb nicht an Sachgründe gebunden. Funktional tritt sie im neuen System an die Stelle des Widerrufs einer Weisung i. S. d. § 665 BGB durch Gegenweisung (Nobbe, WM 2001, SB 4, 4). Das Kündigungsrecht endet mit Gutschrift auf einem Konto der Empfängerbank. Denn in diesem Zeitpunkt enden die Pflichten des überweisenden Kreditinstituts (§ 676 a I 2 BGB) und der zwischengeschalteten Kreditinstitute (§ 676 d I BGB). Aus § 676 a IV 3 BGB geht hervor, dass die Kündigungserklärung stets gegenüber dem überweisenden Kreditinstitut erfolgen muss und auch im Falle der außerbetrieblichen Überweisung nicht an ein Zwischeninstitut in der Zahlungsverkehrskette zu richten ist (MünchKommBGB-Casper, § 676 a Rn. 43; Bamberger/Roth-Schmalenbach § 676 a Rn. 41). Dies entspricht der alten Rechtslage, nach der ein Widerruf der Weisung durch den Kunden nur innerhalb seiner Vertragsbeziehung zur Überweisungsbank in Betracht kam (Nobbe, WM 2001, SB 4, 4). Das überweisende Kreditinstitut selbst muss hingegen die Empfängerbank unmittelbar über die Kündigung informieren (§ 676 a IV 3 BGB), was bei dieser die Pflicht auslöst, den Betrag an den Kunden zurückzuleiten (§ 676 d II 1 BGB). Aus beiden Normen geht indes auch hervor, dass die Empfängerbank keine andere Kündigungserklärung gegen sich gelten lassen muss: Erklärungen des Kunden selbst oder Erklärungen eines zwischengeschalteten Instituts sind deshalb unmaßgeblich (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 36; Nobbe, WM 2001, SB 4, 4). Im Gegensatz zum alten Recht wird der letztmögliche Kündigungszeitpunkt vorverlegt: Nicht mehr die Gutschrift auf dem Empfängerkonto ist maßgeblich, sondern die Gutschrift auf einem (Clearing-)Konto der Empfängerbank. Überzeugende Argumente sprechen dafür, dass ausnahmsweise ein Widerruf auch noch bis zur Gutschrift auf dem Empfängerkonto möglich ist, wenn die Überweisungsbank die Überweisung bereits vor dem ersten Bankarbeitstag nach Eingang des Überweisungsbetrags ausgeführt hat (so Nobbe, WM 2001, SB 4, 5; dagegen mit Sphärenüberlegungen und systematischen Argumenten aus § 649 Satz 1 wegen ein getretener Vollendung: MünchKommBGB-Casper, § 676 a Rn. 41; Erman-von Westphalen § 676 a Rn. 39). Denn ansonsten würde man für die Überweisungsbank einen Anreiz schaffen, im Interesse ihrer Kunden die Ausführungsfristen des § 676 a II BGB weitgehend auszuschöpfen, was mit dem Ziel der Richtlinie, Zahlungsvorgänge zu beschleunigen, nicht vereinbar wäre (ähnlich Nobbe, WM 2001, SB 4, 5). Im Rahmen von Zahlungsverkehrssystemen kann nach § 676 a IV 2 BGB der Kündigungszeitpunkt sogar noch gegenüber Satz 1 vorverlegt werden. Damit soll mglw. den Usancen im Bereich des Magnetband-Clearing Rechnung getragen werden, wo allerdings ein Direktwiderruf als Ausgleich existiert (Ehmann/Hadding, S. 11). 28
Fraglich sind die weiteren Rechtsfolgen der Kündigung: Zunächst steht dem überweisenden Kreditinstitut nach §§ 675 I, 649 2 BGB ein Anspruch auf Teilvergütung zu (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 36; MünchKommBGB-Casper, § 676 a Rn. 45). Eine analoge Anwendung des § 676 b III 5 BGB kommt bei einer vom Überweisenden veranlassten Kündigung nicht in Betracht (wohl für eine analoge Anwendung des § 676 b III BGB auf der Grundlage des Regierungsentwurfs Ehmann/Hadding, WM 1999, SB 3, 10). Fraglich ist allerdings, ob das überweisende Kreditinstitut dem Kunden stets den vollen Überweisungsbetrag nach §§ 675 I, 667 BGB herausgeben muss oder nur in Höhe von 12.500 Euro verantwortlich ist, soweit kein Vertretenmüssen hinzutritt. Für die Anwendung des § 667 BGB spricht zunächst der Schutz des Überweisenden und letztlich der verfehlte Charakter der Regelung des § 676 b III BGB, die eine Nebenleistungspflicht (§ 667 BGB) als summenmäßig begrenzten Haftungstatbestand ausgestaltet. Gegen die Anwendung des § 667 BGB und für § 676 b III 1 BGB spricht aber ein zentrales systematisches
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1259
Argument: Wenn das überweisende Kreditinstitut bereits für den Fall des von ihm verursachten Fehlschlagens der Überweisung nur eingeschränkt nach § 676 b III BGB verantwortlich ist, kann es nicht schärfer „haften“, wenn das Fehlschlagen vom Kunden selbst durch Kündigung herbeigeführt wird. Insoweit bleibt es bei der summenmäßigen Haftungsbeschränkung. 2. Rückleistungspflicht in sonstigen Fällen. Eine Rückleitungspflicht nimmt die Praxis zu Recht auch dann an, wenn die Überweisungsbank erkennt, dass die Überweisung undurchführbar ist (BGHZ 4, 244, 249 = NJW 1952, 340; Nobbe, WM 2001, SB 4, 5). Undurchführbar wird die Überweisung nunmehr jedoch nicht infolge Insolvenz des Überweisenden. Die früher anwendbaren §§ 23 II KO, 115 I InsO werden nunmehr durch § 116 Satz 3 InsO verdrängt: Danach berührt die Insolvenzeröffnung die Wirksamkeit der Überweisung nicht, sondern eröffnet der Überweisungsbank lediglich ein Kündigungsrecht nach § 676 a III 1 BGB.
29
3. Kündigung durch das überweisende Institut. Nach § 676 a III 1 BGB ist der Überweisungsvertrag bis zum Beginn der Ausführungsfrist ohne Angabe von Gründen kündbar. Allerdings gebietet der aus dem Girovertrag folgende Kontrahierungszwang (Rn. 3) eine einschränkende Auslegung der Norm (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 33 f.: MünchKommBGB-Casper, § 676 a Rn. 38; Langenbucher, in: Langenbucher/Gößmann/ Werner, § 1 Rn. 50): Soweit das Kreditinstitut aus dem Girovertrag zum Abschluss eines Überweisungsvertrags verpflichtet ist, kann es sich dieser Pflicht nicht durch Kündigung entziehen. Sachgründe für die Kündigung entstehen – entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 675 I, 642, 643 BGB – jedoch dann, wenn der Kunde nachhaltig seine Mitwirkung bei der Vorbereitung der Überweisung durch Mitteilung der erforderlichen Informationen und Bereitstellung des Deckungsbetrags (beides § 676 a II 3 BGB) versäumt (Gößmann/ van Look, WM 2000, SB 1, 34; ähnlich BT-Drucks. 14/745, S. 20). Nach Beginn der Ausführungsfrist kommt eine Kündigung zunächst in Betracht, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Überweisenden eröffnet worden ist (§ 676 a III 1 BGB). Die Vorschrift steht in engem Zusammenhang mit dem neugeschaffenen § 116 Satz 3 InsO (die Norm geht auf die sog. Zahlungssicherungsrichtlinie 98/26/EG, ABl. 1998 Nr. L 166/45 zurück: Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 35): Danach erlöschen Überweisungs- und Zahlungsverträge mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht. Ein danach anfallender Freistellungsanspruch nach § 669 BGB würde daher zur Masseschuld nach § 55 I Nr. 2 InsO; doch muss das überweisende Institut dieses Risiko nicht eingehen, sondern kann sich durch Kündigung des Überweisungsvertrags schützen. Ein Kündigungsgrund liegt auch vor, wenn ein zur Durchführung der Überweisung erforderlicher Kredit gekündigt worden ist. Es versteht sich, dass dies nur für eine wirksame Kündigung des Kredits gelten kann; denn gewährt das überweisende Institut den Kredit selbst, kann es sich seiner Verpflichtungen nicht auf diesem Wege entledigen. Gewährt ein Dritter den Kredit, muss das überweisende Institut dem Überweisenden vorübergehend Zeit für eine Klärung des zugrundeliegenden Streits einräumen. Die Rechtsfolgen der Kündigung dürften sich in diesem Fall nach § 676 b III BGB analog richten: Denn für den Überweisenden kann es von der Sache her keinen Unterschied machen, ob die Rechtsfolgen durch Nichteinhaltung der Nachfrist (§ 676 b III 1 BGB) oder durch Kündigung eintreten (vgl. deshalb oben Rn. 22).
30
C. Der Zahlungsvertrag (§§ 676 d f.)
31
I. Leistungspflichten. Der Zahlungsvertrag verpflichtet ein zwischengeschaltetes Kreditinstitut zur Weiterleitung des Überweisungsbetrages an ein anderes zwischengeschaltetes Kreditinstitut bzw. an die Empfängerbank (§ 676 d I BGB). Richtiger Auffassung
Oechsler
1260
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
nach wird die Weiterleitung als Erfolg i. S. d. § 631 II BGB geschuldet (Häuser, WM 1999, 1037 (1042); Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 43; a. A. Schulz, ZBB 1999, 287 (292); Becher, DStR 1999, 1360 (1364)): Dieser besteht in der Buchung des Betrags auf dem Konto des nachgeschalteten Zwischeninstituts bzw. der Empfängerbank. Fraglich ist, ob es sich beim Zahlungsvertrag um einen Rahmenvertrag handelt, innerhalb dessen einzelne Überweisungsvorgänge auf der Grundlage einer Auftragserteilung abgewickelt werden, oder ob über jede einzelne Überweisung ein Zahlungsvertrag zustande kommt. Für die zweite Lösung spricht der Gleichklang mit dem Überweisungsvertrag (vgl. § 676 a I BGB; daher auch MünchKommBGB-Casper, § 676 d Rn. 31), für die erste (so Gößmann/van Look, S. 43) hingegen die systematische Abstimmung mit dem Vertragsverhältnis zwischen Empfängerbank und letzter zwischengeschalteter Bank. Bei diesem handelt es sich nämlich nicht um einen Zahlungsvertrag, wie sich aus dem Wortlaut des § 676 d I BGB ergibt: Die Empfängerbank ist nämlich weder verpflichtet, den Überweisungsbetrag an ein anderes zwischengeschaltetes Institut, noch an sich selbst weiterzuleiten. Ihr Rechtsverhältnis zum letzten Zwischeninstitut beruht daher auf einem allgemeinen Girovertrag nach §§ 675 I, 611 BGB mit dem typischen Dauerschuldcharakter (Ehmann/Hadding, WM 1999, SB 3, 4; Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 23). Durch Ausklammerung dieses letzten Vertrags in der Zahlungsverkehrskette vom Anwendungsbereich des § 676 d I BGB wollte der Gesetzgeber den Verantwortungsbereich des überweisenden Kreditinstituts einschränken (vgl. nämlich § 676 c I 3 BGB). Die Rechte und Pflichten zwischen überweisendem Kreditinstitut, zwischengeschalteten Kreditinstituten und Empfängerbank gestalten sich in der Praxis auf der Grundlage des Abkommens zum Überweisungsverkehr (ursprünglich vom 16. April 1996; vgl. die neueste Fassung in BAnZ 2002, Nr. 12, S. 790; BAnZ 2001, S. 21894): Danach besteht die Pflicht der Zwischenbank in der Bearbeitung des ihr übermittelten Datensatzes und seiner Weiterleitung; im beleghaften Zahlungsverkehr muss das überweisende Kreditinstitut die Überleitung in einen Datensatz bewerkstelligen (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 45). Alle beteiligten Institute treten dabei grundsätzlich im eigenen Namen und nicht gegenseitig als Vertreter auf. Die Zwischenbank schuldet schließlich als vertragliche Nebenleistungspflicht auch die Weitergabe der Angaben zur Person und zum Verwendungszweck. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 676 f 2 BGB: Die Empfängerbank könnte ihrer Pflicht, diese Informationen an den Empfänger weiterzuleiten, nicht nachkommen, wenn die Zwischenbank sie nicht übermitteln müsste (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 45 f.). 32
II. Rückgriffsmöglichkeiten. In der Eröffnung der Rückgriffsmöglichkeiten der Überweisungsbank nach § 676 e BGB auf das Zwischeninstitut liegt der zentrale Regelungszweck der Normen über den Zahlungsvertrag: Das Gesetz beschränkt das überweisende Institut ausdrücklich nicht auf den Anspruch auf Abtretung von Ersatzansprüchen nach § 285 BGB, weil diesem der Schuldnerschutz nach §§ 404 ff. BGB entgegengehalten werden könnte (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 44). Regressansprüche erwirbt zunächst das überweisende Kreditinstitut, das nach §§ 676 b f. BGB in Anspruch genommen wird: § 676 e BGB eröffnet ihm hinsichtlich jedes Ersatzanspruchs die passende Rückgriffsmöglichkeit. In III 2 der Norm erweitert sich die Rückgriffsmöglichkeit auf alle übrigen zwischengeschalteten Institute. Nach § 676 e I BGB ist derjenige Schaden vom Zwischeninstitut zu ersetzen, für den die Überweisungsbank selbst nach § 676 b I BGB haftet: Dies ist der unwiderleglich vermutete Zinsschaden nach § 676 b I 2 BGB (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 46). Die Norm stellt einen der Drittschadensliquidation angenäherten Fall dar: Das überweisende Kreditinstitut kann gegen das Zwischeninstitut vorgehen, wenn der Zinsschaden nach § 676 b I BGB „in dessen Verantwortungsbereich“ fällt. Dies ist deshalb bedeutsam, weil Haftungsbeschränkungen, die das Zwischenins-
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1261
titut mit seinem Vorgänger in der Zahlungsverkehrskette vereinbart hat, weiterhin auch gegenüber der Überweisungsbank gelten (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 46): Denn letztere liquidiert ihren Schaden auf der Grundlage des Vertragsverhältnisses von Zwischeninstitut und Vormann. Eine unbeabsichtigte Regelungslücke muss dabei in dem Umstand erblickt werden, dass das Gesetz keine Haftungsbeschränkungsmöglichkeit im Zahlungsvertrag vorsieht. Dies zeigt der systematische Vergleich mit dem vorgelagerten Überweisungsvertrag (§§ 676 c I 4 und 5, 676 c III BGB) sowie dem nachgelagerten Girovertrag (§§ 676 g IV 4 und 5, V BGB). Die Lücke ist durch Analogie zu diesen Normen zu schließen (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 46; anders MünchKommBGB-Casper, § 676 e Rn. 6, der eine korrespondierende Haftungsbeschränkung in der gesamten Vertragskette voraussetzt; dagegen spricht das Prinzp der Relativität der Schuldverhältnisse, wonach es nur auf die Vereinbarung im Zahlungsvertrag allein ankommt). Im Übrigen setzt der Rückgriffsanspruch aus § 676 e I BGB – ebenso wie die Haftung aus § 676 b I BGB – beim Schuldner kein Vertretenmüssen voraus. Der Anspruch wird nicht – wie § 676 e I BGB nahe legt – erst in dem Zeitpunkt fällig, in dem das überweisende Kreditinstitut den Anspruch des Kunden nach § 676 b I BGB erfüllt, sondern bereits mit der Inanspruchnahme des überweisenden Kreditinstituts durch den Kunden (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 47): Das überweisende Kreditinstitut trifft nämlich keine Vorleistungspflicht zugunsten des Zwischeninstituts. § 676 e II und III 1 BGB regeln schließlich Regressansprüche, die der Haftung des überweisenden Kreditinstituts nach § 676 b II und III BGB entsprechen. Ein Problem entsteht dadurch, dass das Gesetz nur in III 2 für den Fall der sog. Money-Back-Garantie die relative Verpflichtungswirkung der Zahlungsverträge wahrt, nicht aber für die Erstattung unberechtigter Abzüge nach § 676 e II BGB (Hadding, WM 2000, 2469): Praktisch würde dies bedeuten, dass ein zwischengeschaltetes Institut dem überweisenden Kreditinstitut unmittelbar verantwortlich ist, unabhängig von Entgeltvereinbarungen, die es mit dem eigenen (vorgeschalteten) Vertragspartner vereinbart hat: Sind sich etwa das Zwischeninstitut und sein Vormann darüber einig, dass das Zwischeninstitut in Höhe des ihm zustehenden Entgelts zum Abzug berechtigt ist, könnte die überweisende Bank dennoch auf das Zwischeninstitut Rückgriff nehmen. Dies entwertete den Zahlungsvertrag als Instrument der Risikobegrenzung vollständig und erweist sich daher gerade im systematischen Vergleich mit § 676 e III 2 BGB eher als zufällige Regelungslücke (a. A. MünchKommBGB-Casper, § 676 e Rn. 8, ohne auch hier auf die Relativität der Schuldverhältnisse einzugehen). Vieles spricht dafür, dass das Zwischeninstitut in einem solchen Fall der überweisenden Bank seine vertragliche Vereinbarung analog § 404 BGB (bzw. § 676 e III 2 BGB) entgegenhalten kann und die überweisende Bank beim Vormann analog § 676 e II BGB Rückgriff nehmen muss, weil dieser sich entgegen eigener Vertragspflichten auf die Vereinbarung einer Abzugsmöglichkeit zugunsten des Zwischeninstituts eingelassen hat.
33
Was die Money-Back-Garantie anbelangt, ist jedes zwischengeschaltete Institut nur seinem Vormann in der Vertragskette verpflichtet (§ 676 e III 2 BGB) und haftet nicht, wenn dieser eine fehlerhafte oder unvollständige Weisung getroffen hat (§ 676 e III 3 BGB). Da eine Weisung nach § 665 BGB ausscheidet, kommt es wohl auf den vereinbarten Inhalt des Zahlungsvertrags an und insbesondere darauf, ob der Vormann auf diesen hingewirkt hat (ähnlich MünchKommBGB-Casper, § 676 e Rn. 12. Ist ein Institut danach nicht verantwortlich, trifft es dennoch nach § 676 e IV BGB eine Nachforschungspflicht nach dem Verbleib des Überweisungsbetrags. Diese Nachforschungspflicht umfasst nach dem Wortlaut der Norm auch das Bemühen um Erstattung des Betrags. Dabei kann es allerdings nur um die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vertrag mit dem eigenen
34
Oechsler
1262
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Nachfolger in der Zahlungskette gehen, weil § 676 e III 2 BGB am Prinzip der Abwicklung von Leistungsstörungen in den einzelnen Vertragsverhältnissen festhält. Letztlich ist aus § 676 e IV BGB auch kein Umkehrschluss des Inhalts möglich, dass andere, nämlich haftungsverantwortliche Institute nicht zur Nachforschung verpflichtet wären (kritisch Hadding, WM 2000, 2472). Die Norm will wohl gerade die Verpflichtung der ansonsten eigentlich unverantwortlichen Institute herausstellen. Schließlich kommt auch eine Haftung für Vertretenmüssen nach § 676 e III 4 BGB in Betracht, wenn das überweisende Kreditinstitut aus §§ 676 c I 2, 280 I 1 BGB gerade deshalb vom Kunden in Anspruch genommen wird, weil ihm das Vertretenmüssen des Zwischeninstituts nach § 676 c I 3 BGB zugerechnet wird. 35
III. Beendigung. Das Gesetz trifft keine Regelung zur Kündigung des Zahlungsvertrags. Teilweise wird die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Zahlungsvertrages deshalb mit Blick auf die große Eilbedürftigkeit des Gesamtvorgangs verneint (MünchKommBGB-Casper, § 676 d Rn. 13). Dieses Argument träfe jedoch auch auf den Fall des § 676 a III und IV BGB ebenso zu und überzeugt daher nicht. Vieles spricht deshalb dafür, die in diesen beiden Normen vorgesehenen Beschränkungen der Kündigungsmöglichkeit auch auf den Fall des Zahlungsvertrags analog anzuwenden (ähnlich Bamberger/RothSchmalenbach, § 676 d Rn. 8; vgl. auch Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 46).
36
D. Der Girovertrag Die §§ 676 f f. BGB regeln vor allem den Auskehrungsanspruch des Überweisungsempfängers. Was sich nach bisheriger Dogmatik aus §§ 675 I, 667 BGB ergab, folgt nun aus § 676 g I 1 BGB. Die Regelung verkürzt den Regelungsgegenstand des Girovertrags, eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit dienstvertraglichem Einschlag (vgl. hier nur BGHZ 131, 60, 63 = NJW 1996, 190; Gößmann/van Look, S. 19; zur Kritik Ehmann/Hadding, S. 17). Voraussetzung des Auskehrungsanspruchs aus § 676 g I 1 BGB ist zunächst, dass bei der Empfängerbank Deckung eingegangen ist. Dies dürfte der Zeitpunkt der Gutschrift auf einem Clearingkonto zugunsten der Empfängerbank sein (Nobbe, WM 2001, SB 4, 13; zu diesem Zeitpunkt Rn. 15)). Dieser ist deshalb maßgeblich, weil von nun an eine Kündigung des Überweisungsvertrags durch den Überweisenden nicht mehr wirksam erklärt werden kann (vgl. § 676 a IV BGB) und das Rückerstattungsverlangen der überweisenden Bank keine Rechtsfolgen mehr auslöst (§ 676 d II 1 BGB). Der Anspruch auf Gutschrift ist danach nicht mehr – wie nach altem Recht – aufschiebend bedingt (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 20). Zweite Voraussetzung ist die zweifelsfreie Bestimmung des Berechtigten durch die Empfängerbank. Wie nach altem Recht (dazu und zum Folgenden Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 20) trifft die Empfängerbank die Pflicht, den Berechtigten zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei prinzipiell der Name des Überweisenden und nicht die Kontonummer (Nobbe, WM 2001, SB 4, 15; Ausnahme BGH WM 2003, 430). Umstritten ist allein, ob im beleglosen Zahlungsverkehr eine Kontoanrufprüfung stattfinden muss oder der Betrag einfach anhand der Kontonummer weitergeleitet werden kann: Nach einer (überzeugenderen) Auffassung ist das Risiko einer rein kontonummerngebundenen Übermittlung unlösbar mit den Vorteilen dieses Verfahrens verbunden und muss deshalb vom Kunden getragen werden (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 20; Nobbe, WM 2001, SB 4, 16). Nach anderer Ansicht ist auch hier eine Überprüfung erforderlich (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 49 Rn. 19). Weiterhin gilt auch hier das Prinzip der formalen Auftragsstrenge (vgl. bereits oben Rn. 15): Der Betrag darf niemandem gutgeschrieben werden, der nicht als Empfänger benannt ist (dazu und zum Folgenden Nobbe, WM 2001, SB 4, 14; vgl. Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 20). Maßgeblich ist für die Empfängerbank das ihr von der vor-
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1263
geschalteten Zwischenbank mitgeteilte Konto, nicht das Konto, das der Überweisende seiner eigenen Bank gegenüber benannt hat. Insbesondere kommt eine ersatzweise Gutschrift auf ein Sparkonto des Empfängers, wenn dieser sein Girokonto aufgelöst hat, nicht in Betracht, weil der Empfänger wegen der schwereren Verfügbarkeit kein Interesse an einer solchen Gutschrift hat (BGH WM 1989, 1640, 1642). Ferner sind für die Empfängerbank die an sie weitergeleiteten Einzelweisungen über mögliche Auszahlungsbedingungen bindend (Nobbe, WM 2001, SB 4, 15 m. w. N.). Deshalb sind auch sog. Fakultativklauseln, die der Empfängerbank pauschal die Möglichkeit eröffnen sollen, den Betrag auf einem anderen Konto gutzuschreiben, nach § 307 I 1 BGB unwirksam, weil sie aus Sicht des Überweisenden den Erfüllungserfolg nach § 364 I BGB gefährden (BGHZ 98, 24, 27 ff. = WM 1986, 875; Nobbe, WM 2001, SB 4, 15). Der Empfängerbank bleibt – soweit keine vertragliche Vereinbarung mit dem Empfänger vorliegt – für die Erfüllung des Auskehrungsanspruchs ein Bankgeschäftstag, nachdem der Betrag bei ihr eingegangen ist (§ 676 g I 1 BGB). Kommt es zu Verzögerungen, entsteht nach § 676 g I 2 BGB zugunsten des Empfängers ein § 676 b I BGB vergleichbarer Anspruch (vgl. daher oben Rn. 12 ff.). Zu Recht wird die analoge Anwendung des § 254 I BGB erwogen, wenn ein Mitverschulden des Empfängers (falsche Kontonummer) an der Verzögerung mitgewirkt hat (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 22). Ergänzend ist die Empfängerbank zu rückwirkender Wertstellung verpflichtet (§ 676 g I 4; vgl. auch unten Rn. 39). Parallel zu § 676 b II BGB steht der Empfängerbank schließlich ein Anspruch auf Herausgabe rechtswidriger Einbehalte vom Überweisungsvertrag zu, § 676 g II BGB (vgl. bereits oben Rn. 18). An die Stelle der Money-Back-Garantie des § 676 b III BGB, die auf das Verhältnis des Überweisungsempfängers zu seinem Kreditinstitut nicht passt, tritt ein Garantieanspruch nach § 676 g III BGB, wenn ein Zahlungsvertrag von einem Zwischeninstitut nicht „ausgeführt“ worden ist, das von der Empfängerbank beauftragt wurde. Dabei verdient Beachtung, dass die Empfängerbank selbst keinen Zahlungsvertrag abschließt (Rn. 31). Die Norm kann daher zweifelsfrei nur auf die Fälle des Avis Anwendung finden, wenn die Empfängerbank dem überweisenden Kreditinstitut den Überweisungsweg durch Benennung zwischengeschalteter Institute vorgibt (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 22; teilweise noch weiter einschränkend: Bamberger/Roth-Schmalenbach, § 676 g Rn. 6; Palandt-Sprau, § 676 g Rn. 6; Erman-von Westphalen § 676 g Rn. 10). Nach einem alternativen, erweiterten Verständnis kommt ihre Anwendung auch dann in Betracht, wenn ein Zahlungsvorgang nicht ausgeführt wird (MünchKommBGB-Casper, § 676 g Rn. 10). Wegen der Unbestimmtheit dieses im Gesetz nicht verwendeten Begriffs (theoretisch erfasst er auch das Lastschriftverfahren), bestehen dagegen Bedenken. Probleme bereitet die Konkurrenz des Anspruchs mit der Money-Back-Garantie aus § 676 b III BGB: Denn in den Fällen des § 676 g III BGB liegt parallel regelmäßig ein Fall der Money-Back-Garantie vor, auf die das überweisende Kreditinstitut ja ohne Vertretenmüssen haftet. Dies führte zu zwei verschiedenen Ansprüchen auf den Überweisungsbetrag. Der Konflikt lässt sich mit Gößmann/van Look (WM 2000, SB 1, 24) dadurch lösen, dass man die Überweisung iSd. § 676 b III 1 BGB auch dann als bewirkt ansieht, wenn dem Empfänger ein Anspruch aus § 676 g III BGB zusteht. Auch regelt das Gesetz für den Fall der Haftung nach § 676 g III BGB keinen Erstattungsanspruch der Empfängerbank gegenüber der verantwortlichen Zwischenbank: Hier spricht vieles für eine Analogie zu § 676 e III 2 BGB (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 24).
37
Schließlich regelt § 676 g IV 2 bis 6 BGB die Haftung für Vertretenmüssen. Die Vorschrift bildet ein Pendant zu § 676 c BGB. Wie dort besteht die Besonderheit darin, dass die Empfängerbank für das Vertretenmüssen der von ihr „beauftragten“ (richtig: avisier-
38
Oechsler
1264
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
ten) Zwischenbanken wie für eigenes einstehen muss. Bei Insolvenz des Kunden droht der Bank schließlich eine Insolvenzanfechtung nach § 130 InsO (§ 30 I Nr. 1 Fall 2 KO), wenn sie den Betrag zwischen Zahlungseinstellung und Insolvenzeröffnung auf ein debitorisches Konzo einzahlt und ihr dabei die Zahlungseinstellung bekannt war (BGH WM 1983, 907). Ihre Verpflichtung zur Ausführung der Überweisung aus dem Girovertrag ändert daran nichts. 39
Der Anspruch auf Auszahlung des Überweisungsbetrags entsteht erst mit der Verlautbarung der vorbehaltlosen Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers (BGHZ 6, 121, 124 = NJW 1952, 929; Nobbe, WM 2001, SB 4, 16): Dies ist entweder der Zeitpunkt der manuellen Buchung der Gutschrift oder – bei elektronischer Datenverarbeitung – der der vorbehaltslosen Absendung der Kontoauszüge an den Empfänger bzw. der Zeitpunkt der im beleglosen Datenträgeraustauschverfahren üblichen Sammelbuchung (Nobbe, WM 2001, SB 4, 17). Solange der Kunde die Gutschrift allerdings noch nicht durch Kontoauszug oder auf elektronischem Wege auf seinem Konto erkennen kann, steht die Buchung unter dem Vorbehalt der Nachdisposition (BGH NJW 2005, 1771). Im Umkehrschluss aus § 676 g I 4 BGB folgt, dass die Wertstellung unter dem Datum des Tages erfolgen muss, an dem der Betrag dem Kreditinstitut zur Verfügung steht. Dies ist deshalb von Belang, weil die Empfängerbank mit der Wertstellung den Kalendertag festlegt, an dem der Überweisungsbetrag in den für die Zinsansprüche maßgeblichen Zwischensaldo eingestellt wird (Nobbe, WM 2001, SB 4, 17). Ein Recht auf Zurückweisung der Gutschrift des Empfängers analog § 333 BGB anerkennt die Praxis nicht (Nobbe, WM 2001, SB 4, 17). Dafür spricht die Selbstbindung, die der Empfänger mit der Eröffnung des Kontos eingegangen ist; seine Rechtsstellung ist kaum der eines Dritten vergleichbar, dem ein Rechtserwerb aufgedrängt wird.
40
E. Bereicherungsausgleich bei fehlender und fehlerhafter Anweisung Im Rahmen des § 362 I BGB zielt die Ausführung des Überweisungsvertrags einerseits auf Erfüllung der Leistungspflichten der überweisenden Bank gegenüber ihrem Kunden aus dem Giro- und Überweisungsvertrag (Deckungsverhältnis) und andererseits auf Erfüllung der Verpflichtung des Kunden gegenüber dem Überweisungsempfänger (Valutaverhältnis). Im Rahmen des § 812 I 1 erster Fall BGB stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die tatsächliche Vermögenszuwendung der Überweisungsbank an den Empfänger als eine solche Doppelleistung der Bank an ihren Kunden und des Kunden an seinen Gläubiger zuzurechnen ist und wann gerade nicht. Davon hängt ab, wer bei einer Störung vom möglicherweise insolventen Überweisungsempfänger kondizieren muss: der Kunde oder seine Bank. Umgekehrt geht es auch aus Sicht des Empfängers darum, ob er sich auf ein Rückerstattungsbegehren der ihm unbekannten Überweisungsbank einlassen muss und möglicherweise Einwendungen verliert, die ihm gegenüber dem Überweisenden als seinem Vertragspartner zustehen. Zur Klärung des Zurechnungsproblems lassen sich mehrere Lösungsansätze unterscheiden: Nach der von der Rechtsprechung bevorzugten Lehre vom Leistungsbegriff (erstmals BGHZ 40, 272, 277; Überblick bei Nobbe, WM 2001, SB 4, 24 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 62 ff.) kommt es entscheidend darauf an, ob der Überweisende gegenüber dem Überweisungsempfänger eine Tilgungsbestimmung abgibt, dh. eine Willenserklärung i.S.d. § 366 I BGB, die bestimmt, dass die durch die Überweisungsbank erbrachte reale Vermögenszuwendung Erfüllung der Zahlungspflicht aus dem Valutaverhältnis bewirken soll. Ergänzend zur Dogmatik des Leistungsbegriffs treten drei Prinzipien hinzu: Erstens bestimmt sich das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Tilgungsbestimmung nach dem Horizont eines objektiven Beobachters in der Situation des Überweisungsempfän-
Oechsler
§ 43 Überweisungsverkehr
1265
gers (Lehre vom objektiven Empfängerhorizont). Dies gilt zweitens aber nur, wenn der Überweisende die Überweisung überhaupt zurechenbar „veranlasst“ hat (Veranlassungsprinzip). Liegt danach eine Leistung des Überweisenden an den Überweisungsempfänger vor, braucht der Empfänger drittens das Geld nicht mehr einem Dritten – etwa der Überweisungsbank – nach den Grundsätzen über die Nichtleistungskondiktion (§ 812 I 1 zweiter Fall BGB) herauszugeben, weil diese gegenüber der Leistungskondiktion subsidiär ist (Subsidiaritätsprinzip). Ein Alternativansatz reduziert die gesamte Fragestellung auf das zugrundeliegende Zurechnungsproblem: Danach findet eine Rückabwicklung innerhalb der einzelnen Leistungsverhältnisse nur statt, wenn der Überweisende die isolierten Leistungsverhältnisse durch wirksame Anweisung zu einem Dreieck zusammengefasst hat, ansonsten kann bzw. muss die Überweisungsbank gegen den Empfänger vorgehen (MünchKommBGB-Lieb Rn. 25 ff.). Ein dritter Ansatz führt die Fragestellung auf die zugrundeliegenden Wertungsgesichtspunkte zurück: Danach sollen den Beteiligten einerseits keine vertraglichen Einwendungen abgeschnitten werden, anderseits sollen sie auch nicht mit vertragsfremden Einwendungen Dritter überzogen werden, und jeder soll das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners tragen (Canaris, in: 1. FS Larenz (1973) 799; WM 1980, 354 (367 ff.)). Im Hinblick auf das praktische Fallmaterial lassen sich grob drei Konstellationen unterscheiden: Hat der Kunde der Bank überhaupt keine Anweisung erteilt, fehlt es nach h. M. an einer Veranlassung und – mehr oder weniger auch nach den Alternativansätzen – am entscheidenden Zurechnungsmoment, so dass eine Nichtleistungskondiktion der Bank gegenüber dem Empfänger in Betracht kommt (vgl. hier nur BGHZ 50, 227, 230 = WM 1968, 839; WM 2001, 954; Überblick bei Nobbe, WM 2001, SB 4, 25): Es sind vor allem die Fälle der Fälschung eines Überweisungsbelegs durch einen Dritten oder des Buchungsirrtums durch die Überweisungsbank. Aber auch das eigenmächtige Abändern der Kontonummer zwecks Schaffung einer Aufrechnungslage gehört dazu (BGH NJW NJW 2005, 1564). Ähnlich liegen die Fälle der durch Phishing vorbereiteten Überweisung: Dabei werden die Zugangsdaten zu einem online freigeschalteten Konto des Kunden durch unbefugte Dritte ausgespäht und nachträglich bei einer Online-Überweisung benutzt (OLG Hamburg WM 2006, 2078). Davon zu unterscheiden sind die Fälle der fehlerhaften Überweisung (fehlerhaften Anweisung): Die Überweisungsbank führt dabei entweder die Überweisung nicht aus, wie dies mit dem Kunden vereinbart ist, bzw. beachtet eine Kündigung des Kunden nach § 676 a IV BGB nicht. Der für diese Konstellation verwendete Begriff der fehlerhaften Anweisung ist sicherlich noch dem Paradigma des § 665 BGB verhaftet; die neue Überweisungsvertragsdogmatik (Rn. 2) ändert allerdings in der Sache nichts. Charakteristisch für diese Fälle ist eine Leistungsstörung im Deckungsverhältnis: Deshalb muss grundsätzlich eine Rückabwicklung innerhalb des Deckungsverhältnisses stattfinden, weil der Überweisende die Leistung veranlasst hat bzw. das Zurechnungsmoment einer wirksamen Anweisung vorliegt. Dies gebietet insbesondere der Schutz des Empfängers, der keinen Einblick in die Leistungsstörungen im Verhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank hat (vgl. für das hier einschlägige Problemfeld Nobbe, WM 2001, SB 4, 26 f.). Diese Schutzbedürftigkeit entfällt allerdings dann, wenn der Empfänger den Fehler der Überweisungsbank erkennt: Dann verdient der Kunde keinen weiteren Schutz. In eine letzte Kategorie fallen Leistungsstörungen im Valutaverhältnis: Diese sind prinzipiell im Valutaverhältnis selbst rückabzuwickeln, weil der Überweisende die Überweisung veranlasst hat und seine Bank davor geschützt werden muss, mit Gegenrechten konfrontiert zu werden, die nicht aus ihrem Leistungsverhältnis zum Kunden resultieren.
Oechsler
1266
41
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
F. Erfüllung im Verhältnis Überweisender und Empfänger Durch die Überweisung veranlasst der Kunde sein Kreditinstitut zur Vornahme eines unbaren Zahlungsvorgangs, der bei störungsfreiem Verlauf zu einer Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten führen soll. Umstritten ist, ob die Gutschrift Erfüllung iSd. § 362 I BGB bewirkt (Larenz I § 18 IV; MünchKommBGB-Wenzel § 362 Rn. 22) oder als Leistung an Erfüllungs statt vom Begünstigten angenommen wird (§ 364 I BGB; BGH NJW 1953, 897; offen gelassen allerdings in BGHZ 87, 156, 163 = NJW 1983, 1605; vgl. dazu allerdings auch Nobbe, WM 2001, SB 4, 21; Canaris, Rn. 467). Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass eine Geldschuld grundsätzlich in bar, dh. durch Übereignung von gesetzlichen Zahlungsmitteln, zu erfüllen ist. Deshalb bedarf die Zahlung mittels „Buchgeld“ der stillschweigenden Vereinbarung zwischen den Parteien (BGHZ 87, 156, 163 = NJW 1983, 1605.), was uU. durch Angabe einer Bankverbindung seitens des Gläubigers und Überweisung dahin erfolgen kann (BGH NJW 2005, 1771). Dies spricht eher für den Fall des § 364 I BGB: Eine andere als die geschuldete Leistung bewirkt danach nur aufgrund einer weiteren Parteivereinbarung Erfüllung. Die Rechtsfolgen von §§ 362 und 364 BGB stimmen indes überein, so dass der Streit nur dort praktische Bedeutung entfaltet, wo es um das Zustandekommen einer Vereinbarung iSd. § 364 I BGB geht. Der Gläubiger kann jedoch sein Einverständnis frei widerrufen (BGH WM 2004, 1219). Umstritten ist, ab welchem Zeitpunkt im Verhältnis zwischen Überweisendem und Überweisungsempfänger Erfüllung nach § 362 I BGB eintritt: In Betracht kommt der Zeitpunkt der Gutschrift des Überweisungsbetrags auf dem Konto der Empfängerbank (so Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 20 f.; zu diesem Rn. 15). Dafür spricht immerhin der Wortlaut des § 676 a I 2 BGB sowie die Vorverlegung des Zeitpunkts der letzten Kündigungs-(früher: Widerrufs-)möglichkeit in § 676 a IV BGB. Folgt man dem, so muss der Überweisungsempfänger allerdings vor einer Insolvenz seines Kreditinstituts während des Zeitraums zwischen der Gutschrift auf dem Clearingkonto dieser Bank und der Gutschrift auf dem eigenen Konto geschützt werden. Dies soll durch analoge Anwendung der Aussonderungsregelung § 47 InsO geschehen, weil die Empfängerbank den Überweisungsbetrag treuhänderisch verwalte (Gößmann/van Look, WM 2000, SB 1, 20 f.). Für dieses Verständnis spricht nicht zuletzt, dass die Empfängerbank für Verzögerungen der Gutschrift des Überweisungsbetrages oder für einseitige Abzüge allein ihrem Kunden und nicht dem Überweisenden verantwortlich ist: Dies zeigt, dass der nach § 362 I BGB geschuldete Erfolg im Eingang des Betrags auf dem Konto der Empfängerbank liegt und weitere Störungen bei der Weiterleitung auf das Empfängerkonto diesen aus Sicht des Überweisenden nicht gefährden. Gerade aus Sicht der Praxis scheint sich jedoch eine andere Betrachtungsweise abzuzeichnen: Danach ändern die §§ 676 a ff. BGB nichts am Erfüllungszeitpunkt; denn der Gläubiger verzichte auf Barzahlung nur deshalb, weil an die Stelle ein unwiderruflicher Anspruch aus der Gutschrift trete. Dieser liege weiterhin im Zeitpunkt der Kontogutschrift beim Kunden (Nobbe, WM 2001, SB 4, 21; so zum alten Recht etwa BGH WM 1996, 438; WM 1989, 625).
Oechsler
§ 44 Gutschrift
1267
§ 44 Gutschrift
Schrifttum Becher, Das Überweisungsgesetz, DStR 1999, 1360; Blissenbach, Die Giroüberweisung als Anweisungsgeschäft, 2008; Borges, Die Wertstellung im Giroverhältnis, WM 1998, 105; Brehmer, Die Annahme nach § 151 BGB, JuS 1994, 386; Bröcker, Funktion und Begründung des abstrakten Schuldversprechens bei Giroüberweisung, Kreditkartengeschäft und POS-System, WM 1995, 468; Bydlinski, Bemerkungen zum Regierungsentwurf eines Überweisungsgesetzes, WM 1999, 1046; Einsele, Das neue Recht der Banküberweisung, JZ 2000, 9; Bank- und Kapitalmarktrecht (2006), 209; Göbel, Überblick zum erweiterten Pflichtenkreis der Kreditinstitute aufgrund der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen, WM 1997, 1832; Gößmann/van Look, Die Banküberweisung nach dem Überweisungsgesetz, WM 2000, SB 1; Grundmann, Grundsatz- und Praxisprobleme des neuen deutschen Überweisungsrechts, WM 2000, 2269; Hadding, Entwicklungslinien im Recht des Zahlungsverkehrs und Bundesgerichtshof, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II (2000), 425; Leistungsstörungen und Rückgriff nach dem neuen Überweisungsrecht, WM 2000, 2465; Hadding/Häuser, Gutschrift und Widerruf des Überweisungsauftrags im Giroverhältnis, WM 1988, 1149; Häuser, Zur Umsetzung der Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen (97/5/EG) in deutsches Recht, WM 1999, 1037; Hefermehl, Rechtsfragen des Überweisungsverkehrs, FS Möhring (1975), 381; Hoffmann, Grundfragen des Überweisungsrechts, WM 2001, 881; Jakobs, Gesetzgebung im Banküberweisungsrecht, JZ 2000, 641; Klamt/Koch, Das neue Überweisungsgesetz, NJW 1999, 2776; Das neue Überweisungsrecht, DB 1999, 943; Köndgen, Das neue Recht der Banküberweisung, ZBB 1999, 103; Kümpel, Zur Bankenhaftung nach dem neuen Überweisungsrecht, WM 2000, 797; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2001; Langenbucher/Gößmann/Werner, Zahlungsverkehr (2004), 1; Meder, Stillschweigende Annahme der Kontogutschrift und Verwahrungsvorbehalt, WM 1999, 2137; Annahme durch Schweigen bei Überweisungsvertrag und Gutschrift, JZ 2003, 443; Kontrahierungszwang versus protestatio-Regel am Beispiel des Abschlusses eines Überweisungsvertrags, FS Kilian (2004), 689; Abstraktes Schuldversprechen oder angenommene Anweisung? Zur Rechtsgrundlage für den Anspruch des Begünstigten bei Zahlungen im Mehrparteienverhältnis, FS Huwiler (2007), 441; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, 1951; Möschel, Dogmatische Strukturen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, AcP 186 (1986), 187; Nobbe, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Überweisungsverkehr, WM 2001, SB 4; Reifner, Das neue Überweisungsgesetz, VuR 1999, 387; Risse/Lindner, Haftung der Banken nach dem neuen Überweisungsrecht, BB 1999, 2201; Rohe, Netzverträge, 1998; Schimansky, Das neue Überweisungsrecht, in: Bankrecht 2000, hg. v. Hadding/ Nobbe, 2000, 1; Schmidt-Räntsch, Entwurf eines Überweisungsgesetzes, ZIP 1999, 676; Schneider, Die Angleichung des Rechts der grenzüberschreitenden Überweisungen, EuZW 1997, 589; Pflichten und Haftung der erstbeauftragten Kreditinstitute bei grenzüberschreitenden Überweisungen, WM 1999, 2189; Schön, Prinzipien des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, AcP 198 (1998), 401; Schütz, Widerruf bei Zahlungen und Überweisungen, AcP 160 (1961), 17; Schulz, Das neue Recht der Banküberweisung, ZBB 1999, 287; Schwarze, Die Annahmehandlung in § 151 BGB als Problem der prozessualen Feststellbarkeit des Annahmewillens, AcP 202 (2002), 607; Seibert, Verzug, Mahnung und Warnobliegenheit beim Überweisungsvertrag, NJW 2006, 2357; Ulmer, Gutschrift und Deckung im Bankrecht, SJZ 1948, 236; Werner, Geldverkehr im Internet, 2002; v. Westphalen, Verspätete Überweisungen – Einige Bemerkungen zur neuen Rechtslage, BB 2000, 157; Wilkens, Das Überweisungsgesetz, MDR 1999, 1236. Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gutschrift im neuen Recht der Banküberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gutschrift als Ziel des Überweisungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gutschrift als geschuldeter Erfolg . . . . . . . . B. Anspruch auf Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur des Girovertrags . . . . . . . . . . . . II. Inhalt des Gutschriftanspruchs . . . . . . . . . . III. Entstehung des Anspruchs auf Gutschrift . . 1. Institutsinterne Überweisung . . . . . . . . . 2. Außerbetriebliche Überweisung . . . . . . .
1 1 2 3 4 4 5 6 7 8
IV. Ansprüche auf und aus Gutschrift . . . . . . . . 9 1. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Tilgungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 V. Erfüllung des Anspruchs auf Gutschrift . . 12 1. Prinzip der formalen Auftragsstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Abweichung von Empfängerbezeichnung und Kontonummer . . . . . . 19 3. Haftung der Empfängerbank . . . . . . . . 21 VI. Recht zur Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Anspruch aus Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Rechtsnatur der Gutschrift . . . . . . . . . . . . 29
Meder
1268
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
1. Konstruktion des Abschlusstatbestands der Gutschrift . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsannahme nach § 151 BGB oder stillschweigende Annahme? . . . . . II. Entstehungszeitpunkt des Anspruchs aus Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Recht zur Zurückweisung einer Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 31 33 36 36
2. Zurückweisungsrecht bei rechtsgrundlosen Fehlüberweisungen . . . . . . . . . . . 3. Keine analoge Anwendung von § 333 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zurückweisungsrecht bei intaktem Valutaverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eigener Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . 6. Konsequenzen für den Abschluss eines Überweisungsvertrags . . . . . . . . . D. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 38 39 40 41 42
Stichwortverzeichnis Abrufpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 34 Abstraktes Schuldversprechen . . . .11, 29, 30, 36, 37, 39, 41 Abzugsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . 14, 19, 28 Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . 30-32, 35, 36, 38, 41-43 Auftragsstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13-17 Ausführungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Auslandsüberweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Außerbetriebliche Überweisung . . . . . . . . . . . . 2, 3, 8 Beleggebundender Verkehr . . . . . . . . . . . . . 19, 20, 33 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 42-44 Bargeldsurrogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Belegloser Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 21, 34 Conto pro Diverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 35 Datenträgeraustauschverfahren. . . . . . . . . . 20, 21, 34 Debitorisches Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 37, 39 Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6-8, 10, 11, 27 Einseitiges Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . 30, 38, 39 Empfängername . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 20, 33 Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 11, 27, 34 Erfüllungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 34 Fakultativklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Filialüberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1
Freischaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . .1, 15, 32, 36, 39-41 Gutschriftanspruch . . . . . . . . . 1, 5-9, 12 ff., 23, 33-35 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21-27 Hausüberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 3, 7 Höhere Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Kontonummer . . . . . . . . . . . . . . 8, 19, 20, 21, 22, 33 Kürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 24 Nachdispositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Nichtausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 25, 27 Objektiver Erklärungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Online-Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Schweigen . . . . . . . . . . . . . 31, 32, 35, 36, 38, 40, 41 Stornierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Tilgungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 27, 34 Überweisungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 3, 34, 41 Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 25, 26, 27 Verspätung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 22, 23, 27, 44 Verwendungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 17 Wertstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 10, 11 Zweiseitiges Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . 30, 38
A. Einführung I. Gutschrift im neuen Recht der Banküberweisung. Das Überweisungsgesetz hat für den Anspruch auf Gutschrift einen selbständigen Normenkomplex geschaffen. Im Rahmen der Vorschriften über den Girovertrag wird die Bank des Empfängers einer Überweisung (Empfängerbank) verpflichtet, für den Empfänger (Begünstigten) eingehende Zahlungen auf dessen Konto gutzuschreiben (§§ 676f-g BGB). Nach der Systematik des Gesetzes bildet der Girovertrag das letzte Glied einer Reihe von drei, zum Teil differenziert ausgestalteten Vertragstypen. Vorgeschaltet sind der Zahlungsvertrag (§§ 676d-e BGB) und der Überweisungsvertrag (§§ 676a-c BGB), den der Überweisende (Auftraggeber) mit seinem Kreditinstitut (Erstbank) abschließt (§ 43 Rn. 31, 2). Diese Konstruktion und Abfolge selbständiger Vertragstypen „zerreißt“, so die im Vorfeld der Neuregelung geäußerte Kritik, „was zusammengehört“ (Häuser, WM 1999, 1037 (1041)). Tatsächlich lassen sich die einzelnen Vertragstypen nicht klar abgrenzen – sie überlagern sich und sind letztlich viel enger verbunden als es nach der Systematik des Gesetzes erscheinen mag. Der Girovertrag ist vor allem ein rahmenartig, zumeist auf unbestimmte Zeit vereinbartes Dauerschuldverhältnis, das dem Vorgang einer bargeldlosen Zahlung durch Überweisung vorausgeht (Rn. 39, 41). Hinzu kommt, dass die §§ 676 f. BGB das Kreditinstitut nicht nur zur Entgegennahme und Gutschrift eingehender Zahlungen verpflichten, sondern auch zur Abwicklung von Überweisungen. Umgekehrt sind die Regelungen der §§ 676a-c BGB nicht nur für die Ausführung von Überweisungsverträgen, sondern auch für den Gut-
Meder
§ 44 Gutschrift
1269
schriftanspruch von Belang. Im Übrigen ähnelt die Regelung der Interessenlage bei Erteilung einer Gutschrift derjenigen zwischen Überweisendem und Erstbank (Überweisungsbank) am Anfang der Überweisungskette. II. Gutschrift als Ziel des Überweisungsvertrags. § 676a BGB unterscheidet zwischen institutsinternen und außerbetrieblichen Überweisungen. Bei der institutsinternen Überweisung unterhalten Überweisender und Begünstigter ein Giroverhältnis bei derselben Bank. Gemäß § 676a I 1 BGB wird die Überweisungsbank durch den Überweisungsvertrag gegenüber dem Überweisenden verpflichtet, dem Begünstigten einen bestimmten Geldbetrag zur Gutschrift auf dessen Konto zur Verfügung zu stellen. Dagegen erfolgt bei außerbetrieblichen Überweisungen die Gutschrift durch ein von der Erstbank verschiedenes Kreditinstitut. Gemäß § 676a I 2 BGB muss die Erstbank den Überweisungsbetrag dem Kreditinstitut des Begünstigten unmittelbar oder unter Beteiligung zwischengeschalteter Kreditinstitute zum Zweck der Gutschrift übermitteln. Ferner ist das überweisende Kreditinstitut verpflichtet, der Empfängerbank Angaben zur Person des Überweisenden und einen angegebenen Verwendungszweck weiterzuleiten (§ 676a I 1 BGB). Die Empfängerbank muss diese Angaben dem Begünstigten mitteilen (§ 676f S. 2 BGB). Darüber hinaus ist sie verpflichtet, die Überweisung innerhalb bestimmter Ausführungspflichten und ungekürzt durchzuführen (§ 676g BGB). Bei Verletzung dieser Pflichten greifen Haftungsregelungen. § 676g BGB regelt drei Arten von Leistungsstörungen: die verspätete Gutschrift, die zu Unrecht gekürzte Gutschrift und die Nichtausführung einer Gutschrift (Rn. 22-27). Die einzelnen Haftungstatbestände sind nach dem Vorbild des Normenkomplexes „Überweisung“ ausgestaltet, der ebenfalls drei Arten von Leistungsstörungen unterscheidet (vgl. §§ 676b-c BGB). III. Gutschrift als geschuldeter Erfolg. Das neue Überweisungsrecht verpflichtet die Erstbank zur Herbeiführung eines Erfolges. Aus Sicht des Überweisenden liegt der Überweisungserfolg in der Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten. Denn erst mit der Gutschrift steht ihm der geschuldete Betrag sicher zur Verfügung (Rn. 29). Die Gutschrift ist also das für die Zahlung entscheidende Kriterium (EuGH ZIP 2008, 732; FG Hamburg AOStB 2008, 69). Dieser letzte Akt der Erteilung einer Gutschrift auf dem Empfängerkonto gehört bei außerbetrieblichen Überweisungen jedoch nicht mehr zum Pflichtenkreis der Erstbank. Die Überweisungsbank schuldet nur die Gutschrift auf dem Konto der Empfängerbank oder auf dem Konto einer Zwischenbank, wo die Empfängerbank ein Konto unterhält. Die Erteilung der Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten fällt in den Pflichtenkreis der Empfängerbank. Lediglich bei institutsinternen Überweisungen schuldet die ausführende Bank auch die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers (vgl. MünchKommBGB-Casper, § 676a Rn. 20). Auf Grund seiner Erfolgsbezogenheit ist der Überweisungsvertrag ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter. Eigene Ansprüche des Begünstigten gegen die Erstbank werden dadurch nicht begründet.
2
B. Anspruch auf Gutschrift
4
I. Rechtsnatur des Girovertrags. Der in §§ 676g-f BGB geregelte Girovertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit überwiegend dienstvertraglichem Charakter (vgl. Gößmann/van Look, S. 10). Die neuen Vorschriften erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für den Fall, dass das Überweisungsgesetz keine Spezialregelung getroffen hat, sind die allgemeinen geschäftsbesorgungsvertraglichen Normen weiterhin anwendbar (vgl. BT-Drs. 14/745, 10 f., 13). II. Inhalt des Gutschriftanspruchs. Der geschäftsbesorgungsrechtlichen Natur des Girovertrags entspringt auch der in §§ 676g-f BGB geregelte Anspruch des Überweisungsempfängers auf Erteilung einer Gutschrift (vgl. BGHZ 93, 315 (322)). Als Auskeh-
Meder
3
5
1270
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
rungsanspruch zielt der Gutschriftanspruch auf Herausgabe dessen, was der Beauftragte durch die Geschäftsbesorgung erlangt hat (vgl. §§ 667, 675 BGB). Die Herausgabe muss allerdings in der girovertraglich vereinbarten Form, nämlich durch Gutschrift und nicht durch Auszahlung, erfolgen (§§ 676f S. 1, 676g I 1 BGB). Nach bisherigem Recht konnte der Begünstigte anstelle einer Gutschrift verlangen, dass die Empfängerbank den eingegangenen Betrag an Dritte weiterleitet oder einem fremden Konto gutschreibt (BGH WM 1958, 222 (224 f.); 1976, 904 (906)). Voraussetzung hierfür war eine klar und eindeutig formulierte Weisung des Kunden (BGH WM 1976, 904 (906)). Ob dies auch künftig noch möglich ist, erscheint angesichts der Verabschiedung des Weisungsmodells zweifelhaft. Die Gesetzesverfasser sehen im Gutschriftanspruch den wesentlichen Inhalt des Girovertrags (BT-Drs. 14/745, 13). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 676g BGB müssen eingehende Zahlungen dem Konto des Empfängers gutgeschrieben werden. Im Wege der einzelvertraglichen Ausgestaltung bleibt es jedoch möglich, andere Formen der Erfüllung des Anspruchs auf Gutschrift zu vereinbaren (Rn. 18). Es stünde dann freilich im Ermessen der Bank, ob sie den Wünschen ihres Kunden entgegenkommt oder nicht (vgl. Gößmann/van Look, S. 20). 6
III. Entstehung des Anspruchs auf Gutschrift. Der Anspruch auf Gutschrift entsteht mit Eingang der Deckung bei der Empfängerbank. Wann die Empfängerbank etwas „erlangt“ hat, das sie herausgeben kann (vgl. § 667 BGB), hängt davon ab, ob es sich um eine institutsinterne oder um eine außerbetriebliche Überweisung (Rn. 2) handelt.
7
1. Institutsinterne Überweisung. Bei einer Hausüberweisung hat die Bank schon mit Belastung des Kontos des Überweisenden Deckung erhalten (BGH WM 1986, 1409 = WuB I D 3. – 1.87 Hadding). Bei einer Filialüberweisung, wo der Auftraggeber einen Betrag auf ein Konto überweist, das bei einer Filiale derselben Bank geführt wird, entsteht der Anspruch des Überweisungsempfängers auf Gutschrift mit der Belastung des Kontos des Überweisenden bei der Absendefiliale (BGHZ 26, 1 (5)). Vorausgesetzt ist jeweils, dass das Konto des Überweisenden ein ausreichendes Guthaben aufweist (vgl. § 676a II 3 BGB).
8
2. Außerbetriebliche Überweisung. Hier entsteht der Anspruch dagegen erst, wenn der Überweisungsbetrag durch die Erstbank oder ein zwischengeschaltetes Kreditinstitut auf einem Verrechnungskonto (Eingangskonto) der Empfängerbank gutgeschrieben wird (BGH WM 1978, 58 (59); Nobbe, WM 2001, S. 13). Es genügt, dass die Empfängerbank eine „buchmäßige“ (forderungsmäßige) Deckung erlangt hat (BGHZ 135, 316 (319)). Eine „wertmäßige“ (erfüllungsmäßige) Deckung ist nicht erforderlich (BGH LM § 355 HGB Nr. 8). Auf die Kenntnis der Empfängerbank oder deren kontoführender Filiale von der Gutschrift kommt es ebenso wenig an (BGH NJW 1951, 758) wie auf deren tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über die eingegangenen Beträge. Die Pflicht des Kreditinstituts zur Herausgabe der zugeflossenen Beträge besteht gegenüber demjenigen, für den Deckung bestimmt war. Dies gilt auch, wenn die Kontonummer des Überweisungsempfängers nicht korrekt angegeben war (BGH WM 1991, 1912 (1913) = WuB I D 1. – 1.92 Harbeke; Rn. 19). Schreibt das Kreditinstitut den Betrag schon vor Eingang der Deckung gut, wird es die Gutschrift unter den aufschiebenden Vorbehalt des Eingangs der Deckung stellen (OLG Frankfurt WM 1983, 162).
9
IV. Ansprüche auf und aus Gutschrift. Der Gesetzgeber hat das Verhältnis der Ansprüche auf und aus Gutschrift nach einem zweistufigen Ablaufschema ausgestaltet (§ 676g I BGB). Der Anspruch auf Gutschrift entsteht regelmäßig in dem Zeitpunkt, in welchem der Überweisungsbetrag bei einem Konto der Empfängerbank (Eingangskonto) gutgeschrieben wurde (Rn. 8). Dagegen entsteht der Anspruch aus Gutschrift in der Re-
Meder
§ 44 Gutschrift
1271
gel erst, wenn die Bank den Überweisungsbetrag auf dem Empfängerkonto gebucht und einen entsprechenden Rechtsbindungswillen oder autorisierte Abrufpräsenz hergestellt hat (Rn. 34). Der Unterschied zwischen den beiden Ansprüchen zeigt sich auch darin, dass man den Anspruch auf Gutschrift als einen kausalen und den Anspruch aus Gutschrift als einen abstrakten Anspruch zu bezeichnen pflegt (Schimansky/Bunte/LwowskiSchimansky, § 47 Rn. 14). Bis zum Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes war der Anspruch auf Gutschrift mit allen Einwendungen und Einreden behaftet, die der Überweisende dem Überweisungsempfänger entgegensetzen mochte. Die besondere Schwäche der Rechtsposition des Empfängers rührte daher, dass der Überweisende dem Empfängerinstitut die Deckung aus Gründen einer Störung im Valutaverhältnis bis zur Gutschrift wieder entziehen konnte (Meyer-Cording, S. 53 f.). Insbesondere konnte er die Überweisung bis zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres widerrufen. Der Anspruch auf Gutschrift war also nur vorläufiger Natur, er stand unter der auflösenden Bedingung, dass bis zur Erteilung der Gutschrift kein Widerruf erfolgt ist (BGH WM 1986, 1409 = WuB I D. 1 – 2.87 Hadding). 1. Kündigung. Durch das Überweisungsgesetz hat das Widerrufsrecht eine grundlegende Neuregelung erfahren. § 676a IV BGB spricht nicht mehr von Widerruf, sondern von Kündigung, was angesichts des neu eingeführten Überweisungsvertrags folgerichtig erscheint (MünchKommBGB-Casper, § 676a Rn. 41). Zwar handelt es sich auch bei einer Kündigung um eine einseitige, gegenüber der Überweisungsbank als Partner des Überweisungsvertrags abzugebende Erklärung des Überweisenden. Neu aber ist die zeitliche Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit. Das Kündigungsrecht soll nunmehr mit dem Zeitpunkt enden, in dem der Überweisungsbetrag der Empfängerbank zur Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten zur Verfügung gestellt wird (§ 676a IV 1 BGB; BGH WM 2007, 348). Zusätzliche Einschränkungen erfährt das Kündigungsrecht bei Überweisungen im Rahmen eines Zahlungsverkehrssystems (§ 676a IV 2 BGB).
10
Die Vorverlegung des Zeitpunkts der Kündigung auf die Buchung des Überweisungsbetrages durch die Empfängerbank hat die Rechtsposition des Empfängers erheblich verstärkt. Nach § 676d II 1 BGB muss die Empfängerbank den Überweisungsbetrag an die Erstbank nur zurückleiten, wenn ihr die Kündigung vor Deckungseingang mitgeteilt wurde. Nur in diesem Fall ist der Anspruch auf Gutschrift ausgeschlossen (§ 676g I 1 BGB a.E.). Nach neuem Recht ist der Anspruch auf Gutschrift also nicht mehr vorläufiger Natur. Er kann aus dem Grundverhältnis heraus nicht mehr ohne weiteres zerstört werden (dazu näher § 43 Rn. 27-30). Durch die Neuregelung des Kündigungsrechts hat sich der Abstand zwischen den Ansprüchen auf und aus Gutschrift zwar verkleinert (s.a. BGH WM 2007, 348 (349)). Die überkommene Zweistufigkeit wurde aber beibehalten (Gößmann/van Look, S. 20). Eine freie Verfügung über die eingegangenen Beträge ist für den Begünstigten nicht schon mit Deckungseingang, sondern erst nach Erteilung der Gutschrift möglich (vgl. BGH WM 1999, 11 = WuB I D. 1 – 2.99 Hadding; Gößmann/van Look, S. 20). 2. Tilgungswirkung. In den meisten Fällen dient die Überweisung eines Geldbetrages der Erfüllung einer Geldschuld. Bis zum Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes war umstritten, ob die Gutschrift Leistung an Erfüllung statt (§ 364 BGB) oder Erfüllung gemäß § 362 BGB sei. § 676f BGB hat die Frage nunmehr zugunsten von § 362 BGB entschieden (vgl. Gößmann/van Look, S. 20 f.). Umstritten war ferner, ob die Tilgung der Geldschuld mit Entstehung des Anspruchs auf oder erst mit Entstehung des Anspruchs aus Gutschrift eintritt. Nach bislang nahezu einhelliger Meinung soll die Geldschuld des Auftraggebers erst mit Erteilung der Gutschrift getilgt sein, da der Empfänger erst in diesem Zeitpunkt „einen abstrakten unwiderruflichen Anspruch gegen die Empfängerbank erlangt“ hat (BGH WM 1999, 11 = WuB I D. 1 – 2.99 Hadding; MK-HGB-Häuser, ZahlungsV,
Meder
11
1272
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Rn. B 350). Nur vereinzelt wurde dagegen die Auffassung vertreten, ein Widerruf sei schon mit Eingang der Deckung beim Empfängerinstitut ausgeschlossen und die im Valutaverhältnis begründete Geldschuld daher bereits in diesem Zeitpunkt getilgt (z.B. Schütz, AcP 160 (1961), 17 (21)). Das Überweisungsgesetz hat der bislang nur von einer Minderheit vertretenen Ansicht neuen Auftrieb verliehen. Da nach neuem Recht der Anspruch auf Gutschrift nicht mehr unter dem Vorbehalt eines Widerrufs steht (Rn. 10), ist das Hauptargument gegen die Vorverlegung der Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis auf den Zeitpunkt des Eingangs der Deckung bei der Empfängerbank entfallen. Die Vorverlegung der Erfüllungswirkung harmoniert zudem mit einer Konzeption, wonach die Erstbank gegenüber ihrem Auftraggeber zur Herbeiführung eines Erfolges verpflichtet ist. Die Erstbank hat dem Begünstigten einen Anspruch auf Gutschrift gegen die Empfängerbank zu verschaffen, wofür aber letztlich nicht der mit ihr geschlossene Überweisungsvertrag, sondern der zwischen Begünstigtem und Empfängerbank geschlossene Girovertrag die Rechtsgrundlage bildet. 12
V. Erfüllung des Anspruchs auf Gutschrift. Gemäß § 676f BGB gehört die Kontogutschrift zu den typischen Pflichten, die das Kreditinstitut des Empfängers einer Überweisung zu erfüllen hat. § 676g BGB regelt, wie diese Pflichten im Einzelnen zu erfüllen sind. Die Pflicht zur Gutschrift besteht unabhängig davon, ob die Beträge unmittelbar bei der Empfängerbank eingezahlt werden oder ob sie im Rahmen des Giroverkehrs eingehen (BGH NJW 1954, 190; 1951, 758). Im Hinblick auf die Herausgabepflicht der Empfängerbank besteht also kein Unterschied zwischen Bargeld und Buchgeld. In beiden Fällen handelt es sich um Werte, die dem Empfänger zustehen (vgl. RGZ 105, 398 (399)). Diese Grundsätze werden auch durch § 676f BGB anerkannt.
13
1. Das Prinzip der formalen Auftragsstrenge gilt auch im neuen Recht der Banküberweisung (Nobbe, WM 2001, S. 8, 14; grundlegend Hadding, Entwicklungslinien, S. 430). Die Bank des Empfängers einer Überweisung muss sich bei Erfüllung ihrer Pflichten streng innerhalb der Grenzen des zwischen Überweisendem und Erstbank geschlossenen Überweisungsvertrags halten (vgl. BGHZ 98, 24 (31) = WM 1986, 875 = WuB I D 1. – 5.86 Schröter). Dabei haben die Rechtsbeziehungen der Beteiligten grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Die Empfängerbank kann diese Rechtsbeziehungen in der Regel nicht kennen und auch nicht beurteilen, ob eine Überschreitung der Grenzen des erteilten Auftrags den Vereinbarungen der Vertragspartner widerspricht (vgl. BGHZ 98, 24 (31); BGH WM 1999, 2255 = WuB I D 1. – 1.00 Weihs). Daher darf das Kreditinstitut den Überweisungsbetrag nicht einem anderen als dem im Überweisungsvertrag genannten Empfänger gutschreiben. Maßgebliches Konto ist das der Empfängerbank von der vorgeschalteten Zwischenbank mitgeteilte Konto (BGH WM 1987, 530 (531) = WuB I D 1. – 5.87 Hadding). Zielt die Überweisung auf ein bestimmtes Konto des Begünstigten, so muss die Empfängerbank dies beachten (OLG Hamm WM 1989, 1321 (1323)). Das Gleiche gilt, wenn der Auftrag neben der Nummer eines Unterkontos des Empfängers den zusätzlichen Hinweis „Sperrkonto“ enthält. Schreibt die Empfängerbank den eingegangenen Betrag einem anderen Unterkonto gut, dann gilt die Überweisung als nicht ausgeführt (BGH WM 1974, 274 (275)). Der einer Überweisung beigefügte Auftrag ist für die Empfängerbank grundsätzlich unabhängig davon maßgeblich, ob der Überweisungsbetrag vor oder nach den einschlägigen Unterlagen bei ihr eintrifft (BGH WM 1991, 799 (800) = WuB I D 1. – 5.91 Sonnenhol).
14
Das Prinzip der formalen Auftragsstrenge findet auch Anwendung, wenn der Überweisungsvordruck eine sogenannte Fakultativklausel enthält. Eine solche Klausel würde es der Empfängerbank gestatten, den eingegangenen Betrag einem anderen als dem angegebenen Konto des Begünstigten gutzuschreiben. Nach der Rechtsprechung des
Meder
§ 44 Gutschrift
1273
BGH verstoßen Fakultativklauseln gegen § 307 BGB, da sie den Überweisenden unangemessen benachteiligen (BGHZ 98, 24 (27 ff.) = WM 1986, 875 = WuB I D 1. – 5.86 Schröter). Fehlen eines Girokontos. Ist der Überweisungsempfänger Kunde der Empfängerbank, weil er z.B. ein Sparkonto oder Effektendepot hat, so muss ihn die Bank über den Eingang einer Überweisung auch dann benachrichtigen, wenn er kein Girokonto unterhält. Die Empfängerbank verletzt ihre aus bestehender Geschäftsverbindung folgenden Schutzpflichten, wenn sie den Zahlungseingang gegenüber dem Kunden, für den die Überweisung erkennbar gedacht war, verschweigt oder ohne vorherige Rückfrage an den Überweisenden zurückgehen lässt (vgl. BGH WM 1961, 78 (79); OLG Frankfurt WM 1995, 1179 = WuB I D 1. – 7.95 van Look). Überweisungsbeträge, die für ein nicht mehr existierendes Girokonto des Empfängers bestimmt sind, darf die Empfängerbank nicht ohne weiteres auf dessen Sparkonto gutschreiben (zur Gutschrift „Conto pro Diverse“ siehe Rn. 35). Dies entspricht nicht dem Inhalt des Überweisungsvertrags und kann wegen der erschwerten Verfügbarkeit von Sparguthaben mit den Interessen des Empfängers in Konflikt geraten. Die Empfängerbank hat die zugeflossenen Überweisungsbeträge in einem solchen Fall an den Empfänger herauszugeben (BGH WM 1989, 1640 = WuB I D 1. – 2.90 Rimmelspacher; Krebs, EWiR 1990, 211 ( 212)). Nach Beendigung eines Girovertrags ist die Empfängerbank berechtigt, für ihren ehemaligen Kunden noch eingehende Überweisungsbeträge entgegenzunehmen. Die eingenommenen Beträge hat sie an ihn herauszugeben (BGH WM 1995, 745 = WuB VI B. § 59 KO 1.95 Paulus; BGH WM 2007, 348).
15
Erklärungen in Bezug auf die Voraussetzungen, unter denen der Überweisungsbetrag auszuzahlen ist, hat die Empfängerbank zu beachten (vgl. BGH WM 1971, 158 (159)). Erfolgt der Auftrag mit dem Zusatz, dass der zugeflossene Betrag für einen Dritten gesperrt bleiben müsse, so muss die Empfängerbank diesen Zusatz entweder beachten oder die Annahme des Auftrags verweigern (vgl. BGH WM 1962, 460 (461 f.)).
16
Dies gilt auch, wenn der Sperrvermerk in die Rubrik „Verwendungszweck“ eingetragen wurde. Zwar sind Angaben zum Verwendungszweck im Grundsatz lediglich als Mitteilungen des Überweisenden an den Begünstigten zu betrachten, die das Empfängerinstitut nicht zu interessieren brauchen (BGH WM 1976, 904 (905)). Dies gilt aber nicht, wenn die Bank deutlich erkennen konnte, dass die Angaben nicht (nur) für den Empfänger bestimmt sind (BGH WM 1962, 460 (461 f.)). Eine weitere Ausnahme bildet der Fall, in dem die Empfängerbank vom unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Zahlungsempfängers Kenntnis erlangt; sie kann dann nach Treu und Glauben zur Rückfrage beim Überweisenden verpflichtet sein, um diesen vor Schaden zu bewahren (dazu näher MK-HGB-Häuser, ZahlungsV, Rn. B 148; BGH WM 1978, 588). Auch sonst ist nicht ausgeschlossen, dass dem Auftrag zur Gutschrift in der Rubrik „Verwendungszweck“ eine besondere von der Empfängerbank zu beachtende Weisung oder eine Bedingung beigefügt wird, die eine uneingeschränkte Gutschrift zugunsten des Empfängers ausschließt. Der Zweck der Überweisung kann, auch wenn der Überweisungsverkehr eindeutige und klare Weisungen verlangt, auf diesem Weg Inhalt des der Empfängerbank erteilten Gutschriftauftrags werden (BGH WM 1976, 904 (905)). In Ausnahmefällen können Angaben zum Verwendungszweck auch bei Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts eines Überweisungsvertrags ins Gewicht fallen (BGH WM 1998, 1482 (1484) = WuB X. § 37 AO 1.98 Wischnewsky).
17
Ferner können Vereinbarungen außerhalb des Überweisungsvertrags getroffen werden, die die Empfängerbank zu beachten hat (vgl. BGH WM 1957, 1055 (1057)). Erhält
18
Meder
1274
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
die Empfängerbank den Überweisungsbetrag treuhänderisch von einer anderen Bank mit dem Auftrag, ihn im eigenen Namen, aber für Rechnung und Risiko der Treugeberin einem Kunden auf dessen Girokonto als Darlehn zur Verfügung zu stellen, so ist die Empfängerbank ohne Zustimmung des Kunden nicht berechtigt, das durch die Gutschrift des Darlehensbetrages entstandene Guthaben im Rahmen des Kontokorrents mit dem Schuldensaldo zu verrechnen (BGH WM 1974, 406 (407)). 19
2. Abweichung von Empfängerbezeichnung und Kontonummer. Bei der Abwicklung von Überweisungen kommt es häufig vor, dass der vom Überweisenden namentlich genannte Empfänger mit dem Inhaber des Kontos nicht identisch ist. Dies kann z.B. auf einem Irrtum des Überweisenden oder einer zwischenzeitlich erfolgten Umschreibung des Kontos beruhen. Stimmen Kontonummer und Empfängerbezeichnung nicht überein, so ist grundsätzlich die Empfängerbezeichnung maßgebend (§ 676a I BGB; BGH WM 1998, 1482 (1484) = WuB X. § 37 AO 1.98 Wischnewsky). Bei Angabe der oft vielstelligen Zahlen können leicht Irrtümer entstehen. Im Vergleich zur Kontonummer, die in erster Linie der leichteren Auffindbarkeit des Kontos dient (BGH WM 1972, 308 (309)), ermöglicht die Angabe des Namens eine erheblich sicherere Individualisierung. In Ausnahmefällen kann allerdings auch einmal die Kontonummer den Ausschlag geben (BGH WM 1972, 308 (309); 1998, 1482 (1484) = WuB X. § 37 AO 1.98 Wischnewsky). Eine abweichende Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstößt gegen § 307 BGB, weil sie das durch einen Abgleich von Name und Nummer vermeidbare Risiko einer Fehlüberweisung „einseitig dem Auftraggeber aufbürdet“ (BGHZ 108, 386 (391); Nobbe, WM 2001, SB 4, S. 15).
20
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist die Empfängerbezeichnung nur im beleggebundenen Überweisungsverkehr maßgeblich. Im beleglosen Verkehr richten sich die Pflichten der Banken untereinander nach Abkommen und Richtlinien, die von den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft vereinbart worden sind (vgl. BGHZ 108, 386; OLG Köln WM 1990, 1963 = WuB I D 1. – 2.91 Bülow). Der BGH hat die Gültigkeit der im beleglosen Verkehr anzuwendenden Richtlinien nicht in Zweifel gezogen (vgl. BGHZ 108, 386 (389)). Teilweise verpflichten auch sie die Empfängerbank zur Feststellung des wahren Berechtigten. So hat die Empfängerbank nach Nr. 3 II 1 des „Abkommens zum Überweisungsverkehr“ (§ 43 Rn. 31) einen Kontonummer-Name-Vergleich vorzunehmen, wenn in Belegform erteilte Überweisungsaufträge von dem erstbeauftragten Kreditinstitut auf EDV-Medien erfasst und beleglos weitergeleitet werden (EZÜ-Verfahren). Dagegen gestatten es die einschlägigen Richtlinien bei Überweisungen, die außerhalb des EZÜ-Verfahrens im beleglosen Datenträgeraustausch (Magnetband-Clearing-Verfahren) ausgeführt werden, auf einen solchen Vergleich zu verzichten. Anstelle des wahren Gläubigers würde dann die Kontonummer Grundlage für die Gutschrift sein (zum beleglosen Überweisungsverkehr mittels elektronischer Datenfernübertragung: BGH WM 2006, 28; OLG Dresden WM 2007, 1023 = WuB I D 1. – 3.07 Meder/Flick).
21
3. Haftung der Empfängerbank. a) Wer die mit dem beleglosen Datenträgeraustauschverfahren verbundenen Risiken letztlich zu tragen hat, ist umstritten. Bei Verteilung der Haftungsrisiken ist zu berücksichtigen, dass dem Überweisenden die Vorteile eines kontonummernbezogenen Auftrags zukommen und er die damit verbundenen Gefahren in Kauf nimmt. Der Verzicht auf einen Kontonummer-Name-Vergleich würde seinen Sinn verlieren, wenn die Empfängerbank bei falsch angegebenen Kontonummern den eingegangenen Betrag dennoch dem wahren Berechtigten gutschreiben müsste (MKHGB-Häuser, ZahlungsV, Rn. B 201). Es ist kaum einzusehen, warum ausgerechnet sie die Nachteile aus fehlerhaftem Handeln des Überweisenden tragen soll. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der den Datensatz erstellende Kunde den Willen hat, das Geld dem
Meder
§ 44 Gutschrift
1275
wahren Gläubiger zukommen zu lassen (näher Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 49 Rn. 88, 175). Eine Abwälzung des Risikos auf die Empfängerbank erscheint jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn die Fehlleitung auf Kontoumschreibungen durch Auswechslung des Kontoninhabers unter Belassung der Kontonummer zurückzuführen ist (BGHZ 87, 376 (379 f.) = WM 1983, 834). Führt die Empfängerbank im beleglosen Datenträgeraustauschverfahren einen Kontonummer-Name-Vergleich durch, darf sie die eingegangenen Beträge dem Konto des namentlich bezeichneten Empfängers gutschreiben (OLG Koblenz WM 1999, 598 = WuB I D 1. – 4.99 Aepfelbach). b) Haftung bei nicht fristgemäß erfolgter Gutschrift. Bei Fehlen einer Fristvereinbarung ist die Gutschrift innerhalb eines Bankarbeitstages nach Gutschrift des Überweisungsbetrages auf dem Konto der Empfängerbank vorzunehmen. Überschreitet die Empfängerbank die Gutschriftfrist, so hat sie den Überweisungsbetrag für die Dauer der Verspätung verschuldensunabhängig und unabhängig von einem Schaden des Empfängers mit 5% über dem Basiszinssatz zu verzinsen (§§ 676g I 2 und 3, 676b I 2 BGB). Der Anspruch auf „Strafzins“ (Hadding, WM 2000, 2465 (2466)) entfällt, wenn die Verzögerung der Gutschrift auf einem Verschulden des Überweisenden oder des Begünstigten beruht (§ 676g II 2 BGB). Das Verschulden kann z.B. in der Angabe einer falschen Kontonummer oder einer unzureichenden Empfängerbezeichnung liegen, was die Zuordnung des eingegangenen Betrages erschwert oder Rückfragen erforderlich macht. Die Beweislast hat das Kreditinstitut zu tragen (Rn. 44). Im Falle eines mitwirkenden Verschuldens des Überweisenden oder des Begünstigten kommt eine Minderung des Zinsanspruchs gemäß § 254 I BGB in Betracht (Gößmann/van Look, S. 22). Der Anspruch auf Strafzins ist ferner ausgeschlossen, wenn die Verzögerung auf höherer Gewalt beruht (§ 676g IV 6 BGB).
22
Gutschriftanspruch und Wertstellung. Vom Zeitpunkt der Gutschrift ist die Frage der Wertstellung zu unterscheiden (BGHZ 106, 259 (264); FG Hamburg AOStB 2008, 69). Die Wertstellung legt den Zeitpunkt fest, in dem die Zahlung in einen Zwischensaldo eingeht, der sich aus der rechnerischen Differenz von Soll- und Habenbuchungen auf dem Girokonto ergibt. Während die Gutschrift über die tatsächliche Verfügbarkeit des eingegangenen Betrages entscheidet, ist die Wertstellung „lediglich“ für die Zinsberechnung von Bedeutung. Nach § 676g I 4 BGB hat sie auch bei verspäteter Gutschrift unter dem Datum, an dem der Betrag dem Kreditinstitut zur Verfügung gestellt wurde, also mit Eingang der Deckung, zu erfolgen (vgl. BGHZ 135, 316). Soweit die Wertstellung anderweitige Vereinbarungen mit Unternehmen zulässt, sollen Vereinbarungen mit Privatkunden offenbar ausgeschlossen werden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 49 Rn. 180). § 676g I 4 BGB entspricht inhaltlich der Rechtsprechung des BGH (dazu Borges, WM 1998, 105). Die Vorschrift ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen worden, um dem Kunden die Vorteile dieser Rechtsprechung zu sichern.
23
c) Gekürzte Gutschrift. Gemäß § 676g II BGB sind Fehlbeträge bei vertragswidriger Kürzung gutzuschreiben. Die Vorschrift gewährt dem Begünstigten einen Anspruch auf Gutschrift der Differenz zwischen Überweisungs- und Gutschriftbetrag. Sie ist Ausfluss des so genannten Abzugsverbots (§ 43 Rn. 18), das für alle an der Überweisungskette beteiligten Kreditinstitute gilt (§§ 676a I 2; 676b II; 676e II BGB). § 676g II 2 BGB stellt klar, dass es der Bank gleichwohl unbenommen bleibt, im Zusammenhang mit dem Zahlungseingang girovertragliche Entgelte zu berechnen.
24
d) Nichtausführung einer Gutschrift – Anspruch auf Gutschrift des Garantiebetrages. § 676g III BGB gewährt dem Begünstigten gegen die Empfängerbank einen Anspruch auf Gutschrift des Überweisungsbetrages bis zum Garantiebetrag von 12.500 Euro, wenn
25
Meder
1276
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
ein Zahlungsauftrag nicht ausgeführt wurde. Im Regelfall hat das Kreditinstitut des Überweisenden für den Eingang des Überweisungsbetrages auf dem Konto der Empfängerbank zu sorgen (§ 676a I 2 BGB). Die Haftung des überweisenden Kreditinstituts entfällt jedoch, wenn die Nichtausführung durch eine (Zwischen-) Bank erfolgt, die vom Empfängerinstitut mit der Entgegennahme des Überweisungsbetrages beauftragt wurde (Rn. 27). Da die Empfängerbank letztlich Deckung erhalten hat, sieht § 676g III BGB nicht mehr den Überweisenden, sondern den Überweisungsempfänger als den zu entschädigenden Teil des Überweisungsvorgangs an (näher Schulz, ZBB 1999, 287 (300)). Ob der in § 676g III BGB geregelte Fall nennenswerte Bedeutung erlangt, wird die Rechtspraxis noch erweisen müssen (vgl. Erman-v. Westphalen, § 676g Rn. 8). Die Vorschrift gewährt einen verschuldensunabhängigen (§ 676g IV 1 BGB), der Höhe nach begrenzten Anspruch des Begünstigten auf Erstattung des Überweisungsbetrages gegen seine eigene Bank, für dessen Erfüllung weder ein Entgelt noch ein Auslagenersatz beansprucht werden kann. Über den künftigen Anwendungsbereich des § 676g III BGB herrschen eine Reihe von Unklarheiten (dazu näher Gößmann/van Look, S. 23 f.). 26
e) Verschuldensabhängige Ansprüche. § 676g IV 2 BGB regelt abschließend, welche Ansprüche dem Begünstigten gegenüber seiner Bank neben den verschuldensunabhängigen Garantieansprüchen (§ 676g IV 1 BGB) verbleiben. Unberührt bleiben vor allem Ansprüche, die ein Verschulden des Kreditinstituts voraussetzen, z.B. Schadensersatzansprüche bei zu vertretender Verletzung der Gutschriftfrist (§§ 286 I, 284 I, 285 BGB) sowie Ansprüche aus Positiver Forderungsverletzung bei zu vertretender Verletzung von Nebenleistungs- und Schutzpflichten (vgl. Gößmann/van Look, S. 24). § 676g IV 3 BGB stellt klar, dass die Empfängerbank für ein Verschulden eines von ihr beauftragten Instituts wie für eigenes haftet (§ 676g IV 3 BGB). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sind die zwischengeschalteten Kreditinstitute als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) der Empfängerbank zu betrachten, wobei im Fall des § 676g IV 3 BGB „zwischengeschaltet“ im Sinne von „beauftragt“ (§ 676g III BGB) zu verstehen ist (Palandt-Sprau, § 676g Rn. 8).
27
f) Die Haftungsbegrenzungsmöglichkeiten für den entstandenen Schaden (§ 676g IV 4 BGB) sowie für Folgeschäden (§ 676g IV 5 BGB) entsprechen der Regelung des § 676c I 4 und 5 BGB. Danach kann die Haftung für Auslandsüberweisungen auf 25.000 Euro und die Haftung für den durch Verzögerung oder Nichtausführung der Überweisung entstandenen Schaden auf 12.500 Euro begrenzt werden. Von dieser Regelung ausgenommen sind neben grob fahrlässigem und vorsätzlichem Handeln der Zinsschaden sowie spezielle durch das betroffene Kreditinstitut übernommene Risiken (§§ 676c I 5, 676g IV 5 BGB). Von dieser Verteilung der Risiken kann zum Nachteil des Überweisungsempfängers nur in den Fällen des § 676c III BGB abgewichen werden (§ 676g V BGB). Durch § 676g III und IV BGB wird also eine Haftung der Erstbank gemäß § 676b III BGB ausgeschlossen (Hoffmann, WM 2001, 881 (884)). Dieser Lösungsansatz harmoniert abermals mit einer Konzeption, wonach die Erstbank dem Überweisenden einen Erfolg schuldet und dessen im Valutaverhältnis begründete Schuld mit Eingang der Deckung beim Empfängerinstitut als getilgt betrachtet werden kann (Rn. 11).
28
VI. Recht zur Gutschrift. Durch den Girovertrag ist die Empfängerbank nicht nur verpflichtet, sondern auch berechtigt, eingegangene Zahlungen auf dem Konto des Begünstigten gutzubringen (BGHZ 128, 135, 138 f.). Ein wirtschaftliches Interesse der Bank an einer Gutschrift kann sich aus unterschiedlichen Gründen ergeben. So eröffnet eine Gutschrift z.B. die Möglichkeit, bei einem Habensaldo ein Pfandrecht zu erwerben (Nr. 14 I 2 AGB-Banken) oder bei einem debitorischen Konto eine Verringerung des
Meder
§ 44 Gutschrift
1277
Sollsaldos zu bewirken. Das Recht zur Gutschrift kann mit den Interessen des Empfängers einer Überweisung kollidieren (Rn. 36, 40).
C. Anspruch aus Gutschrift
29
I. Rechtsnatur der Gutschrift. Die Gutschrift ist in der Regel als abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780, 781 BGB zu qualifizieren (BGHZ 103, 143, 146; a.A. Meder, Abstraktes Schuldversprechen, 441; Blissenbach, 97 ff.). Diese Einordnung beruht auf der Erwägung, dass der Begünstigte nur dann bereit ist, anstelle von Bargeld eine Gutschrift zu akzeptieren, wenn keine Einwände aus den zugrunde liegenden kausalen Beziehungen mehr erhoben werden können (Meyer-Cording, S. 48). Während heute weitgehende Einigkeit darüber herrscht, dass der Gutschriftempfänger eine selbständige Forderung gegen die Bank und damit eine der Barzahlung vergleichbare Sicherheit erlangen muss, ist die Konstruktion des Abschlusses der abstrakten Schuldverpflichtung nach wie vor umstritten. Unterschiedlich beantwortet wird vor allem die Frage, ob das Anerkenntnis durch eine einseitige, in der Gutschrift selbst liegende Erklärung der Bank zustande kommt oder ob der Kontoinhaber den durch das Kreditinstitut versprochenen Betrag angenommen haben muss. Die um den rechtsgeschäftlichen Entstehungstatbestand der Gutschrift geführten Kontroversen sind von grundsätzlicher Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie jener Anspruch entsteht, der das Giralgeld ausmacht, sondern auch um die rechtliche Erfassung von Geschäften des täglichen Massenverkehrs, bei denen nur eine Partei den Inhalt ihres Willens ausdrücklich zu erklären pflegt. 1. Konstruktion des Abschlusstatbestands der Gutschrift. Aus dem Umstand, dass der Kontoinhaber bei der Gutschrift nicht mitwirkt, hat man geschlossen, das Schuldversprechen der Bank werde durch einseitiges Rechtsgeschäft in Kraft gesetzt und komme daher ohne Annahme durch den Begünstigten zustande (vgl. etwa Canaris, Rn. 416 f.). Die Rechtsprechung hat sich dieser Auffassung überwiegend angeschlossen (z.B. BGHZ 103, 143 (146)). Abstrakte Schuldversprechen sind jedoch Verträge und Verträge benötigen, um wirksam zu sein, zwei korrespondierende Willenserklärungen – ein Angebot und eine Annahme (s.a. Rn. 35). In Literatur und Rechtsprechung fehlt es denn auch nicht an Stimmen, die zutreffend den zweiseitigen Charakter der Gutschrift betonen und eine Annahme des Begünstigten für ein unverzichtbares Erfordernis halten (z.B. Schwintowski/ Schäfer, § 4 Rn. 124; OLG Karlsruhe WM 1999, 954). Auf Grund der massenhaften Ausführung von Gutschriften ist eine ausdrücklich erklärte Annahme durch den Begünstigten nicht zu erwarten. In Betracht kommen aber die vereinfachten Formen der Annahme, und zwar die Vertragsannahme gemäß § 151 BGB und die im Gesetz nicht geregelte stillschweigende Erklärung der Annahme.
30
2. Vertragsannahme nach § 151 BGB oder stillschweigende Annahme? § 151 BGB findet Anwendung, wenn eine Erklärung der Annahme nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat (§ 151 S. 1 BGB). Nach Maßgabe der Giroabrede könnte die Bank auf eine Annahme ihres Angebots zur Begründung eines Anspruchs aus Gutschrift verzichtet haben. Da sie ausdrücklich nicht verzichtet hat, wäre durch Auslegung zu ermitteln, ob ein konkludenter Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung vorliegt. Die Vorschrift des § 151 BGB macht eine Erklärung der Annahme nicht schlechthin entbehrlich. Sie ersetzt lediglich den Zugang dieser Erklärung beim Vertragspartner. Der Annahmewille muss nach ganz herrschender Auffassung irgendwie, mindestens durch eine nach außen erkennbare Annahmehandlung, erklärt worden sein (vgl. Brehmer, JuS 1994, 386; a. A. Schwarze, AcP 202 (2002), 607). Solange der Antragende eine Betätigung des Annahmewillens nicht erkennen kann, herrscht Unklarheit über das Zustandekommen
31
Meder
1278
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
des Vertrags (BGH NJW 1999, 1328). Außerdem muss eine Gutschrift auch in jenen Fällen wirksam sein können, in denen der Begünstigte keine Kenntnis von ihr erlangt hat (BGHZ 103, 143 (146)). Dieses Ergebnis lässt sich aber nicht über § 151 BGB, sondern nur über eine Annahme durch Schweigen (Rn. 32) erreichen. Die Konstruktion einer Vertragsannahme gemäß § 151 BGB wird den Anforderungen an eine reibungslose Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht gerecht. Der Vertragsschluss würde dadurch künstlich in der Schwebe gehalten und ein Zustand der Unsicherheit erzeugt werden, der den Interessen nicht nur der Kreditinstitute, sondern letztlich auch der Kunden zuwiderläuft (s.a. Rn. 43). 32
Anders als die Vertragsannahme gemäß § 151 BGB verlangt die Annahme durch Schweigen keine nach außen erkennbare Annahmehandlung. Es genügt, dass sich bei verständiger Würdigung der Umstände ein entsprechender Wille des Schweigenden ermitteln lässt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine laufende Geschäftsverbindung besteht und sich durch früheres Verhalten ergibt, dass das Unterlassen einer Willensäußerung als Annahme eines Angebots gelten soll (dazu näher Meder, WM 1999, 2137 (2138 f.)). Eine solche stillschweigende Vereinbarung haben Kreditinstitute mit ihren Kunden getroffen. Mit Abschluss eines Girovertrags haben die Parteien eine Geschäftsbeziehung in Gang gebracht, in deren Verlauf fortwährend Ansprüche auf gutgeschriebene Beträge ohne ausdrückliche Erklärung der Annahme entstehen sollen.
33
II. Entstehungszeitpunkt des Anspruchs aus Gutschrift. Von der Konstruktion des Abschlusstatbestands zu unterscheiden ist die Frage nach der Festlegung des Zeitpunkts der Gutschrift. Wie bereits erwähnt, wird die Gutschrift nach der Rechtsprechung des BGH unabhängig von der Kenntnis des Kontoinhabers wirksam (Rn. 31). Bei manueller Buchung entsteht der Anspruch aus der Gutschrift im Augenblick des Buchungsvorgangs. Besondere Probleme können sich ergeben, wenn die Überweisung – wie heute üblich – durch elektronische Datenverarbeitung im Interbankenverhältnis ausgeführt wird. Der BGH hat klargestellt, dass der Anspruch nicht schon durch Eingabe der Belege in die Datenverarbeitung entsteht. Der Vorgang der Gutschrift befinde sich hier „noch im Stadium der bloßen Erklärungsvorbereitung und nicht in dem – allein entscheidenden – Stadium der Erklärungsabgabe“. Im Stadium der Bearbeitung prüft das Kreditinstitut, ob es von der überweisenden Bank Deckung erhalten hat, ob Kontonummer und Empfängerbezeichnung übereinstimmen und ob – vor allem bei höheren Beträgen – allgemeine Sicherungsmaßnahmen im Überweisungsverkehr einer Erklärungsabgabe nicht entgegenstehen. Nach Abschluss des Bearbeitungsvorgangs muss das Kreditinstitut seinen Rechtsbindungswillen durch nachträgliches Verhalten, etwa in Form des Absendens von Kontoauszügen oder der Aushändigung der Überweisungsdaten auf Datenträgern „äußerlich erkennbar“ machen (vgl. BGHZ 103, 143 (146)).
34
Der Wille des Kreditinstituts zur Bereitstellung und vorbehaltlosen Bekanntgabe der Daten gegenüber dem Kunden muss also in einem entsprechenden Organisationsakt zum Ausdruck kommen (BGH WM 2000, 25 = WuB I D 1. – 3.00 Hellner). Diesen Akt pflegt man als „autorisierte Abrufpräsenz“ (Möschel, AcP 186 (1986), 187 (204)) oder als „Freischaltung“ (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 54 a) zu bezeichnen. Der Zeitpunkt der Abrufpräsenz oder Freischaltung schafft klare Verhältnisse und sollte insbesondere dort gelten, wo der Kunde die Daten im Wege der Selbstbedienung abrufen kann. Es darf keinen Unterschied machen, ob der Zugriff über einen Kontoauszugsdrucker oder – im Online-Banking-Verfahren mit PIN – über das Internet erfolgt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 54 f.). Entsprechendes gilt für eine Gutschrift im beleglosen Datenträgeraustauschverfahren (vgl. OLG Nürnberg WM 1997, 1524 = WuB I D 1. – 7.97 Häuser). Eine Einschränkung dieser Grundsätze soll sich
Meder
§ 44 Gutschrift
1279
ergeben, wenn noch Nachdispositionen der Bank möglich seien. Auf Grund veränderter technischer Gegebenheiten ist freilich zweifelhaft geworden, wann solche Dispositionen – besser: Nachbearbeitungen – außerhalb des regulären Bearbeitungsvorgangs überhaupt noch vorkommen. In der aktuellen Praxis spielen sie nur noch eine geringe Rolle (vgl. Hellner, WuB 2000, 423 f.). Ansonsten gilt, dass der Kontoinhaber mit Freischaltung der Daten bei einem HabenSaldo ein Sichtguthaben erhält, das er ohne weiteres in entsprechender Höhe bar ausbezahlt verlangen kann. Bis zum Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes war die Freischaltung nach überwiegender Meinung zugleich das Ereignis, das den Eintritt des Leistungserfolges und damit die Tilgung der Geldschuld des Auftraggebers bewirkt hat (Rn. 11). Die Pflicht zu dem als „Freischaltung“ bezeichneten Organisationsakt ergibt sich aus dem Anspruch auf Gutschrift (Hadding/Häuser, WM 1988, 1153). Gutschriften, die nicht von einem erforderlichen Überweisungsvertrag gedeckt sind, können durch die Empfängerbank storniert werden (vgl. den Überblick über die verschiedenen Stornierungsgründe bei MK-HGB-Häuser, ZahlungsV, Rn. B 266 ff.). Gutschrift auf „Conto pro Diverse“. Fehlt ein Giroverhältnis zwischen Empfängerbank und Begünstigtem, so entsteht grundsätzlich kein Anspruch aus der Gutschrift. In derartigen Fällen lässt die Empfängerbank den Überweisungsbetrag entweder sofort zurückgehen oder auf einem bankinternen Sammelkonto (CpD-Konto, Conto pro Diverse) gutschreiben, welches dazu dient, Zahlungseingänge aufzunehmen, die keinem bestimmten Kundenkonto zugeordnet werden können (BGH NJW 1987, 55 (56)). Bei einer CpD-Buchung fehlt es an einem „äußerlich erkennbaren“ Verhalten der Bank (Rn. 33, 34), das nach seinem objektiven Erklärungswert als Kundgabe des Rechtsbindungswillens gegenüber dem Begünstigten zu verstehen ist. Allerdings kann rückwirkend ein Anspruch aus der Gutschrift begründet werden. Voraussetzung ist ein Vertragsangebot der Bank (z.B. in Form einer Mitteilung), das durch den Begünstigten angenommen werden muss. Eine Annahme durch Schweigen soll in diesen Fällen ausgeschlossen sein (vgl. BuB-Hellner, Rn. 6/212), was angesichts des Fehlens einer laufenden Geschäftsverbindung folgerichtig erscheint (Rn. 32). Ähnliche Grundsätze gelten, wenn der Überweisungsempfänger zwar Kunde der Bank ist, aber kein Girokonto hat. Die Rechtsstellung eines Kunden ist aber insofern besser als die eines Nichtkunden, als die Empfängerbank zur Benachrichtigung über den Eingang der Überweisung verpflichtet ist (dazu näher Rn. 15).
35
III. Recht zur Zurückweisung einer Gutschrift. 1. Allgemeines. Die Zuwendung von Giralgeld kann ungelegen kommen, wenn es dem Empfänger wegen einer Kontokorrentbindung oder einer Saldopfändung verwehrt bleibt, uneingeschränkt über die zugewendeten Beträge zu verfügen. Umstritten ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich der Kontoinhaber weigern darf, das in der Gutschrift liegende Schuldversprechen der Bank zu akzeptieren. Gilt das Schweigen als Annahmeerklärung, so muss der Schweigende, falls er die Zustimmung verweigern will, seinem entgegenstehenden Willen Ausdruck verleihen. Der Kunde, der den gutgeschriebenen Betrag zurückweisen möchte, darf sich gegen das Präjudiz der Annahme „verwahren“. Die Verwahrung richtet sich gegen die Bewertung seines Verhaltens als stillschweigende Erklärung eines bestimmten Willensinhalts (dazu näher Meder, WM 1999, 2137 (2139 ff.)). Allerdings darf sich der durch eine Gutschrift Begünstigte zu vorangegangenem rechtserheblichem Verhalten nicht ohne Grund in Widerspruch setzen. Der Protest ist nur beachtlich, wenn ein innerer Rechtfertigungsgrund vorhanden ist (vgl. Soergel-Hefermehl, vor § 116 Rn. 39). Die einzelnen, durch die Bank konkret erteilten Schuldversprechen sind in den umfassenden Rahmen eines Giroverhältnisses eingebettet. Darin wird für diese nicht nur die Pflicht, sondern auch
36
Meder
1280
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
das Recht begründet, für den Kunden bestimmte Geldeingänge gutzuschreiben (Rn. 28). In der Giroabrede hat sich der Kunde damit einverstanden erklärt, dass Geldeingänge auf seinem Konto gutgebracht werden. Zu diesem Einverständnis würde er sich in Widerspruch setzen, wenn er die Annahme einer entsprechenden Offerte ohne triftigen Grund verweigerte. Die widersprüchliche Verwahrung ist unbeachtlich (protestatio facto contraria non valet). Der BGH hat die Zurückweisbarkeit von Gutschriften in zwei grundlegenden Entscheidungen erörtert. 37
2. Zurückweisungsrecht bei rechtsgrundlosen Fehlüberweisungen. Im ersten Fall wurde ein bestimmter Geldbetrag versehentlich auf ein debitorisch geführtes Konto überwiesen (BGH WM 1989, 1560). Die Bank verwendete einen Teil des gutgeschriebenen Betrages zur Verminderung des Schuldensaldos. Der Kontoinhaber wollte erreichen, dass der versehentlich gutgeschriebene Betrag zurückgewiesen, d.h. an den berechtigten Empfänger ausbezahlt bzw. umgebucht wird. Der BGH hat die gegen dieses Begehren gerichtete Klage der Bank abgewiesen. Das Recht zur Weigerung, „das Schuldversprechen der Bank zu akzeptieren“, müsse dem Kunden zustehen, wenn er wegen Fehlens eines Valutaverhältnisses dem Rückzahlungsanspruch des Überweisenden aus § 812 BGB ausgesetzt wäre. Solchen Ersatzansprüchen müsse er durch eine Zurückweisung der fehlgeleiteten Beträge zuvorkommen können. Ihm müsse die Möglichkeit geboten werden, den Rückforderungsanspruch aus eben dem Konto zu erfüllen, auf das der Betrag versehentlich gelangt war. Das grundsätzlich bestehende Recht der Bank, sämtliche Geldeingänge für den Inhaber des Girokontos gutzuschreiben, habe in einem solchen Fall zurückzutreten.
38
3. Keine analoge Anwendung von § 333 BGB. In der Entscheidungsbegründung hatte der Senat festgestellt, „dass die Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers durch einen einseitigen Akt der Bank erfolgt“. Dabei wurde offen gelassen, ob dies ein „hinreichender Grund ist, ihm generell in entsprechender Anwendung des § 333 BGB ein Zurückweisungsrecht zuzubilligen“ (BGH WM 1989, 1560 (1562)). Die analoge Anwendung des § 333 BGB hatte zuerst Canaris vorgeschlagen. Danach müssen die nachteiligen Rechtswirkungen, die sich für den Kontoinhaber aus dem einseitigen Charakter der Gutschrift ergeben, durch die Gewährung eines speziellen Zurückweisungsrechts kompensiert werden. Hierfür biete die Analogie zu § 333 BGB eine positivrechtliche Grundlage (Canaris, Rn. 473, 416 f.). Unter der Prämisse eines zweiseitigen Charakters der Gutschrift ist die analoge Anwendung des § 333 BGB entbehrlich. Den Schutzbedürfnissen des Kunden wird dadurch Rechnung getragen, dass dieser die stillschweigende Annahme verweigern kann. Die beachtliche Verwahrung gegen das Präjudiz der Annahme begründet für den Empfänger das Recht, den versprochenen Betrag zurückzuweisen. Dass im konkreten Fall ein triftiger Grund für die Verweigerung der Annahme vorhanden war, hat der BGH überzeugend herausgearbeitet. Auch der für die rechtliche Einordnung des Abschlusstatbestands maßgebliche Gesichtspunkt wurde in der Entscheidung bereits angesprochen. Er liegt in der „Weigerung des Schuldners, das Schuldversprechen der Bank zu akzeptieren“ (BGH WM 1989, 1560 (1562)).
39
4. Zurückweisungsrecht bei intaktem Valutaverhältnis. Den Anlass für eine vertiefte Erörterung des Themas gab ein Fall, in dem ein Schuldner seinem Gläubiger einen Betrag hat zukommen lassen, der – anders als in der zuvor ergangenen Entscheidung – diesem tatsächlich zustand; allerdings war der Betrag auf ein vom Gläubiger nicht gewünschtes, abermals debitorisch geführtes Konto überwiesen worden (BGHZ 128, 135). Wiederum verwendete die Bank den gutgeschriebenen Geldeingang zur Verminderung des Schuldensaldos. In dieser zweiten, nicht unumstritten gebliebenen Entscheidung hat der BGH ein generelles Zurückweisungsrecht des Kontoinhabers ausdrücklich verneint. Verworfen
Meder
§ 44 Gutschrift
1281
wurde nun auch die von Canaris vorgeschlagene entsprechende Anwendung des § 333 BGB (BGHZ 128, 135 (138)). Im Ergebnis sei ein Zurückweisungsrecht zwar nicht generell, aber jedenfalls dann abzulehnen, wenn der Schuldner bei intaktem Valutaverhältnis auf ein anderes als das vom Gläubiger gewünschte Konto überweise. Als Grundlage für ein Zurückweisungsrecht könne „nur das Giroverhältnis in Betracht kommen“, das nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht begründe, für den Kunden bestimmte Geldeingänge gutzuschreiben (BGHZ 128, 135 (139)). Zu beachten bleibt allerdings, dass die Parteien in der Giroabrede keine ausdrückliche Vereinbarung über das Zurückweisungsrecht getroffen haben. Die im Einzelfall ausgeführte Gutschrift lässt sich zwar als eine Konkretisierung der im Girovertrag vereinbarten Pflichten und Rechte begreifen. Der rechtsgeschäftliche Inhalt der einzelnen Schuldversprechen geht darin aber nicht vollkommen auf (vgl. § 43 Rn. 5; Canaris, Rn. 417; MünchKomm BGB-Casper, vor § 676a Rn. 16). Es bleibt daher weiterhin zu klären, wie das Schuldversprechen der Bank im Einzelfall zustande kommt. 5. Eigener Lösungsvorschlag. Die durch den BGH vorgenommene Einschränkung des Zurückweisungsrechts ließe sich über eine stillschweigende Annahme mit Verwahrungsvorbehalt ohne konstruktive Schwierigkeiten begründen. Eine stillschweigende Annahme darf nicht verweigert werden, wenn sich der Angebotsempfänger dadurch in Widerspruch zu vorangegangenem Verhalten bzw. zum Inhalt einer noch bestehenden Vereinbarung setzt. Ausschlaggebende Bedeutung erlangt an dieser Stelle das in der Entscheidungsbegründung überzeugend herausgearbeitete Argument, der Inhaber eines Girokontos habe „aus eigener Entschließung mit dem Abschluss des Girovertrags sein Einverständnis mit der Entgegennahme aller für ihn bestimmten Zahlungen durch die kontoführende Bank erklärt“ (BGHZ 128, 135 (138 f.)). Es muss also ein Grund vorhanden sein, der die Verweigerung der Annahme zu rechtfertigen vermag. Andernfalls handelte der Kontoinhaber widersprüchlich. Sein Verhalten wäre unbeachtlich. Ist dagegen ein solcher Grund ersichtlich, so bedarf es einer Abwägung zwischen dem daraus folgenden Recht des Kontoinhabers, sich gegen die Annahme des Versprechens zu verwahren, und dem Recht der Bank, die für ihn bestimmten Geldeingänge gutzubringen. Es muss geklärt werden, welche der Parteien größere Schutzwürdigkeit genießt. Die Entscheidung wird zugunsten der Partei ausfallen, die für sich das jeweils „bessere Recht“ in Anspruch nehmen kann (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 21 a.E.). Zugunsten des Kunden könnte etwa ins Gewicht fallen, dass der Empfängerbank die Gelder mit einer bestimmten Zweckbestimmung zugeleitet wurden oder qua Einzelvertrag eine spezielle Erfüllung der Pflicht zur Gutschrift vereinbart wurde. In dem vom BGH entschiedenen Fall ergaben sich in diese Richtung jedoch keine Anhaltspunkte.
40
6. Konsequenzen für den Abschluss eines Überweisungsvertrags. Wie die Gutschrift ist auch der Überweisungsvertrag ein Geschäft des typisierten Massenverkehrs, wo nur eine Partei den Inhalt ihres Willens ausdrücklich zu erklären pflegt. Bei der Gutschrift erteilt die Empfängerbank, bei der Überweisung der Kunde das Angebot zum Abschluss eines Vertrags. Bei der Überweisung erfolgt die Annahme also nicht durch den Kunden, sondern durch das Kreditinstitut. Gutschrift und Überweisungsvertrag sind Einzelverträge, in denen die in der Giroabrede begründeten Rechte und Pflichten konkretisiert werden. In beiden Fällen erfolgt die Konkretisierung über den Tatbestand der Annahme durch Schweigen, im Fall des Überweisungsvertrags speziell über § 362 HGB. Unter den Voraussetzungen einer stillschweigenden Annahme entsteht das abstrakte Versprechen einer Gutschrift in Verbindung mit den negativen Tatbestandsmerkmalen, dass keine Verwahrung vorliegt und diese aus Mangel an einem triftigen Grund nicht beachtlich ist (dazu nä-
41
Meder
1282
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
her Meder, JZ 2003, 443 (447)). Beim Abschluss eines Überweisungsvertrags ist zudem das Merkmal der Unverzüglichkeit zu berücksichtigen (§ 362 I 1 HGB). Unverzüglichkeit allein reicht für eine Verweigerung der Annahme aber nicht aus. Auch die unverzüglich geäußerte Verweigerung der Annahme eines Überweisungsangebots darf mit rechtserheblichem vorangegangenem Verhalten nicht in Widerspruch treten. Als solches Verhalten bildet die Giroabrede den Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob eine Verweigerung der Annahme gerechtfertigt erscheint (protestatio facto contraria non valet). Der Giroabrede entspringt einerseits ein Recht des Kunden auf Abschluss eines Überweisungsvertrags und andererseits ein Recht der Bank auf Erteilung einer Gutschrift. Diese Rechte korrespondieren mit der Pflicht sowohl des Kreditinstituts als auch des Kunden, das Angebot der anderen Partei jeweils anzunehmen. Eine Verweigerung der Annahme ist danach sowohl beim Abschluss eines Überweisungsvertrags als auch bei Erteilung einer Gutschrift nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. 42
D. Beweislast Die rechtliche Konstruktion des Abschlusstatbestands der Gutschrift hat auch Konsequenzen für die Verteilung der Beweislast. Bei einer stillschweigenden Annahme mit Verwahrungsvorbehalt hat der Kontoinhaber sein Einverständnis mit der Gutschrift erklärt, es sei denn, dass er sich ausdrücklich dagegen verwahrt und die Verwahrung durch einen inneren Rechtfertigungsgrund getragen wird. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Beachtlichkeit seiner Verwahrung hat der Kunde zu beweisen. Wollte der Kunde eine Gutschrift zurückweisen, so müsste er z.B. beweisen, dass ihm nach dem Inhalt des Valutaverhältnisses die eingegangene Zahlung nicht zustand (BGHZ 128, 135 (139)).
43
Bei einer Lösung über § 151 BGB (Rn. 31) müsste dagegen das Kreditinstitut beweisen, dass der Kunde eine entsprechende Annahmehandlung vollzogen hat. Sollte der Kunde über den gutgeschriebenen Betrag noch nicht verfügt haben, wird sich dieser Beweis kaum führen lassen. Für den Fall, dass man eine gesonderte Annahmehandlung im Rahmen des § 151 BGB für entbehrlich hält (Schwarze, AcP 202 (2002), 607 (627)), müsste die Bank das Vorhandensein eines (inneren) Annahmewillens beweisen, was ebenfalls auf große Schwierigkeiten stoßen würde. Beim Abschluss eines Überweisungsvertrags hätte umgekehrt der Kunde zu beweisen, dass die Bank sein Angebot unter den umstrittenen Voraussetzungen des § 151 BGB angenommen hat (vgl. Langenbucher, S. 132). Die Anwendung des § 151 BGB würde sowohl bei der Gutschrift als auch beim Überweisungsvertrag mit dem Umstand in Konflikt geraten, dass die Rechtsprechung zur Herbeiführung eines gerechten Ausgleichs der Interessen die Beweislast zunehmend nach Gefahrenbereichen verteilt (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, Vorbem § 284 Rn. 25). Danach hat derjenige die maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, der am Geschehen „näher dran“ ist. Insbesondere dem Überweisenden, der sich darauf verlässt, dass seine Bank den Überweisungsauftrag ausführt, wäre es kaum zuzumuten, Beweis über einen Vorgang führen zu müssen, der sich in der Einflusssphäre des Kreditinstituts abspielt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Beweislastverteilung zeigt sich also, dass eine Lösung über die stillschweigende Annahme mit Verwahrungsvorbehalt den tatsächlichen Gegebenheiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs besser gerecht wird als die Konstruktion einer Vertragsannahme nach § 151 BGB.
44
Beweislast bei nicht fristgemäß erfolgter Gutschrift. Ist der überwiesene Betrag verspätet gutgeschrieben worden, steht dem Begünstigten gemäß § 676g I 2 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz zu, den er zunächst gegenüber seiner Bank (Empfängerbank) geltend machen muss. Im Grundsatz trägt der Begünstigte die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch gegenüber der Empfängerbank auf Strafzins erfüllt
Meder
§ 44 Gutschrift
1283
sind (Rn. 22). Da er jedoch keinen Einblick in die Dispositions- und Buchungsunterlagen seines Kreditinstituts hat, ist er nur gehalten, die Verspätung substantiiert zu behaupten (z.B. mit belegten Äußerungen des Schuldners über den Zeitpunkt der Überweisung). Die Empfängerbank hat darzulegen und zu beweisen, dass die Gutschrift fristgemäß nach Eingang der Deckung erfolgte. Gelingt ihr dies sowie der Nachweis, dass der geschuldete Betrag verspätet auf ihrem Konto eingegangen ist, wird die Ursache der Verspätung in der ‚Sphäre‘ des Überweisungsvertrags zu suchen sein. Ob Ansprüche aus der Verletzung des Überweisungsvertrags gegeben sind, hängt dann davon ab, ob die Erstbank oder zwischengeschaltete Kreditinstitute nachweisen können, dass sie ihre Pflichten ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt haben (dazu näher Erman-v.Westphalen, § 676f BGB Rn. 2).
Meder
“This page left intentionally blank.”
§ 45 Lastschriftverkehr
1285
§ 45 Lastschriftverkehr
Schrifttum Burgard, Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, WM 2006, 2065; Burghardt, Einzugsermächtigungsverfahren – Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels?, WM 2006, 1892; Ganter, Die Rückbuchung von Lastschriften auf Betreiben des vorläufigen Insolvenzverwalters WM 2005, 1557; van Gelder, Die Last mit der Gutschrift bei der Lastschrift, in: FS Schimansky, 1999, 127; Fragen des sogenannten Widerspruchs und des Rückgabeentgelts im Einzugsermächtigungsverfahren, WM 2000, 101; Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Lastschriftverkehr, WM 2001 SB 7; Hadding, Kann der Insolvenzverwalter ohne „anerkennenswerte Gründe“ Kontobelastungen wegen eingelöster Einzugsermächtigungslastschriften widersprechen?, WM 2005, 1549; Harbeke, Die POS- Systeme der deutschen Kreditwirtschaft, WM 1994 SB 1; Häuser, Inhaltskontrolle von Lastschriftabreden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ZBB 1995, 285; Jacob, Die zivilrechtliche Beurteilung des Lastschriftverfahrens, 1995; Jungmann, Die Genehmigung von Belastungsbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren, ZIP 2008, 295; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2001; Lohmann/Koch, Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, WM 2008, 57; Metz, Deckungslose Aufträge, VuR 1998, 323; Michel/ Bauch, Lastschriften in der Insolvenz des Schuldners im Lichte der BGH-Rechtsprechung, BKR 2008, 89; Nobbe/Ellenberger, Unberechtigte Widersprüche des Schuldners im Lastschriftverkehr, „sittliche Läuterung“ durch den vorläufigen Insolvenzverwalter?, WM 2006, 1885; Rohe, Sonderrecht für Bankkunden? – Zum Verbot des Entgelts für Bankleistungen bei ungedecktem Konto, NJW 1998, 1284; Schwarz, Schuldner- und Gläubigerverzug im Lastschriftverfahren, ZIP 1989, 1442; Strube, Entgelte für Rücklastschriften – ein Streit ohne Ende, VuR 2000, 91; Wand, Die grenzüberschreitende Lastschrift, WM 1995, 2165. Inhaltsübersicht A. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Bargeldlose Zahlungsverfahren . . . . . . . . 1 1. Verfahren ohne Zahlungsgarantie . . . . . 1 2. Verfahren mit Zahlungsgarantie . . . . . 3 II. Marktsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 II. Lastschriftarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Einzugsermächtigung . . . . . . . . . . . . . 10 2. Abbuchungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . 11 C. Einlösekette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Rechtsverhältnis Zahlungspflichtiger – Zahlungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Lastschriftabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Lastschriftzwang . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3. Datenweitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Erfüllungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Rechtsverhältnis Zahlungsempfänger – erste Inkassostelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Rechtsverhältnis erste Inkassostelle – Zahlstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Rechtsverhältnis Zahlstelle – Zahlungspflichtiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Girovertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Wertstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Rückruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 V. Sonstige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
1. Ansprüche erste Inkassostelle – Zahlungspflichtiger . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansprüche Zahlstelle – Zahlungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Folgen rechtsmissbräuchlicher Kontobelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rückabwicklung der Einlösekette . . . . . . . . . I. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansprüche der Zahlstelle . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis Zahlstelle – Zahlungspflichtiger . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen unzulässiger Entgelte. . . 3. Verhältnis Zahlstelle – erste Inkassostelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ansprüche der ersten Inkassostelle. . . . . . IV. Ansprüche des Zahlungsempfängers . . . . 1. Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rückabwicklung bei Insolvenz des Zahlungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . E. Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grenzüberschreitende Einzugsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzugsermächtigung beim Online-Handel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einzugsermächtigung mittels Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35 36 38 39 39 40 40 45 53 54 58 58 64 66 70 70 74 76
Stichwortverzeichnis Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Benachrichtigungsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Datenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Digitale Signatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74, 75 ELV-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 73 E.v.-Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 54
Strube
1286
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Forderungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Genehmigungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Generalweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Hauslastschrift. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . 37, 66, 67, 68, 69 Interbankenentgelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53, 54, 55 KUNO-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 6 Lastschriftabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Neuberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 POS-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 17, 60
1
POZ-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 2, 3, 75 Saldoanerkenntnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 36, 42, 58 SEPA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Signaturgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Smartcard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Sollzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 48 Sperrdatei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 18 Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
A. Bedeutung I. Bargeldlose Zahlungsverfahren. 1. Verfahren ohne Zahlungsgarantie. Bei dem Lastschriftverfahren handelt es sich um eine Form bargeldloser Zahlungsabwicklung, die zwar auf eine jahrzehntelange Geschichte zurückblickt, sich jedoch erst in Folge des Lastschriftabkommens der Kreditwirtschaft von 1964 und mit der zunehmenden elektronischen Abwicklung von Bankdienstleistungen auf breiter Front durchgesetzt hat (Überblick in Schimansky/Bunte/Lwowski-van Gelder, § 56, I). Dynamisch haben sich im Handel in den vergangenen Jahren kartengestützte Lastschriftverfahren entwickelt. Für die Zahlungen an der Ladenkasse (POS = Point of Sale) haben zwei POS-Verfahren Bedeutung erlangt, das vom Handel entwickelte ELV-Verfahren und das von der Kreditwirtschaft bis Ende 2006 angebotene POZ-Verfahren. Beiden Verfahren gemeinsam war, dass an der Zahlungskasse die Kartendaten des Kunden vom Magnetstreifen der Zahlungskarte eingelesen werden. Der Zahlungspflichtige unterschreibt zusätzlich einen Beleg und ermächtigt den Händler, über dessen Bank den Kaufbetrag vom Kundenkonto einzuziehen.
2
Das ELV-Verfahren („wilde Lastschrift“) basiert auf einer internen Sicherheitsprüfung des Handels. Die Klärung der für den Händler wichtigen Frage, ob ihm eine gestohlene Karte vorgelegt wird, erfolgt innerhalb des Handelsunternehmens und dessen Konzernverbundes mittels sog. „Black- und Whitelists“.Es handelt sich um eine für den Handel preiswerte Variante, weil externe Kosten gespart werden. Das Ausfallrisiko wird durch das von Handel und Polizei entwickelte KUNO-Verfahren wirksam vermindert. Bei der Polizei als gestohlen gemeldete Karten werden in eine für den Handel zugängliche Datenbank aufgenommen. Der Händler erhält die Möglichkeit, sich dieser Sperrdatei zu bedienen. Das POZ-Verfahren bot für den Handel die Möglichkeit, die vorgelegte Karte bei einer Sperrdatei der Kreditwirtschaft überprüfen zu lassen. Vom Händler wurde für diese Prüfung ein Entgelt von 0,05 Euro pro Transaktion verlangt (Stand 9/2004). Das Verfahren wurde Ende 2006 abgeschafft, weil die Kreditwirtschaft auf Verfahren mit Zahlungsgarantie setzt.
3
2. Verfahren mit Zahlungsgarantie. Eine unwiderrufliche Garantie der Zahlung erhält der Handel im Inland beim „electronic cash“-Verfahren und im Ausland beim MaestroVerfahren. Bei beiden Verfahren wird nach Angaben der Kreditwirtschaft während des Zahlungsvorgangs eine Online-Verbindung zum Rechenzentrum des Kreditinstituts des Zahlungspflichtigen aufgebaut. Nach Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl – PIN – durch den Kunden wird der Kaufbetrag autorisiert und dem Händler der Rechnungsausgleich garantiert. Die Kosten für die PIN-Prüfung und die daran verknüpfte Zahlungsgarantie sind deutlich höher als beim früheren POZ-Verfahren (0,3 % vom Umsatz des Zahlbetrages im Inland, 0,95 % bei einer Auslandszahlung). Beide Varianten stehen
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1287
für den Händler einer Zahlung mit Bargeld gleich und fallen begrifflich nicht unter das Lastschriftverfahren. Vergleichbar mit der Lastschrift-Zahlung ist von der technischen Abwicklung her die Zahlung mittels Kreditkarte. Nach Vorlage der Kreditkarte und Unterzeichnung des Zahlungsbelegs legt der Händler den Datensatz dem Kreditkartenunternehmen vor. Er erhält von diesem eine Zahlungsgarantie. Das Kreditkartenunternehmen belastet das Konto des Zahlungspflichtigen mittels einer Lastschrift, die im Gegensatz zur sonstigen Lastschrift nicht widerruflich ist (näheres dazu unter E III).
4
II. Marktsituation. Das Lastschriftverfahren dient gleichermaßen den Interessen aller daran Beteiligten. Dem Zahlungsempfänger gibt es ein Instrument in die Hand, seine Forderungen gebündelt und pünktlich einzuziehen. Er steuert so den Zahlungsfluss in rationeller und kostengünstiger Weise. Der Zahlungspflichtige kann seine Forderung pünktlich und ohne sein weiteres Zutun erfüllen. Anbieter unternehmen erhebliche Anstrengungen bis hin zu Prämienangeboten, um gerade in Dauerschuldverhältnissen Kunden zu einer Einzugsermächtigung zu bewegen. Die Einzugsermächtigung als bequeme Zahlungsalternative wird mehr und mehr zu einem Lastschriftzwang (näheres dazu unter C I 2)
5
Kartengestützte Zahlungssysteme im Einzelhandel machen 32,9 % des Einzelhandelumsatzes 2005 aus (Erhebung EHI Retail Institute). Das unterschriftbasierte Lastschriftverfahren, das keinen Zahlungserfolg garantiert, ist dabei mit 13,8 %-Punkten im Verhältnis zur PIN- gestützten Zahlung mittels „electronic cash“ und Zahlungsgarantie mit 13,3 %-Punkten Marktanteil nach wie vor erfolgreich. Das aus der Sicht des Handels mit dem KUNO-Verfahren weiter begrenzte Risiko des unterschriftsbasierten Verfahrens ließ besonders große Handelsketten an der im Verhältnis zur PIN-gestützten Zahlung unsichereren Zahlungsvariante festhalten. Der Handel argumentiert, dass die bei jeder PINgestützten Transaktion zugunsten der Kreditwirtschaft anfallenden Abwicklungskosten seine Gewinnmargen in zu hohem Maße reduzieren. Auch die nicht unerheblichen Kosten für das technische Equipment werden gegen die Einführung PIN-gestützter Zahlungssysteme angeführt.
6
Aus der Sicht des Verbraucherschutzes spricht die ungeschützte Eingabe der PIN im öffentlichen Raum an nicht ausreichend geschützten Zahlungskassen und die dadurch gegebene Gefahr des Ausspähens mit anschließendem Diebstahl und missbräuchlicher Verwendung der Zahlungskarte gegen PIN-gestützte Zahlungssystem im Handel. Das Risiko für den Kunden wird vermindert, wenn der Einsatz der PIN die Ausnahme bleibt und nicht zur Regel wird. Im Handel sind Missbrauchsvarianten bekannt geworden, bei denen Magnetstreifen durch Zweitgeräte ausgelesen und gleichzeitig die PIN-Eingabe durch Minikameras gefilmt wurde. Eine weitere Variante besteht darin, Einbrüche in Einzelhandelsgeschäfte vorzutäuschen, die nur den Zweck haben, Manipulationen an den Zahlungsterminals zu verschleiern. Diese werden so manipuliert, dass bei einem Bezahlvorgang mit PIN die Kartendaten und die PIN automatisch an einen außerhalb des Geschäfts befindlichen Täter übertragen werden. Mit den Daten werden Kartenkopien hergestellt. Da eine Echtheitsprüfung der Karten im Ausland nicht erfolgt, konnten dort betrügerische Bargeldabhebungen von erheblichem Umfang mit Kartenkopien abgewickelt werden.
7
B. Begriffe
8
I. Beteiligte. Die Grundlagen und Begriffe des Lastschriftverfahrens ergeben sich aus dem Abkommen über den Lastschriftverkehr (Lastschriftabkommen – LSA), das zwischen den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft vereinbart worden ist (abgedruckt in der Fassung vom 12.12.1995 in WM 1995, 1897). Im LSA 1995 Abschnitt I Nr. 1 wird der
Strube
1288
9
10
11
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Vorgang wie folgt beschrieben: „Im Rahmen des Lastschriftverfahrens wird zugunsten des Zahlungsempfängers über sein Kreditinstitut (erste Inkassostelle) von dem Konto des Zahlungspflichtigen bei demselben oder einem anderen Kreditinstitut (Zahlstelle) der sich aus der Lastschrift ergebende Betrag eingezogen, und zwar aufgrund (a) einer dem Zahlungsempfänger von dem Zahlungspflichtigen zugunsten des Zahlungsempfängers erteilten schriftlichen Ermächtigung (Einzugsermächtigung) oder (b) eines der Zahlstelle von dem Zahlungspflichtigen zugunsten des Zahlungsempfängers erteilten schriftlichen Auftrags (Abbuchungsauftrag).“ Ausnahmen von der Vorgabe zur schriftlichen Ermächtigung sind möglich und ergeben sich aus Anlage 3 des LSA 1995. Bestreitet die Zahlstelle das Vorliegen einer formfreien Einzugsermächtigung, muss die erste Inkassostelle diese beweisen, LG Bonn ZIP 2004, 2183. Das vertragliche Grundverhältnis (Valutaverhältnis), im Rahmen dessen das Lastschriftverfahren der Abwicklung der Zahlungsverpflichtung dient, besteht zwischen Zahlungspflichtigem (Schuldner) und Zahlungsempfänger (Gläubiger). Der Zahlungsempfänger löst die Einziehungskette (Deckungsverhältnis) über seine Bank, die erste Inkassostelle, aus. Die erste Inkassostelle veranlasst, dass die Zahlstelle, die Bank des Schuldners, von dessen Konto bargeldlos den angeforderten Geldbetrag zugunsten des Kontos des Zahlungsempfängers abbucht. Die an der Einlösungskette beteiligten Kreditinstitute, die erste Inkassostelle als kontoführendes Institut des Zahlungsempfängers und die Zahlstelle als kontoführendes Institut des Zahlungspflichtigen können ein und dasselbe Institut („Hauslastschrift“), aber auch unterschiedliche Institute sein. II. Lastschriftarten. 1. Einzugsermächtigung. Beim weit verbreiteten Einzugsverfahren holt der Zahlungsempfänger beim Zahlungspflichtigen die Erlaubnis ein, die Forderung bei der Zahlstelle einziehen zu lassen. Verfügt er über die Erlaubnis, ist er Souverän der Forderung. Er bestimmt, wann sie eingezogen wird (der Vorgang wird auch als „rückläufige Überweisung“ bezeichnet, BGH WM 1977, 1042). Das Vorliegen der Ermächtigung wird von der Zahlstelle nicht überprüft. Dieser Unsicherheitsfaktor wird durch die Möglichkeit des Zahlungspflichtigen aufgewogen, seiner Kontobelastung gegenüber der Zahlstelle widersprechen zu können (BGH WM 1977, 1196 (1197)). Die Zahlstelle kann in diesem Fall von der ersten Inkassostelle Wiedervergütung verlangen, wenn der Widerspruch binnen sechs Wochen nach Belastung erfolgt (LSA 1995 Abschnitt III 1 2), so dass dem Zahlungspflichtigen im Regelfall kein Schaden durch unberechtigte Abbuchungen entstehen kann. Da der Widerspruch im Verhältnis Zahlungspflichtiger – Zahlstelle erfolgt, wird er nicht durch eine Klausel im Vertragswerk zwischen Zahlungspflichtigem und Zahlungsempfänger verhindert, die das Widerspruchsrecht ausdrücklich ausschließt. Einen Teilwiderspruch sieht die Einzugsermächtigung ebenso wenig vor wie eine Teileinlösung (LSA 1995, Abschnitt I Nr. 7 Ziffer 3). 2. Abbuchungsauftrag. Beim nicht weit verbreiteten Abbuchungsverfahren erteilt der Zahlungspflichtige der Zahlstelle den Auftrag, Lastschriftbeträge von seinem Konto abzubuchen. Der Zahlungsempfänger ist nicht Souverän der Forderung, sondern darauf angewiesen, dass der Zahlungspflichtige tatsächlich gegenüber seiner Bank aktiv geworden ist. Reicht er seine Lastschrift bei der ersten Inkassostelle ein und legte diese sie der Zahlstelle vor, besteht eine Einlösepflicht nur, wenn der Zahlungspflichtige dieser eine entsprechende Generalweisung erteilt hat (BGH WM 1986, 784 (785)). Ein rationelles Forderungsmanagement bei Massenzahlungen ist so nicht möglich, was zur praktischen Bedeutungslosigkeit dieser Zahlungsvariante geführt hat, obwohl sie für den Zahlungsempfänger durchaus auch Vorteile bietet. Ist der Auftrag erteilt und von der Zahlungsstelle ausgeführt, kann der Zahlungspflichtige ihn nicht mehr widerrufen. Umgekehrt ist es diese Folge, die aus Verbrauchersicht das Verfahren wenig attraktiv macht.
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1289
C. Einlösekette
12
I. Rechtsverhältnis Zahlungspflichtiger – Zahlungsempfänger. 1. Lastschriftabrede. Mit einer Lastschrift erteilt der Zahlungspflichtige dem Zahlungsempfänger die Ermächtigung, eine Geldforderung einmalig oder dauerhaft von seinem Konto abzubuchen. Der Rechtscharakter dieser Ermächtigung war umstritten (zum Meinungsstreit vgl. Langenbucher, S. 185 ff.). In der Rechtsprechung durchgesetzt hat sich die Genehmigungstheorie (BGH WM 1996, 335 (337); Gößmann, S. 81 f.). Diese geht von der fehlenden Berechtigung der Zahlstelle zur Einlösung aus. Die Zahlstelle folgt nur einer Weisung der ersten Inkassostelle auf der Grundlage des LSA. Sie belastete das Konto des Zahlungspflichtigen ohne dessen unmittelbare Weisung. Die Wirksamkeit der Belastungsbuchung wird erst durch die Genehmigung des Zahlungspflichtigen wirksam. Bis dahin herrscht ein Schwebezustand. Widerruft der Zahlungspflichtige die Belastungsbuchung, muss die Zahlstelle dem selbst dann folgen, wenn sie die Zahlungsverpflichtung ihres Kunden und die Missbräuchlichkeit des Rückrufs erkennt (BGH WM 1985, 905). Abgelehnt wird, dass der Zahlungspflichtige die Ermächtigung gegenüber dem Zahlungsempfänger widerrufen kann (BGH WM 1984, 163 f.). Eine beiderseits wirksam getroffene Zahlungsabrede kann nicht nachträglich einseitig aufgehoben werden. Der Zahlungspflichtige ist zudem durch die Möglichkeit des Rückrufs bei der Zahlstelle ausreichend geschützt. Unabhängig davon muss in bestimmten Fällen bei Dauerschuldverhältnissen ein Widerrufsrecht aus wichtigem Grund auch gegenüber dem Zahlungsempfänger bestehen. Dieses besteht dann, wenn der Zahlungsempfänger das Verfahren missbraucht, indem er beispielsweise mehrfach versucht, überhöhte Forderungen mittels Lastschrift durchzusetzen. 2. Lastschriftzwang. Wegen des Rationalisierungsvorteils sind eine ganze Reihe von Anbietern dazu übergegangen, das Lastschriftverfahren entweder ausschließlich zu akzeptieren oder andere Zahlungsarten nur unter Aufschlag eines Sonderentgeltes zuzulassen. Der Bundesgerichtshof (WM 1996, 335 (338)) hat eine entsprechende Vertragsklausel zum Lastschriftzwang bei einem neu abzuschließenden Vertrag über den Anschluss an die Breitband -Verteileranlage für zulässig erklärt, wonach das monatliche Entgelt „ausschließlich per Bankeinzug“ erhoben wird. Begründet wurde dies damit, es fehle an einer unangemessenen Benachteiligung, wenn nur geringfügige Beträge ins Soll gestellt oder, soweit es um höhere Beträge geht, diese in gleichbleibender, von vornherein feststehender Höhe eingezogen würden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (NJWRR 1997, 374 (377)) hält eine Vertragsklausel bei einem D2-Mobilfunkvertrag für zulässig, wenn Rechnungsbeträge mit Einzugsermächtigung eingezogen werden, der Kunde jedoch auch eine andere Art der Rechnungsstellung wählen kann, dann aber ein Zusatzentgelt zahlen muss. Weitergeführt hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung mit Urteil v. 23.1.2003 – III ZR 54/02 (WM 2003, 425). Danach benachteiligt eine Klausel zur zwingenden Einziehung eines Rechnungsbetrages per Lastschrift bei Mobilfunkleistungen den Kunden dann nicht unangemessen, wenn mit der Klausel sichergestellt ist, dass zwischen Zugang der Rechnung und Einzug des Rechnungsbetrages ausreichend Zeit von mindestens fünf Werktagen zur Rechnungsprüfung und, soweit dies notwendig ist, zur Schaffung der Kontodeckung besteht. Der Entscheidung ist dem Grunde nach zuzustimmen, wenn auch die Frist mit fünf Werktagen nach Meinung des Verf. zu kurz bemessen ist. Der Kunden wird so in Zweifelsfällen frühzeitig zum Widerruf der Lastschrift gezwungen, womit der abwicklungstechnische Mehraufwand auf Grund von Vertragsproblemen aus dem Valutaverhältnis auf die daran unbeteiligten Kreditinstitute des Deckungsverhältnisses abgewälzt wird.
Strube
13
14
15
1290
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
16
Für die Praxis ergibt sich bei Neuverträgen, dass ein formularvertraglicher Zwang zur Lastschrift kaum einmal als unangemessene Benachteiligung zu bewerten ist, soweit in der Zahlungsklausel ein genügend großer Zeitabstand zwischen Rechnungsstellung und Zahlungszeitpunkt vorgesehen ist. Bei laufenden Altverträgen mit fester Laufzeit ist es nicht zulässig, während der laufenden Vertragsbeziehung die vereinbarte Zahlungsmodalität einseitig zu ändern und etwa die Nichtteilnahme am Lastschriftverfahren neu zu bepreisen. Bei laufenden Dauerschuldverhältnissen wie z.B. der Energielieferung sind Änderungen der Zahlungsart möglich. Dem Kunden muss jedoch genügend Zeit zur Umstellung gegeben werden (mindestens vier bis sechs Wochen). Verweigert der Kunde bei einem Monopolanbieter, der Elementarleistungen anbietet, z.B. bei der Lieferung von Gas, Strom und Wasser die Zustimmung zur Vertragsänderung, ist eine Kündigung des Vertrages seitens des Anbieters unzulässig. Er muss einen alternativen Zahlungsweg eröffnen, kann dabei jedoch den Mehraufwand in Rechnung stellen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Liberalisierung der Märkte bereits gegriffen hätte, sodass dem Kunden ein Wechsel ohne weiteres zumutbar wäre. Bei der am weitesten fortgeschrittenen Öffnung der Märkte im Strombereich erscheint dies noch zweifelhaft. Werden keine Elementarleistungen angeboten, wie z.B. bei der Telekommunikation, ist eine Kündigung durch den Anbieter bei Verweigerung der Beteiligung am Lastschriftverfahren möglich, jedoch angesichts der großen Marktkonkurrenz unwahrscheinlich.
17
3. Datenweitergabe. Beim POS-Verfahren erfolgt die Unterschrift unter ein meist auf der Rückseite des Zahlungsbelegs abgedrucktes Klauselwerk. Dies enthält zunächst die Ermächtigung, den Betrag vom Konto des Zahlungspflichtigen einzuziehen. Die Kontodaten werden aus dem Magnetstreifen der Zahlungskarte gelesen. Für den Fall der Nichteinlösung oder des Widerspruchs wird die Bank des Zahlungspflichtigen bevollmächtigt, dem Zahlungsempfänger Namen und Anschrift mitzuteilen. Diese Formulierung, mit der per AGB-Kausel das Bankgeheimnis eingeschränkt wird, benachteiligt den Zahlungspflichtigen nicht unangemessen und ist auch nicht überraschend. Da Adressangaben nicht in der Zahlungskarte gespeichert sind, würde ohne diese Bevollmächtigung für den Zahlungsempfänger keine Möglichkeit bestehen, nach der regelmäßig schon erfolgten Aushändigung der Ware oder Erbringung der Dienstleistung die Forderung bei Rückgabe der Lastschrift anderweitig durchzusetzen.
18
Problematisch ist die klauselförmige Zustimmung, dass bei Nichteinlösung der Lastschrift aufgrund fehlender Kontodeckung oder Widerspruch die Kontonummer, die Bankleitzahl des Kreditinstituts des Zahlungspflichtigen sowie der Betrag an eine Sperrdatei übermittelt und dort „bis zur Erledigung der Forderung“ gespeichert wird.
19
Angesichts des hohen Rechtsguts der informellen Selbstbestimmung ist es Voraussetzung einer wirksamen Datenklausel, dass diese die Zeitdauer der Speicherung begrenzt. Im Massenzahlungsverkehr ist es unangemessen, Zahlungsdaten uferlos zu speichern. Ebenso ist es unangemessen, Daten zu speichern, die im Zusammenhang mit einer berechtigten Rechtsausübung des Zahlungspflichtigen anfallen. Denn dieser ist berechtigt, bei anerkennenswerten Gründen (vgl. Hadding, WM 2005, 1549) die Zahlung gegenüber der Zahlstelle zu widerrufen.
20
4. Erfüllungswirkung. Vereinbart wird im Valutaverhältnis die Erfüllung einer Verbindlichkeit mittels Lastschrift. Die Zahlung als Schickschuld wird dadurch zur Holschuld, da allein der Zahlungsempfänger die Einlösekette in Gang setzt (van Gelder, WM 2001, SB7, S. 5). Erfüllung tritt nicht mit der Vorbehaltsgutbuchung der ersten Inkassostelle ein, sondern erst, wenn der Zahlungspflichtige nicht mehr widersprechen kann, also die Belastung
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1291
seines Kontos genehmigt. Die Kreditwirtschaft hat versucht, dem mit Klauselformulierungen Rechnung zu tragen. (näher dazu unter IV 3). Nach Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885, 1888 tritt Erfüllung bereits mit Einlösung der Lastschrift ein, da zu diesem Zeitpunkt die Vorbehaltsgutschrift in Inkassoverhältnis endgültig wird. Dies wird der Besonderheit des Lastschriftverfahrens nicht gerecht. Der Gläubiger, der im Deckungsverhältnis die Gutschrift unter Vorbehalt erhält, nimmt bei der ersten Inkassostelle keinen Kredit in Anspruch, wenn er über den Geldeingang verfügt. Denn die erste Inkassostelle hat wegen des nicht erfolgten Widerspruchs der Zahlstelle von dieser Gegendeckung für ihre Gutbuchung erhalten. Mit der Möglichkeit des Schuldners zum Widerspruch hat diese technische Abwicklung auf der Basis des LSA nichts zu tun, da die Zahlstelle gegenüber der ersten Inkassostelle auf der Grundlage einer Entscheidung im eigenen Sicherheitsinteresse tätig wird. Wird die Frage der Erfüllung bewertet, muss das Valutaverhältnis und die Erwartungen der dortigen Parteien an die Zahlungsabrede betrachtet werden. Der Gläubiger weiß, dass die Erfüllung seines Zahlungsanspruchs von seiner ordnungsgemäßen Leistung abhängt. Denn er tritt in Vorleistung. Anders als bei einer Barzahlung verzichtet er aus eigener Entscheidung (er gibt im Vertragsverhältnis dem Schuldner die Zahlungsabrede vor) auf die sofortige Erfüllungswirkung. Er lässt sich bewusst mit Auswahl des Zahlungsweges auf eine ungesicherte Rechtsposition ein. Diese dient seinem Interesse an einer rationellen und preiswerten Zahlungsabwicklung. Der „Preis“ für diesen wirtschaftlichen Vorteil ist die Ungewissheit, ob der Schuldner nicht aus berechtigten Gründen, die sich aus einem Rechtsverstoß des Gläubigers im Valutaverhältnis ableiten lassen, die Zahlung blockiert.
21
Einen anerkennenswerten Grund zur Zahlungsverweigerung hat er nach Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885, 1887 m.w.H. nur, wenn er keine Einzugsermächtigung erteilt hat, der Zahlungsempfänger keinen Anspruch gegen ihn hat oder dem Zahlungspflichtigen in dem Zeitpunkt, in dem ihm den Kontoauszug mit der Belastungsbuchung zugeht, ein Leistungsverweigerungs-, ein Zurückbehaltungs- oder ein Aufrechnungsrecht zusteht. Dies überzeugt in einem praxisrelevanten Punkt nicht. Dem Zugang des Kontoauszugs kommt im Rahmen des Lastschriftverfahrens keine Rechtsbedeutung, insbesondere keine Genehmigungsfiktion zu. Der Zahlungspflichtige ist deshalb auch dann nicht gehindert, die Lastschrift zurückzurufen, wenn sich erst später, aber noch vor seiner Genehmigung, Gründe für ein Leistungsverweigerungs-, ein Zurückbehaltungs- oder ein Aufrechnungsrecht ergeben. Stellt der Zahlungspflichtige nach – vorläufiger – Abbuchung etwa die Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware fest, ergibt sich für ihn ein anerkennenswerter Grund, die Zahlung zurückzurufen und den Kaufpreis bis zur mangelfreien Lieferung zurückzuhalten. Der Gläubiger weiß demnach, dass er noch nicht endgültig auf den Geldeingang vertrauen kann, weil dieser rückgängig gemacht werden kann, ohne dass er den Grund dafür sofort erfährt. Er muss diesen sodann im Valutaverhältnis klären. Er wird zunächst, wie bei jeder nicht erfolgten Zahlung, seinen vertraglichen Erfüllungsanspruch auf Zahlung geltend machen. Daneben kann er wegen aus seiner Sicht schuldhafter Verletzung der Zahlungsabrede gegenüber dem Schuldner seinen Schaden anmelden. Dabei handelt es nicht um einen Verzugsschaden. Vielmehr kann der Gläubiger die Auslagen fordern, die ihm beispielsweise von der ersten Inkassostelle im Zuge der Rücklastschrift berechnet wurden. Auch etwaige Kosten für eine Adressermittlung des Schuldners gehören hierher. Ein Schadensersatzanspruch von pauschal 50 Euro ist unzulässig, OLG Hamm WM 2008, 1217. Sodann wird zu klären sein, ob ihm aus dem Schuldverhältnis die Gegenleistung und aus der Verletzung der Zahlungsabrede der Schadensersatz zusteht oder eben – bei anerken-
Strube
22
1292
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
nenswerten Gründen des Schuldners – nicht. Des Instruments eines dem schuldrechtlichen Valutaverhältnis systemfremden Schadensersatzanspruchs, den Nobbe/Ellenberger, aaO dem Gläubiger stattdessen nach Einlösung der Lastschrift anlässlich deren Rückbuchung zusprechen wollen, um quasi die abermalige Erfüllung des Valutaverhältnisses zu erreichen, bedarf es nicht. 23
Vereinbaren die Parteien des Valutaverhältnisses nicht – wie z.B. bei Internetkäufen üblich – eine Vorabüberweisung oder beim Ladengeschäft die Barzahlung, muss der Gläubiger damit rechnen, dass der Schuldner bei nach Übergabe entstehenden Gewährleistungsrechten die Zahlungsverweigerung als Hebel einsetzt, um beispielsweise seine Gewährleistungsansprüche aus dem Valutaverhältnis durchzusetzen. Ob er sich dagegen durch die Vereinbarung einer für ihn günstigeren Zahlungsabwicklung absichern kann, muss der marktwirtschaftliche Wettbewerb ergeben.
24
II. Rechtsverhältnis Zahlungsempfänger – erste Inkassostelle. Der Zahlungsempfänger bestimmt den Zeitpunkt, zu dem er die Einlösekette gegenüber seinem Kreditinstitut, der ersten Inkassostelle, in Gang setzt. Nach Einreichung der erteilten Lastschrift wird der Betrag unter dem Vorbehalt der Einlösung vorläufig gutgeschrieben („E.v.-Gutschrift“), weil die Endgültigkeit von der Genehmigung des Zahlungspflichtigen abhängt. Es handelt sich um ein aufschiebend bedingtes Schuldanerkenntnis (van Gelder, FS Schimansky, S. 127, 141). Werden die Bankgeschäfte online abgewickelt, erfolgt die Auslösung der Einlösungskette ohne die Vorlage von Belegen bei der ersten Inkassostelle aufgrund einer einfachen Behauptung des Zahlungsempfängers, ihm liege eine wirksame Ermächtigung vor.
25
Um bei diesem vereinfachten Verfahren Rechtsmissbrauch zu verhindern, bedarf der Zahlungsempfänger einer besonderen Vereinbarung mit der ersten Inkassostelle, die ihn zum Lastschriftverfahren zulassen muss. Der Zahlungsempfänger muss eine „Vereinbarung über den Einzug von Forderungen durch Lastschrift“ abschließen (Muster in Schimansky/ Bunte/Lwowski-van Gelder, Anh. 2 zu §§ 56-59). Die erste Inkassostelle hat die Möglichkeit, diese Vereinbarung zu widerrufen und den Zahlungspflichtigen so vom Lastschriftverfahren auszuschließen. Es liegt in ihrem Interesse, durchaus einen strengeren Maßstab anzulegen. Gibt die Zahlstelle die Lastschrift zurück und hat die erste Inkassostelle keine Möglichkeit, das Konto des Zahlungspflichtigen mit dem rückgerufenen Betrag zu belasten, verbleibt der Schaden bei ihr, ein bei betrügerisch vorgehenden Anbietern nicht zu unterschätzendes Risiko. Denn auch die Zahlungspflichtigen können Ansprüche gegen die Zahlstelle geltend machen, wenn diese trotz Auffälligkeiten Verfügungen des Zahlungsempfängers weiter zugelassen hat, BGH WM 2008, 1252.
26
Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn bei Widerruf der Ermächtigung des Zahlungspflichtigen gegenüber dem Zahlungsempfänger, z.B. im Zusammenhang mit einer Kündigung aus wichtigem Grund, dieser einfach weiterhin und nunmehr ohne Rechtsgrund Beträge mittels Lastschrift einziehen lässt. Es spiegelt in diesem Fall zur Erlangung eines Vermögensvorteils der ersten Inkassostelle die Ermächtigung wider besseren Wissens weiterhin vor. Hier wäre im Kundeninteresse und im Interesse der beteiligten Institute ein größeres Maß an Regulierung durch die ersten Inkassostellen wünschenswert, weil der Zahlungspflichtige keinen Einfluss auf das Verhältnis Zahlungsempfänger – erste Inkassostelle nehmen kann und die Verfahrensbeteiligten durch ein solches Vorgehen der Zahlungsempfänger, das den Rückruf provoziert, unnötig belastet werden.
27
III. Rechtsverhältnis erste Inkassostelle – Zahlstelle. Die Lastschrift ist zahlbar, wenn sie, von der ersten Inkassostelle kommend, bei der Zahlstelle eingeht (LSA 1995, Abschnitt I 6). Eine Verpflichtung der Zahlstelle gegenüber der ersten Inkassostelle zur Ein-
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1293
lösung besteht nur, wenn das Konto ausreichende Deckung aufweist (Rückschluss aus LSA 1995, II 1 Buchst. b). Zur Deckung gehört auch die Ausschöpfung einer vereinbarten Überziehung des Kontos. Ansonsten wird die Zahlstelle prüfen, ob sie den angeforderten Betrag im Rahmen einer geduldeten Überziehung einlöst. Die Duldungsentscheidung wird wesentlich vom eigenen Sicherheitsinteresse der Zahlstelle bestimmt und ergibt sich nicht etwas als Verpflichtung aus dem Rechtsverhältnis zur ersten Inkassostelle. Wird eine unberechtigte Lastschrift eingereicht, haftet die erste Inkassostelle der Zahlstelle für jeden Schaden (LSA 1995 I 5). IV. Rechtsverhältnis Zahlstelle – Zahlungspflichtiger. 1. Girovertrag. Zunächst muss der Zahlungspflichtige dem Zahlungsempfänger wirksam die Möglichkeit eingeräumt haben, eine Schuld im Wege der Lastschrift einzuziehen. Da er mit der Ermächtigung eine automatisierte Einlösekette in Gang setzt, bei der die Zahlstelle ohne besondere Information des Zahlungspflichtigen automatisiert im Datenträgeraustausch und ohne Vorlage von Belegen (LSA 1995 I 2) belastet wird, könnte je nach Kontosituation des Zahlungspflichtigen ein Interesse der Zahlstelle bestehen, den Umfang der Ermächtigungserteilung zu beeinflussen. So trat der Fall auf, dass ein Kreditinstitut den Inhaber eines Girokontos auf Guthabenbasis generell von der Teilnahme am Lastschriftverfahren ausschließen wollte mit der Begründung, der dabei bestehende Überwachungsaufwand zur Verhinderung von Kontoüberziehungen sei zu hoch. Die Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da in zahlreichen Vertrags- und Dauerschuldverhältnissen inzwischen die Lastschrift als einzige Zahlungsmöglichkeit akzeptiert wird.
28
Eine gesonderte Vereinbarung mit dem Kontoinhaber über die Teilnahmemöglichkeit am Lastschriftverfahren wird nicht getroffen. Der allgemeine Charakter des Girovertrages als Geschäftsbesorgungsvertrag legt nahe, dass zum Kernbestand der Kontobeziehung als Schaltstelle des bargeldlosen Zahlungsverkehrs die bargeldlose Empfangnahme von Geld und der bargeldlose Geldabfluss gehören. Da der Lastschriftabrede ein Vertragsverhältnis und eine Zahlungsabrede zugrundeliegt, an der die Zahlstelle nicht beteiligt ist, kann sie dem Zahlungspflichtigen auch nicht untersagen, solche Vereinbarungen zu treffen. Im Zusammenhang mit dem entsprechend der Zahlungsabrede erfolgenden Einzug wird der Rechts- und Pflichtenkreis zwischen Zahlstelle und Zahlungspflichtigem nicht berührt. Rechte und Pflichten der Zahlstelle ergeben sich auf der Grundlage des LSA allein gegenüber der ersten Inkassostelle, so dass ein Ausschluss vom Lastschriftverfahren nicht möglich erscheint (van Gelder, WM 2001, SB 7, S.3 u. 7; anders noch Metz/Strube, EWiR 1999, 977). Jedenfalls in einer laufenden Kontobeziehung ist es unzulässig, einzelne Leistungszusagen wie die Möglichkeit der Teilnahme am Lastschriftverfahren einseitig aufzukündigen, hat der BGH (ZIP 2006, 175) entschieden.
29
2. Wertstellung. Bei der Valutierung von Kontobelastungen wird ausschließlich auf das Kontokorrentverhältnis zwischen Zahlungspflichtigem und Zahlstelle abgestellt. Der Zeitpunkt, zu dem das Geld tatsächlich abfließt, ist der Wertstellungszeitpunkt. In diesem Verhältnis sind Wertstellungsvorgaben eines Dritten unbeachtlich (BGH WM 1997, 1661 (1663), so auch LSA 1995 I 6).
30
3. Rückruf. Bis wann der Zahlungspflichtige eine Lastschriftbelastung zurückrufen kann, war umstritten. Älteren Gerichtsentscheidungen lässt sich entnehmen, dass ein Widerruf nach mehr als sechs Wochen nicht mehr möglich sein sollte (BGH WM 1985, 461 (463)). Der Bundesgerichtshof (WM 1996, 335 (337)) hat klargestellt, dass der Widerspruch des Kontoinhabers an keine Frist gebunden ist. Die Sechs-Wochen-Frist betrifft das Interbankenverhältnis und nicht das Verhältnis Zahlstelle – Zahlungspflichtiger. Dies hat der Bun-
31
Strube
1294
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
desgerichtshof noch einmal bestätigt (WM 2000, 1577, 1578 f.). Eine Lastschrift wird auch nicht durch bloßes Schweigen auf einen Kontoauszug oder widerspruchslose Entgegennahme von Rechnungsabschlüssen genehmigt. Die Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute, die den unverzüglichen Widerspruch fordern, hält der BGH für zu unbestimmt und ohne Erklärungswert hinsichtlich einer Lastschrift. 32
Obwohl sich die Entscheidung auf den ersten Blick kundenfreundlich anhört, folgt daraus nicht, dass ohne Konsequenzen für den Zahlungspflichtigen auch nach mehr als sechs Wochen eine Lastschrift zurückgerufen werden kann. Denn über zwei wesentliche Einwände der Zahlstelle hat der BGH nicht abschließend entschieden. Zum einen lässt die Entscheidung ausdrücklich offen, ob die widerspruchslose Fortsetzung des Zahlungsverkehrs auf dem Konto über eine längere Zeit hinweg nicht doch irgendwann als Genehmigung auch einer Lastschrift durch schlüssiges Verhalten zu werten ist. Zum anderen widerspricht der BGH nicht der Ansicht, dass die Verletzung der Pflicht zum unverzüglichen Widerspruch gegen eine falsche Lastschrift zu einem Schadensersatzanspruch der Bank gegen ihren Kunden führen kann, wenn sie das Geld nicht mehr von der ersten Inkassostelle zurückerhalten kann. Denn der Kunde ist nach den übereinstimmenden AGB der Kreditwirtschaft verpflichtet, Kontoauszüge unverzüglich (und nicht erst nach sechs Wochen) auf Richtigkeit zu überprüfen.
33
Die Kreditwirtschaft hat inzwischen die Konsequenz aus dem Hinweis des BGH gezogen, die Klausel zum unverzüglichen Widerspruch des Zahlungspflichtigen sei zu unbestimmt. Die Genehmigung von Belastungsbuchungen aus Lastschriften wurde neu geregelt. Der Kunde des Kreditinstituts wird nunmehr verpflichtet, Einwendungen gegen die Belastungsbuchung „spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zu erheben. … Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung der Belastung.“ (so z.B. die AGB der Deutschen Postbank, Stand September 2002). Eine unangemessene Benachteiligung des Kunden enthält diese Regelung aus den dargelegten Gründen nicht. Zutreffend weist das OLG München (ZIP 2007, 807, 809) jedoch darauf hin, dass diese Klausel verunglückt ist. Es kann für die Zahlstelle ohne nachvollziehbaren Grund eine Zeitlücke zwischen der Rückrufmöglichkeit binnen sechs Wochen ab Abbuchung und der Genehmigungsfiktion entstehen, die erst sechs Wochen nach Rechnungsabschluss endet. Erklärt der Zahlungspflichtige nach Ablauf von sechs Wochen ab Abbuchung, jedoch kurz nach dem späteren Rechnungsabschluss den Rückruf, fehlt es an einer Genehmigung. An den Problemen der Zahlstelle hinsichtlich der nicht genehmigten Abbuchung hat sich trotz der neu formulierten AGB nichts geändert. Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885, 1887 wollen diese Lücke mit einer konkludenten Genehmigung des Zahlungspflichtigen schließen, wenn dieser nach einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist weiter über sein Konto fortgesetzt disponiert (so auch OLG München ZIP 2005, 2102). Auch dieser unbestimmte Zeitpunkt führt nicht zur Rechtssicherheit. Dem OLG München (a.a.O.)ist zuzustimmen, dass nicht nachvollzogen werden kann, warum die Genehmigungsfiktion nicht klauselmäßig mit dem Ablauf der Rückruffrist zusammengelegt und der Ablauf im Interesse einer transparenten Zahlungsabwicklung aus der Grauzone fiktionalen Verhaltens herausgehalten wurde.
34
Ausnahmen von der Genehmigungsfiktion können sich nach den Geschäftsbedingungen der Institute auch dann nicht ergeben, wenn der Kunde über einen längeren Zeitraum daran gehindert war, sein Konto zu überwachen und einer aus seiner Sicht unberechtigten Lastschrift zu widersprechen, z.B. bei einer schweren Erkrankung oder einem längeren Auslandsaufenthalt. Da den Kunden in einem solchen Fall eine Verpflichtung zur Scha-
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1295
densminderung trifft, wird er bei längerer Verhinderung für eine Nachsendung der Kontoauszüge oder eine anderweitige Kontoüberwachung sorgen müssen. V. Sonstige Ansprüche. 1. Ansprüche erste Inkassostelle – Zahlungspflichtiger. Vertragliche Beziehungen zwischen diesen Beteiligten bestehen nicht (BGH WM 1977, 1042 u. 1196, (1197); LSA 1995 IV 1). Jedoch wird die erste Inkassostelle ein Sicherungsinteresse dann haben, wenn sie bei Nichteinlösung oder Widerspruch die Vorbehaltsgutbuchung beim Zahlungsempfänger nicht mehr rückgängig machen kann. Sie sichert sich dadurch ab, indem sie sich die der Lastschrift zugrunde liegende Forderung des Zahlungspflichtigen klauselmäßig zur Sicherheit abtreten lässt, wogegen keine Bedenken bestehen (van Gelder, WM 2001, SB 7, S. 18). Ausnahmsweise wird ihr auch ein Anspruch aus § 826 BGB zuzubilligen sein, wenn der Zahlungspflichtige versucht, durch einen missbräuchlichen Widerspruch ein beim Zahlungsempfänger entstandenes Insolvenzrisiko auf die erste Inkassostelle abzuwälzen (BGH WM 1979, 689 (690)). 2. Ansprüche Zahlstelle – Zahlungsempfänger. Auch in diesem Verhältnis fehlt es an einer vertraglichen Beziehung (BGH WM 1977, 1042 u. 1196 (1197); LSA 1995 Abschnitt IV Nr. 1). Die Zahlstelle ist nicht verpflichtet, zum Schutz von Zahlungsempfängern den Kredit des Zahlungspflichtigen zu kündigen. Auch ihre Kenntnis von der aussichtslosen wirtschaftlichen Lage des Zahlungspflichtigen führt nicht zu irgendeiner Haftung. Jedoch ist der Fall denkbar, dass die Zahlstelle dem Zahlungsempfänger dann auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB haftet, wenn sie den Zahlungspflichtigen durch Einflussnahme auf dessen Geschäftsführung zum Widerruf der Lastschrift veranlasst hat, um ihre eigenen Forderungen gegen den Zahlungspflichtigen zu realisieren (BGH NJW 2001, 2632). Umstritten bleibt, ob der Zahlungsempfänger Ansprüche hat, weil die Zahlstelle entgegen der Vorgabe des LSA eine nicht eingelöste Lastschrift nicht zurückgibt, sondern längere Zeit liegen lässt (bejaht durch BGH WM 1977, 1042 (1043); OLG Thüringen WM 1994, 2153; abgelehnt durch van Gelder, WM 2001 SB 7, S.3). Der BGH (ZIP 2006, 1041) bejaht einen unmittelbaren bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den Zahlungsempfänger aus § 812 Abs.1 S.1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion), wenn die Zahlstelle zunächst das Girokonto des Schuldners belastet hat, auf dessen Widerspruch hin jedoch den Betrag wieder gutschreibt. Dies soll auch dann gelten, wenn der Schuldner die ihm auf der Grundlage des LSA zustehende Widerrufsmöglichkeit binnen sechs Wochen ab Abbuchung hat verstreichen lassen, jedoch die Abbuchung noch nicht genehmigt hat. Nicht überzeugend ist, dass der Schuldner und auch dessen Insolvenzverwalter im Rahmen des Deckungsverhältnisses der Lastschrift nur widersprechen kann, wenn anerkennenswerte Gründe vorliegen, die Zahlstelle jedoch unabhängig davon die Kalkulierbarkeit des Lastschriftverfahrens für den Gläubiger unbegrenzt aushebeln kann. Die Einzugsermächtigung stellt aus Gläubigersicht eine wirksame Anweisung für die Abwicklung im Rahmen der „technischen“ Lastschriftkette dar, die nur durch anerkennenswerte Gründe des Schuldners gestoppt werden kann. Über diese Einschränkung kann sich die Zahlstelle nach Treu und Glauben nicht hinwegsetzen. Dass die Zahlstelle bei einem Widerspruch außerhalb der Frist des LSA gezwungen sein wird, der ersten Inkassostelle nachzuweisen, dass es sich um eine unberechtigte Lastschrift handelt, erscheint nicht unzumutbar. Wenn der BGH ausführt, es sei „einfacher“, den Gläubiger statt die Gläubigerbank in Anspruch zu nehmen, ersetzt dies als reine Zweckmäßigkeitserwägung nicht eine rechtlich überzeugende Begründung. Die Zahlstelle kann schließlich dem Zahlungsrückruf des Schuldners nach Ablauf von sechs Wochen entgegenhalten, durch nicht rechtzeitigen Widerspruch eine Überwachungspflicht bzgl. seines Kontos verletzt und sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht zu haben, soweit die erste Inkassostelle die Rückzahlung an die Zahlstelle verweigert.
Strube
35
36
37
1296
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
38
VI. Folgen rechtsmissbräuchlicher Kontobelastung. Liegt nur eine scheinbare Ermächtigung vor, die nicht von der dort ausgewiesenen Person stammt, gefertigt beispielsweise unter Vorlage einer gestohlenen Zahlungskarte, gestohlener Kontodaten oder aufgrund eines Organisationsverschuldens der beteiligten banken (Fall OLG Celle ZIP 2007, 810), wird die Einlösungskette nicht wirksam in Gang gesetzt. Es liegt keine rechtgültige Ermächtigung vor, so dass im Verhältnis Zahlungsempfänger – erste Inkassostelle – Zahlstelle – Kontoinhaber keine Lastschriftverfügung vorliegt. Der Kontoinhaber wird ohne Rechtsgrund belastet. Er kann sofortige Rückbuchung verlangen. Seine persönlichen Daten dürfen weder gespeichert noch an den Zahlungsempfänger weitergegeben werden. Denn der Kontoinhaber hat die entsprechenden gefälschten Ermächtigungen zur Datenweitergabe nicht unterzeichnet. Das Verhältnis zwischen erster Inkassostelle und Zahlstelle wird in diesen Fällen mangels entsprechender Ermächtigung beim Zahlungsempfänger nicht vom LSA bestimmt. Die erste Inkassostelle muss demnach auch nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des LSA die rechtsgrundlos erhaltenen Beträge der Zahlstelle herausgeben. Der Kontoinhaber kann zeitlich unbegrenzt der rechtsgrundlosen Abbuchung bei der Zahlstelle widersprechen. Die auf das Lastschriftverfahren bezogenen AGB seines Instituts treffen ihn nicht, da er nicht an diesem Verfahren teilgenommen hat. Eine unverzügliche Reklamation der unberechtigten Buchung ist nicht notwendig, da eine solche Pflicht sich nur nebenvertraglich aus dem Giroverhältnis selbst ergeben könnte. Da der Zahlstelle ein Anspruch aus § 812 BGB gegen die erste Inkassostelle zusteht, ist bei dieser ein Schaden nicht zu erwarten, so dass ein etwaiges Mitverschulden des Kontoinhabers ausscheidet (anders OLG Celle ZIP 2007, 810, das den Ausgleichsanspruch der Zahlstelle gegen die scheinbare Gläubigerbank nicht behandelt).
39
D. Rückabwicklung der Einlösekette I. Ablauf. Lastschriften gelten ausweislich der Geschäftsbedingungen der Kreditwirtschaft als eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird. Auslöser dieser Rückabwicklung ist die Zahlstelle, die prüfen muss, ob sie die Lastschrift einlöst. Sie folgt dabei keiner gegenüber dem Zahlungspflichtigen obliegenden Pflicht, sondern trifft eine eigenständige Entscheidung, ob sie bei Nichtvorliegen der Einlösungsbedingungen des LSA (Kontodeckung bzw. vereinbarte Überziehung) die Lastschrift zurückgibt oder nicht. Bei Kontodeckung bzw. vereinbarter Überziehung hat sie diesen Entscheidungsspielraum nicht, sondern muss gemäß dem LSA einlösen. Lediglich wenn der Betrag aus einer geduldeten Überziehung fließen würde, ist die Zahlstelle frei zu entscheiden, ob sie einlöst oder nicht. Erfolgt die Rückgabe, muss die erste Inkassostelle den unter Vorbehalt gutgebuchten Betrag vom Konto des Zahlungsempfängers rückbuchen. Dies ist bei einer Vorbehaltsbuchung jederzeit, auch nach einem erteilten Rechnungsabschluss, möglich (geregelt beispielsweise in den AGB der Deutschen Postbank, Stand September 2002, § 9 I).
40
II. Ansprüche der Zahlstelle. 1. Verhältnis Zahlstelle – Zahlungspflichtiger. a) Rücklastschriftentgelt. Viele Kunden von Banken und Sparkassen, die ihr Girokonto überzogen haben, kennen die Situation: Das Kreditinstitut löst eingehende Lastschriften nicht mehr ein. Zu der mit diesem Vorgang regelmäßig verbundenen Auseinandersetzung mit den Zahlungsempfänger (dazu näheres unter D IV) kommt hinzu, dass neben dem Zahlungsempfänger auch die Zahlstelle für die Nichtausführung ein Entgelt berechnet. Passen beispielsweise der Gehaltseingang und die regelmäßigen Belastungsbuchungen nur für wenige Tage nicht zusammen, trat nicht selten die Situation ein, dass es zu regelmäßigen Rücklastschriften kam, obwohl das Konto kurze Zeit später durchaus die notwendige
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1297
Deckung aufweist. Der Bundesgerichtshof hat versucht, dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben (WM 1997, 2298; WM 1997, 2300)) und klargestellt, dass die Berechnung solcher Entgelte unzulässig ist. Er untersagte den verklagten Kreditinstituten, Klauseln in ihrem Preisverzeichnis zu verwenden, die u.a. Entgelte für die Lastschriftrückgabe vorsehen. Als Begründung führt der BGH aus, dass die Bank bei der Prüfung, ob das Konto eine ausreichende Deckung zur Ausführung eines Überweisungsauftrages oder zur Einlösung eines Schecks oder einer Lastschrift aufweise, allein im eigenen Sicherheitsinteresse tätig werde. Folglich könne hierfür auch keine Vergütung verlangt werden. Die Reaktion der Kreditwirtschaft auf die BGH-Entscheidungen war nachhaltig negativ. Nur wenige Institute erklärten sich bereit, die Urteile ohne weiteres zu akzeptieren und zu Unrecht einbehaltene Beträge den Zahlungspflichtigen – wenigstens teilweise – zu erstatten. Stattdessen wurden (und werden) die Entgelte unter neuer Bezeichnung weiterhin gefordert. b) Benachrichtigungsentgelt. Zunächst behaupteten viele Institute, der BGH habe Entgeltforderungen für die Benachrichtigung des Kontoinhabers über die Nichteinlösung von Schecks, Lastschriften oder Überweisungen als berechtigt angesehen. Dies lässt sich den Entscheidungen nicht entnehmen. Als Ergebnis eines von der Verbraucherzentrale NRW veranlassten Verbandsklageverfahrens hat der BGH (NJW 2001, 1419) festgestellt, dass ein Benachrichtigungsentgelt unzulässig ist. Der BGH hat mit einer früheren Entscheidung (NJW 1989, 1671) den Kreditinstituten die nebenvertragliche Pflicht auferlegt, Kunden frühzeitig bei Nichtausführung zu informieren. Die Zahlstelle kommt so mit einer Benachrichtigung nur einer ihr obliegenden Informationspflicht nach, für sie kein Geld verlangen kann.
41
c) Schadensersatz. Der Zahlungspflichtige, so haben Institute die Umbenennung des Rücklastentgelts in „Schadensersatz“ begründet, verhalte sich vertragswidrig und bereite der Zahlstelle schuldhaft Kosten, wenn er Lastschriften veranlasse, obwohl sein Konto nicht gedeckt sei. Der Bundesgerichtshof ist dem entgegengetreten und hat entsprechende Forderungen für unzulässig erklärt (BGH WM 2005, 874). Im Rahmen der Lastschriftkette besteht eine vertragliche Bindung des Zahlungsempfängers lediglich gegenüber dem Zahlungspflichtigen, dem er Kontodeckung zum Zweck der Einlösung der Lastschrift schuldet. Im Rahmen des bloßen Genehmigungsverhältnisses zur Zahlstelle können mangels einer schuldrechtlichen Beziehung in der Einlösekette keine nebenvertraglichen Pflichten bestehen. Eine außerhalb des Lastschriftverfahrens bestehende allgemeine Pflicht zur Kontodeckung ist dem Giroverhältnis fremd, da es die Zahlstelle im eigenen Sicherheits- und Gewinninteresse steuert, ob und in welcher Höhe sie solche Überziehungen zulässt oder nicht.
42
d) Interne Weisungen. Um Unterlassungsforderungen zu entgehen, wurde zwar im Preisverzeichnis auf Rücklastschriftentgelte verzichtet. Gleichwohl jedoch wurden die Mitarbeiter des Instituts intern schriftlich angewiesen, in solchen Fällen einfach ohne Kommentar ein Entgelt vom Konto des Kunden abzubuchen. Der BGH hat diese Praxis für rechtswidrig erklärt (WM 2005, 874). Auch solche internen Weisungen, mit denen die Ausweisung einer Regelung im Preisverzeichnis verhindert werden soll, unterliegen der AGB-rechtlichen Überprüfung unter dem Gesichtspunkt eines Umgehungstatbestandes.
43
e) Einlöseentgelt. Eine weitere Variante, die Rechtsprechung des BGH zu umgehen, besteht darin, nicht für die Rücklastschrift, sondern für die Einlösung der Lastschrift ein besonderes Entgelt zu verlangen. Denn, so wird dies begründet, die Bank habe im Interesse des Kunden geprüft, ob die angeforderte Zahlung im Wege einer geduldeten Über-
44
Strube
1298
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
ziehung eingelöst werde. Tatsächlich prüft die Bank dies jedoch im Rahmen einer eigenen Risikoabschätzung und wird im eigenen Sicherheitsinteresse tätig. Auch diese Entgeltvariante ist mit der Rechtssprechung des BGH nicht in Einklang zu bringen. 45
2. Rechtsfolgen unzulässiger Entgelte. a) Beweislast. Infolge der Entscheidungen des BGH zur Unzulässigkeit von Entgelten im Verhältnis Zahlstelle – Zahlungspflichtiger war am Markt zu beobachten, dass zahlreiche Kreditinstitute berechtigten Rückforderungsansprüchen von Kunden entgegenhielten, der Kunde müsse anhand seiner Kontoauszüge zunächst einen detaillierten Forderungsnachweis liefern. Wenn er die Kontounterlagen dafür nicht mehr hatte, verlangten Institute für deren nochmalige Herausgabe erhebliche Beträge. Außerdem wurde behauptet, die Unterlagen lägen nur noch für die vergangenen sechs Jahre vor, weil keine längere Aufbewahrungspflicht bestehe.
46
Wenn die Zahlstelle zu Unrecht etwas einbehalten und damit das Konto falsch abgerechnet hat, muss sie den Fehler korrigieren und neu abrechnen. Aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag folgt die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verbuchung von Zahlungen. Es erscheint deshalb nicht notwendig, dass der Zahlungspflichtige der Zahlstelle das konkrete Buchungsdatum der vertragswidrigen Belastung nennt. Denn dies kann die Zahlstelle anhand ihrer Unterlagen leicht selber feststellen (AG Siegen VuR 1999, 87; AG Siegen WM 2000, 356; unzutreffend AG Marl B.v. 16.11.1999 – 3 C 526/99).
47
b) Neuabrechnung. Das Oberlandesgericht Schleswig (ZIP 2000, 789) hat es einer Bank untersagt, für die Überprüfung einer Rückforderung anhand alter Kontoauszüge, gestützt auf eine entsprechende Klausel des Preisverzeichnisses, Geld zu verlangen, und hält die Zahlstelle für verpflichtet, die Neuberechnung kostenlos vorzunehmen. Für diese Ansicht spricht, dass der BGH in anderem Zusammenhang bei einer unzulässigen Abbuchung von einem Girokonto von einer „erforderlichen Neuberechnung des Girokontos“ ausging (ZIP 1998, 1063 (1065)). Dieser Ansicht ist zu folgen, da das Kreditinstitut auf Grund einer entsprechenden Nebenpflicht des Girovertrages zur ordnungsgemäßen Abrechnung verpflichtet ist. Die unberechtigte Buchung eines Lastschriftentgelts ist zum Wertstellungstag der Buchung zu stornieren, was sämtliche nachfolgenden Rechnungsabschlüsse unrichtig macht. Der Zahlungspflichtige selbst hat für die Neuberechnung der Sollzinsen gar nicht die notwendigen EDV-Voraussetzungen, was ebenfalls für die Abrechnungspflicht der Bank spricht. Auf die Verpflichtung der Bank zur Neuabrechnung hat die gesetzliche Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren keinen Einfluss. Wenn die Unterlagen noch vorliegen (vgl. dazu BGH WM 2001, 621), muss anhand dieser abgerechnet werden
48
Der Kunde hat daneben auch einen Anspruch auf Gutschrift von für die Entgelte berechneten Sollzinsen (BGH ZIP 1998, 1063 (1065)). In der Regel erfolgt die Rückgabe der Lastschrift, weil die Zahlstelle eine weitere Überziehung des Kontos außerhalb des vereinbarten Überziehungsrahmens ablehnt. Werden aus dem Soll die Entgelte für Rücklastschriften abgebucht, werden auf das dadurch erhöhte Soll auch entsprechende Überziehungszinsen bzw. – provisionen fällig. Fällt die rechtsgrundlose Entgeltberechnung zum Wertstellungstag weg, muss auch der darauf entfallende Anteil an Überziehungszinsen storniert werden, was angesichts der von keinem Kunden rechnerisch zu bewältigenden Neuabrechnung für eine entsprechende Verpflichtung des Instituts spricht, das die Ursache für die Falschberechnung gesetzt hat.
49
Prozessual ergibt sich, dass die Rückforderung rechtswidrig berechneter Entgelte im Wege einer Stufenklage geltend zu machen ist. In der ersten Stufe wird der Anspruch auf Neuabrechnung der Kontoverbindung unter Bereinigung unzulässiger Lastschriftentgelte sowie drauf berechneter Überziehungszinsen zu richten sein. In der zweiten Stufe
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1299
wird der Zahlungsanspruch geltend gemacht und nach Erledigung der ersten Stufe beziffert. c) Verjährung. Bis zur Schuldrechtsmodernisierung galt die regelmäßige Verjährung von dreißig Jahren nach § 195 BGB a. F. Soweit sich die Unzulässigkeit der Entgelte aus dem AGB-Gesetzes ergibt, begrenzt der Zeitpunkt von dessen Inkrafttreten, der 1.4.1977, die Rückforderungsansprüche zeitlich. Ein Anspruch bestand nur für Entgelte, die in der laufenden oder bereits beendeten Kontobeziehung nach dem 1.4.1977 berechnet worden sind.
50
Mit dem Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung wurde die Regelverjährung des § 195 BGB auf drei Jahre begrenzt. Dies hat Auswirkungen auch auf Rückforderungsansprüche wegen unzulässiger Lastschriftentgelte. Die vor dem 1.1.2001 entstandenen Forderungen wären am 31.12.2004 verjährt, soweit auch die subjektiven Vorraussetzungen des § 199 I 2 BGB am 1.1.2001 vorlagen. Hat der Kunde keine Kenntnis von seinen Ansprüchen, kann er diese bei „Altfällen“ auch noch nach dem 1.1.2001 geltend machen (BGH ZIP 2007, 624). Wann Kenntnis bei Entgeltrückforderungen angenommen wird, ist rechtlich ungeklärt. Maßgeblicher Zeitpunkt kann der Erlass eines BGHUrteils sein, das eine umstrittene Rechtsfrage klärt (OLG Braunschweig ZIP 2006, 180) oder bei verwickelten Rechtsfragen die erfolgte rechtliche Beratung (OLG Frankfurt ZIP 2007, 1745). Unabhängig davon kann der Kunde im Rahmen des Kontokorrentverhältnisses auch mit bereits verjährten Forderungen die Aufrechnung erklären oder ein Zurückbehaltungsrecht ausüben (§ 215 BGB), sofern sich die Ansprüche einmal unverjährt gegenüberstanden.
51
Der Zahlungspflichtige kann auch bei Kündigung der Kontoverbindung einen Restbetrag nicht ausgleichen und den Abschlusssaldo der Höhe nach bestreiten. Das Saldoanerkenntnis, in das die Zahlstelle zu ihren Gunsten unzulässige Entgelte und Zinsen eingestellt hat, kann kondiziert werden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bunte, § 12 Rn. 6; Nobbe, S.31 Rn. 96).
52
3. Verhältnis Zahlstelle – erste Inkassostelle. Von praktischer Bedeutung ist, dass die Zahlstelle bei Rückgabe der Lastschrift von der ersten Inkassostelle ein Interbankenentgelt von 3,00 Euro (LSA 2002, Anlage 1 Nr. 2 für Beträge bis 10.000,00 Euro)) liquidieren kann, denn dieser Betrag wird mit entsprechenden Aufschlägen in der Regel von der ersten Inkassostelle an den Zahlungsempfänger (Näheres dazu unter D III ) und von diesem an den Zahlungspflichtigen (Näheres dazu unter D IV) weitergereicht. Die Zahlstelle erhält so auf der Grundlage des LSA von der ersten Inkassostelle ein Entgelt für die aus eigenen Sicherheitserwägungen vorgenommene Zurückweisung der Einlösung.
53
III. Ansprüche der ersten Inkassostelle. Wird die Lastschrift von der Zahlstelle zurückgegeben, wendet die erste Inkassostelle dafür im Interbankenverhältnis 3,00 Euro auf. Ihre Vereinbarung mit dem Zahlungsempfänger sieht vor, dass dieser ein Rücklastentgelt für nicht eingelöste bzw. wegen Widerspruch zurückgegebene Lastschriften zahlen muss (Muster der Vereinbarung in Schimansky/Bunte/Lwowski-van Gelder, §§ 56-59, Anh. 2 b). Die von den ersten Inkassostellen verlangten Entgelte sind dabei uneinheitlich. Die Mehrheit der Handelsunternehmen muss nach einer Umfrage nicht mehr als 7,50 Euro zahlen (73,9 Prozent). Es werden jedoch auch Kosten von 10,00 Euro und sogar darüber (5,4 Prozent) verlangt (rt retail technology journal 2/2002, S.18,19). Es wird demnach nicht nur das Interbankenentgelt, sondern auch ein eigenes Entgelt von der ersten Inkassostelle berechnet. Rechtlich macht die erste Inkassostelle eine Gutbuchung unter Vorbehalt rückgängig. Ohne diese von der Kreditwirtschaft gewählte technische Abwicklung
54
Strube
1300
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
einer E.v.-Gutschrift ließe sich die in diesem Zusammenhang erfolgte Tätigkeit der ersten Inkassostelle auf eine Benachrichtigung an den Zahlungsempfänger des Inhalts reduzieren, die Lastschrift werde von der Zahlstelle nicht eingelöst. 55
In welcher Form die erste Inkassostelle für eine solche Tätigkeit im Rahmen der Vereinbarung mit dem Zahlungspflichtigen Entgelte verlangen kann, ist zweifelhaft. Das Interbankenentgelt beruht auf einer Verabredung der Kreditwirtschaft, dem LSA, und kann keine unmittelbare Entgeltpflicht eines Dritten begründen. Die erste Inkassostelle kann dessen Weitergabe als Auslagenersatz gemäß § 670 BGB qualifizieren. Die Weitergabe des Interbankenentgelts erscheint damit möglich (LG München WM 1999, 640; AG München WM 2000, 355; AG Erfurt WM 1999, 2256).
56
Soweit die erste Inkassostelle ein darüber hinausgehendes „Rücklastentgelt“ fordert, ist zu berücksichtigen, dass sie bereits nach ihrer besonderen Vereinbarung mit dem Zahlungspflichtigen ein „Einzugsentgelt pro Lastschrift“ von diesem verlangt (Schimansky/ Bunte/Lwowski-van Gelder, §§ 56-59, Anh. 2 b) Nr. 8). Die Rückbuchung der Vorbehaltszahlung stellt als keine eigene Leistung gegenüber dem Zahlungspflichtigen dar. Sie erfolgt infolge der Vorläufigkeit der gewählten Abwicklung. Die erste Inkassostelle nimmt in ihrem eigenen Interesse die Rückbuchung eines nur unter Vorbehalt gutgebuchten Betrages vor und kann dafür kein weiteres Leistungsentgelt vom Zahlungspflichtigen verlangen (anders AG München WM 2000, 355 (356); AG Berlin-Tempelhof WM 2000, 357; AG Erfurt WM 1999, 2256). Ohne den technischen Aspekt der gewählten Abwicklung entspricht sie im Kern der aus dem Giroverhältnis folgenden eigenen nebenvertraglichen Verpflichtung der beauftragten ersten Inkassostelle den Auftraggeber vom Scheitern ihrer Bemühungen unverzüglich zu informieren. Dieser Aufwand wird vom Einzugsentgelt bereits abgedeckt.
57
Strafbar ist es, wenn der Zahlungsempfänger im Wege der „Lastschriftreiterei“ der ersten Inkassostelle Lastschriften zur eigenen Kreditbeschaffung vorlegt und sich den Betrag gutschreiben lässt, obwohl er damit rechnet, dass die Lastschriften widerrufen werden und er leistungsunfähig ist (konkludente Täuschung, BGH ZIP 2005, 1496; dazu auch OLG München ZIP 2007, 2158).
58
IV. Ansprüche des Zahlungsempfängers. 1. Voraussetzung. Dem Einreicher verursachen Rücklastschriften Arbeit und Kosten. Der Schuldner ist ihm gegenüber aus der Lastschriftabrede verpflichtet, für Kontodeckung zu sorgen. Verstößt der Schuldner gegen diese vertragliche Nebenpflicht aus der Zahlungsabrede, macht er sich gegenüber dem Einreicher schadensersatzpflichtig. Der Bundesgerichtshof (WM 2002, 1006) hat klargestellt, unter welchen Voraussetzungen Schadensersatz verlangt bzw. vom Zahlungspflichtigen verweigert werden kann. Fremde Kosten im Zusammenhang mit der Rückgabe einer Lastschrift kann der Einreicher dann nicht auf den Kunden abwälzen, wenn die Klausel nicht zwischen einer verschuldeten und unverschuldeten Rückgabe unterscheidet.
59
Hat der Zahlungsempfänger die Nichteinlösung verschuldet, trifft ihn die Kostenlast. Zu unterscheiden ist zwischen kalendermäßigen Zahlungsverpflichtungen und solchen, in denen keine ausdrückliche Zeitabrede getroffen wurde. Ergibt sich bei monatlicher (z.B. bei Telekommunikationsunternehmen) oder jährlicher (z.B. bei Versicherungsbeiträgen) Zahlungsfälligkeit der Termin der geschuldeten Leistung aus dem Vertragswerk, ist es dem Schuldner ohne weiteres zuzumuten, zu diesem Zeitpunkt für ausreichende Kontodeckung zu sorgen. Zu beobachten ist bei vertraglich bestimmten Leistungen, insbesondere beim Einzug von jährlich fälligen Forderungen, dass die Gläubiger diese nicht selten eine Woche oder noch früher vor dem vertraglichen Fälligkeitszeitpunkt einziehen. Einen
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1301
technischen Grund dafür gibt es nicht. Zu vermuten ist, dass die in diesem Zusammenhang zu erwartenden Zinsgewinne der Grund für dieses vertragswidrige Vorgehen sind. Ist bei einer vorzeitigen Vorlage der Lastschrift das Konto des Schuldners nicht gedeckt, trifft diesen keine Schuld und für Mahn- und Folgekosten des Zahlungsempfängers hat er nicht einzustehen. Den Gläubiger trifft vielmehr die Pflicht, die vertraglich vereinbarte Einzugsermächtigung zum Fälligkeitszeitpunkt der Forderung zu wiederholen. Denn Folge eines solchen abredewidrigen Vorgehens des Gläubigers ist auch nicht etwa die nunmehrige Verpflichtung des Schuldners, abweichend von der Zahlungsabrede z.B. im Wege einer Überweisung zu zahlen. Bei der POS-Lastschrift fehlt es an einem vereinbarten Zahlungszeitpunkt. Beide Vertragsparteien sind jedenfalls einig, dass es zu einer verzögerten Zahlung trotz Leistungserfüllung des Anbieters kommt. In diesem Zusammenhang sind Fälle aufgetreten, in denen der Gläubiger die Einzugskette zum Teil Wochen nach dem Kaufdatum in Gang setzte und auf einen Zahlungspflichtigen traf, dessen Kreditinstitut die Lastschrift mangels Deckung zurückgehen ließ. Die im POS-Verfahren abredegemäß verzögerte Zahlung kann nicht dazu führen, dass es folgenlos ins Belieben des Zahlungsempfängers gestellt ist, wann er die Lastschrift bei seinem Kreditinstitut einreicht. Den Zahlungspflichtigen trifft keineswegs die Pflicht, nun fortwährend die Deckung bereit zu halten, bis sich der Zahlungsempfänger irgendwann meldet. Eine solche Beschränkung der finanziellen Handlungsfreiheit lässt sich aus einer POS-Lastschriftabrede nicht ableiten. Vielmehr trifft den Gläubiger die Pflicht, nach Erhalt der schriftlichen bzw. mündlichen Ermächtigung des Schuldners bei bestehender Leistungsverpflichtung unverzüglich von der Ermächtigung Gebrauch zu machen und diese an sein Kreditinstitut weiter zu leiten. Innerhalb von fünf Werktagen ist im Rahmen des Lastschrifteinzugs die Belastung des Schuldnerkontos zu bewerkstelligen. Für diesen Zeitraum ist es dem Schuldner zuzumuten, zugunsten des Einreichers die Deckung seines Kontos zu gewährleisten. Wird die Lastschrift jedoch erst später bei der ersten Inkassostelle eingereicht, trifft ihn gegenüber dem Einreicher kein Verschulden, wenn die Zahlstelle die Lastschrift zurückweist.
60
Kommt der Zahlungspflichtige der Verpflichtung zur Kontodeckung gegenüber dem Einreicher schuldhaft nicht nach, hat er den diesem entstehenden Schaden zu ersetzen. Als Rechtsgrund kommen die §§ 280 I, II , 286 BGB in Frage. Die Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner, die Schuld im Wege des Einzugsermächtigungsverfahrens zu begleichen, die Lastschriftabrede, wandelt die an sich bestehende Schick- in eine Holschuld um. Es obliegt nunmehr dem Zahlungsempfänger, für die Rechtzeitigkeit der Leistung zu sorgen. Der Zahlungspflichtige hat seine Obliegenheit erfüllt, wenn er auf seinem Konto ausreichende Deckung vorhält. Fehlende Deckung stellt eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 I BGB dar.
61
Dies führt jedoch nicht automatisch zum Verzug des Schuldners. Verzug setzt einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch des Gläubigers voraus und stellt eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 I BGB dar. Nicht jede Pflichtverletzung ist jedoch geeignet, unter den Voraussetzungen des § 286 BGB einen Verzug zu begründen. Es wird die Auffassung vertreten, dass der Schuldner mit fehlender Deckung in Verzug gerät (Schwarz ZIP 1989, 1442 (1444)). Gemeint ist jedoch Verzug bezogen auf die Erfüllung der Hauptleistung. Die Pflicht zur Kontodeckung ist davon zu unterscheiden.
62
Die Lastschriftabrede ist eine unselbstständige Nebenabrede zur vertraglichen Hauptleistung (BGH WM 2002, 1008). Es wird eine Abrede über die Modalität bzw. Art der Erfüllung der Geldschuld getroffen. Sie ist als solche nicht einklagbar. Schlägt sie ohne Ver-
63
Strube
1302
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
schulden des Einreichers fehl, wird sie gegenstandslos und nicht wiederholbar (LSA 1995, II 3). Eine verzugbegründende Wirkung ist ihr unter diesen Voraussetzungen abzusprechen. Die Forderung muss nach Fehlschlagen des Einzugs mit Lastschrift auf üblichem Wege eingefordert werden. Die Benachrichtigung des Zahlungspflichtigen von der Nichteinlösung durch die Zahlstelle erfolgt allein in deren Interesse und ersetzt keine Mahnung des Zahlungsempfängers. Die Nichteinlösung stellt auch keine Erfüllungsverweigerung im Sinne von § 286 II 3 BGB dar. Voraussetzung weitergehender Forderungen des Zahlungspflichtigen ist somit der Zeitablauf des § 286 III BGB, wobei bei der POSZahlungsabrede der Kassenbon die Voraussetzungen einer Rechnung bzw. Zahlungsaufstellung, nicht jedoch einer Zahlungsaufforderung erfüllt. 64
2. Umfang. Mahn- und Inkassokosten trägt der Zahlungspflichtige demnach nur dann, wenn er in Verzug gesetzt worden ist. Da die Zurückweisung der Lastschrift keinen Verzug begründet, sind die Rückgabekosten keine Verzugskosten. Dies zeigt auch folgende Überlegung. Zahlt der Zahlungspflichtige nach Benachrichtigung der Zahlstelle über die Nichteinlösung mit einer Überweisung seine Schuld, braucht Verzug noch nicht vorzuliegen. Gleichwohl sind dem Zahlungsempfänger Kosten entstanden, die er weiterreichen will, nur eben nicht als Verzugskosten. Der Zahlungspflichtige hat für diese Kosten wegen Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht zur Kontodeckung gemäß § 280 I BGB einzustehen.
65
Da die Anbieter bei Einsatz der POS-Lastschrift in der Regel auf eine Identifizierung der Kunden verzichten, müssen sie sich die Möglichkeit eröffnen, bei Rückgabe der Lastschrift den ihnen anonym entgegengetretenen Schuldner zu ermitteln. Dies geht nur über das vom Schuldner angegebene Kreditinstitut. Damit dieses dem Gläubiger nicht unter Hinweis auf das Bankgeheimnis jede Auskunft verweigert, beinhaltet der POS-Beleg regelmäßig eine Entpflichtung vom Bankgeheimnis. Der Schuldner weist formularmäßig sein Kreditinstitut an, seinen Namen und seine Anschrift bekannt zu geben. Die Institute folgen dem in 99,5 % aller Fälle (Adolph, EC-Karte plus Unterschrift, POS-Manager Technology 2006, 26 f.). Geschieht dies, ist für die Erhebung von Kosten der Adressermittlung kein Raum. Die Zahlstelle wiederum kann bei Erteilung der Auskunft keine Kosten von dem Zahlungspflichtigen verlangen, wie es im Preisverzeichnis einer deutschen Großbank jedoch vorgesehen ist. Kosten kann die Zahlstelle nur im Rahmen des Auskunftsvertrags mit dem Zahlungsempfänger verlangen.
66
V. Rückabwicklung bei Insolvenz des Zahlungspflichtigen. Wird der Zahlungspflichtige nach Erteilung einer Einzugsermächtigung insolvent, können seine Verfügungen bei entsprechender Anordnung des Insolvenzgerichts gem. § 21 Abs.2 Nr.2 InsO nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam werden. Dieser kann demnach der Einzugsermächtigung gegenüber der Zahlstelle widersprechen und so den Zahlungsempfänger trotz erbrachter Leistung auf die Insolvenzquote verweisen. Privilegiert werden so auf seine Kosten die übrigen Insolvenzgläubiger. Streitig ist, ob dem vorläufigen Insolvenzverwalter dieses Recht auch dann zusteht, wenn anerkennenswerte Gründe für den Rückruf der Lastschrift fehlen.
67
Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung billigt dem Insolvenzverwalter dieses Recht zum Rückruf auch dann zu, wenn er keine anerkenneswerte Gründe für einen Rückruf hat (BGH ZIP 2004, 2442, ZIP 2006, 2046, ZIP 2007, 2273; OLG München ZIP 2007, 807; OLG Dresden ZinsO 2005, 1272 (1274); KG ZinsO 2004, 1361 (1362); Fischer, FS Gerhardt, 2004, 223, 230 ff.; Ganter, WM 2005, 1557). Dies soll aus der Tatsache folgen, dass bis zur Genehmigung der Zahlungsempfänger nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Ausgleich seiner Forderung hat, der mit Insolvenz zu einer ungesicherten Insolvenz-
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1303
forderung werde. Der Insolvenzverwalter habe ein weitergehendes Recht zum Widerspruch als zuvor der Schuldner. Er dürfe keine Belastungsbuchungen mehr genehmigen. Dagegen halten die Mitglieder des für Bankrecht zuständigen XI. Senats des BGH, Nobbe/Ellenberger (WM 2006, 1885 m.w.H.) daran fest, dass auch der Insolvenzverwalter nur bei anerkenneswerten Gründen die Möglichkeit hat, eine Lastschrift zurückzurufen (ebenso Hadding, WM 2005, 1549; OLG Hamm ZIP 2004, 814).
68
Die h.M. in der Rspr. überzeugt nicht. Der im Valutaverhältnis bestehende, schuldrechtliche Anspruch auf Zahlung richtet sich nach Insolvenz gegen die Masse. Stehen dem Insolvenzverwalter in diesem Verhältnis anerkennenswerte Gründe zur Seite, wird er die Berechtigung des Anspruchs gegen die Masse bestreiten, anderenfalls anerkennen müssen. Dem Gläubiger kann der Insolvenzverwalter demnach nur dann erfolgreich entgegentreten, wenn ihm im Insolvenzverfahren anerkennenswerte Gründe zur Seite stehen, die sich aus dem Schuldverhältnis ergeben. Daran ändert sich nichts, weil der Gläubiger auf der Grundlage des LSA einer für sechs Wochen ungewissen Zahlungsabwicklung zugestimmt hat. Denn auch diese ist nach dem Verständnis der Parteien nur dann für begrenzte Zeit ungewiss, wenn sich aus dem Valutaverhältnis in dieser Frist für den Schuldner anerkennenswerte Gründe ergeben. Ansonsten hat er den Widerspruch, den ihm das LSA ermöglicht, zu unterlassen. Verstößt er dagegen und nutzt er mangels anerkannten Grund eine ihm nur formal noch zustehende Rechtsstellung aus, handelt er rechtsmissbräuchlich und macht sich wegen Verletzung der Zahlungsabrede schadensersatzpflichtig. Der Schuldner hat ihn so zu stellen, wie er ohne diese Verletzung – ohne den Widerspruch – stehen würde. Vom Schuldner bzw. dessen Insolvenzverwalter wird in diesem späten Stadium der Abwicklung keine „Genehmigung“ sondern eine Unterlassung der rechtsmissbräuchlichen Verweigerung der Genehmigung in Form eines unberechtigten Widerspruchs verlangt.
69
E. Varianten
70
I. Grenzüberschreitende Einzugsermächtigung. An versteckter Stelle in den Kartenbedingungen findet sich eine Regelung, die so überraschend für den Karteninhaber sein dürfte, dass ihrer wirksamen Einbeziehung in den Vertrag der § 305 c BGB entgegensteht. So heißt es in den „Bedingungen für die Verwendung von SparkassenCards“ (Stand Dezember 2001) unter dem Kapitel „Garantierte Zahlungsformen“ für die Nutzung der Karte „in Verbindung mit der persönlichen Geheimzahl (=PIN)“, dass die Karte mit PIN zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen im Ausland eingesetzt werden kann. Danach heißt es: „In einigen Ländern kann anstelle der PIN die Unterschrift gefordert werden“. Die Unterschrift als Moment eines garantierten Zahlungsweges ist bisher nur bei den Kreditkarten üblich. Dass eine solche Garantie gemeint ist, bestätigt unter dem Passus „Allgemeine Regeln“ die Regelung zur Zahlungsverpflichtung im Fall der elektronischen Kartensperre. „Bis zum Wirksamwerden der Sperre hat der Karteninhaber die Aufwendungen, die aus der Nutzung der SparkassenCard entstehen, zu tragen“. Bezogen auf die beleghafte Zahlung mit Unterschrift im Ausland bedeutet dies, dass in diesem Fall der Kunde kein Widerrufsrecht haben soll. Unwirksam ist die Klausel schon deshalb, weil sie gegen die gesetzliche Regelung des § 307 II 1 BGB verstößt. Denn bei missbräuchlicher Verwendung von Zahlungskarten besteht nach § 676 h BGB ein Aufwendungsersatzanspruch auch dann nicht, wenn die Karte vor Sperre eingesetzt wurde. Dass es den Instituten vor Sperre wohl eher um Schadensersatz geht, ergibt sich aus der Klausel zur Aufbewahrung der SparkassenCard, wo ausgeführt wird: „Insbesondere darf die SparkassenCard nicht unbeaufsichtigt im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden, um z.B. einen Missbrauch im Rahmen des Maestro-Systems zu
Strube
71
1304
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
verhindern“. Da die Karte ohne PIN an der Ladenkasse nur ein wertloses Stück Plastik ist, zielt diese Klausel auf die gefälschte Einzugsermächtigung im Ausland. Wird dem Zahlungsempfänger bei Entgegennahme der Karte die Zahlung garantiert, wird die Zahlstelle dem Kunden eine Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten aus dem Kartenvertrag entgegenhalten, wenn er diese nicht sorgfältig aufbewahrt und so eine Fälschung der Unterschrift an der Ladenkasse ermöglicht hat. 72
Liegt keine missbräuchliche Verwendung vor, ist fraglich, ob der Kunde mit Unterschrift des Belegs an einer ausländischen Ladenkasse eine unwiderrufliche Weisung erteilen kann oder will. Es fehlt im Kartenvertrag schon an einer klaren Zahlungsverpflichtung des Karteninhabers, die der des Kreditkartenvertrages entspricht. Weiterhin ist beim MaestroVerfahren nicht erkennbar, dass der Zahlungsempfänger aufgrund eines unmittelbaren Rahmenvertrages mit der Zahlstelle einen abstrakten Anspruch (§ 780 BGB) gegen die Zahlstelle erhält. Eine Zahlungsgarantie besteht nur bei Einsatz der PIN. Bei der Einzugsermächtigung fehlt es an einer vertraglichen Einlösungsabrede zwischen Zahlstelle und Zahlungsempfänger. Dass ein Abbuchungsauftrag gewollt ist, scheitert daran, dass der Zahlungspflichtige der Zahlstelle keinen Auftrag erteilt hat. Es fehlen so nicht nur im Bewusstsein der Zahlungspflichtigen, sondern auch rechtlich wesentliche Momente, die nach Meinung des BGH (WM 2002, 2195) zur Zahlungsgarantie des Kreditkartenvertrages führen. Diese für einzelne Länder bei sonstigen Zahlungskarten einzuführen, scheitert am mangelnden rechtlichen Rahmen, so dass das Recht zum Widerruf bei einer MaestroZahlung mit Unterschrift nicht ausgeschlossen sein kann.
73
Die grenzüberschreitende Lastschrift ist wesentlicher Gegenstand der Bemühungen der EU-Kommission, bis 2010 einen einheitlichen europäischen Zahlungsraum zu schaffen. Dazu soll eine Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt dienen, die am 25.12.2007 in Kraft getreten ist (vgl. dazu Lohmann/Koch, WM 2008, 57). Im Rahmen der zunehmenden Tendenz der Kommission, überbordende Informationspflichten mit Verbraucherschutz zu verwechseln, beinhaltet der Vorschlag beispielsweise eine Informationspflicht des Zahlungsempfängers vor jeder einzelnen Lastschriftabbuchung. Das ELV-Verfahren würde so, worauf der HDE (Hauptverband des Deutschen Einzelhandels) zutreffend hinweist, praktisch unmöglich gemacht. Bemerkenswert ist, dass das ELV-Verfahren in der Diskussion um SEPA (Single Euro Payments Area) keine Rolle spielt. SEPA bezeichnet das Projekt der europäischen Kreditwirtschaft, im Wege der Selbstregulierung wesentliche Elemente des einheitlichen Zahlungsraums vorweg und außerhalb von Richtlinienvorgaben zu standardisieren. Es soll dazu u.a. eine einheitliche, europäische SEPA-Lastschrift eingeführt werden. Das „Lastschriftmandat“ ermächtigt den Zahlungsempfänger dabei, den Betrag beim Zahlungspflichtigen einzuziehen und dessen Bank mit der Einlösung zu beauftragen. Der exakte Tag der Kontobelastung wird in Form eines Fälligkeitstermins vereinbart. Der Lastschrifteinreicher muss eindeutig identifizierbar sein. Dazu wird eine „Mandatsnummer“ vergeben, die bei Erst- und Folgelastschriften angegeben werden muss. Die Widerspruchsfrist von sechs Wochen soll beibehalten werden. Die Kreditwirtschaft geht davon aus, dass Voraussetzung der SEPA-Lastschrift der Erlass einer entsprechenden EU-Richtlinie sein muss, sodass die Umsetzung zeitlich noch offen ist.
74
II. Einzugsermächtigung beim Online-Handel. Das Ausfallrisiko des Handels bei elektronisch abgewickelten Geschäften im Internet wäre begrenzt, wenn eine sichere Identifizierung des Zahlungspflichtigen möglich wäre. Erteilt der (vermeintlich) Zahlungspflichtige mittels E-Mail eine Einzugsermächtigung, gleicht die Auslieferung der Ware für den Zahlungsempfänger einem Blindflug. Bestreitet der vermeintlich Zahlungspflich-
Strube
§ 45 Lastschriftverkehr
1305
tige, eine Einzugsermächtigung erteilt zu haben, verfügt der Zahlungsempfänger über keine nachhaltige Beweismöglichkeit. Eine rechtlich tragfähige Zuordnung eines E-Mails zu einer natürlichen oder juristischen Person ist nicht möglich. Abhilfe verspricht die digitale Signatur, der elektronische Ersatz der handschriftlichen Unterschrift unter einem Belastungsbeleg beim Lastschriftverfahren. Das Signaturgesetz vom Mai 2001 hat die Grundlagen für die Anwendung der digitalen Signatur geschaffen. Die „qualifizierte elektronische Signatur“ gemäß § 126 a BGB erfüllte dabei das Schriftformerfordernis und steht der handschriftlichen Unterschrift gleich. Sie scheint damit dem Zahlungsempfänger beim Online-Handel Sicherheit und Authentizität zu garantieren. Ihre Verbreitung ist aus technischen und Kostengründen bisher gering, jedoch angesichts zunehmender Probleme wünschenswert. Gleichwohl deuten sich bei ihrem Einsatz ähnliche Zuordnungs- und Haftungsprobleme an wie beim Einsatz von Zahlungskarten (s. § 48), denn auch sie kommt nicht ohne Verwendung einer PIN aus. Die digitale Signatur wird unter Einsatz von Registrierungsstellen geschaffen, die im besonderen Maße vertrauenswürdig sein müssen. Dort identifiziert sich derjenige, der eine digitale Signatur einsetzen möchte, anhand seiner Personalpapiere. Diese Daten werden an eine Zertifizierungsstelle übermittelt, das „Trust-Center“. Dieses verarbeitet die Daten und generiert den persönlichen Signaturschlüssel auf dem Chip einer Karte, die ähnlich wie eine Zahlungskarte aussieht. Wenn der Zahlungspflichtige online eine Einzugsermächtigung erteilen will, muss er seine Nachricht mit einer Smartcard digital signieren, die er in einen Kartenleser steckt. Auf dieser Smartcard befindet sich sein privater digitaler Signierschlüssel. Da diesen Schritt jeder gehen könnte, der sich in den Besitz der Smartcard gebracht hat, besteht für den Zahlungsempfänger ein ähnliches Risiko wie bei einer gefälschten Unterschrift. Es fehlt beim Einsatz einer entwendeten Smartcard und dem missbräuchlichen Einsatz des privaten Schlüssels an einer wirksamen Ermächtigung. Die Sicherheit des Systems beruht, ähnlich wie beim POZ-Verfahren an elektronischen Ladenkassen auch, auf der Verwendung einer PIN. Nach Einstecken der Smartcard muss diese mit der PIN für die jeweilige Transaktion freigeschaltet werden. Da die PIN dem Zahlungspflichtigen persönlich zugeordnet und ausgehändigt wird, schafft ihr Einsatz zumindest, vergleichbar wie beim Einsatz der PIN am Geldautomaten, trotz des normierten Anscheinsbeweises bei der digitalen Signatur in § 292a ZPO den widerlegbaren Anschein zugunsten des Zahlungsempfängers, dass der Zahlungspflichtige mit dem Inhaber der PIN und Smartcard identisch ist.
75
III. Einzugsermächtigung mittels Kreditkarte. Unterschreibt der Inhaber einer Kreditkarte dem Vertragsunternehmen der Kreditkartenfirma einen Belastungsbeleg, wird der Rechnungsbetrag vom Kreditkartenunternehmen im Wege der Lastschrift seinem Konto belastet. Die umstrittene Frage, ob der Karteninhaber nachträglich die Belastung widerrufen und gemäß den §§ 667, 675 I BGB Rückbuchung und Auszahlung eines belasteten Betrages auf sein Konto verlangen kann, hat der BGH (WM 2002, 2195) für den Regelfall verneint. Der Karteninhaber erteilt danach mit der Unterschrift unter den Belastungsbeleg eine Weisung gem. § 665 BGB an die Kreditkartenfirma, den Betrag an das Vertragsunternehmen zu leisten. Die Kreditkartenfirma erlangt so einen unwiderruflichen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen gem. § 670 BGB gegen den Karteninhaber. Das Vertragsunternehmen seinerseits hat einen abstrakten Zahlungsanspruch aus § 780 BGB gegen die Kreditkartenfirma. Diese ist im Regelfall verpflichtet, die Forderung nach Maßgabe des zwischen beiden geschlossenen Rahmenvertrages auszugleichen (BGH WM 2002, 1120).
76
Voraussetzung für die Belastung mittels Lastschrift ist jedoch, dass die Kartenfirma den Nachweis der erteilten Weisung führen kann. Dies ist im Regelfall durch den ihr vorlie-
77
Strube
1306
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
genden, beim Händler unterschriebenen Beleg möglich. Die bloße Bekanntgabe der Kreditkartendaten bei Einbuchung in einem Hotel oder bei der Anmietung eines Fahrzeugs ersetzt weder den im Streitfall vorzulegenden Buchungsbeleg noch stellt sie eine Blankoermächtigung dar (AG Krefeld ZIP 2007, 1940). Die Formgebundenheit dieser Weisung, die Unterschrift unter einem Beleg, ist mit Ausweitung des elektronischen Geschäftsverkehrs im Internethandel und bei telefonischen Vertragsschlüssen aufgegeben worden. Es kann nun auch die mündliche Weisung oder die Weisung mittels E-Mail ausreichen, was allerdings zu Lasten der Kreditkartenfirma vor dem Hintergrund der Entscheidung BGH WM 2002, 1120 die Ausfallrisiken erheblich erhöht, da die Beweisbarkeit der nicht formgebundenen Weisung gering ist. Der Schutz des Kartenkunden ist über § 676 h BGB gewährleistet. Bestreitet der Kunde die Weisung an den Händler oder beruft er sich auf missbräuchliche Verwendung der Kreditkarte, fehlt es an einem begründeten Anspruch auf Aufwendungsersatz, und der abgebuchte Betrag muss dem Kunden unverzüglich nebst etwa angefallener Kosten zur Verfügung gestellt werden.
Strube
§ 46 Scheckgeschäft
1307
§ 46 Scheckgeschäft
Schrifttum Aden, Die Haftung der Bank bei abhandengekommenen Schecks, NJW 1994, 413; Apathy-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, 2. Aufl., 2007; Bärmann, Europäisches Geld-, Bank- und Börsenrecht, Teil I: Bundesrepublik Deutschland, 1974; Bauer, Der Zeitpunkt der Einlösung von Lastschriften und Schecks, WM 1983, 198; Blaurock, Zur Reform des französischen Scheckrechts, ZHR 139 (1975) 380; Brunner, Die Wertpapiere, in: Endemanns Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, Bd. II, 1882; Bülow, Wirksamkeit von Nr. 11 S. 1 der Sonderbedingungen für den Scheckverkehr?, WM 1991, 443; Postscheck und Privatrecht, ZIP 1992, 1612; Sphärentheorie im Scheckrecht, WM 1996, 8; Scheckrechtliche Anweisung und Überweisungsvertrag, WM 2000, 58; Bundschuh, Haftung der Banken im Zahlungs- und Scheckverkehr – ein Rechenschaftsbericht, in: Johannes Köndgen, Neue Entwicklungen im Haftungsrecht, RWS-Forum, 1987; Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Scheckrecht, WM 1983, 1178; Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Wechsel- und Scheckrecht, WM 1984, 1357; Eismann, Die rechtliche Ausgestaltung des Inhaberschecks durch das Scheckgesetz unter Berücksichtigung der Fortbildung durch die Praxis des Scheckverkehrs, Diss. Heidelberg 1969; 1993; Ensthaler, HGB, 7. Aufl., 2007; European Central Bank, Blue Book, December 2006; Hadding, Neuere Rechtsprechung zum bargeldlosen Zahlungsverkehr, JZ 1977, 281; Drittschadensliquidation und „Schutzwirkungen für Dritte“ im bargeldlosen Zahlungsverkehr, FS Werner, 1984, 165; Haertlein, Der abhanden gekommene Inhaberscheck, 1999; Der Rückzahlungsanspruch der Inkassobank nach Verfügungen über vorläufige Scheckgutschriften, ZBB 1996, 368; Der Schaden nach dem Einzug abhanden gekommener Schecks und seine gerichtliche Geltendmachung, ZBB 2001, 7; Häuser, Scheckeinlösungszusage, FS Schimansky, 1999, 183; Hofmann, Der Reisescheck: Verschuldens- und schadensunabhängige Haftung der Scheckverwender nach Banken-AGB und Rechtsprechung; Horn, HGB, Band 4, 2. Aufl., 2005; Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, 1956; Joost, Der bestätigte Bundesbankscheck und der Nachweis seiner Vorlegung, ZHR 150 (1986), 635; Koller, Die Verteilung des Scheckfälschungsrisikos zwischen Kunde und Bank, NJW 1981, 2433; Der Verzicht auf die Prüfung von Scheckunterschriften, WM 1985, 821; Liesecke, Neuere Praxis des Wechsel- und Scheckrechts, WM 1973, 1154; Müller-Christmann, Neuere Rechtsprechung zum Scheckrecht, WM 1998, 577; Metz, Deckungslose Aufträge, VuR 1998, 323; Peters, Einwendungen aus dem Grundverhältnis gegenüber dem Anspruch aus dem Scheck, ZIP 1997, 1581; Pflug, Schecksperre und Handelsbrauch, ZHR 135 (1971); Reiser, Neues Abkommen über Rückgabe nicht eingelöster Schecks etc., ZIP 1982, 1251; Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der Banken im Scheckverkehr, WM 1984, 1557; Das beleglose Scheckeinzugsverfahren im deutschen Kreditgewerbe, WM 1986, 409; Richardi, Wertpapierrecht, 1987; Rieder, Scheckbestätigung und Einlösungsgarantie, WM 1979, 686; Schnauder, Rechtsfolgen nach Abhandenkommen eines Schecks, WM 1998, 1901; Das Belastungsrecht der Bezogenen bei Einlösung abhanden gekommener Inhaberschecks, WM 2000, 549; Schneider/Merkel, Preisaufschläge bei Zahlung mit Scheck, Kreditkarte oder an automatisierten Kassen?“ in: FS Pleyer 1986, 115; Schönle, Ort und Zeit bargeldloser Zahlung, FS Werner 1984, 816; Schultz, Risiken der Einreichung US-amerikanischer Schecks, WM 1998, 583; von Wrede, Das beleglose Scheckinkasso, 1977; Wand, Die neuen Bedingungen der privaten Banken für EC-Karten und den Scheckverkehr, ZIP 1996, 214; Weber, Recht des Zahlungsverkehrs, 4. Aufl., 2004; Zöllner, Wertpapierrecht, 15. Aufl., 1987. Inhaltsübersicht I. II. III. IV. V.
VI.
Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Die Rechtsnatur des Scheckvertrages und der Inkassoabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Wertpapierrechtliche Einordnung . . . . . . . . 11 Die Scheckfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Scheckmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Grundsätze (Nr. 3 SchB 95) . . . . . . . . . . 19 2. Scheckfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Abhanden gekommene Schecks (Nr. 3 Abs. 2 SchB 95) . . . . . . . . . . . . . 50 4. Andere Fälle des Missbrauchs . . . . . . . . 71 Die Schecksperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
2. Rechtspflichten nach Schecksperre . . . . VII. Scheckeinlösungszusage – Scheckbestätigung – Scheckeinlösungsbestätigung . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung: Scheckgarantie – Scheckbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Scheckeinlösungsbestätigung . . . . . VIII. Der Bereicherungsausgleich . . . . . . . . . . . . 1. Teilweise fehlerhafte Schecks . . . . . . . . 2. Scheckfälschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlbuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entreicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schwintowski
74 78 78 82 83 86 89 92 93 96
1308
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Stichwortverzeichnis Abhanden gekommene Schecks . . . . . . . . . . . 50, 51 Abhandenkommen von Scheckvordrucken . . . . . . 38 Adressaufkleber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Annahmeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Aufbewahrung im Safe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Bedeutung des Schecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bedingungen für den Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . 5 Bereicherungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Blankoindossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 22 Blankoschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Böser Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 BSE-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Bundesbankscheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Dispargeschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Echtheitsprüfung der Unterschrift . . . . . . . . . . . . . 44 Eindruck der Echtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Entreicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 57 Fälschungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Fehlbuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Fehlerhafte Schecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Formelle Scheckstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Funktionen des Schecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Grobe Fahrlässigkeit bei Scheckhereinnahme . . . . 53 Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Inhaberverrechnungsschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Inkassovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Klarsichtfenster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Kontodeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Missbrauchsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 24 Mitverschulden der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 77 Mitverschulden des Kunden . . . . . . . . . . . . . . 27, 68 Nachforschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Orderschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Orderverrechnungsschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
1
Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Radierstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 4 Rechtspflichten nach Schecksperre . . . . . . . . . . . . 74 Scheck als Wertpapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 12 Scheckbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78, 82 Scheckeinlösungsbestätigung . . . . . . . . . . . . . 78, 83 Scheckeinlösungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Scheckfähigkeit GbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Scheckfähigkeit Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Scheckfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 45, 92 Scheckformulare, Unterschlagung . . . . . . . . . . . . . 23 Scheckgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Scheckmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Scheckrückseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Schecksperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72, 73, 74, 76 Scheckversand im Brief . . . . . . . . . . . . . . . 68, 69, 70 Scheckvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 8, 9 Sicherheitsstandard der ec-Karte . . . . . . . . . . . . . . 34 Sorgfältige Aufbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . 28, 30 Sparkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Teilweise fehlerhafte Schecks . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Überziehungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Ungewöhnliche Begleitumstände . . . . . . . . . . . . . 60 Urkundenprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Verdächtige Schecksummen . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Verdächtige Scheckurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Verdächtiger Scheckeinreicher . . . . . . . . . . . . . . . 58 Verdachtsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Verordnung über Abrechnungsstellen im Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Verrechnungsschecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Vorlagefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Widerruf des Schecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 48, 49 Zweigstelle einer Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
I. Funktionen. Der Scheck ist eine unbedingte Anweisung des Ausstellers an das bezogene Kreditinstitut, zu Lasten seines Guthabens einen bestimmten Geldbetrag gegen Vorlage des Schecks zu zahlen. Der Scheck ist somit Wertpapier, d.h. eine Urkunde, die ein privates Recht in der Form verbrieft, dass zur Ausübung des Rechts der Besitz des Papiers erforderlich ist (grundlegend Brunner, S. 47 ff.; differenzierend zu den verschiedenen Wertpapiertheorien, Zöllner, S. 14 ff.; instruktiv noch immer Jacobi, S. 34 ff.). Im Gegensatz zum Wechsel ist der Scheck kein Kreditmittel, sondern reines Zahlungsmittel (Art. 4 SchG). Der Scheck ersetzt sowohl die Barzahlung (Zahlung mit Scheck ist kongruent i.S.v. § 131 InsO, auch wenn andere übliche Zahlungsart vereinbart war: BGHZ 166, 125 = WM 2006, 621 = ZIP 2006, 578) als auch die mögliche Banküberweisung. Verknüpft der Zahlungspflichtige mit einer Scheck(teil-)zahlung zugleich ein umfassendes Erlassangebot für die – erheblich höhere – Restschuld, so spricht allein die Einlösung des Schecks noch nicht für die stillschweigende Annahme des Erlassangebotes (BGH WM 2001, 1526 m.w.N.; OLG Koblenz NJW 2003, 758). Der Umstand, dass die angebotene Abfindung 0,68 % der Hauptforderung (ohne Zinsen) ausmacht, spricht aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten gegen die Annahme, der Schecknehmer habe mit der Einlösung des Schecks unzweideutig seinen Willen zum Ausdruck gemacht, das Abfindungsangebot
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1309
des Scheckausstellers anzunehmen (BGH NJW 2001, 2324). Verbindet der Schuldner mit der Übersendung des Schecks das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages, so muss die Annahmeerklärung des Schecknehmers im Regelfall dem Schuldner zugehen. Ein Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung kann nicht in einem Vergleichsangebot gesehen werden, das mit einer als Schlusszahlung bezeichneten Teilleistung verbunden ist (OLG Koblenz NJW 2003, 758). Gegenüber der Überweisung hat der Scheck den Vorzug, dass er eine Zug-um-Zug-Leistung ermöglicht; gegenüber der Barzahlung, dass das Risiko des Abhandenkommens von Bargeld minimiert wird. Die Bedeutung des Schecks als ein Element des Zahlungsverkehrs nimmt ab. Während im Jahre 1994 in Deutschland 7,9 % des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Schecks abgewickelt wurden, sank dieser Anteil bis 1998 kontinuierlich auf 4,8 % (BIZ Statistics on Payment Systems in the Group of ten Countries, figures for 1998, S. 108). Inzwischen werden nur noch 1,5 % der Umsätze im bargeldlosen Zahlungsverkehr per Scheck abgewickelt (Stand 2005: Quelle: Deutsche Bundesbank und zentraler Kreditausschuss, Umsätze bargeldloser Zahlungsverkehr).
2
II. Die Rechtsnatur des Scheckvertrages und der Inkassoabrede. Aus dem Scheckgesetz vom 14.8.1933 (zuletzt geändert durch Art. 154 des Gesetzes vom 19. April 2006 – BGBl. I S. 866) ergibt sich, dass ein Scheck eine schriftliche Anweisung ist, die in bestimmter Form ausgestellt, insbesondere als Scheck bezeichnet werden und abstrakt und unbedingt auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrages lauten muss (Art. 1 ScheckG). Daraus folgt im Zusammenhang mit den weiteren Regeln des Scheckgesetzes, dass der Scheck eine Urkunde (Wertpapier) ist, die ein Recht dergestalt verbrieft, dass ein Geltendmachen die Innehabung des Papiers erfordert.
3
Der Girovertrag allein berechtigt den Kontoinhaber noch nicht, auf die Bank Schecks zu ziehen – es ist ein zusätzlicher Scheckvertrag, der den Girovertrag ergänzt, zu schließen (Baumbach/Hefermehl, Art. 3 ScheckG, Rn. 3; Canaris, Rn. 681 f.). Der Scheckvertrag wird nach allgemeiner Meinung als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. v. § 675 BGB aufgefasst (Canaris, Rn. 682; Baumbach/Hopt, S. 1340 (E/1); Schimansky/ Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 30; Bärmann, S. 175 f.; Baumbach/Hefermehl, Art. 3 ScheckG Rn. 3). Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da die Bank, wie im Falle der Überweisung, auf Weisung des Kunden ein ihm obliegendes Geschäft, nämlich das Überbringen von Geld, besorgt und dafür ein Entgelt verlangt. Richtig ist, dass sich mit dieser entgeltlichen Geschäftsbesorgung werkvertragliche Elemente verbinden, „weil die Bank nicht nur die Zur-Verfügung-Stellung ihrer Dienste, sondern einen bestimmten Erfolg, nämlich die Einlösung des Schecks …“ verspricht (s. Canaris, Rn. 682; ihm folgend Baumbach/Hefermehl, Art. 3 ScheckG Rn. 3). Das dienstvertragliche Element liegt darin, dass ein Scheckvertrag in aller Regel auf Dauer und nicht nur auf die Einlösung eines einzelnen Schecks angelegt ist (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, in: § 60 Rn. 31). Deshalb ist der Scheckvertrag ein gemischttypischer Vertrag mit dienst- und werkvertraglichen Elementen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 31).
4
Es gelten die Bedingungen für den Scheckverkehr (Banken) von Januar 1995 mit Ergänzung 1997 (Muster: Hopt/Werner, Form VI.E.1; Bülow, WechselG, ScheckG, HGB, Sonderbedingungen für den Scheckverkehr, Sparkassen, Banken und Postbank, ab S. 535). Nach dem Scheckvertrag ist die Bank zur Einlösung der auf den von der Bank zugelassenen Scheckvordrucken ausgestellten Schecks bei Deckung verpflichtet.
5
Weist das Konto keine Deckung auf, so darf die Bank den Scheck dennoch einlösen, sie gewährt damit einen Überziehungskredit (BGHZ 53, 204; Nr. 41 SchB (95): geduldete Kontoüberziehung; BGHZ 137, 43 = ZIP 1997, 2151 = WM 1997, 2298). Eine Pflicht zur
6
Schwintowski
1310
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Einlösung besteht nicht (Ausnahme: § 242 BGB). Will die Bank den Scheck nicht einlösen, so hat sie den Aussteller zu unterrichten, damit er Gelegenheit hat, noch Deckung herbeizuführen. Dafür dürfte im Allgemeinen ein Tag genügen (Bülow, aaO, AGB II Nr. 4, Rn. 3). Soweit Nr. 4 S. 4 ScheckB a.F. bis zur Neufassung 2001/2002 nur Gleichzeitigkeit voraussetzte, ist die Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (Bülow, aaO, AGB II Nr. 4, Rn. 3; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, Rn. 92; a.A. BuB/Hülsken, Rn. 6/912, 914; Baumbach/Hopt, E/1: zeitgleich). Klauseln, die den Scheckeinreicher mit dem Entgelt belasten, das Inkassobanken bezogenen Banken zu zahlen haben, wenn diese die Einlösung von Schecks ablehnen, sind, da sie lediglich den Inhalt einer gesetzlichen Vorschrift (§§ 670, 675 Abs. 1 BGB) wiederholen, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht unterworfen (BGH BKR 2002, 692 m. Anm. Allmendinger u. Lang, EWiR 2002, 549 . Zur Vorentscheidung des OLG Frankfurt/M Reiff, EWiR 2002, 145. Der Inhalt des Scheckvertrages wird, worauf Nr. 1 I AGB/ B ausdrücklich hinweist, durch Sonderbedingungen für den Scheckverkehr im Einzelnen konkretisiert. 7
Der Scheckvertrag bindet den Scheckaussteller an seine Bank. Aus diesem Vertrag entstehen keine Rechtsbeziehungen der bezogenen Bank zum jeweiligen Scheckinhaber (Art. 4 SchG), d.h. der Scheck kann nicht angenommen werden (Ausnahme: bestätigter Bundesbankscheck gem. § 23 BBankG). Das Akzeptverbot soll verhindern, dass Schecks als Form des Bankkredites dienen oder mit Geldfunktion umlaufen (Heymann/Horn, HGB, Anhang § 372 Bankgeschäfte V/91). Allerdings sind Banken durch das Akzeptverbot nicht gehindert, sich außerhalb des Schecks zur Einlösung zu verpflichten, z.B. durch einen besonderen Garantievertrag (BGH WM 1956, 1293; 1966, 335; 1975, 466; 1982, 924; 1990, 494; 1994, 884; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 61, Rn. 96; Heymann/ Horn, HGB, Anhang § 372 Bankgeschäfte V/91).
8
Der Scheckvertrag ist, ebenso wenig wie die Überweisung und die Lastschrift, ein Vertrag zugunsten Dritter. Das schließt nicht aus, dass sich der Scheckinhaber, wie in den Fällen der Überweisung und der Lastschrift auch, auf Schutzwirkungen aus dem zwischen dem Scheckaussteller und seiner Bank geschlossenen Vertrag berufen kann. Allerdings kann ein Dritter als Scheckinhaber, auch wenn die Bank jahrelang Schecks eines Kunden eingelöst hat, nicht darauf vertrauen, dass dies auch künftig der Fall sein werde (BGH WM 1974, 155; Bundschuh, RWS-Forum, 1987, S. 5 (16)).
9
Der Scheckvertrag regelt noch nicht automatisch die Einziehung des Schecks. Der hierfür notwendige Inkassovertrag ist durchaus selbstständig denkbar. Gewöhnlich wird aber der Scheckeinreicher bei seiner Bank ein Girokonto unterhalten. Aus der Giroabrede folgt die Verpflichtung zur Einziehung von Schecks als unselbstständige Nebenabrede. Der Kunde konkretisiert durch Einreichung des Schecks den ohnehin bestehenden Inkassovertrag im Sinne einer Weisung nach § 665 BGB (grundlegend Canaris, Rn. 688; zustimmend OLG Bremen WM 1991, 1253).
10
Am 13. Oktober 2005 ist die Verordnung über Abrechnungsstellen im Scheckverkehr (Abrechnungsstellenverordnung – AbrStV) in Kraft getreten. Bankinstitute brauchen Schecks beim Inkasso seither nicht mehr in Papierform zu versenden – es reicht ein elektronisches Bild des Schecks. Die zahlreichen zeit- und kostenintensiven Transporte von Schecks durch Deutschland können entfallen. Die Bank kann der Deutschen Bundesbank als Abrechnungsstelle statt des Original-Schecks ein elektronisches, eingescanntes Bild dieses Schecks übermitteln (Imagegestütztes Scheckeinzugsverfahren – ISE). Die hergebrachten Scheckeinzugsverfahren wie das GSE- (belegloser Einzug von Scheckgegenwerten mit gesonderter Vorlage der Originale und das BSE-Verfahren (belegloser Einzug von Scheckgegenwerten ohne Vorlage des Originalschecks) bleiben neben dem ISE-Ver-
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1311
fahren zulässig. Löst die Bank den Scheck nicht ein, kann die Deutsche Bundesbank als Abrechnungsstelle eine elektronische Nichteinlösungserklärung abgeben. Diese kann der Schecknehmer vor Gericht im Rahmen des beschleunigten Urkundenprozesses verwenden. Dies stärkt die Rechtsschutzmöglichkeiten des Gläubigers. III. Wertpapierrechtliche Einordnung. Der Scheck ist, so wie im Scheckgesetz vom 14.8.1933 geregelt, eine Spezialform der Anweisung i. S. v. § 783 BGB. Es handelt sich um ein typisches Dreiecksverhältnis. Der Scheckaussteller (Anweisender) weist seine Bank (Angewiesene) an, dem Schecknehmer (Anweisungsempfänger) einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen. Das Deckungsverhältnis besteht zwischen dem Scheckaussteller und seiner Bank; das Valutaverhältnis zwischen Scheckaussteller und Schecknehmer. Zwischen der angewiesenen Bank und dem Schecknehmer besteht kein Rechtsverhältnis (Bundschuh, WM 1983, 1178 (1183 m. w. N.)). Der Schecknehmer hat, dafür sorgt das Annahmeverbot in Art. 4 ScheckG, keinen Anspruch gegen die angewiesene Bank. Er hat nur eine „rechtlich umrahmte“ Chance (so Zöllner, S. 48), beim Angewiesenen die Leistung zu erlangen.
11
Der Scheck ist ein Wertpapier. Nach dem Scheckgesetz gibt es sowohl Inhaber-, Orderwie Rektaschecks (Art. 5 ScheckG). In der Praxis dominiert der Inhaberscheck mit dem Zusatz „oder Überbringer“ (Art. 5 II ScheckG). Das bedeutet, dass der Scheck wie eine bewegliche Sache nach §§ 929 ff. BGB durch Einigung und Übergabe vom Berechtigten übertragen wird. Auch gutgläubiger Erwerb abhanden gekommener (z.B. gestohlener) Schecks ist nach Art. 21 ScheckG möglich. Zur Herausgabe des Inhaberschecks ist der Erwerber nur verpflichtet, „wenn er ihn in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt“ (Art. 21 ScheckG). Förmlich ist derjenige berechtigt, der sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweist, und zwar auch dann, wenn das letzte ein Blankoindossament ist (Art. 19 S. 1 ScheckG).
12
Da eine Bank häufig nicht weiß, ob der Inhaber des jeweiligen Schecks berechtigt ist oder nicht, ist es zweckmäßig den Scheckeinreicher aufzufordern, auf der Rückseite des Schecks zu unterschreiben. Damit entsteht nach Art. 16 II ScheckG ein wirksames Blankoindossament und damit zugleich der „Rechtsschein sachlicher Berechtigung“ (Baumbach/ Hefermehl, Art. 19 ScheckG i.V.m. Art. 16 I WG Rn. 1). Zugunsten des Scheckinhabers (Bank) besteht so die widerlegbare Rechtsvermutung, Eigentümer und Scheckgläubiger zu sein. Diese Wirkung ist prozessualer Natur. Im Urkundenprozess dient sie dem Kläger als urkundlicher Beweis für die sachliche Berechtigung und lässt sich vom Beklagten wegen der Beschränkung der Beweismittel nur schwer widerlegen. Ferner kann die Bank das Eigentum am Scheck und damit die Rechte aus dem Papier gutgläubig erwerben. Allerdings soll kein Rückgriffsanspruch gegen den Überbringer (Indossanten) entstehen, (BGH WM 1974, 171). Recht einsichtig ist das nicht; beim Inhaberscheck gibt das Indossament nur haftungsrechtlich einen Sinn, außerdem ist der Kunde bei Scheckprotest entweder nach § 670 BGB oder nach § 488 BGB zur Rückzahlung verpflichtet (wie hier Canaris, Rn. 748).
13
Bei Einreichung eines Schecks am Bankschalter an einem Gründonnerstag obliegen der Bank Hinweispflichten aus einem bestehenden Girovertragsverhältnis, wenn der Scheck auf dem banküblichen Weg mangels jeglicher Weiterbearbeitung über das Osterwochenende voraussichtlich nicht mehr rechtzeitig innerhalb der am Dienstag nach Ostern ablaufenden Vorlagefrist nach Art. 29 Abs. 1 ScheckG bei der bezogenen Bank eintreffen kann, weil der Bankkunde mit einem derart langsamen Beförderungsweg nicht rechnen muss (OLG Schleswig WM 2007, 1410 = WuB I D 3.-2.07 Müller-Christmann). Nach der
14
Schwintowski
1312
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Rechtsprechung des BGH (NJW 1996, 1961; 2000, 3344) gibt eine Scheckzahlungsabrede dem Scheckaussteller das Recht, die Bezahlung der Kausalforderung bis zur Rückgabe des unversehrten, insbesondere unbezahlten, erfüllungshalber hingegebenen Schecks zu verweigern. Hieraus ergibt sich ein ständiges Leistungsverweigerungsrecht des Scheckausstellers für den Fall, dass die Verlustgefahr des Schecks entsprechend der getroffenen Scheckzahlungsabrede auf den Schecknehmer übergegangen ist und dieser den Scheck nicht unbezahlt zurückgeben kann, weil er von der bezogenen Bank inzwischen eingelöst worden ist (BGH ZIP 2007, 904 = EWiR 2007, 425 Lang = WuB I D 3 Scheckverkehr 1.07 Schnauder). 15
IV. Die Scheckfähigkeit. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist scheckfähig. So lautet der amtliche Leitsatz des Urteils des BGH vom 15. Juli 1997, mit dem das Gericht die vom Reichsgericht begründete (RGZ 112, 124 ff.) und vom BGH jahrzehntelang fortgeführte (BGH WM 1972, 904 ff.; 1991, 1909) Rechtsprechung aufgab (BGHZ 136, 254 = WM 1997, 1666 = JZ 1998, 144 m. Anm. Einsele = WiB 1997, 1235 m. Anm. Schwennicke = WuB I D3-1.98 Livonius = EWiR § 705 BGB 2/97, 1125 Prütting). Damit ist der BGH den in der Literatur weitverbreiteten Argumenten gefolgt (Schwintowski/Schäfer, § 4 Rn. 284 m. w. N.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 79; Soergel-Hadding, § 714 Rn. 22; Zöllner, S. 63; Bülow, WechselG, ScheckG, AGB, Art. 1 WG Rn. 17; Timm, NJW 1995, 3210 (3214)).
16
Die Scheckfähigkeit bestimmt sich – so der BGH – gemäß Art. 60 I ScheckG nach dem allgemeinen nationalen Recht. Im deutschen Recht ist nach allgemeiner Ansicht scheckfähig, wer rechtsfähig ist, also wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Das ist auch eine Vor-GmbH (BGH ZIP 1998, 109 = WM 1998, 245 = NJW 1998, 1079). Ob die Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechtsfähig ist, war lange Zeit (zum Meinungsstand Beuthien/Ernst, ZHR 156 (1992) 227 (228) Fn. 4 und 5) umstritten (dafür Timm, NJW 1995, 3209 ff.; dagegen Seibert, JZ 1996, 785). Geklärt war, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Teilnehmerin am Rechtsverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen kann, es sei denn, es stehen spezifische Rechtsvorschriften entgegen (dafür Timm, NJW 1995, 3209 ff.; dagegen Seibert, JZ 1996, 785). Mit Urteil vom 29.01.2001 hat der BGH nun klargestellt, dass eine (Außen-)GbR – es ging um einen Wechselprozess – Rechts- und Parteifähigkeit besitzt, soweit sie im Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGHZ 196, 341). Auch für die Eingehung einer Scheckverpflichtung ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts also als rechtsfähig anzuerkennen. Das bedeutet, dass sie unter ihrer im Verkehr verwendeten Sammelbezeichnung einen Scheck ausstellen darf. Scheckrechtliche Vorschriften – so der BGH weiter – stehen der Anerkennung der Scheckfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht entgegen. Es bestehen insoweit zur rechtsfähigen Handelsgesellschaft keine wesentlichen Unterschiede. Soweit es nur darum geht, späteren Scheckerwerbern Klarheit über ihre Rechte am Scheck zu geben, reicht es aus, dass sie wissen, auf wessen Namen der Scheck ausgestellt ist. Auch der Grundsatz der formellen Scheckstrenge, nach dem für die Auslegung des Schecks grundsätzlich keine außerhalb der Urkunde liegenden Umstände herangezogen werden dürfen, ist nicht berührt, wenn – wie hier – aus dem Scheck hervorgeht, dass es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt. Wer zu den Mitgliedern der Gesellschaft gehört, ist keine Frage der Scheckauslegung, sondern der Tatsachenermittlung (Hueck/Canaris, S. 55). Die Rechtsverfolgung aus dem Scheck wird nicht dadurch erschwert, dass aus ihm nur die Sammelbezeichnung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrer Vertreter ersichtlich ist (BGH WM 1990, 1113 (1114)).
17
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1313
Hiervon ausgehend kann eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts formal gültige und wirksame Schecks ausstellen. Verpflichtet der Geschäftsführer die Gesellschaft, so kommt es zur akzessorischen Haftung der Gesellschafter persönlich, mit ihrem Privatvermögen (analog § 128 HGB; BGHZ 146, 341). Etwas anderes gilt nur, wenn die Mitglieder der GbR ihre Haftung mit Außenwirkung auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt haben. Allerdings ist es nicht möglich, als GbR mbH zu firmieren (BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483).
18
V. Scheckmissbrauch. 1. Grundsätze (Nr. 3 SchB 95). Nach dem Wortlaut von Nr. 3 SchB 95 (= Nr. 3 SchSp 95) haftet die Bank für die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus dem Scheckvertrag. Hat der Kunde durch ein schuldhaftes Verhalten die Entstehung des Schadens mitbewirkt, so ist dies nach § 254 BGB zu berücksichtigen.
19
Kommt ein Scheck, den der Kunde ausgestellt hat, abhanden, so kann die Bank das Konto des Kunden nur belasten, wenn sie bei der Einlösung nicht grob fahrlässig gehandelt hat (Nr. 3 II SchB 95).
20
Es ist beim Scheckmissbrauch zwischen Fälschungen und Verfälschungen einerseits und dem Fall des Abhandenkommens ausgestellter Schecks andererseits zu differenzieren.
21
2. Scheckfälschung. Unter Fälschung eines Schecks versteht man die Herstellung einer unechten Urkunde durch das Nachahmen der Unterschrift des Kontoinhabers oder seines Vertreters. Von Verfälschung spricht man bei nachträglicher Änderung des Inhalts eines echten Schecks. In beiden Fällen fehlt eine wirksame Anweisung des Kontoinhabers an seine Bank. Folglich ist die bezogene Bank zur Einlösung des ge- oder verfälschten Schecks nicht berechtigt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 99 ff.). Wer demgegenüber, etwa durch Scheckreiterei, nichtige Schecks (§ 138 BGB) in Umlauf bringt, erzeugt damit den Rechtsschein eines wirksamen Begebungsvertrages. Der gutgläubige Erwerber eines solchen Schecks kann zu Recht Zahlung aus diesem Scheck verlangen (BGH NJW 1974, 1512). Auch bei fehlender Vertretungsmacht (OLG Düsseldorf WM 1993, 1327 = WuB I D 3.-12.93 Hein = EWiR § 812 BGB 4/93, 975 Rehbein) besteht der Aufwendungsersatzanspruch nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsscheinlehre. Die Bank darf das Ausstellerkonto belasten, wenn dieser zurechenbar den Rechtsschein einer wirksamen Anweisung gesetzt hat und sie als Bezogene darauf vertrauen durfte. Auch bei der Scheckeinreichung zum Einzug besteht bei einer Unterschrift des Einreichers in Form des Art. 16 ScheckG grundsätzlich ein Rechtsschein eines Blankoindossaments. Reicht der Erklärende einen Scheck ausdrücklich als Vertreter (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB) ein, dann ergeben die Umstände, dass ein bei der Einreichung auf den Scheck gesetztes Blankoindossament im Namen des Vertretenen erteilt ist (LG Schweinfurt EWiR 2002, 141 Haertlein).
22
Werden die Scheckformulare unterschlagen oder entwendet und fälscht z.B. der Dieb die Unterschrift des Berechtigten, so fehlt es am Rechtsschein eines wirksamen Begebungsvertrages. Der bezogenen Bank wird ein Scheck vorgelegt, dem keine wirksame Weisung des Kunden zugrunde liegt. Zahlt die Bank, weil sie keinen Verdacht schöpft, dennoch aus, so ist sie wegen der fehlenden Weisung des Kunden verpflichtet, den abgebuchten Betrag dem Kundenkonto wieder gutzuschreiben. Im Grundsatz trägt also die Bank das Fälschungs- und Missbrauchsrisiko (RGZ 92, 50; 100, 55 (60); 161, 174 (181); Bülow, WM 1996, 8 ff.; Bundschuh, RWS-Forum 1987, 5 (16); Schimansky/Bunte/ Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 100 – 102b m. w. N.).
23
Allerdings wurde dieses Risiko bis zum 01.01.1995 durch Nr. 11 SchB 89 auf den Kontoinhaber überwälzt. Er trug danach „alle Nachteile des Abhandenkommens, der miss-
24
Schwintowski
1314
25
26
27
28
29
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
bräuchlichen Verwendung, der Fälschung und Verfälschung von Schecks …“. Damit waren dem Kunden selbst jene Risiken aufgebürdet, die aus der Sphäre der Bank stammten, die er also nicht beherrschen konnte (z.B. Diebstahl von Scheckformularen bei der Bank). Es gab deshalb eine intensive Diskussion zu der Frage, ob die vollständige Überbürdung des Fälschungs- und Missbrauchsrisikos auf den Kunden mit § 9 AGBG (heute: § 307 BGB) in Einklang zu bringen war (Zöllner, S. 169 unter Hinweis auf Ernst Ulmer, Das Recht der Wertpapiere, 1938, S. 315; Canaris, Rn. 710; Koller, NJW 1981, 2433 (2435); Köndgen, NJW 1992, 2263 (2270); Bülow, WM 1991, 444; Joost, ZHR 143 (1989), 237 (251); Hölscheidt, Die Haftung der Banken im Zahlungsverkehr, S. 195). Fragen dieser Art sind seit der Neufassung der Scheckbedingungen 1995/2001/2002 überholt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 101, 132-134; Bülow, WechselG, AGB II Nr. 3 Rn. 9). Nach Nr. 3 Abs. 1 SchB 95 „haftet die Bank für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Scheckvertrag“. Folglich kann sie nach § 670 BGB das Kundenkonto nur dann belasten, wenn dieser eine wirksame scheckrechtliche Anweisung oder den Rechtsschein einer solchen zurechenbar gesetzt hat und sie als Bezogene darauf vertrauen durfte. Diese Grundsätze hat der BGH mit Urteil vom 18. März 1997 bestätigt (WM 1997, 910 = JZ 1997, 1068 m. Anm. Koller = EWiR § 9 AGBG 8/97, 537 Joost = WuB I D3.-3.97 Köndgen). In der Entscheidung hatte der BGH Nr. 11 SchB 89 zu beurteilen. Diese Klausel, die das Missbrauchs- und Fälschungsrisiko bei Schecks ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Kunden auf diesen abwälzte, verstieß – so der BGH – auch im kaufmännischen Verkehr gegen § 9 II 1 AGBG (heute: § 307 II 1 BGB). Entscheidend dafür ist, dass die Klausel von wesentlichen Grundgedanken des Haftungsrechts abweicht. Sie verlagert das nach dispositivem Gesetzesrecht von der Bank zu tragende Fälschungsrisiko und begründet für den Kunden eine verschuldensunabhängige Haftung auch dann, wenn er alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Diebstahl oder Verfälschung getroffen hat oder die Scheckformulare außerhalb des von ihm beherrschten Risikobereichs verloren gehen, etwa auf dem Postweg zu ihm. Weiter spricht auch der Gesichtspunkt der Versicherbarkeit, der bei der Zuordnung von Haftungsrisiken zu berücksichtigen ist (BGHZ 114, 238 (246) = WM 1991, 1110), gegen die Angemessenheit der Klausel. Die Kreditinstitute können, wie der BGH weiter ausführt, das weitgestreute Fälschungsrisiko, wie die Scheckkartenversicherung zeigt, wesentlich besser durch eine Versicherungslösung auffangen als der einzelne Bankkunde. a) Mitverschulden des Kunden. Hat allerdings der Kunde „durch ein schuldhaftes Verhalten, insbesondere durch eine Verletzung seiner Sorgfaltspflichten, zur Entstehung eines Schadens beigetragen, so bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, in welchem Umfang Bank und Kunde den Schaden zu tragen haben“ (Nr. 3 I S. 2 SchB 95). Die Pflicht zu besonders sorgfältiger Aufbewahrung (Nr. 2 SchB 95/SchSp 95) kann besonders leicht verletzt werden und bildet bei einer Vielzahl von Scheckfälschungen eine Mitursache. Die Pflicht gilt allerdings nur für Vordrucke, die mit dem Willen des Kontoinhabers in seinen Machtbereich gelangen (BGH NJW 1994, 3344 f. = WM 1994, 2073 = WuB I D1.-2.92 Harbeke; OLG Bremen 1994, 153 f. (die Urteile betreffen Überweisungsformulare)). Nicht gemeint sind Vordrucke, die die Bank an einen vollmachtlosen Boten übergibt, wenn dieser die Vordrucke nicht an den Kontoinhaber weiterleitet (OLG Köln WM 1972, 943 f.). Grundsätzlich hat der BGH klargestellt, dass der Inhaber eines Girokontos nicht grob fahrlässig handelt, wenn er seine ec-Karte und die zugehörige Geheimnummer in unter-
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1315
schiedlichen Räumen seiner Wohnung verwahrt (ZIP 2000, 2196). Wird die ec-Karte unter diesen Umständen entwendet und kommt es zu unbefugten Barabhebungen, so kann der Kontoinhaber Rückbuchung verlangen, weil es an einer wirksamen Weisung nach § 665 BGB fehlt (BGH ZIP 2000, 2196). Es ist auch nicht grob fahrlässig, eine ec-Karte nach Südfrankreich in einen Campingurlaub mitzunehmen und versteckt im unbewachten Wohnmobil zurückzulassen (OLG Frankfurt/M ZIP 2002, 978 m. Anm. Hensen, EWiR 2002, 669). Zu Recht wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an eine besonders sorgfältige Aufbewahrung nicht nur der ec-Karte, sondern auch der Vordrucke situationsabhängig ist (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 105). Weniger überzeugt der Gedanke, man müsse Schecks ebenso sicher aufbewahren wie Geldscheine (Koller, WM 1985, 821 (824); zustimmend Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 105). Das kann allenfalls für Schecks gelten, die bereits ausgestellt sind und danach abhanden kommen. Demgegenüber sind unausgefüllte Scheckvordrucke noch kein dem Geldschein vergleichbares Zahlungsmittel. Der Vergleich hinkt aber auch deshalb, weil es bei Geldscheinen keine dem Scheckvertrag vergleichbare Rechtsbeziehung gibt. Niemand muss eigenes Geld sorgfältig aufbewahren, eine dahingehende Rechtspflicht gegen sich selbst gibt es nicht. Mit Blick auf Scheckvordrucke ist dies anders, da die Gefahr besteht, dass die Bank durch eine geschickte Fälschung einen Vermögensschaden erleidet. Man kann aber sagen, dass der Kunde seine Sorgfaltspflichten gegenüber der Bank verletzt, wenn er naheliegende, jedem einleuchtende Sicherungsmöglichkeiten vernachlässigt oder aber eine weniger fälschungsanfällige Zahlungsart (z.B. ec-Karte) ohne weiteres hätte wählen können. Wer beispielsweise am Strand unproblematisch mit einer Karte zahlen kann und über diese auch verfügt, muss nicht noch zusätzlich Scheckformulare mitnehmen, sondern kann diese im Hotel lassen.
30
Eine Aufbewahrung in einem Safe kann grundsätzlich nicht verlangt werden (LG München I WM 1987, 1453 = WuB I D 3.-1.88 Reiser; Ahlers, WM 1995, 601 (606)). In Betrieb oder Wohnung sollen die Scheckvordrucke bei Abwesenheit in einer verschlossenen Schublade verwahrt werden, sofern auch der Schlüssel sorgfältig verwahrt ist (BGHZ 91, 229 (233) = WM 1984, 1173; OLG Celle WM 1993, 101 f. m. Anm. Christoffel,WuB I D3.-5.93; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 105). Das ist eine Überspannung der Sorgfaltspflicht. Wer seine Wohnung oder sein Hotelzimmer ordnungsgemäß abschließt und sichert, hat die für den Regelfall notwendigen Sicherungsmaßnahmen getroffen. Etwas anders gilt, wenn potenzielle Diebe in die Räume hineinsehen können und Scheckformulare offen herumliegen.
31
Bei Mitbewohnern und Gästen wird man differenzieren müssen. Menschen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, vertrauen sich in der Regel gegenseitig auch Geld an. Solange es keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Vertrauensverhältnisses gibt, müssen auch Schecks nicht besonders verwahrt werden. Deshalb ist nicht jedes Offenlassen eines Schrankes, in dem Scheckvordrucke verwahrt werden, schuldhaft (KG WM 1979, 478 (480)). Weiß man dagegen, dass ein Mitbewohner in finanziellen Dingen unzuverlässig ist, so genügt unter Umständen auch das Verstecken der Scheckvordrucke in der Wohnung nicht (LG Karlsruhe, WM 1986, 1347; OLG Nürnberg, WM 1989, 405; OLG Hamm WM 1985, 1261).
32
Für die Frage, ob dem Kunden ein Sorgfaltsverstoß zur Last fällt, kommt es nicht darauf an, ob man Schecks möglicherweise noch etwas sicherer verwahren kann. Entscheidend ist vielmehr der Schutzzweck der dem Kunden auferlegten Sorgfaltspflicht und damit die Frage, ob dieser durch sein Verhalten spezifische Anreize setzt, die das Risiko der Bank,
33
Schwintowski
1316
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
durch Einlösung eines gefälschten oder verfälschten Schecks einen Vermögensschaden zu erleiden, signifikant erhöhen. 34
Die gleichen Grundsätze sind auch außerhalb der Wohnung leitend. Dabei wird man vom Kunden verlangen können, in einem besonders diebstahlsanfälligen Umfeld (Badeanstalt/ Strand) jene alternativen Zahlungsmittel zu wählen, die weniger missbrauchsanfällig sind. Insoweit wird die technische Entwicklung zur Verbesserung der Sicherheitsstandards der ec- und Kreditkarten die Maßstäbe in Zukunft beeinflussen (dazu OLG Frankfurt/M EWiR 2002, 669 Hensen). Zur Zeit genügt außerhalb der Wohnung die Verwahrung in einer Brief- oder Handtasche (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 106). Im Büro soll die Verwahrung in einer abgestellten Handtasche oder einer ausgezogenen Anzugsjacke fahrlässig sein, und zwar auch dann, wenn nicht jedermann zu diesem Büro Zutritt hat (AG Aachen, WM 1993, 291; OLG Köln, NJW-RR 1996, 619).
35
Vorwürfe dieser Art verkennen den Schutzzweck der Sorgfaltsklausel, nämlich durch unsorgfältiges Verhalten einen spezifischen Anreiz für den Scheckmissbrauch zu geben. Wenn ein Büro verschlossen und nicht einsehbar ist, so fehlt es an einem Anreiz für potenzielle Diebe und Fälscher. In Ermangelung eines solchen Anreizes, müssen nun innerhalb des Gebäudes keine doppelten oder zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Etwas anderes gilt, wenn bekannt ist, dass Mitarbeiter unzuverlässig sind.
36
Ausgehend vom Anreizkriterium ist das Belassen von Scheckvordrucken in einem geparkten Auto in der Regel grob fahrlässig (LG Köln NJW 1987, 740 f.; LG Koblenz NJW- RR 1988, 1315 (1317) = WM 1988, 1667; a. A. LG Wuppertal NJW 1988, 500; LG Essen WM 1993, 546 (548)). Manche meinen, dies gelte nur, wenn eine sichere Verwahrung situationsbedingt (z.B. bei einem Strandbesuch) nicht möglich sei (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 106). Das ist nur schwer nachvollziehbar, denn die Anreizwirkung, die ein Scheckheft im Auto auf einen potenziellen Dieb oder Fälscher ausübt, kann nicht davon abhängen, ob der Kontoinhaber gerade auf dem Weg zum Strand oder zur Bankfiliale ist. Entscheidend muss sein, ob das Scheckheft im verschlossenen Wagen erkennbar ist oder nicht. Liegt es im nicht einsehbaren Kofferraum oder im Handschuhfach, so dass keine Anreizwirkung von ihm ausgeht, so handelt der Kunde im Normalfall nicht einmal fahrlässig.
37
Übergibt ein Zahnarzt dagegen seine Handgelenktasche dem Personal im Restaurant eines Golfclubs zur Aufbewahrung und werden anschließend aus dieser Tasche Schecks entwendet, so liegt hierin ein Mitverschulden in Höhe von 50 % (BGH ZIP 1986, 156).
38
Kommen Scheckvordrucke abhanden, so ist dies nach Nr. 2 Abs. 1 SchB 95 der Bank, möglichst der kontoführenden Stelle, unverzüglich anzuzeigen. Erfolgt die erforderliche Anzeige zwar verspätet, aber vor der Vorlage des gefälschten Schecks, so ist die Verspätung nicht ursächlich für den der Bank entstandenen Schaden (BGHZ 114, 238 (247) = WM 1991, 1110).
39
b) Mitverschulden der Bank. Die bezogene Bank ist für den entstandenen Schaden mitverantwortlich (§ 254 BGB), wenn sie ihre aus dem Scheckvertrag folgenden Verpflichtungen verletzt. Dazu gehört insbesondere die Pflicht, die Echtheit der vorgelegten Schecks und die Vollmacht des Ausstellers sorgfältig zu prüfen. Diese Pflichten sind durch AGB nicht abdingbar (BGHZ 91, 229 (230) = WM 1984, 1173; BGH NJW 1986, 988 = WM 1986, 123). Im Regelfall genügt die Bank bei der Echtheitsprüfung ihren Pflichten, wenn sie sich in einer den Anforderungen des Massenverkehrs entsprechenden Weise davon überzeugt, dass der Scheck seinem äußeren Gesamtbild nach den Eindruck
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1317
der Echtheit erweckt (so heute auch der Wortlaut von Nr. 3 Abs. 3 SchB 95, der auf der Rechtsprechung des BGH beruht: NJW 1969, 694 = WM 1969, 240; NJW 1986, 988 = WM 1986, 123). Dies ist eine Formulierung des BGH, die dieser in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat. Es kommt darauf an, ob der Scheck seinem äußeren Gesamtbild nach den Eindruck der Echtheit erweckt (seit BGH NJW 1969, 694). Es kommt also nicht darauf an, ob ein Schriftsachverständiger etwa die Fälschung entdeckt hätte. Eine Differenzierung in den Anforderungen zwischen Bar- oder Verrechnungsschecks findet nicht statt und ist auch nicht geboten. Das Gefährdungspotential ist in beiden Fällen gleich hoch. Bei der Echtheitsprüfung ist also kein Unterschied zwischen Bar- und Verrechnungsschecks zu machen, sondern von einem einheitlichen Maßstab auszugehen. Zweifel an der Echtheit des Schecks können sich beispielsweise aus Adressaufklebern ergeben, die in das Feld, das für die Einsetzung von Namen und Anschrift des Zahlungsempfängers vorgesehen ist, eingeklebt werden (BGH ZIP 1988, 156; zu Radierstellen BGH WM 1997, 1250). Dies gilt auch, wenn der Adressaufkleber dazu verwendet wird, einen Scheckbestandteil abzuändern, dessen Eintragung in den Scheck vom Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben wird, an dessen Fehlen es aber gewisse Rechtsfolgen knüpft (Art. 5 III ScheckG). Das Überkleben des im Scheckformular enthaltenen Feldes lässt primär den Verdacht aufkommen, dass die an dieser Stelle vorzunehmende und auch tatsächlich vorgenommene Eintragung verdeckt werden soll. Denn ist keine Eintragung erfolgt, so besteht für das Überkleben des Feldes kein Anlass.
40
Offenbart schon ein flüchtiger Blick auf den Scheck, dass die Empfängerangabe durch unsorgfältiges Ausradieren der alten und Überschreiben mit einer neuen geändert worden ist, so ist dies im Scheckverkehr völlig unüblich. Die einlösende Bank darf sich nicht mit der Erwägung begnügen, die Radierstellen und Änderungen könnten vom Scheckaussteller stammen (BGH WM 1997, 1250, 1251 m. Anm. Harbeke, WuB I D3.-7.97 u. Osterloh, EWiR 1997, 643). Allerdings muss sich der Einreicher des Schecks das Fehlverhalten seiner eigenen Finanzbuchhalterin nach § 278 BGB zurechnen lassen, wenn diese es ist, die radiert hat, um das Geld auf ihr eigenes Konto einziehen zu lassen (BGH WM 1997, 1251). Zumindest mit der sicheren Verwahrung des bereits unterzeichneten Schecks bis zur Absendung ist der Finanzbuchhalterin eine Aufgabe übertragen, die die Ausstellerin des Schecks gegenüber der Bank als Nebenpflicht schuldet, bei deren Verletzung sie also nach § 278 BGB einsteht (BGH 1997, 1251 (der BGH reduzierte die Haftungsquote der Bank auf 40 %), dazu Müller/Christmann, WM 1998, 577 (579)). Dagegen besteht eine Pflicht zur Prüfung der Scheckrückseite nicht (BGH BB 1976, 1247; beachte: wer aber die Rückseite prüft und den Inkassostempel sieht, muss nun Verdacht schöpfen: OLG Frankfurt a. M. WM 1992, 1976). Kein Verdacht muss geschöpft werden, wenn sich die Schreibweise des handschriftlichen Schecktextes deutlich von der (gefälschten) Unterschrift unterscheidet. Das ist richtig, denn es dürfen auch Blankoschecks ausgestellt werden (dazu Hadding, JZ 1977, 281).
42
Schwierigkeiten bereitet gelegentlich die Frage, welche Anforderungen an die Echtheitsprüfung der Unterschrift des Ausstellers zu stellen sind. Hier dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden, da sich die Unterschrift des Kunden im Zeitablauf ändern kann und ohnehin nicht immer völlig gleich ausfällt. Entscheidend ist, ob sich die Bank davon überzeugt, dass der Scheck seinem äußeren Gesamtbild nach den Eindruck der Echtheit erweckt (BGH WM 1969, 240). Dabei ist die Prüfung der Echtheit der Unterschrift grundsätzlich durch einen Vergleich mit der bei der Bank hinterlegten Unterschrift des Kontoinhabers durchzuführen (BGH WM 1984, 1173).
44
Schwintowski
41
43
1318
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
45
In einem Fall, den das OLG Hamm am 26.04.1985 zu entscheiden hatte (WM 1985, 1032), stammte die hinterlegte Unterschrift des Kontoinhabers aus dem Jahre 1966. Die (angebliche) Scheckfälschung fand im Jahr 1982 statt. Unstreitig wich die Unterschrift auf dem Scheck aus dem Jahre 1982 ganz erheblich von der Unterschrift auf der Kontokarte aus dem Jahre 1966 ab. Allerdings war sie der Unterschrift, die der Kontoinhaber bei Entgegennahme von Scheckvordrucken im Jahre 1982 selbst leistete, so ähnlich, dass auch er die Fälschung erst beim „zweiten Hinsehen“ bemerkte. Das OLG meinte, eine Fälschung, die so wenig auffalle, hätte auch die Bank nicht erkennen können. Das ist richtig, zeigt aber, dass die Echtheitsprüfung der Unterschrift nicht allein von einem Vergleich mit der Kontokarte abhängt. Zumindest dann, wenn die Unterschrift auf dem Scheck mit derjenigen auf der Kontokarte nicht im Einklang zu bringen ist, muss ergänzend ein Vergleich mit zeitnahen Unterschriften durchgeführt werden. Dagegen erscheint es übertrieben, einen Fälschungsverdacht auch dann schon anzunehmen, wenn der Vorname auf der Kontokarte ausgeschrieben, auf dem Scheck dagegen abgekürzt ist (so aber LG Karlsruhe WM 1986, 1347).
46
Immer wieder kommt es vor, dass gefälschte Schecks der Zweigstelle einer Bank vorgelegt werden, die nicht kontoführend ist. In diesen Fällen genügt die Bank ihrer Prüfungspflicht nur, wenn sie einen Vergleich mit der bei der kontoführenden Zweigstelle hinterlegten Unterschrift durchgeführt hat (BGHZ 91, 229). Bevor eine Hauptstelle auszahlt, muss sie also bei der kontoführenden Zweigstelle nachfragen und einen Vergleich mit der dort hinterlegten Unterschrift durchführen.
47
c) Wissenszurechnung. Mit Urteil vom 15. April 1997 hat der BGH unter ausdrücklicher Aufgabe älterer Entscheidungen (BGH WM 1974, 1000 (1040)) die Grundsätze der Wissenszurechnung bei der Hereinnahme von Schecks durch Angestellte der Bank neu bestimmt (BGHZ 135, 202 = WM 1997, 1092 = EWiR 1998, 61 Hamann = WuB I D3.-6.97 Hellner = LM § 166 BGB Nr. 36 Koller). Maßgeblich zu berücksichtigen ist dabei, dass die Wissenszurechnung dem Schutz des Rechtsverkehrs dienen soll. Dieser verlangt, dass derjenige, der es mit einer Organisation, wie etwa einer Bank, zu tun hat, grundsätzlich nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden darf, als derjenige, der einer natürlichen Person gegenübersteht (BGH WM 1997, 1093). Es darf keinen wesentlichen Unterschied machen, ob der Geschäftsinhaber persönlich handelt oder aber ein Angestellter, der mit der Aufgabe betraut ist (BGH WM 1997, 1093).
48
Für die Hereinnahme eines Schecks zum Einzug bedeutet dies, dass der Bank nicht nur das präsente Wissen des konkret mit der Bearbeitung des Schecks befassten Angestellten, sondern das in den beteiligten Bankabteilungen, in der Regel Schalterabteilung oder Posteingangsstelle und Scheckabteilung, vorhandene Wissen zuzurechnen ist (BGH WM 1997, 1093; siehe auch BGH WM 1996, 824 f.; 1993, 541 f.). Als vorhanden anzusehen ist dabei das Wissen, das bei sachgerechter Organisation dokumentiert und verfügbar ist und zu dessen Nutzung unter Berücksichtigung der geschäftlichen Bedeutung des Vorgangs Anlass bestand (BGHZ 132, 30 (38) = WM 1996, 594; BGH WM 1996, 1618 (1620)). Somit bestimmt sich die Sorgfaltspflicht der Bank und damit auch die Wissenszurechnung nicht nur nach den konkreten getroffenen Organisationsmaßnahmen. Andernfalls könnte die Bank eine Haftung aus der Hereinnahme abhanden gekommener Schecks schon dadurch vermeiden, dass sie wechselnde (Schalter-)Angestellte entscheiden lässt und ihnen keinen Einblick in die der Kontenabteilung bekannten Verhältnisse des Einreichers gewährt (Canaris, Rn. 798; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 61 Rn. 156).
49
Zum Wissen einer Bank, dessen Relevanz für spätere Geschäftsvorgänge erkennbar ist und das deshalb bei ordnungsgemäßer Organisation verfügbar gehalten werden muss,
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1319
gehören bei Konten, die als Lohn- oder Gehaltskonten geführt werden, auch Kenntnisse über die Berufstätigkeit und den Arbeitgeber des Kontoinhabers (BGH WM 1997, 1094, Canaris, Rn. 811). Von den in diesen Kontounterlagen verfügbaren Informationen ist bereits bei der Einziehung von Schecks mit einem Betrag von 5000 DM (2.500 1) und mehr Gebrauch zu machen (BGH WM 1997, 1094). Für Schecks in dieser Größenordnung gilt das Abkommen über das beleglose Scheckeinzugsverfahren (BSE-Abkommen) nicht, d.h. solche Schecks werden auch bei automatisierter Bearbeitung der bezogenen Bank vorgelegt, damit sie – im eigenen Interesse – die Echtheit der Unterschrift des Ausstellers prüfen kann. Die Grenze beim Scheckinkasso anders zu ziehen, besteht kein überzeugender Grund (BGH WM 1997, 194; bestätigt von BGH WM 1997, 2395 = ZIP 1998, 330 = EWiR 1998, 1029 Aden = WuB I D3.-3.98 Müller-Christmann). 3. Abhanden gekommene Schecks (Nr. 3 Abs. 2 SchB 95). Löst die Bank Schecks ein, die dem Kunden nach der Ausstellung abhanden gekommen sind, so kann sie das Konto des Kunden nur belasten, wenn sie bei der Einlösung nicht grob fahrlässig gehandelt hat (Nr. 3 Abs. 2 SchB 95). Auch dieser Teil der neuen Scheckbedingungen entspricht den allgemeinen Grundsätzen, denn aus Art. 21 ScheckG in Verbindung mit §§ 990, 989 BGB ergab sich schon immer, dass die einziehende Bank wegen grober Fahrlässigkeit schadensersatzpflichtig werden kann, wenn der Scheck dem Aussteller abhanden gekommen ist. Im Unterschied zu gefälschten Schecks handelt es sich hier um solche, die auf einer wirksamen Anweisung des Kunden beruhen, aber von einem Nichtberechtigten, z.B. einem Dieb oder einem untreuen Angestellten, eingelöst werden.
50
a) Abhandenkommen. Ist der Scheck dem früheren Inhaber irgendwie abhanden gekommen (so der Wortlaut von Art. 21 SchG) so ist der neue Inhaber (z.B. die einlösende Bank) zur Herausgabe des Schecks nur verpflichtet, wenn er ihn in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (Art. 21 SchG). Der gutgläubige Erwerber eines Inhaberschecks wird also nach § 929 BGB Eigentümer des Schecks. Folglich begründet der Besitz des Schecks zugleich die Vermutung sachlicher Berechtigung (BGH WM 1989, 1756).
51
Voraussetzung für Herausgabeklage oder Schadensersatzanspruch ist, dass der Inhaberscheck dem früheren Eigentümer irgendwie abhanden gekommen ist. Der Begriff des Abhandenkommens ist im Zivil- und Wertpapierrecht nicht einheitlich definiert (Haertlein, S. 33 f.). Für das Scheckrecht kommt es nach allgemeiner Meinung darauf an, ob ein Scheck ohne wirksamen Begebungsvertrag in fremde Hände gelangt ist (BGH ZIP 1995, 1745 = WM 1995, 1950; Haertlein, S. 33 m. w. N.). Ein Scheck kommt also nicht nur bei unfreiwilligem Besitzverlust i. S. v. § 935 BGB (z.B. Diebstahl) abhanden, sondern auch dann, wenn ihn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht veräußert (BGHZ 26, 268 (272); OLG Hamm, WM 1998, 759 (761)) oder unterschlägt (OLG Frankfurt a.M., WM 1997, 24 ÖOGH vom 29.10.1998, ÖBA 1999, 300, m. Anm. Iro, ÖBA, 1999, 302). Das Gleiche gilt, wenn der Inhaberscheck unter einer aufschiebenden Bedingung begeben, aber vom Schecknehmer vor Eintritt dieser Bedingung bereits weiterübertragen wird (OLG Saarbrücken ZIP 1998, 1265, allerdings macht eine bedingte Anweisung den Scheck bereits unwirksam (Art. 2 Abs. 1 SchG), BGHZ 124, 263 (266) = NJW 1994, 447 m. Anm. Schwintowski, EWiR 1994, 203).
52
b) Grobe Fahrlässigkeit. (1) Grundsätze. Grob fahrlässig handelt eine Bank bei Hereinnahme eines gültigen Schecks, wenn sie die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (BGHZ 10, 16 (74); 89, 161). Das ist dann der Fall, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (RGZ 163, 106; BGH
53
Schwintowski
1320
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
NJW 1980, 886 (888)). Was in diesem Sinne verkehrserforderlich ist, ergibt sich zunächst einmal aus den Funktionen des Inhaberschecks. Ausgangspunkt ist, dass der bloße Besitz eines solchen Schecks die (widerlegliche) Vermutung dafür begründet, dass der Scheckinhaber auch materiell berechtigt ist (Art. 19 ScheckG). Die Bank trifft daher grundsätzlich keine Verpflichtung, die materielle Berechtigung des Scheckinhabers zu überprüfen (BGHZ 102, 316 (318); BGH WM 1993, 736 m. Anm. Müller-Christmann, WuB ID3.10.93; Haertlein, S. 288 m. w. N.). 54
Eine solche Prüfungspflicht entsteht erst dann, wenn besondere Umstände den Verdacht nahe legen, der Scheck könnte dem Eigentümer abhanden gekommen und vom Einreicher auf unredliche Weise erlangt worden sein (BGHZ 102, 316 (318); 108, 353 (358); BGH ZIP 1988, 156; WM 1993, 541 (543); ZIP 2003, 2196; Haertlein, , S. 289 m. w. N.). Dabei darf die Prüfungspflicht nicht überspannt werden, weil sonst die gesetzlich intendierte (Art. 4, 29, 40 SchG) wirtschaftliche Funktion des Schecks als Massenzahlungsmittel gefährdet wäre (Laufzeit, Kosten) (BGH WM 1989, 944 f.; WM 1980, 891 f.). Eine Pflicht der Bank zur Suche nach Auffälligkeiten besteht also nicht (BGH WM 1993, 736 = NJW 1993, 1583 (1585)). Umgekehrt darf die Bank vor ins Auge springenden Auffälligkeiten nicht die Augen verschließen (BGH, WM 1993, 736; ZIP 2003, 2196).
55
Trifft die Bank hiernach die Pflicht, Nachforschungen anzustellen, so wird eine Nachfrage beim Einreicher des Schecks selten genügen, denn dieser, z.B. der Dieb, will sich ja gerade selbst begünstigen (siehe aber BGH NJW 1970, 146 = WM 1969, 1383; vertiefend Haertlein, S. 324 ff.) Vielmehr muss die Bank alle ihr zur Verfügung stehenden Informationswege nutzen, etwa bei der bezogenen Bank nach einer Schecksperre fragen oder beim Scheckaussteller oder beim benannten Remittenten anrufen. Insbesondere eine Nachfrage beim Remittenten schafft in besonderer Weise Klarheit (Haertlein, S. 328). Das Bankgeheimnis steht diesen Nachforschungen nicht entgegen. Vielmehr liegt in der Einreichung des Schecks das konkludente Einverständnis mit den erforderlichen Erkundigungen (BGH WM 1969, 111; WM 1965, 741 (743); Schimansky/Bunte/ LwowskiNobbe, § 61 Rn. 163).
56
Ob und unter welchen Umständen eine Bank bei Hereinnahme eines Schecks misstrauisch werden muss, ist eine Frage des Einzelfalls und unterliegt Schwankungen im Zeitablauf. Handelsbräuche und Gewohnheiten können, wie bei disparischen Schecks, ebenso eine Rolle spielen, wie sich verändernde Kontrolltechniken. Dennoch lassen sich inzwischen einige typische Fallgruppen bilden (erstmals Haertlein, aaO., S. 295-322).
57
(2) Fallgruppen. aa. Verdächtige Scheckurkunde. Wird der Text eines Schecks, z.B. durch Radieren oder mit Hilfe eines Korrekturmittels, erkennbar verändert, so ist dies ungewöhnlich und muss Verdacht erregen (BGH WM 1997, 1250 = WuB ID3.-7.97 Harbeke). Veränderungen, die erst durch Abtasten oder subtile Überprüfungen erkennbar werden, sind keine Verdachtsmomente, die zu Nachforschungen zwingen (OLG Köln ZIP 1995, 1815 f.). Dagegen lassen Adressaufkleber ohne weiteres den Verdacht zu, dass mit ihrer Hilfe die an dieser Stelle eigentlich vorgenommene Eintragung verdeckt werden soll (BGHZ 102, 316 (319) = WM 1988, 147). Der Inkassostempel einer anderen Bank auf der Rückseite des Schecks legt den Verdacht nahe, dass der Scheck dieser Bank abhanden gekommen ist (Bundschuh, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Wechsel- und Scheckrecht, Rn. 227) Dagegen ist ein Indossament zur Übertragung eines Inhaberschecks nicht erforderlich und – vom Bankinkasso abgesehen – auch nicht üblich (BGH NJW 1993, 1583 = WM 1993, 736). Ein fehlendes Indossament auf den Einreicher auf der Rückseite eines Inhaberschecks ist also kein Verdachtsmoment gegen dessen sachliche Berechtigung. Verdächtig ist aber eine ganz ungewöhnliche Form des Indossaments, etwa: „wei-
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1321
tergereicht an Frau B. Unterschrift Frau B“ (OLG Celle WM 1995, 1912 = NJW-RR 1996, 169). bb. Verdächtiger Scheckeinreicher. Eine Bank muss Verdacht schöpfen, wenn ihr positiv bekannt ist, dass der Scheckeinreicher zugleich Angestellter des Empfängers ist (st. Rspr. seit BGHZ 26, 268 (273) = WM 1958, 247; aus neuerer Zeit BGH WM 1997, 1092 (1094); WM 1997, 2395; ZIP 2003, 2196). Reicht ein als solcher bekannter Arbeitnehmer des Scheckausstellers oder -adressaten, insbesondere ein Buchhalter, einen (disparischen) Inhaberverrechnungsscheck aus kaufmännischem Verkehr zum Einzug auf sein Privatkonto herein, dann ist dieser Vorgang ungewöhnlich und verdachterregend, die anstandslose Einziehung demzufolge grob fahrlässig (BGHZ 135, 202 = ZIP 1997, 1023 = WM 1997, 1092; ganz anders noch BGH NJW 1969, 694 [eine zeichnungsberechtigte Buchhalterin wies ihrem eigenen Konto im Laufe eines Jahres mit Hilfe von 36 Schecks einen Betrag von DM 850.000 an]). Handelt es sich demgegenüber bei dem Einreicher um einen selbstständigen Handelsvertreter, so darf die Bank davon ausgehen, dass die diesem erteilte Inkassovollmacht auch die Einziehung von Kundenschecks über sein eigenes Konto deckt (BGH WM 1965, 705 f.; WM 1965, 1075 f.). Als weitere Verdachtsmomente aus der Person des Einreichers kommen der Bank bekannte Vorstrafen wegen Vermögensoder Eigentumsdelikten in Betracht (BGH NJW 1993, 1583 = WM 1993, 736; BGH NJW 1993, 1066 = WM 1993, 541). Verdächtig sind auch Personen, die bekanntermaßen ungedeckte Schecks ziehen (OLG Stuttgart WM 1970, 1497), die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben (OLG Celle WM 1991, 1412), deren finanzielle Verhältnisse schlecht sind (BGH WM 1989, 944; OLG Celle WM 1991, 1412). Ein besonderer Verdachtsgrund liegt auch vor, wenn ein disparischer Verrechnungsscheck von einem Minderjährigen auf sein eigenes Konto eingereicht wird (BGH JZ 1963, 255; Haertlein, m. w. N.). Dabei muss der Bank die Minderjährigkeit des Einreichers aufgrund der Angabe des Geburtsdatums im Kontoblatt stets auffallen (Schimansky/Bunte/LwowskiNobbe, § 61 Rn. 176). Ist die Minderjährigkeit dort nicht vermerkt, so liegt ein grob pflichtwidriges Verhalten der Bank bei der Kontoeröffnung vor, das bis zur Scheckhereinnahme fortwirkt (BGH NJW 1962, 1056 = WM 62, 524; BGH WM 1965, 972). cc. Verdächtige Schecksummen. Aus einer ungewöhnlich hohen Schecksumme (über DM 100.000 bzw. 50.000 €) folgt für sich allein genommen noch keine Pflicht, die sachliche Berechtigung des Scheckeinreichers zu prüfen (BGH NJW 1993, 1583 = WM 1993, 736; BGH NJW 1993, 1066 = WM 1993, 541). Wenn allerdings dieser Scheckbetrag zu den Verhältnissen des Einreichers bankbekannt in keiner Weise passt und der Scheck außerdem disparisch ist, so legt dies den Verdacht nahe, der Scheck könne abhanden gekommen sein (BGH NJW 1993, 1583 = WM 1993, 736; NJW 1993, 1066 = WM 1993, 541) Mit Rücksicht auf die gleich darzustellenden Rechtsgrundsätze zu disparischen Schecks sind heute bereits Schecks über DM 5000 (2500 €) nicht mehr unbedeutend (BGH WM 1997, 1092, bestätigt durch WM 1997, 2395; krit. hierzu Haertlein, aaO., S. 311 f.). dd. Ungewöhnliche Begleitumstände. Der Barankauf eines Inhaberverrechnungsschecks ist ein so ungewöhnliches Geschäft, dass die diskontierende Bank neben der Identität nicht nur die materielle dingliche Berechtigung, sondern auch die Scheckforderungsberechtigung des Veräußerers zu prüfen hat, soweit Verdachtsmomente vorhanden sind, dass mit dem angebotenen Verrechnungsscheck etwas nicht in Ordnung ist (BGH WM 1995, 1950 = WuB ID3.-2.96 Müller-Christmann = EWiR 1995, 1119 Bülow; ferner Schnauder, WM 1996, 1069). Die ankaufende Bank muss sich und dem Verkäufer die Frage vorlegen, warum er den angebotenen Verrechnungsscheck nicht über seine bereits bestehende Bankverbindung einziehen oder warum er kein Girokonto zur Einziehung eröffnen will (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 61 Rn. 178).
Schwintowski
58
59
60
1322
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
61
Dagegen ist die Einreichung eines Verrechnungsschecks zur Einziehung an sich unverdächtig. Wird allerdings die Einreichung mit der Eröffnung eines neuen Kontos am gleichen Tage verbunden, so liegt der Verdacht nahe, das Konto solle nur die Verwertung des Schecks ermöglichen (OLG Düsseldorf WM 1995, 524 m. Anm. Hein, WuW ID3.-4.95 Hein). Dies gilt insbesondere, wenn weitere Verdachtsumstände hinzukommen, z.B. ein Barauszahlungsverlangen bei disparischem Verrechnungsscheck, insbesondere wenn der Scheck über einen höheren Betrag lautet (BGH NJW 1993, 1066 = WM 1993, 541).
62
Werden Verrechnungsschecks erst Tage nach der Kontoeröffnung eingereicht, so muss dies keinen Verdacht begründen (BGH NJW 1974, 458 = WM 1974, 154; OLG Köln ZIP 1995, 1815). Die Bank muss sich auch keine Gedanken darüber machen, warum und von wem der Einreicher laufend Verrechnungsschecks erhält (Schimansky/Bunte/LwowskiNobbe, § 61 Rn. 182).
63
Hiervon abgesehen belegt aber eine Reihe weiterer Urteile des BGH Unsicherheiten bei der Frage, ob und wann Zweifel an der Berechtigung der den Scheck vorlegenden Person entstehen müssen. Das Gericht entschied am 12.01.1987, dass der Schalterangestellte einer Sparkasse grob fahrlässig handelt, wenn er die Berechtigung des Einreichers eines Inhaberverrechnungsschecks nicht überprüft, obwohl der Scheck, der erkennbar kaufmännischen Zwecken dient, auf ein Sparkonto eingezogen werden soll (WM 1987, 337). Eine Reihe von Gerichten schloss sich diesem Votum an (u.a. LG Verden WM 1989, 497; OLG Düsseldorf WM 1988, 188). Bereits im Jahr 1989 sah sich der BGH gezwungen, seine eigene Rechtsprechung zu korrigieren. Nun ist die Einziehung eines erkennbar kaufmännischen Zwecken dienenden Inhaberverrechnungsschecks über ein Privatgirokonto kein ungewöhnlicher Vorgang mehr, der den Verdacht nahe legt, der Scheck könne abhanden gekommen sein (WM 1989, 944). Grund: Was bei einem Sparkonto noch „äußerst ungewöhnlich“ sei, brauche bei einem Girokonto keinen Verdacht hervorzurufen. Allerdings sei eine weitergehende Prüfungspflicht auch hier anzuerkennen, wenn Inhaberverrechnungsschecks über 100 000 DM eingereicht würden (BGH WM 1993, 736 (738); ähnlich WM 1996, 248).
64
ee. Orderschecks. Richtig ist, dass die Bank, auch ohne Vorliegen besonderer Verdachtsmomente, beim Inkasso eines Orderschecks nicht in gutem Glauben ist, wenn der Einreicher sich weder durch eine ununterbrochene Indossamentenkette legitimieren kann, noch seine Berechtigung auf andere Weise dartut; die Vermutungswirkung des Besitzes hilft nur bei Inhaberschecks (BGH NJW 1990, 242 = WM 1989, 1756 = ZIP 1990, 569). Das gilt erst recht, wenn die Bank übersieht, dass der ausgestellte Scheck nicht auf den Einreicher indossiert ist (BGH WM 1995, 2135 m. Anm. Rehbein, EWiR 1996, 569 u. Christoffel, WuB I D3.-3.96 Christoffel). Andererseits muss eine lückenlose Indossamentenkette die Bank stutzig machen, wenn sie aus den Indossamenten schwarz auf weiß ersehen könnte, dass ein zur Zahlung von Geschäftsschulden an ein großes Industrieunternehmen ausgestellter Scheck auf das Privatkonto eines Angestellten umdirigiert worden ist (Köndgen zu OLG Celle, WM 1990, 2069).
65
ff. Disparische Schecks. Mit Blick auf disparische Schecks (der Einreicher ist mit der auf dem Scheck bezeichneten Person nicht identisch) hat der BGH im Jahre 1995 seine frühere Rechtsprechung geändert (BGH NJW 1996, 657 = ZIP 1996, 270 = WM 1996, 248 = WuB I D3.-4.96 Hadding; dazu Horn WM 1997, 10). Vor dieser Entscheidung hatte der BGH in ständiger Rechtsprechung erklärt, dass das Auseinanderfallen von Einreicher und Schecknehmer, die sog. Disparität eines Inhaberverrechnungsschecks, kein verdachtserregender Umstand sei (so noch BGH WM 1993, 736; umfassende Nachweise bei Haertlein, S. 302 ff.). Diese Rechtsprechung beruhte auf der Annahme, Inhaberver-
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1323
rechnungsschecks würden, jedenfalls im kaufmännischen Verkehr, durchaus zahlungshalber weitergegeben werden. Dem hatte Aden im Jahre 1994 widersprochen (NJW 1994, 413 (416)). Für die Vergangenheit sei die Annahme der Rechtsprechung möglicherweise richtig gewesen, jedoch heute „offensichtlich falsch“. Trifft das zu, kommt also eine Weitergabe von Inhaberschecks im kaufmännischen Verkehr praktisch nicht mehr vor, so müsse die Verfügungsberechtigung intensiver als bisher geprüft werden, um den Vorwurf einer grob fahrlässigen Scheckhereinnahme zu vermeiden (Nobbe, Aktuelle höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, RWS-Skript 261, S. 96). Hiervon ausgehend hat der BGH mit Urteil vom 12. Dezember 1995 (BGH ZIP 1996, 270 = WM 1996, 248) das auf der bisherigen Rechtsprechung beruhende Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Klärung der Frage, ob Inhaberverrechnungsschecks aus kaufmännischem Verkehr heute noch weitergegeben werden, an das OLG Frankfurt/Main zurückverwiesen. Der BGH hat seine Entscheidung inzwischen mehrfach bestätigt (WM 1997, 1092; WM 1997, 2395; ZIP 2003, 2196, 2198; zustimmend OLG Frankfurt/M EWiR 2003, 159 Haertlein). Mit Entscheidung vom 15. Februar 2000 hat das Gericht die für Inhaberverrechnungsschecks entwickelten Grundsätze auch auf blankoindossierte Orderverrechnungsschecks ausgedehnt (ZIP 2000, 693 = WM 2000, 81 = EWiR 2000, 521 Haertlein). Bereits am 12. Dezember 1995 hatte der BGH klargestellt, dass die Inkassobank die Verfügungsberechtigung des Einreichers eines disparischen Schecks ganz unabhängig von den Gepflogenheiten im kaufmännischen Verkehr zu prüfen habe, wenn sie wisse, dass der in der Scheckurkunde genannte Schecknehmer Schecks grundsätzlich nicht wieder in den Verkehr gebe (BGH ZIP 1996, 270 = WM 1996, 248). Mit Urteil vom 15. April 1997 hat der BGH dann entschieden, dass die Einreichung von disparischen Inhaberverrechnungsschecks aus kaufmännischem Verkehr, die vom Arbeitgeber des Einreichers für Dritte ausgestellt oder an sie adressiert sind, durch einen Arbeitnehmer zur Einziehung über ein privates Girokonto ein ganz ungewöhnlicher verdachterregender Vorgang ist (BGHZ 135, 202 = ZIP 1997, 1023 = WM 1997, 1092 = EWiR 1998, 61 Haman = WuB ID 3.-6.97 Hellner). Auch bei angestellten Handelsvertretern ist die Einziehung solcher Schecks über ein privates Girokonto ein ungewöhnlicher verdachterregender Vorgang; bei selbstständigen Handelsvertretern kann dies anders sein (BGH WM 1997, 1092 (1094)). Besondere Verdachtsmomente sind auch dann gegeben, wenn der disparische Inhaberverrechnungsscheck erst Monate nach Ablauf der Vorlegungsfrist in Zahlung gegeben wird und der Erwerber als ehemaliger Arbeitgeber des Veräußerers dessen schlechte wirtschaftliche Verhältnisse kennt (OLG Saarbrücken WM 1997, 1327 = WuB ID3.-4.97 Werner). Demgegenüber ist eine von einer ausländischen Bank eingeschaltete deutsche Zwischenbank auch bei Disparität nicht zur Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Einreichers verpflichtet (BGH BKR 2001, 53). Verdächtig ist es auch, wenn zwei disparische Schecks aus kaufmännischem Verkehr auf ein Privatkonto eingereicht werden, die Schecksumme für dieses Konto ungewöhnlich hoch ist und der Zeitraum zwischen der Ausstellung und der Einreichung des Schecks für ihre Weitergabe nicht ausreicht (OLG München WM 1998, 2101 = WuB I D3.-2.99 Müller- Christmann; ferner OLG Düsseldorf WM 2003, 1167 = WuB I D3.-2-03 Müller-Christmann). Die Hereinnahme von disparischen Verrechnungsschecks zur Gutschrift auf ein privates Girokonto des Einreichers (angestellter Verkäufer des auf dem Scheck als Zahlungsempfänger benannten Unternehmens) ohne weitere Nachprüfung seiner Verfügungsbefugnis begründet grobe Fahrlässigkeit der Bank nach Art. 21 ScheckG (OLG Karlsruhe ZIP 2007, 857 = EWiR 2007, 603 Nicodem). Die neuen vom BGH entwickelten Grundsätze zu disparischen Inhaberverrechnungs- und Orderschecks beruhen allesamt auf der Annahme, dass die Weitergabe dieser Schecks im
Schwintowski
66
67
1324
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
kaufmännischen Verkehr zahlungshalber völlig unüblich sei. Ob diese Grundannahme zutrifft, ist allerdings bis heute unentschieden. Der BGH meint, man müsse für diese Grundentscheidung entweder eine Auskunft des DIHT einholen oder durch ein Sachverständigengutachten Beweis erheben. Abzustellen sei in beiden Fällen auf den Zeitpunkt der Scheckeinreichung (BGH ZIP 2000, 293). Haertlein meint, auch ein DIHT-Gutachten werde keinen hinreichenden Aufschluss über die Frage der Üblichkeit vermitteln (EWiR 2000, 521 (522)). Statt dessen fordert Haertlein in einer von ihm Jahre 1999 vorgelegten Monographie, entweder den Scheckaussteller oder, wenn irgend möglich, den Remittenten zu befragen (Der abhanden gekommene Inhaberscheck, S. 328). Dieser Ansatz geht allerdings deutlich weiter als derjenige des BGH. Würde sich herausstellen, dass die Weitergabe von Inhaberverrechnungs- und Orderschecks zu Zwecken der Zahlung im kaufmännischen Verkehr nicht unüblich ist, so würden die vom BGH angenommenen Verdachtsmomente entfallen. Für Haertlein würden sie jedoch nicht entfallen, weil nach seiner Meinung bereits die Disparität als solche verdächtig mache (aaO., S. 308). Dies erscheint auf der Grundlage der bisher bekannten Verdachtsmomente und Missbrauchsfakten zu weitgehend (ähnlich WuB D3.-4.96 Hadding). 68
c) Mitverschulden. Fraglich war, ob dem Kunden, der den Scheck mit einem einfachen Brief versendet, allein deshalb ein anspruchsminderndes Mitverschulden nach § 254 I BGB anzurechnen ist. Das OLG Hamm bejahte diese Frage (WM 1983, 459 (461)). In der Literatur wurde widersprochen (Irmen WuB I D 3.-6.91 zu OLG-Celle WM 1991, 1412). Das allgemeine Risiko, dass Postsendungen verloren gehen können, rechtfertige nicht den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Dem hat der BGH mit Urteil vom 31.10.1995 zugestimmt (WM 1995, 2136 f.; vgl. auch WM 1996, 248). Das Gericht ließ es dahinstehen, ob in der Versendung eines Orderschecks über DM 127.360,80 mit einfachem Brief statt per Einschreiben eine Obliegenheitsverletzung zu erblicken sei. Die Bank habe jedenfalls nicht dargetan, dass ein Einschreibebrief nicht abhanden gekommen wäre, so dass es an der Ursächlichkeit einer etwaigen Obliegenheitsverletzung fehle.
69
Der BGH hat am 16. Juni 1998 klargestellt, dass auch die Übermittlung eines Verrechnungsschecks in Höhe von ca. 300.000 DM per einfachem Brief keinem Vorwurf begegnet (BGH ZIP 1998, 1351 = WM 1998, 1622 = EWiR 1998, 1067 Schwintowski = WuB ID3.10.98 A. Ott). Angesichts der Massenhaftigkeit des Postverkehrs und der verschwindend geringen Zahl verlorengehender Postsendungen entspricht, so der BGH, der Versand mit einfachem Brief jedenfalls dann noch der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, wenn nicht ohne weiteres erkennbar ist, dass ein Scheck verschickt wird, wie es z.B. bei Fensterumschlägen der Fall sein kann.
70
Folgerichtig muss etwas anderes gelten, wenn der Briefumschlag so durchsichtig ist, dass jeder leicht den darin liegenden Scheck erkennen kann. Zu Recht hat das OLG Celle dem Aussteller eines Schecks ein Mitverschulden angelastet, weil er den Scheck in einem Briefumschlag mit Klarsichtfenster versandt hatte (WM 1981, 1412, dazu Irmen WuB I D 3.-6.91). In gleicher Weise hat 1999 das OLG Frankfurt/Main entschieden (WM 1999, 1318 = WuB ID3.-5.99 Müller-Christmann). Im Grunde kommt es nicht so sehr auf die Versandart, sondern darauf an, ob der Brief äußerlich ohne nennenswerten Aufwand erkennen lässt, dass in ihm ein Scheck enthalten ist. Verpackt man den Scheck so, dass er auch im Gegenlicht nicht mehr durchschimmert, so kann man auch einen Fensterumschlag verwenden (vgl. weitere Fälle des Mitverschuldens bei Reiser WM 1984, 1557; übergreifend zum Schaden nach dem Einzug abhanden gekommener Schecks und seine gerichtliche Geltendmachung Haertlein, ZBB 2001, 7 ff.). Kein Mitverschulden trifft den Scheckaussteller dann, wenn im Postamt eingebrochen und der Brief mit dem Scheck dort entwendet wird (BGH WM 1993, 541 (544)). Das gleiche gilt, wenn es an der Kausalität
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1325
von Organisationsmängeln für die Schadensentstehung fehlt (BGH ZIP 2003, 2196 = WuB I D3.-1.04 Bülow = EWiR 2004, 303 Lang). Ein im Auslandszahlungsverkehr nach Italien erfahrener deutscher Exporteur ist zur Vermeidung des Mitverschuldenseinwands (§ 254 Abs. 1 BGB) gehalten, den per Post an den in Italien ansässigen Empfänger übersandten, in Verlust geratenen und von einer Bank in Deutschland grob fahrlässig eingelösten Scheck, der über einen Betrag von 12.500 Euro hinausgeht, „Nicht an Order“ zu stellen (OLG Karlsruhe ZIP 2006, 1576 = EWiR 2007, 9 Haertlein/K.J.Müller). 4. Andere Fälle des Missbrauchs. Ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB ist gegeben, wenn der Einreicher einen für einen bestimmten Zweck ausgestellten Scheck missbräuchlich verwendet, die Inkassobank dies erkennt oder zumindest für möglich hält und eine Schädigung des Ausstellers billigend in Kauf nimmt (OLG Köln vom 09.04.2003, 13 U 61/02). Stellt im Zusammenhang mit der Prolongation eines Wechsels der Prolongierende dem Wechselschuldner einen Scheck aus, mit dessen Hilfe der Erstwechsel eingelöst werden soll, und wirkt die Inkassobank bei der missbräuchlichen Verwendung eines solchen Schecks durch den Wechselschuldner in der vorbezeichneten Weise mit, so ist sie dem Aussteller aus § 826 BGB schadensersatzpflichtig, wenn sie damit rechnet, dass der Erstwechsel nicht eingelöst wird (BGH WM 1961, 1186; WM 1973, 674; WM 1975, 774; OLG Köln vom 09.04.2003, 13 U 61/02; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 61 Rn. 222 f.).
71
VI. Die Schecksperre. 1. Grundsätze. “Der Scheck kann widerrufen werden, solange er von der Bank nicht eingelöst ist. Der Widerruf kann nur beachtet werden, wenn er der Bank so rechtzeitig zugeht, dass seine Berücksichtigung im Rahmen des ordnungsgemäßen Arbeitsablaufes möglich ist (Nr. 5 SchB 95). Dieses scheckvertragliche Widerrufsrecht (Schecksperre) konkretisiert die nach § 790 BGB zulässige Rücknahme einer wirksamen Weisung in Form einer Gegenweisung nach § 665 BGB. Fraglich war, ab wann die Bank den Widerruf zu beachten hat. In Art. 32 Abs. 1 SchG wird der Widerruf erst mit Ablauf der Vorlegungsfrist (8 Tage bei Inlandsschecks, Art. 29 Abs. 1 SchG) wirksam. Allerdings ist Art. 32 Abs. 1 SchG nach h.M. nicht zwingend (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 136 m.w.N.; Heymann/Horn, HGB, Anhang § 372. Bankgeschäfte V/104).
72
Am 13.06.1988 hat der BGH entschieden, dass die Verpflichtung der bezogenen Bank zur Beachtung einer Schecksperre im Zweifel konkludent als Nebenpflicht des Scheckvertrags vereinbart ist (WM 1988, 1325). Zur Konkretisierung dieser Verpflichtung genügt der (einseitige) Widerruf des Ausstellers gegenüber der Bank. Dem entsprechen die neu gefassten Scheckbedingungen 2000/2001 – sie sehen in Nr. 5 vor, dass ein Scheck widerrufen werden kann, solange er von der Bank nicht eingelöst ist. Damit geht Nr. 5 SchB von der grundsätzlichen Verpflichtung der bezogenen Bank aus, jeden Widerruf zu beachten, wenn er der Bank so rechtzeitig zugeht, dass seine Berücksichtigung im Rahmen des ordnungsgemäßen Arbeitsablaufs möglich ist. Dagegen bestehen keine AGB-rechtlichen Bedenken mehr (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 141).
73
2. Rechtspflichten nach Schecksperre. Die Schecksperre bewirkt die Rechtspflicht der Bank, den vorgelegten Scheck nicht einzulösen. Darüber hinaus ist der Scheck mit dem Nichteinlösungsvermerk zu versehen. Eine Bank, die den Widerruf kennt, den Scheck aber noch nicht in den Händen hält, ist ohne Zustimmung des Inhabers gehindert, den Scheck mit dem Nichteinlösungsvermerk zu versehen (BGH WM 1975, 755). Stimmt dieser nicht zu, so hat sie ihm den Scheck grundsätzlich unverändert zurückzugeben.
74
Allerdings hat die Bank die Nebenpflicht, dies dem Aussteller mitzuteilen. Die Bank muss davon ausgehen, dass der Aussteller gegen den gesperrten Scheck Einwendungen
75
Schwintowski
1326
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
geltend machen will und diese nach Art. 22 ScheckG verliert, wenn einem gutgläubigen Erwerber die Schecksperre nicht bekannt ist (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 145). Verletzt die Bank diese Mitteilungspflicht, so ist sie dem Aussteller zum Schadensersatz verpflichtet (BGHZ 35, 217 (220) = WM 1961, 794). Gleiches gilt für eine Bank, die den Aussteller nicht darauf hinweist, dass die von ihm veranlasste Schecksperre ins Leere geht, weil der Scheck bereits eingelöst worden ist (OLG Schleswig BB 1990, 736 (737); zustimmend Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, Rn. 145). Bestreitet der Gläubiger, dem der Schuldner am letzten Tag der vereinbarten Frist in Höhe des geschuldeten Betrages einen Scheck übersandt hat, wahrheitswidrig dessen Eingang und lässt der Schuldner deshalb den Scheck sperren, darf sich der Gläubiger nicht darauf berufen, der Schuldner habe die Frist versäumt, wenn der Scheck bei unverzüglicher Vorlage eingelöst worden wäre (BGH WM 2002, 999 = ZIP 2002, 840 = NJW 2002, 1788 = EWiR 2002, 697 Klanten). 76
Die Schecksperre gilt nach Nr. 5 S. 2 SchSp 95 nur sechs Monate und bedarf danach einer schriftlichen Verlängerung durch den Kunden. Eine vergleichbare Einschränkung gibt es bei den SchB 95 der Banken nicht. Nobbe meint, dies sei AGB-rechtlich legitim, da die Interessen des Ausstellers nicht unangemessen beeinträchtigt werden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 144). Andererseits meint Nobbe, dass die Sechs-Monats-Frist für die Konstellation nach Anzeige des Kunden, ihm seien Scheckformulare abhanden gekommen, gegen die Unklarheitenregel (§ 5 AGBG, heute: § 305c BGB) verstößt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 125 unter Hinweis auf Reifner, NJW 1987, 630 (631); Koller, NJW 1984, 2225; Heymann/Horn, 1. Aufl. HGBKomm., Anh. § 372, Bankgeschäfte III Rn. 103; WuB I D3.-2.94 Müller-Christmann; a.A. OLG Nürnberg WM 94, 422; OLG Köln OLGZ 85, 204 (205); AG Charlottenburg WM 1984, 48). Diese Überlegungen zeigen, dass der Kunde zwischen abhanden gekommenen ausgefüllten oder unausgefüllten Schecks und darauf bezogenen Widerrufsfristen differenzieren muss. Dieses ergibt sich aber nicht aus den Scheckbedingungen der Sparkassen; sie verstoßen also gegen das allgemeine AGB-rechtliche Transparenzgebot (§ 307 BGB). Folglich ist Nr. 5 S. 2 SchSp 95 insgesamt unwirksam. Die Sechs-MonatsFrist ist aber auch materiell unangemessen. Eine Schecksperre ist ihrem Wesen nach für den Kunden unbefristet. Solange der Scheck im Umlauf ist, besteht die Gefahr, dass der Scheck nach Art. 32 II SchG eingelöst wird. Das Interesse der Sparkasse, zu beachtende Sperren in Grenzen zu halten, tritt demgegenüber zurück. Aus dem zugrundeliegenden Bankvertrag ist die Sparkasse nach Ablauf von sechs Monaten ohnehin verpflichtet, beim Schecksaussteller zu fragen, ob die Schecksperre aufrecht erhalten werden soll. Der damit verbundene Arbeitsaufwand entspricht dem bei unbefristeten Schecksperren, wie sie bei Banken üblich sind.
77
In jedem Fall muss sich die Bank nach § 254 BGB ihr Mitverschulden anrechnen lassen, wenn sie einen Scheck kurz nach Ablauf der Sperrfrist von sechs Monaten einlöst. Sie trifft dann aus dem Bankvertrag die Nebenpflicht, beim Aussteller zu fragen, ob mit dem Scheck wirklich alles in Ordnung ist oder er möglicherweise die Verlängerung versäumt hat. Stellt die Bank diese Frage nicht, so ist ihr Verursachungsanteil am entstandenen Schaden erheblich höher als derjenige des Scheckausstellers (OLG Naumburg, 5 U 1715/ 97, EWiR 1998, 613 Witte).
78
VII. Scheckeinlösungszusage – Scheckbestätigung – Scheckeinlösungsbestätigung. 1. Grundsätze. Scheckbestätigungen und Scheckeinlösungszusagen spielen in der täglichen Bankpraxis eine bedeutende Rolle. Gewöhnlich geht es darum, dass der Scheckinhaber sofort über den Gegenwert des Schecks verfügen möchte. In dieser Situation fragt die den Scheck einziehende Bank (Inkassostelle) bei der bezogenen Bank nach, ob
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1327
mit einer Einlösung des Schecks gerechnet werden kann. Erklärt die bezogene Bank, „der Scheck ist gedeckt“ oder „der Scheck geht in Ordnung“, so bedeutet das, dass der Scheck eingelöst werden würde, wenn er zur Zeit der Auskunft vorläge (RGZ 112, 317). Damit hat die bezogene Bank eine Scheckbestätigung abgegeben. Ob sich die Inkassobank mit einer solchen Scheckbestätigung zufrieden gibt, hängt davon ab, wie sie die Bonität des Scheckausstellers und des Scheckinhabers einschätzt. Im Zweifel wird sie sich mit einer Scheckbestätigung (läge der Scheck vor, so wäre er gedeckt) nicht zufrieden geben. Sie wird dann die Auszahlung von einer Scheckeinlösungszusage abhängig machen. Eine solche Scheckeinlösungszusage ist im Rechtssinne ein Garantievertrag, mit dem sich die Bank verpflichtet, „ohne wenn und aber“ für die Zahlung des Scheckbetrages einzustehen (BGH WM 1978, 883; BGHZ 77, 50 =WM 1980, 586; BGHZ 110, 263 (265) = WM 1990, 494 = WuB I D3.-11.90 Irmen; EWiR 1990, 599 Häuser; BGH WM 1994, 884 = WuB I D3.-3.94 Bülow). Es handelt sich um eine außerhalb des Schecks liegende vertragliche Einlösungsverpflichtung und verstößt deshalb nicht gegen das Annahmeverbot nach Art. 4 ScheckG (BGHZ 64, 79, 8 = NJW 1975, 1168 = WM 1975, 466; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Nobbe, § 61 Rn. 96; Kümpel, Rn. 4, 559). Ob eine Scheckbestätigung, also eine schlichte Tatsachenauskunft, oder eine Scheckeinlösungszusage, also ein Garantievertrag der bezogenen Bank zugunsten des Scheckinhabers, vorliegt, kann im Einzelfall streitig sein. Das liegt oft daran, dass beide Erklärungen formlos, d.h. auch (fern-)mündlich oder konkludent wirksam abgegeben werden können. Erschwert werden die Dinge, weil ein national und international verbindlicher Sprachgebrauch für die eine oder die andere Form nur ansatzweise verwirklicht ist. Angesichts der immer wieder auftretenden Interpretationszweifel sollten Banken klare, jeden Zweifel und Irrtümer ausschließende Standardformeln vereinbaren. Die Standardisierung müsste sich auf den Wortlaut der Anfrage und auf den Wortlaut der Antwort beziehen. Die Anfrage für eine Scheckbestätigung könnte beispielsweise lauten: „Erbitten Bestätigung Scheck vom … (Datum) über … (Währung) auf Konto … (Nummer) in BLZ … (Nummer)“. Die hierauf denkbare Antwort könnte lauten: „Scheck (vom/KtoNr/BLZ) derzeit (Datum) gedeckt“. Eine vergleichbar standardisierte Formel für die Einlösungsgarantie könnte wie folgt lauten: „Erbitten Scheckgarantie für Scheck vom … (Datum); über … (Währung); auf Konto … (Nummer), in BLZ … (Nummer)“. Die Antwort könnte sein: „Scheck (vom/KtoNr/ BLZ) garantiert.“ 2. Abgrenzung: Scheckgarantie – Scheckbestätigung. Als eindeutige Garantie hat der BGH am 20.3.1978 folgende Erklärung gelten lassen: (Anfrage) „Da über die Summe disponiert werden soll, bitten wir um Ihre fernschriftliche Rückbestätigung, ob Sie die Honorierung des Schecks vorbehaltlich der Ordnungsmäßigkeit der Unterschriften garantieren“. Die Antwort darauf lautete: „Jawohl, wir garantieren die Honorierung, sofern die Unterschrift richtig ist“ (BGH WM 1978, 873 f.; ähnlich BGHZ 77, 50; BGH WM 1990, 494).
79
3. Die Scheckeinlösungsbestätigung. Liegt keine Garantie, sondern nur eine schlichte Scheckbestätigung vor, so steht die Bank nicht für die Einlösung des Schecks ein. Das soll anders sein, wenn es sich nicht um eine Scheckbestätigung, sondern um eine Scheckeinlösungsbestätigung (Gut-Meldung) handelt, d.h. die Erklärung, dass ein vorgelegter Scheck eingelöst sei. Darin liege regelmäßig eine Garantiezusage, d.h. eine Bank, die eine solche Erklärung abgebe, sei deshalb grundsätzlich verpflichtet, den Scheckbetrag zu bezahlen (RG Bank-Archiv 25, S. 335; BGH BB 1959, 94).
83
Schwintowski
80
81
82
1328
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
84
In der neueren Rechtsprechung und Literatur wird aber zu Recht darauf verwiesen, dass es sich bei einer solchen Auskunft nur um eine schlichte Tatsachenmitteilung handelt und deshalb kein Garantievertrag zustande komme (BGHZ 135, 315; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB BankGesch (7), S. 1343 (E/8); Canaris, Rn. 733; Schimansky/Bunte/LwowskiNobbe, § 61 Rn. 102). Statt dessen haftet die Bank wegen Erteilung einer falschen Auskunft, sofern der Anfragende einen Schaden erlitten hat, auf Schadensersatz, wobei ein etwaiges Mitverschulden des Anfragenden zu berücksichtigen ist. Anspruchsgrundlage kann ein Auskunftsvertrag (BGH NJW 1987, 1815; dazu Schwintowski, NJW 1989, 2087 (2089 f.)) oder culpa in contrahendo (§ 311 BGB) des auf Scheckeinlösung gerichteten Rechtsgeschäftes sein (Canaris, Rn. 734 mit weiteren Differenzierungen).
85
Die Auskunft einer bezogenen Bank, der Scheck „gehe in Ordnung“, ist auch dann unrichtig, wenn das Konto im Augenblick der Auskunft zwar noch ausreicht, jedoch unter Berücksichtigung von Wechseln, die bereits im Besitz der Bank und noch zu Lasten des Kontos zu verbuchen sind, als erschöpft anzusehen ist (BGHZ 49, 167). Dagegen ist die bezogene Bank grundsätzlich nicht verpflichtet, nachträglich das anfragende Kreditinstitut zu unterrichten, wenn nach erteilter Scheckauskunft Gründe eintreten, derentwegen sie den Scheck nicht einlösen wird (BGHZ 61, 176). Nur ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen könne nach Treu und Glauben eine solche Benachrichtigungspflicht entstehen. Bejaht hat sie der BGH in einem Fall, in dem der Bank wenige Stunden nach der Scheckbestätigung bekannt geworden war, dass dem Scheckaussteller die Insolvenz unmittelbar droht (BGHZ 61, 176; vertiefend Rieder, WM 1979, 686, 687). In jener Situation nahm die bezogene Bank das Kontoguthaben zur Sicherung eigener Forderungen in Anspruch. Hier hätte die Geschäftsleitung der Bank, die von der kurz zuvor erteilten Scheckauskunft wusste und die für die anfragende Bank drohenden nachteiligen Folgen in etwa abschätzen konnte, durch einen Anruf darüber unterrichten müssen, dass der Scheck entgegen der vorangegangenen Mitteilung nicht eingelöst werden würde. Das ergebe sich aus dem im Rechtsverkehr der Banken untereinander nach Treu und Glauben zu beachtenden Gebot der Rücksichtnahme.
86
VIII. Der Bereicherungsausgleich. Die Zahlung durch einen Scheck entspricht einer Leistung kraft Anweisung (BGH ZIP 1995, 1745 = WM 1995, 1950 = EWiR 1995, 1119 Bülow = WuB I D3.-2.96 Müller-Christmann). Der Scheckaussteller weist die bezogene Bank an, von seinem Konto an den Inhaber des Schecks zu zahlen. Deshalb ist ein Bereicherungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Einreicher den Scheck mangels Abhandenkommens erworben, also als Berechtigter den Scheckbetrag in Empfang genommen hat (OLG Hamm ZIP 1998, 506 = WM 1998, 759 = WuB I D3.-8.98 Bode). Umgekehrt haftet der Käufer einer Ware, der diese mit Schecks bezahlt, dem Verkäufer, dem diese Schecks abhanden kommen, nicht aus bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Vielmehr steht dem Käufer die Einrede der Scheckhingabe zur Verfügung, wenn der Scheck nach Übergang der Verlustgefahr auf den Schecknehmer abhanden kommt und von der bezogenen Bank gutgläubig zugunsten eines Dritten eingelöst wird (BGH WM 1996, 1037 = ZIP 1996, 1005 = WuB I D3.-6.96 Burghardt = EWiR 1996, 733 Aepfelbach).
87
Schecks sind nicht bereits eingelöst, sobald die bezogene Bank die Belastungsbuchung vornimmt, sondern erst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornehme rückgängig gemacht wird (Nr. 9 Abs. 2 S. 1 AGB-B). Einer Scheckeinlösung steht es folglich eintgegen, wenn die bezogene Bank dem Kontoinhaber, dem Einreicher oder der Inkassobank vor Ablauf der Stornierungsfrist der Nr. 9 Abs. 2 AGB-B mitteilt, der Scheck werde nicht eingelöst (LG Landshut WM 2004, 215 = WuB I D3.-1.05 Haertlein/Marx). In einer solchen Situation hat der Vorlegende die Gut-
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1329
schrift und aus ihr resultierende Vorteile als ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben (§ 812 Abs. 1 BGB) und zwar gegen Rückgabe des Schecks (OLG Frankfurt/M WM 1986, 351 = WuB I a. Nr. 41 AGB-B 1.86 Stützle; Schimansky/Bunte/LwowskiNobbe, § 60 Rn. 195; LG Landshut WuB I D3.-1.05 Haertlein/Marx). Mit Blick auf fehlerhafte Schecks gelten nach allgemeiner Meinung dieselben Grundsätze wie bei fehlerhaften Anweisungen (BGHZ 89, 381; Baumbach/Hopt/Furth, BankGesch (7) [E/5]; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rn. 206). Ebenso wie dort gilt im Grundsatz, dass sich der Bereicherungsausgleich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses vollzieht (BGHZ 40, 272 (277); w. N. in BGH JZ 1987, 199 mit Anm. Canaris). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn es an einer wirksamen Anweisung fehlt, und zwar unabhängig davon, ob der Anweisungsempfänger das Fehlen der wirksamen Anweisung kannte (BGHZ 111, 382, 386 = ZIP 1990, 1124; BGHZ 152, 307, 311 = ZIP 2003, 69, 70 = EWiR 2003, 215 Häuser). Ohne wirksame Anweisung kann die Zahlung dem vermeintlich Anweisenden nicht als Leistung zugerechnet werden. So ist es etwa, wenn der die Kontovollmacht erteilende Vertreter einer juristischen Person (Schweizerische AG) unerkannt geschäftsunfähig ist. Dann sind sowohl der Girovertrag als auch die Kontovollmacht nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Nach §§ 105 Abs. 1, 165 BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen selbst dann nichtig, wenn er sie als Vertreter abgibt (BGHZ 53, 210, 215). In einem solchen Fall hat das Kreditinstitut nach der Einlösung eines Schecks einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Scheckbegünstigten auch wenn der Scheckaussteller den gezahlten Betrag tatsächlich schuldete und der Scheckbegünstigte den Gültigkeitsmangel nicht kannte (BGHZ 158, 1 = NJW 2004, 1315 = WM 2004, 671 = ZIP 2004, 659 = EWiR 2004, 645 Weber = WuB I D3.-2.04 Schnauder, Bestätigung von BGHZ 147, 145; 152, 307).
88
1. Teilweise fehlerhafte Schecks. Besonders problematisch sind die Fälle, in denen der Scheck zwar rechtzeitig widerrufen (Schecksperre), aber versehentlich doch ausgeführt wurde. Denn dann geht die Einlösung letztlich auf eine ursprünglich wirksame Anweisung und damit auf einen Leistungswillen des Kunden zurück. So hat der BGH in einem Urteil, in dem eine Anweisung (Scheck) zunächst wirksam erteilt, dann aber noch vor Gutschrift ohne Kenntnis des Empfängers widerrufen worden war, entschieden, dass die Bank, die den Scheck gleichwohl einlöste, keinen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Scheckinhaber hat, sondern den Ausgleich bei ihrem Kunden suchen muss (BGHZ 61, 289 = WM 1973, 1374; OLG Köln WM 2003, 17 = WuB I D3.-1.03 Thöne; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rz 212).
89
Anders ist es, wenn der Empfänger weiss, dass der Scheck widerrufen oder sonst unwirksam ist. In diesen Fällen stellt sich die Zahlung der Bank auch aus seiner Sicht gerade nicht als Leistung des Scheckausstellers dar, so dass der bereicherungsrechtliche Rücktausch nun direkt zwischen der Überweisungsbank und dem Empfänger des Geldes stattzufinden hat (BGHZ 88, 232 (236) = WM 1983, 1240; BGHZ 98, 379; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe § 60 Rn. 213). So hat eine Bank, die einen vom Aussteller nicht unterschriebenen Scheck einlöst, jedenfalls dann einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger, wenn dieser wusste, dass der Scheck vom Aussteller nicht unterzeichnet war (BGHZ 66, 362; ebenso für Fehlüberweisungen in Kenntnis des Empfängers BGHZ 66, 372; ferner im Wechselrecht BGHZ 67, 75; ebenso bei Kenntnis vom Widerruf der Anweisung BGHZ 87, 393). Richtigerweise kommt es dagegen bei völlig fehlender Anweisung nicht auf die Sicht des Empfängers, sondern allein darauf an, dass „der Schuldner keinen Tatbestand gesetzt hat, der es erlaubt, ihm einen bestimmten Scheck zuzurechnen“; BGHZ 158, 1; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, § 60 Rz 210; OLG Naumburg WM 1998, 593).
90
Schwintowski
1330
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
91
Inzwischen hat der BGH diese Rechtsprechung auf solche Fälle erweitert, in denen eine an sich wirksame Anweisung teilweise fehlerhaft ausgeführt wurde und der Empfänger sich bewusst unwissend stellt (BGH NJW 1987, 185 „Modehändler“).
92
2. Scheckfälschungen. Im Grundsatz entspricht die Rechtslage bei Scheckfälschungen derjenigen bei gefälschten Überweisungen. Es fehlt bei Fälschungen an einer gültigen Anweisung ebenso wie an einer wirksamen Leistungsbestimmung gegenüber dem Geldempfänger. Folglich hat die ausführende Bank einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Geldempfänger wegen Bereicherung in sonstiger Weise. Das ergibt sich aus Nr. 3 Abs. 1 SchB 95, wonach die Bank für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Scheckvertrag haftet, also zur Belastung des Kundenkontos nicht berechtigt ist, wenn weder eine wirksame Anweisung noch der wirksame Rechtsschein einer solchen vorliegt.
93
3. Fehlbuchungen. Ebenso wie bei der Anweisung kann es auch bei einem Scheck passieren, dass dieser auf ein falsches Konto gutgeschrieben wird. Akzeptiert der irrtümlich Begünstigte die Gutschrift, so ist er ungerechtfertigt bereichert und dem Überweisenden zur Herausgabe verpflichtet. Das ist unproblematisch, solange Geld da ist. Schwierig werden die Dinge, wenn die irrtümliche Gutschrift mit einem Debet verrechnet wurde. Dann hat der Anweisende zwar immer noch einen Anspruch, kann ihn aber gegenüber dem Begünstigten faktisch nicht durchsetzen. Anders ist es, wenn der Begünstigte die Gutschrift zurückweist, so wie es im Falle einer feuerversicherten Diskothek war (WM 1989, 1560; WM 1995, 149). Dann fehlt es an der für die Gutschrift erforderlichen Annahme i. S. v. § 364 I BGB (OLG Frankfurt/M WM 1988, 1439).
94
Ob der irrtümlich Begünstigte verpflichtet ist, die Gutschrift zurückzuweisen, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere davon ab, ob er erkennen kann, dass es sich um eine Fehlbuchung handelt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Begünstigte keinen oder nur einen geringeren Anspruch gegen den Anweisenden hat und wenn es womöglich bereits mehrfach zu ähnlichen Fehlbuchungen auf dem Konto des Empfängers aufgekommen ist und die Buchung nicht eindeutig zugeordnet werden konnte (OLG Dresden WM 1999, 952 = WuB I D3.-4.99 Aepfelbach). In einem solchen Fall ist dem Empfänger der Gutschrift die irrtümliche Zuweisung bewusst, d.h. seine Annahmeerklärung wäre rechtsmissbräuchlich.
95
Die Situation ist so, wie wenn der Widerruf des Schecks dem Scheckeinreicher im Zeitpunkt der Scheckeinlösung bekannt war. Dann stellt sich die Scheckeinlösung für ihn nicht als eine Leistung des Schuldners dar, sondern er weiss, dass er – wie im Falle der Fehlbuchung auch – die Zahlung von der Bank irrtümlich erhält. Der Scheckeinreicher ist dann ebenso wie bei einer von vornherein fehlenden oder unwirksamen Scheckanweisung zu behandeln, d.h. der einlösenden Bank steht ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen ihn zu (BGHZ 87, 393 (397) = WM 1983, 908; BGHZ 88, 232 (236) = WM 1983, 1240; BGHZ 89, 376 (382) = WM 1984, 423; OLG Dresden WM 1999, 952). Die Beweislast für die Kenntnis des Scheckeinreichers trägt im Rechtsstreit zwischen der bezogenen Bank und ihrem Kunden letzterer (BGHZ 87, 393 (400) = WM 1983, 908).
96
4. Entreicherung. Die Frage, inwieweit der Bereicherungsschuldner Aufwendungen, die ihm im Zusammenhang mit der Erlangung des Bereicherungsgegenstandes entstanden sind, bereicherungsmindernd geltend machen kann, ist nicht für alle Fälle einheitlich zu beantworten (BGHZ 109, 139, 145 = WM 1990, 25). Für den Bereich der Nichtleistungskondiktion ist in der Rechtsprechung aber seit langem anerkannt, dass der an einen Dritten für den Erwerb eines Gegenstandes gezahlte Kaufpreis nicht bereicherungsmindernd in Ansatz gebracht werden kann (BGHZ 9, 333 (335); 47, 128 (130) = WM 1967, 394; 55, 176 (180) = WM 1971, 133; BGH WM 1995, 1950 (1952) = WuB I D3.-2.96 Müller-
Schwintowski
§ 46 Scheckgeschäft
1331
Christmann). Gleiches kann auch im Bereich der Leistungskondiktion gelten (BGH WM 1995, 1950 (1952)). In jenem Falle hatte eine Bank Inhaberverrechnungsschecks angekauft und den Kaufpreis noch vor Einlösung der Verrechnungsschecks durch die bezogene Bank in bar ausgezahlt. Damit ist sie das Risiko eingegangen, für den Fall des Nichtbestehens der gekauften Ansprüche auf Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer des Schecks nach §§ 440 I, 437, 325 BGB a.F. sowie deren Realisierung angewiesen zu sein (BGH WM 1995, 1952). In einer solchen Situation besteht kein überzeugender Grund, der Bank das Risiko, ihre Ansprüche gegen den Verkäufer nicht realisieren zu können, durch den Einwand der Entreicherung abzunehmen. Das gilt auch dann, wenn die bezogene Bank die vorgelegten Schecks in Unkenntnis des Nichtbestehens der darin verbrieften Forderungen bezahlt. Die Anwendung des § 818 III BGB in einem solchen Fall würde vielmehr dem Zweck des Gesetzes nicht entsprechen. Dieses will nur den „gutgläubig Bereicherten“ schützen, der das rechtsgrundlos Empfangene im Vertrauen auf das (Fort-)bestehen des Rechtsgrundes verbraucht oder bereicherungsmindernd verwendet (BGHZ 118, 383 (386) = WM 1992, 1959). Nicht geschützt werden soll derjenige, der vor Eintritt der Bereicherung und unabhängig davon ein Risiko eingeht. Ein ähnliches Risiko ging eine Bank ein, die einen Verrechnungsscheck für ihren Kunden zum Einzug hereinnahm und ihm, noch vor Einlösung, 50.000 DM auszahlte. Der Scheck, der von einem Scheckbetrüger stammte, wurde wegen fehlender Deckung nicht eingelöst. Die Bank nahm ihren Kunden aus § 812 BGB in Anspruch, scheiterte aber, weil der Kunde die empfangenen 50.000 DM bereits am Auszahlungstag an den Scheckbetrüger weitergegeben hatte. Damit war der Kunde, so das OLG Bremen, ausnahmsweise nach § 818 III BGB entreichert (WM 1991, 1252).
Schwintowski
97
“This page left intentionally blank.”
§ 47 Wechselgeschäft
1333
§ 47 Wechselgeschäft
Schrifttum Alisch, Der Refinanzierungswechsel – Das Problem der Erfüllung, Jura 1986, 300; Bülow, Wechselbereicherung und Gesamtschuld, WM 1990, 2102; Canaris, Der Wechselbereicherungsanspruch, WM 1977, 40; Emmerich, Rechtslage bei Forfaitierung eines Wechsels, JuS 1994, 982; Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, 9. Auflage, 2000; Flume, Die Personengesellschaft, 1977; Gursky, Wertpapierrecht, 2. Auflage, 1997; Häberle, Handbuch der Außenhandelsfinanzierung, 3. Auflage, 2002; Hefermehl, Unterschriften auf der Rückseite des Wechsels außerhalb der Reihe der Indossamente – Ein Beitrag zur Legitimation, in: Festschrift Wahl, 1973, 355; Helm, Zur Rechtsnatur des Wechseldiskontgeschäfts, WM 1967, 310; Die Rechtsnatur des Wechseldiskontgeschäfts, WM 1968, 930; Huber, Einwendungen des Bezogenenen gegen den Wechsel, in: Festschrift Flume, 1973, Band II, 83; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, 12. Auflage 1986; Jacobi, Die Wertpapiere im bürgerlichen Recht, 2. Auflage, 1917; Kempfler, Nicht rechtsfähige Vereine aktiv parteifähig?, NZG 2002, 411; Köhler, Die Leistung erfüllungshalber, WM 1977, 242; Müller-Christmann/Schnauder, Wertpapierrecht, 1992; Nobbe, Die neuere Rechtsprechung des BGH zum Wechsel- und Scheckrecht, WM 2000, SB 5, 4; Petersen, Die Umdeutung eines Wechsels in ein abstraktes Schuldanerkenntnis, Jura 2001, 596; Reeb, Recht der Kreditfinanzierung, 1994; Reinicke, Die Umdeutung nichtiger Wechsel, DB 1960, 1028; Reinicke/Tiedke, Wechselrechtliche Rückgriffsansprüche des Garantieindossanten, WM 1998, 2173; Richardi, Wertpapierrecht, 1987; Schaaff, Unterbricht eine Wechselklage die Verjährung der Forderung aus dem Grundgeschäft?, NJW 1986, 1029; Stauder, Zur Rechtsnatur des Wechseldiskontkredits, WM 1968, 562; Thamm, Rechtsprobleme beim Scheck/Wechselverfahren, ZIP 1984, 922; Ulmer, Der Einwendungsausschluß im einheitlichen Wechselgesetz, in: Festschrift Raiser, 1974, 225; Ulmer/Heinrich, Das Wechsel-Scheck-Verfahren, DB 1972, 1101, 1149; Waschbusch, Die Rechnungslegung der Kreditinstitute bei Pensionsgeschäften, BB 1993, 172. Inhaltsübersicht A. Der Wechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Grundlagen des Wechselrechts. . . . . . . . . . . . 1 1. Allgemeine Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Wirtschaftliche Funktionen des Wechsels . 3 II. Die Ausstellung des Wechsels . . . . . . . . . . . . 8 1. Grundformen des Wechsels . . . . . . . . . . . . 8 2. Die konstitutiven Formerfordernisse des Wechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Die nichtkonstitutiven Bestandteile des Wechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 4. Rechtsfolgen von Formverletzungen . . . . 13 III.Rechte und Pflichten aus Wechseln . . . . . . . 14 1. Die Wechselrechts- und Wechselgeschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . 14 2. Die Entstehung der Wechselverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Der Blankowechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Die Wechselverpflichtungen . . . . . . . . . . 18
5. Die Übertragung der Rechte aus Wechseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einwendungen gegen Wechselansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Erfüllung von Wechselverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Der Wechselregress . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Wechselinkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Wechselanspruch im Prozess . . . . . . . . B. Der Wechselkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Finanzierung mittels Wechsel . . . . . . . II. Der Diskontkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Strukturen . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen der Diskontierung . . . . . . . III. Akzept-, Rembours- und Avalkredit . . . . . . IV. Forfaiting- und Wechselpensionsgeschäfte
22 26 30 34 38 40 44 44 45 45 46 47 50 53 59
Stichwortverzeichnis Akzeptant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 ff. Akzeptantenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Akzeptkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 f. Ankauf von Wechsel und Scheck . . . . . . . . . . . . 45 ff. Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 f. Aussteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Ausstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 f., 10 Avalkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Bezogener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Blankowechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Depotwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Diskontgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ff. Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 26 ff. Entstehung, Wechselverbindlichkeit. . . . . . . . . . . . 15 Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 ff. Finanzwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Forfaitgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Formerfordernisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Funktionen des Wechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Gefälligkeitswechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Handelswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Indossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Fischer
1334
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Indossant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Indossierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Kautionswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Kreditwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 6 Pensionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Protest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rechtsscheinslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Rediskontierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Regress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ff. Rektapapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rembourskredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 ff. Remittent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Rückbelastungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Solawechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 20
1
Tratte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Urkundenprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Vertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Warenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Wechselgeschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Wechselinkasso. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38f Wechselkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Wechselprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 ff. Wechselrechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Wechselverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 18 ff. Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
A. Der Wechsel I. Grundlagen des Wechselrechts. 1. Allgemeine Grundlagen. Der Wechsel nimmt im Wertpapierrecht eine zentrale Stellung ein. Er erfüllt im Wirtschaftsleben wichtige Funktionen als Zahlungs-, Sicherungs- und Kreditmittel. Wechsel sind schuldrechtliche Wertpapiere, die auf die unbedingte Zahlung einer bestimmten Geldsumme lauten. Die strengen Formvorschriften des Wechselgesetzes müssen eingehalten, insbesondere die Urkunde im Text ausdrücklich als Wechsel bezeichnet sein (zur Definition des Wechsels vgl. Müller-Christmann/Schnauder, Rn. 94 ; Richardi § 12 I; Hueck/Canaris, § 12 I 1).
2
Für das Wechselrecht gilt das Wechselgesetz vom 21.06.1933 (RGBL. I Seite 309), das am 01.04.1934 in Kraft getreten ist und seitdem nur marginal verändert wurde. Es handelt sich um die nationale Transformation der Genfer Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz, die 1930 auf der Genfer Wechselrechtskonferenz verabschiedet wurden. Prozessual ist das Wechselrecht durch die Vorschriften über den Wechselprozess ergänzt worden (§§ 602 ff. ZPO). Im Wechselprozess kann der Wechselinhaber gegen den Wechselverpflichteten innerhalb sehr kurzer Zeit (die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt etwa drei Monate) ein Vorbehaltsurteil erstreiten, aus dem er gemäß § 708 Nr. 4 ZPO ohne Sicherheitsleistung vollstrecken kann. In der obergerichtlichen Rechtsprechung kommt dem Wechselrecht nur noch eine sehr geringe Rolle zu. Pro Jahr ergeht nur noch selten mehr als ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das sich mit wechselrechtlichen Fragen befasst (Nobbe, WM 2000, SB 5, S. 4). Die Ursache hierfür liegt zunächst darin, dass Wechselkredite in der Wirtschaft zurückgegangen sind. Insbesondere ist aber das über 60 Jahre alte Wechselrecht hervorragend konzipiert und ausgezeichnet kommentiert (vor allem von Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, 23. Aufl. 2008, und Bülow, WG, 4. Aufl. 2004), so dass nur wenige neue Rechtsfragen auftreten.
3
2. Wirtschaftliche Funktionen des Wechsels. Der Wechsel hat im modernen Wirtschaftsleben eine Reihe von wichtigen Funktionen. In seiner Entstehungszeit hatte er Geldwechsel- und Zahlungsfunktion. Diese Funktionen sind durch den unkomplizierteren bargeldlosen Zahlungsverkehr ersetzt worden. Die wesentlichen Funktionen des Wechsels bestehen heute in der Kreditschöpfung und Kreditsicherung (Hueck/Canaris, § 5 III; Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 69).
4
Die typische Grundform des Kreditwechsels ist der Waren- oder Handelswechsel. Der Wechselbegebung liegt hier eine Warenlieferung oder Werkleistung zugrunde. Wenn keine Barzahlung erfolgen soll, gibt der Leistungsempfänger, in der Regel ein Kaufmann, dem Lieferanten, von dem er die Waren oder Werkleistungen bezogen hat, ein sog. Ak-
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1335
zept. Der Lieferant stellt einen Wechsel über die Kaufpreis- oder die Werklohnforderung aus, in der Regel fällig in drei Monaten (deshalb spricht man von einem „Dreimonatsakzept“), der vom Leistungsempfänger als Akzeptant unterzeichnet wird. Damit verpflichtet er sich, die Wechselsumme bei Fälligkeit zu zahlen (Art. 1 Nr. 3 WG). Dem Leistungsempfänger wird somit ein Kredit eingeräumt. Für den Lieferanten bietet die wechselmäßige Verpflichtung des Bestellers den Vorteil, dass er neben der Kaufpreis- oder Werklohnforderung Inhaber der abstrakten Wechselforderung ist, die im Wechselprozess schnell tituliert werden kann. Der Lieferant kann den Wechsel auf verschiedene Weise verwenden. (1) Er kann ihn behalten und bei Fälligkeit dem Akzeptanten (Leistungsempfänger) vorlegen. (2) Er kann den Wechsel an einen seiner Gläubiger indossieren und zum Ausgleich eigener Schulden in Zahlung geben. In diesem Fall fungiert das Papier noch als Zahlungsmittel. (3) Er kann den Wechsel bei seiner Bank diskontieren und erhält sofort die Wechselsumme unter Abzug der Diskontspesen (zum Diskontgeschäft Rn. 5 ff., 45 ff.). Ein Waren- oder Handelswechsel ist auch der sog. Akzeptantenwechsel. Der Lieferant stellt gegen Zahlung des Preises in bar, durch Überweisung oder per Scheck (zum Wechsel-/Scheckverfahren vgl. Alisch, Jura 1986, 300 (301); Thamm, ZIP 1984, 922) einen Wechsel über den Rechnungsbetrag aus, den er vom Leistungsempfänger akzeptieren lässt. Er versieht den Wechsel mit seinem Indossament und übereignet ihn anschließend dem Leistungsempfänger. Dieser reicht ihn bei seiner Bank zum Diskont ein. Dadurch hat der Leistungsempfänger in zweifacher Hinsicht Vorteile: er erhält den Barzahlungsrabatt (OLG Frankfurt WM 1993, 1710 mit Anm. Müller-Christmann) und erlangt einen Diskontkredit, der erheblich günstiger ist als ein Kontokorrentkredit (infolge des höheren Liquiditätsgrads liegt der Zinssatz für Wechselkredite etwa 30 % unter denjenigen für Kontokorrentkredite). Da der Akzeptantenwechsel im Gegensatz zum normalen Handelswechsel nicht vom Lieferanten sondern vom Leistungsempfänger diskontiert wird, spricht man hier von einem „umgedrehten Wechsel“ (zum Akzeptantenwechsel vgl. Ulmer/Heinrich, DB 1972, 1101 und 1149). Aus dem Wechsel steht der Bank neben dem Anspruch gegen den Leistungsempfänger als Akzeptant Rückgriffsansprüche gegen den Lieferanten als Aussteller und Indossanten zu (zur Haftung des Ausstellers vgl. Rn. 20; zur Haftung des Indossanten vgl. Rn. 21). Sie ist daher zu einer Kreditgewährung eher bereit. Die diskontierende Bank erlangt jedoch bei dieser Fallgestaltung nicht die zugrunde liegende Kaufpreis- bzw. Werklohnforderung als Sicherheit, weil diese nicht dem Leistungsempfänger und Diskontnehmer, sondern dem Lieferanten zusteht. Für den Lieferanten bestehen bei diesem Verfahren, das grundsätzlich nicht sittenwidrig ist (BGH WM 1977, 638; NJW 1984, 728; OLG Koblenz NJW-RR 1987, 40; OLG Hamm OLGR 1999, 141), erhebliche wirtschaftliche Risiken, weil er als Aussteller und Indossant dem Regress der Bank ausgesetzt ist, wenn der Akzeptant und Leistungsempfänger den Wechsel nicht einlöst. Ausnahmsweise ist die Diskontierung eines Akzeptantenwechsels durch die Bank und die nachfolgende Inanspruchnahme des Lieferanten als Aussteller bzw. Indossanten jedoch sittenwidrig, wenn die Bank den Wechsel zum Diskont angenommen hat, obwohl ihr bekannt war, dass der Akzeptant (Leistungsempfänger) zahlungsunfähig ist (OLG Hamm, NJW-RR 1995, 617; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 17 WG Rn. 58).
5
Dem Finanz- oder Kreditwechsel liegt im Gegensatz zum Warenwechsel keine Warenlieferung oder sonstige produktive Leistung zugrunde. Der Finanzwechsel dient ausschließlich der Kreditschöpfung (Zöllner, § 11 II; Hueck/Canaris, § 5 III 2 c; Baumbach/ Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 77). Der Akzeptant verschafft bei diesem Wechsel dem Aussteller Diskontkredit. Die Begebung von Finanzwechseln ist nicht generell deshalb sittenwidrig, weil sie der Kreditbeschaffung dienen und nicht in Verbindung mit einer
6
Fischer
1336
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Produktionsleistung stehen. Dies folgt bereits aus der Zulässigkeit des eigenen Wechsels (Art. 75 WG), der typischerweise ein Finanzwechsel ist (vgl. BGH NJW 1980, 931; Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 77). Eine Unterart des Kredit- oder Finanzwechsels ist der Gefälligkeitswechsel. Das Akzept wird in diesem Fall durch einen Verwandten, Freund oder Geschäftspartner erteilt, um die Bonität des kreditbedürftigen Ausstellers zu erhöhen. Das Gefälligkeitsakzept erfolgt grundsätzlich unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Abrede, dass der Aussteller bei Fälligkeit des Wechsels die Wechselsumme bereitstellt. Dem Gefälligkeitsakzept liegt somit regelmäßig ein Auftragsverhältnis zugrunde, das den Akzeptanten berechtigt, falls er aus dem Wechsel in Anspruch genommen wird, vom Aussteller gem. § 670 BGB Aufwendungsersatz zu verlangen (sog. Revalierungsanspruch vgl. Zöllner, § 11 II 2). 7
Ausschließlich Sicherungszwecken dienen Depot- oder Kautionswechsel. Als Gegenstand der Sicherung kommen nicht nur Geldforderungen in Betracht sondern auch der Schutz vor Veruntreuungen oder vor Wettbewerbsverletzungen (Baumbach/Hefermehl/ Casper, Einl. WG Rn. 85; Hueck/Canaris, § 5 III 3). Besonders häufig dienen Wechsel der Sicherung des Anspruchs auf Rückzahlung eines Darlehens (sog. Depotwechsel). Banken und auch Privatleute lassen sich für die Hingabe eines Darlehens von dem Kreditnehmer in Höhe der Darlehenssumme ein Wechselakzept geben (vgl. BGH EWiR 2001, 215 mit Anm. Haertlein = ZIP 2001, 64). Es wird vereinbart, dass bis zur Fälligkeit des Darlehens aus dem Wechsel keine Ansprüche geltend gemacht werden können; der Wechsel darf daher auch nicht übertragen werden (Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 85; er ist von der Bank oder dem privaten Darlehensnehmer ins Depot zu nehmen; daraus resultiert der Begriff „Depotwechsel“). Bei Fälligkeit des Darlehens steht damit dem Darlehensnehmer ein effizientes Sicherungsmittel zur Verfügung. Er kann nämlich die Wechselforderung wegen der Besonderheiten des Wechselprozesses (vgl. Rn. 40) gerichtlich wesentlich schneller durchsetzen als die Darlehensforderung. Die Hingabe von Kautionswechseln erfolgt in der Regel anstelle der Zahlung einer Barkaution, beispielsweise im Miet- und Wettbewerbsrecht. Auch hier darf wegen der Sicherungsabrede der Wechsel vor dem Kautionsfall weder übertragen noch geltend gemacht werden. Bei diesen Sicherungswechseln ist der Aussteller in der Regel auch Bezogener (sog. trassiert-eigener Wechsel siehe Rn. 8); möglich ist aber auch die Ausstellung eines eigenen Wechsels gem. Art. 75 WG.
8
II. Die Ausstellung des Wechsels. 1. Grundformen des Wechsels. Der Wechsel existiert in zwei Grundformen: (1) als gezogener Wechsel (Tratte) geregelt in Art. 1 ff. WG; (2) als eigener Wechsel (Solawechsel) geregelt in Art. 75 ff. WG. Beim Eigenwechsel verspricht der Aussteller selbst die Zahlung der Geldsumme. Bei diesem Wechsel handelt es sich um eine Sonderform des abstrakten Schuldversprechens gem. § 780 BGB (Staudinger-Marburger, § 780 Rn. 36; Bülow, WG, Art. 75 Rn. 1; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 75 WG Rn. 2). In der Praxis kommt der eigene Wechsel nur selten vor. Durch die Form des gem. Art. 3 II WG auf den Aussteller gezogenen Wechsels lassen sich nämlich die gleichen Rechtswirkungen erreichen (Baumbach/Hefermehl, Übersicht zu Art. 75 WG Rn. 3; Richardi, § 12 II; Müller-Christmann/Schnauder, Rn. 95; bei diesem sog. trassiert-eigenen Wechsel bezeichnet sich der Aussteller selbst als Bezogenen). Die im Wirtschafsleben gebräuchlichste Form des Wechsels ist der gezogene Wechsel. Im Unterschied zum eigenen Wechsel verspricht bei diesem Wechsel nicht der Aussteller die Zahlung einer Wechselsumme. Vielmehr weist der Aussteller einen anderen an, an den aus der Urkunde ausgewiesenen Berechtigten eine bestimmte Geldsumme an einem bestimmten Tag gegen Vorlage der Urkunde zu zahlen. Beim gezogenen Wechsel gibt es somit mindestens drei beteiligte Personen: der Aussteller, der einen anderen, den Bezogenen, anweist zu zahlen;
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1337
der Bezogene, der zur Zahlung angewiesen ist, sowie der Remittent (erster Wechselnehmer), an den gezahlt werden soll. Beim gezogenen Wechsel besteht somit das gleiche rechtliche Dreiecksverhältnis wie bei der bürgerlich-rechtlichen Anweisung (§§ 783 ff. BGB; vgl. Zöllner, § 9 III; Staudinger-Marburger, § 783 Rn. 38). Wesentliche Unterschiede zwischen Anweisung und Wechsel bestehen jedoch in Bezug auf die Haftung sowie die Übertragung und Geltendmachung der Forderung (Zöllner, § 9 IV). 2. Die konstitutiven Formerfordernisse des Wechsels. Eine gültige Wechselverbindlichkeit setzt bestimmte Formerfordernisse voraus, die sich für den gezogenen Wechsel aus Art. 1 WG und für den eigenen Wechsel aus Art. 75 WG ergeben. Gem. Art. 1 Nr. 1 und 75 Nr. 1 WG muss im Text der Urkunde die Bezeichnung als Wechsel in der Sprache vorkommen, in der sie ausgestellt ist. Das Wort Wechsel nur als Überschrift des Textes genügt daher nicht (Schimansky/Bunte/Lwoski-Peters, § 64 Rn. 5; Baumbach/Hefermehl/ Casper, Art. 1 WG Rn. 5; Nobbe, WM 2000, SB 5 S. 6).
9
Gemäß Art. 1 Nr. 2 muss der Wechsel die unbedingte Anweisung enthalten, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen. Die Wechselausstellung ist somit bedingungsfeindlich, weil bedingte Wechsel für den Umlauf nicht geeignet sind. Im EU-Wechselverkehr werden die Wechsel regelmäßig in Euro ausgestellt. Wechsel können aber auch auf eine andere Währung, z. B. US-Dollar lauten und zwar unabhängig davon, wo sie ausgestellt und zahlbar sind. Die Wechselsumme kann in Buchstaben oder Ziffern angegeben werden. Da beim eigenen Wechsel eine Zahlungsanweisung fehlt, muss bei diesem Wechsel der Aussteller ein unbedingtes Zahlungsversprechen abgeben (z. B. „gegen diesen Wechsel zahle ich 1000 Euro an die Firma X in Koblenz“; s. Art. 75 Nr. 2 WG). Notwendiger Bestandteil des gezogenen Wechsels ist weiterhin die Angabe des Namens des Bezogenen (Art. 1 Nr. 3 WG). Dabei genügt, dass irgendein Name genannt ist. Wechsel, die auf nicht existierende Personen oder Firmen gezogen werden (sog. Kellerwechsel) sind daher gültig (Art. 7 WG). Gültig ist ein Wechsel auch dann, wenn der Bezogene nicht feststellbar ist, weil er z. B. einen Allerweltsnamen hat und keine Anschrift angegeben ist (Hueck/Canaris, § 6 IV 4 b).
10
Die Angabe dessen, an den oder dessen Order gezahlt werden soll (Remittent = erster Wechselnehmer) ist weiterhin notwendiger Bestandteil sowohl des gezogenen Wechsels (Art. 1 Nr. 6 WG) als auch des eigenen Wechsels (Art. 75 Nr. 5 WG). Die Ausstellung des Wechsels auf den Inhaber ist unzulässig. Wie beim Bezogenen genügt auch beim Remittenten die Angabe eines möglichen Namens oder einer möglichen Firma. Der Aussteller kann sich auch selbst als Remittenten angeben. Es liegt dann ein Wechsel an eigene Order gem. Art. 3 I WG vor. Dieser Fall ist in der Praxis sehr häufig, weil solche Wechsel von dem Aussteller beliebig durch Indossament übertragen werden können. Der Aussteller behält sich damit vor, zu bestimmen, an wen er den Wechsel demnächst begeben wird (Hueck/Canaris, § 6 IV 5 b). Eine Hinzufügung der Orderklausel („an Order des Remittenten X“) ist überflüssig, weil es sich bei Wechseln um geborene Orderpapiere handelt, die ohne Orderklausel durch Indossament übertragen werden können (§ 11 I WG). Fehlt im Wechsel die Angabe des Remittenten, kann er dahin ausgelegt werden, dass es sich um einen Wechsel an eigene Order handelt, wenn das Indossament des Ausstellers auf der Rückseite des Wechsels den Anfang der Indossamentenkette darstellt (BGH WM 1977, 1376). Ebenfalls unentbehrlicher Bestandteil des Wechsels ist die Angabe des Ausstellungstags und des Ausstellungsorts (Art. 1 Nr. 7 WG bzw. Art. 75 Nr. 6 WG). Die Datumsangabe muss einen möglichen Ausstellungstag bezeichnen, nicht aber sachlich richtig sein. Wechsel, die dagegen ein Datum tragen, das es nicht gibt, z. B. 30. Februar oder 31. September, sind formnichtig. Fehlt die Angabe des Ausstellungsorts gilt der Wechsel gem. § 2 IV WG an dem Ort ausgestellt, der bei dem Namen des Ausstellers angegeben
11
Fischer
1338
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
ist. Die Angabe des Zahlungsorts ist ebenfalls unentbehrlich (Art. 1 Nr. 5 und 75 Nr. 4 WG). Jedoch gilt nach § 2 III WG, wenn andere Angaben fehlen, der beim Namen des Bezogenen angegebene Ort als Zahlungsort. Fehlt jedoch auch dort eine Ortsangabe, ist der Wechsel nichtig (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 1 WG Rn. 15). Unentbehrlich ist letztlich die Unterschrift des Ausstellers. Gemeint ist damit die eigenhändige Unterschrift gem. § 126 BGB. Ausreichend ist die Unterschrift mit dem Familiennamen ohne Hinzufügung des Vornamens. Die Unterschrift muss, da sie sie Wechselerklärung des Ausstellers abdeckt, auf der Vorderseite des Wechsels unterhalb des Wechseltextes stehen (BGHZ 113, 48 (51 f.); Schimansky/Bunte/Lwoski-Peters, § 64 Rn. 12). 12
3. Die nichtkonstitutiven Bestandteile des Wechsels. Obwohl nach § 1 Nr. 4, 75 Nr. 3 WG die Angabe der Verfallzeit, d. h. der Tag, an dem die Wechselsumme gezahlt werden soll, ein wesentlicher Bestandteil des Wechsels ist, handelt es sich hierbei nicht um eine Gültigkeitsvoraussetzung. Fehlt die Angabe der Verfallzeit, gilt der Wechsel nach Art. 2 II WG als Sichtwechsel und ist somit bei Vorlegung fällig (Art. 34 WG). Wird jedoch als Verfalltag eine unmögliche, z. B. 30. Februar 2005, oder unzulässige Angabe gemacht, z. B. aus dem Wechsel nicht eindeutig feststellbare Daten wie „ein Tag nach meinem Tod“ oder „einen Tag nach der Kündigung“, ist der Wechsel nichtig. Nach Art. 11 II WG ist der Aussteller berechtigt, durch eine sog. Rektaklausel ein Indossierungsverbot auf dem Wechsel zu vermerken, z. B. „nicht an Order“ „Indossierung verboten“ oder „nur zahlbar an Herrn X“. Hierdurch wird der Wechsel zum Rektapapier; die Übertragung durch Indossament ist ausgeschlossen. Die Rechtsnachfolge hinsichtlich der Wechselforderung bestimmt sich nach allgemeinen Regeln, z. B. können die Rechte aus dem Wechsel nach § 398 BGB übertragen werden. Untersagt ein Indossant die weitere Indossierung eines Wechsels für die Zukunft, haftet er gem. § 15 II WG denen gegenüber nicht, an die der Wechsel verbotswidrig weiter indossiert wird. Durch den sog. Domizilvermerk des Ausstellers wird ein Wechsel nicht beim Bezogenen, sondern bei einem Dritten (Domiziliar) zahlbar gestellt. Der Dritte ist dadurch nicht etwa Wechselschuldner, sondern die Zahlstelle des Bezogenen. Die Benennung des Dritten erfolgt in der Regel aus Praktikabilitätserwägungen, weil z. B. der Wechsel bei der Bank des Bezogenen und nicht bei ihm persönlich bezahlt werden soll (Schimansky/Bunte/Lwoski-Peters, § 64 Rn. 16). Der Vermerk lautet dann beispielsweise: „zahlbar in Koblenz bei der Deutschen Bank AG“. Der Dritte zahlt hier für Rechnung des Bezogenen. Der Erstattungsanspruch des Dritten gegen den Bezogenen richtet sich nicht nach wechselrechtlichen sondern nach zivilrechtlichen Vorschriften, in der Regel nach den Vorschriften des Auftrags oder der Geschäftsbesorgung. Die auf dem Wechsel angebrachte Protestklausel, z. B. „ohne Kosten“ oder ‚ohne Protest’ bewirkt gem. § 4 I WG, dass der Inhaber der Wechselforderung von einem förmlichen Protest als Voraussetzung für den Rückgriff befreit ist. Eine Protestklausel des Ausstellers wirkt gegenüber sämtlichen Wechselschuldnern (Art. 46 III 1 WG), während eine entsprechende Klausel des Indossanten nur diesem gegenüber rechtliche Wirkung hat. Der Protesterlass befreit den Wechselinhaber aber nicht von der Pflicht zur rechtzeitigen Vorlegung des Wechsels (Art. 46 II WG).
13
4. Rechtsfolgen von Formverletzungen. Fehlt einer der in Art. 1 bzw. 75 WG aufgeführten notwendigen Wechselbestandteile, ist der Wechsel ungültig. Wechselmäßige Verpflichtungen des Ausstellers, Akzeptanten, Indossanten usw. bestehen nicht. Der Grundsatz der formellen Wechselstrenge, der die Umlauffähigkeit des Wechsels gewährleisten soll (Brox/Henssler, Rn. 503; Gursky, S. 35), verbietet es, fehlende Formerfordernisse aus dem Parteiwillen oder Umständen außerhalb der Urkunde zu ergänzen (BGHZ 124, 263; BGH WM 1976, 1244 (1245); eine Ausnahme gilt nach OLG Stuttgart WM 2002, 2015,wenn fehlerhaft die Zweigstelle einer Sparkasse im Wechsel als Zahlstelle benannt
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1339
ist; die Erklärung ist dann dahin auszulegen, dass diejenige Sparkasse als Zahlstelle bezeichnet ist, bei der das im Wechsel angegebene Konto des Bezogenen geführt wird). Es besteht lediglich die Möglichkeit, den wegen Formmangels nichtigen Wechsel in ein anderes Rechtsgeschäft umzudeuten (§ 140 BGB). Beim gezogenen Wechsel kommt eine Umdeutung in eine kaufmännische Anweisung (§ 363 I 1 HGB) oder eine bürgerlichrechtliche Anweisung (§ 793 BGB), aber auch in ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§ 780, 781 BGB) in Betracht (BGH WM 1994, 56; BGHZ 124, 268; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 2 WG Rn. 9 ff.; Bülow, WG Art. 2 WG Rn. 7 ff.; Petersen, Jura 2001, 596 ff.; Reinicke, DB 1960, 1028; Hueck/Canaris, § 6 IV 4 a; Baumbach/Hopt, § 363 Rn. 3; a. A. LG Hamburg, WuB I D 4 mit Anm. Pankewitz). Eine derartige Umdeutung führt jedoch nur zu einer Haftung des Akzeptanten als primärem Wechselschuldner. Die Erklärungen der sekundären Wechselschuldner sind auf die Begründung einer bedingten Rückgriffsschuld gerichtet, nämlich für den Fall, dass der Akzeptant nicht zahlt. Die Umdeutung ihrer Erklärungen in abstrakte Schuldversprechen oder eine Schuldmitübernahme scheidet von vornherein aus, weil dann anstelle der Regresshaftung eine primäre Einstandspflicht treten würde. Auch die Umdeutung in eine Bürgschaft wird wegen der Unterschiede zwischen der sekundären Haftung aus einem Wechsel und der subsidiären Haftung aus Interzessionsverträgen allgemein abgelehnt (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 2 WG Rn. 13; Hueck/Canaris, § 6 V 4 a; Bülow, Art. 2 WG Rn. 10, der ausnahmsweise bei einem Protesterlass nach Art. 46 WG eine Umdeutung zulassen will). Bei einem formnichtigen Eigenwechsel (Art. 75 WG) kommt eine Umdeutung in ein abstraktes Schuldversprechen gem. § 780 BGB oder, wenn der Aussteller Kaufmann ist, in einen kaufmännischen Verpflichtungsschein nach § 363 I 2 HGB in Betracht (RGZ 48, 223; 136, 210; BGH WM 1993, 1955 (1957); OLG Hamm ZIP 1982, 48; OLG Zweibrücken OLGR 1998, 248 (250); Nobbe, WM 2000, SB 5, S. 6). III. Rechte und Pflichten aus Wechseln. 1. Die Wechselrechts- und Wechselgeschäftsfähigkeit. Im Wechselrecht gibt es keine besonderen Regeln über die Wechselrechts- und Wechselgeschäftsfähigkeit (mit Ausnahme der Ausländerregelung in Art. 91 WG). Die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten aus Wechseln zu sein, richtet sich daher nach bürgerlichem Recht. Wechselfähig sind somit alle natürlichen und juristischen Personen. Auch nichtrechtsfähige Personengesellschaften können Rechte und Pflichte aus Wechseln eingehen. Dies gilt zunächst für die OHG und die KG (vgl. §§ 124, 161 II HGB). Hinsichtlich der BGB-Gesellschaft war die Rechtslage umstritten. Die früher herrschende Meinung sprach ihr die Wechselrechtsfähigkeit ab (BGHZ 59, 179 (184); 61, 59 (64); Hueck/Canaris, § 6 I 1 b; Zöllner, § 12 I 1 b cc). In einer neueren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof der BGB-Außengesellschaft ausdrücklich als wechselrechtsfähig anerkannt (BGHZ 146, 341 nachdem bereits 1997 die BGB-Gesellschaft als scheckrechtsfähig angesehen wurde; vgl. BGH NJW 1997, 2754). Er hat sich damit einem beträchtlichen Teil der gesellschaftsrechtlichen Literatur angeschlossen (Baumbach/ Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 19; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 4 II; Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, 9. Aufl., Rn. 74 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 II; Erman-Westermann, § 705 Rn. 14 ff.; Soergel-Hadding, § 705 Rn. 3; MK-Ulmer, § 905 Rn. 31 ff.; Schimansky/Bunte/Lwoski-Nobbe, § 60 Rn. 80). Die BGB-Gesellschaft ist somit ebenso wie die OHG wechselrechtsfähig; nicht hiervon erfasst sind die bloßen Innengesellschaften, jedenfalls soweit sie keine Verbandsstruktur aufweisen. Wechselrechtsfähig ist auch der nicht eingetragene Verein (h. M., Palandt-Heinrichs, § 54 Rn. 9; Soergel-Hadding, § 54 Rn. 19; MK-Reuter, § 54 Rn. 18; Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 20; a. A. RGZ 112, 125; zum Streitstand ausführlich: Kempfler, NZG 2002, 411 ff.). Zeichnet ein Vertretungsberechtigter einen Wechsel im Namen eines nicht rechts-
Fischer
14
1340
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
fähigen Vereins, so haftet das Vereinsvermögen als Sondervermögen und der Unterzeichnende nach § 54 S. 2 BGB persönlich. Die Wechselgeschäftsfähigkeit richtet sich nach den allgemeinen Regeln des BGB (§§ 104 ff.). Zu beachten ist aber, dass der nicht voll Geschäftsfähige zur Eingehung einer Wechselverbindlichkeit gem. §§ 1822 Nr. 9, 1643 I BGB die Genehmigung des Familiengerichts benötigt. 15
2. Die Entstehung der Wechselverbindlichkeit. Die Entstehung einer Wechselverbindlichkeit setzt zunächst einen formgültigen Wechsel voraus. Welche zusätzlichen Voraussetzungen erforderlich sind, ist Gegenstand eines „altehrwürdigen Theorienstreits“ (so Hueck/Canaris, § 3 vor I), dem kaum praktische Bedeutung zukommt (vgl. Baumbach/ Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 26). Nach der Kreationstheorie entsteht die Wechselverpflichtung bereits durch die Ausstellung der wechselrechtlichen Erklärung, dem sog. Skripturakt (Unterschrift des Ausstellers, Niederschrift der Annahmeerklärung, Niederschrift des Indossaments; früher h. M. vgl. RGZ 9, 56 (59); 24, 87 (90); 77, 139 (140 f.); heute noch vertreten von Ulmer, FS Raiser, 1974, S. 233 und Huber, FS Flume 1978, S. 99; wie sich aus § 794 I BGB ergibt, sind auch die Verfasser des BGB von der Kreationstheorie ausgegangen, vgl. Mugdan, S. 695). Gegen die Kreationstheorie werden zahlreiche dogmatische und praktische Einwände erhoben. In dogmatischer Hinsicht wird insbesondere geltend gemacht, dass der Aussteller eines Wechsels diesen nach der Unterzeichnung noch zurückhalten könne (Art. 29 I WG) und sich daher nicht schon durch die Unterschrift wirksam binde. Die praktische Schwäche der Theorie liege insbesondere darin, dass sie die Problematik des Einwendungsausschlusses nicht lösen könne, weil auch der Bösgläubige, z. B. ein Dieb, das Recht aus dem Wechsel erwerbe, wenn ein wirksamer Kreationsakt vorliegt.
16
Die heute nahezu allgemeine Ansicht vertritt die um die Rechtsscheinslehre ergänzte Vertragstheorie (BGH WM 1968, 651 (654); WM 1973, 66; WM 1975, 1002; WM 1987, 1073; Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 27 ff.; Schimansky/Bunte/LwoskiPeters, § 64 Rn. 23; Bülow, Einl. WG Rn. 7; Hueck/Canaris, § 3 I und II; Zöllner, § 6 VI; Brox/Henssler, Rn. 538; Gursky, S. 44 ff.; begründet wurde diese Theorie von Jacobi, Die Wertpapiere im bürgerlichen Recht, 2. Aufl. (1917), S. 117 ff. und 158). Danach ist zur Begründung einer wechselmäßigen Verpflichtung grundsätzlich ein Begebungsvertrag erforderlich, z. B. zwischen Wechselinhaber und Bezogenem, Aussteller und erstem Nehmer, Indossant und Indossatar, verbunden mit einem Vollzugsmoment, nämlich der Übergabe des Wechsels oder einem Übergabesurrogat. Zur Begründung wird zunächst auf § 311 I BGB verwiesen. Danach wird in der Regel eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung durch Vertrag begründet. Weiterhin lässt sich mit der Vertragstheorie die Möglichkeit des Widerrufs der Annahme nach Art. 29 II WG vor Rückgabe des Wechsels zwanglos erklären. Aus Gründen des Verkehrsschutzes kann sich jedoch derjenige, der durch die Unterzeichnung der Wechselurkunde in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer wirksamen Wechselverpflichtung geschaffen hat, einem späteren redlichen Erwerber gegenüber nicht auf eine Unwirksamkeit des Begebungsvertrags mit seinem unmittelbaren Wechselnehmer berufen. Der Rechtsgrund für diese Haftung folgt aus dem durch die Ausstellung des umlauffähigen Wechsels geschaffenen Vertrauenstatbestand. Es muss jedoch eine zurechenbare Veranlassung eines Rechtsscheins vorliegen (Baumbach/Hefermehl, Einl. WG Rn. 30). Im Verhältnis zum unmittelbaren Nehmer bestimmt sich jedoch die Haftung des Wechselgebers allein nach dem Inhalt des Begebungsvertrags.
17
3. Der Blankowechsel. Eine Wechselverbindlichkeit besteht nur, wenn ein Wechsel den konstitutiven Formerfordernissen des Wechsels entspricht. Ausnahmsweise kann eine Wechselverbindlichkeit entstehen, wenn jemand einen unvollständig ausgefüllten Wechsel begibt und vereinbart wird, dass er zu einem vollständigen Wechsel ergänzt werden
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1341
darf; eine derartige Ergänzungsvereinbarung ist rechtlich zulässig; dies ergibt sich aus Art. 10 WG dessen Regelungsinhalt die rechtliche Möglichkeit der Begebung eines noch zu vervollständigenden Wechsels als selbstverständlich voraussetzt. Diesen Wechsel bezeichnet man als Blankowechsel oder Wechselblankett. Der Grad der Unvollständigkeit ist unerheblich; es genügt die Unterschrift des Ausstellers, Akzeptanten oder Indossanten (Brox, Rn. 518). Die Unvollständigkeit des Wechsels muss jedoch gewollt sein und darf nicht auf einem Versehen beruhen (sog. Scheinblankett); ein versehentlich unvollständig ausgefüllter Wechsel ist ein nach Art. 2 I WG nichtiger Wechsel (BGH WM 1973, 66; WM 1974, 558 (559); Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 10 WG Rn. 2; Bülow, § 10 WG Rn. 1). Da der unvollständige Wechsel den Rechtsschein eines Blankowechsels begründen kann, kommt jedoch eine wechselmäßige Haftung aus Rechtsscheingrundsätzen in Betracht (BGH NJW 1973, 283; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 10 WG Rn. 17). In der Praxis sind Blankowechsel nicht selten; meistens wird die Wechselsumme offen gelassen, weil z. B. die Forderung des Nehmers gegen den Aussteller noch nicht bekannt ist, aber bereits eine wechselmäßige Sicherung geschaffen werden soll; auch stellen Kreditinstitute Kunden Bankakzepte zur Verfügung, in die die Kunden nach Bedarf in einem bestimmten, festgelegten Rahmen die Höhe der Wechselsumme einsetzen dürfen. Ein wechselmäßiger Anspruch entsteht jedoch erst mit der abredegemäßen Vervollständigung des Blanketts und zwar mit Rückwirkung für alle, die schon vorher unterschrieben haben (BGHZ 53, 15). Die Ausfüllungsbefugnis ist grundsätzlich unwiderruflich (BGHZ 54, 1 (5); BGH NJW 1969, 2050; WM 1992, 507 = NJW 1992, 1853; Nobbe, WM 2000, SB 5, S. 8) und kann zusammen mit dem unvollständig ausgefüllten Wechsel auf einen Dritten übertragen werden (RGZ 108, 389; 142, 308; BGH NJW 1969, 2050 (2051)). Wird ein unvollständig ausgefüllter Wechsel weitergegeben, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass damit auch das Ausfüllungsrecht übertragen wurde (BGH NJW 1969, 2050 (2051); LG Oldenburg NJW-RR 1990, 181). Wird ein abredewidrig ausgefülltes Blankett an einen Dritten weiter übertragen, erlangt ein gutgläubiger Wechselerwerber die sich aus dem abredewidrig ausgefüllten Wechsel ergebenden Ansprüche. Nach Art. 10 WG kann nämlich dem Erwerber des Wechsels die Nichteinhaltung der Ausfüllungsvereinbarung nur entgegengehalten werden, wenn er beim Erwerb des Wechsels die abredewidrige Ausfüllung kannte oder grob fahrlässig gehandelt hat, d.h. die abredewidrige Ausfüllung unschwer hätte erkennen können. Art. 10 WG ist entsprechend anwendbar, wenn der Blankettnehmer den unvollständig ausgefüllten Wechsel zusammen mit dem Ausfüllungsrecht überträgt und dem Erwerber unzutreffende Angaben über den Umfang der Ausfüllungsermächtigung macht. Ergänzt der Erwerber entsprechend diesen Angaben den Wechsel, stehen ihm die aus dem vervollständigten Wechsel sich ergebenden Ansprüche zu (BGHZ 54, 1; OLG Hamm NJW-RR 1995, 1134; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 10 WG Rn. 17; der gute Glaube des Erwerbers hinsichtlich des Umfangs der Ausfüllungsermächtigung muss nur im Zeitpunkt des Blanketterwerbs vorliegen und nicht im Zeitpunkt der späteren Ausfüllung). 4. Die Wechselverpflichtungen. a) des Bezogenen (Akzeptanten). Mit der Annahme wird der Bezogene zum Hauptschuldner des Wechsels. Zur Begründung dieser Primärverpflichtung des Akzeptanten ist neben dem Skripturakt ein Begebungsvertrag zwischen dem Akzeptanten und dem Inhaber des Wechsels erforderlich (BGH WM 1975, 1002; der Begebungsvertrag ist hier jedoch lediglich auf die Einräumung einer Forderung gerichtet, da der Bezogene grundsätzlich nicht Eigentümer des Wechsels ist; vgl. Zöllner, § 13 I 2). In der Praxis legt in der Regel der auf Kredit angewiesene Akzeptant den angenommenen Wechsel seinem Geschäftspartner vor, der ihn als Aussteller unterzeichnet und bei seiner Bank diskontiert (Grunsky, S. 62). Für die Wirksamkeit des Wechsels ist das Akzept nicht
Fischer
18
1342
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
erforderlich. So lange der im Wechsel bezeichnete Bezogene den Wechsel nicht angenommen hat, ist jeder Wechselinhaber berechtigt, den Wechsel dem Bezogenen zur Annahme vorzulegen (Art. 21 WG), um ihn zur Annahme zu veranlassen und dadurch einen zusätzlichen Wechselschuldner zu erhalten. Wird die Annahme verweigert, kann der Wechselinhaber dies durch öffentliche Urkunde feststellen lassen (Protest mangels Annahme gem. § 44 I WG) und sofort, bereits vor Verfall des Wechsels, gegen die Vormänner Rückgriff nehmen (Art. 43 II WG). Der Umlauf von Wechseln, die nicht akzeptiert sind, kommt in der Praxis nur selten vor (Hueck/Canaris, § 7 I vor 1). 19
Zur Annahme des Wechsels (auch eine Annahme, die sich auf einen Teil der Wechselsumme beschränkt, ist zulässig, vgl. Art. 26 I WG) ist die Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels ausreichend (Art. 25 I WG), während bei einer Unterzeichnung auf der Rückseite zur Unterscheidung vom Indossament der Zusatz „angenommen“ oder ein ähnlicher Vermerk erforderlich ist. Bindend wird die Annahmeerklärung erst mit der Rückgabe des Wechsels. Bis zur Rückgabe kann der Bezogene die Annahmeerklärung streichen und damit die Entstehung einer wechselmäßigen Verpflichtung verhindern (Art. 29 I WG). Hat der Bezogene den Wechsel angenommen, ist er verpflichtet, die Wechselsumme bei Verfall zu bezahlen (Art. 28 I WG). Es handelt sich um eine abstrakte Verpflichtung gegenüber dem Aussteller und allen späteren Wechselinhabern. Löst der Akzeptant den Wechsel bei Verfall nicht ein, haftet er gem. Art. 28 II WG auf alles, was ein Rückgriffsverpflichteter nach Art. 48, 49 WG zu zahlen hat (vgl. hierzu Rn. 34 ff.).
20
b) des Ausstellers. Der Aussteller haftet dafür, dass der Wechsel vom Bezogenen angenommen und bei Verfall bezahlt wird (Art. 9 I WG). Er ist Rückgriffsschuldner gegenüber den Wechselnehmern. Jedoch müssen, da der Aussteller nicht der primäre Wechselschuldner ist, die Voraussetzungen für den sog. Rückgriff vorliegen (Art. 43 ff.; vgl. hierzu Rn. 34 ff.). Mit der sog. Angstklausel kann der Aussteller durch einen Vermerk auf dem Wechsel z. B. „ohne Obligo“ oder „ohne Gewähr“ die Haftung für die Annahme ausschließen. Dagegen kann der Aussteller die Haftung für die Zahlung des Wechsels nicht ausschließen (Art. 9 WG). Schließt ein Aussteller die Haftung für die Annahme aus, hat dies lediglich zur Folge, dass ein Protest vor Verfall nach Art. 43 II Nr. 1 WG nicht eröffnet ist. Der Protest nach Verfall gem. Art. 43 I WG bleibt unberührt (Bülow, Art. 9 WG Rn. 10). Mehrere Aussteller haften als Gesamtschuldner (Art. 47 I WG). Beim eigenen Wechsel (Solawechsel) haftet der Aussteller in gleicher Weise wie der Akzeptant beim gezogenen Wechsel (Art. 78 I WG).
21
c) des Indossanten. Nach Art. 15 I WG haftet jeder Indossant seinen sämtlichen Nachfolgern in der Indossamentenkette für die Annahme und Zahlung des Wechsels. Er ist jedoch ebenso wenig wie der Aussteller primärer Wechselschuldner; seine Einstandspflicht besteht nur im Rahmen des Rückgriffs. Der Indossant kann jedoch durch eine entsprechende Erklärung auf dem Wechsel seine Haftung für Annahme und Zahlung ausschließen (da dadurch der Indossant zum Ausdruck bringt, dass er kein Vertrauen in den Wechsel hat, beeinträchtigt ein solcher Haftungsausschluss die Bonität und damit die Umlauffähigkeit des Wechsels erheblich). Er kann seine Haftung auch auf einen Teil der Wechselsumme beschränken (Bülow, Art. 15 Rn. 15). Ferner hat der Indossant gem. Art. 15 II WG die Möglichkeit, die Weiterindossierung des Wechsels zu untersagen. Das Indossierungsverbot hat aber nicht zur Folge, dass der Wechsel nicht weiter übertragen werden kann. Rechtsfolge ist vielmehr lediglich, dass der Indossant nur gegenüber seinem unmittelbaren Nachfolger aus dem Wechsel haftet, nicht aber gegenüber denjenigen, an die der Wechsel weiter indossiert wird. Aufgrund der Selbstständigkeit der Wechselverpflichtungen (Art. 7 WG) besteht die Haftung eines Indossanten auch dann, wenn andere Erklärungen auf dem Wechsel ungültig sind. Wer sich somit durch seine Unterschrift auf
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1343
einem Wechsel verpflichtet, trägt die Gefahr der Ungültigkeit vorgehender Wechselunterschriften und kann daher unverschuldet großen Schaden erleiden (Baumbach/Hefermehl/ Casper, Art. 7 WG Rn. 1). Da die Übertragung einer Wechselforderung stets einen wirksamen Begebungsvertrag voraussetzt, wird auch die Haftung des Indossanten nicht allein durch den Skripturakt in Form des Indossaments begründet, sondern erfordert zusätzlich eine auf Übereignung des Wechsels gerichtete Vereinbarung (h. M. vgl. RGZ 117, 69 (71); BGH NJW 1958, 302; Gursky, S. 66). Ist diese Vereinbarung unwirksam, kann jedoch eine Haftung nach Rechtsscheinsgrundsätzen gegenüber gutgläubigen Nacherwerbern bestehen (hierzu Rn. 21, 27 f.). 5. Die Übertragung der Rechte aus Wechseln. Es gibt zwei rechtliche Möglichkeiten, die Rechte aus einem Wechsel zu übertragen: (1) durch Zession nach bürgerlichem Recht (§ 398 S. 1 BGB) oder (2) durch Indossierung (Art. 11 I WG).
22
a) durch Zession. Die Übertragung der Rechte aus einem Wechsel durch Zession setzt gem. § 398 S. 1 BGB einen Abtretungsvertrag voraus, der formlos gültig ist und keinen Vermerk auf der Wechselurkunde erfordert. Nach herrschender Ansicht ist in Analogie zu § 792 III 3 BGB die Übergabe der Wechselurkunde bzw. ein Übergabesurrogat erforderlich (RGZ 160, 338 (341); BGH NJW 1958, 302; BGHZ 104, 145 (149 f.); BGH WM 1970, 246; Hueck/Canaris, § 8 I 1 a). Ausschließlich durch Zession können die Rechte aus Wechseln übertragen werden, die eine negative Orderklausel enthalten (bei denen der Aussteller somit die Übertragung mittels Indossaments ausgeschlossen hat), da diese Wechsel Rektapapiere sind (Art. 11 II WG). Auch Forderungen aus präjudizierten Wechseln können nur nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts übertragen werden (Art. 20 I 2 WG); diese Rechte können ohne Übertragung der Urkunde abgetreten werden, da hier ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich ist (vgl. BGHZ 104, 145 (150)). b) durch Indossierung. Die Übertragung der Rechte aus einem Wechsel durch Übereignung des mit einem Indossament versehenen Wechsels ist die für den Wechsel als Orderpapier charakteristische und in der Praxis übliche Übertragungsform. Die Übertragung erfordert neben dem schriftlichen Indossament einen formlosen, auf die Übereignung des Wechsels gerichteten Begebungsvertrag (h. M. BGH NJW 1958, 302 (303); RGZ 117, 69 (71); Hueck/Canaris, § 8 IV 2 a; a. A. Zöllner, § 14 I 1 b und Bülow, Art. 11 WG Rn. 2). Nach Art. 13 I WG muss das Indossament vom Indossanten unterzeichnet sein. Es muss auf den Wechsel oder ein mit ihm verbundenes Blatt (sog. Anhang) gesetzt werden. Normalerweise erfolgt das Indossament auf der Rückseite des Wechsels. Üblich sind folgende Formeln: „an Herrn X“ oder „für mich an Herrn X“ oder „für mich an Order des Herrn X“. Eine Datumsangabe ist im Gegensatz zu der Regelung für die Ausstellung (Art. 1 Nr. 7 WG) nicht erforderlich. Durch das Indossament wird der Bezogene angewiesen, die Zahlung an den Indossatar zu leisten. Es muss unbedingt sein und die gesamte Wechselsumme umfassen (Art. 12 I und II WG).
23
Das Indossament hat drei Funktionen: (1) die Legitimationsfunktion, (2) die Transportfunktion und (3) die Garantiefunktion. Nach Art. 16 I 1 WG gilt als rechtmäßiger Inhaber des Wechsels, wer den Wechsel in Händen hält und sein Recht durch eine ununterbrochene Kette von Indossamenten nachweisen kann. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, besteht eine widerlegbare Rechtsvermutung für die materielle Berechtigung des Wechselinhabers. Der Wechselschuldner, der die materielle Berechtigung bestreitet, ist somit hierfür beweispflichtig (BGH WM 1978, 1391; WM 1986, 810). Für die Übertragung der Rechte an einem Wechsel sind die Übereignung der Urkunde und ein Indossament erforderlich (Art. 14 I WG; die Formulierung in Art. 14 I WG ist ungenau. Das Indossament als Skriptur überträgt die Wechselrechte allein nicht; hinzukommen muss die
24
Fischer
1344
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Übereignung des Wechsels, vgl. Müller-Christmann/Schnauder, Rn. 139; Brox, Rn. 537). Die Transportfunktion betrifft jedoch nicht nur die Übertragung der Wechselforderung im Normalfall; ihr kommt vielmehr besondere Bedeutung für den gutgläubigen Erwerb zu, wenn der Veräußerer nicht Eigentümer des Wechsels oder Inhaber der Wechselforderung ist oder der Wechselforderung Einreden entgegenstehen (Müller-Christmann/Schnauder, Rn. 139). Dies folgt aus Art. 16 II WG; nach dieser Vorschrift ist ein gutgläubiger Erwerb auch dann möglich, wenn der Wechsel „einem früheren Inhaber irgendwie abhanden gekommen ist“. Dabei wird nicht nur der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers geschützt, sondern auch an die Verfügungsbefugnis (BGH NJW 1951, 402); jedoch ist ein gutgläubiger Erwerb einer Wechselforderung in der Insolvenz vom Gemeinschuldner wegen des Veräußerungsverbots gem. § 81 I InsO nicht möglich (Bülow, Art. 16 WG Rn. 24). Weiterhin ist Bezugspunkt des guten Glaubens die Vertretungsmacht und die Geschäftsfähigkeit; bei fehlender Geschäftsfähigkeit geht somit die Wechselforderung auf den gutgläubigen Erwerber über, eine wechselrechtliche Sekundärhaftung des Geschäftsunfähigen entsteht jedoch nicht (BGH WM 1968, 4; Bülow, Art. 16 WG Rn. 26; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 16 WG Rn. 17; a. A. Hueck/Canaris, § 8 IV 2 b cc; Gursky, S. 71 f.); daher besteht ein Ausgleichsanspruch des geschäftsunfähigen Indossanten wegen Unwirksamkeit des Begebungsvertrags nach § 812 I 1 BGB trotz Gutgläubigkeit des Erwerbers. Letztlich kann sich der gute Glaube auf die Identität mit dem auf dem Wechsel genannten letzten Namensindossatar beziehen (Gursky, S. 72; Hueck/Canaris, § 8 IV 2 b cc; Zöllner, § 14 VI 1 b cc). Gem. Art. 15 WG übernimmt der Indossant gegenüber allen späteren Wechselnehmern die Haftung für Annahme und Zahlung des Wechsels (Garantiefunktion), wenn er sie nicht durch eine sog. Angstklausel ausgeschlossen hat (vgl. Rn. 20). Die Garantiehaftung ist gesetzliche Folge der Transportwirkung und tritt unabhängig vom Haftungswillen des Indossanten ein (Bülow, Art. 15 WG Rn. 4; Baumbach/ Hefermehl/Casper, Art. 15 WG Rn. 2; Hueck/Canaris, § 8 IV 3 a). 25
Ein besonderes Indossament ist das Blankoindossament, bei dem die namentliche Angabe des Indossatars (Art. 13 II 1 WG) fehlt. Es kann in der bloßen Unterschrift des Indossanten bestehen, aber auch mit einer Skriptur verbunden sein, z. B. „für mich an ungenannten Erwerber“ oder „an Order von … (ohne Angabe eines Namens)“. Liegt ein Blankoindossament vor, ist für die zukünftige Übertragung der wechselrechtlichen Ansprüche ein Indossament nicht mehr erforderlich; es genügt die Übereignung des Wechsels (im Gegensatz zum Blankowechsel ist das Blankoindossament ohne weitere Ergänzung voll gültig). Da der Veräußerer nicht auf dem Wechsel erscheint, unterliegt er nicht der Garantiehaftung. Zudem ist der Weg, den der Wechsel genommen hat, nicht nachvollziehbar, z.B. ob die Diskontierung von einer Bank abgelehnt wurde. Das Blankoindossament ist daher in der Praxis außerordentlich häufig (Hueck/Canaris, § 8 VI 2; Brox, Rn. 542). Nicht der Übertragung des Wechsels dient das vom Geschäftsverkehr entwickelte Garantieindossament, das in der Praxis eine erhebliche Rolle spielt. Es hat die Funktion, die Haftung des Indossanten nach Art. 15 WG zu begründen, um die Bonität des Wechsels zu erhöhen (BGH NJW-RR 2003, 771; Hueck/Canaris, § 8 IV 3 b; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 16 WG Rn. 4 f.; Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II, Rn. 173). Das Garantieindossament hat die Form eines Blankoindossaments, muss, um gültig zu sein, auf die Rückseite des Wechsels oder den Anhang gesetzt werden (Art. 13 II 2 WG) und kann außerhalb der Indossamentenkette stehen, ohne diese zu unterbrechen.
26
6. Einwendungen gegen Wechselansprüche. Wurde ein Wechsel erfüllungshalber (§ 364 II BGB) hingegeben, kann der Gläubiger zunächst nur die Wechselforderung geltend machen. Einer Geltendmachung der Kausalforderung steht der Einwand der Wechselhingabe entgegen (RGZ 153, 179 (182); BGHZ 96, 182 (193) = NJW 1986, 424 (426);
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1345
Hueck/Canaris, § 17 III 1; Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 42 f.; Köhler, WM 1977, 742 (748)). Wird jedoch der fällige Wechsel nicht eingelöst, kann der Gläubiger auf die Grundforderung zurückgreifen, ohne zunächst einen Rechtsstreit um die Einlösung des Wechsels führen zu müssen. Er kann jedoch auch die Ansprüche aus dem Wechsel gerichtlich geltend machen. Mit dieser Klage wird auch die Verjährung der Ansprüche aus dem Grundgeschäft unterbrochen (OLG Köln VersR 2002, 627; Schaaf, NJW 1986, 1029 ff.; Palandt-Heinrichs, § 209 Rn. 13). Ist das Kausalverhältnis unwirksam, kann die erfüllungshalber begründete abstrakte Wechselverbindlichkeit gem. § 812 I 1 1. Alt. vom Ersterwerber kondiziert werden (allg. M., vgl. Gursky, S. 42). Wurde die Wechselunterschrift gefälscht, kann der Namensträger nicht in Anspruch genommen werden (Bülow, Art. 7 WG Rn. 10; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 7 WG Rn. 2). Eine wechselmäßige Haftung besteht auch dann nicht, wenn mit der Begebung ein sittenwidriger Zweck verfolgt wird (Nobbe, WM 2000, SB 5, S. 6), beispielsweise wenn eine Spielbank eine wegen Sittenwidrigkeit nichtige Darlehensforderung durch einen Wechsel absichern lässt (BGH WM 1991, 1946). Wird ein Wechsel auf einen anderen in wechselrechtlicher Form übertragen, muss jedoch zur Gewährleistung des Verkehrsschutzes die Wechselforderung aus ihrem Funktionszusammenhang mit dem Kausalgeschäft gelöst und verselbständigt werden. Art. 16 I WG bestimmt, dass derjenige, der einen formgültigen Wechsel in Händen hat, als rechtmäßiger Inhaber – und damit sachlich Berechtigter – gilt, wenn er sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweist. Damit stellt sich die Frage, welche Einwendungen ein Wechselschuldner geltend machen kann. Der Begriff der Einwendung bezieht sich dabei auf sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten im Prozess. Er betrifft somit nicht nur die Berufung auf Gegennormen, sondern auch das Leugnen von Anspruchsvoraussetzungen und die rechtshemmenden Einwendungen i. S. des BGB (Gursky, S. 78; Schimansky/Bunte/Lwoski-Peters, § 64 Rn. 33; Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II Rn. 185. Nach sachlichen Merkmalen werden die Einwendungen des Wechselschuldners in drei Gruppen eingeteilt: (1) urkundliche Einwendungen, (2) nichturkundliche Gültigkeitseinwendungen und (3) persönliche Einwendungen (vgl. Zöllner, § 21 II 2; Müller-Christmann/Schnauder, Rn. 168 ff.).
27
Urkundliche Einwendungen sind aus dem Inhalt der Urkunde ersichtlich. Sie können jedem Inhaber des Wechsels entgegengesetzt werden und wirken somit absolut. Dazu gehören u. a. – der Einwand des Formmangels (Art. 1 WG), – der Einwand der fehlenden Formallegitimation (Art. 16 I WG), – der Einwand der Verjährung (Art. 70 WG), Nicht urkundliche Gültigkeitseinwendungen sind Einwendungen, die die wechselmäßige Verpflichtung betreffen, aber nicht aus der Urkunde hervorgehen. Diese Gültigkeitseinwendungen sind gegenüber dem Ersterwerber des Wechsels immer erheblich. Gegenüber einem Nacherwerber des Wechsels kommen die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung zum Tragen. Danach sind Gültigkeitseinwendungen gegenüber einem Nacherwerber unerheblich, wenn der Schuldner einen zurechenbaren Rechtsschein gesetzt hat und der Zweiterwerber insoweit gutgläubig war. Kein zurechenbarer Rechtsschein und damit keine wirksame Wechselverpflichtung liegen vor: (1) beim Einwand der Fälschung (Art. 69 WG), (2) beim Einwand der Geschäftsunfähigkeit (§ 105 BGB), (3) beim Einwand fehlender Vertretungsmacht (Art. 8 WG), (4) beim Einwand mangelnder Erklärungshandlung (bei Unterzeichnung des Wechsels durch vis absoluta)
28
Fischer
1346
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Ein zurechenbarer Rechtsschein für eine Haftung ist demgegenüber in folgenden Fällen gesetzt worden: (1) wenn der Wechsel abhanden gekommen ist (Diebstahl des Wechsels nach Unterzeichnung), (2) wenn die Wechselbegebung gegen die guten Sitten verstoßen hat und deshalb nach § 138 I BGB nichtig war, z. B. beim Austausch von Reitwechseln, (3) wenn die Wechselerklärung bezüglich des Skripturakts oder der Wechselbegebung fehlerhaft war, z. B. bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder wenn der Wechsel nur zum Schein begeben wurde (§ 117 BGB) oder die Wechselerklärung nicht ernstlich gemeint war (§ 118 BGB), (4) wenn die Wechselschuld z.B. durch Zahlung erfüllt wurde (Hueck/Canaris, § 9 II 4 c; Zöllner, § 21 IV 1 h ); lässt sich der Bezogene nach Zahlung den quittierten Wechsel nicht aushändigen, entsteht bei Weiterindossierung an einen gutgläubigen Erwerber die Wechselverpflichtung erneut. 29
Persönliche Einwendungen sind Einwendungen des Wechselschuldners, die aus einer rechtlichen Sonderbeziehung resultieren, die zwischen Wechselgläubiger und Wechselschuldner unabhängig von der selbständigen Wechselverpflichtung bestehen (Baumbach/ Hefermehl/Casper, Art. 17 WG Rn. 69 ff.; Müller-Christmann/Schnauder, Rn. 179; Gursky, S. 82). Hierzu zählen: (1) sämtliche Einreden aus dem der Wechselbegebung zugrunde liegenden Kausalverhältnis, z.B. die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB), die Stundungseinrede, die Einrede des Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB), (2) die Einrede der Bereicherung bei Unwirksamkeit des Kausalverhältnisses (§§ 821, 812 BGB), (3) Einwendungen aus einer besonderen Vereinbarungen zwischen Wechselschuldner und Wechselgläubiger, z. B. aus einer Prolongationsvereinbarung, sowie die Einwendung der Unzulässigkeit wechselmäßiger Verpflichtungen zur Finanzierung von Verbraucherkreditgeschäften gem. § 496 Abs. 2 BGB (vgl. hierzu OLG München ZIP 2004, 991; Bülow, Art. 17 WG Rn. 105 ff.). Persönliche Einwendungen können grundsätzlich nur dem Wechselgläubiger entgegengesetzt werden, mit dem die die Einwendung begründende Rechtsbeziehung besteht. Einem anderen Wechselinhaber können sie nach Art 17 WG nur entgegengesetzt werden, wenn er beim Erwerb des Wechsels bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat. Dazu reicht grundsätzlich die Kenntnis vom Bestehen der Einwendung aus. Ist dem Erwerber eines Wechsels die Existenz der Einwendung bekannt, müssen besondere Umstände vorliegen, wenn das Bewusstsein der Schädigung fehlen soll (Zöllner, § 21 V 2 a).
30
7. Die Erfüllung von Wechselverbindlichkeiten. Statt von Fälligkeit des Wechsels spricht das Wechselgesetz vom Verfall des Wechsels. Verfallzeit ist der Tag, an dem die Wechselsumme zu zahlen ist (Fälligkeit). Dies ist bei Tagwechseln der im Wechsel genannte Tag (Art. 33 I WG), bei Sichtwechseln der Tag der Vorlegung (Art. 34 WG); bei Nachsichtwechseln tritt Fälligkeit ein, wenn die von der Vorlegung oder der Ausstellung des Wechsels an bestimmte Frist abgelaufen ist (Art. 35 WG). Ist der Verfallstag ein Sonnabend oder gesetzlicher Feiertag, kann die Zahlung erst am nächsten Werktag verlangt werden (Art. 72 I WG).
31
Der Wechsel muss zur Zahlung vorgelegt werden (Präsentation). Dadurch soll dem Wechselschuldner die Prüfung der Legitimation des Wechselinhabers ermöglicht werden. Die Vorlegung hat frühestens am Zahlungstag und spätestens am zweiten Werktag nach dem Zahlungstag zu erfolgen (Art. 38 I WG). Anstatt den Wechsel bei Verfall dem Bezogenen
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1347
oder Akzeptanten zu präsentieren, kann der Wechselinhaber ihn auch in eine Abrechnungsstelle einliefern (Art. 38 II WG), wenn als Zahlstelle eine Bank bezeichnet ist (hierzu ausführlich Bülow, Art. 38 Rn. 9). Wird die Vorlegungsfrist versäumt, verliert der Wechselinhaber wegen der damit verbundenen Versäumung des Protests seine Rückgriffsansprüche gegen die Vormänner; der Akzeptant bleibt jedoch wechselmäßig verpflichtet (Art. 53 I WG). Zahlt der Bezogene die Wechselsumme rechtzeitig an den Berechtigten, erlischt die Wechselverbindlichkeit und die der Wechselbegebung zugrunde liegende Kausalforderung; der Bezogene kann die Aushändigung des quittierten Wechsels verlangen (Art. 39 I WG). Das Eigentum geht kraft Gesetzes gem. § 952 BGB auf den Bezogenen über. Teilzahlungen darf der Inhaber des Wechsels entgegen § 266 BGB nicht zurückweisen (Art. 39 II WG). Dies liegt im Interesse der Rückgriffsschuldner, die zumindest um den vom Bezogenen gezahlten Teilbetrag entlastet werden. Der Bezogene kann verlangen, dass die Teilzahlung auf dem Wechsel vermerkt und ihm eine Quittung erteilt wird (Art. 39 III WG).
32
Zahlt der Bezogene nach Verfall an einen nicht berechtigten aber formell legitimierten Wechselinhaber, wird er gem. Art 40 III 1 WG von seiner Verbindlichkeit befreit, es sei denn, es fällt ihm Arglist oder grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Nichtberechtigung zur Last. Die Rechtsscheinwirkung der formellen Legitimation kommt somit nicht nur dem Erwerber sondern auch dem Schuldner des Wechsels zugute. Bei der Auslegung der Haftungsmaßstäbe der „Arglist und der groben Fahrlässigkeit“ ist zu berücksichtigen, dass sich ein Wechselschuldner wegen der Rechtsvermutung aus Art. 16 I WG in einer ungünstigen Prozesssituation befindet. Arglistig oder grob fahrlässig i. S. von Art. 40 III WG handelt ein Schuldner noch nicht, wenn er die fehlende Berechtigung des Inhabers kennt, sondern nur, wenn er sie ohne Schwierigkeiten beweisen kann. Der Gutglaubensschutz entfällt somit nur dann, wenn ein Schuldner infolge schwerer Sorgfaltspflichtverletzung die fehlende Berechtigung des Wechselinhabers und die liquide Beweisbarkeit übersehen hat (Brox, Rn. 555; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 40 WG Rn. 6 f.; Hueck/Canaris, § 11 V 2 c; Gursky, S. 85 f.).
33
8. Der Wechselregress. Wird ein Wechsel notleidend, haften hilfsweise anstelle des Bezogenen der Aussteller (Art. 9 WG), die Indossanten (Art. 15 WG) und die Wechselbürgen (Art. 32 I WG). In materieller Hinsicht kommen folgende Fälle des Rückgriffs in Betracht: (1) der Rückgriff mangels Zahlung, wenn der fällige Wechsel nicht bezahlt worden ist (Art. 43 I WG); es handelt sich hierbei um den wichtigsten Fall des Rückgriffs (die beiden folgenden Fälle haben nur eine geringe praktische Bedeutung). (2) der Rückgriff mangels Annahme, wenn der Bezogene die Annahme ganz oder teilweise verweigert, sofern nicht die Vorlegung zur Annahme untersagt war (Art. 43 II Nr. 1 WG) (3) der Rückgriff mangels Sicherheit, wenn beim Bezogenen, oder sofern die Vorlegung zur Annahme des Wechsels untersagt ist, beim Aussteller Vermögensverfall eingetreten ist (Art. 43 II Nr. 2 und 3 WG).
34
Formelle Voraussetzung für den Rückgriff ist die Protesterhebung (eine Ausnahme sieht Art. 44 VI WG für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor; da hier die Zahlungsunfähigkeit bereits mit der Eröffnung des Verfahrens gesetzmäßig festgestellt ist, sind die Protesterhebung und auch die Vorlegung des Wechsels zur Zahlung entbehrlich). Gem. Art 44 I WG muss nämlich „die Verweigerung der Annahme oder der Zahlung durch eine öffentliche Urkunde (Protest mangels Annahme oder mangels Zahlung) festgestellt werden“. Protest ist somit die über die Verweigerung der Annahme oder der Zahlung aufge-
Fischer
1348
35
36
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
nommene öffentliche Urkunde (Protesturkunde, vgl. Richardi, § 21 III 1). Unter Protest versteht man darüber hinaus die amtliche Feststellung des wechselrechtlich erheblichen Tatbestands, also die Beurkundung des Protestakts; dies ist ausführlich in Art. 79 ff. WG geregelt. Von der Protesterhebung mangels Zahlung oder Annahme muss der Wechselinhaber seinen unmittelbaren Vormann und auch den Aussteller innerhalb von vier Tagen benachrichtigen (Notifikation: Art. 45 I WG). Die Frist ist eingehalten, wenn das Benachrichtigungsschreiben rechtzeitig zur Post gegeben worden ist. Da der Wechselinhaber für die Einhaltung der Frist beweispflichtig ist (Art. 45 V 1 WG), empfiehlt sich die Verwendung eines eingeschriebenen Briefs. Wer als Indossant benachrichtigt wurde, hat seinerseits innerhalb von zwei Tagen die Nachricht an seinen unmittelbaren Vormann weiterzugeben (Art. 45 I 2 WG). Zweck der Benachrichtigungen ist es, den Rückgriff anzukündigen, damit jeder Rückgriffsschuldner die Möglichkeit hat, den Wechsel einzulösen. Nach Art. 45 VI WG hat die Versäumung der Frist nicht den Verlust des Rückgriffs zur Folge. Der Säumige macht sich jedoch schadensersatzpflichtig. Der Schaden kann z. B. darin liegen, dass der Anspruch gegen einen Rückgriffsschuldner wegen dessen Insolvenz nicht mehr durchgesetzt werden kann. Sind die materiellen und formellen Voraussetzungen für einen Rückgriff erfüllt, kann der Wechselschuldner nach seiner Wahl den Aussteller, jeden Indossanten und die Wechselbürgen in Anspruch nehmen. Sie haften dem Inhaber als Gesamtschuldner (Art. 47 I WG). Er muss sich somit nicht an seinen unmittelbaren Vormann halten (Reihenregress), sondern kann auch andere Vormänner in Anspruch nehmen (Sprungregress). Nach Art. 48 I WG kann der Wechselinhaber im Wege des Rückgriffs verlangen (1) die Wechselsumme mit etwa bedungenen Zinsen, (2) Wechselzinsen seit dem Verfalltag in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB, mindestens aber 6 %, (3) die Protestkosten und Auslagen (z. B. Porto), (4) eine Provision von 1/3 % der Wechselsumme. Der Rückgriffsschuldner, der den Wechsel eingelöst hat, kann seinerseits gegen jeden Vormann vorgehen (Art. 47 III WG, sog. Einlösungsrückgriff oder Rembours-Regress). Nach Art. 50 I WG kann jeder Rückgriffsschuldner, auch wenn er nicht in Anspruch genommen worden ist, den Wechsel einlösen. Hierdurch hat er die Möglichkeit, das Anwachsen der Regresssumme zu vermeiden, die sich durch jeden Rücktritt aufgrund der Regelungen in Art. 48, 49 WG erhöht. Der außerhalb der Indossamentenkette stehende Garantieindossant (zum Begriff vgl. Rn. 25) hat nach der Rechtsprechung keine Rückgriffsansprüche gegen diejenigen, die den Wechsel vor ihm gezeichnet haben (BGHZ 13, 87 ff.; 45, 210 (211) f.; BGH WM 1998, 1277 (1278); offengelassen von BGH ZIP 2003, 717; ebenso Bülow, Art. 15 WG Rn. 13; Zöllner, § 17 III 2 c). In der Literatur werden demgegenüber Rückgriffsansprüche des Garantieindossanten mit der Begründung bejaht, es bestehe kein Grund, den Garantieindossanten schlechter zu stellen als den Wechselbürgen, dem gemäß Art. 32 III WG Rückgriffsansprüche zustehen (Hefermehl, FS Wahl, S. 355, 366 ff.; Baumbach/ Hefermehl/Casper, Art. 15 WG Rn. 9; Hueck/Canaris, § 8 IV 3 b; Reinicke/Tiedke, WM 1998, 2173 (2175)). Das Garantieindossament steht jedoch außerhalb der Indossamentenkette. Der Garantieindossant war nicht Inhaber der Wechselrechte; er ist daher nicht Vormann i. S. von Art. 49 WG. Infolgedessen müssen sich die übrigen Wechselschuldner nicht auf dessen Gläubigerstellung im Rückgriff einstellen (so zutr. Bülow, Art. 15 WG Rn. 13). Der Garantieindossant kann daher nur zivilrechtliche Ansprüche z. B. aus Bereicherungsrecht oder § 670 BGB geltend machen.
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1349
Die Verjährung der wechselrechtlichen Ansprüche ist in Art. 70 WG geregelt. Nach Art. 70 I WG verjähren die Ansprüche gegen den Akzeptanten in drei Jahren. Verjährungsbeginn ist der Verfallstag. Die Verjährungsfristen für die Rückgriffsansprüche sind kürzer. Das Gesetz differenziert hier zwischen dem Erstrückgriff und dem Einlösungsrückgriff. Der Anspruch beim Erstrückgriff verjährt in einem Jahr. Verjährungsbeginn ist der Tag der Protesterhebung, bei Protesterlass der Verfallstag (Art. 70 II WG). Der Anspruch beim Einlösungsrückgriff verjährt in sechs Monaten von dem Tag an, an dem der Indossant den Wechsel eingelöst hat oder an dem der Wechselanspruch ihm gegenüber gerichtlich geltend gemacht worden ist (Art. 70 III WG). Ist der Wechselanspruch verjährt oder durch Präjudizierung erloschen, steht dem Wechselinhaber gegen den Akzeptanten und Aussteller der wechselrechtliche Bereicherungsanspruch gem. Art. 89 I WG zu (Ansprüche gegen Indossanten sind gem. Art. 89 II WG ausgeschlossen). Der Anspruch ist ein Ersatz für das verlorene Recht am Papier. Der Wechselinhaber, der seinen Wechselanspruch eingebüsst hat, kann diesen wechselmäßigen Schaden (der Begriff ist nicht im Sinne des Schadensrechts zu verstehen, sondern umschreibt den Tatbestand des Rechtsverlusts) gegen den Akzeptanten und Aussteller geltend machen, soweit diese hierdurch bereichert sind. Dabei ist darauf abzustellen, ob die beim Akzeptanten oder Aussteller eingetretene Vermögensmehrung ihnen aufgrund der der Wechselbegebung zugrunde liegenden Kausalverhältnisse nicht gebührt (Bülow, WM 1990, 2102; Art. 89 WG Rn. 6; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 89 WG Rn. 3; Canaris, WM 1977, 40; beim Warenwechsel ist der Akzeptant als Käufer und Kaufpreisschuldner grundsätzlich bereichert).
37
IV. Das Wechselinkasso. Beim Einzugsgeschäft (Wechselinkasso) beauftragt der Inhaber des Wechsels eine Bank damit, den Wechsel am Verfallstag dem Bezogenen vorzulegen und bei Nichtzahlung zu protestieren. Der Einzug erfolgt im eigenen Namen der Bank, aber für Rechnung des Wechselinhabers. Der Wechsel wird zum Zwecke der Einziehung mit einem Vollindossament versehen. Dieses Indossament hat jedoch nicht die Traditionswirkung des Art. 14 WG; die Bank wird vielmehr nach dem Willen der Parteien nur zur Geltendmachung der Rechte aus dem Wechsel im eigenen Namen, aber für Rechnung des Einreichers ermächtigt. Der Einreicher bleibt Wechselgläubiger und damit Eigentümer der Urkunde (Bülow, Art. 11 Rn. 16). Der Wechselschuldner kann daher nur Einwendungen erheben, die ihm gegen den Kunden der Bank zustehen, nicht aber Einwendungen gegenüber der Bank (BGHZ 5, 285, 292 für Schecks). Die Bank kann die Wechselrechte durch Vollmachts-Inkasso-Indossament (Art. 18 I WG) auf Dritte zum Zwecke der Einziehung übertragen. Der Inkassoauftrag muss der Bank rechtzeitig erteilt werden; im Zeitpunkt des Eingangs bei der Bank muss die Laufzeit des Wechsels noch mindestens zwölf Tage betragen. Bei Wechseln mit kürzerer Laufzeit oder bei einem Wechsel auf einen ausländischen Bankplatz muss der Einreicher der Bank die ausdrückliche Weisung erteilen, dass der Einzug des Wechsels durch Anwendung von Eilmitteln zu beschleunigen ist (Nr. 11 III AGB-Banken). Wenn dieser Hinweis unterbleibt, hat die Bank Eilmittel zur rechtzeitigen Vorlegung des Wechsels einzusetzen, wenn ihr die kurze Restlaufzeit bekannt ist (bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht macht sich die Bank aus positiver Forderungsverletzung schadensersatzpflichtig; jedoch ist regelmäßig von einem Mitverschulden des Einreichers gem. § 254 BGB auszugehen).
38
Der Inkassoauftrag verpflichtet die Bank nicht, die Einziehung des Wechsels selbst zu betreiben. Sie kann sich anderer Kreditinstitute bedienen, insbesondere den Wechsel an eine Bank weitergeben, zu der der Akzeptant eine Geschäftsbeziehung unterhält. Das Wechselinkasso der Kreditinstitute untereinander richtet sich nach dem Wechselabkommen der Kreditinstitute der Spitzenwirtschaft vom 1. Oktober 1997, das zum 1. Januar 2002 aktualisiert wurde (Text abgedruckt bei Baumbach/Hefermehl/Casper unter Bank-
39
Fischer
1350
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
bedingungen 11). Das Wechselabkommen begründet Rechte und Pflichten nur zwischen verbandsangehörigen Kreditinstituten. Die Deutsche Bundesbank ist dem Wechselabkommen beigetreten, soweit es den Wechseleinzug betrifft. 40
V. Der Wechselanspruch im Prozess. Der Wechselinhaber kann die wechselrechtlichen Ansprüche im Wechselprozess geltend machen. Es handelt sich um eine Unterart des Urkundenprozesses (§§ 592 ff. ZPO). Für den Wechselprozess gelten daher die Vorschriften über den Urkundenprozess mit einigen Abweichungen, die sich aus §§ 603 bis 605 ZPO ergeben. Sinn des Wechselprozesses ist es, das Verfahren zu beschleunigen. Der Wechselinhaber soll gegenüber dem ordentlichen Verfahren schneller seinen Vollstreckungstitel erhalten (Zöller-Greger, vor § 592 Rn. 1; Teske, JZ 1995, 472). Hierzu wird der Prozess in zwei Verfahrensabschnitte aufgeteilt, nämlich den eigentlichen Wechselprozess (das sog. Vorverfahren) und das Nachverfahren, in dem nach den Regeln des ordentlichen Prozesses die endgültige Entscheidung getroffen wird.
41
Die Beschleunigung des Wechselprozesses wird zunächst dadurch erreicht, dass Beweis nur durch Vorlage von Urkunden und Antrag auf Parteivernehmung angetreten werden kann (sog. liquide Beweismittel; vgl. §§ 595 II, 598 ZPO; unzulässig ist also ein Beweis z. B. durch Zeugen oder Sachverständige). Darüber hinaus sind Widerklagen nicht statthaft und die Ladungsfrist auf 24 Stunden bzw. 3 Tage verkürzt (§ 602 ZPO). Die Erhebung einer Wechselklage erfordert in der Klageschrift die Erklärung, dass im Wechselprozess geklagt wird (z. B. durch die Bezeichnung der Klage als „Wechselklage“, § 604 ZPO). Fehlt diese Erklärung, ist die Klage im ordentlichen Verfahren erhoben (ein Übergang zur Wechselklage ist nach Rechtshängigkeit nur unter den Voraussetzungen des § 263 ZPO (Klageänderung) möglich, d. h. wenn der Beklagte zustimmt oder das Gericht die Sachdienlichkeit bejaht; vgl. BGHZ 69, 66). Weiterhin müssen sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können (§ 592 S. 1 ZPO). Fehlt es an dieser Voraussetzung, ist gem. § 597 II ZPO die Klage „als in der gewählten Prozessart unstatthaft“, d. h. als unzulässig abzuweisen. Jedoch bedürfen Tatsachen, die unstreitig, zugestanden oder offenkundig sind, auch im Urkundenprozess keines Beweises durch Urkunden (h. M. vgl. RGZ 102, 303 (306); BGHZ 62, 286; SteinJonas-Schlosser, § 593 Rn. 4; Baumbach/Hefermehl/Casper, Einl. WG Rn. 101; ZöllerGreger, § 592 Rn. 11; BL-Hartmann, § 592 Rn. 9; a. A. OLG Jena MDR 1997, 975, MKBraun, § 592 Rn. 14). Wenn der beklagte Wechselschuldner im Vorverfahren dem geltend gemachten Anspruch widersprochen hat, sein Verteidigungsvorbringen jedoch nicht mit den eingeschränkten Beweismitteln des Wechselprozesses unter Beweis stellen konnte, wird der Rechtsstreit nach Erlass des Vorbehaltsurteils gem. § 600 I ZPO im sog. Nachverfahren fortgesetzt. In diesem Verfahren kann der Wechselschuldner neue Einwendungen erheben und mittels aller im ordentlichen Verfahren zulässigen Beweismittel gegen den im Vorverfahren titulierten Anspruch vorgehen. Jedoch ist die Beweislast im Nachverfahren für den Beklagten als Wechselschuldner ungünstig; wegen der abstrakten Natur der Wechselforderung hat der Beklagte zu beweisen, dass das Kausalgeschäft nicht besteht und daher der Hingabe des Wechsels keine Verpflichtung zur Zahlung der Wechselsumme zugrunde liegt (BGHZ 125, 251 (255); BGH WM 1975, 10; WM 1988, 1435 (1436); Bülow, Art. 17 WG Rn. 132). Erbringt der Beklagte diesen Beweis, ist das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Dem Beklagten steht ein Schadensersatzanspruch zu, wenn aus dem Vorbehaltsurteil vollstreckt wurde (§§ 600 II, 304 IV ZPO). Erweisen sich jedoch die Einwendungen des Beklagten im Nachverfahren als unbegründet oder nicht erweisbar, ist das Vorbehaltsurteil aufrecht zu erhalten.
42
43
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1351
B. Der Wechselkredit
44
I. Die Finanzierung mittels Wechsel. Das nationale Wechselkreditgeschäft befindet sich im Umbruch. Bis Ende 1998 bestand für Banken die Möglichkeit, sich durch Rediskontierung von Wechseln nach den Maßgaben von § 19 I Nr. 1 BBankG bei der Deutschen Bundesbank rezufinanzieren. Die Anforderungen des Rediskonts legten die Kreditinstitute ihrem eigenen Diskontgeschäft zugrunde (Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II Rn. 199). Durchschnittlich lagen die Diskontsätze der Kreditinstitute 1 % bis 3 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank. Die Refinanzierung von Wechseln zu vorteilhaften Zinskonditionen bei der Deutschen Bundesbank ist seit 1. Januar 1999 entfallen. Die geldpolitische Verantwortung ist von der Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank übergegangen und an die Stelle des Diskontsatzes der Basiszinssatz getreten. Wechsel waren jedoch weiterhin bei der Deutschen Bundesbank refinanzierungsfähig. Mit der Novellierung der AGB Deutsche Bundesbank zum 1. Januar 2007 ist aber auch diese Funktion des Wechsels entfallen. Wechsel werden von der Deutschen Bundesbank nur noch als Auftragspapiere aber nicht mehr als Sicherheiten hereingenommen (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 11 WG Rn. 29). Geschäftsbanken kaufen jedoch weiterhin nicht fällige Wechsel auf eigene Rechnung an. Der Ankauf erfolgt zum Basisgrundsatz (EURO II) zuzüglich eines Zinsaufschlags von 2 % bis 5 % je nach Bonität des Wechseleinreichers und des Wechselausstellers. Die Wechselfinanzierung erfolgt somit jetzt zu Marktkonditionen. Wegen der damit verbundenen Verteuerung des Wechselkredits hat die Wechselfinanzierung erheblich an Bedeutung verloren. Zwischen 1999 und 2006 nahm die Wechselsumme im Bestand inländischer Banken um nahezu 70 % ab (vgl. Deutsche Bundesbank, Bankenstatistik, Juni 2007 S. 6). Das Finanzierungsinstrument des Factoring ist eine Alternative zur Wechselfinanzierung geworden. Das Factoringgeschäft ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Unternehmen seine Forderungen aus Warenlieferungen, Werk- oder Dienstleistungsverträgen auf den Faktor (Kreditinstitut) überträgt, der vor Fälligkeit den Gegenwert vermindert um seine Provision an den Unternehmer auszahlt und die Forderung einzieht. Dem Factoring kommt somit ebenso wie dem Wechselgeschäft Finanzierungsfunktion zu (Reeb, S. 393 ff.). Dennoch ist das Wechselgeschäft weiterhin existent. Nach der Statistik der Deutschen Bundesbank betrug der Wechselbestand inländischer Banken im Jahr 2006 etwa 2,5 Mrd. Euro (vgl. Deutsche Bundesbank, Bankenstatistik, Juni 2007, S. 6). II. Der Diskontkredit. 1. Allgemeine Grundlagen. § 1 I 2 Nr. 3 KWG bezeichnet den Ankauf von Wechsel und Scheck als Diskontgeschäft. Das diskontierende Kreditinstitut erwirbt vom Kunden nicht fällige Wechsel und zahlt ihm den Nennbetrag nach Abzug der Diskontspesen aus. Diese Diskontspesen setzen sich zusammen aus dem auf die Restlaufzeit des Wechsels entfallenden Zinsbetrag (Diskont), einer Provision und den Unkosten der Bank. Das Diskontgeschäft ist wirtschaftlich die Gewährung eines Geldkredits an den Wechseleinreicher, da der Wechsel vor Fälligkeit „zu Geld gemacht wird“ (Baumbach/ Hefermehl/Casper, Art. 11 WG Rn. 27; Reeb, S. 39; Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II Rn. 194; zutreffend wird deshalb von einem „Wechseldiskontkredit“ gesprochen). Das Kreditinstitut kann den Wechsel bis zur Fälligkeit bei der Bundesbank zur Refinanzierung verpfänden oder im Portefeuille behalten. Der Wechselkredit stellt für Banken eine kurzfristige und wegen der wechselmäßigen Haftung mehrerer Personen sichere Anlage dar.
45
2. Vertragliche Strukturen. Dem einzelnen Diskontgeschäft geht üblicherweise der Abschluss eines Diskonteröffnungsvertrags voraus, in dem in Form einer Rahmenvereinbarung die Bedingungen für künftige Wechseldiskontierungen festgelegt werden. Darin
46
Fischer
1352
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
wird normalerweise ein Diskontlimit bestimmt. Es handelt sich hierbei um den Höchstbetrag, bis zu dem der Kunde Wechsel hereingeben darf. Der Diskontvertrag bezüglich der einzelnen Wechsel kommt nicht bereits durch die Entgegennahme des Wechsels samt Antrag am Bankschalter zustande, weil die Bank zunächst die Gültigkeit des Wechsels und die Bonität des Akzeptanten prüfen muss (BGH WM 1984, 1391 (1392); Bülow, Art. 11 WG Rn. 30; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 11 WG Rn. 33). Eine konkludente Annahme liegt jedoch in der Gutschrift des Diskonterlöses. Für gültige und bei der Deutschen Bundesbank refinanzierungsfähige Wechsel besteht innerhalb der Rahmenvereinbarung grundsätzlich eine Diskontpflicht der Bank. 47
48
3. Rechtliche Qualifikation. Die rechtliche Einordnung des Diskontgeschäfts ist umstritten. Die Rechtsprechung (BGHZ 19, 282 (292); BGH WM 1963, 507 (508); WM 1972, 72; 582) und die h. L. (Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 65 Rn. 3; Baumbach-Hopt, BankGesch J 2; Stauder, WM 1968, 562 ff.; Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II Rn. 195) qualifizieren den Diskontvertrag als Kaufvertrag über eine verbriefte Forderung. Begründet wird dies zunächst damit, dass das Diskontgeschäft in § 1 I Nr. 3 KWG als „Ankauf von Wechseln“ definiert war. Zudem lasse sich die Rechtsfolge, dass die Bank bei Wechseln, die nicht auf Euro lauten, das Kursrisiko trage (nahezu allg. Ansicht: vgl. RGZ 142, 23 (28); Stauder, WM 1968, 562 (567); Helm, WM 1967, 310 (313); Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 65 Rn. 11) nur mit der Gefahrtragungsregel des Kaufrechts in § 446 BGB erklären. Letztlich sei es gekünstelt, die Wechselhingabe für die Rückzahlung des Darlehens als eine Leistung erfüllungshalber einzuordnen. Nach einer Mindermeinung handelt es sich bei dem Diskontvertrag um einen Darlehensvertrag über den zur Verfügung gestellten Diskonterlös, wenn ein Rückbelastungsrecht der Bank im Fall der Nichteinlösung des Wechsels durch den Akzeptanten vereinbart wurde (Zöllner, § 11 I 2; Hueck/Canaris, § 17 II 2; Helm, WM 1967, 310 ff. und WM 1968, 930 ff.; Bülow, Art. 11 WG Rn. 25 f.; so jetzt auch Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 11 WG Rn. 31). Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, wegen des Rechts der Bank, den Wechsel rückzubelasten, wenn der Bezogene den Wechsel nicht bezahlt oder Gründe vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass der Wechsel nicht eingelöst wird (zum Rückbelastungsrecht der Banken vgl. Rn. 52), fehle es an der für einen Forderungskauf charakteristischen Endgültigkeit des Leistungsaustauschs. Ist ein Rückbelastungsrecht jedoch nicht vereinbart, wird auch von den Vertretern der Mindermeinung weit überwiegend ein Forderungskauf angenommen (Bülow, Art. 11 WG Rn. 25, vgl. auch Helm, WM 1967, 310 (311 f.), der das Rückbelastungsrecht als entscheidend für die Einordnung des Diskontgeschäfts als Darlehensvertrag ansieht; a. A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1532). Ist ein Rückbelastungsrecht der Bank vereinbart, geht es bei dem Diskontgeschäft im Kern darum, dass die Bank dem Wechseleinreicher Liquidität verschafft, die er bei Uneinbringlichkeit der Wechselforderung zurückzahlen muss. Es ist daher von einem Darlehensgeschäft auszugehen. Die Interessenlage entspricht dem Darlehensvertrag. Es besteht lediglich die Besonderheit, dass die Bank zunächst versuchen muss, Befriedigung aus der Wechselforderung zu erlangen, bevor sie den Rückerstattungsanspruch aus § 488 I 2 BGB geltend machen kann. Dass die Bank beim Diskont von Devisenwechseln das Kursrisiko trägt, resultiert daraus, dass regelmäßig auf Kosten des Einreichers Devisentermingeschäfte zur Kurssicherung abgeschlossen werden. Aus dieser Übung und nicht aus § 446 BGB ergibt sich die Verpflichtung der Bank, bei Devisenwechseln das Kursrisiko zu tragen (Helm, WM 1967 310 (313)). Besteht jedoch ein Rückbelastungsrecht der Bank nicht und muss daher der Einreicher den erhaltenen Diskonterlös auch dann nicht zurückzahlen, wenn die der Bank übertragene Wechselforderung nicht durchsetzbar ist, ist der Diskontvertrag ein Forderungskaufvertrag.
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1353
Die praktische Relevanz des Meinungsstreits ist gering. Nach den Bankbedingungen, die unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Diskontgeschäfts Vertragsinhalt sind, steht der Bank bereits bei der Gefährdung der Nichteinlösung des Wechsels ein Rückbelastungsrecht zu. Die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche haben demgegenüber einen geringeren Anspruchsinhalt. Nach §§ 453 I, 433 I BGB hat der Wechseleinreicher die Wechselforderung der Bank frei von Rechtsmängeln zu verschaffen. Rechtsmängel liegen vor bei Formungültigkeit des Wechsels, bei fehlender Echtheit von Unterschriften sowie bei dem Bestehen von Einwendungen, die nicht durch Art. 17 WG ausgeschlossen sind (Palandt-Putzo, § 453 Rn. 18 und 23). Nach § 433 I, 434 BGB haftet der Einreicher weiterhin dafür, dass die Wechselurkunde nicht mangelhaft ist, z. B. wegen Beschädigung nicht zur Vorlage geeignet ist.
49
4. Rechtsfolgen der Diskontierung. a) Ansprüche des Einreichers. Aufgrund des wirksam abgeschlossenen Diskontvertrags hat der Wechseleinreicher einen Anspruch auf den Diskonterlös durch Gutschrift auf dem Konto oder durch Barauszahlung. Mit einem etwaigen Debet darf die Bank den Diskonterlös nur mit dem Einverständnis des Einreichers verrechnen. Ein Recht der Bank, den Diskonterlös einseitig zur Rückführung bestehender Schulden zu verwenden, würde der Funktion des Diskontgeschäfts zuwiderlaufen, dem Einreicher Liquidität zu beschaffen. Aus demselben Grund hat die Bank an einem zum Diskont eingereichten Wechsel bei Ablehnung der Diskontierung kein Pfandrecht gem. Nr. 14 III AGB-Banken bzw. Nr. 21 II AGB-Sparkassen (BGH WM 1968, 695; WM 1985, 687; Bülow, Art. 11 WG Rn. 34; Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters § 65 Rn. 7). Weiterhin ist die Bank dem Wechseleinreicher gegenüber zur Verwertung des Wechsels verpflichtet. Sie hat den Wechsel rechtzeitig zu präsentieren sowie ordnungsgemäß Protest zu erheben (OLG Stuttgart WM 1994, 423 (424)). Der Einreicher ist nicht berechtigt, den diskontierten, aber noch nicht fälligen Wechsel zurück zufordern. Er ist an den abgeschlossenen Diskontvertrag gebunden (Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 11 WG Rn. 34; Staudinger/Hopt/Mülbert, vor § § 607 ff. Rn. 667; Schimansky/Bunte/LwowskiPeters, § 65 Rn. 10; a. A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1542 – volles Rückrufsrecht – sowie Bülow, Art. 11 WG Rn. 34 – Rückrufsrecht nach Treu und Glauben im Einzelfall –). Möglich ist jedoch eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen Einreicher und Kreditinstitut über den Rückruf. Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung steht der Bank in diesem Fall ein Anspruch auf Provision, Unkosten und Zwischenzins zu. Die Bank ist dem Einreicher gegenüber nicht verpflichtet, ihn über die Vermögensverhältnisse der Wechselbeteiligten, insbesondere des Akzeptanten, zu unterrichten (BGH WM 1987, 678; Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 11 WG Rn. 36; Bülow, WG Rn. 35). Ist ihr jedoch die Zahlungsunfähigkeit des Akzeptanten bekannt, muss sie den Einreicher darauf hinweisen, dass der Wechsel bei Fälligkeit voraussichtlich nicht eingelöst wird. Sie kann auch die Diskontierung ablehnen (BGH WM 1977, 638).
50
b) Ansprüche der Bank. Mit Abschluss des Diskontvertrags erwirbt die Bank neben dem Anspruch auf die Diskontspesen einen Anspruch auf Übertragung der Wechselrechte durch Vollindossament. In der Praxis werden die Wechselrechte bereits mit dem Antrag
51
auf Abschluss des Diskontvertrags auf die Bank übertragen und zwar aufschiebend bedingt für den Fall des Zustandekommens des Diskontvertrags. Die der Wechselbegebung zugrunde liegende Kausalforderung geht nach Nr. 15 II AGB-Banken bzw. Nr. 25 I 2 AGB-Sparkassen auf das Kreditinstitut über und damit gem. § 401 S. 1 BGB gleichzeitig auch die akzessorische Sicherheiten. Wird ein Wechsel nicht eingelöst, kann die diskontgebende Bank im Weg des wechselrechtlichen Rückgriffs gegen den Annehmer und die übrigen Wechselverpflichteten vor-
Fischer
52
1354
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
gehen. Weiterhin besteht das sog. Rückbelastungsrecht der Kreditinstitute. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken ist dieses Rückbelastungsrecht nicht mehr geregelt, wird aber in Nr. 15 I 2 AGB-Banken vorausgesetzt. Das Rückbelastungsrecht ist Gegenstand der Vereinbarungen im Wechseleinreichungsformular sowie im Diskonteröffnungsvertrag. Ein Rückbelastungsrecht besteht danach insbesondere, wenn (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 65 Rn. 9) – bei einem der Wechselschuldner keine ausreichende Bonität besteht, – die Bank bereits vor Verfall Kenntnis davon erhält, dass die Einlösung des Wechsels gefährdet ist, – der Wechsel bei Vorlage nicht bezahlt wird. Sind die AGB-Banken nach Maßgabe der §§ 305 II, 310 BGB Vertragsinhalt geworden, wird wegen Nr. 15 I 2 AGB-Banken die konkludente Vereinbarung des Belastungsrechts angenommen (Bülow, Art. 11 WG Rn. 25). Teilweise wird das Rückbelastungsrecht auch aus der Natur des Diskontvertrags bzw. aus Handelsbrauch (§ 346 HGB) hergeleitet (Helm, WM 1967, 310 (311)). Sieht man den Diskontvertrag als Kaufvertrag an, handelt es sich bei dem Rückbelastungsrecht um ein vertragliches Rücktrittsrecht gem. §§ 346 ff. BGB, qualifiziert man ihn als Darlehensvertrag stellt das Rückbelastungsrecht ein vertragliches Kündigungsrecht dar (Canaris, Rn. 1550). Teilweise wird auch – unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Diskontgeschäfts – die Ansicht vertreten, es handele sich um eine Garantiehaftung des Einreichers (Staudinger-Hopt/Mülbert, vor § 607 ff. Rn. 677; Stauder, WM 1968, 562 (566); Bülow, Art. 11 WG Rn. 39). Ebenfalls unabhängig von einer rechtlichen Einordnung ist das Rückbelastungsrecht ausgeschlossen, wenn die Bank schuldhaft die zur Erhaltung des Wechselrechts notwendigen Handlungen (Art. 53 WG) versäumt hat und dem Einreicher hierdurch ein Schaden entstanden ist (BGHZ 59, 159 (200); BGH WM 1987, 677 (678); Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 11 WG Rn. 38). 53
III. Der Akzept-, Rembours- und Avalkredit. Beim Akzeptkredit stellt der Bankkunde einen Wechsel aus, der von der Bank akzeptiert wird. Sie übernimmt damit die Verpflichtung, den Wechsel am Verfallstag einzulösen. Dadurch erhält der Kunde die Möglichkeit, gegen Zahlung einer Akzeptprovision sich im Wege des Diskonts Liquidität zu verschaffen. Der Akzeptkredit ist daher ein Haftungskredit (Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II Rn. 201). Erfolgt die Wechseldiskontierung bei einer anderen Bank, hat der Kunde für die Revalierung Sorge zu tragen und somit die für die Einlösung des Wechsels erforderlichen Mittel der Bank rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Gängige Praxis ist es jedoch, dass die Akzeptbank den Wechsel selbst diskontiert (Eigendiskontierung). Der Akzeptkredit wird dadurch mit einem Diskontkredit verbunden. Die Bank stellt damit dem Kunden die gewünschte Liquidität zur Verfügung. Da die Bank bei einem Akzeptkredit aus dem Akzept als primärer Wechselschuldner haftet, gewähren Kreditinstitute derartige Kredite nur Kunden mit erstklassiger Bonität, bei denen somit eine rechtzeitige Revalierung mit Sicherheit zu erwarten ist.
54
Die Rechtsnatur des Akzeptkredits ist umstritten. Die herrschende Meinung unterscheidet zutreffend, ob sich die Leistung der Bank lediglich auf das Wechselakzept und damit auf einen reinen Haftungskredit beschränkt oder ob die Bank zusätzlich eine Eigendiskontierung des Wechsels vornimmt und damit auch die Liquidität gewährt. Im ersten Fall liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter (§§ 675, 631 BGB), im zweiten Fall ein Gelddarlehen i. S. von § 488 I BGB vor (Staudinger-Hopt/Mülbert, vor §§ 607 ff. Rn. 334 ff., Reeb, S. 45; Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II, Rn. 201; Bülow, Art. 11 WG Rn. 29). Diskontiert der Kunde den Wechsel anderweitig,
Fischer
§ 47 Wechselgeschäft
1355
schuldet die Bank die Abgabe eines ordnungsgemäßen Akzepts als rechtlichen Erfolg. Die Revalierungsabrede konkretisiert die Vorschusspflicht des Kunden gem. § 675, 669 BGB. Muss die Bank den Wechsel bei Verfall einlösen, steht ihr gegen den Kunden gem. §§ 675, 670 BGB ein Anspruch auf Zahlung der Wechselsumme zu. Bei einer Eigendiskontierung des Akzepts verpflichtet sich die Bank zur Verschaffung des Diskonterlöses. Es liegt daher ein Gelddarlehen i. S. von § 488 I BGB vor. Für den Akzeptkredit hat der Kunde zunächst die Akzeptprovision zu zahlen. Diskontiert die Bank das Akzept selbst, kommt die Diskontprovision hinzu. Üblich ist es in diesem Fall, beide Provisionen in einem Zinssatz zusammenzufassen. Der Rembourskredit ist eine besondere Form des Akzeptkredits, dem ein grenzüberschreitender Warenhandel zugrunde liegt (BGH LM § 675 Nr. 25). Im Außenhandel reicht ein Wechselakzept des Importeurs dem Exporteur regelmäßig nicht aus. Zur Sicherung der Kaufpreiszahlung besorgt deshalb der Importeur (Akkreditivsteller) dem Exporteur (Akkreditierten) das Akzept einer Bank (sog. Remboursbank). Gegen Aushändigung der Lieferpapiere (Konnossement mit Begleitpapieren) gibt diese dem Exporteur das Akzept. Durch Diskontierung dieses Akzepts, z. B. bei seiner Hausbank, erhält er den Kaufpreis abzüglich der Diskontspesen. Häufig erfolgt die Diskontierung des Wechsels bei der Remboursbank. In diesem Fall erfolgt die Auszahlung des Diskonterlöses gegen Aushändigung der Lieferdokumente (Baumbach/Hopt, BankGesch Rn. 626).
55
In der Regel – aber nicht zwingend – ist der Rembourskredit mit einem Akkreditiv kombiniert (Reeb, S. 74; Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 65 Rn. 21; Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II Rn. 201). Als Akkreditiv bezeichnet man allgemein die Verpflichtungserklärung eines Kreditinstituts, dem Kunden oder einem Dritten bei einem anderen Kreditinstitut einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, sobald bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Beim Rembourskredit beauftragt der Importeur über seine Hausbank (Akkreditivbank) ein ausländisches Kreditinstitut, häufig die Hausbank des Exporteurs (Remboursbank) damit, dem Exporteur gegen Aushändigung der Lieferdokumente ein Akzept zu erteilen. Dieses Akzept der einheimischen Bank kann der Exporteur leichter diskontieren als ein Akzept der ausländischen Bank des Importeurs. Mit der Diskontierung erhält der Exporteur den Kaufpreis abzüglich der Diskontspesen. Bei Fälligkeit löst die Remboursbank den von ihr akzeptierten Wechsel ein. Die Akkreditivbank des Importeurs ist verpflichtet, für eine rechtzeitige Deckung bei der Remboursbank zu Lasten des Importeurs zu sorgen. Ökonomisch stellt der Rembourskredit eine Kreditgewährung an den Importeur (Käufer) dar. Er hat die Möglichkeit, während der Laufzeit des Wechsels die erworbene Ware weiter zu veräußern. Dadurch kann er sich die zur Begleichung des Ausgleichsanspruchs seiner Hausbank erforderlichen Mittel beschaffen.
56
Für die rechtliche Einordnung des Rembourskredits ist zwischen dem isolierten Rembourskredit und dem Rembourskredit mit Akkreditiv zu unterscheiden. Im ersten Fall ist der Rembourskredit ein Sonderfall des Akzeptkredits, für den die Regeln des Akzeptkredits gelten. Ist der Rembourskredit mit einem Akkreditiv gekoppelt, werden die Regeln des Akzeptkredits durch das Akkreditivrecht überlagert (vgl. hierzu die „einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive“ (ERA) der Internationalen Handelskammer). Zwischen dem Importeur und der akkreditiveröffnenden Bank (in der Regel die Hausbank des Importeurs) besteht ein Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB, der u. a. darauf gerichtet ist, für den Importeur der ausländischen Bank Kreditauftrag durch Akzeptierung des Wechsels des Exporteurs gem. § 778 BGB zu erteilen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 65 Rn. 25).
57
Unter einem Avalkredit versteht man die Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie für Verbindlichkeiten eines Kunden (Ebenroth/Boujong/Joobst-Hakenberg, BankR II
58
Fischer
1356
59
60
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Rn. 202; Reeb, S. 49). Es handelt sich hierbei um eine indirekte Kreditgewährung. Die Bank übernimmt gegenüber den Gläubigern ihres Kunden im Falle der Nichtleistung eine Einstandspflicht. Im Wechselrecht kommt der Avalkredit in Form der Wechselbürgschaft vor (Art. 30 bis Art. 32 WG). In der Praxis hat die Wechselbürgschaft kaum Bedeutung (Schimansky/Bunte/Lwowski-Peters, § 65 Rn. 29; Bülow, Art. 30 WG Rn. 2). An ihre Stelle ist das Garantieindossament (vgl. Rn. 25) getreten. IV. Forfaiting- und Wechselpensionsgeschäfte. Beim Wechselforfaitinggeschäft erwirbt die Bank, anders als beim Diskontgeschäft, Handelswechsel, vor allem aus Außenhandelsgeschäften, unter Verzicht auf jeglichen Rückgriff beim Kunden (Baumbach/ Hopt, BankGesch J 4). Zwar kann die wechselrechtliche Haftung des Kunden als Aussteller nicht ausgeschlossen werden (Art. 9 II WG). Die Vereinbarung über die Forfaitierung eines Wechsels enthält jedoch für den Fall der Uneinbringlichkeit einen schuldrechtlichen Verzicht des Vorfaiteurs (Bank) auf alle wechselrechtlichen Regressansprüche gegen seinen Vertragspartner, den Aussteller und alle früheren Wechselgläubiger (BGH WM 1994, 1370 f.; Emmerich, JuS 1994, 982). Rechtlich handelt es sich bei dem Wechselforfaitinggeschäft um einen Forderungskauf (Ebenroth/Boujong/Joobst- Hakenberg, BankR V Rn. 41; Bülow, Art. 17 WG Rn. 103; Schimansky/Bunte/Lwowski- Peters, § 65 Rn. 31). Wegen des Regressverzichts haftet der Forfaitist (Verkäufer) gegenüber der Bank nur noch nach kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften. Er hat somit gem. § 433, 453, 435 BGB die Wechselforderung der Bank frei von Rechtsmängeln zu verschaffen. Rechtsmängel sind dabei insbesondere die Formungültigkeit des Wechsels, eine fehlende Echtheit der Unterschriften sowie generell das Bestehen von Einwendungen, die nicht durch Art. 17 WG ausgeschlossen sind. Liegt ein Rechtsmangel vor, kann der Forfaiteur unter den Voraussetzungen den § 323 BGB – ohne Fristsetzung – vom Vertrag zurücktreten; dies hängt nicht davon ab, ob der Forfaitist den Rechtsmangel zu vertreten hat (BTDrs. 14/6040, 187 ff.). Schadensersatz steht dem Forfaiteur jedoch gem. § 437 Nr. 3 BGB analog i. V. mit §§ 440, 280 ff., 311a BGB nur zu, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung des Forfaiteurs vorliegt und dieser den Rechtsmangel somit zu vertreten hat. Beim Wechselpensionsgeschäft überträgt der Pensionsgeber, in der Regel ein Kreditinstitut, Wechsel gegen Zahlung eines Betrags auf den Pensionsnehmer. Beim echten Pensionsgeschäft hat der Pensionsnehmer zu einem festgelegten oder noch zu bestimmenden Zeitraum (§ 315 BGB) die Wechsel gegen Rückzahlung des Empfangenen oder eines vereinbarten Betrags auf den Pensionsgeber zurück zu übertragen. Beim unechten Pensionsgeschäft besteht lediglich eine Berechtigung des Pensionsnehmers, den Wechsel gegen Zahlung eine Betrages zurück zu übertragen (Baumbach/Hopt, BankGesch J 5). Für Kreditinstitute haben Wechselpensionsgeschäfte Vorteile u. a. betreffend die Mindestreserve und die Bilanzierung (Waschbusch, BB 1993, 172 ff.). Da der Pensionsnehmer eine Kapitalanlage auf Zeit erwirbt, trägt er währenddessen das Insolvenzrisiko. Das echte Pensionsgeschäft ist ein Kauf mit fester Rückkaufsvereinbarung. Das unechte Pensionsgeschäft ist ein Kauf mit Rückverkaufsrecht (Staudinger-Hopt/Mülbert, vor §§ 607 ff. Rn. 709).
Fischer
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1357
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
Schrifttum Aepfelbach/Cimiotti, Zur Sicherheit des EC-Kartensystems, WM 1998, 1218; Ahlers, Die neuen Bedingungen für EC-Karten, WM 1995, 601; Bieber, Rechtsprobleme des EC-Geldautomatensystems, WM 1987 SB 6; Erfurth, Haftung für Missbrauch von Legitimationsdaten durch Dritte beim Onlinebanking, WM 2006, 2198; Gössmann, Aspekte der ec-Kartennutzung, WM 1998, 1264; Harbeke, Die vertragliche Grundlage zwischen Bank und Kunde für die Verwendung der Euroscheckkarte: Die neuen Bedingungen für den EC-Service, WM 1989, 1709 und 1749; Härting, Fernabsatzgesetz, Kommentar; Hoeren, Die neuen Bedingungen für den EC-Service, NJW 1995, 2473; Hoffmann/Petrick, Von Fehlzitaten und Umsetzungsdefiziten – § 676 h BGB und die Fernabsatzrichtlinie, ZBB 2005, S. 343; Hofmann, Schadensverteilung bei Missbrauch der ec-Karten, WM 2005, 441; Hoppe, Anscheinsbeweis beim Ausspähen der PIN, ZBB 1999, 88; Jungmann, Missbrauch von ec-Karten bei PIN-basierten Transaktionen, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, Stuttgart 2007, 329; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl. 1992; Nobbe, Bankrecht, Aktuelle höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, Köln 1999; Pfeifer, EC-Bedingungen der Banken und Sparkassen in v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, ec-Bedingungen der Banken und Sparkassen; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Aufl. 2001; Reifner, Die Haftung des Kontoinhabers beim Missbrauch seiner Bankautomatenkarte durch Dritte, BB 1989, 1912; Rüssmann, Haftungsfragen und Risikoverteilung bei EC-Kartenmissbrauch, DuD 1998, 395; Schindler, Die neuen PIN-Nummern der EC-Karten, NJW-CoR 1998, 223; Schinkels, Die Verteilung des Haftungsrisikos für Drittmissbrauch von Medien des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, Berlin, 2001; Spindler, Haftungsrisiken und Beweislast bei ec-Karten, BB 2004, 2766; Online-Banking, Haftungsprobleme, Strube, Haftungsrisiken der ec-Karte, WM 1998,1210; Richter und Technik, BKR 2004, 497; Taupitz, Zivilrechtliche Haftung bei Kreditkartenmissbrauch, Frankfurt a. M. 1995; Zwade/Mühl, der Aufwendungs- und Schadensersatzanspruch im Kreditkartengeschäft, WM 2006, 1225. Inhaltsübersicht A. Entwicklung und Funktionswandel . . . . . . . . . . 1 I. Einführung der Scheckkarte . . . . . . . . . . . . . 1 II. Multifunktionskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 B. Funktionsweise und Sicherheitsideologie . . . . . 3 I. Sicherheitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Sicherheitsideologie der Banken . . . . . . . . . 5 III. Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Vielzahl der Fehlerquellen . . . . . . . . . . . . 7 2. Kriminalitätsstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. Bankpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 C. Juristische Grundkonstruktion . . . . . . . . . . . . . 11 I. Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . 11 II. Schadensersatz und Anscheinsbeweis . . . . 12 1. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Darlegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . 16 4. Beseitigung der Fehlbuchung . . . . . . . . . 17 5. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . 18 D. Bargeld an der Kasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Risikoverteilung bei der Barauszahlung an der Kasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Barauszahlung an der Kasse gegen EC-Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 E. Die Entwicklung der AGB . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Fassungen der Anfangszeit . . . . . . . . . . . . . 21 II. Überarbeitung 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
F.
G. H.
J.
Metz
III. Überarbeitung 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überarbeitung 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Private Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Überarbeitung 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tendenzen der Instanzrechtsprechung . . . . . . . I. Bankenfreundliche Rechtsprechung . . . . . . II. Bankenkritische Rechtsprechung . . . . . . . . III. Art der Kartenaufbewahrung . . . . . . . . . . . IV. Hohe Anforderungen an das Kundenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rechtsprechung des BGH: Kreditkartenurteil 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbandsklageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 13 AGBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Art. 1 § 3 Nr. 8 Rechtsberatungsgesetz, § 79 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . III. § 676h BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie . . . 2. Begrenzung auf Aufwendungsersatz? . . Online-Banking: Phishing und Pharming . . . .
23 23 24 25 26 27 28 29 30 30 31 32 33 34 35 39 39 40 41 41 42 43
1358
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr Stichwortverzeichnis
AGB-Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 AGB-Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Anscheinsbeweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 14, 16 Art der Aufbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . 37, 43 Banken- und technikfreundiche Rechtsprechung . . 30 Bankenantworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Bargeldauszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Bedingungen (1969) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 BGH-Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 EC-Kartenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 Fehlerquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 7 Fernabsatzrichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Garantiefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Geschäftsbedingungen 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Geschäftsbedingungen 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 36
1
Kriminalitätsstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kritische Instanz-Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . 31 Multifunktionskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Private Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Rechtsberatungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Rückbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . . 18 Sicherheitsideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 10 Sicherheitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Sonderbedingungen 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sozialadäquates Kundenverhalten . . . . . . . . . . . . . 33 Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Subjektive Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Verbandsklageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Vereinbarungen zwischen den Geldinstituten . . . . . 6
A. Entwicklung und Funktionswandel I. Einführung der Scheckkarte. Ende der sechziger Jahre begann mit der Einführung der Scheckkarte bescheiden eine Entwicklung im Zahlungsverkehr deren heutige Dimension damals niemand vorausgesehen hat. Die Scheckkarte sollte zunächst die Scheckzahlung bei Einkäufen und auf Reisen fördern. Das bezogene Kreditinstitut garantierte darin jedem Schecknehmer die Einlösung eines auf ihrem Vordruck ausgestellten Schecks, zunächst bis zur Höhe von 200 DM. Die juristische Debatte war zunächst weitgehend auf die Garantiefunktion konzentriert. Frühzeitig wurden jedoch auch bereits Zweifel an den Haftungsregelungen laut, denn der Kontoinhaber trug nach den Bedingungen alle Folgen eines Missbrauchs.
2
II. Multifunktionskarte. Nachdem die Garantiefunktion wegen der Abschaffung des papiergebundenen EC-Schecks entfallen ist, dominieren nunmehr andere Dienstleistungsangebote der Kreditwirtschaft die EC-Karte oder aktueller ausgedrückt, die Bankkarte, bzw. demnächst Girocard, z. B. zum Abheben an Geldautomaten, zum Bezahlen an elektronischen Kassen im In- und Ausland, als elektronische Geldbörse bzw. als Servicekarte für Selbstbedienungseinrichtungen. Aus der Garantiekarte ist mithin eine Multifunktionskarte geworden. Die Anzahl der Karten ist auf über 90 Millionen Debitkarten insgesamt angestiegen, wobei auch in den letzten Jahren der Anstieg immer noch kontinuierlich und deutlich verlief. Aus den vielfältigen Funktionen der Bankkarte steht die Bargeldabhebung am Geldautomaten eindeutig im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Kreditwirtschaft. Die Auswertung der Rechtsprechung weist auf den gleichen Problemschwerpunkt. Haftungsregelungen, Regulierungspraxis und Rechtsprechung scheinen dem Funktionswandel, den veränderten technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht hinreichend Rechnung getragen zu haben.
3
B. Funktionsweise und Sicherheitsideologie I. Sicherheitssystem. Für den Bankkunden ist es ein scheinbar einfacher Vorgang. Die Karte wird in den Geldautomaten eingeführt, die Geheimzahl eingegeben und der Geldautomat zahlt den gewünschten Betrag aus. Das Sicherheitssystem im Hintergrund ist jedoch komplex. Bei der Benutzung von Geldautomaten in Deutschland prüft eine eingebaute sog. MM-Box zunächst die Echtheit der Karte. Sodann wird festgestellt, ob die
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1359
Karte als gesperrt im System festgehalten ist. Der im Geldautomaten installierte Rechner ermittelte in der Vergangenheit sodann anhand der Codierung auf dem Magnetstreifen der Karte die sich daraus ergebende PIN und verglich sie mit der eingegebenen Geheimzahl. Weder auf dem Magnetstreifen noch im Rechnerprotokoll (Journal) wurde die PIN selbst direkt gespeichert oder ausgedruckt. Daraus ergibt sich auch, dass im Nachhinein nicht unmittelbar festgestellt werden kann, ob die richtige PIN eingegeben wurde; dies kann bei korrektem Funktionieren nur als systemimmanent richtig unterstellt werden. Die PIN selbst besteht aus einer vierstelligen Zahl. In der Vergangenheit wurde die PIN mit Hilfe des sogenannten Data-Encryption-Standards, eines Verschlüsselungsalgorithmus, individuell für jede einzelne Codekarte errechnet. Dabei wurden über zwei Schlüsselzahlen des kartenausgebenden Institutes und des EC-Geldautomatensystems die jeweilige Bankleitzahl, Kontonummer und Kartenfolge verwandt (vgl. Bieber, S. 5). Anstelle eines Institutsschlüssels konnte zur PIN-Prüfung prinzipiell auch einer der systemweiten Poolschlüssel verwandt werden, sofern man den zugehörigen Offset kannte. Die Poolschlüssel dienten insbesondere in den Anfangsjahren zur Autorisierung institutsfremder Karten. (ausführlich zu technologischen Aspekten vgl. AG Bremen VuR 1998, 367). Nach Angaben der Kreditwirtschaft wird die PIN-Prüfung institutseigener Karten jetzt nur noch sehr selten und die PIN-Prüfung institutsfremder Karten grundsätzlich nicht mehr vom Geldautomaten durchgeführt, sondern online. Die dadurch zusätzlich entstehenden komplexen und teilweise weltweiten Übertragswege sind in ihren Sicherheitsaspekten bzw. Gefahrenpotentialen weitgehend ausgeblendet geblieben. Die neuen Geheimzahlen werden nicht mehr bankenweit einheitlich erzeugt. Den einzelnen Instituten und Verbänden werden mehr Freiheiten für individuelle Abläufe zugestanden. Die gemeinsame Basis sind lediglich Sicherheitskriterien. Es gibt damit auch keine bundesweiten Schlüssel mehr, mit denen man die Geheimzahlen aller deutschen Karten berechnen könnte. Die neue Verschlüsselungstechnik wird als sogenannte Triple-DES-verschlüsselt bezeichnet und ist in einer zentralen Datenbank gespeichert. Dort soll jetzt die Autorisierungsprüfung stets stattfinden (Schindler, NJW-CoR 1998, S. 223 ff.). Im Laufe der Jahre haben sich nicht alle Sicherheitsangaben bewahrheitet, sondern es existierte eine Vielzahl von Fehlerquellen. So war beispielsweise nicht stets die sogenannte MM-Box in Betrieb, sei es weil sie nicht eingebaut oder aber wegen Störung entfernt worden war. Im Ausland sind solche Verfahren zumindest nicht überall Standard, deswegen kann dort auch aktuell mit „Dubletten“ gearbeitet werden. Hoppe (ZBB 1999, S. 92) weist daraufhin, dass in vielen ausländischen Geldautomaten das MM-Merkmal nicht abgefragt werde und von daher schon aus diesem Grunde für einen Anscheinsbeweis kein Raum sei, wenn nicht durch das Geräteprotokoll belegt wird, dass das MM-Merkmal gelesen worden sei. Die Anzahl der Fehlversuche war nicht, wie in den AGB angegeben, stets auf drei Fehlversuche beschränkt, sondern konnte offensichtlich durch Manipulation erhöht werden. Ferner zeigte sich unter anderem, dass die Geheimzahlen keineswegs gleichmäßig verteilt waren, sondern dass 216 Geheimzahlen besonders häufig vorkamen. Damit erhöhte sich die Trefferquote, die richtige PIN zu erraten oder zu ermitteln, deutlich (vgl. OLG Hamm WM 1997, 1203). Die Richter des OLG vermuteten zudem, dass das technische Verschlüsselungssystem der Karte geknackt worden sei. Diese Frage ist nach wie vor heftig umstritten und steht im Mittelpunkt zahlreicher Gutachterauseinandersetzungen. Ungeklärt ist auch, ob tatsächlich alle Geldautomaten jederzeit, so wie von der Kreditwirtschaft zuletzt behauptet, ständig online arbeiten oder ob nicht doch nach wie vor Offline-Prozeduren Verwendung finden. Inwieweit Bankservicekarten, Kreditkarten und Geldautomaten in anderen Ländern über exakt die gleiche Sicherheitsstruktur verfügen, bedarf im Einzelfall jeweils der genauen Untersuchung.
Metz
4
1360
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
5
II. Sicherheitsideologie der Banken. Vertreter der Kreditwirtschaft haben einen Missbrauch durch technische Fehler stets als ausgeschlossen erachtet, obwohl selbst gravierendste Sicherheitslücken in allen Arten von Software an der Tagesordnung sind. Ohne Besitz der Karte und Kenntnis der PIN sei der Zugang zum Geldautomaten schlechterdings ausgeschlossen. Reifner (EWiR 1999, 448) verweist darauf, dass auch nach der Erweiterung des Schlüssels von 56 auf 128 Stellen im Jahre 1997 bei einem Internetwettbewerb in 96 Tagen eine Entschlüsselung möglich gewesen sei bzw. in 24 Stunden mit Hilfe einer finanziell kostenintensiven Großrechenanlage – früher waren Banken von 28600 bzw. 1900 Jahren, dann 19 Tagen ausgegangen. Bei simplem Zusammenschalten von mehreren Multicore-Rechnern ist dies heute in Stunden, wenn nicht Minuten möglich. Nach Auffassung der Kreditwirtschaft sind dagegen selbst Funktionsstörungen so gut wie ausgeschlossen und wenn, würden sie sich in der Dokumentation wiederfinden. Die Sicherungsmaßnahmen des Geldautomatensystems seien so ausgeklügelt und nicht manipulierbar, dass automatenfähige Fälschungen ausgeschlossen seien (vgl. Gößmann, WM 1998, 177). Jede, auch noch die kleinste Veränderung am Magnetstreifen und/oder am MM-Schlüssel führe zu einer Fehlermeldung (Gößmann, WM 1998, 171). Auch hier haben Softwareexperten für alle Arten von Magnetstreifenkarten schon lange – auch live im Fernsehen – deren Veränderbarkeit ohne Signifikation demonstriert. Die Auswertung in der Bankliteratur ergibt dennoch durchgängig das Bild einer absoluten Sicherheitsideologie. Lediglich völlig isolierte und deshalb zu vernachlässigende Ausreißer sowie gewisse Mängel an Automaten im Ausland werden zugestanden.
6
In gewissem Gegensatz zur publizierten Annahme fast absoluter Sicherheit stehen jedoch Regelungen aus den Vereinbarungen zwischen den Geldinstituten. In ihrer Vereinbarung über das deutsche Geldautomatensystem vom Januar 1995 ist z. B. die Notwendigkeit einer Schadensregulierung zwischen den Kreditinstituten enthalten. In Ziffer 9 ist dort festgehalten, dass bei Schäden, die durch die Benutzung von EC-Geldautomaten mit gefälschten oder verfälschten Karten entstehen, sowie bei sonstigen Schäden, die im Interesse des Systems abgedeckt werden müssen, ein Ausgleich zwischen den Vertragspartnern erfolgen soll (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Nobbe, Anhang 4 zu §§ 52-55; so auch AG Frankfurt vom 16.1.07 Az: 30 C 1774/06-45 (unveröffentlicht), das von einem Debit-Schadenspool EKS aller deutschen Kreditinstitute spricht). Die Notwendigkeit einer Ausgleichsregelung deutet auf ein erhebliches Volumen hin. In Ziffer 3 der Anlage 2 ist geregelt, dass die angeschlossenen Institute, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit beauftragten Institutionen, sicherzustellen haben, dass alle im EC-Geldautomatensystem verwandten kryptografischen Schlüssel sicher aufbewahrt werden und die missbräuchliche Verwendung ausgeschlossen werden muss (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, Anhang 5 zu §§ 52-55). Aus der technischen Natur der Schlüssel ergibt sich mithin keine „Selbst-Sicherung“, sondern zusätzliche Maßnahmen sind erforderlich. Wo derartige zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind und noch dazu der Regelung bedürfen, stellt sich die Frage, ob das Sicherheitsrisiko wirklich so gering ist wie öffentlich behauptet. Ohnehin ist der technologische Wettlauf zwischen Entschlüsslungstechniken und den Banken nicht zu unterbinden.
7
III. Risiken. Die Debatte um die Sicherheit von EC-Karten und Geldautomaten ist fast ausschließlich auf die Frage der Entschlüsselbarkeit der PIN reduziert worden. Der auf diese Frage reduzierte Expertenstreit vernachlässigt, dass eine Vielzahl anderer Risiken besteht. Wer systematisch Presseberichte zu EC-Missbrauchsfällen verfolgt, wird diese Fehlerquellen regelmäßig veröffentlicht sehen (vgl. auch www.kartensicherheit.de). 1. Vielzahl der Fehlerquellen. Im Vordergrund steht dabei das elektronische Ausspähen. Manipulierte Lesegeräte im Eingangsbereich, Skimmer an Geldautomaten oder an der
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1361
EC-Kasse, z. T. mit Funkfunktion versehen, verschaffen Betrügern einen Teil der notwendigen Informationen. Geschickt angebrachte Minikameras, die aufgrund ihrer Größe zumindest von Laien überhaupt nicht zu erkennen sind, übertragen die notwendigen Daten aus der Geheimzahleingabe per Funk. 2007 sind 450 Geldautomaten manipuliert sowie über 10 000 Karten gefälscht worden. Neben dem Ausspähen sind als weitere Fehlerquellen zu nennen: Computerfehler im Sicherheitssystem der Kreditinstitute. Zumindest bei zwei Kreditinstituten ist es z. T. über mehrere Monate hinweg möglich gewesen, entweder ohne Geheimzahl bzw. unter Verwendung jeder beliebigen vierstelligen Zahl Geldbeträge abzuheben. Dem Ausfall der Sicherheitssysteme steht der Offline-Betrieb nahe. In der Vergangenheit sind jedenfalls nicht alle Geldautomaten durchgehend online mit den Rechenzentren verbunden gewesen. Ferner sind zumindest bestimmte Teile des Magnetstreifens mit Hilfe von Lesegeräten, Computern und Programmen veränderbar gewesen (BGH NJW 2001, 163). Ein Computerprogramm wurde sogar wegen seiner besonderen Eignung zur Manipulation von Karten von Anbietern auf dem Gerichtswege verboten (Strube, WM 1998, 1213). Ein weiteres, vielfach noch kaum beachtetes Sicherheitsproblem ergibt sich aus den komplexen Übertragungswegen, deren insbes. internationale Verknüpfung und Absicherung bisher kaum behandelt ist. Ferner ist darauf zu verweisen, dass aus dem Sicherheitssystem der Bankkarte keine uneingeschränkte Übertragung für die Sicherheitsarchitektur anderer Karten erfolgen kann, z. B. Kreditkarten oder Sparkarten. Hier ist jeweils der spezifische Sicherheitsansatz zu erheben. In gleicher Weise wie es unseriöse Bankkunden gibt, berichten Fachaufsätze auch darüber, dass Bankmitarbeiter nicht stets gegen Versuchungen gefeit sind. Danach haben ungetreue Bankangestellte neue Magnetkarten unter dem Vorwand angefordert, die alte ECKarte sei unbrauchbar. Nicht zuletzt werfen die neuen elektronischen Kassensysteme Sicherheitsfragen auf. Zumindest aus dem europäischen Ausland ist bereits berichtet worden, dass auf diesem Wege die Kartendaten und Geheimzahlen von Kunden abgeschöpft und für Betrugsmanöver verwendet worden seien (Hoppe, ZBB 1999, 92). Damit kann und soll nicht bestritten werden, dass es natürlich auch eine Vielzahl von Bankkunden gibt, die schon aufgrund der Geheimzahlen- und Geheimwörter-Inflation, z. B. für diverse Karten, das Online-Banking, das Handy, den privaten und beruflichen PC, ihre Geheimzahl notieren. Insgesamt ergibt sich damit ein breites Spektrum von Missbrauchsursachen, von betrügerischen Kunden bis hin zu komplexen und für den Laien kaum wahrnehmbaren elektronischen Ausspähmanövern. Diese Vielzahl der Fehlerquellen macht es im Einzelfall praktisch unmöglich den Nachweis einer konkreten Ursache zu führen. Eine Vermutung für einen typischen Geschehensablauf lässt sich m.E. nicht mehr aufrechterhalten. Die Haltung vieler Gerichte ist m.E. dadurch bedingt, dass allein auf die Ermittelbarkeit der PIN aus der Karte abgestellt wird. 2. Die Kriminalitätsstatistik bestätigt in ihrer quantitativen Entwicklung, dass es keine Verbesserung der Sicherheitssysteme oder Sicherheitstechniken gegeben hat. Aus der amtlichen Statistik ergibt sich, dass in den letzten Jahren immer über 30 000 Betrugsfälle bei Debitkarten mit PIN verzeichnet wurden. Diese konstant hohen Zahlen lassen sich meines Erachtens mit unseriösen Bankkunden kaum erklären. Weder hat allgemein das strafbare Verhalten der Bevölkerung derart zugenommen noch gibt es nachvollziehbare Anzeichen dafür, dass bei Bankkunden Moral und Ehrlichkeit in diesen Jahren derart drastisch abgesunken sind. Insgesamt erscheint es plausibel, dass sich die Fehlerquellen insgesamt vergrößert haben.
Metz
8
1362
9
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
3. Bankpraxis. Trotz der Vielzahl der Fehlerquellen geht die Bankpraxis aber in aller Regel unbeirrt von einem absolut sicheren System und einem Sorgfaltsverstoß des Kunden aus. Typisch sind in Schadensfällen folgende Bankenantworten: „… Daher kann die in Frage stehende Transaktion nur in Kenntnis der PIN durchgeführt worden sein, was wiederum für grob fahrlässiges Verhalten des Klägers spricht. …“ oder „… Nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es nicht möglich, die Geheimzahl durch manipulative Maßnahmen aus dem Magnetstreifen zu entnehmen. Dies gilt umso mehr als Anfang 1998 neue Geheimzahlen ausgegeben wurden. … Damit spricht auch im vorliegenden Fall der Anschein dafür, dass entgegen der vertraglichen Verpflichtung zur Geheimhaltung, wenn auch möglicherweise nicht vorsätzlich, so doch zumindest grob fahrlässig der verfügenden Person Kenntnis von Ihrer persönlichen Geheimzahl ermöglicht wurde. …“ „… Wird nach einem Verlust der ec-Karte am GAA autorisiert verfügt, so besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die PIN auf der Karte oder anderweitig zugänglich vermerkt war und der Kunde somit grob fahrlässig den Schaden verursacht hat. …“ Die Sicherheitsideologie der Kreditwirtschaft führt in der Regulierungspraxis somit zu zwei Schlussfolgerungen. Aufgrund der hohen Sicherheit könne die Abhebung nur unter der Verwendung der richtigen Karte und der PIN erfolgt sein. Die Verwendung der PIN ist wiederum eine praktisch unwiderlegbare Vermutung dafür, dass grob fahrlässiges Verhalten des Karteninhabers vorliege. Eine Auseinandersetzung mit konkreten Details des Vorfalls erfolgt idR nicht. Diese Haltung ist nicht auf die Institute beschränkt, sondern erfolgt häufig auch unter Berufung auf Verbandsstellungnahmen, wie z. B.: „… Der Sparkassenverband nimmt dazu wie folgt Stellung: Nach einem Grundsatzbeschluss des betriebswirtschaftlichen Ausschusses können Schäden durch missbräuchliche Abhebung am Geldautomaten dann auf den HaftungsfondsZahlungsverkehr übernommen werden, wenn die Kunden eine ausreichende Erklärung darüber abgeben, wie sich die Täter Kenntnis über die persönliche Geheimzahl beschaffen konnten. Abhebungen an Geldautomaten sind nur dann möglich, wenn der Benutzer die PIN kennt. Laut der vorliegenden Sachverhaltsdarstellung hat sich bei den gestohlenen Unterlagen kein Hinweis auf die Geheimzahl gefunden. Diese Aussage kann nicht vollständig zutreffen, deshalb besteht leider keine Möglichkeit, den Schaden aus dem Haftungsfond Zahlungsverkehr zu ersetzen …“
10
Es zeigt sich klar die Sicherheitsideologie der Kreditwirtschaft. Da der Kunde keine Erklärung für die Abhebung geben kann und bestreitet, sich die PIN-Nummer notiert zu haben, wird eine Regulierung verweigert. Das System muss sicher sein, auch gegen elektronische Ausspähung, deswegen können die Angaben des Kunden nur unzutreffend sein, und grobe Fahrlässigkeit liegt vor. Eine Auseinandersetzung mit dem korrekten Sachverhalt erfolgt nicht. Auch konkrete Tatsachen, dass es z.B. für den Diebstahl der Handtasche Zeugen gibt, dass sich viele Vorfälle im Ausland, z. T. in Russland oder in exotischen Ländern, ereignen, wo Sicherheitsarchitektur gar nicht bekannt ist, und dass Anzeige erstattet wurde etc., führt zu keinem konkreten Eingehen auf den Sachverhalt. Auch soziale Faktoren wie etwa langjährige unbeanstandete Bankverbindungen und vergleichsweise geringe Missbrauchssummen oder die Seriosität bzw. das Alter der Bankkunden ändern an diesen typischen Geschehensabläufen nichts. Regelmäßig erfolgt keinerlei Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen oder Details der groben Fahrlässigkeit, diese wird ge-
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1363
nerell unterstellt. Die schematische Anwendung der eigenen Sicherheitsideologie ersetzt somit das Eingehen auf den Einzelfall und die Prüfung der individuellen Schuldfrage. Lediglich bei Massendelikten, wo also in kürzerer Zeit viele Kunden eines oder mehrerer Kreditinstitute durch gleichartige Vorgehensweise geschädigt wurden, findet idR eine kundenorientierte Regulierung statt. Erstattungen erfolgen auch dann, wenn Kunden, z. T. auf Drängen von Bankmitarbeitern, wahrheitswidrig angeben, die PIN verschlüsselt im Telefonverzeichnis notiert zu haben. Da die Systemsicherheit nicht in Frage gestellt wird, kommt es auf den Wahrheitsgehalt nicht an.
C. Juristische Grundkonstruktion
11
I. Aufwendungsersatzanspruch. Von seiner juristischen Basis her betrachtet ist das ECKartengeschäft und die Geldabhebung am Automaten in aller Regel eingebettet in einen Girovertrag gemäß § 676f BGB. Dieser regelt aber nur die Grundpflichten. Die weitere rechtliche Ausgestaltung wird durch § 676f BGB nicht strukturiert. Es handelt sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter. Viele der Einzelheiten des Vertragsverhältnisses ergeben sich regelmäßig erst aus den Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute. Aus dem Charakter als Geschäftbesorgungsvertrag ergibt sich einerseits, dass der Kunde der Bank Aufträge erteilen kann, auf der anderen Seite hat die Bank einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen, die sich aus der Beachtung einer Weisung, wie z.B. einer Bargeldabhebung, ergeben (vgl. Rüßmann, S. 395). Am grundsätzlichen Charakter der Weisung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kunde diese nicht persönlich erteilt, sondern in automatisierter Form, z. B. mittels einer Geheimzahl am Geldautomaten. Der Aufwendungsersatzanspruch besteht auch, wenn der Kunde nicht selbst den Geldautomaten bedient, sondern eine andere Person bevollmächtigt, mit seiner Karte Transaktionen am Geldautomaten vorzunehmen. II. Schadensersatz und Anscheinsbeweis. 1. Schadensersatz. Etwas anderes gilt, wenn ohne den Willen des Konteninhabers mit Karte und Geheimzahl verfügt wird. Dann liegt keine Weisung vor und folglich geht ein Aufwendungsersatzanspruch fehl, wie dies z. B. auch bei anderen Missbrauchs- bzw. Fälschungssituationen, z. B. Scheckfälschungen, der Fall ist. Gleichwohl wird auch aktuell von Gerichten immer noch der Aufwendungsersatzanspruch als Anspruchsgrundlage der Banken nicht beanstandet (vgl. LG Berlin WM 2003, 128). Ein Anspruch des Kreditinstituts kann sich nur als Schadensersatzanspruch ergeben, insbesondere daraus, dass der Kunde gegen seine in den Geschäftsbedingungen geregelten Pflichten schuldhaft verstoßen hat. Während nach allgemeinem bürgerlichen Recht grundsätzlich für jede Form der Fahrlässigkeit gehaftet wird, ergeben sich aus dem insoweit abweichenden speziellen AGB-Recht der Kreditwirtschaft überwiegend Veränderungen, dort wird idR für grobe Fahrlässigkeit gehaftet (vgl. zu den EC-Bedingungen unten E.).
12
2. Anscheinsbeweis. Die insoweit grundsätzlich einfache Anspruchskonstruktion wird kompliziert durch Beweisfragen. Rüßmann (DuD 1998, 397) geht davon aus, dass der Bank aus der systembedingten Beweisnot, dass nur die PIN-Eingabe nachweisbar sei, durch Beweiserleichterung geholfen werden müsse. Danach gilt bei Verwendung der richtigen PIN und des korrekten Funktionierens des Automaten ein Anscheinsbeweis, nach anderer Auffassung eine widerlegliche Vermutung. Ein Anscheinsbeweis ist idR zulässig, wenn sich ein Erfahrungssatz formulieren lässt, nach dem bestimmte Folgen auf typischen Ursachen beruhen, wenn also ein bestimmter Tatbestand feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (Schinkels, S. 214). Der Anscheinsbeweis verlangt zwar eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (Prölls/Martin, § 49 Rn. 19), geht aber nicht so weit,
13
Metz
1364
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
dass die Ursächlichkeit immer vorhaden sein muss; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH VersR 1991, 460). Insbesondere wenn man bedenkt, dass der Bundesgerichtshof (BGHZ 24, 308) den Anscheinsbeweis zugunsten eines Briefsenders für den Zugang von Einschreiben abgelehnt hat, weil in 266 von einer Million Fällen Einschreiben verloren gingen. Im Vergleich dazu scheint die Wahrscheinlichkeit des zufälligen Erratens der richtigen PIN mit 1:3333 (OLG Hamm ZIP 1997, 878), mithin von rund 300 zu einer Million Fällen, praktisch im gleichen Bereich liegend, so dass die Anwendung der Rechtsgrundsätze zum Anscheinsbeweis an Geldautomaten keineswegs zwingend ist (anders Zwade/ Mühl, WM 2006, 1228). Ein Anscheinsbeweis kann bereits durch die Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs erschüttert werden. Rüßmann (DuD 1998, 400) geht davon aus, solange Sicherheitslücken am System festzustellen seien, dürfe die Rechtsprechung Kunden nicht mit dem spezifischen Risiko belasten. Soweit aber alle technisch sinnvollen und wirtschaftlich vertretbaren Möglichkeiten ausgeschöpft seien, das Risiko zu minimieren, stehe einem Anscheinsbeweis nichts entgegen. Nach den Verfahrensverbesserungen durch die neue Kartensicherheit sieht Rüßmann (1998) keine beweisrechtlichen Bedenken mehr. Er gesteht aber selbst zu, dass dies von einer Rechtsfrage zum Gutachtenproblem technischer Experten geworden sei.
14
Reifner (LG Berlin EWiR 1999, 448) sieht für einen Anscheinsbeweis keinen Raum. Kriminellem Verhalten sei mit den Mitteln des Strafrechts und nicht mit unausgesprochenen Unterstellungen der Schlamperei oder Kumpanei zu begegnen. Das Zivilrecht könne nicht generalpräventiv über Anscheinsbeweise herangezogen werden. Rüßmann nimmt eine Differenzierung der verschiedenen Streit- und Beweisstufen, folglich der unterschiedlichen Ebenen des Anscheinsbeweises vor. Viele andere Autoren und Gerichte differenzieren nicht, und es wird nicht klar, was durch die Verwendung von PIN und Karte eigentlich induziert werden soll. Die Verwendung der PIN soll für die handelnde Person, die objektive Pflichtverletzung und das Verschulden in einer undifferenzierten und unkonkretisierten Art und Weise den Anscheinsbeweis tragen. Denkbar wäre der Anscheinsbeweis aus der Abhebung unter Verwendung von Karte und PIN für – die Person des Abhebenden, – die PIN-Weitergabe oder gemeinsame Aufbewahrung, also für den objektiven Teil der Pflichtverletzung, und – das Verschulden, insbesondere im Sinne einer groben Fahrlässigkeit. Die Bankpraxis und viele Gerichte sehen in der PIN-Verwendung einen Anschein für eigenes Handeln des Kontoinhabers sowie für eine Pflichtverletzung. Zur handelnden Person am Automaten vermag man m.E. nichts aus der PIN abzuleiten. Aus der Verwendung einer Zahl kann weder logisch noch erfahrungsgemäß etwas zu einer bestimmten handelnden Person abgeleitet werden, da das Spektrum vom eigenen Handeln über die Weitergabe bis zur Entwendung/Ausspähung der PIN und zu Sicherheitslücken reicht. Das OLG Zweibrücken (WM 1991, 67) sieht in der PIN-Verwendung weder einen Anschein für die Person noch für ein Verschulden. Für die PIN-Weitergabe oder gemeinsame Aufbewahrung, also für einen objektiven Pflichtenverstoß, könnte der Anscheinsbeweis grundsätzlich tauglich sein, wenn unterstellt wird, das System sei ansonsten frei von allen anderen Risiken, was aber eben selten unstrittig ist.
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1365
Die Darlegungs- und Beweislast für grobe Fahrlässigkeit obliegt grundsätzlich den Kreditinstituten (vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Rn. 60; AG München NJW-RR 2001, 1056). Diese kann deshalb m. E. nicht durch pauschale Unterstellungen unterlaufen werden. In der Diskussion um Anscheinsbeweise, wird regelmäßig ausgeblendet, dass zwar bei leichter Fahrlässigkeit der Maßstab nur objektiver Art ist, bei grober Fahrlässigkeit aber auch subjektive, in der Person des Handelnden liegende Umstände zu berücksichtigen sind (Palandt-Heinrichs, § 277 Rn. 5). Den Handelnden muss auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen (BGH NJW 2001, 2092). Zu den subjektiven Komponenten gehört regelmäßig auch das Bewusstsein der Gefährlichkeit. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint eine Inanspruchnahme des Schädigers im Wege des Rückgriffs nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 I BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (BGH NJW 2001, 2092). All dies kann aber m. E. durch den von seiner Struktur her nur generalisierenden Anscheinsbeweis nicht umfasst sein. Unabhängig von den sonstigen Streitfragen kann also durch keine Art des Anscheinsbeweises die konkrete Auseinandersetzung mit dem Problem des groben Verschuldens vermieden werden. Für grobe Fahrlässigkeit, die Voraussetzung für die vollständige Schadensüberwälzung nach den AGB der Kreditwirtschaft ist, kann es deswegen keinen Anscheinsbeweis geben (so auch explizit Taupitz, Fn. 794). Martin (Q II Rn. 40) führt eindeutig aus, dass kein erster Anschein für grobe Fahrlässigkeit spreche, wenn mit Hilfe einer gestohlenen Scheckkarte und durch Eintippen der richtigen PIN Beträge erschwindelt werden (so auch LG Mönchengladbach VuR 2001, 17). Im Versicherungsbereich gilt grundsätzlich, dass sich der Anscheinsbeweis nicht auf die grobe Fahrlässigkeit, insbesondere nicht auf die subjektiven Voraussetzungen erstrecken kann (OLG Karlsruhe TranspR 1995, 439; OLG Frankfurt VersR 2001, 1276). Es bedarf vielmehr in jedem Einzelfall einer Gesamtwürdigung, wobei es keinen Anscheinsbeweis für grobe Fahrlässigkeit gibt (OLG Hamm NJW-RR 1987, 609).
15
3. Darlegungsgrundsätze. Einen Anscheinsbeweis kann der Kunde entkräften, wenn er eine plausible Möglichkeit aufzeigt, z. B. durch Tatsachenvortrag, dass trotz der richtigen PIN keine ihm zurechenbare Weisung vorlag. Dies wird in der Praxis häufig durch die Darstellung eines Diebstahls geschehen. Wie beim Kfz-Diebstahl gilt auch hier zugunsten des Kunden, dass ein bestimmter Sachverhalt nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Diebstahl, einem Missbrauch etc. geführt haben muss. Der Versicherungsnehmer genügt so z. B. seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer Entwendung darlegt, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (BGH NJW 1996, 993). Interessant ist die konkrete Auseinandersetzung des BGH mit der Würdigung durch die Vorinstanz im Hinblick auf die sog. Nachschlüssel. Die Vorinstanz messe der Anfertigung von Nachschlüsseln eine Indizwirkung zu, die sie in diesem Umfange nicht habe. Allein aus der Anfertigung von Nachschlüsseln lasse sich nicht schließen, dass der Versicherungsnehmer den Diebstahl vorgetäuscht habe. Es müssten mehr geeignete Anhaltspunkte vorgetragen werden als allein die Tatsache, dass irgendwann und unbekannt von wem und mit wessen Billigung ein Nachschlüssel angefertigt worden sei. Diese Tatsache gewinne erst dann ausschlaggebendes Gewicht, wenn außerdem konkrete Anhaltspunkte zumindest für die Unredlichkeit des Versicherungsnehmers vorlägen. Da die PIN im Kern nichts anderes als den Schlüssel zum Geldautomaten darstellt, dürfte gemessen an diesen Maßstäben allein die Behauptung der Banken, die PIN
16
Metz
1366
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
sei verwendet worden und dies müsse irgendwie und irgendwann vom Kunden verursacht und verschuldet worden sein, den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht mehr tragen. Diese pauschale Unterstellung ist vergleichbar mit der vom BGH abgelehnten Indizwirkung allein der Nachschlüssel. Vielmehr ist weiterer Vortrag zur konkreten Nachschlüsselherstellung/PIN-Erkenntnis durch den Täter erforderlich. Wenn die genaue Art des schuldhaften Verhaltens offenbleibt, also eine „sog. Irgendwie-Feststellung“ (Prölls/Martin, § 49 Rn. 22) erfolgt, wäre dies in anderen Rechtssektoren nicht ausreichend. Der undifferenzierte, nicht auf den konkreten Fall abstellende Anscheinsbeweis, insbesondere mit der Ausblendung der Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, bildet m. E. das aktuelle Einfallstor für die alte Sphärentheorie, bei der nicht nur die Sphären diffus bleiben, sondern auch der dahinter liegende Gerechtigkeitsgedanke (Schinkels, S. 109). Der sorgfältigen Darstellung des Umgangs mit der PIN, z. B. der Vernichtung des Originalbriefes nach Erhalt, der Art und Weise der Nutzung von Automaten und Zahlungsverkehrsterminals, von Entwendungssituationen, der Ausspähpraxis, aber auch der allgemeinen Missbrauchsmöglichkeiten, kommt gleichwohl weiterhin in der Praxis wesentliche Bedeutung zu (Strube, WM 1998, 1210 ff.). 17
4. Beseitigung der Fehlbuchung. Bankkunden, die eine Belastungsbuchung für ungerechtfertigt erachten, können einen Anspruch aus §§ 667, 675 I BGB oder gem. §§ 700 I, 607 BGB geltend machen. Ein Kunde, auf dessen Konto ohne seinen Auftrag oder ohne sonstigen Rechtsgrund Belastungsbuchungen vorgenommen wurden, kann die Rückbuchung und Auszahlung des sich nach der Berichtigung ergebenden Guthabens verlangen (BGH NJW 2001, 286). Eine Belastungsbuchung hat ausschließlich deklaratorische Bedeutung. Sie gibt lediglich die Ansicht der Bank wieder, eine Forderung gegen den Kunden zu haben. Besteht die angebliche Forderung nicht, so hat der Kunde Anspruch auf rückwirkende Beseitigung der Fehlbuchung. Dieser Anspruch kann auch nach Ende des Giroverhältnisses geltend gemacht werden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schimansky, § 47 Rn. 28). Rechtsfaktisch gehen die Wirkungen weiter, das Gegenbegehren des Kunden bleibt idR unbeachtet, Aufträge werden nicht ausgeführt und Sollzinsen berechnet. Dies kann zu Schadensersatzansprüchen gegen die Bank führen.
18
5. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. Auf Veränderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sei hingewiesen. § 280 BGB hat eine einheitliche Grundlage für alle Formen der Pflichtverletzung, einschließlich der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, geschaffen. Die Voraussetzungen des Schadensersatzes, also eine objektive Pflichtverletzung und das Vertretenmüssen und die erforderliche Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, sind weiterhin erforderlich. Die Darlegungs- und die volle Beweislast für die objektive Pflichtverletzung und Kausalität trägt weiterhin der Gläubiger. Das erforderliche Verschulden wird jedoch jetzt gemäß § 280 I 2 BGB n. F. grundsätzlich widerlegbar vermutet. Inhaltlich hat sich jedoch im Ergebnis für die positive Vertragsverletzung kaum etwas geändert (Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 34), es bleibt bei der Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen. Der BGH (NJW 2000, 2812 (2813)) verlagert die Darlegungs- und Beweislast nur dann auf den Schuldner, wenn die Schadensursache in seinem Verantwortungsbereich liegt. Angesichts der unterschiedlichen Missbrauchsursachen sind aber vielfach gerade Gefahren- und Verantwortungsbereiche strittig. Hier die Beweislast für fehlendes Vertretenmüssen auf Bankkunden zu verlagern, würde faktisch zur Wiedereinführung der Sphärenhaftung über Beweislastregelungen führen. Angesichts der den Kunden nicht bekannten Sicherheitsarchitekturen und vielfältigen Missbrauchsursachen kann es m. E. keinen beim Kunden liegenden Gefahren- und Verantwortungsbereich für Geldautomatensysteme geben. Aber auch wenn man diese Auffassung nicht teilt, ergibt sich durch § 280 BGB m. E. keine wesentliche
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1367
Veränderung. Da die Bank für die Pflichtverletzung die volle Darlegungs- und Beweislast hat, müsste sie diese konkret darlegen und dürfte diese nicht abstrakt unterstellen. Damit wäre ein konkreter Vortrag erforderlich, beispielsweise wo genau der Kunde die PIN notiert hatte. Pauschale Unterstellungen, der Kunde müsse diese notiert haben, wären damit ebenso unzulässig wie der nach wie vor durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht berührte, unzulässige Anscheinsbeweis für grobe Fahrlässigkeit.
D. Bargeld an der Kasse
19
I. Risikoverteilung bei der Barauszahlung an der Kasse. Da es bei der Abhebung am Automaten im Kern um eine Bargeldauszahlung geht, sollen die Grundstrukturen der Rechte und Pflichten ergänzend und klarstellend an diesem Vorgang dargestellt werden. Es geht nicht allein um spezifische Rechtsfragen bestimmter Medien, der Bankkarte und der Automaten, sondern um den Sachvorgang Bargeldauszahlung. Grundsätzlich trägt die Bank das Risiko einer Fälschung des Auszahlungsscheines (LG Hamburg VuR 1997, 101). Damit hat sie grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass nur an den Kontoinhaber oder dessen ausgewiesenen Vertreter ausbezahlt wird (BGH, NJW 1984, 2430). Schimansky (a.a.O., § 47 Rn. 27) hat im Zusammenhang mit Scheckformularen kritisiert, dass die Bank ihre Pflichten bei der notwendigen Prüfung der Legitimation der Auszahlung umgehe, wenn sie keine Empfangsquittungen mehr bereitstelle, sondern Auszahlungen vom Girokonto gegen Ausstellung von Inhaberschecks vornehme. Diese Regelung löse aber keine Rechtsfolgen zugunsten der Bank aus. Wenn das Scheckformular zur „Inhaber-Auszahlungsquittung“ werde, könne es nicht ausbleiben, dass sich die Prüfungsmaßstäbe früher oder später an den tatsächlichen Verhältnissen der Bargeldauszahlung ausrichten, um die vom Gesetz gewollte Risikoverteilung wieder herzustellen. Was für Schecks gilt, muss im Grundsatz auch für Auszahlungen mit Hilfe der EC-Karte gelten. Schecks finden kaum mehr Verwendung, werden an Kunden nur noch sehr zögerlich abgegeben, und Bargeldvorgänge an der Kasse sind durch Reduzierung des dortigen Service zumindest zu einer längerwierigen Angelegenheit geworden. Bargeldbeschaffung ist gezielt an Automaten abgedrängt worden, z.T. sollten sogar zusätzliche Entgelte für die Kassenbenutzung eingeführt werden. Deshalb sollte trotz des genutzten Mediums der Karte stärker auf den Grundtatbestand der Bargeldauszahlung und die damit verknüpfte Rechtslage abgestellt werden. Das grundsätzliche Risiko, an falsche Personen auszuzahlen, liegt bei Barauszahlungen damit bei der Bank, auch an Automaten. II. Barauszahlung an der Kasse gegen EC-Karte. Für Bargeldauszahlung an der Kasse gegen die Präsentation der EC-Karte sieht das die Rechtsprechung im Wesentlichen auch so. Die Bargeldauszahlung am Automaten ist durch die zugehörigen Geschäftsbedingungen detailliert geregelt, die Bargeldauszahlung am Bankschalter dagegen idR nicht. Teilweise sind die entsprechenden Regelungen sogar irreführend. Nur ausnahmsweise enthalten spezielle Regelungen bei einzelnen Instituten den Hinweis, dass der Karteninhaber unter Vorlage der EC-Karte an den Kassen – ohne Ausstellung des Barschecks – Geld von seinem Girokonto abheben kann. Diese Regelung findet sich aber nicht im Zusammenhang mit den sonstigen zahlreichen Dienstleistungen und Nutzungsmöglichkeiten der Karte, sondern ist ergänzend am Ende der üblichen EC-Bedingungen angefügt. Transparenz im Sinne der Regelung zusammenhängender Komplexe ist damit nicht gegeben. Da vom bekannten Leitbild der Nutzungsmöglichkeiten abgewichen wird, dürfte einer Klausel an einer derartigen Stelle auch überraschender Charakter zukommen. Die Rechtsprechung hat sich bereits mehrfach mit diesem Problem befasst und regelmäßig grundsätzlich den Kreditinstituten die Risiken auferlegt (AG Aachen WM 1993, 291;
Metz
20
1368
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
LG Essen WM 1993, 546; LG Frankfurt VuR 1997, 235; OLG Köln NJW-RR 1996, 619; so auch zuletzt LG Bonn NJW-RR 2005, 1645). 21
22
E. Die Entwicklung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen I. Fassungen der Anfangszeit. Die EC-Kartenbedingungen sind mehrfach, zuletzt zum Jahreswechsel 2001/2002, überarbeitet worden. Vom reinen Wortlaut der speziellen Haftungsregelungen her sind auch Veränderungen erfolgt. Von Anfang an regelten die Bedingungen (1969) für Euroscheck-Karten, dass die Karte mit besonderer Sorgfalt und getrennt von den für das betreffende Konto ausgegebenen EC-Scheckvordrucken aufbewahrt werden sollte. Der Kontoinhaber trug alle Folgen und Nachteile des Abhandenkommens, der missbräuchlichen Verwendung, der Fälschung oder der Verfälschung der Euroscheck-Karte oder der EC-Vordrucke, und zwar auch dann, wenn dem Kreditinstitut der Verlust angezeigt worden war. Trug der EC-Scheck auf der Rückseite die Nummer der Euroscheck-Karte, so galt zugunsten des Kreditinstitutes die unwiderlegliche Vermutung, dass der EC-Scheck vom Inhaber der Euroscheck-Karte unter Verwendung der Euroscheck-Karte begeben worden war. Zumindest an Transparenz ließen diese Regelungen wenig zu wünschen übrig. Die Pflichten der Bankkunden waren eindeutig geregelt, ebenso die vollständige Überbürdung aller Missbrauchs- und Fälschungsrisiken. Bei Verwendung der richtigen Kartennummer auf der Scheckrückseite war unwiderleglich zu vermuten, dass nicht nur die richtige Karte verwandt, sondern dass dieser Scheck vom Inhaber gegeben worden war. Der rigiden Fassung der Deutschen Sparkassen von 1971 standen abgemilderte Fassungen gegenüber. Danach war beispielsweise im Falle der Verwendung der EC-Kartennummer auf der Rückseite des EC-Schecks keine unwiderlegliche Vermutung begründet, sondern der EC-Scheck war „nur“ nach dem Beweis des ersten Anscheins unter Verwendung der Euroscheck-Karte begeben worden. Die vollständige Haftung des Kontoinhabers für alle Folgen und Nachteile des Missbrauchs wurde dadurch etwas abgemildert, dass durch einen zusätzlichen Satz das Kreditinstitut im Rahmen des von ihm zu vertretenen nachgewiesenen Verschuldens nur in dem Maße haftete, als es im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hatte. Die heute noch heftig umstrittene Problematik des Beweises des ersten Anscheins war mithin ebenso sichtbar wie eine rigide Kundenverantwortlichkeit. II. Überarbeitung 1980. Im Kern findet sich in den Bedingungen eine ähnliche Haftungsstruktur auch, nachdem 1980 zur Garantiefunktion die Auszahlungsfunktion an Bargeldautomaten getreten war. Dem Kunden oblag die Pflicht, die zugeteilte PIN geheim zu halten und sie insbesondere nicht auf der Code-Karte zu vermerken oder Dritten mitzuteilen. Bei Verletzung der vorgenannten Sorgfalts- und Verschwiegenheitsverpflichtungen haftete der Kunde gegenüber den angeschlossenen Instituten für alle Schäden, die durch eine unsachgemäße oder missbräuchliche Verwendung oder durch Verfälschung einer auf sein Konto ausgegebenen Code-Karte entstanden. Das Gleiche galt für Schäden, die durch missbräuchliche Verwendung der PIN entstanden. Die Kreditinstitute hafteten im Rahmen des von ihnen zu vertretenden Verschuldens nur in dem Maße, als sie im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hatten (vgl. Biber, WM 1987 SB, 7). Für die Automatenfunktion galten mithin im Wesentlichen die gleichen Grundsätze, nämlich nach der Scheckgarantiefunktion die verschuldensunabhängige Risikoverlagerung auf den Kunden und die Begrenzung der Bankenhaftung auf Verschulden.
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1369
III. Überarbeitung 1989. 1. Haftungsverteilung. Die Sonderbedingungen für den ECService aus dem Jahre 1989 modifizierten das Haftungssystem partiell nach dem Wortlaut von der Sphären- zur Verschuldenshaftung, nicht zuletzt nachdem der Verbraucherschutzverein ein Abmahnverfahren eingeleitet hatte. Grundsätzlich war nach den Geschäftsbedingungen der Kontoinhaber verpflichtet, dem Kreditinstitut alle Aufwendungen, die durch die Verwendung der EC-Karte entstanden, zu erstatten. Für Schäden durch missbräuchliche Verwendung der EC-Karte am Geldautomaten galt, dass nach der Anzeige des Verlustes beim Kreditinstitut oder dem zentralen Sperrannahmedienst das Kreditinstitut alle danach entstehenden Schäden übernahm. Bis dahin trug das Kreditinstitut (bei den Banken) 90% aller Schäden, die durch die missbräuchliche Verwendung der den Karteninhaber ausgegebenen EC-Karte entstanden, der Kontoinhaber haftete nur für 10% aller Schäden, die im Rahmen der Verfügungsmöglichkeit entstanden. Damit basierte die Bedingung immer noch, auch nach ihrem Wortlaut, mit einem 10%igen Kundenanteil auf der sogenannten Sphärentheorie. Der 10%ige Selbstbehalt war selbst in den Fällen nicht schuldhafter Verursachung eines Schadens zu tragen, wobei auch davon ausgegangen wird, dass basierend auf der Sphärentheorie der Aufwendungsersatzanspruch und der Freizeichnungsanspruch als Einheit zu sehen seien (vgl. Harbeke, WM 1989, 1712 u. 1753). Ein Anspruch des Kunden bestehe nur dann, wenn der Kunde durch Vortrag einen glaubhaften anderen Sachverhalt darlegen könne. Dabei sei es auch von Bedeutung, dass den Instituten die Grundsätze des prima-facie-Beweises zur Verfügung ständen. Ein etwaiges non liquet gehe zulasten des Kunden. Diese Beweislastverteilung verstoße auch nicht gegen das AGB-Gesetz. Wolle der Kunde von seiner Einstandspflicht befreit werden, müsse er die Tatsache des Missbrauchs letztendlich nachvollziehbar belegen. Damit werde nicht von der materiellen Rechtslage in der Beweislastverteilung abgewichen. Vielmehr sei der Kunde auf der Grundlage der Sphärentheorie grundsätzlich selbst dann einstandspflichtig, wenn er eine Verfügung nicht selbst vorgenommen habe, sondern diese missbräuchlich durch einen Dritten erfolge und dieser Missbrauch erst aufgrund von Umständen, die aus der Sphäre des Kunden stammt, ermöglicht werde. Insgesamt zeigt die Debatte, dass trotz der Einführung von Verschuldenselementen letztendlich auch durch die Verknüpfung von Aufwendungsersatzanspruch und Beweislastverteilung am Sphärengedanken festgehalten wurde, und explizit wurde diese auch beispielsweise im gleichen Beitrag als eigentlich immer noch gerechtfertigt verteidigt (Harbeke, WM 1989, 1749 ff.). Schinkels (S. 108) wies zu Recht auf die Schwächen der Sphärentheorie hin, bei der nicht nur die Sphären diffus seien, sondern auch der zu Grunde liegende Gerechtigkeitsgedanke. Die Sparkassen unterschieden in ihren Bedingungen bei der Haftung zwischen leicht und grob fahrlässig verursachten Schäden. In Fällen leicht fahrlässiger Schadensverursachung durch den Kunden wurde dieser Schaden durch die Sparkasse getragen. Es bestand also kein Selbstbehalt. Allerdings hatte der Kunde bei grober Fahrlässigkeit den Schaden in vollem Umfange selbst zu tragen.
23
2. Kritik. Reifner (BB 1989, 1912) äußerte vehemente Kritik an diesen Geschäftsbedingungen. Alte wie neue Regelungen gingen davon aus, dass eine prinzipielle Haftungsübernahme der Verbraucher für Missbräuche Dritter grundsätzlich zulässigerweise bestehe. Der Ansatzpunkt sei aber verfehlt, da kein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB gegeben sei, denn es liege keine wirksame Anweisung vor. Es handle sich vielmehr um typische Haftungsbestimmungen zur Regelung von Sekundäransprüchen. Der Sinn der neuen Bedingungen liege (weiterhin) darin, dass mit dem Missbrauch der Karte nach Verlust die Weitergabe der Geheimzahl unwiderleglich vermutet werde, wie dies auch für den EC-Scheck gelte, der die Kartennummer auf der Rückseite trage. Die gesamte durch Automatisierung des Geldverkehrs hervorgerufene Kriminalität könne nicht unter Ver-
24
Metz
1370
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
zicht auf den individuell nachgewiesenen Schuldvorwurf in die Risikosphäre des Kunden verschoben werden. Der Bankkunde sei nur dafür darlegungspflichtig, inwieweit von ihm steuerbare übliche und sozial adäquate Sorgfalt bei Aufbewahrung und Verwendung der Geheimzahl praktiziert werde. Ein System, das aus Kostengründen prinzipiell auf Identitätsfeststellung verzichte, könne auf den konkret nachzuvollziehenden Beweis des Sorgfaltsverstoßes des Karteninhabers nicht verzichten. Eine Vermutung zulasten der Kunden für grobfahrlässiges Verhalten sei unzulässig. 25
IV. Überarbeitung 1995. Zum 01.01.1995 wurden die EC-Bedingungen (1995) erneut modifiziert und teilweise neu gegliedert. Für die Zeit vor der Verlustmeldung unterscheiden sich die Regelungen der Banken bzw. Sparkassen.
26
1. Sparkassen. Die Sparkassen übernehmen auch die vom Kontoinhaber zu tragenden Schäden, die vor der Verlustanzeige entstanden sind, sofern der Karteninhaber seine Sorgfaltspflicht- und Mitwirkungspflichten nicht grob fahrlässig verletzt hat. Regelbeispiele der groben Fahrlässigkeit sind „insbesondere“ das Vermerken der persönlichen Geheimzahl auf der EC-Karte, die gemeinsame Aufbewahrung oder die Mitteilung der persönlichen Geheimzahl an eine andere Person sowie das Unterlassen der umgehenden Meldung des Kartenverlustes. Pfeiffer (in: v. Westphalen, a.a.O., Rn. 4) hält dies, da damit grobe Fahrlässigkeit „stets“ vorliege, als unwiderlegliche Vermutung für unwirksam. Die in der Klausel angelegte Verbindung von nicht möglichem Entlastungsbeweis und der uneingeschränkten Vermutung des individuellen Faktors, der aber bei der groben Fahrlässigkeit stets zusätzlich zu prüfen ist (Palandt-Heinrichs, § 277 Rn. 2), dürfte die Klausel wegen der darin enthaltenen unangemessenen Benachteiligung (§ 307 BGB) unwirksam machen. Die Übernahme eines Schadens durch die Bank soll nur erfolgen, wenn der Kontoinhaber die Voraussetzung der Haftungsentlastung glaubhaft darlegt und Anzeige bei der Polizei erstattet. Das OLG Stuttgart (WM 2003, 125) sieht darin keine Beweislastumkehr zulasten der Kunden, sondern eine vertragliche Festlegung einer Substantiierungspflicht in Form einer glaubhaften Sachverhaltsdarstellung. In jedem Fall ist die Kundenhaftung auf höchstens DM 1.000 (jetzt € 500) pro Kalendertag beschränkt. Für die Sparkassen gilt als Grundsatz, dass der Kontoinhaber haftet, wenn Schäden auf einer schuldhaften Verletzung seiner Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten beruhen. Hat die Sparkasse zur Entstehung des Schadens beigetragen, so bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens in welchem Umfang Sparkasse und Kontoinhaber den Schaden zu tragen haben.
27
2. Private Banken. Bei den privaten Banken gilt ebenfalls die vollständige Schadensübernahme nach der Verlustanzeige. Bis zur Verlustanzeige trägt die Bank die entstandenen Schäden, wenn der Karteninhaber die ihm obliegenden Pflichten erfüllt hat. Bei schuldhaftem Verhalten bestimmt sich nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, in welchem Umfange Bank und Kontenkarteninhaber den Schaden zu tragen haben. Sofern der Karteninhaber seine Pflichten lediglich leicht fahrlässig verletzt hat, stellt die Bank den Kontoinhaber von seiner Verpflichtung, einen Teil seines Schadens zu übernehmen, in jedem Fall in Höhe von 90% des Schadens frei. Hat die Bank ihre Verpflichtung erfüllt und der Karteninhaber seine Pflichten grob fahrlässig verletzt, trägt der Kontoinhaber den entstandenen Schaden in vollem Umfange. Die aufgeführten Regelbeispiele, allerdings als Kann-Regelung formuliert, für grobe Fahrlässigkeit entsprechen den Bedingungen der Sparkassen. Die Haftung beschränkt sich auf den mitgeteilten Verfügungsrahmen. Entscheidend ist also nach dem Wortlaut der AGB vielfach das Kriterium der groben Fahrlässigkeit und seine Umsetzung in der Praxis. Hoeren (NJW 1995, 2474) hat sehr frühzeitig darauf hingewiesen, dass in der Praxis im Einzelfall die Beurteilung des Verschuldensgrades des Kunden sehr schwierig sein werde. Eine strikt zum Nachteil des Kunden erfolgende Auslegung sei zwar nicht von vornherein zu unterstellen, sei aber auch
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1371
nicht auszuschließen. Aus der Beschwerdepraxis der Verbraucherzentralen hat sich der letzte Teil seiner Einschätzung als zutreffend erwiesen. V. Überarbeitung 2001. Die Änderungen zum Jahreswechsel 2001 brachten hinsichtlich der Haftungsregelungen keine Neuerungen. Sie waren bedingt durch den Wegfall der ECScheckgarantie und die Einführung der gemeinsamen Währung, dem Euro. Die Bezeichnung wurde in „Bankkarte“ geändert. VI. Fazit. Nach alledem gilt folgendes AGB-Fazit: – Mehr als zwei Jahrzehnte waren die Geschäftsbedingungen für EC-Karten offen geprägt von der Vollverantwortlichkeit des Kunden für Sicherheit und Risiken. Die partielle Umstellung der Geschäftsbedingungen im Wortlaut der Haftungsklausel auf eine Verschuldenshaftung ist unter zeitlichen Gesichtspunkten relativ neu. Die vage Begrifflichkeit des Verschuldens wird aufgrund ihrer wesensgemäßen großen Unbestimmtheit zum faktischen „Filter“ der Haftungspraxis, wie dies von Hoeren auch frühzeitig prognostiziert wurde. Nach den AGB ist für die volle Kundenhaftung nicht einfache Fahrlässigkeit, sondern grobe Fahrlässigkeit Voraussetzung – was in der Regulierungspraxis aber nicht beachtet wird. – Jenseits der speziellen Haftungsaspekte sind die Geschäftsbedingungen immer noch stark geprägt von Verantwortlichkeiten der Kunden. Die im menschlichen Charakter angelegte Sorglosigkeit, Schlamperei und potentielle Kumpanei mit unzuverlässigen Elementen werden dem einzelnen Kunden als immanent unterstellt. Sorgfaltspflichten für Kunden sind deutlich stärker ausgeprägt als Pflichten für Kartenausgeber. Prinzipiell hat der Kunde dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person Kenntnis von der PIN gewinnt. Wo die PIN dann verwandt wird, muss dies – so die Bankpraxis – im Umkehrschluss seine Ursache auch im Kundenverhalten haben, so wie dies früher für die auf der Scheckrückseite vermerkte Kartennummer galt. Die Diskrepanz der Pflichten gilt selbst dort, wo die faktische Herrschaft über das Kartenmedium aufgegeben wird. Der bekanntermaßen risikoreiche postalische Versand ist so zwar zulässig, das Zurücklassen im Kfz dagegen regelmäßig grob sorgfaltswidrig. Im Kern sehen die Bedingungen der Kreditinstitute die Risiken mithin immer noch allein oder weitgehend in der Sphäre des Kunden; insofern wirkt die Sphärentheorie immer noch in den Geschäftsbedingungen generell überlagernd nach. Das rechtstechnische Instrument der Überleitung des Sphärendenkens ist der Anscheinsbeweis. – Ein zunächst offen formuliertes, später versteckt enthaltenes Aufwendungsersatzrecht verschafft den Kreditinstituten eine günstige Ausgangsposition für die Belastung der Kundenkonten, obwohl der Schaden zunächst bei den Kreditinstituten eintritt. – Die schwierige Rückverlagerung des Schadens auf Kreditinstitute gelingt Kunden nur unter den Voraussetzungen einer Haftungsentlastung mit der glaubhaften Darstellung eines Geschehensablaufes, an dem sie keine Schuld tragen. Da jedoch das System nach Ansicht der Kreditwirtschaft fehlerfrei und sicher ist, dies wird durch einen in den AGB nicht mehr ausformulierten Anscheinsbeweis noch verstärkt, ist für Bankkunden die Entlastung gegen den Willen der Bank praktisch unmöglich. So wie früher die Scheckkartennummer unwiderleglich die Scheckausstellung belegt hat, spricht bis heute die schadensursächliche Verwendung der PIN – die das System nach wie vor nicht dokumentiert – automatisch für den groben Sorgfaltsverstoß des Bankkunden. Ein diffuser Anscheinsbeweis bleibt Einfallstor für eine nach wie vor im Hintergrund bestehende Spährenideologie. Vom Wortlaut her ist jedoch „grobe Fahrlässigkeit“ das entscheidende Kriterium für die volle/überwiegende Kundenhaftung.
Metz
28
29
1372
30
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
F. Tendenzen der Instanzrechtsprechung Die Rechtsprechung zu missbräuchlichen Abhebungen an Geldautomaten ist nach wie vor zweigeteilt. I. Bankenfreundliche Rechtsprechung. Die banken- und technikfreundliche Rechtsprechung geht davon aus, dass das Sicherheitssystem technisch zuverlässig ist, weil die PIN, wenn überhaupt, nur mit einem völlig unverhältnismäßigen Zeit- und Kostenaufwand ermittelt werden könne, der jedoch in keinem Verhältnis zu dem möglichen Gewinn stehe. Das ordnungsgemäße Auszahlungsprotokoll des Geldautomaten sei Beleg dafür, dass die Abhebung mit der richtigen PIN erfolgt sei. Aufgrund der Sicherheit des Systems ergebe sich, dass ein unberechtigt Abhebender nur durch Weitergabe des berechtigten Inhabers der Karte Kenntnis von der PIN erlangt habe. Deswegen spreche der Anscheinsbeweis für die Kreditwirtschaft. (so z.B. OLG Frankfurt ZIP 2008, 774; OLG Celle WM 1985, 655; LG Köln, Urt. v. 20.09.1994 – XI S 338/92 (unveröffentlicht); AG Burgdorf WM 1993, 2122; LG Bonn NJW-RR 1995, 815; AG Schöneberg WM 1997, 66; AG Frankfurt NJW 1998, 687; AG Osnabrück NJW 1998, 688; LG Darmstadt WM 2000, 911; LG Köln WM 2001, 852; AG Regensburg WM 2002, 2105; AG Frankfurt, Urt. v. 30.1.03 – 31 C 1935/02 – 17 (unveröffentlicht); AG Bochum, Urt. v. 26.02.03 – 38 C 363/02 (unveröffentlicht); AG Geldern, Urt. v. 25.02.03 – 14 C 446/02 (unveröffentlicht); AG Bonn, Urt. v. 12.02.03 – 11 C 204/02 (unveröffentlicht). Für die neu ausgegebenen Karten haben das AG Bremen (WM 2000, 1639) und das AG Hohenschönhausen (WM 2002, 1057) die höhere Sicherheitsarchitektur akzeptiert und erachten deshalb Manipulationen, wie im Fall des OLG Hamm (vgl. Rn. 31), für nicht mehr möglich (so zuletzt auch LG Berlin WM 2003, 129). Das OLG Stuttgart (WM 2003, 125) hat zwar an der Systemsicherheit festgehalten, den Anscheinsbeweis aber für erschüttert erachtet, wenn ein vom typischen Geschehensablauf abweichender Hergang ernsthaft möglich erscheint. Getragen ist diese Rechtsprechung m.E. von der Konzentration allein auf die technische Errechenbarkeit der PIN aus der Karte – andere Missbrauchs- und Fehlerquellen sind idR ausgeblendet. Idealtypisch für diese Tendenz ist die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 30.3.2006 (NJW-RR 2007, 198), die bei zwanzig Kreditkartenabhebungen in Höhe von ca. 5000 € innerhalb von rund 40 Minuten an diversen Geldautomaten in Rom – ohne die Sicherheitsarchitektur bei Kreditkarten von denen der ec-Karte zu unterscheiden und von Geldautomaten in Deutschland auf identische Systeme im Ausland schließend – aus der PINVerwendung im Wege des Anscheinsbeweises auf die sorgfaltswidrige Aufbewahrung und damit auf die grobe Fahrlässigkeit schlussfolgert und behauptete unzureichende technische Standards des Kartenunternehmens nicht als Einwand zulässt. Und weil man schon bei der „Erziehung“ der Bankkunden ist, haftet die Bank auch nicht für die verzögerte Sperrung, die dazu führte, dass die Auszahlungen nach der ersten Verlustmeldung noch möglich waren. Der höhere Grad der verletzten Sorgfaltspflicht durch den Bankkunden überwiege etwaige Organisationsmängel der Bank auch noch nach der Verlustmeldung. Differenzierend, d.h. zugunsten bzw. zulasten der Bank bzw. des Kunden, ist sowohl in der Argumentation wie in der Entscheidung über die abgetretenen 19 Ansprüche verschiedener Bankkunden das Urteil des OLG Düsseldorf (Urt. v. 26.10.2007 – I – 16 U 160/04, BKR 2008, 41).
31
II. Bankenkritische Rechtsprechung. Das OLG Hamm (ZIP 1997, 878) hat Zweifel an der Sicherheit des Systems ausformuliert und die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich in Frage gestellt. Unter Berufung auf zwei Sachverständige wurden technische Möglichkeiten des Kartenmissbrauchs für real erachtet, und der berechtigte Karteninhaber, der plausible Abläufe schildern kann, muss deshalb nicht in jedem Fall für ihm unerklärliche Barabhebungen einstehen.
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1373
Die Rechtsprechung des OLG Hamm fand ihren Niederschlag in weiteren kritischen Instanz-Entscheidungen (so u.a. AG Buchen VuR 1998, 42; AG Wildeshausen VuR 1998, 42; AG Hamburg, Urt. v. 27.08.1998 – 22a C 1913/96, unveröffentlicht; AG Bremen VuR 1998, 367; AG Essen, Urt. v. 15.07.1999 – 21 C 638/98, unveröffentlicht; Essen Urt. v. 16.03.2000 – 21 C 487/99, unveröffentlicht; LG Mönchengladbach VuR 2001,17; LG Osnabrück, Urt. v. 4.02.03 – 7 S 641/02, BKR 2003, 509; AG Essen, Urt. v. 6.03.02 – 21 C 599/ 02, unveröffentlicht; AG Recklinghausen, Urt. v. 24.06.03 – 12 C 153/03, unveröffentlicht; AG Bad Liebenwerda, Urt. v. 30.07.03 – 11 C 403/02, unveröffentlicht; LG Berlin, ZErb 2008, 243). Das AG Langenfeld (Urt. v. 01.09.1999 – 11 C 102/99, unveröffentlicht) zieht den Schluss, dass gerade wegen der unterschiedlichen Urteile und Sachverständigengutachten das Gericht nicht vom Anschein der Sicherheit der persönlichen Geheimnummer auszugehen vermag; im Ergebnis ebenso AG Essen (Urt. v. 29.04.2002 – 12 C 205/01, unveröffentlicht). Einen Anscheinsbeweis haben zuletzt auch die Oberlandesgerichte Oldenburg (WM 2000, 2337) und Frankfurt (WM 2001, 1998; WM 2002, 1055) abgelehnt. In der Kreditkartenentscheidung von 2001 führt das OLG Frankfurt aus, dass aus der Entwendung von EC-Karten und PIN kein Anscheinsbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung folge. Das AG Frankfurt (Urt.v. 16.01.07 – 30 C 1774/ 06-45, unveröffentlicht) hat auf viele Besonderheiten bei Abhebungen im Ausland hingewiesen, wo das MM-Merkmal nicht geprüft werde, hohe Steigerungsraten des Missbrauches auffällig seien und wenn die Original EC-Karte nicht eingezogen und vorgelegt werde, auch kein Raum für den Anscheinsbeweis gegeben sei. III. Art der Kartenaufbewahrung. Einige Gerichte versuchen die Auseinandersetzung mit der Sicherheitsarchitektur zu vermeiden und stellen allein auf die Art der Aufbewahrung ab. Wer dabei grob fahrlässig handele, müsse allein deswegen für den Schaden haften. Auf die Sicherheit des PIN-Systems komme es nicht mehr an (so LG Hamburg NJW RR 2002, 264; AG Nürnberg WM 2002, 1060; AG Landau WM 2001, 856; LG Halle WM 2001, 1298; LG Mainz WM 2003, 1172; OLG Hamm, Urt. v. 5.02.03 – 3/U 109/Q, unveröffentlicht). Das OLG Frankfurt (BKR 2002, 331) und das AG Unna (Urt. v. 23.11.1999 – 16 C 708/98, unveröffentlicht) kommen dagegen zum Ergebnis, dass es nicht grob fahrlässig sei, die EC-Karte versteckt in einem Wohnmobil zurückzulassen (für eine differenzierende Betrachtungsweise Hoffmann, WM 2005, 443 f.). Wenn aber das entscheidende Merkmal für den Zugang zum Geldautomaten die Geheimzahl ist, kann es auf die Art der Aufbewahrung der Karte, die für sich ein wertloses Stück Plastik darstellt, allein nicht ankommen; dies zeigt auch der der postalische Versand durch die Kreditinstitute (für atypischen Einzelfall vgl. KG Berlin VuR 2006, 109, mit Anm. Hoppe), also auf die Art der Aufbewahrung allein nicht ankommen. So kritisiert auch das LG Mönchengladbach, dass Bankkunden allgemein der Eindruck vermittelt werde, im Falle eines Diebstahls halte der Dieb nur ein nutzloses Stück Kunststoff in der Hand, bei der Haftung aber anders verfahren werde.
32
IV. Hohe Anforderungen an das Kundenverhalten. Hinsichtlich der technischen Möglichkeiten und des real praktizierbaren bzw. sozialadäquaten Kundenverhaltens geht ein Teil der Instanzrechtsprechung von sehr hohen Anforderungen an das Kundenverhalten aus. Bei einem von der Bank nicht gegen Einsichtnahme geschützten Automaten soll beispielsweise der Kunde grob fahrlässig handeln, wenn er das Eintippen nicht gegen Einsichtnahme Dritter, z.B. mit der Hand, absichert (vgl. LG Halle WM 2000, 1298). Warum Kundenpflicht sein soll, was die Bank unterlässt, bleibt rätselhaft – abgesehen davon, dass das Abschirmen per Hand gegen elektronische Ausspähung wenig hilft. Das LG Hamburg (Urt. v. 23.11.2001 – 313 S 116/01, unveröffentlicht; ähnlich AG Charlottenburg WM 2003, 1174) fordert, dass der Kunde „… sich demzufolge einen Reflex anzutrainieren
33
Metz
1374
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
habe, seine EC-Karte immer und überall gegen Abhandenkommen zu sichern …“. Abgesehen davon, dass Reflexe auf einen bestimmten Reiz hin ohne Mitwirkung des Bewusstseins erfolgen, ist die Vorstellung wenig realistisch, Millionen Karteninhaber suchten „immer und überall“ danach, ob ihre EC-Karte noch in der Brieftasche etc. ist. Viele der gerichtlichen Anforderungen erscheinen, insbesondere wenn man sie als reale Anforderungen an das Alltagsleben massenhaft stellen würde, wenig sozialadäquat – abgesehen davon, dass besonders auffälliges Verhalten am Geldautomaten oder stete Kontrolle der Geldbörse wohl erst recht die Aufmerksamkeit dunkler Elemente hervorrufen würden. Überspannten Erwartungen von Gerichten kann deshalb insbesondere unter Verweis auf BGH (ZIP 2000, 2196) nur entgegengetreten werden. Ginge es nach der Abwicklungskorrespondenz der Kreditwirtschaft, dann könnte bargeldloses Bezahlen zwar überall erfolgen, aber die Karte dürfte sich nicht in der Wohnung befinden, schon gar nicht allein in der Obhut der Putzfrau, nicht im Auto, nicht im Rucksack, nicht in der Sauna, nicht in der Jackentasche über dem Bürostuhl. Unzulässig wäre alles, was im Alltag praktiziert werden muss, und vor allem gälte: Verliere nie! Auch ein verschlüsseltes Notieren der PIN, z.B. als Telefonnummer, was angesichts der Vielzahl der Geheimzahlen und -wörter für viele Verbraucher praktisch unvermeidlich ist, wird von Teilen der Rechtsprechung als unzulässig angesehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.7.03 – 19 U 71/03, unveröffentlicht). 34
V. Fazit. Insgesamt ist festzuhalten, dass je nach Gerichtsstand und teilweise am gleichen Ort je nach zuständiger Kammer etc. unterschiedliche Auffassungen zur Sicherheit des Geldautomatensystems bestehen, ein Zustand, der im Hinblick auf die Rechtssicherheit und Prognostizierbarkeit für Kreditinstitute und Verbraucher schwer erträglich ist.
35
G. Die Rechtsprechung des BGH Da der Bundesgerichtshof zu diesen Fragen noch nicht abschließend und systematisch entschieden hat, ist anhand einzelner Urteile zu erörtern, ob sich daraus Prognosen für eine eventuelle Gesamtpostenposition ableiten lassen. Kreditkartenurteil 1991. Bereits 1991 hatte sich der BGH (NJW 1991, 1886) mit Haftungsregelungen für (Kredit-)Karten beschäftigt. Eine Klausel, die das Haftungsrisiko ohne Rücksicht auf das Verschulden auf Kunden verlagere, sei unwirksam. Über den Zeitpunkt der Verlustmeldung hinaus dürfe der Kunde ohnehin nicht haften. Eine Haftung ohne Verschulden und betragsmäßige Begrenzung widerspreche der gesetzlichen Risikoverteilung, da nach dem Gesetz die Kartengesellschaft grundsätzlich das Missbrauchsrisiko zu tragen habe. Auch wenn die Risiken in der Sphäre des Kunden begründet lägen, geböten die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen des Anbieters, die fehlenden ökonomischen Vorteile für Konsumenten und die Versicherbarkeit der Risiken eine Haftung nach dem Verschuldensprinzip. Diese Entscheidung ist zu Recht allgemein als Absage an die Sphärenhaftung verstanden worden und hat sicherlich die Änderung der EC-Bedingungen 1995 wesentlich beeinflusst.
36
Im Jahr 2000 hat sich der BGH (WM 2000, 2421) allerdings in einem Einzelfall mit Fragen der groben Sorgfaltspflichtverletzung zur Art der Verwahrung von Karte und Geheimzahl ausführlich befasst, und zwar zu den Haftungsregelungen der Sparkassen (1995). Die Vorinstanz hatte grobe Fahrlässigkeit angenommen, weil Karten und Geheimzahlen in einer Wohnung aufbewahrt worden waren. Der BGH sah zwar einen Sorgfaltsverstoß, aber keine grobe Fahrlässigkeit. Der BGH verneint bei Missbrauch einen Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 670, 667 BGB, da unberechtigte Abhebungen keine Weisung im Sinne des § 665 BGB darstel-
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1375
len. In Betracht komme nur ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung, wenn der Kontoinhaber seine vertraglichen Sorgfaltspflichten verletze. Soweit die Bank missbräuchliche Abhebungen rechtsfehlerhaft in das Kundenkonto einbuche, stehe dem Verbraucher ein Anspruch auf Rückbuchung bzw. Auszahlung des sich nach der Berichtigung ergebenden Guthabens zu, wenn weder ein Auftrag des Kunden noch ein sonstiger Rechtsgrund dafür vorliege. Den Ansatz vieler Kreditinstitute und Autoren, es liege zunächst ein Aufwendungsersatzanspruch vor, teilt der BGH also nicht. Im Jahre 2004 hat der BGH (BKR 2004, S. 493) entschieden, dass bei zeitnahen Abhebungen nach dem Diebstahl einer ec-Karte unter Verwendung dieser Karte und der richtigen PIN grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass der Karteninhaber die PIN auf der ec-Karte notiert oder gemeinsam mit dieser aufbewahrt habe, wenn andere Ursachen für den Missbrauch nach der Lebenserfahrung außer Betracht blieben. Die Möglichkeit des Ausspähens der Geheimzahl durch einen Dritten komme als andere Ursache nur in betracht, wenn die ec-Karte in nahem zeitlichem Zusammenhang mit der PIN-Verwendung an einer Kasse oder einem Geldautomaten erfolgt sei.
37
Einen Beweis des ersten Anscheins gebe es allerdings nicht dafür, dass ein Kartendiebstahl grob fahrlässig ermöglicht worden sei. Auch ein Notieren der PIN, auf das ein Teil der Bankkunden nicht verzichten könne, hält der BGH für zulässig. Lediglich die getrennte Verwahrung müsse gewährleistet sein. Insofern ist der BGH gegenüber typischen sozialadäquaten Verhalten offener als viele Instanzgerichte. In der Kernfrage des Anscheinsbeweises und dessen Erschütterung ist der BGH der Auffassung, dass „… in einem Fall der vorliegenden Art“ der Beweis des ersten Anscheins für ein grob fahrlässiges Verhalten des Karteninhabers im Zusammenhang mit der Geheimhaltung seiner Geheimzahl spricht. Eine Erschütterung setze mehr voraus, als dass es mehrere theoretische und praktische Möglichkeiten der Kenntniserlangung der PIN für Dritte gebe, solange diese bei wertender Betrachtung außerhalb der Lebenserfahrung lägen. Insbesondere komme die Möglichkeit des Ausspähens nur in Betracht, wenn die EC-Karte in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Eingabe der PIN-Verwendung erfolgt sei. Im zu entscheidenden Fall sei aber ein Ausspähen nicht möglich gewesen, da die Karte am Tag des Diebstahls nicht benutzt worden sei. Der BGH erachtet aber das Kreditinstitut für verpflichtet, wenn auch nur im Rahmen berechtigter Geheinhaltungsinteressen, nähere Angaben zu den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zu machen, technische Aufzeichnungen aufzubewahren und ggf. herauszugeben (vgl. auch Hoffmann, WM 2005, 448). Ob dies das abschließende Wort des BGH war oder ob in einem breiter angelegten Verfahren mit umfangreicherem Sachvortrag zu Sicherheitsproblemen und detaillierterem Gutachten (vgl. dazu unten H. II.) andere Akzente gesetzt werden, bleibt offen. Strube (BKR 2004, 497) hält in seiner Anmerkung ebenfalls die Entscheidung des BGH nur für partiell und aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls und der bindenden Tatsachenfeststellungen des zu entscheidenden Falles so entschieden; andere offene Fragen, insbes. zur technischen Gesamtsicherheit bzw. zum nur ausschnittsweise wiedergegebenen Gutachten würden vom BGH zurückhaltender bzw. gar nicht beurteilt (vgl. Strube, BKR 2004, 497, 499). Werner (BKR 2004, 502) hält die Entscheidung dagegen für eine grundsätzliche Klärung im Sinne der Akzeptanz des Anscheinsbeweises und des Ausschlusses von rein theoretisch denkbaren anderen Möglichkeiten. Werner sieht die Problematik eher darin, dass den Kreditinstituten nicht zu viel an substantiertem Vortrag zur
Metz
38
1376
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Sicherheitstechnik zugemutet werden dürfe damit daraus keine Ansätze zu Angriffen auf die Sicherheitsverfahren entwickelt werden könnten. Auch Werner geht aber nur von einer „vorübergehenden Beruhigung der Diskussion aus, die technisch rasante Entwicklung werde die entsprechenden Fragen immer wider auf den Prüfstand bringen. Spindler (BB 2004, 2766) geht ebenfalls davon aus, dass das BGH-Urteil nur auf den ersten Blick Klarheit gebracht habe. Bei genauerer Betrachtung habe der BGH nur die Tür für weitere Differenzierungen im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast weit aufgestoßen. Der BGH habe zwar den Anscheinsbeweis im Rahmen der 128bit-Verschlüsselung und auf der Basis entsprechender Sachverständigengutachten akzeptiert, eine pauschale Festlegung auf einen allgemeinen Anscheinsbeweis aber vermieden. Bei allen Unterschieden ergibt sich somit das Bild einer insbes. unter neuen technologischen Entwicklungen nicht abgeschlossenen Rechtsprechung des BGH (so im Ergebnis auch Hoffmann, WM 2005, S. 441; insbes. im Hinblick auf die vom BGH nicht vorgenommene weitere Sachaufklärung,). Der BGH selbst (vgl. BKR 2007, 79 (83)) hält zuletzt zwar an seiner Beweislastverteilung ausdrücklich fest, stellt aber in tatsächlicher Hinsicht die Frage, ob das vom Kreditinstitut verwendete Sicherheitssystem ein ausreichendes Sicherheitsniveau für die Verwendung des Anscheinsbeweises bietet. Damit scheinen im tatsächlichen Bereich durchaus Spielräume zu liegen, die insbes. über neue Formen des Verbandsklageverfahrens einer effektiven Lösung zugeführt werden können. 39
H. Verbandsklageverfahren Musterverfahren durch Verbraucherverbänden kommt somit besondere Bedeutung zu. Ein Verbandsklageverfahren hatte bereits den Wechsel von der Sphärenhaftung zur partiellen Verschuldenshaftung befördert. I. § 13 AGBG. Die Verbraucherzentrale NRW hatte zunächst im Jahre 2000 in einem Verbandsklageverfahren nach § 13 AGBG mehrere Klauseln angegriffen, u.a. die einseitige Verpflichtung des Kunden, die PIN geheimzuhalten, und die Haftungsregelungen. Ansatzpunkt war, dass ein umfassender Schutz der PIN den Kunden unmöglich sei, da eine Ausspähung nicht verhindert werden könne. Angesichts der Vielzahl der Geheimzahlen sei ein Auswendiglernen für viele Kunden nicht mehr möglich; das verschlüsselte Beisichführen müsse zulässig sein. Der implizit enthaltene prima-facie-Beweis sei in den AGB nicht transparent gemacht und insgesamt komme es zu einer faktischen Veränderung der gesetzlichen Beweislastverteilung. Das LG Köln (WM 2001, 853) sah keine AGB-Verstöße für gegeben an. Auch die Kammer ging zwar davon aus, dass eine Ausspähung nicht absolut verhindert werden könne, aber die Klausel verlange keine absolute Abschirmung. Welche Maßnahme konkret erforderlich sei, ergebe sich aus dem Einzelfall, führe jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Bankkunden könne zwar nicht das Auswendiglernen der PIN zugemutet werden, aber die Klausel verlange auch nur die getrennte Aufbewahrung, z. B. in verschiedenen Taschen. Auch insoweit liege keine Unwirksamkeit vor. Die Haftungsklausel verstoße nicht gegen das Transparenzgebot, selbst wenn Banken und Gerichte von einem primafacie-Beweis ausgingen Das OLG Köln (WM 2003, 124) schloss sich der Auffassung des LG an und wies die Berufung zurück. Den Haftungsregelungen liege eine Verschuldenshaftung zugrunde und eine Veränderung der Beweislast vermochte das Gericht nicht in den AGB zu sehen. Auch wenn Instanzgerichte Beweislastregelungen unterschiedlich handhaben würden, führe dies nicht zur Intransparenz und begründe auch keine Notwendigkeit, dem Rechtstreit
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1377
grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Im Übrigen habe der BGH in seinem Urt. v. 17.10.2000 die Maßstäbe für grobe Fahrlässigkeit definiert. II. Art. 1 § 3 Nr. 8 Rechtsberatungsgesetz, § 79 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO. Angeregt durch ein Verfahren österreichischer Konsumentenschützer, die aus abgetretenem Recht gegen Haftungsklauseln bei Bankkarten, dort noch mit Sphärenhaftung, vorgegangen waren (vgl. OGH Österreich, Urt. v. 29.6.2000, RdW 2000, 576 – 2 Ob 133/99 RdW 2000, 576), ist von der Verbraucherzentrale NRW beabsichtigt die vereinzelte Position isolierter Bankkunden zu überwinden und Entscheidungen mit Mustercharakter herbeizuführen. In den ersten Monaten nach einem entsprechenden Presseaufruf haben sich bei der VerbraucherZentrale NRW bereits mehr als 1000 geschädigte Bankkunden gemeldet. Art. 1 § 3 Nr. 8 des Rechtsberatungsgesetzes sah vor, dass Verbraucherzentralen nicht mehr nur außergerichtliche Rechtsbesorgung oder abstrakte Verbandsklagen vornehmen können, sondern auch – wenn dies im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich ist – die gerichtliche Einziehung von abgetretenen fremden Forderungen durchführen können. Diese Befugnis ist auch in § 79 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO geregelt – ohne die Voraussetzung, dass dies im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich sein muss.
40
Diese Form des Musterverfahrens bietet den Vorteil, dass Grundsatzfragen sowohl in tatsächlicher Hinsicht, z.B. komplexe technische Sicherheitsfragen, wie aber auch in prozessualer Hinsicht, z.B. Gutachterkosten, angemessen aufgeriffen werden können. Nachdem Instanzgerichte die Musterklagen der Verbraucherzentrale NRW zunächst unterschiedlich beurteilt hatten, hat der BGH (BKR 2007, 79) positiv entschieden und diese Form der Verbandsklage auch zugelassen, wenn sie durch Einschaltung der Verbraucherverbände eine effektivere Durchsetzung der kollektiven Verbraucherinteressen ermöglicht. Im Gegensatz zu Instanzentscheidungen sah der BGH es als ausreichend für die Sinnhaftigkeit der neuen Klageform z.B. an, dass Individualklagen faktisch nicht geführt würden, weil geringe Anspruchshöhen, hohe Porzessrisiken aufgrund von komplexen oder unsicheren Rechtsfragen oder schwieriger Informations- oder Beweismittelbeschaffung aber auch die Person des Prozessgegners eben Verbraucher faktisch von der Wahrnehmung ihrer Reche abhalten könnten. Aufgabe der Verbraucherverbände sei es eben auch Verbraucher davor zu schützen, dass deren Rechte wegen fehlender Marktübersichten zu Unrecht beschnitten würden. Die Verbraucherzentrale wird nach der Zurückverweisung an das OLG das Verfahren fortführen. Insgesamt dürften die Musterverfahren dem vom BGH gesetzten Erwartungsanspruch insofern gerecht werden als sie zu einer umfassenden Sachverhaltsaufklärungbeitragen; u.a. durch qualifizierte Gutachten. So ist z.B. das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie Gutachter und hat mehr als 130 Fragen zur Sicherheitsarchitektur an die Kreditinstiute gestellt. Dies läßt eine neue Gutachtenqualität erwarten, die weit über Gutachten der Individualverfahren hinausgeht. Die neue Verfahrensart könnte materiellrechtlich unterstützt werden durch neue europarechtlich bedingte Ansätze. III. § 676h BGB. 1. Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie. Wenig beachtet wurde bisher eine neue Vorschrift des BGB, mit der Art. 8 der Fernabsatzrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt und teilweise auch über die Anforderungen des EU-Rechts hinausgegangen wurde. § 676h BGB ist auf alle nach dem 30.06.2000 entstandenen Sachverhalte anzuwenden. Mit § 676h BGB wird der Aufwendungsersatzanspruch des Kreditinstitutes gegen den Inhaber der Karte ausgeschlossen, wenn die Zahlungskarte oder deren Daten missbräuchlich verwendet worden sind. Obwohl europäisches Recht nur die Anwendung im Fernabsatz geboten hätte, enthält das deutsche Recht keine derartige Einschränkung (vgl. auch BT-Drucks. 14/2658, 49), so dass sie grundsätzlich bei jeder Art der Verwen-
Metz
41
1378
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
dung einer Zahlungskarte gilt. Zahlungscharakter hat z. B. auch eine Karte, die zur Abhebung an fremden Geldautomaten eingesetzt wird (Palandt-Sprau, § 676h Rn. 7). Missbrauch ist jede weisungswidrige Verwendung der Karte, sei es bei Diebstahl oder bei Verlust, bzw. ihre Daten (Ausspähung) (Dörner-Schulze, § 676h Rn. 3). Die präzisere Formulierung der Fernabsatzrichtlinie, die auf betrügerische Verwendung abgestellt, ist nicht übernommen worden. Härting (Rn. 107) geht davon aus, dass ganz generell bezweckt sei, den Karteninhaber vor Schäden zu bewahren, die daraus resultieren, dass ein Dritter ohne Wissen und Zutun und gegen den Willen des Karteninhabers eine Zahlungskarte verwendet. Die Beweislast für das Bestehen des Anspruches trifft in vollem Umfange die Bank. Sie muss beweisen, dass der Karteninhaber die Aufwendungen veranlasst hat. Der Karteninhaber kann damit der Belastung des Kontos widersprechen und ohne weiteres die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Von § 676h BGB abweichende Regelungen in den AGB, die die Anspruchsvoraussetzungen leer laufen lassen oder die Beweislast umkehren, sind unwirksam (vgl. dazu insgesamt Schulze, a. a. O.; BT-Drucks. 14/3195, 34). Der Rechtsausschuss des Bundestages hat die Vorschrift sogar umformuliert, um die Beweislastverteilung deutlicher zu machen. 42
2. Begrenzung auf Aufwendungsersatz? Anderer, diffenzierter Auffassung ist wohl Sprau (in: Palandt, § 676h Rn. 13), der die gesetzliche Regelung auf Aufwendungsersatzansprüche begrenzen will, aber Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der vertraglichen Sorgfaltspflichten nicht erfasst sieht. Auch Härting (Einl. Rn. 113f) ist, unter Berufung auf die Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 14/2658, 49), der Auffassung, dass § 676h BGB die Sorgfaltspflichten und das damit verbundene Haftungssystem unverändert lasse. Sprau zitiert zunächst zustimmend die Grundlinien der Rspr. zur EC-Haftung, z. B. zum Anscheinsbeweis (§ 676h Rn. 13). Er widerspricht sich m. E. partiell selbst, wenn er später (§ 676h Rn. 16) als Zweck der Vorschrift angibt, dass der Aussteller das Risiko des Missbrauchs nicht auf Karteninhaber abwälzen dürfe. Würde die Risikobegrenzung nur auf Aufwendungsersatzansprüche beschränkt bleiben, dürfte aber bei Schadensersatzansprüchen mit dem bisher üblichen Konstruktionen, z. B. dem Anscheinsbeweis, gearbeitet werden dürfen, ginge das EU-Recht in der Praxis ins Leere. Jedenfalls wenn durch die Ausgestaltung des Anscheinsbeweises die von der Fernabsatzrichtlinie aufgestellte Regel zur Ausnahme würde, wäre eine solche Beweislastverteilung mit EU-Recht nicht vereinbar und erst recht mit der noch umzusetzenden Zahlungsdiensterichtlinie in Konflikt (Jungmann, 356). Die Fernabsatzrichtlinie der EU gibt für eine formale Beschränkung auf Aufwendungsersatzansprüche und die Zulässigkeit einer anderen Risikoverteilung bei Schadensersatzansprüchen aber nichts her. Art 8 der Fernabsatzrichtlinie verlangt ohne Begrenzung auf Aufwendungsersatzansprüche, dass Verbraucher im Falle missbräuchlicher Verwendung einer Zahlungskarte die Stornierung der Zahlung verlangen können bzw. deren Gutschrift oder Erstattung. Nach dem klaren Wortlaut der Richtlinie gilt dies für Missbräuche grundsätzlich und lässt keine Umgehung durch Schadensersatzrecht zu. Eine einschränkende Interpretation, die bei Schadensersatzansprüchen ein anderes bankenfreundliches Haftungsmodell zulassen würde, wäre deswegen nicht europarechtskonform und kann deswegen im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung, jedenfalls im Fernabsatz, nicht in Betracht kommen (so auch Hoffmann/Petrich, ZBB 2005, 343). Dies gilt erst recht, weil der engere Begriff der „betrügerischen Verwendung“ aus der Richtlinie bei der Umsetzung nicht übernommen, sondern der viel weiter gehende Missbruchsbegriff als Anknüpfungspunkt gewählt wurde. Eine weitere Klärung in diesem Sinne könnten aber auch die Art. 47 ff. des Vorschlages über eine Richtlinie über Zahlungsdienste bringen.
Metz
§ 48 EC-Karte/Bankkarte
1379
J. Online-Banking: Phishing und Pharming Zwar nicht direkt dem Thema Bankkarte zuordenbar sind verwandte Themen wie Missbrauch beim Onlinebanking, z.B. durch Phising und Pharming, wobei ersteres das „Fischen“ nach noch einzelnen Geheimzahlen im Netz durch gefälschte elektronische Nachrichten, z.B. E-mails ist; letzteres ist die Umleitung auf gefälschte Webseiten, wobei die Betrüger idR eigene große Server-Farmen unterhalten. Es stellen sich jedoch auch hier grundsätzlich ähnliche Fragen der Sorgfaltspflichten des Bankkunden, des Haftungsmaßstabes, der Beweislast und der Regulierungspraxis. Da erste Fälle, wenn auch indirekt, bereits die Rechtsprechung erreicht haben (vgl. OLG Hamburg ZIP 2006, 1981; OLG Karlsruhe WM 2008, 632) sei hier nur auf die entsprechenden Fundstellen der Fachliteratur verwiesen (z.B. Erfurth, WM 2006, 2198, mit weiteren Nachweisen, und www.a-i3.org zu aktuellen Sicherheitsfragen, z.B. neuen Formen des Identitätsmissbrauchs im Internet).
Metz
43
“This page left intentionally blank.”
§ 49 Kreditkartengeschäft
1381
§ 49 Kreditkartengeschäft
Schrifttum Avancini, Rechtsfragen des Kreditkartengeschäfts, ZfRV 1969, 121; Bellut, Zur Haftung des Kreditkarteninhabers für mit der Zusatzkarte getätigten Umsätze, EWiR 2004, 1173; Bergwitz, Risiko des Missbrauchs bei Kreditkartengeschäften - Rückgewähr von Zahlungen für bestrittene Kartengeschäfte, LMK 2004, 127; Bitter, Zum Widerruf der Anweisung im Kreditkartenverfahren, BB 1997, 480; ders., Kreditkarten: Risikoverteilung bei Mängeln des Valutaverhältnisses, ZBB 1996, 104; Blaurock/Münch, Elektronisches Geld und Stored Value Cards, K&R 2000, 97; Blaurock, Zahlungsverkehr im Internet, in: Leipold (Hrsg.), Rechtsfragen des Internet und der Informationsgesellschaft, 2002, S. 155; Burhoff, Rechtsfragen beim Einsatz von Kreditkarten, NWB 1996, Fach 21, S. 1233; Eckert, Zivilrechtliche Fragen des Kreditkartengeschäfts, WM 1987, 161; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2006; ders., Der bargeldlose Zahlungsverkehr – Anwendungsfall des Garantievertrags oder abstrakten Schuldversprechens?, WM 1999, 1801; Freitag, Vom Forderungskauf zum abstrakten Schuldanerkenntnis und die Verteilung des Missbrauchsrisikos im Kreditkartengeschäft, ZBB 2002, 322; ders., Rechtsprobleme bei der Rückabwicklung von Kreditkartengeschäften, WM 2000, 2185; Fuchs, Das Fernabsatzgesetz im neuen System des Verbraucherschutzrechts, ZIP 2000, 1273; Hadding, Zahlung mittels Universalkreditkarte, Festschrift für Klemens Pleyer, 1987, 17; Hadding, Risikoverteilung bei der Kreditkartenzahlung im Telephone- oder Mailorderverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DRiZ 2006, 355; Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003; Hofmann, Die ec-/maestro-Karte als Rektapapier, WM 2005, 1305; Hoffmann, Forderung nach mehr Sicherheit im Mailorderverfahren bei Kreditkarten in jüngster Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ZBB 2004, 405; Horn, Die Kreditkarte im europäischen Gemeinschaftsrecht und in der deutschen Rechtssprechung, ZBB 1995, 273; Jungmann, Die Verteilung des Missbrauchsrisikos beim Einsatz von Kreditkarten im E-Commerce, WM 2005, 1351; Köndgen, Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1992–1995, NJW 1996, 558; Körber, Die Risikoverteilung bei der Kreditkartenzahlung in Mailorder und E-Commerce, WM 2004, 563; Langenbucher, Zusatzkreditkarten – Haftungsrisiko ohne Ende?, NJW 2004, 3522; Lorenz, Im BGB viel Neues: Die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie, JuS 2000, 833; Martinek, Moderne Vertragstypen, Bd. III, 1993; ders., Vom Forderungskauf zum abstrakten Schuldversprechen – Die Bekehrung der Rechtsprechung zu Walther Haddings Kreditkartentheorie, Festschrift für Walther Hadding, 967; Meder, Kreditkartengeschäfte und Anweisungswiderruf gegenüber dem Kartenherausgeber, NJW 1994, 2597; ders., Die Haftung im beleglosen Fernabsatz-Kreditkartengeschäft, NJW 2000, 2076; ders., Kreditkartenmissbrauch im Fernabsatz, NJW 2002, 2214; ders., Zur Risikoverteilung zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragshändler beim Kartenmissbrauch im Mailorderverfahren, ZIP 2004, 1044; Oechsler, Grundprobleme der Zivilrechtsdogmatik des Kreditkartengeschäfts, WM 2000, 1613; Pamp, Zur Haftung des Kreditkarteninhabers bei missbräuchlicher Kartenverwendung mit Eingabe der PIN, EWiR 2004, 489; Pfeiffer, Risikotragungsklauseln bei Kreditverträgen, LMK 2004, 159; Pichler, Kreditkartenzahlung im Internet, NJW 1998, 3234; Reinfeld, Rechtsfragen des Interchange-Kreditkartensystems am Beispiel von Visa und Eurocard, WM 1994, 1505; Riehm, Das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts, Jura 2000, 505; Schlinker, Rückzahlungsansprüche im Fernabsatz unter missbräuchlicher Verwendung einer Kreditkarte, ZGS 2007, 248; Schnauder, Risikozuordnung bei unbefugter Kreditkartenzahlung; NJW 2003, 849; ders., Zur Frage der Verteilung des Missbrauchsrisikos zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen, BGHReport 2004, 457; Schön, Prinzipien des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, AcP 198 (1998), 401; Taupitz, Zahlung mittels Kreditkarten, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Kartengesteuerter Zahlungsverkehr – Außergerichtliche Streitschlichtung, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 14, 1999, S. 3; Zahrnt, Die Kreditkarte unter privatrechtlichen Gesichtspunkten, NJW 1972, 1077; Zwade/Mühl, Der Aufwendungs- und Schadensersatzanspruch im Kreditkartengeschäft, WM 2006, 1225. Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Erscheinungsformen und Beteiligte am Kreditkartengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 C. Wirtschaftliche Funktionen und Rechtsnatur der Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 D. Rechtsverhältnisse im Kreditkartengeschäft . . . 10
Blaurock
I. Emissionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einwendungen aus dem Valutaverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 11 13 21
1382
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
4. Kartenmissbrauch und Haftungsklauseln . II. Akquisitionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Charakter des Akquisitionsvertrags. . . . . 2. Rechtsnatur der Zahlungs-/ Ankaufsverpflichtung des Akquisiteurs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 39 39
40
3. Abrechnungsvoraussetzungen und Rückforderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . 42 III. Die Beziehung zwischen Vertragsunternehmen und Karteninhaber . . . . . . . . . 48 IV. Die Kreditkarte in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Stichwortverzeichnis Abstraktes Schuldversprechen . . . . . . . . . . . . . 40, 41 Acquiring, Processing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Akquisitionsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Anscheinsbeweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Auftragsrechtliche Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Auslandseinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Bargeldersatzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Betragsmäßige Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . . 26 Debitkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einwendungsdurchgriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 25 Emissionsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Forderungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 41 Geldkarte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Kundenkreditkarte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1
Missbräuchliche Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Missbrauchsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 47 Persönliche Geheimzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Phone- und Mailorderverfahren . . . . . . . . . . . . 38, 45 pVV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Rückforderungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 45 Saldoanerkennungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Universalkreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Verlust. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Widerruflichkeit der Weisung. . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Zusatz- und Firmenkarte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
A. Einleitung Die ursprünglich aus den USA stammende Kreditkarte ist heute im inländischen Zahlungsverkehr als Instrument der bargeldlosen Zahlung weit verbreitet. Nach zunächst starkem Wachstum des Kreditkartengeschäfts besonders in den 80er Jahren (vgl. Eckert, WM 1987, 161 m. w. N.) verlangsamte sich das Wachstum seit Mitte der 90er Jahre deutlich (vgl. die Angaben bei Oechsler, WM 2000, 1613). Insbesondere bei den Inlandsumsätzen prognostizierte die Branche baldige Sättigung (FAZ v. 08.07.1999, S. 23 und v. 03.02.2000, S. 21). Diese Entwicklung (vgl. Oechsler, WM 2000, 1613, der sogar von „Wende“ spricht) im Kreditkartengeschäft hat ihren Grund vor allem in dem Konkurrenzverhältnis der Kreditkarte zu anderen Instrumenten der bargeldlosen Zahlung wie bspw. der Debit- und Geldkarte (vgl. dazu näher Rn. 7). Um diesem Trend gegenzusteuern und die Attraktivität von Kreditkarten zu erhöhen, versuchen Kartenemittenten ihre Karten durch sog. Assistance-Leistungen wie Reiseplanung, Hotelreservierung, Mietwagenservice, Meilensammlerprogramm (vgl. OLG Köln NJW-RR 2002, 120 f.) etc. oder bereits mit der Jahresgebühr abgegoltenen Versicherungsschutz (vgl. OLG Frankfurt am Main, ZfS 2004, 374 mit Anm. Rixecker) aufzuwerten (BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/ 1865, vgl. dazu Rn. 15).
2
Den rechtlichen Rahmen des Kreditkartengeschäfts bilden einzelne Rechtsvorschriften des Strafrechts (§§ 266 b und 152 b StGB; vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 266 b, Rn. 10 f. und § 152 b, Rn. 4), der mit der Umsetzung von Art. 8 Fernabsatzrichtlinie (RL 7/97/EG vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. Nr. L 144, S. 19; BT-Drs. 14/2648, 20 ff. und 14/3195, 34) neu ins BGB eingefügte § 676 h, die Grundsätze der Geschäftsbesorgung und das AGB-Recht.
3
Nach früherer Rechtslage zählten Unternehmen, deren Haupttätigkeit in der Ausgabe und Verwaltung von Kreditkarten besteht, zu den Finanzunternehmen, die keiner Erlaubnispflicht gem. § 32 KWG unterfielen (zur alten Rechtslage vgl. die 2. Auflage von Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 59). Das am 01.07.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz hat das Kreditkartengeschäft als Finanzdienstleistung in § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 8 KWG eingeordnet. Kreditkartenunternehmen bedürfen nunmehr einer Erlaubnis gem. § 32 Abs. 1 KWG und unterliegen auch
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1383
der Bankaufsicht (Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 232; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler–Fülbier, § 1, Rn. 147 ff.; Kümpel, Rn. 4.998 und 4.1055).
B. Erscheinungsformen und Beteiligte am Kreditkartengeschäft
4
Bei der Kreditkarte handelt es sich um einen Ausweis, gegen dessen Vorlage der Inhaber Waren oder Dienstleistungen ohne sofortige Bezahlung erhält (Eckert, WM 1987, 161). Die Rechtsliteratur unterscheidet für das Kreditkartengeschäft zwischen Zweiparteiensystemen und Drei- oder Mehrparteiensystemen (exemplarisch Schimansky/Bunte/ Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 1 f., Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 233 ff. mit grafischer Darstellung und Kümpel, Rn. 4.1008 ff.). Aus Gründen der Kundengewinnung und -bindung stellen beim Zweiparteiensystem i. d. R. Einzelhandelsunternehmen wie Versandhäuser, Kaufhäuser, Parfümerien, Hotelketten und Telefongesellschaften Kunden- oder Spezialkreditkarten (Eckert, WM 1987, 161) aus, mittels derer dem Kunden bis zu einem festgelegten Höchstbetrag die bargeldlose Inanspruchnahme der Leistungen des ausgebenden Unternehmens und seiner Filialunternehmen möglich ist. Die Abrechnung zwischen Unternehmer und Kunden erfolgt anhand der vom Kunden unterzeichneten Belege meist monatlich. Größere praktische Bedeutung haben die sog. Universalkreditkarten erlangt, die im einfachsten Fall auf einem Dreiparteienverhältnis zwischen Kartenemittent, Karteninhaber und Vertragsunternehmen beruhen. Der Karteninhaber erwirbt beim Vertragsunternehmen bargeldlos Waren oder Dienstleistungen und wird anschließend vom Kartenemittenten wegen seiner Zahlungen an das Vertragsunternehmen in Anspruch genommen. Dies geschieht dadurch, dass der Kartenemittent die von ihm an das Vertragsunternehmen gezahlten Beträge monatlich von einem Bankkonto des Karteninhabers einzieht. Die Emission von Kreditkarten erfolgt in der Praxis regelmäßig durch Banken. Die entsprechenden Lizenzen erhalten die Banken von Kreditkartenunternehmen für bestimmte Kreditkartenmarken (z. B. American Express, Visa, MasterCard, Diners Club); in Deutschland z. B. für MasterCard (nach der Fusion von Europay International und MasterCard International wurde die in Europa verwendete Marke Eurocard Anfang 2003 zugunsten der Marke MasterCard aufgegeben) von der EURO Kartensysteme GmbH. Diese wiederum akquirieren die Vertragsunternehmen selbst oder schalten Acquiring-Unternehmen (z. B. B+S Card Service GmbH und ConCardis GmbH) zwischen, während sich die Banken regelmäßig ausschließlich mit der Emission der Karte an den Karteninhaber befassen (Reinfeld, WM 1994, 1505; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 236 ff. mit grafischer Darstellung). Das Karten-Processing wiederum, also Antragserfassung, Kartenkontoführung, Autorisierung von Umsätzen usw. wird von reinen ProcessingUnternehmen (z. B. Atos Worldline SAS) oder von den genannten Acquiring-Unternehmen mit durchgeführt. Bei der Reklamationsbearbeitung treten diese gegenüber dem Karteninhaber u. U. sogar wie dessen kartenemittierende Hausbank auf. Die Banken und die Processing- bzw. Acquiring-Unternehmen organisieren ihren Zahlungsaustausch durch interne Buchungsvorgänge (sog. Interchange; vgl. zu Rechtsfragen des Interchange Reinfeld, WM 1994, 1505 ff.).
5
Das viergliedrige Kreditkartenverfahren (bestehend aus den Rechtsbeziehungen zwischen Karteninhaber, -emittent, Akquisiteur und Vertragsunternehmen) ist heutzutage die charakteristische Vertriebsform. Dabei treten neben den Banken in zunehmendem Maße auch Unternehmen der Absatzwirtschaft oder Organisationen (ADAC, DGB, Deutscher Sportbund) als Kartenemittenten auf. Sie geben an ihre Kunden bzw. Mitglieder „Kundenkreditkarten“ aus, die aufgrund einer sog. Co-Branding-Vereinbarung mit den Kreditkartenunternehmen zugleich als Universalkreditkarten (für viele exemplarisch die
6
Blaurock
1384
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Karstadt-Kundenkarte, vgl. Pressemitteilung der EURO Kartensysteme GmbH vom 05.07.2002) einsetzbar sind (Martinek, S. 65; Staudinger–Martinek, § 676 h, Rn. 15). 7
Abzugrenzen ist die Kreditkarte von anderen konkurrierenden Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wie der Debitkarte und der Geldkarte. Debitkarten sind Zahlungskarten, bei deren Verwendung das Konto des Karteninhabers sofort belastet wird (vgl. zur EC-Karte bzw. Debitkarte Staudinger–Martinek, § 676 h, Rn. 76; vgl. umfassend zur EC-Karte in diesem Handbuch die Kommentierung von Metz unter § 48). Der entscheidende Unterschied ist, dass keine Vorfinanzierung des Kreditinstituts, der Kartenorganisation oder des Kartenakzeptanten bis zur monatlichen Rechnungsstellung wie bei der Kreditkarte erfolgt (vgl. Gablers Wirtschaftslexikon, S. 853). Die EC-Karte (die inzwischen verstärkt unter dem Namen Maestro auftritt) ist eine typische Debitkarte. Im KWG ist sie bereits unter § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 (Girogeschäft) erfasst, wohl aber nicht unter Nr. 11 (E-Geld-Geschäft), so aber Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, KWG, § 1, Rn. 110, vgl. BT-Drucks. 13/7142, S. 63 f. Bei der Geldkarte (systematischer Überblick z. B. bei Schwintowski/Schäfer, § 12, Rn. 63 ff. und Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 94 ff.) werden bis zu einem festgelegten Höchstbetrag (bis 200 €) elektronische Werteinheiten auf einem Chip, der auf einer Karte (z. B. Uni-Cards; Karten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel; üblicherweise auch auf der EC-Karte) aufgebracht ist, gespeichert. Die Geldkarte dient damit vorrangig als Kleingeldersatz bei der Bezahlung an Parkscheinautomaten, im öffentlichen Personennahverkehr und im Einzelhandel. Der Zahlungsvorgang erfolgt durch das Herunterladen der elektronischen Werteinheiten von der Chipkarte auf einen Datenträger des Verkäufers. Dieser lässt sich anschließend den Rechnungsbetrag von der kartenausgebenden Bank auf seinem Konto gutschreiben (Blaurock, S. 159; Staudinger–Martinek, § 676 h, Rn. 94). Das Geld dafür entnimmt die Bank einem zentralen Verrechnungskonto, auf dem sie alle von ihren Kunden auf Geldkarten geladenen Beträge verbucht. Durch das Aufladen der kontogebundenen Geldkarte wird das Girokonto des Karteninhabers sofort belastet, auch wenn der Einsatz der Geldkarte (was quasi der Geldausgabe entspricht) erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Die kontoungebundene Geldkarte kann mittels Barzahlung oder dem Einsatz von Kredit- und Debitkarten aufgeladen werden (Staudinger–Martinek, § 676 h, Rn. 95). Des Weiteren ist der Nutzer der Geldkarte durch den relativ geringen Aufladehöchstbetrag und die begrenzte Anwendbarkeit im Einzelhandel in seiner Geschäftstätigkeit im Vergleich zur Kreditkarte gegenwärtig noch sehr beschränkt (vgl. zu den verschiedenen Arten elektronischer Zahlungssysteme Blaurock, S. 158 ff. und Blaurock/Münch, K&R 2000, 98 ff.).
8
C. Wirtschaftliche Funktionen und Rechtsnatur der Kreditkarte Die wichtigste Funktion der Kreditkarte ist die Bargeldersatzfunktion (BGHZ 150, 286, 292; 157, 256, 262 f.; OLG Schleswig, WM 1991, 453; OLG München, WM 1999, 2357; Bitter, ZBB 1996, 108; Martinek, FS Hadding, 967, 976), also die dem Karteninhaber eröffnete Möglichkeit, Waren oder Dienstleistungen bargeldlos mittels Karte zu bezahlen. Wegen ihrer weltweiten Verwendbarkeit ist die Kreditkarte ein universales Zahlungsmittel (BGH, WM 1997, 2246). Die Kreditkarte eignet sich wegen ihrer universellen Einsetzbarkeit aber nicht nur hervorragend für den geschäftlichen Reiseverkehr (Kümpel, Rn. 4.1000). Zunehmende Bedeutung hat die Kreditkarte neben ihrem ohnehin schon breiten Einsatzspektrum (Einzelhändler, Hotels, Reisebüros etc.) für den „normalen“ Geschäftsverkehr durch ihre steigende Akzeptanz als Zahlungsmittel bei Bestellungen oder Buchungen per Telefon oder über das Internet erlangt (Kümpel, Rn. 4.1003, zu den Problemen beim sog. Telefon- und Mailorderverfahren vgl. Rn. 44). Neben die Funktion als bargeldloses Zahlungsmittel tritt der Bargeldservice (Kümpel, Rn. 4.1005). Dabei kann
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1385
sich der Karteninhaber Bargeld an Geldautomaten oder gegen Vorlage eines Ausweispapiers an Kassen von Kreditinstituten im In- und Ausland auszahlen lassen. Für die Nutzung der Geldautomaten erhält er von seinem Kreditinstitut eine persönliche Identifikationsnummer (PIN). Die PIN erlangt auch zunehmend Bedeutung bei der Bezahlung von Waren oder Dienstleistungen. Damit wird die herkömmliche Unterschrift unter dem Belastungsbeleg abgelöst, was Kartenmissbrauch erschwert. Ihre Kreditfunktion unterscheidet die Kreditkarte von den herkömmlichen Instrumenten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (zur Abgrenzung vgl. Rn. 7). Kredit i. w. S. des Wortes wird dem Karteninhaber bis zur monatlichen Abrechnung durch die Bank oder das Acquiring-Unternehmen dadurch gewährt, dass ein Handels- oder Dienstleistungsunternehmen eine Leistung ohne sofortige Bezahlung erbringt (OLG Karlsruhe, WM 1991, 187; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 49). Der gewährte Kredit führt aber nicht zur Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB, speziell der Formvorschrift von § 492 BGB (umstritten, wie hier z. B. Kümpel, Rn. 4.1013; Langenbucher/Gößmann/Werner–Gößmann, § 3, Rn. 26). Das vom Karteninhaber zu zahlende Kartenentgelt ist kreditunabhängig und stellt die Vergütung für die Dienstleistung des Kartenemittenten dar (vgl. Rn. 15). Das umsatzabhängige Disagio wird vom Vertragsunternehmen getragen (vgl. Rn. 39). Nur wenn der Kartenemittent dem Karteninhaber darüber hinaus einen zusätzlichen Kredit gewährt, etwa indem für die Kreditkarte ein debitorisches Kreditkonto geführt wird, liegt, Entgeltlichkeit vorausgesetzt, ein der Schriftform des § 492 BGB unterliegender Kreditvertrag vor (Kümpel, Rn. 4.1014; Langenbucher/Gößmann/Werner–Gößmann, § 3, Rn. 29). Die Kreditkarte ist kein Wertpapier, sondern eine privatrechtliche Beweisurkunde (BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1869; a. A. zumindest für EC-Karte: Hofmann, WM 2005, 1305 – Rektapapier), mit der sich der Karteninhaber als Vertragspartner des Emittenten ausweist, ohne dass der Unternehmer dessen materielle Berechtigung prüfen müsste (Avancini, ZfRV 1969, 138). Sie zählt zu den Karten und Marken des täglichen Lebens, denen beschränkte Legitimationswirkung zukommt (Eckert, WM 1987, 168). Sie legitimiert nicht den Inhaber als Anspruchsberechtigten; nur der materiell Berechtigte kann gegen Vorlage der Karte Leistung an sich fordern.
9
D. Rechtsverhältnisse im Kreditkartengeschäft
10
Wegen der geringeren praktischen Bedeutung der Kundenkarten beziehen sich die folgenden Ausführungen auf das Kreditkartengeschäft des Mehrparteiensystems. Die Erläuterung systematisiert im Folgenden nach den bestehenden Rechtsverhältnissen, nicht nach den beteiligten Parteien. Für die rechtliche Betrachtung sind somit die Verhältnisse zwischen Kartenemittent und Karteninhaber (Emissionsvertrag; sog. Deckungsverhältnis), Karteninhaber und Vertragsunternehmer (sog. Valutaverhältnis) und Vertragsunternehmer und Acquiring-Unternehmen/Akquisiteur (Akquisitionsvertrag; sog. Zuwendungsoder Vollzugsverhältnis) zu unterscheiden. Dabei ist zu beachten, dass bestimmte Akteure in unterschiedlicher Funktion auftreten können. Ein Kreditkartenunternehmen kann z. B. zugleich Kartenemittent und Akquisiteur sein. Es kann aber auch eine oder sogar beide Positionen an externe Dienstleister abgeben (vgl. Rn. 5). Die internen Beziehungen bei Auseinanderfallen von Kreditkartenunternehmen und emittierendem Unternehmen (z. B. Lizenzvereinbarungen), Acquiring-Unternehmen und Kartenemittent (sog. Interchange, vgl. Rn. 5, eingehend zur rechtlichen Problematik Reinfeld, WM 1994, 1509 ff.) und ggf. Verträge mit reinen Processing-Unternehmen (z. B. Dienstleistungs- und Serviceverträge) sind gesetzlich kaum determiniert und beruhen auf komplexen, stark individualisierten Vertragswerken. Sie werden im Folgenden daher ausgeklammert.
Blaurock
1386
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
11
I. Emissionsvertrag. 1. Rechtsnatur. Das Rechtsverhältnis zwischen Kartenemittent und Karteninhaber wird von Rechtsprechung (BGHZ 91, 221, 223; 125, 343, 347;152, 75, 78; OLG Oldenburg, WM 1994, 378; OLG Frankfurt am Main, WM 1994, 942; AG München, NJW-RR 1993, 626) und Literatur (vgl. exemplarisch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 239; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 17) übereinstimmend als entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) eingeordnet. Der Geschäftsbesorgungsvertrag hat nach ganz h. M. in der Literatur werkvertraglichen Charakter (Canaris, Rn. 1628; Hadding, FS Pleyer, 17, 34; Langenbucher/Gößmann/Werner–Gößmann, § 3, Rn. 11; Kümpel, Rn. 4.1020; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 17 m. w. N.). Der Bundesgerichtshof ist dem – wenn auch nicht ausdrücklich (explizit aber KG, WM 1991, 453) – gefolgt, indem er den Aufwendungsersatzanspruch des Emittenten gegenüber dem Kreditkarteninhaber von der erfolgreichen Tilgung der Verbindlichkeiten des Inhabers beim Vertragsunternehmen abhängig macht (BGHZ 91, 221, 223 f.; 152, 75, 78). Nur das OLG Frankfurt am Main hat den Vertrag – ohne dies zu begründen – als entgeltlichen Dienstvertrag über eine Geschäftsbesorgung klassifiziert (OLG Frankfurt am Main, WM 1993, 889 = ZIP 1993, 666). Die h. M. überzeugt, da die Tilgung der Verbindlichkeiten des Karteninhabers und damit ein Finanzleistungserfolg (Bitter, ZBB 1996, 105) im Mittelpunkt des Kreditkartenvertrages steht. Entnimmt man dem Kreditkartenvertrag zugleich die Pflicht des Kartenemittenten, die Benutzbarkeit der Kreditkarte sicherzustellen und zu diesem Zweck ein Netz von Vertragsunternehmen aufzubauen oder zu unterhalten, so ist dies lediglich eine dienstvertragliche Nebenpflicht von untergeordneter Bedeutung (Bitter, ZBB 1996, 106; BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1902 m. w. N.; Pfeiffer, WuB I D 5.-9.94). Der Kredit- oder Emissionsvertrag entspricht jedoch nach Ansicht des BGH keinem gesetzlichen Leitbild (BGHZ 114, 238, 241; 137, 27, 30). Vielmehr werden die Rechte und Pflichten des Dauerschuldverhältnisses Geschäftsbesorgung (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 7; BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1902) durch die dem Kreditvertrag zu Grunde liegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmt, wobei auf die Vielfalt der vom Kartenemittenten verwendeten Bedingungen hinzuweisen ist.
12
Zum Problem der Einbeziehung der AGB in den Kreditkartenvertrag vgl. insb. OLG Nürnberg, ZIP 1997, 1781 f.; OLG Köln, WM 1993, 369 f.; LG Frankfurt am Main, WM 1992, 1103 mit Anm. Habersack, WuB I D 5-6.92.
13
2. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Kernelement des Emissionsvertrags ist die Verpflichtung des Kartenemittenten, in einer Vielzahl von Fällen für die Tilgung von Forderungen zu sorgen (BGHZ 91, 221, 224; 152, 75, 78), die den einzelnen Vertragsunternehmen gegen den Karteninhaber zustehen (vgl. Bitter, ZBB 1996, 105 m. w. N.). Die Hauptpflicht des Kartenemittenten aus dem Kreditkarten- oder Emissionsvertrag besteht somit in der Erfüllungsübernahme, vgl. § 329 BGB (Hadding, FS Pleyer, 17, 34; Kümpel, Rn. 4.1020; Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 7) gegenüber den Vertragsunternehmen bzw. Acquiring-Unternehmen, die ihrerseits für die Liquidation beim Vertragsunternehmen sorgen.
14
Der Karteninhaber hat nach Maßgabe des Emissionsvertrages einen Anspruch aus dem Akquisitionsvertrag (§ 328 BGB) gegen die Vertragsunternehmen, die gekauften Waren ohne Bezahlung zu erwerben oder die gewünschten Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen sowie an Geldautomaten und Bankschaltern Bargeld zu beziehen (Kümpel, Rn. 4.1018).
15
Der Karteninhaber zahlt dem Kartenemittenten i. d. R. als Gegenleistung für die Überlassung der Karte und die Ausführung der übertragenen Geschäftsbesorgung ein jährliches
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1387
Entgelt. Mit dieser Jahresgebühr können je nach Vertragsgestaltung auch zusätzliche Leistungen (die sog. Assistance-Leistungen, Rn. 1) abgegolten sein. Es handelt sich aber nicht um ein Entgelt für den Zahlungsaufschub, so dass die §§ 491 ff. BGB nicht anwendbar sind (s. o. Rn. 8). Über die Jahresgebühr hinaus hat der Karteninhaber regelmäßig Entgelte an den Kartenemittenten für den Einsatz der Karte im Ausland, für den Bargeldservice und sonstige im Zusammenhang mit dem Kartenvertrag erbrachte Leistungen (z. B. Ausstellung von Ersatzkarten oder Ersatz-PIN) zu leisten. Die Wirksamkeit von Entgeltregelungen für den Auslandseinsatz der Karte ist umstritten. Zentrale Streitfrage war dabei bisher, ob solche Klauseln der Inhaltskontrolle unterliegen oder nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB als leistungsbestimmende Klauseln kontrollfrei sind (für Inhaltskontrolle noch OLG Hamburg WM 1996, 1173, mit kritischer Anm. Pfeiffer, EWiR 1996, 913; LG Hamburg, WM 1995, 2062 mit kritischer Anm. Haun, WuB I D 5a.-2.96; so allerdings zur Währungsumrechnungsklausel AG Frankfurt am Main, WM 1993, 1548 mit Anm. Ahlers, WuB I D 5.-6.93; offengelassen für Währungsumrechnungsklausel unter Hinweis auf fehlende unangemessene Benachteiligung nach § 9 AGBG durch AG Frankfurt am Main, WM 1996, 1177). Der BGH (BGHZ 137, 27 ff. mit Anm. Haun, WuB I D 5a.-1.98) hat die Kontroverse 1997 beendet. Nach seiner Ansicht unterliegt ein solches Entgelt nicht der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 9 – 11 AGBG (§§ 307 – 309 BGB n. F.). Bei der Nutzungsmöglichkeit der Karte im Ausland handele es sich um eine zusätzlich angebotene Sonderleistung, für die keine rechtliche Regelung bestehe. Entgelte für derartige Sonderleistungen gehören daher nicht zu den kontrollfähigen (Preis-)Nebenabreden (BGHZ 137, 27, 30). Die zulässige Höhe der Gebühren für den Auslandseinsatz von Kreditkarten innerhalb der Europäischen Union ist nunmehr gem. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001 über grenzüberschreitende Zahlungen vom 19. Dezember 2001 (ABl. EG L 344/13) für alle Mitgliedstaaten einheitlich geregelt. Hiernach darf seit dem 1. Juli 2002 ein Institut für grenzüberschreitende elektronische Zahlungsvorgänge in Euro bis zu einem Betrag von 12.500 Euro nur diejenigen Gebühren erheben, die es für entsprechende Zahlungsvorgänge innerhalb des Mitgliedstaats, in dem es niedergelassen ist, in € tätigt. Da der Einsatz der Kreditkarte im Inland überwiegend gebührenfrei erfolgt, führt dies auch zum Wegfall derartiger Gebühren für den Einsatz der Kreditkarte in den Mitgliedstaaten der EU, sofern es um Euro-Transaktionen geht. Über die Zahlung der Jahresgebühr und der entsprechenden Entgelte hinaus ist der Karteninhaber verpflichtet, dem Kartenemittenten nach §§ 675, 670 BGB diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die zum Ausgleich der Verbindlichkeiten gegenüber dem Vertragsunternehmen erforderlich waren (allg. Ansicht, vgl. BGHZ 91, 221, 223; 152, 75, 78; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 239; Kümpel, Rn. 4.1029; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 11; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 19). Zu diesem Zwecke ermächtigt der Karteninhaber den Kartenemittenten zur Belastung seines eigens für diese Verbindlichkeiten eingerichteten Kreditkartenkontos oder zur Einziehung des entsprechenden Betrages von seinem Girokonto. Allein der Rückgriff auf den gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruch führt für den Emittenten jedoch noch nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Der Emittent verlangt vom Kunden den gesamten Preis für die an ihn erbrachte Leistung, hat aber wegen des einbehaltenen Disagios (vgl. dazu unter Rn. 39) gegenüber dem Vertragsunternehmen einen geringeren Aufwand; § 670 BGB deckt nur die Höhe des Aufwands (Langenbucher/Gößmann/Werner–Gößmann, § 3, Rn. 9). Näher liegt es daher, den Aufwendungsersatzanspruch aus den AGB des Emittenten herzuleiten. Von Bedeutung ist diese Problematik in den (eher unwahrscheinlichen) Fällen des Fehlens einer Aufwendungsersatzklausel bzw. ihrer rechtswidrigen Ausgestaltung in den AGB des Emittenten.
Blaurock
16
1388
17
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Vielfach wird eine Zusatzkarte angeboten. In diesem Fall berechtigt der Vertrag zwischen dem Emittenten und dem Hauptkarteninhaber gem. § 328 BGB den Inhaber der Zusatzkarte, mit dieser bei Vertragsunternehmen zu bezahlen. Eine formularmäßig vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung des Hauptkarteninhabers für die Umsätze des Zusatzkarteninhabers ist nicht zu beanstanden (OLG München, NJW-RR 1988, 1076; LG Aachen, WM 1994, 2159 mit Anm. Gößmann, WuB I D 5a-3.95; OLG Köln WM 1993, 369; OLG Koblenz, NJW 2004, 514; OLG Oldenburg, ZIP 2004, 1800 mit zust. Anm. Bellut, EWiR 2004, 1173), sofern eine private Zusatz- oder eine Firmenkarte – wie in der Praxis regelmäßig auch formularmäßig vorgesehen – von beiden beantragt worden ist. In diesem Falle kann der Hauptkarteninhaber den Inhaber der Zusatzkarte aussuchen und bestimmen. Der Sinn der Zusatzkarte besteht nämlich darin, im Interesse des Hauptkarteninhabers weiteren Personen den Anschluss an das Kreditkartensystem zu ermöglichen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 54). Der Kartenemittent stellt bei der Vergabe der Zusatzkarte also erkennbar auf die Bonität des Hauptkarteninhabers ab. Die Mithaftung entspricht daher einer sachgerechten Interessen- und Risikoverteilung (ebenso BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1969). Insbesondere kann sich der Hauptkarteninhaber nicht auf die üblicherweise in den AGB der Kartenemittenten vorgesehene höhenmäßige Haftungsbeschränkung im Missbrauchsfalle berufen, wenn der Zusatzkarteninhaber seine Kreditkarte abredewidrig benutzt (BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1974). Zu einem anderen Ergebnis kommt Langenbucher (NJW 2004, 3522 ff.) für den Fall der Kündigung der Zusatzkarte durch den Hauptkarteninhaber. Sie lässt den Zusatzkarteninhaber zwar im Valutaverhältnis im eigenen Namen, jedoch im Deckungsverhältnis als Vertreter des Hauptkarteninhabers handeln. Eine Kündigung der Zusatzkarte führt nach diesem Konzept zum Wegfall der Vertretungsmacht. Ein anschließender Missbrauch durch den Zusatzkarteninhaber geht danach stets zu Lasten des Emittenten, andersartige AGB-Klauseln sollen gegen § 305 c BGB verstoßen (Langenbucher, NJW 2004, 3523). „Konstruktiv überfrachtet“ (so Staudinger–Martinek, § 676 h, Rn. 51) erscheint diese Ansicht nicht. Allerdings ist nicht einzusehen, wie eine eigene Haftung des Zusatzkarteninhabers im Deckungsverhältnis gegenüber dem Emittenten begründet werden soll, wenn er nur als Vertreter des Hauptkarteninhabers beim Karteneinsatz handelt. Das gewünschte Ergebnis kann aber auch mit der h. M. gewonnen werden. Der Hauptkarteninhaber haftet nach Kündigung der Zusatzkarte bis zu deren Rückgabe; unterlässt der Emittent eine technisch mögliche Sperre, kann der Karteninhaber gegen deren Ansprüche aus § 675, § 670 BGB bzw. aus dessen AGB (s. o. Rn. 16) mit einem Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB aufrechnen. Einigkeit besteht in Rechtsprechung (LG Wiesbaden, WM 1984, 994 f. = BB 1984, 1966) und Literatur (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 54; Schwintowski/Schäfer, § 13, Rn. 77 ff.), dass eine gesamtschuldnerische Haftung des Zusatzoder Firmenkarteninhabers für die Umsätze des Hauptkarteninhabers bzw. Firmeninhabers abzulehnen ist. Eine solche Mithaftung des Zusatzkarteninhabers widerspricht dem Zweck der Zusatzkarte, die nicht auf die Absicherungder Bonität des Hauptkarteninhabers durch den Zusatzkarteninhaber gerichtet ist (BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1970; Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 54). Auf eine Mithaftung des Zusatzkarteninhabers gerichtete Klauseln in AGB widersprechen sowohl § 305 c Abs. 1 BGB (überraschende Klausel) als auch § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Langenbucher/Gößmann/Werner-Gößmann, § 3, Rn. 60; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 52).
18
Seinen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 675, 670 BGB bzw. aus den AGB, vgl. Rn. 16) macht der Kartenemittent gegenüber dem Karteninhaber durch monatliche Abrechnung geltend, um Grund und Höhe des Aufwendungsersatzanspruches außer Streit zu stellen.
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1389
Das Abrechnungskonto beruht auf einer Vereinbarung zur periodischen Abrechnung; es handelt sich um eine Kontokorrentabrede gem. § 355 HGB (Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 243; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 21). Die Billigung der Monatsabrechnung durch den Karteninhaber ist ein abstraktes Schuldanerkenntnis i. S. v. § 781 BGB (OLG Oldenburg WM 1994, 379; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 243; Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 12; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 21; kritisch BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1904). Hierfür enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig Saldoanerkenntnisklauseln, nach denen bei Ablauf einer bestimmten Frist (z. B. 30 Tage) oder bei nicht „unverzüglicher“ Erhebung von Einwendungen die Abrechnung als „genehmigt“ gilt. Als Klauseln mit Billigungsfiktion verstoßen sie nicht gegen § 308 Nr. 5 BGB (Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 243; Langenbucher/Gößmann/Werner-Gößmann, § 3, Rn. 12; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 22). Hingegen sind Klauseln, die den Zugang des Rechnungsabschlusses beim Karteninhaber fingieren, wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 6 BGB unwirksam (BGH ZIP 1994, 690). Nach Ansicht des BGH ist der Karteninhaber nicht verpflichtet, die Abrechnungen des Kartenemittenten stets sofort nach Eingang auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Es genügt vielmehr, wenn diese Prüfung alsbald nach Rückkehr auch von einer längeren Reise geschieht. Eine andere Sichtweise widerspreche dem Zweck der Kreditkarte als bargeldloses bequemes Zahlungsmittel, der sich gerade bei längeren geschäftlichen Reisen realisiert (BGHZ 91, 221, 227). Die anerkannte Saldoforderung aus einem Kreditkartenvertrag unterliegt der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB (BGHZ 49, 24, 26 f.; 51, 346, 349; OLG Oldenburg, WM 1994, 379; Palandt-Heinrichs, § 195, Rn. 3). Der Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten setzt einen Veranlassungsakt des Karteninhabers voraus, mittels dessen er den Kartenemittenten anweist, Zahlungen auf die von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten an das Vertragsunternehmen zu leisten. Dieser Akt erfolgt i. d. R. durch Unterzeichnung eines Belastungsbelegs, durch Angabe der PIN oder auch durch Nennung von Kreditkartendaten (vgl. zum Phone- bzw. Mailorderverfahren Rn. 44). Eine Mindermeinung (OLG Frankfurt am Main, WM 1994, 942; LG Berlin, NJW 1986, 1939, 1941; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Auflage, Rn. 1624, 1634; Meder, NJW 1994, 2597 f.) hat bislang eine Anweisung gem. §§ 783 ff. BGB angenommen. Dagegen spricht jedoch, dass bei den typischen Fällen der Anweisung der Angewiesene und der Anweisungsempfänger in keiner Sonderrechtsbeziehung stehen (Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 39). Hingegen ist Grundvoraussetzung für das Kreditkartengeschäft ein Rahmenvertrag zwischen Emittent und Vertragsunternehmen bzw. Akquisiteur (vgl. Rn. 39). Nach h. M. (BGHZ 91, 221, 224; 152, 75, 79 ff.; OLG Schleswig, WM 1991, 453; KG WM 1993, 2045; Kümpel, Rn. 4.1025; Nobbe, FS Hadding, 1007, 1018; Schwintowski/Schäfer, § 13, Rn. 21 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 34; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 38 ff.; BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1930) wird diese Veranlassung als auftragsrechtliche Weisung (§ 665 BGB) an den Kartenemittenten qualifiziert, die Zahlungsverbindlichkeit des Karteninhabers gegenüber dem Vertragsunternehmen zu tilgen. Der Unterschied zu § 783 BGB liegt bei einer Anwendung des Auftragsrechts darin, dass der Karteninhaber mit Unterzeichnung des Belegs unwiderruflich an die Weisung gebunden ist. § 784 Abs. 2 S. 1 BGB fordert noch die schriftliche Annahme der Weisung durch den Kartenausgeber, während der auch bei § 665 BGB mögliche Weisungswiderruf schon nach irreversibler Disposition nicht mehr möglich ist. Eine solche ist nach Unterzeichnung des Belegs bereits anzunehmen. Nur so kann man der Kreditkarte als Institut des Bargeldersatzes gerecht werden. Der Kreditkartenvertrag ist durch das gemeinsame Interesse von Kartenemittent und Kar-
Blaurock
19
1390
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
teninhaber an einer weitgehend der Barzahlung vergleichbaren Einsetzbarkeit der Kreditkarte geprägt. Könnte der Karteninhaber seine Weisung nach Belieben widerrufen, entfällt die Funktion der Kreditkarte als Bargeldersatz (vgl. aber zum Weisungswiderruf bei rechtsmissbräuchlicher Insanspruchnahme Rn. 23, 25). Vom Vorliegen einer Weisung kann bei der Verwendung einer Kreditkarte durch Blankoabzug ohne Unterzeichnung eines Belastungsbelegs und ohne Eingabe der PIN nicht ohne Weiteres ausgegangen werden (LG Karlsruhe, NJW-RR 2001, 770). Will der Kartenemittent in einem solchen Fall von einer Weisung des Karteninhabers ausgehen, so muss er darlegen, dass der vom Vertragsunternehmen angeforderte Betrag dem Grunde und der Höhe nach dem entspricht, was der Karteninhaber zum Zeitpunkt des Kreditkarteneinsatzes mit der Kreditkarte bezahlen wollte (LG Karlsruhe NJW-RR 2001, 770). Unterschreibt der Karteninhaber hingegen den Beleg blanko, ist ein Widerruf nicht mehr möglich (OLG München, WM 1999, 2356; OLG Köln, WM 2002, 1800). Das Vertragsunternehmen übermittelt über den Akquisiteur jeweils als Bote die Weisung an den Kartenemittenten (Hadding, FS Pleyer, 17, 35 und MünchKommHGB-Hadding, ZahlungsV G 35). Diese Einordnung ist für den Kreditkarteninhaber nachteilig. Sie bekommt besondere Bedeutung, wenn das Valutageschäft aus Sicht des Karteninhabers an Mängeln leidet. Die Mängel können unterschiedliches Gewicht haben, von Mängeln an der gekauften Sache, über die nachträgliche Unwirksamkeit bis hin zur anfänglichen Unwirksamkeit. Grundsätzlich ist dem Karteninhaber nach der Unterzeichnung des Belastungsbelegs der Widerruf verwehrt. Hingegen wird der Karteninhaber nicht zur Zahlung von Aufwendungsersatz verpflichtet, wenn die Weisung selbst unwirksam war. Die Weisung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nicht der Annahme bedarf. Auf sie sind grundsätzlich die Regeln der Rechtsgeschäfte anzuwenden (MünchKommBGB-Seiler, § 665, Rn. 5). Die Weisung kann daher selbst – unabhängig vom zugrunde liegenden Valutageschäft – mangelhaft sein. Zu denken ist an die §§ 104 ff. BGB oder § 123 BGB, wenn die Belegunterschrift unter Zwang erfolgt ist. Hingegen erscheinen die § 134, § 138 BGB bezüglich der Weisungserteilung ebenso ausgeschlossen wie § 123 BGB bei einer arglistigen Täuschung; dass das abgeschlossene Geschäft durch arglistige Täuschung zustande gekommen ist, führt nicht zu einer arglistigen Täuschung bezüglich des Kreditkarteneinsatzes (zwar sind Fälle denkbar, in denen ein Irrtum sowohl für den Abschluss des Kausalgeschäfts als auch für die Erteilung der Weisung ursächlich war, sog. Fehlerkongruenz, eine Anfechtung scheitert dann aber regelmäßig an § 123 Abs. 2 BGB). Diese Unwirksamkeitsgründe dürften sich regelmäßig nur auf das zwischen dem Karteninhaber und Vertragsunternehmen getätigte Grundgeschäft beziehen. 20
Bei missbräuchlicher Verwendung der Kreditkarte durch einen unberechtigten Dritten fehlt es an der entsprechenden auftragsrechtlichen Weisung und damit an einem Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten gegen den Karteninhaber (vgl. hierzu ausführlich und zur Frage der Haftungsverteilung bei missbräuchlicher Verwendung einer Kreditkarte Rn. 26 ff. und bei der EC-Karte in § 48 dieses Handbuchs). Der mit der Umsetzung von Art. 8 der Fernabsatzrichtlinie (= FARL; RL 97/7/EG vom 20. Mai 1997, ABl. EG Nr. L 144) neu eingefügte § 676 h BGB regelt dies nunmehr ausdrücklich für Zahlungskarten, die im Rahmen von Giroverträgen (§ 676 h S. 1 BGB) und anderen Geschäftsbesorgungsverträgen (§ 676 h S. 2 BGB) herausgegeben werden. § 676 h BGB gilt damit auch für gesetzlich nicht besonders ausgeformte Kartenverträge (BT-Drs. 14/2658, S. 22). Obwohl die Vorschrift auf der Umsetzung von Art. 8 der FARL beruht, der sich lediglich auf Fernabsatzgeschäfte bezieht (vgl. Art. 8 lt. 1 FARL), geht die Regelung des
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1391
§ 676 h BGB in ihrem Anwendungsbereich darüber hinaus und schließt generell den Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten bei missbräuchlicher Verwendung einer Kreditkarte durch Dritte aus. Dies implizieren Formulierung und Stellung des § 676 h BGB sowie die Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 14/2658, 21 f.) und der Bericht zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 14/3195, 34), die den Anwendungsbereich des neu eingefügten § 676 h BGB gerade nicht auf Fernabsatzgeschäfte beschränken. Zu Zahlungskarten i. S. dieser Vorschrift zählen daher auch Kreditkarten (BTDrs. 14/2658, 20; Pichler, NJW 1998, 3236). Demnach kann der Kartenemittent Aufwendungsersatz nur verlangen, wenn die Kreditkarte oder deren Daten von einem Dritten nicht missbräuchlich verwendet wurden. Damit trägt der Kartenemittent das Missbrauchsrisiko in vollem Umfang und zudem auch die Beweislast für die Missbrauchsfreiheit (Blaurock, S. 163; Riehm, Jura 2000, 513). § 676 h BGB soll den Karteninhaber vor missbräuchlicher Verwendung der Zahlungskarte durch Dritte schützen und ist entsprechend diesem Schutzzweck nicht zu Lasten des Karteninhabers abdingbar (PalandtSprau, § 676 h, Rn. 16). Allerdings regelt § 676 h BGB nur den Aufwendungsersatz (Blaurock, S. 163). Eventuelle Schadensersatzansprüche des Kartenemittenten gegen den Karteninhaber aus § 280 BGB schließt die Vorschrift nicht aus (Palandt-Sprau, § 676 h, Rn. 16; Pichler, NJW 1998, 3236, hierzu ausführlich Rn. 26 ff.). 3. Einwendungen aus dem Valutaverhältnis. Wie bereits dargelegt, wird das Vertragsunternehmen bei Einsatz der Kreditkarte veranlasst, die eigene Leistung an den Karteninhaber sofort zu erbringen, die gegen den Karteninhaber gerichtete Forderung jedoch bis zur monatlichen Abrechnung zwischen ihm und dem Kartenemittenten zu stunden. Bis zur Abrechnung bestehen daher die Möglichkeit und die Gefahr, dass der Karteninhaber auf einwendungsbegründende Tatsachen stößt, die er dem Anspruch des Vertragsunternehmens entgegenhalten kann, oder dass der Karteninhaber sich aus anderen Gründen vom getätigten Geschäft lossagen will. Da der Karteninhaber im Kreditkartengeschäft nicht selbst mit dem Vertragsunternehmen abrechnet, sondern mittelbar über den Kartenemittenten und das Acquiring-Unternehmen, hat er möglicherweise ein Interesse daran, sich der Pflicht zur Zahlung an den Vertragsunternehmer dadurch zu entziehen, dass er seine Einwendungen aus dem Valutaverhältnis gegen den Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten richtet und dem Kartenemittenten die Klärung dieser Einwendungen mit dem Vertragsunternehmen aufbürdet. Bei der Problematik des Einwendungsdurchgriffs sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden:
21
Zunächst wird der Karteninhaber bestrebt sein, dem Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten durch den Widerruf seiner Zahlungsveranlassung (vgl. zur Rechtsnatur der Weisung Rn. 19) die Grundlage zu entziehen. Es ist aber bereits festgestellt worden, dass die Weisung unwiderruflich ist.
22
Ein Weisungswiderruf wird jedoch von der h. M. bei rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme durch das Vertragsunternehmen gewährt (BGHZ 152, 75, 82; Kümpel, Rn. 4.1027). Dieses Problem ist untrennbar mit dem Einwendungsdurchgriff aus dem Valutaverhältnis verbunden und wird an dieser Stelle dargestellt (siehe Rn. 25).
23
Der Karteninhaber kann dem Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten grundsätzlich keine Einwendungen entgegenhalten, die ihm aus dem Valutaverhältnis zustehen könnten. Nach den AGB der Kartenemittenten (wie auch nach dem Grundsatz der Relativität der Vertragsbeziehungen) sind derartige Einwendungen unmittelbar zwischen Karteninhaber und Vertragsunternehmen zu klären. Ein solcher formularmäßiger Einwendungsausschluss ist weder überraschend i. S. v. § 305 c Abs. 1 BGB noch verstößt er gegen § 307 BGB (BGH, NJW 1990, 2881; OLG Schleswig, WM 1991, 453; LG Berlin,
24
Blaurock
1392
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
NJW 1986, 1939). Der Karteninhaber wird insbes. nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt, da er durch den Einwendungsausschluss nicht rechtlos gestellt, sondern hinsichtlich der Geltendmachung seiner Einwendungen lediglich auf den Vertragsunternehmer verwiesen wird (OLG Schleswig, WM 1991, 453 mit Anm. Eckert, EWiR 1991, 445 f.). Die Regeln über die verbundenen Geschäfte sind auch nicht anwendbar, weil es an der wirtschaftlichen Einheit zwischen Kreditinstitut und Verkäufer fehlt. Die Zusammenarbeit zwischen Kreditinstitut und Verkäufer bezieht sich allein auf den Betrieb des Zahlungssystems, nicht jedoch auf das Verkaufsgeschäft. Zudem stellt die Universalkreditkarte lediglich ein Bargeldsurrogat dar (Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 41). 25
Die herrschende Meinung lässt aber einen Einwendungsdurchgriff zu, wenn die Inanspruchnahme durch das Vertragsunternehmen missbräuchlich ist (BGHZ 150, 286, 299; 152, 75, 82; Bitter, ZBB 1996, 104, 113; Kümpel, Rn. 4.1034; MünchKommHGB-Hadding, ZahlungsV, G 29, 42). Bei schweren, offenkundigen und liquide nachweisbaren Mängeln (LG Frankfurt am Main, WM 1994, 113) des Grundgeschäfts wird das Kartenunternehmen als zur Verweigerung oder zur Rückforderung der Zahlung verpflichtet angesehen. In diesem Falle soll die Zahlung an das Vertragsunternehmen ausnahmsweise keine Aufwendung sein, die der Kartenemittent für erforderlich halten darf (BGHZ 152, 75, 82 f.). Der Kartenemittent soll dann zur Zahlungsverweigerung nicht nur berechtigt, sondern aufgrund der Geschäftsbesorgung mit dem Karteninhaber auch verpflichtet sein (Schwintowski/Schäfer, § 13, Rn. 72). Da das Vertragsunternehmen mit der Unterzeichnung des Belastungsbelegs durch den Karteninhaber aber einen abstrakten Zahlungsanspruch aus § 780 BGB erlangt, dem Einwendungen aus dem Valutaverhältnis – vorbehaltlich anderer vertraglicher Vereinbarungen – nicht entgegengehalten werden können (vgl. dazu Rn. 24 f.), kann eine treuwidrige Ausnutzung der formalen Rechtsposition des Vertragsunternehmens nur angenommen werden, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass dem Vertragsunternehmen keine Forderung gegen den Karteninhaber aus dem Valutaverhältnis zusteht (BGHZ 152, 75, 82 f.). Es muss ein offenkundiger Sachverhalt vorliegen, dem der Makel des Rechtsgeschäfts zwischen dem Karteninhaber und dem Vertragsunternehmen auf der Stirn steht; der Kartenemittent bzw. das Acquiring-Unternehmen muss in der Lage sein, das Leistungsverweigerungsrecht des Karteninhabers angesichts der ihm vorliegenden Glaubhaftmachung des Sachverhalts gegenüber dem Vertragsunternehmen auch argumentativ vorzuhalten (LG Frankfurt am Main, WM 1994, 113). Beweismittel sind liquide, wenn sie präsent und durchschlagend sind und keine schwierige Beweiswürdigung erfordern (Taupitz, S. 13; ähnlich Martinek: „offenkundig und leicht nachweisbare Einwendungen“, S. 79; Köndgen, NJW 1996, 568, Fn. 185: „Fälle, in denen der Mangel des Valutaverhältnisses auch aus Sicht des Kunden auf der Hand liegt“). Als schwere Mängel kommen in Betracht: Geschäftsunfähigkeit, § 105 BGB (BGHZ 152, 75, 82, wobei es dann regelmäßig schon an einer wirksamen Weisung fehlt), Sittenwidrigkeit, § 138 BGB (LG Berlin, NJW 1986, 1940), Gesetzeswidrigkeit, § 134 BGB, sowie Betrug und arglistige Täuschung durch das Vertragsunternehmen, § 123 BGB (LG Frankfurt am Main, WM 1994, 113 mit Anm. Reiser, WuB I D 5a.-2.95; Martinek, S. 79; Hadding, WuB I D 5.-5.90 sub 4 c). Liquide Beweisbarkeit ist gegeben, wenn der Karteninhaber Belege über das Grundgeschäft mit dem Vertragsunternehmen vorlegen kann, aus denen sich das Nichtbestehen des Zahlungsanspruches augenfällig ergibt (LG Aachen, NJW-RR 1994, 1009; LG Frankfurt am Main, WM 1994, 113). Dagegen reicht es nicht aus, dass der Karteninhaber die Mängel aus dem Grundgeschäft telefonisch oder schriftlich gegenüber dem Kartenemittenten behauptet, ohne Dokumente vorzulegen, die seinen Vortrag stützen
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1393
(BGHZ 152, 75, 82 f.; LG Frankfurt am Main, WM 1994, 113 f.; OLG Schleswig, WM 1991, 454). Fälle der Schlechtleistung oder einer nicht eingehaltenen Zusicherung sind nicht so schwerwiegend, dass auf sie der Einwand des Rechtsmissbrauchs gestützt werden könnte (LG Frankfurt am Main, WM 1994, 113; Hadding, WuB I D 5.-5.90 sub. 4 c). Nach den bisher erläuterten Grundsätzen kann auch ein bereits ausgeübtes oder noch ausübbares Widerrufs- oder Rückgaberecht nach §§ 355, 356 BGB einen Einwendungsdurchgriff nicht begründen. Zum einen fehlt es regelmäßig an einer wirtschaftlichen Einheit iSd. § 358 Abs. 3 BGB. Zum anderen liegt kein (entgeltlicher) Verbraucherdarlehensvertrag vor (s. Rn. 8). Mit Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts wandelt sich der zunächst wirksame Vertrag ex nunc lediglich in ein Rückgewährschuldverhältnis um (vgl. § 357 Abs. 1 S. 2 BGB, der auf die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt verweist), im Rahmen dessen die bisher empfangenen Leistungen zurück zu gewähren sind (ebenso Fuchs, ZIP 2000, 1282; Lorenz, JuS 2000, 835; Palandt-Heinrichs, § 357, Rn. 2). Ein schwerer, offenkundiger Mangel des Grundgeschäfts, der ausnahmsweise einen Einwendungsdurchgriff rechtfertigen würde, kann darin nicht erblickt werden. Vielmehr hat sich der Karteninhaber hinsichtlich der Geltendmachung von Widerrufs- und Rückgaberecht und vor allem hinsichtlich der Rückabwicklung empfangener Leistungen ausschließlich mit dem Vertragsunternehmen auseinander zu setzen. Eine andere Sichtweise würde der Bargeldersatzfunktion der Kreditkarte widersprechen und zu einer unangemessenen Privilegierung des Karteninhabers gegenüber dem Vertragsunternehmen führen, der sich mit Hilfe des Kartenemittenten seiner wirksam begründeten Zahlungspflicht – im Hinblick auf § 355 Abs. 3 S. 1 und 3 BGB u. U. auch langwierig – entziehen und gleichzeitig von der erbrachten Leistung profitieren könnte (vgl. zur besonderen Situation bei Mail- bzw. Phoneordergeschäften Rn. 44 f.). 4. Kartenmissbrauch und Haftungsklauseln. Durch Verlust, Fälschung, Diebstahl oder Manipulation von Kreditkarten können erhebliche finanzielle Schäden verursacht werden. Wird die Kreditkarte von einem Dritten missbräuchlich benutzt, so entsteht mangels Weisung des Karteninhabers kein Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten (BGHZ 91, 221, 224; 160, 308, 312; Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/ Oechsler, § 67, Rn. 42; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 46; vgl. auch Rn. 19; zum gleichen Problem beim EC-Kartengeschäft § 48). Das Risiko der missbräuchlichen Verwendung trägt somit der Kartenemittent (Martinek, S. 87). Dass der Kartenemittent Aufwendungsersatz nur verlangen kann, wenn die Kreditkarte oder deren Daten nicht missbräuchlich von einem Dritten verwendet worden sind, ist nunmehr ausdrücklich im neuen § 676 h BGB geregelt. Damit trägt der Kartenemittent auch nach neuer Regelung das Missbrauchsrisiko in vollem Umfang (Blaurock, S. 163; vgl. Rn. 20 zur Regelung des neu eingefügten § 676 h BGB). Allerdings geht es bei § 676 h BGB nur um den Aufwendungsersatz (Blaurock, S. 163). Für die auf Schadensersatzansprüchen beruhende Erstattung von Beträgen, die der Kartenemittent an das entsprechende Vertragsunternehmen geleistet hat, sind die hierzu von den Kartenemittenten verwendeten AGB maßgeblich (insgesamt zur Problematik, insbes. Beweisfragen, Zwade/Mühl, WM 2006, 1225; Pamp, EWiR 2004, 489). So enthalten die AGB regelmäßig Klauseln, nach denen der Karteninhaber seine Kreditkarte nach Erhalt umgehend zu unterschreiben, sorgfältig und insbesondere getrennt von der PIN aufzubewahren hat. Er hat außerdem dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person von der PIN Kenntnis erlangt. Den Verlust der Kreditkarte hat der Karteninhaber dem Kartenemittenten „unverzüglich“ anzuzeigen. Für diesen Fall sehen die AGB eine Haftungsbeschränkung des Karteninhabers bei missbräuchlicher Benutzung der Karte vor der Verlustanzeige auf Schäden i. H. v. 100 DM/nunmehr etwa 50 Euro und keinerlei Haftung des Karteninhabers für missbräuchliche Kartenverfü-
Blaurock
26
1394
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
gungen nach Verlustanzeige vor. Die Rechtsprechung hat derart gestaltete Haftungsklauseln als mit § 307 BGB unvereinbar und damit unwirksam angesehen. Dabei ist die betragsmäßige Haftungsbegrenzung des Karteninhabers nicht zu beanstanden. Wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelungen i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist aber, dass eine Verpflichtung zum Schadenersatz regelmäßig nur bei schuldhaftem Verhalten bestehe. Die AGB der Kartenemittenten sehen dagegen eine Haftung des Karteninhabers bei nicht unverzüglicher Verlustmeldung unabhängig von dessen Verschulden vor (BGHZ 114, 238, 240 ff.; OLG Bamberg, NJW 1993, 2813, 2814). Verletzt der Karteninhaber jedoch seine Sorgfaltspflichten im Umgang mit der Kreditkarte und verursacht durch sein pflichtwidriges Verhalten einen Schaden, so schuldet er dem Kartenemittenten Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB. (OLG Frankfurt am Main, WM 2001, 1898 mit Anm. Meder, WuB I D 5 a. –4.01; AG Nürnberg, WM 1999, 1937; OLG Nürnberg, WM 1989, 405). Entsprechend lautende AGBen sind nicht zu beanstanden (vgl. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Das LG Frankfurt am Main hält es für pflichtwidrig, die Kreditkarte in einem unbewachten LKW auf einem Betriebsgelände zurückzulassen (LG Frankfurt am Main, NJOZ 2003, 3429, 3430; AG Nürnberg, WM 2002, 1060 zu einem ähnlichen Fall; m. E. zweifelhaft). Lässt der Karteninhaber die Kreditkarte beim Gang zum Badestrand im Wohnmobil, liegt hingegen kein Pflichtverstoß vor (so OLG Frankfurt am Main, WM 2002, 1055 für die EC-Karte mit ablehnender Anm. Haertlein, WuB I D 5 b. – 1.02). Diese Urteile zeigen die Schwierigkeit, wann die Aufbewahrung einer Kreditkarte als pflichtwidrig einzuordnen ist. Dem Nutzer dürfen nicht Anstrengungen abverlangt werden, die über seine Möglichkeiten gehen. Ist gegen Alltagsrisiken angemessen Vorsorge getroffen, kann nicht mehr von einer Sorgfaltswidrigkeit ausgegangen werden. Pflichtwidrig handelt auch der Karteninhaber, der eine neue Karte an eine Adresse senden lässt, unter der er und seine Lebensgefährtin gemeinsam gemeldet sind. Erlangt dadurch die Lebensgefährtin Kenntnis der PIN, liegt ein Verstoß gegen die kartenvertragliche Geheimhaltungspflicht vor. Dass der Karteninhaber zu diesem Zeitpunkt eine Haftstrafe verbüßt hat, kann allenfalls auf Verschuldensebene Beachtung finden (LG Hamburg, WM 2006, 1623; anders Koch WuB I D 5 a. – 2.06, der bei Nutzung durch Dritte in Kenntnis des Inhabers keinen Missbrauch annehmen möchte und daher schon einen verschuldensunabhängigen Anspruch aus § 675, § 670 BGB bejaht). 27
Der Karteninhaber haftet in vollem Umfang für eine schuldhafte Verzögerung der Verlustmeldung (Meder, WuB I D 5a.-4.01; Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 43; Martinek, S. 88), eine Haftung, für die der Rechtsgedanke des § 287 S. 2 BGB spricht (Köndgen, NJW 1996, 568 f.). „Unverzüglich“ bedeutet nach der Legaldefinition in § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern, weshalb der Karteninhaber mit Kenntnis vom Verlust der Karte tätig werden muss; bloß fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Allenfalls in Fällen, in denen konkrete Zweifel vorliegen, diesen aber bewusst nicht nachgegangen wird, kann erwogen werden, fahrlässige Unkenntnis der positiven Kenntnis gleichzustellen (OLG Bamberg, WM 1994, 196 = NJW 1993, 2813 mit Anm. Salje in WuB I D 5.-8.94; Taupitz, S. 159). So hat beispielsweise das OLG Frankfurt am Main (WM 2001, 1898 = NJW-RR 2001, 1342) eine Überprüfungspflicht des Karteninhabers innerhalb zweier Tage nach einem Diebstahl im Haus des Karteninhabers hinsichtlich des Abhandenkommens von Kreditkarte und PIN angenommen und nach diesem Zeitpunkt das Kennenmüssen der positiven Kenntnis vom Abhandenkommen gleichgestellt. Generell besteht jedoch keine Pflicht des Karteninhabers, sich in periodischen Abständen über den Verbleib der Karte Gewissheit zu verschaffen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 43; Köndgen, NJW 1996, 569), wenn er diese an einer Stelle auf-
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1395
bewahrt hat, die unbefugten Dritten nicht ohne Weiteres zugänglich ist (OLG Bamberg, NJW 1993, 2813). Nach Verlustanzeige haftet der Karteninhaber nicht mehr für anschließende missbräuchliche Umsätze, denn der Kartenemittent ist durch unverzügliche Sperrung der Karte in der Lage, den Missbrauch zu verhindern, selbst wenn die Missbrauchsgefahr durch vorausgegangene grobe Fahrlässigkeit des Karteninhabers hervorgerufen wurde. Für einen Kartenmissbrauch nach Verlustanzeige ist dann nicht mehr das Fehlverhalten des Karteninhabers, sondern eine Pflichtverletzung des Kartenemittenten ursächlich (BGHZ 114, 238, 247). Eine Klausel, wonach die Haftung des Karteninhabers für die missbräuchliche Verwendung der Kreditkarte nach Verlustanzeige nur bei vorherigem leicht fahrlässigen Verhalten des Karteninhabers entfallen soll, hat der BGH dementsprechend als unwirksam angesehen. (BGHZ 114, 238, 247 = WM 1991, 1110 mit Anm. Fevers, WuB I D 5.-7.91).
28
Erstaunlicherweise hat das OLG Frankfurt a. M. (NJW-RR 2007, 198) einem Kartenemittenten, der seine Kundenbedingungen entsprechend der Rechtsprechung des BGH geändert hatte, dennoch einen Ersatzanspruch gegen den Kunden wegen einer missbräuchlichen Verfügung zugesprochen, die nach Anzeige des Verlustes vorgenommen wurde. Der ausdrücklich vorgesehene (!) Haftungsausschluss zugunsten des Kunden nach Verlustanzeige könne sinnvollerweise nur so zu verstehen sein, dass er nicht bei schuldhaftem Verhalten des Karteninhabers greife. Würde man auch bei fahrlässiger Sorgfaltspflichtverletzung des Karteninhabers die Haftungsbeschränkung eintreten lassen, müsste sich dieser geradezu ermuntert fühlen, unsorgfältig mit der Kreditkarte umzugehen. Dem Emittenten sei auch kein Mitverschulden i. S. d. § 254 BGB anzulasten. Zwar sei die verzögerte Sperrung mitursächlich geworden, nachdem die streitgegenständlichen Auszahlungen erst nach der ersten Verlustmeldung erfolgt waren. Die verletzte Sorgfaltspflicht des Inhabers habe aber gerade den Sinn gehabt, solche Schäden zu verhindern. Es sei daher nur dem Zufall zu verdanken gewesen, dass nicht auch schon vor Verlustmeldung Abhebungen getätigt wurden. Etwaige Organisationsmängel des Emittenten müssten bei der Gesamtabwägung zurücktreten. Das OLG geht dabei mit keinem Wort auf die abweichende Rechtsprechung des BGH ein. Der Verweis auf die obergerichtlichen Entscheidungen des OLG Zweibrücken (NJW-RR 1991, 241) und OLG Nürnberg (NJW-RR 1989, 880) geht schon deshalb fehl, weil sie durch die abweichende höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH insoweit gegenstandslos geworden waren. Die zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. v. 15. 7. 2003 (NJW-RR 2004, 206) befasst sich dagegen nur mit Missbrauchsfällen vor Verlustanzeige. Neben diesen formellen Mängeln des Urteils ist es auch in der Sache unzutreffend. Die Gründe hierfür hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits in BGHZ 114, 238, 247 dargelegt. Ob eine Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit (und damit eine Haftung für vorsätzliches Vorverhalten) möglich ist, ist nicht ausdrücklich entschieden worden. Die Begründung des BGH a. a. O. würde auch hierauf passen, denn auch bei vorsätzlichem Vorverhalten kann der Emittent die Karte bei Verlustanzeige unverzüglich sperren. Jedoch wird nach allgemeinen schadensrechtlichen Prinzipien der ursprüngliche Zurechnungszusammenhang bei vorsätzlichem Vorverhalten nicht durchbrochen und auch sonst wird der vorsätzlich Schädigende nicht geschützt (vgl. z. B. § 276 Abs. 3 BGB). Daher dürfte eine entsprechende Klausel wirksam sein. Die missbräuchliche Verwendung der Kreditkarte durch einen Bediensteten des Vertragsunternehmens, dem der Karteninhaber die Kreditkarte zur zweckentsprechenden
Blaurock
29
1396
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
Verwendung – Ausstellung eines Belastungsbelegs – ausgehändigt hat, stellt keinen Missbrauch i. S. d. genannten Missbrauchsklauseln dar. Diese sind daher nicht einmal mittelbar anwendbar; eine Verlagerung des Missbrauchsrisikos auf den Karteninhaber ist zudem nicht mit § 307 BGB vereinbar (BGHZ 91, 221, 224). Während sich in den Fällen des Abhandenkommens der Kreditkarte Gefahren aus der Sphäre des Karteninhabers realisieren, entspringt bei Missbrauch durch einen Bediensteten des Vertragsunternehmens die Gefahr der Sphäre des Vertragsunternehmens, welches der seinerseits vom Kartenemittenten ausgewählten Akquisiteur aussucht und zulässt. Gefahren, die von unseriösen Vertragsunternehmen oder ihren Angestellten ausgehen, sind daher dem Kartenemittenten zuzurechnen. Eine Verlagerung des Missbrauchsrisikos würde den Karteninhaber entgegen Treu und Glauben unangemessen belasten, da er weder Einfluss auf die Auswahl der Vertragsunternehmen noch Aufsicht über diese hat und sich daher vor diesen Gefahren nicht schützen kann (BGHZ 91, 221, 225 f. = NJW 1984, 2460 = WM 1984, 1213; Wolf/ Lindacher/Horn-Wolf, § 9, Rn. K 56). Eine Haftung des Karteninhabers lässt sich hier im Einzelfall auch nicht mit dem Vorwurf begründen, der Karteninhaber habe die Karte kurzzeitig in die Obhut eines Angestellten gegeben und nicht darauf bestanden, den Belastungsbeleg in seiner Gegenwart zu fertigen. Selbst wenn der Angestellte mit dem Karteninhaber in einem Raum verbleibt, erscheint eine lückenlose Überwachung ausgeschlossen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 44). Der Karteninhaber darf sich, wenn er nicht triftige Anhaltspunkte für das Gegenteil hat, darauf verlassen, dass die Vertragsunternehmen die Kreditkarte nur bestimmungsgemäß verwenden (BGHZ 91, 221, 226 f.). 30
Von den genannten Haftungsklauseln ebenfalls nicht erfasst ist das Transportrisiko, also die Gefahr des Verlustes der Kreditkarte während der Übersendung an den Karteninhaber, weil das Transportrisiko nicht vom Karteninhaber beherrscht wird und somit auch nicht in seinen Gefahrenbereich fällt (BGHZ 114, 238, 243; OLG Bamberg, WM 1994, 196 = NJW 1993, 2814 mit Anm. Salje, WuB I D 5.-8.94; Burhoff, NWB 1996, Fach 21, 1237; s. auch KG, NJW-RR 1996, 427 für unaufgefordert zugesandte Postbank-Card).
31
Auch der Bargeldservice ist eine Funktion der Kreditkarte (vgl. Rn. 8). Dabei hebt der Karteninhaber unter Verwendung der PIN einen Betrag an einem Bankautomaten ab. Da der PIN-Einsatz typisch für EC-Karten ist, kann auf die dortige Kommentierung verwiesen werden (vgl. die Kommentierung von Metz unter § 48 in diesem Handbuch). Besondere Probleme ergeben sich dabei bei einem Missbrauch der Kreditkarte. Die Beweislast, dass der Karteninhaber gegen seine aus dem Kartenvertrag folgende Pflicht verstoßen hat, die Karte mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren und dafür Sorge zu tragen, dass kein unbefugter Dritter Kenntnis von der PIN erhält, obliegt grundsätzlich dem Kartenemittenten. Die Rechtsprechung erkennt aber in den meisten Fällen einen entsprechenden Anscheinsbeweis an. Inhalt und Umfang des Anscheinsbeweises hat die grundlegende Entscheidung des BGH v. 5. 10. 2004 (BGHZ 160, 308 zur EC-Karte) abgesteckt. Danach spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der Karte vermerkt oder mit ihr zusammen aufbewahrt hat, wenn zeitnah nach dem Diebstahl einer Karte oder der Verwendung dieser Karte und Eingabe der PIN an einem Geldautomaten Bargeld abgehoben wird. Dem Inhaber der Karte obliegt es dann, dem Anscheinsbeweis durch konkrete Darlegung und gegebenenfalls durch den Nachweis der Möglichkeit eines atypischen Verlaufs die Grundlage zu entziehen (vgl. OLG Frankfurt am Main, WM 2008, 534 zur EC-Karte und Aktivlegitimation von Verbraucherverbänden nach Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG). Die umfänglich ergangene Rechtsprechung zum Missbrauch unter Verwendung der PIN-Nummer ist fast ausschließlich (vgl. aber zur Kreditkarte OLG Brandenburg, WM 2007, 2193; LG Traunstein v. 14. 3. 2007, Az. 5 S 4188/06
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1397
– juris) zu Sachverhalten ergangen, denen die Verwendung einer EC-Karte zugrunde lag. Auf der Rückseite von Kreditkarten findet sich hinter der Kreditkartennummer die dreistellige Kartenprüfnummer (anders bei American Express: Vorderseite, vierstellig). Diese wird auf Belastungsbelegen nicht ausgedruckt. Das Anfordern der Kartenprüfnummer im Telefon- bzw. Mailorderverfahren stellt sicher, dass der Kunde wirklich im Besitz der Karte ist und nicht weggeworfene bzw. nicht vernichtete Belege missbraucht. Im Gegensatz zur PIN schützt die Kartenprüfnummer aber nicht beim Abhandenkommen der Kreditkarte vor Missbrauch. II. Akquisitionsvertrag. 1. Charakter des Akquisitionsvertrags. Akquisiteur und Vertragsunternehmen regeln ihre Rechtsbeziehungen üblicherweise durch einen formularmäßigen Rahmenvertrag mit Dauerschuldcharakter (Eckert, WM 1987, 164; Langenbucher/Gößmann/Werner-Gößmann, § 3, Rn. 65; Kümpel, Rn. 4.1035; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 58). In diesem Akquisitions- oder Akzeptanzvertrag verpflichtet sich der Akquisiteur, bei Vorlage entsprechender Belastungsbelege die Verbindlichkeiten des Karteninhabers bei dem Vertragsunternehmen abzüglich des Disagios (die Spanne beträgt 3–8 % des Umsatzes) zu begleichen (vgl. zur Rechtsnatur der Gebühr Schön, AcP 198 (1998), 401, 417 f.). Dies versteht sich als Gegenleistung dafür, dass der Akquisiteur dem Vertragsunternehmen neue Kunden verschafft, die sich in ihren Einkaufsgewohnheiten häufig auch an der Kartensystemzugehörigkeit der Händler orientieren (Kümpel, Rn. 4.1004; Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/ Oechsler, § 67, Rn. 58). Im Gegenzug verpflichtet sich das Vertragsunternehmen gegenüber dem Akquisiteur, die Kreditkarte als Zahlungsmittel zu akzeptieren (vgl. zur bes. Situation beim Phone- bzw. Mailorderverfahren Rn. 44) und den Karteninhabern dieselben Bedingungen wie Barzahlern zu gewähren, ohne ihnen zusätzliche Gebühren für den Einsatz der Kreditkarte abzuverlangen (sog. Preisaufschlagsverbot). Diese Vereinbarung ist ein echter Vertrag zugunsten Dritter i. S. v. § 328 BGB, die dem Karteninhaber als begünstigtem Dritten das Recht einräumt, statt mit Bargeld mittels Karte zu zahlen (LG Düsseldorf, WM 1991, 1029; Eckert, WM 1987, 164; Hadding, FS Pleyer, 17, 21 f.; Heermann, § 14, Rn. 6; vgl. insb. BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1872 m. w. N.). Verfehlt erscheint es, den Akquisitionsvertrag, der eine Vielzahl der Rechte und Pflichten der Parteien regelt, einem bestimmten gesetzlichen oder anerkannten Vertragstyp zuordnen zu wollen. Er ist vielmehr ein Vertrag „sui generis“ (Eckert, WM 1987, 164; BuB-Haun/ Neuberger, Rn. 6/1877; Langenbucher/Gößmann/Werner-Gößmann, § 3, Rn. 65).
39
2. Rechtsnatur der Zahlungs-/Ankaufsverpflichtung des Akquisiteurs. Von größerem Interesse ist, wie die Verpflichtung des Akquisiteurs, die Forderungen des Vertragsunternehmens gegen den Karteninhaber zu begleichen, rechtlich zu qualifizieren ist. Die rechtliche Einordnung dieser Zahlungsverpflichtung ist umstritten, wofür die unterschiedlichen Formulierungen in den einzelnen Akquisitionsverträgen mitursächlich sein mögen (BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1883 ff.). Seit der Eurocard-Entscheidung des BGH (BGH NJW 1990, 2880, 2881; vgl. dazu die Anm. von Eckert in EWiR § 437 BGB 1990, 1059) im Jahre 1990 hatte die Judikatur das Vertragsverhältnis (vgl. exemplarisch OLG Schleswig, WM 1991, 453) als Forderungskauf qualifiziert. Dabei hatte sich der BGH stark am Wortlaut der verwendeten Klauseln orientiert, die unter dem Eindruck des damals geltenden § 1 Abs. 1 Nr. 8 KWG und der Sorge der Acquiring-Unternehmen, für ihre Tätigkeit eventuell einer Bankgenehmigung zu bedürfen, nicht von „Garantie“, sondern eher von „Kauf“, „Forderungskauf“ oder „Ankaufsverpflichtung“ sprachen. Insbesondere sah der BGH die Abbedingung des § 404 BGB mit der Annahme des Forderungskaufs als nicht unvereinbar an (BGH, NJW 1990, 2880, 2881). Andere sehen in dem Zahlungsversprechen eine Garantie (etwa Schön, AcP 198 (1998), 439; Bitter, ZBB
40
Blaurock
1398
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
1996, 104, 118 f.; WuB I D 5a.-2.02; sympatisierend mit dieser Lösung Kümpel, Rn. 4.1048 ff.; Garantie jedenfalls nicht ausschließend Heermann, JZ 2002, 1172). In der Wissenschaft wird jedoch mehrheitlich von einem abstrakten Schuldversprechen des Akquisiteurs i. S. v. § 780 BGB ausgegangen (vgl. exempl. Hadding, FS Pleyer, S. 17, 31; ders., DRiZ 2006, 355; Martinek, S. 103; Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 66; Einsele, WM 1999, 1809; Freitag, WM 2000, 2186). Nach dieser Auffassung tragen weder die Qualifizierung als Forderungskauf noch die Annahme einer Garantie (so aber Bitter, WuB I. D. 5. 1.04, S. 399) der Interessenlage der am Kreditkartengeschäft Beteiligten ausreichend Rechnung. So entspreche die im Rahmen des Forderungskaufs bestehende Veritätshaftung nicht dem Willen der Vertragsunternehmen; außerdem weiche der üblicherweise vereinbarte Ausschluss des § 404 BGB so weit vom gesetzlichen Leitbild des Forderungskaufes ab, dass von einem solchen nicht mehr gesprochen werden könne. Vertragszweck und wirtschaftliche Interessenlage lassen den Parteien nicht die beliebige Wahl zwischen unterschiedlichen zivilrechtlichen Formen (Martinek, FS Hadding, 967, 970). Gegen die Annahme eines Garantievertrages spreche vor allem, dass beim Kreditkartenverfahren kein Ausfallrisiko des Akquisiteurs übernommen werden solle, sondern gegenüber dem Vertragsunternehmen eine primäre Einstandspflicht begründet werde. Der BGH (BGHZ 150, 286, 292) betont, dass das Vertragsunternehmen ohne Verlangen der Gegenleistung (§ 320 BGB) vorleiste, so dass der Verkauf einer Kaufpreisforderung keinen wirtschaftlich gleichwertigen Ersatz darstelle. Nur die Qualifizierung als abstraktes Schuldversprechen werde der Funktionalität der Kreditkarte als Bargeldsurrogat gerecht (vgl. m. w. N. Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler, § 67, Rn. 65 f.; Freitag, ZBB 2002, 327; Hadding, FS Pleyer, S. 32; Zahrnt, NJW 1972, 1078; Einsele, WM 1999, 1809). 41
Dieser Ansicht ist inzwischen auch der BGH gefolgt (BGHZ 150, 286, 291 ff.; 152, 75, 80; 157, 256, 261 ff.). Der Wortlaut entsprechender AGB-Klauseln (hier: „kauft“ und „verkauft“ „Forderungen gegen den Karteninhaber“) sei insbesondere nach Änderung des KWG lediglich Ausgangs-, nicht aber der allein entscheidende Gesichtspunkt für die Qualifizierung der Zahlungspflicht des Akquisiteurs. Geschäftswille und Interessenlage von Akquisiteur und Vertragsunternehmen legten es vielmehr nahe, Akquisitionsverträge generell einem einheitlichen Vertragstyp zuzuordnen. Dies könne nach der Bargeldersatzfunktion des Kreditkartengeschäfts nur ein abstraktes Schuldversprechen sein, da nur hieraus ein Anspruch des Vertragsunternehmens gegen den Akquisiteur entstehe, der dem Anspruch gegen den Karteninhaber in Falle der Barzahlung wirtschaftlich gleichwertig sei (BGHZ 150, 286, 292; 157, 256, 262 f.). Das im Akquisitionsvertrag rahmenmäßig vereinbarte Versprechen sei aufschiebend bedingt (§ 158 I BGB) durch die Einreichung ordnungsgemäßer Belastungsbelege, die in jedem Einzelfall die Zahlungspflicht des Akquisiteurs entstehen lassen (BGHZ 150, 286, 294; zustimmend: Jungmann, WM 2005, 1351; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 61; Schnauder, NJW 2003, 849, 851; Derleder, EWiR 2002 1084 allerdings kritisch zur Annahme der aufschiebenden Bedingung; Freitag, ZBB 2002, 330; ablehnend Heermann, JZ 2002, 1170 f.; Bitter, WuB, I D 5a.-2.02 (Garantie); offen Meder, NJW 2002, 2216, der auf die Auswirkungen für die Praxis hinweist). Demgegenüber hat das OLG Naumburg (ZIP 2002, 1795, 1796 f.) die Zahlungsverpflichtung des Akquisiteurs in einem ähnlichen Fall in Anlehnung an die alte BGHRechtssprechung als Forderungskauf qualifiziert. Es ging davon aus, dass bei gesetzlich nicht geregelten Vertragstypen (wie dem Kreditkartenverfahren) die vertraglichen Abreden der Parteien besonderes Gewicht erlangen. Wortlaut (hier „Firma E. kauft“ „gegen den Karteninhaber gerichtete Forderung“ und „Forderung dadurch an die E. abgetreten“) und Inhalt der getroffenen Vereinbarungen sind daher maßgeblicher Gesichtspunkt der
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1399
Auslegung. Jede andere Interpretation zwinge den Beteiligten eine nicht gewollte Vertragsbeziehung auf und ignoriere somit den ausdrücklich erklärten Parteiwillen, der im Falle des Forderungskaufes gerade nicht auf die Bargeldersatzfunktion ausgerichtet sei (OLG Naumburg, ZIP 2002, 1795, 1797). Damit betont das OLG Naumburg wieder die private Gestaltungsfreiheit. Haupterwägung des Gerichts schien letztlich zu sein, dem Vertragsunternehmen deswegen das Missbrauchsrisiko aufzuerlegen, weil ersichtlich dubiose Kartennutzungen geschehen waren. Der Bundesgerichtshof (BGHZ 157, 256 ff.; krit. dazu Bergwitz, LMK 2004, 127) hat auch dieses Urteil aufgehoben; zur praktischen und dogmatischen Behandlung von Sorgfaltslosigkeit des Vertragsunternehmens im Mailorderverfahren vgl. Rn. 46. 3. Abrechnungsvoraussetzungen und Rückforderungsklauseln. Die AGB des Akquisitionsvertrages sehen bestimmte Sorgfalts- bzw. Prüfpflichten des Vertragsunternehmens bei der Akzeptanz von Kreditkarten vor. Nur unter der Voraussetzung, dass diese eingehalten werden, „kauft“ der Akquisiteur die Forderungen des Vertragsunternehmens gegen den Karteninhaber. So muss das Vertragsunternehmen z. B. die Gültigkeit der Karte und das Vorliegen eines Sperrvermerks für diese prüfen und den Unterschriftszug des Kunden auf dem Belastungsbeleg mit dem auf der Kreditkarte vergleichen. Außerdem darf der Gesamtbetrag des Geschäfts nicht den genehmigungsfreien Höchstbetrag überschreiten. Bei Überschreitung muss das Vertragsunternehmen die Genehmigung des Akquisiteurs einholen. Wird das Vertragsunternehmen diesen Anforderungen gerecht, so hat der Akquisiteur seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber diesem nachzukommen.
42
Allerdings sehen die AGB vor, dass der Akquisiteur auch bei Einhaltung dieser Prüfungsund Sorgfaltspflichten einen Rückzahlungsanspruch gegen das Vertragsunternehmen aufgrund von Beschwerden und Reklamationen des Karteninhabers hat. Dabei waren diese Rückforderungsklauseln häufig sehr umfassend formuliert. So wurde weder auf eine bestimmte Qualität der Einwendungen aus dem Valutaverhältnis noch auf das tatsächliche Bestehen der Einwendungen abgestellt. Der Anwendungsbereich der Rückforderungsklauseln wurde erst in der neueren Zeit eingeschränkt (vgl. dazu Bitter, BB 1997, 483). Praktisch stellen diese Rückforderungsklauseln ein erhebliches Risiko für das Vertragsunternehmen dar. Für diejenigen − wie nunmehr auch der BGH (BGHZ 150, 286, 295 ff.) −, die dem Vertragsunternehmen eine der Bargeldzahlung vergleichbare sichere Rechtsposition verschaffen wollen, ist es konsequent, derartigen Rückforderungsklauseln die Anerkennung zu versagen (BGHZ 150, 286, 295 – jedoch für Mailorderverfahren). Denn dem Anspruch des Vertragsunternehmens aus dem abstrakten Schuldversprechen kann der Akquisiteur grundsätzlich keine Einwendungen des Karteninhabers aus dem Verhältnis zum Vertragsunternehmen entgegensetzen. Nach h. M. ist die Rückforderung daher nur in den Fällen zulässig, in denen der Karteninhaber seine Einwendungen aus dem Valutaverhältnis ausnahmsweise (vgl. Rn. 24 ff.) dem Aufwendungsersatzanspruch des Kartenemittenten entgegenhalten kann (exempl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/ Oechsler, § 67, Rn. 74; Welter, WuB I D 5.-3.88; Horn, ZBB 1995, 273, 278). Jede weitergehende Klausel verstoße gegen § 307 II Nr. 2 BGB (Martinek, S. 105) oder sei überraschend i. S. d. § 305 c I BGB (Bitter, BB 1997, 483; Welter, WuB I D 5.-3.88). Mit der hier vertretenen Auffassung, dass der Einwendungsdurchgriff schlechthin ausgeschlossen ist, entfällt jede Rückforderungsmöglichkeit. Demgegenüber hatten früher der BGH (WM 1990, 1059 = ZIP 1990, 780) und das LG Heidelberg (WM 1988, 773), die die Zahlungsverpflichtung des Akquisiteurs als Forderungskauf qualifizierten, in derartigen Klauseln eine angemessene Risikoverteilung gesehen und diese akzeptiert. Das Risiko, einen Entgeltanspruch für eine schon erbrachte Leistung nicht zu erwerben, bestehe für das Vertragsunternehmen beim Bargeschäft in gleicher Weise, bei dem der Kunde bei Fehlschla-
43
Blaurock
1400
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
gen des Vertragsschlusses die Rückabwicklung des Leistungsaustausches gem. §§ 812 ff. BGB verlangen könne (BGH, ZIP 1990, 780; vgl. dazu kritisch, Hadding, WuB I D 5.-5.90; Welter, WuB I D 5.-3.88; Bitter, BB 1997, 483). 44
Uneinheitlich war die Rechtsprechung bzgl. der Wirksamkeit von Rückforderungsklauseln und damit hinsichtlich der Risikoverteilung, wenn der Karteninhaber sein Einverständnis zur Kreditkartenzahlung schriftlich (mail order) oder fernmündlich (phone order) gegenüber dem Vertragsunternehmen erklärt. Beim Phone- oder Mailorderverfahren (vgl. zum Verfahren OLG Naumburg, ZIP 2002, 1795; aufgehoben durch BGHZ 157, 256 ff.), bei dem die Kreditkarte dem Vertragsunternehmen naturgemäß nicht vorgelegt wird, muss das Vertragsunternehmen den Namen des Kunden, die Kreditkartennummer und deren Gültigkeitsdauer an den Akquisiteur weiterleiten. Dieser prüft die Daten und die Bonität des Karteninhabers und erteilt die Genehmigung zur Kartenakzeptanz. Aufgrund der vom Kunden übermittelten Daten wird der entsprechende Belastungsbeleg vom Vertragsunternehmen ausgefüllt, wobei an die Stelle der Unterschrift des Karteninhabers der Vermerk „signature on file“ tritt (vgl. auch BGH, ZIP 2004, 988; ZIP 2004, 1041 mit Anm. Pfeiffer, LMK 2004, 159; krit. Meder ZIP 2004, 1044). Der Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens setzt den Bestätigungsvermerk auf dem Leistungsbeleg allerdings nicht voraus, wenn dem Vertragsunternehmen die Unterschrift des Bestellers, etwa bei telefonischer oder per E-Mail übermittelten Bestellungen, nicht vorliegt (BGH, ZIP 2005, 1406). Die Bestätigung „signature on file“ wäre dann nämlich inhaltlich unzutreffend und dürfte nicht abgegeben werden. Bestimmungen in AGB, die eine entsprechende Einschränkung nicht enthalten, hat der BGH a. a. O. allerdings nicht (entsprechend dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion) insgesamt für unwirksam erklärt, sondern einschränkend ausgelegt. Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine besonders risikobehaftete Abwicklungsform von Kreditkartenumsätzen, bei der es dem Vertragsunternehmen nicht möglich ist, die Identität zwischen dem berechtigten Karteninhaber und dem Besteller festzustellen. Aus diesem Grund hat der Akquisiteur im Phone- bzw. Mailorderverfahren im Gegensatz zum üblichen Einsatz der Kreditkarte im Geschäftslokal ein besonderes Interesse, das Vertragsunternehmen (rück)zubelasten, wenn sich der Karteninhaber weigert, den Rechnungsbetrag zu zahlen, weil er von der Bestellung zurückgetreten ist, der Ware oder Leistung schriftlich zugesicherte Eigenschaften fehlen oder weil er die Bestellung bestreitet. Dieses weitgehende Rückgriffsrecht wurde nach den AGB nicht einmal durch die Erteilung der Genehmigung zur Kartenakzeptanz durch den Akquisiteur eingeschränkt (vgl. ehemals Nr. 7 IV der Bedingungen der Diners Club Deutschland GmbH für die Akzeptanz der Diners Club Karten, Stand 2001).
45
Der BGH (BGHZ 150, 286; 157, 256) hat eine derartige Klausel im Falle eines Missbrauchs einer Kreditkarte durch einen Dritten wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB für unwirksam erachtet, weil sie das Vertragsunternehmen verschuldensunabhängig mit dem vollen Missbrauchsrisiko belaste, also selbst dann, wenn das Vertragsunternehmen allen Vorschriften des Phone- oder Mailorderverfahrens Rechnung getragen hat. Dieses verfahrensimmanente Missbrauchsrisiko habe der Akquisiteur als Betreiber des Kreditkartenverfahrens grundsätzlich selbst zu tragen. Eine derart einseitige Risikoverlagerung könne keinen Bestand haben, zumal die Acquiring-Unternehmen den Vertragsunternehmen das Phone- und Mailorderverfahren ausdrücklich gestatten und die damit verbundenen Risiken mittels der von den Vertragsunternehmen zu erbringenden Servicegebühr wesentlich besser auffangen können als die einzelnen Vertragsunternehmen. Zwar erhielten die Vertragsunternehmen durch das Kreditkartenverfahren die Möglichkeit, ih-
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1401
ren Kundenkreis, insbesondere im Ausland, zu erweitern und so ihren Umsatz zu steigern. Diese Werbefunktion der Kreditkarte werde jedoch durch die zu zahlende Servicegebühr, den Zinsverlust durch die hinausgeschobene Zahlung sowie die Kosten der Systemausstattung relativiert. Außerdem bestehe das Interesse an der Umsatzsteigerung ebenso auf Seiten der Acquiring-Unternehmen, die das Kreditkartengeschäft vor allem in ihrem eigenen Provisionsinteresse betreiben. Unerheblich sei auch, dass keine Akzeptanzpflicht des Vertragsunternehmens bestehe, weil diese zu einer substantiellen Abwägung und Prüfung der Vertrauenswürdigkeit der Vertragspartner wegen der räumlichen Distanz regelmäßig nicht in der Lage seien (BGH a. a. O.; dem BGH zustimmend Heermann, JZ 2002, 1172 f.; Derleder, EWiR 2002, 1084; Körber, WM 2004, 563; Hoffmann, ZBB 2004, 405; Hadding, DRiZ 2006, 355; anders Schlinker, ZGS 2007, 248; abl. Bergwitz, LMK 2004, 127; Schnauder, BHGReport 2004, 457). Wenn das Acquiring-Unternehmen die Entstehung eines Zahlungsversprechens an die Bedingung der Kartenzahlung knüpft, kann es dem Vertragsunternehmen nicht zum Nachteil gereichen, dass es sich an die Vorgaben des Akquisiteurs gehalten hat. Der Kartenverwender ist bereits bei Innehabung der Karte und identischer Unterschrift (Kartenunterschrift zu Belegunterschrift) berechtigt, so dass das Vertragsunternehmen beim Vorliegen dieser Umstände auf den Aufwandsersatz durch den Akquisiteur vertrauen darf. Eine Rückforderungsklausel des Akquisiteurs gegen das Vertragsunternehmen bei Missbrauch der Karte verstößt daher gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (BGHZ 157, 256). In einer Entscheidung aus dem Jahr 2002 hat das OLG Naumburg das Missbrauchsrisiko grundsätzlich dem Vertragsunternehmen auferlegt (vgl. bereits unter Rn. 41; OLG Naumburg, ZIP 2002, 1795; ebenso vor Änderung der BGH-Rechtsprechung OLG Frankfurt am Main, ZIP 2001, 1583; Freitag, ZBB 2002, 329; Meder, NJW 2000, 2077; Bitter, WuB I D 5a.-2.02; BuB-Haun/Neuberger, Rn. 6/1882). Der Bundesgerichtshof (BGHZ 157, 256) hat das Urteil des OLG Naumburg aufgehoben und noch einmal ausdrücklich die Einordnung des Anspruchs des Vertragsunternehmens als abstraktes Schuldversprechen bestätigt (zustimmend Jungmann, WM 2005, 1351). Die Besonderheit des Falles lag darin, dass evident ein Missbrauchsfall vorlag. In solchen Fällen ist ein Rückforderungsanspruch des Acquiring-Unternehmens in drei Schritten zu prüfen: (1) Der Anspruch des Vertragsunternehmens auf Zahlung gegen den Akquisiteur kann an Bedingungen gem. § 158 BGB geknüpft werden. Eine solche Bedingung liegt darin, dass für das betreffende Geschäft überhaupt der Kreditkarteneinsatz zulässig war. Ausgeschlossen werden kann das z. B. bei Bestellung von mehr als fünf identischen Dienstleistungen oder Artikeln, bei Lieferungen von Bestellwerten über 1.500 € an Adressen außerhalb der Europäischen Union, allgemein bei Bestellungen von über 3.500 € oder bei Verwendung von mehr als einer Kreditkartennummer (Beispiele nach Jungmann, WM 2005, 1351, 1356). Grundlage eines Rückforderungsanspruchs ist § 812 BGB. Der BGH hat den Anspruch deshalb als gegeben angesehen, weil der „signatur on file“-Vermerk fehlte (kritisch insoweit Hofmann, ZBB 2004, 405 (408), der anmerkt, dass auch aus der Einholung der Genehmigungsnummer für das Kartenunternehmen ersichtlich ist, dass es sich um ein Mailorderverfahren handelt). (2) Das Vertragsunternehmen soll dem aber Schadensersatzansprüche entgegensetzen können, wenn der Akquisiteur keine ausreichenden Kontrollmöglichkeiten im Rahmen des E-Commerce getroffen hat. (3) Dieser Anspruch kann wiederum gem. § 254 BGB gekürzt werden, soweit das Vertragsunternehmen ein Mitverschulden trifft. Der Bundesgerichtshof sah eine Pflichtverletzung des Akquisiteurs darin, dass es für die Bestellungen einer Person auf 15 verschiedene Kreditkartennummern Genehmigungsnummern erteilt hat. Der Akquisiteur hätte daher den Missbrauch durch intensivere Kontrolle verhindern können. Das Mitverschulden sah der Bundesgerichtshof darin, dass
Blaurock
46
1402
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
das Vertragsunternehmen leichtfertig dubiose Bestellungen aus dem Nicht-EU-Ausland akzeptiert hat. 47
Bedenken begegnen die genannten Rückforderungsklauseln für das Mail- und Phoneorderverfahren auch insoweit, als der Akquisiteur vom Vertragsunternehmen Rückforderung in den Fällen soll verlangen können, in denen der Karteninhaber die Zahlung verweigert, weil er „von der Bestellung zurückgetreten ist“. Eine theoretisch denkbare Rückforderung bereits an das Vertragsunternehmen gezahlter Beträge aufgrund dieser Klausel kann auch nach Einführung des Widerrufs- und Rückgaberechts für Fernabsatzverträge (§ 312 d BGB) nicht zulässig sein. Bei der Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts gem. §§ 355, 356 BGB handelt es sich um eine Einwendung des Karteninhabers gegen das Vertragsunternehmen aus dem Valutaverhältnis, die auch in diesem Verhältnis geltend zu machen ist (vgl. Rn. 24). Eine Rückforderung des Akquisiteurs gegen das Vertragsunternehmen aufgrund dieser Einwendung würde einen Einwendungsdurchgriff durch die Hintertür bedeuten. Dieser ist jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig, insbesondere in Missbrauchsfällen (vgl. BGHZ 157, 256 und oben Rn. 25).
48
III. Die Beziehung zwischen Vertragsunternehmen und Karteninhaber. Schließen Vertragsunternehmen und Karteninhaber einen schuldrechtlichen Vertrag, hat das Kartenunternehmen einen Zahlungsanspruch als Erfüllungsanspruch. Ein Erfüllungsanspruch in Geld ist grundsätzlich auf Barzahlung gerichtet (BGH, NJW 1953, 897; BGH, ZIP 1986, 1042, 1044). Die Kartenzahlung stellt aber eine Leistung erfüllungshalber analog § 364 Abs. 2 BGB dar (Hadding, FS Pleyer, 17, 24; Langenbucher/Gößmann/WernerGößmann, § 3, Rn. 32 und 91; Schnauder, NJW 2003, 849, 850; Staudinger-Martinek, § 676 h, Rn. 68; Heermann, § 14, Rn. 5 m. w. N.). Das Vertragsunternehmen will nicht das endgültige Solvenzrisiko des Akquisiteurs tragen. Der Karteninhaber hat einen Anspruch aus § 328 BGB gegen das Vertragsunternehmen, dass dieses eine Leistung erfüllungshalber durch Kreditkartenzahlung akzeptiert (Langenbucher/Gößmann/WernerGößmann, § 3, Rn. 87). Problematisch ist, ob ein außenstehender Karteninhaber gem. § 267 BGB berechtigt ist, mit seiner Kreditkarte für den Schuldner des Vertragsunternehmers zu zahlen. Relevant wird diese Frage, wenn der Gläubiger zugleich ein Vertragsunternehmen ist. Der Gläubiger kann aus verschiedenen Gründen ein besonderes Interesse an der Barzahlung haben. Er muss bei Barzahlung nicht auf das umsatzabhängige Disagio verzichten (vgl. Rn. 39), sondern kann den gesamten Betrag für sich vereinnahmen. Regelmäßig wird der Akquisiteur Aufwandsersatz unbar auf ein Konto des Vertragsunternehmens überweisen. Bei Kontenpfändung hat das Vertragsunternehmen Interesse an einer Bareinnahme, da es über dieses Geld disponieren kann. Die ganz herrschende Meinung verneint die Möglichkeit, dass ein außenstehender Dritter mit seiner Kreditkarte die Verbindlichkeit des Schuldners begleichen kann, auch wenn der Gläubiger ein Vertragsunternehmen ist (LG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 310; Kümpel, Rn. 4.1036; Nobbe, FS Hadding, 1007, 1010; StaudingerMartinek, § 676 h, Rn. 67; Schwintowski/Schäfer, § 13, Rn. 38; weitere Nachweise bei Nobbe, a. a. O.). Demgegenüber leitete das AG Neuss (NJW-RR 1990, 253) ein solches Recht des Kreditkarteninhabers als Dritten aus § 267 BGB her. Grundmann (in Ebenroth/ Boujong/Joost, BankR II, R 372) stimmt dieser Auffassung mit dem Argument zu, dass dem Vertragsunternehmen durch Aushang des Kartenlogos potentiell auch weitere Kunden erschlossen werden und auch keine höheren Kosten anfielen. Die herrschende Meinung beruht auf der fragwürdigen Prämisse, nur die Leistung als solche als Erfüllung durch einen Dritten gem. § 267 BGB zu akzeptieren (vgl. z. B. MünchKommBGB-Krüger, § 267, Rn. 14; Staudinger-Bittner, § 267, Rn. 28 m. w. N.). Doch schon diesem An-
Blaurock
§ 49 Kreditkartengeschäft
1403
satz sollte nicht gefolgt werden (Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 21, I, 7, S. 461). Grundsätzlich braucht der Gläubiger vom Schuldner kein Erfüllungssurrogat entgegenzunehmen; hat er jedoch bestimmte Erfüllungssurrogate bei Vertragsschluss akzeptiert, kann der Schuldner durch Angebot des Erfüllungssurrogats den Gläubiger in Gläubigerverzug setzen. Die Vereinbarung einer Leistung an Erfüllung statt gem. § 364 Abs. 1 BGB schon bei Vertragsschluss zu akzeptieren, mag angesichts der gesetzlichen Regelung der Wahlschuld in § 262 BGB überflüssig sein; bestimmte Leistungen gem. § 364 Abs. 2 BGB erfüllungshalber zu akzeptieren, kann der Gläubiger sich aber schon bei Vertragsschluss verpflichten. Dem Leistungsschuldner wird schon bei Vertragsschluss zu erkennen gegeben, dass – soweit sie zur Befriedigung führen – bestimmte Surrogate akzeptiert werden. Wer dieses Erfüllungssurrogat in einem solchen Fall anbietet, ist aus Sicht des Gläubigers ebenso gleichgültig wie bei der Leistungsbewirkung durch Erfüllung. Der Verweis auf die Unzulässigkeit der Aufrechnung bei § 267 BGB überzeugt als Vergleichsmaßstab gerade nicht, da Leistungen gem. § 364 Abs. 1 und Abs. 2 BGB bei Vertragsschluss oder zu einem späteren Zeitpunkt durch den Gläubiger akzeptiert werden müssen. Hingegen handelt es sich bei der Aufrechnung um eine vom Schuldner einseitig wählbare Form der Leistungserbringung durch Surrogat, die zudem Gegenseitigkeit voraussetzt. Deshalb bedurfte es in § 268 Abs. 2 BGB einer Regelung für die Aufrechnung durch den Ablöseberechtigten; hatte der Gläubiger dem Schuldner eine Leistung gem.§ 364 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB gestattet, kann diese selbstverständlich auch von einem Dritten erbracht werden. Durch Vertragsschluss mit dem Bargeldschuldner wird – soweit es sich um ein Vertragsunternehmen handelt – konkludent erklärt, dass eine Leistung erfüllungshalber mittels Kartenzahlung akzeptiert werde. Diese kann auch von einem Kreditkarteninhaber als außenstehenden Dritten gem. § 267 BGB erbracht werden. IV. Die Kreditkarte in der Zwangsvollstreckung. Ob ein Pfändungspfandgläubiger des Kreditkarteninhabers bei Pfändung und Überweisung von dessen Bankkonto gem. § 836 Abs. 3 S. 1, 3 ZPO auch die Kreditkarte durch Zwangsvollstreckung herausverlangen kann, ist bislang ungeklärt. Für die EC-Karte hat der Bundesgerichtshof (BGH NJW 2003, 1256 mit Anm. Schuschke, EWiR 2003, 395) die Anwendung des § 836 Abs. 3 ZPO abgelehnt. Dem folgt die herrschende Meinung (Baur/Stürner/Bruns, Rn. 30.24; ZöllerStöber, § 836, Rn. 13). Ausgangspunkt ist, dass der Pfändungsschuldner mittels Einsatzes der EC-Karte noch Waren beim Händler kaufen oder Geld bei institutsfremden Automaten abheben kann und der Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 675, 670 BGB des kartenausgebenden Kreditinstituts durch das Pfandrecht am Konto Vorrang vor dem Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers genießt. Der Bundesgerichtshof stellt aber darauf ab, dass bei EC-Karten (im Gegensatz zu den früheren Euroschecks) keine Garantiehaftung der EC-Karten ausgebenden Bank bestehe, sondern sie erst der Belastung zustimmen müsse. Entstehe der Aufwendungsersatzanspruch auf diese Weise, sei er nicht mehr durch das AGB-Pfandrecht der Banken gedeckt (BGH, NJW 2003, 1256, 1257). Die Übertragung dieser Rechtsprechung auf Universalkreditkarten ist aber problematisch. Gibt das kontoführende Kreditinstitut die Kreditkarte aus (grafisch dargestellt bei Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6, Rn. 236 ff.), hat sie schon zuvor den Vertragsunternehmern ein abstraktes Schuldversprechen gem. § 780 BGB erteilt, das lediglich gem. § 158 Abs. 1 BGB noch von der Weisung mittels eines ordnungsgemäß ausgefüllten Belastungsbelegs bedingt ist (vgl. zum Verhältnis Akquisiteur zu Vertragsunternehmen Rn. 40 f.). Die Belastung des kartenausgebenden Unternehmens durch das Vertragsunternehmen erfolgt daher ohne dessen Zustimmung. Konsequenz ist, dass der Aufwendungsersatzanspruch beim Kreditkartengeschäft dem ABG-Pfandrecht der Banken unterfällt. In diesem Fall würde der Pfändungspfandgläubiger durch das Vorhandensein einer Kredit-
Blaurock
49
1404
Kap. III – Konto und Zahlungsverkehr
karte benachteiligt (auf dieses Problem weist auch Barnert, WuB VI E. § 836 ZPO 1.03, S. 588 unter 4. b) hin). Der kreditkartenausgebenden Bank kann auch nicht die Pflicht auferlegt werden, die Kreditkarte einzuziehen, da sich ihre Pflichten als Drittschuldnerin in den Regelungen des § 840 ZPO erschöpfen. Diese sehen lediglich als Obliegenheit eine Auskunft vor; hingegen kein positives Tun des Drittschuldners zur Wahrung der gegen ihn gerichteten Forderung des Vollstreckungsschuldners. Aus diesen Gründen sollte die Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht verallgemeinert werden. Bezüglich Kreditkarten bedarf es zum Schutz des Vollstreckungsgläubigers der Anwendung des § 836 Abs. 3 ZPO.
Blaurock
140
Kapitel IV Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Derleder
“This page left intentionally blank.”
§ 50 Anlageberatung
1407
§ 50 Anlageberatung
Schrifttum Arendts, Beratungs- und Aufklärungspflichten über das einem Wertpapier erteilte Rating, WM 1993, 229; Balzer, Discount-Broking im Spannungsfeld zwischen Beratungsausschluss und Verhaltenspflichten nach WpHG, DB 1997, 2311; Rechtsfragen des Effektengeschäfts der Direktbanken, WM 2001, 1533; Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 1998; Bruchner, Bankenhaftung bei fremdfinanziertem Immobilienerwerb, WM 1999, 825; Bundschuh, Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bankrecht, RWS-Skript 40, 4. Aufl.; Coing, Haftung aus Prospektwerbung für Kapitalanlagen in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, WM 1980, 206; Derleder, Die Kreditabwicklung bei gescheiterten Steuersparmodellen des Immobiliensektors, ZfIR 2003, 1077; Dörner, Die Auskunftshaftung italienischer Banken im deutsch-italienischen Geschäftsverkehr, WM 1977, 962; Eisele, Insiderrecht und Compliance, WM 1993, 1021; Ellenberger, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Anlageberatung, WM 2001, SB 1, 3; Findeisen/Backhaus, Umfang und Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität bei der Haftung nach § 826 BGB für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, WM 2007, 100; Fleischer, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, NJW 2002, 2977; WM 2007, 100, Fuellmich/Rieger, Die Haftung der Banken für massenhaft fehlerhafte Treuhandmodellfinanzierungen, ZIP 1999, 465; Gallandi, Die Aufklärungspflicht bei Innenprovisionen, WM 2000, 279; Graf v. Westphalen, Zusammenhang zwischen der Prospekthaftung und der Haftung aus der individuellen Anlageberatung, BB 1994, 85; Grün, Abstandnahme vom Vertragschluss als Ziel anlegergerechter Aufklärung bei hohen Prämienaufschlägen des Terminoptionsvermittlers, NJW 1994, 1330; Hagemeister, Die neue Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, WM 2002, 1773; Heinsius, Pflichten und Haftung der Kreditinstitute bei der Anlageberatung, ZBB 1994, 47, Anlageberatung durch Kreditinstitute, ZHR 145 (1981), 177; Heise, Aktienanleihen als Börsentermingeschäfte, DB 1998, 17; v. Heymann, Die neuere Rechtsprechung zur Bankenhaftung bei Immobilien-Kapitalanlagen, NJW 1999, 1577; Hoppmann, Die Haftung des Anlageberaters und Anlagevermittlers, VersR 1994, 1037; Hopt, Haftung der Banken bei der Finanzierung von Publikumsgesellschaften und Bauherrenmodellen, FS für Stimpel, 265; Horn, Anlageberatung im Privatkundengeschäft der Banken, WM 1999, 1; Horn/Balzer, Zur Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf Kreditvollmachten im Rahmen des Anlegerschutzrechts, WM 2000, 333; Knops, Verjährungsbeginn durch Anspruchsentstehung bei Schadensersatzansprüchen – insbes. nach den §§ 37a und d WpHG, AcP 205 (2005), 821; Koller, Interessenkonflikte im Kommissionsverhältnis, BB 1998, 1733; Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich, Abschreibungsgesellschaften, Kapitalmarkteffizienz und Publizitätszwang – Plädoyer für ein Vermögensanlagegesetz -, ZHR 138 [1974], 1, 49; Köndgen, Wie viel Aufklärung braucht ein Wertpapierkunde?, ZBB 1996, 361; Die Entwicklung des privaten Bankrechts in den Jahren 1990/91, NJW 1992, 2263; v. Kopp-Colomb, Die neuen Regelungen zur Wertpapieranalyse in Deutschland, WM 2003, 609; Kübler, Müssen Anlageempfehlungen anlagegerecht sein?, FS Coing, Band II, 193; Kümpel, Die Grundstruktur der Wertpapierleihe und ihre rechtlichen Aspekte, WM 1990, 909; Das Effektengeschäft im Licht des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes, WM 1993, 2025; Die allgemeinen Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes, WM 1995, 698; Sonderbedingungen für Wertpapier-Leihgeschäfte im Wertpapierleihsystem der Deutscher Kassenverein AG, WM 1990, 949; Kuntz, Internationale Prospekthaftung nach Inkrafttreten des Wertpapierprospektgesetzes, WM 2007, 432; Lang, Aufklärungspflichten bei der Anlageberatung, 1995; Luttermann und Backmann, Rechtsverhältnisse bei Hedge-Fonds („Risikofonds“) in Deutschland und in den USA, ZIP 2002, 1017; Martinek/Semler (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 1996; Metz, Discount Broker, Bankgeschäfte und technologische Veränderungen, VuR 1996, 184; Meyer, Aspekte einer Reform der Prospekthaftung, WM 2003, 1301 und 1349; Oehler, Die Erklärung des Verhaltens privater Anleger; theoretische Ansätze und empirische Analysen, 1995; Abnehmende oder zunehmende relative Risikoaversion?, ZBB 1998, 230; Potthoff, Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Optionsscheingeschäften, WM 1993, 1319; Raeschke-Kessler, Bankenhaftung bei der Anlageberatung über neue Finanzprodukte, WM 1993, 1830; Reich, Informations-, Aufklärungs- und Warnpflichten beim Anlagengeschäft unter besonderer Berücksichtigung des „execution-only-business“ (EOB), WM 1997, 1601; Riedel, Rechtsfragen bei Gemeinschaftskonten, WM 1987, 29; Schäfer, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 2. Aufl.; Schödermeier, Nachforschungspflichten einer Bank als Vermögensverwalterin zur Person ihres Kunden, WM 1995, 2053; Schwark, Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung – Bankrechtstag 1995, 1996; Schwennicke, Die Dokumentation der Erfüllung
Bamberger
1408
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
der Verhaltenspflichten nach § 31 II WpHG durch die Bank, WM 1998, 1101; Seibel/Graf v. Westphalen, Prospekthaftung beim Immobilien-Leasing, BB 1998, 169; Sonnenhol, Änderungen der AGB-Banken zum 1. April 2002, WM 2002, 1259; Spickhoff/Petershagen, Bankenhaftung bei fehlgeschlagenen Immobilienerwerber-Treuhandmodellen, BB 1999, 165; Spindler/Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – Die MiFID und ihre Umsetzung, WM 2006, 1749, 1797; Steuer, Das Gesetz zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsrichtlinie und seine Umsetzung in der Praxis, WM 1998, 2449; v. Stebut/ Steuer, Aufklärungspflichten und Haftungsrisiken von Finanzdienstleistern, ZIP 1992, 1698; Stracke/ Geitner, Finanzdienstleistungen, 1992; Tiedtke, Die Haftung der Banken für unberechtigte Zusagen ihrer Sachbearbeiter, WM 1993, 1228; v. Ungern-Sternberg, Wirtschaftskriminalität beim Handel mit ausländischen Aktien, ZStW 1976, 653; Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 8. Auflage; Wittmann, Zivilrechtliche Prospekthaftung beim Vertrieb von steuerbegünstigten Kapitalanlagen, DB 1980, 1579; Zimmer/Unland, Vertretung beim Abschluss von Termingeschäften nach neuem Recht, DB 2003, 1445.
Inhaltsübersicht A. Begriffe, Bedeutung, Entwicklung . . . . . . . . . . . 1 I. Anlageberatung, Anlagevermittlung, Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1. Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Anlagevermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3. Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Bedeutung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . 8 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Anlageformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 B. Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I. Vertragliche Anspruchsgrundlagen . . . . . . . 17 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Andere Verträge, Anlagevermittlung . . . . 26 4. Verletzung (vor)vertraglicher Beratungsnebenpflichten . . . . . . . . . . . . . 34 5. Vertragliche Prospekthaftung. . . . . . . . . . 37 6. Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Anspruch aus vorvertraglichem Schuldverhältnis gegen den handelnden Dritten . . . . . 42 1. Eigenes wirtschaftliches Interesse . . . . . . 43 2. Inanspruchnahme besonderen Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III.Gesetzliche Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . 46 1. Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . 47 2. Andere deliktische Ansprüche . . . . . . . . . 55 3. Formen der gesetzlichen Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 IV. Beratungsfreie Wertpapiergeschäfte. . . . . . . 59 1. Discount Broker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Direktbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C. Pflichten nach Gesetz oder Vertrag . . . . . . . . . . 64 I. Gesetzliche Pflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. . . . . . . . . . . 66 2. Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 93
3. Finanztermingeschäfte. . . . . . . . . . . . . . II. Vertragliche Pflichten bei der Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anlegergerechte Beratung . . . . . . . . . . . 3. Anlagegerechte Beratung . . . . . . . . . . . 4. Aufklärungs- und Beratungspflichten bei anderen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . 5. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Pflichtverletzung und ihre Folgen . . . . . . . . . . I. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsausschluss, Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verschulden, Mitverschulden. . . . . . . . . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorsatz, Fahrlässigkeit. . . . . . . . . . . . . . 3. Mitverschulden (§ 254 BGB) . . . . . . . . III. Schaden, Schutzzweck, Kausalität. . . . . . . 1. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kausalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftung nach Vertrag oder c.i.c. . . . . . . . . 1. Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorstand, Geschäftsführer, GmbH-Alleingesellschafter. . . . . . . . . . 3. Telefonverkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Repräsentant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung nach Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Darlegungs- und Beweislast, Verjährung, prozessuale Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Darlegungs- und Beweislast. . . . . . . . . . . . II. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prozessuale Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100 106 106 129 135 140 141 167 170 170 170 173 176 176 177 178 183 183 187 188 190 191 191 193 197 198 199 200 200 206 209
Stichwortverzeichnis Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 141 Aktienanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . 173 Anlageberatung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 29 – Abgrenzung zu Anlagevermittlung . . . . . . . . . . . 29 – fehlerhafte Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – Schäden durch fehlerhafte Anlageberatung . . . . . . 8
Anlageberatungsvertrag . . . . . . 3, 17, 23, 24, 28, 111 – durch konkludentes Verhalten . . . . . . . . . . . . 23, 30 – Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Anlagegerechte Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Anlageobjekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Anlagevermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 26, 140 Anlagevermittlungsfirma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Anlagevermittlungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
Anlagevermittlungsgesellschaft . . . . . . . 27, 126, 128 Anlagevermittlungs-GmbH. . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Anlageziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109, 110, 112, 129 Anlegergerechte Beratung. . . . . . . . . . . . . . . . 21, 129 Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Anscheinsbeweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130, 174 Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 16 Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Auslagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Auslandsanleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Ausländische Papiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Bauherrenmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 149 Bauträgermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 117 – Beratung gegen Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Beratungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Beratungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 16, 106, 140, 206 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201, 203 Börsentermingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145, 151 Bond-Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 141 Bonitätsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . 49 Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel. . . . 54 Churning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Depotvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 34, 124, 152 Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Differenzeinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Direktbank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63, 69. 185, 205 Discount Broker . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59, 60, 62, 83 Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Effekten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Empfehlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88, 118, 138 Empfehlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Erfüllungsgehilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178, 193 Europäische Wertpapierdienstleistungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 67, 68, 74 Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 – Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit. . . 174 Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 8 Finanzinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Finanzmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Finanzmarktförderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Finanztermingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 63, 65, 100, 122, 126, 145, 151 Form der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Freizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Fremdwährungsanleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Funktionieren (der Märkte). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Geldmarktinstrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Geldvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . . . . . 3, 16, 27 Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Haftungsfreizeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Handelsbrauch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Hedge Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Hilfspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
1409
Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83, 116 Insidergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Insiderrichtlinie der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Insiderwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Insolvenzrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . 71, 75, 76, 97, 134 Interessenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 – negatives Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184, 185 – positives Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Investmentzertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 155 Kassenverein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 – adäquate Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 – hypothetische Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Kommanditbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Kommissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kontobetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 34 Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Kontrollabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Kosten der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Kreditgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 157 Kunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 – Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden. . . . . . . . 110 – Einordnung des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – Professioneller Kunde . . . . . . . . . . . . . . . . . 80, 113 – Risikobereitschaft des Kunden . . . . . . . . . 110, 129 Laufende Geschäftsbeziehung . . . . . . . . . . . . 34, 182 Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 – Ausbildung und Schulung der Mitarbeiter . . . . . 96 Mitkonkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Naturalrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Neue Finanzprodukte . . . 10, 122, 128, 131, 143, 153 Obliegenheitsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Oder-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Optionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Optionsscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 93 OTC-Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Penny Stocks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160, 202 Pflichtverletzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Prioritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 122, 167, 169 Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 46, 55, 208 – im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 – im weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Prospektherausgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Rechtswidrigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Rentenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83, 105, 106, 135, 136 Risikobereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110, 129 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Schlechterfüllung des Vertrags . . . . . . . . . . . . 25, 170 Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Schriftliche Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Schutz des Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Schutzwirkung für Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns . . . . . . . . 177 Steuervorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Tatsachengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Telefonverkäufer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Termindirektgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Bamberger
1410
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Überlegungsfrist(zeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123, 180 Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Verbundene Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66, 86, 106 – Allgemeine Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . 66 – Besondere Verhaltensregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Vermögens- und Einkommensentwicklung . . . . . . . 9 Vermögensverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vermögensverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vermutung für aufklärungsrichtiges Verhalten . . . 203 Verschulden bei den Vertragsverhandlungen . . . . . 25 Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Vertragsstatut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Vertrauensschaden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Vertraulichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 – Einhaltung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 97 Vertraulichkeitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Vertriebsgesellschaft (für Kapitalanlagen) . . . . . . . . 5 Verwaltungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1
Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 – Bedingter Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 – Haftungsausschluss für Vorsatz . . . . . . . . . . . . . 174 Vorteilsausgleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Warentermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Warenterminoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Warnpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68, 119, 132, 138 Warnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 – Warnungen von dritter Seite . . . . . . . . . . . . . . . 180 Wertpapier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 51 Wertpapierdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Wertpapierdienstleistungsrichtlinie . . . 47, 67, 68, 74 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 48, 50, 65, 66 Wertpapiergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Wertpapierleihe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Wertpapiernebendienstleistung. . . . . . . . . . . . . . . . 53 Wirtschaftliches Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . 42, 43 Wissensstand (des Kunden) . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Wohlverhaltensrichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Zeit der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Zuständigkeit des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
A. Begriffe, Bedeutung, Entwicklung Anlageberatung bezweckt in erster Linie den Schutz des Anlegers, Kunden, Verbrauchers, der weniger weiß und eine geringere Erfahrung in der Anlage von Kapital, besonders in Wertpapiere hat als die Bank oder das Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Anlageberater, Anlagevermittler, Anlageverkäufer). Gewährleistet wird der Schutz durch die Verpflichtung zu Aufklärung, Beratung, Empfehlung und gegebenenfalls Warnung. Anlageberatung verhindert, dass sich die Bank oder der andere Wertpapierdienstleister aufgrund ihres Wissens- und Erfahrungsvorsprungs unangemessene Vorteile zu Lasten des Kunden und Anlegers verschafft. Sie soll informelle Parität im Anlagegeschäft herstellen. Sie begründet Vertrauen und hilft damit, insbesondere die Wertpapiermärkte auch nicht fachkundigen und weniger erfahrenen Privatkunden zu erschließen. Ohne das Vertrauen der Anleger kann kein Kapitalmarkt ordnungsgemäß funktionieren. Erst seriöse Anlageberatung begründet zudem die Rationalität der Anlageentscheidung. Der Anleger kann nur dann eine wirtschaftlich vernünftige, seinen Interessen entsprechende Anlageentscheidung selbstständig und verantwortlich treffen, wenn er zuvor fachgerecht umfassend informiert worden ist. Im folgenden Abschnitt geht es nicht allein um Anlageberatung im engeren Sinne, sondern auch um die Beratung im Zusammenhang mit anderen Verträgen, insbesondere der Anlagevermittlung. Beides ist abzugrenzen zur Vermögensverwaltung, die in § 45 Gegenstand der besonderen Darstellung ist.
2
I. Anlageberatung, Anlagevermittlung, Vermögensverwaltung. Alle drei Begriffe bezeichnen Formen der Betreuung oder Mitbetreuung fremden Vermögens und fremder Vermögensinteressen durch überwiegend gewerbliche Dienstleister (Banken, Kreditinstitute, Wertpapierdienstleistungsunternehmen). Anlageberatung, Anlagevermittlung und Vermögensverwaltung sind im weitesten Sinne Finanzdienstleistungen (Financial Services), also Dienstleistungen, die der private Kunde zum Aufbau, zur Bewirtschaftung und Absicherung seines Vermögens benötigt und in Anspruch nimmt. Der Begriff Financial Services ist Anfang der siebziger Jahre in den Vereinigten Staaten in Verbindung mit Finanzprodukten wie Kapitalanlagen oder Versicherungen und deren Vertrieb verwendet worden. Gemeinsam ist der Anlageberatung, Anlagevermittlung und Vermögensverwaltung der Bezug zu fremdem Vermögen. Aus den zugrunde liegenden Verträgen ergeben sich in erster Linie Verpflichtungen zur interessengerechten Beachtung fremder Vermö-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1411
gensbelange. Zum Teil sind sie Hauptpflichten, wie bei der Anlageberatung und, wenngleich mit anderem Inhalt, bei der Vermögensverwaltung. Bei der Anlagevermittlung ist die Pflicht zur Berücksichtigung fremder Vermögensinteressen zumeist mehr oder weniger stark ausgeprägte Nebenverpflichtung. Maßgebend sind jeweils die Umstände des einzelnen Falles. Die Übergänge sind fließend. Im Einzelnen ergeben sich, je nach Ausgestaltung der Verträge, Divergenzen. 1. Anlageberatung. a) Definition. Anlageberatung ist die vertraglich gewollte und aufgrund besonderer Sachkunde erteilte informierende Aufklärung und bewertende Beurteilung bestimmter Anlageformen, die sich bezieht auf eine konkret ins Auge gefasste oder zunächst unbestimmt gewollte Anlage wie auch auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dessen, der die Beratung in Anspruch nimmt. § 2 Abs. 2 Nr. 9 WpHG n.F. definiert jetzt Anlageberatung als die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder ihren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Der Anlageberatungsvertrag, um den es hier geht, ist vor dem Hintergrund der eine Raterteilung nur als Gefälligkeit betrachtenden Regelung des § 675 II BGB rechtlich als Ausnahme anzusehen. Im Anlagegeschäft ist er es tatsächlich nicht. Die typische Konstellation besteht darin, dass der nicht oder weniger Erfahrene, Informierte oder Fachkundige, speziell der nicht professionelle Privatkunde, um das Risiko der beabsichtigten Anlage für sein Vermögen nach Möglichkeit zu mindern, den Rat einer fachkundigen Person in Anspruch nimmt. Anlageberatung, im Rahmen eines Anlagegesprächs zwischen Kunde und Bank oder sonstigem Wertpapierdienstleister, steht in der Regel am Anfang eines jeden Anlagegeschäfts und mündet im Allgemeinen in eine konkrete Empfehlung (oder auch Warnung). Sie kann aber auch als eine das Geschäft dauerhaft begleitende Verpflichtung gewollt sein. Zugrunde liegt ein auf die fachkundige Beratung gerichteter Beratungsvertrag, zumeist Auftrag, wenn unentgeltlich, oder Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 662 ff., 675 BGB), in der Regel in der Form des Dienstvertrages, seltener, wenn Erfolg geschuldet, des Werkvertrags. Vielfach erfolgt die Beratung durch Banken (Kreditinstitute) bzw. deren Angestellte oder sonstige Hilfspersonen. Zwingendes Merkmal der Anlageberatung ist das nicht. Anlageberatung kann auch von anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Finanzdienstleistern, Rechtsanwälten, Steuerberatern usw. in Anspruch genommen werden.
3
b) Formen. Anlageberatung kann sich auf die verschiedensten Anlageformen beziehen. Typisch ist die Beratung im Wertpapiergeschäft. Bei dem Finanztermingeschäft und ähnlich riskanten Geschäften ist wegen des Informations-, Erfahrungs- und Fachkundedefizits die Notwendigkeit einer Beratung besonders offenkundig. Naturgemäß kann sich aber Anlageberatung auch auf alle anderen Anlageformen (Investmentzertifikate, Immobilien, Versicherungsverträge) beziehen. Je nach Anlageform unterscheiden sich typischerweise die vertraglichen und eventuell zu beachtenden gesetzlichen Beratungspflichten. Nach neuem Recht ist die Anlageberatung eine Wertpapierdienstleistung (§ 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG n.F.). (vgl. Veil, WM 2007, 1822 ff.; unten Rn. 140–165).
4
2. Anlagevermittlung. Anlageberatung ist häufig verbunden mit anderen Rechtsgeschäften, besonders oft mit Anlagevermittlung (§ 2 III Nr. 4 WpHG). a) Definition. Bei der Anlagevermittlung vertreibt der Vermittler, in der Regel für einen Kapital suchenden Dritten, bestimmte Kapitalanlagen, z.B. Aktien, sonstige Wertpapiere, Beteiligungen an Abschreibungsgesellschaften, Investmentzertifikate usw. Oft handelt als Anlagevermittler eine Gesellschaft (Vertriebsgesellschaft für Kapitalanlagen; vielfach eine GmbH), die
5
Bamberger
1412
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
durch ihren Geschäftsführer vertreten wird. Neben der Anlagevermittlungsfirma treten nicht selten Treuhänder als Mittelverwendungstreuhänder auf. Die Dienstleistung des Anlagevermittlers besteht nicht in erster Linie in der Beratung in Bezug auf allgemeine oder konkrete Anlagemöglichkeiten, sondern darin, Anlagen für einen Dritten, der Kapital für sich sammelt, zu vermitteln. Er tritt für den Dritten mit Werbung und anpreisenden Informationen gegenüber dem die Vermittlung in Anspruch nehmenden Anleger auf. Im Verhältnis zum Kunden/Anleger (Anlageinteressenten) besteht ein Vertragsverhältnis, das als Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 662 ff., 675 BGB) bezeichnet werden kann (vgl. BGH WM 1999, 2249). Anlagevermittlung und Anlageberatung können nebeneinander bestehen, wenn der Kunde mit dem Vermittler (auch) einen Beratungsvertrag abschließt. 6
b) Formen. Auch in Bezug auf Anlagevermittlung kann unterschieden werden danach, auf welche Anlageformen sie sich bezieht. Es gilt hier Ähnliches wie bei der Anlageberatung. Insbesondere Informations- und Sorgfaltspflichten in Bezug auf den Anlageinteressenten unterscheiden sich auch bei der Anlagevermittlung danach, welche Anlageformen vermittelt werden sollen. Anders als bei der Anlageberatung, wo die Beratung immer Hauptpflicht ist, ist die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Anlegers beim Anlagevermittler, sofern kein besonderer Beratungsvertrag besteht, lediglich, wenngleich wichtige, Nebenpflicht. Deren Umfang und Ausmaß bestimmen sich je entsprechend den Umständen des Einzelfalles danach, um welche Anlageform es sich handelt, insbesondere danach, welches Risiko für den Interessenten mit dem Erwerb der Anlage verbunden sein kann, ferner nach dem Stand von Wissen und Erfahrung des Kunden in solchen Geschäften.
7
3. Vermögensverwaltung. Während bei der Anlageberatung im Zentrum der Dienstleistung die Beratung in Bezug auf Anlagemöglichkeiten steht, bei der Anlagevermittlung die Vermittlung von Anlagen zwecks Kapitalbeschaffung für Dritte, ist die Vermögensverwaltung dadurch gekennzeichnet, dass der Verwalter auf der Grundlage eines mit dem Inhaber des Vermögens geschlossenen mehr oder weniger weit greifenden Verwaltungsvertrages selbstständig und nach eigenem Ermessen das Vermögen des Dritten verwaltet. Nicht selten werden Anlagerichtlinien vereinbart. Aufklärungs- und Beratungspflichten sind ähnlich ausgestaltet. Vermögensverwalter ist zumeist, aber nicht notwendig, eine Bank. Sie tritt in der Regel nach außen selbstständig auf. In welchem Umfange sie im Innenverhältnis zu dem Vermögensinhaber Beschränkungen unterliegt, bestimmt sich nach dem zugrunde liegenden Vertrag. Vgl. im Einzelnen zur Vermögensverwaltung § 51. Zu Abgrenzungsfragen: Möllers WM 2008, 93.
8
II. Bedeutung und Entwicklung. 1. Allgemeines. Die Bedeutung von Finanzdienstleistungen hängt ab vom Umfang der bestehenden Vermögen. Wegen beständig gewachsener, inzwischen immenser Vermögen haben Anlageberatung und Anlagevermittlung insbesondere in den letzten Jahrzehnten beträchtlich an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen. Es geht um einen größer werdenden, auch in Deutschland zunehmend integrierten Finanzmarkt, auf dem Banken, Versicherungsunternehmen, Wertpapierdienstleistungsunternehmen um Anleger konkurrieren, denen es um eine Anlage zur Alterssicherung, zur Renditeerzielung oder um Spekulationsgeschäfte geht. Es geht um einen umkämpften Markt – und die Methoden der Banken und anderen Wertpapierdienstleister sollten fair und unzweifelhaft sein. In Werbung und Öffentlichkeitsarbeit nehmen Banken und andere Wertpapierdienstleister gerade in Bezug auf Beratung des Kunden Vertrauen für sich in Anspruch und stellen sich als fachkundige, erfahrene und sich überwiegend am Kundeninteresse ausrichtende Dienstleister dar. Zunehmend mehr wird aber für den Verbraucher, den Privatkunden schwer durchschaubar, was ihm auf den Finanzmärkten an immer neuen
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1413
und differenzierteren Finanzinstrumenten angeboten wird – und sein Risiko wird größer. Freilich wächst auch die Risikobereitschaft. Geschäfte, gefährliche Termingeschäfte etwa, früher von erfahrenen professionellen Anlegern getätigt, ziehen Glücksritter, Spieler, Gierige an, fasziniert von der Vorstellung, schnell und mühelos reich zu werden. Sie gewinnen heute aber auch das Interesse und beschäftigen die Phantasien vermögender Pensionäre. Nicht selten wird hier nicht nur der Einsatz, sondern ein ganzes Vermögen aufs Spiel gesetzt und verloren. Durch aggressive Einwerbungsmethoden werden auch Durchschnittsverdiener einbezogen, die niemals von selbst zu einer Bank gegangen wären. Dem ruinierten Anleger fehlen dann oft die Mittel selbst für einen Schadensersatzprozess. Die Schäden durch fehlerhafte Anlageberatung gehen jedes Jahr in die Milliardenbeträge. Dabei wird in den kommenden Jahren insbesondere das Geschäft mit vermögenden Privatkunden wachsen. Die „gehobene Kundschaft“ wünscht dabei auch alternative Finanzinstrumente wie Hedge Fonds u.a., ist also zu hochriskanten Beteiligungen bereit, bei denen der Totalverlust des eingesetzten Kapitals möglich ist. Die Bedeutung von Anlageberatung wird aber auch deshalb weiter wachsen, weil sich immer mehr Menschen mit durchschnittlichem oder kleinem Einkommen unter dem Druck der Verhältnisse privat werden absichern und ihre eigene Vorsorge, beispielsweise für das Alter (Stichwort: Riesterrente), und die für ihre Familie mit privaten Mitteln werden möglich machen müssen. Anlageberatung gehört heute zu den Alltagsgeschäften von Verbrauchern. Ob hier auf Dauer das in erster Linie anderen Zwecken dienende Wertpapierhandelsgesetz, auch in seiner ab 1. November 2007 geltenden neuen Fassung, ferner weitere eher fragmentarische Regelungen des Verbraucherschutzes und im Übrigen die im Wesentlichen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Anlageberatung einen umfassenden Anlegerschutz ausreichend gewährleisten können, erscheint zweifelhaft. Die Vermögens- und Einkommensentwicklung sowie die Spartätigkeit haben zu einem nicht unerheblichen Anwachsen der Geldvermögen, insbesondere auch derjenigen der privaten Haushalte geführt. Auch die Kapitalanlageformen und mithin die Struktur des Geldvermögens hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht unerheblich gewandelt. Dabei ging ein deutlicher Trend hin zur Anlage in Wertpapieren. Gebremst hat diese Tendenz die ab dem Jahr 2001 eingetretene Unsicherheit an den weltweiten Aktienmärkten. In den letzten Jahren ist das Vertrauen in Wertpapieranlagen wieder gewachsen. Gegenwärtig drückt die Hypothekenkrise in den Vereinigten Staaten auf den Aktien- und Wertpapiermarkt.
9
2. Anlageformen. Mit dem beträchtlichen Zuwachs der realen Geldvermögen hat sich auch das Anlegerverhalten erheblich verändert. Das hat den hier in erster Linie behandelten Instituten der Anlageberatung und der Anlagevermittlung eine gesteigerte wirtschaftliche Bedeutung gegeben. Allgemein ist zu beobachten, dass Vermögen, gleich ob durch Arbeit, durch Einkommen oder durch Erbschaft erworben, in der Erwartung höherer Renditen, aber dabei auch mit der Bereitschaft zu einem größeren Risiko angelegt werden. Der Markt hat darauf reagiert. Neue Finanzinstrumente, die über lange Zeit nur von einer mehr oder weniger fachkundigen Minderheit in Anspruch genommen werden, finden mehr und mehr das Interesse breiterer (überwiegend auch nicht sachkundiger und sogar unerfahrener) Verbraucher.
10
a) Wertpapiere. Das infolge der Krise im Jahr 2000 zeitweise gesunkene Interesse an Wertpapieren ist zwischenzeitlich wieder beträchtlich angestiegen. b) Aktien. Insbesondere ging die Bereitschaft, Vermögen in Aktien anzulegen, die auch im Jahre 2000 noch geradezu euphorisch vorhanden war, als Konsequenz des Verfalls der Notierungen im Jahr 2001 in der Folgezeit zurück. Inzwischen ist seit Jahren die Neigung zur Anlage in Aktien wieder ständig im Steigen begriffen.
11
Bamberger
12
1414
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
13
c) Investmentzertifikate. Ungebrochen erhalten blieb am Markt die Attraktivität von Investmentfondsanteilen. Allerdings nahm auch hier zeitweise der Anteil der Aktien an Bedeutung ab. Das galt allerdings nicht bei Geldmarkt- und offenen Immobilienfonds, die den Anlegern nach wie vor unvermindert attraktiv erscheinen.
14
d) Rentenwerte. Starken Schwankungen unterworfen waren, insbesondere auch infolge der Turbulenzen im Jahre 2001 zeitweise die Rentenwerte, mit entsprechenden Folgen für den Absatz und das Interesse.
15
e) Sonstiges. Gefragt waren und sind nach wie vor Investmentfonds und auch Versicherungen. Steigend ist dabei die Entwicklung bei den Termineinlagen, also Geldern, die, zumeist vorübergehend, sicher, aber zu einem relativ geringen Zinssatz angelegt werden. Geringer wird die Entwicklung bei den Sparanlagen. Wegen der relativ großen Sicherheit haben die Anlagen bei Versicherungen erheblich an Bedeutung gewonnen. Demgegenüber haben Beteiligungen an sog. Abschreibungsgesellschaften („Bauherrenmodelle“; Beteiligungen, auch stille Beteiligungen, an Film- oder Fernsehproduktionsgesellschaften) insgesamt an Bedeutung eher verloren.
16
B. Anspruchsgrundlagen Ein Erfüllungsanspruch auf richtige und vollständige anlegergerechte und anlagegerechte (objektgerechte) Beratung folgt aus einem wirksam zustande gekommenen Anlageberatungsvertrag. Da Verträge auch mit Rücksicht auf bestehende Gesetze und Gepflogenheiten (Verkehrssitte, § 157 BGB) auszulegen sind, können die jetzt sehr differenziert besonders für Wertpapierdienstleistungen gegenüber Privatkunden geregelten Pflichten des Wertpapierhandelsgesetzes zur Auslegung mit herangezogen werden. Grenzen vertraglicher Gestaltung werden durch die §§ 134 und 138 BGB – Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten – bestimmt. Das Wertpapierhandelsgesetz begrenzt insoweit nicht. Fehlerhafte Anlageberatung wird sanktioniert durch Schadensersatzansprüche. Dafür bestehen vertragliche und gesetzliche Anspruchsgrundlagen. Die Rechtsprechung hat bereits sehr früh auf mangelhafte Aufklärung und zum Teil auch dubiose Praktiken der Banken und Dienstleister mit der Aufstellung vor allem den Schutz des unerfahrenen Verbrauchers bezweckender, aus Vertrag und Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleiteter vielfältiger Verpflichtungen reagiert. Die vertraglichen Ansprüche ergeben sich aus einem selbstständigen, ggf. im Zusammenhang mit anderen Verträgen bestehenden Beratungsvertrag, der, wenn er entgeltlich ist, grundsätzlich Geschäftsbesorgungsvertrag (Dienst- oder Werkvertrag), bei Unentgeltlichkeit Auftrag ist (BGH NJW 1999, 1541; Staudinger-Wittman, § 676 Rn. 9; teilw. abw. RGRK-Steffen, § 676 Rn. 15: bei Unentgeltlichkeit Vertrag sui generis). Sie können sich ferner herleiten aus Neben- und Schutzpflichten eines in der Hauptsache auf andere Zwecke gerichteten Vertragsverhältnisses (z.B. Effektenkommissions- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag; BGH ZIP 1996, 1161 (1163 f.); WM 1997, 309 (310); vgl. Claussen, S. 164 ff.; Schwark, § 53 Rn. 29; ein allgemeiner Bankvertrag wird vom BGH abgelehnt, BGH NJW 2002, 3695; str., vgl. Bamberger/Roth-Czub, § 675 Rn. 27). Gesetzliche Ansprüche ergeben sich in erster Linie aus den deliktsrechtlichen Vorschriften, dabei insbesondere aus § 823 II BGB i. V. m. verletzten Schutzgesetzen (§§ 31 ff. WpHG; §§ 44 ff. BörsG), aber auch, bei Sittenwidrigkeit der Schädigung, aus § 826 BGB (BGHZ 133, 198 (199); BGH WM 1967, 1077 f.; WM 1993, 1455; WM 1993, 1787; ZIP 1994, 40 (44); WM 1994, 1468; v. Stebut, ZIP 1992, 1698; v. Westphalen, BB 1994, 85 (88)), schließlich aus besonderen Bestimmungen des Wertpapierrechts (§§ 37b ff. WpHG). Wichtig ist insoweit besonders der Anspruch aus § 823 II BGB i. V. m. den einschlägen Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, die, obgleich in erster Linie im öffentlichen Interesse erlassen, Schutzgesetze zugunsten des An-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1415
legers sind (h. M.: Assmann/Schneider-Koller, vor § 31 Rn. 17; Köndgen, ZBB 1996, 361; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 160; Horn, ZBB 1997, 139; a. A. zum neuen Recht Schäfer, WM 2007, 1872 ff.). Inhalt und Umfang der Haftung sind von der Art der Haftungsgrundlage überwiegend unabhängig (Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 11). Von praktischer Bedeutung ist die vertragliche Haftung, wenn es um den Schutz Dritter geht, die Drittschadensliquidation, vor allem der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (vgl. BGH NJW 1972, 1201; WM 1986, 711; NJW 1987, 1758; WM 1993, 897). I. Vertragliche Anspruchsgrundlagen. 1. Allgemeines. Was die vertraglichen Ansprüche betrifft, so besteht die für den vorliegenden Zusammenhang besonders relevante typische Konstellation darin, dass dem erfahrenen und kenntnisreichen Finanzdienstleister – der Bank wie auch dem freien Anlagevermittler oder Discount Broker – der unerfahrene Privatkunde (BGHZ 72, 92), nicht selten aber auch der in solchen Dingen ebenfalls wenig erfahrene Vollkaufmann, das mittelständische Unternehmen (BGH NJW 1981, 1440) usw. gegenübertritt und Beratung nachfragt. Das Hauptinteresse des Kunden besteht an einer ertragreichen, vermögensmehrenden oder auch spekulativen Anlage. Beim Anlageberatungsvertrag steht das Interesse des Kunden an einer sachgerechten Beratung im Vordergrund; das sich auf die Nachfrage einlassende Unternehmen darf dann nicht mit Rücksicht auf eigene Interessen oder auch die Interessen des an Kapital interessierten Drittunternehmens bestimmte Informationen zurückhalten oder eine falsche oder irreführende Unterrichtung bzw. Beratung geben. Bei der vorbezeichneten Konstellation ist der Abschluss eines Beratungsvertrages im Zweifel anzunehmen. Er ist, da ein deutliches Erfahrungs- und Wissensgefälle besteht und es um zum Teil nicht unerhebliche Vermögenswerte geht, erst recht, wo die Anlage mit Risiken verbunden ist, auch keine Unterstellung (Fiktion), sondern nach den Umständen von den Beteiligten wirklich gewollt.
17
Anders verhalten sich die Dinge bei der Anlagevermittlung. Hier steht nicht die Aufklärungs- und Beratungspflicht im Vordergrund; vielmehr ist sie, solange ein Beratungsvertrag nicht anzunehmen ist, lediglich (typischerweise) Neben- und Schutzpflicht. Der Kunde weiß, dass es in erster Linie um Anlage(kapital)vermittlung geht. Gleichwohl darf der Vermittler nichts tun, was den Kunden schädigen kann. Er hat die Dinge soweit als möglich und ihm bekannt offen zu legen.
18
Das zugrunde liegende Vertragsverhältnis kann ausschließlich auf Anlageberatung gerichtet sein. In dem Fall ist die Beratungspflicht vornehmliche Hauptpflicht. Ein Anlageberatungsvertrag kann aber auch mit einem anderen Vertragsverhältnis tatsächlich und/ oder rechtlich verbunden sein oder in Zusammenhang stehen, beispielsweise mit einem Depotvertrag oder einem auf Kontobetreuung gerichteten Vertrag (BGH WM 1999, 2249), oder auch mit einem Anlagevermittlungsgeschäft. Letzteres ist in der Regel der Fall, wenn der Kunde über den, der ihn beraten soll, zugleich das Anlagegeschäft tätigt. Als (zumeist) Nebenpflichten, seltener Hauptpflichten ergeben sich Beratungsverpflichtungen auch aus anderen Vertragsverhältnissen wie z.B. Depotverhältnissen, Kreditverhältnissen oder sonstigen Vertragsverhältnissen mit der Bank oder dem anderen Wertpapierdienstleister.
19
2. Anlageberatung. a) Vertragszwecke. Anlageberatung ist der interessengerechte und vom Verbraucher(kunden)interesse geleitete Ausgleich von Erfahrungs-, Wissens- und Beurteilungsdefiziten beim Kunden zum Zweck der Erzielung eines für den Kunden bestmöglichen wirtschaftlichen Ergebnisses des Anlagegeschäfts. Sie zielt auf Auskunft, Information, was die für die Anlageentschließung zu erstellende Tatsachenbasis betrifft, aber auch auf Beurteilung und Bewertung dieser Tatsachen. Schließlich wird sie in der Regel auf Empfehlung des Geschäfts oder aber Warnung vor dem Geschäft gerichtet
20
Bamberger
1416
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
sein (vgl. § 2 II Nr. 9 WpHG n.F.). Letzteres wenn aus der Interessenlage des Kunden bei Berücksichtigung des berechtigten Interesses des Unternehmens das beabsichtigte Geschäft nicht wirtschaftlich wäre. 21
b) Vertragsinhalt: anlagegerechte und anlegergerechte Beratung. Aufklärung und Beratung müssen anlagegerecht und anlageobjektgerecht sein, d.h. eine zutreffende Unterrichtung über die dem Kundeninteresse entsprechende konkrete Anlage oder Anlageform(art) enthalten. Sie müssen zudem den wirtschaftlichen Interessen und der finanziellen Lage des Anlegers entsprechen. Man spricht herkömmlich davon, dass Aufklärung und Beratung anlagerecht (objektgerecht) und anlegergerecht sein müssen (BGH WM 1993, 1455 – Bond-Entscheidung). Anlagegerechte (objektgerechte) Beratung bezieht sich auf die konkret gewünschte oder als möglich ins Auge gefasste Anlageform (vgl. im Einzelnen unten Rn. 135–139 u. 141–166). Hier richten sich die Pflichten des Dienstleisters in erster Linie danach, welche Anlageobjekte gewollt und mit welchen Vermögensrisiken sie verbunden sind (vgl. BGH WM 1993, 1455). Anlegergerechte Beratung bezieht sich auf die Person und insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse dessen, der die Beratung in Anspruch nimmt (vgl. dazu BGH WM 1993, 1455; 1996, 664). Entscheidend für die Pflichten des Finanzdienstleisters sind insoweit die Wünsche und Vorstellungen des Kunden und Beratungsempfängers, ferner sein Informationsstand und Erfahrungshorizont sowie seine objektiven wirtschaftlichen Interessen und seine finanzielle Situation. Wichtig hierfür ist die Einordnung des Kunden als in solchen Geschäften entweder unerfahrenen, „unprofessionellen“ Privatkunden oder die ausreichend erfahrenen, versierten und informierten professionellen Kunden. Kaufleute oder Unternehmen werden in aller Regel über mehr Erfahrung mit Wertpapiergeschäften verfügen; zwingend ist das aber nicht (vgl. auch die Differenzierung nach § 31 a WpHG).
22
Vielfach, aber nicht notwendig wird die Beratung gegen Entgelt erteilt. Maßgebend ist der Inhalt des Vertrages. Das gilt auch in Bezug auf die für die Beratung zu erteilende Vergütung. Ist eine solche gewollt, aber ihre Höhe nicht bestimmt, ist die taxmäßige Vergütung oder eine Vergütung in üblicher Höhe zu entrichten (§ 632 BGB).
23
c) Zustandekommen. Der Beratungsvertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande (§§ 145 ff., 133 ff. BGB). Sie werden vielfach ausdrücklich abgegeben. In Rechtsprechung und Literatur ist aber seit langem anerkannt, dass auch ein Anlageberatungsvertrag stillschweigend durch konkludentes Verhalten zustande kommen kann (BGHZ 7, 371; BGH NJW 1962, 1500; WM 1979, 530; BGHZ 100, 117 (118 f.) = WM 1987, 495; BGH WM 1993, 1455 (1456); OLG Nürnberg WM 1998, 378; MDR 2003, 145; OLG Hamburg WM 1999, 1875 (1876); Bamberger/Roth-Czub, § 675 Rn. 54 m. w. N.; Claussen, S. 169; Heinsius, ZBB 1994, 47 (49); Kümpel, Rn. 16.449; MünchKommBGB-Seiler, § 676 a. F. Rn. 12; Staudinger-Wittmann, § 676 a. F. Rn. 13, 14). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bereits bei Aufnahme eines Beratungsgesprächs zwischen Kunde und Bank ein stillschweigender Vertragsabschluss zustande (BGH, WM 1983, 263, 264; BGHZ 100, 117, 118 f. = WM 1987, 495 f. – BondRechtsprechung). Typischerweise kommt durch konkludentes Verhalten ein Beratungsvertrag zustande, wenn der Kunde in Verbindung mit einem Effektengeschäft beraten wird und beraten werden will, was im Allgemeinen anzunehmen ist, wenn, insbesondere aus Sicht der Bank, es sich um einen auf diesem Sektor geschäftlich unerfahrenen Kunden handelt, der Aufklärung und Beratung nachfragt, weil er auf sie angewiesen ist. Konkludenter Abschluss ist schon dann anzunehmen, wenn die Bank erkennt, dass der Kunde seine Anlageentschließung vom Ergebnis der Beratung abhängig macht (BGH NJW 2000, 3275; Schimansky/Bunte/Lwowski- Siol, § 43 Rn. 6). Die Beratungspflicht ist dann in der Regel nicht lediglich Nebenpflicht im Effektenkommissionsvertrag oder Effekten-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1417
kaufvertrag, sondern eigenständige Hauptverpflichtung aufgrund zustande gekommenen Beratungsvertrags, der neben den Effektenkommissions- oder Effektenkaufvertrag tritt. Tritt ein Anlageinteressent an das Kreditinstitut oder der Anlageberater des Kreditinstituts an den Kunden heran, um über die Anlage unterrichtet/beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (BGHZ 100, 117 (118 f.) = WM 1987, 495; BGH WM 1993, 1455 (1456)). Dabei ist es gleich, von wem die Initiative ausgeht. Auch die Vereinbarung oder Entrichtung einer Vergütung ist nicht Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages. Ein Beratungsvertrag soll im Zweifel dann nicht zustande kommen, wenn der Kunde gezielt den Auftrag zum Kauf bestimmter Wertpapiere gibt (BGH ZIP 1998, 1183; OLG Düsseldorf ZIP 1998, 2144; Ellenberger, WM 2001, SB 1, 3). Zur Frage, wann bei Anlagevermittlung zwischen Anlageinteressent und Vermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen stillschweigend zustande kommt vgl. BGH WM 2007, 585. d) Form. Eine besondere Form ist als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Anlageberatungsvertrag nicht vorgeschrieben. Er kann vielmehr mündlich, schriftlich, fernmündlich, durch Fax oder auch elektronisch abgeschlossen werden. Allerdings empfiehlt es sich sowohl für den Beweis des Bestehens und des Umfangs der Verpflichtung wie auch in Bezug auf die sich im Einzelnen ergebenden Pflichten, die Schriftform einzuhalten, was in der Praxis auch regelmäßig geschieht. Von der Frage des Formerfordernisses für den Vertrag ist die Frage zu unterscheiden, ob über bestimmte Risiken und bei bestimmten Geschäftsarten nach Gesetz oder bestehender Rechtsprechung in wirksamer Weise überhaupt nur schriftlich aufgeklärt werden kann (vgl. dazu unten Rn. 125–127).
24
e) Nichterfüllung, Schlechterfüllung, culpa in contrahendo. Werden beim Beratungsvertrag bestehende Aufklärungs- oder Beratungspflichten überhaupt nicht oder schlecht erfüllt, so kommt ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht (§ 280 I BGB). Zumeist wird es sich um eine Schlechterfüllung des Vertrages handeln (positive Vertragsverletzung, pVV). Das ist immer dann der Fall, wenn die Verpflichtung in irgendeiner Beziehung durch falsche, fehlerhafte oder unvollständige Aufklärung oder mit einer fehlerhaft gegebenen Bewertung erfüllt wird. Ein Anspruch aus Verschulden bei den Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo, c.i.c.) kommt in Betracht, wenn vorvertraglich bestehende Schutzpflichten, die zugunsten des an der Anlage und Beratung interessierten Kunden hätten durch Aufklärung oder Beratung erfüllt werden müssen, nicht, schlecht oder unvollständig erfüllt werden. Das ist typischerweise der Fall, wenn der Anlageinteressent Informationen oder Beratungsleistungen erhält, bevor ein Vertrag hierüber abgeschlossen wurde (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 110 Rn. 7).
25
3. Andere Verträge, Anlagevermittlung. In der Praxis ist es der Regelfall, dass Anlageberatung nicht isoliert geleistet wird. Vielmehr steht sie typischerweise in Zusammenhang mit anderen Verträgen (Kaufvertrag, Geschäftsbesorgung, Auftrag; vgl. Baumbach/ Hopt, § 347 Rn. 13). Dass mehrere Geschäftsinhalte zusammenkommen, hat häufig seine Ursache schon darin, dass der Geschäftspartner, z.B. als Finanzkaufmann, zugleich Anlageberater, Anlagevermittler und Versicherungsvertreter ist. Besonders oft steht Anlageberatung im Zusammenhang mit Anlagevermittlung.
26
a) Rechtsnatur der Verträge. Bei der Anlagevermittlung ist Inhalt des Hauptgeschäfts der Vertrieb einer Kapitalanlage gegen Provision im Interesse des Kapitalsuchenden. Hauptpflicht des Anlagevermittlers ist die Abwicklung des Hauptgeschäfts, bei dem es sich im Verhältnis zum Kapitalsuchenden um einen Makler- oder Vermittlungsvertrag, im Verhältnis zum Anlageinteressenten/Kunden um einen Geschäftsbesorgungsvertrag
27
Bamberger
1418
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(§§ 675 ff. BGB) und ein Kommissionsgeschäft (§§ 383 f. HGB) handelt. Anlagevermittlung in dieser Art wird weniger von Banken als von Anlagevermittlungsgesellschaften (in der Regel GmbHs) und selbstständigen Anlagevermittlern betrieben (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Siol, § 45 Rn. 4). 28
Für den vorliegenden Zusammenhang der Anlageberatung und fehlerhaften Anlageberatung in Verbindung mit Anlagevermittlung (oder auch anderen Vertragsverhältnissen) sind drei Fallgestaltungen zu unterscheiden. Dabei kann der jeweilige Pflichtenumfang nicht allgemein bestimmt werden, sondern nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls (BGH WM 1988, 1685; WM 1993, 1239). Die typisierend herausgegriffene erste Fallgestaltung betrifft die Fälle, in denen im Zusammenhang mit der Anlagevermittlung auch ein Anlageberatungsvertrag geschlossen wird. Die zweite Fallgruppe betrifft Sachverhalte, bei denen sich Aufklärungs- und Beratungspflichten lediglich als Nebenpflichten des Anlagevermittlers (oder auch anderen Vertragspartners, auch der Bank aus besonderem Vertragsverhältnis; vgl. Arendts, WM 1993, 229 (231)) ergeben. Die dritte Fallgestaltung betrifft die Anlagevermittlung ohne irgendeine Beratung oder Aufklärung (vgl. unten Rn. 59–63).
29
Bei der Abgrenzung zwischen Anlageberatung und Anlagevermittlung ist zu berücksichtigen, dass der Anleger im Allgemeinen einen Anlageberater hinzuziehen wird, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über die für den konkreten Fall wichtigen wirtschaftlichen Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. In der Regel wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er auch besonders honoriert. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitergehende Pflichten gegenüber dem betreuten Kapitalanleger. Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten (BGH WM 1981, 90 = NJW 1982, 1095 f.; WM 1993, 1239). Dagegen tritt der Anlageinteressent dem Anlagevermittler, der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf die ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat, selbstständiger gegenüber. An ihn wendet er sich in der Regel in dem Bewusstsein, dass der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht. Der zwischen dem Anlageinteressenten und einem solchen Anlagevermittler zustande gekommene Vertrag zielt daher im Allgemeinen lediglich auf Auskunftserteilung ab, nicht auch auf eine Bewertung der mitgeteilten Tatsachen (v. Heymann, NJW 1999, 1576; Raeschke/Kessler, WM 1993, 1830 (1831)). Er verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH WM 1981, 90 = NJW 1982, 1095 f.; WM 1989, 1923 = NJW 1990, 506 (507); WM 1993, 1239).
30
Für diejenigen Fälle, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben der Anlagevermittlung und mit dieser im inneren Zusammenhang stehend auch eine Anlageberatung gewollt ist, dürfte die fehlende Sachkunde und Erfahrung des Anlageinteressenten vielfach ein wesentlicher Auslegungshinweis sein. Das gesamte Pflichtenprofil bei einer Anlageberatung (vgl. unten Rn. 106 bis 166) kennzeichnet ganz grundsätzlich und allgemein die Anforderungen, die auch bei der Anlagevermittlung zu beachten sind, wenn es neben ihr und mit ihr zusammenhängend zu einem Beratungsverhältnis und –vertrag kommt (BGHZ 74, 103 (106) = WM 1979, 530; BGHZ 100, 117 (118) = WM 1987, 495 = NJW 1987, 1815; BGH WM 1993, 1455 = NJW 1993, 2433; OLG Düsseldorf WM 1996, 1082 (1084 f.); OLG Braunschweig WM 1996, 1484 (1485)). Wieweit die Verpflichtungen des Anlage-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1419
vermittlers aus dem im Rahmen der Anlagevermittlung zwischen Anlageinteressent und Vermittler auch noch geschlossenen weiteren Vertrages gehen, richtet sich nach dessen Inhalt, insbesondere danach, ob eine (weitergehende) Beratung oder lediglich eine Aufklärung oder Auskunft verlangt werden konnte (BGHZ 74, 103 (106, 107) = WM 1979, 530; BGHZ 100, 117 (118, 119) = WM 1987, 495; BGH WM 1992, 1031; 1993, 1238). Typischerweise wird in solchen Fällen ein durch konkludentes Verhalten zustande gekommener Vertrag anzunehmen sein, wenn bei den Verhandlungen klar zu Tage tritt, dass der Kunde mit Rücksicht auf die zu treffende Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse des Anlagevermittlers in Anspruch nehmen will und der Vermittler mit der gewünschten Tätigkeit beginnt. Ein Auskunftsvertrag mit der die Kapitalanlage vermittelnden Bank ist auch dann anzunehmen, wenn der Kunde bereits vorab von seiner Hausbank Informationen über die Kapitalanlage hat, aber noch weitere Informationen und Aufklärung über eine ganz bestimmte steuerwirksame Anlage wünscht (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Siol, § 45 Rn. 5. Zu den Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages vgl. BGH WM 2005, 1219). Besteht ein Anspruch auf Aufklärung, Auskunft oder Beratung aufgrund besonderen Vertrages nicht, so können sich, je nach den Umständen des Einzelfalles, Aufklärungs- und Beratungspflichten ausnahmsweise aufgrund des Anlagevermittlungsgeschäfts als Neben- und Schutzpflichten zugunsten des Anlageinteressenten ergeben. In der Praxis relativiert sich die Unterscheidung zwischen Anlageberatung und Anlagevermittlung in Bezug auf bestehende Beratungs- und Aufklärungspflichten (zutreffend Ellenberger, WM 2001, SB 1, 3).
31
b) Form. Auch der mit der Anlagevermittlung verbundene (unselbstständige) Beratungsvertrag ist formlos wirksam. Er kann, frei nach Wahl der Vertragsparteien, mündlich, fernmündlich, schriftlich, per Fax oder elektronisch abgeschlossen werden. Auch hier empfiehlt es sich allerdings, wie in der Praxis auch vielfach üblich, ihn aus den oben dargestellten Gründen (Rn. 24) schriftlich abzuschließen.
32
c) Ansprüche bestehen auch bei dem mit der Anlagevermittlung in Verbindung stehenden Beratungsverhältnis in erster Linie wegen Schlechterfüllung (§ 280 I BGB; positiver Vertragsverletzung, pVV), soweit es um die unrichtige, ungenaue oder unvollständige Erfüllung von Pflichten aus dem in Rede stehenden Vertragsverhältnis geht. Daneben kommt auch hier für die Verletzung von Auskunftspflichten als Schutzpflichten zugunsten des Kunden, die sich schon bei der Anbahnung des Geschäfts und vor Abschluss des Vertrages aus dem entgegengebrachten Vertrauen herleiten, eine Haftung aus Verschulden bei den Vertragsverhandlungen (c.i.c.) in Betracht. Insoweit gilt dasselbe wie bei der Verletzung entsprechender Pflichten bei der Anbahnung eines selbstständigen Beratungsvertrages (vgl. oben Rn. 25).
33
4. Verletzung (vor)vertraglicher Beratungsnebenpflichten. Beratungspflichten können auch als (vor)vertragliche Nebenpflichten im Vorfeld eines sich mit der Bank anbahnenden Kommissionsverhältnisses bestehen (§ 311 II Nr. 1 BGB), etwa weil die Bank gerade wegen ihrer spezifischen Sachkunde im Geldanlagegeschäft um die Empfehlung eines von ihr anschließend auszuführenden Anlagegeschäfts angegangen wird (§ 384 I HGB; vgl. OLG Braunschweig WM 1998, 375 (376)). Auch im Verlauf bestehender laufender, besonderes Vertrauen in Anspruch nehmender Geschäftsbeziehungen, beispielsweise zwischen Banken und ihren Kunden, können sich als Nebenpflichten Informationsund Beratungspflichten gegenüber dem unerfahrenen Kunden ergeben. Das gilt für Rahmenverträge, die einer laufenden Finanzierung zugrunde liegen, seltener auch im Ablauf der Abwicklung von auf Kontobetreuung gerichteter Verträge. Nebenpflichten zur Be-
34
Bamberger
1420
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
ratung können auch bei einem Depotvertrag bestehen; ausnahmsweise kann auch hier ein stillschweigend zustande gekommener Beratungsvertrag angenommen werden (OLG München WM 1997, 1802). Maßgebend sind auch insoweit die Umstände des Einzelfalls und was ihre Auslegung ergibt. In der Regel wird der Depotkunde, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird, grundsätzlich für die Papiere in seinem Depot selbst verantwortlich bleiben und das Kreditinstitut keine umfassende fortdauernde Beratungspflicht gegenüber dem Kunden treffen (OLG Karlsruhe WM 1992, 577 = NJWRR 1992, 1074; OLG Schleswig WM 1996, 1487 (1488)). Die Annahme eines besonderen Beratungsvertrages erscheint hier oft als zu weitgehend. Richtigerweise ergeben sich derartige Aufklärungs- und Beratungspflichten bei laufender Geschäftsbeziehung aus § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben; vgl. BGH WM 1973, 164; 1996, 630; Claussen, S. 168 f.; Vortmann, Rn. 13, 15 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 2 ff.). 35
Eine Pflicht der Bank, dem Kunden bei Kontoeröffnung sämtliche aus seiner Interessenlage in Betracht kommenden Möglichkeiten zu erläutern, insbesondere ihm die für ihn günstigste Möglichkeit darzustellen, besteht i.d.R. nicht (vgl. OLG Celle WM 1994, 1069 (1070); Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 2 ff.). Anderes gilt auch hier, wenn der Kunde ausdrücklich eine Beratung insoweit fordert oder sich ein solches Verlangen aus den Umständen ergibt. In diesem Fall wird, wenn die Bank sich darauf einlässt, von einem gesonderten Beratungsvertrag auszugehen sein. Über die mit einem Gemeinschaftskonto in der Form des Oder-Kontos verbundenen Gefahren der gesamtschuldnerischen Haftung und der Möglichkeit der Zwangsvollstreckung seitens der Gläubiger eines der Kontoinhaber muss die Bank aufklären. Das gilt auch, wenn Eheleute von sich aus ein solches Konto eröffnen wollen (OLG Nürnberg WM 1990, 1370 (1372); a. A. OLG Nürnberg NJW 1961, 510 (511); OLG Köln ZIP 1980, 979 (980); OLG Oldenburg WM 1987, 554 (555); Riedel, WM 1987, 29 (32); Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 2 ff.). Ansonsten bestehen im Rahmen der Kontoeröffnung Informationspflichten der Bank nur ausnahmsweise.
36
Auch bei der Anbahnung von Kreditgeschäften können sich für die Bank vorvertragliche Schutzpflichten mit der möglichen Folge eines Anspruchs des Kunden aus culpa in contrahendo (§ 311 II Nr. 1 BGB) ergeben. Kommt ein Kreditvertrag zustande, können sich Beratungspflichten daraus herleiten, dass der Kunde in bestimmter Beziehung eine Aufklärung verlangt hat; in dem Fall ist ein Beratungsvertrag anzunehmen. Im Übrigen lassen sich auch hier Aufklärungspflichten aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) entnehmen, beispielsweise bei der Zwischenfinanzierung von Bausparverträgen die Pflicht zur Erläuterung bestimmter Risiken bei bestimmten Gegebenheiten.
37
5. Vertragliche Prospekthaftung. Sie ist zu unterscheiden von der gesetzlich besonders geregelten Prospekthaftung etwa nach §§ 44 ff. BörsG oder nach § 127 InvG (früher §§ 19, 20 KAGG, 13 Verkaufsprospektgesetz und 12 AuslInvestmG), die gesetzliche Ansprüche begründen. Die allgemeine bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung ist im Wesentlichen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelt worden. Zweck dieser Rechtsprechung war der Schutz von Kapitalanlegern vor unrichtigen oder unvollständigen Angaben in Prospekten über Werbung für die Beteiligung an sog. Publikums-Kommanditgesellschaften (BGHZ 71, 284; v. Stebut, ZIP 1992, 1698 ff.). Hier wird seitens der Anleger und Beitrittsinteressenten bei den Verhandlungen Vertrauen sowohl der persönlich haftenden Gesellschafterin und den Initiatoren und Gründern als auch denjenigen weiteren Personen entgegengebracht, die Einfluss in der Gesellschaft ausüben und eine dementsprechende Verantwortung tragen. Die Anlagegesellschaft selbst haftet als Personengesellschaft nicht, weil nicht sie, sondern die Gesellschafter Vertragspartner sind. Aus die-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1421
sem Grunde hat die Rechtsprechung eine allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung in Analogie zu den Grundsätzen des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen (c.i.c.), daneben in Anlehnung an die oben angeführten gesetzlichen Haftungstatbestände des Börsenrechts entwickelt. Zur Prospekthaftung bei geschlossenen Medienfonds vgl. OLG München WM 2008, 581 u. 872. Inzwischen sind die Grundsätze der Prospekthaftung ausgedehnt worden auf Fälle des Vertriebs ähnlicher Kapitalanlagen, für die eine spezialgesetzliche Prospekthaftungsregelung fehlt. Das gilt namentlich für Bauherren- und Erwerbermodelle (BGHZ 111, 314; BGH NJW 2001, 436; WM 2008, 971), sog. Mischmodelle mit Elementen der reinen Kapitalbeteiligung und des Bauherrenmodells (BGHZ 115, 213), ferner für den Vertrieb von Aktien außerhalb geregelter Aktienmärkte (vgl. BGHZ 111, 314 (316 f.); BGH NJWRR 1991, 217, a. A. BGH NJW 1990, 389 bezüglich der Anwendbarkeit auf Bauherrenund Erwerbermodelle; ferner BGHZ 115, 213 (218) = NJW 1993, 314; BGHZ 123, 106 (109); BGH NJW 1995, 1025; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 45 Rn. 28). Die Grundsätze gelten auch bei Beteiligungen im Zusammenhang mit dem Immobilienleasing (Seibel/Graf v. Westphalen, BB 1998, 169). Meines Erachtens können die Prospekthaftungsgrundsätze auch bei geschlossenen Immobilienfonds angewendet werden (so auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 45 Rn. 28.; Schmidt/Weidert, DB 1998, 2309 (2310)).
38
In der Rechtsprechung wird herkömmlich unterschieden zwischen Prospekthaftung im engeren Sinn und Prospekthaftung im weiteren Sinn (vgl. v. Stebut, ZIP 1992, 1698 ff.). Von Ersterer spricht man, wo sich die Haftung ergibt, weil der Anleger typischerweise auf Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Prospektverantwortlichen gemachten Angaben vertraut. Das sind insbesondere die Initiatoren und Gründer der Gesellschaft, die auch die Leitung übernehmen. Sie sind für die Gesellschaft selbst und für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich. Dies gilt unabhängig davon, ob sie aus dem Prospekt ersichtlich sind oder dem Anlageinteressenten bei den Vertragsverhandlungen bekannt waren oder nach außen in Erscheinung traten (vgl. BGHZ 72, 382 (387); 79, 337 (340); 83, 222 (224); BGH NJW-RR 1992, 879 (883); NJW 1995, 1025; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 45 Rn. 31 ff.). Ein Anspruch besteht aber auch gegen die bei der Prospektgestaltung maßgeblich beteiligten, nach außen hin in Erscheinung getretenen Personen, die aufgrund beruflicher Stellung und zu vermutender Fachkunde eine Art Garantenstellung für Vollständigkeit und Richtigkeit des Prospektes einnehmen. Hierzu zählen besonders Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, die gleichsam als Sachverständige gegenüber dem Anlageinteressenten das für dessen Entschließung zumeist entscheidende Vertrauen in Anspruch genommen haben (vgl. BGHZ 79, 337; 115, 213; BGH NJW 1995, 1025; 2001, 360). Für eine Prospekthaftung einer Bank reicht es nicht aus, wenn sie in dem Prospekt als in Aussicht genommene Darlehensgeberin, als Hausbank und als diejenige genannt wird, bei der das Treuhandkonto geführt wird (KG WM 2003, 1066).
39
Von Prospekthaftung im weiteren Sinne spricht man bei der Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens (§ 311 II, III BGB), das z.B. seitens des Anlageberaters oder Anlagevermittlers dem Anlageinteressenten gegenüber unter Verwendung eines Prospektes in Anspruch genommen wird. Hier ist der Prospekt Inhalt der gegebenen Beratung. Wer ihn zur Werbung für Anlagen verwendet und sich seinen Inhalt zu Eigen macht, haftet für Richtigkeit und Vollständigkeit (vgl. BGHZ 74, 103 (109); 83, 222 (227); 123, 106 (110); BGH NJW 2000, 3346; OLG Karlsruhe WM 1999, 1059 (1063); Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 58 m. w. N.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 45 Rn. 40 ff.). Zu den Reformüberlegungen vgl. Meyer, WM 2003, 1301 und 1349.
40
Bamberger
1422
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
41
6. Garantievertrag. Ein Garantieversprechen (Garantievertrag) ist im Kapitalanlage-, insbesondere Wertpapiergeschäft nur ausnahmsweise anzunehmen. Es liegt vor, wenn Willenserklärungen und Umstände des Geschäfts so auszulegen sind, dass Bank- oder Finanzdienstleister für einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg des Geschäfts die Gewähr übernehmen. Das kann schon im Hinblick auf das mit Geldanlagen verbundene generelle Risiko nur im Ausnahmefall angenommen werden. Von einem Garantievertrag (oder einer Renditegarantieerklärung) wird im Allgemeinen nur ausgegangen werden können, wenn er (sie) ausdrücklich vereinbart ist. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Garantieversprechens hat der Kunde zu beweisen (OLG Frankfurt WM 1994, 2106 (2107); OLG Schleswig WM 1996, 1487 (1489)).
42
II. Anspruch aus vorvertraglichem Schuldverhältnis gegen den handelnden Dritten. Nach § 311 III BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Es handelt sich um die Kodifizierung von Grundsätzen, die die Rechtsprechung zur culpa in contrahendo (c.i.c.) entwickelt hatte. Die Regelung ist nicht abschließend; sie enthält vielmehr nur einen der in der Rechtsprechung anerkannten Fälle, nämlich die Haftung wegen in Anspruch genommenen Vertrauens. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Anspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten gegen den Handelnden, der nicht Vertragspartner wird, darüber hinaus auch dann begründet sein kann, wenn der Handelnde ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse an dem Geschäft hat (BGH NJW 1991, 1241; WM 1992, 699 = NJW-RR 1992, 605; OLG Hamm WM 1993, 241; OLG Düsseldorf WM 1996, 1059 (1062); OLG Frankfurt WM 2002, 1223). Die Haftung gegen den Handelnden, der nicht Vertragspartner wird, hat Ausnahmecharakter. Die Rechtsprechung ist in der Annahme derartiger Ansprüche zurückhaltend.
43
1. Eigenes wirtschaftliches Interesse. Es muss sich um ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse am Vertragsschluss handeln. Dazu reicht das allgemeine Interesse des Handelnden am Erfolg seines Unternehmens allein nicht aus (BGH WM 1994, 1428 = NJW 1994, 2221; OLG Düsseldorf WM 1996, 1059 (1062)). Auch ein nur mittelbares wirtschaftliches Interesse in Form der Gewinnerzielung reicht ebenso wenig aus wie sonstige Vorteile, beispielsweise weitere Verdienstmöglichkeiten und die Einräumung einer Sonderstellung (BGH WM 1992, 699 = NJW-RR 1992, 605; OLG Frankfurt WM 2002, 1223). Erst recht reicht ein bloßes Provisionsinteresse nicht aus (BGH WM 1992, 699; OLG Hamm WM 1993, 241). Vielmehr ist für die Annahme des besonderen wirtschaftlichen Interesses eine so enge Beziehung zum Vertragsgegenstand erforderlich, dass der Vermittelnde gleichsam in eigener Sache tätig wird, mithin als wirtschaftlicher Herr des Geschäfts anzusehen ist.
44
2. Inanspruchnahme besonderen Vertrauens. Dem Ausnahmecharakter einer Eigenhaftung aus culpa in contrahendo (§ 311 III BGB) Rechnung tragend ist die Rechtsprechung auch mit der Annahme einer Eigenhaftung wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens zurückhaltend. Für den Anspruch ist nicht nur Voraussetzung, dass der Kunde dem Vertreter oder Vermittler besonderes Vertrauen entgegenbringt. Das besondere Vertrauen muss darüber hinaus auch in Anspruch genommen worden sein. Der Handelnde muss dadurch Einfluss auf die konkrete Entscheidung nehmen, dass er über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und Erfüllung des Geschäfts bietet (BGHZ 88, 67 (69) = WM 1983, 250; BGH WM 1992, 699 = NJW-RR 1992, 606; OLG Frankfurt
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1423
WM 2002, 1223). Die neue Regelung in § 311 III BGB spricht davon, dass der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt „und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst“. Der Dritte darf nicht lediglich in Vertretung gehandelt haben, sondern sich um das persönliche Vertrauen des Kunden bemüht, dieses mit persönlichen Zusicherungen etwa bezüglich der Risikofreiheit und der Gewinnaussichten des angebotenen Geschäfts erworben und den Kunden unter Ausnutzung dieses ihm „in besonderem Maße“ entgegengebrachten Vertrauens zu der erwünschten Kapitalanlage bewogen haben (BGH WM 1979, 530 (531); WM 1992, 699 = NJW- RR 1992, 605; OLG Hamm WM 1993, 241). Voraussetzung ist, dass der als Vertreter oder Vermittler Handelnde dem anderen Teil eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts oder die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen, die für den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam geworden sind, geboten oder wenn er ihm in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt hat, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der andere Teil dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut oder sein Verhandlungsvertrauen sich als nicht gerechtfertigt erweist (BGH WM 1992, 699; OLG Hamm a. a. O.). Dafür reicht es nicht aus, dass ein sich auf seine Erfahrung und sein berufliches Wissen als ehemaliger Bankkaufmann berufender Vertreter dem geschädigten Kunden den Eindruck der Fremdheit eines Optionsgeschäftes und der Unsicherheit über die Erfolgsaussichten genommen hat (BGHZ 88, 67 ff. = WM 1983, 250). Besonderes Vertrauen nimmt aber in Anspruch, wer für das Anlagegeschäft etwa mit den Worten, „er wolle sich verbürgen“ oder „eine Grundschuld auf sein Ferienhaus eintragen lassen“, geworben hat. Derartige Erklärungen gehen über normale Anpreisungen hinaus und stellen sich bei lebensnaher Betrachtung als Gewährsübernahme für die Seriosität und die Erfüllung des risikobehafteten Anlagengeschäfts dar und sind mithin tauglicher Gegenstand einer Haftung aus § 311 III 2 BGB (vgl. BGHZ 88, 67 = WM 1983, 250). Der Repräsentant einer ausländischen Bank haftet, wenn er sich darauf beschränkt, lediglich Anlagevorschläge der Muttergesellschaft weiterzugeben, deren Kunden nicht für Anlageverluste nach den vorgenannten Grundsätzen (OLG Frankfurt WM 2002, 1219).
45
III. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen. Neben den vertraglichen und vertragsbezogenen bestehen gesetzliche Anspruchsgrundlagen. Dabei ist die wichtigste die des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) in Verbindung mit deliktischer Haftung. Nach herrschender richtiger Ansicht (vgl. Assmann/Schneider-Koller vor § 31 WpHG, Rn. 17 m.w.N.; auch BGHZ 142, 345, 356 = WM 1999, 2300; BGHZ 147, 343, 348; BGH WM 2007, 487 ff.; ferner die Nachw. bei Rn. 16) sind insbesondere die §§ 31 ff. WpHG Schutzgesetze i.S.d. § 823 II BGB. Daneben bestehen deliktische Ansprüche in Verbindung mit Strafvorschriften als Schutzgesetze sowie der Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Die spezialgesetzlich geregelte Prospekthaftung (vgl. unten Rn. 167–169) gibt weitere gesetzliche Anspruchsgrundlagen.
46
1. Wertpapierhandelsgesetz. a) Allgemeines. Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 26.7.1994 (BGBl. I, S. 1749), welches das Wertpapierhandelsgesetz geschaffen hat, ist mit Recht als das wichtigste börsen- und kapitalmarktrechtliche Gesetz in Deutschland seit hundert Jahren bezeichnet worden. Es stellt „einen Meilenstein in der rechtlichen Ordnung des deutschen Kapitalmarktrechts dar“ (Assmann/Schneider, 3. Aufl., S. V) und wird zutreffend als das „Grundgesetz“ des Kapitalmarktrechts bezeichnet (Baumbach/Hopt, WpHG Einl. Rn. 1). Während das Börsengesetz die Börsenmärkte regelt, ist Gegenstand des in Artikel 1 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes formulierten Wertpapierhandelsgesetzes der nichtbörsliche Kapitalmarkt. Die Regelung
47
Bamberger
1424
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
geht in Be-zug auf Insiderverbot und Ad-hoc-Publizität auf die Insiderrichtlinie der EG vom 13.11.1989 zurück. Die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten des Wertpapierhandelsgesetzes haben ihre Grundlage in der EG-Mitteilungsrichtlinie vom 12.12.1988. Die im vorliegenden Zusammenhang wichtigen Verhaltensnormen für Banken und andere Wertpapierdienstleister basieren auf der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie vom 11.6.1993 (Richtlinie 93/ 22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl Nr. L 141/27 vom 11.6.1993, S. 27 ff.). Das Wertpapierhandelsgesetz ist inzwischen mehrfach ergänzt worden, so zunächst durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz vom 24.3.1998 (BGBl. I, S. 2567) und durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21.6.2002 (BGBl. I, S. 2028, dort Art. 2), das insbesondere die wichtigen Abschnitte 7 (Schadensersatz nach unterlassener Veröffentlichung) und 8 (Finanztermingeschäfte) neu in das Gesetz eingefügt hat und eine Reaktion auf Missstände am Neuen Markt war. Es hat die doppelte Zielsetzung des Anlegerschutzes wie auch der Gewährleistung eines reibungslosen Funktionierens der Wertpapiermärkte. Seither hat für die Kapitalmarktinformation und die Verhinderung unzulässiger Marktpraktiken das Anlegerschutzverbesserungsgesetz den Schutz der Anlageinteressenten gesteigert. Es hat auch die Europäische Richtlinie über Insidergeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie) umgesetzt. Das in den hier interessierenden Teilen am 1. November 2007 in Kraft getretene Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl. I, S. 1330) hat wiederum weite Bestandteile des WpHG geändert und den neuen Gegebenheiten und Erfordernissen angepasst. Das betrifft auch und insbesondere die Erkundigungs- und Aufklärungspflichten der Wertpapierdienstleister. Die durch das neue Gesetz umgesetzte Europäische Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), seit 2004 in Kraft, hat die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (von 1993) vollständig ersetzt. Zweck der neuen, jetzt umgesetzten Richtlinie ist es, durch eine einheitliche Finanzmarktgesetzgebung den Europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zu vollenden. Die neue Regelung enthält auch für das Verhältnis der Wertpapierdienstleister zu ihren Kunden umfangreiche, stärker ausdifferenzierte Wohlverhaltenspflichten, die über die bislang geltenden Regelungen hinausgehen. Die Neuregelung des Wertpapierhandelsgesetzes (§§ 31 ff.) trägt einmal dem Interesse der Dienstleister an einer stärkeren Standardisierung der Erkundigungs- und Aufklärungserfordernisse im täglichen Massengeschäft Rechnung. Stärkere Berücksichtigung finden auch die Belange der Discount-Broker, die ihre Wertpapierdienstleistungen – bei einem relativ gering ausgestalteten Beratungsangebot – entsprechend günstig anbieten wollen (vgl. zu der Neuregelung: Seyfried, WM 2006, 1375; Spindler/Kasten, WM 2006, 1749; Weichert/Wenninger, WM 2007, 627; Wagner, WM 2007, 1725 zu den entsprechend dem FRUG geänderten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; Roth/Loff, WM 2007, 1249; Veil, WM 2007, 1821). 48
Die Regelung des Wertpapierhandelsgesetzes gibt, soweit es um Anlageberatung geht, im Wesentlichen wieder, was schon vorher in der Rechtsprechung (auch anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union) als verpflichtend betrachtet worden war und/oder als Gewohnheitsrecht bestand (Claussen, S. 169; Kümpel, WM 1995, 689). Neu ist insbesondere die Ausdehnung der Verhaltenspflichten über die Kreditinstitute hinaus auf alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen, also etwa auch auf Anlageberater (vgl. die Definition in § 2 Abs. 4 WpHG).
49
Als staatliche Aufsichtsbehörde ist durch Gesetz vom 22.4.2002 (BGBl. I, S. 1309) die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin; früher das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel; vgl. Hagemeister, WM 2002, 1773) nach inter-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1425
nationalem Vorbild und innerhalb der Europäischen Union zwingend eingerichtet worden. Da das Wertpapierhandelsgesetz im Zweifel entsprechend den vorgegebenen EURichtlinien auszulegen ist, wird auch eine Auslegungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs begründet (Baumbach/Hopt, WpHG Einl. Rn. 1). b) Anwendungsbereich. Das Wertpapierhandelsgesetz erfasst, soweit im vorliegenden Zusammenhang vor allem von Bedeutung, Geschäfte zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und ihren Kunden. Nach § 2 Abs. 4 WpHG sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen: Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 I Satz 1 des Gesetzes über das Kreditwesen tätige Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Für die Beurteilung der Frage, wann eine gewerbsmäßige Tätigkeit vorliegt, ist der handelsrechtliche Gewerbebegriff zugrunde zu legen (Assmann/SchneiderAssmann, § 2 Rn. 87). Gewerblich ist danach jede außengerichtete (marktorientierte), selbstständige, planmäßige, von der Absicht der Gewinnerzielung getragene Tätigkeit (BGHZ 33, 321 (324); 74, 273 (276); Baumbach/Hopt, § 1 Rn. 1 ff.). Freiberuflich tätige Vermögensverwalter und Anlagevermittler sowie Angehörige der sog. freien Berufe wie Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, soweit sie Wertpapierdienstleistungen erbringen, fallen nicht unter die Regelung des Gesetzes. § 2a WpHG nimmt bestimmte (natürliche und juristische) Personen aus dem Anwendungsbereich der sich an Wertpapierdienstleister richtenden Vorschriften aus, weil ihnen gegenüber insbesondere der durch §§ 31 ff. bezweckte Schutz der Anleger nicht für notwendig gehalten wird. Der Begriff des Kunden ist in § 31a des neuen WpHG definiert. Nach Abs. 1 der Bestimmung sind Kunden im Sinne dieses Gesetzes alle natürlichen oder juristischen Personen, für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen erbringen oder anbahnen. Das Gesetz unterscheidet danach im Wesentlichen zwischen professionellen Kunden (§ 31a Abs. 2 WpHG) und Privatkunden, die das Gesetz dadurch definiert, dass sie keine professionellen Kunden sind (§ 31a Abs. 3 WpHG). Kunde ist auch der Auftraggeber, der als verdeckter Stellvertreter für einen Dritten handelt, wobei hier das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aber die erkennbaren Interessen des Dritten bei seinen Informationen und Empfehlungen zu berücksichtigen hat (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 97). Das Wertpapierhandelsgesetz regelt die bestehenden Verpflichtungen bei Erbringung von Wertpapierdienstleistungen. Was darunter zu verstehen ist, wird in § 2 Abs. 3 geregelt. Der Begriff ist gegenüber der früheren Regelung nicht unwesentlich erweitert worden. Wertpapierdienstleistungen sind danach Anlageberatung (Abs. 3 Nr. 9), Anlagevermittlung (Nr. 4), ferner das Finanzkommissionsgeschäft, der Eigenhandel, die Abschlussvermittlung, das Emissionsgeschäft, die Finanzportfolioverwaltung und das Platzierungsgeschäft. Als Wertpapierdienstleistung gilt auch die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung, die keine Dienstleistung für andere i.S.d. Satzes 1 Nr. 2 darstellt (Eigengeschäft; Abs. 3, letzter Satz). Was Finanzinstrumente sind, ist in § 2 Abs. 1, 1a, 2 WpHG erfasst, nämlich Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Derivate. Letztere Begriffe sind in den vorgenannten Absätzen wiedrum im Einzelnen definiert.
50
In Erweiterung der ursprünglichen Fassung werden jetzt in § 2 III Nr. 5 WpHG als Wertpapierdienstleistungen auch die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien definiert, also das Emissionsgeschäft. Ferner gilt als Wertpapierdienstleistung nunmehr nach § 2 III Nr. 7 WpHG die Finanzportfolioverwaltung, also typischerweise die Vermögensverwaltung im Sinne
52
Bamberger
51
1426
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
der Verwaltung von Kundenvermögen durch Investitionen in Wertpapiere und entsprechende Anlageformen.
53
Die Definition für den Begriff der Wertpapiernebendienstleistungen findet sich jetzt in § 2 IIIWpHG. Danach sind Wertpapiernebendienstleistungen etwa (Nr. 1) die Verwahrung und die Verwaltung von Finanzinstrumenten für andere und damit verbundene Dienstleistungen (Depotgeschäfte), (Nr. 2) die Gewährung von Krediten oder Darlehen an andere für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen, sofern das Unternehmen, das den Kredit oder das Darlehen gewährt, an diesen Geschäften beteiligt ist, (Nr. 3) die Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur, die industrielle Strategie sowie die Beratung und das Angebot von Dienstleistungen bei Unternehmenskäufen und Unternehmenszusammenschlüssen, (Nr. 4) Devisengeschäfte, die in Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen stehen.
54
c) Vorschriften. Im Zusammenhang mit der Thematik von Anlageberatung sind vor allem die §§ 31 ff. WpHG (Verhaltenspflichten), ferner der im Wesentlichen unverändert gebliebene § 14 WpHG (Verbot von Insidergeschäften), § 33 WpHG (Organisationspflichten) sowie die §§ 37 e bis 37 g WpHG (Finanztermingeschäfte) von Bedeutung. Es handelt sich bei diesen Vorschriften um Normen, die in erster Linie im öffentlichen Interesse an einem geordneten Wertpapierhandel erlassen wurden. Allerdings bezwecken sie auch den Schutz des Kunden und Anlageinteressenten. Sie sind deshalb Schutzgesetze, auf deren Einhaltung sich der Kunde berufen kann, auch Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB (h.M. Assmann/Schneider-Koller vor § 31, Rn. 17 m.w.N.; vgl. auch die Nachw. bei Rn. 16 a.E.). Ergänzt, erläutert und konkretisiert wird die Regelung des Wertpapierhandelsgesetzes durch die vom (früheren) Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel 1997 dazu erlassene Richtlinie, die sog. Wohlverhaltensrichtlinie (Richtlinie gemäß § 35 II des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG) vom 26. Juli 1994 (BGBl. I, S. 1749), geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I, S. 1959) zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissions-, Festpreis- und Vermittlungsgeschäft der Kreditinstitute, abgedruckt in: Bundesanzeiger Nr. 98 v. 3. Juni 1997. Heute gilt die Richtlinie gemäß § 35 Abs. 6 (jetzt: § 35 Abs. 4) des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG) zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23. August 2001 (BAnz Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19 217) sowie ferner die Richtlinie gem. § 35 Abs. 6 (jetzt § 35 Abs. 4) WpHG zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. § 33 Abs. 1 WpHG vom 25.10.1999 (BAnz Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18453). Die Richtlinien dienen der Begrenzung des Beurteilungsspielraums der Bundesanstalt. Sie sind Verwaltungsrichtlinien, keine Gesetze, somit auch keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 II BGB (Assmann/Schneider-Koller, § 35 Rn. 6). Sie binden nicht die Gerichte, bilden aber für die Auslegung der in Rede stehenden Gesetzesbestimmungen den Mindeststandard. Die §§ 31 ff. WpHG sind im Wesentlichen normierter Handelsbrauch i.S.d. § 346 HGB und bilden die durch allgemeine Geschäftsbedingungen nicht abdingbaren Hauptpflichten entsprechend § 307 II Nr. 1 BGB. Vgl. zu den genannten Normen des Wertpapierhandelsgesetzes unten Rn. 66 bis 105, im Übrigen zu den Einzelheiten des WpHG § 46 des Handbuchs. 2. Andere deliktische Ansprüche. Solche ergeben sich aus §§ 823 und 826 BGB. § 823 I BGB scheidet in aller Regel als Anspruchsgrundlage aus, da es bei fehlerhafter Beratung und Information zumeist nur um in der Bestimmung nicht geschützte Vermögensrechte geht. Wichtig sind aber § 823 II i. V. m. § 263 StGB oder § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug; vgl. dazu den Fall BGH WM 2000, 2357), der bei vorsätzlich betrügerischer Schä-
55
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1427
digung eingreift, ferner § 823 II BGB i. V. m. § 49 BörsG, der eingreift für den, der entgegen § 26 I BörsG andere zu Börsenspekulationsgeschäften oder zu einer Beteiligung an einem solchen Geschäft verleitet. Wichtig ist auch der bei vorsätzlich sittenwidriger Schädigung eingreifende § 826 BGB. Sittenwidrig sind dabei sowohl der bewusst fehlerhafte Rat als auch eine leichtfertig erfolgende Fehlunterrichtung aus eigennützigen Interessen. Allerdings muss sich der Vorsatz auf den Schaden beziehen, d.h. der Schädiger muss zumindest billigend in Kauf nehmen, dass auf der Seite des Anlageinteressenten ein Schaden entsteht. Die Vorschrift greift insbesondere bei Termingeschäften ein, wenn die Unwissenheit und Unerfahrenheit von Anlageinteressenten bei hoch riskanten Geschäften ausgenutzt wird, indem sie durch täuschende und beschönigende Auskünfte zu derartigen Geschäften verleitet werden. Auch der Fall des sog. Churnings (häufiger Umschlag des Anlagekontos zwecks Provisionsbeschaffung zu Lasten der Gewinnchancen des Kunden) fällt unter § 826 BGB (BGH WM 1999, 2249; 2004, 1768). Der Anspruch aus § 826 BGB richtet sich auch gegen dritte Personen, die nicht selbst Vertragspartner sind und bei den Vertragsverhandlungen auch nicht beteiligt waren, aber als Vermittler oder Geschäftsführer (oder sonst Verantwortliche) von Vermittlungsgesellschaften aufgetreten sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 43 Rn. 57). Die Haftung aus Delikt wird insbesondere dann wichtig, wenn wegen kürzerer Verjährung (z.B. nach § 46 BörsG ein Jahr) Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne nicht mehr geltend gemacht werden können. §§ 37b und 37c WpHG begründen eine Haftung für falsche und unterlassene Kapitalmarktinformation. Die Haftung konkurriert mit vertraglichen Ansprüchen und solchen aus Delikt, insbesondere aus § 823 II BGB i.V.m. §§ 263, 264a StGB, 400 I Nr. 1 AktG, ferner mit der Haftung aus § 826 BGB. 3. Formen der gesetzlichen Prospekthaftung. Prospekthaftung ist eine kraft Gesetzes eintretende Vertrauenshaftung (Canaris, Rn. 2277; Claussen, S. 398 ff.; Coing, WM 1980, 206; Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 45 Rn. 25; v. Stebut, ZIP 1992, 1698 ff.). Wird über ein bestimmtes zugelassenes Wertpapier und den Emittenten informiert, so muss die Aufklärung vollständig und wahrheitsgerecht sein. Der Anlageinteressent soll vor unlauteren Methoden im Wertpapierhandel geschützt sein. Entsprechende Tatbestände enthält das Börsengesetz (§§ 44 bis 47). Die früher u. a. im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und im Auslandinvestmentgesetz normierten Sachverhalte werden jetzt neu im Investmentgesetz (dort §§ 42, 99, 102, 117, 127, 137 InvG) geregelt. Nach § 44 I BörsG kann der Erwerber von Wertpapieren, die aufgrund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind, in dem die für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlichen Angaben unrichtig oder unvollständig sind (1) von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben und (2) von denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, als Gesamtschuldnern die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Ausgabepreis der Wertpapiere nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurde. Nach § 45 I BörsG besteht ein Haftungsausschluss für den, der nachweist, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Nach § 47 I BörsG ist eine Vereinbarung, durch die der Anspruch nach § 44 im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, unwirksam. Weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes aufgrund von Verträgen oder vorsätzlichen oder grob fahrlässigen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, bleiben unberührt (§ 47 Abs. 2 BörsG).
Bamberger
56
57
1428
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
58
Ähnliche Vorschriften einer gesetzlichen Prospekthaftung enthalten §§ 42, 99, 102, 117, 127, 137 InvG. Auch die §§ 37b und 37c WpHG können als eine Form gesetzlich angeordneter Vertrauenshaftung angesehen werden. Europarechtlich besteht eine zivilrechtliche Haftung für fehlerhafte Prospekte durch die Prospektrichtlinie 2003/71/EG.
59
IV. Beratungsfreie Wertpapiergeschäfte. Im Zuge der Liberalisierung des Anlagegeschäfts haben sich neue Formen des Vertriebs von Anlagen – direct banking, discount broking – herausgebildet, bei denen Anlagen ohne Beratung oder mit einer solchen (stark) herabgeminderten Standards angeboten werden. In der Regel erfolgen solche Geschäfte, auch als „execution-only-business“ bezeichnet, mit dem Hinweis, es erfolge keine Beratungsleistung. Sie werden häufig elektronisch über das Internet oder fernmündlich oder per Telefax abgewickelt, von sog. Discount Brokern oder Direktbanken (vgl. Reich, WM 1997, 1601; Balzer, WM 2001, 1533; MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft Rn. 203;). Sie können durch spezialisierte Institute, aber auch durch Kreditinstitute angeboten werden. Die Rechtsprechung hat derartige Geschäfte und die mit ihnen einhergehende Absenkung des Pflichtenniveaus für prinzipiell zulässig erachtet (BGH WM 1996, 1214 (1216); 1997, 309 (311); 1998, 274; 1998, 1391 (1392); 1998, 1441; 1999, 2300 (2302); OLG München WM 1998, 2188 (2189); Kümpel, Rn. 16.475). Zum Teil ging es dabei aber um Fälle, in denen entweder auf die reduzierte Aufklärungs- und Beratungspflicht eindeutig hingewiesen oder durch entsprechende Aufklärungsbroschüren in eindringlicher Form über das Risiko des Geschäfts unterrichtet wurde, sodass es an der Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden gefehlt hat. Zum Teil wird darauf abgestellt, ob dem Discount Broker (der Direktbank) Anhaltspunkte für eine bestehende Aufklärungsbedürftigkeit bekannt waren oder er diese grob fahrlässig nicht erkannt hatte (vgl. BGH WM 1998, 274; 1998, 1391 (1392); 1999, 2300 (2302)).
60
1. Discount Broker. Das durch das Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz neu gefasste Wertpapierhandelsgesetz regelt nun mit Wirkung ab 1. November 2007 die Verhaltenspflichten für Discount Broker ausdrücklich neu. a) Das Wertpapierhandelsgesetz in seiner früheren (bis 31. Oktober 2007 geltenden) Fassung nimmt grundsätzlich Discount Broker nicht von Aufklärungsverpflichtungen aus. In der Tat ist vielfach davon auszugehen, dass gerade bei derartigen Geschäften, die rasch abgeschlossen zu werden pflegen und ein recht hohes Risiko tragen, das Schutzbedürfnis für den Kunden, insbesondere für den Privatkunden, besonders groß ist.
61
Im Schrifttum sind – für das frühere Recht – die Auffassungen geteilt. Zum Teil wird der Discount Broker milder betrachtet (Kümpel, WM 1995, 689: „Mindestmaß an Informations- und Aufklärungspflichten“; Schwark, Bankrechtstag 1995, 1996, S. 109 (125): „Im begrenzten Rahmen Haftungsfreizeichnungsklauseln zulässig“). Andere halten den Verzicht auf eine Beratung für möglich, den rechtsgeschäftlichen Verzicht auf Aufklärung aber für grundsätzlich unbeachtlich (Metz, VuR 1996, 184; Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 115 ff.; Reich, WM 1997, 1601 (1606)). M.E. verdiente die strengere Auffassung den Vorzug. § 31 WpHG a. F. galt auch für Geschäfte von Discount Brokern. Zwar erforderte § 31 II WpHG a. F. nicht immer auch eine Beratung im engeren Sinne (Claussen, S. 176 f; Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 167 ff.; Metz, VuR 1996, 184; Reich, WM 1997, 1601 (1606); Schimanskiy/Bunte/Lwowski-Kienle, § 110 Rn. 30 ff.). War dem professionellen Kunden bekannt, dass der Beratungsverzicht mit geringeren Provisionssätzen verbunden ist, und erfolgte ein entsprechender und klarer Hinweis auf unterbleibende Beratung, so war eine volle Aufklärung und Beratung zur Wahrung der Interessen des Kunden nicht erforderlich. Der Kunde wird dadurch geschützt, dass auch Discount Broker
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1429
vor Erteilung eines Auftrags Erkundigungen zu Kenntnissen und Erfahrungen ihrer Kunden einzuholen haben. Die dann zu gebende, unter Umständen herabgeminderte Aufklärung hatte sich auszurichten am Ergebnis der Befragung des Kunden (Claussen, S. 177 f.; Kümpel, WM 1995, 689 (694)). In jedem Fall hatte der Discount Broker den Kunden deutlich und unzweifelhaft darauf hinzuweisen, dass die Ausführung des Geschäfts ohne Beratungsleistung erfolgt (Wohlverhaltensrichtlinie B. Ziff. 2.6 Satz 1). Werbende Aussagen, die auf eine Verharmlosung und Verwässerung des Hinweises hinausliefen, beispielsweise durch den Hinweis auf eine „persönliche Betreuung“, waren unzulässig (Köndgen, ZBB 1996, 361 (364)). Immer war zu fragen, um welchen Kundenkreis es geht, welche Erfahrungen der Discount Broker mit Kunden dieses Kreises hat, wovon er ausgehen darf, welche Hinweise er gegeben und welche unter Umständen herabgeminderte Aufklärung nach der vorhandenen Kundenerfahrung zu verlangen war. Schutzbedürftige Kunden waren und sind auch im Discount- Broker-Geschäft aufzuklären. Ob außerdem eine Beratung geschuldet ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, ist aber keinesfalls ausgeschlossen. Sie ist hiernach geschuldet, wenn vom Zustandekommen eines Beratungsvertrages auszugehen ist oder Beratungspflichten (§ 242 BGB) als Nebenpflichten anzunehmen sind. (Nur) reduzierten Aufklärungspflichten unterliegen Discount Broker, die sich ausdrücklich und ausschließlich an gut informierte und erfahrene Anleger wenden, die jede Beratung ablehnen und lediglich Order ausführen; bei ihnen kann die auch dann u.U. noch notwendige Aufklärung durch Übermittlung standardisierter Informationen an den Kunden bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung erfüllt werden (BGH WM 1999, 2300).
62
b) Die durch das FRUG geschaffene Neuregelung hat den gesetzlichen Schutz des Anlegers bei Geschäften mit Discount Brokern verringert. Insbesondere schafft der neue § 31 Abs. 7 WpHG für Discount Broker, die für geringere Gebühren nur execution-onlyGeschäfte anbieten (zumeist EDV-unterstütztes Telefon- oder Online-Banking) eine gegenüber dem Pflichtenstandard des § 37 Abs. 5 WpHG nochmals für den Anlageinteressenten ungünstigere Regelung. Insbesondere kann bei Geschäften nach Abs. 7 die sonst selbst bei Wertpapierdienstleistern, die keine Anlageberatung oder Finanzportfolioverwaltung erbringen, notwendige eingeschränkte Geeignetheitsprüfung entfallen. Dabei ist zu beachten, dass diese Pflichteneinschränkung lediglich nach diesem (geänderten) Gesetz gilt. Aus dem zugrundeliegenden Beratungsvertrag können sich weitergehende Pflichten ergeben. Daran ändert die Neuregelung des § 31 Abs. 4 bis 7 WpHG nichts. Weitergehende sich aus dem Beratungsvertrag ergebende Verpflichtungen wären nur nichtig, wenn sie gesetzeswidrig wären (§ 134 BGB). Die Regelung des WpHG wie auch die der zugrundeliegenden Richtlinie (MiFID) verfolgt aber in erster Linie, wie der Erwägungsgrund 25 der Richtlinie zeigt, aufsichtsrechtliche Zwecke, daneben den Schutz des Anlageinteressenten. Im Hinblick hierauf hätte sich ihr eine auf das Verbot besserer Standards abzielende Maximalharmonisierung der Richtlinie unzweideutig entnehmen lassen müssen (a. A. Mülbert WM 2007, 1149, 1157). 2. Direktbanken. Auch Direktbanken, zumeist Tochtergesellschaften großer Banken, waren nach § 31 II 1 Nr. 2 WpHG a. F. als Wertpapierdienstleister verpflichtet, dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen (Claussen S. 176 ff.; Balzer, WM 2001, 1533; vgl. auch BGHZ 142, 345 = WM 1999, 2300; OLG Hamm OLGR 2000, 65; OLG München WM 1998, 2367). a) Das war die Rechtslage bis 31. Oktober 2007. Information meinte dabei zunächst Aufklärung (über Tatsachen) und nicht ohne weiteres Beratung. Wieweit die Informationspflicht reichte, richtete sich nach dem Schutzbedürfnis des Kunden. Wendete sich die
Bamberger
63
1430
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Direktbank ausschließlich an erfahrene und gut informierte Kunden und wurde auf das Unterbleiben einer Beratung ausdrücklich und deutlich hingewiesen, so genügten standardisierte Informationsbroschüren (Balzer, WM 2001, 1533 (1534)). Eine Freizeichnung in AGB hiervon war ausgeschlossen. Gegenüber dem gut informierten und erfahrenen Kunden durfte die Direktbank aber in ihren Bedingungen „im Interesse günstiger Konditionen … auf jede Form der Beratung“ verzichten (Balzer, WM 2001, 1533 (1536); str., vgl. auch LG Köln WM 1997, 1479). War der Kundenkreis nicht in der bezeichneten Weise begrenzt, musste ggf. eine ergänzende vollständige Aufklärung gegeben werden. Auch für Direktbanken galt als Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 31 II Nr. 1 WpHG a. F. die Pflicht zur Exploration der Erfahrungen, Kenntnisse und Verhältnisse des Kunden. Dafür ist vielfach das persönliche Gespräch unerlässlich. Insbesondere bei unerfahrenen Kunden genügt die elektronisch übermittelte Abfrage nicht. Der Umfang der Schutzbedürftigkeit richtet sich danach, was diese Erfragung ergibt. Handelt es sich danach um einen unerfahrenen Kunden oder geht der Verbraucher ersichtlich von Fehlvorstellungen bezüglich des Risikos oder der Folgen einer Entscheidung für sein Vermögen aus, so hat ihn die Direktbank ggf. auch zu beraten. Die Beratungsverpflichtung leitet sich dabei jedenfalls aus § 242 BGB als Nebenpflicht her. Denn Information und beratende Hinweise, die die Bank ohne weiteres und unschwer geben kann, die dem Kunden aber ersichtlich für eine interessengerechte Entschließung fehlen, hat auch die Direktbank zu geben. Im Überweisungsverkehr ist auch eine Direktbank verpflichtet, einen Kunden auf eine Unterdeckung des Kontos hinzuweisen. Wenn es um derartig bloß formale Umstände geht, die keiner Wertung bedürfen und ohne größeren Arbeits- und Zeitaufwand in standardisierter Form festgestellt und dem Kunden mitgeteilt werden können, darf nach der früheren Rechtlage auch der Kunde einer Direktbank nach den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten (LG Bonn NJW-RR 2000, 52). Eine Direktbank ist überdies verpflichtet, im Internet erteilte Wertpapieraufträge auf ihre Plausibilität hin zu prüfen, um zu verhindern, dass der Kunde irrtümlich einen Auftrag erteilt, der das Volumen seines Korrespondenzkontos ganz erheblich übersteigt (LG NürnbergFürth WM 2001, 988; krit. Balzer, WM 2001, 1533 (1538)). Die Direktbank darf nicht den von ihr unschwer abwendbaren Schaden eines Kunden sehenden Auges eintreten lassen. Bei objektiv unvernünftiger risikoreicher Anlageentschließung hatte sie im Zweifel nachzufragen. Sie haftete aber nicht auf Schadensersatz nach Ausführung eines vom Kunden irrtümlich per Internet erteilten Wertpapierkaufauftrags, wenn durch eine automatisierte Sicherheitenberechnung vor Auftragsdurchführung bewirkt wird, dass Auftragsumfang und „Kreditsicherheiten“ sich die Waage halten und es somit nicht zu einer „Insolvenz per Mausklick“ kommen kann (LG Nürnberg-Fürth WM 2003, 1016). Beratung hat in jedem Fall zu erfolgen, wenn ein Beratungsvertrag zustande kommt, was in aller Regel anzunehmen ist, wenn sich der (unerfahrene oder auch erfahrene) Kunde Rat suchend an die Bank wendet und die sich auf ein Beratungsgespräch einlässt (Balzer, WM 2001, 1533 (1535)). b) Nach der Rechtsänderung mit Wirkung vom 1. November 2007 gilt die Neuregelung des § 31 Abs. 5, 7 WpHG, mithin das für Discount Broker Gesagte. Wo das Wertpapiergeschäft unzweideutig ersichtlich beratungslos erfolgen soll und der deutliche Hinweis nach § 31 Abs. 7 Nr. 3 WpHG gegeben ist, wird die gesetzliche Haftung beschränkt. Aus Beratungsvertrag kann sich, wie für Discount Broker gesagt (oben Rn. 62 a. E.) auch hier anderes und Abweichendes ergeben. 64
C. Pflichten nach Gesetz oder Vertrag Die Beantwortung der Frage nach der Pflichtverletzung (§ 280 I BGB) setzt eine Bestimmung der Pflichten voraus. Zum Teil sind diese im Gesetz beschrieben. Von Bedeutung
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1431
sind dabei vor allem die Verhaltensregeln und anderen kundenschutzbezogenen Pflichten des Wertpapierhandelsgesetzes. Im Übrigen ergeben sie sich als Hauptpflichten oder Nebenverpflichtungen aus dem zugrunde liegenden Vertrag, wobei im Zentrum der vorliegenden Betrachtung der Anlageberatungsvertrag steht. I. Gesetzliche Pflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz. Es sollen für die Haftung bei der Anlageberatung die für Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltenden Verhaltensregeln (§ 31 ff. WpHG), ferner die von ihnen zu beachtenden Organisationspflichten (§ 33 WpHG), schließlich die durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz eingefügten besonderen Informationspflichten bei Finanztermingeschäften (§ 37d a. F., § 37e S. 2 n. F. WpHG) im Vordergrund der Betrachtung stehen. Da die Neuregelung ab 1. November 2007 für die Zukunft gilt, bleiben für die Sachverhalte der Vergangenheit die bis 31. Oktober 2007 geltenden Vorschriften von Bedeutung. Deshalb soll auch die alte Rechtslage noch mitbehandelt werden. Es sei, auch bezüglich der ab 1. November 2007 geltenden Neuregelung, auf die Ausführungen zum Wertpapierhandelsgesetz in § 52 des Handbuchs verwiesen.
65
1. Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. a) Allgemeine Verhaltensregeln. Wie dargestellt ist die Regelung des Wertpapierhandelsgesetzes in erster Linie aufsichtsrechtlicher Natur. Insbesondere der Abschnitt 6, der sich in seiner neuen und stärker differenzierten Regelung mit den Verhaltenspflichten befasst, enthält aber nach der heute herrschenden Ansicht (vgl. oben Rn. 16) im Wesentlichen Schutzgesetze zugunsten des Anlegers i.S.v. Mindeststandards, die zu beachten sind und auf deren Einhaltung sich der Anlageinteressent berufen kann. Das Wertpapierhandelsgesetz enthält dort i.d.F. des Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetzes eine sehr detaillierte, differenzierte und flexible Regelung, die sich ausrichtet an der Art des Geschäfts, an der Frage, ob der Anlageinteressent professioneller Kunde oder Privatkunde ist, an der Geschäftserfahrenheit sowie an der Art der Leistung und der Form des Wertpapiervertriebes. Was nunmehr konkreter und differenzierter gesetzlich geregelt ist, galt in weiten Teilen allerdings bislang schon als Konsequenz der Auslegung des § 31 a. F. WpHG durch Rechtsprechung und Literatur. Das neue Recht unterscheidet zwischen beratenden (Finanzportfolioverwaltung und Anlageberatung) und beratungslosen Wertpapierdienstleistungen. Für erstere gilt § 31 Abs. 4 n. F. WpHG. Bei beratungslosen Wertpapierdienstleistungen ist weiter von Bedeutung, ob die besonderen Voraussetzungen nach § 31 Abs. 7 n. F. WpHG vorliegen. Entsprechend der Geschäftserfahrenheit wird unterschieden zwischen Privatkunden und professionellen Kunden (vgl. § 31a WpHG; Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 ff). Nach § 31 I WpHG n. F. ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, (1.) Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen mit der erforderlichen Sachkunde, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse seiner Kunden zu erbringen, (2.) sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und vor Durchführung von Geschäften für Kunden, diesen die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig darzulegen, soweit die organisatorischen Vorkehrungen nach § 33 I Satz 2 Nr. 3 nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden. Nach Abs. 2 der Vorschrift müssen alle Informationen einschließlich Werbemitteilungen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kunden zugänglich machen, redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Werbemitteilungen müssen eindeutig als solche erkennbar sein. In weiteren Sätzen der Vorschrift wird das konkretisiert. § 31 Abs. 3 WpHG n. F. enthält zunächst den Grundsatz der Verpflichtung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kunden rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen zur Verfügung zu stellen, die angemessen sind, damit die Kunden nach vernünftigem Ermessen die Art und die Risiken der ihnen angebotenen
66
Bamberger
1432
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
oder von ihnen nachgefragten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen verstehen und auf dieser Grundlage ihre Anlageentscheidungen treffen können. Die Informationen können auch in standardisierter Form zur Verfügung gestellt werden. Sie müssen sich beziehen auf (1.) das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seine Dienstleistungen, (2.) die Arten von Finanzinstrumenten und vorgeschlagenen Anlagestrategien einschließlich damit verbundener Risiken, (3.) Ausführungsplätze und (4.) Kosten und Nebenkosten. Weiteres wird ausgeführt. § 31 IV WpHG n. F. begründet besondere Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, das Anlageberatung oder Finanzportfolioverwaltung erbringt. Ein solches Unternehmen muss von den Kunden zunächst alle Informationen einholen über Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, über die Anlageziele der Kunden und über ihre finanziellen Verhältnisse, die erforderlich sind, um den Kunden ein für sie geeignetes Finanzinstrument oder eine für sie geeignete Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können. Die Geeignetheit beurteilt sich danach, ob das konkrete Geschäft, das dem Kunden empfohlen wird, oder die konkrete Wertpapierdienstleistung im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung den Anlagezielen des betreffenden Kunden entspricht, die hieraus erwachsenden Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind und der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die hieraus erwachsenden Anlagerisiken verstehen kann. Eine demgegenüber eingeschränkte Erkundigungspflicht begründet § 31 V WpHG n. F. für Fälle der Erbringung anderer als der in Abs. 4 genannten Wertpapierdienstleistungen. Hier hat ein zur Ausführung von Kundenaufträgen tätiges Wertpapierdienstleistungsunternehmen von den Kunden Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen einzuholen, soweit diese Informationen erforderlich sind, um die Angemessenheit der Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen für die Kunden beurteilen zu können. Dabei beurteilt sich die Angemessenheit danach, ob der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken in Zusammenhang mit der Art der Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen angemessen beurteilen zu können. Eine abweichende Regelung von den Erfordernissen der Absätze 4 und 5 begründet § 31 VI WpHG n. F., soweit die in den Absätzen 4 und 5 genannten Informationen auf Angaben des Kunden beruhen. Hier hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben seiner Kunden nicht zu vertreten, es sei denn, die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Kundenangaben ist ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt. Nach § 31 Abs. 7 WpHG n. F. gelten die Pflichten nach Abs. 5 nicht, soweit das Wertpapierdienstleistungsunternehmen (1.) auf Veranlassung des Kunden Finanzkommissionsgeschäft, Eigenhandel, Abschlussvermittlung oder Anlagevermittlung in Bezug auf Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt oder einem gleichwertigen Markt zugelassen sind, Geldmarktinstrumente, Schuldverschreibungen und andere verbriefte Schuldtitel, in die kein Derivat eingebettet ist, von einer Kapitalanlagegesellschaft verwaltete Publikums-Sondervermögen nach den Anforderungen der Richtlinie 85/611/ EWG oder in Bezug auf andere nicht komplexe Finanzinstrumente erbringt und (2.) den Kunden darüber informiert, dass keine Angemessenheitsprüfung i.S.d. Abs. 5 vorgenommen wird. Die Information kann in standardisierter Form erfolgen. § 31 Abs. 8 WpHG n. F. begründet die Verpflichtung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ihren Kunden in geeigneter Form über die ausgeführten Geschäfte oder die erbrachte Finanzportfolioverwaltung zu berichten.
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1433
Die Regelung setzt die entsprechenden Bestimmungen der zugrundeliegenden Richtlinie der EU (MiFID) um; bis zum Inkrafttreten dieser Richtlinie galt die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie. Das Gesetz ist richtlinienkonform auszulegen. Es dient auch dem Schutz des Kunden, dadurch mittelbar dem Vertrauen in die Integrität und Sachkunde der Wertpapierdienstleistungsunternehmen und damit auch dem der Anleger in das ordnungsgemäße Funktionieren der Wertpapiermärkte. Bei Auslegungszweifeln ist entsprechend dieser Zweckrichtung der dem Kundenschutz am besten dienenden Auslegung der Vorrang einzuräumen. Hauptpflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ist die bestmögliche Wahrung der Interessen des Kunden.
67
aa) Wahrung der Interessen des Kunden. Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben im bestmöglichen Interesse des Kunden („best interests“) zu handeln. Kunde ist dabei der Auftraggeber des Unternehmens. Das ist nicht der Bevollmächtigte oder Bote des Auftraggebers. Das Kundeninteresse ist mit „Sachkunde, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit“ wahrzunehmen. Auch gegenüber berufserfahrenen Kunden ist die verkehrserforderliche Sorgfalt zu wahren (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 5; S. 678; Kümpel, WpHG, S. 163). Bei richtlinienkonformer Auslegung sind die Begriffe „Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit“ wie die entsprechenden Begriffe der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und der MiFID auszulegen. Eine richtlinienkonforme Auslegung ergibt auch, dass nicht das allgemeine Interesse des Kunden maßgebend sein kann, sondern sein bestmögliches Interesse (vgl. schon Art. 11 I 1., 2. Spiegelstrich WpDRiL: „In the best interests“; Assmann/ Schneider-Koller, § 31 Rn. 1, 9 ff.). Daraus folgt auch, dass auf die ganz individuellen konkreten Interessen des Kunden abzustellen ist, die dieser durch entsprechende Äußerung, ggf. Weisungen dem Unternehmen gegenüber deutlich machen kann. Ist erkennbar, dass ein Auftrag nicht im bestmöglichen Interesse des Kunden liegt, so ist er darauf hinzuweisen (B. Ziff. 3.3 I 3 der Richtlinie der BAFin). Bei besonderen Umständen besteht eine Warnpflicht (Reich, WM 1997, 1601 (1603)).
68
Aufträge i. S. d. § 2 III Nr. 1, 3, 4, 6 WpHG sind zu den günstigsten Kursen auszuführen (B. Ziff. 3.3 V 1 der Richtlinie der BaFin). Die aus dem Geschäft entstehenden Vor- und Nachteile sind sorgfältig und sachkundig gegeneinander abzuwägen. Maßgeblich ist, ob das Unternehmen vernünftigerweise annehmen durfte, dass kein anderes Geschäft dem erkennbaren Interesse des Kunden besser entspricht. Die Aufträge sind so schnell, wie dies vernünftigerweise möglich und im Rahmen der Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten zulässig ist, auszuführen (OLG Oldenburg WM 1993, 1879; Kümpel/Veil, WpHG, S. 178 ff.; B. Ziff. 3.2 I u. 3.3. III der Richtlinie der BAFin). Eine Bündelung von Aufträgen ist möglich; sie ist geboten, wenn dadurch die Mehrheit der Kunden besser gestellt wird (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 12). Hinsichtlich des Ausführungsortes hat das Unternehmen zu berücksichtigen, wo es vernünftigerweise die besten Konditionen erwarten darf. Die Aufträge dürfen im Allgemeinen an den örtlichen Börsen erledigt werden. Entspricht es den Interessen des Kunden besser, sind die Aufträge auswärts auszuführen. Die Ausführungsgeschäfte nach § 2 III Nr. 1 WpHG sind unverzüglich den jeweiligen Kunden zuzuordnen (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 14, 15). Ebenso ist im Fall des § 2 III Nr. 1 und 3 unverzüglich eine Ausführungsanzeige zu versenden (Assmann/Schneider-Koller, a. a. O.; zu den Pflichten der Direktbanken bei der Orderausführung vgl. Balzer, WM 2001, 1533 (1536)).
69
Was die Vergütung betrifft, so wird mit Recht im Wege richtlinienkonformer Auslegung schon aus der Bestimmung des Art. 11 I 1. Spiegelstrich WpDRiL hergeleitet, dass sie vereinbart sein muss und nicht übermäßig sein darf (vgl. B. Ziff. 3.3 VI der Richtlinie der BAFin). Unzulässig sind nicht erst Vergütungen, die in ihrer Höhe gegen die guten Sitten verstoßen, sondern schon solche, die nicht der Billigkeit entsprechen (§ 315 BGB; Ass-
70
Bamberger
1434
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
mann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 18). Zahlung von Provisionen an Mitarbeiter oder Dritte sind möglich. Sie dürfen aber keine Anreize dafür schaffen, dass sich der Angestellte oder Dritte über das Kundeninteresse hinwegsetzt. 71
bb) Interessenkonflikte. Nach § 31 I, II ist das Geschäftsverhalten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens an erster Stelle darauf zu richten, dass Interessenkonflikte allgemein vermieden werden. Bei unvermeidbaren Interessenkonflikten ist im Rahmen einer vernünftigen, sachgerechten und kundeninteressenorientierten Ermessensausübung das Gebot der bestmöglichen Ausführung des Auftrags im Individualinteresse des Kunden auszuüben. Da sich Interessenkonflikte nicht vermeiden lassen, vielmehr selbst das Provisionsinteresse des Unternehmens in Kollision sein kann zum Geschäftsinteresse des Kunden, kann die Vorschrift nur im Sinne einer ausreichenden Anstrengung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 36 ff.), Interessenkonflikte zu vermeiden bzw. kundeninteressenorientiert auszugleichen und zu lösen, verstanden werden (Kümpel, Rn. 16.422). Dabei ist allerdings der Konflikt nach Möglichkeit schon im Vorfeld der Geschäftserledigung zu vermeiden, weil nur auf diese Weise Manipulationsgefahr ausgeschaltet werden kann. Konfliktvermeidung ist möglich durch Aufklärung, sachgerechte Organisation (vgl. dazu unten Rn. 93–99), Auftragserledigung nach Prioritätsgrundsätzen, hilfsweise nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Kunden. Wo diese Maßnahmen nicht hilfreich sein können, hat das Unternehmen notfalls von der Ausführung des Auftrages abzusehen.
72
Der Kunde ist ganz konkret über die Möglichkeit des entstehenden Interessenkonflikts aufzuklären. Da er es letztlich ist, der sein Interesse definiert, entfällt ein Konflikt, wenn er bereit ist, bestimmte Risiken hinzunehmen (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 37 ff). Die Aufklärung hat vollständig und konkret zu sein. Sie muss es dem Kunden ermöglichen, die Gefährdung und ihren Umfang einschätzen zu können (BGH ZIP 1995, 18 (20)). Auf Wissensstand und Erfahrung des Kunden ist Rücksicht zu nehmen. In jedem Fall muss der Kunde erkennen können, dass und in welcher Weise sich seine Gewinnchancen mindern. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist immer dann zur Aufklärung verpflichtet, wenn der Interessenkonflikt auf andere Weise nicht vermieden werden kann. Die Aufklärung muss ferner zumutbar sein. Zumutbarkeit kann entfallen, falls die Information einen erheblichen Eingriff in die Sphäre des Wertpapierdienstleistungsunternehmens darstellen würde, etwa weil der Konflikt ausschließlich darauf beruht, dass das Unternehmen einen Eigenbestand in den gehandelten Wertpapieren hat oder Eigengeschäfte plant (GKHGB-Canaris, Bd. III/2, Rn. 1899; Hopt, S. 446). Eine Pflicht zur Aufklärung besteht ferner nicht, wenn andernfalls gegen das Insiderverbot (§ 14 I Nr. 2, 3 WpHG) verstoßen werden würde (vgl. dazu Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 50). Interessenkonflikte können bereits durch eine entsprechende Organisation vermieden werden. Insoweit konkretisiert § 33 I Nr. 2, 3 WpHG die Vorschrift des § 31 I Nr. 2 WpHG (vgl. unten Rn. 93–99).
73
Besteht ein Interessenkonflikt zwischen mehreren Kunden des Unternehmens, so kann er durch Einhaltung des Prioritätsgrundsatzes vermieden werden (vgl. Kümpel, Rn. 16.423; WM 1993, 2025 (2027); Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 55 ff.). Für die Frage des Zeitrangs ist nicht maßgeblich der Eingang des Auftrags, sondern die Frage, wann er kundeninteressenkonform erfüllbar ist. Im Verhältnis des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zum Kunden ist Interessenkollisionsvermeidung nur dadurch möglich, dass das Eigengeschäft erst dann ausgeführt werden darf, wenn der konkurrierende Kundenauftrag bereits ausgeführt ist (Assmann/Schneider-Koller, a. a. O.).
74
Gebietet es das Interesse der einzelnen Kunden, ihre Aufträge (ggf. auch mit Eigenhandelsgeschäften des Unternehmens) zu einem Auftrag zusammenzufassen, weil auf diese
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1435
Art und Weise bessere Konditionen erzielbar sind, so sind entsprechend dem Gleichbehandlungsgrundsatz die Vorteile des Geschäfts anteilig auf die Kunden bzw. die Kunden und das Unternehmen zu verteilen. Das gilt nicht, vielmehr ist der Prioritätsgrundsatz zu beachten, wenn bei Zusammenfassung der Aufträge für die Kunden ungünstigere Bedingungen hinzunehmen sind, als es bei einer Erledigung nach Zeitrang der Fall gewesen wäre (Koller, BB 1978, 1733 (1735)). Auch hier ist aber eine Gesamtbetrachtung möglich, die in Rechnung stellt, dass Kursnachteile durch Vergütungsvorteile aufgewogen werden können. Bei unvermeidbaren Interessenkonflikten ist das bestmögliche Kundeninteresse entscheidend. Entsprechend der für die Auslegung der Vorschrift mit maßgeblichen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (dort Art. 11 I 6. Spiegelstrich) müssen die Kunden „nach Recht und Billigkeit behandelt werden“. Danach ist alles zu tun, was dem Interesse des Kunden dient und geeignet ist, Schaden von ihm abzuwenden. Interessenkonflikte können sich aus Eigengeschäften des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ergeben (Wertpapierkäufe bzw. –verkäufe, die die Kurse nach oben oder nach unten beeinflussen), ferner zwischen mehreren Kunden, wenn nicht alle Aufträge i. S. d. § 2 III Nr. 1 WpHG zu denselben Bedingungen ausführbar sind. Bei notwendiger gemeinsamer Erledigung von Aufträgen sind die Kunden gleichmäßig bei der Verteilung der Vorteile zu berücksichtigen (B. Ziff. 3.5 I 2 der Richtlinie der BaFin). Das Unternehmen selbst darf daran erst teilnehmen, wenn der Gesamtauftrag ausgeführt ist oder, bei Teilausführung, soweit die Vorteile der Zusammenfassung durch Eigendisposition gestiegen sind (Assmann/ SchneiderKoller, § 31 Rn. 69). Nicht im Interesse des Kunden ist die Auftragsausführung auch dann, wenn die zu entrichtende Vergütung unangemessen hoch ist. Hier stellt E. Ziff. 1. II der Richtlinie der Bundesanstalt darauf ab, dass die Kosten im Verhältnis zum eingesetzten Kapital und dem erzielbaren Gewinn nicht unangemessen hoch sein dürfen. Kurspflege ist zulässig, auch wenn sie in Konflikt treten kann zu dem Interesse von Kunden, die auf größere Kursschwankungen spekulieren. Der Kunde ist auf die Möglichkeiten und Folgen einer Kurspflege hinzuweisen (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 71). Ein Interessenkonflikt kann sich daraus ergeben, dass Wertpapiere, Geldmarktinstrumente oder Derivate abgesetzt werden, die das Unternehmen selbst oder eine mit ihm verbundene Gesellschaft emittiert hat. Dabei ist die Gefahr besonders groß, wenn Marktoder Unternehmensanalyseergebnisse veröffentlicht werden. Aufklärung hilft hier wenig. Notfalls muss das Unternehmen auf das eigene Geschäft verzichten, wenn es beabsichtigt, die Analyse zu veröffentlichen (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 74 ff.). Entsprechend E. Ziff. 2. II der Richtlinie der Bundesanstalt sind Eigengeschäfte vor Empfehlungen ausnahmsweise zulässig, wenn die Kunden auf die konkrete Gefahr unmissverständlich hingewiesen worden sind, wenn die Kursbeeinflussung durch die Empfehlung aller Wahrscheinlichkeit nach nur in unwesentlicher Höhe zu erwarten ist, wenn die Eigengeschäfte im Interesse des Kunden liegen oder wenn es sich um Eigengeschäfte im Rahmen von Market-Maker-Aktivitäten handelt. Immer ist darüber aufzuklären, dass das Unternehmen an der Emission beteiligt ist (Assmann/Schütze-Roth, § 12 Rn. 79 f.).
75
Interessenkonflikte können sich schließlich daraus ergeben, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für bestimmte Verhaltensweisen Bonifikationen oder sonstige Vergütungen von dritter Seite erhält. Nach h.M. soll das in Deutschland zulässig sein (GKHGB-Canaris, Bd. III/3, Rn. 1891 m. w. N.). Das erscheint nicht unbedenklich. In jedem Fall ist zu fordern, dass der Kunde entsprechend aufgeklärt wird; notfalls ist auf die Zuwendung zu verzichten.
76
cc) Bearbeitung von Kundenaufträgen (§ 31c WpHG). Die Bearbeitung von Kundenaufträgen ist heute in der vorgenannten Vorschrift im Einzelnen detaillierter geregelt. Nach Abs. 1 der Bestimmung muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen geeignete
77
Bamberger
1436
78
79
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Vorkehrungen treffen, um (1.) Kundenaufträge unverzüglich und redlich im Verhältnis zu anderen Kundenaufträgen und den Handelsinteressen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens auszuführen oder an Dritte weiterzuleiten, (2.) vergleichbare Kundenaufträge der Reihenfolge ihres Eingangs nach auszuführen oder an Dritte zum Zwecke der Ausführung weiterzuleiten, vorbehaltlich vorherrschender Marktbedingungen oder eines anderweitigen Interesses des Kunden, (3.) sicherzustellen, dass Kundengelder und Kundenfinanzinstrumente korrekt verbucht werden, (4.) bei der Zusammenlegung von Kundenaufträgen mit anderen Kundenaufträgen oder mit Aufträgen für eigene Rechnung desWertpapierdienstleistungsunternehmens die Interessen aller beteiligten Kunden zu wahren, (5.) sicherzustellen, dass Informationen im Zusammenhang mit noch nicht ausgeführten Kundenaufträgen nicht missbraucht werden, (6.) jeden betroffenen Kunden über die Zusammenlegung der Aufträge und damit verbundene Risiken und jeden betroffenen Privatkunden unverzüglich über alle ihm bekannten wesentlichen Probleme bei der Auftragsausführung zu informieren. dd) Aufklärung der Verhältnisse des Kunden („Exploration“). Schon nach § 31 II Nr. 1 a. F. WpHG war das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Einholung von Angaben über Verhältnisse und Anlageziele des Kunden verpflichtet. Heute beschreibt § 31 Abs. 4 n. F. WpHG für die Anlageberatung und Portfolio und Finanzportfolioverwaltung vollständiger und genauer, was insoweit gilt (vgl. Mülbert, WM 2007, 1149, 1155 f. zum Anlegerschutz bei Zertifikaten). Die Vorschrift nimmt Aspekte der Rechtsprechung und Literatur zu der bis 31. Oktober 2007 geltenden Vorschrift auf. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der „Erforderlichkeit“ der Erkundigung. Bereits unter der Geltung des § 31 Abs. 2 a. F. WpHG bestand ein Erforderlichkeitsvorbehalt, für den die Fähigkeit maßgeblich war, auf der Basis der erhaltenen Informationen eine Aussage über die Geeignetheit eines Geschäfts für den Kunden treffen und eine Empfehlung abgeben zu können (vgl. Weichert/Wenninger, WM 2007, 627, 630). Die Vorschrift hat verbraucherschützende Funktion (Kübler, FS Coing, Bd. II, S. 193 (205 ff.) zu der früheren Regelung). Sie ist nicht lediglich ein Instrument der Verbraucherinformation, das dem Kunden im Rahmen seiner freien Entscheidung auch die Auswertung der Information überlässt. Vielmehr muss im Hinblick auf die Komplexität der Materie einerseits und das vielfach hohe Risiko für den Kunden andererseits davon ausgegangen werden, dass, je nach der getroffenen Vereinbarung, das Unternehmen auch zu einer sachgerechten Empfehlung und ggf. auch Warnung des Kunden verpflichtet ist. Die Vorschrift ist zwingendes Recht und deshalb nicht vertraglich abdingbar. Heute ist der Wortlaut der Bestimmung so gefasst, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Angaben sowohl über Kenntnisse als auch über Erfahrungen zu verlangen hat. Mit dem Begriff „Anlageziele“ sind zum einen die von dem Kunden mit der Anlage verbundenen Zwecke gemeint, daneben aber auch die Einstellung des Kunden zu den Risiken, also die Frage, ob der Kunde eher zu hohen Risiken bereit ist oder Schutz vor Risiken erwartet (Oehler, ZBB 1998, 230). Was der Kunde erwartet, ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Sinnvoll erscheint es, bei Privatkunden in die typischerweise gegebenen fünf Gruppen „Vermögenserhöhung“, „eigene Vorsorge“, „Einkommenserhöhung“, „Familienvorsorge“ oder „Anschaffungen“ zu gliedern (Oehler, S. 154). Je allgemeiner die Differenzierung, je unbrauchbarer sind die Kriterien. Nach B. Ziff. 3.3 I der Richtlinie der BAFin sind Kunden, die die Ausführung eines Auftrags wünschen, der außerhalb der von ihnen mitgeteilten Risikokategorie liegt, vor Ausführung des Auftrags entsprechend aufzuklären. Auch die zu erfragenden Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Kunden dienen in erster Linie dem Anlegerschutz, weniger der Abwehr des Insolvenzrisikos für das Unternehmen. Es geht um die Frage der „Risikofähigkeit“ (Lang, S. 207 f.). Das betrifft in erster Linie das Jahres-Nettoeinkommen, daneben aber auch Berufsaussichten, beste-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1437
hende finanzielle Lasten, andere Vermögenswerte. Abzustellen ist darauf, inwieweit das konkret ins Auge gefasste Geschäft die Angaben erforderlich erscheinen lässt. Kunde ist entsprechend § 31a n. F. WpHG der Auftraggeber, bei verdeckter Stellvertretung ist es der Stellvertreter, wobei allerdings, soweit möglich, das Unternehmen mittelbar auch die Anlageziele und finanziellen Verhältnisse des Dritten im Auge haben muss. Handelt ein Unternehmen durch Organe und gesetzliche Vertreter, so ist Auftraggeber das Unternehmen. Maßgebend sind seine finanziellen Verhältnisse; die Anlageziele werden allerdings durch die Organe und gesetzlichen Vertreter definiert. Rechtsgeschäftliche Vertreter (§ 164 BGB) sind nicht selbst Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens.
80
Angaben können nur insoweit verlangt werden, als sie erforderlich sind, um den Kunden ein für sie geeignetes Finanzinstrument oder eine für sie geeignete Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können. Nach B. Ziff. 2.1 I und 2.1 IV der Richtlinie der Bundesanstalt ist der Umfang der vom Kunden einzuholenden Angaben am Interesse des Kunden und an der Art und am Umfang der beabsichtigten Geschäftsarten auszurichten. Bei professionellen Kunden (§ 31 IX WpHG, § 31a II WpHG) ist das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen seiner Pflichten nach § 31 IV berechtigt, davon auszugehen, dass sie für die Produkte, Geschäfte oder Dienstleistungen, für die sie als professionelle Kunden eingestuft sind, über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die mit den Geschäften oder der Finanzportfolioverwaltung einhergehenden Risiken zu verstehen, Besondere Informationen brauchen wohl nicht eingeholt zu werden, wenn die Bank, sei es aus der Selbstdarstellung eines Kunden, sei es, weil ihr das Anlageverhalten des Kunden seit längerem bekannt ist, derartige Informationen nicht braucht. Nach § 31 II 2 a. F., IV n. F. WpHG ist der Kunde nicht verpflichtet, Angaben zu machen. Auch im Falle seiner Weigerung bleibt aber das Unternehmen gehalten, die erkennbaren Interessen des Kunden zu wahren (§ 31 I Nr. 1 WpHG). Erlangt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die erforderlichen Informationen nicht, darf es im Zusammenhang mit einer Anlageberatung kein Finanzinstrument empfehlen oder im Zusammenhang mit einer Finanzportfolioverwaltung keine Empfehlung abgeben (§ 31 IV letzter Satz n. F. WpHG).
81
Macht der Kunde Angaben, so brauchen diese nicht überprüft zu werden (Raeschke-Kessler, WM 1996, 1764 (1768); § 31 VI n. F. WpHG). Sind die Angaben offenkundig unglaubwürdig, kann das Unternehmen den Kunden so behandeln, als habe er die Angaben verweigert (Raeschke-Kessler, a.a.O.). Die Erkundigungen sollten in Jahres-Abständen wiederholt werden (BuB-Jütten, 7/9; Schödermeier, WM 1995, 2053 (2058)); wo sich erkennbar die Verhältnisse früher schon wesentlich geändert haben, ist eine frühere Nachfrage notwendig.
82
Nach § 31 II Nr. 2 a. F.; III n. F. WpHG ist das Wertpapierunternehmen verpflichtet, dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Kundeninteressen und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte notwendig ist. Information meint Aufklärung, aber, da es um die Wahrung des Kundeninteresses geht, auch Beratung. Letztere war bei einer Ausrichtung der Auslegung an der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Art. 11 I S. 4 5. Spiegelstrich) nach dem bis 31. Oktober 2007 geltenden Recht grundsätzlich auch von dem Discount Broker (der Direktbank) zu verlangen (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 103, 167; a. A. Köndgen, ZBB 1996, 361 (365)). Die Information ist vollständig anzubieten. Allerdings kann der Kunde sie ablehnen. Vollständige Information ist auch dort nicht notwendig, wo der Kunde selbst über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügt (Professionalität).
83
Die gegebenen Informationen müssen wahr und vollständig sein sowie dem Kunden in verständlicher Weise vermittelt werden. Was die Richtigkeit der Information angeht, so
84
Bamberger
1438
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
müssen sich die Wertpapierdienstleistungsunternehmen der allgemein verfügbaren Informationsquellen (Wirtschaftspresse, Brancheninformationsdienste, Datenbanken, Prospekte, Ratings) bedienen und diese auswerten. Auf in der Regel zuverlässige Informationsquellen (z.B. Gutachten von Sachverständigen) können sich die Unternehmen verlassen. Bei der Beschaffung der Information spielen prinzipiell Kostenaspekte keine Rolle. Die Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Einzelheiten zu informieren (vgl. BGH WM 1990, 1658; Schwennicke, WM 1998, 1101 (1102)). Das beinhaltet Angaben über die Wirtschaftslage, betrifft aber vor allem die konkrete anlagebezogene Aufklärung in Bezug auf Nutzen, Kosten, Modalitäten des Erwerbs, des Haltens, der Liquidation der Anlage, und der Rechtsverfolgung (BGH WM 1987, 103 (104); 1989, 807; 1991, 127, (128); 1991, 315 (317); 1992, 770; Köndgen, WuB I G 4.-7.94). Besonders wichtig ist die Aufklärung über sämtliche relevanten Risiken. Das sind die sich auf den Markt und die Bonität des Unternehmens beziehenden Risiken (vgl. BGH ZIP 1993, 1148; OLG Nürnberg ZIP 1998, 380 (381); OLG Koblenz WM 1996, 1089; OLG Schleswig WM 1996, 1487). Das betrifft ferner die geschäftsbezogenen Risiken, also die sich z.B. auf die Investitionslage und die Verschuldung beziehenden Risiken, daneben aber auch jedes Risiko irgendeiner anderen Art. Die Beratung über das Risiko ist auszurichten am konkreten Anlagegeschäft. Daraus folgt, dass bei Derivaten und Optionsscheinen auch über den Basiswert, die Risiken der Produkte, die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Funktionsweise und den Ertrag informiert werden muss. Bei Investmentanteilscheinen ist auch auf die Zusammensetzung des Fondsvermögens, die Anlagestrategie des Fonds, ferner auf die Verwendung der Erträge, die Ausgabekosten, das Kursrisiko und das Bewertungsverfahren hinzuweisen (B. Ziff. 2.2.3 der Richtlinie der Bundesanstalt). 85
Die Aufklärung muss dem Kunden so gegeben werden, dass er sie versteht. Dabei ist auf das Wissen, die Erfahrung und die Auffassungsgabe des Kunden Rücksicht zu nehmen. Schwierige wirtschaftliche Zusammenhänge sind schriftlich zu erläutern, notfalls mündlich weiter zu erklären.
86
Da § 31 II Nr. 2 a. F., III n. F. WpHG als zwingende Vorschrift nicht abdingbar ist, kann der Kunde auf eine interessengerechte Information nicht verzichten. Es wird aber allgemein angenommen, dass eine Information nicht gegeben werden muss, wenn sich der Kunde bestimmt und endgültig weigert, sich informieren zu lassen (vgl. Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 159 ff.; Balzer, DB 1997, 2311). In allen anderen Fällen ist zu informieren. Erklärungen und Maßnahmen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die darauf gerichtet sind, den Kunden seine Informationsbedürftigkeit ablehnen zu lassen (beispielsweise durch das besondere Abverlangen einer Vergütung für Beratung) sind unzulässig.
87
b) Besondere Verhaltensregeln. Da die Vorschriften des § 32 WpHG a. F. in den Bestimmungen zur Umsetzung der MiFID nahezu vollständig enthalten sind, sind sie mit der Neufassung des Wertpapierhandelsgesetzes ab 1. November 2007 wegfallen. Nach der bis 31. Oktober 2007 geltenden Vorschrift des § 32 I a. F. WpHG war es einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen verboten, (1.) Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens den Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten zu empfehlen, wenn und soweit die Empfehlung nicht mit den Interessen der Kunden übereinstimmt; (2.) Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens den Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten zu dem Zweck zu empfehlen, für Eigengeschäfte des Wertpapierdienstleistungsunternehmens oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens Preise in eine bestimmte Richtung zu lenken; (3.) Eigengeschäfte
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1439
aufgrund der Kenntnis von einem Auftrag eines Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zum Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten abzuschließen, die Nachteile für den Auftraggeber zur Folge haben können. Nach Abs. 2 der Vorschrift war es den Geschäftsinhabern eines in der Rechtsform des Einzelkaufmanns betriebenen Wertpapierdienstleistungsunternehmens, bei anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Personen, die nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag mit der Führung der Geschäfte des Unternehmens betraut und zu seiner Vertretung ermächtigt sind, sowie den Angestellten eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die mit der Durchführung von Geschäften in Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten, der Wertpapieranalyse oder der Anlageberatung betraut sind, verboten, (1.) Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens den Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten unter den Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 oder zu dem Zweck zu empfehlen, für den Abschluss von Geschäften für sich oder Dritte Preise von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten in eine bestimmte Richtung zu lenken; (2.) aufgrund der Kenntnis von einem Auftrag eines Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zum Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten Geschäfte für sich oder einen Dritten abzuschließen, die Nachteile für den Auftraggeber zur Folge haben können. Diese Regelungen galten unter den in § 31 III bestimmten Voraussetzungen auch für Unternehmen mit Sitz im Ausland.
88
aa) Verbote nach § 32 I a. F. WpHG. Verbunden im Sinne der Vorschrift sind alle Unternehmen, auf die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen beherrschen können. Das Unternehmen darf keine Empfehlung aussprechen, die nicht im Interesse des Kunden ist. Gemeint ist das subjektive und bestmögliche Interesse des Kunden. Bei mehreren in Betracht kommenden Anlagen ist die dem konkreten Interesse des Kunden am besten entsprechende zu empfehlen. Interessen des Unternehmens sind ohne Belang.
89
Das Empfehlungsverbot gemäß § 32 I Nr. 2 a. F. WpHG diente sowohl dem Kundeninteresse als auch der Integrität des Marktes (Art. 11 I 1. Spiegelstrich der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie). Es verbietet alle von böser Absicht getragenen Empfehlungen (Kümpel, Rn. 16.488 ff.).
90
§ 32 I Nr. 3 a. F. WpHG, der das sog. Vor-, Mit- und Gegenlaufen, also Eigengeschäfte der Unternehmen vor der Ausführung, parallel zur Ausführung oder durch gezielte Gegenorders verbietet (Kümpel, Rn. 16.492), hat neben § 31 I Nr. 2 WpHG nur geringe praktische Bedeutung, weil der Kunde die Kausalität zwischen Kenntnis des Kundengeschäfts und dem Eigengeschäft nachweisen muss (vgl. Koller, BB 1978, 1733 (1736)).
91
bb) Verbote nach § 32 II a. F. WpHG. Die Vorschrift bestimmte zunächst ein zusätzliches Verbot im Hinblick auch auf die Privatgeschäfte des Einzelkaufmanns. Sie betrifft außerdem die Organe von Gesellschaften aller Art (vgl. §§ 114, 125, 161 II HGB, 35 GmbHG, 76 AktG), ferner die mit der Durchführung von Geschäften in Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten betrauten Angestellten. Die Vorschrift hatte zwei Zielrichtungen. Sie erstreckt § 32 I Nr. 1 a. F. WpHG auf den vorbezeichneten Personenkreis. Durch ihr Verbot der Marktmanipulation greift sie das Empfehlungsverbot nach § 32 I Nr. 2 WpHG auf.
92
2. Organisationspflichten. Die Organisationspflichten werden in dem neu gefassten § 33 WpHG umfassend geregelt. Auch hier wird die alte Regelung ergänzt durch zwischen-
93
Bamberger
1440
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
zeitlich in der wissenschaftlichen Diskussion und in der Rechtsprechung erfolgte und für notwendig gehaltene Präzisierungen (Buck-Heeb, WM 2008, 281). 94
Bereiche, die für die Durchführung der Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen wesentlich sind, dürfen auf ein anderes Unternehmen nur ausgelagert werden, wenn dadurch weder die Ordnungsmäßigkeit dieser Dienstleistungen noch die Wahrnehmung der Pflichten nach § 33 I WpHG, noch die entsprechenden Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten der Bundesanstalt beeinträchtigt werden. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat sich insbesondere die erforderlichen Weisungsbefugnisse vertraglich zu sichern und die ausgelagerten Bereiche in seine internen Kontrollverfahren einzubeziehen (§ 33 II WpHG). Vgl. auch die Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 I WpHG vom 25.10.1999, BAnz Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18 453.
95
a) Mittel und Verfahren. Anders als der §§ 31 WpHG ist § 33 wohl kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB. Gleichwohl bezweckt auch diese Norm den Anlegerschutz, ferner die Gewährleistung von Stabilität und Funktionieren der Wertpapiermärkte. Mittel im Sinne der Vorschrift sind das Personal, daneben die sächlichen Mittel. Mit Letzteren ist insbesondere ein genügendes Eigenkapital, ferner sind die die notwendigen Informationen enthaltenden Veröffentlichungen gemeint. Unter Verfahren sind alle nach bestimmten Regeln erfolgenden Vorgehensweisen des Unternehmens zu verstehen. Das Unternehmen muss dafür Sorge tragen, dass der Informationsfluss optimal organisiert ist. Mitarbeiter sind den Anforderungen der Aufgaben entsprechend auszuwählen und kontinuierlich zu schulen. Ausbildung und Schulung müssen der Komplexität und Bedeutung der Aufgabe gerecht werden. Nicht selten bedienen sich Banken und Wertpapierdienstleister für das Wertpapiergeschäft nicht ausreichend qualifizierter Mitarbeiter. Da bei schwierigsten Verhältnissen und höchsten Risiken schriftliche Aufklärung notwendig ist, aber selbst sie noch ergänzend erläutert werden muss, sind auch an Qualifikation und Erfahrung des dafür eingesetzten Personals hohe Anforderungen zu stellen. Ob es ausreicht, geschulte Angestellte einzusetzen und selbst für komplizierte Zusammenhänge in der Kundenberatung aus Kostengründen auf Volljuristen oder Betriebswirte zu verzichten, ist höchst zweifelhaft (vgl. Horn, WM 1999, 1 (2)). Die Vorschrift gilt auch für Direktbanken (vgl. Balzer, WM 2001, 1533 (1539)).
96
Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen über eine ordnungsgemäße Buchhaltung verfügen. Die Unternehmen haben dafür Sorge zu tragen, dass ihr Vermögen geschützt ist, insbesondere vor Schädigungen durch eigene Mitarbeiter. Sie haben für den Schutz des Berufsgeheimnisses zu sorgen, ferner zu gewährleisten, dass die den Anlegern gehörenden Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Derivate geschützt sind, ferner die Kundengelder.
97
b) Vermeidung von Interessenkonflikten. Entsprechend § 33 I Nr. 3 WpHG hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die zur Vermeidung von Interessenkonflikten effizientesten Schutzvorkehrungen zu treffen (Kümpel, Rn. 16.495). Um auszuschließen, dass Informationen über Geschäftschancen von dafür nicht befugten Stellen ausgenutzt werden, sind Vertraulichkeitsbereiche zu organisieren. Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind das in der Regel die für die Ausführung der Kundenaufträge zuständige Abteilung, die Vermögensverwaltungsabteilung, die Emissionsabteilung, die Kreditabteilung, die für Research und Analyse zuständige Abteilung, ferner die Abteilung für Beteiligungsverwaltung (Assmann/Schneider-Koller, § 33 Rn. 21 ff.). Dass die Vertraulichkeit gewahrt bleibt, ist durch räumliche Maßnahmen (selbstständige Gebäude oder Unterbringung in verschiedenen Stockwerken), und, was die EDV-Systeme angeht, durch entspre-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1441
chende Zugangsschranken sicherzustellen. Über die Bedeutung der Einhaltung der Vertraulichkeit sind die Mitarbeiter ausreichend zu informieren, wenn notwendig zu schulen. Sie sind durch schriftliche Anleitungen darüber zu unterrichten, wie sie mit sensiblen Informationen umzugehen haben (Einsele, WM 1993, 1021 (1023)). Sie müssen darüber informiert sein, in welchem Vertraulichkeitsbereich sie sich befinden (Assmann/ Schneider-Koller, § 33 Rn. 25, 27 ff., 29). c) Kontrolle. Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen über ausreichende interne Kontrollverfahren (Compliance) verfügen (§ 33 I Nr. 1 WpHG; vgl. Spindler, WM 2008, 905), wozu insbesondere eine Regelung für private Transaktionen der Angestellten gehört. Dabei muss sich die Überprüfung der Transaktionen der Angestellten auf sämtliche Geschäfte beziehen, bei denen zu Gunsten der Mitarbeiter oder der ihnen nahe stehenden Personen manipuliert werden kann (Assmann/Schneider-Koller, § 33 Rn. 34 ff.). Durch geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, dass vertrauliche Informationen, die in einem bestimmten Bereich des Unternehmens eingetreten sind oder bekannt werden, diesen Bereich nur verlassen, wenn und soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Unternehmens erforderlich ist (Chinese Walls; Need-to-know-Prinzip). Für die Zwecke der Kontrolle haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine von den anderen Abteilungen unabhängige Kontrollabteilung zu schaffen, die effizient und laufend alle Mitarbeiter überwacht. Die Angestellten ihrerseits sind verpflichtet, ihre Wertpapier- und anderen Konten offen zu legen. Das gilt nicht nur für die im Wertpapiergeschäft Tätigen, sondern für alle Mitarbeiter. Besonders gefährliche Aktivitäten (Eintagestransaktionen, Spekulationen auf Kredit, der von einem anderen Unternehmen gewährt wird, Spekulationen unter Überziehung der Kreditlinie) müssen von vornherein verboten sein. Kontrollen haben stichprobenartig laufend zu erfolgen. Bereits im zugrunde liegenden Arbeitsvertrag hat sich das Unternehmen die Befugnis zur Kontrolle auszubedingen.
98
d) Auslagerung. § 33 II WpHG stellt sicher, dass die Effizienz der zu Zwecken des Kunden wie der Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarkts im Unternehmen und durch das Unternehmen notwendigen Regelungen und Maßnahmen nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass das Unternehmen entsprechende Bereiche auf ein anderes Unternehmen auslagert. Die Anforderungen des § 25a II KWG sind einzuhalten, insbesondere ist die Absicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank anzuzeigen. Von einer Auslagerung im Sinne der Vorschrift ist bereits dann auszugehen, wenn Unternehmensbereiche oder Unternehmensfunktionen ausgegliedert werden, ohne die eine ordnungsgemäße Erledigung der Kundenaufträge gefährdet sein würde. Eine Auslagerung ist zulässig, wenn durch geeignete Maßnahmen – Kontrolle, weitreichende Weisungsmöglichkeiten, Sicherstellung von Prüfungen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – gewährleistet wird, dass der Schutzzweck der Vorschrift, die berechtigten Kundeninteressen zu sichern, nicht wesentlich beeinträchtigt ist.
99
3. Finanztermingeschäfte. Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, das zu einer beträchtlichen Stärkung des Anlegerschutzes geführt hat (Fleischer, NJW 2002, 2977), waren in das Wertpapierhandelsgesetz die §§ 37d ff. eingefügt worden, die sich über Finanztermingeschäfte verhalten. § 37d a. F. WpHG (durch das FRUG aufgehoben) bestimmte bis zum 31. Oktober 2007 eine Informationsverpflichtung für entsprechende Unternehmen. Die Vorschrift ist in der ab 1. November 2007 geltenden Fassung nicht mehr enthalten, da ihr Schutzzweck in anderer Weise erfüllt wird (vgl. unten Rn. 104 a.E.). Nach § 37d I WpHG a.F. war ein Unternehmen, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderte, Finanztermingeschäfte abschloss oder solche Geschäfte anschaffte, veräußerte, vermittelte oder nachwies, verpflichtet, vor dem Vertragsabschluss einen Verbraucher schriftlich darüber
100
Bamberger
1442
101
102
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
zu informieren, dass (1.) die aus Finanztermingeschäften erworbenen befristeten Rechte verfallen oder eine Wertminderung erleiden können; (2.) das Verlustrisiko nicht bestimmbar sein und auch über etwaige geleistete Sicherheiten hinausgehen kann; (3.) Geschäfte, mit denen die Risiken aus eingegangenen Finanztermingeschäften ausgeschlossen oder eingeschränkt werden sollen, möglicherweise nicht oder nur zu einem verlustbringenden Preis getätigt werden können; (4.) sich das Verlustrisiko erhöht, wenn zur Erfüllung von Verpflichtungen aus Finanztermingeschäften Kredit in Anspruch genommen wird oder die Verpflichtung aus Finanztermingeschäften oder die hieraus zu beanspruchende Gegenleistung auf ausländische Währung oder eine Rechnungseinheit lautet. Die Unterrichtungsschrift durfte nur Informationen über die Finanztermingeschäfte und ihre Risiken enthalten und war von dem Verbraucher zu unterschreiben. Die Unterrichtung war jeweils vor dem Ablauf von zwei Jahren zu wiederholen. Ließ sich der Verbraucher, wie nicht selten, bei Erteilung von Aufträgen für Finanztermingeschäfte vertreten, so galt der Abs. 1 mit der Maßgabe, dass anstelle des Verbrauchers der Vertreter trat. Vertreter konnte nach Sinn und Zweck der den Verbraucher schützenden Vorschrift nicht das Unternehmen sein (vgl. zur Vertretung beim Abschluss von Finanztermingeschäften und bei deren Abwicklung mit Wirkung für Gemeinschaftskonten Zimmer/Unland, BB 2003, 1445). Nach § 37d IV 2 WpHG hatte das Unternehmen im Streitfall die ordnungsgemäße Information zu beweisen. Nach § 37e WpHG ist gegen Ansprüche aus Finanztermingeschäften, bei denen mindestens ein Vertragsteil ein Unternehmen i. S. d. § 37d I ist, der Einwand aus § 762 BGB nicht möglich. a) Die Termingeschäfte waren früher als Börsentermingeschäfte im Börsengesetz (§§ 50 bis 70) geregelt. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz hatte sie zum 1.7.2002 unter Aufhebung des § 764 BGB (Differenzeinwand) neu normiert. Die gesetzlich vorgeschriebene Aufklärungspflicht bestand nur gegenüber Verbrauchern (zum Begriff vgl. § 13 BGB). Daneben galten die allgemeinen von der Rechtsprechung entwickelten und sich aus § 31 II 2 Nr. 2 WpHG ergebenden Aufklärungs- und Beratungspflichten weiter (§ 37d V WpHG; Fleischer, NJW 2002, 2977 (2982)). Anders als beim Beratungsvertrag oder dort, wo Aufklärungs- und Beratungspflichten Nebenpflichten eines anderen Vertrags sind, handelte es sich bei der Informationspflicht nach § 37d a. F. WpHG um eine gesetzliche Aufklärungspflicht, deren Inhalt und Tragweite in der Vorschrift bestimmt wird. Die Verletzung der Pflicht wurde durch einen Schadensersatzanspruch sanktioniert, der in drei Jahren nach seiner Entstehung verjährte (§ 37d IV a. F. WpHG). Finanztermingeschäfte sind nach § 2 II a a. F. WpHG Derivate und Optionsscheine; der Begriff blieb zum Teil unklar (Fleischer, NJW 2002, 2977 (2981)), der früher verwendete Begriff des Börsentermingeschäfts weiter von Bedeutung. Heute ist der Begriff in § 37e S. 2 WpHG definiert als „die Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 und Optionsscheine“. b) Verpflichteter war der gewerbliche Anbieter oder Vermittler von Warentermin-, Aktien-, Aktienindexoptionen (BGH NJW 1991, 1106; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1477), ferner Devisenterminoptionen (BGHZ 124, 151; NJW 1994, 997, 1862), Warentermindirektoptionen (BGH NJW-RR 1996, 947), Stillhalteroptionsgeschäften (BGH NJW 1993, 257), Hedge Fonds (auf dem deutschen Kapitalmarkt Indexzertifikate; vgl. Luttermann/Backmann, ZIP 2002, 1017 (1019, 1023)) und Penny Stocks (BGH NJW 1991, 1108, 1947). Für die Verpflichtung ist unerheblich, ob der Unternehmer das Geschäft als Kommissionär oder als Eigenhändler abwickelt (BGH VersR 1986, 1242). Die Unterrichtung war, vor der Entschließung über die Anlage, schriftlich zu geben. Davon konnte prinzipiell nicht abgesehen werden. Die notwendige Unterschriftsleistung hatte der Verbraucher selbst oder sein hierzu bevollmächtigter Vertreter zu erbringen. Mit Sinn und Zweck der Regelung war es aber auch insoweit unvereinbar, wenn der Verbraucher das Unternehmen hierzu bevollmächtigte.
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1443
Die Pflicht galt prinzipiell nicht gegenüber Kaufleuten, erst recht nicht im bankmäßigen Wertpapierhandel (BGH NJW 1998, 2675; OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 45). Sie konnte entfallen bei Kunden, die ausdrücklich und bestimmt eine Beratung nicht wünschen oder, ohne dass insoweit Zweifel bestehen können, erfahren in derartigen Geschäften sind (BGH NJW-RR 1996, 947; BGHZ 139, 36; BGH NJW 1998, 994). Auch Direktbanken oder Discount Broker waren der Verpflichtung nach § 37d WpHG, die zwingendes Recht war, grundsätzlich nicht enthoben (a. A. BGH NJW 2000, 359).
103
c) Inhalt der Unterrichtung. Inhalt und Umfang der Information warem in § 37d I WpHG im Einzelnen vorgeschrieben. Ergänzend konnten sich aufgrund Vertrages, auch als Nebenverpflichtung, Pflichten zur weiteren Aufklärung ergeben. Auch bei Finanztermingeschäften gelten die allgemeinen Grundsätze über die anleger- und objektgerechte Aufklärung und Beratung (BGH NJW 1996, 1998, 2675; OLG Frankfurt ZIP 1998, 2148; OLG Düsseldorf ZIP 1999, 2144). Insbesondere ist über spezifische Risiken und die Verminderung der Gewinnchancen durch höhere als die übliche Provision aufzuklären (BGH NJW 1992, 1879; NJW-RR 1996, 947; OLG Frankfurt ZIP 1998, 1713; vgl. auch Gallandi, WM 2000, 279).
104
Entsprechend allgemeinen Grundsätzen muss auch hier die Information wahrheitsgemäß und vollständig, im Übrigen auch für den flüchtigen und unerfahrenen Leser klar verständlich, gedanklich geordnet und von der Gesamtgestaltung her geeignet sein, auch unerfahrenen Lesern einen realistischen Eindruck von den Eigenschaften und Risiken derartiger Geschäfte zu vermitteln (BGH NJW 1992, 1879; 1994, 907). Es genügt nicht, ein Urteil des Bundesgerichtshofs als „Risikohinweis“ zu verwenden (BGHZ 124, 155). Die Übersendung des Informationsblatts zum Börsengesetz genügt ebenfalls nicht (BGH NJW 1997, 2171; OLG Düsseldorf WM 1997, 562). Durch das FRUG ist § 37d WpHG aufgehoben worden. Heute leisten nach Ansicht des Gesetzgebers die überarbeiteten allgemeinen Erkundigungs- und Aufklärungspflichten die notwendige Aufklärung. Termingeschäfte werden in bezug auf die zu leistende Aufklärung mit Kassengeschäften gleichgestellt. Auf Erkundigungspflichten und Geeignetheitstests kann nur bei professionellen Anlegern verzichtet werden (vgl. Jordans, WM 2007, 1827).
105
II. Vertragliche Pflichten bei der Anlageberatung. 1. Allgemeines. Maßgebend ist der Beratungsvertrag. Ist Inhalt und Umfang von Aufklärung und Beratung dort ausdrücklich (u.U. schriftlich) niedergelegt, sind zunächst diese Regelungen heranzuziehen. Daneben können sich ergänzende Pflichten aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben (vgl. auch Kümpel, Rn. 16.435). Für die Vertragsauslegung können ferner die Verhaltensregeln für Verträge mit Wertpapierdienstleistern herangezogen werden. Was in den §§ 31 ff. WpHG vorgeschrieben wird, soll im Zweifel auch Vertragsinhalt eines Beratungsvertrages sein. Bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist diejenige vorzuziehen, die den Schutz des Kunden am besten garantiert. Der Beratungsvertrag umfasst seinem Wesen nach die Verpflichtung des Unternehmens zu einer umfassenden Beratung und Aufklärung des Kunden über alle wesentlichen Umstände, die mit der Geldanlage zusammenhängen. Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflicht hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH WM 1993, 1455 = NJW 1993, 2433; OLG Düsseldorf WM 1996, 1082; Köndgen, NJW 1992, 2263 (2272)). Der Zweck der Beratung besteht darin, dem Anlageinteressenten gegenüber dem professionellen Anbieter eine annähernd gleiche Verhandlungsstärke zu verschaffen. Ziel der Beratung muss es sein, dem Kunden eine wirklichkeitsnahe und sachgerechte Einschätzung seiner Gewinnchancen und Risiken zu ermöglichen (Claussen, S. 165). Die Notwendigkeit dazu ergibt sich daraus, dass der Grundsatz der Privatautonomie in einem der Rechts- und Werteordnung des Grundgesetzes gerecht werdenden Sinn nur dann gewahrt ist, wenn ein annä-
106
Bamberger
1444
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
hernd ausgewogenes Kräfteverhältnis zwischen den Vertragspartnern besteht (BVerfG NJW 1994, 36 (38); OLG Düsseldorf WM 1996, 1082; Grün NJW 1994, 1330 (1331 m. w. N.)). Besteht ein Ungleichgewicht zwischen der Sachkunde und Erfahrung des Anlageberaters und/oder – vermittlers einerseits und der des Kunden andererseits, so kann die gestörte Vertragsparität nur dadurch sachgerecht ausgeglichen werden, dass der erfahrene und informierte Anlageberater das beim Kunden vorhandene Aufklärungsdefizit durch eine entsprechende Information behebt. Dementsprechend hat sich die Intensität der erforderlichen Aufklärung an der Interessenlage des Schwächeren zu orientieren, wobei gleichzeitig zu erwägen ist, was den Parteien im Einzelfall unter Vertrauens- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten abverlangt werden kann (Grün, a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.). Inhalt und Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflicht werden folglich von einer Reihe von Faktoren bestimmt, die sich einerseits auf die Person und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden und andererseits auf das Anlageobjekt beziehen (BGH WM 1993, 1455 = NJW 1993, 2433; Köndgen, NJW 1992, 2263 (2272); Kümpel, Rn. 16.455 ff.). 107
Adressat der Beratung ist der Kunde und Anlageinteressent. Tritt für ihn ein bevollmächtigter Vertreter auf, ist in erster Linie auf ihn, also auf seine Erfahrungen und Kenntnisse abzustellen.
108
Maßgeblicher Zeitpunkt der Beratung ist deren Zweck entsprechend derjenige vor der Anlageentscheidung. Die Sorgfaltspflichten bestehen von Beginn des Anlagegesprächs an (Claussen, S. 459 ff.). Aus dem Beratungsvertrag kann sich ergeben, dass Beratung auch nach der Anlageentscheidung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses zu leisten ist.
109
Auch der Umfang von Aufklärung und Beratung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Verlangt wird eine die Verhältnisse des Kunden, seinen wirtschaftlichen Interessen, insbesondere seinem Anlageziel und dem Anlageobjekt je nach den Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Information. Dabei hat sich das Unternehmen vorher ausreichend zu unterrichten, und zwar über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden wie auch über die für die Anlageentscheidung maßgebenden und mit dem Anlageobjekt verbundenen Umstände.
110
a) Prüfung des Informations- und Beratungsbedarfs. Regelmäßig ist der Umfang von Aufklärungs- und Beratungspflichten an der Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden zu messen (BGH WM 1982, 738; NJW 1982, 2815 (2816); OLG Frankfurt WM 1994, 2106 (2108)). Immer dann, wenn die Bank über entsprechende Kenntnisse in Bezug auf Kunden und Anlageziel nicht verfügt, hat sie vorab objektiv, aber unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Anlageinteressenten zu prüfen, welcher Informationen in Bezug auf den Anleger wie in Bezug auf die ins Auge gefassten Anlagen sie bedarf, um eine sachgerechte und sorgfältige Beratung leisten zu können. Auch insoweit können die Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes (insbesondere § 31 WpHG) ergänzend für die Bestimmung des Pflichtenumfangs herangezogen werden. Notwendig sind sämtliche für eine interessengerechte Anlageentscheidung notwendigen und wesentlichen Informationen. Sie betreffen zunächst die Aufklärungsbedürftigkeit des Anlegers. Hierzu gehören dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt (BGH WM 1993, 1455 (1456)). Hat der Berater die Kenntnis von solchen Umständen nicht aus langjährigen Geschäftsbeziehungen mit dem Kunden gewonnen und verfügt er deshalb nicht über ein entsprechendes Wissen, so muss er Informationsstand und Anlageziel des Kunden erfragen (BGH WM 1993, 1455 (1456); 1996, 664 (665);
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1445
Heinsius, ZHR 145 [1981], 177 (189); § 31 II WpHG). Die Beratung hat sich ferner daran auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. Deshalb müssen auch diese Umstände erfragt werden und die empfohlene Anlage unter Berücksichtigung des entsprechenden Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, „anlegergerecht“ sein (BGH WM 1982, 90 = NJW 1982, 1095 (1096); WM 1993, 1455 (1456)). Der Wertpapierdienstleister „has to know his customer“. Die Ausforschung der Verhältnisse des Kunden, seiner Kenntnisse und Erfahrungen, seiner finanziellen Dinge, seines Vermögens wie auch der Anlageziele sind dem US-amerikanischen Recht entnommen und erschienen dem Gesetzgeber des Wertpapierhandelsgesetzes zum Schutze des Kunden notwendig (§ 31 IV WpHG). Sie gelten gleichermaßen im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages. Derartige Feststellungen erscheinen nur dann entbehrlich, wenn das Unternehmen den Kunden bereits kennt, wobei es auf Erfahrung und Kenntnisse des Kunden aus Umfang und Häufigkeit von diesem getätigter einschlägiger Anlagegeschäfte schließen kann. Entsprechende Feststellungen erscheinen auch dann entbehrlich, wenn der Kunde eine Auskunft endgültig und bestimmt verweigert, wozu er berechtigt ist.
111
Die Prüfung des Informationsbedarfs betrifft zweitens das Anlageziel, also Fragen von Wirtschaftlichkeit, Rendite und Risiko der Anlage. Hierzu zählen auch diejenigen Informationen, die Umstände betreffen, die den beabsichtigten Anlagezweck in Frage stellen oder vereiteln können oder ihn zwar nicht vereiteln, jedoch von erheblicher Bedeutung für den Vertragsabschluss sein können.
112
Maßgebend sind immer die Umstände des Einzelfalls. Es ist deshalb hier nur eine typisierende Betrachtung möglich. Bei professionellen Kunden ist der Prüfungsbedarf geringer. Je unerfahrener der Kunde, umso intensiver besteht die Pflicht zur Prüfung des Umfangs des Informationsbedarfs. Sie kann ganz entfallen, wenn der Kunde von einem Vermögensberater betreut wird und bereits deutliche Vorstellungen von dem gewünschten Anlagegeschäft hat (BGH WM 1996, 664). Auch hier ist aber zu informieren, wenn der Wertpapierdienstleister deutliche Hinweise auf eine fehlerhafte Wissensbasis der Kundenseite hat. Entsprechendes gilt in Bezug auf die Anlage: Je höher das Risiko, je intensiver besteht die Prüfungs- wie die Aufklärungspflicht (Claussen, S. 169 ff.). Bei risikolosen oder risikoarmen Geschäften kann ausnahmsweise die Verpflichtung zur Nachforschung entfallen (Claussen, S. 169 ff.).
113
b) Verschaffung der Aufklärungs- und Beratungsbasis. Nach der Erforschung des Informations- und Beratungsbedarfs hat sich das Unternehmen eine diesem Bedarf entsprechende aktuelle und zeitgerechte Beratungs- und Aufklärungsbasis zu verschaffen. Auch hierbei sind maßgebend die Schutzwürdigkeit des Anlegers und der Umfang seines Vertrauens in die Richtigkeit der Angaben.
114
Zu den allgemeinen Pflichten des Anlageberaters gehört es, einen Stab von Personen vorzuhalten und daneben die Mittel, die erforderlich sind, um eine fachgerechte Beratung, wie sie von dem Kunden erwartet werden kann, zu leisten. Das gilt insbesondere für größere Kreditinstitute, wo der Kunde eine optimale Anlageberatung erwartet und erwarten kann. Das betrifft zunächst die für die Beratung eingesetzten Personen. Zwar sind auch hier die Umstände des Einzelfalles maßgebend, insbesondere auch, was der durchschnittlich erfahrene und informierte Kunde von dem in Anspruch genommen Berater (Kreditinstitut) erwarten kann. Indessen verbietet es sich, für jede, auch stark risikobehaftete und große Vermögen betreffende Beratung lediglich „einfache“ Bankangestellte einzusetzen. Hier ist das Institut verpflichtet, versiertes, qualifiziertes, einschlägig erfahrenes und geschultes, zudem auf den aktuellen Stand der Erfahrungen und Kenntnisse fortgebildetes
115
Bamberger
1446
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Personal (Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 27) zur Verfügung zu stellen, um die erwartete – und bezahlte – Beratungsleistung zu erbringen. Alles andere wäre dem Fall vergleichbar, dass der Patient vor einer schwierigen Operation über deren Risiken von der Krankenschwester aufgeklärt wird. Zu den allgemeinen Pflichten gehört es auch, dass der Berater die sächlichen Mittel bereithält, deren es zu der Beratung bedarf. Dazu gehören alle einschlägigen Zeitschriften, die einschlägige Literatur, Veröffentlichungen im Internet, Brancheninformationsdienste, schlechthin alles, was an Informationen für die sachgerechte Beratung benötigt wird. Verfügt der Berater nicht über das Personal oder die Mittel, die der Kunde bei ihm erwarten darf, so hat er hierauf ausdrücklich und deutlich hinzuweisen (OLG Celle OLGR 2002, 208). 116
Der Anlageberater darf sich auf Gutachten, Stellungnahmen oder Testate Dritter verlassen, soweit er nach eigener sorgfältiger Prüfung von deren Richtigkeit überzeugt ist. Verspricht er „sorgfältig geprüfte Verdienstmöglichkeiten“ oder erweckt er den Eindruck, das Angebot sei von ihm geprüft worden, so muss der Anleger mangels besonderer Hinweise darauf vertrauen können, dass die Prüfung erfolgt bzw. der Eindruck richtig ist. Börsenzulassung der vom Berater empfohlenen Effekten entlastet nicht, da die Börsenzulassungsstellen keine Bonitäts-, sondern nur eine Vollständigkeitsprüfung der eingereichten Prospekte und Prospektunterlagen vornehmen. Im Übrigen muss sich der Berater alle Informationsquellen erschließen, zu denen er unschwer und in zumutbarer Weise Zugang hat (Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 27; vgl. auch § 33 WpHG: das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat die „notwendigen Mittel und Verfahren vorzuhalten und wirksam einzusetzen“). Das betrifft (auch ausländische) Börseninformationsdienste, Wirtschafts- und Handelsblätter, Internetauftritte usw. Aktuelle Ratings anerkannter Ratingagenturen sind auszuwerten (vgl. auch Arendts, WM 1993, 229 (232); Raeschke-Kessler, WM 1993, 1830 (1832)). Bilanzen und Testate sind einer eigenen Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (BGHZ 100, 123).
117
c) Auskunft, Aufklärung, Beratung, Empfehlung, Warnung. Der Berater, das Unternehmen, hat je nach Vertragsinhalt Auskunft zu geben, aufzuklären (zu informieren), zu beraten, ggf. zu empfehlen oder auch zu warnen. Unter Auskunft wird zumeist eine auf Befragen des Kunden gegebene Information verstanden. Sie kann sich auf alle im Zusammenhang mit der Anlageentscheidung wesentlichen Umstände beziehen, und zwar sowohl was die vergangene Entwicklung als auch was zukünftige Gegebenheiten angeht. Unter Aufklärung versteht man in erster Linie eine Unterrichtung über Tatsachen. Sie ist vom Berater unabhängig von Fragen, die der Kunde stellt, zu geben. Ihre Notwendigkeit ergibt sich nach den Umständen des Einzelfalles aus den zutage getretenen oder erfragten Informationsmängeln des Kunden in Bezug auf die Anlageentscheidung, für die die Beratung gegeben wird. Demgegenüber ist unter Beratung eher die Bewertung und Beurteilung von Tatsachen zu sehen (Kümpel, Rn. 16.432, 16.433). Die Unterscheidung ist wesentlich, wo es um die Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Unterrichtung geht. Richtigkeit kann nur in Bezug auf Tatsachen festgestellt werden, wohingegen bei der Beratung (Beurteilung, Bewertung) Richtigkeit oder Unrichtigkeit bzw. Beweisbarkeit kein Kriterium ist, sondern dem beurteilenden (beratenden) Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein Ermessensspielraum zugebilligt werden muss, sodass es letzten Endes für die Pflichtgemäßheit der Beratung nur noch darauf ankommen kann, ob die Bewertung als noch vertretbar oder nicht mehr vertretbar nach Lage der Umstände anzusehen ist. Ein Werturteil ist erst dann unrichtig und mithin pflichtwidrig, wenn es eindeutig außerhalb eines angemessenen Bewertungs- und Beurteilungsspielraums liegt, also nicht mehr vertretbar ist. Demgegenüber muss die von dem Unternehmen ermittelte und in die Beratung eingebrachte Tatsachengrundlage immer zutreffend sein. Die Mitteilung unzutreffender
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1447
Tatsachen ist in aller Regel pflichtwidrig. Die Frage der Schadensersatzverpflichtung entscheidet sich hier beim Verschulden, also danach, ob das Unternehmen wissen oder erkennen konnte, dass die von ihm mitgeteilte Tatsache unrichtig sei. Möglich erscheint hier auch eine Betrachtung, die darauf abhebt, dass dort, wo sich das Unternehmen auf zuverlässige Quellen Dritter stützen darf, z.B. bei Informationen der Bundesanstalt oder vergleichbarer Behörden, es schon an der Pflichtwidrigkeit fehlt und es auf ein Verschulden nicht mehr ankommt. Ob eine Empfehlung zu geben ist, richtet sich nach dem Vertragsinhalt. In aller Regel wird beim Anlageberatungsvertrag die Verpflichtung bestehen, nach Aufklärung und Beratung auch eine Empfehlung auszusprechen, weil sie im Allgemeinen von dem unerfahrenen Kunden gewollt ist. Eine zwingende Verpflichtung dazu ergibt sich weder aus dem Wertpapierhandelsgesetz (§ 31) noch generell aus Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag. Negativ ist das Wertpapierdienstleistungsunternehmen gehalten, keine Empfehlung auszusprechen, die dem berechtigten Anlageinteresse des Kunden nicht entspricht.
118
Ggf. hat der Berater auch eine Warnpflicht (vgl. MünchKommBGB-Grundmann, § 276 Rn. 116). Auch hierfür sind maßgebend die Umstände des Einzelfalles. Dabei ist insbesondere maßgebend, wie sich die Unterrichtung des Kunden und seine Erfahrung im Umgang mit solchen Geschäften aus der Sicht des Unternehmens darstellen. Erscheint ihm der Kunde unerfahren und schlecht unterrichtet, besteht eher eine Warnpflicht als bei einem versierten und kundig auftretenden Anlageinteressenten. Die Warnpflicht besteht früher, je umfangreicher das eingesetzte Vermögen ist und je größer das mit der Anlageentscheidung verbundene Risiko. Maßgebend kann auch hier die Intensität der Geschäftsbeziehungen sein. Warnpflichten als besondere Schutzpflichten bestehen eher bei intensiven und länger andauernden Geschäftsverbindungen.
119
Der Wertpapierdienstleister hat dem Kunden von dem Geschäft selbst dann abzuraten, wenn dieser sich trotz erfolgter Information für ein ihm nachteiliges Geschäft entschließt. Erst wenn der Kunde dann noch auf der Ausführung besteht, darf die Bank das Geschäft ausführen; sie muss es aber nicht.
120
d) Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit, Verständlichkeit. Nach B. Ziff. 2.2 III 1 der Wohlverhaltensrichtlinie muss die Information des Kunden „zutreffend, vollständig, unmissverständlich sowie gedanklich geordnet und in geeigneter Weise gestaltet“ sein. Dasselbe gilt bei Beratungsverträgen oder wenn sich die Aufklärungs- und Beratungspflicht als notwendige Nebenverpflichtung ergibt (Bamberger/Roth-Czub, § 675 Rn. 56 f.). Zu unterrichten ist über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände (BGHZ 116, 12; Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 25). Die Verpflichtung zur wahren Information gilt uneingeschränkt. Geschuldet wird die ganze Wahrheit. Unwahr können auch Erklärungen „ins Blaue“ hinein sein (BGH NJW 1981, 181; 1991, 3282; MünchKommBGB-Grundmann, § 276 Rn. 117 m. w. N.). Verständnis, Wissen und Erfahrung des Kunden sind zu berücksichtigen. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat darauf zu achten, dass der Anleger die Aufklärung und Beratung auch voll verstanden hat. Fremdsprachige Begriffe und Wendungen sowie Ratingsymbole (A.A.A; BB) sind ggf. zu erläutern (Arendts, WM 1993, 229 (235)). Zweifel gehen zu Lasten des Unternehmens. Ggf. hat es sich durch Fragen zu vergewissern. Wo notwendig, ist die Auskunft zu wiederholen (B. Ziff. 2.2 III 3 der Wohlverhaltensrichtlinie). Fehlen dem Wertpapierdienstleister die erforderlichen Kenntnisse oder sieht er sich zur Aufklärung und Beratung aus sonstigen Gründen nicht in der Lage, muss er unmissverständlich offen legen, dass er sich, etwa mangels einer zureichenden eigenen Information, nicht zu einer sachgerechten Einschätzung des konkreten Anlagerisikos in der Lage sieht (BGHZ 123, 126 (128) = WM 1993, 1495; BGH
121
Bamberger
1448
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
WM 1996, 664 (665); OLG Braunschweig WM 1998, 375 (376); Claussen, S. 208). Das alles betrifft die Verhältnisse des Anlegers, genauso aber Eigenschaften und Risiko der Anlage („he has to know his merchandise“). 122
Es ist nicht nur unschädlich, sondern eher nützlich, wenn die Aufklärung standardisiert und schriftlich erfolgt, sei es durch Prospekte oder Broschüren über Wertpapiere oder auch in Bezug auf andere bestimmte Anlageformen (vgl. B. Ziff. 2.2 I 2 der Wohlverhaltensrichtlinie). Auch dann richtet sich aber die im konkreten Geschäft bestehende Aufklärungs- und Beratungspflicht nach den Umständen des Einzelfalles. Das Risiko trägt das Unternehmen. Bei Anlagen mit hohem Risiko und schwierig zu durchschauendem wirtschaftlichen Hintergrund – neue Finanzprodukte – ist schriftlich zu informieren (Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 26; Raeschke- Kessler, WM 1993, 1836; a. A. Drygala, WM 1992, 1213 für neue Finanzprodukte). Das Unternehmen ist verpflichtet, ggf. in Ergänzung des schriftlich Formulierten weitere Informationen und Bewertungen abzugeben. Dass es sie gegeben hat, ist im Streitfall gegen den insoweit unvollständigen schriftlichen Text vom Unternehmen zu beweisen. Ohnehin ist bei schriftlicher Aufklärung und Beratung Vorsicht geboten. Ggf. muss sich, je nach Erfahrung oder Unerfahrenheit des Kunden, das Unternehmen vergewissern, dass der Kunde anhand des schriftlichen Textes auch verstanden hat, worum es geht. Es muss sicher sein, dass die schriftliche Information, gar wenn vom Kunden schriftlich bestätigt, keine bloß formale Prozedur ist und damit ihre Ziele verfehlt. Das gilt insbesondere bei zutage getretener Unerfahrenheit des Kunden, bei Geschäften großen Umfangs und bei solchen mit erheblichem Risiko.
123
e) Zeit der Beratung. Die Aufklärungs- und Beratungspflichten sind rechtzeitig, d.h. vor der Anlageentscheidung zu erfüllen (OLG Düsseldorf WM 2003, 1263). Je nach den Umständen des Falles muss dem Kunden eine Überlegungsfrist eingeräumt werden. Er darf nicht in bleibender Unkenntnis oder Verwirrung zu der Anlage gedrängt werden. Nach einer Anlageentscheidung treffen den Wertpapierdienstleister ohne eine dahingehende ausdrückliche Vereinbarung keine fortdauernden Warn- oder Überwachungspflichten mehr (OLG Düsseldorf a.a.O.). Das gilt auch, wenn sich eine Anlageentscheidung infolge veränderter Umstände nachträglich als risikoreich erweist. Die allgemeine Annahme einer solchen fortdauernden Überwachungs- und Hinweispflicht würde die Pflichten eines Kreditinstituts überspannen (OLG Düsseldorf WM 1994, 1468). Eine Verpflichtung zur begleitenden Prüfung und Beobachtung des weiteren Verlaufs des Anlagegeschäfts besteht, wenn sie zwischen dem Unternehmen und dem Kunden ausdrücklich vereinbart ist oder aber nach den Umständen als vereinbart gilt, dass der Kunde auch nach Anlageentschließung über die Entwicklung der Anlage, beispielsweise über eingetretene Änderungen in der Bewertung des Wertpapiers, unterrichtet und entsprechend beraten werden will.
124
Auch zum Gegenstand eines Depotvertrages gehört keine umfassende fortdauernde Beratungspflicht gegenüber dem Kunden über tatsächliche Gegebenheiten auf dem Kapitalmarkt, die zu einer Änderung der Anlageentscheidung führen könnten. Vielmehr besteht grundsätzlich auch hier die Aufklärungs- und Beratungspflicht der Bank nur vor oder bei der Anlageentscheidung. Nach Abschluss des Geschäfts – grundsätzlich im Zeitpunkt der Anlageentscheidung – enden diese Pflichten (OLG Schleswig WM 1996, 1487; OLG München WM 1997, 1802). Hat die Depotbank die Beratung durchgeführt, so kann sich dementsprechend eine nachvertragliche Beratungs- und Aufklärungspflicht nur ausnahmsweise ergeben. Sie kann aus dem Gesichtspunkt der Schadensabwendungspflicht nach pflichtwidrig-schuldhafter Erfüllung des Beratungsvertrages anzunehmen sein, wenn dem Kunden Schaden oder weiterer Schaden droht.
125
Der Anlageberater braucht den Kunden nach Geschäftsabschluss weder vor allgemeinen Kursrisiken zu warnen noch Verkaufsempfehlungen zu geben (OLG Köln WM 1995, 381
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1449
(386); OLG München WM 1997, 1802 (1804); OLG Celle WM 1997, 1801 f.; Claussen, S. 173). Er muss auch einen ursprünglich ordnungsgemäß gegebenen Rat oder eine entsprechende Empfehlung nicht nachträglich berichtigen (Claussen, S. 173). f) Form der Beratung. Aufklärung und Beratung sind grundsätzlich mündlich möglich. Maßgebend sind auch insoweit das beste Interesse sowie der Verständnishorizont des Kunden. Für Finanztermingeschäfte bestimmte § 37d WpHG eine Verpflichtung des Unternehmens zur schriftlichen Information des Verbrauchers in Bezug auf bestimmte im Gesetz beschriebene Inhalte; die Unterrichtungsschrift war vom Verbraucher zu unterzeichnen.
126
Die Rechtsprechung verlangt Einhaltung der Schriftform für bestimmte Anlagen in Bezug auf die Aufklärungspflichten gewerblicher Anlagevermittlungsgesellschaften. Das gilt für Termindirektgeschäfte (BGH NJW 1992, 1879 = WM 1992, 770 (771); NJW-RR 1996, 947 = WM 1996, 1214; NJW-RR 1997, 176 = WM 1997, 309 (310)), für Terminoptionen (BGHZ 105, 108 (110) = NJW 1988, 2882; BGHZ 124, 151 (155) = NJW 1994, 512), für Stillhalteroptionsgeschäfte (BGH NJW 1993, 257 = WM 1992, 1935 (1936)), für Aktien- und Aktienindexoptionen (BGH NJW 1991, 1106 = WM 1991, 127 (129)). Die gesteigerten Anforderungen an die Aufklärungspflichten von gewerblichen Anlagevermittlungsgesellschaften betreffen inhaltlich Geschäfte, bei denen hohe Aufschläge auf die Börsenpreise eine realistische Gewinnchance von vornherein ausschließen (BGH NJWRR 2002, 405 = WM 2001, 1718 (1719); NJW 2002, 1943). In der Penny StocksEntscheidung hat der BGH (NJW 1991, 1947 = WM 1991, 667 (668)) den gewerblichen Vermittler als verpflichtet angesehen, seine Kunden schriftlich über Verlustrisiken aufzuklären, um einen zuvor durch schriftliche Information erweckten falschen Eindruck nachträglich hinreichend deutlich zu korrigieren.
127
Eine allgemeine Regel, bei allen stärker risikobehafteten Anlagen müsse die Aufklärung, auch eine solche durch Kreditinstitute, schriftlich erfolgen, kann aus der vorbezeichneten Rechtsprechung wohl nicht hergeleitet werden (vgl. auch Kümpel, Rn. 16.456). In Bezug auf Aktienanleihen hat der BGH ausgesprochen, sie seien keine Börsentermingeschäfte und Kreditinstitute könnten ihre Pflicht, Kunden über die Risiken von Geschäften mit Aktienanleihen aufzuklären, mündlich erfüllen (BGH NJW 2002, 1943). Maßgebend sind auch insoweit die Umstände des Einzelfalles. Die Anforderungen an gewerbliche Anlagevermittlungsgesellschaften sind insoweit strenger als an Kreditinstitute. Allgemein gilt, dass überall dort, wo eine vollständige, ausreichende und den Kunden verständliche Aufklärung und ggf. Beratung im Gespräch nicht gegeben werden können, weil insbesondere die in Rede stehenden Verhältnisse für das Verständnis des Durchschnittsanlegers zu kompliziert sind, eine schriftliche Aufklärung wird verlangt werden müssen. Hierfür genügen vielfach von den Verbänden für bestimmte Geschäfte herausgegebene Aufklärungsschriften (vgl. BGH WM 1994, 834). Dabei haben aber Bank oder Unternehmen oft das Interesse, sich durch erschöpfende schriftliche Information zu entlasten. Englischsprachig determinierte Terminologie verwirrt den Kunden und ist wenig hilfreich. Auch dürfen Aufklärung und Beratung keine durch Hinüberreichen einer Schrift erledigte Formsache sein. Auch aus diesen Gründen müssen ggf., je nach Anleger und intendierter Anlage, im Beratungsgespräch ergänzende mündliche Unterrichtungen folgen (vgl. OLG Frankfurt WM 1994, 542; dazu Hartung, EWiR 1994, 231; Drygala, WM 1992, 1213 (1219 ff.); Kindermann, WM 1989, SB 2, 1 (32); LG Frankfurt WM 1992, 867). Das gilt auch immer dann, wenn Prospekte oder Informationsschriften widersprüchlich oder in für die Anlageentscheidung nicht völlig unwesentlichen Punkten unrichtig sind (BGH WM 1990, 1276 (1279); Ellenberger, WM 2001, SB 1 (5)). Für neue Finanzprodukte dürfte sich im Hinblick auf Komplexität des Geschäfts und einzuge-
128
Bamberger
1450
129
130
131
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
hendes Risiko schriftliche Beratung und Aufklärung empfehlen (Raeschke-Kessler, WM 1992, 1830 (1836)). 2. Anlegergerechte Beratung. a) Allgemeines. Die von dem Wertpapierhandelsunternehmen gegebenen Informationen und beratenden Hinweise müssen anlegergerecht sein, also den individuellen Umständen und Bedürfnissen des Kunden genügen (BGH WM 1993, 1455; Bamberger/Roth-Czub, § 675 Rn. 57). Sie müssen ausgehen vom Interesse des Kunden – und nicht vom Gewinninteresse der Bank (Ellenberger, WM 2001, SB 1 (5)). Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorliegenden Art und dessen Risikobereitschaft. Zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. In diesen Zusammenhang gehören auch Auffassungsgabe, Vorbildung und Ausbildung des Betreffenden, ferner sein Beruf, sein Alter, ob er als Ausländer die deutsche Sprache nicht oder schlecht versteht usw.. Vollkaufleute, Betriebswirte oder im Bankgeschäft versierte Kunden bedürfen in der Regel einer geringeren Information und Beratung, als der insoweit wenig erfahrene „normale“ anlageinteressierte Privatkunde (vgl. BGH WM 1982, 90 = NJW 1982, 1095 (1096); WM 1993, 1239; WM 1993, 1455 = NJW 1993, 2433; OLG Düsseldorf WM 1991, 94 = NJW-RR 1991, 308; WM 1996, 1082 (1083); OLG Hamburg WM 1999, 1875; OLG Braunschweig WM 1994, 59 (60); 1996, 1484; Köndgen, NJW 1992, 2263 (2272); Grün, NJW 1994, 1330 (1331)). Einer Stiftung braucht die anlageberatende Bank nicht von der Anlage in Aktien oder Rentenfonds (wegen Verpflichtung der Stiftung, den Vermögensstock zu erhalten) abzuraten (OLG Dresden, WM 2004, 1278). Ein Anlageberater handelt pflichtwidrig, wenn er einem als „konsverativ“ zu bezeichnenden Anlageinteressenten die Zeichnung von Aktienfonds empfiehlt, die als „gewinnorientiert“ einzustufen sind (OLG Frankfurt, WM 2007, 1215). Der in einem Anlagemodell als Mittelverwendungskontrolleur eingebundene Wirtschaftsprüfer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Anlageinteressenten, der von seinem Beitritt einen Prospekt u.a. mit dem – allgemein verständlichen – Text des abzuschließenden Mittelverwendungskontrollvertrages erhalten hat, über Reichweite und Risiken dieses Vertrages aufzuklären (BGH, WM 2007, 924). Die Aufklärungspflicht in Bezug auf die Person des Anlegers betreffende Umstände besteht absolut. Sie entfällt nicht, wenn ihre Beachtung Umstände ans Licht bringen würde, die dem Berater das Geschäft erschweren oder verderben, die also zur Folge haben müssten, dass er dem Kunden zu einem für ihn, den Berater, weniger einträglichen Anlagegeschäft rät (BGH WM 1981, 374 = ZIP 1981, 376). Geringer Risikobereitschaft des Kunden ist Rechnung zu tragen, d.h., es dürfen in solchen Fällen nur entsprechende Anlagen auch Gegenstand der Beratung sein. Bei einem konservativen Anleger ohne entsprechende Erfahrung und Kenntnisse dürfen im Allgemeinen nur Anlagen empfohlen werden, die möglichst risikoarm oder risikolos sind (OLG Nürnberg ZIP 1998, 380). Wem es auf eine sichere Anlage zwecks Alterssicherung ankommt, dem darf keine hochspekulative Anlage empfohlen werden (BGH WM 2000, 1441 (1443); Ellenberger, WM 2001, SB 1, 4). Die Anlageempfehlung einer Bank an eine 60jährige selbstständige Unternehmerin mit geringen Rentenansprüchen, den Geldbetrag aus einer Lebensversicherung, der zur Altersversorgung bestimmt war, in mehreren Aktienfonds (mittlerer bis hoher Risikoeinstufung) anzulegen, ist nicht anlegergerecht (BGH, WM 2005, 1946). Andererseits ist bei neuen Finanzprodukten auch der spekulationswillige Anleger aufklärungsbedürftig, wenn und soweit er die Risiken nicht kennt (Raeschke-Kessler, WM 1993, 1830 (1834)).
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1451
Vor stark risikobehafteten, hochspekulativen Effekten ist zu warnen. Anders kann sich der Fall darstellen, wenn der Interessent erkennbar solche Risiken auf sich zu nehmen bereit ist. Weiß er die Dinge einzuschätzen, entfällt eine Warnpflicht. Anders dann, wenn das Unternehmen den Eindruck haben muss, der Kunde wolle zwar das hohe Risiko, sehe aber nicht die Folgen für sein Vermögen. In solchen Fällen kann eine Pflicht des Unternehmens bestehen, abzuraten oder vor dem Geschäft zu warnen. Maßgebend sind auch hier die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Wissens- und Erfahrungsdifferenz zwischen Unternehmen und Kunden. Weder ist immer das Unternehmen der „Vormund des Kunden“ noch lässt sich in jedem Fall sagen, der Anlageinteressent sei „seines Glückes Schmied“.
132
Immer muss der Wertpapierdienstleister die Interessen des Kunden im Auge haben. Nach B. Ziff. 3.3 der Wohlverhaltensrichtlinie sind Aufträge im bestmöglichen Interesse des Kunden auszuführen. Das gilt sowohl für den Beratungsauftrag(vertrag) selbst wie auch für das Anlagegeschäft. Gegen die Interessen des Kunden gerichtete Anlageempfehlungen sind verboten. Zu den Pflichten bei der Ausführung des Kundenauftrags im Einzelnen: vgl. § 31 WpHG und die die Vorschrift näher konkretisierenden Bestimmungen in B. Ziff. 3 der Wohlverhaltensrichtlinie.
133
b) Interessenkonflikte. Aus dem Kontext der §§ 31 – 37 WpHG, insbesondere auch aus §§ 33 ff. WpHG (Organisationspflichten), aber auch aus § 14 WpHG (Verbot von Insidergeschäften), wird hergeleitet, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen Eigenhandel und Kundenberatung gehalten sind, ihre Organisation so einzurichten, dass die Informationsflüsse der beiden Geschäftsbereiche getrennt voneinander verlaufen (vgl. Claussen, S. 174). Im Konflikt zwischen der Verpflichtung, Insiderwissen nicht weiter zu geben, und der Vertragspflicht zur sach- und interessengerechten Beratung geht Erstere vor (Claussen, S. 175). Der Wertpapierdienstleister muss den Kunden aber darüber unterrichten, dass er gesetzlich gehindert ist, bestimmte Informationen, die einer Empfehlung des Geschäfts entgegenstehen, dem Kunden weiterzugeben; notfalls muss der Wertpapierdienstleister die Ausführung des Auftrags ablehnen (Claussen, S. 175).
134
3. Anlagegerechte Beratung. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung und Aufklärung auf diejenigen Eigenschaften und vor allem Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGHZ 74, 103 (106) = WM 1979, 530; BGH WM 1987, 531 (532) = NJW-RR 1987, 936; BGHZ 111, 314 (316) = WM 1990, 1276; BGH WM 1993, 1455 = NJW 1993, 2433; OLG Düsseldorf WM 1996, 1082 (1083); LG Tübingen WM 2004, 641; MünchKommBGB-Emmerich, 3. Aufl., Rn. 138 vor § 275).
135
Das betrifft die Kosten der Anlage, ggf. die Mitkonkurrenten auf dem Markt, vor allem das Risiko, wobei auch der Hinweis zu geben ist, dass der Anleger das eingesetzte Kapital (oder auch weiteres Vermögen) verlieren kann. Zu unterscheiden ist zwischen den allgemeinen Risiken wie der Konjunkturlage, der Entwicklung des Börsenmarkts usw. einerseits und den speziellen Risiken des individuellen Anlageobjekts wie dem Kurs-, Zinsund Währungsrisiko andererseits. Der Umfang der notwendigen Beratung und Aufklärung wird dabei maßgeblich auch davon geprägt, ob der Anlageberater das konkrete Anlageobjekt von sich aus empfohlen oder etwa in ein von ihm zusammengestelltes und dem Kunden offeriertes Anlageprogramm aufgenommen hat (vgl. BGHZ 100, 117 (121) = WM 1987, 495 = NJW 1987, 1815; BGH WM 193, 1455 = NJW 1993, 2433). Die Pflicht, über die wesentlichen Risiken der Anlage aufzuklären, trifft auch den Steuerberater, der aus steuerlichen Gründen zu der Anlage rät (OLG Naumburg OLGR 2002, 473). Ändern
136
Bamberger
1452
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
sich nach Herausgabe des Anlagesprospekts Umstände oder Bedingungen, die für die Beitrittserklärung Beitrittswilliger von Bedeutung sein können, ist hierauf vom Prospektverantwortlichen bis zum Zeitpunkt der Annahme der Beitrittserklärung hinzuweisen (BGH WM 2004, 379). 137
Nimmt der Wertpapierdienstleister ausländische Papiere in sein Programm auf, hat er sich – auch anhand ausländischer Quellen – über die Güte dieser Papiere zu informieren und sie einer eigenen Prüfung zu unterziehen (BGH WM 1993, 1455 (1456)). Der Anlageinteressent darf davon ausgehen, dass seine Bank, der er sich aufgrund der von dieser in Anspruch genommenen Sachkunde anvertraut, die von ihr in das Anlageprogramm aufgenommenen Papiere selbst als „gut“ befunden hat. Allein auf den Börsenprospekt und die Börsenzulassung darf sich die Bank nicht verlassen (BGH a.a.O.; OLG Braunschweig WM 1994, 59 (62); 1996, 1484 (1485)). Prüft der Wertpapierdienstleister selbst die Bonität nicht, muss er dem Kunden offenbaren, dass er bei dem Kauf des Papiers das Bonitätsrisiko nicht sachkundig aus eigener Erkenntnis heraus beurteilen konnte, weil eigene aktuelle Informationen über das Anlageobjekt nicht zur Verfügung standen (OLG Braunschweig WM 1994, 59 (61)). Zumindest muss er dem Anlageinteressenten mitteilen, das Risiko der Bonität des Emittenten selbst nicht einschätzen zu können (BGH WM 1993, 1455; OLG Braunschweig a.a.O.; a. A. OLG Düsseldorf WM 1994, 1468 für einen Fall, in dem ein Anhalt für die Unsicherheit der Anlage bestand). Auch auf geänderte Einstufungen von Rating-Agenturen oder Kritik in der Wirtschaftspresse ist hinzuweisen (BGH NJW 1993, 2433).
138
Ggf. muss das Unternehmen dem Kunden von der Anlage auch abraten bzw. ihn vor ihr warnen. Zwar wird vielfach die Auffassung vertreten, es sei nicht Aufgabe der Bank, den Kunden von einem risikoreichen Geschäft abzuhalten. Ausreichend sei die hinreichend deutliche Aufklärung (vgl. Heinsius, ZHR 145 (1981), 177 (188); Raeschke-Kessler, WM 1993, 1830 (1834)). Maßgebend ist auch hier, über welche Erfahrung und welches Wissen der Kunde verfügt. Darf die Bank annehmen, dass er den spekulativen Charakter und das hohe Risiko selbst zutreffend einschätzt, genügt eine bloße Aufklärung. Indes hat in aller Regel niemand die Absicht, sich zu ruinieren. Deshalb dürfte im Zweifel in Fällen zu erwartender oder ohne weiteres möglicher ruinöser Vermögenseinbußen eine Warnpflicht des Unternehmens zu bejahen sein. Das entspricht dem Erfordernis der anleger- und anlagegerechten Beratung (vgl. BGH ZIP 1991, 1207 = WM 1991, 1410; ZIP 1992, 609 = WM 1992, 682; ZIP 1981, 376 = WM 1981, 374; Schäfer, S. 77, 78). Selbst ein Anlagevermittler, bei dem vielfach die Beratungspflicht nur Neben- und Schutzpflicht ist, hat durch Klärung der persönlichen Vermögensverhältnisse sicherzustellen, dass das Optionsgeschäft den Investor nicht ruinieren kann. Auch der Bundesgerichtshof fordert (BGH ZIP 1991, 1207 = WM 1991, 1410), dass der Berater dem Anleger vorrechnet, dass er nicht gewinnen kann, wenn die Aufschläge des Vermittlers eine Kurssteigerung von 66 2/ 3 % binnen drei Monaten erfordern, bevor der Anleger die Gewinnzone erreicht. Für jeden Kunden, der nicht Spieler ist, folgt bei Geschäften solchen Inhalts und solchen Risikos die ausdrückliche Empfehlung, das Geschäft nicht zu tätigen. Anlagen sind nicht anlegergerecht, wenn sie geeignet sind, den Anleger in den Ruin zu bringen.
139
Eine Aufklärungspflicht besteht nicht in Bezug auf anlagebezogene allgemein bekannte Risiken. Das betrifft im Allgemeinen das Wechselkursrisiko bei dem Kauf von Fremdwährungen, Devisentermingeschäften oder Fremdwährungsanleihen (vgl. BGH ZIP 1992, 609; OLG Hamm WM 1989, 598; OLG Karlsruhe WM 1988, 411; vgl. auch BGH WM 1987, 531). Darunter fällt auch die allgemein bekannte Wirkung der Finanzierung von Aktienspekulationen über Kredite oder die Auswirkungen politischer Krisen auf Aktienkurse (OLG München ZIP 1994, 125 = WM 1994, 236; LG Darmstadt WM 1994,
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1453
1565 (1571 f.); Schäfer, S. 79). Hier besteht eine Informationspflicht aber dann, wenn der Wertpapierdienstleister Hinweise hat, dass der Anleger von fehlerhaften Vorstellungen ausgeht. Für Risiken einer bisher nicht bekannten Anlageform vgl. BGH WM 2008, 725. 4. Aufklärungs- und Beratungspflichten bei anderen Verträgen. Aufklärung und Beratung stehen vielfach im Zusammenhang mit anderen Verträgen, besonders mit der Anlagevermittlung. Ob hier neben dem auf die Anlagevermittlung gerichteten Vertrag ein selbstständiger Beratungsvertrag zustande kommt, ist Frage der Auslegung der Willenserklärungen (§§ 133, 242 BGB; vgl. oben Rn. 28). Kommt im Zusammenhang mit Anlagevermittlung ein Beratungsvertrag zustande, gilt im Wesentlichen das oben Gesagte. Wenn nicht, bestehen Aufklärungs- und Beratungspflichten als Neben- und Schutzpflichten neben den Hauptleistungspflichten des Hauptgeschäfts. Die Verpflichtung des Wertpapierdienstleisters soll in derartigen Fällen in erster Linie nur auf eine Unterrichtung über die für den Anlageentschluss wesentlichen Umstände gehen (vgl. oben Rn. 29, 30). Auch diese Unterrichtung muss wahrheitsgemäß und vollständig sein. Sie muss ferner so erfolgen, dass der Kunde sie versteht. Im Unterschied zum Anlageberater soll der Vermittler in der Regel nicht verpflichtet sein, dem Kunden auch eine fachkundige Bewertung der mitgeteilten Umstände zu geben (vgl. oben Rn. 29). Diese Auffassung ist insbesondere bei unerfahrenen, nicht professionellen Kunden bedenklich. In jedem Fall wird eine Verpflichtung zur Bewertung, mithin zur Beratung, immer dann angenommen werden müssen, wenn der Kunde darauf anträgt und der Dienstleister sich hierauf einlässt. In diesem Fall ist von einem auch auf Beratung und Beurteilung gerichteten Beratungsvertrag auszugehen (BGHZ 74, 103, 106; BGH NJW 1990, 2461 (2463)). Auch der Anlagevermittler ist verpflichtet, das Anlagekonzept auf wirtschaftliche Plausibilität zu überprüfen (BGH NJW-RR 2000, 998). Er muss offen legen, dass seine eigene positive Beurteilung ausschließlich auf nicht näher überprüften Informationen des betreffenden Unternehmens beruht (BGH NJW-RR 1993, 1114; OLG Köln BB 2000, 374). Bei Vermittlung fremd finanzierter Lebensversicherungen muss der Vermittler deutlich darüber aufklären, dass der Darlehenszins höher ist als der Ertrag der Versicherung (BGH NJW 1998, 2898). Zur Haftung eines Anlagevermittlers von Fondsanteilen aus einem stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag, wenn er diese dem Anleger gegenüber als „sicher“ bezeichnet (vgl. BGH WM 2006, 2301).
140
5. Einzelheiten. a) Aktien. In Bezug auf Aktien und Wertpapiere hat die Rechtsprechung seit 1992 im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch von DM-Auslandsanleihen (Bond Corporation, später Polly Peck, Maxwell Communication, Heron International, Yorck und andere) die Verpflichtungen der Banken und Anlagevermittler erörtert (vgl. BGH ZIP 1993, 148 = WM 1993, 1455 – Bond-Entscheidung –; dazu Köndgen, EWiR 1993, 857; OLG Frankfurt WM 1993, 1030; OLG Braunschweig ZIP 1992, 1463 f. = WM 1993, 190; ZIP 1993, 1462; OLG Celle ZIP 1993, 181 = WM 1993, 191; OLG Frankfurt ZIP 1994, 282 = WM 1994, 291; OLG Düsseldorf ZIP 1994, 1256 = WM 1994, 1468). Dabei ist anerkannt, dass eine Einstandspflicht der Bank für den wirtschaftlichen Erfolg einer Kapitalanlage nicht besteht (BGH ZIP 1982, 169 = NJW 1982, 90). Da die zukünftige Entwicklung eines Wertpapierkurses von vielen, auch unvorhersehbaren Umständen abhängt, haftet die Bank für künftige Entwicklungen nicht. Sie hat einzustehen für das, was sie bei der Beratung wusste oder hätte wissen müssen. Dazu zählen allerdings auch Umstände, die für sie voraussehbar waren. Der Kunde weiß in aller Regel, dass er das Risiko selbst tragen muss, wenn sich eine Kursprognose später als unrichtig erweist (BGH NJW 1971, 2126 (2128); Horn, WM 1999, 1 (6)).
141
Aufzuklären ist über das allgemeine Insolvenzrisiko, d.h. die Abhängigkeit der Rückzahlung von der Bonität des Emittenten zum Zeitpunkt der Rückzahlbarkeit einer Anleihe
142
Bamberger
1454
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(vgl. BGH WM 1993, 1455 (1456); OLG Braunschweig WM 1996, 1484; OLG Celle WM 1993, 109; OLG Nürnberg WM 1998, 378 (379); Horn, WM 1999, 1 (6); a.A. OLG Schleswig WM 1996, 1487; OLG Düsseldorf WM 1994, 1468). Der Kunde ist ferner darauf hinzuweisen, dass eine Aktie nur im Freiverkehr oder am Neuen Markt gehandelt wird, ferner auf einen Beschluss der Aktiengesellschaft, Gratisaktien auszugeben (BGHZ 117, 135 (143); Horn, WM 1999, 1 (6)). Besteht ein offizielles Rating nicht, hat der Wertpapierdienstleister dem beratungsbedürftigen Kunden selbst die für die Anlageentscheidung und Bewertung wesentlichen Faktoren zu nennen (OLG Nürnberg WM 1998, 378 (379)). 143
Der Wertpapierdienstleister hat, falls erforderlich, in die Beratung eine Kursanalyse einfließen zu lassen (Heinsius, ZHR 145 (1981), 177 (190); Assmann/Schneider-Koller § 31, Rn. 123). Die Analyse ist mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erbringen; mögliche Interessenkonflikte sind offen zu legen (vgl. § 34b WpHG; v. Kopp-Colomb, WM 2003, 609). Gesteigerte Beratungspflichten bestehen auch bei Aktien naturgemäß, wenn der Anleger ersichtlich besonders unerfahren ist oder wenn er mit dem Papier, wie bei ausländischen Papieren oder Optionsscheinen, ein besonders hohes Risiko eingeht oder, wie bei neuen Finanzprodukten, mit der Anlage ungewöhnliche Risiken verbunden sind (vgl. unten Rn. 153). Einen unerfahrenen Kunden darf die Bank nicht dazu verleiten, in Aktien auf Kredit zu spekulieren (BGH WM 1997, 662); einen solchen Kunden muss sie ggf. warnen. Anderes kann gelten bei erfahrenen, professionellen Kunden, die das Risiko kennen und zu dem Spekulationsgeschäft entschlossen sind (BGH WM 2001, 1758).
144
b) Aktienoptionen. Auch Aktien- und Aktienindexoptionen enthalten für den Anlageinteressenten erhebliche Risiken. Die Aufklärungs- und Beratungspflichten des Anlagevermittlers sind auch hier streng (vgl. BGH ZIP 1981, 87 (88) = WM 1991, 127). Bei der Veräußerung unverbriefter Aktienoptionen soll die Bank nicht grundsätzlich verpflichtet sein, den Kunden ungefragt darauf hinzuweisen, dass die Aktiengesellschaft die Ausgabe von Gratisaktien beabsichtigt, weil sich hier Letzteres nicht zwingend negativ auf die Kursentwicklung der Option auswirkt (BGHZ 117, 135 (143) = NJW 1992, 1630, (1632); MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 216).
145
c) Aktienanleihen. Aktienanleihen sind Schuldverschreibungen mit Aktienandienungsrecht. Sie werden von einem Teil der Literatur als Börsentermingeschäfte (vgl. unten Rn. 151; heute Finanztermingeschäfte) betrachtet, weil der Kapitalanleger als Stillhalter dem Emittenten eine Verkaufsoption einräume (vgl. Heise, DB 1998, 17 (18); Köndgen, ZIP 2001, 1197 (1198); Luttermann, ZIP 2001, 1901 (1903)). Der BGH hat sie nicht zu den Börsentermingeschäften gerechnet (BGH NJW 2002, 1943 (1944 m. w. N.)). Hiernach gelten die für Finanztermingeschäfte wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit strengen Aufklärungs- und Beratungspflichten für Aktienanleihen nicht allgemein. Die Anleger nehmen die mit dem Erwerb von Aktien verbundenen Risiken auf sich und haben die Gefahr der Insolvenz des Emittenten zu tragen. Hierauf ist hinzuweisen (Assmann/ Schneider-Koller § 31 Rn. 128).
146
d) Anleihen. Aufzuklären ist über die Koppelung der Kapitalverzinsung und/oder des Kapitalnennwertes an einen Index, weil mit einem spekulativen Element verbunden, ferner über die Verbindung von Kurswert und Zinskoppelung bzw. Laufzeit (MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 216). Auch auf eine Benachteiligung gegenüber anderen Fremdkapitalgebern, wie sie insbesondere durch Rangrücktrittskauseln in den Ausstattungsbedingungen bewirkt werden können, ist hinzuweisen (MünchKommHGBEkkenga, Effektengeschäft, Rn. 216). Ferner ist genau über Bonitätsrisiken zu informie-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1455
ren. Bei variabel verzinslichen Anlagen besteht eine Aufklärungspflicht über das damit verbundene Zinsänderungsrisiko. Bei Fremdwährungsanleihen ist auf das Währungsrisiko hinzuweisen (Horn, WM 1999, 1 (6)). Die Bank hat zu prüfen, ob die Anleihe empfohlen werden kann. Eine Sparkasse kann sich in solchen Fällen nicht auf Empfehlungen der ihr zugeordneten Landesbank berufen. Zweifel sind dem Anleger mitzuteilen. Nimmt die Bank die Schuldverschreibung in den Kreis der von ihr empfohlenen Wertpapiere auf, so handelt sie, wenn sie empfiehlt, pflichtwidrig in dem Fall, dass sie nicht vorher kritisch geprüft hat (LG Hamburg ZIP 1992, 829 (831); ZIP 1994, 1439 = WM 1994, 2014). Pflichtwidrig handelt auch eine Bank, die den Erwerb einer Anleihe eines Emittenten empfiehlt, dem sie selbst keinen Kredit zu gewähren bereit war oder wäre (Schäfer, S. 97, 98). Zu den Risiken des Erwerbers ausländischer Anleihen, die mit einem sogenannten Swap-Vertrag verknüpft sind vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 2003, 1047. e) Auslandsanleihen. Speziell bei ausländischen Wertpapieren hat das Unternehmen besondere Erkundigungen einzuziehen. Hier kann in aller Regel nicht auf die Unterrichtungdurch eine der großen Rating-Agenturen verzichtet werden (BGH ZIP 1993, 1148 = WM 1993, 1455; Raeschke-Kessler, WM 1993, 1180 (1183); Ahrendt, WM 1993, 229 ff.). Der Umstand für sich allein, dass der Anleger ein hoch spekulatives Geschäft zu tätigen wünscht, führt noch nicht zu einer Minderung der Beratungspflichten der Bank. Diese können aber gemindert sein, wenn für den Wertpapierdienstleister ersichtlich ist, dass der Anleger bereits über Erfahrung und alle notwendigen Informationen verfügt (vgl. dazu OLG Köln WM 1979, 402; OLG Karlsruhe WM 1988, 411). Dem Kunden muss das Durchsetzungsrisiko klar gemacht werden. Notwendig ist ferner eine Aufklärung über das Kündigungs- und das Auslosungsrisiko (vgl. B. Ziff. 2.2.1 der Wohlverhaltensrichtlinie; Horn, WM 1999, 1 (6)). Bei besonders gestalteten Anleihen (Zero-Anleihen, Stripped Bonds, Kombizinsanleihen) ist auf die gesteigerte Volatilität hinzuweisen (Horn, WM 1999, 1 (6)).
147
Der Umstand, dass ein Anleger ausländische Effekten auf Kredit erwerben will, erhöht die Beratungspflicht für sich allein nicht (BGH NJW 1971, 2126 = WM 1971, 887; OLG Karlsruhe WM 1988, 411). Wichtig für die Intensität der Beratung kann auch sein, für welche Dauer die Wertpapieranlage gehalten werden soll. Je länger sie in Anspruch genommen wird, umso eingehender hat sich die beratende Bank mit den Risiken zu beschäftigen (so zutreffend Schäfer, S. 90). Eine Verpflichtung, bei ausländischen Papieren auf steuerliche oder andere Besonderheiten vergleichbarer Art hinzuweisen, besteht im Allgemeinen nicht. Sie kann sich daraus ergeben, dass das Wertpapier von der Bank speziell empfohlen wurde, ferner dann, wenn der Interessent eine entsprechende Aufklärung wünscht.
148
f) Bauherren-, Bauträger-, Ersterwerber-Modelle. Es geht um Steuersparmodelle (vgl. v. Heymann, NJW 1999, 1577 ff.; Horn/Balzer, WM 2000, 333 (334)). Hier wird die Bank häufiger davon ausgehen können, dass der Interessent über die Dinge Bescheid weiß (vgl. BGHZ 93, 264 (270) zu einer Grundstücksabschreibungsgesellschaft; BGH NJW 1981, 389 (391); NJW-RR 1990, 876 (877); NJW-RR 1992, 879 (880); OLG Celle WM 2005, 877; Hoppmann, VersR 1994, 1037 (1038)). Eine Aufklärungspflicht der Bank bei Unangemessenheit des Kaufpreises besteht nur ausnahmsweise (OLG Celle WM 2005, 877). Gleichwohl bestehen auch hier Aufklärungs- und Beratungspflichten. Das gilt zunächst immer dann nach Treu und Glauben, wenn ersichtlich die Bank Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung im Vergleich zu dem unerfahrenen Privatkunden hat (BGH NJW 1992, 2146 (2147); WM 1992, 602 (603); WM 1999, 678 (679); WM 2008, 971; OLG Hamm WM 1998, 1230 (1234)). Im Allgemeinen kann die Bank hier davon ausgehen, dass der Kunde über die typischerweise mit dem Ge-
149
Bamberger
1456
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
schäft verbundenen Risiken unterrichtet ist (BGH NJW 1988, 1583 (1584) zu einer Immobilienanlage; NJW-RR 1986, 708; WM 1986, 700). Das betrifft die Beschaffenheit des Objekts, seine Durchführbarkeit, die steuerlichen Auswirkungen und die Wirtschaftlichkeit, hier insbesondere die Frage der erzielbaren Mieten. Die Bank braucht auch nicht auf allgemeine Risiken hinzuweisen, die sich durch Einschaltung eines Treuhänders, Baubetreuers oder Vermittlers ergeben (Bruchner, WM 1999, 825 (832)). Eine Aufklärungspflicht besteht immer dann, wenn die Bank erkennt, dass das Projekt keinen Erfolg haben kann. Das ist der Fall bei drohender Insolvenz der Geschäftspartner (BGH WM 1986, 700 (701); NJW-RR 1986, 1168; NJW 1991, 693 f.; NJW 1992, 2146), ferner, wenn die Durchführung des Projekts, weil die Initiatoren vermögenslos sind, von ihr, der Bank, allein abhängt (BGH NJW 1992, 2146 (2147)). Empfiehlt die kreditgebende Bank einem Anlageinteressenten die Beteiligung an einem Bauherrenmodell, so muss sie ungefragt darüber informieren, wenn tatsächlich erzielte Mieten bereits fertiggestellter Eigentumswohnungen nicht den im Anlageprospekt prognostizierten Mieten entsprechen und eine Vermietung der Wohnungen Schwierigkeiten bereitet (BGH WM 2004, 422). Aufzuklären ist weiterhin über bestehende Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Treuhänders (BGH WM 1986, 6 (7)), wenn ihr bekannt wird, dass für den Vertragsschluss oder die Projektdurchführung wesentliche Umstände verschleiert wurden (BGH NJW-RR 1992, 372 (375)) oder der Kreditnehmer von den Initiatoren getäuscht wurde (BGH NJW 1989, 2879 (2881, 2882)). Weitergehende Pflichten zur Aufklärung können sich für die Bank dann ergeben, wenn sie selbst an der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts maßgeblich mit beteiligt ist; dann hat sie auch über die Risiken des Geschäfts zu unterrichten (BGH NJW 1988, 1583 (1584); NJW-RR 1992, 879 (882); Hopt, FS für Stimpel, S. 284, 287). 150
Eine kreditgebende Bank ist bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet (vgl. BGH ZIP 2003, 1240 (1242)). Zu unterrichten hat die Bank über besondere Risiken und Gefahren, an deren Schaffung sie beteiligt war oder deren Entstehen sie begünstigt hat (vgl. BGH WM 1986, 6 (7); NJW-RR 1990, 876 (877); NJW-RR 1992, 373 (374); NJW 1992, 2146 (2147); WM 1999, 678 (680); dazu Hammen, WuB I E 1.-1.99 und Schwintowski, EWiR 1999, 683). Ein derartiger besonderer Gefährdungstatbestand ist auch dann anzunehmen, wenn die Bank sowohl Kreditgeberin des Bauträgers als auch des Erwerbers ist, mithin ein Fall der Interessenkollision vorliegt (BGH NJW-RR 1990, 847; Hoppmann, VersR 1974, 1037 (1038)). Die Verfolgung eigener Interessen, sofern sie zu einem Risiko für die Interessen des Kunden werden können, hat die Bank offen zu legen (vgl. BGH NJW 1988, 1583 (1584); NJW-RR 1992, 373 (374)). Allgemein ist bei derartigen Geschäften, wie sonst auch, zu berücksichtigen, dass die die Sachkunde in Anspruch nehmenden Kunden, sofern sie selbst nicht über die notwendige Erfahrung verfügen, von der Bank diejenigen Informationen erhalten, die sie für eine sachgerechte Entschließung ihrer Anlageentscheidung benötigen (vgl. Fuellmich/ Rieger, ZIP 1999, 465 (469); Spickhoff/Petershagen, BB 1999, 165; a. A. Schimansky/ Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 37 a). Erklärungen des Vermittlers zu Wert und Rentabilität des Kaufobjekts muss sich bei steuersparenden Bauherren- und Erwerbermodellen das in den Vertrieb nicht eingeschaltete finanzierende Kreditinstitut nicht zurechnen lassen, weil sie nicht das Kreditgeschäft, sondern das zu finanzierende Geschäft betreffen und damit außerhalb des Pflichtenkreises der Bank liegen (BGH WM 2003, 918). Zur Kreditabwicklung bei gescheiterten Steuersparmodellen des Immobiliensektors vgl. BGH ZIP 2003, 160; ZfIR 2003, 101; 2003, 148, und Derleder, ZfIR 2003, 177). Hier können unter bestimmten Voraussetzungen auch Fehlinformationen zum finanzierten Objekt im inneren Zusammenhang mit der vorvertraglichen Aktivität zum Darlehensvertragsabschluss ste-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1457
hen (§ 278 BGB; Derleder, ZfIR 2003, 177 ff.). Für die Verletzung von Aufklärungspflichten ist auch hier zu unterscheiden zwischen dem risikobereiten, erfahrenen Anleger mit zumutbarer Eigenverantwortung und dem aggressiv geworbenen, unerfahrenen, deshalb vielfach überrumpelten und einkommensschwachen Kleinanleger (Derleder, a.a.O.). Die Bank ist wegen Interessenkonflikts zum Risikohinweis verpflichtet, wenn sie ein Objekt auf der Veräußererseite ins Blaue hinein finanziert (Derleder, a.a.O.). Zu den Aufklärungspflichten der finanzierenden Bank, wenn sie den Beitritt des Darlehensnehmers zu einem Mietpool zur Voraussetzung für die Darlehensauszahlung gemacht hat vgl. BGH WM 2007, 876. Zur Verjährung bei Prospekthaftungsansprüchen beim Bauträgermodell vgl. BGH WM 2004, 289. g) Finanztermingeschäfte. Es bestehen gesteigerte Aufklärungs- und ggf. Beratungspflichten der Banken und gewerblichen Anlagevermittler. Der frühere Begriff des Börsentermingeschäfts ist heute durch den Begriff des Finanztermingeschäfts (§ 2 II a a.F. WpHG, § 37e S. 2 n.F. WpHG) ersetzt, bleibt aber für die Neuregelung wichtig. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um standardisierte Verträge, die von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen sind und einen Bezug zu einem Terminmarkt haben (BGHZ 92, 317 (320) = NJW 1985, 634; BGHZ 114, 177 (179) = NJW 191, 1956; BGHZ 142, 345 (350) = NJW 2000, 359; BGH NJW 2002, 892 = WM 2002, 283 (285); BGH NJW 2002, 1943 (1944)). Die besondere Gefährlichkeit dieser Geschäfte, vor der unter der früheren Geltung der §§ 53 ff. a.F. BörsG nicht börsentermingeschäftsfähige Anleger geschützt waren, besteht darin, dass sie, anders als Kassageschäfte, bei denen der Anleger sofort Barvermögen oder einen Kreditbetrag einsetzen muss (BGHZ 103, 84 (87)), durch den hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt zur Spekulation auf eine günstige, aber ungewisse Entwicklung des Marktpreises in der Zukunft verleiten, die die Auflösung des Terminengagements ohne Einsatz eigenen Vermögens und ohne Aufnahme eines förmlichen Kredits durch ein gewinnbringendes Glattstellungsgeschäft ermöglichen sollen (BGH NJW 2001, 3258 = WM 2001, 1714 (1715); NJW 2002, 892 = WM 2002, 283 (285)). Mit solchen Geschäften sind typischerweise die Risiken der Hebelwirkung (BGH NJW 1998, 2524) und des Totalverlusts des angelegten Kapitals (BGH NJW 1998, 994 = WM 1998, 274 (275)), ferner die Gefahr verbunden, planwidrig zusätzliche Mittel einsetzen zu müssen. Auf diese und andere evtl. bestehende Risiken ist der Anleger hinzuweisen. Der Erwerb von Anteilen einer Investmentgesellschaft, die ihrerseits ausschließlich oder überwiegend in Optionsscheine investiert, stellt kein Finanztermingeschäft dar, da es an dem hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt, der „Hebelwirkung“ und der Gefahr des Totalverlustes durch bloßen Zeitablauf fehlt (OLG München ZIP 2003, 755).
151
h) Depotvertrag. Aus dem Depotvertrag selbst ergibt sich keine Verpflichtung der Bank, den Kunden umfassend und fortlaufend über die Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt zu beraten, die zu einer Änderung der Anlageentscheidung führen könnten (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 87). Wünscht der Kunde eine derartige fortgesetzte Beratung, muss er das mit der Bank vereinbaren (OLG Karlsruhe WM 1992, 577; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 87). Eine Hinweispflicht ergibt sich sonst als vertragliche Nebenpflicht nur bei extremen und völlig unvorhersehbaren Kursänderungen (van Look, WuB I G 1.-3.92 m. w. N.), ferner, wenn Kunde und Bank sich laufend über Effektendispositionen und Kursentwicklungen austauschen, sodass von dem Kunden eine entsprechende Unterrichtung erwartet werden kann (Heinsius, ZHR 145 (1981), 177 (192 f.); Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 44 Rn. 87).
152
i) Finanzinnovationen. Ein gesteigerter Informationsbedarf besteht bei Finanzinnovationen (neuen Finanzprodukten, Finanzinstrumente). Seit Mitte der 80er Jahre werden
153
Bamberger
1458
154
155
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
in der Folge der Deregulierung und Liberalisierung des deutschen Kapitalmarkts eine Vielzahl neuer Anlageformen auch für private Anleger angeboten. Das betrifft, ohne dass die Aufzählung vollständig wäre, die Termingeschäfte in Deutschland, Wertpapierleihen (Swaps; vgl. dazu auch unten Rn. 165) sowie eine Reihe von Derivaten, ferner DAXInhaberpartizipationsscheine, variabel verzinsliche Papiere oder Doppelwährungsanlagen (vgl. Horn/Schimansky-Allmendinger, Bankrecht 1998, S. 287 – 305; Horn, WM 1999, 1 ff.). Sind derartige Produkte noch nicht lange auf dem Markt, ist davon auszugehen, dass Erfahrungen damit, insbesondere bei Verbrauchern, aber auch bei Vollkaufleuten und mittelständischen Unternehmen, nicht vorhanden oder nicht groß sind (Raeschke/ Kessler, WM 1993, 1830). Dementsprechend ergibt eine umfassendere und gesteigerte Aufklärungs- und Beratungspflicht des Dienstleisters ggf. die Verpflichtung anzuregen, von dem Anlagegeschäft abzusehen. Das gilt im Zweifel auch dann, wenn die Bank selbst aufgrund noch fehlender Erfahrung nicht exakt einschätzen kann, welches Risiko mit dem Anlagegeschäft verbunden ist. Hochriskante Hedge Fonds sollen im Verkaufsprospekt mit einem entsprechenden Warnhinweis versehen sein (vgl. § 117 II InvG „der Bundesminister der Finanzen warnt: Bei diesem Investmentfonds müssen Anleger bereit und in der Lage sein, Verluste des eingesetzten Kapitals bis hin zum Totalverlust hinzunehmen.“). j) Immobilien; Immobilienfonds. Bei der Kapitalanlage in besondere Immobilien besteht ebenfalls die Verpflichtung, den Kunden über alle für seine Entschließung und die Tragweite seiner Entschließung wesentlichen Umstände zu unterrichten. Dazu gehört die Frage der gesicherten Rückgabe- oder Wiederveräußerungsmöglichkeit (vgl. BGH NJW 1990, 929), die Angabe der dinglichen Belastungen (BGH NJW 1979, 1595), bei Auslandsimmobilien eine vollständige Unterrichtung über die wirtschaftlichen Daten (BGH WM 1978, 611 (612)). Der Anlageberater ist grundsätzlich gehalten, den Anlageinteressenten, dem er zur Eingehung einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds rät, darauf hinzuweisen, dass die Veräußerung eines solchen Anteils in Ermangelung eines entsprechenden Marktes nur eingeschränkt möglich ist (BGH WM 2007, 542). Zur Pflicht des Anlagevermittlers, eine für den Vertrieb gezahlte Innenprovision offen zu legen, die im Prospekt für den Beitritt zu einem Immobilienfonds nicht aufgeführt war vgl. BGH WM 2007, 873, ferner zur Aufklärungspflicht des Anlagevermittlers über Risiken der Beteiligung an geschlossenen Immobilienfonds BGH WM 2007, 1608. k) Investmentzertifikate. Der aufklärungsbedürftige Kunde ist über die Zusammensetzung des Fondsvermögens, die Anlagestrategie, auch über das Kursrisiko zu informieren (OLG Hamm WM 1996, 1812 (1813); Horn, WM 1999, 1 (6)). Ferner besteht eine Pflicht zur Aufklärung über die Kosten der Fondsverwaltung (vgl. B. Ziff. 2.2.3 der Wohlverhaltensrichtlinie); zu informieren ist ferner über die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Ankaufpreis. Bei geschlossenen Fonds ist über die eingeschränkte Fungibilität zu unterrichten. Es hat der Hinweis zu erfolgen, dass bei Rückkäufen Preisabschläge erfolgen können (OLG München WM 1986, 1217). Bei Genussscheinen sind, weil die Bedingungen sehr unterschiedlich sein können, Informationen über die Ausgestaltung im Einzelnen notwendig, insbesondere auch darüber, wann eine Teilnahme am Verlust vorgesehen ist (Horn, WM 1999, 1 (6)). Die Bank muss über verdeckte Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren für von ihr empfohlene Investmentfondsanteile aufklären (BGH WM 2007, 487). Der Anleger ist darauf hinzuweisen, dass er das Risko der Insolvenz des Emittenten trägt (Assmann/SchneiderKoller § 31, Rn. 126). Zu geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des Anlegerschutzes vgl. Schmolke, WM 2007, 1909.
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1459
l) Kommanditbeteiligungen. Wer Kommanditbeteiligungen an Immobilien-, Schiffs-, Film- und Fernsehgesellschaften oder ähnlichen Gesellschaften vermittelt, hat über das Projekt ebenfalls richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört die Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage ebenso wie die Bonität der Kapitalsuchenden (Hoppmann, VersR 1994, 1037 (1039)). In den letzten Jahren erlittene Verluste dürfen nicht verschwiegen werden (BGH NJW 1973, 456). Ggf. sind hierüber ausreichende Erkundigungen einzuziehen (BGH WM 1993, 1238). Die Bank ist verpflichtet, bei Gesellschaftsbeteiligungen etwa bestehende Interessenkonflikte offen zu legen, z.B. bei Finanzierung sowohl der Anlagegesellschaft wie auch des vom Anleger übernommenen Kapitalanteils. Sie muss über sich aus Verflechtungen ergebende Risiken aufklären (BGHZ 100, 117 (123); PalandtHeinrichs, § 280 Rn. 51).
156
m) Kreditgeschäft. Aus einem Kreditvertrag ergibt sich in der Regel für sich noch keine Verpflichtung der Bank zur Aufklärung, Beratung und ggf. Warnung in Bezug auf die Anlage, für die der Kredit verwendet wird (Horn/Balzer, WM 2000, 333 (337)). Anderes gilt, wenn sich die Bank unter Überschreitung ihrer Kreditgeberrolle aktiv in den Vertrieb der Anlage einschaltet (v. Heymann, NJW 1999, 1577 (1583); Horn/Balzer, WM 2000, 333 (342)).
157
n) Optionsgeschäfte. Der Kunde ist über die Preisbildung und deren Einflussfaktoren zu informieren (MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 216), ferner über Engpässe am Markt, vor allem im OTC-Handel, ferner über den Risikofaktor des Ausübungstermins bei Optionen des europäischen Typs (MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 216). Schriftlichkeit der Aufklärung ist ratsam. Terminoptionsvermittler haben optionsunerfahrene Kunden unmissverständlich, schriftlich und in auffälliger Form darauf hinzuweisen, dass ein Disagio auf das eingesetzte Kapital das Chancen-Risiko-Verhältnis aus dem Gleichgewicht bringt, und dass ein höheres Disagio Anleger aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos macht (BGH VersR 2003, 996).
158
o) Optionsscheine. Der Optionsschein ist seiner Natur nach ein hoch spekulatives Wertpapier, das das Recht beinhaltet, bei Ablauf eines fest bestimmten Optionstermins eine bestimmte Aktie zu einem festgelegten Kurs zu erwerben, das aber Kursschwankungen unterliegt, die größer sind als die der betreffenden Aktie und das deshalb das Risiko des Totalverlusts zum Optionstermin beinhaltet (vgl. OLG Köln WM 1995, 384; OLG München WM 1997, 1802 (1805)). In der Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang teilweise angenommen (OLG München a.a.O.), an die Beratungspflicht des Wertpapierdienstleisters seien grundsätzlich dann niedrigere Anforderungen zu stellen, wenn der Effektenerwerb offenkundig primär nicht Anlage-, sondern Spekulationszwecken diene. Das ist meines Erachtens zweifelhaft. Eine Minderung der Beratungspflicht kann sich in Fällen dieser Art nur daraus ergeben, dass es sich um einen in derartigen Geschäften professionellen, erfahrenen Kunden handelt. Auch bei Optionsscheinen ist allgemein auf alle Risiken hinzuweisen. Das betrifft den Hinweis, dass die Option ausgeübt werden muss. Es ist darüber zu unterrichten, dass die Scheine nach einer bestimmten Frist wertlos werden, wenn sie im Zeitpunkt des Verfalltages nicht wirtschaftlich ausübbar sind. Aufzuklären ist darüber, dass Optionsscheine erheblich volatiler sind als die Effekten, die aufgrund der Innehabung des Scheines bezogen werden können, ferner auf die ganz spezifische Ausformung eines Optionsscheines, also z.B. als ausschließlich bei Auslaufen des Optionsscheines ausübbar (sog. europäische Option) oder jederzeit ausübbar (sog. amerikanische Option). Ungewöhnliche Ausgestaltungen des Scheines sind zu erklären und die besonderen Elemente darzustellen. Der Wert des Optionsscheins ist anhand der Komponenten „innerer Wert“ und „Zeitwert“ zu bestimmen. Auf die eventuell gegebene geringe Liquidität des Marktes ist hinzuweisen (vgl. zur Aufklärungs- und Beratungspflicht bei derartigen
159
Bamberger
1460
160
161
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Papieren BGH ZIP 1989, 827 = WM 1989, 807; hierzu Canaris, EWiR 1989, 657; vgl. auch BGH ZIP 1991, 714 = NJW 1991, 1956 = WM 1991, 982; OLG Schleswig WM 1993, 503; hierzu Nassall, EWiR 1993, 447; OLG Frankfurt WM 1993, 684; dazu Potthoff, WM 1993, 1319; OLG Frankfurt ZIP 1994, 367 = WM 1994, 542; hierzu Hartung, EWiR 1994, 231). p) Penny Stocks. Für Wertpapiere, die nicht an der Aktienbörse, sondern am OTC(overthe-counter)-Markt gehandelt werden, wie z.B. amerikanische Billigaktien (Penny Stocks), die vor Jahren Gegenstand mehrerer Gerichtsentscheidungen waren, gelten gesteigerte Aufklärungspflichten (vgl. BGH WM 1991, 315 (317 m. w. N.); 1991, 667; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 1051). Hinzuweisen ist auf die wesentlichen Zusatzrisiken des OTC-Marktes. Dazu gehört, dass Penny Stocks vielfach nur über ein einzelnes Brokerhaus vertrieben werden und dass ungewiss ist, ob und zu welchem Kurs dieses Brokerhaus den Handel mit einem bestimmten Papier aufrechterhält. Ferner begünstigt die für die meisten OTC-Titel typische Marktenge Kursmanipulationen durch Broker und Inhaber größerer Aktienpakete (vgl. v. Ungern-Sternberg, ZStW 1976, 653 (658 ff.)). Das bedeutet für den Anleger ein unkontrollierbares zusätzliches Risiko. Wird über die Anlage eine Broschüre herausgegeben, so darf diese nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die dort veröffentlichten Kurse überwiegend auf den Kursangaben der als Market Maker fungierenden Broker beruhen, ohne dass den genannten Kursen tatsächlich Abschlüsse zugrunde liegen müssten (vgl. im Einzelnen BGH WM 1991, 315 (317)). Bei derart gefährlichen Geschäften, bei denen zudem die zugrunde liegenden Verhältnisse und die möglichen Entwicklungen schwer überschaubar sind, reicht im Allgemeinen eine mündliche Aufklärung nicht aus. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhänge kann die Aufklärung – wie bei der Vermittlung von Warenterminoptionen – ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie schriftlich erfolgt (vgl. BGHZ 105, 108 (110 f.) = WM 1988, 1255; BGH WM 1991, 667). Nach der Rechtsprechung (BGH ZIP 1991, 297 = WM 1991, 315 (316)) soll der Anlagevermittler nicht verpflichtet sein, den Anleger über die große Differenz zwischen dem Geld- und dem Briefkurs und deren praktische Auswirkungen detailliert aufzuklären, da dieser sog. spread, der im entschiedenen Fall die Gewinnmöglichkeiten schmälerte, den Gegebenheiten des Ursprungsmarktes entsprach. Das ist meines Erachtens zweifelhaft. Dem Kunden ist vielfach das besondere Risiko unbekannt. Die verstärkten Hinweispflichten für derartige Anlagen sind auch in der Wohlverhaltensrichtlinie der Bundesanstalt normiert (B. Ziff. 2.2.2).
162
Zur Haftung eines Vermögensverwalters wegen unzureichender Aufklärung beim Erwerb von besonders risikobehafteten („Marktenge“) Aktien, die über das amerikanische NASDAQ-Computersystem gehandelt werden vgl. BGH ZIP 2002, 795 = WM 2002, 913.
163
q) Termindirektgeschäfte. Es gelten hohe Anforderungen. Vor allem ist hinzuweisen auf die Risiken und die Verminderung der Gewinnchancen durch überhöhte Provisionen (Horn, WM 1999, 1 (7)). Ohne Beschönigung ist auch auf den Umstand hinzuweisen, dass die Chance, überhaupt einen Gewinn zu erzielen, sich rasch verflüchtigen kann (BGH WM 1992, 770 = ZIP 1992, 612 (613); WM 1997, 309 = ZIP 1996, 2064 (2065)). Dieser Aufklärungsschutz gilt auch für Wirtschaftsunternehmen, wenn sie erkennbar ohne Erfahrungen und Kenntnisse im Termingeschäft handeln (Horn, WM 1999, 1 (7)). Der Hinweis auf die Verminderung der Gewinnchancen durch überhöhte Provisionen kann entfallen, wenn der Prämienaufschlag geringfügig ist; bei 11 % ist Geringfügigkeit nicht gegeben (BGHZ 124, 151 = WM 1994, 149; BGH NJW 1991, 1106 = WM 1991, 127).
164
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1461
r) Warentermingeschäfte. Waren- und Devisenterminoptionen gehören zu den hochspekulativen Geschäften mit erheblichen Risiken. Nach der Rechtsprechung ist der Vermittler solcher Anlagen verpflichtet, den mit solchen Geschäften nicht vertrauten Interessenten vor Vertragsschluss ungefragt schriftlich über alle Umstände zu unterrichten, die notwendig sind, um den Umfang des Verlustrisikos zutreffend einzuschätzen. Dabei ist gerade der flüchtige unerfahrene Leser in unmissverständlicher Weise und in auffälliger Form ohne jede Beschönigung über das ihm aufgebürdete Verlustrisiko aufzuklären (vgl. BGHZ 80, 80 (81); 105, 108 (110); 124, 151; BGH WM 1994, 453; 492; 1746). Diese Grundsätze finden Anwendung auf: Stillhalteroptionen (BGH WM 1992, 1935), Aktien- und Aktienindexoptionen (BGH WM 1991, 127 (128)), Geschäfte mit selbstständigen Optionsscheinen (BGH ZIP 1994, 1924), Warentermindirektgeschäfte (BGH WM 1992, 770 (771)), Börsentermingeschäfte betreibende Pools mit Kapitalgarantie (BGH NJW-RR 1998, 1271 (1272)). Hier stellt die Rechtsprechung besonders hohe Anforderungen an Aufklärungs- und Beratungspflichten, dies im Hinblick auf den stark spekulativen Charakter und die hohen Risiken des Geschäfts. Die Pflichten bestehen nicht nur gegenüber Privatkunden, sondern auch gegenüber Kaufleuten und Unternehmen. Zu unterrichten ist über den wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang des Termingeschäfts (Direktgeschäft wie Optionsgeschäft), ferner über das Risiko des Totalverlustes, über die Bedeutung der Optionsprämie oder die Verminderung der Gewinnchancen durch höhere als die üblichen Provisionen, ferner über die Börsentechnik (BGH ZIP 1994, 116 = WM 1994, 149 (150); ZIP 1994, 447 = WM 1994, 453; ZIP 1991, 1207 = WM 1991, 1410). Bei Warenoptionsgeschäften hat der Vermittler die Prämie aufzuschlüsseln, um dem Anleger zu ermöglichen, die Höhe der zusätzlichen Kosten zu berechnen. Die Verpflichtung kann bei geringfügigen Prämienaufschlägen entfallen. Wegen des stark spekulativen Charakters der Geschäfte bestehen die nach der Rechtsprechung strengen Aufklärungs- und Beratungspflichten unabhängig von besonderen beruflichen Erfahrungen und Kenntnissen des Kunden. Insbesondere bestehen sie auch gegenüber eingetragenen Kaufleuten (BGH WM 1987, 103; ZIP 1981, 845 = NJW 1981, 1440 = WM 1981, 552). Sie können entfallen bei ersichtlich erfahrenen Spekulanten.
165
s) Wertpapierleihe. Hierbei tritt der Anleger als Sachdarlehensgeber auf, der nach Hingabe des Darlehens lediglich einen Anspruch auf Rückgabe von Wertpapieren gleicher Art und Menge hat (§ 607 BGB; Kümpel, WM 1990, 909 (910)). Er ist deshalb darauf hinzuweisen, dass er nicht nur das Emittentenrisiko, sondern auch das allgemeine Kreditrisiko des Darlehensnehmers trägt. Das gilt auch dann, wenn er an dem Wertpapierleihsystem der Deutscher Kassenverein AG teilnimmt, bei dem infolge Stellung einer Ausfallgarantie durch ein Bankenkonsortium das Kreditnehmerrisiko verringert ist (vgl. Kümpel, a.a.O.; WM 1990, 949 ff.).
166
III. Prospekthaftung. Für bestimmte Bereiche, so zum Beispiel für öffentlich angebotene Wertpapiere, besteht eine Verpflichtung zur Herausgabe von Prospekten. Das neue Wertpapierprospektgesetz ergänzt die Haftung für fehlerhafte Börsenprospekte (§§ 44 ff. BörsG) sowie für mangelhafte Verkaufsprospekte (§ 13 VerkProspG). Vgl. im Einzelnen § 58. Das neue Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) hat für die nicht in Wertpapieren verbrieften Anlageprodukte des sogenannten „Grauen Kapitalmarktes“ die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts festgelegt (§ 8f VerkProspG) und diesen der Haftung nach § 13 VerkProsG unterworfen. Zudem wird für das Fehlen eines Prospekts oder Verkaufsprospekts nach § 13a VerkProspG gehaftet (vgl. Mülbert/Steup WM 2005, 1633). Für den Bereich des Investmentvermögens ist heute die Prospektangabe und Prospekthaftung im Investmentgesetz v. 15. Dezember 2003, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes v. 5. Januar 2007 geregelt. Vgl. dort die §§ 42, 99, 102, 117, 127 und 137
167
Bamberger
1462
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
InvG. Wird in Bezug auf ein Anlagegeschäft ein Prospekt herausgegeben (vgl. oben Rn. 37–40), so kommt eine Haftung in Frage, soweit der Prospekt unrichtig oder unvollständig ist. Maßgebend dafür ist der Gesamteindruck des Prospekts in Bezug auf Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage eines Unternehmens (v. Westphalen, BB 1994, 85 (86)). Nach der Rechtsprechung darf der Anleger trotz des gewissen Werbecharakters, den jeder Prospekt auch hat, erwarten, dass er über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichtet wird (BGHZ 79, 337 (344); 123, 106 (109 f.) m. w. N.; v. Stebut, ZIP 1992, 1698 f.). Der Prospekt hat erwartungsgemäß dem Zweck zu dienen, das Risiko der Anlage für den Anleger einigermaßen kalkulierbar zu machen. Wendet sich der Prospekt an eine breite Öffentlichkeit, muss er auch für den nicht besonders fachkundigen, aber aufmerksamen Leser verständlich sein (vgl. BGHZ 79, 337 (343); BGH NJW 1982, 2823 (2824); NJW-RR 1991, 1246 (1248); 1992, 879 (881); a. A. Wittmann, DB 1980, 1579 (1583)). 168
Unverzichtbar ist die Mitteilung aller Tatsachen, die geeignet sind, den vom Anleger beabsichtigten Vertragszweck zu vereiteln. Das sind: außergewöhnliche Belastungen des Objekts (BGH WM 1998, 611 (612)), Renditerisiken (BGH NJW-RR 1988, 348 (350)), Gefährdungen des Gesellschaftszwecks wegen mangelnder vertraglicher Absicherung des Objekts (BGHZ 71, 284 (289); 74, 103 (110 f.); 84, 141 (145)), noch nicht erteilte Baugenehmigungen (BGHZ 76, 231 (233)), öffentlich-rechtliche Beschränkungen, die die Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigen können (BGH NJW 1992, 228 (230)), noch nicht erfüllte Bedingungen für die Realisierung der angegebenen Verlustzuweisung (Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich, ZHR 138 (1974), 1 (41)). Bewertungen und Prognosen müssen auf der Grundlage des zur Verfügung stehenden Wissens vertretbar sein. Die ihnen zugrunde gelegten Tatsachen müssen zutreffend und vollständig sein. Ebenso müssen Annahmen richtig sein und dürfen insbesondere nicht im Widerspruch stehen zu den zurzeit der Prospektherausgabe bekannten wirtschaftlichen Tatsachen. Ein Beratungsverschulden bei Prospektherausgabe kann i.d.R. noch nicht darin gesehen werden, dass kritische Pressestimmen in Branchendiensten noch nicht weitergegeben wurden (OLG Stuttgart WM 2006, 1100).
169
Im Übrigen muss der Prospekt in aller Regel die folgenden Mindestangaben enthalten (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Siol, § 45 Rn. 51 ff.; Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich, ZHR 138 [1974], 1 (24, 41 ff.)): Die Prospektherausgeber; die Beschreibung der Kapitalanlage; die wirtschaftliche Beurteilung der Anlage; die rechtlichen Verhältnisse; die wesentlichen Vertragspartner (dabei auch Sachverständige, Gutachter oder Vertriebsgesellschaften); ferner kapitalmäßige oder personelle Verflechtungen und alle sonstigen, das Anlageobjekt, seine Herstellung, seine Finanzierung, Nutzung oder Verwertung betreffenden Vereinbarungen zwischen den Beteiligten. Für Wertpapieremissionen gilt das am 01.07.2005 in Kraft getretene Wertpapierprospektgesetz (v. 22.06.2005, BGBl. I, S. 1698). Es wurde auf der Grundlage der Prospektrichtlinie der Europäischen Union aus dem Jahre 2003 geschaffen (Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 04.11.2003) und begründet auch eine Haftung bei grenzüberschreitenden Emissionen (vgl. Kuntz WM 2007, 432; Mattiel/Möslein WM 2007, 819). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an den Inhalt von Prospekten nach dem Gegenstand der Anlagen. Zu den Anforderungen an Verkaufsprospekte von Fondsbeteiligungen vgl. OLG Stuttgart WM 2006, 1100; zur Prospekthaftung bei einem Filmfonds BGH WM 2007, 1503; zu den Anforderungen an Verkaufsprospekte von Kapitalanlagegesellschaften vgl. BGH WM 2005, 782 ff.; zur Neuregelung des Prospekts bei Wert-
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1463
papieremissionen vgl. Kullmann/Sester, WM 2005, 1068. Zur Neufassung der Prospekthaftungsvorschrift nach Börsenrecht vgl. Fleischer, WM 2004, 1897, 1901 ff.; Ziegler, NZG 2005, 301 ff. Vgl. im Übrigen wiederum unten § 58. Bei Börsenprospekten besteht eine Aktualisierungspflicht nur bis zum Ablauf der Zeichnungsfrist und Einführung der Aktien (§§ 44 ff. BörsG; OLG Frankfurt WM 2004, 1831). Der Wirtschaftsprüfer kann einem Kapitalanleger wegen Prüfung des Werbesprospekts als sogenannter Garant aus Prospekthaftung und daneben aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haften (BGH WM 2004, 1869; WM 2007, 1507). Eine deliktische Haftung von Prospektverantwortlichen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) kommt in Betracht, wenn ein Anleger mit Hilfe unrichtiger Prospektangaben durch arglistige Täuschung zum Vertragsschluss veranlasst werden soll (BGH WM 2005, 736). Prospekthaftungsansprüche beim Bauträgermodell verjähren in der regelmäßigen Frist des § 195 BGB a.F. (BGH WM 2004, 289). Zur Frage einer Haftungsbegrenzung (Verkürzung der Verjährungsfrist) durch AGB-Klausel im Prospekt der Prospektgesellschaft vgl. BGH WM 2004, 278.
D. Pflichtverletzung und ihre Folgen I. Pflichtverletzung. 1. Allgemeines. Wer fehlerhaft aufklärt und/oder berät, ist unter den im Folgenden darzulegenden weiteren Voraussetzungen zum Schadensersatz verpflichtet. Es gelten zunächst die allgemeinen Regeln. Nach § 280 I 1 BGB kann, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Das gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 I 2 BGB). Die Vorschrift erfasst die Nichterfüllung wie auch die im vorliegenden Zusammenhang wichtige Schlechterfüllung vertraglicher Pflichten. Sie ersetzt somit den bei Schlechterfüllung früher zugrunde gelegten Tatbestand der positiven Vertragsverletzung. Nach Inhalt und Umfang der Pflicht bestimmt sich, wann sie verletzt ist. Zugrunde zu legen ist deshalb der Vertrag, aus dem die Verpflichtung hergeleitet wird, oder die gesetzliche Regelung. Die Pflichtverletzung ist objektiv zu sehen und zu trennen vom (subjektiven) Verschulden (dazu unten Rn. 176, 177). Sie erfolgt durch Handeln, Dulden oder Unterlassen. Wer bewusst falsche Informationen gibt, handelt. Ebenso haftet aber auch, wer es (auch nur teilweise) unterlässt, über Tatsachen aufzuklären, zu deren Bekanntgabe er verpflichtet ist (vgl. dazu BGH WM 1993, 1455 (1457)). Pflichtverletzung begründet Pflichtwidrigkeit des Verhaltens. Insbesondere bei der Unterrichtung über Tatsachen stellt sich vielfach die Frage, ob für ein pflichtwidriges (rechtswidriges) Verhalten erforderlich ist, dass der zur Aufklärung Verpflichtete die Tatsache kennen konnte oder ob schuldlose Unkenntnis erst das Verschulden ausschließt. Meines Erachtens besteht die Verpflichtung nur im Rahmen des objektiv Erkennbaren. Dabei ist aber ein sich auf die Erkennbarkeit des Umstandes wie auf die Notwendigkeit der Aufklärung beziehender objektiver Maßstab des „Durchschnittsberaters“ anzulegen, also kein subjektiv auf die konkreten Möglichkeiten und Erkenntnisfähigkeiten des betreffenden Anlageberaters. Ähnliches gilt, soweit sich der Berater auf Angaben Dritter stützt. Hier ist zu unterscheiden danach, ob er sich auf die Unterrichtung des Dritten verlassen kann oder nicht. Sind die Informationen verlässlich, wie z.B. bei Veröffentlichungen von Spitzenverbänden, Kammern, Aufsichtsämtern, Zentralbanken oder öffentlichen Stellen, so handelt, wer die entsprechende Information weitergibt, im Allgemeinen schon nicht pflichtwidrig. Anders verhält es sich bei Unterrichtungen aus Medien, Presse, Internet. Hier ist darauf abzustellen, ob Zweifel an der Information bestehen konnten oder nicht.
Bamberger
170
171
172
1464
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
173
2. Haftungsausschluss, Haftungsbeschränkungen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze. Für die Verletzung vorvertraglicher Pflichten ist ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung grundsätzlich nicht möglich, auch nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. BGH WM 1970, 1120 = NJW 1970, 1737; ZIP 1984, 1080 (1081) = NJW 1984, 2524 = WM 1984, 1075; WM 1978, 896; 1976, 474; a.A. Baumbach/ Hopt, § 347 Rn. 38). Ansprüche aus c.i.c. sind bereits vor Vereinbarung der AGB entstanden, sodass die Freizeichnung dafür in der Regel einen Verzicht auf einen entstandenen Anspruch enthält und schon deshalb unwirksam ist (OLG Koblenz NJW-RR 1993, 1080). Maßgebend ist i.d.R. eine ex-ante-Betrachtung. Eine Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts durch ein Kreditinstitut muss ex ante vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (BGH WM 2006, 851).
174
Es gelten im Übrigen die Bestimmungen über die Wirksamkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl. §§ 307 ff. BGB). Weder Anlageberater noch Anlagevermittler können eine Haftung für die Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht, soweit es sich um Hauptpflichten handelt, wirksam durch AGB ausschließen (§ 307 II BGB; BGH ZIP 2000, 355; Bamberger/Roth-Czub, § 675 Rn. 58; Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 38; Raeschke/Kessler, WM 1993, 1838). Das gilt auch für Aufklärungs- und Beratungspflichten, die sich aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben (BGH WM 1976, 474; NJW 1991, 694 für Bausparzuteilungsprognose). Nach § 309 Nr. 7b BGB kann eine Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit prinzipiell nicht ausgeschlossen werden. Nach den seit dem 1.4.2002 neu gefassten AGB der Banken und Sparkassen (vgl. Sonnenhol, WM 2002, 1251) haften die Kreditinstitute, vorbehaltlich der für einzelne Geschäftsbereiche geltenden Sonderbedingungen, auch für einfache Fahrlässigkeit (Nr. 3 AGB-Banken; Nr. 19 AGB-Sparkassen). Für nicht wesentliche Nebenpflichten soll eine Haftungsbeschränkung durch AGB zulässig sein (vgl. Nr. 10 AGB-Banken; Nr. 7 AGBSparkassen; vgl. OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (96); Pleyer/Hegel, ZIP 1985, 1370 (1374 ff.); Bundschuh, Rn. 39 f.). Dieser Aspekt dürfte für den vorliegenden Zusammenhang ohne große praktische Bedeutung sein, weil die Verpflichtung zur Aufklärung und Beratung über alle für die Anlageentschließung wesentlichen Umstände keine „nicht wesentliche Nebenpflicht“ darstellt.
175
Gegen individuelle Freizeichnung kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs erhoben werden bei vorsätzlich fehlerhafter Auskunftserteilung (BGH WM 1974, 272). Das gilt entsprechend, wenn Organe, Geschäftsführer oder leitende Angestellte vorsätzlich oder grob fahrlässig handeln (BGH WM 1973, 164; Palandt-Sprau, § 675 Rn. 36).
176
II. Verschulden, Mitverschulden. 1. Allgemeines. Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs setzt nach allgemeinen Grundsätzen Verschulden (Vertretenmüssen) voraus (§ 280 I, § 823, § 826 BGB). Aus dem Kontext der Vorschrift des § 280 I BGB folgt, dass für die Verletzung vertraglicher Pflichten Verschulden (Vertretenmüssen) vermutet wird. Der Verletzer muss sich entlasten. Das gilt nicht für deliktische Ansprüche aus §§ 823 II, 826 BGB. Hier hat der Gläubiger (Kunde, Verbraucher) das Verschulden der Bank (ihres Mitarbeiters) darzulegen und notfalls zu beweisen. Mitverschulden (§ 254 BGB) mindert die Ersatzpflicht oder schließt sie aus.
177
2. Vorsatz, Fahrlässigkeit. Nach § 276 I 1 BGB, § 347 HGB hat die Bank (das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, der Anlageberater) für Vorsatz und (einfache) Fahrlässigkeit einzustehen. Arglistiges oder gar sittenwidriges Verhalten ist nicht notwendig (BGH NJW-RR 1987, 59 (60)). Genügend ist für vorsätzliches Verhalten, wenn sich die Bank pflichtwidriges Tun als möglich vorstellt und es billigend in Kauf nimmt (bedingter
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1465
Vorsatz). Für Fahrlässigkeit gilt ein objektiver Sorgfaltsmaßstab, nämlich der eines ordentlichen Kaufmanns. Es kommt nicht darauf an, was dem konkret in der Anlageberatung Handelnden möglich und voraussehbar war; vielmehr ist objektiv darauf abzuheben, welche Sorgfalt bei dem Geschäft von dem Handelnden verlangt werden kann (BGHZ 31, 358 (367); BGH NJW 1964, 2058; Palandt-Heinrichs, § 276 Rn. 15, 16 m. w. N.). Das bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Vorliegen einer Pflichtverletzung begründet in der Regel die Vermutung für (zumindest) fahrlässiges Verhalten; § 280 I 2 BGB. Es ist dann Sache des Handelnden (Bank, Wertpapierdienstleister), darzulegen, aus welchen Gründen es zu der Pflichtverletzung kam. Nicht ist es Sache des Kunden, jeden nur denkbaren Entschuldigungsgrund auszuräumen. Der Wertpapierdienstleister handelt (im Rahmen von Verträgen) im Allgemeinen entweder durch gesetzliche Vertreter (§ 31 BGB) oder durch Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Für deren Verschulden tritt er wie für eigenes Verschulden ein. Entlastung ist insoweit nicht möglich (anders als bei der Haftung nach § 831 BGB für Verrichtungsgehilfen). Verhandlungs- und Erfüllungsgehilfe ist auch der Finanzierungsvermittler, dem die Bank Gelegenheit gibt, als ihre Vertrauensperson aufzutreten, indem sie ihm beispielsweise ihre Darlehensformulare überlässt und gestattet, die Vertragsverhandlungen zu führen (OLG Düsseldorf WM 1993, 2207 (2209) m. Anm v. Heymann, WuB I E 2 c.-94). 3. Mitverschulden (§ 254 BGB). Mitverschulden des Kunden schränkt die Ersatzpflicht ein oder schließt sie ausnahmsweise ganz aus (Palandt-Heinrichs, § 254 Rn. 52 m. w. N.). Maßgebend sind auch insoweit die Umstände des Einzelfalles sowie die Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der beiden Seiten gegeneinander. Mitverschulden besteht immer in einer Obliegenheitsverletzung. Jeder Verkehrsteilnehmer ist gehalten, alles ihm selbst Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um einen Schaden, auch einen Vermögensschaden, von sich abzuwenden. Diese Obliegenheit gilt auch für den Bankgeschäfte, Finanzgeschäfte oder eine Beratung in Anspruch nehmenden Anlageinteressenten. Dabei sind die Obliegenheiten für den Anlagekunden umso größer, je größer der Schaden im Falle einer Verletzung sein kann. Maßgeblich ist auch, über welche Erfahrung und Kenntnisse der Anlageinteressent verfügt. Der Berater kann sich gegenüber dem Beratenen, der zu erkennen gibt, dass er selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt und deshalb auf fremde Hilfe angewiesen ist, nicht darauf berufen, dass dieser seinem Rat ohne eigene Nachprüfungen folgt (BGH WM 1982, 90 (91); OLG Hamm WM 1993, 241 (243)). Kenntnisse, die der Kunde haben müsste, weil sie als allgemein gegeben angenommen werden dürfen, sind ihm zuzurechnen. Dasselbe gilt bei Empfehlungen oder Warnungen von dritter Seite oder wenn er Informationen und Bewertungen des Beraters oder Vermittlers nicht oder nicht ausreichend beachtet (BGH WM 1993, 1238 = NJW-RR 1993, 1114 (1115 m. w. N.)). So ist ein hälftiges Mitverschulden angenommen worden bei Aufnahme von DM-Auslandsanleihen zum Zweck der Vermeidung von Quellensteuer, wenn ausreichende Hinweise des Beraters nicht beachtet wurden (OLG Braunschweig ZIP 1993, 1457 (1461) = WM 1994, 59 (62)). Bei einem Anlagevermittlungsgeschäft kann ein Mitverschulden des Anlegers vorliegen, wenn eine auch für einen Unkundigen auffällig hohe Rendite versprochen wird (OLG Oldenburg WM 2001, 1685). Ein hälftiges Mitverschulden des Kunden kann anzunehmen sein, wenn er bei einer hochspekulativen Anlage erkennbar unzuverlässigen Angaben vertraut (OLG Köln MDR 2000, 99). Steht der Anlagevermittler für den Kunden erkennbar auf der Anbieterseite, kann der Anleger zu besonderer Vorsicht verpflichtet sein (BGH NJW 1982, 1095; Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 53).
178
Ein Mitverschulden des ersichtlich unerfahrenen, nicht versierten Kunden wird im Allgemeinen abzulehnen sein. Denn ihm kommt es auf die Beratung gerade an. Er kann auf
179
Bamberger
1466
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
die überlegene Sachkunde der Bank vertrauen und braucht gegebene Aufklärung in der Regel nicht anzuzweifeln (BGHZ 74, 103 (112); BGH BB 1986, 1192 (1193)). Sache der Bank ist es auch, im Rahmen eines Beratungsverhältnisses zu verhindern, dass der Kunde durch fehlerhafte Beantwortung von Fragen Nachteile erleidet (BGH NJW 1971, 187). Ein Mitverschulden des Kunden kann in Betracht kommen, wenn für ihn erkennbar wird, dass die ihn beratende Person nicht kompetent ist oder ihre Erfahrungen und Kenntnisse Lücken aufweisen. Ein Kapitalanlageunternehmen kann sich aber nicht darauf berufen, der Anlageinteressent hätte die Unrichtigkeit der von den angestellten Beratern abgegebenen Erklärungen durch das Studium des ihm überreichten Prospekts erkennen müssen (OLG Düsseldorf VersR 2002, 853). 180
Dem Fall, dass der Kunde Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise desjenigen, der berät, nicht ausreichend beachtet (BGH WM 1993, 1239 (1240)), ist der Fall gleichzustellen, dass der Anlageinteressent eine Überlegungszeit nicht nutzt, um zu prüfen, ob er den Geldgeschäften dort nachgehen soll, wo er sie sonst üblicherweise vorgenommen hat, ohne dass Probleme aufgetreten sind, und er bei der Geldanlage sicher sein wollte (OLG Braunschweig WM 1996, 1484 (1487)). An eine Mitverantwortung ist ferner zu denken, wenn der Anlageinteressent Wertpapiere erwirbt, obwohl ihm selbst die Sache „nicht geheuer“ gewesen ist (OLG Braunschweig a.a.O.).
181
Für die Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge kann auch mit maßgebend sein, in welchem Umfange Vertrauen typischerweise dem Wertpapierdienstleister/ Berater entgegengebracht werden kann. Geht es ausschließlich oder im Wesentlichen um die Beratung für einen geschäftsungewandten Kunden, ist in aller Regel das entgegengebrachte Vertrauen größer als in Fällen, in denen die Beratung, wie bei Anlagevermittlungsgeschäften, nur als Nebenpflicht geschuldet ist und dem Kunden eine größere Eigenverantwortung zukommt (vgl. OLG Karlsruhe WM 1992, 1101 (1103); dazu die Anm. v. Melber, EWiR 1992, 325; Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 36; krit. Assmann, NJW 1982, 1083).
182
Bei länger andauernden laufenden Geschäftsbeziehungen kann sich ein Mitverschulden für später entstehende Schäden daraus herleiten lassen, dass der Kunde zeitlich nach der Beratung Hinweise darauf erhält, dass sein Vertrauen in Erfahrung und Kompetenz des Vermittlers oder Beraters ganz oder zum Teil verfehlt gewesen ist. Allein daraus, dass der Anleger in den vermittelten Geschäften unerwartet (selbst erhebliche) Verluste erleidet, kann aber ein Mitverschulden bei späteren Nachschüssen noch nicht hergeleitet werden (BGH WM 1992, 770 (773) = ZIP 1992, 612 f.). Zwar kann der Anleger veranlasst sein, Verluste, die ihm früher aus mangelnder Erfahrung und unrealistischer Gewinnerwartung heraus entstanden, mit Folgegeschäften gleicher Art ausgleichen zu wollen. Hier ist aber sorgfältig zu prüfen, ob die eingetretenen Verluste dem Anleger nicht Grund abgeben mussten, neue und weitere Entschließungen zu Geschäften gleicher Art mit besonderer Sorgfalt zu prüfen (a. A. BGHZ 124, 151 = WM 1994, 149 (152) für Aufklärungspflichtverletzungen durch Warenterminoptionsvermittler). Auch ein Anleger, dem 30,5 % Rendite pro Vierteljahr für ein vermitteltes Darlehen an eine GmbH geboten wurden, hätte misstrauisch werden und weitere Erkundigungen einziehen müssen (anders OLG Karlsruhe WM 1992, 1101 (1103); dazu die Anm. v. Melber, EWiR 1992, 325). Ähnlich wie das OLG Karlsruhe hat das OLG Hamm (WM 1993, 241; dazu die Anm. v. Vortmann, EWiR 1993, 325) bei einem in Aussicht gestellten Gewinn von 26 bis 28 % pro Jahr mit Wertpapieren erster Qualität geurteilt und gemeint, das für sich habe nicht Anlass für Zweifel und weitere Nachfragen des Anlegers sein müssen. M.E. ist ein Mitverschulden anzunehmen. Allerdings ist in jedem Fall zu prüfen, ob bei der Abwägung des Verschuldensanteils des Unternehmens und des Mitverschuldensanteils des Anlegers nicht von einem derart
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1467
überwiegenden Verschulden des Unternehmens auszugehen ist, dass dabei der Mitverschuldensanteil außer Betracht zu bleiben hat. Auch hierfür sind maßgebend die Umstände des Einzelfalls; allerdings kann bei ersichtlich unerfahrenen und geschäftsungewandten Kunden ein insoweit relevanter Mitverschuldensanteil im Allgemeinen nicht angenommen werden. III. Schaden, Schutzzweck, Kausalität. 1. Schaden. Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 I BGB). Der Schaden ist grundsätzlich durch Naturalrestitution auszugleichen. Das bedeutet die Herstellung des gleichen wirtschaftlichen Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis, hier die fehlerhafte oder unvollständige Aufklärung oder Beratung, bestehen würde (BGH NJW 1985, 793; WM 1991, 315 (317); 1991, 1410 (1412); OLG Düsseldorf WM 1996, 1059). Dabei ist die hypothetische Weiterentwicklung des früheren Zustandes zu berücksichtigen (RGZ 143, 247). Zur Berechnung und Abwicklung des dem Anleger und Kreditnehmer entstandenen Schadens vgl. BGH WM 2004, 422.
183
Für die Verletzung von Beratungspflichten bedeutet dies, dass der Verletzer (Anlageberater oder Anlagevermittler) den Kunden (Anlageinteressenten) so zu stellen hat, wie er ohne das schädigende Ereignis, also bei pflichtgemäßer Aufklärung oder Beratung gestanden hätte (BGHZ 114, 87 (94); Tiedtke, WM 1993, 1228 (1229)). Der Anlageinteressent hat einen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses (Ersatz des Vertrauensschadens). Das bedeutet zunächst, dass er regelmäßig Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag, ferner Aufwendungsersatz verlangen kann (BGHZ 69, 53 (56); BGH WM 1981, 483; 1984, 19; 1987, 1336; NJW-RR 1989, 150 (151); BGHZ 123, 106 = WM 1993, 1787; BGH NJW 1994, 663 (664)). Der Kunde kann aber stattdessen auch an dem für ihn ungünstigen Vertrag festhalten und sich auf den Ersatz der Mehraufwendungen beschränken (BGHZ 111, 75 (82); BGH NJW 1992, 1223 (1224)).
184
Das negative Interesse ist durch das positive Interesse nicht begrenzt. Der Kunde kann vielmehr den Ausgleich aller ihm durch die fehlerhafte oder unvollständige Aufklärung oder Beratung entstandenen mittelbaren und unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteile verlangen (MünchKommBGB-Emmerich, Rn. 311 ff. vor § 275). Dazu gehört auch der entgangene Gewinn (§ 252 BGB); dabei ist die hypothetische Entwicklung zu betrachten. Der geschädigte Anleger kann neben dem Ersatz seiner Einlage auch den Betrag als Schaden ersetzt verlangen, den er durch den Nichtabschluss eines günstigeren Geschäftes verfehlt hat (BGH WM 1988, 781; 1990, 145 (148)). Ist ein Kreditnehmer geschädigt, kann er Aufhebung des Kreditvertrages verlangen (BGH WM 1987, 1546; OLG Celle NJW-RR 1987, 1261 f.). Hält der Geschädigte am Vertrag fest, so kann er auch einen evtl. Minderwert der im Vertrauen auf richtige Beratung erworbenen Anlage geltend machen (BGH WM 1987, 1222 = NJW 1987, 2512). Zum Umfang des ersatzfähigen Schadens der Direktbank bei verschuldeter Nichterreichbarkeit vgl. Balzer, WM 2001, 1533 (1541). Vielfach ist der Schaden schwer zu bestimmen. Notfalls ist er, jedenfalls ein Mindestschaden, zu schätzen (BGH WM 1987, 319 (320)). Die Schätzung darf aber nicht, bei vollständig fehlenden Anhaltspunkten, völlig aus der Luft gegriffen sein (BGHZ 91, 243 (256)).
185
Gemindert wird der Schaden durch Vorteile, die der Geschädigte aus der pflichtwidrig erteilten Beratung zieht (Vorteilsausgleich; vgl. BGHZ 109, 380 (392); BGH NJW 1994, 511 m. w. N.). Das können Steuervorteile aufgrund von Abschreibungen sein (BGH NJW 1970, 461; 1979, 915; BGHZ 84, 141; BGH WM 1986, 517). Muss der Geschädigte die Schadensersatzleistung nachversteuern, braucht er sich steuerliche Vorteile nicht anrechnen zu lassen (BGH WM 1979, 530; 1988, 586 (587); 1989, 1286; 1990, 145 (148)). Er-
186
Bamberger
1468
187
188
189
190
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
wachsen dem Geschädigten aufgrund des schadensstiftenden Ereignisses als Vorteil Ersatzansprüche gegenüber Dritten, so hat er sie entsprechend § 255 BGB an den Schädiger abzutreten, ohne dass es einer Prüfung der Frage bedarf, ob und welche Ansprüche der Geschädigte gegen den Dritten hat und ob diese Ansprüche werthaltig sind (vgl. OLG Düsseldorf WM 1996, 1082 (1089 m. w. N.)). 2. Schutzzweck. Der Gedanke des Schutzzwecks der verletzten Norm hat begrenzenden Charakter. Danach kann nur Ersatz desjenigen Schadens verlangt werden, zu dessen Abwendung die verletzte Pflicht bestand. Der Schaden muss nach Art und Entstehungsweise sich aus einer Gefahr heraus konkretisiert haben, die die Informations- und Beratungspflicht vermeiden helfen sollte. Die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten, die sich abgrenzbar auf einen ganz bestimmten Punkt beziehen, kann deshalb nicht zum Ersatz von Schäden führen, die davon völlig unabhängig sind (vgl. BGHZ 116, 209 (212); BGH NJW-RR 1991, 1265; BGH NJW-RR 1998, 1271). 3. Kausalität. Notwendig ist ferner, dass die fehlerhafte Aufklärung oder Beratung für den entstandenen Schaden ursächlich war (haftungsbegründende Kausalität), d.h., dass der Schaden bei pflichtgemäßer Aufklärung und Beratung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aufgetreten wäre. Im Zivilrecht kommt es auf adäquate Kausalität an (vgl. Palandt-Heinrichs, Rn. 58 ff. vor § 249). Eine Folge ist dann adäquat-kausal auf eine Ursache zurückzuführen, wenn sie nach allgemeinen Erfahrungssätzen im Rahmen des als Wirkung Voraussehbaren liegt und nicht durch ganz außergewöhnliche, vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehende Umstände konkret herbeigeführt wurde. Kauft der Anleger aufgrund einer Empfehlung des Beraters, die auf den Kauf von 200 Optionsscheinen ging, 2000 Optionsscheine, so ist dieser Kauf adäquat kausal auf die Empfehlung zurückzuführen (OLG Frankfurt WM 1993, 684; a. A. Potthoff, WM 1993, 1319 (1321)). Grundsätzlich unbeachtlich ist auch eine hypothetische Kausalität. Führt ein pflichtwidriges Verhalten einen Schaden herbei, so kann sich der Schädiger nicht darauf berufen, derselbe Schaden wäre aufgrund eines anderen Umstandes (Reserveursache) später ohnehin eingetreten (vgl. BGH WM 1988, 244 = NJW 1981, 3265 zur hypothetischen Kausalität im Anfechtungsrecht). Etwas anderes kann gelten bei der Frage rechtmäßigen Alternativverhaltens bei Vermögensverwaltung. Kausalität ist zu verneinen, wenn der Schaden auch bei pflichtgemäßer Information eingetreten wäre. Eine unterlassene oder fehlerhafte Aufklärung ist aber für den eingetretenen Schaden selbst dann ursächlich, wenn der Kunde die Anlageentscheidung bereits getroffen hatte, aber aufgrund pflichtgemäßen Verhaltens des Unternehmens sich erfahrungsgemäß noch aus der bereits eingegangenen Verbindung gelöst und damit den Schaden abgewendet hätte (BGH NJW-RR 1990, 876 (878)). Auch bei der Geltendmachung der Informationsdeliktshaftung nach § 826 BGB wegen fehlerhafter Ad-hoc-Publiztät ist der Nachweis der konkreten Kausalität der Täuschung für die Willensentscheidung des Anlegers notwendig (BGH WM 2007, 486). Dafür reicht das generelle Vertrauen des Anlegers in die „Richtigkeit allgemeiner Informationen“ über das Unternehmen sowie der „Glaube an dessen wirtschaftliche Substanz und langfristigen Erfolg“ nicht aus (BGH WM 2007, 683). Zu den Anforderungen an den Nachweis eines derartigen Kausalzusammenhangs vgl. BGH WM 2007, 684, und Findeisen/Backhaus, WM 2007, 100, ferner BGH WM 2007, 1557, 1560.
E. Haftung Wenn die Pflichtverletzung den Anspruch begründet, also die Verpflichtung zum Schadensersatz auslöst, ist zu prüfen, wen die Erfüllung der Schadensersatzverpflichtung trifft und wer mit seinem Vermögen dafür einzustehen hat.
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1469
I. Haftung nach Vertrag oder c.i.c. 1. Vertragspartner. Es haftet nach allgemeinen Grundsätzen der Vertragspartner, also derjenige, mit dem der Kunde den Beratungsvertrag oder den Vermittlungsvertrag abschließt. Ist Vertragspartner, wie vielfach, eine Gesellschaft des Handelsrechts, so haftet diese, also die OHG, KG, GmbH oder Aktiengesellschaft. Es gelten die allgemeinen Grundsätze. Es gelten die Grundsätze der Organhaftung entsprechend § 31 BGB.
191
Das gilt auch für die Zurechnung des Handelns von Hilfspersonen (Vorstand, Geschäftsführer). Wertpapierdienstleister müssen sich insbesondere auch das Verhalten der für sie tätig gewordenen Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Erfüllungsgehilfe im Sinne der genannten Vorschrift ist derjenige, der nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (BGHZ 13, 111 (113); BGHZ 50, 32 (35 )= WM 1968, 646; BGHZ 62, 119 (124) = WM 1974, 377; BGHZ 98, 334 = WM 1987, 85; OLG Düsseldorf WM 1996, 1082 (1087)). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Hilfsperson zu dem Schuldner in einem Abhängigkeitsverhältnis steht oder ob es sich um einen selbstständigen Handelsvertreter handelt, der gemäß § 86 III HGB i. V. m. § 665 BGB zwar auch in gewisser Weise an Weisungen seines Auftraggebers gebunden ist, dessen Weisungsgebundenheit aber dadurch begrenzt wird, dass seine Selbstständigkeit in ihrem Kern nicht tangiert werden darf (BGH BB 1960, 265). Auch auf selbstständig tätige Personen, die keinem unmittelbaren Weisungsrecht des Schuldners unterliegen, findet § 278 BGB Anwendung (BGHZ 62, 119 (124) = WM 1974, 377; BGH WM 1993, 658 = NJW 1993, 1704 (1705); OLG Düsseldorf 1996, 1082 (1088); OLG Celle DB 2002, 2211). Unerheblich ist auch, ob der Auskunft Erteilende durch die Bank dazu ermächtigt ist. Es genügt, wenn er mit Wissen der Bank eine die Auskunft mit umfassende Tätigkeit ausübt (BGH WM 1973, 635; Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 13). Entscheidend ist lediglich, dass die eingesetzte Hilfsperson in Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt. Das bedeutet, dass die von ihr verrichtete Tätigkeit im Bereich des vom Schuldner geschuldeten Gesamtverhaltens liegen muss und in einem inneren Zusammenhang mit dem Pflichten- und Wirkungskreis steht, der dem Gehilfen zugewiesen worden ist (BGHZ 123, 1 (14) = WM 1993, 1805 = NJW 1993, 3061 (3064)). Ein derartiger innerer Zusammenhang ist dabei auch dann zu bejahen, wenn der Gehilfe nicht mit der Abwicklung des Vertrages, sondern lediglich mit der Führung der Vertragsverhandlungen betraut war und dabei die Pflichtverletzung begangen hat (BGHZ 114, 263 (272) = WM 1991, 1171 = NJW 1991, 2556 (2557); OLG Düsseldorf 1996, 1082 (1088)). Der für die Zurechnung des Verhaltens von Hilfspersonen erforderliche unmittelbare sachliche Zusammenhang zwischen der Schädigung des Kunden durch Übermittlung von Aufträgen für Optionsgeschäfte, die seinen Vorgaben nicht entsprachen, ist auch dann gegeben, wenn es dem Gehilfen nach betriebsinternen Anweisungen des Unternehmens verboten war, die Disposition über Konten während der Urlaubsabwesenheit der Kontoinhaber zu übernehmen. Aus der maßgeblichen Sicht eines Außenstehenden (BGHZ 114, 263 (270) = WM 1991, 1171 m. w. N.) besteht auch in solchen Fällen ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln des Kundenberaters und dem allgemeinen Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben. Die Haftung des Geschäftsherrn, den § 278 BGB auch bei weisungswidrigem Verhalten von Erfüllungsgehilfen mit dem Personalrisiko belastet, entfällt erst dann, wenn das pflichtwidrige Verhalten der Hilfsperson aus dem allgemeinen Umkreis jenes Aufgabenbereichs, den sie wahrzunehmen hat, vollkommen heraus fällt (BGH WM 1997, 477 (478)).
192
2. Vorstand, Geschäftsführer, GmbH-Alleingesellschafter. Handelt dem Kunden gegenüber der Geschäftsführer oder ein Mitglied des Vorstands und bringt der Kunde ihm
193
Bamberger
1470
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
besonderes Vertrauen entgegen, so haftet neben der juristischen Person auch derjenige, der das Vertrauen in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst (vgl. § 311 III 2 BGB). Die Haftung besteht allerdings dann regelmäßig nicht aus Vertrag, sondern nach § 826 BGB, §§ 823 II BGB i. V. m. § 49 BörsG oder wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen (vgl. BGH WM 1984, 221; 1981, 1021; OLG Düsseldorf ZIP 1989, 220 (221 f.)). Der Fall der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens dürfte in aller Regel nur gegeben sein, wenn Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder selbst tätig werden, nicht aber, wenn sie sich im Rahmen der Abwicklung des Vertragsverhältnisses ihrer Angestellten bedienen. Bei deliktischer Haftung gilt § 831 BGB. Verrichtungsgehilfe kann ausnahmsweise auch ein Handelsvertreter sein (OLG Köln WM 2006, 122). 194
Soweit der Geschäftsführer einer Anlagevermittlungs-GmbH vorsätzlich veranlasst oder aber in Kenntnis unzureichenden Prospektmaterials oder der Verhaltensweisen von Telefonverkäufern nicht verhindert, dass diese ihre Aufklärungspflichten gegenüber den Kunden nicht oder fehlerhaft erfüllen, haftet er wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB (BGH ZIP 1984, 547 (548 f.); WM 1994, 149 (152); 1994, 453; 1994, 1747; OLG Düsseldorf ZIP 1989, 220 (223 ff.); WM 1994, 1796; 1520; vgl. auch die Anm. v. Schäfer, EWiR 1994, 639 u. Hartung, EWiR 1994, 655).
195
Den Geschäftsführer der Anlagevermittlungs-GmbH trifft auch eine Verantwortlichkeit für den Inhalt von Prospekten, wenn er ihm bekannt war und der Prospekt seinem Willen entsprechend von der GmbH verwendet werden sollte (BGH WM 1988, 1255; 1992, 1935; 1994, 149 (152); 453; 1747; OLG Düsseldorf ZIP 1989, 220 (223 f.)).
196
Ausnahmsweise besteht auch eine Haftung des Alleingesellschafters einer GmbH, der nicht Geschäftsführer ist, in solchen Fällen, in denen er sich in besonderer Weise um die Belange der Gesellschaft kümmert und mithin auch eine Verantwortung zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Anleger hat (OLG Düsseldorf WM 1994, 1520). Zur Haftung eines konzernbeherrschenden Gesellschafters für fehlerhafte Angaben in einem Prospekt, der zum Vertrieb einer Immobilienanlage herausgegeben wurde vgl. BGH WM 2006, 427.
197
3. Telefonverkäufer. Telefonverkäufer der vermittelnden GmbH, obgleich nur deren Angestellte, haften nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung neben der vertraglich verpflichteten Gesellschaft (BGHZ 124, 151; BGH NJW 1993, 257; OLG Düsseldorf NJW 1975, 404).
198
4. Repräsentant. Der Repräsentant einer ausländischen Bank kann im eigenen Namen für deren Kunden Anlageberatung betreiben und haftet dann auch. Eine Tätigkeit als Repräsentant (i. S. d. § 53a KWG) liegt vor, wenn sich eine Stelle auf die Werbung für eine ausländische Bank und die Kontaktpflege mit ihr beschränkt, rechtsgeschäftliche Willenserklärungen jedoch nicht im Namen der Bank abgibt und nicht als Stellvertreter für sie entgegennimmt sowie Kundenanträge lediglich als Bote an die Bank weiterleitet (BGH WM 1987, 1089; WM 1999, 2249). Diese beschränkte Zuständigkeit gilt nur für die eigentlichen Bankgeschäfte i. S. d. § 1 I KWG. Die Anlageberatung ist kein derartiges Bankgeschäft. Es ist deshalb einer Gesellschaft, die die Tätigkeit einer Repräsentanz ausübt, grundsätzlich nicht untersagt, zusätzlich Anlageberatung zu betreiben. Für fehlerhafte Beratung haftet sie dann selbst (BGH WM 1999, 2249 f.; Ellenberger, WM 2001, SB 1, 1 (3)).
199
II. Haftung nach Gesetz. Es gelten die allgemeinen Vorschriften. Danach haftet der Verletzer, also der gehandelt, geduldet oder trotz bestehender Rechtspflicht dazu nicht gehandelt hat. Das gilt insbesondere für Ansprüche aus Delikt, also aus § 826 BGB und aus
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1471
§ 823 II BGB i. V. m. den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (§§ 31 ff) und des Strafgesetzbuches (z.B. §§ 263 ff. StGB) oder z.B. § 49 BörsG.
F. Darlegungs- und Beweislast, Verjährung, prozessuale Fragen
200
I. Darlegungs- und Beweislast. Nach allgemeiner Regel hat der Anspruchsteller, also hier der Anleger, für seinen Schadensersatzanspruch sämtliche Voraussetzungen zu beweisen. Das sind in erster Linie Pflichtverletzung, eingetretener Schaden, Kausalität. Diese Regel gilt uneingeschränkt für gesetzliche, insbesondere deliktische Ansprüche. Hier hat der Anleger für einen Anspruch aus § 826 BGB die vorsätzlich sittenwidrige Schädigung, ferner Kausalität zu beweisen. Für einen Anspruch aus § 823 II BGB sind die Voraussetzungen der Verletzung des Schutzgesetzes, ferner die das Verschulden begründeten Umstände darzulegen. Nimmt der Zeichner einer Vermögensanlage den Anlagevermittler auf Schadensersatz wegen unzureichender Risikoaufklärung in Anspruch, trägt er für die Behauptung, vom Vermittler keinen – den Risikohinweis enthaltenden – Anlageprospekt erhalten zu haben, die Beweislast (BGH WM 2006, 1288). Im Rahmen bestehender Verträge und zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung vertraglich begründeter Aufklärungs- und Beratungspflichten nimmt die Rechtsprechung mit Recht eine Beweislastumkehr vor (§ 280 I 2 BGB). Sache des Anspruchstellers ist es aber zunächst, die Pflichtverletzung zu beweisen (PalandtHeinrichs, § 280 Rn. 35 m. w. N.). Dies gilt auch dann, wenn die Pflichtverletzung in einem Unterlassen, etwa in der Verletzung einer Beratungs- und Aufklärungspflicht besteht (vgl. BGHZ 61, 118 (120) = WM 1973, 1015 m. w. N.; BGH WM 1978, 957 (958) = NJW 1978, 2197 (2198); WM 1987, 590 = NJW 1987, 1322 (1323); OLG Düsseldorf WM 1996, 1082 (1086)). Dass damit dem Anspruchsteller letztlich der Beweis einer negativen Tatsache aufgebürdet wird, ändert an diesem Ergebnis nichts. Dem Anspruchsteller wird dadurch geholfen, dass die wegen angeblich unterlassener Beratung und Aufklärung in Anspruch genommene und an sich nicht darlegungs- und beweispflichtige Partei die Behauptung, eine ordnungsgemäße Aufklärung sei nicht erfolgt, substantiiert bestreiten und konkret darlegen muss, wann, wo und wie sie die gebotene Aufklärung und Beratung vorgenommen oder veranlasst hat (OLG Düsseldorf WM 1996, 1082 (1086)).
201
Die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt bezüglich Kausalität, Schutzzweck und Verschulden. Hat danach der Anleger Pflichtverletzung und Schaden bewiesen, ist es Sache des Anspruchsgegners, also des Unternehmers, nachzuweisen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten ebenso eingetreten wäre (BGHZ 72, 106; 124, 152; BGH NJW 1978, 41 = WM 1977, 756; NJW 1979, 1595 = WM 1979, 548; NJW 1989, 152 = WM 1988, 1636; NJW 1992, 3296; MünchKommBGB-Grundmann, § 276 Rn. 124; Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 39). Behauptet die klagende Partei, sie hätte keine Penny Stocks erworben, wenn das Risiko nicht von dem Unternehmen verniedlicht, sondern zutreffend dargestellt worden wäre, so trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Gegenteil das Unternehmen (BGH WM 1988, 1031 m.w.N; WM 1991, 315 (317)). Besteht die Pflichtverletzung des Unternehmens darin, dass es entgegen § 37b I WpHG den Verbraucher die Unterrichtungsschrift nicht hat unterschreiben lassen, kann die Kausalität entfallen, wenn das Unternehmen – von ihm zu beweisen – mündlich ausreichend aufgeklärt hat. Zur Frage der Beweislast bei der Übergabe von Verkaufsprospekten vgl. OLG Stuttgart WM 2006, 1100.
202
Im Fall der Vermittlung von Warenterminoptionen hat die Rechtsprechung für die Beweislast bezüglich der Schadensursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung angenommen, dass es sich bei den Pflichten zur Aufklärung über Warenterminoptionen um solche handele, die dem Anleger eine sachgerechte Entscheidung über den Abschluss des
203
Bamberger
1472
204
205
206
207
208
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Geschäfts erst ermöglichten. Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung bestätigt, dass der seine Aufklärungspflicht verletzende Warenterminoptionsvermittler die fehlende Verursachung beweisen müsse (BGH WM 1994, 149 (151); vgl. auch OLG Celle WM 1993, 191 (194); dazu Köndgen, EWiR 1993, 135; ferner OLG Braunschweig ZIP 1993, 1457 (1461) – Polly Peck). Es gilt die Vermutung für aufklärungsrichtiges Verhalten (Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 37 m. w. N.). Es handelt sich um Fälle des Anscheinsbeweises, der erschüttert werden kann durch den Nachweis atypischen Verhaltens des Anlegers (MünchKommBGB-Grundmann, § 276 Rn. 124; Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 39; a. A. Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 37: echte Beweislastumkehr). Eine Beweislastumkehr gilt im Rahmen gesetzlicher Ansprüche für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Das Vorliegen eines pflichtwidrigen schadensverursachenden Verhaltens indiziert für deliktische Ansprüche die Rechtswidrigkeit. Sache des in Anspruch genommenen Verletzers ist es, darzulegen und zu beweisen, dass er sich auf rechtfertigende Umstände stützen konnte. Im Rahmen vertraglicher Ansprüche muss der Unternehmer auch beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, ihn daran also kein Verschulden trifft (§ 280 I 2 BGB; vgl. Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 40 m. w. N.) Die Direktbank muss beweisen, dass sie die (vom Kunden zu beweisende) zeitweilige Nichterreichbarkeit nicht zu vertreten hat, soweit feststeht, dass die Schadensursache in ihrem Gefahren- und Verantwortungsbereich liegt (§ 280 I 2 BGB; Balzer, WM 2001, 1533 (1542)). II. Verjährung. Für vertragliche Ansprüche gilt nach §§ 195, 199 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (bzw. absolut von zehn Jahren). Diese Frist gilt insbesondere auch für alle Schadensersatzansprüche, gleich, ob sie auf vertraglicher Pflichtverletzung, Verschulden bei den Vertragsverhandlungen (c.i.c.) oder Delikt beruhen. Sie gilt auch für Schadensersatzansprüche aus Pflichtverletzung eines Beratungsvertrages. § 37a WpHG sieht bei einem Anspruch des Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung eine Verjährungsfrist von ebenfalls drei Jahren vor. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch entstanden ist, regelmäßig mit dem Erwerb der Wertpapiere (BGH, ZIP 2005, 802; a. A. Knops, AcP 205 (2005), 821 (839 ff.)). § 199 BGB gilt nicht (vgl. Bamberger/Roth-Henrich, § 195 Rn. 4). Entgegen der Formulierung im Gesetz genügt es, wenn entweder die Pflicht zur Information verletzt oder fehlerhaft beraten wurde. § 37a WpHG erfasst auch konkurrierende Deliktansprüche wegen fahrlässiger Falschberatung (BGH WM 2005, 929). Für Ansprüche aus vorsätzlich falscher Anlageberatung verbleibt es bei der deliktischen Regelverjährung (BGH aaO). Für deliktische Ansprüche aus § 826 BGB und § 823 BGB gelten nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz jetzt ebenfalls die allgemeinen Vorschriften der §§ 194 ff., also insbesondere § 195 und § 199 BGB. Zur Verjährung beim Optionsgeschäft vgl. BGH VersR 2003, 996. Zum Beginn der Verjährung bei Verlust der Geldanlage BGH WM 2008, 202. Entsprechend § 127 V InvG (früher § 20 V KAGG, § 12 V AuslInvestG) verjähren Prospekthaftungsansprüche in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, in dem der Käufer von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospektes Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Vertrages. Diese Regelung dürfte analog heranzuziehen sein für andere, auf denselben Sachverhalt gestützte Schadensersatzansprüche, auch solche aus c.i.c. (vgl. Bamberger/Roth-Henrich, § 195 Rn. 16; BGHZ 83, 222 = WM 1982, 554; OLG Frankfurt WM 1993, 685 (687)).
Bamberger
§ 50 Anlageberatung
1473
III. Prozessuale Fragen. Für die Zuständigkeit des Gerichts, bei dem die Ansprüche geltend zu machen sind, gelten die allgemeinen Regeln, also insbesondere §§ 23, 71 GVG für die sachliche Zuständigkeit (Amtsgericht oder Landgericht) sowie §§ 12 ff. ZPO, insbesondere §§ 22, 32 ZPO (BGHZ 76, 231; WM 1980, 825) für die örtliche Zuständigkeit. Problematisch für die Gerichte ist hier häufig die Prozessflut (z.B. beim LAG Frankfurt a.M. rd. 15.000 Klagen gegen die Deutsche Telekom). Der Gesetzgeber hat versucht, dem durch das „Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren“ zu begegnen. § 32b ZPO erleichtert unter bestimmten Voraussetzungen bei einer Schadensersatzklage eines Kapitalanlegers gegen mehrere Personen die prozessuale Auseinandersetzung. Die Vorschrift gilt nicht für Fälle, in denen der Kapitalmarkt nicht informiert worden ist, auch nicht hätte informiert werden müssen oder wenn der Emittent oder Anbieter seinen Sitz im Ausland hat. Dann gelten die allgemeinen Vorschriften der ZPO oder sonst bestehende Zuständigkeitsregelungen des europäischen oder zwischenstaatlich vereinbarten Rechts. § 32b Abs. I, 1 Nr. 1 ZPO gilt nicht, wenn ein Beklagter wegen Verletzung eines Anlageberatungsvertrages auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird (BGH WM 2007, 587). Für Ansprüche aus Sachverhalten außerhalb des Anwendungsbereichs der Prospekthaftung besteht keine ausschließliche Zuständigkeit des betreffenden Landgerichts (§ 13 II VerkProspG; OLG Frankfurt ZIP 2003, 1090). Die Vollstreckung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung. Für das internationale Privatrecht gilt, dass vertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten dem Vertragsstatut folgen (Art. 27 ff. EGBGB; bei Auskunftsvertrag Recht am Sitz der Auskunft erteilenden Bank; OLG Hamburg VersR 1983, 350; Dörner, WM 1977, 962), Ansprüche aus c.i.c. dem Statut des angebahnten Vertrages (Art. 31 I, 32 I Nr. 3 und 5 EGBGB; str., a. A. Baumbach/Hopt, § 347 Rn. 41 m. w. N.). Zur Anwendung von Art. 5 Nr. 3 LugÜ bei Geltendmachung eines Vermögensschadens aus unerlaubter Handlung wegen rechtswidriger Anlageberatung vgl. OLG Köln WM 2006, 122. Eingehend zur gerichtlichen Zuständigkeit bei fehlgeschlagener Kapitalanlage Cuypers, WM 2007, 1446.
Bamberger
209
“This page left intentionally blank.”
§ 51 Vermögensverwaltung
1475
§ 51 Vermögensverwaltung
Schrifttum Balzer, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute, 1999; Vermögensverwaltung, in: Welter/Lang (Hrsg.), Handbuch der Informationspflichten im Bankverkehr, 2005, Kap. 9; Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen nach § 37a WpHG, in: Festschrift Horn, 2006, 649; Die professionelle Vermögensverwaltung – Grundlagen und aufsichtsrechtliche Erfassung (Teil I), ErbStB 2006, 130; Die professionelle Vermögensverwaltung – Haftungsrechtliche Aspekte (Teil II), ErbStB 2006, 163; Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Vermögensverwaltung, WM 2000, 441; Pflichten und Haftung von Wertpapiervermögensverwaltern, FB 2000, 499; Aktuelle Rechtsprechung zur Vermögensverwaltung, Die Bank 1998, 584; Verhaltenspflichten der Kreditinstitute nach dem Wertpapierhandelsgesetz bei der Verwaltung von Wertpapiervermögen, in: Herrmann/Berger/Wackerbarth (Hrsg.), Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 21; Becker/Wicke, Rechtsfragen der Vermögensverwaltung, 1995; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, 2006; Pflichten des Vermögensverwalters im Investitionsprozess, ZGR 2004, 760; Brunner, Die Vermögensverwaltung deutscher Kreditinstitute im Privatkundengeschäft, 1987; Dorner, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute, 1970; Gaßner/Escher, Bankpflichten bei der Vermögensverwaltung nach Wertpapierhandelsgesetz und BGH-Rechtsprechung, WM 1997, 93; Gutzwiller, Unsorgfältige Vermögensverwaltung – Beweislast, Haftungsausschluss und Schadensberechnung, AJP 2000, 57; Horn, Sorgfaltspflichten bei der Vermögensverwaltung, in: Horn/Schimansky (Hrsg.), Bankrecht 1998, RWS-Forum 12, 1998, S. 265; Jendralski/Oehlenschläger, Vermögensverwaltung und -betreuung, 1992; Jung, Die Auswirkungen der 6. KWG-Novelle auf Anlagevermittler, (Börsen-)Makler und Vermögensverwalter, BB 1998, 649; Kiethe/Hektor, Haftung für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, DStR 1996, 547; Knops, Verjährungsbeginn durch Anspruchsentstehung bei Schadensersatz-ansprüchen – insbes. nach den §§ 37a und d WpHG, AcP 205 (2005), 821; Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen. Rechtliche Grundlagen – Typenspezifische Anforderungen – Haftung, 2002; Miebach, Private Vermögensverwaltung und Erlaubniserfordernis nach § 1 KWG, DB 1991, 2069; Nobbe, Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Wertpapieranlagen, in: Horn/Schimansky (Hrsg.), Bankrecht 1998, RWS-Forum 12, 1998, S. 235; Rössner/Arendts, Die Haftung wegen Kontoplünderung durch Spesenschinderei (Churning), WM 1996, 1517; Roll, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute. Zur rechtssystematischen Erfassung anhand von standardisierten Vertragsmustern, 1983; Schäfer, Pflichten von (Wertpapier-)Vermögensverwaltern, in: Cramer/Rudolph (Hrsg.), Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 1995, S. 668; Vermögensverwaltung nach der MiFID, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Vermögensverwaltung/Übernahmerecht im Gefolge der EU-Übernahmerichtlinie, Bankrechtstag 2006, S. 31; Vereinbarungen über Benachrichtigungspflichten in Vermögensverwaltungsverträgen, WM 1995, 1009; Schödermeier, Nachforschungspflichten einer Bank als Vermögensverwalterin zur Person ihres Kunden, WM 1995, 2053; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005; Sprockhoff, Die Bankenhaftung bei Abschluss und Umsetzung eines Vermögensverwaltungsvertrages in der richterlichen Praxis, WM 2005, 1739; Teuber, Besondere Haftungsrisiken bei der Vermögensverwaltung, in: Ellenberger/Schäfer (Hrsg.), Fehlgeschlagene Wertpapieranlagen, 2006, S. 221; Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung im Überblick, BKR 2006, 429; Anlageberatung und Vermögensverwaltung nach MiFID, BP Beilage 01/2007, 18; Teuber/Müller, Pflichten in der Vermögensverwaltung, in: Clouth/Lang (Hrsg,), MiFIDPraktiker-Handbuch. Neue Verhaltenspflichten für Banken und Sparkassen durch Gesetzgeber und Bankenaufsicht, 2007, S. 123; Weber-Rey/Baltzer, Aufsichtsrechtliche Regelungen für Vermittler von Finanzanlagen und Vermögensverwalter nach der 6. KWG- Novelle, WM 1997, 2288. Inhaltsübersicht A. Grundbegriffe und vertragsrechtliche Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Begriffsbestimmung und Abgrenzung zu verwandten Dienstleistungen. . . . . . . . . . . 1 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Rechtsgrundlagen der Vermögensverwaltung 3 1. Rechtliche Qualifikation der Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2. Eigentumsrechtliche Formen der Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesetzliche Rahmenbedingungen der Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermögensverwaltung als Wertpapierdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erfassung der Vermögensverwaltung durch das KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Treuhandmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Balzer
5 7 7 8 8
1476
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
2. Vertretermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III.Vermögensverwaltung und Rechtsberatungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 C. Aufklärungs- und Beratungspflichten vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages . . 11 I. Beratungsvertrag als Pflichtengrundlage . . . 11 II. Inhalt der Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Vereinbarung von Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Inhaltliche Ausgestaltung von Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Anlegergerechte Beratung des Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Objektgerechte Beratung des Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 III.Inhalt der Aufklärungs- und Beratungspflichten bei fehlender Vereinbarung von Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Pflicht zur Vereinbarung von Anlagerichtlinien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Erfordernis einer anlegergerechten Beratung bei der Vermögensverwaltung nach freiem Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Objektgerechte Beratung bei unterbliebener Vereinbarung von Anlagerichtlinien . 25 IV. Offenlegungspflichten bei Vereinbarung von Kick-Backs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 D. Pflichten bei der Durchführung der Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Aufklärungs- und Beratungspflichten . . . . . 30 II. Interessengerechte Verwaltung des Anlegervermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
1. Einhaltung der vereinbarten Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht zur Risikostreuung . . . . . . . . . . . . 3. Verbot der Spekulation . . . . . . . . . . . . . . 4. Vermeidung von Interessenkonflikten . . . 5. Unterlassung verbotener Verhaltensweisen und Insiderverbot. . . . . . . . . . . . . III. Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . E. Haftung bei fehlerhafter Vermögensverwaltung I. Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang des Schadensersatzanspruchs. . . . . 1. Berechnungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung eines pflichtgemäßen Alternativverhaltens. . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mitverschulden des Vermögensinhabers . . . IV. Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen . V. Darlegungs- und Beweislast. . . . . . . . . . . . . VI.Verjährung von Haftungsansprüchen . . . . . F. Pflichten des Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . I. Vergütungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gebot der Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . . . III. Kontrolle des Vermögensverwalters. . . . . . . G. Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonstige Beendigungsgründe des Verwaltungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen der Vertragsbeendigung auf die Verwaltungsvollmacht . . . . . . . . . . . IV. Vertragsabwicklung nach Beendigung der Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . .
33 37 38 39 41 45 49 49 50 50 54 55 57 59 61 62 62 64 66 67 67 69 70 71
Stichwortverzeichnis Abladen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 All-in-fee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Alternativverhalten, pflichtgemäßes . . . . . . . . . . . . 54 Anlageberatung, Abgrenzung zur Vermögensverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 7 Anlagerichtlinien, Abweichungsbefugnis. . . . . . . . 33 Anlagerichtlinien, Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 13, 34 Anlagerichtlinien, Einhaltung . . . . . . . . . . . . . . 33, 58 Anlagerichtlinien, Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Anlagerichtlinien, Pflicht zur Vereinbarung . . . . . . 21 Anlagerichtlinien, Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 30, 40, 59 Auskaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Auslegung von Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . 13, 34 Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Benachrichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 58 Beratung, anlegergerechte. . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 23 Beratung, objektgerechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 25 Beratungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 20 Beweiserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 59 Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Blockorder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Buchverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Churning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Darlegungslast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Dauerschuldverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Depotvollmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Durchschnittsrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Eigengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 43 Einlagengeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Einzelweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 64 Erheblichkeit des Verlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ermessen des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 38 Finanzdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Finanzkommissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Finanzportfolioverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Gebot der Rücksichtnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Gebot produktiver Vermögensverwaltung . . . . . . . 24 Gegenlaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Grundsatz einer ausgeglichenen Anlagepolitik . . . 37 Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 30, 40, 59 Insiderverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 39 Interessenwahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Kausalitätsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Kick-Backs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 51 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Mindestschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Mischkursabrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Mitlaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Mitverschulden des Vermögensinhabers . . . . . 55, 66
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
Nachforschungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Notbesorgungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Pflicht zur persönlichen Verwaltung. . . . . . . . . . . . 12 Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Primärinsider. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Rechenschaftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 45 Recherchepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Rechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Retrozessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 51 Risikostreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 58 Schadensersatzanspruch, Umfang. . . . . . . . . . . . . . 50 Schadensminderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Schadensschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52, 60 Sorgfaltsmaßstab. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Spekulationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Substanzgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Treuhandverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 8 Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Verlust, erheblicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Vermögensberatung, Abgrenzung zur Vermögensverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vermögensverwaltung als Finanzdienstleistung . . . . 9 Vermögensverwaltung als Wertpapierdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1477
Vermögensverwaltung, Abgrenzung zur Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vermögensverwaltung, Abgrenzung zur Vermögensberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vermögensverwaltung, Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Vermögensverwaltungsvertrag als Dienstvertrag . . . 3 Vermögensverwaltungsvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vermögensverwaltungsvertrag, Beendigung im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Vermögensverwaltungsvertrag, Befristung. . . . . . . 69 Vermögensverwaltungsvertrag, Formfreiheit . . . . . . 4 Vermögensverwaltungsvertrag, konkludenter Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vermögensverwaltungsvertrag, Kündigung . . . . . . 67 Vermögensverwaltungsvertrag, Rückabwicklung . 51 Vermögensverwaltungsvertrag, Schriftform. . . . . . . 4 Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Verwaltungsvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 70 Vollmachtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 9 Vorlaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Warnpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 59 Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Wertpapierdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Widerruf von Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . 33
A. Grundbegriffe und vertragsrechtliche Erscheinungsformen
1
I. Begriffsbestimmung und Abgrenzung zu verwandten Dienstleistungen. 1. Begriff. Der Begriff der Vermögensverwaltung bezeichnet die Betreuung von Vermögenswerten, bei der der Verwalter Entscheidungen über Vermögensumschichtungen ohne Rücksprache mit dem Vermögensinhaber trifft und zur Disposition über das Kundenvermögen ermächtigt ist (Sethe, S. 24; Schwintowski/Schäfer, § 19 Rn. 28; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 1; Horn, S. 265 (266); Balzer, S. 13 f.). Der Verwalter trifft die Anlageentscheidungen im Interesse des Kunden, jedoch nach eigenem Ermessen, wobei ggf. vereinbarte Anlagerichtlinien zu berücksichtigen sind (Roll, S. 24; Schäfer/Müller, Rn. 198; Welter/Lang/Balzer, Rn. 9.1; Lang, § 21 Rn. 2). Gegenstand der Vermögensverwaltung können grundsätzlich Vermögenswerte aller Art sein. Der Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeit, die insbesondere von Banken und freien (externen) Vermögensverwaltern angeboten wird (vgl. Schäfer/Müller, Rn. 201), liegt bei der Verwaltung von Wertpapiervermögen. Anzutreffen ist daneben aber auch die Verwaltung von Immobilien, Gesellschaftsbeteiligungen (Anteilen an Investment- und geschlossenen Immobilienfonds), Edelmetallen, Kunstgegenständen und Antiquitäten (Lang, § 21 Rn. 3; Schäfer/ Müller, Rn. 203; Welter/Lang/Balzer, Rn. 9.1; Vortmann- Schade, § 7 Rn. 18). 2. Abgrenzungen. Aufgrund der unterschiedlichen Pflichtenkreise ist die Vermögensverwaltung von der Anlage- und Vermögensberatung abzugrenzen, die sich auch auf die Unterstützung des Anlegers beim Management seines Vermögens bezieht. Unterschiede bestehen zum einen hinsichtlich der rechtlichen Befugnis, über das Vermögen des Anlegers zu verfügen. Der Anlageberater hat im Gegensatz zum Vermögensverwalter keine Dispositionsbefugnis über das Anlegervermögen, sondern berät lediglich hinsichtlich der Auswahl geeigneter Vermögensanlagen, wobei aber letztlich der Kunde die Anlageentscheidung trifft (Sethe, S. 24; Becker/Wicke, S. 8; Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 1). Die Anlageberatung ist dabei auf den Einzelfall ausgerichtet, während die Vermögensverwaltung als Dauerschuldverhältnis die ständige Verpflichtung des Verwalters beinhaltet, sich um das Vermögen des Anlegers zu kümmern (Roll, S. 35; Becker/
Balzer
2
1478
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Wicke, S. 8). Die Vermögensberatung ist wie die Anlageberatung darauf ausgerichtet, dem Anleger eine Informations- und Entscheidungshilfe zu geben, die auf seine individuellen Verhältnisse zugeschnitten ist (Dorner, S. 52 f.). Im Gegensatz zur Vermögensverwaltung hat aber auch der Vermögensberater keine Verfügungsbefugnis über die anvertrauten Vermögenswerte. Anders als die Anlageberatung beinhaltet die Vermögensberatung zudem eine als Dauerschuldverhältnis ausgestaltete laufende Überwachung des Kundenvermögens sowie eine aktive, individuelle und umfassende Beratung bei Transaktionen (Roll, S. 33, 35; Dorner, S. 53 f.). 3
II. Rechtsgrundlagen der Vermögensverwaltung. 1. Rechtliche Qualifikation der Vermögensverwaltung. Die Grundlage der Rechtsbeziehung zwischen Verwalter und Anleger bildet der Vermögensverwaltungsvertrag. In diesem Vertrag verpflichtet sich der Verwalter, das anvertraute Vermögen im Interesse des Anlegers zu verwalten und zu mehren. Die Tätigkeit des Vermögensverwalters beinhaltet daher die Durchführung eines objektiv fremden Geschäfts in fremdem Interesse (Cramer/Rudolph-Schäfer, S. 668, 670). Der Verwalter hat nicht dafür einzustehen, dass das Vermögen durch seine Tätigkeit gemehrt wird, er schuldet nur die ordnungsgemäße Vornahme der Verwalterhandlungen (Balzer, S. 44; Vortmann-Schade, § 7 Rn. 30; Schäfer, WM 1995, 1009 (1010)). Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vermögensverwalter und dem Anleger ist daher nach §§ 675 I, 611 BGB als Dienstvertrag zu qualifizieren, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (BGHZ 45, 223 (229); 46, 268; 137, 69 (73) = ZIP 1997, 2149 (2150) m. Anm. Horn/Balzer, EWiR 1998, 109; Schwennicke, WuB I G 9.-1.98; Schönle, § 20 IV 2 b; Roll, S. 52; Schwintowski/Schäfer, § 19 Rn. 19; Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 14; Lang, § 21 Rn. 8; Horn, S. 265 (270); Benicke, S. 190).
4
Der Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages ist grundsätzlich formlos möglich, sofern er nicht die Vornahme von Geschäften zum Inhalt hat, die ihrerseits – wie z.B. der Erwerb von GmbH-Anteilen oder Grundstücken – formbedürftig sind. Angesichts der weitreichenden Übertragung von Befugnissen auf den Verwalter wird der Vertrag in der Regel gleichwohl schriftlich abgeschlossen. Ein Vermögensverwaltungsvertrag kann jedoch auch durch konkludentes Verhalten zustande kommen. Aufgrund der mit der Vermögensverwaltung verbundenen Pflichten sind an den konkludenten Abschluss des Vertrages jedoch erhebliche Anforderungen zu stellen (Schäfer/Müller, Rn. 210). Der konkludente Abschluss eines Verwaltungsvertrages liegt noch nicht in der Erteilung einer bloßen Konto- oder Depotvollmacht (OLG München WM 1994, 1424 (1425); Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 15). Der Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages durch konkludentes Verhalten kann jedoch dann angenommen werden, wenn der Kunde stillschweigend Verwaltungshandlungen in seinem Depot duldet, obwohl lediglich eine Vermögensbetreuung ohne Dispositionsbefugnis des Beraters vereinbart worden ist (OLG Karlsruhe ZIP 2000, 2060 (2061) m. Anm. Balzer, EWiR 2001, 57). Im Verhältnis zu Privatkunden i.S. von § 31a III WpHG werden Vermögensverwalter künftig durch § 34 II 1 u. 2 WpHG verpflichtet, Vereinbarungen aufzuzeichnen, die die wesentlichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festlegen. Dies hat zur Folge, dass für die Geschäftsbeziehung mit Privatkunden der Abschluss eines schriftlichen Rahmenvertrages zu dokumentieren ist. Im Ergebnis besteht daher künftig ein (aufsichtsrechtliches) Schriftformerfordernis für die Vermögensverwaltung mit Privatkunden (Schäfer, S. 31 (46 f.)).
5
2. Eigentumsrechtliche Formen der Vermögensverwaltung. Die Vermögensverwaltung kann als Treuhand- oder Vollmachtsverwaltung ausgestaltet werden. Bei der Treuhandverwaltung überträgt der Anleger sein Vermögen auf den Verwalter, der treuhänderischer Eigentümer wird. Der Vermögensverwalter ist bei der Ausübung der Eigen-
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1479
tümerbefugnisse entsprechend den vertraglichen Abreden mit dem Anleger gebunden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 10). Dieser hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung der Vermögenswerte, die bei Beendigung des Vertrages vorhanden sind (Cramer/Rudolph-Schäfer, S. 668, 670; Roll, S. 60 ff.; Lang, § 21 Rn. 13 f.). Im Rahmen der Treuhandverwaltung wird der Verwalter als fremdnütziger Treuhänder tätig, indem er aufgrund der durch den Verwaltungsvertrag eingeräumten Befugnis zu mittelbarer Stellvertretung über rechtlich eigenes, aber wirtschaftlich fremdes Vermögen verfügt (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 7 f.; Vortmann-Schade, § 7 Rn. 32; Schönle, § 20 IV 2 c). Da das Treuhandrecht keine gesetzliche Regelung erfahren hat und deshalb für die Vertragsparteien Unsicherheiten aufweist, wird die Vermögensverwaltung regelmäßig in der Form der Vollmachtsverwaltung betrieben. Der Anleger bleibt hierbei Eigentümer seines Vermögens; der Verwalter wird bei Vornahme der Ausführungsgeschäfte als offener Stellvertreter nach § 164 I S. 1 BGB tätig, indem er Aufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren im Namen des Vermögensinhabers erteilt (Becker/Wicke, S. 12; BuB-Schäfer, Rn. 11/12; Vortmann-Schade, § 7 Rn. 36). Über die bloße Erteilung einer Verwaltungsvollmacht kann die Rechtsstellung des Vermögensverwalters dadurch erweitert werden, dass er nach § 185 I BGB ermächtigt wird, Verfügungen über die anvertrauten Vermögenswerte im eigenen Namen zu treffen (Balzer, S. 34; Schönle, § 20 IV 2 b; Lang, § 21 Rn. 16).
6
B. Gesetzliche Rahmenbedingungen der Vermögensverwaltung
7
I. Vermögensverwaltung als Wertpapierdienstleistung. Nach § 2 III Nr. 7 WpHG wird die Verwaltung einzelner oder mehrerer in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum (Finanzportfolioverwaltung) als Wertpapierdienstleistung erfasst. Ein Entscheidungsspielraum i.S. dieser Vorschrift ist anzunehmen, wenn der Verwalter die konkreten Anlageentscheidungen nach eigenem Ermessen trifft (Jung, BB 1998, 649 (651)). Sofern der Kunde dagegen aufgrund einer Beratung eine bestimmte Weisung erteilt, ohne dass dem Verwalter bei der Umsetzung ein Ermessen zusteht, findet nicht § 2 III Nr. 7 WpHG Anwendung, vielmehr liegt dann lediglich eine (nunmehr ebenfalls erlaubnispflichtige) Anlageberatung i.S. von § 2 III Nr. 9 WpHG vor (vgl. Balzer, S. 59 m. w. N.). II. Erfassung der Vermögensverwaltung durch das KWG. 1. Treuhandmodell. Im Katalog der Bankgeschäfte des § 1 I 2 KWG ist die Vermögensverwaltung nicht gesondert aufgeführt. Erfolgt die Vermögensverwaltung im Treuhandmodell, ist regelmäßig § 1 I 2 Nr. 1 KWG erfüllt, da der Verwalter mit der Annahme fremder Gelder das Einlagengeschäft betreibt (Miebach, DB 1991, 2069 (2071 f.); Vortmann-Schade, § 7 Rn. 40; a.A. Sethe, S. 553 ff.). Die Vermögensverwaltung im Treuhandmodell kann zudem die Voraussetzungen eines Finanzkommissionsgeschäfts nach § 1 I 2 Nr. 4 KWG erfüllen, wenn der Verwalter die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung betreibt (Sethe, S. 568 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 6; Balzer, S. 62). Dagegen erfüllt die Treuhandverwaltung nicht die Voraussetzungen des Depotgeschäfts i.S. von § 1 I 2 Nr. 5 KWG, da die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren nicht für andere, sondern ausschließlich im Eigeninteresse des Verwalters erfolgt (Balzer, S. 62; a.A. Schäfer/Müller, Rn. 206; Lang, § 21 Rn. 15; wohl auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 6).
8
2. Vertretermodell. Die Vermögensverwaltung im Vertretermodell ist nicht als Bankgeschäft zu qualifizieren, da aufgrund der gewählten Rechtskonstruktion der Verwalter lediglich als Stellvertreter des Anlegers nach § 164 I 1 BGB verfügt, ohne dass aber fremde
9
Balzer
1480
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Gelder als Einlage angenommen werden (BuB-Schäfer, Rn. 11/13; Vortmann-Schade, § 7 Rn. 41; Balzer; ErbStB 2006, 130 (132)). Die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum (Finanzportfolioverwaltung) wird aber nach § 1 Ia 2 Nr. 3 KWG als Finanzdienstleistung erfasst, so dass Vermögensverwalter, die keine Kreditinstitute sind, als Finanzdienstleistungsinstitute der Aufsicht durch die BAFin unterstellt werden. § 1 Ia 2 Nr. 3 KWG setzt nicht voraus, dass die Vermögensanlage ausschließlich in Finanzinstrumenten vorgenommen wird. Dem Tatbestand der Portfolioverwaltung unterfällt auch die Verwaltung von Mischvermögen (z.B. aus Immobilien und Wertpapieren, vgl. BVerwG ZIP 2005, 385 (387)). Finanzportfolioverwalter dürfen Wertpapiere nicht selber in Verwahrung nehmen oder auf einem Depotkonto halten, da sie ansonsten das Depotgeschäft nach § 1 I 2 Nr. 5 KWG betreiben, das eine Erlaubnis als Kreditinstitut voraussetzt. Als Finanzdienstleistungsinstitute dürfen Finanzportfolioverwalter daher nur als Bevollmächtigte ihrer Kunden über deren Wertpapiere verfügen, die bei Kreditinstituten oder vergleichbaren ausländischen Unternehmen verwahrt werden (Weber-Rey/Baltzer, WM 1997, 2288 (2289); Balzer, ErbStB 2006, 130 (133)). 10
III. Vermögensverwaltung und Rechtsberatungsgesetz. Die Vermögensverwaltung ist nach Art. 1 § 1 I 1 RBerG grundsätzlich als erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten zu qualifizieren. Auch wenn es sich vorwiegend um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, gehört zu einer am Kundeninteresse ausgerichteten Verwaltung die Erörterung rechtlicher Angelegenheiten, die z.B. in einer Einbeziehung erbrechtlicher Fragestellungen bei der Planung und Durchführung der Verwaltung bestehen können (Balzer, S. 65). Die Rechtsbesorgung des Vermögensverwalters ist jedoch nach Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG erlaubnisfrei, da es sich lediglich um eine Nebentätigkeit handelt, die sich im Rahmen der eigentlichen Berufsaufgabe vollzieht und deren Zweck dient (Balzer, S. 65). Die Befugnis zur erlaubnisfreien Erledigung nach Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG bezieht sich nur auf diejenigen Rechtsangelegenheiten, die mit der Vermögensverwaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Bei einer umfassenden Vermögensverwaltung, die das gesamte Vermögen des Anlegers umfasst, darf der Verwalter daher in allen vermögens- und erbrechtlichen Fragen rechtsberatend tätig werden (Balzer, S. 66).
11
C. Aufklärungs- und Beratungspflichten vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages I. Beratungsvertrag als Pflichtengrundlage. Im Stadium vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages besteht zwischen den Parteien regelmäßig ein eigenständiger Beratungsvertrag, der den Verwalter zur Aufklärung und Beratung des Anlegers verpflichtet (Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (96); Lang, § 22 Rn. 1; a.A. BuB-Schäfer, Rn. 11/26b; zur begrifflichen Abgrenzung von Aufklärung und Beratung vgl. Nobbe, S. 235 (237 f.)). Aufklärung und Beratung vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages weisen dabei grundlegende Unterschiede gegenüber der Anlageberatung auf. Bei der Vermögensverwaltung sind die Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht auf die Entscheidung über eine konkrete Vermögensanlage ausgerichtet, vielmehr soll dem Anleger ermöglicht werden, einen Verwaltungsvertrag abzuschließen, der auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist (Balzer, FB 2000, 499 (500); Schimansky/Bunte/ Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 28; BuB-Schäfer, Rn. 11/33; Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (97)).
12
II. Inhalt der Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Vereinbarung von Anlagerichtlinien. 1. Inhaltliche Ausgestaltung von Anlagerichtlinien. Bei Abschluss von Vermögensverwaltungsverträgen werden die Vermögensanlagen, die der Verwalter täti-
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1481
gen darf, regelmäßig durch die Vereinbarung von Anlagerichtlinien konkretisiert. In den Anlagerichtlinien wird insbesondere der Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeit (Aktien oder Renten) festgelegt; üblich sind zudem Vereinbarungen, die sich auf die Zulässigkeit von Termingeschäften, die Inanspruchnahme von Krediten sowie den Umfang der Anlagen in Fremdwährungen beziehen (BuB-Schäfer, Rn. 11/31; Vortmann-Schade, § 7 Rn. 9; Brunner, S. 56 f.). Vielfach sehen die Anlagerichtlinien auch ausdrücklich vor, dass der Erwerb von Investmentanteilen zulässig ist. Eine solche Regelung hat indes lediglich klarstellende Bedeutung, da der Verwalter auch ohne entsprechende vertragliche Vorgaben diese Anlagen erwerben darf. Zwar delegiert der Vermögensverwalter durch den Erwerb von Investmentanteilen die ihm obliegende Pflicht zur persönlichen Verwaltung des Vermögens (vgl. hierzu Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 22; Roll, S. 149) auf die Kapitalanlagegesellschaft, deren Einschaltung zudem zu einer Doppelbelastung des Vermögensinhabers mit Gebühren führt, der Erwerb kann jedoch insbesondere unter dem Aspekt der Risikobegrenzung sinnvoll oder sogar geboten sein, wenn der Verwalter Einzeltitel von Teilmärkten nicht in gleicher Weise beurteilen kann wie etwa die des Inlandsmarktes (Lang, § 21 Rn. 12; Schäfer/Müller, Rn. 361; Vortmann-Schade, § 7 Rn. 51; Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 21). Aus haftungsrechtlichen Erwägungen ist es zu empfehlen, in den Anlagerichtlinien nicht lediglich eine konservative, risikobewusste oder spekulative Anlagepolitik zu vereinbaren. Bei einer solch allgemeinen Umschreibung der Anlageziele des Vermögensinhabers besteht die Gefahr, dass im Streitfall der Inhalt der zu befolgenden Anlagepolitik nach §§ 133, 157 BGB im Wege der Vertragsauslegung durch das Gericht ermittelt werden muss (vgl. OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (95) = NJW-RR 1991, 308 m. Anm. E. Schmidt, EWiR 1991, 143; OLG Frankfurt/M. MDR 1999, 557 m. Anm. Balzer, EWiR 1999, 497 und unten Rn. 31 f.). Selbst wenn die vereinbarte Anlagestrategie den individuellen Verhältnissen des Vermögensinhabers entspricht, bestehen bei der inhaltlichen Konkretisierung solch ausfüllungsbedürftiger Richtlinien erhebliche Schwierigkeiten, so dass kaum vorhersehbar ist, in welchem Umfang die Anlage in Risikowerten noch als vertragsgemäß gewertet wird. Vorzugswürdig erscheint es daher, bereits in den Anlagerichtlinien Schwellenwerte für einzelne Anlagen, die getätigt werden dürfen, festzulegen (Schödermeier, WM 1995, 2053 (2057); Balzer, S. 103).
13
Der Vermögensinhaber kann die in den Anlagerichtlinien enthaltenen Vorgaben jederzeit einseitig widerrufen (Lang, § 23 Rn. 47; Balzer, WM 2000, 441 (444); Roll, S. 126 f.). Ein solcher Widerruf kann insbesondere dadurch erfolgen, dass der Vermögensinhaber dem Verwalter während der Laufzeit des Vertrages Einzelweisungen erteilt, die im Widerspruch zu den vereinbarten Anlagerichtlinien stehen (BuB-Schäfer, Rn. 11/34). Grenzen der Befugnis zum Widerruf durch anders lautende Einzelweisungen ergeben sich allerdings aus dem Gebot der Rücksichtnahme (s. dazu unten Rn. 58).
14
2. Anlegergerechte Beratung des Vermögensinhabers. Eine anlegergerechte, d.h. an den individuellen Verhältnissen des Kunden ausgerichtete Beratung bei der Vereinbarung von Anlagerichtlinien setzt voraus, dass der Vermögensverwalter eingehende Kenntnisse über den Vermögensinhaber besitzt. § 31 IV 1 WpHG enthält daher die Verpflichtung des Vermögensverwalters, die Anlageziele des Kunden, seine finanziellen Verhältnisse sowie die Kenntnisse und Erfahrungen bei den Geschäften zu ermitteln, die nach den Anlagerichtlinien getätigt werden dürfen (eingehend Vortmann-Schade, § 7 Rn. 82 ff.; Balzer, WM 2000, 441 (444 f.)). Bei der Ermittlung der Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden muss der Verwalter überprüfen, ob dieser die wirtschaftlichen Risiken der Geschäfte erkennen kann, die nach dem Vermögensverwaltungsvertrag vorgenommen werden dürfen (Schödermeier, WM 1995, 2053 (2056)). Anhaltspunkte über den Kenntnis-
15
Balzer
1482
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
und Erfahrungsstand des Kunden können sich insbesondere auch aus seinem erlernten und ausgeübten Beruf sowie aus seinem Ausbildungsstand ergeben, die künftig nach § 6 II 1 Nr. 3 WpDVerOV ebenfalls abzufragen sind. Die vom Kunden erhaltenen Gesamtinformationen sollen den Verwalter in die Lage versetzen, eine auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnittene und für ihn geeignete Anlage zu empfehlen (§ 31 IV 1 u. 2 WpHG; vgl. auch Schödermeier, WM 1995, 2053 (2058 m. w. N.)). Die Nachforschungspflicht des Vermögensverwalters besteht nur in dem Maße, wie dies zur Wahrung der Interessen des Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist. Eine Erkundigungspflicht des Vermögensverwalters entfällt daher, wenn eine Schutzbedürftigkeit des Anlegers nicht gegeben ist (vgl. Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 99 m. w. N.). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Kunde bereits Anlageerfahrung in den nach den Anlagerichtlinien zulässigen Geschäften hat. Der Umfang der Fragepflicht des Vermögensverwalters wird jedoch größer, je risikoträchtiger Volumen und Art des jeweiligen Geschäfts in Bezug auf die Erfahrungen und Kenntnisse des Kunden oder dessen finanzielle Leistungsfähigkeit sind (Schwintowski/ Schäfer, § 18 Rn. 17; Lang, § 23 Rn. 8; Welter/Lang/Balzer, Rn. 9.22). Eine Verpflichtung des Vermögensverwalters, die Angaben des Kunden zu überprüfen, besteht, wie sich nunmehr auch aus § 31 VI WpHG ergibt, grundsätzlich nicht (Lang, § 23 Rn. 8; Balzer, WM 2000, 441 (445)). Sofern der Anleger vorgibt, über die Risiken einer bestimmten Anlage informiert zu sein, darf sich der Vermögensverwalter hierauf verlassen. Er ist in diesen Fällen nicht verpflichtet, dem Anleger zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen (Schäfer/Müller, Rn. 251; Welter/Lang/Balzer, Rn. 9.23). Allerdings ist der Vermögensverwalter nach § 31 VI 2. Hs. WpHG für die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit der Kundenangaben dann verantwortlich, wenn ihm die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Dies bedeutet, dass jedenfalls bei offenbaren Unrichtigkeiten in den Angaben des Kunden der Verwalter zur Rückfrage verpflichtet ist, ohne sich darauf berufen zu können, er habe auf die Richtigkeit der Kundenangaben vertraut. 16
Der Kunde ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des Vermögensverwalters, die benötigten Angaben zu machen, nachzukommen. Hat der Kunde die notwendigen Angaben nicht erteilt, ist der Vermögensverwalter verpflichtet, dies zu dokumentieren (vgl. § 34 I WpHG). Zudem besteht nach § 31 IV 3 WpHG das (aufsichtsrechtliche) Verbot, eine Empfehlung in Bezug auf einzelne Anlagerichtlinien auszusprechen (Schäfer, S. 31 (36)). Der Vermögensverwalter muss sich daher bei Verweigerung der Angaben darauf beschränken, dem Kunden die möglichen Anlagerichtlinien vorzustellen und ihm die eigenverantwortliche Entscheidung zu überlassen, nach welcher Strategie die Verwaltung erfolgen soll. Zu beachten ist aber, dass nicht bei jeder auch nur teilweisen Verweigerung von Angaben durch den Kunden ein Empfehlungsverbot des Vermögensverwalters nach § 31 IV 3 WpHG besteht. Unschädlich dürfte z.B. sein, wenn der Kunde keine Angaben zu seinem Beruf oder Ausbildungsstand machen will. Demgegenüber wird bei Verweigerung von Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen eine Beratung des Kunden durch den Vermögensverwalter nicht erfolgen können.
17
Bei der Beratung über den Inhalt der Anlagerichtlinien sind die Ergebnisse der Kundenbefragung zu berücksichtigen, d.h. die Empfehlung des Verwalters muss sich am ermittelten Kundenprofil ausrichten (Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (96); Schödermeier, WM 1995, 2053 (2058)). Diese Verpflichtung wird in § 31 IV WpHG dahin gehend umschrieben, dass der Vermögensverwalter eine geeignete Wertpapierdienstleistung zu empfehlen hat. Die Geeignetheit beurteilt sich nach § 31 IV 2 WpHG danach, ob die konkrete Wertpapierdienstleistung im Rahmen der Vermögensverwaltung den Anlagezielen des Kunden
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1483
entspricht, die hieraus sich ergebenden Risiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind und der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die hieraus erwachsenden Anlagerisiken verstehen kann. Die Empfehlung einer stärker risikobehafteten Vermögensverwaltung ist vor diesem Hintergrund pflichtwidrig, wenn der Anleger bislang vorrangig in konservativen Anlageformen tätig war und die Verwaltung zudem dazu dienen soll, langfristig eine konstante Alterssicherung zu gewährleisten (Balzer, S. 83 f.). Vereinbart der Vermögensverwalter mit dem Kunden Anlagerichtlinien, die die persönlichen Verhältnisse des Kunden nicht hinreichend berücksichtigen, führt dies nicht ohne weiteres zu einer Haftung des Verwalters. Da die Anlagerichtlinien lediglich den grundsätzlichen Befugnisrahmen des Verwalters umreißen, ist bei Vertragsschluss noch ungewiss, ob er diesen Rahmen auch ausnutzen wird. Ein haftungsbegründendes Verhalten des Vermögensverwalters kann jedoch darin liegen, dass er Anlagen tätigt, die zwar durch die Anlagerichtlinien formal gedeckt sind, die er jedoch bei der Vereinbarung anlegergerechter Richtlinien nicht hätte vornehmen dürfen (Balzer, WM 2000, 441 (446)). 3. Objektgerechte Beratung des Vermögensinhabers. Bei der Anlageberatung wird die Pflicht zur objektgerechten Beratung dahingehend konkretisiert, dass der Anleger einerseits über das Anlageobjekt zutreffend, vollständig und verständlich zu informieren ist und andererseits der Berater eine Einschätzung und Bewertung des nachgefragten oder angebotenen Anlageobjekts auszusprechen hat (Nobbe, S. 235 (245)). Die Pflicht zur Information des Kunden, die nunmehr auch in § 31 II 1 Nr. 2 WpHG geregelt ist, bezieht sich dabei auf diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjekts, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGHZ 123, 126 (129) – „Bond“). Bei der Vermögensverwaltung erlangen die zur inhaltlichen Konkretisierung der Pflicht zur objektgerechten Beratung entwickelten Grundsätze in zweifacher Hinsicht Bedeutung. Zunächst ist eine objektgerechte Beratung insoweit erforderlich, als sie dem Anleger eine Entscheidung über den Inhalt des Vermögensverwaltungsvertrages und der auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Anlagerichtlinien ermöglichen soll (Balzer, S. 84; Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (97)). Ihre eigentliche Bedeutung erlangt die Pflicht zur objektgerechten Beratung bei der Vermögensverwaltung jedoch erst im Zuge der Umsetzung der Anlageentscheidungen durch den Verwalter. Da er anstelle des Anlegers die konkreten Entscheidungen trifft, muss der Vermögensverwalter bei der Vornahme von Verwaltungshandlungen über einen Wissensstand verfügen, der dem eines Anlageberaters bei der Erteilung von Anlageempfehlungen entspricht (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 23; Welter/Lang/Balzer, Rn. 9.30).
18
Da sich die Pflicht zur objektgerechten Beratung vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages nicht auf konkrete Wertpapiere bezieht, sondern auf den Befugnisrahmen, den der Kunde dem Verwalter mit der Vereinbarung von Anlagerichtlinien einräumt (Cramer/Rudolph-Schäfer, S. 668, 675; Gaßner/Escher, WM 1997, 93, (97)), müssen die inhaltlichen Anforderungen gegenüber der entsprechenden Verpflichtung eines Anlageberaters abgestuft werden. Der Vermögensverwalter hat den Kunden über die von ihm im Einzelnen gewünschten Anlagen und die damit grundsätzlich verbundenen Risikoparameter zu informieren, da der Vermögensinhaber nur bei Kenntnis dieser Risiken Anlagerichtlinien vereinbaren kann, die seiner Risikoneigung und seinem persönlichen Anlageprofil entsprechen (Schwintowski/Schäfer, § 19 Rn. 44; Horn, S. 265 (285 f.); Welter/ Lang/Balzer, Rn. 9.31). Zu weitgehend erscheint es aber, eine Aufklärungspflicht auch hinsichtlich solcher Anlagen anzunehmen, die der Verwalter in Überschreitung seiner Befugnisse vornimmt (so aber OLG Köln WM 1997, 570 (573 f.) m. abl. Anm. Balzer, EWiR 1997, 647), da sich diese Verpflichtung lediglich auf die Vermögensanlagen erstreckt, die
19
Balzer
1484
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
nach dem Verwaltungsvertrag zulässig sind (vgl. BGH ZIP 1994, 693 (694) = WM 1994, 834 (835) = NJW 1994, 1861 m. Anm. Tilp, EWiR 1994, 563; Schäfer, WuB I G 5.-5.94; Koller, LM BörsG Nr. 35/36; Schwintowski/Schäfer, § 19 Rn. 62; Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (96)). Die Pflicht des Vermögensverwalters zur objektgerechten Beratung umfasst lediglich die Darstellung der abstrakten Funktionsweise der nach dem Vermögensverwaltungsvertrag zulässigen Anlageformen, damit der Anleger ihre Eignung im Hinblick auf seine individuellen Anlageziele sachgerecht beurteilen kann (Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (97); Cramer/Rudolph-Schäfer, S. 668, 675 f.). Erforderlich ist insbesondere ein Rat bezüglich der Höhe des übernommenen Risikos, wenn der Verwalter erkennt, dass der Anleger durch die Vereinbarung der Anlagerichtlinien Risiken eingeht, die in Relation zu seinem Vermögen unverhältnismäßig hoch sind (Cramer/Rudolph-Schäfer, S. 668, 676; Balzer, S. 86). 20
Erfolgt die Vermögensverwaltung durch einen externen Verwalter, ist grundsätzlich nur dieser, nicht aber auch die depotführende Bank zur Aufklärung und Beratung des Kunden über die Risiken der nach den Anlagerichtlinien zulässigen Geschäfte verpflichtet (Lang, § 23 Rn. 15; Welter/Lang/Balzer, Rn. 9.34). Dies folgt zum einen daraus, dass lediglich zwischen Vermögensverwalter und Kunde, nicht aber auch zwischen dem Kunden und der depotführenden Bank ein Beratungsvertrag besteht, so dass die Pflicht zur objektgerechten Beratung, die auf einer Information des Kunden aufbaut, lediglich vom externen Verwalter zu erfüllen ist. Aber auch vor dem Hintergrund des § 31 III WpHG ist eine Informationspflicht der depotführenden Bank nicht gegeben. Da der externe Vermögensverwalter als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gleichfalls der Verpflichtung nach § 31 III WpHG unterliegt, darf die depotführende Bank darauf vertrauen, dass der Verwalter der Informationspflicht seinerseits nachgekommen ist. Eine weitere Information des Kunden durch die depotführende Bank ist nicht erforderlich, da dem Anleger die Kenntnisse des externen Verwalters als erstbeauftragtem Wertpapierdienstleistungsunternehmen zugerechnet werden (Schäfer/Müller, Rn. 145; Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 98a). Auch die Ermittlung der Anlageziele, finanziellen Verhältnisse sowie Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden durch die depotführende Bank ist nicht erforderlich, da bei einer solchen gestaffelten Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen grundsätzlich nur das kundennähere Unternehmen zur Befragung des Anlegers verpflichtet ist (§ 31e Nr. 2 WpHG; vgl. auch BGHZ 147, 343 (353) = BGH ZIP 2001, 1580 (1583) = WM 2001, 1758 = BKR 2001, 38 = NJW 2002, 62 m. Anm. Tilp, EWiR 2001, 837; Balzer, WuB I L 2. § 31 WpHG 1.02; Assmann, LM § 31 WpHG Nr. 3; Koller, BGHR 2001, 835; vgl. auch Schäfer, § 31 Rn. 9, 36).
21
III. Inhalt der Aufklärungs- und Beratungspflichten bei fehlender Vereinbarung von Anlagerichtlinien. 1. Pflicht zur Vereinbarung von Anlagerichtlinien? Bei Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages besteht grundsätzlich keine (zivilrechtliche) Verpflichtung, die Befugnisse des Verwalters durch die Vereinbarung von Anlagerichtlinien zu konkretisieren (Schödermeier, WM 1995, 2053 (2056); Schimansky/Bunte/LwowskiKienle, § 111 Rn. 19; Schäfer/Müller, Rn. 283; Balzer, S. 82 f.; Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 22; a. A. lediglich Schwennicke, WuB I G 9.-1.97 unter unzutreffender Bezugnahme auf Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (98 f.)). Zulässig ist daher auch eine Vertragsgestaltung, nach der die Verwaltung in das freie Ermessen des Vermögensverwalters gestellt wird (gelegentlich wird auch vereinbart, dass der Vermögensverwalter nach „beruflichem Ermessen“ über das Vermögen des Anlegers disponieren darf, vgl. OLG Köln WM 1997, 570 (573) m. Anm. Balzer, EWiR 1997, 647; Wach, WuB I G 9.-2.98). Der BGH hat dementsprechend eine Vertragsklausel, nach der die Vermögensverwaltung nach freiem Ermessen des Verwalters erfolgen sollte, auch nicht beanstandet, sondern lediglich
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1485
im Sinne bestimmter Handlungspflichten des Vermögensverwalters konkretisiert (BGH ZIP 1994, 693 (694)). Für die Vermögensverwaltung gegenüber Privatkunden ordnet allerdings § 5 II Nr. 3 b) WpDVerOV an, dass der Kunde über die Managementziele, das bei der Ausübung des Ermessens durch den Verwalter zu beachtende Risikoniveau und etwaige spezifische Einschränkungen dieses Ermessens zu informieren ist. Gleiches gilt nach § 5 II Nr. 3 e) WpDVerOV auch für die Art der Finanzinstrumente, die in das Kundenportfolio aufgenommen werden können, und die Art der Geschäfte, die mit diesen Instrumenten ausgeführt werden können (z.B. Kommissionsgeschäfte, Festpreisgeschäfte). Hieraus lässt sich ableiten, dass jedenfalls gegenüber Privatkunden eine (aufsichtsrechtliche) Verpflichtung zur Vereinbarung von Anlagerichtlinien besteht, die im Regelfall in den Verwaltungsvertrag Eingang finden werden und dadurch auch eine zivilrechtliche Relevanz erlangen.
22
2. Erfordernis einer anlegergerechten Beratung bei der Vermögensverwaltung nach freiem Ermessen. Bei einer fehlenden Vereinbarung von Anlagerichtlinien darf der Verwalter nach seinem Ermessen sämtliche Vermögensanlagen tätigen, sofern sie anlegergerecht sind und dem Risikoprofil des Vermögensinhabers entsprechen (Assmann/SchützeSchäfer, § 28 Rn. 21; Balzer, S. 109). Auch bei einer solchen Vertragsgestaltung haben eine anlegergerechte Beratung mit Erfragung der Anlageziele sowie der finanziellen Verhältnisse und eine Erkundigung der Erfahrungen und Kenntnisse des Kunden zu erfolgen (vgl. Balzer, S. 86). Zwar läuft die Verpflichtung zur anlegergerechten Beratung weitgehend leer, wenn der Vermögensverwaltungsvertrag letztlich nicht zwischen den verschiedenen Anlagesegmenten differenziert (so die Kritik von Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (99)). Gleichwohl hat die Pflicht zur anlegergerechten Beratung Bedeutung für die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragspflichten des Vermögensverwalters. So kann z.B. aus den Erfahrungen und Kenntnissen des Vermögensinhabers in einzelnen Anlageformen, die nach § 31 IV 1 WpHG zu erfragen sind, auf seine Risikobereitschaft geschlossen werden, die für die Festlegung, in welcher Höhe die Anlage in Risikowerten bei fehlenden konkreten Vorgaben im Verwaltungsvertrag erfolgen darf, von Bedeutung ist (vgl. OLG Frankfurt/M. WM 1996, 665 (668) m. Anm. Horn/Balzer, EWiR 1996, 589; Jaskulla, WuB I G 1.-8.96; Weber-Rey/Holl, WiB 1996, 856).
23
Für den Kunden beinhaltet eine in das freie Ermessen gestellte Vermögensverwaltung ein gegenüber der Vereinbarung von Anlagerichtlinien erhöhtes Risiko, da infolge der fehlenden Vorgaben der Verwalter grundsätzlich berechtigt ist, sämtliche Anlageformen für den Kunden zu erwerben. Zwar ist der Vermögensverwalter aufgrund des Gebots produktiver Vermögensverwaltung auch bei fehlenden Anlagerichtlinien zu einer Streuung des Vermögens auf Anlagen mit verschiedenem Risikogehalt verpflichtet, so dass sich bereits aus der Interessenwahrungspflicht eine Einschränkung des freien Ermessens bei der Verwaltung ergibt (vgl. dazu unten Rn. 34). Gleichwohl muss der Vermögensverwalter bei Vertragsschluss den Kunden darüber aufklären, dass die unterbliebene Vereinbarung von Anlagerichtlinien seine Handlungsmöglichkeiten in erheblichem Umfang erweitert (Balzer, WM 2000, 441 (448)).
24
3. Objektgerechte Beratung bei unterbliebener Vereinbarung von Anlagerichtlinien. Bei der Vermögensverwaltung beinhaltet die Pflicht zur objektgerechten Beratung, dem Anleger die grundsätzlichen Risiken der nach dem Verwaltungsvertrag zulässigen Vermögensanlagen zu verdeutlichen (s.o. Rn. 18). Bei fehlenden Anlagerichtlinien besteht die Schwierigkeit, dass dem Verwalter weitreichende Handlungsmöglichkeiten offen stehen, so dass er im Rahmen der Pflicht zur objektgerechten Beratung gehalten sein könnte, den Anleger über die grundsätzlichen Risiken sämtlicher Anlagen, die er bei Durchfüh-
25
Balzer
1486
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
rung der Verwaltung tätigen darf, zu informieren. In diese Richtung deutet eine Entscheidung des BGH, der bei einer in das freie Ermessen gestellten Vermögensverwaltung die Frage zu beantworten hatte, ob dem Verwalter eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung angelastet werden könne. Das Gericht hat eine Aufklärungspflichtverletzung verneint, da der Anleger über die erforderliche Grundaufklärung hinsichtlich der getätigten Anlagen verfügt habe (BGH ZIP 1994, 693 (694)). Aus dieser Argumentation ergibt sich, dass nur solche Anlagen vom Vermögensverwalter erworben werden dürfen, über deren grundsätzliche Risiken der Kunde informiert worden ist. Bei einer in das freie Ermessen gestellten Vermögensverwaltung, die keine Begrenzung der zulässigen Vermögensanlagen vorsieht, lässt sich hieraus für die Pflicht zur objektgerechten Beratung ableiten, dass hinsichtlich aller möglichen Anlagen eine Grundaufklärung des Kunden vorzunehmen ist. Tätigt der Vermögensverwalter eine Anlage, die aufgrund der weiten Fassung des Verwaltungsvertrages grundsätzlich erlaubt ist, so muss sichergestellt sein, dass der Anleger über die sich hieraus ergebenden Risiken aufgeklärt ist, da sich der Verwalter ansonsten einem erheblichen Haftungsrisiko aussetzt (Balzer, S. 87). 26
IV. Offenlegungspflichten bei Vereinbarung von Kick-Backs. Bei Einschaltung externer Vermögensverwalter wird gelegentlich vereinbart, dass die depotführende Bank dem Verwalter eine Vergütung für die Zuführung von Depots zahlt oder der Verwalter einen bestimmten Prozentsatz der von der Bank aus den Ausführungsgeschäften vereinnahmten Provisionen erhält. Derartige Zahlungen an den Vermögensverwalter, die letztlich eine Erstattung von Depotgebühren oder Transaktionskosten darstellen, werden als Retrozessionen oder Kick-Backs oder (im Rahmen der Neuregelung des § 31d WpHG) Zuwendungen bezeichnet (Lang, § 24 Rn. 50; Schäfer/Müller, Rn. 358). Aufgrund des bestehenden Geschäftsbesorgungsverhältnisses hat der Vermögensverwalter diese Zahlungen nach §§ 675 I, 667 BGB an den jeweiligen Kunden weiterzuleiten, sofern nicht zwischen den Parteien eine abweichende Vereinbarung getroffen worden ist (zur Inhaltskontrolle formularvertraglicher Regelungen vgl. Schäfer/Müller, Rn. 359).
27
Der Vermögensverwalter ist zudem verpflichtet, den Kunden über die kommissionsrechtliche Verpflichtung zur Rückzahlung von Kick-Backs aufzuklären. Erforderlich ist insoweit, dass dem Kunden auch die genaue Höhe der Zuwendungen mitgeteilt wird, damit er den Interessenkonflikt des Vermögensverwalters einschätzen kann (vgl. BGH ZIP 2007, 518, 520 (m. Anm. Lang/Balzer) = BKR 2007, 160). Der genaue Umfang der dem Kunden zu erteilenden Informationen wird durch die Richtlinie des BAWe (jetzt: BAFin) zu §§ 31, 32 WpHG (v. 23.8.2001, BAnz Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19217) konkretisiert. Die Aufklärung des Kunden hat entweder zu Beginn der Geschäftsbeziehung oder vor Abschluss des entsprechenden Geschäfts zu erfolgen (Ziff. 1.2 III der Richtlinie; vgl. auch Schäfer/Müller, Rn. 358; Lang, § 24 Rn. 51). Verschweigt der Vermögensverwalter dem Kunden vorsätzlich oder grob fahrlässig das Bestehen einer Kick-Back-Vereinbarung, kann dies je nach den Umständen eine Strafbarkeit wegen Betrugs oder Untreue begründen (BGH WM 1990, 462 (464); BGH ZIP 1989, 830 (833); OLG München WM 1986, 1141 (1142)).
28
Nach Ansicht des BGH ist jedoch nicht nur der externe Vermögensverwalter zur Offenlegung der Kick-Back-Vereinbarung verpflichtet, sondern auch die depotführende Bank (BGHZ 146, 235 (239) = BGH ZIP 2001, 230 (231) = WM 2001, 297 = NJW 2001, 962 m. Anm. Balzer, ZIP 2001, 230; Tilp, EWiR 2001, 255; Meder, WuB I G 9.-1.01; vgl. nunmehr auch OLG Köln BKR 2002, 541 = WM 2003, 338 m. Anm. Schwennicke, EWiR 2002, 893). Diese Betrachtung überzeugt aber nicht, da sie durch die Annahme einer schadensersatzbewehrten Aufklärungspflicht das Haftungsrisiko einer fehlerhaften Vermögensverwaltung auf das lediglich depotführende Institut verlagert und hierdurch die vom
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1487
Kunden beabsichtigte Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen dem externen Verwalter und der Bank ignoriert (vgl. Balzer, ZIP 2001, 232; a.A. aber Tilp, EWiR 2001, 255 (256)). Der BGH verkennt zudem, dass die aus einer Kick-Back-Vereinbarung mit dem Vermögensverwalter (möglicherweise) resultierenden Gefährdungen für das Kundenvermögen ihren Ursprung nicht in der Aufnahme der Geschäftsverbindung mit der Bank haben, sondern sich allein daraus ergeben, dass der Kunde dem Verwalter durch die Erteilung einer Vollmacht weitreichende Einflussmöglichkeiten auf sein Vermögen eröffnet (Balzer, ZIP 2001, 232 (233)). Auch dogmatisch überzeugt die Entscheidung des BGH nicht, da für die Annahme einer Aufklärungspflicht nur dann Raum ist, wenn ein entsprechendes Schutzbedürfnis des Kunden besteht. Angesichts der Aufklärungspflicht des externen Verwalters darf die Depotbank aber grundsätzlich davon ausgehen, dass der Kunde über die Kick-Back-Vereinbarung bereits unterrichtet worden ist, so dass eine zusätzliche Information des Kunden durch die Depotbank nicht erforderlich ist. Eine andere rechtliche Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn die Bank positive Kenntnis davon besitzt, dass der externe Vermögensverwalter seiner Verpflichtung zur Information des Kunden über die Kick-Back-Vereinbarung nicht nachgekommen ist (Balzer, ZIP 2001, 232 (233)). Mit dem seit dem 01.11.2007 geltenden § 31d WpHG wird – über die bereits bislang kraft der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehende Informationspflicht bei Rückvergütungen hinaus – auch eine aufsichtsrechtliche Offenlegungspflicht für Zuwendungen eingeführt. § 31d WpHG stellt hierbei enge Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Zuwendungen auf, die zum Teil über die Anforderungen der Rechtsprechung hinausgehen. So fordert z.B. § 31d I Nr. 1 WpHG, dass die Zuwendung darauf ausgelegt sein muss, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern. Während im Rahmen der Anlageberatung eine dahin gehende Vermutung besteht, dass die Zuwendung der Qualitätsverbesserung dient (§ 31d IV WpHG), gilt diese Vermutung nicht bei der Vermögensverwaltung (a.A. wohl Teuber/Müller, 123 (139)). Eine Qualitätsverbesserung kann z.B. darin bestehen, dass der Vermögensverwalter effiziente und hochwertige Infrastrukturen vorhält (Teuber/Müller, 123 (139)). Bei der Vermögensverwaltung kann hierunter die aufwändige Informationsbeschaffung fallen, die zur Portfolioüberwachung und Anlageentscheidung erforderlich ist, damit der Verwalter der ihm übertragenen Verantwortung im Kundeninteresse gerecht werden kann. Die bereits bislang kraft Rechtsprechung bestehende Offenlegung von Zuwendungen der Höhe nach wird auch durch § 31d I Nr. 2 WpHG gefordert. Sofern – wie im Regelfall – zum Zeitpunkt der geschuldeten Aufklärung des Kunden über die Zuwendungen nur eine Angabe der Berechnungsgrundlagen erfolgt, ist weiterhin erforderlich, dass der Vermögensverwalter dem Kunden die Offenlegung näherer Einzelheiten anbietet und auf Nachfrage gewährt (§ 31d III WpHG).
29
D. Pflichten bei der Durchführung der Vermögensverwaltung
30
I. Aufklärungs- und Beratungspflichten. Da die Vermögensverwaltung – im Gegensatz zur Anlageberatung – dadurch gekennzeichnet ist, dass der Verwalter selbstständig und ohne vorherige Rücksprache mit dem Kunden die Anlageentscheidungen trifft und umsetzt, besteht grundsätzlich keine Pflicht des Vermögensverwalters, vor der einzelnen Verwaltungsmaßnahme eine Aufklärung und Beratung des Anlegers vorzunehmen (Schäfer/ Müller, Rn. 259; Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (97 f.); Balzer, S. 110; Lang, § 23 Rn. 26). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich aus der vertraglichen Vereinbarung oder – bei Fehlen einer entsprechenden Abrede – aus der tatsächlichen Übung der Parteien ergibt, dass jeder Anlageentscheidung im Rahmen des Vermögensverwaltungsvertrages
Balzer
1488
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
eine Beratung durch den Verwalter vorauszugehen hat (OLG Frankfurt/M. WM 1996, 665 (667)). Da eine solche Gestaltung bei der Vermögensverwaltung jedoch die Ausnahme ist, da sie die Dispositionsbefugnis des Verwalters beseitigt und die Rechtsbeziehung einem bloßen Beratungsvertrag annähert, sind an die Annahme einer solchen Vereinbarung hohe Anforderungen zu stellen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Parteien einen schriftlichen Verwaltungsvertrag geschlossen haben und dieser keinen Hinweis auf eine entsprechende Beratungspflicht enthält (Schäfer/Müller, Rn. 260). Das OLG Köln hat indes trotz Fehlens einer im Verwaltungsvertrag vorgesehenen Beratungspflicht angenommen, dass der Vermögensverwalter pflichtwidrig handelt, wenn er vor dem Erwerb von Aktien den Anleger nicht darüber aufklärt, dass sein alleinvertretungsberechtigter Mehrheitsaktionär Aufsichtsratsvorsitzender dieser Gesellschaft ist (OLG Köln NZG 1999, 1177 (1178) m. Anm. Balzer, EWiR 2000, 169). Die Entscheidung wies indes die Besonderheit auf, dass aufgrund der personellen Verflechtungen eine Interessenkollision zwischen Verwalter und Vermögensinhaber bestand oder jedenfalls nicht auszuschließen war. Durch eine Aufklärung vor Erwerb der Aktien hätte der Vermögensverwalter diesen Interessenkonflikt aufdecken und dem Anleger die Möglichkeit geben können, seine Interessen neu zu definieren und damit den Konflikt zu beseitigen (Balzer, FB 2000, 499 (501 m. N.)). Eine Pflicht zur vorherigen Risikoinformation des Kunden besteht demgegenüber nicht schon beim Erwerb marktenger Aktien, die über das NASDAQ-Computersystem gehandelt werden (a. A. aber BGH ZIP 2002, 795 (796) = WM 2002, 913 = BKR 2002, 397 = NJW 2002, 1868 m. Anm. Balzer, EWiR 2002, 425). Der Vermögensverwalter hat in einem solchen Fall bei seiner eigenverantwortlichen Anlageentscheidung vielmehr zu ermitteln, ob er die Anlage vor dem Hintergrund der mit dem Kunden vereinbarten Anlagerichtlinien tätigen darf. Er ist ferner gehalten, sich selbst eingehend über die Risiken der Anlage zu informieren und zu beurteilen, ob sich diese in das Gesamtrisiko des verwalteten Portfolios einpasst (Balzer, EWiR 2002, 425 (426)). Bedenklich ist auch die Ansicht des KG Berlin (ZIP 2006, 1497), dass der Vermögensverwalter zur Aufklärung des Kunden über die zu erwartende Umschlagshäufigkeit des Depots zwecks Einschätzung der anfallenden Gebühren verpflichtet ist. Zum einen wird die zu erwartende Umschlagshäufigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses meist nicht bekannt sein, da die Anzahl der Transaktionen im Regelfall von der Marktsituation abhängt. Zum anderen sind die Interessen des Kunden auch ohne eine solche Aufklärung über die zu erwartende Umschlagshäufigkeit hinreichend gewahrt. Sofern der Vermögensverwalter nämlich für den Kunden bei der Vertragsdurchführung Käufe oder Verkäufe von Finanzinstrumenten ausschließlich oder überwiegend zum Zweck der Erzielung von provisionspflichtigen Umsätzen vornimmt, ohne dass dieses Handeln aber der Umsetzung einer Anlagestrategie im Kundeninteresse dient, liegt ein sog. Churning vor, das den Kunden zum Schadensersatz berechtigt. Eine daneben bestehende, schadensersatzbewehrte Aufklärungspflicht des Verwalters erscheint insoweit nicht erforderlich. 31
Der Vermögensinhaber ist auch während der Durchführung der Vermögensverwaltung zur Erteilung von Weisungen berechtigt. Solche Weisungen können nicht nur in Form von Anlagerichtlinien erfolgen, die bei Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages vereinbart werden (vgl. dazu oben Rn. 12), sondern auch durch Einzelweisungen, die der Anleger dem Verwalter während der Durchführung der Vermögensverwaltung erteilt. Die Erteilung solcher Einzelweisungen, die sich insbesondere auf den Erwerb bestimmter Vermögensanlagen beziehen können, führt zu der Frage, ob den Vermögensverwalter eine Verpflichtung trifft, den Anleger über die von ihm beabsichtigte Anlage zu informieren und ggf. vom Erwerb abzuraten. Da es für die Begründung vertraglicher Beratungspflichten grundsätzlich nicht genügt, wenn der Kunde einen gezielten Auftrag zum Erwerb be-
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1489
stimmter Wertpapiere erteilt (BGH WM 1996, 906), ist bei Erteilung von Einzelweisungen des Vermögensinhabers ein Beratungsvertrag nicht gegeben (Balzer, WM 2000, 441 (449)). Es bestehen daher lediglich Aufklärungs- und Warnpflichten des Vermögensverwalters (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 28; Lang, § 23 Rn. 53). Der Vermögensverwalter kann sich hierbei nicht auf eine Aufklärung über die Risiken der beabsichtigten Einzelanlage beschränken, sondern muss den Anleger z.B. auch darüber informieren, dass sich durch die gewünschte Vermögensanlage, sofern es sich um einen Risikowert handelt, das Risiko für das Gesamtvermögen erhöht (Balzer, S. 111; Lang, § 23 Rn. 53). Diese bereits aufgrund der Vertragsbeziehung zwischen dem Verwalter und dem Kunden bestehende Warnpflicht wird durch § 31 V WpHG künftig auch aufsichtsrechtlich normiert. Der Vermögensverwalter ist insoweit verpflichtet, bei der Ausführung von Kundenweisungen eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen. Die Angemessenheit beurteilt sich danach, ob der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken des Geschäfts und die Auswirkungen auf sein Gesamtdepot beurteilen zu können (§ 31 V 2 WpHG). Aufsichtsrechtlich wäre es daher für den Verwalter nicht erforderlich, die Anlageziele sowie die finanziellen Verhältnisse bei Erteilung von Einzelweisungen des Kunden in die Angemessenheitsprüfung mit einzubeziehen. II. Interessengerechte Verwaltung des Anlegervermögens. Aus der Qualifizierung der Vermögensverwaltung als entgeltlicher Dienstvertrag in Form eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses nach §§ 675 I, 611 BGB (s.o. Rn. 3) ergibt sich die Verpflichtung des Verwalters, das anvertraute Vermögen im Interesse des Anlegers zu verwalten. Diese Interessenwahrungspflicht, die auch in § 31 I Nr. 1 WpHG geregelt ist, beinhaltet, dass der Verwalter bei der Ausübung seiner Tätigkeit umfassend die Interessen des Vermögensinhabers zu berücksichtigen und dessen Interessen den eigenen vorzuziehen hat (Cramer/ Rudolph-Schäfer, S. 668, 672; Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 22). Zur Konkretisierung der allgemeinen Interessenwahrungspflicht des Vermögensverwalters sind verschiedene Grundsätze entwickelt worden, aus denen Handlungsvorgaben für die Durchführung der Verwaltung abgeleitet werden können.
32
1. Einhaltung der vereinbarten Anlagerichtlinien. Die Interessenwahrungspflicht des Vermögensverwalters erlangt besondere Bedeutung bei der Umsetzung der Anlagestrategie des Vermögensinhabers, die regelmäßig in der Vereinbarung von Anlagerichtlinien ihren Niederschlag findet. Diese Anlagerichtlinien sind als Weisungen des Anlegers i.S. von § 665 BGB zu qualifizieren (Roll, S. 126 f.; Balzer, S. 81; Lang, § 23 Rn. 47; Teuber, S. 223 (233)). Die im Verwaltungsvertrag festgelegten Anlagerichtlinien, die den Ermessensspielraum des Verwalters einschränken, sind bindend und bei der Vertragsdurchführung einzuhalten (BGHZ 137, 69 (73 f.); OLG Köln WM 1997, 570 (573); vgl. auch Schimansky/Bunte/Lwowski- Kienle, § 111 Rn. 28; Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rdn. 51; Lang, § 23 Rn. 44). Eine Abweichungsbefugnis besteht nur in engen Grenzen, insbesondere bei Unaufschiebbarkeit einzelner Verwaltungsmaßnahmen (vgl. Balzer, S. 102 f.). Auch bei Abweichung von den vereinbarten Anlagerichtlinien ist stets erforderlich, dass die richtlinienwidrigen Geschäfte im Interesse des Kunden liegen (BGHZ 137, 69 (75); Lang, § 23 Rn. 51).
33
Sofern die Anlagerichtlinien keine konkreten Vorgaben für zulässige Anlageformen enthalten, sondern sich allgemein auf die Vereinbarung einer konservativen, dynamischen oder aggressiven Anlagepolitik beschränken, bedürfen sie zur Bestimmung des Pflichtenkreises des Vermögensverwalters einer Konkretisierung im Wege der Auslegung des Verwaltungsvertrages nach §§ 133, 157 BGB. Die Vereinbarung einer konservativen Anlagepolitik, die auf Substanzsicherung und kontinuierlichen Vermögenszuwachs ausgerichtet sein sollte, ist dahingehend zu konkretisieren, dass eine Verpflichtung des
34
Balzer
1490
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Vermögensverwalters besteht, nicht mehr als 30 % des Wertpapierbestandes in Standardaktien und mindestens 70 % in festverzinslichen Wertpapieren anzulegen (OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (95 f.)). Die Vereinbarung einer grundsätzlich konservativen Anlagepolitik, die für Aktien eine schwerpunktmäßige Anlage in Standardwerten vorgibt, muss so verstanden werden, dass sie lediglich Aktien von Unternehmen mit hoher Bonität und guten Dividendenerträgen umfasst (LG München I WM 1999, 179 (180) m. Anm. Balzer, EWiR 1999, 249; Eichhorn, WuB I G 9.-1.99). Diesen Vorgaben genügt der Vermögensverwalter jedenfalls dann nicht, wenn er Aktien von Unternehmen (im konkreten Fall Klöckner und KHD) erwirbt, die sich nach erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einer noch nicht abgeschlossenen Konsolidierungsphase befinden, so dass der Aussicht auf Kurssteigerungen erhebliche Risiken gegenüberstehen, die auch in der Ergebnissituation des Unternehmens zum Ausdruck kommen (vgl. Balzer, EWiR 1999, 249 (250)). 35
Einschränkungen hinsichtlich der zulässigen Anlagen können sich bei fehlenden Vereinbarungen im Verwaltungsvertrag auch aus den Umständen der Vertragsverhandlungen ergeben. Das OLG Köln hat den Erwerb von Index-Optionsscheinen auf den DAX bei der Vereinbarung einer renditeorientierten Anlagepolitik als pflichtwidrig angesehen, da dem Vermögensinhaber vor Abschluss des Verwaltungsvertrages lediglich Anlagevorschläge unterbreitet worden waren, die eine Anlage von 80 % des Vermögens in festverzinslichen DM- und Randpapieren sowie von 20 % in Kaufoptionen auf stabile Qualitätswerte vorsahen (OLG Köln WM 1997, 570 (572)). Die Begründung des Gerichts, dass ein Optionshandel nur im Zusammenhang mit stabilen Qualitätswerten, nicht aber mit Börsenindices habe erfolgen dürfen, überzeugt jedoch nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass der vom Gericht für zulässig erachtete Erwerb von Kaufoptionen weniger risikoreich ist als entsprechende Optionsgeschäfte auf den DAX, zumal dieser letztlich nur ein aus Standardaktien gewichtetes Index-Portfolio darstellt. Es hätte daher nahe gelegen, die Anlageentscheidung des Verwalters jedenfalls in Höhe von 20 % als pflichtgemäß anzusehen, da unter Einbeziehung der vorvertraglichen Abreden in diesem Umfang Termingeschäfte erlaubt sein sollten (Balzer, FB 2000, 499 (502)).
36
Bei der Umsetzung der Anlagerichtlinien treffen den Vermögensverwalter Recherchepflichten im Hinblick auf die beabsichtigten Anlageobjekte (Lang, § 24 Rn. 23). Bei der Bestimmung des Inhalts dieser Verpflichtung kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die sich bei der Anlageberatung zur Konkretisierung der Anforderungen an eine objektgerechte Beratung des Anlegers herausgebildet haben (vgl. dazu grundlegend BGHZ 123, 126 sowie den Rechtsprechungsüberblick bei Nobbe, S. 235, 237 ff.). Der Vermögensverwalter ist daher verpflichtet, ein Anlageobjekt, das er für das Depot eines Verwaltungskunden erwerben will, nach banküblichen Kriterien zu überprüfen. Dies beinhaltet, dass sich der Verwalter selbst aktuelle Informationen über die börsenmäßige Entwicklung, die Liquidität des Anlageobjekts, die Rentabilität und die bonitätsmäßige Sicherheit zeitnah zu beschaffen hat (BGHZ 123, 126 (131)). Das LG Nürnberg-Fürth hat für die Durchführung von Aktiengeschäften im Rahmen einer Vermögensverwaltung die Pflicht des Verwalters aufgestellt, vor dem Kauf der Aktie ihre Kursentwicklung und Bewertungen in den einschlägigen Fachzeitschriften zu beachten und in die Kaufentscheidung mit einzubeziehen (LG Nürnberg-Fürth WM 1996, 1579 m. Anm. v. Randow, EWiR 1996, 1021; Eichhorn, WuB I G 9.-1.99). Ein allgemeiner Rechtssatz, dass ein Vermögensverwalter bei einem Kursverlust von 20 % verpflichtet ist, einen Wert abzustoßen, besteht allerdings nicht (OLG Köln ZIP 2007, 1598).
37
2. Pflicht zur Risikostreuung. Bei der Durchführung der Vermögensverwaltung ist der Verwalter verpflichtet, das anvertraute Vermögen auf verschiedene Anlageformen zu verteilen, um durch Diversifikation das Risiko für das Gesamtvermögen zu senken. Sofern
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1491
die Vereinbarung von Anlagerichtlinien unterbleibt und dem Vermögensverwalter ein freies Ermessen eingeräumt wird, ist vom Grundsatz einer ausgeglichenen Anlagepolitik auszugehen. Es besteht daher eine Verpflichtung des Vermögensverwalters, bei der Anlage nicht ausschließlich hochriskante Optionsgeschäfte zu tätigen, sondern auf eine angemessene Mischung mit konservativen Anlageformen wie Aktien und festverzinslichen Papieren Wert zu legen (BGH ZIP 1994, 693 (694 f.)). Nach Auffassung des OLG Frankfurt ist die Grenze einer sachgemäßen Vermögensverwaltung jedenfalls dann überschritten, wenn der Verwalter 47 % des Gesamtvermögens in einen einzigen Wert investiert, dem auch bei positiver Prognose im Hinblick auf das Fremdwährungsrisiko und die übrigen anlagetypischen Umstände hohe spekulative Risiken anhaften, und wenn Anlagen in entsprechenden Risikowerten während der vorherigen Vertragsdurchführung nur in geringerem Umfang erfolgt sind (OLG Frankfurt/M. WM 1996, 665 (667). Das OLG Hamm hat die Anlage des Gesamtvermögens von DM 130.000,– in Optionsscheinen in Höhe von 20 % als pflichtgemäß bewertet, da es sich bei dem eingesetzten Kapital des Kunden um ein „mittleres Vermögen“ gehandelt habe, bei dem ein Teil auch spekulativ angelegt werden dürfe (OLG Hamm WM 1996, 669 (670) m. Anm. Horn/Balzer, EWiR 1996, 499; Jaskulla, WuB I G 1.-8.96). Das Gericht geht davon aus, dass grundsätzlich eine Anlage bis zu 30 % im Risikobereich zulässig sei, wobei die Höhe des zur Verfügung stehenden Kapitals es aber nahe lege, das erlaubte Risiko weder im untersten noch im obersten Bereich anzusiedeln. Bei der Festlegung von Höchstgrenzen für die Anlage in Risikowerten sind neben der Höhe des anvertrauten Vermögens jedoch stets auch die Risikoneigung des Anlegers und seine finanziellen Verhältnisse zu berücksichtigen (Balzer, in: Herrmann/Berger/Wackerbarth, S. 21, 27). Eine angemessene Mischung ist jedenfalls dann gegeben, wenn maximal 10 % des verwalteten Vermögens in Risikogeschäfte investiert werden (Balzer, S. 109 m. N.; enger Horn, S. 265, 275, der fordert, dass der Verwalter bei erkennbar niedriger Risikoneigung des Kunden eine Anlage in Risikowerten generell unterlassen sollte). 3. Verbot der Spekulation. Sofern die Anlagerichtlinien nicht ausdrücklich dazu ermächtigen, besteht für den Vermögensverwalter ein Verbot der Spekulation (Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 111 Rn. 19; Horn, S. 265, 276; Teuber, S. 223 (238); eingehend zu diesem Aspekt Benicke, S. 764 ff.). In der Einräumung freien Ermessens liegt keine Ermächtigung zur Spekulation, vielmehr muss der Verwalter auch in diesem Fall Chancen und Risiken der beabsichtigten Anlage sorgfältig gegeneinander abwägen. Als Spekulation ist noch nicht der Erwerb risikobehafteter Papiere anzusehen, da dem Verwalter ansonsten jede Wertpapieranlage, die in Erwartung einer Kurssteigerung oder eines (unsicheren) Ertrags erfolgt, verboten wäre (zutreffend Lang, § 24 Rn. 5). Eine risikobehaftete Anlage ist dem Verwalter jedenfalls dann erlaubt, wenn durch eine Streuung der Anlagen ein überschaubares Risiko für das Gesamtvermögen verbleibt (Balzer, in: Herrmann/Berger/Wackerbarth, S. 21, 27). Demgegenüber liegt eine Spekulation vor, wenn das Verwalterhandeln lediglich auf eine – überwiegend kurzfristig angelegte – Ausnutzung von Preisunterschieden ausgerichtet ist (Horn, S. 265, 276; Balzer, S. 108).
38
4. Vermeidung von Interessenkonflikten. Aus der Interessenwahrungspflicht ergibt sich der Vorrang des Anlegerinteresses vor den eigenen Interessen des Vermögensverwalters (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 22; Lang, § 24 Rn. 11). § 31 I Nr. 2 WpHG sieht dementsprechend auch vor, dass der Vermögensverwalter sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen hat und vor Durchführung von Geschäften für Kunden diesen die Art und Herkunft der Interessenkonflikte eindeutig darzulegen ist, soweit die organisatorischen Vorkehrungen nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden. Bei der Vermögensver-
39
Balzer
1492
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
waltung können Interessenkonflikte sowohl im Verhältnis zwischen Vermögensinhaber und Verwalter als auch im Verhältnis zwischen Vermögensinhaber und anderen Verwaltungskunden entstehen. Insbesondere bei der Vermögensverwaltung durch Banken können Konflikte im Verhältnis zum Vermögensinhaber auftreten, wenn z.B. bei der Veräußerung von Investmentanteilen nahestehender Kapitalanlagegesellschaften Eigeninteressen hinsichtlich der Erzielung von Provisionen bestehen (Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 64). Sofern ein solcher Interessenkonflikt nicht durch organisatorische Maßnahmen vermieden werden kann, hat der Verwalter das Geschäft entweder im Sinne des Kunden auszuführen oder die Ausführung insgesamt zu unterlassen (Assmann/SchützeSchäfer, § 28 Rn. 37). 40
Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Anlegern können entstehen, wenn der Vermögensverwalter mehrere Kauf- oder Verkaufsaufträge zu einer sog. Blockorder zusammenfasst, um günstigere Konditionen als bei der Erteilung kleinerer Aufträge zu erreichen. Sofern eine solche Blockorder aufgrund der Marktsituation nur teilweise oder zu unterschiedlichen Kursen ausgeführt werden kann, müssen die Ausführungsergebnisse pro rata auf die verschiedenen Kunden verteilt werden (vgl. Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 60; Balzer, in: Herrmann/Berger/Wackerbarth, S. 21, 29). Bei der Ausführung zu unterschiedlichen Kursen wird regelmäßig eine Mischkursabrechnung, bei der der Vermögensverwalter jedem Anleger den Durchschnitt der erhaltenen Kurse in Rechnung stellt, den Interessen der verschiedenen Verwaltungskunden am ehesten entsprechen (Vortmann-Schade, § 7 Rn. 77). Da die kommissionsrechtliche Rechenschaftspflicht nach § 384 II HGB abdingbar ist, wird man den Vermögensverwalter grundsätzlich für berechtigt halten müssen, als Vertreter des Kunden einer Mischkursabrechnung zuzustimmen, soweit er durch den Verwaltungsvertrag vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB befreit worden ist (Lang, § 24 Rn. 16). Bei widerstreitenden Interessen verschiedener Anleger kommt als Mittel der Konfliktvermeidung auch die Aufklärung des Vermögensinhabers über mögliche Interessenkonflikte in Betracht. Als Folge dieser Aufklärung kann der Kunde seine Interessen in einer Weise strukturieren, die die Möglichkeit eines Interessenkonflikts entfallen lässt (Schwintowski/Schäfer, § 18 Rn. 28; Lang, § 24 Rn. 15).
41
5. Unterlassung verbotener Verhaltensweisen und Insiderverbot. Aus der Interessenwahrungspflicht des Vermögensverwalters i.S. von § 31 I Nr. 1 WpHG lassen sich zugleich Verbotstatbestände ableiten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Motivation für die Vornahme einer Verwaltungsmaßnahme nicht durch das Interesse des Kunden, sondern ausschließlich durch fremde Interessen bestimmt ist (BuB-Schäfer, Rdn. 11/38). Diese bislang in § 32 I WpHG a.F. geregelten Verbotstatbestände sind in der Neufassung des WpHG nach Umsetzung der MiFID zwar nicht mehr enthalten, gleichwohl lässt sich die Fortgeltung dieser Fallgruppen ohne weiteres mit der Interessenwahrungspflicht des Verwalters begründen. Ein Verstoß gegen die Kundeninteressen liegt z.B. vor, wenn der Vermögensverwalter Wertpapiere für das von ihm verwaltete Vermögen ausschließlich oder hauptsächlich zu dem Zweck kauft, einen größeren Verkaufsauftrag für Dritte möglichst kursschonend durchführen zu können (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 29). Unzulässig ist auch das sog. Churning, d.h. ein häufiges Kaufen oder Verkaufen von Wertpapieren ausschließlich oder überwiegend zum Zweck der Erzielung von provisionspflichtigen Umsätzen, ohne dass dieses Handeln aber der Umsetzung einer Anlagestrategie im Interesse des Vermögensinhabers dient (BGH ZIP 2002, 1586 (1588) = WM 2002, 1177 = BKR 2002, 538 = NJW 2002, 2556 m. Anm. Balzer, EWiR 2002, 861; Gramlich/ Mai, WuB I G 9.-1.02; Schimmel/Buhlmann, LM § 252 BGB Nr. 86; vgl. auch Rössner/ Arendts, WM 1996, 1517; Vortmann-Schade, § 7 Rn. 70; Lang, § 24 Rn. 17).
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1493
Untersagt ist auch die Durchführung von An- und Verkäufen zu dem Zweck, für Eigengeschäfte des Vermögensverwalters die Preise in eine bestimmte Richtung zu lenken. Unzulässig sind daher insbesondere Marktmanipulationen durch das sog. Auskaufen und Abladen von Wertpapieren. Ein solches Verhalten liegt vor, wenn der Vermögensverwalter Käufe bzw. Verkäufe für ein Portfolio vornimmt, um aus seinem Eigenbestand Wertpapiere kursschonend platzieren zu können bzw. ohne Hervorrufung von Kursreaktionen Wertpapiere zu erwerben (Cramer/Rudolph-Schäfer, S. 668, 678). Gegen die Verpflichtungen des Verwalters aus dem Vermögensverwaltungsvertrag verstößt auch der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren für das verwaltete Vermögen ausschließlich oder hauptsächlich zu dem Zweck, Kursausschläge des Papiers in beide Richtungen zu vermeiden und somit Kurspflege zu betreiben (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 29; Balzer, in: Herrmann/Berger/Wackerbarth, S. 21, 35).
42
Dem Vermögensverwalter ist es schließlich auch verboten, Eigengeschäfte in Kenntnis von demnächst von ihm für einen Anleger vorzunehmenden Käufen oder Verkäufen von Wertpapieren vorzunehmen, die Nachteile für den Vermögensinhaber zur Folge haben können (Cramer/Rudolph-Schäfer, S. 668, 678; Balzer, in: Herrmann/Berger/Wackerbarth, S. 21, 35). Untersagt ist demnach insbesondere das sog. Vor- oder Mitlaufen (front running), bei dem sich der Vermögensverwalter vor Ausführung einer größeren Anzahl von Geschäften für Anleger, die steigende Kurse erwarten lassen, selbst eindeckt (Cramer/ Rudolph-Schäfer, S. 668, 678). Das Verbot erstreckt sich auch auf das sog. Gegenlaufen, bei dem der Vermögensverwalter die unterschiedlichen Limits, die er bei der Vornahme von Käufen und Verkäufen für den Vermögensinhaber stellt, gezielt durch Gegenorders abschöpft (Assmann/Schneider-Koller, WpHG, § 32 Rn. 11; Lang, § 24 Rn. 17).
43
Aufgrund des Insiderhandelsverbotes nach § 14 I WpHG ist es dem Vermögensverwalter verboten, eigenes Insiderwissen zugunsten des verwalteten Vermögens einzusetzen. Eine Insidertatsache kann auch dann vorliegen, wenn der Verwalter beabsichtigt, eine größere Position von marktengen Papieren aus einem verwalteten Depot zu veräußern (Assmann/ Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 41). Der Vermögensverwalter darf somit in Kenntnis eines entsprechenden Entschlusses nicht aus dem Depot anderer Verwaltungskunden gleichfalls diese Papiere veräußern, da ansonsten die Verwendung einer Insiderinformation i.S. von § 14 I Nr. 1 WpHG vorliegt (Lang, § 24 Rn. 19; Balzer, S. 118). Der Tatbestand des § 14 I Nr. 1 WpHG ist demgegenüber nicht erfüllt, wenn der Vermögensverwalter gleichzeitig Verwaltungsmaßnahmen für verschiedene Kunden aufgrund eines Gesamtplans vornimmt, indem er z.B. ein Wertpapier wegen Überbewertung aus sämtlichen Depots der Anleger verkauft (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 42; Balzer, S. 118).
44
III. Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflichten. Den Vermögensverwalter trifft nach §§ 675 I, 666 BGB die Verpflichtung, dem Vermögensinhaber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Üblich ist eine Rechenschaftslegung in regelmäßigen, z.B. jährlichen, halbjährlichen oder quartalsmäßigen Abständen (Cramer/Rudolph-Schäfer, S. 668, 680). Die Rechenschaftslegung muss vollständig, richtig und nachprüfbar sein. Erforderlich ist daher eine geordnete Zusammenstellung der Ein- und Ausgaben (Rechnungslegung i.S. von § 259 BGB), die aus sich heraus verständlich ist (OLG Düsseldorf EWiR 1998, 349 m. Anm. Staab; vgl. auch Vortmann-Schade, § 7 Rn. 150 f.).
45
Die Pflicht des Vermögensverwalters zur Benachrichtigung des Vermögensinhabers dient dem Zweck, dem Anleger die Informationen zukommen zu lassen, die es ihm ermöglichen, bei veränderten Umständen sachgerechte Entscheidungen zu treffen (Schäfer/
46
Balzer
1494
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Müller, Rn. 313; Vortmann-Schade, § 7 Rn. 162; Balzer, S. 122 f.). Zur Konkretisierung des Inhalts dieser Benachrichtigungspflicht hat der BGH entschieden, dass der Vermögensverwalter den Anleger über eingetretene Verluste, die einen erheblichen Teil des eingesetzten Kapitals ausmachen, unverzüglich zu unterrichten hat (BGH ZIP 1994, 693, 694). Ein Verlust ist hierbei nicht erst gegeben, wenn sich beim Verkauf einzelner Wertpapiere eine tatsächliche Vermögensminderung einstellt, vielmehr lösen bereits nicht realisierte Buchverluste durch einen Kursrückgang die Benachrichtigungspflicht aus (Schäfer, WM 1995, 1009 (1011); Balzer, Die Bank 1998, 584 (585)). Die Verlustbestimmung richtet sich nach der Wertentwicklung des Gesamtportfolios, so dass Verluste, die lediglich in einer Position eintreten, eine Benachrichtigungspflicht nicht auslösen (Schäfer, WM 1995, 1009 (1011); Lang, § 24 Rn. 40; Schäfer/Müller, Rn. 320). Bei der Bestimmung der Erheblichkeit des Verlusts ist die durch die Anlagerichtlinien vereinbarte Risikogeneigtheit des Anlegers zu berücksichtigen. Bei einer überwiegenden Anlage in kurzlaufenden, inländischen Rentenwerten ist bereits ein Verlust von 5 % als erheblich anzusehen, während bei einer Investition in Standardaktien die Grenze erst bei 15 % zu ziehen ist (Schäfer, WM 1995, 1009 (1011); Teuber, S. 223 (261); Lang, § 24 Rn. 34; ähnlich Schäfer/Müller, Rn. 326). Bei einem spekulativ ausgerichteten Anleger sind erst Kursverluste von über 20 % des Gesamtvermögens als bedeutsam anzusehen (VortmannSchade, § 7 Rn. 167). 47
§ 9 WpDVerOV regelt nunmehr die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Berichtspflichten des Vermögensverwalters. Während für die Berichterstattung gegenüber professionellen Kunden i.S. von § 31a II WpHG keine Vorgaben bestehen, enthalten § 9 II u. III WpDVerOV detaillierte Regelungen für den Berichtsinhalt gegenüber Privatkunden. Anzugeben sind z.B. die Zusammensetzung und Bewertung des Portfolios mit Einzelangaben zu jedem Finanzinstrument, die Gesamtverwaltungsgebühren (einschließlich vom Verwalter erhaltener und vereinnahmter Zuwendungen) sowie ein Vergleich der Wertentwicklung während des Berichtszeitraums unter Angabe einer Vergleichsgröße (Benchmark) (eingehend hierzu Teuber/Müller, 123 (147 ff.). Bei Privatkunden beträgt der Zeitraum der periodischen Aufstellung grundsätzlich sechs Monate, der Kunde ist aber darauf hinzuweisen, dass der Zeitraum auf Antrag auf drei Monate verkürzt werden kann (§ 9 III 1 u. 2 WpDVerOV). Sofern der Verwaltungsvertrag ein kreditfinanziertes Finanzportfolio oder Finanzinstrumente mit Hebelwirkung zulässt, beträgt der Zeitraum höchstens einen Monat (§ 9 III 3 WpDVerOV).
48
Nach §§ 9 V, 8 VI WpDVerOV besteht weiterhin eine (aufsichtsrechtliche) Pflicht zur Benachrichtigung von Privatkunden, wenn im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung Verluste eintreten, die einen zuvor zwischen Verwalter und Kunden vereinbarten Schwellenwert überschreiten. Die Benachrichtigung hat spätestens am Ende des Geschäftstages zu erfolgen, an dem der Schwellenwert überschritten wird. Die Benachrichtigungspflicht gegenüber Privatkunden nach §§ 9 V, 8 VI WpDVerOV besteht auch dann, wenn bei Geschäften mit Eventualverbindlichkeiten Verluste eintreten, die einen zuvor vereinbarten Schwellenwert überschreiten. Auch hier hat eine Benachrichtigung spätestens am Ende des Geschäftstages zu erfolgen, an dem der Schwellenwert überschritten wird (vgl. Teuber, BKR 2006, 429, 436).
49
E. Haftung bei fehlerhafter Vermögensverwaltung I. Haftungsvoraussetzungen. Die Haftung für fehlerhafte Vermögensverwaltung setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung i.S. von § 276 I 1 BGB voraus, wobei dem Verwalter das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen nach § 278 1 BGB zugerechnet wird. Für die Feststellung eines Verschuldens des Vermögensverwalters ist der Maßstab des § 347 I
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1495
HGB ausschlaggebend, da der Verwalter seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erfüllen hat (Schäfer/Müller, Rn. 51; Balzer, S. 164). II. Umfang des Schadensersatzanspruchs. 1. Berechnungsgrundlagen. Nach § 249 I BGB muss der Vermögensverwalter bei pflichtwidrigem Handeln den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Kontrovers diskutiert wird indes, auf welche Weise der Schaden zu ermitteln ist. Nach Auffassung des LG Stuttgart kann der Vermögensverwalter im Fall unsorgfältiger Auswahl einzelner Vermögensanlagen grundsätzlich nicht unabhängig von der Wertentwicklung des Gesamtvermögens in Anspruch genommen werden, da sich nach dem Prinzip der Risikomischung risikoträchtigere und erfolgreichere Einzelpositionen im Rahmen der vereinbarten Depotzusammensetzung ohnehin ausgleichen (LG Stuttgart WM 1997, 163 (164) m. Anm. Balzer, EWiR 1997, 295; Schwennicke, WuB I G 9.-1.97). Ein ersatzfähiger Schaden des Anlegers liegt nach dieser Argumentation erst dann vor, wenn der Erwerb der verlustträchtigen Vermögensanlage zu einer insgesamt nachteiligen Wertentwicklung des Gesamtdepots geführt hat. Ein Ersatzanspruch des Vermögensinhabers scheidet demgegenüber aus, wenn der Verwalter unter Verstoß gegen seine Vertragspflichten Anlagen tätigt, die als Einzelposition einen Verlust verursachen, dieser Verlust aber durch die positiven Erträge anderer Wertpapierpositionen des Depots kompensiert werden kann. Die Ansicht des LG Stuttgart überzeugt indes nicht. Beruht der Verlust aus der einzelnen Position auf einem pflichtwidrigen und schuldhaften Verwaltungshandeln, so ist der Vermögensverwalter zum Ersatz des diesbezüglichen Schadens verpflichtet (vgl. auch LG München I WM 1999, 179 (180)). Eine Saldierung von schuldhaft herbeigeführten Schäden in Einzelpositionen mit Gewinnen, die aufgrund pflichtgemäßer Anlagen eingetreten sind, lässt außer Betracht, dass der Vermögensverwalter für jede einzelne Position zur sorgfältigen und interessengerechten Verwaltung des Anlegervermögens verpflichtet ist (Balzer, S. 166; Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 55). Die vom LG Stuttgart vorgenommene Gesamtbetrachtung ist nur dann zulässig, wenn neben den Verlusten auch Gewinne aus Verstößen gegen die Anlagerichtlinien resultieren. In diesen Fällen sind Gewinne und Verluste zunächst zu saldieren, so dass der Vermögensinhaber lediglich einen überschießenden Schaden geltend machen kann (Balzer, EWiR 1999, 249 (250); Schäfer/Müller, Rn. 63; Lang, § 25 Rn. 4; so jetzt auch OLG Köln ZIP 2007, 1598). Der durch die schuldhafte Pflichtverletzung des Vermögensverwalters eingetretene Schaden ist grundsätzlich konkret als Vermögensminderung festzustellen (Assmann/SchützeSchäfer, § 28 Rn. 55). Nach Ansicht des OLG Hamm kann daher der erlittene Anlageverlust nicht aus einem abstrakten Vergleich mit dem Rückgang des DAX ermittelt werden, wenn das betreffende Aktiendepot sich nicht ebenfalls aus den im DAX repräsentierten Standardwerten ausschließlich zusammensetzt (OLG Hamm OLGR Hamm 1998, 286 (288)). Bei Erwerb von Anlagen unter Verstoß gegen die vereinbarten Anlagerichtlinien umfasst der zu ersetzende Schaden auch die dem Anleger entstandenen Anwaltskosten sowie Steuermehrbelastungen, die aufgrund von Spekulationsgewinnen angefallen sind (OLG Karlsruhe ZIP 2000, 2060 (2065 f.)).
50
Bei Verletzung von (vorvertraglichen) Aufklärungspflichten kann ein Schaden des Anlegers daraus resultieren, dass er mit dem Vermögensverwalter Anlagerichtlinien vereinbart, die seinem persönlichen Risikoprofil nicht entsprechen (Balzer, S. 166). Eine Rückabwicklung des Vermögensverwaltungsvertrages kommt in diesen Fällen jedenfalls dann, wenn der Verwalter bereits mit der Umsetzung der vereinbarten Anlagestrategie begonnen hat, nicht ohne weiteres in Betracht (vgl. Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 53, der auf die Grundsätze über fehlerhafte Dauerschuldverhältnisse abstellt). Es erscheint insoweit zweifelhaft, dass der Anleger bei zutreffender Aufklärung und Beratung vom Ab-
51
Balzer
1496
52
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
schluss des Verwaltungsvertrages abgesehen hätte. Denkbar ist z.B. der Fall, dass der Verwalter infolge unrichtiger Aufklärung über die generellen Risiken von Termingeschäften mit dem Kunden Anlagerichtlinien vereinbart, die nicht seinem persönlichen Risikoprofil entsprechen, indem sie den Schwellenwert für die Anlage in Optionsscheinen auf 20 % festlegen, obwohl lediglich 10 % angemessen wären. Hier erscheint es nahe liegend, dass der Kunde bei sachgerechter Aufklärung und Beratung mit dem Verwalter lediglich einen niedrigeren Schwellenwert für die Anlage in diesen Risikowerten vereinbart hätte. Die Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflichten ist daher lediglich in Höhe der Festlegung eines überhöhten Schwellenwertes für den Schaden kausal geworden, so dass auch nur insoweit eine Ersatzpflicht des Verwalters besteht (Balzer, S. 168). Demgegenüber geht der BGH bei unterbliebener Offenlegung von Kick-Back-Vereinbarungen davon aus, dass der Kunde bei entsprechender Information den Vertrag nicht geschlossen und die bei Durchführung der Verwaltung entstandenen Verluste nicht erlitten hätte (BGHZ 146, 235 (239 f.) = BGH ZIP 2001, 230 (231); vgl. auch OLG Köln BKR 2002, 541 (542)). Da nach dem BGH nicht nur der Vermögensverwalter, sondern auch die depotführende Bank zur Offenlegung der Vereinbarung verpflichtet ist, haftet auch diese bei unterlassener Information des Kunden nicht nur für die an den Verwalter weitergeleiteten Provisionen, sondern für alle während der Dauer der Verwaltung eingetretenen Vermögensminderungen (BGHZ 146, 235 (239 f.); vgl. zur Kritik an dieser Entscheidung auch oben Rn. 26). Die Ersatzpflicht des Vermögensverwalters erstreckt sich nach § 252 S. 1 BGB auch auf den entgangenen Gewinn. Sofern der Vermögensverwalter unter Verstoß gegen die Anlagerichtlinien Teile des Vermögens nicht in Rentenwerten, sondern in Risikopapieren anlegt, beinhaltet dieser Schadensposten den Betrag, der mit dem pflichtwidrig investierten Vermögen bei einer Anlage in festverzinslichen Papieren hätte erzielt werden können (OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (96); OLG Köln WM 1997, 570 (574)). Die Berechnung des entgangenen Gewinns bereitet jedoch dann erhebliche Schwierigkeiten, wenn der entstandene Schaden nicht durch einzelne, genau identifizierbare vertragswidrige Vermögensanlagen verursacht wird, sondern dadurch, dass die Vermögensverwaltung insgesamt oder jedenfalls zum überwiegenden Teil unter Verstoß gegen festgelegte Handlungsvorgaben erfolgt ist. In diesem Fall kann die Berechnung des Schadens nur dergestalt vorgenommen werden, dass dem pflichtwidrig verwalteten Portfolio die Wertentwicklung eines hypothetischen Portfolios gleichen Umfangs und während des gleichen Zeitraums gegenübergestellt wird, das gemäß den vertraglichen Vereinbarungen verwaltet wurde (vgl. Gutzwiller, AJP 2000, 57 (63)). Der BGH geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass zur Schadensermittlung nicht ohne weiteres auf die Wertentwicklung eines Fonds abgestellt werden kann, der eine mit der Anlagestrategie des Anlegers vergleichbare Risikoausrichtung aufweist, vielmehr müsse aufgrund der nur begrenzten Vergleichbarkeit einer Fondsbeteiligung mit der Verwaltung eines Einzeldepots ein nach § 287 I 1 ZPO zu schätzender pauschaler Abschlag bei der Schadensermittlung vorgenommen werden (BGH ZIP 2002, 1586 (1588)). Das Abstellen auf nur einen Fonds als Vergleichsmaßstab erscheint indes zu eng. Selbst bei nahezu gleicher Anlagestrategie werden mehrere Fonds kaum eine völlig identische Wertentwicklung aufweisen, da die Zusammensetzung der Depots variiert und z.B. verschiedene als konservativ einzustufende Aktien sich durchaus unterschiedlich entwickeln können. Bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns sollten daher mehrere vergleichbare Portfolios (Fonds oder z.B. auch Musterportfolios der Banken, vgl. Gutzwiller, AJP 2000, 57 (63 f.)) herangezogen werden, auch um zu verhindern, dass sich der Anleger auf ein Vergleichsportfolio stützt, das eine für ihn besonders positive Wertentwicklung aufweist (vgl. Balzer, EWiR 2002, 861 (862)).
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1497
Auch bei der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten kommt ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns in Betracht. Das OLG Köln hat gleichwohl einen Anspruch auf Ersatz eines fiktiven Gewinns abgelehnt, da sich angesichts des Bestrebens des Kunden, durch die Vermögensverwaltung seine Kapitalerträge aus dem Depotvermögen zu steigern, nicht feststellen lasse, wie er bei einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung seine Anlageziele definiert hätte (OLG Köln NZG 1999, 1177 (1178)). Mit dieser Argumentation überzieht das OLG Köln jedoch die Anforderungen, die § 252 S. 2 BGB an die Beweisführung stellt, da es die Vorschrift dem Gericht ermöglichen soll, auch bei unzureichenden Anhaltspunkten einen entgangenen Gewinn wenigstens noch in Form eines Mindestschadens zu ermitteln (BGH WM 1987, 319 (320)). Eine Schätzung ist lediglich dann ausgeschlossen, wenn sie mangels greifbarer Ansatzpunkte völlig in der Luft hängen würde (BGHZ 91, 243 (256 f).). Da das Depotvermögen vor Übertragung an den Vermögensverwalter überwiegend aus festverzinslichen Werten bestand, hätte es daher nahe gelegen, wenn das OLG Köln jedenfalls die Anlage in solchen Werten bei der Berechnung des Ertragsschadens zugrunde gelegt und eine mögliche Änderung der Risikoausrichtung des Anlegers durch einen Abschlag berücksichtigt hätte (Balzer, EWiR 2000, 169 (170)).
53
2. Berücksichtigung eines pflichtgemäßen Alternativverhaltens. Die Problematik des pflichtgemäßen Alternativverhaltens wird insbesondere dann relevant, wenn der Vermögensverwalter unter Verstoß gegen seine Vertragspflichten Anlagen tätigt, die zu einem Verlust für das Kundenvermögen führen, bei pflichtgemäßer Verwaltung aber gleichfalls eine Minderung des Anlegervermögens eingetreten wäre. Ist z.B. dem Vermögensverwalter die Anlage in Optionsscheinen untersagt, erwirbt er diese aber dennoch und verursacht hierbei einen Verlust, so ist die Pflichtverletzung (Kauf der Optionsscheine) für den Verlust kausal geworden. Hätte der Vermögensverwalter jedoch anlagerichtlinienkonform Aktien erworben, hätten diese u.U. gleichfalls einen Verlust erlitten. Die Pflichtverletzung des Verwalters ist daher nur kausal für den Schaden geworden, der in der Differenz zwischen der tatsächlichen Vermögensminderung und dem hypothetischen Verlust bei vertragsgemäßem Verhalten besteht. Es besteht Einigkeit, dass dem Verwalter bei Vertragsverletzungen die Berufung auf ein pflichtgemäßes Alternativverhalten grundsätzlich möglich ist (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 54; Lang, § 25 Rn. 10; Schäfer/Müller, Rn. 69). Schwierigkeiten bestehen jedoch darin, das pflichtgemäße Alternativverhalten des Vermögensverwalters zu ermitteln. Zu berücksichtigen ist, dass aufgrund der regelmäßig weit gefassten Anlagerichtlinien dem Vermögensverwalter nicht lediglich eine Anlagealternative zur Verfügung steht, sondern er aus einer Vielzahl möglicher Anlageformen wählen kann. Sieht z.B. der Vermögensverwaltungsvertrag sowohl die Anlage in Rentenpapieren als auch in Aktien vor, können beide Anlageformen während eines bestimmten Zeitraums durchaus unterschiedliche Entwicklungen nehmen. Es muss daher sichergestellt sein, dass sich der Vermögensverwalter nicht darauf zurückziehen kann, dass ihm nach dem Verwaltungsvertrag eine Anlage erlaubt war, die noch verlustträchtiger als die pflichtwidrige Verwaltungsmaßnahme war. Diesen Schwierigkeiten kann dadurch begegnet werden, dass dem Vermögensverwalter die Beweislast dafür auferlegt wird, dass der Schaden auch bei einer anderen Vermögensanlage auf jeden Fall eingetreten wäre (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 54). Nicht ausreichend ist es demgegenüber, wenn der Vermögensverwalter sich lediglich damit verteidigt, dass der Schaden möglicherweise auch bei einer anderen Anlage entstanden wäre (Balzer, S. 170; Lang, § 25 Rn. 10).
54
III. Mitverschulden des Vermögensinhabers. Bei der Ermittlung des ersatzfähigen Schadens kann nach § 254 II BGB ein Mitverschulden des Anlegers zu berücksichtigen sein. Während der Dauer der Vermögensverwaltung obliegt dem Anleger eine Schadensminderungspflicht jedoch nur in Ausnahmefällen, da er grundsätzlich auf die Richtigkeit
55
Balzer
1498
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
der vom Verwalter getroffenen Dispositionen vertrauen darf (OLG Frankfurt/M. WM 1996, 665 (669)). Da der Anleger nicht verpflichtet ist, den Vermögensverwalter, dem er als Sachkundigem die Entscheidungen im Rahmen der durch die Richtlinien festgelegten Anlagepolitik überlassen hat, einer ständigen Kontrolle zu unterziehen (OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (96); Schäfer/Müller, Rn. 55; Teuber, S. 223 (265)) sowie Abrechnungen und Ausführungsanzeigen zeitnah zu überprüfen (BGHZ 137, 69 (75 f.)), kann ein Mitverschulden nur dann angenommen werden, wenn für den Anleger erkennbare Pflichtverstöße gegeben sind und er das Handeln des Vermögensverwalters dennoch nicht unterbindet. Hierzu genügt es aber nicht, wenn der Anleger über die Anlageentscheidungen des Verwalters informiert wird und keine Einwendungen geltend macht, da hieraus kein stillschweigendes Einverständnis mit den getroffenen Entscheidungen abgeleitet werden kann (OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (96); Schäfer/Müller, Rn. 55). Ein Mitverschulden wird jedoch durch die rügelose Entgegennahme von Depot- und Kontoauszügen über einen längeren Zeitraum begründet, wenn der Anleger aufgrund der Vielzahl der Verstöße erkennen musste, dass der Verwalter seine detaillierten Vorgaben nur in wenigen Fällen eingehalten hat (vgl. Lang, § 25 Rn. 16; Horn/Balzer, EWiR 1998, 109 (110); a. A. Schäfer/Müller, Rn. 370). 56
Eine Schadensminderungspflicht des Anlegers besteht grundsätzlich nach Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrages. Das OLG Frankfurt hat die inhaltlichen Anforderungen an das schadensmindernde Verhalten des Anlegers dahingehend konkretisiert, dass es ihn dazu verpflichtet hat, die verlustträchtigen Vermögenspositionen zu verwerten (OLG Frankfurt/M. WM 1996, 665 (669)). Hierbei hat das Gericht dem Anleger allerdings – nach fristloser Kündigung des Verwaltungsvertrages – einen Zeitraum eingeräumt, in dem er sachverständigen Rat einholen und den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht überprüfen lassen durfte. Nach Auffassung des Gerichts endet dieser Zeitraum erst mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Vermögensverwalter. Eine solche Überlegungsfrist ist jedenfalls bei einer fristlosen Kündigung des Verwaltungsvertrages abzulehnen (differenzierend Lang, § 25 Rn. 20). Einer fristlosen Kündigung wird in aller Regel eine Prüfung durch den Vermögensinhaber vorausgehen, inwieweit der Verwalter gegen seine Vertragspflichten verstoßen hat, da nur in diesen Fällen eine sofortige Vertragsbeendigung sinnvoll erscheint. Die hierbei vorzunehmende Überprüfung des Vermögensverwalters entspricht dabei inhaltlich weitgehend derjenigen, für die das OLG Frankfurt dem Anleger nach Beendigung des Vertrages eine gewisse Zeit zur Verfügung stellen will. Es besteht jedoch kein Anlass, dem Anleger, der bereits vor der fristlosen Kündigung des Vertrages den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht überprüft hat, nach Vertragsbeendigung nunmehr eine weitere Frist zuzugestehen, bevor seine Schadensminderungspflicht einsetzt. Der Vermögensinhaber ist daher verpflichtet, bei fristloser Kündigung des Vertrages unverzüglich Maßnahmen zur Minderung des Schadens zu treffen (Horn/Balzer, EWiR 1996, 589 (590); a. A. Schäfer/Müller, Rn. 371, der dem Verwaltungskunden bei komplexen Sachverhalten eine Frist von bis zu sechs Monaten zur Einholung eines sachverständigen Rates zubilligt). Dabei ist es dem Vermögensinhaber aber nicht zuzumuten, eingehend die Marktsituation zu beobachten und einen möglichst günstigen Zeitpunkt für die Verwertung der Anlagen abzuwarten. Er genügt seiner Schadensminderungspflicht vielmehr bereits dann, wenn er die Position sofort nach der Vertragsbeendigung verwertet, ohne dass ihm eine weitere – dem Vermögensverwalter u.U. nachteilige – Kursentwicklung anzulasten ist (Balzer, S. 172).
57
IV. Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen. Die Vermögensverwaltungsverträge enthalten aufgrund der Vielzahl möglicher Anlageformen regelmäßig eine Haftungsbeschränkung für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Zweckmäßigkeit von Maßnahmen
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1499
und Vorschlägen auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Das OLG Frankfurt hat eine solche Haftungsbeschränkung nicht beanstandet, sondern vielmehr ausgeführt, dass es an einem groben Verschulden jedenfalls dann fehle, wenn durch die Vermögensverwaltung trotz der eingetretenen Verluste aus einzelnen (Options-)Geschäften und unter Berücksichtigung der Entnahmen des Kunden eine jährliche Durchschnittsrendite von 7,46 % erwirtschaftet worden sei (OLG Frankfurt/M. MDR 1999, 557 (558)). Diese Argumentation überzeugt indes nicht. Zum einen ist anhand jeder einzelnen Vermögensanlage zu überprüfen, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, so dass die erzielte Durchschnittsrendite, die auf das Gesamtportfolio abstellt, kein tauglicher Anhaltspunkt für die Bestimmung eines vertragsgemäßen Verwalterhandelns sein kann. Zum anderen verkennt das OLG Frankfurt die inhaltlichen Grenzen, die bei der Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen in Formularverträgen bestehen. Maßstab für die vorzunehmende Inhaltskontrolle ist insbesondere § 307 II Nr. 2 BGB, wonach eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben dann anzunehmen ist, wenn die Vertragspflichten des Verwenders so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Eine Haftungsfreizeichnung für einfache Fahrlässigkeit ist daher unwirksam, soweit sie sich auf die Verletzung wesentlicher Pflichten, die sich aus der Eigenart des vereinbarten Vertragsverhältnisses ergeben, bezieht (BGH WM 1988, 246 (248); vgl. auch Wolf/ Horn/Lindacher, § 11 Nr. 7 Rn. 29). Bei der Vermögensverwaltung ist zunächst die Pflicht zur Einhaltung der Anlagerichtlinien als vertragswesentlich zu qualifizieren, so dass eine Haftungsfreizeichnung unzulässig ist (OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (96); Lang, § 24 Rn. 59; Teuber, S. 223 (261)). Als vertragswesentliche Pflicht ist auch die Auswahl der Anlagewerte anzusehen, da der Vermögensverwalter gerade zu dem Zweck, anstelle des Anlegers die Anlageentscheidungen zu treffen, tätig wird (Schäfer/Müller, Rn. 304; Horn, S. 265 (281); Lang, § 24 Rn. 60; Balzer, EWiR 1997, 295 (296); v. Randow, EWiR 1996, 1021 (1022); offen gelassen in OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (96)). Sofern der Vermögensverwaltungsvertrag vorsieht, dass die Verwaltung nach beruflichem Ermessen des Vermögensverwalters erfolgt, kann aus dieser Klausel nicht die Aufhebung seiner Weisungsgebundenheit abgeleitet werden. Da die Beachtung von Weisungen zu den wesentlichen Pflichten des Vermögensverwalters gehört, sind Regelungen in AGB nur insoweit als wirksam anzusehen, als sie Unklarheiten hinsichtlich der Weisungsgebundenheit beheben oder Weisungen in Randbereichen abzuändern erlauben (OLG Köln WM 1997, 570 (573)). Zu den wesentlichen Vertragspflichten, die einer Haftungsfreizeichnung nicht zugänglich sind, gehört ferner die Wahrung des Prinzips der Risikostreuung (OLG Frankfurt/M. WM 1996, 665 (668)). Nach § 307 II Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung des Verwaltungskunden auch dann anzunehmen, wenn die Vertragsklausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Nach dieser Vorschrift ist ein allgemeiner Ausschluss der Benachrichtigungspflichten des Vermögensverwalters unwirksam, da hierdurch die Vermögensinteressen des Anlegers weitgehend gefährdet werden (BGH ZIP 1994, 693 (694)).
58
V. Darlegungs- und Beweislast. Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Anleger als Anspruchsteller bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen alle Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Vorschrift darzulegen und ggf. zu beweisen (Thomas/ Putzo-Reichold, Vorbem § 284 Rn. 23). Hinsichtlich des Verschuldens enthält § 280 I 2 BGB nunmehr eine Umkehr der Beweislast, da der Schädiger für das Nichtvertretenmüssen beweispflichtig ist (Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 34). Bei der Verletzung von Aufklärungs-, Warn- oder Beratungspflichten kommt dem Geschädigten zudem eine Kausalitätsvermutung für ein aufklärungsrichtiges Verhalten zugute (BGH WM 1992,
59
Balzer
1500
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
770 (773); 1310 (1311); OLG Köln WM 1995, 697 (699)). Derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, ist dafür beweispflichtig, dass der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte also den Rat oder Hinweis nicht befolgt hätte (BGHZ 61, 118 (121 f.); BGH WM 1988, 1031 f.; 1994, 149 (151)). Voraussetzung für das Eingreifen der Kausalitätsvermutung, die eine Beweislastumkehr und nicht lediglich einen Anwendungsfall des sog. Anscheinsbeweises bewirkt (vgl. BGHZ 61, 118 (121 f.); BGHZ 124, 151 (161)), ist dabei grundsätzlich, dass es für den aufzuklärenden Anleger vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion auf die vollständige Aufklärung gibt und ein Entscheidungskonflikt somit ausscheidet (BGHZ 124, 151 (161); BGH ZIP 1994, 1168 (1169)). Gibt es für den aufzuklärenden Teil zwei Handlungsalternativen, dann gilt die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens auch dann, wenn die Wahrnehmung beider Alternativen jeweils geeignet gewesen wäre, den entstandenen Schaden zu vermeiden (BGHZ 151, 5 = ZIP 2002, 1238 (1240)). Das OLG Hamm hat eine Beweislastumkehr für den Fall angenommen, dass der Vermögensverwalter den Anleger nicht über den Eintritt eines erheblichen Verlusts unterrichtet, und die Vermutung aufgestellt, dass der Vermögensinhaber bei entsprechender Information den Verwaltervertrag beendet hätte und daher ein weitergehender Schaden nicht entstanden wäre (OLG Hamm WM 1996, 669 (671)). Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens führt zudem dazu, dass der Verwalter bei einer Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten hinsichtlich der für den Anleger angemessenen Anlagerichtlinien beweisen muss, dass dieser auch bei vollständiger Information ungeeignete Anlagegrundsätze vereinbart hätte (Assmann/Schütze-Schäfer, § 28 Rn. 56). Bei der Verletzung sonstiger Vertragspflichten ist der Vermögensinhaber demgegenüber nach den allgemeinen Regeln verpflichtet, die Voraussetzungen des Anspruchs zu beweisen. Für die Pflichtwidrigkeit des Verwalterhandelns hat der Anleger den vollen Beweis zu führen, ohne dass für einen Anscheinsbeweis oder eine Umkehr der Beweislast Raum ist (Balzer, FB 2000, 499 (507 m. w. N.)). Allein die unterlassene Dokumentation eines Beratungsgesprächs begründet keine Beweislastumkehr zu Lasten des Vermögensverwalters (vgl. BGH ZIP 2006, 504 (505 f.) [zur Anlageberatung]). Nach Ansicht des BGH ist der Vermögensverwalter auch nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast nicht gehalten, interne Berichte und Entscheidungsabläufe offen zu legen und zu begründen, warum er im Rahmen der vereinbarten Anlagerichtlinien bestimmte Anlageentscheidungen getroffen hat (BGH ZIP 2008, 168). 60
Bei der Bemessung des ersatzfähigen Schadens kommen dem Vermögensinhaber Beweiserleichterungen zugute. Bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns, der infolge des pflichtwidrigen Verwalterhandelns nicht erzielt worden ist, greift zugunsten des Anlegers die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB ein (Balzer, S. 179; vgl. auch BaumgärtelLaumen, § 675 Rn. 19 m. w. N.); zudem kommt eine Schadensschätzung nach § 287 I 1 ZPO in Betracht (BGH ZIP 2002, 1586 (1588); OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (96); Schäfer/Müller, Rn. 83; Lang, § 25 Rz. 13; vgl. auch oben Rn. 47).
61
VI. Verjährung von Haftungsansprüchen. Für die Bestimmung der maßgeblichen Verjährungsfristen ist zwischen Verstößen gegen die Pflichten aus dem Verwaltungsvertrag und der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten zu unterscheiden. Für Ansprüche wegen Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten enthält § 37a WpHG eine spezialgesetzliche Verjährungsvorschrift, die den allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 195, 199 BGB vorgeht. Nach dieser Regelung verjährt der Anspruch des Kunden gegen den Vermögensverwalter auf Schadenersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung in Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in drei Jahren von dem
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1501
Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 37a WpHG ist die Verjährungsvorschrift nur bei Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten anwendbar. Hiermit ist es nicht zu vereinbaren, wenn bisweilen die Ansicht vertreten wird, § 37a WpHG sei auf sämtliche Ersatzansprüche gegen den Verwalter wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung anwendbar (so aber Teuber, S. 223 (266); Sprockhoff, WM 2005, 1739 (1746)). Für Pflichtverletzungen, die nicht die Aufklärung oder Beratung des Kunden betreffen, gelten vielmehr die allgemeinen Verjährungsvorschriften nach §§ 195, 199 BGB. Bei unterlassener Offenlegung von Rückvergütungen kommt § 37a WpHG zur Anwendung, falls nicht eine vorsätzliche Pflichtverletzung vorliegt, bei der sich die Verjährung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 199 BGB bestimmt (vgl. BGH ZIP 2007, 518, 520 (m. Anm. Lang/Balzer) = BKR 2007, 160). § 37a WpHG stellt für den Beginn der Verjährung auf die Entstehung des Anspruchs ab. Ansprüche aus fehlerhafter Aufklärung oder Beratung sind bei der Vermögensverwaltung bereits dann entstanden, wenn der Kunde als Folge eine Anlageentscheidung trifft, wie dies z.B. bei der Festlegung von Anlagerichtlinien der Fall ist (vgl. BGH ZIP 2005, 802 (803) (zur Anlageberatung); a. A. Knops, AcP 205 (2005), 821 (839 ff.)). Maßgeblich für den Beginn der Verjährung ist daher der Zeitpunkt des Abschlusses des Vermögensverwaltungsvertrages (OLG Köln WM 2006, 2130). Für den Beginn der Verjährung kommt es nicht darauf an, wann der Verwalter die nicht auf den Kunden abgestimmten Anlagerichtlinien durch konkrete Anlageentscheidungen umsetzt (a.A. OLG Frankfurt BKR 2006, 501). Bei unterlassener Benachrichtigung des Kunden über in seinem Vermögen eingetretene erhebliche Verluste beginnt die Verjährung nach § 37a WpHG in dem Zeitpunkt, in dem der Kunde bei unterstellter Information nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge reagiert hätte und dem Verwalter eine Weisung für die weitere Durchführung der Vermögensverwaltung erteilt oder auch die Kündigung des Vertrages ausgesprochen hätte (Balzer, FS Horn, S. 649 (658)). Bei mehrfachen Pflichtverstößen des Verwalters, die sowohl vorvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten als auch die Pflichten bei der Vertragsdurchführung betreffen, kann dies zu einer gespaltenen Verjährungsprüfung führen, so dass sowohl § 37a WpHG als auch §§ 195, 199 BGB anwendbar sind (Balzer, FS Horn, S. 649 (658)).
F. Pflichten des Vermögensinhabers
62
I. Vergütungspflicht. Der Vermögensinhaber ist verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Durchführung der Vermögensverwaltung zu entrichten (§§ 675 I, 611 I BGB). Vielfach erfolgt die Festlegung der Vergütung in Form eines festen Prozentsatzes des verwalteten Vermögens. Diese Substanzgebühren betragen üblicherweise 0,5 % bis 1 % des verwalteten Vermögens, wobei häufig eine Mindestgebühr festgelegt wird (Lang, § 27 Rn. 2). Die prozentuale Gebühr ist dabei regelmäßig nach der Höhe des Vermögens gestaffelt, so dass bei steigender Depotgröße die Gebührenbelastung für den Kunden abnimmt (Balzer, S. 188). Anzutreffen ist bisweilen auch eine sog. Einrichtungsgebühr, die der Vermögensverwalter für die bei Abschluss des Verwaltungsvertrages zu erfüllen Aufklärungspflichten, aber auch die erstmalige Anlage des Vermögens erhebt. Berechnungsgrundlage für die Verwaltungsgebühren, die nachträglich (halbjährlich oder jährlich) erhoben werden, ist regelmäßig der Buchwert des verwalteten Vermögens zu einem bestimmten Stichtag (zumeist 30. Juni und/oder 31. Dezember). Besteht die Vermögensverwaltung nicht für ein volles Kalenderjahr, erfolgt grundsätzlich eine zeitanteilige Berechnung der Vergütung entsprechend der Vertragslaufzeit (Balzer, S. 188). Zulässig ist es aber auch, dass der Verwalter bei unterjähriger Beendigung des Vertrages noch eine Vergütung z.B. bis zum nächsten planmäßigen Berichtsstichtag erhebt, durch die sein Abwicklungsaufwand kompensiert wird. Maßgeblich für die Zulässigkeit solcher Klauseln
Balzer
1502
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
dürfte vor dem Hintergrund des § 307 II BGB allerdings sein, für welchen nachvertraglichen Zeitraum eine solche Zahlungspflicht des Kunden begründet wird. Soweit der Vermögensverwaltungsvertrag keine ausdrückliche Vereinbarung über die Höhe der Verwaltungsgebühren enthält, ist nach § 612 I BGB auf die übliche Vergütung abzustellen (Schäfer/Müller, Rn. 365; Lang, § 27 Rn. 6). 63
Die Verwaltungsgebühr umfasst regelmäßig nicht die anfallenden Kontoführungs- und Depotgebühren sowie Kosten, die im Rahmen der Ausführungsgeschäfte entstehen (Roll, S. 240 f.; BuB-Schäfer, Rn. 11/47). Gelegentlich sind jedoch Gebührenvereinbarungen anzutreffen, die neben der Vermögensverwaltung auch die sonstigen Leistungen umfassen (sog. All-In-Fees). Diese Vereinbarungen sehen vor, dass durch höhere Gebührensätze, die regelmäßig zwischen 2 % und 4 % des verwalteten Vermögens liegen, sowohl die Verwaltungstätigkeit als auch sämtliche Aufwendungen aus den Ausführungsgeschäften abgegolten sind (Lang, § 27 Rn. 6; Schäfer/Müller, Rn. 366 Fn. 316). Üblich ist es allerdings, dass z.B. Ausgabeaufschläge dem Kunden auch bei Vereinbarung einer All-In-Fee gesondert belastet werden.
64
II. Gebot der Rücksichtnahme. Aus § 241 II BGB ist als vertragliche Nebenpflicht abzuleiten, dass der Vermögensinhaber auf das Interesse des Vermögensverwalters an der vertragsgemäßen Durchführung der Verwaltung Rücksicht zu nehmen hat (Lang, § 27 Rn. 11). Das Gebot der Rücksichtnahme erlangt zum einen Bedeutung bei der Ausübung des Weisungsrechts durch den Vermögensinhaber. Diese Einzelweisungen, zu denen der Vermögensinhaber stets berechtigt ist (vgl. dazu oben Rn. 28), können mit den bei Vertragsschluss vereinbarten Anlagerichtlinien kollidieren und damit nachteilige Auswirkungen auf das Gesamtvermögen haben. Aus dem Gebot der Rücksichtnahme ist abzuleiten, dass der Vermögensinhaber Weisungen, die nicht mit der vereinbarten Anlagestrategie übereinstimmen, entweder unterlässt oder jedenfalls mit dem Verwalter eine Änderung der Anlagerichtlinien vereinbart, die die Auswirkungen seiner individuellen Vermögensdisposition hinreichend berücksichtigt (Balzer, S. 194 f.; Schwintowski/Schäfer, § 19 Rn. 72; Schäfer/Müller, Rn. 368).
65
Der Vermögensinhaber kann auch durch die Vornahme vertragsgefährdender Verfügungen in die Durchführung der Vermögensverwaltung eingreifen. Im Gegensatz zur Erteilung von Weisungen, die lediglich schuldrechtlich wirken, bezieht sich die Problematik vertragsgefährdender Verfügungen auf dingliche Rechtsgeschäfte des Vermögensinhabers (Balzer, S. 195). Sofern der Verwaltungsvertrag vorsieht, dass der Anleger während der Vertragslaufzeit keine Verfügungen über das Vermögen vornehmen darf, handelt es sich wegen § 137 S. 1 BGB, wonach die Verfügungsbefugnis nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden darf, nicht um eine dingliche, sondern lediglich um eine schuldrechtliche Verfügungsbeschränkung (Roll, S. 242). Nicht mit § 137 S. 1 BGB zu vereinbaren ist eine verdrängende Vollmacht, die zu einem Ausschluss der Rechtszuständigkeit des Vermögensinhabers führt (Lang, § 27 Rn. 17). Bei Fehlen einer vertraglichen Regelung ergibt sich die Pflicht der Vermögensinhabers, Verfügungen über die dem Verwalter anvertrauten Vermögenswerte zu unterlassen, aus einer ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB, da zu unterstellen ist, dass der Verwalter eine Erfolg versprechende Vermögensverwaltung nur dann vornehmen kann, wenn ihm die anvertrauten Vermögenswerte dauerhaft zur Verfügung stehen (Balzer, S. 198 f.; im Ergebnis auch Lang, § 27 Rn. 22; BuB-Schäfer, Rn. 11/49, die das Verbot vertragsgefährdender Verfügungen indes aus dem allgemeinen Gebot der Rücksichtnahme ableiten).
66
III. Kontrolle des Vermögensverwalters. Eine Verpflichtung des Vermögensinhabers, Abrechnungen und Ausführungsanzeigen der vom Verwalter vorgenommenen Geschäfte
Balzer
§ 51 Vermögensverwaltung
1503
zeitnah zu kontrollieren, ergibt sich nicht als vertragliche Nebenpflicht und kann auch durch AGB nicht wirksam begründet werden (vgl. BGHZ 137, 69 (75 f.); OLG Frankfurt/ M. WM 1996, 665 (668); OLG Düsseldorf WM 1991, 94 (96)), da sie dem Zweck der Vermögensverwaltung, die gerade auf eine Entlastung des Vermögensinhabers bei der Betreuung seiner Vermögenswerte abzielt, zuwiderläuft. Durch Individualvertrag kann demgegenüber eine Kontrollpflicht des Anlegers begründet werden, wobei angesichts der Ungewöhnlichkeit einer solchen Verpflichtung eine konkludente Vereinbarung nur bei Vorliegen verlässlicher Anhaltspunkte angenommen werden kann (Schäfer/Müller, Rn. 370; Lang, § 27 Rn. 26). Von der laufenden Kontrolle des Vermögensverwalters ist die Überprüfung der – regelmäßig jährlichen – Rechenschaftsberichte zu unterscheiden. Zur Vermeidung eines Mitverschuldens nach § 254 II BGB bei pflichtwidriger, aber jahrelang unbeanstandeter Vermögensverwaltung ist der Anleger gehalten, die Rechenschaftsberichte auf Übereinstimmung mit den vereinbarten Anlagerichtlinien zu überprüfen und jedenfalls offensichtliche Pflichtverletzungen umgehend zu rügen (vgl. oben Rn. 50 sowie Horn/Balzer, EWiR 1998, 109 (110)).
G. Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrages
67
I. Kündigung. Der Vermögensverwaltungsvertrag kann als Dauerschuldverhältnis jederzeit aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Die Vermögensverwaltungsverträge sehen aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zudem vielfach vor, dass der Kunde auch bei Fehlen eines wichtigen Grundes jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen kann. Eine solche Regelung ist jedoch nicht zwingend, da sich die Kündigung von Vermögensverwaltungsverträgen mangels Verweisung in § 675 I BGB nicht nach § 671 I BGB, sondern nach Dienstvertragsrecht richtet, so dass auch längere Kündigungsfristen vereinbart werden können (Roll, S. 243; Balzer, S. 205). Für das Kündigungsrecht nach §§ 620 II, 621 BGB kommt es auf den Zeitraum an, nach dem die Vergütung bemessen ist. Sofern – wie häufig – eine Jahresvergütung vereinbart worden ist, kann der Vermögensverwaltungsvertrag nach § 621 Nr. 4 BGB mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende gekündigt werden. Steht auch dem Vermögensverwalter vertraglich ein Recht zur jederzeitigen Vertragsbeendigung zu, hat er – soweit nicht ein wichtiger Grund vorliegt – das Verbot der Kündigung zur Unzeit zu beachten. Dieser Tatbestand ist verwirklicht, wenn die Kündigung des Verwalters mangels anerkennenswerter Gründe willkürlich erscheint oder die Belange des Kunden durch die Vertragsbeendigung in erheblichem Maße beeinträchtigt werden (Lang, § 28 Rn. 5; Balzer, S. 222). Auch die zur Unzeit ausgesprochene Kündigung ist wirksam; der Verwalter ist aber nach § 671 II 2 BGB dem Kunden zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch die Vertragsbeendigung entstanden ist (Balzer, S. 223).
68
II. Sonstige Beendigungsgründe des Verwaltungsvertrages. Der Vermögensverwaltungsvertrag kann wie jedes Dauerschuldverhältnis auch auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden. Bei der Vermögensverwaltung stellt die Vereinbarung einer Befristung indes die Ausnahme dar, da die Verwirklichung der festgelegten Anlagestrategie in einem vorgegebenen Zeitraum regelmäßig nicht möglich ist. Eine Befristung ist lediglich in Betracht zu ziehen, wenn der Vermögensinhaber, der ansonsten die Anlageentscheidungen in eigener Verantwortung trifft, für einen begrenzten Zeitraum (z.B. während eines längeren Auslandsaufenthalts) die Disposition seiner Vermögenswerte auf den Verwalter übertragen will. In einem solchen Fall endet der Vertrag durch Zeitablauf; eine ordentliche Kündigung während der Vertragslaufzeit ist ausgeschlossen, soweit sie nicht vertraglich vereinbart wurde (Lang, § 28 Rn. 6; Balzer, S. 226). Die Parteien haben zudem die Möglichkeit, die Vermögensverwaltung durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu been-
69
Balzer
1504
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
den (Teuber, S. 223 (266)). Durch den Aufhebungsvertrag wird das Schuldverhältnis für die Zukunft beendet; die bereits entstandenen Rechte und Pflichten bleiben unberührt (Balzer, S. 226 f.). Über die Verweisung in § 675 I BGB findet zudem § 672 I BGB Anwendung, der vorsieht, dass der Vertrag im Zweifel nicht durch den Tod des Auftraggebers endet. Da es sich bei dieser Vorschrift lediglich um eine Auslegungsregel handelt, empfiehlt es sich, in den Verwaltungsvertrag für den Fall des Todes des Kunden eine ausdrückliche Regelung über den Fortbestand oder die Beendigung des Vertragsverhältnisses aufzunehmen (Schäfer/Müller, Rn. 373; Lang, § 28 Rn. 2). Nach § 116 S. 1 i.V. mit § 115 I InsO führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden dazu, dass der Verwaltungsvertrag als ein auf einem Dienstvertrag basierendes Geschäftsbesorgungsverhältnis erlischt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des beauftragten Verwalters führt demgegenüber nicht zum Erlöschen des Vertragsverhältnisses. Die Verfahrenseröffnung stellt jedoch einen wichtigen Grund dar, der den Vermögensinhaber zur fristlosen Kündigung des Vertrages berechtigt (Roll, S. 247; Schönle, § 20 IV 3 b). 70
III. Auswirkungen der Vertragsbeendigung auf die Verwaltungsvollmacht. Die Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrages bewirkt nach § 168 S. 1 BGB das Erlöschen der dem Verwalter erteilten Vollmacht. Da die Vollmacht neben dem Vermögensverwaltungsvertrag ein eigenständiges Rechtsgeschäft darstellt, kann sie auch selbst Beendigungsgründe enthalten. Die Vollmacht kann daher auch bei Fortbestand des Vermögensverwaltungsvertrages widerruflich sein. Soweit der Vermögensinhaber die Vollmacht widerruft, nähert sich der Vermögensverwaltungsvertrag einem reinen Betreuungsverhältnis an, da der Verwalter keine Verwaltungshandlungen mehr vornehmen darf (Balzer, S. 232; vgl. auch Teuber, S. 223 (230)).
71
IV. Vertragsabwicklung nach Beendigung der Vermögensverwaltung. Nach §§ 675 I, 667 BGB ist der Vermögensverwalter nach Beendigung der Vertragsbeziehung verpflichtet, das durch die Verwaltung Erlangte an den Vermögensinhaber herauszugeben, soweit keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde (vgl. Schimansky/Bunte/LwowskiKienle, § 111 Rn. 27 m. w. N.). Der Kunde ist gehalten, über sein Vermögen nunmehr selbst zu disponieren, da der Verwalter nach Vertragsbeendigung keine Verwaltungsmaßnahmen mehr treffen darf. Lediglich unter den engen Voraussetzungen der §§ 675 I, 672 S. 2 BGB kommen Notbesorgungspflichten des Vermögensverwalters in Betracht (Balzer, S. 232; ähnlich Roll, S. 247). Soweit bei Beendigung des Verwaltungsvertrages Ausführungsgeschäfte noch nicht vollständig abgewickelt sind, hat die Vertragsbeendigung auf die weitere Abwicklung dieser rechtlich selbstständigen Geschäfte keine Auswirkungen. Die Vermögensverwaltungsverträge sehen regelmäßig vor, dass der Verwalter auch nach Beendigung der Vertragsbeziehung berechtigt ist, die vor der Kündigung eingegangenen Verbindlichkeiten aus den überlassenen Vermögenswerten zu erfüllen (Balzer, S. 232).
Balzer
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1505
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
Schrifttum Abram, Ansprüche von Anlegern wegen Verstoßes gegen § 161 AktG oder den Deutschen Corporate Governance Kodex – ein Literaturbericht, ZBB 2003, 41; Arnold, Stimmrechtsmitteilungen und – veröffentlichungen nach WpHG – alte und neue Probleme, AG-Report 8/2007, R163; Bachmann, Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Kapitalmarktrecht, ZHR 170 (2006), 144; Balzer, Der Vorschlag der EGKomission für eine neue Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, ZBB 2003, 177; ders., Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Vermögensverwaltung, WM 2000, 441; ders., Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZBB 2007, 333; Bak/Bigus, Kapitalmarkteffizienz versus zwingender Anlegerschutz im Aktienrecht, ZBB 2006, 430; Beiersdorf/Rahe, Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie (TUG) – Update zu BB 2006, 1674 ff., BB 2007, 99; Berger, Schiedsgerichtsbarkeit und Finanztermingeschäfte – Der „Schutz“ der Anleger vor der Schiedsgerichtsbarkeit durch § 37h WpHG, ZBB 2003, 77; Binder, Staatshaftung für fehlerhafte Bankenaufsicht gegenüber Bankeinlegern, WM 2005, 1781; Bitter, Geschäftsschädigende Verlautbarungen börsennotierter Aktiengesellschaften über Vertragspartner im Spannungsfeld zwischen Ad-hoc-Publizität und vertraglicher Rücksichtnahmepflicht, WM 2007, 1953; Borgsen, Mannheimer Gesprächskreis zur Anlageberatung – trifft das Bond-Urteil (noch) das Richtige und was bringt die MiFiD, BKR 2006, 507; Bosse, Wesentliche Neuregelungen ab 2007 aufgrund des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes für börsennotierte Unternehmen, DB 2007, 39; Brandt, Kreditderivate, BKR 2002, 243; Braun/Rotter, Können ad-hoc-Mitteilungen Schadensersatzansprüche im Sinne der allgemeinen zivilrechtlichen Prospkthaftung auslösen?, BKR 2003, 918; Bräutigam/Heyer, Das Prüfverfahren durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, AG 2006, 188; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgsetz, BKR 2004, 424; Burholt, Die Auswirkungen des Informationsfreiheitsgesetzes auf das Akteneinsichtsrecht in Kartell- und Fusionskontrollverfahren, BB 2006, 2201; Butzke, Hinterlegung, Record Date und Einberufungsfrist – Überlegungen und praktische Hinweise für die ersten Hauptversammlungen nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen durch das UMAG, WM 2005, 1981; Cahn, Das neue Insiderrecht, Der Konzern 2005, 7; Cahn/ Götz, Ad-hoc-Publizität und Regelberichterstattung, AG 2007, 221; Carny/Neusüß, Das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz , BaFinJournal 05/07, 14; Casper, Persönliche Außenhaftung der Organe bei fehlerhafter Information des Kapitalmarkts?, BKR 2005, 83; ders., Das neue Recht der Termingeschäfte, WM 2003, 161; Claussen, Gedanken zum Enforcement, DB 2007, 1421; ders., Dem Neuen Markt eine zweite Chance, BB 2002, 105; Cloppenburg/Kruse, Die Weitergabe von Insiderinformationen an und durch Journalisten, WM 2007, 1109; Dreyling, Die Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, Der Konzern 2005, 1; Drinkuth, Gegen den Gleichlauf des Acting in concert nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG, ZIP 2008, 675; v. Dryander/Schröder, Gestaltungsmöglichkeiten für die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder im Lichte des neuen Insiderrechts, WM 2007, 534; Duve/Keller, MiFID: Die neue Welt des Wertpapiergeschäfts, BB 2006, 2425; Egbers/Tal, Die zivilrechtliche Haftung von Wertpapieranalysten – Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Regelung, BKR 2004, 219; Eichelberger, Zur Verfassungsmäßigkeit von § 20a WpHG, ZBB 2004, 296; Eisele, Insiderrecht und Compliance, WM 1993, 1021; Ekkenga, Kurspflege und Kursmanipulation nach geltendem und künftigem Recht, WM 2002, 317; Ellenberger, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Anlageberatung, WM 2001, SB 1; Engelhardt, Vertragsabschlussschaden oder Differenzschaden bei der Haftung des Emittenten für fehlaerhafte Kapitalmarktinformationen, BKR 2006, 443; Ensthaler/Bock/Strübbe, Publizitätspflichten beim Handel von Energieprodukten an der EEX – Reichweite des geänderten § 15 WpHG, BB 2006, 733; Erkens, Directors’ Dealings nach neuem WpHG, Der Konzern 2005, 29; Escher-Weingart/Hannich, Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts bestimmt den Kreis der Mitteilungspflichtigen gem. § 15a WpHG („Directors’ Dealings“) neu, NZG 2005, 922; Erttmann/Keul, Das Vorlageverfahren nach dem KapMuG – zugleich eine Bestandsaufnahme zur Effektivität des Kapitalanlegermusterverfahrens, WM 2007, 482; Escher-Weingart/Lägeler/Eppinger, Schadensersatzanspruch, Schadensart und Schadensberechnung gem. der §§ 37b, 37c WpHG, WM 2004, 1845; M. Findeisen/Backhaus, Umfang und Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität bei der Haftung nach § 826 BGB für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, WM 2007, 100; Fleckner, Die Lücke im Recht des Devisenterminhandels, WM 2003, 168; Fleckner/Vollmuth, Geschäfte zu nicht marktgerechten Preisen (Mistrades) im außerbörslichen Handel, WM 2004, 1263; Fleischer, Stock-Spams – Anlegerschutz und Marktmanipulation, ZBB 2008, 137; ders., Das
Frisch
1506
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, NJW 2002, 2977; Director’s Dealings, ZIP 2002, 1217; ders., Die persönliche Haftung der Organmitglieder für kapitalmarktbezogene Falschinformation, BKR 2003, 608; ders., Zur deliktsrechtlichen Haftung der Vorstandsmitglieder für falsche Ad-hoc-Mitteilungen, DB 2004, 2031; ders., Konturen der kapitalmarktrechtlichen Informationsdeliktshaftung, ZIP 2005, 1805; ders., Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BKR 2006, 389; ders., Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden – Der Daimler-Chrysler-Musterentscheid des OLG Stuttgart, NZG 2007, 401; Foelsch, EU-Aktionsplan für Finanzdienstleistungen und nationale Kapitalmarktreform – Die Entwicklungen des Kapitalmarktaufsichtsrechts in den Jahren 2003 bis 2006, BKR 2007, 94; Franck, Die Stimmrechtszurechnung nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG, BKR 2002, 709; Frisch, Haftung bei fremdfinanzierten Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds, ZfIR 2001, 873; Fürhoff/Wölk, Aktuelle Fragen zur Ad hoc-Publizität, WM 1997, 449; Fuchs/Dühn, Deliktische Schadensersatzhaftung für falsche Ad-hoc-Mitteilungen, BKR 2002, 1063; Gaßner/Escher, Bankpflichten bei der Vermögensverwaltung nach Wertpapierhandelsgesetz und BGH-Rechtsprechung, WM 1997, 93; Glaser/Schmitz, Privatanleger am Optionsscheinmarkt, ZBB 2007, 214; Göres, MiFID – Neue (Organisations-)pflichten für die Ersteller von Finanzanalysen, BKR 2007, 85; Götze, Das jährliche Dokument nach § 10 WpPG – eine Bestandsaufnahme, NZG 2007, 570; Gomber/Hirschberg, Ende oder Stärkung der konventionellen Börsen?, AG 2006, 777; Groß, Haftung für fehlerhafte oder fehlende Regel- oder ad-hoc-Publizität, WM 2002, 477; Großfeld, Bilanzkontrollgesetz – Offene Fragen und etwas Optimismus, NZG 2004, 105; Grothaus, Reform des Insiderrechts: Großer Aufwand – viel Rechtsunsicherheit – wenig Nutzen?, ZBB 2005, 62; Gstädtner/Elicker, Zur Erlaubnispflicht für kollektive Anlagemodelle nach § 32 KWG – Gerichte widersprechen BaFin-Praxis zu Finanzkommisionsgeschäft und Investmentgeschäft, BKR 2006, 437; Gundermann/Härle, Das KapitalanlegerMusterverfahrensgesetz – eine Momentaufnahme zum Jahresende 2006, VuR 2006, 457; Hagen-Eck/ Wirsch, Gestaltung von Directors’ Dealings und die Pflichte nach § 15a WpHG, DB 2007, 504; Hammen, Pakethandel und Insiderhandelsverbot, WM 2004, 1753; Harbarth, Ad-hoc-Publizität beim Unternehmenskauf, ZIP 2005, 1898; Heppe, Zu den Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG im Rahmen der Umwandlung von Gesellschaften, WM 2002, 60; Hettermann/Althoff, Rechtsliche Anforderungen an Finanzanalysen, WM 2006, 265; Heun, Neue Meldepflichten für börsennotierte Unternehmen, Die Bank 12/ 2006, 26; Hienzsch, Das Scheitern der Staatsanwaltschfaten bei der Verfolgung von Börsenkriminalität – eine empirische Problemanalyse mit Lösungsvorschlägen am Beispiel des Insiderhandelsverbotes, HRRS 2006, 144; Hirschberg, MiFID – Ein neuer Rechtsrahmen für die Wertpapierhandelsplätze in Deutschland, AG 2006, 298; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, WM 2004, 1948; dies., Die Neustrukturierung des Finanzmarktrechts durch das Finanzmarktrichtlinieumsetzungsgesetz (FRUG), NJW 2008, 791; Hommelhoff/Mattheus, BB-Gesetzgebungsreport: Verlässliche Rechnungslegung – Enforcemenrt nach dem geplanten Bilanzkontrollgesetz, BB 2004, 93; Horn, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, ZBB 1997, 139; Hutter/Leppert, Reformbedarf im deutschen Kapitalmarkt- und Börsenrecht, NJW 2002, 2208; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, 471; Janert, Veröffentlichungspflicht börsennotierter Gesellschaften bei unterlassener Mitteilung nach § 21 WpHG, BB 2004, 169; dies., TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz: Änderungen der Regelpublizität und das neue Veröffentlichungsregime für Kapitalmarktinformationen, NJW 2007, 550; Jordans, Die Umsetzung der MiFID in Deutschland und die Abschaffung des § 37d WpHG, WM 2007, 1827; Kämmerer/Veil, Analyse von Finanz-instrumenten (§ 34b WpHG) und journalistische Selbstregulierung, BKR 2005, 379; Kiethe, Gesellschaftsrecht – Zivilrechtliche Haftungsgefahren für Gesellschaften und ihre Organmitglieder, WM 2007, 722; Kilian, Vergütungsvereinbarungen; Chancen und Risiken durch das reformierte RVG, BB 2006, 225; ders., Deregulierung des anwaltlichen Vergütungsrechts im Bereich Beratung und Begutachtung, BB 2006, 1509; Kirschhöfer, Führung von Insiderverzeichnissen bei Emittenten und externen Dienstleistern, Der Konzern 2005, 22; Knauth, Änderung der Wertpapierhandel-Meldeverordnung – § 9 WpHG quo vadis?, WM 2003, 1593; Knauth/Käsler, § 20a WpHG und die Verordnung zur Konkretisierung des Marktmanipulationsverbotes (MaKonV), WM 2006, 1041; Knops, Verjährungsbeginn durch Anspruchsentstehung bei Schadensersatzansprüchen – insbes. nach den §§ 37a und d WpHG, AcP 205 (2005), 821; Koller, Zu den Grenzen des Anlegerschutzes bei Interessenkonflikten, ZBB 2007, 197; König/Römer, Reichweite aktien- und kapitalmarktrechtlcher Rechtsausübungsrechte – Nach § 20 VII AktG und § 28 S. 1 WpHG ruhende Beteiligungsrechte, NZG 2004, 944; Körner, Infomatec und die Haftung von Vorstandsmitgliedern für falsche ad hoc-Mitteilungen, NJW 2004, 3386; Koopmann/Zenke, Investment Services Directive und Handel mit Energiederivaten, RdE 2004, 1; von Kopp-Colomb, Die neuen Regelungen zur Wertpapieranalyse in Deutschland, WM 2003, 609; von Kopp-Colomb/Lenz, Angebote von Wertpapieren über das Internet, BKR 2002, 5; Kritter, Die Verjährung nach § 37a WpHG – eine Zwischenbilanz, BKR 2004, 261; Kugler/
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1507
Lochmann, Ausgewählte Rechtsfragen zum öffentlichen Vertrieb von Hedgefonds in Deutschland, BKR 2006, 41; Kumpan, Bankrechtstag 2006 der Bankrechtlichen Vereinigung e.V am 23. Juni 2006 in Zürich, ZBB 2006, 319; Kumpan/Hellgardt, Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Umsetzung der EU-Richtlnie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), DB 2006, 1714; Kuthe, Änderungen des Kapitalmerktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Kutzner, Das Verbot der Kurs- und Marktmanipulation nach § 20a WpHG – Modernes Strafrecht?, WM 2005, 1401; V. Lang, Die Beweislastverteilung im Falle der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, WM 2000, 450; Leisch, Vorstandshaftung für falsche Ad-hoc-Mitteilungen – ein höchstrichterlicher Beitrag zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland, ZIP 2004, 1573; Lenenbach, Scalping: Insiderdelikt oder Kusmanipulation?, ZIP 2003, 243; Letzel, Ad-hoc-Publizität: Änderungen durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2003, 1757; ders., Directors’ Dealings in der Unternehmenspraxis, BKR 2002, 862; Leppert/Stürwald, Aktienrückkauf und Kursstabilisierung – Die Safe-Harbour-Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 und der KuMaKV, ZBB 2004, 302; Leuering, Die Ad-hoc-Pflicht auf Grund der Weitergabe von Insiderinformationen (§ 15 I 3 WpHG), NZG 2005, 12; Liebscher/Scharff, Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregisert, NJW 2006, 3745; Lösler, WM 2007, Spannungen zwischen der Effizienz der internen Compliance und möglichen Reporting-Pflichten des Compliance-Officers, WM 2007, 676; ders.; Das moderne Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht, NZG 2005, 104; Lyner/Parmentier, Vermögensverwaltung/Übernahmerecht – Bankrechtstag 2006 -, WM 2006, 1470; Maier-Reimer/Webering, Ad hoc-Publizität und Schadensersatzhaftung, WM 2002, 1857; Manzei, Einzelne Aspekte der Prospektpflicht am Grauen Kapitalmarkt, WM 2006, 845; Mattheus/Schwab, Rechtsschutz für Aktionäre beim Rechnungslegungs-Enforcement, DB 2004, 1975; Mattil/Desoutter, Die europäische Sammelklage, WM 2008, 521; Merkner/Sustmann, Insiderrecht und Ad-Hoc-Publizität – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz „in der Fassung durch den Emittentenleitfaden der BaFin“, NZG 2005, 729; Messerschmidt, Die neue Ad-hoc-Publizitätspflicht bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen – Ist der Aufsichtsrat damit überflüssig?, BB 2004, 2538; Meyding/Bödeker, Gesetzentwurf über elektronische Handelsregiert und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG-E) – Willkommen im Online-Zeitalter, BB 2006, 1009; Meyer, Haftung für Research Reports und Wohlverhaltensregeln für Analysten, AG 2003, 610; Möller, Die Neuregelung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2002, 309; ders., Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2001, 1405; Möllers, Wechsel von Organmitgleidern und „key playern“: Kursbeeinflussungspotential und Pflicht zur Ad-hocPublizität, NZG 2005, 459; ders., Insiderinformation und Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 III WpHG, WM 2005, 1393; ders.; Das neue Werberecht der Wertpapierfirmen: § 36b WpHG, ZBB 1999, 134; Möllers/Leisch, Offene Fragen zum Anwendungsbereich der §§ 37b und 37c WpHG, NZG 2003, 112; dies., Schaden und Kausalität im Rahmen der neu geschaffenen §§ 37b und 37c WpHG, BKR 2002, 1071; dies., Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen, BKR 2001, 78; Möllers/ Wenninger, Informationsansprüche gegen die BaFin im Lichte des neuen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), ZHR 170 (2006), 455; Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten – Beratungspflichten, Offenlegungspflichten bei Interessenkonflikten und die Änderungen durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, WM 2007, 1149; Mülbert/Steup, Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, WM 2005, 1633; Nießen, Die Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Nietsch, Schadensersatzhaftung wegen Verstoßes gegen Ad-hoc-Publizitätspflichten nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BB 2005, 785; Noack, Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; ders., Das EHUG ist beschlossen – elektronische Handels- und Unternehmensregister ab 2007, NZG 2006, 801; Parmentier, Ad-hoc-Publizität bei Börsengang und Aktienplatzierung, NZG 2007, 407; Penn, Markets in financial instruments directive (MiFID): an introduction, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law, September 2006, 338; Pfüller/Koehler, Handel per Erscheinen, WM 2002, 781; Pluskat, Die durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz geänderte Regelung der Directors´ Dealings vor dem Hintergrund der Richtlinie zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie, BKR 2004, 467; Pötzsch, Das Dritte Finanzmarktsförderungsgesetz, WM 1998, 949; Posegga, Pflicht zur Veröffentlichung von Directors’ Dealings: Quo vadis, Anlegerschutz?, BKR 2002, 697; Puszkajler/Weber, Wann haftet ein Bankberater für seine Empfehlungen an einen Depotkunden?, ZIP 2007, 401; Reichert/ Weller, Haftung von Kontrollorganen, ZRP 2002, 49; Reuschle, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, 2002; Rittmeister, Due Diligence und Geheimhaltungspflichten beim Unternehmenskauf – Die Zulässigkeit der Gestattung einer Due Diligence durch den Vorstand oder die Geschäftsführer der Zielgesellschaft, NZG 2004, 9; Rodewald/Tüxen, Neuregelung des Insiderrechts nach dem Anlagerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG), BB 2004, 2249; Rodewald/Unger, Zusätzliche Transparenz für die europäischen Kapital-
Frisch
1508
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
märkte – die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie in Deutschland, BB 2006, 1917; Roegele/Görke, Novelle des Investmentgesetzes, BKR 2007, 393; Roller/Elster/Knappe, Spread-abhängige Constant Maturity (CMS) Swaps, ZBB 2007, 345; Rössner/Bolkart, Schadensersatz bei Verstoß gegen Ad-hocPublizitätspflichten nach dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz, ZIP 2002, 1471; Roth/Loff, Zu den Auswirkungen der Finanzmarktrichtlinie auf Kapitalgesellschaften, WM 2007, 1249; Rozok, Tod der Vertriebsprovisionen oder Alles wie gehabt? – Die Neuregelungen über Zuwendungen bei der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie, BKR 2007, 217; Samtleben, Das Börsentermingeschäft ist tot – es lebe das Finanztermingeschäft, ZBB 2003, 69; Schäfer/Lang, Zur Reform des Rechts der Börsentermingeschäfte, BKR 2002, 197; K. Sauer, Kausalität bei der Haftung für falsche Kapitalmarktinformation, ZBB 2005, 24; Schäfer, Sind die §§ 31 ff. WpHG n.F. Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB?, WM 2007, 1872; Schäfer/ Schäfer, BKR 2007, 163; Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340; Sethe, Die Verschärfung des insiderrechtlichen Weitergabeverbots, ZBB 2006, 243; Seyfried, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) – Neuordnung der Wohlverhaltensregeln, WM 2006, 1375; M. Schlitt/Schäfer, Auswirkungen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie und der Finanzmarktrichtlinie auf Aktien- und Equity-Linked-Emissionen, AG 2007, 227; Schlößer, Verhaltenspflichten von Wertpapieranalysten nach der Bekanntmachung der BaFin zu § 34b WpHG, BKR 2003, 404; Schlotter, Das EHUG Ist in Kraft getreten. Das Recht der Unternehmenspublizität hat eine neue Grundlage, BB 2007, 1; Schmidtbleicher/Cordalis, „Defensive bids“ für Staatsanleihen – eine Marktmanipulation?, ZBB 2007, 124; Schmitt/Schielke, Best Execution unter MiFID, Die Bank 12.2006, 32; Schmolke, Der Lamfalussy-Prozess im Europäischen Kapitalmarktrecht – eine Zwischenbilanz, NZG 2005, 912; Schnabel/Korff, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG und ihre Änderung durch das Transparanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – Ausgewählte Praxisfragen, ZBB 2007, 179; Schneider/Burgard, Scalping als Insiderstraftat, ZIP 1999, 381; Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, Der Rechtsverlust gemäß § 28 WpHG bei Verletzung der kapitalmarktrechtlichen Meledepflichten – zugleich eine Untersuchung zu § 20 VII AkTG und § 59 WpÜG, ZIP 2006, 493; Uwe H. Schneider, Der pflichtenauslösende Sachverhalt bei „Directors’ Dealings“, BB 2002, 1817; ders., Compliance als Aufgabe der Unternehmensleitung, ZIP 2003, 645; Sven H. Schneider, Die Weitergabe von Insiderinformationen, NZG 2005, 702; Uwe H. Schneider/Gilfrich, Die Entscheidung des Emittenten über die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, BB 2007, 53; Schröder/Hansen, Die Ermittlungsbefugnisse der BaFin nach § 44 KWG und ihr Verhältnis zum Strafprozessrecht, ZBB 2003, 113; Schwintek, Die Anzeigepflicht bei Verdacht von Insidergeschäften und Marktmanipulation, WM 2005, 862; Segna, Irrungen und Wirrungen im Umgang mit den §§ 21 ff. WpHG und § 244 AktG, AG 2008, 311; Sellmann/Augsberg, Chancen und Risiken des Bundesinformationsfreiheitsgesetzes – Eine „Gebrauchsanweisung“ für (private) Unternehmen, WM 2006, 2293; Seibert, UMAG und Hauptversammlung – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), WM 2005, 157; Simon, Die neue Ad-hoc-Publizität, Der Konzern 2005, 13; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449; ders., Persönliche Haftung der Organmitglieder für Falschinformationen des Kapitalmarkts, WM 2004, 1089; Spindler/Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – die MiFID und ihre Umsetzung, WM 2006, 1749 ff. (Teil I); 1797 ff. (Teil II); Sprockhoff, Die Bankenhaftung bei Abschluss und Umsetzung eines Vermögensverwaltungsvertrags in der richterlichen Praxis, WM 2005, 1739; Steidle/ Waldeck, Die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen unter dem Blickwinkel der informationellen Selbstbestimmung, WM 2005, 868: Stotz/von Nitzsch, Warum sich Analysten überschätzen – Einfluss des Kontrollgefühls auf die Selbstüberschätzung, ZBB 2003, 106; Streinz/Ohler, § 20a WpHG in rechtsstaatlicher Perspektive – europa- und verfassungsrechtliche Anforderungen an das Verbot von Kurs- und Marktpreismanipulationen, WM 2004, 1309; Sudmeyer, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21, 22 WpHG, BB 2002, 685; Süßmann, Meldepflichten nach § 9 Wertpapierhandelsgesetz, WM 1996, 937; Teuber, Finanzmarkt-Richtlinie (MifFID), BKR 2006, 429; Tielmann/Schulenburg, Aktuelle Gestaltungsempfehlungen zur Vorbereitung der Hauptversammlung nach EHUG und TUG, BB 2007, 840; Tippach, Marktdaten im künftigen Insiderrecht?, WM 1993, 1269; Veil, Anlageberatung im Zeitalter der MiFID – Inhalt und Konzeption der Pflichten und Grundlagen einer zivilrechtlichen Haftung, WM 2007, 1821; ders., Der Schutz des verständigen Anlegers durch Publizität und Haftung im europäischen und nationalen Kapitalmarktrecht, ZBB 2006, 162; ders., Die Haftung des Emittenten für fehlerhafte Information des Kapitalmarkts nach dem geplanten KapInHaG, BKR 2005, 91; Veith, Die Befreiung von der Ad-hocPublizitätspflicht nach § 15 III WpHG, NZG 2005, 254; Voge, Zur Erlaubnispflicht grenzüberschreitend betriebener Bank- und Finantdienstleistungsgeschäfte, WM 2007, 381; Volk, Die Strafbarkeit von Absichten im Insiderhandelsrecht, BB 1999, 66; Scalping strafbar?, ZIP 1999, 381; Vollkommer, Neue Wege zum Recht bei kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten – Erste Erfahrungen mit dem Gesetz zur Einführung
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1509
von Kapitalanleger-Musterverfahren, NJW 2007, 3094; Voß, Geschlossene Fonds unter dem Rechtsregime der Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID)?, BKR 2007, 45; Wackerbarth, Die Auslegung des § 30 Abs. 2 WpÜG und die Folgen des Risikobegrenzungsgesetzes 2008, ZIP 2007, 2340; Waclawik, Aufsichtsrechtliche Aspekte der Tätigkeit privater Family Offices, ZBB 2005, 401; Wastl, Directors’ Dealings und aktienrechtliche Treuepflicht, NZG 2005, 17; M. Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Jahre 2003, NJW 2004, 28; ders., Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts 2001/ 2002, NJW 2003, 19; ders., Scalping – Erfindung und Folgen eines Insiderdelikts, NJW 2000, 562; Weber-Rey/Baltzer, Aufsichtsrechtliche Regelungen für Vermittler von Finanzanlagen und Vermögensverwalter nach der 6. KWG-Novelle, WM 1997, 2288; Weichert/Wenninger, Die neuregelung der Erkundigungs- und Aufklärungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. Art. 19 RiL 2004/39/EG (MiFID) und Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, WM 2007, 627; Weiss, Compliance-Funktion in einer deutschen Universalbank, die Bank 1993, 136; Widder/Kocher, Die Behandlung eigener Aktien im Rahmen der Mitteilungspflichten nach §§ 21 WpHG, AG 2007, 13; Widder/Gallert, Ad-hoc-Publizität infolge der Weitergabe von Insiderinformationen – Sinn und Unsinn von § 15 I 3 WpHG, NZG 2006, 451; Wolf, Getrennte Verwahrung von Kundengeldern, BKR 2002, 892; Unzicker, Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, WM 2007, 1596; Zeising, Asset Backed Securities (ABS) – Grundlagen und neuere Entwicklungen, BKR 2007, 311; Zeitz, Der Begriff des „Geschäfts“ im Lichte des § 9 WpHG, WM 2008, 918; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei der Ad-hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 537; Zimmermann, Die Verjährung von Ersatzansprüchen gegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen – Ein Plädoyer für die Abschaffung des § 37a WpHG, ZIP 2007, 410; Zingel, Die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen nach dem Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BKR 2007, 173.
Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Entstehung und Bedeutung . . . . . . . . . . 1 II. Gesetzgeberischer Zweck . . . . . . . . . . . 2 III. Novellierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 IV. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 B. Abschnitt 1. Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. § 1 WpHG – Anwendungsbereich . . . . ..8 II. § 2 WpHG – Begriffsbestimmungen . . . 9 1. § 2 I WpHG – Allgemeiner Wertpapierbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. § 2 Ia WpHG – Geldmarktinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. § 2 II WpHG – Derivate . . . . . . . . . 16 4. § 2 IIb WpHG – Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 5. § 2 III WpHG – Wertpapierdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . 23 6. § 2 IIIa WpHG – Wertpapiernebendienstleistungen . . . . . . . . . . . 33 7. § 2 IV WpHG – Wertpapierdienstlestungsunternehmen . . . . . . . 34 8. § 2 V WpHG – Organisierter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 9. § 2a WpHG – Ausnahmen . . . . . . . 40 C. Abschnitt 2. Bundesanstalt für Finazdienstleistungsaufsicht (BaFin) . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. § 4 WpHG – Aufgaben und Befugnisse der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. § 8 WpHG – Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. § 9 WpHG – Meldepflichten . . . . . . . . 47 IV. § 10 WpHG – Anzeige von Verdachtsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 V. § 11 WpHG – Verpflichtung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . 49 D. Abschnitt 3. Insiderüberwachung . . . . . . . . . . 50
§ 12 WpHG – Insiderpapiere . . . . . . . . 51 § 13 WpHG – Insiderinformation . . . . 54 § 14 WpHG – Verbot von Insidergeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Verwendungsverbot . . . . . . . . . . . . . 63 2. Weitergabeverbot . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Empfehlungs- und Verleitungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 IV. § 15 WpHG – Ad-hoc-Publizität . . . . . 69 1. Ad-hoc-Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Sonstige Angaben . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Mehrstufige Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Befreiungsregelung . . . . . . . . . . . . . 77 5. Schadensersatz nach §§ 37b, 37c WpHG i.V.m. § 15 VI 1 WpHG . . . 80 6. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 V. § 15a WpHG – Mitteilung von Geschäften, Veröffentlichung und Übermittlung an das Unternehmensregister 82 1. Mitteilungspflichtige Personen . . . . 83 2. Erfasste Finanzinstrumte und Geschäftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Sanktionen bei Pflichtverletzung . . 85 VI. §§ 15b WpHG – Führung von Insiderverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 VII. §§ 16 bis 20 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . 87 E. Abschnitt 4. Überwachung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation . . . . . . . . . 88 I. § 20a WpHG – Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation . . . . . . . . . . . 88 1. Verbotstatbestände nach §20a I 1WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Zulässige Marktpraxis . . . . . . . . . . . 93 3. Zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Frisch
I. II. III.
1510
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
4. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. § 20b WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 F. Abschnitt 5. Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister . . . 99 I. Zweck der §§ 21 ff. WpHG . . . . . . . . . 99 II. § 21 WpHG – Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen . . . . . . . . . . . . . 100 III. § 22 WpHG – Zurechnung von Stimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 IV. § 23 ff. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 V. § 26 ff. WpHG – Veröffentlichungspflichten des Emittenten und Übermittlung an das elektronische Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . 105 VI. § 28 WpHG – Rechtsverlust . . . . . . . 106 G. Abschnitt 5a. Notwendige Informationen für die Wahrung von Rechten aus Wertpapieren . 107 I. § 30a WpHG – Pflichten der Emittenten gegenüber Wertpapierinhabern . . 108 II. § 30b WpHG – Veröffentlichung von Mitteilungen und Übermittlung im Wege der Datenfernübertragung . . 109 III. §§ 30c – g WpHG . . . . . . . . . . . . . . . 110 H. Abschnitt 6. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten, Verjährung von Ersatzansprüchen . . . . . . . . . 112 I. Rechtsprechung zur Aufklärung und Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. § 31 WpHG – Allgemeine Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Kosten und Beweislage . . . . . . . . . 116 2. § 31 I Nr. 1 WpHG – Kundeninteressenwahrungspflicht . . . . . . . 123 3. § 31 I Nr. 2 WpHG – Pflichten bei Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . 124 4. § 31 II WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5. § 31 III WpHG – Kundeninformationspflicht . . . . . . . . . . . . 126 6. § 31 IV WpHG – Anlageberatung und Portfolioverwaltung . . . . . . . . 127 7. § 31 V WpHG – Sonstige Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. § 31a WpHG – Kunden . . . . . . . . . . . 130 IV. § 31b WpHG – Geschäfte mit geeigneten Gegenparteien . . . . . . . . . 131 V. § 31c WpHG – Bearbeitung von Kundenaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 132 VI. § 31d WpHG – Zuwendungen . . . . . . 133 VII. § 31e WpHG – Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen über ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . 134 VIII. § 31f WpHG – Betrieb eines multilateralen Handelssystems . . . . . 135 IX. § 31g WpHG – Vor- und Nachhandeltransparenz für MTFs . . . . . . . . . . . . 136 X. § 31h WpHG – Veröffentlichungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
§ 32 ff. WpHG – Systematische Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 XII. § 33 WpHG – Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 XIII. § 33a WpHG – Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen . . . . . . 143 XIV. § 33b WpHG – Mitarbeiter und Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . 144 XV. § 34 WpHG – Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht . . . . . . . . . . . . 145 XVI. § 34a WpHG – Getrennte Vermögensverwahrung . . . . . . . . . . . 149 XVII. § 34b WpHG – Analyse von Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 XVIII. § 35 WpHG – Überwachung der Meldepflichten und Verhaltensregeln 152 XIX. § 36 WpHG – Prüfung der Meldepflichten und Verhaltensregeln . . . . . 154 XX. § 36a WpHG – Unternehmen, organisierte Märkte und mulitlaterale Handelssysteme mit Sitz in einem anderen EU-/EWR-Staat . . . . . . . . . . 155 XXI. § 36b WpHG – Werbung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . 156 XXII. § 36c WpHG – Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland . . . . 157 XXIII. § 37 WpHG – Ausnahmen . . . . . . . . 158 XXIV. § 37a WpHG – Verjährung von Ersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Abschnitt 7. Haftung für falsche und unterlassene Kapitalmarktinformation . . . . . 160 I. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Unterlassene unverzügliche oder unwahre Veröffentlichung von Insiderinformationen . . . . . . . . . 164 J. Abschnitt 8. Finanztermingeschäfte . . . . . . . 169 I. § 37d WpHG – Information des Verbrauchers bei Finanztermingeschäften ist aufgehoben . . . . . . . . . 170 II. §§ 37e bis g WpHG . . . . . . . . . . . . . . 172 III. § 37f WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 K. Abschnitt 9. Schiedsvereinbarungen . . . . . . . 174 L. Abschnitt 10. Märkte für Finanzinstrumente mit Sitz außerhalb der Europäischen Union . 175 M. Abschnitt 11. Überwachung von Unternehmensabschlüssen, Veröffentlichung von Finanzberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Unterabschnitt 1. Überwachung von Unternehmenszusammenschlüssen . . 177 II. Unterabschnitt 2. Veröffentlichung und Übermittlung von Finanzberichten an das Unternehmensregister . . . . 178 N. Abschnitt 12. Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 O. Abschnitt 13. Übergangsbestimmungen . . . . . 183
Frisch
XI.
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1511
Stichwortverzeichnis Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Aktionsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 127 Anlegerschutz (MiFID) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) . . . . . 4 Anzeigepflicht nach § 10 WpHG . . . . . . . . . . . . . 48 Appropriateness-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Aufzeichnungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 43 Bereichsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Best-Execution-Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 123, 143 Better regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Bond-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 CESR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Chinese Walls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Conflicts-Policy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Differenzgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Directors´ dealings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Eigenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 39 Emittenteninformationspflichten . . . . . . . . . . . . . 107 Emittentenleitfaden der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Enforcement-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 European Energy Exchange (EEX) . . . . . . . . . . . . 70 Festpreisgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Fianzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Finanzmarktrichtlinie (MiFID) . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Finanzportfolioverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Fondsgebundene Lebensversicherung . . . . . . . . . . 13 Front-/Parallelrunning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Finanzmarkt-RL-Umsetzungsgesetz (FRUG) . . . . . 6 Geldmarktinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Geregelter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Geschlossene Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . . . 13 Gleichbehandlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Grauer Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Haftung für Kapitalmarktinformation . . . . . . . . . 160 Hedgefondsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Heimatlandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 HV-Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Inducements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) . . . . . . . . . . . . . 46 Inlandsemittent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Insiderdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Insiderverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Investmentanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 ISD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Jährliches Dokument nach § 10 WpPG . . . . . . . . . 37 KAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 KapMUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Kick-Backs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kundenkategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Kursmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Lamfalussy-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 MAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Management von Interessenkonflikten . . . . . . . . 124 Medienbündel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Mehrstufiger Entscheidungsprozess . . . . . . . . . . . 61 Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 MiFID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Mitarbeiterleitsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Multilateral Trading Facility (MTF) . . . . . . . . . . 135 Naming and shaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Nebendienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Neuer Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Organisationspflichten . . . . . . . . . . 65, 112, 142, 144 Organisierter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 OTC-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Prüfung durch BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Quotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Regulierter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Remotemember . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Safe-Harbour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Scalping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Suitability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Telefonverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Transparenz-RL-Umsetzungsgesetz (TUG) . . . . . . 5 Überwachung durch BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Verbraucherzentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Vertraglich gebundener Vermittler . . . . . . . . . . . . 41 Vermittler nach § 34c GewO . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Warenderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Warnpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Weißbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Werbemitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Wertpapierbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Wertpapierdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . 34 Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 WpHG-Bogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Transparenzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 115 Systematische Internalissierung . . . . . . . . . . . . . 138 Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Frisch
1512
1
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
A. Einleitung I. Entstehung und Bedeutung. Das Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) wurde am 30.6.1994 als Art. 1 und Herzstück des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes (BGBl. 1994 I, 1749; Neubekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl. 1998 I, 2708 zu der ab 1.8.1998 geltenden Fassung) verkündet. Es trat im Umfang seiner §§ 1 bis 3, 9 III, IV, 11 bis 14, 20, 38 und 41 am 1.8.1994, mit den sonstigen Neuregelungen am 1.1.1995 in Kraft (Lang, § 4 Rn. 1). Mit ihm brach eine neue Ära in der rechtlichen Ordnung des Kapitalmarkts an (Assmann/Schneider-Assmann, Einl. Rn. 1). Die Bedeutung des WpHG ist groß (Lenenbach, § 10 Rn. 10.1).
2
II. Gesetzgeberischer Zweck. Mit dem WpHG verfolgte der deutsche Gesetzgeber – wie bereits seit Mitte der 80er Jahre – das Ziel, die Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland vor dem Hintergrund einer zunehmenden Intensivierung des internationalen Wettbewerbs zu erhöhen (Pötzsch, WM 1998, 949). Zugleich bezweckt das WpHG aber auch den Anlegerschutz, indem Wertpapierdienstleistungsunternehmen Verhaltenspflichten auferlegt wurden. Im WpHG schlugen sich im Wesentlichen die Maßnahmen zur Sicherung des Vertrauens der Anleger in die Integrität des Marktes und der Marktteilnehmer nieder (BT-Drucks. 12/6679, 33). Geschützt wird primär die Gesamtheit der Anleger – institutioneller Anlegerschutz. Aber auch der individuelle Anlegerschutz wurde durch einzelne Normen bezweckt, z. B. durch die Wohlverhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG (Horn, ZBB 1997, 139 (150); Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (96)), die durch die MiFID eine Neuordnung erfuhren (Seyfried, WM 2006, 1375).
3
III. Novellierungen. Das WpHG wurde mehrfach novelliert (Assmann/Schneider-Assmann, Einl. Rn. 29), im Zuge der Restumsetzung der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG vom 10.5.1993 durch das sog. Umsetzungsgesetz vom 22.10.1997 (BGBl. 1997 I, 2518, 2558, nebst Begleitgesetz BGBl. 1997 I, 2567), des Weiteren durch das am 1.4.1998 in Kraft getretene Dritte Finanzmarktförderungsgesetz vom 24.3.1998 (BGBl. 1998 I 529; Pötzsch, WM 1998, 949). Am 1.7.2002 trat in seinen weit überwiegenden Teilen das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz (BGBl. 2002 I, 2010) in Kraft (Fleischer, NJW 2002, 2977; Möller, WM 2001, 2405), das auch eine Reaktion auf Missstände am Neuen Markt war (Fleischer, WM 2002, 2305). Der Vorrang des Präsenzhandels wurde abgeschafft (BVerfG BKR 2002, 879). Zum 1.5.2002 entstand durch das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG v. 22.4.2002 (BGBl. 2002 I, 1310; zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes v. 28.5.2007 (BGBl. 2007 I, 923)) aus den Bundesaufsichtsämtern für das Kreditwesen (BAKred), das Versicherungswesen (BAV) und den Wertpapierhandel (BAWe) die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Bonn/Frankfurt am Main (§ 4 WpHG).
4
Am 30.10.2004 ist das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes v. 28.10.2004 (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG; BGBl. I 2630) in Kraft getreten (Spindler, NJW 2004, 3449), durch das die RL 2003/3/EG v. 28.1.2003 (Marktmissbrauchsrichtlinie – Market Abuse Directive (MAD); ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, 16) in deutsches Recht umgesetzt wurde. Das WpHG wurde dadurch insbesondere in den Bereichen des Insiderrechts und der Ad-Hoc-Publizität geändert. Die BaFin hat zur Orientierung am 15.7.2005 einen Emittentenleitfaden veröffentlicht, der sich an in- und ausländische Emittenten von im Inland börsennotierten Wertpapieren richtet und die zentralen Bestimmungen des WpHG erläutert (Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729). Er muss im Zuge des TUG überarbeitet werden. Bei dem Leitfaden handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift. Die BaFin misst ihm norminterpretierenden Charakter zu. Mangels bindender Wirkung gegenüber der Judikative kann er den Gerichten (nur) als Orientierung bei der Entschei-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1513
dungsfindung und Gesetzesauslegung dienen (Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (730)). Das am 20.1.2007 in Umsetzung der RL 2004/109/EG v. 15.12.2004 (ABl. EG Nr. L 390/ 38) in Kraft getretene Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) v. 5.1.2007 (BGBl. 2007 I, 10) brachte Änderungen bei den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach den §§ 21 ff. WpHG mit sich (Arnold, AG-Report 2007, R 163), bündelt aber auch bisher auf verschiedene Gesetze verteilte kapitalmarktrechtliche Transparenzpflichten im WpHG (Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227). Ziel des TUG ist es, die Anleger besser über börsennotierte Aktiengesellschaften und ihre wirtschaftliche Lage zu informieren, um das Anlegervertrauen zu stärken, die Kosten der Kapitalaufnahme zu senken und die Bereitschaft für grenzüberschreitende Investitionen zu fördern (Heun, Die Bank, 12/ 2006, 26). Flankiert werden die durch das TUG für die Unternehmenspraxis durchgreifenden Änderungen von dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), womit Informationen über (kapitalmarktorientierte) Unternehmen künftig für jedermann ohne größeren Aufwand zugänglich sein sollen (Bosse, DB 2007, 39 f. (46)).
5
Im Zuge der gemäß Art. 69 MiFID erfolgten Aufhebung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 (WDR – Investment Services Directive (ISD) – RL 93/22/EWG vom 10.5.1993 (ABl. EG 1993 L 141/27 = WM 1993, 1432) erneuerte die 2004 in Kraft getretene und per 1.11.2007 in deutsches Recht umzusetzende Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) – RL 2004/39/EG v. 21.4.2004 (ABl. EU Nr. L 145/1) als Kernstück der EU-Finanzmarktharmonisierung im Wertpapierbereich das WpHG (nationale Umsetzung durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – FRUG (zum Entwurf BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007; Fleischer, BKR 2006, 389 zum FRUG-E v. 14.9.2006 des BMF) und VOen (FinAnV und WpDVerOV). Penn, Butterworths Journal 2006, 338, beschreibt das zutreffend: MiFID plays a key role in the FSAP (European Financial Services Action Plan) by rewriting the harmonised European framework for the provision of financial services. In Ablösung der ISD, die Mindeststandards setzte, bezweckt die MiFID die (Voll-)Harmonisierung. Die Finanzmarktrichtlinie ist die fünfte Richtlinie, die auf der Grundlage des so genannten vierstufigen Lamfalussy-Verfahrens (Seitz, BKR 2002, 340 (341 u. 346 f.); instruktiv Schmolke, NZG 2005, 912) implementiert wurde. Die MiFID als Rahmenrichtlinie stellt die erste Stufe dar (dazu ausführlich Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (Teil I); 1797 (Teil II)). Zweite Stufe sind die von der EU-Kommission zur Durchführung der MiFID erlassenen Vorschriften (DRL 2006/73/EG v. 10.8.2006 (ABl. EU Nr. L 241/26) und DVO (EG) Nr. 1287/2006 v. 10.8.2006 (ABl. EU Nr. L 241/1)). Dritte Stufe ist die Gewährleistung einer einheitlichen Aufsichtspraxis durch das CESR (Committee of European Securities Regulators – Vertreter der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten). Die BaFin ist CESR-Mitglied (BaFin Informationsschreiben zur MiFID v. 26.10.2005 (WA 15 – W 7720 – 2005/0021)). CESR ist der Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (www.cesr-eu.org). Die Empfehlungen, Hinweise oder Auslegungen von CESR sind für die Aufsichtspraxis maßgeblich. Auf der vierten Stufe wird die einheitliche Umsetzung und Einhaltung der Rechtsvorschriften durch die EU-Kommission überwacht. Die wesentlichen Neuerungen der Finanzmarktrichtlinie betreffen drei Bereiche, den Anwendungsbereich, die Transparenzanforderungen und die rechtlichen Grundlagen zur Ausführung von Wertpapiergeschäften (BT-Drucks. 16/4028, 52). Die MiFID bezweckt den Anlegerschutz auf hohem Niveau (Erw. 2, 44 MiFID) und zugleich die Gewährleistung der Marktintegrität (Erw. 44 MiFID), d. h. ein reibungsloses Funktionieren der Wertpapiermärkte soll gewährleistet werden. Gemäß dem im Koalitionsvertrag
6
Frisch
1514
7
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
zwischen CDU, CSU und SPD v. 11.11.2005 genannten Prinzip der „Eins-zu-eins-Umsetzung“ soll auch die Umsetzung der MiFID durch Änderungen im Wertpapierhandels-, im Börsen- und im Kreditwesengesetz erfolgen, um nationale Spielräume im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit zu nutzen. Ein Gold-plating, d. h. eine die Anforderungen der MiFID übersteigende nationale deutsche Umsetzung wurde nicht angestrebt (BT-Drucks. 16/ 4028, 52), was letztlich auch der EU-Harmonisierung abträglich wäre. IV. Europarecht. Die Bedeutung der EU-Rechts ist groß. Die EU-Gesetzgebung wirkt in zunehmenden Maße auf die Entwicklung der nationalen Rechtsordnungen ein (Rodewald/Unger, BB 2006, 1917). Dem Gesetzgeber droht eine Staatshaftungsklage (Art. 189 III EGV (jetzt Art. 249 EG) i. V. m. § 839 BGB, Art. 34 GG) im Falle mangelnder Umsetzung (vgl. zur Einlagensicherungs-Richtlinie 94/19/EWG vom 30.5.1994 (ABl. 1994 L 135/5 = EuZW 1994, 753; LG Bonn NJW 2000, 815; BGHZ 162, 49 = NJW 2005, 742; Sethe, S. 950 f.). Die Auslegung des WpHG muss sich an den EG-Richtlinien orientieren – richtlinienkonforme Auslegung. Kommt ein nationales Gericht der Pflicht zur Anrufung des EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nach, stellt das einen Entzug des gesetzlichen Richters i. S. v. Art. 101 I 2 GG dar (BVerfG NJW 2001, 1267). Das WpHG unterlag bisher einem ständigen Wandel (EG-Kommission: Vorschlag für neue Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, ZBB 2002, 518; dazu auch Balzer, ZBB 2003, 177; FESCO: Konsultationspapier zur Harmonisierung der Verhaltensregeln für den Anlegerschutz, ZBB 2001, 116; EG-Kommission: Arbeitspapier zu Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute und Wertpapierhäuser – Begleitunterlage, ZBB 2003, 136). Die Entwicklung der Kapitalmarktregulierung in den vergangenen Jahren kann als rasant bezeichnet werden. Maßgeblichen Einfluss hatte hierbei der bereits 1999 von der EU-Kommission vorgestellte und 42 Maßnahmen umfassende „Aktionsplan für Finanzdienstleistungen 1999 – 2005“ (Financial Services Action Plan (FSAP), KOM (1999) 232 v. 11.5.1999; Seitz, BKR 2002, 340). welcher zwischenzeitlich fast vollständig in EU-Recht umgesetzt wurde. Allein 23 EU-Richtlinien (ohne Durchführungsbestimmungen) wurden seither erlassen (Foelsch, BKR 2007, 94). Dieser sowohl im Hinblick auf die EU als auch zwangsläufig auf der nationalen Ebene teilweise als Hyperaktivismus oder Überregulierung kritisierten Regulierungsintensität soll zumindest auf EU-Ebene nach Verabschiedung der letzten Durchführungsrichtlinien gemäß dem von der EU-Kommission vorgelegten „Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005 – 2010“ v. 5.12.2005 für die kommenden Jahre eine erholsame Ruhephase (Foelsch, BKR 2007, 94 (101)) folgen. Tatsächlich gibt es aber zu der von der EU-Kommission zum Leitmotiv erklärten „dynamischen Konsolidierung“ zur Erreichung eines integrierten, offenen, wettbewerbsfähigen und wirtschaftich effizienten europäischen Finanz(binnen)markts, dessen wesentlicher Bestandteil die Finanzmarktaufsicht ist, keine Alternative. Jedoch sollte bei künftigen Gesetzesinitiativen die konsequente Anwendung der Agenda zur „guten Gesetzgebungspraxis“ („better regulation“) erfolgen, da das Lamfalussy-Verfahren die Gefahr einer Überregulierung und Bürokratisierung der Märkte in sich birgt. Des Weiteren sollte im Rahmen der Vornahme einer frühzeitigen Folgenabschätzung (Kosten/Nutzen-Analyse) nicht nur die Vielfalt des Wettbewerbs im Fokus bleiben, sondern die Wahl des richtigen Geschäftsmodells sollte den Marktkräften überlassen bleiben (vgl. ZKA-Schreiben v. 26.1.2006 – AZ: EGBIM). Je komplizierter und teuerer die Vertriebsstrukturen werden, desto weniger wird gewährleistet, dass auch diejenigen (breiten) Bevölkerungsschichten an den Vorteilen von Finanzprodukten partizipieren können, die grundsätzlich nicht besonders an den Geschehnissen und Funktionsweisen der Kapitalmärkte interessiert sind (vgl. S. 8 des ZKA-Schreibens v. 26.1.2006 – AZ: EG-BIM).
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1515
B. Abschnitt 1. Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen
8
I. § 1 WpHG – Anwendungsbereich. § 1 I WpHG ist ohne eigenständigen Regelungsinhalt (Assmann/Schneider-Assmann, § 1 Rn. 2). Der Anwendungsbereich erfasst die Erbringung von Wertpapierdienst- und -nebendienstleistungen, den börslichen und außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten, den Abschluss von Finanztermingeschäften, Finanzanalysen sowie Veränderungen der Stimmrechtsanteile von Aktionären an börsennotierten Gesellschaften. § 1 II WpHG, eingefügt durch das AnSVG, dient der Umsetzung von Art. 10 MAD. §§ 12 ff. (Abschnitt 3), 20a ff. (Abschnitt 4) und §§ 34 b und c WpHG gelten auch für Handlungen und Unterlassungen, die, im Ausland vorgenommen, Finanzinstrumente betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden (Assmann/ Schneider-Assmann, § 1 Rn. 4). § 1 III WpHG hingegen nimmt Geschäfte von Trägern hoheitlicher Gewalt von der Anwendung der genannten Vorschriften aus. Freigestellte Institution ist z. B. auch die EZB. II. § 2 WpHG – Begriffsbestimmungen. § 2 WpHG enthält Definitionen zu Begriffen, die zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des WpHG erforderlich sind und in Einzelnormen der WpHG-Abschnitte verwendet werden (Assmann/Schneider-Assmann, § 2 Rn. 2). Der Bedeutung des WpHG entsprechend definiert § 2 I WpHG den Schlüsselbegriff der Wertpapiere anhand der EG-Richtlinien eigenständig im Hinblick auf seine speziellen Regelungsziele, auch wenn Identität mit der Definition in § 1 XI 2 KWG besteht. So ist das WpHG auszulegen.
9
1. § 2 I WpHG – Allgemeiner Wertpapierbegriff. Die MiFID fasst den Wertpapierbegriff der ISD klarer, deckt sich aber mit dem bisher in § 2 WpHG aufgrund der Konformität zur ISD verwendeten Wertpapierbegriff. Die MiFD dehnt die Regulierung jedoch auf bislang von der ISD nicht erfasste Finanzinstrumente aus (Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1751)). Maßgebend sind drei einander bedingende Kriterien (BT-Drucks. 16/ 4028, 53): Übertragbarkeit (Anhang I Abschnitt C Nr. 1 i.V.m. Art. 4 I Nr. 18 MiFID; unklar bleibt, ob nur freie oder auch – wohl eher nicht (Beispiel: Namensschuldverschreibungen (Sparkassenbriefe)) – durch Zession bzw. Zustimmung von Dritten mögliche Übertragbarkeit damit gemeint ist), Standardisierung (Art. 4 I Nr. 18 a) – c) MIFID: „Gattungen von Wertpapieren“, d. h. keine individuelle Ausgestaltung infolge spezieller Kundenwünsche (z. B. Laufzeit, Volumen und Basispreis)) und Eignung zur Handelbarkeit auf dem Kapitalmarkt (Art. 4 Nr. 18 a) MiFID; fraglich ist, ob hierzu Art, 35 DRL herangezogen werden kann (Voß, BKR 2007, 45 (48)), zumindest jedoch die drei Kriterien von CESR/05-190b BOX 25, 84 ff.: (1) Fungibilität, wenn ein Handel ohne Restriktionen (z. B. aus Gesellschaftsvertrag) zwischen Parteien möglich ist; (2) breite Streuung, um einen brauchbaren Markt zu gewährleisten; (3) Emittent („issuer“) muss gewisse Erfahrungs- und Erfolgsgeschichte haben). Wertpapiere, urkundlich verbrieft oder unverbrieft, mussten schon bislang nach § 2 I WpHG nur geeignet sein, an einem, d. h. auch nicht organisierten Markt gehandelt werden zu können – bloße Fungibilität. Sie mussten austauschbar (§ 91 BGB) und zirkulationsfähig sein. Daher erfüllten nicht standardisierte „Over-The-Counter“-(OTC)-Geschäfte § 2 I WpHG nicht. Die Zirkulationsfähigkeit fehlte bislang schon, wenn ein Wertpapier nicht nach §§ 929 ff. BGB, sondern nach § 398 BGB übertragen werden musste (Assmann/Schneider- Assmann, § 2 Rn. 10). § 2 I WpHG erfasst nicht Zahlungsinstrumente, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind, d. h. Bargeld, Schecks oder andere liquide Mittel, die als übliche Zahlungsinstrumente verwendet werden (BT-Drucks. 16/4028, 54).
10
§ 2 I 1 WpHG nennt in Nr. 1 Aktien, in Nr. 2 andere Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen, soweit sie
11
Frisch
1516
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Aktien vergleichbar sind, d. h. solche, die ein Mitgliedschaftsrecht verkörpern (BTDrucks. 12/6679, 39), z. B. Zwischenscheine (§ 8 IV AktG). GmbH-Geschäftsanteile, KG-Beteiligungen oder die (bedeutungslos gewordene) Kuxe entbehren der notwendigen Fungibilität. Anteile an Personengesellschaften fallen daher nicht unter das WpHG (Assmann/Schneider-Assmann, § 2 Rn. 16). Des Weiteren in Nr. 2 Zertifikate, die Aktien vertreten (z. B. ADRs (American Depositary Receipts)), in Nr. 3 Schuldtitel, d. h. a) insbesondere Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen (Null-Kupon-Anleihen, Wandelschuldverschreibungen, Floating-Rate-Notes, Asset-Backed-Securities (Brandt, BKR 2002, 243 (245); Zeising, BKR 2007, 311), Optionsanleihen, Aktienanleihen (BGH ZIP 2002, 748), Pfandbriefe und Bundesschatzbriefe und Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate (Art. 4 I Nr. 18 b) MiFID), dazu Mülbert, WM 2007, 1149, die Schuldtitel vertreten. Nr. 3 b) erfasst vor allem Optionsscheine, d. h. sonstige Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren i.S.v. Nrn. 1 und 2 berechtigen oder zu einer Barzahlung („cash settlement“) führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indizes oder Messgrößen bestimmt wird (Glaser/Schmitz, ZBB 2007, 214). 12
§ 2 I 1 WpHG umfasst nicht mangels rechtlicher Selbstständigkeit Nebenpapiere zu Aktien wie Kuponbögen oder Einzelkupons (Assmann/Schneider-Assmann, § 2 Rn. 12). Des Weiteren nicht Schuldscheindarlehen, Namensschuldverschreibungen (Hypothekenbankbriefe, Kommunalobligationen, Spar-(kassen)briefe) oder Rektapapiere wie Hypotheken-, Grund- und Rentenschuldbriefe.
13
Natürlich auch nicht fondsgebundene Lebensversicherungen und trotz Kritik von Anlegerschützerseite auch nicht Anteile an geschlossenen Fonds (zutreffend BT-Drucks. 16/ 4028, 54; Voß, BKR 2007, 45 (54); schwankend Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1750 f.)). Zumindest hatte der deutsche Gesetzgeber im Zuge des AnSVG auch den so genannten „Grauen Kapitalmarkt“ zu regeln begonnen und per 1.7.2005 durch Änderung des Verkaufsprospektgesetzes (VerkProspG) eine Prospektpflicht für den öffentlichen Vertrieb von Anteilen an geschlossenen Fonds (z. B. Immobilienfonds, Schifffonds) eingeführt, was gerade für das Retail-, d.h. Privatkundengeschäft einer Bank erhebliche praktische Bedeutung hat (Manzei, WM 2006, 845). Anleger sind zudem infolge der BGH-Rechtsprechung, die sich über Jahre zu diesem Thema entwickelt hat, nicht schutzlos (Frisch, ZfIR 2001, 873; BGH ZIP 2004, 1104; zur Innenprovision BGHZ 158, 110 = ZIP 2004, 1055, Frisch, EWiR 2004, 541; BGH ZIP 2006, 568, Frisch, EWiR 2006, 555; zu den Beratungspflichten einer Bank OLG Stuttgart WM 2007, 593). Das WpHG wäre im Hinblick auf die kurze Verjährung (drei Jahre gemäß § 37a WpHG) für Anleger ohnehin nicht von Vorteil.
14
Anteile an Investmentvermögen, die von einer KAG oder ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, sind Wertpapiere i.S.d. § 2 I 2 WpHG (Anhang I Abschnitt C Nr. 3 MiFID war schon umgesetzt). Es werden Anteile i.S.d. OGAW-RL (85/611/EWG; ABL EG Nr. L 375/3) und Anteile an Investmentvermögen erfasst, die in andere Vermögensgegenstände i.S.v. § 2 IV InvG angelegt sind. Nicht jedoch Vermögensanlagen i.S.d. § 8f VerkProspG (BT-Drucks. 16/4028, 54).
15
2. § 2 Ia WpHG – Geldmarktinstrumente. § 2 Ia WpHG erweitert den Anwendungsbereich auf Geldmarktinstrumente, womit alle Gattungen (d. h. nur standardisierte Papiere) von Forderungen gemeint sind, die nicht unter Abs. 1 fallen und üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten. Auch hier kommt es auf die Fungibilität an. Üblicherweise bedeutet, dass entgegen § 2 I WpHG nur solche Instrumente erfasst werden, für die bereits ein Markt besteht. Die bloße Markteig-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1517
nung genügt nicht. Hierzu zählen kurzfristige Schuldscheindarlehen, Schatzwechsel (Assmann/Schneider-Assmann, § 2 Rn. 22) und die sog. Commercial Papers (CPs), kurzfristige Schuldverschreibungen, die als Inhaberpapiere von Industrieunternehmen und/ oder Kreditinstituten handelbar sind. 3. § 2 II WpHG – Derivate. Durch Anhang I Abschnitt C Nr. 4 bis 10 MIFID wird die Definition der Finanzinstrumente um die dort genannten Derivate (vgl. auch Art. 40 I, II MiFID i.V.m. Art. 37 DVO) erweitert, wobei § 2 II WpHG a.F. den Großteil dieser Finanzinstrumente bereits erfasste. § 37e S. 2 WpHG nimmt auf den neuen Derivatebegriff gemäß § 2 II WpHG Bezug. Neuerungen ergeben sich durch den weit reichenden Katalog der von der MiFID darüber hinaus erfassten Basiswerte sowie durch die Einbeziehung von Kreditderivaten und finanziellen Differenzgeschäften ohne Eingrenzung des Referenzwertes oder Bezugsobjekts (BT-Drucks. 16/4028, 54).
16
a) § 2 II Nr. 1 WpHG. § 2 II WpHG definiert eingrenzend legal zu Beginn der Nr. 1 den für Derivate (Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte) zentralen Begriff des Termingeschäfts mit Bezug auf die folgenden Basiswerte: a) Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente (Aktienoptionen (z. B. Click Options), Aktienfutures, Rentenfutures (Bund- und BOBL-Futures)); b) Devisen oder Rechnungseinheiten (Devisenoptionen, Devisenfutures, Devisenswaps, Währungsswaps; Sonderziehungsrechte des IWF); c) Zinssätze oder andere Erträge (Zins(satz)swaps (CMS Spread Swaps (Roller/Elster/Knappe, ZBB 2007, 345 (353)); OLG Naumburg ZIP 2005, 1546; Schwintek, EWiR 2005, 661), Caps, Floors, Collars, Forward Rate Agreements) d) Indizes der Basiswerte der Buchstaben a, b oder c), andere Finanzindizes oder Finanzmessgrößen (Futures/Optionen auf Aktien-, Renten oder sonstige Indizes (z. B. auf den DAX)); e) Derivate Forward Swaps, Swaptions, Forward Deposits). Der Kauf von Hedgefondsanteilen ist nicht als Finanztermingeschäft einzustufen, da beim Vertrieb von Hedgefondsanteilen alle Merkmale eines Termingeschäfts fehlen (Kugler/Lochmann, BKR 2006, 41 (46)).
17
b) § 2 II Nr. 2 WpHG. § 2 II Nr. 2 WpHG dient der Umsetzung von Anhang I Abschnitt C Nr. 5 bis 7 und 10 MiFID (BT-Drucks. 16/4028, 55) und erfasst unter den alternativen Voraussetzungen a) Barausgleich, b) auf einem organisierten Markt (§ 2 V WpHG) oder in einem multilateralem Handelssystem (MTF; § 31f WpHG) geschlossen oder c) Art. 38 I DVO gemäß Merkmale anderer Derivate aufweisend, nichtkommerziellen Zwecken dienend und nicht Art. 38 IV DVO erfüllend (Energie- und Stromderivate; Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1751 Fn 47); Erw. 22 DVO; noch anders Koopmann/ Zenke, RdE 2004, 1 (4)) Termingeschäfte (Fest- oder Optionsgeschäfte) mit Bezug auf effektiv lieferbare Waren (auch Strom), Emissionsberechtigungen (aber § 15 Treibhausgasemissions-Handelsgesetz v. 8.7.2004 (BGBl. I 1578) zu Emissionszertifikaten), Klima- oder andere physikalische Variablen (z. B. Wetterderivate), Inflationsraten oder andere volkswirtschaftliche Varibalen oder sonstige Vermögenswerte, Indizes oder Messwerte als Basiswerte. Bei Warenderivaten (Art. 2 Nr. 1 DVO; auch Edelmetalle) sind Personen ausgenommen, die Eigenhandel mit Waren(derivaten) betreiben und nicht Teil einer Gruppe sind, die hauptsächlich Wertpapier- oder Bankdienstleistungen (RL 2000/ 12/EG) erbringt (Art. 2 I k) MiFID; Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1751)). Kassageschäfte (im Energiehandel auch „Spotgeschäfte“ genannt) nach Art. 38 II DVO fallen nicht unter § 2 II Nr. 2 WpHG. Die Definition des Finanztermingeschäfts findet sich jetzt in § 37e S. 2 WpHG. Der Begriff der Derivate wird inhaltlich als Folge der Ausdehnung des Derivatebegriffs in § 2 II WpHG erweitert.
18
c) § 2 II Nr. 3 WpHG – Finanzielle Differenzgeschäfte nach Anhang I Abschnitt C Nr. 9 MiFID. Diese sind ohne Eingrenzung des Referenzwertes erfasst, ohne dass ein bestimm-
19
Frisch
1518
20
21
22
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
ter Handelsplatz erforderlich ist (BT-Drucks. 16/4028, 55). Darunter dürften Contracts for Difference (CFD’s; synthetisches hochspekulatives Tradinginstrument, das es erlaubt (z. B. mit geringem Mitteleinsatz ohne „physischen“ Besitz von Aktien) die Kursdifferenz vom Geld- zum Briefkurs zu nutzen; Leerverkauf möglich; marginpflichtig). Für Privatanleger nur bedingt geeignet. d) § 2 II Nr. 4 WpHG – Kreditderivate. Anhang I Abschnitt C Nr. 8 MiFID (derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken) erfasst auch Credit Default Swaps (CDS), die sich ausschließlich auf ein Darlehen oder ein Kreditportfolio als Referenzwert beziehen (BT-Drucks. 16/4028, 55). Erfasst sind Kreditoptionen (Puts, Calls, Credit Default Options und Credit Spread Options) und Swaps (Credit Swaps, Total Return Swaps und Credit Forwards). e) § 2 II Nr. 5 WpHG – Termingeschäfte mit Bezug auf die in Art. 39 DVO genannten Basiswerte. Die Verweisung der Nr. 5 erweitert den Kreis der Finanzinstrumente auf Termingeschäfte mit Bezug auf die in Art. 39 a) bis g) DVO genannten Basiswerte, z. B. a) Telekommunikations-Bandbreite, b) Lagerkapazitäten für Waren, wenn diese die Bedingungen von § 2 II Nr. 2 WpHG erfüllen. Die unter die Nrn. 2 und 5 fallenden Derivate bilden einen abschließenden Katalog der Finanzinstrumente, die aufgrund Anhang I Abschnitt Nr. 7 und 10 MiFID vom WpHG erfasst sind (vgl. Erw. 19 DVO), vgl. BTDrucks. 16/4028, 55. 4. § 2 IIb WpHG. Finanzinstrumente i.S.d. WpHG sind Wertpapiere nach § 2 I, Geldmarktinstrumente nach § 2 Ia und Derivate nach § 2 II WpHG sowie Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren (Bezugsrechte und Optionen auf Zeichnung junger Aktien nach § 185 I AktG und §§ 202, 203 I AktG, Bezugserklärungen (§ 198 I, II AktG) und sonstige Erklärungen über den Bezug (Erwerb) von Aktien, auf dies sich eine Option bezieht; Assmann/Schneider-Assmann, § 2 Rn. 40i). Der Begriff des Finanzinstruments wurde durch Art. 1 Nr. 2 AnSVG eingeführt. Der damals neue § 2 IIb WpHG setzte Art. 1 Nr. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD) um, indem er den zentralen Begriff des Finanzinstruments einführte, der nunmehr einheitlich für sämtliche Regelungen der Abschnitte 3 und 4 sowie die §§ 34b und 34c WpHG maßgeblich ist (BT-Drucks. 15/3174, 29). Damit sollte eine Vereinfachung der Terminologie und eine Modernisierung des WpHG erfolgen (Bürgers, BKR 2004, 424; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948).
23 24
25
5. § 2 III WpHG – Wertpapierdienstleistungen. § 2 III WpHG bestimmt den zentralen Begriff der Wertpapierdienstleistungen. a) § 2 III Nr. 1 WpHG – Finanzkommissionsgeschäft. Nr. 1 nennt die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung und erfasst damit alle Kommissionsgeschäfte (§§ 383 ff. HGB; §§ 18 ff. DepotG). Auch Direktbanken werden im Effektengeschäft in der Regel als Kommissionär tätig (BGH NJWRR 2002, 1344). b) § 2 III Nr. 2 WpHG – Eigenhandel. Unter Eigenhandel fällt die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere, d. h. alle Transaktionen, in denen sich Händler im eigenen Namen und Kunde als Verkäufer und Käufer direkt gegenübertreten („Eigenhändlergeschäfte“), nicht hingegen „Eigengeschäfte“ eines Händlers ohne Kundenauftrag (§ 2 III 2 WpHG), das einer Wertpapierdienstleistung nur gleichgestellt wird. Eigengeschäfte zum Nachteil des Kunden sind verboten (Weber-Rey/Baltzer, WM 1997, 2288 (2296)). Erfasst werden auch Festpreisgeschäfte und die Geschäfte der sog. „Market Maker“ (Assmann/Schneider-Assmann, § 2 Rn. 50).
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1519
c) § 2 III Nr. 3 WpHG – Abschlussvermittlung. Nr. 3 erfasst sämtliche Fälle der Ausführung von Kundenaufträgen in offener Stellvertretung (§ 164 I 1 BGB). Abschlussvermittler sind auch Geschäftsführer eines in der Form einer GbR bzw. Vorstandsmitglieder eines in der Form eines Vereins geführten Investmentclubs (Assmann/ Schneider-Assmann, § 2 Rn. 52a), wobei dann auch § 2 III Nr. 6 WpHG vorliegen kann.
26
d) § 2 III Nr. 4 WpHG – Anlagevermittlung. Nr. 4 umfasst die Vermittlung bzw. den Nachweis von Geschäften. Vermittlung bedeutet in Anlehnung an §§ 93 ff. HGB bzw. §§ 652 ff. BGB die Leistung eines Beitrags zum Vertragsabschluss bzw. das Zusammenführen zweier Parteien zu einem Geschäft, Nachweis hingegen Kenntnisverschaffung von der Vertragsmöglichkeit. Botenbanken sind Vermittler (RegE Umsetzungsgesetz, BRDrucks. 963/96, 101), ebenso sog. „Introducing Brokers“.
27
e) § 2 III Nr. 5 WpHG – Emissionsgeschäfte. Nr. 5 umfasst die Übernahme von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien. Hauptanwendungsbereich war bislang die Übernahme neuer Aktien zur Platzierung beim Publikum gem. § 185 AktG.
28
f) § 2 III Nr. 6 WpHG – Platzierungsgeschäft. Die Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung ist durch Anhang I Abschnitt A Nr. 7 MiFID neu in den Kreis der Wertpapierdienstleistungen aufgenommen worden (BT-Drucks. 16/ 4028, 56).
29
g) § 2 III Nr. 7 WpHG – Finanzportfoliogeschäfte. Hauptanwendungsfall ist die von der Anlageberatung bzw. –vermittlung abzugrenzende Vermögensverwaltung (Balzer, WM 2000, 441; Gaßner/Escher, WM 1997, 93) von Kundenvermögen durch Investition in Wertpapiere und andere Anlageformen, bei der der Verwalter über einen Entscheidungsspielraum verfügt, also nicht der Kunde allein dispositionsbefugt ist (BGH WM 2008, 112; BGH NJW 2002, 2556; NJW 2002, 1868; NJW 1994, 1861; OLG Karlsruhe ZIP 2000, 2060; OLG Köln WM 1997, 570; OLG Hamm WM 1996, 669; Düsseldorf NJWRR 1991, 308). Häufig werden Anlagerichtlinien vereinbart (BGH NJW 1998, 449). § 2 III Nr. 7 WpHG umfasst nicht eine KAG oder Investmentaktiengesellschaft, die die kollektive Vermögensverwaltung nach dem InvG betreiben. Der Vertrieb von Anteilsscheinen durch die KAG einschließlich der Abgabe von diesbezüglichen Anlageempfehlungen an Kunden ist dabei als Tätigkeit der kollektiven Vermögensverwaltung anzusehen und führt nicht zu einer Qualifizierung als Wertpapierdienstleitungsunternehmen (§ 2a I Nr. 14 WpHG; BT-Drucks. 16/4028, 59; Roth/Loff, WM 2007, 1249 (1251)). Gleiches gilt für die Beratung von Investmentgesellschaften in Bezug auf die kollektive Portfolioverwaltung (BT-Drucks. 16/4028, 59 f.; Roth/Loff, WM 2007, 1249 (1251)). Die Artt. 12 (Mindestkapitalausstattung), 13 (organisatorische Anforderungen) und 19 (Wohlverhaltensregeln) MiFID würden auch für eine KAG gelten, soweit sie als (Neben-) Dienstleistung die individuelle Finanzportfolioverwaltung mit Ermessensspielraum anbieten wollte (Roth/ Loff, WM 2007, 1249 (1251); Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1753); eventuell so auch Schäfer laut Lyner/Parmentier, WM 2006, 1470 (1474)).
30
h) § 2 III Nr. 8 WpHG – Betrieb eines multilateralen Handelssystems. Art. 4 I Nr. 15 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 8 MiFID statuiert als neue Wertpapierdienstleistung das Betreiben eines multilateralen Handelssystems (§ 31f WpHG), das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten, nicht abdingbaren Regeln in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertragsschluss führt. Nach Erw. 6 MiFID ist der Begriff „Interesse am Kauf und Verkauf“ weit zu verstehen. Den Parteien darf kein Entscheidungsspielraum verbleiben, ob sie im Einzelfall das Geschäft mit einem bestimmten Vertragspartner eingehen
31
Frisch
1520
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
wollen. Es ist zwar keine Handelsplattform im technischen Sinne nötig, jedoch ein Regelwerk, um von einem System sprechen zu können (Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1754)). 32
i) § 2 III Nr. 9 WpHG – Anlageberatung. Im Gegensatz zur ISD ist nach der MiFID die Anlageberatung keine Neben-, sondern eine Hauptdienstleistung. Unerheblich ist, ob die Anlageberatung auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden oder eigener Initiative des Wertpapierdienstleisters erfolgt. Entscheidend ist, dass sie bzw. die dem Kunden gegenüber erfolgende Empfehlung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sich auf bestimmte Finanzinstrumente bezieht und die persönlichen Umstände des Kunden berücksichtigt (BT-Drucks. 16/4028, 56). Für diese Art von Anlageberatung ist eine Erlaubnis gemäß KWG notwendig (Borgsen, BKR 2006, 507 (508); arg. ex Artt. 4 I Nr. 4, 6 I MiFID; Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1752 Fn 53); zu MiFID und ihre Folgen für private Family Offices: Waclawik, ZBB 2005, 401 (409 f.)). Nach CESR/05-290b, S. 7 – 12, und Art. 52 DRL meint Empfehlung eine konkrete, d. h. keine generelle, z. B. über Druckerzeugnisse (z. B. Börsenbriefe), Internet oder Rundfunk erfolgende Empfehlung, sondern eine, die sich auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers stützt und als für ihn geeignet dargestellt wird. Ratschläge zur Geeignetheit einer Kapitalanlage im Allgemeinen stellen keine Anlageberatung dar, jedoch kann auch dann ein haftungsrelevanter Verstoß gegen Art. 19 I, II MIFID vorliegen (Erw. 81 DRL). BaFin und Bundesbank haben im Rahmen ihrer Aufsichtspraxis ein gemeinsames Merkblatt zur Anlageberatung veröffentlicht (BaFinJournal 07/07, S. 3; Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung (Stand: 12.11.2007)). Per 1.11.2007 wurden die im KWG definierten Finanzdienstleistungen um den Tatbestand der Anlageberatung erweitert (Definition in § 1 Ia 2 Nr. 1a KWG). Es ist nicht Gegenstand des Informationsblatts, welche Wohlverhaltenspflichten Anlageberater nach dem WpHG zu beachten haben. Erläutert wird vielmehr, unter welchen Voraussetzungen sich eine Tätigkeit zukünftig als nach § 32 I i.V.m. § 1 Ia 1 KWG erlaubnispflichtige Anlageberatung darstellt. Jedoch gelten Besonderheiten bei Beratung in Bezug auf Investmentanteile, denn die bisher für die Anlage- und Abschlussvermittlung von Anteilen an Investmerntvermögen und ausländischen Investmentanteilen bestehende Ausnahmeregelung wird nun auf die Anlageberatung ausgedehnt (§ 2 VI 1 Nr. 8 KWG – Bereichsausnahme). Die Anlageberatung darf demnach ohne Erlaubnis nach § 32 I 1 KWG erbracht werden, wenn der Berater seinem Kunden persönliche Empfehlungen in Bezug auf Geschäfte über Investmentanteile gibt, sofern es sich bei dem potenziellen Vertragspartner des empfohlenen Geschäftes um eines der in § 2 VI 1 Nr. 8 KWG genannten Unternehmen handelt. Die Erlaubnispflicht nach § 34c I 1 Nr. 2 und 3 GewO in der Fassung ab 1.11.2007 bleibt davon unberührt. Ebenfalls nicht erfasst sind Baufinanzierungsberater, die zur Eigenkapitalaufbringung zum Verkauf von Wertpapieren raten (Holzborn/Israel, NJW 2008, 791 (792). Mit § 64i KWG hat der Gesetzgeber bezüglich der Änderungen des KWG Übergangsregelungen getroffen. Wer bislang eine Erlaubnis für das Betreiben eines Bankgeschäfts oder zum Erbringen der Anlagevermittlung, der Abschlussvermittlung, der Finanzportfolioverwaltung oder des Eigenhandels hat, muss demnach keinen neuen Erlaubnisantrag für die Anlageberatung nach § 32 I 1 und 2 KWG (i. V. m. § 14 Anzeigenverordnung) stellen. Anlageberater hingegen, die bisher keine Erlaubnis benötigten, mussten zwar ihre Tätigkeit mit Inkrafttreten der neuen Regelung nicht bis zur Erteilung der Erlaubnis durch die BaFin einstellen, sondern konnten bzw. mussten bis zum 31.1.2008 einen vollständigen Erlaubnisantrag bei der BaFin stellen. Erst wenn die BaFin den Erlaubnisantrag ablehnt, darf die Anlageberatung dann nicht weiter erbracht werden. Danach könnten Schadensersatzan-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1521
sprüche nach § 823 II BGB i.V.m. § 32 I 1 KWG (BGH ZIP 2005, 1223 = JZ 2006, 524 m. Anm. Herresthal; v.Buttlar, EWIR 2006, 639) gegen einen Berater oder ein Unternehmen, die ohne die nach § 32 I KWG erforderliche Erlaubnis tätig sind, in Betracht kommen. Diese Ansprüche unterliegen nicht der Verjährung nach § 37a WpHG (siehe unten Rn. 159; BGHZ 162, 306). Zudem gelten für Anlageberater auch die Eigenkapitalanforderungen nach § 33 I 1 Nr. 1 a) KWG (Anfangskapital € 50.000) beachten, wobei eine Erleichterungsmöglichkeit im Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflicht-Versicherung liegen kann (§ 33 I 2 KWG; Balzer, ZBB 2007, 333 (334)). 6. § 2 IIIa WpHG – Wertpapiernebendienstleistungen. Anhang I Abschnitt B MIFID bedingte eine Änderung von § 2 IIIa WpHG. Wertpapiernebendienstleistungen sind demnach nach
33
– Nr. 1 das Depotgeschäft, die Verwahrung von Finanzinstrumenten für andere und damit verbundene Dienstleistungen; – Nr. 2 die Gewährung von Krediten oder Darlehen an andere für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen, sofern das Unternehmen, das den Kredit oder das Darlehen gewährt, an diesen Geschäften beteiligt ist (vgl. zuvor OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.6.2002 – 12 W 365/01); – Nr. 3 die (allgemeine) Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur, die industrielle Strategie sowie die Beratung und das Angebot von Dienstleistungen bei Unternehmenskäufen und Unternehmenszusammenschlüssen; – Nr. 4 Devisengeschäfte, die im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen stehen;, – Nr. 5 die Erstellung, Verbreitung oder Weitergabe von Finanzanalysen (Art. 24 I DRL; § 34b WpHG) oder anderen Informationen über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthalten; – Nr. 6 Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft stehen; – Nr. 7 Dienstleistungen, die sich auf den Basiswert von Waren- oder anderen Spezialderivaten i.S.d. § 2 II 2 Nr. 2 oder Nr. 5 WpHG beziehen und Wertpapier(neben)dienstleistung wären, wenn sie sich auf ein Finanzinstrument nach § 2 IIb WpHG beziehen würden, z. B. Spotgeschäfte in Waren, die keine Termingeschäfte sind (BT-Drucks. 16/ 4028, 57). 7. § 2 IV WpHG – Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind Kreditinstitute i. S. v. § 1 I KWG, Finanzdienstleistungsinstitute i. S. v. § 1 Ia KWG und nach § 53 I 1 KWG tätige Unternehmen (ausländische Banken mit deutschen Zweigstellen), die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.
34
8. § 2 V WpHG – Organisierter Markt. Organisierter Markt i. S. d. WpHG ist ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten, nicht abdingbaren Regeln in einer Weise zuammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. § 2 V WpHG wurde an die Definition des „geregelten Marktes“ in Art. 4 I Nr. 14 MiFID angepasst. Wie bei § 2 III Nr. 8 WpHG ist der Begriff „Interesse am Kauf und Verkauf“ weit
35
Frisch
1522
36
37
38
39
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
zu verstehen (Erw. 6 MiFID). Im Gegensatz zur alten Rechtslage, die auch Märkte in Drittstaaten (vgl. § 37i WpHG a.F.) einbezog, umfasst die Definition nun nur Märkte im Geltungsbereich der MiFID (BT-Drucks. 16/4028, 57; zu Gemeinsamkeiten u. Unterschieden von geregelten Märkten und MTFs Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1754 f.)). Die Segmentierung der Börse – amtlicher oder geregelter Markt – wird durch die Zusammenfassung in einem Segment, dem regulierten Markt, neu geregelt (§ 32 I BörsG (n. F.)). Der regulierte Markt ist ein organisierter Markt nach § 2 V WpHG (Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227 Fn 6). Für die Adressaten von Transparenzpflichten gilt nunmehr das Herkunftsstaatsprinzip in § 2 VI WpHG (Rodewald/Unger, BB 2006, 1917 (1918)). Damit ist für die Frage der Anwendung der deutschen Veröffentlichungspflichten und ihre Überwachung durch die BaFin nicht mehr die Zulassung des Emittenten an einer inländischen Börsen maßgeblich, sondern ob der Emittent seinen Sitz in Deutschland hat. Für Emittenten außerhalb des EWR ist Deutschland Herkunftsstaat, wenn er nach § 10 WpPG das jährliche Dokument bei der BaFin hinterlegen muss. Das gilt für an einem organisierten Markt zugelassene Aktien und Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als € 1.000. Emittenten anderer Finanzinstrumente haben ihren Herkunftsstaat in Deutschland, wenn sie nur hier an einem organisierten Markt zugelassen sind oder Deutschland als Herkunftsstaat gewählt haben. Das jährliche Dokument nach § 10 WpPG (Wertpapierprospektgesetz v. 22.6.2005; BGBl. 2005 I, 1698; BaFin FAQ „Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument“ § 10 WpPG: Götze, NZG 2007, 570), wobei der Katalog des § 10 I 1 Nr. 1 WpPG durch das TUG wesentlich erweitert wurde, meint, dass ein Emittent, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, mindestens einmal jährlich dem Publikum ein Dokument in der in § 10 I 2 i.V.m. § 14 II WpPG beschriebenen Weise zur Verfügung stellen muss, das alle Informationen enthält, die der Emittent in den vorausgegangenen zwölf Monaten auf Grund Nr. 1 der §§ 15 (nicht § 15 III 4 WpHG), 15a, 26, 30b I u. II, §§ 30e I 1 Nrn. 1 bis 3, 30f II, §§ 37v, 37w, 37x, 37y, 37z IV 2 WpHG (Nr. 2 ist aufgehoben), Nr. 3 der §§ 42 u. 54 BörsG i.V.m. mit einer Börsenordnung (Götze, NZG 2007, 570 (571 f.) und Nr. 4 der den Nummern 1 bis 3 entsprechenden ausländischen Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat (Götze, NZG 2007, 570 (572); Beispiel: Annual Reports an die SEC nach Form 20-F). Der Emittent hat das Dokument nach der Offenlegung des Jahresabschlusses bei der BaFin zu hinterlegen, § 10 II 1 WpPG. § 2 VII WpHG definiert den Begriff des Inlandsemittenten, wonach die Zulassung der Wertpapiere zum Handel in Deutschland für die Geltung der Veröffentlichungspflichten in Deutschland und der Aufsicht durch die BaFin maßgeblich ist. Inlandsemittenten sind solche mit einem Sitz im Inland (Herkunftsstaat Deutschland), sofern nicht die Aktien der Emittenten nur in einem anderen EU-Mitglieds- oder EWR-Staat zugelassen und die Emittenten dort dem Transparenzregime unterliegen. Ferner fallen darunter Emittenten mit Sitz in einem anderen EU-Mitglieds- oder EWR –Staat, deren Aktien nur in Deutschland zugelassen sind (Rodewald/Unger, BB 2006, 1917 (1918); Beiersdorf/Rahe, BB 2007, 99 zu Berichtspflichten von Inlandsemittenten nach dem TUG). § 2 wird in den Absätzen VIII bis X durch die MiFID ergänzt. Herkunftsmitgliedstaat ist für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen der EU-Mitgliedstaat, in dem sich seine Hauptniederlassung befindet, § 2 VIII Nr. 1 WpHG. Für einen organisierten Markt der Mitgliedstaat, in dem die Registrierung oder Zulassung erfolgt ist, oder, sofern er nach dem Recht dieses Staats keinen Sitz hat, der Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptniederlassung befindet, § 2 VIII Nr. 2 WpHG. Aufnahmemitgliedstaat ist für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen der Mitgliedstaat, in dem es eine Zweigniederlassung un-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1523
terhält oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs tätig wird, § 2 IX Nr. 1 WpHG. Für einen organisierten Markt der Mitgliedstaat, in dem er geeignete Vorkehrungen anbietet, um dort niedergelassene Marktteilnehmer den Zugang zum Handel über sein System zu erleichtern, § 2 IX Nr. 2 WpHG. Systemischer Internalisierer i.S.d. WpHG ist ein Unternehmen, das nach Maßgabe von Art. 4 Nr. 7 MiFID i.V.m. Art. 21 DVO häufig regelmäßige (wesentliche kommerzielle Rolle: CESR/05-164, S. 39; Art. 21 I a) DVO; zurecht kritisch Hirschberg, AG 2006, 298 (401)) und auf organisierte und systematische Weise Eigenhandel außerhalb organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme betreibt (kritisch Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1755 f.)). Durch Art. 21 III DVO wird das typische OTC-Geschäft der Wertpapierfirmen durch eine Negativabgrenzung ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der systematischen Internalisierung herausgenommen (Hirschberg, AG 2006, 298 (401)). 9. § 2a WpHG – Ausnahmen. § 2a I WpHG setzt die Ausnahmevorschriften in Artt. 2 I und 23 II MiFID um (umfangreich BT-Drucks. 16/4028, S. 57–60). Unternehmen, die nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten, sind z. B. gemäß Nr. 4 private und öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, Nr. 5 die öffentliche Schuldenverwaltung des Bundes, eines seiner Sondervermögen, eines Landes etc. oder nach Nr. 6 Angehörige freier Berufe, die Wertpapierdienstleistungen nur gelegentlich im Rahmen eines Mandatsverhältnisses als Freiberufler erbringen, aber auch Nr. 7 solche, die als Wertpapierdienstleistung für andere nur die Anlageberatung und die Anlagevermittlung zwischen Kunden und a) Instituten i.S.d. KWG, b) Instituten oder Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen EWR-Staat (sofern § 53b I 1 oder VII KWG erfüllt sind), c) Unternehmen, die auf Grund RVO nach § 53c KWG gleich- oder freigestellt sind, und d) Investmentgesellschaften erbringen (BGHZ 162, 306 = ZIP 2006, 382; BGH ZIP 2006, 2221; Frisch, EWiR 2007, 73). Ein weiterer wichtiger Ausnahmetatbestand ist § 2a I Nr. 14 WpHG, d. h. die kollektive Vermögensverwaltung nach InvG durch KAGen und Investmentaktiengesellschaften (Roth/Loff, WM 2007, 1249 (1251); zur Novelle des InvG Roegele/Görke, BKR 2007, 393; siehe oben Rn. 30, Rn. 32 und unten Rn. 42).
40
§ 2a II WpHG enthält einen Ausnahmetatbestand für ein Unternehmen, das als vertraglich gebundener Vermittler i.S.d. § 2 X 1 KWG nur die Abschlussvermittlung, Anlagevermittlung, das Platzieren von Finanzinstrumenten ohne feste Übernehmeverpflichtung oder Anlageberatung erbringt. Seine Tätigkeit wird dem Institut oder Unternehmen zugerechnet, für dessen Rechnung und unter dessen Haftung es seine Tätigkeit erbringt, § 2a II 2 WpHG. Das Wirken von Strukturvertrieben kann somit einer Bank zugerechnet werden (allgemein zur Wissenszurechnung (§ 166 I BGB) bei Zusammenwirken von Bankfilialen und Strukturvertrieb: BGH NZM 2005, 434 = WM 2005, 375; BGHZ 131, 200 (204) = NJW 1996, 464).
41
§ 2b III WpHG bestimmt, dass für Unternehmen, denen eine Erlaubnis als KAGen oder Investmentaktiengesellschaften nach dem InvG erteilt wurde, nur die §§ 31, 31a, 31b, 33c, 31d, 33, 33a, 33b, 34 und 34a WpHG entsprechend gelten, wenn sie Dienstleistungen i.S.d. § 2 III Nr. 7 (Finanzportfolioverwaltung), 9 (Anlageberatung) oder IIIa Nr. 1 (Depotgeschäft) erbringen (siehe oben Rn. 30, 32 und 33).
42
C. Abschnitt 2. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
43
§ 3 WpHG wurde aufgehoben durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht v. 22.4.2002 (BGBl. I 1310). I. § 4 WpHG – Aufgaben und Befugnisse der BaFin. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 I FinDAG), die der Rechts- und Fachaufsicht des BMF (§ 2
Frisch
44
1524
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
FinDAG) untersteht (FinDAG v. 22.4.2002 (BGBl. 2002 I, 1310; zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes v. 28.5.2007 (BGBl. 2007 I, 923); Assmann/Schneider-Dreyling, Vor § 3 Rn. 2). Ihre Finanzierung ist rechtmäßig (zur Umlage nach § 16 FinDAG: VG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.11.2006 – I E 2515/05, 1 E 2283/06, 1 E 955/06, 1 E 2516/05). Nach § 4 WpHG, der durch AnSVG und MiFID/FRUG erweitert wurde, übt die BaFin die Aufsicht nach dem WpHG aus. Mit der Einführung einer Generalbefugnisnorm für die Aufgaben und Befugnisse der BaFin in § 4 WpHG (BT-Drucks. 15/3174, 29) hat der Gesetzgeber das WpHG übersichtlicher gestaltet (Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1949)). Die BaFin hat Missständen entgegenzuwirken und kann Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, diese zu beseitigen oder zu verhindern, § 4 I 2, 3 WpHG. Aufgrund der MiFID (Artt. 50 II j und k, 51 I) hat die BaFin nun auch die Befugnis, eine Handelsaussetzung und den Auschluss eines Finanzinstruments vom Handel auch zur Durchsetzung der Bestimmungen über die Tätigkeit von Wertpapierdienstleistungsunternehmen anordnen zu können (vgl. BT-Drucks. 16/4028, 60). § 4 II WpHG verschafft der BaFin die Befugnis, Anordnungen zur Durchsetzung der Ge- und Verbote des WpHG zu treffen. § 4 III WpHG regelt ein Auskunfts-, insbesondere Ladungs- und Vernehmungsrecht der BaFin. Die Weitergabe von Informationen innerhalb eines von Maßnahmen betroffenen Unternehmens an die Compliance-Stelle ist nach § 4 VIII WpHG zulässig (BT-Drucks. 15/ 3174, 31). Nach § 4 XI WpHG kann die BaFin zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch Wirtschaftsprüfer oder Sachverständige bei Ermittlungen oder Überprüfungen einsetzen (Art. 50 II m) MiFID). Der BaFin stehen auch aufgrund anderer Gesetze Befugnisse zu (§ 44c KWG; Schröder/Hansen, ZBB 2003, 113; VG Berlin NJW 1988, 1105). § 4 IV FinDAG regelt ausdrücklich, dass die BaFin nur im öffentlichen Interesse tätig wird. Einzelpersonen können keine Schadensersatzansprüche gegen die BaFin wegen unzureichender Aufsicht erheben (§ 4 IV FinDAG; BGHZ 162, 49 = NJW 2005, 742 (BVH-Bank); dazu Binder, WM 2005, 1781; EuGH NJW 2004, 3479 („Peter Paul u.a. ./. Bundesrepublik Deutschland“); Sethe, S. 956 ff.; vgl. EuGH ZIP 2003, 2010 = DB 2003, 2331 („G. Köbler ./. Republik Österreich“) zur Staatshaftung für EU-rechtswidrige Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte). 45
Nach § 5 WpHG wird ein Wertpapierrat gebildet, der bei der Aufsicht mitwirkt und die BaFin berät. Nach § 6 I WpHG (Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland) werden Börsenaufsichtsbehörden bei der Durchführung von eilbedürftigen Maßnahmen für die Überwachung der Verbote von Insidergeschäften nach § 14 WpHG und von Kurs- und Marktpreismanipulation nach § 20a WpHG tätig. § 6 II WpHG (Art. 49 MiFID) bestimmt nun, dass auch die Handelsüberwachungsstellen sowie die für die Versicherungs- und Fondsvermittler zuständigen Gewerbeämter (§ 34c GewO) in den Austausch von Informationen mit der BaFin einbezogen sind. § 6 III WpHG bestimmt, dass die BaFin – z. B. bei Insider- und (Markt-)Manipulationsermittlungen – automatisiert Daten bei der Deutschen Bundesbank abrufen kann. Nach § 7 WpHG, der durch die MiFID umgestaltet wurde, obliegt der BaFin die Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland. Die Kompetenzen zur Zusammenarbeit mit ausländischen Staaten wurden in § 7 WpHG zum Zwecke der Übersichtlichkeit und Straffung gebündelt, z. B. § 36c WpHG wurde dazu aufgehoben (BT-Drucks. 16/4028, 61f.;78). Am 26.4.2007 haben in Berlin der Vorsitzende der US-Aufsicht SEC (Securities and Exchange Commission), Christopher Cox, und der Präsident der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht), Jochen Sanio, ein 15-seitiges Memorandum of Understanding („MOU“) unterzeichnet. Der bereits bestehenden Kooperation von SEC und BaFin soll ein breiterer Rahmen im Zeitalter der Globalisierung gegeben werden. Durch das Memorandum sichern sich SEC und BaFin einen regelmäßigen und umfassenden Informationsaustausch zu den Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten sowie Unterstützung bei Vor-Ort-Prüfungen. Ein wei-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1525
teres Ziel des Memorandums ist die Sicherstellung offener, fairer und transparenter Marktplätze. Die Zusammenarbeit von SEC und BaFin soll sicherstellen, dass die Aufsicht über deutsche und US-amerikanische Finanzdienstleister reibungslos und effizient erfolgt (BaFin Pressemitteilung v. 26.4.2007; das „MOU“ ist auf der Internetseite der SEC (www.sec.gov/news/press/2007/2007-76.htm) erhältlich). Ein (hypothetisch) möglicher Ausbau der BaFin in Richtung der SEC wird seit Jahren unterschiedlich bewertet (pro H.Beck/contra Uwe H. Schneider, Finanzplatz November 2002, Nr. 6, S. 8 f.). Nachdem die BaFin aber zwischenzeitlich wesentlich mehr Befugnisse erhalten hat, dürfte für einen solchen Ausbau keine Notwendigkeit bestehen. Die Kritik, das US-System sei überreguliert, ist nicht gänzlich unberechtigt. II. § 8 WpHG – Verschwiegenheitspflicht. § 8 I 1 WpHG normiert eine Verschwiegenheitspflicht (Ausnahme: § 40b WpHG „naming and shaming“; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1949)) und ein Verwertungsverbot für die bei der BaFin Beschäftigten und nach § 4 III FinDAG beauftragten Personen. Sie dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach dem WpHG Verpflichteten oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. § 8 WpHG und sein Verhältnis zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG v. 5.9.2004 – BGBl. I 2005, 2722; zum IFG und der Akteneinsicht in Kartell- und Fusionskontrollverfahren Burholt, BB 2006, 2201), das seit dem 1.1.2006 gem. § 1 IFG für jedermann einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen vorsieht, ist ein Zankapfel zwischen der BaFin, die § 8 WPHG als lex specialis mit der Folge der Unanwendbarkeit des IFG (vgl. Möllers/Wenninger, ZHR 170, 455 (471); wie die BaFin wohl Sellmann/Augsberg, WM 2006, 2293 (2294)) sieht, und Anlegerinteressen verfolgenden Anwälten oder Verbänden, die von der BaFin Informationen verlangen, was die BaFin wohl auch im Hinblick auf §§ 203 II, 204 StGB und die zumindest von der h. M. angenommene Schutzgesetzeigenschaft des § 8 WpHG i.S.v. § 823 II BGB (Assmann-Schneider-Dreyling, § 8 Rn. 28) ablehnt. Richtig ist, dass die BaFin nicht aufgrund des IFG Informationen erteilen darf, wenn dies nach § 8 WpHG unbefugt wäre. Liegt keine Unbefugtheit vor, dürfte ein Anspruch nach § 1 IFG grundsätzlich in Betracht kommen (VG Frankfurt, Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06; VG Frankfurt, Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 1487/07). Unter Abschreckungsgesichtspunkten (Reputationsverlust) wurde vorgeschlagen, wie die FSA abgeschlossene Gerichtsverfahren ohne Wahrung der Anonymität der verurteilten Personen darzustellen (Möllers/Wenninger, ZHR 170, 454 (472)), was wohl von § 40b WpHG auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit nicht umfasst werden dürfte.
46
III. § 9 WpHG – Meldepflichten. Der auch durch die MiFID per 1.1.2008 umgestaltete § 9 I WpHG (konkretisiert durch die zum 1.1.2008 neu gefasste WpHMV) regelt die Meldepflichten gegenüber der BaFin (Süßmann, WM 1996, 937; kritisch Knauth, WM 2003, 1593; Zeitz, WM 2008, 918), damit diese Insidergeschäfte und manipulatives Verhalten aufdecken oder verhindern kann, des Weiteren die Melde- und Informationspflichten überwachen kann. In Deutschland meldepflichtig sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Zweigniederlassungen i.S.d. § 53b KWG (§ 9 I WpHG; Art. 25 MiFID, Art. 4 I Nr. 1, 2 MiFID). Ebenso multilaterale Handelssysteme (MTF). Nicht mehr meldepflichtig hingegen sind sog. reine Eigenhändler (§ 9 I i. V. m. § 2a I Nr. 10 WpHG); ebenso nicht KAGs, dies betrifft Geschäfte im Rahmen der Erbringung der kollektiven und individuellen Vermögensverwaltung als auch für das Gesellschaftsvermögen (§ 2a I Nr. 14, § 2a III WpHG). Meldepflichtig an die BaFin (§ 9 I 1 WpHG) ist – spätestens an dem auf den Tag des Geschäftsabschlusses folgenden Werktag (= kein Samstag) – jedes
47
Frisch
1526
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(börsliche oder außerbörsliche (OTC-/Festpreis-))Geschäft (= Kauf oder Verkauf) in Finanzinstrumenten (Art. 5 DVO (VO) (EG) Nr. 1287/2006 v. 10.8.2006)), d. h. börsennotierte Derivate auf Waren, Emissionsrechte etc., die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen sind (§ 9 I 2 WpHG). Nicht jedoch wie bisher von einer KAG oder ausl. Investmentgesellschaft emittierten Anteile, sofern eine Rücknahmeverpflichtung besteht (§ 9 Ia 2 WpHG)). Ebenso nicht Wertpapierfinanzierungsgeschäfte, die Ausübung von Optionen und Optionsscheinen sowie Primärmarktgeschäfte mit Finanzinstrumenten (nebst Emission, Zuteilung und Zeichnung), die unter § 2 I Nrn. 1 bis 3a WpHG fallen. Die Meldepflicht für in den Freiverkehr einbezogene Finanzinstrumente ist aufgehoben (Art. 25 III MiFID), auch wenn der deutsche Gesetzgeber im Insiderrecht beim Freiverkehr eine andere Linie verfolgte (Assmann/Schneider-Assmann, § 12 Rn. 7). Durch § 9 I 4 WpHG sind nur noch Unternehmen mit Sitz in einem ausländischen Drittstaat (Nicht-EU- oder -EWR-(Mitglied-)Staat), die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sind, meldepflichtig hinsichtlich der an dieser inländischen Börse abgeschlossenen Geschäfte (unklar Hirschberg, AG 2006, 398 (406)). § 9 WpHG löst sich damit von dem Leitbild der Marktaufsicht zu Gunsten des Heimatland- bzw. staatprinzips, da z. B. ein Unternehmen mit Sitz im UK seine Eurex-Geschäfte (Remotemember) nur noch an die FSA in London, aber nicht mehr die BaFin melden muss. Die BaFin könnte in einigen Fällen im Wege des internationalen Amtshilfeverfahrens auf die Mitarbeit ausländischer Aufsichtsbehörden angewiesen sein, um die benötigten Informationen über die Kettenglieder jenseits der jeweiligen Marktseitengeschäfte zu erhalten (Zeitz, WM 2008, 918 (923)). 48
IV. § 10 WpHG – Anzeige von Verdachtsfällen. Mit § 10 WpHG erhielt die BaFin im Rahmen des AnSVG 2004 ein weiteres Kontrollelement (§ 4 II WpHG) zur Überwachung der Verbote von Insidergeschäften (§ 14 WpHG) und Marktmanipulation (§ 20a WpHG). Die Norm dient präventiven und repressiven Zwecken (Assmann/Schneider-Vogel, § 10 Rn. 4; a.A. Schwintek, WM 2005, 861 (863)). § 10 WpHG wird durch §§ 2, 3 der aufgrund § 10 IV 1 WpHG am 18.12.2004 in Kraft getretenen WpAIV (Wertpapierhandelsanzeigeund InsiderverzeichnisVO – BGBl. I 3376) konkretisiert. § 10 I WpHG begründet eine unverzügliche, nach vorheriger Prüfung zu erfüllende Anzeigepflicht nach dem Wortlaut (und § 2 WpAIV) im Regelfall erst nach Geschäftsausführung gegenüber der BaFin nur für bestimmte Intermediäre (Wertpapierdienstleistungsunternehmen, andere Kreditinstitute i.S.v. § 1 I KWG und Betreiber von außerbörslichen Märkten), wenn diese Tatsachen feststellen, die einen Verdacht begründen (i.S.v. nahelegen), dass mit einem Geschäfte gegen §§ 14, 20a WpHG verstoßen wird. Zweifel oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (BT-Drucks. 15/3174, 32; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1951)) Die Tatsachen müssen verfügbar sein (hierbei darf nicht gegen das Organisationserfordernis des § 33 WpHG verstoßen werden), aber nicht erst extern ermittelbar sein (Art. 9 II DRL zur MAD; § 2 I WpAIV). Es besteht also insoweit keine Nachforschungspflicht. Es besteht kein Verbot, verdächtige Geschäfte nicht auszuführen. Der Gesetzgeber hat ein solches Verbot nicht statuiert. Für § 10 I 1 WpHG genügt nur ein qualifizierter (d. h. ernsthafter) Verdacht (vgl. auch Assmann/Schneider-Vogel, § 10 Rn. 15), auch wenn der Verordnungsgeber der WpAIV die Verdachtaschwelle niedriger als die des § 152 II StPO ansetzte. § 2 WpAIV bestimmt den Inhalt der Anzeige. Die mit Bußgeld bewehrte Verschwiegenheitspflicht des § 10 I 2 WpHG flankiert die Anzeigepflicht. Die BaFin nimmt die Weiterleitung der Anzeigen vor, § 10 II WpHG. § 10 III WpHG sieht zwar nur eine beschränkte Verantwortlichkeit des Anzeigenerstatters vor, § 10 WpHG kann Wertpapierdienstleistungsunternehmen jedoch in eine Pflichtenkollision führen (Spindler, NJW 2004, 3449 (3450)) und ist daher nicht als gänzlich geglückt anzusehen.
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1527
V. § 11 WpHG – Verpflichtung des Insolvenzverwalters. Am 20.1.2007 in Kraft getreten im Rahmen des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 5.1.2007 (TUG – BGBl. 2007 I, 10 (12); BT-Drucks. 16/2498, 31 f.) bestimmt § 11 I WpHG, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, wenn über das Vermögen eines nach dem WpHG zu einer Handlung Verpflichteten das Insolvenzverfahren eröffnet wird, den Schuldner bei der Erfüllung der Pflichten nach dem WpHG (z. B. § 26 WpHG; BaFin, Hinweise zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflchten gemäß §§ 21 ff. WpHG i.d.F. v. 22.1.2007, II. 1. a.) zu unterstützen, insbesondere aus der Insolvenzmasse die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen. § 11 II WpHG statuiert dieselbe Pflicht für einen vorläufigen Insolvenzverwalter, der der Verwendung der Mittel durch den Verpflichteten zur Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten zustimmen soll oder im Falle eines allgemeinen Verfügungsverbots Mittel aus dem von ihm verwalteten Vermögen zur Verfügung stellen muss. Der Gesetzgeber hat den Beitrag des Insolvenzverwalters möglichst gering gehalten, so dass kein weiteres Haftungsrisiko auf ihn zukommt. Im Hinblick auf BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 – 6 C 4.04, NJW 2005, 1207 = ZIP 2005, 1145 (m. Anm. Wolfgang Ott) war eine ausdrückliche gesetzliche Regelung notwendig geworden, weil das BVerwG feststellte, dass der Insolvenzverwalter nicht den Schuldner, sondern nur die Insolvenzmasse vertrete.
49
D. Abschnitt 3. Insiderüberwachung
50
Kern des Insiderrechts ist das in §§ 38 I, 39 II Nr. 3, 4, 14 I WpHG statuierte, strafrechtlich bewehrte Insiderhandelsverbot (Sethe, ZBB 2006, 243; Assmann/Schneider-Assmann, Vor § 12 Rn. 17). Bezweckt ist neben dem Funktionenschutz mittelbar auch, das Vertrauen der Anleger zu fördern, das als Voraussetzung der Investitionsbereitschaft und damit als Vorbedingung für die Funktionsfähigkeit der Institution „Kapitalmarkt“ angesehen wird (Schwark-Schwark, vor § 12 WpHG Rn. 7 u. 8; Bachmann, ZHR 170, 145 (169 m.w.N.)). Bereits die durch die Richtlinie 2003/6/EG v. 28.1.2003 (ABl. 2003 Nr. L 96/ 16 v. 12.4.2003) aufgehobene Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, ABl. 1989 L 334/30 v. 18.11,1989 (sog. Insider-Richtlinie), bezweckte nach ihrem zweiten und fünften Erwägungsgrund, das reibungslose Funktionieren des Sekundärmarkts für Wertpapiere zu gewährleisten und das Vertrauen der Anleger zu erhalten, das inbesondere darauf beruht, dass sie gleichgestellt und gegen die unrechtmäßige Verwendung einer Insiderinformation geschützt sind (EuGH (Rs. C 384/02) Slg. 2005, I-9939 = ZIP 2006, 123 = WM 2006, 612 Rn. 33 – „Grongaard und Bang“; EuGH (Rs. C-391/04) ZIP 2007, 1207 = WM 2007, 1603 Rn. 37). Anleger empfinden es als unfair, wenn ihre von § 14 WpHG geschützte Chancengleichheit (Sethe, ZBB 2006, 243 (244); Bachmann, ZHR 170, 144 (149) zu Gleichbehandlungspflichten im Sekundärmarkt) durch zufällige Informationsvorsprünge von Insidern (Informationsasymmetrie) verletzt wird: Entweder profitieren alle von der Information oder keiner. § 14 WpHG beinhaltet einen mittelbar wirkenden, ökonomisch motivierten Gleichheitssatz (Bachmann, ZHR 170, 145 (169 m.w.N.)). Trotz der Verschärfung des Insiderhandelsverbots durch das AnSVG v. 28.10.2004 (BGBl. I 2630)) bestehen in der Praxis noch erhebliche Schwierigkeiten (Veil, ZBB 2006, 162 (163)). Teilweise wird das Scheitern der Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung von Börsenkriminalität beklagt (so Hienzsch, HRRS 2006, 144 f.; SZ v. 22.3.2007: „Heikle Ermittlungen, dürftige Ergebnisse“ – 2006 gabe es laut SZ gerade einmal elf Verurteilungen wegen Insiderhandels, 59 Verfahren stellten die Staatsanwälte ein, 17 davon gegen Geldauflage). Andererseits wird dem AnSVG vorgehalten, hinter den gesteckten Zielen zurückzubleiben (Grothaus, ZBB 2005, 62). Anspruch und Wirklichkeit scheinen auseinander zu fallen. Die Schwierigkeiten, Geschädigte und Schäden eines Insiderverstoßes
Frisch
1528
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
nachzuweisen, waren jedoch längst vor Erlass des WpHG bekannt (zutreffend Assmann/ Schneider-Assmann, § 14 Rn. 210). 51
I. § 12 WpHG – Insiderpapiere. Seit der Erweiterung im Zuge des AnSVG (aufgrund der MAD (RL 2003/6/EG) v. 28.1.2003 (Abl. EG Nr. L 96/16 v. 12.4.2003); Ziemons, NZG 2004, 537) sind nach § 12 S. 1 WpHG Insiderpapiere Finanzinstrumente (§ 2 IIb WpHG), die (Nr. 1) an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt (FRUG – BT-Drucks. 16/4028, 63) oder in den Freiverkehr einbezogen sind, (Nr. 2) die in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder (Nr. 3) deren Preis unmittelbar oder oder mittelbar von einem in Nr. 1 oder 2 genannten Finanzinstrument abhängt (Derivate), und zwar auch dann, wenn sie selbst nicht an einem börslichen Markt zugelassen sind oder ihre Zulassung beantragt ist (Ziemons, NZG 2004, 537 (538)), was bei derivativen Finanzinstrumenten auch Aktienoptionen („stock option plans“) an Vorstandsmitglieder erfasst (v.Dryander/Schröder, WM 2007, 534, zu (rechtssicheren) Gestaltungsmöglichkeiten; zur vorherigen Strafbarkeitslücke OLG Karlsruhe WM 2004, 2486). Der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in einen regulierten Markt oder in den Freiverkehr steht es gleich, wenn für ein Finanzinstrument der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist, § 12 S. 2 WpHG, womit auch der Handel per Erscheinen (Pfüller/Koehler, WM 2002, 781 (787)) erfasst wird.
52
Finanzinstrumente, die nur im Telefonverkehr oder auf dem sog. Grauen Kapitalmarkt gehandelt werden, werden nicht erfasst, es sei denn, es handelt sich um Insiderpapiere (Assmann/Schneider-Assmann, § 12 Rn. 6).
53
Zu den Derivaten i.S.d. § 12 S. 1 Nr. 3 WpHG zählen die sog. Clickoptions, die über das Internet abgewickelt werden, aber in der Regel als Insiderpapiere nach § 12 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG ausgestaltet sind. Nicht jedoch sog. Stock Appreciation Rights, d. h. Rechte auf Teilhabe an der Wertsteigerung virtueller Aktien („Phantom Stock“), denen die Finanzinstrumenteneigenschaft fehlt (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 18; Merkner/ Sustmann, NZG 2005, 729 (730)).
54
II. § 13 WpHG – Insiderinformation. Nach dem AnSVG spielt der Begriff des Insiders (Primär- wie Sekundärinsider), der von Art. 2 I Unterabs. 2 MAD noch verwandt wird, auf der Tatbestandsebene keine Rolle mehr (Ziemons, NZG 2004, 537 (538); Bürgers, BKR 2004, 424 (425); Kuthe, ZIP 2004, 883 (884)), bleibt jedoch für die Sanktions- bzw. Rechtsfolgenebene (§§ 38 I Nr. 2, 39 II Nrn. 3 u. 4 WpHG) wichtig. Die Verbote des § 14 I WpHG knüpfen allein an die Insiderinformation. Statt der Insidertatsache steht jetzt die Insiderinformation im Fokus. § 13 I 1 WpHG, ergänzt durch § 13 I 3 WpHG, definiert Insiderinformation als eine konkrete (= „präzise“ i.S.v. Art. 1 I Nr. 1 S. 1 MAD; Art. 1 I DRL zur MAD (RL 2003/124/EG v. 22.12.2003, Abl. EG Nr. L 339/70 v. 24.12.2003) Information über Umstände, die nicht öffentlich bekannt sind, sich auf einen oder mehreren Emittenten von Insiderpapieren oder Insiderpapiere selbst beziehen und geeignet sind, im Falle ihre öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen.
55
Präzise ist eine Information, wenn damit eine Reihe von Umständen (also nicht nur (Insider-)Tatsachen i.S.d. früheren Rechts) gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis (= Tatsache), das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie den Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1529
Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt (Art. 1 I DRL; § 13 I 3 WpHG). Daher scheiden allgemeine (unpräzise) Marktdaten aus, es sei denn, sie lassen spezifisch ein Urteil über die Auswirkungen auf den Kurs einzelner Emittenten oder Insiderpapiere zu (Assmann/Schneider-Assmann, § 13 Rn. 9). Auch das Wissen um eine mögliche zukünftige Aktienplatzierung nimmt nicht allein schon wegen des ihr immanenten Einflusses auf den Aktienkurs schon im sensiblen Planungsstadium den Charakter einer Insiderinformation an (Parmentier, NZG 2007, 407). Der anstelle der Insidertatsache neu eingeführte Begriff der Insiderinformation lässt trotz Definitionen in MAD, DRL und WpHG hinreichende Schärfe vermissen (Grothaus, ZBB 2005, 62 (63)). Zur Abgrenzung lässt sich zunächst § 13 II WpHG heranziehen, der negativ abgrenzend besagt, dass eine Bewertung, die ausschließlich auf Grund öffentlich bekannter Umstände – z. B. von Finanzanalysten, Journalisten oder auf Rating/Ranking spezialisierten Unternehmen – erstellt wird, keine Insiderinformation ist, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen kann. Ist hingegen in die Bewertung eine nicht öffentlich bekannte Information eingeflossen, greift § 13 II WpHG nicht. Auch kann allein die Kenntnis der bevorstehenden Veröffentlichtung als solcher eine Insiderinformation darstellen (vgl. auch § 33b V Nr. 1 WpHG zu Informationsvorsprüngen bei Mitarbeitergeschäften). § 13 I 4 WpHG hingegen benennt positive Regelbeispiele, (Nr. 1) die Kenntnis von Aufträgen anderer Personen über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen solcher Art beauftragt sind (Art. 1 Nr. 1 Unterabs. 3 MAD: „Frontrunnning“ – Bsp.: Anlageberater hängt sich vor die Großorder des Kunden)) und (Nr. 2) Informationen für organisierte Derivatemärkte (zu Derivaten auf Strom etc. BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 24). Des Weiteren enthält der Emittentenleitfaden der BaFin (zu dieser Verwaltungsvorschrift Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729), S. 23 zu § 13 WpHG, 43 f. zu § 15 WpHG, einen nicht abschließenden Kanon kurserheblicher Umstände und Ereignisse, der die Rechtsanwendung erleichtert (Bsp.: Veräußerung von Kerngeschäftsfeldern, Rückzug aus oder Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern, Verschmelzungsverträge, Eingliederungen, den Markt überraschende Geschäftszahlen, Gewinnwarnung, Übernahmeangebot, Dividendenänderungen, drohende Insolvenz etc.). Auch bereits Pläne, Vorhaben und Absichten einer Person (z.B. Abgabe des Vorstandspostens) können veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen i.S.d. § 13 I 1 WpHG sein (BGH WM 2008, 641 (643); Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2216); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1901)).
56
Natürlich fällt weiterhin auch die alte (Insider-)„Tatsache“ unter § 13 I 1 WpHG. Tatsachen sind der äußeren Wahrnehmung zugängliche Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens, die dem Beweis zugänglich sind (Assmann/Schneider-Assmann, § 13 Rn. 12; zu Gerüchten VGH Kassel NJW-RR 1999, 120 (121); VG Frankfurt/M. NJW-RR 1998, 625, aber die Notwendigkeit der Beweisbarkeit verneinend). Keine Tatsachen sind subjektive Bewertungen und Auffassungen, z. B. Meinungen, Tipps, Werturteile. Jedoch konnten schon nach altem Recht auch diese einen wahren Tatsachenkern beinhalten. Prognosen, Einschätzungen, Absichten und Gerüchte konnten Tatsachen sein, wenn sie der Kapitalmarkt als solche behandelte, obwohl sie unbestimmt und vage waren. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts war irrelevant (VGH Kassel NJW-RR 1999, 120 (121) = AG 1998, 436). Bloße Gerüchte reichten allerdings schon nach altem Recht nicht aus (Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (731): jetzt Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3174, 34; zur Abgrenzung Cahn, Der Konzern 2005, 5 (7)).
57
Anders (so Ziemons, NZG 2004, 537 (538); Bürgers, BKR 2004, 424 (425)) als vor dem AnSVG erfasst § 13 I 1 WpHG nunmehr auch überprüfbare Prognosen und Werturteile
58
Frisch
1530
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(Bsp.: interne Unternehmensplanung bei Kursrelevanz), d. h. auch zukünftige Umstände, sofern deren künftiger Eintritt nur hinreichend wahrscheinlich (§ 13 I 3 WpHG) ist. Das Tatbestandsmerkmal der hinreichenden Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 13 I 3 WpHG ist jedenfalls dann erfüllt, wenn eine „überwiegende“ Wahrscheinlichkeit – d. h. eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50 % – besteht (BGH, Beschl. v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, WM 2008, 641 (644, Rz 25) = NZG 2008, 300, dazu teilweise berechtigt kritisch Klöhn, LMK 2008, 260596 unter Hinweis auf die Vorlageberechtigung des OLG Stuttgart an den EuGH gemäß Art. 234 II EG; Widder, BB 2008, 855). Hierzu müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die den Eintritt als voraussehbar erscheinen lassen, eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 20; Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3174, 34; OLG Stuttgart WM 2007, 595 (601)). Nur aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass nicht allein unmittelbar, sondern auch den Emittenten oder die Finanzinstrumente nur mittelbar betreffende Informationen Insiderinformationen darstellen können (Ziemons, NZG 2004, 537 (538)). 59
Nicht öffentlich bekannt ist die Insiderinformation, solange sie nicht einem breiten Anlegerpublikum und damit einer unbestimmten Zahl von Personen zeitgleich zugänglich gemacht wurde (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 20 f.). Die Bekanntgabe im Rahmen einer Pressekonferenz oder Hauptversammlung reicht aufgrund der begrenzten Teilnehmer nicht aus. Aktionäre werden damit ggf. zu Insidern. Ebenso nicht in einem nur begrenzten Kreisen zugänglichen Informationsmedium. Ausreichend ist hingegen die Herstellung der Bereichsöffentlichkeit (vgl. Sven H. Schneider, NZG 2005, 702 (704 ff.), der auch Gerichtsentscheidungen bei Anwesenheit von Pressevertretern als Informationsvermittler im Gerichtssaal als zur Herstellung der Bereichsöffentlichkeit geeignet ansieht) durch ein allgemein zugängliches, elektronisches Informationsverbreitungssystem, so dass jeder interessierte Marktteilnehmer die gleiche Chance hat, sich informieren zu können.
60
Eignung zur erheblichen Preisbeeinflussung liegt vor, wenn es aus Sicht eines verständigen Anlegers, der “ex ante“ zum Zeitpunkt seines Handelns alle verfügbaren Informationen kennt, wahrscheinlich erscheint, dass es zu einer erheblichen Preisbeeinflussung kommen kann, d. h. er die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (§ 13 I 2 WpHG). Es muss sich aus Sicht eines solchen Anlegers wirtschaftlich betrachtet nennenswert lohnen, dem Kauf- oder Verkaufanreiz zu folgen (so schon Dreyling/Schäfer, Rn. 79 u. 81 „Theorie vom Handlungsanreiz“; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449 (455); LG Stuttgart EWiR 2003, 85 (86)).
61
Mehrstufige Entscheidungsprozesse: Bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen (kritisch Messerschmidt, BB 2004, 2538 wegen einer möglichen Schwächung des Aufsichtsrats; Möllers, WM 2005, 1393; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (737)); OLG Stuttgart WM 2007, 595 (598 f.) = NZG 2007, 352, dazu kritisch Fleischer, NZG 2007, 401 (403); BGH WM 2008, 641; zu Aktienplatzierungen Parmentier, NZG 2007, 407 (411 f.)), die regelmäßig bis zur endgültigen Entscheidung scheitern können, ist nach Ansicht der BaFin die Frage, ob es sich um eine konkrete Information handelt, bei jeder einzelnen Zwischenstufe zu prüfen (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 19 f.; CESR 06/562 Rn. 1.6). Jede einzelne Zwischenstufe ist potenziell publizitätspflichtig i. S. v. § 15 WpHG, es sei denn, eine Selbstbefreiung nach § 15 III WpHG kommt in Betracht (h. M.: Möllers, WM 2005, 1393 (1395); a.A., kritisch zur h.M., der „Notlösung“ des § 15 III WpHG für Bieter im Vorfeld geplanter Übernahmen und für eine extensive Auslegung des § 10 VI WpÜG unter Verdrängung von § 15 WpHG Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (407)). Hat z. B. die A AG die feste Absicht, die B AG zu übernehmen, ist bereits diese
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1531
Absicht eine konkrete Information. Ob die Übernahme auch gelingt, ist nicht erheblich. Auf einer zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob der Entscheidungsprozess schon soweit vorangeschritten ist, dass dem Umstand die Eignung zur erheblichen Preisbeeinflussung zukommt. Die Eignungsprüfung erfolgt immer durch eine Gesamtschau aller bisherigen Entscheidungsstufen vom Standpunkt eines verständigen Anlegers (zu Problemen der hinreichenden Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 13 I 3 WpHG bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen und Befugnis zur Letztkonkretisierung des EuGH Fleischer, NZG 2007, 401 (404 f.), der entgegen der h. M., die auf die Eintrittswahrscheinlichkeit abstellt, zusätzlich die Berücksichtigung der zu erwartenden Auswirkungen beim Emittenten fordert; CESR 06/562; zum Streitstand, „Endgültigkeitsthese“ und „Wahrscheinlichkeitsthese“ Schwark-Zimmer, § 15 Rn. 79 ff. (95), der für kognitiv gestreckte Sachverhalte die Auswirkung auf die wirtschaftliche Situation berücksichtigt sehen will). Fleischer, a.a.O., fordert eine stärkere ökonomische Betrachtung. Der BaFin-Ansatz einer „Gesamtschau“ entspricht dem nur tendenziell, da die BaFin damit eine gesamte Schau aller Entscheidungsstufen, deren Zunahme die Eintrittswahrscheinlichkeit vergrößern kann, meint. Andererseits lohnt es sich für einen verständigen Anleger nur dann, wenn ihm die ökonomischen Auswirkungen beim Emittenten, die die mögliche Preisbeeinflussung (mit-)erzeugen, reizvoll genug erscheinen. So oder so müssen die zu erwartenden (wirtschaftlichen) Auswirkungen beim Emittenten berücksichtigt werden. Die Sicht von Fleischer, der die hinreichende Wahrscheinlichkeit als bewegliche Größe auffasst, deren Anforderungen mit der Bedeutung der zu veröffentlichenden Information variieren (NZG 2007, 401 (405 f.)), hat einiges für sich (Klöhn, LMK 2008, 260596). Emittenten kann ungeachtet dessen nur empfohlenen werden, bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen (= gestreckten Sachverhalten) frühzeitig von der Selbstbefreiungsmöglichkeit nach § 15 III WpHG Gebrauch zu machen (Widder, BB 2008, 855). III. § 14 WpHG – Verbot von Insidergeschäften. Nach § 14 I WpHG ist es einem Insider verboten, 1. unter Verwendung einer Insiderinformation Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern, 2. einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen oder 3. einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veränderung von Insiderpapieren zu empfehlen oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten. § 14 II WpHG bestimmt deklaratorisch, dass der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten in keinem Fall gegen § 14 I WpHG verstößt, soweit diese in Übereinstimmung mit Artt. 4-6 der VO (EG) Nr. 2273/2003 v. 22.12.2003 (ABl. EU Nr. L 336/33) erfolgen. Für Finanzinstrumente, die in den Freiverkehr oder in den regulierten Markt einbezogen sind, gilt die VO (EG) Nr. 2273/2003 entsprechend (Kuthe, ZIP 2004, 883 (884); zu Safe-Harbour Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302).
62
1. Verwendungsverbot. Mit dem Verwendungsverbot (§ 14 I Nr. 1 WpHG) hat der Gesetzgeber des AnSVG das frühere subjektive Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ bewusst fallen gelassen, um Strafbarkeitslücken aufgrund von Beweisschwierigkeiten in Bezug auf die Absicht eines Insiders, sich durch Insiderwissen einen Sondervorteil zu verschaffen, zu schließen (Cahn, Der Konzern 2005, 7 (9)). Verwenden bedeutet, dass der Täter, um den Tatbestand zu erfüllen, die Information in sein Handeln miteinfließen lassen muss. Die Kenntnis der Insidertatsache muss ursächlich für die Vornahme des Geschäfts sein. Die reine Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in gleicher Weise auch ohne Kenntnis der Insiderinformation erfolgt wäre, reicht nicht aus (Cahn, Der Konzern 2005, 7 (8); Bürgers, BKR 2004, 424 (425)). Verwenden bedeutet also auch nicht, dass allein schon die Vornahme eines Geschäfts in Kenntnis einer Insiderinformation für § 14 I Nr. 1
63
Frisch
1532
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
WpHG ausreicht. Voraussetzung ist, dass die Transaktion ohne das Insiderwissen nicht vorgenommen worden wäre (zutreffend Cahn, Der Konzern 2005, 7 (9); zum früheren Tatbestandmerkmal des „Ausnutzens“ bei Geschäften zur künstlichen Kursstützung ebenso EuGH WM 2007, 1603 Rn. 44), die Transaktion also auf dem Insiderwissen und nicht auf anderen Gründen beruht. Die gegenteilige Ansicht ist mit Erw. 19 MAD und dem Anliegen, das Vor-, Mit- oder Gegenlaufen (auch als Front- oder Parallelrunning bezeichnet) zum Nachteil der Kunden zu untersagen, nicht vereinbar. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen wäre zudem ansonsten auch leicht handlungsunfähig, sieht man einmal von den „Chinese Walls“ ab, die ohnehin im Regelfall den innerbetrieblichen Informationsfluss einschränken bzw. verhindern. Auch selbst geschaffene Umstände, d. h. eigene Pläne, Vorhaben und Kaufentschlüsse, stellen nach Gesetzeslage dann kein Insiderdelikt dar, wenn sie ihr Urheber selbst nutzt (nach Sethe, ZBB 2006, 243 (247) fehlt es an einer Insiderinformation; ebenso Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346 (354); so auch BGH ZIP 2003, 2354 = NJW 2004, 302 (303) mangels Drittbezug, aber ggf. § 20a WpHG „Scalping“, dazu Lenenbach, ZIP 2003, 243; anders Cahn, Der Konzern 2005, 7 (9), der nur die Ursächlichkeit entfallen sieht; a.A. Assmann/Schneider-Assmann, § 14 Rn. 31, der eine Insiderinformation annimmt). Nur das Wissen um Aufträge über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten anderer Personen stellt eine Insiderinformation dar (Sethe, ZBB 2006, 243 (248); so wohl auch EuGH WM 2007, 1603 Rn. 44). Das Insiderhandelsverbot ist nicht auf börsliche Transaktionen beschränkt. Insiderinformationen können auch im Zusammenhang mit außerbörslichen, Insiderpapiere betreffenden Geschäften (sog. Face-to-face-Geschäften) unter Verstoß gegen § 14 I Nr. 1 WpHG verwandt werden (Assmann/Schneider-Assmann, § 14 Rn. 42), es sei denn beide Seiten kennen die Insiderformation (a.A. Grothaus, ZBB 2005, 62 (63)). Der außerbörsliche Pakethandel ist damit grundsätzlich vom Insiderhandelsverbot umfasst. 64
2. Weitergabeverbot. Das Weitergabeverbot des § 14 I Nr. 2 WpHG wurde durch das AnSVG verschärft (Sethe, ZBB 2006, 243). Ein Mitteilen i.S.d. § 14 I Nr. 2 WpHG liegt vor, wenn der Täter – schriftlich, mündlich, ausdrücklich oder konkludent – eine Insiderinformation willentlich an einen Dritten unbefugt weitergibt, sei es direkt oder über eine zwischengeschaltete Person (z. B. einen ahnungslosen Boten). Eine „unmittelbare“ Weitergabe ist nicht erforderlich (so aber BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 31). Richtlinienkonform ist bereits das Mitteilen an eine unbestimmte Zahl von Personen, d. h. nicht nur an eine einzelne Person, erfasst (Sethe, ZBB 2006, 243 (247)). Im Sinne der oben vertretenen Auffassung ist auch die Weitergabe des Wissens um eigene Entschlüsse von vornherein straflos. Erst wenn diese Information an einen Dritten weitergegeben wird und dieser sie verwendet oder selbst weitergibt, liegt strafbares Verhalten vor (Sethe, ZBB 2006, 243 (248); a.A. Cahn, Der Konzern 2005, 7 (9)). Die Weitergabe von Insiderinformationen an den Erwerber eines Aktienpakets wird überwiegend als zulässig angesehen. Gleiches muss für die Veräußerung des gesamten Unternehmens (Due Diligence) gelten (Rittmeister, NZG 2004, 1032); Hammen, WM 2004, 1753 (1760)).
65
Die Auslegung des Merkmals „unbefugt“ (nach h. M. tatbestandsbeschränkendes Merkmal; Sethe, ZBB 2006, 243 (249)) ist umstritten. Nach der zutreffenden h. M., die Art. 3 a) MAD richtlinienkonform beachtet, ist eine Weitergabe bereits dann befugt, wenn sie mit Blick auf die Aufgabenstellung aus vernünftigen Gründen erfolgt (Sethe, ZBB 2006, 243 (250); BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 31; a.A. wohl unter Bezug auf § 15 WpHG Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249 (2252)). Neu muss die Information für den Dritten nicht sein, er muss auch nicht erkennen, dass es sich um eine Insiderinformation handelt. Das Merkmal „unbefugt“ i.S.v. Art. 3 a) MAD ist jedoch nach Auffassung des EuGH (Urt. v. 22.11.2005 – Rs. C-384/02, ZIP 2006, 123 – „Grongaard und Bang“)
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1533
restriktiv auszulegen, es muss ein enger Zusammenhang zwischen der Weitergabe der Information und den beruflichen Aufgaben bestehen, deretwegen die Weitergabe erfolgt. Die Weitergabe muss zudem für die Erfüllung der Aufgabe unerlässlich sein. Es reicht also nicht aus, dass die Weitergabe nur zweckmäßig ist. Auch ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das EuGH-Urteil v. 22.11.2005 stellt eine deutliche Verschärfung dar. Die Geschäftsführung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist verpflichtet, Insiderhandel ihrer Mitarbeiter zu unterbinden (§ 33 WpHG). Es trifft sie eine gesetzliche Garantenpflicht, so dass, falls keine angemessene Compliance-Organisation besteht, ein Unterlassen als Beihilfe nach §§ 13, 27 StGB zum Insiderhandel bestraft werden könnte (Sethe, ZBB 2006, 243 (257)). Natürlich ist eine Weitergabe aufgrund zwingender gesetzlicher Mitteilungs- oder Informationspflichten nicht unbefugt. Die vom EuGH ZIP 2006, 123 vorgegebenen Anforderungen sind im Rahmen einer Abwägung bei den Sachverhalten zu beachten, wo gesetzliche Mitteilungs- oder Informationspflichten einen Ermessensspielraum vorsehen. So ist die Weitergabe an einen Aktionär in der Hauptversammlung nach § 131 I AktG nur dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass gleichzeitig die Bereichsöffentlichkeit informiert ist (§ 15 I, VII WpHG; §§ 4 f. WpAIV), denn die Hauptversammlung ist keine Bereichsöffentlichkeit. Bei der innerbetrieblichen oder konzerninternen Weitergabe ist ebenfalls die EuGH-Rechtsprechung zu beachten, bloße Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus. Die Weitergabe an Unternehmensexterne (aufgrund gesetzlicher Gebote und Obliegenheiten), z. B. gegenüber Abschlussprüfern, Anwälten, Notaren, Unternehmensberatern oder an die mit der Veröffentlichung von Insiderinformationen betrauten Dienstleister nach §§ 4 f. WpAIV, oder an einen Gutachter, damit dieser seine Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen erfüllen kann, ist befugt. Die Weitergabe an Journalisten ist nur beschränkt möglich, die Weitergabe von ad-hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformationen an Journalisten ist stets unbefugt (Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109). Hingegen liegt ein Fall der befugten Weitergabe vor, wenn dem Bieter eines Wertpapiererwerbsangebots oder dem Erwerbsinteressenten eines Aktienpakets im Rahmen einer „Due-Diligence-Prüfung“ Insiderinformationen überlassen werden (Sethe, ZBB 2006, 243 (252)). Unbefugt ist es, wenn z. B. Mitarbeiter eines Unternehmens, das in unterschiedlichen Geschäftssparten tätig wird, die im eigenen Geschäftsbereich bekannt gewordenen Insidertatsachen an die Wertpapierabteilung weitergeben. Das kann zu Konflikten zwischen Kunden der verschiedenen Geschäftsbereiche bzw. Bank und Kunde führen, zu deren Vermeidung sog. „Chinese Walls“ zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen üblich sind (Assmann/Schneider-Assmann, § 14 Rn. 93).
66
3. Empfehlungs- und Verleitungsverbot. § 14 I Nr. 3 WpHG verbietet sowohl die Empfehlung als auch die Verleitung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren auf Basis von Insiderinformationen. Zum Erwerb oder zur Veräußerung verleitet, wer den Willen des anderen durch beliebige Mittel beeinflusst. Die Empfehlung ist dabei nur ein Unterfall des Verleitens. Empfehlung ist jede einseitige, rechtlich unverbindliche Erklärung, durch die jemand in der Absicht, den Willen eines anderen zu beeinflussen, ein Verhalten als für den Empfänger der Erklärung positiv darstellt und die Verwirklichung dieses Verhaltens anrät. Es reicht aus, wenn der Insider einem Dritten den Kauf oder Verkauf indirekt nahe legt. Die Insiderinformation braucht dabei nicht geoffenbart werden. Ob der Verleitete durch die Befolgung des Rats selbst Insiderhandel begeht, hängt davon ab, ob er auch eine Insiderinformation erhalten hat und sich ihrer Qualität als solcher bewusst war (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 32).
67
4. Sanktionen. Die Sanktionen ergeben sich aus §§ 38 I, IV, 39 II Nrn. 3 u. 4, IV StGB (Straftat (bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe) oder Ordnungswidrigkeit). Der Versuch des In-
68
Frisch
1534
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
sidertradings wird seit dem AnSVG auch strafrechtlich erfasst, § 38 III WpHG. Ein Berufsverbot nach § 70 StGB ist möglich. Ebenfalls die Anordnung des Verfalls von Vermögensvorteilen nach § 73 StGB. Überwiegend wird der zivilrechtliche Schutzgesetzcharakter von § 14 WpHG verneint (Assmann/Schneider-Assmann, § 14 Rn. 208), gleichwohl sind z. B. Schadensersatzansprüche aufgrund § 404 AktG, § 311 II BGB (c.i.c.) oder § 826 BGB denkbar, von §§ 37b und 37c WpHG einmal abgesehen. 69
IV. § 15 WpHG – Ad-hoc-Publizität. Das AnSVG (BGBl. 2004 I, 2630) hat auch die Adhoc-Publizität tiefgreifend umgestaltet und verschärft (Ziemons, NZG 2004, 537 (541); Simon, Der Konzern 2005, 13; Harbarth, ZIP 2005, 1898; zu § 15 WpHG a.F. und Prospekthaftung OLG Frankfurt/M., WM 2004, 1831 (1834); BaFin Allgemeinverfügung v. 13.7.2005 zu § 15 WpHG). Im Gegensatz zu § 15 I 1 WpHG a.F. verwendet § 15 I 1 WpHG n.F. den für die Regelung des Insiderhandelsverbots und der Ad-hoc-Publizität gleichermaßen verbindlichen Begriff der Finanzinstrumente (§ 2 IIb WpHG; oben Rn 18a), was eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ad-hoc-Publizität bedeutet (Assmann/Schneider-Assmann, § 15 Rn. 46). Des Weiteren basiert § 15 I 1 WpHG n.F., was den Begriff der Insiderinformation angeht, auf der nunmehr auch für § 15 WpHG maßgeblichen Begriffbestimmung des § 13 WpHG (Assmann/Schneider-Assmann, § 15 Rn. 54; oben Rn. 36 f.). Denn die Unterscheidung zwischen ehemals Insidertatsache i. S. v. § 13 I WpHG a.F. und dem engeren Begriff der ad-hoc-publizitätspflichtiger Tatsache i. S. d. § 15 WpHG a.F. wurde durch das AnSVG beseitigt (Kuthe, ZIP 2004, 883 (884)).
70
Durch Art. 1 Transparenzrichtlinie-UmsetzungsG v. 5.1.2007 („TUG“ – BGBl. 2007 I, 10) wurde § 15 WpHG ähnlich wie durch die MiFID/FRUG materiell nicht geändert. § 15 I 1 WpHG knüpft aber jetzt infolge des TUG an den Begriff des Inlandsemittenten (§ 2 VII WpHG; oben Rn. 28b) an, um Doppelmeldungen von Emittenten mit internationalem Bezug zu verhindern (Bosse, DB 2007, 39 (40)). § 15 I 1 WpHG normiert für Inlandsemittenten eine unverzügliche Veröffentlichungspflicht für Insiderinformationen nach § 13 I WpHG (oben Rn. 36 f.), die einen Emittenten von Finanzinstrumenten unmittelbar betreffen, um durch Schaffung von Transparenz die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu schützen (Schwark-Zimmer, § 15 Rn. 8; Assmann-Schneider-Assmann, § 15 Rn. 27 u. 55; Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1635)). Der Schutz der Anleger erfolgt nicht individuell i.S.v. § 823 II BGB, sondern nur als Reflex. § 15 WpHG ist auf den Terminmarkt, bzw. den Warenterminmarkt an der European Energy Exchange (EEX) anwendbar. Grundsätzlich auch analog auf den Energie-Spotmarkt (auch Kassamarkt), wobei hier noch legislativer Bedarf besteht (Ensthaler/Bock/Strübbe, BB 2006, 733 ff.).
71
1. Ad-hoc-Mitteilung. Nach § 15 I 1 WpHG muss ein Inlandsemittent (§ 2 VII WpHG; Bosse, DB 2007, 39 (40)) von Finanzinstrumenten (§ 2 IIb WpHG) Insiderinformationen (§ 13 I WpHG) unverzüglich (ohne schuldhaftes Verzögern nach § 121 I 1 BGB, aber angemessene Prüfungszeit) veröffentlichen; er hat sie zudem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister i.S.d. § 8b HGB (Liebscher/ Scharff, NJW 2006, 3745 (3746)) zur Speicherung zu übermitteln. Inlandsemittenten sind im Wesentlichen Emittenten mit Herkunftsstaat Bundesrepublik Deutschland, jedoch sind die Spezifika von § 2 VII WpHG zu beachten. Unter den Anwendungsbereich fallen daher alle in den Segmenten „Amtlicher Markt“ und „Regulierter Markt“ gehandelten Werte, dies unabhängig davon, in welchem Transparenz-Level (General Standard oder Prime Standard) sie notieren und welchem Auswahl-Index sie angehören. Nur Freiverkehrswerte (auch aus dem Teilbereich „Entry Standard“) fallen wie bisher nicht unter den Begriff des Inlandsemittenten (Bosse, DB 2007, 39 (40)). Nach § 15 I 2 WpHG gilt
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1535
als Inlandsemittent auch ein solcher, für dessen Finanzinstrumente erst ein Antrag auf Zulassung gestellt wurde. Form, Aufbau und Inhalt der Ad-hoc-Mitteilung (Veröffentlichung) richten sich im Wesentlichen nach der WpAIV, die die Modalitäten der Veröffentlichung und andere praxisrelevante Sachverhalte regelt (§ 15 VII Nr. 1 i.V.m. § 6 f. WpAIV; Kuthe, ZIP 2004, 883 (884); dazu BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 56 ff.; Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1904 ff.) zur Ad-hoc-Publizität beim Unternehmenskauf; Möllers, NZG 2005, 459 zum Wechsel von Organmitgliedern). Unmittelbare Betroffenheit des Emittenten: Das Erfordernis der Unmittelbarkeit i.S.d. § 15 I 3 WpHG dient der Eingrenzung. Der Emittent ist nicht verpflichtet, allgemeine Informationen zu publizieren. Die Information muss unmittelbar ihn selbst oder die von ihm emittierten Finanzinstrumente betreffen (Simon, Der Konzern 2005, 13 (15)); Bürgers, BKR 2004, 424 (426)). Eine Insiderinformation betrifft den Emittenten insbesondere dann unmittelbar, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind, § 15 I 3 WpHG. Dabei ist es im Gegensatz zum alten Recht unerheblich, ob der Insiderinformation unternehmensinterne oder unternehmensexterne Umstände zu Grunde liegen (Simon, Der Konzern 2005, 13 (15)). CESR/02-89d, Rn. 36, und die BaFin haben beispielhafte Insiderinformationen genannt, die den Emittenten nur mittelbar betreffen (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 41 f.), z. B. allgemeine Marktstatistiken, zukünftig zu veröffentlichende Ratingergebnisse, Research-Studien, Empfehlungen oder Vorschläge, die den Wert der börsennotierten Finanzinstrumente betreffen. Jedoch können auch mittelbare Insiderinformationen das Verbot des § 14 WpHG auslösen, mag dann auch keine Veröffentlichungspflicht nach § 15 I 1 WpHG bestehen. Auf S. 43 f. des BaFin Leitfadens werden etliche Beispiele zur unmittelbaren Betroffenheit angeführt, z. B. Veräußerung von Kerngeschäftsfeldern, Rückzug aus oder Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern, Verschmelzungsverträge, Eingliederungen, Ausgliederungen, Umwandlungen, Spaltungen sowie andere wesentliche Strukturmaßnahmen, Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge, Erwerb oder Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen, Übernahme- (§§ 29 ff. WpÜG) und Abfindungs-/Kaufangebote, aber auch z. B. bevorstehende Zahlungseinstellung/Überschuldung, Verlust nach § 92 AktG/kurzfristige Kündigung wesentlicher Kreditlinien, Verdacht auf Bilanzmanipulation, Ankündigung der Verweigerung des Jahresabschlusstestats durch den Wirtschaftsprüfer, erhebliche außerordentliche Aufwendungen (z. B. nach Großschäden oder Aufdeckung krimineller Machenschaften), maßgebliche Produkthaftungs- oder Umweltschadensfälle, Ausfall wesentlicher Schuldner oder Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung etc.
72
Die Ad-hoc-Publizitätspflicht aus § 15 WpHG kommt nur insoweit als unmittelbarer Rechtfertigungsgrund für geschäftsschädigende Äußerungen gegenüber Dritten in Betracht, wie die Veröffentlichungspflicht im konkreten Einzelfall tatsächlich reicht, wobei die gemäß § 15 WpHG verpflichtend veröffentlichte Information ein zusätzliches Informationsbedürfnis (z. B. Pressemitteilung oder Pressekonferenz) auslösen kann, dessen Befriedigung mittelbar an der Rechtfertigungswirkung teilhaben kann (Bitter, WM 2007, 1953 (1958)).
73
Ferner sind neben dem Emittenten Personen (z. B. externe Berater), die im Auftrag (nicht so eng wie §§ 662, 675 BGB zu verstehen) oder auf Rechnung des Emittenten (z. B. §§ 32 III, 33 II Nr. 2 AktG (Strohmanngründung); §§ 71a II, 71d AktG (Umgehung des Verbots des Rückerwerbs eigener Aktien); §§ 89 III, 115 II AktG (Kreditgewährung an Organmitglieder)) handeln, und im Rahmen ihrer Befugnis (wie § 14 I Nr. 2 WpHG) einem anderen auch nur mittelbare Insiderinformationen mitteilen oder zugänglich machen, verpflichtet, diese gleichzeitig zu veröffentlichen und ebenfalls nach § 8b HGB zur
74
Frisch
1536
75
76
77
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Speicherung zu übermitteln, § 15 I 4, 5 WpHG (Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249; Leuering, NZG 2005, 12; Widder/Gallert, NZG 2006, 451), es sei denn, der andere ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet (z. B. aus Satzung, Vertrag, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften; dazu Leuering, NZG 2005, 12 (15 f.)). Damit die Marktteilnehmer ein klares Bild zu neu eingetretenen Umständen erhalten, müssen genannte Kennzahlen („Ergebnis vor Zinsen und Steuern“, „Jahresüberschuss“ etc.) im Geschäftsverkehr üblich sein und einen Vergleich mit den zuletzt genutzten Kennzahlen ermöglichen, § 15 I 6 WpHG (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 48 f.). 2. Sonstige Angaben. Nach § 15 II 1 WpHG dürfen sonstige Angaben, die die Voraussetzungen von § 15 I WpHG nicht erfüllen, auch nicht mit zusammen mit veröffentlichungspflichtigen Informationen i.S.d. § 15 I WpHG veröffentlicht werden, so das Hans. OLG Hamburg ZIP 2006, 1921 = WM 2006, 2353 zu einer Mitteilung nach § 15 WpHG, die eine Wettbewerbshandlung i.S.v. § 3 UWG und eine Werbung i.S.v. § 5 UWG darstellen kann, wenn sie nicht vollends den Tatsachen entspricht und irreführend ist. Ad-hocMitteilungen sind kein Werbungs- oder Marketinginstrument, eventuell besteht dann ein Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 5 I, 8 I, III Nr. 1 UWG (Hans. OLG Hamburg WM 2006, 2353). Unwahre Informationen sind unverzüglich zu berichtigen, § 15 II 2 WpHG i.V.m. § 4 III WpAIV. § 15 IV und V WpHG regeln weitere Einzelheiten zur Art und Weise der Veröffentlichung. Der Emittent hat der Geschäftsführung der Börsen, an denen die Wertpapiere zugelassen sind oder darauf bezogene Derivate gehandelt werden, und der BaFin die Insiderinformation 30 Minuten vor ihrer Veröffentlichung vorab mitzuteilen, § 15 IV 1 WpHG (Veith, NZG 2005, 254 (258 f.); BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 61). 3. Mehrstufige Entscheidungsprozesse. Bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen (siehe oben Rn. 61; OLG Stuttgart NZG 2007, 352 = BB 2007, 565 m. Anm. Widder; Möllers/Weichert, EWiR 2007, 285; BGH WM 2008, 641 „DaimlerChrysler AG“), die regelmäßig bis zur endgültigen Entscheidung scheitern können, ist nach Ansicht der BaFin die Frage, ob es sich um eine konkrete Information handelt, bei jeder einzelnen Zwischenstufe zu prüfen (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 19 f.; CESR 06/562 Rn. 1.6). Jede einzelne Zwischenstufe ist potenziell publizitätspflichtig i. S. v. § 15 WpHG, es sei denn, eine Selbstbefreiung nach § 15 III WpHG kommt in Betracht (h. M.: Möllers, WM 2005, 1393 (1395)), um die berechtigten Interessen des Emittenten zu schützen. 4. Befreiungsregelung. Nach § 15 III WpHG (Cahn/Götz, AG 2007, 221 (222 ff.); Uwe H.Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53; Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1903); Möllers, WM 2005, 1393; Veith, NZG 2005, 254; Ziemons, NZG 2004, 537 (542); kritisch zur „Notlösung“ des § 15 III WpHG Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (407)) kann der Inlandsemittent den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformationen eigenverantwortlich vornehmen. Es gibt also wie vordem keinen Antrag auf Befreiung mehr, der von der BaFin positiv zu bescheiden wäre. Damit entfällt für die Emittenten ein Stück (Rechts-)Sicherheit, zusätzliche Risiken entstehen. Denn der Emittent muss eigenverantwortlich eine Abwägung vornehmen und entscheiden, ob der Schutz seiner berechtigten Interessen das Interesse des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichtung überwiegt, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und er die Vertraulichkeit der Information gewährleisten kann, § 15 III 1 WpHG. Eine Berücksichtigung von (individuellen) Drittinteressen (z. B. des Verhandlungspartners) kommt (so Bitter, WM 2007, 1953 (1959); BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 55) nur dann in Betracht, wenn deren Verletzung sich zugleich auch als Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Emittenten darstellt.
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1537
Da die Selbstbefreiung nach § 15 III 1 WpHG die Einhaltung des Befreiungsverfahrens verlangt und ein Verstoß nach § 15 VI WpHG Schadensersatzansprüche zumindest nach §§ 37b WpHG – hingegen nicht nach § 37c WpHG – nach sich ziehen kann, stellt sich die Frage, ob ein Emittent oder auch z. B. ein Bieter im Rahmen im Vorfeld öffentlicher Übernahmen Schadensersatzansprüchen des Anlegerpublikums ausgesetzt sein kann, wenn ihm ein Fehler unterläuft (Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (408)). Hier wird man unterscheiden müssen. Unterlässt der Emittent z. B. die Mitteilung an die BaFin nach § 15 III 4 WpHG i.V.m. § 8 V WpAIV, beeinträchtigt das die Wirksamkeit der Befreiung nach § 15 III 1 WpHG nicht. Schadensersatzansprüche gemäß § 37b WpHG kommen dann ohnehin nicht in Betracht, da § 37b WpHG nur an die Nichtveröffentlichung der Insiderinformation selbst, nicht aber an das Unterlassen der Mitteilung der Gründe nach § 15 III 4 WpHG anknüpft (Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1908)). Allerdings könnte eine Ordnungswidrigkeit (§ 39 IV WpHG – Geldbuße bis zu € 200.000) in Betracht kommen. Im Übrigen wird aber auch nach den Grundsätzen rechtmäßigen Alternativverhaltens im Rahmen von § 37b WpHG ein Haftungsausschluss in Betracht kommen (Fleischer, BB 2002, 1869 (1870); Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (408)), wenn eine Selbstbefreiung möglich gewesen wäre, die zu einer ordnungsgemäßen Selbstbefreiung nach § 15 III 1 WpHG geführt hätte.
78
Nur solange, wie diese Voraussetzungen vorliegen, gilt die Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung nach § 15 I 1 WpHG. Ansonsten ist die Veröffentlichung unverzüglich nachzuholen, § 15 III 2 WpHG. § 15 IV WpHG gilt entsprechend, § 15 III 3 WpHG, so dass der Emittent die zu veröffentlichte Information vor der Veröffentlichung auch der BaFin mitzuteilen hat. Nach § 15 III 4 WpHG hat der Emittent der BaFin die Gründe für die Befreiung zusammen mit der (Vorab-)Mitteilung nach § 15 IV 1 WpHG unter Angabe des Zeitpunkts über den Aufschub der Veröffentlichung mitzuteilen (§ 8 V WpAIV und IV.5.2.3. des BaFin Emittentenleitfadens). Der gesamte Prozess muss ausreichend dokumentiert sein (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 54).
79
5. Schadensersatz nach §§ 37b, 37c WpHG i.V.m. § 15 VI 1 WpHG. Zum 1.7.2002 wurde § 15 Abs. 6 WpHG geändert, aber durch das AnSVG unberührt gelassen. § 15 WpHG ist nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. zum 2. FFG BT-Drucks. 12/7918, 102; zum 4. FFG BT-Drucks. 14/8017, 15), der von Anlegerschützern heftig kritisiert wurde, daher weiterhin kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB (zu § 15 WpHG a. F. BGHZ 160, 134 = WM 2004, 1731 – Infomatec I; BGHZ 160, 149 = WM 2004, 1726 = DB 2004, 1931 – Infomatec II; BGH NJW 2004, 2668 – Infomatec III; Fleischer, DB 2004, 2031 (2032); Bestandsaufnahme drei Jahre nach „Infomatec“ Unzicker, WM 2007, 1596; zu § 15 WpHG n. F. Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1635)). Das verdeutlicht § 15 VI 1 WpHG deklaratorisch. Die Schutzgesetzeigenschaft von § 15 I 1 WpHG hätte es Anlegern sehr viel einfacher gemacht, Schadensersatzansprüche durchzusetzen (richtig Assmann/Schneider-Assmann, § 14 Rn. 210), weshalb die Diskussion darüber Sprengkraft besaß. Mit den §§ 37b, 37c WpHG stehen Anlegern jetzt selbstständige Haftungsnormen zur Verfügung (Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857; Rössner/Bolkart, ZIP 2002, 1471; Braun/Rotter, BKR 2003, 918; Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1635); OLG Stuttgart, NZG 2007, 352), die teilweise immer noch nicht als ausreichend angesehen werden. Siehe hierzu unten unter Rn. 161. Die Krise am Neuen Markt, eine Folge menschlicher Hybris (Bak/Bigus, ZBB 2006, 430), führte nicht nur zu vergeblichen Reanimationswünschen (vgl. Claussen, BB 2002, 105 – „Blasenbildung als emotionaler Vorgang“), sondern zu häufig erfolglosen Schadensersatzklagen wegen falscher Ad-hoc Mitteilungen. Der Nachweis der Kausalität bei § 826 BGB bereitet erhebliche Schwierigkeiten (Groß, WM 2002, 477; Möllers/Leisch, BKR 2001, 78; OLG München EWiR 2003, 87 m. Anm. Tilp;
80
Frisch
1538
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
OLG München ZIP 2002, 1989 m. Anm. Möllers/Leisch, ZIP 2002, 1727 m. Anm. Tilp; LG Augsburg ZIP 2001, 1881; LG München I ZIP 2001, 1814; AG München WM 2002, 594; BGH ZIP 2005, 1270 (1274) – „EM.TV“; BGH ZIP 2007, 681 – „ComROAD I“; BGH ZIP 2007, 680 – „ComROAD II“; BGH ZIP 2007, 326 „ComROAD III“; BGH ZIP 2007, 1560 = WM 2007, 1557 – „ComROAD IV“; BGH ZIP 2007, 1564 = WM 2007, 1560 – „ComROAD V“; BGH ZIP 2008, 829 ComROAD VIII“). Insgesamt lassen ohnehin gerade einmal 10 % aller Ad-hoc-Meldungen im Nachhinein betrachtet tatsächlich eine Kursreaktion erkennen (K. Sauer, ZBB 2005, 24 (32)). Nach § 15 VI 1 WpHG a. F. war § 15 I 1 WpHG kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB (BVerfG ZIP 2002, 1986). Andere Anspruchsgrundlagen (§ 823 II BGB i. V. m. § 263 I, § 264a I StGB, § 20 I 1 WpHG, § 400 I Nr. 1 AktG, § 4 UWG, § 826 BGB) scheiterten häufig (Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063 (1071); Kiethe, WM 2007, 722 mit umfassenden Nachweisen zur Rechtsprechung). Der Gesetzgeber hatte für den Anlegerschutz zu wenig getan. § 15 VI 1 WpHG bestimmt, dass der Emittent, der gegen die Verpflichtung nach § 15 I bis IV verstößt, einem anderen unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c WpHG zu Schadensersatz verpflichtet ist. Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen (z. B. §§ 263, 264a StGB, § 826 BGB) beruhen, bleiben unberührt, § 15 VI 2 WpHG. 81
6. Sanktionen. Nach § 39 II Nr. 5 a) WpHG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 15 I 1, 3 oder 4 WpHG i.V.m. RVO (§ 15 VII 1 Nr. 1 WpHG) eine Ad-hoc-Veröffentlichung nicht korrekt vornimmt. Die Geldbuße für Vorstandsmitglieder kann € 1 Mio. erreichen (§ 39 IV WpHG; § 130 OWiG). Nach § 30 OWiG kann auch das Unternehmen belangt werden. Wer gegen Pflichten aus § 15 III 4 oder IV 1 WpHG i.V.m. RVO (§ 15 VII 1 Nr. 1 WpHG) verstößt, muss mit einer Geldbuße bis zu € 200.000 rechnen (§ 39 IV WpHG). Wer entgegen § 15 V 1 WpHG eine Veröffentlichung vornimmt, muss mit bis zu € 1 Mio. rechnen (§ 39 II Nr. 6, IV WpHG). § 15 V 2 WpHG wird mit bis zu € 50.000 geahndet (§ 39 II, Nr. 7, IV WpHG).
82
V. § 15a WpHG – Mitteilung von Geschäften, Veröffentlichung und Übermittlung an das Unternehmensregister. Mit 15a WpHG (BaFin Allgemeinverfügung v. 13.7.2005 zu § 15a WpHG) wurde eine Regelung geschaffen, die mit sec. 16 (a) des US-amerikanischen Securities Exchange Act 1934 vergleichbar ist. § 15a WpHG verfolgt vier Teilziele, unter anderem das Ziel, Insidergeschäfte von Führungskräften präventiv zu bekämpfen (Fleischer, NJW 2002, 2977 (2978)). Neben dieser Vorbeugungsfunktion kommt § 15a WpHG eine Indikatorfunktion zu. Den Investoren sollen Hinweise gegeben werden, wie die Organmitglieder die Zukunft der Kursentwicklung einschätzen (Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817). § 15a WpHG wurde mehrfach umgestaltet, z. B. durch das AnSVG (BGBl. I 2004, 2630; Pluskat, BKR 2004, 467; Erkens, Der Konzern 2005, 29; Wastl, NZG 2005, 17 (22)) und das Artikelgesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts vom 22.5.2005 (BGBl. I 2005, 1373; Escher-Weingart/Hannich, NZG 2005, 922), aber auch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz („TUG“ – BGBl. I 2007, 10; HagenEck/Wirsch, DB 2007, 504). Letztlich auch klarstellend § 15a Nr. 2 WpHG durch das FRUG (BT-Drucks. 16/4028, 63) im Hinblick auf Art. 6 I RL 2004/72/EG v. 29.4.2004, wonach Meldungen an die BaFin nur dann zu erfolgen haben, wenn ein Inlandsbezug gegeben ist oder im EU- oder EWR-Raum kein Sitz besteht, Deutschland aber der Herkunftsstaat i.S.d. WpPG ist. Das entspricht bereits der Praxis der BaFin.
83
1. Mitteilungspflichtige Personen. In personeller Hinsicht richtet sich die schriftlich zu erledigende Mitteilungspflicht gegenüber dem Emittenten und der BaFin (Melde-Formular unter www.bafin.de; Inhalt gemäß § 10 WpAIV) innerhalb von fünf Werktagen nach § 15a I 1 WpHG, die in der Literatur unter dem angelsächsischen Begriff „directors’ dealings“ diskutiert wird (Fleischer, NJW 2002, 2977 (2978); ders., ZIP 2002, 1217;
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1539
Letzel, BKR 2002, 862; Possega, BKR 2002, 697), an Personen mit Führungsaufgaben (§ 15 II WpHG). D. h. an Mitglieder des Leitungs- (z. B. Vorstand), Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans, persönlich haftende Gesellschafter und sonstige Führungspersonen (z. B. Generalbevollmächtigte oder Mitglieder des sog. erweiterten Vorstands; BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 69 f.) von Emittenten, die gemäß § 15a I 3 Nrn. 1, 2 WpHG zugelassen sind. Die Antragstellung oder öffentliche Ankündigung der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt reicht aus, § 15 I 4 WpHG. Es besteht jedoch eine Bagatellgrenze von € 5.000 Gesamtsumme pro Kalenderjahr, § 15a I 5 WpHG. Die Pflicht nach § 15a I 1 WpHG obliegt auch Personen (§ 15 III WpHG), die mit einer solchen Person in einer engen Beziehung stehen, d. h. (auch getrennt lebende, noch nicht geschiedene) Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder (§§ 1601 ff. BGB) oder Verwandte i.S.d. § 1589 BGB, mit denen die Person zum Zeitpunkt des Abschlusses des meldepflichtigen Geschäfts seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt lebt. Neu ist die Mitteilungspflicht von juristischen Personen, treuhänderisch tätigen Einrichtungen (z. B. Stiftungen) und Personengesellschaften (auch GbR), § 15a III 3 WpHG (aber es gibt sinnvolle Einschränkungen: BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 72). Zu § 15a WpHG a. F. hatte das VG Frankfurt/M., ZIP 2004, 1417 = WM 2004, 1923 (dazu Lenenbach, EWiR 2005, 235) entschieden, dass der Emittent eines Wertpapiers (jetzt: Finanzinstrument) den Namen des Mitteilungspflichtigen (ggf. auch von Ehefrau und Tochter) mitzuveröffentlichen hat. Für den Lauf der Meldefrist von fünf Werktagen ist allein der Zeitpunkt des schuldrechtlichen Geschäfts entscheidend (h. M.: Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504 (507)). Ein Inlandsemittent muss zudem selbst gemäß § 15a IV WpHG veröffentlichen, zusätzlich die Informationen an das Unternehmensregister nach § 8b HGB zur Speicherung übermitteln (Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504 (508)). Die Veröffentlichung auf der eigenen Homepage oder Website (§ 13 WpAIV a. F.) ist nicht mehr vorgesehen, es gelten die erhöhten Anforderungen nach §§ 3a und 3b WpAIV (aktive europaweite Veröffentlichung im EU- und EWR-Raum sowie Nutzen eines Bündels unterschiedlicher Medienarten (sog. Medienbündel; BTDrucks. 16/2498, 49 (Reuters, Bloomberg, vwd, dpa-Afx etc.)), wobei die Homepage aber eines der gem. § 3a I WPAIV zu verwendenden Medien sein kann. 2. Erfasste Finanzinstrumente und Geschäftsarten. Mitteilungspflichtig sind Aktien des Emittenten, aber auch Finanzinstrumente, die sich auf die Aktien des Emittenten beziehen, insbesondere Derivate. Erfasste Geschäftsarten sind alle rechtsgeschäftlichen Verfügungen, wobei der Erwerb auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil nicht erfasst wird, die Veräußerung hingegen schon. Nicht erfasst werden auch Schenkungen oder Erbschaften oder die reine Verpfändung ohne Eigentumsübertragung. Streitig ist, ob § 15a WpHG auch Geschäfte des autonom handelnden, nur auf Rechnung des Vorstandsmitglieds tätig werdenden Vermögensverwalters erfasst, es sich hierbei um eigene Geschäfte handelt (im Regelfall ja: BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 84; gegen eine extensive Auslegung und a. A. Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504 (508); vgl. aber Erkens, Der Konzern 2005, 29 (35), noch zum BaFin-Rundschreiben v. 5.9.2004, wonach lediglich im Falle der Vollrechtstreuhand keine Mitteilungspflicht gegeben war). Natürlich ist nicht der Vermögensverwalter, sondern die Führungsperson meldepflichtig. Unter Präventionsgesichtspunkten ist die BaFin-Auffassung vorzugswürdig. Der BaFin Emittentenleitfaden, 81 ff., beleuchtet auch weitere problematische Einzelfälle. Veröffentlichungspflichten aus § 15a WpHG stehen neben denen nach § 15 WpHG zu Ad-hoc-Mitteilungen, sie schließen keine sonstigen Publizitätspflichten (z. B. §§ 21 ff. WpHG oder nach KWG, VAG oder InvG) aus (Erkens, Der Konzern 2005, 29 (36)).
Frisch
84
1540
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
85
3. Sanktionen bei Pflichtverletzung. Vorsätzliche oder leichtfertige Verletzungen sind bußgeldbewehrt (§§ 39 II Nr. 2 d), Nr. 5, Nr. 6, IV WpHG), bis zu € 100.000 kommen in Betracht. Das Bußgeld ist wenig abschreckend. Fraglich ist, ob Anlegern auch ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zusteht bzw. ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB vorliegt (so wohl Fleischer, NJW 2002, 2977 (2978); a.A. die h.M.; Assmann-SchneiderSethe, § 15a Rn. 115 m.w.N., der auf den konkreten Nachweis eines Kausalzusammenhangs verlangenden § 826 BGB verweist).
86
VI. § 15b WpHG – Führung von Insiderverzeichnissen. Die in § 15b WpHG (i.V.m. §§ 14, 16 WpAIV) konstituierte Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen für Emittenten nach § 15 I 1 und 2 WpHG oder in ihrem Auftrag oder ihre Rechnung handelnde Personen (nach BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 96 f., z. B. InvestorRelations-Agentur, Übersetzungsbüro, Ratingagentur, Kreditinstitute; nicht die in § 323 I 1 HGB genannten Personen, § 15 I 4 WpHG; ebenso nicht Lieferanten, Behörden, Gerichte, Polizei und StA, Tochter- oder Muttergesellschaften) soll eine erleichterte Überwachung von Insidergeschäften gewährleisten. Die BaFin kann auf diese Weise in konkreten Fällen den Kreis der Insider gezielter ermitteln (Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1952); RegBegr., BT-Drucks. 15/3174, 36; kritisch im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Steidle/Waldeck, WM 2005, 868 (873); den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anmahnend Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (28)); zu den Änderungen durch das TUG (BGBl. 2007 I, 10) Bosse, DB 2007, 39 (40)). Zur Konkretisierung, wie die Insiderverzeichnisse zu gestalten und zu führen sind, gibt § 15b II 1 WpHG i.V.m. §§ 14, 15 und 16 WpAIV Auskunft (Steidle/Waldeck, WM 2005, 868 (869); BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 100 f.). Es besteht eine unverzügliche Aktualisierungspflicht, der BaFin müssen die Verzeichnisse auf Verlangen übermittelt werden, § 15 I 2 WpHG. Die in den Verzeichnissen genannten Personen müssen – auch über die Rechtsfolgen von Verstößen – aufgeklärt werden, § 15 I 3 WpHG.
87
VII. §§ 16 bis 20 WpHG. § 16 WpHG regelt die Aufzeichnungspflichten vor Durchführung von Aufträgen mit Insiderpapieren nach § 12 WpHG, § 16a WpHG die Überwachung der Geschäfte der bei der BaFin Beschäftigten. § 16b WpHG ermöglicht es der BaFin, schriftlich von einem Unternehmen für einen bestimmten Personenkreis die Aufbewahrung von bereits existierenden Verbindungsdaten über den Fernmeldeverkehr zu verlangen, wenn für einen Verstoß gegen § 14 oder § 20a WpHG konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Art. 10 GG wird eingeschränkt, § 16b I 2 WpHG. Die Betroffenen sind nach § 101 StPO zu benachrichtigen, § 16b I 3 WpHG. §§ 17 bis 20 WpHG sind aufgehoben.
88
E. Abschnitt 4. Überwachung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation I. § 20a WpHG – Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation. § 20a WpHG ersetzte den bedeutungslosen § 88 BörsG a. F. (Fleischer, NJW 2002, 2977 (2978); Ekkenga, WM 2002, 317 (324); Möller, WM 2002, 309). Durch das AnSVG, basierend auf RL 2003/6/EG v. 28.1.2003 („MAD“ – ABl. EG Nr. L 96/16 v. 12.4.2003), präzisiert durch DRL 2003/124/EG v. 22.12.2003 (Abl. EG Nr. L 339/70 v. 24.12.2003), DRL 2004/72/ EG v. 29.4.2004 (ABl. EG Nr. L 162/70 v. 30.4.2004) und VO EG Nr. 2273/2003 v. 22.12.2003 (Abl. EG Nr. L 336/33 v. 23.12.2003)) wurde § 20a WpHG an den einheitlichen europäischen Standard angepasst. National wird § 20a WpHG aufgrund § 20a V 1 WpHG durch die Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation tatbestandlich konkretisiert (MaKonV – BGBl. I 2005, 515; Bisson/Kunz, BKR 2005, 186), die die alte Verordnung vom 18.11.2003 (KuMaKV – BGBl. I 2003, 2300; Streinz/
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1541
Ohler, WM 2004, 1309) ersetzte. Zur Auslegung sind die Empfehlungen von CESR (z. B. Level 3 – second set of CESR guidance and information CESR/06-562 v. November 2006; CESR/06-078 v. 19.6.2006; zuvor Level 3 – first set CESR/04-505b v. Mai 2005) und natürlich der Emittentenleitfaden der BaFin (Stand: 15.7.2005) heranzuziehen. Die textliche Änderung von § 20a WpHG durch die MiFID/FRUG ist marginal (BT-Drucks. 16/4028, 12). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen jedenfalls in Bezug auf § 20a WpHG nicht (Eichelberger, ZBB 2004, 296 (302)). 1. Verbotstatbestände nach § 20a I 1 WpHG. Das Verbot der Marktmanipulation wendet sich grundsätzlich an jedermann (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 87; Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1042)), d. h. Unternehmensangehörige eines Emittenten und auch etwaige externe Personen, die mit der Außendarstellung des Unternehmens betraut sind. Entscheidend für die Täterfrage ist nicht nur, wer z. B. falsche oder irreführende Informationen an die Presse gibt, sondern wer über den Inhalt und die Verteilung der Information entscheidet. Auch derjenige, der sich solche falschen oder irreführenden Angaben zu Eigen macht und für die Richtigkeit Verantwortung übernimmt, kann belangt werden. Entscheidend ist, wer die falsche oder irreführende Darstellung zu verantworten hat (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 87 f.). Erkennt eine verantwortliche Person oder eine Person, die sich Angaben zu Eigen gemacht hat, dass diese unrichtig oder irreführend sind, besteht eine Berichtigungspflicht. Im Falle einer unrichtigen oder irreführenden Ad-hoc-Meldung ist diese durch eine besondere Ad-hoc-Berichtigung zu korrigieren (§§ 15 II 2 WpHG i.V.m. 4 III WpAIV; im Falle der Aktualisierung §§ 15 I WpHG i.V.m. 4 II WpAIV).
89
a) Verbot unrichtiger oder irreführender Angaben, § 20a I 1 Nr. 1 WpHG. Es ist verboten, unrichtige oder irreführende Angaben (= nachprüfbare Gegebenheiten, auch Werturteile, Meinungsäußerungen und Einschätzungen; des Weiteren Prognosen, sofern aus einem Tatsachenkern plausibel ableitbar) über Umstände zu machen, die für die Bewertung von Finanzinstrumenten (§ 2 IIb WpHG) erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften zu verschweigen, wenn die Angaben oder das Verschweigen geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen EU- oder EWR-Staat einzuwirken (das bedeutet nicht erhebliche Preiseinwirkung i.S.v. § 13 WpHG; dazu und zur Ermittlung „ex post“ BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 92 f.). Unrichtig sind Angaben, wenn die Tatsachenbasis falsch ist oder die Angaben nicht den tatsächlichen Gegenbenheiten entsprechen. Irreführend sind Angaben, die in der Sache zwar zutreffend, aber aufgrund ihrer Darstellung geeignet sind, bei dem Informationsempfänger falsche Vorstellungen hervorzurufen (Bisson/Kunz, BKR 2005, 186 (187)). Ob dazu Bilanzen, Lageberichte, sonstige Geschäftsberichte, Ad-hocMitteilungen nach § 15 WpHG oder auch Prospekte verwendet werden, oder gar ein „Streuen“ über Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen, Internet; zu Stock-Spams Fleischer, ZBB 2008, 137) erfolgt, ist für die Verwirkung der Tatvariante unerheblich (Assmann/Schneider-Vogel, Vor § 20a Rn. 24; BGH, Urt. v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03, BGHSt 49, 381 = NJW 2005, 445 „Fall Gebrüder Haffa“ (= ehemals „EM.TV“-Verantwortliche)). Bewertungserhebliche (auch erst in Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretende) Umstände, d. h. Tatsachen und aus einem Tatsachenkern ableitbare Werturteile (u. U. auch Empfehlungen im Rahmen einer Finanzanalyse nach § 34b WpHG (Knauth/ Käsler, WM 2006, 1041 (1044)), die ein verständiger Anleger (dazu kritisch Kutzner, WM 2005, 1401 (1402), vor dem Hintergrund der Erfahrungen des „Neuen Markts“) bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigten würde (§ 2 I MaKonV) sind regelmäßig gem. § 2 II MaKonV publizitätspflichtigen Informationen (§ 15 WpHG, §§ 10, 35
90
Frisch
1542
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
WpÜG, §§ 325 ff. i.V.m. §§ 264 HGB für unternehmensintern verantwortliche Personen (Vorstand); ggf. Aufsichtsrat nach § 27 WpÜG; § 15a oder § 21 WpHG für Personen mit eigenständiger Offenlegungspflicht), des Weiteren insbesondere die in § 2 III Nr. 1 bis 6 MaKonV genannten Umstände (bedeutende Kooperationen, Liquiditätsprobleme, bedeutende Erfindungen, Rechtsstreitigkeiten und Kartellverfahren von besonderer Bedeutung etc.). Zudem können nach § 2 IV MaKonV bewertungserhebliche Umstände sein: Nr. 1 Änderungen in den Jahresabschlüssen und Zwischenberichten etc., Nr. 2 Änderungen der Auschüttungen oder Dividenden, Nr. 3 Übernahme-, Erwerbs- und Abfindungsangebote (sofern nicht schon von § 2 II MaKonV erfasst) und Nr. 4 Kapital- und Finanzierungsmaßnahmen. Die Emittenten der Staatsanleihen und ihre „primary dealers“ erfüllen den Tatbestand des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, wenn sie eine irreführende „bid to cover ratio“ veröffentlichen oder auf diese bei einer Veräußerung der Anleihen abstellen (Schmidtbleicher/Cordalis, ZBB 2007, 124 (129)). „Scalping“, die öffentliche Empfehlung eines zuvor auf eigene Rechnung gekauften Wertpapiers mit anschließend gewinnbringendem Verkauf zu einem infolge der Empfehlung gestiegenen Kurs, ist auch § 20a WpHG zuzuordnen (streitig; so BGH, Urt. v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373 = NJW 2004, 302 = NStZ 2004, 285 = StV 2004, 209 „Fall Opel“; a.A. noch LG Frankfurt/ M., NJW 2000, 562 (563) „Fall Prior“: § 14 I Nr. 1 WpHG a. F.). 91
b) Verbot irreführender Finanzgeschäfte, § 20a I 1 Nr. 2 WpHG. Mit § 20a I 1 Nr. 2 WpHG wurde durch das AnSVG eine neue Tatvariante der handelsgestützen Manipulation eingeführt (Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1044); zu § 20a I 1 Nr. 2 a. F.: AG München (Urt. v. 1.3.2007 (1123 Ls 302 Js 41599/05)). Die Tatvariante verbietet die Vornahme von Geschäften oder Erteilung von Kauf- oder Verkaufaufträgen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen. Das Verbot wird von § 3 MaKonV flankiert, der die unbestimmten Rechtsbegriffe der falschen oder irreführenden Signale und des künstlichen Preisniveaus erläutert (Anzeichen: bedeutender Anteil am Tagesgeschäftsvolumen, § 3 I Nr. 1a) MaKonV; bedeutende Kauf- oder Verkaufsposition, § 3 I Nr. 1b) MaKonV; Positionsumkehrungen bedeutender Tagesvolumina, § 3 I Nr. 1c ) MaKonV; Häufung von Geschäften, § 3 I Nr. 1d) MaKonV; Geschäfte um die Feststellung des Referenzpreises, § 3 I Nr. 1 e) MaKonV; Löschung von Aufträgen vor Ausführung, § 3 I Nr. 2 MaKonV; kein Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers, § 3 I Nr. 3 MaKonV („wash sales“, „cross trades“ oder „crossing“); Indizien: § 3 II MaKonV: Manipulation des Referenzpreises – § 3 II Nr. 1 MaKonV; abgesprochene Geschäfte, § 3 II Nr. 2 MaKonV („improper matched orders“, „pre-arranged trades“ oder „circular trading“); Unzutreffender Eindruck wirtschaftlich begründeter Umsätze, § 3 II Nr. 3 MaKonV, d. h. effektive und (eng auszulegen) fiktive Geschäfte („painting the tape“, „advancing the bid“, „pumping and dumping“ oder „circular orders“ (= Ringkäufe oder -verkäufe); Schwark-Schwark, § 20a Rn. 24 f.). Eine regelmäßige handelsgestützte Manipulation findet bei kleineren, relativ illiquiden Werten statt, weil dort schon Orders relativ geringen Volumens zu einer Kursänderung führen können. Gerade bei der Ausführung von Großorders oder Block-Trades ist daher im professionellen Handel grundsätzlich eine marktschonende Orderabwicklung nötig. Es kommen auch die manipulative Verknappung durch Leerverkäufe („short sales“), aber auch das bewusste Herbeiführen einer Marktenge („cornering“) in Betracht (SchwarkSchwark, § 20a Rn. 30 f.). Eine Anzeigepflicht nach § 10 WpHG greift jedoch i.d.R. erst bei ausgeführten Orders, nicht schon bei der Erteilung solcher (Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1044)). Die Mitarbeiter in den Handelsabteilungen sollten daher auch durch Compliance-Schulungen sensibilisiert werden, um nicht in den Bereich der Beteiligung
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1543
an manipulativen Geschäften von Kunden hineinzugeraten. Ein Kreditinstitut muss u.U. seine eigenen Mitarbeiter der BaFin gegenüber anzeigen, § 10 WpHG. Eine Signalwirkung wird nur in Betracht kommen, wenn Geschäfte oder Aufträge über eine Börse oder Handelsplattform oder durch die Veröffentlichung außerbörslicher Umsätze anderen Marktteilnehmern sichtbar gemacht wird (CESR/04-505b, 11). Als künstlich kann z. B. ein Preisniveau angesehen werden, wenn durch Geschäfte oder Aufträge (Kurs-)Reaktionen provoziert werden, die anderenfalls nicht eingetreten wären. Zur Abgrenzung von einem legitimen Handelsgeschehen wird ein Täuschungselement als Unrechtsmerkmal hinzutreten müssen (Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1045); Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), 2006, S. 303; dazu Frisch, VuR 2007, 479). c) Verbot sonstiger Täuschungshandlungen, § 20a I 1 Nr. 3 WpHG. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG (kritisch zu dieser Tatvariante Kutzner, WM 2005, 1401 (1405)) verbietet sonstige Täuschungshandlungen, die geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Staat der EU oder des EWR einzuwirken. Ein zumindest bedingter Vorsatz reicht jetzt aus (Knauth/Käsler, WM 2006, 1042 (1049); Verschärfung der „Malaise“ laut Kutzner, WM 2005, 1401 (1405)). § 4 I MaKonV konkretisiert § 20a I 1 Nr. 3 WpHG. Das Täuschungselement ist demnach bei Handlungen oder Unterlassungen erfüllt, die geeignet sind, einen verständigen Anleger über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere Angebot und Nachfrage in Bezug auf ein Finanzinstrument in die Irre zu führen. § 4 II MaKonV nennt Anzeichen für Täuschungshandlungen, Nr. 1 betrifft die Weitergabe unrichtiger oder irreführender Informationen, Nr. 2 hingegen das Erstellen und Weitergeben unrichtiger, fehlerhafter, verzerrender oder von wirtschaftlichen Interessen beinflusster Finanzanalysen (§ 34b WpHG) oder Anlageempfehlungen. Frei erfundene Informationen (Gerüchte, Empfehlungen oder Warnungen ohne jeglichen sachlichen Grund) fallen unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG (BaFin Emittentenleitfaden (15.7.2005), 89; FAZ v. 22.3.2007: „Gerüchte für die blöden Journalisten“ – Ehemaliger Hedge-Fonds-Manager und TV-Kommentator James Cramer gibt Anleitung zur Kursmanipulation). Ebenso die Äußerung von Gerüchten oder Meinungen, insbesondere Empfehlungen, zu Finanzinstrumenten oder deren Emittenten, wenn ein Interessenkonflikt (z. B. aufgrund von Handelsaktivitäten oder bereits vorhandenen Positionen) besteht, der nicht zugleich angemessen offenbart wird (§ 4 III Nr. 2 MaKonV) § 4 III Nr. 1 MaKonV kommt bei einer marktbeherrschenden Stellung in Betracht, wenn aufgrund dieser Stellung die Preisbildung kontrolliert oder unfaire Handelsbedingungen hervorgerufen werden (zurecht dazu kritisch Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1051)).
92
2. Zulässige Marktpraxis. §§ 5 und 6 MaKonV im Teil 3 der MaKonV behandeln Handlungen, die in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation darstellen. § 5 MaKonV nennt den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen sowie Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten nach § 20a III WpHG i.V.m. VO (EG) Nr. 2273/2003 v. 22.12.2003 (ABl. EU Nr. L 336/33). Die VO ist direkt anwendbar (Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 zu dieser Safe-Harbour-Regelung; Schmidtbleicher/Cordalis, ZBB 2007, 124 (129)); zur VO (Überzeichnung, Greenshoe-Option) umfassend, wenn auch noch zur alten KuMaKV Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302; zur Zeit vor dem 4. FFG Ekkenga, WM 2002, 319).
93
Schließlich enthalten §§ 7-10 MaKonV Regelungen zu der Möglichkeit der Anerkennung zulässiger Marktpraxis (Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1048 f.)); die BaFin ist für Entscheidungen über die Anerkennung zuständig, § 20a II WpHG, und übermittelt die Bekanntgabe an CESR zur Veröffentlichung. Bislang hat die BaFin lediglich zwei Ge-
94
Frisch
1544
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
pflogenheiten zur Diskussion über CESR eingereicht (so per Stand 2006 Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1049 Fn 75)). 95
§ 20a VI WpHG enthält eine Sonderregelung für Journalisten, die in Ausübung ihres Berufes handeln. Bei Ihnen ist das Vorliegen von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG unter Berücksichtigung ihrer berufsständischen Regeln zu beurteilen, es sei dann, dass sie aus den unrichtigen oder irreführenden Angaben direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne abschöpfen.
96
3. Zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch. Es ist eine „Unterlassungssünde“ des Gesetzgebers, dass er sich zum Schutzgesetzcharakter des § 20a WpHG i. S. d. § 823 II BGB nicht geäußert hat (rechtsvergleichend zu Recht bejahend Fleischer, NJW 2002, 2977 (2979); a. A. Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857 (1864); Assmann/SchneiderVogel, § 20a Rn. 22). Die Gerichte sollten der Neufassung daher Schutzgesetzqualität beilegen. Ein Rekurs auf den rückständigen § 88 BörsG a. F. überzeugt nicht.
97
4. Sanktionen. § 20a WpHG steht in einem engen Zusammenhang mit den Sanktionsvorschriften der §§ 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG. Für die Strafbarkeit nach § 38 II entsprechend § 38 I WpHG (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) ist auch im Falle des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG die tatsächliche Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis erforderlich (Assmann/Schneider-Vogel, § 20a Rn. 98). Bedingter Vorsatz genügt (§ 38 II WpHG; Assmann/Schneider-Vogel, § 20a Rn. 98). Leichtfertigkeit hingegen genügt für die bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit nach § 39 II Nr. 11 WpHG (vgl. § 39 II WpHG; entspricht in etwa der zivilrechtlichen groben Fahrlässigkeit, wobei zudem die subjektive (persönliche) Vorwerfbarkeit des Sorgfaltsverstoßs zu prüfen ist (Assmann/ Schneider-Vogel, § 20a Rn. 103).
98
II. § 20b WpHG wurde durch Art. 1 Nr. 8 AnSVG (BGBl. I 2004, 2630) per 30.10.2004 aufgehoben und von §§ 4 II-X, 7 und 10 WpHG aufgefangen.
99
F. Abschnitt 5. Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister I. Zweck der §§ 21 ff. WpHG. Ausgehend von der Transparenz-Richtlinie I der EG 88/ 627/EWG v. 12.12.1988 (ABl. EG Nr. L 348/62), reformiert im Zusammenhang mit dem am 1.1.2002 in Kraft getretenen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) vom 20.12.2001 (BGBl. 2001 I, 2822; Franck, BKR 2002, 709; Heppe, WM 2002, 60; Sudmeyer, BB 2002, 685; Janert, BB 2004, 169), wurden die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 5.1.2007 (TUG – BGBl. I 2007, 10; Transparenz-Richtlinie II RL 2004/109/EG (ABl. EG Nr. L 390/38; des Weiteren RL 2007/14/EG v. 8.3.2007 (ABl. EG Nr. L 69/27)) per 20.1.2007 erheblich umgestaltet (Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179; Pirner/Lebherz, AG 2007, 19; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471). Zweck der §§ 21 ff. ist u. a. neben dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts wie bei §§ 20 ff. AktG auch der individuelle Anlegerschutz, § 21 I WpHG ist als Schutzgesetz i.S.v. § 823 II anzusehen (Assmann-Schneider-Uwe H. Schneider, Vor § 21 Rn. 16; § 28 Rn. 79; a. A. Schwark-Schwark, § 21 Rn. 16, der auf § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB verweist). Doch eine mögliche Schadensersatzpflicht oder auch die drohende Geldbuße i.H.v. bis zu € 200.000 (§ 39 II Nr. 2 e, IV WpHG) als Konsequenz einer unterlassenen oder unrichtigen Mitteilung können wirtschaftlich betrachtet hinter einem sowohl Vermögens- als auch Verwaltungsrechte betreffenden Rechtsverlust gemäß § 28 WpHG zurückstehen (Widder/ Kocher, AG 2007, 13; Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179 zu ausgewählten Praxisfragen; Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, ZIP 2006, 493; König/Römer, NZG 2004, 944
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1545
(947)). § 28 WpHG soll durch das Risikobegrenzungsgesetz (BT-Drucks. 16/7438 v. 7.12.2007, S. 13) verschärft werden (Segna, AG 2008, 311; Drinkuth, ZIP 2008, 675; Wackerbarth, ZIP 2007, 2340), das (Stand: 19.6.2008) noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden soll. II. § 21 WpHG – Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen. § 21 I 1 WpHG ist Kernvorschrift. Normadressat ist jedermann. Erreicht, überschreitet oder unterschreitet eine Person die Schwellen von 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 % der Stimmrechte (d. h. nicht Kapitalanteile; vgl. auch § 140 II AktG) an einem Emittenten (börsennotierte Gesellschaft), für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat (§ 2 VI WpHG) ist, so muss sie dies unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen (dazu § 30 I WpHG; früher: sieben Kalendertage) sowohl dem Emittenten als auch der Bafin (per Telefax oder per Post) in deutscher oder englischer Sprache mitteilen, § 21 I WpHG, § 18 WpAIV. Zur Berechnung der Frist ist auf der Internetseite der BaFin ein Kalender der Handelstage gemäß § 30 II WpHG eingestellt (BaFin Hinweise zur den Mitteilungs- und Veröffentlichtungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG i.d.F. v. 5.2.2007, Ziff. I. 3.). Welchen Inhalt eine „Stimmrechtsmitteilung“ (so § 17 I Nr. 1 WpAIV) haben muss, bestimmen §§ 17 ff. WpAIV. Die Mitteilung muss bezüglich ihres Inhalts § 17 I, II WpAIV entsprechen. Bei Zertifikaten, die Aktien vertreten, trifft die Mitteilungspflicht allein den Zertifikatsinhaber, § 21 I 2 WpHG. Die Herabsetzung auf 3% als unterste Schwelle wurde als Beitrag zur Bürokratie kritisiert (Heun, Die Bank 12.2006, 26; Arnold, AG-Report 8/2007, R163). Ob sie wirklich ein unbemerktes „Anschleichen“ von Emittenten unterbinden kann, bleibt abzuwarten (BT-Drucks. 16/2498, 34; Rodewald/Unger, BB 2006, 1917). Die Meldepflicht wird nicht durch eine schuldrechtliche Vereinbarung ausgelöst, sondern es kommt auf den Eigentumsübergang an. Nicht der Kauf oder Verkauf durch den Meldepflichtigen, sondern auch Veränderungen, die nicht in seinem Einflussbereich liegen, z. B. eine Kapitalerhöhung oder –herabsetzung des Emittenten lösen eine Meldepflicht aus (Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227 (230)). Eigene Aktien (trotz § 71b AktG) sind bei der Ermittlung des Stimmrechtsanteils mitzuzählen, bleiben also beim „Nenner“ außer Betracht (Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179 (180) Fn 5; Widder/Kocher, AG 2007, 13 (14); a. A. BaFin). Das LG Köln, Urt. v. 5.10.2007 – 82 0 114/ 06, AG 2008, 336, hat die These aufgestellt, dass die Umfirmierung eines meldepflichtigen (Mehrheits-)Aktionärs ihrerseits unter § 21 I 1 WpHG fällt (Segna, AG 2008, 311). Nach § 21 Ia WpHG entsteht eine Mitteilungspflicht für Aktionäre mit einer Beteiligung von 3% oder mehr der Stimmrechte an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat (§ 2 VI WpHG) ist, mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung der Aktien dieses Emittenten zum Handel an einem organisierten Markt. Entscheidend ist der Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung der Aktien, nicht der Zeitpunkt der ersten Notierung. Der Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung ergibt sich aus dem Zulassungsbeschluss (BaFin Hinweise zur den Mitteilungs- und Veröffentlichtungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG i.d.F. v. 5.2.2007, Ziff. I. 4.). Gründungsaktionäre einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft unterliegen der Mitteilungspflicht nach § 20 I AktG (BGH BB 2006, 1408 m. Anm. Theisinger/Klein). Inlandsemittenten und Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat ist, sind i.S.d. Abschnitts 5 des WpHG nur solche, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, § 21 II WpHG. Bei nicht börsennotierten Gesellschaften bleibt die aktienrechtliche Offenlegungspflicht nach § 20 I-VII AktG unberührt (Assmann/Schneider-Uwe H. Schneider, § 21 Rn. 48 ff.). Wer eine Mitteilung nach § 21 I, Ia oder 25 I WpHG abgegeben hat, muss auf Verlangen der BaFin oder des Emittenten das Bestehen der mitgeteilten Beteiligung nachweisen, § 27 WpHG.
Frisch
100
101
102
1546
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
103
III. § 22 WpHG – Zurechnung von Stimmrechten. Für die Mitteilungspflichtigen nach § 21 I und 1a WpHG stehen den Stimmrechten des Meldepflichtigen Stimmrechte aus Aktien des Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat (§ 2 VI WpHG) ist, gleich, Nr. 1 die einem Tochterunternehmen des Meldepflichten gehören, Nr. 2 die einem Dritten gehören und von ihm für die Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden (z. B. Treuhandverhältnisse) etc. § 22 I 1 Nr. 3 bis neu Nr. 6 (Zurechnung von Stimmrechten, die der Meldepflichtige als Bevollmächtigter ausüben kann; nicht Vollmachtsstimmrechte von Kreditinstituten, § 135 V AktG, dazu Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179 (181)) und § 22 II WpHG sind weitere Zurechnungstatbestände (BaFin Hinweise zur den Mitteilungs- und Veröffentlichtungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG i.d.F. v. 5.2.2007, Ziff. I. 6) Die Zurechnung von Stimmrechten erzeugt eine eigenständige Mitteilungspflicht, die andere Mitteilungspflichten nicht berührt, so dass z. B. bei einer Beteiligung, die über mehrere Tochtergesellschaften gehalten wird, alle Töchterund das Mutteruntenehmen mitteilungspflichtig sind. Werden Stimmrechte nach § 22 I und II WpHG zugerechnet, sind die zuzurechnenden Stimmrechte für jeden Tatbestand getrennt anzugeben (Arnold, AG-Report 8/2007, R164). Hier hilft in Zweifelsfällen nur anwaltlicher Rat (BaFin Hinweise v. 5.2.2007, Ziff. I. 5.). § 22 II WpHG soll durch das Risikobegrenzungsgesetz (BT-Drucks. 16/7438 v. 7.12.2007, S. 11) geändert werden. § 22 II WpHG und § 30 II WpÜG sollten – als Folge von BGHZ 169, 98 ff. = ZIP 2006, 2077 („WMF“); Borges, ZIP 2007, 357) – gleich auszulegen sein, wogegen spricht, dass die Normen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, was eine unterschiedliche Ausgestaltung der Zurechnungsnormen rechtfertigt (Wackerbarth, ZIP 2007, 2340 (2341)). § 22 II 2 WpHG-E soll das „Acting in Concert“, den Nachweis eines abgestimmten Verhaltens von Aktionären in den Fällen einer dauerhaften und erheblichen Beeinflussung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten verbessern. Bloßes gleichgerichtetes Stimmverhalten erfüllt die Voraussetzungen des „Acting in Concert“ nicht (BT-Drucks. 16/7438 v. 7.12.2007, S. 11).
104
IV. § 23 ff. WpHG. § 23 WpHG enthält demgegenüber umfangreiche Regelungen, wann eine Nichtberücksichtigung von Stimmrechten in Betracht kommt. Hierfür ist kein Antrag bei der BaFin mehr erforderlich. Anstelle der bisherigen Befreiungsmöglichkeit auf Antrag stellt § 23 WpHG nunmehr die Handelsaktivitäten der Kreditinstitute und Wertpapierunternehmen (Market Maker; § 23 IV WpHG)) unter bestimmten Voraussetzungen von der Meldepflicht frei (dazu Nießen, NZG 2007, 41 (43); Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227 (230)). § 24 WpHG bestimmt, dass für Meldepflichtige, die einem Konzern angehören, der der Konzernabschlusspflicht nach §§ 290, 340i HGB unterliegt, die Mitteilung durch das Mutterunternehmen erfolgen muss. Mit § 25 I WpHG hat das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz eine weitere Mitteilungspflicht eingeführt, die selbstständig – kritisch betrachtet: künstlich – neben den Mitteilungspflichten nach § 21 I und 1a WpHG steht (zu den Einzelheiten Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179 (182); § 17 I Nr. 1 u. 2, III WpAIV). Gegenstand dieser Meldepflicht ist nicht die Höhe von Stimmrechten, sondern das unmittelbare oder mittelbare Halten von Finanzinstrumenten (d. h. jetzt auch schuldrechtliche Optionen; Arnold, AG-Report 8/2007, R164, Nießen, NZG 2004, 41 (43)), die ihrem Inhaber das Recht verleihen, einseitig, im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien des Emittenten zu erwerben. Hier liegt die Eingangsschwelle aber anders als § 21 WpHG nicht bei 3%, sondern 5%. Ein Verstoß gegen die Meldepflicht nach § 25 I WpHG führt nicht zu einem Rechtsverlust der Aktien, auf den sich die Finanzinstrumente (Termingeschäfte (auf Aktien); wobei bei Optionen die Meldepflicht unabhängig vom Ausübungszeitraum der Option besteht (BaFin)) beziehen. Einzige Sanktion ist eine
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1547
Geldbuße i.H.v. bis zu € 50.000 (§ 39 II Nr. 2 f, IV WpHG). § 25 WpHG soll durch das Risikobegrenzungsgesetz erneut geändert werden (BT-Drucks. 16/7438, 11 f.). § 25 II 2 WpHG (Sonderregelung für die Meldepflicht aus dinglichen Optionen) wird wegen § 25 I 4 WpHG-E entbehrlich. Die Zusammenrechnung von Finanzinstrumenten i.S.v. § 25 WpHG-E mit Beteiligungen gem. §§ 21, 22 WpHG („Aggregation beider Bestände“) ist eine positive Änderung, die dem Gesetzeszweck mehr dient als die bisherige Regelung (BT-Drucks. 16/7438, S. 12). V. § 26 ff. WpHG – Veröffentlichungspflichten des Emittenten und Übermittlung an das elektronische Unternehmensregister (zu § 8b HGB: Meyding/Bödeker, BB 2006, 1009 f.; Liebscher/Scharff, NJW 2006, 3745 (3749 f.). Adressat der Veröffentlichungspflicht (§ 21 I 1, 1a und § 25 I 1 WpHG oder entsprechenden EU- oder EWR-Staaten-Vorschriften) ist jeder Inlandsemittent von Aktien i.S.d. § 2 VII WpHG, wobei § 26 WpHG im Wesentlichen nur die grundlegende Pflicht also solche regelt, während Inhalt (§ 19 WpAIV), Art (§ 20 i.V.m. § 3a WpAIV: aktive europaweite Veröffentlichung im EUund EWR-Raum durch Nutzen eines Bündels unterschiedlicher Medienarten (Reuters, Bloomberg, vwd, dpa-Afx etc.)), wobei die Homepage aber eines der zu verwendenden Medien sein kann (sog. Medienbündel)) und Sprache (§ 3b i.V.m. § 20 WpAIV) der Veröffentlichung in die Wertpapierhandels- und Insiderverordnung (WpAIV) integriert wurden (BaFin Hinweise v. 5.2.2007, II 1). Die Erfüllung der Veröffentlichungspflicht ist vom Emittenten unverzüglich, spätestens jedoch drei Handelstage nach Zugang der Mitteilung zu leisten, § 26 I 1 2. Halbs. WpHG. Das gilt auch für den Insolvenzverwalter, § 11 WpHG. Die Schwelle von 3 % gilt nur für Emittenten mit Herkunftsstaat Bundesrepublik Deutschland, § 26 I 2 WpHG a.E. Neu ist auch, dass veröffentlicht werden muss, wenn die Schwellen „auf sonstige Weise“ berührt werden (Bosse, DB 2007, 39 (41)). Fraglich ist, ob Aktien, die von Tochterunternehmen des Emittenten gehalten werden, vom Emittenten auch zu veröffentlichen sind. § 26 I 2 WpHG erwähnt diese Pflicht trotz § 71d AktG nicht (Arnold, AG-Report 8/2007, R166). Daneben verlangt das Gesetz eine Übermittlung der Mitteilungen an das Unternehmensregister zur Speicherung (§ 8b HGB; Schlotter, BB 2007, 1 ff.; Noack, WM 2007, 377 (380)); EHUG v. 15.11.2006 (BGBl. I 2006, 2553); EU-Publizitäts-RL 2003/58/EG (ABl. EU Nr. L 221/13)). Das Unternehmensregister wird von der Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) geführt (www.unternehmensregister.de). Gleichzeitig, d. h. im unmittelbaren Anschluss an die Veröffentlichung, ist diese der BaFin mitzuteilen, § 26 II WpHG. Einzelheiten dazu enthalten § 21 i.V.m. § 3c WpHG. § 26a WpHG regelt – als völliges Novum (Arnold, AG-Report 8/2007, R166) – die Veröffentlichungspflicht für Inlandsemittenten (§ 2 VII WpHG), was die Gesamtzahl der Stimmrechte angeht (auch zu § 30b I Nr. 1 WpHG: Gesamtzahl der Stimmrechte mit und ohne eigene(n) Aktien, Tielmann/Schulenburg, BB 2007, 840 (841)). Der nach § 21 WpHG Meldepflichtige muss die Gesamtzahl zukünftig nicht mehr selbst berechnen, sondern darf sich auf die letzte Bestandsveröffentlichung des Emittenten nach § 26a WpHG verlassen (§ 17 IV WpAIV), was vor jeder Stimmrechtsmitteilung einen Blick ins Unternehmensregister erfordert (Arnold, AG-Report 8/2007, R166). § 26 I 1 WpHG bzw. § 26 II WpHG (BaFin) gelten entsprechend. § 26a WpHG betrifft dauerhafte bzw. nachhaltige Veränderungen (Tielmann/Schulenburg, BB 2007, 840 (841) auch zu § 30 WpHG; Nießen, NZG 2007, 41 (43)). § 27 WpHG soll durch das Risikobegrenzungsgesetz (BT-Drucks. 16/7438 v. 7.12.2007, S. 12) ein Absatz 2 angefügt werden, der für Inhaber wesentlicher Beteiligungen (Schwelle von 10 % der Stimmrechte aus Aktien oder Erreichung bzw. Überschreitung einer höheren Schwelle), eine Mitteilungspflicht (§ 27 II 1 bis 4 WpHG-E; VO-Ermächtigung für das BMF in § 27 II 7 WpHG-E) vorsieht. Damit soll (im Zuge der
Frisch
105
1548
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
sog. „Heuschrecken-Debatte“) frühzeitig für den Emittenten ausreichende Information u. a. dazu vorliegen, ob die Investition der Umsetzung langfristiger Ziele oder der Erzielung von Handelsgewinnen dient. Leider fehlt der Norm die Rechtsfolgenseite, obwohl die Sanktion des § 28 WpHG nahe liegend wäre. Die Meldepflicht gegenüber dem Emittenten ist innerhalb von 20 Handelstagen (zur Berechnung siehe § 30 WpHG) ab Zugang des Auskunftsverlangens zu erfüllen, sie knüpft an §§ 21 ff. WpHG an. Insbesondere sind die §§ 22, 23 und 24 WpHG anwendbar. § 27 II WpHG-E orientiert sich an Section 13d Securities Exchange Act bzw. dem französischen Article L 233-7 des Code de Commerce. Nach § 29a I WpHG kann die BaFin Inlandsemittenten mit einem Sitz in einem Drittstaat von den Pflichten nach § 26 I und § 26a WpHG befreien. 106
VI. § 28 WpHG – Rechtsverlust. Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm Stimmrechte gemäß § 22 I I Nr. 1 oder 2 WpHG zugerechnet werden, bestehen nicht für die Zeit, für welche die Mitteilungspflichten nach § 21 I oder 1a WpHG nicht erfüllt wurden, § 28 1 WpHG. Es gilt der Grundsatz des Verlusts sämtlicher Rechte aus den Aktien (Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, ZIP 2006, 493 (494 ff.); z. B. Recht auf Teilnahme an der HV, Stimmrecht des Aktionär etc.; Tielmann/Schulenburg, BB 2007, 840 (841)). Nach einhelliger Ansicht werden alle Rechte erfasst, die sich aus einer Aktie ergeben können (Sudmeyer, BB 2002, 685 (691); Ausnahme: Mitgliedschaft; streitig ist § 237 AktG). Dies gilt auch nicht für Ansprüche nach § 58 Abs. 4 (Anspruch auf Bilanzgewinn) oder § 271 AktG (Anspruch auf Abwicklungsüberschuss), wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt worden ist, § 28 2 WpHG. Entscheidend für § 28 2 WpHG ist der kapitalmarktrechtliche Vorsatzbegriff, der sowohl vom zivilrechtlichen als auch vom strafrechtlichen Vorsatz abweicht. Ein kapitalmarktrechtlicher Verbotsirrtum ist nur selten unvermeidbar. Der Meldepflichtige muss das Nichtvorliegen des Vorsatzes beweisen. Ihm sollten dabei Beweiserleichterungen zugebilligt werden (Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, ZIP 2006, 493 (500); Widder/Kocher, AG 2007, 13 (18)). § 28 WpHG ist keine individualschützende Norm i. S. d. § 823 II BGB. Das schließt Ansprüche jedoch nicht aus, wenn ein Aktionär entgegen § 28 WpHG Aktionärsrechte ausübt und damit individualschützende Normen verletzt (Sudmeyer, BB 2002, 685). Zu begrüßen ist die durch das Risikobegrenzungsgesetz (BT-Drucks. 16/7438 v. 7.12.2007, S. 13) vorgesehene Verschärfung der Sanktion des § 28 WpHG, wonach der Stimmrechtsverlust – zukünftig auch – für den Zeitraum von sechs Monaten nach Nachholung der ordnungsgemäßen Meldung andauern soll, was das geltende Recht verbessert, auch wenn zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine Beschränkung auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Meldepflicht vorgesehen ist (§ 28 S. 2 WpHG-E; BT-Drucks. 16/7438 v. 7.12.2007, S. 5 u. 13).
107
G. Abschnitt 5a. Notwendige Informationen für die Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren Die Informationspflichten von Emittenten aus Artt. 16 bis 18 und 19 I Unterabs. 2 TUG v. 5.1.2007 (BGBl. 2007 I, 10) wurden per 20.1.2007 in dem neuen Abschnitt 5a mit den §§ 30a bis g WpHG zusammengefasst. Teilweise waren entsprechende Vorschriften vorher in § 39 BörsG und den §§ 63, 64, 66 und 67 BörsZulV enthalten. Diese Regelungen wurden in das WpHG aufgenommen, da sie nunmehr von der BaFin zu überwachen sind (BT-Drucks. 16/2498 v. 4.9.2006, 39; BaFin: „FAQ“ (Frequently Asked Questions) zu den §§ 30d ff. WpHG nach Inkrafttreten des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (TUG) vom 20.1.2007 (Stand: 5.4.2007)).
108
I. § 30a WpHG – Pflichten der Emittenten gegenüber Wertpapierinhabern. § 30a I WpHG fasst Pflichten zusammen, die den Emittenten, für die Deutschland der Her-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1549
kunftsstaat (§ 2 VI WpHG) ist, gegenüber allen Inhabern der von ihnen ausgegebenen und an einem organisierten Markt im Inland oder einem EU- oder EWR-Staat zugelassenen Wertpapieren obliegen (BT-Drucks. 16/2498, 40); Nr. 1 besagt, dass der Emittent sicher stellen muss, dass alle Inhaber unter gleichen Voraussetzungen gleich behandelt werden (Artt. 17 I, 18 I EU-Transparenzrichtlinie 2004/109/EG; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471 (477)). § 30a III WpHG stellt (für § 30 I Nr. 1 bis 5 und § 30b III Nr. 1 WpHG) Inhaber Aktien vertretender Zertifikate den Inhabern der vertretenen Aktien gleich (anders als § 21 I 2 WpHG). Die Gleichbehandlungspflicht gilt (wie zuvor nach § 39 I Nr. 1 BörsG; dazu Bachmann, ZHR 170, 144) neben Aktien, Zertifikaten und Schuldtiteln auch für Investmentanteile. § 20 I Nrn. 2 und 3 WpHG verpflichten den Emittenten, notwendige Voraussetzungen zu schaffen, um den Inhabern die Wahrnehmung ihrer mit den Finanzinstrumenten verbundenen Rechte im Inland zu gestatten (z. B. Bereitstellung aller erforderlichen Informationen). Nr. 3 dient datenschutzrechtlichen Belangen, des Weiteren nehmen Nrn. 4 (Bestimmung eines Finanzinstituts als Zahlstelle im Inland), 5 (im Falle zugelassener Aktien gemeinsam mit der Einladung zur Hauptversammlung/Mitteilung nach § 125 AktG Zusendung des Vollmachtsformulars; Bosse, DB 2007, 39 (43); Butzke, WM 2005, 1981) und 6 (im Falle zugelassener Schuldtitel Zusendung der Einladung zur Gläubigerversammlung nebst Vollmachtsformular) Emittenten in die Pflicht. § 30a II 1 WpHG gestattet das Abhalten der Gläubigerversammlung in jedem beliebigen EUoder EWR-Staat unter den Voraussetzungen des S. 2. II. § 30b WpHG – Veröffentlichung von Mitteilungen und Übermittlung im Wege der Datenfernübetragung. § 30n I Nr. 1 verlangt von börsennotierten Unternehmen, die Eckdaten (Einberufung mit Tagesordnung, Gesamtzahl von Aktien und Stimmrechten (inkl. § 28 WpHG oder § 71b AktG) zum Zeitpunkt der Einberufung Teilnahmebedingungen) einer bevorstehenden Hauptversammlung im elektronischen Bundesanzeiger (Noack, WM 2007, 377; Tielmann/Schulenburg, BB 2007, 840) zu veröffentlichen. Bis 31.12.2008 ist bei Veröffentlichungen nach § 30b I und 2 WpHG zusätzlich eine Veröffentlichung in einem Börsenpflichtblatt vorzunehmen (§ 46 IV WpHG n. F.; BaFin „FAQ“: Kurzfassung der Tagesordnung zur HV nebst Eckdaten ohne Beschlussvorlagen; Bosse, DB 2007, 39 (43)). Ebenso muss insbesondere die Ausgabe neuer Aktien oder die bedingte Kapitalerhöhung (§ 195 AktG; zudem Veröffentlichung nach § 26a WpHG mit Ausgabe der Aktien (vgl. BaFin „FAQ“ zu §§ 21 ff. WpHG)) unverzüglich veröffentlicht werden, § 30 I Nr. 2 WpHG (Zeitpunkt: Eintragung der Kapitalerhöhung nach § 189 AktG im Handelsregister). Aber § 30b I 2 WpHG bestimmt, dass, soweit andere Normen (§§ 121 III, 124 I 1 AktG) auch eine Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger verlangen, die einmalige Veröffentlichung genügt. Neu ist auch § 30b III WpHG, der die Voraussetzungen für eine Informationsübermittlung im Wege der Datenübertragung regelt.
109
III. §§ 30 c – g WpHG. Beabsichtigte Änderungen der Rechtsgrundlage des Emittenten, d. h. der Satzung oder ihr gleichkommenden sonstigen Rechtsgrundlagen, sind frühzeitig der BaFin und den zuständigen Zulassungstellen zu melden, § 30c WpHG. Dies unverzüglich nach der Entscheidung, den Änderungsentwurf (§ 124 III 1 AktG) dem Beschlussorgan (Hauptversammlung), das über die Änderung beschließen soll, vorzulegen. Spätestens aber zum Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung (Bosse, DB 2007, 39 (43)). Satzungsänderungen, zu denen ein anderes Organ (z. B. Aufsichtsrat) ermächtigt ist, sind nicht nach § 30c WpHG mitteilungspflichtig (BaFin „FAQ“ zu §§ 30a ff. WpHG). Daneben besteht eventuell eine Ad-hoc-Publizitätspflicht (§ 15 I WpHG), da z. B. eine Beschlussvorlage über eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, die reguläre Kapitalerhöhung gegen Einlagen und/oder Kapitalherabsetzungen mit und ohne
110
Frisch
1550
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Einziehung von Aktien eine Insiderinformation nach § 13 I WpHG darstellen werden (Tielmann/Schulenburg, BB 2007, 840 (843)). § 30d WpHG bestimmt, dass §§ 30a bis c WpHG auch anwendbar sein können auf Emittenten, deren Herkunftsstaat ein EU- oder EWR-Staat ist, wenn ihre Wertpapiere an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind, aber der Herkunftstaat keine §§ 30a bis c WpHG entsprechenden Regeln kennt. § 30e WpHG enthält einen zusätzlichen Katalog von Mitteilungspflichten für Inlandsemittenten gegenüber der BaFin und dem Unternehmensregister nach § 8b HGB. § 30e I Nr. 2 WpHG beschränkt sich nicht auf zum Handel an einem organisierten Markt zugelassene Anleihen (Ausnahme: Pfandbriefe, da sie an die Deckungsmasse anknüpfen (§ 4 PfandBG); BaFin „FAQ“ zu §§ 30a ff. WpHG). § 30e II i.V.m. §§ 26 i.V.m. 3a bis c WpAIV sieht eine europaweite Veröffentlichung vor (§§ 3b, 26 WpAIV: ggf. englische Sprache). § 30f WpHG enthält eine Regelung zur Befreiung von den Pflichten nach §§ 30a, 30b und 30e I 1 Nrn. 1 und 2 WpHG durch die BaFin, sofern Inlandsemittenten mit Sitz in einem Drittstaat dort gleichwertigen Regeln unterliegt. 111
Besonders praxisrelevant ist der Auschluss der Anfechtung in § 30g WpHG, wonach eine Verletzung der Pflichten des Abschnitts 5a nicht zur Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses berechtigt. Wird z. B. die Angabe der Gesamtzahl der Aktien nicht (korrekt) veröffentlicht, kann dieser Verstoß gegen § 30b I 1 Nr. 1 WpHG nicht als Gesetzesverletzung i.S.v. § 243 I AktG geltend gemacht werden (Noack, WM 2007, 377 (379); Tielmann/Schulenburg, BB 2007, 840 (845); zum UMAG Seibert, WM 2005, 157; Butzke, WM 2005, 1981). Jedoch stellen z. B. vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen § 30b I WpHG (Inhalt der Einberufung) und § 30c WpHG (Mitteilung an die BaFin) gemäß § 39 II Nr. 5 d) bzw. II Nr. 2 j) WpHG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit bis zu € 50.000 und im zweiten Fall mit bis zu € 200.000 von der BaFin bebußt werden kann.
112
H. Abschnitt 6. Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten, Verjährung von Ersatzansprüchen Die MiFID (Markets in Financial Instruments [MiFID] – RL 2004/39/EG v. 21.4.2004 (ABl. EU Nr. L 145/1)) und das FRUG zur nationalen Implementierung per 01.11.2007 führen auch zur einer tiefgreifenden Umgestaltung das Abschnitts 6 des WpHG. Zwar handelt es sich nicht in erster Linie um inhaltlich völlig unbekannte neue Sachverhalte, die die MiFID mit sich bringt, jedoch bezweckt die MiFID im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, der ISD, die nur Mindeststandards setzte, eine tief in die Details gehende Harmonisierung der (Wohlverhaltens-)Regeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Es ist daher nicht unberechtigt gewesen, zu sagen, dass im Vergleich zu Artt. 10, 11 ISD sich kein weitgehender Änderungsbedarf für die §§ 31 ff. WpHG ergibt (Spindler/Kasten, AG WM 2006, 1797 (1800)). Andererseits war der für die betroffenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen organisatorische und finanzielle Aufwand beträchtlich (Holzborn/ Israel, NJW 2008, 791 (796)).
113
Nach h. M. in der Literatur waren bislang die §§ 31, 32 WpHG a. F. Schutzgesetze i. S. v. § 823 II BGB (Lenenbach, Rn 8.7 u. 10.96; offen lassend BGH NJW 2002, 62 (64); NJW 2000, 359; BGH ZBB 2007, 193 (195); verneinend zu § 32 II Nr. 1 WpHG a.F. BGH NJW 2008, 1734; in Bezug auf die durch MiFID geänderten §§ 31 ff. WpHG weitgehend gegen einen Schutzgesetzcharakter Schäfer, WM 2007, 1872; hingegen §§ 31 III u. IV WpHG n.F. Schutzgesetzcharakter (Argumente: Detailliertheit der Regeln als auch das gemeinschaftliche Regelungsziel eines wirksamen Anlegerschutzes in der MiFID) zubilligend Veil, WM 2007, 1821 (1826)). Streitig war bisher die Frage, welche zivilrechtliche Bedeutung diese Normen haben, z. B. für die Konkretisierung (vor)vertraglicher Pflichten, was (auch im Hinblick auf das EU-Recht) abzulehnen ist (OLG München ZIP 2001, 1492
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1551
(1494)), oder die Verkehrssicherungspflichten oder für die „Ausstrahlungswirkung“ auf die vertraglichen Pflichten. § 31 II 1 Nr. 2 WpHG a.F. hatte jedenfalls „Bedeutung für Inhalt und Umfang vor- und nebenvertraglicher (Aufklärungs-) Pflichten“, hat aber „nicht den Sinn, Anleger vor sich selbst zu schützen“ (BGH NJW 2002, 62 (63); NJW 2000, 359 (361); Koller, EWiR 1999, 1111 (1112)). Nach BGH ZBB 2007, 193 (195) konnten die §§ 31 ff. WpHG a. F. Schutzgesetzcharakter nur haben, soweit sie nicht lediglich aufsichtsrechtlicher Natur sind, sondern ihnen auch anlegerschützende Funktion zukommt. Ihnen kam jedoch auch dann keine eigenständige, über die zivilrechtlichen Aufklärungsund Beratungspflichten hinausgehende schadensersatzrechtliche Bedeutung zu (Schimansky/Horn-Nobbe, Bankrecht 1998, 235 (250 f.)). Der BGH hatte 1993 im „Bond“-Urteil (BGH NJW 1993, 2433) vertragliche Erkundigungs- und Aufklärungspflichten aufgestellt, die denen des § 31 II 1 Nr. 1 u. 2 WpHG a. F. inhaltlich entsprachen. Der Gesetzgeber des WpHG hatte sich bei der Formulierung des § 31 II WpHG a. F. an das „Bond“Urteil angelehnt (BT-Drucks. 12/7918, 103). Wenn nun im Zuge der Umsetzung der MiFID von „Das Ende von Bond durch die MiFID“ geschrieben wurde (so Mülbert, WM 2007, 1149 (1156); a. A. wohl zurecht Weichert/Weinninger, WM 2007, 627 (634); ebenso wohl Spindler/Kasten, WM 2006, 1797 (1799)), dürfte diese These überspitzt formuliert sein. Es ist fraglich, ob MiFID „die überschießenden Tendenzen der Bond-Judikatur“, sofern es eine solche überhaupt je gegeben hätte, d. h. das Gebot der objektgerechten Information, auch für reine Inlandssachverhalte aufgegeben und damit eine „Inländerdiskriminierung“, was immer das sein mag, vermieden hätte. Wer die MiFID so interpretiert, gibt den Kritikern Recht, die der MiFID zwar eine erhebliche Erhöhung an organisatorischem Aufwand zubilligen, aber kein hohes Anlegerschutzniveau. Eine Folge wäre dann ein unterschiedliches Schutzniveau, das auch nicht im Sinne des deutschen Gesetzgebers gelegen haben sollte. Richtiger scheint hier immer noch der (alte) Befund zu sein, den Spindler/Kasten, WM 2006, 1797 (1799) unter (2) Anlageberatung formulieren: „Der MiFID entspricht in diesen Bereichen die deutsche Rechtslage, was im deutschen Rechtskanon zunächst von der Rechtsprechung im Bond-Urteil begonnen und schließlich in § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG auch kodifiziert wurde, nämlich die anleger- sowie objektgerechte Beratung.“ In der Literatur wird durchaus die Auffassung vertreten, das Erfordernis einer anlegerund objektgerechten Beratung finde sich in Art. 19 IV u. V MiFID sowie Artt. 35-37 DVO wieder (Puskajler/Weber, ZIP 2007, 401 (404)). Ausgerechnet Beteiligungen an geschlossenen Fonds, die der Gesetzgeber nicht in das neue WpHG integrieren wollte und früher häufig als Kapitalanlagen des sog „Grauen Marktes“ bezeichnet wurden, würden bei einer von einer Bank durchgeführten Anlageberatung weiterhin den Maßstäben der vermeintlich „überschießenden“ Bond-Judikatur unterliegen (vgl. OLG Stuttgart WM 2007, 593; BGH WM 2007, 542), noch komplexere strukturierte Produkte mit Derivatstrukturen hingegen nicht. Damit wäre der von der MiFID ebenso bezweckte Anlegerschutz auf hohem Niveau in der Tat in anders verstandenem Sinne eine „Inländerdiskriminierung“, weil die betroffenen deutschen Kapitalanleger durch die MiFID nur einen Rückschritt des Schutzniveaus erfahren würden, obwohl der Anlegerschutz im Fokus der europäischen Gesetzgebung steht (so zutreffend Veil, WM 2007, 1821 (1825, Fn 68 m.w.N.). Daher kann der Auffassung von Mülbert, a.a.O., nicht zugestimmt werden. I. Rechtsprechung zur Aufklärung und Beratung. Auch wenn das WpHG bei den deutschen Gerichten langsam aus dem Schattendasein heraustritt, andererseits aber auch Mülbert, WM 2007, 1149 (1157) davon ausgeht, dass stets zugleich gleichlautende oder „gar weitergehende“ Offenlegungs- bzw. Informationspflichten aus einem Beratungsvertrag oder aus §§ 241 II, 311 II BGB gegeben sind, die bei einer Verletzung zu Schadensersatz nach § 280 I BGB führen können, nachstehende unvollständige Übersicht zu aktuelleren
Frisch
114
1552
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Entscheidungen. BGH WM 2007, 487 (489) = ZBB 2007, 193 (195)), den Mülbert, a.a.O., im Wege eines problematischen Umkehrschlusses heranzieht, kann aber genau die Aussage „gar weitergehende“ nicht entnommen werden. Der BGH hat nur ausgeführt, dass der zivilrechtliche Schutzbereich der §§ 31 ff. WpHG a. F. nicht über diese (vor-)vertraglichen Pflichten hinaus geht, nicht aber umgekehrt, dass diese (vor-)vertraglichen Pflichten über den zivilrechtlichen Schutzbereich der §§ 31 ff. WpHG a. F. hinausgehen können. 115
AGB-Klausel eines Discount-Brokers (OLG Nürnberg WM 2001, 244; OLG Köln ZIP 2000, 2017); Aktienanleihe (BGH ZIP 2002, 748; KG WM 2002, 746); (objektiv falsche) Anlageberatung (BGH WM 2006, 851); Anlageberatung im Familienkreis (BGH WM 2007, 1020); Argentinien-Staatsanleihen (BVerfG Az.: 2 BvM1-5/03 u. 2 BvM1/06; OLG Frankfurt/M. WM 2007, 929); Bandbreiten-Optionsscheine (BGH NJW 2000, 359); Belehrungspflicht des Anlageberaters über erschwerte Handelbarkeit von nicht börsennotierten Aktien (OLG Oldenburg ZIP 2002, 2252); Benachrichtigung mit Schreiben mit normaler Post (LG München BKR 2002, 963; LG Mönchengladbach WM 2002, 386); Beschränkung der Pflicht einer Bank auf Empfehlung der Nichtausübung eines Optionsrechts im Falle wirtschaftlicher Sinnlosigkeit bei geschäftserfahrenem Kunden (BGH ZIP 2002, 1628); „Bond“-Urteil (BGHZ 123, 126 = WM 1993, 1455); Börsencrash 2000 (LG Zweibrücken WM 2006, 715); Buchung von mehr als bei einer Neuemission im Losverfahren zugeteilten Aktien (LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 2002, 49); DAX-Optionsgeschäfte (OLG Köln ZIP 2001, 1139; a. A. zur Margin BGH NJW 2002, 62); Discount-Broker und WpHG (BGH NJW 2000, 359); Entgangener Gewinn aus Aktienspekulation (BGH BKR 2002, 499); Entgelt für Wertpapierübertragung in anderes Depot (BGHZ 161, 189 = NJW 2005, 1275 = ZIP 2005, 245); Falschauskunft einer Direktbank (LG Itzehoe ZIP 2001, 1000); Fokker-Anleihe (BGH NJW-RR 2000, 97); Gerichtsstand bei falscher öffentlicher Kapitalmarktinformation (BGH NZG 2007, 350; BB 2007, 686 m. Anm. Rothe/Stumpf); Gültigkeit eines für denselben Tag kurz vor Börsenschluss erteilten Auftrags am Folgetag (OLG Karlsruhe ZIP 1999, 1125); Haftungsausschluss in Banken-AGBs bei technischen Problemen/Onlinezugang (BGH WM 2001, 196); Haftung für Zusage, Orders in wenigen Sekunden auszuführen (LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 2000, 1650); Handel mit indexbezogenen Wertpapieren (OLG Frankfurt/M. GRUR-RR 2007, 104); Herausgabe von Aufzeichnungen der Bank nach WpHG (OLG Nürnberg WM 2007, 647); Hinweispflicht auf Kontounterdeckung (LG Bonn WM 1999, 2214); Hinweispflicht auf negative Presse (OLG Stuttgart WM 2007, 593) Interessenwahrungspflicht einer Direktbank (BGH ZIP 2002, 1687); Kick-back (BGH ZBB 2007, 193, dazu Koller, ZBB 2007, 197; Marginpflichtverletzung (BGH NJW 2002, 62; a. A. OLG Köln ZIP 2001, 1139); Mistrade-Klausel und AGB-Recht (OLG Schleswig WM 2004, 1280; Fleckner/Vollmuth, WM 2004, 1263; BGH WM 2002, 1687); Nachfragepflicht einer Bank (AG Lüneburg NJW-RR 2000, 1649); Nichtausführung eines befristeten Aktienkaufauftrags (OLG Nürnberg NJW-RR 2002, 47); Nichtausführung einer Reklamation bei Doppelverkauf (OLG Schleswig BKR 2002, 880; LG Itzehoe ZIP 2001, 154); Nichtausführung eines tagesgültigen Verkaufsauftrags bzw. Ausführung nach Ablauf der Geltungsdauer (BGH ZIP 2001, 1634); Offenlegungspflicht hinsichtlich einer Provisionsvereinbarung (BGH NJW 2001, 962; OLG Köln BKR 2002, 541); Pflicht zur Angabe des Anlageziels „Neuer Markt“ im Prospekt (LG Frankfurt am Main BKR 2003, 69); Schadensersatzanspruch des Direktbankkunden wegen erkennbar irrtümlich erteiltem Wertpapierauftrag (LG Nürnberg- Fürth EWiR 2003, 57); Sorgfaltspflichten einer Bank bei Vergabe mehrerer Verkauflimits (LG Köln NJW-RR 2001, 262); Stillhalteroptionsgeschäfte (BGH ZIP 2001, 1580); Stop-loss-Order (BGH NJW 2002, 1868; LG Köln NJW-RR 2001, 262); (Zinssatz-) Swaps (BGH, Beschl. v. 21.3.2006 – XI ZR 116/05; OLG Naumburg WM 2005, 1313;
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1553
Roller/Elster/Knappe, ZBB 2007, 345; LG Magdeburg BKR 2008, 166; LG Frankfurt WM 2008, 1061); Synthetische Anleihe (OLG Frankfurt/M. BKR 2002, 403); Täuschung von Anlegern über Unabhängigkeit eines Vermittlungsunternehmens (OLG München NJW-RR 2001, 1416); Überschreitung des vom Anleger angegebenen Höchstbetrags zum Aktienerwerb (OLG Düsseldorf ZIP 2001, 1491; LG Nürnberg-Fürth ZIP 2001, 786); Verleitung zur Kreditspekulation (BGH ZIP 1997, 580) Verleitung Unerfahrener zur Börsenspekulation (BGH NStZ 2008, 96, m. Anm. Satzger, JK 4/2008, § 263 StGB); Verjährung §§ 195, 199 I Nr. 2 BGB (BGH WM 2007, 639; zur ÖRA OLG München WM 2008, 733); Vermögensverwaltung (BGH NJW 2002, 1868; 2556; OLG Köln WM 2007, 1067; BGH WM 2008, 112; BGH, Urt. v. 23.10.2007 – XI ZR 424/06); Weitergabe von Nachrichten und Nr. 16 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte in WM 1995, 362 (BGH WM 2005, 270); Weiterleitung einer falschen Information eines anerkannten Wertpapierinformationsdienstes (OLG Frankfurt/M. WM 2002, 956); Wissenszurechnung (OLG Bamberg WM 2007, 389); Zwangsverwertung eines Depot (OLG Hamburg WM 1991, 581); Zugangswege zur Auftragsabwicklung beim Onlinebanking (BGH ZIP 2001, 152; LG Itzehoe VuR 2001, 440). II. § 31 WpHG – Allgemeine Verhaltensregeln. 1. Kosten und Beweislage. Ein Prozess, der § 823 II BGB i. V. m. WpHG berührt, kann bereits in der ersten Instanz leicht einige tausend Euro kosten. Bei einem verlorenen Instanzenzug kann ein Kapitalanleger leichthin einer finanziellen Überforderung unterliegen, falls der Prozess endgültig verloren geht. Hier ist eine Rechtsschutzversicherung (BGH NJW 2003, 2384; LG München I NJW 2002, 1807) hilfreich, sofern die Versicherungsbedingungen nicht Ausschlußklauseln vorsehen, die eine Inanspruchnahme der Versicherung unmöglich machen. Durch die Deregulierung des anwaltlichen Vergügungsrecht im Bereich der Beratung und Begutachtung (zu § 34 RVG Kilian, BB 2006, 1509; zu Vergütungsvereinbarungen Kilian, BB 2006, 225) bestehen aber für Kapitalanleger, die insbesondere Verbraucher sind, bessere Chancen, im außergerichtlichen Bereich, bevor es zu einer Klage kommen muss, günstiger wie früher zu erfahren, ob sich der Gang zum Gericht lohnt oder nicht. Ohnehin wird die weitere Deregulierung dazu führen können, dass neben den Möglichkeiten nach dem Unterlassungsklagengesetz (§ 3 I Nr. 1 UKlaG; BGBl. I 2001, 3138; BGBl. I 2006, 3367) Verbraucherzentralen und andere mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbraucherverbände bei der Einziehung von Forderungen von Verbrauchern mit einer Vertretungsbefugnis ausgestattet werden (§ 79 II 1 Nr. 3 ZPO-E; Regierungsentwurf BTDrucks. 16/3655 v. 30.11.2006, 17 u. 88 unter Hinweis auf Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG; vgl. zur bisherigen Rechtslage LG Bonn, VuR 2005, 230 (232)) zur Klagebefugnis von Verbraucherzentralen; BGH ZIP 2006, 2359 zur Aktivlegitimation einer Verbraucherzentrale für “Sammelklage“ bei ec-Kartenmissbrauch). Insoweit erwächst auch Anlegerschützeranwälten weitere Konkurrenz, die jenseits von Interessengemeinschaften zur Alternative werden können, wenn das Niveau der Vertretung qualitativ überzeugt. EU-Pläne vom 14.3.2007 sehen gar ein Verfahren vor, das zur EU-weiten Einführung von länderübergreifenden Massenklagen durch Verbraucherverbände führen könnte, was ein steigendes Risiko für Unternehmen bedeuten würde (EuZW 2007, 291). Das Konzept einer gesetzlichen Regelung EU-weiter Sammelklagen (Mattil/Desoutter, WM 2008, 521) ist nicht neu, einen entsprechenden Vorstoß machte die EU-Kommission 2005 im „Green Paper“ zum Kartellrecht (EuZW 2007, 291). Das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) umfasst ohnehin nicht die typische Anlegerklage im Zusammenhang mit falscher Anlageberatung (BGH WM 2007, 1020), sondern dient (nur) der Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit öffentlichen Kapitalmarktinformationen (§ 1 I 3 KapMuG; Gundermann/Härle, VuR 2006, 457 (458); Erttmann/Keul, WM 2007, 482;
Frisch
116
1554
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
OLG Stuttgart WM 2007, 595; OLG München WM 2007, 687; Vollkommer, NJW 2007, 3094). Man darf gespannt sein, wie der Gesetzgeber die Praxistauglichkeit der neuen Regelungen im Jahr 2010 beurteilen wird (Vollkommer, NJW 2007, 3094 (3098)). Die deutsche Industrie jedenfalls lehnt die US-Sammelklage ab (vgl. VCI-Broschüre (Stand: November 2007)); der BDI hat sich auch dezidiert gegen eine EU-Sammelklage ausgesprochen, da sich aus Art. 153 III EGV und Art. 95 EGV keine Rechtsgrundlage für eine EU-Sammelklage ergebe. 117
Die ZPO-Reform zum 1.1.2002 erschwert seither den Gang zum BGH (§§ 522 II 1, III ZPO bzw. § 543 I ZPO). Daher kommt dem vollständigen Vortrag in der ersten Instanz große Bedeutung zu (§ 530 II Nr. 3 ZPO). Die ZPO-Reform war nicht fortschrittlich, auch wenn ein Recht auf einen Instanzenzug nicht besteht. Der scharfe § 522 II 1 ZPO blieb unbeanstandet (BVerfG, Beschl. v. 11.2.2008 – 2 BvR 899/07; BVerfG NJW 2005, 1931; BVerfG, Beschl. v. 5.8.2002 – 2 BVR 1108/02; vorher Gegenvorstellung BGH NJW 2002, 1577). Ein Verstoß gegen Art. 2 I GG u. Art. 20 III GG liegt nur dann vor, wenn der Zugang zur Revisionsinstanz objektiv willkürlich ausgeschlossen wurde (BVerfG NJW 2005, 1931).
118
Was die Beweislast (Lang, WM 2000, 450) anbelangt, ist die Rechtsprechung in Einzelheiten unklar, jedoch besteht Einigkeit, dass der Kapitalanleger, der aus einer Informations- oder Aufklärungspflichtverletzung Ansprüche herleitet, diese – unbeschadet der insoweit bestehenden sekundären Darlegungslest der Gegenseite – darlegen und beweisen muss (BGH WM 2008, 112 (114); BGH WM 2006, 1288; ZIP 1999, 138 (139)). Das gilt insbesondere dann, wenn die Aufklärungspflicht an besondere Umstände in der Verantwortungssphäre des Kapitalanlegers anknüpft (OLG Hamm WM 1996, 1812). Soweit keine andere spezialgesetzliche Regelung vorliegt (vgl. etwa bis 1.11.2007 § 37d IV 2 WpHG a.F.), hat es also bei der herkömmlichen Beweisregel sein Bewenden (BGH WM 2006, 1288 (1289)). Grundsätzlich dürfte auch die MiFID an dieser Situation nichts ändern. Es bleibt weiterhin abzuwarten, ob die Rechtsprechung bei Informationspflichten Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch auf der Beweislastebene in die Pflicht nimmt.
119
Im Bereich der Aufklärungspflichten bei Wertpapierdienstleistungen obliegt der Bank die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre – sog. Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“. Das gilt auch, wenn die Pflichtverletzung in einer unterlassenen Aufklärung besteht (Lang, WM 2000, 450 (459); OLG München BKR 2008, 129 (130 f.)).
120
Streitig ist, ob analog der Rechtsprechung zur Arzthaftung bzw. Produkthaftung bei einer Beratungspflichtverletzung eine Beweislasterleichterung bzw. -umkehr zugunsten der Anlegers in Betracht kommt. Das wird z. B. bei Fällen i. S. des § 826 BGB zu Recht bejaht (Lang, WM 2000, 450 (466)). Der BGH hält aber zur Beratung bislang daran fest, dass der Anspruchsteller die behauptete Pflichtverletzung zu beweisen hat (BGH NJW 2008, 1734 (1737); OLG München BKR 2008, 129 (131); BGH WM 2006, 1288; BGH NJW 1996, 2571; NJW 1992, 1659; NJW-RR 1990, 1422; NJW-RR 1990, 28; NJW 1987, 1322; NJW 1985, 264; NJW 1983, 2499). Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei zunächst im Einzelnen darzulegen hat, in welcher Weise sie die Belehrung vorgenommen haben will. Hierfür reicht unsubstantiiertes Vorbringen nicht aus (BGH NJW 1996, 2571; NJW 1995, 2842; NJW 1993, 1139).
121
Es ist zu berücksichtigen, dass dem Anspruchsteller im Schadensfall vielfach nicht zuzumuten ist, einen Beweis über Dinge zu führen, die seinem Gefahrenbereich und seiner Kenntnis entzogen sind. Vielmehr muss sich dann der Anspruchsgegner entlasten, wenn
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1555
sich aus der Sachlage zunächst der Schluss rechtfertigt, dass er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat und die Schadensursache aus einem Gefahrenbereich hervorgegangen ist, für den er im Zweifel verantwortlich ist (BGH NJW-RR 1990, 1422 (1423)). Ein Verstoß gegen Richtlinien der BaFin (zu §§ 31, 32 WpHG a.F. bisher die per 1.11.2007 aufgehobene Richtlinie gemäß § 35 VI WpHG zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen v. 23.8.2001 (Bundesanzeiger Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19217)), die nicht nur organisatorische Anforderungen konkretisieren, kann als Anscheinsbeweis dafür zu werten sein, dass der Aufklärungspflichtige seinen gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten nicht nachgekommen und dem Anleger dadurch ein Schaden entstanden ist, was die Substantiierungsanforderungen an den Wertpapierdienstleiter erhöhen kann.
122
2. § 31 I Nr. 1 WpHG – Kundeninteressenwahrungspflicht. § 31 I WpHG war bisher Schutzgesetz i. S. v. § 823 II BGB (offen lassend BGH NJW 2007, 1876; WM 2004, 24 (26); NJW 2002, 62 (63)). Nach § 31 I Nr. 1 WpHG hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Wertpapier(neben)dienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse seiner Kunden zu erbringen. Die Pflicht, das konkrete Individualinteresse des Kunden zu wahren, richtete sich bisher auch darauf, seine Aufträge unter Aufwendung alles vernünftigerweise Zumutbaren zu den bestmöglichen Bedingungen auszuführen – Gebot der bestmöglichen Ausführung (BGH NJW 2002, 62 (63); Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 9 u. 28), z. B. durch günstigste Orderausführung (§ 2 III Nr. 1, 3, 4 u. 6 WpHG a.F.), Dokumentation, Schnelligkeit der Ausführung, Ausführungsort mit besten Konditionen, unverzügliche Ausführungsanzeige, keine verborgenen oder übermäßigen Belastungen, Offenlegung von Provisionen an Mitarbeiter oder Dritte bzw. „Kick-back“-Vereinbarungen mit Dritten (BGH NJW 2001, 962), keine (Kurs-) Manipulation. Die bislang unter § 31 I Nr. 1 WpHG in all ihren Facetten diskutierte Interessenwahrungspflicht wird durch MiFID/FRUG in Spezialnormen detaillierter geregelt, z. B. in § 31d WpHG, der jetzt Zuwendungen Dritter (auch „Kick-Backs“) umfasst. Oder auch § 33a WpHG, der „Best Execution“ gesondert regelt. Dennoch bleibt für § 31 I Nr. 1 WpHG ein Regelungsgehalt übrig. Denn § 31 I Nr. 1 WpHG bleibt die zentrale (Auffang-)Norm, durch die das allgemeine Gebot zum Handeln im Interesse des Kunden statuiert wird (BT-Drucks. 16/4028, 63). Zudem werden auch Sachverhalte des aufgehobenen § 32 WpHG a. F. teilweise jetzt wieder von der Grundregel nach § 31 I Nr. 1 WpHG erfasst (BT-Drucks. 16/4028, 69; BGH NJW 2008, 1734).
123
3. § 31 I Nr. 2 WpHG – Pflichten bei Interessenkonflikten. Durch Art. 18 II MiFID/ FRUG (BT-Drucks. 16/2028, 12) wurde § 31 I Nr. 2 WpHG neu gefasst. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist verpflichtet, sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und vor Durchführung von Geschäften für Kunden, diesen die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte (vgl. § 13 WpDVerOV) eindeutig darzulegen, soweit die organisatorischen Vorkehrungen nach § 33 I Nr. 3 WpHG nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden. Die Organisationspflichten nach § 33 I Nr. 3 WpHG, die auf Dauer wirksame (organisatorische) Vorkehrungen zur Identifikation und Management von Interessenkonflikten fordern, um eine Beinträchtigung der Kundeninteressen zu vermweiden, werden also durch Verhaltenspflichten ergänzt (BT-Drucks. 16/4028, 63). Wenn eine Wertpapierfirma ihrer Pflicht nach §§ 13 III, 18 MiFID nachkommt, Grundsätze für den Umgang mit Interessenkonflikten (Conflicts of Interest Policy) festzulegen, muss es sich sein gesamtes Tätigkeitsfeld ansehen, insbesondere die Finanzanalyse (§ 34b WpHG) und Anlageberatung (§ 2 III Nr. 9 WpHG), den Eigenhandel, die Port-
124
Frisch
1556
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
folioverwaltung und die Unternehmensfinanzierung (Erw. 26 DRL). Potenzielle Interessenkonflikte können auf verschiedenen Ebenen auftreten (Erw. 24 DRL), d. h. in Fällen, in denen ein Konflikt zwischen den Interessen zwischen den Interessen der Wertpapierfirma oder bestimmter mit der Wertpapierfirma oder der Gruppe der Wertpapierfirma verbundenen Personen und ihrer Verpflichtung gegenüber einem Kunden andererseits besteht oder ein Konflikt zwischen den divergierenden Interessen zweier oder mehrerer ihrer Kunden, denen gegenüber die Firma eine Verpflichtung hat, besteht. Dabei reicht es für die Annahme eines Interessenkonflikts nicht aus, dass der Firma ein Vorteil entstehen kann (Erw. 24 S. 2 DRL); vielmehr muss gleichzeitig für den Kunden ein potenzieller Nachteil entstehen. Oder es muss sich dem Kunden, demgegenüber die Firma eine Verpflichtung hat, die Möglichkeit bieten, einen Gewinn zu erzielen oder Verlust zu vermeiden, ohne dass dabei einem anderen Kunden ein potenzieller Verlust in gleicher Höhe entsteht (Erw. 24 DRL). Dabei ist es irrelevant, ob es sich bei dem Kunden um einen Privat- bzw. Kleinanleger, einen professionellen Anleger oder eine geeignete Gegenpartei handelt (Erw. 25 S. 2 DRL). Allerdings geht es nicht um jede Art von Interessenkonflikten, sondern nur um die auf Grund der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen, die geregelt werden müssen (Erw. 25 DRL; § 13 WpDVerOV). Die Offenlegung ist nach der MiFID aber letztlich „ultima ratio“. Zwar ergibt sich aus Art. 22 I DRL kein absolutes Gebot zur Verhinderung von Interessenkonflikten, andererseits darf – und muss – die Offenlegung erst dann erfolgen, wenn das ernsthafte organisatorische Bemühen nicht gelingen mag (Assmann, ÖBA 2007, 40 (42 Fn 10): „Organisation geht vor Publizität“ ). Aber auch nach der Offenlegung bestehen die Interessenkonflikte betreffenden Pflichten weiter. Neben der Identifikation von und der Errichtung organisatorischer Vorkehrungen zum Umgang mit Interessenkonflikten gehört auch die Beschreibung (Conflicts (of Interest) Policy) oder Zusammenfassung („Summary“ – nur für Privatkunden) der internen Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten (§ 13 WpDVerOV). 125
4. § 31 II WpHG. Alle Informationen einschließlich Werbemitteilungen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kunden zugänglich machen, müssen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Werbemitteilungen müssen eindeutig als solche erkennbar sein, wobei § 124 InvG als lex specialis für Investmentanteile gilt. Es ist also eine Abgrenzung zwischen Finanzanalysen i.S.v. § 34b WpHG (Göres, BKR 2007, 85 (88); Art. 19 II MiFID; Art. 24 II DRL; Erw. 44-46 DRL) und Werbemitteilungen, die die Anforderungen nach § 4 WpDVerOV erfüllen müssen, notwendig, um Kunden nicht darüber hinweg zu täuschen, dass die Information über Finanzinstrumente mit direkter oder indirekter Empfehung für eine Anlageentscheidung keine unabhängige objektive Finanzanalyse darstellt (Göres, BKR 2007, 85 (88)). Die Rechtslage – nach dem FRUG – ist etwas unübersichtlich, weil nicht auf Anhieb klar wird, wann die Anforderungen der MAD und/ oder der MiFID, die beide im WpHG enthalten sind, zu erfüllen sind. Daher hat die BaFin am 21.12.2007 (WA 36 – Wp-2002-2007/0006) die Auslegung auch in Bezug auf § 31 II 4 WpHG bzw. § 34b WpHG konkretisiert. Bei Werbemitteilungen i.S.d. § 31 II 4 Nr. 2 WpHG handelt es sich um von Wertpapierdienstleistungsunternehmen verbreiteten Finanzanalysen i.e.S. oder i.w.S., bei deren Erstellung die Organisationsvorschriften des § 33b V u. VI WpHG, § 34b V WpHG i.V.m. § 5a FinAN oder vergleichbare ausländische Vorschriften zumindest teilweise nicht eingehalten wurden. Deshalb müssen solche Finanzanalysen eindeutig als Werbemitteilung gekennzeichnet und mit dem Hinweis versehen sein, der die fehlende Unvoreingenommenheit und Nichterfüllung der Organisationspflichten offen legt. Im Übrigen gelten natürlich alle Anforderungen an eine sachgerechte Erstellung und Darbietung (§ 32 II 1 WpHG), Interessenkonflikte sind offen zu legen (FinAnV). Für reines Werbematerial (§ 32 II 2 WpHG) gelten diese Anforde-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1557
rungen nicht, sofern es nicht den Anschein einer unvoreingenommenen Information erweckt. 5. § 31 III WpHG – Kundeninformationspflicht. Basierend auf Art. 19 III, Art. 34 DRL definiiert § 31 III WpHG klar das Ziel der Kundeninformation. Der Kunde soll auf rechtzeitig informierter Grundlage sinnvolle Anlagentscheidungen treffen können, die seinen Interessen entsprechen, § 33 III 1 WpHG. Die Informationen können in standardisierter Form (Aufklärung mittels Informationsbroschüren wie den „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“) zur Verfügung gestellt werden, § 33 III 2 WpHG. Nach § 33 III 3 WpHG müssen sich die Informationen beziehen auf Nr. 1 das Wertpapierdienstleitungsunternehmen und seine Dienstleistungen (bankspezifische Informationen), Nr. 2 die Arten von Finanzinstrumenten und vorgeschlagene Anlagestrategiern einschließlich damit verbundener Risiken (Produktinformationen), Nr. 3 Ausführungsplätze und Nr. 4 Kosten und Nebenkosten (§ 5 II Nr. 5 WpDVerOV). Der Katalog von Basisinformationen muss jedem Kunden unabhängig von der Art der einzelnen Wertpapierdienstleistung mitgeteilt werden. Sofern ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Investmentvermögen i.S.d. InvG vertreibt, gelten die im vereinfachten Verkaufsprospekt nach §§ 121 I-III, 123 InvG enthaltenen Informationen als angemessen i.S.d. § 33 III 1 WpHG. Die bankspezifischen Informationen müssen grundsätzlich nur Privatanlegern mitgeteilt werden (§ 31 II, XI WpHG; § 5 III WpDVerOV (Art. 19 III MiFID, Artt. 30, 32 und 33 DRL)). Dazu gehört auch die Beschreibung (Conflicts (of Interest) Policy) oder Zusammenfassung („Summary“ – nur für Privatkunden) der internen Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten (§ 13 WpDVerOV). Die Übermittlung hat grundsätzlich in Papierform zu erfolgen, der Kunde kann sich aber auch für einen anderen dauerhaften Datenträger entscheiden (§ 3 WpDVerOV; Art. 2 Nr. 2 DRL; zur Internetseite § 3 III, IV WpDVerOV; § 5 V WpDVerOV). Zeitpunkt der Übermittlung der allgemeinen Informationen über die Bank für den Privatkunden ist rechtzeitig vor Erbringung der Wertpapier(neben)dienstleistung oder Vertragsschluss (§ 31 III WpHG; § 5 III WpDVerOV; Erw. 48 DRL). Die Produktinformation können wie bisher in Form von (erweiterten) Basisinformationsbroschüren oder in Form von (standardisierten) Produktinformationen, Broschüren oder Termsheets geschehen. Zeitpunkt ist hier ebenfalls rechtzeitig vor Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen (§ 5 III 1 2. Halbs. WpDVerOV). Der Kunde muss ausreichend Zeit und Gelegenheit haben, die Informationen vor Abschluss zu verstehen. Entscheidend ist, dass ein angemessener Zeitraum („cool off period“) zwischen Informationsvermittlung und Geschäft oder Vertrag liegt, der es dem Kunden ermöglicht, die Informationen aufzunehmen (Begründung zu WpDVerOV (Stand: 1.10.2007, S. 9). § 5 III WpDVerOVmacht hierzu keine konkrete Zeitvorgabe. Allenfalls bei komplexen Produkten dürfte sich hier die Frage stellen, was ein angemessener Zeitraum ist. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann wegen Verstoßes gegen seine vertraglichen, durch § 31 III und IV WpHG bestimmten Pflichten zum Schadensersatz verpflichtet sein, § 280 I BGB. Sofern ein Beratungsvertrag noch nicht zustande gekommen sein sollte, kann eine vorvertragliche Haftung in Betracht kommen, §§ 311 II, 280 I BGB. Als weitere Grundlage kommt auch eine Haftung aus § 823 II BGB i.V.m. § 31 III bzw, IV WpHG in Betracht, wiewohl diese tatbestandlich keine Vorzüge aufweist. Die Debatte um die Schutzgesetzeigenschaft dürfte daher eher nur von akademischer Bedeutung sein (zutreffend Veil, WM 2007, 1821 (1826)).
126
6. § 31 IV WpHG – Anlageberatung und Portfolioverwaltung. Der neue § 33 IV WpHG normiert besondere Verhaltenspflichten für Anlageberatung (§ 2 III Nr. 9 WpHG; Art. 4 I Nr. 4 MiFID; Art. 52 DRL) und Finanzportfolioverwaltung (zum seitherigen Recht Sprockhoff, WM 2005, 1739; zur MiFID Lyner/Parmentier, WM 2006,
127
Frisch
1558
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
1470 (1471); Kumpan, ZBB 2006, 319 (320)) und setzt Art. 19 IV MiFID sowie Teile von Art. 35 DRL um. Es bestehen insoweit die höchsten Anforderungen (BT-Drucks. 16/ 4028, 64). § 31 IV WpHG gilt auch für potenzielle Kunden (Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (630 Fn 40)). Die in § 33 IV 1 WpHG geregelte und durch § 6 I u. II WpDVerOV konkretisierte Erkundigungspflicht, auch Explorationspflicht genannt, besagt, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das die vorgenannten Dienstleistungen erbringt, von dem Kunden alle Informationen einholen muss über Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen (§ 6 II Nrn. 1 bis 3 WpDVerOV), über die Anlageziele der Kunden und über ihre finanzielle Verhältnisse (§ 6 I Nrn. 1 u. 2 WpDVerOV), soweit sie erforderlich sind, um den Kunden ein für sie geeignetes Finanzinstrument oder eine für sie geeignete Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können. Durch den bereits aus § 31 II WpHG a.F. bekannten Erforderlichkeitsvorbehalt wird also gegebenenfalls die Erkundigungspflicht reduziert, wenn der Kunde aufgrund seiner Anlageziele oder persönlichen Situation keines hohen Schutzstandards bedarf. Die entsprechende Kenntnis vom Wissensstand über Anlagegeschäfte und dessen Risikobereitschaft kann die Bank auch aus einer langjährigen Geschäftsbeziehung mit dem Kunden gewonnen haben (LG Magdeburg BKR 2008, 166 (168)). Bei per se professionellen Kunden darf von der notwendigen Risikofähigkeit ausgegangen werden (Weichert/Wenninger, WM 2007, 672 (630); § 31 IX WpHG; Art. 35 II DRL; zu institutionellen Kunden LG Magdeburg BK R 2008, 166). Die Pflicht zum „suitability test“ bei der Anlageberatung (Wenninger, WM 2007, 627 (631); Seyfried, WM 2006, 1375 (1382); Teuber, BKR 2006, 429 (431); Art. 19 IV WpHG in englischer Sprachfassung „suitable“ ) hat also die finanziellen Verhältnisse (d. h. Angaben über Grundlage und Höhe regelmäßiger Einkommen und finanzielle Verpflichtungen sowie über vorhandene Vermögenswerte, insbesondere Barvermögen, Kapitalanlagen und Immobilienvermögen; § 6 I Nr. 1 WpDVerOV) und Anlageziele des Kunden zu berücksichtigen. Pate für die Neuregelung ist die aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende „suitability“-Doktrin, nach der ein Wertpapierdienstleister einen Kunden vor ungeeigneten Anlageformen warnen muss (Fleischer, BKR 2006, 389 (395); Weichert/ Wenninger, WM 2007, 627 (631 u. 635)). Der „suitability test“ orientiert sich an den in § 31 IV 2 WpHG genannten Kriterien (§ 6 WpDVerOV; Art. 19 IV MiFID; Artt. 35, 37 DRL). Bei der Portfolioverwaltung (Vermögensverwaltung) darf ein Geschäft nur getätigt werden, wenn es mit den Anlagezielen und finanziellen Verhältnissen des Kunden vereinbar ist. Was die Eignung im Hinblick auf die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden angeht, ist bei ihr darauf abzustellen, ob der Kenntnisstand des Kunden es erlaubt, die vom Verwalter getätigten Transaktionen nachzuvollziehen und die damit verbundenen Chancen und Risiken einzuschätzen (Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (631)). Im Rahmen der anlageobjektbezogenen Geeignetheitsprüfung sind bei Privatkunden die Anlageziele, die finanziellen Verhältnisse sowie die Kenntnisse und Erfahrungen zu prüfen, bei professionellen Kunden hingegen nur die Anlageziele. Beim professionellen Kunden wird nämlich vermutet, dass er die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen hat und finanziell in der Lage ist, die eventuellen Verluste zu tragen, was für geborere wie auch gekorene professionelle Anleger gleichermaßen gilt. Erlangt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die erforderlichen Informationen nicht, darf es im Zusammenhang mit einer Anlageberatung kein Finanzinstrument empfehlen oder im Zusammenhang mit einer Finanzportfolioverwaltung (BGH WM 2008, 112) keine Empfehlung abgeben (§ 34 IV 3 WpHG; Art. 35 V DRL). Ein Verstoß gegen § 31 IV 3 WpHG stellt aber keinen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB dar, sondern führt nur zu einer Schadensersatzpflicht i.S.v. § 280 I BGB. Der Kunde kann gem. § 280 I BGB oder gemäß §§ 311
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1559
II, 280 I BGB Ersatz seines negativen Interesses (Vertragsabschlussschaden) verlangen (Veil, WM 2007, 1821 (1826)). § 31 VI und V WpHG werden darüber hinaus als konkret anlegerschützende Normen angesehen (Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (631 u. 635)). Bei § 31 IV und V WpHG kann weiterhin der WpHG-(Erhebungs-)Bogen (siehe Begründung zu WpDVerOV (Stand: 1.10.2007), S. 10, zu § 6 I u. II WpDVerOV; LG Dortmund, Urt. v. 26.8.2004 – 2 O 135/03 zum WpHG-Bogen nach § 31 II WpHG a.F.) zum Einsatz kommen. 7. § 31 V WpHG – Sonstige Finanzdienstleistungen. Erbringt eine Wertpapierfirma sonstige, d. h. andere Finanzdienstleistungen (Art. 19 V MiFID; Artt. 37, 38 DRL; § 6 II WpDVerOV) als Anlageberatung und Vermögensverwaltung, so liegt eine Nichtberatungssituation vor. Man spricht auch vom beratungsfreien Geschäft. Das beratungsfreie Geschäft entspricht in Teilen dem bishergen deutschen „Execution-only-Geschäft. Die Anlageentschediung des Kunden beruht dabei nicht auf einer Anlageempfehlung der Bank. Das beratungsfreie Geschäft kommt bei Privatkunden, professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien in Betracht. Bei Privatkunden sind die Angaben zu Kenntnissen und Erfahrungen einzuholen, soweit diese nicht vorliegen (§ 31 V WpHG, § 6 II WpDVerOV), Bei professionellen Kunden wird vermutet. Dass sie über die Kenntnisse und die Erfahrungen verfügen, um die Risiken der Anlage zu verstehen (§ 31a II WpHG, Art. 36 Unterabs. 2 DRL). Bei geeigneten Gegenparteien sind weder Angaben des Kunden einzuholen, noch ist eine Angemessenheitsprüfung Pflicht (§ 31b WpHG (Art. 24 I MiFID a.E.) befreit von den Obliegenheiten nach §§ 31 II, III, V-VII, 31c, 31 und 33a WpHG (Art. 19 MiFID), da eine Nichtberatingssituation vorliegt). Anhand der Kundenangaben ist die Geeignetheit der Anlageentscheidung zu überprüfen (sog. Geeignetheitstest oder „appropriateness-test“; Seyfried, WM 2006, 1375 (1382); Teuber, BKR 2006, 429 (433)). Gelangt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu der Auffassung, dass das vom Kunden gewünschte Finanzinstrument oder die Wertpapierdienstleistung unangemessen ist, besteht eine (standardisierte) Warnpflicht („hinzuweisen“), § 31 V 3 WpHG. Es besteht aber keine Pflicht von dem Geschäft Abstand zu nehmen (Weichert/ Wenninger, WM 2007, 627 (631)), denn der Schutz des Anlegers wird dadurch gewährleistet, dass er darauf hingewiesen wird, dass er Risiken eingeht, deren Ausmaß er nicht ausreichend beurteilen kann. Erlangt das Unternehmen vom Kunden nicht die notwendigen Informationen, ist der Kunde darüber zu informieren, dass eine Angemessenheitsprüfung nicht möglich ist. Aber auch hier besteht keine Pflicht, von dem Geschäft Abstand zu nehmen. Der Sinn des „appropriateness-test“ besteht nicht darin, den Kunden um jeden Preis vor einer ungeeigneten Anlageentscheidung zu bewahren. Es gilt das Leitbild eines mündigen Anlagers (Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (631)). Nach § 33 VI WpHG darf das Unternehmen grundsätzlich auf die Kundenangaben vertrauen, mögen diese auch falsch sein.
128
§ 31 VII WpHG regelt das sog. reine Ausführungsgeschäft (Art. 19 VI MiFID), für das wesentlich geringere Anforderungen gelten als das bisher in Deutschland bekannte Execution-Only-Business. Es gilt aber nur für nicht-komplexe Produkte (z. B. Aktien, Geldmarktinstrumente, Schuldverschreibungen und Investmentfondsanteile; § 7 WpDVerOV; Art. 19 VI MiFID, Art. 38b-d DRL). Termingeschäfte und Derivate zählen hingegen zu den komplexen Produkten (siehe unten Rn. 126). Der Kunden ist vor Erbringung der Dienstleistung, die nur auf seine Veranlassung erbracht werden kann, einmalig darauf hinzuweisen, dass nicht wie beim beratungsfreien Geschäft eine Angemessenheitsprüfung nach § 31 V WpHG erfolgt (§ 31 VII Nr. 2 WpHG). Dies auch in standardisierter Form. Die Einholung von Kundenangaben ist nicht erforderlich. § 31 VIII WpHG regelt die Berichtspflichten (Art. 19 VIII MiFID) bei Ausführung von Aufträgen (§ 8 WpDVerOV)
129
Frisch
1560
130
131
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Finanzportfolioverwaltung (§ 9 WpDVerOV). § 31 IX WpHG betrifft professionelle Kunden nach § 31a II WpHG, bei denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen von einem geringeren Schutzniveau ausgehen darf. Die Pflichten des § 31 V WpHG gelten nicht für professionelle Kunden. Nach § 31 IX WpHG (Artt. 35 u. 36 DRL) gelten die Verhaltenspflichten nach § 31 IV u. V WpHG nicht unterschiedslos für alle Kunden (BTDrucks. 16/4028, 65). Ihre Intensität hängt davon ab, ob es sich um einen Privatkunden oder professionellen Kunden i.S.d. § 31a WpHG handelt. § 31 X WpHG ist der bisherige § 31 III WpHG a.F., er bezieht Unternehmen mit Sitz im Ausland ein. III. § 31a WpHG – Kunden. Durch die MiFID erfolgt im WpHG zudem einer sehr detailliert geregelte Kundenkategorisierung (Seyfried, WM 2006, 1375 f.; Duve/Keller, BB 2006, 2425 ff.). Es wird zwischen professionellen Kunden (§ 31a II WpHG), Privatkunden (§ 31a III WpHG; Art. 4 I Nr. 12 MiFID unschön „Kleinanleger“) und geeigneten Gegenparteien (§ 31a IV WpHG) unterschieden. Dieser Kategorisierung liegt die Erwägung zu Grunde, dass je nach Kundengruppe eine abgestufte Anwendbarkeit der Wohlverhaltensregeln – wie aus § 31 WpHG ersichtlich – angemessen erscheint (Seyfried, WM 2006, 1375). Privatkunden sind die schützensbedürftigsten Kunden. Das Wertpapierdienstleitungsunternehmen hat bei der Einstufung ein Ermessen zugunsten des Schutzniveaus, § 31a V WpHG. Als Privatkunden (Kleinanleger (Retail Clients)) werden alle Kunden eingestuft, die nicht professionelle Kunden sind (Seyfried, WM 2006, 1375 (1376)). Geborene professionelle Kunden sind die in § 31a II Nr. 1 bis 5 WpHG genannte Kunden, d. h. z. B. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Versicherungsunternehmen, Pensionfonds, aber insbesondere auch solche, die zwei von drei Kriterien entsprechen: a) € 20.000.000 Bilanzsumme, b) € 40.000.000 Umsatzerlöse, c) € 2.000.000 Eigenmittel. Gekorene professionelle Kunden (§ 31a VII WpHG) sind solche (Privatkunden), die auf Antrag als professionelle Kunden behandelt werden können (sog. opt in oder Opting up), wofür Einstufungs- oder Eignungskriterien maßgeblich sind, d. h. Nr. 1) am relevanten Markt während der vier vorhergehenden Quartale pro Quartal 10 Geschäfte von erheblichem Umfang, Nr. 2 verfügt er über Bankguthaben und Finanzinstrumente im Wert von mehr als € 500.000, Nr. 3 hat er mindestens für ein Jahr einen Beruf am Kapitalmarkt ausgeübt, der die erforderlichen Kenntnisse voraussetzt (Seyfried, WM 2006, 1375 (1377)). Umgekehrt ist auch die Einstufung eines professionellen Kunden als Privatkunde möglich, § 31a VI WpHG (sog. opt out oder Opting down). Bei geeigneten Gegenparteien (Art. 24 I MiFID) gibt es ebenfalls geborene (Unternehmen nach § 31a II Nr. 1 a ) bis f) WpHG, Einrichtungen i.S.d. § 31a II Nr. 3 u. 4 WpHG sowie Unternehmen nach § 2a I Nr. 12 WpHG) und gekorene geeignete Gegenparteien, § 31a IV Nrn. 1 bis 3 WpHG, wenn diese zugestimmt haben, für alle oder einzelne Geschäfte als geeignete Gegenpartei behandelt zu werden (Art. 24 III MiFID; Seyfried, WM 2006, 1375 (1377)). Die Kundenkategorien sind nach der Konzeption der MiFID durchlässig: Der Wechsel zwischen den Kategorien ist auf Veranlassung des Kunden möglich (Duve/Keller, BB 2006, 2425 ff.). IV. § 31b WpHG – Geschäfte mit geeigneten Gegenparteien. Werden das Finanzkommissionsgeschäft, die Anlage- und Abschlussvermittlung und der Eigenhandelt sowie mit damit im direkten Zusammenhang stehenden Wertpapiernebendienstleistungen gegenüber geeigneten Gegenparteien erbracht, gelten die Vorgaben des § 31 II, III und V bis VII WpHG sowie der §§ 31c, 31d und 33a WpHG nicht. Dies aufgrund des geringeren Schutzniveaus gegenüber Privatkunden (BT-Drucks. 16/4028, 67; § 31b I 1 WpHG), es sei denn, es ist für einzelne oder alle Geschäfte vereinbart, als professioneller Kunde oder Privatkunde behandelt zu werden.
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1561
V. § 31c WpHG – Bearbeitung von Kundenaufträgen. Der neue § 31c WpHG konkretisiert die allgemeinen Verhaltensregeln nach § 31 WpHG (entsprechend Art. 22 MiFID; Artt. 47-49 DRL; CESR/07-301 v, Mai 2007). Es sind Grundsätze zur Bearbeitung von Kundenaufträgen festgelegt. Nach Nr. 1 müssen Kundenaufträge unverzüglich und redlich ausgeführt werden. Nr. 2 betrifft das Prioritätsprinzip, vergleichbare Kundenaufträge der Reihenfolge ihres Eingangs nach auszuführen. Nr. 3 verlangt, sicherzustellen, dass Kundengelder und Kundenfinanzinstrumente korrekt verbucht werden. Nr. 4, der die Zusammenlegung von Kundenaufträgen mit Aufträgen anderer Kunden oder Eigengeschäften (Sammelauftrag) betrifft, wird durch § 10 WpDVerOV konkretisiert. § 31c I Nr. 5 WpHG verlangt, sicherzustellen, dass Informationen im Zusammenhang mit noch nicht ausgeführten Kundenaufträgen nicht missbraucht werden (sog. Frontrunning zum Nachteil der Kunden nach bisher § 32 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 WpHG a. F.; § 14 I Nr. 1 WpHG). § 31c Nr. 6 WpHG verlangt, jeden betroffenen Kunden über die Zusammenlegung der Aufträge und damit verbundene Risiken und jeden betroffenen Privatkunden unverzüglich über alle ihm bekannten wesentlichen Probleme bei der Auftragsausführung zu informieren. § 31c II WpHG regelt den Umgang mit limitierten Kundenaufträgen (Art. 31 VO (EG Nr. 1287/2006)).
132
VI. § 31d – Zuwendungen. Von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist das grundsätzliche Verbot von „inducements“ (Anreizversprechen; Art. 26 DRL). Nach § 31d I WpHG darf im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen ein diese erbringendes Unternehmen keine Zuwendungen von Dritten annehmen oder an Dritte gewähren, die nicht Kunden dieser Dienstleistung sind. Mit seinem Urteil zu verdeckten Rückvergütungen (auch Retrozessionen oder „Kick-Backs“ genannt) vom 19.12.2006 hatte der BGH ZIP 2007, 518 = ZBB 2007, 193 = NJW 2007, 1876 = WM 2007, 487 (vgl. dazu nur Lang/Balzer, ZIP 2007, 518; Hanten/Hartig, EWiR 2007, 217; weitgehend Koller, ZBB 2007, 197; Rozok, BKR 2007, 217; Mülbert, WM 2007, 1149 (1158); Ellenberger, Bankpraktiker 4/ 2007; Schäfer/Schäfer, BKR 2007, 163; grds. zu MiFID und Interessenkonflikten Assmann, ÖBA 2007, 40) die durch die MiFID ohnehin vor der Tür stehende Neuregelung zum Umgang mit Zuwendungen quasi vorweggenommen. Allerdings entschied der BGH dabei zu § 31 I Nr. WpHG a.F., dass die Bank (vgl. nur §§ 675, 667 BGB; 384 II HGB, aber vertraglich abdingbar; Kumpan/Hellgardt, DB 2006, 1714 (1718)) auch die Zuwendung ungefragt der Höhe nach vorab offenlegen muss. Die Aufklärung (§ 31 I Nr. 2 WpHG a.F.) ist nach Ansicht des BGH notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank offen zu legen. Erst durch die Aufklärung wird der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient. Ähnlich hatte zuvor z. B. das Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 22.3.2006 – 4 O 432/2005, aber auch der BGH selbst entschieden (BGH NJW 2004, 3425; BGHZ 146, 235 = DB 2001, 478; BGH NJW-RR 1990, 604). Der Begriff der Zuwendung wird in § 31d II WpHG konkretisiert (Art. 26 DRL): Neben Provisionen (Bestandsprovisionen, Platzierungsprovisionen etc.) und Gebühren fallen auch sonstige Geldforderungen sowie alle geldwerten Vorteile darunter, wie z. B. die Erbringung von Dienstleistungen, die Übermittlung von Finanzanalysen, das Überlassen von IT-Hardware oder Software oder die Durchführung von Schulungen („soft commissions“). Als geldwerte Vorteile ist auch die Reduzierung von Gebühren und anderen Kosten durch einen Dritten anzusehen, wenn dem Kunden diese Gebühren oder Kosten dennoch in vollem Umfang in Rechnung gestellt werden (BT-Drucks. 16/4028, 67). Entgegen dem grundsätzlichen Verbot ist aber die Annahme oder Gewährung von Zuwendungen von Dritten bzw. an Dritte erlaubt, wenn
133
Frisch
1562
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
damit eine Qualitätssteigerung verbunden ist, § 31 I Nr. 1 WpHG und die Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise der Berechnung dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapier(neben)dienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt wird. Das kann in Form einer Zusammenfassung der wesentlichen Bestandteile der Vereinbarungen über Zuwendungen erfolgen, sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden die Offenlegung näherer Einzelheiten anbietet und auf Nachfrage gewährt (§ 31d I Nr. 2, § 31d III WpHG). Die Vermutungsregel zur Verbesserung der Qualität gemäß § 31 IV WpHG (Erw. 39 DRL) wird häufig einschlägig sein, wenn es um die Annahme einer Zuwendung im Zusammenhang mit einer Anlageberatung (§ 2 III 1 Nr. 9 WpHG) oder allgemeinen Empfehlung geht, zumal dadurch der Rechtswirklichkeit Rechnung getragen wird, dass das Anlegerpublikum zur unmittelbaren Entlohnung des Beratungs- und Informationsaufwands des Wertpapierdienstleistungsunternehmens im Allgemeinen nicht bereit ist (Rozok, BKR 2007, 217 (221)). Umfasst sind auch Zuwendungen für den Aufbau und Erhalt effizienter und qualitativ hochwertiger Infrastruktur (BT-Drucks. 16/4028, 67). § 31d V WpHG nimmt Gebühren und Entgelte, die die Erbringung von Wertpapierdienstleistung erst ermöglich oder dafür notwendig sind, vom Verbot des Abs. 1 aus, d. h. z. B. Entgelte für die Verwahrung von Finanzinstrumenten, die Abwicklung von Geschäften oder die Nutzung von Handelsplätzen, behördlichen Kosten oder gesetzliche Gebühren (BT-Drucks. 16/4028, 68). 134
VII. § 31e WpHG – Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen über ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen. § 31e WpHG setzt Art. 20 MiFID um. Er regelt die aufsichtsrechtlichen Verantwortlichkeiten. Die Regelung bezieht sich ihrem Sinn und Zweck nach aber auf jeder Art der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen durch ein anderes Unternehmen. Die Verantwortung liegt bei dem Unternehmen, an das der Auftrag weitergeleitet wurde (BTDrucks. 16/4028, 68). Es kann sich nur auf übermittelte Kundenangaben und Kundenweisungen sowie auf Empfehlungen verlassen, die das weiterleitende Unternehmen dem Kunden gegeben hat, § 31c Nrs. 1 u. 2 WpHG.
135
VIII. § 31f WpHG – Betrieb eines multilateralen Handelssystems. Handelsplätze nach der MiFID sind geregelte Märkte i.S.d. Art. 4 I Nr. 14 MiFID, multilaterale Handelssysteme (MTF – multilateral trading facility) i.S.d. Art. 4 Nr. 15 MiFID und systemische Internalisierer (Art. 2 VIII DVO; Hirschberg, AG 2006, 398 (400 f.); Gomber/Hirschberg, AG 2006, 777 (780)). Geregelte Märkte i.S.d. Art. 4 I Nr. 14 MiFID werden von einem Marktplatzbetreiber i.S.d. Art. 4 I Nr. 13 MiFID betrieben, während multilaterale Handelsysteme sowohl von einer Wertpapierfirma i.S.d. Art. 4 I Nr. 1 MiFID als auch von einem Marktplatzbetreiber betrieben werden können. Ebenso vom Freiverkehr nach § 57 I BörsG (Art. 5 II i.V.m. Art. 71 V MiFID). Die Anforderungen der MiFID für den Handel am geregelten Markt und an einem multilateralen Handelssystem unterscheiden sich nicht voneinander (Hirschberg, AG 2006, 398 (401 f.); Art. 16 ff. DRL). Dagegen müssen geregelte Märkte deutlich höhere Standards erfüllen im Hinblick auf die Zulassung von Wertpapieren nach Art. 40 MiFID i.V.m. Art. 35 ff. DVO und Folgepflichten. Der entscheidende Unterschied zwischen geregelten Märkten und multilateralen Handelsystemen besteht in der Art der Zusammenführung der Interessen (so Spindler/Kasten, WM 2006,1749 (1754 f.)): Bei geregelten Märkten hält Art. 4 I Nr. 14 MiFID ausdrücklich fest, dass bereits die reine Ermöglichung (bzw. Erleichterung) der Kontaktaufnahme und des Zusammenführens erfasst wird. Dagegen zeichnet das MTF das echte „Matching“ im System oder nach den Regeln aus. So werden die sog „Proprietary Trading Systems“ erfasst, hingegen nicht die sog „Bulletin Boards“-Systeme, die nur den Kontakt zwischen
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1563
den Marktteilnehmern herstellen, aber keinen Geschäftsabschluss herbeiführen. Damit entspricht der europäische Ansatz dem der SEC (Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1755)): eine Verpflichtung zur Stellung eines eigenen Kurses besteht für MTFs nicht. Der Betreiber eines multilateralen Handelssytems bzw. einer „Multilateral Trading Facility“ (MTF – § 2 III Nr. 8 WpHG) unterliegt verschiedenen Regelungem, die § 31f WpHG in Umsetzung von Art. 14 MiFID normiert. Der Betrieb eines MTF stellt eine eigene Wertpapierdienstleistung gemäß § 2 III Nr. 8 WpHG dar, die einen Sonderfall des allgemeinen Geschäfts der Anlagevermittlung darstellt (Carny/Neusüß, beide BaFin, BaFinJournal 05/ 07, 14 (15)). Bislang war der Betrieb eines MTFs partiell in § 59 BörsG a.F. geregelt. Für den Fall, dass kein Betrieb eines geregelten Marktes i.S.d. MiFID stattfindet, ist eine Zulassung nach dem KWG erforderlich (BT-Drucks. 16/4028, 16 u. 68). Nach § 31f I Nr. 1 WpHG sind die Anforderungen nach § 19 I, IV 1 BörsG einzuhalten; § 19 IV 2 WpHG gilt entsprechend. Nr. 2 erfordert Regelungen für die Einbeziehung von Finanzinstrumenten, die ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung, die Verwendung von einbezogenen Referenzpreisen und die vertragsmäße Abwicklung der angeschlossenen Geschäfte, wobei die Regelungen zum Handel und der Preisermittlung dem Betreiber keinen Ermessensspielraum einräumen dürfen. Nr. 3 verlangt angemessene Kontrollverfahren zu Nr. 2, aber auch zur Überwachung der Einhaltung von §§ 14 und 20a WpHG. Nr. 4 verlangt die Sicherstellung, dass die Preise entsprechend § 24 II BörsG zustande kommen. Nr. 5 erfordert Aufzeichnungen über die erteilten Aufträge und abgeschlossenen Geschäfte, damit die BaFin lückenlos überwachen kann. Nr. 6 verlangt, dass alle für die Nutzung des MTF erforderlichen und zweckdienlichen Informationen öffentlich bekannt zu geben sind, dies unter Berücksichtigung der Art der Nutzer und der gehandelten Finanzinstrumente. § 31f II WpHG (Art. 14 VI MiFID) besagt, dass Emittenten, deren Finanzinstrumente ohne ihre Zustimmung in das MTF einbezogen worden sind, nicht verpflichtet sind, diesbezüglich Informationen für das MTF zu veröffentlichen. Die Beaufsichtigung obliegt der BaFin, § 31f III WpHG. Der Betreiber hat die BaFin bei Anhaltspunkten für §§ 14 oder 20a WpHG zu unterrichten und zu unterstützen, schwerwiegende Verstöße gegen die Handelsregeln oder Störungen der Marktintegrität sind der BaFin mitzuteilen, § 31f III WpHG. IX. § 31g WpHG – Vor- und Nachhandelstransparenz für MTFs. Geregete Märkte und multilaterale Handelssysteme (MTFs) sind gemäß Art. 44 bzw. Art. 29 MiFID verpflichtet, Vorhandelstransparenz zu leisten. Diese grundsätzliche Pflicht wird durch Art. 16-19 i.V.m. Tabelle I in Annex II DVO (EG) Nr. 1287/2006 konkretisiert (Hirschberg, AG 2006, 398 (404)). Die Inhalte der von Art. 28, 30 und 45 MiFID geforderten Nachhandelstransparenz werden für Wertpapierfirmen, MTFS und geregelte Märkte einheitlich durch Art. 27 ff. DVO konkretisiert (Hirschberg, AG 2006, 398 (405); Gomber/ Hirschberg, AG 2006, 777 (780)). § 31g I WpHG normiert die Vorhandelstransparenz für Aktien, wobei auch ein bestehendes Handelsinteresse zu veröffentlichen ist, sofern z. B. Taxen gestellt worden sind (BT-Drucks. 16/4028, 68). § 31g II WpHG normiert die Möglichkeit der Gestattung einer Ausnahme von Abs. 1 durch die BaFin. Nach § 31g III WpHG hat der Betreiber auch die Nachhandelstransparenz für abgeschlossene Aktiengeschäfte herzustellen (Marktpreis, Volumen, Zeitpunkt zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und soweit möglich Veröffentlichung in Echtzeit). Jedoch ist die Gestattung einer verzögerten Veröffentlichung durch die BaFin möglich, § 31g IV WpHG. Die Einzelheiten der Veröffentlchungspflichten regelt Kapitel IV Abschnitt 1,3 und 4 der VO (EG) Nr. 1287/2006, § 31g V WpHG.
Frisch
136
1564
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
137
X. § 31h WpHG – Veröffentlichungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem Handel. Wertpapierdienstleistungsuntenehmen, die Geschäfte im Rahmen von Wertpapierdienstleistungen nach § 2 III 1 Nr. 1 bis 4 WpHG mit zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Aktien außerhalb eines organisierten Marktes oder eines MTF abschließen, sind verpflichtet, das Volumen, den Marktpreis und den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Geschäfte zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und soweit möglich auf Echtzeitbasis zu veröffentlichen, § 31h I WpHG (Art. 27 IV DVO; Art. 28 MiFID). Während diese Anforderung durch die Börsen in Deutschland bereits erfüllt ist, ist die verbindliche Fristsetzung für den OTC-Handel, der bislang in Deutschland keiner Transparenzverpflichtung unterlag, neu und ambitioniert (so Gomber/Hirschberg, AG 2006, 777 (780); Hirschberg, AG 2006, 398 (406)). Die BaFin kann eine verzögerte Veröffentlichung, insbesondere für sog. block trades, gestatten, § 31h II 1 WpHG (Art. 28 II MiFID). Die Einzelheiten zu den Veröffentlichungspflichten regelt Kapitel IV Abschnitt 3 und 4 der VO (EG) Nr. 1287/2006 v. 10.8.2006 (ABl. EG Nr. L 241/1 v. 2.9.2006), § 31h III WpHG.
138
XI. § 32 ff. WpHG – Systematische Internalisierung. Systematische Internalisierer (Spindler/Kasten, AG 2006, 1749 (1755 Fn 107); Gomber/Hirschberg, AG 2006, 777 (780); Hirschberg, AG 2006, 398 (401) – Handel auf bilateraler Basis) sind nach der Definition der MiFID Wertpapierfirmen, die in organisierter und systematischer Weise häufig regelmäßig für eigene Rechnung durch Ausführung von Kundenaufträgen außerhalb eines geregelten Marktes oder eines MTF betreiben (Art. 4 I Nr. 7 MiFID i.V.m. Art. 21 und Erw. 13 DVO). Bei der bilateralen Orderausführung gegen das eigene Buch handelt es sich also um klassisches OTC-Geschäft. Sobald ein Unternehmen gemäß § 2 Nr. 10 WpHG häufig regelmäßig und auf organisierte und systematische Weise Eigenhandel betreibt, wird es den Vorschriften für systemische Internalisierer nach § 32 ff. WpHG unterworfen, die i.V.m. Art. 21-26 DVO besondere Transparenzvorschriften vorschreiben (Gomber/Hirschberg, AG 2006, 777 (780)). Die §§ 32 bis 32d WpHG spiegeln die hohen Anforderungen der MiFID an diese interne Art der Ausführung wider (Carny/Neusüß, beide BaFin, BaFinJournal 05/07, 14 (19)). Art. 21 DVO legt Kriterien zur Beurteilung fest, ob eine Wertpapierfirma ein systematischer Internalisierer ist. Dabei zählt das interne „Matching“, das Vermitteln von zwei Kundenaufträgen nicht zur Internalisierung, sondern zum Betreiben eines MTF (Spindler/Kasten, AG 2006, 1749 (1755 Fn 107)). Allein der Handel auf bilateraler Basis kann weiter außerhalb eines Handelsplatzes stattfinden (Hirschberg, AG 2006, 398 (401)). §§ 32a bis 32d WpHG gelten für systematische Internalisierer, soweit sie Aufträge für Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, bis zur standardmäßigen Marktgröße ausführen, § 32 1 WpHG. Einzelheiten sind in den Kapiteln III und IV Abschnitt 2 und 4 der VO (EG) Nr. 1287/2006 geregelt. Im Umkehrschluss sind systematische Internalisierer, die auschließlich Aufträge über der standardmäßigen Marktgröße ausführen, von den §§ 32a bis 32d WpHG ausgenommen (BT-Drucks. 16/4028, 69; Art. 27 I Unterabs. 2 MiFID). § 32 2 WpHG setzt Art. 27 VII MiFID (Art, 9, 21 bis 23, 29, 30 und 32 VO (EG) Nr. 1287/2006) um. Ein Markt i.S.d. §§ 32a bis 32d WpHG für jede Aktie besteht hiernach aus allen Aufträgen, die in der EU in Bezug auf diese Aktie ausgeführt werden. Ausgenommen jene, die ein im Vergleich zur normalen Marktgröße großes Volumen für diese Aktie aufweisen und auch nach § 27 BörsG von den Vorhandelstransparenzvorschriften ausgenommen werden können (BT-Drucks. 16/4028, 69). Die standardmäßige Marktgröße wird von der BaFin bestimmt, die nach § 32b I WpHG ermittelten Klassen veröffentlicht sie auf ihrer Internetseite, § 32b II WpHG.
139
§ 32a I WpHG verpflichtet systematische Internalisierer, regelmäßig und kontinuierlich während der üblichen Handelszeiten für die von ihnen angebotenen Aktiengattungen
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1565
verbindliche Kauf- und Verkaufsangebote (Quotes) zu stellen, sofern es hierfür einen liquiden Markt gibt. Nur abgeschlossene Geschäfte sind zur Bestimmung der standardmäßigen Marktgröße heranzuziehen. Besteht kann liquider Markt, sind den Kunden auf Anfrage Quotes zu stellen. Natürlich sind die Quotes zu veröffentlichen, § 32a I 3 WpHG. Nach § 32a II WpHG kann der systematische Internalisierer die Stückzahl der Aktien oder den auf einen Geldbetrag gerechneten Wert (Größe) für seine Kauf- oder Verkaufangebote festlegen. Die vorherrschanden Maktbedingungen müssen sich widerspiegeln. Nach § 32a IV WpHG muss die Veröffentlichung nach § 32a I 3 WpHG über ein System des organisierten Marktes, in einem elektronischen Informationsverbreitungssystem oder im Internat erfolgen. § 32c WpHG regelt die Ausführung der Kundenaufträge durch systematische Internalisierer, wobei nach § 32c I 1 WpHG Aufträge zu dem zum Zeitpunkt des Auftragseingangs veröffentlichten Preis auszuführen sind. Für Privatkunden ist § 33a WpHG einzuhalten, § 33c I 2 WpHG. § 32c II WpHG bestimmt, dass die Aufträge professioneller Kunden zu einem anderen als dem in § 33c I 1 WpHG genannten Preis ausgeführt werden können, wenn die Voraussetzungen den Nrn 1 bis 3 alternativ vorliegen. Der Zugang zu den Quotes ist in objektiver und nicht diskriminierender Weise zu gewähren, die Zugangsberechtigung ist in eindeutiger Weise zu regeln, § 32d II Nrn. 1 bis 3 WpHG setzt Art. 27 V 2 und VI MiFID um. Die Aufnahme und Fortführung der Geschäftsbeziehung zu Kunden kann insbesondere aufgrund der nicht abschließenden Aufzählung der gesetzlich genannten Gründe (z. B. Bomität des Kunden) vom Internalisierer abgelehnt werden. Die Einzelheiten zur Beschränkung von Aufträgen sind insbesondere in Art. 25 II, III DVO geregelt (BR-Drucks. 16/4028, 70). Exkurs: Die Regelungen des § 32 WpHG a.F. (BGH NJW 2008, 1734) sind weggefallen, da sie in den neuen Bestimmungen zur Umsetzung der MiFID fast vollständig enthalten sind. Die in § 32 I Nr. 1 und 2, II Nr. 1 WpHG a. F. enthaltenen Verbote der Anlageempfehlungen durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die nicht mit den Interessen des Kunden übereinstimmen, ergeben sich z. B. zukünftig unmittelbar aus der Grundregel nach § 31 I Nr. 1 WpHG, der zufolge Wertpapierdienstleistungen und damit auch die Anlageberatung im bestmöglichen Interesse der Kunden zu erbringen sind. Da ein Anlageberater nach § 31 IV WpHG nur für den Kunden generell geeignete Geschäfte in Finanzinstrumenten empfehlen darf, kann auch dieses Gebot bei interessewidrigen Anlageempfehlungen verletzt sein. Die bisherige Regelung des § 32 II WpHG a.F., die auch für Mitarbeiter von Wertpapierdienstleistungen bestimmte Empfehlungsverbote vorsah und damit für sie ein persönliches Haftungsrisiko begründete, schadensersatzrechtlich über § 823 II BGB selbst in Regress genommen zu werden, ist per 1.11.2007 entfallen, was eine Risikoreduzierung darstellt (Balzer, ZBB 2007, 333 (345)). Ansprüche aufgrund § 826 BGB sind aber zumindest potenziell möglich (Balzer, ZBB 2007, 333 (345)). Ein Anlageberater, der vorsätzlich eine anleger- und objektwidrige Empfehlung abgibt und die Schädigung des um Rat fragenden Kunden zumindest billigend in Kauf nimmt, ist dem Anleger wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu Schadensersatz verpflichtet (BGH NJW 2008, 1734 (1737); BGH WM 1992, 1812 (1823); BGH WM 2004, 1768 (1769)). Wer gar unerfahrene Kunden zur Börsenspekulation verleitet, haftet gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH NStZ 2008, 96, auch zu § 89 BörsG a.F.). Ein Verstoß gegen § 32 I Nr. 2 oder II Nr. 1 WpHG a.F. konnte zudem den Tatbestand der Marktmanipulation nach § 20a WpHG erfüllen. Das Verbot des sog. Frontrunning zum Nachteil der Kunden nach § 32 I Nr. 3 und II Nr. 2 WpHG a. F. ergibt sich nunmehr aus § 31 I Nr. 1 i.V.m. § 31c I Nr. 5 WpHG. Dieses Missbrauchsverbot richtet sich aber nicht nur an Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sondern auch an Mitarbeiter (BTDrucks. 16/4028, 69; siehe oben Rn. 63 u. 132).
Frisch
140
141
1566
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
142
XII. § 33 WpHG – Organisationspflichten. § 33 WpHG wurde durch die Umsetzung der MiFID (Art. 13 MiFID i.V.m. Artt. 2, 5, 6 (Einhaltung der Vorschriften („Compliance“)) u. 9 DRL) erheblich verändert (BT-Drucks. 16/4028, 70). Compliance ist eine von drei Organisationseinheiten (Risikomanagementtrias), zudem denen auch das Risikomanagement (Art. 7 DRL) und die Interne Revision („Audit“; Art. 8 DRL) gehören (Spindler/Kasten, AG 2006, 785 f.). § 33 WpHG stellt wie bisher kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB dar (so zu § 33 WpHG a.F. BGH NJW 2002, 62 (64); zutreffend zu § 33 I Nr. 3 WpHG n. F. Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (791); Kumpan/Hellgardt, DB 2006, 1714 (1716)). § 33 I 1 WpHG verweist zur Vermeidung doppelter Anforderungen an die Geschäftsorganisation (insbesondere das Risikomanagement) sogleich auf § 25a I, IV KWG, wonach ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen die daraus resultierenden organisatorischen Pflichten einzuhalten hat. Darüber hinaus muss es nach § 33 I 2 WpHG eine dauerhafte und wirksame unabhängige Compliance-Funktion (Eisele, WM 1993, 1021; Weiss, Die Bank 1993, 136; zu modernen Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht Lösler, NZG 2005, 104) einrichten, die die Einhaltung der WpHG-Pflichten durch das Unternehmen selbst und seine Mitarbeiter sicherstellen soll. Während sich die Wertpapier-Compliance-Funktion zu Beginn der 1990er-Jahre in Deutschland hauptsächlich auf die Überwachung der insiderrechtlichen Regeln (z. B. mittels Chinese Walls, Watch List etc.) und Vermeidung von Interessenkonflikten beschränkte, hat Compliance heute fünf Funktionen: Schutz-, Beratungs- und Informations-, Qualitätssicherungsund Innovationsfunktion, des Weiteren Monitoring- oder Überwachungsfunktion, zuletzt eine Marketing-Funktion (Lösler, NZG 2005, 104 f.). Der Wertpapier-Compliance-Officer hat eine andere Stellung als der Geldwäschebeauftragte nach § 14 II Nr. 1, § 11 GwG (Lösler, WM 2007, 676 (678)), er unterliegt keiner generellen gesetzlichen (externen) Anzeigepflicht, wenn er Verstöße gegen das WpHG feststellt (Ausnahme: § 10 WpHG, der sich aber an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst richtet), sondern verfügt (nur) über ein internes Eskalationsrecht. Compliance ist Sache der Leitungsorgane des Unternehmens selbst (Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645), die Tätigkeit des ComplianceOfficers erfolgt in Ableitung der Verantwortung der Geschäftsleitung (Lösler, WM 2007, 676 (679)). Die meisten Organisationspflichten des § 33 I 2 WpHG sind bereits nach geltendem Recht zu beachten und entsprechen der bisherigen Verwaltungspraxis der BaFin, wie sie in der per 1.11.2007 aufgehobenen „Compliance-Richtlinie“, d. h. der Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 WpHG v. 25.10.1999 (Bundesanzeiger Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18453) niedergelegt waren (BT-Drucks. 16/4028, 70). Jedoch ist die Berichtspflicht jetzt festgeschrieben, § 33 I 2 Nr. 5 WpHG. Das Interessenkonfliktmanagement – aufgrund der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen – bleibt eine wichtige Aufgabe (§ 33 IV WpHG i.V.m. § 13 WpDVerOV). § 12 III WpDVerOV (Kontrollfunktion) konkretisiert den Zweck und Aufgabenbereich von Compliance.
143
XIII. § 33a WpHG – Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen. § 33a WpHG ist, was den Kern seiner Regelung – die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung – angeht, nicht neu (so zu § 31 I Nr. 1 WpHG a.F. BGH BB 2001, 1865 (1866) = NJW 2002, 62 (63); Ziff. 3.3 der BaFin Richtlinie gemäß § 35 VI WpHG v. 23.8.2001 (Bundesanzeiger Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19217); Zingel, BKR 2007, 173 ff.; Spindler/Kasten, WM 2006, 1797 (1801); Schmitt/Schielke, Die Bank 12.2006, 32). Der durch Artt. 19 I, 21 MiFID und Artt. 44-46 DRL vorgegebene Detailierungsgrad ist allerdings erheblich, die Länge des neuen nationalen § 33a WpHG (konkretisiert durch § 11 WpDVerOV, der die Artt. 44-46 DRL umsetzen soll) Folge davon. § 33a WpHG wird als Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB angesehen (Zingel, BKR 2007, 173 (178)). § 33a I WpHG bestimmt daher sogleich, dass
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1567
das Wertpapierdienstleistungsuntenehmen eine „Best-Execution-Policy“ (Art. 21 II, Erw. 66 DRL) unter Berücksichtigung von Art. 21 I DRL aufzustellen hat, soweit das Unternehmen Aufträge seiner Kunden für den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten (§ 2 IIb WpHG; Ausnahme; §§ 2 II, V, IX, 23 i.V.m. § 41 I 2, 36 InvG, aber Aufklärungspflicht über alternative Ausführungsmöglichkeit, z. B. über die Börse, § 31 III WpHG) i.S.d. § 2 III 1 Nr. 1-3 WpHG (Finanzkommissionsgeschäft, Eigenhandel und Abschlussvermittlung) ausführt. Des Weiteren gilt das auch für die Vermögensverwaltung, soweit der Verwalter die Orderausführung selbst vornimmt (Zingel, BKR 2007, 173 (174)). Die Effizienz der „Best-Execution-Policy“ muss mindestens einmal jährlich überprüft werden, § 33 I Nr. 1 WpHG, zudem ist sicherzustellen, dass die Ausführung dementsprechend vorgenommen wird, § 33a I Nr. 2 WpHG. Welche Kriterien bei der Aufstellung der Policy (Ausführungsgrundsätze) zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses relativ zu gewichten sind, besagt § 33 II WpHG, d. h. Preise der Finanzinstrumente, die mit der Auftragsausführung verbundenen Kosten, die Geschwindgkeit, die Wahrscheinlichkeit der Ausführung und die Abwicklung des Auftrags sowie den Umfang und die Art des Auftrags. Des Weiteren sind die Kriterien unter Berücksichtigung der Merkmale des Kunden, des Kundenauftrags, des Finanzinstruments und des Ausführungsplatzes zu gewichten (§ 33a II WpHG). So ist für Retailkunden, d. h. Privatkunden, nach Art. 44 III DRL das Gesamtentgelt, d. h. der Preis für das Finanzinstrument und die damit verbundenen Kosten maßgeblich (§ 33a III 1 WpHG). Für andere, professionelle Kunden hingegen kann der Wertpapierdienstleister in seinen Grundsätzen die Aspekte Kundenmerkmale, Kundenauftragsmerkmale etc. individuell gewichten (Spindler/Kasten, WM 2006, 1797 (1802)). Bei der dritten von MiFiD determinierten Kundenklasse, den sog. Eligible Counterparties (Geeignete Gegenparteien) wird aufgrund der großen Erfahrung diese Kundengruppe auf den Anlegerschutz durch Best Execution verzichtet (Schmitt/Schielke, Die Bank 12.2006, 32 (35)). Sobald eine ausdrückliche Weisung des Kunden über die Ausführung des Auftrags vorliegt, gilt die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung erfüllt, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Auftrag weisungsgemäß ausführt (Zingel, BKR 2007, 173 (177)). Die Weisung kann im Einzelfall als auch generell erteilt werden. Für das Festpreisgeschäft ist die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung modifiziert zu verstehen. Damit Kunden dann nicht schlechter gestellt werden, muss ein marktgerechter Preis gewährleistet werden. Privatkunden sind ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass im Falle der Kundenweisung das Unternehmen nicht verpflichtet ist, der Best-Execution-Policy zu folgen, § 33a VI Nr. 2 WpHG. Die BestExecution-Policy ist vor Beginn der ersten Transaktion dem Kunden mitzuteilen, § 33a VI Nr. 1 WpHG. Wesentliche Änderungen der Vorkehrungen nach § 33a I 1 WpHG sind den Kunden unverzüglich mitzuteilen, § 33 VI Nr. 3 WpHG (zum Einbezug in AGB Zingel, BKR 2007, 173 (177)). Auf Anfrage ist dem Kunden darzulegen, dass sein Auftrag entsprechend den Best-Execution-Grundsätzen ausgeführt wurde. § 33a VIII WpHG regelt den Fall, dass die Aufträge der Kunden an Dritte zur Ausführung weitergeleitet werden oder Finanzportfolioverwaltung ohne Selbstausführung der Aufträge oder Entscheidungen betrieben wird. Dann muss nach § 33a VIII Nr. 3 WpHG das beauftragende Unternehmen jährlich die Grundsätze überprüfen und regelmäßig überwachen, ob sich das beauftragte Unternehmen an die getroffenen Vorkehrungen hält. § 33a IX WpHG enthält eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung. XIV. § 33b WpHG – Mitarbeiter und Mitarbeitergeschäfte. Mitarbeitergeschäfte waren schon nach altem Recht ein wichtiges Thema (vgl. nur die per 1.11.2007 aufgehobenen „Mitarbeiter-Leitsätze“ der BaFin v. 7.6.2000, ZBB 2000, 357 ff.; v.Kopp-Colomb, KMR – Lfg. 2/01, 633/5, S. 9 ff.). Die Mitarbeiter-Leitsätze stellten bislang Min-
Frisch
144
1568
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
destanforderungen für Vornahme von Mitarbeitergeschäften dar. Interessenkonflikten zu Lasten der Kunden, aber auch einem Verstoß gegen Insiderrecht (§ 14 WpHG; Front/Parallelrunning durch Mitarbeiter) sollte präventiv begegnet werden. Der ComplianceStelle (§ 33 WpHG) oblag die Überwachung, woran sich auch zukünftig nichts ändern wird. Ob die Mitarbeiterleitsätze nach MiFID/FRUG fortbestehen, ist fraglich, wäre aber sinnvoll. § 33b Nr. 1-4 WpHG setzt nunmehr Art. 2 Nr. 3 DRL („relevante Person“) um, indem es für den Abschnitt 6 des WpHG den Begriff der Mitarbeiter definiert. Es sind dies nicht nur die Mitglieder der Leitungsorgane, die persönlich haftenden Gesellschaft und vergleichbaren Personen sowie die vertraglich gebundenen Vermittler i.S.d. § 2 X 1 KWG (Nr. 1), sondern auch die Mitglieder der Leitungsorgange, persönlich haftenden Gesellschafter und vergleichbaren Personen sowie Geschäftsführer der vertraglich gebundenen Vermittler (Nr. 2), zudem auch alle natürlichen Personen, derer sich das Unternehmen bzw. der vertraglich gebundene Vermittler bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, insbesondere auf Grund eines Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses, bedienen (Nr. 3), des Weiteren alle natürlichen Personen, die im Rahmen einer Auslagerungsvereinbarung unmittelbar ebenso für das Unternehmen oder dessen vertraglich gebundenen Vermittler tätig sind (Nr. 4). § 33b II WpHG definiert den Begriff des Mitarbeitergeschäfts (Art. 11 DRL – Definition der persönlichen Geschäfte). Mitarbeitergeschäfte sind demnach stets Geschäfte auf eigene Rechnung. Geschäfte für Rechnung Dritte sind erfasst, wenn sie für nahe stehende Personen oder verbunden mit besonderen Interessen des Mitarbeiters, die über die üblichen Gebühren und Provisionen hinausgehen, getätigt werden. Außerhalb des Aufgabenbereichs, für den der Mitarbeiter zuständig ist, sind sowohl Geschäfte für eigene als auch fremde Rechnung erfasst (BTDrucks. 16/4028, 74). § 33a III und IV WpHG bestimmen für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Einsatz angemessener Mittel und Verfahren bzw. organisatorische Vorkehrungen zur Gewährleistung, dass Mitarbeitergeschäfte insbesondere nicht gegen § 14 oder § 31c I Nr. 5 WpHG verstoßen. § 33b V Nrn. 1 u. 2 WpHG beinhalten Beschränkungen für die Vornahme von Mitarbeitergeschäften durch an der Erstellung von Finnanzanalysen (§ 34b WpHG) Beteiligten. Bevor die Empfänger einer Finanzanalyse oder Anlageempfehlung hinreichend Zeit zur Reaktion hatte, sollen Mitarbeiter, Ausnahmen sind dort genannt (z. B. Market Maker), in den gecoverten Werten keine eigenen Geschäfte vornehmen. Auch der eigenen Empfehlung (Finanzanalyse) zuwiderlaufenden Geschäfte sind grundsätzlich untersagt, es sei denn, es liegt ein Ausnahmefall (Bsp.: finanzieller Härtefall) vor und Legal oder Compliance genehmigen vorab das Mitarbeitergeschäft. § 33b VI und VII WpHG enthalten Ausnahmetatbestände. 145
XV. § 34 WpHG – Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht. § 34 WpHG (zu § 34 WpHG a.F.: BGH WM 2006, 567 = BKR 2006, 163) wurde durch das FRUG in Umsetzung der MiFID erheblich umgestaltet (BT-Drucks. 16/4028, 21 u. 75) und regelt die oftmals unterschätzten Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten (Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (788)). Die Bafin wollte auf ihrer Internetseite eine Liste aller Aufzeichnungspflichten für die Praxis zur Verfügung stellen (Carny/Neusüß, beide BaFin, BaFinJournal 05/07, 14 (18)), was in Form des „Verzeichnis der Mindestaufzeichnungspflichten gemäß § 34 V WpHG“ v. 21.4.2008 (WA 11-FR 4407-2007/0020) geschah. Die grundsätzliche Pflicht zur Führung von diesbezüglichen Aufzeichnungen gemäß § 34 I WpHG i.V.m. § 14 I WpDVerOV bleibt aber bestehen, soweit Verhaltens-, Organisations- oder Transparenzpflichten des 6. Abschnittes des WpHG nicht im BaFin-Verzeichnis v. 21.4.2008 erfasst werden.
146
Nach § 34 I WpHG (Artt. 13 VI, 19 VII und Art. 25 II MiFID; Art. 7 u. 8 DVO (EG) Nr. 1287/2006) muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen über die von ihm er-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1569
brachten Wertpapier(neben)dienstleistungen, d. h. auch Anlageberatung, Aufzeichnungen erstellen, die es der BaFin ermöglichen, die Einhaltung der im Abschnitt 6 geregelten Pflichten zu prüfen. Auch für Eigengeschäfte gilt die Aufzeichnungspflicht (Art. 25 II MiFID; BT-Drucks. 16/4028, 75). Die Art. 7 u. 8 DVO (EG) Nr. 1287/2006 enthalten einen abschließenden Katalog von Aufzeichnungspflichten in Bezug auf Kundenaufträge und die Ausführung von Geschäften (BT-Drucks. 16/4028, 75), d. h. die wesentlichen Transaktionsdaten (Name des Kunden, Kennzeichnung als Kauf/Verkauf, Identifikationsnummer des Finanzisntruments, Stückpreis, Währung, Ordergröße sowie Datum und Uhrzeit der Orderannahme sowie eventueller Kundenanweisungen). Darüber hinaus erfordern Artt. 13 VI, 19 VII MiFID Aufzeichnungen zu allen Wertpapier(neben)dienstleistungen, die ausschließlich dazu dienen, der BaFin die Prüfung nach §§ 35, 36 WpHG zu ermöglichen. Wenn es zu einem Geschäftsabschluss kommt, der i.S.v. § 31 IV oder V WpHG für den Kunden geeignet oder angemessen ist, bedarf es über die Aufzeichnungen dieses Geschäftsabschlusses hinaus, inklusive der Aufzeichnungen über die Geeignetheits- oder Angemessenheitsprüfung, keiner weiteren Aufzeichnungen (BTDrucks. 16/4028, 75). Die Dokumentationspflicht bezieht sich grundsätzlich nur auf das grundlegende Vertragsverhältnis zum Kunden, nicht dagegen auf jede einzelne Empfehlung der Beratung. War ein Geschäftsabschluss nach § 31 IV, V WpHG angemessen bzw. geeignet, bedarf es insoweit keiner weiteren Dokumentation, also auch nicht der Beratungsleistung (Spindler/Kasten, AG 2006, 785 (789)). § 34 II 1 WpHG konkretisiert die allgemeine Aufzeichnungspflicht zu Kundenvereinbarungen. § 34 II 2 WpHG betrifft Vereinbarungen mit Privatkunden, d. h. außerhalb der Anlageberatung ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger bei Aufnahme der Geschäftsverbindung, die die grundlegenden Rechte und Pflichten beider Vertragspartner festhält, notwendig. Solche (Rahmen-)Vereinbarungen waren bislang schon der Depot- oder Vermögensverwaltungsvertrag.
147
§ 34 III WpHG bestimmt eine grundsätzliche Aufbewahrungspflicht von fünf Jahren, wobei S. 2 klarstellt, dass Aufzeichnungen zum Vertragsverhältnis mindestens für die Dauer der Geschäftsbeziehung aufzubewahren sind. § 34 IV WpHG sieht die Möglichkeit der Regelung in einer RVO vor. Nach § 34 V WpHG führt und pflegt die BaFin ein Verzeichnis der Mindestaufzeichnungspflichten auf ihrer Internetseite. Kunden können keinen Schadensersatzanspruch nach § 823 II BGB auf einen Verstoß gegen § 34 WpHG stützen. Das wird insbesondere am Wortlaut des § 34 I WpHG deutlich, des Weiteren an dem gesetzgeberischen Willen, wonach die Aufzeichnungen ausschließlich der Ermöglichung einer Prüfung durch die BaFin dienen sollen (BT-Drucks. 16/4028, 75; so auch CESR/06-552c, S. 2). Es geht hier um Organisationsverpflichtungen und nicht um eine individualschützende Norm. Auch können daraus zu Lasten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens keine Beweisnachteile abgeleitet werden (a.A. wohl im Hinblick auf Art. 23 DRL Kumpan/Hellgardt, DB 2006, 1714 (1719)). Art. 23 DRL bezieht sich ohnehin nur auf einen den Interessen eines oder mehrerer Kunden in erheblichem Maße abträglichen Interessenkonflikt.
148
XVI. § 34a WpHG – Getrennte Vermögensverwahrung. § 34a WpHG (zu § 34a WpHG a. F.: Wolf, BKR 2002, 892; BVerwG ZIP 2002, 1569) wurde im Zuge des FRUG erheblich umgestaltet (BT-Drucks. 16/4028, 22 u. 76). Gemäß Art. 13 VIII MiFID richten sich die Vorgaben einer getrennten Vermögensverwahrung an jede Wertpapierfirma, die dem Kunden gehörende Gelder entgegennimmt. § 34a I 1 WpHG richtet sich daher an alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen ohne Erlaubnis nach § 1 I 2 Nr. 1 KWG. Der Kunde kann aber abweichende Weisungen zur Trennung der Kundengelder erteilen, wenn
149
Frisch
1570
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
er zuvor über den mit der Trennung verfolgten Schutzzweck informiert wurde, § 34a I 2 WpHG. Sammelkonten sind unter den Voraussetzungen von § 34a I 2 WpHG, der Art. 19 II DRL umsetzt, zulässig. Dies im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage. § 34a II WpHG dient wie bisher dem Schutz der Kunden, wonach Wertpapiere grundsätzlich nur von einem mit einer Erlaubnis zum Betreiben des Depotgeschäfts (§ 1 I 2 Nr. 5 KWG oder gleichwertige Rechtsstellung für den Kunden bei ausländischem Institut) ausgestatteten Kreditinstitut verwahrt werden sollen. Nach § 34a III WpHG muss jedes Wertpapierdienstleistungsunternehmen jedem Kunden mindestens einmal jährlich auf einem dauerhaften Datenträger eine Aufstellung der Gelder und Finanzinstrumente übermitteln, die nach § 34a I, II WpHG verwahrt werden. § 34a IV WpHG setzt die Vorgaben des Art. 19 DRL um, die es dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen gestatten, die Finanzinstrumente, die es für den Kunden bei einem Drittinstitut hält, für eigene oder die Rechnung eines anderen Kunden zu nutzen (BT-Drucks. 16/ 4028, 76). § 34a WpHG a.F. wurde bislang überwiegend als Schutzgesetz i.S.v. § 823 II BGB angesehen (Kumpan/Hellgardt, DB 2006, 1714 (1720); OLG Frankfurt/M. OLGR 2006, 1007; LG Frankfurt/M. ZIP 2008, 1112 („Phoenix“); BT-Drucks. 13/7142, 110; a.A. Schwark-Schwark, § 34a WpHG, Rn. 1, der den öffentlich-rechtlichen Charakter betont; M. Weber, NJW 2000, 2061 (2074)). 150
XVII. § 34b WpHG – Analyse von Finanzinstrumenten. § 34b WpHG ist eine Reaktion auf das unseriöse Verhalten bzw. die Selbstüberschätzung (Stotz/von Nitzsch, ZBB 2003, 106) von Wertpapieranalysten (Fleischer, NJW 2002, 2977 (2982); von KoppColomb, WM 2003, 609; Schlößer, BKR 2003, 404; Meyer, AG 2003, 610). Er basiert auf einem im Mai 2001 vorgelegten Verhaltenskodex. Der Fall der Investmentbank Merrill Lynch, die Kunden in internen E-Mails von Analysten als „piece of junk“ (Ramsch) oder „powder keg“ (Pulverfass“) bezeichnete Aktien zum Kauf empfahl, verdeutlicht die Notwendigkeit des § 34b WpHG. Am 7.3.2003 hatte die BaFin eine erste Bekanntmachung zur Interpretation von § 34b WpHG veröffentlicht (abgedruckt in ZBB 2003, 134), des Weiteren am 16.12.2003 ein Schreiben zur Zulässigkeit der „Übernahme von Reise- und Unterbringungskosten der Wertpapieranalysten durch Emittenten im Rahmen von Analystenkonfrenzen und -veranstaltungen“, das faktisch durch das Schreiben der BaFin v. 21.12.2007 (WA 36 – Wp-2002-2007/0006), konkret Nr. 7, abgelöst wurde. Eine Übernahme der Reise- und Unterbringungskosten für Analysten soll unterbleiben (vgl. Erwägungsgrund (37) der RL 2006/73/EG für alle anderen Personen). Generell ist jetzt infolge der MiFID auch das Verbot des Erhalts von Zuwendungen (§ 5a II Nr. 2 FinAnV i.V.m. § 31d II WpHG) ein Thema. Die spezifischen Organisationsanforderungen, die auch seitens Compliance überwacht werden müssen, sind durch die MiFID noch detaillierter geregelt worden. Die Finanzanalyse bzw. Research-Tätigkeit ist mit der erforderlichen Sachkunde, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erbringen, mögliche Interessenkonflikte sind offen zu legen (vgl. § 5 FinAV). Die disziplinarische Unabhängigkeit des Researchbereichs und eine unabhängige Berichtslinie zur Geschäftsleitung sind unabdingbar (Göres, BKR 2007, 85 (91)). Auch heute sind Berichte über Qualitätsmängel bei Aktienanalysen (vgl. FAZ v. 20.6.2006 „Das meiste ist wertloser Kram“ – Der Chef für Aktienanalysen bei HSBC verliert die Geduld) zu lesen. § 34b WpHG wurde auch deshalb zunächst durch das AnSVG in Umsetzung des Art. 6 V MAD sowie DRL 2003/125/EG zum 30.10.2004 erheblich erweitert (Göres, BKR 2007, 85 (86); Hettermann/Althoff, WM 2006, 265; Kämmerer/Veil, BKR 2005, 379; Egbers/Tal, BKR 2004, 219). Die FinAV (BGBl. I 2004, 3522 v. 22.12.2004; im Zuge der MiFID geändert durch die Erste Verordnung zur Änderung der Finanzanalyseverordnung, BGBl. I 2007, 1430) wurde zur Konkretisierung der Pflichten nach § 34b WpHG erlassen. Die BaFin hatte in der Zwischen-
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1571
zeit mit Schreiben vom 1.9.2005 und 8.2.2006 zur Auslegung des § 34b WpHG und der FinAV beigetragen. Die MiFID (Göres, BKR 2007, 85 (86)), die im Gegensatz zur MAD nicht nur der Marktintegrität, sondern (auch) dem Anlegerschutz dient, definiert den Begriff Finanz- oder Wertpapieranalyse nicht neu. Dieser war bislang i.S.d. § 34b I 1 WpHG a.F. als die von Personen im Rahmen ihrer Berufs- oder Geschäftstätigkeit erstellte Information über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthält und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll, definiert worden. Trotz der Ansicht der EUKommission, wonach MAD und MiFID „nahtlos ineinander greifen“ (vgl. KOM(2006) 789 v. 12.12.2006, Punkt 3.2.3, S. 9), ist dies nur begrenzt der Fall (Göres, BKR 2007, 85 (86)). Es ist eine etwas unübersichtliche Gesetzeslage entstanden, der ein Versagen bezüglich der Statuierung einer praxisnahen Handhabung zu Finanzanalysen nicht gänzlich abgesprochen werden kann. Zwar war die Anlageberatung schon bislang ausgenommen, jedoch führt die „Schnittmenge“ zu folgenden fünf Fallgruppen, die zu unterscheiden sind: (1) „Volle“ Finanzanalysen i.e.S. (Inhalt/Empfehlung zu Finanzinstrument i.S.d. § 34b III WpHG: MAD + MiFID Anforderungen), (2) Finanzanalysen i.w.S. (§ 34b V 3 WpHG, § 5a I 1 FinAnV), die für den Kunden bestimmt sind (Information/Empfehlung zu Finanzinstrument i.S.d. § 2 IIb WpHG: MiFID-Anforderungen), (3) Empfehlungen, die intern verwendet werden (Information/Empfehlung zu Finanzinstrument i.S.d. § 2 IIb WpHG: weder MAD noch MIFID), (4) Werbemitteilungen nach § 31 II 4 Nr. 2 WpHG (Inhalt/Empfehlung zu Finanzinstrument i.S.d. § 34b III WpHG: MAD-Anforderungen) und (5) „reine“ Werbemitteilungen (keine Information/Empfehlung zu Finanzinstrumenten). Hierzu sind also die gesetzlichen Anforderungen unterschiedlich (vgl. auch FinAnV zu Finanzanalysen bzw. § 4 WpDVerOV zu Marketing- und Werbemitteilungen). Auch die Mitarbeitergeschäfte von Finanzanalysten unterliegen Beschränkungen (vgl. nur § 33b V Nrn. 1 u. 2 WpHG). Eine Vorabgenehmigung von Mitarbeitergeschäften von Finanzanalysten (sog. Pre-Approval) oder auch das Verbot der Vornahme von Geschäften ein selbstgecoverten Finanzinstrumenten sind mögliche organisatorische Vorkehrungen, um ein WpHG-gemäßes Verhalten zu gewährleisten. § 34c WpHG – Anzeigepflicht. Andere Personen als die üblichen Akteure im Bereich der Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen, die in Ausübung ihres Berufs oder im Rahmen ihrer Geschäftsftätigkeit für die Erstellung oder die Weitergabe von Finanzanalysen verantwortlich sind, d. h. natürliche Personen und rechtsfähige Gesellschaften, sind gegenüber der BaFin unverzüglich anzeigepflichtig. Der BaFin soll es dadurch möglich werden, diejenigen zu kennen, die sie zu überwachen hat. XVIII. § 35 WpHG – Überwachung der Meldepflichten und Verhaltensregeln. § 35 WpHG wurde durch das AnSVG (BGBl. I 2004, 2630 (2642)) geändert. Auch die MiFID brachte erhebliche Änderungen (BT-Drucks. 16/4028, 23 u. 77). Nach § 35 I WpHG kann die BaFin auch ohne besonderen Anlass zur Überwachung der Einhaltung der in Abschnitt 6 des WpHG geregelten Pflichten Prüfungen vornehmen. Dies betrifft nicht nur die Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst, sondern auch die mit diesen verbundenen Unternehmen, Zweigniederlassungen i.S.d. § 53b KWG und Unternehmen, mit denen eine Auslagerungsvereinbarung i.S.d. § 25a II KWG besteht oder bestand (Art. 14 II i) DRL). Aufgrund des strikten Herkunftslandprinzips (BT-Drucks. 16/4028, 77) für die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen innerhalb der EU und des EWR musste § 35 II WpHG auf Drittstaaten beschränkt werden. Von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, die auf das Inland bezogen tätig sind, kann die BaFin Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen, es sei denn, die Wertpapier(neben)dienstleistungen werden ausschließlich im Ausland erbracht.
Frisch
151
152
1572
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
153
Gemäß § 35 IV 1 WpHG kann die BaFin Verwaltungsrichtlinien zum gesamten Abschnitt 6 aufstellen, nach denen sie für den Regelfall beurteilt, ob die Anforderungen des Abschnitts 6 erfüllt sind. Dies nach Maßgabe der MiFID (RL 2004/39/EG v. 21.4.2004) und der Durchführungs-RL 2006/73/EG v. 10.8.2006 (ABl. EU Nr. L 241/26). Die Verwaltungsrichtlinien sind im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen, § 35 IV 3 WpHG. Zu nennen sind die seitherigen Richtlinien des BAWe (jetzt BaFin) zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Dienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG vom 25.10.1999 (BAnz. Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18 453), des Weiteren die Richtlinie gemäß § 35 VI WpHG (jetzt: § 35 IV WpHG) zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23.8.2001 (BAnz. Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19 217). Letztere setzte die Richtlinie vom 9.5.2000 (BAnz. Nr. 131 v. 15.7.2000, S. 13 792 = ZBB 2000, 352) außer Kraft. Die Richtlinien sind keine Gesetze im materiellen Sinne (Lang, WM 2000, 450 (465) und haben für die Zivilgerichte keine unmittelbar rechtliche Bedeutung (BGH NJW 2002, 62 (63); OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 409 (410)). Die Richtlinien sind daher auch keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 II BGB. In der Praxis können die Gerichte die Richtlinien jedoch als Mindeststandard berücksichtigen (Assmann/Schneider-Koller, § 35 Rn. 6).
154
XIX. § 36 WpHG – Prüfung der Meldepflichten und Verhaltensregeln. Ungeachtet dessen, dass die BaFin schon nach § 35 WpHG die Einhaltung der Pflichten nach Abschnitt 6 des WpHG überwacht, ist nach § 36 WpHG die Einhaltung der Meldepflichten nach § 9 WpHG und der in Abschnitt 6 des WpHG geregelten Pflichten einmal jährlich (vgl. BaFin (ehemals: BAWe), Jährliche Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäfts nach § 36 WpHG, Juli 1998) durch einen geeigneten Prüfer (BaFin Rundschreiben 9/ 2006 (WA) – WA 37 – Wp 2001-2006 v. 18.12.2006) zu prüfen. Die BaFin nimmt die Prüfung im Regelfall nicht selbst vor, §§ 36 III 4, IV WpHG. Geeignete Prüfer sind nach § 36 I 6 WpHG auf jeden Fall Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer sowie Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften (§§ 1, 128 WPO), die über ausreichende Kenntnisse verfügen. Bei Sparkassen oder Genossenschaftsbanken prüft häufig die zuständige verbandseigene Prüfstelle oder der zuständige Prüfungsverband, § 36 I 5 WpHG. Nach § 36 II 2 WpHG kann die BaFin die Bestellung eines anderen Prüfers (Grund: Indizien für fehlende persönliche als auch fachliche Eignung) verlangen, wenn dies zur Erreichung des Prüfungszwecks geboten ist. Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfung sowie die Anforderungen an den Prüfbericht sind in der aufgrund § 36 V 1 WpHG erlassenen Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung – WpDPV v. 16.12.2004 (BGBl. I, 3515) geregelt. Der IDW-Prüfungsstandard 521 zu § 36 WpHG (IDW WPg Supplement 1/ 2007, S. 23 ff., FN 2007, S. 33 ff., Heft-Nr. 1-2/2007, Stand: 29.11.2006) informiert über die praktische Durchführung der Prüfung. Bei schwerwiegenden Verstößen hat der Prüfer die BaFin unverzüglich zu unterrichten, § 36 III 3 WpHG. Der Prüfer hat unverzüglich nach Beendigung der Prüfung der BaFin und der Deutschen Bundesbank einen Prüfungsbericht einzureichen, § 36 I VII WpHG (vgl. aber § 36 I VIII WpHG). Ein Verstoß wird geahndet (§ 39 II Nr. 22 u. 23 WpHG).
155
XX. § 36a WpHG – Unternehmen, organisierte Märkte und multilaterale Handelssysteme mit Sitz in einem anderen EU-/EWR-Staat. § 36a WpHG wurde durch die MiFID erheblich umgestaltet (Artt. 32 VII u. 62 MiFID; BT-Drucks. 16/4028, 23; 77 f.). Abs. 1 wurde an das Herkunftslandprinzip für die Erbringung grenzüberschreitender (Wertpapier-) Dienstleistungen angepasst. Die im Abschnitt 6 des WpHG geregelten Rechte und Pflichten sind auf Zweigniederlassungen i.S.d. § 53b KWG entsprechend anzuwenden mit der Ausnahme von § 31 I Nr. 2, §§ 31f, 31g, 33, 33b, 34a und 34b V sowie
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1573
§ 34c WpHG, so § 36a I 1 WpHG. Nach § 36a I 2 WpHG muss die BaFin ein Unternehmen aus einem anderen EU- oder EWR-Staat auf die Meldepflichten nach § 9 WpHG und Rechte und Pflichten nach § 36a I 1 WpHG hinweisen (Frist: § 53b II 1 KWG), wenn dieses beabsichtigt, im Inland eine Zweigniederlassung zu errichten. § 36a II WpHG gibt der BaFin die Befugnisse, um die Pflichteneinhaltung zu prüfen und zu sanktionieren, z. B. kann sie einem Unternehmen die Durchführung neuer Geschäfte im Inland untersagen. § 36a III WpHG regelt die Unterrichtung der und Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaates, damit die BaFin alle Maßnahmen ergreifen kann, um den Anlegerschutz und die ordnungsgemäße Funktion der Märkte zu gewährleisten. § 36a IV WpHG bestimmt, dass § 36a III WpHG analog gilt für Unternehmen aus einem anderen EU- oder EWR-Staat, die Wertpapier(neben)dienstleistungen im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs gegenüber Kunden erbringen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben. § 36a V WpHG gibt der BaFin die Befugnis, den Betreiber organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme in die Pflicht (Abschnitt 6 WpHG, BörsG und entsprechende ausländische Vorschriften) zu nehmen bis hin zur Untersagung, sein System Mitgliedern im Inland zugänglich zu machen. Die Bafin muss die betroffenen Unternehmen oder Märkte unter Angabe von Gründen über die getroffenen Maßnahmen nach § 36a II bis V WpHG unterrichten, § 36 VI WpHG. XXI. § 36b WpHG – Werbung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen. § 36b WpHG berechtigt die BaFin, bestimmte Arten der Werbung zu untersagen, um Missständen zu begegnen (Möllers, ZBB 1999, 134; BAWe (jetzt: BaFin) Allgemeinverfügung gemäß § 36b Abs. 1 und Abs. 2 WpHG bezüglich der Werbung in Form des „Cold Calling“ v. 27.7.1999, Nr. 149 v. 12.8.1999, S. 13 518)). Dazu zählen unerwünschte Telefon- („cold calling“) oder Telefax(an)werbung, im Einzelfall persönliches Aufsuchen von Privatpersonen. Hier kann sich eine Haftung über § 826 BGB ergeben (OLG München NJW-RR 2001, 1416), wenn durch falsche Angaben über die fehlende Unabhängigkeit eines Emittenten getäuscht wird.
156
XXII. § 36c WpHG – Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland – wurde aufgehoben, da der Regelungsgehalt der Norm in dem neuen § 7 I 1, IIa 2 WpHG aufgeht (BT-Drucks. 16/4028, 78).
157
XXIII. § 37 WpHG – Ausnahmen. § 37 WpHG besagt, dass die §§ 31 I Nr. 1, II bis VIII sowie die §§ 31c, 31d und 33a WpHG nicht für Geschäfte gelten, die an organisierten Märkten (§ 2 V WpHG) oder in multilateralen Handelssystemen zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder zwischen diesen und sonstigen Mitgliedern oder Teilnehmern dieser Märkte oder Systeme geschlossen werden. Insbesondere die Pflichten aus den Wohlverhaltensregeln oder zur bestmöglichen Ausführung von Aufträgen gelten dann nicht (BT-Drucks. 16/4028, 78). Wird ein Geschäft i.S.d. § 37 1 WpHG in Ausführung eines Kundenauftrags abgeschlossen, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen jedoch den Verpflichtungen aus diesen Normen gegenüber dem Kunden nachkommen.
158
XXIV. § 37a WpHG – Verjährung von Ersatzansprüchen. Der Anspruch des Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Legaldefinition in § 2 IV WpHG) auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapier(neben)dienstleistung (zur Abgrenzung KG WM 2006, 10) verjährt in drei Jahren ab Anspruchentstehung. Auf den Zeitpunkt des Eintritts des Schadens kommt es nicht an (OLG Frankfurt/M. VuR 2005, 318; OLG Köln WM 2006, 2130 (2131 f.); Kritter, BKR 2004, 261 (262)). Die Verjährungs-
159
Frisch
1574
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
regelung steht im Einklang mit dem EU-Gemeinschaftsrecht (OLG München WM 2005, 647 = ZIP 2005, 656; LG Nürnberg-Fürth WM 2006, 571; BGH WM 2007, 487 (488); a.A. Micklitz, WM 2005, 536; ders., EWiR 2005, 491), sie umfasst auch (vor-)vertragliche Schadensersatzansprüche aus §§ 311 II, 280 I BGB bzw. c.i.c. Eine Ausnahme von der dreijährigen Verjährungsfrist ist nur im Falle einer vorsätzlich fehlerhaften Verletzung der Informationspflicht oder vorsätzlich fehlerhaften Beratung zu machen (BGHZ 162, 306 = WM 2005, 929 = ZIP 2006, 382; LG Zweibrücken WM 2006, 715 (719)). Hingegen werden deliktische Ansprüche auf Grund fahrlässiger Begehung von § 37a WpHG erfasst (OLG Frankfurt/M. OLG-Report 2006, 1005; BGHZ 162, 306). Der Anspruch entsteht i. d. R. mit Abschluss des Geschäfts (BGH, ZIP 2005, 802; a. A. Knops, AcP 205 (2005), 821 (839 ff. m.w.N.), jedoch kann es z. B. in der Vermögensverwaltung (zur Schadensberechnung OLG Köln WM 2007, 1067) Abweichungen (bei einer einzelnen Weisung) geben (OLG Frankfurt BKR 2006, 501). § 37a WpHG gilt für Ansprüche ab dem 1.4.1998 (§ 43 WpHG; LG Zweibrücken WM 2006, 715 (719)). Der BGH hat die teilweise, auch in der Vorauflage befürwortete Geltung der Grundsätze der Sekundärverjährung analog der inzwischen aufgehobenen §§ 51b BRAO, 68 StBerG, was die Verjährungsfrist verlängert hätte (Ellenberger, WM-Sonderbeil. 1/01, 15; a.A. Kritter, BKR 2004, 261 (263 f.)), abgelehnt (BGH WM 2005, 929), Für prozessual vorgetragene Ausnahmen von § 2 IV WpHG nach § 2a WPHG ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf § 37a WpHG beruft (BGHZ 162, 306). Schadensersatzansprüche gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das ohne die nach § 32 I KWG erforderliche Erlaubnis tätig ist, unterliegen nicht der Verjährung nach § 37a WpHG (BGHZ 162, 306), denn dann bestehen Ansprüche gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 32 I 1 KWG (BGH ZIP 2005, 1223 = JZ 2006, 524 m. Anm. Herresthal; v. Buttlar, EWIR 2006, 639; zu § 32 KWG auch BGH ZIP 2005, 753 „Göttinger Gruppe“; zu § 32 KWG und Family Offices: Waclawik, ZBB 2005, 401 (403); zu § 32 KWG und BaFin: Gstädtner/Elicker, BKR 2006, 437; BGH BKR 2007, 251; EuGH WM 2006, 1949, dazu Voge, WM 2007, 381). Gleichwohl bleiben hinsichtlich der durch § 37a WpHG erfolgenden Privilegierung Zweifel (so eventuell auch Assmann-Schneider-Koller, § 37a Rn. 19), da die Verjährung abweichend von § 199 I Nr. 2 BGB unabhängig von Kennen und Kennenmüssen des Gläubigers im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung beginnt und als problematisch zu betrachten ist (Zimmermann, ZIP 2007, 410 (414); Spindler/Kasten, WM 2006, 1797 (1801)). Eine Spezialregelung wie § 37a WpHG ist nach Einführung der neuen §§ 195, 199 BGB per 1.1.2002, die die Verjährung von 30 Jahren auf grundsätzlich drei Jahre verkürzten, nicht mehr erforderlich. § 37a WpHG sollte aufgehoben werden (so schon der Bundesrat, BT-Drucks. 15/3653, 30; Zimmermann, ZIP 2007, 410 (414), dessen Hinweis, § 37a WpHG im Rahmen der Umsetzung der MiFID durch das FRUG aufzuheben, resonanzlos blieb). Ein bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle der Hansestadt Hamburg (ÖRA) eingereichter Güteantrag hemmt die Verjährung nur dann gemäß § 204 I Nr. 4 BGB, wenn er den geltend gemachten Anspruch hinreichend genau bezeichnet (OLG München WM 2008, 733 (734)). 160
I. Abschnitt 7. Haftung für falsche und unterlassene Kapitalmarktinformation Die Missstände am Neuen Markt veranlassten den Gesetzgeber des 4. FMFG v. 21.6.2002 (BGBl. I, 2010), für Anleger per 1.7.2003 eigenständige Anspruchsgrundlagen zu schaffen (Fleischer, NJW 2002, 2977 (2979); Rössner/Bolkart, ZIP 2002, 1471; Reichert/Weller, ZRP 2002, 49 (54 f.); Möllers/Leisch, NZG 2003, 112; Braun/Rotter, BKR 2003, 918; Engelhardt, BKR 2006, 443; zu § 37b I WpHG OLG Stuttgart WM 2007, 595 (597) = NZG 2007, 352; dazu und Art. 234 III EG Fleischer, NZG 2007, 401): § 37b I WpHG
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1575
(Schadensersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung kursbeeinflussender Tatsachen) bzw. § 37c I WpHG (Schadensersatz wegen Veröffentlichung unwahrer Tatsachen in einer Mitteilung über kursbeeinflussende Tatsachen). Die Ausweitung der ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG durch das AnSVG v. 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) führte auch zu Anpassungen der Vorschriften der §§ 37b und 37c WpHG (BTDrucks. 15/3174, 18 u. 40). Das AnSVG erweiterte die Schadensersatzhaftung nach §§ 37b, 37c WpHG auf Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen (Nietsch, BB 2005, 785 (789); Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 zum BaFin Emittentenleitfaden v. 15.7.2005; Casper, BKR 2005, 83; Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1635 ff.)). Der Gesetzgeber hat(te) mit § 15 VI 1 WpHG a.F. (siehe dazu oben Rn. 62) und n.F. bislang eine Haftung nach § 823 II BGB i.V.m. § 15 WpHG bewusst verwehrt (Mülbert/ Steup, WM 2005, 1633 (1638)). Es blieb haftungsrechtlich daher nur der schmale Grat des § 15 VI 2 WpHG a.F., der wenig half, da § 826 BGB oder § 823 II BGB i. V. mit §§ 263, 264a StGB häufig an Beweisproblemen bezüglich der Kausalität scheiterten (so schon LG Augsburg NJW-RR 2002, 1705; LG München I NJW-RR 2001, 1701). Der Anwendungsbereich der §§ 37b, 37c WpHG ist sachlich auf Ad-hoc-Mitteilungen beschränkt, was leider erhebliche Auslegungsprobleme bei dem forensisch bislang unbedeutenden § 15 WpHG beschert (Groß, WM 2002, 477 (485); Rössner/Bolkart, ZIP 2002, 1471 (1472)). Ob dessen Schicksal auch die §§ 37b, 37c WpHG ereilt, muss abgewartet werden. Die Kritik, dass die Normen zur Schadensberechnung nichts sagen, ist berechtigt (Groß, WM 2002, 477 (486); a.A. Maier-Reimer/Weberling, WM 2003, 1857 (1860)). Der Gesetzgeber ist bei der Haftung von Verwaltungsorganmitglieder weiterhin gefordert, mehr zum Schutz der Anleger zu tun (Abram, ZBB 2003, 41 (58)).
161
I. Anspruchsgegner. Als Anspruchsgegner eines Anspruchs aus §§ 37b, 37c WpHG kommen nur „Emittenten von Wertpapieren, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind“, in Betracht. Dass sich der Anspruch nur gegen die Emittenten und nicht auch dessen Organe richtet, ist eine Einschränkung. Der Gesetzgeber hat den Vorschlag der Regierungskommission „Corporate Governance“ (Baums (Hrsg.) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehemenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts, 2001, Rn. 186), eine persönliche Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einzuführen, stillschweigend abgewiesen (Fleischer, NJW 2002, 2977 (2979); Fleischer, BKR 2003, 608). Sicherlich ist der Hinweis, dass der Emittent primärer Adressat Haftung sein muss, da nur ihn die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG trifft, richtig. Die Haftung nach §§ 37b und c WpHG ist eine gesetzlich verankerte, am Vorbild der §§ 44 ff. BörsG orientierte Vertrauenshaftung (Casper, BKR 2005, 83 (86 f. u. 90); Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1637 f.)). Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass nur „berechtigtes“ Vertrauen auf fremdes Verhalten schützenswert ist (Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1639)). Aber eine mit Augenmaß betriebene Erweiterung der §§ 37b und c WpHG wäre dennoch ein Fortschritt gewesen. Das geplante KapInHaG war nicht, wie Kritiker es vortrugen, völlig überzogen. Die in dem Referentenentwuf eines Gesetzes zur Ausweitung der persönlichen Haftung von Organen für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen (KapInHaG) vorgesehene Haftung war auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (vgl. § 37a II u. V WpHG-E v. 7.10.2004; Veil, BKR 2005, 91). Eine abzulehende Ausdehnung auf leichte Fahrlässigkeit, die in der Tat das Konzept der Binnenhaftung und der AG als eigentliche Schuldnerin durchbrochen hätte (Spindler, WM 2004, 2089 (2096)), war nicht vorgsehen. Auch im internationalen Vergleich war die Regelung nicht unangemessen (Körner, NJW 2004, 3386 (3388)).
162
Frisch
1576
163
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Ungeachtet dessen ist die Vorstands- oder (persönliche Außen-)Haftung der Organe ein in der juristischen Literatur sehr beliebtes Thema (vgl. nur Leisch, BKR 2004, 1573; Fleischer, DB 2004, 2031; Spindler, WM 2004, 2089; Körner, NJW 2004, 3386; Casper, BKR 2005, 83; Fleischer, ZIP 2005, 1805; M.Findeisen/Backhaus, WM 2007, 100; Unzicker, WM 2007, 1596). Demgegenüber bietet gerade die stringente Rechtsprechung des BGH zu § 826 BGB, der unter Ablehnung der Rechtsfigur der Anlagestimmung als auch der „fraud-on the market-theory“ an der im Einzelfall nachzuweisenden (Transaktions-)Kausalität festhält, für Anleger zumindest überwiegend mehr Schatten- als Lichtseiten: BGH NJW 2004, 2664 = ZIP 2004, 1599 (Erwerb der Aktien mehr als sechs Monate nach unrichtigen ad hoc-Meldungen; „einiger Beweis“ für § 448 ZPO nicht erbracht) u. NJW 2004, 2668 = ZIP 2004, 1604 (Zurückverweisung an das Berufungsgericht, aber kein Beweis des ersten Anscheins für das Bestehen einer sog. Anlagestimmung) und BGH ZIP 2004, 1593 = NJW 2004, 2971 (Kausalitätsbeweis geführt; gut zwei Monate zwischen falscher Ad-hoc-Mitteilung und Aktienkauf) und zu „Infomatec“ I-III; BGH ZIP 2005, 1270 – „EM.TV“ zu § 826 BGB (nach § 826 BGB Naturalrestitution, im Gegensatz zu §§ 37b, 37c WpHG nicht nur Differenzschaden) u. § 823 II BGB i.V.m. § 400 AktG, wobei die AG analog § 31 BGB haftet; OLG Stuttgart WM 2006, 616; BGH ZIP 2007, 681 = WM 2007, 683 – „ComROAD I“ (Kausalzusammenhang nicht hinreichend darlegt, geschweige denn bewiesen; BGH lehnt de sog „fraud-on-the-market-theory“ des US-amerikanischen Kapitalmartrechts wegen ansonsten drohender uferloser Haftungsausweitung ab); ebenso BGH ZIP 2007, 679 = WM 2007, 684 – „ComROAD II“; bestätigt durch BGH ZIP 2007, 326 „ComROAD III“). Bei der Informationsdeliktshaftung für fehlerhafte Adhoc-Publizität fordert der BGH in st. Rspr. zu § 826 BGB auch im Fall extrem unseriöser Kapitalmarktinformation (BGH ZIP 2007, 1560 = WM 2007, 1557 – „ComROAD IV“; BGH ZIP 2007, 1564 = WM 2007, 1560 – „ComROAD V“; BGH ZIP 2008, 829 „ComROAD VIII“) den Nachweis der konkreten (haftungsbegründenden) Kausalität zwischen der Täuschung und der Willensentscheidung des Anlegers. Eine Anknüpfung an das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung – in Anlehnung an die sog. fraud-on-the-market-theory des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts – lehnt der BGH im Rahmen des ohnehin offenen Haftungstatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB ab (BGH ZIP 2007, 1564 = WM 2007, 1560 – „ComROAD V“). Auch im Bereich des Primärmarktes ist für die nach § 47 II BörsG neben der spezialgesetzlichen Börsenprospekthaftung (§§ 44 f. BörsG) nicht ausgeschlossenen Deliktshaftung nach § 826 BGB vom Anleger der Nachweis der konkreten (haftungsbegründenden) Kausalität falscher Prospektangaben für seine Willensentschließung zu führen. Hierfür genügt das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität des vorgelagerten Börsenzulassungsverfahrens einschließlich der Begleitung des Börsengangs durch eine Bank nicht aus (so BGH ZIP 2007, 1560 = WM 2007, 1557 – „ComROAD IV“). Zwar kann, wie es der BGH völlig zutreffend fordert, auf den Nachweis der Kausalität im Einzelfall nicht verzichtet werden, das wäre nicht sachgerecht, andererseits, um überhaupt einen effizienten, prozessual durchsetzbaren Schutz der Anleger zu fördern, wäre jedoch eine Erleichterung des Kausalitätsnachweises (Anlagestimmung) de lege ferenda sinnvoll (M. Findeisen/Backhaus, WM 2007, 100 (104)). Der werbende Charakter (Inhalt und Präsentation) einer Ad-hoc-Mitteilung sollte dabei eigentlich keine Rolle spielen können (so noch Fleischer, DB 2004, 2031 (2034)), da eine Ad-hoc-Mitteilung wegen § § 15 II 1 WpHG kein Werbungs- oder Marketinginstrument sein darf. Eventuell bestünde dann ein Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 5 I, 8 I, III Nr. 1 UWG (Hans. OLG Hamburg WM 2006, 2353). Falls also einer Ad-hoc-Mitteilung der werbende Charakter fehlt, darf das nicht zu Lasten des Anlegers gewertet werden. Es reicht aus, dass sie falsch ist.
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1577
II. Unterlassene unverzügliche oder unwahre Veröffentlichung von Insiderinformationen. Hierfür kommen zunächst solche Insiderinformationen Tatsachen in Betracht, die den Emittenten unmittelbar betreffen und nach § 15 WpHG zu publizieren sind. Als Beispiel für die Unterlassungsvariante des § 37b WpHG kommt eine unterbliebene oder verspätete Gewinnwarnung (AG München NJW-RR 2001, 1707), für § 37c WpHG ein falsch vermeldeter Großauftrag (LG München NJW-RR 2001, 1701) in Betracht. § 15 WpHG muss aber tatbestandlich vorliegen. So kann sich der Emittent auch für den Fall, dass er die nach § 15 III 2 WpHG vorgesehene Meldung unterlässt, gegenüber späteren Schadensersatzansprüchen mit dem Einwand des Unterlassens aus berechtigten Interessen zur Wehr setzen (Nietsch, BB 2005, 785 (786)). Prozessual trägt er gleichwohl die Beweislast für das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen (Nietsch, BB 2005, 785 (786)). Im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität zu §§ 37b, 37c WpHG kommt dem Anleger anders als bei § 45 II Nr. 1 BörsG keine Beweislastumkehr zur Hilfe. Der BGH hat es trotz Hinweisen der Literatur, dass die Rechtsprechung nicht gehindert sei, auf die Figur der Anlagestimmung zurückzugreifen (Möllers/Leisch, BKR 2002, 1071 (1077)), ihre Anwendung abgelehnt. Nach §§ 37b II, 37c II WpHG haftet der Emittent, der sich entlasten muss, wie bei § 45 Abs. 1 BörsG für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (Fleischer, NJW 2002, 2977 (2980)).
164
Als Anspruchsberechtigte kommen grob betrachtet zwei Anlegergruppen in Frage: Erstens die Gruppe, die die Wertpapiere nach einer unterlassenen unverzüglichen Veröffentlichung (§ 37b I Nr. 1 WpHG – verspätete Gewinnwarnung) oder im Anschluss an eine unwahre Ad-hoc-Mitteilung (§ 37c I Nr. 1 WpHG – falsch gemeldeter Großauftrag) zu teuer gekauft hat, zweitens die Gruppe, die bereits Wertpapiere besaß und diese entweder nach der unterlassenen unverzüglichen Ad-hoc-Mitteilung (verspätet gemeldete Entdeckung eines Erdölvorkommens) oder vor Bekanntwerden der Unrichtigkeit einer Falschmeldung (falsch gemeldetes Kartellrechtsverfahren) zu billig verkauft hat. Jedoch sollen jene Altanleger nicht aktiv legitimiert sein, die durch geschönte Ad-hoc-Mitteilungen davon abgehalten wurden, ihre Wertpapiere zu verkaufen. Gleichgültig, ob man hier einen Wertungswiderspruch oder eine Regelungslücke sieht, sollten auch diese Anleger einbezogen sein. Streitig ist die Schadensberechnung. Der Wortlaut der § 37b und c WpHG gebietet keine Beschränkung auf die Kursdifferenz (dafür Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857 (1860); Reichert/Weller, ZRP 2002, 49 (55)). Die h. M. jedenfalls neigt dazu, irregeführten Anlegern nur den Differenzschaden zu ersetzen (Fleischer, DB 2004, 2031 (2035) unter Hinweis darauf, dass die Gegenansicht zu einer unausgewogenen Verteilung der Kapitalmarktrisiken führe und ein pönales Moment in das Schadensrecht hineinbringe, das unserer Rechtsordnung fremd sei; K. Sauer, ZBB 2005, 24). Zumindest für § 826 BGB hat der BGH anders entschieden (BGH ZIP 2005, 1270). Nach der hier vertretenen Mindermeinung werden auch die Fälle erfasst, in denen der Anleger bei zutreffender Information nicht gekauft hätte (Rössner/Bolkart, ZIP 2002, 1471 (1475); so wohl auch Engelhardt, BKR 2006, 443 (447)). Abzustellen ist auf den Vertragsabschlussschaden (negatives Interesse), es besteht aber auch die Möglichkeit der Geltendmachung des Kursdifferenzschadens (Alternativinteresse). Der Kläger hat die Wahl. Der Nachweis der Kausalität ist schwierig (Möllers/Leisch, BKR 2002, 1071 (1079); a.A. rechtsvergleichend Fleischer, NJW 2002, 2977 (2981) – US-amerikanische Gerichte gewähren nur out-of-pocket-damages). Die Ansicht, dass Anleger eine Schadensminderungspflicht durch unverzüglichen Verkauf der Wertpapiere trifft, wenn der Emittent die unzutreffende Ad-hoc-Mitteilung korrigiert hat, ist abzulehnen.
166
Frisch
165
167
1578
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
168
Ausgeschlossen wird der Schadensersatzanspruch nach §§ 37b III, 37c III WpHG, wenn der Anleger die pflichtwidrig nicht oder unwahr veröffentlichte Tatsache kannte, wobei grob fahrlässige Unkenntnis nicht schadet. §§ 37b IV, § 37c IV WpHG sehen eine Verjährung von einem Jahr ab Kenntnis der Unrichtigkeit, spätestens jedoch von drei Jahren ab Veröffentlichung vor.
169
J. Abschnitt 8. Finanztermingeschäfte Die seitherigen §§ 37d bis g WpHG (dazu 1. Aufl. § 47 u. Fleischer, NJW 2002, 2977 (2981); Samtleben, ZBB 2003, 160; Schäfer/Lang, BKR 2002, 197), die die §§ 50 bis 70 BörsG a. F. ersetzten (BGH NJW 1998, 2673 (2675); NJW 1996, 2511 (2512)), wurden durch die MiFID/FRUG erheblich umgestaltet (BT-Drucks. 16/4028, 78).
170
I. § 37d WpHG – Information des Verbrauchers bei Finanztermingeschäften ist aufgehoben. § 37d I 1 WpHG verpflichtete ein Unternehmen, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte abschloß oder solche Geschäfte anschaffte, veräußerte, vermittelte oder nachwies, vor dem Vertragsabschluss einen Verbraucher schriftlich – standardisiert wie § 53 II BörsG a. F. (Casper, WM 2003, 161 (165)) – über die Risiken zu informieren. § 37d WpHG wurde, dem Bürokratieabbau (kritisch schon zuvor Schäfer/ Lang, BKR 2002, 197 (204)) und der Flexibilisierung im Bereich der Anlageberatung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen dienend, aufgehoben (BT-Drucks. 16/ 4028, 78; Jordans, WM 2007, 1827 (1830)).
171
Die durch MiFID/FRUG erweiterten Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, die auch im Hinblick auf den Handel mit Derivaten hinreichend bestimmt sind, sichern den Anlegerschutz (BT-Drucks. 16/4028, 78). Jedoch bestehen durch die Differenzierung zwischen komplexen und nicht-komplexen Finanzinstrumenten in § 31 VII WpHG und § 7 WpDVerOV (siehe dazu oben Rn. 129) weiterhin Unterschiede zwischen Finanztermingeschäften und anderen Wertpapieren. Bei komplexen Wertpapieren, zu denen im Unkehrschluss zu § 7 WpDVerOV auch Derivate und Termingeschäfte nach § 2 I 1 Nr. 3 und II WpHG gehören, kann nicht auf die Erkundigungspflichten gemäß § 31 VII WpHG und bei Privatkunden (Kleinanlegern) nicht auf die Geeignetheitsprüfung nach § 31 IV und V WpHG verzichtet werden (Jordans, WM 2007, 1827 (1831)). Sofern die Beachtung des Geeignetheitstests durch technische Maßnahmen sichergestellt ist, dürfte auch der Onlinehandel von komplexen Wertpapieren durch Privatkunden (Kleinanleger) mit der MiFID vereinbar sein (Jordans, WM 2007, 1827 (1831)). Selbstverständlich steht es jedem Wertpapierdienstleistungsunternehmen ungeachtet dessen frei, trotz der ersatzlosen Aufhebung des § 37d WpHG freiwillig ohne gesetzlichen Zwang die „Wichtige Information zu Verlustrisiken bei Finanztermingeschäften“ beizubehalten. Schadensersatzansprüche kommen aber dann allein wegen einer unterbliebenen vorherigen freiwilligen Zurverfügungstellung oder Aushändigung der „Wichtigen Information“ nicht in Betracht. Infolge der Aufhebung des § 37d I 3 WpHG muss auch von keinem Kunden mehr verlangt werden, die ihm jetzt eventuell freiwillig überreichte „Wichtige Information“ zu unterzeichnen.
172
II. §§ 37e bis g WpHG. § 37e 1 WpHG schließt die Erhebung des Spieleinwands nach § 762 BGB aus, wenn mindestens ein Vertragsteil ein Unternehmen ist, das gewerbsmäßig oder in kaufmännischem Umfang agiert. § 37e 2 WpHG enthält jetzt eine Legaldefinition des Finanztermingeschäfts: Finanztermingeschäfte i.S.d. § 37e 1 WpHG und der §§ 37g und 37h WpHG sind Derivate i.S.d. § 2 II WpHG und Optionsscheine (zu Privatanlegern am Optionsscheinmarkt ausführlich Glaser/Schmitz, ZBB 2007, 214 ff.). Damit wurde die
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1579
Definition aus § 2 IIa WpHG a.F. einfach verschoben, wenngleich durch den Verweis auf den durch die MiFID neuen Derivatebegriff nach § 2 II WpHG erweitert (BT-Drucks. 16/ 4028, 78). § 37g I WpHG sieht vor, dass das Bundesministerium der Finanzen zum Schutz der Anleger durch RVO Finanztermingeschäfte verbieten oder beschränken kann. Der RVO widersprechende (verbotene) Geschäfte sind nach § 37g II 1 WpHG nichtig. Der Anleger kann dann seine Leistungen nach §§ 812 ff. BGB zurückfordern (Schäfer/Lang, BKR 2002, 197 (211); Begr. BT-Drucks. 14/8017, 96). Das gilt z. B. auch für bestellte Sicherheiten (§ 37g II 2 Nr. 1 WpHG) oder insbesondere Schuldanerkenntnisse (§ 37g II 2 Nr. 2 WpHG). III. § 37f WpHG wurde ebenfalls aufgehoben in Folge der Aufhebung des § 37d WpHG.
173
K. Abschnitt 9. Schiedsvereinbarungen
174
§ 37h WpHG (kritisch Berger, ZBB 2003, 77 (93)) ersetzte den auf Börsenschiedsgerichte beschränkten § 28 BörsG a. F. und bestimmt, dass Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Finanztermingeschäften oder Wertpapier(neben)dienstleistungen nur verbindlich sind, wenn beide Vertragsteile Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. § 37h WpHG begründet eine Einschränkung der subjektiven Schiedsfähigkeit (Schwark-Zimmer, § 37h Rn. 2 u. 10). Der Gesetzgeber sieht mit § 37h WpHG jeden Anleger, der nicht zum vorgenannten Kreis (Kaufleute und jur. Personen d.ö.R.) gehört, als schutzwürdigen Laien an. Über § 1030 III ZPO ist § 37h WpHG im Rahmen des Schiedsverfahrensrechts zu berücksichtigen (Assmann/Schneider-Sethe, § 37h Rn. 57). § 37h WpHG steht der Erhebung einer Einrede der Schiedsvereinbarung entgegen. Ein deutsches Gericht hat eine Klage nach § 1032 I ZPO nicht als unzulässig abzuweisen, wenn sich der Beklagte auf die Schiedsvereinbarung beruft (Schwark-Zimmer, § 37h Rn. 10). Auch bei der Entscheidung über einen Antrag auf Feststellung der (Un-)Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens ist die Unverbindlichkeit zu beachten. Dies kann auch im Falle der Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts erfolgen, § 1025 II ZPO. Ein Schiedsgericht müsste § 37h WpHG im Rahmen der Entscheidung über die eigene Zuständigkeit beachten, § 1040 I ZPO (Berger, ZBB 2003, 77 (82)). Gegen einen dennoch ergangenen Schiedsspruch hilft eine Aufhebungsklage (§ 1059 II Nr. 1a ZPO), eine Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist nach § 1060 II 1 ZPO abzulehnen (Berger, ZBB 2003, 77 (82)).
L. Abschnitt 10. Märkte für Finanzinstrumente mit Sitz außerhalb der Europäischen Union
175
Nachdem die MiFID für den Zugang zu organissierten Märkten und multilateralen Handelssystemen innerhalb der EU und des EWR Erleichterungen schafft (vgl. nur § 37i IV WpHG), sind diese aus dem Abschnitt 10 ausgenommen. Die §§ 37i bis 37m WpHG regeln nunmehr den Zugang von entsprechenden Märkten aus Drittstaaten (BT-Drucks. 16/4028, 78 f.). § 37i WpHG regelt die Erlaubnispflicht durch die BaFin, die die Erlaubnis auch versagen (§ 37j WpHG) oder aufheben (§ 37k WpHG) kann. Die BaFin kann zudem Handelsteilnehmern im Inland die Ausführung von Aufträgen untersagen, falls diese Aufträge für Kunden über ein elektronisches Handelssystem eines ausländischen Marktes ausführen, wenn diese im Inland einen unmittelbaren Marktzugang ohne Erlaubnis gewähren (§ 37l WpHG). § 37m WpHG wurde aufgehoben (BT-Drucks. 16/4028, 24). M. Abschnitt 11. Überwachung von Unternehmensabschlüssen, Veröffentlichung von Finanzberichten. Durch das am 20.1.2007 in Kraft getretene TUG (BGBl. I, 10) wurde die Transparenzrichtlinie (RL 2004/109/EG – ABl. EG Nr. L 390/38 v. 31.12.2004) in deutsches Recht umgesetzt (Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 Fn 1
Frisch
176
1580
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
m.w.N.; Pirner/Lebherz, AG 2007, 19; Beiersdorf/Rahe, BB 2007, 99; BB 2006, 1674; Rodewald/Unger, BB 2006, 1917). Die seitherigen Bestimmungen, ganz im internationalen Trend (Hommelhoff/Mattheus, BB 2004, 93; Großfeld, NZG 2004, 105; zum Aktionärsrechtsschutz beim Rechungslegungs-Enforcement Mattheus/Schwab, DB 2004, 1975; Bräutigam/Heyer, AG 2006, 188) durch das Bilanzkontrollgesetz (BilKoG v. 15.12.2004 (BGBl. 2004, 3408 (3410 ff.)) eingeführt, wurden erweitert. Neben der anlassabhängigen Publizität (Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471) erfuhren somit auch die periodischen Finanzberichterstattungspflichten (Regelpublizität) Änderungen (Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 (551 f.); Bosse, DB 2007, 39 (43); Nießen, NZG 2007, 41). Die Veröffentlichung von Finanzdaten ist künftig quartalsweise für sämtliche Inlandsemittenten unabhängig vom jeweiligen Marktsegment zwingend (Bosse, DB 2007, 39 (43)). Die jetzt im WpHG enthaltenen Regelungen ersetzen die bisherigen in § 40 BörsG und §§ 53 ff. BörsenZulV. 177
I. Unterabschnitt 1. Überwachung von Unternehmenszusammenschlüssen. Mit dem BilKoG v. 15.12.2004 (BGBl. I 2004, 3408) wurde in § 342b HGB die Grundlage für die Deutsche Prüfstelle für Rechungslegung e.V. (DPR), Berlin gelegt. Der Gesetzgeber hatte ein zweistufiges Enforcement-Verfahren (Hommelhoff/Mattheus, BB 2004, 93; OLG Frankfurt/M. BB 2007, 1383; kritisch Claussen, DB 2007, 1421) eingeführt mit der privatrechtlich organisierten DPR auf der ersten Stufe und der BaFin auf der zweiten Stufe. Auslöser waren Bilanzierungsskandale (in den USA z. B. Enron, Deutschland, den Niederlanden und in Italien). Das Anlegervertrauen sollte zurückgewonnen werden (BTDrucks. 15/3421, 11 f.). Im Zuge der MiFID wurden geringe Änderungen vorgenommen. § 370 I 1 WpHG bestimmt, dass die BaFin eine Prüfung der Rechnungslegung anordnen kann, soweit konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechungslegungsvorschriften vorliegen. Zudem kann die BaFin auch ohne besonderen Anlass eine stichprobenartige Prüfung durchführen, § 37o I 2 WpHG. Ordnet die BaFin eine Prüfung der Rechnungslegung an, kann sie von dem Unternehmen Auskünfte sowie die Vorlage von Unterlagen verlangen, § 37o IV 1 WpHG. Entsprechende Ersuchen kann die BaFin auch an Organmitglieder und Beschäftigte des Unternehmens sowie an dessen Abschlussprüfer richten (OLG Frankfurt/M. DB 2008, 629 m. Anm. Krach, DB 2008, 626). § 37o IV 1 WpHG berechtigt die BaFin auch, vom Abschlussprüfer die Vorlage von Arbeitspapieren zu verlangen, sie hat ein Auskunfts- und Unterlagenvorlegungsrecht (OLG Frankfurt/M. BB 2007, 1383 (1385)). Im Regelfall nimmt die Prüfstelle stichprobenartige Prüfungen selbst vor, § 37p I 1 WpHG. Die BaFin kommt gemäß § 37o WpHG erst ins Spiel, wenn es zu Problemen kommt, z. B. erhebliche Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung durch die Prüfstelle bestehen, § 37p I 2 Nr. 2 WpHG. § 37q WpHG bestimmt, was mit der Ergebnis der Prüfung von BaFin oder DPR geschieht. Nach § 37q II 1 WpHG kann die BaFin (sogar) anordnen, die fehlerhafte Rechnungslegung zu veröffentlichen (OLG Frankfurt/M. ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913). Ergibt die Prüfung durch die BaFin keine Beanstandungen, teilt sie dies dem Unternehmen mit, § 37q III WpHG. § 37r WpHG statuiert Mitteilungspflichten der BaFin an andere Stellen, z. B. die zuständige Strafverfolgungsbehörde oder die Bundesanstalt der Wirtschaftsprüferkammer, wenn der Verdacht eine Straftat besteht oder Tatsachen vorliegen, die auf eine Berufspflichtverletzung durch den Abschlussprüfer schließen lassen. § 37s WpHG regelt, dass der BaFin die internationale Zuammenarbeit mit ausländischen Stellen in Fragen des Enforcements obliegt. § 37t WpHG regelt das Widerspruchsverfahren, wobei ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat (OLG Frankfurt/M. BB 2007, 1383 (1384); dazu Paal, BB 2007, 1775). § 37u WpHG regelt das Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen der BaFin, wobei nach § 37u II WpHG die §§ 43 und 48 II bis IV, § 50
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1581
III bis V sowie die §§ 51 bis 58 WpÜG entsprechend anwendbar sind (OLG Frankfurt/M. BB 2007, 1383 (1384)). II. Unterabschnitt 2. Veröffentlichung und Übermittlung von Finanzberichten an das Unternehmensregister. Die neu gefassten §§ 37v ff. WpHG ändern drei wesentliche Aspekte: (1) Die Veröffentlichungspflicht einer periodischen Berichterstattung wird für alle Inlandsemittenten zwingend eingeführt. (2) Auf die Veröffentlichung ist mit einer ausdrücklichen Mitteilung hinzuweisen. (3) Der Umfang der Berichterstattung wurde im Vergleich zu bisherigen Rechtslage erweitert (Bosse, DB 2007, 39 (43); Noack, WM 2007, 377 (380f.)). Die Offenlegung (§ 325 HGB) des Jahresfinanzberichts (Jahresabschluss) – binnen vier Monaten nach dem Abschlussstichtag, d. h. bis 30.4. des Folgejahres – gemäß § 37v WpHG durch Inlandsemittenten (§ 2 VII WpHG) erfolgt ausschließlich durch Einreichung beim elektronischen Bundesanzeiger (Bosse, DB 2007, 39 (44); Liebscher/Scharff, NJW 2006, 3745 (3749)). Der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers muss die bei ihm eingereichten Jahresabschlüsse sowie die anderen in § 325 HGB genannten Unterlagen gemäß § 8b III Nr. 1 HGB an das Unternehmensregister weiterleiten, damit diese dort eingestellt werden können, um zusammen mit den anderen wesentlichen Unternehmensdaten von jedem eingesehen werden zu können (Liebscher/Scharff, NJW 2006, 3745 (3749)). Der Inhalt bestimmt sich nach §§ 37v, 37y Nr. 1 WpHG. § 335 HGB (Ordnungsgeld) sanktioniert die fristgerechte Offenlegung. Bei Emittenten, die einen Konzernabschluss aufstellen müssen, muss der Jahresfinanzbericht gemäß § 37y Nr. 1 WpHG zusätzlich einen Konzernlagebericht und einen Bilanzeid durch die gesetzlichen Vertreter des Mutterunternehmens nach §§ 297 II 3, 315 I 6 HGB enthalten (Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 (551)). Der Halbjahresfinanzbericht (§§ 37w, 37y Nr. 2 WpHG) erfuhr größere Neuerungen. Wie bisher ist der Halbjahresfinanzbericht innerhalb von zwei Monaten nach dem jeweiligen Stichtag zu veröffentlichen. Der Bericht ist für Inlandsemittenten, die Aktien oder Schuldtitel i.S.d. § 2 I WpHG (aber Ausnahme: § 37w I 1 WpHG a.E.) ausgegeben haben, zwingend und hat mindestens (1) einen verkürzten Abschluss, (2) einen Zwischenlagebericht und (3) den Bilanzeid zu enthalten. Jedoch reicht ein Konzernhalbjahresabschluss (IAS-34) aus (§ 37y Nr. 2 S. 1 WpHG). In letzter Minute (so Bosse, DB 2007, 39 (44)) wurde § 37w V WpHG-E aufgrund des verhementen Widerstands der Wirtschaft „entschärft“: Der Halbjahresbericht und der Zwischenlagebericht (vgl. IdW-Muster IdW PS 900) benötigen keine zwingende prüferische Durchsicht (auch nicht nach § 317 HGB). Die Inlandsemittenten haben ein Wahlrecht, ob eine freiwillige Prüfung erfolgt. Die Bestellung zum Abschlussprüfer nach § 37w V WpHG wird i.d.R. zeitgleich mit der Bestellung des Abschlussprüfers für den Jahres- und Konzernabschluss vorgenommen. Die Formulierung für den Wahlvorschlag für die Hauptversammlung sollte demnach ergänzt werden (vgl. Hauptfachausschuss (HFA) des IDW in 2007; https://www.idw.de). Unterbleibt die Prüfung, ist darauf ausdrücklich im Halbjahresbericht hinzuweisen. Neu ist auch § 37x I 1 WpHG (Zwischenmitteilung der Geschäftsführung). Inlandsemittenten, die Aktien begeben und keine Quartalsberichte veröffentlichen, müssen in einem Zeitraum zwischen zehn Wochen nach Beginn und sechs Wochen vor Ende der ersten und zweiten Hälfte des Geschäftsjahres jeweils eine Zwischenmitteilung der Geschäftsführung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen (BGBl. 2007 I, 10 (20); zu Details Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 (552 f.)). Das Gesetz sieht weder eine prüferische Durchsicht noch die Abgabe eines Bilanzeides vor. § 37x III WpHG enthält eine Befreiungsregelung. Es sind von der Pflicht des § 37x I 1 WpHG demnach solche Emittenten betroffen, die nicht bereits auf Grund der Zulassung ihrer Wertpapiere (§ 63 VIII BörsO „Prime Standard“ an der Frankfurter Wertpapierbörse) verpflichtet sind, Quartalsberichte zu veröffentlichen.
Frisch
178
1582
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
179
Durch den Bilanzeid (zur ausdrücklichen Anlehnung an den US-amerikanischen Sarbanes-Oxley Act of 2002: Heldt/Ziemann, NZG 2006, 652) wird gem. §§ 37v II Nr. 3, 37w II Nr. 3 WpHG i.V.m. § 264 II 3 HGB bestätigt, dass der (Halb-)Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt. Ähnliches sehen für den Lage- bzw. Zwischenlagebericht §§ 37v II Nr. 3, 37w II Nr. 3 WpHG i.V.m. § 289 I 5 HGB vor. Der Bilanzeid erfolgt nur „nach bestem Wissen“, stellt also keine objektive Richtigkeitsgarantie dar (Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 (553)). Sog. Mirror Certificates, d. h. spiegelbildliche Erklärungen von Mitarbeitern unterer Ebenen zur Haftungsfreistellung der Unternehmensführung, sind fragwürdig. Eine Verantwortungsverlagerung auf untere Ebenen sollte der gesetzgeberischen Intention widersprechen. Die unrichtige Abgabe eines Bilanzeids wird durch § 331 Nr. 3a HGB strafrechtlich sanktioniert (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre oder Geldstrafe), was im Vergleich zu Section 906 des Sarbanes-Oxley Act of 2002 (Geldstrafe bis zu 1 Mio. USD und/oder Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren (bei Absicht, d. h. „willful“, max. 5 Mio. USD und/oder bis zu 20 Jahre Freiheitsstrafe) eher moderat erscheint (Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 (553 Fn 24). Die Neuregelung lässt zahlreiche Fragen offen (zurecht kritisch Heldt/Ziemann, NZG 2006, 652 (654)).
180
Die Finanzberichte nach §§ 37v/w/x WpHG sind „der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“ und anschließend dem Unternehmensregister zu übermitteln. Halbjahresberichte und Zwischenmitteilungen bzw. Quartalsfinanzberichte sind im Internet zur Verfügung zu stellen. Der genaue Pfad muss angegeben werden (Noack, WM 2007, 377 (381)). Die Rolle der Prüfstelle für Rechnungslegung (Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR)) wurde deutlich erweitert (Bosse, DB 2007, 39 (46)).
181
N. Abschnitt 12. Straf- und Bußgeldvorschriften § 38 WpHG enthält Strafvorschriften (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe), insbesondere zum verbotenen Insiderhandel nach § 14 I Nr. 1 WpHG (zum Verfall BVerfG StV 2004, 409), wobei Abs. 2 Straftaten mit Auslandsbezug (Einwirkung auf den Preis eines Finaninstruments an einem organisierten Markt in einem EU- oder EWRStaat) einbezieht (Reuschle, S. 202). § 39 WpHG enthält Bußgeldvorschriften für Ordnungswidrigkeiten. Die Geldbuße kann von € 50.000 bis zu € 1.000.000 betragen. Zuständige Verwaltungsbehörde i.S.v. § 36 I Nr. 1 OwiG ist die BaFin, § 40 WpHG. Nach § 40a WpHG ist die BaFin bei Insiderverstößen zu beteiligen, es besteht für die Justizbehörden eine Mitteilungspflicht (zum Akteneinsichtsrecht BVerfG NStZ 2003, 210; BVerfG StV 2004, 411).
182
§ 40b WpHG – Bekanntmachung von Maßnahmen (Spindler, NJW 2004, 3449 (3454) – „shaming“; Umsetzung von Art. 14 IV MAD; BT-Drucks. 15/3174, 41) – erlaubt es der BaFin, unanfechtbare Maßnahmen, die sie wegen Verstößen gegen Verbote oder Gebote des WpHG getroffen hat, auf ihrer Internetseite (BT-Drucks. 16/4028, 25) zu veröffentlichen. Allerdings ist eine Güterabwägung im Hinblick auf das Grundrecht natürlicher Personen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i.V.m. Art. I 1 GG; BVerfGE 65, 1; vgl. auch § 4 BDSG) durch die BaFin erforderlich. Anordnungen nach § 4 II WpHG muss die BaFin unverzüglich auf ihrer Internetseite veröffentlichen.
183
O. Abschnitt 13. Übergangsbestimmungen Die §§ 41 bis 46 WpHG beinhalten ausführliche Übergangsbestimmungen. § 41 V und VI WpHG sanktionieren als Ordnungswidrigkeit den Verstoß gegen Mitteilungs- und Meldepflichten. § 43 WpHG bestimmt, dass § 37a WpHG auf Schadensersatzansprüche, die vor dem 1.4.1998 entstanden sind, nicht anzuwenden ist (LG Zweibrücken WM 2006, 715
Frisch
§ 52 Wertpapierhandelsgesetz
1583
(719)). § 46 WpHG ist eine Anwendungsbestimmung für das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG); nach § 46 IV WpHG sind Veröffentlichungen nach § 30b I und II WpHG bis zum 31.12.2008 zusätzlich zu der Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger auch in einem Börsenpflichtblatt vorzunehmen, was dem zum EHUG gefundenen Kompromiss entspricht (Bosse, DB 2007, 39 (43); BT-Drucks. 16/3644, 78 f.).
Frisch
“This page left intentionally blank.”
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1585
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
Schrifttum Assmann, Erwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote nach dem WpÜG aus Sicht der Bietergesellschaft, AG 2002, 114; ders., Die Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angebotsunterlage nach § 12 WpÜG, AG 2002, 153; Baier, Die Zulässigkeit von Stillhalteklauseln im Rahmen öffentlicher Übernahmen, Festschrift für Eisenhardt, 2007, 371; Behnke, Erste praktische Erfahrungen mit dem Ausschluss ausländischer Anteilsinhaber nach § 24 WpÜG, WM 2002, 2229; Busch, Bedingungen in Übernahmeangeboten, AG 2002, 145; Berding, Subjektiv öffentliche Rechte Dritter im WpÜG, Der Konzern 2004, 771; Berrar, Die Finanzierungsbestätigung nach § 13 WpÜG, ZBB 2002, 174; Cahn, Die Verwaltungsbefugnisse der BaFin und Rechtsschutz Betroffener, ZHR 167 (2003), 262; Ekkenga/Kuntz, Grundzüge eines Kollisionsrechts für grenzüberschreitende Übernahmeangebote, WM 2004, 2427; Friedl, Die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat für eine fehlerhafte Stellungnahme gemäß § 27 I WpÜG, NZG 2004, 448; Georgieff/Hauptmann, § 13 WpÜG und fremdfinanzierte öffentliche Barangebote, AG 2005, 277; Grabbe/Fett, Pflichtangebot im Zuge von Verschmelzungen?, NZG 2003, 755; Habersack, Auf der Suche nach dem gerechten Preis – Überlegungen zu § 31 WpÜG, ZIP 2003, 1123; Harbarth, Kontrollerlangung und Pflichtangebot, ZIP 2002, 321; Ihrig, Rechtsschutz Drittbetroffener im Übernahmerecht, ZHR 167 (2003), 315; Johannsen-Roth/Goslar, Rechtliche Rahmenbedingungen für Übernahmeprämien bei Mischoder Tauschangeboten im Lichte von § 255 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 57 AktG, AG 2007, 573; Koch, Passiver Kontrollerwerb und Pflichtangebot, ZIP 2008, 1260; Kossmann/Horz, Außerbörslicher Paketerwerb und befreiendes Übernahmeangebot nach § 35 III WpÜG, NZG 2006, 481; Krause, Das neue Übernahmerecht, NJW 2002, 705; ders., Prophylaxe gegen feindliche Übernahmeangebote, AG 2002, 133; Meyer, Änderungen im WpÜG durch die Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie, WM 2006, 1135; Möllers, Verfahren, Pflichten und Haftung, insbesondere der Banken bei Übernahmeangeboten, ZGR 2002, 664; Mülbert, Übernahmerecht zwischen Kapitalmarktrecht und Aktien(konzern)recht – die konzeptionelle Schwachstelle des RegE WpÜG, ZIP 2001, 1221; Noack, Fragen der Finanzierungsbestätigung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, Festschrift für Hadding, 2004, 991; Ott, Der übernahmerechtliche Squeeze-out gemaß §§ 39a f. WpÜG, WM 2008, 384; Paefgen, Zum Zwangsausschluss im neuen Übernahmerecht, WM 2007, 765; Pfüller/Detweiler, Die Haftung der Banken bei öffentlichen Übernahmen nach dem WpÜG, BKR 2004, 383; Rothenfußer/Friese-Dormann/Rieger, Rechtsprobleme konkurrierender Übernahmeangebote nach dem WpÜG, AG 2007, 137; Schanz, Verteidigungsmechanismen gegen feindliche Übernahmen nach Umsetzung der Übernahmerichtlinie im deutschen Recht, NZG 2007, 927; Schneider, Der Rechtsverlust gemäß § 28 WpHG bei Verletzung der kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten – zugleich eine Untersuchung zu § 20 Abs. 7 AktG und § 59 WpÜG, ZIP 2006, 493; Stöcker, Widerruf und Rücktritt von Angebotsankündigungen, NZG 2003, 993; Vaupel, Die Haftung der Banken für die Richtigkeit der Angebotsunterlage bei Umtauschangeboten nach dem WpÜG, WM 2002, 1170; Vogel, Der Handelsbestand im WpÜG S Offene Fragen des § 20 WpÜG, NZG 2005, 637; Wackerbarth, Die Auslegung des § 30 Abs. 2 WpÜG und die Folgen des Risikobegrenzungsgesetzes, ZIP 2007, 2340. Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Systematische Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Allgemeiner Anwendungsbereich . . . . . . . 5 1. Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Zielgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4. Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 5. Gemeinsam handelnde Personen . . . . 12 6. Organisierter Markt . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Anwendungsbereich bei internationalen Sachverhalten (Kollisionsrecht) . . . . . . . . 16 C. Drei Angebotsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. Baukastenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
II.
Freiwilliges Übernahmeangebot . . . . . . . 1. Zurechnungstatbestände des § 30 I WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zurechnung nach § 30 II WpÜG . . . . 3. Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahme § 32 InvG . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolgen der Zurechnung . . . . . . . III. Pflichtangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrollerlangung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. UmwG und WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . 4. Befreiungen und Ausnahmen . . . . . . . IV. Einfaches Erwerbsangebot . . . . . . . . . . . . D. Grundsätze des § 3 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . .
Lenenbach
20 21 28 30 31 32 33 34 35 37 38 39 40 41
1586
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
II.
Interessenwahrungspflicht, Behinderungsund Marktverzerrungsverbot . . . . . . . . . . 42 E. Ablauf des Angebotsverfahrens . . . . . . . . . . . . 43 I. Vorangebotsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Zeitpunkt der Veröffentlichung . . . . . . 45 2. Weiteres Veröffentlichungsverfahren . . 46 3. Angebotspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Angebotsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Erstellen und Veröffentlichung der Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Gestattung der Veröffentlichung . . . . . 50 3. Europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Stellungnahme Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5. Untersagung des Erwerbsangebots . . . 55 6. Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . 57 7. Veröffentlichungspflichten nach WpÜG und Ad-hoc-Publizität . . . . . 59a III. Übernahmerechtliche Prospekthaftung . . 60 1. Prospektverantwortliche Personen . . . 61 2. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Beurteilungshorizont . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 5. Schadensumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6. Haftung für freiwillige Zusatzinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65a IV. Vorgeschriebener Inhalt des Angebots . . . 66 1. Anwendbarkeit §§ 305 ff. BGB . . . . . 67 2. Verbot invitatio ad offerendum . . . . . . 68 3. Bedingungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4. Voll- und Teilangebote . . . . . . . . . . . . 71
5. Mindestannahmequote . . . . . . . . . . . . 72 V. Änderungen des Angebots . . . . . . . . . . . . 73 VI. Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Vor-, Parallel- und Nacherwerbe . . . . 75 2. Berechnung der Gegenleistung . . . . . . 76 3. Tauschangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 VII. Finanzierung des Angebots . . . . . . . . . . . 79 1. Sicherstellung der Gegenleistung und Finanzierungsbestätigung . . . . . . 79 2. Haftung der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . 81 VIII. Annahmephase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Annahmefristen und Fristverlängerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Wasserstandsmeldungen . . . . . . . . . . . 88 IX. Nachannahmephase . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 X. Konkurrierende Übernahmeangebote . . 89a F. Verhaltenspflichten des Vorstandes und Bestechungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 G. Aufgaben und Befugnisse der BaFin . . . . . . . . 91 H. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Bußgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Verlust der Mitgliedschaftsrechte . . . . . . 95 III. Zinsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 J. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Beschwerde gegen Verfügungen . . . . . . . 97 II. Zivilrechtliche Klagen . . . . . . . . . . . . . . . 98 III. Drittschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 K. Übernahmerechtlicher Squeeze Out und Sell Out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Stichwortverzeichnis Abwehrmaßnahmen, Übernahmeversuch . . . . . . . 90 Angebotsunterlage als AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Angemessenheit Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Auskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Bedingungsfeindlichkeit Pflichtangebot . . . . . . . . 68 Behördliche Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Berichtigung Finanzierungsbestätigung . . . . . . . . . 83 Beurteilungshorizont Kleinaktionär . . . . . . . . . . . . 63 Bietergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89a Durchschnittsbörsenkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Einzelfallausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29b Freiverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Gegenleistung, Art und Höhe . . . . . . . . . . . . . 74, 89 Gegenleistung, Erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89a Gestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50, 51 Kettenzurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Konkurrierende Angebote . . . . . . . . . . . . 73, 86, 89a Kontrolle, Kontrollerlangung . . . . . 20, 33, 35, 36, 37 Liquide Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
1
Mehrstufige Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . 45 Öffentliches Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Paketerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Planung und Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 RisikobegrenzungsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29a Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Schadensersatz und Haftung . . . . . . . . 47, 54, 61, 65 Sitz i.S.d. WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Stellungnahme Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 53, 54 Tochter, Tochterunternehmen . . . . . . . 13, 22, 23, 36 Übernahme, feindliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Übernahmerichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Unabhängigkeit Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Verbot Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Werbemaßnahmen, Untersagung . . . . . . . . . . . . . . 92 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 23, 61, 80, 81 Vollmachtsstimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zusatzinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57, 65a
A. Einleitung I. Rechtliche Grundlagen. Das WpÜG von 2002 (BGBl. 2001 I 3822) wurde 2006 an die Übernahmerichtlinie (ABl. 2004 L 142/ 12) angepasst (BGBl. 2006 I 1426), 2007 geringfügig im Rahmen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie geändert (BGBl. 2007 I 10) und 2008 durch das RisikobegrenzungsG modifiziert (BGBl. 2008 I 1666). Das WpÜG enthält nicht alle Normen, die bei einem öffentlichen Angebot zum Erwerb von
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1587
Wertpapieren oder bei einem Pflichtangebot zu berücksichtigen sind. Detailregelungen sind in sechs Rechtsverordnungen ausgegliedert worden: AngebotsVO (BGBl. 2001 I 4263), BeiratsVO (BGBl. 2001 I 4259), WiderspruchsausschussVO (BGBl. I 2001 I 4261), GebührenVO (BGBl. 2001 I 4267), AnwendbarkeitsVO (BGBl. 2006 I 1698) und die BeaufsichtigungsmitteilungsVO (BGBl. 2006 I 2266). Das deutsche Recht beruht nicht nur insoweit auf der Übernahmerichtlinie, als das WpÜG von 2002 zur Umsetzung der Richtlinie geändert wurde. Da das WpÜG schon in weitem Umfang den europarechtlichen Vorgaben entsprach, genügten einige Änderungen (insb. § 2) und Ergänzungen (§ 11a, §§ 33a bis 33d, §§ 39a bis 39 c) des bestehenden Gesetzes, um die Übernahmerichtlinie umzusetzen. Das WpÜG von 2006 stellt aber in seiner Gesamtheit ein Umsetzungsgesetz dar, weshalb das WpÜG insgesamt der Übernahmerichtlinie entsprechen muss und europarechtskonform auszulegen ist. II. Zielsetzung. Das WpÜG regelt öffentliche Angebote eines Bieters zum Erwerb der Aktien einer deutschen oder europäischen Zielgesellschaft (§ 2 Abs. 1, Abs. 3). Ziel des Gesetzes ist es, in Deutschland Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Anforderungen an die Globalisierung der Finanzmärkte entsprechen, und dadurch den Finanzplatz Deutschland im internationalen Wettbewerb weiter zu stärken (BT-Drs. 14/7034, 28). Dieses Generalziel soll durch vier Maximen, an denen das WpÜG ausgerichtet ist, erreicht werden: (1) Schaffung von Leitlinien für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren, ohne Unternehmensübernahmen zu fördern oder zu behindern; (2) Verbesserung der Information und der Transparenz für die betroffenen Wertpapierinhaber und Arbeitnehmer; (3) Stärkung der rechtlichen Stellung von Minderheitsaktionären bei Unternehmensübernahmen; (4) Orientierung an international üblichen Standards (BTDrs. 14/7034, 28; Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, Einl. Rn. 21 ff.). Durch die Übernahmerichtlinie werden diese Zielsetzungen auf das gesamte Gebiet der EU und des EWR ausgedehnt, ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen für Übernahmeangebote geschaffen und die Anerkennung von Übernahmeverfahren unter den Mitgliedsstaaten der EU und des EWR sichergestellt (Erwägungsgründe 1-3, 9, 13, 15, 25 Übernahmerichtlinie). III. Systematische Stellung. Systematisch handelt es sich beim WpÜG um Kapitalmarkt-, Gesellschafts- und Aufsichtsrecht. Die Vorschriften über das einfache Erwerbsangebot und das Übernahmeangebot sind dem Kapitalmarktrecht zuzurechnen, da sie eine frühzeitige und umfassende Information des Kapitalmarktes über ein öffentliches Angebot zum Erwerb von Aktien sicherstellen (Assmann/Pötzsch/Schneider-Pötzsch, Einl. 16). Die Pflichtangebotsregeln, die eingreifen, wenn die Kontrolle über eine Gesellschaft erlangt wurde, ohne dass vorher ein freiwilliges Angebot erfolgt ist, gehören funktional zumindest auch zum präventiven Aktienkonzernrecht. Sie sollen die Minderheitsaktionäre davor bewahren, in die Position eines außenstehenden Gesellschafters in einer abhängigen Aktiengesellschaft zu geraten, indem sie ihnen ein Austrittsrecht und eine angemessene Abfindung einräumen (Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1226 m.w.N.). Gleiches gilt für die übernahmerechtlichen „Squeeze -out“ und „Sell-out“-Regeln (§§ 39a ff.). Die Normen über das Vorstandshandeln im Fall einer Übernahme (§§ 33 ff.) stellen aktienrechtliche Spezialregeln für das Organverhalten in einer Ausnahmesituation dar (Steinmeyer/ Häger-Steinmeyer, Einl. Rn. 27). Bei den die Zuständigkeiten und Befugnisse der BaFin regelnden Vorschriften (§§ 4, 15, 28) handelt es sich um Aufsichtsrecht.
B. Anwendungsbereich
2
3
4
Der Anwendungsbereich des WpÜG ergibt sich aus den §§ 1, 2 und der WpÜG-AnwendungsVO.
Lenenbach
1588
5
6
7
8
9
10
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
I. Allgemeiner Anwendungsbereich. § 1 I WpÜG legt den Anwendungsbereich des WpÜG allgemein fest. Auch die Angebote, die § 1 II, III, V WpÜG unterfallen, setzen zunächst voraus, dass die Voraussetzungen des § 1 I WpÜG erfüllt sind. Das WpÜG findet auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren Anwendung, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 1 I). Die einzelnen Tatbestandsmerkmale von § 1 I WpÜG sind in § 2 WpÜG näher definiert. 1. Angebote. Ein Angebot iSd. WpÜG liegt vor, wenn freiwillig oder aufgrund einer nach dem WpÜG bestehenden Verpflichtung ein öffentliches Kauf- oder Tauschangebot zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft erfolgt (§ 2 I WpÜG). a) Öffentliches Angebot. Wann ein öffentliches Angebot vorliegt, lässt das Gesetz bewusst offen und gibt einer interessengerechten Interpretation des WpÜG im Einzelfall den Vorrang vor einer Legaldefinition (Fleischer, ZIP 2001, 1653 (1658); KölnerKommWpÜG-Versteegen, § 2 Rn. 51). Man kann sich an den Grundsätzen orientieren, die für die Bestimmung eines öffentlichen Angebots iSv. § 1 WpPG gelten, muss aber bei der Prüfung des konkreten Falles die speziellen Schutzzwecke des Übernahmerechts mitbedenken. Für das Vorliegen eines öffentlichen Angebots sprechen ein unbestimmter Adressatenkreis, ein Verbreitungsmedium des Angebots, das jedermann zugänglich ist, ein Angebot, das gegenüber einer – gemessen an der Gesamtzahl der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft – Vielzahl der Wertpapierinhaber abgegeben wird sowie ein Angebotsinhalt, der nicht ausgehandelt, sondern einseitig vom Bieter vorgegeben wird und für alle Wertpapierverkäufer im Wesentlichen gleich ist (BT-Drs. 14/7034, 33; FK-WpÜGSchüppen, § 2 Rn. 13; MünchKommAktG-Wackerbarth, § 2 WpÜG Rn. 9 ff.). Abweichend von der Begriffsbestimmung des öffentlichen Angebots nach § 1 I WpPG liegt ein öffentliches Angebot nach dem WpÜG auch vor, wenn im Internet ein Erwerbsangebot veröffentlicht wird, das aber ausdrücklich auf institutionelle Anleger beschränkt ist (KölnerKomm.-Versteegen, § 2 Rn. 51; a. A.: Geibel/Süßmann-Angerer, § 1 Rn. 20). Öffentliche Angebote einer Gesellschaft, ihre eigenen Aktien zurückzuerweben, sind keine Angebote iSd. WpÜG (Bekanntmachung BaFin v. 06.08.2006, www.bafin.de/bekanntmachungen/060809.htm). Der Rückerwerb eigener Aktien richtet sich daher ausschließlich nach §§ 71 ff. AktG. b) Europäisches Angebot. Ein europäisches Angebot liegt vor, wenn es sich auf eine Zielgesellschaft mit Sitz (Sitz iSd. WpÜG meint den in der Satzung bestimmten Sitz oder den Sitz im Gründungsstaat: Mülbert, NZG 2004, 633 (638)) in einem anderen Mitgliedstaat des EWR als Deutschland bezieht (§ 2 Ia, § 2 III Nr. 2 WpÜG). Zudem muss das Angebot nach dem Recht des Sitzstaates ein Pflicht- oder Übernahmeangebot darstellen (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 2 Rn. 7). 2. Wertpapiere. Als Wertpapiere gelten Aktien und Wertpapiere, die den Erwerb von Aktien zum Gegenstand haben (§ 2 II Nr. 1, Nr. 2 WpÜG). Dem sind aktiengleiche und aktienvertretende Papiere und Wertpapiere gleichgestellt, die auf den Erwerb von Aktien und aktienähnlichen Papieren gerichtet sind. Auf die wertpapiergemäße Verkörperung in einer Urkunde kommt es nicht an. 3. Zielgesellschaften. Eine Zielgesellschaft ist eine Gesellschaft, deren Wertpapiere Gegenstand eines öffentlichen Erwerbsangebots sind. Als deutsche Zielgesellschaften kommen Aktiengesellschaft und KG a.A. mit Sitz in Deutschland in Betracht (§ 2 III Nr. 1 WpÜG), auch die Societas Europae, da sie einer deutschen AG gleichgestellt ist (FKWpÜG-Schüppen, § 2 Rn. 26). Zielgesellschaften können nach § 2 III Nr. 2 WpÜG auch Gesellschaften sein, die ihren Satzungssitz in einem anderen Mitgliedstaat des EWR haben.
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1589
4. Bieter. Bieter ist jedes in- oder ausländische Rechtssubjekt, das allein oder gemeinsam mit anderen Personen ein Angebot abgibt, ein Angebot beabsichtigt oder zu dessen Abgabe verpflichtet ist (§ 2 IV WpÜG). Setzt ein Bieter bei einem freiwilligen Erwerbs- oder Übernahmeangebot eine eigens gegründete Erwerbsgesellschaft ein, so ist dieses Erwerbsvehikel als Bieter iSd. WpÜG anzusehen (KölnerKomm.WpÜG-Versteegen, § 2 Rn. 130; MünchKommAktG-Wackerbarth, § 2 WpÜG Rn. 53). Da für die Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots auch stimmrechtsberechtigte Wertpapiere anderer Personen dem Angebotsverpflichteten zugerechnet werden (§§ 39, 30 WpÜG), ist Bieter anders als bei einem freiwilligen Angebot schon nach § 35 WpÜG das hinter der Übernahme stehende Rechtssubjekt (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 2 Rn. 16).
11
5. Gemeinsam handelnde Personen. Gemeinsam mit dem Bieter handelnde Personen sind nach § 2 V WpÜG Personen, die ihr Verhalten in Bezug auf den Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft oder hinsichtlich der Ausübung von Stimmrechten der Zielgesellschaft aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmen. Der Begriff der mit dem Bieter gemeinsam handelnden Personen wird an einigen Stellen des WpÜG verwendet und dient der Zurechnung des Verhaltens dieser Personen, des Umgehungsschutzes und der Erweiterung von Pflichten (§ 11 IV Nr. 2 WpÜG iVm. § 2 Nr. 5 AngebotsVO, § 18 I WpÜG, § 31 I WpÜG).
12
Obwohl auch die Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 II 1 WpÜG an ein abgestimmtes Verhalten anknüpft, kann die Auslegung dieses Terminus in § 2 V 1 und § 30 II 1 WpÜG zwar regelmäßig, aber nicht stets nach den gleichen Kriterien erfolgen (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 2 Rn. 20). Ein abgestimmtes Verhalten durch eine Vereinbarung kommt unter anderem in Betracht bei Konsortialvereinbarungen, Stimmrechtspools, Stimmbindungsverträge, beim vereinbarten Erwerb von Wertpapieren durch Dritte im Vorfeld eines Erwerbsangebotes des Bieters (Warehousing) (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 2 Rn. 22) sowie zwischen einer Gesellschaft und ihren geschäftsführenden Organmitgliedern (OLG Frankfurt ZIP 2007, 864 (867 f.)). Für ein abgestimmtes Handeln in sonstiger Weise ist eine kommunikative Verbindung, ein bewusst praktiziertes Zusammenwirken zwischen dem Bieter und den anderen Personen erforderlich (OLG Frankfurt ZIP 2007, 864 (868 f.)). Lediglich gleichgerichtetes Verhalten ohne eine Abstimmung genügt nicht (Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 2 Rn. 122 ff.). Tochterunternehmen gelten nach § 2 V 3 WpÜG unwiderleglich als mit der sie kontrollierenden Person gemeinsam und untereinander (Schwesterunternehmen) als gemeinsam handelnd (Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 2 Rn. 132). Wann ein Tochterunternehmen vorliegt, ist in § 2 VI WpÜG näher definiert (Fall: OLG Frankfurt ZIP 2007, 864 (866, 868); Beispiele bei Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 2 Rn. 30 ff.).
13
Der in § 2 V 2 WpÜG definierte Begriff der mit der Zielgesellschaft gemeinsam handelnden Personen ist im WpÜG ohne Anwendungsbereich, da der Begriff außer in § 2 V 2 WpÜG in keiner Vorschrift des WpÜG vorkommt (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 2 Rn. 26).
14
6. Organisierter Markt. Organisierter Markt i.S.d. WpÜG ist in Deutschland der regulierte Markt i.S.d. BörsG und sind die geregelten Märkte i.S. der MiFiD (ABl. 2004 L 145/ 1) in den Staaten des EWR (§ 2 VII WpÜG). Der Freiverkehr fällt nicht unter das WpÜG. Zum Europäischen Wirtschaftsraum rechnen die EU-Staaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein (§ 2 VIII WpÜG).
15
II. Anwendungsbereich bei internationalen Sachverhalten (Kollisionsrecht). § 1 II und § 1 III, V WpÜG enthalten spezielle internationalrechtliche Kollisionsregeln, wenn der Sitz der Zielgesellschaft und der Ort, an dem ihre stimmberechtigten Aktien zum Bör-
16
Lenenbach
1590
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
senhandel zugelassen sind, auseinanderfallen, sich beide Orte aber innerhalb des EWR befinden. Die Grundidee der Normen lässt sich auf die Formel bringen: Angebotsverfahren ist Marktrecht, Gesellschaftsrecht ist Heimatrecht (Assmann/Pötzsch/SchneiderPötzsch, § 1 Rn. 9). § 1 II WpÜG regelt den Anwendungsbereich des WpÜG, wenn sich der Sitz einer Zielgesellschaft in Deutschland befindet, ihre stimmberechtigten Aktien aber ausschließlich an einem nichtdeutschen organisierten Markt innerhalb des EWR zum Handel zugelassen sind. § 1 III, V WpÜG umfasst drei Fallgestaltungen, in denen die Zielgesellschaft ihren Sitz im europäischen Ausland hat und ihre stimmberechtigten Aktien nicht in ihrem Sitzstaat, sondern entweder ausschließlich oder auch an einer deutschen Börse zum Handel zugelassen sind (zu Einzelfragen Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 1 Rn. 48 ff.). Die einzelnen Normen, die auf Angebote i.S.v. § 1 II, III WpÜG anwendbar sind, sind in §§ 1, 2 der AnwendbarkeitsVO aufgelistet (zu Zweifelsfragen Steinmeyer/ Häger-Santelmann, § 1 Rn. 38 ff.). 17
Zu weiteren kollisionsrechtlichen Fragen des Übernahmerechts Ekkenga/Kuntz, WM 2004, 2427; Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 2 Rn. 57 ff. Die intertemporale Anwendung des WpÜG (Altfälle) ist in § 68 WpÜG geregelt.
18
C. Drei Angebotsarten Das WpÜG unterscheidet drei Arten von Angeboten, das einfache Erwerbsangebot, das Übernahmeangebot und das Pflichtangebot.
19
I. Baukastenprinzip. Das WpÜG ist, was die Regelung der drei Angebotsarten betrifft, nach dem Baukastenprinzip aufgebaut. Das Erwerbsangebot wird in den §§ 10 bis 28 WpÜG ausführlich geregelt. Auf die Vorschriften über das Erwerbsangebot wird für Übernahmeangebote insgesamt (§ 34 WpÜG) verwiesen und es gelten zusätzlich besondere Normen für Übernahmeangebote (§§ 29 bis 33d WpÜG). Auch für Pflichtangebote sind eigene Regelungen (§§ 35 bis 38 WpÜG) vorgesehen. Im Übrigen wird für Pflichtangebote mit einigen Ausnahmen auf die Vorschriften über Erwerbs- und Übernahmeangebote verwiesen (§ 39 WpÜG). Für sämtliche Angebotsarten gelten die §§ 1 bis 3 WpÜG.
20
II. Freiwilliges Übernahmeangebot. Ein (freiwilliges) Angebot, das darauf abzielt, durch den Aktienerwerb die Kontrolle in der Zielgesellschaft zu erlangen, bezeichnet das Gesetz in § 29 I als Übernahmeangebot. Nach § 29 II 2 WpÜG erlangt ein Bieter die Kontrolle an der Zielgesellschaft, wenn er mindestens 30% ihrer Stimmrechte erwirbt. Aus Gründen der Rechtsklarheit hat der Gesetzgeber auf die international etablierte starre 30% Schwelle abgestellt und nicht auf die tatsächlichen Machtverhältnisse in einer konkreten Zielgesellschaft.
21
1. Zurechnungstatbestände des § 30 I WpÜG. Ob der Bieter 30% der Stimmrechte erworben hat, bestimmt sich nicht nur nach den von ihm selbst unmittelbar gehaltenen Rechten. Dem Bieter werden vielmehr nach § 30 WpÜG Stimmrechte zugerechnet, die andere halten, auf deren Stimmrechtsausübung der Bieter aber Einfluss hat. § 30 WpÜG hat zum Ziel, eine Umgehung von § 29 und § 35 WpÜG und damit des gesamten übernahmerechtlichen Schutzes im Interesse der Minderheitsaktionäre zu verhindern (Halász/ Kloster, WM 2006, 2152 (2154)).
22
a) Tochterunternehmen. Dem Bieter werden die Aktien der Zielgesellschaft zugerechnet, die einem Tochterunternehmer des Bieters gehören (zum Begriff des Tochterunternehmens § 2 VI WpÜG (Rn. 13) und eingehend Steinmeyer/Häger-Santelmann § 2 Rn. 30 ff. Bsp.: OLG Frankfurt AG 2008, 87 (88)). Mit „gehören“ ist Eigentum und damit die Stellung als Aktionär gemeint (Baums/Thoma-Diekmann, § 30 Rn. 24). Eine Zurech-
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1591
nung erfolgt nur von Tochterunternehmen an das Mutterunternehmen und weder in umgekehrter Richtung, noch zwischen Schwesterunternehmen und erst recht nicht zwischen sämtlichen Konzernunternehmen (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 30 Rn. 9); von Juli bis Dez. 2006 enthielt § 30 I 1 Nr. 1 WpÜG dagegen eine konzernweite Zurechnung (vgl. dazu und zur Kritik an dieser Regelung Arnold, AG 2006, 567). Die Zurechnung der Aktien der Zielgesellschaft erfolgt aber zu 100% und nicht pro rata der Beteiligungsquote des Mutterunternehmens (Baums/Thoma-Diekmann, § 30 Rn. 25). § 30 III WpÜG enthält eine Ausnahme von § 30 I 1 Nr. 1 WpÜG, wenn es sich bei dem Tochterunternehmen um ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen iSv. § 2 IV WpHG handelt, das Unternehmen Aktien der Zielgesellschaft im Rahmen einer Vermögensverwaltung hält und das bietende Mutterunternehmen auf die Ausübung der Stimmrechte aus den Aktien keinen Einfluss hat. Eine § 30 III WpÜG entsprechende Ausnahme stellt § 32 II InvG für eine KAG hinsichtlich des von ihr verwalteten Sondervermögens auf (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 30 Rn. 27).
23
b) Für Rechnung. Nach § 30 I 1 Nr. 2 WpÜG werden dem Bieter Stimmrechte Dritter zugerechnet, die der Dritte für Rechnung des Bieters hält. „Für Rechnung des Bieters halten“ setzt sowohl voraus, dass den Bieter im Innenverhältnis die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den Aktien treffen, als auch dass der Bieter rechtlich oder tatsächlich in der Lage ist, dem Dritten hinsichtlich der Stimmrechtsausübung Weisungen zu erteilen (BGH WM 1991, 1166 zu § 20 AktG; Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 25, 27, 30 f.). Fälle, bei denen sich die Frage nach einer Zurechnung stellt, sind: Treuhandverhältnisse (Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 33 ff.), Kommissionsgeschäften (KölnerKommWpÜG-Bülow, § 30 Rn. 66), Wertpapierleihe und Wertpapierpensionsgeschäfte (Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 47 ff.).
24
c) Sicherheiten und Nießbrauch. Eine Zurechnung erfolgt nach § 30 I 1 Nr. 3 WpÜG in Bezug auf Aktien, die der Bieter einem Dritten zur Sicherheit übertragen hat, es sei denn, der Sicherungsnehmer ist zur weisungsfreien Ausübung der Stimmrechte befugt und bringt zum Ausdruck, dass er die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des Bieters ausüben wird. Nach § 30 I 1 Nr. 4 WpÜG gilt der Bieter als Stimmrechtsinhaber von Aktien, an denen zu seinen Gunsten ein Nießbrauch bestellt wurde. Die gesellschaftsrechtliche umstrittene Frage, wem beim Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil das Stimmrecht zusteht, ist daher für das WpÜG ohne Relevanz (Assmann/Pötzsch/SchneiderSchneider, § 30 Rdnr. 58).
25
d) Anspruch auf Aktien. Eine Zurechnung erfolgt auch, wenn der Bieter Aktien durch eine Willenserklärung erwerben kann (§ 30 I 1 Nr. 5 WpÜG). Ein Erwerb liegt jedenfalls vor, wenn der Bieter nur noch die Annahme eines Veräußerungsangebots erklären muss. Umstritten ist, ob es für eine Zurechnung genügt, wenn der Bieter aus einem schuldrechtlichen Vertrag nur einen Anspruch auf Übereignung hat, ohne aber schon Inhaber der Wertpapiere zu sein (bejahend Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rdnr. 61 ff.; verneinend Süßmann/Geibel-Süßmann, § 30 Rn. 20).
26
e) Anvertrautsein. Stimmrechte der Zielgesellschaft gelten dann als solche des Bieters, wenn sie ihm anvertraut sind oder er die Stimmrechte als Bevollmächtigter innehat, und der Bieter die Stimmrechte nach eigenem Ermessen ausüben kann, sofern keine besonderen Weisungen der Aktionäre vorliegen (§ 30 I 1 Nr. 6 WpÜG). Voraussetzung der Zurechnung ist, dass der Bieter die Aktien im Interesse des Aktionärs verwalten (= anvertraut) und dass dem Bieter bei der Ausübung der Stimmrechte ein eigener Ermessensspielraum eingeräumt ist (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 30 Rn. 44 f.; Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 73). Der zur Zurechnung führende Ermes-
27
Lenenbach
1592
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
sensspielraum wird aber nicht ausgeschlossen, wenn der Bieter bei der Stimmrechtsausübung das Interesse des Aktionärs zu berücksichtigen hat (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 30 Rn. 45). Eine Zurechnung nach § 30 I 1 Nr. 6 WpÜG erfolgt bei der Vollmachtstreuhand zu Lasten des Treuhänders. Die für die Praxis wichtige Frage, ob das Vollmachtsstimmrecht der Kreditinstitute, wenn der Aktionär keine Weisungen erteilt, zu einer Zurechnung führt, ist umstritten. Die Bindungen, denen die Kreditinstitute nach §§ 128, 135 AktG unterliegen sowie der Umstand, dass das Vollmachtsstimmrecht keine dauerhafte Kontrolle gewährt, sprechen entscheidend gegen die Anwendung von § 30 I 1 Nr. 6 WpÜG (BT-Drs. 16/2498, 35; eingehend Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 79 ff.; a. A. zu § 22 I Nr. 7 WpHG a. F. Burgard, BB 1995, 2069 (2076)). 28
2. Zurechnung nach § 30 II WpÜG. Nach § 30 II 1 WpÜG werden dem Bieter Aktien, die ein Dritter an der Zielgesellschaft hält, zugerechnet, wenn der Bieter oder sein Tochterunternehmen mit dem Dritten sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft abgestimmt hat. Dieses „acting in concert“ kann durch Vereinbarung oder auf sonstige Weise erfolgen. Ein Zusammenwirken in sonstiger Weise setzt ein bewusst praktiziertes Zusammenwirken voraus, aus dem sich aber keine klagbaren Rechte und Pflichten ergeben müssen (Beispiel OLG Frankfurt ZIP 2007, 864 (868 f.); AG 2008, 87 (89)). Ein unbewusst gleichförmiges Verhalten genügt dagegen nicht für eine Zurechnung (OLG Frankfurt NZG 2004, 865 (868); Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 100 f.; BT-Drs. 16/7438,11) und es begründet auch keine Vermutung für ein abgestimmtes Verhalten (OLG Frankfurt NZG 2004, 865 (868 f.); OLG Stuttgart NZG 2004, 432 (436) zu § 22 II WpHG). Eine Zurechnung findet nicht statt, wenn sich eine Vereinbarung auf die gemeinsame Ausübung von Stimmrechten in Einzelfällen richtet (§ 30 II 1 Hbs. 2 WpÜG). § 30 II WpÜG soll Zurechnungslücken in Fällen schließen, in denen ein Bieter Stimmrechte eines Dritten kontrolliert, ohne dass ein Fall des § 30 I WpÜG vorliegt (BT-Drs. 14/7034, 53 f.). Ratio des § 30 II WpÜG ist daher primär der Schutz der Minderheitsaktionäre vor der Umgehung eines Pflichtangebots nach § 35 I WpÜG durch die Verteilung von Stimmrechten auf mehrere Personen (v. Bülow/Bücker, ZGR 2004, 669 (696); Casper, ZIP 2003, 1469 (1472 f.); Drinkuth, ZIP 2008, 676 (677 ff.); Halász/Kloster, WM 2006, 2152 (2154); KMRK-Noack, § 30 WpÜG Rn. 1; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568 (575)). Erst an zweiter Stelle dient die Norm der Information des Kapitalmarkts und der Aktionäre der Zielgesellschaft über die Machtverhältnisse in der Gesellschaft (a. A., d. h. für Kapitalmarktinformation als Normzweck und Gleichlauf von § 30 II WpÜG mit § 22 II WpHG: BReg. BT-Drs. 16/7438, 11, 13; Wackerbarth, ZIP 2007, 2340 (2340 ff.)). Handeln mehrere Personen iSv. § 30 II abgestimmt zusammen, findet eine gegenseitige Zurechnung unter den zusammenwirkenden Personen statt (OLG Frankfurt NZG 2004, 865 (867); Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 109).
29
Das zentrale Tatbestandsmerkmal des § 30 II 1 WpÜG ist das Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft, das Gegenstand des acting in concert sein muss. Nach Ansicht des BGH zu § 30 II 1 WpÜG i.d.F. vor Inkrafttreten des RisikoBG liegt ein solches Handeln nur bei der Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung vor (BGHZ 169, 98 (105 f.); Kuthe/ Brockhaus, DB 2005, 1266 (1267); Seibt, ZIP 2004, 1829 (1833)); a.A. Wackerbarth, ZIP 2007, 2340 (2342 ff.); Casper/Bracht, NZG 2005, 839 ff.; Schneider, WM 2006, 1321 (1326)). Danach scheiden Abstimmungen im Aufsichtsrat (BGHZ 169, 98 (106); krit. Wackerbarth, ZIP 2007, 2340 (2342 ff.); Lenenbach, WuB 2007 I G 10, § 30 WpÜG 1.07) ebenso aus dem Anwendungsbereich des § 30 II 1 WpÜG aus wie der vereinbarte gemeinsame Erwerb von Aktien einer Zielgesellschaft und Abreden über eine Nichtveräußerung von Aktien (BGHZ 169, 98 (109); LG Hamburg ZIP 2008, 427 (429 f.); Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568, 579; a.A. Wackerbarth, ZIP 2007, 2340 (2345)). Die
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1593
Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 30 II 1 WpÜG durch den BGH wird noch durch die Auslegung der Einzelfallausnahme (§ 30 II 1 Hbs. 2 WpÜG) verstärkt. Ein abgestimmtes Handeln nur im Einzelfall führt nicht zur Zurechnung, das heißt, für eine Zurechnung ist ein konzertiertes Vorgehen über den Einzelfall hinaus erforderlich. Der BGH bestimmt das Vorliegen eines Einzelfalls formal nach der Häufigkeit der abgestimmten Stimmrechtsausübung auf der Hauptversammlung (BGHZ 169, 98 (107); Lange, ZBB 2004, 22 (27)). Die verabredete Stimmrechtsausübung muss danach wohl mindestens zwei Tagesordnungspunkte betreffen und sie muss sich auf Maßnahmen der Unternehmensleitung beziehen, da nur dann eine Ausübung von Kontrolle, die § 30 II 1 WpÜG im Blick hat, vorliegt. Die formale Betrachtungsweise des BGH schmälert erheblich die praktische Bedeutung von § 30 II WpÜG als Zurechnungsnorm. In Betracht kommen nur Stimmrechtsbindungsverträge (OLG Frankfurt ZIP 2007, 864 (866 f.); AG 2008, 87 (88)), andere Verabredungen zur generell gemeinsamen Stimmrechtsausübung (OLG Frankfurt ZIP 2007, 864 (868)) sowie das Rechtsverhältnis zwischen den geschäftsführenden Organmitgliedern und der Gesellschaft (OLG Frankfurt ZIP 2007, 864 (867 f.); AG 2008, 87 (89)). Die BGH-Entscheidung lässt immerhin offen, ob eine einzige konzertierte Stimmrechtsausübung, mit der ein konkretes unternehmerisches Konzept verfolgt wird und die der Umsetzung einer Zielvereinbarung dient, deren Umsetzung einige Zeit in Anspruch nimmt, eine Einzelfallvereinbarung iSv. § 30 II 1 Hbs. 2 WpÜG darstellt (BGHZ 169, 98; Kocher, BB 2006, 2436). Mit dem am 19.08.2008 in Kraft getretenen Art. 2 Nr. 1 des RisikobegrenzungsG (BGBl. 2008 I 1666) wird ein neuer Satz 2 in § 30 II WpÜG eingefügt, mit dem der Begriff des abgestimmten Verhaltens näher konkretisiert wird (die von Schmidtbleicher, AG 2008, 73 (75 ff.) geäußerten europarechtlichen Bedenken gegen den RegEntw. treffen auf die Gesetz gewordene Fassung der Norm nicht mehr zu). Ein abgestimmtes Verhalten setzt danach voraus, dass der Bieter oder sein Tochterunternehmen und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung in sonstiger Weise zusammenwirken. Mit dieser Änderung von § 30 II WpÜG reagiert der Gesetzgeber auf die restriktive Auslegung der Norm durch den BGH (BT-Drs. 16/7438, 11, 13). Die Neufassung des § 30 II WpÜG ist Teil eines Maßnahmenpakets, mit dem gesamtwirtschaftlich unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren erschwert und verhindert werden sollen (BTDrs. 16/7438, 8). Mit § 30 II 2 WpÜG wird vor allem klargestellt, dass entgegen der Ansicht des BGH (Rn. 29) auch ein abgestimmtes Verhalten außerhalb der Hauptversammlung die Zurechnung von Stimmrechten bewirken kann. Das Ziel, Auslegungsprobleme zu beseitigen (BT-Drs. 16/7438, 11, 13), hat die Reform von § 30 II WpÜG allerdings nicht erreicht (Drinkuth, ZIP 2008, 676 (677); Schockenhoff/Wagner, NZG 2008, 361 (364 f.); Wackerbarth, ZIP 2007, 2340 (2346 f.)). Zu beachten ist, dass die Einfügung von § 30 II 2 WpÜG nichts daran geändert hat, dass es bei dem abgestimmten Verhalten um die Einwirkung auf die Gesellschaft durch Ausübung von Kontrollmacht geht, die durch Stimmrechte vermittelt wird.
29a
Was die Interpretation von § 30 II 2 WpHG angeht, fragt es sich, ob auch eine konzertierte Stimmrechtsausübung auf der Hauptversammlung nur dann ein „acting in concert“ darstellt, wenn damit eine dauerhafte und erhebliche Änderung der Unternehmensstrategie verfolgt wird. Obwohl der Wortlaut dem eher entgegensteht, ist dies anzunehmen, da sonst auch für das Unternehmen unbedeutende Beschlüsse der Hauptversammlung ein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG auslösen könnten. Ein abgestimmtes Verhalten liegt daher nur vor, wenn mehrere Aktionäre auf oder außerhalb der Hauptversammlung auf eine Änderung der Unternehmensstrategie hinwirken. Es genügt daher weder ein Vorgehen,
29b
Lenenbach
1594
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
das auf eine Unterstützung der bestehenden unternehmerischen Ausrichtung abzielt, noch eine koordinierte Aktivität mehrerer Aktionäre, die lediglich eine unerhebliche oder kurzfristige Änderung im Blick hat. Was die Dauerhaftigkeit angeht, ist auf die Auswirkung der geänderten Strategie auf das Unternehmen und weder auf die Dauer der Einflussnahme durch die Aktionäre noch darauf abzustellen, ob die Vornahme der Änderung als solche wenig oder viel Zeit in Anspruch nimmt. Konzertierte Aktionen außerhalb der Hauptversammlung betreffen regelmäßig die Einwirkung auf den Vorstand und/oder den Aufsichtsrat, um diese zur Änderung der Unternehmensstrategie zu bewegen. Auch nach der Reform von § 30 II WpÜG bleibt offen, ob die Einflussnahme auf die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, der abgesprochene Erwerb von Aktien und Vereinbarungen über die Nichtveräußerung von Aktien ein abgestimmtes Verhalten darstellen können. Entgegen der ursprünglichen Fassung (BT-Drs. 16/7438, 6) wurde die Ausnahme des § 30 II 1 Hbs. 2 WpÜG für Einzelfallvereinbarungen nicht gestrichen oder geändert. Daher behält die formale Auslegung der Einzelfallausnahme durch den BGH (BGHZ 169, 98 (107 f.)), wonach es nur auf die Anzahl der Stimmrechtsausübungen auf der Hauptversammlung ankommt, weiterhin ihre Gültigkeit. Was das für abgestimmtes Verhalten außerhalb der Hauptversammlung bedeutet, ist aber offen. Es ist nicht darauf abzustellen, ob Aktionäre nur einmal oder mehrmals zur Änderung der Unternehmensstrategie zusammenwirken (a. A. LG Hannover ZIP 2007, 427 (429)), denn sonst würden selbst grundstürzende Änderungen von § 30 II WpÜG nicht erfasst. Es kommt vielmehr darauf an, ob das abgestimmte Vorgehen eine Änderung der unternehmerischen Ausrichtung zum Ziel hat, die sich über den Einzelfall hinaus auf die gesamte Unternehmensstrategie auswirkt (Casper, ZIP 2003, 1469 (1476); v. Bülow/Bücker, ZGR 2004, 569 (700 f.); Halász/Kloster, WM 2006, 2152 (2156); Hamann, ZIP 2007, 1088 (1094); Schneider, WM 2006, 1321 (1324 f.); a. A. Wackerbarth, ZIP 2007, 2340 (2344 f.): § 30 II 1 Hbs. 2 ist auf abgestimmtes Verhalten begrenzt, das sich nur auf Stimmrechtsausübungen auf der Hauptversammlung bezieht). Insofern ist die Ausnahme des § 30 II 1 Hbs. 2 WpÜG nur deklaratorisch, da schon eine Auslegung von § 30 II 2 WpÜG ergibt, dass Änderungen von nur begrenzter sachlicher oder zeitlicher Wirkung aus dem Anwendungsbereich von § 30 II WpÜG ausscheiden. 30
3. Befreiung. Auf Antrag des Bieters kann die BaFin zulassen, dass Wertpapiere, die zum Handelsbestand gehören, bei der Berechnung der von einem Bieter gehaltenen Stimmrechte nicht berücksichtigt werden (§§ 34, 20 WpÜG). Die Norm will die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte schützen, indem sie Erwerbsvorgänge, die ausschließlich auf kurzfristigen Handelsaktivitäten beruhen, privilegiert (Steinmeyer/Häger-Klepsch, § 20 Rn. 1 f. und Rn. 3 f. zur geringen praktischen Bedeutung von § 20). Wenn die nichtberücksichtigten Stimmrechte entscheidend dafür sind, ob die 30%-Kontrollschwelle überschritten wird, das heißt, im Fall ihrer Berücksichtigung ein Übernahme- oder Pflichtangebot abzugeben wäre, unterliegen sie einer Ausübungssperre (§ 20 III WpÜG).
31
4. Ausnahme § 32 InvG. Eine wichtige Ausnahme von den Zurechnungstatbeständen des § 30 WpÜG stellt § 32 II 3 InvG für Aktien auf, die zu einem Sondervermögen einer KAG gehören. Die Ausnahme gilt nicht für Spezialfonds (§ 91 iVm. § 2 III InvG), da verhindert werden soll, dass sich Bieter durch den Einsatz von Spezialfonds anschleichen (FKWpÜG-Haarmann, § 29 Rn. 32; OLG Stuttgart, NZG 2004, 432 (434) zu § 10 Ia KAGG).
32
5. Rechtsfolgen der Zurechnung. Werden die Stimmrechte nach § 30 WpÜG zugerechnet, obwohl der Bieter nicht Aktionär wird, werden die Stimmrechte sowohl beim Aktionär als auch beim Bieter als eigene gezählt. Es findet somit keine übernahmerechtliche Absorption der Stimmrechte statt, sondern in gewisser Weise ein Verdopplung (Assmann/ Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 9; KMRK-Noack, § 30 WpÜG Rn. 27). § 30 I 2
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1595
und § 30 II 2 WpÜG sehen eine Kettenzurechnung vor. Ist der Bieter ein Mutterunternehmen, dem Stimmrechte einer Tochtergesellschaft zugerechnet werden, dann werden dem Bieter auch die Stimmrechte zugerechnet, die der Tochtergesellschaft nach § 30 I 1 Nr. 2–Nr. 6 WpÜG zugerechnet werden. Diese Zurechnung erfolgt aber nur von der Tochter zur Mutter und nicht in die umgekehrte Richtung (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 30 Rn. 71). Inwieweit eine Kettenzurechnung über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus stattfindet, ist im Einzelfall danach zu entscheiden, ob der Bieter auf die Ausübung der Stimmrechte Einfluss hat (Assmann/Pötzsch/Schneider-Schneider, § 30 Rn. 14 f.). III. Pflichtangebot. Pflichtangebot und Übernahmeangebot entsprechen sich insoweit, als beide die Kontrollerlangung zur Voraussetzung haben. Das Pflichtangebot wird aber nicht wie das Übernahmeangebot aufgrund eines eigenen Entschlusses des Bieters abgegeben, um die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen. Zu einem Pflichtangebot ist jemand gem. § 35 I, II, § 29 II WpÜG verpflichtet, wenn er, ohne vorher ein freiwilliges (Übernahme-)Angebot abgegeben zu haben, erstmals die 30%-Kontrollschwelle erreicht oder überschritten hat (Marsch-Barner/Schäfer-Drinkuth, § 59 Rn. 49).
33
1. Zweck. Mit dem Pflichtangebot wird den Minderheitsaktionären die Möglichkeit eingeräumt, nach der Übernahme der Kontrolle ohne vorheriges Übernahmeangebot ihre Anteile an der Zielgesellschaft zu einem angemessenen Preis zu veräußern. Denn häufig ist die Kontrollerlangung mit einem Wechsel in der Unternehmensstrategie und geänderten Chancen und Risiken der Gesellschaft verbunden (BT-Drs. 14/7034, 2, 30; Harbarth, ZIP 2002, 321 (322)).
34
2. Kontrollerlangung. Die ein Pflichtangebot auslösende Situation kann darin bestehen, dass jemand durch börslichen oder außerbörslichen rechtsgeschäftlichen Erwerb die Kontrollschwelle überschreitet oder mehr als 30% der Stimmrechte einer Gesellschaft durch Erbgang erwirbt (Harbarth, ZIP 2002, 321 (325 ff. zu Sonderfällen)). Um zu bestimmen, ob eine Person 30% oder mehr der Stimmrechte innehat, sind die von dieser Person gehaltenen Stimmrechte zur Gesamtzahl aller Stimmrechte ins Verhältnis zu setzen. Erwirbt eine Gesellschaft eigene Aktien, werden diese bei der Berechnung der Kontrollschwelle des § 29 II WpÜG nicht berücksichtigt, da die Stimmrechte aus diesen Aktien gem. § 71b AktG ruhen (Koch, ZIP 2008, 1260 (1260 ff.). Eine Person, die wegen des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft die Kontrollschwelle überschreitet, ist daher grds. zur Abgabe eines Pflichtangebots nach § 35 WpÜG verpflichtet, kann aber nach § 9 S. 1 Nr. 5, Nr. 6 AngebotsVO bei der BaFin eine Befreiung von der Angebotspflicht beantragen (Koch, ebenda). Bestehen Stimmausübungshindernisse, weil ein Aktionär seine Pflichten verletzt hat (z. Bsp. § 59 S. 1 WpÜG, § 28 S. 1 WpHG, § 134 II 1 AktG) werden diese von dem Ausübungshindernis betroffenen Aktien anders als eigene Aktien der Gesellschaft bei der Berechnung der Kontrollschwelle des § 29 II WpÜG mit berücksichtigt, da der Pflichtverstoß nicht zum Nachteil der übrigen Aktionäre wirken darf (Koch, ZIP 2008, 1260 (1264). Ein Fall des § 35 I 1 WpÜG liegt auch bei einer Übertragung einer mehr als 30% Beteiligung von einer Person auf eine andere vor, da sich mit einem Kontrollwechsel regelmäßig die Unternehmensstrategie ändert (Harbarth, ZIP 2002, 321 (323); Liebscher, ZIP 2001, 853 (866)). Selbst wenn die Kontrollschwelle nur überschritten wird, weil wegen § 191 AktG eine Abtretung von Aktien unwirksam ist, besteht eine Angebotspflicht nach § 35 I WpÜG (OLG Frankfurt NZG 2006, 792 (793)). Erforderlich ist stets der dingliche Erwerb der Stimmrechte (argumentum e contrario § 31 VI 1 WpÜG; Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 35 Rdnr. 37; Harbarth, ZIP 2002, 321 (323 f.)).
35
Ein Pflichtangebot muss nach § 35 I, II WpÜG auch abgegeben werden, wenn die Kontrolle mittelbar erlangt wird. Eine mittelbare Kontrollerlangung liegt vor, wenn der
36
Lenenbach
1596
37
38
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Bieter die Kontrolle über eine Zielgesellschaft mittels einer Tochtergesellschaft erlangt (Zurechnung nach § 30 I 1 Nr. 1 WpÜG) (BT-Drs. 14/7034, 59; Assmann/Pötzsch/Schneider-Krause/Pötzsch, § 35 Rn. 89 ff.). Erwirbt die Tochtergesellschaft mehr als 30% der Stimmrechte der Zielgesellschaft, sind eigentlich Mutter und Tochter zur Abgabe eines Pflichtangebots verpflichtet, was wenig sinnvoll erscheint, weshalb man eine Pflicht zu einem gemeinsamen Angebot von Mutter- und Tochtergesellschaft annehmen sollte (Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (416 f.); a. A. Geibel/Süßmann-Meyer, § 35 Rn. 27: Wahlrecht der Gesellschaften; KMRK-Noack, § 35 Rn. 23: befreiendes Angebot der Mutter; Koch, ZIP 2008, 1260 (1263): Pflicht beider mit Befreiung nach § 37 WpÜG). Im zweiten Fall einer mittelbaren Kontrollerlangung erwirbt der Bieter unmittelbar die Kontrolle über eine Gesellschaft, die ihrerseits über ein Tochterunternehmen verfügt. Zielgesellschaft i.S.v. § 35 I WpÜG ist in dieser Konstellation aber die Tochtergesellschaft. Wird die Muttergesellschaft nach dem Kontrollerwerb zur Tochtergesellschaft des Bieters i.S.v. § 2 VI WpÜG, hat das zur Folge, dass die Stimmrechte der Ex-Mutter bzgl. ihrer Tochter dem Bieter nach § 30 I 1 Nr. 1 WpÜG zugerechnet werden und der Bieter damit auch über die Tochtergesellschaft die Kontrolle erlangt (Assmann/Pötzsch/Schneider-Krause/Pötzsch, § 35 Rn. 95). § 9 II Nr. 3 AngebotsVO enthält einen besonderen Befreiungstatbestand für diese Fallkonstellation. Schließlich gelten sämtliche Zurechnungstatbestände des § 30 WpÜG auch für die Berechnung der für ein Pflichtangebot maßgeblichen 30% Schwelle (§ 39 WpÜG). 3. UmwG und WpÜG. Die Kontrolle über eine Gesellschaft kann und wird nicht selten im Zusammenhang mit Umstrukturierungen erlangt (Fallkonstellationen bei Assmann/ Pötzsch/Schneider-Krause/Pötzsch, § 35 Rn. 142 ff.). Liegt ein Fall vor, der in den Anwendungsbereich des UmwG fällt, fragt es sich, ob das UmwG das WpÜG verdrängt, da das UmwG bereits einen hinreichenden Schutz der Minderheitsaktionäre bietet (Grabbe/ Fett, NZG 2003, 755 (759 ff.)). Die herrschende Meinung verneint dies zu Recht und bejaht eine parallele Anwendung von UmwG und WpÜG, da sich die Schutzregime der Gesetze unterscheiden (BaFin Jahresbericht 2002, 172; Assmann/Pötzsch/SchneiderKrause/Pötzsch, § 35 Rn. 136 ff.). 4. Befreiungen und Ausnahmen. Für Pflichtangebote sehen die §§ 36, 37 WpÜG Befreiungstatbestände vor. Auf Antrag des Verpflichteten muss (Steinmeyer/Häger-Klepsch, § 36 Rn. 1) die BaFin Stimmrechtsanteile bei der Berechnung der Kontrollschwelle unberücksichtigt lassen, wenn diese durch Erbgang, Rechtsformwechsel oder Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns erlangt wurden (§ 36 WpÜG). Die BaFin kann darüber hinaus nach § 37 I WpÜG von der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung und zur Abgabe eines Pflichtangebotes befreien, wenn die in der Norm aufgezählten Kriterien erfüllt sind. In § 9 I Nr. 1 – Nr. 6, II Nr. 1 – Nr. 3 AngebotsVO sind einzelne, nicht abschließende Fallgestaltungen aufgelistet, in denen die BaFin eine Befreiung nach ihrem Ermessen aussprechen kann: Kontrollerlangung durch Erbgang oder Schenkung außerhalb der von § 36 Nr. 1 WpÜG erfassten Fälle; wenn ein weiterer Großaktionär mehr Stimmrechte als der zur Abgabe eines Angebots Verpflichtete innehat; wenn aufgrund der tatsächlichen Stimmverhältnisse auf der Hauptversammlung der Stimmrechtsanteil des Verpflichteten voraussichtlich nicht ausreicht, über mehr als 50% der vertretenen Stimmrechte zu verfügen; wenn die Aktien dem Angebotsverpflichteten nur zur Sicherung übertragen wurden, wenn die Kontrolle im Zuge einer Kapitalherabsetzung erlangt wurde; oder wenn der Kontrollinhaber die Sanierung der Zielgesellschaft beabsichtigt (dazu Holzborn/Israel, WM 2004, 309). Das Befreiuungsverfahren ist in §§ 8, 10-12 AngebotsVO näher geregelt (Steinmeyer/Häger-Klepsch, § 37 Rn. 5 ff., 19 ff.; Assmann/ Pötzsch/Schneider-Krause/Pötzsch, § 37 Rn. 19 ff., 79 ff.).
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1597
Eine Ausnahme von der Verpflichtung zu einem Angebot besteht gem. § 35 III WpÜG auch, wenn die Kontrolle aufgrund eines Übernahmeangebots erlangt wurde (BT-Drs. 14/ 7034, 60). Kontrollerlangung „aufgrund des Übernahmeangebots“ ist nicht als kausaler, sondern nur als enger zeitlicher Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot zu verstehen. Daher greift § 35 III WpÜG schon ein, wenn die Kontrolle über eine Gesellschaft nicht allein in Vollzug des Übernahmeangebots, sondern erst durch parallel erfolgende Paketerwerbe erlangt wird. Der Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft wird in diesem Fall durch § 31 IV WpÜG und § 4 AngebotsVO gewährleistet (Assmann/Pötzsch/Schneider-Krause/Pötzsch, § 35 Rn. 275; Widder, BKR 2006, 500 (500 f.)). Der für § 35 III WpÜG erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen Übernahmeangebot und Kontrollerwerb liegt vor, wenn der Kontrollerwerb zwischen der Veröffentlichung der Entscheidung für die Abgabe des Angebots und dem Ende der Annahmefrist erfolgt (OLG Düsseldorf ZIP 2007, 380 (381)). Es genügt aber auch ein nach Ende der Annahmefrist eintretender Kontrollerwerb außerhalb des Übernahmeverfahrens, wenn der Kontrollerwerb in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot erfolgt und auf den Grund des Erwerbes in der Angebotsunterlage hingewiesen wird (OLG Düsseldorf ZIP 2007, 380 (381 f. zum Kontrollerwerb durch Verschmelzung)). Erlangt eine Tochtergesellschaft aufgrund eines Übernahmeangebotes die Kontrolle über die Zielgesellschaft, kommt auch die Muttergesellschaft, der die Stimmrechte der Tochter nach § 30 I 1 Nr. 1 WpÜG zugerechnet werden, in den Genuss der Befreiung von der Angebotsangebotspflicht (KG 2 W 101/07 vom 09.06.2008 Absatz-Nr. 108, www.juris.de; Assmann/Pötzsch/Schneider-Krause/Pötzsch, § 35 Rn. 196, 273). Denn ein inhaltsgleiches Angebot von Mutter- und Tochtergesellschaft ist zum Schutz der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft nicht geboten.
38a
IV. Einfaches Erwerbsangebot. Die dritte Art von Erwerbsangebot ist das einfache Erwerbsangebot. Es liegt vor, wenn ein freiwilliges öffentliches Angebot weder auf den Erwerb von mehr als 30% der Stimmrechte gerichtet ist, und auch keine Verpflichtung zu einem Pflichtangebot besteht. Das einfache Erwerbsangebot kommt in zwei Varianten vor: Wenn das Angebot des Bieters auf weniger als 30% der Stimmrechte der Zielgesellschaft abzielt (Einstiegsangebot), oder wenn der Bieter schon mehr als 30% hält und seinen Anteil aufstocken möchte (Aufstockungsangebot) (Liebscher, ZIP 2001, 853 (857); Harbarth, ZIP 2002, 321 (323 f.)).
39
D. Grundsätze des § 3 WpÜG
40
§ 3 WpÜG stellt allgemeine Grundsätze auf, die für alle unter das WpÜG fallende Angebote gelten. Diese Regelungstechnik ist für deutsche Gesetze außergewöhnlich und wirft die Frage nach dem Regelungsgehalt der Grundsätze auf. Sie sind in erster Linie bei der Auslegung der Vorschriften der §§ 10 ff. WpÜG zu berücksichtigen (Steinmeyer/HägerSteinhardt, § 3 Rn. 1). Inwieweit die allgemeinen Grundsätze darüber hinaus regulativen Charakter haben und sich aus ihnen konkrete, in den speziellen Normen nicht vorhandene Verhaltenspflichten ableiten lassen, ist noch nicht geklärt (Assmann/Pötzsch/SchneiderAssmann, § 3 Rn. 3; KölnerKommWpÜG-Versteegen, § 3 Rn. 4). Die allgemeinen Grundsätze begründen weder Ansprüche unter den Verfahrensbeteiligten, noch stellen sie Schutzgesetze iSv. § 823 II BGB dar (Baums/Thoma-Baums/Hecker, § 3 Rn. 62). I. Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz. Nach § 3 I WpÜG sind Inhaber derselben Wertpapiergattung einer Zielgesellschaft gleich zu behandeln. Der übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz beinhaltet ein Diskriminierungsverbot für öffentliche Erwerbsangebote. Er richtet sich vor allem an den Bieter und die BaFin (Steinmeyer/ Häger-Steinhardt, § 3 Rn. 3). § 3 II WpÜG ordnet an, dass die Aktionäre der Zielgesell-
Lenenbach
41
1598
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
schaft über genügend Zeit und ausreichende Informationen verfügen müssen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können. Aus diesem Transparenzgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot folgt die Pflicht, bei einem Erwerbsangebot allen Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft dieselben Informationen zur Verfügung zu stellen (Steinmeyer/Häger-Steinhardt, § 3 Rn. 10; a. A.: Baums/Thoma-Baums/ Hecker, § 3 Rn. 28). 42
II. Interessenwahrungspflicht, Behinderungs- und Marktverzerrungsverbot. Des Weiteren müssen Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft im Interesse der Zielgesellschaft handeln (§ 3 III WpÜG). Es handelt sich bei dieser Interessenwahrungspflicht um die Klarstellung, dass die Organe auch während einer Übernahmesituation an die allgemeinen aktienrechtlichen Pflichten gebunden und dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind (BT-Drs. 14/7034, 35). Bieter und Zielgesellschaft müssen das Verfahren schnell durchführen, und die Zielgesellschaft darf nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden (§ 3 IV WpÜG). Schließlich bestimmt § 3 V WpÜG, dass beim Handel mit Wertpapieren der Zielgesellschaft, der Bietergesellschaft oder anderer von dem Angebot betroffenen Gesellschaften keine Marktverzerrungen geschaffen werden dürfen. Da das Marktverzerrungsverbot im WpÜG keine spezielle Ausformung erfahren hat, hat § 3 V WpÜG unmittelbare verpflichtende Wirkung (Assmann/Pötzsch/Schneider-Assmann, § 3 Rn. 57; a. A.: Haarmann/ Richter/Schüppen-Schüppen, § 3 Rn. 23). Verstöße kann die BaFin nach § 4 I WpÜG verfolgen.
43
E. Ablauf des Angebotsverfahrens Den Ablauf, das Verfahren und den Inhalt eines öffentlichen Erwerbsangebots schreibt das WpÜG detalliert vor. Das WpÜG gliedert das Angebotsverfahren in vier Phasen, die Vorangebots-, die Angebots-, die Annahme- und die Nachannahmephase.
44
I. Vorangebotsphase. Die Entscheidung zur Abgabe eines öffentlichen Angebots zum Erwerb von Aktien einer Zielgesellschaft und in besonderem Maße zu einem Übernahmeangebot bedarf einer längeren Planung, der Analyse der Zielgesellschaft sowie strategischer und taktischer Überlegungen (zur Planungsphase eingehend Marsch-Barner/ Schäfer-Drinkuth, § 58 Rn. 2 ff.). Erst wenn die Planungsphase in die Entscheidung des Bieters einmündet, ein Angebot abzugeben, besteht zum ersten Mal Gewissheit, dass es zu einem Angebot, das in den Anwendungsbereich des WpÜG fällt, kommen wird. Die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots setzt daher das Angebotsverfahren des WpÜG in Gang.
45
1. Zeitpunkt der Veröffentlichung. Der Bieter hat nach § 10 I 1 WpÜG die Entscheidung zu einem einfachen Erwerbsangebot und zu einem Übernahmeangebot (§ 34 WpÜG) unverzüglich zu veröffentlichen. Unverzüglich wird in Anlehnung an die Auslegung bei § 15 WpHG als ein sofortiges Publizieren, sobald alle die Veröffentlichungspflicht auslösenden Umstände vorliegen, verstanden (Bekanntmachungen BaFin v. 26.11.2002 zu § 15 I 1 WpHG und v. 20.12.2001 zu § 10 WpÜG, abgedr. in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kz. 615/9, 670/1). Geht das Angebot, wie in der Regel, von einer Bieter-Gesellschaft aus, kann sich das Problem stellen, auf welchen Zeitpunkt bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen abzustellen ist. Die Mitteilungspflicht des § 10 I 1 WpÜG dient der schnellen Information des Kapitalmarkts (BT-Drs. 14/7034, S. 39) sowie der ersten Information der Aktionäre der Zielgesellschaft. Daher muss die Entscheidung des Bieters auf einer sicheren Grundlage stehen, weshalb ein zustimmender Aufsichtsratsbeschluß als notwendig anzusehen ist (BT-Drs. 14/7034, S. 39; Assmann, AG 2002, 114 (117 Fn. 17); Krause, NJW 2002, 705 (707)). § 10 I 2 WpÜG bestimmt ausdrücklich, dass die Veröffentli-
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1599
chungspflicht schon vor einem erforderlichen Beschluss der Hauptversammlung besteht. Bei einem Pflichtangebot, bei dem es gerade keine Entscheidung über die Abgabe eines Erwerbsangebotes gibt, knüpft § 35 I 1, 2 WpÜG die Veröffentlichungspflicht an den Zeitpunkt, zu dem der Bieter von der Kontrollerlangung Kenntnis hat oder Kenntnis haben musste. Spätestens sieben Tage nach diesem Zeitpunkt ist die Kontrollerlangung zu veröffentlichen (§ 35 I 1 WpÜG). 2. Weiteres Veröffentlichungsverfahren. Vor der Veröffentlichung hat der Bieter die Entscheidung für ein Angebot beziehungsweise die Kontrollerlangung der BaFin und den Geschäftsführungen der Börsen mitzuteilen, an denen die Wertpapiere der Zielgesellschaft gehandelt werden (§ 10 II WpÜG). Die Veröffentlichung der Entscheidung muss in deutscher Sprache sowohl via Internet als auch über ein elektronisches Informationssystem erfolgen, das bei Kreditinstituten und sonstigen institutionellen Anlegern weit verbreitet ist (10 III 1 Nr.1, Nr. 2 WpÜG). Die Veröffentlichung ist der BaFin und den Börsen, an dem die Aktien der Zielgesellschaft gehandelt werden, mitzuteilen (§ 10 IV 1 WpÜG). Unverzüglich nach der Veröffentlichung hat der Bieter dem Vorstand der Zielgesellschaft die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots schriftlich mitzuteilen (§ 10 V 1 WpÜG). Der Vorstand der Zielgesellschaft ist verpflichtet, den Betriebsrat, oder falls ein solcher nicht existiert, die Arbeitnehmern unverzüglich über die Mitteilung des Bieters zu unterrichten (§ 10 V 2 WpÜG).
46
3. Angebotspflicht. Die Veröffentlichung der Entscheidung für die Abgabe eines Erwerbsangebots führt, vom Fall des Pflichtangebots abgesehen (§ 35 WpÜG), nicht zu einer Bindung des Bieters, ein Angebot abgeben zu müssen. Er kann vielmehr von seiner Entscheidung nach seinem Belieben Abstand nehmen. (MünchKommAktG-Wackerbarth, § 10 WpÜG Rn. 6; a. A.: Thaeter/Brandi-Thaeter, WpÜG Teil 2 Rn. 65). Der Bieter bleibt aber verpflichtet, eine Angebotsunterlage nach § 14 WpÜG abzugeben (Steinmeyer/Häger-Santelmann/Steinhardt, § 10 Rn. 47 f.) und nach § 15 WpHG und § 10 WpÜG die Entscheidung über die Abstandnahme zu veröffentlichen (Stöcker, NZG 2003, 993, 997 f.; Kölner Komm.-WpÜG-Hirte, § 10 Rn. 21; zu möglichen Schadensersatzansprüchen Steinmeyer/Häger-Santelmann/Steinhardt, § 10 Rn. 86 ff.).
47
II. Angebotsphase 1. Erstellen und Veröffentlichung der Angebotsunterlage. Der Bieter hat eine Angebotsunterlage zu erstellen (§ 11 I 1 WpÜG). Die Angebotsunterlage enthält das Erwerbsangebot sowie sämtliche Informationen, die ein Aktionär benötigt, um über das Angebot zu entscheiden. Sie stellt daher das Kernstück des Erwerbsverfahrens dar (Marsch-Barner/Schäfer-Drinkuth, § 58 Rn. 96).
48
Die Angebotsunterlage hat der Bieter vier Wochen nach der Veröffentlichung der Entscheidung über die Abgabe eines Angebots (§ 14 I 1 WpÜG) beziehungsweise der Kontrollerlangung (§ 35 II 1 WpÜG) der BaFin zu übermitteln, wobei es für die Fristwahrung auf den Zugang bei der BaFin ankommt (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 14 Rn. 4 f.). Die BaFin kann auf Antrag die Vier-Wochenfrist um weitere vier Wochen verlängern, wenn bei einem grenzüberschreitenden Angebot oder wegen Kapitalmaßnahmen eine Fristverlängerung erforderlich ist (§ 14 I 3, § 39 WpÜG). Bei der Angebotsunterlage handelt es sich um einen Prospekt zu dem Erwerbsangebot, in dem alle Angaben enthalten sein müssen, die notwendig sind, damit ein Aktionär der Zielgesellschaft sachkundig über das Angebot entscheiden kann (§ 11 I 2 WpÜG ).
49
2. Gestattung der Veröffentlichung. Die BaFin prüft, ob die Angebotsunterlage die nach § 11 II WpÜG und § 2 AngebotsVO erforderlichen Angaben enthält und ob die gemachten Angaben nicht offensichtlich gegen das WpÜG oder eine seiner Rechtsverordnungen verstoßen (15 I Nr. 1, Nr. 2 WpÜG) (Zum Prüfungsumfang: Kölner Komm. WpÜG-Seydel,
50
Lenenbach
1600
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
§ 14 Rn. 38). Entspricht die Angebotsunterlage diesen Vorgaben, gestattet die BaFin die Veröffentlichung. Vor der Gestattung ist es verboten, die Angebotsunterlagen oder wesentliche Teile derselben bekanntzumachen. Dieses Verbot trifft jedermann, nicht nur den Bieter (Marsch-Barner/Schäfer-Drinkuth, § 58 Rn. 187). Als Folge der Gestattung ist die Angebotsunterlage unverzüglich durch Bekanntgabe im Internet, regelmäßig der Homepage des Bieters, und zusätzlich entweder im elektronischen Bundesanzeiger oder durch Bereithalten der Angebotsunterlage zur kostenlosen Ausgabe an einer geeigneten inländischer Stelle zu veröffentlichen (§ 14 II 1, § 14 Abs. III 1 Nr. 1, Nr. 2 WpÜG). Nur die Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder durch Bereithalten der Angebotsunterlage (§ 14 Abs. III 1 Nr. 2 WpÜG) hat der Bieter der BaFin unverzüglich mitzuteilen (§ 14 III 2 WpÜG). Die Veröffentlichung gilt als gestattet, wenn die BaFin das Angebot nicht innerhalb von 10 Tagen nach Übermittlung der Angebotsunterlage untersagt (§ 14 II 1 WpÜG) (Zur Fristberechnung Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 14 Rn. 21 ff.). Die BaFin kann dem Bieter vor einer Untersagungsverfügung eine fünftägige Nachfrist setzen, innerhalb derer der Bieter die Angebotsunterlage vervollständigen oder einer offensichtlichen Gesetzeswidrigkeit abhelfen kann ( § 14 II 2 WpÜG), was in der Praxis nicht unüblich ist (Marsch-Barner/Schäfer-Drinkuth, § 58 Rn. 175). 51
Unverzüglich nach der Veröffentlichung hat der Bieter die Angebotsunterlage dem Vorstand der Zielgesellschaft zu übermitteln (§ 14 IV 1 WpÜG). Der Vorstand muss die Angebotsunterlage dem Betriebsrat und, soweit ein solcher nicht existiert, den Arbeitnehmern zukommen lassen (§ 14 IV 2 WpÜG). Die gleiche Verpflichtung trifft den Bieter seinem Betriebsrat und Arbeitnehmern gegenüber (§ 14 IV 3 WpÜG).
52
3. Europäischer Pass. Angebotsunterlagen, die von einer anderen europäischen Aufsichtsbehörde gebilligt wurden, werden in Deutschland automatisch ohne besonderes Verfahren anerkannt (§ 11a WpÜG). Diesen „Europäischen Pass“ erhält ein Bieter, wenn ein europäisches Angebot vorliegt (§ 2 Ia WpÜG; Rn. 8), die Aktien der Zielgesellschaft auch an einer deutschen Börse zum Handel zugelassen sind und die BaFin nicht die zuständige Aufsichtsbehörde ist.
53
4. Stellungnahme Vorstand und Aufsichtsrat. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft haben eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot des Bieters und allen Angebotsänderungen abzugeben (§ 27 I 1 WpÜG) (zum Verfahren und Inhalt der Stellungnahmen Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 27 Rn. 15 ff., 23 ff.). Sie müssen die Stellungnahme, getrennt oder gemeinsam (Beides ist zulässig (BT-Drs. 14/7034, 52), unverzüglich nach Übermittlung der Angebotsunterlage des Bieters an sie nach § 14 III 1 WpÜG veröffentlichen (§ 27 III 1 WpÜG). Für die Unverzüglichkeit genügt im Regelfall eine Stellungnahme zwei Wochen nach Übermittlung der Angebotsunterlage (OLG Frankfurt AG 2006, 207 (207 f.)). Nach den Umständen des Einzelfalles kann aber eine schnellere Veröffentlichung geboten und in Ausnahmefällen ein Überschreiten der ZweiWochengrenze erlaubt sein. Die Stellungnahme ist dem Betriebsrat oder den Arbeitnehmer, falls kein Betriebsrat besteht, zu übermitteln (§ 27 III 2 WpÜG). Die Stellungnahme des Vorstandes nach § 27 WpÜG wird nicht durch die Verhaltenspflichten nach § 33 WpÜG beschränkt (FK-WpÜG-Röh, § 27 Rn. 58), wohl aber durch das Werbeverbot des § 28 WpÜG (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 27 Rn. 9; a. A.: Assmann/Pötzsch/Schneider-Krause/Pötzsch, § 27 Rn. 15).
54
In der Stellungnahme müssen Vorstand und Aufsichtsrat nicht nur, aber vor allem auf die in § 27 I 2 Nr. 1 – Nr. 4 WpÜG genannten Gesichtspunkte eingehen. Übermitteln der Betriebsrat oder die Arbeitnehmer dem Vorstand eine eigene Stellungnahme, so hat der Vorstand diese seiner Stellungnahme beizufügen (§ 27 II WpÜG). Die Auffassung und
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1601
eine zulässige Empfehlung des Vorstandes der Zielgesellschaft zu dem Angebot stellt für die Aktionäre einen wesentlichen Aspekt bei ihrer Entscheidung dar, ob sie das Angebot des Bieters annehmen. Die Pflicht zur Stellungnahme ist damit Teil des Zieles des WpÜG, für umfassende Information und Transparenz zu sorgen (§ 3 II WpÜG). Besondere Bedeutung gewinnt die Stellungnahme bei einem feindlichen Übernahmeversuch, da der Vorstand der Zielgesellschaft versuchen muss, seine Unternehmensstrategie gegenüber der des Bieters zu verteidigen (Krause, NJW 2002, 705 (711)). Die Stellungnahme stellt dann das Äquivalent zur Angebotsunterlage des Bieters dar (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 27 Rn. 5). Die Stellungnahme darf auch eine konkrete Empfehlung für oder gegen das Angebot enthalten (BT-Drs. 14/7034, 52). Sehr umstritten ist die Frage der Haftung bei einer fehlerhaften Stellungnahme (eingehend Friedl, NZG 2004, 448; Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 27 Rn. 67 ff.). 5. Untersagung des Erwerbsangebots. Der bisher beschriebene Ablauf eines Angebots geht von der Gestattung des Angebots durch die BaFin aus. Das Amt hat aber auch die Möglichkeit, die Untersagung des Angebots zu verfügen. Die BaFin untersagt das Angebot, wenn die Angebotsunterlage iSd. § 15 I Nr. 1, Nr. 2 WpÜG fehlerhaft ist (MarschBarner/Schäfer-Drinkuth, § 58 Rn. 180 f.; zu Nachforschungs- und Prüfungspflichten der BaFin FK-WpÜG- Scholz, § 15 Rn. 27 ff.; a. A.: Thaeter/Brandi-Thaeter, Teil 2 Rn. 96), der Bieter der BaFin keine Angebotsunterlage übermittelt (§ 15 I Nr. 3 WpÜG) oder der Bieter die Angebotsunterlage nicht veröffentlicht (§ 15 I Nr. 4 WpÜG) (Baums/ThomaThoma, § 15 Rn. 32: erst bei evidenten Verzögerungen). Die BaFin kann (Ermessen) das Angebot auch untersagen, wenn die Angebotsunterlage nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise veröffentlicht wird (§ 15 II 2 WpÜG) (Regelmäßig vorher Nachbesserungsanordnung: Marsch-Barner/Schäfer-Drinkuth, § 58 Rn. 184). Umstritten ist, ob eine Untersagung auf der Grundlage von § 15 I Nr. 2 WpÜG auch noch nach erfolgter Veröffentlichung möglich ist (Assmann/Pötzsch/Schneider-Bosch/Meyer, § 15 Rn. 14: Rücknahme Gestattung nach § 48 VwVfG mit anschließender Untersagung).
55
Die Untersagung hat zur Folge, dass die Veröffentlichung der Angebotsunterlage, in der das Angebot enthalten ist, verboten ist (§ 15 III 1 WpÜG). Ein Rechtsgeschäft auf Grund eines untersagten Angebotes ist nichtig (§ 15 III 2 WpÜG). Betroffen von der Nichtigkeitsfolge sind sowohl das Verpflichtungsgeschäft als auch das Verfügungsgeschäft, so dass erfolgte Übertragungen von Wertpapieren der Zielgesellschaft nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) und nach § 985 BGB rückabzuwickeln sind (FK-WpÜG-Scholz, § 15 Rn. 65). Eine Übertragung von Aktien auf den Bieter vor einer Untersagungsverfügung ist nach der Untersagung nichtig, da die Erwerbsgeschäfte unter der aufschiebenden Bedingung der Gestattung des Angebots stehen (Geibel/Süßmann-Angerer, § 15 Rn. 51). Bei einem einfachen Erwerbsangebot und bei einem Übernahmeangebot führt eine Untersagung zu einer einjährigen Sperrfrist (§ 26 I 1 WpÜG), von der die BaFin auf Antrag befreien kann, wenn die Zielgesellschaft zustimmt (§ 26 II 2 WpÜG). Die Sperrfrist gilt nicht für Pflichtangebote (§ 26 I 3 WpÜG), da sich der Bieter sonst durch gesetzeswidriges Verhalten der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebotes entledigen könnte.
56
6. Angebotsunterlage. Die Angebotsunterlage weist eine Doppelnatur auf. Die Angebotsunterlage enthält das unwiderrufliche (§ 18 II WpÜG) Angebot an einen unbestimmten Personenkreis zum Abschluss eines Erwerbsvertrages über die Stimmrechte der Zielgesellschaft sowie den Inhalt dieses Angebots (Steinmeyer/Häger- Häger/Steinhardt, § 11 Rn. 5; KMRK-Noack, § 11 WpÜG Rn. 3). Das Angebot geht den Aktionären der Zielgesellschaft mit der Veröffentlichung nach § 14 III 1 WpÜG zu (Steinmeyer/Häger- Häger/ Steinhardt, § 11 Rn. 7). Zudem hat die Angebotsunterlage, wie sich aus § 11 I WpÜG ergibt, die Funktion eines Prospektes (Steinmeyer/Häger-Häger/Steinhardt, § 11 Rn. 9). Da-
57
Lenenbach
1602
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
her muss die Angebotsunterlage die Angaben enthalten, die die Aktionäre der Zielgesellschaft in die Lage versetzen, eine sachkundige Entscheidung über die Annahme des Angebots zu fällen (§ 11 I 2 WpÜG). Die allgemeinen Bedingungen, die eine Angebotsunterlage als Prospekt erfüllen muss, entsprechen denen eines Börsenzulassungs- oder Verkaufsprospekts. Die Angebotsunterlage muss richtig und vollständig sein (§ 11 I 3 WpÜG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Richtigkeit der Angebotsunterlage ist der Moment der Veröffentlichung (OLG Frankfurt AG 2007, 749 (751); Assmann/Pötzsch/ Schneider-Bosch/Meyer, § 11 Rn. 53). Sie muss in deutscher Sprache und in einer Form abgefasst werden, die ihr Verständnis und ihre Auswertung erleichtern (§ 11 I 4 WpÜG). Und sie ist vom Bieter zu unterzeichnen (§ 11 I 5 WpÜG). Publiziert der Bieter nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage ergänzende Informationen zu seinem Angebot, sind diese außer im Fall, dass er damit einer Berichtungs- oder Aktualisierungspflicht nachkommt (Rn. 59), nur dann Teil der Angebotsunterlage, wenn die Angebotsunterlage vom Bieter bewusst in zwei Teile aufgeteilt wird und diese Vorgehensweise in der Veröffentlichung des ersten Teils bekanntgegeben wird (OLG Frankfurt AG 2007, 749 (751 f.)). 58
a) Mindestangaben. Die Mindestangaben, die in einer Angebotsunterlage enthalten sein müssen, werden in § 11 II WpÜG und in § 2 AngebotsVO aufgelistet. Es müssen unter anderem die Wertpapiere, die Gegenstand des Angebots sind, die Art und die Höhe der Gegenleistung sowie Beginn und Ende der Annahmefrist aufgeführt werden (§ 11 II 1 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 6 WpÜG). Weitere Angaben, die in die Angebotsunterlage aufzunehmen sind, werden in § 11 II WpÜG und § 2 AngebotsVO aufgezählt (ausführlich Steinmeyer/HägerHäger/Steinhardt, § 11 Rn. 24 ff.). Zu beachten ist, dass nach zutreffender, aber bestrittener Ansicht eine Angebotsunterlage nicht stets richtig und vollständig ist, wenn er alle dort aufgelisteten Aspekte abhandelt (Hamann, ZIP 2001, 2249 (2251); Steinmeyer/ Häger- Häger/Steinhardt, § 11 Rn. 14; für abschließenden Charakter von § 11 II WpÜG und § 2 AngebotsVO: Möllers, ZGR 2002, 664 (677 ff.)). Maßstab ist, dass ein Durchschnittsaktionär sich auf Grund der gemachten Angaben ein zutreffendes Bild über das Angebot machen kann, wobei außer den Einzelinformationen auch der vermittelte Gesamteindruck zutreffen muss. Daher kann es im Einzelfall erforderlich sein, weitere, gesetzlich nicht angesprochene Informationen in die Angebotsunterlage aufzunehmen (OLG Frankfurt AG 2007, 749 (750 f.); Assmann/Pötsch/Schneider-Assmann, § 12 Rn. 26). Werden den Aktionären der Zielgesellschaft als Gegenleistung Aktien einer anderen Gesellschaft angeboten, liegt ein erstmaliges öffentliches Angebot iSv. § 1 I WpPG vor. § 4 I Nr. 2 WpPG sieht aber für den Fall eines Tauschangebotes eine Ausnahme von der Prospektpflicht nach dem WpPG vor.
59
b) Berichtigung und Aktualisierung. Im WpÜG ist weder eine Pflicht zur Berichtigung, noch eine Verpflichtung zur Aktualisierung der Angebotsunterlage vorgesehen. Durch extensive Auslegung lässt sich aber § 11 I 3 WpÜG die Pflicht entnehmen, die Angebotsunterlage während der gesamten Dauer des Angebotsverfahrens richtig und vollständig zu gestalten und zu erhalten, was eine Berichtigungs- und Aktualisierungspflicht mitumfasst (Assmann, AG 2002, 153 (156 f.); Steinmeyer/Häger-Häger/Steinhardt, § 11 Rn. 16; Assmann/Pötzsch/Schneider-Bosch/Meyer, § 11 Rn. 53; a. A. für Berichtigungspflicht MünchKommAktG-Wacherbarth, § 12 WpÜG Rn. 32).
59a
7. Veröffentlichungspflichten nach WpÜG und Ad-hoc-Publizität. § 10 VI WpÜG schließt § 15 WpHG explizit für Entscheidungen zur Abgabe eines Angebots nach dem WpÜG aus. Der Norm kann aber nicht entnommen werden, dass die Pflicht zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung für alle Informationen entfällt, die ein Angebot zum Erwerb von Aktien, das in den Anwendungsbereich des WpÜG fällt, betreffen. Nur in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich verdrängen die §§ 10, 11 WpÜG die Verpflich-
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1603
tung nach § 15 WpHG. Geht es nicht um die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots und nicht um in die Angebotsunterlage gehörende Informationen, besteht eine Verpflichtung des Bieters, im Zusammenhang mit einem WpÜG-Angebot stehende Informationen nach § 15 WpHG zu veröffentlichen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 WpHG erfüllt sind (OLG Frankfurt AG 2007, 749 (752); BT-Drs. 14/7034, 40 f.; Köln Komm. WpÜG-Hirte, § 10 Rn. 100 ff.). III. Übernahmerechtliche Prospekthaftung. § 12 I WpÜG gibt denjenigen, die ein Angebot angenommen haben, einen Schadensersatzanspruch gegen die Prospektverantwortlichen, wenn für die Beurteilung wesentliche Angaben im Angebotsprospekt unrichtig oder unvollständig dargestellt sind (ausführlich Assmann, AG 2002, 153 ff.). § 12 WpÜG ist den §§ 44, 45 BörsG, § 127 InvG nachgestaltet, so dass für die Einzelheiten der Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage auf die börsenrechtliche Prospekthaftung verwiesen werden kann (Bartz, § 58 Rn. 63 ff.; zu § 12 WpÜG: Steinmeyer/Häger-Häger/Steinhardt, § 12 Rn. 12 ff.). Wesentlich sind solche Angaben, die objektiv für die Entscheidung über die Annahme des Erwerbsangebots erforderlich sind und die der Anleger bei seiner Entscheidung im Regelfall berücksichtigt (Assmann/Pötzsch/Schneider-Assmann, § 12 Rn. 11 mit Liste wesentlicher Angaben Rn. 13 ff.).
60
1. Prospektverantwortliche Personen. Haftungsschuldner nach § 12 I Nr. 1 WpÜG sind der Bieter als Unterzeichner der Angebotsunterlage (§ 11 I 5 WpÜG) und diejenigen, die in der Angebotsunterlage ausdrücklich die Verantwortung für deren Richtigkeit übernehmen (BT-Drs. 14/7034, 42; Assmann, AG 2002, 153 (157)). § 12 I Nr. 2 WpÜG erweitert den Kreis der Prospektverantwortlichen auf diejenigen, von denen der Erlass der Angebotsunterlage ausgeht. Eine Verantwortung nach § 12 I Nr. 2 WpÜG erfasst weder Anwälte noch ein das Angebot als Berater oder Abwicklungsstelle begleitendes oder finanzierendes Kreditinstitut (Kölner KommWpÜG-Möllers, § 12 Rn. 92; Vaupel, WM 2002, 1170 (1171)). Eine Haftung eines Kreditinstituts aus § 12 I WpÜG kommt daher nur in Betracht, wenn es aktiv an der Übernahme mitwirkt, zum Beispiel als Emissionsbank, oder wenn die Bank die neuen Aktien, die für ein Umtauschangebot benötigt, zunächst übernimmt (Pfüller/Detweiler, BKR 2004, 383 (384 f.)). In diesem Fall ist eine ausdrückliche Nennung der Bank als Prospektverantwortliche in der Angebotsunterlage üblich. Aber auch ohne eine solche Benennung in der Angebotsunterlage kommt eine Haftung der Bank in Betracht, wenn sie aufgrund ihre Einbindung in die Vorbereitung und Durchführung des Erwerbsangebotes als tatsächlicher Miturheber des Erwerbsangebots erscheint (BGHZ 139, 225 (229 ff. zu § 45 BörsG a. F.); Pfüller/Detweiler, BKR 2004, 383 (386)).
61
2. Verjährung. Der Anspruch aus § 12 I WpÜG verjährt in einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruchsberechtigte von der Fehlerhaftigkeit des Angebotsprospekts Kenntnis erlangt, spätestens in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Angebotsprospekts (§ 12 IV WpÜG). § 12 II, III WpÜG enthalten Ausschlusstatbestände, die denjenigen des § 45 BörsG entsprechen (Bartz, § 52 Rn. 91 ff.).
62
3. Beurteilungshorizont. Für die Frage, ob eine Angebotsunterlage unrichtig oder unvollständig ist oder andere Fehler aufweist, ist maßgeblich, nach welchem Erkenntnishorizont sich die Fehlerhaftigkeit beurteilt. Anders als bei einem Börsenzulassungs- und Verkaufsprospekt steht dem Durchschnittsaktionär kein sachkundiger Berater zur Hilfe, sondern er hat als wesentliche Entscheidungsgrundlage nur die Angebotsunterlage und die Stellungnahme des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Zielgesellschaft. Daher ist bei der übernahmerechtlichen abweichend von der börsenrechtlichen Prospekthaftung nicht auf den börsenkundigen Durchschnittaktionär (BGH NJW 1982, 2823 (2824); WM
63
Lenenbach
1604
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
1992, 901 (904)), sondern auf den Beurteilungshorizont eines sorgfältig handelnden Kleinaktionärs abzustellen (ähnlich Steinmeyer/Häger-Steinhardt, § 12 Rn.7; Assmann/ Pötzsch/Schneider-Assmann, § 12 Rn. 23). Werden die Aktien dagegen im Wesentlichen von Großaktionären oder institutionellen Anleger gehalten, ist deren Verständnis maßgebend. 64
4. Kausalität. Die Kausalität zwischen der Angebotsunterlage und der Annahmeentscheidung wird gesetzlich vermutet (§ 12 III Nr. 1 WpÜG), so dass der Prospektverantwortliche die fehlende Kausalität zu beweisen hat (Assmann/Pötzsch/Schneider-Assmann, § 12 Rn. 45). Die Kausalität zwischen der Anlageentscheidung und dem entstandenen Schaden hat dagegen der Anspruchsteller nachzuweisen (Kölner KommWpÜG-Möllers, § 12 Rn. 90).
65
5. Schadensumfang. Wer das Angebot des Bieters angenommen hat, kann von ihm den aus der Annahme des Angebots entstandenen Schadens verlangen (§ 12 I 1 a. E. WpÜG). Der Schadensumfang bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB. Es ist der Zustand herzustellen, der ohne die fehlerhafte Angebotsunterlage eingetreten wäre. Das abgeschlossene Wertpapiergeschäft ist daher rückabzuwickeln und eine weitergehender Schaden zu ersetzen (Assmann/Pötzsch/Schneider-Assmann, § 12 Rn. 56 ff.; a. A.: Steinmeyer/HägerSteinhardt, § 12 Rn. 36 ff.). Es kann aber nicht der Preis für die Aktien verlangt werden, der sich bei fehlerfreien Angebotsunterlage ergeben hätte (Assmann/Pötzsch/SchneiderAssmann, § 12 Rn. 62).
65a
6. Haftung für freiwillige Zusatzinformationen. Es steht dem Bieter grds. frei, nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage Informationen zu veröffentlichen, welche die Angebotsunterlage ergänzen, auch wenn er die Ergänzung nicht in Erfüllung einer Pflicht zur Berichtigung oder Aktualisierung der Angebotsunterlage oder um einer Verpflichtung aus § 15 WpHG nachzukommen vornimmt. Weil diese Angaben nicht Teil der Angebotsunterlage sind, richtet sich die Haftung für unrichtige Informationen nach allgemeinen Grundsätzen. Da die Angebotsunterlage ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages enthält (Rn. 57), existiert zwischen dem Bieter und jedem Aktionär der Zielgesellschaft ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 II Nr. 1 BGB). Zwar besteht keine Verpflichtung des Bieters nach § 311 II, § 241 II BGB, den Aktionären der Zielgesellschaft ergänzend zur Angebotsunterlage Informationen zu liefern, da die Informationspflichten im Zusammenhang mit einem dem WpÜG unterfallenden Angebot durch die Veröffentlichung der Angebotsunterlage erfüllt sind. Entschließt sich der Bieter aber, zusätzlich zur Angebotsunterlage Informationen zur Verfügung zu stellen, müssen diese richtig und vollständig sein (OLG Frankfurt AG 2007, 749 (753 f.); BGHZ 74, 103 (110); BGH NJW-RR 1997, 144 (145)). Die Fehlerhaftigkeit der Information kann sich nicht nur aus den veröffentlichten Angaben selbst ergeben. Die freiwilligen Zusatzinformationen sind vielmehr mit der Angebotsunterlage zusammen zu betrachten. Die Zusatzinformationen sind daher auch dann fehlerhaft, wenn sie im Widerspruch zur Angebotsunterlage stehen, die in der Angebotsunterlage enthaltenen Angaben unklar machen oder in Verbindung mit der Angebotsunterlage zu einem fehlerhaften Gesamteindruck führen. Außer einem Anspruch aus c.i.c. kommt auch ein Anspruch nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Falschinformation in Betracht (OLG Frankfurt AG 2007, 749 (755 f.). Aus der restriktiven Rspr. des BGH zur Haftung für eine unrichtige Ad-hocMitteilung nach § 826 BGB (BGHZ 160, 134; 160, 149 (Lenenbach, EWiR 2004, 961); BGH ZIP 2007, 679; 2008, 410) lässt sich schließen, dass ein Anspruch wegen vorsätzlich sittenwidriger Falschinformation nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben sein wird. Besteht ein Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft gegen den Bieter aus § 311 II, § 280 I BGB wegen unrichtiger Zusatzinformationen, können die Aktionäre die Rückabwick-
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1605
lung der Übertragung ihrer Aktien Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises verlangen (allgemein zum Schaden bei Verletzung von Informationspflichten Bamberger, § 50 Rn. 184). IV. Vorgeschriebener Inhalt des Angebots. Das WpÜG enthält zwingende Vorgaben für den Inhalt des Erwerbsangebots. Damit schränkt es in nicht unerheblichem Maße die Vertragsfreiheit des Bieters ein. Der Bieter hat bei einem freiwilligen Angebot nur die Wahl, ob er ein Angebot mit einem im Wesentlichen gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt abgibt. Ein Bieter, der zu einem Pflichtangebot verpflichtet ist, unterliegt sogar einem Kontrahierungszwang.
66
1. Anwendbarkeit §§ 305 ff. BGB. Die Angebotsunterlage stellt, soweit sie die Bedingungen für das Erwerbsangebot festlegt, allgemeine Geschäftsbedingungen dar und ist daher auch an den §§ 305 ff. BGB messen, soweit nicht § 11 WpÜG und § 2 AngebotsVO eine Regelung für das Angebot enthalten. (BGHZ 163, 311, 313 ff. zu Anleihebedingungen (Lenenbach, WuB IV C. § 1 AGBG 2.05, S. 781 f.); Steinmeyer/Häger-Häger/ Steinhardt, § 11 Rn. 6).
67
2. Verbot invitatio ad offerendum. § 17 WpÜG untersagt dem Bieter für alle Angebotsarten, öffentlich zur Abgabe von Verkaufsangeboten durch die Aktionäre der Zielgesellschaft aufzufordern. Der Bieter muss folglich sofort ein bindendes Kaufangebot abgeben und darf nicht durch eine invitatio ad offerendum erst den Markt testen (zur dutch auction tender offer Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 17 Rn. 4 f.). Ein Verstoß gegen das Verbot der invitatio ad offerendum führt zum Untersagen des Angebots durch die BaFin nach § 15 I Nr. 2 WpÜG (Baums/Thoma-Thoma, § 17 Rn. 11).
68
3. Bedingungsverbot. Das Angebot darf keine Bedingungen enthalten, deren Eintritt der Bieter oder zu seinem Lager zählende Personen ausschließlich selbst herbeiführen können (§ 18 I WpÜG). Zulässig sind danach Bedingungen, die nur vom Willen eines Dritten abhängen. Dazu zählen behördliche Genehmigungen, zum Beispiel des Kartellamtes, aber auch das Verhalten der Zielgesellschaft während des Angebotsverfahrens (BT-Drs. 14/ 7034, S. 47 f.; ausführlich zu einzelnen Bedingungen bei Übernahmeangeboten Busch, AG 2002, 145; Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 18 Rn. 18 ff. mit tabellarischer Übersicht Rn. 17). Umstritten ist die Zulässigkeit von Bedingungen, die vom Willen des Bieters und eines Dritten abhängen (für Zulässigkeit: Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 18 Rn. 6 f.; a. A.: Baums/Thoma-Thoma/Stöcker, § 18 Rn. 41 ff.). Ausdrücklich zugelassen ist in § 25 WpÜG, der für Pflichtangebote nicht gilt (§ 39 WpÜG), das Angebot an den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Bietergesellschaft zu knüpfen, wenn der Beschluss bis spätestens fünf Werktage vor Ablauf der Annahmefrist erfolgt. In sachlicher Nähe zu dem Verbot von Potestativbedingungen steht § 18 II WpÜG, der ein Angebot, das einen Widerrufs- oder Rücktrittsvorbehalt enthält, für unwirksam erklärt (dazu Stöcker, NZG 2003, 993).
69
§ 18 II WpÜG gilt auch für Pflichtangebote, § 18 I WpÜG dagegen nur für einfache Erwerbs- und Übernahmeangebote (§ 39 WpÜG). Pflichtangebote sind allerdings generell bedingungsfeindlich, weshalb über § 18 I WpÜG hinaus auch solche Bedingungen in Pflichtangeboten unzulässig sind, die der Bieter nicht ausschließlich herbeizuführen in der Lage ist. Lediglich das Abhängigmachen des Pflichtangebots von erforderlichen Genehmigungen ist erlaubt (Kölner KommWpÜG-von Bülow, § 39 Rn. 45 ff.).
70
4. Voll- und Teilangebote. Die Beschränkung eines Angebotes auf eine bestimmte Aktienzahl oder das Erreichen einer Beteiligungsquote kann für die Ziele des Bieters ausreichen und ist kostengünstiger als der Erwerb sämtlicher außenstehender Aktien. Ein solcher Teilerwerb ist nach § 19 WpÜG nur bei einfachen Erwerbsangeboten zulässig.
71
Lenenbach
1606
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Übernahme- und Pflichtangebote müssen dagegen an sämtliche Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft ergehen (Vollangebote) (§§ 32, 39 WpÜG). § 24 WpÜG sieht vom Vollangebotsgrundsatz die Möglichkeit der Befreiung durch die BaFin vor, wenn ein Stimmrechtsinhaber der Zielgesellschaft im EU-Ausland seinen Sitz hat (Behnke, WM 2002, 2229). Gibt der Bieter ein einfaches Erwerbsangebot als Teilangebot ab, muss er in dem Fall, dass mehr Annahmen eingehen, als er nach seinem Angebot annehmen will, die Angebote grundsätzlich verhältnismäßig berücksichtigen (§ 19 WpÜG, § 2 Nr. 6 AngebotsVO). 72
5. Mindestannahmequote. Zulässig ist aber bei Erwerbs- und Übernahmeangeboten die Bedingung, dass eine bestimmte Mindestannahmequote erreicht wird ( § 21 I 1 Nr. 3 und § 26 I 2). Das Angebot richtet sich dann an alle Aktionäre der Zielgesellschaft, steht aber zum Beispiel unter der aufschiebenden Bedingungen, dass mindestens 50% der Aktionäre das Angebot annehmen (Busch, AG 2002, 145, 146 f.). Wegen der generellen Bedingungsfeindlichkeit von Pflichtangeboten sind solche Bedingungen bei Pflichtangeboten aber unzulässig (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 35 Rn. 105). Jede nach dem WpÜG unzulässige Bedingung ist nach § 134 BGB unwirksam
73
V. Änderungen des Angebots. § 21 WpÜG enthält eine abschließende Regelung der Zulässigkeit von Änderungen des Erwerbsangebots nach dessen Veröffentlichung (Baums/ Thoma-Diekmann, § 21 Rn. 10). Die Zulässigkeit von Berichtigungen und Aktualisierungen der Angebotsunterlage, die nicht die Bedingungen des Wertpapiererwerbsgeschäfts betreffen, richtet sich dagegen nicht nach § 21 WpÜG, sondern nach den §§ 11, 12, 13 WpÜG (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 21 Rn. 5). Nach § 21 I 1 Nr. 1–Nr. 4 WpÜG sind nur Änderungen erlaubt, die aus Sicht der Aktionäre der Zielgesellschaft zu einer Verbesserung des Angebots führen, wie zum Beispiel die Erhöhung der Gegenleistung. Die Änderung des Angebots spielt vor allem bei konkurrierenden Angeboten eine wichtige Rolle. Die Änderungen sind wie das ursprüngliche Angebot zu veröffentlichen (§ 21 II WpÜG). Es ist ein eigener Änderungs-Prospekt zu erstellen, für den die §§ 11-13, 15 WpÜG gelten (§ 21 III WpÜG). Änderungen sind nach § 21 I 1, 2 WpÜG nur zulässig, wenn sie ordnungsgemäß bis einen Werktag vor Ablauf der Annahmefrist veröffentlicht werden (Zu Fristenfragen Busch, ZIP 2003, 102). Erfolgt die Veröffentlichung der Änderung innerhalb der letzten beiden Wochen der Annahmefrist, verlängert sich nach § 21 V WpÜG die Annahmefrist um zwei Wochen, um den Aktionären der Zielgesellschaft genügend Bedenkzeit und den Organen der Zielgesellschaft Gelegenheit zur nach § 27 I WpÜG erforderlichen Stellungnahme zu lassen. Das Angebot kann nur während der ursprünglichen Annahmefrist, die zwischen vier und zehn Wochen beträgt (§ 16 I WpÜG), mehrmals geändert werden. Innerhalb der Verlängerungsfrist des § 21 V WpÜG sind weitere Änderung nicht mehr zulässig, um zu verhindern, dass der Bieter den Geschäftsbetrieb der Zielgesellschaft über einen angemessenen Zeitraum hinaus durch immer neue Angebotsänderungen behindert (BT-Drs. 14/7034, 50). Diejenigen Aktionäre der Zielgesellschaft, die vor der Änderung das Angebot schon angenommen hatten, räumt § 21 IV WpÜG bis zum Ablauf der Annahmefrist ein Rücktrittsrecht ein. Die herrschende Meinung nimmt darüber hinaus eine automatische Anpassung der schon geschlossenen Verträge an die geänderten Bedingungen an (Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 21 Rn. 8 ff. mit umfassender Begründung; a. A.: MünchKomm-AktG-Wacherbarth, § 21 WpÜG Rn. 8 ff.).
74
VI. Gegenleistung. Den schwersten Eingriff in die Vertragsfreiheit des Bieters, abgesehen von der Pflicht zur Angebotsabgabe nach § 35 WpÜG, stellt die Regulierung der Art und der Höhe der Gegenleistung bei einem Übernahme- oder Pflichtangebot in (§ 39 WpÜG iVm.) § 31 WpÜG und den §§ 3–7 AngebotsVO dar. Nur beim einfachen Er-
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1607
werbsangebot steht die Gestaltung der Gegenleistung für die Aktien der Zielgesellschaft mit der Maßgabe im Belieben des Bieters, dass die Inhaber von Wertpapieren derselben Gattung gleich zu behandeln sind (§ 3 I WpÜG, die Aktionäre der Zielgesellschaft genügend Informationen für eine Entscheidung erhalten (93 II WpÜG), und dass in der Angebotsunterlage anzugeben ist, warum die angewandte Berechnungsmethode angemessen ist (§ 2 Nr. 3 AngebotsVO) (OLG Frankfurt AG 2007, 749 (750)). Wird eine Geldleistung als Gegenleistung angeboten, genügt für die Herstellung der allgemeinen Transparenz (§ 3 II WpÜG) bei einem einfachen Erwerbsangebot eine Bezugnahme auf den Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft (OLG Frankfurt AG 2007, 749 (750); Assmann/Pötzsch/Schneider-Bosch/Meyer, § 2 WpÜG-AngVO Rn. 12). Der Bieter eines Übernahmeoder Pflichtangebotes hat den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten (§ 31 I WpÜG), die in einer Geldleistung in Euro oder in liquiden Aktien, die zum Handeln an einem organisierten europäischen Markt zugelassen sind, zu bestehen hat (§ 31 II 2, § 2 VII WpÜG). Es steht dem Bieter frei, auch eine andere Gegenleistung, zum Beispiel Dollar oder U. S. amerikanische Aktien, anzubieten. Er muss aber den Aktionären der Zielgesellschaft neben einer anderen Gegenleistung zumindest auch eine Geldleistung in Euro oder europäische Aktien offerieren (BT-Drs. 14/7034, 55). Die Regeln zur Angemessenheit des Preises gelten nur innerhalb derselben Aktiengattung (BVerfG NJW 2004, 3031; Habersack, ZIP 2003, 1123 (1127 f.)). Werden stimmberechtigten Aktionären Aktien als Gegenleistung angeboten, müssen die neuen Aktien auch stimmberechtigt sein (§ 31 II 2 WpÜG). Ausführlich regulieren das WpÜG und die AngebotsVO die Art und die Höhe der Gegenleistung. Die Regelung ist abschließend und gilt selbst dann, wenn sich eine dem inneren Wert der Zielgesellschaft offensichtlich widersprechende Gegenleistung ergibt (Steinmeyer/Häger-Häger/Santelmann, § 31 Rn. 9; Habersack, ZIP 2003, 1123 (1124 f.); a. A. FK-WpÜG-Haarmann, § 31 Rn. 24; Bicker/ Parameswaran, ZIP 2007, 1187 ff.). Zu einem solchen Fall kann es kommen, wenn der im Regelfall maßgebliche Durchschnitts-Börsenkurs zu einer Gegenleistung führt, die deutlich über oder unter dem Preis liegt, der sich für die Aktien nach einer Unternehmensbewertung ergeben würde. 1. Vor-, Parallel- und Nacherwerbe. Erwirbt der Bieter vor einem öffentlichen Angebot Aktien der Zielgesellschaft, dann darf die Gegenleistung in dem öffentlichen Angebot nicht zuungunsten der Aktionäre von den Vereinbarungen des Vorerwerbsgeschäfts abweichen (beachte: § 31 III WpÜG enthält eine 5% Bagatellgrenze, die in § 4 AngebotsVO fehlt). Gleiches gilt für Erwerbe, die parallel oder nach einem öffentlichen Angebot erfolgen. Der Bieter muss den Aktionären der Zielgesellschaft eine Geldleistung in Euro anbieten, wenn er innerhalb der letzten sechs Monate vor oder während des laufenden Angebotsverfahrens gegen Zahlung einer Geldleistung Aktien der Zielgesellschaft erworben hat (§ 31 III WpÜG ). Die Höhe der anzubietenden Gegenleistung hat mindestens der Höhe der Gegenleistung zu entsprechen, die für ein Erwerbsgeschäft außerhalb des Angebotsverfahrens vereinbart wird, das im Zeitraum von sechs Monaten vor und einem Jahr nach dem Angebotsverfahren abgeschlossen wird (§ 4 AngebotsVO, § 31 IV, V WpÜG) (Zu Paketerwerben und Vermeidungsstrategien zu § 31 III-V WpÜG: Kossmann/Horz, NZG 2006, 481; Traugott/Schaefer, NZG 2004, 158). In die Höhe der Gegenleistung sind auch geldwerte Nebenleistungen mit einzuberechnen, um Umgehungen zu verhindern (KölnerKommWpÜG-Kremer/Oesterhaus, Anh. § 31 WpÜG § 4 AngebotsVO Rn. 13 ff.). Einem dinglichen Erwerb ist für die Tatbestände des § 31 III, IV, V WpÜG ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung der Aktien der Zielgesellschaft gleichstellt, was aber nicht für ein Bezugsrecht aufgrund einer Kapitalerhöhung gilt (§ 31 VI 1, 2 WpÜG). Der Angebotspreis erhöht sich gesetzlich um das, was bei einem Erwerb
Lenenbach
75
1608
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage mehr an Gegenleistung gezahlt wurde (§ 31 IV, V 2 WpÜG). Der außerhalb des Angebotsverfahrens vereinbarte Erwerbspreis ist aber nur einen Mindestpreis, der nicht gilt, wenn die nach §§ 5–7 AngebotsVO berechnete Gegenleistung höher ausfällt. 76
2. Berechnung der Gegenleistung. Liegt keiner der Sondertatbestände des § 31 III, IV, V WpÜG vor, wird die Gegenleistung nach den §§ 3, 5-7 AngebotsVO berechnet. § 5 AngebotsVO stellt eine Berechnungsregel für Aktien von Zielgesellschaften auf, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind. Eine Gegenleistung muss mindestens dem Durchschnitts-Börsenkurs der Aktie der Zielgesellschaft während der letzten drei Monate vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes bzw. der Kontrollerlangung entsprechen. Die gleiche Berechnungsmethode gilt nach § 6 AngebotsVO, wenn die Aktien der Zielgesellschaft an einer ausländischen Börse des Europäischen Wirtschaftsraumes in einem organisierten Markt gehandelt werden. Der Unterschied zwischen § 5 und § 6 AngebotsVO besteht darin, dass nur bei an einer deutschen Börse gehandelten Aktien der Durchschnitts-Börsenkurs nach den Umsätzen gewichtet wird. Ist die Bildung eines Durchschnittskurses nicht möglich, so ist die Gegenleistung anhand einer Bewertung der Zielgesellschaft zu berechnen (§ 5 IV, § 6 VI AngebotsVO) (Zu den dabei auftretenden Problemen Thoma, NZG 2002, 105 (108)). Die Regeln zur Berechnung der Mindesthöhe der Gegenleistung gelten nach § 7 AngebotsVO entsprechend, wenn die Gegenleistung in Aktien besteht, d. h. der Wert der angebotenen Aktien darf den nach den §§ 5, 6 AngebotsVO errechneten Geldwert nicht unterschreiten.
77
3. Tauschangebote. Aktien einer anderen Gesellschaft als Gegenleistung für die Aktien der Zielgesellschaft, regelmäßig Aktien der Bietergesellschaft, müssen liquide sein (§ 31 II 1 WpÜG). Für die Liquidität einer Aktie reicht es aus, wenn nach Durchführung des Angebots für die Aktien ein funktionierender Markt besteht, auf dem die Aktien veräußert werden können, da sich der Aktionär dann jederzeit zu Marktkonditionen von den Aktien des Bieters trennen kann. Das ist der Fall, wenn in den alten Aktien der Bietergesellschaft, das heißt Aktien, die schon existieren und nicht erst durch Kapitalerhöhung geschaffen werden, vor Abgabe des Angebotes ein Handel tatsächlich stattfindet, der eine Veräußerung der Bieteraktien zu marktgerechten Preises ermöglicht (Assmann/Pötzsch/Schneider-Krause, § 31 Rn. 47 ff.). Werden im Rahmen von Tausch- oder Mischangeboten Übernahmeprämien vom Bieter an die Aktionäre der Zielgesellschaft gewährt, ist stets zu prüfen, ob eine Bieter-Aktiengesellschaft damit gegen § 57 oder § 255 II 1 AktG verstößt (Johannsen-Roth/Goslar, AG 2007, 573 ff.).
78
4. Rechtsschutz. Weder der Zielgesellschaft noch ihren Aktionären steht ein Rechtsmittel zur Verfügung, um die Angemessenheit der Gegenleistung überprüfen zu lassen, da sie keinen Anspruch auf Einschreiten der BaFin haben (OLG Frankfurt NZG 2003, 1120; Steinmeyer/Häger-Häger/Santelmann, § 31 Rn. 109 f., 114; BVerfG NZG 2004, 617: möglicherweise Rechtsschutz bei evident gegen WpÜG verstoßender Gegenleistung). Ihren Anspruch aus § 31 IV, V WpÜG auf Nachzahlung können die Wertpapierverkäufer gegen den Bieter als Vertragsanspruch vor den Zivilgerichten geltend machen (Tominsky/ Kuthe, BKR 2004, 10 (16)).
79
VII. Finanzierung des Angebots. 1. Sicherstellung der Gegenleistung und Finanzierungsbestätigung. Der Bieter hat nach § 13 I 1 WpÜG vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage sicherzustellen, dass er bei Fälligkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung zu dessen vollständiger Erfüllung in der Lage ist. Diese Verpflichtung besteht unabhängig von der Art der Gegenleistung. Über die danach erforderlichen Mittel muss der Bieter aber erst im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gegenleistung und nicht schon bei Veröffentlichung
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1609
der Angebotsunterlage verfügen (Steinmeyer/Häger-Steinhardt, § 13 Rn. 3). Die Finanzierung ist auf den maximalen Erfolg eines Angebots auszurichten, was bei einem Übernahme- oder Pflichtangebot zur Konsequenz hat, dass die Finanzierung des Erwerbes aller Aktien sämtlicher Aktionäre der Zielgesellschaften abgesichert sein muss (KölnerKommWpÜG-Möllers, § 13 Rn. 52). § 13 WpÜG gilt auch für Angebotsänderungen (§ 21 III WpÜG), mangels Verweisungsnorm aber nicht für die Nachzahlungsansprüche nach § 31 IV, V WpÜG (Baums/Thoma-Marsch-Barner, § 13 Rn. 22; a. A.: Georgieff/Hauptmann, AG 2005, 277 (283)). In der Praxis erhöht sich der zur Finanzierung einer Übernahme erforderliche Kapitalbedarf um die Mittel, die erforderlich sind, um bei Übernahme fällig werdende Verbindlichkeiten der Zielgesellschaft bedienen zu können. Die Fälligkeit resultiert aus Change of Control-Klauseln in Darlehensverträgen (Georgieff/Hauptmann, AG 2005, 277, 278 f.)). Besteht die Gegenleistung in einer Geldleistung, muss ein vom Bieter unabhängiges Wertpapierdienstleistungsunternehmen iSv. § 2 IV WpHG, regelmäßig eine Bank, schriftlich bestätigen, dass der Bieter die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um bei Fälligkeit des Anspruchs zur vollständigen Zahlung in der Lage zu sein (§ 13 I 2 WpÜG), gleich ob die Gegenleistung ganz oder nur zum Teil in einer Geldleistung besteht (Berrar, ZBB 2002, 174 (176)). Die Finanzierungsbestätigung ist in die Angebotsunterlage aufzunehmen (§ 11 II 3 Nr. 4 WpÜG; Text ist Wortlaut von § 13 I 2 WpÜG, Pfüller/Detweiler, BKR 2004, 383 (386 f.)), was bei einer fehlerhaften Bestätigung zu einer Haftung nach § 12 I WpÜG der Prospektverantwortlichen führt (Rn. 59). Allein die Aufnahme der Bestätigung in die Angebotsunterlage macht die Bank aber nicht zur Prospektverantwortlichen (Pfüller/Detweiler, BKR 2004, 383 (385)). In der Praxis erhöht sich der zur Finanzierung einer Übernahme erforderliche Kapitalbedarf um die Mittel, die erforderlich sind, um bei Übernahme fällig werdende Verbindlichkeiten der Zielgesellschaft bedienen zu können. Die Fälligkeit resultiert aus Change of Control-Klauseln in Darlehensverträgen (Georgieff/Hauptmann, AG 2005, 277, 278 f.)). 2. Haftung der Bank. Ist der Bieter bei Fälligkeit nicht in der Lage, die versprochene Geldleistung zu erbringen, hat jeder, der das Angebot angenommen hat, gegen das die Bestätigung abgebende Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen Schadensersatzanspruch (§ 13 II WpÜG), der nach § 13 III WpÜG in seinen Rechtsfolgen an den Prospekthaftungsanspruch des § 12 WpÜG angelehnt ist. Denn mit der Finanzierungsbestätigung übernimmt die Bank die Verantwortung dafür, dass der Bieter die Gegenleistung in Geld bei Fälligkeit auch tatsächlich erbringen kann. Da die Bank auf das positive Interesse und nur bei Verletzung ihrer Prüfungspflicht haftet, handelt es sich bei § 13 II WpÜG nicht um einen Prospekthaftungsanspruch, sondern um eine Haftung für eine fehlerhafte Wissenerklärung (Pfüller/Detweiler, BKR 2004, 383 (388); Berrar, ZBB 2002, 174 (180)). Die Bank trifft die Verpflichtung zur Prüfung, dass der Bieter alle Maßnahmen getroffen hat, um zur Zahlung der Gegenleitung in der Lage zu sein. Das die Finanzierungsbestätigung abgebende Institut muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen iSv. § 2 IV WpHG sein (Steinmeyer/Häger-Steinhardt, § 13 Rn. 8 zur Streitfrage, ob dazu ein Sitz innerhalb des EWR erforderlich ist). Um Gefälligkeitsbestätigungen zu verhindern, verlangt § 13 I 2 WpÜG die Unabhängigkeit von bestätigender Bank und Bieter. Der Zweck des Unabhängigkeitskriteriums verlangt es, eine Abhängigkeit schon bei personellen Verflechtungen oder faktischen Einflussnahmemöglichkeiten des Bieters anzunehmen. Die Unabhängigkeit wird aber nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Bank schon mit der Vorbereitung und Durchführung des Wertpapiererwerbes betraut ist (Kölner KommWpÜG- Möllers, § 13 Rn. 77 ff.; Georgieff/Hauptmann, AG 2005, 277 (282)).
Lenenbach
80
81
1610
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
82
a) Haftungsvoraussetzungen. Voraussetzung der Haftung der Bank aus der Finanzierungsbestätigung ist, dass der Bieter die nach § 13 I 2 WpÜG erforderlichen Maßnahmen zur Sicherungen seiner Zahlungsfähigkeit nicht getroffen hat und dass ihm deshalb im Zeitpunkt der Fälligkeit des Gegenleistungsanspruchs die notwendigen Geldmittel nicht zur Verfügung stehen (§ 13 II WpÜG). Die Bank haftet aber nur, wenn sie bei ihrer Überprüfung, ob der Bieter im Zeitpunkt der Angebotsveröffentlichung die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, eine schuldhafte Pflichtverletzung begeht (§ 13 III iVm. § 12 II WpÜG (Ehricke/Ekkenga/Oechsler-Oechsler, § 13 Rn. 9; Steinmeyer/Häger-Steinhardt, § 13 Rn. 18; a. A.: Thaeter/Barth, NZG 2001, 545 (548): Garantie der Bank). Die Bank kann sich exkulpieren, wenn sie nachweist, dass sie die Fehlerhaftigkeit der Finanzierungsbestätigung weder kannte, noch ihre Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht (zum Sorgfaltsstandard: Geibel/Süßmann-Süßmann, § 13 Rn. 33; Steinmeyer/HägerSteinhardt, § 13 Rn. 21 f.). Inhaber des Anspruchs gegen die Bank sind nur diejenigen Aktionäre, die das Angebot des Bieters angenommen haben (§ 13 II WpÜG).
83
b) Haftungsausschlussgründe. Über die Verweisung des § 13 III WpÜG gelten die Haftungsausschlussgründe des § 12 III WpÜG. Der Aktionär hat daher keinen Anspruch, wenn die Bank nachweist, dass die fehlerhafte Finanzierungsbestätigung nicht ursächlich für die Annahme des Erwerbsangebotes des Bieters war (§ 12 III Nr. 1 WpÜG). Ebenso ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn der Aktionär die Fehlerhaftigkeit der Finanzierungsbestätigung kannte, als er das Erwerbsangebot annahm (§ 12 III Nr. 2 WpÜG), was ebenfalls von der Bank zu beweisen ist. Die Bank kann sich selbst von der Haftungsgefahr durch Veröffentlichung einer Berichtigung mit Wirkung ex nunc befreien (§ 12 III Nr. 3 WpÜG). Nach dem Zweck der Finanzierungsbestätigung reicht dazu aber nicht das bloße Eingeständnis der Fehlerhaftigkeit aus (so aber Assmann/Pötzsch/SchneiderKrause, § 13 Rn. 121). Es bedarf vielmehr der Nachholung der Prüfung der Fähigkeit des Bieters, die Gegenleistung in Geld zu zahlen und der Veröffentlichung des neuen Prüfungsergebnisses durch Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG (Ehricke/Ekkenga/Oechsler-Oechsler, § 13 Rn. 10). Der Haftungsausschluss für die Zukunft tritt dann auch ein, wenn ein Aktionär von der Veröffentlichung keine Kenntnisse hat (Noack, FS Hadding 2004, 991 (995)).
84
c) Haftungsumfang. Die Bank haftet auf das positive Interesse. Der Wertpapierverkäufer kann daher von der Bank nach seiner Wahl entweder die Differenz zwischen dem in der Angebotsunterlage genannten Erwerbspreis und dem Börsenkurs der Wertpapiere oder den vollen Erwerbspreis gegen Übereignung der Wertpapiere an die Bank verlangen (Ehricke/Ekkenga/Oechsler-Oechsler, § 13 Rn. 9; Berrar, ZBB 2002, 174 (182 f.); Surrogationsbefugnis und Wahlrecht aber streitig: Assmann/Pötzsch/Schneider-Krause, § 13 Rn. 127 m.w.N. in Fn. 1, 2). Der Anspruch aus § 13 II WpÜG verjährt ein Jahr nach dem Zeitpunkt, zu dem der Wertpapierinhaber von Fehlerhaftigkeit der Betätigung Kenntnis erlangt hat, spätestens drei Jahre nach der Veröffentlichung der Betätigung (§ 12 IV WpÜG).
85
VIII. Annahmephase. Angebots- und Annahmephase laufen parallel, was eine Selbstverständlichkeit darstellt, da das Ziel des Angebotes des Bieters Vertragsschlüsse mit den Aktionären der Zielgesellschaft sind, die korrespondierende Angebote und Annahmen voraussetzten. Mit der Annahme kommt ein Kaufvertrag mit dem Inhalt des veröffentlichten Angebots zustande.
86
1. Annahmefristen und Fristverlängerungen. Eine Annahme ist während der Annahmefrist möglich, die nach § 16 I WpÜG grundsätzlich vier bis zehn Wochen beträgt und mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage beginnt. Die Annahmefrist kann sich aus
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1611
verschiedenen Gründen verlängern. Eine zweiwöchige Verlängerung findet statt, wenn das Angebot innerhalb der letzten beiden Wochen der Annahmefrist geändert wird (§ 21 V WpÜG). Existieren konkurrierende Angebote und läuft die Annahmefrist des einen Angebotes vor der für das Konkurrenzangebot aus, verlängert sich die Annahmefrist bis zum Ende der Annahmefrist des Konkurrenzangebots (§ 22II WpÜG). Wird aus Anlass des Angebots in der Zielgesellschaft eine Hauptversammlung abgehalten, beträgt die Annahmefrist stets zehn Wochen (§ 16 III WpÜG), selbst wenn die im Angebotsprospekt genannte Frist kürzer war. Die fristverlängernden Vorschriften – § 16 III, § 21 V, § 22 II WpÜG – können auch kumulativ zur Anwendung gelangen (Assmann/Pötzsch/Schneider-Seiler, § 21 Rn. 53). Nur bei einem Übernahmeangebot, nicht bei einem Pflichtangebot (§ 39 WpÜG), können die Aktionäre der Zielgesellschaft, die das Angebot nach Ablauf der Annahmefrist nicht angenommen haben, innerhalb einer Nachfrist (weitere Annahmefrist) von zwei Wochen nach Veröffentlichung der endgültigen Annahmequote (§ 23 I 1 Nr. 2 WpÜG) das Übernahmeangebot noch annehmen (§ 16 II WpÜG). Die weitere Annahmefrist gilt aber nur, wenn mit dem Übernahmeangebot die 30% Kontrollschwelle erreicht wird (Assmann/ Pötzsch/Schneider-Seiler, § 16 Rn. 34 f.; Steinmeyer/Häger-Steinmeyer, § 16 Rn. 7).
87
2. Wasserstandsmeldungen. Der Bieter muss bei allen Angebotsarten nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage die von ihm schon gehaltenen Anteile an der Zielgesellschaft und die ihm zuzurechnenden Anteile als auch die Anzahl der ihm zugegangenen Annahmeerklärungen veröffentlichen und der BaFin mitteilen. Nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage muss er diese „Wasserstandsmeldungen“ wöchentlich, und in der letzten Woche vor Ablauf der Annahmefrist täglich abgeben (§ 23 I 1 Nr. 1 WpÜG). Der Bieter hat weitere derartige Veröffentlichungen nach Ablauf der Annahmefrist und nach Ablauf der weiteren Annahmefrist vorzunehmen (§ 23 I 1 Nr. 2, 3 WpÜG) (zu Inhalt und Verfahren der Veröffentlichungen Steinmeyer/Häger-Steinhardt, § 23 Rn. 11 f., 23, 27).
88
IX. Nachannahmephase. Handlungen des Bieters nach Abschluss des Angebotsverfahrens, das heißt nach Ablauf der Annahmefrist bei Pflichtangeboten und nach Ablauf der weiteren Annahmefrist bei erfolgreichen Übernahmeangeboten können noch Rechtsfolgen auslösen. Der Bieter muss nach § 23 II WpÜG Aktienerwerbe, die er außerhalb des Angebotsverfahren tätig, veröffentlichen und der BaFin mitteilen, wenn diese Erwerbe in einem Zeitraum zwischen Veröffentlichung der Angebotsunterlage und einem Jahr, nachdem der Bieter die Zahlen der abgeschlossenen Wertpapierkaufverträge veröffentlich hat (§ 23 I Nr. 2 WpÜG), erfolgten. Diese Veröffentlichungspflicht ist deshalb von Bedeutung, da sich ein solcher Erwerb außerhalb des Angebotsverfahrens auf die Art (§ 31 III Nr. 2 WpÜG) und die Höhe der Gegenleistung (§ 31 V WpÜG) auswirkt.
89
X. Konkurrierende Übernahmeangebote. Der Fall, dass zwei oder mehrere Bieter konkurrierende Übernahmeangebote für die Stimmrechte derselben Zielgesellschaft abgeben, ist im WpÜG in den §§ 21, 22 WpÜG nur lückenhaft geregelt (eingehend Rothenfußer/Friese-Dormann/Rieger, AG 2007, 137 ff.). Läuft die Annahmefrist eines Angebots vor Ablauf der Annahmefrist für das konkurrierende Angebot ab, verlängert sich die Annahmefrist bis zum Ablauf der Annahmefrist des konkurrierenden Angebots (§ 22 II 1 WpÜG). Da der Sieg bei konkurrierenden Übernahmeangeboten regelmäßig über den Preis entschieden wird, sind die Möglichkeiten der Erhöhung der für die Aktien der Zielgesellschaft angebotenen Gegenleistung eine zentrale Frage. Ein Bieter kann bis einen Tag vor Ablauf der Annahmefrist die Gegenleistung erhöhen oder eine andere Gegenleistung anbieten (§ 21 I 1 Nr. 1, Nr. 2 WpÜG). Die Frist wird aber nur gewahrt, wenn die Angebotsänderung einen Tag vor Ablauf der Annahmefrist ordnungsgemäß nach § 14 III 1
89a
Lenenbach
1612
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
WpÜG veröffentlicht wird (§ 21 I 2, II WpÜG). Innerhalb der Annahmefrist des § 16 I 1 WpÜG und innerhalb der nach § 22 II 1 WpÜG verlängerten Annahmefrist kann ein Bieter seine Gegenleistung beliebig oft erhöhen (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 21 Rn. 11, 49 ff.). Erfolgt die Erhöhung der Gegenleistung innerhalb der letzten beiden Wochen vor Ablauf der Annahmefrist, verlängert sich die Annahmefrist um zwei weitere Wochen (§ 21 V WpÜG). Innerhalb dieser verlängerten Annahmefirst sind aber Änderungen des Angebots und damit Erhöhungen der Gegenleistung unzulässig (§ 21 VI WpÜG). Ändert ein Bieter sein Angebot, können Aktionäre der Zielgesellschaft, die das alte Angebot vor der Veröffentlichung der Änderung angenommen haben, vom mit der Annahme zustande gekommenen Kaufvertrag zurücktreten (§ 21 IV WpÜG). Die Rückabwicklung des Kaufvertrages richtet sich nach den §§ 346 ff. BGB. Über diesen gesetzlichen Schutz der Aktionäre bei Angebotsänderungen hinaus ändert sich der Inhalt bereits geschlossener Wertpapierkaufverträge kraft Gesetzes, indem die geänderten Angebotsbedingungen Teil der Kaufverträge werden, ohne dass es irgendwelcher Einverständniserklärungen bedarf (Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 21 Rn. 8 ff.; Assmann/Pötzsch/Schneider-Seiler, § 21 Rn. 20; a. A. Münch. Komm. AktG-Wackerbarth, § 21 WpÜG Rn. 8 ff.). Haben Aktionäre der Zielgesellschaft bei konkurrierenden Angeboten das Angebot eines Bieters angenommen, können sie von dem Kaufvertrag bis zum Ablauf der verlängerten Annahmefrist des § 22 II 1 WpÜG zurücktreten, sofern der Kaufvertrag vor der Veröffentlichung des Konkurrenzangebots zustande kam (§ 22 III WpÜG). Unter dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrages ist nach dem Zweck der Norm die Abgabe der Annahmeerklärung durch den Aktionär zu verstehen (Köln. Komm. WpÜG-Hasselbach, § 22 Rn. 31; Steinmeyer/Häger-Steinhardt, § 22 Rn. 14; a. A. Münch. Komm. AktG-Wackerbarth, § 22 WpÜG Rn. 23). Die Zielgesellschaft, und das heißt deren Vorstand, ist gegenüber sämtlichen Bietern grds. zur Gleichbehandlung verpflichtet, da nur dadurch dem in einer Übernahmesituation maßgeblichen Interesse der Aktionäre an einem möglichst guten Preis genügt wird (Liekefett, AG 2005, 802 ff. (806 ff.)). Besondere Bedeutung gewinnt dieses Gebot der Bietergleichbehandlung bei der Durchführung einer Due Diligence. Die Entscheidung, ob einem Bieter der Zugang zu internen Daten und Unterlagen der Zielgesellschaft erlaubt wird, steht zwar im freien Ermessen des Vorstandes (Assmann/Pötzsch/ Schneider-Krause, § 22 Rn. 94). Gesteht der Vorstand aber einem Bieter eine Due Diligence zu, hat er grds. allen anderen Bietern den gleichen Informationszugang zu gewähren (Liekefett, AG 2005, 802 (808 f.) auch zu den Grenzen der Gleichbehandlungspflicht; a. A. Assmann/Pötzsch/Schneider-Krause, § 22 Rn. 94 ff.). 90
F. Verhaltenspflichten des Vorstandes und Bestechungsverbot § 33 WpÜG und die im Rahmen der Umsetzung der Übernahmerichtlinie neu ins WpÜG aufgenommenen §§ 33a bis 33c regeln die Pflichten des Vorstandes der Zielgesellschaft, wenn die Übernahme der Gesellschaft droht. Praktisch werden die Normen bei feindlichen Übernahmeversuchen. Als Abwehrmaßnahmen gegen einen feindlichen Übernahmeversuch kommen präventiv in Betracht die Gründung und Börseneinführung einer KGaA, die Emission vinkulierter Namensaktien, Stimmbindungsverträge, Kapitalerhöhung durch die Ausnutzung genehmigten Kapitals und Erwerb der neuen Aktien durch einen befreundeten Aktionär, Kurssteigerungen durch Erwerb eigener Aktien sowie die Kontrolle eigener Stimmrechte durch wechselseitige Beteiligungen. Geht es um die Abwehr eines akuten Übernahmeangriffs, sind die Abwehrmöglichkeiten des Vorstandes der Zielgesellschaft beschränkt. Er kann einen „weißen Ritter“ ausfindig machen, der ein Konkurrenzangebot abgibt, oder versuchen, einen Gegenangriff zu starten und den Angreifer selbst zu übernehmen („pac man defense“). Schließlich kann die Stellungsnahme von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 27 WpÜG als Abwehrmaßnahme genutzt werden
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1613
(instruktiv zu Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmen Schanz, NZG 2007, 927 ff.). Da es sich bei den §§ 33-33c WPüG ausschließlich um aktienrechtlichen Spezialregeln von Organpflichten in einer Übernahmesituation handelt, die keinen bank- oder kapitalmarktrechtlichen Regelungsgehalt haben, wird von einer eingehenden Kommentierung abgesehen. Die Regeln werden instruktiv erläutert von: von Falkenhausen, NZG 2007, 97; Krause, AG 2002, 133; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1; zu Stillhalteklauseln Baier, FS Eisenhardt, 2007, 371 ff.
G. Aufgaben und Befugnisse der BaFin
91
Die BaFin übt die Aufsicht bei Angeboten nach dem WpÜG aus (§ 4 I 1 WpÜG). Bei dem Verfahren der BaFin handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren iSv. § 1 VwVfG, so dass das VwVfG Anwendung findet. Die BaFin hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, welche die ordnungsgemäße Durchführung des Angebotsverfahrens beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt bewirken (§ 4 I 2, 3 WpÜG). Die Generalermächtigung erlaubt ein Eingreifen nur, wenn spezielle Ermächtigungsgrundlagen fehlen (KölnerKommWpÜGGiesbert, § 4 Rn. 14). Einige spezielle Aufgaben und Maßnahmen der BaFin wurden schon erwähnt. Die Anstalt untersagt ein Angebot nach § 15 WpÜG, sie gewährt Befreiungen von Stimmrechtszurechnungen (§ 20 I, §§ 36, 37 WpÜG) und kann bestimmte Verhaltensweisen gestatten (§ 10 I 3, III 3 und § 24 WpÜG). Eine weitere wichtige Befugnis findet sich in § 28 WpÜG. Die BaFin kann nach dieser Norm Werbemethoden und Werbemaßnahmen – auch vorsorglich – untersagen, die zu Missständen in einem Angebotsverfahren führen können. Internationale Erfahrungen zeigen nämlich, dass vor allem Übernahmeversuche von intensiver Werbung begleitet werden, die einer sachlichen Auseinandersetzung abträglich sein kann (BT-Drs. 14/7034, 52).
92
Damit die BaFin die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen erhält, sind der Bieter, die Zielgesellschaft, deren aktuelle und ehemalige Aktionäre sowie Börsen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet (§ 40 WpÜG), dem Amt Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. Die BaFin kann ihre Verfügungen mit den Zwangsmitteln des BVwVG durchsetzen, wobei die Höhe des Zwangsgeldes bis zu 500.000 Euro beträgt (§ 46 WpÜG).
93
H. Sanktionen
94
I. Bußgelder. Verstöße gegen die Verpflichtungen des WpÜG stellen nach § 60 WpÜG Ordnungswidrigkeiten dar. Die BaFin als zuständige Bußgeldbehörde (§ 36 I Nr. 1 OWiG iVm. § 61 WpÜG) kann als Sanktion bei Pflichtverstößen Bußgelder bis zu 1 Million Euro verhängen (OLG Frankfurt NZG 2005, 792 (794 f.): 75.000 Euro wegen vorsätzlicher unrichtiger Angaben in Angebotsunterlage). II. Verlust der Mitgliedschaftsrechte. Wer entgegen der Verpflichtung aus § 35 I WpÜG die Kontrollerlangung oder entgegen § 35 II WpÜG ein Pflichtangebot nicht veröffentlicht, verliert sämtliche Mitgliedschaftsrechte aus den von ihm gehaltenen Aktien, solange der Verstoß andauert (§ 59 S. 1 WpÜG) (BGH NZG 2006, 505, 506 zu § 20 VII AktG (Lenenbach, WuB II A. § 20 AktG 1.06); OLG Frankfurt ZIP 2007, 864, (865 f., 868: Anfechtungsbefugnis nach § 245 AktG; AG 2008, 87 (88 f., 90; Schneider, ZIP 2006, 493 (494 f.)), wenn er die Pflichten schuldhaft verletzt (Marsch-Barner/Schäfer-Drinkuth, § 60 Rn. 54). Das Nachholen der nach § 35 WpÜG gebotenen Veröffentlichungen lässt den Rechtsverlust nur entfallen, wenn sich die Veröffentlichungen auf den Vorgang beziehen, der zum Rechtsverlust nach § 59 S. 1 WpÜG geführt hat. Existieren mehrere ver-
Lenenbach
95
1614
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
öffentlichungspflichtige Kontrollerlangungstatbestände, muss für jeden den Pflichten aus § 35 WpÜG genügt werden (OLG Franfurt AG 2008, 87, 87 f.)). Der Rechtsverlust betrifft auch Aktien, die dem zu einem Pflichtangebot Verpflichteten zugerechnet werden (Schneider, ZIP 2006, 493 (497 f.)). Wurde nicht vorsätzlich gegen die Verpflichtungen aus § 35 WpÜG verstoßen und werden die Veröffentlichungen nachgeholt, bleiben gem. § 59 S. 2 WpÜG der Dividendenanspruch und der Anspruch auf den Liquidationserlös bestehen (Schneider, ZIP 2006, 493 (499 f.)). 96
III. Zinsanspruch. Für die Dauer eines schuldhaften Verstoßes gegen die Pflichten aus § 35 I, II WpÜG und während des Zeitraumes einer Untersagung eines Angebots gem. § 15 I Nr. 1, Nr. 2, III WpÜG haben die Aktionäre der Zielgesellschaft gegen den Bieter einen Anspruch auf Zinsen auf die Gegenleistung in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 38 WpÜG). Der Anspruch steht aber nicht jedem Aktionär der Zielgesellschaft zu (so aber Ehricke/Ekkenga/Oechsler-Ekkenga, § 38 Rn. 9; Ihrig, ZHR (2003), 315 (347 f.), sondern denjenigen, die das Pflichtangebot angenommen haben (Assmann/ Pötzsch/Schneider-Pötzsch, § 38 Rn. 7; Simon, NZG 2005, 541 (544); sympathisierend BGH NZG 2006, 945 (945 f.)).
97
J. Rechtsschutz I. Beschwerde gegen Verfügungen. Das Ziel des WpÜG, das Angebotsverfahren schnell durchzuführen, wird durch besondere verfahrensrechtliche Vorschriften für den Rechtsschutz unterstützt. Gegen Verfügungen und gegen Unterlassungen einer beantragten Verfügung der BaFin steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Beschwerde zur Verfügung (§ 48 WpÜG). Vor Einlegung der Beschwerde ist ein Widerspruchsverfahren vor dem Widerspruchsausschuss der BaFin durchzuführen, das an das Widerspruchsverfahren der VwGO angelehnt ist (§ 41 WpÜG). Der Beschleunigung der Beschwerdeverfahren dienen kurze Fristen (§ 41 II, § 51 WpÜG), der Anwaltszwang (§ 53 WpÜG) und vor allem die Konzentration sämtlicher Beschwerden beim OLG Frankfurt (§ 48 IV WpÜG). Auch gibt es gegen die Beschwerdeentscheidung kein weiteres Rechtsmittel zum BGH, das heißt, eine Verfügung der BaFin wird nur von einer gerichtlichen Instanz überprüft. Das OLG Frankfurt ist auch in Bußgeldsachen ausschließlich zuständig (§ 62 I WpÜG). In Bußgeldsachen kann Rechtsbeschwerde zum BGH erhoben werden (§ 63 WpÜG).
98
II. Zivilrechtliche Klagen. Rechtsstreitigkeiten nach dem WpÜG können sich aber nicht nur gegen Verfügungen der BaFin richten. Denkbar ist auch, dass die Zielgesellschaft oder ihre Aktionäre gegen den Bieter, die Aktionäre gegen die Zielgesellschaft oder die Zielgesellschaft gegen ihre Organe Zivilklagen erheben. Anspruchsgrundlage sind insbesondere § 1004 und § 823 Abs. 2 BGB. Voraussetzung für privatrechtliche Ansprüche ist stets, dass es sich bei der verletzten Norm des WpÜG, auf die ein Anspruch gestützt wird, um ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB handelt. Die Schutznormqualität muss für jede Vorschrift sorgfältig geprüft werden, da kapitalmarktrechtliche Normen meist ausschließlich im öffentlichen Interesse bestehen. Für privatrechtliche Streitigkeiten, die aus dem WpÜG erwachsen und für Rechtsstreite, bei denen das WpÜG eine Vorfrage darstellt, ist gem. § 66 I WpÜG unabhängig vom Streitwert ausschließlich das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk die Zielgesellschaft ihren Sitz hat.
99
III. Drittschutz. Es ist umstritten, in welchem Umfang die Zielgesellschaft und deren Aktionäre gegen Verfügungen der BaFin vorgehen beziehungsweise ein Einschreiten der Behörde erzwingen können (instruktiv Berding, Der Konzern 2004, 771; Cahn, ZHR 167 (2003), 262; Ihrig, ZHR 167 (2003), 315). Die Frage ist für die Praxis durch eine Reihe von Entscheidungen des OLG Frankfurt als geklärt anzusehen (NZG 2003, 729; ZIP 2003, 1251; NZG 2003, 1120; NZG 2004, 240; NZG 2004, 243), zumal das Bundesver-
Lenenbach
§ 53 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
1615
fassungsgericht die Rechtsauffassung des OLG bestätigt hat (BVerfG NZG 2004, 617). Ein Aktionär der Zielgesellschaft hat ebensowenig wie die Zielgesellschaft ein Recht auf Beteiligung am Verfahren, da durch die Entscheidungen der BaFin nicht in deren rechtlich geschützte Interessen eingegriffen wird (OLG Frankfurt NZG 2003, 729; ZIP 2003, 1251; NZG 2003, 1120). Die Normen des WpÜG schützen nicht die Interessen der Zielgesellschaft und ihrer Aktionäre. Das OLG Frankfurt (NZG 2004, 243) sieht auch ein Recht des Aktionärs der Zielgesellschaft auf Hinzuziehung zum Verfahren vor der BaFin und auf Aktieneinsicht als nicht gegeben an. Das BVerfG (NZG 2004, 617) hat eine beschränkte Korrektur dieser Rechtsprechung des OLG Frankfurt in den Raum gestellt. Wenn die in der Angebotsunterlage genannte Gegenleistung offensichtlich gegen Normen des WpÜG verstößt, kann es nach Ansicht des BVerfG aus Art. 14 I i.V.m. Art. 3 I, Art. 19 IV GG geboten sein, dem Aktionär eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Gestattung der Veröffentlichung der Angebotsunterlage zu eröffnen.
K. Übernahmerechtlicher Squeeze Out und Sell Out Hat der Bieter nach einem Übernahme- oder Pflichtangebot Aktien in Höhe von 95% des stimmberechtigten Grundkapitals inne (zur Berechnung Ott, WM 2008, 384 (386 f.) sind dem Bieter auf seinen Antrag durch das Landgericht Frankfurt (§ 39a V WpÜG) die übrigen stimmberechtigten Aktien zu übertragen (§ 39a I 1 WpÜG). Es ist gleichgültig, ob Teile der 95% Aktienmehrheit lange vor und außerhalb des Angebotsverfahren erworben wurden (Paefgen, WM 2007, 765 (766); a. A.: BT-Drs. 16/1003, 21; Seibt/Heiser, AG 2006, 301 (318): enger zeitlicher Zusammenhang der Erwerbsvorgänge). Der Bieter hat den ausgeschlossen Aktionären eine Abfindung zu gewähren, deren Art der Gegenleistung des Übernahme- oder Pflichtangebots zu entsprechen hat (§ 39a I 1, III 1 WpÜG). Hat der Bieter aufgrund des Übernahme- oder Pflichtangebots 90% des Grundkapitals erworben, wird die Gegenleistung des Angebotsverfahrens unwiderlegbar als angemessen vermutet (§ 39a III 3 WpÜG). Greift die Angemessenheitsvermutung nicht ein, bestimmt sich die Höhe der Abfindung nach der Maßstäben für eine angemessene Gegenleistung (§ 31 WpÜG iVm. §§ 3 ff. AngebotsVO: Steinmeyer/Häger-Santelmann, § 39a Rn. 33 f.; a. A. Paefgen, WM 2007, 765 (770) und Ott, WM 2008, 384 (390 f.): stets Unternehmensbewertung). Der aktienrechtliche Squeeze Out (§§ 327a ff. AktG) und der übernahmerechtliche stellen zwei verschiedene Modelle dar, zwischen denen der Bieter frei wählen kann (Meyer, WM 2006, 1135 (1143); Ott, WM 2008, 384 (385)). Liegen die Voraussetzungen für einen Squeeze Out nach § 39a WpÜG vor, steht den Aktionären, die das Übernahme- oder Pflichtangebot noch nicht angenommen haben, innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist das Recht zu, das Angebot anzunehmen (§ 39c S. 1 WpÜG). Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Bieter nach § 23 I Nr. 4 WpÜG bekanntgemacht hat, dass er 95% der Aktien hält (§ 39c S. 2 WpÜG).
Lenenbach
100
101
“This page left intentionally blank.”
§ 54 Finanztermingeschäfte
1617
§ 54 Finanztermingeschäfte
Schrifttum Assmann, Irrungen und Wirrungen im Recht der Termingeschäfte, ZIP 2001, 2061; Balzer, Die Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZIP 2007, 333; Berger, Schiedsgerichtsbarkeit und Finanztermingeschäfte – Der „Schutz“ der Anleger vor der Schiedsgerichtsbarkeit, ZBB 2003, 77; Brandner, Sinn und Unsinn der Termingeschäftsfähigkeit von Privatanlegern nach § 53 Abs. 2 BörsG, FS Schimansky, 1999, S. 581; Brandt, Kreditderivate – Zentrale Aspekte innovativer Kapitalmarktprodukte, BKR 2002, 243; Bulling, Finanztermingeschäfte gem. §§ 37d ff. WpHG, 2006; Canaris, Die Verbindlichkeit von Optionsscheingeschäften, WM 1988, SB 10; Casper, Das neue Recht der Termingeschäfte, WM 2003, 161; ders., Der Optionsvertrag, 2005; Clouth, Rechtsfragen der außerbörslichen Finanz-Derivate, 2001; ders./Jung, MiFiD Praktiker Handbuch, 2007; Dötsch/Kellner, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute beim Vertrieb von Aktienanleihen, WM 2001, 1994; Dornseifer, Börsentermingeschäfte und Börsentermingeschäftsfähigkeit, 1999; Drygala, Termingeschäftsfähigkeit und Aufklärungspflicht beim Handel mit Optionsscheinen, ZHR 159 (1995), 656; Fleckner, Die Lücke im Recht des Devisenhandels, WM 2003, 168; ders., Finanztermingeschäfte in Devisen, ZBB 2005, 96; Franken, Das Recht des Terminhandels, 1997; Glaser/Schmitz, Privatanleger am Optionsscheinmarkt, ZBB 2007, 214; Hartung, Das Wertpapieroptionsgeschäft in der Bundesrepublik Deutschland, 1989; Häuser, Außerbörsliche Optionsgeschäfte (OTC-Optionen) aus der Sicht des novellierten Börsengesetzes, ZBB 1992, 249; Henssler, Anlegerschutz durch Information, ZHR 153 (1989), 611; Horn, Börsentermingeschäfte nach neuem Recht, ZIP 1990, 2; ders./Balzer, Anlegerschutz durch Information bei Finanztermingeschäften nach neuem Recht, FS Kümpel, 2003, S. 275; Hull, Optionen, Futures und andere Derivate, 6. Aufl. 2006; Jaskulla, Die Einführung derivativer Finanzinstrumente an den deutschen Wertpapierbörsen als Regelungsproblem, 1995; Jordans, Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz, 2007; ders., Zur Europarechtswidrigkeit von § 37h WpHG, EuZW 2007, 655; ders., Die Umsetzung der MiFID in Deutschland und die Abschaffung des § 37d WpHG, WM 2007, 1827; Joussen, Der Erwerb von selbständigen Optionsscheinen als Börsentermingeschäft, BB 1997, 2117; Kilgus, Anleihen mit Tilgungswahlrecht des Emittenten (Reverse Convertibles), WM 2001, 1324; Kind, Börsen- und Finanztermingeschäfte, 2004; Kleinschmitt, Das Informationsmodell bei Börsentermingeschäften, 1992; Koller, Die Klagbarkeit von Prämienforderungen aus Aktienoptionen, WM 1985, 593; Kümpel, Zur Abgrenzung des Börsentermingeschäfts vom Zeitgeschäft am Beispiel der Effektenkommission für Auslandsbörsen, WM 1982, SB 6; Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, 2003; Lenenbach, Aktienanleihen – Ihre Behandlung im Zivil- und Börsenterminrecht und nach dem AGBG, NZG 2001, 481; Melzer, Zum Begriff des Finanztermingeschäfts, BKR 2003, 366; Menninger, Börsen- und zivilrechtlicher Charakter von Financial Futures, WM 1994, 970; Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten, WM 2007, 1149; ders./Böhmer, Ereignisbezogene Finanzprodukte, WM 2006, 937 (I), 985 (II); J. Müller, Aktienanleihe: Einordnung als Termingeschäft und Erfordernis schriftlicher Aufklärung?, ZBB 2001, 363; Müller-Deku, Daytrading zwischen Termin- und Differenzeinwand, WM 2000, 1029; Paus, Börsentermingeschäfte, 1995; Pohl, Innovative Finanzinstrumente im gemeinsamen Europäischen Bankenmarkt, 1994; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002; Rollinger, Aufklärungspflichten bei Börsentermingeschäften, 1990; Rosset, Der Begriff des Börsentermingeschäfts – Zugleich ein Beitrag für die Abschaffung von Terminund Differenzeinwand, WM 1999, 574; Samtleben, Börsentermingeschäfte, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 469; ders., Das Börsentermingeschäft ist tot – es lebe das Finanztermingeschäft?, ZBB 2003, 69; Schäfer/Lang, Zur Reform des Rechts der Börsentermingeschäfte, BKR 2002, 197; Seyfried, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) – Neuordnung der Wohlverhaltensregeln, WM 2006, 1375; Steuer, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung – Eine unendliche Geschichte, FS Schimansky, 1999, S. 793; Teuber, Finanzmarkt-Richtlinie – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung im Umbruch, BKR 2006, 429; Tilp, Die Unverbindlichkeit von Geschäften in Optionsscheinen und Bezugsrechten, DB 1989, 2365; Veil, Anlageberatung im Zeitalter der MiFID – Inhalt und Konzeption der Pflichten und Grundlagen einer zivilrechtlichen Haftung –, WM 2007, 1821; ders., Vermögensverwaltung und Anlageberatung im neuen Wertpapierhandelsrecht – eine behutsame Reform der Wohlverhaltensregeln?, ZBB 2008, 34; Wach, Der Terminhandel in Recht und Praxis, 1986; Weichert/Wenninger, Die Neuregelung der Erkundigungs- und Aufklärungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. Art. 19 RiL 2004/39/EG (MiFID) und Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, WM 2007, 627; Zimmer, Schadensersatz im Termingeschäftsrecht – eine anreizökonomische Fehlkonstruktion?, JZ 2003, 22.
Müller
1618
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte Inhaltsübersicht
A. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 2 I. Das Börsengesetz 1896 . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Börsengesetznovelle 1908. . . . . . . . . . . . . . 3 III. Börsengesetznovelle 1989. . . . . . . . . . . . . . 4 IV. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 V. Das FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz 2007 . . . . . . . . . . . . . . . 6 C. Grundformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Börsliche und außerbörsliche Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Optionsgeschäfte und Festgeschäfte . . . . . . 8 III. Differenzierung nach unterschiedlichen Basiswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 D. Begriff des Finanztermingeschäfts . . . . . . . . . . 12 I. Gesetzliche Definition. . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Das Finanztermingeschäft als Typus? . . . . 16 1. Bisheriger Meinungsstand . . . . . . . . . . 16 2. Bedenken gegen eine typologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Die neue Rechtslage. . . . . . . . . . . . . . . 19 E. Rechtliche Einordnung einzelner Geschäftsarten und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . 22 I. Futures. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Forwards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Devisentermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 24 IV. Short Sales. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 V. Aktienanleihen und andere Finanzinnovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
VI. Unverbriefte börsliche Optionen. . . . . . . . VII. Optionsscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Bezugsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Daytrading. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bisherige Rechtslage. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informationsverpflichtete Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informationsberechtigte. . . . . . . . . . . . 4. Pflichtenprogramm . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schadensersatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Überwachung der Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtspolitische Kritik . . . . . . . . . . . . . . . III. Neue Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verzicht auf Sonderregeln . . . . . . . . . . 2. Aufklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beratung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Angemessenheitsprüfung. . . . . . . . . . . G. Ausschluss des Spieleinwands nach § 762 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Verbotene Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verordnungsermächtigung . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 35 38 41 42 42 42 43 45 46 53 58 59 60 61 61 62 72 74 76 78 78 79 80 82
Stichwortverzeichnis Aktienanleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 f. Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 f. Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 60, 62 ff. Basiswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 ff. Basket-Zertifikat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Beratungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 f. Bezugsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 ff., 38 ff. Börsenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 Börsentermingeschäft . . . . . . . . . . . .2 ff., 8, 25, 27 ff. Börsentermingeschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 3 f. Call-Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Credit Default Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Credit Linked Note . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Daytrading. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Derivat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 19, 64 Devisenfuturegeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Devisentermingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . .11, 24 f. Differenzeinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Differenzgeschäfte, finanzielle . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Discount-Zertifikat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Ereignisbezogene Finanzprodukte . . . . . . . . . . . . . 37 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6, 12 ff., 42, 61 ff. Festgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ff., 19 Forwards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Futures. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Glattstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Hebelwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 18 ff., 63 Hedge-Fonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Hedging. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Hoffnungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Immobilienderivate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Index-Zertifikat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 f., 42 ff. Kassageschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29 f., 41 Kassa-Leerverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 32 Leerverkauf: s. Kassa-Leerverkauf Leverage-Effekt: s. Hebelwirkung Marco Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Margin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 67 Nicht-komplexe Finanzprodukte . . . . . . . . . . . . . . 75 Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ff., 33 ff. Optionsanleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Optionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 19, 65 Optionsschein (warrant) . . . . . . . . . 12 f., 35 ff., 65 ff. – abgetrennter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 f. – selbstständiger (naked warrant) . . . . . . . . . . . . .35 f. OTC-Geschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 25 Put. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Rechnungseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Reverse Convertible: s. Aktienanleihe Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 53 ff. Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 f. Schuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 32 Short Sales: s. Kassa-Leerverkauf Spieleinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5, 20, 37, 76 f. Strukturierte Produkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Termingeschäft – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 19 – Strukturmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 ff. Turbo-Zertifikat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
Typologische Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . 16 ff., 20 Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff. Warentermingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 14
1619
Wertpapiertermingeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 14 Wetterderivate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
A. Bedeutung
1
Termingeschäfte haben seit dem 19. Jahrhundert eine stetig anwachsende wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Sie dienten ursprünglich der Sicherung gegen Risiken durch schwankende Preise und Wechselkurse („Hedging“). Termingeschäfte eignen sich aber auch in besonderer Weise zur Spekulation.
B. Geschichtliche Entwicklung
2
I. Das Börsengesetz 1896. Bereits mit dem Börsengesetz von 1896 reagierte der Gesetzgeber auf die Gefahren für die Anleger durch spekulative Börsentermingeschäfte. Er machte ihre Wirksamkeit abhängig von der vorherigen (gebührenpflichtigen) Eintragung der Beteiligten in das Börsenregister. Nach § 48 BörsG galten Börsentermingeschäfte als Kauf- oder sonstige Anschaffungsgeschäfte über Waren oder Wertpapiere auf eine fest bestimmte Lieferungszeit oder mit einer fest bestimmten Lieferungsfrist, wenn sie an einer Börse nach den von dem Börsenvorstand festgesetzten Geschäftsbedingungen geschlossen wurden. Diese gesetzliche Begriffsbestimmung erwies sich jedoch schon bald als äußerst anfällig für Umgehungsversuche. Um dem entgegenzuwirken, erstreckte das Reichsgericht den Anwendungsbereich der Sonderregeln des Börsengesetzes auch auf von der Legaldefinition abweichende Gestaltungsformen (RGZ 44, 103 (113 ff.); 47, 104 (110); 52, 178 (180)). II. Börsengesetznovelle 1908. Mit der Reform 1908 verzichtete der Gesetzgeber auf eine Legaldefinition des Börsentermingeschäfts. Angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen solcher Geschäfte sollte der Rechtsprechung die rechtliche Einordnung überlassen bleiben (Reichstag-Verh. 1907/1908, Nr. 483, S. 2597 (2606)). Voraussetzung für die Wirksamkeit von Börsentermingeschäften war nicht mehr die Eintragung in das Börsenregister. Für börsentermingeschäftsfähig wurden Kaufleute und gewisse gleichgestellte Personen erklärt (§ 53 BörsG). Privatleute waren vom Börsenterminhandel weitgehend ausgeschlossen. Sie konnten sich nur bis zur Höhe von ihnen zuvor geleisteter Sicherheiten, die bestimmten Formerfordernissen genügen mussten, verbindlich verpflichten (§ 54 BörsG – partielle Termingeschäftsfähigkeit). Neu eingeführt wurde auch die Regelung, dass dasjenige, was aufgrund eines wegen fehlender Börsentermingeschäftsfähigkeit unverbindlichen Vertrags geleistet wurde, nicht zurückgefordert werden konnte (§ 55 BörsG). § 57 BörsG sah vor, dass Termingeschäfte bei einvernehmlicher effektiver Durchführung als von Anfang an ihrem ganzen Umfang nach wirksam zu behandeln waren. III. Börsengesetznovelle 1989. Die Börsengesetznovelle 1989 eröffnete Privatanlegern wieder uneingeschränkt den Zugang zu Börsentermingeschäften. Ziel des Gesetzgebers war es, den Kreis der Anleger zu erweitern, um so die Rahmenbedingungen für die Einführung eines deutschen Terminmarkts (DTB) zu verbessern und den Finanzstandort Deutschland insgesamt zu stärken (Begr. RegE, BT-Drucks. 11/4177, S. 9). Der notwendige Anlegerschutz sollte künftig durch Information hergestellt werden. Gemäß § 53 II BörsG konnte eine Privatperson ein Termingeschäft nunmehr verbindlich abschließen, wenn sie mit einem der gesetzlichen Börsenaufsicht unterliegenden Kaufmann oder einer gleichgestellten Person kontrahierte und sie zuvor in einer standardisierten Informationsschrift über bestimmte typische Risiken solcher Geschäfte unterrichtet wurde. Im Gegenzug wurde die partielle Termingeschäftsfähigkeit kraft geleisteter Sicherheit ersatzlos abgeschafft.
Müller
3
4
1620
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
5
IV. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz 2002. Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.06.2002 erfuhr das Recht der Termingeschäfte erneut eine grundlegende Umgestaltung. Es wurde aus dem Börsengesetz herausgenommen und in das Wertpapierhandelsgesetz integriert. Zugleich wurde der Begriff des Börsentermingeschäfts durch den des Finanztermingeschäfts ersetzt. Das ist rechtssystematisch folgerichtig, da nicht nur börsliche, sondern auch außerbörsliche Geschäfte erfasst sein sollen (so schon § 50 I 1 BörsG a.F.), für die der Anwendungsbereich des WpHG nach dessen § 1 eröffnet ist. In § 2 IIa WpHG fand sich erstmals nach 1908 wieder eine (allerdings unzulängliche) gesetzliche Definition. Aufgegeben wurde die Konzeption einer Termingeschäftsfähigkeit kraft Information mit der Folge der Unverbindlichkeit abgeschlossener Geschäfte bei unzureichender Information. Sie stellte einen Fremdkörper im deutschen Recht da, blieb auch international isoliert und sah sich deshalb zunehmender rechtspolitischer Kritik ausgesetzt (dazu Brandner, FS Schimansky, 1999, S. 581 ff.; Kleinschmitt, S. 136 ff.; Rollinger, S. 127 f.; Rosset, WM 1999, 574 (582 ff.); Schäfer/Lang, BKR 2002, 197 (201 f.); Steuer, FS Schimansky, 1999, S. 793 (818 ff.)). Die formalisierten Informationspflichten wurden allerdings beibehalten, doch als Rechtsfolge im Falle ihrer Verletzung trat ein Schadensersatzanspruch des Anlegers an die Stelle der bisherigen Unverbindlichkeitssanktion (§ 37d WpHG). Der Spieleinwand des § 762 BGB wurde durch § 37e WpHG für Ansprüche aus Finanztermingeschäften ausgeschlossen, der Differenzeinwand des § 764 BGB ganz abgeschafft.
6
V. Das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz 2007. Den vorläufigen Abschluss der Entwicklung bildet das zum 01.11.2007 in Kraft getretene Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG). Es erweiterte den Kreis der Finanztermingeschäfte erheblich und verlagerte die Legaldefinition in § 37e S. 2 WpHG (dazu ausf. unten Rn. 12 ff.). Die besonderen Informationspflichten des § 37d WpHG wurden abgeschafft, da die durch das Gesetz verschärften allgemeinen Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG hinreichend bestimmt seien. Die Aufhebung der Vorschrift diene dem Bürokratieabbau und der Flexibilisierung im Bereich der Anlageberatung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Begr. RegE, BT-Drucks. 16/4028, S. 78). Aus dem Sonderregime des WpHG zu den Finanztermingeschäften ist damit ein ganz wesentliches Element herausgetrennt worden.
7
C. Grundformen I. Börsliche und außerbörsliche Finanztermingeschäfte. Finanztermingeschäfte können sowohl innerhalb als auch außerhalb einer organisierten Börse abgeschlossen werden. Im letztgenannten Fall spricht man von OTC-Geschäften (Over the Counter-Geschäften, dazu ausf. § 55). Börsliche Finanztermingeschäfte sind durch standardisierte Vertragsinhalte gekennzeichnet, die sie fungibel machen und damit ihre Handelbarkeit ermöglichen. OTC-Geschäfte können dagegen individuell ausgestaltet werden.
8
II. Optionsgeschäfte und Festgeschäfte. Finanztermingeschäfte lassen sich in bedingte Börsentermingeschäfte (Optionsgeschäfte) und Festgeschäfte unterteilen. Optionsgeschäfte verpflichten nur einen der Beteiligten. Der Käufer der Option erwirbt das Recht innerhalb eines bestimmten Zeitraums (amerikanische Option) oder zu einem bestimmten Zeitpunkt (europäische Option) eine Leistung zu einem vorab vereinbarten Preis zu verlangen. Dafür zahlt der Käufer dem Verkäufer (Stillhalter) eine Optionsprämie. Da er sein Optionsrecht nicht ausüben muss, beschränkt sich sein Verlustrisiko auf den eingesetzten Optionspreis. Der Verkäufer trägt hingegen das Risiko, dass sich der Kurs gemäß den Erwartungen des Käufers entwickelt. So wird der Käufer einer Kaufoption (Call-Option) sein Recht nur wahrnehmen, wenn bei Fälligkeit am Markt ein höherer Preis als der vereinbarte Ausübungskurs zu erzielen ist. Dagegen wird der aus einer Verkaufsoption (Put-
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1621
Option) Berechtigte von dieser nur dann Gebrauch machen, wenn der aktuelle Kurs niedriger ist als der Ausübungskurs (Kümpel, Rn. 14.145 ff.; Schwark-Zimmer, vor § 37d WpHG Rn. 19). Bei Festgeschäften entsteht dagegen für beide Seiten sofort eine Verbindlichkeit, der Erfüllungszeitpunkt wird allerdings hinausgeschoben. Beide Seiten müssen die geschuldeten Leistungen bei Fälligkeit zu den vereinbarten Bedingungen erfüllen. Chancen und Risiken sind hier gleichmäßig zwischen beiden Parteien verteilt. Daher werden auch keine Prämien gezahlt, sondern es sind allenfalls Sicherheiten für die künftig zu erbringenden Leistungen zu stellen. Alle Finanztermingeschäfte lassen sich letztlich auf ein Festgeschäft oder eine Option mit entsprechender Stillhalterverpflichtung zurückführen oder stellen eine Kombination beider Elemente dar. III. Differenzierung nach unterschiedlichen Basiswerten. Ferner wird nach der Art der Basiswerte, auf die sich das Geschäft bezieht, differenziert. Die wichtigsten Gruppen sind Warentermingeschäfte, Wertpapiertermingeschäfte und Devisentermingeschäfte. D. Begriff des Finanztermingeschäfts I. Gesetzliche Definition. § 37e S. 2 WpHG definiert Finanztermingeschäfte als Derivate im Sinne des § 2 II WpHG und Optionsscheine. Damit hat der Gesetzgeber die Begriffsbestimmung des § 2 IIa WpHG a.F. dem Wortlaut nach übernommen, inhaltlich jedoch durch den neuen Derivatebegriff des § 2 II WpHG erheblich erweitert (Begr. RegE FRUG, BT-Drucks 16/4028, S. 56, 78). Bisher kamen als Basiswerte lediglich Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Zinssätze und andere Erträge, Waren, Edelmetalle und Devisen in Betracht. Darüber geht § 2 II WpHG n.F. beträchtlich hinaus und setzt damit Anhang I Abschnitt C Nr. 4 bis 10 der Finanzmarktrichtlinie (RL 2004/39/EG) um. Die gesonderte Erwähnung der Optionsscheine dient nur der Klarstellung, da früher umstritten war, ob es sich bei ihnen um Börsentermingeschäfte handelte. Sie lassen sich ohne weiteres unter den Derivatebegriff des WpHG fassen (Casper, WM 2003, 161 (164); Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 106 Rn. 14; Assmann/Schneider-Assmann, § 2 WpHG Rn. 40a f.). § 2 II Nr. 1 WpHG (gleichlautend § 1 XI 4 KWG) enthält nunmehr eine Legaldefinition des zentralen Begriffs des Termingeschäfts. Erfasst sind danach als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Fest- oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts ableitet. Die entscheidenden Merkmale sind also das Zeitmoment und die Abhängigkeit von einer Referenzgröße, die ihrerseits Schwankungen unterliegt. Beim herkömmlichen Festgeschäft wird die Erfüllung der beiderseitigen Pflichten auf einen bestimmten späteren Zeitpunkt (mindestens zwei Werktage, BGHZ 75, 120 (124); 149, 294 (299); 160, 50 (54)) hinausgeschoben. Bei Optionsgeschäften ist die Erfüllung der Verpflichtung des Stillhalters auf den Zeitpunkt der Optionsausübung prolongiert (s.u. Rn. 36). Als in Betracht kommende Basiswerte werden zunächst in § 2 II Nr. 1 lit. a-e WpHG aufgeführt: – Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente, – Devisen oder Rechnungseinheiten, – Zinssätze oder andere Erträge, – Indices der vorstehend genannten Basiswerte, andere Finanzindices oder Finanzmessgrößen, – Derivate. § 2 II Nr. 2 WpHG ergänzt die in Frage kommenden Basiswerte. Genannt werden neben Warentermingeschäften Terminkontrakte mit Bezug auf Frachtsätze, Emissionsberechti-
Müller
9
10
11
12
13
14
1622
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
gungen, Klima- oder andere physikalische Variablen (Wetterderivate), Inflationsraten oder sonstige volkswirtschaftliche Variablen, sonstige Vermögenswerte, Indices und Messwerte. Allerdings muss der Vertrag zusätzlich eines der in lit. a-c (Barausgleich, organisierter Markt, nicht kommerzielle Zwecke) genannten Merkmale erfüllen. 15
§ 2 II Nr. 3 WpHG betrifft finanzielle Differenzgeschäfte, die ohne Rücksicht auf den Referenzwert erfasst werden. Ein hinausgeschobener Erfüllungszeitpunkt muss aber auch hier gegeben sein. Nach § 2 II Nr. 4 WpHG einbezogen werden ferner Termingeschäfte, die dem Transfer von Kreditrisiken dienen (Kreditderivate). Schließlich erweitert § 2 II Nr. 5 WpHG den Kreis der Finanzinstrumente auf Termingeschäfte, die sich auf die in Art. 39 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 aufgelisteten Referenzwerte beziehen, wenn diese Instrumente die Bedingungen der § 2 II Nr. 2 lit. a, b oder c WpHG erfüllen.
16
II. Das Finanztermingeschäft als Typus? 1. Bisheriger Meinungsstand. Neben der Ausweitung des Katalogs der in Frage kommenden Basiswerte ist der schon erwähnte Umstand bemerkenswert, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 2 II Nr. 1 WpHG eine Legaldefinition des Begriffs des Termingeschäfts vorgenommen hat. Denn bei Verabschiedung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetz 2002 verzichtete er noch ganz bewusst darauf. Er begründete dies damit, dass die bisherigen Versuche einer genauen Definition, die allen Erscheinungsformen gerecht werde, gescheitert seien. Dies spreche dafür, das Termingeschäft als Typus aufzufassen, das durch bestimmte Merkmale geprägt werde, die aber nicht in jedem Fall zwingend vorliegen müssten (Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/ 8017, S. 85). Damit folgte die Gesetzesbegründung einer in der Literatur verbreiteten Auffassung (Dötsch/Kellner, WM 2001, 1994 (1995 ff.); Jaskulla, S. 115 ff; Koller, WM 1985, 593 f; Paus, S. 86 ff; Wach, Rn. 634 f.; anders etwa Assmann, ZIP 2001, 2061 (2064 ff.)), der sich auch der BGH angenähert hatte (BGHZ 150, 164 (169); zum Ganzen ausführlich Casper, S. 307 ff. m.w.N.). Als Typenmerkmale sollten nach den Materialien insbesondere in Betracht kommen:
17
18
– die Möglichkeit, mit verhältnismäßig geringem Kapitaleinsatz überproportional an auftretenden Preisveränderungen zu partizipieren (Hebelwirkung), – das gesteigerte Risiko eines Totalverlusts des eingesetzten Kapitals, – die Gefahr, über das ursprünglich beabsichtigte Ausmaß hinaus zusätzliche Mittel zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeit aufbringen zu müssen. Die ganz überwiegende Auffassung im Schrifttum ging dahin, dass ein Finanztermingeschäft über die als zwingend angesehenen Merkmale des hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkts und der Abhängigkeit von einem Börsen- oder Marktpreis hinaus eine nach den in der Gesetzesbegründung genannten Kriterien zu bestimmende spezifische Gefahrenlage für den Anleger erfordere (vgl. mit Unterschieden im Einzelnen Zingel, Vorauflage, § 47 I Rn. 15 ff.; Bulling, S. 44 ff.; Casper, WM 2003, 161 (163 f.); Kümpel/Veil, S. 240 ff.; Mülbert/Böhmer, WM 2006, 937 (940); Samtleben, ZBB 2003, 69 (71); Assmann/ Schütze-Schäfer, § 19 Rn. 24; Assmann/Schneider-Assmann, § 2 WpHG Rn. 40d; KKRoth, § 2 WpHG Rn. 66 ff.; Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 14 ff.). Während es auf der einen Seite einer teleologischen Reduktion des Verweises auf § 2 II WpHG a.F. bedürfe, sei der dort verwendete Derivatbegriff andererseits aber nicht weit genug, um alle möglichen Termingeschäfte mit derivativem Charakter einzubeziehen (Samtleben, ZBB 2003, 69 (71); Assmann/Schneider-Assmann, § 2 WpHG Rn. 40d). 2. Bedenken gegen eine typologische Betrachtung. Die Typenlehre sieht sich einer Reihe von Einwänden ausgesetzt (vgl. insbes. Melzer, BKR 2003, 366 (368 ff.)). Bedenklich ist vor allem die mit ihr einhergehende Rechtsunsicherheit. So wird schon nicht einhellig beantwortet, welche Typenmerkmale unbedingt vorliegen müssen, um eine Einord-
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1623
nung als Termingeschäft zu rechtfertigen, und wie die verschiedenen Kriterien zu gewichten sind. Aber die genannten Merkmale weisen auch für sich betrachtet erhebliche Unsicherheiten auf. Unklar ist etwa, wie hoch die Relation der prozentualen Wertänderung eines Finanzprodukts zur prozentualen Wertänderung des zugrundeliegenden Referenzwerts sein muss, um von einer schädlichen Hebelwirkung sprechen zu können, zumal sich die zur Ermittlung des Leverage-Effekts heranzuziehenden Parameter stetig ändern. Auch die Kriterien des „gesteigerten“ Risikos eines Totalverlust und der Gefahr planwidriger zusätzlicher Leistungspflichten sind in der Praxis nicht leicht zu handhaben. Eine an typologischen Kriterien ausgerichtete Betrachtung sieht sich zudem gezwungen, den Begriff des Derivats in § 2 II WpHG, bei dem nach ganz überwiegender Auffassung eine besondere Gefährdung des Anlegers nicht zu fordern ist, anders auszulegen als in § 2 IIa WpHG a.F. bzw. § 37e S. 2 WpHG n.F. (vgl. Bulling, S. 57; Casper, WM 2003, 161 (164); Assmann/Schneider-Assmann, § 2 WpHG Rn. 40d; anders Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 15). 3. Die neue Rechtslage. Mit dem Inkrafttreten des FRUG ist einer typologischen Gesamtbetrachtung der Boden entzogen, da der Gesetzgeber den Begriff des Termingeschäfts nunmehr selbst in § 2 II Nr. 1 WpHG definiert hat. Notwendige, aber auch hinreichende Voraussetzungen sind demnach, dass es sich um ein Fest- oder Optionsgeschäft handelt, es zeitlich verzögert zu erfüllen ist und der Wert sich von einem Basiswert ableitet. Liegen die zusätzlichen in § 2 II Nr. 1 lit. a-e und Nr. 2-5 WpHG genannten Kautelen vor, so qualifiziert dies das Geschäft als Derivat und damit gleichzeitig als Finanztermingeschäft i.S. des § 37e S. 2 WpHG. Die Risiken der Hebelwirkung, des Totalverlusts des angelegten Kapitals sowie die Gefahr, planwidrig zusätzliche Mittel einsetzen zu müssen, werden mit den dort aufgeführten Geschäften zumeist verbunden sein. Für ihre rechtliche Einordnung kommt es darauf jedoch nicht an.
19
Aufgrund der erheblichen Ausdehnung des Derivatbegriffs ist die gesetzliche Definition gewiss flexibel genug, um den permanenten Innovationen auf den Finanzmärkten angemessen Rechnung zu tragen. Es besteht aber umgekehrt auch kein Anlass mehr, über eine typologische Gesamtbetrachtung eine Einengung unter dem Gesichtspunkt fehlender Anlegergefährdung vorzunehmen. Die Überlegung, dass eine Belastung der Unternehmen mit den formalisierten Aufklärungspflichten nach § 37d WpHG nicht zu rechtfertigen ist, wenn die von ihnen vertriebenen Finanzprodukte gar kein spezifisches Gefährdungspotential aufweisen (Zingel, Vorauflage, § 47 I Rn. 15), hat durch die Abschaffung der genannten Vorschrift seine Berechtigung verloren. Für den Ausschluss des Spieleinwands nach § 762 BGB durch § 37e WpHG (Marktöffnungszweck) sind die Merkmale der Hebelwirkung sowie der Gefahr von Totalverlust und unvorhergesehener Nachschusspflicht ohnehin ungeeignet. Denn es ist geradezu paradox, wenn ein Geschäft mit einem Kunden gerade deshalb nicht rechtsverbindlich abgeschlossen werden kann, weil es nach den Kriterien der Typuslehre nicht riskant genug, deshalb kein Finanztermingeschäft und deshalb wiederum nicht vom Spieleinwand des § 762 BGB ausgeschlossen ist (Melzer, BKR 2003, 366 (368)). Anlegerschützende Funktion hat gewiss noch die unveränderte Vorschrift des § 37g WpHG, die das Bundesfinanzministerium zum Verbot oder zur Beschränkung von Finanztermingeschäften ermächtigt. Will das Ministerium von dieser Ermächtigung Gebrauch machen, so muss es sehr sorgfältig prüfen, ob eine besondere, anderweitig nicht zu begegnende Gefährdungslage vorliegt. Es besteht jedoch kein Grund, schon den Begriff des Finanztermingeschäfts mit Überlegungen zu intrikaten Vermögensrisiken zu überfrachten. Es bleibt schließlich der Ausschluss der Schiedsfähigkeit nach § 37h WpHG. Da dieser jedoch nicht nur Finanztermingeschäfte, sondern alle Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen erfasst, kann auch hier eine
20
Müller
1624
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
besondere Gefährlichkeit der erfassten Geschäfte nicht gefordert werden. Der Risikostruktur der jeweiligen Anlageform ist bei der individuellen Aufklärung und Beratung des Kunden nach §§ 31 ff. WpHG Rechnung zu tragen. Diese Pflichten bestehen jedoch unabhängig von der formalen Einordnung als Finanztermingeschäft. 21
Gewisse Schwierigkeiten bereitet das Kriterium des hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkts bei zusammengesetzten Finanzprodukten mit kassa- und termingeschäftlichen Elementen. Hier ist darauf abzustellen, von welchen Elementen die Wertentwicklung des Finanzprodukts überwiegend bestimmt wird (Melzer, BKR 2003, 366 (371)).
22
E. Rechtliche Einordnung einzelner Geschäftsarten und Abgrenzung I. Futures. Als Futures bezeichnet man an einer Börse abgeschlossene Festgeschäfte. Financial Futures beziehen sich auf Finanzprodukte. Es handelt sich dabei um Finanztermingeschäfte (§ 37e S. 2 WpHG i.V.m. § 2 II Nr. 1 lit. b, c, d, Nr. 2 WpHG). Gängige Basiswerte sind Devisen (Currency Futures), Zinsen (Interest Rate Futures), Indices (Index Futures) und Edelmetalle (Precious Metal Futures). Zwar werden Edelmetalle anders als in § 2 II Nr. 4 WpHG a.F. nicht mehr ausdrücklich genannt, sie sind aber Waren i.S. des § 2 II Nr. 2, II lit. c WpHG (Begr. RegE FRUG, BT-Drucks 16/4028, S. 55). Für die aus den Geschäften drohenden Verluste ist Sicherheit zu leisten (Margin, vgl. lit. 4.8. der Börsenordnung der EUREX). Bei Fälligkeit ist entweder die Differenz auszugleichen oder effektiv zu liefern. Im zuletzt genannten Fall lässt sich das Geschäft zivilrechtlich ohne weiteres als Kaufvertrag qualifizieren. Bei Vereinbarung einer Differenzzahlung fehlt es hingegen an der kaufvertraglichen Pflicht zur Lieferung einer Sache bzw. zur Verschaffung eines Rechts. Gleichwohl werden solche Kontrakte teilweise als Kauf eingeordnet, da Vertragsgegenstand hier eine Gewinnchance sei (Kümpel, Rn. 14.175; Menninger, WM 1994, 970 (973)). Doch geht diese Argumentation fehl, da hier anders als beim sog. Hoffnungskauf nicht nur der „Käufer“ eine Gewinnaussicht erwirbt, sondern auch der „Verkäufer“. Es handelt sich daher um einen Vertrag sui generis (BuB-Balzer/ Siller, Rn. 7/214; Clouth, S. 35; Lenenbach, Rn. 6.37).
23
II. Forwards. Forwards sind außerbörslich gehandelte Festgeschäfte. Besondere Bedeutung haben Forward Rate Agreements erlangt, die eine Partei berechtigen, von der anderen Partei die Differenz zwischen einem fiktiven festen Zinssatz und einem Referenzzinssatz zu verlangen. Im Unterschied zu Interest Rate Futures, die in standardisierter Form an Terminbörsen gehandelt werden, können die Vertragspartner von Forward Rate Agreements die Zinssätze individuell gemäß ihren Bedürfnissen aushandeln. Zivilrechtlich sind sie als Verträge sui generis anzusehen (Lenenbach, Rn. 6.42).
24
III. Devisentermingeschäfte. § 2 II Nr. 1 lit. b WpHG erfasst sämtliche devisenbezogenen Termingeschäfte. Das klassische Devisentermingeschäft ist ein Festgeschäft, das durch den Austausch zweier Devisen zu einem späteren Erfüllungstermin als dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses gekennzeichnet ist (BGHZ 75, 120 (124)). Bei einem Abschluss an einer Börse spricht man auch von Devisenfuturegeschäften. Erfasst werden aber auch Devisenswapgeschäfte, Währungsswapgeschäfte, Währungsoptionsscheine, Devisenoptionsgeschäfte und Währungsswapoptionsgeschäfte (Fleckner, ZBB 2005, 96 (104 ff.)).
25
Eine Börse für Devisentermingeschäfte existiert in Deutschland nicht. Sie müssen daher entweder als OTC-Geschäfte im Telefonhandel oder an ausländischen Börsen abgeschlossen werden. Vor dem Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetz 2002 wurden auch die außerbörslichen Devisentermingeschäfte als Börsentermingeschäfte angesehen (BGHZ 104, 205 (206) = WM 1988, 857 (858)). § 2 II Nr. 2 WpHG a.F. beschränkte
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1625
den Anwendungsbereich dann auf solche „Devisentermingeschäfte, die an einem organisierten Markt gehandelt werden“. Über diese Begrenzung wollte sich eine in der Literatur verbreitete Auffassung durch eine analoge Anwendung der §§ 37d ff. WpHG hinwegsetzen (Zingel, Vorauflage, § 47 I Rn. 26; BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/217; Fleckner, WM 2003, 168 ff.; a.A. Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 20 Rn. 63). Bereits das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I, S. 2630) hat dann die Lücke geschlossen und durch § 2 II Nr. 5 WpHG a.F. das Erfordernis des börsenmäßigen Geschäftsabschlusses fallen lassen (Fleckner, ZBB 2005, 96 (97 ff.)). Daran knüpft § 2 II Nr. 1 lit. b WpHG n.F. nunmehr an. Der Vorschrift unterfallen sowohl börsliche als auch außerbörsliche Termingeschäfte mit Bezug auf Devisen. Gesonderte Erwähnung finden in § 2 II Nr. 1 lit. b WpHG n.F. Rechnungseinheiten, womit vor allem Sonderziehungsrechte des internationalen Währungsfonds mit einbezogen werden sollen (Begr. RegE FRUG, BT-Drucks 16/4028, S. 55). Zu denken ist auch an bestimmte Verrechnungseinheiten bei Tauschgeschäften (Barter).
26
IV. Short Sales. Als Short-Sales werden Kassa-Leerverkäufe bezeichnet, die der Verkäufer mittels geliehener Wertpapiere erfüllt. Er spekuliert auf fallende Kurse, so dass er sich bei Fälligkeit seiner Rückgabeverpflichtung aus dem Wertpapierdarlehen zu einem günstigeren Preis als dem Verkaufspreis eindecken kann. Der BGH hat in einer älteren Entscheidung die Einordnung als Börsentermingeschäft offen gelassen (BGH WM 1978, 1203 (1204)). Nach der Börsengesetznovelle 1989 hat die Auffassung an Boden gewonnen, dass es sich hier um Geschäfte handele, die mit Börsentermingeschäften wirtschaftlich vergleichbar und deshalb gem. § 50 I 2 BörsG a.F. auch rechtlich als solche zu behandeln seien (Begr. RegE BT-Drucks. 11/4177, S. 18; Kleinschmidt, S. 51; Lenenbach, Rn. 6.102; Schäfer-Irmen, Vor §§ 50-70 BörsG Rn. 88 ff.; a.A. Henssler, ZHR 153 (1989), 611 (634 f.)). Denn durch die Kombination der beiden Geschäfte werde der Sache nach ein ähnliches Ergebnis erzielt wie beim Verkauf einer Verkaufsoption. Nachdem die genannte Regelung durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ersatzlos aufgehoben wurde, ist diese Argumentation so nicht mehr aufrecht zu erhalten. Das Leergeschäft ist binnen der börsenüblichen Frist von zwei Tagen zu erfüllen, so dass es sich hier um ein Kassageschäft handelt. Es fehlt an einem hinausgeschobenen Erfüllungstermin (BuBBalzer/Siller, Rn. 7/227; Melzer, BKR 2003, 366 (370)) und damit an einer für die Annahme eines Finanztermingeschäfts notwendigen Voraussetzung.
27
V. Aktienanleihen und andere Finanzinnovationen. Die Aktienanleihe (Reverse Convertible) ist eine strukturierte Anlageform, die sich seit Ende der neunziger Jahre wachsender Beliebtheit erfreut. Der Anleger erwirbt eine Anleihe, die mit einem vergleichsweise hohen Zinscoupon ausgestattet ist. Im Gegenzug für die attraktive Verzinsung räumt er dem Emittenten ein Wahlrecht ein, am Ende der Laufzeit entweder das Nominalkapital zurückzuzahlen oder stattdessen eine festgelegte Zahl von bestimmten Aktien zu liefern. Von der zuletzt genannten Option wird der Emittent dann Gebrauch machen, wenn die Aktien einen geringeren Wert haben als das eingesetzte Kapital. Die Aktienanleihe wurde teilweise als Börsentermingeschäft i. S. der §§ 50-70 BörsG a.F. angesehen, da sie unter Risikogesichtspunkten mit einer Verkaufsoption vergleichbar sei (Braun, BKR 2001, 45 ff.; Köndgen ZIP 2001, 1197 (1198 f.); Lenenbach, NZG 2001, 481 (487 ff.); der Sache nach auch KG ZIP 2001, 1194). Diese Argumentation ist zweifelhaft, da sich das Risiko des Erwerbers der Aktienanleihe anders als beim Stillhalter auf das eingesetzte Kapital beschränkt (BGHZ 150, 164 (170) = WM 2002, 803).
28
Der Einordnung der Aktienanleihe als Börsen- bzw. Finanztermingeschäft steht bereits der Umstand entgegen, dass es hier an einem hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt
29
Müller
1626
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
fehlt. Gegenstand des Kaufvertrags sind nicht die später gegebenenfalls zu liefernden Aktien, sondern die Schuldverschreibungen. Der Leistungsaustausch durch Übertragung der Schuldverschreibungen mit den darin verbrieften Forderungen Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises erfolgt sofort. Durch die spätere Rückzahlung in Form von Geld oder Aktien wird nicht der Kaufvertrag, sondern die durch die Schuldverschreibung begründete Forderung erfüllt (BGHZ 150, 164 (169) = WM 2002, 803; LG Frankfurt/M, ZIP 2000, 1247 (1249); J. Müller, ZBB 2003, 363, (368 f.)). Bei der Aktienanleihe handelt es sich daher um ein Kassageschäft (BGHZ 150, 164 (169 ff.) = WM 2002, 803; Assmann, ZIP 2001, 2061 (2063 ff.); Dötsch/Kellner, WM 2001, 1994 (1995 ff.); Kilgus, WM 2001, 1324 (1327 f.); J. Müller, ZBB 2003, 363 (367 ff.); Schwark, WM 2001, 1973 ff.). 30
Auch bei anderen Finanzinnovationen ist das Kriterium des hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkts entscheidend. Index-Zertifikate sind Schuldverschreibungen, deren Verzinsung sich nach der Wertentwicklung eines Index richtet. Ebenso wie bei Aktienanleihen leistet hier der Emittent Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises. Durch die spätere Rückzahlung an den Erwerber erfüllt er nicht den Vertrag über den Erwerb des Zertifikats, sondern die durch die Schuldverschreibung begründete Forderung. Damit fehlt das für Termingeschäfte unabdingbare Zeitmoment (BGHZ 160, 58 (62) = WM 2004, 1774). Gleiches gilt für Basket-Zertifikate, die dadurch gekennzeichnet sind, dass bei ihnen die Verzinsung von dem Preis eines vom Emittenten zusammengestellten Korbs von Wertpapieren (baskets) abhängt. Discount-Zertifikate haben zumeist eine Aktie als Basiswert. Der Anleger kann sie mit einem Abschlag (discount) im Vergleich zum Kurs der Aktie erwerben, muss es dafür aber auch hinnehmen, dass der Rückzahlungspreis bei Fälligkeit auf einen bestimmten Betrag nach oben hin begrenzt ist (cap). Einen hinausgeschobenen Erfüllungstermin weisen auch sie nicht auf. Bei Turbo-Zertifikaten erwirbt der Anleger das Zertifikat mit einem erheblichen Abschlag gegenüber dem Basiswert, erkauft dies aber damit, dass das Zertifikat als wertlos verfällt, wenn der Basiswert während der Laufzeit unter eine bestimmte Grenze fällt. Hier besteht wegen des gewährten Preisabschlags eine erhebliche Hebelwirkung und aufgrund der Knock-Out-Grenze das gesteigerte Risiko eines Totalverlusts. Auf der Grundlage einer typologischen Betrachtung wird deshalb mitunter für eine Qualifikation als Finanztermingeschäft plädiert (Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 18). Da aber der Leistungsaustausch auch hier binnen der für Kassageschäfte üblichen Frist von zwei Tagen zu erfolgen hat, ist dieser Ansicht nicht zu folgen (BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/224).
31
Auch die Beteiligung an einem Investmentfonds, der ausschließlich in Optionsscheine investiert, stellt sich nicht als Finanztermingeschäft dar (BGHZ 160, 50 ff. = WM 2004, 1772; anders noch LG München I BKR 2002, 921 (922)). Die Anlagestrategie des Fonds schlägt nicht auf seine Gesellschafter durch. Die Beteiligung an einem Hedgefonds kann als hochspekulative Anlageform ausgestaltet sein. Da die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag jedoch wechselseitig innerhalb der üblichen Abwicklungsfristen erfüllt werden, ist der Anwendungsbereich der §§ 37e ff. WpHG eindeutig nicht eröffnet (BuB-Balzer/ Siller, Rn. 7/228b).
32
Im Übrigen wird durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz der Spielraum für Finanzinnovationen erheblich erweitert. So sind gem. § 2 II Nr. 2 WpHG nunmehr etwa auch Wetterderivate, Macro Swaps und Immobilienderivate als Finanztermingeschäfte anzusehen (dazu Reiner, S. 26). Gleiches gilt gem. § 2 II Nr. 4 WpHG auch für Kreditderivate. Dabei handelt es sich um Kapitalmarktprodukte, deren wirtschaftlicher Wert sich von der Kreditwürdigkeit einer oder mehrerer Referenzschuldner ableitet (s. § 55 Rn. 30 ff.). Der bisherigen Definition konnten solche Instrumente zum Transfer von Kreditrisiken nur unterfallen, wenn sie sich auf die Referenzaktiva Wertpapiere, Anleihen
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1627
oder Geldmarktinstrumente zurückführen ließen. Diese Begrenzung fällt nunmehr weg. Damit werden beispielsweise auch Credit Default Swaps erfasst, die ausschließlich auf ein Darlehen oder ein Kreditportfolio als Referenzwert Bezug nehmen (Begr. RegE FRUG, BT-Drucks 16/4028, S. 55). Hier ist der Erfüllungszeitpunkt hinausgeschoben, da der Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer nur dann eine Ausgleichszahlung leisten muss, wenn es beim Referenzschuldner zu einem vorher vereinbarten Kreditereignis (Insolvenz, Vertragsbruch, Nichtzahlung) kommt (Brandt, BKR 2002, 243 (250); anders Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 19). Anders liegt es bei der Credit Linked Note. Sie ist eine als Schuldverschreibung i.S. des § 793 BGB ausgestaltete Anleihe. Der Kapitalbetrag wird ebenso wie der Zinscoupon nur an den Investor gezahlt, wenn nicht zuvor ein bestimmtes Kreditereignis (Ausfall des Referenzkredites, Ausfall einer Referenzanleihe, etc.) eintritt. Der Anleger muss den von ihm geschuldeten Kapitalbetrag aber sofort aufbringen, so dass es insoweit an einem hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt fehlt (Brandt, BKR 2002, 243 (250); Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 19). VI. Unverbriefte börsliche Optionen. Nach ständiger Rechtsprechung sind Primärgeschäfte über den Erwerb einer Option Termingeschäfte (BGHZ 92, 317 = WM 1984, 1598; BGHZ 102, 204 = WM 1988, 144; BGHZ 114, 177 = WM 1991, 982). Der Kaufvertrag über das Optionsrecht und der durch die Ausübung dieses Rechts zustande kommende Hauptvertrag werden als einheitliches Geschäft angesehen. Nach dieser sog. Einheitstheorie ist die Erfüllung der Verpflichtung des Stillhalters auf den Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts hinausgeschoben (Schwark-Zimmer, Vor § 37d WpHG Rn. 23; anders die sog. Trennungstheorie OLG Köln WM 1983, 1072 (1073); Kümpel, WM-SB 6/1982, S. 17).
33
Auch die Veräußerung einer Option am Sekundärmarkt stellt sich als Termingeschäft dar. Denn aus der Sicht des Zweiterwerbers ist es irrelevant, ob er das Optionsrecht unmittelbar vom Stillhalter oder vom Ersterwerber erhält (BGHZ 117, 135 (137 ff.) = WM 1992, 479; Casper, S. 320; Schwark-Zimmer, Vor § 37d WpHG Rn. 24). Die Verpflichtung des Stillhalters hängt davon ab, ob er von seinem erworbenen Recht Gebrauch macht oder nicht und ist damit zeitlich verzögert zu erfüllen.
34
VII. Optionsscheine. Optionsscheine (warrants) verbriefen das Recht, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer festgelegten Frist einen Basiswert zu kaufen (Call-Optionsscheine) oder zu verkaufen (Put-Optionsscheine). Die Emissionsbedingungen können vorsehen, dass anstelle der Lieferung ein Barausgleich erfolgt. Zu unterscheiden sind Optionsscheine, die Teil einer Anleihe sind (abgetrennte Optionsscheine), und selbstständige, d.h. unabhängig von einer anderen Emission angebotene Optionsscheine (naked warrants).
35
Der BGH hat unter der Geltung der §§ 50-70 BörsG a.F. den Handel mit selbstständigen Optionsscheinen als Börsentermingeschäft angesehen (grundlegend BGH WM 1994, 2231; ferner BGHZ 139, 1 (6 f.) = WM 1998, 1281 – Basket-Optionsscheine; BGHZ 142, 345 (350 f.) = WM 1999, 2300 – Bandbreiten-Optionsscheine; differenzierend Drygala, ZHR 159 (1995), 687 (692 ff.)). Für abgetrennte Aktienoptionsscheine (§ 221 AktG) hat er dies jedoch anders beurteilt (BGHZ 114, 177 (180 ff.) = WM 1991, 982; BGHZ 133, 200 (206 ff.) = WM 1996, 1620; BGH WM 1998, 274). Denn diese seien Instrumente der Kapitalbeschaffung, nicht der Kurssicherung und Spekulation. Dieser Differenzierung hat das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz den Boden entzogen. Denn in § 2 IIa WpHG (jetzt § 37e S. 2 WpHG) hat der Gesetzgeber Optionsscheine unterschiedslos als Finanztermingeschäfte qualifiziert (Casper, S. 321, 359 ff.; Assmann/Schneider-Assmann, § 2 WpHG Rn. 40 f.; Schwark-Beck, § 2 WpHG Rn. 16; BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/223; Schi-
36
Müller
1628
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
mansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 106 Rn. 17; KK-Roth, § 2 WpHG Rn. 81; Krumscheid in Heidel, Aktienrecht, § 37d WpHG Rn. 10; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 20 Rn. 58; a.A. Fleckner, ZBB 2005, 96 (108 f.); Kümpel, Rn. 15.73). Die vom BGH früher befürchtete Erschwerung der Finanzierung der Unternehmen durch Optionsanleihen ist nicht mehr zu besorgen, nachdem der Gesetzgeber das Erfordernis der Börsentermingeschäftsfähigkeit als Voraussetzung für den Abschluss solcher Verträge aufgegeben hat. Der Umstand, dass bei abgetrennten Optionsscheinen die Kapitalbeschaffungsfunktion im Vordergrund steht, hat daher für die rechtliche Einordnung seine Bedeutung verloren. Auch der Sekundärerwerb eines Optionsscheins ist als Finanztermingeschäft einzuordnen (Casper, S. 321). 37
Die gesonderte Erwähnung der Optionsscheine in § 37e S. 2 WpHG (§ 2 IIa WpHG a.F.) hat allein die geschilderte klarstellende Funktion, soll also lediglich signalisieren, dass die Verbriefung eines Optionsgeschäfts der Behandlung als Finanztermingeschäft nicht entgegensteht (Casper, S. 321). Keinesfalls sollte der Kreis der Finanztermingeschäfte über die in § 2 II Nr. 1-5 WpHG aufgeführten Geschäfte hinaus erweitert werden (anders Mülbert/Böhmer, WM 2006, 937 (942)). Die gesetzliche Definition macht deutlich, dass allein das Vorliegen eines Optionsgeschäfts zur Einordnung als Finanztermingeschäft nicht ausreicht. Vielmehr müssen darüber hinaus die in der Vorschrift enumerativ aufgeführten Kautelen erfüllt sein. Dies kann nicht einfach dadurch umgangen werden, dass das Optionsgeschäft verbrieft wird. So werden „ereignisbezogene Finanzprodukte“ nicht deshalb zu Finanztermingeschäften, weil der Emittent sie als Wertpapier ausgestaltet (anders aber Mülbert/Böhmer, WM 2006, 937, 985 (987 f.)). Der Gesetzgeber hat zwar die in Frage kommenden Basiswerte durch das FRUG erheblich erweitert. Wenn aber etwa Sportereignisse im umfangreichen Katalog des § 2 II Nr. 1-5 WpHG nicht erfasst sind, so liegt darin eine bewusste Entscheidung. Offenkundig sah der Gesetzgeber keine Notwendigkeit, Termingeschäfte mit Bezug auf den Ausgang von Fußballturnieren etc. von dem Spieleinwand des § 762 BGB auszunehmen. Dies hat der Rechtsanwender zu respektieren. Auch Optionsscheine müssen also die in § 2 II Nr. 1-5 WpHG genannten (ohnehin sehr großzügigen) Voraussetzungen erfüllen, um als Finanztermingeschäft qualifiziert werden zu können.
38
VIII. Bezugsrechte. Der Handel mit Bezugsrechten i.S. des § 186 AktG galt nach überwiegender Auffassung nicht als Börsentermingeschäft (OLG Stuttgart WM 1989, 1723 (1725); Paus, S. 199; a.A. Kleinschmitt, S. 62; Tilp, DB 1989, 2365 (2370)). Stützen ließ sich diese Ansicht auf die Rechtsprechung des BGH zu den abgetrennten Optionsscheinen (Rn. 36). Denn Bezugsrechte entstehen aufgrund einer Kapitalerhöhung und beruhen damit ebenfalls auf einer Finanzierungsmaßnahme der Gesellschaft.
39
Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz wurde dann in § 37d II WpHG festgelegt, dass die Informationspflichten über die Risiken von Finanztermingeschäften nicht für die Zuteilung von Bezugsrechten aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung gelten sollten. Diese Regelung warf allerdings einige Fragen auf, da Gegenstand der Zuteilung die vom Aktionär in Ausübung seines gesetzlichen Bezugsrechts gezeichneten jungen Aktien, nicht aber das auf dem Gesetz (§ 186 I AktG) beruhende Bezugsrecht selbst ist (Assmann/ Schneider-Mülbert, § 37 WpHG Rn. 45). Die Vorschrift war wohl dahin zu verstehen, dass der Handel über gesetzliche Bezugsrechte von der Risikoaufklärung nach § 37d I WpHG a.F. ausgenommen sein sollte (Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 46).
40
Der Erwerb eines Bezugsrechts bei einer Kapitalerhöhung beruht auf dem Gesetz und kann schon deshalb kein Finanztermingeschäft sein. Wohl aber stellt die Veräußerung eines gesetzlichen Bezugsrechts ein Finanztermingeschäft dar. Denn der Wert des Be-
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1629
zugsrechts ist abhängig vom Kurs der jeweiligen Aktie. Zudem entsteht ein Zahlungsanspruch zeitlich verzögert, nämlich nur dann, wenn der Bezugsrechtsinhaber von seinem Recht auch tatsächlich Gebrauch macht. IX. Daytrading. Beim Daytrading schließen die Parteien innerhalb eines Tages zahlreiche (in der Regel gegenläufige) Geschäfte über Wertpapiere und Derivate ab und vereinbaren dabei durchweg zumindest stillschweigend, dass keine reale Lieferung, sondern nur ein Ausgleich der Spekulationsgewinne durch Gutschriften erfolgen soll. Es fehlt bei dieser Art des Handels an einem hinausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt, so dass ungeachtet der mit ihnen verbundenen Risiken Kassageschäfte gegeben sind (BGHZ 149, 294 (301 f.) = WM 2002, 283; OLG Hamburg ZIP 2000, 2246; Assmann/Schütze-Schäfer, § 19 Rn. 28; BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/228; KK-Roth, § 37e WpHG Rn. 4; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 20 Rn. 62; a.A. Müller-Deku, WM 2000, 1029 (1031 ff.)). Da das Zeitmoment für alle Termingeschäfte unentbehrlich ist, kommt auch eine Einordnung als finanzielles Differenzgeschäft i.S. des neuen § 2 II Nr. 3 WpHG nicht in Frage.
41
F. Informationspflichten I. Bisherige Rechtslage. 1. Überblick. Der durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz 2002 eingefügte § 37d WpHG statuierte für bestimmte Unternehmen eine standardisierte Pflicht zur schriftlichen Risikoaufklärung, wenn sie mit einem Verbraucher ein Finanztermingeschäft i.S. des § 2 IIa WpHG abschlossen. Die Vorschrift rückte funktional an die Stelle der abgeschafften §§ 52, 53, 55-57, 59 und 60 BörsG. Als Sanktion für die Verletzung der besonderen Informationspflichten war nun nicht mehr die grundsätzliche Unverbindlichkeit der Termingeschäfte vorgesehen, sondern ein Schadensersatzanspruch des Anlegers. Mit dem zum 01.11.2007 in Kraft getretenen Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) wurden dann die besonderen Informationspflichten des § 37d WpHG gänzlich abgeschafft. Gleichwohl sind sie für Altfälle und für die Beurteilung der allgemeinen Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG durchaus noch von Bedeutung und sollen daher hier näher dargestellt werden.
42
2. Informationsverpflichtete Unternehmen. Nach § 37d I WpHG war jedes Unternehmen, das gewerbsmäßig oder in einem qualifizierten Umfang Finanztermingeschäfte abschloss oder solche Geschäft anschaffte, veräußerte, vermittelte oder nachwies, zur Informationserteilung verpflichtet. Anders als in § 53 II BörsG a.F. kam es nicht darauf an, ob das Unternehmen einer gesetzlichen Börsen- oder Bankenaufsicht unterstand. Der Adressatenkreis der Information wurde gegenüber der Vorgängerregelung erweitert (BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/231; Krumscheid in Heidel, Aktienrecht, § 37d WpHG Rn. 3; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 20 Rn. 92).
43
Der Begriff des Unternehmens richtete sich nach der Legaldefinition des § 14 BGB. Anbieter unterfielen § 37d WpHG, wenn sie entweder gewerblich oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erforderte, Finanztermingeschäfte auf eigene Rechnung abschlossen oder Wertpapierdienstleistungen mit Bezug auf Finanztermingeschäfte erbrachten. Erfasst wurden damit auch Privatpersonen oder Freiberufler, die sich in erheblichem Ausmaß mit solchen Geschäften befassten. Unternehmen mit Sitz im Ausland waren von der Informationspflicht ausgenommen, wenn sie sämtliche Leistungen auch dort erbrachten (§ 37d VI WpHG).
44
3. Informationsberechtigte. Informationsberechtigt waren nach § 37d I WpHG nur als Verbraucher zu qualifizierende Vertragspartner. Die Einordnung richtete sich entgegen der Begründung des Finanzausschusses, die auf Art. 29 EGBGB verwies (BT-Drucks. 14/8601, S. 20), nach der allgemeinen Verbraucherdefinition des § 13 BGB (Bulling,
45
Müller
1630
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
S. 94; Casper, WM 2003, 161 (164); Horn/Balzer, FS Kümpel, 2003, S. 275 (278); Samtleben, ZBB 2003, 69 (74); Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 106 Rn. 23; Assmann/ Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 14). Die standardisierten Informationspflichten bestanden damit nur gegenüber natürlichen Personen, die das Finanztermingeschäft zu einem Zweck abschlossen, das weder zur gewerblichen noch zur selbstständigen beruflichen Sphäre des Anlegers gehörte. Geschützt war auch der Existenzgründer, der seine Geschäftstätigkeit noch nicht aufgenommen hatte (BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/235). Wegen der Beschränkung auf natürliche Personen griff § 37d WpHG nicht bei Finanztermingeschäften mit juristischen Personen (AG, GmbH, Verein, Stiftung) und rechtsfähigen Personengesellschaften einschließlich der Außen-GbR (Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 16) ein. 46
4. Pflichtenprogramm. a) Inhalt der Unterrichtungsschrift. Die dem Verbraucher nach § 37d WpHG zu übermittelnden Informationen entsprachen dem Katalog es § 53 II 1 BörsG a.F. Es war mithin darüber aufzuklären, dass: – die aus Finanztermingeschäften erworbenen befristeten Rechte verfallen oder eine Wertminderung erleiden können (Nr. 1); – das Verlustrisiko nicht bestimmbar sein und auch über etwaige geleistete Sicherheiten hinausgehen kann (Nr. 2); – Geschäfte, mit denen die Risiken aus eingegangenen Finanztermingeschäften ausgeschlossen oder eingeschränkt werden sollen, möglicherweise nicht oder nur zu einem verlustbringenden Preis getätigt werden können (Nr. 3); – sich das Verlustrisiko erhöht, wenn zur Erfüllung von Verpflichtungen aus Finanztermingeschäften oder die hieraus zu beanspruchende Gegenleistung auf ausländische Währung oder Rechnungseinheit lautet (Nr. 4). Die Unterrichtungsschrift musste stets über die genannten Risiken informieren, selbst wenn sie für das konkrete Geschäft ohne Belang waren. Erforderlich war, dass die genannten Risiken für den durchschnittlichen Anleger verständlich dargestellt wurden. Die bloße Wiedergabe des Gesetzes genügte nicht (BGH WM 1995, 658). Das von den Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft zu § 53 II BörsG a.F. entwickelte Informationsblatt (WM 1989, 1193 ff.), das der BGH als hinreichend akzeptiert hatte (BGHZ 133, 82 (85) = WM 1996, 1260; BGHZ 139, 36 (39 f.) = WM 1998, 1141; BGHZ 142, 345 (351 ff.) = WM 1999, 2300; BGH WM 1995, 658 f.), konnte in überarbeiteter Form weiter verwendet werden (Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 95; Bulling, S. 78 f.; Casper, WM 2003, 161 (165); Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 26; einschränkend Knops, Vorauflage, § 47 II Rn. 9).
47
b) Äußerliche Gestaltung. Das in § 37d I 1 WpHG vorgesehene Schriftlichkeitserfordernis war nicht gleichzusetzen mit dem Schriftformerfordernis nach § 126 I BGB, es sollte lediglich die mündliche Information ausgeschlossen werden (Bulling, S. 80 f.; Horn/Balzer, FS Kümpel, 2003, S. 275 (279); Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 28). Daher wurde es auch für zulässig erachtet, dem Informationsberechtigten die Unterrichtungsschrift lediglich mittels eines elektronischen Dokuments zugänglich zu machen (Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 28). Nach § 37d I 2 WpHG durfte die Unterrichtungsschrift lediglich Informationen über die Finanztermingeschäfte und die mit ihnen verbundenen Risiken enthalten. Durch die vorgeschriebene isolierte Präsentation sollte erreicht werden, dass der Verbraucher der Information erhöhte Aufmerksamkeit zuwendete (Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 95).
48
c) Unterschrift durch den Verbraucher. Nach § 37d I 2 WpHG musste die Unterrichtungsschrift zudem von dem Verbraucher unterschrieben werden. Auch hierdurch sollte
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1631
für erhöhte Aufmerksamkeit gesorgt werden (Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 95). Es bedurfte vorbehaltlich der Vertretungsregelung des § 37d III WpHG der eigenhändigen Unterschrift durch den Verbraucher. Ein Faksimile-Stempel des Anlegers auf der Informationsschrift genügte nicht (Horn/Balzer, FS Kümpel, 2003, S. 275 (279); Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 40; Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 106 Rn. 31; a.A. OLG München WM 2001, 769 (772 f.)). War die Unterrichtungsschrift in elektronischer Form zur Verfügung gestellt worden, so genügte gem. §§ 126 I, III, 126a BGB die qualifizierte elektronische Signatur (Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 40). Die Unterschrift stellte sich als reiner Formalakt dar. Ob der Verbraucher die Information tatsächlich zur Kenntnis genommen und verstanden hatte, war für die Erfüllung der Unterrichtungspflichten nach § 37d WpHG nicht ausschlaggebend (BGHZ 133, 82 (87) = WM 1996, 1260; Bulling, S. 81 f.; Casper, WM 2003, 161 (165); Assmann/Schütze-Schäfer, § 19 Rn. 40; Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 39).
49
d) Zeitpunkt der Unterrichtung und Wiederholung. Die Informationserteilung hatte nach § 37d I 1 WpHG zeitlich vor dem Vertragsschluss zu erfolgen. Eine Bedenkzeit vor Abschluss des Geschäfts hatte der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Ausreichend war deshalb, dass der Verbraucher erst unmittelbar vor der Abgabe seiner auf das Finanztermingeschäft bezogenen Willenserklärung die Unterrichtungsschrift erhielt und unterzeichnete (Casper, WM 2003, 161 (165); Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 33; Schimansky/Bunte/Lwowski-Kienle, § 106 Rn. 39).
50
Die Unterrichtung war nach § 37d I 1 WpHG jeweils vor Ablauf von zwei Jahren zu wiederholen. Die Informationsschrift musste somit innerhalb dieses Zeitkorridors nicht vor jedem neuen Finanztermingeschäft erneut unterschrieben werden. Die Unterzeichnung wirkte aber nur inter partes. Andere Unternehmen mussten den Anleger separat unterrichten (BGHZ 139, 1 (9 f.) = WM 1998, 1281; Casper, WM 2003, 161 (165)).
51
e) Einschaltung von Vertretern. Sofern der Verbraucher sich bei der Erteilung von Aufträgen für Finanztermingeschäfte oder bei deren Abschluss vertreten ließ, kam es nach § 37d III 1 WpHG grundsätzlich auf dessen ordnungsgemäße Information an. Lediglich wenn das Unternehmen den Verbraucher selbst informiert hatte, bedurfte es nach § 37d III 2 WpHG keiner Unterrichtung des Vertreters. Der Gesetzgeber setzte sich damit von der zuvor vorherrschenden Auffassung ab, wonach die Termingeschäftsfähigkeit nicht durch Information des Stellvertreters erlangt werden konnte (BGHZ 133, 82 (89) = WM 1996, 1260). Nach der Regierungsbegründung trifft im Falle der Einschaltung eines Vertreters dieser letztlich die Anlageentscheidung. Es sei daher sachgerecht, bei der Verpflichtung zur Information auf ihn abzuheben, da er die Information für seine Entscheidungsfindung benötige. Sei der Vertretene von dem Unternehmen bereits informiert worden, so könne davon ausgegangen werden, dass er die Wahl seines Vertreters in Kenntnis der typischen Risiken von Finanztermingeschäften getroffen habe. Daher könne hier die Pflicht zur Information des Vertreters entfallen (Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 95).
52
5. Schadensersatz. Als Sanktion bei Verstößen gegen die Informationspflichten nach § 37d I, III 1 WpHG sah § 37d IV WpHG eine Schadensersatzhaftung des Unternehmens vor. Damit wurde die bisherige Regelung in § 53 BörsG a.F. ersetzt, nach der die Verbindlichkeit eines Termingeschäfts von der vorherigen ordnungsgemäßen Unterrichtung des Anlegers abhing.
53
Der Pflichtverstoß konnte darin bestehen, dass die Unterrichtung nicht oder verspätet, nur mündlich oder unvollständig erfolgte (§ 37d I 1 WpHG); die Unterrichtungsschrift
54
Müller
1632
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
zusätzliche Informationen enthielt oder der Verbraucher sie nicht unterschrieben hatte (§ 37d I 2 WpHG); schließlich auch in der Versäumung einer turnusgemäßen Wiederholungsunterrichtung (§ 37d I 3 WpHG) oder der ordnungsgemäßen Aufklärung des Vertreters. Eine Haftung setzte weiter voraus, dass das Unternehmen seine Pflichtverletzung i.S. der §§ 276, 278 BGB zu vertreten hatte. War streitig, ob der Unternehmer seine Pflichten verletzt oder schuldhaft gehandelt hatte, so traf ihn gemäß § 37d IV 2 WpHG die Beweislast. 55
Der Kunde konnte den aus der Pflichtverletzung entstehenden Schaden ersetzt verlangen. Er war damit so zu stellen, wie er ohne die unterlassene oder fehlerhafte Aufklärung gestanden hätte. Das negative Interesse umfasste neben der Freistellung von etwaigen Verbindlichkeiten und der Rückforderung des Geleisteten alle Transaktionskosten. Ersatzfähig war auch der Gewinn, der dem Anleger infolge des Verzichts auf eine alternative Anlageform entstand.
56
Erhebliche Probleme bereitete das Erfordernis der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Unternehmers und dem Schaden des Verbrauchers. Nach § 37d IV WpHG konnte letzterer bei Informationspflichtverletzungen nur den daraus entstehenden Schaden verlangen. Nach § 53 BörsG a.F. führte dagegen ein Fehler bei der Informationserteilung unabhängig von der Ursächlichkeit für den Geschäftsabschluss zu dessen Unverbindlichkeit. Nunmehr schied ein Anspruch regelmäßig aus, wenn der Kunde bereits termingeschäftserfahren, in anderer Form (z. B. mündlich) oder durch Dritte über die Risiken unterrichtet worden war (zur Beweislastverteilung vgl. Bulling, S. 159 ff.; Horn/ Balzer, FS Kümpel, 2003, S. 275 (285 f.); Zimmer, JZ 2003, 22 (28 ff.). Denn in diesen Fällen konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der ohnehin schon informierte Kunde sich durch die Formalaufklärung von seinem Entschluss zum Abschluss des Geschäfts noch hätte abbringen lassen.
57
Für die Verjährung des Schadensersatzanspruchs sah § 37d IV WpHG eine Frist von drei Jahren ab Entstehung des Anspruchs vor. Für die Fristberechnung galten die §§ 187 I, 188 II BGB.
58
6. Konkurrenzen. § 31 V WpHG stellte klar, dass die allgemeine Verpflichtung nach § 31 II Nr. 2 WpHG a.F., dem Kunden alle im Hinblick auf die Interessenwahrung und das geplante Geschäft zweckdienlichen Informationen zu erteilen, unberührt blieb. Damit hatte der Gesetzgeber die vom BGH zu § 53 BörsG a.F. entwickelte Zwei-Stufen-Theorie (BGHZ 133, 82 (86) = WM 1996, 1260; BGHZ 142, 345 (353) = WM 1999, 2300; BGH WM 1997, 811) im WpHG verankert. Über den zu engen Wortlaut der Verweisungsnorm des § 37d V WpHG fanden auch die übrigen Verhaltensregeln nach §§ 31, 32 WpHG sowie (vor)vertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten und die damit verbundenen Haftungsansprüche auf Finanztermingeschäfte Anwendung (Bulling, S. 115 ff.; Casper, WM 2003, 161 (167); Horn/Balzer, FS Kümpel, 2003, S. 275 (282 ff.); Zimmer, JZ 2003, 22 (24); Assmann/Schütze-Schäfer, § 19 Rn. 45; Assmann/Schneider-Mülbert, § 37d WpHG Rn. 83 f.)
59
7. Überwachung der Informationspflichten. Nach § 37f WpHG oblag es der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Einhaltung der Informationspflichten nach § 37d WpHG zu überwachen. Die Überwachung erfolgte im Rahmen der jährlichen Prüfung nach § 36 I WpHG. Die Eingriffsbefugnisse des § 35 I WpHG galten entsprechend.
60
II. Rechtspolitische Kritik. Der Gesetzgeber war 2002 beim Übergang von der Unverbindlichkeitssanktion für Börsentermingeschäfte auf eine schadensersatzbewehrte Informationspflicht auf halbem Wege stehen geblieben. Die aus dem früheren Recht übernom-
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1633
menen besonderen Unterrichtungspflichten nach § 37d WpHG waren weitgehend funktionslos geworden. Der erfahrene Anleger bedurfte ihrer nicht. Für den unerfahrenen Kunden aber waren sie viel zu pauschal und allgemein gehalten. Seinen Belangen trugen die weiter gehenden individualisierten Aufklärungs- und Beratungspflichten Rechnung. Auf dieser Ebene wurde der Anlegerschutz praktisch ausschließlich verwirklicht. Dem geringen Nutzen stand ein erheblicher Verwaltungs- und Kostenaufwand für die betroffenen Unternehmen gegenüber, die in periodischen Abständen an ihre Kunden die standardisierten Informationen übersenden und deren Unterschriften einholen mussten. Die penible Einhaltung dieser Pflichten bewahrte sie nicht davor, gegebenenfalls wegen der Verletzung der Pflicht zur anleger- und objektgerechten Aufklärung und Beratung in Anspruch genommen zu werden. Das Schrifttum forderte daher verbreitet die ersatzlose Abschaffung der besonderen Informationspflichten nach § 37d WpHG (Bulling, S. 173 ff.; Casper, WM 2003, 161 (167 f.); Lang, § 11 Rn. 118; Assmann/ Schneider-Mülbert, Vor § 37d WpHG Rn. 27 ff.; Schäfer, FS Immenga, 2004, S. 689 ff.; ders./Lang, BKR 2002, 197 (212); anders Knops, Vorauflage, § 47 II Rn. 22). Dieser Forderung hat der Gesetzgeber nunmehr entsprochen, ohne dass er durch die zu implementierende Finanzmarktrichtlinie hierzu gezwungen gewesen wäre. Die Entscheidung ist rechtspolitisch zu begrüßen. III. Neue Rechtslage. 1. Verzicht auf Sonderregeln. Das neue Recht enthält nunmehr keine Sonderregeln mehr zur Anlegerinformation bei Finanztermingeschäften. Diese werden als entbehrlich angesehen. Die Materialien zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz verweisen auf die durch die Novelle erweiterten Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG (Begr. RegE, BT-Drucks. 16/4028, S. 78), die in der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) näher ausgestaltet sind. Sie erhalten im Vergleich zum früheren Recht einen höheren Detaillierungsgrad und werden stärker auf bestimmte Anlegergruppen zugeschnitten (näher dazu § 50 Rn. 65 ff.; Teuber, BKR 2006, 429 ff.). Ungeachtet der gesetzlichen Änderungen kann aber zum Teil auf die bislang durch die Rechtsprechung und die BaFin herausgearbeiteten Grundsätze zurückgegriffen werden. 2. Aufklärung. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist nach § 31 III 1 WpHG verpflichtet, seinen Kunden rechtzeitig und in verständlicher Form angemessene Informationen über die Art und die Risiken der angebotenen Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Dieser soll auf informierter Grundlage eine sinnvolle Anlageentscheidung, die seinen Interessen entspricht, treffen können (Begr. RegE, BT-Drucks. 16/4028, S. 27). Doch ist eine Standardisierung möglich (§ 31 III 2 WpHG). Die Information kann daher auch mittels einer Broschüre erfolgen (Balzer, ZIP 2007, 333 (338); Mülbert, WM 2007, 1149 (1155); Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (633)). Die Beschreibung der Risiken muss – soweit für die Art des Finanzinstruments, Einstufung und Kenntnis des Kunden relevant – nach § 5 I WpDVerOV insbesondere eine Erläuterung des Hebeleffektes und des Risikos des Verlustes der gesamten Kapitalanlage enthalten, ferner Angaben zu Liquidität und Volatilität des Marktes, zusätzlichen Verpflichtungen (unter Einschluss von Eventualverbindlichkeiten), Einschusspflichten und zu besonderen Risiken zusammengesetzter Finanzinstrumente. Risikohinweise zu Derivaten müssen insbesondere Informationen über den Basiswert, die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Funktionsweise der Produkte, das Kursrisiko, das Währungsrisiko und das Bonitätsrisiko enthalten. Bei Optionsscheingeschäften ist der Kunde auf die begrenzte Laufzeit, den Verfall der Papiere zum Fälligkeitszeitpunkt und auf die Möglichkeit, dass sie bei ungünstigem Kurs-
Müller
61
62
63
64
65
1634
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
verlauf schon vorher ihren Wert verlieren können, hinzuweisen (BGH WM 2001, 1718; OLG Frankfurt/M, ZIP 1998, 1713). Deutlich gemacht werden muss, dass großen Chancen auch entsprechend hohe Risiken gegenüberstehen (BGH WM 1994, 2231). 66
67
68
69
70
Die Bank ist zudem verpflichtet, den Anleger über den bevorstehenden Verfall der Rechte aus dem Optionsschein zu benachrichtigen. Dieser Pflicht kommt sie nur dann in ausreichendem Maß nach, wenn der Mitteilung unmissverständlich zu entnehmen ist, dass das Optionsrecht mit Ablauf der hierfür vorgesehenen Frist möglicherweise ersatzlos erlischt oder ohne einen rechtzeitigen Verkauf oder die fristgerechte Ausübung des Optionsrechts ein etwaiger Wert verloren geht. Die Nachricht, dass die Optionsscheine „fällig“ sind, vermittelt hingegen den unzutreffenden Eindruck, dass zu dem genannten Zeitpunkt eine Leistung aus den Optionsscheinen zu erwarten sei (BGHZ 151, 5 ff. = NJW 2002, 2703 ff.). Sofern für die beabsichtigten Geschäfte die Hinterlegung von Sicherheiten verlangt wird, ist der Kunde hierüber und auf Nachfrage auch über die Modalitäten der Berechnung der Sicherheitsleistung zu informieren. Er muss auch auf eine etwaige Pflicht hingewiesen werden, gegebenenfalls zusätzliche Sicherheiten zu leisten. Das Unternehmen hat den Kunden darüber aufzuklären, unter welchen Voraussetzungen es das Recht hat, die Positionen des Kunden glattzustellen bzw. zu liquidieren. Dabei muss es den Kunden insbesondere darauf hinweisen, in welchen Abständen es die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen überprüft und welche Frist zur Erfüllung der Nachschusspflicht es dem Kunden vor der Liquidierung seiner Position einräumt. Ferner muss das Unternehmen den Kunden darüber unterrichten, in welcher Weise die geleisteten Sicherheiten verwaltet werden und ob der Kunde bei entsprechender Marktlage ggf. überschüssige Sicherheiten abziehen darf. Ohne besondere Vereinbarung trifft die Bank gegenüber ihrem Kunden keine Pflicht, die Ausführung von Aufträgen über Stillhalteroptionsgeschäfte von ausreichenden Sicherheitsleistungen abhängig zu machen. Sie ist auch nicht verpflichtet, Kunden, denen das grundsätzlich unbegrenzte Risiko solcher Geschäfte bekannt ist, darüber zu informieren, welche Sicherheitsleistungen sie nach den Margin-Bestimmungen der Deutschen Terminbörse beanspruchen könnte (BGHZ 147, 343 ff. = WM 2001, 1758; BGH NJW-RR 2004, 484 (486)). Der Kunde muss ferner genau über die Kosten und Nebenkosten informiert werden (§ 31 III 3 Nr. 4 WpHG, § 5 II Nr. 5 WpDVerOV). Dazu gehört bei Optionsscheinen sicher auch, ihm den Einfluss von Gebühren und Provisionen auf seine Gewinnchance zu verdeutlichen und ihn insbesondere unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass ein etwaiger „Aufschlag“ auf die Optionsprämie das Chancen-Risiko-Verhältnis aus dem Gleichgewicht bringen und insbesondere Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, im Ergebnis praktisch chancenlos machen kann (BGHZ 124, 151 (154 f.) = WM 1994, 149; BGH WM 2006, 84; BGH WM 2003, 975; BGH WM 2002, 1445; für eine Verpflichtung der Bank, bei einem Zins-Swap-Geschäft dem Kunden ihre Gewinnmarge mitzuteilen, jetzt OLG Franfurt/M. WM 2008, 1061). Bislang war für die Informationserteilung (außerhalb von § 37d WpHG) keine bestimmte Form vorgeschrieben. Die Aufklärungspflichten konnten daher grundsätzlich auch mündlich erfüllt werden (BGHZ 150, 164 (166) = WM 2002, 803 (804); BGH WM 1998, 1391; BGH WM 2006, 84 (87)). Nunmehr sieht § 5 V WpDVerOV vor, dass dem Kunden die relevanten Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen sind, d.h. regelmäßig in Papierform (§ 3 WpDVerOV; näher Seyfried, WM 2006, 1375 (1380)). Die erforderliche Aufklärung des Anlegers ist nur dann rechtzeitig i.S. der § 31 III WpHG, § 5 III WpDVerOV, wenn sie deutlich vor Auftragserteilung für das erste Termingeschäft erfolgt. Dem Kunden muss genug Zeit bleiben, die Information zu verarbei-
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1635
ten (Begr. zu § 5 III WpDVerOV; Seyfried, WM 2006, 1375 (1380)). Dabei wird zugunsten des Anlegers vermutet, dass er das Geschäft bei pflichtgemäßer Information nicht abgeschlossen hätte (BGHZ 124, 151 (160) = WM 1994, 149; BGH WM 1994, 1746 (1747); BGH NJW 2002, 2777 (2778)). Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt auch für verlustreiche Folgegeschäfte, da der Kunde nach dem ersten Termingeschäft warnenden Hinweisen nicht mehr unvoreingenommen gegenübersteht (BGHZ 124, 151 (161) = WM 1994, 149; BGH WM 1993, 1457 (1458)). Nicht aufklärungsbedürftig über die Eigenart und Risiken von Optionsgeschäften sind Kunden, die über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen mit solchen Geschäften verfügen (BGH WM 2006, 84 (87); BGH NJW 2004, 3628; BGH WM 1997, 309). Im Falle einer Vertretung des Anlegers kommt es nicht auf seine Kenntnisse und Erfahrungen, sondern auf die seines Bevollmächtigten als Entscheidungsträger an (BGHZ 147, 343 (353) = WM 2001, 1758; BGH WM 1996, 664 (665); WM 1997, 811; Bulling, S. 126).
71
3. Beratung. Bei Anlageberatung und Portfolioverwaltung gelten über die allgemeinen Aufklärungspflichten hinausgehende, auf die individuellen Verhältnisse des Kunden ausgerichtete Beratungspflichten (§ 31 IV 2 WpHG). Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss prüfen, ob das Finanzinstrument oder die Wertpapierdienstleistung für den Kunden geeignet ist (anlegergerechte Beratung, s. schon BGHZ 123, 126, 129 = WM 1993, 1455; dazu näher § 50 Rn. 129 ff.). Dabei sind nicht nur der Sachverstand des Kunden, sondern auch seine finanziellen Verhältnisse und seine Anlageziele zu berücksichtigen (§ 31 IV 3 WpHG). Erlangt das Unternehmen die zur Beurteilung dieser Kriterien erforderlichen Informationen nicht, darf es keine Anlageempfehlung aussprechen (§ 31 IV 4 WpHG).
72
Bei der Anlageberatung muss das Unternehmen den Kunden ferner über diejenigen Eigenschaften und Risiken des von ihm empfohlenen konkreten Anlageprodukts informieren, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben (objektgerechte Beratung, BGHZ 123, 126, 129 = WM 1993, 1455; § 50 Rn. 135 ff.; ferner Veil, WM 2007, 1821, 1825 ff.; Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (634); a.A. Mülbert, WM 2007, 1149 (1156 f.). Diese Pflichten ergänzen die nach § 31 III WpHG geschuldete, standardisierte Information, die den Kunden lediglich in die Lage versetzen soll, sich einen hinreichenden Kenntnisstand selbst zu erarbeiten.
73
4. Angemessenheitsprüfung. Bei sonstigen Wertpapierdienstleistungen, insbesondere bei der beratungsfreien Orderausführung, muss das Unternehmen immerhin eine Angemessenheitsprüfung vornehmen. Es hat den Kundenauftrag danach zu beurteilen, ob dieser über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken der in Rede stehenden Anlageform angemessen beurteilen zu können (§ 31 V 2 WpHG). Fällt das Ergebnis der Prüfung negativ aus, so hat es den Kunden darüber zu informieren (§ 31 V 3 WpHG). Kann ein Angemessenheitstest aufgrund fehlender Angaben des Kunden nicht durchgeführt werden, so hat es ihn darauf hinzuweisen (§ 31 V 4 WpHG). In beiden Fällen kann das Unternehmen aber das Geschäft durchführen, wenn der so gewarnte Anleger an ihm festhalten möchte.
74
Nach § 31 VII WpHG kann der Angemessenheitstest bei Geschäften auf Veranlassung des Kunden (execution only) über nicht-komplexe Finanzinstrumente entfallen. Voraussetzung für die Einordnung als „nicht-komplex“ ist jedoch gemäß § 7 Nr. 1 WpDVerOV, dass es sich weder um derivative Wertpapiere nach § 2 I Nr. 3b WpHG (insbesondere Optionsscheine) noch um Derivate i.S. des § 2 II WpHG handelt (Balzer, ZIP 2007, 333, 342; Jordans, WM 2007, 1827, 1831). Bei Finanztermingeschäften mit privaten Kunden muss also stets ein Angemessenheitstest durchgeführt werden. Handelt es sich allerdings um
75
Müller
1636
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
einen professionellen Kunden (§ 31a II WpHG), ist der Test auch bei solchen Geschäften entbehrlich, da das Wertpapierunternehmen hier davon ausgehen kann, dass der Anleger über hinreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügt, um die Risiken angemessen beurteilen zu können. 76
G. Ausschluss des Spieleinwands nach § 762 BGB Nach § 762 BGB kann eine Verbindlichkeit durch Spiel oder Wette nicht begründet werden; das Geleistete kann jedoch nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. § 37e S. 1 WpHG schließt den Spiel- und Wetteinwand für Finanztermingeschäfte jedoch aus, wenn zumindest einer der Vertragspartner ein Unternehmen i.S. des § 14 BGB ist, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte abschließt oder deren Abschluss vermittelt oder die Anschaffung, Veräußerung oder Vermittlung solcher Geschäfte betreibt. Die Vorschrift ersetzt § 58 BörsG a.F. Dort war allerdings noch zusätzlich der Ausschluss des Differenzeinwands für Börsentermingeschäfte vorgesehen. Da § 764 BGB durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz aber ohnehin ganz aufgehoben wurde, bedurfte es einer diesbezüglichen Regelung in § 37e WpHG nicht mehr. Die Norm zielt wie schon die Vorgängerregelung auf die Schaffung einer sicheren Rechtssphäre im Bereich der Termingeschäfte (Begr. RegE 4. FMFG, BTDrucks. 14/8017, S. 96).
77
§ 762 BGB setzt aber ohnehin voraus, dass beide Parteien in Spielabsicht handeln (MünchKommBGB/Habersack, § 762 Rn. 6). An einer solchen Absicht wird es zumindest bei dem beteiligten Unternehmen regelmäßig fehlen. Gleichwohl ist die Regelung aus Gründen der Rechtsklarheit zu begrüßen. Werden Finanztermingeschäfte zwischen zwei Verbrauchern geschlossen, so kann § 762 BGB im Einzelfall zur Anwendung kommen. Gleiches gilt für Geschäfte, die nicht als Finanztermingeschäfte i.S. von § 37e S. 2 WpHG einzuordnen sind (für eine Ausweitung auf alle Geschäfte von Wertpapierdienstleistungsunternehmen de lege ferenda BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/315).
78
H. Verbotene Finanztermingeschäfte I. Bedeutung. § 37g WpHG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung bestimmte Finanztermingeschäfte zu verbieten oder zu beschränken. Die Regelung knüpft an die Vorgängervorschriften der §§ 63, 64, 69, 70 BörsG an. Ihr liegt die Konzeption zugrunde, Finanztermingeschäfte unter einem Verbotsvorbehalt generell für zulässig zu erklären. Das Bundesministerium der Finanzen hat von der Verordnungsermächtigung bisher noch keinen Gebrauch gemacht. Auf der Basis früherer Regelungen war überhaupt erst eine einzige Verbotsverordnung im Jahr 1899 erlassen worden (Schäfer-Irmen, § 63 BörsG). Gleichwohl stellt § 37g WpHG ein durchaus sinnvolles Instrumentarium bereit, um gegebenenfalls schnell und flexibel auf anlegergefährdende Entwicklungen reagieren zu können.
79
II. Verordnungsermächtigung. Der Erlass einer Rechtsverordnung muss zum Schutz der Anleger erforderlich sein. Die Risiken müssen so gravierend sein, dass ihnen mit den allgemeinen Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG nicht hinreichend begegnet werden kann. Eine solche besondere Gefährdungslage kommt etwa in Betracht, wenn die Termingeschäfte und/oder die ihnen zugrundeliegenden Basiswerte auf sehr engen Märkten gehandelt werden, bei hochspekulativen Derivaten oder vermittelten Warentermingeschäften (BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/320; Assmann/Schneider-Mülbert, § 37g WpHG Rn. 3; KK-Roth, § 37g WpHG Rn. 3; Schwark-Zimmer, § 37g WpHG Rn. 2). Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzung muss das Bundesministerium der
Müller
§ 54 Finanztermingeschäfte
1637
Finanzen vorrangig eine Beschränkung der in Rede stehenden Geschäfte anordnen. Beschränkungen können sich etwa auf bestimmte Arten des Terminhandels oder auf den Umfang des Engagements bestimmter Anleger oder Anlegergruppen beziehen, aber auch organisatorische Anforderungen für die Durchführung oder Abwicklung von Finanztermingeschäften beinhalten. Das Verbot von Finanztermingeschäften kommt nur als ultima ratio in Betracht. III. Rechtsfolgen. Ein Finanztermingeschäft, das einer nach § 37g I WpHG erlassenen Rechtsverordnung widerspricht, ist nichtig (§§ 37g II 1 WpHG). Die noch in § 64 BörsG vorgesehene bloße Unverbindlichkeit verbotener Börsentermingeschäfte hat der Gesetzgeber im Interesse eines effektiven Anlegerschutzes aufgegeben (Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 96). Nunmehr kann das im Hinblick auf verbotene Finanztermingeschäfte Geleistete nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (§§ 812 ff. BGB) zurückverlangt werden. Zu beachten bleibt allerdings ein etwaiger Ausschluss nach § 814 BGB bei Kenntnis der Nichtschuld oder nach § 817 S. 2 BGB, wenn der Leistende gleichfalls gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat (BuB-Balzer/Siller, Rn. 7/320; Assmann/Schneider-Mülbert, § 37g WpHG Rn. 4; KK-Roth, § 37g WpHG Rn. 6; SchwarkZimmer, § 37g WpHG Rn. 2).
80
§ 37 II 2 Nr. 1-4 WpHG erstreckt die Nichtigkeitsfolge auf Geschäfte, die im Zusammenhang mit verbotenen Finanztermingeschäften stehen. Nichtig sind die Bestellung von Sicherheiten für solche Geschäfte (Nr. 1), die zum Zweck der Erfüllung einer Schuld eingegangenen Verbindlichkeiten, insbesondere ein Schuldanerkenntnis (Nr. 2), Aufträge zum Abschluss von verbotenen Finanztermingeschäften (Nr. 3) sowie die Bildung von auf diesen Zweck gerichteten Vereinigungen (Nr. 4).
81
J. Schiedsvereinbarungen
82
§ 37h WpHG erklärt Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder Finanztermingeschäften für unverbindlich, sofern nicht beide Vertragsteile Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. Die Vorschrift ersetzt und erweitert die bis 2002 in § 28 BörsG enthaltene Regelung. Der Anwendungsbereich beschränkt sich nicht mehr nur auf Streitigkeiten aus Finanztermingeschäften, sondern bezieht alle Streitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen (§ 2 III WpHG) und Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 IIIa WpHG) mit ein. Auch wird nun die Unterwerfung unter alle Formen der Schiedsgerichtsbarkeit erfasst, die frühere Begrenzung auf Börsenschiedsgerichte wurde aufgeben. Die Wirksamkeit der Abrede wird nunmehr vom Status als Kaufmann bzw. juristische Person des öffentlichen Rechts abhängig gemacht. Die neue Vorschrift trat am 01.07.2002 in Kraft. Da ihr keine Rückwirkung zukommt, behalten alle zuvor wirksam abgeschlossenen Schiedsvereinbarungen ihre Gültigkeit (BGHZ 162, 9 (20) = WM 2005, 1143; Assmann/Schneider-Sethe, § 37h WpHG Rn. 61; KK-Roth, § 37g WpHG Rn. 35). Rechtspolitisch ist die Regelung durchaus angreifbar (zur Kritik Berger, ZBB 2003, 77 ff.; Assmann/Schneider-Sethe, § 37h WpHG Rn. 7 ff.; europarechtliche Bedenken bei Jordans, EuZW 2007, 655 ff.). Denn das Schiedsverfahrensrecht enthält zum einen selbst hinreichende Schutzvorkehrungen gegen eine übermäßige Verkürzung des Rechtsschutzes (vgl. dazu auch BGHZ 162, 9 (12 ff.) = WM 2005, 1143), bietet aber zum anderen auch dem privaten Anleger erhebliche Vorteile (Sachkundigkeit des Schiedsrichters, Flexibilität und kürzere Verfahrensdauer). Dem Leitbild des mündigen Verbrauchers würde es entsprechen, ihm die Entscheidung zu überlassen, ob er von diesen Vorzügen Gebrauch machen will. § 37h WpHG stellt sich als Ausdruck eines überzogenen Rechtspaternalismus dar.
Müller
83
“This page left intentionally blank.”
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1639
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
Schrifttum Anderle/Kaufmann, Grundlagen derivativer Zinsprodukte, 3. Aufl., 2000; Benzler, Nettingvereinbarungen im außerbörslichen Derivatehandel, 1999; Binkowski/Beeck, Finanzinnovationen, 3. Aufl., 1995; Borchers, Swapgeschäfte in Zivil- und Steuerrecht, 1993; Bosch, Finanztermingeschäfte in der Insolvenz, WM 1995, 365 (Teil 1); 413 (Teil 2); Burghof/Henke/Rudolph, Kreditderivate als Instrumente eines aktiven Kreditrisikomanagements, ZBB 1998, 277; Burghof/Henke/Rudolph/Schönbucher/Sommer (Hrsg.), Kreditderivate, 2000; Clouth, Rechtsfragen der außerbörslichen Finanz-Derivate, 2001; Decker, Zinssatzund Währungsswaps unter rechtlichen Aspekten, WM 1990, 1001; Eller (Hrsg.), Handbuch derivativer Instrumente, 1996; Fülbier, Zivilrechtliche Einordnung von Zins- und Währungsswaps, ZIP 1990, 544; Jaskulla, Die Einführung derivativer Finanzinstrumente an den deutschen Wertpapierbörsen als Regelungsproblem, 1995; Krämer, Finanzswaps und Swapderivate in der Bankpraxis, 1999; Menninger, Financial Futures und deren bilanzielle Behandlung, 1993; Nordhues/Benzler, Risikosteuerung durch Kreditderivate, WM 1999, 461; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002; Samtleben, Das Börsentermingeschäft ist tot – es lebe das Finanztermingeschäft, ZBB 2003, 69; Smithson, Managing Financial Risk, 1995; Zerey (Hrsg.), Außerbörsliche (OTC) Finanzderivate, 2008. Inhaltsübersicht A. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Arten von OTC-Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Swap-Geschäfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Struktur und Funktion . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Rechtliche Einordnung von SwapGeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Zinsbegrenzungsgeschäfte. . . . . . . . . . . . . 18 1. Struktur und Funktion . . . . . . . . . . . . . 18 2. Rechtliche Einordnung von Zinsbegrenzungsgeschäften . . . . . . . . 24 III. Termin(satz)geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Struktur und Funktion . . . . . . . . . . . . . 25 2. Rechtliche Einordnung von Termin(satz)geschäften . . . . . . . . . . . . 27 IV. Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Struktur und Funktion . . . . . . . . . . . . . 28 2. Rechtliche Einordnung von Optionsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
V.
C.
D. E. F.
Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Struktur und Funktion . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung von Kreditderivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumentation von OTC-Derivaten . . . . . . . . . I. Zweck der Rahmenverträge . . . . . . . . . . . II. Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 2. Kernbestimmungen des Vertrages . . . 3. Sonstiger Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . 4. Vertragsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . III. ISDA Master Agreement . . . . . . . . . . . . . Netting in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . I. Kreditwesengesetz (KWG) . . . . . . . . . . . . II. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 34 36 41 45 45 47 52 55 59 61 66 66 71 73
Stichwortverzeichnis Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Ausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Basisswap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Beratung, anleger- und anlagegerechte . . . . . . . . . . 45 Bretton-Woods–Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 call option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Cap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 cherry-picking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Collar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Corridor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Couponswap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Credit Default Swap (Struktur und Funktion) . . . . 31 Credit Default Swap (rechtliche Einordnung) . . . . 35 Credit Spread Swap (Struktur und Funktion) . . . . . 31 Credit Spread Swap (rechtliche Einordnung) . . . . . 35 Credit Event . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Cross Currency Interest Rate Swap . . . . . . . . . . . 5, 8 Cross Currency Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Currency Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Devisenswap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Differenzeinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Eigenkapitalerleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Einzelgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Einzelgeschäfte (Einbeziehung) . . . . . . . . . . . . . . . 67 Einzelgeschäfte (Einheitlichkeit) . . . . . . . . . . . . . . 48 European Master Agreement (EMA) . . . . . . . . . . . 39 Finanzinnovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Floor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Forderung wegen Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . 63 Forward Rate Agreement (FRA) . . . . . . . . . . . . . . 25 Forward. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Gesamtertragsswap. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Geschäftsbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Großkredit- und Millionenkreditverordnung . . . . . 66 gross-up-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Klingner-Schmidt
1640
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Grundsatz I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Interest Rate and Currency Exchange Agreement . 36 International Swaps and Derivatives Association, Inc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ISDA Master Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . 38, 59 Kassageschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Kaufoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kreditderivate (Struktur und Funktion) . . . . . . . . . 30 Kreditderivate (rechtliche Einordnung) . . . . . . . . . 34 Kreditderivate (Insolvenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Kreditsicherungsswap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Kreditwesengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Liquidationsnetting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Liquidationsnetting (DRV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Liquidationsnetting (Insolvenz) . . . . . . . . . . . . . . . 61 Markt- oder Börsenpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Netting. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Netting (Aufsichtsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Netting (Insolvenzrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Novationsnetting (netting-by-novation) . . . . . . . . . 43 Optionen (Zinsbegrenzungsgeschäfte) . . . . . . . . . . 24 Optionen (Struktur und Funktion) . . . . . . . . . . . . . 28 Optionen (rechtliche Einordnung) . . . . . . . . . . . . . 29 OTC-Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 OTC-Derivate (Arten). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 OTC-Derivate (Dokumentation) . . . . . . . . . . . . . . . 36 Payment Netting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Protection Buyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Protection Seller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 put option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte . . . . . . . 39 Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (Anwendungsbereich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (Kernbestimmungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte
1
(sonstiger Vertragsinhalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (Vertragsergänzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Rahmenvertrag für Swap-Geschäfte . . . . . . . . . . . . 39 Rahmenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Rahmenverträge (Zweck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Reference Entity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Referenzschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Schadensersatzforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Schutzkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Schutzverkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Solvabilitätsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Spannensicherungsswap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Spieleinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Swap-Geschäfte (Struktur und Funktion). . . . . . . . . 4 Swap-Geschäfte (rechtliche Einordnung). . . . . . . . 10 Termingeschäfte (Struktur und Funktion) . . . . . . . 26 Terminsatzgeschäfte (Struktur und Funktion) . . . . 25 Termin(satz)geschäfte (rechtliche Einordnung) . . . 27 Total Return Swap (Struktur und Funktion) . . . . . . 31 Total Return Swap (rechtliche Einordnung) . . . . . . 35 Verkaufsoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Versicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Währungsswap (Struktur und Funktion) . . . . . . . . . 8 Währungsswap (rechtliche Einordnung) . . . . . . . . 15 walk-away-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Warentermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Zahlungsnetting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Zahlungsnetting (DRV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Zinsbegrenzungsgeschäfte (Struktur und Funktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Zinsbegrenzungsgeschäfte (rechtliche Einordnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Zinssatzswap (Struktur und Funktion) . . . . . . . . . . . 6 Zinssatzswap (rechtliche Einordnung) . . . . . . . . . . 11 Zinssatz- und Währungsswap. . . . . . . . . . . . . . . . 5, 8
A. Einleitung Der Handel der Kreditinstitute mit außerbörslichen Finanztermingeschäften, auch als OTC (over the counter)-Derivate oder Finanzinnovationen bezeichnet, hat seit jetzt mehr als 20 Jahren eine stete Entwicklung in der Finanzwelt genommen. Die Gestaltung immer neuer Produktarten lässt sich häufig nur noch von Finanzmathematikern nachvollziehen, obwohl sich die komplexen Strukturen meist in die bekannten Spielarten von Finanzinnovationen der ersten Generation zerlegen lassen.
2
Die Ursprünge dieses Geschäftssegments werden mit der Beendigung des BrettonWoods-Abkommens 1973 und der damit einhergehenden Liberalisierung der Geld- und Kapitalmärkte in Verbindung gebracht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 1; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1001; Menninger, S. 7; Smithson, S. 235). Die damit verbundene Einführung schwankender Wechselkurse und die weltwirtschaftliche Situation in den 70er Jahren machten es erforderlich, Instrumente zur Absicherung von Zins- und Währungsschwankungen zu entwickeln. Als Meilenstein dieser Entwicklung wird stets auf den 1981 zwischen der Weltbank und IBM abgeschlossenen Swap-Vertrag verwiesen, der zwar nicht das erste Geschäft dieser Art war, aber als erstes mit den entsprechenden Details publiziert wurde. Beide Parteien dieses Geschäfts hatten Verbindlichkeiten in verschiedenen Währungen und zu unterschiedlichen Zinssätzen. Durch den Tausch der daraus resultierenden Zahlungsströme waren die Beteiligten in der Lage, ihre Zinsbelas-
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1641
tungen unter Berücksichtigung von Kursgewinnen erheblich zu verringern (BuB-Neuhaus, Rn. 7/1002; Eller, S. 13, 402; Smithson, S. 234). Die seither kaum noch überschaubare Diversifikation dieser Produkte erforderte eine ständige Fortentwicklung auch der rechtlichen Rahmenbedingungen. Um den Handel mit OTC-Derivaten standardisieren zu können, wurden sowohl im Inland als auch für grenzüberschreitende Geschäfte weitgehend einheitliche Vertragswerke geschaffen.
3
B. Arten von OTC-Derivaten
4
I. Swap-Geschäfte. 1. Struktur und Funktion. Seit Beginn der 80er Jahre haben sich gerade Swap-Geschäfte in ihren vielfältigen Gestaltungen besonders stark am Markt durchgesetzt. Während das Volumen laufender Geschäfte von der International Swaps and Derivatives Association, Inc. (ISDA) zum Ende des Jahres 1995 für Zins- und Währungsswaps sowie Zinsoptionen auf US$ 17,713 Billionen geschätzt wurde, werden für das Jahresende 2007 bereits Zahlen von US$ 285,7 Billionen genannt (ISDA, Presseveröffentlichung vom 16. April 2008 sowie Surveys & Market Statistics s. www.isda.org). Der Terminus „Swap“ ist auf den englischen Begriff „to swap“ (tauschen, austauschen) zurückzuführen und beschreibt den Austausch von Zahlungen. Die gebräuchlichsten Erscheinungsformen dieser Finanzinnovation sind der Zinssatz-(„Interest Rate Swap“) und der Währungsswap („Currency Swap“) sowie eine Kombination beider Arten zu einem so genannten Zinssatz- und Währungsswap („Cross Currency Interest Rate Swap“). Daneben gibt es auch (Wertpapier)index- und Waren(index)preisswaps (Schimansky/Bunte/Lwowski- Jahn, § 114 Rn. 5 ff.).
5
Bei einem einfachen Zinssatzswap wird der Austausch von Zinszahlungen in derselben Währung bezogen auf einen festen Kapitalbetrag (Nominalbetrag) für eine bestimmte Laufzeit und zu bestimmten Zahlungsterminen vereinbart. Verbindlichkeiten in Bezug auf den Nominalbetrag werden nicht begründet. Es können sowohl ein festverzinslicher gegen einen variablen Zinssatz (Couponswap), als auch zwei variable Zinssätze (Basisswap) gegeneinander getauscht werden.
6
Beispiel: Das Unternehmen X hat Kreditmittel zu einem variablen Zinssatz aufgenommen, möchte jedoch im Hinblick auf eine gesicherte Kalkulation einen Festzinssatz zahlen, den ihm sein Kreditgeber nicht oder nicht zu akzeptablen Konditionen anbietet. Die Bank B stellt ihm aufgrund des vereinbarten Swap-Geschäfts zu den für X relevanten Zinsterminen die variablen Zinsen gerechnet auf die Kreditverbindlichkeit des X zur Verfügung. Dieser zahlt den vereinbarten Festzinssatz, den B im Zusammenhang mit der Bedienung von Refinanzierungsforderungen benötigt. Aber auch eine reine Zinsarbitrage aufgrund besserer Refinanzierungsmöglichkeiten oder Spekulation auf fallende Zinssätze mögen für B Vorteile bringen (BuB-Neuhaus, Rn. 7/1006; Binkowski/Beeck, S. 43; zu verschiedenen Swap-Arten vgl. Kümpel, Rn. 14. 286; Anderle/Kaufmann, S. 52 ff.).
7
Gegenstand eines Währungsswaps ist der Austausch von Kapital- und Zinsbeträgen in unterschiedlichen Währungen und zwar auch auf der Basis entsprechender Nominalbeträge. Die Begriffe variieren zwischen Cross Currency Swap (Währungsswap) und Cross Currency Interest Rate Swap (Zinssatz- und Währungsswap). Bei der erstgenannten Variante werden feste gegen feste oder variable gegen variable Zinssätze getauscht, hingegen ist beim Cross Currency Interest Rate Swap der Austausch fester gegen variabler Sätze vereinbart (s. auch die Definition der „Specified Transaction“ im 1992 und 2002 ISDA Master Agreement, in der „currency swap transactions“ und „cross-currency rate swap transactions“ erwähnt werden; Binkowski/Beeck, S. 44; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1004; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 4; Smithson, S. 235). Am Ende
8
Klingner-Schmidt
1642
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
der Laufzeit des Swaps werden die jeweiligen Kapitalbeträge wieder zurückgetauscht. Die mittlerweile veränderten Devisenkurse spielen insoweit keine Rolle. Dies unterscheidet den Währungsswap letztlich vom Devisenswap, bei dem keine Zinszahlungen erfolgen, die Kapitalbeträge jedoch zu unterschiedlichen Kursen ausgetauscht werden (Zahlung bei Geschäftsbeginn zu Kassa-, Rückzahlung zu Terminkursen) (Borchers, S. 4; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 16). Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Geschäfte ist der leichtere Zugang der beteiligten Parteien zu den Geld- und Kapitalmärkten in ihren Staaten, der zu einer günstigeren Refinanzierung in der jeweiligen Landeswährung führt. 9
Beispiel: Das Unternehmen X mit Sitz in Deutschland benötigt für ein Investment in den USA für eine längere Zeit US-Dollar zu festen Zinssätzen. Die Bank Y in den USA benötigt für eigene Zahlungsverbindlichkeiten einen entsprechenden Eurobetrag zu variablen Zinskonditionen. Da beide Kursschwankungen vermeiden wollen, vereinbaren sie daher den Austausch der Währungsbeträge mit den entsprechenden Zinszahlungen.
10
2. Rechtliche Einordnung von Swap-Geschäften. Das Bürgerliche Gesetzbuch weist zwar Normen für eine Vielzahl von Rechtsgeschäften auf. Die Einordnung von Swap- Geschäften in diese Strukturen ist jedoch nicht unproblematisch, auch wenn der Begriff „Swap“ (tauschen, austauschen) zunächst eindeutig erscheint.
11
Im Hinblick auf die Bezeichnung „Swap“ liegt eine Einordnung als Tausch (§ 480 BGB) zwar nahe. Als Tausch gilt jedoch ein gegenseitiger Vertrag über den Umsatz eines individuellen Wertes gegen einen anderen individuellen Wert (Palandt-Weidenhoff, § 480 Rn. 1; Staudinger-Mader, § 480 Rn. 1). Dabei können auch Gattungssachen Gegenstand des Tauschvertrages sein (Staudinger-Mader, § 480 Rn. 1). Beim Zinssatzswap werden jedoch Geldschulden in gleicher Währung zu bestimmten Terminen unbar erfüllt, so dass hier weder Gattungssachen noch individuelle Werte gegeneinander ausgetauscht werden (zur Geldschuld als Schuld eigener Art vgl. Palandt-Heinrichs, § 243 Rn. 2, § 245 Rn. 12; Staudinger-Schmidt, Vorbem. zu §§ 244 ff. Rn. C7; Clouth, S. 17 ff.). Entsprechend ist der Zinssatzswap nicht als Tausch zu qualifizieren (Krämer, S. 147; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 75; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1009; Decker, WM 1990, 1001 (1004); a. A. Borchers, S. 59 ff.; Fülbier, ZIP 1990, 544). Aus den genannten Gründen finden auch die Vorschriften über den Kaufvertrag weder mittelbar über § 480 BGB noch direkt Anwendung, da der Kauf der jeweiligen Geldbeträge erst Recht auszuschließen ist (Krämer, S. 147; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1009).
12
Soweit verschiedentlich die Normen der Schuld- und Erfüllungsübernahme (§§ 414, 329 BGB) mit Swap-Geschäften in Verbindung gebracht werden, scheidet eine Anwendung dieser Vorschriften schon allein deshalb aus, weil keiner der Swap-Kontrahenten in Beziehung zu einem Vertragspartner der anderen Partei tritt, selbst wenn der jeweilige Zinssatzswap der Absicherung von Risiken aus anderen Geschäften dienen sollte (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 75; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1010 ff.; Decker, WM 1990, 1001; Borchers, S. 56).
13
Auch die Anwendung der Darlehnsvorschriften (§§ 488 ff. BGB) scheidet aus, da beim Zinssatzswap keine Kapitalbeträge überlassen werden. Der vereinbarte Nominalbetrag ist nur Basis für die zu zahlenden Geldbeträge, die zwar anhand von Zinssätzen errechnet werden, aber keine Zinszahlungen darstellen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 75, Borchers, S. 57).
14
Da die vorhandenen Strukturen weder der Gestaltung eines Zinssatzswaps noch dem Willen der jeweiligen Vertragsparteien entsprechen, ist diese Geschäftsart als Vertrag sui generis einzuordnen (§§ 311, 320 ff. BGB) (Krämer, S. 149; Clouth, S. 43; Kümpel, Rn. 14.
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1643
311 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 75; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1013; Decker, WM 1990, 1001 (1004)). Im Gegensatz zu den Zinssatzswaps werden bei Währungsswaps, auch soweit sie mit Zinssatzswaps kombiniert sind, häufig zu Beginn und regelmäßig zum Ende der Laufzeit die vereinbarten Kapitalbeträge in den unterschiedlichen Währungen ausgetauscht (s. Rn. 8). Dabei liegen jedoch keine gegenseitigen Darlehensverträge vor, da dies zu Beginn der Laufzeit bereits zwingend die Überlassung des jeweiligen Währungsbetrages zur Voraussetzung hätte. Bei Währungsswaps ist es jedoch nicht unüblich, dass gerade diese erste Zahlung nicht erfolgt, sondern sich der Kontrahent die Währung über ein Kassageschäft mit einem Dritten beschafft (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 76; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1014; Decker, WM 1990, 1001 (1007)). Eine Darlehnsgewährung entspricht auch nicht dem Parteiwillen. Die Parteien beabsichtigen nicht, ihre Liquidität durch eine Kapitalüberlassung zu verbessern, sondern durch die Transaktion Zins- und Währungsrisiken abzusichern. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass auch die Art der Vertragsbeendigung im Verzugsfall bei einem Währungsswap anders als beim Darlehen vereinbart ist. Hier kommt es nicht zur vorzeitigen Fälligstellung. Der Vertrag wird vielmehr gekündigt und ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht (vgl. Nr. 7, 8 DRV; Sections 5, 6 ISDA Master Agreement; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 76; Decker, WM 1990, 1001 (1007)). Auch die Einordnung als Tausch (§ 480 BGB) kommt nicht in Betracht, da der Gegenstand des Vertrages Buchgeldzahlungen sind (vgl. Rn. 8). Aus diesem Grund scheidet auch die Anwendung der Kaufvertragsvorschriften aus, da das zur Verfügung gestellte Buchgeld keine Sache gemäß § 433 BGB ist. Auch ein Rechtskauf (§ 453 BGB) liegt nicht vor, da der Vertragsgegenstand dann nur in der Verschaffung eines Auszahlungsanspruchs gegen das Kreditinstitut des Empfängers gesehen werden könnte, was nicht dem Parteiwillen entspricht. Der Empfänger der Zahlung gibt dem Kontrahenten zwar seine Kontoverbindung an. Letzterer will jedoch das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und seinem Vertragspartner nicht beeinflussen (Clouth, S. 18; a. A. Fülbier, ZIP 1990, 544; Decker, WM 1990, 1001 (1007); Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 76, der den Austausch der Währungsbeträge zu Beginn und am Ende der Laufzeit als Devisenkauf bezeichnet; für einen Rechtskauf auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Schefold, § 116 Rn. 212; Staudinger-Beckmann, § 433, Rn. 83). Da folglich auch beim Währungsswap die typischen schuldrechtlichen Vertragsmuster nicht einschlägig sind, ist hier ebenfalls von einem Vertrag sui generis (§§ 311, 320 ff. BGB) auszugehen (Krämer, S. 156; Clouth, S. 23). II. Zinsbegrenzungsgeschäfte. 1. Struktur und Funktion. Unter den Begriff der Zinsbegrenzungsgeschäfte fallen so genannte Caps, Floors, Collars und Corridors. Je nach Motivation will sich der Käufer eines solchen Produkts vor steigenden oder sinkenden Zinssätzen schützen. Ein Cap wird deshalb häufig dann abgeschlossen, wenn ein Darlehnsvertrag mit variabler Verzinsung besteht. Um sich gegen das Risiko steigender Zinsen abzusichern, zahlt dann die eine Partei (Käufer) an die andere Partei (Verkäufer oder Stillhalter) eine Prämie. Der Verkäufer des Cap ist verpflichtet, an den Käufer Zahlungen in Relation zu einem variablen Zinssatz zu leisten, wenn dieser eine vorher vereinbarte Grenze überschreitet. Entsprechende Transaktionen sind auch z. B. in Bezug auf den Kurs eines Wertpapiers denkbar (BuB-Neuhaus, Rn. 7/1016; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 9; Kümpel, Rn. 14. 197; Bosch, WM 1995, 365 (373)). Dabei müssen die Vertragspartner des Darlehnsvertrages und die des Cap nicht identisch sein.
Klingner-Schmidt
15
16
17
18
19
1644
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
20
Ein Floor wird hingegen als Schutz vor sinkenden Zinsen, z.B. im Zusammenhang mit dem Kauf einer variabel verzinslichen Anleihe gekauft. In diesem Fall ist der Verkäufer des Floor verpflichtet, bei Unterschreiten eines vereinbarten Zinssatzes oder Kurses an den Käufer den Differenzbetrag bezogen auf den Nominalbetrag und den jeweiligen Berechnungszeitraum zu zahlen. Auch hierfür erhält er vom Käufer eine Prämie (Anderle/ Kaufmann, S. 96; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 10; BuB-Neuhaus, Rn. 7/ 1017; Kümpel, Rn. 14.201).
21
Werden ein Cap und ein Floor miteinander kombiniert, indem die eine Vertragspartei einen Cap und die andere einen Floor verkauft, um sich gegenseitig vor Zinsrisiken abzusichern, spricht man von einem Collar. Anhand der Wertdifferenz zwischen beiden Transaktionen wird die zu zahlende Prämie bestimmt. Schuldner der Prämie ist die Partei, die das Produkt mit dem höheren Preis erworben hat (Anderle/Kaufmann, S. 97; Schimansky/ Bunte/ Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 12; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1018; Kümpel, Rn. 14.202).
22
Von einem Zinssatz-Corridor wird dann gesprochen, wenn die Parteien sich gegenseitig entweder zwei Caps oder zwei Floors verkaufen. Diese Konstruktion ist dann sinnvoll, wenn eine der Parteien nur einen begrenzten Zinsanstieg oder einen Zinsrückgang erwartet und sich hiergegen schützen will (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 11; Kümpel, Rn. 14. 206).
23
Beispiel: Der Unternehmer A würde in einem solchen Fall von der Bank B einen Cap mit einem Höchstzinssatz von 8% kaufen. Da er vermutet, dass der Zinssatz während der Laufzeit des Cap nicht über 12% steigen wird, verkauft A an B ebenfalls einen Cap mit gleicher Laufzeit und einem Höchstzinssatz von 12%. Er verbilligt so seine Kosten, trägt jedoch das Risiko, dass Zinssteigerungen über 12% zu seinen Lasten gehen.
24
2. Rechtliche Einordnung von Zinsbegrenzungsgeschäften. Zinsbegrenzungsgeschäfte werden im Hinblick auf ihre bereits frühzeitig erfolgte Einbindung in die Dokumentation von Swap-Geschäften häufig auch als besondere Form des Swap-Geschäfts bezeichnet (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 78; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1020). Wirtschaftlich werden sie als Vielzahl von Optionen klassifiziert, weil das Recht erworben werde, Zahlung bei Eintritt bestimmter Bedingungen zu verlangen, wobei eine automatische Ausübung in diesen Fällen als vereinbart gilt (Anderle/Kaufmann, S. 96, Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 78; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1021). Eine rechtliche Einordnung wird hierdurch jedoch nicht ermöglicht. In einem weiteren Ansatz werden Caps sogar als Versicherungsgeschäfte bezeichnet (LG Bochum, WM 96, 629; a.A. Wenzel, WuB I E 3.-4.96), obwohl sie schon aufgrund ihrer Gestaltung und ihres wirtschaftlichen Hintergrundes nicht dem klassischen Versicherungsbild entsprechen. Eine Versicherung dient einer Vielzahl von Personen dazu, sich gegen Zahlung von Prämien gegen Risiken zu versichern, wobei sich das Risiko nur bei einem Teil der Versicherungsnehmer verwirklicht und die gezahlten Prämien untereinander zur Regelung der Schäden eingesetzt werden können. Bei einer entsprechenden Zinsentwicklung würde sich dieses Risiko bei allen Cap-Käufern verwirklichen. Ein Ausgleich über die gezahlten Prämien wäre nicht möglich. Tatsächlich sichert sich der Cap-Verkäufer auch durch entsprechende Gegengeschäfte ab, soweit er nicht bewusst im Hinblick auf die Zinskurve spekuliert. In Ermangelung sonstiger einschlägiger Vertragstypen ist deshalb davon auszugehen, dass es sich auch bei Zinsbegrenzungsgeschäften um atypische gegenseitige Verträge (§§ 311, 320 BGB) handelt (Clouth, S. 52).
25
III. Termin(satz)geschäfte. 1. Struktur und Funktion. Terminsatzgeschäfte (Forward Rate Agreements (FRA)) dienen dem Ziel, Zinssätze unabhängig von Grundgeschäften für die Zukunft zu vereinbaren und dadurch Zinsänderungsrisiken abzusichern
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1645
(Anderle/Kaufmann, S. 29; Kümpel, Rn. 14. 191). Beispiel: A und B vereinbaren einen fiktiven Nominalbetrag, eine Vorlaufperiode (häufig 3 Monate), einen Zinssatz (Terminsatz), eine künftige Zinsperiode sowie einen Referenzzinssatz. Am Ende der Vorlaufperiode werden Terminsatz und Referenzzinssatz verglichen. Der Verkäufer des FRA schuldet einen eventuellen Überschuss, der Käufer einen Minderbetrag, jeweils berechnet anhand der vereinbarten Zinsperiode, dem Nominal- und dem Zinsdifferenzbetrag (§ 54, Rn. 22 ff.; Binkowski/Beeck, S. 76; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 14). Nicht verwechselt werden dürfen die Terminsatzgeschäfte mit Termingeschäften (Forwards). Bei diesen handelt es sich lediglich um Derivatgeschäfte unterschiedlicher Art mit hinausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt. Gegenstand des Forward können mithin Swaps, Zinsbegrenzungsgeschäfte, aber vor allem auch Devisengeschäfte sein. Zweck dieser Transaktion ist es ebenfalls, bestimmte Zinssätze oder Kurse für einen künftigen Zeitraum zu sichern (§ 54, Rn. 24 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 15; für Devisentermingeschäfte vgl. BuB-Neuhaus, Rn. 7/1037). Entsprechende Produkte gibt es mittlerweile auch auf dem Markt für Schiffsfrachtraten (Freight Forwards), die durch Barausgleich erfüllt werden.
26
2. Rechtliche Einordnung von Termin(satz)geschäften. Da bei einem FRA nur ein Zinsausgleich erfolgt, sind ähnliche Strukturen mit zivilrechtlichen Vertragsmustern nicht erkennbar. Ein FRA kann daher ebenfalls nur als atypischer gegenseitiger Vertrag (§§ 311, 320 BGB) bezeichnet werden (Clouth, S. 40). Bei Termingeschäften ist auf das jeweils zugrunde liegende Geschäft, z.B. Swap oder Devisenkauf, abzustellen.
27
IV. Optionen. 1. Struktur und Funktion. Bei einer Option wird gegen Zahlung einer Prämie das Recht verschafft, z. B. Wertpapiere, Devisen oder andere Geschäfte zu einem künftigen bestimmten Zeitpunkt und zu einem bestimmten Preis zu erwerben (Kaufoption, call option) oder zu veräußern (Verkaufsoption, put option). Dabei ist es nach Ausübung der Option häufig nicht vorgesehen, das jeweilige Grundgeschäft zu erfüllen. Es erfolgt dann nur ein Barausgleich (cash settlement). Gehandelt werden meist europäische, amerikanische und Bermuda-Optionen. Der Unterschied besteht im Zeitpunkt der Ausübungsmöglichkeit. So können europäische Optionen nur mit Wirkung zum Laufzeitende, amerikanische während der gesamten Laufzeit und Bermuda-Optionen zu bestimmten Terminen ausgeübt werden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 17; Jaskulla, S. 73). Die Parteien des Geschäfts werden als Käufer und Verkäufer der Option, letzterer auch als Stillhalter bezeichnet, da er allein das Risiko übernimmt, dass die Option ausgeübt wird und er entsprechend das Grundgeschäft erfüllen muss. Sofern er sein Risiko nicht durch ein Gegengeschäft gesichert (gehedged) hat, trägt er allein das Marktrisiko (Jaskulla, S. 73; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1031). Motivation für den Abschluss eines Optionsgeschäftes ist, wie bei anderen Derivaten, die Absicherung von Zins- und Kursschwankungen im Hinblick auf bestehende Verbindlichkeiten oder auch nur reine Spekulation.
28
2. Rechtliche Einordnung von Optionsgeschäften. Im Hinblick auf die rechtliche Einordnung von Optionsgeschäften gibt es zwei Ansätze. Zum einen wird das Optionsrecht als aufschiebende Bedingung bezeichnet, deren Ausübung lediglich dazu führt, dass das zugrunde liegende Geschäft fortan unbedingt und damit zu erfüllen ist (Palandt-Heinrichs, Einführung § 145 Rn. 23; Staudinger-Bork, Vorbem. zu §§ 145- 156 Rn. 69 ff.; BuBNeuhaus, Rn. 7/1032, Bosch, WM 1995, 365 (370)). Diskutiert wird jedoch auch die Einräumung eines befristeten Angebots zum Abschluss des Grundgeschäfts gegen Zahlung einer Prämie (BuB-Neuhaus, Rn. 7/1032). Um eine genaue Klassifizierung vornehmen zu können, muss auf das Einzelgeschäft und den jeweiligen Parteiwillen abgestellt werden (so auch Staudinger-Bork, Vorbem. zu § 145 – 156, Rn. 72). Soweit es Geschäfte
29
Klingner-Schmidt
1646
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
auf der Basis des DRV betrifft, ist von der Option als aufschiebender Bedingung auszugehen. Als Beleg hierfür kann man die in der Regel vereinbarte automatische Ausübung der Option ohne ausdrückliche Erklärung des Optionskäufers ansehen (vgl. Nr. 4 Abs. 3 des Anhangs für Devisengeschäfte und Optionen auf Devisengeschäfte zum DRV, Nr. 4 Abs. 2 des Anhangs für Optionsgeschäfte auf Börsenindizes oder Wertpapiere). 30
V. Kreditderivate. 1. Struktur und Funktion. Seit Mitte der 90er Jahre hat sich die besondere Produktgruppe der Kreditderivate entwickelt, die überwiegend im Interbankengeschäft gehandelt werden. Während Ende 2001 US$ 631,5 Millionen Handelsvolumen von der ISDA in diesem Segment festgestellt wurden, steigerte sich dies bis Ende 2007 auf US$ 62,2 Billionen bezogen auf die jeweils vereinbarten Nominalbeträge (ISDA, Presseveröffentlichung vom 16. April 2008 sowie Survey & Market Statistics, s. www.isda.org). Diese Entwicklung des Marktes und die auch bei diesen Produkten eingetretene Standardisierung in der Dokumentation haben mittlerweile auch einen Börsenhandel in diesem Segement ermöglicht. So bietet die Eurex seit März 2007 Kreditderivate auf verschiedene Indizes an. Gegenstand dieser Geschäfte ist die aufschiebend bedingte Übernahme von Kreditrisiken gegen Zahlung eines Entgelts. Die Vertragspartei, die ihr Kreditrisiko, z. B. aus einem Darlehen oder einem verzinslichen Wertpapier, absichern möchte, wird dabei meist als Schutzkäufer (Protection Buyer), die andere als Schutzverkäufer (Protection Seller) bezeichnet. Der Schuldner des jeweils zugrunde liegenden Darlehens oder der Emittent der Wertpapiere wird Referenzschuldner (Reference Entity) genannt. Das Kreditderivat bezieht sich in der Regel nicht auf das konkrete Vertragsverhältnis zwischen dem Schutzkäufer und seinem Schuldner. Für die Berechnung der Prämie wird deshalb meist nur eine Referenzverbindlichkeit des Drittschuldners vereinbart, die nicht zwingend auch die Verbindlichkeit sein muss, die der Dritte dem Schutzkäufer schuldet (Kümpel, Rn. 14. 113 ff.; Nordhues/Benzler, WM 1999, 461). Das Kreditrisiko geht bei Eintritt bestimmter Bedingungen, so genannter „Credit Events“, auf den Schutzverkäufer über. Diese Credit Events werden individuell vereinbart und beziehen sich auf die finanzielle oder rechtliche Situation des Referenzschuldners (z.B. Insolvenz, Verzug, vorzeitige Fälligstellung seiner Verbindlichkeiten in Höhe eines zwischen Schutzkäufer und -verkäufer vereinbarten Mindestbetrages oder Verschlechterung des Rating).
31
Unterschieden werden in dieser Produktgruppe Kreditsicherungsswaps (Credit Default Swaps), Gesamtertragsswaps (Total Return Swaps) und Spannensicherungsswaps (Credit Spread Swaps). Bei Kreditsicherungsswaps ist vereinbart, dass der Schutzverkäufer beim Eintritt eines Credit Event an den Schutzkäufer Ausgleichszahlungen („Barausgleich“ oder „Cash Settlement“ genannt) leistet oder Forderungen gegen den Referenzschuldner gegen Zahlung des bei Abschluss des Kreditderivates vereinbarten Wertes übernimmt („Lieferung“ oder „Physical Delivery“). Auf diese Weise verringert der Schutzkäufer bestimmte Risiken in seinem Kreditportfolio (Kümpel, Rn. 14. 113; Nordhues/Benzler, WM 1999, 461; Schüwer/Steffen, in: Zerey, S. 48, Rn. 36).
32
Ein Spannensicherungsswap bezieht sich hingegen meist auf die Renditedifferenz zwischen einem vom Schutzkäufer gehaltenen Wertpapier und dem Wertpapier eines Emittenten mit höchster Bonität. Sonstige Konditionen und die Laufzeit müssen übereinstimmen. Der Schutzkäufer will sich mit dem Abschluss dieses Geschäfts vor einer Renditeverschlechterung der von ihm gehaltenen Papiere schützen. Er zahlt hierfür ebenfalls eine Prämie. Denkbar ist auch die gegenseitige Zahlung von Marktzinsen zuzüglich einer Marge durch den Schutzkäufer (BuB-Neuhaus, Rn. 7/1026). Vergrößert sich die anfänglich bestimmte Renditedifferenz zu bestimmten Stichtagen, zahlt der Schutzverkäufer einen Ausgleichsbetrag. Verringert sich die Differenz, trifft den Schutz-
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1647
käufer eine entsprechende Zahlungsverpflichtung (BuB-Neuhaus, Rn. 7/1026; Burghof/ Henke/Rudolph, ZBB 1998, 277 (280); Nordhues/Benzler, WM 1999, 461 (462); Kümpel, Rn. 14.116). Bei einem Gesamtertragsswap übernimmt der Schutzkäufer nicht nur das Bonitätsrisiko, sondern auch die in Bezug auf den Referenzwert entstehenden Marktschwankungen gehen zu seinen Lasten (Kümpel, Rn. 14 115). Während der Laufzeit des Geschäfts zahlt der Schutzkäufer die Zinserträge aus seinem Wertpapier oder seiner Darlehnsforderung an den Schutzverkäufer und erhält dafür im Gegenzug einen festen oder variablen Zinssatz zu den jeweiligen Zahlungsterminen. Wie bei einem Spannensicherungsswap ist ergänzend der Wertausgleich zu bestimmten Stichtagen vorgesehen. Bei Eintritt vereinbarter Credit Events erfolgt eine Beendigung und Abwicklung der Transaktion wie bei einem normalen Kreditsicherungsswap (Burghof/Henke/Rudolph, ZBB 1998, 277 (281); Nordhues/Benzler, WM 1999, 461 (462)).
33
2. Rechtliche Einordnung von Kreditderivaten. Die zivilrechtliche Einordnung von Kreditderivaten ist insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Erfüllungsmöglichkeiten problematisch. Obwohl der Schutzverkäufer die Forderungen des Sicherungskäufers gegen den Dritten mittelbar besichert, scheidet z.B. die Anwendung der Vorschriften über die Bürgschaft aus. Der Schutzverkäufer ist mangels Akzessorietät nicht Bürge, da sich die Besicherung in der Regel nicht zwingend auf eine konkrete Forderung, sondern lediglich auf eine Referenzverbindlichkeit bezieht. Die Einordnung als Schuldübernahme scheidet aus dem selben Grunde aus. Zudem ist der Schutzverkäufer zunächst auch nur dem Schutzkäufer und nicht dem Dritten verpflichtet. Eine spätere Verpflichtung dem Dritten gegenüber scheidet auch dann aus, wenn das Geschäft nur durch Wertausgleich und nicht durch Übertragung von Forderungen abgewickelt wird. Eine gesamtschuldnerische Haftung, wie beim Schuldbeitritt, entspricht ebenfalls nicht dem Parteiwillen. So könnte man die Kreditderivate allenfalls als abstrakte Garantien einordnen (so Nordhues/Benzler, WM 1999, 461 (463); a.A. Nordhues/Benzler in: Burghof/Henke/Rudolph/ Schönbucher/Sommer , S. 177 ff.), sofern es sich, wie bei einem einfachen Credit Default Swap, um einseitig verpflichtende Verträge handelt. Credit Spread Swaps und insbesondere Total Return Swaps sind hingegen zweiseitig verpflichtende Verträge, die daher als Verträge eigener Art (§§ 311, 320 BGB) einzustufen sind (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 86). Kreditsicherungsswaps, die bei Eintritt eines Kreditereignisses durch die Übertragung konkreter Forderungen abgewickelt werden, könnten statt als Garantien auch besser als aufschiebend bedingte Rechtskäufe bezeichnet werden (zu den damit verbundenen Abtretungen und Schuldübernahmen vgl. Nordhues/Benzler, WM 1999, 461 (464)).
34
C. Dokumentation von OTC-Derivaten
36
Nachdem die ersten Geschäfte dieser Art jeweils einzeln in ihren Details vertraglich fixiert wurden, versuchte man aufgrund der steigenden Transaktionszahlen bereits frühzeitig die Dokumentation zu standardisieren. Letztlich war dies auch deshalb erforderlich, da Börsenbedingungen oder -usancen als Regelungsgrundlage nicht zur Verfügung standen. Auf internationaler Ebene wurde daher bereits 1987 von der ISDA das Interest Rate and Currency Exchange Agreement für Zins- und Währungsswaps veröffentlicht. Um weitere Geschäftsarten einbeziehen zu können, wurde 1989 ein Addendum zu diesem Vertrag für Interest Rate Caps, Collars und Floors und 1990 ein weiteres für Optionen von der ISDA zur Anwendung empfohlen. Zusätzlich wurden eine Reihe von Musterklauseln für bestimmte Fallkonstellationen entworfen, die individuell zwischen den Parteien vereinbart werden können.
Klingner-Schmidt
35
37
1648
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
38
Der Rahmenvertrag wurde Anfang der 90er Jahre von der ISDA weitgehend überarbeitet, um weitere Produkte in den Anwendungsbereich einzubeziehen zu können, z.B. auch soweit sie Lieferverbindlichkeiten zum Gegenstand haben. Des Weiteren waren Änderungen erforderlich, um den Verwendern des Vertrages Eigenkapitalersparnisse durch aufsichtsrechtlich zulässige Verrechnungsbestimmungen (Nettingklauseln, vgl. unter Rn. 41 ff.) zu ermöglichen. Das 1992 entstandene ISDA Master Agreement ist bis heute für dieses Geschäftssegment auf internationaler Ebene die maßgebliche Vertragsgrundlage. Soweit vor einigen Jahren von der ISDA das ISDA Master Agreement 2002 veröffentlicht wurde, das neuere Marktentwicklungen reflektiert, hat sich dies noch nicht umfänglich am Markt durchsetzen können. Ursächlich mag hierbei insbesondere der erhebliche technische und administrative Aufwand , insbesondere in der Kreditwirtschaft sein, bestehendeVerträge neu zu verhandeln und inhaltlich umzusetzen.
39
Mit zeitlicher Verzögerung wurde von den Verbänden der deutschen Kreditwirtschaft 1990 der „Rahmenvertrag für Swap-Geschäfte“ entwickelt, da der umfangreichere englischsprachige ISDA-Vertrag, der zudem wahlweise nur auf englischem oder New Yorker Recht basierte, für das reine Inlandsgeschäft ungeeignet war. Um neben Swaps noch weitere Geschäfte dokumentieren zu können, entwickelten die Verbände 1993 dann den deutschen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (DRV) (abgedruckt unter Rn. 73), der ergänzbar um mehrere Anhänge bis heute Standardvertrag für das Inlandsgeschäft ist. Soweit 1999 von der Banking Federation of the European Union ein European Master Agreement (EMA) zur Verwendung empfohlen wurde, kann dieses seit 2004 unter Einbeziehung eines standardisierten Anhangs auch zur Dokumentation von OTC-Derivaten verwandt werden.
40
Bei den geschilderten Vertragsmustern handelt es sich um Rahmenverträge, die die für eine Vielzahl von verschiedenen Transaktionen übereinstimmenden Vertragsregelungen, z.B. über Berechnungsarten, Kündigungsmöglichkeiten, Kommunikationswege und steuerrechtliche Fragen enthalten. Diese Rahmenverträge mit unbegrenzter Laufzeit sind als Dauerschuldverhältnisse zu qualifizieren (Benzler, S. 40). Die wirtschaftlichen Details der auf der Basis des jeweiligen Rahmenvertrages abgeschlossenen Einzelgeschäfte bleiben einer meist zunächst mündlichen Vereinbarung zwischen den Parteien vorbehalten, die durch schriftliche Geschäftsbestätigung dokumentiert wird. Diese Geschäftsbestätigungen werden Bestandteil der Rahmenverträge. Die Einzelgeschäfte bilden somit untereinander und zusammen mit dem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag (vgl. Nr. 1 Abs. 2 DRV; Nr. 1 (c) ISDA Master Agreement, Nr. 1 EMA).
41
I. Zweck der Rahmenverträge. Die Verwendung von Rahmenverträgen ermöglicht durch die damit einhergehenden Standardisierungen eine vereinfachte Art der Geschäftsabwicklung und bietet somit ein höheres Maß an Rechtssicherheit (Behrends, in: Zerey, S. 63, Rn. 2 ff.; Benzler, S. 48; Reiner, S. 181; Kümpel, Rn. 14.188). Durch die Verbindung einer Vielzahl von Einzelgeschäften über den Rahmenvertrag wird jedoch erst die Möglichkeit für die jeweiligen Vertragsparteien geschaffen, die Marktwerte der einzelnen Geschäfte miteinander zu verrechnen, was insolvenzrechtlich und für Kreditinstitute auch aufsichtsrechtlich von Vorteil ist. Diese Verrechnung wird allgemein als Netting bezeichnet, wobei hiermit das Liquidations- oder Close-Out-Netting als Gegensatz zum reinen Zahlungsnetting oder auch zum Novationsnetting gemeint ist.
42
Beim Zahlungsnetting (Payment Netting), welches auch in den Rahmenverträgen geregelt ist, wird lediglich die Verrechnung von Zahlungen zwischen den Parteien vereinbart, die am gleichen Tag und in gleicher Währung fällig werden. Je nach organisatorischen Möglichkeiten wird das Zahlungsnetting dabei nur in Bezug auf das Einzel-
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1649
geschäft oder für eine Vielzahl von Transaktionen vereinbart (Behrends, in: Zerey, S. 69, Rn. 30 ff.; Benzler, Rn. 61). Beim Novationsnetting (Netting-by-Novation) findet eine schuldersetzende Verrechnung eines neuen Geschäfts mit dem noch laufenden vergleichbaren Geschäft statt. Diese Möglichkeit wird gelegentlich für Devisen- und Devisenoptionsgeschäfte als individuelle Regelung in ISDA-Verträgen vereinbart (Benzler, Rn. 64). Die Vereinbarung über ein Liquidationsnetting ermöglicht es den Vertragsparteien, bei einer Beendigung des Rahmenvertrages und damit aller Einzelgeschäfte, z.B. im Verzugsoder Insolvenzfall eines Kontrahenten, die Marktwerte aller Einzelgeschäfte miteinander zu verrechnen und unter Berücksichtigung etwa rückständiger Leistungen eine einheitliche Forderung aufzustellen und im Insolvenzverfahren anzumelden. Soweit Kreditinstitute Risiken aus OTC-Geschäften mit Eigenkapital unterlegen müssen, ermöglicht die tägliche interne Verrechnung der Marktwerte eine geringere Belastung des Eigenkapitals sowie Erleichterungen im Meldewesen. Um diesen Effekt erzielen zu können, sind sowohl insolvenz- als auch aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu beachten (s. Rn. 61 ff.). II. Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte. 1. Anwendungsbereich. Der DRV, auf den gemäß Nr. 11 Abs. 2 DRV deutsches Recht Anwendung findet, wird vorwiegend zwischen Parteien im Inland, aber auch mit Geschäftspartnern im deutschsprachigen Ausland oder mit ausländischen Tochtergesellschaften deutscher Banken abgeschlossen. Soweit der Auslandsbezug im Einzelfall steuerrechtliche Probleme zur Folge haben mag, kann dem durch die Vereinbarung einer so genannten „gross-up-Klausel“ in Nr. 12 Abs. 5 DRV Rechnung getragen werden. Im Gegensatz zum ISDA Master Agreement werden durch den Vertragsschluss die entsprechenden Geschäfte aller Niederlassungen der beiden Vertragspartner einbezogen, und zwar auch dann, wenn sie sich im Ausland befinden. Der Vertrag wurde zwar zunächst nur im Verhältnis zwischen Banken eingesetzt. Mittlerweile ist er jedoch auch zwischen Banken und anderen Unternehmen gebräuchlich. Gegen die Verwendung der Vereinbarung mit Institutionen der öffentlichen Hand und mit Privatpersonen bestehen ebenfalls grundsätzlich keine Bedenken (Schimansky/Bunte/ Lwowski- Jahn, § 114 Rn. 37). Soweit es Geschäfte mit der öffentlichen Hand betrifft, sollte jedoch bei Abschluss von Einzelgeschäften stets deren Zulässigkeit geprüft werden (vgl. zur ultra-vires-Problematik, Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 110 ff.; Benzler, S. 111; Endler, in: Zerey, S. 354 ff.). Dies gilt auch bei Geschäften mit privatrechtlichen Unternehmen, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen (OLG Naumburg ZIP 2006, 1767). Nach dieser Rechtsprechung muss in Ermangelung von Fremdwährungsverbindlichkeiten von der beratenden Bank darüber aufgeklärt werden, dass Währungsswaps in der Regel zur Absicherung von Währungsrisiken eingesetzt werden. Zudem muss die Bank die Vertreter des Unternehmens, dessen gesamte Anteile von einer Kommune gehalten werden, auf etwa bestehende Beschränkungen, insbesondere im Hinblick auf das für die öffentliche Hand geltende Spekulationsverbot, hinweisen. Der BGH bestätigte die geltend gemachten Schadensersatzansprüche, führte jedoch aus, dass der Beratungsfehler im Kern nicht in einem unterbliebenen Hinweis auf kommunalrechtliche Bindungen, sondern darin gelegen habe, dass nicht ausreichend über den spekulativen Charakter des Geschäftes aufgeklärt wurde (BGH vom 21. März 2006, XI ZR 116/05). Dies ist sachgerecht, da nach den §§ 31 ff. WpHG eine anleger- und anlagegerechte Beratung geschuldet wird. Eventuelle aufgrund der jeweiligen Gesellschafterstruktur bestehende interne Handlungsbeschränkungen sind vom jeweiligen Unternehmen selbst und nicht von dessen Vertragspartner zu prüfen. Soweit es den Abschluss von Geschäften in OTC-Derivaten durch Privatpersonen i.S.v. § 31a Abs. 3 WpHG betrifft, spielt auch die Erfüllung der Erfordernisse an eine anleger-
Klingner-Schmidt
43
44
45
1650
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
und anlagegerechte Beratung (§ 31 WpHG) eine bedeutsame Rolle (siehe hierzu auch § 50, Rn. 160; LG Magdeburg ZIP 2008, 1064; LG Würzburg WM 2008, 977) . 46
Im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich können alle Finanztermingeschäfte einbezogen werden, die zur Gestaltung von Zinsänderungs-, Währungskurs- und sonstigen Kursrisiken abgeschlossen werden (Nr. 1 DRV) und die den Austausch von Zahlungen oder die Lieferung von Wertpapieren, anderen Finanzinstrumenten oder Edelmetallen oder ähnliche Leistungen zum Gegenstand haben.
47
2. Kernbestimmungen des Vertrages. Die Kernbestimmungen des Vertrages beziehen sich auf die Einheitlichkeit des Vertrages, seine Kündigung sowie die danach folgende Schadensberechnung. Nur durch die entsprechende Gestaltung dieser Klauseln können die Verrechnung im Insolvenzfall sowie die aufsichtsrechtlichen Erleichterungen gesichert werden.
48
Die Einheitlichkeit aller Einzelgeschäfte zusammen mit dem Rahmenvertrag findet sich in Nr. 1 Abs. 2 DRV. Dort heißt es, dass alle Einzelabschlüsse, die unter Zugrundelegung des Rahmenvertrages geschlossen werden, untereinander und zusammen mit dem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag bilden. Die Einbeziehung des Einzelabschlusses setzt eine Bezugnahme auf den DRV in der Einzelgeschäftsbestätigung voraus, um im Fall der Vertragsbeendigung und der dann erforderlichen Verrechnung eine genaue Identifikation der jeweiligen Geschäfte vornehmen zu können (vgl. § 104 InsO, § 206 Abs. 3 SolvV, § 15 Abs. 1 Nr. 3 GroMiKV). Alternativ besteht die Möglichkeit, einzelne Produktgruppen zu definieren, bei denen entsprechende Einzelgeschäfte als automatisch in den Rahmenvertrag einbezogen gelten, ohne dass es einer ausdrücklichen Bezugnahme in der Geschäftsbestätigung bedarf (Nr. 1 Abs. 2 des Anhangs für Devisengeschäfte und Optionen auf Devisengeschäfte zum DRV).
49
Der Rahmenvertrag mit den einzelnen Abschlüssen kann mit einer Ausnahme nur insgesamt gekündigt werden. Solange Einzelabschlüsse noch nicht vollständig abgewickelt wurden, ist eine Kündigung auch nur aus wichtigem Grund zulässig. Maßgeblich ist, ob es dem einen Vertragspartner zumutbar ist, länger vertraglich gebunden zu sein (Benzler, S. 158; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 41) Beispielhaft werden in Nr. 7 DRV Verzug und Insolvenz als Kündigungsgründe genannt. Im Insolvenzfall endet der Vertrag automatisch, wenn das Verfahren beantragt wird und die Partei den Antrag entweder selbst gestellt hat oder zahlungsunfähig oder sonst in einer Lage ist, die die Eröffnung eines solchen Verfahrens rechtfertigt (Nr. 7 Abs. 2 DRV). Die Regelung stellt mithin eine auflösende Bedingung dar (Benzler, S. 164 ff.).
50
Im Zeitpunkt der Beendigung sind die Parteien einander nicht mehr zur Erfüllung der in den Einzelabschlüssen vereinbarten Leistungen verpflichtet. Es werden dann Schadensersatz- und Ausgleichsforderungen nach Nr. 8, 9 DRV errechnet. So steht der kündigenden oder solventen Partei ein Schadensersatzanspruch zu, der auf der Basis der Werte unverzüglich abzuschließender Ersatzgeschäfte ermittelt wird, wobei die Partei jedoch nicht verpflichtet ist, diese Geschäfte tatsächlich abzuschließen. Vorteile, die sich aus der vorzeitigen Beendigung von Einzelabschlüssen ergeben, werden mit den Nachteilen aus den anderen Einzelabschlüssen verrechnet (Liquidationsnetting). Erlangt die kündigende oder solvente Partei dabei insgesamt einen Vorteil, schuldet sie der anderen Partei einen Betrag in Höhe dieses Vorteils, höchstens jedoch den Schaden dieser Partei. Durch die Möglichkeit des Bestehens eines Anspruchs der gekündigten oder insolventen Partei erfolgt ein wirtschaftlich angemessener Ausgleich. Die Kündigung mit ihren Folgen ist somit nur bedingt als Sanktion zum Schutze der vertragsgetreuen Partei zu sehen. Diese Art der Vertragsgestaltung ist gerade für Kreditinstitute von Bedeutung, da sie anderen-
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1651
falls nicht in den Genuss von Eigenkapitalerleichterungen durch das Netting kommen (§ 206 Abs. 2 Nr. 5 SolvV; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 42). In diesem Zusammenhang ist deshalb auch bei Vertragsabschlüssen von Kreditinstituten darauf zu achten, dass keine der Fallalternativen unter Nr. 12 Abs. 4 DRV vereinbart ist. Der Schadensersatzanspruch ist mit rückständigen Beträgen und sonstigen Leistungen zu einer einheitlichen Ausgleichsforderung zu verrechnen (Nr. 9 DRV). Falls diese Ausgleichsforderung der gekündigten oder insolventen Partei zusteht, wird sie jedoch nur dann fällig, wenn die andere Partei keine Gegenansprüche aus anderen Rechtsverhältnissen geltend macht. Der Wert eventueller Gegenansprüche wird sodann von der Ausgleichsforderung abgesetzt (Nr. 9 Abs. 2 DRV). Eine Ausnahme vom Prinzip der einheitlichen Vertragsbeendigung kommt nur in Betracht, wenn bei Geschäften mit ausländischen Niederlassungen eine Partei aus steuerrechtlichen Gründen zusätzliche Zahlungen leisten muss oder aus sonstigen rechtlichen Gründen ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen darf. Es besteht dann die Möglichkeit, die im Einzelfall getroffenen Transaktionen separat zu beenden (Nr. 12 Abs. 5 DRV).
51
3. Sonstiger Vertragsinhalt. Entsprechend den Usancen werden die Geschäfte grundsätzlich telefonisch abgeschlossen (zur Problematik der Aufzeichnung von Telefongesprächen vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 38). Das Geschäft wird dann durch eine Einzelgeschäftsbestätigung (Nr. 2 DRV) dokumentiert, was nach BTO 2.2.2 MaRisk auch aufsichtsrechtlich erforderlich ist.
52
Nr. 3 DRV enthält Regelungen darüber, wann und in welcher Weise Zahlungen in Verbindung mit Einzelgeschäften zu leisten sind. Dabei sieht Nr. 3 Abs. 3 DRV auch ein Zahlungsnetting (vgl. Rn. 42; Behrends, in: Zerey, S. 69, Rn. 30 ff.; Benzler, S. 137) vor, das sich auf Zahlungen aufgrund des Rahmenvertrages, also auch in Bezug auf mehrere Einzelabschlüsse, bezieht, die am selben Tag und in gleicher Währung fällig sind. Die Partei, die dann den höheren Betrag schuldet, zahlt die Differenz. Da das Zahlungsnetting wegen der Vielzahl der unter dem Rahmenvertrag gehandelten Produkte organisatorisch problematisch ist, vereinbaren die Parteien meist abweichend hiervon in Nr. 12 Abs. 2 DRV ein Zahlungsnetting in Bezug auf Einzeltransaktionen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 39).
53
Wie bereits bei den verschiedenen Produktarten ausgeführt, sind häufig variable Zinssätze zur Bestimmung von Zinszahlungen heranzuziehen. Es werden dabei meist allgemein anerkannte Informationsdienste wie Telerate, Reuters genutzt. Die Berechnung erfolgt durch die im Rubrum des DRV als Bank definierte Vertragspartei. Für den Fall, dass die erforderlichen Informationsdienste nicht zur Verfügung stehen, sind die Parteien gehalten, zunächst eine einvernehmliche Regelung anzustreben, anderenfalls auf die Angaben von Referenzbanken zurückzugreifen (Nr. 5 Abs. 2 DRV).
54
4. Vertragsergänzung. Den Parteien steht es frei, den DRV individuell zu ergänzen. In Betracht kommt die Einbeziehung von Altgeschäften, die nicht auf der Grundlage eines Rahmenvertrages abgeschlossen wurden (für Geschäfte auf der Basis von Rahmenverträgen in früheren Fassungen vgl. Nr. 11 Abs. 4 DRV). Denkbar sind auch zusätzliche Kündigungsgründe, wie z.B. eine Verschlechterung des Rating oder eine Änderung in der Gesellschafterstruktur des Kontrahenten.
55
Die typischen Ergänzungen erfolgen jedoch meist über die von den Verbänden der Kreditwirtschaft für einzelne Produktgruppen oder Sonderprobleme entwickelten Anhänge. Am gebräuchlichsten sind dabei der Anhang für Devisengeschäfte und Optionen auf Devisengeschäfte sowie der Anhang für Optionsgeschäfte auf Börsenindizes oder Wertpapiere. Die Anhänge enthalten eine Reihe von für diese Produkte erforderlichen Sonder-
56
Klingner-Schmidt
1652
57
58
59
60
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
regelungen. Entsprechende Anhänge wurden auch für Kreditderivate und Geschäfte in Rohwaren entwickelt. Am Markt hat sich darüber hinaus ein Anhang über die vorzeitige Erfüllung durch Ausgleichszahlung durchgesetzt. Die Anwendbarkeit dieses Anhangs ist von den Parteien für das jeweilige Einzelgeschäft ausdrücklich zu vereinbaren. Hierdurch besteht die Möglichkeit, Einzelgeschäfte vorzeitig zu beenden und dann durch eine Ausgleichszahlung zu erfüllen. Durch die Ausübung des Rechts, das wirtschaftlich als Option zu bewerten ist, wird es den Vertragsparteien ermöglicht, die ursprünglich vereinbarte Laufzeit und das damit verbundene Adressenausfallrisiko zu verkürzen (Schimansky/Bunte/LwowskiJahn, § 114 Rn. 49b). Bedeutsam ist letztlich der 1999 von den Verbänden empfohlene Besicherungsanhang zum DRV, mit dem die Parteien die Sicherheitenbestellung und –bewertung für die aus den Geschäften resultierenden Risiken regeln können. Als Sicherheiten werden dabei meist Bankguthaben oder Wertpapiere vereinbart. III. ISDA Master Agreement. Für grenzüberschreitende Derivatgeschäfte ist das 1992 ISDA Master Agreement derzeit noch Marktstandard (Benzler, S. 43; Abdruck im Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4, S. 709 ff.). Bei neuen Vertragsabschlüssen wird jedoch auch auf das 2002 ISDA Master Agreement oder das EMA zurückgegriffen. In der Regel wird für das ISDA Master Agreement englisches oder New Yorker Recht vereinbart. Im Aufbau unterscheidet sich der ISDA-Vertrag vom DRV dadurch, dass dem standardisierten Vertragstext ein umfänglicher Anhang (Schedule) beigefügt ist, der eine Vielzahl individueller Regelungen enthält. Da es nicht englischem oder New Yorker Recht entspricht, Kündigungsrechte in Anknüpfung an unbestimmte Rechtsbegriffe („aus wichtigem Grund“) zu vereinbaren, enthält der Vertrag eine Vielzahl von verschuldensabhängigen Kündigungs- (Events of Default) und verschuldensunabhängigen Beendigungsgründen (Termination Events) (vgl. Section 5 1992 ISDA Master Agreement; Reiner in Münchener Vertragshandbuch, S. 763 ff.). Für die Berechnung des Schadensersatzes bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages sieht dieser verschiedene Möglichkeiten vor, wobei bei der konkreten Vereinbarung im Anhang darauf zu achten ist, dass diese nicht nettingschädlich ist (zur First und Second Method im 1992 ISDA Master Agreement vgl. Reiner in: Münchener Vertragshandbuch, S. 782 ff.; Krämer, S. 546; im 2002 ISDA Master Agreement ist eine solche Differenzierung nicht mehr vorgesehen. Die dort getroffene Regelung entspricht im Hinblick auf das close-out netting den bankaufsichtrechtlichen Vorgaben in Deutschland). Zusätzlich zu dem Rahmenvertrag können eine Vielzahl von Klauselwerken mit Begriffsbestimmungen zu einzelnen Produktarten über den Anhang oder auch nur für das einzelne Geschäfte vereinbart werden. Beispielhaft sei auf die 1998 FX and Currency Option, die 2002 ISDA Equity Derivatives, die 2003 ISDA Credit Derivatives, die 1997 ISDA Government Bond Option Definitions und die 2005 ISDA Commodity Definitions verwiesen (siehe Gesamtüberblick unter www.isda.org). Weiter steht eine Reihe von Dokumenten zur Besicherung der Risiken aus den Geschäften zur Verfügung (Credit Support Annex/Deed, 2001 Margin Provisions; Reiner, in: Münchener Vertragshandbuch, S. 870 ff.). Im Gegensatz zum DRV gilt das ISDA Master Agreement nur für Geschäfte zwischen den Niederlassungen der jeweiligen Vertragsparteien, die im Anhang des Vertrages genannt werden. Um die nach BTO 2.2.1 Nr. 9 MaRisk erforderliche Prüfung der rechtlichen Durchsetzbarkeit der Verträge durchführen zu können, ist dann nicht nur das jeweils vereinbarte Vertragsrecht, sondern auch das am Hauptsitz und im Zweifel auch das am Ort der jeweiligen Niederlassung geltende Recht zu beachten (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 151; von Sachsen-Altenburg, in: Zerey, S. 146, Rn. 78).
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1653
D. Netting in der Insolvenz
61
Um beurteilen zu können, ob das Liquidationsnetting der unter dem Rahmenvertrag abgeschlossenen Einzelgeschäfte auch in der Insolvenz des Vertragspartners durchsetzbar ist, muss in der Regel auf die Rechtsordnung am Sitz des Vertragspartners abgestellt werden (Art. 102 I EGInsO iVm Art. 3 I der VO (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG Nr. L 160, 1)). Nachfolgend soll insbesondere auch im Hinblick auf die Regelungen des DRV auf die deutsche Rechtsordnung abgestellt werden. Hingewiesen sei aber darauf, dass mittlerweile in vielen anderen Ländern vergleichbare Rechtsnormen existieren (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 141). Einschlägig für das Liquidationsnetting ist § 104 II InsO, der über Art. 105 EGInsO bereits am 19.10.1994 in Kraft trat. Durch diese Norm sollte das „cherry-picking“ des Insolvenzverwalters ausgeschlossen werden, der bis dahin das Wahlrecht hatte, nur die für die Masse günstigen Geschäfte zu erfüllen (Benzler, S. 66; Reiner, S. 184). Zudem wurde es so für die solvente Vertragspartei möglich, offene Positionen sofort wieder absichern zu können (Marotzke, HK-InsO, § 104 Rn. 1; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1090; Reiner, S. 186). Nach § 104 II InsO kann in der Insolvenz nur eine Forderung wegen Nichterfüllung geltend gemacht werden, wenn für Finanzleistungen, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, eine bestimmte Zeit oder Frist vereinbart war und der Zeit- oder Fristablauf erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt. Der Begriff der Finanzleistungen wird in der Norm beispielhaft erläutert. Unter ihn lassen sich nahezu alle der unter Rn. 4 ff. beschriebenen OTC-Derivate, aber auch Kassageschäfte in Devisen und Wertpapieren (zu Kassageschäften vgl. FK-InsO/Wegener, § 104 Rn. 21; Bosch, WM 1995, 413 (420); Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 140) subsumieren, wobei jedoch im Einzelfall eine genaue Prüfung vorzunehmen ist (FK-InsO/Wegener, § 104 Rn. 16 ff; Reiner, S. 188 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 138). So fallen Warentermingeschäfte nach h.M. nur dann unter die Vorschrift, wenn sie durch Barausgleich und nicht durch Lieferung zu erfüllen sind (FK-InsO/Wegener, § 104 Rn. 19; Benzler, S. 242; Bosch, WM 95, 413 (416); a.A. Reiner, S. 210). Offen ist auch, welche Kreditderivate von der Vorschrift erfasst werden. Auch hier wird es auf die Ausgestaltung des einzelnen Geschäfts und insbesondere die Beantwortung der Frage ankommen, ob ein Markt- oder Börsenpreis feststellbar ist. Da das Volumen der gehandelten Kreditderivate stark zugenommen hat (vgl. Rn. 30), ist grundsätzlich ein Marktpreis zumindest für standardisierte Produkte und damit auch die Anwendbarkeit von § 104 II InsO zu unterstellen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 138; so auch FK-InsO/Wegener, § 114 Rn. 14, für den Fall, dass ein Preis mit einer der bankaufsichtlichen Praxis entsprechenden Bewertungsmethode ermittelt werden kann; Benzler, S. 247). Maßgebend für das Netting ist letztlich § 104 II 3 InsO, der die Gesamtheit aller Geschäfte über Finanzleistungen, die in einem Rahmenvertrag zusammengefasst sind, als einen gegenseitigen Vertrag im Sinne von §§ 103, 104 InsO anerkennt. Voraussetzung ist jedoch, dass der Rahmenvertrag bei Vertragsverletzungen nur einheitlich beendet werden kann. Der ausdrückliche Verweis auf § 103 InsO ist dabei so zu verstehen, dass in dem Fall, in dem zwar die Voraussetzungen des § 104 II 3 InsO, nicht aber die des § 104 II 1 InsO erfüllt sind, der Insolvenzverwalter nur Erfüllung des Rahmenvertrages insgesamt und nicht bezogen auf einzelne Geschäfte verlangen kann (Marotzke, HK-InsO, § 104 Rn. 7; Behrends, in: Zerey, S. 77, Rn. 53; Reiner, S. 192). Nach § 104 III InsO richtet sich die in II genannte Forderung wegen Nichterfüllung auf den Unterschied zwischen dem vereinbarten und dem Markt- oder Börsenpreis, der am zweiten Werktag nach der Eröffnung des
Klingner-Schmidt
62
63
64
1654
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Verfahrens am Erfüllungsort für einen Vertrag mit der vereinbarten Erfüllungszeit maßgeblich ist. 65
Die Regelungen des DRV werden den Anforderungen der InsO gerecht (Benzler, S. 217). Der Rahmenvertrag sieht eine einheitliche Vertragsbeendigung bei Verzug und im Insolvenzfall vor. Es ist unbeachtlich, dass diese bereits bei Stellung des Insolvenzantrags erfolgt (Nr. 7 Abs. 2 DRV). Diese automatische Vertragsbeendigung vor Verfahrenseröffnung ist zulässig (BGH WM 85, 1479; Bosch, WM 95, 413 (422); Schimansky/Bunte/ Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 41). Dies gilt auch für die Berechnung des Schadens aufgrund unverzüglich abzuschließender Ersatzgeschäfte in Nr. 8 Abs. 1 DRV. Diese könnte zwar in Widerspruch zu § 104 III InsO stehen. Da der Vertrag nach Nr. 7 Abs. 2 DRV jedoch vor Verfahrenseröffnung endet, bestimmt sich auch die Berechnung des Schadensersatzes nach den vertraglichen Regelungen (FK-InsO/Wegener, § 104, Rn. 30; Schimansky/ Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 42; BuB-Neuhaus, Rn 7/1096, der die Frist von zwei Tagen lediglich als Zeitbestimmung für den Fall einer fehlenden Regelung ansieht; a.A. Marotzke, HK-InsO, § 104 Rn. 15; Bosch, WM 1995, 413 (424)). Zudem ist es fraglich, ob die Berechnung auf der Basis unverzüglich abgeschlossener Geschäfte für die Masse in jedem Fall ungünstiger als eine verzögerte Berechnung anhand der am zweiten Tag nach Verfahrenseröffnung geltenden Preise oder Kurse ist. Hierbei dürfte es sich vielmehr um zufällige Ergebnisse handeln.
66
E. Aufsichtsrechtliche Aspekte I. Kreditwesengesetz (KWG). Derivate mit Ausnahme der Stillhalterpositionen von Optionsgeschäften gelten als Kredite im Sinne der §§ 13 ff. KWG und der sich daraus ergebenden Meldebestimmungen aus der Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV). Diese Verordnung enthält Vorschriften für die Erfassung, Bemessung, Gewichtung und Anzeige von Krediten bei der BAFin. § 15 GroMiKV regelt die Voraussetzungen für die ermäßigte Anrechnung von Kreditrisiken aus Derivaten bei der Verwendung zweiseitiger Aufrechnungsvereinbarungen (Netting). So hat sich das Kreditinstitut von der Rechtswirksamkeit derartiger Vereinbarungen durch geeignete und aktuelle Rechtsgutachten sachkundiger und, soweit eine ausländische Rechtsordnung berührt ist, unabhängiger Stellen (vgl. hierzu BFS-KWG/Meyer-Ramloch, § 5 GroMiKV a. F., Rn. 7) ,,zu überzeugen. Dies bedeutet, dass im Hinblick auf Verträge, die lediglich die deutsche Rechtsordnung berühren, eine interne rechtlich sachkundige Beurteilung zur Erfüllung dieser Voraussetzung ausreichend sein dürfte. Eine weitere aufsichtsrechtliche Erleichterung der seit Anfang 2007 geltenden Fassung der GroMiKV ist darin zu sehen, dass die jeweiligen Rechtsgutachten nicht mehr jährlich eingeholt werden müssen, Es reicht nunmehr aus, wenn sie dem aktuellen Stand von Gesetzgebung und Rechtsprechung in der jeweiligen Rechtsordnung entsprechen. Bei der rechtlichen Überprüfung der Aufrechungsvereinbarungen sind alle Rechtsordnungen zu berücksichtigen, die für die einzelne Vereinbarung und die hierunter jeweils geschlossenen Einzelgeschäfte maßgeblich sein können (Vertragsstatut des Rahmenvertrages, evtl. abweichendes Vertragsstatut der Einzeltransaktion, Rechtsordnung am Sitz des Vertragspartners und am Ort der jeweiligen Niederlassung, mit der das Geschäft gehandelt wird; BuB-Neuhaus, Rn. 7/1083; Benzler, S. 212). Die Rechtsgutachten werden überwiegend von den Verbänden der bundesdeutschen Kreditwirtschaft bei renommierten Kanzleien im Ausland eingeholt und den jeweils angeschlossenen Kreditinstituten zur Verfügung gestellt. Einige Gutachten werden von der ISDA in Auftrag gegeben und an die Mitgliedsinstitute dieser Vereinigung weitergeleitet. Die Abschriften der Gutachten waren nach den bis Ende 2006 geltenden Bestimmungen der BAFin zur Verfügung zu stellen. Dieses Erfordernis ist mit Inkrafttreten
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1655
der neuen GroMiKV entfallen. Seither sind die Gutachten nur noch auf Verlangen der Ausfsichtsbehörde vorzulegen. Ein Kreditinstitut muss darüber hinaus über die erforderlichen Beweismittel verfügen, mit denen es die Einbeziehung der Geschäfte in die Aufrechnungsvereinbarung im Streitfall beweisen kann. Es ist daher erforderlich, entsprechende Verweise auf den jeweiligen Rahmenvertrag in die Einzelgeschäftsbestätigung aufzunehmen oder im Rahmenvertrag bestimmte Produktgruppen zu identifizieren, die automatisch in den Rahmenvertrag einbezogen sind, ohne dass es eines ausdrücklichen Hinweises in der Geschäftsbestätigung bedarf. Abschließend hat das Kreditinstitut die Prüfung der Rechtswirksamkeit der Vereinbarungen sowie die Einbeziehung der Geschäfte im Hinblick auf denkbare Änderungen laufend zu überwachen.
67
Die BAFin kann den Kreditinstituten untersagen, von dem Anrechnungsverfahren Gebrauch zu machen, wenn es Zweifel an der Rechtswirksamkeit der zweiseitigen Aufrechnungsvereinbarung hat. Es kann ein Institut auch von dem Verfahren auf Dauer oder bestimmte Zeit ausschließen, wenn es Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Einhaltung der vorgenannten Anforderungen feststellt (BFS-KWG/Meyer-Ramloch, § 5 GroMiKV a. F., Rn. 13).
68
§ 15 GroMiKV regelt auch die inhaltlichen Anforderungen an die jeweilige Aufrechnungsvereinbarung. Sie muss im Inland oder international gebräuchlich oder von einem Spitzenverband der Institute zur Verwendung empfohlen sein. Änderungen dieser Vertragsmuster sind jedoch zulässig, solange hiervon nicht die Wirksamkeit der eigentlichen Aufrechnungsbestimmungen betroffen ist (Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 152). Dies ist beim DRV, beim ISDA Master Agreement oder auch beim EMA der Fall. Weiter muss sichergestellt sein, dass die einbezogenen Geschäfte im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners in der Weise einheitlich beendet werden oder durch einseitige Erklärung beendet werden können, dass ein Anspruch in Höhe des Unterschiedsbetrages der Bewertungsgewinne und -verluste der einzelnen einbezogenen Geschäfte entsteht. Zudem muss das Kreditinstitut vertraglich berechtigt sein, alle einbezogenen Geschäfte durch einseitige Erklärung einheitlich und ebenfalls unter Berechnung einer solchen Ausgleichsforderung zu beenden, wenn der Vertragspartner die ihm aus einem einzelnen Geschäft obliegende Leistung nicht erbringt. Abschließend wird in § 15 GroMiKV darauf hingewiesen, dass der Vertrag keine Bestimmung enthalten darf, wonach eine weiter bestehende Vertragspartei die Möglichkeit hat, nur begrenzte oder keine Zahlungen an die Insolvenzmasse zu leisten, wenn der Insolvenzschuldner eine einheitliche Forderung hat (so genannte walk-away-Klausel; vgl hierzu FK-InsO/Wegener, § 104, Rn. 31; Reiner, in: Münchener Vertragshandbuch, S. 782). Dies ist z.B. für den DRV nur dann gewährleistet, wenn keine der Regelungen unter Nr. 12 Abs. 4 DRV vereinbart ist (Benzler, S. 150). Liegen die Voraussetzungen des § 15 GroMiKV vor, wird der ermäßigte Kreditäquivalenzbetrag nach § 16 GroMiKV errechnet.
69
Die Netting-Regelungen können für die Kreditinstitute auch Eigenkapitalerleichterungen nach Maßgabe der Bestimmungen der Solvabilitätsverordnung (SolvV) (bis 31.12.2006 Regelung im Grundsatz I) bewirken. Da sich das Adressenausfallrisiko aus den Geschäften eines Kreditinstituts mit einem bestimmten Vertragspartner wegen der Nettingvereinbarung auf einen Nettobetrag verringert, ist nur dieser nach der SolvV anzurechnen und mit Eigenkapital zu unterlegen. Es müssen aber auch in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des § 15 GroMiKV erfüllt sein, die in § 206 SolvV entsprechend enthalten sind (BFS-KWG/Schulte-Mattler, § 12 GS I, Rn. 6 ff.). Zur
70
Klingner-Schmidt
1656
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
aufsichtsrechtlichen Bewertung von Kreditderivaten vgl. Rundschreiben des BAKred (jetzt BAFin) 10/99 vom 16.06.1999. 71
II. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Wurden in der Vergangenheit OTC-Derivate auch mit Nichtkaufleuten abgeschlossen, mussten diese durch Unterzeichnung einer Informationsschrift erst börsentermingeschäftsfähig werden (§ 53 BörsG a. F.; zu OTCDerivaten als Börsentermingeschäfte vgl. BuB-Neuhaus, Rn. 7/1140 ff.; Schimansky/ Bunte Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 93 ff.). Durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz wurde diese Vorschrift mit Wirkung vom 01.07.2002 aufgehoben und durch § 37d WpHG ersetzt, der eine Informationspflicht von Kreditinstituten beim Abschluss von Finanztermingeschäften enthielt. Die Verletzung dieser Norm hatte nicht länger die Unverbindlichkeit des Geschäfts, sondern eine Schadensersatzpflicht der Bank zur Folge. Aufzuklären waren jedoch nur Verbraucher (§ 13 BGB). Zu den Finanztermingeschäften gehören auch Derivate (§ 2 II, 2 a WpHG). Seit dem 01.11.2007 entfiel durch das FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz (FRUG) auch diese Regelung. Seither richten sich die Informationspflichten eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens beim Abschluss von Finanztermingeschäften nach den §§ 31 ff. WpHG.
72
In der Vergangenheit wurde im Zusammenhang mit OTC-Derivaten auch die Bedeutung des Spiel- und des Differenzeinwandes diskutiert (LG Duisburg WM 2006, 1146; Schimansky/Bunte/Lwowski-Jahn, § 114 Rn. 94 ff.). Da durch das 4. FMFG auch § 764 BGB (Differenzeinwand) aufgehoben wurde, wären etwaige Risiken nur noch auf den Spieleinwand (§ 762 BGB) begrenzt. Allerdings kann der Spieleinwand nicht gegen Ansprüche aus Finanztermingeschäften erhoben werden, bei denen mindestens ein Vertragsteil ein Unternehmen ist, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte abschließt oder vermittelt (§ 37 e WpHG; Samtleben, ZBB 2003, 69 (73)).
F. Anhang
73
Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte1
1
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Bank-Verlags Köln.
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
1657
Rahmenvertrag vom
Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte Zwischen Name und Anschrift des Vertragspartners
(nachstehend „Vertragspartner“ genannt) und Name und Anschrift der Bank
(nachstehend „Bank“ genannt) wird Folgendes vereinbart:
1. Zweck und Gegenstand des Vertrages (1) Die Parteien beabsichtigen, zur Gestaltung von Zinsänderungs-, Währungskurs- und sonstigen Kursrisiken im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Finanztermingeschäfte abzuschließen, die a) den Austausch von Geldbeträgen in verschiedenen Währungen oder von Geldbeträgen, die auf der Grundlage von variablen oder festen Zinssätzen, Kursen, Preisen oder sonstigen Wertmessern, einschließlich diesbezüglicher Durchschnittswerte (Indices), ermittelt werden, oder b) die Lieferung oder Übertragung von Wertpapieren, anderen Finanzinstrumenten oder Edelmetallen oder ähnliche Leistungen zum Gegenstand haben. Zu den Finanztermingeschäften gehören auch Options-, Zinsbegrenzungs- und ähnliche Geschäfte, die vorsehen, dass eine Partei ihre Leistung im Voraus erbringt oder dass Leistungen von einer Bedingung abhängig sind. (2) Für jedes Geschäft, das unter Zugrundelegung dieses Rahmenvertrages abgeschlossen wird (nachstehend „Einzelabschluss“ genannt), gelten die nachfolgenden Bestimmungen. Alle Einzelabschlüsse bilden untereinander und zusammen mit diesem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag (nachstehend der „Vertrag“ genannt); sie werden im Sinne einer einheitlichen Risikobetrachtung auf dieser Grundlage und im Vertrauen darauf getätigt. 2. Einzelabschlüsse
© 2001 Bank-Verlag Köln 44.015 (12/01)
(1) Haben sich die Parteien über einen Einzelabschluss geeinigt, so wird die Bank dem Vertragspartner schriftlich, fernschriftlich, telegraphisch, durch Telefax oder in ähnlicher Weise dessen Inhalt bestätigen. (2) Jede Partei ist berechtigt, eine unterzeichnete Ausfertigung des Einzelabschlusses zu verlangen, die jedoch keine Voraussetzung für dessen Rechtswirksamkeit ist. (3) Die Bestimmungen des Einzelabschlusses gehen den Bestimmungen dieses Rahmenvertrages vor. 3. Zahlungen und sonstige Leistungen (1) Jede Partei wird die von ihr geschuldeten Zahlungen und sonstigen Leistungen spätestens an den im Einzelabschluss genannten Fälligkeitstagen an die andere Partei erbringen.
(2) Sämtliche Zahlungen sind in der aufgrund des Einzelabschlusses geschuldeten Vertragswährung kostenfrei und in der für Zahlungen in dieser Währung handelsüblichen Weise auf das im Einzelabschluss genannte Konto des Zahlungsempfängers in am Fälligkeitstag frei verfügbaren Mitteln zu leisten. (3) Haben beide Parteien an demselben Tag aufgrund des Vertrages Zahlungen in der gleichen Währung zu leisten, zahlt die Partei, die den höheren Betrag schuldet, die Differenz zwischen den geschuldeten Beträgen. Die Bank wird dem Vertragspartner den zu zahlenden Differenzbetrag rechtzeitig vor dessen Fälligkeit mitteilen. (4) Zahlt eine Partei nicht rechtzeitig, so werden bis zum Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung des fälligen Betrages Zinsen hierauf zu dem Satz berechnet, der um den in Nr. 12 Abs. 3 festgelegten Zinszuschlag über dem Zinssatz liegt, den erstklassige Banken für jeden Tag, für den diese Zinsen zu berechnen sind, untereinander für täglich fällige Einlagen am Zahlungsort in der Währung des fälligen Betrages berechnen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (5) Ist ein Fälligkeitstag kein Bankarbeitstag, so sind die Zahlungen und sonstigen Leistungen nach Maßgabe des Einzelabschlusses wie folgt zu erbringen: a) am unmittelbar vorhergehenden Bankarbeitstag oder b) am unmittelbar folgenden Bankarbeitstag oder c) am unmittelbar folgenden Bankarbeitstag; sofern dieser jedoch in den nächsten Kalendermonat fällt, am unmittelbar vorhergehenden Bankarbeitstag. 4. Bankarbeitstag „Bankarbeitstag“ im Sinne dieses Vertrages ist jeder Tag, an dem die Banken an dem/den im Einzelabschluss genannten Finanzplatz/Finanzplätzen für Geschäfte, einschließlich des Handels in Fremdwährungen und der Entgegennahme von Fremdwährungseinlagen, geöffnet sind (mit Ausnahme des Samstags und des Sonntags). 5. Bezugsgröße (1) Ist in einem Einzelabschluss ein variabler Zinssatz, Kurs, Preis oder sonstiger Wertmesser („variable Größe“) vereinbart, so wird die Bank dem Vertragspartner an dem Tag, an dem diese variable Größe zu bestimmen ist („Feststellungstag“), oder unverzüglich danach die zugrunde liegende Bezugsgröße mitteilen. 1
Klingner-Schmidt
1658
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(2) Sollte die im jeweiligen Einzelabschluss vereinbarte Bezugsgröße an einem Feststellungstag nicht ermittelt werden können, werden die Parteien diese unter Rückgriff auf Berechnungsgrundlagen festlegen, die den im Einzelabschluss vereinbarten möglichst nahe kommen. Falls die Bezugsgröße ein InterbankenZinssatz ist und innerhalb von 20 Tagen nicht einvernehmlich festgelegt worden ist, gilt als Bezugsgröße das arithmetische Mittel der Zinssätze, zu denen zwei von der Bank zu benennende, international angesehene Banken auf dem Interbankenmarkt erstklassigen Banken Termingelder mit entsprechender Laufzeit in der Vertragswährung in ungefährer Höhe des Bezugsbetrages gegen 11:00 Uhr (Ortszeit am betreffenden Interbankenmarkt) am Feststellungstag angeboten haben. (3) Ein als Bezugsgröße dienender Zinssatz („Basis-Satz“) ist gegebenenfalls auf den nächsten 1/100 000 Prozentpunkt aufzurunden.
6. Berechnungsweise bei zinssatzbezogenen Geschäften (1) Der aufgrund eines Einzelabschlusses jeweils zu zahlende variable Betrag ist das Produkt aus (a) dem dafür vereinbarten Bezugsbetrag, (b) dem nach Nr. 5 und dem Einzelabschluss errechneten variablen Zinssatz („variabler Satz“), als Dezimalzahl ausgedrückt, sowie (c) dem Quotienten im Sinne des Abs. 5. (2) Der aufgrund eines Einzelabschlusses jeweils zu zahlende Festbetrag ist, falls er im Einzelabschluss betragsmäßig festgelegt wird, der dort genannte Betrag. Anderenfalls ist er das Produkt aus (a) dem dafür vereinbarten Bezugsbetrag, (b) dem im Einzelabschluss vereinbarten festen Zinssatz („Festsatz“), als Dezimalzahl ausgedrückt, sowie (c) dem Quotienten im Sinne des Abs. 5. (3) Im Fall von Zinsbegrenzungsgeschäften ist der variable Satz nach Maßgabe des Einzelabschlusses vorbehaltlich Absatz 4 jeweils a) für Zahlungen durch die als Überschuss-Zahler (oder Capbzw. FRA-Verkäufer) bezeichnete Partei der vereinbarte Basis-Satz abzüglich des Satzes, der im Einzelabschluss als Höchstsatz (oder Cap-Rate) bzw. Terminsatz festgelegt wird, und b) für Zahlungen durch die als Minderbetrags-Zahler (oder Floor-Verkäufer bzw. FRA-Käufer) bezeichnete Partei der Satz, der im Einzelabschluss als Mindestsatz (oder FloorRate) bzw. Terminsatz festgelegt wird, abzüglich des vereinbarten Basis-Satzes. (4) Wird eine Zahlung nicht nach Ablauf, sondern zu Beginn des betreffenden Berechnungszeitraums geleistet, so wird der nach Abs. 1 oder 2 zu ermittelnde Betrag diskontiert, indem er durch einen Betrag dividiert wird, der sich bei einem Berechnungszeitraum von einem Jahr oder weniger nach der Formel
1+
LxD B
und bei einem Berechnungszeitraum von mehr als einem Jahr nach der Formel D B
(1 + L)
errechnet.
sonstigen Geschäften gilt sie nur dann, wenn im Einzelabschluss eine Diskontierung vereinbart ist. (5) „Quotient“ ist nach Maßgabe des Einzelabschlusses a) die Anzahl der tatsächlich abgelaufenen Tage des Berechnungszeitraums, für den der Betrag zu berechnen ist, dividiert durch die Zahl 360 („365/360“), oder b) die Anzahl der abgelaufenen Tage dieses Berechnungszeitraums, berechnet auf der Basis eines 360-Tage-Jahres mit 12 Monaten zu je 30 Tagen, dividiert durch die Zahl 360 („360/360“), oder c) die Anzahl der tatsächlich abgelaufenen Tage dieses Berechnungszeitraums, dividiert durch die Zahl 365 bzw. im Fall von Schaltjahren 366 („365/365“), oder d) die Anzahl der tatsächlich abgelaufenen Tage dieses Berechnungszeitraums, dividiert durch die Zahl 365 („366/365“). (6) „Berechnungszeitraum“ ist der Zeitraum, der mit dem Anfangsdatum des Einzelabschlusses oder einem Zahlungstermin (einschließlich) beginnt und mit dem nächstfolgenden Zahlungstermin oder dem Enddatum (ausschließlich) endet, oder, sofern die Parteien im Einzelabschluss in Bezug auf variable Beträge „Fälligkeitstag/Fälligkeitstag“ vereinbart haben, der Zeitraum, der mit dem Anfangsdatum des Einzelabschlusses oder einem Fälligkeitstag (einschließlich) beginnt und mit dem nächstfolgenden Fälligkeitstag oder dem Enddatum (ausschließlich) endet. „Zahlungstermin“ im Sinne dieses Vertrages ist der Tag, an dem, gegebenenfalls aufgrund einer Anpassung gemäß Nr. 3 Abs. 5, die Zahlung tatsächlich zu leisten ist; „Fälligkeitstag“ ist der vertraglich vorgesehene Zahlungstag ohne Berücksichtigung einer solchen Anpassung. (7) Ist ein variabler Betrag oder ein nach Abs. 2 Satz 2 zu berechnender Festbetrag zu zahlen, so wird die Bank diesen, im ersten Fall zugleich mit der jeweils anwendbaren Bezugsgröße, dem Vertragspartner mitteilen.
7. Beendigung (1) Sofern Einzelabschlüsse getätigt und noch nicht vollständig abgewickelt sind, ist der Vertrag nur aus wichtigem Grund kündbar. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn eine fällige Zahlung oder sonstige Leistung – aus welchem Grund auch immer – nicht innerhalb von fünf Bankarbeitstagen nach Benachrichtigung des Zahlungs- oder Leistungspflichtigen vom Ausbleiben des Eingangs der Zahlung oder sonstigen Leistung beim Empfänger eingegangen ist. Die Benachrichtigung und die Kündigung müssen schriftlich, fernschriftlich, telegraphisch, durch Telefax oder in ähnlicher Weise erfolgen. Eine Teilkündigung, insbesondere die Kündigung einzelner und nicht aller Einzelabschlüsse, ist ausgeschlossen. Nr. 12 Abs. 5 (B) bleibt unberührt. (2) Der Vertrag endet ohne Kündigung im Insolvenzfall. Dieser ist gegeben, wenn das Konkurs- oder ein sonstiges Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Partei beantragt wird und diese Partei entweder den Antrag selbst gestellt hat oder zahlungsunfähig oder sonst in einer Lage ist, die die Eröffnung eines solchen Verfahrens rechtfertigt. (3) Im Fall der Beendigung durch Kündigung oder Insolvenz (nachstehend „Beendigung“ genannt) ist keine Partei mehr zu Zahlungen oder sonstigen Leistungen nach Nr. 3 Abs. 1 verpflichtet, die gleichtägig oder später fällig geworden wären; an die Stelle dieser Verpflichtungen treten Ausgleichsforderungen nach Nrn. 8 und 9.
Dabei ist
© 2001 Bank-Verlag Köln 44.015 (12/01)
L
der für den betreffenden Berechnungszeitraum ermittelte Basis-Satz oder sonstige vereinbarte Diskontsatz, als Dezimalzahl ausgedrückt, also z. B. 0,07 im Fall eines Basis- oder Diskontsatzes von 7%;
D die Anzahl der Tage des Berechnungszeitraums; B
360, es sei denn, die vereinbarte Vertragswährung ist eine Währung, für die der Basis- oder sonstige vereinbarte Diskontsatz nach Marktusance auf der Grundlage von 365 bzw. im Falle eines Schaltjahres 366 Tagen berechnet wird; in diesem Fall ist B = 365 bzw. 366.
Diese Regelung gilt, sofern nichts anderes vereinbart ist, stets für Terminsatzvereinbarungen (Forward Rate Agreements). Bei
8. Schadensersatz und Vorteilsausgleich (1) Im Fall der Beendigung steht der kündigenden bzw. der solventen Partei (nachstehend „ersatzberechtigte Partei“ genannt) ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Schaden wird auf der Grundlage von unverzüglich abzuschließenden Ersatzgeschäften ermittelt, die dazu führen, dass die ersatzberechtigte Partei alle Zahlungen und sonstigen Leistungen erhält, die ihr bei ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung zugestanden hätten. Sie ist berechtigt, nach ihrer Auffassung dazu geeignete Verträge abzuschließen. Wenn sie von dem Abschluss derartiger Ersatzgeschäfte absieht, kann sie denjenigen Betrag der Schadensberechnung zugrunde legen, den sie für solche Ersatzgeschäfte auf 1 2
Klingner-Schmidt
§ 55 Außerbörsliche Finanztermingeschäfte (OTC-Derivate)
der Grundlage von Zinssätzen, Terminsätzen, Kursen, Marktpreisen, Indices und sonstigen Wertmessern sowie Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt der Kündigung bzw. der Kenntniserlangung von dem Insolvenzfall hätte aufwenden müssen. Der Schaden wird unter Berücksichtigung aller Einzelabschlüsse berechnet; ein finanzieller Vorteil, der sich aus der Beendigung von Einzelabschlüssen (einschließlich solcher, aus denen die ersatzberechtigte Partei bereits alle Zahlungen oder sonstigen Leistungen der anderen Partei erhalten hat) ergibt, wird als Minderung des im übrigen ermittelten Schadens berücksichtigt. (2) Erlangt die ersatzberechtigte Partei aus der Beendigung von Einzelabschlüssen insgesamt einen finanziellen Vorteil, so schuldet sie vorbehaltlich Nr. 9 Abs. 2 und, falls vereinbart, Nr. 12 Abs. 4 der anderen Partei einen Betrag in Höhe dieses ihres Vorteils, höchstens jedoch in Höhe des Schadens der anderen Partei. Bei der Berechnung des finanziellen Vorteils finden die Grundsätze des Absatzes 1 über die Schadensberechnung entsprechende Anwendung.
12. Besondere Vereinbarungen (1) Die folgenden Absätze 2 bis 5 gelten nur, soweit die dazu bestimmten Felder angekreuzt oder ausgefüllt sind. (2) In Nr. 3 Abs. 3 werden die Worte „des Vertrages“ durch „desselben Einzelabschlusses“ ersetzt. (3) Der Zinszuschlag gemäß Nr. 3 Abs. 4 beträgt
% p. a. (4) Nach Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt: entweder Dies gilt vorbehaltlich Nr. 12 Abs. 5 (C) a) nur, falls die ersatzberechtigte Partei aus mindestens einem Einzelabschluss (i) alle von der anderen Partei geschuldeten Zahlungen oder sonstigen Leistungen endgültig und unanfechtbar erhalten hat und (ii) bei Fortführung des Vertrages selbst noch unbedingte oder bedingte Zahlungs- oder sonstige Leistungsverpflichtungen hätte.
9. Abschlusszahlung (1) Rückständige Beträge und sonstige Leistungen und der zu leistende Schadensersatz werden von der ersatzberechtigten Partei zu einer einheitlichen Ausgleichsforderung in Euro zusammengefasst, wobei für rückständige sonstige Leistungen entsprechend Nr. 8 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 ein Gegenwert in Euro ermittelt wird. (2) Eine Ausgleichsforderung gegen die ersatzberechtigte Partei wird nur fällig, soweit diese keine Ansprüche aus irgendeinem rechtlichen Grund gegen die andere Partei („Gegenansprüche“) hat. Bestehen Gegenansprüche, so ist deren Wert zur Ermittlung des fälligen Teils der Ausgleichsforderung vom Gesamtbetrag der Ausgleichsforderung abzuziehen. Zur Berechnung des Werts der Gegenansprüche hat die ersatzberechtigte Partei diese, (i) soweit sie sich nicht auf Euro beziehen, zu einem nach Möglichkeit auf der Grundlage des am Berechnungstag geltenden, amtlichen Devisenkurses zu bestimmenden Brief-Kurs in Euro umzurechnen, (ii) soweit sie sich nicht auf Geldzahlungen beziehen, in eine in Euro ausgedrückte Schadensersatzforderung umzuwandeln und (iii) soweit sie nicht fällig sind, mit ihrem Barwert (unter Berücksichtigung auch der Zinsansprüche) zu berücksichtigen. Die ersatzberechtigte Partei kann die Ausgleichsforderung der anderen Partei gegen die nach Satz 3 errechneten Gegenansprüche aufrechnen. Soweit sie dies unterlässt, wird die Ausgleichsforderung fällig, sobald und soweit ihr keine Gegenansprüche mehr gegenüberstehen.
10. Übertragung Die Übertragung von Rechten oder Verpflichtungen aus dem Vertrag bedarf der vorherigen schriftlichen, fernschriftlichen, telegraphischen, durch Telefax oder in ähnlicher Weise mitgeteilten Zustimmung der jeweils anderen Partei. Nr. 2 Abs. 2 gilt entsprechend.
oder Dies gilt vorbehaltlich Nr. 12 Abs. 5 (C) a) nur, falls die ersatzberechtigte Partei (i) aus sämtlichen Einzelabschlüssen alle von der anderen Partei geschuldeten Zahlungen oder sonstigen Leistungen endgültig und unanfechtbar erhalten hat und (ii) bei Fortführung des Vertrages selbst noch unbedingte oder bedingte Zahlungs- oder sonstige Leistungsverpflichtungen hätte. (5) Internationale Geschäfte (A) Falls eine Partei verpflichtet ist oder verpflichtet sein wird, von einer durch sie zu leistenden Zahlung einen Steuer- oder Abgabenbetrag abzuziehen oder einzubehalten, wird sie die zusätzlichen Beträge an die andere Partei zahlen, die erforderlich sind, damit die andere Partei den vollen Betrag erhält, der ihr im Zeitpunkt einer solchen Zahlung zustehen würde, wenn kein Abzug oder Einbehalt erforderlich wäre. Dies gilt nicht, wenn die betreffende Steuer oder Abgabe vom Heimatstaat des Zahlungsempfängers oder einer in diesem Staat ansässigen Steuerbehörde auferlegt oder erhoben wird. Heimatstaat ist der Staat, in dem der Zahlungsempfänger seinen Sitz hat bzw. als ansässig angesehen wird oder in dem sich die Niederlassung des Zahlungsempfängers befindet, die unter dem betreffenden Einzelabschluss handelt. (B) Falls aufgrund einer nach dem Abschlussdatum eines Einzelabschlusses erfolgenden Änderung von Rechtsvorschriften oder von deren Anwendung oder amtlichen Auslegung a)
11. Verschiedenes (1) Sind Bestimmungen des Vertrages unwirksam oder undurchführbar, so bleiben die übrigen Vorschriften hiervon unberührt. Gegebenenfalls hierdurch entstehende Vertragslücken werden durch ergänzende Vertragsauslegung unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Parteien geschlossen. (2) Der Vertrag unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.
44.015 (12/01)
(3) Nicht ausschließlicher Gerichtsstand ist der Ort der Niederlassung der Bank, durch die der Vertrag abgeschlossen wird. (4) Der Rahmenvertrag in der hiermit vereinbarten Fassung gilt auch für alle etwaigen Einzelabschlüsse der Parteien unter dem Rahmenvertrag in einer früheren Fassung. Diese gelten als Einzelabschlüsse unter dem Rahmenvertrag in dieser neuen Fassung. Für diese Einzelabschlüsse bleibt die bisherige Fassung jedoch insoweit maßgeblich, als dies zum Verständnis der in ihnen getroffenen Regelungen erforderlich ist.
1659
zu erwarten ist, dass eine Partei am nächsten Fälligkeitstag in Bezug auf eine durch sie zu leistende Zahlung zusätzliche Beträge gemäß vorstehendem Unterabsatz (A) zu zahlen hat außer auf Zinsen gemäß Nr. 3 Abs. 4 oder
b) eine Partei den Vertrag nicht mehr erfüllen darf, so kann diese Partei (nachstehend die „betroffene Partei“ genannt) und im Falle b) auch die andere Partei (nachstehend die „Gegenpartei“ genannt) den von der Änderung betroffenen Einzelabschluss unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen auf einen von ihr zu bestimmenden Termin kündigen; dieser Termin darf nicht mehr als einen Monat vor dem Zeitpunkt liegen, an dem die Änderung wirksam wird. Nr. 7 Abs. 3 bezieht sich im Fall einer solchen Kündigung nur auf den oder die betroffenen Einzelabschlüsse. Die Gegenpartei bzw. im Falle einer Kündigung durch die Gegenpartei die betroffene Partei kann jedoch innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigungserklärung durch Erklärung an die kündigende Partei bestimmen, dass die Kündigung für den Vertrag insgesamt gilt. Für die Form der Kündigung und der Erklärung nach Satz 3 gilt Nr. 7 Abs. 1 Satz 3. 3 1
Klingner-Schmidt
1660
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(C) Im Falle einer Kündigung aufgrund eines der in Unterabsatz (B) genannten Kündigungsgründe gilt Nr. 8 mit folgender Maßgabe: a)
Ersatzberechtigte Partei ist die Gegenpartei. Nr. 12 Abs. 4, falls vereinbart, findet keine Anwendung.
b)
Sind beide Parteien betroffene Parteien und erleidet eine von ihnen einen Schaden, so hat die Partei, die insgesamt einen Vorteil aus der Beendigung erlangt oder den kleineren Schaden erleidet, der anderen Partei einen Betrag in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen Vorteil und Schaden bzw. zwischen dem größeren und kleineren Schaden zu zahlen. Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn die Kündigung nach Unterabsatz (B) Satz 1 Buchstabe b) oder die Erklärung nach Unterabsatz (B) Satz 3 durch die Gegenpartei abgegeben wird.
c)
Für Zwecke der Berechnung des eigenen Vorteils oder Schadens gilt in vorstehendem Fall b) jede Partei als ersatzberechtigte Partei.
(E) Jede Partei verzichtet hiermit unwiderruflich darauf, in Verfahren betreffend sie selbst oder ihr Vermögen aufgrund etwaiger Souveränitäts- oder ähnlicher Rechte Immunität vor Klage, Urteil, Vollstreckung, Pfändung (sei es vor oder nach Urteilserlass) oder anderen Verfahren zu genießen oder geltend zu machen. (F) Anschrift des Zustellungsbevollmächtigten in der Bundesrepublik Deutschland:
(D) Für etwaige Rechtsstreitigkeiten oder sonstige Verfahren vor deutschen Gerichten bestellt der Vertragspartner hiermit die unter (F) oder gegebenenfalls in mindestens einem Einzelabschluss zu diesem Zweck benannte Person zum Zustellungsbevollmächtigten.
(6) Sonstige Vereinbarungen:
Unterschrift(en) der Bank
44.015 (12/01)
Unterschrift(en) des Vertragspartners
4 1
Klingner-Schmidt
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1661
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
Schrifttum Berger/Steck, Regulierung von Hedgefonds in Deutschland, ZBB 2003, 192; Bessler/Drobetz/Henn, Hedge Funds: Die „Königsdisziplin“ der Kapitalanlage, in: Dichtl/Kleeberg/Schlenger, Handbuch Hedge Funds, 2005, S. 3; Echter, Hedgefonds-Investments im Private Banking, Die Bank 2007, 38; Engert, Hedgefonds als aktivistische Aktionäre, ZIP 2006, 2105; Garbaravius/Dierick, Hedge Funds and their Implications for Financial Stability, 2005; Gerke/Mager/Kiehn, Zur Konzeption eines deutschen Hedgefonds, ZBB 2002, 479; Görner/Dreher, Die Kapitalanlage in Finanzinstrumente durch Kommanditgesellschaften, ZIP 2005, 2139; Gratz, Steuereffiziente Portfolio-Optimierung durch Zertifikate für risikoaverse Kapitalanleger, BB 2005, 2678; Gstädtner/Elicker, Das Aufsichtsrecht der Hedgefonds – Anspruch und Wirklichkeit, BKR 2006, 91; Zur Erlaubnispflicht für kollektive Anlagemodelle nach § 32 KWG, BKR 2006, 437; Herring/Christea, Die Umsetzung der Finanzsicherheiten-Richtlinie und ihre Folgen für Kapitalanlagegesellschaften, deutsche Single-Hedgefonds und Prime Broker, ZIP 2004, 1627; Hilphold/ Kaiser, Alternative Investment-Strategien, 2005; Kaiser, Hedgefonds – Entmystifizierung einer Anlageklasse, 2004; Kayser/Steinmüller, Hedge-Fonds im Überblick, FR 2002, 1269; Köndgen/Schmies, Die Neuordnung des deutschen Investmentrechts, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1; Kugler/Lochman, Ausgewählte Rechtsfragen zum öffentlichen Vertrieb von Hedgefonds in Deutschland, BKR 2006, 41; Kumpan, Börsenmacht Hedge-Fonds – Die Regelungen in den USA und mögliche Implikationen für Deutschland, ZHR 170 (2006), 39 Lang, Das Investmentgesetz – kein großer Wurf, aber ein Schritt in die richtige Richtung –, WM 2004, 53; Lehmann, Die Regulierung und Überwachung von Hedgefonds als internationales Zuständigkeitsproblem, ZIP 2007, 1889; Leistikow/Ellerkmann, BB-Gesetzgebungsreport: Neuerungen nach dem Investmentgesetz, BB 2003, 2693; Lindemann, Einsatz von Primebrokern bei inländischen Hedgefonds, BB 2004, 2137; von Livonius, Investmentrechtliche Rahmenbedingungen für Hedgefonds in Deutschland, WM 2004, 60; Luttermann/Backmann, Rechtsverhältnisse bei Hedge-Fonds („Risikofonds“) in Deutschland und in den USA, ZIP 2002, 1017; Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten, WM 2007, 1149, 1150; Nickel, Der Vertrieb von Investmentanteilen nach dem Investmentgesetz, ZBB 2004, 197; Oho/Remmel, Die Besteuerung von Hedge-Fonds-Zertifikaten im Privatvermögen, BB 2002, 1449; Pütz/Schmies, Die Umsetzung der neuen Rahmenbedingungen für Hedgefonds in der Praxis, BKR 2004, 51; Ricke, Stichwort: Hedge Fonds, BKR 2004, 60; Rodewald, Zusätzliche Transparenz für die europäischen Kapitalmärkte – die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie in Deutschland, BB 2006, 1917; Sahavi, Kollektive Anlagemodelle und das Finanzkommissionsgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG, ZIP 2005, 929; Schmolke, Institutionelle Anleger und Corporate Governance – Traditionelle institutionelle Investoren vs. Hedgefonds, ZGR 2007, 701; Spindler/Bednarz, Die Regulierung von Hedge-Fonds im Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht, WM 2006, 553; Wallach, Hedge Funds Regulation in Germany, in: Baums/Cahn, Hedge Funds. Risks and Regulation, 2004, S. 119; Wallach, Rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen für Hedge Funds in Deutschland, in: Dichtl/Kleeberg/Schlenger, Handbuch Hedge Funds, 2005, S. 55. Inhaltsübersicht A. Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Begriff und Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Hedgefonds als Typus.. . . . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Weitere Eigenschaften jenseits der Typologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III. Strategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Opportunistic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Event Driven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 IV. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . 15 1. Risiken für Anleger. . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Risiken für Unternehmen und Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3. Risken für die Finanzmärkte.. . . . . . . . C. Die Errichtung von Hedgefonds . . . . . . . . . . . . I. Keine europäische Regulierung. . . . . . . . . II. Investmentgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Single-Hedgefonds. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dach-Hedgefonds. . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umgehung des InvG . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vertrieb von Hedgefonds-Produkten. . . . . . . . . I. Dach-Hedgefonds.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Single-Hedgefonds.. . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausländische Hedgefonds. . . . . . . . . . . . . IV. Hedgefonds-Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . E. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zänker
19 20 20 21 23 34 45 47 48 55 58 61 65
1662
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte Stichwortverzeichnis
Abgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3,23 Anlagespektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 36 BaFin. . . . . . . . . . . . 2, 22, 24, 31 ff., 43 f., 49, 59, 65 Dachfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2, 21, 34 ff., 48 ff. Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 ff., 40, 42, 59 Due Dilligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 44 Geschäftsleiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 35 Strategien . . . . . . . . . .11 ff., 18 ff., 30, 38, 41, 45, 51 Hinweispflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 f. Leerverkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 9, 11 ff., 17, 20 Leverage . . . . . . . . . 5, 9, 23, 28, 31, 36, 41 f., 49, 51 Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 44 Offshore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 40, 61
1
Portfoliomanager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Prime Broker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 25 ff., 40 Privatplatzierung. . . . . . . . . . . . . . . 55, 58, 60, 62, 66 Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . .41, 48 ff., 55 f., 58 f., 62 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . 19, 24, 41, 59, 63 Risikomischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 30, 38 Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 35, 37 Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 f., 57, 62 Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Vergleichbare Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 40 Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ff. Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff. Zielfonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 f., 39 ff., 49, 51
A. Entwicklung Während Hedgefonds vor etwa zehn Jahren nur Fachleuten und einem eng begrenzten Anlegerkreis geläufig waren, sind sie inzwischen in der öffentlichen Diskussion und im Fokus breiter Anlegerkreise präsent. Dazu haben bereits verschiedene Krisen, etwa die der Long Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998, der Amaranth Advisors 2006 oder zuletzt zweier Bear Stearns-Hedgefonds (im Zusammenhang mit der Subprime Loan-Krise in den USA) beigetragen. Eine wesentliche Rolle spielt auch die Diskussion um die Gefahr eines Zusammenbruchs der internationalen Finanzmärkte und die daraus folgenden Überlegungen einer Regulierung im Rahmen der G7/G8. Schließlich ist die Befürchtung zu nennen, dass Unternehmen von Finanzinvestoren im Interesse kurzfristiger Gewinnmaximierung geschwächt werden („Heuschrecken-Debatte“).
2
Bereits seit der Jahrtausendwende investieren deutsche Privatanleger über Investmentzertifikate deutscher und internationaler Banken in Hedgefonds. Der Abschwung der internationalen Börsen nach dem Platzen der dot-com-Blase hatte den Wunsch nach Gewinnen auch bei fallenden Kursen gefördert, die das Zauberwort „Alpha“ versprach. Mit der Einführung des Investmentgesetzes (InvG) zum Jahr 2004 hat der Gesetzgeber zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland die Errichtung und den öffentlichen Vertrieb von Hedgefonds zugelassen. Die BaFin hat in Deutschland 23 Single-Hedgefonds und 12 Dachfonds genehmigt (BaFin, Stand: 16.05.2008). Außerdem sind sechs ausländische Dach-Hedgefonds zum öffentlichen Vertrieb zugelassen (BaFin, Stand: 22.01.2008). Etwa zwei Drittel der Banken in Deutschland bieten ihren Kunden Hedgefonds-Investments an (Echter, Die Bank 2007, 38 (40)). Ende 2006 waren weltweit rund 1.500 Mrd. US-Dollar in Hedgefonds investiert, davon allein 126 Mrd. Neuanlagen aus 2006 (International Financial Services, London).
3
B. Begriff und Charakteristika I. Hedgefonds als Typus. Eine scharf abgrenzbare Definition eines Hedgefonds existiert nicht. Es handelt sich um einen Sammelbegriff für eine heterogene Gruppe von Investmentgesellschaften mit verschiedenen Anlagestrategien, der sich im Sprachgebrauch des Finanzmarkts entwickelt hat (vgl. Kayser/Steinmüller, FR 2002, 1269 (1270)) und der eine begriffliche Abgrenzung nicht erlaubt. Hedging bezeichnet allgemein die Absicherung vorhandener Positionen gegen Preisrisiken. Der Begriff Hedgefonds geht auf eine Strategie der ersten Hedgefonds in den frühen 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zurück, als unterbewertet eingeschätzte Aktien zu kaufen und gleichzeitig überbewertete leer – also ohne diese zu besitzen – zu verkaufen, wodurch der Fonds gegen das allgemeine Marktrisiko abgesichert war (Garbaravius/Dierick, S. 6). Hedging ist insoweit noch immer
Zänker
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1663
Bestandteil der gängigen Fondsstrategien, nämlich zur Isolierung bewusst ausgewählter Risiken, die der jeweilige Manager besser einzuschätzen können glaubt als der Markt, gegenüber anderen Risken (Kayser/Steinmüller, FR 2002, 1269 (1270)). Um Fonds handelt es sich im Sinne einer Kapitalsammelstelle, nicht aber in dem eines regulierten Investmentvehikels (ebd.). Vielmehr werden international ganz unterschiedliche Rechtsformen (etwa Limited Liability Companies oder Private Partnerships, dazu Kumpan, ZHR 170 (2006), 39 (45)) genutzt. Der Begriff des Hedgefonds wird dementsprechend vorwiegend typologisch verstanden, es kommen also mehrere, nicht notwendigerweise alle typischen Elemente zur Bestimmung zusammen (s. nur Spindler/Bednarz, WM 2006, 553). Das Anlageziel von Hedgefonds ist regelmäßig die Erzielung von Erträgen unabhängig von den Entwicklungen des Marktes (Absolute Return/„Alpha“) (s. nur Ricke, BKR 2004, 60 (61)). Dies geschieht durch die beschriebene Isolierung bewusst ausgewählter Risiken gegenüber den typischen Risiken des jeweiligen Marktes (systematisches Risiko) zur Nutzung von Fehlbewertungen, Entwicklungen und Ereignissen. Hedgefonds stehen damit im Gegensatz zu Anlageformen, etwa Aktienfonds, die versuchen einen IndexBenchmark zu übertreffen. Die so angestrebte geringe Korrelation zu Aktien- und Anleihemärkten macht Hedgefonds zur Diversifikation eines Anlage-Portfolios im Sinne der Portfoliotheorie interessant (Ricke, BKR 2004, 60). Ein typisches Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels von Hedgefonds ist auch der Einsatz von Hebeleffekten (Leverage, s. dazu nur Kayser/Steinmüller, FR 2002, 1269 (1271)). Zur Erzielung einer höheren Eigenkapitalrendite wird der Investitionsgrad mit Fremdkapital erhöht, dessen Fremdkapitalzins unter der kalkulierten Gesamtrendite liegt. Dabei wird der Fremdkapitalanteil je nach Ertrag und Risiko variiert. Mit dem eingesetzten Fremdkapital steigt naturgemäß das Risiko, dass der Fonds nicht nur das eingesetzte Eigenkapital verliert, sondern auch den Kredit aus Eigenmitteln bedienen muss. Hedgefonds nutzen auch den in Derivaten enthaltenen Hebel, der auf dem relativ geringen Kapitaleinsatz beruht, der etwa zum Erwerb eines Optionsscheins im Vergleich zum Basiswert erforderlich ist. Zu den wichtigsten Instrumenten von Hedgefonds zur Verwirklichung ihrer Anlagestrategien gehören Leerverkäufe (Short-Selling), also der Verkauf von Wertpapieren, die sich nicht im Besitz des Verkäufers befinden (Berger/Steck, ZBB 2003, 192 (193); Gerke/ Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479 (480)). Um von fallenden Kursen profitieren zu können, verkaufen Hedgefonds Wertpapiere, die sie sich von Großanlegern „leihen“, um sie später am Markt zu einem günstigeren Preis zu erwerben und dem Verleiher zurückzugeben. Bei der sog. Wertpapierleihe handelt es sich rechtlich um ein Sachdarlehen (§§ 607 I BGB; Berger/Steck, ZBB 2003, 192 (193); ausführlich Schwintowski/Schäfer, § 22). Hedgefonds vermeiden typischerweise jede Einschränkung bei der Wahl und Durchführung ihrer Anlagestrategien durch staatliche Regulierung. Dies geschieht durch die Nutzung von Ausnahmebestimmungen (etwa in den USA, Kumpan, ZHR 170 (2006), 39 (57)) oder das Ausweichen in schwach regulierte Rechtsordnungen, durch die Ausgestaltung als Offshore-Konstruktionen (z.B. Cayman-Islands) (s. nur Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (554)). Als typisch wird auch betrachtet, dass Hedgefonds vielfach nur ausgesuchten Kapitalgebern offen stehen, insbesondere institutionellen Anlegern oder vermögenden Privatpersonen (Kumpan, ZHR 170 (2006), 39 (44 f.)) und dass die Kapitaleinlagen in der Regel vertraglich festgelegt sind. Meist besteht eine Mindesthaltedauer (Lock-up-Period) und Kündigungsfristen variieren zwischen einem Monat und drei Jahren (Kayser/Steinmüller, FR 2002, 1269 (1272); Deutsche Bundesbank, Hedge-Fonds und ihre Rolle auf den Finanzmärkten, Monatsbericht März 1999, S. 31 (33)).
Zänker
4
5
6
7
8
1664
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
9
II. Weitere Eigenschaften jenseits der Typologie. Hedgefonds pflegen regelmäßig eine enge Zusammenarbeit mit einem sog. Prime Broker. Dieser übernimmt zentrale Dienstleistungen für den Fonds, er führt Wertpapiergeschäfte aus (Brokering), wickelt die Transaktionen ab (Clearing), steuert und kontrolliert den Zahlungsverkehr, organisiert Fremdkapital für Leverage und Wertpapierleihen für Leerverkäufe (§ 2 Abs. 15 InvG; zum ganzen Lindemann, BB 2004, 2137; Herring/Christea, ZIP 2004, 1627 f.; Kaiser, S. 109 ff.). Diese Rolle füllen normalerweise Investmentbanken aus.
10
Da sich Gewinne mit der gezielten Übernahme von Risiken nur dann erzielen lassen, wenn der Fonds diese besser bewertet als der Markt, sind Hedgefonds regelmäßig an den Kenntnissen und Fähigkeiten ihrer Manager ausgerichtet (Kumpan, ZHR 170 (2006), 39 (45)). Entsprechend hoch sind deren Vergütungen. Das Management ist regelmäßig an den erzielten Gewinnen beteiligt (Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (554)). Um qualifizierte Spezialisten für das Management zu gewinnen, ist neben einer prozentualen Management Fee eine erfolgsabhängige Vergütung von 15 bis 25% des erzielten Gewinns üblich, die bei Überschreitung einer Mindestrendite (hurdle rate) gezahlt wird (Kayser/ Steinmüller, FR 2002, 1269; Kumpan, ZHR 170 (2006), 39 (45) m.w.N.).
11
III. Strategien. Hedgefonds bedienen sich unterschiedlicher Anlagestrategien. Während viele Fonds ganz auf bestimmte Anlagen und Strategien spezialisiert sind, verfolgen andere gleichzeitig unterschiedliche Strategien (Kayser/Steinmüller, FR 2002, 1269 (1273)). Es handelt sich nicht um Methoden, die ausschließlich von Hedgefonds verwendet werden, sondern etwa auch von den Eigenhandelsabteilungen der Banken. Da die Manager der Fonds regelmäßig frei sind, in verschiedenste Anlagegegenstände zu investieren, ist die Anzahl der möglichen Strategien und Variationen offen. Dementsprechend beansprucht die folgende Übersicht (angelehnt an Bessler/Drobetz/Henn, S. 10 ff.) keine Vollständigkeit.
12
1. Arbitrage. Marktneutrale Strategien setzen auf die Ineffizienz der Finanzmärkte beim Vergleich verschiedener Finanzinstrumente mit ähnlicher Funktion. Das vermeintlich überbewertete Instrument wird leer verkauft, das unterbewertete gekauft. Dadurch wird mit der Beseitigung der Fehlbewertung im Idealfall eine Rendite unter Ausschaltung des marksystematischen Risikos erreicht (Kayser/Steinmüller, FR 2002, 1269 (1272)). Dies geschieht mit Wandelanleihen und Aktien, um auf diese Weise Fehlbewertungen der in Wandelanleihen enthaltenen Call-Optionen zu nutzen (Convertible Arbitrage, ausführlich Hilphold/Kaiser, S. 17; s. auch Ricke, BKR 2004, 60 (62)). Ebenso werden festverzinsliche Wertpapiere verschiedener Bonitäten und Laufzeiten sowie deren Derivate (Fixed income Arbitrage Hilphold/Kaiser, S. 105 ff.) oder Aktien, Bezugsrechte und Derivate (Equity Arbitrage Bessler/Drobetz/Henn, S. 11; von Livonius, WM 2004, 60 (61)) mit gegenläufigen Positionen gehandelt.
13
2. Opportunistic. Opportunistische Strategien versuchen Marktentwicklungen vorauszusehen und von ihnen durch Käufe und Leerverkäufe verschiedener Finanzinstrumente zu profitieren. So setzen Fonds auf Basis makroökonomischer Analysen auf die Antizipation von Kapitalströmen und ihre Auswirkung auf Zinssätze, Währungen und Rohstoffkurse ((Global) Macro, Hilphold/Kaiser, S. 241 f.). Es werden Aktien unterbewerteter Unternehmen bei gleichzeitigem Leerverkauf überbewerteter gekauft (Equity Hedge). Regelmäßig sichern sich Hedgefonds allerdings nicht vollständig ab, sondern haben ein Übergewicht bei der gekauften oder leer verkauften Position (long bias oder short bias), um von der erwarteten Marktentwicklung zu profitieren (Hilphold/Kaiser, S. 199).
14
3. Event Driven. Ereignisbezogene Strategien spekulieren auf das Auftreten ungewöhnlicher Ereignisse und ihre Auswirkungen auf den Markt. So werden Preisänderungen von
Zänker
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1665
Wertpapieren ausgenutzt, deren Emittenten sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden (Distressed Securities, Hilphold/Kaiser, S. 61 ff.), indem etwa Schuldverschreibungen eines in der Krise befindlichen Unternehmens in der Annahme erworben werden, dass die Risikoabschläge höher als der zu erwartende Ausfall sind. Ähnlich wird mit Firmenübernahmen, Firmenzusammenschlüssen oder deren Reorganisation spekuliert (Risk Arbitrage/Merger Arbitrage, Hilphold/Kaiser, S. 83 ff.), indem etwa in der Erwartung, dass das erwerbende Unternehmen eine Prämie auf den Aktienkurs des zu erwerbenden Unternehmens zahlen muss, die Aktien des zu erwerbenden Unternehmens gekauft und die des erwerbenden Unternehmens leer verkauft werden. IV. Wirtschaftliche Bedeutung. Für Anleger spielen bei der Anlage in Hedgefonds zwei Erwartungen eine zentrale Rolle. Sie erhoffen sich eine gegenüber herkömmlichen Anlagen überlegene Rendite (dazu Garbaravius/Dierick, S. 26; Ricke, BKR 2004, 60 (64)) und eine geringe Korrelation zu Aktien und Rentenpapieren (Gerke/Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479). Die geringe (besser: negative) Korrelation ermöglicht nach der Portfolio-Theorie (s. nur Ricke, BKR 2004, 60 (63)) die Verringerung des Risikos eines Portfolios.
15
Auch an den Finanzmärkten werden positive Auswirkungen von Hedgefonds erwartet (s. nur Garbaravius/Dierick, S. 25 ff. m.w.N.). So können sie die Liquidität an Märkten erhöhen. Durch die systematische Nutzung von Kapitalmarktineffizienzen zur Erzielung von Arbitragegewinnen tragen Hedgefonds grundsätzlich zur Erhöhung der Effizienz der Märkte bei. Risiken einzelner Akteure werden am Markt verteilt und damit eher tragbar. Erkennen Hedgefonds Fehlentwicklungen richtig und verhalten sie sich entsprechend antizyklisch, so kann dies die Volatilität an den Märkten verringern.
16
1. Risiken für Anleger. Die investierenden Anleger gehe das Risiko ein, das eingesetzte Kapital zu verlieren. Mit dem Einsatz von Hebeleffekten wird dieses Risiko erhöht. Leerverkäufe beinhalten prinzipiell das Risiko unbegrenzter Verluste bei steigenden Kursen. Hinzu kommt die Gefahr von Fehlanreizen durch die erfolgsbezogene Vergütung der Manager (Rn. 10), die darin besteht, dass diese das Risiko eines Fonds im eigenen Interesse steuern, um damit die Mindestrendite (hurdle rate) zu erreichen (Ricke, BKR 2004, 60 m.w.N.). Im Gegensatz zu herkömmlichen Anlagen existiert nicht nur ein erhöhtes, sondern in Folge der Intransparenz der Anlage ein für die Anleger kaum kalkulierbares Risiko. Sie müssen darauf vertrauen, dass das Management Risiken richtig erkennt, die eigenen Kenntnisse nicht überschätzt und schließlich nicht gegen Anlegerinteressen handelt. Die Risiken spielen eine wachsende Rolle, wenn nicht nur erfahrene Großanleger betroffen sind, weil etwa Pensionsfonds und Kleinanleger in Hedgefonds investieren (Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (555)).
17
2. Risiken für Unternehmen und Volkswirtschaft. Die in Deutschland im Kontext von Hedgefonds diskutierte Gefahr („Heuschrecken“-Debatte), dass die Interessen einzelner Anteilseigner (Hedgefonds) die Unternehmenspolitik eines Zielunternehmens (z. B. Deutsche Börse, CW-Color) zu Lasten der langfristigen Unternehmensinteressen beeinflussen (s. nur Helmut Schmidt, Beaufsichtigt die Großspekulanten, Die Zeit, v. 01.02.2007), geht nicht spezifisch von Hedgefonds aus, sondern von Finanzanlegern ganz allgemein (vgl. Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (555)). Hedgefonds stehen insoweit stärker im Fokus, als sie im Rahmen ereignisbasierter Strategien noch kurzfristigere Interessen verfolgen, als dies meist bei Private Equity-Fonds oder OGAW-konformen Investmentfonds der Fall ist. Der Kern des Problems ist allerdings in dem Einfluss zu sehen, den Minderheitsaktionäre auf die Geschäftspolitik ausüben können. Eine Lösung des Problems durch investmentrechtliche Vorgaben hinsichtlich der gewählten Strategien verspricht (im deutschen Recht bereits mangels Wirkung auf die internationalen Akteure)
18
Zänker
1666
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
keinen Erfolg. Ein Ansatzpunkt ist dagegen die Erhöhung der Transparenz hinsichtlich der Unternehmensbeteiligungen (Rodewald, BB 2006, 1917 (1918)) und des abgestimmten Verhaltens von Aktionären (zum gesamten Problemkomplex Engert, ZIP 2006, 2105; Schmolke, ZGR 2007, 701). 19
3. Risken für die Finanzmärkte. Die Aktivitäten von Hedgefonds bergen für die Finanzmärkte mehrere Gefahren. So wird eine negative Wirkung auf die Marktdynamik befürchtet, wenn Hedgefonds – insbesondere in weniger liquiden Märkten – nicht gegen eine als Fehlbewertung beurteilte Marktentwicklung handeln, sondern aufgrund von gleichförmigen Handelsstrategien (dazu Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht, Nov. 2005, S. 11) dem Trend folgen und etwa in den fallenden Markt verkaufen (Deutsche Bundesbank, Hedge-Fonds und ihre Rolle auf den Finanzmärkten, Monatsbericht März 1999, S. 38). Auch kann die Reputation eines Hedgefonds oder Hedgefonds-Managers selbst ein Herdenverhalten mit entsprechenden Turbulenzen auslösen (ebd.). In weniger liquiden Märkten kann darüber hinaus die Liquidität durch die gleichzeitige Auflösung von Risikopositionen noch weiter ausgetrocknet werden und mit den Reaktionen anderer Marktteilnehmer zu einer Marktstörung mit starken Preisbewegungen führen (Deutsche Bundesbank, a.a.O., S. 40). Schließlich kann die Schieflage eines großen oder mehrerer mittlerer Hedgefonds die mit ihnen in Geschäftsbeziehung stehenden Kreditinstitute belasten und über diese zu einer Marktstörung führen. Ob dies geschieht, hängt entscheidend vom Risikomanagement der Banken ab (Deutsche Bundesbank, a.a.O., S. 39 f.; Garbaravius/Dierick, S. 27). In diesem Zusammenhang besteht die Besorgnis, dass Banken angesichts starker Konkurrenz um Prime-Broker-Mandate für Hedgefonds ihre Risikostandards senken (Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht, S. 32).
20
C. Die Errichtung von Hedgefonds I. Keine europäische Regulierung. Es existiert keine Regulierung von Hedgefonds auf internationaler oder europäischer Ebene (Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (556) m.w.N.). Hedgefonds sind wegen ihrer Möglichkeit von Leerverkäufen (Art. 42) und der Kreditaufnahme von mehr als 10 % des Sondervermögens (Art. 36 II) nach der OGAW-Richtlinie (RL 85/611/EWG) nicht richtlinienkonform (s. zur Anwendung von Hedgefonds-Strategien durch richtlinienkonforme Fonds, Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (556) m.w.N.). Für sie gilt folglich nicht der europäische Pass (§ 59, Rn. 20 f.; § 76, Rn. 33 ff.).
21
II. Investmentgesetz. Bis zum Inkrafttreten des InvG am 1.1.2004 konnten Hedgefonds und Dach-Hedgefonds in Deutschland aufgrund der Restriktionen des KAGG nicht von KAGs aufgelegt werden (s. dazu ausführlich Berger/Steck, ZBB 2003, 192 (193 f.); Gerke/Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479 (481 f.); Luttermann/Backmann, ZIP 2002, 1017 (1018 f.)). Das InvG enthält in Kapitel 4 Regeln für „Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (Hedgefonds)“, wobei mit Sondervermögen (§ 112 InvG) und Dach-Sondervermögen (§ 113 InvG), also Single-Hedgefonds und Dach-Hedgefonds, zwei Grundtypen unterschieden werden. Während Single-Hedgefonds nur geringen gesetzlichen Vorgaben unterliegen, werden Dachfonds zahlreichen Beschränkungen unterworfen. Dies soll einerseits der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hedgefonds-Produkte dienen und der Vielfältigkeit der Anlagestrategien gerecht werden (BT-Drs. 15/1553, 107) sowie andererseits die Anleger schützen, denen Dachfonds offen stehen (BT-Drs. 15/1553, 109). Mit dem am 28.12.2007 in Kraft getretenen Investmentänderungsgesetz vom 21.12.2007 wurden Organisations- und Meldepflichten gelockert, um die Konkurrenzfähigkeit der deutschem Recht unterworfenen Hedgefonds zu verbessern.
22
Hedgefonds können als Publikums- oder Spezialfonds (§ 91 InvG) aufgelegt werden. Neben der Form des Sondervermögens einer KAG ist auch die Konstruktion als Investment-
Zänker
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1667
aktiengesellschaft (§ 96 InvG) möglich. In allen Fällen bedürfen der Betrieb der Gesellschaft (§ 7 I/97 I 1 InvG) und die Vertragsbedingungen des Fonds (§ 43 II 1 InvG) der Genehmigung durch die BaFin. 1. Single-Hedgefonds. Ein Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken ist jedes Investmentvermögen, das den Grundsatz der Risikomischung beachtet und im Übrigen im Rahmen seiner Anlagestrategie keinen Beschränkungen bei der Auswahl der Vermögensgegenstände nach § 2 IV Nr. 1-4 sowie 7, 10 und 11 InvG unterworfen ist (§ 112 I 1 InvG). Weiter müssen in den Vertragsbedingungen entweder Leerverkäufe oder Leverage durch die grundsätzlich unbeschränkte Aufnahme von Krediten oder den Einsatz von Derivaten vorgesehen sein (§ 112 I 2 InvG). Die Vertragsbedingungen müssen darüber hinaus die Anlage in Beteiligungen an nicht an einer Börse zugelassenen oder in einen organisierten Markt einbezogenen Unternehmen auf 30 % des Wertes des Fonds beschränken (§ 112 I 3 InvG). Damit verzichtet das Gesetz auf eine Definition von Hedgefonds (BT-Drs. 15/ 1553, S. 107). Es stellt stattdessen die Unterscheidung zu richtlinienkonformen Fonds und damit die zusätzlichen Risiken in den Vordergrund, nämlich die Öffnung des Anlageportfolios (im Gegensatz zu §§ 46-52 InvG) sowie die Möglichkeit, Leerverkäufe (vgl. § 59 InvG) oder Leverage (vgl. § 53 InvG) zu nutzten (vgl. von Livonius, WM 2004, 60 (63); Gstädtner/Elicker, BKR 2006, 91 (92)). Demgegenüber spielt der Grundsatz der Risikomischung zur Abgrenzung keine Rolle, da er allen Fonds auch ohne ausdrückliche Betonung im Gesetz zu Eigen ist (§ 1 2 InvG; vgl. auch Köndgen/Schmies, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1, 15; Einsele, § 10, Rn. 4). Die vertragliche Begrenzung der Beteiligung an nicht börsennotierten Unternehmen soll eine Vermischung von Private-Equity-Fonds mit Hedgefonds verhindern, letztere sollen die Möglichkeiten des InvG nicht nutzen können (BT-Drs. 15/1553, S. 108).
23
a) Organisationsverfassung. Hinsichtlich der Organisation von Hedgefonds sieht das InvG im Vergleich zu anderen Fonds keine weiteren Voraussetzungen vor. Es werden die selben Anforderungen an die Eignung des Managements und des Risikomanagementsystems gestellt. Sowohl KAG als auch Investment-AG müssen für die Erlaubnis durch die BaFin zwei zuverlässige und fachlich (theoretisch wie praktisch) geeignete Geschäftsleiter vorweisen (§ 7b Nr. 2, 3 InvG i.V.m. § 33 II KWG). Jeder Hedgefonds muss über ein Risikomanagementsystem verfügen, das die Risiken fortlaufend erfasst, misst und steuert (§ 9a Nr. 1 InVG; ausführlich Lindemann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 119 Rn. 5). Das Risikomanagement hat bei der Zulassung eines Hedgefonds (wie für Hedgefonds insgesamt, Garbaravius/Dierick, S. 49) eine zentrale Bedeutung. § 119 InvG ermöglicht es der BaFin zudem, im Wege der Rechtsverordnung Standards für Risiko-Messsysteme festzulegen. Die zum Fondsvermögen gehörenden Wertpapiere und Einlagenzertifikate sind grundsätzlich bei einer Depotbank zu verwahren (§§ 20 I 1, 24 I 1 InvG). Allerdings übernehmen Prime Broker (Rn. 9), die nunmehr im InvG auch ausdrücklich genannt werden, üblicherweise neben eigenständigen Aufgaben sowohl Funktionen einer Depotbank (§ 112 III InvG) als auch der KAG (§ 16 InvG) selbst (§ 2 XV InvG; ausführlich Lindemann, BB 2004, 2137; Wallach, Rahmenbedingungen, S. 68). Arbeitsabläufe von Hedgefonds können – ebenso wie bei anderen Fonds – bereits nach § 16 InvG auf externe Dienstleister ausgelagert werden (von Livonius, WM 2004, 60 (63); Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (557); Köndgen/Schmies, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1, 8). Für die Portfolioverwaltung gilt dies, wenn das betraute Unternehmen zur Vermögensverwaltung zugelassen ist und einer öffentlichen Aufsicht unterliegt (§ 16 II 2 InvG). Falls die Portfolioverwaltung in einen Staat außerhalb der EU und des EWR ausgelagert werden soll, muss die zuständige Aufsichtsbehörde mit der BaFin zusammenarbeiten (§ 16 II 4 InvG).
24
Zänker
25
1668
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
26
Um den im Ausland etablierten Verwaltungsstrukturen entgegenzukommen (BT-Drs. 15/ 1553, S. 109 f.), ermöglicht § 112 III InvG darüber hinaus die Verwahrung der Vermögensgegenstände durch einen Prime Broker. Dieser muss seinen Sitz in einem Staat der EU, des EWR oder einem Vollmitgliedsstaat der OECD haben, einer öffentlichen Aufsicht unterstehen und über eine angemessene Bonität verfügen. Ein Wechsel des Prime Brokers ist der BaFin anzuzeigen. Die Anforderungen der §§ 20-29 InvG an Depotbanken finden insoweit keine Anwendung. Zur Anpassung an international übliche Vorgehensweise verzichtet das Gesetz auf die Verwahrung ausschließlich im Interesse der Anleger (§ 22 I 1 InvG, BT-Drs. 16/5576, 90). Damit sind einige Unklarheiten zur vergleichbaren Einrichtung i. S. des § 112 III InvG a.F. (Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (57); Lindemann, BB 2004, 2137 (2139)) beseitigt. Zugleich ist der institutionelle Schutz der durch den Prime Broker verwahrten Vermögensgegenstände durch die Reduzierung der Depotbankaufgaben erheblich geschwächt. Diese ist für die Kontrolle des Prime Brokers nicht mehr verantwortlich (vgl. § 25 a II KWG; Lindemann, BB 2004, 2137 (2139)). Der zusätzliche Warnhinweis auf die Verwahrung beim Prime Broker (§ 117 III 2 InvG) kann eine wirksame Aufsicht nicht ersetzen. Maßstäbe für die Bemessung einer angemessenen Bonität und die Anforderungen an eine öffentliche Aufsicht enthält das Gesetz nicht.
27
Die Einschaltung eines Prime Brokers ist grundsätzlich durch die Depotbank als Unterverwalter (Sub-Custodian-Modell) oder die KAG (KAG-Modell/Direktbeauftragung) möglich. Regelmäßig liegt der Prime Broker-Vertrag in erster Linie im Interesse der KAG und die Übernahme von Depotbankfunktionen bildet eher einen Nebeneffekt (Herring/ Christea, ZIP 2004, 1627 (1628); Wallach, Hedge Funds Regulation in Germany, S. 123 f.). Aus der Sicht der Beteiligten spricht damit vieles für das KAG-Modell. Im Vergleich zur vor dem Investmentänderungsgesetz geltenden Fassung des InvG ist die Anforderung weggefallen, dass die Depotbank für ein Verschulden des Prime Brokers haftet. Dementsprechend muss sie den Prime Broker nicht mehr als Erfüllungsgehilfen einschalten. Eine Notwendigkeit für einen durch die Zustimmung der Depotbank zustande kommenden dreiseitigen Vertrag besteht nicht mehr (zur a.F.: Lindemann, BB 2004, 2137 (2139); Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (57)).
28
Das InvG lässt auch eine weitgehende Nutzung der Vermögensgegenstände des Sondervermögens zu. An den Gegenständen des Sondervermögens können für Leerverkäufe und Leverage Sicherheiten bestellt werden (§ 31 V 2 InvG; BT-Drs. 16/5576, 67, 90; Lindemann, BB 2004, 2137 (2140); Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (58); zur Einräumung umfassender Nutzungsrechte Herring/Christea, ZIP 2004, 1627) und auch Netting-Vereinbarungen zwischen KAG und Prime Broker werden zugelassen (§ 31 VI 2 InvG; ausführlich Herring/Christea, ZIP 2004, 1627).
29
Der Umstand, dass der Wert der von Hedgefonds getätigten Anlagen nicht in jedem Fall börsentäglich ermittelt werden kann, wird dadurch berücksichtigt, dass der Anteilswert nur zu den Rückgabeterminen, also jedenfalls quartalsweise ermittelt werden muss (§ 16 1 InvG, von Livonius, WM 2004, 60 (65 f.)). Zudem ist die Vereinbarung einer Kündigungsfrist von bis zu 40 Kalendertagen zulässig (§ 116 2 InvG). Die Zahlung des Rücknahmepreises muss unverzüglich nach dem Rücknahmetermin, spätestens aber 50 Kalendertage danach erfolgen. Hinsichtlich der Unverzüglichkeit der Rückzahlung ist zugrundezulegen, dass ein Fonds, der eine erhebliche Kündigungsfrist vereinbart, diese dazu nutzen muss, um Mittel für die Auszahlung verfügbar zu machen.
30
b) Anlagespektrum. Hedgefonds sind auf die in § 2 IV Nr. 1-4 sowie 7, 10 und 11 InvG genannten Vermögensgegenstände beschränkt. Dies sind Wertpapiere, Geldmarktinstru-
Zänker
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1669
mente, Derivate (auch Warenterminkontrakte), Bankguthaben, Investmentanteile, stille Beteiligungen i. S. des § 230 HGB, sonstige Unternehmensbeteiligungen, bei denen der Verkehrswert ermittelt werden kann und Edelmetalle. Beschränkungen bestehen damit hinsichtlich der Beteiligung an nicht börsennotierten Unternehmen (Begrenzung auf 30 % des Sondervermögens, § 112 I 3 InvG) sowie dem Verbot der Anlage in Waren und Immobilien (Nr. 5 und Nr. 6), die den Eingang von Produkten des grauen Kapitalmarktes in Hedgefonds verhindern sollen (BT-Drs. 15/1553, 108). Hinsichtlich der Verteilung des Investments macht das Gesetz keine weiteren Vorgaben. Es setzt lediglich die Einhaltung des Grundsatzes der Risikomischung voraus, also die Verteilung des Anlagevermögens auf mehrere Anlagegegenstände, deren Anzahl und Art sich abhängig von der Strategie nach der Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns nach § 9 I 1 InvG richtet (§ 112 I 1 InvG; vgl. Wallach, Rahmenbedingungen, S. 61; Gstädtner/Elicker, BKR 2006, 91 (92)). Die Aufnahme von Krediten und der Einsatz von Derivaten (Leverage) sowie Leerverkäufen unterliegen zunächst keiner gesetzlichen Beschränkung. Eine solche ist allerdings durch Rechtsverordnung des BMF möglich, soweit dies zur Wahrung der Integrität des Finanzmarktes erforderlich ist (§ 112 IV InvG). Das Gesetz überlässt die Beschränkung damit zunächst dem Finanzmarkt, der sowohl Leverage als auch Leerverkäufe (wegen ihrer Kreditfunktion) nur gegen Besicherung ermöglicht. Es behält aber der BaFin (§ 1 Nr. 3 BAFinBefugV) vor, bei Veränderung dieser Einschätzung allgemeine Beschränkungen vorzunehmen (BT-Drs. 15/1553, 109). Darüber hinaus kann die BaFin im Einzelfall Anordnungen treffen, wenn das Vorgehen des Fonds die Marktintegrität beeinträchtigt (§§ 9 II Nr. 1, 5 I 2 InvG; Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (54)). c) Berichts- und Meldepflichten. Die Pflicht, nach § 10 II InvG a.F. der BaFin regelmäßig alle Transaktionen börsennotierter Wertpapiere elektronisch zu melden ist als Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Mitbewerbern entfallen. Die gesetzgeberische Vorstellung (BT-Drs. 16/5576, 61), die Meldepflichten ließen sich durch eine von den Depotbanken durchzuführende Kontrolle der Anlagegrundsätze und Anlagegrenzen ersetzen, wird sich jedenfalls für Hedgefonds, die ihre Vermögensgegenstände von einem Prime Broker verwahren lassen, nicht erfüllen, da diese Verwahrung ebenfalls dereguliert wurde (Rn. 26).
31
32
Hedgefonds haben einen geprüften Jahresbericht und einen ungeprüften Zwischenbericht zu erstatten (§ 44 I, II InvG), die im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen, aber auch nach der ersten Verwendung BaFin einzureichen sind (§ 45 I, III InvG). Beide müssen neben einer Vermögensaufstellung unter anderem auch genaue Angaben zu den getätigten Leerverkäufen enthalten (§ 44 I Nr. 2 InvG; von Livonius, WM 2004, 60 (65)). Der Jahresbericht muss neben allen Erträgen und Aufwendungen ebenfalls die Gesamtkostenquote (Total Expense Ratio) ausweisen (§ 41 II InvG), die angesichts hoher Provisionen der Hedgefonds-Manager von besonderer Bedeutung ist (von Livonius, WM 2004, 60 (65)). Hedgefonds in der Form eines Spezial-Sondervermögens (§ 91 I InvG) müssen keine Halbjahresberichte erstellen (§ 94 2 InvG) und die übrigen Berichte nur auf Anfrage bei der BaFin einreichen (§ 94 4 InvG). 2. Dach-Hedgefonds. Dach-Hedgefonds sind wegen ihrer Offenheit für Kleinanleger weitaus stärker reguliert. Dies betrifft sowohl ihre Organisation als auch die Anlagepolitik, wobei ein Schwerpunkt auf Risikoerkennung und -management sowie deren Kontrolle durch die BaFin gelegt wird.
33
a) Organisationsverfassung. An die Geschäftsleiter der KAG eines Dach-Hedgefonds sind dieselben Anforderungen zu stellen wie bei anderen Fonds (Rn. 24). Darüber hinaus müssen Portfoliomanager neben der Befähigung zum Betrieb des Investmentgeschäfts über besondere theoretische und praktische Kenntnisse des Hedgefonds-Geschäfts ver-
35
Zänker
34
1670
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
fügen (§ 120 InvG). Auf eine Präzisierung hat der deutsche Gesetzgeber – im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen (Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (52)) – bewusst verzichtet, da nicht allein die Dauer der Tätigkeit entscheidend sei (BT-Drs. 15/1553, 112). Die Rücknahme von Fondsanteilen muss wie bei Single-Hedgefonds mindestens vierteljährlich erfolgen, die Kündigungsfrist kann aber, mit Rücksicht auf die bei Zielfonds bestehenden erheblichen Rückgabefristen, bis zu 100 Tage betragen (§ 116 1, 2 InvG). Zudem ist eine Kündigungsfrist von bis zu 40 Kalendertagen zulässig (§ 116 2 InvG). Die Zahlung des Rücknahmepreises muss unverzüglich nach dem Rücknahmetermin, spätestens aber 50 Kalendertage danach erfolgen. Bei der Beurteilung der Unverzüglichkeit der Rückzahlung ist neben der Kündigungsfrist zu beachten, dass Dach-Hedgefonds in ihren Vertragsbedingungen nach § 53 InvG eigens für die kurzfristige Sicherung der Liquidität Kredite aufnehmen dürfen. 36
b) Anlagespektrum. Dach-Sondervermögen mit besonderen Risiken legen ihr Vermögen in erster Linie in Hedgefonds an. Das Gesetz stellt im Interesse des Anlegers zahlreiche Anforderungen an die Auswahl der Zielfonds. Dies können zunächst Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (§ 112 InvG) oder entsprechende Investment-AGs (§§ 96, 99 III, 112 InvG) sowie vergleichbare ausländische Investmentvermögen sein. Demgegenüber sollen auf Ebene des Dachfonds keine zusätzlichen Risiken geschaffen werden. Entsprechend sind Leverage und Leerverkäufe ausgeschlossen (§ 113 I 3 InvG). Maximal 49 % des Vermögens dürfen in Bankguthaben und Geldmarktinstrumenten oder in Anteilen an in- oder ausländischen Investmentvermögen, die ausschließlich solche Anlagen nutzen dürfen, angelegt werden (§ 113 II 1 InvG). Devisentermingeschäfte dürfen ausschließlich zur Währungskurssicherung von in Fremdwährungen gehaltenen Vermögensgegenständen abgeschlossen werden (§ 113 II 2 InvG).
37
Dach-Hedgefonds ist nun ebenso wie richtlinienkonformen Fonds die Kreditaufnahme bis zu 10 % des Vermögens erlaubt (§ 113 I 3 InvG; s. zum Streit vor Inkrafttreten des Investmentänderungsgesetzes: Köndgen/Schmies, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1, 15; Lindemann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 113 Rn. 32; Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558)). Die Verweisung des § 114 InvG erfasst jetzt auch § 53 InvG, der die Kreditaufnahme erlaubt. Dies sollte im Interesse der Anleger kürzere Rückgabefristen ermöglichen (vgl. Köndgen/Schmies, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1, 15; Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558).
38
Zum Zwecke der Risikomischung dürfen nicht mehr als 20 % des Vermögenswertes in einem einzelnen Fonds angelegt werden (§ 113 IV 1 InvG). Eine Differenzierung verschiedener Strategien sieht das InvG nicht vor. Auch verlangt das Prinzip der Risikomischung eine solche Differenzierung bereits deshalb nicht, weil sich unter dem selben Oberbegriff vollkommen gegenläufige Einschätzungen des Marktes vereinen können, so dass „single-strategy“-Dachfonds möglich sind (Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (56)).
39
§ 113 IV 2 InvG schließt ein Investment in mehr als zwei Fonds „des gleichen Emittenten oder Fondsmanagers“ aus. Die grammatikalische Auslegung spricht dafür, dass Dachfonds weder in mehr als zwei Fonds eines Emittenten noch eines Fondsmanagers investieren dürfen. Allerdings handelt es sich bei dem Wortlaut um eine missglückte Korrektur. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung richtete sich noch gegen die Anlage in „Zielfonds vom gleichen Emittenten und Fondsmanager“ (BT-Drs. 15/1553, 43, 110). Der Finanzausschuss meinte auf Drängen der Investmentbranche (Leistikow/Ellerkmann, BB 2003, 2693 (2699)) durch die Änderung klarzustellen, dass die Zielfonds zwar alle vom gleichen Anbieter stammen dürfen, aber unterschiedliche Fondsmanager haben müssen (BT-Drs. 15/1896, 3, 79). Die von Anfang an bestehende Intention, Inhouse-Lösungen zu
Zänker
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1671
ermöglichen, sofern verschiedene Fondsmanager verantwortlich sind, gewährleistet einen hinreichenden Anlegerschutz. Das entscheidende Risiko von Fehlentscheidungen des Managements wird damit diversifiziert (von Livonius, WM 2004, 60 (66); Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (56)). Bei der Auswahl ausländischer Zielfonds kommen Fonds aus allen Staaten in Betracht, die hinsichtlich der Geldwäschebekämpfung im Sinne internationaler Vereinbarungen kooperieren (§ 113 IV 3 InvG). Dabei wird auf die Kooperation im Rahmen der Financial Action Task Force der OECD abgestellt (BT-Drs. 15/1553, 110). Die FATF (www.fatf-gafi.org) verzeichnet derzeit keine nicht kooperierenden Staaten. Die Anlagepolitik muss Anforderungen unterliegen, die mit deutschen Single-Hedgefonds vergleichbar sind (§§ 113 I 2, 112 I 1 InvG). Insbesondere müssen die Beschränkungen hinsichtlich Waren, Immobilien und Unternehmensbeteiligungen eingehalten werden (Gstädtner/ Elicker, BKR 2006, 91 (92)). Eine öffentliche Aufsicht über die ausländischen Zielfonds wird nicht gefordert; es soll gerade auch die Anlage in Offshore-Fonds möglich sein (BTDrs. 15/1553, 109). Die Vermögensgegenstände des ausländischen Zielfonds müssen aber von einer Depotbank, einem Prime Broker oder einer vergleichbaren Einrichtung verwahrt werden (§ 113 III InvG; Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558) m.w.N.). Von einem solchen Verwahrer ist zu verlangen, dass die Verwahrung jedenfalls nach dem VierAugen-Prinzip mittelbar auch im Interesse der Anleger stattfindet (BT-Drs. 15/1553, 110; zu einzelnen Kriterien Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (55 ff.)).
40
Hinsichtlich der Anlageentscheidung und der Risikoüberwachung von Dach-Hedgefonds begründet das InvG erhebliche zusätzliche Anforderungen. So müssen bei der Auswahl der Zielfonds (im Rahmen einer Due Dilligence) alle für die Anlageentscheidung erforderlichen Informationen herangezogen werden (§ 113 V InvG). Insoweit konkretisiert § 113 V InvG die Verpflichtung zur Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 9 I 1 InvG; Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (56)). Es sind der letzte Jahres- und Halbjahresbericht sowie die Vertragsbedingungen und Prospekte einzuholen. Zu den erforderlichen Informationen gehören auch solche über die interne Organisation des Zielfonds, dessen Management, die Anlagestrategie und Anlagerichtlinien (z.B. hinsichtlich der Risikodiversifizierung) sowie Risikomanagement, Liquidität, Leverage und Leerverkäufe. Auch über die Depotbank bzw. die vergleichbare Einrichtung muss sich die KAG informieren. Darüber hinaus sind alle weiteren verfügbaren Informationen heranzuziehen (BT-Drs. 15/1553, 110; Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558)).
41
Die KAG muss sämtliche Zielfonds, an denen der Dachfonds beteiligt ist, laufend überwachen (§ 113 V 2, 3 InvG). Hierzu gehören die regelmäßige Vorlage und Erläuterung von anerkannten Risikokennziffern, also etwa Leverage, Leerverkäufe und Liquidität (von Livonius, WM 2004, 60 (68)). Die Depotbank oder vergleichbare Einrichtung des Zielfonds hat dessen Wert zu bestätigen. Was eine regelmäßige Prüfung ist, bestimmt sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation und Strategie des Zielfonds nach der Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns (§ 9 InvG; Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (57)). Wenn diese Faktoren keinen Anlass für kürzere Intervalle geben, sollte eine monatliche Vorlage genügen (Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (57); von Livonius, WM 2004, 60 (68)).
42
Während deutsche Single-Hedgefonds Anteile an anderen Fonds erwerben können (§ 2 IV Nr. 7 InvG), scheidet für Dach-Hedgefonds eine Anlage in Zielfonds aus, die in weitere Fonds investieren (§ 113 IV 2 InvG; Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558) m.w.N.), so dass es nicht zu einer Kaskadenbildung kommen kann. Dies wird deshalb kritisiert, weil so ein Teil ausländischer Hedgefonds als Zielfonds ausscheidet, da diese regelmäßig kleinere Teile des Fondsvermögens in anderen Hedgefonds „parken“ (Leistikow/Ellerk-
43
Zänker
1672
44
45
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
mann, BB 2003, 2693 (2699)). Das Kaskadeverbot entspricht aber dem Erfordernis, ein Mindestmaß an Transparenz zu wahren. c) Berichts- und Meldepflichten. Die BaFin kann sich die im Rahmen der Due Dilligence eingeholten Unterlagen jederzeit vorlegen lassen (§ 115 InvG), so dass eine gewisse Transparenz nicht nur für deutsche, sondern auch für internationale Zielfonds hergestellt wird. Jahres- und Zwischenberichte müssen erstellt, veröffentlicht sowie bei der BaFin eingereicht werden (§§ 44 I, II, 45 I, III InvG, Rn. 32). Berichte über Hedgefonds in der Form eines Spezial-Sondervermögens sind nur auf Anfrage einzureichen (§ 94 2 InvG). III. Umgehung des InvG. Das InvG erfasst lediglich Investmentvermögen (§ 1 2 InvG) und legt den formellen Investmentbegriff zugrunde (BT-Drs. 15/1553, 74), nach dem nur Investmentvermögen erfasst werden, die in Form von Publikums-, oder Spezial- Sondervermögen sowie Investmentaktiengesellschaften gebildet werden (§§ 1 Nr. 1, 2 I, V, 6 I 2 InvG; VG Frankfurt, DB 2005, 2628; Sahavi, ZIP 2005, 929 (931); Görner/Dreher, ZIP 2005, 2139 (2143); Gstädtner/Elicker, BKR 2006, 437 (441 f.)). Es ist deshalb auch nach Inkrafttreten des InvG möglich, nach allgemeinem Gesellschaftsrecht Unternehmen zu gründen, die Hedgefonds-Strategien verfolgen, ohne dem InvG zu unterliegen (Pütz/ Schmies, BKR 2004, 51; Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (556); zur Situation unter dem KAGG: Gerke/Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479 (284); Luttermann/Backmann, ZIP 2002, 1017 (1018); Berger/Steck, ZBB 2003, 192 (195)). Werden die Geschäfte allerdings in eigenem Namen und für fremde Rechnung getätigt, so kommt ein unerlaubtes Finanzkommissionsgeschäft in Betracht (Hess. VGH, ZIP 2007, 999 m.w.N.).
46
Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum InvG sollte sogar eine Benachteiligung solcher Konstruktionen insofern verhindert werden, als Dachfonds nach § 113 InvG in diese investieren können sollten. Andernfalls würde „ihr unterstützenswerter Einsatz für den Aufbau einer Hedge-Funds-Industrie in Deutschland missachtet“ (BT-Drs. 15/ 1553, 109). Tatsächlich ist eine Beteiligung von Dach-Hedgefonds in Deutschland nur an Hedgefonds (§ 112 InvG) und entsprechenden Investment-AGs (§ 96 InvG) möglich, so dass jedenfalls eine Förderung unregulierter Hedgefonds-Konstrukte in Deutschland über § 113 InvG ausgeschlossen ist (vgl. Köndgen/Schmies, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1, 16; Lindemann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 113 Rn. 8).
47
D. Vertrieb von Hedgefonds-Produkten
48
Das InvG enthält Regeln für den Vertrieb von Hedgefonds. Daneben gelten die allgemeinen Pflichten bei Anlageberatung und -vermittlung (i.E. s.o. § 50). Angesichts der geringen Kenntnisse, die jedenfalls Privatkunden regelmäßig über Hedgefonds haben (Echter, Die Bank 2007, 38 (40)), müssen Banken und Vermittler stets von einem grundlegenden Beratungsbedarf ausgehen. Dementsprechend sind an die Aufklärung und Beratung beim Vertrieb von Hedgefonds-Produkten, insbesondere aber bei Single-Hedgefonds, erhöhte Anforderungen zu stellen. I. Dach-Hedgefonds. Seit dem Inkrafttreten des InvG im Jahr 2004 dürfen Dach-Hedgefonds (nach § 113 InvG) öffentlich vertrieben werden (Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558) m.w.N.). Das InvG soll im Rahmen des Vertriebs einen gewissen Schutz über Informationen herstellen. Zusätzliche Angaben in Prospekt und Vertragsbedingungen dienen dem Schutz der Anleger durch Information über die spezifischen Risiken einer Anlage in Dach-Hedgefonds (BT-Drs. 15/1553, 111; Nickel, ZBB 2004, 197 (206)). Wegen der mit Dachfonds verbundenen Risikostreuung hielt der Gesetzgeber eine gesetzliche Mindestanlagesumme nicht für erforderlich (BT-Drs. 15/1553, 109).
Zänker
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1673
Es besteht Prospektpflicht. Der Verkaufsprospekt muss neben den allgemeinen Angaben (§ 42 InvG) zusätzliche enthalten (§ 117 2 Nr. 1-6 InvG). Hierzu gehören detaillierte Informationen zu den Grundsätzen der Auswahl von Zielfonds, dem Umfang, in dem nicht beaufsichtigte Fonds erworben werden dürfen, den Anforderungen an die Geschäftsleitung der Zielfonds, zu Leverage und Leerverkäufen sowie den damit verbundenen Risiken und zu der Gebührenstruktur der Zielfonds. Auch die Berechnungsmethode der vom Anleger zu tragenden Gesamtkosten ist anzugeben. Hinzu kommt ein Hinweis des Bundesfinanzministers, der vor der Möglichkeit eines Totalverlustes warnt (§ 117 II InvG), sowie ein Hinweis darauf, dass die KAG den Anleger auf Wunsch über ihr Risikomanagement sowie die jüngsten Entwicklungen hinsichtlich Risiken und Renditen zu informieren hat (§ 121 IV InvG). Der Warnhinweis kann entfallen, wenn die KAG eine Mindestzahlungszusage (§ 7 II 2 Nr. 6a InvG) abgibt. Der Prospekt muss der BaFin nach der ersten Verwendung zur Prüfung vorgelegt werden (§ 42 VI InvG).
49
Es darf ausschließlich ein ausführlicher und kein vereinfachter Verkaufsprospekt zugänglich gemacht werden (§§ 42 I 1 Hs. 2, 117 I 1 InvG; Nickel, ZBB 2004, 197 (205); von Livonius, WM 2004, 60 (68 Fn. 60)). Der Ausschluss eines vereinfachten Prospekts wird damit begründet, dass die Kriterien für vereinfachte Verkaufsprospekte den Sondervermögen aufgrund der von ihnen verwalteten Vermögensgegenstände und der Anlagestruktur nicht entspreche (BT-Drs. 15/1553, 88 f.). Allerdings beinhaltet die komplexe Verständlichkeit des ausführlichen Prospekts gerade die Gefahr, dass Privatanleger den Prospekt nicht lesen und das Informationsmodell zum Schutz des Anlegers deshalb scheitert (dazu auch Köndgen/Schmies, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1, 16). Um der Zielsetzung, einer umfassenden Anlegerinformation gerecht zu werden, wäre die Regelung einer zusätzlichen vereinfachten Zusammenfassung des Verkaufsprospekts sicher förderlicher als deren Verbot (zum vereinfachten Prospekt Lang, WM 2004, 53 (56 f.)) .
50
Auch die Vertragsbedingungen müssen neben den allgemeinen Pflichtangaben (§ 43 InvG) zusätzliche Angaben enthalten (§ 118 InvG; Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558)). Ebenso wie im Prospekt sind Angaben zu den Anlagegrundsätzen, insbesondere der Auswahl der Zielfonds, deren Anlagestrategien, dem zulässigen Umfang von Leverage und Leerverkäufen sowie der maximalen Liquidität der Zielfonds erforderlich.
51
Natürlichen Personen sind vor dem Erwerb von Anteilen an Dach-Hedgefonds sämtliche Verkaufsunterlagen (Prospekt, Vertragsbedingungen, letzter Jahresbericht, ggf. letzter Halbjahresbericht, § 121 I 1, 2 InvG) auszuhändigen (§ 121 III 1 InvG). Damit soll sichergestellt werden, dass sich der Erwerber ein vollständiges Bild von der Anlageform und ihren Risiken machen kann (BT-Drs. 15/1553, 113). Aus diesem Zweck ergibt sich, dass die Aushändigung nur in Papierform erfolgen kann (vgl. von Livonius, WM 2004, 60 (68)) und eine elektronische Informationsvermittlung auch dann nicht genügt, wenn der Erwerber über die notwendigen technischen Hilfsmittel zum Lesen der Informationen verfügt (anders Kugler/Lochman, BKR 2006, 41 (44); Schmies in Beckmann/Scholtz/ Vollmer, § 121 Rn. 24 für teleologische Reduktion). Angesichts des Umfanges der Information kann bei elektronischer Vermittlung von vornherein keine Kenntnisnahme erwartet werden. Ebenso widerspräche die Möglichkeit, vorab auf die Aushändigung der Verkaufsunterlagen zu verzichten, der Unterscheidung des Gesetzes zwischen dem bloßen Anbieten (§ 121 I 1 InvG) und der Pflicht diese „stets auszuhändigen“ (§ 121 III 1 InvG; a.A. Kugler/Lochman, BKR 2006, 41 (44)).
52
Der Anteilserwerb durch natürliche Personen setzt zudem die Einhaltung der Schriftform voraus (§ 121 III 2 InvG), die hier eine Warnfunktion erfüllen soll (BT-Drs. 15/1553, 113). Zudem muss der Verkäufer nach Maßgabe des Warnhinweises (§ 117 II InvG) über das
53
Zänker
1674
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Risiko eines Totalverlustes belehren und trägt dafür auch die Beweislast (§ 121 III 3, 4 InvG). Dieser vorvertraglichen Hinweispflicht (ausführlich Kugler/Lochman, BKR 2006, 41 (42 f.)) kann der Verkäufer nicht durch Aushändigung des den Warnhinweis enthaltenden Prospekts genügen (Nickel, ZBB 2004, 197 (208)). Andernfalls wäre § 121 III 3 InvG überflüssig. Nach Nickel soll diese Pflicht auch gegenüber juristischen Personen bestehen. § 121 III 3 InvG enthält tatsächlich insoweit keine ausdrückliche Einschränkung. Die vom Gesetz vorausgesetzte geringere Schutzbedürftigkeit juristischer Personen und die Systematik sprechen allerdings dafür, dass nur natürliche Personen geschützt werden sollen, wie in § 121 III 1 und 2 InvG (Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (59); Kugler/Lochman, BKR 2006, 41 (42)). 54
Die Hinweispflicht ist im Kontext der Schriftform als Ergänzung der Warnfunktion zu verstehen (BT-Drs. 15/1553, 113). Gerade das Zusammenwirken der an den auf Zigarettenschachteln aufgedruckten Hinweis erinnernden Warnung des Finanzministers mit dem Hinweis des Verkäufers und der physischen Aushändigung der Verkaufsunterlagen erhebt jede einzelne Informationshandlung über den Rang einer bloßen Formalität und gewährleistet damit eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Informationsmodells, als Alternative zur Exklusion von Anlegern durch Mindestanlagesummen.
55
II. Single-Hedgefonds. Zum Schutz unerfahrener Anwender dürfen Single-Hedgefonds in Deutschland nicht öffentlich vertrieben werden (§§ 112 II/ 101 IV InvG). Ausgeschlossen sind damit jedes öffentliche Anbieten, jede Werbung sowie ähnliche Vertriebsformen (§ 2 XI InvG). Zulässig ist dagegen eine Privatplatzierung (Private Placement). Das Gesetz knüpft damit an das AuslInvG an (BT-Drs. 15/1553, 76 zu § 2 InvG, 116 zu § 136 InvG). Das Angebot darf sich im Rahmen der Privatplatzierung nicht an einen unbestimmten Personenkreis richten (von Livonius, WM 2004, 60 (65); Nickel, ZBB 2004, 197 (204)). Es ist damit nicht öffentlich, wenn es sich an Personen richtet, mit denen der Anbieter bereits in Kontakt stand und die mit einer Vertriebsaktivität rechnen konnten, wenn diese Personen aufgrund einer gezielten Auswahl nach individuellen Gesichtspunkten angesprochen werden (von Livonius, WM 2004, 60 (65); Gstädtner/Elicker, BKR 2006, 91 (94); Nickel, ZBB 2004, 197 (204)). Danach können neben institutionellen Anlegern auch Privatanleger Adressaten sein (von Livonius, WM 2004, 60 (65); Köndgen/Schmies, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1, 15). Insbesondere Kleinanleger können aber regelmäßig nicht damit rechnen, dass ihnen Hedgefonds angeboten werden, so dass dann, wenn sich ein Angebot an sie wendet, von einem öffentlichen Angebot auszugehen ist (vgl. Lang, WM 2004, 53 (58)). Die Privatplatzierung darf nur durch Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute mit einer Erlaubnis zur Anlage- und Abschlussvermittlung erfolgen, nicht dagegen durch freie Vermittler (§§ 1 Ia Nr. 1 und 2, 2 VI Nr. 8 KWG; von Livonius, WM 2004, 60 (65); Köndgen/Schmies, WM 2004, Sonderbeil. Nr. 1, 15); Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558)).
56
Auch für Single-Hedgefonds, die als Publikumsfonds aufgelegt werden, muss ein Verkaufsprospekt erstellt werden. Die Prospektpflicht ergibt sich aus §§ 114, 42 InvG (Lang, WM 2004, 53 (58); Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (58); von Livonius, WM 2004, 60 (65)). Es besteht lediglich eine Ausnahme für Hedgefonds in der Form des Spezial-Sondervermögens, § 93 III InvG (Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (58)). Das InvG knüpft die Prospektpflicht nicht an den öffentlichen Vertrieb, sondern an die Auflage eines Publikumsfonds (Wallach, Rahmenbedingungen, S. 70; a. A. Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (558); Lindemann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 117 InvG Rn. 5). Auch § 117 I 1, 2 Nr. 6, II InvG finden entsprechende Anwendung (nun ausdrücklich § 117 III 1 InvG; Nickel, ZBB 2004, 197 (206); Wallach, Rahmenbedingungen, S. 70; Schmies in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 121 Rn. 24). Damit trägt das InvG dem Informationsbedürfnis
Zänker
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1675
der Anleger Rechnung, das sich nicht von dem beim Erwerb eines Dachfonds unterscheidet (ausführlich Nickel, ZBB 2004, 197 (206)). Aus diesen Erwägungen scheidet auch hier ein vereinfachter Verkaufsprospekt aus (Nickel, ZBB 2004, 197 (206); a. A. Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (58)). Der Warnhinweis des Finanzministers (§ 117 II InvG) ist bei SingleHedgefonds ebenso erforderlich (Rn. 49). Mit dem Investmentänderungsgesetz kommt nach § 117 III 2 InvG ein weiterer Warnhinweis hinzu, der ggf. darüber informiert, dass die Vermögensgegenstände des Fonds ganz oder teilweise nicht von einer Depotbank verwahrt werden. Befindet sich der Primebroker im Ausland, so muss darauf sowie auf die fehlende Kontrolle durch die BaFin drucktechnisch hervorgehoben hingewiesen werden. § 121 III InvG regelt nunmehr ausdrücklich die Aushändigung der Verkaufsunterlagen und das Schriftformerfordernis für Single-Hedgefonds ebenso wie für Dachfonds (Rn. 52 f.). Hier liegt die gleiche Interessenlage vor (Nickel, ZBB 2004, 197 (207)). Auch der Risikohinweis nach § 121 III 3 InvG und die Beweislastregelung des Satzes 4 (Rn. 54) sind jetzt unmittelbar auf den Vertrieb von Single-Hedgefonds anzuwenden.
57
III. Ausländische Hedgefonds. Bis zum Inkrafttreten des Investmentänderungsgesetzes wurden ausländische Investmentvermögen vom Anwendungsbereich des InvG nur hinsichtlich ihres öffentlichen Vertriebs erfasst. Dementsprechend galten bei der Privatplatzierung die Bestimmungen für deutsche Hedgefonds nicht (Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (59); Spindler/Bednarz, WM 2006, 553, (559); Sahavi, ZIP 2005, 929 (932)). Nunmehr erfasst das InvG nach § 1 1 Nr. 3 auch „den beabsichtigten und tatsächlichen Vertrieb von Anteilen an ausländischen Investmentvermögen, die hinsichtlich der Anlagepolitik Anforderungen unterliegen, die denen nach § 112 Abs. 1 vergleichbar sind“. Neben dem vom Wortlaut erfassten öffentlichen Vertrieb von Dach-Hedgefonds und dem Vertrieb von Single-Hedgefonds erfasst das InvG aber auch die Privatplatzierung von Dach-Hedgefonds. Dies ergibt sich aus dem Zweck, mit der Änderung des Anwendungsbereichs den umfassenden Schutz nach § 121 III InvG auch auf die Privatplatzierung von Hedgefonds jeder Art auszuweiten (BT-Drs. 16/5576, 55, 92). Im Gesetzgebungsverfahren ist die Möglichkeit einer Privatplatzierung von ausländischen Dachfonds übersehen worden, so dass der Wortlaut hinter dem Zweck des Gesetzes zurückbleibt.
58
Ausländische Dach-Hedgefonds dürfen grundsätzlich öffentlich vertrieben werden. Formelle Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die BaFin auf die ordnungsgemäße Vertriebsanzeige (§ 139 InvG) den öffentlichen Vertrieb nicht untersagt (§ 140 InvG). Die Investmentgesellschaft muss einen deutschen Repräsentanten benennen, der sie umfassend vertritt (§ 138 InvG). Sie muss einer wirksamen öffentlichen Aufsicht unterliegen, die zur Zusammenarbeit mit der BaFin bereit ist (§ 136 I Nr. 1 InvG). Auch die Anforderungen an die Anlagepolitik und die Vertragsbedingungen müssen mit denen inländischer Hedgefonds vergleichbar sein (§ 136 IV) und das Fondsvermögen muss von einer Depotbank oder einer vergleichbaren Einrichtung verwahrt werden (§ 136 I Nr. 3, Abs. 2 InvG). Dagegen gelten die Regeln für Auswahl und Überwachung der Zielfonds nach § 113 V nicht (§ 136 InvG enthält keinen entsprechenden Verweis; zum ganzen Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (60)). Beim eigentlichen Vertrieb gelten die gleichen Grundsätze (Rn. 49 ff.) wie bei deutschen Dachfonds (§§ 121, 135 I 1 InvG). Der Verkaufsprospekt muss im Wesentlichen die gleichen Angaben enthalten (§§ 137 IV, 117 InvG). Verkaufsprospekt und Vertragsbedingungen sind auszuhändigen. Sämtliche Veröffentlichungen und Werbeschriften, die auch für den deutschen Markt bestimmt sind (Pütz/Schmies, BKR 2004, 51 (58)), sind in deutscher Sprache abzufassen (§ 123 InvG).
59
Ausländische Single-Hedgefonds dürfen ebenso wie inländische in Deutschland nicht öffentlich vertrieben werden (§ 135 I 2 InvG). Eine Privatplatzierung ist ebenso wie bei
60
Zänker
1676
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
deutschen Single-Hedgefonds (Rn. 55 ff.) zulässig (von Livonius, WM 2004, 60 (66); Spindler/Bednarz, WM 2006, 553 (559)). Nunmehr gelten auch für die Privatplatzierung die Pflichten nach § 121 InvG. Es sind Verkaufsprospekt und Bericht auszuhändigen. Wobei für ausländische Hedgefonds ohne öffentlichen Vertrieb die Anforderungen an den Verkaufsprospekt nicht im Einzelnen geregelt sind (§§ 117, 137 I, IV InvG). Schriftform und Warnpflicht gelten ebenso wie bei deutschen Fonds (§ 121 III InvG). Insofern trägt das InvG dem Schutzbedürfnis der Anleger auch bei der Privatplatzierung ausländischer Hedgefonds Rechnung, ohne diese weitergehend zu regulieren (vgl. Lehmann, ZIP 2007, 1889 (1890)). 61
IV. Hedgefonds-Zertifikate. Anlegern, die an Hedgefonds interessiert sind, steht neben dem Investment in Dach-Hedgefonds oder direkt in Single-Hedgefonds auch der Erwerb von Hedgefonds-Zertifikaten offen. Diese werden seit dem Jahr 2000 von deutschen Banken angeboten (Gerke/Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479; Wallach, Rahmenbedingungen, S. 56). Sie sind auch in kleinen Stückelungen ab 100 € erhältlich und deshalb gerade für Kleinanleger interessant. Es handelt sich um Inhaberschuldverschreibungen im Sinne von § 793 BGB (BGH, WM 2004, 1774 (1776); Gratz, BB 2005, 2678), mit denen der Anleger an der Wertentwicklung eines Hedgefonds-Portfolios partizipiert (vgl. dazu Oho/Remmel, BB 2002, 1449; Gratz, BB 2005, 2678). Der Emittent zahlt dem Anleger entweder am Fälligkeitstag oder zu vertraglich festgelegten Zeitpunkten den Betrag, den das Referenzaktivum angibt (Oho/Remmel, BB 2002, 1449; Berger/Steck, ZBB 2003, 192 (197)). Dieses ist ein meist vom Emittenten, einer in- oder ausländische Bank (Berger/Steck, ZBB 2003, 192 (197)), aus einem Portfolio aus in Offshore-Gebieten angesiedelten Hedgefonds gebildeter Index (Gerke/Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479; vgl. Oho/Remmel, BB 2002, 1449).
62
Das InvG findet auf Anlagen in Hedgefonds-Zertifikate keine Anwendung, da der Anleger lediglich eine Schuldverschreibung und keinen Anteil an einem Investmentvermögen erwirbt, §§ 1 1 Nr. 3, 2 IX, 135 InvG (vgl. zum AuslInvG Oho/Remmel, BB 2002, 1449 (1450 ff.); Berger/Steck, ZBB 2003, 192 (197)). Damit ist das Investment in HedgefondsZertifikate wesentlich weniger reguliert. Bei einem öffentlichen Vertrieb besteht Prospektpflicht nach §§ 3 I 1, 2 Nr. 1 b WpPG (§ 58, Rn. 18, 21; Mülbert, WM 2007, 1149 (1150)). Darüber hinaus verbleiben zum Schutz unerfahrener Anleger lediglich allgemeine Hinweis- und Beratungspflichten (Rn. 47). Privatanleger, die das Risikoprofil aus unterschiedlichen Hedgefonds praktisch nicht einschätzen können (Gerke/Mager/Kiehn, ZBB 2002, 479) und zudem das Bonitätsrisiko des Emittenten tragen (Gratz, BB 2005, 2678), werden weder durch einen Warnhinweis noch durch ein Schriftformerfordernis geschützt.
63
Während bei Dachfonds erhebliche Anforderungen an die Zusammenstellung des Portfolios gestellt werden und das Risikomanagement von der BaFin überwacht wird, ist die Bildung des Index-Portfolios unreguliert. Der Emittent verpflichtet sich zwar nicht, die erhaltenen Finanzmittel in die in dem Index enthaltenen Fonds zu investieren (Oho/Remmel, BB 2002, 1449 (1452)), er wird sie diesen aber zuführen, um nicht selbst das Risiko der Indexentwicklung zu tragen. Auch der Emittent erwirbt nicht notwendigerweise einen Anteil an den ausländischen Hedgefonds. Er kann sich etwa mittels total return swaps durch rein schuldrechtliche Vereinbarungen an der Wertentwicklung der Fonds beteiligen (s. dazu Berger/Steck, ZBB 2003, 192 (198)). So fließt das Vermögen deutscher Anleger mittelbar in weitgehend unregulierte Hedgefonds.
64
Der Vertrieb von Hedgefonds-Zertifikaten führt so zu einer Vermeidung der Regulierung von Hedgefonds und droht damit den Schutzzweck des InvG zu vereiteln (vgl. Berger/
Zänker
§ 56 Hedgefonds und ähnliche Beteiligungen
1677
Steck, ZBB 2003, 192 (201)). Für die an der Auflage und am Vertrieb Beteiligten stellt die Emission von Zertifikaten den leichteren Weg dar, so dass der Druck, sich der Regulierung zu unterwerfen, gering gehalten wird.
E. Ausblick
65
Das InvG stellt einen Rechtsrahmen für die Errichtung von Hedgefonds in Deutschland zur Verfügung. Es bewirkt für die zugelassenen Hedgefonds ein gewisses Maß an Transparenz und gibt der BaFin die Möglichkeit, auf die betroffenen Hedgefonds einzuwirken. Mit dem Investmentänderungsgesetz wurden einige Unklarheiten beseitigt und die Bedingungen für Hedgefonds insgesamt gelockert. Eine Beseitigung der Umgehungsmöglichkeiten, ist angesichts der auf die Vermeidung nationaler Alleingänge ausgerichteten Politik der Bundesregierung nicht zu erwarten. Auf europäischer Ebene ist keine Regulierung geplant. Die Kommission hat im Grünbuch (KOM(2005) 314 unter Punkt 3.4) die Prüfung einer übergreifenden Regulierung und der Vereinheitlichung der Kriterien des Private Placement angekündigt. Die eingesetzte Expertengruppe (aus Branchenvertretern) hat von jeder Regulierung oder Registrierung abgeraten und lediglich die Exklusion von Kleinanlegern befürwortet (Report of the Alternative Investment Expert Group to the European Commission, 2006). Das Vorhaben zur Vereinheitlichung der Privatplatzierung befindet sich noch in der Konsultationsphase. Auch international ist keine Regulierung von Hedgefonds zu erwarten. Es überwiegt die Sorge, jede verbindliche Regelung könnte die mobile internationale Hedgefondsindustrie einschließlich ihrer hauptsächlich in New York und London angesiedelten Manager in andere Rechtsordnungen vertreiben (vgl. FSA, Hedge funds: A discussion of risk and regulatory engagement, 2005, 65). Dementsprechend hat sich auch die International Organization of Securities Commissions (Iosco) darauf beschränkt, Prinzipien für die Bewertung von Hedgefondsportfolios zu empfehlen (Principles for the Valuation of Hedge Fund Portfolios, Nov. 2007).
Zänker
66
67
“This page left intentionally blank.”
§ 57 Effektengeschäft
1679
§ 57 Effektengeschäft
Schrifttum Armbrüster, Kapitalanleger als Verbraucher? Zur Reichweite des europäischen Verbraucherschutzrechts, ZIP 2006, 406; Assmann, Interessenkonflikte aufgrund von Zuwendungen, ZBB 2008, 21; Bachmann, Kontrahierungspflichten im privaten Bankrecht, ZBB 2006, 257; Balzer, Bankpflichten bei der Durchführung von Wertpapieraufträgen, in: Bankrecht 2002, RWS-Forum 22, 2003, S. 365; Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZBB 2007, 333; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger, in: FS Peltzer, 2001, 17; Brocker, Aufklärungspflichten der Banken bei Innenprovisionen, BKR 2007, 365; Casper, Das neue Recht der Termingeschäfte, WM 2003, 161; Clouth/Lang (Hrsg.), MiFID-Praktikerhandbuch, 2007; Dierkes, Best Execution in der deutschen Börsenlandschaft, ZBB 2008, 11; Duve/Keller, MiFID: Die neue Welt der Wertpapiergeschäfts – Lernen Sie Ihre Kunden kennen – Kundenklassifikationen und –informationen, BB 2006, 2425; Duve/Keller, Die neue Welt des Wertpapiergeschäfts oder: Glauben Sie nicht, Sie könnten ohne Weiteres Wertpapiere kaufen, BB 2006, 2477; Ekkenga, Effektengeschäft, in: Münchener Kommentar zum HGB, Band 5, 2. Aufl. 2008; Felke/Jordans, Der Referentenentwurf für die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen, WM 2004, 166; Felke/Jordans, Umsetzung der Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen, NJW 2005, 710; Ferrarini/Wymeersch (Hrsg), Investor Protection in Europe, 2006; Fleischer, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – Entstehung, Grundkonzeption, Regelungsschwerpunkte, BKR 2006, 389; Fleckner/Vollmuth, Geschäfte zu nicht marktgerechten Preisen (Mistrades) im außerbörslichen Handel, WM 2004, 1263; Fleischer/Schmolke, Gerüchte im Kapitalmarktrecht, AG 2007, 841; Göhmann, Die Verhaltenspflichten von Banken gegenüber ihren Kunden bei der Durchführung von Effektengeschäften, 2006; Guntner, Die rechtliche Behandlung des Daytraiding unter besonderer Berücksichtigung bankunabhängiger Daytraidingcenter, Diss. 2002; Hadding, Sind Vertriebsvergütungen von Emittenten an Kreditinstitute geschäftsbesorgungsrechtlich an den Kunden herauszugeben?, ZIP 2008, 529; Hammen, Best – Was ist Börsenhandel?, WM 2002, 2129; Hanten/von Livonius, Erlaubnispflicht kollektiver Anlagemodelle nach dem Kreditwesengesetz, BKR 2008, 230; Härting/Schirmbacher, Fernvertrieb von Finanzdienstleistungen an Verbraucher: Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie für Verbraucher, DB 2003, 1777; Held/Schulz, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, BKR 2005, 270; Heiss, Die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher aus Sicht des IPR und IZVR, IPRax 2003, 100; Hirschberg, MiFID – Ein neuer Rechtsrahmen für die Wertpapierhandelsplätze in Deutschland, AG 2006, 398; Hopt, Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; Horn, Die Erfüllung von Wertpapiergeschäften unter Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten an der Börse, WM 2002, SB 2; Jordans, Die Umsetzung der MiFID in Deutschland und die Abschaffung des § 37d WpHG, WM 2007, 1827; Köndgen, Preis- und Vergütungsgestaltung im Wertpapierhandel, FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 183; Köndgen/Theissen, „Internalisierter“ Wertpapierhandel zu Börsenpreisen?, WM 2003, 1497; Koller, Zu den Grenzen des Anlegerschutzes bei Interessenkonflikten, ZBB 2007, 197; Die Abdingbarkeit des Anlegerschutzes durch Information im europäischen Kapitalmarktrecht, FS Huber, 2006, S. 821; Kumpan/Hellgardt, Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), DB 2006, 1714; Lenenbach, Scalping, ZIP 2003, 243; Möllers, Vermögensberatungsvertrag, graue Vermögensverwaltung und Zweitberatung, WM 2008, 93; Möllers/Weichert/Wenninger, Öffentliche Stellungnahme zum FRUG, abrufbar unter http://www. jura.uni-augsburg.de/prof/moellers/aktuelles/Stnahme_FRUG.html; Mülbert, Auswirkungen der MiFID-Rechtsakte für Vertriebsvergütungen im Effektengeschäft der Kreditinstitute, ZHR 172 (2008), 170; Anlegerschutz bei Zertifikaten, WM 2007, 1149; Mutschler, Internalisierung der Auftragsausführung im Wertpapierhandel, 2007; Nikolaus/d’Oleire, Aufklärung über „Kick-backs“ in der Anlageberatung, WM 2007, 2129; Richrath, Aufklärungs- und Beratungspflichten – Grundlagen und Grenzen, WM 2004, 653; Röh, Compliance nach der MiFID – zwischen höherer Effizienz und mehr Bürokratie, BB 2008, 398; Rössner/Arendts, Die Haftung wegen Kontoplünderung durch Spesenschinderei, WM 1996, 1517; Roller/Hackenberg, Verjährungsfrist und Sekundärverjährung unter § 37a WpHG, ZBB 2004, 227; Rozok, Tod der Vertriebsprovisionen oder Alles wie gehabt? – Die Neuregelungen über Zuwendungen bei der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie, BKR 2007, 217; Schäfer, Sind die §§ 31 ff. WpHG n.F. Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ?, WM 2007, 1872; Schefold, Kollisionsrechtliche Lösungsansätze im Recht des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs, FS für Eric Jayme, Bd. 1, 2004, 805; Schumacher, Rückvergütungszahlungen von Investmentgesellschaften an Kreditinstitute, BKR 2007, 447; Seyfried, Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) – Neuordnung der Wohlverhal-
Ekkenga/Bernau
1680
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
tensregeln, WM 2006, 1375; Spindler/Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – die MiFID und ihre Umsetzung – Teil I, WM 2006, 1749; Teil II, WM 2006, 1797; Stöterau, Informationspflichten beim Wertpapierhandel nach § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WpHG, 2003; Teuber, FinanzmarktRichtlinie (MiFID) – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung im Überblick, BKR 2006, 429; Than, Neue Rechtsentwicklungen für den grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr, in: FS Kümpel, 2003, S. 543; Tilp, Bankpflichten bei der Durchführung von Wertpapieraufträgen, Kommentar zur forensischen Praxis, in: Horn/Krämer (Hrsg.), Bankrecht 2002, RWS-Forum 22, S. 419; Veil, Vermögensverwaltung und Anlageberatung im neuen Wertpapierhandelsrecht, ZBB 2008, 34; Anlageberatung im Zeitalter der MiFID, WM 2007, 1821; Der Schutz des verständigen Anlegers durch Publizität und Haftung im europäischen und nationalen Kapitalmarktrecht, ZBB 2006, 162; von Livonius, Aktuelle Rechtsfragen des Vertriebs von Finanzprodukten, BKR 2005, 12; Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 8. Aufl. 2006; Wagner, Keine kapitalanlagerechtlichen Aufklärungspflichten über jede Art von Negativberichterstattungen, BKR 2005, 436; Der stillschweigende Anlagevermittlungs-/-beratungsvertrag, DStR 2003, 1757; Kapitalanlagerechtliche Aufklärungspflichten über jede Art von Negativberichterstattungen?, WM 2002, 1037; Neue Entwicklungen zur Anlagevermittler-/Anlageberaterhaftung, Teil I, DStR 2004; 1836; Teil II, DStR 2004, 1883; Die geänderten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, WM 2007, 1725; Sind Kapitalanleger Verbraucher?, BKR 2003, 649; Weichert/Wenninger, Die Neuregelung der Erkundigungs- und Aufklärungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. Art. 19 RiL 2004/39/EG (MiFID) und Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, WM 2007, 627; Zeidler, Marketing nach MiFID, WM 2008, 238; Zimmermann, Die Verjährung von Ersatzansprüchen gegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ZIP 2007, 410.
Inhaltsübersicht A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Das Effektengeschäft als Bankgeschäft . . . 1 II. Wirtschaftliche Zwecke und Marktfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Neuordnung des Wertpapiergeschäfts . . . . 4 1. Europäische Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) . . . . . . 4 2. Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3. Änderungen der AGB . . . . . . . . . . . . . . 6 IV. Effektenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 V. Arten des Effektengeschäfts . . . . . . . . . . . 11 1. Überblick und Abgrenzung . . . . . . . . . 11 2. Effektenkommission . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Kommission mit Selbsteintritt . . . . . . 17 4. Eigenhändler- und Festpreisgeschäft . 18 5. Der Handel in internalisierten Handelsplattformen. . . . . . . . . . . . . . . 21 6. Mulitlaterale Handelssysteme . . . . . . . 24 VI. Kreis der Auftragnehmer . . . . . . . . . . . . . 25 VII. Kundenklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Vertragsschluss und -beendigung . . . . . . . . . . . 30 I. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Fernabsatz von Finanzdienstleistungen . . 33 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . 35 4. Telefonische Vertragsanbahnung . . . . 36 5. Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 6. Unaufgefordert erbrachte Leistungen und unerwünschte Mitteilungen . . . . . 38 III. Einbeziehung von AGB . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Festlegung auf eine bestimmte Geschäftsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 V. Abschlussmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Nichtigkeit wegen Anfechtung . . . . . . 41 2. Verbots- und Sittenwidrigkeit . . . . . . . 43 3. Unverbindlichkeit als Spiel- oder Wette (§ 762 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . 46
VI. Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beendigung durch Zeitablauf . . . . . . . 2. Beendigung bei Kursaussetzung . . . . . 3. Beendigung durch Kündigung bzw. Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vorbereitende Informationspflichten . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualitätsanforderungen . . . . . . . . . . . 3. Art und Weise der Informationsvermittlung . . . . . . . . . . . 4. Nachforschungs- und Prüfungspflichten der Bank . . . . . . . . . . . . . . . 5. Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aufklärungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . 7. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ausführung und Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . I. Hauptleistungspflichten der Bank . . . . . . 1. Kommissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . 2. Eigenhändler- und Festpreisgeschäft . II. Modalitäten der Ausführung . . . . . . . . . . 1. Interessenwahrung und bestmögliche Ausführung . . . . . . . . . . . . . 2. Weisungsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbstbindung an die hauseigenen Ausführungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten beim Eigenhändlerund Festpreisgeschäft . . . . . . . . . . . . . 5. Ort und Art der Ausführung . . . . . . . .
Ekkenga/Bernau
47 47 48 49 52 52 52 54 55 60 60 60 67 69 75 76 78 86 86 89 90 91 92 92 92 93 94 94 95 96 98 99
§ 57 Effektengeschäft
6. 7. 8. 9.
Preis des Ausführungsgeschäftes . . . 106 Zeitpunkt der Ausführung . . . . . . . . . 108 Zusammenlegung von Aufträgen . . . 110 Einschaltung eines Zwischenkommissionärs . . . . . . . . . . 112 III. Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 IV. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
1681
1. Eigeninteressen der Bank und ihrer Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kollidierende Kundeninteressen . . . . 3. Fremdinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abwicklung des Effektengeschäfts . . . . 1. Pflichten der Bank . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten des Kunden . . . . . . . . . . . . VI. Haftung der Bank für Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 120 121 123 123 126 132
Stichwortverzeichnis Abschlusserfolg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Aufklärungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87, 138 Aufwendungsersatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Ausführungsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Ausführungsgrundsätze (hauseigene) . . . . . . . . . . . 96 Ausschluss der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 136 Backtesting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Bankangestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Bankvertrag (allgemeiner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Basisinformationen (standardisiert) . . . . . . . . . 55, 76 Benachrichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Benachteiligungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . 77, 118 Beratungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 57, 71 Börsenzwang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 CESR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82, 83, 84 Cold Calling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 38, 51 Compound Products . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Daytrading-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Dokumentationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Eigenhändlergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 40, 107 Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Eigenschaftsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Entgangener Gewinn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Erfüllungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Erfüllungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Erklärungsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Fernabsatzvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 35 Festpreisgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 ,25, 40 Festpreisvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Finanzdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Finanzinstrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Finanzinstrumente (nicht komplexe) . . . . . . . . . . . 73 Finanzkommissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Freistellung (bankbezogen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Freiverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Fungibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Funktionentrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Geeignete Gegenpartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Geschäftsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Handelsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Haustürgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Hinweispflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72, 74 Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 f. Inducements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 82
Information (anlageformbezogen) . . . . . . . . . . . 5, 62 Information (vergleichende) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Informationsbeschaffung (Pflicht) . . . . . . . . . . 69, 70 Informationssicherung (Pflicht) . . . . . . . . . . . . . . . 69 Insiderhandelsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Internalisierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 99, 101 Internalisierte Handelsplattform . . . . . . . . 21, 24, 101 Kick-back-Vereinbarung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Kommissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 12 Konfliktvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Kontrollpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Kundenklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 54 Kurspflegemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 121 Leistungshindernis (anfängliches) . . . . . . . . . . . . 136 MiFID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Multilaterales Handelssystem. . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Nachhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Objektrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80, 82 Privatkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 ff.; 53, 95 Provision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 82 ff. Quotes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Rechenschaftspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113, 115 Reklamationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Retrozessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Risiken (objektspezifische). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Scalping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Schadensersatz (nicht erbrachte Leistung) . . . . . . 133 Schadensersatz (statt der Leistung) . . . . . . . 133, 136 Schadensminderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Selbsteintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Skontroführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Spamming. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Stabilisierungsmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Termingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Überzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Vertrauensschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Vorhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Warnpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Wertpapieranalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . 25 Wertpapiersammelbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 37 Wohlverhaltensregeln (aufsichtsrechtlich) . . . . . . . 55 Zentraler Kontrahent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Zinsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82, 85, 115 Zwischenkommissionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Ekkenga/Bernau
1682
1
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
A. Grundlagen I. Das Effektengeschäft als Bankgeschäft. Nach § 1 I 2 Ziff. 4 KWG a. F. gehörte das Effektengeschäft expressis verbis zum Katalog erlaubnispflichtiger Bankgeschäfte im Sinne des Kreditaufsichtsrechts und bezeichnete „die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren für andere“. Die 6. KWG-Novelle (Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BGBl.1997 I, S. 2518) führte statt dessen den weiter gefassten Begriff des Finanzkommissionsgeschäftes ein, der „die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen und für fremde Rechnung“ meint. Die Qualifikation als Finanzkommissionsgeschäft setzt hiernach voraus, dass Umsatzgeschäfte über Finanzinstrumente für andere getätigt werden. Der 6. Senat des BVerwG hat jüngst klargestellt, dass ein Finanzkommissionsgeschäft im Sinne des § 1 I 2 Ziff. 4 VwG nur im Fall des Handels mit Finanzinstrumenten vorliegt, bei dem auch die ein Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB) prägenden Merkmale gewahrt sind (BVerwG, Urt. v. 27. Februar 2008, EWiR § 1 KWG 1/2008, 445 mit Anmerkung v. Livonius/Bernau). Der Begriff des Finanzinstruments in § 1 XI KWG umfasst außer den Wertpapieren auch Geldmarktinstrumente, Devisen oder Rechnungseinheiten sowie Derivate (näher unter Rn. 7). Das Finanzkommissionsgeschäft erfüllt somit zugleich die Merkmale einer Wertpapierdienstleistung im Sinne des Kapitalmarktrechts (§ 2 III Ziff. 1 WpHG). In der bankwirtschaftlichen Terminologie bezeichnet das Effektengeschäft neben der Abwicklung von Kauf- und Verkaufsaufträgen die depotgeschäftliche Verwahrung, auch unter dem Sammelbegriff Effektenkundengeschäft geläufig, sowie das Emissionsgeschäft der Banken.
2
II. Wirtschaftliche Zwecke und Marktfunktionen. Im Gegensatz zum Emissionsgeschäft, das die „primäre“ Einführung und Platzierung neuer Titel an den Zeichnungsmärkten zum Gegenstand hat (Schimansky/Bunte/Lwowski-Kümpel, § 104 Rn. 31), vollzieht sich das Effektenkundengeschäft, verstanden als der bankbetriebliche Auftragshandel mit Wertpapieren und gleichgestellten Handelsobjekten, an den für den Sekundärhandel mit Kapitalanlagen eingerichteten Zirkulationsmärkten. Diese tragen dazu bei, kurzfristige (liquide) Haushaltsmittel in langfristig gebundenes (investives) Betriebsvermögen zu überführen (Transformationsfunktion des Kapitalmarktes). Die auftragnehmenden Kreditinstitute treten dabei als Marktintermediäre (vgl. zu der Funktion der Kreditinstitute als Marktintermediäre, Schimansky/Bunte/Lwowski-Kümpel, § 104 Rn. 195240) in Erscheinung und unterstützen die Marktakteure durch die Vermittlung von Abschlussgelegenheiten und entscheidungserheblichen Informationen (Finanzintermediation).
3
Anders als der Handel an den Sekundärmärkten, der an den Kassamärkten stattfindet, werden Derivate an Terminmärkten „gehandelt“, wobei die Fungibilität und Liquidität nicht unbedingt im Sekundärhandel, sondern über ein zentral organisiertes Clearing hergestellt wird. Den Terminpositionen liegen auch nicht notwendig Investitionen flüssiger Mittel zugrunde, vielmehr drückt sich ihr Marktwert mindestens in der spekulativen Erwartung künftiger Mittelzuflüsse aus (ausführlich zur neuen Begriffsbestimmung des Finanztermingeschäfts Melzer, BKR 2003, 366; Casper, WM 2003, 161).
4
III. Neuordnung des Wertpapiergeschäfts. 1. Europäische Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID). Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID, Richtlinie 2004/39/EG vom 21.04.2004, ABl. EU L 145/1 vom 30.04.2004), die die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie abgelöst hat, wurden die bankgeschäftlichen Wohlverhaltensregeln einschließlich derjenigen für das Effektenge-
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1683
schäft zu einem wortreichen Generalkodex ausgebaut (zur Entstehung Fleischer, BKR 2006, 389; Hirschberg, AG 2006, 398), der in seinem aufdringlichen Perfektionismus alle ehedem gekannten Maßstäbe hinter sich lässt und in der Fachwelt mittlerweile als Ergebnis einer „durch und durch widersprüchlichen, inkonsistenten sowie in großen Teilen kompromisszersetzten und zu allem Überfluss noch hyperkomplexen und hyperkomplizierten“ Normsetzung (Assmann, ÖBA 2007, 40, 54), kurzum: als EU-typisches Beispiel eines immer mehr ausufernden, nicht zu bremsenden Reglementierungseifers kritisiert wird (Honsell, ZIP 2008, 621, 624 f.). Betroffen sind drei praktisch besonders bedeutsame Themenkomplexe: a) Die Anlageberatung, bisher lediglich eine (Wertpapier-)Nebendienstleistung (oftmals im Vorfeld des Effektengeschäfts), ist nunmehr erlaubnispflichtige Wertpapierdienstleitung; b) Für die unterschiedlichen Handelsplattformen (geregelte Märkte, multilaterale Handelssysteme und Internalisierungssysteme) schafft die MiFiD einen neuen Regelungsrahmen; c) Zur Stärkung des Anlegerschutzes etabliert die Richtlinie detaillierte Wohlverhaltens- und Auftragsausführungsregeln (Compliance, Best Execution, Inducements). Die MiFID ist als Rahmenrichtlinie ausgestaltet, während die Detailregelungen in der Durchführungsverordnung der Kommission vom 10.06.2006 (MiFID-DVO, Verordnung EG Nr. 1287/2006, ABl. EU Nr. L 241/1 vom 2.9.2006) und der Durchführungsrichtlinie (MiFID-RiLi, Richtlinie 2006/73/EG, ABl. EU Nr. L 241/26 vom 2.9.2006) untergebracht sind. Die MiFID-DVO befasst sich u.a. mit den Aufzeichnungspflichten der Wertpapierfirmen und mit dem Meldewesen. Daneben definiert sie einige der in der MiFID enthaltenen Rechtsbegriffe. Die Vorschriften der MiFID-DVO gelten seit dem 1. November 2007 in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union unmittelbar (vgl. Art. 41 I und II). Die MiFID-RiLi wiederum konkretisiert jene Vorgaben, die von den Wertpapierfirmen in organisatorischer Hinsicht und bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zu befolgen sind. Der deutsche Gesetzgeber hat die Regeln der MiFID sowie die Detailvorschriften der MiFID-RiLi mit dem Finanzmarkt-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (FRUG, Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 16/4037), welches die einschlägigen Kapitalmarktgesetze entsprechend anpasst, und der ergänzend verabschiedeten Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) in das deutsche Recht umgesetzt. 2. Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht. Die durch das FRUG in das WpHG hineingetragenen Änderungen sind, was das Effektengeschäft der Banken anbelangt, erheblich, ja umwälzend – nicht immer zum Vorteil des Anlegerschutzes. Besonders hervorzuheben sind die folgenden vier Einzelaspekte, von denen drei die geschäftsvorbereitende Risikoaufklärung betreffen: a) Die neuen Wohlverhaltensregeln wollen den Bankkunden nicht mehr nur als Investor von Anlagemitteln schützen, sondern betrachten ihn vor allem auch in seiner Eigenschaft als Konsument einer (Wertpapier-)Dienstleistung. Der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz wird deshalb zunehmend durch Regelungselemente eines gesellschaftspolitisch aufgeladenen Verbraucherschutzes ergänzt bzw. überlagert. Dies äußert sich nicht zuletzt in einer Verschiebung der Aufklärungsinhalte: Die Bank ist gehalten, die Verlustrisiken der Effektengeschäfte einseitig hervorzuheben und Informationen über Gewinnchancen dahinter zurücktreten zu lassen. Diese tendenziell auf Abschreckung angelegte Aufklärungsstrategie wittert im Handelsgeschäft mit Kapitalanlagen stets etwas genuin Gefährliches, Sozialschädliches und entfernt sich damit vom Funktionsschutz herkömmlicher Prägung, von dem man sich gerade auch positive Lenkungseffekte am Kapitalmarkt verspricht (näher MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 326). b) Das bisherige Konzept einer anlegergerechten Individualaufklärung und -beratung ist einem formalisierten Verfahren gewichen, das auf die Verabreichung von Basisinforma-
Ekkenga/Bernau
5
1684
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
tionen in Aufklärungsbroschüren und Merkblättern reduziert ist und dessen Inhalte auf einheitliche Standards zugeschnitten sind, die sich an den Kunden als Angehörigen einer abstrakt definierten Kundenklasse wenden. Die Deckung des persönlichen Aufklärungsbedarfs gehört ebensowenig zum Pflichtenprogramm der Effektenbanken wie das herkömmliche Informationsgespräch in der Bankfiliale. Individualaufklärung und -beratung sind nunmehr ausschließlicher Gegenstand der Anlageberatung, die ihrerseits zur vollwertigen Wertpapierdienstleistung hochgestuft worden ist (Rn. 4; näher zum Ganzen unten Rn. 52 ff.). c) Statt mit einer anlagegerechten Aufklärung, die bisher „anlageobjektbezogen“ war, hat die Bank den Kunden nunmehr mit „anlageformbezogenen Informationen“ auszustatten. Gemeint ist damit die Beschränkung der Aufklärungsinhalte auf die Art und Eigenschaften von Wertpapiergattungen unter Hintanstellung derjenigen Anlagerisiken, die mit dem Erwerb bestimmter Finanzinstrumente verbunden sind. Nach neuem Recht muss die Bank deshalb nicht mehr über Verlustrisiken informieren, die mit der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einzelner Emittenten oder mit der Kursveränderung einzelner Wertpapiere zusammenhängen; der Anleger bleibt insoweit auf die Lektüre der Börsenzulassungsprospekte und sonstigen Pflichtpublikationen verwiesen. Diese wohl einschneidenste Änderung, die durch das europäische Recht nicht zwingend vorgegeben ist (MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 323), erscheint unter funktionellen Schutzaspekten schon im Ansatz verfehlt und sollte baldmöglichst revidiert werden (vgl. auch Rn. 62), d) Über die vorgesehene Art und Weise der Auftragsdurchführung hat sich die Bank in hauseigenen Ausführungsgrundsätzen zu äußern, denen der Kunde vor Geschäftsbeginn zustimmen muss und die dadurch Vertragsinhalt werden. Die Änderung gegenüber dem bisherigen Regime besteht darin, dass der Bank innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens und vorbehaltlich anderweitiger Weisungen des Kunden ein Ermessensspielraum eingeräumt ist. Ort, Zeit und sonstige Modalitäten der Ausführung sind also, soweit der Regelungsbereich der Ausführungsgrundsätze betroffen ist, nicht mehr voll justiziabel (Rn. 96 ff.), 6
3. Änderungen der AGB. Aufgrund der Änderungen durch das FRUG haben sich die im Zentralen Kreditausschuss zusammenarbeitenden Spitzenverbände des deutschen Kreditwesens auf eine Modifikation der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (SBW) verständigt, die zeitgleich mit dem Inkrafttreten des FRUG seit dem 01. November 2007 gilt (abgedruckt in WM 2007, 1768; ausführlich zu den Änderungen Wagner, WM 2007, 1725). Die Änderung wurde insbesondere deshalb erforderlich, weil die Banken und Sparkassen ihre Ausführungspolitik nach § 33a WpHG in der neuen Fassung i.V.m. § 11 WpDVerOV individuell gestalten und das Ergebnis ihres Ausübungsermessens in hauseigenen Ausführungsgrundsätzen dokumentieren müssen, die nach Ziff. 2 SBW Bestandteil der SBW werden (vgl. Wagner, WM 2007, 1725 (1726); zu den Ausführungsgrundsätzen im Einzelnen siehe unter Rn. 96 ff.).
7
IV. Effektenbegriff. Im Zuge der Neuordnung des Wertpapiergeschäfts durch die MiFID wurde auch der Begriff der Finanzinstrumente in § 2 II b WpHG ausgeweitet und mit beträchtlichem Textaufwand neu definiert. Welchen Erkenntnisgewinn das einbringen soll, bleibt allerdings im Dunklen, weil die Tatbestände des WpHG durchweg darauf verzichten, zwischen den Arten der Finanzinstrumente zu differenzieren. Ausnahmen gibt es an wenigen Stellen, die sich speziell mit den Derivaten befassen, freilich unter neuerlicher Beifügung weiterer Oberbegriffe (§ 31 VII Ziff. 1 WpHG: „komplexe Finanzinstrumente“; §§ 37e, 37g WpHG: „Finanztermingeschäfte“). Das alles zeugt weder von hand-
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1685
werklichem Geschick noch von konzeptionellem Weitblick. Auch der in § 2 II WpHG unternommene Versuch, den Derivatebegriff abschließend zu definieren, musste scheitern und ist gescheitert, weil die Europäische Vorgabe zwei Defizite aufweist: Zum einen wird das zeitliche Moment der verzögerten Erfüllung einseitig in den Vordergrund gerückt, während das zweite, für die Herstellung des termingeschäftlichen „Hebeleffektes“ wesentliche Element der Leistungsverrechnung nach beiderseitigem Erfüllungsverzicht zurücktritt (vgl. § 2 II Ziff. 1 WpHG). Da es eine Öffnungsklausel für wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte nicht mehr gibt, wie sie noch in § 50 I 2 BörsG a. F. im Recht der „Börsentermingeschäfte“ vorgesehen war, sind Leerverkäufe (short sales) nicht mehr erfasst, selbst wenn sie mit einer Wertpapierleihe kombiniert werden. Zum anderen gehen die neuen Definitionsformeln darüber hinweg, dass sich nicht alle Derivate für die geschäftsmäßige „Anschaffung oder Veräußerung“ (§ 2 III Ziff. 1-4 WpHG) eignen (zum Ganzen MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 13 ff.). So konnte es beispielsweise zu dem Kuriosum kommen, dass sich die Ausführungsgrundsätze der Bank bei textgetreuer Auslegung des § 33a WpHG auch zum organisierten Handel mit auftragsgefertigten OTC-Optionen äußern müssen, selbst wenn diese nicht für den Handel, sondern für den individuellen Bedarf bestimmt sind und demzufolge ein Zirkulationsmarkt nicht existiert (mit diesem Ergebnis in der Tat Bauer, in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, 2007, Rn. 715). Auch nach neuem Recht sind Wertpapiere und andere Finanztitel als Effekten zu qualifizieren, wenn sie vertretbar und umlauffähig sind, ihnen mithin die Eignung zum Massenhandel (Fungibilität) zukommt (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf des FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 6 f.). Vertretbarkeit der Wertpapiere ist in Anlehnung an § 91 BGB anzunehmen, wenn diese im Verkehr anhand standardisierter Ausstattungsmerkmale bestimmt zu werden pflegen, so dass zu ihrer Handelbarkeit nur noch die Angabe von Art und Zahl der Stücke erforderlich ist. Entsprechendes gilt für unverbriefte Wertrechte ohne Sachqualität i. S. des Bürgerlichen Rechts. Diesbezüglich stimmen Effektenbegriff und depotrechtlicher Wertpapierbegriff überein (§ 1 I DepG). Der Wertpapierbegriff des Depotgesetzes reicht aber insofern weiter, als er nicht zusätzlich die Umlauffähigkeit als Merkmal voraussetzt. Keine Effekten sind mangels Vertretbarkeit bspw. die handelsrechtlichen Wertpapiere des § 363 HGB, Hypotheken und Grundschuldbriefe sowie Scheck und Wechsel. Die Umlauffähigkeit ist bei Form- und Genehmigungsbedürftigkeit der Veräußerung beeinträchtigt. Zu denken ist bspw. an beurkundungsbedürftige Geschäfte, die Schriftform sowie die Bindung der Veräußerung an die Zustimmung Dritter (Vinkulierung, vgl. § 68 II 1 AktG). Weitere Hemmnisse der Zirkulationsfähigkeit können aus Haftungsrisiken der Verkäufer oder Erwerber (Beispiel: offene Einlageverpflichtung) oder aus der Stückelung bzw. Laufzeit der Finanztitel resultieren (mit weiteren Beispielen ausführlich MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 16 ff.).
8
Die Verbriefung gehört nicht zu den begriffsprägenden Elementen. Bei Wertpapieren verbessert sie aber die Umlauffähigkeit des verbrieften Rechts gegenüber dem zessionsrechtlichen Erwerberschutz durch Herstellung einer Transport- und Legitimationsfunktion (Hueck/Canaris, § 1 I 4 a, § 26 I 4 III; zur Besserstellung des Erwerbers auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Kümpel, § 104 Rn. 48 ff.). Das wertpapierrechtliche Vorlageerfordernis erhöht außerdem die Verkehrssicherheit durch Verdrängung des in § 407 I BGB vorgesehenen Schuldnerschutzes sowie des Leistungsverweigerungsrechts aus § 410 BGB (Wertpapier- und Liberationsfunktion). Deshalb begünstigen auch die nach Abtretungsrecht übertragbaren Rektapapiere (§ 952 I BGB), zu denen etwa die nicht indossablen Schuldverschreibungen und Kuxen zu rechnen sind, die Umlauffähigkeit des darin verbrieften Rechts (vgl. dazu Schimansky/Bunte/Lwowski-Kümpel, § 104
9
Ekkenga/Bernau
1686
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Rn. 58 ff.; Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kz. 220 S. 16 ff.). Entgegen überkommener Auffassung kann sich u. U. auch die dokumentarische Erfassung gestückelter Teilforderungen in Einzelurkunden (Dokumentationsfunktion) dazu eignen, die notwendigen Rahmenbedingungen für den Effektenhandel herzustellen. Dafür spricht, dass ein geschäftsmäßiger Handel in Schuldscheinen de facto stattfindet (a. A. Kümpel, Rn. 8.19 f.). Im Effektengiroverkehr wird die Fungibilität durch die Registerfunktion zentral geführter Dateien gewährleistet. Hierbei handelt es sich um sammelverwahrte Briefeffekten i. S. d. § 9a I 1 DepG und unverbriefte Wertrechte oder Bucheffekten, bspw. Öffentliche Anleihen oder EZB-Schuldtitel (alphabetische Zusammenstellung der wichtigsten Effekten bei MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 69). 10
Neu hinzugekommen ist in § 2 I 1 Ziff. 2 WpHG die Referenz zu Anteilen an in- oder ausländischen Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen. Neben die Erfordernisse der Übertragbarkeit, Handelbarkeit und Standardisierung tritt danach zusätzlich die Vergleichbarkeit solcher Anteile mit Aktien. Sie ist nach Auffassung des Gesetzgebers nur dann gegeben, wenn neben einer Verbriefung zumindest eine Verkörperung in der Art und Weise vorhanden ist, die eine Anwendbarkeit der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb möglich macht (Begründung zum Gesetzesentwurf des FRUG, BT-Drucks. 16/ 4028, S. 5). Anteile, die im Wege der Zession abgetreten werden, sollen daher nicht unter den Begriff der Finanzinstrumente fallen. Vornehmlich mit dieser Begründung wird daher auch Anteilen an geschlossenen Fonds grundsätzlich die Eigenschaft als Finanzinstrument abgesprochen (Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 16/4028, S. 7). Zweifelhaft ist, ob dieser generelle Ausschluss noch in Übereinstimmung mit den europarechtlichen Vorgaben steht (dagegen Möllers/Weichert/Wenninger, S. 6) und angesichts des steigenden Handelsvolumens an den eigens für Fondsanteile geschaffenen Zweitmärkten (z.B. die Fondsbörse Deutschland der Hamburger Börse) aus Sicht der Anleger sachgerecht ist. Vorzugswürdig ist wohl eine Einzelfallbetrachtung abhängig von der Ausgestaltung des Fondsanteils und des Martkumfeldes (keinen generellen Ausschluss von Fondsanteilen in Umsetzung der MiFID kennen beispielsweise die Niederlande, England und Frankreich).
11
V. Arten des Effektengeschäfts. 1. Überblick und Abgrenzung. Das Effektenkundengeschäft meint die gewerbsmäßige Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für fremde Rechnung (§ 1 I Ziff. 4 KWG; § 2 III Ziff. 1 WpHG) bzw. den Eigenhandel für andere (§ 1 I a Ziff. 4 KWG; § 2 III Ziff. 2 WpHG). Das entspricht dem Rechtsstrukturtypus der entgeltlichen Geschäftsbesorgung (§ 675 I BGB), wobei die nähere Qualifikation des Vertrages davon abhängt, ob das beauftragte Kreditinstitut in eigenem Namen mit einem Dritten kontrahiert (Dienstleistung) oder als Händler selbst für den Geschäftserfolg gegenüber dem Bankkunden einsteht (Geschäftsbesorgung mit Werkleistungscharakter). Nicht in den Bereich des Effektenkundengeschäfts fällt das Eigen- oder Nostrogeschäft, bei dem die Bank ohne Veranlassung des Kunden, d. h. in eigener Sache vorgeht. Auszunehmen ist weiter die Vermögensverwaltung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dem Vermögensverwalter – anders als der ausführenden Bank im Effektengeschäft – ein umfänglicher Entscheidungsspielraum eingeräumt ist (näher dazu Rn. 95). Abgrenzungsfragen stellen sich ferner hinsichtlich der Anlageberatung und –vermittlung (näher dazu Rn. 52), die typischerweise nicht zum Effektenkundengeschäft der Banken zählen (vgl. Bamberger § 50).
12
2. Effektenkommission. Nach Ziff. 1 (1) der SBW können Effektengeschäfte grundsätzlich als Kommissions- (Ziff. 1 (2) SBW) oder Festpreisgeschäfte (Ziff. 1 (3) SBW) ausgeführt werden. Der noch in Ziff. 1 SBW a.F. geltende Vorrang des Kommissionsgeschäfts wurde abgeschafft. Das Kommissionsgeschäft meint die auftragsmäßige
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1687
Teilnahme der Bank am Effektenhandel im eigenen Namen für Rechnung des Kunden. Das entspricht dem handelsrechtlichen Vertragstypus des gewerbsmäßigen Kommissionsgeschäfts gem. §§ 383 ff. HGB bzw. steht diesem im Bereich des Handels in nicht verbrieften Effekten, insbesondere in Terminkontrakten, gem. § 406 I 1 HGB gleich. Die §§ 383 ff. HGB gelten auch beim Auftrag zum Erwerb neu ausgegebener Aktien (OLG Brandenburg WM 2002, 2284 (2286)). Daneben kommen subsidiär die Regeln der §§ 675, 611 ff. BGB bzw. der §§ 631 ff. BGB zur Anwendung. Möglich ist die Gestaltung als Einkaufs- oder Verkaufskommission. Bei der Einkaufskommission bezieht sich die Ausführung auf den derivativen, entgeltlichen Erwerb eines Finanzinstrumentes von einem Dritten, wobei vorrangig die grundsätzlich zwingenden Sondervorschriften der §§ 18 ff. DepG gelten. Die Verkaufskommission ist hingegen auf die Übertragung einer solchen Rechtsposition auf einen Dritten gerichtet.
13
Im Verhältnis zu dem Dritten handelt die ausführende Bank grundsätzlich in eigenem Namen. Bei der Verkaufskommission gilt das für das Verpflichtungs- wie für das Erfüllungsgeschäft, wobei die Bank nach § 185 I BGB verfügungsermächtigt ist. Bei der Einkaufskommission kommt dagegen das Erfüllungsgeschäft nach wohl h. M. direkt zwischen dem Kunden und dem Dritten zustande, indem die Bank als Stellvertreter „für den, den es angeht“ tätig wird (vgl. MünchKommHGB-Einsele, Depotgeschäft, 1. Aufl. 2001, Rn. 96 ff. (98)). Das Auftreten der Bank in offener Stellvertretung ist seit dem Wegfall der Börsenumsatzsteuer für den Bereich der Effektenkommission praktisch bedeutungslos (vgl. Kümpel, Rn. 10.71).
14
An die Stelle des „anderen Marktteilnehmers“ tritt im Handel auf Xetra und auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse zunehmend der Zentrale Kontrahent. Das System der Zentralen Gegenpartei (Central Counterparty, kurz CCP) wurde am 27. März 2003 an der Frankfurter Wertpapierbörse für 61 Aktien aus DAX und MDAX eingeführt und erstreckte sich zunächst nur auf ca. 900 inländische Aktien. Bereits seit 2005 können auch Geschäfte in ausländischen, girosammelverwahrten Aktien und in börsennotierten Fonds (ETFs) über die CCP abgerechnet werden, desgleichen außerbörsliche Transaktionen zu den selben Konditionen wie deutsche Aktien. Teilnehmer am außerbörslichen Handel profitieren durch die CCP von den gleichen Effizienzvorteilen wie Kunden im Börsenhandel. Der Zentrale Kontrahent tritt beim Zusammentreffen eines volumenmäßig und preislich korrespondierenden Kaufs- und Verkaufsauftrages rechtlich in den Vertrag ein mit der Folge, dass er Vertragspartner des Käufers und des Verkäufers wird (vgl. Kümpel, Rn. 10.57; Horn, WM 2002, Sonderbeilage 2). Die Handelspartner bleiben dabei anonym und der zentrale Kontrahent übernimmt das Ausfallrisiko. Kostenvorteile ergeben sich durch die Aufrechnung (Settlement-Netting). Die Marktteilnehmer müssen allein den Saldo der noch offenen Positionen begleichen.
15
Die Fremdnützigkeit der Dienstleistung bezieht sich beim Kommissionsgeschäft zunächst auf das Ausführungsergebnis. Die Gewinne sowie sonstige Vorteile aus dem Geschäft stehen also dem Bankkunden zu, umgekehrt hat er die Verluste und ggf. andere Nachteile zu tragen. Dem korrespondieren strenge Sorgfaltsanforderungen, insbesondere ist die Bank gem. § 384 I HGB bei der Art und Weise der Ausführung an die Weisungen und das Interesse des Kunden gebunden und hat ihm über das Ausführungsgeschäft Rechenschaft abzulegen (§ 384 III HGB).
16
3. Kommission mit Selbsteintritt. Bei der Kommission mit Selbsteintritt hat der Kommissionär nach § 400 I HGB grundsätzlich die Befugnis, statt der Abwicklung für fremde Rechnung wahlweise selbst als Käufer oder Verkäufer gegenüber dem Kunden in den Vertrag einzutreten. Der Kommissionär übernimmt bei der Ausübung des Selbsteintritts die
17
Ekkenga/Bernau
1688
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
kaufrechtliche Erfolgshaftung und handelt, sofern er ein Deckungsgeschäft abschließt, für eigene Rechnung. Ziff. 1 II 2 SBW lässt die Kommission mit Selbsteintritt im elektronischen börslichen Handel unter gewissen Voraussetzungen zu. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass der Selbsteintritt bei einer Auftragsausführung im Präsenzhandel, bei der Teilnahme an einem multilateralen Handelssystem und im Telefonhandel ausscheidet. Ihre praktische Bedeutung entfaltet diese AGB-Klausel im elektronischen Handel über Xetra-Best. Macht die Bank hiervon regelmäßig Gebrauch, so wird sie zum „Systematischen Internalisierer“ im Sinne des § 2 X WpHG, der im Handel mit Aktien und Aktien vertretenden Zertifikaten die besonderen Wohlverhaltensregeln der §§ 32 ff. WpHG zu beachten hat (näher Rn. 21 ff). Da es sich um eine Auftragsausführung außerhalb organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme im Sinne des § 33a V S. 2 WpHG handelt, genießt die Bank nicht das Wahl- und Gestaltungsrecht des § 400 I HGB; vielmehr muss sie vor Beginn der Ausführung die ausdrückliche Einwilligung des Kunden einholen (vgl. Rn. 101). Die §§ 400 III-V, 401 I u. II HGB enthalten weitere Vorschriften zum Schutz des Kunden. Insbesondere darf die Bank aufgrund des Prinzips der Meistbegünstigung dem Kunden keinen ungünstigeren als den beim Einkauf erzielten Preis berechnen (hierzu Köndgen, Preis- und Vergütungsgestaltung im Wertpapierhandel, FS Canaris, Band II, 2007, S. 183 ff.). 18
4. Eigenhändler- und Festpreisgeschäft. Alternativ zur Kommission kann die Bank die Anschaffung und Veräußerung von Effekten auch im Wege des Eigenhandels für andere betreiben (§ 2 III Ziff. 2 WpHG, § 1 Ia Ziff. 4 KWG). Im Festpreis- und Eigenhändlergeschäft tritt die Bank dem Kunden unmittelbar als Käufer oder Verkäufer gegenüber. Bei Abschluss eines Deckungsgeschäftes der Bank erwirbt der Kunde das Eigentum direkt von dem anderen Marktteilnehmer kraft dessen Verfügungsermächtigung bzw. erwirbt dieser das Eigentum aufgrund einer Verfügungsermächtigung des Kunden. Im Gegensatz zum Kommissionsgeschäft trägt grundsätzlich die Bank das Absatz- und Preisverfallrisiko gegenüber dem Kunden.
19
Der Unterschied zwischen Festpreis- und Eigenhändlergeschäft besteht vorwiegend darin, dass bei Letzterem die Preisbestimmung zeitlich versetzt und durch die Bank allein erfolgt, während beim Festpreisgeschäft eine Festpreisvereinbarung getroffen wird (vgl. Ziff. 1 (3) SBW u. Assmann/Schütze-Roth, § 10 Rn. 58). Wegen des Preisbemessungsvorbehalts der Bank und der damit verbundenen ungleichgewichtigen Risikoverteilung wurde das Eigenhändlergeschäft aus den SBW gestrichen. Es findet sich heute noch im außerbörslichen Terminhandel in Devisen und Edelmetallen (Ziff. 7 SBT).
20
Das Festpreis- und Eigenhändlergeschäft entspricht am ehesten dem Typus eines kombinierten Kauf-/Geschäftsbesorgungsvertrages (vgl. MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 107; a. A. Assmann/Schütze-Roth, § 10 Rn. 54; BGHZ 8, 222 (226 ff.)). Demzufolge ist die Bank hier ebenfalls zur Aufklärung sowie zur Wahrung des Kundeninteresses bei der Ausführung (s. u. D II 1) verpflichtet. In der Konsequenz hat die Bank durchgängig den Vorrang des Interesses des Kunden zu beachten. Insbesondere ist ihr ein Recht zur Wahrnehmung ausschließlich eigener Gewinnziele abzusprechen (a. A. BGH WM 1959, 999 (1001)).
21
5. Der Handel in internalisierten Handelsplattformen. Der Effektenhandel in internalisierten Handelsplattformen ist typologisch zwischen der Kommission und dem Eigenhändler- bzw. Festpreisgeschäft angesiedelt (Kümpel, Rn. 10.144 ff. (Xetra-Best), der das Geschäft als Vertrag sui generis klassifiziert). In Deutschland hat sich allein das System Xetra Best Execution der Deutschen Börse AG (kurz: Xetra-Best) durchgesetzt. Xetra-Best verhilft Banken dazu, Effektenaufträge von Kunden zu internalisieren, d. h.
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1689
hausintern durch das von der Börse gestellte Handelssystem auszuführen. Die Bank führt dabei den Auftrag des Kunden gegen das eigene Buch aus. Die Preise orientieren sich an den aktuellen Börsenkursen, werden jedoch erst nach Auftragserteilung in einem standardisierten Verfahren ermittelt. Hierdurch ergeben sich Einsparungseffekte, die vornehmlich die an die Börse zu entrichtenden Gebühren und die Kosten der Auftragsabwicklung betreffen (zur Funktionalität von Xetra-Best Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl. 2008, § 6 Rn. 250; zur Preisbindung des Systematischen Internalisierers s. Rn. 17). Kann der Kundenauftrag nicht im internalisierten System ausgeführt werden, wird er in das elektronische Handelssystem Xetra der Frankfurter Wertpapierbörse zur kommissionsweisen Durchführung weitergeleitet. Die maximale Ordergröße liegt bei 50.000 €. Aufgrund der Zusammenführung der Gestaltungsalternativen Kaufvertrag oder kommissionsrechtliche Weiterleitung entspricht das Geschäft konzeptionell der Effektenkommission mit Selbsteintritt der Banken – mit dem Unterschied, dass der Internalisierer letztendlich nicht selbst über den Selbsteintritt entscheidet (Kümpel, Rn. 10.147). An der Zulässigkeit dieses kommissionsrechtlichen Selbsteintritts nach den §§ 400 ff. HGB ändert sich deshalb nichts (vgl. Kümpel, Rn. 10.148 ff.). Da die Auftragsausführung über Xetra-Best außerbörslich stattfindet, übernimmt die ausführende Bank, wenn sie Xetra-Best regelmäßig in Anspruch nimmt, als systematischer Internalisierer (§ 2 X WpHG) selbst die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit des Handelsgeschehens. Anders als das Betreiben eines multilateralen Handelssystems stellt die systematische Internalisierung keine eigenständige Wertpapierdienstleistung dar und bedarf keiner gesonderten Zulassung. Um Xetra-Best nutzen zu können, muss die Bank jedoch bei der Frankfurter Wertpapierbörse die Zulassung als „Best Executor“ einholen (§ 46 BörsenO FWB). Ferner bedarf sie der Zustimmung des Kunden, weil XetraBest nach der Legaldefinition des § 2 X WpHG weder ein organisierter Markt ist noch den multilateralen Handelssystemen zugerechnet wird (§ 33a V 2 WpHG). Zudem bringt die Ausführung des Kundenauftrags als systematischer Internalisierer für die Bank ein umfangreiches Pflichtenprogramm mit sich, das sich (vorerst) auf den Handel in standardisierten Marktgrößen für liquide Aktien und Aktien vertretenden Zertifikaten beschränkt (zur Bestimmung liquider Aktien vgl. Art. 22 MiFID-DVO) und darauf gerichtet ist, die Transparenz solcher außerbörslicher Handelsbeziehungen dem Niveau des organisierten Börsenhandels anzugleichen (§§ 32 ff. WpHG). So muss der systematische Internalisierer regelmäßig und kontinuierlich für die von ihm angebotenen Papiere sog. Quotes stellen. Das sind verbindliche Kauf- und Verkaufsangebote, die dem Anlegerpublikum über ein allgemein zugängliches Medium (insbes. Internet) offen zu legen sind (§ 32a WpHG, sog. Vorhandelstransparenz). Die Quotes sind für die Bank als Internalisierer grundsätzlich verbindlich, § 32c I 1 WpHG. Ausnahmen hiervon sind nur gegenüber professionellen Kunden und nur unter den Voraussetzungen von § 32c II WpHG zulässig. Daneben sieht das neue Recht eine umfassende Nachhandelstransparenz vor, das meint die Aufzeichnung, Veröffentlichung und Dokumentation der historischen Geschäftsergebnisse. Die Einzelheiten ergeben sich aus §§ 32-32d WpHG sowie Art. 21 ff. MiFID-DVO. Gegenüber Privatkunden ist der systematische Internalisierer zusätzlich an die Grundsätze der bestmöglichen Ausführung von Aufträgen nach Maßgabe des § 33a WpHG gebunden, § 31c I 2 WpHG. Trotz dieser hohen Regelungsdichte gelten die Preisergebnisse der systematischen Internalisierung nicht als Referenzkurse für Börsenpreise (vgl. § 24 II BörsG).
22
Die Bank kann ihre Eigengeschäfte auch außerhalb von Xetra-Best mit Auftragsgeschäften zusammenführen. Als Medium bietet sich in der Regel das Telefon an, weshalb man auch vom außerbörslichen „Telefonhandel“ spricht. Makler sind nicht eingeschaltet. Die
23
Ekkenga/Bernau
1690
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Preise sind bilateral ausgehandelt und ohne Signalwirkung für sonstige Wertpapiergeschäfte. Nach früherem Recht, das die börsliche Ausführung für vorrangig erklärte, beschränkte sich der Telefonhandel weitgehend auf den Interbankenhandel. Das könnte sich mit der Erweiterung der Best-Execution-Regeln in § 33a V 2 WpHG künftig ändern. Ebenfalls noch offen ist die Frage, ob ein planmäßig betriebener Telefonhandel mit zunehmender Geschäftsdichte in ein Internalisierungssystem „umschlagen“ kann, so dass die Bank die zusätzlichen Pflichten nach §§ 32 ff. WpHG treffen. Ausschlaggebend ist hier die Legaldefinition in Art. 21 I-III der MiFID-DVO. Danach rückt die Einstufung als Internalisierungssystem umso näher, je mehr sich der Telefonhandel von einer mit Großkunden ad hoc geführten Geschäftsbeziehung entfernt (III lit. a). Dass der Auftrag statt über ein automatisiertes technisches System unter Einsatz von Personal durchgeführt wird, ist dagegen kein Hinderungsgrund (I lit. a). 24
6. Mulitlaterale Handelssysteme. Neben der „bilateralen“ Ausführung im außerbörslichen Eigenhandel bietet sich den Banken die Benutzung einer außerbörslichen Handelsplattform (sog. multilateral trading facility) an, die eine Vielzahl von Auftragsgeschäften in einem „multilateralen“ Netzwerk zusammenführt. Solche multilateralen Handelssysteme (früher: sog. „börsenähnliche Einrichtungen“) sind den Börsen qualitativ in mehrfacher Hinsicht angeglichen, sofern sie die Definitionsmerkmale des § 2 III Ziff. 8 WpHG erfüllen: Die Preisergebnisse sind mögliche Referenzkurse für Börsenpreise (§ 24 II 2 BörsG), als Ausführungsplatz sind Multilaterale Handelssysteme den Börsen gleichwertig i.S.d Best-Execution-Regeln (§ 33a V 2 WpHG); die Ordnungsmäßigkeit des Handels hat der Systembetreiber durch Herstellung entsprechender institutioneller Rahmenbedingungen zu gewährleisten (§§ 31f-g WpHG). Solche Handelsplattformen empfehlen sich für Wertpapiere und Wertrechte, die in den börslich organisierten Marktsegmenten nicht zugelassen sind. Dies sind oft Wertpapiere ausländischer Emittenten, viele Optionsscheine, Genussscheine und neuerdings auch Investmentzertifikate.
25
VI. Kreis der Auftragnehmer. Nach § 2 IV WpHG sind die Auftragnehmer des Effektenkundengeschäfts Wertpapierdienstleistungsunternehmen, wenn sie „Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert“. Weiter differenziert das KWG. Danach gelten als Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kreditinstitute (§ 1 I KWG), Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 I a KWG) und Zweigstellen ausländischer Unternehmen i. S. d. § 53 I KWG. Die gewerbsmäßige Ausübung der Effektenkommission als Bankgeschäft i. S. d. § 1 I 2 Ziff. 4 KWG ist den Kreditinstituten vorbehalten. Unternehmen, die keine Bankgeschäfte i. S. d. § 1 I KWG betreiben, jedoch das Eigenhändler- und Festpreisgeschäft ausführen, bezeichnet das KWG als Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 I a 1 i. V. m. 2 Ziff. 4 KWG). Gem. § 32 I 1 KWG ist die Erbringung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen lizenzpflichtig. Der Verstoß gegen die Lizenzpflicht ist strafbewehrt (§ 54 I Ziff. 2 KWG).
26
VII. Kundenklassen. Seit Inkrafttreten des FRUG hat die Bank ihre Kunden in drei Kundenkategorien – Privatkunden, professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien – einzuteilen (§ 31a WpHG). Damit soll eine abgestufte Balance zwischen Anlegerschutz einerseits und Pflichtenkatalog der Banken andererseits hergestellt werden (vgl. Erwägungsgrund 31 MiFID): Sowohl im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung als auch bei der Durchführung gelten die Wohlverhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG in vollem Umfang nur gegenüber Privatkunden, nicht aber gegenüber den weniger schutzbedürftigen Geschäftskunden (vgl. im Einzelnen Rn. 27, 55 ff.). Nach § 2 WpDVerOV trifft die Bank die Pflicht, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, insbesondere Grundsätze aufzustellen
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1691
und Verfahren einzurichten sowie Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Kunden entsprechend einzustufen und die Einstufung als professioneller Kunde zu überprüfen. Erforderlich sind demnach geeignete Einstufungstests und Überprüfungsmechanismen. Die Einstufungspflicht trifft die Bank sowohl für bestehende Kunden, die nach alter Rechtslage noch nicht eingeteilt worden sind (vgl. § 31a VI S. 5, 6 WpHG), als auch für Neukunden. Arbeitet ein Kreditinstitut ausschließlich mit privaten oder professionellen Kunden zusammen, dann ist ein Einstufungstest in jedem Einzelfall entbehrlich. Professionelle Kunden sind nach § 31a II WpHG solche Kunden, die über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um ihre Anlageentscheidung zu treffen und die damit verbundenen Risiken selbst angemessen beurteilen zu können. Darunter fallen alle Rechtspersönlichkeiten, die zur geschäftsmäßigen Teilnahme an den Finanzmärkten zugelassen sind (z.B. Kreditinstitute, Pensionsfonds, Börsenhändler etc.). Dazu gehören aber auch institutionelle Anleger, nationale Regierungen, gewisse staatliche und supranationale Einrichtungen (u.a. die Weltbank) und große Unternehmen. Letztere haben mindestens eine Bilanzsumme von 20 Mio. €, einen Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. € und/oder Eigenmittel von 2 Mio. €, wobei nur zwei der genannten Kriterien erfüllt sein müssen. Privatkunden sind alle Kunden, die weder professionelle Kunden noch geeignete Gegenparteien sind (unpräzise insoweit § 31 a III WpHG). Bei den geeigneten Gegenparteien und den ihnen nach § 31 a IV WpHG Gleichgestellten handelt es sich um eine Unterkategorie der professionellen Kunden (z.B. Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, nationale Regierungen). Sofern eine Bank das Finanzkommissionsgeschäft auf eigene Rechnung bzw. im Auftrag eines Kunden ausführt, müssen gegenüber einer geeigneten Gegenpartei weder die Wohlverhaltensregeln des §§ 31 II, II und V bis VII, 31c WpHG noch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Gewährleistung der bestmöglichen Auftragsausführung – best execution – (s. Rn. 94 f.) eingehalten werden, es sei denn, die geeignete Gegenpartei hat sich (im Einzelfall) als privater oder professioneller Kunde einstufen lassen, § 31b WpHG.
27
Neben den „geborenen“ geeigneten Gegenparteien können auch große Unternehmen im Sinne des § 31a II 2 WpHG als geeignete Gegenpartei behandelt werden, soweit sie dem für alle oder einzelne Geschäfte zugestimmt haben. Nach § 2 II WpDVerOV setzt dies sowohl einen schriftlichen Antrag durch den professionellen Kunden als auch einen eindeutigen und gesondert zu dokumentierenden Hinweis auf die rechtlichen Folgen der Umstufung voraus. Eine Erleichterung sieht § 2 III WpDVerOV für kleinere Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften vor. Das Verfahren nach § 2 II WpDVerOV gilt auch für einen Privatkunden, der sich nach § 31a VII WpHG als professioneller Kunde einstufen lassen möchte. Der private Kunde muss aber neben der Beantragung mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllen: 1. der Kunde hat an dem Markt, an dem die Finanzinstrumente gehandelt werden, für die er als professioneller Kunde eingestuft werden soll, während des letzten Jahres durchschnittlich 10 Geschäfte von erheblichem Umfang im Quartal getätigt; 2. der Kunde verfügt über Bankguthaben und verwahrte Finanzinstrumente im Wert von mehr als 500.000 €; 3. der Kunde hat mindestens für ein Jahr einen Beruf am Kapitalmarkt ausgeübt, der Kenntnisse über die in Betracht kommenden Geschäfte, Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen voraussetzt. Der Änderung der Einstufung hat zusätzlich eine Bewertung seitens der Bank vorauszugehen, ob der Kunde aufgrund seiner Erfahrungen, Kenntnisse und seines Sachverstandes in der Lage ist, grundsätzlich oder für eine bestimmte Art von Geschäften eine Anlageentscheidung zu treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen zu beurteilen. In dieser Hinsicht ist demnach für bestimmte Kunden ein genereller Verzicht zumindest auf die für Privatkunden geltenden Schutzvorschriften möglich
28
Ekkenga/Bernau
1692
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
und gewollt. Der Kunde muss aber unterschriftlich bestätigen, dass er sich der Folgen seines Verzichts bewusst ist. Ein privater Kunde kann nach dem jetzigen Regelwerk – anders als nach Art. 50 I MiFID-DVO – nicht aufgrund einer zweimaligen Umstufung zur geeigneten Gegenpartei werden. Erkennt die Bank, dass ein Kunde nicht (mehr) die Bedingungen der Einstufung als professioneller Kunde in seiner Person erfüllt, hat sie von sich aus eine Umstufung vorzunehmen (zum Ganzen Seyfried, WM 2006, 1375; Duve/Keller, BB 2006, 2425). 29
Grundsätzlich möglich ist auch die – generelle oder einzelfallbezogene – Einstufung eines Kunden in eine Kundenklassifikation mit einem höheren Schutzniveau. Hierzu ist eine schriftliche Vereinbarung erforderlich. Daneben können die Banken aber nach § 31a V WpHG auch von sich aus das Schutzniveau durch eine Umstufung unter Mitteilung an den Kunden vornehmen. Auf die Möglichkeit der Umstufung ist hinzuweisen.
30
B. Vertragsschluss und -beendigung I. Vertragsschluss. Das Angebot zur Beauftragung geht regelmäßig vom Kunden aus, sei es aus Eigeninitiative oder nach bankseitiger Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum). Nimmt die Bank von sich aus den Kontakt auf, so hat sie die delikts- und wettbewerbsrechtlichen Verhaltensstandards zu beachten und insbesondere die von der Rechtsprechung definierten Grenzen der zulässigen Telefonwerbung einzuhalten (Verbot des „Cold Calling“, vgl. BGH WM 2000, 1264 (1265)). Das Angebot kann grundsätzlich formfrei, also schriftlich, (fern-)mündlich oder mittels elektronischer Datenübertragung (hierzu näher unter B II) erteilt werden. Es muss die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) erkennen lassen, es sei denn, der Bank soll ein Bestimmungsrecht gem. § 315 BGB zustehen. Zu den essentialia gehören die Geschäftsart, die Art des Handelsobjektes, das Auftragsvolumen und die Identität der Vertragsparteien (vgl. OLG Frankfurt ZIP 1998, 729 (730); OLG Köln WM 1970, 892 (893)). Nicht erforderlich sind die genauere Bezeichnung des Handelsobjektes nach Nennwert und Stückzahl sowie Angaben über die Höhe der Vergütung, da der Bank bei fehlender Absprache der ortsübliche Satz kraft Gesetz zusteht (§ 354 I HGB).
31
Eine ausdrückliche Bestätigung des Angebotes ist nicht erforderlich, weil die Annahme der Bank durch Schweigen erfolgt, wenn sie nicht unverzüglich widerspricht (§ 362 I 1 HGB). „Unverzüglich“ ist der Widerspruch, wenn der Kunde sich noch während der Börsenzeit um die Beauftragung eines anderen Instituts bemühen kann. In der Praxis ist die ausdrückliche Annahme telefonischer oder telegraphischer Kundenwünsche üblich, damit es nicht zu Missverständnissen kommt (näher Assmann/Schütze-Roth, § 10 Rn. 90). Die im elektronischen Geschäftsverkehr gem. § 312e I 1 Ziff. 3 BGB vorgeschriebene Zugangsbestätigung ist für das Zustandekommen des Vertrages unerheblich (Göhmann, Die Verhaltenspflichten von Banken gegenüber ihren Kunden bei der Durchführung von Effektengeschäften, 2006, S. 51, 82).
32
Eine Pflicht der Bank zur Annahme (Kontrahierungszwang) gibt es grundsätzlich nicht. Es gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Nichts anderes gilt bei einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des neuen AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). § 21 I AGG ist insoweit restriktiv zu interpretieren (näher Bachmann, ZBB 2006, 257 (265f.)). Allerdings haftet die Bank auf Erstattung der vergeblichen Aufwendungen und auf Ersatz des immateriellen Schadens, wenn sie den Geschäftsabschluss ohne sachlich tragfähigen Grund verweigert. Dasselbe gilt kraft Haftungsrechts, wenn zwischen Bank und Kunde bereits eine Rahmenvereinbarung besteht (Einzelheiten bei MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 164 ff.). Gem. § 34 II 2, 4 WpHG ist die Bank aufsichtsrechtlich verpflichtet, über die Kundenbeziehung einen solchen Rahmenvertrag zu
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1693
schließen und dies schriftlich zu dokumentieren. Damit wollte der Gesetzgeber aber weder einen Kontrahierungszwang noch eine vertragsrechtliche Schriftform begründen (Begr. RegE, BT-Drucks. 16/4028 S. 64). II. Fernabsatz von Finanzdienstleistungen. 1. Überblick. Zur nationalen Umsetzung der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 9. 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (ABlEG L 271/16 v. 9. 10. 2002) (FAFDL-RL) ist am 8.12.2004 das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen (BGBl. I 2004, 3102) in Kraft getreten (vgl. zum Ganzen Kothe, § 8). Dieses begründet unter anderem weitreichende Informationspflichten des Finanzdienstleisters für das Privatkundengeschäft (§ 312c BGB), die in § 1 BGB-InfoV näher konkretisiert sind. § 1 I BGB-InfoV gilt für jegliche Arten von Fernabsatzverträgen, und § 1 II BGB-InfoV stellt zusätzliche Anforderungen an den Fernvertrieb von Finanzdienstleistungen.
33
2. Anwendungsbereich. Erfasst werden Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Der Begriff der Finanzdienstleistung meint nach § 312b I 2 BGB „insbesondere Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung“. Damit umfasst § 312b I 2 BGB sämtliche Gestaltungsalternativen des Effektengeschäfts, sofern sie im Fernabsatz betrieben werden. Der Fernabsatzvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass er im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Anbieters zustande kommt, wobei dieser sowohl für das Angebot als auch für die Verhandlung und den Vertragsabschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet (zum Ausschluss der Annahme eines Fernabsatzvertrages beim Einsatz von Elementen der Direktkommunikation Bamberger/Roth-Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 21 ff.). Gemeint ist jedes Kommunikationsmittel (z. B. Telekopien, Internet, Telefon u. -fax, aber auch Briefe), welches ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Parteien für den Fernabsatz einer Dienstleistung eingesetzt werden kann. Das Ausschließlichkeitskriterium ist immer dann nicht erfüllt, wenn der Kunde vor Beginn der Geschäftsbeziehung eine Bankfiliale aufsucht und dort – wie bisher durchweg üblich – ein persönliches Vorstellungs- und Beratungsgespräch führt. Das Sonderrecht der Fernabsatzverträge greift daher im Geschäft der Filialbanken grundsätzlich nicht ein, wohl aber im Geschäft mit (filiallosen) Direktbanken, die mit ihrem Kunden elektronisch kommunizieren. Die nach dem Geldwäsche- und Steuerrecht obligatorische Identitätsüberprüfung über Dritte im sog. Postidentverfahren vermag daran nichts zu ändern (hierzu und zu weiteren Einzelheiten MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 173 ff.).
34
3. Informationspflichten. Da die Gefahr mangelnder Informationen beim Abschluss von Fernabsatzverträgen besonders groß ist, sind für die in diesem Bereich tätigen Anbieter von Finanzdienstleistungen gesteigerte Informationspflichten vorgesehen. Speziell beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen hat der Finanzdienstleister gem. § 312b II 1 BGB dem Kunden die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die in § 1 I und II BGB-InfoV aufgeführten Informationen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung, gemeint ist seine zum Vertragsschluss führende Willenserklärung, mitzuteilen. Erfolgt der Vertragsschluss auf Wunsch des Kunden telefonisch oder unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels, welches die Mitteilung in Textform vor Vertragsschluss nicht gestattet, hat die Informationserteilung unverzüglich nach Abschluss des Fernabsatzvertrags zu erfolgen. Sämtliche Informationen sind dem Kunden in unmissverständlicher Art und Weise und spätestens nach Vertragsschluss in Textform (§ 126b BGB) zu übermitteln. Neben der herkömmlichen Schriftform sind
35
Ekkenga/Bernau
1694
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
aber auch Telefax, CD’s, Disketten und Email taugliche Medien für die Übermittlung in Textform. Im Einzelnen umfasst die Informationsverpflichtung nach § 1 I und II der BGBInfo-V (ausführlicher Kothe, § 8 Rn. 20 ff.):
36
– Informationen über den Anbieter der Finanzdienstleistung. Darunter fallen die Identität, Rechtsform, Hauptgeschäftstätigkeit, ladungsfähige Anschrift, gesetzliche Vertreter, Firmenbuchnummer und zuständige Aufsichtsbehörde des Finanzdienstleisters; – wesentliche Merkmale (essentialia negotii) der Finanzdienstleistung nebst Informationen über die Art des Zustandekommens des Vertrages. Die Angabe der wesentlichen Elemente führt in der Regel nicht zu der Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung/ -garantie im Sinne der §§ 434 I bzw. 443 I BGB (Micklitz/Reich, S. 17 (37)); – Angaben über die Finanzdienstleistung (wesentliche Merkmale, Zahlung und Erfüllung, soweit möglich Gesamtpreis einschließlich Provisionen, Gebühren und Abgaben, Steuern, Warnpflichten bzgl. besonderer Risiken, z.B. bei volatilen Finanzinstrumenten das Schwankungsrisiko, Mindestlaufzeit, Gültigkeitsdauer befristeter Angebote). Zusätzlich ist bei allen Geldanlagegeschäften darauf hinzuweisen, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge keinen Indikator für zukünftige Gewinne darstellen. Geht das Risiko einer Finanzdienstleistung über das allgemeine Schwankungsrisiko hinaus, ist auf dieses Zusatzrisiko in geeigneter Form hinzuweisen, wobei der wettähnliche Charakter der Anlage zum Ausdruck kommen muss; – Informationen betreffend den Fernabsatzvertrag (Existenz und Modalitäten des Widerrufsrechts, Mindestlaufzeit, Kündigungsrecht, Vertragsstrafen, Vertragssprache, geltendes Recht, Gerichtsstand); – Aussagen über den Rechtsbehelf (Möglichkeit eines außergerichtlichen Beschwerdeverfahrens, Bestehen eines Garantiefonds oder anderer Entschädigungsregeln); – Informationen darüber, welchem (Wettbewerbs-)Recht die Kontaktaufnahme zu Grunde liegt (soll entsprechend dem Herkunftslandprinzip nach Art. 3 I, II E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG, ABlEG Nr. L 178 v. 17. 7. 2000, S. 1) das Heimatrecht zur Anwendung kommen, ist dies dem Verbraucher mitzuteilen), und die Vertragssprache; – Informationen über die Kosten für Fernkommunikationsmittel sind nur dann auszuweisen, wenn sie dem Kunden gesondert in Rechnung stellt werden; – für den Bereich des Electronic Banking sieht § 312e I S. 1 BGB weitere Informationspflichten vor, die in § 3 InfoV näher spezifiziert sind und die auf den Pflichtenumfang nach § 1 InfoV aufsetzen, sofern – was vor allem im Direktbankensystem meist der Fall sein wird – das Effektengeschäft zugleich dem Fernabsatzsystem der Bank zuzuordnen ist (§ 312e III S. 1 BGB). 4. Telefonische Vertragsanbahnung. Im Fall der telefonischen Kontaktaufnahme durch den Finanzdienstleister gilt nach § 1 III BGB-InfoV nahezu der gesamte allgemein für Fernabsatzverträge geforderte Informationskatalog (§ 1 I BGB-InfoV). Verzichtbar sind allein die Angabe der ladungsfähigen Anschrift und die nach Abs. II erforderlichen zusätzlichen Angaben für Finanzfernabsatzverträge. Damit geht die Regelung inhaltlich erheblich über Art. 3 III FAFDL-RL hinaus. Die Ausdehnung betrifft beispielsweise die Information des Anbieters über Angaben zur Mindestlaufzeit des Vertrags, Modalitäten der Erfüllung sowie besondere Kosten des Kommunikationsmittels. Größere praktische Bedeutung dürfte die Vorschrift nicht erlangen, weil Banken die telefonische Geschäftsanbahnung grundsätzlich verwehrt ist (Rn. 58). Geht die Initiative vom Kunden aus, so eröffnet § 312c II S. 1 Ziff. 1 BGB die Möglichkeit, die Information nach telefonischem Vertragsschluss in Textform nachzuholen.
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1695
5. Widerrufsrecht. Bei Fernabsatzverträgen kommt den Verbrauchern nach § 312d BGB ein allgemeines Widerrufsrecht zu. Der Widerruf ist binnen zwei Wochen in Textform zu erklären. Kein Widerrufsrecht besteht allerdings sowohl bei vollständiger Erfüllung des Fernabsatzvertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist (§ 312d III Ziff. 2 BGB) als auch bei Fernabsatzverträgen, die spekulative Kapitalmarktpapiere (§ 312d IV Ziff. 6 BGB) zum Gegenstand haben. Die in § 312d IV Ziff. 6 BGB aufgeführte Definition ist nicht frei von begrifflichen Unsicherheiten (vgl. dazu Felke/Jordans, NJW 2005, 710 (710 f.); Felke/ Jordans, WM 2004, 166 (170 f.)). Erfasst werden jedenfalls alle Marktobjekte mit schwankender Preisbildung. Neben der Volalität des angebotenen Papiers ist erforderlich, dass der Finanzdienstleister das Finanzinstrument an einer Börse oder einem Finanzmarkt beschaffen bzw. veräußern soll. Beispielhaft zählt § 312d IV Ziff. 6 BGB auf: Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilsscheinen, die von einer Kapitalgesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, und andere handelbare Wertpapiere, Devisen, Derivate und Geldmarktinstrumente. Erfasst werden auch die Veräußerung von Edelmetallen (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks. 15/2946 S. 22) sowie Fernabsatzverträge über Waren- und Rohstoffoptionen. Für das Effektengeschäft spielt das Widerrufsrecht damit praktisch keine Rolle.
37
6. Unaufgefordert erbrachte Leistungen und unerwünschte Mitteilungen. Die europäischen Vorgaben der FD-RL betreffend das sogenannte Cold Calling und das Spamming wurden im Rahmen der Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in das UWG umgesetzt. § 7 II Ziff. 2 UWG untersagt es den Unternehmen, Verbraucher ohne deren Einwilligung anzurufen (sog. Cold Calling; dazu BGH WM 2007, 1190 (1192)). Dem Versuch, die Einwilligung des Kunden durch eine Klausel in den AGB zu ersetzen, hat die Rechtsprechung eine Absage erteilt (zuletzt OLG Hamm, Urteil vom 15.8.2006 (Az. 4 U 78/06), NRW-E). § 7 II Ziff. 3 UWG verbietet Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten oder elektronischer Post, ohne dass eine Einwilligung der Adressaten vorliegt (sog. Spamming). Dabei ist der Absender für das Vorliegen des Einverständnisses darlegungs- und beweispflichtig (OLG Düsseldorf MMR 2004, 810; BGH NJW 2004, 1655). Darüber hinaus begründet eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung per Email-Werbung eine tatsächliche Vermutung für weitere rechtswidrige Eingriffe (OLG Düsseldorf MMR 2004, 810).
38
III. Einbeziehung von AGB. Die AGB-Banken werden regelmäßig bei der Eröffnung eines Wertpapierdepots oder Girokontos durch eine Rahmenvereinbarung (§ 305 III BGB) einbezogen, die sich auf sämtliche in den Banken-AGB aufgeführten Geschäfte erstreckt. In der Praxis geschieht die Einbeziehung in der Regel durch einen über der Unterschriftenzeile des Kunden halbfett hervorgehobenen Hinweis auf die AGB und durch die Aushändigung des Textes. Die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (SBW) und Börsentermingeschäfte (SBT) müssen bei der Kontoeröffnung oder anlässlich der Erteilung eines Auftrages gesondert vereinbart werden (Ziff. 1 I AGB-Banken). Es gilt grundsätzlich nur die bei der Einbeziehung gültige Fassung der AGB. Für das Inkrafttreten der jeweils aktuellen Version genügt, dass die Bank ihrem Kunden die neuen AGB schriftlich bekannt gibt, wenn er deren Einbeziehung nicht innerhalb von sechs Wochen widerspricht (Ziff. 1 II AGB-Banken).
39
IV. Festlegung auf eine bestimmte Geschäftsart. In welcher Gestaltungsalternative die Bank den Effektenauftrag des Kunden auszuführen hat, richtet sich in erster Linie nach den einbezogenen Regelungen der SBW und SBT. Ziff. 1 der SBW ist zu entnehmen, dass die Bank Kundenaufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren entweder als Kommissionärin oder im Wege des Festpreisgeschäftes ausführt. Für anderweitige Gestaltungsalternativen des Effektengeschäfts (Kommission mit Selbsteintritt, Eigenhändlerge-
40
Ekkenga/Bernau
1696
41
42
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
schäft) bedarf es einer ausdrücklichen und individuellen Übereinkunft. Sind die SBW nicht oder nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, muss die beiderseits gewünschte Geschäftsart durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ermittelt werden. Bei der Auslegung gilt zu berücksichtigen, dass die kommissionsweise Ausführung den Regelfall bildet (BGH WM 2002, 1687 (1688)). Für die Annahme eines Kommissionsgeschäftes und gegen das Vorliegen eines Festpreisgeschäftes spricht, dass die Bank mit dem Kunden die Bezahlung einer Provision vereinbart, wie es für das Kommissionsgeschäft typisch ist (BGH WM 2002, 1687 (1688)). Der Abschluss eines Festpreisgeschäftes wird hingegen gewollt sein, wenn die Parteien eine Festpreisvereinbarung getroffen haben. Dazu bedarf es nicht einer genauen Bezifferung, vielmehr genügt die objektive und sichere Bestimmbarkeit des Preises. Auch wenn die Lieferung der Effekten aus dem Eigenbestand der Bank erfolgen soll, ist im Zweifel von einem Festpreisgeschäft auszugehen. V. Abschlussmängel. 1. Nichtigkeit wegen Anfechtung. Der Kunde kann das Effektengeschäft gem. § 119 I BGB anfechten, wenn ihm ein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum unterlaufen ist, beispielsweise wenn die Kauforder auf DAX-Optionen lautet, der Kunde aber DAX-Optionsscheine gemeint hat. Anders verhält es sich, wenn sich der Kunde in einem Eigenschaftsirrtum befand (§ 119 II BGB), d. h. wenn er sich über diejenigen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse getäuscht hat, die sich unmittelbar auf die Wertschätzung des Handelsobjektes auswirken und zugleich eine verkehrswesentliche Eigenschaft desselben begründen. Insoweit ist die Irrtumsanfechtung durch die Grundsätze der Bankenhaftung ausgeschlossen. Denn aufgrund ihrer vorvertraglichen Aufklärungsund Beratungspflichten hat die Bank grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, Fehlentscheidungen des Kunden nach Möglichkeit zu verhindern (s. u. C). Nachforschungen über den Kenntnisstand des Kunden sind hiervon nicht ausgenommen (vgl. § 31 V WpHG). Die daraus abzuleitende kapitalmarktrechtliche Risikoverteilung zu Lasten der Bank darf mit Hilfe des allgemeinen Anfechtungsrechts, das primär dem Anfechtenden die Rolle des Haftpflichtigen zuweist, nicht konterkariert werden. Zugleich gilt es, die Sperrwirkung des § 37a WpHG zu beachten, nach der die Ersatzansprüche des Kunden wegen der Verletzung von Informations- und Beratungspflichten in drei Jahren seit Entstehung des Anspruchs verjähren (s. u. C III 4). Das Recht zur Irrtumsanfechtung wäre erst nach zehn Jahren seit Abgabe der Willenserklärung ausgeschlossen (§ 121 I BGB). Dies wäre mit der Funktion des § 37a WpHG, Haftungsansprüche bei risikoreichen Papieren verlässlich berechnen zu können, nicht zu vereinbaren (a. A. die wohl h. M., die zwischen anlagebezogenen Merkmalen (ausgenommen den Börsenkurs) und unternehmensbezogenen Daten unterscheidet. Nur ein Irrtum über Erstere soll zur Anfechtung berechtigen; grundlegend Canaris, Rn. 1845 ff.; Assmann/Schütze-Roth, § 10 Rn. 112 f.; dagegen MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 187 ff.). Nicht ausgeschlossen ist das Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB). Eine aktive Täuschung ist etwa dann anzunehmen, wenn die Bank dem Kunden wider besseres Wissen (z. B. Insiderwissen) eine für ihn ungünstige Anlage empfiehlt. Eine Täuschung i. S. d. des § 123 BGB kann aber auch in einer versteckten Berechnung überzogener Provisions- oder Prämienvergütungen liegen. Soweit die Bank eine vorvertragliche Informationspflicht trifft, kommt auch eine Täuschung durch Verschweigen kursrelevanter Tatsachen in Betracht. Der Kunde hat innerhalb eines Jahres nach Kenntniserlangung des Anfechtungsgrundes die Anfechtung zu erklären (§ 124 I u. II BGB). Das Geschäft ist dann als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 I BGB). Um sich jedoch nicht dem Vorwurf der Verwirkung auszusetzen, muss der Kunde im Einzelfall unverzüglich nach Kenntniserlangung anfechten (ausführlich zum Ganzen MünchKommHGBEkkenga, Effektengeschäft, Rn. 194 ff.).
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1697
2. Verbots- und Sittenwidrigkeit. Die arglistige Täuschung vermag die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB (Verstoß gegen die guten Sitten) nicht auszulösen, weil § 123 BGB insoweit speziell ist. Anders liegt es beispielsweise dann, wenn die Täuschung mit einer Ausnutzung einer wirtschaftlichen Notlage oder einem erheblichen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung einhergeht (§ 138 II BGB; dazu Soergel-Hefermehl, § 123 Rn. 63).
43
§ 134 BGB (Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz) ist auf Verbote beschränkt, die sich auch an die andere Partei richten, es sei denn, dass gerade der Schutz dieser anderen Partei nach der Nichtigkeitsfolge verlangt. Rechtswirksam ist danach das Effektengeschäft des Anbieters, der im bankgeschäftlichen Umfang Effektenkommissionen übernimmt oder sonstige Finanzdienstleistungen betreibt, ohne über die notwendige Lizenz zu verfügen (§§ 32 I 1, 54 I Ziff. 2 KWG). Handelt es sich um eine Kapitalanlagegesellschaft, ein Spezialkreditinstitut oder ein Versicherungsunternehmen, das gegen ein gesetzlich bestimmtes Erwerbs- oder Anlageverbot verstößt, so hat dies ebenfalls nicht die Nichtigkeit des betroffenen Geschäfts zur Folge (MünchKommHGBEkkenga, Effektengeschäft, Rn. 201 ff.).
44
Bei verbotswidrigen Insiderhandelsgeschäften (§ 14 WpHG) ist zu differenzieren. Handelt der Bankkunde als Insider, um aus seinem Insiderwissen Nutzen zu ziehen, so beschränkt sich die Nichtigkeitsfolge sowohl im Eigenhändler- bzw. Festpreisgeschäft als auch im Kommissionsgeschäft auf die Auftragsvergabe. Ist hingegen die Bank Insider, so sind Auftrags- und Ausführungsgeschäft gleichermaßen nichtig (MünchKommHGBEkkenga, Effektengeschäft, Rn. 205 f.). § 138 BGB gelangt zur Anwendung, wenn mit der Missachtung des Insiderrechts eine Verletzung strafbewehrter Geheimhaltungspflichten einhergeht (vgl. Canaris, Rn. 1865).
45
3. Unverbindlichkeit als Spiel- oder Wette (§ 762 BGB). Wie sich § 37e S. 1 WpHG entnehmen lässt, gibt es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Handelsgeschäfte in Finanzinstrumenten, die dem Spiel- oder Wetteinwand nach § 762 I BGB ausgesetzt sein können. Durch solche Geschäfte wird eine Verbindlichkeit nicht begründet (S. 1), die Rückforderung erbrachter Leistungen kann dennoch nicht verlangt werden (S. 2). Nach früherer Rechtsprechung hat die Vorschrift für Geschäfte mit besonders hohem Spekulationspotential eine gewisse Bedeutung (vgl. BGHZ 149, 294, 301 f. für das Daytrading). Jedoch wird es in der Regel an der in § 762 I BGB vorausgesetzten beiderseitigen Spielabsicht fehlen. Darüberhinaus ist der Spiel- und Wetteinwand im professionellen Handel mit Finanztermingeschäften von vornherein ausgeschlossen (§ 37e 1 WpHG). Da der Begriff der Finanztermingeschäfte recht umfassend ist (§ 37e 2 WpHG: Derivate und Optionsscheine), dürfte der Vorschrift jedenfalls künftig keine sonderlich große praktische Bedeutung zukommen (zum Ganzen MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 199 f.).
46
VI. Vertragsbeendigung. 1. Beendigung durch Zeitablauf. In der Regel endet der Kundenauftrag durch Erfüllung der Vertragspflichten (§ 362 I BGB) oder durch Ablauf einer vom Kunden bestimmten Gültigkeitsdauer (§ 163 BGB). Fehlt eine Laufzeitvereinbarung, so greift bei im Kassamarkt auszuführenden Geschäften Ziff. 6 SBW ein. Preislich unlimitierte Aufträge enden danach am Ende eines Börsentages bzw. werden bei spätem Eingang der Order für den nächsten Börsentag vorgemerkt. Bei Nichtausführung ist der Kunde unverzüglich zu benachrichtigen. Preislich limitierte Aufträge sind bis zum letzten Börsentag des laufenden Monats gültig bzw. werden bei Eingang an diesem Tag für den nächsten Monat vorgemerkt. Besonderheiten gelten für den Bezugsrechtshandel nach Ziff. 7 SBW. Hier enden preislich limitierte Aufträge mit der Einstellung des Handels
47
Ekkenga/Bernau
1698
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(i. d. R. nach zwei Wochen) und preislich unlimitierte mit Ablauf des vorletzten Tages des Bezugsrechtshandels. 48
2. Beendigung bei Kursaussetzung. Nach Ziff. 8 (2) SWB erlöschen auch schwebende und unerledigte Kommissionsaufträge, wenn die Kursnotierung an der Wertpapierbörse ausgesetzt wird (zur Kursaussetzung an ausländischen Börsen, Kümpel, Rn. 10.228 f.). Die Bank hat den Kunden gem. Ziff. 8 (4) SBW unverzüglich vom Erlöschen des Auftrages zu benachrichtigen. Ob die Beendigungsklausel einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe von § 307 I 1 BGB standhält, ist zweifelhaft, weil sie Kleinanlegern den Wiedereinstieg in den Handel erschwert und sie gegenüber informierten Berufshändlern und Großanlegern benachteiligt (zum Ganzen Kümpel, Rn. 10.235.; Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kennz. 220, S. 47 f., der die Regelung jedoch unkritisch sieht).
49
3. Beendigung durch Kündigung bzw. Widerruf. Der Bankkunde kann den Effektenkommissionsauftrag vorzeitig widerrufen (vgl. §§ 621 Ziff. 5, 627 I BGB, 405 HGB). Das auftragsrechtliche Prinzip der freien Widerruflichkeit (§ 671 I BGB) tritt jedoch außer Kraft, sobald die Bank den Auftrag vollzogen und die Provisionsvergütung verdient hat (§§ 396 I, 403 HGB), d. h. mit Abschluss des Ausführungsgeschäftes oder mit Vollzug des Selbsteintritts. Im Eigenhändler- und Festpreisgeschäft erlischt das Recht zur vorzeitigen Kündigung (§ 649 BGB) regelmäßig bereits mit Abschluss des kaufvertraglichen Ausführungsgeschäfts.
50
Gem. § 495 I BGB steht privaten Beziehern von Konsumentenkrediten ein Widerrufsrecht (§ 355 BGB) zu, das sich gem. § 358 II 1 BGB u.U. auch auf den fremdfinanzierten Kauf erstreckt. Das Widerrufsrecht gilt jedoch nicht für Verbraucherdarlehensverträge, die der Finanzierung des Erwerbs von Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Edelmetallen dienen (§ 491 III Ziff. 2 BGB). Die Bereichsausnahme erfasst auch den Handel in Brief- und Bucheffekten, Optionsscheingeschäfte und die nicht verbrieften Termingeschäfte. Zur Konkretisierung der Ausnahmeklausel kann auf die Begriffsdefinitionen in § 2 I und II WpHG zurückgegriffen werden. Erfasst ist damit auch der (termin-)börsliche Handel in nicht verbrieften Terminkontrakten. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Geschäfte in sonstigen Handelsobjekten ist nach der Neufassung kein Raum mehr (anders noch Voraufl. Rn. 36).
51
Ein Widerrufs- oder Rückgaberecht (§§ 355, 356 BGB) des Kunden kann sich ferner aus § 312 BGB bei Haustürgeschäften ergeben. Ein solches liegt insbesondere dann vor, wenn der Kunde in seiner Privatwohnung durch mündliche Verhandlungen zum Abschluss eines Effektengeschäftes bestimmt worden ist (§ 312 I 1 Ziff. 1 BGB). Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 312 BGB ist aber stets, dass zwischen dem Kunden und dem Anbieter nicht bereits eine bankmäßige Geschäftsverbindung besteht. Nach der h.M. zur alten Rechtslage war die Vorschrift bei unaufgeforderter fernmündlicher Kontaktaufnahme via Telefon (Cold Calling) nicht einschlägig (s. Voraufl. Rn. 25). Nachdem der Verbraucherschutz vor den Gefahren telefonischer oder mit sonstigen Mitteln der Fernkommunikation angebahnter Verträge nunmehr durch §§ 312b ff. BGB eine spezielle Regelung erfahren hat, ist diese h.M. gesetzlich bestätigt. Sondervorschriften, die die Widerruflichkeit von Haustürgeschäften abschließend regeln, finden sich in § 126 InvG für das Investmentgeschäft; jedenfalls dürfte die textlich verunglückte Subsidiaritätsklausel des § 312a BGB in diesem Sinne zu verstehen sein. Damit ist umgekehrt klargestellt, dass die für fremdfinanzierte Effektengeschäfte geltende Bereichsausnahme nach § 491 III Ziff. 3 BGB das Widerrufsrecht nach § 312 BGB nicht verdrängt (s.a. die Entscheidung im Fall Heininger EuGH NJW 2002, 281; BGH NJW 2002, 1881). Die weiteren Modalitäten des Widerrufsrechts und seine Rechtsfolgen sind in §§ 355, 357 BGB einheitlich
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1699
geregelt (ausführlich Kümpel, Rn. 5.73 ff., 5.90 ff.). Ob die Rückabwicklung u. U. eine Haftung des Kunden wegen Wertminderung der bezogenen Finanztitel nach §§ 357 III 1, 346 II 1 Ziff. 3 BGB auslöst, ist zweifelhaft und war nach altem Recht umstritten. U.E. bietet sich an, Rückvergütungen zugunsten des Kunden analog § 126 IV InvG auf den Wert zu begrenzen, der dem bezahlten Handelsobjekt am Tage nach dem Eingang der Widerrufserklärung beizumessen ist (ausführlicher MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 223 f. mit Überblick über den Streitstand). Unter dem Vorbehalt der richterlichen Angemessenheitskontrolle hat im Effektenkommissionsgeschäft auch die Bank als Kommissionärin ein eingeschränktes Kündigungsrecht gem. §§ 621, 627 BGB (StaubKoller, § 383 Rn. 83; zur richterlichen Angemessenheitskontrolle Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (123 f.)).
C. Vorbereitende Informationspflichten
52
I. Allgemeines. 1. Arten. In der Vorbereitungsphase des Effektengeschäfts sind der Bank gegenüber dem Kunden umfängliche Aufklärungspflichten auferlegt, die in Ausmaß und Umfang allerdings von der konkret angebotenen Finanzdienstleistung abhängen (Rn. 69 ff). Die Aufklärung dient der Versorgung des Anlegers mit Informationen über die entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände (Informationsvermittlung). Die Anlageberatung, d.h. die fachkundige Bewertung dieser Umstände und die Abgabe sachgerechter Anlageempfehlungen unter Berücksichtigung der Anlageziele, der Risikobereitschaft und der finanziellen und persönlichen Verhältnisse des Bankkunden, ist dagegen seit Umsetzung der MiFID durch das FRUG nicht mehr obligatorischer Bestandteil der vorvertraglichen Aufklärung. Wie sich u.a. aus § 31 IV WpHG in Gegenüberstellung zu § 31 V WpHG ergibt, trennt das neue Aufsichtsrecht konsequent zwischen dem „beratungsfreien“ Effektengeschäft und der auftragsmäßigen Anlageberatung, die der Gesetzgeber in § 2 III 1 Ziff. 9 WpHG nunmehr zu einer Wertpapierdienstleistung mit eigenen Wohlverhaltensregeln hochgestuft hat. Darin liegt eine der praktisch bedeutsamsten Änderungen gegenüber dem früheren Aufsichtsrecht. Sofern sich diese – was noch keineswegs ausgemacht ist – auch zivilrechtlich durchsetzt (näher Rn. 56 ff.), bedarf es fortan nicht mehr der Freizeichnung von individuellen Beratungspflichten per AGB. Vielmehr kann sich die Bank darauf beschränken, dem Kunden anhand vorgefertigter Materialien eine standardisierte Basisaufklärung zuteil werden zu lassen, was dem Geschäftsmodell des „Execution-Only“ nach früherem Verständnis im Kern entspricht. Sofern die (Filial-)Banken allerdings an ihrer bisherigen Praxis festhalten, zu Beginn der Geschäftsbeziehung ein persönliches Kundengespräch (auch) über Anlagethemen zu führen, wird nach ständiger Rechtsprechung sehr schnell die Grenze vom beratungsfreien Effektengeschäft zur (konkludent vereinbarten) Anlageberatung überschritten sein (Rn. 57). Daneben bestehen nicht einklagbare Hinweis- und Warnpflichten, die den Anleger auf die Zweifelhaftigkeit kursierender Meldungen aufmerksam machen sollen (Einzelheiten bei MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, 2. Aufl. 2008, Rn. 250, 353 ff.). Hinweis- und Warnpflichten entstehen nach neuer Rechtslage u.a. auch dann, wenn gegenüber einem Privatkunden eine ordnungsgemäße Angemessenheitsprüfung (mangels Informationen) nicht möglich ist oder aber das vom Kunden gewünschte Produkt für diesen nicht angemessen ist (näher dazu Rn. 70).
53
2. Funktionen. Die vorbereitenden Informationspflichten dienen nach wie vor dem Individualschutz des Anlegers. Sie sollen ihm dazu verhelfen, die Tragweite und das wirtschaftliche Risiko seiner Entscheidung abschätzen und seine Renditeziele sachgerecht verfolgen zu können (§ 31 III 1 WpHG). Aus marktlicher Sicht wird die optimale
54
Ekkenga/Bernau
1700
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Allokation der betrieblich nutzbaren Haushaltsmittel angestrebt (Geldmittelallokation). Indem die Bank für Aufklärungs- und Informationsfehler haftet, wird zugleich das Risiko von Fehlentscheidungen zu ihren Lasten umgeschichtet (Risikoallokation). Zusätzlich zu diesem kapitalmarktrechtlichen Funktionenschutz (Schimansky/Bunte/Lwowski-Kümpel, § 104 Rn. 199) leistet die individuelle Versorgung des Anlegers mit entscheidungserheblichen Informationen (Individualpublizität) einen notwendigen Beitrag zur Marktpublizität. Individualschutz bedeutet nicht zwangsläufig Individualaufklärung; vielmehr bewendet es nach den neuen Wohlverhaltensregeln dabei, dass die Bank ihrem Kunden die für seine Kundenklasse bestimmten Basisinformationen darbietet (s. sogleich Rn. 55). Darin offenbart sich eine – europarechtlich initiierte – Hinwendung der neuen Wohlverhaltensregeln zu verbraucherschutzrechtlichen Regelungsmechanismen, die an den Bankkunden als Konsument einer Wertpapierdienstleistung (statt als Investor in Kapitalanlagen) adressiert sind und die Grenze zwischen Individual- und Marktpublizität verschwimmen lassen (zum Ganzen MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 256 ff.). 55
3. Rechtsgrundlagen. a) Aufsichtsrecht. Die Verpflichtung der Bank zur vorvertraglichen Aufklärung ist Kernbestandteil der in § 31 WpHG normierten aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltensregeln und der ergänzend zu beachtenden Konkretisierungsvorschriften in §§ 4-7 WpDVerOV. Danach realisiert sich der Individualschutz des Anlegers nicht mehr – wie nach altem Recht – in einem Aufklärungs- und Beratungsgespräch, dessen Inhalt auf die Person des Kunden zugeschnitten ist. Vielmehr vollzieht das neue WpHG einen „Systemwechsel von Einzel- zum Klassenunterricht“, indem es die vormals obligatorische Individualaufklärung durch die Verpflichtung zur Verabreichung standardisierter Basisinformationen ablöst. Letztere wenden sich an den Anleger als Mitglied einer Kundenklasse (Rn. 26) und lassen dessen Anlageziele und persönliche Verhältnisse unberücksichtigt. Konsequenterweise ist die Bank als Beauftragte im Effektengeschäft – anders als im Beratungsgeschäft – nicht mehr verpflichtet, sich über die „Anlageziele der Kunden und über ihre finanziellen Verhältnisse“ zu erkundigen (vgl. § 31 IV 1 WpHG einerseits, § 31 V 1 WpHG andererseits).
56
b) Zivilrecht. Für das zivilrechtliche Haftungsregime lässt sich der soeben unter Rn. 55 beschriebene Systemwechsel nicht so ohne weiteres nachvollziehen. Danach ist und bleibt die vorvertragliche Aufklärung Gegenstand einer (nicht klagbaren) individuellen Schutzpflicht, die sich aus dem Vertragsanbahnungsverhältnis ergibt (§§ 311 II, 241 II BGB). Für Pflichtverletzungen haftet die Bank auf Schadensersatz (§§ 280 I BGB), auch wenn das Effektengeschäft nicht oder nicht wirksam zustande gekommen ist (vormals: Haftung aus culpa in contrahendo). Ob die Bank dieser Schutzpflicht wie bisher durch eine individuelle Risikoaufklärung nachzukommen hat oder ob es geboten ist, den zivilrechtlichen Anlegerschutz wie im Aufsichtsrecht auf einen massengeschäftlichen Mindeststandard zu reduzieren, ist eine durch das FRUG neu aufgeworfene Frage, die aus Raumgründen hier nicht diskutiert werden kann. Im Ergebnis spricht viel für die zweite Lösung, und zwar vor allem aus europarechtlichen Gründen: Im Schrifttum mehren sich Stimmen, die nationale Regelverschärfungen gegenüber der MiFID blockiert sehen, weil Letztere auf eine Voll- oder Maximalharmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen angelegt sei (s. etwa Mülbert, WM 2007, 1149, 1157; ausführlicher MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 75 f., 295 ff.). Schutzdefizite sind jedenfalls dort nicht zu befürchten, wo es hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines konkludenten Anlageberatungsvertrages im Sinne der bisherigen Rechtsprechungstradition gibt (vgl. noch Rn. 57).
57
Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH kommt ein konkludent geschlossener Auskunfts- oder Beratungsvertrag zwischen den Parteien zustande, wenn die Bank ein Be-
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1701
ratungsgespräch auf eigene Initiative oder auf Veranlassung des Kunden aufnimmt und wenn dieses eine konkrete Anlageentscheidung zum Gegenstand hat (BGHZ 100, 117 (118 f.); 123, 126 (128) (Bond-Anleihe), seither in st. Rspr). Dem ist unter Hintanstellung der in der Voraufl. vorgebrachten Bedenken unter dem neuen Regime des FRUG zu folgen – vorausgesetzt, dass die Annahme eines dem Effektengeschäft vorgeschalteten Beratungsvertrages keine bloße Fiktion ist, sondern an den erprobten Hilfskriterien der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre festmacht. Die nahtlose Fortführung der bisherigen Übung, Effektenaufträge in einem persönlichen Kundengespräch vorzubereiten, kann hinreichende Anhaltspunkte für einen konkludenten Vertragsschluss ergeben (näher MünchKommBGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 268), nicht jedoch die für die Geltung der AGB-Banken erforderliche Einbeziehungserklärung (vgl. § 305 III BGB), zumal der BGH der vormals herrschenden Lehre vom allgemeinen Bankvertrag eine Absage erteilt hat (BGH, WM 2002, 2281). Eine europarechtswidrige Regelverschärfung kann die Belastung der Banken mit beratungsvertraglichen Informationspflichten nicht auslösen, nachdem die MiFID selbst derartige Pflichten für die Anlageberatung vorsieht. Dies scheint nach anfänglichen Zweifeln im Schrifttum inzwischen geklärt zu sein (vgl. Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 183; Koller, FS Huber, S. 821 (839); wie hier Veil, ZBB 2008, 34 (41 f.)). Zuzugeben ist allerdings, dass der BGH die marktlichen Funktionen der Finanzdienstleister bei der Verhaltensanalyse nicht immer gebührend berücksichtigt hat: Vertriebsmittlern, die nach außen erkennbar damit befasst sind, Werbung für die Finanzinstrumente bestimmter Emittenten zu betreiben, lässt sich die Bereitschaft zur Erbringung von Auskunfts- oder Beratungsdiensten an einzelne Anleger nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit unterstellen wie den sog. freien Anbietern, die nicht zur Vertriebsorganisation (zum „Lager“) des Emittenten gehören (zutr. Wagner, DStR 2003, 1757 ff.; ders. DStR 2004, 1883, jew. mit umfassenden Rechtsprechungs-Nachweisen). Missachtet die Bank ihre aufsichtsrechtlichen Informationspflichten, kommt außerdem eine deliktische Haftung auf Schadensersatz in Betracht, denn die Wohlverhaltensregeln sind nach h.M., der zu folgen ist, Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB (OLG Frankfurt ZIP 2006, 2218, 2219; Schäfer, WM 2007, 1872; offen gelassen in BGHZ 142, 345 (356)).
58
§ 311 III 2 BGB erlaubt die persönliche haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Bankangestellten nur in engen Grenzen, nämlich dann, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und hierdurch die Vertragsverhandlungen erheblich beeinflusst hat. Diese Haftungsschranken dürfen nicht entwertet werden, indem man den Bankangestellten pauschal zum Normadressaten der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltensregel erklärt und ihn bei jeder Regelverletzung persönlich nach § 823 II BGB haften lässt. Das gilt inzwischen ausnahmslos, nachdem der Gesetzgeber § 32 II WpHG a.F. gestrichen hat, der einst bestimmte „Besondere Verhaltensregeln“ wie das Verbot kursbeeinflussender Kauf- oder Verkaufsempfehlungen oder nachteiliger Eigengeschäfte ausdrücklich dem (Führungs-)Personal der Bank statt der Bank selbst auferlegte (Ekkenga, ZIP 2004, 781, 791; hierzu sowie zur persönlichen Haftung der Bankangestellten in Ausnahmefällen, insbesondere im Falle vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Sinne des § 826 BGB MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 287 f.).
59
II. Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten. 1. Inhalte. a) Geschäftsrisiken. Nach § 31 III 3 Ziff. 1 WpHG ist die Bank zu Informationen über die Wertpapierfirma und ihrer Dienstleistungen verpflichtet. Für das Geschäft mit Privatkunden wird die Informationsverpflichtung in § 5 II Ziff. 1 WpDVerOV konkretisiert. Die auf den Dienstleister bezogenen Informationen entsprechen inhaltlich weitestgehend der Informationsverpflichtung, die auch den Anbieter von Fernabsatzverträgen treffen (vgl. Rn. 33 ff.).
60
Ekkenga/Bernau
1702
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Zusätzlich hat die Bank den Kunden darüber zu informieren, welche Schutzmechanismen sie zur Sicherung der verwahrten Finanzinstrumente und zur Anlegerentschädigung und Einlagensicherung betreibt. Daneben sind dem Anleger die Grundsätze zur Vermeidung von Interessenkonflikten nach § 33 I 2 Ziff. 3 WpHG darzulegen. Einzelheiten zu diesen Grundsätzen sind dem Kunden nur auf dessen Wunsch auf einem dauerhaften Datenträger (§ 3 WpDVerOV) zur Verfügung zu stellen. 61
Auf die Möglichkeit des Totalverlustes ist insbesondere beim sogenannten Daytrading hinzuweisen. Daytrading-Geschäfte ermöglichen den Kunden aufgrund einer vom klassischen Effektengeschäft abweichenden Vertragsgestaltung, Finanztitel unter Ausnutzung aktueller Kursschwankungen am gleichen Tag zu kaufen und zu verkaufen (ausführlich zum Daytrading Binder, ZHR 169 (2005), 329 (345 ff.); Müller-Deku, WM 2000, 1029). Privatkunden haben die involvierten Banken nach den Aufsichtsrichtlinien u.a. darauf hinzuweisen, dass Daytrading-Geschäfte häufig zum sofortigen Verlust des gesamten Kapitals führen können bzw. dass der Kunde ggf. über die hinterlegten Sicherheiten hinaus nachzuleisten hat. Ferner ist darüber aufzuklären, dass das Daytrading vertiefte Kenntnisse erfordert und die Handelsteilnehmer in Konkurrenz zu professionellen und finanzstarken Anlegern stehen. Gegenüber professionellen Kunden darf die Bank hingegen darauf vertrauen, dass ein solches Wissen vorhanden ist.
62
b) Objektrisiken. Die Bank hat den Kunden detailliert über die Finanzierungsinstrumente und deren Risiken zu informieren, § 31 III Ziff. 2 WpHG. Gemeint ist damit nach § 5 I 1 WpDVerOV „eine ausreichend detaillierte allgemeine Beschreibung der Art und der Risiken der Finanzinstrumente.“ Durch die Hinzufügung des Attributs „allgemein“ hat der Verordnungsgeber klargestellt, dass sich die Aufklärung grundsätzlich auf „anlageformbezogene“ Informationen beschränkt. „Anlageobjektbezogene“ Informationen, die sich über eine typisierende Betrachtung hinaus mit den Risiken bestimmter Finanzinstrumente (z. B. Deutsche-Bank-Anleihe, Siemens-Aktie) beschäftigen, gehören also im beratungsfreien Effektengeschäft nicht (mehr) zum obligatorischen Aufklärungsprogramm (Veil, ZBB 2008, 34, 38; Mülbert, WM 2007, 1149, 1156; Weichert/Wenninger, WM 2007, 627, 634). Diese Entschärfung gegenüber den alten Wohlverhaltensregeln (vgl. KölnKommWpHG-Möllers, § 31 Rn. 243 mwN) entbehrt nicht einer gewissen Dramatik, denn sie nimmt dem Recht des Wertpapierhandels die Kraft zur sinnvollen Lenkung der marktlichen Anlageinvestitionen und beseitigt damit eine der tragenden Säulen des kapitalmarktlichen Funktionenschutzes (Rn. 2). Nach geltendem Recht verbleiben drei mögliche Ansätze für den Versuch, das drohende Informationsdefizit beim Kunden wenigstens teilweise zu beheben: (1) Bei akut drohenden Gefahren – etwa einer sich andeutenden wirtschaftlichen Krise beim Emittenten oder bei Markteingriffen im Rahmen erlaubter Kursstützungsmaßnahmen (Rn. 121) – wird man der Bank auferlegen müssen, den Kunden durch einen außerplanmäßigen Hinweis zu warnen (näher MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 364). (2) Fügt die Bank ihren Aufklärungsmaterialien Werbemitteilungen hinzu, die sich auf bestimmte Anlageobjekte beziehen, so darf der Aufklärungsinhalt allerdings nicht dahinter zurückbleiben, denn anderenfalls wäre die Gefahr einer Irreführung und damit eines Verstoßes gegen § 31 II S. 1 WpHG gegeben. (3) Eine weitere Regelverschärfung erfahren die Wohlverhaltensregeln für das Effektengeschäft durch den Verbraucherschutz, der der Bank über die Beschreibung anlageformbezogener Risiken auch die Offenlegung spezifischer, anlageobjektbezogener Risiken abverlangt (MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 323).
63
Hinsichtlich der objektspezifischen Risiken ist naturgemäß nach den verschiedenen Finanztiteln zu differenzieren (Schuldverschreibungen, Aktien, Investmentanteilscheinen, Derivaten und Optionsscheinen). Bei sonstigen Anlageformen sind Informationen ins-
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1703
besondere über die Funktionsweise und die Struktur erforderlich. Grundsätzlich gilt: Je innovativer ein Finanztitel ausgestaltet ist, desto höher sind die Anforderungen bezüglich der Aufklärung über die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (BGH WM 1991, 315 (316); Schäfer/Müller, Rn. 131). Hinzuweisen ist beispielsweise auf eine außerordentliche Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis sowie auf die Gefahr von Kurspreismanipulationen, bedingt durch ein niedriges Handelsaufkommen (vgl. § 5 II 2 Ziff. 2 WpDVerOV; BGH WM 1991, 667; OLG Düsseldorf ZIP 2002, 1583 (Penny Stocks); BGH WM 2002, 913 (NASDAQ)). Hinzuweisen ist zudem grundsätzlich auf solche finanziellen Aufwendungen einschließlich von Eventualverbindlichkeiten, die über die Anschaffungskosten hinausgehen. Das gilt insbesondere für Einschuss- oder ähnliche Verpflichtungen (vgl. § 5 I 2 Ziff. 4 und 5 WpDVerOV). Bei aus mehreren Komponenten zusammengesetzten Finanzinstrumenten (sog. compound products) ist auf die Wahrscheinlichkeit eines gesteigerten Risikos hinzuweisen, wenn eine solche aufgrund der Mehrgliedrigkeit besteht (vgl. Entwurfsbegründung WpDVerOV S. 7). c) Marktrisiken. Aufzuklären ist ferner über bestehende marktliche Risiken. Die marktlichen Risiken und Chancen sind determiniert durch die Konjunkturlage sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Effektenhandels im Allgemeinen und durch das Konkurrenzangebot im Besonderen. Der Risikoaspekt betrifft vor allem den Kursverlauf am Kapitalmarkt und die Entwicklung der Basiswerte an den Terminmärkten. Auf Zusatzrisiken, insbesondere auf die Gefahr überdurchschnittlich hoher Kursschwankungen und eingeschränkter Liquidität (z. B. im OTC-Handel) ist der Kunde hinzuweisen (vgl. § 5 I 2 Ziff. 2 WpDVerOV). Nach früherer Rechtslage hatte die Bank den Kunden unabhängig von dessen Spekulationsbereitschaft (a. A. OLG München WM 1994, 236 (237)) zudem über mögliche Ursachen und Folgen des Ausmaßes von Kursschwankungen einschließlich der Art und Dauer geplanter Kurspflegemaßnahmen aufzuklären (BGH WM 1993, 1787 (1790)). Daran dürfte nach neuem Recht jedenfalls im Regelfall nicht mehr festzuhalten sein, weil es sich um Informationen über bestimmte Marktobjekte, nicht um „anlageformbezogene“ Informationen handelt (vgl. Rn. 62). 2. Qualitätsanforderungen. Alle seitens der Bank ausgegebenen Informationen müssen nach § 31 II WpHG „redlich, eindeutig und nicht irreführend“ sein (S. 1; ausführlich Zeidler, WM 2008, 238). Hierzu gehört, dass Werbung ausdrücklich als solche erkennbar ist (S. 2). Ist aber schon nach Art und Aufmachung einer Werbemitteilung diese zweifelsfrei als solche erkennbar, beispielsweise weil es sich um einen Werbeprospekt des Emittenten selbst handelt, bedarf es keiner zusätzlichen Titulierung als „Werbung“ (in diese Richtung auch Zeidler, WM 2008, 238). Eine Information gilt schon dann als irreführend im Rahmen der Vorschrift, wenn sie den Adressaten irreführen kann (Erwägungsgrund 41 zur MiFID-RiLi). Erforderlich ist also weder die Kenntnis oder Intention zur Irreführung durch die Bank noch ein dahingehender Erfolg. Eine Spezifizierung der Anforderungen an die Informationsdarbietung enthält § 4 WpDVerOV. Danach dürfen etwaige Vorteile der Dienstleistung oder eines Finanzinstruments nur dann hervorgehoben werden, wenn im Gegenzug eine Aufklärung über die Risiken stattfindet. Letztlich dürfte es aber ausreichen, wenn die Risiken in geeigneter Form dargestellt werden. Eine direkte Gegenüberstellung von Vorteilen und Risiken wird sich in der Praxis kaum durchführen lassen. Wichtige Aussagen oder Warnungen dürfen nicht unverständlich oder abgeschwächt dargestellt werden, § 4 II 2 WpDVerOV. Besondere Anforderungen werden auch an die Ausgabe von Werbematerialen gestellt (vgl. dazu § 4 IX, X WpDVerOV). Steuerliche Informationen müssen einen deutlichen Hinweis enthalten, dass die steuerliche Behandlung von den persönlichen Verhältnissen des Kunden abhängt und künftig Änderungen unterworfen sein kann (§ 4 VIII WpDVerOV).
Ekkenga/Bernau
64
65
1704
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
66
Bei einer vergleichenden Information muss der Vergleich aussagekräftig und ausgewogen sein, die Informationsquelle(n) benennen und wesentliche Fakten und Hypothesen beinhalten, § 4 III WpDVerOV. Aussagen zur früheren Wertentwicklung eines Finanzinstruments, eines Finanzindexes oder der Finanzdienstleistung dürfen nicht im Vordergrund der Aufklärung stehen. Informationen hierüber müssen unter Angabe von Referenzzeitraum und Informationsquelle zudem aus den historischen Daten der letzten fünf Jahre resultieren, bei einem längeren Referenzzeitraum in 12-Monatsperioden erfolgen und dürfen sich nicht auf einen Zeitraum von unter einem Jahr beziehen (§ 4 IV WpDVerOV). Letzteres wirft in der Praxis Probleme auf, weil gerade im Bereich innovativer Finanzprodukte Informationen – beispielsweise über einen neu aufgelegten Index – nur für einen kürzeren Zeitraum vorliegen. Die gesetzliche Regelung ist hier aber eindeutig: Liegen Informationen nur für einen kürzeren Zeitraum vor, hat eine Veröffentlichung zu unterbleiben. Der Privatanleger ist auf Währungsschwankungen hinzuweisen. Aussagen über die Bruttowertentwicklung müssen sich dazu äußern, wie sich Provisionen, Gebühren und Entgelte auswirken. Unzulässig ist die Berechnung künftiger Wertentwicklungen anhand simulierter historischer Daten, sog. Backtesting (§ 4 VI WpDVerOV).
67
3. Art und Weise der Informationsvermittlung. a) Verwendung dauerhafter Datenträger. Die gem. § 31 III WpHG zu leistenden Informationen sind dem Kunden auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen (§ 5 V WpDVerOV). Das meint in der Regel Papierform (§ 3 I WpDVerOV). Die Materialien sind nach Maßgabe von § 14 II Ziff. 3 WpDVerOV aufzubewahren. Unter den Voraussetzungen des § 3 III WpDVerOV, der vor allem die vorherige Zustimmung des Kunden verlangt, kann die Mitteilungsverpflichtung auch durch Veröffentlichung auf einer Webseite erfüllt werden. Gem. § 31 III 2 WpHG können die Informationen „auch in standardisierter Form zur Verfügung gestellt werden“. Faktisch besteht allerdings keine dahingehende Option, sondern ein Zwang zur Standardisierung, weil die textliche Aufklärung im Massengeschäft mit Kleinanlegern und die Erfüllung der Dokumentationspflicht anders nicht zu bewerkstelligen sind.
68
b) Zeitliche Vorgaben. Der Kunde ist nach § 31 III 1 WpHG „rechtzeitig“, d.h. gem. § 5 III WpDVerOV grundsätzlich vor Beginn der Auftragsausführung zu informieren. Schematische Lösungen verbieten sich. So hängen die Anforderungen an die Dringlichkeit der Informationserteilung u.a. von der Komplexität des Finzanzinstruments ab. Bei komplex strukturierten Finanzinstrumenten hat die Bank dem Kunden einen längeren Beurteilungsspielraum zu gewähren (vgl. Erwägungsgrund 48 MiFID-RiLi). Die typischerweise unterschiedliche Auffassungsgabe von Privat- und Geschäftskunden ist zu berücksichtigen (vgl. Entwurfsbegründung zur WpDVerOV, S. 8). Die Informationen nach § 31 III Ziff. 1 und 2 WpHG sind dem Privatkunden spätestens vor Vertragsschluss zu erteilen. Gleichartige Folgegeschäfte darf die Bank aufgrund der Erstinformation abwickeln (BGH WM 1991, 1410 (1411); Erwägungsgrund 50 MiFID-RiLi), es sei denn, es ist neuer Informationsbedarf aufgrund der Umstellung des Investitionsverhaltens des Kunden oder veränderter marktbezogener Rahmenbedingungen entstanden. Bei der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln auf Wunsch des Kunden genügt die Bank ihrer Informationsverpflichtung, wenn sie die nach § 31 III WpHG erforderlichen Vertragsinformationen unverzüglich nach Vertragsschluss, die übrigen Informationen nach Beginn der Ausführung des Finanzkommissionsgeschäfts übermittelt, § 5 III 2 WpDVerOV. § 312c BGB gilt entsprechend (dazu oben Rn. 33).
69
4. Nachforschungs- und Prüfungspflichten der Bank. a) Informationsbeschaffung und -sicherung. Es ist Sache der Bank, die organisatorischen Rahmenbedingungen für eine sach- und interessengerechte Risikoaufklärung herzustellen. Ihr obliegt es, die hierzu benötigten Informationen rechtzeitig zu beschaffen (Informationsbeschaffung) und auf
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1705
ihre Richtigkeit zu prüfen (Informationssicherung). Es ist üblich, in diesem Zusammenhang von Nachforschungs-, Überprüfungs- und Organisationspflichten zu sprechen. Zivilrechtlich handelt es sich aber nicht um eine Beschreibung vertraglicher Pflichteninhalte, sondern um Obliegenheiten, deren Wahrnehmung die Bank vom haftungsrechtlichen Schuldvorwurf befreit (näher MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 370 ff.). Negativberichten und Gerüchten aus dubiosen Quellen muss die Bank nicht nachgehen. Denn es ginge zu weit, die Bank zu Nachforschungen über privat verbreitete Meldungen zu verpflichten, die sich in der Vergangenheit oft genug als interessengesteuert, manipulativ und in der Sache grob falsch erwiesen haben (Assmann, ZIP 2002, 637, 644 ff.; Edelmann, BKR 2003, 438, 440 f.; Loritz, NZG 2002, 889; Wagner, BKR 2005, 436, 439). b) Kundenbefragung und Angemessenheitsprüfung. Gem. § 31 V 1 WpHG ist die Bank verpflichtet, Informationsbeschaffung durch Kundenbefragung zu betreiben, soweit diese Informationen erforderlich sind, um die Angemessenheit der Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen für die Kunden beurteilen zu können (Angemessenheitsprüfung). Die Angemessenheit beurteilt sich danach, ob der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken in Zusammenhang mit der Art der Finanzinstrumente und der Wertpapierdienstleistung beurteilen zu können, § 31 V 2 WpHG. Zu den einzuholenden Informationen gehören nach § 6 II WpDVerOV auch Angaben über die Arten von Finanzdienstleistungen oder Finanzinstrumenten mit denen der Kunde vertraut ist, über Art, Umfang, Häufigkeit und Zeitraum zurückliegender Geschäfte des Kunden mit Finanzinstrumenten und seine Ausbildung sowie gegenwärtige und relevante frühere berufliche Tätigkeiten (Know-Your-Customer-Prinzip).
70
Anders als im Rahmen der Anlageberatung ist der Kunde nach neuer Rechtslage nicht zu seinen Anlagezielen oder finanziellen Verhältnissen zu befragen. Verlangt der Kunde aber in Bezug auf ein Einzelgeschäft eine Beratung oder besteht ein sonstiger Grund für die Annahme eines konkludent geschlossenen Anlageberatungsvertrages (Rn. 55), muss die Bank den zusätzlichen Anforderungen des § 31 IV WpHG entsprechen. Die Nachforschungspflicht der Bank erstreckt sich dann wie nach früherem Recht auf die Frage, ob der Kunde nach dem Ergebnis der Befragung ein eher konservatives oder ein mehr spekulatives Anlageziel verfolgt (BGHZ 123, 126 (129) (Bond-Anleihe)) und ob ihn die konkrete Anlage oder Anlagestrategie unter Berücksichtung seiner finanziellen Verhältnissen wirtschaftlich gefährdet (vgl. auch Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 96). Anders als im beratungsfreien Wertpapierhandel darf die Bank keine Anlageempfehlung aussprechen, wenn sie die nötigen Informationen nicht erhält (§ 31 IV 3 WpHG). Fehlende Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf komplexere Finanzinstrumente kann die Bank aber durch eine gezielte Aufklärung beseitigen (vgl. auch Teuber, BKR 2006, 429 (431); zum Ganzen Bamberger, § 50 Rn. 106 ff.).
71
Missverständnissen ist nach Möglichkeit durch hinreichende Präzision der Befragung vorzubeugen. Die Bank ist nicht gehalten, ohne Anlass kundenseitige Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Die Bank ist für Fehlinformationen aber dann verantwortlich, wenn ihr die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war (§ 31 VI WpHG, vgl. auch BGH WM 1997, 309 (311)). Macht der Kunde von seinem Recht Gebrauch, dem Auskunftsbegehren nicht zu entsprechen, so ist die Bank vom Erfordernis der Kundenbefragung befreit. Statt dessen muss sie den Kunden darüber informieren, dass eine Beurteilung der Angemessenheit nicht möglich ist (Hinweispflicht, vgl. § 31 V 4 WpHG). Die Bank darf den Kunden allerdings nicht dazu verleiten, keine Angaben zu machen, was beispielsweise schon dann anzunehmen ist, wenn diese Möglichkeit in einem Fragebogen enthalten ist (vgl. Begründung zu § 6 II
72
Ekkenga/Bernau
1706
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
WpDVerOV, S. 9). Einer Warnpflicht unterliegt die Bank, wenn sie aufgrund der erlangten Informationen zu der Auffassung gelangt, dass das vom Kunden gewünschte Finanzinstrument für diesen nicht angemessen ist (§ 31 V 3 WpHG). Für solche Hinweisund Warnmitteilungen ist ebenfalls Standardisierung zugelassen (§ 31 V 5 WpHG). 73
74
75
c) Execution Only. Gem. § 31 VII WpHG ist die Kundenbefragung entbehrlich, wenn das Effektengeschäft – wie im Regelfall – durch den Kunden veranlasst ist und Handelsobjekte betrifft, die nicht zu den „komplexen“ Finanzinstrumente gehören (zur Hinweispflicht der Bank in diesen Fällen s. sogleich Rn. 72). In Anlehnung an den bisherigen Sprachgebrauch wird diese Geschäftsvariante weiterhin als „Execution-Only“ bezeichnet – sehr im Unterschied zu den Fällen des Aufklärungsverzichts, die nach neuem Recht nach den Regeln über die Umstufungsvereinbarungen zu beurteilen sind (Rn. 74). Als nicht komplexe Finanzinstrumente gelten solche Titel, deren einfache Struktur die Prüfung der Eignung oder Angemessenheit für den Kunden entbehrlich macht und die in § 7 WpDVerOV näher beschrieben sind. Neben dem Fehlen eines derivativen Elements, womit beispielsweise Terminkontrakte, Optionen und Swaps von vornherein ausscheiden, setzt die Vorschrift voraus, dass die Investition in das Finanzinstrument jederzeit ohne besondere Hindernisse und zu einem angemessenen Preis beendet werden kann, ohne dass sich der Kunde mit zusätzlichen (Zahlungs-)Verpflichtungen konfrontiert sieht. Anteile an Hedgefonds fallen damit kategorisch aus dem Anwendungsbereich heraus. Die Einordnung eines Finanzinstruments als nicht komplex im Sinne der Vorschrift setzt neben der konkreten Struktur eine gewisse Publizität voraus. Der Kunde muss aufgrund von zugänglichen und verständlichen Informationen in der Lage sein, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Der Wortlaut des § 31 VII Ziff. 1 WpHG weicht von der Vorgabe in Art. 19 VI MiFID insofern ab, als der Gesetzgeber nicht zwischen Direkt- und Filialbanken differenziert. Bei richtlinienkonformer Auslegung spricht deshalb viel dafür, die Vorschrift im Sinne einer bankbezogenen Freistellung zu interpretieren – mit der Folge, dass die Option des Execution Only allein den Direktbanken mit Rücksicht auf deren filialloses Geschäft vorbehalten ist (Weichert/Wenninger, WM 2007, 627, (632)). Als Folge der Privilegierung ist der (Direkt-) Bank in § 31 VII Ziff. 2 WpHG eine Hinweispflicht auferlegt, der sie nachkommt, indem sie den Kunden darüber „informiert“, dass kein Angemessenheitstest stattfindet. Wer dem nicht folgt, gelangt zur Annahme einer geschäftsbezogenen Freistellung, die neben den Direktbanken auch Filialbanken von Fall zu Fall für sich in Anspruch nehmen können. Diese könnten wählen, ob sie den Hinweis nach § 31 VII Ziff. 2 WpHG erteilen oder ob sie es vorziehen, die Explorations- und Warnpflichten nach § 31 V WpHG freiwillig zu erfüllen. 5. Termingeschäfte. Für die Anbahnung von Termingeschäften sah § 37d WpHG a. F. gegenüber den allgemeinen Wohlverhaltensregelen gesteigerte Warn- und Hinweispflichten der Bank vor (ausführlich zum Termingeschäft Müller, § 54). Danach war der Bankkunde, dort noch als „Verbraucher“ bezeichnet, schriftlich über die durch die Hebelwirkung ausgelösten, gesteigerten Verlustrisiken aufzuklären. Das von Banken und Sparkassen hierfür seit Jahren verwendete Informationsblatt hat bisher der gerichtlichen Überprüfung standgehalten. Durch das FRUG ist § 37d WpHG a.F. ersatzlos weggefallen – und mit ihm der im Geltungsbereich des WpHG vorübergehend eingeführte Begriff des „Verbrauchers“. Der Gesetzgeber wollte damit aus Vereinfachungsgründen das Informationsprogramm für Termin- und Kassageschäfte zusammenlegen. Stattdessen wurde die Terminologie des Handels mit „komplexen Finanzinstrumenten“ eingeführt, bei dem die Order des Privatkunden die Bank nicht von der Kundenbefragung befreit (vgl. Rn. 71).
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1707
6. Aufklärungsverzicht. Die nach altem Recht streitig diskutierte Frage, ob und inwieweit sich die Bank kraft vertraglicher Vereinbarung mit dem Kunden von ihren gesetzlichen Aufklärungsverpflichtungen freizeichnen kann, hat sich mit der Neufassung der Wohlverhaltensregeln durch das FRUG zum Teil, wenn auch nicht ersatzlos erledigt. Denn eines rechtsgeschäftlichen Beratungsverzichts mit dem Ziel, das Effektengeschäft ohne Verabreichung kundenbezogener Spezialinformationen durchführen zu können, bedarf es nicht mehr, nachdem der Gesetzgeber den Wertpapierhandel in Befolgung der MiFID schon von sich aus auf das Geschäftsniveau des Execution-Only bzw. DiscountBanking herabgestuft hat. Für einen weitergehenden Aufklärungsverzicht, der neben der Spezialaufklärung auch die Bereitstellung standardisierter Basisinformationen umfasst, bedarf es im neu geschaffenen Klassifizierungssystem einer Umstufungsvereinbarung, durch die der Kunde den Rang einer kraft Gesetzes nicht schutzbedürftigen Geeigneten Gegenpartei einnimmt (vgl. § 31b I 1 WpHG). Derartige Vereinbarungen sind zwar in den Wohlverhaltensregeln des § 31a WpHG nicht ausdrücklich vorgesehen. Sie sind aber zivilrechtlich prinzipiell anzuerkennen, weil es keinen einleuchtenden Grund gibt, den Kunden wider Willen in ein von ihm nicht gewünschtes Schutz- und Aufklärungssystem einzubinden. Da solche Umstufungsvereinbarungen der Schriftform bedürfen (§ 31a VI 2 WpHG), lässt sich die frühere Rechtsprechung zum konkludenten Verzicht (vgl. BGH WM 1999, 2300 (2303)) nicht länger aufrechterhalten.
76
Nach wie vor offen ist auch die Frage, ob ein vorformulierter Aufklärungsverzicht rechtswirksam in bankseitigen AGB vereinbart werden kann. Solche Verzichtsklauseln bergen nämlich die Gefahr, dass sich die Banken von der Haftung für fehlerhafte Aufklärung und Beratung umfassend freizeichnen, was einem verbotenen Haftungsausschluss im Sinne des § 309 Ziff. 7 BGB bedenklich nahekommt. Zu erwägen ist daher ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 I BGB. Zwar ist ein Leitbild des dispositiven Rechts, von dem im Sinne des § 307 II Ziff. 1 BGB abgewichen wird, nicht recht erkennbar, doch bietet sich an, die effektengeschäftliche Aufklärung und Beratung den grundsätzlich AGB-resistenten „Kardinalpflichten“ i.S.d. § 307 II Ziff. 2 BGB zuzuordnen (vgl. BGH ZIP 2000, 355; Kümpel, Rn. 16.522).
77
7. Interessenkonflikte. a) Überblick. Im Rahmen des Effektengeschäfts kommt es häufig zu Interessenkonflikten. Die Ursachen haben oft mit der marktlichen Multifunktionalität der teilnehmenden Universalbanken zu tun (Beispiel: Die Effektenbank bietet Aktien eines Emittenten an, dessen Kreditgeber sie ist). Die Wahrnehmung vorbereitender Informationspflichten kann durch solche Konflikte erschwert sein – etwa wenn es um Informationen geht, an deren Geheimhaltung ein von der Bank betreuter Dritter (beispielsweise der kreditnehmende Emittent) oder die Bank selbst ein Interesse hat.
78
b) Konfliktvermeidung. Aufsichtsrechtlich ist die Bank verpflichtet, sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und Kunden vor Ausführung des Geschäfts die allgemeine Art und Herkunft eines Interessenkonflikts eindeutig darzulegen, soweit die organisatorischen Vorkehrungen nach § 33 I Ziff. 3 WpHG nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden (§ 31 I Ziff. 2 WpHG). Bereits im Vorfeld hat die Bank die organisatorischen Vorkehrungen für eine Konfliktvermeidung zu treffen (vgl. § 33 I 2 Ziff. 3 WpHG i.V.m. § 13 WpDVerOV). Der Gesetzgeber hat die bisher einschlägigen Regelungen verschärft. An die Stelle der Geringhaltung im Rahmen des Möglichen ist eine echte Verpflichtung zur Vermeidung von Interessenkonflikten getreten. In Bezug auf die Bank selbst, ihre Mitarbeiter und verbundene Unternehmen gibt § 13 I WpDVerOV beispielhaft vor, welche Arten von Interessenkonflikten zu vermeiden sind. Nach § 13 II WpDVerOV sind die Institute verpflichtet, die internen Grundsätze der Konfliktvermeidung zumindest
79
Ekkenga/Bernau
1708
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
in der Form des § 3 I WpDVerOV niederzulegen. Diese müssen die identifizierten Interessenkonflikte mit Beeinträchtigungspotential für den Kunden beschreiben und geeignete Maßnahmen zu deren Bewältigung im Sinne des Schutzes der Kundeninteressen vorsehen. Art, Inhalt und Umfang der Dokumentationsverpflichtung kann sich aber nach der Größe des Instituts richten. § 13 III WpDVerOV konkretisiert einen Maßnahmenkatalog, den die Bank in ihren Grundsätzen zum Interessenkonfliktmanagement vorsehen und anwenden muss. Ziel soll die Unabhängigkeit der Mitarbeiter in Bezug auf interessenkonfliktträchtige Tätigkeiten sein. Bei Ungeeignetheit der jeweiligen Maßnahme hat die Bank alternative oder zusätzliche Vorkehrungen zu treffen. 80
Zur Konfliktvermeidung kann die getrennte Organisation der Eigen- und Kundengeschäfte, genauer: die Abwicklung einzelner Geschäftssparten in separaten, durch bankinterne Funktionentrennung (chinesische Mauern) gesicherten Abteilungen und getrennten Berichtslinien beitragen (vgl. § 13 III Ziff. 1 und 5 WpDVerOV). Erforderlich kann ferner eine unabhängige Vergütungsstruktur in Bezug auf konfliktträchtige Aufgabenbereiche sein sowie die Einrichtung getrennter Aufgabenbereiche und Überwachungsfunktionen (vgl. § 13 III Ziff. 2 und 4 WpDVerOV). Bankangestellte sollen insbesondere nicht in enger zeitlicher Abfolge verschiedene Aufgaben wahrnehmen, wenn dies mit einem ordnungsgemäßen Konfliktmanagement nicht vereinbar ist. Ein generelles Verbot eines bereichsüberschreitenden Informationsaustausches (sog. wallcrossing) gibt es aber zu recht nicht (vgl. die Entwurfsbegründung zur WpDVerOV, S. 20 f.). Die Offenlegung der konfliktbegründeten Tatsachen nach Maßgabe des § 31 I Ziff. 2 WpHG mit dem Ziel, dem Kunden die Abstandnahme vom avisierten Geschäft oder den Wechsel zu einem anderen Kreditinstitut zu ermöglichen, wird dem Schutzinteresse des Anlegers dagegen nicht vollauf gerecht (anders Assmann/Schneider-Koller, § 31 Rn. 42 ff.). Vielmehr sollte es dabei bleiben, dass es prinzipiell Sache der Bank ist, Anlagen mit Konfliktpotential nicht anzubieten, bzw. dass – soweit eine bankseitige Abstandnahme nicht realisierbar ist – dem Kundeninteresse uneingeschränkte Priorität einzuräumen ist.
81
c) Kollidierende Interessen Dritter. Im Verhältnis zu Nichtanlegern (z. B. Emittenten) kann die vorvertragliche Informationspflicht mit dem ebenfalls vertraglich verankerten Bankgeheimnis kollidieren. Grundsätzlich ist hier in Anlehnung an die typische Erwartungshaltung der Bankkundschaft vom Vorrang des Bankgeheimnisses auszugehen, es sei denn, diesem liegt ein rechtswidriger Tatbestand – z. B. der Insolvenzverschleppung – zugrunde. Keinesfalls kann die Bank dazu verpflichtet sein, den Kunden unter Verstoß gegen § 14 I Ziff. 2 WpHG über ihr bekannte Insidertatsachen zu informieren. Im Übrigen ist durch bankinterne Funktionentrennung möglichst Vorsorge dafür zu treffen, dass derartige Konflikte vermieden werden. Erscheint auch dies nicht Erfolg versprechend, so ist der Kunde über die Existenz des Konflikts und seine Hintergründe aufzuklären, soweit das ohne Vernachlässigung der Interessenbindung gegenüber dem Dritten möglich ist. Hat die Bank dem Kunden eine von ihr oder von einem mit ihr verbundenen Unternehmen erstellte Wertpapieranalyse zugänglich gemacht bzw. eine solche veröffentlicht, so trifft sie eine gesetzliche Aufklärungspflicht (§ 34b I 2 Ziff. 2 WpHG). Das gilt insbesondere dann, wenn die Bank am Emittenten zu mindestens 1 % beteiligt ist, die Emission als Konsortialbank begleitet hat oder vertraglich zur marktlichen Betreuung der neu emittierten Wertpapiere verpflichtet ist (im Einzelnen v. Kopp-Colomb, WM 2003, 609; s.a. die Bekanntmachung der BAFin v. 07.03.2003, abgedruckt in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kennz. 634b/1). Die Offenlegung darf jedoch nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen (vgl. Bekanntmachung der BAFin v. 11.03.2003 zu § 34b WpHG, Ziff. 4b).
82
d) Innenvergütungen. Geregelt ist nunmehr auch die Zulässigkeit und Offenlegung von Zuwendungen an Dritte oder von Dritten (sog. Inducements). Zuwendungen aller Art
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1709
einschließlich Gebühren, Provisionen, geldwerter Vorteile und immaterieller Leistungen von Dritten oder deren Gewährung an Dritte sind nur unter den engen Voraussetzungen des § 31d I 1 WpHG gestattet. Danach sind Zuwendungen der genannten Art stets nach Maßgabe von Ziff. 2 offenzulegen. Die von ihnen ausgehenden Zahlungsanreize müssen weiter auf eine Qualitätsverbesserung ausgelegt sein und dürfen nicht der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Bankkunden entgegenstehen (Ziff. 1; ausführlich dazu Rozok, BKR 2007, 217; Assmann, BKR, 2008, 21; siehe auch die hierzu erlassenen Empfehlungen des Committee of European Securities Regulators (CESR) vom Mai 2007, CESR/07-228b). Nach den Empfehlungen von CESR sind folgende Gesichtspunkte bei der Bestimmung der Zulässigkeit von Zuwendungen unter anderen von besonderer Bedeutung: (1) der für den Kunden zu erwartende Vorteil unter Berücksichtigung von dessen Art und Ausmaß sowie der mögliche eigene Vorteil; (2) ob es einen Anreiz für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen gibt, nicht im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln oder sein Verhalten zu ändern; (3) das Verhältnis von Zuwendungsempfänger und Zuwendenden (wobei allein die Tatsache der Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe nicht entscheidend ist); und (4) die Art der Zuwendung, die Voraussetzungen und Konditionen ihrer Fälligkeit. Im Rahmen der Anlageberatung und allgemeinen Empfehlungen (hierunter fällt bereits das Austeilen einer Werbebroschüre oder von vergleichbarem Marketingmaterial) besteht eine gesetzliche Vermutung für die verbesserte Qualität der Dienstleistung, wenn diese trotz der Zahlung unvoreingenommen erfolgt, § 31d IV WpHG. Grundsätzlich muss die Bank über die bestehende Aufsichtspraxis hinaus seine Kunden nicht nur über die Existenz einer Zuwendung aufklären, sondern auch deren Art und Umfang konkret und detailliert offen legen (vgl. die Begründung zum Gesetzesentenentwurf des FRUG, BT-Drucks. 16/4028 S. 42). Nach der Neuregelung in § 31d I WpHG dürften Rückvergütungen und Retrozessionen (sog. Kick-back-Vereinbarungen) grundsätzlich unzulässig sein (für deren Unzulässigkeit trotz Offenlegung bereits BGH WM 2004, 1768 (1771); a.A. OLG München WM 2005, 647 (649), für den Fall der vorherigen Aufklärung), es sei denn, sie lassen (ausnahmsweise) eine Verbesserung der Leistungsqualität im Interesse des Kunden erwarten (vgl. auch Duve/Keller, BB 2006, 2477 (2485); Kumpan/Hellgardt, DB 2006, 1714 (1719)). Problematisch sind insbesondere solche Provisionen, die der Emittent oder Anbieter des Wertpapiers dem Vertriebsmittler anlässlich des Erreichens eines vorher festgelegten Mindestvolumens zahlt. Hier potenziert sich die Gefahr, dass die Wertpapierdienstleistung nicht mehr im bestmöglichen Interesse des Kunden, sondern vorwiegend zwecks Provisionserwerb durchgeführt wird (so die Vermutung von CESR, CESR/07228b, Beispiel VIII; ausführliche Problemanalyse bei Mülbert WM 2007, 1149 ff.). Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass der offensichtlich bestehende Interessenkonflikt durch entsprechende organisatorische Maßnahmen auf der Ebene des Vertriebsmittlers ausgeschaltet wird (z.B. durch die Unterbindung entsprechender Anweisungen oder Versprechen persönlicher Bonifikationen an die Mitarbeiter). Die praktische Überprüfbarkeit ist hier allerdings fraglich.
83
§ 31d I 2 WpHG legalisiert Zuwendungen, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen von einem Dritten, der dazu von dem Kunden beauftragt worden ist, annimmt oder sie einem solchen Dritten gewährt. Hier stellt sich in der Praxis häufig das Problem, welche rechtliche Qualität die Beauftragung durch den Kunden haben muss, damit die Ausnahmevorschrift greift. Grundsätzlich sind der Annahme einer kundenseitigen Zahlungsanweisung enge Grenzen gesetzt. CESR verlangt in seinen Empfehlungen (Empfehlung Nr. 1), dass der Kunde sich zumindest über die Tatsache der Zahlung in seinem Auftrage bewusst sein muss, so wenn er eine gesonderte und konkrete Zahlungsanwei-
84
Ekkenga/Bernau
1710
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
sung tätigt oder einen dahingehenden Geschäftsbesorgungsvertrag abschließt. Es sollte daher auch möglich sein, dass der Kunde das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen einer Einverständniserklärung anweist, Zahlungen von Dritten entgegenzunehmen. Ob der Kunde darüber hinaus unter Einschaltung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (als Bote oder Stellvertreter) den Dritten zur Zahlung anweisen muss, ist zweifelhaft. Eine schlüssige Einwilligung des Kunden genügt keinesfalls. Unklar ist auch, ob der Produktemittent selbst bevollmächtigter Dritter in diesem Sinne sein kann (skeptisch Rozok, BKR, 2007, 217). Entgegen seiner ersten öffentlichen Konsultation (CESR/06-687 – Dezember 2006) hat CESR in der Empfehlung vom Mai 2007 zumindest davon abgesehen, nur solche Fälle unter die Bereichsausnahme zu fassen, in denen kein vertragliches Verhältnis zwischen Dritten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen besteht. 85
Eine von der aufsichtsrechtlichen Zulässigkeit des gewählten Lösungsansatzes zu unterscheidende Frage ist, ob das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die erhaltenen Zuwendungen zivilrechtlich behalten darf. Diese Frage dürfte unabhängig von der aufsichtsrechtlichen Einordnung als Zuwendung zu beurteilen sein, da das Aufsichtsrecht nach bisherigem Verständnis die Frage des Behaltendürfens nicht regelt (Schäfer, WM 2007, 1872, 1878). Rechtswidrig erlangte Zuwendungen wie Schmiergelder oder (Rück-) Vergütungen, die eine Qualitätsverbesserung der Wertpapierdienstleistung entgegen § 31d I S. 1 Ziff. 1 WpHG nicht erwarten lassen, sind nach § 384 II HGB an den Kunden herauszugeben (a.A. Hadding, ZIP 2008, 529, 538 für den Fall, dass die Innenvergütung immerhin offengelegt wurde; wohl auch Assmann, ZBB 2008, 21, 31) – es sei denn, der Kunde beruft sich auf einen Aufklärungsmangel und berechnet seinen Schadensersatz nach dem negativen Interesse. Derartige Ansprüche schließen eine Haftung der Bank auf Herausgabe des Erlangten aus (Mülbert, ZHR 172 (2008), 170, 203 f. Anlageberatung). Konfliktrelevante Zuwendungen wie Innenprovisionen und Kick-Backs, die (ausnahmsweise, s. Rn. 83) durch § 31d I WpHG legalisiert sind, darf die Bank dagegen behalten, denn das Vertragsrecht kann sich in einer derart zentralen Frage nicht mit dem Aufsichtsrecht in Widerspruch setzen (im Ergebnis wie hier, aber mit z.T. abweichender Begründung Assmann, ZBB 2008, 21, 31; Hadding, ZIP 2008, 529, 537).
86
III. Haftungsfolgen. 1. Schaden. Die Bank hat dem Anleger den entstandenen Vertrauensschaden zu ersetzen. Ersatzfähig ist jeder Vermögensnachteil, den der Kunde im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Aufklärung erfahren hat. Im Falle einer interessenwidrigen Kaufs- oder Verkaufsempfehlung ist der Anleger gem. § 249 I BGB so zu stellen, wie er stünde, wenn er das Effektengeschäft nicht abgeschlossen hätte, sog. negatives Interesse (OLG Düsseldorf WM 1997, 562 (565)). Führt die unsachgemäße Aufklärung dazu, dass der Geschädigte ein Effektengeschäft nicht abschließt, richtet sich die Haftungsfolge auf das positive Interesse, d. h. ihm sind die entgangenen Vorteile aus der Wertsteigerung und/oder Liquidation zu erstatten.
87
Der Haftungsumfang umfasst zunächst die real eingetretenen Vermögensnachteile. Ersatzfähig sind ferner die mit dem Erwerb der Effekten verbundenen Aufwendungen in Gestalt der Bankspesen und Provisionen für das Kommissionsgeschäft und die depotgeschäftliche Verwahrung sowie gegebenenfalls die Kosten einer Fremdfinanzierung (BGH WM 1990, 145 (148); BGHZ 115, 214 (221)). Nach Maßgabe von § 252 BGB kann der Anleger weiter Ersatz für nachweislich verpasste Vermögensvorteile aus einer Alternativanlage verlangen (BGH WM 2002, 1177; BGH NZG 2002, 682). Zu diesem Zweck muss er diejenigen Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung auch die Darlegungslast mindert, sind hierbei keine zu strengen Anfor-
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1711
derungen zu stellen (BGH WM 2002, 909 (910) = EWiR 2002 § 252 BGB 1/02, 655, mit Anm. Graf). Bei einer fehlerhaften Kapitalanlage infolge der Verletzung von Aufklärungspflichten spricht bereits die Vermutung dafür, dass der Anleger sein Kapital anderweitig investiert hätte (vgl. BGH NJW 1992, 1223 (1224); s. a. Anm. von Graf, EWiR 2002 § 252 BGB 1/02, 655 (656)). Zur Darlegung eines Zinsschadens genügt bereits der Vortrag des Anlegers, er hätte während des Zeitraums die investierten Eigenmittel zum marktüblichen Zinssatz angelegt (BGH WM 1992, 143 (144); BGH WM 1983, 1387 (1388 ff.); Einzelheiten insbesondere zum ersatzfähigen Zinssatz bei MünchKommHGBEkkenga, Effektengeschäft, Rn. 409 f.). Verlangt der Geschädigte Ersatz des positiven Interesses, so kann er Naturalrestitution durch Abschluss des ausgebliebenen Effektengeschäfts zu den ursprünglichen Konditionen oder, wenn er an dem Geschäft kein Interesse mehr hat, Kompensation in Geld verlangen (BGH NJW 1994, 2570 (2571); BGH WM 2002, 1502 f.). Richtet sich sein Begehren dagegen auf Ausgleich des negativen Interesses, so hat er die Wahl, die zu Unrecht empfohlenen Finanztitel selbst zu veräußern und Geldersatz in Höhe des Wertverlusts zu fordern oder Rückabwicklung durch Erstattung des Kaufpreises und der sonstigen Aufwendungen Zug um Zug gegen Rückübertragung des Finanztitels zu verlangen (BGH ZIP 2007, 518, 520 m.Anm. Lang/Balzer = BB 2007, 904 m.Anm. Elixmann = BKR 2007, 160 m. Anm. Schäfer/Schäfer). Die durch die mangelhafte Aufklärung erlangten Vorteile muss sich der Geschädigte grundsätzlich anrechnen lassen (BGHZ 74, 103, (113 ff.); BGH WM 1990 145 (148) (zu Steuersparmodellen)).
88
2. Zurechnung. Die Bank haftet für alle Schäden, die bei pflichtmäßiger Aufklärung nicht eingetreten wären (OLG Frankfurt WM 1997, 2164 (2166); BGH WM 1991, 316 (317)). Dies gilt auch für Folgegeschäfte, wenn die ursprüngliche Fehlinformation fortwirkt oder das Folgegeschäft ohne das Erstgeschäft unterblieben wäre (BGH WM 1993, 1457 (1458); BGH BKR 2002, 645 f.). Die Verletzung der Aufklärungspflicht führt zur Kausalitätsvermutung mit der Folge, dass die Bank die Darlegungs- und Beweislast zur Widerlegung des Verursachungszusammenhangs trifft (BGHZ 124, 151 (159 ff.); BGH WM 1997, 811 (813); OLG Braunschweig WM 1998, 375 (377)).
89
3. Mitverschulden. Ein anspruchsverkürzendes Mitverschulden des Kunden an der Schadensverursachung (§ 254 I BGB) kommt bei der Verletzung von Aufklärungspflichten grundsätzlich nicht in Betracht (BGH NJW 1982, 1095 (1069); BGH NJW 1997, 2238 (2239); OLG Köln WM 2003, 338 (342)). Besitzt jedoch der (Privat-)Kunde Fachkenntnisse, die ein Angehöriger seiner Kundenklasse typischerweise nicht besitzt, so kann dies ausnahmsweise eine Anspruchskürzung rechtfertigen (MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 421). Den Kunden kann darüberhinaus gem. § 254 II BGB eine Schadensminderungspflicht treffen. Angesichts des ihm zustehenden Wahlrechts beim Ersatz des negativen Interesses ist zwar eine Pflicht zum Verkauf der Finanztitel bei fallenden Kursen abzulehnen. Auch wird man dem Anleger, wenn er Ersatz des positiven Interesses verlangt, einen Deckungskauf insbesondere durch eigene Kreditaufnahme (vgl. BGH WM 2002, 909 (910) = EWiR 2002 § 252 BGB 1/02 mit Anm. Graf) selbst bei stark ansteigenden Kursen in der Regel nicht zumuten können (im Ergebnis zustimmend BGH ZIP, 2001, 1624 (1625 f.); BGH WM 2002, 1502 (1503) = LM Nr. 23 zu § 249 (Fb) BGB mit Anm. Ekkenga = EWiR § 383 HGB 1/02, 955, mit Anm. Schäfer; a. A. Balzer EWiR § 325 BGB 2/00, 759; OLG Schleswig WM 2002, 2103 (2104)), zumal dies aufgrund unvorhergesehener Kursschwankungen zu einem zusätzlichen Vermögensnachteil führen könnte. Zu verlangen ist jedoch, dass der Geschädigte der Bank durch eine entsprechende Mitteilung oder unverzügliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruches die Gelegenheit einräumt, selbst Maßnahmen – z. B. Deckungskäufe – zur Minderung des Scha-
90
Ekkenga/Bernau
1712
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
dens zu ergreifen (so auch BGH ZIP 2001, 1624 (1625 f.); Rothenhöfer, WM 2003, 2032, 2037; kritisch Fleischer/Kalss, AG 2002, 329, 335 f.). 91
4. Verjährung. Nach § 37a WpHG verjähren alle Ansprüche des Kunden eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens innerhalb von drei Jahren ab Entstehung des Anspruchs unabhängig von der Kenntnis des Schadens. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der auf die fehlerhafte Informationsleistung folgende bzw. ausbleibende Abschluss des Effektengeschäftes (BGH WM 2005, 929; LG Düsseldorf WM 2006, 1386 (1387 f.)). Bei fahrlässiger Pflichtverletzung umfasst § 37a WpHG sämtliche konkurrierenden Ansprüche (BGH WM 2005, 929; LG Düsseldorf WM 2006, 1386 (1388); Assmann/Schneider-Koller, § 37a Rn. 6; a.A. Roller/Hackenberg, ZBB 2004, 227 (235 f.)). Nur in Zusammenhang mit einer vorsätzlichen Schädigung – z. B. i. S. v. §§ 826, 823 II BGB i. V. m. §§ 263, 264a StGB – gilt die reguläre Verjährungsfrist nach §§ 195 ff. BGB (BGH ZIP 2005, 802 (804); Assmann/Schneider-Koller, § 37a Rn. 6). Gem. § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist ebenfalls drei Jahre; sie beginnt nach § 199 I BGB am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von Anspruch und Anspruchsgegner hat. Für Schadensersatzansprüche gilt jedoch gem. § 199 III BGB eine kenntnisunabhängige Verjährungshöchstfrist von 10 Jahren seit Entstehung bzw. von 30 Jahren nach Begehung der schadensauslösenden Handlung.
92
D. Ausführung und Abwicklung I. Hauptleistungspflichten der Bank. 1. Kommissionsgeschäft. Als Kommissionärin ist die Bank primär verpflichtet, sich um die Ausführung des Kundenauftrages für Rechnung des Kunden, d. h. um das Zustandekommen eines der Order inhaltlich entsprechenden Ausführungsgeschäftes sowie die Wahrnehmung einer günstigen Abschlussgelegenheit zu bemühen. Kommt das Ausführungsgeschäft zustande, trifft die Bank weiter die Pflicht zu dessen Abwicklung (Erwerb oder Lieferung der georderten Stücke gegen Zahlung und Herausgabe des Erlangten an den Kunden gem. § 384 II HGB, § 667 BGB). Bei der Abwicklung der Einkaufskommission sind die Spezialregelungen der §§ 18 ff. DepG zu beachten (MünchKommHGB-Einsele, Depotgeschäft, Rn. 92 ff.). Kaufvertragliche Liefer- bzw. Zahlungspflichten hat die Bank nur im Falle eines Haftungs- oder Selbsteintritts zu erfüllen (vgl. zu den kommissionsrechtlichen Pflichten der Bank auch Kümpel/ Hammen/Ekkenga, Kennz. 220 S. 31 ff.).
93
2. Eigenhändler- und Festpreisgeschäft. Beim Eigenhändler- und Festpreisgeschäft umfasst die Hauptleistungspflicht die Ausführungspflicht der Bank sowie die kaufvertragliche Leistungspflicht. Anders als beim Kommissionsgeschäft handelt es sich hierbei um eine Geschäftsbesorgung mit werkvertraglichem Charakter, so dass die Herbeiführung eines Abschlusserfolges geschuldet wird. Im Fall eines Verkaufgeschäftes werden die kaufvertraglichen Pflichten zur Übertragung des Eigentums und des Besitzes an den Finanztitel durch die §§ 18 ff. i. V. m. § 31 DepG modifiziert (Einzelheiten bei MünchKommHGB-Einsele, Depotgeschäft, Rn. 91 ff., 183 ff.).
94
II. Modalitäten der Ausführung. 1. Interessenwahrung und bestmögliche Ausführung. Die Bank hat das Kommissionsgeschäft gem. § 384 I HGB im Interesse des Effektenkunden auszuführen. Im Einklang hiermit normiert § 31 I Ziff. 1 WpHG die grundsätzliche Verhaltenspflicht, Wertpapierdienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse des Kunden zu erbringen. Als Ausprägung dieser allgemeinen Verhaltenspflicht gilt das Gebot der bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen, für dessen Einhaltung die Bank nach näherer Maßgabe der aufsichtrechtlichen Wohlverhaltensregeln (§§ 33a WpHG i.V.m. § 11 WpDVerOV) verantwortlich ist. Wie die Entwurfsbegründung zum FRUG hervorhebt, darf die Verpflich-
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1713
tung zur bestmöglichen Ausführung nicht dahin missverstanden werden, dass für jeden einzelnen Kunden das für ihn optimale Ergebnis tatsächlich erzielt werden muss, denn die Bank schuldet nur das Bemühen um Erfolg, nicht den Erfolg selbst. Die Bank erfüllt ihre Verpflichtung vielmehr durch die Schaffung der nach § 33a I WpHG vorgeschriebenen organisatorischen Voraussetzungen, mithin durch die Erstellung ordnungsgemäßer Ausführungsrichtlinien und durch die Kontrolle ihrer Einhaltung (Bauer, in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, 2007, Rn. 709; Gomber/Hirschberg, AG 2006, 777, 782). „Bestmögliche Ausführung“ meint demnach keinen individuellen, sondern einen ganzheitlichen, auf die Bedienung aller Kunden bezogenen Qualitätsmaßstab (Begr. RegE BTDr. 16/4028, S. 55 unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 66 zur EU-Durchführungsrichtlinie 2006/73/EG). Das Gebot bestmöglicher Ausführung erstreckt sich auf alle Kundenklassen. Die Ausnahmeklausel des § 31b I S. 1 WpHG darf nicht etwa dahin missverstanden werden, dass die Interessenbindung der Bank gegenüber fachkundigen Anlegern wie Geeigneten Gegenparteien aufgehoben sei (so aber offenbar Spindler/Kasten, WM 2006, 1797, 1798; Irmen, in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, 2007, RdNr. 775). 2. Weisungsbindung. Als Kommissionärin hat die Bank die Weisungen des Kunden als Kommittenten zu beachten (§ 384 I HGB). Die Einholung einer solchen Weisung liegt auch im eigenen Interesse der Bank, weil mit der weisungsgemäßen Ausführung nach § 33a IV WpHG feststeht, dass dem Gebot der bestmöglichen Ausführung genügt ist, ohne dass es in einem solchen Fall auf den Inhalt der hauseigenen Ausführungsgrundsätze (Rn. 95 f.) ankommt. Diese gesetzliche Klarstellung hat besondere Bedeutung für das Online-Brokerage, das von vornherein nur im Regiebetrieb funktioniert. Privatkunden sind auf mögliche Abweichungen von den bankseitigen Vorstellungen einer „Best Execution“ vor Einholung der Weisung „ausdrücklich“ hinzuweisen (§ 33a VI Ziff. 2 WpHG). Obwohl § 33a IV WpHG keine Öffnungsklausel für Ausnahmefälle enthält, dürfte allerdings weiterhin daran festzuhalten sein, dass die Bank aus gegebenem Anlass von einer Kundenweisung abweichen darf und muss (vgl. § 385 II HGB, § 665 BGB), wenn der Kunde bei Kenntnis der veränderten Umstände die Abweichung mutmaßlich billigen würde und ein Aufschub der Ausführung den Geschäftserfolg gefährden würde (Kümpel, Rn. 10.174; vgl. auch LG Düsseldorf WM 1993, 1244 (1245)).
95
3. Selbstbindung an die hauseigenen Ausführungsgrundsätze. Der Massencharakter des Wertpapiergeschäfts bringt es mit sich, dass die Bank viele Einzelentscheidungen selbst – also ohne vorherige Weisung des Kunden – treffen muss. Zu diesem Zweck hat sie gem. § 33a I WpHG eine hausinterne „Best Execution Policy“ festzulegen, d.h. die Bank erstellt ihre hauseigenen Ausführungsgrundsätze, die sie der weiteren Abwicklung zugrundelegt, nachdem sie den Kunden über den Inhalt informiert und seine diesbezügliche Zustimmung eingeholt hat (§ 33a VI Ziff. 1 WpHG). Die Ausführungsgrundsätze sind mindestens einmal jährlich auf ihre Zweckdienlichkeit – bestmögliche Wahrung der Kundeninteressen – zu überprüfen (§ 33a I Ziff. 1 WpHG). Es gilt der Grundsatz der Selbstbindung, d.h. die Bank muss die Qualität ihrer Dienstleistung an ihren Ausführungsgrundsätzen messen lassen, was dem Kunden in Ziff. 2 der SBW obendrein vertraglich zugesichert ist. Die Bank muss die Befolgung ihrer Grundsätze im Rahmen der täglichen Operative ständig überwachen (§ 33a I Ziff. 2 WpHG). Außerdem muss die Bank in der Lage sein, dem Kunden auf Anfrage darzulegen, dass die konkrete Ausführung den ordnungsgemäß aufgestellten Grundsätzen entspricht (§ 33a VII WpHG).
96
Entgegen der bisherigen Rechtslage sind daher wesentliche Modalitäten der Auftragsausführung, wie Ort und Art der Ausführung, Handelsart und Börsenplatz, börsliche oder außerbörsliche Ausführung nicht mehr in den SBW oder in den Leitlinien des dispositiven Vertragsrechts festgelegt, sondern unterliegen der flexibleren und individuelleren kon-
97
Ekkenga/Bernau
1714
98
99
100
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
kreten Ausgestaltung der Ausführungspolitik der jeweiligen Bank. Das Selbstbindungsprinzip des § 33a I WpHG hat damit nicht nur Verpflichtungscharakter, sondern gewährt der Bank vor allem auch ein in seiner praktischen Bedeutung nicht zu unterschätzendes, nur eingeschränkt justiziables Gestaltungsprivileg über die Bestimmung des „Wie“ der Ausführung. Die Grenzen dieses Ermessens ergeben sich § 33a I i.V.m. II WpHG, wonach die Bank bei der Ausführung von Aufträgen unter Berücksichtigung des Kurses, der Kosten, der Geschwindigkeit, der Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Abwicklung, des Umfangs sowie aller weiteren für die Ausführung relevanten Kriterien versuchen muss, für den Kunden das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Führt die Bank den Auftrag eines Privatkunden aus, muss sie zudem sicherstellen, dass sich das bestmögliche Ergebnis am Gesamtentgelt orientiert. Zu diesem zählen Gebühren und Entgelte des Ausführungsplatzes, Kosten für Clearing und Abwicklung sowie alle sonstigen Vergütungen Dritter, § 11 II WpDVerOV. Keine Berücksichtung finden hingegen die bankinternen Kosten, d.h. die eigenen Gebühren und Provisionen (zur Vermeidung eines „race to the bottom“). 4. Besonderheiten beim Eigenhändler- und Festpreisgeschäft. Die das Kommissionsgeschäft prägende Weisungsbefugnis des Kunden entfällt beim Eigenhändler- und Festpreisgeschäft. Die Interessenwahrungspflicht der Bank hingegen bleibt hiervon unberührt; sie folgt aus der geschäftsbesorgungsrechtlichen Komponente des Vertrages. Aufsichtsrechtlich ist die bestmögliche Wahrung des Kundeninteresses durch § 33a II WpHG gesichert. So besteht die Pflicht zur bestmöglichen Auftragsausführung unabhängig von der jeweiligen Ausführungsart und damit für Eigenhändler- und Festpreisgeschäft gleichermaßen. Da die Konditionen beim Festpreisgeschäft naturgemäß vorbestimmt sind, bedeutet best-execution hier, dass die Konditionen der Marktlage entsprechen müssen (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf des FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54 f.). Nur bei der Aus- und Rückgabe von Anteilen an Sondervermögen und Investmentanteilen gilt die Best Execution Policy nicht, weil § 36 Investmentgesetz als lex specialis vorgeht (Bauer, in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, 2007, Rn. 716). 5. Ort und Art der Ausführung. Die Grundsätze zur Auftragsausführung müssen auch darüber aufklären, welche Handelsplätze sich für einen bestimmten Kapitalmarkttitel eignen und wo die Bank die bestmöglichen Ergebnisse erzielen kann (§ 33a V 1 WpHG). Ausführungsplätze im Sinne des § 33a V WpHG meint die organisierten Märkte, multilaterale Handelssysteme, systematische Internalisierer, Marketmaker und sonstige Liquiditätsgeber sowie vergleichbare Einrichtungen in Drittstaaten, § 11 I WpDVerOV. Wird die Bank im Kommissionsgeschäft tätig, so obliegt es primär dem Kunden, über Ort und Art der Ausführung zu entscheiden. Die Wahl des Ausführungsortes meint die Bestimmung des Handelsplatzes (In- oder Ausland, börslicher oder außerbörslicher Handel, bei börslicher Ausführung die jeweilige Börse) und des Marktsegmentes (regulierter Markt oder Freiverkehr). Die Ausführungsart bezieht sich auf die dabei zu wählende Handelsart (Präsenzhandel oder elektronischer Handel, Methode der Preisfindung). a) In- oder Ausland. Die Frage nach einer Ausführung im In- oder Ausland richtet sich bei fehlender Weisung nach Ziff. 11-13 SBW. Nach Ziff. 11 SBW bildet die Ausführung im Inland den Regelfall. Die Entscheidung hängt davon ab, ob es sich um Wertpapiere inländischer oder ausländischer Emittenten handelt. Bei inländischen Wertpapieren ist das Geschäft im Inland auszuführen. Werden sie nicht an einer inländischen Börse gehandelt, schafft die Bank die Wertpapiere im Ausland an. Handelt es sich bei den auftragsgegenständlichen Effekten um ausländische Papiere, die im Inland börslich oder außerbörslich gehandelt werden, ist die Order im Inland durchzuführen, es sei denn, die Wertpapiere werden üblicherweise im Ausland beschafft.
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1715
b) Börslicher oder außerbörslicher Handel. Mangels Weisung des Auftraggebers stehen prinzipiell der börsliche Kauf oder Verkauf und die Ausführung über ein multilaterales Handelssystem (zu diesem s. Rn. 21 f.) zur Auswahl. Die Benutzung anderer Handelsplattformen ist der Bank nur gestattet, wenn sie die ausdrückliche Einwilligung des Kunden eingeholt hat (§ 33a V 2 WpHG). Damit ist der früher in § 22 I BörsG a.F. geregelte sog. Börsenzwang abgeschwächt, aber nicht vollständig eliminiert. § 33a V 2 WpHG verpflichtet die Bank darüber hinaus zur Prüfung, ob nicht die Ausführung außerhalb einer Börse oder eines multilateralen Handelssystems für den Kunden günstiger ist; gelangt sie zu einem positiven Ergebnis, muss sie ihn darauf hinweisen. Angesprochen sind hier vor allem Dienstleistungen, die die Bank als systematischer Internalisierer erbringen kann.
101
c) Inlandsbörsen. Bei der Auswahl unter den verschiedenen Inlandsbörsen hat die Bank sich grundsätzlich nach den Weisungen des Kunden zu richten (§ 33a VI Ziff. 2 WpHG). Andernfalls entscheidet die Bank unter Wahrung der Interessen des Kunden. In der Regel kann sie sich hierbei nach standardisierten Auswahlkriterien richten und den Auftrag an der üblichen oder der nächstgelegenen Börse ausführen. Deuten Anhaltspunkte jedoch auf einen für den Kunden günstigeren Ausführungsort hin, ist dieser zu wählen (a. A. Kümpel, Rn. 10.114 ff.).
102
d) Marktsegmente. Ist ein Wertpapier an der einen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen, an der anderen hingegen in den Freiverkehr einbezogen, so scheidet die Alternative Freiverkehr nicht als von vornherein nachrangig aus. Vielmehr gilt der der Freiverkehr, der gem. § 24 I 2 BörsG Börsenpreise generiert, in der Fachwelt als gleichwertige Marktveranstaltung (Kümpel, Rn. 10.162; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 3.59). Dass sich der Gesetzgeber entgegen ursprünglicher Absicht nicht dazu durchringen konnte, den Betrieb des Freiverkehrs durch das FRUG dem börslichen Handel zuzuordnen, fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. § 33a V S. 2 WpHG ist deshalb teleologisch zu reduzieren mit der Folge, dass die Auftragsdurchführung über den Freiverkehr keinem Weisungsvorbehalt unterliegt (ebenso schon zum alten Recht Kümpel, Rn. 17.639).
103
e) Präsenzhandel oder elektronischer Handel. Der vormals geltende Vorrang des Präsenzhandels (Parketthandel) gegenüber dem elektronischen Börsenhandel wurde bereits durch das 4. FMFG abgeschafft (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Änderung BVerfG NZG 2002, 1028). Die Gleichwertigkeit der beiden Handelsarten war in § 25 1 BörsG a.F. verankert. Danach erfolgte die Kursermittlung entweder elektronisch durch ein Computersystem oder einen Skontroführer. Selbst diese Unterscheidung gilt mittlerweile als überholt, da reine „Präsenzbörsen“ in Deutschland nicht mehr existieren. Die jeweilige Handelsart – elektronischer Handel oder Parketthandel – ist nunmehr im Rahmen der Ausführungsgrundsätze festzulegen. Eine Ausführung im elektronischen Handel wird sich oftmals aufgrund der Kostenvorteile und der schnelleren Abwicklung anbieten. Andererseits wird die Leistungsfähigkeit des Präsenzhandels heute wieder deutlich höher eingeschätzt als vor einigen Jahren (näher MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 461 f.).
104
f) Preisfindung. Das Effektengeschäft im Präsenzhandel kann entweder zum Einheitskurs oder im Handel mit fortlaufender Notierung ausgeführt werden. Der Einheitskurs – auch Kassakurs – beschreibt den Kurs, zu dem die meisten Aufträge unter maximaler zeitlicher Konzentration der Liquidität erledigt werden können (Meistausführungsprinzip), wobei die Feststellung des Kurses gegen Mitte der Börsenversammlung erfolgt. Der fortlaufende Handel wird hingegen mit dem Eröffnungskurs eingeleitet (vgl. Kümpel,
105
Ekkenga/Bernau
1716
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Rn. 10.161 ff.); er erlaubt eine schnellere Abwicklung und wird sowohl im Parketthandel als auch im elektronischen Handel dem Interesse des Kunden grundsätzlich besser gerecht. Eine Ausführung im Einheitskursverfahren bietet sich aber dann an, wenn das Risiko einer verzögerungsbedingten nachteiligen Kursabweichung gering ist. 106
6. Preis des Ausführungsgeschäftes. Kommissionsaufträge sind unter Berücksichtigung von Preis und Transaktionskosten für den Kunden möglichst vorteilhaft auszuführen. An diesbezüglich erteilte Weisungen des Kunden – z. B. ein Preislimit – ist die Bank grundsätzlich gebunden. Andernfalls ist sie gehalten, die Order nach den Börsenusancen bei jedem zustande gekommenen Kurs (bestens) durchzuführen.
107
Im Festpreis- und Eigenhändlergeschäft wird der Preis zwischen den Parteien ausgehandelt bzw. einseitig von der Bank bestimmt (vgl. Ziff. 1 (3) SBW). Gleichwohl darf sich die Bank dabei nicht allein von ihren eigenen Interessen leiten lassen. Vielmehr hat sie sich nach billigem Ermessen an der aktuellen Marktlage, den Durchschnittskursen des Abschlusstages sowie den Konditionen des Deckungsgeschäftes zu orientieren. Auch hier gilt das Gebot der bestmöglichen Ausführung (vgl. Rn. 94 ff.)
108
7. Zeitpunkt der Ausführung. Die Effektenkommission steht unter dem Gebot der schnellstmöglichen Erledigung, es sei denn, das Kundeninteresse lässt eine spätere Ausführung zu (vgl. die Begründung der Kommission zum MiFID-Entwurf, Kom (2002) 625 endg. S. 32). Zeitlich nachfolgende Aufträge dürfen nicht vorgezogen werden. Die Bank ist zudem verpflichtet, durch organisatorische Vorkehrungen – insbesondere die Nutzung modernster Kommunikationstechnologien – die betrieblichen Voraussetzungen für eine unverzügliche Ausführung zu schaffen (§ 31c I Ziff. 1 WpHG). Anbieter von OnlineTrading-Diensten sind gehalten, die technischen Voraussetzungen für eine reibungslose Abwicklung zu schaffen. Der Online- oder Discount-Broker haftet auf Schadensersatz, wenn er versäumt hat, die Leistungskapazität seines Systems der Nachfrage anzupassen und der Kunde seine Orders deshalb nicht rechtzeitig umsetzen kann (OLG Nürnberg ZIP 2004, 846, 847 = EWiR § 675 BGB 9/04, 643 m. Anm. Lang). Preislimitierungen können dazu führen, dass die Ausführbarkeit des Auftrages bzw. die Ausführungsgeschwindigkeit leidet bzw. dass – wie es in § 31c II WpHG heißt – der Auftrag nicht „unverzüglich“ ausgeführt werden kann (S. 1). Die Bank unterliegt daraufhin einer besonderen Bekanntmachungspflicht: Sie muss diese Aufträge – sofern nicht schon geschehen – „unverzüglich“ an einen organisierten Markt oder ein Multilaterales Handelssystem weiterleiten (S. 2) oder sie auf sonstige Weise so publizieren, dass sie anderen Marktteilnehmern leicht zugänglich sind (S. 1). Der Kunde kann dies durch Erteilung einer Gegenweisung verhindern (S. 1).
109
Die zeitnahe Einstellung der Order in das Orderbuch wird beim elektronischen Börsenhandel durch das standortunabhängige Xetra-Handelssystem und im Präsenzhandel durch das Order-Routing-System Xontro (vormals BOSS) gewährleistet. Kommt ein Geschäft aufgrund technischer Unzulänglichkeiten oder schuldhaften Fehlverhaltens des Bankangestellten verspätet oder verzögerungsbedingt überhaupt nicht zustande, haftet die Bank dem Kunden nach Maßgabe von § 280 BGB auf Schadensersatz (BGH WM 2002, 1502 (1503) = LM § 249 (Fb) BGB Nr. 23 mit Anm. Ekkenga = EWiR § 383 HGB 1/02, 955, mit Anm. Schäfer; LG Nürnberg Fürth BB 2000, 792 (793)). Haftungsgrund ist Verzögerung oder Unmöglichkeit, je nachdem, ob die Ausführung nachholbar ist (Ekkenga, LM § 249 (Fb) BGB Nr. 23).
110
8. Zusammenlegung von Aufträgen. Trotz des Gebots der chronologischen Bearbeitung von Kundenaufträgen ist es der Bank gestattet, Kundenaufträge zusammenzulegen, § 31c I Ziff. 4 WpHG. Sie muss allerdings sicherstellen, dass möglichst keine Benachteiligungs-
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1717
effekte auftreten und dass jeder betroffene Kunde rechtzeitig über die Möglichkeit einer Nachteilhaftigkeit, etwa aufgrund verlangsamter Ausführungsgeschwindigkeit oder verminderter Ausführungswahrscheinlichkeit, informiert wird, § 10 I Ziff. 1-3 WpDVerOV. Organisatorisch hat die Bank entsprechende Ausführungsgrundsätze aufzustellen und bei jeder Teilausführung zu befolgen, § 10 I Ziff. 3 und 4 WpDVerOV. Zulässig ist auch die Zusammenführung von Kundenaufträgen mit eigenen Aufträgen. Grundsätzlich sind aber nach § 10 II 1 Ziff. 2 WpDVerOV Kundenaufträge gegenüber den Eigengeschäften zu bevorzugen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Kombination von Kundenaufträgen und Eigengeschäften für den Kunden besondere Vorteile bringt oder die Ausführung seines Auftrags überhaupt erst ermöglicht. Dann steht eine proportionale Anrechnung der Eigengeschäfte im Einklang mit dem Kundeninteresse, wenn die bankinternen Grundsätzen Vorkehrungen enthalten, die eine Benachteiligung der Kunden wirksam verhindern.
111
9. Einschaltung eines Zwischenkommissionärs. Gem. Ziff. 1 (2) SBW steht es im Ermessen der Bank, die Ausführung des Auftrages an einen Zwischenkommissionär weiterzuleiten. Die vorformulierte Einräumung des Substitutionsrechts ist jedoch AGBrechtlich nicht frei von Bedenken. Sie implementiert eine Haftungsbegrenzung der Bank auf das Auswahlverschulden (vgl. § 664 I 2 BGB), die eine Schlechterstellung des Kunden in Bezug auf die Durchsetzbarkeit seiner Rechte zur Folge haben kann, und begründet daher die Regelvermutung einer unangemessenen Benachteiligung gem. § 307 I 1 BGB. Möchte die Bank sich vom Verschulden des Zwischenkommissionärs freizeichnen, muss sie also die Substitution im Einzelfall aushandeln. Zwar geben die neuen Wohlverhaltensregeln nunmehr ihrerseits zu erkennen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich bereit ist, die Abwicklung über einen Zwischenkommissionär zu akzeptieren und die erstbeauftragte Bank daraufhin von einem Teil ihrer Betreuungspflichten gegenüber dem Kunden zu entlasten (§ 33a VIII WpHG; dazu Bauer, in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, 2007, Rn. 722). Diese aufsichtsrechtliche Grundwertung kann sich aber zivilrechtlich nicht durchsetzen; vielmehr muss es hier bei den Grundwertungen des Vertragsrechts bewenden. Gem. § 31e WpHG steht neben der erstbeauftragten Bank auch der Zwischenkommissionär aufsichtsrechtlich in der Pflicht. Beide WpHG-Vorschriften will der Gesetzgeber so verstanden wissen, dass Verdopplungseffekte vermieden werden, dass es also möglichst nicht zu inhaltlichen Überschneidungen der Pflichtinhalte kommt (näher MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 484 ff.).
112
III. Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflichten. Die Kommissionsbank trifft aufsichtsrechtlich (§ 31 VIII WpHG) und vertraglich (§ 384 II HGB) die Pflicht, den Kunden über alle wesentlichen Ereignisse im Rahmen der Ausführung und Abwicklung des Effektengeschäfts in geeigneter Form zu informieren (Benachrichtigungspflicht). Präzisiert ist die Berichtspflicht über die Ausführung des Auftrages in § 8 WpDVerOV. Sie umfasst die Weitergabe sämtlicher Informationen über die geschäftlichen Vorgänge (z. B. Modalitäten wie Handelstag, Handelszeitpunkt, Art des Auftrages, eigene Beteiligung am Geschäft, Nichtausführung), außergeschäftliche Ereignisse (z. B. Abfindungs-, Kaufoder Umtauschangebote) und über das Ausführungsergebnis (z. B. das beschaffte Finanzinstrument, Menge, Stückpreis, Gesamtentgelt, Summe der in Rechnung gestellten Provisionen und sonstigen Auslagen, auf Wunsch auch eine diesbezügliche Aufschlüsselung; zu den Besonderheiten bei Optionsscheingeschäften – Pflicht der Bank, den Kunden über den bevorstehenden Verfall der Option zu unterrichten – s. BGH WM 2002, 1442), ferner über die vom Kunden selbst im Zusammenhang mit der Abwicklung des Auftrages zu erbringenden Aufgaben (z. B. Angabe der Zahlungs- und Einlieferungsfrist sowie der jeweiligen Konten). Sämtliche dem Privatkunden mitgeteilten Informationen haben den
113
Ekkenga/Bernau
1718
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Maßstäben der redlichen, eindeutigen und nicht irreführenden Information nach § 4 WpDVerOV zu entsprechen. 114
Im Anschluss an die vorvertragliche Kundenbefragungs- und Aufklärungspflicht (s. C II) und die nachfolgende Auftragserteilung hat die Bank die Geschäftsdaten (Identität des Kunden, Geschäftsart, Handelsobjekt etc.) minutiös aufzuzeichnen (Art. 7 MiFID-DVO) und der BaFin unverzüglich (spätestens am Tage nach der Auftragserteilung) zu melden (§ 9 WpHG; Art. 12 ff. MiFID-DVO).
115
Daneben ist die Bank dem Kommittenten gegenüber gem. § 384 III HGB zur Rechenschaft verpflichtet. Gegenstand der Rechenschaftspflicht ist die Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben nach Maßgabe von § 259 I BGB. Abzurechnen ist insbesondere über den Preis des Ausführungsgeschäftes. Diese vertraglichen Pflichten korrespondieren mit der aufsichtsrechtlichen Dokumentationspflicht aus § 34 I WpHG, die nochmals neben den bereits erwähnten Aufzeichungsverpflichtungen eine allgemeine Dokumentationsverpflichtung begründet. Sie soll es der BaFin ermöglichen, die Einhaltung der wertpapierrechtlichen Wohlverhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten zu prüfen. Konkretisiert wird die Verpflichtung des § 34 I WpHG durch § 14 WpDVerOV einerseits und durch § 34 II WpHG andererseits. Die Bank muss hierzu alle Einzelheiten des Geschäftsverlaufs (z.B. Identität und Einordnung des Kunden, Informationen nach § 31 III WpHG, Nachweise über die Überprüfung der Best Execution Policy, Rechtmäßigkeit von Zuwendungen) dokumentieren und aufbewahren, um das Material auf Wunsch der BaFin (§ 34 WpHG) oder auch des Kunden (§ 33a VII WpHG) vorweisen zu können. Aufzuzeichnen und festzuhalten sind insbesondere alle Vereinbarungen mit Kunden, die Rechte und Pflichten der Parteien begründen oder die Konditionen der Dienstleistung festlegen, § 34 II WpHG. Gem. § 34 III 1 WpHG sind die Daten aufzuzeichnen und über fünf Jahre aufzubewahren. Die Aufzeichnung über Rechte und Pflichten der Parteien sowie über die Vertragskonditionen nach § 34 II WpHG sind mindestens für die Dauer der Geschäftsbeziehung aufzubewahren, § 34 III 2 WpHG.
116
Nach Ziff. 11 IV AGB-Banken obliegt es dem Kunden, die Mitteilungen der Bank unverzüglich zu kontrollieren (Kontrollpflicht) und gegebenenfalls Einwendungen zu erheben bzw. auf unterbliebene Informationen hinzuweisen (Reklamationspflicht; zum Merkmal der Unverzüglichkeit, Kümpel, Rn. 10.236 f.). Die Verletzung solcher Obliegenheiten führt zu einer Minderung eventueller Schadensersatzansprüche (§ 254 BGB), im Falle des § 384 I HGB (Außerachtlassung der preislichen Limitierung) zu einer Genehmigungsfiktion zum Nachteil des Kunden.
117
IV. Interessenkonflikte. Auch während der Ausführung des Effektengeschäftes hat die Bank – wie schon in der Vorbereitungsphase (s. C II 8) – Interessenkonflikte zu vermeiden und unvermeidbare Interessenkollisionen unter Wahrung der Belange des Kunden zu lösen. Zivilrechtlich folgt dies aus den allgemeinen Schutzpflichten eines jeden Vertragpartners (§ 241 II BGB) sowie aus der Interessenwahrungspflicht des Kommissionärs (§ 384 I HGB), aufsichtsrechtlich vor allem aus § 31 I Ziff. 2 WpHG.
118
1. Eigeninteressen der Bank und ihrer Mitarbeiter. Die Bank muss gem. § 13 I WpDVerOV so organisiert sein, dass Benachteiligungen ihrer Kunden zugunsten ihrer eigenen Interessen oder der ihrer Mitarbeiter nach Möglichkeit unterbleiben. Insbesondere muss sie Vorkehrungen dagegen treffen, dass mit den Geschäften Eigeninteressen verfolgt werden, die nicht mit dem Kundeninteresse übereinstimmen, Kunden aus finanziellen oder sonstigen Anreizen übervorteilt oder für die Ausführung über die übliche Provision oder Gebühr hinaus von einem Dritten Zuwendungen kassiert werden. Empfiehlt die Bank aus wirtschaftlichem Eigeninteresse bestimmte Finanztitel (Beispiel: Anteile an
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1719
hauseigenen Investmentanteilen oder Anteile ihr nahestehender Gesellschaften) und gibt es für den Kunden günstigere Alternativinvestitionen, so verstößt die Beratung gegen dieses Benachteiligungsverbot. Bezweckt die Empfehlung, Kursbewegungen zur Wertsteigerung des eigenen Bestandes auszulösen, setzt sich die Bank über das Verbot des Scalping hinweg (BGH NJW 2004, 302; zum Verstoß gegen das Insiderrecht durch Scalping s. Lenenbach, ZIP 2003, 243). Nicht zulässig ist ferner die Empfehlung möglichst zahlreicher Transaktionen zur Erhöhung der Provisionen und Gebühren aus dem Effektengeschäft. Diese Geschäftspraxis (Churning; dazu Rössner/Arendts, WM 1996, 1517) ist nicht nur eine Vertragsverletzung, sondern stellt eine unerlaubte Handlung gem. § 826 BGB bzw. § 823 II BGB i.V.m. § 263 I StGB dar (BGH WM 2004, 1768; BGH NJW 1995, 1225). Sowohl für Mitarbeiter der Bank als auch für diese selbst gilt das Verbot des Frontrunning, d.h. die Verwendung von Kenntnissen zum Nachteil des Kunden, die in der Regel risikolose Gewinne aus Wertpapiergeschäften ermöglichen, § 31 I 1 i.V.m. § 31c I Ziff. 5 WpHG. Hierunter fällt beispielsweise die Eindeckung mit Wertpapieren aus einer zuvor erteilten größeren Kauforder eines Kunden. Solange die Bank einen ihr erteilten Auftrag noch nicht ausgeführt hat, trifft sie grundsätzlich ein Handelsverbot für gleichlaufende Eigengeschäfte, das sie nur durch Funktionentrennung im Sinne des § 33 I Ziff. 3 WpHG i.V.m. § 14 III Ziff. 1 und 5 WpDVerOV vermeiden kann (Hopt, S. 498 f.). Ausnahmen sind wiederum dann zulässig, wenn ein Nachteil des Kunden durch das Eigengeschäft der Bank auszuschließen ist (Assmann/ Schneider-Koller, § 31 Rn. 65).
119
2. Kollidierende Kundeninteressen. Zu Konflikten zwischen den anlageinteressierten Kunden ein und derselben Bank kann es kommen, wenn die aktuelle Nachfrage mangels Angebotsmasse nicht gedeckt werden kann (Beispiel: überzeichnete Emission) oder wenn Großkunden in ihrem Bemühen um das Schnüren von Anteilspaketen gezielt unterstützt werden sollen. Über die Möglichkeit derartiger Konflikte sowie die Art der Konfliktbewältigung ist der Kunde rechtzeitig aufzuklären. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bank grundsätzlich wettbewerbliche Neutralität bewahren und Zuteilungsentscheidungen unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes treffen muss (vgl. § 31c I Ziff. 1 WpHG). Die Reihenfolge der Zuteilung ist deshalb nach objektiven Kriterien, in der Regel nach dem Zeitpunkt des Auftragseinganges, zu bestimmen (vgl. § 31c I Ziff. 2 WpHG). Eine Bevorzugung einzelner Anleger mag andererseits sachlich gerechtfertigt sein, wenn dies dem Wunsch des Emittenten entspricht und die Bank daran als dessen Interessenwalter (etwa in ihrer Eigenschaft als Emissionshelfer) gebunden ist.
120
3. Fremdinteressen. Probleme entstehen, wenn die Bank zugleich Interessen des Emittenten wahrnimmt, indem sie in dessen Auftrag über die Platzierung seiner Effekten hinaus die Preisentwicklung durch Kurspflegemaßnahmen beeinflusst. Kurspflege- und Kursstabilisierungsprogramme können u. U. den Tatbestand des Manipulationsverbotes gem. § 20a WpHG erfüllen (dazu Park, BB 2003, 1513). Näheres ist in der aufgrund von § 20a V 1, 2 WpHG erlassenen „VO zur Konkretisierung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation“ geregelt. Danach bleiben Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten zulässig, wenn sie im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen (ABl. EU Nr. L 336 S. 33) stehen (Safe harbour, vgl. § 20a III WpHG). Insbesondere sind die Stabilisierungsmaßnahmen unter Nennung des Stabilisierungsmanagers bekannt zu geben, zeitlich i. d. R. auf 30 Tage zu begrenzen und intern als solche zu dokumentieren. Droht eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen, so muss die Bank ihren Kunden entsprechend warnen (so
121
Ekkenga/Bernau
1720
122
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
schon zum alten Recht Möllers, in: KölnKommWpHG, § 31 Rn. 139). Der Grundsatz der „anlageformbezogenen“ Aufklärung steht dem nicht entgegen (s. Rn. 62). Kommt es nach einem öffentlichen Verkaufsangebot zu einer Überzeichnung, ist es der Bank gestattet, in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Emittenten eine Einteilung nach Kundengruppen vorzunehmen (vgl. Börsensachverständigenkommission, Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger v. 7. Juni 2000 Artikel 12, abgedruckt in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kennz. 240 S. 5; rechtliche Aspekte der Zuteilungsgrundsätze bei Aktienemissionen Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kennz. 240, S. 26 f.; Brandner/Bergmann, in: FS Peltzer, 2001, S. 17 (24)). Auch bei der Bedienung der Aufträge innerhalb einer ausgewählten Gruppe ist die Bank insofern freier, als sie unter Abweichung vom Prinzip der zeitlichen Priorität eine Zuteilung durch eine Quotierung, ein Auktionsverfahren oder eine Auslosung vornehmen kann. Nicht zulässig ist hingegen die Hintanstellung von Zeichnungswünschen zugunsten eigener Erwerbsinteressen. Die Bank ist durch die Generalklausel des § 307 BGB nicht gehindert, auch den Anlegern eine Provision zu berechnen, die aufgrund der Überzeichnung nicht berücksichtigt werden konnten (BGH WM 2003, 673 = ZIP 2003, 617 mit Anm. Kindler = BKR 2003, 340 mit Anm. Steppeler; a. A. die Vorinstanz OLG Brandenburg WM 2002, 2284 = BKR 2002, 916 (917) mit Anm. Sonnenhol; OLG Köln WM 2002, 2288 (2289)).
123
V. Abwicklung des Effektengeschäfts. 1. Pflichten der Bank. Kommt bei der Effektenkommission kein Ausführungsgeschäft zustande, so hat die Bank geleistete Vorschüsse sowie das Kommissionsgut an den Kunden herauszugeben. Führen die Bemühungen der Bank dagegen zum Erfolg, ist das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herauszugeben (§ 384 II HGB). Gegenstand dieser Herausgabepflicht ist bei der Verkaufskommission der erzielte Erlös, bei der Einkaufskommission sind es die von der Bank erworbenen Effekten (zur Herausgabe von Rückvergütungen s. bereits Rn. 82 ff.). Der praktisch seltene Fall der Übertragung von Alleineigentum richtet sich nach der Sonderregelung des § 18 DepG, die durchweg übliche Verschaffung von Miteigentum an dem von der Clearstream Banking AG (Wertpapiersammelbank) verwahrten Sammelbestand (Girosammeldepotanteile) nach § 24 DepG (ausführlich dazu Kümpel, Rn. 10.294 ff.). Bei im Ausland gehandelten Wertpapieren hat das Kreditinstitut gem. § 22 DepG u. Ziff. 12 (3) 1 SBW lediglich sich selbst Miteigentum oder eine nach ausländischem Recht vergleichbare Rechtsstellung zu verschaffen (vgl. Kümpel, Rn. 10. 311 ff.). Ihrer kommissionsrechtlichen Verpflichtung zur Ausführung des Effektentransfers kommt die Bank bereits dadurch nach, dass der Käufer die Girosammeldepotanteile direkt gem. § 929 BGB durch Umbuchung vom Depotkonto der verkäuferseitig beauftragten Bank bei der Wertpapiersammelbank auf ihr Konto erwirbt. Es erfolgt also kein Zwischenerwerb der Kommissionsbank. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn ein zentraler Kontrahent in den Vertrag eingeschaltet ist, da auch bei diesem ein Zwischenerwerb ausscheidet (insgesamt zur Erfüllung von Wertpapiergeschäften Horn, WM 2002, Sonderbeilage 2; Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl. 2008, § 6 Rn. 255 ff.).
124
Kommt der Vertragspartner des Ausführungsgeschäftes seiner Leistungsverpflichtung nicht nach, trifft die Kommissionsbank gem. § 394 I HGB u. Ziff. 9 SBW eine Erfüllungshaftung. Kaufvertragliche Liefer- und Vergütungspflichten hat die Bank bei der Durchführung des Kommissionsauftrages nur dann zu erfüllen, wenn sie die Übertragung der Wertpapiere vertragsgemäß aus dem Eigenbedarf vornimmt. Beim Eigenhändler- und Festpreisgeschäft richtet sich die Abwicklung nach Kaufrecht. Kraft Verweises in § 31 DepG sind für die Lieferverpflichtung der Bank wiederum die §§ 18 ff. DepG maßgeblich.
125
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1721
2. Pflichten des Kunden. a) Vergütung und Aufwendungsersatz. Beim Kommissionsgeschäft hat der Kunde der beauftragten Bank gem. §§ 675 I, 670 BGB, 396 II HGB Aufwendungsersatz zu leisten. Ersatzpflichtige Aufwendungen entstehen in erster Linie durch die Maklercourtage bzw. – bei der Einkaufskommission – durch den Preis des Ausführungsgeschäftes (s. Einzelheiten MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 533 ff.). Daneben hat die Kommissionsbank gem. § 396 I HGB einen Provisionsanspruch gegenüber dem Kunden, wenn der Vertragspartner des Ausführungsgeschäftes seine Pflichten ihr gegenüber erfüllt. Die Höhe der Provision richtet sich nach den Regelsätzen des Preisaushanges (Ziff. 12 I AGB-Banken).
126
Beim Festpreisgeschäft besteht die Gegenleistung des Kunden in der Zahlung des Preises bzw. in der Lieferung der entsprechenden Effekten. Die Festsetzung einer darüber hinausgehenden Provision kommt hier nicht in Betracht.
127
b) Obliegenheiten. Neben den primären Leistungspflichten hat der Kunde gewisse Mitwirkungsobliegenheiten zu erfüllen. Dazu zählen insbesondere die Erteilung einer Verfügungsermächtigung zur Ausführung einer Verkaufskommission, die Unterhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes und die Leistung der notwendigen Auslagenvorschüsse. Die Unterlassung derartiger Mitwirkungshandlungen führt unter den Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB zum Annahmeverzug. Auch die in Ziff. 11 AGB-Banken aufgeführten Hinweis- und Reklamationspflichten des Kunden sind als Obliegenheiten zu qualifizieren. Nach hM in der Literatur begründet die Verletzung der Reklamationspflicht zugunsten der Bank den Einwand des Mitverschuldens, § 254 BGB, so dass eine Schadensteilung vorzunehmen ist (Ziff. 3 Abs. 1 S. 3 AGB-Banken; hierzu Bunte/AGB-Banken (1) AGB-Banken RdNr. 270 mwN). Die weiterreichende Rechtsfolge einer Genehmigungsfiktion sieht das Gesetz ausdrücklich nur für den Fall der Nichtbeachtung kundenseitig vorgegebener Preisgrenzen vor (§ 386 I HGB). Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck gebracht Rechtsgedanke lässt sich aber für das Effektengeschäft dahingehend verallgemeinern, dass die Bank grundsätzlich ein erkennbares Interesse daran hat, Ausführungsfehler beheben zu können, bevor die weitere Kursentwicklung (weitere) Vermögensschäden entstehen lässt. Zuzustimmen ist deshalb einer jüngeren Ansicht, die für eine analoge Anwendung des § 386 I plädiert (Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl. 2006, (8) AGB-Banken Nr. 11 Rn. 9 und Nr. 7, Rn. 3).
128
c) Vorschusspflichten. Gem. §§ 675 I, 669 BGB hat der Kunde der Kommissionsbank auf Verlangen Vorschuss für die infolge des Ausführungsgeschäftes anfallenden Aufwendungen zu leisten. Als Sicherheit genügt die Deckung durch ausreichende Guthaben oder Kreditmittel bzw. – beim Verkauf von Wertpapieren – durch den Depotbestand des Kommittenten (Ziff. 4 SBW). Für den börslichen Terminhandel hat der Kunde außerdem Sicherheiten zu stellen, die die auftragsnehmende Bank ihrerseits gegenüber dem Clearingmitglied bzw. der Clearingstelle zu entrichten hat (Ziff. 9 IV der Sonderbedingungen für den Terminhandel;). § 397 HGB gewährt der Bank an den Wertpapieren, die anlässlich der Kommission in ihren Besitz gelangen (Kommissionsgut), ein gesetzliches Pfandrecht (zum rechtsgeschäftlichen Pfandrecht nach Ziff. 14 AGB-Banken, Kümpel/ Hammen/Ekkenga, Kennz. 210 S. 123 ff.).
129
Erfüllt der Kunde seine Vorschusspflichten nicht oder nicht in ausreichendem Umfang, ist die Bank ihrerseits nicht zur Durchführung des Ausführungsgeschäftes verpflichtet (§§ 675 I, 669 BGB und Ziff. 4 SBW). Vielmehr hat sie gem. Ziff. 13 AGB-Banken einen klagbaren Anspruch auf Bestellung bzw. zusätzliche Bereitstellung bankmäßiger Sicherheiten (ausführlich Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kennz. 210 S. 117 ff. u. Kennz. 220 S. 39 f.). Je nach Sicherungsgrund kann die Bank daneben oder anstelle des Besiche-
130
Ekkenga/Bernau
1722
131
132
133
134
135
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
rungsanspruches auch ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Kunden geltend machen. Andererseits ist die ausführende Bank verpflichtet, vor Ausführung des Auftrages auf eine ausreichende Deckung zu achten. Kommt es aufgrund der fehlenden oder unzulänglichen Sicherung zu einer Leistungsstörung im Verhältnis zum Kontrahenten und daraufhin zur Zwangsregulierung, so hat die Bank dem Kunden die daraus entstehende Wertdifferenz zu erstatten. Unabhängig davon kann die Ausführung des Effektenauftrages trotz unzureichender Sicherheitsleistung per se eine Haftung der Bank gegenüber dem Kunden auf Ersatz des Integritätsinteresses gem. § 280 I 1 i. V. m. § 241 II BGB begründen (ausführlich zum Ganzen MünchKommHGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 561 ff.; dagegen zu Unrecht BGH WM 2001, 1758 (1760) = EWiR § 31 WpHG 1/01, 837 mit kritischer Anm. Tilp; im Ergebnis wie hier OLG Köln ZIP 2001, 1139 (1140)). Dem Kunden sind die entstandenen Vermögensnachteile, insbesondere bereits geleistete Vorschüsse, auszugleichen. Von weiterem Aufwendungsersatz bzw. der Zahlung einer Provision ist er zu befreien. Dabei gilt zu berücksichtigen, inwieweit der Kunde selbst ein Mitverschulden gem. § 254 BGB zu verantworten hat (vgl. dazu OLG Köln ZIP 2001, 1139 (1141)). VI. Haftung der Bank für Leistungsstörungen. Bei Zuwiderhandlungen gegen Weisungen des Kunden haftet ihm die Kommissionsbank auf Schadenersatz (§ 385 I HGB). Die Vorschrift ist als Verweisung auf die schuldrechtlichen Regeln über die Haftung auf das Erfüllungsinteresse zu verstehen. Auch im Eigenhändler- und Festpreisgeschäft richtet sich die Behandlung von Leistungsstörungen im Verhältnis der Bank zum Kunden nach dem Leistungsstörungsrecht des BGB. Der Kunde kann Schadensersatz statt der Leistung unter den weiteren Voraussetzungen des § 281 BGB verlangen, wenn die Bank eine fällige Leistung (Haupt- oder leistungsbezogene Nebenpflicht) nicht (Leistungsverzögerung) oder nicht wie geschuldet (Schlechterfüllung) erbringt. Ausreichend ist die Fristsetzung zur Leistung oder Nacherfüllung, soweit diese nicht nach § 281 II BGB entbehrlich ist. Beim Kommissionsvertrag ergibt sich ein Anspruch auf Schadensersatz wegen nicht erbrachter Leistung gem. § 280 I 3 i. V. m. § 281 I 1 1. Alt. BGB beispielsweise dann, wenn die Bank sich nicht um den Abschluss eines Ausführungsgeschäftes bemüht bzw. wenn sie ihre Herausgabepflichten aus dem Ausführungsgeschäft nicht erbringt oder die Ausführung ein anderes als das vertragsgegenständliche Handelsobjekt betrifft (Andersleistung). Die Schlechtleistung hingegen betrifft vornehmlich die Fälle, in denen aufgrund der pflichtwidrigen Art und Weise der Ausführung ein für den Kunden hinsichtlich des Preises und der Konditionen nachteiliges Geschäft zustande kommt bzw. ein interessengerechtes, grundsätzlich noch nachzuholendes Geschäft unterbleibt (zum Ganzen MünchKommBGB-Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 565 ff.; diesbezüglich unklar BGH WM 2002, 1502 (1503) = LM § 249 (Fb) BGB Nr. 23 mit Anm. Ekkenga = EWiR § 383 HGB 1/02 955, mit Anm. Schäfer). Ein Schaden, den der Kunde aufgrund des Verzuges der Bank erleidet, ist ihm gem. §§ 280 I, III, 286 BGB zu ersetzen. Die für die Verzugshaftung nach § 286 I 1 BGB erforderliche Mahnung wird in der Regel nach § 286 II Ziff. 4 BGB entbehrlich sein, weil sich die Dringlichkeit der Ausführung normalerweise aus dem Vertragsinhalt ergibt (vgl. LG Nürnberg WM 2000, 1004 (Effektenorder per Internet)). Ohnehin verstößt die verspätete Ausführung gegen das grundsätzliche Gebot der schnellstmöglichen Ausführung und steht somit einem weisungswidrigen Verhalten gleich, so dass der Haftungsgrund direkt aus § 385 I HGB folgt.
Ekkenga/Bernau
§ 57 Effektengeschäft
1723
Wird die Bank gem. § 275 I BGB aufgrund eines Umstandes, den sie zu vertreten hat, von der Leistungspflicht befreit, so kann der Kunde gem. § 280 I, III i. V. m. § 283 BGB bzw. – wenn das Leistungshindernis bereits bei Vertragsschluss besteht – nach § 311a II BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Ein Ausschluss der Leistungspflicht i. S. d. § 275 I BGB kann sich beim Effektengeschäft insbesondere durch Zeitablauf ergeben, wenn die Leistung aufgrund der Verzögerung nicht mehr nachzuholen ist, also ein sog. absolutes Fixgeschäft vorliegt (LG Nürnberg-Fürth WM 2000, 1005). Ein anfängliches Leistungshindernis ist hingegen anzunehmen, wenn die auftragsgegenständlichen Effekten mangels Eintragung nicht zur Entstehung gelangen bzw. bei Vertragschluss bereits untergegangen sind oder mangels Notierung nicht (mehr) an dem angewiesenen Ausführungsort gehandelt werden. Unter den Voraussetzungen der §§ 323 f. BGB kann der Kunde nunmehr auch neben dem Schadensersatzanspruch vom Vertrag zurücktreten (§ 325 BGB). Der zu ersetzende Schaden umfasst insbesondere den entgangenen Gewinn, den der Kunde durch eine Weiterveräußerung der Finanztitel bzw. durch Kursgewinne hätte erzielen können (zu Letzterem BGH WM 2002, 909 (910 ff.)). Zu den Fragen der Schadensberechnung, der Schadenszurechnung und des kundenseitigen Mitverschuldens vgl. im Übrigen die Ausführungen unter C III ff.
136
Alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung kann der Kunde nach § 284 BGB den Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf die pflichtgemäße Erfüllung des Vertrages billigerweise auf sich genommen hat. Ersatzfähig sind hiernach beispielsweise Zinsen, die der Kunde für ein zur Finanzierung des Effektengeschäfts aufgenommenes Darlehen entrichten muss.
138
Ekkenga/Bernau
137
“This page left intentionally blank.”
§ 58 Emissionsgeschäft
1725
§ 58 Emissionsgeschäft
Schrifttum Assmann, Neues Recht für den Wertpapiervertrieb, die Förderung der Vermögensbildung durch Wertpapieranlage und die Geschäftstätigkeit von Hypothekenbanken, NJW 1991, 528; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, 2005; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991; Schäfer, Zulässigkeit und Grenzen der Kurspflege, WM 1999, 1345. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Begriffe; Rechtsnatur des Emissionsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Wertpapier i. S. d. Kapitalmarktrechts . . . . . 3 III. Bankaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Formen und Arten der Emission . . . . . . . . . . . . 10 I. Formen der Emission. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Arten der Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 C. Erste Ausgabe, Platzierung, Prospektpflichtigkeit und Börseneinführung der Wertpapiere . . . 15 I. Erste Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Platzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Prospektpflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 IV. Börseneinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 V. Marktpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 D. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Anleiheemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Aktienemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 E. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Anleger/Aktienerwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Anleiheemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Aktienemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 F. Rechtsbeziehungen zwischen mitwirkendem Kreditinstitut und Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I. Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Besonderes Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . 45 G. Emissionskonsortium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
II. Rechtliche Ausgestaltung des Konsortiums 50 1. Konsortialvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Außenhaftung der Mitglieder des Konsortiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 H. Haftung der an einer Emission Beteiligten gegenüber dem Anleger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Haftungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Spezialgesetzliche Prospekthaftung . . . . . . 63 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Vorliegen und Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Haftungsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Sonderregelung für Wertpapiere im Freiverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5. Haftungsausschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . 91 6. Inhalt und Umfang der Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . 102 7. Kurze Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 IV. Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 V. Haftung für unerlaubte Handlungen . . . . . 116 I. Beweislastfragen; prozessuale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Beweislastfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Prozessuale Besonderheiten . . . . . . . . . . . 126
Stichwortverzeichnis Arten der Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Bankaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Begriff Emissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Beweislastfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Emissionskonsortium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Erste Ausgabe und Platzierung . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Formen der Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Haftung der Emissionsbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . 58
Marktpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Prospektpflichtigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Prozessuale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Rechtsbeziehungen Emittent-Anleger . . . . . . . . . . 35 Rechtsbeziehungen Emittent-Kreditinstitut . . . . . . 27 Rechtsbeziehungen Kreditinstitut-Anleger. . . . . . . 44 Wertpapier i. S. d. Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . 3
A. Allgemeines
1
I. Begriffe; Rechtsnatur des Emissionsgeschäfts. Das Emissionsgeschäft ist ein wirtschaftlicher Vorgang im Rahmen des Kapitalmarkts. Es steht in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Unternehmensfinanzierung. Wirtschaftlicher Zweck des Geschäfts ist die Aufnahme mittel- oder langfristigen Kapitals (vgl. Kümpel, Rn.9.3). Emission ist die erste Ausgabe und Platzierung von Wertpapieren (dazu unter C.) im Sinne des Kapitalmarktrechts durch einen Aussteller, den Emittenten. Die Ausgabe von Wert-
Bartz
1726
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
papieren setzt die Entstehung des verbrieften Rechts voraus. Das geschieht durch den Begebungsvertrag zwischen Emittent und erstem Erwerber (Hueck/Canaris, S. 31, 217). Der erste Erwerber ist entweder der Anleger – bei der Selbstemission – oder ein mitwirkendes Kreditinstitut – bei der Fremdemission – (dazu unter B.). Die Emissionsphase vollzieht sich auf dem Primärmarkt. Primärmarkt ist die erste Unterbringung von Wertpapieren bei den Anlegern; Sekundärmarkt ist der Handel mit emittierten Wertpapieren (Ekkenga/ Maas, Rn. 2; Kümpel, Rn. 8.61, 8.69) Das Emissionsgeschäft im hier verstandenen Sinne ist zu unterscheiden von demjenigen im Sinne des KWG (§ 1 I 2 Nr. 10 KWG). Dieses ist unter dem Blickwinkel der Bankaufsicht wesentlich enger gesetzlich abgegrenzt (dazu unter A. III.). 2
Das Emissionsgeschäft hat keine einheitliche Rechtsnatur. Es ist jeweils die Rechtsnatur der Vertragsbeziehungen zwischen den einzelnen Beteiligten zu beurteilen (Canaris, Rn. 2242). Dabei sind vier Rechtsbeziehungen zu unterscheiden (Ekkenga/Maas, Rn. 3 ff.), nämlich diejenigen zwischen (1) Emittent und mitwirkendem Kreditinstitut oder mehreren Kreditinstituten (Konsortium), (2) Emittent und Anleger oder Aktienerwerber, (3) Kreditinstitut und Anleger sowie (4) den Mitgliedern des Konsortiums untereinander (dazu unter D., E., F. und G.).
3
II. Wertpapier im Sinne des Kapitalmarktrechts. Der Begriff des Wertpapiers im Sinne des Kapitalmarktrechts (§ 1 XI 2 Nr. 1 und 2 KWG; § 2 I WpHG) unterscheidet sich von dem allgemeinen zivilrechtlichen Begriff des Wertpapiers. Danach ist Wertpapier eine Urkunde, in der ein privates Recht in der Weise verbrieft ist, dass zur Geltendmachung des Rechts die Innehabung der Urkunde erforderlich ist (Hueck/Canaris, S. 1). Demgegenüber ist das Wertpapier im Sinne des Kapitalmarktrechts durch seine Austauschbarkeit (Fungibiliät) und gesteigerte Umlauffähigkeit gekennzeichnet. Diese Wertpapiere müssen im Interesse der Austauschbarkeit vertretbare Sachen (§ 91 BGB) sein, wie z.B. Aktien (Palandt-Heinrichs, § 91 Rn. 2) und Schuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB; insbesondere Pfandbriefe, Kommunal- und Industrieobligationen), und an einem Markt gehandelt werden können (§ 1 XI 2 Nr. 2 KWG). Als Wertpapiere in diesem Sinne gelten – seit Oktober 2004 – auch Vermögensanlagen i.S.d. § 8f I VerkProspG des sog. „grauen Kapitalmarktes“, insbesondere Anteile an geschlossenen Immobilienfonds, Bauherrenmodelle und Beteiligungen an Abschreibungsgesellschaften, die in Form von Kommandit- oder Treuhandanteilen an einer Publikumskommanditgesellschaft ausgegeben werden (auch Ekkenga/Maas, Rn. 19). Die Umlauffähigkeit der Wertpapiere im Sinne des Kapitalmarktrechts ist dadurch gewährleistet, dass der Erwerberschutz in dreierlei Hinsicht verstärkt ist. Zum einen gilt der Inhaber eines Wertpapieres als materiell Verfügungsberechtigter (Legitimationswirkung; vgl. § 793 I BGB). Zum anderen greift ein weitgehender Gutglaubensschutz ein (§ 929, § 932 I 1, § 935 II BGB). Schließlich ist die Möglichkeit von Einwendungen erheblich eingeschränkt (vgl. § 796 BGB). Keine Wertpapiere im Sinne des Kapitalmarktrechts sind Wechsel, Schecks, die handelsrechtlichen Wertpapiere (§ 363 II HGB) sowie Hypotheken- und Grundschuldbriefe (§ 1116 I, § 1192 I BGB). Diese Wertpapiere sind individuell ausgestaltet und daher keine vertretbaren Sachen. Wechsel und Schecks haben zudem eine kurze Laufzeit, die eine mitteloder langfristige Anlage ausschließt.
4
Die Bezeichnung der Wertpapiere erfolgt durch die international gültige Kennung „ISIN“ (International Securities Identification Number). Diese Kennung besteht aus zwei Buchstaben als Ländercode (z.B. „DE“ für Deutschland) und in dieser Reihenfolge bei deutschen Aktien den drei Ziffern „000“, der bis 2003 gültigen alten WertpapierKennnummer und abschließend einer einstelligen Prüfziffer. Die Bezeichnung muss bei
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1727
Pflichtmitteilungen von Wertpapiergeschäften an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach § 9 I, II 2 Nr. 1 WpHG iVm § 1, § 3 der Wertpapierhandel-Meldeverordnung (WpHMV) vom 21.12.1995 (BGBl. 1995 I S. 2094) angegeben werden. III. Bankaufsicht. Wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt, bedarf der Erlaubnis und unterliegt der Bankaufsicht (§§ 32 ff. KWG). Zuständige Behörde ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) (§ 32 I 1, § 1 II 2 KWG). Sinn und Zweck der Erlaubnispflicht ist der Schutz der Anleger; dieser ist einer der vorrangigen Zwecke des KWG (vgl. § 10 I 1 KWG). Der Erlaubnisantrag muss einen bestimmten Inhalt haben (§ 32 I 2 KWG). Die Erlaubnis kann unter Auflagen erteilt werden (§ 32 II 1 KWG). Die Erteilung ist im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen (§ 32 IV KWG). Erlaubnispflichtig sind in der Emissionsphase folgende Bankgeschäfte: die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft; § 1 I 2 Nr. 10 KWG), der Erwerb von Wertpapieren im eigenen Namen zur Platzierung für Rechnung des Emittenten (Finanzkommissionsgeschäft; § 1 I 2 Nr. 4 KWG), der Erwerb von Wertpapieren in offener Stellvertretung des Emittenten und die Platzierung im Namen und für Rechnung des Emittenten (Abschlussvermittlung; § 1 I a 2 Nr. 2 KWG) (zum Ganzen vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 13/7142, S. 63). Die Erlaubnis ist oder kann unter bestimmten Voraussetzungen versagt werden (§ 33 I 1 und III KWG). Zwingende Versagungsgründe sind insbesondere: Die zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel, insbesondere ein ausreichendes Anfangskapital, stehen im Inland nicht zur Verfügung (§33 I 1 Nr. 1 KWG). Es liegen Tatsachen vor, aus denen sich ergibt, dass ein Antragsteller nicht zuverlässig ist (Nr. 2). Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Inhaber einer bedeutenden Beteiligung oder auch ein gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vertreter oder ein Gesellschafter nicht zuverlässig ist (Nr. 3). Es liegen Tatsachen vor, aus denen sich ergibt, dass der Inhaber nicht die zur Leitung des Instituts erforderliche fachliche Eignung hat (Nr. 4). Das Institut hat seine Hauptverwaltung nicht im Inland (Nr. 6). Das Institut ist nicht bereit oder in der Lage, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zum ordnungsmäßigen Betreiben der Geschäfte zu schaffen (Nr. 7). Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt wird (§ 33 III 1 bis 3 KWG). Die Ausübung des Ermessens muss sich am Zweck der Bestimmung, nämlich dem Schutz der Anleger, ausrichten (§ 40 VwVfG). Werden ohne die erforderliche Erlaubnis Bankgeschäfte betrieben, kann die Bundesanstalt die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung der Geschäfte anordnen (§ 37 I 1 KWG). Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass ein Unternehmen Bankgeschäfte ohne die erforderliche Erlaubnis betreibt, so hat es der Bundesanstalt sowie der Deutschen Bundesbank auf Verlangen Auskünfte über die Geschäftsangelegenheiten zu erteilen und Unterlagen vorzulegen sowie Prüfungen und entsprechenden Zutritt zu den Geschäftsräumen zu dulden (§ 44c KWG).
Bartz
5
6
7
8
9
1728
10
11
12
13
14
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
B. Formen und Arten der Emission I. Formen der Emission. Die Fremdemission ist der Regelfall. Die Wertpapiere werden hierbei unter Einschaltung eines Kreditinstituts oder eines Konsortiums untergebracht (mittelbare Platzierung; vgl. Ekkenga/Maas, Rn. 75). Die Fremdemission hat für Emittent und Kreditinstitut wesentliche Vorteile: Ein Kreditinstitut hat durch seine Geschäftsbeziehungen Kontakte mit den als Käufer der Wertpapiere in Betracht kommenden Personen; diese hat ein Emittent regelmäßig nicht. Es kann den Emittenten über die marktgerechte Ausstattung („Pricing“) und den Zeitpunkt der Begebung („Timing“) der Wertpapiere sachgerecht beraten. Schließlich kann ein Kreditinstitut am ehesten das notwendige Vertrauen des Publikums in den Erfolg der Emission, die Werthaltigkeit der Wertpapiere und eine professionelle Kurspflege nach der Platzierung gewährleisten (Ekkenga/Maas, Rn. 75). Allerdings besteht ein Interessengegensatz zwischen Kreditinstitut und Emittent: Der Emittent ist an einem möglichst hohen, das Kreditinstitut wegen der voraussichtlich leichteren Platzierung an einem möglichst niedrigen Preis der Wertpapiere interessiert (Kümpel, Rn. 9.17). Die Selbst- oder Eigenemission ist der Ausnahmefall. Sie liegt vor, wenn der Emittent die Wertpapiere direkt beim Anlieger platziert, ohne einen Händler dazwischenzuschalten. Hierdurch wird zwar Aufwand für Dienstleistungen erspart, die Anwerbung der Kapitalgeber und der Zeichnungsvorgang selbst werden jedoch erschwert und auch verteuert (Ekkenga/Maas, Rn. 72). Die Selbstemission bietet sich daher nur an, wenn der Emittent über eine eigene Absatzorganisation verfügt, wie beispielsweise bei der Emission von Schuldverschreibungen durch ein Kreditinstitut oder bei Überschaubarkeit des Kreises der Anleger (Ekkenga/Maas, Rn. 73). Nicht geeignet ist die Selbstemission, wenn der Emittent zu einem bestimmten Zeitpunkt Kapital in einem bestimmten Umfang benötigt. Das kann nur ein Kreditinstitut gewährleisten. II. Arten der Emission. Es gibt zwei Arten der Emission, die Anleiheemission und die Aktienemission. Die Anleiheemission ist darauf gerichtet, Kapital gegen Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber zu erhalten. Der Emittent verspricht dem Inhaber der Urkunde die Rückzahlung des erhaltenen Kapitals (§ 793 I 1 BGB). Die Aktienemission ist insbesondere auf Kapitalerhöhungen (§ 182 I 2 AktG) und die Umwandlung einer Gesellschaft in eine AG gerichtet. Ausnahmsweise kann sie auch auf die Übernahme von Aktien bei Gründung einer Gesellschaft gerichtet sein; in diesen Fällen werden jedoch die Aktien regelmäßig von den Gründungsgesellschaftern gezeichnet (vgl. Kümpel, Rn. 9.176). Bei einer Aktienemission wirkt regelmäßig ein Kreditinstitut mit. Diese Mitwirkung vereinfacht die technische Durchführung der Emission. Das wird insbesondere bei der Kapitalerhöhung deutlich: Das Kreditinstitut stellt den gesetzlich vorgeschriebenen Zeichnungsschein (§ 185 I 1 AktG) aus, mit dem die neuen Aktien gezeichnet werden. Gleichzeitig wird der gesetzlich geforderte Mindestbetrag (§ 188 II 1 i. V. m. § 36a I, § 36 II, § 37 I 3 AktG) dem Emittenten gutgeschrieben. Das Kreditinstitut bestätigt dem Emittenten auch, dass dieser in der Verfügung über die eingezahlten Mittel nicht beschränkt ist (§ 188 II 1 i. V. m. § 37 I 2 AktG). Das Kreditinstitut ist der AG für die Richtigkeit der Bestätigung verantwortlich (§ 37 I 4 AktG). Diese Bestimmung begründet eine Gewährleistungshaftung des Kreditinstituts für die Richtigkeit seiner Erklärung, die eine Anwendung des § 254 I BGB ausschließt (BGHZ 119, 177). Bei einer bedingten Kapitalerhöhung (§ 192 I AktG) wirkt ein Kreditinstitut nur bei der Vermittlung der Ausgabe der Aktien an den berechtigten Personenkreis (§ 200 AktG) mit.
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1729
C. Erste Ausgabe, Platzierung, Prospektpflichtigkeit und Börseneinführung der Wertpapiere
15
I. Erste Ausgabe. Die erste Ausgabe von Wertpapieren setzt die Entstehung des verbrieften Rechts voraus. Das geschieht durch den Abschluss eines Begebungsvertrages zwischen Emittent und erstem Erwerber (vgl. Hueck/Canaris, S. 31, 217). Der erste Erwerber ist bei der Fremdemission das mitwirkende Kreditinstitut. Entweder wirkt das Kreditinstitut lediglich bei der Begebung der Wertpapiere mit oder es übernimmt diese. Im erstgenannten Fall ist es nur dazu verpflichtet, die dauerhafte Unterbringung der Wertpapiere anzustreben; das wird auch als „best effort underwriting“ bezeichnet. Im letztgenannten Fall garantiert es die Platzierung der Wertpapiere; das wird auch als „underwriting“ bezeichnet. Bei der Aktienemission wird regelmäßig die Übernahme vereinbart. In der US-amerikanischen Praxis wird zusätzlich zwischen underwriting und selling, d.h. der Mitwirkung bei der Übernahme, unterschieden. Die Bildung einer besonderen Selling-Group (Verkaufsgruppe) ist dort notwendig, weil den Emissionshäusern regelmäßig das eigene Absatzsystem zur Platzierung der übernommenen Wertpapiere fehlt. Die Mitglieder der Verkaufsgruppe stehen nicht in einer Vertragsbeziehung zum Emittenten; dieser hat lediglich ein Geschäftsbesorgungsverhältnis zu dem die Verkaufsgruppe einschaltenden Emissionshaus (zum Ganzen vgl. Kümpel, Rn. 9.25).
16
II. Platzierung. Zu unterscheiden sind die öffentliche und die private Platzierung von Wertpapieren. Im erstgenannten Fall richtet sich das Angebot an die Gesamtheit aller möglichen Anleger, im letztgenannten nur an einen begrenzten, individuell bestimmten Personenkreis.
17
Die Unterscheidung ist für die Prospektpflichtigkeit und die daran anknüpfende Prospekthaftung von Bedeutung. Für Wertpapiere, die im Inland öffentlich angeboten werden, muss der Anbieter grundsätzlich einen Prospekt veröffentlichen (§ 3 I 1, § 2 Nrn. 4 und 10 des Wertpapierprospektgesetzes – WpPG – vom 22.06.2005, BGBl. 2005 I S. 1698; sog. „Vertriebspublizität“). Wird entgegen § 3 WpPG kein Prospekt veröffentlicht, hat die Bundesanstalt ein öffentliches Angebot zu untersagen (§ 21 IV 1 WpPG; vgl. auch § 30 I Nr. 1 WpPG). Die Prospektpflicht iSd § 3 I 1 WpPG beinhaltet daher eine Handlungs- und eine Unterlassungspflicht. Für Wertpapiere, die im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, muss der Zulassungsantragsteller ebenfalls grundsätzlich einen Prospekt veröffentlichen (§ 3 III, § 2 Nr. 11 WpPG) (sog. „Zulassungspublizität“) (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 107). Anbieter (§ 2 Nr. 10 WpPG) bei einer Fremdemission ist auch der Emittent, wenn er den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter auftritt, beispielsweise in Zeitungsanzeigen. Das Gleiche gilt für die Mitglieder eines Konsortiums, ohne dass es darauf ankommt, ob und in welchem Umfang sie das Haftungs- und Platzierungsrisiko übernommen haben (Ekkenga/Maas, Rn. 109). Die Prospektpflicht gilt auch im internationalen Geschäft, wenn nur das Angebot im Inland öffentlich unterbreitet wird (§ 3 I 1 WpPG). Der Sitz des Emittenten wie auch die Staatsangehörigkeit der Anleger sind hierbei unerheblich. Entscheidend ist vielmehr eine „marktbezogene“ Betrachtungsweise. Es kommt darauf an, ob sich das Angebot (auch) an in Deutschland ansässige Anleger wendet und ob es diesen zugänglich ist. Dieser Inlandsbezug kann inhaltlich oder wegen Fehlens eines inländischen Zugangs zu der Informationsquelle ausgeschlossen sein. Das ist beispielsweise bei einem Angebot über das Internet der Fall, wenn an hervorgehobener Stelle in deutscher Sprache deutlich darauf hingewiesen wird, dass eine Zeichnung für Anleger in Deutschland ausgeschlossen und
18
Bartz
1730
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
auch der tatsächliche Erwerbszugang für die Allgemeinheit technisch nicht möglich ist (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 111). Keine Prospektpflicht besteht bei privaten Platzierungen (§ 3 I 1 WpPG). Denn der Käufer kann sich in diesen Fällen regelmäßig die entscheidungserheblichen Informationen selbst beschaffen. Zudem reichen die allgemeinen vertragsrechtlichen Rechtsbehelfe zum Schutz des Käufers aus (Hopt, S. 62). 19
Die öffentliche Platzierung umfasst die Auflegung zur öffentlichen Zeichnung (Subskription) und den freihändigen Verkauf der Wertpapiere. Bei der Subskription werden die Anleger aufgefordert, Wertpapiere innerhalb einer bestimmten Frist bei einem benannten Kreditinstitut zu zeichnen. Mit der Zeichnung erwirbt der Zeichner allerdings keinen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Zuteilung (Kümpel, Rn. 9.29; Ekkenga/ Maas, Rn. 105).
20
Eine weitere Platzierungsmethode, das sog. Tenderverfahren, wird nur von der Deutschen Bundesbank angewandt. Es handelt sich dabei um ein Bietungsverfahren in der Weise, dass die Bundesbank eine bestimmte Größe, entweder Zins oder Menge, vorgibt und die Kreditinstitute Gebote abgeben (Ekkenga/Maas, Rn. 105, 133f.; Kümpel, Rn. 9.32).
21
III. Prospektpflichtigkeit. Prospektpflichtig sind alle Emissionen von Wertpapieren, die (1) im Inland öffentlich angeboten werden (§ 3 I 1 WpPG), (2) im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen (§ 3 III WpPG), oder (3) im amtlichen Markt an der Börse gehandelt werden sollen (§ 30 I, III Nr. 2 BörsG). Ausnahmen von der Prospektpflicht sind in § 3 I 2, II und § 4 WpPG angeordnet (zur „10%-Ausnahme“ nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG: Lachner/v. Heppe, WM 2008, 576). Kein Veröffentlichungszwang besteht danach u.a., wenn sich das Angebot ausschließlich an qualifizierte Anleger oder an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger in jedem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums richtet (§ 3 II 1 Nrn. 1 und 2 WpPG). Qualifizierte Anleger iSd § 2 Nr. 6, § 27 WpPG werden als weniger schutzbedürftig angesehen. Dabei geht es vor allem um Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, juristische Personen sowie in ein bei der Bundesanstalt geführtes Register eingetragene bestimmte natürliche Personen und kleine oder mittlere Unternehmen (§ 27 I, II WpPG). Die Begrenzung des Personenkreises iSd § 3 II 1 Nr. 2 WpPG kann nur durch die Beschränkung der Kontaktaufnahme auf die einzelnen Adressaten des Angebots erreicht werden, nicht aber eine individual- statt marktbezogene inhaltliche Gestaltung der öffentlich zugänglichen Verlautbarung. Denn nur diese einzeln angesprochenen Adressaten bedürfen keiner mit der Prospektpflicht beabsichtigten „Erstversorgung“ mit Informationen und sind daher auch nicht schutzwürdig (a.A.: Ekkenga/Maas, Rn. 118). Die Privatplatzierung über das Internet kommt danach beispielsweise nur dann in Betracht, wenn durch Passwort oder eine vergleichbare Maßnahme der Eintritt in den Adressatenkreis für außenstehende interessierte Anleger gesperrt ist oder nur unter Schwierigkeiten erfolgen kann. Ist das Passwort hingegen für jedermann auf einfachem Wege (z.B. durch Registrierung) zugänglich, so fehlt es an einer Beschränkung des Angebots auf einen begrenzten Personenkreis (Ekkenga/Maas, Rn. 117).
22
„Öffentliches Angebot“ von Wertpapieren ist nach § 2 Nr. 4 WpPG eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapier zu entscheiden. Die Rechtslage hat sich gegenüber § 1 VerkProspG a.F. in der Sache nicht geändert. Das Tatbestandsmerkmal „Angebot“ ist weit auszulegen. Es umfasst
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1731
nicht nur den Antrag auf Abschluss des Zeichnungsvertrages nach § 145 BGB, sondern auch die öffentliche Aufforderung zur Abgabe eines solchen Antrages (invitatio ad offerendum). Angebot in diesem Sinne ist danach auch die Einleitung eines sog. Bookbuilding-Verfahrens (vgl. hierzu Rn. 34). Öffentlich ist ein Angebot, das einem unbestimmten Personenkreis zugänglich ist. Solche allgemein zugänglichen Informationsquellen sind beispielsweise das Internet, die zur gesellschaftlichen Bekanntmachung verwendeten Blätter, die Verbreitung von Meldungen über elektronische Systeme sowie Werbemaßnahmen des Emittenten, die sich auf den Wertpapierhandel beziehen. Einem öffentlichen Angebot rechtlich gleichgestellt ist die Einführung der Wertpapiere in den Handel an einem organisierten Markt (Notierung) (hierzu s. Rn. 24) ; das folgt aus § 14 I 2 WpPG (Ekkenga/Maas, Rn. 112). Das gleiche gilt bei jeder späteren Weiterveräußerung von Wertpapieren, die zuvor Gegenstand einer oder mehrerer der in § 3 II 1 WpPG genannten Angebotsformen waren (§ 3 II 2 WpPG). Anbieter ist dann nicht nur der Emittent, sondern auch der abgebende Aktionär, der die Papiere seinerseits im Wege der Privatplatzierung erworben hatte (Ekkenga/Maas, Rn. 115). Alle über das öffentliche Angebot verbreiteten Informationen, auch wenn sie nicht zu Werbezwecken dienen, müssen mit den im Prospekt enthaltenen Angaben übereinstimmen (sog. Kongruenzgebot) (§ 15 IV WpPG). Das gilt vor allem für Analystenstudien, die der Emittent oder die für ihn handelnden Kreditinstitute üblicherweise den institutionellen Anlegern vorab zur Verfügung stellen. Des Weiteren trifft den Anleger bei fehlender Prospektpflicht eine sog. Ergänzungspflicht (§ 15 V 1 WpPG). Er muss wesentliche Informationen, die im Verlauf von Veranstaltungen betreffend Angaben von Wertpapieren mitgeteilt werden, allen qualifizierten Anlegern oder allen besonderen Anlegergruppen, an die sich das Angebot ausschließlich richtet, mitteilen. Im Falle einer Prospektpflicht hat der Anbieter eine sog. Nachtragspflicht (§ 15 V 2 WpPG); er muss die Informationen nach § 15 V 1 WpPG in den Prospekt oder in einen Nachtrag zum Prospekt gemäß § 16 I WpPG aufnehmen. Beide Bestimmungen sollen die Chancengleicheit der institutionellen und privaten Anleger gewährleisten (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 114). Kein öffentliches Angebot ist die werbende Ankündigung. Sie muss lediglich den Mindeststandards des § 15 I bis III WpPG genügen, löst aber keine Prospektpflicht aus. Sie kann eine sog. zivilrechtliche Prospekthaftung (s. Rn. 111 f.) nach sich ziehen. Werbemaßnahmen in diesem Sinne sind Informationen, in denen allgemein über den Emittenten und über zukünftig geplante Emissionen berichtet wird. Hierzu zählen z.B. die postalische oder telefonische Marketingaktionen, die bloße Unterrichtung des Publikums über die Tatsache einer Privatplatzierung, das Bereitstellen von Informationen auf der Website zwecks Marktpflege sowie das Abhalten von Road Shows. Hingegen liegt ein öffentliches Angebot iSd § 2 Nr. 4 WpPG vor, wenn im Rahmen der vorgenannten Maßnahmen auf die wesentlichen Merkmale der Wertpapiere, u.a. deren Preis und deren Ausstattungsmerkmale (z.B. Stamm- oder Vorzugsaktien), hingewiesen wird (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 113 m.w.N.). Prospektinhalt und Prospektqualität müssen der Grundsatzbestimmung des § 5 I WpPG genügen. Der Prospekt muss danach in leicht analysierbarer und verständlicher Form sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emitteten und die öffentlich angebotenen oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Wertpapiere notwendig sind, um den Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen (§ 5 I 1 WpPG). Der Prospekt muss in einer Form abgefasst sein, die sein Verständnis und seine Auswertung erleichtern (§ 5 I 3 WpPG). Ändern sich
Bartz
23
1732
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
die Umstände nach Herausgabe des Prospekts, so haben die Verantwortlichen davon durch Prospektberichtigung oder durch entsprechende Hinweise bei Abschluss des Vertrags Mitteilung zu machen (BGHZ 123, 106; BGH VersR 2004, 753). Danach müssen die Prospektwahrheit und -klarheit einschließlich der Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektinhalts unter Berücksichtigung des Wesentlichkeitsprinzips gewährleistet sein. Zur Erfüllung dieser Anforderungen gehören insbesondere: die Einhaltung inhaltlicher Mindeststandards (§ 7 WpPG), die Vermeidung widersprüchlicher Informationen, auch im Zusammenhang mit zuvor verbreiteten Werbeaussagen (§ 15 IV WpPG; sog. Kongruenzgebot, vgl. hierzu Rn. 22), die Übersichtlichkeit der äußeren Gestaltung (§ 5 I 1, 3 WpPG), die Abfassung des Textes in deutscher Sprache, bei ausländischen Angeboten auch in englischer Sprache (§ 19 I bis IV WpPG) sowie die Klarheit über die Verantwortlichkeit für den Inhalt (§ 5 IV WpPG). Gegenüber der früheren Rechtslage (§ 13 I 1 BörsZulV a.F., § 2 I 1 VerkProspV a.F.) hat sich damit in der Sache nichts geändert (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 194 f.). Dem Bedürfnis des Schutzes der Betriebsgeheimnisse des Emittenten wird durch § 8 II Nr. 2 WpPG Rechnung getragen. Diese Bestimmung ist eng auszulegen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum WpPG, BTDrucks. 15/4999 S. 33). Hiernach kann die Bundesanstalt dem Emittenten gestatten, bestimmte Pflichtangaben nicht in den Prospekt aufzunehmen, wenn deren Verbreitung dem Emittenten erheblichen Schaden zufügt, sofern die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für eine fundierte Beurteilung des Emittenten, des Anbieters, des Garantiegebers und der Wertpapiere, auf die sich der Prospekt bezieht, wesentlichen Tatsachen und Umstände täuscht (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 194 ff.). Ob ein Prospektinhalt richtig und vollständig ist, richtet sich nicht allein nach den wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern wesentlich danach, welches Gesamtbild er durch seine Aussagen von den Verhältnissen und der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens, dessen Papiere zum Kauf angeboten werden, dem interessierten Publikum vermittelt (BGH WM 1982, 862). Das Wesentlichkeitsprinzip konkretisiert dabei den Vollständigkeitsgrundsatz. Die Transparenz einer Emission kann auch darunter leiden, dass zu viele richtige und vollständige Informationen angeboten werden, die den Prospekt überladen und den Anleger eher verwirren als aufklären (Ekkenga/Maas, Rn. 198). Ein Prospekt bedarf der Billigung durch die Bundesanstalt vor Veröffentlichung (§ 13 I 1 WpPG). Die Bundesanstalt entscheidet hierüber nach Abschluss einer Vollständigkeitsprüfung des Prospekts einschließlich einer Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit der vorgelegten Informationen (§ 13 I 2 WpPG). Damit steht der Behörde eine materielle Prüfungskompetenz zu, die über die Förmlichkeiten hinausgeht und sich auf die innere Widerspruchsfreiheit (Plausibilität) erstreckt. Sie prüft aber nicht die inhaltliche Richtigkeit der Prospektangaben; sie stellt keine Nachforschungen an, die über die reine Plausibilitätsprüfung hinausgehen. Sie prüft auch nicht die Bonität des Emittenten; das Vertrauen des Publikums in deren Bestand ist durch die Prospekthaftung genügend abgesichert (BGHZ 123, 126 (130 f.)). Die Prospektprüfung durch die Bundesanstalt dient in erster Linie dem präventiven Anlegerschutz, der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Börsenhandels und der Wahrnehmung allgemeiner Interessen. Die Interessen des Emittenten sind in diesem Zusammenhang von nachrangiger Bedeutung (zum Ganzen Begründung des Regierungsentwurfs zum WpPG, BT-Drucks. 15/4999 S. 34; Ekkenga/Maas, Rn. 219). Die Prüfung der Bundesanstalt befreit den Prospektpflichtigen nicht vom Haftungsrisiko, zumal dieser regelmäßig über einen besseren Informationsstand verfügt (BGHZ 123, 126 (130 f.)). Die Billigung des Prospekts ist ein Verwaltungsakt. Sie ist dem Antragsteller mitzuteilen (§ 13 II 1 WpPG). Die Entscheidung ist grundsätzlich innerhalb von zehn Werktagen
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1733
nach Eingang des Prospekts zu treffen (§ 13 II 1 WpPG). Wird die Billigung versagt, kann der Antragsteller hiergegen im Wege der Verpflichtungsklage nach § 42 I VwGO vorgehen. Die Gültigkeitsdauer des Prospekts beträgt grundsätzlich zwölf Monate (§ 9 I WpPG). Die Billigung durch die Behörde eines anderen EWR-Staates bindet die Bundesanstalt, sofern der gebilligte Prospekt die sprachlichen Voraussetzungen nach § 19 IV und V WpPG erfüllt (§ 17 III WpPG). Nach der Billigung hat der Antragsteller den Prospekt bei der Bundesanstalt zu hinterlegen und unverzüglich zu veröffentlichen (§ 14 I 1 WpPG). Die Billigung entbindet den Emittenten nicht von seiner Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts (BGHZ 123, 126 (130 f.)). IV. Börseneinführung. Die Börseneinführung (Börsengang, Börseneintritt) umfasst die Zulassung von Wertpapieren zum Handel im amtlichen Markt (§ 30 I BörsG) oder im geregelten Markt (§ 49 I BörsG) sowie die Aufnahme der Notierung der zugelassenen Wertpapiere im amtlichen Markt an der Börse, Einführung (§ 37 I BörsG), oder im geregelten Markt (§ 54 S. 1 iVm § 37 I BörsG). Bei Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Zulassung gemäß § 30 III, § 51 I BörsG. Gegen die Versagung der Zulassung (§ 33 I BörsG) ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Zulassung zum Handel im amtlichen oder im geregelten Markt (§ 30 I, § 49 I BörsG) ist die öffentlich-rechtliche Erlaubnis, für den Handel in den entsprechenden Wertpapieren die Börseneinrichtungen zu benutzen. Dieser begünstigende Verwaltungsakt der Zulassungsstelle (§ 31 I BörsG) begründet ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis; das Recht der Leistungsstörungen nach §§ 280 ff BGB findet entsprechende Anwendung (hierzu BGHZ 109, 8; Ekkenga/Maas, Rn. 477). Die Börse kann von dem Emittenten die Entrichtung von Gebühren und die Erstattung von Auslagen verlangen (§ 14 I Nrn. 3 bis 5 BörsG). Die Börse hat gegenüber dem Emittenten u.a. die Pflicht zur Kursnotierung. Die Preisermittlung erfolgt gemäß §§ 24 ff BörsG. Nach der Zulassung treffen den Emittenten bestimmte Zulassungsfolgepflichten. Sie umfassen z.B. die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die wirksame Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren, die unverzügliche Veröffentlichung und Mitteilung von Insiderinformationen (Ad-hoc-Meldungen) einschl. der Führung von Insiderverzeichnissen, die Veröffentlichung des Jährlichen Dokuments sowie die Zusammenarbeit mit den Börsenorganen nach § 39, § 41 f., § 54 BörsG, § 10 WpPG, §§ 15 ff., §§ 30a ff. WpHG idF des Art. 1 des Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetzes (TUG) vom 05.01.2007 (BGBl. 2007 I S. 10). Die Nichterfüllung der Emittentenpflichten kann die Zulassungsstelle durch Börsenbekanntmachung veröffentlichen. Des Weiteren kann die Zulassung zum amtlichen Markt widerrufen werden, wenn der Emittent auch nach einer ihm gesetzten angemessenen Frist diese Pflichten nicht erfüllt (§ 43 S. 1 und 2 BörsG; s. Rn. 25 a.E.). Die Einführung nach § 37 I, § 54 S. 1 BörsG ist die erstmalige Herbeiführung von Umsätzen in einem öffentlich-rechtlich organisierten Markt, die zu einer Kursfeststellung führt. Im amtlichen Markt erlischt die Zulassung, wenn die Wertpapiere nicht innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Zulassungsentscheidung eingeführt werden (§ 37 IV 1 BörsG). Die Einführung ist ebenfalls ein Verwaltungsakt, der im Wege der Verpflichtungsklage erstritten werden kann. Die Einführung hat zwei wesentliche Rechtsfolgen. Zum einen beginnt die Sechsmonatsfrist für die Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen (§ 44 I 1, § 55 BörsG), zum anderen befreit die Einführung den Emittenten von der Pflicht zur Prospektaktualisierung nach § 16 I 1 WpPG (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 154). Die Einbeziehung von Wertpapieren zum Börsenhandel in den geregelten Markt durch die Geschäftsführung nach § 56 I BörsG kann erfolgen, wenn die Wertpapiere bereits an
Bartz
24
1734
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
einer anderen inländischen Börse zum Handel im amtlichen Markt oder geregelten Markt zugelassen sind und der Schutz des Publikums nicht entgegensteht (§ 56 I Nrn. 1 und 2 BörsG). Antragsberechtigt ist jeder Handelsteilnehmer (§ 56 I Halbsatz 1 BörsG). Der Unterschied zur Einführung nach § 37 I, § 54 S. 1 BörsG besteht darin, dass der Emittent nicht antragsberechtigt ist. Die Einbeziehung in einen nach § 57 I BörsG zugelassenen Freiverkehr (Open Market) stellt eine privatrechtliche Erlaubnis dar, deren Funktion darin besteht, Börsenpreise zu bilden (§ 57 II 1 BörsG). Die Erlaubnis erteilt die Deutsche Börse AG als Freiverkehrsträger. 25
Das Verfahren der Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel ist in §§ 30 ff., §§ 49 ff. BörsG geregelt. Der Antrag auf Zulassung muss von dem Emittenten und mindestens einem an einer inländischen Wertpapierbörse zum Handel zugelassenen Kreditinstitut gestellt werden (§ 30 II 1, § 49 II 1 BörsG). Die Zulassungsvoraussetzungen sind in § 30 III Nrn. 1 und 2, § 51 I BörsG festgelegt. Danach ist dem Antrag insbesondere ein nach den Vorschriften des WpPG gebilligter oder bescheinigter Prospekt oder ein ausführlicher Verkaufsprospekt im Sinne des § 42 InvG beizufügen (§ 30 III Nr. 2, § 51 I Nr. 2 BörsG). Über den Zulassungsantrag entscheidet die Zulassungsstelle (§ 31 I 1, § 49 II 2 BörsG); sie nimmt die ihr nach dem BörsG zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr (§ 31 V, § 49 II 3 BörsG). Die Zulassungsstelle kann die Zulassung zum amtlichen Markt auf Antrag des Emittenten widerrufen (§ 38 IV 1 BörsG); freiwilliges oder reguläres Delisting (BGHZ 153, 47). Der Widerruf darf nicht dem Schutz der Anleger widersprechen (§ 38 IV 2 BörsG); die Bestimmung soll das durch Art. 14 I 1 GG geschützte Interesse der auf die Verkehrsfähigkeit (Fungibilität) des Wertpapiers vertrauenden Anleger schützen und schränkt das der Zulassungsstelle eingeräumte Ermessen entsprechend ein (BGHZ 153, 47; Ekkenga/ Maas, Rn. 478 f.). Der Widerruf der Zulassung auf Antrag des Emittenten ist danach nur zulässig, wenn der Handel des Wertpapiers an einem organisierten Markt weiterhin gewährleistet ist und den Anlegern nach Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung ausreichend Zeit verbleibt, die vom Widerruf betroffenen Wertpapiere über die Börse zu veräußern. Bei einer Aktiengesellschaft bedarf der Widerruf eines mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlusses der Hauptversammlung sowie eines Pflichtangebotes der Aktiengesellschaft oder des Großaktionärs über den Kauf der Aktien der Minderheitsaktionäre (BGHZ 153, 47). Das gleiche gilt für das sog. „provozierte Zwangsdelisting“, d.h. die beabsichtigte Herbeiführung eines Widerrufs der Börsenzulassung durch den Emittenten. Das fordert die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, die eine Umgehung des für das freiwillige Delisting entwickelten, verfassungsrechtlich geforderten Anlegerschutzes ausschließt. Die Interessenlage der Minderheitsaktionäre ist hier die gleiche wie diejenige bei dem regulären Delisting. Lediglich die Abgabe eines Pflichtangebots durch den Emittenten oder Großaktionär kann hier nicht gefordert werden. Die Marktbereinigungsfunktion des Zwangsdelisting hat insoweit Vorrang vor dem Minderheitenschutz (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 480 f). Der Widerruf der Zulassung gegen den Willen des Emittenten, sog. Zwangsdelisting, ist nach § 38 III BörsG zulässig, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist und die Geschäftsführung die Notierung im amtlichen Markt eingestellt hat. Des Weiteren sind Widerruf und Rücknahme nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts (§§ 48, 49 VwVfG) zulässig. Dabei ist nach § 49 II VwVfG insbesondere das Vertrauen des Emittenten in den Bestand der Zulassung
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1735
als begünstigenden Verwaltungsakt zu berücksichtigen. Schließlich kann die Zulassungsstelle nach § 43 Satz 2 BörsG widerrufen, wenn der Emittent nach einer ihm gesetzten angemessenen Frist die Pflichten aus der Zulassung nicht erfüllt. Auch insoweit ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 153). V. Marktpflege. Mit der Platzierung der Wertpapiere setzt regelmäßig die Marktpflege ein. Marktpflege umfasst die Schaffung und Erhaltung größtmöglicher Marktliquidität und das Bemühen um eine ausreichende Kursstabilität. Hierdurch sollen ein zu starkes Abgleiten des Marktkurses wie auch unerwünschte künstliche Kurssteigerungen verhindert werden. Die Marktpflege dient der Erhaltung des Vertrauens der Anleger und des Standing der beteiligten Kreditinstitute. Sie ist nach § 20a III 1 WpHG grundsätzlich rechtlich zulässig; insbesondere stellt sie keinen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation nach § 20a I 1 WpHG dar (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 257 ff; Schäfer, WM 1999, 1345; Kümpel, Rn. 9.36).
26
D. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Kreditinstitut
27
I. Anleiheemission. Das Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Kreditinstitut wird durch den Vertrag zur Übernahme der Wertpapiere, den sog. Übernahmevertrag, näher ausgestaltet. Dieser Vertrag ist ein (schuldrechtlicher) kaufähnlicher Vertrag mit geschäftsbesorgungsvertraglichen Elementen (Hopt, S. 20; Kümpel, Rn. 9.134, Ekkenga/ Maas, Rn. 291 ff; a. A. Canaris, Rn. 2243). Canaris ist der Auffassung, im Falle der festen Übernahme der Wertpapiere liege eine Kreditgewährung vor. Das ist zwar bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zutreffend, da dem Emittenten bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber von den Anlegern ein Kredit gewährt wird. Entscheidend ist jedoch ausschließlich die rechtliche Betrachtungsweise. Danach ist der Erwerb der die Anleihe verkörpernden Wertpapiere als Kauf (Rechtskauf i. S. d. des § 453 BGB) zu beurteilen (Palandt-Putzo, Vorbem.8 vor § 488; Kümpel, Rn.9.134). Der Übernahmevertrag ist weitgehend standardisiert. Der Emittent versichert regelmäßig, dass alle für die Emission erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. Er überträgt dem Kreditinstitut die Besorgung aller mit der Emission zusammenhängenden Dienstleistungen (Zahlstellendienst). Wegen des Platzierungsrisikos wird üblicherweise ein Rücktrittsrecht für den Fall vereinbart, dass sich die Marktverhältnisse bis zur Übernahme der Wertpapiere am Valutierungstag wesentlich geändert haben oder politische oder wirtschaftliche Krisen zwischenzeitlich eingetreten sind, die den Erfolg des Emissionsvorhabens gefährden. Im Falle des Rücktritts sollen dann keine Ansprüche entstehen, vielmehr beide Beteiligten die im Zusammenhang mit der Anleihe erwachsenen Kosten selbst tragen. Der Kauf erfolgt im Übrigen zu einem Kurs, der unter dem für die anschließende Platzierung vorgesehenen Verkaufskurs liegt; der Differenzbetrag entspricht der Vergütung des Kreditinstituts. Soweit eine Börseneinführung beabsichtigt ist, verpflichtet sich der Emittent, alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für die Börsenzulassung erforderlich sind. Schließlich verpflichtet er sich zum Schadensersatz, wenn das Kreditinstitut wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Börseneinführungsprospekts Schadensersatz zu leisten hat (vgl. Kümpel, Rn. 9.136 bis 9.138).
28
Im grenzüberschreitenden Geschäft richtet sich die Frage des anwendbaren Rechts nach den Grundsätzen des internationalen Schuldrechts. Daher sollten das anwendbare Recht gewählt und der Gerichtsstand vereinbart werden. Solche Verträge enthalten regelmäßig einen umfangreichen Katalog von Kündigungsgründen, insbesondere die sog. cross-default- Klausel. Danach kann das Kreditinstitut vorzeitige Rückzahlung verlangen, wenn andere Anleihen des Emittenten gekündigt oder fällige Zahlungsverbind-
29
Bartz
1736
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
lichkeiten nicht erfüllt worden sind (Kümpel, Rn. 9.139). Ist keine Vereinbarung getroffen, so ist nach Art. 28 I 1 EGBGB das Recht desjenigen Staates anzuwenden, mit dem der Übernahmevertrag die engsten Verbindungen aufweist. Soweit es um die Erfüllungsverpflichtungen geht, werden die engsten Verbindungen durch das Kreditinstitut bestimmt. Soweit es die Durchführung der Übernahme oder der Platzierung betrifft und es um Rechtsfragen geht, die sich auf die Verbandsverfassung des Emittenten beziehen, ist das Gesellschaftsstatut des Emittenten maßgeblich (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 312). 30
II. Aktienemission. Die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses hängt davon ab, ob schon bestehende Aktien oder neue Aktien übernommen werden sollen. Werden bereits bestehende Aktien übernommen, dann liegt ein (schuldrechtlicher) kaufähnlicher Vertrag mit geschäftsbesorgungsvertraglichen Elementen (Übernahmevertrag) vor (Rn. 27).
31
Bei Übernahme neuer Aktien werden ein (schuldrechtlicher) Übernahmevertrag (Rn. 27) und ein (kooperationsrechtlicher) Zeichnungsvertrag, der ein Vertrag sui generis ist, abgeschlossen (Canaris, Rn. 2244). Der Zeichnungsvertrag ist mit dem Beitrittsvertrag im Sinne des Rechts der Personengesellschaften vergleichbar; er ist auf die Aufnahme des Zeichners in die Gesellschaft gerichtet (Kümpel, Rn. 9.193). Der Zeichnungsvertrag begründet allerdings für den Zeichner keinen Rechtsanspruch gegen die Gesellschaft auf Durchführung der Kapitalerhöhung und auch kein Anwartschaftsrecht des Zeichners auf künftige Mitgliedschaft in der Gesellschaft. Denn alle von dem Zeichner eingegangenen Verpflichtungen stehen unter dem Vorbehalt des Wirksamwerdens der Kapitalerhöhung mit der Eintragung der Durchführung in das Handelsregister (§ 189 AktG) (BFHE 145, 437). Der Übernahmevertrag ist wie auch bei der Aktienemission weitgehend standardisiert.
32
Die Festlegung des Emissionspreises der angebotenen Aktien ist für den Erfolg der Emission von entscheidender Bedeutung. Emittent und Anleger verfolgen dabei widerstreitende Interessen; der Emittent ist an einem möglichst hohen, der Anleger an einem möglichst niedrigen Emissionspreis interessiert. Das regelmäßig mitwirkende Kreditinstitut muss deshalb ein Platzierungskonzept erarbeiten, das die berechtigten Interessen von Emittent und Anlegern im Rahmen einer marktorientierten Preisfindung gleichermaßen berücksichtigt und eine faire Verteilung des Emissionsrisikos auf die Beteiligten ermöglicht. Für Aktien- und Bezugsrechtsemissionen gelten bestimmte rechtliche Preisbestimmungsgrenzen. Der Ausgabepreis (§ 185 I 3 Nr. 2 AktG) darf den geringsten Ausgabebetrag iSd § 9 I AktG nicht unterschreiten. Im Falle einer Neuemission, bei der das gesetzliche Bezugsrecht der Altaktionäre ausgeschlossen ist, hat der Emittent die variablen Bemessungsvorgaben des § 255 II 1 AktG zu beachten. Danach muss die Ausgabe mindestens zum oder nahe am Börsenpreis erfolgen. Auf diese Weise sollen die Altaktionäre vor einer Verwässerung des inneren Wertes ihrer Aktien geschützt werden (BGHZ 136, 133 (141)); das fordert der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz des Art. 14 I 1 GG. Bei Bezugsrechtsemissionen unterliegt der Emittent insofern einer variablen Bemessungsobergrenze, als den Aktionären die Ausübung ihrer Rechte durch eine überteuerte Preispolitik nicht verleitet werden darf. Andererseits haben die Bezugsberechtigten aber auch keinen Anspruch auf Zeichnung unter Wert (zum Ganzen Ekkenga/ Maas, Rn. 123, 124). In der Praxis gibt es zwei Preisfindungsverfahren (Pricing), nämlich das Festpreisverfahren und das Bookbuilding-Verfahren (vgl. Kümpel, Rn. 9.198; Ekkenga/Maas, Rn. 121 ff).
33
Das Festpreisverfahren war früher der Regelfall. Das Kreditinstitut gewährleistet dem Emittenten die Übernahme der gesamten Emission zu einem festgelegten Platzierungs-
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1737
preis. Dieser beruht auf einer Unternehmensanalyse und -bewertung unter Berücksichtigung der Börsenbewertung vergleichbarer Unternehmen sowie der allgemeinen Marktverfassung. Beteiligt sind Emittent und Kreditinstitut. Der Nachteil dieses Verfahrens besteht darin, dass die Nachfrage zu dem festgelegten Platzierungspreis naturgemäß nicht genau ermittelt werden kann; das kann zu unerwünschten Fehleinschätzungen führen. Das Festpreisverfahren hat an Bedeutung verloren, seit auch in den Fällen eines unmittelbaren oder mittelbaren Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre statt eines festen Ausgabebetrages nur die Grundlagen für seine Festlegung bekannt gegeben werden können. Das ist durch die entsprechende Neufassung des § 186 II AktG ermöglicht worden (hierzu auch Rn. 42). Das Bookbuilding-Verfahren hat das Ziel, einen möglichst marktnahen Preis zu ermitteln, um entsprechende Korrekturen des Marktes nach Ausgabe der Aktien zu vermeiden (Begr. des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 154). Emittent und Kreditinstitut vereinbaren zunächst lediglich eine Preisspanne von 10 bis 15 % unter dem voraussichtlichen Emissionskurs. Die eigentliche Preisfindung (Fixing) erfolgt nach der anschließenden Bookbuilding-Periode. Diese beträgt bei öffentlichen Platzierungen zwischen 2 und 10 Arbeitstagen und dient dazu, aufgrund einer Analyse der eingehenden Kaufofferten den optimalen Bezugspreis zu ermitteln. Das Bookbuilding ist stets mit einem öffentlichen Angebot iSd § 3 I 1 WpPG verbunden und darf daher erst nach Veröffentlichung des Prospekts und Ablauf der in § 14 I 1 WpPG bestimmten Wartefrist beginnen (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 127 f.). Das Verfahren führt einen fairen Interessenausgleich herbei. Die Einbindung der Anleger in die Preisfindung hat für alle Beteiligten Vorteile: Der Emittent muss weder einen Aktienverkauf zu Schleuderpreisen noch eine Beeinträchtigung seines Emissionsstanding wegen überteuerter Platzierung fürchten. Für den Anleger verringert sich das Risiko des Kaufs zu überhöhtem Kurs. Das Emissionsrisiko des mitwirkenden Kreditinstituts wird ebenfalls minimiert, weil die Möglichkeit der Inanspruchnahme aus der Übernahmegarantie unwahrscheinlicher wird (vgl. Kümpel, Rn. 9.205).
34
E. Rechtsbeziehungen zwischen Emittent und Anleger/Aktienerwerber
35
I. Anleiheemission. Das Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Anleger wird durch die Bestimmungen über die Schuldverschreibung auf den Inhaber sowie die Anleihebedingungen näher geregelt. Auch kann der Übernahmevertrag zwischen Emittent und Kreditinstitut Drittschutzwirkung zugunsten der Anleger haben (vgl. Kümpel, Rn. 9.166). Im Übrigen kommt eine Prospekthaftung in Betracht. Welche Leistung geschuldet wird und welche Einwendungen der Emittent als Aussteller erheben kann, muss sich aus der Urkunde ergeben (§ 793 I 1, § 796 BGB). Die Anleihebedingungen haben regelmäßig folgenden wesentlichen Inhalt: Das Leistungsversprechen wird näher ausgestaltet. Verzinsung und Rückzahlung der Anleihe sowie deren Laufzeit werden bestimmt. Zum Schutz der Gläubiger wird die Kündigung bei Eintritt bestimmter Ereignisse (Zahlungsverzug, Insolvenz des Emittenten) geregelt.
36
Die Anleihebedingungen sind allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 I 1 BGB), die die Rechte der jeweiligen Inhaber gegen den Aussteller nach der ersten Begebung bestimmen und einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen (BGHZ 119, 305; OLG Frankfurt WM 1993, 2089; auch Begr. des Regierungsentwurfs eines AGB-Gesetzes, BT-Drucks. 7/3919, S. 18).
37
Eine nachträgliche Änderung des Rechtsverhältnisses zwischen Emittent und Anleger, insbesondere der Anleihebedingungen, ist auf der Grundlage des Gesetzes betreffend die
38
Bartz
1738
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4.12.1899 (BGBl. III 4134-1) – Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) – möglich. Es dient dem Zweck, die parallel gerichteten Interessen der Inhaber von Schuldverschreibungen zu bündeln und diese als Interessengemeinschaft zu organisieren (MünchKommBGB-Hüffer, § 793 Rn. 35). Das SchVG sieht vor, dass die Inhaber von Schuldverschreibungen, die einen Mindestgesamtbetrag und eine Mindestzahl ausmachen müssen, in einer Gläubigerversammlung zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen fassen, die für alle Gläubiger verbindlich sein können (§ 1 I, § 3 I, § 10 I SchVG). Ein Beschluss über die Aufgabe oder Beschränkung von Rechten der Gläubiger, insbesondere die Ermäßigung des Zinsfußes oder die Bewilligung einer Stundung , kann nur zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Insolvenzverfahrens gefasst werden (§ 11 I SchVG). Er bedarf zudem einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen (§ 11 II bis IV SchVG). Schließlich muss er für alle Gläubiger die gleichen Bedingungen festsetzen (§ 12 I SchVG). 39
Das SchVG ist auf Genussscheine, die von einer Bank nach Maßgabe des § 10 IV KWG ausgegeben wurden und deren Rückzahlungsansprüche und jährliche Ausschüttungen durch die Gewinnabhängigkeit von Anfang an bedingt und der Höhe nach unbestimmt sind, nicht anwendbar (OLG Frankfurt ZIP 2006, 1388). Ebensowenig ist das SchVG auf Auslandsanleihen anwendbar. Es findet nur Anwendung, wenn der Aussteller im Inland seinen Wohnsitz hat und die Schuldverschreibung im Inland ausgestellt worden ist (§ 1 I SchVG). Das Gesetz hat bislang nur geringe praktische Bedeutung erlangt (Kümpel, Rn. 9.172).
40
II. Aktienemission. Abgesehen von der Umwandlung einer Gesellschaft in eine AG erfolgen Aktienemissionen vor allem zum Zwecke von Kapitalerhöhungen. Das Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Aktienerwerber ist hierfür in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Satzung der betreffenden AG näher geregelt. Einfluss auf die Aktienemission haben insbesondere die Bestimmungen über den Schutz der bisherigen Aktionäre. Auch hier kommt zudem eine Prospekthaftung in Betracht.
41
Der Inhalt der Satzung einer AG ist gesetzlich weitgehend vorgegeben. Abweichungen von den Vorschriften des Aktiengesetzes sind nur zulässig, wenn sie ausdrücklich zugelassen sind; ergänzende Bestimmungen der Satzung sind zulässig, es sei denn, dass das Aktiengesetz eine abschließende Regelung enthält (§ 23 V 1 und 2 AktG). Sinn und Zweck der Vorschrift sind der Schutz der Gläubiger der AG sowie die einheitliche Ausgestaltung der Rechtsstellung der Aktionäre, um die Verkehrsfähigkeit der Aktien zu gewährleisten.
42
Bei Erhöhung des Grundkapitals (§ 182 I AktG) muss jedem Aktionär auf sein Verlangen ein seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zugeteilt werden (§ 186 I 1 AktG); er hat ein Bezugsrecht. Dieses Bezugsrecht kann nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen ausgeschlossen werden (§ 186 III, IV AktG) (hierzu Rn. 43). Diese Regelung ist zum Schutz des bisherigen Aktionärs erforderlich. Denn seine mitgliedschaftliche Rechtsstellung wird durch die Aktienemission berührt. Zum einen verringert die Kapitalerhöhung das relative Gewicht der Beteiligung jedes Aktionärs und damit seine Stimmkraft in der Hauptversammlung (Einflussverlust). Zum anderen kann eine Kapitalerhöhung zum Wertverlust der Aktien führen, soweit die neuen Aktien zu einem niedrigeren Ausgabekurs ausgegeben werden, als es dem Börsenkurs der alten Aktien entspräche (Wertverwässerung) (BGHZ 136, 133 (141), KölnerKommentarAktG-Lutter, § 186 AktG Rn. 7). Als Ausschluss des Bezugsrechts ist es nicht anzusehen, wenn die neuen Aktien von einem Kreditinstitut mit der Verpflichtung
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1739
übernommen werden sollen, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten, diesen also ein selbständiges mittelbares Bezugsrecht eingeräumt wird (§ 186 V 1 AktG). Die entsprechende Vereinbarung zwischen Emittent und Kreditinstitut ist ein berechtigender Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 I BGB), hier des bisherigen Aktionärs. Sinn dieser gesetzlichen Fiktion ist es, das mittelbare Bezugsrecht von den engen Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 III, IV AktG freizustellen (BGHZ 118, 83). Ein Ausschluss des Bezugsrechts ist zunächst unter erleichterten Voraussetzungen zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 v.H. des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet (§ 186 III 4 AktG). In diesem Falle droht weder ein Einflussverlust noch eine Wertverwässerung (hierzu Rn. 42). Sofern eine Kapitalerhöhung beabsichtigt ist, die 10 v.H. des Grundkapitals überschreitet, ist eine solche Maßnahme nach § 186 III 1 AktG nur rechtmäßig, wenn sie durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist und die Folgen gebührend berücksichtigt werden, die für die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre eintreten. Die Prüfung dieser sachlichen Wirksamkeitsvoraussetzung schließt eine Abwägung der Gesellschafts- und Aktionärsinteressen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck ein. Des Weiteren müssen die Voraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluss im Beschlusszeitpunkt so konkret feststehen und offen gelegt werden, dass die Hauptversammlung sie endgültig beurteilen kann. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann die Hauptversammlung das Bezugsrecht der Aktionäre ausschließen oder den Vorstand zu dem Bezugsrechtsausschluss ermächtigen, wenn die Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden soll, im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekanntgegeben wird. Der Vorstand darf von der Ermächtigung nur dann Gebrauch machen, wenn das konkrete Vorhaben der abstrakten Umschreibung entspricht und auch im Zeitpunkt seiner Realisierung noch im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt. Er hat diesen Umstand im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens sorgfältig zu prüfen (BGHZ 136, 133 unter teilweiser Aufgabe von BGHZ 83, 319; 120, 141).
43
F. Rechtsbeziehungen zwischen mitwirkendem Kreditinstitut und Anleger
44
I. Der Vertrag über den Erwerb von Wertpapieren zwischen mitwirkendem Kreditinstitut und Anleger ist ein Kaufvertrag (Rechtskauf i. S. d. § 453 BGB). Dieser Vertrag hat keine Besonderheiten gegenüber anderen Rechtsgeschäften, die das Kreditinstitut allgemein im Rahmen seiner sonstigen Geschäfte tätigt (Canaris, Rn. 2271). II. Des weiteren entsteht zwischen Kreditinstitut und Anleger durch die Veröffentlichung des Emissionsprospekts ein besonderes Rechtsverhältnis, wenn das Kreditinstitut an dessen Erstellung mitgewirkt hat; das ist regelmäßig der Fall. Sind die Prospektangaben unrichtig oder unvollständig, kommt eine Prospekthaftung des mitwirkenden Kreditinstituts gegenüber dem Anleger in Betracht (hierzu Rn. 58 ff.).
45
G. Emissionskonsortium
46
I. Allgemeines. Die Emission von Wertpapieren wird typischerweise nicht von einem, sondern von mehreren Kreditinstituten auf gemeinsame Rechnung durchgeführt (Konsortialgeschäft). Das Konsortium der Kreditinstitute ist regelmäßig eine GbR (PalandtSprau, § 705 Rn. 44). Der Anlass für gemeinschaftliches Handeln kann unterschiedlich sein. Beispielsweise kann die Größenordnung des Geschäfts dazu zwingen, den damit verbundenen Kapitaleinsatz und das Platzierungs- und Preisrisiko zu minimieren. Des Weiteren kann die Einschaltung mehrerer Kreditinstitute auf einem entsprechenden Wunsch des Emittenten beruhen (Kümpel, Rn. 9.230 f). Es gibt zwei Arten von Konsor-
Bartz
1740
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
tien, das Außen- und das Innenkonsortium. Von beiden zu unterscheiden sind das sog. Meta-Verhältnis sowie die Unterbeteiligung. 47
Ein Außenkonsortium liegt vor, wenn die mitwirkenden Kreditinstitute nach außen als Vertragspartner in Erscheinung treten. Das ist z. B. der Fall, wenn das führende Kreditinstitut den Übernahmevertrag im Namen der anderen mitwirkenden Banken abschließt und damit als Stellvertreter (§ 164 BGB) tätig wird (Übernahmekonsortium; BGHZ 118, 83). Als (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt das Außenkonsortium Rechtsfähigkeit, soweit es durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGHZ 146, 341). Für die in dessen Namen begründeten Verpflichtungen haften die Gesellschafter entsprechend § 128 HGB kraft Gesetzes auch persönlich, ohne dass diese Haftung durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen, nur beschränkt für diese Verpflichtungen einzustehen, verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden kann (BGHZ 142, 315; Ekkenga/Maas, Rn. 475 m.w.N.). Ein Innenkonsortium liegt vor, wenn das führende Kreditinstitut den Übernahmevertrag mit dem Emittenten allein, zugleich aber für Rechnung der übrigen mitwirkenden Kreditinstitute abschließt; das wird auch als primary underwriting oder sub-underwriting bezeichnet (Kümpel, Rn. 9.232 f). Unmittelbare Rechte und Pflichten aus dem Übernahmevertrag haben dann allein das führende Kreditinstitut und der Emittent. Kein Innenkonsortium liegt vor, wenn ein Kreditinstitut die allein übernommenen Wertpapiere sofort an andere Banken zur Platzierung weiterveräußert; in diesem Fall ist ein Kaufvertrag gegeben (Hopt, S. 26).
48
Kein Innenkonsortium, sondern eine Innengesellschaft (§§ 705 ff. BGB) ist das sog. Meta-Verhältnis. Dieses ist eine Verbindung, die zwei oder mehrere Personen in der Absicht, einen zu teilenden Gewinn zu erzielen, auf gewisse Zeit zur Ausführung einer unbestimmten Anzahl von Umsatzgeschäften eingehen. Diese Geschäfte werden auf gemeinschaftliche Rechnung, nach außen aber von jedem Teilhaber im eigenen Namen geschlossen. Geschäftsverbindungen dieser Art sind Gelegenheitsgesellschaften des bürgerlichen Rechts; da sie nach außen nicht als Gesellschaften in Erscheinung treten, sind sie Innengesellschaften (BGH BB 1964, 12). Dem Innengesellschafter eines Meta-Geschäfts steht ein Recht auf Auskunft und Einsicht in die Bücher und Papiere über die gemeinschaftlichen Projekte durch einen zu Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen zu (BGH WM 1982, 1403).
49
Kein Innenkonsortium ist auch die in der Konsortialpraxis anzutreffende Unterbeteiligung. Die Unterbeteiligung zwischen dem abgebenden und dem abnehmenden Kreditinstitut ist eine GbR (Innengesellschaft). Der Unterschied zum Innenkonsortium besteht darin, dass zwischen dem unterbeteiligten Kreditinstitut und den übrigen mitwirkenden Kreditinstituten keine rechtlichen Beziehungen begründet werden. Einer der Gründe für die Unterbeteiligung kann in der Minimierung des Platzierungsrisikos des unterbeteiligenden Kreditinstituts liegen (vgl. Kümpel, Rn. 9.237 bis 9.239).
50
II. Rechtliche Ausgestaltung des Konsortiums. 1. Konsortialvertrag. Der Konsortialvertrag regelt die Vertragsbeziehungen der beteiligten Kreditinstitute untereinander regelmäßig abweichend von den dispositiven gesetzlichen Bestimmungen (§§ 705 ff. BGB). Ausgeschlossen werden meist die gleiche Verteilung der Beitragslast (§ 706 I BGB), die gemeinschaftliche Geschäftsführung und Vertretung des Konsortiums (§§ 709 ff, § 714 BGB), die Bildung von Gesellschaftsvermögen (gemeinschaftlichem Vermögen der Gesellschafter) (§ 718 I BGB) sowie die Gleichmäßigkeit der Gewinn- und Verlustverteilung (§ 722 BGB). Mit dem Ausschluss der Bildung von Gesellschaftsvermögen soll die gesamthänderische Bindung (§ 719 I BGB) verhindert werden, da an-
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1741
sonsten alle Mitglieder des Konsortiums nur gemeinschaftlich über die erworbenen Wertpapiere verfügen könnten (Kümpel, Rn. 9.244). Das ist rechtlich zulässig (Palandt-Sprau, § 705 Rn. 33). Aus den gleichen Gründen wird regelmäßig auch die Bildung von Miteigentum nach Bruchteilen (§§ 741 ff. BGB) ausgeschlossen. Als Merkmale der GbR verbleiben danach lediglich die Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks sowie die Beschreibung bestimmter Beitragspflichten (Konsortialquote). Regelt der Vertrag eine der genannten Fragen nicht ausdrücklich, kann eine vom dispositiven Recht abweichende ergänzende Vertragsauslegung angebracht sein, um dem hypothetischen Willen der Mitglieder des Konsortiums gerecht zu werden (BGH NJW 1993, 3193). Dabei kommt den geschäftstypischen Gepflogenheiten eine herausragende Bedeutung zu (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 264). Der Konsortialvertrag kann bei sog. Grundlagengeschäften, wie z.B. Vertragsänderung, nachträglicher Mehrbelastung durch Quotenänderung, Änderung der Emissionsbedingungen, das grundsätzlich erforderliche Einstimmigkeitserfordernis durch das Mehrheitsprinzip ersetzen. Aus dem Wortlaut der entsprechenden vertraglichen Bestimmung muss sich dabei mit hinreichender Bestimmtheit ergeben, auf welchen Gegenstand des Vertrages sie sich bezieht. Ein pauschaler Ausschluss des Einstimmigkeitserfordernisses für Grundlagengeschäfte reicht nicht aus. Der notwendige Minderheitenschutz ist auch nicht durch den sog. Kernbereichsgrundsatz hinreichend gewährleistet (Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. 1988, Rn. 2312; Palandt-Sprau, § 705 Rn. 16 f.; Ekkenga/Maas, Rn. 286). Die nach dispositivem Recht vorgesehene Beschränkung der Sorgfaltspflichten der Gesellschafter untereinander auf die Fälle grober Fahrlässigkeit (§ 708, § 277 BGB) gilt nicht für die Mitglieder eines Emissionskonsortiums; sie ist stillschweigend abbedungen. Die Haftungsbeschränkung widerspricht dem allen Gesellschaftern bekannten und von allen gebilligten Inhalt des Emissionsgeschäfts, das regelmäßig mit der Verwaltung und Übertragung beträchtlicher Vermögenswerte verbunden ist. Auch für das Innenverhältnis der Konsortiumsmitglieder gilt danach die für das Außenverhältnis maßgebliche bankübliche Sorgfalt nach § 347 HGB (Ekkenga/Maas, Rn. 279; a.A.: Ebenroth/Boujong/ Joost-Groß, HGB, 2001, BankR VII, Anm. VII 23 m.w.N. (h.M.)). Die Geschäftsführung wird regelmäßig einem beteiligten Kreditinstitut als Konsortialführer („Lead Manager“) übertragen. Rechte und Pflichten des führenden Kreditinstituts bestimmen sich grundsätzlich nach den auftragsrechtlichen Bestimmungen (§ 713 iVm. §§ 664 bis 670 BGB). Zugleich hat das führende Kreditinstitut die Befugnis, das Konsortium gegenüber dem Emittenten zu vertreten (§ 714 BGB). Es hat die Aufgabe, die Verhandlungen mit dem Emittenten zu führen, den gesamten Briefwechsel zu erledigen, den Prospekt zu erstellen und die Emission abzuwickeln. Bei bedeutsamen Vorgängen sind die Mitglieder des Konsortiums zu unterrichten oder ist deren Zustimmung einzuholen (§ 713 iVm. § 766 BGB). Mehreren Kreditinstituten kann die gemeinschaftliche Führung des Konsortiums übertragen werden. In diesem Falle wird regelmäßig ein „federführendes“ Kreditinstitut bestimmt, das die Vertretung nach außen gemeinschaftlich mit den mitführenden Kreditinstituten wahrnimmt (Kümpel, Rn. 9.248). Neben den konsortialvertraglich festgelegten Rechten und Pflichten bestimmt sich das Verhältnis zwischen den Mitgliedern des Konsortiums nach der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (Palandt-Sprau, § 705 Rn. 27). Die Konsortiumsmitglieder sind danach verpflichtet, alles zu tun, was zur Erreichung des Vertragszwecks, d.h. zur Durchführung der Emission, notwendig ist, und alles zu unterlassen, was dieses Ziel gefährden könnte.
Bartz
51
52
1742
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
53
2. Außenhaftung der Mitglieder des Konsortiums. In einem Konsortialvertrag wird regelmäßig die Haftung der Mitglieder des Konsortiums gegenüber dem Emittenten auf die Höhe der Konsortialquote beschränkt. Jedes Mitglied schuldet danach die Übernahme der emittierten Wertpapiere nach seiner Quote und hat darüber hinaus die Pflicht, im Zusammenwirken mit den anderen Mitgliedern des Konsortiums den Leistungserfolg herbeizuführen. Die Leistungspflicht des einzelnen Konsortiumsmitglieds geht über eine selbstständige Teilleistung (§ 420 BGB) hinaus, erstreckt sich jedoch nicht wie bei einer Gesamtschuld (§ 427 BGB) auf die gesamte Leistung, sondern beschränkt sich auf die weitere Verpflichtung, im Zusammenwirken mit den anderen Mitgliedern des Konsortiums den Leistungserfolg herbeizuführen; mit dieser Vereinbarung wird eine Gesamthandsverpflichtung begründet (Palandt-Heinrichs, Überbl. vor § 420 BGB Rn. 7). Ohne eine solche Vereinbarung würde jedes Konsortiumsmitglied gesamtschuldnerisch haften, wie dies bei Geschäftsabschlüssen für eine GbR die Regel ist (§ 427 BGB). Diese Beschränkung der Haftung ist rechtlich zulässig und dem Emittenten gegenüber wirksam, wenn sie nach außen hin erkennbar ist (BGHZ 61, 54; BGH BB 1990, 1085). Der Emittent hat dementsprechend gegenüber jedem Mitglied des Konsortiums einen selbständigen Anspruch auf die jeweils von ihm zu erbringende Teilleistung und auf das erfolgsorientierte Zusammenwirken aller Konsortiumsmitglieder.
54
Die gesamtschuldnerische Haftung (§ 427 BGB) der Konsortiumsmitglieder für von ihnen zu leistende Einlagen kann nicht abbedungen werden. Eine solche Haftung ist dann gegeben, wenn ein Emissionskonsortium im Rahmen eines mittelbaren Bezugsrechts (§ 186 V AktG) die aus der Kapitalerhöhung hervorgehenden Aktien fest übernimmt (Übernahmekonsortium) (BGHZ 118, 83). Dagegen ist in der Rechtsliteratur eingewandt worden: Dem Zweck der aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften könne durch eine quotale Haftung Rechnung getragen werden, die sich bei Ausfall einer Konsortialbank entsprechend der im Innenverhältnis bestehenden Ausfallhaftung (§ 735 S. 2 BGB) erhöhe. Zudem folge die Haftung aus der „Zeichnung“ des neuen Mitgliedschaftsrechts nicht aus dem Übernahmevertrag, sondern aus dem rechtlich selbständigen kooperationsrechtlichen Zeichnungsvertrag. Des Weiteren seien die Quoten einzelner Konsortialbanken häufig sehr gering. In diesem Falle sei es nicht gerechtfertigt, wenn eine „kleine“ Konsortialbank gesamtschuldnerisch auch für die Quoten bonitätsmäßig zweifelsfreier Konsortialbanken mithafte (zum Ganzen vgl. Kümpel, Rn. 9.255 f.). Die Rechtsauffassung des BGH ist demgegenüber überzeugend: Die Mitglieder des Konsortiums werden nicht als Einzelpersonen, sondern als Gesamthandsgemeinschaft Mitglied der AG. Das hat die gesamtschuldnerische Haftung entsprechend § 427 BGB zur Folge, die nicht abdingbar ist. Es würde dem Zweck der aktienrechtlichen Kapitalschutzvorschriften, die Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals einer AG zu sichern, widersprechen, wenn die Mitglieder einer an der AG beteiligten GbR ihre Haftung für die von ihnen zu leistende Einlage auf das Gesamthandsvermögen beschränken oder ihre persönliche Haftung auf einen ihrer prozentualen Beteiligung entsprechenden Betrag begrenzen dürften (BGHZ 118, 83; 142, 315). Der Schutzzweck dieser Bestimmungen ist erheblich gewichtiger als das Interesse der Konsortialbanken an einer Haftungsbeschränkung.
55
Kann ein Mitglied des Konsortiums seine Quote nicht übernehmen, dann gilt sinngemäß die gesellschaftsrechtliche Ausfallhaftung (§ 735 S. 2 BGB) (Hopt, S. 28). Danach haben die übrigen Konsortiumsmitglieder den Ausfall nach dem gleichen Verhältnis zu tragen. Die in der Bankenpraxis verwendeten standardisierten Übernahmeverträge sehen für diesen Fall ausdrücklich vor, dass jedes Konsortiumsmitglied weitere Aktien bis zu 10 % seiner Quote zu übernehmen hat (vgl. Kümpel, Rn. 9.258). Der Emittent hat grundsätz-
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1743
lich Anspruch auf die Ausfallhaftung. Das gilt nur dann nicht, wenn die Konsortiumsmitglieder ausnahmsweise als Gesamtschuldner haften (vgl. Kümpel, Rn. 9.259). 3. Auflösung. Ist die Platzierungsphase abgeschlossen, so ist der vereinbarte Zweck des Emissionskonsortiums, nämlich die Durchführung des Emissionsgeschäfts, erreicht, und die Gesellschaft erlischt (§ 726 BGB). Das Emissionskonsortium ist eine typische Gelegenheitsgesellschaft.
56
Jedoch können die Mitglieder des Konsortiums die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Das kann auch stillschweigend durch konkludentes Verhalten geschehen. Ein dahingehender Rechtsfolgewillen muss in dem entsprechenden Verhalten der Beteiligten und ihren ausdrücklichen Erklärungen zum Ausdruck kommen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn an früheren Konsortien beteiligte Kreditinstitute über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder die Bildung eines neuen Konsortiums „begrüßen“ und die einmal festgelegten Quoten auf Jahre hinaus nicht geändert worden sind (vgl. BGH NJW 1995, 2843; Kümpel, Rn. 9.261). Eines gesellschaftsrechtlichen Vorvertrages (vgl. RGZ 106, 174) mit dem Ziel einer Neukonstituierung des Konsortiums für eine weitere Emission bedarf es in diesen Fällen nicht (a. A. Kümpel, Rn. 9.262).
57
H. Haftung der an einer Emission Beteiligten gegenüber dem Anleger
58
I. Haftungsgrundlagen. Als Grundlagen der Haftung der an einer Emission Beteiligten, insbesondere des Emittenten und des mitwirkenden Kreditinstituts, gegenüber dem Anleger kommen die spezialgesetzliche Prospekthaftung, die von der Rechtsprechung entwickelte allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung, die Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss und die Haftung für unerlaubte Handlungen in Betracht. Die spezialgesetzliche Prospekthaftung ist im BörsG (§§ 44 ff.) und im VerkProspG (§§ 13, 13a) geregelt. Eine ähnliche Regelung findet sich in § 127 InvG (investmentrechtliche Prospekthaftung), die an die Stelle der bis 31.12.2003 geltenden Bestimmungen der § 20 KAGG, § 12, § 15i AuslInvestG getreten ist. Neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung können weitergehende Ansprüche nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts aufgrund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden; ausgeschlossen ist lediglich die deliktische Haftung wegen fahrlässigen Handelns in diesem Regelungsbereich (§ 47 II BörsG, § 13 I, § 13a VI 2 VerkProspG). Das gilt insbesondere für eine mögliche Haftung nach § 823 II BGB i.V.m. Bestimmungen des WpPG über die Prospektgestaltung und -veröffentlichung. Hingegen sind Ansprüche wegen fehlerhafter Erfüllung sonstiger, von der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nicht erfasster Publizitätspflichten nicht ausgeschlossen (hierzu Rn. 62) (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 416).
59
Die allgemeine Prospekthaftung (sog. eigentliche Prospekthaftung; Palandt-Heinrichs, § 311 Rn. 30) knüpft an ein standardisiertes, den Prospektverantwortlichen typischerweise entgegengebrachtes Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der in einem Prospekt enthaltenen wesentlichen Angaben an (Vertrauenshaftung) (BGHZ 145, 187). Da die spezialgesetzliche Prospekthaftung die Folgen rechtswidriger Prospektveröffentlichungen abschließend regelt (hierzu Rn. 59), verbleiben für die allgemeine Prospekthaftung im Wesentlichen zwei Haftungstatbestände, zum einen die Veröffentlichung unrichtiger Prospekte außerhalb der Wahrnehmung gesetzlicher Publizitätspflichten, zum anderen die individuelle Übermittlung unrichtiger Prospekte an Anleger (BGHZ 123, 106 (109)) (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 415).
60
Für Verschulden bei Vertragsschluss (sog. uneigentliche Prospekthaftung; s. PalandtHeinrichs, § 311 BGB Rn. 30) haftet, wer beim Vertrieb von Kapitalanlagen persönliches
61
Bartz
1744
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Vertrauen in Anspruch genommen und sich pflichtwidrig verhalten hat (§ 280 I i.V.m. § 311 II BGB). 62
Schließlich kommt eine Haftung für unerlaubte Handlungen nach § 823 I BGB, § 823 II BGB i.V.m. § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) (hierzu OLG München AG 2005, 169), § 263 I StGB (Betrug), § 400 I AktG (unrichtige Darstellung) (hierzu BGH WM 2005, 227 und 1358), § 399 I Nr. 1 AktG (falsche Angaben bei Kapitalerhöhung) sowie wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB (hierzu BGHZ 160, 149) in Betracht (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 416).
63
II. Spezialgesetzliche Prospekthaftung (§§ 44 ff. BörsG; § 13 VerkProspG). 1. Tatbestand. a) Der Erwerber von Wertpapieren, die aufgrund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind, in dem für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind, kann von den Prospektverantwortlichen und denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, als Gesamtschuldnern unter weiteren Voraussetzungen die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen (§ 44 I 1 BörsG). Ein Prospekt stellt in der Regel die für den Anlageinteressenten wichtigste und häufigste Informationsquelle dar und bildet im Allgemeinen die Grundlage seiner Anlageentscheidung. Ein Anleger darf erwarten, dass er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt erhält, d.h. dass der Prospekt ihn über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich und vollständig unterrichtet (BGHZ 160, 149; 123, 106). Die Prospekthaftung knüpft daran an, dass Prospekte den Anlegern ein möglichst genaues Bild über die tatsächlichen Grundlagen der angebotenen Wertpapiere vermitteln, insbesondere ein Urteil über die wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit des Emittenten und mittelbar über die Qualität der Wertpapiere, ermöglichen sollen (Schwark, § 36 Rn. 3). Sinn und Zweck der Bestimmung ist es, das Vertrauen des Publikums zu schützen, das sich aufgrund des Prospekts oder der durch seine Veröffentlichung ausgelösten Anlagestimmung dazu entschließt, die mit ihm eingeführten Wertpapiere zu erwerben (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 76).
64
Der Erwerber von Wertpapieren, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, oder von Vermögensanlagen iSd § 8f I VerkProspG (sog. „grauer Kapitalmarkt“; hierzu Rn. 3) hat gegen die Prospektverantwortlichen und diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, Ansprüche nach den Vorschriften der §§ 44 bis 47 BörsG (hierzu Rn. 63) (§ 13 I VerkProspG) mit zwei Maßgaben: Bei der Anwendung des § 44 I 1 BörsG ist für die Bemessung des Zeitraums von sechs Monaten anstelle der Einführung der Wertpapiere der Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebots im Inland maßgeblich. § 44 III BörsG ist auf Emittenten mit Sitz im Ausland anzuwenden, deren Wertpapiere auch im Ausland öffentlich angeboten werden.
65
Der Erwerber von Wertpapieren, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, oder von Vermögensanlagen i.S.d. § 8f I VerkProspG (sog. „grauer Kapitalmarkt“; hierzu Rn. 3) kann, wenn ein Prospekt trotz öffentlichen Verkaufsangebots entgegen § 3 I 1 WpPG nicht veröffentlicht wurde, von dem Emittenten und dem Anbieter als Gesamtschuldner die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen (§ 13a I 1 VerkProspG).
66
b) „Angaben“ (§ 44 I 1 BörsG, § 13 I VerkProspG) sind schriftliche oder auf elektronischem Wege veröffentlichte, nicht aber mündliche Angaben, deren Inhalt einem unbestimmten Personenkreis die Beurteilung von Kapital- oder Vermögensanlagen ermögli-
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1745
chen soll (Ekkenga/Maas, Rn. 422), sowie wertende Aussagen über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens oder seine voraussichtliche künftige Entwicklung. Hierzu zählen freiwillig erstellte Informationsmemoranden vor Börsenzulassung, Veröffentlichungen in Zeitschriften und Tageszeitungen, Werbeschreiben, Serienbriefe, Kurzexposés und Handzettel, sofern sie nicht lediglich Einzelergebnisse mitteilen; unerheblich ist dabei, ob die Darstellung Informations- oder Werbezwecken dient. Nicht zu den Angaben gehören Informationsmemoranden nach Börsenzulassung, Zwischenberichte iSd § 40 BörsG, Nachträge zum Prospekt i.S.d. § 16 I WpPG (nach Gestattung der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts aber Haftung nach § 11 Satz 2 VerkProspG), Ad-hoc-Meldungen (Veröffentlichungen und Mitteilungen von Insiderinformationen iSd § 13 I WpHG, § 4 I Nr. 1 Buchst. a WpAIV) nach § 15 WpHG (BGH ZIP 2004, 1593 und 1599) sowie mittelbare Bezugsangebote mit den nach § 186 V 2 AktG erforderlichen Angaben zu Bezugspreis und Bezugsfrist. Im letztgenannten Fall sind Adressaten nicht die Anleger als Marktteilnehmer, sondern die bisherigen Aktionäre als Gesellschaftsmitglieder; das Bezugsangebot hat verbandsinternen Charakter (BGH NJW 1982, 2827) (zum Ganzen Ekkenga/ Maas, Rn. 422 ff). Bei Angaben iSd § 44 I 1 BörsG, § 13 I VerkProspG lassen sich die bloße Wiedergabe festgestellter Tatsachen und deren Wert in der Beurteilung nicht scharf voneinander trennen. Das gilt beispielsweise dann, wenn Grundlage der Beurteilung eine nach dem „going-concern“-Prinzip (§ 252 I Nr. 2 HGB) aufgestellte Bilanz ist, deren Zahlen von der Überlebensfähigkeit des Unternehmens ausgehen, also bereits auf einer Prognose beruhen. Stellt ein Prospekt in Verbindung mit einer solchen Bilanz die Aussichten eines Unternehmens günstig dar, so verlässt sich ein Leser mit Recht darauf, dass es sich nicht um bloße Mutmaßungen handelt, sondern um Schlussfolgerungen aus nachgeprüften Tatsachen oder Wertfeststellungen, die auf einer sorgfältigen Analyse aller hierfür maßgebenden Voraussetzungen beruhen, es sei denn, aus dem Prospekt ergibt sich deutlich etwas anderes. Hierfür muss der Prospektverantwortliche einstehen. Das folgt aus Sinn und Zweck der Bestimmung (hierzu Rn. 63), wonach das Vertrauen des Publikums geschützt werden soll, das sich aufgrund des Prospekts oder der durch seine Veröffentlichung ausgelösten Anlagestimmung dazu entschließt, die mit ihm eingeführten Wertpapiere zu erwerben. Hierfür sind gerade auch solche Angaben von Bedeutung, die sich allgemein auf die gegenwärtige und künftige Lage des Unternehmens und damit auf Umstände beziehen, die den inneren Wert einer Beteiligung wesentlich mitbestimmen. Da an solche Hinweise nicht zuletzt entsprechende Gewinnerwartungen geknüpft sind, pflegt sich ein Anleger bei seiner Entscheidung auch oder sogar in erster Linie von ihnen leiten zu lassen. Ein Prospektverantwortlicher ist dafür verantwortlich, dass Voraussagen oder Werturteile ausreichend durch Tatsachen gestützt und kaufmännisch vertretbar sind. Hingegen muss keine Gewähr für eine Voraussage in einem Prospekt geleistet werden (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 76).
67
c) Weitere Voraussetzung der Haftung ist die Unrichtigkeit der Angaben im Prospekt. Dabei kommt es nicht allein auf die wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern wesentlich darauf an, welches Gesamtbild der Prospekt durch seine Aussagen über die Verhältnisse und die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens, dessen Papiere zum Kauf angeboten werden, dem interessierten Publikum vermittelt. Entscheidend ist nicht der Buchstabe, sondern der Gesamteindruck auf einen durchschnittlichen Anleger. Denn der Prospekt soll dem Publikum ein zutreffendes Urteil über den Emittenten und die Wertpapiere ermöglichen. Das beachtliche Interesse des Emittenten und des mitwirkenden Kreditinstituts, neue Aktien unterzubringen, entbindet nicht von der Pflicht, im Emissionsprospekt eine wahrheitsgetreue, vollständige und auch realistische Darstellung
68
Bartz
1746
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
zu geben. Leidet hierunter der Absatz, so ist dies in der Sache selbst begründet und von den Beteiligten in Kauf zu nehmen (zum Ganzen BGH NJW 1982, 2823 und WM 2008, 581 (584)). 69
Für die Beurteilung der Unrichtigkeit der Prospektangaben kommt es zunächst auf die gesetzlichen Mindestanforderungen an den Prospektinhalt nach § 7 WpPG an. Fügt der Emittent freiwillig weitere Angaben hinzu, so müssen auch diese dem Wahrheitsgebot entsprechend (vgl. Ekkenga/Maas, Rn. 431).
70
Die Unvollständigkeit ist ein Unterfall der Unrichtigkeit, da ein unvollständiger Prospekt immer zugleich auch unrichtig ist. Angesichts seiner Bedeutung in der Praxis ist es allerdings nach Auffassung des Gesetzgebers geboten, diesen Unterfall gesondert aufzuführen. Das entspricht ähnlichen anderen Regelungen (§ 13 I VerkProspG, § 127 I 1 InvG) (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8993 S. 76).
71
Für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des Prospekts ist es unerheblich, dass dieser zuvor von der Bundesanstalt gebilligt worden ist (BGHZ 123, 126). Unregelmäßigkeiten im Rahmen der behördlichen Prüfung, die zu einer unzutreffenden Beurteilung des Prospekts geführt haben, können nicht zu Lasten des Anlegers gehen. Des Weiteren ist die Informationsbasis der Bundesanstalt wesentlich kleiner als diejenige des Emittenten und des beteiligten Kreditinstituts. Die Behörde prüft lediglich, ob der Prospekt die erforderlichen Angaben enthält, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über den Emittenten und die zuzulassenden Wertpapiere zu ermöglichen (§ 30 III Nr.1 und 2 BörsG) (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 76). Demgegenüber findet keine umfassende Bonitätsprüfung statt; denn die Bundesanstalt führt keine eigenen Ermittlungen über die Bonität des Emittenten und die Absicherung der zuzulassenden Wertpapiere durch (BGHZ 123, 126).
72
d) Die Haftung setzt des Weiteren voraus, dass die unvollständigen und unrichtigen Angaben für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlich sind. Entscheidend ist dabei, ob sich im konkreten Fall bei einer ordnungsgemäßen Angabe die für die Beurteilung wesentlichen maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse verändern würden. Das ist regelmäßig bei einer unzutreffenden Darstellung der Geschäftsaussichten der Fall. Demgegenüber ist die fehlerhafte Angabe der Zahlstelle im Prospekt unwesentlich (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 76).
73
e) Die Prospekthaftung erstreckt sich auch auf bereits umlaufende Wertpapiere, die von den neu begebenen Wertpapieren nicht nach Ausstattungsmerkmalen oder in sonstiger Weise unterschieden werden können (§ 44 I 3 BörsG). Der Emittent kann diese erweiterte Haftung vermeiden, indem er die neu begebenen Wertpapiere für den Zeitraum von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Prospekts mit einer eigenen Kennung „ISIN“ (Rn. 4) ausstatten lässt (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 77).
74
f) Nicht Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Erwerber noch Inhaber der Wertpapiere ist (§ 44 II 1 BörsG). In diesem Falle hat der Erwerber einen modifizierten Schadensersatzanspruch (dazu unter Rn. 108). Der Inhaber der Wertpapiere, der diese zu einem Preis veräußert, der unterhalb des üblicherweise erzielbaren Börsenpreises liegt, verletzt regelmäßig die ihm obliegende Pflicht zur Schadensminderung (§ 254 II 1 BGB). In diesem Falle ist für die Bestimmung des Veräußerungspreises der an der Börse erzielbare Veräußerungspreis zugrunde zu legen (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 79).
75
g) Bei Emittenten mit Sitz im Ausland, deren Wertpapiere auch im Ausland zum Börsenhandel zugelassen sind, besteht der Anspruch nach § 44 I oder II BörsG nur, sofern die
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1747
Wertpapiere aufgrund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts oder einer ganz oder teilweise im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden (§ 44 III BörsG; vgl. auch § 13 I Nr. 2 VerkProspG). In diesen Fällen ist es unangemessen, Prospekthaftungsansprüche nach deutschem Recht im Hinblick auf Erwerbsvorgänge zuzulassen, bei denen keinerlei Bezug zum Inland und somit zu dem unrichtigen inländischen Börsenzulassungsprospekt besteht. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die Attraktivität des Finanzplatzes im internationalen Wettbewerb zu fördern. Im Ausland börsennotierte Unternehmen sollen bei einer beabsichtigten Notierung in Deutschland keine Belastung ausschließlich im Heimatstaat erfolgender Erwerbsvorgänge mit Prospekthaftungsansprüchen nach deutschem Recht befürchten müssen (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 79) (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 446 f.). h) Eine Beschränkung der Haftung nach § 44 BörsG im Voraus ist unwirksam (§ 47 I BörsG). Freizeichnungsklauseln im Prospekt sind unzulässig. Sie wären mit dem quasi-deliktischen Charakter der börsengesetzlichen und zivilrechtlichen Prospekthaftungstatbestände nicht zu vereinbaren (BGH WM 1984, 1075; Ekkenga/Maas, Rn. 444a).
76
i) Die Haftung ist nicht ausgeschlossen durch die aktienrechtlichen Verbote der Einlagenrückgewähr (§ 57 I 1 AktG) und des Erwerbs eigener Aktien (§§ 71 ff. AktG). § 44 BörsG enthält insoweit eine abschließende Spezialregelung, die den genannten allgemeinen Bestimmungen vorgeht (BGH BB 2005, 1644; Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 78; s. auch Rn. 106 a.E.).
77
j) Einem Prospekt steht eine schriftliche Darstellung gleich, aufgrund deren Veröffentlichung der Emittent von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts befreit wurde. Unrichtige oder unvollständige Angaben in diesen Darstellungen begründen daher ebenso wie die entsprechenden Angaben in einem Prospekt eine Prospekthaftung (§ 44 IV BörsG).
78
k) Die Prospekthaftung nimmt dem Anleger nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Anlageentscheidung ab. Das beteiligte Kreditinstitut hat nur für die rechtliche Existenz (Verität), nicht jedoch für die Zahlungsfähigkeit (Bonität) des Emittenten einzustehen. Die Erfüllungspflicht des Verkäufers eines Wertpapiers garantiert die rechtliche Existenz und die Möglichkeit der Geltendmachung des verbrieften Rechts, nicht jedoch seine tatsächliche Durchsetzbarkeit (§ 453 I i. V. m. § 433 I 2 BGB; s. nur Palandt-Putzo, § 453 Rn. 22).
79
2. Vorliegen und Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts. a) Voraussetzung der Prospekthaftung ist des Weiteren, dass die Wertpapiere entgeltlich erworben worden sind (§ 44 I 1 BörsG) und dass der Erwerb bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Prospektpflicht unterblieben wäre. Ein unentgeltlicher Erwerb wird nicht erfasst; es fehlt an einem Erwerbspreis, der im Rahmen der Rückabwicklung oder der Erstattung des Unterschiedsbetrages zwischen Erwerbs- und Veräußerungspreis zu berücksichtigen wäre (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 76).
80
b) Die Wertpapiere müssen nach der Veröffentlichung des Prospekts erworben worden sein (§ 44 I 1 BörsG). Erst der veröffentlichte Prospekt erzeugt beim Publikum eine sog. Anlagestimmung, da die dort enthaltenen wesentlichen Angaben dem Anleger durch Veröffentlichungen in der Fachpresse oder im Rahmen der Anlageberatung bei Erwerb der Wertpapiere zumindest mittelbar zur Kenntnis gekommen sind. Aufgrund der Anlagestimmung ist von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, dass der unrichtige oder unvollständige Prospekt für den Erwerb der Wertpapiere ursächlich war (BGHZ 139, 225). Die Kausalitätsvermutung wird widerlegt, wenn der Prospektverantwortliche Umstän-
81
Bartz
1748
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
de darlegt und beweist, die zur vorzeitigen Beendigung der Anlagestimmung geführt haben oder eine solche Beendigung nahe legen, beispielsweise bei Erwerb der Wertpapiere erst nach dramatischem Kurseinbruch, nach Veröffentlichung eines Jahresabschlusses mit deutlich verschlechtertem Ergebnis oder wesentlicher Änderung des Börsenindex’ oder der Konjunktureinschätzung vor dem Erwerbsgeschäft (BGHZ 139, 225; OLG Frankfurt WM 1996, 1216) (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 435). Die Beweislast für das Fehlen der Kausalität zwischen Veröffentlichung des Prospekts und Erwerb der Wertpapiere trifft den Prospektverantwortlichen (§ 45 II Nr. 1 BörsG sowie § 55 BörsG, § 13 I VerkProspG). 82
c) Das Erwerbsgeschäft muss innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen worden sein (§ 44 I 1 BörsG). Diese zeitliche Begrenzung ist aus mehreren Gründen geboten: Zum einen schafft sie für alle Beteiligten Rechtssicherheit. Zum anderen berücksichtigt sie, dass der Börsenzulassungsprospekt in der Praxis nur innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne als Grundlage für den Erwerb der Wertpapiere herangezogen wird; danach ist der Börsenpreis der für den Anleger wesentliche Gesichtspunkt. Des Weiteren trägt die Bestimmung zur Überschaubarkeit der Haftung aufgrund fehlerhafter Prospekte für die Prospektverantwortlichen bei. Schließlich stellt sie einen gewissen Ausgleich dafür dar, dass eine strikte Begrenzung der Haftung auf den Gesamtbetrag der Emission nicht mehr gewährleistet ist, da nicht nur der gegenwärtige Inhaber, sondern auch frühere Inhaber der Wertpapiere anspruchsberechtigt sind (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 77).
83
d) Der Fristbeginn knüpft an die erstmalige Einführung der Wertpapiere an; das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung. Einführung der Wertpapiere (§ 44 I 1 BörsG) ist die Aufnahme der Notierung der zugelassenen Wertpapiere im amtlichen Markt an der Börse (Legaldefinition in § 37 I BörsG). Werden daher schon an einer inländischen Börse im amtlichen Handel notierte Wertpapiere innerhalb von sechs Monaten unter Verwendung des ursprünglichen Prospekts (§ 33 III BörsG) an einer anderen inländischen Börse eingeführt, so wird hierdurch die Halbjahresfrist nicht verlängert (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 77).
84
Bei der Fristberechnung ist auf den Zeitpunkt des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt manifestiert sich die durch den fehlerhaften Prospekt beeinflusste Kaufentscheidung nach außen. Der Zeitpunkt des sachenrechtlichen Vollzugs des Erwerbsgeschäfts ist demgegenüber unerheblich (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 77).
85
3. Haftungsschuldner. Haftungsschuldner sind diejenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben, und diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 I 1 Nr. 1 und 2 BörsG).
86
a) Die Verantwortung übernommen haben die Unterzeichner des Prospekts. Das sind der Emittent und die die Emission begleitenden Kreditinstitute (§ 30 II 1 BörsG iVm § 5 III 2 WpPG). Führt der Prospekt weitere Personen oder Gesellschafter auf, die für den Inhalt des Prospekts die Verantwortung übernehmen (§ 5 IV 1 WpPG), unterliegen diese ebenfalls der Prospekthaftung (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 78). Nicht prospektverantwortlich sind Kreditinstitute, die lediglich aufgrund eines sog. Underwriting-Agreement mit den Mitgliedern des Konsortiums oder nur als sog. Sub-Underwriter tätig werden, die weder den Prospekt unterzeichnet noch ihre Prospektverantwortlichkeit erklärt haben; denn die Prospekterstellung wurde ohne ihr Zutun verwirklicht (Ekkenga/Maas, Rn. 472; s. auch Rn. 15).
87
b) Diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, sind die Personen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1749
sind. Das sind insbesondere die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen, einschließlich der sog. „Hintermänner“. Darüber hinaus haften auch diejenigen, die aufgrund ihrer beruflichen und wirschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind (BGHZ 158, 110; BGH BB 2006, 770). Dabei kommt eine Prospektverantwortlichkeit für den Prospekt als Ganzen oder für die der betreffenden Person zuzurechnenden Prospektaussagen in Betracht (BGH BB 2006, 770; a.A. Ekkenga/Maas, Rn. 427). Prospektverantwortlich ist danach beispielsweise ein Wirtschaftsprüfer, wenn er die Prüfung des gesamten Prospekts der Kapitalanlage übernommen hatte und der betreffende Prüfbericht in den Prospekt aufgenommen worden ist (BGH NJW 2004, 3420) oder er als im Prospekt vorgesehener Mittelverwendungstreuhänder im Rahmen des Kapitalanlagemodells die Ordnungsmäßigkeit des Mittelzuflusses und der Mittelverwendung geprüft hatte (BGHZ 145, 187). Keine Prospektverantwortlichkeit trifft einen Wirtschaftsprüfer, wenn im Verkaufsprospekt mit seinem Einverständnis der Bestätigungsvermerk zum letzten geprüften Jahresabschluss abgedruckt worden ist, verbunden mit der Erklärung, im Rahmen der Vorprüfung zur Jahresabschlussprüfung für das nächste Geschäftsjahr seien keine Anhaltspunkte für eine vom Vorjahr abweichende Beurteilung bekannt geworden. Die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts von Kapitalgesellschaften durch einen Abschlussprüfer nach §§ 316 ff. HGB ist nämlich keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern nur eine Rechnungslegungsprüfung und in ihrer Reichweite auf einen bestimmten Stichtag (des Jahresabschlusses) bezogen. Vertrauensbegründende Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zukunft kann der Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers nicht enthalten (zum Ganzen BGH BB 2006, 770). Im Übrigen kommt eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss sowie aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in Betracht (hierzu Rn. 114). Schließlich sieht der Entwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes in einem neuen § 44a BörsG die grundsätzliche „Haftung von Dritten“ vor, die bei der Erstellung der für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlichen Angaben mitgewirkt und hierfür im Prospekt ausdrücklich die Verantwortung übernommen haben (vgl. auch Ekkenga/Maas, Rn. 427 m.w.N.). c) Die Prospektverantwortlichen haften als Gesamtschuldner (§ 44 I 1 BörsG iVm § 421 BGB). Abweichende Vereinbarungen im Innenverhältnis berühren die Haftung nach außen nicht (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 78; auch: BGHZ 142, 315). Zur Haftung eines Außenkonsortiums s. Rn. 47.
88
4. Sonderregelung für Wertpapiere im Freiverkehr. Auch für Wertpapiere, die im privatrechtlich organisierten Freiverkehr (Open Market) der Börse nach § 57 BörsG gehandelt werden, gilt die Prospekthaftung (§ 13 I, § 13a I VerkProspG; Kümpel, Rn. 9.315). An die Stelle der Zulassung der Wertpapiere, an die die Prospekthaftung nach § 44 I 1 BörsG anknüpft, erfolgt die „Einbeziehung“ in den Freiverkehrshandel.
89
Die Einbeziehung in den Freiverkehr ermöglicht einen Erwerb für jedermann und ist deshalb als öffentliches Angebot im Sinne des § 1 VerkProspG anzusehen. Mit Beginn des Handels erfordert sie daher die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts. Hierauf sind die Bestimmungen der §§ 44 ff. BörsG entsprechend anwendbar (§ 1 VerkProspG). An die Stelle der Einführung der Wertpapiere tritt der Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebots im Inland (§ 13 I Nr. 1 VerkProspG). Dieses öffentliche Angebot ist Anknüpfungspunkt für die Prospektpflicht und damit für eine Haftung aufgrund fehlerhafter Prospekte. Bei der Bestimmung des Beginns der Sechsmonatsfrist ist darauf abzustellen,
90
Bartz
1750
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
wann erstmals im Inland ein öffentliches Angebot erfolgt ist (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks 13/8933, S. 89). 91
5. Haftungsausschluss. a) Nach § 44 BörsG kann nicht in Anspruch genommen werden, wer nachweist, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht (§ 45 I BörsG; vgl. auch § 127 III 1 InvG). Die Milderung des Haftungsmaßstabs gleicht den Umstand aus, dass im Bereich der Prospekthaftung auf das Erfordernis eines rechtsgeschäftlichen Kontakts verzichtet wird. Eine Verschärfung des Haftungsmaßstabs würde zudem insbesondere bei Emissionsbegleitern Zurückhaltung auslösen und so das mit der Bestimmung verfolgte Ziel der Förderung der Bereitschaft zur Unterstützung von Risikokapital gefährden (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80).
92
Das Verschulden kann aufgrund einer zuvor eingeholten positiven Stellungnahme eines ausgewiesenen Experten (z.B. Wirtschaftsprüfer) entfallen (unverschuldeter Rechtsirrtum). Handelt der Experte grob fahrlässig, so muss sich der Emittent nicht dessen Verschulden nach § 278 BGB zurechnen lassen (Ekkenga/Maas, Rn. 436). Die Prüfung und Billigung des Prospekts durch die Bundesanstalt schließt nicht das Verschulden des Emittenten aus (BGH WM 1993, 1455).
93
Die im Rahmen der Prospekterstellung an den Emittenten zu stellenden Anforderungen sind strenger als diejenigen, die an den Emissionsbegleiter gestellt werden. Der Emittent hat Kenntnis von sämtlichen Daten, die die Unternehmenslage kennzeichnen; er verfügt über die breiteste Informationsbasis. Demgegenüber sind dem Emissionsbegleiter ausschließlich die ihm vom Emittenten und von dritter Seite zur Verfügung gestellten Informationen zugänglich. Seine Verpflichtung beschränkt sich daher primär auf die Überprüfung dieser vorgelegten Daten im Hinblick auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit. Eine dem Emittenten vergleichbare Prüfungsintensität für den Begleiter wird sich im Einzelfall allenfalls dann ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der ihm zugänglichen Unterlagen vorgelegen haben (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80).
94
§ 45 I BörsG ordnet eine Umkehr der Beweislast für das Verschulden der Prospektverantwortlichen an. Entsprechend den Grundsätzen über die Beweislast nach Gefahrenbereichen ist diese Beweislastumkehr angezeigt, da die zu beurteilenden Umstände ausschließlich in der Sphäre des Anspruchsverpflichteten liegen, mithin die Beweisführung für das Vorliegen eines Verschuldens durch den Anspruchsteller in der Praxis unmöglich ist (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80).
95
b) Der Anspruch nach § 44 BörsG besteht nicht unter den in § 45 II BörsG genannten Voraussetzungen. Das gleiche gilt im Wesentlichen für den Anspruch aus § 13 I VerkProspG.
96
Der Anspruch ist zunächst ausgeschlossen, sofern die Wertpapiere nicht aufgrund des Prospekts erworben wurden (§ 45 II Nr. 1 BörsG). Die Bestimmung trägt den widerstreitenden Interessen der für den Prospekt Verantwortlichen einerseits und der Erwerber der Wertpapiere andererseits ausgewogen Rechnung. Sie geht davon aus, dass sich der Erwerb eines Wertpapiers innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach der Prospektveröffentlichung aufgrund einer am Markt herrschenden „Anlagestimmung“ vollzieht (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 55, 56).
97
Die Beweislast für das Fehlen der Kausalität zwischen Veröffentlichung des Prospekts und Erwerb der Wertpapiere obliegt dem Anspruchsgegner. Die Bestimmung berücksichtigt, dass der Prospekt unter den Anlegern eine Anlagestimmung erzeugt. Des Weiteren
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1751
trägt sie den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten eines Beweises der Kausalität durch den Anleger Rechnung. Schließlich stellt sie das notwendige Gegenstück zu der aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlichen Begrenzung des Zeitraumes dar, innerhalb dessen ein Erwerb Haftungsansprüche auslösen kann (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80). Der Anspruch entfällt des Weiteren, sofern der Sachverhalt, über den unrichtige oder unvollständige Angaben im Prospekt enthalten sind, nicht zu einer Minderung des Börsenpreises der Wertpapiere beigetragen hat (§ 45 II Nr. 2 BörsG). Die Beweislast für das Vorliegen dieser rechtsvernichtenden Einwendung obliegt ebenfalls dem Emittenten sowie den sonstigen Prospektverantwortlichen. Dieser Personenkreis verfügt am ehesten über Informationen, aufgrund deren eine zutreffende Bewertung des Preises der Wertpapiere möglich ist. Er ist daher in der Lage zu beurteilen, ob der unrichtig oder unvollständig dargestellte Sachverhalt zu einer Minderung des Börsenpreises beigetragen hat. Erfasst werden von dieser Vorschrift beispielsweise auch Fälle, in denen der Emittent nach Prospektveröffentlichung insolvent wird und der Anleger das Wertpapier nach Bekanntwerden der Insolvenz auf der Basis eines erheblich verminderten Börsenpreises erwirbt (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/ 8933, S. 80).
98
Der Anspruch besteht auch nicht, sofern der Erwerber die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerb kannte (§ 45 II Nr. 3 BörsG; ebenso § 127 III 2 InvG). Grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht. Die Bestimmung stellt eine abschließende gesetzliche Sonderregelung des Mitverschuldens des Anspruchstellers in diesem Bereich dar (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80).
99
Der Anspruch entfällt, sofern vor dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts im Rahmen des Jahresabschlusses oder Zwischenberichts des Emittenten, einer Veröffentlichung nach § 15 WpHG oder einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Inland veröffentlicht wurde (§ 45 II Nr. 4 BörsG). Der Anspruchsausschluss geht in diesen Fällen davon aus, dass der Erwerber Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Prospekts gehabt hat. Auf den Nachweis dieser Kenntnis des Erwerbers von der Berichtigung wird ebenso wie auf den Nachweis der Kenntnis des Erwerbers vom Prospekt verzichtet. Das ist gerechtfertigt, weil die Berichtigung, wenn sie von wirtschaftlichem Belang ist, eine Marktreaktion in Form einer Preisanpassung auslöst, die denjenigen, der nach diesem Zeitpunkt erwirbt, so stellt, als ob der Prospekt von vornherein nicht fehlerhaft gewesen wäre. Die Bestimmung führt auch zu größerer Rechtssicherheit und einer sachgerechten Haftungsbegrenzung des Prospektverpflichteten. Die Berichtigung kann in der in der Bestimmung dargelegten Weise (im Jahresabschluss oder Zwischenbericht oder in einer Veröffentlichung nach § 15 WpHG oder in einer sonstigen Bekanntmachung, die von ihrem Wirkungsgrad vergleichbar ist) vorgenommen werden. Vergleichbar ist beispielsweise eine in gleicher Weise wie der Prospekt veröffentlichte Berichtigung, die dem Prospekt als Einlageblatt beigefügt wird. Die Berichtigung muss deutlich gestaltet sein. Es muss sich einem verständigen Leser, dem sowohl der fehlerhafte Prospekt als auch die Berichtigung vorliegt, ohne aufwendige Nachforschung erschließen, dass die Berichtigung von dem Prospekt abweichende Angaben enthält. Es ist nicht erforderlich, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine Angabe im Prospekt fehlerhaft dargestellt oder unterblieben ist; eine solche Verpflichtung würde praktisch einer Aufforderung zur Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen gleichkommen und letztlich dazu führen, dass die Möglichkeit zur Berichtigung tatsächlich nicht wahrgenommen werden würde (zum Ganzen vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80, 81).
100
Bartz
1752
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Der Anspruch besteht schließlich nicht, wenn er sich ausschließlich aufgrund von Angaben in der Zusammenfassung oder einer Übersetzung ergibt, es sei denn, die Zusammenfassung ist irreführend, unrichtig oder widersprüchlich, wenn sie zusammen mit anderen Teilen des Prospekts gelesen wird (§ 45 II Nr. 5 BörsG). 101
Für das Verhältnis zwischen § 45 II Nr. 4 BörsG und § 16 I WpPG gilt Folgendes: Vor der Prospektveröffentlichung bestehende Fehler können vor der Einführung der Wertpapiere nach § 45 II Nr. 4 BörsG berichtigt werden. Nach der Prospektveröffentlichung können Fehler bis zum Schluss des öffentlichen Angebots, das regelmäßig dem Zeitpunkt der Börseneinführung der Wertpapiere entspricht (§ 37 I BörsG), nur durch einen Nachtrag zum Prospekt nach § 16 I WpPG behoben werden. Nach der Börseneinführung ist nur noch eine Berichtigung nach § 45 II Nr. 4 BörsG möglich. Der Nachtrag zum Prospekt bedarf der Billigung der Bundesanstalt (§ 16 I 3 WpPG), nicht aber die Berichtigung nach § 45 II Nr. 4 BörsG (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 443a m.w.N.).
102
6. Inhalt und Umfang der Schadensersatzpflicht. Inhalt und Umfang der Schadensersatzpflicht richten sich danach, ob der Anspruchsteller noch Inhaber der Wertpapiere ist.
103
a) Ist der Anspruchsteller noch Inhaber der Wertpapiere, kann er zunächst deren Übernahme gegen Erstattung des Erwerbspreises verlangen (§ 44 I 1 BörsG). Das gleiche gilt für die Ansprüche nach § 13 I, § 13a I VerkProspG. Maßgeblich ist stets der tatsächlich gezahlte Preis. Der Erstattungsanspruch ist der Höhe nach begrenzt auf den ersten Ausgabepreis (§ 44 I 1 Halbs. 2, II 1 BörsG; § 13 I, § 13a I 1 VerkProspG). Diese Begrenzung ist sachgerecht, da die im Prospekt enthaltenen Angaben im Hinblick auf den Ausgabebetrag dargelegt worden sind und nachfolgende Veränderungen des Preises der Wertpapiere von einer Vielzahl anderer Faktoren abhängig sind, über die der Prospekt regelmäßig keine Aussage treffen kann. Zudem wird die Haftung damit überschaubar.
104
Bei der Emission neuer Wertpapiere ist der erste Ausgabepreis regelmäßig der Preis, der als Zeichnungs-, Verkaufs- oder Ausgabepreis im Prospekt angegeben wird. Fehlt eine solche Angabe, gilt der Preis, zu dem der Emittent die Wertpapiere veräußert. Bei einer Sekundärmarktplatzierung (Rn. 1) ist Ausgabepreis der im Prospekt angegebene Preis, mangels einer solchen Angabe der Preis, zu dem die Wertpapiere vom Veräußerer im Rahmen der Platzierung angeboten werden. Ist ein Ausgabepreis nicht festgelegt, gilt als Ausgabepreis der erste nach Einführung der Wertpapiere festgestellte oder gebildete Börsenpreis, im Falle gleichzeitiger Feststellung oder Bildung an mehreren inländischen Börsen der höchste erste Börsenpreis (§ 44 I 2 BörsG).
105
Des Weiteren können die mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangt werden. Hierzu gehören die Maklercourtage, die Effektenprovisionen sowie Aufwendungen für den gesonderten Erwerb von Bezugsrechten, sofern die Wertpapiere mit ihnen erworben wurden (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 78).
106
Der Anspruchsteller ist verpflichtet, Zug um Zug gegen die geschuldeten Zahlungen dem Anspruchsverpflichteten die Wertpapiere zurückzugeben. Eine Kollision der Übernahmeverpflichtung des Emittenten mit dem gläubigerschützenden Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 I 1 AktG) und den gesetzlichen Beschränkungen des Rückerwerbs eigener Aktien (§§ 71 ff AktG) besteht nur bei dem Ersterwerber einer Aktie. Hier hat das Prinzip der Kapitalerhaltung Vorrang vor einer Übernahmeverpflichtung des Emittenten (Ekkenga/Maas, Rn. 441 m.w.N.). Bei dem Zweiterwerber einer Aktie tritt ein solcher Kollisionsfall nicht ein, da jener der Aktiengesellschaft in einer
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1753
gläubigergleichen Position gegenübersteht (BGH BB 2005, 1644 = WM 2005, 1358; Ekkenga/Maas, a.a.O.; s. auch Rn. 77). b) Ist der Anspruchsteller nicht mehr Inhaber der Wertpapiere, so kann er die Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Erwerbspreis, soweit dieser den ersten Ausgabepreis nicht überschreitet, und dem Veräußerungspreis der Wertpapiere sowie der mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen (§ 44 II 1 BörsG).
107
Der Zahlungsanspruch ist ein modifizierter Schadensersatzanspruch, der eine Konkretisierung und Begrenzung des ersatzfähigen Schadens beinhaltet. Ein Anspruch nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts scheidet danach aus, sofern der Veräußerungspreis den Erwerbspreis übersteigt; in diesem Falle ist kein ersatzfähiger Schaden gegeben. Veräußert der Inhaber der Wertpapiere diese zu einem Preis, der unterhalb des üblicherweise erzielbaren Börsenpreises liegt, verstößt er regelmäßig gegen die ihm obliegende Pflicht zur Schadensminderung (§ 254 II 1 BGB), so dass für die Bestimmung des Veräußerungspreises der an der Börse erzielbare Veräußerungspreis zugrunde zu legen ist (Begründung des Regierungsentwurfs des 3.FMFG, BT-Drucks. 13/ 8933, S. 79). Im Übrigen ist der Erwerber nach § 254 II 1 BGB nicht gehalten, sein Wahlrecht zwischen Rückabwicklung des Erwerbsgeschäfts sowie eigenhändiger Veräußerung der Wertpapiere und Liquidation des Kursverlusts möglichst rasch auszuüben. Denn dem Erwerber würde ansonsten eine unzulässige Obliegenheit zur kontinuierlichen Kursbeobachtung auferlegt werden (Ekkenga/Maas, Rn. 444 m.w.N.).
108
7. Kurze Verjährung. Die Ansprüche nach § 44 BörsG verjähren nach Ablauf von einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts (§ 46 BörsG; ebenso § 13 I, § 13a V VerkProspG; § 127 V InvG).
109
Der Beginn der Verjährungsfrist stellt auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung ab. Zu diesem Zeitpunkt wurde nämlich erstmalig ein unzutreffender Eindruck über den Wert des Wertpapieres aufgrund des Prospekts erzeugt. Des Weiteren kann so die maximale Verjährungsfrist einheitlich für alle Erwerber bestimmt werden. Die Bestimmung begrenzt damit die Risiken im Rahmen der Prospekthaftung und unterstützt das Ziel der Förderung von Risikokapital. Insbesondere wird die Bereitschaft von Existenzgründern und mittelständischen Unternehmen in Deutschland gefördert, sich das notwendige Eigenkapital durch einen Gang an die Börse zu verschaffen. Des Weiteren wird für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute die Dienstleistung „Emissionsbegleitung“ wirtschaftlich attraktiver (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT- Drucks 13/8933, S. 56, 81).
110
III. Allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung (sog. eigentliche Prospekthaftung). Sie ist eine auf dem Gedanken der Vertrauenshaftung beruhende Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit von Prospekten (BGHZ 145, 187; BGH WM 2008, 581 (584)). Nachdem die spezialgesetzliche Prospekthaftung auf den sog. „grauen Kapitalmarkt“ (hierzu Rn. 3) erstreckt worden ist (§ 13a I 1 i.V.m. § 8f I VerkProspG), ist sie auf zwei Haftungstatbestände beschränkt, nämlich die Veröffentlichung unrichtiger Prospekte außerhalb der Wahrnehmung gesetzlicher Publizitätspflichten sowie die Erlangung der Kenntnis von dem unrichtigen Prospektinhalt durch individuelle Zuleitung an den Anleger (s. Rn. 113; auch Ekkenga/Maas, Rn. 415).
111
Dieser Haftung unterliegen zwei Personenkreise: Zum einen sind dies die Herausgeber eines Prospekts und die für dessen Herstellung Verantwortlichen, beispielsweise die
112
Bartz
1754
113
114
115
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Initiatoren, Gründer und Gestalter einer Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen, sowie die Personen, die hinter einer Gesellschaft stehen und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen (BGHZ 79, 337; 71, 284). Das gilt auch dann, wenn die Bedeutung dieser Personen und ihr Einfluss in dem Prospekt nicht offenbart war und den Anlegern auch sonst nicht bekannt geworden ist (BGHZ 79, 337; 72, 382). Zum anderen unterliegen dieser Haftung diejenigen, die wegen ihrer besonderen beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder ihrer Eigenschaft als berufsmäßige Sachkenner eine Garantenstellung einnehmen, wenn sie durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an dem Prospekt einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben; hierzu zählen beispielsweise Wirtschaftsprüfer (BGHZ 145, 187; 77, 172; Palandt-Heinrichs, § 311 Rn. 30). Bei der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung muss der Anleger behaupten, dass er das Erwerbsgeschäft bei richtigem und vollständigem Prospekt nicht abgeschlossen hätte. Es gelten die Regeln des Anscheinsbeweises (BGHZ 79, 337); die gesetzliche Kausalitätsvermutung des § 45 II 1 BörsG gilt hier nicht (Ekkenga/Maas, Rn. 434). Die Sechsmonatsfrist des § 44 I 1 BörsG ist in diesem Regelungsbereich ebenfalls nicht anwendbar (offen: Ekkenga/Maas, Rn. 434; zur früheren Rechtslage: BGHZ 139, 225). Der allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftungsanspruch verjährt in entsprechender Anwendung der § 46 BörsG, § 127 V InvG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts; Grundlage des Anspruchs ist nämlich typisiertes Vertrauen, nicht aber – wie bei der sog. uneigentlichen Prospekthaftung – ein konkretes Verhandlungsverschulden (BGHZ 83, 222; Palandt-Heinrichs, § 195 Rn. 12; Ekkenga/Maas, Rn. 445) (s. auch Rn. 114). Ausgeschlossen sind Ansprüche aus sog. eigentlicher Prospekthaftung im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung (§§ 44 ff. BörsG). Diese gesetzlichen Bestimmungen sind insoweit abschließend (§ 47 II BörsG). Die Regelung berücksichtigt, dass andernfalls die beabsichtigte Begrenzung des Haftungsrisikos für die Prospektverantwortlichen unterlaufen werden würde (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 81). IV. Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss. Neben der sog. eigentlichen besteht eine sog. uneigentliche Prospekthaftung. Sie ist ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss. Wer beim Vertrieb von Kapitalanlagen persönliches Vertrauen (Verhandlungsvertrauen) – im Gegensatz zum sog. standardisierten Vertrauen (s. Rn. 60) – in Anspruch genommen und sich pflichtwidrig verhalten hat, haftet dem anderen (§ 280 I iVm § 311 II BGB; s. dazu BGHZ 79, 337; 83, 222; 145, 187 [Wirtschaftsprüfer]; Palandt-Heinrichs, § 311 BGB Rn. 30). Im Übrigen kann ein Wirtschaftsprüfer, der einem Kapitalanleger als Garant aus Prospekthaftung Schadensersatz schuldet, auch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter haften (Anspruchsgrundlagenkonkurrenz) (BGH NJW 2004, 3420). An die Annahme einer vertraglichen Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen (BGHZ 167, 155; für Abschlussprüfer vgl. auch § 323 I 3 HGB). Der Ersatzanspruch verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB (BGHZ 83, 222 (227); Palandt-Heinrichs, § 195 Rn. 12; Ekkenga/Maas, Rn. 445). Ansprüche aus uneigentlicher und solche aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung (§§ 44 ff. BörsG) können nebeneinander bestehen (§ 47 II BörsG).
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1755
V. Haftung für unerlaubte Handlungen. Im Bereich des Emissionsgeschäfts kommt auch eine Haftung für unerlaubte Handlungen nach § 823 I BGB, § 823 II BGB iVm § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) (hierzu BGHZ 160, 149; OLG München AG 2005, 169), § 263 I StGB (Betrug), § 400 I AktG (unrichtige Darstellung) (hierzu BGH WM 2005, 227 und 1358), § 399 I Nr. 1 AktG (falsche Angaben bei Kapitalerhöhung) sowie nach § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) (hierzu BGHZ 160, 149) in Betracht (zum Ganzen Ekkenga/Maas, Rn. 416). § 264a StGB ist ein Schutzgesetz iSd § 823 II 1 BGB. Der Gesetzgeber wollte nicht nur das Vertrauen der Allgemeinheit in das Funktionieren des Kapitalmarktes schützen, sondern auch das Vermögen des einzelnen Kapitalanlegers vor möglichen Schäden durch falsche und unvollständige Prospektangaben. Mit Eintritt eines solchen Vermögensschadens verwirklicht sich gerade die Gefahr, die durch die Strafsanktion des § 264a StGB abgewendet werden soll (zum Ganzen BGHZ 116, 7). Eine deliktische Haftung von Prospektverantwortlichen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) kommt beispielsweise in Betracht, wenn ein Anleger mit Hilfe unrichtiger Prospektangaben durch arglistige Täuschung zum Vertragsschluss veranlasst werden soll (BGH BB 2005, 963; auch: BGHZ 160, 149). Bei der Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Publizität gemäß § 826 BGB ist auch im Fall extrem unseriöser Kapitalinformation der Nachweis der konkreten (haftungsbegründenden) Kausalität zwischen der Täuschung und der Willensentscheidung des Anlegers unverzichtbar. Eine Anknüpfung an das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung – in Anlehung an die sog. fraud-on-the-market-theory des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts – kommt im Rahmen des ohnehin offenen Haftungstatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht in Betracht (BGH ZIP 2007, 326).
116
Ansprüche aus Haftung für unerlaubte Handlungen und solche aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung können nebeneinander bestehen (§ 47 II BörsG; s. BGHZ 116, 7).
117
Der Ersatzanspruch bei Haftung für unerlaubte Handlungen in diesem Regelungsbereich verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 852 S. 2 BGB). Die kurze Verjährungsfrist nach § 46 BörsG gilt hier nicht. Das ist gerechtfertigt, da der zu ersetzende Schaden vorsätzlich verursacht worden ist (BGHZ 116, 7).
118
I. Beweislastfragen; prozessuale Besonderheiten
119
I. Beweislastfragen. Im Bereich des Emissionsgeschäfts sind besondere Regelungen lediglich bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung (§ 44, § 45, § 55 BörsG; § 13 I VerkProspG) einschließlich der Haftung bei fehlendem Prospekt (§ 13a IV VerkProspG) sowie der sog. eigentlichen Prospekthaftung festzustellen (s. auch Rn. 81, 91 – 101, 112). Ansonsten gilt der im Zivilrecht als Beweislastprinzip anerkannte Grundsatz, dass jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes zu beweisen hat. Den Anspruchsteller trifft die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen, der Anspruchsgegner muss den Beweis für rechtshemmende, rechtshindernde oder rechtsvernichtende Tatsachen erbringen (BGHZ 113, 222; BGH NJW 1995, 50). Die Beweislast für die Tatsache, dass der Prospektverantwortliche die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht, trifft den Anspruchsgegner (§ 45 I BörsG; § 13 I VerkProspG). Die Bestimmung ordnet eine Umkehr der Beweislast für das Verschul-
Bartz
120
1756
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
den der Prospektverantwortlichen an. Entsprechend den Grundsätzen über die Beweislast nach Gefahrenbereichen ist diese Beweislastumkehr angezeigt, da die zu beurteilenden Umstände ausschließlich in der Sphäre der Anspruchsverpflichteten liegen, mithin die Beweisführung für das Vorliegen eines Verschuldens durch den Anspruchsteller in der Praxis unmöglich ist (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/ 8933, S. 80). 121
Die Beweislast für das Fehlen der Kausalität zwischen Veröffentlichung des Prospekts und Erwerb der Wertpapiere trifft den Anspruchsgegner (§ 45 II Nr. 1, § 55 BörsG, § 13 I VerkProspG). Die Bestimmung berücksichtigt, dass der Prospekt unter den Anlegern eine Anlagestimmung erzeugt. Des Weiteren trägt er den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten eines Beweises der Kausalität durch den Anleger Rechnung (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80). Im Bereich der sog. eigentlichen Prospekthaftung ist die gesetzliche Kausalitätsvermutung des § 45 II Nr. 1 BörsG ausgeschlossen. Vielmehr gelten hier die Regeln des Anscheinsbeweises (BGHZ 79, 337; Ekkenga/Maas, Rn. 434).
122
Die Beweislast für die Tatsache, dass unrichtige oder unvollständige Angaben im Prospekt nicht zu einer Minderung des Börsenpreises der Wertpapiere beigetragen haben (§ 45 II Nr. 2 BörsG), trifft den Anspruchsgegner. Dieser verfügt am ehesten über Informationen, aufgrund deren eine zutreffende Bewertung des Preises der Wertpapiere möglich ist. Er ist daher in der Lage zu beurteilen, ob der unrichtig oder unvollständig dargestellte Sachverhalt zu einer Minderung des Börsenpreises beigetragen hat (Begründung des Regierungsentwurfs des 3. FMFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80).
123
Die Beweislast für die Tatsache, dass der Erwerber die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerb kannte, trifft den Anspruchsgegner (§ 45 II Nr. 3 BörsG).
124
Die Beweislast für die Tatsache, dass vor dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts im Rahmen des Jahresabschlusses oder Zwischenberichts des Emittenten, einer Veröffentlichung nach § 15 WpHG oder einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Inland veröffentlicht wurde, trifft den Anspruchsgegner (§ 45 II Nr. 4 BörsG). Die Beweislast für die Tatsache, dass sich der Anspruch nach § 44 BörsG ausschließlich auf Grund von Angaben in der Zusammenfassung oder einer Übersetzung ergibt, trifft den Anspruchsgegner, es sei denn, die Zusammenfassung ist irreführend, unrichtig oder widersprüchlich, wenn sie zusammen mit den anderen Teilen des Prospekts gelesen wird (§ 45 II Nr. 5 BörsG).
125
Bei der Haftung bei fehlendem Prospekt (§ 13a I VerkProspG) trifft die Beweislast, dass der Erwerber die Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, beim Erwerb kannte, den Anspruchsgegner (§ 13a IV VerkProspG).
126
II. Prozessuale Besonderheiten. Die im Folgenden erläuterten Bestimmungen treten nach Art. 9 II des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16.08.2005 (BGBl. I S. 2437) am 01.11.2010 außer Kraft. Das gilt insbesondere für das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) (Art. 1 des vorgenannten Gesetzes). Gleichzeitig gelten die übrigen durch das vorbezeichnete Gesetz geänderten Rechtsvorschriften wieder in ihrer bis 01.11.2005 geltenden Fassung (hierzu Voraufl., Rn. 126 f.). Für Schadensersatzansprüche aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kaptialmarktinformationen ist ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes das Landgericht am Sitz des betroffenen Emittenten, des betroffenen
Bartz
§ 58 Emissionsgeschäft
1757
Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen oder der Zielgesellschaft ausschließlich zuständig, sofern sich dieser Sitz nicht im Ausland befindet (§ 71 II Nr. 3 GVG, § 32b I ZPO, § 13a VII VerkProspG). Ist bei diesem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so gehören die Rechtsstreitigkeiten, in denen Ansprüche aus den §§ 44 bis 47 BörsG geltend gemacht werden, vor diese (§ 94, § 95 I Nr. 6 GVG). Der Geltungsbereich des § 32b ZPO erstreckt sich auch auf den sog. grauen Kapitalmarkt. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und ein Ausschluss vertraglicher Schadensersatzansprüche finden weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze (OLG Koblenz NJW 2006, 3723; OLG Nürnberg BB 2006, 2213; LG Hildesheim BB 2006, 2212; a.A. OLG München WM 2007, 254). Durch einen Musterfeststellungsantrag kann in einem erstinstanzlichen Verfahren, in dem ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht wird, die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Vorausetzungen oder die Klärung von Rechtsfragen begehrt werden (Feststellungsziel), wenn die Entscheidung des Rechtsstreits hiervon abhängt (§ 1 I 1 Nr. 1 KapMuG). Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen (§ 1 I 3 KapMuG). Das sind insbesondere Angaben in Prospekten nach dem WpPG und Verkaufsprospekten nach dem VerkProspG und dem InvG (§ 1 I 4 Nrn. 1 und 2 KapMuG). Der Musterfeststellungsantrag kann vom Kläger und vom Beklagten gestellt werden (§ 1 I 2 KapMuG). Er ist bei dem Prozessgericht unter Angabe des Feststellungsziels und der öffentlichen Kapitalmarktinformation zu stellen und muss bestimmte Darlegungen enthalten (§ 1 II KapMuG). Das Prozessgericht macht einen zulässigen Musterfeststellungsantrag im elektronischen Bundesanzeiger (Klageregister) öffentlich bekannt (§ 2 I 1 KapMuG; hierzu auch: BGH WM 2008, 1161). Über die Bekanntmachung entscheidet das Prozessgericht durch unanfechtbaren Beschluss (§ 2 I 2 und 3 KapMuG). Die Einsicht in das Klageregister steht jedem unentgeltlich zu (§ 2 II KapMuG). Mit der Bekanntmachung des Musterfeststellungsantrags im Klageregister wird das Verfahren unterbrochen (§ 3 KapMuG). Das Prozessgericht führt durch Beschluss eine Entscheidung des im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts über das Feststellungsziel gleichgerichteter Musterfeststellungsanträge (Musterentscheid) herbei, wenn innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntmachung in mindestens neun weiteren Verfahren bei demselben oder anderen Gerichten gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt wurden (§ 4 I 1 Nr. 2 KapMuG). Diese Anträge müssen nicht in zehn getrennten Prozessen gestellt worden sein (BGH WM 2008, 1161). Der Vorlagebeschluss ist unanfechtbar und für das Oberlandesgericht bindend (§ 4 I 2 KapMuG). Erlass und Datum des Vorlagebeschlusses sind öffentlich bekannt zu machen (§ 4 III KapMuG). Mit Erlass des Vorlagebeschlusses ist die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für die auszusetzenden Verfahren unzulässig, Sperrwirkung des Vorlagebeschlusses (§ 5 KapMuG). Ist innerhalb von vier Monaten nicht die für die Vorlage an das Oberlandesgericht erforderliche Anzahl gleichgerichteter Anträge bei dem Prozessgericht gestellt worden, weist das Prozessgericht den Antrag zurück und setzt das Verfahren fort (§ 4 IV KapMuG). Nach der Bekanntmachung des Musterverfahrens im Klageregister durch das Oberlandesgericht (§ 6 KapMuG) setzt das Prozessgericht von Amts wegen alle bereits anhängigen oder bis zum Erlass des Musterentscheids noch anhängig werdenden Verfahren aus, deren Ent-
Bartz
127
1758
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
scheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder der im Musterverfahren zu klärenden Rechtsfrage abhängt (§ 7 I 1 KapMuG). Beteiligte des Musterverfahrens sind der Musterkläger, der Musterbeklagte und die Beigeladenen (§ 8 I Nrn. 1 bis 3 KapMuG). Zu dem Musterverfahren beizuladen sind die Kläger und die Beklagten der übrigen ausgesetzten Verfahren; der Aussetzungsbeschluss gilt als Beiladung im Musterverfahren (§ 8 III 1 und 2 KapMuG). Auf das Musterverfahren sind die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der ZPO grundsätzlich entsprechend anzuwenden (§ 9 I 1 KapMuG). Das Oberlandesgericht erlässt aufgrund mündlicher Verhandlung den Musterentscheid durch Beschluss (§ 14 I 1 KapMuG). Gegen den Musterentscheid findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 15 I 1 KapMuG). Der Musterentscheid bindet die Prozessgerichte, deren Entscheidung von der im Musterverfahren getroffenen Feststellung oder der im Musterverfahren zu klärenden Rechtsfrage abhängt; der Beschluss ist der Rechtskraft insoweit fähig, als über den Streitgegenstand des Musterverfahrens entschieden ist (§ 16 I 1 und 2 KapMuG).
Bartz
§ 59 Investmentgeschäft
1759
§ 59 Investmentgeschäft
Schrifttum Baums/Kiem, Die Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital, in: Festschrift Hadding, 2004, S. 741; Beckmann/Scholtz, Investment: Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, Lfg. 01/07; Brinkhaus/Scherer, KAGG, AuslInvestmG, 2003; von Caemmerer, Kapitalanlage- oder Investmentgesellschaften, JZ 1958, 41; Besprechung von Siara/Tormann, Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, JZ 1958, 71; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., 1981; Einmahl, Die Preispolitik großer deutscher Investmentfondsgesellschaften im Licht des AGB-Rechts“, ZIP 2002, 381; Fock, Gemischte Sondervermögen, WM 2006, 2160; Geibel, Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht, 2008; Der Kapitalanlegerschaden, 2002; Fragos, Das neue europäische und deutsche Investmentrecht, 2006; Geßler, Das Recht der Investmentgesellschaften und ihrer Zertifikatsinhaber, WM 1957, SB 4, S. 10; Gschoßmann, Rechtliche Grundlagen des Investmentgeschäfts, 1996; Habersack, Finanzierter Grundstücks- und Anteilserwerb im Wandel, BKR 2006, 305; Hermanns, Die Investmentaktiengesellschaft nach dem Investmentmodernisierungsgesetz – eine neue Gesellschaftsform, ZIP 2004, 1297; Hüffer, Aktiengesetz, 7. Aufl., 2006; Klenk, Die rechtliche Behandlung des Investmentanteils unter Berücksichtigung der Anteilberechtigung des Investmentratensparers, 1967; Köndgen, Zur Theorie der Prospekthaftung (II), AG 1983, 120; Köndgen/Schmies, Die Neuordnung des deutschen Investmentrechts, WM 2004, SB 1, 1; Kruhme, Die rechtliche Einordnung der Immobilienfondsgesellschaften und das Erfordernis einer gesetzlichen Sonderregelung, 1968; Lammel, Verträge auf Interessenwahrung, in: Vertragsschuldverhältnisse (ohne Kaufrecht), 1974, 7. Kapitel, S. 259; Lang, Das Investmentgesetz – Kein großer Wurf, aber ein Schritt in die richtige Richtung, WM 2004, 53; Leistikow/Ellerkmann, BB-Gesetzgebungsreport: Neuerungen nach dem Investmentgesetz“, BB 2003, 2693; von Livonius, Investmentrechtliche Rahmenbedingungen für Hedgefonds in Deutschland, WM 2004, 60; Reiss, Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank gegenüber dem Anleger und die Rechte des Anlegers bei Pflichtverletzungen, 2006; Roth, Das Treuhandmodell des Investmentrechts: Eine Alternative zur Aktiengesellschaft?, 1972; Schäcker, Entwicklung und System des Investmentsparens, 1961; Schuler, Kapitalanlagegesellschaften, ihre Sondervermögen und Anteilscheine, NJW 1957, 1049; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972; Ulmer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Partnerschaftsgesellschaft: Systematischer Kommentar (= Münchener Kommentar zum BGB), 4. Aufl., 2004; Voß, Geschlossene Fonds unter dem Rechtsregime der Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID)?, BKR 2007, 45; Ziemons, Gesellschaftsrechtliche Defizite des Regierungsentwurfs des REIT-Gesetzes, BB 2007, 449; Zöllner, Wertpapierrecht, 14. Aufl., 1987. Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Systematik und zentrale Begriffe . . . . . . . . 1 II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 B. Die inländischen Investmentfonds nach dem InvG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Treuhandstruktur und „Investmentdreieck“ 8 III. Die Kapitalanlagegesellschaft . . . . . . . . . . 9 1. Qualifizierung und erlaubte Geschäftstätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Gesellschaftsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Pflichten der KAG . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Auslagerung von Tätigkeiten der KAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 5. Der „europäische Pass“ für eine KAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 IV. Die Anleger, ihre Rechtsbeziehungen zur KAG und ihre Beteiligung am Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Die Rechtsbeziehungen zwischen Anleger und KAG . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Geibel
3. Die Beteiligung der Anleger am Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . 41 V. Die Depotbank und ihre Rechtsbeziehungen zu den anderen Beteiligten . 72 1. Qualifizierung und gesetzliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Aufgaben und Pflichten der Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Die Rechtsbeziehungen zwischen Depotbank und KAG . . . . . . . . . . . . . 79 4. Die Rechtsbeziehungen zwischen Depotbank und Anlegern . . . . . . . . . . 81 VI. Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Allgemeine Regelungen für alle Sondervermögensarten . . . . . . . . . . . . 84 2. Besondere Regelungen für einzelne Sondervermögensarten . . . . . . . . . . . . 89 3. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Anlagebestimmungen oder Anlagegrenzen . . . . . . . . . . . . . 102 VII. Der öffentliche Vertrieb von Investmentanteilen und die Prospekthaftung . . . . . . 103
1760
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
1. Der öffentliche Vertrieb inländischer Investmentanteile . . . . . 103 2. Der öffentliche Vertrieb von EG-Investmentanteilen . . . . . . . . . . . 113 3. Der öffentliche Vertrieb von anderen ausländischen Investmentvermögen . 114 C. Die InvestmentAG nach dem InvG und die REIT-Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I. Die InvestmentAG. . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Allgmeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Besondere Vorschriften für Kapital und Verfassung . . . . . . . . . . . 118 3. Besondere Vorschriften für den Geschäftsbetrieb. . . . . . . . . . . . . . . . . 120
II.
Die REIT-Aktiengesellschaft nach dem REIT-Gesetz im Überblick . . . . . . . . . . . 121 D. Die geschlossenen Fonds in der Form einer Publikumspersonengesellschaft im Überblick 123 I. Frage der Eignung der Rechtsform einer Personengesellschaft für Investmentzwecke . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Sonderrecht für Gesellschafterbeitritt, Binnenorganisation und Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Prospekthaftung und allgemeine Haftung bei Vermittlung und Finanzierung von Anteilen an geschlossenen Fonds . . 125 IV. Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
Stichwortverzeichnis Abwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Altersvorsorge-Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . 94 Anlageausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Anlagegrenzen, Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Anlegerschutzverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . 125 Anteilklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Anteils(-auf-)teilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Anteilscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 f. Anteilserwerb, Ersterwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ff. Anteilserwerb, Zweiterwerb . . . . . . . . . . . . . . . 59 ff. Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ausländische Investmentanteile . . . . . . . . . . . . . . 114 Auslagerung von Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 16 ff. Begebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 83 Bestandsprovision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Beteiligung der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 ff. Dach-Hedgefonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ff. Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 72 ff., 79 Depotbankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79, 81 Depotgeschäft in Investmentanteilen . . . . . . . . . . . 10 Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 EG-Investmentanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 eigene Anteile/Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 118 „europäischer Pass“ für die KAG . . . . . . . . . . . 20 ff. Finanzportfolioverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . 10, 126 Gemischte Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Grundsatz der Risikomischung . . . . . . . . . . . . . 4, 115 Hedgefonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 ff. Immobilien-Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Interessenkollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 23, 73 Investmentänderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Investment-Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 72 Investmentkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Investmentmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 7 Investmentvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 ff., 82 Jahresbericht/Halbjahresbericht . . . . . . . . . . . . . . 103 Kausalität, haftungsbegründende . . . . . . . . . . . . . 111 Kick-backs (Kostenrückvergütungen) . . . . . . . . . 108
1
Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Miteigentumslösung . . . . . . . . . . . . 8, 47 f., 57, 63 f. Nebendienstleistungen der KAG . . . . . . . . . . . . 9, 10 ÖPP-Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 OGAW-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 „OGAW III“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 open-end-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 66, 117 Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 ff. Pflichten der KAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 ff. Preisanpassungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 ff., 125 Prospektpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 125 Publikumspersonengesellschaften . . . . . . . . 2, 123 ff. Publikums-Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Rechnungslegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Rechtsform der KAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Richtlinienkonformes Sondervermögen . . . . . . . 90 ff. Rücknahme von Anteilen/Aktien . . . . . . 66, 76, 118 semi-closed-end Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 122 Single-Hedgefonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96, 98 f. Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . .1, 41 ff., 84 ff. Sonstige Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Sparpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Spezial-Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 101 Surrogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Total Expense Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Treuhänderfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Treuhandlösung . . . . . . . . . . . . . . 8, 49 ff., 57, 62, 64 Typenzwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 „Umbrella-Konstruktion“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Unmittelbarkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Verkaufsprospekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103, 106 ff. Vermögenstrennungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 14, 75 Verschmelzung von Sondervermögen . . . . . . . 71, 86 Vertragsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 ff., 103 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 zustimmungspflichtige Geschäfte . . . . . . . . . . . . . 77
A. Einleitung I. Systematik und zentrale Begriffe. Das Investmentgeschäft nach deutschem Recht umfasst in einem weiten Sinn das Halten und Verwalten eines Sondervermögens für Anleger von Geldkapital. Ein solches Sondervermögen kann erstens als Gesamthandvermögen einer Personengesellschaft sowie auf der Grundlage eines rechtsgeschäftli-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1761
chen Treuhandverhältnisses entstehen, oder zweitens als Vermögen einer (Investment-) Kapitalgesellschaft oder einer anderen juristischen Person, oder drittens als offener Investmentfonds auf der spezialgesetzlichen Grundlage des Investmentgesetzes (InvG). In die erstgenannte Kategorie fallen vornehmlich Publikums-Personenhandelsgesellschaften und Publikums-Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die einen geschlossenen Kreis von Anlagegesellschaftern aufnehmen. Ein so organisiertes Investment-Sondervermögen wird als geschlossener Fonds bezeichnet. Auch Personengesellschaften mit wenigen Gesellschaftern oder gar nur zweigliedrige Gesellschaften können Investmentzwecken dienen. Richtigerweise lässt sich ferner die (hier nicht behandelte) rechtsgeschäftliche Treuhand als atypische Gesamthand auffassen (siehe näher Geibel, Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht, 2008). Geringe Bedeutung hat die zweite Kategorie der Investmentkapitalgesellschaften und anderen juristischen Personen. Behandelt werden soll hier v. a. die Sonderform der Investmentaktiengesellschaft („InvestmentAG“), die in § 2 V, §§ 96 - 109 InvG geregelt ist (Rn. 115 ff.). Diese wurden früher geschlossene Fonds genannt (z. B. BuB-Baur, Lfg. 2/ 99, Rn. 9/1, 9/24), obwohl ihr Aktionärskreis zumindest im Fall der Börsenzulassung weniger „geschlossen“ war als bei Publikumspersonengesellschaften. Seit dem InvÄndG (Rn. 7) sind sie aber als grundsätzlich offene Fonds ausgestaltet (Rn. 117). Große Bedeutung im Rahmen des Investmentgeschäfts nimmt die dritte Kategorie der Investmentfonds nach dem InvG ein. § 1 S. 1 Nr. 1 InvG fasst die Investmentfonds und die o. g. Investmentaktiengesellschaften unter dem Oberbegriff der Investmentvermögen zusammen, die nach § 1 S. 2 InvG der gemeinschaftlichen Kapitalanlage dienen (Prinzip der kollektiven Kapitalanlage) und nach dem zentralen Grundsatz der Risikomischung in bestimmten Vermögensgegenständen angelegt sind. Investmentfonds werden von einer Kapitalanlagegesellschaft („KAG“) für Rechnung der Anleger nach Maßgabe des InvG und der Vertragsbedingungen verwaltet (§ 2 II InvG). Im Gegensatz zu den beiden o. g. Kategorien werden die Investmentfonds nach dem InvG als offene Fonds bezeichnet, weil unbegrenzt neue Anteilscheine ausgegeben werden können und ein Anleger von der KAG jederzeit die Rücknahme seines Anteils gegen Auszahlung seines Anteils am Sondervermögen in Geld verlangen kann (§ 37 I InvG, „open-end-Prinzip“). Zwingend ist jedoch nur die Rücknahmeverpflichtung; daher sind semi-closed-end Fonds möglich, bei denen zwar die Anteile zurückgegeben werden können, jedoch nach Erreichen einer gewissen Inventarwertschwelle oder ab einem Stichtag keine neuen Anteile ausgegeben werden (z. B. Brinkhaus/Scherer-Pfüller, § 2 AuslInvestmG Rn. 64). Die KAG hat bei Immobilien-Sondervermögen gemäß § 80c I InvG sogar die Pflicht, die Ausgabe von Anteilen vorübergehend auszusetzen. Das Gesetz differenziert zwischen Publikums- und Spezial-Sondervermögen (§ 2 I, III InvG). Bei letzteren durften früher die Anteile aufgrund schriftlicher Vereinbarungen mit der KAG von maximal 30 Anlegern gehalten werden, die nicht natürliche Personen sind (also meist institutionellen Anlegern). Nach der Neufassung von § 2 III 1 InvG durch das InvÄndG (Rn. 7) ist die zahlenmäßige Begrenzung weggefallen. Alle anderen Sondervermögen sind Publikums-Sondervermögen. Dem InvG und dem InvStG unterfallen auch ausländische Investmentvermögen und deren Anteile (§ 2 VIII, IX InvG). Bislang wurden grundsätzlich alle ausländischen Investmentvermögen i.S.v. § 1 S. 2 InvG nach dem „materiellen Investmentbegriff“ erfasst (mit den Einschränkungen des BMF, BStBl. I 2005, 728). Seit dem InvÄndG (Rn. 7 a. E.) gilt einschränkend, dass es sich entweder um offene Fonds mit Rücknahmeverpflichtung handeln muss oder aber der Fonds im Sitzstaat einer speziellen Investmentaufsicht untersteht.
Geibel
2
3
4
1762
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
5
Europäische Richtlinien existieren für bestimmte Investmentvermögen. Das InvG enthält besondere Vorschriften für Publikums-Sondervermögen, die den Anforderungen der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW“, englisch „UCITS“ = undertakings for collective investment in transferable securities) (ABl. EG L 375/3 vom 31.12.1985) („OGAW-Richtlinie“) samt den sie ändernden Richtlinien 2001/107/EWG und 2001/108/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.1.2002 (ABl. EG L 41/20 und 41/35 vom 13.2.2002) entsprechen (§ 2 I InvG) (im Folgenden werden diese Richtlinien zusammengefasst als „geänderte OGAW-Richtlinie“ bezeichnet). Zur Durchführung der OGAW-Richtlinie ist jüngst die Richtlinie 2007/16/EG der Kommission vom 19.3.2007 ergangen (ABl. EU L 79/11 vom 20.3.2007, auch als „OGAW III“ bezeichnet). Zuvor war die Kommission im Grünbuch „Ausbau des europäischen Rahmens für Investmentfonds“ (KOM (2005) 314) zu dem Schluss gekommen, dass eine grundlegende Überarbeitung der OGAW-Richtlinie nicht erforderlich sei, der bestehende Rahmen jedoch besser nutzbar gemacht werden solle.
6
II. Gang der Darstellung. Für die Darstellung wird eine andere Reihenfolge gewählt, als die o. g. systematische Unterteilung in die drei Kategorien es vorgäbe. Wegen der zentralen Bedeutung der Investmentfonds nach dem InvG wird deren rechtliche Behandlung in den Mittelpunkt und an den Beginn dieses Paragraphen gestellt. Neben den in Abschnitt B behandelten Vorschriften über Investmentfonds (Rn. 7 ff.), insbesondere über Kapitalanlagegesellschaften, die verschiedenen Sondervermögen (einschließlich der Sonderregelung zu Hedgefonds) sowie den Vertrieb inländischer Fonds enthält das InvG außerdem Vorschriften über den öffentlichen Vertrieb von EG-Investmentanteilen (§ 2 X InvG) und Anteilen an sonstigen ausländischen Investmentvermögen (§§ 130 ff. InvG, 135 ff. InvG, beides früher Gegenstand eines eigenständigen Gesetzes, des AuslInvestmG). In Abschnitt C werden unter den Investmentkapitalgesellschaften die (inländische) InvestmentAG nach dem InvG (Rn. 115 ff.) sowie die Regelung zu den inländischen Real Estate Investment Trust (REIT)-Aktiengesellschaften herausgegriffen. Abschnitt D (Rn. 123 ff.) bleibt einem Überblick über diejenigen geschlossenen Fonds vorbehalten, die in der Form einer Publikumspersonengesellschaft organisiert sind, bei denen mithin das investierte und das zu investierende Vermögen Gesamthandvermögen ist.
7
B. Die inländischen Investmentfonds nach dem InvG I. Gesetzliche Grundlagen. Das Investmentgesetz (InvG) ist zusammen mit dem Investmentsteuergesetz (InvStG) und anderen Gesetzesänderungen Teil des Investmentmodernisierungsgesetzes vom 15.12.2003 (BGBl. I S. 2676; Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 15/1553; Überblick z. B. bei Leistikow/Ellerkmann, BB 2003, 2693 ff.; Kümpel, Rn. 12.30 ff.), das am 1.1.2004 in Kraft getreten ist und die Richtlinien 2001/107/EG und 2001/108/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der OGAW-Richtlinie umsetzt (oben Rn. 5). Das InvG tritt an die Stelle des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und des Auslandinvestment-Gesetzes (AuslInvestmG). Auf die am 1.1.2004 bestehenden Sondervermögen war bis zum 13.2.2007 noch das KAGG anzuwenden (§ 145 I S. 1 InvG). Das InvG führt KAGG und AuslInvestmG zusammen und enthält zudem zahlreiche über die Richtlinien hinausgehende Neuerungen, z. B. die Einführung von Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (Hegdefonds). Steuerliche Regelungen werden im InvStG kodifiziert, wobei im Hinblick auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages inländische Investmentanteile und EG-Investmentanteile bei der Kapitalertragsteuer und bei der Anwendung des früheren Halbein-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1763
künfteverfahrens gleich behandelt werden. Für Investmentfonds gelten ferner bestimmte Vorschriften anderer Gesetze, insbesondere ist für die Aufsicht durch die BaFin das KWG und im Fall von Inhaberanteilscheinen für die Verwahrung das DepotG anzuwenden, weil Investmentanteilscheine Wertpapiere sind (§§ 33 I InvG, 2 I S. 2 WpHG). Allerdings gilt das DepotG nicht für das Verhältnis zwischen KAG und Anleger (§ 30 IV InvG). Das WpHG gilt nur begrenzt (vgl. z. B. § 5 III InvG). Die Kapitalanlagegesellschaften erbringen im Rahmen des Investmentgeschäfts keine Wertpapierdienstleistung i. S. v. § 2 III WpHG. Das InvG ist lex specialis hinsichtlich der Rechtsbeziehung zwischen der KAG und den Anlegern (Rn. 24 ff.). Nur soweit eine KAG (individuelle) Finanzportfolioverwaltung oder Anlageberatung betreibt (Rn. 10), unterliegt sie den Anforderungen an Wertpapierdienstleistungsunternehmen (BuB-Baur, Rn. 9/103). Überarbeitet wurde das InvG Ende 2007 durch das Investmentänderungsgesetz (InvÄndG) zur Änderung des InvG und Anpassung anderer Vorschriften (RegE, BR-Drucks. 274/07 vom 27.4.2007), auf dessen Änderungen im Folgenden punktuell eingegangen wird. II. Treuhandstruktur und „Investmentdreieck“. Hinsichtlich der Verwaltung der Investmentfonds sind Beteiligte zunächst die KAG und die Anleger (bzw. Anteilscheininhaber). Zwischen der KAG und dem einzelnen Anleger besteht ein durch die Vertragsbedingungen (§ 43 InvG) ausgestalteter Investmentvertrag (Rn. 24 ff.). Hinzu kommt ein gesetzlich geprägtes besonderes Verwaltungstreuhandverhältnis zwischen KAG und Anleger. Der Inhalt dieses Treuhandverhältnisses richtet sich danach, ob die zum Sondervermögen zählenden Vermögensgegenstände Eigentum der KAG oder Miteigentum der Anleger sind (§ 30 I InvG). Im ersten Fall wird von der Treuhandlösung gesprochen. Es handelt sich um eine Vollrechtstreuhand, bei welcher die Anleger als Treugeber an sich nur schuldrechtliche Ansprüche gegen die KAG als Treuhänderin haben und die KAG über die Gegenstände des Sondervermögens nur im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Beschränkungen verfügen darf (z. B. Brinkhaus/Scherer-Zeller, § 6 KAGG Rn. 7; siehe zum Inhalt der Anteilsberechtigung näher Rn. 49 ff.). In dem zweiten Fall einer Miteigentumslösung, bei welcher die Anleger untereinander eine besonders ausgestaltete Bruchteilsgemeinschaft bilden (zum Inhalt der Anteilsberechtigung Rn. 47 f.; zur Treuhandlösung Rn. 44, 50), verwaltet die KAG das Sondervermögen in der Regel aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung gemäß § 31 I InvG oder ganz ausnahmsweise in offener Stellvertretung für die Anleger. Im ersteren (Regel-)Fall liegt eine Ermächtigungstreuhand, im letzteren (Ausnahme-)Fall eine Vollmachtstreuhand vor. Wenn auch meist die Miteigentumslösung gewählt wird, darf nicht übersehen werden, dass die Anleger hierbei eine konkurrierende Rechtsmacht behalten; diese müssten sie aber wegen § 747 S. 2 BGB gemeinschaftlich ausüben, was jedenfalls bei Publikums-Sondervermögen kaum praktisch werden dürfte (zum Ganzen z. B. G. H. Roth, S. 117 f.; Reiss, S. 87 ff.). Darüber hinaus obliegen auch der Depotbank als der dritten Beteiligten kraft Gesetzes vielfältige Treuhänder-Aufgaben im Interesse der Anleger. Sie wird insbesondere mit der Verwahrung der zum Sondervermögen gehörenden, verwahrfähigen Vermögensgegenstände von der KAG beauftragt (§§ 20 I S. 1, 24 InvG, siehe auch Art. 7 I OGAW-Richtlinie), nimmt die Ausgabe und Rücknahme von Investmentanteilen vor (§ 23 InvG) und hat verschiedene Kontrollfunktionen (z. B. § 27 InvG). Weil mithin jeder der drei Beteiligten zu den beiden anderen in Rechtsbeziehungen steht, wird von einem „InvestmentDreieck“ zwischen den Beteiligten gesprochen (z. B. Brinkhaus/Scherer-Schödermeier/ Baltzer, § 12 KAGG, Rn. 10; zu den historischen Wurzeln z. B. Geßler, WM 1957, SB 4, 10 (11 f.)).
8
III. Die Kapitalanlagegesellschaft. 1. Qualifizierung und erlaubte Geschäftstätigkeiten. Anders als noch im KAGG wird die Regelung über Kapitalanlagegesellschaften
9
Geibel
1764
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
nach den allgemeinen Vorschriften einem eigenen Abschnitt zugewiesen (§§ 6 ff. InvG). Nach § 6 I S. 1 InvG sind Kapitalanlagegesellschaften Unternehmen mit einem Geschäftsbereich, der darauf gerichtet ist, die Verwaltung von inländischen Investmentvermögen durchzuführen und daneben Dienstleistungen oder Nebendienstleistungen gemäß § 7 II InvG zu erbringen. Nach der alten Fassung von § 6 I S. 1 InvG vor dem InvÄndG (Rn. 7 a. E.) war noch vorgesehen, dass die KAG die Eigenschaft eines Spezialkreditinstituts hat. Dies wurde mit dem InvÄndG abgeschafft (Ausnahme: z. B. Geltung des GwG und verschiedener Vorschriften über den automatisierten Abruf von Kontoinformationen nach § 6 V InvG), um eine doppelte Aufsicht künftig zu vermeiden. Nach geltendem Recht zählen die Tätigkeiten nach § 7 II InvG insgesamt als „Investmentgeschäft“ nicht mehr zu den Bankgeschäften (Aufhebung des § 1 I S. 2 Nr. 6 KWG durch das InvÄndG). Für die Aufnahme ihres Geschäftsbetriebes bedarf die KAG der (vorherigen) schriftlichen Erlaubnis durch die BaFin (§ 7 I S. 1 InvG). Als Ausnahme vom System der Universalbanken und zur Vermeidung von Interessenkonflikten war den Kapitalanlagegesellschaften früher nur die Verwaltung von Sondervermögen erlaubt. Sukzessive wurde ihnen daneben die Ausführung bestimmter Hilfsgeschäfte zugestanden (§ 1 I, VI KAGG a. F.). Das InvG hat den Katalog der zulässigen (Neben-)Dienstleistungen an die durch Richtlinie 2001/107/EG vom 21.1.2002 vorgenommenen Änderungen der OGAWRichtlinie angepasst. 10
Insbesondere ist der KAG die individuelle Verwaltung einzelner Vermögen möglich, die in Finanzinstrumenten i. S. v. § 1 XI KWG angelegt sind (§ 7 II Nr. 1 InvG, Finanzportfolioverwaltung). Hierzu bedarf die KAG allerdings einer ausdrücklichen Erlaubnis der BaFin (arg. e § 7 II Nr. 3 InvG, vgl. BT-Drucks. 15/1553, S. 77), die fortan auch die Aufsicht nach dem WpHG ausübt (§ 5 S. 2 InvG). Der Gesetzgeber hatte früher eingeschränkt, dass mit dem Begriff „Finanzinstrumente“ nicht solche Derivate erfasst sein sollen, deren Basiswert Waren oder Edelmetalle sind (vgl. Art. 5 III lit. a der geänderten OGAW-Richtlinie i. V. m. Abschnitt B des Anhangs der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993, ABl. EG vom 11.6.1993, L 141/27; ferner BTDrucks. 15/1553, S. 77). Diese Einschränkung ist durch das InvÄndG gestrichen worden, um dem erweiterten Derivatebegriff in § 1 XI S. 4 KWG in Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) gerecht zu werden. Wird die individuelle Portfolioverwaltung zum Hauptgeschäft einer KAG, benötigt sie für diese Finanzdienstleistung i. S. v. § 1 Ia S. 2 Nr. 3 KWG wiederum einer gesonderten Erlaubnis, weil die erste Erlaubnis nur die untergeordnete individuelle Portfolioverwaltung „neben“ der Verwaltung von Sondervermögen erfasst. Das Depotgeschäft in Investmentanteilen (§ 7 II Nr. 4 InvG) darf die KAG als Nebendienstleistung auch ohne gesonderte Erlaubnis betreiben. Würde es aber als Bankgeschäft i. S. v. § 1 I S. 2 Nr. 5 KWG zu ihrem Hauptgeschäft, ist eine Erlaubnis nach § 32 KWG notwendig. Die Anlageberatung bedarf zwar als Hauptgeschäft keiner Erlaubnis der BaFin, doch darf sie die KAG nur in Verbindung mit der individuellen Vermögensverwaltung nach § 7 II Nr. 1 InvG und der individuellen Grundstücksverwaltung nach § 7 II Nr. 2 InvG betreiben. Vermögen, welche die KAG in individueller Portfolio- oder Grundstücksverwaltung hält, sind keine Sondervermögen i. S. d. InvG (§ 30 V InvG). Ferner sind der KAG der Vertrieb von Anteilen, und zwar von inländischen oder zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen EG-Investmentanteilen (§ 7 II Nr. 5 InvG) sowie der Abschluss von Altersvorsorgeverträgen zur „Riester-Rente“ gestattet (§ 7 II Nr. 6 InvG). Klargestellt wurde durch das InvÄndG, dass eine KAG Mindestzahlungszusagen abgeben darf (§ 7 II Nr. 6a InvG). Dass dieser Katalog der erlaubten (Neben-)Dienstleistungen nicht abschließend ist, zeigt § 7 II Nr. 7 InvG. Anders als noch in § 1 VI S. 1 Nr. 3 KAGG a. F. darf hiernach die KAG nicht nur solche Tätigkeiten ausüben, die mit der Ver-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1765
waltung von Sondervermögen unmittelbar verbunden sind, sondern auch solche, die in unmittelbarer Verbindung zu einer erlaubten anderen (Neben-)Dienstleistung stehen. Obwohl nicht mehr von „Nebentätigkeiten“, sondern von „Tätigkeiten“ die Rede ist, müssen diese auch unter Geltung von § 7 II Nr. 7 InvG von untergeordneter Bedeutung sein. Denn sie dürfen nach § 7 II InvG lediglich „neben“ der Verwaltung von Sondervermögen erbracht werden. 2. Gesellschaftsrechtliche Anforderungen. Vom InvG erfasst werden nur inländische Kapitalanlagegesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz und ihre Hauptverwaltung im Geltungsbereich des InvG haben (§ 6 I S. 3 InvG). Für eine KAG ist zwingend entweder die Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder diejenige einer GmbH vorgeschrieben (§ 6 I S. 2 InvG). Ist sie eine GmbH, wird ein obligatorischer Aufsichtsrat gebildet (§ 6 II InvG), der die Geschäftsführung der KAG überwacht und sie berät (zu weiteren Einzelheiten z. B. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, § 52 GmbHG Rn. 289 ff.). Dies geschieht zur Wahrung der Anlegerinteressen, was die Mitglieder des Aufsichtsrates durch ihre Persönlichkeit und Sachkunde gewährleisten sollen (§ 6 III S. 1 InvG). Bestellen die Gesellschafter der KAG Aufsichtsratsmitglieder, welche diese Qualifikation nicht haben, haften nicht etwa die Gesellschafter den Anlegern auf Schadensersatz, weil § 6 III S. 1 InvG kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 II BGB ist (h. M., näher z. B. Brinkhaus/Scherer-Zeller, § 4 KAGG Rn. 6; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, a.a.O. Rn. 288); selbst wenn man dies bejahte, wäre im Übrigen ein ursächlicher Schaden kaum zu beweisen. Zur Verbesserung des Anlegerschutzes ist durch das InvÄndG die Pflicht eingeführt worden, mindestens ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied gemäß § 6 IIa S. 1 InvG zu wählen.
11
Satzung oder Gesellschaftsvertrag müssen die Beschränkungen des Geschäftsbetriebs und der erlaubten Tätigkeiten bestimmen (§ 7 IV InvG, Spezialitätsprinzip). Änderungen der Satzung oder des Gesellschaftsvertrages müssen der BaFin unverzüglich angezeigt werden (§ 7 V InvG). Hinsichtlich der Mindestkapitalanforderungen, die im Zeitpunkt der Erlaubnis durch die BaFin vorliegen müssen, geht das InvG hinter das KAGG zurück, ist aber strenger als die geänderte OGAW-Richtlinie. Grundsätzlich ist nach § 11 I Nr. 1 InvG ein Mindestanfangskapital von 300.000 Euro notwendig (OGAW-Richtlinie: 125.000 Euro). Der Gesetzgeber vergleicht Kapitalanlagegesellschaften insoweit nicht mehr mit Wertpapierhandelsbanken, für welche nach § 33 I S. 1 Nr. 1c KWG der Betrag von 730.000 Euro gilt (BT-Drucks. 15/1553, S. 80). Der Begriff des Anfangskapitals umfasst das eingezahlte Grund- oder Stammkapital ohne etwaige Vorzugsaktien und Rücklagen (vgl. § 33 I S. 1 Nr. 1 KWG i. V. m. § 10 IIa S. 1 Nr. 2 KWG). Auch wenn die KAG das Depotgeschäft in Investmentanteilen betreibt oder ein Immobilien-Sondervermögen verwaltet, muss das Anfangskapital nur noch 300.000 Euro und nicht mehr 2,5 Mio. Euro betragen (wie früher nach § 2 II lit. a KAGG a. F. noch allgemein). Zusätzlich sind nach § 11 I Nr. 2 InvG dynamische Kapitalanforderungen abhängig vom Wert des jeweils verwalteten Sondervermögens zu beachten (näher zur früheren Gesetzesfassung Köndgen/ Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (6 f.)). Die im Auftrag Dritter verwalteten Sondervermögen bleiben unberücksichtigt (§ 11 II Hs. 2 KWG). In jedem Fall muss die KAG wie ein Wertpapierhandelsunternehmen (§ 10 IX KWG) über Eigenmittel in Höhe von mindestens einem Viertel der im letzten Jahresabschluss ausgewiesenen Kosten verfügen (§ 11 III InvG). Entspricht die Eigenmittelausstattung nicht diesen Anforderungen und wird dies nicht innerhalb einer von der BaFin bestimmten Frist behoben, kann die BaFin die Erlaubnis der KAG zum Betrieb ihrer Geschäfte nach § 17 II S. 1 Nr. 2 InvG aufheben.
12
3. Pflichten der KAG. § 9 I S. 1 InvG stellt die Treuhänderpflicht der KAG zur Verwaltung des Sondervermögen für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger in den Rang einer gesetzlichen Pflicht. Der Pflichtenumfang und der Maßstab der Sorgfalt eines or-
13
Geibel
1766
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
dentlichen Kaufmanns, den die KAG zu beachten hat, sind insbesondere im Lichte von Art. 5f I S. 1 lit. a und Art. 5h der geänderten OGAW-Richtlinie auszulegen. In § 9 II InvG werden die nach Art. 5h S. 3 lit. a, b, d der geänderten OGAW-Richtlinie einzuhaltenden Grundsätze für Wohlverhaltensregeln weitgehend übernommen, wobei im Gegensatz zur Richtlinie betont wird, die KAG müsse im ausschließlichen Interesse ihrer Anleger handeln (§ 9 II Nr. 1 InvG). Der Gesetzgeber spart jedoch mit der Formulierung weiterer Verhaltenspflichten (wie es von Art. 5h S. 1 der geänderten OGAW-Richtlinie an sich gefordert wird). Die BaFin kann nach § 9 V InvG lediglich Richtlinien aufstellen, nach denen für den Regelfall festgelegt wird, ob den aufgestellten Verhaltens- und Organisationspflichten entsprochen ist. Bedeutsam ist vor allem die Konkretisierung der Pflicht der KAG, sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und bei unvermeidbaren Interessenkonflikten diese unter der gebotenen Wahrung der Anlegerinteressen zu lösen (§ 9 II Nr. 3 InvG). Die Risiken von Interessenkonflikten zu vermeiden, obliegt der KAG ferner als Organisationspflicht nach § 9 III InvG. Wenn der KAG die individuelle Portfolioverwaltung erlaubt ist, hat sie die weitere Organisationspflicht, das Vermögen des individuellen Anlegers nicht ohne vorherige Zustimmung des Anlegers in Anteilen der von ihr verwalteten Sondervermögen anzulegen (§ 9 IV InvG). Eine vorherige allgemeine Zustimmung ist möglich. Weitere Pflichten einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation hat die KAG nach § 9a InvG; vor der Einführung dieser Norm durch das InvÄndG unterfiel die KAG § 25a I KWG. Wenn die KAG diese Pflichten verletzt, kommen aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin bis hin zur Aufhebung der Erlaubnis nach § 17 II S. 1 Nr. 4 InvG in Betracht. Sofern die verletzte Pflicht als Inhalt des Investmentvertrages den Anlegern gegenüber bestand, können diese Schadensersatz nach § 280 I BGB und nach § 823 II BGB verlangen (näher Rn. 102), wobei jedoch sowohl der Haftungstatbestand als auch der Schadensinhalt und der Kausalzusammenhang schwer beweisbar sind. Ein Verbot unzulässiger Rechtsgeschäfte mit Nichtigkeitsfolge nach § 134 BGB (z. B. Geßler, WM 1957, SB 4, 10 (18); Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2408), wie es § 5 S. 1 KAGG a. F. für Rechtsgeschäfte zwischen der KAG und den Mitgliedern ihres Vorstands oder Aufsichtsrats vorsah, um Interessenkollisionen zu vermeiden, ist im InvG für Investmentfonds nicht mehr enthalten (vgl. aber z. B. § 67 VIII InvG, § 68a InvG oder § 82 V InvG), sondern nur noch für die InvestmentAG (§ 106b InvG). Führen derartige Rechtsgeschäfte dazu, dass Verwaltungsträger der KAG ihre Wertpapiere an das Sondervermögen „abladen“ oder das Sondervermögen „auskaufen“ (Geßler, a.a.O.), sind sie nach § 138 I BGB nichtig. De lege ferenda sollte eine dem § 5 KAGG a. F. vergleichbare klarstellende Vorschrift auch für Investmentfonds wieder eingeführt werden. 14
Die KAG hat außerdem vielfältige Pflichten in Bezug auf die von ihr verwalteten Sondervermögen (siehe auch Rn. 84 ff., 90 ff.). Sie unterliegt insbesondere den weiteren Treuhänderpflichten, dass Sondervermögen strikt von Eigenvermögen und von anderen Sondervermögen getrennt gehalten werden müssen (§ 30 I S. 2, III S. 2 InvG, Vermögenstrennungspflicht) und dass (bei nicht-thesaurierenden Fonds) die wiederkehrenden Gewinne an die Treugeber ausgeschüttet werden. Die KAG muss für die Sondervermögen einen ausführlichen – für einige Sondervermögen zusätzlich einen vereinfachten Verkaufsprospekt – erstellen und zusammen mit den Vertragsbedingungen dem Publikum zugänglich zu machen (§ 42 I S. 1 InvG, kurz Prospektpflicht, Rn. 103, 106 ff.). Ferner müssen für jedes Sondervermögen ein Jahresbericht, ein Halbjahresbericht sowie gegebenenfalls ein Zwischenbericht und ein Auflösungsbericht erstattet werden (§ 44 I-IV InvG, Rechnungslegungspflicht). Die KAG muss den Jahresbericht spätestens vier Monate, den Halbjahresbericht spätestens zwei Monate nach dem jeweiligen Berichtszeitraum sowie den Auflösungsbericht spätestens drei Monate nach dem in § 44 IV InvG genannten Stichtag im elektronischen Bundesanzeiger und zusätzlich entweder in einer
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1767
hinreichend verbreiteten Wirtschafts- oder Tageszeitung oder in den elektronischen Informationsmedien veröffentlichen, die im Verkaufsprospekt bestimmt sind (§ 45 I, II InvG). Jahresberichte, Halbjahresberichte und Auflösungsberichte müssen unverzüglich nach der ersten Verwendung der BaFin eingereicht werden (§ 45 III InvG) und dem Publikum an den im Verkaufsprospekt bestimmten Stellen zugänglich gemacht werden (§ 45 IV InvG). Damit insbesondere die Einhaltung der für das jeweilige Sondervermögen aufgestellten Anlagegrenzen (Rn. 88, 90 ff.) und der Wohlverhaltensregeln von der BaFin kontrolliert werden kann, hatte die KAG bislang verschiedene Meldepflichten nach § 10 InvG a. F. einzuhalten. Eine KAG musste gesondert für jedes Sondervermögen regelmäßig (nicht notwendig börsentäglich, vgl. näher Köndgen/Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (7)) eine Vermögensaufstellung, wie sie auch im Jahresbericht enthalten ist, hinsichtlich der zu dem Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten an die BaFin übermitteln (§ 10 I S. 1-3 InvG a. F.). Etwaige Verstöße gegen Anlagegrenzen konnte somit die BaFin selbst erkennen und war nicht mehr (wie nach § 8m I KAGG a. F.) darauf verwiesen, den Mitteilungen der KAG zu vertrauen (vgl. BT-Drucks. 15/1553, S. 79). Bei häufigen Missständen konnte die BaFin die Geschäftsleiter der KAG abberufen oder der KAG die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb entziehen. Ferner hatte die KAG eine Meldepflicht über Transaktionen. Sie musste gemäß § 10 II InvG a. F. der BaFin regelmäßig jedes Geschäft in Finanzinstrumenten i. S. v. § 9 I WpHG, insbesondere in börsennotierten Wertpapieren und Derivaten, unter Angabe bestimmter Informationen mitteilen. Nach dem InvÄndG (Rn. 7 a. E.) ist § 10 InvG aufgehoben worden; die Einhaltung der Anlagegrenzen wird seither allein durch die Depotbank wahrgenommen.
15
4. Auslagerung von Tätigkeiten der KAG. In § 16 InvG ist für Kapitalanlagegesellschaften erstmals ausdrücklich geregelt, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen eigene Tätigkeiten an ein „Auslagerungsunternehmen“ (§ 16 I S. 1 InvG) auslagern dürfen (Outsourcing). Die Vorschrift setzt Art. 5g der geänderten OGAW-Richtlinie um. Die Auslagerung darf die KAG nicht daran hindern, im Interesse der Anleger zu handeln, mithin an der Erfüllung ihrer Treuhänderpflichten (§ 16 I S. 3 Hs. 2 InvG). Früher mussten stets die allgemein für Kreditinstitute geltenden Voraussetzungen des § 25a II KWG vorliegen. Diese Koppelung an § 25a II KWG wurde durch das InvÄndG (Rn. 7 a. E.) rückgängig gemacht, um der Regelung die gegenüber den Anforderungen der geänderten OGAW-Richtlinie überschießende Tendenz zu nehmen. Ausgelagert werden dürfen nach § 16 I S. 1 InvG wesentliche Aufgaben der KAG mit dem Ziel effizienterer Geschäftsführung. Das Auslagerungsunternehmen muss gewisse Mindestanforderungen erfüllen (§ 16 I S. 2 InvG). Mit der Auslagerung dürfen insbesondere die Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten der BaFin als Aufsichtsbehörde nicht beeinträchtigt werden (§ 16 I S. 3 Hs. 1 InvG, vgl. Art. 5g I lit. b Hs. 1 der geänderten OGAW-Richtlinie). Erst der Vollzug der Auslagerung muss der BaFin nach Geschäftsjahresende unverzüglich und gesammelt angezeigt werden (§ 16 V InvG, vgl. Art. 5g I lit. a der geänderten OGAW-Richtlinie). Ferner dürfen die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte oder Dienstleistungen der KAG sowie die Steuerungs- oder Kontrollmöglichkeiten der Geschäftsleitung nicht gefährdet werden. Die KAG muss in dem Vertrag mit dem Auslagerungsunternehmen erforderliche Weisungsbefugnisse und Kündigungsrechte verankern und die ausgelagerten Tätigkeiten in ihre internen Kontrollverfahren einbeziehen (§ 16 Ia InvG, vgl. auch Art. 5g I lit. f, g der geänderten OGAW-Richtlinie). Ferner werden in § 16 III, IV InvG die Vorgaben von Art. 5g II Hs. 1 sowie Art. 5g I lit. i der geänderten OGAW-Richtlinie umgesetzt. Dass die KAG ein Verschulden des Auslagerungsunternehmens in gleichem Umfang zu vertreten hat wie eigenes Verschulden, ergibt sich jedenfalls hinsichtlich der gegenüber den
16
Geibel
1768
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Anlegern bestehenden Pflichten bereits aus § 278 S. 1 BGB i. V. m. § 664 I S. 3 BGB (zur Geltung von § 664 BGB Rn. 17). Die Auflistung der ausgelagerten Tätigkeiten im Verkaufsprospekt ist nur sinnvoll, wenn auch die Angaben zum jeweiligen Auslagerungsunternehmen enthalten sind. 17
§ 16 InvG ist eine aufsichtsrechtliche Vorschrift. Sie stellt zugleich klar, dass es der KAG im Verhältnis zu den Anlegern erlaubt sein muss, vertraglich die Möglichkeit einer Substitution in Abweichung von § 664 I S. 1 BGB zu vereinbaren. § 664 BGB ist zwar nicht aufgrund des geschäftsbesorgungsrechtlichen Charakters des Investmentvertrages anwendbar – § 664 BGB ist in § 675 I BGB nicht genannt –, wohl aber wegen der z. T. gesellschaftsrechtlichen Züge des Investmentvertrages (Rn. 24) – § 664 BGB wird von § 713 BGB in Bezug genommen. Die Vereinbarung, bestimmte Tätigkeiten auf einen Substituten auslagern zu dürfen, kann in die Vertragsbedingungen aufgenommen werden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 123), ist aber nur wirksam, sofern die Vertragsbedingungen in den Investmentvertrag mit dem jeweiligen Anleger einbezogen sind (hierzu Rn. 27).
18
Sogar das Kerngeschäft der Sondervermögensverwaltung kann die KAG gemäß § 16 II InvG auslagern (zu den vielfältigen Bedenken z. B. Schimansky/Bunte/Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 38, 123). Allerdings ist eine solche Auslagerung nur an Unternehmen möglich, „die für die Zwecke der Vermögensverwaltung zugelassen sind und einer wirksamen öffentlichen Aufsicht unterliegen“ (§ 16 II S. 1 Hs. 1 InvG, vgl. auch Art. 5g I lit. c Hs. 1 der geänderten OGAW-Richtlinie), also an Finanzdienstleistungsunternehmen nach § 1 Ia S. 2 Nr. 3 KWG, wobei § 2 VI S. 1 Nr. 5 KWG keine Anwendung findet (§ 16 II S. 1 Hs. 2 InvG). Insbesondere Spezial-Sondervermögen können im Grundsatz von so genannten „Master-Kapitalanlagegesellschaften“ so verwaltet werden, dass sie die Verwaltung bestimmter Teile des Sondervermögens – „Unterfonds“ – spezialisierten Finanzdienstleistungsunternehmen übertragen (z. B. Leistikow/Ellerkmann, BB 2003, 2693 (2697)).
19
Der Übertragung der Portfolioverwaltung sind aber neben den o. g. Grenzen (Rn. 16) weitere Grenzen gezogen: Eine Kollision zwischen den Interessen des Auslagerungsunternehmens und den Interessen der Anleger verbietet die Auslagerung; wegen der für das Investmentrecht spezifischen Trennung der Treuhänderaufgaben kann auch die Depotbank nicht beauftragt werden (§ 16 II S. 3 InvG). Die KAG hat ferner regelmäßig „Vorgaben für die Verteilung der Anlagen“ festzulegen, mit denen die Auslagerung in Einklang stehen muss (§ 16 II S. 2 InvG). Der Gesetzgeber hat versäumt, diese wörtlich Art. 5g I lit. c Hs. 2 der geänderten OGAW-Richtlinie entnommene Formulierung zu konkretisieren (näher z. B. Köndgen/Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (9)). Vorgaben hinsichtlich der gegenüber den Anlegern einzuhaltenden Pflichten aus dem Investmentverhältnis sind selbstverständlich. Auch die Anlageziele und die Anlagepolitik muss die KAG dem Auslagerungsunternehmen vorgeben. Für die Auslegung des Begriffs „Vorgaben“ ist entscheidend, dass die KAG „die Zügel in den Händen behalten“ muss und mit dem Umfang der Auslagerung keinesfalls so weit gehen darf, sich zur bloßen Briefkastenfirma zu degradieren (vgl. Art. 5g II Hs. 2 InvG).
20
5. Der „europäische Pass“ für eine KAG. In Artt. 6 ff. der geänderten OGAW-Richtlinie wird vorgeschrieben, dass Kapitalanlagegesellschaften, die in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, im Rahmen ihrer Zulassung auch in den anderen Mitgliedstaaten im Rahmen des freien grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs oder über eine Zweigniederlassung tätig werden dürfen, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dies wird in § 12 InvG für inländische Kapitalanlagegesellschaften und in § 13 InvG für Verwaltungsgesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1769
Vertragstaat des EWR-Abkommens umgesetzt. Damit ist ein „europäischer Pass“, ein „Passporting-Verfahren“ auch für Kapitalanlagegesellschaften eingeführt worden, nachdem ein ähnliches Verfahren bereits für Sondervermögen gegolten hatte, welche die Voraussetzungen der OGAW-Richtlinie erfüllen (Art. 4 I S. 2 der OGAW-Richtlinie). Inländische Kapitalanlagegesellschaften können den „europäischen Pass“ nur erhalten, wenn sie mindestens ein richtlinienkonformes Sondervermögen (d. h. ein der OGAWRichtlinie entsprechendes Sondervermögen) gemäß §§ 46-65 InvG verwalten und keine individuelle Grundstücksverwaltung betreiben (§ 12 V InvG). Sie müssen ihre Absicht, in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen Vertragstaat des EWR-Abkommens eine Zweigniederlassung zu errichten oder ihre Tätigkeiten in einem solchen Staat im Wege grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs auszuüben, der BaFin (nicht mehr auch der Deutschen Bundesbank) unverzüglich anzeigen (§ 12 I S. 1, III S. 1 InvG). „Unverzüglich“ ist die Anzeige der „Absicht“ zumindest dann, wenn sie erfolgt, bevor auch nur vorbereitenden Maßnahmen zur Eröffnung der Niederlassung oder zu den geplanten grenzüberschreitenden Tätigkeiten getroffen sind. Für das Anzeigeverfahren gelten die detaillierten Regelungen in § 12 I-IV InvG. In Übereinstimmung mit Art. 6a II und Art. 6b I der geänderten OGAW-Richtlinie sind nach § 12 I S. 2, III S. 2 InvG bestimmte Angaben in die Anzeige aufzunehmen. Die BaFin prüft die Angemessenheit der Organisationsstruktur und die Finanzlage der KAG (§ 12 II S. 1, III S. 3 InvG, Art. 6a III S. 1 der geänderten OGAW-Richtlinie). Hat die BaFin hieran keine Zweifel, leitet sie die Anzeige im Fall der beabsichtigten Errichtung einer Zweigniederlassung innerhalb von zwei Monaten an die zuständigen Behörden des Aufnahmestaates weiter und teilt dies der KAG mit (§ 12 II S. 1 InvG). Diese muss die Mitteilung des Aufnahmestaates über vorgeschriebene Meldungen und Bedingungen abwarten, bevor sie die geplanten Tätigkeiten ausüben, mithin die Zweigniederlassung errichten kann (§ 12 II S. 4 InvG). Verstreichen die Zweimonatsfrist ohne Mitteilung der BaFin und auch die weitere Zweimonatsfrist für die Begründung der BaFin, weshalb sie die Anzeige nicht weitergeleitet hat (§ 12 II S. 3 InvG), so kann die KAG entgegen des missverständlichen Wortlauts von § 12 II S. 4 InvG die KAG nicht schon mit den Tätigkeiten beginnen, sondern muss ggf. Klage erheben (siehe auch Art. 6a III S. 4 der geänderten OGAW-Richtlinie). Im Fall eines geplanten grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs unterrichtet die BaFin die zuständigen Behörden des Aufnahmestaates innerhalb eines Monats, wenn sie keine Zweifel hinsichtlich Organisationsstruktur und Finanzsituation der KAG hat (§ 12 III S. 3 InvG). Entscheidet sich die BaFin gegen eine Unterrichtung, muss sie dies unverzüglich begründen (§ 12 III S. 6 InvG). Der grenzüberschreitenden Tätigkeit einer KAG ist für die Zwecke des Anzeigeverfahrens nicht mehr der Fall gleichgestellt, dass die KAG einen Dritten mit dem Vertrieb der Anteile beauftragt (Aufhebung des § 12 III S. 7 InvG durch das InvÄndG).
21
Die Verwaltungsgesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragstaat des EWR-Abkommens dürfen, wenn sie den Regelungen der OGAW-Richtlinie entsprechen und im Herkunftsstaat zugelassen sind, im Inland Tätigkeiten wie eine inländische KAG über eine Zweigniederlassung oder im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr ausüben, ohne einer Erlaubnis der BaFin zu bedürfen (§ 13 I S. 1 InvG). Sie unterliegen nur einer etwaigen Anzeigepflicht nach § 14 GewO. Eine Zweigniederlassung gilt insoweit nicht gemäß § 53 I S. 1 KWG als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsunternehmen (§ 13 I S. 2 InvG). Die Verwaltungsgesellschaft muss zunächst das Anzeigeverfahren nach Art. 6a bzw. Art. 6b der geänderten OGAW-Richtlinie in ihrem Herkunftsstaat initiieren. Nach Eingang der von den Behörden des Herkunftsstaates an die BaFin übermittelten Anzeige und Unterlagen,
22
Geibel
1770
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
hat die BaFin im Fall der geplanten Errichtung einer inländischen Zweigniederlassung zwei Monate Zeit, die Verwaltungsgesellschaft die vorgeschriebenen Meldungen an die BaFin (nicht mehr auch an die Deutsche Bundesbank) und die in § 13 IV S. 1 InvG aus Gründen des Allgemeininteresses geregelten Bedingungen mitzuteilen, die von der Zweigniederlassung einzuhalten sind (§ 13 II S. 1 InvG, vgl. Art. 6 IV der geänderten OGAW-Richtlinie). Die Verwaltungsgesellschaft muss mit der Errichtung der Zweigniederlassung nicht mehr warten, bis sie die Mitteilung der BaFin erhält, sofern die Zweimonatsfrist verstrichen ist (§ 13 II S. 2 InvG). Wenn die Verwaltungsgesellschaft ohne Zweigniederlassung im Wege eines geplanten grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs im Inland selbst tätig werden will oder einen Dritten mit dem Vertrieb der Anteile im Inland betraut (§ 13 III S. 2 InvG), hat die BaFin spätestens einen Monat, nachdem die Unterlagen des Herkunftsstaates bei ihr eingegangen sind, die in § 13 IV S. 3 InvG aufgeführten Regelungen mitzuteilen, welche die Verwaltungsgesellschaft im Inland aus Gründen des Allgemeininteresses einhalten muss. Diese Monatsfrist muss die Verwaltungsgesellschaft jedoch nicht mehr abwarten, sondern kann nach Ablauf der (ersten) Monatsfrist für das Anzeigeverfahren im Herkunftsstaat sofort mit der grenzüberschreitenden Tätigkeit beginnen (vgl. Art. 6b III S. 1 der geänderten OGAW-Richtlinie). Die BaFin kann unter den Voraussetzungen von § 13 V InvG subsidiär Maßnahmen gegen die Verwaltungsgesellschaft ergreifen (bis hin zur Untersagung), wenn die Verwaltungsgesellschaft den in § 13 IV InvG genannten, allgemein geltenden Bedingungen nicht nachkommt. 23
IV. Die Anleger, ihre Rechtsbeziehungen zur KAG und ihre Beteiligung am Sondervermögen. 1. Anleger. Was unter dem Begriff des Anlegers zu verstehen ist, wird im InvG nicht festgelegt. In § 1 I KAGG a. F. wurde noch der Begriff des Anteilinhabers verwendet und als Einleger definiert. Hiervon weicht das InvG sachlich nicht ab. Bei dem Anleger i. S. d. InvG handelt es sich um jede natürliche oder juristische Person, welche einen bestimmten Geldbetrag in Höhe des Ausgabepreises gemäß § 23 II S. 1 InvG – Sacheinlagen sind nach § 23 I S. 3 InvG grundsätzlich nicht zulässig – in ein Sondervermögen eingelegt und einen Anteil an diesem Sondervermögen erworben hat (näher Rn. 41 ff.). Worin diese Anteilsberechtigung besteht, hängt davon ab, ob die Treuhand- oder die Miteigentumslösung gewählt ist (hierzu näher Rn. 46 ff.). Erwirbt der Anleger einen Anteilschein (Rn. 56 f.), ist er zusätzlich Anteilscheininhaber. Theoretisch wäre zwar möglich, dass die KAG eigene Anteile an einem von ihr verwalteten Sondervermögen in ihrem Eigenvermögen hält und damit in die Rolle eines Anlegers schlüpft. Dies würde jedoch die Gefahr von Interessenkonflikten und Verfälschungen des Marktes bei Veräußerungen im Wege des Zweiterwerbs (Rn. 59 ff.) aus dem Eigenvermögen der KAG heraufbeschwören und ist deshalb abzulehnen (str., so z. B. Schimansky/Bunte/Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 124; zu den Gefahren näher Canaris, Rn. 2451).
24
2. Die Rechtsbeziehungen zwischen Anleger und KAG. a) Der Investmentvertrag. Anleger und KAG schließen einen Investmentvertrag, dessen Inhalt sich nach den vorab schriftlich bestimmten und von der BaFin genehmigten Vertragsbedingungen (§ 43 InvG) sowie im Übrigen (vor allem hinsichtlich der Treuhänderpflichten der KAG) nach dem InvG richtet. Der Investmentvertrag stellt ein rechtsgeschäftlich geschlossenes, z. T. gesetzlich ausgestaltetes Verwaltungstreuhandverhältnis eigener Art dar (ähnlich z. B. BuB-Baur, Rn. 9/270; Canaris, Rn. 2352). Der Vertrag wird meist als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter qualifiziert (krit. z. B. Schimansky/Bunte/LwowskiKöndgen/Schmies, § 113 Rn. 115). § 126 I InvG würde nahe legen, dass er als Kauf von Investmentanteilen verstanden werden könnte (dagegen z. B. BuB-Baur, a.a.O.; Canaris, Rn. 2354). Beide Interpretationen erschöpfen den Charakter des Investmentvertrages
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1771
jedoch nicht. Der Eigenart des Investmentvertrages wird am besten eine Qualifizierung gerecht, welche den Erwerb einer Beteiligung an einem dinglich geschützten Sondervermögen und die Fremdverwaltung des Sondervermögens für Rechnung der Anleger miteinander verbindet. Dies gelingt, wenn man dem Investmentvertrag als einem Verwaltungstreuhandvertrag sui generis teilweise gesellschaftsvertragliche Züge im Verhältnis zwischen der KAG und dem einzelnen Anleger beimisst (allgemein zur Qualifizierung eines Verwaltungstreuhandvertrages als atypischer Gesellschaftsvertrag Geibel, Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht, S. 113 ff., 155 ff., 163 f.). Diese Züge sind allerdings durch das InvG ausgestaltet und im Vergleich zu den §§ 705 ff. BGB verändert. Die Anleger sind nicht Gesellschafter einer GbR (z. B. Kruhme, S. 24; Lammel, S. 339). Relevant wird die teilweise gesellschaftsrechtliche Qualifizierung erst insoweit, als das InvG schweigt. So kann zum Beispiel der Anlagebetrag des Anlegers (d. h. der Ausgabepreis abzüglich eines Aufschlags) als ein „Beitrag des Anlegers zu dem Sondervermögen“ (BuB-Baur, a.a.O.) charakterisiert werden (zur Geltung von der An- und Abwachsung ähnlichen Grundsätzen bei Erwerb und Rückgabe von Anteilen näher Rn. 44). Ferner kann begründet werden, weshalb die KAG zwar die Pflicht hat, einen besonderen Investmentzweck zu verfolgen, aber nicht den Weisungen der Anleger unterworfen ist (anders wäre es bei einer rein geschäftsbesorgungsrechtlichen Sicht, Schimansky/Bunte/ Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 115). Ist der Investmentvertrag nichtig oder unwirksam (auch z. B. wenn eine Depotbank nicht wirksam bestellt ist, Rn. 81), können die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften Anwendung finden. Dass der einzelne Anleger nicht persönlich für den Vergütungsanspruch der KAG haftet (§ 31 III Halbs. 2 InvG), ist so zu deuten (zu bisherigen Erklärungsversuchen z. B. Schimansky/ Bunte/Lwowski-Köndgen, 2. Aufl., § 113 Rn. 124), dass insoweit der einzelne Anleger in seinem Verhältnis zur KAG mit dem Gesellschafter einer GbR vergleichbar ist, der für eine Sozialverbindlichkeit im Grundsatz nicht mit seinem Privatvermögen zur Haftung herangezogen werden kann (näher z. B. Ulmer, § 705 Rn. 197, 217). Weil sich die KAG wegen ihrer Ansprüche auf Vergütung und Aufwendungsersatz nur aus dem Sondervermögen befriedigen darf (§ 31 III Halbs. 1 InvG, zur Rechtslage bei der Depotbank Rn. 82), wird der Charakter dieser Ansprüche in die Nähe von Vergütungsansprüchen eines geschäftsführenden Gesellschafters einer GbR gerückt, der solche Ansprüche in der Regel nur gegen die Gesamthand geltend machen darf (z. B. Ulmer, a.a.O.). Nur gilt die beschränkte Befriedigung nach § 31 III Halbs. 1 InvG ausnahmslos. Zu einem Antrag auf Abschluss eines Investmentvertrags gehört wesentlich der Zeitpunkt, in welchem der Anleger den Anteil an einem Sondervermögen erwirbt, weil nur zu einem bestimmten Zeitpunkt der Ausgabepreis festgelegt werden kann. In einer Kundgabe der Vertragsbedingungen an einen Anleger (Rn. 27) liegt deshalb kein bindender Antrag der KAG, sondern nur eine invitatio ad offerendum (Baur, a.a.O. Rn. 9/271; Canaris, a.a.O. Rn. 2358). Den Antrag auf Abschluss eines Investmentvertrags gibt in aller Regel der Anleger (durch Zwischenschaltung seiner Hausbank oder einer Vertriebsperson) ab. Die KAG nimmt diesen Antrag – zumeist konkludent im Wege der Abrechnungsmitteilung – an (näher z. B. Schäcker, S. 52; Klenk, S. 12 f.; Canaris, a.a.O. Rn. 2359, 2362 ff.).
25
Der Anleger hat allerdings ein Widerrufsrecht gemäß § 126 I InvG, auf das er nicht verzichten kann, sofern er zur Abgabe des Antrags durch mündliche Verhandlungen außerhalb der ständigen Geschäftsräume des Vertragspartners (mithin der KAG) oder des den Vertragschluss Vermittelnden (auch der Hausbank des Anlegers) bestimmt worden ist oder der Vertragspartner bzw. der Vermittler keine ständigen Geschäftsräume hat. Der Tatbestand dieses Widerrufsrechts ist noch etwas weiter als die Definition des Haustürgeschäfts in § 312 I S. 1 BGB. Die Widerrufsfrist von zwei Wochen ist identisch mit
26
Geibel
1772
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
derjenigen nach § 355 I BGB. Insbesondere hinsichtlich des Fristbeginns und der Rechtsfolgen eines Widerrufs sind die Regelungen in § 126 II, IV InvG leges speciales zu §§ 355 II, 357 BGB. In Übereinstimmung mit § 355 II S. 1 BGB beginnt der Lauf der Widerrufsfrist mit Aushändigung der Durchschrift des Antrags auf Vertragsabschluss oder mit Übersendung der Kaufabrechnung (§ 126 II S. 2 InvG), jedoch nur, wenn darin eine Belehrung über das Widerrufsrecht gemäß den Anforderungen des § 355 II S. 1 BGB enthalten ist. In § 126 II S. 2 InvG bezieht sich das Belehrungserfordernis entgegen dem missverständlichen Wortlaut („darin“) auf Durchschrift und Kaufabrechnung. Dies entspricht § 121 I S. 7 InvG, der eine Belehrung sowohl für die Aushändigung einer Durchschrift als auch für die Übersendung einer Kaufabrechnung vorschreibt. Die Beweislast für den Fristbeginn trifft die KAG (§ 126 II S. 3 InvG entspricht § 355 II S. 4 BGB). Nach der Gesetzesfassung vor dem InvÄndG (Rn. 7 a. E.) begann der Lauf der Widerrufsfrist bereits mit dem Anbieten des Verkaufsprospekts bzw. bei EG-Investmentanteilen mit Aushändigung der Durchschrift. Es konnte vorkommen, dass die Widerrufsbelehrung entgegen § 42 I S. 3 Nr. 17 InvG a. F. nicht im Verkaufsprospekt bzw. bei EG-Investmentanteilen entgegen § 1211 I S. 6 InvG a. F. nicht in der Durchschrift enthalten war. Gemäß dem Wortlaut von § 126 II S. 2, 3 InvG a. F. begann in diesem Fall dennoch der Lauf der Frist (früher str., näher z. B. Brinkhaus/Scherer-Schödermeier/Baltzer, § 23 KAGG Rn. 6). Doch hatte der Anleger in diesen Fällen ein Widerrufsrecht jedenfalls nach § 312 BGB, weil die Neufassung des § 312a BGB dem Anleger die Widerrufsmöglichkeit nach § 312 BGB nur dann abschneiden würde, wenn er nach § 126 InvG wirklich zum Widerruf berechtigt ist. Hinsichtlich der alten Fassung von § 312a BGB bedarf es im Hinblick auf die Haustürgeschäfterichtlinie (Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985, ABl. EG L 372, S. 31) einer richtlinienkonformen Auslegung (vgl. EuGH, NJW 2002, 281 (282); BGH, NJW 2002, 1881 (1882 ff.)). 27
Der Inhalt des Investmentvertrages wird wesentlich geprägt durch die Vertragsbedingungen, welche nach § 43 I InvG vor der Ausgabe der Anteile schriftlich festgelegt werden müssen. Es handelt sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. v. § 305 I S. 1 BGB, welche die KAG wegen des Prinzips der kollektiven Kapitalanlage für eine Vielzahl von Investmentverträgen vorformuliert und einem Anleger bei Abschluss eines Investmentvertrages stellt. Die Vertragsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Investmentvertrages mit einem Anleger, der nicht ein Unternehmer, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen ist (§ 310 I S. 1 BGB), wenn die Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Vertragsbedingungen nach § 305 II BGB erfüllt sind. Eine Bereichsausnahme, wie sie früher § 23 III AGBGesetz a. F. vorsah (näher z. B. Schimansky/Bunte/Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 116) und für andere Bereiche in § 305a BGB vorgesehen ist, wurde für das Investmentgeschäft nicht aufgenommen. Gemäß § 305 II BGB muss die KAG den Anleger bei Vertragsschluss ausdrücklich auf die Vertragsbedingungen hinweisen und dem Anleger die Möglichkeit verschaffen, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Vertragsbedingungen Kenntnis zu nehmen. Diesen Voraussetzungen wird die KAG in aller Regel genügen, wenn sie gemäß § 121 I S. 2-4 InvG die Vertragsbedingungen dem ausführlichen Verkaufsprospekt beifügt und beides dem Anleger anbietet. Die andere – aufsichtsrechtlich ausreichende – Möglichkeit nach § 121 I S. 4 Halbs. 2 InvG, dass der ausführliche Verkaufsprospekt einen Hinweis enthält, an welcher Stelle der Anleger die Vertragsbedingungen kostenlos erhalten kann, wird dem Erfordernis nach § 305 II Nr. 1 BGB dagegen allein nicht gerecht. Damit die Vertragsbedingungen Vertragsbestandteil werden, muss der Anleger außerdem sein Einverständnis mit der Geltung der Vertragsbedingungen erklären (§ 305 II BGB a. E.), zum Beispiel auf dem Formular über den Antrag auf Vertragsabschluss. Ferner darf es sich nicht um überraschende Klauseln nach § 305c
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1773
I BGB handeln. Sind die Vertragsbedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen, unterliegen sie der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, soweit sie nicht lediglich Leistungsbeschreibungen enthalten oder den Inhalt des Gesetzes in anderen Worten wiedergeben. Aufsichtsrechtlich bedürfen die Vertragsbedingungen von Publikums-Sondervermögen gemäß § 43 II InvG der Genehmigung der BaFin. Nicht genehmigungspflichtig sind nur die Angaben in den Vertragsbedingungen zu Methode, Höhe und Berechnung der Vergütungen und Aufwandserstattungen an die KAG, die Depotbank und Dritte (§ 43 II S. 1 InvG i. V. m. § 41 I S. 1 InvG). In § 43 II S. 7 InvG ist klargestellt, dass die Geschäftsleiter der KAG die Verantwortung für Richtigkeit und Gesetzmäßigkeit der Vertragsbedingungen tragen (vgl. BT-Drucks. 15/1553, S. 90 f.). Sie müssen aber nicht mehr darlegen und begründen, dass die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Genehmigung ist von der BaFin zu erteilen, wenn die Vertragsbedingungen den gesetzlichen Anforderungen genügen, insbesondere wenn sie die nach § 43 IV InvG erforderlichen Mindestangaben enthalten. Mit den „gesetzlichen Anforderungen“ sind zwar auch die Vorschriften der §§ 307 ff. BGB gemeint (ferner auch andere Gesetze wie das UWG, BuB-Baur, Rn. 9/302). Zweifelsfragen der AGB-Inhaltskontrolle allerdings muss die BaFin grundsätzlich den Zivilgerichten überlassen. Die früher in § 15 II S. 2 KAGG a. F. enthaltene Passage, wonach die Genehmigung nur erteilt werden durfte, wenn die Interessen der Anleger in den Vertragsbedingungen ausreichend gewahrt werden, ist vom Gesetzgeber in § 43 II InvG bewusst nicht übernommen worden (vgl. BT-Drucks. 15/1553, S. 91). Zumindest höchstrichterlich entschiedene oder in der Rechtsprechung ganz überwiegend in einem bestimmten Sinn beantwortete Fragen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB müssen jedoch bei der Entscheidung über die Genehmigungserteilung berücksichtigt werden. Seit dem InvÄndG muss die BaFin über die Genehmigung innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Eingang des Antrags entscheiden, also entweder genehmigen oder mitteilen, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nicht vorliegen, und die Mitteilung begründen (§ 43 II S. 2, 3 InvG). Geschieht dies nicht, so greift die Genehmigungsfiktion nach § 43 II S. 5 InvG. Eine als erteilt geltende Genehmigung muss aber auf Antrag schriftlich bestätigt werden. Gegebenenfalls fehlende Angaben oder Unterlagen muss die BaFin anfordern, ebenso die Änderung von Angaben oder Unterlagen; dies hat zur Folge, dass die 4-Wochenfrist erneut zu laufen beginnt (§ 43 II S. 3, 4 InvG). Ferner besteht seit dem InvÄndG die Möglichkeit einer Vorausgenehmigung gemäß § 43a InvG. Von der aufsichtsrechtlichen Genehmigungspflicht für Vertragsbedingungen wird nach § 93 I Halbs. 1 InvG ferner eine Ausnahme für Spezial-Sondervermögen gemacht. Den (institutionellen) Anlegern bleibt der Rechtsweg vor den Zivilgerichten. Einen zusätzlichen Schutz sieht § 94 I S. 5 InvG i. V. m. § 44 V InvG vor, wonach der Abschlussprüfer seine jährliche Prüfung auf die Übereinstimmung der Vertragsbedingungen mit dem InvG zu erstrecken hat.
28
Je nach dem Inhalt der Vertragsbedingungen werden zumeist die Allgemeinen von den Besonderen Vertragsbedingungen unterschieden. Auf Verbandsebene sind in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden (vormals BAKred und BAV, nun die BaFin) Mustervertragsbedingungen entworfen worden, die in der Praxis häufig verwendet werden, ohne verbindlich zu sein, und die fortwährend an Rechtsänderungen angepasst werden (näher z. B. BuB-Baur, Rn. 9/307 ff.). Die für Inhalt und Änderung der Vertragsbedingungen geltenden Vorschriften der §§ 41, 43 III–V InvG gelten seit dem InvÄndG nicht mehr für Spezial-Sondervermögen (§ 95 VIII InvG).
29
Die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) sollen in der Regel für alle Sondervermögen einer bestimmten Art gelten, welche eine KAG verwaltet. In den AVB werden zu-
30
Geibel
1774
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
meist die grundlegenden Regelungen des InvG wiederholt und umschrieben. Es wird die nach § 43 IV Nr. 3 InvG erforderliche Entscheidung getroffen, ob die Treuhand- oder die Miteigentumslösung gewählt wird. Bisweilen finden sich in den AVB weitere der Pflichtangaben nach § 43 IV InvG, zum Beispiel bei welchen Stellen und (seit Inkrafttreten des InvG) unter welchen Voraussetzungen und zu welchen Bedingungen die Anleger die Rücknahme oder den Umtausch von Anteilen verlangen können sowie unter welchen Voraussetzungen die KAG die Rücknahme oder den Umtausch von Anteilen aussetzen kann (§ 43 IV Nr. 4 InvG). 31
Zentraler Inhalt der Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) sind vor allem die Anlagegrundsätze und Anlagegrenzen, nach welchen die Vermögensgegenstände für das jeweilige Sondervermögen angeschafft werden dürfen, außerdem Regeln darüber, welche Techniken und Instrumente die KAG bei der Verwaltung des Sondervermögens einsetzen und ob und inwieweit sie Kredite für Rechnung des Sondervermögens aufnehmen darf (Pflichtangaben nach § 43 IV Nr. 1 InvG). Soll die KAG eine vom InvG allgemein zugelassene Verwaltungshandlung für ein Sondervermögen nicht vornehmen dürfen, müssen die Vertragsbedingungen eine entsprechende Negativerklärung („nicht zulässige Geschäfte“) vorsehen. Die Depotbank wird üblicherweise in den BVB benannt.
32
Regelungen über Methode, Höhe und Berechnung der an KAG, Depotbank und Dritte aus dem Sondervermögen zu zahlenden Vergütungen und Aufwendungen (§ 41 I S. 1 InvG) sowie über die Höhe des Ausgabeaufschlags bzw. Rücknahmeabschlags und über sonstige Kosten (§ 41 I S. 2 InvG) können für jedes Sondervermögen individuell gestaltet werden und sind deshalb in den BVB enthalten. Im Zusammenhang mit den Vergütungen und Kosten sind etwaige weitere Angabeerfordernisse nach § 41 IV S. 2, 3 InvG und § 41 VI S. 1 InvG zu beachten. Die zur Kostentransparenz notwendigen Informationen und Angaben insbesondere im ausführlichen Verkaufsprospekt sind in § 41 InvG zusammengefasst (näher Rn. 106, 108).
33
In die BVB sind ferner weitere nach § 43 IV InvG oder anderen Vorschriften (z. B. § 80d II InvG) vorgeschriebene Pflichtangaben aufzunehmen, sofern sie nicht bereits in den AVB enthalten sind. Hervorzuheben sind die Angaben nach § 43 IV Nr. 6 InvG darüber, ob die Erträge des Sondervermögens ausgeschüttet oder thesauriert werden, ob vorgesehen ist, Veräußerungsgewinne auszuschütten, und ob das Ertragsausgleichsverfahren angewendet werden soll, d. h. ob die Ausgleichsbeträge, welche ein Neuanleger für die bis zu seiner Beteiligung angefallenen Fondserträge im Ausgabepreis mitbezahlt, zur Ausschüttung herangezogen werden können, um Nachteile für Altanleger zu vermeiden (näher z. B. Brinkhaus/Scherer-Lübbehüsen, § 39 KAGG Rn. 23). Je nach Art des Sondervermögens bestehen Sondervorschriften (z. B. nach § 78 InvG für Immobilien-Sondervermögen).
34
Eine Änderung von genehmigungspflichtigen Vertragsbedingungen bedarf aufsichtsrechtlich wiederum der Genehmigung der BaFin gemäß § 43 II InvG. Neben den gesetzlichen Anforderungen muss die BaFin eine Änderung der Vertragsbedingungen auch an den bisherigen Anlagegrundsätzen des Sondervermögens messen. Sind sie mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar, kann die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die betreffenden Änderungen mindestens 6 Monate vor ihrem Wirksamwerden in einer § 43 V S. 1 InvG entsprechenden Weise bekannt gemacht werden und den Anlegern angeboten wird, dass sie ihre bisherigen Anteile in Anteile an einem anderen Sondervermögen kostenlos umtauschen können, welches nach vergleichbaren Anlagegrundsätzen verwaltet wird (§ 43 III InvG). Jede Änderung der Vertragsbedingungen (auch eine nicht genehmigungspflichtige Änderung der Kostenangaben nach § 41 I S. 1 InvG) muss in der nach § 43 V
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1775
S. 1 InvG vorgeschriebenen Weise bekannt gemacht werden. Der Zeitpunkt, zu dem sie wirksam werden soll, darf im Grundsatz frühestens am Tag – bei einer Änderung der Kostenangaben nach § 41 I S. 1 InvG frühestens 6 Monate – nach der Bekanntmachung liegen (§ 41 V S. 2 InvG). Zivilrechtlich wird eine Änderung der Vertragsbedingungen erst dann wirksam Inhalt der Investmentverträge mit den einzelnen (Alt-)Anlegern, wenn es sich um eine Änderung der Leistung der KAG oder um eine Abweichung hiervon handelt, wenn die Investmentverträge in ihrer bisherigen Fassung einen Änderungsvorbehalt vorsehen und wenn die Änderung bzw. Abweichung den Anlegern unter Berücksichtigung ihrer Interessen zumutbar ist (§ 308 Nr. 4 BGB). Für (institutionelle) Anleger, die Unternehmer sind, gelten über §§ 307 I, II, 310 I S. 2 BGB ähnliche Voraussetzungen, sofern nicht eine Handelsgewohnheit oder ein Handelsbrauch besteht. Der Gesetzgeber unterstellt in § 43 II, V InvG, dass gewisse Änderungen der Vertragsbedingungen für die Anleger ohne ihre Einwilligung durchaus zumutbar sein können. Die Funktion, unzumutbare Klauseln vorab auszufiltern, haben zwar die Genehmigung der BaFin und ferner die in den Vertragsbedingungen zumeist vorgesehene weitere Voraussetzung, dass der Aufsichtsrat der KAG Änderungen von Anlagegrundsätzen zustimmen muss und dass die Änderungen im elektronischen Bundesanzeiger und in den weiteren in § 43 V S. 1 InvG angegebenen Medien bekannt gemacht werden (siehe § 22 II S. 2, III Muster-AVB, Schimanski/Bunte/ Lwowski-Köndgen/Schmies, Anh. 1 zu § 113). Die Einhaltung dieser Voraussetzungen und die Genehmigung der BaFin haben jedoch keine präjudizielle Wirkung für die zivilgerichtliche Entscheidung darüber, ob eine Vertragsänderung den Anlegern zumutbar ist (anders offenbar BuB-Baur, Rn. 9/306). Entscheidend ist, ob es für die Vertragsänderung schwerwiegende, triftige Gründe gibt (siehe auch Nr. 1k des Anhangs der Klauselrichtlinie, der allerdings nicht verbindlich ist) und ob in der Vertragsänderungsklausel hinsichtlich der Voraussetzungen und Folgen der Änderung die Interessen der Anleger erkennbar und angemessen berücksichtigt werden (z. B. BGHZ 89, 206 (211); BGHZ 124, 351 (362 f.)). Zwar müsste die Änderungsvorbehaltsklausel in den Vertragsbedingungen die Voraussetzungen und Gründe für eine Vertragsänderung inhaltlich konkret benennen, um zu verhindern, dass der Verwender Änderungen beliebig und voraussetzungslos vornimmt (z. B. BGHZ 93, 29 (47)). Hiervon kann aber eine Ausnahme gemacht werden, wenn die Vertragsänderung von der Genehmigung durch die BaFin und durch den Aufsichtsrat der KAG abhängig gemacht wird, der Änderungsvorbehalt mithin nicht voraussetzungslos ist.
35
Anders ist dies bei der üblichen Klausel, nach welcher die KAG und die Depotbank ein jährliches Entgelt von „bis zu“ einem bestimmten Prozentsatz des Durchschnittswerts des Sondervermögens beanspruchen können. Legt man dies als Preisanpassungsklausel aus, begegnet sie im Hinblick auf das Transparenzgebot gemäß § 307 I S. 2 BGB durchgreifenden Bedenken, sofern nicht in der Klausel die Voraussetzungen für eine Änderung der Vergütungssätze genau bestimmt werden und bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Senkung der Vergütungssätze eine Pflicht zur Herabsetzung der Sätze verankert ist (näher Einmahl, ZIP 2002, 381 (382 ff.), ferner Schimansky/Bunte/Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 118).
36
b) Der Begebungsvertrag hinsichtlich der Anteilscheine. Aus dem Investmentvertrag hat der Anleger gegen die KAG einen Anspruch auf Ausgabe eines Anteilscheins, sofern er den Ausgabepreis voll geleistet hat. In dem Anteilschein wird nach § 33 I InvG der erworbene Anteil an dem Sondervermögen entweder als Inhaber- oder als Orderpapier verbrieft (näher Rn. 56). Damit der Anleger wirksam Inhaber des Anteilscheins wird, bedarf es eines Begebungsvertrages mit einem (in aller Regel) dinglichen Inhalt (h. M.,
37
Geibel
1776
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
näher z. B. Klenk, S. 36 ff.; krit. z. B. Zöllner, S. 39 ff., 85). Weil der Anleger seine Rechte an dem Sondervermögen (näher Rn. 46 ff.) bereits in dem Zeitpunkt erwirbt, in dem sein Anlagebetrag dem Sondervermögen zufließt (oben Rn. 24), kommt dem Anteilschein lediglich die Bedeutung eines deklaratorischen Wertpapiers zu (Canaris, Rn. 2378). Für den Inhalt des verbrieften Rechts spielt der Begebungsvertrag deshalb keine Rolle. 38
c) Das „Investmentkonto“. Die Rechtsbeziehungen zwischen Anleger und KAG können insoweit besonders gestaltet sein, als der Anleger sich nicht nur einmal mit einem bestimmten Anlagebetrag an einem Sondervermögen beteiligt, sondern im Rahmen von Sparplänen häufiger oder periodisch wiederkehrend mit gleichen oder variablen Anlagebeträgen. Hierbei – aber auch bei einer einmaligen Anlage – kann es vorkommen, dass der Anleger einen Betrag anlegen will, der nicht genau dem Wert eines ganzen Anteils entspricht. In diesen Fällen kann die KAG dem Anleger als eine zusätzliche Leistung anbieten, die Anlagebeträge nicht nur in Anteilen, sondern auch in Anteilsbruchteilen der Sondervermögen anzulegen, in welche der Anleger investieren will. Den Sammelbestand der infolgedessen erworbenen Anteilscheine und Miteigentumsanteile an Anteilscheinen, die sich ihrerseits meist in Girosammelverwahrung befinden, führt die KAG als Wertpapierdepot für den Anleger unter der Bezeichnung „Investmentkonto“ (weitere Einzelheiten bei BuB-Baur, Rn. 9/276, Rn. 9/436 ff.). Sie bedarf zu dieser Nebendienstleistung (Depotgeschäft in Investmentanteilen nach § 7 II Nr. 4 InvG) keiner gesonderten Erlaubnis (Rn. 10). Der Anleger ist zwar Eigentümer seines Depots. Einen Anspruch auf Auslieferung hinsichtlich seiner Miteigentumsanteile an Anteilscheinen räumen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das „Investmentkonto“ dem Anleger jedoch nur unter der aufschiebenden Bedingung ein, dass er den ganzen Anteil erwirbt.
39
d) Sparpläne. In Investment-Sparplänen kann sich der Anleger verpflichten, über mehrere Jahre hinweg regelmäßig oder zu bestimmten Terminen Anteile eines bestimmten Sondervermögens abzunehmen. Neben den Fragen, die sich bei Investmentkonten stellen, besteht für den Anleger das Risiko, dass die Verwaltungskosten (ähnlich wie das Zillmern bei Lebensversicherungen) nicht gleichmäßig von den Beitragszahlungen des Anlegers, sondern von dessen ersten Zahlungen abgezogen werden. Nach § 125 InvG wird dieser Nachteil für den Anleger derart begrenzt, dass im ersten Jahr nach dem Erwerb nur aus höchstens einem Drittel der Beitragszahlungen die Kosten der Verwaltung gedeckt werden dürfen und der verbleibende Teil für die Anlage in Vermögensgegenstände zur Verfügung stehen muss.
40
e) Institutionalisierung der Rechtsbeziehungen in Anlageausschüssen. Um die Interessen der Anleger wahrnehmen zu können, werden in der Praxis bei der KAG für die einzelnen Sondervermögen häufig Anlageausschüsse gebildet, welche die KAG bei der Geschäftsführung beraten, aber keinerlei Entscheidungsmacht haben (näher BuB-Baur, Rn. 9/155 ff.). Bei Spezial-Sondervermögen (Rn. 101) können die Anleger über einen Anlageausschuss Einfluss auf die Anlagepolitik nehmen.
41
3. Die Beteiligung der Anleger am Sondervermögen. a) Die Bildung von Sondervermögen am Anlagebetrag. Die Differenz zwischen dem vom Anleger gezahlten Preis für die Ausgabe von Anteilen (dem Ausgabepreis nach § 23 II S. 1 InvG) einerseits, und dem Ausgabeaufschlag nach § 41 I S. 2 InvG andererseits stellt den Anlagebetrag dar und muss dem Wert eines Anteils oder mehrerer Anteile an dem Sondervermögen entsprechen, an dem sich der Anleger beteiligen will. Der Anlagebetrag ist gemäß § 23 II S. 2 InvG an die Depotbank zu entrichten und von dieser unverzüglich dem Sondervermögen mittels Verbuchung auf einem gesperrten Konto zuzuführen (siehe auch §§ 12a I S. 3, 21 I
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1777
S. 2 KAGG a. F.). Für den Ausgabeaufschlag gilt dasselbe, er kann jedoch sogleich nach § 23 II S. 5 InvG an die KAG ausgekehrt werden. Bis der Anlagebetrag dem Sondervermögen zugeführt wird, kann ein einfaches (Verwaltungs-)Treuhandverhältnis zwischen dem Anleger und der Depotbank (oder der KAG) bestehen. b) (Erst-)Erwerb eines Anteils an dem Sondervermögen. Sobald der Anlagebetrag dem Sondervermögen zugeführt ist, wird der Anleger Inhaber eines Anteils an dem Sondervermögen. Mit diesem Betrag erwirbt in aller Regel die KAG neue Vermögensgegenstände für das Sondervermögen („cash method“, Barmethode) (z. B. Schäcker, S. 81; Brinkhaus/Scherer-Zeller, § 6 KAGG Rn. 24 f.). Bei der Neuauflage eines Fonds übernimmt meist eine der KAG nahe stehende Bank sämtliche Anteile, die sie dann weiterveräußert (z. B. Klenk, S. 17). Möglich ist auch die Bereitstellungsmethode („appropriation method“), nach welcher die KAG zuerst Gegenstände als eigenes Vermögen erwirbt und diese Gegenstände nach der Einsammlung von Anlagebeträgen in das Sondervermögen durch Rechtsgeschäft einbringt. Die Übertragung in das Sondervermögen vollzieht sich in diesem Fall kraft Surrogation (Rn. 54) nach § 30 II 2. Variante InvG aufgrund eines wirksamen Insichgeschäfts, sofern dieses der KAG gestattet ist oder sie ausschließlich in Erfüllung einer Verbindlichkeit aus den Investmentverträgen handelt (§ 181 BGB).
42
§ 23 I S. 1, 2 InvG legt zwar nahe, dass zur Erlangung des Anteils erst eine förmliche „Ausgabe“ des Anteils an den Anleger erfolgen muss. Doch stellt der Anteil im Gegensatz zum Anteilschein keine Sache dar, die „ausgegeben“ werden kann. Offenbar hat der Gesetzgeber eine materielle Änderung der alten Rechtslage nach dem KAGG (z. B. § 12b Nr. 1 KAGG a. F.), wonach nicht die Anteile, sondern die Anteilscheine ausgegeben wurden, nicht beabsichtigt (vgl. BT-Drucks. 15/1553, S. 83). Wenn man nach Zuführung des Anlagebetrages zum Sondervermögen dem Anleger, von dem der Anlagebetrag stammt, dem Anleger zunächst (bis zu einer förmlichen „Ausgabe“) noch keinen Anteil an dem Sondervermögen gäbe, sondern der Wert der bisherigen Anteile von Alt-Anlegern erhöht würde, widerspräche dies nicht nur dem Willen der Parteien des Investmentvertrages, sondern auch dem Zweck insbesondere solcher Vorschriften wie der §§ 36, 37 InvG, dass der Anteil dem wirtschaftlich berechtigten Anleger zugeordnet sein soll (Gedanke der Kongruenz).
43
Die Vorschrift des § 23 I S. 1, 2 InvG ist daher so auszulegen, dass sie nicht entgegensteht, dem Anleger bereits mit der Verbuchung seines Anlagebetrags auf dem betreffenden Sperrkonto die Stellung eines Anteilinhabers einzuräumen, ohne dass es auf eine „Ausgabe“ des Anteils oder des Anteilscheins ankommt (h. M., z. B. Klenk, S. 18 ff.; Beckmann/Scholtz-Beckmann, Kz 425 § 18 KAGG Rn. 2; Reiss, S. 98 ff.). Für die Frage, wie der Anleger Anteilinhaber wird, kann mangels näherer Angaben im Gesetz häufig auf die allgemeinen Grundsätze der Anwachsung zurückgegriffen werden (z. B. Schulze-Osterloh, S. 145 ff.; Canaris, Rn. 2378; Gschoßmann, S. 100; Reiss, S. 62 f.). Das ist indessen nur als eine erklärende Abbreviatur zu begreifen, weil die Anleger untereinander nicht gesamthänderisch gebunden sind (näher Rn. 55). Vielmehr kann das vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Resultat automatischen „An- und Abwachsens“ der Anteile ohne besondere Übertragungsakte folgendermaßen erklärt werden: Bei der Treuhandlösung sind die einzelnen Anleger mit der KAG wegen der gesellschaftsrechtlichen Züge des Investmentverhältnisses (Rn. 24) jeweils gesamthandsähnlich – wie in einer Zweipersonen-GbR – verbunden; die daraus erwachsenden einzelnen Gesamthandsvermögen aber bestehen an den Gegenständen eines einheitlichen Investmentsondervermögens. Gewissermaßen bilden die zahlreichen Zweipersonen-Gesellschaften untereinander eine Bruchteilsgemeinschaft (in diese Richtung wohl auch Canaris,
44
Geibel
1778
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Rn. 2397; vgl. ferner z. B. Schuler, NJW 1957, 1049 (1052)). Kommt ein neues Gesamthandsvermögen hinzu oder wird bei Rückgabe eines Anteils ein Gesamthandsvermögen auseinandergesetzt, verändert sich der Bestand der gemeinschaftlich gehaltenen Vermögensgegenstände und die Zahl der Bruchteile erhöht bzw. verringert sich. Dies ist in den Ergebnissen einer An- oder Abwachsung zumindest ähnlich. Dass bei der Miteigentumslösung eine Bruchteilsgemeinschaft aus den Anlegern persönlich konstruiert wird, soll an diesen Ergebnissen nach dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich nichts ändern (siehe auch Rn. 48). 45
Der Anleger erwirbt den Anteil nur, wenn er einen dem Wert des Anteils entsprechenden Betrag voll geleistet hat und dieser gesamte Betrag in das Sondervermögen geflossen ist (vgl. § 23 I S. 2 InvG). Erst der voll geleistete Anlagebetrag fällt in das Investmentsondervermögen, nicht bereits der Zahlungsanspruch aus dem Investmentvertrag (z. B. Reiss, S. 62 f.; a. A. Gschoßmann, S. 89 f.). Ferner sind Sacheinlagen unzulässig, sofern nicht alle Vermögensgegenstände eines Sondervermögens in ein anderes Sondervermögen nach § 40 InvG übertragen werden (§ 23 I S. 3 InvG). Fließt der Anteilwert dem Sondervermögen nicht oder teilweise nicht zu, obwohl für den Anteil ein Anteilschein in den Verkehr kommt, hat die KAG zum Schutz der übrigen Anleger und zum Schutz des Rechtsverkehrs eine gesetzliche Nachschusspflicht in Höhe des fehlenden Betrags (§ 36 VII InvG), weil sonst der Wert aller Anteile, auch des gutgläubig erworbenen Anteils, wegen der höheren Zahl der in den Verkehr gelangten Anteile (§ 36 I S. 1 InvG) geringer wäre. Dies ist nicht als eine Schadensersatzpflicht der KAG zu qualifizieren; sonst könnte im Übrigen nicht begründet werden, weshalb es auf eine Zurechnung oder einen Willen der KAG nicht ankommen soll (inkonsequent z. B. Brinkhaus/SchererSchödermeier/Baltzer, § 21 KAGG Rn. 10).
46
c) Der Inhalt des Anteils an dem Sondervermögen hängt davon ab, ob die Gegenstände des Sondervermögens im Eigentum der KAG (Treuhandlösung) oder im Miteigentum (Miteigentumslösung) der Anleger stehen (Rn. 8).
47
aa) Miteigentumslösung. Bei der Miteigentumslösung ist Inhalt des Investmentanteils zunächst der Miteigentumsanteil. Untereinander bilden die Anleger eine Bruchteilsgemeinschaft, die durch das InvG besonders ausgestaltet ist (h. M., z. B. Roth, S. 117; Brinkhaus/Scherer-Zeller, § 6 KAGG Rn. 6). Insbesondere können die Anleger über ihren Miteigentumsanteil abweichend von § 747 S. 1 BGB nur durch Übertragung der im Anteilschein verbrieften Ansprüche (Rn. 57) verfügen (§ 33 II S. 1, 3 InvG). Der Begriff „Miteigentum“ in § 30 I S. 1 InvG ist weit auszulegen und umfasst alle Mitberechtigungen, die an Vermögensgegenständen i. S. v. § 2 IV InvG begründet werden können (z. B. v. Caemmerer, JZ 1958, 41 (46)). Der Inhalt des Investmentanteils erstreckt sich ferner auf die schuldrechtlichen Ansprüche des Anlegers (arg. e § 33 II S. 1 InvG i. V. m. § 33 I S. 1 InvG).
48
Schon mangels vertraglicher Verbindung zwischen den einzelnen Anlegern ist für das Verhältnis der Anleger untereinander keine Gesamthandsgesellschaft anzunehmen, mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen kann auch nicht von einer sonstigen Gesamthandsgemeinschaft ausgegangen werden (so aber z. B. Schulze-Osterloh, S. 143 ff.; Reiss, S. 58 ff.; siehe ferner Rn. 63). Der Gesetzgeber geht allerdings bei Erwerb und Rückgabe von Anteilen implizit von Ergebnissen aus, welche den Grundsätzen der An- und Abwachsung bei Gesamthandsgemeinschaften ähneln (oben Rn. 44).
49
bb) Treuhandlösung. Bei der Treuhandlösung hingegen ist nach § 30 I S. 1 InvG die KAG Eigentümerin der Vermögensgegenstände des Sondervermögens, mithin Trägerin des – freilich getrennt vom „eigenen Vermögen“ zu haltenden (§ 30 I S. 2 InvG) – Son-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1779
dervermögens selbst. Der Inhalt des Investmentanteils soll in diesem Fall einer Vollrechtstreuhand nach allgemeiner Auffassung die schuldrechtlichen Ansprüche des Anlegers gegen die KAG aus dem Investmentvertrag und aus dem gesetzlich ausgeformten Investmentverhältnis insgesamt umfassen. Dieses Verständnis des Begriffs „Anteil“ ist dem Zivilrecht allerdings fremd. Dass der Gesetzgeber im InvG den Begriff „Anteil“ unabhängig davon verwendet, ob die Sondervermögensgegenstände im Eigentum der KAG oder der Anleger sind, spricht vielmehr dafür, dass das Sondervermögen und der Anteil hieran auch im Fall der Treuhandlösung einen dinglichen Charakter haben müssen (vgl. z. B. v. Caemmerer, JZ 1958, 41 (48, Fn. 57); Canaris, Rn. 2395; siehe sogleich Rn. 50 ff.). Dies zeigt sich bereits daran, dass z. B. in § 36 VII InvG die Möglichkeit von Vermögensverschiebungen zwischen dem Sondervermögen und dem eigenen Vermögen der KAG vorausgesetzt wird. Wegen des zum Teil gesellschaftsrechtlichen Charakters des Investmentvertrages (Rn. 24) ist der Inhalt des Investmentanteils im Verhältnis zwischen der KAG und ihren Gläubigern einerseits und dem einzelnen Anleger andererseits mit dem Inhalt des Anteils am Vermögen einer Gesamthandsgesellschaft in begrenztem Maße vergleichbar. Im Verhältnis zu den anderen Anlegern besteht nach dem oben (Rn. 44) Gesagten eine Bruchteilsgemeinschaft besonderer Art. Das Investmentsondervermögen haftet weder den Gläubigern der KAG (gemäß der zwingenden Regelung des § 31 II S. 1 Halbs. 1, S. 3 InvG) noch den Gläubigern der Anleger, ähnlich wie auch die persönlichen Gläubiger der Gesellschafter nicht auf das Gesamthandvermögen als solches zugreifen können, sondern nur auf die Gesellschaftsanteile. Das Sondervermögen fällt außerdem nicht in die Insolvenzmasse der KAG (§ 38 III S. 2 InvG). Insgesamt ist die Rechtsposition der Anleger daher dinglich geschützt: Gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger der KAG muss die Depotbank für Rechnung der Anleger Drittwiderspruchsklage erheben (§ 28 I S. 1 Nr. 3 InvG). Wird ein Insolvenzverfahren über das („eigene“) Vermögen der KAG eröffnet, erlischt ihr Verwaltungsrecht nach § 38 III S. 1 InvG und das Sondervermögen geht als solches nach § 39 I InvG auf die Depotbank über. Der dingliche Schutz der Investmentanteile geht dadurch nicht verloren, dass es sich um eine Abwicklungstreuhand handelt (§ 39 II InvG), für die insbesondere §§ 31 II S. 1 Halbs. 1, 38 III S. 2 InvG entsprechend anwendbar sind und die einer Gesamthand im Liquidationsstadium ähnelt. Dinglich geschützt ist die Rechtsposition der Anleger hinsichtlich des Sondervermögens außerdem durch die in § 30 II InvG angeordneten Tatbestände der Surrogation (Rn. 54) sowie durch das Aufrechnungsverbot nach § 31 VI InvG.
50
Diesen dinglichen Schutz des Investmentanteils räumt das Gesetz unabhängig davon ein, ob der von der Rechtsprechung bislang für rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse herangezogene Unmittelbarkeitsgrundsatz (z. B. RGZ 133, 84 (87 ff.); BGH WM 1987, 1418 (1419); bislang nicht aufgegeben, BGHZ 155, 227 (231), BGH ZIP 2005, 1465 (1466)) gewahrt ist. Gälte der Unmittelbarkeitsgrundsatz für die Treuhandlösung nach § 30 I S. 1 InvG, hätte dies Lücken im Schutz der Anleger zur Folge, die im Investmentgeschäft nicht vertretbar wären (vgl. z. B. Kruhme, S. 46 ff.). Auch das sonst für rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse von der Rspr. entgegen der h. Lit. befürwortete Surrogationsverbot (z. B. RGZ 133, 84 (87 f.); RGZ 153, 366 (370)) gilt im Investmentrecht nach § 30 II InvG nicht (Rn. 54 f.).
51
Ferner erinnert der Investmentanteil im Hinblick auf § 719 I Halbs. 1 BGB an einen Gesamthandanteil, weil eine Verfügung über den Investmentanteil notwendig mit einer Verfügung über die im Anteilschein verbrieften Ansprüche, gewissermaßen über die Mitgliedschaft des Anlegers im Ganzen einhergehen muss. Dies ist zwar in § 33 II InvG nur für die Miteigentumslösung ausgedrückt, muss aber entsprechend für die Treuhandkons-
52
Geibel
1780
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
truktion gelten, wenn man bei Wahl dieser Konstruktion dem Investmentanteil nicht nur einen schuldrechtlichen Inhalt, sondern auch dingliche Züge beimisst. 53
cc) Unterschiedliche Gestaltung der Anteile eines Sondervermögens. Die Anteile an einem Sondervermögen können nach Maßgabe von § 34 I, III InvG hinsichtlich der Ertragsverwendung, des Ausgabeaufschlags und des Rücknahmeabschlags, der Währung des Anteilwerts, der Verwaltungsvergütung und einer Mindestanlagesumme unterschiedliche Rechte gewähren. Anteile, die gleiche Rechte gewähren, bilden eine Anteilklasse. Beispielsweise können die Klasse der ausschüttenden und diejenige der thesaurierenden Anteile gebildet werden. Dass die Anleger verschiedener Anteilklassen nicht untereinander willkürlich gleich behandelt werden dürfen, ist in § 34 I S. 3, 4 InvG exemplarisch für die Wertberechnung und die Kostentragung bei Einführung neuer Anteilklassen geregelt.
54
d) Surrogation. Das Sondervermögen wird nicht nur aus den Anlagebeträgen der Anleger gebildet (Rn. 41), sondern umfasst alle Gegenstände, welche die KAG aufgrund eines zum Sondervermögen gehörenden Rechts erwirbt (§ 30 II 1. Variante InvG) oder aufgrund eines Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Sondervermögen bezieht (§ 30 II 2. Variante InvG) oder der Träger des Sondervermögens als Ersatz für ein zum Sondervermögen gehörendes Recht erwirbt (§ 30 II 3. Variante InvG). Der erste Surrogationstatbestand des Erwerbs aufgrund eines Rechts ist identisch mit § 718 II 1. Alt. BGB. Die Surrogation nach § 30 II 3. Variante InvG entspricht im Wesentlichen § 718 II 2. Alt. BGB. Dagegen geht der Tatbestand des § 30 II 2. Variante InvG einer Surrogation kraft Rechtsgeschäfts über die für Gesamthandsgesellschaften geltende Vorschrift des § 718 I 2. Alt. BGB hinaus und entspricht z. B. der für die Erbengemeinschaft geltenden Surrogation nach § 2041 S. 1, 3. Variante BGB. Wie bei der letzteren Vorschrift ist der objektive Bezug zum Sondervermögen ausreichend, wenn das aufgrund des Rechtsgeschäfts von der KAG zu Leistende mit Mitteln des Sondervermögens bewirkt wird (h. M., für die Erbengemeinschaft z. B. BGH NJW 1968, 1824). Auf einen entgegenstehenden Willen der KAG kommt es nicht an (vgl. für Investmentsondervermögen z. B. Geßler, WM 1957, SB 4, 10 (15); Beckmann/Scholtz-Beckmann, Kz. 425 § 6 KAGG Rn. 9). Werden Gegenstände dagegen mit fremden Mitteln für das Sondervermögen erworben, kommt es auf den subjektiven Willen der KAG – bei Abschluss des Rechtsgeschäfts (Reiss, S. 66 f.: arg. e § 36 I S. 4 InvG) – an sowie zusätzlich auf erkennbare objektive Umstände, die einen Bezug zum Sondervermögen haben.
55
Der Erwerb durch Surrogation erfolgt in allen Fällen kraft Gesetzes und unmittelbar, d. h. ohne Durchgangserwerb durch das Vermögen der KAG. Das gilt sogar dann, wenn die KAG im eigenen Namen handelte. Mithin sind die Anteile der Anleger auch in dieser Hinsicht dinglich vor Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger der KAG oder im Fall ihrer Insolvenz geschützt.
56
e) Die Verbriefung der Investmentanteile in Anteilscheinen. Die Investmentanteile werden nach § 33 I S. 1, 2 InvG in Anteilscheinen (Investmentzertifikaten) verbrieft, die Wertpapiere sui generis darstellen, und zwar nicht-konstitutive Wertpapiere, weil der Anleger den Anteil nicht erst mit Begebung des Anteilscheins, sondern bereits dann erwirbt, wenn der Anlagebetrag Bestandteil des Sondervermögens wird (Rn. 37). Die Anteilscheine sind entweder (so die Regel) auf den Inhaber oder (selten) auf den Namen ausgestellt. Inhaberanteilscheine sind Inhaberpapiere. Für den Anteilscheininhaber spricht eine Vermutung, dass er materiellrechtlich Inhaber der verbrieften Ansprüche bzw. Rechte ist. Bei den Namensanteilscheinen handelt es sich um geborene Orderpapiere, für die §§ 67, 68 AktG entsprechende Anwendung finden. Insbesondere gelten als Anleger im Verhältnis zur KAG und zur Depotbank nur die Personen, die in einem Anteilregister un-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1781
ter Angabe ihres Namens, Geburtsdatums und ihrer Adresse sowie der Zahl ihrer Anteile (oder ggf. von Anteilnummern) eingetragen sind (vgl. § 67 I, II AktG). Das Register kann ähnlich wie ein Aktienregister nach Anteilinhabern (nicht Anteilen) aufgebaut sein (z. B. Hüffer, § 67 AktG Rn. 7). Ein Namensanteilschein kann neben den allgemeinen Möglichkeiten der Übertragung auch durch Indossament übertragen werden (entsprechend § 68 I AktG, Artt. 12, 13, 16 WechselG). Möglich, aber kaum praktisch sind Vinkulierungen der Namensanteilscheine wie nach § 68 II AktG. Sammelverwahrfähig i. S. v. §§ 5 ff. DepotG sind Inhaberanteilscheine sowie Namensanteilscheine, sofern diese nicht vinkuliert und entsprechend Art. 13 II WechselG blanko indossiert sind (§ 35 I InvG). Nach § 9a DepotG werden oft Globalurkunden ausgestellt, die ebenfalls Grundlage für eine Girosammelverwahrung sein können (z. B. BuB-Baur, Rn. 9/425). Während ein Anteilschein nach § 18 I S. 1 KAGG a. F. die Ansprüche des Anteilinhabers gegen die KAG verbriefte, ist gemäß § 33 I S. 1 InvG der Anteil an dem Sondervermögen Inhalt der Verbriefung. Eine inhaltliche Änderung hat der Gesetzgeber dennoch nicht beabsichtigt (BT-Drucks. 15/1553, S. 86). Bei der Treuhandlösung werden sowohl die schuldrechtlichen Ansprüche des Anlegers als auch seine dinglich geschützte Rechtsposition verbrieft, die im Verhältnis zur KAG und ihren Gläubigern dem Anteil am Vermögen einer Gesamthandsgesellschaft nahe kommt (Rn. 50). Qualifiziert man diese Rechtsposition als Mitgliedschaft, verbrieft der Anteilschein – ähnlich wie eine Aktie – diese Mitgliedschaft. Soweit der Anteilschein Forderungsrechte des Anlegers verbrieft, ähnelt der Anteilschein einer Inhaberschuldverschreibung nach § 793 BGB. Bei der Miteigentumslösung sind ebenfalls die schuldrechtlichen Ansprüche des Anlegers im Anteilschein verbrieft (arg. e § 33 II S. 1 InvG). Der Miteigentumsanteil ist zwar Teil des Investmentanteils (Rn. 47), kann aber wegen seines dinglichen Charakters nicht Gegenstand der Verbriefung sein, da ansonsten Widersprüche zu den allgemeinen Tatbeständen einer dinglichen Übertragung von Miteigentum auftreten würden (vgl. z. B. Kruhme, S. 28 ff.; Zöllner, S. 188). Dementsprechend geht der Gesetzgeber in § 33 II S. 1 InvG davon aus, dass bei der Übertragung der im Anteilschein verbrieften Ansprüche nicht automatisch auch der Miteigentumsanteil übertragen wird und ein Übergang des Miteigentumsanteils an den Erwerber explizit gesetzlich angeordnet werden muss. Eine andere Übertragung des Miteigentumsanteils z. B. nach §§ 929 ff. BGB wird ausgeschlossen (§ 33 II S. 3 InvG).
57
f) (Auf-)Teilung der Anteile. § 21 VII KAGG a. F. sah noch eine Mindeststückelung des Sondervermögens in so viele Anteile vor, dass der Wert jedes Anteils im Zeitpunkt der Ausgabe des ersten Anteilscheins den Betrag von 50 Euro nicht übersteigt. Diese Regelung trat mit Wirkung zum 1.7.2002 außer Kraft. Um im Fall einer deutlichen Erhöhung des Inventarwerts des Sondervermögens (vgl. § 36 I S. 2-5, II-V InvG) und des Werts der einzelnen Anteile (§ 36 I S. 1 InvG) den Ausgabepreis für einen Anteil in Grenzen und für Kleinanleger erschwinglich halten zu können – der Anleger kann nur den ganzen Anteil gegen Zahlung des vollen Ausgabepreises (§ 23 I S. 2 InvG) erwerben (zum „Investmentkonto“ Rn. 38) –, ist eine Teilung (ein „split“) wie auch umgekehrt eine Zusammenlegung der Anteile an einem Sondervermögen möglich (Brinkhaus/Scherer-Zeller, § 6 KAGG Rn. 30 f.). Den bisherigen Anlegern muss die entsprechende Zahl neuer Anteilscheine gegen Einzug des alten Anteilscheins bzw. ein neuer Anteilschein gegen Einzug einer entsprechenden Zahl der alten Anteilscheine ausgegeben werden.
58
g) Übertragung und Zweiterwerb des Anteils an dem Sondervermögen. Die Zahl der vorhandenen Anteile an einem Sondervermögen wird nicht vermehrt, wenn jemand einen Anteil vom bisherigen Inhaber des Anteils (nicht von der KAG, Rn. 23) erwirbt. Diesem Zweiterwerb liegt als Kausalgeschäft ein Rechtskauf (§ 453 BGB) zugrunde (z. B. BuB-
59
Geibel
1782
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Baur, Rn. 9/295). Auf dinglicher Ebene kann der Anteil entweder (aa) durch Übereignung des den Anteil verbriefenden Anteilscheins oder (bb) nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften übertragen werden. 60
aa) Die Übereignung des Anteilscheins erfolgt bei Inhaberanteilscheinen nach §§ 929 ff. BGB und bei Namensanteilscheinen durch Begebungsvertrag und Indossament nach §§ 33 I S. 2 InvG, 68 I S. 1 AktG. Im letzteren Fall gelten für das Indossament Artt. 12, 13, 16 WechselG entsprechend (§§ 33 I S. 2 InvG, 68 I S. 2 AktG). Das Eigentum an Anteilscheinen kann im Fall einer Einkaufskommission auch durch Absenden des Stückeverzeichnisses nach § 18 III DepotG übertragen werden. Befinden sich die Anteilscheine in Sammelverwahrung, kann ein entsprechender Sammelbestandanteil (§ 5 II DepotG) entweder nach §§ 929 ff. BGB (mittels eines Übergabesurrogats) oder bei der Effektenkommission kraft Gesetzes durch eine Depotgutschrift nach § 24 II S. 1 DepotG übertragen werden.
61
bb) Daneben ist die Übertragung des Anteils nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften möglich (arg. e § 33 II S. 1 InvG; h. M., z. B. v. Caemmerer, JZ 1958, 71 (72); Canaris, Rn. 2385; Brinkhaus/Scherer-Schödermeier/Baltzer, § 18 KAGG Rn. 18). Hierbei ist zwischen Treuhand- und Miteigentumslösung zu differenzieren.
62
Wird die Treuhandlösung gewählt (Rn. 8, 49 ff.), kann der Anteil durch Einigung über den Übergang der dem Anteil an einer Gesamthandsgesellschaft vergleichbaren Rechtsposition des Anlegers im Verhältnis zur KAG (Rn. 50) übertragen werden. Die für eine derartige Übertragung an sich erforderliche Zustimmung der KAG ist wegen der in § 33 InvG zugrunde gelegten freien Übertragbarkeit der Investmentanteile entbehrlich. Der Vorteil der gesellschaftsrechtlichen Sichtweise zeigt sich bei der Antwort auf die Frage, inwieweit Pflichten des Anlegers gegenüber der KAG auf den Erwerber übergehen (zu den Begründungsproblemen in dieser Hinsicht vgl. v. a. Canaris, Rn. 2392 f.): Die Pflicht zur Zahlung eines etwa noch ausstehenden Ausgabepreises obliegt dem bisherigen Anleger persönlich, wenn dieser den Anteil im Wege des Ersterwerbs erworben hatte. Auf einen (Zweit-)Erwerber ginge diese Pflicht allenfalls im Wege einer ausdrücklich erklärten Schuldübernahme über. Die Haftung für bislang aufgelaufene Vergütungsund Aufwendungsersatzansprüche der KAG trifft den Erwerber nicht persönlich, sondern als Gesamthänder. § 31 III Halbs. 1 InvG ordnet in Einklang mit dem Charakter einer gesamthänderischen Haftung an, dass sich die KAG wegen dieser Ansprüche nur aus dem Sondervermögen befriedigen kann. In die übrige Pflichtenstellung des Anlegers aus dem Investmentverhältnis zur KAG – insbesondere hinsichtlich solcher Pflichten, die in den Vertragsbedingungen niedergelegt sind, – tritt der Erwerber ebenso ein wie ein neuer Gesellschafter im Fall eines Gesellschafterwechsels bei einer GbR in die Mitgliedschaftspflichten eintreten würde. Ebenso verhält es sich mit den Ansprüchen des bisherigen Anlegers aus dem Investmentverhältnis.
63
Bei der Miteigentumslösung wird der Investmentanteil zivilrechtlich durch Abtretung der schuldrechtlichen Ansprüche des bisherigen Anlegers an den Erwerber übertragen, der Miteigentumsanteil an den einzelnen Vermögensgegenständen des Sondervermögens folgt kraft Gesetzes nach § 33 II S. 1 InvG. Auf dem Boden der Miteigentumslösung lässt sich dogmatisch nicht begründen, weshalb den Erwerber ohne Schuldübernahme Pflichten aus dem nicht von ihm geschlossenen Investmentvertrag treffen sollten. Letztlich entscheidend kann nur sein, dass insoweit der Gesetzgeber einen Unterschied zur Rechtslage bei der Treuhandlösung (Rn. 62) nicht gewollt hat (für die Annahme eines gesetzlichen Schuldübergangs auf den Erwerber z. B. Canaris, Rn. 2392; Brinkhaus/ Scherer-Schödermeier/Baltzer, § 18 KAGG Rn. 25). Dies macht die besonders aus-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1783
gestaltete Bruchteilsgemeinschaft unter den Anlegern aber nicht zu einer Gesamthandsgemeinschaft (siehe auch Rn. 47). h) Ausblick de lege ferenda. Zusammenfassend gesehen bringt die Miteigentumslösung eine Vielzahl dogmatischer Probleme mit sich, etwa bei der Verbriefung der Investmentanteile (Rn. 57), bei der Frage, wie im Fall der Anteilsübertragung der Übergang von Anlegerpflichten auf den Erwerber erklärt werden kann (Rn. 63), oder vor allem bei Spezialfonds das Problem einer konkurrierenden Rechtsmacht der Anleger (Rn. 8). Zudem hat das den Anlegern zustehende Miteigentum nach § 30 I S. 1 InvG inhaltlich kaum noch etwas mit dem allgemeinen Begriff des Eigentums insbesondere nach § 903 S. 1 BGB gemein (vgl. z. B. Zöllner, S. 188: Der „magische Gehalt des Eigentumsbegriffs“ werde vielmehr „propagandistisch nutzbar gemacht“.). Wenn die Miteigentumslösung mithin nur konstruktiven Zwecken dient und gerade konstruktiv-systematisch erhebliche Schwächen aufweist, sollte ihre Berechtigung neben der Treuhandlösung überdacht werden. Zukunft hat für die Zwecke des Investmentgeschäfts allein eine verfeinerte Treuhandlösung, bei der klargestellt wird, dass zwischen der KAG und dem einzelnen Anleger ein zweigliedriges, besonderes Treuhandverhältnis besteht und dieses grundsätzlich als Gesamthandsgesellschaft zu behandeln ist und dass unter diesen zweigliedrigen Gesamthandsgesellschaften untereinander eine durch das InvG besonders ausgestaltete Bruchteilsgemeinschaft gebildet wird (vgl. Geibel, Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht, S. 432 ff.). An einem Anteil des Investmentsondervermögens wird ein besonderes Treuhandvermögen gebildet, das Gesamthandvermögen ist. Die Rechtsposition des Anlegers an dem Anteil entspricht der Mitgliedschaft eines Gesamthänders und wird als solche in dem Anteilschein verbrieft.
64
i) Beendigung der Beteiligung der Anleger oder ihrer Rechtsverhältnisse zur KAG. Die Beteiligung der Anleger am Sondervermögen kann durch Rücknahme der Anteile, nicht aber durch Aufhebung des Gemeinschaftsverhältnisses zu den anderen Anlegern beendet werden (aa). Die einzelnen Rechtsverhältnisse der Anleger zur KAG können ferner „en bloc“ durch Kündigung des Verwaltungsrechts der KAG oder durch anderweitiges Erlöschen ihrer Verwaltungsbefugnis beendet werden (bb).
65
aa) Rücknahme von Anteilen und Ausschluss des Aufhebungsanspruchs. Um einen veräußerungswilligen Anleger nicht auf einen Sekundärmarkt für Investmentanteile zu verweisen, auf welchem der Marktwert der Anteile möglicherweise hohen Schwankungen ausgesetzt wäre, erlaubt das Gesetz dem Anleger die Rückgabe des Anteils gegen Auszahlung des Anteilwerts (§ 37 I Halbs. 1 InvG), genauer des Rücknahmepreises. Dies ist ein Kernelement der Rechtsposition des Anlegers und Ausdruck des investmentrechtlichen open-end-Prinzips (Rn. 4, dort auch zu semi-closed-end Fonds). Die Rücknahme der Anteile nimmt die Depotbank vor (§ 23 I S. 1 InvG). Der auszuzahlende Rücknahmepreis muss der Höhe nach dem Wert des Anteils entsprechen (§ 23 II S. 3 InvG), von dem die KAG einen Rücknahmeabschlag gemäß § 41 I S. 2 InvG abziehen darf, und ist dem Anleger aus dem Sondervermögen auszuzahlen (§ 37 I Halbs. 1 InvG). Weil der Anteil den Charakter eines Anteils an einer Gesamthandsgesellschaft hat und der Rücknahmepreis daher einem Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben entspricht, muss die KAG den Auszahlungsanspruch nicht aus den Liquiditätsreserven ihres Eigenvermögens bedienen, sondern aus dem Sondervermögen (z. B. Canaris, Rn. 2448; Beckmann/Scholtz-Beckmann, Kz. 425 § 11 KAGG Rn. 11; a. A. z. B. v. Caemmerer, JZ 1958, 71). Die näheren Einzelheiten sind in den Vertragsbedingungen zu regeln (§ 37 I Halbs. 2 InvG), insbesondere der Zeitpunkt für die Berechnung des Rücknahmepreises – in der Regel spätestens der auf den Eingang des Rücknahmebegehrens folgende Wertermittlungstag –, die Höhe eines etwaigen Rücknahmeabschlags
66
Geibel
1784
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
sowie die für die Rücknahmeaufträge zuständigen Stellen. Die Folgen der Rücknahme eines Anteils entsprechen den Ergebnissen, wie sie im Falle einer An- und Abwachsung bei einer Gesamthandsgesellschaft eintreten würden (näher Rn. 44). 67
68
69
Weil die KAG zur Rücknahme der Anteile verpflichtet ist und die Auszahlung des Rücknahmepreises aus dem Sondervermögen erfolgt, kann es zu Liquiditätsengpässen kommen (so in der Tat bei manchen offenen Immobilienfonds Anfang des Jahres 2006). Kommen außergewöhnliche Umstände hinzu, beispielsweise eine starke Häufung von Rücknahmebegehren, darf eine Aussetzung der Rücknahmeverpflichtung erfolgen, wenn dies unter Berücksichtigung der Anlegerinteressen notwendig ist und eine entsprechende „Katastrophenklausel“ in die Vertragsbedingungen aufgenommen wurde (§ 37 II S. 1 InvG; näher z. B. Brinkhaus/Scherer-Schödermeier/Baltzer, § 11 KAGG Rn. 12). Während eine Aussetzung der Rücknahme andauert, dürfen keine neuen Anteile ausgegeben werden (§ 37 II S. 2 InvG). Die Entscheidung über die Aussetzung ist in der gemäß § 37 II S. 3, 4 InvG vorgeschriebenen Weise den zuständigen Stellen unverzüglich anzuzeigen und den Anlegern bekannt zu machen. Für Immobilien-Sondervermögen gelten die besonderen Bestimmungen des § 81 InvG, insbesondere über eine Frist, bis zu deren Ablauf die KAG die Rücknahme verweigern darf. Weitere Sonderregelungen gelten nach dem InvÄndG gemäß § 80c II InvG, vor allem die Möglichkeit, einen Schwellenwert der zurückgegebenen Anteile in den Vertragsbedingungen festzulegen und bei Überschreitung dieses Wertes nur zu einem bestimmten Termin einmal monatlich vorzunehmen. Für Single-Hedgefonds und Dach-Hedgefonds gilt § 116 InvG, ebenfalls können bestimmte Rücknahmetermine vorgesehen werden. Da die Anleger untereinander entweder direkt (bei der Miteigentumslösung, Rn. 47) oder über ihr gesamthandsähnliches Verhältnis zur KAG (bei der Treuhandlösung, Rn. 44, 50) in einer Bruchteilsgemeinschaft verbunden sind, hätten die Anleger nach § 749 BGB an sich die Möglichkeit, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen. Dasselbe Recht hätte nach § 751 S. 2 BGB ein Pfändungsgläubiger des Anlegers, nach §§ 1258 II S. 2, 1273 II S. 1 BGB ein Pfandgläubiger und nach §§ 84 I S. 1 InsO, 752 ff. BGB ein Insolvenzverwalter über das Vermögen des Anlegers. Derlei Rechte zur Aufhebung der Gemeinschaft werden nach § 38 V InvG ausgeschlossen, um den Bestand des Sondervermögens für den Anlagezweck der übrigen Anleger nicht zu gefährden. Stattdessen haben die Anleger das spezifische Recht, den Anteil gegen Auszahlung des Rücknahmepreises zurückzugeben (Rn. 66). Darüber hinaus haben die Anleger kein Recht, das Investmentverhältnis zur KAG isoliert zu kündigen. bb) Kündigung und Erlöschen des Verwaltungsrechts der KAG. Die KAG kann ihre „Verwaltung“, d. h. sämtliche Investmentverträge zu den Anlegern eines Sondervermögens mit einer Frist von (mindestens) 6 Monaten durch Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeigen und im Jahres- oder Halbjahresbericht kündigen (§ 38 I S. 1 InvG). Neben diesem ordentlichen Kündigungsrecht kann die KAG die Verwaltung eines Sondervermögens aus wichtigem Grund gemäß § 314 I BGB kündigen, weil es sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis handelt (z. B. Canaris, Rn. 2453; BuB-Baur, Rn. 9/ 290; a. A. Schäcker, S. 63). Einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung stellen vor allem Umstände dar, die sich auf die KAG selbst beziehen, z. B. eine Aufhebung der Erlaubnis nach § 17 InvG. Umstände, die lediglich das Sondervermögen und seine Bewertung betreffen, bilden dagegen keinen wichtigen Grund, sofern die KAG den heraufbeschworenen Gefahren mit einer Aussetzung der Rücknahme nach § 37 II InvG begegnen kann (Rn. 67). Eine Kündigung einzelner Investmentverträge mit den Anlegern ist dagegen nicht zulässig, weil § 38 I InvG insoweit eine abschließende Regelung enthält.
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1785
Das Recht der KAG, ein Sondervermögen zu verwalten, kann außer durch ihre Kündigung der Verwaltung auch dann erlöschen, wenn über ihr Eigenvermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse rechtskräftig abgelehnt wird (§ 38 III S. 1 InvG), ferner wenn die KAG aus anderen Gründen aufgelöst oder gegen sie ein allgemeines Verfügungsverbot (§§ 135, 136 BGB) erlassen wird und die Depotbank daraufhin für die Anleger deren Verwaltungsverhältnis zur KAG gemäß § 38 IV InvG aus wichtigem Grund kündigt. Die Gesellschafter bzw. die Hauptversammlung der KAG können eine Selbstauflösung der KAG nicht nach § 60 I Nr. 2 GmbHG bzw. § 262 I Nr. 2 AktG mit Wirkung für einen Zeitpunkt beschließen, der vor dem Erlöschen des Verwaltungsrechts für alle Sondervermögen liegt (§ 38 II InvG). Dadurch soll verhindert werden, dass die Frist von 6 Monaten für eine ordentliche Kündigung umgangen werden kann. Als Folge des Erlöschens des Verwaltungsrechts geht das Sondervermögen bzw. die Verfügungsbefugnis hierüber auf die Depotbank über, damit diese das Sondervermögen abwickelt und die Vermögensgegenstände an die Anleger verteilt (§ 39 I, II InvG). Statt einer Liquidation des Sondervermögens kann die Depotbank mit Genehmigung der BaFin eine neue KAG mit der Verwaltung beauftragen und ihr im Fall der Treuhandlösung das Sondervermögen übertragen (§ 39 III S. 1 InvG). Zwischen der neuen KAG und den Anlegern soll nach § 39 III S. 1, 3 InvG kraft Gesetzes ein Investmentverhältnis mit dem Inhalt der bisherigen Vertragsbedingungen kraft Gesetzes zustande kommen, ohne dass es einer Willenserklärung der Anleger bedarf. Für die Änderung dieser Vertragsbedingungen gelten aber die gleichen Grundsätze wie für die in einen Investmentvertrag einbezogenen Vertragsbedingungen (hierzu Rn. 34 ff.).
70
Das Verwaltungsrecht der KAG kann nicht nur erlöschen wie im Fall der Schließung von Sondervermögen, sondern es kann nach § 40 InvG modifiziert werden durch Verschmelzung eines Sondervermögens auf ein anderes Sondervermögen derselben KAG zum Geschäftsjahresende des übertragenden Sondervermögens (siehe auch Rn. 86). Der hierfür notwendigen Übertragung aller Vermögensgegenstände in das übernehmende Sondervermögen steht das Verbot von Sacheinlagen nach § 23 I S. 3 InvG nicht entgegen. Voraussetzung für die Verschmelzung ist insbesondere, dass sich die Anlagegrundsätze und Anlagegrenzen der betroffenen Sondervermögen sowie die Vergütungen für KAG und Depotbank und die Ausgabeaufschläge und Rücknahmeabschläge nicht wesentlich voneinander unterscheiden und das Umtauschverhältnis festgelegt wird (§ 40 S. 1 Nr. 2, 3, 4 InvG).
71
V. Die Depotbank und ihre Rechtsbeziehungen zu den anderen Beteiligten. 1. Qualifizierung und gesetzliche Anforderungen. Die Depotbank ist die – im deutschen Recht wie auch nach Artt. 7 I, 10 I OGAW-Richtlinie – zwingend vorgeschriebene dritte Beteiligte im Rahmen des „Investment-Dreiecks“ (Rn. 7). Sie übernimmt Aufgaben, die der Gesetzgeber im Rahmen des Investmentverhältnisses auch einem einzigen Treuhänder hätte übertragen können. Die gesetzliche Aufteilung der Treuhänder-Funktionen auf KAG und Depotbank dient vor allem der Sicherung einer von Verwahrungsaufgaben befreiten Verwaltung des Sondervermögens allein zu Zwecken der bestmöglichen Anlage, der Kontrolle der Verwaltung sowie der Sicherung einer diskriminierungsfreien Wahrnehmung der Interessen und Ansprüche einer Vielzahl von Anlegern (zu den Aufgaben und Pflichten der Depotbank Rn. 75 ff.). Die Depotbank muss ein von der KAG verschiedenes Kreditinstitut sein, das die uneingeschränkte Erlaubnis für das Einlagen- und Depotgeschäft nach § 1 I S. 2 Nr. 1, 5 KWG besitzt (§ 20 I S. 1, 2 InvG). Eine Pfandbriefbank kann als Depotbank beauftragt werden, sofern sie neben den Anforderungen des Pfandbriefgesetzes sämtliche Voraussetzungen nach dem InvG erfüllt (zur früheren Rechtslage für Hypothekenbanken z. B. Brinkhaus/Scherer-Schödermeier/Baltzer, § 12
72
Geibel
1786
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
KAGG Rn. 26; einschränkend Beckmann/Scholtz-Beckmann, Kz. 425 Rn. 3). Die Depotbank muss entweder ein inländisches Kreditinstitut oder gemäß §§ 20 II S. 1 InvG, 53b I S. 1 KWG die inländische Zweigniederlassung eines Einlagenkreditinstituts oder Wertpapierhandelsunternehmens mit Sitz in einem anderen Staat des EWR sein. Es findet eine jährliche Prüfung gemäß § 20 III, IV InvG statt, ob die Depotbank ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrnimmt. Inländische Zweigniederlassungen von außerhalb der EU oder des EWR ansässigen Kreditinstituten im Sinne von §§ 53, 53c KWG können (abweichend von Art. 8 I OGAW-Richtlinie) Depotbank sein, wenn die Anteile der betreffenden Sondervermögen nicht in anderen Mitgliedstaaten der EU oder anderen Vertragstaaten des EWR-Abkommens vertrieben werden dürfen (§ 20 II S. 2 InvG). 73
Ferner muss die Depotbank ein haftendes Mindesteigenkapital von 5 Mio. Euro aufweisen, sofern als Depotbank nicht die Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG beauftragt wird (§ 20 VI InvG). Eine bestimmte Rechtsform ist für die Depotbank nicht vorgeschrieben, sie darf jedoch nach § 2b I KWG nicht von einem Einzelkaufmann betrieben werden. Bereits vor Aufnahme der Depotbankfunktionen muss die Depotbank bereit und in der Lage sein, die zur Erfüllung dieser Funktionen notwendigen organisatorischen Vorkehrungen zu schaffen (§ 20 V S. 2 InvG), sie muss diese Vorkehrungen auch treffen. Die Geschäftsleiter der Depotbank müssen neben den allgemeinen Anforderungen (vor allem § 1 II KWG) eine für die Wahrnehmung der Depotbankaufgaben erforderliche Erfahrung haben (§ 20 V S. 1 InvG). Sie dürfen ebenso wenig wie Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte der Depotbank zugleich bei der KAG angestellt sein (§ 22 II S. 1 InvG). Die Depotbank darf auch keine Geschäftsleiter, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte der KAG anstellen (§ 22 II S. 2 InvG). Diese strikte personelle Trennung zur KAG dient dazu, schon den bloßen Verdacht einer Interessenkollision zu vermeiden. De lege ferenda sollte auch der Gefahr möglicher Interessenkollisionen aufgrund einer Gesellschaftsbeteiligung der Depotbank an der KAG ein Riegel vorgeschoben werden (z. B. Schimansky/Bunte/Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 61).
74
Die Auswahl und ein Wechsel der Depotbank – nicht jedoch der Inhalt des Depotbankvertrags oder dessen Änderung – bedürfen der Genehmigung der BaFin nach § 21 I InvG (näher z. B. Reiss, S. 162 f.). Kommt die Depotbank ihren Pflichten nicht ordnungsgemäß nach oder erfüllt sie nicht mehr die gesetzlichen Voraussetzungen insbesondere über das Mindestkapital, kann die BaFin statt des Instrumentariums nach § 35 KWG der KAG durch Verwaltungsakt auferlegen, die Depotbank zu wechseln (§ 21 II InvG), d. h. den Depotbankvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen und mit Genehmigung der BaFin eine neue Depotbank auszuwählen. Da es kein Investmentvermögen ohne Depotbank geben kann, gilt die bisherige Depotbank als so lange bestellt, bis eine neue Depotbank ausgewählt ist. Beim Wechsel der Depotbank müssen die Vertragsbedingungen geändert und die Anteilscheine neu ausgegeben oder ggf. die Sammelurkunde angepasst werden, weil die Depotbank die Zertifikate nach § 33 I S. 4 InvG mitunterzeichnet.
75
2. Aufgaben und Pflichten der Depotbank. Die Depotbank hat eine Reihe von gesetzlichen Treuhänder- und Kontrollaufgaben und -pflichten, die ihr zugleich als Inhalt des Depotbankvertrages (Rn. 79) obliegen. Zentrale Aufgabe ist die Verwahrung der zum Sondervermögen gehörenden verwahrfähigen Vermögensgegenstände nach Maßgabe von § 24 I InvG. Die Verwahrungsaufgabe der Depotbank dient der Verwirklichung der Vermögenstrennungspflicht der KAG nach § 30 I S. 2 InvG und der Trennung von Verwaltung und Verwahrung. Auch hinsichtlich von Guthaben spricht das Gesetz von einer „Verwahrung“ auf Sperrkonten (§ 24 II S. 1 InvG). Dazu gehören insbesondere die Gutschriften wegen der von den Anlegern eingehenden Ausgabepreise (§ 23 II S. 2 InvG), ferner z. B. Erlöse aus dem Verkauf von Gegenständen des Sondervermögens oder Er-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1787
träge (näher § 25 S. 1 InvG). Aus den Sperrkonten oder -depots führt die Depotbank als Erfüllungsgehilfin Bezahlungen und Lieferungen nach § 25 S. 2 Nr. 1, 2 InvG durch, ferner auch die Ausschüttung von Gewinnanteilen an die Anleger (§ 25 S. 2 Nr. 3 InvG). Den Bestand nicht verwahrfähiger Vermögensgegenstände wie Grundstücke und Beteiligungen muss die Depotbank laufend überwachen (§ 24 III InvG). Diese letztere Aufgabe gehört bereits zu den Kontrollfunktionen der Depotbank, die in § 27 InvG weiter differenziert werden. Die Depotbank hat nicht die Pflicht, die KAG umfassend zu überwachen (BT-Drucks. 15/1553, S. 84), sondern nur die Rechtmäßigkeit von deren Verwaltungshandeln zu kontrollieren (BGH WM 2001, 2053; für eine darüber hinausgehende Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der Anlagepraxis Müller, DB 1975, 485 (486); Köndgen/Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (9)). Sowohl hinsichtlich der „Ausgabe und Rücknahme“ der Anteile nach § 23 I S. 1 InvG (siehe Rn. 40 ff.) als auch hinsichtlich der börsentäglichen Ermittlung des Sondervermögens- bzw. Anteilwerts nach § 36 I S. 2 InvG ist die Depotbank Erfüllungsgehilfin der KAG (Rn. 75, 82). Zugleich hat die Depotbank nach § 27 I Nr. 1 InvG zu kontrollieren, dass in dieser Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen und die Vertragsbedingungen eingehalten werden.
76
Die Depotbank überwacht die Verwaltung des Sondervermögens ferner dadurch, dass eine Reihe von Rechtsgeschäften hinsichtlich der Gegenstände des Sondervermögens nach § 26 I InvG ihrer Zustimmung bedürfen (zustimmungspflichtige Geschäfte). Sie prüft dabei nur, ob die Rechtsgeschäfte im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften und den Vertragsbedingungen vorgenommen werden (§ 26 II S. 1 InvG). Erteilt sie einem Verfügungsgeschäft zu Unrecht die Zustimmung, ist dieses nicht allein deshalb unwirksam, sofern nicht ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB vorliegt. Verweigert sie einem Verfügungsgeschäft ihre Zustimmung, ist es nur relativ gegenüber den Anlegern unwirksam (§ 26 II S. 3, 4 InvG). Es handelt sich um ein gesetzliches relatives Verfügungsverbot, das Rechtsgeschäft nicht ohne Zustimmung der Depotbank abzuschließen. Im Fall des § 26 I Nr. 3, 4 InvG ist das Verfügungsverbot im Grundbuch eintragungsfähig (im Fall eines Immobilien-Sondervermögens hat die KAG gemäß § 76 I S. 1 InvG eine Pflicht zur Eintragung). Auch wenn das Verfügungsverbot nicht eingetragen ist, haben die Anleger gemäß § 888 II BGB einen Anspruch entsprechend §§ 888 I, 883 II BGB, den die Depotbank nach § 28 I S. 1 Nr. 2 InvG geltend machen muss.
77
Diese Funktionen muss die Depotbank ausschließlich im Interesse der Anleger wahrnehmen; zudem hat sie die Pflicht, sich von der KAG unabhängig zu verhalten (§ 22 I S. 1 InvG). Unmittelbar Ausdruck der ersteren Interessenwahrnehmungspflicht und der Funktion der Depotbank als Sekundärtreuhänderin ist ihre Berechtigung und zugleich Pflicht, gemäß § 28 I InvG etwaige Ansprüche der Anleger gegen die KAG wegen Verletzung der Pflichten aus dem jeweiligen Investmentvertrag oder der Pflichten nach dem InvG, die Drittwiderspruchsklage gegen Gläubiger der KAG und ferner Ansprüche der Anleger gegen Verfügungsempfänger bei relativ unwirksamen Verfügungen nach § 26 II S. 3, 4 InvG im eigenen Namen, mithin im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft geltend zu machen.
78
3. Die Rechtsbeziehungen zwischen Depotbank und KAG. Die Depotbank wird von der KAG nach § 20 I S. 1 InvG mit der Wahrnehmung der gesetzlich festgelegten Aufgaben „beauftragt“. Zu diesem Zweck schließen sie einen Depotbankvertrag, der als gemischttypischer Vertrag mit verwahrungs- bzw. depotvertraglichen sowie geschäftsbesorgungsvertraglichen Komponenten zu qualifizieren ist (näher z. B. Schimansky/ Bunte/Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 131 f.; Brinkhaus/Scherer-Schödermeier/ Baltzer, § 12 KAGG Rn. 13). Die Geschäftsbesorgung trägt sowohl dienst- als auch zum
79
Geibel
1788
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Teil werkvertragliche Züge; hinsichtlich der Führung von Sperrkonten sowie von Buchungs- und Auszahlungsleistungen enthält sie die besondere Ausprägung eines Girovertrages. Der Abschluss des Depotbankvertrages bedarf keiner Genehmigung der BaFin, ist aber Voraussetzung für die Auflegung des Fonds. Darüber hinaus kann eine separate Zahlstellenvereinbarung geschlossen werden, welche die Entrichtung des Ausgabepreises an die Depotbank, die Zahlung des Rücknahmepreises an den Anleger und die Ausschüttung der Gewinnanteile an die Anleger regelt (z. B. Assmann/Schütze-Baur, § 20 Rn. 221). Ferner wird häufig eine Kostenvereinbarung über Modalitäten der an die Depotbank aus anderem Rechtsgrund (Rn. 82) zu zahlenden Vergütungen und Aufwendungsersatzleistungen getroffen (z. B. Baur, a.a.O. Rn. 220). 80
Soweit die Verträge mit der Depotbank die gesetzlichen Aufgaben ergänzen oder über sie hinausgehen, sind allein die Verträge Grundlage der Rechtsbeziehung zwischen Depotbank und KAG. Wenn die Verträge mit der Depotbank allerdings von den gesetzlichen Anforderungen abweichen oder hinter ihnen zurückbleiben, ist das Gesetz maßgebend. Die Rechtsbeziehungen werden daher von einem gesetzlichen Schuldverhältnis überlagert.
81
4. Die Rechtsbeziehungen zwischen Depotbank und Anlegern. a) Einbindung der Anleger in den Depotbankvertrag. Dadurch, dass die KAG die Depotbank nach § 20 I S. 1 InvG mit den gesetzlichen, allein dem Anlegerschutz dienenden Aufgaben betraut, wird die Depotbank auch vertraglich gegenüber den Anlegern verpflichtet. Der Depotbankvertrag wird nach § 328 BGB als Vertrag zugunsten der Anleger auszulegen sein (z. B. Geßler, WM 1957, SB 4, 10 (22); weitere Einzelheiten bei Reiss, S. 153 ff., 161 f.; für einen eigenständigen Vertrag zwischen Depotbank und Anlegern dagegen Klenk, S. 13 ff.); er entfaltet auch Schutzwirkungen zugunsten der Anleger. Allerdings ist der Kritik darin Recht zu geben, dass dies im Interesse des Anlegerschutzes nicht die einzige Rechtsgrundlage sein kann, weil sie abhängig von Bestand und Inhalt des Depotvertrages wäre und die Anleger sich Einwendungen der Depotbank nach § 334 BGB entgegenhalten lassen müssten (z. B. Canaris, Rn. 2462; Müller, DB 1975, 485 (487). Wie die KAG (Rn. 80) stehen auch die Anleger zur Depotbank in einem gesetzlichen Schuldverhältnis zu ihren Gunsten, das von der Drittwirkung des Depotvertrages überlappt wird (z. B. Assmann/Schütze-Baur, § 20 Rn. 223) und das entweder entsprechend § 311 II Nr. 3 BGB aufgrund eines geschäftlichen Kontakts (Canaris, Rn. 2464) oder aufgrund der Bestellung der Depotbank in einem wirksamen Depotbankvertrag und dem Abschluss eines wirksamen Investmentvertrages mit dem jeweiligen Anleger zustande kommt (krit. Reiss, a.a.O. S. 156 ff.). Ist der Depotbankvertrag nicht wirksam, sind es sämtliche Investmentverträge, weil es nach dem InvG kein Investmentvermögen ohne Depotbank geben kann. Dann gelten die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften (Rn. 24) im Verhältnis der Anleger zur KAG mit der Maßgabe, dass für die Vergangenheit die Depotbank als wirksam bestellt zu behandeln und ein gesetzliches Schuldverhältnis zu den Anlegern anzunehmen ist (ähnlich Reiss, S. 159 ff.).
82
b) Einbeziehung der Depotbank in die Investmentverträge. In die einzelnen Investmentverträge der KAG mit den Anlegern ist die Depotbank in vielfältiger Weise einbezogen. Ihre Benennung in den Vertragsbedingungen (Rn. 31) bewirkt allerdings nur indirekt eine Pflichtenstellung gegenüber den Anlegern insoweit, als die Depotbank hierdurch und durch den Abschluss des Depotbankvertrags bestellt ist und ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht (Rn. 80). Einige dieser Pflichten werden in den Vertragsbedingungen zu Informationszwecken genannt. Außerdem wird der Investmentvertrag insoweit als Vertrag zugunsten der Depotbank geschlossen, als der Depotbank dem Grunde nach ein Anspruch auf eine Vergütung und Ersatz ihrer Aufwendungen nach § 41 I
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1789
S. 1 InvG zustehen soll. Die einzelnen Anleger haften hierfür nicht persönlich. Ihre Haftung beschränkt sich auf das Sondervermögen, aus dem die Depotbank den entsprechenden Betrag mit Zustimmung der KAG entnehmen darf (§ 29 II InvG). Dass sich die Depotbank insoweit wie die KAG (§ 31 III InvG, Rn. 24, 62, 88) nur aus dem Sondervermögen befriedigen darf, rückt ihren Vergütungs- und Aufwendungsanspruch in die Nähe eines Sozialanspruchs (vgl. Rn. 24) und ist Ausdruck ihrer Treuhänderfunktion. Ferner kommt die Depotbank in einem weiteren Sinne dadurch mit dem Investmentvertrag „in Berührung“, dass die KAG sich in ihrem Pflichtenkreis aus dem Investmentvertrag der Depotbank als Erfüllungsgehilfin bedient, z. B. zur Erfüllung ihrer Pflicht zur Ausgabe von Anteilscheinen. c) Dinglicher Begebungsvertrag auch mit der Depotbank. Weil die Depotbank die Anteilscheine mitunterzeichnet (§ 33 I S. 4 InvG), wird angenommen, zwischen der Depotbank und den Anlegern komme ein Vertrag über die Begebung der Anteilscheine zustande (so Klenk, S. 42). Dem kann beigepflichtet werden, wenngleich die Unterzeichnung der Anteilscheine als ein rein einseitiger Skripturakt aufgefasst werden könnte. Die Skriptur wäre aber ohne Sinn, wenn es nicht auch eine eigene Schuld der Depotbank gäbe. Tatsächlich erfüllt die Depotbank mit der Begebung der Anteilscheine nicht bloß eine Pflicht der KAG (Rn. 76), sondern eine eigene gesetzliche Pflicht nach § 23 I S. 1 InvG. Deshalb liegt die Annahme nicht fern, dass parallel zum Skripturakt auch der dingliche Begebungsvertrag sowohl mit der KAG als auch mit der Depotbank geschlossen wird.
83
VI. Sondervermögen. 1. Allgemeine Regelungen für alle Sondervermögensarten. Auf die Bildung von Sondervermögen und auf die Beteiligung des Anlegers am Sondervermögen wurde bereits in Rn. 41 ff. eingegangen. Die Vermögensgegenstände, an denen ein Sondervermögen i. S. v. § 2 II InvG allgemein begründet werden darf, sind in § 2 IV InvG aufgezählt. Für die Frage, in welche dieser Gegenstände und mit welchen Anlagegrenzen ein konkretes Sondervermögen tatsächlich angelegt werden darf, differenziert der Gesetzgeber nach bestimmten Arten von Sondervermögen (zur Typisierung näher Rn. 89). An Gegenständen, welche die KAG in individueller Portfolio- oder Grundstücksverwaltung nach § 7 II Nr. 1, 2 InvG hält, wird kein Sondervermögen i. S. d. InvG gebildet (§ 30 V InvG). Die Sonderung der zu einem Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände wird insbesondere dadurch gewährleistet, dass die Depotbank sie – soweit möglich – nach § 24 I, II InvG getrennt verwahrt (Rn. 75). Eine KAG darf mehrere Sondervermögen bilden, wobei diese untereinander getrennt gehalten werden und sich die Fondsbezeichnungen unterscheiden müssen (§ 30 III S. 1, 2 InvG, zu Bezeichnungsschutz, Namensgebung und von der BaFin festgelegten Fondskategorien §§ 3, 4 InvG). Rechtsgeschäfte „zwischen“ den von einer KAG verwalteten Sondervermögen kann die KAG nicht ohne Beachtung von § 181 BGB schließen (Beckmann/ScholtzBeckmann, Kz. 425 § 6 KAGG Rn. 13; anders BuB-Baur, Rn. 9/91). So wie § 181 BGB nach seinem Schutzzweck für andere gesetzliche Treuhänder analog gelten muss (z. B. für Testamentsvollstrecker BGHZ 30, 67; BGHZ 108, 24; für WEG-Verwalter KG, NJWRR 2004, 1162), ist diese Vorschrift auch für eine KAG entsprechend anzuwenden, unabhängig davon, ob sie (bei der Miteigentumslösung) Ermächtigungstreuhänderin oder (bei der Treuhandlösung) Vollrechtstreuhänderin ist. Die nach § 181 BGB erforderliche Gestattung kann die Depotbank entsprechend § 28 I InvG erteilen.
84
In § 34 II InvG ist zusätzlich die Möglichkeit einer „Umbrella-Konstruktion“ eingeführt worden, bei der unter dem Schirm eines Fonds mehrere Teilfonds zusammengefasst werden können, welche sich in ihrer Anlagepolitik oder in anderen Merkmalen unterscheiden (zu Anteilklassen siehe Rn. 53). Im Unterschied zur Dachfonds-Konstruktion hält nicht der „Umbrella“-Fonds die Anteile an den Teilfonds. Die Anleger sind lediglich
85
Geibel
1790
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
so zu behandeln, als wären sie an dem als einheitlich gedachten Sondervermögen des „Umbrella“-Fonds beteiligt und müssten nur das Sonderregime eines Teilfonds wählen, das für sie gelten soll. Wechseln die Anleger innerhalb des „Umbrella“-Fonds von einem Teilfonds zu einem anderen, fallen deshalb keine Ausgabeaufschläge oder Rücknahmeabschläge an. Im Übrigen verbleiben die Teilfonds getrennt zu haltende und zu verwaltende Sondervermögen, deren Wert jeweils gesondert ermittelt werden muss (vgl. § 34 II S. 1 InvG: „mehrere Sondervermögen“). Die KAG kann sich wegen ihrer Aufwendungen für einen Teilfonds nur aus dem Sondervermögen dieses Teilsfonds befriedigen (vgl. § 34 IIa S. 4 InvG). Auch für das Verhältnis der Anleger untereinander und gegenüber den Gläubigern ist jeder Teilfonds als ein eigenständiges, von den übrigen Teilfonds strikt getrenntes Sondervermögen zu behandeln. Dies wurde durch das InvÄndG in § 34 IIa InvG und in § 34 II S. 2 InvG lediglich klargestellt und näher konkretisiert. Um dem Anleger die Möglichkeit eines kostengünstigen Wechsels zwischen verschiedenen Sondervermögen zu erlauben (BT-Drucks. 15/1553, S. 86), hätte es der „Umbrella-Konstruktion“ allerdings nicht bedurft (vgl. Köndgen/Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (10)). 86
Wenn infolge häufiger Anteilrücknahmen oder anderer Einflüsse der Wert eines Sondervermögens und die Zahl der Vermögensgegenstände so sehr abnimmt, dass eine risikodiversifizierte Anlage (§ 1 S. 2 InvG) nicht mehr möglich ist, kann entweder eine Aussetzung der Rücknahme von Anteilen nach § 37 II InvG (Rn. 67) oder eine Verschmelzung des Sondervermögen auf ein anderes Sondervermögen derselben KAG nach § 40 InvG (Rn. 71) oder im ungünstigsten Fall eine Schließung des Sondervermögens (Rn. 69 f.) notwendig sein.
87
Der KAG steht die alleinige Befugnis zur Verfügung über die Gegenstände und zur Ausübung der Rechte aus den Gegenständen eines Sondervermögens im eigenen Namen zu (§ 31 I InvG). Diese Regelung ist bei der Miteigentumslösung ein Ausdruck der Ermächtigungstreuhand; bei der Treuhandlösung hingegen scheint sie de lege lata obsolet zu sein, da die KAG Eigentümerin der Sondervermögensgegenstände ist. Fasst man jedoch das Treuhandverhältnis der KAG zum einzelnen Anleger als Gesamthand auf (Rn. 24, 50), wird die Notwendigkeit der Regelung des § 31 I InvG auch für die Treuhandlösung deutlich. Die Vorschrift des § 32 InvG enthält eine Sonderregelung zu § 31 I InvG für den Fall der Ausübung von Stimmrechten aus zum Sondervermögen gehörenden Aktien. Insbesondere bedarf die KAG abweichend von § 135 I S. 1, II AktG keiner Vollmacht der Anleger (das Schriftformerfordernis gilt nach § 135 I S. 1, II S. 4 AktG ohnehin nicht mehr) und kann die Stimmrechtsausübung entweder einem in der Regel weisungsabhängigen Bevollmächtigten oder Ermächtigten oder einem dauerhaften, unabhängigen Stimmrechtsvertreter übertragen (§ 32 I S. 4, 5 InvG). Der Verfügungsbefugnis der KAG sind zum Teil Grenzen gesetzt, insbesondere darf sie die Gegenstände des Sondervermögens im Grundsatz nicht verpfänden, belasten oder zur Sicherung übereignen bzw. abtreten (§ 31 V S. 1 InvG). Manche Verfügungen bedürfen der Zustimmung der Depotbank (§ 26 I Nr. 2-5 InvG, näher Rn. 77).
88
Verpflichtungsgeschäfte in Bezug auf Gegenstände des Sondervermögens kann die KAG wirksam nur im eigenen Namen abschließen, nicht im Namen der Anleger (§ 31 II S. 2 InvG). Für die Verbindlichkeiten der KAG haftet das Sondervermögen nicht (§ 31 II S. 1 Halbs. 1 InvG, vgl. ferner die Sonderregelung für nicht voll eingezahlte Aktien, § 31 VII InvG; zur dinglichen Rechtsposition der Anleger Rn. 47, 49 f.). Geht die KAG eine Verbindlichkeit für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger bzw. für Rechnung des Sondervermögens ein, haftet das Sondervermögen dem Gläubiger dieser Verbindlichkeit aus Gründen des Anlegerschutzes auch dann nicht, wenn die KAG den Bezug des Geschäfts zu dem Sondervermögen dem Gläubiger gegenüber offengelegt hat (§ 31 II S. 1
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1791
Halbs. 2 InvG; Canaris, Rn. 2411: „ausgesprochene Irregularität“). Erfüllt die KAG eine solche Verbindlichkeit aus dem Eigenvermögen, hat sie lediglich einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Anleger und kann sich deswegen aus dem Sondervermögen befriedigen (§§ 31 III Halbs. 1 InvG, 29 I InvG). Ein erworbener Gegenstand wird kraft Surrogation Bestandteil des Sondervermögens (Rn. 54). Muss aufgrund eines Verpflichtungsgeschäfts ein Gegenstand aus dem Sondervermögen an einen Gläubiger geleistet werden, hat dieser lediglich einen Anspruch gegen die KAG auf Verschaffung des Gegenstands. Die KAG kann die Verbindlichkeit im Rahmen ihrer Verfügungsbefugnis aus dem Sondervermögen erfüllen. Ferner bestehen für die Eingehung von Verpflichtungsgeschäften ebenfalls bestimmte Grenzen. Z. B. darf die KAG für Rechnung der Anleger keine Gelddarlehen gewähren oder Bürgschafts- oder Garantieverpflichtungen eingehen (§ 31 IV InvG). Die Kreditaufnahme nach § 53 InvG und die Anlage in Bankguthaben bei anderen Kreditinstituten bedürfen der Zustimmung der Depotbank (§ 26 I Nr. 1, 2 InvG). 2. Besondere Regelungen für einzelne Sondervermögensarten. a) Gelockerter Typenzwang. Nach der früheren Rechtslage unter dem KAGG folgte der Gesetzgeber einem strikten numerus clausus der Sondervermögensarten mit einem jeweils beschränkten Kanon zulässiger Anlagegegenstände. In §§ 46-65 InvG geht der Gesetzgeber von den „Richtlinienkonformen Sondervermögen“ aus, die gemäß Art. 19 I der geänderten OGAW-Richtlinie nicht mehr nur in bestimmte Wertpapiere, sondern auch in Geldmarktinstrumente, Anteile an anderen Investmentvermögen, Bankeinlagen sowie Derivate angelegt werden dürfen. Insoweit ist der Typenzwang wegen größerer Möglichkeiten zur Risikodiversifizierung zurückgenommen worden, ohne dass er allerdings aufgegeben worden wäre (z. B. Köndgen/Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (9 f.); Lang, WM 2004, 53). Für die Immobilien-Sondervermögen, Gemischten Sondervermögen, Altersvorsorge-Sondervermögen, Infrastruktur-Sondervermögen, Sonstigen Sondervermögen, Spezial-Sondervermögen sowie für die Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (Hedgefonds) enthält auch das InvG weiterhin typisierte Sondervermögen. Das InvÄndG (Rn. 7 a. E.) kehrt sogar zu einer stärkeren Typisierung zurück (Rn. 100). Damit die Transparenz für die Anleger (auch im Bereich der nicht typisierten Investment-Sondervermögen) gewahrt wird, kann die BaFin nach § 4 II InvG mittels Richtlinien bestimmen, welcher „Fondskategorie“, d. h. welchem Sondervermögenstypus ein solches Investment-Sondervermögen nach dem Zuschnitt der Vertragsbedingungen zugerechnet werden kann. Die Geschäftserlaubnis der BaFin für eine KAG nach §§ 7 I S. 1 InvG kann auf die Verwaltung bestimmter Sondervermögenstypen beschränkt werden (z. B. BuB-Baur, Rn. 9/163; lediglich klarstellend nun § 7 I S. 2 InvG).
89
b) Richtlinienkonforme Sondervermögen. Die frühere Einteilung des KAGG nach Wertpapier-, Geldmarkt- und Investmentfondsanteil-Sondervermögen wurde im InvG aufgegeben, nachdem die „Produktrichtlinie“ 2001/108/EWG (ABl. EG L 41/35 vom 13.2.2002) den Anwendungsbereich der OGAW-Richtlinie erweitert hat und die unter die Richtlinie fallenden Sondervermögen neben der Anlage in Wertpapiere gemäß § 47 InvG auch für die Anlage in bestimmte Geldmarktinstrumente, Bankguthaben und Investmentanteile gemäß §§ 48, 49 und 50 InvG geöffnet worden sind (Art. 19 I lit. e, f, h der geänderten OGAW-Richtlinie; zur Anlage in Derivaten Rn. 91). Zugelassen sind nach § 48 I Nr. 4-6 InvG auch solche Geldmarktinstrumente, die von bestimmten privaten Emittenten, insbesondere von börsennotierten Unternehmen oder Kreditinstituten, begeben worden sind. In § 48 I Nr. 6 lit. c InvG soll ausgedrückt werden, dass als Geldmarktinstrumente im Wege des „True Sale“ begebene Asset-Backed Securities zulässig sind (vgl. zur früheren Gesetzesfassung BT-Drucks. 15/1553, S. 93 f.; in Bezug nimmt das Gesetz direkt Art. 7 der OGAW III-Richtlinie (Rn. 5, 92)). Bankguthaben mit einer Laufzeit
90
Geibel
1792
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
von höchstens zwölf Monaten darf nicht nur bei Kreditinstituten mit Sitz in der EU oder innerhalb des EWR gehalten werden, sondern auch bei Kreditinstituten aus Drittstaaten, sofern diese den Anforderungen der (konsolidierten) Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.3.2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. EG L 126/1 vom 26.5.2000) entsprechen. Darauf, ob das jeweilige Kreditinstitut Mitglied eines Einlagensicherungssystems eines Mitgliedstaats der EU oder eines Vertragsstaats des EWR ist, kommt es nicht mehr an. Stattdessen soll ein Schutz dadurch erreicht werden, dass höchstens 20% des Wertes des Sondervermögens in Bankguthaben bei demselben Kreditinstitut angelegt werden darf (§ 60 III InvG, Art. 22 I S. 2 der geänderten OGAW-Richtlinie; siehe BT-Drucks. 15/1553, S. 94). Für das Sondervermögen können Investmentanteile an anderen (in- oder ausländischen) richtlinienkonformen Sondervermögen erworben werden – an einem einzigen anderen Sondervermögen höchstens 20% des Wertes des Sondervermögens (§ 61 S. 1 InvG) –, ferner Anteile an inländischen Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapitel (hierzu Rn. 119 f.). Unter den Voraussetzungen des § 50 I S. 2 InvG darf ferner in Anteile an nicht-richtlinienkonformen Sondervermögen und an Investmentaktiengesellschaften angelegt werden (siehe auch Art. 19 I lit. e der geänderten OGAW-Richtlinie), jedoch höchstens bis zu 30% des Wertes des Sondervermögens (§ 61 S. 2 InvG). Gemäß § 50 I S. 3 InvG darf das andere Sondervermögen, in dessen Anteile investiert wird, seinerseits höchstens 10% seines Wertes in Investmentanteile anlegen, damit ein „Kaskadeneffekt“ verhindert wird. Ausgabeaufschläge oder Rücknahmeabschläge dürfen nicht erhoben werden, wenn das andere Sondervermögen von derselben KAG oder einer mit dieser durch eine wesentliche Beteiligung verbundene KAG verwaltet wird (§ 50 II InvG). Für das Sondervermögen dürfen ferner nach § 52 InvG sonstige Anlageinstrumente bis zu einer Grenze von 10% des Inventarwertes erworben werden. 91
Neben der Anlage in Wertpapiere und in den anderen genannten Instrumenten kann die KAG ein richtlinienkonformes Sondervermögen nach § 51 InvG zu Investmentzwecken in Derivate (abgeleitete Finanzinstrumente) investieren. Im Gegensatz zu §§ 8d ff. KAGG a. F. wird hinsichtlich der Zulässigkeit von Derivaten nicht mehr nach der Art der einzelnen Derivate (z. B. Optionsrechte, Finanzterminkontrakte, Swaps) unterschieden. Vielmehr werden in Übereinstimmung mit Art. 19 I lit. g der geänderten OGAWRichtlinie und Art. 9 I der OGAW III-Richtlinie (Rn. 5, 92) nur die zulässigen Basiswerte festgeschrieben, von denen die zulässigen Derivate abgeleitet sein müssen (§ 51 I InvG), und wird der KAG auferlegt zu gewährleisten, dass sich durch den Einsatz von Derivaten das Marktrisikopotential des Sondervermögens nicht mehr als verdoppelt (§ 51 II InvG). Die weitere Konkretisierung von Art. 21 der geänderten OGAW-Richtlinie erfolgte in der aufgrund § 51 III InvG erlassenen Derivateverordnung vom 6.2.2004 (BGBl. I S. 153).
92
Insbesondere die in der geänderten OGAW-Richtlinie verwendeten Begriffe „Wertpapiere“, „Geldmarktinstrumente“ und „liquide Finanzanlagen in Bezug auf abgeleitete Finanzinstrumente (Derivate)“ werden in der OGAW-Durchführungsrichtlinie 2007/ 16/EG der Kommission vom 19.3.2007 (ABl. EU L 79/11 vom 20.3.2007, „OGAW III“) näher erläutert, damit eine einheitliche Verwendung sichergestellt wird. Die §§ 46 ff. InvG sind insoweit richlinienkonform auszulegen. Durch das InvÄndG (Rn. 7 a. E.) sind die §§ 47, 48, 51 InvG an die Durchführungsrichtlinie angepasst worden.
93
Für die Richtlinienkonformen Sondervermögen gelten bestimmte quantitative Anlagegrenzen, insbesondere die Beschränkungen des § 60 InvG hinsichtlich der Anlage in Instrumenten desselben Ausstellers zu Zwecken der Risikostreuung („Ausstellergrenzen“, hierzu BT-Drucks. 15/1553, S. 96 f.). Die emittentenbezogenen Anlagegrenzen des § 64
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1793
InvG dienen dazu, die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der KAG gegenüber einzelnen Ausstellern zu verhindern (BT-Drucks. a.a.O. S. 97). Außerdem unterliegt die KAG bei der Verwaltung richtlinienkonformer Sondervermögen Beschränkungen hinsichtlich bestimmter Rechtsgeschäfte. Insbesondere darf sie kurzfristige Kredite nur bis zur Höhe von 10% des Wertes des Sondervermögens und nur zu marktüblichen Bedingungen aufnehmen (§ 53 InvG). Für Wertpapier-Darlehen gegen Sicherheiten und Pensionsgeschäfte gelten besondere Vorschriften (§§ 54-58 InvG). Leerverkäufe dürfen nach Maßgabe von § 59 InvG nicht getätigt werden (siehe auch Art. 42 der geänderten OGAW-Richtlinie). Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Anlagebestimmungen oder Anlagegrenzen wird auf Rn. 102 verwiesen. c) Immobilien-Sondervermögen, Gemischte Sondervermögen und AltersvorsorgeSondervermögen. In ein Immobilien-Sondervermögen (früher „Grundstücks-Sondervermögen“ genannt) dürfen nach Maßgabe von § 67 I, II InvG Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte – auch zur Bewirtschaftung dieser Vermögensgegenstände erforderliche Gegenstände (§ 67 VI InvG) – erworben werden. Vergleichbare Rechte nach dem Recht anderer Staaten sind ebenfalls tauglicher Anlagegegenstand, wobei die weiteren Voraussetzungen des § 67 III InvG zu beachten sind, wenn das betreffende Grundstück außerhalb des EWR belegen ist. Für Rechnung eines Immobilien-Sondervermögens dürfen gemäß § 68 InvG Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften i. S. v. § 2 IV Nr. 6 InvG erworben und gehalten werden, ferner zu Liquiditätszwecken Bankguthaben, Geldmarktinstrumente, Investmentanteile und Wertpapiere in den Grenzen des § 80 InvG. Die KAG unterliegt besonderen Anlagegrenzen und rechtsgeschäftlichen Beschränkungen nach §§ 67 ff. InvG, wobei manche dieser Grenzen oder Schranken nach § 74 InvG während einer vierjährigen „Anlaufzeit“ noch nicht gelten. Für Immobilien-Sondervermögen gilt nach § 75 InvG zwingend die Treuhandlösung. Gemäß § 77 InvG sind ein oder mehrere Sachverständigenausschüsse zu bestellen, die in den gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen Fällen die Bewertung der Vermögensgegenstände vornehmen, insbesondere bei der Veräußerung oder Belastung von Grundstückswerten (§ 82 InvG). Die Mitglieder des Sachverständigenausschusses werden zwar von der KAG bestellt (§ 77 II S. 1 InvG); in der Ausübung ihrer Tätigkeit und nach ihrer Qualifikation müssen sie jedoch von der KAG unabhängig sein (insbesondere § 77 I S. 3, II S. 2, 6, 7 InvG). Das InvÄndG (Rn. 7 a. E.) hat u. a. eine Pflicht der KAG zur Anwendung eines geeigneten Risikomanagementsystems (§ 80b InvG) und zur Aussetzung der Anteilsausgabe (§ 80c I InvG) sowie Erleichterungen bei der Rücknahme von Anteilen (§§ 80c II, 80d I Nr. 1 InvG) eingeführt. Bei fehlender Liquidität dürfen kurzfristige Kredite zur Finanzierung von Anteilsrücknahmen bis zu 10% des Inventarwertes aufgenommen werden, wenn die Vertragsbedingungen dies vorsehen und die Kreditbedingungen marktüblich sind (§§ 80a S. 2, 53 InvG). Die neue Fondskategorie „Gemischte Sondervermögen“ wurde eigens geschaffen, damit die nach dem KAGG zulässigen Fondskonstruktionen, die aber nicht in den Anwendungsbereich der OGAW-Richtlinie fallen, fortbestehen können (BT-Drucks. 15/ 1553, S. 98, 101). Neben den für Richtlinienkonforme Sondervermögen zugelassenen Anlagengegenständen können Gemischte Sondervermögen gemäß § 84 I Nr. 2, 3 InvG, u. a. in Anteilen an Immobilien-Sondervermögen, an Sonstigen Sondervermögen und in Anteilen an inländischen und ausländischen Hedgefonds sowie in Aktien bestimmter InvestmentAGen investieren (zu den Gemischten Sondervermögen näher z. B. Fock, WM 2006, 2160 ff.). Die Anlage in einem Altersvorsorge-Sondervermögen dient dem Ziel langfristigen Sparens zur Altersvorsorge (§ 87 I InvG). Die Erträge des Sondervermögens werden zwingend thesauriert (§ 87 II InvG). Unter den zulässigen Anlagegegenständen nach § 88 InvG wurden im Vergleich zur früheren Regelung im KAGG die Anlagemög-
Geibel
94
1794
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
lichkeiten in Immobilien, in Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften und in stillen Beteiligungen gestrichen, weil diese Anlagemöglichkeiten in der Praxis nicht genutzt wurden (BT-Drucks. 15/1553, S. 102). In einem Altersvorsorge-Sparplan kann sich der Anleger verpflichten, während einer Laufzeit von mindestens 18 Jahren oder einer Laufzeit bis mindestens zur Vollendung seines 60. Lebensjahres regelmäßig Geld für neue Anteile an dem Sondervermögen einzulegen (§ 90 I S. 1 InvG). Der Anleger kann den Vertrag jedoch mit einer Frist von 3 Monaten zum Quartalsende ordentlich oder im Fall von Arbeitslosigkeit oder völliger Erwerbsunfähigkeit mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende kündigen (§ 90 III InvG). Nach Ablauf des Sparplans kann der an den Anleger auszuzahlende Betrag verrentet werden (§ 90 V InvG). 95
d) Sondervermögen bzw. Dach-Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken („Hedgefonds“). Seit Inkrafttreten des InvG sind in gewissen Grenzen die Kategorien der Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (§ 112 InvG) und der Dach-Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (§ 113 InvG) möglich geworden. Im ersten Fall wird verkürzend von „Single-Hedgefonds“, im zweiten Fall von „Dach-Hedgefonds“ gesprochen, wenn auch der Gesetzgeber den Begriff „Hedgefonds“ bewusst vermeidet (näher BT-Drucks. 15/ 1553, S. 107; aus der Lit. z. B. Lang, WM 2004, 53 (58 f.); v. Livonius, WM 2004, 60 ff.; Fragos, S. 162 ff.).
96
Bei Single-Hedgefonds ist die KAG nur dem Grundsatz der Risikomischung verpflichtet und müssen die Vertragsbedingungen dieser Sondervermögen entweder eine Hebelwirkung (Leverage) nach § 112 I S. 2 Nr. 1 InvG über die Aufnahme von Krediten oder den Einsatz von Derivaten zur Steigerung des Investitionsgrades oder die Durchführung von Leerverkäufen nach § 112 I S. 2 Nr. 2 InvG oder beides vorsehen. Im Rahmen der jeweiligen Anlagestrategie darf in alle Vermögensgegenstände i. S. v. § 2 IV InvG außer in Immobilien und Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften investiert werden (§ 112 I S. 1 InvG), in Beteiligungen an nicht-börsennotierten Unternehmen allerdings nur höchstens 30% des Wertes des Sondervermögens. Anteile an Single-Hedgefonds dürfen nicht öffentlich vertrieben werden (§ 112 II InvG). Die Privatplatzierung dieser Anteile muss über Finanzdienstleistungsinstitute i. S. v. § 1 Ia KWG erfolgen (arg. e § 2 VI Nr. 8 (letzter Halbsatz) KWG).
97
Dem öffentlichen Vertrieb geöffnet sind die Anteile an Dach-Hedgefonds. Die Bezeichnung ist irreführend, weil Geschäfte mit Hebelwirkung oder Leerverkäufe auf der Ebene des Dachfonds nicht durchgeführt werden dürfen (§ 113 I S. 3 InvG). Das Sondervermögen eines solchen Fonds darf vielmehr in Anteile an bestimmten „Zielfonds“ angelegt werden, d. h. in Anteile an inländischen Single-Hedgefonds oder an ausländischen Sondervermögen, die den Single-Hedgefonds hinsichtlich der Anforderungen an die Anlagepolitik vergleichbar sind und deren Vermögensgegenstände von einer Depotbank oder einer vergleichbaren Einrichtung verwahrt werden (§ 113 III InvG), oder in Aktien von Investmentaktiengesellschaften, deren Satzung eine dem Single-Hedgefonds vergleichbare Anlageform vorsieht (§ 113 I S. 1, 2 InvG). Es handelt sich mithin nur um eine mittelbare Anlage in Hedgefonds. Keine Zielfonds in diesem Sinne sind die als geschlossene Fonds aufgelegten Hedgefonds. In einen einzigen Zielfonds dürfen höchstens 20% des Wertes des Dach-Sondervermögens investiert werden (§ 113 IV S. 1 InvG), allerdings dürfen sämtliche Anteile eines bestimmten Zielfonds erworben werden (§ 113 IV S. 4 InvG). Es darf in höchstens zwei Zielfonds desselben Emittenten oder Fondsmanagers investiert werden; zur Verhinderung eines „Kaskadeneffekts“ darf nicht in Zielfonds angelegt werden, die ihre Mittel ihrerseits in Zielfonds anlegen (§ 113 IV S. 2 InvG). Investitionen in ausländische Zielfonds aus Staaten, die sich einer Kooperation zur Bekämpfung der Geldwäsche im Rahmen internationaler Vereinbarungen verschließen (in BT-Drucks.
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1795
15/1553, S. 110, wird die Financial Action Task Force (FATF) genannt), sind nach § 113 IV S. 3 InvG unzulässig. Neben der Anlage in Anteile an Zielfonds dürfen gemäß § 113 II InvG zu Liquiditätszwecken bis zu 49% des Wertes des Dach-Sondervermögens in Bankguthaben, Geldmarktinstrumente und in Geldmarktfondsanteile investiert sowie zur Währungskurssicherung Devisenterminkontrakte verkauft und Verkaufsoptionsrechte auf Devisen oder auf Devisenterminkontrakte erworben werden, wenn diese auf die gleiche Währung wie die in Fremdwährung gehaltenen Vermögensgegenstände lauten. Die KAG eines Dach-Hedgefonds muss sich ferner gemäß § 113 V InvG bestimmte Informationen über die Zielfonds, in die angelegt werden soll, vorlegen lassen und muss das Gebaren der Zielfonds laufend kontrollieren, um insbesondere sicherzustellen, dass die Anlagestrategien des Dach-Hedgefonds eingehalten werden. Die KAG muss die ihr in diesem Zusammenhang vorliegenden Unterlagen auf Anforderung der BaFin vorlegen (§ 115 InvG). Im öffentlichen Vertrieb von Anteilen an Dach-Hedgefonds darf kein vereinfachter Verkaufsprospekt verwendet werden (§ 42 I S. 1 Halbs. 2 InvG), in den ausführlichen Verkaufsprospekt müssen die zusätzlichen Angaben nach § 117 I S. 2, II InvG aufgenommen werden. Für Single-Hedgefonds und Dach-Hedgefonds gelten ferner manche gemeinsame Vorschriften: Z. B. gelten für die Rücknahme von Anteilen nach § 116 InvG besondere Voraussetzungen, insbesondere können in den Vertragsbedingungen bestimmte Rücknahmetermine vorgesehen werden. Die Vertragsbedingungen müssen ergänzende Angaben enthalten (§ 118 InvG). Für die Verwaltung gelten die Vorschriften des InvG entsprechend, soweit sie nicht die anderen Sondervermögenstypen nach §§ 46-90 InvG betreffen. Single-Hedgefonds und Dach-Hedgefonds können aber in der Gestalt von Spezial-Sondervermögen nach §§ 91 ff. InvG errichtet werden.
98
Das InvÄndG (Rn. 7 a. E.) bringt einige Neuerungen. Insbesondere dürfen die Vermögensgegenstände inländischer Single-Hedgefonds statt von der Depotbank von einem Prime Broker verwahrt werden (§§ 2 XV, 112 III InvG). Außerdem sind Single-Hedgefonds von der Pflicht zur Veröffentlichung des Ausgabe- und Rücknahmepreises sowie der Halbjahres- und Jahresberichte befreit. Das Leverage-Verbot für Dach-Hedgefonds nach § 113 I S. 3 InvG ist insoweit gelockert worden, als der KAG die Möglichkeit eingeräumt wird, kurzfristige Kredite nach § 53 InvG aufzunehmen (vgl. auch § 114 InvG). Die Zahlung des Rücknahmepreises kann bis längstens 50 Tage nach Ablauf der Rücknahmetermine aufgeschoben werden (§ 116 S. 3 InvG), insbesondere wenn ein Zielfonds dem Dach-Hedgefonds den Rücknahmepreis nicht rechtzeitig mitgeteilt hat.
99
e) Die Regelung zu Infrastruktur-Sondervermögen (ÖPP-Fonds) und zu Sonstigen Sondervermögen. Nach dem InvÄndG (Rn. 7 a. E.) sind als weitere Fondskategorien Infrastruktur-Sondervermögen und Sonstige Sondervermögen eingeführt worden. Die Infrastruktur-Sondervermögen (§§ 90a ff. InvG) sollen die Investition in öffentlich-private Partnerschaftsprojekte (ÖPP) ermöglichen. Neben anderen Vermögensgegenständen sollen Beteiligungen an ÖPP-Projektgesellschaften i. S. v. § 2 XIV InvG erworben werden können. Die Sonstigen Sondervermögen (§§ 90g ff. InvG) stellen Vehikel für die Auflegung innovativer Finanzprodukte dar und unterscheiden sich hinsichtlich der Risiken, Bewertbarkeit und Liquidität von den übrigen Sondervermögenstypen deutlich (vgl. BRDrucks. 274/07, S. 187). Sie können neben den für Richtlinienkonforme Sondervermögen zugelassenen Vermögensgegenständen und ohne die Beschränkungen des § 51 I InvG für Derivate auch in Investmentanteile, Edelmetalle, unverbriefte Darlehensforderungen sowie in Unternehmensbeteiligungen angelegt werden, die einen Verkehrswert haben (§ 90h I InvG). Ferner können Anteile an anderen Sonstigen Sondervermögen und Anteile an Single-Hedgefonds nach Maßgabe von § 90h II InvG erworben werden. Leerver-
100
Geibel
1796
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
käufe und Geschäfte zur Erzielung einer Hebelwirkung sind für Sonstige Sondervermögen nicht zugelassen. 101
f) Sonderregeln für Spezial-Sondervermögen. Kein eigenständiger Sondervermögenstypus ist das Spezial-Sondervermögen nach §§ 91 ff. InvG. Vielmehr ist ein Sondervermögen eines bestimmten Typus (außer dem des Altersvorsorge-Sondervermögens) entweder Publikums-Sondervermögen oder Spezial-Sondervermögen (§ 2 III InvG). Nach dem InvÄndG (Rn. 7 a. E.) gilt keine Höchstbegrenzung auf 30 Anleger mehr, sondern es kommt ausschließlich darauf an, ob sämtliche Anleger des Sondervermögens nicht natürliche Personen sind. Die KAG muss mit den Anlegern schriftlich vereinbaren, dass jede Übertragung eines Anteils der Zustimmung der KAG bedarf (§ 92 InvG). Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Anlegerkreis begrenzt und auf institutionelle Anleger beschränkt bleibt und dass hierfür die KAG Verantwortung trägt. Dieser Zweck würde zumindest partiell verfehlt, wenn das Zustimmungserfordernis nicht dinglich wirken würde (so z. B. Brinkhaus/Scherer-Zeller, § 1 KAGG Rn. 42). Sofern jedoch das Zustimmungserfordernis mit einem Anteilinhaber vereinbart wurde, lebt jedenfalls bei der Treuhandlösung der gesamthandsähnliche Charakter des Verhältnisses zwischen der KAG und dem einzelnen Anteilinhaber wieder auf, so dass nach personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen die Übertragung eines Anteils dinglich nur mit Zustimmung der KAG erfolgen kann (Rn. 62 und Rn. 24, 49 ff.). Nach dem Zweck der von § 33 InvG abweichenden Vorschrift des § 92 InvG muss dies auf die Übereignung des Anteilscheins „durchschlagen“ (für Namensanteilscheine gilt ohnehin § 68 II AktG entsprechend) und muss im Ergebnis (abweichend von § 747 S. 1 BGB) auch für die Miteigentumslösung gelten, weil der Gesetzgeber insoweit keine unterschiedliche Behandlung beider Lösungen wollte. Abweichend von den Vorschriften für Publikums-Sondervermögen müssen die Vertragsbedingungen eines Spezial-Sondervermögens nicht von der BaFin genehmigt werden, es sei denn es handelt sich um Single- oder Dach-Hedgefonds (§ 93 I InvG). Es genügt die gesammelte Anzeige der Auflage oder Schließung von Spezial-Sondervermögen nach Maßgabe des § 93 II InvG. Es muss weder ein vereinfachter noch ein ausführlicher Verkaufsprospekt erstellt und zugänglich gemacht werden; auch die §§ 121, 123 InvG gelten nicht für Spezial-Sondervermögen (§ 93 III InvG). Bei der Erstellung des Jahresberichts kann auf eine vergleichende Übersicht über die letzten 3 Geschäftsjahre nach § 44 I S. 3 Nr. 5 InvG verzichtet werden (§ 94 S. 1 InvG). Insbesondere Jahresberichte sind der BaFin grundsätzlich nur auf Anforderung einzureichen (§ 94 S. 4 InvG). Halbjahresberichte sind entbehrlich (§ 94 S. 2 InvG). Ferner gelten weitere Ausnahmen, z. B. dürfen mehrere Spezial-Sondervermögen einer KAG auch dann miteinander verschmolzen werden (dazu Rn. 71), wenn die Anlagegrundsätze und -grenzen sowie die Kostenregelungen der betroffenen Sondervermögen wesentlich voneinander abweichen (§§ 95 VII, 40 S. 1 Nr. 2, 3 InvG).
102
3. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Anlagebestimmungen oder Anlagegrenzen. Kann der KAG eine Verletzung der vorgenannten Anlagebestimmungen oder Anlagegrenzen z. B. nach §§ 46 ff. InvG nachgewiesen werden, sind zwar die betreffenden Rechtsgeschäfte grundsätzlich wirksam (vgl. z. B. §§ 67 VIII, 82 V InvG, siehe bereits Rn. 77, 87 f.), den Anlegern stehen aber Schadensersatzansprüche gegen die KAG wegen Verletzung des Investmentvertrages und nach § 823 II BGB zu. Möglicherweise kommen auch Ansprüche gegen die Depotbank in Betracht, wenn diese ihren Überwachungspflichten nicht gerecht geworden ist (verneinend wegen Beschränkung der Depotbankpflichten auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit BGH, WM 2001, 2053). Diese Ansprüche können die Anleger – neben der gesetzlich vorgesehenen Prozessstandschaft nach § 28 I S. 1 Nr. 1, II S. 1 InvG – selbstständig geltend machen (§ 28 I S. 2, II S. 2 InvG). Wohl
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1797
mehrheitlich wird befürwortet, dass der einzelne Anleger analog §§ 432, 1011, 2039 BGB auf die actio pro socio verwiesen sei und nur auf Leistung des gesamten Schadensersatzbetrages in das Sondervermögen klagen könne (z. B. OLG Frankfurt a. M., ZIP 1997, 319 (321); Canaris, Bankvertragsrecht, 1981, Rn. 2437, 2482; a. A. Schimansky/Bunte/ Lwowski-Köndgen/Schmies, § 113 Rn. 139; Köndgen/Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (13); offen gelassen von BGH WM 2001, 2053). Zwingend erscheint dies allerdings nicht, da eine Gesamthandsgemeinschaft zwischen den Anlegern nicht besteht (näher Rn. 48, 50) und die Schadensersatzforderungen insgesamt nicht etwa deshalb aus rechtlichen Gründen unteilbar im Sinne von § 432 BGB sind, weil sie einem gemeinschaftlichen Verwendungszweck dienen würden oder eine gemeinsame Empfangszuständigkeit bestünde (vgl. BGH NJW 1958, 1723; NJW 1992, 182 (183)). Die Schadensersatzforderung des einzelnen Anlegers geht auch weder aus der Verletzung von gemeinschaftlichen Rechten hervor (dazu BGH NJW 1984, 795 (796); BGHZ 122, 22 (24 ff.)) noch wird sie Bestandteil des Sondervermögens. VII. Der öffentliche Vertrieb von Investmentanteilen und die Prospekthaftung. 1. Der öffentliche Vertrieb inländischer Investmentanteile. a) Anbieten eines vereinfachten und eines ausführlichen Verkaufsprospekts und Beifügen weiterer Verkaufsunterlagen. Vor Abschluss des Investmentvertrages müssen dem Anlageinteressenten ein vereinfachter Verkaufsprospekt und, soweit ein solcher nicht erstellt werden darf, ein ausführlicher Verkaufsprospekt in jeweils aktueller Fassung kostenlos und unaufgefordert angeboten werden (§ 121 I S. 1, 3 InvG, siehe Art. 33 I der geänderten OGAW-Richtlinie). Ein ausführlicher Verkaufsprospekt ist ansonsten ebenso wie Jahresbzw. Halbjahresberichte nur auf Verlangen kostenlos zur Verfügung zu stellen (§ 121 I S. 2 InvG; Änderung durch das InvÄndG). Für Immobilien-Sondervermögen und DachHedgefonds darf ein vereinfachter Verkaufsprospekt nicht erstellt werden (§ 42 I S. 1 Halbs. 2 InvG). Der Angebotspflicht unterliegen neben der KAG diejenigen am Vertrieb gewerbsmäßig Beteiligten, welche den Vertragsschluss mit dem Interessenten im Sinne von § 127 I S. 1, IV S. 1 InvG herbeiführen (im eigenen oder fremdem Namen die Anteile „verkaufen“ oder den Verkauf vermitteln), sofern sie nicht (wie häufig bei Kreditinstituten) lediglich im Auftrag des Kunden handeln (z. B. Assmann/Schütze-Assmann, § 6 Rn. 293 f.). Die Übernahmepflicht nach § 127 I S. 1 InvG trifft die gewerbsmäßigen Vermittler und die im fremdem Namen handelnden Verkäufer der Anteile freilich nur dann, wenn sie positive Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Verkaufsprospekte hatten (§ 127 IV S. 1 InvG). Mit dem Begriff des „Anbietens“ wird zum Ausdruck gebracht, dass die Prospekte dem Interessenten nicht ausgehändigt werden müssen (zum Kausalzusammenhang bei der Prospekthaftung Rn. 111), und ist von der Terminologie des § 19 I S. 1 KAGG a. F., dass dem Erwerber ein Prospekt „zur Verfügung zu stellen“ ist, in der Sache kaum verschieden (die Begriffe werden von Art. 33 I S. 2 der geänderten OGAW-Richtlinie gleichwertig nebeneinander verwendet). Eine Ausnahme gilt für den Erwerb von Anteilen an in- oder ausländischen Single- oder Dach-Hedgefonds, für die eine Pflicht zur Aushändigung sämtlicher Verkaufsunterlagen nach § 121 III S. 1 InvG besteht. Dem ausführlichen Verkaufsprospekt sind die weiteren Verkaufsunterlagen beizufügen, und zwar die Vertragsbedingungen (dazu Rn. 27 ff.), wenn nicht im ausführlichen Verkaufsprospekt auf die Stelle hingewiesen wird, bei welcher die Vertragsbedingungen kostenlos erhältlich sind (§ 121 I S. 4 InvG), ferner der zuletzt veröffentlichte Jahresbericht und (sofern bereits veröffentlicht) der anschließende Halbjahresbericht (§ 121 I S. 2 InvG, zur Rechnungslegungspflicht Rn. 14). Neben (nicht statt) der Angebotspflicht besteht eine Pflicht, den Anleger darauf hinzuweisen, wo und auf welche Weise er auch nach Vertragsschluss die Verkaufsunterlagen kostenlos erhalten kann (§ 121 I S. 6 InvG). Statt in Papierform können die Verkaufsunterlagen auf einem Daten-
Geibel
103
1798
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
träger gespeichert werden, doch kann der Anleger jederzeit eine Ausfertigung in Papierform verlangen (§ 121 I S. 5 InvG). Die Verkaufsunterlagen müssen in deutscher Sprache abgefasst oder ins Deutsche übersetzt sein (§ 123 S. 1 InvG). 104
b) Weitere Informationspflichten. Dem Anleger muss ferner eine Durchschrift des Antrags auf Vertragsschluss ausgehändigt oder eine Kaufabrechnung gesandt werden mit Hinweis auf die Höhe des Ausgabeaufschlags und des Rücknahmeabschlags sowie mit einer Widerrufsbelehrung (§ 121 I S. 7 InvG). Vor dem Erwerb von Anteilen an Hedgefonds und in der Werbung für Dach-Hedgefonds ist der Interessent im Wege des Warnhinweises nach § 117 II, III InvG auf die besonderen Risiken aufmerksam zu machen (§§ 121 III S. 3, 124 II InvG). Die KAG muss über die Anlagegrenzen und Methoden des Risikomanagements und die jüngsten Risiko- und Renditeentwicklungen informieren, wenn der Anleger dies wünscht; im ausführlichen Verkaufsprospekt ist hierauf hinzuweisen (§ 121 IV InvG). Besondere Vorschriften für werbende Informationen regelt § 124 InvG. Zu den weiteren vertriebsrelevanten Vorschriften des § 125 InvG (Kostenvorausbelastung bei Investment-Sparplänen) siehe Rn. 39 und zu § 126 InvG (Widerrufsrecht) siehe Rn. 26. Die BaFin überwacht die Beachtung der Vertriebsvorschriften nach §§ 141, 142 InvG.
105
c) Vertrieb in EU-Mitgliedstaaten und im EWR. Die Absicht einer KAG, Anteile an einem von ihr verwalteten Richtlinienkonformen Sondervermögen (Rn. 90 ff.) in anderen Mitgliedstaaten der EU oder in anderen Vertragstaaten des EWR öffentlich zu vertreiben, muss der BaFin nach § 128 InvG angezeigt werden. Die BaFin bescheinigt auf Antrag und bei Nachweis die Richtlinienkonformität zur Vorlage bei den zuständigen Stellen des anderen Mitglied- oder Vertragstaates. Die KAG muss keine Wartefrist von zwei Monaten mehr einhalten, die vor dem InvÄndG seit Eingang der Anzeige bei den zuständigen ausländischen Stellen vergehen musste, bevor mit dem Vertrieb begonnen werden durfte (vgl. § 128 II InvG a. F.). Für den grenzüberschreitenden Vertrieb muss die KAG die besonderen Pflichten nach § 129 InvG beachten.
106
d) Der Inhalt von ausführlichem und vereinfachtem Verkaufsprospekt. Der ausführliche wie der vereinfachte Verkaufsprospekt müssen alle Angaben enthalten, die einem durchschnittlichen Anlageinteressenten vor Erwerb eines Anteils ein „begründetes Urteil“ über die angebotene Anlage und insbesondere ihre Risiken erlauben (§ 42 I S. 2 InvG, Art. 28 I der geänderten OGAW-Richtlinie). Das Gesetz legt Mindestangaben fest (Rn. 107 f.). Pflichtangaben sowohl für den vereinfachten als auch für den ausführlichen Prospekt sind z. B. in §§ 41 VI S. 3, 42 III, IV InvG enthalten, ferner in § 41 IV S. 2-4 InvG bei Vereinbarung einer Pauschalgebühr und etwaiger Berechnung gesonderter Kosten. Die Gesamtkostenquote aus dem Verhältnis aller Verwaltungskosten zu dem durchschnittlichen Nettoinventarwert des Sondervermögens (Total Expense Ratio, TER) ist im vereinfachten Prospekt und im Jahresbericht auszuweisen. Im ausführlichen Verkaufsprospekt ist darzustellen, welche Kosten in diese Quote einbezogen sind (insbesondere nicht die Transaktionskosten, krit. hierzu Köndgen/Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (12)); ein gesonderter Prozentsatz ist für erfolgsabhängige oder bestimmte zusätzliche Verwaltungsvergütungen anzugeben (§ 41 II InvG).
107
In den ausführlichen Verkaufsprospekt sind die in § 42 I S. 3 Nr. 1-28 InvG vorgeschriebenen Mindestangaben aufzunehmen, ferner eine eindeutige und leicht verständliche Erläuterung des Risikoprofils des Sondervermögens und nach § 42 I S. 4 InvG alle weiteren Angaben, die von der BaFin für erforderlich gehalten werden. Insbesondere sind an hervorgehobener Stelle die für das Sondervermögen verfolgten Anlageziele sowie die Anlagepolitik einschließlich ihrer Konkretisierungen und Beschränkungen (auf be-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1799
stimmte Anlageschwerpunkte) zu beschreiben (vgl. § 42 I S. 3 Nr. 14 InvG). Doch erfordert dies nicht, bestimmte Marktsegmente im Prospekt ausdrücklich zu bezeichnen, sofern das Sondervermögen zwar überwiegend, aber nicht dauerhaft in Instrumente aus diesem Marktsegment angelegt ist und sofern diese Anlage von der im Prospekt allgemeiner formulierten Anlagepolitik gedeckt ist (BGH WM 2005, 782 (784 f.); OLG Frankfurt a. M. WM 2003, 2460 (2463 ff.), „Neuer Markt“). Aus der Aktualisierungspflicht nach § 42 V InvG ergibt sich nicht, dass im Prospekt nachgetragen werden müsste, zu einem bestimmten Zeitpunkt habe sich ein tatsächlicher Anlageschwerpunkt gebildet, sofern nicht die Schwerpunktbildung dauerhaft erfolgt und mithin eine Änderung der Anlagepolitik bedeuten würde (BGH WM 2005, 782 (785); OLG Frankfurt a. M. WM 2003, 2460 (2466)). Der ausführliche Prospekt muss ferner eine Darstellung über die Verwendung der Ausgabeaufschläge und Rücknahmeabschläge enthalten. Im ausführlichen Prospekt und im Jahresbericht ist anzugeben, ob Kostenrückvergütungen („kick-backs“) an die KAG selbst zurückfließen und ob ein wesentlicher Teil der aus dem Sondervermögen geleisteten Vergütungen aus Bestandsprovisionen an Vermittler besteht (§ 41 V InvG). Hiervon unberührt bleiben die Aufklärungspflichten der Vermittler und Anlageberater, vor allem über an sie selbst fließende Rückvergütungen (z. B. BGH, BKR 2007, 160 (163)). Im ausführlichen Prospekt und in den Vertragsbedingungen ist gemäß § 41 VI S. 1 InvG anzugeben, dass im Jahresbericht bzw. Halbjahresbericht für den jeweiligen Berichtszeitraum offen gelegt werden muss, welcher Betrag bei der Anlage des Sondervermögens in Investmentanteilen anderer Sondervermögen als Ausgabeaufschläge und Rücknahmeabschläge angefallen ist und welcher Betrag dem Sondervermögen von der KAG oder einer mit ihr verbundenen Gesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft als Verwaltungsvergütung im Fall der Anlage in Anteilen eines anderen Sondervermögens berechnet wurde. Der ausführliche Prospekt muss Angaben über die Art der möglichen von den Anlegern des Sondervermögens zu tragenden Aufwendungen enthalten (§ 41 VI S. 2 InvG). Durch das InvÄndG wurde der Begriff der Transaktionskosten definiert (§ 41 II S. 3 InvG) und eine Erläuterungspflicht nach § 41 II a InvG eingeführt.
108
Der vereinfachte Verkaufsprospekt ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen, die in § 42 II S. 1 Nr. 1-5 InvG aufgeführt sind, und ist so zu gliedern und abzufassen, dass ihn ein Durchschnittsanleger leicht versteht (§ 42 II S. 1 InvG, Art. 28 III S. 1, 2 und Schema C in Anhang 1 der geänderten OGAW-Richtlinie). Hierdurch soll dem Anleger ermöglicht werden, die Anlagen in Sondervermögen besser zu vergleichen. Über die Pflichtinformationen hinaus dürfen daher keine Angaben enthalten sein, sofern nicht gesetzlich ein anderes erlaubt ist (§ 42 II S. 2 InvG).
109
d) Die investmentrechtliche Prospekthaftung. § 127 InvG normiert spezialgesetzlich eine Prospekthaftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Angaben im ausführlichen und im vereinfachten Verkaufsprospekt, die wesentliche Bedeutung für die Beurteilung der Anteile haben. Neben Tatsachen sind hiervon Werturteile und Prognosen erfasst (vgl. BGH WM 1982, 862 (865)). Eine Prospektangabe ist von wesentlicher Bedeutung, wenn sie im Hinblick auf Wert und Risiko der Anlage die Entscheidung eines durchschnittlichen Anlegers auch nur möglicherweise beeinflussen würde (näher z. B. Assmann/Schütze-Assmann, § 6 Rn. 86 f., 291). Im vereinfachten Prospekt können dies nur die Pflichtangaben nach § 42 II-IV InvG sein, weil grundsätzlich nur diese in den Prospekt aufgenommen werden dürfen (§§ 42 II S. 2, 127 II InvG). Im ausführlichen Prospekt können wesentlich auch die über den Mindestangabenkanon hinausgehenden Angaben sein. Die gesetzlichen Pflichtangaben dürften zumeist von wesentlicher Bedeutung sein, zwingend notwendig ist dies aber nicht; für eine unrichtige oder fehlende Widerrufs-
110
Geibel
1800
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
belehrung nach § 42 I S. 3 Nr. 17 InvG geht die Rechtsfolge des § 126 InvG vor. Die Prospekthaftung wird nicht mehr (wie noch nach § 127 II S. 1 InvG a. F., aufgehoben durch das InvÄndG) auf die Jahres- und Halbjahresberichte erstreckt, auch wenn die Berichte vor Vertragsschluss tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Für die Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit einer Prospektangabe ist entscheidend, wie sie ein durchschnittlicher Anleger verstehen kann und ob der so ausgelegte Inhalt die Wirklichkeit in ihren wesentlichen Einzelheiten korrekt und lückenlos abbildet. Bei der Beschreibung der Anlageziele und -politik nach § 42 I S. 3 Nr. 14 InvG ist der Gesamteindruck maßgebend (BGH WM 2005, 782 (784 ff.); OLG Frankfurt a. M. WM 2003, 2460 (2465)). Werturteile und Prognosen müssen auf einer korrekten und lückenlosen Tatsachengrundlage basieren und die allgemeinen Denk- und Erfahrungsgrundsätze beachten. 111
Hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität genügt nach § 127 I S. 1 InvG, dass der Anleger die Anteile „auf Grund“ des (angebotenen) ausführlichen oder vereinfachten Verkaufsprospekts erworben hat. Diesen Kausalzusammenhang muss an sich der Anleger beweisen (näher Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, 2002, S. 195 ff. 199), wobei der Beweis nach § 287 I S. 1 ZPO gelingen dürfte, wenn er im Prozess einen fehlerhaften Prospekt vorlegt (vgl. Assmann/Schütze-Assmann, § 6 Rn. 175 ff., 295 f.). Nicht erforderlich ist eine Ursächlichkeit der fehlerhaften Prospektangabe für den Anlageentschluss; doch fehlt der Schutzzweckzusammenhang, wenn die Anlage durch die Prospektangabe weniger günstig erscheint. Problematisch sind die Fälle, in denen der Anleger die Anteile vor der Existenz eines Prospekts erworben hat (eine dem § 13a VerkProspG ähnliche Vorschrift fehlt im InvG) oder nicht beweisen kann, dass ihm der Prospekt vor Erwerb der Anteile angeboten wurde, und nicht bereits ein Widerrufsrecht geltend gemacht werden kann. Darauf, ob in diesen Fällen wie bei §§ 44, 45 BörsG der Kausalzusammenhang für die Dauer einer durch die Einschätzung der Anlage in Fachkreisen erzeugten „Anlagestimmung“ vermutet werden kann (BGH, WM 1998, 1773 (1775)), kommt es nicht an (zweifelnd auch OLG Frankfurt a. M., WM 2003, 2460 (2466)); eine solche „Anlagestimmung“ wäre bei Investmentanteilen kaum beweisbar. Möglicherweise haftet aber die KAG wegen Verletzung der vorvertraglichen Prospektangebotspflicht nach §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB (vgl. Canaris, Rn. 2282 a. E.). Wurde ein unrichtiger Prospekt entgegen § 121 I S. 1, 3 InvG nicht angeboten, muss sie den Anleger so stellen, als wäre er angeboten worden und als hätte der Anleger den Prospekthaftungsanspruch geltend machen können (inzidente Prüfung von § 127 InvG). Existierte vor dem Anteilserwerb noch kein Prospekt, hätte – sofern man nicht § 121 I InvG als gesetzliches Verbot der Veräußerung von Anteilen ohne Prospekt auslegt – hierauf bei Vertragsschluss zumindest hingewiesen werden müssen. Fehlte ein Hinweis, kann vermutet werden, dass der Anleger die Anteile bei erfolgtem Hinweis nicht erworben hätte (zum Kausalitätsbeweis näher Geibel, a.a.O. S. 145 ff.).
112
Der jeweilige Verpflichtete (d. h. nach § 127 I S. 1 InvG die KAG, Kommissionäre oder Eigenhändler oder nach § 127 IV S. 1 InvG Anlage- oder Abschlussvermittler als Gesamtschuldner) haftet nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, doch ist die Beweislast insoweit gemäß § 127 III S. 1 InvG umgekehrt. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Anleger die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts beim Erwerb der Anteile kannte (§ 127 III S. 2, IV S. 2 InvG). Der Inhalt des Prospekthaftungsanspruchs ist auf Übernahme des Anteils Zug um Zug gegen Erstattung des vom Anleger bei Erwerb gezahlten Betrags gerichtet und insoweit einem schadensersatzrechtlichen Rückabwicklungsanspruch in gewisser Weise nachgebildet (näher Geibel, a.a.O. S. 85 f., 114 f., 126 (Fn. 265)). Ist der Anleger nicht mehr Inhaber des Anteils, wenn er von dem Prospektfehler erfährt, so ist sein Anspruch nach § 127 I S. 2 InvG auf die Differenz zwischen dem von ihm bei Erwerb gezahlten Betrag und dem Rücknahmepreis gerichtet, den der Anteil
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1801
im Zeitpunkt der Veräußerung hat. Der Prospekthaftungsanspruch verjährt entweder in einem Jahr seit Kenntniserlangung des Anlegers von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts (näher BGH, WM 1980, 825) oder jedenfalls nach drei Jahren seit Abschluss des Investmentvertrages (§ 127 V InvG). Der Prospekthaftungsanspruch konkurriert mit deliktischen Ansprüchen und mit der auf Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens beruhenden Haftung z. B. aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB (c. i. c.) bzw. aus der zivilrechtlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne (z. B. BGH, WM 2004, 2150 (2153)), ist aber lex specialis gegenüber der zivilrechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne (zum Streitstand z. B. Brinkhaus/Scherer-Schödermeier/Baltzer, § 20 KAGG Rn. 34). Den demgegenüber strengeren Haftungsmaßstab in § 127 III S. 1 InvG hat der Gesetzgeber belassen, so dass insoweit auch eine „verdrängende Rechtsfortbildung“ (Köndgen, AG 1983, 120 (130)) kaum mehr in Betracht kommt. 2. Der öffentliche Vertrieb von EG-Investmentanteilen. Eine ausländische Investmentgesellschaft mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder im EWR muss ihre Absicht, EG-Investmentanteile i. S. v. § 2 X InvG im Geltungsbereich des InvG öffentlich zu vertreiben, der BaFin unter Beifügung der in § 132 II S. 1 InvG genannten Unterlagen – ggf. mit einer deutschen oder englischen Übersetzung – anzeigen (§ 132 I, II InvG). Innerhalb von vier Wochen nach Eingang der Anzeige ist dieser von der BaFin zu bestätigen und ggf. eine Ergänzungsanzeige anzufordern (§ 132 III S. 1, 2 InvG). Wird die Ergänzungsanzeige nicht spätestens sechs Monate nach der Anzeige bzw. letzten Ergänzungsanzeige eingereicht, gilt der öffentliche Vertrieb nach § 132 III S. 3, 4 InvG als untersagt. Untersagt die BaFin den Vertrieb nicht gemäß § 133 II-IV, VII InvG, nachdem zwei Monate seit Eingang der vollständigen Anzeige vergangen sind, darf mit dem Vertrieb begonnen werden (§ 133 I InvG). Im Fall einer Untersagung gilt für eine erneute Anzeige eine einjährige Sperrfrist (§ 133 V InvG). Für den öffentlichen Vertrieb muss mindestens ein inländisches Kreditinstitut oder eine inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Kreditinstituts als Zahl- und Rücknahmestelle benannt und eine Informationsstelle eingerichtet werden, über welche die Anleger die vorgeschriebenen Informationen erhalten (§ 131 S. 1 InvG). Diese Stellen sind in den ausführlichen und in den vereinfachten Verkaufsprospekt aufzunehmen. Für „Umbrella-Konstruktionen“ gelten hinsichtlich der Benennung und der Untersagung des Vertriebs Sonderregelungen nach §§ 131 S. 3 Halbs. 2, 3, 133 IVa InvG. Die Verkaufsprospekte, der letzte Jahres- und Halbjahresbericht, die Ausgabe- und Rücknahmepreise sowie alle weiteren Unterlagen, die im Sitzstaat der Investmentgesellschaft publiziert werden müssen, sind gemäß § 122 I InvG im Geltungsbereich des InvG in deutscher Sprache zu veröffentlichen, wobei der deutsche Wortlaut nur für Prospekthaftungsansprüche zum allein maßgebenden wird (§ 123 S. 3, 4 InvG). Die BaFin überwacht die Einhaltung der Vertriebsvorschriften nach §§ 141, 142 InvG.
113
3. Der öffentliche Vertrieb von Anteilen an anderen ausländischen Investmentvermögen. Für den öffentlichen Vertrieb von ausländischen Investmentanteilen, die nicht EG-Investmentanteile sind und die nicht Anteile an ausländischen Single-Hedgefonds sind (§ 135 InvG), genügt ebenfalls eine Anzeige bei der BaFin gemäß § 139 I, II InvG. Hinsichtlich Eingangsbestätigung und Ergänzungsanzeige gilt Entsprechendes wie für EG-Investmentanteile (§ 139 III InvG). Für die Aufnahme des Vertriebs gilt nach § 140 I InvG eine 3-Monatsfrist seit Eingang der vollständigen Anzeige, sofern die BaFin den Vertrieb nicht gemäß §§ 136, 140 II-IV, VII InvG untersagt. Wie für EG-Investmentanteile besteht eine einjährige Sperrfrist für erneute Anzeigen (§ 140 V InvG). Der öffentliche Vertrieb von ausländischen Investmentanteilen, die nicht EG-Investmentanteile sind, unterliegt der Überwachung der BaFin nach §§ 141, 142 InvG sowie zahlreichen Voraussetzungen. Insbesondere hat die ausländische Investmentgesellschaft ei-
114
Geibel
1802
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
nen Repräsentanten nach §§ 136 I Nr. 2, 138 InvG zu benennen. Der ausführliche Verkaufsprospekt muss teilweise zusätzliche Angaben gemäß § 137 I, IV InvG enthalten. Ein vereinfachter Verkaufsprospekt ist unzulässig (§ 137 II InvG). Alle von der ausländischen Investmentgesellschaft gemäß § 122 II, III InvG zu veröffentlichenden Unterlagen und Informationen sowie sämtliche Werbeschriften sind ggf. ins Deutsche zu übersetzen, wobei allein der deutsche Wortlaut maßgebend ist (§ 123 S. 2, 3 InvG). Bei Verstößen gegen Vorschriften über die Werbung für die ausländischen Investmentanteile kann die BaFin nach § 124 III, IV InvG bestimmte Anordnungen bis hin zur Untersagung des Vertriebs treffen. Die Einstellung des öffentlichen Vertriebs muss unverzüglich im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht und der BaFin nachgewiesen werden; sind nur Teilfonds betroffen, müssen geänderte Unterlagen eingereicht werden (§ 140 VIII, IX InvG). 115
C. Die InvestmentAG nach dem InvG und die REIT-Aktiengesellschaft I. Die InvestmentAG. 1. Allgemeines. Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz vom 15.12.2003 wurde mit der InvestmentAG mit veränderlichem Kapital eine neue Rechtsform nach dem Vorbild insbesondere der luxemburgischen SICAV und ferner die InvestmentAG mit fixem Kapital eingeführt. Zunächst fand die Rechtsform der InvestmentAG vor 2004 keinerlei Beachtung, was vor allem an der steuerlichen Ungleichbehandlung gegenüber einer Anlage in einem Investmentfonds lag. Seit 2004 hat sich dies geändert: Die InvestmentAG ist nunmehr den Investmentfonds steuerrechtlich gleichgestellt, insbesondere ist sie von der KSt und der GewSt nach § 11 I S. 2 InvStG befreit. Mit dem InvÄndG hat der Gesetzgeber die von der Praxis unbeachtet gebliebene Form der InvestmentAG mit fixem Kapital wieder gestrichen und hat sich bemüht, das Vehikel einer InvestmentAG (nunmehr notwendig mit veränderlichem Kapital) attraktiver zu machen.
116
Für die InvestmentAG gelten grundsätzlich die Vorschriften über Aktiengesellschaften, soweit nicht das InvG anderes vorsieht (§ 99 I InvG). Nach § 99 V InvG ist das WpÜG nicht anzuwenden. Der in der Satzung festzulegende Unternehmensgegenstand einer InvestmentAG muss die Anlage ihres Gesellschaftsvermögens in Vermögensgegenstände i. S. v. § 2 IV InvG mit Ausnahme von Immobilien und Beteiligungen an Immobiliengesellschaften und an ÖPP-Projektgesellschaften sowie die Verwaltung dieses Vermögens nach dem Grundsatz der Risikomischung betreffen und auf das einzige Ziel gerichtet sein, die Anleger als Aktionäre (auch Anteilinhaber genannt) an dem Gewinn aus der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens zu beteiligen (§§ 2 V S. 1, 96 II InvG). Nebentätigkeiten dürfen nur im Rahmen des Unternehmensgegenstands betrieben werden, sofern sie mit diesen Geschäften unmittelbar verbunden sind; § 7 II InvG gilt nicht. Das Gesellschaftsvermögen darf entweder wie Richtlinienkonforme Sondervermögen, wie Gemischte oder Sonstige Sondervermögen oder wie Single- oder Dach-Hedgefonds mit den jeweils für solche Sondervermögen geltenden zulässigen Vermögensgegenständen und Anlagegrenzen verwaltet werden (§ 99 III InvG). Dürfen die Aktien einer InvestmentAG nach der Satzung ausschließlich von Anlegern gehalten werden, die keine natürlichen Personen sind, handelt es sich nach § 2 V S. 2 InvG um eine Spezial-InvestmentAG und es gelten zusätzlich §§ 91-95 InvG.
117
Die InvestmentAG würde zwar von der Rechtsform der AG her zur Kategorie der geschlossenen Fonds gehören (Rn. 3). Spätestens durch das InvÄndG wurde jedoch die InvestmentAG weitgehend dem open-end-Prinzip unterstellt. Erstens können nunmehr unbegrenzt Anlageaktien ausgegeben werden (§ 104 S. 1 InvG). Zweitens wird den Anlegern grundsätzlich das Recht zur Rückgabe ihrer Aktien gegen Auszahlung ihres Anteils am Gesellschaftskapital gewährt (§§ 2 V S. 1, 105 II S. 1, 99 III S. 1, 37 II, III InvG);
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1803
die InvestmentAG hat mithin grundsätzlich eine Pflicht zur Rücknahme von Aktien (näher Rn. 118). Neben der Rückgabe an die InvestmentAG haben die Anleger außerdem die Möglichkeit, ihre Aktien an der Börse zu veräußern, sofern die Aktien der InvestmentAG an einer Börse im Inland zugelassen sind. Durch die zahlreichen Abweichungen vom Aktienrecht wird der Typus der Aktiengesellschaft überdehnt (krit. auch z. B. Baums/ Kiem, in: FS Hadding, 2004, 741 (745 ff.); Köndgen/Schmies, WM 2004, SB 1, 1 (17)). 2. Besondere Vorschriften für Kapital und Verfassung. Das Grundkapital der InvestmentAG wird „Gesellschaftskapital“ genannt, weil es sämtliche Vermögensgegenstände umfasst, deren Wert und Zahl ständig schwankt, abzüglich der Verbindlichkeiten (§ 96 Ia InvG). Die Vorschriften über Kapitalaufbringung und -erhaltung nach §§ 182-240 AktG gelten nicht (§ 99 I InvG), zudem gilt die Zahlung des Anteilspreises bei der Rücknahme von Aktien nicht als Einlagenrückgewähr i.S.v. § 57 AktG (§ 105 II S. 4 InvG). Der Vorstand ist abweichend von den aktienrechtlichen Vorschriften gesetzlich ermächtigt, das Gesellschaftskapital jederzeit und ohne Begrenzung auf einen statutarischen Höchstbetrag durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen (§ 104 S. 1 InvG; zur früheren Regelung vor dem InvÄndG z. B. Baums/Kiem, in: FS Hadding, 2004, 741 (745 ff.); Hermanns, ZIP 2004, 1297 (1298 ff.)). Das Mindestanfangskapital der InvestmentAG beträgt 300.000 Euro; spätestens sechs Monate nach ihrer Eintragung im Handelsregister muss es auf 1,25 Mio. Euro erhöht worden sein (§ 96 V InvG). Das Gesellschaftskapital ist in nennbetragslose Stückaktien zerlegt, die im Grundsatz jeweils einen gleichen Anteil am Gesellschaftskapital vermitteln (§ 96 I S. 3, 4 InvG). Um die Möglichkeit z. B. der Anlage in Sparplänen zu eröffnen, kann die Satzung ausnahmsweise die Beteiligung nach Bruchteilen zulassen; in diesem Fall vermittelt eine Aktie nur den Bruchteil eines vollen Anteils. Die Aktien der InvestmentAG dürfen abweichend von § 36a AktG nur gegen volle Leistung des Ausgabepreises und grundsätzlich nicht gegen Sacheinlagen ausgegeben werden (§ 103 I InvG). Die Verpflichtung zur Rücknahme von Aktien (Rn. 117) unterliegt etwaigen statutarischen Beschränkungen gemäß §§ 37, 90i, 116 InvG. Sie besteht aber dann nicht, wenn durch die Rücknahme das Gesellschaftsvermögen den Schwellenwert von 1,25 Mio. Euro unterschreiten würde (§ 105 II S. 2 InvG). Durch jede Ausgabe von Aktien gegen Einlage wird das Gesellschaftskapital automatisch erhöht, durch jede Rücknahme von Aktien und damit einhergehender Auszahlung des Anteils wird das Gesellschaftskapital automatisch herabgesetzt, ohne dass eine Kapitalherabsetzung nach §§ 222 ff. AktG stattfinden müsste oder die Schranken für den Erwerb eigener Aktien hinderlich wären (§§ 104 S. 3, 105 III InvG). Der Wert einer Aktie ergibt sich aus der Teilung des Wertes des Gesellschaftsvermögens durch die Zahl der ausgegebenen Aktien. Für die Ermittlung des Aktienwertes und die Veröffentlichung von Ausgabe- und Rücknahmepreis gelten die Vorschriften des § 36 InvG entsprechend (§ 99 III InvG). Die Aktien der InvestmentAG werden in grundsätzlich stimmrechtslose Anlageaktien (§ 96 Ic InvG) für die Anleger und in Unternehmensaktien unterteilt, die zunächst von den Gründern übernommen und als Stimmrechts- und Namensaktien ausgegeben werden (§ 96 Ib InvG). Bei der Ausgabe neuer Aktien haben Unternehmensaktionäre ein Bezugsrecht entsprechend § 186 AktG, Anlageaktionäre nur dann, wenn ihnen ausnahmsweise ein Stimmrecht zusteht (§ 104 S. 2 InvG). Das Recht zur Rückgabe von Aktien besteht nach dem Zweck der Regelung nur hinsichtlich der Anlageaktien, nicht der Unternehmensaktien (vgl. auch § 96 Ib S. 5, 6 InvG).
118
Die Satzung einer InvestmentAG muss den Anforderungen entsprechen, die bei Investmentfonds an Vertragsbedingungen gestellt werden (§ 43 InvG, ggf. § 118 InvG). Für sie gilt seit dem InvÄndG keine aktienrechtliche Satzungsstrenge nach § 23 V AktG (§ 99 I InvG). Der damit einhergehende verminderte Aktionärsschutz soll nach dem Wil-
119
Geibel
1804
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
len des Gesetzgebers durch den „intensiveren“ und „institutionalisierten“ Anlegerschutz des InvG ersetzt werden (BR-Drucks. 274/07, S. 193 f., 202), was im Einzelnen zweifelhaft sein kann. Nicht mehr zwingend Inhalt der (notariell zu beurkundenden) Satzung sind gemäß § 96 Id InvG die Anlagebedingungen, die aber die Mindestangaben nach § 43 IV InvG enthalten, den Anforderungen des § 43 II, III InvG entsprechen und zusammen mit der Satzung veröffentlicht oder zur Verfügung gestellt werden müssen. Hinsichtlich der Verfassung der InvestmentAG werden durch das InvÄndG die Vorschriften der §§ 76, 96, 101, 103, 111 AktG näher konkretisiert. Für den Vorstand gilt (mindestens) das Vier-Augen-Prinzip (§ 106 S. 1 InvG), außerdem wird er den Verhaltensregeln unterstellt, wie sie nach § 9 I S. 2, II Nr. 1-3 InvG für eine KAG gelten (§ 106 S. 2, 3 InvG). Die Vorschriften für den Aufsichtsrat einer InvestmentAG sind denjenigen für den Aufsichtsrat einer KAG angenähert (§ 106a InvG; zu § 106b InvG siehe Rn. 13). Soweit Vorstand und Aufsichtsratsmitglieder auf das Aktionärsinteresse verpflichtet werden, ist damit nach dem Zweck des InvG nur das Interesse der Anlageaktionäre gemeint, nicht das der Unternehmensaktionäre. Insbesondere bleibt es dabei, dass der Vorstand nicht an Weisungen bestimmter Aktionäre gebunden ist (§ 76 I AktG). 120
3. Besondere Vorschriften für den Geschäftsbetrieb. Zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs einer InvestmentAG ist die schriftliche Erlaubnis der BaFin notwendig (§ 97 I InvG), die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist (zu Erlaubnisverzicht und -aufhebung § 97 II, III InvG). Insbesondere muss die InvestmentAG ein Mindestanfangskapital von 300.000 Euro aufweisen und ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Geltungsbereich des InvG haben. Sonderregeln nach § 97 Ia InvG hat das InvÄndG für eine selbstverwaltende InvestmentAG eingeführt, die nicht gemäß § 96 IV InvG von einer KAG „fremd“ verwaltet wird, ferner Sonderregeln für eine InvestmentAG, die der „Umbrella-Konstruktion“ folgt (§ 97 IV, V InvG). Während die InvestmentAG eine KAG mit der Verwaltung beauftragen kann (§ 96 IV InvG), aber nicht muss, ist eine Depotbank zwingend zu beauftragen, für welche die §§ 20-29 InvG gelten (§§ 97 I S. 3 Nr. 5, 99 III InvG). Die Verwahrungsfunktion der Depotbank dient hier nicht der Vermögenstrennung, weil das Gesellschaftsvermögen der InvestmentAG de iure getrennt ist, sondern der Kontrolle und dem Anlegerschutz. Für die Rechnungslegung gelten §§ 110 ff. InvG, insbesondere muss der Abschlussprüfer die Einhaltung der Vorschriften des InvG prüfen. Die InvestmentAG unterliegt nach § 5 InvG der Aufsicht der BaFin, auch im Hinblick auf die Durchführung des Geldwäschegesetzes (§§ 99 II S. 2 InvG, 16 Nr. 2 GwG). Für vor dem 28.12.2007 bestehende Investmentaktiengesellschaften enthält § 146 InvG detaillierte Übergangsvorschriften, insbesondere sind die Änderungen durch das InvÄndG erst ab 1.7.2010 anzuwenden.
121
II. Die REIT-Aktiengesellschaft nach dem REIT-Gesetz im Überblick. Seit 1.6.2007 sind rückwirkend zum 1.1.2007 durch das REIT-Gesetz (REIT-G, BGBl. I, 2007, S. 914) REIT-Aktiengesellschaften (REIT = Real Estate Investment Trust) eingeführt worden. Durch sie sollen ähnlich wie bei der InvestmentAG seit 2004 steuerliche Anreize dadurch gegeben werden, dass auf der Ebene der REIT-Aktiengesellschaft (REIT-AG) gemäß § 16 I REIT-G weder KSt noch GewSt anfällt. Ihr Unternehmensgegenstand ist kraft Gesetzes auf die in § 1 I REIT-G genannten Tätigkeiten beschränkt, insbesondere auf den Erwerb, das Halten und Verwalten sowie die Veräußerung von Eigentum und dinglichen Nutzungsrechten an inländischen Immobilien – mit Ausnahme von überwiegend Wohnzwecken dienenden und vor dem 1.1.2007 erbauten Bestandsmietwohnimmobilien (§ 3 IX REIT-G) – sowie ausländischen, nach dem Recht des Orts der Belegenheit „REITfähigen“ Immobilien. Zulässige Anlagegegenstände sind auch Anteile an Immobilienpersonengesellschaften, an deren Komplementär-Kapitalgesellschaften, an REIT-Dienst-
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1805
leistungsgesellschaften und an Auslandsobjektgesellschaften (§§ 1 I Nr. 2-5, 3 I-III REITG). Ein Immobilienhandel i. S. v. § 14 II REIT-G darf nicht betrieben werden, sonst entfällt die Steuerbefreiung nach § 18 II REIT-G. § 12 REIT-G enthält verschiedene Anforderungen an die Zusammensetzung des Vermögens und der Erträge, v. a. müssen am Geschäftsjahresende mindestens 75% der Aktiva zum unbeweglichen Vermögen gehören (§ 12 II lit. a REIT-G). Im Fall eines Verstoßes wird eine Sanktionszahlung nach § 16 III, IV REIT-G festgesetzt. Die REIT-AG muss ein Grundkapital von mindestens 15 Mio. Euro aufweisen (§ 4 REIT-G). Ihr Eigenkapital darf am Geschäftsjahresende nicht weniger als 45% des anzusetzendes Wertes ihres unbeweglichen Vermögens betragen. Bei der REIT-AG findet eine Annäherung an eine semi-closed-end-Struktur dadurch statt, dass für ihre Aktien eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt i. S. v. § 2 V WpHG in einem EU-Mitgliedsstaat oder im EWR bestehen muss (§ 10 I REIT-G). Befinden sich innerhalb von drei Wirtschaftsjahren nicht mindestens 15% der Aktien in Streubesitz, entfällt die Steuerbefreiung nach § 18 III REIT-G. Um zu verhindern, dass ausländische Aktionäre in den Genuss eines Schachtelprivilegs nach einem DBA oder der Mutter-Tochter-Richtlinie kommen, sieht § 11 IV S. 1 REIT-G eine Höchstbeteiligungsquote vor: Hinsichtlich der Aktien oder Stimmrechte darf kein Aktionär 10% oder mehr für eigene oder fremde Rechnung halten. Verstößt ein Aktionär hiergegen, kann der Aktionär nur die Rechte aus einer Beteiligung von weniger als 10% geltend machen (§ 16 II REIT-G). Die Steuerbefreiung der REIT-AG entfällt erst nach einem drei Jahre andauernden Verstoß nach Maßgabe von § 18 III REIT-G. Die Aktien müssen abweichend von §§ 11, 12 I S. 2 AktG gleiche Rechte gewähren und dürfen nicht ohne Stimmrecht und nur gegen Leistung des vollen Ausgabebetrages ausgegeben werden; ein Anspruch auf Verbriefung besteht abweichend von § 10 V AktG nicht (§ 5 REIT-G). Als Gegenstück zur Steuerfreiheit der Erträge auf der Ebene der REIT-AG muss diese nach Maßgabe von § 13 REIT-G mindestens 90% ihres Jahresüberschusses an ihre Aktionäre ausschütten, wobei eine Rücklage aus maximal der Hälfte der Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens gebildet und innerhalb von zwei Jahren nach der Einstellung im Jahresabschluss aufgelöst und ausgeschüttet werden muss. Wird hiergegen verstoßen, setzt die zuständige Finanzbehörde eine Sanktionszahlung nach § 16 V REITG fest. Angesichts der zahlreichen Gefahren, dass wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des REIT-G Sanktionszahlungen verhängt werden oder die Steuerbefreiung der REIT-AG entfällt oder endet, ist die Anlage in Aktien einer REIT-AG mit hohem Risiko verbunden (näher z. B. Ziemons, BB 2007, 449 (451 f.)).
122
D. Die geschlossenen Fonds in der Form einer Publikumspersonengesellschaft im Überblick
123
I. Frage der Eignung der Rechtsform einer Personengesellschaft für Investmentzwecke. Grundsätzlich eignen sich die Rechtsformen der GbR, der OHG oder KG (meist einer GmbH & Co KG) organisationsrechtlich für die Zwecke einer das Investmentgeschäft betreibenden Publikumsgesellschaft. Das Halten und Verwalten auch nur eines einzigen Vermögensgegenstandes kann gemeinsamer Zweck i. S. v. § 705 BGB sein (arg. e § 105 II S. 1 HGB; z. B. BGH, NJW 1982, 170 (171), NJW-RR 1991, 422 (423)). Dass einer Publikumspersonengesellschaft als Kapitalsammelstelle eine unbestimmte Zahl von Gesellschaftern beitreten, die auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrags keinen Einfluss nehmen können, die untereinander keine rechtliche Bindungen eingehen und von vornherein keinerlei Geschäftsführungsaufgaben übernehmen wollen, ist dem Recht der GbR oder OHG allerdings fremd. Das Recht der KG wird den Bedürfnissen des Investmentgeschäfts immerhin noch am besten gerecht, enthält aber manche Hindernisse wie z. B.
Geibel
1806
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
die Pflicht zur Anmeldung der Bezeichnung und des Einlagebetrages eines jeden Kommanditisten zum Handelsregister nach § 162 I HGB. Im Hinblick auf die Besonderheiten vor allem des Investmentgeschäfts hat sich in Rechtsprechung und Kautelarpraxis seit langem ein Sonderrecht vor allem für den Beitritt von neuen Gesellschaftern sowie für die Binnenorganisation und den Minderheitenschutz in einer Publikumspersonengesellschaft herausgebildet. 124
II. Sonderrecht für Gesellschafterbeitritt, Binnenorganisation und Minderheitenschutz. Zur Aufnahme von Anlegern als neuen Gesellschaftern kann im Gesellschaftsvertrag die Publikumspersonengesellschaft selbst oder z. B. ein Gründungsgesellschafter ermächtigt werden, weil der an sich notwendige Aufnahmevertrag mit allen bisherigen Gesellschaftern bei der Vielzahl von Anlagegesellschaftern nicht praktikabel wäre (vgl. z. B. BGH NJW 1978, 1000). Wird ein neu Beitretender von dem Ermächtigten oder dessen Erfüllungsgehilfen vor Vertragschluss fehlerhaft aufgeklärt, kann dies den bisherigen Anlagegesellschaftern grundsätzlich nicht nach § 278 BGB zugerechnet werden (z. B. BGH NJW-RR 1992, 542 (543)). Nach der Rechtsprechung kann trotz des Grundsatzes der Selbstorganschaft im Gesellschaftsvertrag a priori ein Nichtgesellschafter in weitem Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben betraut und mit einer umfassenden, nur aus wichtigem Grund widerrufbaren Vollmacht ausgestattet werden (z. B. BGH NJW 1982, 877 (878), 2495 f.). Gesellschafterbeschlüsse können mit Mehrheit gefasst werden, ohne dass in einer gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklausel die Beschlussgegenstände im Einzelnen bestimmt sein müssten (z. B. BGH NJW 1976, 958, NJW 1978 1382; zum Bestimmtheitsgrundsatz allgemein BGH NJW 2007, 1685 (1686 f.)). Auch wenn wegen eines Eingriffs in den Kernbereich der Mitgliedschaft die Zustimmung aller Anlagegesellschafter notwendig sein sollte, können die einzelnen Gesellschafter aufgrund ihrer Treuepflicht zur Zustimmung verpflichtet sein (z. B. BGH NJW 1985, 972, 974, NJW 1987, 3121 (3122), NZG 2007, 382). Nachschusspflichten können Anlagegesellschafter jedoch grundsätzlich nur dann treffen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag eindeutig vereinbart wurde und die nachzuschießenden Beiträge der Höhe nach bestimmt oder objektiv bestimmbar sind (z. B. BGH ZIP 2006, 562; 754; NZG 2007, 382). Für die Auslegung des Gesellschaftsvertrags einer Publikumspersonengesellschaft sind besondere Grundsätze anzuwenden (näher Ulmer, § 705 Rn. 175). Vielfältige Besonderheiten gelten ferner für den Fall, dass die Anleger nicht selbst beitreten, sondern einen Treuhandvertrag mit einem Treuhandkommanditisten oder -gesellschafter schließen (vgl. z. B. BGH NJW 1987, 2677; NJW-RR 2003, 1342,
125
III. Prospekthaftung und allgemeine Haftung bei Vermittlung und Finanzierung von Anteilen an geschlossenen Fonds. Die Rechtsprechung hat die aus der c. i. c. und anderen Fällen der Vertrauenshaftung fortgebildete zivilrechtliche Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne vor allem in Bezug auf die Publikumspersonengesellschaft entwickelt (z. B. BGHZ 71, 284; 79, 337; 83, 222). Auch ein Gründungskommanditist haftet, sofern er nicht reiner Kapitalanleger ist (z. B. BGHZ 72, 382). Die Ansprüche aus einer Prospekthaftung im engeren Sinne, die auf der Inanspruchnahme eines typisierten Vertrauens beruht, verjähren nach der Rechtsprechung „analog“ der für die investmentrechtliche Prospekthaftung geltenden Vorschriften (z. B. BGH WM 1990, 146 (148); NJW 2002, 1711; näher Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, S. 378 ff.). § 127 V InvG sieht wie § 46 BörsG nunmehr eine einjährige kenntnisabhängige Verjährungsfrist vor. Der Gesetzgeber ist mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) noch einen Schritt weiter gegangen und hat eine Prospekt(-herausgabe-)pflicht nach § 8f I VerkProspG auch für den „grauen Kapitalmarkt“, insbesondere für geschlossene Fonds eingeführt. Für den Prospektinhalt gilt § 8g VerkProspG. Die Prospekthaftung richtet sich nach
Geibel
§ 59 Investmentgeschäft
1807
§§ 13, 13a VerkProspG, 44-47 BörsG, welche die Rechtsprechungsgrundsätze zur zivilrechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne ersetzen. Die Vorschriften des § 8i VerkProspG über die Prospektprüfung durch die BaFin werden vielfach als unzureichend kritisiert. Neben der Prospekthaftung gelten für die Haftung von Vermittlern und von den Erwerb des Fondsanteils finanzierenden Banken die allgemeinen Grundsätze. Diese sind von der Rechtsprechung teilweise anhand von Fällen entwickelt worden, die Anteile an geschlossenen Fonds betrafen (näher z. B. Habersack, BKR 2006, 305 ff.; insbesondere bei Widerruf eines finanzierten Fondsbeitritts z. B. BGHZ 156, 46; 159, 280; ZIP 2006, 1187). IV. Aufsicht. Der geschäftsführende Gesellschafter eines in der Form einer Publikumspersonengesellschaft organisierten geschlossenen Fonds übt die Finanzportfolioverwaltung i. S. v. § 1 Ia S. 2 Nr. 3 KWG aus und bedarf unter den Voraussetzungen des § 32 KWG der Erlaubnis (vgl. BVerwG ZIP 2005, 385 (387 ff.); BVerfG ZIP 2006, 1484 f.). Als Finanzdienstleistungsinstitut unterliegt er der Aufsicht der BaFin (zu aufsichtsrechtlichen Folgerungen, wenn die Finanzmarktrichtlinie (MiFID) für geschlossene Fonds gälte, z. B. Voß, BKR 2007, 45 ff.).
Geibel
126
“This page left intentionally blank.”
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1809
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
Schrifttum Bittner, Sonstige Beratungshaftung im Bankrecht, BADK-Information 2005, 138; Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 1998; Brückner, Online Banking, 2002; Einsele, Das UNIDROIT-Projekt zu intermediärverwahrten Wertpapieren als Konzept für eine Modernisierung des deutschen Depotrechts, WM 2005, 1109; Wertpapiere im elektronischen Bankgeschäft, WM 2001, 7; Emmerich, Haftung bei Schrankfachverträgen, JuS 1997, 563; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht, 2005; Hammen, Zur Haftung bei der Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, ZBB 1993, 239; Henrich, Die Anknüpfung von Sparund Depotverträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall, FS Lorenz, 1991, S. 379; Horn, Die Erfüllung von Wertpapiergeschäften unter Einbeziehung eines Zentralen Kontrahenten an der Börse – Sachenrechtliche Aspekte –, WM 2002, SB 2; Klimke, Korrekturhilfen beim Online-Vertragsschluss, CR 2005, 582; Lange, Informationspflichten von Finanzdienstleistern, 2000; Obermüller, Auswirkungen der Insolvenz des Bankkunden auf die Kontobeziehung und den Zahlungsverkehr, ZInsO 1998, 252; Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, 1954; Depotgesetz, 2. Auflage 1955; Paech, Grenzüberschreitende Wertpapierverfügungen – Rechtssicherheit und Effizienz durch Kompatibilität des Depotrechts, WM 2005, 1101; Peters, Die Verwahrung und Verwaltung von Effekten, JuS 1976, 424; Pikart, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verwahrungsvertrag, WM 1962, 862; Ruth, Das Depotgesetz und seine Reform, 1930; Tersteegen, Bankgeschäfte mittels Vorsorgevollmacht – Verpflichtung der Banken zur Anerkennung von Vorsorgevollmachten?, NJW 2007, 1717; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage 2003. Inhaltsübersicht A. Verwahrungsgeschäft – Allgemeiner Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Gegenstände, Rechtsnatur, Vertragstypen und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Regelmäßiger Verwahrungsvertrag – eigentliche Verwahrung . . . . . . . . . . . . . 2 2. Mietvertrag über Schrank-, Schließ-, Tresorfach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3. Depotvertrag – uneigentliche Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 II. Vertragsparteien und -pflichten . . . . . . . . . . 5 III. Vertretung und Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . 6 IV. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 V. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 B. Regelmäßiger Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . . 9 I. Gegenstand, Rechtsnatur und Abgrenzung . 9 II. Vertragliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Weitere Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 IV. Besitz- und Eigentumsrechte . . . . . . . . . . 12 V. Pfand- und Zurückbehaltungsrechte . . . . . 13 VI. Regelungen, Rechte im und für den Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 VII. Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . . 15 C. Depotgeschäft, Depotvertrag . . . . . . . . . . . . . . 16 I. Gegenstand, Rechtsnatur und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Struktur und Einteilung der Depotformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Formen der Verwahrung (nach dem DepG), Besitz- und Eigentumsrechte . . . . 27 1. Sonderdepot – Sonderverwahrung . . . . 28 2. Sammeldepot – Sammelverwahrung – Sammelbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Tauschdepot – Tauschverwahrung . . . . 35 4. Sonstige Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
III. Vertragliche Grundpflichten . . . . . . . . . . . 1. Verwahren und Verwalten . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten beim e-Depot . . . . . . . IV. Pflichten beim Ankauf von Wertpapieren (Einkaufskommission) . . . . . . . . . . . . . . . V. Überwachungs-, Informations- und Beratungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Depotvertrag und Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . 2. Stimmrechtsausübung (Depotstimmrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Pfand- und Zurückbehaltungsrechte . . . . . VII. Regelungen, Rechte im und für den Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . IX. Auslandsaufbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . X. Depotverwahrung und Finanzverwaltung . XI. Depotaufsicht und -prüfung . . . . . . . . . . . D. Schrank-, Schließ-, Tresorfachvertrag . . . . . . . I. Gegenstand, Rechtsnatur und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besitz- und Eigentumsrechte . . . . . . . . . . V. Pfand- und Zurückbehaltungsrechte . . . . . VI. Regelungen, Rechte im und für den Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Insolvenz und Zwangsvollstreckung . . . . E. Tresor- und Safevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gegenstand, Rechtsnatur und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besitz- und Eigentumsrechte . . . . . . . . . . F. Verwahrungsgeschäfte und Prozessrecht . . . . . I. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . II. Vorlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . .
Itzel
39 39 43 44 45 45 46 48 50 53 57 58 59 60 60 61 62 63 64 66 67 69 69 70 72 73 73 78 79
1810
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Stichwortverzeichnis Ankauf von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Auslandsaufbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Auslandsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Auslandsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Beendigung, Verwahrungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . 8 Beleihungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 34, 61, 63, 72 Besitzwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71, 75 ff. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . 73 ff. Depotaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Depotauszug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Depotgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Depotprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Depotstimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 f. Depotvertrag, Depotgeschäft . . 4, 16 ff., 39 ff., 45 ff. Drei-Punkte-Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Drittverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 29, 57 e-Depot, e-Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 43 Eigentum . . . . . . 12, 28, 30, 32 f., 35, 44, 63, 72, 74 Einkaufskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Erbrechtliche Regelungen, Erbfall . . . . . 14, 50 ff., 66 Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 58 Gegenstände, ungefährliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Girosammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 30 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 31, 47 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 53 ff., 67 Interessewahrungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Legitimationsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 62 Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 60 Oder-Depot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 37 Organisations- und Überwachungspflichten . . 71, 76 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 48, 64 f., 68 Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 ff. Safevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 ff. Sammelurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1
Sammelverwahrung, Sammeldepot . . . . 20, 24, 30 ff. Schließfachvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 ff. Schrankfachkartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Schrankfachvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 ff. Schrankfachvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Sonderverwahrung, Sonderdepot . . . . . . . . . .24, 28 f. Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 47 Streifbanddepot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Stückeverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Summendepot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Tauschverwahrung, Tauschdepot . . . . . . . . . . . . . . 35 Tresorfachvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 ff. Tresorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 ff. Treuhänderisches Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . 50, 57 Verfügungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Vermieterpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 51 Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Verwahren und Verwalten . . . . . . . . . . . . . 1, 4, 39 ff. Verwahrstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 10 Verwahrungsbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 40 Verwahrungsverhältnisse, mehrgliedrige . . . . . . 5, 25 Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 2, 9 Vorlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Wertpapierankauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 57 Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Wertpapier-Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Wertpapiersammelbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 13, 49, 65 Zuständigkeit, internationale . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 56 Zwischenverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
A. Verwahrungsgeschäft – Allgemeiner Überblick I. Gegenstände, Rechtsnatur, Vertragstypen und Abgrenzungen. Im Bankenbereich werden unter dem Begriff „Verwahrung“ eine Vielzahl ganz verschiedener Lebenssachverhalte mit ganz unterschiedlichen rechtlichen Regelungen verstanden, wobei der Sprachgebrauch in den verschiedenen Gesetzen (u. a. KWG, DepG, BGB) nicht einheitlich ist. Einer „Verwahrung“ kann ein regelmäßiger Verwahrungsvertrag (dazu unten B. Rn. 9 ff.), ein Geschäftsbesorgungsvertrag (Depotvertrag – dazu unten C. Rn. 16 ff.), ein Mietvertrag (Schrankfachvertrag u. a. – dazu unten D. Rn. 60 ff.) oder ein gemischttypischer Vertrag (Safevertrag – dazu unten E. Rn. 69 ff.) zugrunde liegen. „Verwahrt“ werden kann aber – außerhalb des Bankenbereichs – auch durch Hinterlegung, öffentlich-rechtliche Verwahrung und in besonderer amtlicher Verwahrung (grundlegend Pikart, WM 1962, 862 ff., s. auch Palandt-Sprau, § 688 Rn. 12-14). Besonders ist die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für Andere als Bankgeschäft nach § 1 I Nr. 5 KWG hervorgehoben; dies ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eindeutig das dominierende Verwahrungsgeschäft der Banken. Grundlegende Regelungen hierfür sind im Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz – DepG) festgelegt.
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1811
Es finden sich bei den Verwahrungsgeschäften der Banken drei Grundtypen, die ganz unterschiedlichen Interessenlagen dienen und rechtlich eigenständig ausgeformt sind: 1. Regelmäßiger Verwahrungsvertrag – eigentliche Verwahrung. Hier wird die Hülle, das Behältnis mit (unbekanntem) Inhalt der Bank zur sicheren Aufbewahrung (Verwahrung) übergeben (sog. verschlossenes Depot). Je nach Grad der erforderlichen Sicherheit kann die Aufbewahrung dann auch in Schrankfächern oder Tresoren der Bank erfolgen. Wichtig: ein konkreter Gegenstand, eine bewegliche Sache wird verschlossen in Obhut gegeben, wobei der Verwahrer (Bank) den Inhalt nicht kennt und diesen Gegenstand dem Hinterleger wieder zurückgeben muss.
2
2. Mietvertrag über Schrank-, Schließ-, Tresorfach. Die Bank stellt nur den Raum zur sicheren Aufbewahrung zur Verfügung; ob und welcher Inhalt sich darin befindet, weiß sie nicht. Die Bank sichert nur den Zugang und die Gesamtanlage. Sie hat keine (Haupt-)Pflicht zur Obhut und Herausgabe der eingebrachten Gegenstände im Schrankfach (Emmerich). 3. Depotvertrag – uneigentliche Verwahrung. Regelmäßig werden Wertpapiere in Sammelverwahrung genommen, wobei die Bank genau weiß, was, welche Papiere der Kunde bei ihr einbringt (sog. offenes Depot). Es handelt sich hier nicht um eine Verwahrung im bürgerlich-rechtlichen Sinn (vgl. § 688 BGB). Die „Verwahrung“ von Wertpapieren ist in ihren vielfältigen Formen im DepG geregelt (dazu unten C. Rn. 16 ff.). Beim Depotvertrag können weitere vertragliche Abreden (u. a. Einkaufskommission, Vermögensbetreuung) eine für die Vertragsparteien entscheidende Rolle spielen. Die regelmäßige Form ist das Verwahren und Verwalten der Wertpapiere. II. Vertragsparteien und -pflichten. Bei den Verwahrungsgeschäften stehen sich regelmäßig der Kunde als Hinterleger und die Bank als Verwahrer gegenüber. Die vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten folgen aus Gesetz und den Präzisierungen in den AGB der Banken und Sparkassen (Sonderbedingungen/Bedingungen für ..., s.o. § 3 Rn. 119). Die Verwahrung selbst erfolgt oft bei Dritten (Drittverwahrung). Bei diesen Geschäften handelt es sich um auf längere Zeit (auf Dauer) angelegte Vertragsverhältnisse, womit besondere Fürsorge-, Hinweis- und Informationspflichten (vertragliche Nebenpflichten) verbunden sein können. Der Verwahrungsvertrag kann grundsätzlich formlos geschlossen werden. Oft finden sich auch mehrgliedrige Verwahrungsverhältnisse zwischen Kunden, (lokaler) Vertragsbank, Hauptstelle und Wertpapiersammelbank.
3
III. Vertretung und Vollmacht. Alle diese Verwahrungsgeschäfte können und werden auch zu einem nicht unerheblichen Anteil über Vertreter vorgenommen. Regelmäßig finden bankübliche Vollmachtformulare für die ganz unterschiedlichen Fallkonstellationen Anwendung (zu notariell beurkundeten (Vorsorge-)Vollmachten Tersteegen, NJW 2007, 1717 ff.). Auch bei Vertreterhandeln muss eindeutig feststehen, wem das Geschäft wirtschaftlich, vor allem auch steuerrechtlich zuzurechnen ist. Besonderheiten können nach Abschluss einer umfassenden Trennungs- und Ehescheidungsfolgenvereinbarung auftreten, wenn zuvor der eine Ehegatte stets nur in Vollmacht gehandelt hat. Bis zum Widerruf bleibt die Vollmacht im Außenverhältnis (gegenüber der Bank) wirksam. Im Innenverhältnis ist der Ehegatte allerdings nicht mehr zu Verfügungen über den Verwahrungsgegenstand berechtigt, sofern nicht etwas Abweichendes vereinbart wurde (OLG Celle EzFamR aktuell 2001, 162). IV. Haftung. Die Bank haftet bei „Verwahrungen“ unabhängig von der Ausgestaltung der Vertragpflichten im Einzelnen grundsätzlich für die sichere Aufbewahrung und ist bei Verletzung dieser Pflicht dem Kunden ersatzpflichtig.
6
Itzel
4
5
7
1812
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
8
V. Beendigung. Die vertraglichen Beziehungen enden bei den vorliegenden Dauerschuldverhältnissen durch Kündigung (regelmäßige oder außerordentliche) oder bei Befristung durch Zeitablauf. Kündigungsmöglichkeiten bestehen insbesondere für die Bank bei Nichtzahlung des vereinbarten Entgeltes (Verwahrgebühr, Mietzins, Depotgebühr).
9
B. Regelmäßiger Verwahrungsvertrag I. Gegenstand, Rechtsnatur und Abgrenzung. Der Hinterleger übergibt dem Verwahrer (Bank) bewegliche Sachen beliebiger Art (Schmuckgegenstände, Uhren, Gemälde, Kunstgegenstände, Urkunden usw.), die regelmäßig in Behältnissen verschlossen, verplombt oder versiegelt sind, so dass die Bank vom Inhalt keine Kenntnis hat (sog. verschlossenes Depot); es greifen die Regelungen der §§ 688 ff. BGB ein. Die Verwahrung bezieht sich stets auf einen konkreten Gegenstand (Verwahrstück). Es handelt sich nicht um ein Bankgeschäft i. S. v. § 1 KWG. Abgrenzung: Beim offenen Depot (s. u. Rn. 16 ff.) werden Wertpapiere offen und unverschlossen übergeben, die Bank hat gerade Kenntnis des Inhalts. Des Weiteren kann sich die „Depotverwahrung“ in besonderen Fallkonstellationen auch nur auf schuldrechtliche Ansprüche beziehen (s. u. Rn. 36, 57).
10
II. Vertragliche Pflichten. Der Verwahrer (Bank) ist dem Hinterleger zur sorgfältigen, sicheren Aufbewahrung („Obhut“) des Verwahrstücks verpflichtet. Der Hinterleger muss das vereinbarte Entgelt zahlen. Die Aufbewahrungspflicht beschränkt sich für die Bank auf die „äußere Hülle“ (Behältnis), irgendwelche Pflichten bezüglich des (ihr unbekannten) Inhalts treffen sie nicht. Dies gilt auch für den Fall, dass Wertpapiere in Eigenverwahrung (durch den Kunden) bei einer Bank gesichert aufbewahrt werden sollen, ohne dass Fremdverwahrung i. S. eines Depotvertrages durch die Bank vereinbart wurde. In diesem Fall kennt die Bank die Papiere gerade nicht. Im Gegensatz zum Depotvertrag hat in diesem Fall die Bank keinerlei Verwaltungs-, Überwachungspflichten hinsichtlich dieser Papiere. Die Bank hat dem Kunden während der üblichen Geschäftszeiten Zugang zu dem Verwahrungsgegenstand zu gewähren und ihm nach Beendigung des Verwahrungsvertrages das Verwahrstück herauszugeben.
11
III. Weitere Pflichten. Bei der Annahme von Geld und Wertsachen (Wertpapiere, Kostbarkeiten) hat die Bank eine Legitimationsprüfung des Hinterlegers (Gewissheit über die Person, Anschrift des Verfügungsberechtigten) vorzunehmen und die Angaben niederzulegen (§ 154 II AO). Auch wenn die Bank regelmäßig gerade beim Verwahrungsvertrag keine Kenntnis des Verwahrstück-Inhalts hat, so muss sie allein wegen der besonderen Art der Verwahrung davon ausgehen, dass ihr Wertsachen übergeben wurden und die Legitimationsprüfung hat im Regelfall zu erfolgen. Bei Angabe falscher oder erfundener Personendaten hat die Bank die Herausgabe der Verwahrstücke bis zur Freigabe durch das jeweils zuständige Finanzamt zu verweigern. Auch muss sie klären, wer der wirtschaftlich Berechtigte an dem verwahrten Inhalt ist, § 8 GwG (zu dem Pflichtenumfang vgl. Fischer/Klanten, S. 170 f. – Erbfall –, S. 185 ff. – Geldwäschegesetz; s. auch oben § 70 Rn. 14).
12
IV. Besitz und Eigentumsrechte. Die Besitz- und Eigentumslage (regelmäßig unmittelbarer Eigenbesitz) an den verwahrten Gegenständen wird durch die Verwahrung nicht geändert. Die Bank (Verwahrer) erwirbt weder eine Eigentums- noch eine Besitzposition. Trotz der tatsächlichen Sachherrschaft hat sie nach einhelliger Meinung wegen fehlenden Besitzwillens (keine Kenntnis des Inhaltes) keinen Besitz am Inhalt der Verwahrstücke. Die Bank will in diesen Fällen gerade nicht wissen, welche konkreten Gegenstände sie verwahrt, in ihrer Obhut hält. Bei mehreren Hinterlegern darf auch nur an alle gemeinsam
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1813
wieder herausgegeben werden (abw. Weisungen sind aber selbstverständlich möglich). An dem übergebenen verschlossenen Behältnis selbst hat der Verwahrer (Bank) regelmäßig unmittelbaren Fremdbesitz. Die Eigentumsübertragung der Verwahrstücke erfolgt regelmäßig entweder über §§ 930 BGB (Veräußerer wird als mittelbarer Fremdbesitzer Besitzmittler der Verwahrstücke für den Erwerber) oder aber über 931 BGB, indem der vertragliche Herausgabeanspruch hinsichtlich des verschlossenen Behältnisses gegen die Bank an den Erwerber abgetreten wird. Gehört das Verwahrstück nicht dem Hinterleger, dann richtet sich das Herausgabeverlangen (§§ 985 ff. BGB) ausschließlich gegen den Hinterleger (Besitzer !) und nicht gegen die Bank. Fremdbesitz der Bank an den Verwahrstücken besteht in dem (atypischen) Fall, dass bewegliche Gegenstände (Wertsachen) offen übergeben und verwahrt werden (s. Staudinger-Reuter, Vorbem. §§ 688 Rz. 7). In Abgrenzung hierzu geht bei der uneigentlichen Verwahrung (auch Summenverwahrung genannt) – § 700 BGB – das Eigentum gerade auf den Verwahrer über (hierzu vgl. Pikart, WM 1962, 867). V. Pfand- und Zurückbehaltungsrechte. Zugunsten der Bank ist weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Pfandrecht bei der regelmäßigen Verwahrung begründbar; es fehlt am Besitz der Bank. Soll eine Verpfändung wirksam werden (z. B. zur Kreditsicherung), muss der Bank durch Individualvereinbarung Besitz am Inhalt verschafft werden (vgl. §§ 1205 I, 1206 BGB). Die Bank hat auch kein Zurückbehaltungsrecht aus § 369 HGB; allein aus § 273 BGB kann sie wegen rückständiger Verwahrgebühren Rechte ableiten (Pikart, WM 1962, 863). VI. Regelungen, Rechte im und für den Erbfall. Das Rücknahmerecht aus dem Verwahrungsvertrag kann im Todesfall auch durch einen entsprechend bevollmächtigten Vertreter ausgeübt werden. Zur Eigentumslage nach dem Erbfall und zu den rechtlichen Möglichkeiten, Dritten den Verwahrungsgegenstand zuzuwenden s. unten Rn. 50-52. VII. Insolvenz und Zwangsvollstreckung. Durch die Insolvenz des Kunden (Hinterleger) wird der Verwahrvertrag als gegenseitiger Vertrag nicht automatisch beendet. Der Insolvenzverwalter hat das Wahlrecht nach § 103 InsO (Fortdauer des Vertrages oder Beendigung mit jeweils unterschiedlichen Folgen für den Vergütungsanspruch). Der Kunde ist über das Verfügungsverbot gehindert, auf die Verwahrstücke zugreifen zu können (Obermüller, ZInsO 1998, 254). Aufgrund der durch die Verwahrung unveränderten Eigentums- und Besitzlage können Gläubiger des Hinterlegers nicht unmittelbar auf das Verwahrstück bei der Bank zugreifen. Sie können nur den Anspruch des Hinterlegers auf Herausgabe gegen die Bank pfänden, wobei sich der Anspruch nur auf die Herausgabe des gesamten verwahrten Gegenstandes und nicht auf Teile davon, daraus beziehen kann. Das Verwahrstück als solches ist Gegenstand des Herausgabeanspruchs und die Bank ist nicht verpflichtet unter Kenntnisnahme des Inhaltes eine Sachgesamtheit (Schmuckstücke, Urkunden, Wertpapiere usw.) unter ihrer Aufsicht und Verantwortung trennen zu lassen. Sie hat bei einem entsprechenden Titel (gepfändeter und überwiesener Herausgabeanspruch hinsichtlich des verschlossenen Behältnisses mit den Verwahrstücken aus dem Bankvertrag) lediglich das Verwahrstück als solches dem Gerichtsvollzieher zu übergeben. Der Pfandrechtserwerb erfolgt mit und durch die Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher. Im Insolvenzfall wird der Herausgabeanspruch durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht; nur dieser kann auch die Erklärungen nach §§ 80, 103 InsO abgeben.
Itzel
13
14
15
1814
16
17
18
19
20 21
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
C. Depotgeschäft, Depotvertrag I. Gegenstand, Rechtsnatur und Abgrenzung. 1. Allgemeines. Nach § 1 I Nr. 5 KWG ist das Depotgeschäft als Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für Andere eines der typischen Bankgeschäfte. Die maßgeblichen Regelungen finden sich im Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren – Depotgesetz (DepG). Die Verwahrung von Wertpapieren i. S. v. § 1 XI KWG (u. a. Aktien, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Optionsscheine – s. auch § 1 DepG sowie Franz, S. 43 ff.) ist nach einhelliger Meinung gerade kein Verwahrungsvertrag sondern im Regelfall ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter unter Einbeziehung von verwahrungsrechtlichen Elementen (Palandt-Sprau, § 675 Rn. 10), also ein gemischt-typischer Vertrag. Nur wenn die Wertpapiere unverschlossen zur Verwahrung anvertraut werden, d. h. wenn die Bank Kenntnis von den Papieren hat, handelt es sich um ein Depotgeschäft (§ 1 II DepG). Werden Wertpapiere verschlossen übergeben oder in ein Schrankfach verbracht, handelt es sich um ein regelmäßiges Verwahrgeschäft bzw. um einen Mietvertrag (s. o. B. bzw. unten D.); die Vorschriften des DepG greifen für diese Fälle, die die klare Ausnahme bilden, nicht ein. Andererseits findet das DepG aber auch dann keine Anwendung, wenn Papiere, Urkunden, Sparbücher, Hypothekenbriefe usw. zwar offen übergeben werden, diese Papiere jedoch keine Wertpapiere im o.g. Sinne darstellen. Eine Besonderheit bildet die Sammelurkunde nach § 9a DepG. Diese ist ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft. Unterschieden werden: technische, interimistische und dauerhafte Sammelurkunde (Globalurkunde – s. Heinsius/Horn/Than, § 9a Rn. 14-17; s. auch Einsele, WM 2001, 7 f.). Die in der Urkunde zusammengefassten Einzelrechte behalten aber ihre rechtliche Selbständigkeit. Als Verwahrart sieht das DepG die Girosammelverwahrung (bei Wertpapiersammelbank) vor, § 9a I DepG. Kritisch wird der Wertpapiercharakter der Sammelurkunde gesehen sowie die Anwendung der Regeln des Sachenrechts (Eigentumsübertragung, Verpfändung usw.) hierauf (näheres bei Schimansky/Bunte/Lwowski-Gößmann, § 72 Rn. 58 sowie unten Rn. 32 – m.w.N.). Bei der unregelmäßigen Verwahrung von Wertpapieren ist entgegen der gesetzlichen Regelung in § 700 II BGB eine ausdrückliche Abrede beider Vertragsparteien für einen wirksamen Depotvertrag – gleich welcher Verwahrungsart – nicht erforderlich. Auf Seiten des Verwahrers (Bank) reicht stets eine stillschweigende Erklärung – z. B. durch Entgegennahme des Depotbestandes – aus (arg. § 16 DepG; s. auch Staudinger-Reuter, § 700 Rn. 17). Im Verhältnis zu der regelmäßigen Verwahrung gibt es z. T. stark abweichende Regelungen. So kann die Bank über § 13 DepG die Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum des Hinterlegers an den Wertpapieren erhalten. Dieser verliert beim Einbringen der Papiere in das Sammeldepot regelmäßig auch sein Alleineigentum und er wird Miteigentümer an dem Sammeldepotbestand. Die Depotgeschäfte betreibenden Kreditinstitute treffen zahlreiche öffentlich-rechtlich geregelte Anzeige-, Unterrichtungs-, Buchführungs- und weitere Sorgfaltspflichten (vgl. Schork, Anhang 16; s. auch unten Rn. 59). So ist vor allem ein Verwahrungsbuch zu führen, das auch die Verwahrungsart ausweist. Der An- und Verkauf von Wertpapieren für und aus dem Depot (s. auch unten Rn. 44) ist zwar von dem eigentlichen Depotgeschäft i. S. von Verwahren und Verwalten abgesondert, wird aber technisch meist über sogenannte Depot-Verrechnungskonten oder Tagesgeldkonten, auf die auch die Depotgebühren und Provisionen gebucht werden, abgewickelt.
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1815
Gerade unter Berücksichtigung der zunehmenden Nutzung von elektronischen Medien zur umfassenden Abwicklung von Bankgeschäften wächst hier wohl ein eigenständiger Vertragstypus heran, der über die Regelungen für das reine Depotgeschäft hinausgeht, weitere Vertragspflichten (Haupt- und Nebenpflichten) beinhaltet und in dem zahlreiche Detailfragen noch ungeklärt sind (s. unten Rn. 43).
22
2. Struktur und Einteilung der Depotformen. Depotverträge werden nach unterschiedlichsten Kriterien differenziert und eingeteilt. So entsteht eine schwer überschaubare Vielzahl von verschiedenen Depotformen mit ganz unterschiedlichen Bezeichnungen. Die nachfolgende skizzenhafte Übersicht berücksichtigt nur die praktisch wichtigsten Erscheinungsformen (s. auch bereits Opitz, 1955 § 3 Bem. 3):
23
a) Unterscheidung nach der Verwahrart: aa) gesonderte Verwahrung der Wertpapiere für jeden Hinterleger (Sonderverwahrung, -depot) – Kunde ist mittelbarer Eigenbesitzer; Verwahrbank ist unmittelbare Fremdbesitzerin. bb) gesammelte Verwahrung aller Wertpapiere einer Art für alle Hinterleger (Sammelverwahrung, -depot) – Kunde ist mittelbarer Bruchteileigenbesitzer; Verwahrbank ist unmittelbare Fremdbesitzerin.
24
b) Unterscheidung nach dem Verwahrort/Verwahrbank, wobei die Wertpapiere in den Fällen cc) und dd) jeweils – idealtypisch – von den beteiligten Banken zur Verwahrung weitergegeben werden :
25
aa) Eigenverwahrung durch den Kunden (kein Depotgeschäft! – absolute Ausnahme) bb) Verwahrung durch lokales Kreditinstitut (Vertragspartner des Kunden) – Kunde ist mittelbarer Eigenbesitzer, Bank ist unmittelbare Fremdbesitzerin cc) Verwahrung durch zentrales Kreditinstitut (Hauptgeschäftsstelle u. a.) oder andere Bank – Drittverwahrung – Kunde ist mittelbarer Eigenbesitzer, Verwahrbank ist unmittelbare Fremdbesitzerin und die „Vertragsbank“ des Kunden ist mittelbare Fremdbesitzerin (Zwischenverwahrerin) dd) Verwahrung durch Wertpapiersammelbank (Girosammelverwahrung) – Drittverwahrung – Kunde ist mittelbarer Eigenbesitzer, Wertpapiersammelbank ist unmittelbare Fremdbesitzerin und die lokalen und zentralen Kreditinstitute sind als Zwischenverwahrerinnen mittelbare Fremdbesitzerinnen. c) Unterscheidung nach der Verfügungsbefugnis: aa) Einzel- oder Gemeinschaftsdepot (zu letzterem s. LG Frankfurt WM 2004, 1282)
26
bb) Und/Oder-Depot, wobei die Rechtsstellung aus dem Depotvertrag (Gesamtgläubigerschaft; § 428 BGB) zunächst einmal nichts über die Eigentumslage am Depotinhalt und die entsprechende dingliche Verfügungsbefugnis aussagt (OLG Frankfurt NJW-RR 2005, 87, s. auch OLG Bremen OLGR 2004, 256; OLG Celle OLGR 2004, 587 sowie u. Rn. 37). In der Praxis dominiert eindeutig die Sammelverwahrung, wobei als Regelfall diese in Girosammelverwahrung durchgeführt wird (a-bb; b-dd). II. Formen der Verwahrung (nach dem DepG), Besitz- und Eigentumsrechte. Das DepG unterscheidet sechs unterschiedliche Verwahrungsformen; z. T. werden weitere differenziert. Die Bekanntmachung über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21. Dezember 1998 (BODEW 1998 – BAnz. Nr. 246 vom 31. Dezember 1998, abge-
Itzel
27
1816
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
druckt auch als Anhang 16 bei Schork, sowie unter 8/376 in BuB) konkretisiert die Verpflichtungen der Verwahrbanken. 28
1. Sonderdepot – Sonderverwahrung. Diese Form, ursprünglich als Regelverwahrform gedacht (Heinsius/Horn/Than, § 2 Rn. 1, Opitz, 1955 § 2 Bem. 2; Franz, S. 49, 69), entspricht noch am ehesten der regulären Verwahrung. Die eingebrachten Wertpapiere werden für jeden Hinterleger unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung getrennt („gesondert“ – Nr. 2 BODEW 1998) aufbewahrt (§§ 2 f. DepG) und (früher) durch einen beschrifteten Streifen individuell gekennzeichnet (daher auch Streifbanddepot genannt – vgl. Peters, JuS 1976, 425). Die Eigentumslage bleibt bei dieser Depotform unverändert. Der Bankkunde bleibt Alleineigentümer der eingebrachten Stücke, wobei Hinterleger, Bankkunde und Eigentümer aber durchaus auch personenverschieden sein können (z. B. Treuhand-, Vertretungsfälle). Die Verwahrung kann bei der Depotbank selbst oder aber auch bei einer Drittbank durchgeführt werden.
29
Bei der Drittverwahrung (§ 3 DepG) sind die vertraglichen Beziehungen zwischen Kunde und Depot-(vertrags)bank (Zwischenverwahrer) sowie zwischen dieser und dem drittverwahrenden Kreditinstitut zu unterscheiden, wobei letztgenanntem Vertrag eine Schutzwirkung zu Gunsten des Hinterlegers (Kunden) zugebilligt wird. Der Zwischenverwahrer haftet für das Verschulden des Drittverwahrers grundsätzlich wie für eigenes. Zweigstellen untereinander und Haupt-, Zentralstelle sind verschiedene Verwahrer.
30
2. Sammeldepot – Sammelverwahrung – Sammelbestand. In dieser regelmäßig gewählten und eindeutig vorherrschenden Form der Wertpapierverwahrung (Heinsius/Horn/ Than, § 5 Rn. 14; Franz, S. 50 ff.) werden vertretbare Papiere (auch Namensaktien mit Blankoindossament) der selben Art (auch solche der Verwahrbank und auch bei unterschiedlicher Stückelung, s. Opitz, 1955 § 5 Bem. 4) ungetrennt, gesammelt im Regelfall bei einer Wertpapiersammelbank i. S. von § 1 III DepG (Girosammelverwahrung, Drittbankverwahrung versus Haussammelverwahrung) aufbewahrt, s. § 5 DepG. Im Regelfall wird diese Sammelverwahrung, auch als Zentralverwahrung bezeichnet (Einsele, WM 2005, 1109), durch die Clearstream Banking AG, Frankfurt (vormals Deutsche Börse Clearing AG, früher Deutsche Kassenverein AG – DKV –) ausgeführt (Franz, S. 28 f.). Einzelheiten der vertraglichen Beziehungen sind in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG geregelt. Diese Wertpapapiersammelbank (Kreditinstitut) besorgt für Banken (nicht für private Kunden) Depotgeschäfte. Möglich ist aber auch nach § 5 Abs. 4 DepG im Rahmen gegenseitiger Kontoverbindungen die Verwahrung durch eine ausländische Wertpapiersammelbank (s. Einsele, WM 2005, 1109). Der Kunde muss die Bank zur Sammelverwahrung, wenn diese nicht durch eine Wertpapiersammelbank erfolgen soll, ausdrücklich, schriftlich und nur für den Einzelfall ermächtigen (§ 5 I Satz 2, 3 DepG, s. auch Nr.1 Abs. 2, 3 BODEW 1998; Kümpel Rn. 11.23). Diese strikte Bindung an einen Auftrag bzw. eine Ermächtigung findet ihren Ausdruck auch in Nr. 1 Abs. 7 BODEW 1998. Der einbringende Eigentümer verliert sein Alleineigentum (s. § 7 I letzter Hs. DepG) und er erwirbt Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren derselben Art (§ 6 DepG); es handelt sich um einen Eigentumserwerb sui generis (originärer Erwerbstatbestand – so bereits Opitz, 1955 §§ 6, 7, 8 Bem. 6; s. auch Franz, S. 71 ff.). Durch die Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch (Erteilung der „GS-Gutschrift“), dem „Eingang beim Sammelverwahrer“ (§ 6 I DepG) geht das Miteigentum auf den Erwerber (Hinterleger) über. Es bedarf hierzu keiner Einigung über die Eigentümsübernahme (Eigentumsübergang) und auch keiner „Vermischung“ i. S. von § 948 BGB; der rechtsgeschäftliche Wille der Beteiligten ist ohne Bedeutung. Für die Bestimmung des Bruchteils ist der Wertpapiernennbetrag maßgebend, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag die Stückzahl. Der Miteigentümer kann
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1817
Rechte aus § 7 I DepG geltend machen, d. h. die Auslieferung von Wertpapieren aus dem Sammelbestand in Höhe des Nennbetrages, bei solchen ohne Nennbetrag in Höhe der eingelieferten Stückzahl; seine sonstigen Rechte aus der Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff., 1008 ff. BGB) sind wegen der vorgehenden speziellen Regelungen des DepG ausgeschlossen. Gleiches gilt hinsichtlich des Auslieferungsrechts des Sammelverwahrers nach § 6 II DepG. Der Sammelverwahrer haftet dem Hinterleger für einen Verlust am Sammelbestand und der daraus resultierenden fehlenden Auslieferungsmöglichkeit, es sei denn, dass er den Ausfall nicht zu vertreten hat, § 7 II DepG. Jeder Miteigentümer kann über seinen Anteil frei verfügen (Eigentumsübertragung, Belastung des Miteigentumsanteils usw.). Die Übertragung des Anteils ist unabhängig von einer Zustimmung und dem Willen der übrigen Bruchteilseigentümer und auch von der des Verwahrers (Bank). Die Übertragung kann ohne deren Mitwirkung und sogar gegen deren Willen vorgenommen werden (Heinsius/Horn/Than, § 6 Rn. 34, 35, Ruth, S. 23). Die Eigentumsübertragung erfolgt regelmäßig über §§ 929, 930 BGB oder §§ 929, 931 BGB (s. BGHZ 160, 121 = ZIP 2004, 1568 sowie OLG Frankfurt v. 16.01.2008 – 23 U 35/07 zit. nach juris), wobei ein Teil des Schrifttums (s. vor allem Einsele, WM 2001, 7, 8 ff. m. w. N.; eingehend und zu Recht ablehnend Horn, WM 2002, SB 2, S. 13 ff., zum Meinungsstand auch BGH MDR 2005, 110 (111); 406; Franz, S. 72 ff. sowie Kümpel, Rn. 11.173 ff, 11.178) zumindest bei der Übertragung von Sammeldepotanteilen an Dauer-Globalurkunden (§ 9a DepG) u. a. wegen der eingetretenen „Entmaterialisierung der Wertpapiere“ (Einsele, a.a.O.), des fehlenden Besitzes des Kunden am Sammelbestand die bloße Einigung über den Eigentumsübergang nach den Grundsätzen der Übertragung „besitzloser“ Sachen genügen lässt. Die Übereignung von sammelverwahrten Wertpapieren (Verkaufsfall) erfolgt über eine Ermächtigung der Depotbank und die Annahme des Eigentumsübertragungsangebotes durch die Wertpapiersammelbank. Umgekehrt (Ankaufsfall) erwirbt der Käufer unmittelbar Eigentum (nach Bruchteilen) ohne Durchgangserwerb der Depotbank. Die Besitzmittlungsverhältnisse werden auf den neuen Eigentümer umgestellt und der Besitzwille der verwahrenden Bank für den Kunden wird im Depotbuch auch nach außen kenntlich gemacht (BGH MDR 2005, 406). Damit ist der Eigentumsübergang mit Abschluss des Buchungsvorganges vollendet, § 929 BGB. Dies gilt zumindest für alle im Inland verwahrten Papiere; zur Auslandsverwahrung s. unten Rn. 57. Zum Teil wird mit beachtlichen Argumenten eine auch an internationalen Abkommen und Konventionsentwürfen (UNIDROIT) sowie der internationalen Marktpraxis orientierte Fortentwicklung der deutschen miteigentumsrechtliche Konzeption der Übertragungsund Verwahrvorgänge gefordert (insb. Einsele, WM 2005, 1109 m.w.N.). Dies gilt vor allem bei grenzüberschreitenden Wertpapierverfügungen und – verwahrungen (Paech, WM 2005, 1101 ff.; s. auch Franz, S. 205 ff.) Soll ein Depotbestand einem Dritten (z. B. für den Fall des Versterbens des Hinterlegers) übereignet werden, stellen sich Probleme bei der dinglichen Wirkung eines Vertrages zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB); eine dingliche Wirkung wird ganz überwiegend abgelehnt. Das Gewollte ist über entsprechende Vollmachten, Ermächtigungen und Genehmigungen (des Dritten) erreichbar. Im Gegensatz zum regelmäßigen Verwahrungsvertrag ist der Sammelverwahrer wegen der Kenntnis der eingebrachten Papiere (Besitzwille) unmittelbarer Fremdbesitzer, die vermittelnde Depotbank (Zwischenverwahrer) mittelbare Fremdbesitzerin und der Depotkunde mittelbarer Eigenbesitzer (s. OLG Karlsruhe WM 1999, 2451). Zu den Auswirkungen der Besitzverhältnisse auf die – rechtlich eingeschränkte – Möglichkeit der Bestellung von Pfandrechten s. unten Rn. 48.
Itzel
31
32
33
34
1818
35
36
37
38
39
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
3. Tauschdepot – Tauschverwahrung. Hier erhält der Verwahrer (Bank) die Ermächtigung zum Tausch einzelner Stücke/Wertpapiere derselben Art aus dem Depot (§§ 10, 11 DepG). Auch hier muss die Vereinbarung zuvor, ausdrücklich, schriftlich und für jeden Einzelfall getroffen werden (§ 10 I DepG; Nr. 4 BODEW 1998). Der Hinterleger hat stets Eigentum an bestimmten Depotstücken; er verliert dieses an den ursprünglich hinterlegten Stücken und erwirbt zeitgleich neues (an den Ersatzstücken) durch den Tausch. Er ist in keinem Zeitpunkt nur auf einen schuldrechtlichen Anspruch beschränkt. Besitzerwerb erfolgt durch Verschaffung des mittelbaren Besitzes. Grundsätzlich hindert eine unterschiedliche Stückelung der getauschten vertretbaren Wertpapiere derselben Art die Tauschverwahrung nicht (Heinsius/Horn/Than, § 11 Rn. 5). Das Tauschdepot hat keine große Bedeutung in der Praxis. 4. Sonstige Formen. Als weitere Verwahrformen sieht das DepG das Wertpapierdarlehen (unregelmäßige Verwahrung, Summendepot) – § 15 DepG –, die Pfandverwahrung – § 17 DepG – und die Verwahrung mit Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum – § 13 DepG (s. Nr. 7 BODEW 1998) – vor. Daneben ist in § 22 DepG die Wertpapierrechnung geregelt: Bei Ankauf von Wertpapieren im Ausland/bei Auslandsverwahrung wird regelmäßig keine unmittelbare Eigentumsposition verschafft (s. auch unten Rn. 57). Zur systematischen Klarheit und Abgrenzung werden weiterhin unterschieden: – Haus- und Drittverwahrung (Eigendepot: Depot A; Fremddepot: Depot B – vergl. Nr. 10 Abs. 4 BODEW 1998 – auch zur weiteren Depotbezeichnungen Depot C – Pfanddepot und Depot D – Sonderpfanddepot) – Sperrdepot (s. Kümpel Rn. 11.38 ff.) – Treuhanddepot – Einzeldepot, Gemeinschaftsdepot, wobei Probleme bei der Umwandlung hinsichtlich des Eigentums auftreten können (s. Rehbein, EWiR 1998, 111 f.). Vor allem im familiären Bereich (gerade bei güterrechtlichen Absprachen) sollte Klarheit geschaffen werden, ob nur die Verfügungsbefugnis verändert oder auch Eigentum am Depotinhalt (z. B. auf den Ehegatten) übertragen werden soll. Bei derartigen Depotumwandlungen sollten die Banken insoweit auf Klarstellung hinwirken (Rehbein, EWiR 1998, 111 f.). – Depot zu Gunsten Dritter – Anderdepot – Nießbrauchsdepot (§ 1081 BGB): Bei dieser Depotausgestaltung sollten eindeutige Regelungen hinsichtlich der Rechteabgrenzung Eigentümer, Nießbrauchberechtigter (u. a. Stimmrechtsausübung, Verwaltung der Wertpapiere) getroffen werden Oder-Depot: Ein jeder der Inhaber eines gemeinsamen Depots hat alleinige Verfügungsbefugnis. Die so gewählte Depotform erlaubt allerdings keine rechtliche Vermutung hinsichtlich der Eigentumslage am Depotinhalt; es wird hierdurch ausschließlich nur die Verfügungsbefugnis festgelegt (BGH WM 1997, 667; s. auch Rehbein, EWiR 1998, 111 f. sowie o. Rn. 26). Eine Eigentumsvermutungswirkung tritt nicht ein; das hälftige Miteigentum muss grundsätzlich dargelegt und bewiesen werden (OLG Köln OLGR 2000, 464; abweichend wohl OLG Düsseldorf OLGR 1997, 357). Zu der abweichenden Handhabung im Besteuerungsverfahren s. unten Rn. 58. 5. Sonstiges. Der Beleihungswert eines Wertpapierdepots – z. B. für ein Wertpapierdarlehen – ist der am Stichtag durch Veräußerung zu erzielende Börsenpreis (BGH WM 1990, 1408 ff.). III. Vertragliche Grundpflichten. 1. Verwahren und Verwalten. Nach § 1 I Nr. 5 KWG ist der Regeltyp des Depotvertrages das Verwahren und Verwalten der Wertpapiere. Für die Anwendung des DepG reicht aber auch die reine Verwahrung aus. Der Depotvertrag
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1819
ist nach inzwischen fast einhelliger Meinung ein reiner Konsensualvertrag (Dienstvertrag in der Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages – OLG Düsseldorf WM 2006, 1576, auch zu den maßgeblichen Verjährungsvorschriften). Die Rechtsbeziehungen zwischen Kreditinstitut (Verwahrbank) und Kunden sind in den AGB-Banken und den entsprechenden Sonderbedingungen (vor allem Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, s. auch Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung – WpDVerOV v. 20.07.2007) geregelt. Die Bank muss die Wertpapiere sicher und nachweisbar verwahren. Sie hat ein Verwahrungsbuch (persönliches und sachliches Depotbuch) zu führen, § 14 DepG, wobei dieses inzwischen regelmäßig in elektronischer Form vorliegt (s. Franz, S. 90 f.). Zulässig ist bei allen Depotformen auch die Verwahrung durch Dritte (s. § 3 DepG). Mindestens einmal jährlich ist das Depot durch Übersendung eines Depotauszugs – Rechnungsabschluss – mit dem Kunden abzustimmen (Nr. 11 BODEW 1998 – auch zu dem notwendigen Inhalt des Auszugs). Dieser muss auch über den jeweiligen Stand seines Depotkontos und die Veränderungen unterrichtet werden. Die Depotbank ist weiterhin verpflichtet, Mitteilungen einer Gesellschaft dem Kunden, für den sie entsprechende Aktien verwahrt, unverzüglich zuzuleiten (Nr. 12 BODEW 1998 – s. auch unten Rn. 46). Die Einhaltung dieser Grundpflichten wird neben der zivilrechtlichen (vertraglichen und deliktischen) Haftung auch noch durch die Strafvorschriften der §§ 34 ff. DepG abgesichert. Zur Verwaltung der Kundenwertpapiere gehört gemäß Nr. 5 der BODEW 1998 aber auch u.a. die rechtzeitige Einlösung von Zins-, Gewinnanteil- und Ertragsscheinen sowie von fälligen, verlosten und gekündigten Wertpapieren (Inkassotätigkeit) und die unverzügliche Bereitstellung bzw. Gutschrift der Gegenwerte auf dem Kundenkonto. Die Eingehung dieser weitreichenden Verpflichtungen kann der Verwahrer nur bei Abschluss des Depotvertrages ablehnen (Nr. 5 letzter Satz BODEW 1998). Die detaillierten Regelungen in der BODEW 1998 stellen in der ganz überwiegenden Mehrheit Konkretisierungen der vertraglichen Verwahr- und Verwaltungspflichten dar, sie präzisieren die gesetzlichen Regelungen des DepG und bilden einen Typus „Depotvertrag“ heraus, legen den geschäftstypisch zu erwartenden Pflichtenkreis der Depotbank fest und stärken damit auch die Rechtsstellung des Bankkunden. Auf rein innerorganisatorische Anforderungen und bankprüfungsbezogene Regelungen (s. z. B. Nr. 10 III, Nr. 12 V, VI BODEW 1998) kann sich der Bankkunde zur Haftungsbegründung allerdings nicht berufen; insoweit fehlt es diesen Regelungen an dem beabsichtigten Drittschutz. Aus dem vertraglichen Depotverhältnis folgt auch die (Neben-) Pflicht der Bank, ihren Kunden zu informieren, wenn sie mit dessen Vermögensverwalter eine Vereinbarung über die Beteiligung des Verwalters an ihren Depotgebühren und Provisionen getroffen hat. Die Verletzung dieser Offenbarungspflicht führt zur Haftung und Ersatzpflicht der Bank (BGHZ 146, 235 (239-241)). Die verwahrende Bank hat weiterhin die Verpflichtung zur Verschwiegenheit; sie darf grundsätzlich keiner dritten Person Auskünfte über Depotinhalt, -wert und die Person des Hinterlegers, Depotinhabers erteilen (Heinsius/Horn/ Than, § 2 Rn. 25 – auch zu den gesetzlich normierten Auskunftspflichten). Bei Depotumwandlungen sollte die Bank auf Klarstellung hinwirken, ob lediglich die Verfügungsbefugnis verändert oder auch die Eigentumszuordnung modifiziert werden soll (s. auch oben Rn. 37). Entgelt für die Übertragung von Wertpapieren in ein anderes Depot kann auf Grundlage von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von dem Kunden nicht verlangt werden; derartige Klauseln sind nichtig (BGH ZIP 2005, 245 und 248).
Itzel
40
41
42
1820
43
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
2. Besonderheiten beim e-Depot. Auf diesem inzwischen nicht mehr ganz neuen, aber stark expandierenden Geschäftsbereich (electronic- /online-banking, electronic-depot) bilden sich über einzelne Gerichtsentscheidungen in den letzten Jahren Präzisierungen der vertraglichen Verpflichtungen heraus (s. bereits oben § 9 eingehend zum „Electronic Banking“; vgl. auch OLG Köln WM 2004, 1326 – Abrechnung einer teilweisen Ausführung einer Online-Order). So hat die online-Bank von ihr bereit gestellte sichere Zugangswege über internet (im Regelfall: PIN-TAN-Verfahren, hierzu s. Brückner, S. 25-40 – auch zu den technischen Einzelheiten) jederzeit aufrecht zu erhalten und so zu gestalten, dass eingehende Aufträge zum Ver- und Ankauf des Depotinhaltes auch unverzüglich ausgeführt werden (LG Itzehoe MMR 2001, 440). Geschieht dies nicht, haftet die Bank für den Schaden (zwischenzeitlicher Kursverlust bei Verkaufsorder) aus Vertrag, wobei der Kunde unter Umständen zur Abwendung von Nachteilen (§ 254 BGB) zu einem Deckungskauf verpflichtet sein kann (OLG Schleswig CR 2003, 378 (379)). Der Pflichtenkreis wird hier recht weit gezogen; es müssen organisatorische, personelle und auch technische Vorkehrungen für die ständige Verfügbarkeit der Systeme und Kommunikationswege getroffen werden. „Systemfehler“ fallen grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der onlineBank; Reklamationen der Kunden müssen gleichfalls unverzüglich bearbeitet werden (LG Itzehoe CR 2001, 40) und die Bank muss organisatorisch und (software-) technisch die korrekte Abwicklung einer Auftrags-(rück-)abwicklung sicherstellen (OLG Schleswig CR 2003, 135 (137)). Noch weitergehend und recht kundenfreundlich wird auch die Anforderung gestellt, dass bei Ordererteilung programmmäßige Sicherungen (u. a. Plausibilitätskontrollen) eingesetzt werden müssen, damit Verwechselungen, Irrtümer bei der Dateneingabe durch den Kunden (z. B. Vertauschen der Stückzahl und des Kaufpreises „5000“) nach Möglichkeit vermieden werden (LG Nürnberg-Fürth CR 2003, 222-224). Dies bezieht sich zunächst einmal auf ein erhebliches Miss-Verhältnis zwischen den dem Kunden zur Verfügung stehenden Mitteln (Verrechnungskonto, Kreditlinie) und der übermittelten Order (10-, 100-fache der freien Mittel). Die Ausführung einer derartigen Order soll nach der rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth durch entsprechende Programmsicherungen verhindert werden müssen. Sind solche nicht vorhanden (was die Regel ist) oder greifen sie nicht ein, liegt ein Verstoß gegen vertragliche Pflichten vor und die orderausführende Bank ist dem Kunden ersatzpflichtig (etwas enger allerdings OLG Nürnberg NJW-RR 2003, 628-630 und 1296). Offen bleibt, wie weit derartige Prüfungs-, Sicherungspflichten gehen und damit programmmäßig abgebildet werden müssen (s. Klimke, CR 2005, 582). Hier bahnt sich für diesen Geschäftsbereich eine möglicherweise den gewollten Expansionstendenzen entgegenwirkende Überregulierung an, wenn z. B. im Rahmen eines vom Kunden bewusst und gewollten Risikoordergeschäftes, das an der Grenze seines „Anlegerprofils“ liegt, dieses wegen eines programmmäßig durchgeführten Abgleichs nicht ausgeführt wird. Insoweit stehen hier rechtliche Präzisierungen der Pflichtenausformung noch aus, wobei es die Banken aber durchaus in der Hand haben, durch vertragliche Absprachen auch insoweit für Klarheit im Verhältnis zum Kunden zu sorgen. Gerade beim e-Depot wachsen die verschiedenen Geschäftsbereiche (Anlagevermittlung, Wertpapieran-, -verkauf – direct brokerage –, Verwahrung und Verwaltung der Papiere, Abrechnung über Verrechnungskonto) untrennbar zusammen (vgl. auch oben § 50 Rn. 19). So wird z. B. bei Eröffnung von e-Depots bereits zwingend die Börsenerfahrung – relevant wohl nur für An- und Verkauf von Wertpapieren – abgefragt (s. Bliesener, S. 252 f.). Die vertraglichen Pflichten von Bank und Kunden sind in „Bedingungen für die Online-Nutzung“ festgelegt; darin finden sich vor allem Regelungen hinsichtlich der einzuhaltenden Sicherheit (PIN-TAN-Verfahren) und der Zurechnung von Erklärungen
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1821
über internet. Zahlreiche Fragen zu dem Pflichtenumfang und damit auch zur Haftungsreichweite in diesem Geschäftsbereich sind noch nicht abschließend geklärt. IV. Pflichten beim Ankauf von Wertpapieren (Einkaufskommission). Beim auftragsgemäßen Ankauf, Erwerb von Wertpapieren durch die Bank handelt es sich um ein Kommissionsgeschäft, das (rechtlich) von dem eigentlichen Depot-, Verwahrungsgeschäft zu unterscheiden ist (Pikart, WM 1962, 866 f., Lange, S. 78 f., vgl. aber auch OLG Frankfurt WM 1996, 665). Eingehende Regelungen finden sich in §§ 18 ff. DepG hierzu. Es ist ein Stückeverzeichnis, aus dem sich die Wertpapiergattung, der Nennbetrag und die Bezeichnungsmerkmale ergeben, zu führen und dem Kommittenten im Regelfall unverzüglich zu übersenden (§ 18 DepG); auch ist das Eigentum an den Papieren bzw. das Miteigentum an dem Sammelbestand auf den Auftraggeber (Hinterleger – Kommittenten) zu übertragen, §§ 18 ff. DepG (s. auch Nr. 8 BODEW 1998). Die Abwicklung des Geschäfts, vor allem die Eigentumsverschaffung mit den entsprechenden Mitteilungen und Abrechnungen haben unverzüglich zu erfolgen; dies gilt auch für die Durchführung eines Wertpapiertransfers zu einem anderen Kreditinstitut (OLG München MDR 2006, 1243, sowie WM 2008, 122 – Orderausführung bei Pfandrecht am Depot). Eine Drittverwahrung muss schriftlich und ausdrücklich angeordnet werden, soweit nicht bei einer Wertpapiersammelbank verwahrt werden soll. Wichtig ist hier festzuhalten, dass der Auftraggeber hier im Gegensatz zu den oben dargestellten Verwahrformen nicht per se Eigentum sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung von Eigentum erhält. Die Eigentumsverschaffung erfolgt regelmäßig über §§ 929, 930 BGB (Einigung und Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses) oder §§ 929, 931 BGB (Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs). Grundsätzlich werden Aufträge im Inland erfüllt; dies gilt auch für die Beschaffung ausländischer Wertpapiere, die im Inland zum amtlichen Handel zugelassen sind.
44
Zum Auslandsgeschäft (Beschaffung ausländischer Wertpapiere mit Auslandsverwahrung) s. unten Rn. 57. Dieses setzt eine Anschaffungsvereinbarung gem. § 22 I DepG voraus. Zum Pflichtenkreis und zur nicht im DepG geregelten Haftung bei der Anlagenberatung und der Durchführung des Wertpapierkaufs vergl. o. § 50 Rn. 64 ff. sowie Bittner, BADKInformation 2005, 138, OLG Saarbrücken OLGReport 2007, 257 – telefonische Aktienorder – und oben Rn. 43. V. Überwachungs-, Informations- und Beratungspflichten. 1. Depotvertrag und Vermögensbetreuungspflicht. Der Depotvertrag i. S. eines Verwahrens und Verwaltens ist grundsätzlich kein vollumfänglicher Vermögensbetreuungsvertrag (BGH ZIP 2005, 435 = BGHReport 2005, 580; s. auch Palandt-Sprau, § 675 Rn. 10). Allerdings ergeben sich nach insoweit einhelliger Meinung aus dem Vertragverhältnis (einem Dauerschuldverhältnis im Regelfall) Kunde – Depotbank Nebenpflichten (vgl. § 242 BGB) dahingehend, dass die Bank sich über grundlegende Entwicklungen auf dem Laufenden halten, den Kenntnisstand der „Wertpapier-Mitteilungen“ besitzen muss und insoweit auch den Kunden zu informieren hat (BGH BGHReport 2006, 580; OLG München WM 1997, 1802, s. Lange, S. 77-79; Kümpel, Rn. 11.104, Bittner, BADK-Information 2005, 141 ff.; s. auch oben § 50 Rn. 124 f., 152), was inzwischen auch regelmäßig in den AGBs ausdrücklich niedergelegt ist. Dies gilt vor allem für Informationen über Abfindungs- und Umtauschangebote und Sanierungsverfahren. Der Kunde ist über einschneidende Entscheidungen in Kenntnis zu setzen. Hierfür reicht die Übersendung eines einfachen Informationsbriefes im Regelfall aus; die Verwahrbank ist nicht verpflichtet, weitere vorsorgliche oder kontrollierende Maßnahmen (Zugangskontrolle usw.) durchzuführen
Itzel
45
1822
46
47
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(s. LG Mönchengladbach WM 2002, 386 (387)). In den Fällen eines „Kurssturzes“, der Gefahr eines Totalverlustes kann die Bank bei Nichterreichbarkeit des Kunden als Geschäftsführerin ohne Auftrag (§§ 684 S. 2, 680 BGB) berechtigterweise im Einzelfall über das Wertpapierdepot verfügen (OLG München WM 1999, 1878, s. auch Heinsius/Horn/ Than, § 2 Rn. 30). Bloße Kursschwankungen begründen allerdings in keinem Fall eine derartige Informations-, Mitteilungspflicht und gegebenenfalls sogar Handlungspflicht der Bank (OLG Hamm BB 1999, 1676; vgl. auch BGH WM 2001, 2053 f. zu §§ 12, 12c KAGG – Wertpapiersondervermögen, Kapitalanlagegesellschaft). Je größer das von der Bank erkennbare Informationsgefälle zwischen ihr und dem Kunden ist, desto eher werden entsprechende Warnhinweise und Informationspflichten angenommen. Eine Informationspflicht über den börsentäglichen Kurs der verwahrten Wertpapiere folgt in keinem Fall aus dem Depotvertrag; eine solche Pflicht muss ausdrücklich vereinbart und entsprechend honoriert werden (OLG Hamm BB 1999, 1676). 2. Stimmrechtsausübung (Depotstimmrecht). Die Ausübung des Depotstimmrechts im Auftrag des Kunden (§§ 128, 135 AktG) wird zunehmend (rechtspolitisch) kritisch gesehen (Hammen, ZBB 1993, 241; Hüffer, § 135 Rz. 1-3a; Kümpel Rn. 11.125). Vom Typus ist es vom „Verwalten“ (§ 1 I KWG) der Wertpapiere umfasst, regelmäßig auch durch Vollmachterteilung gedeckt. Formelle Einzelheiten der Ausübung des Stimmrechts sind in Nr. 12, 13 BODEW 1998 geregelt. Der Ausübung des Stimmrechts muss ein besonderes Verfahren vorausgehen (s. Hammen, ZBB 1993, 240 f.). Das Institut ist gesetzlich (§ 128 I AktG) verpflichtet, den Aktionären die Mitteilungen nach § 125 I AktG unverzüglich weiterzuleiten, auch wenn die Aktien bei einer Drittbank (Wertpapiersammelbank) hinterlegt sind (Hüffer, § 128 Rz. 3). Diese gesetzliche Verpflichtung kann weder durch AGB eingeschränkt noch durch Individualabreden (Verzicht) abbedungen werden (z. weiteren Streitpunkten s. Hüffer, § 128 Rz. 5, 6). Das Kreditinstitut hat darüber hinaus Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts zu unterbreiten, § 128 II AktG. Grundsätzlich ist der Kunde zur Abgabe von Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts unter Bekanntgabe der erforderlichen Informationen aufzufordern. Umstritten ist die Haftung der das Depotstimmrecht ausübenden Bank, die hierbei in nicht unerhebliche Ziel- und Interessenkonflikte geraten kann (Höhe der Dividende, Fusionen, Kursverlust), vgl. §§ 128, 135 AktG. Festgelegt ist, dass bei der Ausarbeitung von Vorschlägen für die Ausübung des Stimmrechts (§ 128 II AktG) sich die Verwahr- und Verwaltungsbank allein von den Interessen der Aktionäre leiten zu lassen und organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen hat, dass Eigeninteressen anderer Geschäftsbereiche (z. B. Kreditabteilung) nicht einfließen (Nr. 12 IV BODEW 1998, vgl. auch § 31 I WpHG – Interessewahrungsgrundsatz, s. Bliesener, S. 239 f.). Eine Verletzung dieser Pflicht wie auch die Missachtung von Weisungen löst im Verhältnis zum Kunden (Aktionär) die vertragliche Haftung aus (Hammen, ZBB 1993, 241); gleichfalls kann ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 II BGB i. V. m. § 128 AktG gegeben sein, wobei die Ersatzpflicht gemäß § 128 IV AktG in voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden kann. Gleiches gilt über § 135 XI AktG für die Ersatzpflicht durch Ausübung des Stimmrechts. Eine Haftung des vertretenen Aktionärs für das „Vertreterhandeln“ der das Stimmrecht ausübenden Bank greift wohl nur in seltenen Ausnahmefällen (§ 826 BGB) ein, wenn ein nicht von der Depotbank vertretener Aktionär geschädigt wird (Hammen, ZBB 1993, 241 – zu weitergehenden Haftungsüberlegungen 241 ff.). Die Tendenz geht hier mit unterschiedlichen Begründungsansätzen eindeutig in Richtung auf eine letztliche Verantwortlichkeit und Haftung des Vertreters – Bank – (zum Ganzen s. Hammen, ZBB 1993, 241 (247)).
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1823
VI. Pfand- und Zurückbehaltungsrechte. Das DepG sieht nur eine beschränkte Möglichkeit der Geltendmachung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten – auch an Sammelbestandsanteilen – vor, §§ 4, 9, 12, 12a, 17 DepG. So gilt bei Verwahrung durch einen Dritten, dass diesem als bekannt gilt, dass die Wertpapiere dem übergebenden Verwahrer nicht gehören (§ 4 I DepG). Damit ist ein gutgläubiger Eigentums- oder Pfandrechtserwerb durch den Drittverwahrer ausgeschlossen. Der Verwahrer darf die ihm anvertrauten Wertpapiere oder Sammelbestandsanteile nur gemäß den Anforderungen der §§ 12, 12a DepG verpfänden (Nr. 6 BODEW 1998), wobei § 12a DepG die Verpfändung der Wertpapiere oder Sammelbestandsanteile für Verbindlichkeiten aus Börsengeschäften regelt (zur Verpfändungsermächtigung s. Kümpel Rn. 11.66 ff.). Werden zur Sicherung eines Realkreditvertrages nicht nur Grundschulden bestellt, Rechte aus Lebensversicherungen abgetreten sondern auch ein Wertpapierdepot verpfändet, liegen allein deshalb noch keine unüblichen Bedingungen i. S. v. § 3 II Nr. 2 VerbrKrG vor (OLG Frankfurt WM 2000, 2135). Bei Verwertung von kursabhängigen Wertpapiere hat der Sicherungsnehmer zwar die berechtigten Belange des Sicherungsgebers zu berücksichtigen; er muss bestrebt sein, das bestmögliche Verwertungsergebnis zu erzielen. Jedoch dürfen schutzwürdige Interessen des Sicherungsnehmers nicht entgegenstehen. Letzteres ist dann gegeben, wenn ein Kurstiefstand zwar vorliegt, eine zeitlich konkret absehbare Kurserholung jedoch nicht gewiss ist (OLG Naumburg OLGR 2007, 15). Verpfändet der Depotkunde seinen Sammeldepotanteil an einen Dritten (s. eingehend Opitz S. 116-135; s. auch Franz, S. 78 ff.), genügt gemäß § 1205 II BGB die Anzeige an die nächste mittelbar besitzende Bank (s.o. II. 2.); einer Anzeige an die letztlich verwahrende Drittbank bedarf es nicht (OLG Karlsruhe WM 1999, 2451). Zur Anzeigepflicht gegenüber der Depotbank vgl. auch BGH WM 1996, 518. Das vertraglich begründete Pfandrecht setzt sich an dem nach Fälligkeit erlösten Verwertungsbetrag fort (BGH WM 1997, 1136 (1137)). Erlangt die Bank ein Pfandrecht an dem Depotinhalt, dann gelten für die Verwertung grundsätzlich die §§ 1234 ff. BGB, nach denen der Verkauf zunächst ein Monat zuvor angedroht worden sein muss (§ 1234 II BGB). Diese Monatsfrist (Wartefrist) gilt regelmäßig auch bei kursabhängigen Wertpapieren. Nur bei konkreter Gefahr eines dauernden Kursverfalls der Papiere kann diese Frist nach §§ 1218-1220 BGB abgekürzt werden (LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 2003, 184). Relevant ist dies vor allem bei der Bewilligung von Wertpapierkredit mit der entsprechenden Verpfändung der Papiere durch deren Eigentümer.
48
Aus § 273 BGB kann die Verwahrbank ein Zurückbehaltungsrecht für konnexe Forderungen (offene Depotgebühren, Verwaltungskosten usw.) ableiten.
49
VII. Regelungen, Rechte im und für den Erbfall. Bei Zuwendungen von Wertpapieren im Depot gilt für den Todesfall des Hinterlegers, dass diese Papiere (Eigentum- und Besitzposition) zunächst grundsätzlich mit dem Erbfall in den Nachlass fallen. Der Erbe hat eine umfassende Berechtigung an diesen Papieren. Soll ein Dritter den Depotinhalt, die Wertpapiere erhalten, stehen verschiedene rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Auswahl. Der wohl sicherste Weg ist, der Verwahrbank treuhänderisches Eigentum zu verschaffen und eine entsprechende unwiderrufliche Anweisung auf Eigentumsübertragung an den begünstigten Dritten für den Todesfall zu erteilen (s. Henrich, S. 379-81).
50
Hat der Erblasser ohne treuhänderische Eigentumsübertragung der Wertpapiere auf die Bank durch Vertrag zugunsten Dritter diesem einen schuldrechtlichen Anspruch derart unentgeltlich zugewendet, dass der Anspruchserwerb (§ 331 BGB) erst mit seinem Tode
51
Itzel
1824
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
eintreten soll (Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall) und die Verwahrbank entsprechend angewiesen, dann gelten folgende – z. T. in der Literatur umstrittene – Grundsätze: (BGHZ 41, 95-97; s. MünchKommBGB-Musielak, 4. Aufl., § 2301 Rn. 31-38, 42 – auch zum Meinungs-, Streitstand sowie Heinsius/Horn/Than, § 2 Rn. 16, 17; Kümpel Rn. 11.42 ff.): – Eine dingliche Rechtsänderung (Eigentumserwerb) ist durch die Bankanweisung (Vertrag zugunsten Dritter) nicht eingetreten; das Eigentum verbleibt – zunächst – bei den Erben; – in diesen Fällen finden die für Schenkungen von Todes wegen geltenden Formvorschriften (§ 2301 BGB) keine Anwendung; – mit dem Tode des Erblassers erwirbt der Dritte von selbst den Anspruch (stillschweigende Annahme durch den Begünstigten – auch hinsichtlich des Schenkungsversprechens im Verhältnis Erblasser zu dem Dritten); – zur Erfüllung dieses Schenkungsversprechens bedarf es des dinglichen Erfüllungsgeschäftes; durch dieses wird auch ein etwa vorhandener Formmangel des Schenkungsversprechens geheilt (§ 518 BGB); – gegenüber den Erben gilt, dass diese die durch das Verfügungsgeschäft eintretende dingliche Rechtsveränderung (Anspruchsbegründung – § 331 BGB, Eigentumsverlust) endgültig hinnehmen müssen, wenn im Verhältnis Erblasser und Dritter eine rechtsgültige Schenkung vorliegt (zu allem s. BGHZ 41, 95-97). 52
Der Erblasser kann jedoch auch im Wege eines Vermächtnisses unter Einhaltung der Formvorschriften für letztwillige Verfügungen einem Dritten seine Wertpapiere zuwenden. Dieser erlangt hierdurch lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben. Der Vermächtnisvollstrecker hat in diesen Fällen nicht stets eine umfassende Vermögensbetreuungspflicht (s. § 2216 BGB) und ist bei entsprechend eingeschränkter letztwilliger Verfügung im Einzelfall auch nicht verantwortlich für den Wertverlust eines Wertpapierdepots (OLG Düsseldorf OLGR 2007, 143). Wird der weitere rechtlich mögliche Weg einer Schenkung von Todes wegen gewählt, ist gemäß § 2301 BGB entweder die erbrechtliche Form einzuhalten oder die Schenkung muss vollzogen sein. Bei dieser Gestaltungs- und Zuwendungsmöglichkeit kann das Vertreterhandeln der Bank zur Erfüllung des Versprechens des Erblassers problematisch werden und die postmortale Zuwendung als eine solche durch die Erben angesehen werden (s. MünchKommBGB-Musielak, 4. Aufl., § 2301 Rn. 28). Von einer derartigen Ausgestaltung sollte daher im Regelfall abgesehen werden. Zum anwendbaren Recht bei Auslandsaufbewahrung vgl. auch unten Rn. 57.
53
VIII. Zwangsvollstreckung und Insolvenz. Zu unterscheiden sind zunächst die Fälle der Insolvenz von Kunden einer- und Bank andererseits. Weiterhin muss zwischen dem Schicksal der vertraglichen Regelungen zwischen Kunden und Bank (Depotvertrag) und dem Zugriff auf die Wertpapiere des Kunden (regelmäßig Eigentum) differenziert werden.
54
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden endet der Depotvertrag gemäß §§ 116, 115 I InsO, gleich in welcher Ausformung das Depot geführt wird (Obermüller, ZInsO 1998, 254; Uhlenbruck, § 47 Rn. 51; z. T. wird aber auch nach Sonder- und Sammelverwahrung differenziert). Das Verfügungsverbot verhindert die Aushändigung der Depotwerte an den insolventen Kunden. Das Kreditinstitut darf nur noch an den Insolvenzverwalter leisten.
55
Da der Hinterleger regelmäßig (Mit-) Eigentümer der im Depot befindlichen Wertpapiere ist und bleibt (s.o. Rn. 32; Einsele, WM 2005, 1110), stehen ihm im Insolvenzfall der
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1825
Bank Aussonderungsrechte zu. Regelungen finden sich weiterhin in § 33 DepG. Auch wenn der Hinterleger noch nicht Eigentum erworben, er selbst aber alle Verpflichtungen für den Wertpapierankauf erfüllt hat, kann er im Insolvenzverfahren gemäß § 32 DepG vorrangige Befriedigung verlangen (Uhlenbruck, § 47, Rn. 51, § 51 Rn. 44). Rechte aus der Wertpapierverwahrung im Sinne des Anspruchs auf Erlöse, Geldforderungen – (fällige Erträge, Rückzahlungsbeträge, Ausschüttungen usw.) sind nach § 846 ZPO – Herausgabeanspruch – pfändbar. Gleiches gilt bei der Sonderverwahrung (s. o. II. 1) für den Herausgabeanspruch. Bei Sammelverwahrung (s. o. II. 2) erfolgt die Pfändung des Sammelbestandanteils – Miteigentumsanteil an dem Sammelbestand von Wertpapieren – (wegen einer Geldforderung) nach §§ 857, 828 ff. ZPO. Drittschuldner ist die mit dem Titelschuldner in Rechtsbeziehungen stehende Depotbank (Heinsius/Horn/Than, § 6 Rz. 50). Der Auslieferungsanspruch nach § 7 Abs. 1 DepG wiederum ist über § 846 ZPO (Ansprüche auf Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen) zu pfänden (Zöller-Stöber § 857 Rn. 2). Die Papiere selbst sind gemäß §§ 808, 809 ZPO zu pfänden, indem der Gerichtsvollzieher in Besitz nimmt. Bei sammelverwahrten Aktien ist der Anspruch auf Eigentumsübertragung in analoger Anwendung von § 886 ZPO durch Pfändung und Überweisung des Anspruchs des Schuldners auf eigentumsübertragende Umbuchung des Bestandes im Depot-, Verwahrungsbuch vollstreckbar (BGHZ 160, 121 = ZIP 2004, 1568 = MDR 2005, 110 sowie BGH MDR 2008, 338 = BGHReport 2008, 402). Eine ausgebrachte Pfändung muss sich ausdrücklich auf das (Wertpapier-) Depot beziehen; die Pfändung der „Kontoverbindungen jeder Art“ reicht für eine wirksame Pfändung nicht aus. Die Verwertung erfolgt im Regelfall gemäß §§ 847, 821 ZPO durch Verkauf zum Börsen- oder Marktpreis. IX. Auslandsaufbewahrung. Die Auslandsaufbewahrung und Auslandsbeschaffung von Wertpapieren ist ein stark wachsender und bereits jetzt schon sehr bedeutender Geschäftszweig (s. Franz, S. 23, 135 f.); dieser ist jedoch nur rudimentär in § 22 und § 5 IV DepG geregelt. Gleichwohl lässt sich aus dieser vereinzelten Regelung das Grundprinzip erkennen, dass der Auftraggeber (Kunde) beim Auslandsgeschäft gerade im Gegensatz zum Inlandsgeschäft (s. § 18 DepG) kein unmittelbares Eigentum an im Ausland beschafften und verwahrten Papieren erhalten soll. Die Eigentumsverschaffung und -übertragung richtet sich beim Auslandsgeschäft nach dem jeweils anzuwendenden ausländischen Recht (lex rei sitae; s. Franz, S. 133 ff.). Die inländische Bank (Einkaufskommissionär) ist nach den AGBs verpflichtet, ihrem Kunden nach Möglichkeit Eigentum oder eine gleichwertige Rechtsstellung hinsichtlich der erworbenen Wertpapiere zu verschaffen. Damit soll dieser vor nachteiligen Folgen bei Insolvenz oder Zwangsvollstreckung (ausländische Dritt-, Fremdbank) geschützt werden. Aus dem Treuhandverhältnis Kunde – Kommissionär ist die Bank verpflichtet, eine möglichst starke und gesicherte Rechtsposition ihrem Auftraggeber zu verschaffen (Kümpel Rn. 11.250 ff.; vgl. auch Einsele, WM 2005, 1113). Bei Auslandsverwahrung muss sich die inländische Depotbank regelmäßig eine „Drei-Punkte-Erklärung“ der ausländischen Verwahrbank geben lassen, die eine Einschränkung der Pfand-, Zurückbehaltungsrechtsbestellung an den verwahrten Wertpapieren des Kunden regelt, weitere Informationspflichten der ausländischen Verwahrbank festlegt (bei Pfändungen, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen) sowie eine weitere Drittverwahrung im Ausland beschränkt. Auf diese Weise wird der inländische Auftraggeber in gewissem Umfang auch bei Auslandsverwahrung geschützt (vgl. Franz, S. 30 f.; Kümpel Rn. 11.233 ff., 11.270 ff.). Je nach ausländischer Rechtslage und Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen inländischer Depotbank und ausländischem Aufbewahrer kann das (Mit-) Eigentum auch bereits mit der Einlieferung und
Itzel
56
57
1826
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Eingliederung vorhandener oder neuer Wertpapiere in den Bestand bei dem ausländischen (Sammel-) Verwahrer auf den Erwerber und Auftraggeber übergehen. Die Auslandsbeschaffung von Wertpapieren bedarf gem. § 22 I DepG einer ausdrücklichen Anschaffungsvereinbarung, da die Bank ansonsten grundsätzlich Wertpapiere im Inland für den Kunden ankauft. Mit dieser Abrede ist im Regelfall eine Treuhandabrede verbunden, die die Bank zur Einhaltung von besonderen Sorgfalts-, Auswahl- und Informationspflichten anhält. So ist sie zur sorgfältigen Auswahl des ausländischen Verwahrers sowie zur Veranlassung von dessen Abgabe der „Drei-Punkte-Erklärung“ verpflichtet. Zu Pflichten und Grenzen bei der Verwahrung von Wertpapieren durch im Ausland ansässige Dritte s. Nr. 3 IV BODEW 1998. Besondere Verpflichtungen zur Wahrung der Kundeninteressen treffen im Ausland tätige Zweigstellen inländischer Kreditinstitute (s. Nr. 14 BODEW 1998). Zum anwendbaren Recht s. auch § 17a DepG (hierzu s. Einsele, WM 2005, 1111 ff.; Franz, S. 34 ff., 87, 128 f.). Regelmäßig müssen Vereinbarungen über die Drittverwahrung im Ausland zwischen Kunden und Bank getroffen werden. Dies betrifft auch im Ausland beschaffte Papiere, wobei insoweit die entsprechenden Regelungen in den AGBs unproblematisch erscheinen, wenn der entsprechende Schutz des Hinterlegers gewährleistet ist. Der Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) richtet sich bei Wertpapierbesitz nach dem tatsächlichen Aufbewahrungsort (Depotbank) und nicht nach dem Sitz der Aktiengesellschaft (OLG Frankfurt OLGR 1995, 245). In besonderen Fallkonstellationen kann im Erbfall für im Ausland befindliche Depotinhalte auch bei deutscher Staatsangehörigkeit des Erblassers ausländisches Recht anwendbar sein (s. Henrich, S. 382 ff.). Zu den Problemen bei ausländischen Wertpapieren, die im Inland verwahrt werden (sollen) vergl. Gößmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72 Rn. 70-72 sowie Heinsius/ Horn/Than, § 22 Rn. 30. Zu Entwicklungs-, Harmonisierungstendenzen im deutschen (Sachen-)Recht bei auslandsberührenden Wertpapiergeschäften s. o. Rn. 32. 58
X. Depotverwahrung und Finanzverwaltung. Für die Besteuerung ist entscheidend, wer wirtschaftlicher Inhaber des Depotinhaltes ist und damit, wem die Wertpapiere als Steuerpflichtigem nach § 33 Abgabenordnung zuzurechnen sind (s. auch BFH ZIP 2006, 2072 f. Treuhandverhältnisse). Erwirbt ein Steuerpflichtiger Belegschaftsaktien, die nur er als Belegschaftsmitglied erwerben konnte, ist nur er alleinzeichnungsbefugt für das Depot, dann sind ihm diese Wertpapiere zuzurechnen, auch wenn sich der zukünftig Begünstigte (minderjähriges Kind) aus der Depotbezeichnung ergibt. Oder-Konten und Oder-Depots von Eheleuten werden grundsätzlich – in steuerrechtlicher Hinsicht – beiden Ehegatten jeweils zur Hälfte zugerechnet. Eine Zurechnung kann auch für den Fall einer wirksamen Nießbrauchsbestellung an fremden Wertpapieren stattfinden. Für die Wertermittlung eines Wertpapierdepots (für die Erbschaftssteuer) ist auf den Todestag des Erblassers (Zeitpunkt des Entstehens der Steuer) abzustellen, auch wenn die Kurswerte nach dem Todestag gesunken sind.
59
XI. Depotaufsicht und -prüfung. Die Depotaufsicht ist in § 29 II KWG geregelt und sieht i. d. R. eine jährliche Depotprüfung vor. Damit soll die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen der Depotbanken, vor allem deren ordnungsgemäße Buchführung sichergestellt werden. Diese Anforderungen sind vor allem in der Bekanntmachung des früheren Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (jetzt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin) über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21. De-
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1827
zember 1998 (abgedruckt als Anhang 16 bei Schork) festgelegt worden, wobei im Grundsatz vertragliche Verpflichtungen der Verwahrbanken und geschäftstypische Anforderungen konkretisiert wurden und damit die Verletzung dieser Regelungen mithin letztlich zu einer Vertragshaftung führen kann. Die Prüfungen erstrecken sich auf alle Aspekte und Teilgebiete des Depotgeschäfts, auch auf die Einhaltung des § 128 AktG (Mitteilungspflichten) und auf die Ausübung des Depotstimmrechts, § 135 AktG (Bliesener, S. 240 f.; zu den Regelungen – Pflichtenumfang – vgl. Nr. 12, 13 BODEW 1998) und werden im Regelfall wegen des Sachzusammenhanges zusammen mit der Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäfts nach § 36 I WpHG durchgeführt (zu weiteren Einzelheiten der Depotprüfung vgl. BFS-KWG/Winter, § 29 Rn. 21 ff.).
D. Schrank-, Schließ-, Tresorfachvertrag
60
I. Gegenstand, Rechtsnatur und Abgrenzungen. Stellt die Bank ihrem Kunden ein Schrank-, Schließ- oder Tresorfach zur beliebigen Verwendung gegen Entgelt zur Verfügung, liegt kein Verwahrungsvertrag sondern ein Mietverhältnis über das Fach vor (eingehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg OLGR 2001, 354 f., Emmerich, JuS 1997, 563). Die Regelungen der §§ 535 ff. BGB mit den entsprechenden AGBs der Banken sind hier einschlägig. Die Bank hat regelmäßig keine Kenntnis des Fachinhaltes (s. OLG Frankfurt OLGR 1997, 80). Die Schrank- und Tresorfächer befinden sich in besonders gesicherten Bereichen der Bank; diese sichert und überwacht die Anlage selbst und auch deren Zutritt. Regelmäßig befindet sich in dem Fach eine ausschließlich vom Kunden verschließbare Kassette, die den eigentlichen Fachinhalt (Wertsachen, Schmuck, Dokumente usw.) aufnimmt. Zu unterscheiden ist dieses Mietverhältnis von der Einräumung der Möglichkeit, eine (Nacht-) Tresoranlage durch Einwurf von Geldkassetten usw. zu nutzen (dazu s. unten Rn. 69 ff.). Das Mietverhältnis endet nach Ablauf der vereinbarten Zeit oder – regelmäßig – als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen durch ordentliche oder auch außerordentliche Kündigung, wobei im Regelfall unterschiedliche Kündigungsfristen für Kunde und Bank gelten. Nach Beendigung des Mietverhältnisses kann die Bank den nicht abgeholten Inhalt des Schrank- oder Tresorfachs unter Beachtung des § 372 BGB beim Amtsgericht hinterlegen. II. Vertragliche Pflichten. Die Bank schuldet die Besitzüberlassung und die Gewährung von Zutritt zu dem Schrank-, Schließ-, Tresorfach während der Geschäftszeiten sowie die Möglichkeit, unbeobachtet und unkontrolliert Inhalt zu entnehmen und hinzuzufügen. Sie ist zur Sicherung der Anlage selbst (vor allem gegen Diebstahl und Feuer) und auch des Zutritts (Kontrolle und Überwachung) verpflichtet. Die Zugangssicherung kann mechanisch, elektronisch oder auf andere Weise sichergestellt werden. Ob der Kunde allein oder nur gemeinsam mit der Bank den Verschluss des Fachs öffnen kann, spielt für den Charakter als Mietvertrag keine Rolle. Auch der Mitverschluss (z. B. zwei Schlösser) erfolgt nur im Sicherungsinteresse des Kunden und kann das Vorliegen eines Verwahrungsvertrages oder einer Obhutspflicht hinsichtlich des Fachinhaltes durch die Bank nicht begründen. Hieraus folgt, dass allein von dem Verlust des Fachinhaltes nicht stets zwingend auf ein Überwachungsverschulden der Bank geschlossen werden kann (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg OLGR 2001, 354 f.). Für den Zutritt, Zugriff (noch) nicht voll geschäftsfähiger Personen (Jugendliche) ist bei ansonsten bestehender Berechtigung keine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung er-
Itzel
61
1828
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
forderlich. Bei Firmen und juristischen Personen wird der Zugriff regelmäßig durch und in Schrankfach-Vollmachten geregelt. Der Kunde hat den vereinbarten Mietzins zu zahlen und die ihm überlassenen Gegenstände (Schlüssel, Chipkarte usw.) sorgfältig und sicher aufzubewahren. Weiterhin darf er nur ungefährliche Gegenstände in dem Fach aufbewahren. Verstößt er hiergegen (z. B. Einlagerung feuergefährlicher Gegenstände), macht er sich im Schadensfall ersatzpflichtig. Hinsichtlich der weiteren verwahrenden und geschädigten Personen ist von einem Vertrag mit Schutzwirkung für diese Dritten auszugehen. Als Nebenpflicht wird auch die Beratung des Kunden durch die Bank für den Fall angenommen, dass dieser besonders hohe Werte in dem Fach verwahren will (gegebenenfalls dann auch Vermittlung einer besonderen Schrankfachinhaltsversicherung). Gleichfalls hat die Bank bei ungewöhnlichen Gefahren für den Fachinhalt den Kunden auf drohende Schäden hinzuweisen (z. B. außergewöhnliche Hochwasserlage, Hochwasserschäden), damit dieser rechtzeitig für Abhilfe sorgen kann (OLG Koblenz NJW-RR 1997, 470, dazu s. Emmerich, JuS 1997, 563). Bei Unerreichbarkeit des Kunden kann in derartigen Fällen auch die Pflicht der Bank zur Sicherung des Fachinhalts durch Öffnen des Schrankfachs angenommen werden. Regelmäßig führt die Bank eine Schrankfachkartei, in der zumindest die Öffnungen des Fachs verzeichnet und quittiert werden. Weitere vertragliche Regelungen finden sich in den Bedingungen für die Vermietung von Schrankfächern (AGBs) der Kreditinstitute. So hat der Kunde u. a. bei Vertragsende das Schließfach zu räumen und die ausgehändigten Schlüssel (Zugangsmedien) vollständig zurückzugeben. Bei Nutzung des Schrankfachs nach Beendigung des Mietverhältnisses greift zu Gunsten der Bank § 557 BGB (Nutzungsentschädigung) ein. 62
III. Weitere Pflichten. Die Bank trifft auch hier die Pflicht zur Legitimationsprüfung des Kunden aus § 154 AO, § 8 GwG (Näheres s. o. Rn. 11). Zu Anzeige- und Mitteilungspflichten nach dem Tode des Kunden s. § 1 Erbschaftssteuer-Durchführungsverordnung.
63
IV. Besitz- und Eigentumsrechte. Der Kunde ist unmittelbarer (alleiniger) Eigenbesitzer am Schrankfach und vor allem an dessen Inhalt; die Bank hat keinerlei Besitzposition. Ihr fehlt auch hier wie beim Verwahrungsvertrag der Besitzwille hinsichtlich des Fachinhaltes. Aus dem Mitverschluss kann nicht auf einen Mitbesitz geschlossen werden (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg OLGR 2001, 354). Der Besitz endet regelmäßig mit der Rückgabe des Schlüssels oder der sonstigen Zugangsberechtigung (OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 839). An den Eigentumsverhältnissen ändert sich selbstverständlich durch das Verbringen von Wertsachen u.a. in das Schrank-, Schließ-, Tresorfach auch nichts. Hieraus folgt, dass im Fall, dass der Mieter (Kunde) nicht Eigentümer der eingebrachten Sachen ist, sich der Herausgabeanspruch des wahren Eigentümers (§§ 985 ff. BGB) ausschließlich gegen den Mieter und nicht gegen die Bank richten kann. Aus der (fehlenden) Besitzposition der Bank folgt auch, dass sie keine Ablieferungspflicht hinsichtlich eines Testamentes in einem Schrank-, Tresorfach hat (vgl. § 2259 I BGB – so auch LG Braunschweig, NdsRpfl 1997, 138). Inwieweit sie einem (vermeintlichen) Erben – ohne Erbennachweis –, der über einen Schrankfachschlüssel verfügt, Zutritt zum Zwecke des Auffindens des Testamentes gewähren und verschaffen muss, ist noch nicht abschließend geklärt, wobei eine derartige Verpflichtung der Bank wohl zu bejahen ist, denn nur so kann der Erbe seiner gesetzlichen Ablieferungspflicht aus § 2259 Abs. 1 BGB hinsichtlich des Testamentes nachkommen. Im Übrigen muss aber gelten, dass allein der Besitz der
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1829
Schrankfachschlüssel keineswegs dazu berechtigt, die Rechte aus dem Schrankfachvertrag gegenüber der Bank auszuüben (s.u. Rn. 66). Die Übereignung des Fachinhaltes durch den Eigentümer (Hinterleger) erfolgt regelmäßig gem. §§ 929 BGB (Besitzverschaffung durch Schlüsselübergabe) oder über 930 BGB. V. Pfand- und Zurückbehaltungsrechte. Auch beim Schrank-, Tresorfachvertrag besteht wegen des fehlenden Besitzes der Bank für diese nur eine ganz eingeschränkte Möglichkeit zur Begründung von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten (Näheres s. o. Rn. 13). Die Besitzverschaffung zu Gunsten der Bank im Einzelfall kann u.a. durch Übergabe des Schrankfachschlüssels an diese oder durch Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses erfolgen.
64
Allerdings kann sie das gesetzliche Pfandrecht aus dem Mietverhältnis (§ 562 BGB – Vermieterpfandrecht) geltend machen, denn dieses setzt gerade nicht Besitz an den eingebrachten Gegenständen voraus (abweichend wohl Kümpel Rn. 11.8). Gesichert werden können aber insoweit nur Ansprüche der Bank aus dem Mietverhältnis. Über § 273 BGB – Zurückbehaltungsrecht – kann die Bank im Einzelfall die Mitwirkung am Zutritt und an der Schrankfachöffnung verweigern, wobei allerdings Konnexität der Ansprüche gegeben sein muss, was wohl nur bei offenen und fälligen Forderungen der Bank aus dem Schrankfach-Vertragsverhältnis anzunehmen ist.
65
VI. Regelungen, Rechte im und für den Erbfall. Der Erbe kann nach entsprechendem Nachweis die Rechte als Mieter wahrnehmen. Regelmäßig werden bereits durch den späteren Erblasser Schrankfachvollmachten ausgestellt, diese können auch eingeschränkt erteilt werden, z. B. Wirksamkeit erst nach dem nachgewiesenen Tod erlangen. Eine erteilte Schrankfachvollmacht schließt einen (personenverschiedenen) Kontobevollmächtigten vom Zutritt zum Schrankfach aus. Probleme bestehen, wenn die Vollmacht die Entnahme einzelner Gegenstände aus dem Schrank-, Tresorfach gestattet. Hier besteht Streit, wie weit die Überwachungspflicht und damit auch die Haftung der Bank geht. Derartig gegenständlich beschränkte Vollmachten sollten vermieden werden; ggfls. müssten einzelne Gegenstände zuvor in separate „Verwahrung“ genommen werden. Zu den Eigentumsverhältnissen im Erbfall und den rechtlichen Möglichkeiten, den Schrank-, Schließ- oder Tresorfachinhalt für den Erbfall auf Dritte zu übertragen vgl. o. Rn. 50 ff.
66
VII. Insolvenz und Zwangsvollstreckung. Durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kunden werden Schrank-, Tresor- und Schließfachverträge als Mietverträge nicht unmittelbar berührt und bestehen grundsätzlich einmal fort. Für den Insolvenzverwalter besteht jedoch ein Kündigungsrecht (§§ 109 I InsO, 580 BGB). Wegen des Verfügungsverbotes kann der Kunde jedoch die Rechte aus dem Vertrag (Zutritt, Zugriff auf den Fachinhalt) nicht mehr ausüben (Obermüller, ZInsO 1998, 254).
67
Bei Pfändung des Inhaltes eines Schrank-, Tresorfachs ist der Anspruch des Kunden gegen die Bank auf Zutritt und gegebenenfalls erforderliche Mithilfe bei der Öffnung des Fachs mit zu pfänden (Einziehung und Überweisung, §§ 857, 847 ZPO). Die Bank ist insoweit Drittschuldner. Sind Schuldner und Bank herausgabebereit, was nicht den Regelfall bilden dürfte, erfolgt die Pfändung des Schrankfachinhalts nach §§ 808 ff. ZPO durch dessen Inbesitznahme (Gerichtsvollzieher).
68
E. Tresor- und Safevertrag
69
I. Gegenstand, Rechtsnatur und Abgrenzungen. Die vertraglich dem Kunden eingeräumte Möglichkeit, eine Tag- und Nachttresoranlage zum Einwurf von in Kassetten („Geldbomben“) befindlichem Bargeld und anderen Wertgegenständen (meist vertraglich
Itzel
1830
70
71
72
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
beschränkt auf Schecks und Wechsel) zu nutzen, stellt einen gemischttypischen Vertrag dar. Nach dem Einwurf in die Tresoranlage der Bank liegt bis zur Öffnung der Kassette und weiterer Verwendung, Verwahrung des Inhaltes wohl ein regelmäßiges Verwahrverhältnis (s. o. B.) vor. Je nach Inhalt (Geld, Schecks oder Wertsachen) schließt sich dann ein Geschäftsbesorgungsvertrag (Einzahlung, Gutschrift auf Konto), bzw. ein unregelmäßiges Verwahrungsverhältnis i. S. von § 700 BGB (vgl. Kasten, WuB I K 2. Verwahrstück 1.88) oder ein weiteres regelmäßiges Verwahrverhältnis (z. B. bei Wertsachen) an. Hinsichtlich der Behältnisse besteht ein Leih- bzw. Mietverhältnis. Die Kassetten selbst haben äußerlich keinerlei Kennzeichen, die auf den Kunden oder Inhalt hinweisen. Zur Schrank-, Schließ- oder Tresor-, Safefachverwahrung s. o. Rn. 60 ff. II. Vertragliche Pflichten. Je nach Stadium des tatsächlichen Geschehenes und des Geschäftsablaufs (Einwurf der Kassette, Aufbewahrung, Öffnung, weitere Behandlung, Verwertung des Kassetteninhaltes, Kontogutschrift, Verwahrung des Inhaltes) stehen unterschiedlich ausgeformte Rechte und Pflichten im Vordergrund. Insoweit wird auf das o. unter A.,B. und D. Ausgeführte Bezug genommen. Für den Einwurf der Kassette in die Tresoranlage sowie deren Inhalt und damit für das Entstehen des Verwahrverhältnisses ist der Kunde im Streitfall beweispflichtig (OLG Köln OLGR 2001, 317). Er kann sich hierfür sowohl auf beweisbare Umstände bei Einwurf wie auch auf solche bei Entnahme aus der Tresoranlage berufen (OLG Frankfurt WM 1987, 1356). Vertragliche Pflichten der Bank bestehen weiterhin dahingehend, dass diese verpflichtet ist, den der Kassette beigefügten Weisungen des Kunden Folge zu leisten, wobei als Zugangszeitpunkt regelmäßig der Beginn der Schalterstunden anzusehen ist bzw. während diesen der Einwurfszeitpunkt. Besondere Organisations- und Überwachungspflichten (mit entsprechender Dokumentation) entstehen für die Bank dann, wenn die Kassetten ungeöffnet einem Subunternehmen zum Transport in die Hauptstelle übergeben werden. Das bereits mit dem Kunden begründete Verwahrungsverhältnis mit allen Pflichten besteht fort. Die Öffnung der Kassetten sollte schon aus Sicherungs- und Beweisgründen stets von mindestens zwei (Bank-)Mitarbeitern durchgeführt werden. Wird dies durch die Bank nicht gewährleistet, droht Beweislastumkehr hinsichtlich des Entstehens des Verwahrverhältnisses, d. h. die Bank muss nachweisen, dass die Kassette nicht in die Tresoranlage gelangt ist (OLG Bamberg WM 1983, 946 f.; Engau, EWiR 1987, 1139 f., Kasten, WuB I K 2. Verwahrstück 1.88). Die Pflicht zur Einhaltung derartiger Vorsichtsmaßnahmen findet sich regelmäßig in den speziellen AGB der Banken. Umgekehrt muss dem Kunden geraten sein, eine Ausfertigung des der Kassette beigefügten Einlieferungsscheines in den räumlich getrennten Briefkasten der Bank einzuwerfen, um so das Risiko einer Unregelmäßigkeit zu vermindern und die Aufklärung zu beschleunigen (so Kasten, WuB I K 2. Verwahrstück 1.88). III. Besitz- und Eigentumsrechte. Bis zum Einwurf ist der Kunde unmittelbarer Besitzer. Danach besteht für die Bank unmittelbarer und für den Kunden mittelbarer Besitz. Der Unterschied zum regelmäßigen (Bank-) Verwahrungsvertrag (s.o. Rn. 9 ff.) liegt darin begründet, dass die Bank hier regelmäßig Zugriff auch auf den Inhalt durch das weisungsgemäße Leeren der Kassetten hat. Eigentum am Inhalt erlangt die Bank bei eingeworfenem Geld erst durch das weisungsgemäße Leeren der Kassetten. Die Kassetten stehen regelmäßig im Alleineigentum der Bank.
Itzel
§ 60 Verwahrungsgeschäfte
1831
F. Verwahrungsgeschäfte und Prozessrecht I. Darlegungs- und Beweislast. Bei den Verwahrungsgeschäften gelten auch im verfahrensrechtlichen Bereich einige Besonderheiten, die vor allem von der Rechtssprechung einzelfallbezogen entwickelt wurden. Bei „Oder-Wertpapierdepots“ gilt die (hälftige) Eigentumsvermutung nicht (BGH WM 1997, 667; abweichend wohl OLG Celle OLGR 2004, 587 – für den Fall der Zugewinngemeinschaft; OLG Düsseldorf OLGR 1997, 357; s. auch o. Rn. 26, 37). Die Darlegungsund (unter Berücksichtigung von §§ 1006, 742 BGB leicht herabgesenkte) Beweislast liegt auch bei dieser Art von Konto-Führung bei demjenigen, der hälftiges Miteigentum an dem Wertpapierdepot behauptet und für sich fordert (OLG Köln OLGR 2000, 464, s. auch Rehbein, EWiR 1998, 111 f., und OLG Celle OLGReport 2007, 479).
73
74
Eine verminderte Beweislast (Anscheinsbeweis bis hin zur Beweislastumkehr) des Kunden wird regelmäßig für Umstände angenommen, die allein im Organisations-, Geschäftsund Gestaltungsbereich der Bank liegen; dies wurde in letzter Zeit vor allen für den Einwurf von Geldkassetten in Nachttresoranlagen relevant bei technischen Auffälligkeiten oder nicht ordnungsgemäßer Entnahme und Leerung – u.a. Verletzung des Vier-AugenPrinzips (zusammenfassend Engau, EWiR 1987, 1139 f.; Kasten, WuB I K 2. Verwahrstück 1.88; s. o. Rn. 71). Eine Tendenz zur Beweisbelastung der Banken ist hier ersichtlich (einschränkend aber wieder BGH WM 2008, 112 ff.).
75
Vergleichbares gilt für den Bereich des online-bankings. Auch hier findet eine Beweislastverteilung nach Verantwortungsbereichen statt und die Bank ist für die Ordnungsmäßigkeit der von ihr eröffneten und gesteuerten Geschäftsabläufe und der zur Verfügung gestellten Geschäfts- und Kommunikationswege darlegungs- und beweispflichtig (eingehend Brückner, S. 109 ff.; s. auch OLG Nürnberg ZIP 2004, 846). Eine beweisrechtlich relevante Vermutung für „aufklärungsrichtiges Verhalten“ ist bei einer Verletzung von Informationspflichten im Rahmen eines Depotvertrages nur dann anzunehmen, wenn es vernünftigerweise nur eine Möglichkeit der Reaktion gibt (BGHZ 160, 58 ff.; BGH BGHReport 2005, 581; s. auch Klimke, CR 2005, 587 ff.). II. Vorlegungspflichten. Im Prozess ist das Kreditinstitut bereits aus materiellem Recht (Auskunftspflicht) verpflichtet, die jeweils geführten Depot-, Verwahrungsbücher vorzulegen. Verfahrensrechtlich ist die weitreichende Vorlegungspflicht in §§ 142, 422, 423, 429 ZPO geregelt. III. Internationale Zuständigkeit. Zu der internationalen Zuständigkeit, dem Gerichtsstand und dem anzuwendenden Recht bei Auslandsbezug siehe oben Rn. 57.
76
Itzel
77
78
79
“This page left intentionally blank.”
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1833
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
Schrifttum Alberts, Schadensersatz und Fremdwährungsrisiko, NJW 1989, 609; Berger, Devisenrecht und internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, ZVglRWiss 1997, 316; Bomhard, Einführung des Euro – rechtliche Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft, ZfIR 1998, 516; Börner, Rechnungsstellung und Erfüllung nach der Einführung des Euro, DStR 1998, 1606; Dierdorf, Neugestaltung der Währungsverfassung, NJW 1998, 3145; Ebke, Das internationale Devisenrecht im Spannungsfeld völkerrechtlicher Vorgaben, nationaler Interessen und parteiautonomer Gestaltungsfreiheit, ZVglRWiss, 100. Bd., Heft 4, November 2001; Internationales Devisenrecht, 1990; Endres, Zahlungsverkehr in der Europäischen Währungsunion, WM 1996, 1720; Fülbier, Zur Fremdwährung als bewegliche Sache und Ware und zur Geldschuld als Sachschuld, NJW 1990, 2797; Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten: das Recht der Geldschulden mit Auslandsberührung: Kollisionsrecht, materielles Recht, Verfahrensrecht, 1999; Hartung, Verlustrückstellungen und Wechselkursrisiko, RIW 1990, 999; Zum bilanziellen Ausweis von Fremdwährungsverpflichtungen, RIW 1994, 480; Hay, Fremdwährungsansprüche und -urteile nach dem US-amerikanischen Uniform Act, RIW 1995, 113; Kuner, Fremdwährungsurteile in New York, RIW 1992, 473; Maier-Reimer, Fremdwährungsverbindlichkeiten, NJW 1985, 2049; Mann, Zahlungsprobleme bei Fremdwährungsschulden, in: Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht, Band XXXVI, 1980, S. 93 ff.; Plewka/ Schmidt, Auswirkungen des Euro im Steuerrecht, NJW 1998, 3171; Reichert-Facilides, Geldentwertung und Recht, JZ 1974, 483; Reinhuber, Grundbegriffe und internationaler Anwendungsbereich von Währungsrecht, 1995; Reuter, Geldschuld und Geldwert, ZHR 140 (1976), 73; Schmidt, Geld und Geldschuld im Privatrecht – eine Einführung in ihre Grundlagen, JuS 1984, 737; Mahnverfahren für Fremdwährungsforderungen?, NJW 1989, 65; Schmidt-Räntsch, Wertsicherungsklauseln nach dem Euro-Einführungsgesetz, NJW 1998, 3166; Siebelt/ Häde, Die ECU im deutschen Recht, NJW 1992, 10; Sonnenberger/ Rageade, Geld und Geldschuld im französischen Recht nach der Einführung des Euro, RIW 2003, 32; Vorpeil, Aufrechnung bei währungsverschiedenen Forderungen, RIW 1993, 529; Woywode, Fremdwährungsumrechnung nach US-Steuerrecht, RIW 1991, 695. Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Fremdwährungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Einfache Valutaschulden . . . . . . . . . . . . . 5 2. Effektive Valutaschulden . . . . . . . . . . . . . 7 II. Vertragliche Valutaschulden . . . . . . . . . . . . . 9 1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3. Erfüllung und Umrechnung . . . . . . . . . . 11
4. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Dingliche Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 6. Prozess- und Zwangsvollstreckung . . . . III. Gesetzliche Valutaschulden . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung der geschuldeten Währung 2. Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . C. Devisenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Devisensachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Devisenkollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . .
13 15 16 20 21 24 31 32 34
Stichwortverzeichnis Annahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Anscheinsbeweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Außenwirtschaftsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Betrieb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 f. Bretton Woods . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Briefkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Devisenbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 32 f. Devisenkurs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Effektivklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Embargoverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 7 f., 11 Ersetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . 5 f., 11 f., 21, 30, 37 GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Geldsortenschuld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Geldwertstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 i h ll i h
Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Indexierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Klageantrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Konvertibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Kostenstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Mahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Notenkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 f. Schuldnerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 37 Schuldstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Seehandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sortenkurs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Umrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 12, 14, 22, 27 h l
Willamowski
1834
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 30 Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 19 Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 f. Wahlschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Währungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Währungsumstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 f. Wechselkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
A. Einführung
1
Nach nahezu einhelliger Auffassung des allgemeinen Staats- und Völkerrechts haben Staaten das Recht, ihre Wirtschaftssysteme zu bestimmen und damit auch Umfang und Inhalt von Investitionen privater inländischer und ausländischer Rechtssubjekte. Dies impliziert die Möglichkeit der staatlichen Regulierung und Kontrolle von grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen und von Devisengeschäften. Insofern gilt formal der Grundsatz der nationalen Souveränität. Diese abstrakte Aussage, deren generelle Richtigkeit nicht ernsthaft anzuzweifeln sein dürfte, spiegelt jedoch kaum noch die Realität der Weltwirtschaft wider. Diese ist gekennzeichnet durch Interdependenz, Integration und Globalisierung. Staaten, die sich unter Berufung auf ihr formales Recht dieser Tendenz widersetzen, riskieren jedenfalls wirtschaftliche Isolation, da substantielle Autarkie in einer Welt interdependenter Märkte selbst von wirtschaftsstarken Staaten kaum noch realisierbar ist. Staaten, die sich der Weltwirtschaft öffnen, geben mehr oder weniger prägnante Teile ihrer Souveränität auf, auch wenn sie sich nicht zu Gemeinschaften zusammenschließen. Eine derartige weltwirtschaftliche Verflechtung hat institutionelle und juristische Konsequenzen auch und gerade für den Bereich des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs. Die wirtschaftliche Öffnung von Staaten zum Weltmarkt ist notwendig begleitet von einer wenigstens teilweisen Integration der entsprechenden Regelwerke. Dies wiederum bleibt nicht ohne Rückwirkungen auf nationales Recht. 2
B. Fremdwährungsrecht Das Fremdwährungsrecht als Recht der Fremdwährungsverbindlichkeiten hat durch die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung in Europa neue Impulse bekommen (vgl. dazu ausführlich MünchKommBGB-Grundmann, §§ 244, 245 Rn. 33 ff.). Einige der damals in Rechtsprechung und Literatur teilweise heftig umstrittenen Fragen auf diesem Rechtsgebiet sind damit zumindest für den europäischen Raum praktisch obsolet. Das Fremdwährungsrecht hat jedoch aufgrund des Welthandels und der Wirtschaftsbeziehungen zu Staaten außerhalb Europas und insbesondere zu den zukünftigen Beitrittskandidaten nach wie vor nichts an seiner Bedeutung verloren. Die Einführung des Euro hat in der Praxis zwar als Bestandteil der so genannten dritten Stufe der europäischen Integration zu wesentlichen praktischen Erleichterungen auf dem spezifischen Gebiet der Fremdwährungsverbindlichkeiten und des internationalen Kapitalverkehrs geführt bzw. in diesem Zusammenhang auftretende Rechtsfragen, z. B. nach der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen in ausländischer Währung, auf andere Rechtsgebiete, nicht zuletzt auch auf das Europarecht, verlagert. Für die Abwicklung von Fremdwährungsverbindlichkeiten hat jedoch das nationale Recht weiterhin Bedeutung mit der Maßgabe, dass der Euro an Stelle der bisherigen nationalen Währungen getreten ist.
3
I. Begriff. Eine Fremdwährungsverbindlichkeit liegt vor, wenn der Gläubiger einen in einer anderen Währung als der Heimatwährung am (Wohn-)Sitz des Gläubigers ausgedrückten (Geld-)Anspruch gegen den Schuldner hat. Die Fremdwährungsschuld oder Valutaschuld nach § 244 BGB ist eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld (Vorpeil, RIW 1993, 529; Maier-Reimer, NJW 1985, 2049; a. A. Fülbier, NJW 1990, 2797). Sie setzt voraus, dass die geschuldete Leistung nach dem Inhalt des Schuld-
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1835
verhältnisses in ausländischer Währung bezeichnet ist (RGZ 168, 245). Abreden nur über die Art der Zahlung genügen zur Begründung einer Valutaschuld nicht. Valutaschulden beruhen in aller Regel auf entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Sie können aber auch bei der Abwicklung von Verträgen entstehen, z. B. wenn ein Beauftragter die von ihm erlangte Valuta gemäß § 667 BGB herauszugeben hat (BGH WM 1969, 26) oder wenn im Falle des Rücktritts Vertragskosten zu erstatten sind und sich der Kaufgegenstand vertragsgemäß im Ausland befindet (BGH NJW-RR 1998, 680; vgl. zu Vertragskosten ausdrücklich noch § 467 S. 2 BGB i. d. F. bis zum 31.12.2001). Geldwertschulden, insbesondere gesetzliche Ansprüche auf Schadens-, Wert- oder Aufwendungsersatz, lauten nicht von vornherein auf eine bestimmte Währung. Sie entstehen, soweit sie sich aus deutschem Recht ergeben, in inländischer Währung; der etwa in ausländischer Währung ermittelte Erstattungsbetrag bildet nur einen Berechnungsfaktor für die in Euro festzusetzende Schadenshöhe (vgl. dazu unter B. III. 1.). Forderungen, die in der Währung eines Mitglieds der Währungsunion ausgedrückt sind, sind keine Valutaschulden; sie verpflichten seit dem 01.01.2002 ohne weiteres zur Zahlung in Euro und sind entsprechend umzurechnen.
4
1. Einfache Valutaschulden. Die unechte (einfache) Valutaschuld lautet auf ausländische Währung, kann aber vom Schuldner wahlweise in inländischer oder ausländischer Währung getilgt werden (§ 244 I BGB). Konstruktiv handelt es sich bei dem Recht des Schuldners, in heimischer Währung zu zahlen, um eine Ersetzungsbefugnis des Schuldners, nicht um eine Wahlschuld (RGZ 101, 313). Der Schuldner ist deshalb nicht an die Erklärung, in inländischer Währung zahlen zu wollen, gebunden. Bis zur tatsächlichen Zahlung kann der Schuldner immer auf die eigentlich geschuldete Währung zurückgreifen. Der Gläubiger ist aber nicht befugt, seinerseits Zahlung in inländischer Währung zu verlangen (BGH NJW 1980, 2017; WM 1993, 2011 (2012); Birk, AWD 1973, 425 (429); Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2050); Palandt-Heinrichs, § 244 Rn. 17; MünchKommBGBGrundmann, §§ 244, 245 Rn. 100). Denkbar ist jedoch die explizite oder konkludente Begründung einer Ersetzungsbefugnis des Gläubigers (RGZ 136, 129) oder einer Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht (RGZ 168, 247). § 244 BGB setzt voraus, dass die Schuld im Inland zu zahlen ist. Entscheidend ist hierfür, dass für die Schuld ein inländischer Erfüllungsort besteht. § 244 BGB ist auch dann anwendbar, wenn der Schuldner das Geld gemäß § 270 I BGB ins Ausland zu übermitteln hat. Für die Umrechnung (§ 244 II BGB) entscheidet der Kurs der Zeit, zu der tatsächlich gezahlt wird, nicht der, zu der gezahlt werden sollte (RGZ 101, 312 (313); BGH WM 1993, 2011 (2012); OLG Frankfurt, NJW 1991, 643; OLG Köln NJW 1971, 2128; OLG Hamburg MDR 1978, 930; vgl. dazu näher unter B III 2.), allerdings kann dem Gläubiger wegen des Kursverlustes ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 286 BGB zustehen. Maßgebend ist der Kurs am Zahlungsort (OLG Köln NJW-RR 1992, 239). § 244 BGB gibt dem Schuldner zugleich die Möglichkeit, gegenüber der unechten Valutaschuld mit einer Euro-Forderung aufzurechnen (RGZ 106, 100 (167); vgl. dazu unter B II 4.). Für die Umrechnung gilt in diesem Fall der Kurs im Zeitpunkt des Zugangs der Aufrechnungserklärung, für die Umrechung im Insolvenzverfahren der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGHZ 108, 128).
5
Im Prozess steht die einfache Valutaschuld den auf inländische Währung lautenden Geldschulden grundsätzlich gleich. Klage und Urteil sind auf Leistung des Fremdwährungsbetrages zu richten, da es alleine Sache des Schuldners ist, über eine Zahlung in inländischer Währung zu entscheiden (BGH NJW 1980, 2017; vgl. dazu näher unter B II 6.). Es ist allerdings auch denkbar, dass die Parteien die vertragliche Schuld stillschweigend in eine Euro-Schuld umwandeln (BGHZ 14, 217; BGH ZIP 1987, 1175). Der Schuldner kann im Verfahren den Antrag stellen, das Gericht möge ihm gemäß § 244 BGB die Zah
6
Willamowski
1836
7
8
9
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
lung in Euro nachlassen. Er behält seine Ersetzungsbefugnis aber auch dann, wenn er ohne einen solchen Vorbehalt verurteilt worden ist (MünchKommBGB-Grundmann, §§ 244, 245 Rn. 101). Die Vollstreckung von Valutaschulden erfolgt nach den Vorschriften über die Vollstreckung von Geldforderungen, ist also in das gesamte Vermögen des Schuldners zulässig (RGZ 106, 77; OLG Düsseldorf NJW 1988, 2185). Für die Umrechnung gilt der Kurs in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger den Geldbetrag erlangt. 2. Effektive Valutaschulden. Die echte (effektive) Valutaschuld ist im Gegensatz zur einfachen Valutaschuld nicht nur in ausländischer Währung ausgedrückt, sondern auch notwendig durch Zahlung in ausländischer Währung zu erfüllen. § 244 BGB gilt für sie nicht. Wie ein Umkehrschluss aus § 244 BGB ergibt, ist eine echte Valutaschuld im Zweifel anzunehmen, wenn die Schuld im Ausland zu zahlen ist (Palandt-Heinrichs, § 244 Rn. 22; a. A. Birk, AWD 1973, 438). Entscheidend ist, dass der Erfüllungsort im Sinne der §§ 269, 270 IV BGB im Ausland liegt (RGZ 96, 272). Bei Vorliegen eines inländischen Erfüllungsorts ist eine echte Valutaschuld gegeben, wenn die Zahlung in ausländischer Währung ausdrücklich vereinbart ist. Dazu ist nicht ausreichend, dass der entsprechende Vertrag oder die gestellte Rechnung den Schuldbetrag in ausländischer Währung angibt bzw. ausweist. Erforderlich ist vielmehr eine eindeutige Willensäußerung der Parteien, die allerdings auch konkludent erfolgen kann (RGZ 153, 385; BGH LM § 275 BGB Nr. 5). Eine entsprechende Willensäußerung kann sich insbesondere aus einer Effektivklausel oder aus Wendungen wie „zahlbar in“ ergeben, möglicherweise aber auch aus dem Geschäftszweck, so z. B. beim Kauf von Devisen für eine Auslandsreise. Die Wirksamkeit der Effektivklausel der Kreditinstitute für Währungskredite wie in Nr. 14 AGBSp und Nr. 10 II AGB Banken ist von der Rechtsprechung (BGH WM 1980, 793) anerkannt worden, weil sich eine Bank bei solchen Darlehen regelmäßig in der Währung fristenkongruent refinanziert. Der Darlehensvaluta steht daher üblicherweise eine entsprechende Verbindlichkeit der Bank in gleicher Währung gegenüber (vgl. Vorpeil, RIW 1993, 529). Ist der Schuldner, etwa wegen entgegenstehender ausländischer Devisengesetze, zur Leistung der ausländischen Währung nicht in der Lage, wird er von seiner vertraglichen Verpflichtung nicht frei (BGH LM § 275 BGB Nr. 5). Der Inhalt seiner Schuld ist vielmehr gemäß § 242 BGB an die veränderten Verhältnisse anzupassen, notfalls durch Umwandlung der Valutaschuld in eine Heimwährungsschuld. II. Vertragliche Valutaschulden. 1. Zulässigkeit. Für die vertragliche Begründung von Valutaschulden bedarf es heute grundsätzlich keiner Genehmigung mehr; das früher in § 3 WährG (Währungsgesetz vom 20.06.1948, BGBl. III Nr. 7600-1-a, WiGBl. Beil. Nr. 5, S. 1, zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 09.06.1998, BGBl. I S. 1242) grundsätzlich vorgesehene Genehmigungserfordernis durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist zum 01.01.1999 zunächst entfallen (Art. 9 § 1 EuroEG vom 06.08.1998; vgl. dazu z. B. noch BGH NJW 1996, 3001; BVerwG NJW 1996, 3223; zum EuroEG ausführlich Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166). Aus stabilitäts-, preis- und verbraucherpolitischen Gründen findet sich jedoch in § 2 PrAKG (Preisangaben- und Preisklauselgesetz vom 03.12.1984, BGBl. I, S. 1429; § 2 II eingefügt durch Art. 9 § 4 des Gesetzes vom 09.06.1998, BGBl. I. S. 1242) und der dazu erlassenen Preisklauselverordnung (PrKV vom 23.09.1998, BGBl. I S. 3043) eine Nachfolgeregelung. In § 2 PrAKG ist ein Indexierungsverbot mit Genehmigungsvorbehalt fixiert. Das Gesetz regelt, dass der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden darf, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind (vgl. dazu Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166).
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1837
2. Rechtsnatur. Fremdwährungsverbindlichkeiten sind Geldschulden (Vorpeil, RIW 1993, 529; Maier-Reimer, NJW 1985, 2049; a. A. Fülbier, NJW 1990, 2797). Dies gilt sowohl für die einfache als auch für die effektive Fremdwährungsschuld. Anders zu beurteilen ist jedoch die so genannte Geldsortenschuld: Die vertragliche Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl bestimmter Geldscheine, beispielsweise 1000 Banknoten à 1 100,–, zu liefern, ist eine Sachschuld, keine Geldschuld. Wer bei einer deutschen Bank Euro in ausländische Banknoten (z. B. US-Dollars) umtauscht, schließt einen gewöhnlichen Kaufvertrag gemäß §§ 433 ff. BGB (RGZ 108, 279; RG JW 1923, 176; Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2050)). Ein Kaufvertrag ist auch anzunehmen, wenn eine fremde Währung zur Gutschrift auf einem Konto erworben wird (RG JW 1925, 1986). Der Anspruch aus der Gutschrift stellt dann aber seinerseits wiederum eine Geldforderung gegen die kontoführende Bank dar. Als Geldschuld unterliegt die Fremdwährungsschuld den allgemeinen Regeln über Geldschulden: Sie ist Schickschuld, der Schuldner trägt die Gefahr der Übermittlung, sie unterliegt der gesetzlichen Verzinsung gemäß § 246 BGB bzw. § 352 HGB (Baumbach/Hopt, § 353 Rn. 1; zum Übermittlungsrisiko vgl. BGH WM 1982, 291). Erfüllungsort ist im Zweifel der Wohnsitz des Schuldners, auch wenn der Zahlungsort von diesem verschiedenen ist (§ 270 BGB).
10
Eine Auffassung im Schrifttum zum internationalen Geldrecht versucht, die Fremdwährungsschuld vom Geldschuldbegriff völlig zu lösen (Mann, S. 99 ff.). Danach handelt es sich bei der Fremdwährungsschuld ausschließlich um die Verschaffung einer Kontogutschrift in der betreffenden Währung. Es wird davon ausgegangen, dass gesetzliche Zahlungsmittel einerseits und Buchgeld andererseits voneinander zu trennen sind. Die Auffassung geht davon aus, dass Zahlungen in fremder Währung heute nahezu ausschließlich bargeldlos unter Einsatz internationaler Zahlungssysteme, die in das Heimatland der Währung weisen, vorgenommen werden. Dem ist zuzugeben, dass gerade bei der Erfüllung von Fremdwährungsverbindlichkeiten den Erfüllungsmodalitäten (bargeldlose Erfüllung, Erteilung von Kontogutschrift auf einem Konto im Lande der Währung) besondere Bedeutung zukommt. Zu einer anderen rechtlichen Bestimmung der Fremdwährungsschuld besteht jedoch deshalb kein Grund (Schimansky/Bunte/Lwowski, § 115 Rn. 206 f.). Die Auffassung von der Fremdwährungsschuld als obligatorischer Verschaffungsverpflichtung von Kontoguthaben hat sich damit nicht durchsetzen können. 3. Erfüllung und Umrechnung. Die bestehenden Unterschiede zwischen einfacher und effektiver Valutaschuld zeigen sich bei der Erfüllung. Ist die Schuld im Ausland zu erfüllen, so ist, jedenfalls wenn der Erfolgsort im Lande der fremden Währung liegt, in der fremden Währung zu zahlen. Liegt der Erfüllungsort im Inland, so steht dem Schuldner nach § 244 I BGB im Zweifel das Recht zu, inländische Währung im Gegenwert des Fremdwährungsbetrags zu zahlen. Dieses Recht besteht allerdings auch nur dann, wenn der Erfüllungsort im Inland liegt; auf den Ort des geschuldeten Zahlungserfolges kommt es nicht an. Das Recht des Schuldners, in heimischer Währung zu zahlen, kann jedoch durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. Ein derartiger Ausschluss muss nicht ausdrücklich erfolgen, vielmehr kann sich ein solcher Ausschluss auch aus den Umständen ergeben. Jedenfalls aber muss der Ausschluss eindeutig sein. In der Regel erfolgt der Ausschluss durch Verwendung des Wortes „effektiv“. Wegen des Einflusses des Erfüllungsortes auf den Inhalt des Fremdwährungsschuldverhältnisses ist für die Praxis zu raten, den Erfüllungsort bei Fremdwährungsverträgen ausdrücklich zu regeln. Konstruktiv handelt es sich bei dem Recht des Schuldners, in heimischer Währung zu zahlen, um eine Ersetzungsbefugnis (RGZ 101, 312 (313)). Der Schuldner ist deshalb an die Erklärung, in europäischer Währung zahlen zu wollen, nicht gebunden. Bis zur tatsächlichen Zahlung kann der Schuldner immer auf die eigentlich geschuldete Währung zurückgrei-
Willamowski
11
1838
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
fen. Der Gläubiger ist andererseits nicht befugt, seinerseits Zahlung in Euro zu verlangen. Erfüllt der Schuldner die Fremdwährungsforderung nicht in der eigentlich geschuldeten ausländischen Währung, sondern macht er vielmehr von seiner Ersetzungsbefugnis gemäß § 244 I BGB Gebrauch, stellt sich die Frage, zu welchem Kurs der geschuldete Betrag umzurechnen ist. Aus steuerrechtlicher Sicht sind grundsätzlich im Rahmen des § 23 EStG auch Währungsgewinne zu erfassen. Allerdings wird ein sich durch Währungsschwankungen ergebender Kursgewinn nicht durch den Transfer eines Fremdwährungsguthabens von einem Konto auf das andere oder durch die Gewährung eines Darlehens in Fremdwährung und Ruckfluss der Darlehensvaluta in Fremdwährung realisiert. Die Verlagerung des Fremdwährungsguthabens führt als solche zu keinem Vermögenszuwachs des Steuerpflichtigen und zu keiner Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form des erzielten Kursgewinns wird erst dann durch den marktoffenbaren Veräußerungsvorgang realisiert und damit steuerbar, wenn die ausländische Währung in die inländische rückgetauscht wird. Entsprechendes gilt auch für aufgrund von Währungsschwankungen sich ergebende Kursverluste, mit der Folge, dass eine Wertminderung im Privatvermögen in Form eines erlittenen Kursverlustes dann realisiert wird, wenn die ausländische Währung zu einem ungünstigen Kurs rückgetauscht wird (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.05.2007 – 3 K 1667/04, DStRE 2007, 1368 f.). Verbindlichkeiten sind gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, Nr. 3 EStG bedeutet ein voraussichtlich nachhaltiges Ansteigen des Werts des Wirtschaftsgutes über den maßgeblichen Buchwert (FG Hamburg Urteil v. 27.06.2007 – 7K 296/04). Dabei ist bei Fremdwährungsverbindlichkeiten grundsätzlich der Wert zum Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit maßgebend. Übliche Wechselkursschwankungen sind bei Verbindlichkeiten in Fremdwährung nicht voraussichtlich dauernd und berechtigen daher nicht zu dem Ansatz eines höheren Teilwertes. Auf den Devisenmärkten übliche Wechselkursschwankungen berechtigen nach Auffassung der Finanzgerichte nicht zu einem höheren Ansatz der Verbindlichkeiten (BStB. I 2002, 793). 12
Durch die Ersetzungsbefugnis des Schuldners nach § 244 I BGB soll dem Gläubiger kein Nachteil entstehen (RGZ 101, 312 (313); Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2050); MünchKommBGB-Grundmann, §§ 244, 245 Rn. 96). Die Ersetzungsbefugnis hat nur Einfluss auf die Zahlungswährung, nicht auf die Schuldwährung. Mit Wegfall der währungsrechtlichen Kompetenz durch die Einführung des Euro ist die deutsche Norm jedoch gemeinschaftsrechtskonform auf eine reine Schuldnerschutzregel zu reduzieren. Die Umrechnung der Fremdwährungsschuld hat danach zu dem Kurs am Tag der Zahlung zu erfolgen, den der Gläubiger am Erfüllungsort der Zahlung für den Erwerb der ausländischen Währung aufzuwenden hat (so zutreffend RGZ 101, 312 (316); MünchKommBGBGrundmann, §§ 244, 245 Rn. 100). Der Kurs am Zahlungstag gilt sogar dann, wenn der Gläubiger wegen Devisenbewirtschaftungsbestimmungen in diesem Zeitpunkt die ausländische Währung überhaupt nicht kaufen kann. Der gesetzliche Schutz reicht nicht soweit, dass ihm diese Gefahr abgenommen würde (RGZ 111, 316). Nicht einheitlich beurteilt wird die Frage, welcher Typ des maßgebenden Tageskurses für die Umrechnung heranzuziehen ist. Der Bundesgerichtshof stellt insoweit auf den Briefkurs ab, da der Gläubiger diesen für die Valutabeschaffung aufwenden muss (BGH WM 1993, 2012). Dies ist jedoch unzutreffend, wenn eine Buchgeldzahlung zulässig und möglich ist und das Buchgeld für den Gläubiger ohne zusätzliche Bemühungen oder Risiken günstiger zu beschaffen ist. Dementsprechend ist entweder auf den Noten- oder den Sortenkurs abzu-
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1839
stellen (so MünchKommBGB-Grundmann, §§ 244, 245 Rn. 100 in Fußn. 197). Dies wird teils unter Hinweis auf die aus der unterschiedlichen Feststellung von Notenkursen resultierenden Unsicherheiten kritisiert (Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2050)). Zum Devisen- und damit zum amtlichen Kurs kann der Gläubiger die ausländische Währung kaufen, wenn keine Banknoten ausgeliefert werden, sondern der entsprechende Fremdwährungsbetrag durch Gutschrift auf ein Fremdwährungskonto gezahlt werden kann. Zahlt der Schuldner berechtigterweise auf ein Bankkonto, so muss auch der Kurs zur Anwendung kommen, den der Gläubiger durch Kauf der fremden Währung zur Gutschrift auf seinem Fremdwährungskonto aufzuwenden hat, also der Devisenkurs. Hat der Schuldner dagegen in Banknoten zu zahlen, so muss es auch für die Umrechnung auf den Notenverkaufskurs ankommen. Wegen der Verbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist diese Frage i. E. allerdings von geringer praktischer Bedeutung. Nach noch anderer Meinung soll schließlich der amtliche Kurs maßgebend sein; gibt es keinen amtlichen Kurs, so soll es auf den Wechselstubenkurs ankommen (Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 84). 4. Aufrechnung. Ob Forderungen in Euro und Forderungen in fremder Währung gegeneinander aufgerechnet werden können, ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichartigkeit in § 387 BGB zweifelhaft. Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass der Fremdwährungsschuldner, der gemäß § 244 I BGB auch in inländischer Währung leisten kann, seine eigene Forderung in Euro gegen die Fremdwährungsschuld aufrechnen kann (RGZ 106, 99 (100); dazu Vorpeil, RIW 1993, 529 (530); vgl. auch Fögen, Geld- und WährungsR, 1969, S. 122 f.; RGRK-Alff, § 387 Rn. 35; Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 47 ff.). Die erforderliche Gleichartigkeit der Leistung des Schuldners mit der des Gläubigers einer Fremdwährungsschuld wird nach herrschender Meinung aber erst durch die Ausübung der Befugnis des Schuldners nach § 244 I BGB, an Stelle der Fremdwährung inländische Währung zu leisten, d. h. durch die Aufrechnungserklärung hergestellt (RGZ 167, 60 (62 f).; Smoschewer, JW 1921, 1446 (1447); Staudinger-Gursky, § 387 Rn. 69; MünchKommBGB-Schlüter, § 387 Rn. 32; a. A. Reichel, AcP 126 (1926), 313 (325 ff.); Birk, AWD 1969, 12 (15)). Dies gilt nach verbreiteter Meinung auch im Falle frei konvertiblen Währungen (KG NJW 1988, 2181 = RIW 1989, 815; OLG Hamm NJW-RR 1999, 1736; MünchKommBGB-Schlüter, § 387 Rn. 32; a. A. Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2051)). Im Übrigen, d. h. im Falle des Vorliegens einer echten Fremdwährungsschuld, soll nach der herrschenden aber umstrittenen Meinung eine Aufrechnung mangels Gleichartigkeit von Forderung und Gegenforderung unzulässig sein (RGZ 167, 60; OLG Frankfurt a. M. OLGZ 1967, 17 = NJW 1967, 501 (503) m. zust. Anm. Haug, NJW 1967, 50; OLG Hamm NJW-RR 1999, 1763; LG Hamburg RIW/AWD 1974, 410; so auch Vorpeil, RIW 1993, 529, 531 m. w. N.; MünchKommBGB-Schlüter, § 387 Rn. 32). Echte Valutaschulden, die im Ausland zu zahlen sind und daher nicht gemäß § 244 BGB in europäischer Währung erbracht werden können, sind mit einem Zahlungsanspruch in inländischer Währung nicht gleichartig und somit nicht aufrechenbar (vgl. LG Hamburg IPRax 1981, 174 m. Anm. v. Hoffmann, IPRax 1981, 155, 156; hiergegen v. Feldmann, JuS 1983, 457 (359); Gruber, MDR 1992, 121 f.; Palandt-Heinrichs, § 387 Rn. 9; vgl. auch OLG Hamburg VersR 1979, 833 (834)). Vielmehr soll sogar weitergehend eine konkludente Aufrechnungsbeschränkung vorliegen (MünchKommBGB-Schlüter, § 387 Rn. 32; Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 47 f.; Staudinger-Gursky, § 387 Rn. 67). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Gleichartigkeit nur auf die Forderung des Gläubigers abzustellen ist, nicht auch auf eine etwaige Befugnis des Schuldners, sich durch eine ungleichartige Leistung von seiner Verbindlichkeit zu befreien. Die Gleichartigkeit wird demnach zutreffend erst durch § 244 I BGB begründet. Verschiedene, graduell differenzierende Mindermeinungen
Willamowski
13
1840
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
lassen erweiterte Aufrechnungsmöglichkeiten (so Staudinger-Schmidt § 244 Rn. 48 f., unter Hinweis auf die Vollstreckungsfunktion) bis hin zur beliebigen Aufrechenbarkeit gegen die eigene Verbindlichkeit durch den Fremdwährungsgläubiger unter der Voraussetzung voller Konvertibilität der Währungen zu (so Birk, AWD 1969, 12 (15 f.) und wohl auch Maier-Reimer, NJW 1985, 2051). Danach sei auf eine „funktionelle“ Gleichartigkeit abzustellen; im einen wie im anderen Fall befriedige der Schuldner den Gläubiger wirtschaftlich mit einer anderen Währung als derjenigen, zu deren Zahlung er verpflichtet ist, nämlich in der Währung seiner eigenen Forderung, nur erhält der Gläubiger in einem Fall europäische statt ausländischer Währung und im anderen Fall ausländische statt europäischer Währung. Einzelne wollen die Aufrechnungsmöglichkeit nicht von einer rein „formalen“ Gleichartigkeit der Forderungen abhängig machen, sondern auf die Interessenlage abstellen (v. Hoffmann, IPRax 1981, 155 (156)). Der Schuldner einer effektiven Fremdwährungsverbindlichkeit kann dagegen mit seiner Forderung in Euro nicht aufrechnen, da eine derartige Aufrechnung eine mittelbare Leistung in der Heimatwährung bedeutet, obwohl eine Erfüllung dieser Art durch Parteivereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die Aufrechnung liefe damit dem Sinn der effektiven Fremdwährungsverbindlichkeit zuwider (Staudinger-Schmidt § 244 BGB, Rn. 48). Der Bundesgerichtshof hat – soweit ersichtlich – noch nicht ausdrücklich zur Frage der Gleichartigkeit von währungsverschiedenen Forderungen entschieden. Die Zulassung einer erweiterten Aufrechnungsmöglichkeit ist aus praktischer Sicht für den Bereich des internationalen Wirtschaftsverkehrs selbstverständlich wünschenswert. Nach der Tendenz der bisherigen Rechtsprechung kann jedoch nicht von einer Gleichartigkeit der Forderungen ausgegangen werden (vgl. auch noch BGH WM 1986, 477 (478); Vorpeil, RIW 1993, 529 (532)). Die Gegenauffassungen, die eine erweiterte Aufrechnungsmöglichkeit, wenn auch mit Unterschieden, zulassen, weisen auf die Notwendigkeit einer Vermeidung nutzlosen Hinund Herzahlens von Geld, auf die Funktion der Aufrechnung als „private Zwangsvollstreckung“ und, verbunden damit, als Sicherung der Befriedigungsmöglichkeit hin und sind insoweit in der Tat praxisgerecht (Vorpeil, RIW 1993, 529 (530); MünchKommBGBSchlüter, § 387 BGB, Rn. 1; Staudinger-Kaduk, Vorb. § 387 BGB, Rn. 13; Böttischer, FS Schima, 1969, 95 f.). Allerdings ist sie formal mit dem lediglich eine Aufrechnungsbefugnis des Schuldners der inländischen Währung enthaltenden § 244 I BGB nicht zu vereinbaren. Gegen die Annahme einer erweiterten allgemeinen Aufrechnungsbefugnis spricht auch die Spezialregelung in § 95 II InsO, nach der die Aufrechnung auch bei unterschiedlichen Währungen ausdrücklich zugelassen wird, wenn diese am Zahlungsort getauscht werden können. 14
Soweit nach den vorstehenden Ausführungen eine Aufrechnung rechtlich zulässig ist, erfolgt die Umrechnung nach dem Kurswert im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung, nicht etwa im Zeitpunkt der Entstehung der Aufrechnungslage, da die Aufrechnungserklärung der Zahlung im Sinne des § 244 II BGB gleichzustellen ist (BGH WM 1993, 2011 (2012); RGZ 106, 99 (100); 167, 60 (63); MünchKommBGB-Schlüter, § 387 Rn. 32; Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2051); a. A. Reichel, AcP 126 (1926), 313 (326); Birk, AWD 1969, 12 (16)). Für den Fall, dass der Schuldner einer einfachen Fremdwährungsverbindlichkeit, der seinerseits also auch Euro leisten kann, aufrechnet folgt dieses Ergebnis wie gezeigt daraus, dass erst mit der Erklärung der Aufrechnung die Ersetzungsbefugnis ausgeübt und damit die Gleichartigkeit und die Aufrechnungslage hergestellt wird (RGZ 106, 109 (110); RGRK- Alff, § 387 Rn. 35; Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 50). Damit ist auch die Frage beantwortet, ab wann die gegenseitigen Forderungen in dem Umfang als getilgt gelten, der sich aus dem Kurswert am Tage der Aufrechnungserklärung ergibt: nach § 389 BGB gelten die gegeneinander aufgerechneten Forderungen als in dem
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1841
Zeitpunkt getilgt, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Stellt erst die Aufrechnungserklärung die Aufrechenbarkeit her, so tritt auch die Tilgung erst mit Wirkung der Aufrechnungserklärung ein. Lässt man die Aufrechnung auch in anderen Fällen zu, also in Fällen, in denen der Aufrechnende nicht berechtigt ist, in der Währung seiner Gegenforderung zu zahlen, so muss für den Zeitpunkt der Umrechnung und der Tilgung dasselbe gelten. Maßgebend sollte dabei der Kurs sein, den der Aufrechnungsgegner für den Erwerb der ihm geschuldeten Währung aufzuwenden hätte (MaierReimer, NJW 1985, 2049 (2051)). 5. Dingliche Sicherheiten. Bei der Besicherung von Fremdwährungsverbindlichkeiten gibt es grundsätzlich keine Besonderheiten. Schwierigkeiten ergaben sich früher nur bei der Besicherung durch eine Hypothek an einem deutschen Grundstück, da nach der Grundbuchordnung Grundpfandrechte nur in inländischer Währung eingetragen werden können (§ 28 S. 2 GBO,; vgl. auch Schmidt-Räntsch, NJW 1998, 3166 (3170)). Durch Rechtsverordnung vom 30.10.1997 (Verordnung über Grundpfandrechte in ausländischer Währung und in Euro vom 30. 10. 1997, BGBl. I, S. 2683; Bekanntmachung über das Inkrafttreten vom 23. 12. 1998, BGBl. I S. 4023) wurde mit Wirkung vom 15.11.1997 auch die Eintragung von Grundpfandrechten in Schweizer Franken und US- Dollar zugelassen. Für Grundschulden (§§ 1191 ff. BGB) stellt dies kein Problem dar. Einer Eintragung einer auf Euro lautenden Grundschuld zur Sicherung einer Fremdwährungsverbindlichkeit steht nichts im Wege. Anders war dies bei der Hypothek (vgl. aber jetzt EuGH, NJW 2001, 1047 = EuZW 2001, 121) wegen deren Akzessorietät zur zugrundeliegenden Forderung (vgl. § 1153 BGB). Die Sicherung ist dadurch möglich, dass eine Höchstbetragshypothek für einen in europäischer Währung ausgedrückte Höchstbetrag zur Sicherung der Fremdwährungsschuld eingetragen wird. Die Umrechnung erfolgt dabei nach dem Kurs im Zeitpunkt der Eintragung (RGZ 106, 74 – Zwangshypothek).
15
6. Prozess- und Zwangsvollstreckung. Eine Klage auf Zahlung in ausländischer Währung kann ohne weiteres erhoben werden; ein Urteil auf Zahlung einer Geldsumme in ausländischer Währung kann ohne weiteres ergehen (BGH NJW 1980, 2017 f.; Häde, NJW 1992, 10 (15); Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053); Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 104 m. w. N). Der Kostenstreitwert einer Fremdwährungsschuld bemisst sich nach dem Umrechnungskurs am Tag der letzten mündlichen Verhandlung (OLG Frankfurt NJW 1991, 643; vgl. auch OLG Köln NJW-RR 1988, 30). Im Prozess kann der Gläubiger jedoch nur auf Zahlung in Fremdwährung klagen, da die Ersetzungsbefugnis des § 244 I BGB lediglich dem Schuldner zusteht (MünchKommBGB-Grundmann, §§ 244, 245 Rn. 100; Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053)). Fraglich ist allerdings, ob das Mahnverfahren für die Verfolgung von Ansprüchen in einer anderen Währung als Euro zur Verfügung steht (vgl. § 688 I, III S. 2 ZPO). Der Gläubiger kann jedoch die auf ausländische Währung lautende Forderung auch nicht in Euro geltend machen, sondern ist vielmehr auf das ordentliche Verfahren beschränkt (EuGH RIW/AWD 1981, 486; BGH NJW 1980, 2017; Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053 in Fußn. 52a)). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterbricht jedenfalls ein in Euro erwirkter Mahnbescheid für eine Fremdwährungsverbindlichkeit die Verjährung (BGH NJW 1988, 1965). Vereinzelt wird in der Literatur das Mahnverfahren für Fremdwährungsverbindlichkeiten entgegen dem Gesetzeswortlaut zugelassen (Schmidt, NJW 1989, 65). Mit der absolut herrschenden Meinung ist anzunehmen, dass die Vollstreckung eines auf ausländische Währung lautenden Titels als Vollstreckung einer Geldforderung (§§ 803 ff. ZPO) erfolgt und nicht als Vollstreckung eines Titels auf Herausgabe von Sachen oder auf Vornahme einer Handlung gemäß §§ 883 ff. bzw. 887 ZPO (RGZ 101, 312; 106, 74; KG JW 1920, 657; 1923, 188; OLG Düsseldorf WM 1988, 558 (559) = NJW 1988, 2185; OLG Köln JW 1920, 910;
16
Willamowski
1842
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
OLG Frankfurt JW 1921, 1328 f.; Vorpeil, RIW 1993, 529 (532); Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 113). Der Verwertungserlös wird an den Gläubiger ausgekehrt; die Beitreibungsbeträge sind dabei nicht als Surrogat, sondern als das Geschuldete selbst angesehen (Maier-Reimer, NJW 1985, 2051). Der Unterschied zwischen effektiver und einfacher Fremdwährungsverbindlichkeit entfällt damit in wirtschaftlicher Hinsicht spätestens bei der Zwangsvollstreckung. Dasselbe gilt, wenn ausländisches Recht zur Anwendung kommt oder ein ausländisches Urteil für vollstreckbar erklärt wird. Vereinzelt wird in der Literatur aufgrund dieser Unterschiedslosigkeit im Vollstreckungsverfahren aus praktischen Gründen auch die einheitliche Behandlung von einfachen und effektiven Fremdwährungsverbindlichkeiten im vorhergehenden Erkenntnisverfahren gefordert (Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053)). 17
Zur Begründung des oben genannten Ergebnisses wird teilweise § 244 BGB direkt herangezogen (RGZ 106, 74). Wenn es dem Schuldner hiernach im Zweifel möglich ist, seine Schuld in inländischer Währung zu begleichen, könne der Fremdwährungstitel im Zweifel auch in inländischer Währung als Geldforderung (§§ 803 ff. ZPO) vollstreckt werden. Andere wollen jedenfalls zur Bestimmung des Umrechnungszeitpunktes § 244 II BGB analog anwenden, im Übrigen allerdings auf die konkreten Vorschriften des Vollstreckungsrechts abstellen (Maier-Reimer, NJW 2049, 2053; Stein/Jonas-Münzberg, Vorb. § 704 ZPO Rn. 162). Richtig ist, dass von der Vollstreckung einer Geldforderung auszugehen ist, und zwar unabhängig davon, ob eine Zahlungsverpflichtung in inländischer oder ausländischer Währung bedungen ist. Für bestimmte Forderungen ergibt sich die Möglichkeit der Vollstreckung in inländischer Währung jedenfalls direkt aus dem Vollstreckungsrecht (§§ 168c – Schiffshypothek, 171e ZVG – Registerpfandrecht), soweit der Gerichtsvollzieher nicht Banknoten der ausländischen Währung gemäß § 815 ZPO pfändet oder Forderungen auf ausländische Währung gepfändet und überwiesen werden (KG JW 1923, 188; Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 113). Ebenso verwendet der Gerichtsvollzieher den aus einer Zwangsversteigerung erzielten Erlös in inländischer Währung unmittelbar zur Auskehrung an den Gläubiger und nicht zum Erwerb der ursprünglich geschuldeten ausländischen Währung, mit welcher der Gläubiger nachfolgend befriedigt wird. Für alle übrigen Fälle folgt jedoch aus § 244 BGB, dass der Fremdwährungstitel auch in inländischer Währung als Geldforderung vollstreckt werden kann. Sonderregelungen finden sich in §§ 168c, 171e ZVG. Danach ist der letzte Kurs vor dem Zwangsversteigerungstermin für das Verfahren maßgebend. Zutreffend ist allerdings auch, dass das Vollstreckungsrecht keine allgemeine Regelung über den genauen Umrechnungszeitpunkt enthält. Insoweit ist § 244 II BGB analog anzuwenden. Maßgebend ist demnach der Wechselkurs zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versteigerungserlös an den Gerichtsvollzieher gezahlt wird (§ 819 ZPO). Auch eine effektive Fremdwährungsverbindlichkeit wird daher in inländischer Währung vollstreckt. Dies kann dadurch erklärt werden, dass der die Zwangsvollstreckung betreibende Gläubiger damit sein Einverständnis mit einer Befriedigung in inländischer Währung zum Ausdruck bringt (Maier-Reimer, NJW 2049, 2053). Die Zwangsvollstreckung führt demnach in der Regel zur Befriedigung in inländischer Währung. Das ist systemwidrig, muss aber aus praktischen Gründen hingenommen werden (Palandt- Heinrichs, § 244 Rn. 22 a. E.). Für den Prozess gilt für die echte Valutaschuld das zur unechten Valutaschuld Gesagte mit der Maßgabe, dass § 244 BGB unanwendbar ist.
18
Zu beachten sind dabei auch die Vollstreckungsbeschränkungen im Devisenverkehr gemäß § 80 der (bundeseinheitlichen) Geschäftsanweisungen für Gerichtsvollzieher (GVGA). Eine andere Frage ist, ob der Gerichtsvollzieher gemäß § 754 ZPO berechtigt ist, bei Vollstreckung einer Fremdwährungsschuld inländische Währung entgegenzuneh-
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1843
men. Dies ist aufgrund der Funktionstrennung zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren im Ergebnis zu bejahen. Es ist nicht Sache des Gerichtsvollziehers zu überprüfen, ob es sich um eine einfache oder eine effektive Fremdwährungsschuld handelt, also z. B. festzustellen, wo der Erfüllungsort liegt oder ob eine bestimmte Vereinbarung als Effektivklausel zu verstehen ist oder nicht. Im Übrigen ist der Gerichtsvollzieher zur zwangsweisen Beitreibung der Forderung beauftragt und verpflichtet; da diese ohnehin zu einer Befriedung in inländischer Währung führt, muss der Gerichtsvollzieher auch berechtigt sein, die Zahlung in inländischer Währung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung entgegenzunehmen (vgl. Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053); wohl nunmehr auch MünchKommBGB-Grundmann, §§ 244, 245 BGB, Rn. 101, Fußn. 201; a. A. Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 114; unklar Stein/Jonas-Münzberg, Vorb. § 704 ZPO Rn. 61). Will der Gläubiger hingegen sicherstellen, dass er auch im Falle der Zwangsvollstreckung in ausländischer Währung befriedigt wird, so kann er dies in geeigneten Fällen dadurch erreichen, dass er einen Geldsortenanspruch geltend macht oder dass er seinen Klageantrag nicht als Zahlungsantrag, sondern dahin fasst, dass in bestimmter Weise zu zahlen ist. Macht der Kläger einen Geldsortenanspruch geltend, so klagt er auf Lieferung oder Herausgabe von Banknoten in ausländischer Währung. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen Zahlungsanspruch; die Zwangsvollstreckung eines entsprechenden Titels würde nach den Vorschriften zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen (§§ 883 ff. ZPO) erfolgen. Im anderen Fall lauten Klage und Urteil dahin, dass der Beklagte einen bestimmten Betrag in z. B. US-Dollars auf ein genau bezeichnetes Bankkonto bei einer U.S.-amerikanischen Bank zu überweisen habe (LG Frankfurt, NJW 1956, 65). Auch in diesem Fall handelt es sich nach dem Tenor des Urteils nicht um ein Zahlungsurteil, sondern um ein Urteil auf Vornahme einer Handlung, welches dann gemäß § 887 ZPO zu vollstrecken ist. Freilich wird sich in diesen Fällen der Gläubiger vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten wegen Geldschulden einerseits und zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen andererseits ernsthaft zu überlegen haben, ob er tatsächlich auf der Leistung ausländischer Währung bestehen will. Insbesondere gegenüber einem leistungsschwachen Schuldner ist die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung, die wie gezeigt im Ergebnis zu einer Befriedigung in inländischer Währung führt, effizienter. Insbesondere ist bei der Zwangsvollstreckung nach §§ 883 ff., 887 ZPO die Pfändung und damit die Sicherung des Gläubigers nicht möglich. Demgemäss wurde seitens der Rechtsprechung in einem solchen Fall unter Annahme einer Vollstreckung nach §§ 883 ff. ZPO konsequenterweise einen Pfändungsbeschluss aufgehoben (LG Frankfurt, NJW 1956, 65).
19
III. Gesetzliche Valutaschulden. Valutaschulden können außer durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung auch durch Gesetz entstehen. Dabei sind insbesondere auch auf Verletzung vertraglicher Pflichten zurückzuführende Sekundäransprüche bedeutsam. In Betracht kommen weiter Unterhaltsansprüche oder Bereicherungsansprüche. Die rechtliche Behandlung von gesetzlichen Ansprüchen auf Zahlung eines Betrags in ausländischer Währung ist wesentlich verschieden von derjenigen rechtsgeschäftlich begründeter Fremdwährungsverbindlichkeiten. Für die Vergangenheit wurde dies z. B. bereits dadurch deutlich, dass kraft Gesetzes entstandene Ansprüche, auch soweit sie sich im Einzelfall auf Zahlung in ausländischer Währung richteten, nicht dem – mittlerweile aufgehobenen bzw. eingeschränkten vgl. dazu oben B II 1.) – Genehmigungserfordernis nach § 3 WährG unterlagen.
20
1. Bestimmung der geschuldeten Währung. Zu der Frage, wie die Währung einer Schadensersatzforderung zu bestimmen ist, werden in Rechtsprechung und Literatur zahlrei-
21
Willamowski
1844
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
che unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die in der Rechtssprechung gelegentlich vorzufindende Erklärung, Schadenersatzansprüche seien in inländischer Währung zu berechnen, der Wert der ausländischen Währung stelle lediglich einen Rechnungsfaktor dar, ist missverständlich (RGZ 96, 121; 109, 61 (63 f.); BGHZ 14, 212 = NJW 1954, 1441; BGH WM 1977, 478 (479)). Genauer ist vielmehr, dass die Entstehung von Geldwertschulden, insbesondere aus gesetzlichen Ansprüchen auf Schadens-, Wert- oder Aufwendungsersatz, zunächst währungsneutral ist, d. h. solche Ansprüche lauten nicht etwa von vorneherein auf eine bestimmte Währung. Für die solchen Ansprüchen zugrunde liegende Währung ist nämlich auf das auf die Anspruchsentstehung anzuwendende Recht abzustellen. Nur soweit sich also solche Ansprüche aus deutschem Recht ergeben, entstehen sie in inländischer Währung. Für den rechtswidrigen Entzug einer Sache hat der Bundesgerichtshof allerdings auch entschieden, dass als Entschädigung der Betrag zu zahlen sei, der für die Wiederbeschaffung an dem Ort erforderlich sei, wo sich die Sache ohne die rechtswidrige Handlung befände (vgl. BGHZ 5, 138 = NJW 1952, 618). Die Gegenansicht zu dieser Rechtsprechung unterscheidet nicht hinreichend zwischen dem Recht der Entstehung und der Art der Erfüllung des Schadens; im Übrigen will sie selbst im Falle der Entstehung eines Schadensersatzanspruches in ausländischer Währung dem Schuldner die Ersetzungsbefugnis nach § 244 I BGB zubilligen (vgl. Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053)). Dies und die Tatsache, dass die Vollstreckung im Ergebnis nur in inländischer Währung erfolgen kann, scheint die Zweifel an der herrschenden Meinung obsolet zu machen. Ein etwa in ausländischer Währung zu ermittelnder Erstattungsbetrag bildet dann nur einen Rechnungsfaktor für die in inländischer Währung festzusetzende Schadenshöhe (vgl. für Schadensersatzansprüche RGZ 109, 61; BGHZ 14, 212, 217 = NJW 1954, 1441; BGH WM 1977, 478 (479); BGH NJW-RR 1989, 672 f., 1998, 1425 (1429); krit. Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 23 ff.). Das gilt wohl auch für den Aufwendungsersatzanspruch des Kreditkartenausgebers gegen den Karteninhaber wegen der Begleichung eines Rechungsbetrages in ausländischer Währung (vgl. Meder, WM 1996, 2085; a. A. OLG Hamburg NJW 1996, 1902). Forderungen, die in der Währung eines Mitglieds der Währungsunion ausgedrückt sind, sind keine Valutaschulden; sie verpflichten seit dem 1.1.2002 ohne weiteres zur Zahlung von Euro und sind entsprechend umzurechnen. 22
Streitig ist insbesondere, ob § 244 BGB neben § 249 BGB anwendbar ist. Während § 244 II BGB die Umrechnung zum Zeitpunkt der effektiven Zahlung fordert, bedeutet die alleinige Anwendung von § 249 BGB u. U. faktisch eine Umrechnung zum Zeitpunkt des Urteils, weil erst durch das Urteil die endgültige Festlegung der Schadenshöhe erfolgt. Der Bundesgerichtshof verwendet an einer Stelle die prägnante Formulierung, für Schadenersatzansprüche gelte nicht § 244, sondern § 249 BGB (BGH WM 1977, 478 (479)). Für den Bundesgerichtshof, der von einer währungsneutralen Entstehung von Sekundäransprüchen ausgeht, kann es sich bei solchen Ansprüchen nämlich konsequenterweise nicht um eine „in einer anderen Währung als Euro ausgedrückte Geldschuld“ im Sinne des § 244 I BGB handeln (BGHZ 14, 212 = NJW 1954, 1441; BGH Betr 1958, 306 (307); BGH WM 1977, 478 (479); vgl. auch RGZ 109, 61 (62); Alberts, NJW 1989, 609 (610)). Sollte sich ein Schaden in einer fremden Währung ausgewirkt haben, kommt diese nur als Maßstab für die Bemessung der Schuld des Ersatzpflichtigen in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die zweifelsohne den Wortlaut des § 244 I BGB auf ihrer Seite hat, hat die Schadensberechnung demnach unter Anwendung von § 249 BGB und nicht von § 244 II BGB zu erfolgen, weil derjenige, der Schadensersatz beanspruchen kann, so gestellt werden muss, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Von der Schadensersatzpflicht ist daher ohne weiteres der Geldentwertungsschaden, dessen Auswirkung zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1845
maßgebend ist, umfasst (BGH WM 1977, 478 (4799; OLG Köln NJW-RR 1988, 30 m. Anm. Alberts, NJW 1989, 609; ähnlich OLG Köln NJW 1971, 2128 = BB 1971, 1078; anders OLG Hamburg VersR 1979, 833 (834), dort wird die Forderungswährung aus § 249 BGB, der Umrechnungszeitpunkt allerdings aus § 244 BGB hergeleitet; i. E. ebenso Alberts, NJW 1989, 609 (611)). Der Linie des Bundesgerichtshofs wird in der Literatur insbesondere unter Hinweis auf § 661 HGB, der für einen Schadensersatzanspruch die Geltung des § 244 BGB, allerdings mit einem anderen Umrechnungszeitpunkt vorschreibt, widersprochen (Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053)). § 249 BGB regele danach den Inhalt der Schuld, § 244 BGB die Art ihrer Erfüllung. Dem kann nicht gefolgt werden. Die entsprechende Vorschrift des § 661 HGB ist vielmehr im konkreten Regelungszusammenhang zu lesen. Diese Vorschrift betrifft nämlich einen etwaigen Schadensersatzanspruch im Kontext des internationalen Seehandels (zur Begründung der Anwendbarkeit von §§ 249, 244 BGB bei rein inländischen Seehandel, z. B. Verschiffung von Hamburg nach Dresden, bedarf es des § 661 HGB nicht). § 660 HGB begrenzt die Haftung des Verfrachters auf einen Betrag an Rechnungseinheiten (Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds), welche „in Euro entsprechend dem Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht am Tag des Urteils oder an dem von den Parteien vereinbarten Tag umgerechnet“ werden. Nach § 659 HGB hat der Verfrachter „den Unterschied zwischen dem Verkaufswert der Güter im beschädigten Zustand und dem gemeinen Handelswert oder dem gemeinen Wert zu ersetzen, den die Güter ohne die Beschädigung am Bestimmungsort zur Zeit der Löschung des Schiffes gehabt haben würden“. Insoweit stellt § 661 HGB klar, dass „die Umrechnung nach dem Kurswert, der zur Zeit der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsort maßgebend ist“, erfolgt. Für die Haftung des Verfrachters ist daher der Wert der Güter am (ausländischen) Bestimmungsort maßgebend. Nur dieser Wert ist nach § 661 HGB in Euro umzurechnen. Dies ergibt sich aus § 661 S. 2 HGB, der die entsprechende Geltung von § 658 II HGB anordnet: wird der Bestimmungsort der Güter nicht erreicht, so tritt nach § 658 II HGB an dessen Stelle der Ort, wo die Reise endet, oder, wenn die Reise durch Verlust des Schiffes endet, der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist. § 661 HGB widerspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs damit nicht. Vielmehr wird durch die dort angeordnete Geltung des § 244 BGB für das deutsche Seehandelsrecht im Ergebnis lediglich zum Ausdruck gebracht, dass durch die Berechnung des Schadens nach dem Wert der Güter am Bestimmungsort des Schiffes keine effektive, sondern nur eine einfache Fremdwährungsverbindlichkeit begründet wird. Die praktische Bedeutung dieses Streits ist allerdings gering.
23
2. Leistungsstörungen. a) Verzögerung der Leistung (Verzug). aa) Mahnung. Soweit zur Begründung des Verzugs eine Mahnung erforderlich ist (vgl. §§ 280 II, 286 II und III BGB), ist es für die Verzugsbegründung nach verbreiteter Meinung unerheblich, ob die Mahnung in der vertraglich geschuldeten Währung erfolgt oder nicht. Vielmehr soll auch eine Mahnung in einer anderen in Betracht kommenden Währung als der geschuldeten Währung ausreichen (vgl. nur RGZ 109, 61 (63); Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 44). Dies gilt für den Fall einer einfachen Valutaschuld deswegen, weil dem Schuldner die Ersetzungsbefugnis des § 244 I BGB zusteht. Eine Mahnung in einer sachfremden Drittwährung kann jedoch u. U. nach § 242 BGB nicht verzugsbegründend wirken (Beispiel: einfache Valutaschuld eines deutschen mit einem U.S.-amerikanischen Vertragspartner; Mahnung in irakischen Dinaren). Ebenso wird der Annahmeverzug des Gläubigers nur durch das Angebot einer Währung begründet, in welcher der Schuldner zu leisten berechtigt ist (Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 44). Fraglich ist aber vor diesem Hintergrund, ob auch im Fall einer effektiven Fremdwährungsverbindlichkeit von einer wirksamen Mah-
24
Willamowski
1846
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
nung auszugehen ist, wenn diese in einer anderen als der vertraglich bedungenen Währung ausgedrückt wird. Die Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen. Die in der Mahnung enthaltene Aufforderung zur Leistung muss bestimmt und eindeutig sein; der Gläubiger muss unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass er die geschuldete Leistung verlange (vgl. nur RGZ 93, 301; BGH NJW 1998, 2132). Grundsätzlich ist der Gläubiger also im Fall einer effektiven Fremdwährungsschuld gehalten, in der vertraglich geschuldeten Währung zu mahnen. Tut er dies nicht, so läuft er Gefahr entweder nicht wirksam gemahnt oder aber durch die Mahnung in einer anderen Währung konkludent auf die Leistung in der ursprünglich vereinbarten Währung verzichtet, also die (zunächst) effektive durch einseitige Erklärung in eine einfache Fremdwährungsschuld umgewandelt zu haben. 25
bb) Verzugsschaden. Währungsverluste können nach einhelliger Meinung grundsätzlich als Verzugsschaden nach §§ 280, 286 BGB ersatzfähig sein (vgl. nur Alberts, NJW 1989, 609 (614) m. w. N). Streitig ist dagegen, ob und unter welchen Voraussetzungen Wechselkursänderungen einen Verzugsschaden begründen können (vgl. z.B. Staudinger-Löwisch, § 286 Rn. 20; Staudinger-Schmidt, § 244 Rn. 58). Nicht nur, wenn der Geldschuldner in Verzug ist, stellt sich das Problem der Änderung des Wechselkurses. Vergleichbare Probleme entstehen auch dann, wenn sich der Sachschuldner bei einem Kaufvertrag in Verzug befindet. Hat etwa ein Deutscher von einem Ausländer zu einem in US- Dollar ausgedrückten Kaufpreis Ware gekauft und gerät der Verkäufer in Verzug, so ist als Folge dieses Verzuges der Kaufpreis später zu zahlen. In diesem Fall kann es einen ersatzfähigen Verzugsschaden darstellen, wenn nunmehr in Folge eines Kursanstiegs des Dollar gegenüber dem Euro der deutsche Käufer einen höheren Eurobetrag zur Begleichung seiner Dollar-Kaufpreisschuld aufzuwenden hat (vgl. z. B. BGH NJW 1951, 109). Die Rechtsprechung zu dieser Frage krankt, worauf zu Recht hingewiesen wird (Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053)), teilweise daran, dass sie nicht hinreichend zwischen dem Außenwert und dem Binnenwert einer Währung unterscheidet, also nicht unterscheidet zwischen der Entwicklung des Wechselkurses und der inneren Kaufkraft einer Währung (OLG München, NJW 1979, 2480; vgl. auch LG Heidelberg, RIW/AWD 1982, 285). Die Entwicklung des Außenwerts einer Währung, d. h. ihres Wechselkurses zu anderen Währungen, kann aber völlig verschieden von der Entwicklung ihres Binnenwertes sein. Es ist daher nicht möglich, die Entwicklung des Binnenwertes an der Entwicklung des Außenwertes abzulesen. Eine spezifische Frage der Fremdwährungsverbindlichkeiten ist jedoch dabei lediglich, wie sich Wechselkursänderungen zwischen der ausländischen und der inländischen Währung auswirken. Soweit es um den Verlust des Binnenwertes einer Währung geht, handelt es sich nicht um eine spezifische Frage der Fremdwährungsverbindlichkeiten. Die selbe Frage ergibt sich bei Verbindlichkeiten in heimischer Währung (LG Heidelberg RIW/AWD 1982, 285; Staudinger-Schmidt, Vorb. v. § 244 Rn. D 335). Steigt die ausländische Währung gegenüber der inländischen während des Verzugs, ergeben sich für den Gläubiger keine Unterschiede (RGZ 98, 160). Der Schuldner hat entweder in der ausländischen Währung zu zahlen oder, soweit ihm die Ersetzungsbefugnis des § 244 BGB zusteht, den Gegenwert in inländischer Währung im Zeitpunkt der Zahlung, d. h. bei gestiegenem Kurs der ausländischen Währung einen entsprechend höheren Eurobetrag. In diesem Fall entsteht dem Gläubiger durch die Änderung des Wechselkurses kein ausgleichsfähiger Verzugsschaden.
26
Anders ist es, wenn der Kurs der ausländischen Währung während des Verzugs gegenüber der inländischen Währung fällt. In diesem Fall ist es eine Frage der Schadensberechnung, ob der Kursverlust für den Gläubiger einen Schaden bedeutet (bejahend z. B. RGZ 147, 377 (381)). Ein Schaden ist insoweit grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn der Gläu-
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1847
biger bei rechtzeitiger Zahlung die Zahlungsmittel in inländische oder eine andere stabil gebliebene Währung konvertiert oder eine andere Maßnahme, z. B. die Absicherung durch Derivate getroffen hätte, die einen Nachteil vermieden hätte, den er nunmehr in Folge des Kursverlustes erleidet (vgl. hierzu auch § 8j KAGG, der Kapitalanlagegesellschaften den Verkauf und Erwerb von Devisenterminkontrakten bzw. Optionen hierauf nur zur Währungskurssicherung erlaubt). Dem entspricht die grundsätzliche Tendenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung, einen Währungsverlust jedenfalls dann als ersatzfähigen Verzugsschaden anzusehen, wenn der Gläubiger das Geld bei rechtzeitiger Zahlung wertbeständig angelegt hätte (RGZ 107, 212 (213); 109, 16 (21); RG, JW 1938, 946 (947); OLG Karlsruhe JW 1922, 1730; ähnlich BGH MDR 1955, 462 (463); OLG Hamburg VersR 1975, 660 (661)). In der Praxis handelt es sich dabei eher um ein Beweis- bzw. Beweislastproblem. Bei einem größeren Unternehmen ist allerdings nach der Rechtsprechung zu vermuten, dass es Gelder nicht der Entwertung preisgegeben hätte (OLG Karlsruhe JW 1922, 1730; ähnlich BGH MDR 1955, 462 (463)). Nach Teilen der Literatur (Alberts, NJW 1989, 609 (614)) sei dies allerdings nicht verallgemeinerungsfähig. Noch weitergehend soll es vereinzelt ausreichen, wenn die Entwertung innerhalb des Verzugs eingetreten ist (LAG Hamburg Betr 1972, 1587). Der an dieser Rechtsprechung seitens der Literatur geäußerten Kritik ist zuzugeben, dass die verwendete Formulierung in der Praxis schwer greifbar ist. Trotz des heutigen internationalen Handels verfügen auch heute noch nicht viele Unternehmen über ein professionelles Cashmanagement, so dass die Vermutung der Rechtsprechung im Ergebnis wohl nur bei wirklichen „Global Players“ fruchtbar gemacht werden kann. Die Problematik der Änderung des Wechselkurses während des Verzugs des Schuldners hat eine Sonderregelung in Art. 41 I WG und in Art. 36 I ScheckG gefunden: Nach diesen Vorschriften steht dem Gläubiger ein Wahlrecht zu, ob die Wechsel- oder Schecksumme nach dem Kurs in Fälligkeitszeitpunkt oder nach dem Kurs des Zahlungstages in die Landeswährung des Zahlungsortes umgerechnet werden soll. Im Übrigen und in allgemeinerer Hinsicht lassen sich in Abhängigkeit der Verwendbarkeit der Fremdwährung für den Gläubiger zwei Fallgruppen unterscheiden (vgl. Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053)):
27
(1) Hat der Gläubiger einen empfangsbevollmächtigten Betrieb im Lande der ausländischen Währung, stellt Maier-Reimer (NJW 1985, 2049 (2053)), wohl in Anlehnung an § 270 II BGB, auf das Vorhandensein einer „Niederlassung“ ab. Entscheidend ist jedoch vielmehr, ob der Gläubiger eine tatsächliche Verwendung für die Fremdwährung bzw. das tatsächliche Bedürfnis nach Verfügbarkeit entsprechender ausländische Zahlungsmittel hat. In diesem Fall kann zutreffend nicht ohne nähere Indizien angenommen werden, dass der Gläubiger die ausländischen Zahlungsmittel tatsächlich zeitnah in inländische Währung konvertiert hätte. Mangels weiterer Umstände wird also der ohnehin mit den Fremdwährungsmitteln „arbeitende“ ausländische Gläubiger keinen Schaden durch den während des Verzugs eingetretenen Kursverlust erleiden. Anders kann dies jedoch sein, wenn der Gläubiger seinerseits eine Verbindlichkeit gegenüber einem ausländischen Gläubiger hat, die er mit dem ihm geschuldeten Mittel befrieden wollte und mit deren Erfüllung er seinerseits im Verzug ist. Auch wenn die Verbindlichkeit in derselben ausländischen Währung ausgedrückt ist, entsteht ihm ein Schaden, weil gegenüber seinem Gläubiger den diesem entstehenden Kursverlust ausgleichen muss. Auch in diesem Fall ist aber für die Annahme eines Schadens weiterer konkreter Vortrag seitens des Gläubigers notwendig. Abgesehen von solchen Fällen oder von dem Nachweis, dass die ausländischen Zahlungsmittel vom Gläubiger tatsächlich konvertiert worden wären, kann aber der ausländische Gläubiger einen Kursverlust seiner eigenen Währung nicht als Verzugsschaden geltend machen. Das bedeutet, dass der inländische Schuldner einen Vorteil aus seinem Verzug
28
Willamowski
1848
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
hat: Wegen des Kursverfalls der ausländischen Währung braucht er jetzt nur noch einen geringeren Betrag der inländischen Währung zur Tilgung seiner Fremdwährungsschuld aufbringen. Das steht aber dem vorstehenden Ergebnis nicht entgegen. Es geht nicht um einen Bereicherungsausgleich beim Schuldner, sondern um einen Schadensausgleich beim Gläubiger (so zutreffend Maier-Reimer, NJW 1985, 2049 (2053)). 29
(2) Hat der Gläubiger keinen empfangsbevollmächtigten Betrieb im Lande der ausländischen Währung und zahlt der Fremdwährungsschuldner verspätet, so ändert sich die Beurteilung, da in diesem Fall entsprechend den Grundsätzen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen werden kann, dass der Gläubiger die ausländischen Zahlungsmittel in inländische Währung konvertiert hätte. Ist daher in der Zwischenzeit der Kurs der ausländischen Währung gefallen, so ist der Kursverfall als entsprechender Verzugsschaden des Gläubigers zu werten (für den umgekehrten Fall vgl. RG JW 1920, 704). In diesem Fall kann vermutet werden, dass der Gläubiger die ausländischen Zahlungsmittel bei rechtzeitiger Zahlung in Euro konvertiert hätte. Will der Schuldner geltend machen, aus besonderen Gründen habe der Gläubiger durch den Verzug keinen Schaden erlitten, weil er auch bei rechtzeitiger Zahlung den gleichen Schaden erlitten hätte, so trägt er hierfür die Beweislast . Ein solcher Beweis kann aber jedenfalls als nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises erbracht angesehen werden, wenn der Gläubiger alle seine Geschäfte in der ausländischen Währung, z. B. in US-Dollars, abwickelt, wie dies beispielsweise beim internationalen Handel mit Rohöl der Fall ist (BGH RIW/AWD 1976, 229). In einer solchen Situation wird der deutsche Gläubiger zumindest nähere Umstände vortragen müssen, die nahe legen, dass er die ihm geschuldeten Beträge in ausländischer Währung bei rechtzeitiger Zahlung nicht weiter gehalten, sondern in inländische Währung konvertiert hätte. Teilweise wird eine Beweiserleichterung auch bereits dann angenommen, wenn der Gläubiger nicht Angehöriger des Fremdstaates ist und seinen Wohnsitz außerhalb dieses Staates hat (MünchKommBGB-Thode, § 286 Rn. 17 a. E.).
30
b) Unmöglichkeit. Eine befreiende Unmöglichkeit gab es bei Geldschulden nach deutschem Recht bis zur Schuldrechtsreform nicht (§ 279 BGB). Das galt im Grundsatz auch für Fremdwährungsverbindlichkeiten, da auch diese Geldschulden sind (StaudingerSchmidt, Vorb. v. § 244 Rn. 334). De lege lata kann zwar der Schuldner nunmehr grundsätzlich auch die Unmöglichkeit der Geldleistung einwenden (§ 275 I BGB). Den Fall, dass eine ausländische Währung ersatzlos untergeht, gibt es jedoch praktisch nicht (Staudinger-Schmidt § 244 Rn. 63). In aller Regel wird mit der untergegangenen Währung eine Nachfolgewährung im Wege des so genannten rekurrenten Anschlusses verbunden sein. Ein Fall der Unmöglichkeit ist damit nicht gegeben. Dagegen können ausländische Devisenvorschriften die Zahlung behindern oder vorübergehend tatsächlich unmöglich machen. Das Eingreifen derartiger Devisenbestimmungen führt jedoch nicht zu einer Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht, insbesondere führt es nicht zur Annahme der rechtlichen Unmöglichkeit der Leistung oder gar der Nichtigkeit des Vertrages (BGH LM § 275 BGB Nr. 5; BGHZ 31, 367 = NJW 1960, 1101). Auch wenn ausländische Devisenbestimmungen nicht zur rechtlichen Unmöglichkeit oder zur Unwirksamkeit des Vertrages führen, sind sie doch nicht schlechthin unbeachtlich, da sie einer effektiven Zahlung tatsächlich im Wege stehen können. Dies muss je nach Lage des Einzelfalles angemessen berücksichtigt werden, etwa dahin, dass der Schuldner nach § 242 BGB verpflichtet ist, von seiner Ersetzungsbefugnis gemäß § 244 BGB Gebrauch zu machen und in inländischer Währung zu zahlen, oder auch dahin, dass statt im Inland im Ausland in ausländischer Währung gezahlt wird. Ergeben sich Transferschwierigkeiten in Folge von Devisenbewirtschaftungsbestimmungen, so führt das z. B. gerade bei Unterhaltsansprüchen zu besonderen Problemen, und zwar deshalb, weil die Unterhaltszahlung zur Errei-
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1849
chung eines bestimmten Zwecks geschuldet wird. Kann ein Transfer nicht erfolgen, so kann die Zahlung diesen Zweck nicht erreichen. Wird durch Devisenbestimmungen der durch einen Transfer erforderliche Wechselkurs verzerrt, so kann dies zu erheblichen Unbilligkeiten führen (vgl. BGHZ 14, 212 = NJW 1954, 1441, Unfallrente). Die Problematik hat eine besondere Rolle gespielt im Verhältnis zu Unterhaltsberechtigten in der ehemaligen DDR. Für solche Fälle war sie durch verschiedene Abkommen aus dem Jahre 1974 geregelt, die einen Transfer auf der Grundlage eines Umrechnungskurses des damaligen DM-West-Wertes in DM-Ost von 1:1 vorsahen (vgl. z. B. BGBl. 1974 II, 621).
C. Devisenrecht
31
Die bisherige Darstellung war auf das Sachrecht der Fremdwährungsverbindlichkeiten beschränkt. Daneben existiert sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene das Devisenrecht als selbstständiges, von dem vorstehend geschilderten Fremdwährungsrecht zu unterscheidendes Rechtsgebiet. Es ist zwischen Devisensachrecht und Devisenkollisionsrecht zu unterscheiden. I. Devisensachrecht. Das Devisensachrecht enthält Instrumente zur Sicherung der Geldwertstabilität im Inland und damit zum Wertbestand der Währung nach außen. Die staatliche Kontrolle von ausländischen Investitionen bzw. Investitionen in ausländischer Währung erfolgt grundsätzlich auf drei Ebenen: Zum einen wird durch das unmittelbare Investitionsrecht der Rahmen von Investitionsmöglichkeiten überhaupt gesteckt. So genannte TRIMs (Trade Related Investment Measures) regeln die Voraussetzungen beim Eintritt in das entsprechende Land, während des Betriebs sowie bei Schließung oder Liquidation eines Unternehmens. So können Eigentum, Aufsicht, Management und Produktionsziele Ziel regulativer Eingriffe sein; der Extremfall ist hier die Enteignung. Zum anderen werden durch das Devisenrecht Gestalt und Umfang des ausländisch geführten Betriebs wesentlich bestimmt: Kapitaltransferrestriktionen, Kreditauflagen und Reinvestitionsbestimmungen sind ebenso wie Zwangsumtausch und Ausfuhrbedingungen häufig noch effektiver als das unmittelbare Investitionsrecht. Auf einer dritten Ebene wird jedoch mittelbar schon durch das örtliche Zivilrecht, insbesondere auch Gesellschaftsrecht, auf die Realität der Geschäftstätigkeit erheblicher Einfluss gewonnen. Für Deutschland ist der Kapitalverkehr mit dem Ausland seit dem Inkrafttreten des Außenwirtschaftsgesetzes im Jahre 1961 (Außenwirtschaftsgesetz – AWG – vom 28.04.1961, BGBl. I 481, 495 (1555), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.08.2002, BGBl. I 3202) grundsätzlich frei (Art. 56 EGV, einzelne Ausnahmen nach Art. 119 f. EGV; vgl. Rohde, EWS 1999, 453; Weber, EuZW 1992, 561). Beschränkungen (Verbote, Genehmigungsvorbehalte, Depot- und Meldepflichten) können zwar aufgrund der §§ 5, 6, 6a, 7, 26 AWG eingeführt werden, spielen aber gerade für den Kapitalverkehr wegen der Aufhebung der §§ 22 bis 24 AWG zur Zeit kaum eine Rolle (vgl. insoweit auch Art. 3a des Rechtsberatungsgesetzes vom 13.12.1935, RGBl. I 1478, zuletzt geändert durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – vom 21.06.2002, BGBl. I 2010, wonach eine Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Devisensachen, die nach § 1 der Verordnung über die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Devisensachen vom 29.06.1936, RGBl. I 524, erteilt worden ist, vom Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieser Verordnung ab als Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG gilt. Die Erlaubnis gewährt die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Rechtsangelegenheiten, die das Außenwirtschaftsgesetz betreffen). Bei Vereinbarung einer Fremdwährungsschuld ohne devisenrechtliche Genehmigung kann eine vertragliche Regelungslücke vorliegen (vgl. BGH NJW 1996, 3001). Devisenbeschränkungen bestanden lange Zeit insbesondere seitens der Russischen Föderation (Vgl. z. B. das Gesetz der Russischen
Willamowski
32
1850
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Föderation „Über Währungsregulierung und Devisenkontrolle“ (Devisengesetz) vom 09.10.1992; s. ferner die Instruktion der Zentralbank der Russischen Föderation Nr. 4 „Über die Ordnung des Verkaufs von Devisen gegen Rubel durch Devisenausländer, die juristische Personen sind, zum Zwecke der Unterhaltung ihrer Vertretungen auf dem Gebiet der Russischen Föderation“ vom 16.04.1992; s. weiterhin den Erlass des Präsidenten der Russischen Förderation Nr. 629 „Über die teilweise Änderung der Vorschrift über den Pflichtverkauf eines Teiles des Devisenerlöses und die Erhebung von Exportzöllen“ vom 14.06.1992; sowie die Instruktion der Zentralbank der Russischen Föderation Nr. 7 „Über die Ordnung des Pflichtverkaufs eines Teiles des Devisenerlöses seitens der Unternehmen, Vereinigungen und Organisationen über bevollmächtigte Banken und die Durchführung von Operationen auf dem Devisenbinnenmarkt“ vom 29.06.1992). Diese Beschränkungen wurden jedoch ab Mitte 2006 weitestgehend aufgehoben um schließlich für eine volle Konvertierbarkeit des Rubel zu sorgen. 33
Beschränkungen in der Eingehung von Fremdwährungsverbindlichkeiten sind häufig öffentlich-rechtlicher Art. Ihre Anwendbarkeit richtet sich insoweit nach den Regeln des internationalen Verwaltungsrechts. Die Vorschriften der lex fori setzen sich danach jedenfalls durch. Sie bestimmen den Umfang ihres eigenen Geltungswillens. Ausländisches öffentliches Recht wird in der Regel nicht angewandt. Dies gilt auch für ausländische Devisenvorschriften. Sie sind vor inländischen Gerichten grundsätzlich nur wie tatsächliche Zahlungshindernisse zu berücksichtigen, nicht als Rechtshindernisse. Anderes gilt für Devisenvorschriften derjenigen Länder, die dem Abkommen über den internationalen Währungsfonds, den Abkommen von Bretton Woods (vgl. dazu Ebke, RIW 1991, 365; Internationales Devisenrecht, 1990; MünchKommBGB-Grundmann, §§ 244, 245 Rn. 27), beigetreten sind. Devisenkontrakte, die unter Verletzung der Devisenvorschriften eines solchen Landes abgeschlossen worden sind, sind in Deutschland unklagbar. Insbesondere die osteuropäischen Staaten, vor allem jene ohne konkrete Aussicht auf eine zeitnahe Mitgliedschaft in der Europäischen Union, sind durch eine Reihe von Verträgen in der Gestaltung ihrer Investitionslandschaft eingeschränkt. Das internationale GATT-Abkommen (General Agreement on Tariffs and Trades vom 30.10.1947, 55 UNTS 194, 33 ILM 1154, 1954, Annex 1 A) begrenzt die oben genannten TRIMs sehr weitgehend. Zwar sind – jedenfalls nach europäischer Lesart – recht weitgehende Ausnahmen für Entwicklungsländer vorgesehen, doch ist unklar, ob alle osteuropäischen Staaten sich als solche qualifizieren. Für das Devisenrecht (exchange control) gilt das Abkommen des Internationalen Währungsfonds IWF (Articles of Agreement of the International Monetary Fund vom 22.07.1944, 2 UNTS 39), bei dem allerdings einiger Streit über die tatbestandliche Reichweite der Bestimmungen besteht.
34
II. Devisenkollisionsrecht. Devisenkollisionsrecht bestimmt, welches Devisensachrecht Anwendung findet. Gegenstand des Devisenkollisionsrechts ist die also Frage, wann inländisches, also z. B. deutsches Sachrecht oder welches ausländische Recht gilt. Nach autonomem Devisenkollisionsrecht ist hierzu unterschiedlich anzuknüpfen. Inländisches Devisensachrecht findet Anwendung, wenn Zweck oder Wortlaut der konkreten Norm ihre Anwendung nahe legen. Ausländisches Devisensachrecht findet nur mittelbar Berücksichtigung, soweit es dem Schuldner die Leistung unmöglich macht. Zur (früheren) Bestrafung von Devisenzuwiderhandlungen vgl. § 20 des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954 i. d. F. der Bekanntmachung vom 03.06.1975, BGBl. I 1313). Diese Vorschrift ist auf den Außenwirtschaftsverkehr nicht mehr anzuwenden (§ 47 I Nr. 6 AWG). Möglich ist jedoch nach wie vor ein Embargoverstoß gemäß § 34 IV AWG bei Einfuhr bestimmter Währungen, da das Geld des betreffenden Staates als dessen „Erzeugnis“ anzusehen ist (vgl. BGH NJW 2002, 1357
Willamowski
§ 61 Fremdwährungs- und Devisengeschäfte
1851
– irakische Dinare; OLG Jena ZfZ 2000, 134, 137; BGHSt 41, 127 = NJW 1995, 2174 = NStZ 1995, 548). Kollisionsrechtlich sind jenseits des internationalen Devisenrechts vor allem das Währungs- und das Schuldstatut zu unterscheiden. Währungsstatut ist das Recht des Staates, dessen Währung die Parteien heranziehen (RGZ 131, 41, 46; BGHSt 19, 357, 358; Schefold, ZEuP 1999, 271, 276; MünchKommBGB-Grundmann, §§ 244, 245 Rn. 29). Nach ihm beurteilen sich die Definition der Währungseinheit, der Annahmezwang und der rekurrente Anschluss. Das Recht des Landes der fraglichen Währung definiert den Gegenstand dieser Währung. Wird eine solche Währung auf- oder abgewertet, so betrifft dies notwendig auch den Gegenstand der geschuldeten Leistung. Insoweit besteht im Grundsatz kein Streit. Nicht einhellig beantwortet wird die Frage, nach welchem Recht sich die Folgen von Währungsumstellungen beurteilen. Zunächst einmal erfolgt die Umstellung der Währung nach dem Recht des Landes der Währung im Sinne des so genannten rekurrenten Anschlusses. Ein nach diesem Recht gegebenes allgemeines Umrechnungsverhältnis enthält den währungsrechtlichen Teil der Regelung. Er findet jedenfalls Anwendung. Soweit aber für einzelne Schuldverhältnisse andere Umstellungsverhältnisse vorgestellt werden, handelt es sich im Zweifel um Sachnormen des einzelnen Rechtsgebietes entsprechend einer Auf- oder Abwertungsregelung. Solche Vorschriften haben privatrechtlichen Charakter und sind nicht anzuwenden, wenn das Schuldverhältnis einem anderen Recht unterliegt. Es ist dann eine Frage des für das Schuldverhältnis geltenden Privatrechts, welche Konsequenzen es aus der Währungsumstellung zieht, ob etwa mangels einer Spezialvorschrift eine Aufwertung gemäß § 242 BGB vorgenommen wird.
35
Neben das Währungsstatut tritt das Schuldstatut, das Recht, das auf das geldschuldbegründende Rechtsverhältnis Anwendung findet. Für Verträge bestimmt sich das Schuldstatut nach dem Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen (Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – EVÜ vom 19.06.1980, BGBl. II 810, i. d. F. des 3. Beitrittsübereinkommens, BGBl. 1999 II 7, eingearbeitet in die Art. 27 ff. EGBGB). Grundsätzlich herrscht Rechtswahlfreiheit (Art. 27 I S. 1 EGBGB). Üblicherweise wird für etwaige Anpassungsfragen das Schuldstatut herangezogen (BGHZ 7, 231 (234 ff.) = NJW 1953, 339). Es ist allerdings streitig, ob nicht das Schuldstatut die Frage regelt, ob Vertragsparteien an einem Rechtsinstrument festgehalten werden können, dessen Währung z. B. von DM auf Euro umgestellt wurde. Insbesondere haben jedoch auf internationaler Ebene z. B. einige Staaten der USA für das U.S.amerikanische Recht explizit geregelt, dass die Europäische Währungsumstellung alleine nicht zu einem Kündigungsrecht führt (vgl. nur Hirte/Otte/Willamowski, DAJV-NL 2002, Heft 4). Das Schuldstatut, also das für den Vertrag oder die unerlaubte Handlung maßgebliche Recht, bestimmt, ob Geld geschuldet wird, und wenn ja, in welcher Währung das Geld geschuldet wird. Lautet etwa ein Vertrag auf eine bestimmte Zahl von Franken, so entscheidet das Schuldstatut, ob Schweizer, Französische oder Belgische Franken geschuldet werden oder der Vertrag wegen Dissenses über die Währung nichtig ist. Das Schuldstatut bestimmt auch, ob die Schuldwährung notwendig gleich der Zahlungswährung ist oder ob auch in einer anderen Währung gezahlt werden kann.
36
Strittig ist, ob die Ersetzungsbefugnis gemäß § 244 BGB nur dann gilt, wenn das Schuldverhältnis deutschem Recht unterliegt, oder ob § 244 BGB als einseitige Kollisionsnorm auch dann gilt, wenn das Schuldverhältnis im übrigen ausländischem Recht unterliegt. Die früher herrschende Meinung sah in § 244 BGB eine gezielte Privilegierung der inländischen Währung, die aus währungspolitischen Gründen auch bei Geltung ausländischen Rechts zur Anwendung komme (vgl. die Nachweise bei MünchKommBGBGrundmann, §§ 244, 245 Rn. 96, Fußn. 186). Eine Mindermeinung verwies demgegen-
37
Willamowski
1852
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
über bereits damals darauf, dass § 244 BGB kein zwingendes Recht darstellt und dass eine währungspolitische Überlegung deshalb nicht der maßgebliche Gesichtspunkt sein kann. Deshalb hat der Schuldner nach dieser Auffassung die Ersetzungsbefugnis nur dann, wenn deutsches Recht gilt (ausführlich Birk, RIW/AWD 1973, 425 (436)). In der Tat bestimmt das Vertragsstatut das, was geschuldet ist. Dazu gehört auch die Frage, ob der Schuldner anstelle des eigentlich Geschuldeten etwas anderes leisten darf. Es gibt keinen Grund, diese Frage im Bereich des dispositiven Privatrechts gesondert anzuknüpfen. Auch müsste sich bei grundsätzlicher Geltung der Ersetzungsbefugnis wiederum nach ausländischem Recht bestimmen, wo der Erfüllungsort liegt, ob sich aus den Umständen eine Verpflichtung zur effektiven Zahlung in fremder Währung ergibt und nach welchem Kurs die Umrechnung erfolgt (Birk, RIW/ AWD 1973, 425 (435)). Sieht das ausländische Recht eine entsprechende Ersetzungsbefugnis nicht vor, so wird es diese Fragen aber nicht regeln. Die herrschende Meinung führt daher auch zu Schwierigkeiten in der Anwendung. Aus diesen Gründen verdient die Mindermeinung den Vorzug. Der Streitfrage kommt allerdings nur eine begrenzte Bedeutung zu. Der Fremdwährungsgläubiger kann im Prozess ohnehin nur Befriedigung in deutscher Währung erreichen. Der Streit um den Anwendungsbereich der Ersetzungsbefugnis kann deshalb nur dann relevant werden, wenn es darum geht, ob bereits wirksam gezahlt oder wirksam Zahlung angeboten worden ist. Als einseitige Kollisionsnorm gilt § 244 BGB damit im Ergebnis nach heute zutreffender Auffassung nicht für Schuldverhältnisse, die nicht dem deutschen Recht unterstehen (so schon LG Braunschweig, NJW 1985, 1169; a. A. noch Gruber, MDR 1992, 122). Vielmehr ist § 244 BGB mit Wegfall der währungsrechtlichen Kompetenz gemeinschaftsrechtskonform auf eine reine Schuldnerschutzregel zu reduzieren (MünchKommBGBGrundmann, §§ 244, 245 Rn. 96 a. E.).
Willamowski
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1853
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
Schrifttum v. Bernstorff, Rechtsprobleme im Auslandsgeschäft, 4. Aufl. 2000; Brändel, Die rechtzeitige Inanspruchnahme befristeter Sicherheiten, FS Werner, 1984, 41; Bühler, Sicherungsmittel im Zahlungsverkehr. Dokumentenakkreditiv, Bankgarantie, Eigentumsvorbehalt, 1997; Häberle, Handbuch der Außenhandelsfinanzierung, 3. Aufl. 2002; Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, 2000; Heinze, Der einstweilige Rechtsschutz im Zahlungsverkehr der Banken, 1984; Hoeren/Florian, Rechtsfragen des internationalen Dokumentenakkreditivs und -inkassos unter besonderer Berücksichtigung der ICC-Richtlinie vom 1.1.1996, 1996; Huber/Schäfer, Dokumentengeschäft und Zahlungsverkehr im Außenhandel, 3. Aufl., 1995; Liesecke, Die Stellung der kreditgebenden Bank beim DokumentenInkasso und Dokumenten-Akkreditiv, FS Fischer 1979, 397; Nielsen, Import- und Exportsicherung auf dokumentärer Grundlage, 1988; Aktuelle Fragen aus Praxis und Rechtsprechung zum Inkasso-, Akkreditivund Garantiegeschäft, 1989; Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozessrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2006; Reithmann/Marting (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004; Schücking, Importkreditsicherung, 1980; v. Westphalen., Rechtsprobleme der Exportfinanzierung, 3. Aufl. 1987; Zahn, Anmerkungen zu einigen Kontroversen im Bereich der Akkreditive und Bankgarantien, FS Pleyer 1986, 153; Zahn/Ehrlich/Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 7. Aufl. 2001. Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Ausländisches öffentliches Recht . . . . . . . . 2 III. Internationales Privatrecht und Internationales Zivilprozessrecht . . . . . . . . 4 1. Anwendbares Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . 9 IV. Internationale Regelwerke . . . . . . . . . . . . . 12 B. Akkreditivgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Wirtschaftliche Hintergründe und Erscheinungsformen des Akkreditivs . . . . 15 1. Wirtschaftliche Hintergründe . . . . . . . . 15 2. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Verhältnis zwischen Akkreditivauftraggeber und eröffnender Bank . . . . . . 24 III. Der Zahlungsanspruch des Begünstigten. . 28 1. Rechtsnatur des Zahlungsanspruchs. Anwendbares Recht. . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Dokumentenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Prüfungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Zurückweisung von Dokumenten . . . . . 40 5. Einwendungen und Einreden gegen den Zahlungsanspruch . . . . . . . . 42 6. Pfändung und Vollstreckung in den Zahlungsanspruch. . . . . . . . . . . . 46 7. Rückabwicklungsfragen . . . . . . . . . . . . 48 8. Einschaltung von Zahlstellen und Bestätigungsbanken . . . . . . . . . . . . . . . . 50 IV. Übertragung und Abtretung von Akkreditiven bzw. Zahlungsansprüchen . . 53 V. Das Interbankenverhältnis und der Rembours . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 VI. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . 57 C. Inkassogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II. Grundgeschäft und Inkassoklausel. . . . . . . 60
D.
E.
F.
G.
Freitag
III. Vertragsbeziehungen zwischen Gläubiger und Einreicherbank . . . . . . . . . . 61 IV. Dokumentenvorlage und -prüfung. . . . . . . 64 Garantiegeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Einleitung. Wirtschaftliche Bedeutung des Garantiegeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Garantiearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Sicherungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Einschaltung weiterer Banken. . . . . . . . 70 III. Rechtliche Grundstruktur der direkten Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 IV. Abstraktheit der Garantie und die Klausel „Zahlung auf erstes Anfordern“. . . . . . . . . 74 V. Inanspruchnahme und Prüfung durch die Garantiebank . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Rechtzeitige und formgerechte Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Prüfung der Inanspruchnahme . . . . . . . 78 VI. Missbräuchliche Garantieinanspruchnahme. Einwand des Rechtsmissbrauchs. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . 84 1. Missbräuchliche Garantieinanspruchnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . 88 VII. Rückabwicklungsfragen . . . . . . . . . . . . . . 92 VIII.Abtretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 IX. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . 95 Forfaitierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . 96 II. Rechtliche Problemfelder . . . . . . . . . . . . . 99 Auslandskreditgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I. Allgemeine Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Bestellerkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Rembourskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Staatliche Ausfuhrgarantien . . . . . . . . . . . . . . 109
1854
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Stichwortverzeichnis Abstraktheit – des Akkreditivs, s. dort – der Garantie, s. dort Abtretung – der Ansprüche aus dem Akkreditiv, s. dort – der Ansprüche aus einer Garantie, s. dort – und Forfaitierung, s. dort Akkreditiv – Abstraktion vom Grundgeschäft . . . . . . . . . . . . . 28 – Abtretung des Zahlungsanspruches, s. dort – anwendbares Recht – Auftragsverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – Zahlungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Ankaufszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 f. – Auftrag zur Eröffnung eines Akkreditivs – Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 57 – Pflichten der Vertragsparteien. . . . . . . . . . . . 24 ff. – Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Avisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 – Begünstigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 – benannte Bank, s. Zahlstelle – Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 50 – deferred payment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 – Dokumentenprüfung – Umfang der Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . 31 ff. – Prüfungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 – Zahlung unter Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 – Zurückweisung von Dokumenten . . . . . . . . . 40 f. – einstweiliger Rechtsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 – ERA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ff., 16 – Eröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 – green clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 – Interbankenverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . 55 f., 58 – nominated Bank, s. Zahlstelle – Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 f. – red clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 – Rembours . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 f. – und Rembourskredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 – Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 – Verfalldatum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Wechselakzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 – wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 15 ff. – Zahlstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 51 – Zahlungsanspruch – Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 – anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Aufrechnung gegen den . . . . . . . . . . . . . . . . 42 f. – Einwendungen gegen den . . . . . . . . . . . . . . 42 ff. – Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 f. – Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 ff. – Zahlung unter Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 – Zahlungsverweigerung – wegen Dokumentenmängeln . . . . . . . . . . . . 40 f. – wegen sonstiger Einwendungen . . . . . . . . . . 42 ff. Akzept, s. Wechselakzept Akzeptkredit, s. Rembourskredit Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . 12 ff. Ankaufszusage, s. Akkreditiv anwendbares Recht – Akkreditiv, s. dort – Forfaitierung, s. dort
– Form von Rechtsgeschäften. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – Garantie, s. dort – Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ff. – Inkasso, s. dort – internationales Sachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – internationales Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – internationales Wechselrecht . . . . . . . . . . . . . . . 101 – Rechtsfähigkeit – juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – natürliche Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – Sicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Aufrechnung – beim Akkreditiv, s. dort – bei der Garantie, s. dort Ausfuhrgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .109 f. Auslandskreditgeschäft – anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 – Bestellerkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 f. – Rembourskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Bankgarantie, s. Garantie Bestätigung – eines Akkreditivs, s. dort – einer Garantie, s. dort Bestellerkredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 f. Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. Devisenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Diskontierung von Wechseln – Abgrenzung von der Forfaitierung . . . . . . . . . . . 98 – im Rahmen von Akkreditiven . . . . . . . . . . . . . . . 23 – im Rahmen von Rembourskrediten . . . . . . . . . . 107 Documentary Letter of Credit, s. Akkreditiv Dokumenteninkasso – anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 61 – Auftragsverhältnis zwischen Einreicher und Einreicherbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – Dokumentenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 – ERI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ff., 59 – Inkassoklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – Interbankenverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – Pflichten der beauftragten Bank . . . . . . . . . . . . . 61 – wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Dokumentenprüfung – beim Akkreditiv, s. dort – beim Dokumenteninkasso, s. dort – bei der Garantie, s. dort EGBGB, s. anwendbares Recht einstweiliger Rechtsschutz, s. Rechtsmissbrauch ERA/ERA 500, s. Akkreditiv ERI, s. Dokumenteninkasso EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. Factoring. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Forfaitierung – von Buchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 – Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 – Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 – von Wechseln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 – wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 96 ff. Garantie – Abstraktion vom Grundgeschäft . . . . . . . . . . . .74 f. – Abtretung des Zahlungsanspruches, s. dort – anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 30
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
– auf erstes Anfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74 f. – Auftrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 – Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – Bietungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – direkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 – Dokumentenprüfung – Umfang der Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 78 – Prüfungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 – Effektivklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 – einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 88 ff. – Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – extend or pay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 – Gewährleistungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – indirekte Garantie – Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70 f. – Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 ff. – Inanspruchnahme – Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 – Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 – Interbankenverhältnis bei der indirekten Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 – Rechtsmissbrauch – Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 ff. – indirekte Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 – Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92 f. – Rückgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 – Standby Letter of Credit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 – URDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ff. – Verfalldatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 – Vertragserfüllungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 66 ff. – Zahlungsanspruch – Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 – anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Pfändung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Inkasso, s. Dokumenteninkasso Interbankenverhältnis
1855
– beim Akkreditiv, s. dort – bei der Garantie, s. dort – beim Inkasso, s. Dokumenteninkasso Internationales öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . . 2 Internationales Privatrecht, s. anwendbares Recht Internationales Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. ISP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ff. Kreditgeschäft, s. Auslandskreditgeschäft Kreditversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 f. L/C bzw. LOC, s. Letter of Credit Letter of Credit – Documentary Letter of Credit, s. Akkreditiv – Standby Letter of Credit, s. Garantie nominated Bank, s. Akkreditiv Prüfungsfrist, s. Dokumentenprüfung Rechtsmissbrauch – beim Akkreditiv, s. dort – bei der Garantie, s. dort Rembours – beim Akkreditiv, s. dort – beim Rembourskredit, s. dort Rembourskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 f. Rückgarantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Rom I-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 ff. Schiedsvereinbarung, internationale . . . . . . . . . . . 11 Standby Letter of Credit, s. Garantie UCP, s. ERA UCP500, s. ERA URDG, s. Garantie Verfalldatum – von Akkreditiven, s. dort – von Garantien, s. dort Währungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Wechselakzept – und Akkreditiv, s. dort – und Rembourskredit, s. dort Zahlstelle, s. Akkreditiv
A. Einführung
1
I. Allgemeines. Bankgeschäfte mit grenzüberschreitendem Bezug finden sich in allen Bereichen geschäftlicher Tätigkeit der Kreditinstitute. Sie lassen sich unterteilen in solche Bankgeschäfte, die in gleicher oder ähnlicher Form auch im Geschäft mit inländischen Kunden vorgenommen werden und in „klassische Auslandsgeschäfte“, die ausschließlich im internationalen Verkehr vorkommen und keine echte Entsprechung im Inlandsgeschäft haben. Zum „klassischen Auslandsgeschäft“ der Banken zählen insbesondere die Instrumente der Außenhandelsfinanzierung und der Zahlungssicherung, d. h. das Akkreditivgeschäft und das Dokumenteninkasso sowie das Garantiegeschäft, daneben aber auch die Forfaitierung und die Bestellerfinanzierung. Das übrige Auslandsgeschäft entzieht sich weitgehend einer kohärenten rechtlichen Typologisierung, da sich vom Kreditgeschäft über Kapitalmarktprodukte und den nicht-dokumentären Auslandszahlungsverkehr praktisch alle Bereiche des Bankgeschäfts auch mit internationalem Bezug denken lassen. Insgesamt verlieren die klassischen Instrumente der Außenhandelsfinanzierung und Zahlungssicherung mit zunehmender Angleichung der Rechts- und Wirtschaftsbedingungen in der Welt an Bedeutung, während das sonstige Bankgeschäft aufgrund der wachsenden Verflechtung der Volkwirtschaften stark internationalisiert wird und an Volumen zunimmt. Die nachstehende Darstellung beschränkt sich auf die Erläuterung allgemeiner öffentlich-rechtlicher, internationalprivat- und -prozessrechtlicher
Freitag
1856
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Grundfragen grenzüberschreitender Bankgeschäfte sowie des klassischen Auslandsgeschäfts der Banken im genannten Sinne, einschließlich einiger Anmerkungen zum Auslandskreditgeschäft im Allgemeinen sowie zu Besteller- und Rembourskrediten. 2
II. Ausländisches öffentliches Recht. Bei grenzüberschreitenden Bankgeschäften ist zunächst das jeweils anwendbare ausländische öffentliche Bankrecht, insbesondere das Bankaufsichtsrecht, zu beachten. So untersagen viele Staaten nicht von ihren Aufsichtsbehörden zum Bankgeschäft im Inland zugelassenen Banken das Kreditgeschäft auf ihrem Territorium. Verstöße können die Nichtigkeit des Kreditvertrages zur Folge haben. In Bezug auf Fragen des Währungs- und Devisenrechts sei auf die Darstellung in § 61 verwiesen.
3
In der Europäischen Gemeinschaft ist das Aufsichtsrecht weitgehend harmonisiert. So gewährleisten bereits die Bestimmungen des EG-Vertrages über die Dienstleistungs-, Niederlassungs-, Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit weitgehend die grenzüberschreitende Tätigkeit von Kreditinstituten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Binnenmarkt. Hinzu kommt eine umfassende sekundärrechtliche Harmonisierung des öffentlichen Rechts der Kreditinstitute und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, zu nennen sind, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, insbesondere die nachstehenden Rechtsakte: Bankenrichtlinie (Richtlinie 2006/48/EG vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. L 177/1), Kapitaladäquanzrichtlinie (Richtlinie 2006/49/EG über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. L 177/201), Richtlinie über Finanzkonglomerate (Richtlinie 2002/87/EG vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats etc., ABl. 2003 L 35/1); Zahlungsverkehrs-Richtlinie (Richtlinie 2007/64/EG vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt etc., ABl. L 319/1); Wertpapierrichtlinie bzw. MiFID (Richtlinie 2004/39/EG vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente etc., ABl. L 145/1) und die hierzu ergangenen Durchführungsbestimmungen (Verordnung (EG) 1287/2006 vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG etc., ABl. L 241/1, sowie die Richtlinie 2006/73/EG vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG etc., ABl. L 241/26). Das europäische Aufsichtsrecht folgt dem Herkunftslandprinzip, d.h. die Zulassung von Kreditinstituten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen in ihrem Heimatstaat entfaltet als „Europapass“ gemeinschaftsweite Wirkung, so dass eine Tätigkeit im europäischen Ausland keiner weiteren Genehmigung bedarf, sondern dort lediglich anzuzeigen ist (vgl. zum deutschen Recht § 53b KWG). Anderes gilt für den Zugang drittstaatlicher Kreditinstitute und Wertpapierdienstleistungsunternehmen zum Binnenmarkt. Zum einen nimmt das GATS Finanzdienstleistungen weitgehend von der Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs aus. Zum anderen wirkt zwar die Zahlungsverkersfreiheit des Art. 56 Abs. 1 EG unmittelbar auch zu Gunsten von Drittstaatern, doch ist sie in Bezug auf Finanzdienstleistungen nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-452/04 „Fidium Finanz AG“, Slg. 2006, I9521) gegenüber der allein für Marktbürger geltenden Dienstleistungsfreiheit nachrangig, so dass die Mitgliedstaaten drittstaatlichen Anbietern die Erbringung von Finanzdienstleistungen auf ihrem Territorium (auch in Form des Fernabsatzes) untersagen dürfen.
4
III. Internationales Privatrecht und Internationales Zivilprozessrecht. Von besonderer Bedeutung für das Auslandsgeschäft der Kreditinstitute und Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind die Bestimmungen des Internationalen Privat- und Prozessrechts, aus denen sich ergibt, welchem Recht das Geschäft unterliegt und welche (Schieds-) Gerichte für die Entscheidung von Streitigkeiten zuständig sind. Da jedes Gericht grundsätzlich sein eigenes Internationales Privatrecht anwendet, hängt das auf den Sachverhalt an-
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1857
wendbare Recht und damit oft auch die Beantwortung konkreter Rechtsfragen letztlich davon ab, vor welchen Gerichten später über Streitigkeiten aus dem Geschäft gestritten wird. Endgültige Rechtssicherheit lässt sich daher in grenzüberschreitenden Vertragsbeziehungen nur erzielen, wenn die Parteien sowohl eine Rechtswahl- wie auch eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. 1. Anwendbares Recht. Aus deutsch-rechtlicher Sicht beurteilen sich Fragen des Internationalen Privatrechts gem. Art. 3 ff. EGBGB sowie in zunehmendem Maße nach Vorschriften des europäischen Rechts, aber auch des Völkervertragsrechts. Hinsichtlich der Rechtsquellen wie auch der Anknüpfungsgrundsätze ist ebenso wie im Sachrecht zwischen den Rechtsmaterien insbesondere des Vertrags- und Sachenrechts zu differenzieren. Das deutsche Internationale Vertragsrecht ist derzeit (noch) in den Art. 27 - 37 EGBGB normiert, die auf dem für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geltenden Römischen EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. Römisches Übereinkommen oder EVÜ, BGBl. 1986 II, 810) beruhen. Die Art. 27 ff. EGBGB (mit Ausnahme von Art. 29a EGBGB) und das EVÜ werden für Verträge, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen werden, durch die Rom IVO (Verordnung (EG) 593/2008 vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. L 177/6) ersetzt; auf „Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrages“ (culpa in contrahendo) ist bereits ab dem 11. Januar 2009 die sog. Rom II-VO (Verordnung (EG) 864/2007 vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. L 199/40) anzuwenden (zum Konkurrenzverhältnis der Verordnungen vgl. Art. 1 II lit. i Rom I-VO, Art. 2 I, 12 Rom II-VO). Vorrangig unterliegt ein Vertrag über Bank- oder Finanzdienstleistungen dem von den Parteien gewählten Recht (Art. 27 EGBGB, Art. 3 Rom I-VO), wobei sich die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung nach dem Recht des Staates richtet, dessen Recht gewählt wurde (Art. 27 IV EGBGB, Art. 3 V Rom IVO). Weist der Sachverhalt objektive Bezüge zu mehr als einem Staat auf, können die Parteien durch Rechtswahl auch das inländische ius cogens abbedingen, während bei reinen Binnensachverhalten mit Bezug zu lediglich einem Staat dessen (einfach) zwingendes Recht gem. Art. 27 III EGBGB, Art. 3 III Rom I-VO nicht derogiert werden kann. Ebenfalls unabdingbar sind die sog. international zwingenden Bestimmungen am Gerichtsort (Art. 34 EGBGB, Art. 9 II Rom I-VO), d.h. solche Vorschriften insbesondere des öffentlichen Rechts und des Sozialrechts, die für die jeweilige inländische staatliche Ordnung von fundamentaler Bedeutung sind und die Geltung unabhängig von dem auf den Vertrag anwendbaren Recht beanspruchen. Aus dem Bereich des Bankrechts zu nennen sind insbesondere Vorschriften des deutschen und/oder europäischen Währungs- und Devisenrechts, des Börsen- und Kapitalmarktrechts, des Anlegerschutzrechts, der Finanzsanktionen und Embargen, der Geldwäsche etc. (umfassende Nachweise Reithmann/Martiny/ Freitag Rn. 427 ff., 445 ff.). Im Rahmen der Rom I-VO sind drittstaatliche Eingriffsnormen nur gem. Art. 9 III Rom I-VO beachtlich, d.h. nur insoweit, wie es sich um Eingriffsnormen am (rechtlichen) Erfüllungsort der jeweiligen Verpflichtung handelt und die Berücksichtigung der ausländischen Eingriffsnorm mit inländischen Wertungen kompatibel ist. Ob bzw. inwieweit die Eingriffsnormen anderer Staaten zu beachten sind, ist unter Geltung des Art. 34 EGBGB umstritten, die Rechtsprechung berücksichtigt ausländische Eingriffsnormen bei Anwendung des Vertragsstatuts im Rahmen wertungsoffener zivilrechtlicher Generalklauseln. So können Verträge bei Verstößen gegen ausländische Eingriffsnormen als sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB anzusehen sein, wenn das deutsche Recht die der ausländischen Bestimmung zugrundeliegende Wertung teilt, im Übrigen kann im Einzelfall auf die §§ 275, 313, 242, 826 BGB zurückzugreifen sein (ausführlich
Freitag
5
1858
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Reithmann/Martiny/Freitag Rn. 465 ff.). Zudem darf die Anwendung eines ausländischen Rechts nicht zu Ergebnissen führen, die gegen den inländischen ordre public verstoßen, d.h. mit grundlegenden inländischen Wertungen kollidieren (Art. 6 EGBGB, Art. 21 Rom I-VO). Die Rom I-VO beschränkt die Rechtswahlfreiheit bei Vertragsbeziehungen zwischen Parteien, die sämtlich in der Gemeinschaft ansässig sind, durch ihren Art. 3 IV darüber hinaus dergestalt, dass durch die Wahl des Rechts eines Drittstaates nicht von den (einfach) zwingenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts abgewichen werden kann. 6
Fehlt es an einer Rechtswahl, ist der Vertrag objektiv anzuknüpfen. Unter Geltung des EGBGB ist in diesem Fall gem. Art. 28 I 2 EGBGB grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Partei, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt, ansässig ist. Das führt bei internationalen Finanzdienstleistungen zur Anwendung des Heimatrechts des Dienstleisters, so etwa für Darlehensverträge zum Recht am Sitz der ausreichenden Niederlassung (vgl. Art. 28 II 2 EGBGB) des Darlehensgebers (statt aller OLG München RIW 1996, 330; Reithmann/Martiny/Martiny Rn. 1164 ff.). Ausnahmsweise kann der Vertrag aufgrund einer besonders engen Beziehung zu einem anderen Staat gem. Art. 28 V EGBGB einem anderen Recht unterliegen. Hiervon ist bei (echten) Realkrediten zur Vermeidung von Friktionen zwischen dem Statut des Darlehensvertrages und demjenigen der Realsicherheit, die gem. Art. 43 EGBGB in jedem Fall der Recht des Belegenheitsstaates unterliegt (unten Rn. 8), auszugehen, d.h. der Darlehensvertrag ist gleichsam akzessorisch an das Statut der Realsicherheit anzuknüpfen (str., näher Freitag RIW 2004, 25 ff., sowie Reithmann/Martiny/Martiny Rn. 1167). Nach der Rom I-VO wird gem. Art. 4 I lit. b, III Rom I-VO bei Dienstleistungsverträgen ebenfalls grundsätzlich das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Diensteanbieters berufen, wobei der gewöhnliche Aufenthalt juristischer Person gem. Art. 19 Rom I-VO am Ort ihrer Hauptverwaltung besteht; soweit eine Niederlassung tätig geworden ist, kommt es gem. Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO auf deren Belegenheit an. Auch gem. Art. 4 III Rom I-VO ist ganz ausnahmsweise eine abweichende Anknüpfung möglich, wenn der Vertrag zu einem anderen als dem gem. Art 4 I Rom I-VO maßgeblichen Recht besonders enge Beziehungen aufweist. Da Art. 4 III Rom I-VO jedoch bewusst restriktiver gefasst wurde als Art. 28 V EGBGB und eine „offensichtlich“ engere Beziehung zu dem anderen Recht bestehen muss, ist davon auszugehen, dass Realkreditverträge ab dem 17. Dezember 2009 nach dem Heimatrecht des Darlehensgebers zu beurteilen sind.
7
Besonderheiten gelten im Verkehr mit Verbrauchern, wobei zwischen dem noch geltenden Regime des Art. 29 EGBGB und Art. 6 Rom I-VO sowie danach zu unterscheiden ist, ob die Parteien eine Rechtswahl getroffen haben oder der Vertrag objektiv anzuknüpfen ist. Das kollisionsrechtliche Verbraucherschutzregime des Art. 29 EGBGB ist sachlich grundsätzlich auf sämtliche Kauf- und Dienstleistungsverträge im weitesten Sinne anwendbar. Doch fallen Verbraucherdarlehensverträge nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 29 I EGBGB nur dann unter Art. 29 EGBGB, wenn sie der Finanzierung von Kauf- oder Dienstleistungsverträgen dienen, während isolierte Verbraucherdarlehensverträge von Art. 29 EGBGB nicht erfasst werden (BGHZ 165, 248, a.A. etwa PWW/Remien, Art. 29 EGBGB Rn. 12 m.w.N.). Für sämtliche Dienstleistungsverträge ist ferner Art. 29 IV Nr. 2 EGBGB zu beachten, wonach Art. 29 EGBGB nicht zur Anwendung gelangt, wenn die Dienstleistung ausschließlich außerhalb des Heimatstaates des Verbrauchers erbracht wird. Situative Voraussetzung für die Anwendung des Art. 29 EGBGB ist, dass der Verbraucher seine Vertragsschlusserklärung in seinem Heimatstaat abgegeben und der Unternehmer seine Tätigkeit auf diesen Staat ausgerichtet hat, d.h. er dort geworben oder seinerseits ebenfalls seine Vertragserklärung abgegeben (Art. 29 I
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1859
Nr. 1 EGBGB) oder dass der Unternehmer die Vertragserklärung des Verbrauchers in dessen Heimatstaat entgegengenomen hat (Art. 29 I Nr. 2 EGBGB). Liegen die Voraussetzungen für eine Anwendung von Art. 29 EGBGB vor, so gilt im Falle der Rechtswahl gem. Art. 29 I EGBGB, dass der Verbraucher den Schutz des zwingenden Rechts des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts keinesfalls verliert, d.h. die Verbraucherschutzbestimmungen des gewählten Rechts und des Heimatrechts des Verbrauchers sind zu Gunsten des Verbrauchers i.S.d. „Rosinentheorie“ zu kumulieren (Reithmann/Martiny/Martiny Rn. 826). Im Rahmen der objektiven Anknüpfung unterliegen Verbraucherverträge i.S.d. Art. 29 II EGBGB abweichend von Art. 28 EGBGB dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers. Ergänzt wird Art. 29 EGBGB durch Art. 29a EGBGB, auf den an dieser Stelle nicht näher einzugehen ist. Der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz wird (bei identischen Rechtsfolgen) unter Geltung der Rom I-VO durch deren Art. 6 erheblich erweitert. Zum einen werden künftig auch isolierte Verbraucherdarlehensverträge dem kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzregime unterliegen, zum anderen genügt es in situativer Hinsicht, dass der Unternehmer seine Tätigkeit in irgendeiner Weise, insbesondere durch gezielte Werbung, auf den Heimatstaat des Verbrauchers ausrichtet (vgl. Art. 6 I lit. a Rom I-VO). In Bezug auf Sicherungsgeschäfte ist zu differenzieren: Fast weltweit anerkannt ist die Geltung der lex rei sitae, d.h. die Bestellung und Verwertung von Sicherheiten an beweglichen und unbeweglichen Sachen unterliegt dem Recht am Lageort der Sache (vgl. Art. 43 I EGBGB). Welches Recht für die Begründung von Sicherungsrechten an Forderungen gilt, bestimmt sich derzeit noch gem. Art. 33 I, II EGBGB. Insoweit geht die deutsche Rechtsprechung davon aus, dass die Voraussetzungen und Wirkungen einer Verfügung über eine Forderung für sämtliche von der Verfügung betroffenen Parteien (Zedent, Zessionar und Schuldner) gem. Art. 33 II EGBGB umfassend nach dem Recht der übertragenen Forderung zu beurteilen sind (BGHZ 111, 376; ausführlich Reithmann/Martiny/Martiny Rn. 326 ff. m.w.N. zur Gegenansicht). Anderes wird gem. Art. 14 Rom IVO gelten: Gem. Art. 14 II Rom I-VO bestimmt das Recht, dem die übertragene Forderung unterliegt, allein ihre Übertragbarkeit, das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner, die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung dem Schuldner entgegengehalten werden kann, und die befreiende Wirkung einer Leistung durch den Schuldner. Im Übrigen sollen sich gem. Ergrd. 38 zur Rom I-VO auch die dinglichen Voraussetzungen und Folgen der Verfügung jdf. im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar nach dem Recht richten, das für ihre schuldrechtlichen Beziehungen gilt.
8
2. Internationale Zuständigkeit. Die internationale Zuständigkeit der deutschen oder ausländischen Gerichte bei Streitigkeiten aus grenzüberschreitenden Bankgeschäften bestimmt sich in Bezug auf vermögensrechtliche Ansprüche primär nach der EuGVO bzw. Brüssel I-VO (Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 12/1), deren Regelungen aufgrund eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark (ABl. 2005 L 299/62) seit dem 1. Juli 2007 auch auf das Verhältnis zu Dänemark erstreckt worden sind. Im Verkehr mit Island, Norwegen und der Schweiz gilt das sog. Luganer Übereinkommen (LugÜ) von 1988 (BGBl. 1994 II, 2660), das der EuGVO in weiten Teilen ähnelt, ohne dass auf diese Besonderheiten einzugehen ist. Vorrangig zu beachten sind selbstverständlich Gerichtsstandsvereinbarungen, deren Wirksamkeit sich nach Art. 23 EuGVO bestimmt, falls eine der Parteien ihren Wohnsitz in der Europäischen Gemeinschaft hat und die Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedsstaats vereinbart wird. Hinsichtlich der Formanforderungen an Gerichts-
9
Freitag
1860
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
standsvereinbarungen ist gem. Art. 23 I 3 EuGVO wie folgt zu unterscheiden. Gem. Art. 23 I lit. a, 1. Var. EuGVO genügt es jedenfalls, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung beidseitig schriftlich gefasst wurde, wobei Textform gem. Art. 23 II EuGVO ausreicht. Bei Gerichtsstandsklauseln in AGB ist (vorbehaltlich der Art. 23 I lit. b, lit. c, dazu sogleich) erforderlich, dass der von beiden Parteien schriftlich geschlossene Vertrag einen ausdrücklichen Hinweis auf die AGB enthält, so dass die bloße Beifügung oder gar spätere Übersendung der AGB keinesfalls genügt (EuGH Rs. 24/76 „Estasias Salotti di Colzani etc.“, Slg. 1976, 1831; ausführlich Rauscher/Mankowski, Art. 23 EuGVO Rn. 16, 16a m.w.N.). Ausreichend ist gem. Art. 23 I lit. a, 2. Var. EuGVO auch einseitige Schriftlichkeit, d.h. eine mündliche Gerichtsstandsvereinbarung, die von einer Partei schriftlich bestätigt wird. Wirksam ist gem. Art. 23 I lit. b EuGVO ferner die Veinbarung des Gerichtsstands in einer zwischen den Parteien üblichen Form, so dass auch die Einbeziehung vorformulierter Gerichtsstandsklauseln in einer gegenüber Art. 23 I lit. a EuGVO erleichterten Form (etwa durch nachträgliche Zusendung der AGB, deren Abdruck auf Rechnungen oder Lieferscheinen etc.) zulässig sei kann, wenn diese zwischen den Parteien üblich ist. Schließlich gestattet Art. 23 I lit. c EuGVO Gerichtsstandsvereinbarungen in einer im internationalen Handel üblichen Form, so dass etwa im Interbankenverkehr auch Gerichtsstandsklauseln in AGB ohne Einhaltung besonderer Formalien wirksam vereinbart werden können. Für andere als Fragen der Form und des Zustandekommens der Gerichtsstandsvereinbarung ist ausnahmsweise auf das nach dem Internationalen Privatrecht des angerufenen Gerichts auf den Vertrag anwendbare Recht zurückzugreifen (näher Rauscher/Mankowski, Art. 23 EuGVO Rn. 39 ff.). Für Gerichtsstandsvereinbarungen in Verbraucherverträgen gelten die Besonderheiten des Art. 15 EuGVO (unten Rn. 11). Soweit Art. 23 EuGVO nicht anwendbar sein sollte, bestimmt sich die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach der ZPO. 10
Fehlt es an einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung, besteht gem. Art. 2 EuGVO grundsätzlich ein Beklagtengerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten, wobei der Wohnsitz natürlicher Personen gem. Art. 59 EuGVO nach dem Heimatrecht des angerufenen Gerichts zu ermitteln ist, während bei juristischen Personen (nach Wahl des Klägers) der Ort des Satzungssitzes, derjenige der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung maßgeblich sind. Hinzu kommen gegebenenfalls besondere Gerichtsstände, von denen der Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVO herausragende Bedeutung hat. Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO normiert für Dienstleistungsverträge einen einheitlichen Gerichtsstand für sämtliche Klagen beider Parteien an dem Ort, an dem die Dienstleistung tatsächlich erbracht worden ist, oder, wenn es noch nicht zur Erfüllung gekommen ist, an dem sie nach dem Vertrag zu erbringen ist. In den letztgenannten Fällen bestimmt sich der Erfüllungsort primär nach der Vereinbarung der Parteien, fehlt es an einer solchen, ist am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen, was im Ergebnis den Dienstleister begünstigt (vgl. Rauscher/Leible, Art. 5 EuGVO Rn. 51 ff., 54). Deliktische Ansprüche können gem. Art. 5 Nr. 5 EuGVO abweichend von Art. 2 EuGVO auch am Deliktsort geltend gemacht werden, wobei der Kläger die Wahl zwischen der Zuständigkeit der Gerichte des Handlungs- und derjenigen der Gerichte des Erfolgsortes hat (Rauscher/Leible, Art. 5 EuGVO Rn. 73 ff., 85 ff.).
11
Für Verbrauchergeschäfte enthalten die Art. 15 ff. EuGVO besondere Zuständigkeitsregelungen. Voraussetzung der Anwendung der Art. 15 ff. EuGVO ist das Vorliegen eines Vertrages zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, das die weiteren sachlichen bzw. situativen Voraussetzungen des Art. 15 I EuGVO erfüllt. Für Darlehens- und Kreditverträge ist zunächst Art. 15 I lit. b EuGVO zu beachten, wonach Kreditverträge, die der Finanzierung von Kaufverträgen dienen, jedenfalls als Verbrauchergeschäft gel-
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1861
ten. Im Übrigen zählen Kreditverträge sowie sonstige Verträge von Finanzdienstleistern nur dann zu den Verbrauchergeschäften, wenn der Finanzdienstleister seine Tätigkeit auf irgendeinem Wege auf den Mitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet, d.h. dort zielgerichtete Absatztätigkeit entfaltet hat. Liegt ein Verbrauchervertrag in diesem Sinne vor, kann der Unternehmer den Verbraucher gem. Art. 16 II EuGVO ausschließlich in dessen Heimatstaat verklagen, während für Klagen des Verbrauchers gegen den Unternehmer gem. Art. 16 I EuGVO eine Zuständigkeit sowohl am Wohnsitz des Unternehmers wie auch am Wohnsitz des Verbrauchers besteht. Vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarungen sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 EuGVO gem. Art. 17 Nr. 3 EuGVO nur statthaft, wenn sie für den Fall getroffen werden, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrages ihre Wohnsitze in demselben Mitgliedstaat haben und die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates begründet wird und zusätzlich das Recht des betreffenden Mitgliedstaates derartige Vereinbarungen überhaupt zulässt, was in Deutschland gem. § 38 III ZPO der Fall ist. Im Übrigen unterliegen Gerichtsstandsvereinbarungen mit Verbrauchern zusätzlich den Anforderungen des Art. 23 EuGVO, wobei insbesondere Art. 23 I lit. a EuGVO und die dort zur Wirksamkeit der Einbeziehung von AGB gemachten Ausführungen (Rn. 9) von Bedeutung sind. IV. Internationale Regelwerke. Große praktische und rechtliche Bedeutung haben die im internationalen Geschäftsverkehr weithin gebräuchlichen Regelwerke insbesondere der Internationalen Handelskammer („International Chamber of Commerce“, „ICC“), aber auch anderer Vereinigungen. Im Akkreditivgeschäft handelt es sich um die „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive“ („Uniform Customs and Practices for Documentary Credits“, „ERA“ bzw. „UCP“). Die ERA sind erstmals 1993 als ICC Publikation Nr. 500 erschienen („ERA 500“ bzw. „UCP 500“) und wurden mit Wirkung vom 1. Juli 2007 durch die ICC Publikation Nr. 600 ersetzt („ERA 600“ bzw. „UCP 600“, ausführlich zur Revision Holzwarth, IHR 2007, 136 ff.). Für das Inkassogeschäft maßgeblich ist die ICC Publikation Nr. 522 von 1995 betreffend die „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für das Dokumenten-Inkasso“ („Uniform Rules for Collections“, „ERI“ oder „ERI 522“). Im Garantiegeschäft haben internationale Regelwerke eine geringere praktische Bedeutung, hinzuweisen ist jedoch auf die wegen verschiedener inhaltlicher Mängel nur zögerlich verwendeten „Einheitlichen Richtlinien für auf Anfordern zahlbare Garantien“ („Uniform Rules for Demand Guarantees“ bzw. „URDG“), die von der ICC 1992 als Publikation Nr. 458 veröffentlicht wurden. Insbesondere für das Garantiegeschäft US-amerikanischer Banken relevant sind die von der ICC 1998 als Publikation Nr. 590 verabschiedeten „International Standby Practices“ („ISP“ oder „ISP 98“).
12
Diesen Regelwerken ist gemein, dass sie als quasi „transnationales Recht“ ihre Geltung nicht einem staatlichen Rechtsanwendungsbefehl, sondern ihrer Akzeptanz und freiwilligen Anwendung durch die Marktakteure verdanken. Ihre Geltung erlangen die Regelwerke daher nur durch ihre (ausdrückliche) vertragliche Einbeziehung in das jeweilige Geschäft (vgl. Art. 1 ERA 500/ERA 600, Art. 1 ERI, Art. 1 URDG). Da sie bewusst für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden und regelmäßig aufgrund standardisierter Klauseln in den Formularen der beteiligten Banken für anwendbar erklärt werden, stellt sich die sehr umstrittene Frage ihrer AGB-rechtlichen Behandlung, insbesondere der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB. Teilweise wird aus der Allgemeinheit und der Art der Einbeziehung der Regelwerke eine Anwendung des AGB-Rechts gefolgert, andere sehen zumindest in den ERA und den ERI die Kodifizierung bestehender internationaler Handelsbräuche, die gem. § 310 I 2 a. E. BGB der Inhaltskontrolle nur eingeschränkt unterliegen, wieder andere kombinieren beide Ansätze oder beurteilen die Regelwerke als Gewohnheitsrecht bzw. als der AGB-Kontrolle entzogene Normen mit
13
Freitag
1862
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Rechtsqualität sui generis (ausführlich Eberth, FS Neumayer, S. 199). Der BGH hat zu der Frage noch nicht abschließend Stellung genommen, scheint aber eine AGB-Kontrolle nicht auszuschließen (BGH WM 1958, 456 (458) Handelsbrauch; WM 1960, 38 (40) AGB; BGH WM 1984, 1443: offen gelassen; BGHZ 108, 348: offen gelassen). In jedem Fall können die Regelwerke nur insoweit als Kodifizierung von Handelsbräuchen angesehen werden, wie sie tatsächlich existierende Geschäftspraktiken festschreiben, was für ERA und ERI weitgehend zu bejahen ist (etwa Holzwarth, IHR 2007, 136, 149 f.), während die URDG teilweise bewusste Weiterentwicklungen der bestehenden Gepflogenheiten enthalten (Wälzholz, WM 1994, 1457). 14
In praktischer Hinsicht ist klarzustellen, dass AGB-rechtliche Probleme nur selten auftreten dürften, da die Banken die Regelwerke häufig nicht iSd § 305 I 1 BGB „stellen“, sondern von ihren Kunden gerade zur Hinauslegung von Akkreditiven, Erstellung von Garantien bzw. zur Durchführung von Inkassi unter Einbeziehung der ERA, URDG bzw. ERI beauftragt werden (Wälzholz, WM 1994, 1460 f.). Soweit es dennoch zu einer Inhaltskontrolle kommt, werden die Regelwerke kaum unangemessen sein, da sie häufig nicht von einem gesetzlichen Leitbild abweichen, das es im Bereich der Außenhandelsgeschäfte der Banken kaum gibt. Im übrigen ist es angebracht, die Regelwerke vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auszunehmen (Ulmer/Brandner/HensenBrandner, Anh. §§ 310 BGB Rn. 300 ff.; Canaris, I Rn. 929 a. E.).
15
B. Akkreditivgeschäft Schrifttum Angersbach, Beiträge zum Institut des Dokumenten-Akkreditives, 1965; Avancini, in: Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankrecht, Bd. 2, 1993, Rn. 4/1 ff.; Berger, Die Auslegung von Dokumentenakkreditiven durch die deutsche Rechtsprechung, FS Schütze, 1999, 103; Bodmer, Die Verarrestierung von Bank-Akkreditiven, insbesondere die Verarrestierung der Forderung des Begünstigten gegen die bestätigende Bank auf Auszahlung der Akkreditivsumme, 1991; Borggrefe, Akkreditiv und Grundverhältnis, 1971; Eberth, Zur Rechtsnatur der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive, FS Neumayer, 1999, 199; Eisele, Akkreditiv und Konkurs, 1976; Eisenmann, Das Dokumenten-Akkreditiv im internationalen Handelsverkehr, 1979; Eschmann, Der einstweilige Rechtsschutz des AkkreditivAuftraggebers in Deutschland, England und der Schweiz, 1994; Gacho, Das Akkreditiv, 1985; Gao/Buckley, A Comparative Analysis of the Standard of Fraud Required under the Fraud Rule in Letter of Credit Law, Oxford University Comparative Law Forum (OUCLF), http://ouclf.iuscomp.org/articles/gao-buckley.shtml); Geßler, Pfändungen von Akkreditiven, 1967; Gleisberg, Die Prüfung von Dokumenten des kombinierten Transports beim Dokumenten-Akkreditiv, 1980; Gozlan, International Letters of Credit, 2. Aufl., 1999; Hampe, Das auf unwiderrufliche Dokumentenakkreditive anwendbare Recht unter besonderer Berücksichtigung von Qualifikation und Anknüpfung des Zahlungsanspruchs des Begünstigten gegen die Akkreditivbank, 2000; Hartmann, Die Durchsetzbarkeit des Begünstigtenanspruchs im unwiderruflichen Dokumentenakkreditiv, 1990; Holzwarth, Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (Revision 2007), IHR 2007, 136; Högerl/Neuner, Das Dokumentenakkreditiv, 4. Aufl., 1996; Krauß, Die Konformität der Dokumente im Akkreditivgeschäft, 1990; Loeffler, Der Einfluss des Käufer- Konkurses auf das Dokumenten-Akkreditiv-Geschäft, 1969; Lorenz, Kollisionsrechtliche Betrachtungen zum Rembours beim Dokumentenakkreditiv, FS Neumayer, 1985, 407; Lücke, Das Dokumentenakkreditiv in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, 1976; Nielsen, Richtlinien für Dokumenten-Akkreditive, Kommentar zu den Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für DolumentenAkkreditive 1993 (ERA 500), 2001; Dokumentärer und wechselrechtlicher Regress im Akkreditivgeschäft unter Berücksichtigung der verschiedenen Abwicklungsformen, FS Werner, 1984, 573; Das Risiko der Wiedererlangung der Akkreditivsumme bei fehlerhafter Auszahlung durch akkreditivbestätigende (Zweit-)Bank, WM 1985, 149; Özdamar, Rechtsfragen des Dokumentenakkreditivs in Gestalt seiner Regelung nach den ERA, 1996; Raith, Das Recht des Dokumentenakkreditivs in den USA und in Deutschland, 1985; Schärrer, Die Stellung des Begünstigten im Dokumentenakkreditiv, 1980; Scheuermann/Göttsche, Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung bei der Forfaitierung von Nachsichtakkreditiven, RIW 2005, 894; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im Internationalen Handelsverkehr unter besonderer Be-
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1863
rücksichtigung der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, 5. Aufl., 1999; Slongo, Die Zahlung unter Vorbehalt im Akkreditiv-Geschäft, 1980; Stapel, Die einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive der Internationalen Handelskammer in der Fassung von 1993, 1998; Stauder, Das Dokumentenakkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung, Liber Amicorum Schnitzer, 1979, 433; Steindorff, Das Akkreditv im Internationalen Privatrecht der Schuldverträge, FS v. Caemmerer, 1979, 761; Ulrich, Rechtsprobleme des Dokumentenakkreditivs, 1989; Wassermann, Die Verwertung von Ansprüchen aus Dokumentenakkreditiven, 1981; Wessely, Die Unabhängigkeit der Akkreditivverpflichtung von Deckungsbeziehung und Kaufvertrag, 1975; Wolsing, Das übertragbare Dokumenten-Akkreditiv, 1998.
I. Wirtschaftliche Hintergründe und Erscheinungsformen des Akkreditivs. 1. Wirtschaftliche Hintergründe. Das Dokumentenakkreditiv („Documentary Letter of Credit“, „L/C“, „LC“) ist die traditionelle Form der besicherten dokumentären Zahlung im Außenhandel, die den wirtschaftlichen und rechtlichen Bedürfnissen der Parteien grenzüberschreitender Liefergeschäfte Rechnung trägt (ausführlich Schütze, Rn. 32 ff.; Zahn/Ehrlich/Neumann, Rn. 2/1 ff.). Im Exportgeschäft ist im Vergleich zu inländischen Liefergeschäften das Risiko des Zahlungsausfalles für den Lieferanten/Exporteur erheblich gesteigert, da er häufig nicht nur die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit seiner ausländischen Partner kaum verlässlich beurteilen kann, sondern aufgrund der Defizite der ausländischen Gerichtssysteme und wegen rechtlicher, sprachlicher und kultureller Barrieren häufig auch nicht damit zu rechnen ist, dass ein Zahlungsanspruch im Land des Abnehmers überhaupt oder zumindest in annehmbarer Zeit durchsetzbar ist. Andererseits wird der Abnehmer nur selten zur Vorkasse bereit sein. Es entspringt dieser gegenläufigen Interessenlage, dass der Exporteur für seinen Zahlungsanspruch eine bankmäßige „Sicherheit“ erhält, von der er im Sinne einer Zug-um-Zug-Leistung nur Gebrauch machen darf, wenn er hinreichend nachgewiesen hat, dass er seinerseits die geschuldete Ware ordnungsgemäß an den Abnehmer gesendet hat und diese damit seinem Zugriff endgültig entzogen ist. In der Grundkonstellation des Akkreditivgeschäfts schließen die Parteien des Grundgeschäfts einen grenzüberschreitenden Warenlieferungs- oder Werkvertrag, in dem sie vereinbaren, dass die Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Versendung der Ware durch den Lieferanten erfolgt, wobei die Zahlung erfüllungshalber (BGH WM 1956, 753 (755)) über ein Akkreditiv abzuwickeln ist. Hierzu beauftragt der Zahlungsschuldner als sog. Akkreditivauftraggeber seine Bank (sog. Akkreditivbank bzw. eröffnende Bank), gegenüber dem Gläubiger im eigenen Namen eine vom Liefergeschäft unabhängige abstrakte Zahlungsverpflichtung einzugehen, d. h. das Akkreditiv zu eröffnen. Der Zahlungsanspruch des Begünstigten steht dabei unter der Bedingung, dass er der Bank die im Akkreditiv genannten Dokumente vorlegt und ggf. weitere Bedingungen des Akkreditivs erfüllt. Bei den vorzulegenden Dokumenten handelt es sich meist um echte Warenpapiere, die den Anspruch auf die vom Lieferanten zum Transport gegebene Ware repräsentieren (Konnossemente, Lagerscheine etc.). Daneben werden häufig weitere Dokumente verlangt, aus denen sich etwa ergibt, dass die vom Verkäufer versandte Ware die vereinbarte Menge und Beschaffenheit aufweist (Packlisten, Rechnungen, Ursprungszertifikate, Qualitätszeugnisse etc.). Die Akkreditivbank informiert den Lieferanten üblicherweise über dessen als Erklärungsbotin auftretende Hausbank (sog. „Avisbank“) von der Eröffnung des Akkreditivs. Sodann bringt der Begünstigte die Ware auf den Weg und leitet die nach dem Akkreditiv vorzulegenden Dokumente (über die Avisbank) an die Akkreditivbank, die die Dokumente nach den in den ERA (zu deren Rechtsnatur oben Rn. 12 ff.) festgelegten, stark formalisierten Grundsätzen prüft. Sind die Dokumente in Ordnung, zahlt sie den Akkreditiverlös an den Lieferanten aus, verschafft sich hierfür Deckung beim Käufer und übergibt diesem dafür die Dokumente, der somit Zugriff auf die Ware erhält.
Freitag
16
1864
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
17
Da die Bank die ihr vom Begünstigten vorgelegten Dokumente lediglich auf ihre äußerliche Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen hat und bei bloß formeller Übereinstimmung mit den Akkreditivbedingungen Zahlung leistet (vgl. Art. 14 lit. a ERA 600, wonach die Akkreditivbank nur zu prüfen hat, ob die „documents appear on their face to constitute a complying presentation“), besteht für den Auftraggeber das Risiko, dass er für Dokumente zahlt, die eine nicht vertragsgemäße Ware verkörpern. Insoweit ist dem Akkreditivgeschäft eine gewisse Vorleistung des Käufers immanent, der gegebenenfalls seine vertraglichen Rechte gegen den Lieferanten im Nachhinein gelten machen muss; es gilt der Grundsatz „erst zahlen, dann prozessieren“.
18
Für die Eingehung ihrer Zahlungsverpflichtung erhält die eröffnende Bank vom Auftraggeber eine Provision, die sich in der Regel nach der Höhe der eingegangen Verpflichtung bemisst, zumeist aber kapitalisiert in einem Betrag zu entrichten ist. Zudem fallen bei der eröffnenden Bank und der Avisbank Kosten für die Dokumentenabwicklung an, deren Verteilung zwischen den Parteien des Grundgeschäfts zu regeln ist. 2. Erscheinungsformen. Entsprechend den Sicherungsbedürfnissen der Parteien existieren unterschiedliche Erscheinungsformen des Akkreditivs. Der geschilderte Grundfall leidet aus Sicht des Begünstigten darunter, dass er bei einer eventuell erforderlichen gerichtlichen Durchsetzung seines Zahlungsanspruches gegen die ausländische eröffnende Bank mit ähnlichen praktischen und rechtlichen Hindernissen rechnen muss wie bei seinem Zahlungsanspruch aus dem Grundgeschäft. Diese Nachteile lassen sich dadurch ausschalten, dass das Akkreditiv von einer Bank im Heimatstaat des Begünstigten bestätigt wird („confirmation“), (vgl. Art. 9 lit. b ERA 500, Art. 8 lit. b ERA 600). Hierbei gibt die Bestätigungsbank gegenüber dem Begünstigten ein weiteres abstraktes Zahlungsversprechen ab, dessen Inhalt demjenigen der Akkreditivbank entspricht. Eröffnende und bestätigende Bank haften dann gesamtschuldnerisch (BGH WM 1984, 1214 (1215)). Bei dieser Konstruktion genügt es in der Regel zur Wahrung einer im Akkreditiv vorgesehen Verfallfrist, wenn der Begünstigte die Dokumente fristgerecht bei der Bestätigungsbank einreicht, was Postlauf- und -verlustrisiken minimiert. Eine Bestätigung ist indes nur zulässig, wenn sie im Akkreditiv entweder gestattet oder ausdrücklich angeordnet ist (so noch ausdrücklich Art. 9 lit. b ERA 500). Bei der Bestätigung fallen zusätzlich zu den Kosten der eröffnenden Bank Provisionsansprüche sowie weitere Kosten der Bestätigungsbank an, deren Tragung im Grundgeschäft zu regeln ist. Häufig wird der ausländische Abnehmer zur Tragung der Kosten der Bestätigung nicht bereit sein, so dass diese beim Begünstigten anfallen, der dann bei Einreichung ordnungsgemäßer Dokumente von der Bestätigungsbank lediglich den um diese Kosten gekürzten Akkreditiverlös erhält. Einen Mittelweg stellt die Einschaltung einer sog. Zahlstelle („nominated bank“ i.S.d. Art. 10 lit. b ERA 500, Art. 12 ERA 600) dar. Hierbei handelt es sich um eine meist im Land des Begünstigten domizilierte Bank, die im Auftrag der ausländischen eröffnenden Bank als deren Vertreterin die Abwicklung des Akkreditivs übernimmt, ohne (anders als die Bestätigungsbank) ein eigenes Zahlungsversprechen abzugeben. Die Entscheidung der Zahlstelle über die Dokumentenaufnahme ist im Außenverhältnis zum Begünstigten für die eröffnende Bank verbindlich, zudem kann der Begünstigte die Dokumente fristwahrend bei der Zahlstelle einreichen (Art. 42 lit. a ERA 500, Art. 6 lit. a, lit. d ii) ERA 600), womit auch das Risiko des Dokumentenverlustes nach Einreichung auf die eröffnende Bank bzw. den Auftraggeber übergeht (ausführlich Zahn/Eberding/Ehrlich, Rn. 2/100 ff.).
19
20
21
22
Außerhalb des eigentlichen Akkreditivgeschäfts angesiedelt ist die sog. Ankaufszusage („silent confirmation“), die häufig an die Stelle einer im Akkreditiv nicht gestatteten Be-
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1865
stätigung tritt. Wirtschaftlich handelt es sich dabei um eine Risikoübernahme der Bank des Begünstigten, in der diese die in der Person der ausländischen Akkreditivbank liegenden wirtschaftlichen Risiken absichert. Vertraglich wird die Ankaufszusage in der Regel als bedingter Forderungskauf ausgestaltet, aufgrund dessen sich die ankaufende Bank den Zahlungsanspruch aus dem Akkreditiv abtreten lässt und im Gegenzug zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe des Akkreditiverlöses verpflichtet ist, wenn der Begünstigte trotz Einreichung ordnungsgemäßer Dokumente von der Akkreditivbank keine Zahlung erhält. Im Hinblick auf die Art des Anspruches des Begünstigten lässt sich unterscheiden zwischen Akkreditiven, die einen Zahlungsanspruch des Begünstigten vorsehen und solchen, bei denen der Begünstigte Anspruch auf ein Wechselakzept einer Bank hat. Auf Zahlung gerichtete Akkreditive können unmittelbar bei Vorlage ordnungsgemäßer Dokumente, d. h. bei Sicht zahlbar sein („payment at sight“) oder eine erst später fällige Zahlungspflicht begründen („deferred payment“). Zudem kann es aufgrund besonderer, nicht dokumentärer Regelungen im Akkreditiv, den sog. „red clauses“ bzw. „green clauses“ auch zu Zahlungen vor Einreichung von Dokumenten kommen (Schütze, Rn. 437 f.). Schließlich kann das Akkreditiv auch vorsehen, dass die eröffnende Bank einen auf sie gezogenen Wechsel akzeptiert oder Nachsichttratten auf die im Akkreditiv genannte Bank zieht. Damit erhält der Begünstigte aufgrund der wechselmäßigen Haftung der akzeptierenden Bank die Möglichkeit, den Wechsel diskontieren zu lassen und sich hierdurch Liquidität zu verschaffen (näher unten Rn. 107 f. beim Rembourskredit).
23
II. Verhältnis zwischen Akkreditivauftraggeber und eröffnender Bank. Bei dem Vertragsverhältnis zwischen eröffnender Bank und Akkreditivauftraggeber handelt es sich um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter i. S. d. §§ 675, 631 BGB (BGH, WM 1958, 1542; Claussen, Rn. 77). Vertragliche Hauptpflichten der Parteien sind die Stellung des Akkreditives auf der einen, die Zahlung der hierfür anfallenden Provision auf der anderen Seite. Der der Bank erteilte Auftrag hat alle für Erstellung, Inhalt und Abwicklung des Akkreditivs maßgeblichen Umstände exakt zu bezeichnen und möglichst eindeutig und vollständig zu sein (so noch ausdrücklich Art. 5 ERA 500), s. dazu ausführlich Zahn/Neumann/Ehrlich, Rn. 2/35 ff.).
24
Aus der Anwendung des Auftragsrechts folgt eine Herausgabepflicht der Bank in Bezug auf alles, was sie i. R. d. Akkreditiverstellung und -abwicklung erlangt, d. h. insbesondere die vorgelegten Dokumente (§ 667 BGB). Demgegenüber hat der Auftraggeber der Bank gem. § 670 BGB Ersatz für die von ihr getätigten erforderlichen Aufwendungen zu leisten, wobei die Bank hierfür gem. § 669 BGB Vorschuss verlangen kann.
25
Die Akkreditivbank hat die vertragliche Nebenpflicht, den Auftraggeber über Dokumenteneinreichungen sowie sonstige Geschehnisse im Zusammenhang mit der Abwicklung des Akkreditives zu informieren. Sie ist zudem verpflichtet, bei Rechtsmissbrauch seitens des Begünstigten keine Zahlung zu Lasten des Kontos des Auftraggebers zu leisten.
26
Schließlich hat die eröffnende Bank die Weisungen des Auftraggebers zu befolgen. Das gilt nicht für die Dokumentenprüfung, die von der eröffnenden Bank unabhängig und auf eigenes Risiko erfolgt (vgl. Rn. 31 ff.).
27
III. Der Zahlungsanspruch des Begünstigten. 1. Rechtsnatur des Zahlungsanspruchs. Anwendbares Recht. Gem. Art. 9 ERA 500, Art. 7 lit. b ERA 600 begründet ein unwiderrufliches Akkreditiv eine „feststehende Zahlungsverpflichtung der eröffnenden Bank“, wobei gem. Art. 3 lit. a ERA 500 (Art. 4 lit. a ERA 600) Akkreditive „ihrer Natur nach von den Kauf- oder anderen Verträgen, auf denen sie möglicherweise beruhen, getrennte Geschäfte sind, mit denen die Banken nichts zu tun haben und durch sie nicht
28
Freitag
1866
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
gebunden sind“. Aus Sicht des deutschen Rechts stellt das Akkreditiv eine abstrakte Zahlungsverpflichtung der eröffnenden Bank im Sinne eines abstrakten Schuldversprechens gem. §§ 780, 781 BGB dar (RGZ 107, 9; BGHZ 60, 262 (264)). Der Vertrag zwischen eröffnender Bank und Begünstigtem kommt zustande, indem die eröffnende Bank dem Begünstigten über die als Erklärungsbotin fungierende Avisbank das Angebot zum Abschluss des Vertrages unterbreitet. Der Begünstigte nimmt das Angebot regelmäßig nicht ausdrücklich, sondern spätestens mit Dokumenteneinreichung konkludent an (§ 151 BGB). 29
Das Akkreditiv begründet eine unwiderrufliche Verpflichtung der eröffnenden Bank, vgl. Art. 3 ERA 600. Art. 6 lit. c ERA 500 hatte noch vorgesehen, dass das Akkreditiv ausnahmsweise auch widerruflich gestellt sein könne, doch kamen widerrufliche Akkreditive in der Praxis nicht vor, da sie für den Lieferanten wirtschaftlich wertlos sind.
30
Der Zahlungsanspruch des Begünstigten unterliegt nach den oben (Rn. 5) dargestellten Grundsätzen des internationalen Privatrechts dem Recht der das Akkreditiv eröffnenden Bank (BGH WM 1955, 765; öst. OGH ZfRV 2004, 107, 108; Reithmann/MartinyMartiny, Rn. 1226 m.w.N.). Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsordnung des ausländischen Begünstigten die Anknüpfung anders vornimmt und insbesondere auf das Recht des Begünstigten abstellt.
31
2. Dokumentenprüfung. Zentrale Verpflichtung der Akkreditivbank ist die Prüfung der vom Begünstigten vorgelegten Dokumente auf ihre Vereinbarkeit mit den im Akkreditiv niedergelegten Anforderungen. Hierbei hat die Akkreditivbank mit äußerster Sorgfalt vorzugehen (so ausdrücklich Art. 13 lit. a ERA 500, der in Art. 8 lit. a ERA 600 indes keine Entsprechung hat). Bei der Dokumentenprüfung handelt die eröffnende Bank unabhängig und ist keinen Weisungen des Auftraggebers unterworfen.
32
a) Akkreditive sind zu befristen, d.h. sie müssen ein Verfalldatum enthalten, gem. Art. 42 ERA 500, Art. 6 lit. d i) ERA 600. Hat der Begünstigte bis zum Ablauf des Verfalldatums keine ordnungsgemäßen Dokumente vorgelegt, erlischt der Zahlungsanspruch. Für die Rechtzeitigkeit der Dokumenteneinreichung ist maßgeblich, wo die Dokumente einzureichen sind, d. h. das Akkreditiv „benutzbar gestellt“ ist (Art. 6 lit. d ii ERA 600). Dies kann je nach Ausgestaltung des Akkreditivs entweder die eröffnende Bank, eine Zahlstelle oder die Bestätigungsbank sein, wobei die Dokumente grundsätzlich bei der Zahlstelle einzureichen sind. Zur Berechnung der Einreichungsfristen vgl. Schimansky/Bunte/LwowskiNielsen, § 120 Rn. 190 ff.
33
b) Die eröffnende Bank hat die rechtzeitig eingereichten Dokumente darauf zu untersuchen, ob sie ihrer äußeren Aufmachung nach („on the face“) den Bedingungen des Akkreditives zu entsprechen scheinen, Art. 13 lit. a, Art. 15 ERA 500, Art. 7 lit. a, Art. 14 lit. a, Art. 2 ERA 600. Das bedeutet zunächst, dass die Dokumenteneinreichung vollständig zu sein hat, d.h. alle unter dem Akkreditiv verlangten Dokumente vorliegen müssen.
34
Ferner hat die Bank die Dokumente auf ihre inhaltliche Übereinstimmung mit dem Akkreditiv zu untersuchen. Hierbei gilt der Grundsatz der strikten Observanz oder Dokumentenstrenge, d. h. die vorgelegten Dokumente dürfen nicht von den Akkreditivbestimmungen abweichen. Allerdings hat die Rechtsprechung früher vertreten, geringfügige und für den Auftraggeber irrelevante Abweichungen schadeten nicht (Nachweis bei Canaris, Rn. 945). Diese Judikatur wurde jedoch später wieder eingeschränkt, da selbst kleinste Abweichungen für den Auftraggeber schädlich sein könnten (BGH WM 1984, 1443). Dagegen kann die Bank offensichtliche Flüchtigkeitsfehler sowie „Zahlen- und Buchstabendreher“ ignorieren, solange dies nicht zu Zweifeln über den genauen Inhalt der betreffenden Passage des Dokumentes führt. So schadet zwar die Angabe einer falschen
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1867
Anschrift des Auftraggebers in einem Transportdokument, während eine versehentliche Vertauschung von Ziffern der Postleitzahl unschädlich sein soll, wenn sich die korrekte Adresse eindeutig aus den sonstigen Angaben ergibt (MünchKommHGB-Nielsen, ZahlungsV, Rn. H 110 m. w. N.). Als Ausprägung des Grundsatzes, dass die Banken die Dokumente lediglich „ihrer äußeren Aufmachung“ nach überprüfen, ordnen Art. 15 ERA 500, Art. 34 ERA 600 an, dass sie keine Haftung für die Echtheit, Richtigkeit oder Unverfälschtheit der vorgelegten Dokumente übernehmen. Freilich entbindet die Regelung die Banken nicht davon, offensichtliche Fälschungen zu rügen (BGH WM 1989, 1713).
35
Eine gewisse inhaltliche Überprüfung der Dokumente findet insoweit statt, als die eröffnende Bank Dokumente wegen Widersprüchlichkeit zurückweisen kann (Art. 13 lit. a S. 3 ERA 500, Art. 14 lit. d ERA 600). Dies ist dann der Fall, wenn sich Aussagen in den Dokumenten gegenseitig aufheben oder einschränken, etwa wenn unterschiedliche Transportdokumente einen unterschiedlichen Absender ausweisen, die Packmengen oder Gewichte voneinander abweichen etc.
36
Die eröffnende Bank hat die vorgelegten Dokumente auch auf ihre Vollständigkeit zu prüfen, so dass fehlende Dokumente zur Zurückweisung der Einreichung führen. Umgekehrt hat die Bank eingereichte Dokumente, die unter dem Akkreditiv nicht vorgeschrieben sind, nicht zu prüfen (Art. 13 lit. a ERA 500, Art. 14 lit. g ERA 600). Unter den ERA 500 berechtigen jedoch Widersprüche zwischen verlangten und nicht verlangten Dokumenten insgesamt zur Zurückweisung wegen Widersprüchlichkeit.
37
Detaillierte Regelungen über die Anforderungen an bestimmte Dokumententypen enthalten die Art. 20 ff. ERA 500, Art. 18 ff. ERA 600.
38
3. Prüfungsfrist. Das Recht der Akkreditivbank, die präsentierten Dokumente wegen Unstimmigkeiten zurückzuweisen und die Zahlung zu verweigern ist gem. Art. 13 lit. b ERA 500 auf 7 Bankarbeitstage, gem. Art. 14 lit. b ERA 600 auf 5 Bankarbeitstage befristet, wobei der Tag des Dokumenteneingangs nicht mitgezählt wird. Hierbei handelt es sich um eine Höchstfrist und die Bank ist in einfach gelagerten Fällen auch schon vorher verpflichtet, die Dokumente aufzunehmen bzw. abzulehnen (Ebenroth/Boujong/JoostHakenberg, BankR Rn. II 481). Art. 14 lit. b ERA 600 stellt umgekehrt klar, dass eine Bank nicht deswegen schneller prüfen muss, weil der Ablauf der Gültigkeit des Akkreditivs bevorsteht. Lässt die eröffnende Bank die Prüffrist verstreichen, ohne bestehende Mängel der Dokumente zu rügen, ist sie allein aus diesem Grund zur Zahlung verpflichtet.
39
4. Zurückweisung von Dokumenten. Stellt die eröffnende Bank Mängel der präsentierten Dokumente fest, ist sie zur Zurückweisung unter Einhaltung der in Art. 14 lit. d ERA 500, Art. 16 lit. c ERA 600 genannten Formalien berechtigt. Nach Art. 14 lit. d i) ERA 500 hat sie den Einreicher unverzüglich über die Zurückweisung und sämtliche Mängel der Dokumente zu informieren; ein späteres Nachschieben von Gründen ist unzulässig, Art. 14 lit. d, e ERA 500. Art. 16 ERA 600 normiert grundsätzlich identische Anforderungen an die Dokumentenrüge und detailliert zusätzlich die Mitteilungspflichten, verlangt indes erstaunlicherweise nicht mehr eine „unverzügliche“ Zurückweisung, sondern lediglich, dass die Mitteilung der Zurückweisung mittels Telekommunikation oder anderer „expeditious means“ zu versenden sei. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die eröffnende oder bestätigende Bank, die die Zurückweisung schuldhaft verzögert, dem Begünstigten zum Ersatz des diesem hieraus entstehenden Schadens verpflichtet ist, der insbesondere im Verlust des Zugriffs auf die Ware bestehen kann. Ferner hat die eröffnende Bank den Einreicher darauf hinzuweisen, dass die Dokumente zu seiner Verfügung stehen bzw. diese an ihn zurückgesendet werden, Art. 14 lit. d iii) ERA 500, Art. 16 lit. c iii)
40
Freitag
1868
41
42
43
44
45
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
ERA 600. Hierdurch wird gewährleistet, dass der Begünstigte nicht sowohl seinen Anspruch aus dem Akkreditiv als auch den Zugriff auf die Ware verliert. Die eröffnende Bank kann selbstverständlich mit Einverständnis des Auftraggebers auch mangelhafte Dokumente aufnehmen, ohne freilich zu einer derartigen Vorgehensweise verpflichtet zu sein, Art. 14 lit. c ERA 500, Art. 16 lit. b ERA 600. Nimmt eine Bank mangelhafte Dokumente ohne Rücksprache mit dem Auftraggeber auf, handelt sie selbstverständlich auf eigenes Risiko, da ihr unter diesen Voraussetzungen kein Aufwendungsersatzanspruch zusteht. 5. Einwendungen und Einreden gegen den Zahlungsanspruch. a) Einwendungen der eröffnenden Bank selbst. Die eröffnende Bank kann dem Zahlungsanspruch selbstverständlich alle Einwendungen entgegenhalten, die sich auf das wirksame Zustandekommen ihres Zahlungsversprechens beziehen. Von größerer praktischer Bedeutung ist hingegen, ob bzw. in welchem Umfang die eröffnende und bestätigende Bank dem Zahlungsanspruch Einwendungen entgegenhalten können, die aus ihrer sonstigen Beziehung zum Begünstigten resultieren, insbesondere ob sie zur Aufrechnung befugt sind. Gegen eine Aufrechnungsbefugnis der Bank spricht, dass das Akkreditiv dem Begünstigten weitestgehende Sicherheit und schnelle Liquidität verschaffen soll und häufig auch Gegenstand von Finanzierungen ist. Richtiger Ansicht nach ist die Aufrechnung überhaupt nur zuzulassen in Bezug auf Forderungen der Bank gegen den Begünstigten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Akkreditiv stehen, d.h. mit Provisionsansprüchen, Ansprüchen aus Vorfinanzierungen des Grundgeschäfts etc. (Zahn/Ehrlich/Neumann, Rn. 2/391; ähnlich BGH, ZIP 1985, 729; MünchKommHGB-Nielsen, ZahlungsV, Rn. H 36, nach denen nur mit liquide nachgewiesenen und unbestrittenen Forderungen aufgerechnet werden dürfe). In keinem Fall kann sich die Bank darauf berufen, der Auftraggeber habe gegenüber dem durch das Akkreditiv besicherten Zahlungsanspruch wirksam die Aufrechnung erklärt (BGHZ 60, 262 (264)). Ebebso unzulässig ist die Aufrechnung der eröffnenden Bank gegenüber dem Begünstigten mit Ansprüchen aus dem Grundgeschäft, die der Akkreditivauftraggeber an sie abgetreten hat. b) Einwendungen des Auftraggebers und einstweiliger Rechtsschutz. Aus der Funktion des Akkreditivs als Instrument der Zahlungssicherung folgt, dass Einwendungen des Auftraggebers gegen den Zahlungsanspruch des Begünstigten aus dem Grundgeschäft nur ganz ausnahmsweise zuzulassen sind. In noch stärkerem Maße als im Garantiegeschäft erfordert die internationale Akzeptanz des Akkreditivs als Zahlungsmittel die weitgehende Beachtung des Grundsatzes „erst zahlen, dann prozessieren“. Daher kann die Bank bei Vorlage ordnungsgemäßer Dokumente die Zahlung nur verweigern, wenn für jedermann klar ersichtlich oder zumindest liquide beweisbar ist, dass dem Begünstigten ein Zahlungsanspruch aus dem Kausalgeschäft nicht zusteht und der Rechtsmissbrauch zumindest objektiv zugleich einen Verstoß gegen einen Straftatbestand, insbesondere einen Betrug darstellt (BGH ZIP 1996, 913 (914)), wobei der Schädigungsvorsatz des Begünstigten nicht nachgewiesen bzw. offensichtlich sein muss (MünchKommHGB-Nielsen, ZahlungsV, Rn. H 225 f.). Nicht aus den Dokumenten ersichtliche bloße Mengen- oder Qualitätsabweichungen der gelieferten Ware berechtigen in keinem Fall zur Zurückweisung. Ebenso wie im Garantiegeschäft ist auch für das Akkreditiv umstritten, ob bzw. mit welchem Antrag der Auftraggeber der eröffnenden Bank gerichtlich im Wege der Eilverfügung untersagen lassen kann, die vorgelegten Dokumente zu honorieren. Insoweit sei auf die Ausführungen unten Rn. 88 ff. verwiesen.
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1869
6. Pfändung und Vollstreckung in den Zahlungsanspruch. Der Zahlungsanspruch des Begünstigten aus dem Akkreditiv ist abtretbar (unten Rn. 54) und damit auch pfändbar und unterliegt somit dem Zugriff der Gläubiger des Begünstigten. Allerdings ist sein Wert vor Einreichung ordnungsgemäßer Dokumente sehr gering, da solange die Gefahr besteht, dass der Begünstigte nicht ordnungsgemäße Dokumente einreicht oder er die Zahlung (in Absprache mit dem Akkreditivauftraggeber) außerhalb des Akkreditivs abwickelt. Zur Minimierung des letztgenannten Risikos sollte der Pfändungsgläubiger daher zugleich den Zahlungsanspruch aus dem Grundgeschäft pfänden (Zahn/Ehrlich/Neumann, Rn. 2/488 ff.).
46
Einschränkungen hinsichtlich der Pfändbarkeit des Zahlungsanspruches ergeben sich, soweit Pfändungsgläubiger der Akkreditivauftraggeber selbst ist, insbesondere wenn dieser Ansprüche aus dem Grundgeschäft geltend macht. Hier ist eine Pfändung unstatthaft, da der Auftraggeber nicht im Wege der Pfändung die durch das Akkreditiv bezweckte abstrakte und liquide Sicherung des Begünstigen unterlaufen darf.
47
7. Rückabwicklungsfragen. Hat die eröffnende Bank nicht akkreditivkonforme Dokumente honoriert und bemerkt sie ihren Fehler anschließend, so kann sie vom Auftraggeber keinen Aufwendungsersatz verlangen, da die Zahlung nicht erforderlich i. S. d. § 670 BGB war. Vergleichbares gilt für den Aufwendungsersatzanspruch der bestätigenden Bank bzw. der Zahlstelle gegen die eröffnende Bank. Fraglich ist daher, ob und nach welchen Vorschriften die Bank die Zahlung vom Begünstigten zurückfordern kann. Die ganz h. M. bejaht einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch der eröffnenden bzw. bestätigenden Bank, wobei dieser entweder de iure mit Aufnahme der nicht ordnungsgemäßen Dokumente (Canaris, Rn. 996) oder erst nach Anfechtung der Dokumentenaufnahme gem. § 119 II BGB entstehen soll (Nielsen, FS Werner, 573 ff.; ders., WM 1985, 149 ff.). Anderer Ansicht nach ist wegen des Schutzzweckes des Akkreditivs die Rückforderung bzw. Anfechtung insoweit ausgeschlossen, als sich die bestätigende Bank auf Mängel beruft, die sie bei Beachtung banküblicher Sorgfalt hätte erkennen können (Zahn/Ehrlich/Neumann, Rn. 2/405; Avancini/Iro/Koziol/Avancini, Rn. 4/206). Zwar scheinen Art. 14 lit. d ERA 500/Art.16 ERA 600 für die letztgenannte Auffassung zu sprechen, wonach sich die eröffnende und die bestätigende Bank nach Ablauf der Prüffrist nicht mehr auf nicht ordnungsgemäß gerügte Mängel berufen können (Rn. 40). Allerdings sollen Art. 14 lit. d ERA 500, Art. 16 ERA 600 nicht dazu führen, dass der Begünstigte den ursprünglich nicht geschuldeten Akkreditiverlös auf Kosten der Bank behalten darf. Vielmehr soll er lediglich alsbald nach Einreichung der Dokumente Gewissheit über seinen Zahlungsanspruch erhalten, was nicht ausschließt, dass die Zahlung später rückabgewickelt wird. Angemessen ist insoweit die zwar dogmatisch zweifelhafte Anfechtungslösung, da sie zum einen das Rückforderungsrecht der Bank über die Anfechtungsfrist des § 120 BGB zeitlich beschränkt und zum anderen mit dem Schadensersatzanspruch des § 122 BGB für den Begünstigten einen angemessenen Ausgleich für etwaige Schäden vorsieht. Die vorgenannten Erwägungen gelten selbstverständlich nicht, falls die Bank in Kenntnis der Dokumentenmängel gezahlt hat, da hier § 814 BGB einen Rückforderungsanspruch ausschließt.
48
In Bezug auf einen Rückforderungsanspruch der Zahlstelle bestehen die geschilderten Probleme nicht, da Art. 14 lit. d ERA 500, Art. 16 lit. c-f ERA 600 für die Zahlstelle nicht gilt und dieser daher in jedem Fall ein direkter Bereicherungsanspruch gegen den Begünstigten zusteht.
49
8. Einschaltung von Zahlstellen und Bestätigungsbanken. Die dargestellten Grundsätze, die die Verpflichtungen der eröffnenden Bank gegenüber dem Begünstigten betref-
50
Freitag
1870
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
fen, gelten ebenso für die Bestätigungsbank, da diese eine mit der Verpflichtung der eröffnenden Bank inhaltsgleiche Verpflichtung eingeht. Zu beachten sind indes einige Besonderheiten: Selbst wenn das Akkreditiv ausdrücklich bei der Bestätigungsbank und nicht bei der eröffnenden Bank zahlbar gestellt ist, ist eine (in der Praxis wohl eher unwahrscheinliche) Einreichung der Dokumente direkt bei der eröffnenden Bank fristwahrend und beeinträchtigt nicht den Zahlungsanspruch gegen die Bestätigungsbank, vgl. so nun ausdrücklich Art. 6 lit. a, d ERA 600. Im Hinblick auf die Prüffrist des Art. 13 lit. b ERA 500, Art. 14 lit. b ERA 600 ist zu beachten, dass sowohl der eröffnenden wie auch der bestätigenden Bank die Prüffrist von höchstens sieben (ERA 500) bzw. fünf (ERA 600) Bankarbeitstagen zusteht. Daraus folgt, dass ein Verstreichenlassen der Prüffrist durch die Bestätigungsbank nicht dazu führt, dass auch die eröffnende Bank zur Zahlung verpflichtet wird (und umgekehrt). 51
Auch für die Zahlstelle, die als Vertreterin der eröffnenden Bank handelt, gelten die Anforderungen an die Prüfung der Dokumente und die Rüge etwaiger Mängel in gleichem Maße wie für die eröffnende und die bestätigende Bank. Zur Wahrung der Verfallfrist des Akkreditivs genügt die Einreichung bei der Zahlstelle. Zu beachten ist, dass das Versäumnis der Zahlstelle, die Prüffrist einzuhalten, nicht zu einem Zahlungsanspruch des Begünstigten gegen die Zahlstelle führt.
52
Soweit eine Bestätigungsbank oder Zahlstelle als Einreicherbank leichte Mängel der Dokumente feststellt, die ihrer Ansicht nach nicht zwingend zur Zurückweisung der Dokumente durch die eröffnende Bank führen werden, wird sie häufig im Interesse des Begünstigten die Dokumente aufnehmen und an die eröffnende Bank senden in der Annahme, dass auch diese die Dokumente honorieren wird. Hierdurch entsteht für die Einreicherbank das Risiko, dass sie aufgrund des Ablaufs der ihr zustehenden Rügefrist trotz der erkannten Mängel zur Zahlung verpflichtet ist. Als Ausweg wird in derartigen Fällen die Zahlung an den Begünstigten unter den „internen“ Vorbehalt einer späteren Rückforderung gestellt, falls die eröffnende Bank die Dokumente zurückweisen sollte. Bei ernsthaften Mängeln ist ein weiterer gangbarer Weg die Aufnahme der Dokumente unter dem „externen Vorbehalt“ i. S. d. Art. 14 f ERA 500, bei dem die Einreicherbank die eröffnende Bank auf die Mängel hinweist. In der Zahlung unter Vorbehalt liegt eine Kreditgewährung an den Begünstigten (näher Schimansky/Bunte/Lwowski-Nielsen, § 120 Rn. 367 ff.). Obwohl die ERA 600 eine vergleichbare Regelung nicht mehr enthalten bestehen gegen diese Vorgehensweise auch unter ihrer Geltung keine Bedenken, da die Zahlstelle durch diesen Hinweis klar stellt, dass sie das Risiko der Rückforderung der Mittel vom Begünstigten trägt und ihren Aufklärungspflichten genügt.
53
IV. Übertragung und Abtretung von Akkreditiven bzw. Zahlungsansprüchen. Gem. Art. 48 ERA 500, Art. 38 ERA 600 können Akkreditive übertragbar gestellt sein und den Begünstigten dazu berechtigen, seinen Zahlungsanspruch einschließlich des Rechts zur Inanspruchnahme auf einen Dritten zu übertragen, der im Umfang der Übertragung in vollem Umfang an die Stelle des ursprünglichen Begünstigten tritt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, kommt nur eine einmalige Übertragung in Betracht (Art. 48 ERA 500, Art. 38 lit. d ERA 600). Wirtschaftlich ist die Übertragung insbesondere relevant, wenn das Akkreditiv Teillieferungen zulässt und der ursprüngliche Begünstigte als Zwischenhändler Lieferungen verschiedener Unterlieferanten an den Auftraggeber weiterleitet. Hier kann der Begünstigte durch die (teilweise) Übertragung den Zahlungsanspruch des Unterlieferanten besichern. Das aufgrund der Übertragung entstehende Zahlungsversprechen gegenüber dem Übertragungsempfänger wird nach herrschender Ansicht wie das Akkreditiv selbst als abstraktes Schuldversprechen gewertet (MünchKommHGB-Nielsen, ZahlungsV, Rn. H 353). Die Übertragung bedarf der Zustimmung der eröffnenden
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1871
Bank, vgl. Art. 48 ERA 500, Art. 38 lit. a ERA 600. Nach h. M. ist damit neben der im Akkreditiv enthaltenen generellen Erlaubnis der Übertragung zusätzlich für jeden konkreten Übertragungsempfänger eine weitere Zustimmung erforderlich (Schütze, Rn. 334; Zahn/ Neumann/Ehrlich, Rn. 2/207). Von der Übertragung zu unterscheiden ist die Abtretung von Zahlungsansprüchen aus dem Akkreditiv gem. Art. 49 ERA 500, Art. 39 ERA 600, die auch ohne Zustimmung der eröffnenden Bank zulässig ist. Anders als bei der Übertragung führt die Zession lediglich zum Übergang des Zahlungsanspruches des Begünstigten, nicht aber des Rechts auf Inanspruchnahme. Damit ist der Zessionar nicht befugt, Dokumente einzureichen und ist insoweit auf die Kooperation des Begünstigten angewiesen (näher MünchKommHGBNielsen, ZahlungsV, Rn. H 201). Die Wirksamkeit der Abtretung unterliegt nach deutschem Verständnis gem. Art. 33 II EGBGB dem Recht des Staates, dem der abgetretene Zahlungsanspruch und damit das Akkreditiv unterliegt (oben Rn. 8). Soweit dieses Recht besondere Anforderungen an die (Dritt-)Wirksamkeit der Abtretung vorsieht, insbesondere eine förmliche Anzeige an den Drittschuldner verlangt, sind diese Anforderungen zu beachten.
54
V. Das Interbankenverhältnis und der Rembours. Sind im Rahmen der Abwicklung des Akkreditivs mehrere Banken eingeschaltet, ist zunächst im Grundverhältnis zu regeln, wer die hieraus entstehenden Mehrkosten zu ersetzen hat. Sowohl bei Benennung einer Zahlstelle wie auch bei einer Bestätigung hat in jedem Fall die eröffnende Bank und damit letztlich der Auftraggeber der Zahlstelle bzw. Bestätigungsbank Aufwendungsersatz zu leisten, wenn diese den Akkreditivbetrag ordnungsgemäß an den Begünstigten ausbezahlt hat. In Bezug auf die weiteren Kosten, insbesondere eine etwaige Bestätigungsprovision und Bearbeitungsgebühren hängt es von der Ausgestaltung des Akkreditivs ab, ob auch diese von der eröffnenden Bank und damit dem Auftraggeber zu tragen sind oder ob diese Kosten zu Lasten des Begünstigten gehen. Letzteres ist jedenfalls in Bezug auf Kosten, die im Land des Begünstigten entstehen, häufig der Fall.
55
Soweit zwischen der anspruchsberechtigen Zahlstelle oder Bestätgigungsbank und der eröffnenden Bank keine direkte Bankverbindung besteht, sieht das Akkreditiv in der Regel eine Remboursvereinbarung i. S. d. Art. 19 ERA 500, Art. 13 ERA 600 vor, wonach die Zahlstelle bzw. Bestätigungsbank ermächtigt ist, den verauslagten Akkreditiverlös von einer anderen Bank, der sog. Remboursbank, anzufordern. In diesem Fall erhält die Zahlstelle die Deckung häufig bereits, bevor die eröffnende Bank ihrerseits prüfen kann, ob die Zahlstelle die Dokumente zu Recht aufgenommen und damit überhaupt einen Aufwendungsersatzanspruch hat. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Zahlstelle zu Unrecht an den Begünstigten ausgezahlt hat, kann die eröffnende Bank den Rembours zurückfordern.
56
VI. Internationales Privatrecht. Das Auftragsverhältnis zwischen Akkreditivauftraggeber und eröffnender Bank unterliegt nach den o.g. Grundsätzen (oben Rn. 5) prinzipiell dem Recht des Staates der Bank (öst. OGH ZfRV 2004, 107, 109; Reithmann/MartinyMartiny, Rn. 1226). Es wird sich in der Regel gleichwohl um das Heimatrecht des Auftraggebers handeln, da Auftraggeber und eröffnende Bank meist im selben Staat ansässig sind. Auch der Zahlungsanspruch des Begünstigten gegen die eröffnende Bank unterliegt dem Recht der Bank, da diese auch in diesem Vertragsverhältnis die vertragstypische Leistung erbringt.
57
Soweit eine Zweitbank eingeschaltet wird, unterliegt das Auftragsverhältnis zwischen der eröffnenden Bank und der Zweitbank ebenso dem Recht der Zweitbank wie der Zahlungsanspruch des Begünstigten gegen diese. Das gilt auch für den Remboursanspruch
58
Freitag
1872
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
der Zweitbank gegen die eröffnende Bank (ausführlich Lorenz, FS Steindorff, S. 405 (411 f.)). 59
C. Inkassogeschäft Schrifttum Avancini, in: Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankrecht, Bd. 2, 1993, Rn. 5/1 ff.; Kromberg, Die rechtliche Beziehung zwischen Inkassobank und Bezogenem beim Dokumenteninkasso, ÖBA 1960, 434; Kümpel, Die Bevorschussung von Inkassodokumenten, 1968; Liesecke, Inkasso von Dokumenten, WM 1964, 1278; Menkhaus, Kreditsicherung beim Dokumenteninkasso, 1984; Nielsen, Das Inkassogeschäft, 1987; Senkbeil, Das Dokumenteninkasso, 1992.
I. Einleitung. Das Inkassogeschäft ist ein dem Akkreditivgeschäft nahestehendes, von diesem jedoch in wesentlichen Elementen zu unterscheidendes Instrument des dokumentären Zahlungsverkehrs. Beim Dokumenteninkasso lässt der Gläubiger dem Schuldner über die eingeschalteten Banken Dokumente vorlegen, die dem Schuldner Zug um Zug gegen Zahlung oder Akzeptleistung ausgehändigt werden. Der wesentliche Unterschied zwischen Dokumenteninkasso und Akkreditiv besteht darin, dass die Vorlage ordnungsgemäßer Dokumente beim Inkasso keine Zahlungspflicht einer Bank begründet und der Gläubiger im Falle der Nichtzahlung durch den Schuldner darauf verwiesen ist, seinen Anspruch anderweitig durchzusetzen oder die Ware zu verwerten. Die Vereinbarung der Zahlung auf dem Inkassowege kommt danach nur in Betracht, wenn besonderes Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern in Bezug auf die Erfüllung ihrer wechselseitigen Verpflichtungen besteht. Weite Bereiche des Inkassogeschäftes werden im Übrigen durch die ERI (oben Rn. 12 ff.) näher ausgestaltet. 60
II. Grundgeschäft und Inkassoklausel. Die Abwicklung der Zahlung durch Inkasso wird im Grundgeschäft durch die Aufnahme einer sog. „Kassaklausel“ vereinbart, die die „Zahlung gegen Dokumente“ vorschreibt. Hierdurch verpflichtet sich der Gläubiger zur Vorlage ordnungsgemäßer Dokumente. Demgegenüber ist der Schuldner zur Zahlung bzw. Akzeptleistung bereits bei Dokumentenvorlage verpflichtet, obwohl er die Ware in diesem Zeitpunkt noch nicht erhalten hat und damit auch noch nicht auf ihre Vertragsgemäßheit hat untersuchen können (BGHZ 14, 16). Wie auch beim Akkreditiv erfolgt die Zahlung im Inkassowege lediglich erfüllungshalber i.S.d. § 364 II BGB, d.h. der Einreicher kann trotz Vorlage ordnungsgemäßer Dokumente seinen Zahlungsanspruch auch außerhalb des Inkassoverfahrens geltend machen.
61
III. Vertragsbeziehungen zwischen Gläubiger und Einreicherbank. Bei dem vom Gläubiger seiner Bank (sog. „Einreicherbank“, vgl. Art. 3 lit. a ii ERI) erteilten Inkassoauftrag handelt es sich um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. d. § 675 BGB, aufgrund dessen die Einreicherbank verpflichtet ist, dem Schuldner die Dokumente über eine eigene Niederlassung vorzulegen bzw. den Inkassoauftrag und die ihr zugeleiteten Dokumente an eine Bank im Lande des Schuldners (sog. „vorlegende Bank“, Art. 3 lit. a iv ERI) weiterzuleiten (Art. 5 lit. e ERI). Soweit – wie meist – die Einschaltung einer Auslandsbank erforderlich ist, handelt es sich um einen sog. „weitergeleiteten Auftrag“, bei dem die Auslandsbank nicht zur Erfüllungsgehilfin der Gläubigerbank wird (vgl. auch Art. 11 ERI).
62
In den Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Gläubiger und der Gläubigerbank werden üblicherweise die Einheitlichen Richtlinien für Dokumenteninkasso der ICC (ERI) einbezogen, die die wesentlichen Vertragsrechte und -pflichten regeln.
63
Der Inkassoauftrag unterliegt dem Recht der Einreicherbank, das in der Regel mit demjenigen des Auftraggebers identisch sein wird. Auf den von der Einreicherbank an die vor-
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1873
legende Bank weitergeleiteten Auftrag ist das Recht der vorlegenden Bank anwendbar, die insoweit die vertragscharakteristische Leistung erbringt (s. oben Rn. 5). IV. Dokumentenvorlage und -prüfung. Die vorlegende Bank hat dem Schuldner die Dokumente zur Zahlung bzw. Akzeptleistung vorzulegen. In Bezug auf die Bedingungen, unter denen sie die Dokumente aushändigen darf, ist sie den ihr durch die Einreicherbank weitergeleiteten Weisungen des Auftraggebers unterworfen.
64
Anders als im Akkreditivgeschäft sind Abweichungen der angedienten von den vertraglich vorgesehenen Dokumenten nicht von den Banken, sondern vom Schuldner im eigenen Interesse zu prüfen und ggf. sofort zu rügen. Die Rechtsprechung scheint davon auszugehen, dass i. R. d. Inkassogeschäfts die Ordnungsgemäßheit der Dokumente nach weniger strengen Maßstäben zu prüfen ist als im Akkreditivgeschäft (MünchKommHGBNielsen, ZahlungsV, Rn. I 12). Obwohl die am Inkasso beteiligten Banken gem. Art. 12 ERI verpflichtet sind, die vorgelegten Dokumente auf ihre Konformität mit dem Inkassoauftrag zu überprüfen und etwaige Mängel dem Gläubiger bzw. der Einreicherbank mitzuteilen, handelt es sich hierbei um eine Regelung vertraglicher Nebenpflichten der Banken im Innenverhältnis zum Gläubiger, die in keinem Fall Rechte des Schuldners begründet.
65
D. Garantiegeschäft
66
Schrifttum Auhagen, Die Garantie einer Bank, auf „erstes Anfordern“ zu zahlen, 1966; v. Caemmerer, Bankgarantien im Außenhandel, FS Riese, 1964, 295; Dohm, Bankgarantien im internationalen Handel, 1985; Eberl, Rechtsfragen der Bankgarantie im internationalen Wirtschaftsverkehr nach deutschem und schweizerischen Recht, 1992; Goerke, Kollisionsrechtliche Probleme internationaler Garantien, 1982; Hein, Der Zahlungsanspruch des Begünstigten einer „Bankgarantie auf erstes Anfordern“, 1982; Heinsius, Zur Frage des Nachweises der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme einer Bankgarantie auf erstes Anfordern mit liquiden Beweismitteln, FS Werner, 1984, 229; Horn, Bürgschaften und Garantien, 8. Aufl., 2001; Der Rückforderungsanspruch des Garanten nach ungerechtfertigter Inanspruchnahme, FS Brandner, 1996, 623; Kleinert, Bankgarantie. Die Bankgarantie unter besonderer Berücksichtigung des Bankgarantiegeschäfts, 4. Aufl. 1990; Koziol, Der Garantievertrag, 1981; Lienesch, Internationale Bankgarantien und die UN-Konvention über unabhängige Garantien und Stand-by Letters of Credit, 1999; Liesecke, Rechtsfragen der Bankgarantie, 1962; Lohmann, Einwendungen gegen den Zahlungsanspruch aus einer Bankgarantie und ihre Durchsetzung in rechtsvergleichender Sicht, 1984; Mühl, Materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Fragen bei der Bankgarantie „Zahlung auf erstes Anfordern“, FS Zatjay, 1982, 389; Mülbert, Mißbrauch von Bankgarantien und einstweiliger Rechtsschutz, 1985; Müller, Die Bankgarantie im internationalen Wirtschaftsverkehr, 1988; Nielsen, Bankgarantien bei Außenhandelsgeschäften, 1986; Roesle, Die internationale Vereinheitlichung des Rechts der Bankgarantien, 1983; Schärrer, Die Rechtsstellung des Begünstigten im Dokumentenakkreditiv, 1980; Schütze, Bankgarantien: unter besonderer Berücksichtigung der Einheitlichen Richtlinien für „auf erstes Anfordern“ zahlbare Garantien der Internationalen Handelskammer; ders., Bestätigte und indossierte Bankgarantien im internationalen Handelsverkehr, FS Gernhuber, 1993, 461; v. Westphalen, Die Bankgarantie im Internationalen Handelsverkehr, 2. Aufl., 1990.
I. Einleitung. Wirtschaftliche Bedeutung des Garantiegeschäfts. Das (internationale) Garantiegeschäft ist das Pendant zu dem im Inlandsverkehr üblichen Bürgschaftsgeschäft der Banken. Seine Ausübung ist gem. § 1 I Nr. 8 KWG den Kreditinstituten vorbehalten und wird vom Gesetz gemeinsam mit dem Bürgschaftsgeschäft unter dem Begriff des „Garantiegeschäfts“ zusammengefasst. In der Praxis ist auch der Begriff des „Avalgeschäfts“ gebräuchlich. Die Garantie verfolgt anders als das Akkreditiv keine Zahlungs-, sondern eine Sicherungsfunktion (Zahn/Ehrlich/Neumann, Rn. 9/1), indem sie die Ansprüche des Begünstigten gegen den Hauptschuldner aus dem Grundgeschäft besichert. Kommt der Haupt-
Freitag
67
1874
68
69
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
schuldner seinen vertraglichen Verpflichtungen aus dem Grundgeschäft nicht bzw. nicht ordnungsgemäß nach, so ist der Begünstigte zur Inanspruchnahme der Bankgarantie berechtigt. Damit sichert die Garantie zunächst und in erster Linie das in der Person des Hauptschuldners bestehende Adress-, insbesondere Bonitätsrisiko ab. In ihrer international gebräuchlichen Ausprägung als Garantie auf erstes Anfordern (Guarantee on first demand, garantie en paiement en première demande), bei der im Falle der Erfüllung der formalen Inanspruchnahmevoraussetzungen eine fast sofortige Zahlung durch die Garantiebank unabhängig vom Bestand des besicherten Anspruches im Grundgeschäft erfolgt, hat die Garantie zudem die früher teilweise üblichen Bardepots ersetzt. Ihr kommt somit wie der Bürgschaft auf erstes Anfordern eine Liquiditätsfunktion zu. Die Inanspruchnahme der Garantie führt zudem zu einer Umkehrung der prozessualen Rollen und Risiken der Parteien des Grundgeschäfts. Denn der besicherte Begünstigte ist nicht auf die zeit- und kostenintensive gerichtliche Durchsetzung seiner tatsächlichen oder vermeintlichen Rechte aus dem Grundgeschäft angewiesen, sondern kann sich jederzeit durch die Inanspruchnahme der Garantie befriedigen. Sodann obliegt es dem Auftraggeber, im Rückforderungsprozess darzulegen, dass bzw. in welchem Umfang die Inanspruchnahme zu Unrecht erfolgte, weil der besicherte Anspruch nicht bestand. Die indirekte Garantie unter Einschaltung einer Bank im Staat des Begünstigten sichert diesen zudem gegen bestimmte wirtschaftliche Risiken des internationalen Verkehrs ab (oben Rn. 19 f.). II. Garantiearten. 1. Sicherungszweck. Nach dem Sicherungszweck der Garantie und den Eigenheiten des Grundgeschäfts lassen sich die nachstehenden Garantiearten unterscheiden: Bietungsgarantien („Bid Bonds“) bezwecken den Schutz des eine Ausschreibung betreibenden Gläubigers vor den wirtschaftlichen Nachteilen, die daraus entstehen, dass ein Bewerber nachträglich sein Gebot zurückzieht oder die Annahme des Zuschlages ablehnt. Die Anzahlungsgarantie („Advance Payment Guarantee“) soll den vorleistenden Empfänger von Sach- oder Dienstleistungen vor dem Verlust seiner Zahlung schützen, falls die andere Partei bei Fälligkeit nicht bzw. nicht vollständig liefert oder leistet. Die Vertragserfüllungsgarantie („Performance Bond“) sichert – je nach Ausgestaltung – Ansprüche, die dem Begünstigten gegen den Schuldner zustehen können, weil dieser bei Fälligkeit nicht oder nicht rechtzeitig liefert bzw. leistet. Demgegenüber bezwecken Gewährleistungsgarantien („Good Performance Bond“) die Besicherung von Ansprüchen wegen Schlechterfüllung des Grundgeschäftes. Die Abgrenzung zwischen Vertragserfüllungsund Gewährleistungsgarantien kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Insbesondere bei der Abfassung von Vertragserfüllungsgarantien sollte darauf geachtet werden, dass sich aus dem Wortlaut der Garantie hinreichend deutlich ergibt, dass sie keine Gewährleistungsansprüche erfassen. Gelegentlich kommen auch Konnossementsgarantien vor, die den Frachtführer gegen die Risiken absichern sollen, die ihm daraus entstehen, dass er die Ware an eine nicht durch das Konnossement ausgewiesene Person herausgibt. Zollgarantien (und -bürgschaften) dienen dem Nachweis hinreichender Zahlungsfähigkeit für Forderungen der Zollbehörden. Aus dem amerikanischen Recht bekannt ist der „Letter of Credit“ (auch „L/C“ oder „LOC“). Hierbei kann es sich je nach Ausgestaltung um einen „Documentary Letter of Credit“ und damit um ein Akkreditiv oder um einen „Standby L/C“ im Sinne einer Garantie handeln. Die von der englischen Bezeichnung „Guarantee“ abweichende Terminologie des „Standby L/C“ erklärt sich aus dem amerikanischen Bankaufsichtsrecht. Dieses behält das Garantiegeschäft den Versicherern vor, während es den Kreditinstituten verboten ist. Daher hat die US-amerikanische Rechtspraxis die Bankgarantie in die Form des Dokumentengeschäfts gekleidet, wobei als einziges Dokument unter dem Standby L/C regelmäßig die schriftliche Inanspruchnahmeerklärung des Begünstigten vorzulegen ist.
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1875
2. Einschaltung weiterer Banken. a) Während die direkte Garantie im Dreipersonenverhältnis abgewickelt wird, beauftragt der Kunde bei der indirekten Garantie seine Bank („Erstbank“), im eigenen Namen eine andere, zumeist im Land des Begünstigten ansässige Bank („Zweitbank“) mit der Hinauslegung der Garantie zu Gunsten des Begünstigten zu beauftragen. Hierdurch wird die rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Begünstigten verbessert (näher oben Rn. 19 ff.). Bei dem Rechtsverhältnis zwischen Erst- und Zweitbank handelt es sich ebenso wie bei dem der Erstbank vom Auftraggeber erteilten Garantieauftrag um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. d. § 675 BGB (BGHZ 145, 286 (290 f.)). Die Erstbank übernimmt im Rahmen der Weiterleitung des Auftrages an die Zweitbank dieser gegenüber regelmäßig neben ihrer auftragsrechtlichen Haftung gem. §§ 675, 670 BGB eine zusätzliche abstrakte Rückgarantie, aufgrund derer die Erstbank zur Zahlung an die Zweitbank verpflichtet ist, wenn diese ihr bestätigt, dass sie aus der Garantie in Anspruch genommen worden ist (BGHZ 145, 286 (291)). Aufgrund des ihr vom Auftraggeber erteilten Auftrags ist die Erstbank gem. § 670 BGB berechtigt, alle Kosten der Zweitbank als Aufwendungen an den Auftraggeber weiter zu leiten. Durch die Einschaltung der Zweitbank verteuert sich indes die Avalstellung, da zu der Avalprovision der Erstbank diejenige der Zweitbank hinzutritt. Zur Stellung indirekter Garantien kommt es auch, wenn das Recht des Staates des Begünstigten ausländischen Banken die Stellung von Garantien zu Gunsten inländischer Begünstigter untersagt. Der Wortlaut der von der Erstbank gegenüber der Zweitbank übernommenen Rückgarantie ist im Interesse der Zweitbank so abzufassen, dass diese im Falle ihrer Inanspruchnahme durch den Begünstigten nicht vorleisten muss, sondern zuerst Deckung von der Erstbank erhält, die sich aufgrund des Avalauftrages wiederum beim Auftraggeber erholen kann. In praktischer Hinsicht ist zudem darauf zu achten, dass der Inhalt der Rückgarantie der Erstbank mit den Anforderungen der von der Zweitbank erstellten Garantie korrespondiert. Die Rückgarantie sollte nicht etwa zusätzliche Anforderungen enthalten, die die Zweitbank nicht erfüllen kann.
70
Besondere rechtliche Risiken im Zusammenhang mit indirekten Garantien können daraus resultieren, dass das Auftragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Erstbank einem anderen Recht unterliegt als dasjenige, das zwischen Erstbank und Zweitbank gilt und auch die Garantie selbst betrifft. Dies gilt zunächst für den einstweiligen Rechtsschutz. So kann es etwa vorkommen, dass der deutsche Auftraggeber der deutschen Erstbank nach deutschem Recht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von einem deutschen Gericht verbieten lässt, auf eine Zahlungsanforderung der Zweitbank unter der Rückgarantie zu zahlen. Soweit hingegen ein Gericht im Staat der Zweitbank der Auffassung ist, dass die Erstbank gleichwohl zur Zahlung verpflichtet ist, kann es die Erstbank nach seinem Recht zur Zahlung verurteilen. Verfügt die Erstbank über Vermögenswerte im betreffenden Gerichtsstaat, können diese dann gepfändet werden. Problematisch kann auch werden, dass das Recht der Zweitbank eine im Wortlaut der Garantie enthaltene Befristung der Garantie nicht anerkennt. Dies kann für den Auftraggeber die überraschende Konsequenz haben, dass er auf dem Umweg über eine Inanspruchnahme der Erstbank aus der Rückgarantie und das Begehren der Erstbank nach Aufwendungsersatz zur Zahlung verpflichtet ist, obwohl er aufgrund des Wortlautes der von ihm in Auftrag gegebenen Garantie mit einer wirksamen Inanspruchnahme nicht mehr rechnete. Diesbezüglich ist von einer Aufklärungspflicht der inländischen Erstbank gegenüber einem in den Besonderheiten des internationalen Garantiegeschäfts unerfahrenen Kunden auszugehen. Soweit eine entsprechende Aufklärung erfolgt ist, die auch durch Aufnahme entsprechender Hinweise in das Auftragsformular der Erstbank erfolgen kann, ist gegen den Erstattungsanspruch der Erstbank nichts einzuwenden.
71
Freitag
1876
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
72
b) Die Einschaltung einer Zweitbank kann ebenso wie im Akkreditivgeschäft auch bei Garantien in Form einer Bestätigung erfolgen. Hier übernimmt die Zweitbank eine zu dem Garantieversprechen der Erstbank inhaltsgleiche Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Begünstigten, die als Schuldbeitritt zu qualifizieren ist (Kleinert, Rn. 20.02).
73
III. Rechtliche Grundstruktur der direkten Garantie. Die rechtliche Struktur des Garantiegeschäfts entspricht weitestgehend derjenigen des Bürgschaftsgeschäfts, wobei sich Besonderheiten sowohl aus den Anforderungen des internationalen Verkehrs wie auch aus der Rechtsnatur der Garantie ergeben. Die Grundstruktur der sog. direkten Garantie besteht aus einem Drei-Personen-Verhältnis. Im Rahmen des Grundgeschäfts verpflichtet sich der Bankkunde gegenüber einem Geschäftspartner, diesem als Sicherheit für dessen Ansprüche aus dem Grundgeschäft eine Bankgarantie zu stellen. Hierzu beauftragt er die Bank, im eigenen Namen eine abstrakte Verpflichtung in der Form einer Garantie zu Gunsten des Begünstigten zu übernehmen. Entsprechend schließt die Bank sodann einen Garantievertrag mit dem Begünstigten, aufgrund dessen sie sich zur Zahlung nach den Bedingungen der Garantie verpflichtet. Die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien lassen sich dabei wie folgt unterscheiden. Das Grundgeschäft zwischen Garantieauftraggeber und Garantiebegünstigtem beruht auf der zwischen diesen Parteien bestehenden Geschäftsbeziehung und kann dementsprechend unterschiedlich ausgestaltet sein. In Betracht kommen insbesondere grenzüberschreitende Lieferverträge, Bauverträge etc. Zwischen dem Auftraggeber und der Garantiebank kommt (zumindest im deutschen Recht) ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zustande, aufgrund dessen sich die Bank gegen die Zahlung der sog. Avalprovision zur Übernahme der Garantie im eigenen Namen verpflichtet. Soweit zwischen Auftraggeber und Bank nicht bereits eine Kreditbeziehung besteht, aufgrund derer sich die Bank zur Übernahme von Garantien verpflichtet hat, kommt mit dem Geschäftsbesorgungsvertrag zudem ein Kreditverhältnis zwischen den Parteien zustande, das als Avalkredit bezeichnet wird. Schließlich besteht zwischen der Bank und dem Begünstigten ein Garantievertrag im Sinne des § 311 I BGB, dessen Inhalt sich nach dem Inhalt der erstellten Garantie bestimmt.
74
IV. Abstraktheit der Garantie und die Klausel „Zahlung auf erstes Anfordern“. Anders als die akzessorische Bürgschaft ist die Garantie abstrakt und damit von Bestand und Durchsetzbarkeit der gesicherten Forderung grundsätzlich unabhängig. Ihre rechtliche Zulässigkeit folgt aus dem Grundsatz der Privatautonomie (§ 311 I BGB). Die Abstraktheit internationaler Bankgarantien wird durch die im Geschäftsverkehr gebräuchliche Formulierung „auf erstes Anfordern“ („upon first demand“) verdeutlicht, wonach die Garantiebank ohne Prüfung ihrer materiellen Berechtigung auf eine formell mit den Anforderungen der Garantie übereinstimmende Inanspruchnahme zur Zahlung verpflichtet ist. Im deutschen Recht folgt dies aus der Rechtsnatur der Garantie auch ohne den Zusatz „auf erstes Anfordern“, der insoweit nur deklaratorische Bedeutung zukommt. Demgegenüber hat die Klausel im internationalen Verkehr erhebliche Bedeutung, da zahlreiche ausländische Rechtsordnungen nicht zwischen Garantien und Bürgschaften differenzieren und so erst durch diese Klausel eindeutig klargestellt wird, dass das Aval tatsächlich soweit als rechtlich zulässig unabhängig von der zugrundeliegenden Forderung ist.
75
Rechtliche Unsicherheit ist entstanden, nachdem der Bundesgerichtshof festgestellt hat, dass auf erstes Anfordern zahlbare Bürgschaften auf Einrede des Auftraggebers von der Bank insoweit lediglich als einfache selbstschuldnerische zu betrachten seien, als die Verwendung der Klausel „auf erstes Anfordern“ in den AGB des Begünstigten enthalten ist (BGH ZIP 2002, 1690). Ob diese Judikatur auf Bankgarantien auf erstes Anfordern übertragbar ist und auf erstes Anfordern zahlbare Garantien damit unter den in dem Judikat ge-
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1877
nannten Voraussetzungen hinfällig sind, ist umstritten, jedoch zu verneinen (ausführlich v. Westphalen, BB 2003, 116 ff.). V. Inanspruchnahme und Prüfung durch die Garantiebank. 1. Rechtzeitige und formgerechte Inanspruchnahme. Soweit die Garantie zeitlich befristet ist, ist im Einzelfall zu prüfen, welche Bedeutung der Befristung zukommt. In der Regel wird die Garantie dahingehend formuliert sein, dass der Bank die formell ordnungsgemäße Inanspruchnahme bis zu dem genannten Zeitpunkt vorzuliegen hat, widrigenfalls die Garantie erlischt. Hierbei handelt es sich um eine Verfallregelung, auf die § 777 BGB nicht anwendbar ist (näher Brändel, FS Werner, S. 41 ff.; Zahn/Ehrlich/Neumann, Rn. 9/32 ff.; MünchKommHGB-Welter, ZahlungsV, Rn. J 50).
76
Regelmäßig sehen Garantien vor, dass die Inanspruchnahmeerklärung schriftlich zu erfolgen hat. Nach früherem Recht genügte damit eine Inanspruchnahme per Telefax an sich nicht, wobei es aber der Bankpraxis entsprach, Inanspruchnahmen per Telefax zum Zwecke der Fristwahrung zuzulassen, falls das schriftliche Original alsbald nachgereicht wurde. Nunmehr ist in Bezug auf die vereinbarte schriftliche Form § 127 II BGB zu beachten, wonach im Zweifel auch die telekommunikative Übermittlung (etwa per Fax oder e-mail) genügt. Zur Vermeidung von Streitigkeiten und Unsicherheiten ist in dem Aval eindeutig zu regeln, ob eine Übermittlung in elektronischer Form genügt oder ob Originale vorzulegen sind.
77
2. Prüfung der Inanspruchnahme. Die Garantiebank hat Inanspruchnahmen sorgfältig daraufhin zu überprüfen, ob sie mit den Bedingungen der Garantie übereinstimmen. Hierbei hat sie den Grundsatz der formalen Garantiestrenge zu beachten, d. h. die Anforderungen der Garantie sind strikt einzuhalten (BGHZ 90, 287 (291)). Allerdings ist die Dokumentenstrenge im Garantiegeschäft etwas weniger stark ausgeprägt als beim Akkreditiv. Zweideutige oder missverständliche Erklärungen des Begünstigten sind zwar grundsätzlich zurückzuweisen. Doch ist nicht in allen Fällen eine exakte Wortlautübereinstimmung der Inanspruchnahmeerklärung mit der Inanspruchnahmeklausel der Garantie zu fordern, wenn die Garantie keinen genauen Wortlaut vorschreibt und sich aus dem Schreiben des Begünstigten eindeutig ergibt, dass er die Garantie in Anspruch nehmen möchte (BGH NJW 1997, 1435).
78
Soweit die Garantie vorsieht, dass der Begünstigte seiner Inanspruchnahmeerklärung bestimmte Dokumente beizufügen hat, ist im Hinblick auf deren Prüfung durch die Bank der aus dem Akkreditivgeschäft bekannte Grundsatz (vgl. Rn. 33) anzuwenden, wonach die Bank Dokumente nur daraufhin zu überprüfen hat, ob diese dem äußeren Anschein nach mit den Bedingungen der Garantie übereinstimmen (MünchKommHGB-Welter, ZahlungsV, Rn. J 62).
79
Umstritten ist, ob der Begünstigte seine Inanspruchnahme dergestalt fassen kann, dass er die Bank entweder zur Zahlung oder zur Verlängerung der Garantie auffordert („extend or pay“). Richtiger Ansicht nach hat die Bank zu zahlen, falls die Inanspruchnahme formell ordnungsgemäß ist und der Auftraggeber der Verlängerung nicht zustimmt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nielsen, § 121 Rn. 188, 238).
80
Problematisch ist auch die Behandlung sog. Effektivklauseln. Hierbei handelt es sich um Garantiebedingungen, bei denen der Begünstigte nicht lediglich einen formalen Nachweis zu erbringen hat, sondern bei denen der Zahlungsanspruch vom tatsächlichen Eintritt bestimmter Umstände im Grundverhältnis, insbesondere vom Eintritt des materiellen Garantiefalles, abhängig gemacht wird. Derartige Klauseln sind tunlichst zu vermeiden, da sie im Zweifel dazu führen, dass der Begünstigte den Eintritt der betreffenden Umstände der Bank in vollem Umfang nachzuweisen hat (näher v. Westphalen, S. 99 f.). Anderer-
81
Freitag
1878
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
seits wird damit der Bank eine Prüfungspflicht auferlegt, der sie mangels Kenntnis des Grundgeschäfts kaum nachkommen kann. 82
Den Gebräuchen des internationalen Garantiegeschäfts entspricht es, der Bank in Bezug auf die Inanspruchnahme ähnlich der Regelung des Art. 13 lit. b ERA eine Prüffrist von wenigen Tagen zuzugestehen, wobei drei bis sieben Bankarbeitstage üblich sind. Anders als im Garantiegeschäft führt ein rügeloses Verstreichenlassen der Frist jedoch nicht dazu, dass die Bank mit dem Einwand, die Voraussetzungen der Garantien seien nicht erfüllt, präkludiert wäre. Auch für den Eintritt von Verzug bedarf es wohl der weiteren Mahnung (Schimansky/Bunte/Lwowski-Nielsen, § 121 Rn. 197).
83
Nach herrschender Ansicht besteht keine Hinweispflicht der Bank gegenüber dem Begünstigten in Bezug auf Mängel der Inanspruchnahme (Ebenroth/Boujong/Joost-AllstadtSchmitz, Rn. IV 379 ff.; a. A. Schimansky/Bunto/Lwowski-Nielsen, § 121 Rn. 200 ff.). Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn die nicht ordnungsgemäße Inanspruchnahme kurz vor Verfall der Garantie eingeht und ohne Rüge der Bank nicht mehr rechtzeitig geheilt werden kann.
84
VI. Missbräuchliche Garantieinanspruchnahme. Einwand des Rechtsmissbrauchs. Einstweiliger Rechtsschutz. 1. Missbräuchliche Garantieinanspruchnahme. Die formale Ausgestaltung der Inanspruchnahmevoraussetzungen birgt die Gefahr, dass der Berechtigte das Aval formell ordnungsgemäß in Anspruch nimmt, ohne dass der materielle Garantiefall eingetreten wäre. Ähnlich wie bei Bürgschaften auf erstes Anfordern gilt auch im internationalen Garantiegeschäft, dass erst zu zahlen und dann zu prozessieren ist, so dass etwaige Einwendungen des Auftraggebers gegen die Inanspruchnahme grundsätzlich erst im Rückforderungsprozess auf ihre Berechtigung zu prüfen sind. Nur ganz ausnahmsweise kommt nach Treu und Glauben eine Durchbrechung des geschilderten Prinzips in Betracht. Dies ist zum einen der Fall, wenn die Inanspruchnahme offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist, d. h. wenn der materielle Garantiefall aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung ersichtlich nicht eingetreten sein kann oder wenn im Rahmen der Inanspruchnahme Behauptungen oder Erklärungen gemacht werden, die mit Natur- oder Denkgesetzen nicht vereinbar sind. Bei derartigen Mängeln hat die Bank die Zahlung in jedem Fall von sich aus zu verweigern.
85
Praktisch bedeutsamer sind Fälle, in denen der Auftraggeber der Bank gegenüber geltend macht, der materielle Garantiefall sei nicht eingetreten. Da dieser Einwand an sich irrelevant ist, kommt eine Zahlungsverweigerung durch die Bank nur in Betracht, wenn der Auftraggeber sich auf den Rechtsmissbrauch beruft und durch sog. „liquide Beweismittel“, d. h. durch sofort verfügbare Dokumente nachweist, dass der materielle Garantiefall unter keinen Umständen eingetreten sein kann. In Betracht kommen etwa bei Erfüllungsgarantien schriftliche Erklärungen des Begünstigten, in denen dieser die vollständige und rechtzeitige Lieferung der Ware bestätigt und Urkunden neutraler Personen oder Organisationen, etwa Echtheitszertifikate von Handelskammern etc. Demgegenüber genügen (auch schriftliche) Erklärungen des Auftraggebers, dass der Garantiefall nicht eingetreten sei, grundsätzlich nicht. Bleiben Zweifel, ob trotz der vorgelegten Unterlagen der Garantiefall eingetreten sein könnte, ist die Bank zur Zahlung verpflichtet. Die geschilderte Rechtslage hat häufig unüberwindliche Schwierigkeiten für den Auftraggeber zur Folge, der insbesondere den Negativbeweis des Nichteintrittes bestimmter Umstände nicht erbringen kann.
86
Unklarheit besteht darüber, in welchem Zeitpunkt bei rechtzeitiger Erhebung des Missbrauchseinwandes der liquide Nachweis der Missbräuchlichkeit vorliegen muss. Unstreitig ist die Bank zur Zahlung berechtigt, wenn der liquide Nachweis nicht innerhalb der ihr
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1879
zustehenden Prüffrist vorliegt. Hält die Bank die Zahlung zunächst zurück und wird der liquide Nachweis erst später erbracht, scheint die Rechtsprechung implizit davon auszugehen, dass die Bank dann nicht mehr „sehenden Auges“ zu einer Zahlung verpflichtet werden kann, die alsbald vom Begünstigten zurückzuerstatten wäre (vgl. Rn. 92). Bei indirekten Garantien kann sich der Auftraggeber gegenüber der von der Zweitbank aus ihrer Rückgarantie in Anspruch genommenen Rückgarantie nur dann erfolgreich auf den Einwand des Rechtsmissbrauches berufen, wenn ein sog. „doppelter Rechtsmissbrauch“ vorliegt. Dies setzt nicht nur voraus, dass die Inanspruchnahme der Garantie der Zweitbank durch den Begünstigten objektiv rechtsmissbräuchlich war und damit der Sicherungsfall unter der Rückgarantie der Erstbank nicht eingetreten ist, sondern dass zusätzlich die Zweitbank um die fehlende Berechtigung des Begünstigten zur Inanspruchnahme der von ihr hinausgelegten Garantie weiß (ausführlich BGHZ 145, 286). An Letzterem wird der Einwand des Rechtsmissbrauches bei indirekten Garantien in der Regel scheitern, da dem Auftraggeber der entsprechende Nachweis der Schädigungsabsicht der Zweitbank kaum je gelingen wird.
87
2. Einstweiliger Rechtsschutz. Es liegt im wirtschaftlichen Interesse des Garantiegebers, Zahlungen der Bank aufgrund formell ordnungsgemäßer, aber nach dem Grundgeschäft defizitärer Leistungen zu vermeiden. In Zweifelsfällen kann es hier zweckmäßig sein, der Bank die Zahlung gerichtlich verbieten zu lassen, um einer (und sei es auch nur vorläufigen) Vermögensverschiebung zu Lasten des Auftraggebers vorzubeugen. Denn wenn die Bank entgegen dem Vorbringen des Auftraggebers der Auffassung ist, der Rechtsmissbrauch sei nicht hinreichend bewiesen, so wird sie Zahlung leisten und den Auftraggeber entsprechend belasten. Hierzu ist sie auch berechtigt, wenn sie das Vorliegen des Rechtsmissbrauchs aufgrund sorgfältiger und umfassender Bewertung des Sachverhaltes (irrig) verneint und ihre Zahlung damit für erforderlich im Sinne des § 670 BGB halten durfte (Canaris, Rn. 1025; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nielsen, § 121 Rn. 121; zum Beurteilungsspielraum der Bank BGHZ 95, 375). Der Auftraggeber ist dann darauf angewiesen, im Rückforderungsprozess gegen die Bank klären zu lassen, ob diese zur Zahlung berechtigt war. Bis zu einer Entscheidung hierüber können ihm irreversible Liquiditätsnachteile entstehen.
88
Die Statthaftigkeit von Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz im internationalen Garantiegeschäft wird kontrovers diskutiert (MünchKommHGB-Welter, ZahlungsV, Rn. J 33; Schimansky/Bunte/Lwowski-Nielsen, § 121 Rn. 246 ff.). Unbestritten zulässig ist ein Antrag des Auftraggebers auf eine einstweilige Verfügung gegen den Begünstigten dahingehend, dass diesem die Inanspruchnahme der Garantie gerichtlich untersagt wird. Hiermit ist dem Antragsteller indes häufig praktisch nicht gedient, da Verfahren gegen ausländische Parteien in aller Regel sehr viel länger als rein inländische dauern und oft schon nicht damit gerechnet werden kann, dass das Gericht eine Entscheidung innerhalb der der Bank zustehenden Prüffrist erlässt, geschweige denn, dass das Judikat rechtzeitig innerhalb der Vollzugsfrist des § 929 II ZPO im Ausland zugestellt werden kann.
89
In der Praxis beantragen daher Auftraggeber häufig (erfolgreich) den Erlass einstweiliger Verfügungen gegen die Garantiebank auf Unterlassung von Zahlungen auf die Inanspruchnahme. Zwar wird gegen die Zulässigkeit eines solchen Antrages vorgebracht, der Auftraggeber sei hinreichend schon dadurch geschützt, dass die Bank bei liquidem Nachweis des Rechtsmissbrauches zur Zahlung nicht berechtigt sei und ihr damit kein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Auftraggeber zustehe, falls sie dennoch zahle (etwa Zahn, FS Pleyer, S. 153, 162 ff.). Das überzeugt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise freilich nicht (Nachweis Rn. 89). Allerdings sind die in der Gerichtspraxis üblichen An-
90
Freitag
1880
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
träge und Tenorierungen, wonach der Bank „die Zahlung an den Begünstigten aus der Garantie verboten wird“, nicht statthaft. Denn der Auftraggeber hat kein schützenswertes rechtliches Interesse daran, dass die Bank nicht auf eigene Kosten an den Begünstigten zahlt. Ihm kann es nur darum gehen, eine Zahlung zu seinen Lasten zu verhindern. In jedem Fall entfalten dem Antrag stattgebende Verbotsverfügungen Wirkung nur zwischen den Parteien des Verfügungsverfahrens, so dass der Begünstigte trotz eines einstweiligen Zahlungsverbotes gegenüber der Bank nicht gehindert ist, diese seinerseits vor den international zuständigen Gerichten auf Zahlung zu verklagen. Das kann zu der misslichen Situation führen, dass die Bank Adressat gegenläufiger Entscheidungen ist. 91
Der Anordnungsgrund ergibt sich aus den bereits erwähnten für den Auftraggeber nachteiligen wirtschaftlichen Konsequenzen einer unberechtigten Zahlung der Bank zu Lasten des Auftraggebers. Im Rahmen der Darlegung des Anordnungsanspruches hat der Auftraggeber dem Gericht liquide nachzuweisen, dass der vom Garantiebegünstigten geltend gemachte Zahlungsanspruch im Grundgeschäft offensichtlich nicht besteht. Eine bloße Glaubhaftmachung i. S. d. § 920 II ZPO genügt hier nicht. Denn auch die Bank kann die Zahlung nur verweigern, wenn der Rechtsmissbrauch liquide nachgewiesen ist. Würde von diesem Beweiserfordernis gerade im gerichtlichen Verfahren abgewichen, widerspräche dies dem Charakter der Bankgarantie als abstraktes Sicherungsmittel.
92
VII. Rückabwicklungsfragen. Hat die Bank den Garantiebetrag aufgrund einer formell ordnungsgemäßen Inanspruchnahme an den Begünstigten ausbezahlt und stellt sich später heraus, dass der materielle Garantiefall nicht eingetreten war, kann der Auftraggeber den bezahlten Betrag nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen vom Begünstigten zurückfordern. Der Bank steht demgegenüber – anders als bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern – kein Rückzahlungsanspruch gegen den Begünstigten zu, da sie auf eine bestehende Schuld geleistet hat (BGHZ 140, 49). Ist die Bank demgegenüber irrig von der Ordnungsgemäßheit der Inanspruchnahme ausgegangen, steht ihr kein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Auftraggeber zu. In diesem Fall kann sie aber die an den Begünstigten geleistete Zahlung von diesem nach Bereicherungsrecht zurückfordern (MünchKommHGB-Welter, ZahlungsV, Rn. J 106). VIII. Abtretung. Der Zahlungsanspruch des Begünstigten aus einer Bankgarantie ist übertragbar und damit auch pfändbar. Im deutschen Recht gelten insoweit die §§ 398 ff. Umstritten ist, ob der Begünstigte ohne Zustimmung der Garantiebank nicht allein den BGB Zahlungsanspruch, sondern auch das Recht zur Inanspruchnahme der Garantie auf Dritte übertragen kann. Die Rechtsprechung hat die Frage noch nicht endgültig entschieden. Aufgrund der Besonderheiten der Garantie auf erstes Anfordern geht die wohl h. M. zu Recht davon aus, dass das Inanspruchnahmerecht grundsätzlich nicht übertragbar ist und verfährt damit im Garantiegeschäft ebenso wie beim Akkreditiv (Zahn/ Ehrlich/Neumann, Rn. 9/134 ff.). IX. Internationales Privatrecht. Die internationalprivatrechtlichen Fragestellungen bei der direkten Garantie entsprechen weitgehend denjenigen des Akkreditivs, siehe dazu oben Rn. 5, 30. Danach unterliegt der Zahlungsanspruch des Begünstigten gegen die Garantiebank ebenso deren Recht wie ihr Auftragsverhältnis mit dem Auftraggeber.
93
94
95
Bei indirekten Garantien unterliegt das Auftragsverhältnis zwischen Erst- und Zweitbank dem Recht der Zweitbank, was auch für den Aufwendungsersatzanspruch der Zweitbank gegen die Erstbank gilt. Demgegenüber untersteht eine etwaige Rückgarantie der Erstbank zu Gunsten der Zweitbank nach h. M. dem Recht der garantierenden Erstbank; die Rückgarantie der Erstbank wird insoweit abweichend von dem zugrundeliegenden Auftragsverhältnis angeknüpft (MünchKommHGB-Nielsen, ZahlungsV, Rn. J 128).
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1881
E. Forfaitierung
96
Schrifttum Bernhard, Rechtsfragen des Forfaitierungsgeschäfts, 1991; v. Bernstorff, Entwicklungen der Außenhandelsfinanzierung, RIW 1987, 889; Brink, Forfaitierung und Factoring im Licht der Schuldrechtsreform, WM 2003, 1355; Hakenberg, Juristische Probleme der Exportforfaitierung, RIW 1998, 906; Kissner, Die praktische Abwicklung des à forfait-Geschäftes, Die Bank 1981, 56; Scheuermann/Göttsche, Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung bei der Forfaitierung von Nachsichtakkreditiven, RIW 2005, 894; Schmidt, Neue Entwicklungen beim regresslosen Forderungskauf, ZGS 2006, 135; Schütze, Kollisionsrechtliche Probleme der Forfaitierung von Exportforderungen, WM 1979, 962; Uhlenbruck/Sinz, Die Forfaitierung von Leasingforderungen im Konkurs des Leasinggebers, WM 1989, 1113; v. Westphalen, Rechtsprobleme des Factoring und Forfait von Exportforderungen, RIW 1977, 80; Forfaitierungsverträge unter dem Gesichtswinkel des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes, WM 2001, 1837.
I. Wirtschaftliche Bedeutung. Die Forfaitierung, auch Ankauf von Forderungen à forfait oder „regressloser Forderungsankauf“ genannt, verbindet Aspekte der Vorfinanzierung mit solchen der Ausfuhrsicherung (näher v. Westphalen, Rechtsfragen der Exportfinanzierung, S. 482 ff.). Im Rahmen üblicher Forfaitierungstransaktionen verkauft und überträgt ein Exporteur seinem Kreditinstitut auf mittelfristige Zahlung gerichtete Forderungen aus grenzüberschreitenden Liefergeschäften mit ausländischen Abnehmern. Kaufgegenstand können sowohl reine Buchforderungen als auch durch Wertpapiere (Wechsel), Bank- oder staatliche Ausfuhrgarantien oder Akkreditive verstärkte bzw. besicherte Ansprüche sein. Ebenso können ausschließlich Wertpapiere (Wechsel) ohne die zu Grunde liegende Forderung forfaitiert werden, wobei sich die Banken zur Vermeidung des Auseinanderfallens der Forderungen aus dem Grundgeschäft und derjenigen aus dem Wechsel regelmäßig auch die Ansprüche aus dem zu Grunde liegende Geschäft abtreten lassen. Die Bank stellt dem Exporteur im Gegenzug einen Kaufpreis zur Verfügung, der sich nach dem Nominalwert der verkauften Forderung abzüglich eines in Prozent des Forderungsbetrages ausgedrückten Diskontes bemisst. Für die Bestimmung des Diskontes sind maßgeblich die verbleibende Laufzeit der Forderung, die Bonität des ausländischen Schuldners sowie das länderspezifische Ausfallrisiko der Forderung. Wirtschaftliche Attraktivität erlangt die Forfaitierung für den Exporteur dadurch, dass er bei Abschluss des Geschäftes Liquidität erhält, gegen das Adressrisiko des ausländischen Abnehmers gesichert ist und seine Bilanz verkürzt. Demgegenüber bekommt die Bank in der Form des Diskontes eine Risikoprämie für das von ihr übernommene ausländische Zahlungsrisiko. Üblicherweise wird vereinbart, dass der Exporteur trotz Übertragung der Forderung auf die Bank weiterhin zur Einziehung berechtigt und verpflichtet ist, wobei er dafür zu sorgen hat, dass die Zahlung auf ein Konto der Bank zu erfolgen hat. Ferner ist der Exporteur verpflichtet, seinen Verpflichtungen aus dem Liefergeschäft weiterhin ordnungsgemäß nachzukommen und die Bank bei allen Maßnahmen zu unterstützen, die diese im Zuge der gegebenenfalls erforderlichen zwangsweisen Realisierung der angekauften Forderung ergreift. Abzugrenzen ist die Forfaitierung insbesondere von der Diskontierung, bei der die Bank beim Kunden Regress nehmen kann, wenn der abdiskontierte Wechsel bei Fälligkeit nicht bezahlt wird, während sie bei der Forfaitierung jedenfalls das Bonitätsrisiko in Bezug auf die angekaufte Forderung trägt. Vom Factoring unterscheidet sich die Forfaitierung zum einen dadurch, dass die Bank bei der Forfaitierung nicht den Einzug der Forderung, dafür aber Länder- und Währungsrisiken übernimmt. Zum anderen werden Forfaitierungen von Fall zu Fall als Einzelgeschäft vorgenommen und nur selten im Rahmen von Rahmenvereinbarungen (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost-Hakenberg, BankR Rn. V 45).
Freitag
97
98
1882
99
100
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
II. Rechtliche Problemfelder. Rechtlich handelt es sich bei der Forfaitierung um einen Forderungskauf i. S. d. §§ 433, 453 BGB. Aufgrund des Wegfalls der gesetzlichen Garantiehaftung des § 438 BGB a. F. durch die Schuldrechtsreform (für Garantiehaftung des Verkäufers auch unter neuem Recht Zimmer/Eckhold, Jura 2002, 145) ist im Forfaitierungsvertrag nunmehr ausdrücklich zu regeln, dass der Exporteur verschuldensunabhängig für die Verität der Forderung einzustehen hat und dass die Bank lediglich das Adressbzw. Bonitätsrisiko des ausländischen Schuldners übernimmt. In Ermangelung einer vertraglichen Regelung haftet der Verkäufer nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht nur wegen vermuteten Verschuldens (§§ 275, 280 I S. 1, III, 283-285, 311a BGB), wenn das verkaufte Recht nicht besteht, unübertragbar ist oder nicht dem Verkäufer zusteht (z.T. str., näher Palandt/Weidenkaff, § 453 Rn. 17 ff.; PWW/Schmidt, § 453 Rn. 8). Gewährleistungsrecht gem. §§ 434 ff. BGB findet Anwendung, wenn die verkaufte Forderung mit anderen Rechten belastet, insbesondere verpfändet ist oder aber sonstige Mängel, etwa eine niedrigere Verzinsung aufweist. Die Forfaitierung birgt besondere kollisionsrechtliche Risiken. Bei der Forfaitierung von Buchforderungen ist im Hinblick auf die Wirksamkeit der Übertragung der angekauften Forderung und/oder Sicherheiten Art. 33 II EGBGB zu beachten. Danach bestimmen sich die Übertragbarkeit der Forderung, das Verhältnis zwischen neuem Gläubiger und Schuldner, die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung vom neuen Gläubiger dem Schuldner entgegengehalten werden kann und die befreiende Wirkung von Zahlungen an den alten Gläubiger nach dem auf die abgetretene Forderung anwendbaren Recht; nach in Deutschland überwiegender Auffassung unterliegen indes auch alle sonstigen mit der Zession als Verfügung zusammenhängenden Fragen sowohl im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar wie auch im Verhältnis zum Drittschuldner als auch zu Dritten dem Statut der abgetretenen Forderung (vgl. Palandt-Heldrich, Art. 33 EGBGB Rn. 2). Demgegenüber gehen ausländische Rechte häufig davon aus, dass die Bedeutung des Statuts der zedierten Forderung auf die in Art. 33 II EGBGB angesprochenen Materien beschränkt ist und die Zession im Übrigen insbesondere im Verhältnis zu Dritten und/oder im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar dem Recht am Sitz des Zedenten oder aber einem zwischen Zedent und Zessionar gewählten Recht unterliegt (rechtsvergleichender Überblick bei Staudinger/Magnus (2004), Art. 33 EGBGB Rn. 49). In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass anders als im deutschen Recht in vielen ausländischen Rechtsordnungen insbesondere des romanischen Rechtskreises die Forderungsabtretung in stiller Form nicht oder nur zwischen Zedent und Zessionar wirksam ist und zu ihrer vollen Wirksamkeit gegenüber dem Schuldner und/oder Dritten zusätzlich einer förmlichen Notifizierung an den Schuldner bedarf (etwa art. 1690 französischer code civil). Häufig wird der Exporteur aus Gründen der Reputation und um die Zahlungsmoral des Schuldners nicht zu untergraben dennoch darauf bestehen, die Abtretung dem Schuldner nicht anzuzeigen. Ebenso sehen die Versicherungsbedingungen vieler staatlicher Exportversicherungen vor, dass eine Offenlegung einer Zession nur mit Zustimmung der Versicherung erfolgen darf widrigenfalls der Versicherungsschutz entfällt. Sollte danach die (Dritt-)Wirksamkeit der stillen Abtretung der Forderung zweifelhaft bleiben, empfiehlt es sich unbedingt, dem Verkäufer vertraglich das Unwirksamkeitsrisiko aufzuerlegen. Im Übrigen kann nach dem eingangs dieser Rn. Gesagten zwar nicht nach deutschem kollisionsrechtlichem Verständnis, durchaus aber nach einem fremden IPR die im Verhältnis zum Drittschuldner mangels Offenlegung unwirksame Zession durchaus dingliche Wirkung im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar wie auch gegenüber Dritten entfalten, was insbesondere im Hinblick auf die Wirkungen einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Zedenten sowie die Fälle der Mehrfachzession erhebliche Auswirkungen haben kann.
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1883
Bei Wechseln mit Auslandsbezug ergeben sich die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem gemäß den Bestimmungen des deutschen internationalen Wechselrechts (Art. 91 ff. WechselG) ermittelten Sachrecht. Das internationale Wechselrecht wie auch das Sachrecht der Wechsel ist in vielen Staaten durch die drei Genfer Abkommen zur Vereinheitlichung des Wechselrechts vereinheitlicht worden (Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz, Abkommen über Bestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Wechselprivatrechts, Abkommen über das Verhältnis der Stempelgesetze zum Wechselrecht, RGBl. 1933 II 974).
101
F. Auslandskreditgeschäft
102
Das Auslandskreditgeschäft der Banken entzieht sich einer einheitlichen Darstellung, da die auftretenden Rechtsfragen sowie kautelarjuristischen Gestaltungsweisen ganz maßgeblich von der auf den jeweiligen Kreditvertrag anwendbaren Rechtsordnung abhängen. Es sind daher lediglich zwei außenhandelsspezifische Kreditformen, der Bestellerkredit und der Rembourskredit, sowie einige wenige allgemeine kollisionsrechtliche Fragestellungen zu erörtern. I. Allgemeine Fragen. Zu den grundsätzlichen Fragen des internationalen öffentlichen Rechts sowie des Internationalen Privat- und Prozessrechts siehe zunächst die Ausführungen oben Rn. 2 ff. und Rn. 4 ff.
103
Da London zentraler Finanzplatz und Syndizierungsmarkt in Europa ist, orientieren sich großvolumige, von Bankenkonsortien abgeschlossene internationale Kreditverträge häufig an anglo-amerikanischen Vertragsmustern und unterliegen Kraft entsprechender Rechtswahlvereinbarungen oft englischem Recht. Die „Loan Market Association“, eine private Vereinigung von Banken, hat Musterkreditverträge unter Geltung englischen Rechts entwickelt, deren Standard-Klauseln den Interessen der Banken und Kreditnehmer gerecht werden sollen. Zu den einzelnen Klauseln vgl. Schimansky/Bunte/LwowskiWelter, § 118 Rn. 49 ff.
104
II. Bestellerkredit. Die Bestellerfinanzierung ist eine Sonderform der besicherten Kreditfinanzierung von Exportgeschäften. Hierbei gewährt das Kreditinstitut dem ausländischen Abnehmer eines inländischen Exporteurs ein Darlehen, das durch den Zahlungsanspruch des Exporteurs aus dem Grundgeschäft sowie die dem Exporteur bestellten Sicherheiten, insbesondere durch staatliche Ausfuhrgarantien, aber auch durch Akkreditive, Bankgarantien etc. besichert ist. Von anderen Kreditformen unterscheidet sich die Bestellerfinanzierung insbesondere darin, dass die Darlehensvaluta nicht an den Kreditnehmer, sondern an den Exporteur Zug um Zug gegen Erbringung der unter dem Exportvertrag geschuldeten Leistungen ausbezahlt werden.
105
In rechtlicher Sicht hervorhebenswert sind die im Kreditgeschäft mit Ausländern stets zu beachtenden Besonderheiten des Internationalen Privatrechts. Ferner ergeben sich kautelarjuristische Besonderheiten aus der Projektbezogenheit der Finanzierung: Aufgrund der engen Verzahnung von Export- und Darlehensvertrag wird letzterer häufig nicht allein von der finanzierenden Bank und dem ausländischen Kreditnehmer, sondern zusätzlich auch vom Exporteur unterzeichnet. Die Auszahlung der Darlehensvaluta an den Exporteur hängt von der ordnungsgemäßen Lieferung durch den Exporteur an den ausländischen Kreditnehmer ab und erfolgt direkt an den Exporteur. Der Exporteur ist auch im Verhältnis zur finanzierenden Bank zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Exportvertrag verpflichtet. Auch sind unbedingt alle Bedingungen der gegebenenfalls bestehenden staatlichen Ausfuhrgarantien zu beachten, damit die Bank deren Schutz nicht verliert (näher unten Rn. 109 f.). In jedem Fall ist vertraglich zu regeln, dass Darlehensvertrag und Exportgeschäft kein verbundenes Geschäft dergestalt darstel-
106
Freitag
1884
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
len, dass die Unwirksamkeit des Exportvertrages rechtliche Auswirkungen auf den Darlehensvertrag hätte. Umgekehrt führt der Wegfall des Exportgeschäftes stets dazu, dass weitere Ziehungen unter dem Kreditvertrag nicht mehr zulässig sind (ausführlich v. Westphalen, Rechtsfragen der Exportfinanzierung, S. 467 ff.). 107
108
109
III. Rembourskredit. Eine in der Praxis mittlerweile rückläufige Form der „klassischen Außenhandelsfinanzierung“ ist der sog. Rembourskredit (vgl. Kümpel, Rn. 7.275). Hier stellt üblicherweise der Verkäufer der Ware einen auf die Remboursbank gezogenen Wechsel aus, den diese aufgrund eines entsprechenden Auftrages des Käufers (oder im Auftrag der vom Käufer entsprechend beauftragten Bank) gegen Vorlage von Lieferdokumenten akzeptiert. Den aufgrund der Akzeptleistung umlauffähigen Wechsel lässt der Verkäufer sodann von seiner Bank diskontieren, d. h. er erhält sofort Liquidität in Höhe des Nennwertes des Wechsels abzüglich eines nach der Fälligkeit des Wechsels und der Bonität der Remboursbank berechneten Diskonts. Wird die Remboursbank bei Fälligkeit vom berechtigten Wechselinhaber in Anspruch genommen, erholt sie sich aufgrund der Remboursvereinbarung beim Käufer (bzw. dessen Bank). Ein Kreditverhältnis besteht danach zwischen der Remboursbank und dem Käufer (bzw. dessen Bank und weiter zwischen der Bank des Käufers und diesem selbst). Aus Sicht des Verkäufers hat diese Konstruktion den Nachteil, dass er dem Wechselinhaber als Aussteller unbeschränkbar neben der bezogenen Remboursbank haftet (Art. 9 WechselG). Teilweise zieht daher auch nicht der Verkäufer, sondern der Käufer den Wechsel auf die Remboursbank, die dann dem Verkäufer den abdiskontierten Wechselbetrag direkt ausbezahlt (ausführlich Zahn/Ehrlich/ Neumann, Rn. 5/7 ff.). Im Rahmen von Akkreditiven kommen Rembourskredite in Betracht, wenn das Akkreditiv nicht auf Zahlung, sondern auf Akzeptleistung der eröffnenden Bank bzw. Zahlstelle lautet. Hier hat der Verkäufer neben den üblichen Transport- und Lieferdokumenten auch einen von ihm ausgestellten und auf die Remboursbank, d.h. die Akkreditiv- oder eine dritte Bank gezogenen Wechsel vorzulegen, der von der Remboursbank bei Ordnungsmäßigkeit der Dokumente akzeptiert wird und den der Verkäufer diskontieren lassen kann. Die Remboursbank erholt sich bei Fälligkeit je nach Fallgestaltung direkt beim Auftraggeber bzw. bei der eröffnenden Bank, von dem bzw. der sie zuvor einen Auftrag zur Akzeptierung erhalten hatte (vgl. Zahn/Ehrlich/Neumann, Rn. 5/14 ff.; Canaris, Rn. 1085 f.).
G. Staatliche Ausfuhrgarantien Schrifttum Christopeit, Hermes-Deckungen, 1968; v. Kageneck, Hermes. Deckung, 1991; Kaulbach, Die zivilrechtliche Einordnung der Ausfuhrgewährleistungen des Bundes, VersR 1985, 806; Klanten, Staatliche Kreditabsicherung durch Bürgschaft und oder Exportkreditversicherung und EG-Beihilfeverbot, ZIP 1995, 535; Martinius, Staatliche Exportkreditversicherung und Gemeinschaftsrecht, 1996; Stewing, Staatliche Ausfuhrkreditversicherung im Europäischen Binnenmarkt – nicht marktgängige Risiken, EWS 1993, 237; Staatliche Ausfuhrkreditversicherung im Europäischen Binnenmarkt – marktgängige Risiken, EWS 1994, 228.
Die Bundesrepublik fördert die deutsche Exportwirtschaft unter anderem dadurch, dass sie deutschen Exporteuren „Ausfuhrgewährleistungen“ für bestimmte Risiken des Außenhandelsgeschäfts zur Verfügung stellt, die auf dem freien Versicherungsmarkt nicht oder nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten zu erhalten wären. Je nach abgesichertem Risiko und Vertragsart kommen Ausfuhrgarantien, Ausfuhrbürgschaften oder AusfuhrPauschal-Gewährleistungen in Betracht (ausführlich Schimansky/Bunte/Lwowski-Janus, § 122 Rn. 48 ff.).
Freitag
§ 62 Einzelne Auslandsgeschäfte
1885
Unabhängig von der umstrittenen Rechtsnatur der Gewährleistungen, die teilweise als Versicherungen, teilweise als Bürgschaften, richtiger Ansicht nach aber als Garantien eingestuft werden (Christopeit, S. 267 f.), ist zwischen dem Antrag bzw. der Zusage der Deckung und der Deckung selbst zu unterscheiden. Gemäß dem aus dem öffentlichen Subventionsrecht bekannten Zwei-Stufen-Verfahren ist das „Ob“ der Gewährung von Ausfuhrdeckung eine öffentlich-rechtliche Frage, die hoheitlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie entschieden wird. Wird die Deckung gewährt, übernehmen entweder die Hermes-Kreditversicherungs AG oder die PwC Deutsche Revision AG die Herauslegung und Abwicklung der Gewährleistungen gegenüber dem Antragsteller (zum Verfahren Schimansky/Bunte/Lwowski-Janus, § 122 Rn. 32 ff.). Deckungsumfang, Kosten der Deckung und alle anderen Detailfragen sind in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Hermes-Kreditversicherungs AG bzw. der PwC Deutsche Revision AG und den jeweiligen Deckungszusagen geregelt.
Freitag
110
“This page left intentionally blank.”
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1887
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
Schrifttum Arens, Das Problem des Musterprozesses, in: Zur Soziologie des Gerichtsverfahrens, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 4, 1976, S. 344; Assmann, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, Festschrift für Max Vollkommer 2006, 119; Bachmann, Die internationale Zuständigkeit für Klagen wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformationen, IPRax 2007, 77; v. Bar, Empfehlen sich gesetzgeberische Maßnahmen zur rechtlichen Bewältigung der Haftung für Massenschäden?, Gutachten A zum 62. Deutschen Juristentag, Bremen 1998, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des zweiundsechzigsten Deutschen Juristentages Bremen 1998, Band I Gutachten, A 1 – A 104; Basedow/ Hopt/Kötz/Baetge (Hrsg.), Die Bündelung gleichgerichteter Interessen im Prozeß, 1999; Baumbach/Lauterbach/Albers, Zivilprozessordnung, 65. Auflage 2007; Bergdolt/Heldt, Zurückweisung eines Musterfeststellungsantrages als verspätet?, BKR 2007, 145; Braun, Haftung für Massenschäden, NJW 1998, 2318; Braun/Rotter, Der Diskussionsentwurf zum KapMuG – Verbesserter Anlegerschutz?, BKR 2004, 296; Brönneke (Hrsg.), Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozeßrecht, 2001; Coester-Waltjen, Massenschäden: Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen – Ein Blick ins englische Recht, Festschrift für Wolfgang Fikentscher 1998, S. 249; Duve/Pfitzner; Braucht der Kapitalmarkt ein neues Gesetz für Massenverfahren? – Der Entwurf eines Gesetzes über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (KapMuG) auf dem Prüfstand –, BB 2005, 673; Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, München 2005; Eichholtz, Die US-amerikanische Class Action und ihre deutsche Funktionsäquivalente, Diss. 2002; Ertmann/Keul, Das Vorlageverfahren nach dem KapMuG – zugleich eine Bestandsaufnahme zur Effektivität des Kapitalanlegermusterverfahrens, WM 2007, 482; Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, Berlin 2002, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des vierundsechzigsten Deutschen Juristentages Berlin 2002, Band I, F 1 – F 144; Franklin/Heydn, KapMuG – Class Actions vor deutschen Gerichten, ZVglRWiss 105, 313; Gansel/Gängel, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, NJ 2006, 13 – 16; Gebauer, Zur Bindungswirkung des Musterentscheids nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), ZZP 119, 159; Gundermann/Härle, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – eine Momentaufnahme zum Jahresende, VUR 2006, 457; Haß, Die Gruppenklage, Wege zur prozessualen Bewältigung von Massenschäden, Diss. 1996; Haß/Zerr, Forum Shopping in den USA nach Erlass des KapMuG, RIW 2005, 721; Hecker, Der Regierungsentwurf zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz aus übernahmerechtlicher Sicht, ZBB 2004, 518; v. Hein, Der ausschließliche Gerichtsstand für Kapitalanleger-Musterverfahren – eine Lex Anti-Americana?, RIW 2004, 602; Hess, Der Regierungsentwurf für ein Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz – eine kritische Bestandsaufnahme, WM 2004, 2329; ders., Musterverfahren im Kapitalmarktrecht, ZIP 2005, 1713; ders., Sammelklagen im Kapitalmarktrecht, AG 2003, 113; Hess/Michailidou, Das Gesetz über Musterverfahren zu Schadensersatzklagen von Kapitalanlegern, ZIP 2004, 1381; dies., Die kollektive Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Kapitalmarktrecht, WM 2003, 2318; Hess/Reuschle/Rimmelspacher (Hrsg.), Kölner Kommentar zum KapMuG, 2008; Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, Recht und Reform in der Europäischen Union, der Schweiz und den USA, 2005; Hübner, Empfehlen sich gesetzgeberische Maßnahmen zur rechtlichen Bewältigung der Haftung für Massenschäden? Referat zum 62. Deutschen Juristentag, Bremen 1998, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des zweiundsechzigsten Deutschen Juristentages Bremen 1998, Band II/1 Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse, I 65; Jacoby, Der Musterprozessvertrag, Diss. 1999; Kalss, Anlegerinteressen, 2001; Kilian, Ausgewählte Probleme des Musterverfahrens nach dem KapMuG, Diss. 2007; Keller/Kolling, Das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren – Ein Überblick, BKR 2005, 399; Kempf, Zur Problematik des Musterprozesses, ZZP 73, 342; Koch, Alternativen zum Zweiparteiensystem im Zivilprozeß, – Parteiübergreifende Interessen und objektive Prozessführungsrechte, KritV 1989, 323; ders., Prozessführung im öffentlichen Interesse: rechtsvergleichende Entwicklungsbedingungen und Alternativen objektiver Rechtsdurchsetzung, 1983; ders., Sammelklagen oder Musterverfahren – Verfahrensrechtliche Konzepte zur effizienten Abwicklung von Massenklagen, BRAK-Mitt. 4/2005, 159; Kranz, Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz – Die Einführung eines Musterverfahrens im Zivilprozess, MDR 2005, 1021; Lindacher, Konfliktregulierung durch Musterprozeß, JA 1984, 404; Lüke, Der Musterentscheid nach dem neuen Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, ZZP 119, 131; Maier-Reimer/Wilsing, Das Gesetz über Musterver-
Reuschle
1888
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
fahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten, ZGR 2006, 79; Meier, Das neue Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, DStR 2005, 1860; Micklitz/Stadler, Das Verbandsklagerecht in der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, hrsg. vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, 2005; Möllers/Weichert, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, NJW 2005, 2737; Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 5. Auflage 2007; Müller, Empfehlen sich gesetzgeberische Maßnahmen zur rechtlichen Bewältigung der Haftung für Massenschäden? Referat zum 62. Deutschen Juristentag, Bremen 1998, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des zweiundsechzigsten Deutschen Juristentages Bremen 1998, Band II/1 Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse, I 9; Plaßmeier, Brauchen wir ein Kapitalanleger-Musterverfahren? – Eine Inventur des KapMuG, NZG 2005, 609; Reuschle, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, 2006; ders., Diskussionsentwurf eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes, Sonderbeilage zu BKR 2004 Heft 6; ders., Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, NZG 2004, 590; ders., Die „Musterklage“ als deutsche Variante der Class Action?, in: Umbach/Dettling (Hrsg.), Vom individuellen zum kollektiven Verbraucherschutz, 2004, S. 49; ders., Ein neuer Weg zur Bündelung und Durchsetzung gleichgerichteter Ansprüche – Zum Entwurf eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG), WM 2004, 2334; ders., Möglichkeiten und Grenzen kollektiver Rechtsverfolgung, WM 2004, 966; ders., Musterverfahren als neuer Weg zur prozessualen Bewältigung von Massenschäden, ZBB 2004, 518; ders., Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – ein neuer Weg zur prozessualen Bewältigung von Massenschäden auf dem Kapitalmarkt, öAnwBl 2006, 371; Rimmelspacher, Die Beteiligten im Musterverfahren des KapMuG, Festschrift für Claus Wilhelm Canaris 2007; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Auflage 2004; Schneider, Auf dem Weg zu Securities Class Actions in Deutschland – Auswirkungen des KapMuG auf die Praxis kapitalmarktrechtlicher Streitigkeiten, BB 2005, 2249; Schröder/Brettel, Der neue Anlegerschutz in der Praxis, 2005; Sessler, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, WM 2004, 2344; Stadler, Bündelung von Interessen im Zivilprozess – Überlegungen zur Einführung von Verbands- und Gruppenklagen im deutschen Recht; Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, Schriftenreihe, 2004; dies. , Bündelung von Verbraucherinteressen im Zivilprozeß, in: T. Brönneke, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozessrecht, 2001, 5; dies., Musterverbandsklagen nach künftigem deutschen Recht, Festschrift für Ekkehard Schumann 2001, Hrsg.: Gottwald/Roth, S. 465; dies., Das neue Gesetz über Musterfeststellungsverfahren im deutschen Kapitalanlegerschutz, Festschrift für Walter H. Rechberger, 2005, S. 663; Stöber, Ausschließlicher Gerichtsstand nach § 32b ZPO auch für den grauen Kapitalmarkt, NJW 2006, 3724; Vorwerk/Wolf, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, 2007; Weigel, Sammelklagen oder Musterverfahren – Verfahrensrechtliche Konzepte zur effizienten Abwicklung von Massenklagen, BRAK-Mitt. 4/2005, 164 Weynand, Das neue Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, INF 22/2005, 877; Widder, Zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sowie zur Frage, wann aus einem ungewissen Sachverhalt eine ad hoch zu veröffentlichende Information wird, BB 2007, 565; Wolf, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – Vorlage- oder Aussetzungsverfahren, NJW-Sonderheft zum 3. Hannoveraner ZPO-Symposium, 2006, 13; Wunderlich, Zivilprozessuale Möglichkeiten für ein gemeinschaftliches Vorgehen geschädigter Kapitalanleger, DB 1993, 2269; Zöller, Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und anderen Nebengesetzen, 26. Auflage 2007; Zypries, Ein neuer Weg zur Bewältigung von Massenprozessen, ZRP 2004, 177.
Inhaltsübersicht A. Kollektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Zwei-Parteien-Prozess im deutschen Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Bündelungsformen de lege lata . . . . . . . 3 II. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Die class action (Gruppenklage) in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . 6 2. Die Group Litigation im englischen Zivilverfahrensrecht. . . . . . . . . . . . . . . . 7 3. Die Gruppenklage im japanischen Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4. Die besondere Vertreterklage in Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 5. Die besondere Vertreterklage in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz . . 11
B. Örtliche und sachliche Zuständigkeitskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausschließlicher Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO). . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrenzen und internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zuständigkeitskonzentration . . . . . . . . II. Sachliche Zuständigkeitskonzentration (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG). . . . . . . . . . . . . . C. Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz. . . I. Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensrechtliche Konzeption. . . . . 2. Anwendungsbereich des Gesetzes. . . . II. Verfahrensablauf im Einzelnen . . . . . . . . .
Reuschle
12
12 13 14 22 25 26 27 27 28 30 33
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1. Vorlageverfahren (§§ 1 bis 5 KapMuG) . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Das Musterverfahren (§§ 6 bis 15 KapMuG) . . . . . . . . . . . . . 59 3. Entscheidung der Individualverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 D. Amtswegige Auswahl der Musterparteien . . . . 82 I. Amtswegige Bestimmung des Musterklägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Auswechslung des Musterklägers . . . . 96 II. Auswahl des Musterbeklagten . . . . . . . . . 97 E. Rolle und Stellung der Beteiligten. . . . . . . . . . . 98 I. Musterparteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Rolle und Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Verfahrenserweiternde Dispositionsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Verfahrensbeendende Dispositionsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
II.
1889
Beigeladene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befugnisse und Rechtsstellung . . . . . 2. Schranken für die Tätigkeit des Beigeladenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Bindungswirkung des Musterentscheids. . . . . I. Innerprozessuale Bindungswirkung . . . . II. Rechtskraftfähigkeit und Anerkennungswirkung des Musterentscheids . . . . . . . . 1. Rechtskraftfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennungswirkung. . . . . . . . . . . . III. Beiladungswirkung gegenüber den Parallelklägern . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umfang der Bindung . . . . . . . . . . . . . 2. Durchbrechung der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Kosten des Musterverfahrens . . . . . . . . . . . . . I. Kosten des ersten Rechtszuges . . . . . . . . II. Kosten der Musterrechtsbeschwerde . . .
116 116 120 126 127 128 128 129 131 131 133 135 135 138
Stichwortverzeichnis Anerkennungsfähigkeit des Musterentscheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129, 130 Anwendungsbereich des KapMuG – Erfüllungsansprüche, vertragliche . . . . . 20, 30, 32 – Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . 20, 30, 31 Ausschließlicher Gerichtsstand – Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 f. – Grauer Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 – Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 23 f. – Zuständigkeitskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Aussetzung – obligatorisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 – Unanfechtbarkeit des Aussetzungsbeschlusses . . 63 Auswahl des Musterklägers – amtswegige Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 82 f. – Auswechslung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 – ermessensleitende Gesichtspunkte . . . . . . . . . 87 f. – Interessenvertreter der Beigeladenen . . . . . . . . . 99 – race to the court room . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Beibringungsgrundsatz – Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Beigeladene – Bindungswirkung des Musterentscheids . . . . . . 131 – Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .116 f. Beteiligte – Beigeladene . . . . . . . . . . . . . . . . . .11, 59, 76, 116 f. – Musterbeklagter . . . . . . . . . . . . . . . . . .11, 97, 98 f. – Musterkläger . . . . . . . . . . . . . 11, 59, 76, 82 f., 98 f. Bekanntmachung des Muster/ feststellungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 – Unterbrechung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . 48 Bindungswirkung des Musterentscheids – Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 f. – innerprozessuale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 – Klagrücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 – materielle Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Bundesanzeiger, elektronischer . . . . . . . . . 28, 46, 61 Doppelsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Einzelanspruch, höchster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Erfüllungsansprüche, kapitalmarktrechtliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 30, 32 Erstinstanzliche Zuständigkeit – LG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
– OLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Erweiterung des Musterverfahrens/ gegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 – Streitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 – Feststellungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Feststellungsziel – Disposition über den Streitgegenstand . . . . . . . 105 – Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 109 – Entscheidungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 – feststellfähige Anspruchsvoraussetzungen . . . . . 38 – Gleichgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 – Klärung von Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 – Streitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 – Verfahrensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 f. Gerichtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . 12, 26, 29 Gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge – Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 – Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Gruppen- und Vertreterklagen – Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 – Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 – USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Hauptsacheverfahren – Kostenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Herkömmliche Bündelungsformen – Nebenintervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – Streitgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 – Verfahrensaussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – Verfahrensverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kapitalmarktinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 KapMuG – Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 f. – Verfahrenskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 f. – Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Klageregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 46, 51 Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . 89, 102, 111, 130 – Bindung an den Musterentscheid . . . . . . . . . . . 130 – durch den Musterkläger . . . . . . . . . . . . . . 102, 111 – durch den Beigeladenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Kollektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 f.
Reuschle
1890
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Kosten – Wegfall der Vorschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 67 Kostenentscheidung – im Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 – im Rechtsbeschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . 138 Musterbeklagter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11, 97, 98 f. Musterentscheid – Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 f. – Kostenausspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 – öffentliche Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . 73 – Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Musterfeststellungsantrag – Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 – Feststellungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 – Gleichgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 – Quorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 – Unterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – Zeitfenster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 – Zurückweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 f. Musterkläger – als Vertreter der übrigen Individualkläger . . . . . 99 – Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 f. Musterverfahren – Anerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 – anwendbare Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . 65 – Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Aussetzung der Individualverfahren . . . . . . . . . . 62 – Beigeladene . . . . . . . . . . . . . . . . . .11, 59, 76, 116 f. – Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 – Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 – Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 f. – Geständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 f.
1
– kein Auslagenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 – Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135 f. – Musterkläger . . . . . . . . . . . . . 11, 59, 76, 82 f., 98 f. – Musterbeklagter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 97 ff. – Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 – Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Öffentliche Bekanntmachung – Musterfeststellungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 – Musterverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Öffentliche Kapitalmarktinformation . . . . . . . . . . 15 Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14f. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73 f. – Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 – Beitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 – Beschwerdeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 – Rechtsbeschwerdefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Sachliche Zuständigkeit – Landgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 f. Sperrwirkung des Vorlagebeschlusses . . . . . . . . . . 58 Terminsladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Vertreterklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 9, 10 Vorlagebeschluss – 4-Monats-Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 – Mindestanzahl von 10 Musterfeststellungsanträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 – Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 – zuständiges Vorlagegericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Zuständigkeit – gerichtliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 – internationale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 f. – örtliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – sachliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Zwei-Parteien-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Zwischenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29
A. Kollektiver Rechtsschutz I. Rechtslage. Massenschäden sind ein Phänomen unserer modernen Gesellschaft (vgl. v. Bar, Gutachten A für den 62. DJT, A 9; Coester-Waltjen, FS Fikentscher, S. 249; Gabriel/Pirker-Hörmann- Klauser S. 14; Umbach/Dettling-Reuschle, S. 49). Massenproduktion, Massentransport sowie Verfahren der modernen Informationstechnologie führen im Falle von Störungen und Unfällen häufig zu einer Vielzahl von Geschädigten. Verfahrensrechtlich stellt sich oft die Frage, wie die Ansprüche der vielen Geschädigten so abgewickelt werden können, dass allzu zahlreiche, lange und kostenintensive Beweisaufnahmen vermieden werden. Möglichkeiten und Grenzen der Bündelung gleichgerichteter Interessen wurden bereits an anderer Stelle unter Berücksichtigung ökonomischer und rechtsvergleichender Erkenntnisse ausführlich dargestellt und sollen hier nur kurz für das Verständnis der Beteiligung im Musterverfahren vorgestellt werden.
2
1. Zwei-Parteien-Prozess im deutschen Prozessrecht. Die deutsche Zivilprozessordnung geht in ihrem Grundverständnis von einem Zwei-Parteien-Prozess aus (KK-KapMuG-Hess, Einl. Rn. 4; ders., AG 2003, 113, 114; Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 99; Reuschle, WM 2004, 966 (967); Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 1 Rn. 3). Sie kennt nur ansatzweise Instrumente zur Bündelung gleichgerichteter Interessen im Prozess und setzt stets voraus, dass alle Betroffenen Parteien des Rechtsstreits werden oder bleiben. Insofern unterscheidet sich die deutsche Zivilprozessordnung von ausländischen kollektiven Rechtsschutzformen, bei denen nur der Verband
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1891
oder der Gruppenkläger als Partei auftritt, die Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung aber auch auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte erstreckt werden. 2. Bündelungsformen de lege lata. a) Streitgenossenschaft. Zu den traditionellen Bündelungsformen in der Zivilprozessordnung gehört vor allem die Streitgenossenschaft. Eine Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO liegt vor, wenn in einem Verfahren auf der Kläger- und/oder der Beklagtenseite mehrere Parteien auftreten. Bei Streuschäden liegen grundsätzlich gleichartige Ansprüche vor, welche auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhen. Beispielsweise können die geschädigten Anleger bei Schadensersatzansprüchen auf Grund einer falschen Ad-hoc-Meldung gemeinschaftlich als Kläger auftreten. Insbesondere kann die Beweisaufnahme dann für alle verbundenen Verfahren einheitlich erfolgen (Thomas/Putzo, § 61 Rn. 12). Der Nachteil der Streitgenossenschaft liegt jedoch darin, dass die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen für jede Partei von Amts wegen gesondert zu ermitteln sind, wozu auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gehört. Eine Verfahrenskonzentration im Wege der Streitgenossenschaft kommt daher nur in Betracht, wenn ausschließlich dasselbe Gericht zuständig ist, was selten der Fall ist. Konkurrierende Gerichtsstände sind sowohl bei vertraglichen als auch deliktischen Ansprüchen vorgesehen. Ferner müssen sich die Geschädigten überhaupt zusammenfinden; dies setzt Information und Organisation voraus, so dass häufig nur Zufallsgemeinschaften entstehen. Bei einer großen Gruppe von Geschädigten, die möglicherweise über das ganze Land verstreut leben, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie vor demselben Gericht klagen werden.
3
b) Nebenintervention, Verfahrensverbindung und Verfahrensaussetzung. Andere Bündelungsformen wie die Nebenintervention, die Verfahrensverbindung oder die Verfahrensaussetzung sind ebenfalls wenig Erfolg versprechend. Die Nebenintervention setzt nach § 66 Abs. 1 ZPO ein Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei voraus. Ein solches ist nur gegeben, wenn die Rechtsstellung des Nebenintervenienten durch ein der unterstützten Partei ungünstiges Urteil rechtlich verschlechtert oder durch ein günstiges Urteil rechtlich verbessert wird. Im Zivilprozess ist eine Nebenintervention des Dritten, der sich in einer gleichen Rechtslage befindet, durch § 68 ZPO ausgeschlossen, soweit sich Erst- und Zweitverfahren gegen denselben Gegner richten. Bei Streu- und Massenschäden befindet sich ein weiterer hinzutretender Kläger in derselben Lage wie der Erstkläger (vgl. Hopt/Voigt, S. 100; Reuschle, WM 2004, 966 (968)). Als weitere Form der Bündelung kommt die Verfahrensverbindung in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass mehrere Prozesse in gleicher Instanz bei demselben Gericht anhängig sind. Ebenso wie bei der Streitgenossenschaft scheitert die Verfahrensverbindung meist an der Konkurrenz der Gerichtstände für vertragliche und deliktische Ansprüche mit der Folge, dass gleichartige Ansprüche bei verschiedenen Gerichten geltend gemacht werden können (vgl. Reuschle, WM 2004, 966 (968)). Als letztes prozessuales Mittel kennt die Zivilprozessordnung die Verfahrensaussetzung. Diese erfordert Präjudizialität eines anderen Rechtsstreits, die bei Massen- und Streuschäden ebenfalls nicht gegeben ist (vgl. Hopt/Voigt, S. 100).
4
II. Rechtsvergleichung. Die aufgezeigten herkömmlichen Bündelungsformen des deutschen Zivilprozessrechts sind zur prozessualen Bewältigung von Massen- und Streuschäden mit einer Vielzahl von Geschädigten kaum geeignet. Andere Länder wie beispielsweise die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Japan, Österreich und die Schweiz haben schon seit längerem Gruppen- und Vertreterklagen eingeführt, um Streuschäden prozessual befriedigend zu bewältigen.
5
1. Die class action (Gruppenklage) in den Vereinigten Staaten. Die Mutter der modernen Gruppenklagerechte stellt die US-amerikanische class action nach Rule 23 der US
6
Reuschle
1892
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Federal Rules of Civil Procedure dar. Sie ermöglicht die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen einer Vielzahl von Geschädigten durch einen oder mehrere Anspruchsinhaber, ohne dass die repräsentierten Gruppenmitglieder namentlich genannt oder gar vor Gericht erscheinen müssen. Ein Urteil oder ein Vergleich binden jedoch sowohl die named plaintiffs als auch die repräsentierten Gruppenmitglieder (KK-KapMuG-Hess Einl. Rn. 27; ders., AG 2003, 113 (115); Reuschle, WM 2004, 966 (969)). Zulassungsvoraussetzung einer class action ist, dass die vom streitgegenständlichen Ereignis betroffene Gruppe aus so vielen Mitgliedern besteht, dass eine Streitgenossenschaft unpraktikabel wäre, dass die streitgegenständlichen Tatsachen- und Rechtsfragen alle Gruppenmitglieder betreffen und dass die von den Gruppenklägern vorgetragenen Sachverhalte für die Ansprüche und Einreden der Gruppe typisch sind (vgl. Basedow/Hopt/Koetz/BaetgeBaetge/Eichholtz, S. 287, 306). 7
2. Die Group Litigation im englischen Zivilverfahrensrecht. Das englische Zivilverfahrensrecht kannte bis in das Jahr 2000 als kollektive Klageform nur die sog. representative action. Diese Klageform sieht in begrenztem Umfang die Befugnis der Prozessparteien vor, Klageansprüche auch für andere Personen geltend zu machen, die nicht Parteien des jeweiligen Verfahrens sind (vgl. Basedow/Hopt/Koetz/Baetge-Ellger, S. 103, 107; Hess, AG 2003, 113 (119); Reuschle WM 2004, 966 (970)). Seit Mai 2000 lassen die Civil Procedure Rules in Part 19.10 bis 19.16 nunmehr eine group litigation zu (vgl. dazu Andrews, ZZPInt 5, 3 (11 ff.); KK-KapMuG-Hess Einl. 38). Nach diesen Verfahrensregeln wird auf Antrag oder von Amts wegen eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung gleichgelagerter Tatsachen- und Rechtsfragen ermöglicht. Organisatorisch knüpft die group litigation an ein Register beim Prozessgericht an, in das sämtliche Klagen einzutragen sind. Das Gericht bestimmt unter anderem, inwieweit über Streitpunkte gemeinsam oder getrennt verhandelt wird, ob einzelne Verfahren als Musterverfahren ausgewählt und wie die Verfahrenskosten zwischen den in das Register eingetragenen Kläger verteilt werden. Das durchgeführte Musterverfahren entfaltet Bindungswirkung für alle eingetragenen Ansprüche und gegenüber allen Beteiligten.
8
3. Die Gruppenklage im japanischen Prozessrecht. Das japanische Zivilprozessgesetz (ZPG), das infolge der Rezeption europäischen Rechts in Japan im Wesentlichen auf der deutschen Zivilprozessordnung basiert, kennt ebenfalls eine Rechtsschutzform zur Durchsetzung von Gruppeninteressen. Diese Rechtsschutzform, die der „bill of peace“ der Equity-Klage des englischen Rechts nachgebildet ist, wurde mit dem ersten Änderungsgesetz zum japanischen Zivilprozessgesetz im Jahre 1926 eingeführt (vgl. Nakamura, S. 12). Nach § 30 Abs. 1 ZPG in der Fassung vom 18. Juni 1996 können mehrere Personen mit gemeinsamem Interesse eine oder mehrere Personen von ihnen bestellen, die als Kläger oder Beklagte für die Gesamtheit auftreten. Mit der Übertragung des Prozessführungsrechts auf einen Gruppenvertreter scheiden alle übrigen Personen kraft Gesetzes aus dem Prozess nach § 30 Abs. 2 ZPG aus. Das Urteil, das gegen die bestellte Partei gefällt wird, wirkt gemäß § 115 Abs. 1 ZPG auch gegenüber den anderen Personen.
9
4. Die besondere Vertreterklage in Österreich. Zur Bündelung gleichgerichteter Interessen kennt das österreichische Recht für einen Sonderfall eine besondere Vertreterklage. Das österreichische Kuratorengesetz (KuratorenG; Gesetz vom 24. April 1874 betreffend die gemeinsame Vertretung der Rechte der Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament übertragbaren Teilschuldverschreibungen und die bücherliche Behandlung der für solche Teilschuldverschreibungen eingeräumten Hypothekarrechte, ÖRGBl. 1874 S. 95) regelt die Bestellung eines gemeinsamen Kurators für die Inhaber sog. Teilschuldverschreibungen, sofern deren Rechte mangels gemeinsamer Vertretung gefährdet oder
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1893
dadurch die Ausübung der Rechte Dritter behindert würde (ausführlich Kalss, S. 404 ff.). Der Kurator wird nach den allgemein zivilrechtlichen Bestimmungen über die Pflegschaft für Abwesende durch das Gericht eingesetzt. Er vertritt die Schuldverschreibungsgläubiger gerichtlich und außergerichtlich. Zwar steht dem einzelnen Schuldverschreibungsgläubiger nach § 9 Abs. 1 KuratorenG ein eigenständiges Klagerecht nicht zu; jedoch kann jeder Schuldverschreibungsgläubiger einem vom Kurator geführten Prozess als streitgenössischer Nebenintervenient nach § 9 Abs. 2 KuratorenG in Verbindung mit § 17 Abs. 2, § 20 öZPO beitreten. 5. Die besondere Vertreterklage in der Schweiz. In der Schweiz ist eine echte kollektive Rechtsverfolgung nur auf der Grundlage des Anlagefondsgesetzes (AFG) möglich. Gemäß Artikel 27 Abs. 2 AFG können die Anleger gegen die Fondsleitung, die Depotbank oder die für sie handelnden natürlichen oder juristischen Personen auf Erfüllung ihrer Pflichten und auf Haftung gegenüber dem Fonds selbst klagen. Nach Artikel 28 Abs. 1 AFG kann der Richter einen Vertreter der Anleger ernennen, wenn Schadensersatzansprüche auf Leistung an den Anlagefonds glaubhaft gemacht werden. Zur Vermeidung paralleler Verfahren können einzelne Anleger nach Artikel 28 Abs. 4 AFG nicht mehr auf Leistung klagen, sobald der Vertreter Klage erhoben hat.
10
III. Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz. Auf die oben dargestellten Systemdefizite hat der deutsche Gesetzgeber für einen Bereich der Streu- und Massenschäden auf dem Kapitalmarkt mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz reagiert. Der Gesetzgeber hat für den Bereich dieser Streuschäden gegen eine Verbandsklage (vgl. die Vorschläge von Micklitz/Stadler, S. 1351 ff. ) sowie gegen eine Vertreterklage (so die Empfehlung der Regierungskommission Corporate Governance, BT-Drs. 14/7515 Rn. 190) votiert. Dabei hat er dem binnenjustiziellen Bündelungsmechanismus den Vorzug gegenüber vorprozessualen Bündelungsformen gegeben. Das Musterverfahren wird grundsätzlich durch einen Musterkläger, einen Musterbeklagten als Parteien betrieben. Die übrigen Kläger der Ausgangsrechtsstreite werden lediglich als Beigeladene am Verfahren beteiligt. Ihre Rechtsstellung entspricht derjenigen eines einfachen Nebenintervenienten (§ 12 KapMuG), so dass sie den Musterkläger in der Verfahrensführung unterstützen und auch eigene Angriffsmittel geltend machen können. Die übrigen anhängigen und später noch während des Musterverfahrens anhängig werdenden Parallelrechtsstreite müssen von Amts wegen auf das Musterverfahren ausgesetzt werden. Das Musterverfahren wird sodann in Anlehnung an § 93a VwGO als objektives Zwischenverfahren durchgeführt (Hess, WM 2004, 2329; Hess/Michailidou, ZIP 2004, 1381 (1382); Reuschle, WM 2004, 2334; kritisch KK-KapMuG-Vollkommer § 9 Rn. 3). Über die Beiladung wird gewährleistet, dass die im Musterverfahren gewonnenen Ergebnisse in Bezug auf anspruchsbegründende und anspruchsausschließende Voraussetzungen auch auf die Parallelrechtsstreite übertragen werden können.
11
B. Örtliche und sachliche Zuständigkeitskonzentration
12
I. Ausschließlicher Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO). Das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16. August 2005 (vgl. BGBl. I S. 2437) erweitert zur Verbesserung des Kapitalanlegerschutzes die prozessualen Möglichkeiten im Bereich kollektiver Rechtsschutzformen. In diesem Zusammenhang wurde § 32b in die ZPO eingefügt. Diese Vorschrift, die in ihrer Konzeption der Regelung zum ausschließlichen Gerichtsstand der Umwelteinwirkung gem. § 32a ZPO nachgebildet ist (kritisch hierzu v. Hein, RIW 2004, 602 (605 ff.), ersetzt § 48 BörsG sowie § 13 Abs. 2 VerkProspG. Durch § 32b Abs. 1 S. 1 ZPO wird die ausschließliche örtliche Zuständigkeit am Sitz des
Reuschle
1894
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
betroffenen Emittenten, des betroffenen Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen oder der Zielgesellschaft konzentriert. 13
1. Normzweck. Mit der Neuregelung soll einer Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeiten entgegengewirkt werden (vgl. BT-Drs. 15/5091 S. 33; Hess WM 2004, 2329 u. 2331). Ferner fördert der neue Gerichtsstand die Einheitlichkeit der Beweisaufnahme, vermindert Kosten und beschleunigt das Verfahren. Die in der Praxis häufig schwierige Gewinnung von geeigneten Sachverständigen wird erleichtert, da entweder im Rahmen der Verfahrensverbindung oder im Rahmen eines Musterverfahrens für gleich gelagerte Sachverhalte nur noch ein einziger Sachverständiger eingeschaltet werden muss (ebenso KK-KapMuG-Hess § 32b ZPO Rn. 3), während ohne die vorgesehene Konzentration möglicherweise in mehreren Verfahren bei verschiedenen Gerichten eine Vielzahl von Sachverständigen Gutachten zu erstellen hätte.
14
2. Anwendungsbereich. § 32b Abs. 1 Satz 1 ZPO betrifft grundsätzlich alle Klagen, mit welchen der Ersatz eines auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens geltend gemacht wird. § 32b ZPO ist nicht nur für Klagen auf Zahlung von Schadensersatz und Vertragserfüllung, sondern auch für entsprechende Feststellungsklagen eröffnet. Mit erfasst wird auch die negative Feststellungsklage des potentiell haftenden Unternehmers (KK-KapMuG-Hess § 32b Rn. 10; a.A. Vorwerk/Wolf-Vorwerk § 1 Rn. 17; KK-KapMuG-Kruis § 1 Rn. 13).
15
a) Öffentliche Kapitalmarktinformation. Der Begriff der öffentlichen Kapitalmarktinformation wird in § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 KapMuG legaldefiniert. Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind eine für eine Vielzahl von Kapitalanlegern zugängliche oder zugänglich zu machende Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren betreffen.
16
Insbesondere gehören die Emissionsprospekte zu den Kapitalmarktinformationen. In der Vergangenheit ist es nach vielen Emissionen zu Rechtsstreiten über die Haftung bei fehlerhaften Angaben in Prospekten gekommen. Solche Rechtsstreite bieten sich in besonderer Weise für ein Musterverfahren an, weil durch fehlerhafte Prospekte eine Vielzahl von Anlegern in gleicher Weise betroffen ist. Ebenso einbezogen sind fehlerhafte Angaben in den vergleichbaren Unternehmensberichten im Sinne des § 55 BörsG. Anlass zu gerichtlichen Verfahren haben in den letzten Jahren auch fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen gegeben. Gerade diese finden in breiten Anlegerkreisen Beachtung und lösen nicht selten Investitionsentscheidungen der Anleger aus. Auch sie stellen öffentliche Kapitalmarktinformationen dar. Vom Kapitalmarkt wahrgenommen werden aber nicht nur kapitalmarktbezogene Veröffentlichungen. Einbezogen werden daher insbesondere auch die Fälle, in denen die Hauptversammlung als Teilbereich der Öffentlichkeit falsch informiert wird. Solche Informationen können nicht nur die Teilnehmer der Hauptversammlung schädigen, da auf der Hauptversammlung gegebene Informationen in der Regel schnell Verbreitung finden. Ausgenommen sind aber Informationen gegenüber Prüfern (vgl. § 400 Abs. 1 Nr. 2 AktG), weil hier keine Öffentlichkeit hergestellt wird. Breite öffentliche Wahrnehmung erfährt dagegen – nicht zuletzt seit den zahlreichen Bilanzskandalen der letzten Jahre – die Rechnungslegung der Emittenten und stellt damit eine öffentliche Kapitalmarktinformation dar. Eine bedeutende Kapitalmarktinformation stellt auch die Angebotsunterlage im Sinne des § 12 WpÜG dar.
17
Durch den auf Vorschlag des Rechtsausschusses (vgl. BT-Drs 15/5695, S. 5, 15) eingefügten Begriff des „Anbieters sonstiger Vermögensanlagen in § 32b Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Gesetzgeber zudem klargestellt, dass auch der sog. graue Kapitalmarkt dem ausschließlichen Gerichtsstand des § 32b ZPO unterfällt (so BGH, WM 2007, 587 (588),
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1895
NJW 2007, 1365; OLG Koblenz, NJW 2006, 3723; OLG Nürnberg BB 2006, 2213; LG Hildesheim BB 2006, 2212; KK-KapMuG-Kruis § 1 Rn. 41; Schneider, BB 2005, 2249 (2250); Vorwerk/Wolf-Parigger, § 32b ZPO, Rn. 6; a.A. OLG München AG 2006, 1728). b) Sitz des Beklagten. Sofern der Beklagte als juristische Person einen Sitz im Inland etwa durch Satzung festgelegt hat, ist dieser maßgeblicher Anknüpfungspunkt (§ 17 ZPO). Im Übrigen gilt nach § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO der Ort, wo die Verwaltung geführt wird, als Sitz. Ist der Anbieter eine natürliche Person, ist auf § 13 ZPO zurückzugreifen. Soweit der Beklagte seinen Sitz im Ausland hat, wird der Gerichtsstand durch vorrangige, die internationale Zuständigkeit bestimmende Regeln verdrängt (§ 32b Abs. 1 Satz 2 ZPO). Zu diesen die internationale Zuständigkeit bestimmenden Regeln gehören die EuGVVO, des EuGVÜ im Verhältnis zu Dänemark und das LugÜ. c) Parteien. Im Gerichtsstand des § 32 b ZPO können Kapitalanleger Klagen erheben, welche einen Schadensersatzanspruch im Sinne des Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 oder einen vertraglichen Erfüllungsanspruch gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 zum Gegenstand haben. In Betracht kommen als Schadensersatzansprüche etwa solche nach §§ 37 b, 37 c WpHG, iSd. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 264 a StGB, gemäß § 400 AktG sowie aus § 331 HGB. Vertragliche Erfüllungsansprüche können Gegenstand des Rechtsstreits sein, soweit sie auf ein Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zurückzuführen sind. Denkbar sind zB Nacherfüllungsansprüche nach § 31 Abs. 4, 5 S. 1 WpÜG. Aus der Gegenüberstellung von den beiden Nummern könnte das Verständnis abgeleitet werden, § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erfasse keine vertraglichen Schadensersatzansprüche. Dieser Schluss wäre indes verfehlt. Die in der Regierungsbegründung zu § 32b ZPO genannten außervertraglichen Schadenseratzansprüche sind nicht abschließend wie der Vergleich zum Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapMuG zeigt. Dort betont der Gesetzgeber die beispielhafte Aufzählung der außervertraglichen Schadensersatzansprüche. Als mögliche Beklagte nennt § 32 b Abs. 1 S. 1 ZPO den Emittenten, den Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen oder – bei übernahmerechtlichen Sachverhalten – die Zielgesellschaft. Daneben kommen auch die Organe des Emittenten bzw. Anbieters, der Emissionsbegleiter, die Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans, Bieter nach § 2 Abs. 4 WpÜG sowie sonstige Dritte, sofern diese etwa als Prospektverantwortliche gelten, in Betracht (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 32b ZPO Rn. 3; Reuschle, WM 2004, 2334 (2343); Schneider BB 2005, 2249 (2250 f.)). Ebenso kann ein Anlagevermittler im Zusammenhang mit §§ 263, 264a StGB in diesem Gerichtsstand verklagt werden, soweit er im Anlagegespräch falsche öffentliche Kapitalmarktinformationen weitergegeben hat, die für den Erwerb der Anlage bestimmend waren (vgl. Reuschle, öAnwBl. 2006, 371 (373), KK-KapMuG-Hess § 32b ZPO Rn. 7; a.A. BGH NJW 2007, 1384, Zöller-Vollkommer, § 32b ZPO mit dem Hinweis, dass der Anlagevermittler keine öffentliche Kapitalmarktinformation schulde, sondern sich nur eine solche Informationsquelle ungeprüft zu eigen mache).
18
3. Konkurrenzen und internationale Zuständigkeit. a) Ausschließliche Zuständigkeit. Das Gericht, in dessen Bezirk der betroffene Emittent, der betroffene Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen oder die Zielgesellschaft ihren Sitz haben, ist örtlich ausschließlich zuständig. Die Prorogation sowie eine Zuständigkeitsbegründung durch rügeloses Verhandeln scheiden nach § 40 Abs. 2 ZPO aus. Der Grundsatz der perpetuatio fori gilt auch bei gesetzlichen Änderungen der Zuständigkeit. Insofern erfolgt keine Verweisung von Rechtsstreitigkeiten nach § 281 Abs. 1 ZPO, die vor Inkrafttreten des § 32 b Abs. 1 ZPO eingeleitet wurden (vgl. BT-Drs. 15/5091, S. 33).
22
Reuschle
19
20
21
1896
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
23
b) Internationale Zuständigkeit. Der Gerichtsstand des § 32b ZPO gilt nicht für Emittenten, Anbieter und Zielgesellschaften mit Sitz im Ausland.
24
Für inländische Unternehmen, die im Ausland an Börsen gelistet sind, ist Folgendes zu beachten: § 32b ZPO verhindert nicht, dass inländische Emittenten im Anwendungsbereich der EuGVVO, des EuGVÜ im Verhältnis zu Dänemark sowie des LugÜ im Ausland verklagt werden können. § 32 b ZPO bestimmt nur dann die örtliche Zuständigkeit, soweit die Regelungen von EuGVVO, EuGVÜ oder LugÜ nicht auch die örtliche Zuständigkeit betreffen (BT-Drucks. 15/5091 S. 17; Hess, RIW 2004, 2329, 2332; Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737, 2739; Reuschle, WM 2004, 2334, 2343; Schneider, BB 2005, 2249, 2250; von Hein, RIW 2004, 602, 604, 607). Außerhalb dieses Bereichs regelt § 32 b ZPO nach dem Grundsatz der Doppelfunktionalität neben der örtlichen auch die internationale Zuständigkeit. Die internationale Zuständigkeit ist bewusst als ausschließliche ausgestaltet. Ziel des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren war es nämlich, ein sog. „Forum-shopping“ in den Fällen, in denen deutsche Aktiengesellschaften in Drittstaaten an der Börse notiert sind, zu verhindern (vgl. Hess/Michailidou, ZIP 2004, 1381; Reuschle, WM 2004, 966 (973); Vorwerk/Wolf-Parigger, § 32b ZPO Rn 16; a.A. Musielak-Heinrich, § 32b Rn. 7). Eine Anerkennung eines ausländischen Urteils eines Drittstaats ist daher wegen § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu versagen.
25
4. Zuständigkeitskonzentration. § 32b Abs. 2 ZPO sieht darüber hinaus eine Verordnungsermächtigung zugunsten der Länder vor, um die Zuständigkeit an einem Landgericht für mehrere Eingangsgerichte zu bündeln. Von dieser Verordnungsermächtigung haben bisher der Freistaat Bayern sowie die Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen Gebrauch gemacht. In Bayern ist die Zuständigkeit für Verfahren nach § 32b Abs. 1 ZPO dem Landgericht München I übertragen (§ 24a der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz vom 16.11.2004, GVBl. 2004, 471, zuletzt geändert am 8.12.2005, GVBl. 2005, 695). In Hessen ressortiert die Zuständigkeit beim Landgericht Frankfurt am Main (§ 1 der VO über die Zuständigkeit in Kapitalmarktstreitigkeiten nach § 23b Abs. 1 Satz 1 ZPO v. 13.1.2006, GVBl. 2006 I S. 25). In Nordrhein-Westfalen werden die Rechtsstreite nach § 32b Abs. 1 ZPO im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf dem Landgericht Düsseldorf, im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm dem Landgericht Hamm und im Oberlandesgerichtsbezirk Köln dem Landgericht Köln zugewiesen (§ 1 der VO über die Konzentration der Verfahren nach dem Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger – Musterverfahren vom 23.11.2005, GV NRW 2005, 920).
26
II. Sachliche Zuständigkeitskonzentration (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG). § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG weist alle Streitigkeiten auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen den Landgerichten zu. Diese Bündelung beim Landgericht als sachlich zuständigem Eingangsgericht soll vor allem Amtsgerichte von zeit- und verfahrensaufwändigen Schadensersatzklagen von Kleinanlegern z.B. wegen falscher Ad-hoc-Meldungen entlasten.
27
C. Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz I. Überblick. Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) sieht zur Bündelung gleichgerichteter Ansprüche von Kapitalanlegern und zur prozessualen Bewältigung dieser Ansprüche die Einführung von Musterverfahren vor. Zentrales Instrument ist dabei der vom Oberlandesgericht zu erlassende Musterentscheid. Legislatives Vorbild sind hierfür § 93a VwGO sowie der frühere Rechtsentscheid in Mietsachen. Der Musterentscheid wird im Rahmen eines eigenständigen, von den Ausgangsverfahren losgelösten Musterverfahrens getroffen (vgl. KK-KapMuG-Vollkommer § 9 Rn. 3). Der Musterentscheid soll
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1897
eine in einer Vielzahl von Prozessen entscheidungserhebliche Musterfrage einheitlich feststellen. 1. Verfahrensrechtliche Konzeption. Das Musterverfahren lässt sich in zwei Verfahrensabschnitte aufteilen: In einem ersten Verfahrensabschnitt wird über die Zulassung eines Musterverfahrens (Vorlageverfahren, §§ 1 bis 5 KapMuG) entschieden. Voraussetzung hierfür ist, dass mindestens zehn gleichgerichtete Anträge zur Klärung derselben streitentscheidenden Musterfrage gegen denselben Beklagten gestellt und in einem einzurichtenden Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers eingetragen wurden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, holt das Prozessgericht den Musterentscheid beim übergeordneten Oberlandesgericht ein. In einem zweiten Verfahrensabschnitt wird das eigentliche Musterverfahren dann durchgeführt. Das Musterverfahren wird als objektives Zwischenverfahren vor dem Oberlandesgericht als zuständigem Spruchkörper (§ 118 GVG) durchgeführt. Das Ausgangsverfahren und die Parallelprozesse werden während des Musterverfahrens ausgesetzt (§ 7 KapMuG); das Oberlandesgericht entscheidet dann auf der Basis des Musterfeststellungsbeschlusses des (zuerst) vorlegenden Landgerichts. Die Gerichte der Ausgangsverfahren sind an die Entscheidung im Musterverfahren (Musterentscheid) gebunden (§ 16 KapMuG). 2. Anwendungsbereich des Gesetzes. Der Anwendungsbereich des KapitalanlegerMusterverfahrensgesetzes ist auf zwei Anspruchskategorien beschränkt: Zum einen auf die Geltendmachung kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzansprüche und zum anderen auf die Geltendmachung vertraglicher Erfüllungsansprüche, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz beruhen. Mit der erstgenannten Anspruchskategorie will der Gesetzgeber Massen- und sog. Streuschäden auf dem Kapitalmarkt begegnen. Die prozessuale Durchsetzung des materiellen Haftungsrechts bereitet bei Massenschäden im Kapitalmarktbereich erhebliche Probleme. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG beschreibt nur in sachlicher Hinsicht den Anwendungsbereich, als es sich um einen Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation handeln muss. Der Begriff der öffentlichen Kapitalmarktinformation ist in § 1 Abs. 1 Satz 4 KapMuG legaldefiniert (vgl. ausführlich zur Legaldefinition KK-KapMuG-Kruis § 1 Rn. 31 ff.). In personeller Hinsicht setzt das Gesetz bewusst keinen Rahmen: Musterfeststellungsanträge können daher nicht nur in Schadensersatzprozessen gegen den Emittenten gestellt werden, sondern auch gegen alle anderen „Veranlasser“ der Kapitalmarktinformation: In Betracht kommen insofern Schadensersatzansprüche wegen falscher Kapitalmarktinformationen gegen Organe der Gesellschaft, gegen emissionsbegleitende Institute und sonstige „Garanten“, wie beispielsweise Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, soweit sie für die z.B. in den Prospekten enthaltenen Angaben eine Garantie übernommen haben. Schließlich können auch im Rahmen von Klagen gegen einen Insolvenzverwalter zur Feststellung der Schadensersatzansprüche zur Insolvenztabelle Musterverfahren initiiert werden (vgl. Reuschle, KapMuG, S. 27 Fn. 26). Mit der zweitgenannten Anspruchskategorie bezieht der Gesetzgeber vertragliche Erfüllungsansprüche, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz beruhen, in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ein (vgl. Hecker, ZBB 2004, 503 ff.). In Frage kommt neben Nacherfüllungsansprüchen nach § 31 Abs. 4 und 5 Satz 1 WpÜG der Anspruch des Aktionärs gegen den Bieter auf die angemessene Gegenleistung. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich aus dem mit dem Bieter abgeschlossenen Vertrag in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG.
Reuschle
28
29
30
31
32
1898
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
33
II. Verfahrensablauf im Einzelnen. 1. Vorlageverfahren (§§ 1 bis 5 KapMuG). Als Teil des Ausgangsverfahrens bezweckt das in den §§ 1 bis 5 KapMuG geregelte Vorlageverfahren, eine Entscheidung über die Zulassung des Musterverfahrens herbeizuführen.
34
a) Musterfeststellungsantrag. aa) Antragsteller. Aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit kann der Musterfeststellungsantrag sowohl vom Kläger als auch vom Beklagten beim Prozessgericht gestellt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KapMuG). Der Antrag ist nur in der ersten Instanz zulässig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG). Bei dem Antrag handelt es sich nicht um einen Prozessantrag, sondern um einen Sachantrag (Assmann, FS Vollkommer, S. 119 (124); Gundermann/Härle, VuR 2006, 457 (459); Reuschle, KapMuG, S. 31; a.A. OLG München, WM 2007, 687). Der Antrag kann schon in der Klagschrift angebracht oder in der Klagerwiderungsschrift gestellt werden. Auch wenn eine Beweisaufnahme bereits durchgeführt wurde, kann der Musterfeststellungsantrag zur Feststellung von Tatsachen solange noch gestellt werden, als der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif ist (arg. e § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KapMuG). Musterfeststellungsanträge zur Klärung von Rechtsfragen können bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorbehaltlich der Ausnahme in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 KapMuG).
35
bb) Inhaltliche Anforderungen an den Antrag. Bei Musterfeststellungsanträgen betreffend Schadensersatzansprüche sind das Feststellungsziel und die öffentliche Kapitalmarktinformation anzugeben (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG). Im Falle von Erfüllungsansprüchen nach dem WpÜG ist die Bezeichnung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebots erforderlich.
36
Der Antrag muss außerdem „Angaben zu allen zur Begründung des Feststellungsziels dienenden tatsächlichen und rechtlichen Umständen (Streitpunkte) enthalten und die Beweismittel bezeichnen, deren sich der Antragsteller zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will (§ 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG). Hier stellt sich die Frage, ob in dem Musterfeststellungsantrag nicht enthaltene Streitpunkte später nachgeschoben werden können oder der Antragsteller damit präkludiert ist. Eine Präklusion des Antragsteller ist vor dem Hintergrund des § 13 KapMuG zu verneinen, wonach auch im laufenden Musterverfahren eine Erweiterung des Musterverfahrens ausdrücklich gestattet ist (Assmann, FS Vollkommer, S. 119 (125); Schneider, BB 2005, 2249 (2251)).
37
Die erforderliche Angabe der rechtlichen Umstände ist zwar ein Novum, jedoch vor dem Hintergrund, dass im Musterverfahren auch mögliche Rechtsfragen geklärt werden können, zu verstehen.
38
cc) Gegenstand. Der Verfahrensgegenstand des Musterverfahrens wird durch den in § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG legaldefinierten Begriff des Feststellungsziels bestimmt. Das Gesetz nennt zum einen die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einzelner anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Voraussetzungen. Der Sache nach steckt darin sowohl die Feststellung einzelner entscheidungserheblicher Tatsachen, wie etwa die Kenntnis oder Unkenntnis eines Organs von einem bestimmten Vorgang, als auch die Feststellung bestimmter anspruchsbegründender- oder anspruchsausschließender Tatbestandsvoraussetzungen (ebenso KK-KapMuG-Rimmelspacher § 15 Rn. 25). Außerdem kann die Klärung von Rechtsfragen begehrt werden. Bei den genannten drei Fallgruppen zusammenfassend kann man auch von Musterfragen (vgl. BTDrs. 15/5091, S. 18) als Verfahrensgegenständen sprechen. Der Begriff des Feststellungsziels kann einerseits mit einem Streitpunkt zusammenschmelzen; andererseits können mehrere Streitpunkte zusammen nur ein Feststellungsziel bilden.
39
Abzulehnen ist dagegen der Versuch, zwischen Verfahrens- und Entscheidungsgegenständen zu unterscheiden. Dabei werden als Gegenstände des Musterverfahrens die Feststel-
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1899
lungsziele iSv. § 1 Abs. 1 S. 1 KapMuG verstanden und diese beschränkt auf die „abstrakt formulierte Frage der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals, also etwa „wesentliche Angabe unrichtig“ (§ 44 BörsG) oder Veröffentlichung „unwahrer Tatsachen“ (§ 37c WpHG)“ oder die „Feststellung, wie eine bestimmte Rechtsfrage zu beantworten sei“ (Maier-Reimer/Wilsing, ZGR 2006, 101). Demgegenüber seien im Musterentscheid Feststellungen zu den Streitpunkten im Sinn von § 1 Abs. 2 S. 2 KapMuG zu treffen, also zu den einzelnen behaupteten tatsächlichen und rechtlichen Umständen, sowie zur Beantwortung der gestellten Rechtsfragen. Diese Unterscheidung zwischen Verfahrens- und Entscheidungsgegenstand scheitert bereits an dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG. Denn dort ist die Rede von der Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Voraussetzungen eines Anspruchs und nicht von einem abstrakten Feststellungsbegehren bezogen auf das Erfülltsein eines Tatbestandmerkmals. Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG rechnen auch die Tatsachen, welche die anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Tatbestandsmerkmale ausfüllen, und nicht nur diese Tatbestandsmerkmale selbst. Dass der Gesetzgeber auch die Feststellung von Tatsachen im Auge hatte, ergibt sich aus dem Hinweis auf § 256 ZPO in den Materialien. Im Rahmen der Inzidentfeststellungsklage ist die Feststellung eines tatsächlichen Umstands, nämlich der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde, anerkannt. Ziel des Musterfeststellungsantrags ist es, eine in verschiedenen Prozessen zu klärende Musterfrage einheitlich mit Breitenwirkung feststellen zu lassen. Abweichend vom Anwendungsbereich des § 256 ZPO können dabei auch einzelne Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses oder einer Anspruchsgrundlage, z.B. die Richtigkeit einer Adhoc-Meldung, sowie die Pflichtverletzung festgestellt werden. Der Musterfeststellungsantrag kann sowohl auf Feststellung einer Anspruchsvoraussetzung als auf Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils gerichtet werden. Nicht feststellungsfähig sind dagegen der individuelle Schaden eines Klägers, Fragen der Kausalität, soweit ihnen ein individueller Tatsachenverlauf zugrunde liegt, ein Mitverschulden des Anlegers. Denn gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 KapMuG dürfen nur solche Fragen Eingang finden, die sich mit Breitenwirkung beantworten lassen (vgl. Kilian, S. 38 ff.). Die Klärung von Rechtsfragen wird vor allem relevant bei unbestimmten Rechtsbegriffen in den anspruchs- oder einwendungsbegründenden Normen. In den Materialien werden als Beispiele angeführt die Bewertung, welche Anforderungen an einen verständigen Anleger im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 WpHG in Bezug auf die Verwertung einer bestimmten Insiderinformation zu stellen sind, welche berechtigten Interessen einen Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen rechtfertigen können oder welche Kennzahlen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG im Geschäftsverkehr üblicherweise verwendet werden. dd) Zulässigkeit. Das Prozessgericht prüft anschließend die Zulässigkeit des Musterfeststellungsantrags. Das Gesetz sieht einen fünfgliedrigen Abweisungskanon vor (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KapMuG). Das Prozessgericht weist den Musterfeststellungsantrag ab, wenn der dem Musterfeststellungsantrag zugrunde liegende Rechtsstreit bereits entscheidungsreif ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KapMuG). Mit diesem Abweisungsgrund soll der Situation Rechnung getragen werden, dass durch die Stellung eines Musterfeststellungsantrags einer durchgeführten Beweisaufnahme nicht nachträglich der Boden entzogen werden kann. Andernfalls könnte die Unterbrechungswirkung gemäß § 3 KapMuG genutzt werden, um das Verfahren zu verzögern. Ferner weist es den Antrag ab, wenn er zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt wird (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KapMuG) oder das bezeichnete Beweismittel ungeeignet ist
Reuschle
40
41
42
43
1900
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
(§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KapMuG). Die Unzulässigkeit mangels Eignung der bezeichneten Beweismittel impliziert eine Beweisantizipation. Darüber hinaus weist das Prozessgericht den Antrag ab, wenn die Darlegungen des Antragstellers den Musterfeststellungsantrag nicht rechtfertigen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 KapMuG). Danach weist das Prozessgericht z.B. Anträge ab, in welchen um Feststellungen nachgesucht wird, die individuell im Rechtsstreit des Antragsstellers zu treffen sind. 44
Soll mit dem Musterverfahren ausschließlich eine Rechtsfrage geklärt werden, so ist der Antrag unzulässig, wenn die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig erscheint (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 KapMuG). Im Gegensatz zum Regierungsentwurf differenziert der Gesetzgeber nicht mehr trennscharf zwischen den anspruchsbegründenden und anspruchsausschließenden Voraussetzungen einerseits und den Rechtsfragen andererseits bei der Stellung und Verbescheidung von Musterfeststellungsanträgen (vgl. Materialien bei Reuschle, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz zu § 1 KapMuG). Der Regierungsentwurf hat die Stellung eines Musterfeststellungsantrags auch auf Rechtsfragen im Wege der entsprechenden Anwendung zugelassen und bewusst die Zurückweisung eines auf die Klärung einer Rechtsfrage gerichteten Musterfeststellungsantrags eigenständig geregelt. Dieser Differenzierung in zwei unterschiedlichen Normen kommt nämlich dann Bedeutung zu, wenn der Musterfeststellungsantrag nach § 1 Abs. 3 KapMuG zurückgewiesen wird. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KapMuG kann der Musterfeststellungsantrag zurückgewiesen werden, wenn der Rechtsstreit entscheidungsreif ist. Da der Rechtsstreit stets entscheidungsreif ist, wenn nur noch Rechtsfragen zu beantworten sind („jura novit curia“), könnte nach der derzeitigen Gesetzesformulierung ein zur Klärung einer Rechtsfrage gestellter Musterfeststellungsantrag stets nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG abgewiesen werden. Die Norm, wie sie der Rechtsausschuss (vgl. BT-Drs. 15/5695, S. 6) gefasst hat, ist daher verunglückt. Man wird aufgrund des Regierungsentwurfs, wonach auch in entscheidungsreifen Rechtsstreiten grundsätzlich die Klärung von Rechtsfragen im Musterverfahren möglich sein soll, den Anwendungsbereich des Zurückweisungsgrundes der Nummer 1 auf Musterfeststellungsanträge beschränken, mit denen in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung begehrt wird.
45
Ist einer der aufgeführten Unzulässigkeitsgründe gegeben, so weist das Prozessgericht den Musterfeststellungsantrag zurück (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KapMuG). Gegen den zurückweisenden Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
46
ee) Bekanntmachung im Klageregister. Den zulässigen Musterfeststellungsantrag macht das Prozessgericht im elektronischen Bundesanzeiger unter der Rubrik „Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG öffentlich bekannt. Die Vorschrift setzt ihrerseits das Klageregister voraus. Der Inhalt und der Aufbau sind in der Verordnung über das Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KlagRegV) geregelt. Für den Bekanntmachungsinhalt sind die Gerichte zuständig und tragen nach § 2 Abs. 3 KapMuG die datenschutzrechtliche Verantwortung.
47
Die Bekanntmachung hat die in § 2 Abs. 1 Satz 4 KapMuG enumerativ aufgezählten Angaben zu enthalten. Mit den dort aufgeführten Angaben sollen potenziell geschädigte Anleger über die beabsichtigte Einleitung bzw. die Anhängigkeit eines Musterverfahrens informiert werden. Die Vorschrift findet sowohl auf die Ersteintragung als auch alle Folgeeintragungen von Musterfeststellungsanträgen Anwendung. Es genügt daher nicht, bei einem gleichgerichteten nachfolgenden Musterfeststellungsantrag nur die abweichenden Angaben gegenüber der Ersteintragung bekannt zu machen. Schreibversehen und offen-
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1901
sichtliche Unrichtigkeiten sind unverzüglich zu berichtigen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 KlagRegV sind Berichtigungen als solche kenntlich zu machen. ff) Unterbrechung des Ausgangsrechtsstreits. Mit der Bekanntmachung des Musterfeststellungsantrags tritt gemäß § 3 KapMuG die Unterbrechung des Verfahrens vor dem Prozessgericht ein. Die Unterbrechung des jeweiligen Verfahrens dient dem Ziel, bereits in einem frühen Verfahrensstadium die prozessuale Bündelung gleichgerichteter Interessen in einem einzigen Musterverfahren herbeizuführen, eine Vorwegnahme der im Musterverfahren etwa durchzuführenden Beweisaufnahmen zu verhindern und die Gefahr divergierender Entscheidungen zu vermeiden (vgl. BT-Drs 15/5091, S. 13f.; Vorwerk/ Wolf-Fullenkamp, § 3 Rn. 2; kritisch zum Normzweck KK-KapMuG-Kruis § 3 Rn. 1 ff.). b) Vorlageverfahren. § 4 KapMuG regelt das Vorlageverfahren und seine Voraussetzungen zur Einholung eines Musterentscheids. Für den Erlass des Musterentscheids ist das im Rechtzug übergeordnete Oberlandesgericht zuständig. Liegen mindestens zehn gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gegen denselben Beklagten vor, wird ein Musterentscheid durch das Prozessgericht im Wege einer Vorlage eingeholt. Das Oberlandesgericht ist dabei an die Vorlageentscheidung des Prozessgerichts gebunden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KapMuG). aa) Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit für die Durchführung des Musterverfahrens richtet sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapMuG. Danach ist für den Vorlagebeschluss dasjenige Prozessgericht zuständig, bei dem der erste Musterfeststellungsantrag gestellt wurde, wenn innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntmachung in mindestens neun weiteren Verfahren bei demselben oder anderen Gerichten gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt wurden. Sind Ausgangsverfahren, in denen Musterfeststellungsanträge gestellt werden, in verschiedenen OLG-Bezirken anhängig, so entscheidet letztlich die prioritätsälteste Eintragung im Klageregister darüber, welches Prozessgericht den Vorlagebeschluss zu fertigen und welches Oberlandesgericht das Musterverfahren durchzuführen hat. Für die Zuständigkeit des Prozessgerichts bezüglich des Vorlagebeschlusses wird infolge eines Redaktionsversehens auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG). Die zeitliche Reihenfolge der bei den Prozessgerichten gestellten Musterfeststellungsanträgen bestimmt sich jedoch nach der Bekanntmachung im Klageregister (§ 4 Abs. 1 Satz 3 KapMuG). Daraus ist ersichtlich, dass nur die Bekanntmachung maßgebend sein kann, da nur über sie das Vorliegen des Quorums von zehn Musterfeststellungsanträgen für das Prozessgericht, das den Vorlagebeschluss zu fertigen hat, feststellbar ist (Assmann, FS Vollkommer, S. 119 (129); Vorwerk/Wolf-Riedel, § 2 Rn. 13 sowie die Begründung zum Regierungsentwurf zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, BT-Drs 15/5091, S. 23). bb) Quorum von mindestens zehn gleichgerichteten Musterfeststellungsanträgen. Die Einholung eines Musterentscheids durch das Prozessgericht setzt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG mindestens zehn gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in einem Zeitfenster von vier Monaten voraus. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die zehn Musterfeststellungsanträge in zehn verschiedenen Einzelverfahren mit eigenständigem Aktenzeichen gestellt werden. Die Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG ist auch dann erfüllt, wenn ein Anwalt zehn verschiedene Kläger in einem Rechtsstreit gegen einen Emittenten vertritt und die Kläger als Streitgenossen in einer Klageschrift auftreten (Reuschle, KapMuG, S. 33; Assmann, FS Vollkommer, S. 119 (130); BGH, Beschl. v. 21.04.2008 – Az. II ZB 6/07 – Rz. 10; LG Stuttgart, ZIP 2006, 1731; a. A. OLG München, ZIP 2007, 647; KK-KapMuG-Vollkommer § 4 Rn. 37).
Reuschle
48
49
50
51
52
1902
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
53
Die Frage, wann gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge vorliegen, war im Gesetzgebungsverfahren umstritten. Der Regierungsentwurf definierte in § 4 Abs. 1 Satz 4 KapMuG-E die Gleichgerichtetheit der Musterfeststellungsanträge. Voraussetzung war danach, dass das Feststellungsziel und das zugrunde liegende Ereignis identisch sind. Die Regierungsbegründung (vgl. BT-Drs. 15/5091, S. 22) führte dazu aus: Gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge sind auch dann gegeben, wenn die Richtigkeit eines Börsenprospekts von einem Kapitalanleger im Hinblick auf eine unrichtige Darstellung des Immobilienvermögens angegriffen wird, von einem anderen Kapitalanleger im Hinblick auf die Risikobewertung, die auf der Darstellung des Immobilienvermögens beruht . Es handelt sich nur um verschiedene Streitpunkte, jedoch um dasselbe Feststellungsziel, da die Unrichtigkeit des Prospekts hier auf ein und derselben Pflichtverletzung – tatsächliche Angaben zum Komplex Immobilien – beruht.
54
Der Begriff „Gleichgerichtetheit der Musterfeststellungsanträge“ wurde aufgrund der Kritik des Bundesrates im Rechtsausschuss des Bundestages legaldefiniert: „Gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge“ liegen nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Satz 5 KapMuG vor, wenn deren Feststellungsziel den gleichen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt betrifft. Von einer Gleichgerichtetheit der Musterfeststellungsanträge ist selbst dann auszugehen, wenn in mehreren Prozessen die Unrichtigkeit derselben Prospektangabe geltend gemacht wird, die Gründe hier aber völlig verschieden sind (vgl. KK-KapMuG-Vollkommer § 4 Rn. 8 mit zahlreichen weiteren Beispielen § 4 Rn. 10 ff.). So kann beispielsweise zur Unrichtigkeit einer Prospektangabe hinsichtlich des Immobilienbesitzes geltend gemacht werden, dass die angeblich im Ausland belegenen Immobilien überhaupt nicht existieren, dass sie zwar existieren, aber nach dem maßgeblichen ausländischen Recht nicht im Eigentum des Emittenten stehen, dass es sich nicht um moderne neue Feriensiedlungen, sondern um hochgradig sanierungsbedürftige und weitgehend leerstehende Mietskasernen handelt oder dass die Bewertung des Immobilienbesitzes weit überhöht ist. Keine Gleichgerichtetheit liegt hingegen vor, wenn ein Unternehmen in verschiedenen Börsenprospekten Aktien zum Kauf angeboten hat. Hier stellt jeder einzelne Börsenprospekt einen eigenständigen Lebenssachverhalt dar.
55
cc) Zeitfenster. Das Zeitfenster, innerhalb dessen das nötige Quorum an Musterfeststellungsanträgen zusammenkommen muss, berechnet sich von der Stellung des sog. zeitlich ersten im Klageregister bekannt gemachten Musterfeststellungsantrags. Die Reihenfolge der bei den Prozessgerichten gestellten Musterfeststellungsanträge bestimmt sich gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 KapMuG nach der Bekanntmachung im Klageregister.
56
dd) Vorlagebeschluss. Sind die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG gegeben, holt das Prozessgericht einen Musterentscheid bei dem übergeordneten Oberlandesgericht ein. § 4 Abs. 5 Satz 1 KapMuG räumt den Landesregierungen die Möglichkeit ein, durch Rechtsverordnung einem der Oberlandesgerichte im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung die ausschließliche Zuständigkeit zuzuweisen.
57
Sobald das Prozessgericht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG den Vorlagebeschluss gefertigt hat, macht das Prozessgericht lediglich diesen Umstand im Klageregister unter Angabe des Beschlussdatums im Klageregister bekannt. Den Vorlagebeschluss leitet es dem übergeordneten Oberlandesgericht in elektronischer Form zu (vgl. die Begründung zur KlagRegV vom 31. Oktober 2005, Bundesanzeiger vom 17. November 2005, S. 15 973, Anlage S. 2 li . Sp).
58
ee) Sperrwirkung des Vorlagebeschlusses. Gemäß § 5 KapMuG ist mit Erlass des Vorlagebeschlusses die Einleitung weiterer Musterverfahren unzulässig. Das Institut der Sperrwirkung ist prozessual neu, findet jedoch ihr Pendant im Institut der Rechtshängig-
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1903
keit. Durch das Institut der Sperrwirkung soll ausgeschlossen werden, dass ein Prozessgericht durch einen Vorlagebeschluss ein Musterverfahren zu derselben oder zu einer weiteren Anspruchsvoraussetzung einleitet, wenn bereits ein Musterverfahren für die gemäß § 7 KapMuG auszusetzenden Rechtsstreite eingeleitet worden ist. Damit sollen parallel laufende Musterverfahren aus prozessökonomischen Gründen vermieden werden. 2. Das Musterverfahren (§§ 6 bis 15 KapMuG). a) Parteien des Musterverfahrens. Das Musterverfahren wird von einem aus der Gruppe der Kläger zu bestimmenden Musterkläger und dem Musterbeklagten betrieben (§ 8 Abs. 1 KapMuG). Die übrigen Kläger werden nur beigeladen (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KapMuG) und haben eine dem einfachen Nebenintervenienten iSv. § 67 ZPO vergleichbare Rechtsstellung (§ 12 KapMuG).
59
Der Musterkläger wird aus der Gruppe der Kläger von Amts wegen bestimmt (§ 8 Abs. 2 KapMuG). Die Auswahl des Musterklägers erfolgt dabei unter den Klägern desjenigen Landgerichts, welches den Musterentscheid einholt. Die Auswahl erfolgt nach billigem Ermessen. § 8 Abs. 2 Satz 2 KapMuG sieht für eine interessengerechte Auswahl zwei Gesichtspunkte vor: zum einen hat das Oberlandesgericht die Höhe des Anspruchs, soweit er Gegenstand des Musterverfahrens ist, zum anderen eine Verständigung der Kläger auf einen Musterkläger zu berücksichtigen.
60
b) Bekanntmachung des Musterverfahrens. Nach Eingang des Vorlagebeschlusses beim Oberlandesgericht erhält der Vorgang dort zunächst ein neues Aktenzeichen, das Registerzeichen lautet „Kap“. Sodann bestimmt das Oberlandesgericht von Amts wegen den Musterkläger aus der Gruppe der Kläger (§ 8 Abs. 2 KapMuG). Danach macht das Oberlandesgericht die Identität der Musterparteien, das Feststellungsziel des Musterverfahrens und den Inhalt des Vorlagebeschlusses im elektronischen Klageregister bekannt. Hierzu übermittelt das Oberlandesgericht im sog. „Upload-Verfahren“ den vorgelegten Vorlagebeschluss als Datei zur Veröffentlichung an den elektronischen Bundesanzeiger.
61
c) Aussetzung aller anderen gleichgerichteten Klageverfahren. Mit der Bekanntmachung des Musterverfahrens durch das Oberlandesgericht im Klageregister sollen die Prozessgerichte und die Parteien der Ausgangsrechtsstreite in Kenntnis gesetzt werden, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung nach § 7 KapMuG gegeben sind. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG werden die Ausgangsrechtsstreite von den Prozessgerichten von Amts wegen nach der Bekanntmachung des Musterverfahrens im Klageregister ausgesetzt. Dies geschieht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 KapMuG unabhängig davon, ob in dem jeweiligen Verfahren ein Musterfeststellungsantrag gestellt wurde. Den Anspruchstellern verbleibt daher keine Wahl zwischen der Durchführung eines Individualprozesses und dem Musterverfahren. Letzteres ist vielmehr zwingend.
62
Der Aussetzungsbeschluss ist nach § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG nicht anfechtbar. Diese Vorschrift, die erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen wurde, widerspricht der in § 252 ZPO enthaltenen Regelung, wonach die Anordnung der Aussetzung des Verfahrens stets mittels der sofortigen Beschwerde überprüft werden kann. Der Umstand, dass der Aussetzungsbeschluss nicht überprüft werden kann, ist rechtsstaatlich sehr bedenklich. Denn so ist es möglich, dass Kläger an einem Musterverfahren partizipieren, obwohl ihre Klage im Ausgangsverfahren bereits mangels Schlüssigkeit abweisungsreif war. Aus der Sicht des beklagten Unternehmens ist dies nicht einzusehen.
63
Dieses sinnwidrige Ergebnis der Beteiligung von Klägern an Musterverfahren, deren Klage bereits aufgrund anderer Gesichtspunkte abweisungsreif ist, lässt sich nur dadurch teilweise beheben, dass ein hoher Prüfungsmaßstab an die Frage der Abhängigkeit des Einzelverfahrens von der konkreten Musterfrage im Musterverfahren gelegt wird. Bei einem laufenden Musterverfahren sind daher weitere, später rechtshängig werdende
64
Reuschle
1904
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
Rechtsstreite vor ihrer Aussetzung auf das Musterverfahren zu terminieren. Dabei ist im Wege eines richterlichen Hinweisbeschlusses nach § 139 ZPO auf den Vorlagebeschluss in den Parallelrechtsstreiten hinzuweisen, ferner auf eine mögliche Unsubstantiiertheit des klägerischen Vorbringens, was eine Beteiligung am Musterverfahren ausschließt. Ist der spätere Rechtsstreit z.B. mangels Schlüssigkeit entscheidungsreif, ist er sofort gemäß § 300 Abs. 1 ZPO abzuweisen. 65
d) Verfahrensrechtliche Besonderheiten. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KapMuG gelten für das Musterverfahren im Grundsatz die Vorschriften für das erstinstanzliche Verfahren vor den Landgerichten (§§ 253 ff. ZPO) entsprechend, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist.
66
aa) Wirkung von Rücknahmen. Nach § 11 Abs. 1 KapMuG hat die Rücknahme eines Musterfeststellungsantrags auf die Stellung als Musterkläger oder -beklagter keinen Einfluss. Dadurch wird sichergestellt, dass sich insbesondere der Musterkläger seiner Parteirolle nicht entziehen kann. Möchte der Musterkläger sein Klagebegehren nicht mehr weiterverfolgen, bleibt ihm nur die Möglichkeit der Klagerücknahme im Individualverfahren. § 11 Abs. 2 Satz 1 KapMuG sieht für diesen Fall vor, dass ein neuer Musterkläger bestimmt werden muss.
67
bb) Verzicht auf Auslagenvorschuss. § 9 Abs. 1 Satz 2 KapMuG sieht die Besonderheit vor, dass die Durchführung des Musterverfahrens nicht von der Zahlung eines Auslagenvorschusses, insbesondere für Sachverständige, abhängig gemacht wird. Der Verzicht auf die Erhebung von Auslagenvorschüssen rechtfertigt sich in den Musterverfahren aus mehreren Gründen. Bei einer Abhängigmachung der Beauftragung des Sachverständigen von der vorherigen Zahlung der Kosten wären erhebliche unerwünschte Auswirkungen auf das Verfahren zu erwarten. Knüpft man die Vorschusspflicht allein an die Person des Musterklägers, so wäre dieser gezwungen, Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, wenn er die meist erheblichen Sachverständigenkosten nicht alleine aufbringen kann. Die Vorschusspflicht würde damit ins Leere laufen.
68
cc) Terminsladung. Da sich an dem Musterverfahren eine Vielzahl von Klägern beteiligen kann, schlägt § 9 Abs. 2 KapMuG aus Vereinfachungsgründen vor, Termine durch öffentliche Bekanntmachung im Klageregister den Beteiligten mitzuteilen. Zugleich wird die Ladungsfrist des § 217 ZPO auf vier Wochen ausgedehnt, um eine Kenntnisnahme des Termins zu gewährleisten. Vorbilder einer Zustellung der Terminsladung durch öffentliche Bekanntmachung in Massenverfahren bilden die §§ 69 Abs. 2 Satz 3, 74 Abs. 5 VwVfG. In Abweichung zu den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die eine öffentliche Bekanntmachung erst ermöglichen, wenn mindestens 50 Zustellungen vorzunehmen sind, wird den Gerichten im Musterverfahren keine feste Zahl vorgeschrieben.
69
dd) Erweiterung des Gegenstandes des Musterverfahrens. Gemäß § 13 Abs. 1 KapMuG können der Musterkläger, der Musterbeklagte und die Beigeladenen im Rahmen des Feststellungsziels des Musterverfahrens die Feststellung weiterer Streitpunkte begehren, wenn die Entscheidung ihres Rechtsstreits davon abhängt und das Prozessgericht dies für sachdienlich hält. Die Norm, die gegenüber dem Regierungsentwurf erst im Rechtsausschuss Änderungen erfahren hat, darf als verunglückt bezeichnet werden. Anders als der Regierungsentwurf will der Gesetzgeber allen Beteiligten, also auch jedem einzelnen Beigeladenen, die Möglichkeit einräumen, weitere Streitpunkte feststellen zu lassen. Hier besteht die Gefahr, dass einzelne Beigeladene versuchen könnten, durch abwegige Anträge das Verfahren zeitweise zum Stillstand zu bringen (ebenso Hess, ZIP 2005, 1713 (1716)). Darüber hinaus ist es verhängnisvoll, die Sachdienlichkeit der Erweiterung in die Beur-
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1905
teilungskompetenz des Prozessgerichts anstelle des erkennenden Oberlandesgerichts zu stellen. Da die Erweiterung des Vorlagebeschlusses durch das Prozessgericht nach § 13 Abs. 2 KapMuG unanfechtbar und bindend für das Oberlandesgericht ist, ist die Anfrage beim judex a quo reiner Formalismus. Intrikat wird es dann, wenn in einem Musterverfahren verschiedene Prozessgerichte beteiligt sind. Wird zum Beispiel ein Unternehmen mit Sitz in München und Berlin verklagt und ist das OLG München aufgrund eines Vorlagebeschlusses zur Durchführung des Musterverfahrens angerufen worden, dann stellt sich die Frage, ob im Falle der Erweiterung des Gegenstands des Musterverfahrens entweder das Landgericht Berlin oder das Landgericht München I unter Heranziehung der Akten aus Berlin den Vorlagebeschluss erweitern muss, wenn diese Erweiterung von Klägern begehrt wird, die ihre Klage gegen das Unternehmen in Berlin eingereicht haben. Es spricht einiges dafür, dass das Landgericht München I unter Heranziehung der Akten die Sachdienlichkeit beurteilen muss. Insgesamt wird aber damit auch deutlich, dass die Anfrage beim judex a quo, ob die Erweiterung sachdienlich ist, nicht vom Gesetzgeber durchdacht wurde. e) Musterentscheid. Das Musterverfahren endet nach mündlicher Verhandlung mit dem Musterentscheid des Oberlandesgerichts durch Beschluss (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KapMuG). Ist der Musterkläger oder der Musterbeklagte säumig, kann ein Säumnisbeschluss entsprechend §§ 330, 331 ZPO ergehen (vgl. BT-Drs. 15/5091, S. 25), es sei denn, dass ein Beigeladener erschienen ist. Ist ein Beigeladener jedoch nicht oder nicht ordnungsgemäß zu dem Termin geladen worden, steht dem Säumnisbeschluss § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entgegen, da der Musterkläger bzw. der Musterbeklagte als nicht ordnungsgemäß geladen gilt. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 KapMuG sind die Beigeladenen nicht im Rubrum des Musterentscheids zu bezeichnen.
70
Der Musterentscheid wird gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 KapMuG nur den Musterparteien zugestellt. Den Beigeladenen wird er nur formlos mitgeteilt. Eine Zustellung ist ebenso wie im Falle der Nebenintervention und der Streitverkündung entbehrlich, wie § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO zeigt. § 14 Abs. 1 Satz 4 KapMuG sieht die Möglichkeit vor, dass die Mitteilung einschließlich der Zustellung des Musterentscheids an den Musterkläger oder Musterbeklagten durch öffentliche Bekanntmachung im Klageregister ersetzt werden kann. Nach § 14 Abs. 2 KapMuG trifft das Oberlandesgericht grundsätzlich in dem Musterentscheid keinen Kostenausspruch. Diese Vorschrift stellt eine Ausnahme zu § 308 Abs. 2 ZPO dar. Die Ausnahme erklärt sich daraus, dass die Prozessgerichte nach Durchführung des Musterverfahrens gegebenenfalls individuelle Anspruchsvoraussetzungen noch prüfen müssen und erst dann der Klage eines Anlegers stattgeben können oder sie abweisen müssen. Insofern erscheint es sinnvoller, dass die im Musterverfahren erwachsenen Kosten als Teil der Kosten behandelt werden, die bei den jeweils in der ausgesetzten Hauptsache befassten Prozessgerichten erwachsen. f) Rechtsbeschwerde. Gegen den Musterentscheid ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG). Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sieht für das Rechtsbeschwerdeverfahren die Besonderheit vor, dass die Sache im Musterverfahren stets grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 KapMuG). Diese Vermutungswirkung trägt dem Umstand Rechnung, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Auslegung der Zulassungsgründe gerade keine „einfachrechtlichen“ Verfahrensrügen, sondern nur Verstöße gegen „grundrechtsgleiches“ Verfahrensrecht zu berücksichtigen sind (vgl. BT-Drs. 15/ 5091, S. 29 unter Hinweis auf BGH NJW 2003, 1943, 1946).
73
Reuschle
71
72
74
75
1906
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
76
aa) Beteiligte des Musterrechtsbeschwerdeverfahrens. Die Beteiligten des Musterrechtsbeschwerdeverfahrens sind primär der Musterrechtsbeschwerdeführer und der Musterrechtsbeschwerdegegner. Sie sind zu unterscheiden von den Parteien des erstinstanzlichen Musterverfahrens, dem Musterkläger und dem Musterbeklagten. Diese bleiben auch Parteien des in der Rechtsmittelinstanz fortgesetzten Musterverfahrens (vgl. KK-KapMuG-Rimmelspacher § 15 Rn. 49). Die Stellung des Rechtsbeschwerdeführers fällt mit der Rolle als Musterpartei (Musterkläger/Musterbeklagter) zusammen, wenn eine Musterpartei Rechtsbeschwerde einlegt (§ 15 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 KapMuG). Das gilt selbst dann, wenn die Rechtsbeschwerde der Musterpartei eines Beigeladenen konkurriert. Die Positionen der Musterpartei und des Rechtsbeschwerdeführers verteilen sich jedoch auf zwei Personen, wenn nur ein Beigeladener Rechtsbeschwerde einlegt (§ 15 Abs. 4 Satz 1 KapMuG). Die Musterpartei kann in diesem Fall dem Rechtsbeschwerdeverfahren beitreten. Dagegen ist Rechtsbeschwerdegegner immer nur eine Musterpartei.
77
Eine verfahrensrechtliche veränderte Position haben die Beigeladenen im Musterrechtsbeschwerdeverfahren. Die Beiladungswirkung wird im Rahmen der Rechtsbeschwerdeinstanz dahingehend modifiziert, als der Beigeladene bei Einlegung einer Rechtsbeschwerde durch den Musterkläger oder den Musterbeklagten seinen Beitritt erklären muss. Lehnt er den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird das Musterverfahren in der Rechtsmittelinstanz ohne ihn fortgesetzt. Die Musterentscheidung in der Rechtsbeschwerdeinstanz bindet ihn dennoch (§ 16 Abs. 3 KapMuG). Dem Beitrittserfordernis liegt die Erwägung zugrunde, dass der Beigeladene nach einem negativen Musterentscheid nicht gezwungen sein soll, in der Rechtsmittelinstanz mitwirken zu müssen und er frei über das Rechtsmittel disponieren können soll (vgl. BT-Drs. 15/5091 S. 24). Eine besondere Position innerhalb des Musterrechtsbeschwerdeverfahrens nimmt derjenige Beigeladene ein, der zwar nicht selbst Rechtsbeschwerde eingelegt hat, aber dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten ist (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 KapMuG). Er kann nur dann zum Rechtsbeschwerdeführer aufrücken, wenn die Musterpartei ihre Beschwerde (§ 15 Abs. 3 Satz 2 KapMuG) oder Klage zurücknimmt.
78
bb) Beschwerdeberechtigte. Beschwerdeberechtigt sind alle Beteiligten (§ 15 Abs. 1 Satz 4 KapMuG), also der Musterkläger, der Musterbeklagte und die Beigeladenen (§ 8 Abs. 1 KapMuG). Da der Musterentscheid den Beigeladenen nicht zugestellt wird, können diese ihre Beschwer mittels des Aussetzungsbeschlusses in Verbindung mit dem negativen Musterentscheid nachweisen (vgl. BT-Drs. 15/5091, S. 29).
79
cc) Frist zur Einlegung der Beschwerde. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt einen Monat (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie beginnt entweder mit der Zustellung des Musterentscheids (§ 14 Abs. 1 Satz 1, 1.Hs) oder bei öffentlicher Bekanntmachung (§ 14 Abs. 1 Satz 4 KapMuG) in dem von § 188 ZPO iVm. § 9 Abs. 1 Satz 1 KapMuG bezeichneten Zeitpunkt. Für den Lauf der Frist kommt es allein auf die Verlautbarung gegenüber der Musterpartei an (vgl. BT-Drs. 15/5091, S. 29). Für den Fall, dass es an einer Verlautbarung fehlt oder diese unwirksam ist, beträgt die Einlegungsfrist entsprechend §§ 517, 548 ZPO fünf Monate ab dem Zeitpunkt der wirksamen Verkündung des Musterentscheides.
80
dd) Gegenstand und Prüfungsumfang der Rechtsbeschwerde. Die Musterrechtsbeschwerdegründe normiert § 576 ZPO (vgl. KK-KapMuG-Rimmelspacher § 15 Rn. 138 ff.). Danach ist erforderlich, dass der Musterentscheid eine rechtsbeschwerdefähige Norm verletzt und auf dieser Verletzung beruht. Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (vgl. § 576 Abs. 1, Abs. 3 iVm. § 546
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1907
ZPO). Auch einfachrechtlich Verfahrensrügen können im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgebracht werden (§ 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Dagegen kann die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für ein Musterverfahren gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nicht vorlagen (§ 15 Abs. 1 Satz 3 KapMuG). Es kann also weder gerügt werden, dass das vorlegende Prozessgericht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapMuG nicht zuständig gewesen sei, noch, dass das Quorum für ein Musterverfahren nicht erreicht sei. 3. Entscheidung der Individualverfahren. Nach Durchführung des Musterverfahrens wird der Musterentscheid den einzelnen Rechtsstreiten zu Grunde gelegt. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 5 KapMuG wird mit der Einreichung des rechtskräftigen Musterentscheids durch einen Beteiligten des Musterverfahrens das ausgesetzte Individualverfahren wieder aufgenommen. In den einzelnen Rechtsstreiten wird dann über individuelle Anspruchsvoraussetzungen, die nicht Teil des Musterentscheids waren, z.B. die Kenntnis des Anlegers von der Unrichtigkeit des Börsenprospekts oder die Höhe des geltend gemachten Schadens sowie die Kosten des Musterverfahrens entschieden.
81
D. Amtswegige Auswahl der Musterparteien
82
Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KapMuG erfolgt die Bestimmung des Musterklägers nach billigem Ermessen des Oberlandesgerichts durch unanfechtbaren Beschluss. Die Regelung lehnt sich an die Vorschrift des § 93a Abs. 1 VwGO an. Der Unterschied zwischen dem Kapitalanleger-Musterverfahren und dem Musterverfahren nach § 93a VwGO besteht jedoch vor allem darin, dass im verwaltungsgerichtliche Musterverfahren eines der anhängigen Verwaltungsgerichtsverfahren ohne jegliche Beteiligung der übrigen von der behördlichen Maßnahme Betroffenen durchgeführt wird. Die Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entfaltet keine Bindungswirkung für die übrigen Prozesse, wie insbesondere § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO zeigt. Durch die gerichtliche Auswahl will der Gesetzgeber die Gefahr eines sog. „race to the courtroom“ unterbinden, wie sie bei der Sammelklage nach US-amerikanischem Muster auftritt (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/5091 S. 25; kritisch dazu Duve/Pfitzner, BB 2005, 673 (677 f.); Vorwerk/Wolf-Lange, § 8 Rn. 13). Dort repräsentiert nämlich dasjenige Gruppenmitglied, das zuerst eine sog. class action einbringt, bei Zulassung der Klage die gesamte Gruppe. Das Oberlandesgericht wählt dagegen einen Kläger aus den im Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses beim Vorlagegericht rechtshängigen Verfahren aus.
83
I. Amtswegige Bestimmung des Musterklägers. Die Bestimmung des Musterklägers von Amts wegen stellt zwar eine Neuheit im Zivilprozess dar, ist jedoch auf Grund der Gleichgerichtetheit der Interessen der Kläger in den Einzelprozessen unbedenklich. Sowohl der Musterkläger als auch die Beigeladenen auf Seiten des Musterklägers verfolgen im Musterverfahren dasselbe Feststellungsziel, nämlich die Feststellung einer anspruchsbegründenden Voraussetzung, z.B. die Feststellung der Unrichtigkeit eines Börsenprospektes, einer Ad-hoc-Meldung etc. Diese Interessenlage rechtfertigt es, die Auswahl des Musterklägers in das billige Ermessen des Oberlandesgerichts zu stellen.
84
Die Auswahl des Musterklägers ist auf die Kläger bei dem Gericht beschränkt, das den Musterentscheid einholt. Mit dieser Einschränkung wird den Fallkonstellationen Rechnung getragen, in denen ein ausländischer Emittent nach Artikel 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) des Rates Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 in Deutschland verklagt wird und keine Verfahrenskanalisation über den ausschließlichen Gerichtsstand des § 32b ZPO erreicht werden kann bzw. ein inländischer Emittent über einen Doppelsitz verfügt und an beiden Sitzen nach § 32b Abs. 1 Satz 1 iVm. § 35 ZPO verklagt werden kann. In beiden
85
Reuschle
1908
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
genannten Fällen kommt als Musterkläger nur derjenige Kläger des Gerichts in Betracht, bei dem der erste, sog. prioritätsälteste Musterfeststellungsantrag gestellt und bekannt gemacht wurde. Bei welchen anderen Gerichten weitere gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt werden, ist dann unerheblich. 86
Die Auswahl erfolgt durch Beschluss, der nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist. Die Regelung entspricht insofern § 93a Abs. 1 Satz 3 VwGO.
87
1. Kriterien. Um eine interessengerechte Auswahl eines Musterklägers zu gewährleisten, sieht § 8 Abs. 2 Satz 2 KapMuG zwei Gesichtspunkte vor, die das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat: zum einen die Anspruchshöhe, zum anderen eine Verständigung mehrerer Kläger auf einen Musterkläger.
88
Nach Nummer 1 soll die Höhe des Anspruchs, soweit er Gegenstand des Musterverfahrens ist, berücksichtigt werden. Das Oberlandesgericht soll möglichst den Kläger als Musterkläger bestimmen, der den höchsten Einzelanspruch verfolgt. Bei Erhebung einer Teilklage bleibt hingegen der zurückgehaltene Anspruch unberücksichtigt. Das Kriterium des höchsten Einzelanspruchs steht in Korrelation mit der Größe des Anteilsbesitzes einer Person oder einer Gruppe an einer Gesellschaft. Das Kriterium schafft ähnlich wie die Figur des „lead plaintiff“ nach dem US-amerikanischen Private Securities Litigation Reform Act von 1995 die widerlegbare Vermutung, dass die Person mit dem größten Anteilsbesitz an einer Gesellschaft der geeignetste Musterkläger ist. Ein Großaktionär genießt gegenüber Kleinaktionären eine gesellschaftsrechtlich bedeutendere Stellung, die bei der Auswahl zum Musterkläger zu berücksichtigen ist. Bei einer Teilklage ist die Parallele zwischen Anspruchshöhe und Anteilsbesitz nicht gegeben. Das Kriterium des höchsten Einzelanspruchs korreliert mit der Fassung des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG iVm. § 16 Nr. 15 RVG. Danach wird bestimmt, dass das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug im Musterverfahren dieselbe Angelegenheit bilden. Der Prozessvertreter des Musterklägers erhält daher für seine Tätigkeit im Musterverfahren lediglich diejenigen Gebühren, die ihm nicht bereits aus dem Hauptsacheverfahren zustehen. Eine zusätzliche Gebühr verdient der Prozessvertreter des Musterklägers nicht, da er im Ausgangsverfahren zur Durchsetzung des Anspruchs denselben Aufwand gehabt hätte wie in dem abgekoppelten Musterverfahren. Dieser Umstand spricht dafür, dass das Oberlandesgericht den Kläger mit dem höchsten Streitwert favorisieren sollte, um dem Prozessvertreter einen finanziellen Ausgleich zu sichern.
89
Nach Nummer 2 soll das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des Musterklägers eine Verständigung mehrerer Kläger auf einen Musterkläger berücksichtigen. Dieses Kriterium entspricht dem Grundsatz der Parteiherrschaft (vgl. Hess, WM 2004, 2329 (2330)). Es soll der Tatsache Rechnung tragen, dass gerade im Bereich des Kapitalmarktrechts die Kläger größtenteils von großen Kanzleien vertreten werden. Vertritt in einem Schadensersatzprozess eine Kanzlei eine Vielzahl von Kleinanlegern, erscheint es aus Praktikabilitätsgründen und Gründen der Prozessökonomie gerechtfertigt, einen Kläger mit einem niedrigeren Individualanspruch zum Musterkläger zu bestimmen. Dadurch wird gewährleistet, dass das Musterverfahren schlank gehalten wird und ein gewisser Bündelungseffekt durch die streitgenossenschaftliche Vertretung eintritt. Für den Nachweis der Verständigung ist bereits ausreichend, dass die Großkanzlei z.B. 1.000 Kleinanleger im Rahmen einer Streitgenossenschaft vertritt und diese pro Anleger einen Schaden von rund 3.000 € geltend machen. In einem derartigen Fall ist es möglich, einen dieser Kleinanleger gegenüber einem „Großanleger“, dessen Schaden sich auf rund 1,5 Mio. € beläuft, als Musterkläger vorzuziehen. Die Auswahl eines Kleinstanlegers zum Musterkläger bedingt indes stets, dass die betroffene Anwaltskanzlei des Musterklägers eine effiziente Führung des Musterverfahrens für alle betroffenen Kläger gewährleisten kann und die Gefahr einer
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1909
Klagerücknahme seitens des Musterklägers während des Musterverfahrens nicht wahrscheinlich ist. Die Verständigung mehrerer Kläger auf einen Musterkläger ist durch den Prozessvertreter des vorgeschlagenen Klägers im Wege der Glaubhaftmachung schriftlich mitzuteilen. Die Glaubhaftmachung im Wege der anwaltlichen Versicherung ist ausreichend. a) Verhältnis der Auswahlkriterien zueinander. Die Grundlage ermessensgerechter Auswahl besteht in der Gewährleistung einer angemessenen Interessenwahrnehmung aller Kläger im Musterverfahren (vgl. nur Vorwerk/Wolf-Lange, § 8 Rn. 26). Die im Diskussionsentwurf (vgl. Sonderbeilage zu BKR 6/2004) als Kriterium formulierte Erwartung an eine zweckdienliche Interessenvertretung wurde zwar seitens der Bundesrechtsanwaltskammer als völlig inakzeptabel moniert und deshalb gestrichen. Letztlich wird dieses nicht im Gesetzestext benannte Kriterium dennoch das Ermessen des Gerichts mitbestimmen. Das Ermessen des Gerichts ist für den Fall, dass sich alle Kläger auf einen Musterkläger verständigen, auf Null reduziert. Dies gebietet die Parteiherrschaft, die das Gericht bei seiner Auswahl zu beachten hat. Für den Fall, dass mehrere Kläger in etwa gleich hohe Ansprüche gegen den Musterbeklagten geltend machen, ist die absolute Höhe des Einzelanspruchs kein ausschlaggebendes Kriterium für die Ernennung zum Musterkläger. Hier bietet es sich an, vorrangig eine Verständigung mehrerer Kläger auf einen Musterkläger zu prüfen. Diese liegt nahe, wenn einzelne Kläger von einem Prozessvertreter vertreten werden. Die Höhe der addierten Individualansprüche mag dann einer Verständigung ein stärkeres Gewicht verleihen. Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Auswahl kann sein, dass der Kläger in seiner Klage möglichst viele der unterschiedlich geltend gemachten Streitpunkte auf sich vereint. Kein Kriterium ist dagegen die Bereitschaft zur Prozessführung als Musterkläger (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/5091 S. 25; a.A. Vorwerk/Wolf-Lange, § 8 Rn. 28). Denn das geführte Musterverfahren unterscheidet sich für den zum Musterkläger auserkorenen Kläger von dem Ausgangsverfahren in keinerlei Weise. Auch dort hätte er die Behauptungs- und Darlegungslast gegen den Beklagten gehabt. Durch die Bezeichnung als Musterkläger ergeben sich für den zu führenden Prozess keine weiteren Lasten für den betroffenen Kläger. Vielmehr führt er seinen Ausgangsrechtsstreit in einem verselbständigten Musterverfahren weiter mit der Besonderheit, dass andere Kläger vom Ergebnis des Ausgangs profitieren. Ebenso wenig ist bei der Auswahl ausschlaggebend, ob der ausgewählte Kläger einen Musterfeststellungsantrag gestellt hat oder nicht. Denn dem Beklagten steht es ebenfalls zu, das Musterverfahren durch einen Musterfeststellungsantrag einzuleiten und der Kläger kann sich einer auf Antrag des Beklagten begehrten Feststellung nicht entziehen. Schwieriger lässt sich das Verhältnis zwischen einem sehr hohen Individualanspruch und einer entgegenstehenden Verständigung mehrerer Kläger klären. Für ein Rangverhältnis zwischen dem Kriterium des hohen Individualanspruchs und der entgegenstehenden Verständigung spricht zunächst die gesetzliche Reihenfolge der Nummerierung. Für dieses Rangverhältnis spricht insbesondere die Vermutung, dass mit der Auswahl des höchsten Individualanspruchs eine interessengerechte Vertretung in der Regel gewährleistet wird. Insofern ist beim Zusammentreffen eines Großaktionärs mit einer Vielzahl von Kleinaktionären ersterem den Vorrang einzuräumen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/ 5091 S. 25). Dagegen kann bei hohen Individualansprüchen von Kleinaktionären dann einer Verständigung mehrerer Kläger gegenüber dem höchsten Individualanspruch Vorrang eingeräumt werden, wenn die addierte Anspruchshöhe gegenüber dem höchsten Individualanspruch gleichwertig ist und sich die Kläger allein von einem Prozessvertreter im Musterverfahren vertreten lassen.
Reuschle
90
91
92
93
1910
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
94
b) Auswahlgrundlage. Das Gesetz regelt nicht, auf welcher Grundlage das Oberlandesgericht den Musterkläger auswählt. Auf das Klageregister kann das Oberlandesgericht zur erstmaligen Bestimmung des Musterklägers nicht Bezug nehmen. Denn die Prozessgerichte unterrichten das das Musterverfahren führende Oberlandesgericht nach § 7 Abs. 2 KapMuG über die Aussetzung unter Angabe der Höhe des Anspruchs erst nach der Bekanntmachung, welche den Namen des Musterklägers bereits enthält. Im Regierungsentwurf war in § 4 Abs. 2 KapMuG-E (vgl. BT-Drs. 15/5091 S. 6, 23) vorgesehen, dass mit dem Vorlagebeschluss die Schriftsätze der Antragsteller und des Antragsgegners an das Oberlandesgericht übermittelt werden. Diese Vorschrift wurde redaktionell durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages überarbeitet. In der Begründung des Rechtsausschusses heißt es, es werde davon ausgegangen, dass das Oberlandesgericht zur Auswahl des Musterklägers die Akten der anhängigen Verfahren anfordern wird. Die Ausführungen des Rechtsausschusses überzeugen kaum. Denn das Oberlandesgericht kennt ja weder die Anzahl der gegebenenfalls bei verschiedenen Prozessgerichten anhängigen Verfahren noch deren Aktenzeichen.
95
Der redaktionellen Fehlleistung des Gesetzgebers kann nur dadurch abgeholfen werden, indem man das Vorlagegericht von Amts wegen verpflichtet, die im Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses bei diesem Gericht anhängigen Verfahren unter Bezeichnung der Verfahrensbeteiligten und der Anspruchshöhe im Vorlagebeschluss oder als Anlage zum Vorlagebeschluss an das Oberlandesgericht mitzuteilen (so zutreffend Vorwerk/Wolf-Lange, § 8 Rn. 22). Diese Pflicht des Vorlagegerichts lässt sich im Vorgriff auf § 7 Abs. 2 KapMuG ableiten. Soweit die Ausgangsrechtsstreite an verschiedenen Gerichten anhängig sind, ist für eine Bestimmung des Musterklägers die Anforderung von Verfahrensakten, die nicht bei dem Vorlagegericht, sondern bei anderen Prozessgerichten anhängig sind, nicht zweckmäßig. Denn keiner dieser Kläger kann nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zum Musterkläger bestimmt werden. 2. Auswechslung des Musterklägers. Eine Auswechslung des Musterklägers sieht das Gesetz nur für die Sonderfälle des § 11 KapMuG vor, in denen der Musterkläger aufgrund eines Ereignisses wegfällt. Im Übrigen sieht das Gesetz bewusst keinen Austausch des Musterklägers während des Musterverfahrens vor. In den Motiven heißt es zu § 8 KapMuG (vgl. BT-Drs. 15/5091 S. 25), dass sich einerseits der Kläger einer auf Antrag der Beklagten begehrten Feststellung nicht entziehen kann und es andererseits nicht die Gruppe der Kläger in Hand haben darf, ob ein von Beklagten angestrengtes Musterverfahren durchgeführt wird. Aus diesen Motiven folgt einerseits, dass der Kläger auch als Musterkläger führen muss, da er den gleichen Prozess in seinem Ausgangsrechtsstreit geführt hätte. Andererseits darf der Gruppe der Kläger auch nicht das Recht eingeräumt werden, das Musterverfahren durch einen Austausch auf Klägerseite auf Dauer hinauszuzögern. Eben diese Gefahr bestünde, wenn man einen Austausch des Musterklägers zuließe. Die Gegenansicht begründet dagegen die Möglichkeit einer Auswechslung des Musterklägers mit dem Umstand, dass das Gericht während des Musterverfahrens nicht mehr von seiner Auswahlentscheidung überzeugt ist, da eine angemessene Interessenwahrnehmung nicht mehr gewährleistet sei (so Vorwerk/Wolf-Lange, § 8 Rn. 45). Die Auffassung begegnet erheblichen Bedenken. Mit der erneuten Auswahl eines Musterklägers dürfte sich das Gericht im Laufe des Verfahrens der Gefahr der Befangenheit aussetzen, wenn es seine getroffene Entscheidung mit dem Hinweis revidieren möchte, dass eine angemessene Interessenwahrnehmung auf Seiten der Kläger nicht mehr gewährleistet sei. Die Gegenansicht übersieht auch, dass den übrigen Beigeladenen genügend Spielraum über § 12 KapMuG bleibt, das Musterverfahren zielgerichtet voranzutreiben.
96
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1911
II. Auswahl des Musterbeklagten. Eine Auswahl des Musterbeklagten hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen (ebenso Vorwerk/Wolf-Lange, § 8 Rn. 8). Das KapitalanlegerMusterverfahrensgesetz wurde für die Fälle konzipiert, dass eine Vielzahl von Klägern einem oder wenigen Beklagten gegenüber steht. Werden in den Ausgangsverfahren gegen personenverschiedene Beklagte jeweils ausreichend Musterfeststellungsanträge gestellt, so setzt sich die Streitgenossenschaft im Musterverfahren fort. Die Beklagten sind als notwendige Streitgenossen Musterbeklagte. Für den Fall, dass gegen einen Beklagten nicht ausreichend Musterfeststellungsanträge gestellt wurden, wird dieser Beklagte nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KapMuG zum Musterverfahren beigeladen.
97
E. Rolle und Stellung der Beteiligten
98
I. Musterparteien. 1. Rolle und Aufgabe. Den Musterparteien obliegt es, den „Prozessstoff“ des Musterverfahrens im Rahmen vorbereitender Schriftsätze aufzubereiten und vorzutragen (§ 130 ZPO), wie sich auch aus § 10 Satz 1 KapMuG ergibt. Da der vom Oberlandesgericht ausgewählte Kläger nicht zu den Klägern gehören muss, die einen bekannt gemachten Musterfeststellungsantrag gestellt haben, lässt es sich nicht ausschließen, dass der vom Musterkläger im Ausgangsverfahren gehaltene Vortrag nicht identisch ist mit den Vorträgen der übrigen Kläger. Insofern stellt sich die Frage, ob der Musterkläger auch gegen seinen Willen anhand des Vorlagebeschlusses Tatsachen vortragen muss und insoweit Interessenvertreter der übrigen Beigeladenen ist. Teile der Literatur nehmen an, dass der Musterkläger alle anderen Individualkläger im Musterverfahren vertrete (Plaßmeier, NZG 2005, 609 (612)) bzw. dass er amtlich bestellter „Sachwalter“ oder „Interessenverwalter“ (Keller/Kolling, BKR 2005, 399 (401 f.); Ek, S. 152) und diesen gegenüber eine Verantwortung trage (so Gansel/Gängel, NJ 2006, 13 (16 Fn. 22)). Diese Auffassung übersieht, dass die Ausgestaltung der Beigeladenenrechte nach § 12. Der Gesetzgeber hat den Beigeladenen nämlich nicht nur Beteiligungsrechte eingeräumt, sondern legt ihnen in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 auch eine Einlassungslast auf (so Hess, ZIP 2005, 1713 (1716); ders., WM 2004, 2329 (2331); Kilian, S. 96 f.). Der Musterkläger führt daher das Musterverfahren allein in seinem eigenen Interesse und ist kein Vertreter der Beigeladenen (vgl. BT-Drs 15/5091, S. 49; Maier-Reimer/Wilsing, ZGR 2006, 79 (108); Koch, BRAK-Mitt. 2005, 159 (163); Gundermann/ Härle, VuR 2006, 457 (460)). Er bildet mit den Parallelklägern als Beigeladene aufgrund der prinzipiellen Gleichgerichtetheit eine Zufallsgemeinschaft im Massenverfahren. Für den Musterkläger stellt sich das Musterverfahren als Fortsetzung des eigenen, vor dem Prozessgericht begonnenen Rechtsstreits dar. Allein diesen will er gewinnen, der Erfolg der übrigen Parallelkläger in ihren Ausgangsverfahren ist für ihn irrelevant, so dass sich daraus auch keine Fürsorge- oder Treuepflichten den Beigeladenen gegenüber ableiten lassen. Das Obsiegen des Musterklägers im Musterverfahren stellt sich im Verhältnis zu den anderen Parallelklägern als reiner Rechtsreflex dar (zutreffend Kilian, S. 96).
99
Daraus folgt für die Darlegungslast des Musterklägers Folgendes: Der Musterkläger soll die aus seinem Ausgangsverfahren bekannten Streitpunkte und Tatsachen anhand des Vorlagebeschlusses vortragen. Weitergehender Vortrag zu den von den Musterparteien in ihren vorbereitenden Schriftsätzen nicht angesprochenen, aber klärungsbedürftigen Streitpunkten steht den Beigeladenen nach § 10 Satz 1 KapMuG zu. Der Beibringungsgrundsatz wird dagegen erst im Rahmen der Bindungswirkung des Musterentscheids modifiziert, als diese eingreift, gleichviel ob der jeweilige Beteiligte in seinem Ausgangsverfahren den Streitpunkt selbst geltend gemacht hat oder nicht.
100
a) Geständnis der Musterpartei. Ungeachtet der Ergänzungsmöglichkeit der vorbereitenden Schriftsätze der Musterparteien durch die Beigeladenen und ihrer Möglichkeit
101
Reuschle
1912
102
103
104
105
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
zum Vortrag weiterer Angriffs- und Verteidigungsmittel geht der Sachvortrag der Musterpartei demjenigen der Beigeladenen vor (ebenso KK-KapMuG-Vollkommer § 9 Rn. 97). Dies hat auch Auswirkungen auf die im Musterverfahren anwendbaren Bestimmungen der §§ 288ff. ZPO über das gerichtliche Geständnis. Die Vorschriften können nur bei Tatsachenfragen, nicht dagegen bei der Klärung von Rechtsfragen zur Anwendung kommen, da nur behauptete Tatsachen geständnisfähig sind. Umstritten ist, ob der Musterkläger unabhängig oder gegen den Willen der Beigeladenen zugestehen kann. Gegen ein Geständnis seitens des Musterklägers wird angeführt, der Musterkläger könne dem Musterverfahren nicht den Boden durch Klagrücknahme entziehen und deshalb könne er dies auch nicht auf dem Wege, dass er die festzustellende Richtigkeit der vom Musterbeklagten aufgestellten Behauptung zugestehe (so Vorwerk/ Wolf-Parriger, § 9 Rn 19). Schließlich würde ein Geständnis des Musterklägers das Ziel des Musterverfahrens gefährden, da die Bindungswirkung des § 16 Abs. 2 KapMuG entfiele. Schließlich ordne § 14 Abs. 3 KapMuG ausdrücklich an, dass § 306 ZPO keine Anwendung im Musterverfahren finde. Der Hinweis auf § 306 ZPO ist nicht überzeugend: § 306 ZPO bezieht sich auf den streitgegenständlichen Anspruch; der Verzicht ist eine reine Prozesshandlung (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 131 Rn. 74). Dagegen betrifft § 288 die Tatsachenbehauptung als solche; sie stellt eine Wissenserklärung dar. Auch rechtfertigt eine unterschiedlich weit reichende Bindungswirkung nach § 16 Abs. 2 KapMuG nicht, dem Musterkläger das Recht zum Geständnis gegen den Willen der übrigen Beigeladenen abzusprechen. Die Auffassung übersieht nämlich, dass die Beigeladenen nur zur Unterstützung seiner Musterpartei handeln dürfen (vgl. BT-Drs. 15/5091 S. 28) und nicht zu Handlungen befähigt sind, die gegen die Partei gerichtet sind oder die ihrer Natur nach die Prozessführung der Musterpartei lahm legen. Die gegenteilige Auffassung führt dazu, dass ein querulatorischer Beigeladener letztlich es in der Hand haben könnte, welche Tatsachen strittig bleiben oder unstreitig gestellt werden können. Damit hätte der Musterkläger keine Steuerungshoheit mehr im Musterverfahren. Der Musterkläger kann daher auch nach Bestreiten seitens eines Beigeladenen auf seiner Seite jederzeit über eine Tatsache ein wirksames gerichtliches Geständnis ablegen (KK-KapMuG-Vollkommer § 9 Rn. 99). Der Beigeladene auf Seiten des Musterklägers kann ein solches Geständnis im Rahmen des § 290 ZPO widerrufen, wenn nicht der Musterkläger erklärt, es solle bei dem Geständnis bleiben. Ebenso wie der Musterkläger kann der Musterbeklagte ein Geständnis ablegen, auch wenn dies gegen den Willen eines weiteren beigeladenen Beklagten aus einem Parallelverfahren erfolgt. b) Bestreiten der Musterparteien. Soweit anspruchsbegründende Tatsachen festzustellen sind, findet § 138 Abs. 3 ZPO im Verhältnis zu den Behauptungen der Musterparteien Anwendung. Das Bestreiten eines von der Musterpartei nicht bestrittenen Vortrags durch den Beigeladenen behandelt § 12 KapMuG. Sind dagegen Rechtsfragen auf der Grundlage unstreitiger Tatsachenbehauptungen zu klären, gibt es keinen divergierenden Vortrag seitens der Beigeladenen, der in Widerspruch zu den Angriffs- und Verteidigungsmittel der Musterpartei stehen kann. c) Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand des Musterverfahrens. Dem Musterkläger kommt im Gegensatz zu den Beigeladenen auch Dispositionsbefugnis zu, als nur die Musterparteien den Musterfeststellungsantrag während des Musterverfahrens um weitere Feststellungsziele entsprechend § 9 Abs. 1 KapMuG iVm. § 263 Abs. 1 Variante 2 ZPO erweitern können. Dem steht auch § 13 KapMuG nicht entgegen. Denn diese Vorschrift wurde durch den Rechtsausschuss auf die Erweiterung von Streitpunkten innerhalb desselben Feststellungsziels beschränkt.
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1913
Nicht dagegen kann der Musterkläger ohne Zustimmung aller Beigeladenen einen Vergleich im Musterverfahren schließen. 2. Verfahrenserweiternde Dispositionsakte. a) Erweiterung des Musterverfahrens um weitere Streitpunkte. Nach § 13 Abs. 1 KapMuG können die Musterparteien im Rahmen des Feststellungsziels die Feststellung weiterer Streitpunkte begehren, wenn die Entscheidung ihres Rechtsstreits davon abhängt und das Prozessgericht dies für sachdienlich hält. Die Vorschrift betrifft die Erweiterung bezogen auf einzelne Streitpunkte, die gesetzliche Überschrift der Vorschrift bezieht sich auf die Erweiterung des Verfahrensgegenstandes im Musterverfahren. Die Vorschrift ist in mehrfacher Hinsicht gesetzgeberisch verunglückt (vgl. Hess, ZIP 2005, 1713 (1716); Reuschle, KapMuG, S. 41). Sie ist nur vor dem Hintergrund der Gesetzgebungsgeschichte zu verstehen. Der Regierungsentwurf sah vor, dass nur die Musterparteien oder ein Quorum von zehn Beigeladenen (vgl. § 13 Satz 2 RegE) die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens weiterer anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Voraussetzungen begehren. Den Motiven zufolge handelt es sich um eine zu den §§ 263ff. ZPO spezielle Möglichkeit der Erweiterung des Streitgegenstands des Musterverfahrens. Der Rechtsausschuss hat hingegen durch seine Neuformulierung der Vorschrift einen neuen geänderten Sinn gegeben. Nach der Neuformulierung kann im Rahmen des durch den Vorlagebeschluss dokumentierten Feststellungsziels die Feststellung weiterer Streitpunkte begehrt werden. Darüber hinaus sieht der klare Wortlaut „im Rahmen des Feststellungsziels“ nicht die Feststellung weiterer Voraussetzungen vor. Diese am Wortlaut orientierte Auslegung verdient insoweit den Vorzug, als ansonsten die Gefahr bestünde, dass jeder Beigeladene versuchen könnte, durch die Feststellung weiterer Voraussetzungen das Verfahren zum Stillstand zu bringen. § 13 KapMuG beschränkt sich daher allein auf die Möglichkeit zur Einführung weiterer Streitpunkte innerhalb desselben Feststellungsziels, nicht aber zur Einführung eines weiterer Feststellungsziels (a.A. Vorwerk/Wolf-Fullenkamp, § 13 Rn 6).
106
b) Erweiterung des Musterverfahrens um weitere Feststellungsziele. Um weitere Feststellungsziele im Musterverfahren einführen zu können, muss den Musterparteien die Möglichkeit der Klageerweiterung gegeben werden. Die Klageerweiterung bezieht dabei auf anspruchsausschließende Voraussetzungen. Die Klageerweiterung richtet sich nach § 9 Abs. 1 KapMuG iVm. § 263 ZPO, wobei eine Klagerweiterung auf weitere Feststellungsziele nur zugelassen werden sollte, wenn sie nach Auffassung des Oberlandesgerichts als sachdienlich eingestuft wird. 3. Verfahrensbeendende Dispositionsakte. a) Rücknahme des Musterfeststellungsantrags. Die Rücknahme eines von einer Musterpartei gestellten Musterfeststellungsantrags hat keinen Einfluss auf deren Stellung und den Fortgang des Verfahrens (§ 11 KapMuG). b) Klagerücknahme des Musterklägers im Ausgangsverfahren. Die Klagerücknahme beendet für den Musterkläger nicht nur seinen Ausgangsprozess, sondern auch das Musterverfahren. Das Oberlandesgericht bestimmt dann einen neuen Musterkläger nach § 11 Abs. 2 Satz 1 KapMuG. Die im Laufe des Musterverfahrens vor der Klagerücknahme durch den Musterkläger erhobenen Beweise und Feststellungen können nach Bestimmung des neuen Musterklägers weiter verwertet werden. Die Rechtskraftwirkung wirkt auch gegenüber dem Musterkläger gemäß § 16 Abs. 1 Satz 4 KapMuG. Denn mit der Klage-rücknahme im Ausgangsverfahren muss sich der ausgeschiedene Musterkläger wie ein Beigeladener behandeln lassen (ebenso Assmann, FS Vollkommer, S. 119 (147)).
109
Reuschle
107
108
110
111
1914
112
113
114
115
116
117
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
c) Verzicht nach § 306 ZPO. Ein Verzicht des Musterklägers ist nach § 14 Abs. 3 Satz 1 KapMuG ausgeschlossen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass der Musterkläger zum Nachteil der Beigeladenen über den Streitgegenstand disponieren kann. Die Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 1 KapMuG schließt nicht aus, dass der Kläger nach Durchführung des Musterverfahrens auf seinen Anspruch verzichtet. d) Anerkenntnis nach § 307 ZPO. § 14 Abs. 3 Satz 1 KapMuG schließt die übereinstimmende Erledigungserklärung und den Verzicht aus. Nicht ausgeschlossen ist dagegen das Anerkenntnis des Musterbeklagten im Musterverfahren. Das Anerkenntnis beendet das Musterverfahren. Insofern ist die Möglichkeit eines Anerkenntnisses unproblematisch. Intrikat ist der fehlende Ausschluss, wenn auf Seiten des Musterbeklagten weitere Beklagte nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KapMuG zum Musterverfahren beigeladen wurden. Da der Musterbeklagte auch gegen den Willen der weiteren Beklagten anerkennen kann, erhebt sich die Frage, wie sich das Anerkenntnis auf die Stellung der übrigen beigeladenen Beklagten auswirkt. Nach § 16 Abs. 2 KapMuG bindet das Anerkenntnis des Musterbeklagten die übrigen Beklagten in ihren Individualverfahren nicht. e) Verfahrensvergleich. Ein vergleichsweiser Abschluss des Verfahrens ist nach § 14 Abs. 3 Satz 2 KapMuG nur möglich, wenn dem Vergleich alle Beteiligten, d.h. Musterkläger, Musterbeklagter und alle Beigeladenen zustimmen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist allerdings das Zustimmungserfordernis auf die Beigeladenen zu beschränken, die dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten sind. f) Erledigung der Hauptsache im Musterverfahren. Eine übereinstimmende Erledigungserklärung durch Musterkläger und Musterbeklagten ist nach § 14 Abs. 3 Satz 1 KapMuG ausgeschlossen. Auch hier gilt, dass die Musterparteien nicht zu Lasten der Beigeladenen über den Streitgegenstand disponieren können. II. Beigeladene. 1. Befugnisse und Rechtsstellung. Die Befugnisse des Beigeladenen zur Vornahme von Prozesshandlungen ergeben sich aus § 12 KapMuG, unterliegen allerdings bestimmten Beschränkungen. Der Beigeladene darf grundsätzlich in eigenem Namen für die Musterpartei alle Prozesshandlungen wirksam vornehmen. Die Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln ist lediglich beispielhaft erwähnt. Die Vornahme umfasst auch die Entgegennahmen von Prozesshandlungen der gegnerischen Musterpartei mit Wirkung für und gegen die (abwesende) Musterpartei. Der Umfang der Befugnisse entspricht also denjenigen der jeweiligen Musterpartei, auf deren Seite der Beigeladene beigeladen wurde. Mangels unbeschränkter materieller Rechtsmacht kann der Beigeladene jedoch ebenso wenig wie die Musterpartei alleine über den Gegenstand des Musterverfahrens disponieren und daher keinen Vergleich abschließen (vgl. zur Ausnahme § 14 Abs. 3 Satz 2 a.E.). a) Ausschließliches Handeln zugunsten der Musterpartei. Je nachdem, ob der Beigeladene auf Seiten des Musterklägers oder der Musterbeklagten beigeladen wird (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 1 KapMuG), darf er nur im Interesse der jeweiligen Musterpartei des Musterverfahrens handeln. Seine Rolle als Nebenpartei im Musterverfahren ist dabei rein unterstützender Natur. Der Beigeladene ist hingegen nicht zu Handlungen ermächtigt, die gegen seine Hauptpartei gerichtet sind oder die ihrer Natur nach die Prozessführung der Hauptpartei torpedieren bzw. lahm legen. Der Beigeladene auf Seiten des Musterklägers kann weder dessen Zwischenfeststellungsbegehren im Musterverfahren noch eine vom Musterkläger eingelegte Rechtsbeschwerde zurücknehmen noch auf diese verzichten. Ebenso wenig ist dem Beigeladenen auf Seiten des Musterklägers ein Verzicht auf das Zwischenfeststellungsbegehren im Musterverfahren möglich; vice versa gilt dies im Falle des Anerkenntnisses für den Beigeladenen auf Seiten der Musterbeklagten.
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1915
b) Angriffs- und Verteidigungsmittel. Der Beigeladene darf sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel iSd. § 146 ZPO geltend machen, soweit deren Vorbringen den im Musterfeststellungsantrag der Hauptpartei bzw. im Vorlagebeschluss des Prozessgerichts fixierten Lebenssachverhalt betrifft. Er kann also z.B. im Hinblick auf einen im Musterverfahren angegriffenen Emissionsprospekt Behauptungen aufstellen oder diese bestreiten, Beweise für seine Behauptungen und die der Musterpartei antreten, insbesondere die Parteivernehmung der gegnerische Musterpartei und deren Beeidigung beantragen oder anregen, Beweismittel benennen, Richter und Sachverständige ablehnen. Die Beschränkungen der Musterpartei für das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln gelten auch für dessen Beigeladenen. Für die Präklusion ist allein auf die Musterpartei und eventuell ihr Verschulden abzustellen. c) Sonstige Prozesshandlungen. Sonstige Prozesshandlungen aller Art kann der Beigeladene ebenfalls vornehmen, soweit die Musterpartei dies jeweils könnte. Er kann insbesondere Anträge stellen, durch mündliche Verhandlung einen gegen die (abwesende) Musterpartei ergehenden Versäumnisbeschluss abwenden, die Verlängerung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist innerhalb der für die Hauptpartei laufenden Frist beantragen. Ferner kann er ein wirksam gerichtliches Geständnis (§ 288 ZPO) abgeben, soweit die Musterpartei dem nicht widerspricht. Schließlich kann der Beigeladene nicht nur im Interesse der Musterpartei, sondern im eigenen Interesse Rechtsbeschwerde gegen einen Musterentscheid einlegen (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 1 KapMuG). 2. Schranken für die Tätigkeit des Beigeladenen. Schranken für die Tätigkeit des Beigeladenen ergeben sich aus dem ersten und dem letzten Halbsatz und aus etwa fehlender Dispositionsbefugnis des Beigeladenen. Handlungen, die er danach nicht vornehmen darf, sind innerhalb des Musterverfahrens unwirksam und daher unbeachtlich. Die Handlungen, z.B. ein gegenüber der Musterpartei widersprechender, indes günstiger Vortrag, kann im Individualverfahren nach § 16 Abs. 2 KapMuG Berücksichtigung finden. a) Verfahrenslage im Zeitpunkt der Beiladung. Die Lage des Musterverfahrens zur Zeit der Beiladung des Beigeladenen ist gemäß § 12 1. Halbsatz KapMuG für ihn maßgeblich; er muss es in dieser Lage annehmen. Diese Beschränkung hat für später, zu einem bereits laufenden Musterverfahren hinzugezogene Beigeladene Bedeutung. Der Beigeladene ist im Musterverfahren nur zu solchen Handlungen befähigt, welche die unterstützte Musterpartei selbst vornehmen könnte. Handlungen, mit denen die Hauptpartei bereits ausgeschlossen ist, darf der Beigeladene dagegen nicht mehr vornehmen. Dies folgt aus § 12 erster Halbsatz KapMuG, wonach der Beigeladene das Musterverfahren in der Lage anzunehmen hat, in der es sich zur Zeit seiner Beiladung befindet. Der Beigeladene darf daher im Musterverfahren weder auf Streitpunkte, deren Klärung vom Prozessgericht nach § 13 KapMuG als nicht sachdienlich erachtet wurden, zurückgreifen noch Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen, die für die Musterpartei nach §§ 295, 296, 296a ZPO verloren sind. Ebenso wirkt z.B. ein durch Säumnis des Musterklägers eingetretener Verlust zu Lasten der Beigeladenen. b) Kein Widerspruch zur Musterpartei. Der Beigeladene darf sich nicht in Widerspruch mit Erklärungen und Handlungen seiner jeweiligen Musterpartei setzen (§ 12 letzter Halbsatz KapMuG). Im Konfliktsfall haben die Prozesshandlungen der Musterpartei Vorrang, soweit diese sich in einer Handlung gegenteiliger Art oder einem Verzicht auf die Handlung oder einem im Musterverfahren selbst erklärten Widerspruch, vor oder nach der Handlung des Beigeladenen, manifestiert haben. Der Widerspruch der Musterpartei muss positiv feststehen; er kann sich aus einer ausdrücklichen Erklärung von ihr oder ihrem Gesamtverhalten im Musterverfahren ergeben. Im Zweifel bleibt die Handlung des Beigeladenen wirksam.
Reuschle
118
119
120
121
122
1916
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
123
aa) Vorrang des Sachvortrags der Musterpartei. Der Sachvortrag der Musterpartei geht stets den Handlungen der Beigeladenen vor (vgl. auch KK-KapMuG-Vollkommer § 9 Rn. 97). Der Beigeladen darf weder einen Sachverständigen ablehnen, dessen Vernehmung die Musterpartei gemäß einer im Musterverfahren abgegebenen Erklärung wünscht, noch erneut Beweismittel und Beweis antreten, nachdem die Musterpartei auf ein bestimmtes Beweismittel verzichtet hat bzw. den Beweis nicht führen möchte. Soweit der Beigeladene wegen des Widerspruchs der Musterpartei mit einem Beweismittel nicht gehört wurde, kann er diesen Beweis im Individualverfahren nach § 16 Abs. 2 KapMuG noch führen.
124
Der Beigeladene kann ein Geständnis der Musterpartei nicht gegen deren Willen im Rahmen des § 290 ZPO widerrufen, es sei denn, die Musterpartei widerspräche dem Widerruf nicht. In diesem Fall ist aber die Möglichkeit eines konkludenten Widerspruchs sehr nahe liegend. Gibt in einem Musterverfahren der beigeladene Vorstand ein Geständnis ab, so werden die Erklärungen des Vorstands für die am Musterverfahren als Musterbeklagte beteiligte Gesellschaft sofort wirksam. Im Fall des Widerspruchs und dem damit verbundenen Widerruf ist das Geständnis zwar unwirksam. Es erscheint jedoch sachgerecht, das unwirksame Geständnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen. Hierfür spricht, dass der beigeladene Vorstand in einem der Ausgangsverfahren zusammen mit der Musterpartei, der Gesellschaft, verklagt wurde und die Musterbeklagte aufgrund ihres Prozessverhaltens keinerlei Vorteile erlangen sollte, wenn sie gegen ihre prozessuale Wahrheitspflicht mit ihrem Widerspruch gegen die Prozesshandlung des Vorstands verstößt.
125
bb) Untätigkeit der Musterpartei. Die Untätigkeit der Hauptpartei stellt in der Regel kein Hindernis für die Tätigkeit des Beigeladenen. Der Beigeladene wendet daher durch sein Erscheinen eine Versäumnissituation gegen die nicht erschienene Musterpartei ab. Demgegenüber berücksichtigt das Gericht im Musterverfahren bei fehlendem Widerspruch der Hauptpartei einen ungünstigen Tatsachenvortrag durch den Beigeladenen dann nicht, wenn das Gericht einen Benachteiligungszweck feststellen kann. Ein Benachteiligungszweck ist darin zu sehen, wenn ein Beigeladener beispielsweise kollusiv mit der gegnerischen Musterpartei zusammenwirkt.
126
F. Bindungswirkung des Musterentscheids Bei den Wirkungen des Musterentscheids sind zu unterscheiden die innerprozessuale Bindungswirkung, die Rechtskraftfähigkeit und seine Anerkennungswirkung sowie die Beiladungswirkung gegenüber den Parallelklägern.
127
I. Innerprozessuale Bindungswirkung. § 16 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ordnet eine innerprozessuale Bindungswirkung an: Der Musterentscheid bindet die Prozessgerichte, deren Entscheidung von der im Musterverfahren getroffenen Feststellung oder der geklärten Rechtsfrage abhängt. Die Bindungswirkung ähnelt derjenigen des § 318 ZPO, jedoch mit dem Unterschied, dass nicht das Prozessgericht selbst, sondern das Oberlandesgericht die Entscheidung getroffen hat. Die innerprozessuale Bindungswirkung erfasst nicht nur die Beantwortung der Vorlagefragen im Urteilstenor, sondern auch die Begründungselemente des Musterentscheids (vgl. KK-KapMuG-Hess § 16 Rn. 3).
128
II. Rechtskraftfähigkeit und Anerkennungswirkung des Musterentscheids. 1. Rechtskraftfähigkeit. Der Musterentscheid ist der Rechkraft insoweit fähig, als über den Streitgegenstand des Musterverfahrens entschieden ist, § 16 Abs. 1 Satz 2 KapMuG. Die Rechtskraft wirkt zwischen den Parteien des Musterverfahrens und über die Bindungswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 3 KapMuG auch gegenüber den beigeladenen Parallelklä-
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1917
gern. Die Rechtskraft des Musterentscheids bewirkt, dass über denselben Streitgegenstand kein erneutes Musterverfahren von den vom Musterverfahren erfassten Beteiligten durchgeführt werden kann. Es handelt sich um eine negative Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Musterverfahren über denselben Streitgegenstand, wohingegen die Sperrwirkung des § 5 KapMuG, der für die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG auszusetzenden Verfahren die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für unzulässig erklärt, der entgegenstehenden Rechtshängigkeit vergleichbar ist. Nach Abschluss des Musterverfahrens steht einem nicht am Musterverfahren Beteiligten es jedoch offen, ein neues Musterverfahren über dieselben streitgegenständlichen Fragen anzustrengen. 2. Anerkennungswirkung. Der über die innerprozessuale Bindungswirkung hinausgehenden materiellen Rechtskraftwirkung des Musterentscheids kommt besonders vor dem Hintergrund der Anerkennungsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Bedeutung zu. Deren Anerkennung richtet sich vor allem nach der materiellen Rechtskraft, die sich nach dem Recht des Staates des Ausgangsgerichts bestimmt. Eine innerprozessuale Bindungswirkung soll demgegenüber nach der Verordnung (EG) nicht genügen. Durch die ausdrückliche Regelung der materiellen Rechtskraft wird in § 325a ZPO klargestellt, dass der Musterentscheid im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) anerkannt wird (vgl. KKKapMuG-Hess § 16 Rn. 33 ff.) und umgekehrt ausländische Urteile, die den Feststellungen des Musterentscheids widersprechen, im Inland nicht anerkannt werden.
129
Der Musterentscheid ist nicht nur der materiellen Rechtskraft fähig, sondern entfaltet gegenüber den Beigeladenen eine der Interventionswirkung vergleichbare Bindungswirkung, § 16 Abs. 1 Satz 3. Da der Begriff der Beiladungswirkung weder im ausländischen Recht bekannt noch in der EuGVVO ihren Niederschlag gefunden hat, stellt die vorgeschlagene Vorschrift zu § 325a ZPO sicher, dass ausländische Gerichte die Wirkungen des Musterentscheids anerkennen. Die Frage der Anerkennungsfähigkeit spielt in den Fällen des § 16 Abs. 1 Satz 4 KapMuG mit Auslandsbezug eine bedeutende Rolle, wie das folgende Beispiel zeigt: Der in Stuttgart ansässige Emittent wird in einem Musterverfahren von einer Vielzahl von Kapitalanlegern wegen einer falschen Ad-hoc-Meldung in Anspruch genommen. Der in Straßburg wohnende Kapitalanleger schließt sich dem Musterverfahren an, nimmt jedoch wegen des Verlaufs der Beweisaufnahme seine Klage zurück und erhebt diese erneut in Frankreich unter Berufung auf Artikel 5 Nr. 3 EuGVVO am Erfolgsort der unerlaubten Handlung. Mittels der vorgeschlagenen Vorschrift soll erreicht werden, dass das in Frankreich angerufene Gericht das Verfahren im Hinblick auf das in Deutschland betriebene Musterverfahren nach Artikel 28 EuGVVO aussetzt, weil die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht. Durch § 16 Abs. 1 Satz 4 KapMuG wird damit die Grundlage für die Anerkennungswirkung des Musterentscheids gewährleistet. Dadurch wird für das Gebiet der Europäischen Union ein Forum shopping während eines laufenden Musterverfahrens vermieden. § 16 Abs. 1 Satz 4 KapMuG kommt auch in den Fällen zum Zuge, in denen der Musterkläger seine Klage im Ausgangsverfahren zurücknimmt. Denn der Musterkläger wird stets aus dem Kreis der Parallelkläger ausgewählt, die den Status als Beigeladener während des Musterverfahrens bekleiden. Mit seiner Klagerücknahme im Ausgangsverfahren hat sich der vormalige Musterkläger als Beigeladener behandeln zu lassen. Anderenfalls könnte er sich der Rechtskraftwirkung des Musterentscheids entziehen.
130
III. Beiladungswirkung gegenüber den Parallelklägern. 1. Umfang der Bindung. Nach § 16 Abs. 1 Satz 3 KapMuG wirkt der Musterentscheid für und gegen alle Beigelanden. Diese Bindungswirkung ist an das Vorbild der Interventionswirkung nach § 68
131
Reuschle
1918
132 133
134
135
136
137
Kap. IV – Kapitalmarkt und Auslandsgeschäfte
ZPO konzipiert. Eine Beschränkung der Bindungswirkung auf rein tatsächliche Fragen nach den Vorbildern der §§ 93a Abs. 2 VwGO und 415a ZPO wurde nicht gewählt, da im Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz häufig auch rechtliche Feststellungen zu treffen sein werden. Die Bindungswirkung tritt unabhängig davon ein, ob der Beigeladene selbst alle Streitpunkte ausdrücklich geltend gemacht hat. 2. Durchbrechung der Bindungswirkung. Die Bindungswirkung entfällt nach § 16 Abs. 2 KapMuG in folgenden Fällen: (1) der Beigeladene war durch die Lage des Musterverfahrens zur Zeit seiner Beiladung gehindert, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, (2) der Beigeladene hätte sich mit seinen Prozesshandlungen in Widerspruch zu den Erklärungen und Handlungen des Musterklägers gesetzt, (3) Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die dem Beigeladenen unbekannt waren, sind von dem Musterkläger absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht worden. Allen drei Ausnahmen ist gemein, dass sie die Beiladungswirkung der Entscheidung gegen den Beigeladenen dort nicht eintreten lassen, wo der Beigeladene keinen hinreichenden Einfluss auf die Entscheidung im Musterverfahren nehmen konnte. Die erste Ausnahme ist in Abhängigkeit von der Regelung des § 12 1. Hs. KapMuG-E zu sehen. Die zweite Ausnahme rechtfertigt sich aus der Abhängigkeit des Beigeladenen von dem Musterkläger, da sich ersterer nicht in Widerspruch zu Erklärungen und Handlungen des Musterklägers setzen darf. Der Beigeladene bleibt nur Dritter und hat keine eigene Parteirolle inne. Die dritte Ausnahme schützt den Beigeladenen davor, dass die Bindungswirkung auch eintritt, soweit der Musterkläger absichtlich oder grob fahrlässig Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend macht, die dem Beigeladenen unbekannt waren, schützt ihn also vor dolus und culpa des Musterklägers.
G. Kosten des Musterverfahrens I. Kosten des ersten Rechtszuges. Den Klägern entstehen im erstinstanzlichen Verfahren keine zusätzlichen Gerichts- und Anwaltsgebühren (kritisch Braun/Rotter, BKR 2004, 296 (300); Hess/Michailidou, ZIP 2004, 1381 (1386); Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737 (2740)). Dies mag auf den ersten Blick überraschen und scheint zu einer unangemessenen Benachteiligung der Anwaltschaft zu führen; muss diese doch das Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht betreuen. Jedoch entspricht diese Regelung auf den zweiten Blick durchaus der herkömmlichen Vergütungspraxis. Beispielsweise bilden im Falle eines Zwischenurteils über den Grund gemäß § 304 ZPO Grund- und Betragsverfahren eine gebührenrechtliche Einheit. Schließlich wird im Musterverfahren über den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens nicht abschließend entschieden. Mit der Einführung des Musterverfahrens sind damit keine finanziellen Einbußen für die Anwaltschaft verbunden. Die Einführung einer zusätzlichen Vergütung im Musterverfahren würde demgegenüber das Gebührenaufkommen erhöhen und damit zu einer unerwünschten Kommerzialisierung des Musterverfahrens führen. § 17 KapMuG regelt den Gegenstand der Kostenentscheidung im jeweiligen Prozessverfahren. Danach gelten die dem Musterkläger und den Beigeladenen im erstinstanzlichen Musterverfahren erwachsenen Kosten als Teil der Kosten der jeweiligen Hauptsache. Zu den Kosten im Musterverfahren gehört insbesondere die Vergütung des eigenen Prozessbevollmächtigten, z.B. für die Wahrnehmung eines Termins, wenn nicht bereits im Hauptsacheverfahren eine Terminsgebühr entstanden ist (vgl. KK-KapMuG-Kruis § 19 Anh. IIRVG Rn. 2). Nach § 17 Satz 2 bis 4 KapMuG werden die dem Musterbeklagten im erstinstanzlichen Musterverfahren entstehenden Kosten auf die zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren
Reuschle
§ 63 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
1919
verteilt. Der auf das einzelne Prozessverfahren entfallende Anteil an den Kosten des Musterbeklagten im erstinstanzlichen Musterverfahren bestimmt sich nach dem Verhältnis der Höhe des von dem jeweiligen Kläger im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist, zu der Summe der Ansprüche aus allen Prozessverfahren, auf die die Auslagen zu verteilen sind. Die Prozessverfahren, in denen die Klage innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses zurückgenommen wird, werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt. II. Kosten der Musterrechtsbeschwerde. Für die Kosten des Musterrechtsbeschwerdeverfahrens sieht § 19 KapMuG besondere Regelungen vor: Nach § 19 Abs. 1 KapMuG haften der Musterkläger und die in der Rechtsbeschwerdeinstanz beigetretenen Beigeladenen als Entscheidungsschuldner für die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, wenn ihre Rechtsbeschwerde erfolglos ist. Diejenigen Beigeladenen, die sich nicht an der Rechtsbeschwerdeinstanz beteiligen, tragen daher kein weiteres Kostenrisiko. Legt dagegen ein Musterkläger oder ein Beigeladener erfolgreich Rechtsbeschwerde ein und entscheidet das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache selbst, haftet der Musterbeklagte als Entscheidungsschuldner für die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Die Gebühren werden dann aus dem vollen Wert erhoben. Zugleich hat der Musterbeklagte dem Rechtsbeschwerdeführer und den beigetretenen Beigeladenen die ihnen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen Kosten zu erstatten (§ 91 ZPO). Legt der Musterbeklagte dagegen erfolgreich Rechtsbeschwerde ein und entscheidet das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache selbst, so hat er sowohl gegen den Musterkläger als auch gegen alle Beigeladenen einen Kostenerstattungsanspruch. Bei der Verteilung ist der Grad ihrer Beteiligung im erstinstanzlichen Musterverfahren entscheidend. Diese zu § 19 Abs. 1 KapMuG asymmetrische Kostenerstattungsregelung ist vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Erfolg der Rechtsbeschwerde des Musterbeklagten sich nicht nur auf den Musterkläger erstreckt, sondern auf alle Beigeladenen, unabhängig ob sie am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt waren oder nicht.
Reuschle
138
139
“This page left intentionally blank.”
192
Kapitel V Öffentliches Bankrecht
Derleder
“This page left intentionally blank.”
§ 64 Zentralbanksystem
1923
§ 64 Zentralbanksystem
Schrifttum Calliess/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 3. Aufl., 2007; v. Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Losebl.-Ausg., 102. Ergänzungslieferung, Stand: November 2002; Dreier, Grundgesetz, Kommentar, Band III, 2000; Gaitanides, Geld und Währungsrecht, in: Europarecht, § 31, hrsg. v. Schulze/Zuleeg, 2006; Geerlings, Die neue Rolle der Bundesbank im Europäischen System der Zentralbanken, DÖV 2003, 322; Häde, Bankenaufsicht und Grundgesetz, JZ 2001, 105; Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III, 1988; v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 3, 5. Aufl., 2005; Morgenthaler, Der Euro-zwischen Integrationsdynamik und Geldwertstabilität, JuS 1997, 673; Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl., 2007; Sodan, Die funktionelle Unabhängigkeit der Zentralbanken, NJW 1999, 1521; Stern, Die Notenbank im Staatsgefüge, in: 50 Jahre deutsche Mark, hrsg. v. der Deutschen Bundesbank, 1998; Tettinger, Das Schicksal der Deutschen Mark, Verfassungsstaatlichkeit, in: Festschrift für Klaus Stern, hrsg. v. Burmeister, 1997. Inhaltsübersicht I. Verfassungs- und europarechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellung der Deutschen Bundesbank im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufgaben der Deutschen Bundesbank im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Änderungen in der Struktur der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . .
A. Stellung der Bundesbank vor Gründung des ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Organe der Deutschen Bundesbank . . . . . . . 7 III. Aufgaben der Deutschen Bundesbank . . . . . 8 B. Das deutsche Zentralbanksystem nach dem 1. 1. 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
10 17 19 27
Stichwortverzeichnis Anstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bank deutscher Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bundesbankvorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Devisentransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Direktorium (EZB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Diskontsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 EU-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 EZB – Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Filialen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Finanz- und Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Gleichgewicht (gesamtwirtschaftliches) . . . . . . . . 16 Hauptverwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kreditgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Landeszentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Lombardsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Mindestreserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 24 Münzausgaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Münzgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Notenausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Notenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Notenbankgesetze (nationale) . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Offenmarktgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Offenmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Organe (der Bundesbank) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Preisstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rechtspersönlichkeit der EZB . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Strategie (geldpolitische) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Unabhängigkeit (der Bundesbank) . . . . . . . . . . . . . 5 Unabhängigkeit (der EZB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Verfassungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Vorbehaltszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Währungsreserven (deutsche) . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Währungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Währungsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Währungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
A. Stellung der Deutschen Bundesbank vor Gründung des ESZB I. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen. Nach Art. 88 GG a. F. hatte der Bund eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank zu errichten. Mit dem Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26.7.1957 (BGBl. 1957 I 745) kam der Bundesgesetzgeber dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung nach. Mit dem Erlass des Bundesbankgesetzes wandelte sich daher dieser Auftrag zur institutionellen Gewährleistung im Sinne einer Bestandsgarantie für die Deutsche Bundesbank (BVerwGE 41, 334, 349; v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 4; Maunz/Dürig-Herde-
Glauben
1
1924
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
gen, Art. 88 Rn. 2, 27; Dreier-Pernice, Art. 88 Rn. 12, 16; Sachs-Tettinger, Art. 88 Rn. 2). 2
Doch zunächst ein Blick zurück: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren die deutsche Währung und die Wirtschaft völlig zerrüttet (zur Entwicklung vor Ende des Zweiten Weltkriegs s. Geerlings, DÖV 2003, 322 ff.). Allein der Bargeldumlauf hatte sich während des Krieges von 11 Milliarden Reichsmark auf 73 Milliarden Reichsmark erhöht. Der Geldüberhang war damit gewaltig, und die Banken waren überschuldet (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2002, S. 20). Um den Geldüberhang abzubauen, entschieden sich die Alliierten für eine Währungsreform. Als Voraussetzung hierfür wurde im Frühjahr 1948 in Westdeutschland eine neue Zentralbankorganisation geschaffen. Zwar bestand die Reichsbank in den westlichen Besatzungszonen zunächst rechtlich fort, stand aber unter Treuhandverwaltung. Ab 1946 entstanden als Anfang des neuen Zentralbanksystems die Landeszentralbanken. Hierbei handelte es sich um öffentlich-rechtliche Einrichtungen der Länder. Dem folgte durch Gesetze der amerikanischen und britischen Militärregierung am 1. März 1948 die Bank deutscher Länder. Die Landeszentralbanken der französischen Zone kamen wenig später dazu (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 70; Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 13).
3
Die Bank deutscher Länder war rechtlich ein Tochterunternehmen der Landeszentralbanken, die alleinige Zeichnerinnen des Grundkapitals der Bank waren. Die Bank deutscher Länder hatte keine Zweigniederlassungen; ihre Aufgaben erschöpften sich in Geschäften mit dem Ausland und der öffentlichen Hand. Alle übrigen Tätigkeiten im Zentralbanksystem oblagen den Landeszentralbanken (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 73; Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 13). Mit der Neuordnung des Geldwesens durch die Währungsreform vom 20.6.1948 erhielt die Bank deutscher Länder das ausschließliche Recht zur Ermission von Banknoten und Münzen. Mit dem Erlass des Münzgesetzes (BGBl. 1950 I 323) ging das Münzausgaberecht aber schon zwei Jahre später auf die Bundesregierung über.
4
Mit dem Bundesbankgesetz 1957 veränderte sich die Stellung der Landeszentralbanken grundlegend. Denn nach § 8 BBankG 1957 erhielten die Landeszentralbanken nur noch die Stellung von Hauptverwaltungen und verloren damit ihre Stellung als Einrichtungen der Länder. Aus ihnen wurden Untergliederungen der Bundesbank (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 78). Damit hatte sich ein gemischtes System durchgesetzt, bei dem allerdings der Zentralisierungsgedanke dominierte (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 14). Die Landeszentralbanken bildeten dabei das dezentral-föderale Element im Organisationsgefüge der Bundesbank.
5
In Art. 88 GG a. F. nicht ausdrücklich geregelt war die verfassungsrechtliche Stellung, namentlich die Garantie der Unabhängigkeit der Bundesbank (Geerlings, DÖV 2003, 323). Vielmehr beschränkte sich die Verfassungsnorm zumindest nach ihrem Wortlaut auf den Auftrag, eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank zu errichten. Deren Unabhängigkeit ergab sich ausdrücklich nur aus der einfach-gesetzlichen Festlegung in § 12 S. 2 BBankG 1957. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung verfassungsrechtlich nicht geboten sei (BVerwGE 41, 334, 354 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 29; Isensee/ Kirchhof-Schmidt, § 82 Rn. 24; a. A. Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 54 f.; unklar BVerfGE 62, 169,183: verfassungsrechtlich unabhängige Stellung). Für die Währungsunion schreibt dagegen Art. 108 EGV die Unabhängigkeit nicht nur für die EZB, sondern auch für die nationalen Zentralbanken vor. Ferner hat dies in Art. 88 S. 2 GG seinen Niederschlag gefunden (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 4, 53). Demnach ist die
Glauben
§ 64 Zentralbanksystem
1925
Bundesbank nur noch „unter Wahrung ihrer Aufgabe als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken“ verpflichtet, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Wegen der institutionellen Verflechtung der EZB und der nationalen Zentralbanken dürfte sich das in Art. 88 S. 2 GG normierte Unabhängigkeitsgebot nunmehr auch auf die Deutsche Bundesbank erstrecken (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 55; Sodan, NJW 1999, 1521; Geerlings, DÖV 2003, 323). Denn eine Rechtsnorm, die die Bundesbank zu einer von der Bundesregierung weisungsabhängigen Behörde degradieren würde, wäre sowohl ein Verstoß gegen Art. 88 S. 2 GG als auch gegen Art. 108 EGV (v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 32).Umgekehrt dürfte die Bundesbank hinsichtlich ihrer nationalen Befugnisse Unabhängigkeit auch gegenüber der EZB sowie anderen Exekutivorganen der EU besitzen, sofern ihre Stellung als integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) nicht entgegensteht (v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 34). Die Deutsche Bundesbank ist nach § 2 BBankG eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts. Sie hat jedoch keine Mitglieder, denn die Landeszentralbanken sind nur Hauptverwaltungen. Daher ist die Bundesbank eine Anstalt (BVerfGE 14, 197, 215; v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 17; BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 123; Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 44; Isensee/Kirchhof- Schmidt, in: HdbStR III, § 82 Rn. 18; a. A. wohl Schimansky/Bunte/Lwowski-Haug, § 123 Rn. 27). Allerdings dürfte es sich trotz der Bedeutung der Bundesbank für die Ordnung des Staatslebens nicht um ein Verfassungsorgan handeln (v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 7; BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 208 ff.). Da Art. 88 GG a. F. – wie auch Art. 88 S. 1 GG n.F. – die Errichtung einer Bank verlangt, ist davon auszugehen, dass die Bundesbank in Form eines Kreditinstituts zu errichten und zu unterhalten ist, das Bankgeschäfte betreibt (v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 10; BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 29).
6
II. Organe der Deutschen Bundesbank. Als Organe sah § 5 BBankG a. F. den Zentralbankrat, das Direktorium und die Vorstände der Landeszentralbanken vor (s. dazu v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 19 ff.). Der Zentralbankrat, der als oberstes willensbildendes Organ der Bundesbank die Währungs- und Kreditpolitik bestimmte, bestand aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Bundesbank, den weiteren Mitgliedern des Direktoriums sowie den Präsidenten der Landeszentralbanken (§ 6 II BBankG a. F.). Das zentrale Exekutivorgan der Bank war das Direktorium, das für die Umsetzung der Beschlüsse des Zentralbankrats zuständig war. Ihm gehörten der Präsident und der Vizepräsident der Bundesbank sowie bis zu sechs weitere Mitglieder an (§ 7 II 2 BBankG a. F.). Organstellung kam schließlich noch den Vorständen der Landeszentralbanken zu (Schimansky/Bunte/Lwowski-Haug, § 123 Rn. 33).
7
III. Aufgaben der Deutschen Bundesbank. Aus der Bezeichnung „Währungs- und Notenbank“ sind zwei Kernaufgaben abzuleiten: die der Währungssicherung und der Notenausgabe (Schimansky/Bunte/Lwowski-Haug, § 123 Rn. 9). Als Währung wird die Geldverfassung eines Staates, aber ebenso auch die Recheneinheit eines Geldsystems verstanden. Als Währungsbank hatte die Bundesbank die Verantwortung für die Sicherung der Währung (v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 11; BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 132; Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 31) und der Versorgung der Volkswirtschaft mit Geldmitteln (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 30). Dazu gehören vor allem die Sicherung des Geldwertes und damit der Kaufkraft (Schimansky/Bunte/Lwowski-Haug, § 123 Rn. 37). Die Geldwertstabilität als primäres Ziel der Bundesbank hat sie daher auch nicht der Gleichrangigkeit der vier Ziele des so genannten magischen Vierecks des Art. 109 III GG unterworfen (v. Mangoldt/Klein/Starck-Blanke, Art. 88 Rn. 11). Ihren Verfassungsauftrag konnte die Bundesbank nur erfüllen, wenn sie auch über geld- und
8
Glauben
1926
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
währungspolitische Befugnisse verfügte. Ihr musste es obliegen, durch Lenkungsmaßnahmen die Währung zu steuern und zu sichern. Wenn auch umstritten war, ob aus dem Begriff „Währungsbank“ eine verfassungsrechtliche Gewährleistung bestimmter Steuerungsinstrumente abgeleitet werden kann, so war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich doch verpflichtet, die Bundesbank so auszustatten, dass sie die Aufgaben einer Währungs- und Notenbank erfüllen konnte (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 263). Dem ist er mit den Regelungen in §§ 14 ff. BBankG a. F. nachgekommen. Damit ist zugleich klargestellt, dass die Eigenständigkeit der Bundesbank begrenzt ist auf die Ausübung der Befugnisse, die ihr nach dem Bundesbankgesetz zustehen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Haug, § 123 Rn. 23). 9
10
Nach § 14 BBankG a. F. hatte die Bundesbank das ausschließliche Recht, Banknoten auszugeben. Dieses einfachgesetzlich begründete Monopol versetzte sie in die Lage, eine gewisse Kontrolle über den Geldumlauf auszuüben. Denn die entscheidende Bedeutung des Banknotenmonopols liegt darin, die „Notenpresse“ nicht den Versuchungen politischer Opportunität auszusetzen (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 35). Ein weiteres wichtiges Instrument war die Refinanzierung, d. h. die Kreditgewährung der Zentralbank an die Kreditinstitute. Die Bundesbank gewährte Kredite durch den Ankauf von Wechseln (Rediskontkredite) und durch die Beleihung von Wertpapieren (Lombardkredit). Die Festsetzung des Diskont- und Lombardsatzes stellte den Kern der Zinspolitik der Bundesbank dar (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 266 f.; Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 36). Ebenso wurde der Offenmarktpolitik, also dem Kauf und Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank für eigene Rechnung am offenen Markt (§ 21 BBankG a. F.) eine herausgehobene Stellung unter den geldpolitischen Instrumentarien zuerkannt (BKHahn/Häde, Art. 88 Rn. 269; Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 34, 37). Schließlich fand sich in § 16 BBankG a.F. die Befugnis der Bundesbank zur so genannten Mindestreservepolitik. Danach konnte sie von den Kreditinstituten verlangen, Guthaben auf einem Girokonto bei ihr zu unterhalten. Die Höhe dieser unverzinsten Einlage richtete sich nach einem festen Prozentsatz bestimmter Verbindlichkeiten der Banken. Die Prozentsätze wurden jeweils von der Bundesbank in ihrer Anweisung über Mindestreserven (AMR) festgelegt (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 38). Hierbei handelte es sich ebenso wie bei der Festsetzung der Diskont- und Lombardsätze um hoheitliche Regelungen in Form eines Rechtssatzes (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 39). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hatte der Bundesgesetzgeber das Recht, gestützt auf Art. 88 GG a.F. entweder durch ausdrückliche Änderung oder Ergänzung des Bundesbankgesetzes oder durch ein besonderes Gesetz, wie etwa das KWG, der Bundesbank weitere Aufgaben zu übertragen, sofern diese noch in deren Geschäftskreis als Währungsund Notenbank fielen (BVerfGE 14, 197, 215 ff.; Häde, JZ 2001, 108).
B. Das deutsche Zentralbanksystem nach dem 1.1.1999 I. Verfassungs- und europarechtliche Grundlagen. Nach Art. 88 S. 2 GG können die Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank im Rahmen der EU der EZB übertragen werden. Voraussetzung ist, dass die EZB unabhängig und vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet ist. Damit fordert das Grundgesetz, dass die Kompetenzübertragung in den europäischen Integrationsprozess eingebettet und das Währungssystem der EU dem Zugriff der Interessengruppen und der an einer Wiederwahl interessierten Mandatsträger entzogen bleibt (Morgenthaler, JuS 1997, 674). Die Einrichtung einer unabhängigen Zentralbank folgt den volkswirtschaftlichen Erfahrungen, wonach die Geldpolitik einer von der Regierung weisungsabhängigen Zentralbank eher finanz- und beschäftigungspolitischen Motiven verpflichtet ist als einer preisstabilen Geldpolitik (Schulze/Zu-
Glauben
§ 64 Zentralbanksystem
1927
leeg-Gaitanides, § 31 Rn. 1). Zugleich hat mit seiner Zustimmung zur Währungsunion der deutsche Gesetzgeber nach Art. 14 I 2 GG den Inhalt und die Schranken des Geldeigentums in der Weise bestimmt, dass Deutschland unter näher geregelten Rechtsvoraussetzungen in eine Währungsunion einbezogen werden kann (BVerfGE 97, 350, 373). Dabei sind als Junktim drei Vorbehalte zu beachten: der Zusammenhang mit der EU, die Unabhängigkeit der EZB und schließlich der materielle Vorrang der Preisstabilität. Hierbei handelt es sich nicht um unverbindliche Programmsätze, sondern um einen Verfassungsauftrag mit strikter Bindungswirkung (BVerfGE 89, 155 (201): Verfassungspflicht; Sachs-Tettinger/Siekmann, Art. 88 Rn. 18; Tettinger, FS Stern, S. 1372). Der Begriff „Europäische Union“ ist älter als das Maastrichter Vertragswerk. Denn erstmals wurde er durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) vom 28.2.1986 (BGBl. 1986 II 1104) eingeführt. Doch damit war nicht ein bestimmter status quo gemeint, sondern der Begriff schließt auch Fortentwicklungen der Gemeinschaft mit ein (BVerfGE 89, 115, 200; 97, 350, 372; BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 297). Die Formulierung in Art. 88 S. 2 GG dürfte allerdings so zu verstehen sein, dass ein Scheitern des EU-Vertrages die Regelung hätte obsolet werden lassen. Insoweit dürfte nichts anderes gelten als für die in Art. 23 II bis VII GG enthaltenen Regelungen. Denn in beiden Normen ist die EU gemeint, die durch den 1992 in Maastricht unterzeichneten und am 1.1.1993 in Kraft getretenen „Vertrag über die Europäische Union“ (BGBl. 1992 II 1251; 1993 II 1947) geschaffen wurde (BK-Hahn/Häde Art. 88 Rn. 298).
11
Die Aufgaben und Befugnisse dürfen nur auf die EZB übertragen werden. Nach Art. 107 I EGV ist die EZB Bestandteil des ESZB. Auf sie sind mit dem Beginn der dritten Stufe der EWWU die meisten geld- und währungspolitischen Befugnisse übergegangen (Art. 105 EGV). Damit ist auch die EZB als Garant der Geldwertstabilität an die Stelle der nationalen Zentralbanken getreten (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 7). Das ESZB besteht aus der EZB und den nationalen Zentralbanken. Rechtspersönlichkeit besitzt allerdings nach Art. 107 II EGV nur die EZB, nicht aber auch das ESZB.Die EZB ist eine Einrichtung der EG und dem Gemeinschaftsrecht unterworfen (EuGH, Rs. C-11/00, Slg. 2003 I-7147, Rn. 92, 135 f.; Callies/Ruffert-Häde, Art. 105 Rn. 18). Ebenso hat nur die EZB Organe, und diese leiten daher zugleich auch das ESZB (Art. 107 III EGV). Von Bedeutung ist ferner, dass die ESZB – Satzung (Abl. C 191 vom 29. 7. 1992, S.68) dem EGV als Protokoll beigefügt ist und daher gemäß Art. 311 EGV dessen Rang als Primärrecht teilt.
12
Mit der Forderung nach der Unabhängigkeit der EZB wird ausdrücklich verfassungsrechtlich anerkannt, dass die Aufgabe der Sicherung der Währungsstabilität die Unabhängigkeit der jeweiligen Zentralbank erfordert (Sodan, NJW 1999, 1522 f; Geerlings, DÖV 2003, 325). Art. 88 S. 2 GG macht die Unabhängigkeit des gesamten Zentralbanksystems der Gemeinschaft zur Voraussetzung für die deutsche Mitwirkung. Daher gilt das Gebot der Unabhängigkeit nicht nur für die EZB, sondern ebenso für die nationalen Zentralbanken. Der Bundesgesetzgeber ist nunmehr in jedem Fall verfassungsrechtlich gehindert, die Autonomie der Bundesbank anzutasten (v. Mangoldt/Klein-Blanke, Rn. 66; BKHahn/Häde, Art. 88 Rn. 309; Stern, Notenbank, S. 181).
13
Allerdings werden von dieser Unabhängigkeitsgarantie sowohl für die EZB als auch die nationalen Zentralbanken nur die Tätigkeiten erfasst, die mit der unmittelbaren Erledigung beziehungsweise der Mitwirkung an der Aufgabe als Währungs- und Notenbank zusammenhängen (Callies/Ruffert-Häde, Art. 108 Rn. 10; Schulze/Zuleeg-Gaitanides, § 31 Rn. 2; s. dazu auch EWI-Gutachten, BT-Drucks. 13/10250, 309 f.). Die EZB besitzt daher lediglich eine zielbezogene funktionalle Unabhängigkeit. Sie ist nicht „völlig von der Eu-
14
Glauben
1928
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
ropäischen Gemeinschaft gesondert und von jeder Bestimmung des Gemeinschaftsrechts ausgenommen“ (so ausdrücklich EuGH, Rs. C-11/00, Slg. 2003 I, -7145 Rn. 135). Anders als die Währungspolitik befinden sich die Finanz- und Wirtschaftspolitik dagegen weiterhin in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Sie werden aber gem. Art. 103 ff EGV „im Sinne stabilitätspolitischer Konvergenz intergouvernemental koordiniert und überwacht“ (Morgenthaler, JuS 1997, S. 680). 15
Unabhängigkeit bedeutet, institutionelle Unabhängigkeit sowie persönliche Unabhängigkeit der handelnden Personen (Unabsetzbarkeit, Unversetzbarkeit) und sachliche Unabhängigkeit, also Weisungsfreiheit bei der Ausübung der Tätigkeit (Calliess/RuffertHäde, Art. 108 Rn. 5 ff). Dem trägt § 6 I 3 BBankG Rechnung, indem dem Präsidenten der Bundesbank Weisungsunabhängigkeit in seiner Eigenschaft als Mitglied des Rates der EZB garantiert wird (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 51). Darüber hinaus beeinhaltet der Begriff der Unabhängigkeit eine dauerhafte Garantie der Weisungsfreiheit von gemeinschaftlichen wie von nationalen Interessen (v. Mangoldt/Klein-Blanke, Art. 88 Rn. 65; Sachs-Tettinger/Siekmann, Art. 88 Rn. 28). Gleichwohl stellt sich die Mitwirkung des Bundesbank-Präsidenten im EZB-Rat als Ausübung deutscher Staatsgewalt dar. Namentlich bei den geldpolitischen Beschlüssen agiert er, anders als die Mitglieder des Direktoriums, nicht als unabhängiger Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses, sondern als Vertreter der Bundesrepublik (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 50, 74).
16
Mit der Verpflichtung auf das vorrangige Ziel der Preisstabilität als letzte Bedingung der Kompetenzübertragung wird verfassungskräftig vorgegeben, dass hinter diesem Ziel andere wirtschaftspolitische Zielsetzungen zurückreten müssen (BVerfGE 89, 155, 200; Morgenthaler, JuS 1997, S. 679; Sodan, NJW 1999, 1524). Die Verpflichtung auf Preisstabilität bindet mithin die EZB und die nationalen Zentralbanken auch rechtlich (Calliess/Ruffert-Häde, Art. 105 Rn. 2, 5), was durch § 3 S. 2 BBankG noch einmal ausdrücklich auch einfachgesetzlich untermauert wird. Das vorrangige Ziel der Preisstabilität gilt aber nicht für die übrigen Gemeinschaftsorgane oder deutschen Staatsorgane. Für Letztere bleibt etwa die aus Art. 109 II GG folgende Verpflichtung, in ihrer Politik den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen, weitgehend bestehen (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 331 f.).
17
II. Stellung der Deutschen Bundesbank im ESZB. Aufgrund ihrer Stellung als integraler Bestandteil des ESZB ist die Deutsche Bundesbank verpflichtet, als ausführende Einheit nach den Leitlinien und Weisungen der EZB-Organe zu handeln (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 556; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19). Sie genießt daher im Rahmen des ESZB keine Unabhängigkeit gegenüber der EZB. Die Integration der Bundesbank in das ESZB lässt sie jedoch nicht zu einer europäischen Institution werden (a. A. offenbar Pernice, in: Dreier, Art. 88 Rn. 22: europäische Behörde). Vielmehr belässt das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten die Regelungsbefugnisse im Hinblick auf ihre Zentralbanken. Diese bleiben weiterhin Einrichtungen der Mitgliedstaaten, obwohl sie aus der mitgliedstaatlichen Organisationsstruktur insoweit herausgelöst werden, dass sie keine eigenständige nationale Geldpolitik mehr betreiben, sondern die zentral festgelegte Geldpolitik der Gemeinschaft ausführen (Calliess/Ruffert-Häde, Art. 107 Rn. 27). Dies erhellt Art. 109 EGV, der die Mitgliedstaaten lediglich dazu verpflichtet, die Satzung ihrer Zentralbank den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben anzupassen. Ebenso nehmen weder die EZB noch die übrigen Gemeinschaftsorgane Einfluss auf die Bestellung des Präsidenten der nationalen Zentralbanken (BKHahn/Häde, Art. 88 Rn. 557). Allerdings enthält das Gemeinschaftsrecht wichtige Vorgaben. So gilt für die Präsidenten der nationalen Zentralbanken eine Mindestamtszeit von fünf Jahren; eine Wiederernennung ist nicht ausgeschlossen (Calliess/Ruffert-Häde,
Glauben
§ 64 Zentralbanksystem
1929
Art. 112 Rn. 21). Aus organschaftlicher Perspektive handelt der Bundesbank-Präsident dagegen als Vertreter der Bundesbank. Seine Mitwirkung an den Beschlüssen des EZBRates ist der Bundesbank zuzurechnen (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 74). Für die geldpolitisch bedeutsamen Beschlüsse besagt Art. 10.2 ESZB-Satzung in seiner (noch) aktuellen Fassung, dass jedem Mitglied eine Stimme zukommt. Mit dem gleichgewichtigen Stimmrecht soll unterstrichen werden, dass die Zentralbankpräsidenten im EZB-Rat nicht die geldpolitischen Interessen ihrer Heimatstaaten repräsentieren, sondern eine einheitliche Geldpolitik verfolgen, die vorrangig die Preisstabilität der Gemeinschaft zu gewährleisten hat (Schulze/Zuleeg-Gaitanides, § 31 Rn. 23; zum neuen Abstimmungsverfahren s. ebenda, Rn. 25 ff.). Ferner regelt Art. 14.4 der ESZB-Satzung, dass die nationalen Zentralbanken zusätzlich andere als in der Satzung bezeichnete Aufgaben wahrnehmen können. Sie agieren dann insoweit außerhalb des ESZB-Rahmens und mithin in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 559). Dieser Rechtslage trägt auch § 3 S. 1 BBankG Rechnung, wonach die Bundesbank auch weiterhin Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland ist. III. Aufgaben der Deutschen Bundesbank im ESZB. Art. 108 EGV verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung der EZB ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der nationalen Notenbankgesetze mit dem EGV und der ESZB-Satzung in Einklang stehen. Das nationale Recht, das diesem europäischen Recht widerspricht, ist nicht mehr anwendbar. Die Bundesbank hat seit dem Eintritt der dritten Stufe der EWWU am 1.1.1999 ihre bisherigen geldpolitischen Entscheidungsbefugnisse verloren. Der deutsche Gesetzgeber hat dem mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 22.12.1997 (BGBl. 1997 I 3274) Rechnung getragen. Grundnorm für die nunmehr bestehenden Befugnisse ist § 3 BBankG (Schimansky/Bunte/Lwowski-Haug, § 123 Rn. 3 f.). Als integraler Bestandteil des ESZB sorgt sie unter dem Vorrang der Preisstabilität nach § 3 S. 2 BBankG für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Außerdem nimmt sie nach Satz 3 die Aufgaben wahr, die ihr im Bundesbankgesetz oder in anderen Gesetzen zugewiesen sind. Dagegen sind die Befugnisse der Bundesbank zur Festsetzung von Zinssätzen und Mindestreserven entfallen. Der Gesetzgeber hat dem durch die Aufhebung der bisherigen §§ 15 und 16 BBankG Rechnung getragen (Art. 1 Nr. 10 des Sechsten Änderunggesetzes). Allerdings werden die bei der Deutschen Bundesbank verbleibenden deutschen Währungsreserven (Art. 30 ESZB-Satzung) weiterhin von dieser verwaltet (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Haug, § 123 Rn. 12). Ferner stellt § 3 S. 1 BBankG die kraft Europarechts unmittelbar geltende Regelung von Art. 14.3 Satz 1 ESZB-Satzung noch einmal ausdrücklich klar, dass die nationalen Zentralbanken integraler Bestandteil des ESZB sind. Ergänzt wurde diese Regelung durch § 6 I BBankG in der Fassung des Sechsten Änderungsgesetzes. Denn darin war bestimmt, dass der Zentralbankrat zwar die Geschäftspolitik der Deutschen Bundesbank bestimmt, aber bei der Erfüllung der Aufgaben des ESZB im Rahmen der Leitlinien und Weisungen der EZB zu handeln hat. Ebenso hatte er nach § 6 I 3 BBankG a. F. die Befugnis, die Auswirkungen der Geld- und Währungspolitik zu erörtern, ohne damit allerdings den Präsidenten der Bundesbank bei dessen Stimmverhalten im EZB-Rat binden zu können (s. auch Begründung des Gesetzentwurfs zu § 6 BBankG a. F., BT-Drucks. 13/7728, 6). Inzwischen hat sich diese Regelung jedoch erledigt, da die Bundesbank in ihrer Struktur mit dem Siebenten Änderungsgesetz schlanker geworden ist, indem der Zentralbankrat abgeschafft und als zentrales Leitungsorgan ein Vorstand eingerichtet wurde (s. ie. unten Rn. 27). § 6 BBankG ist daher inzwischen aufgehoben.
Glauben
18
19
20
1930
21
22
23
24
25
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
Nach Art. 12.1 ESZB-Satzung obliegt die Festlegung der geldpolitischen Strategie und des Instrumentariums im Rahmen der Vorgaben des Primärrechts und des Rates dem EZB- Rat. Für die nationalen Zentralbanken bleibt insoweit kaum Spielraum für eigenständige Entscheidungen. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, die Geldpolitik auszuführen (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 77). Allerdings darf selbst dabei die dominante Rolle der EZB nicht übersehen werden. Denn nach Art. 12.1 UAbs. 1 S. 2 ESZBSatzung erlässt der EZB-Rat die für die Ausführung der Geldpolitik notwendigen Leitlinien und gemäß Art. 12.1 UAbs. 2 S.1 ESZB-Satzung führt das Direktorium die Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Entscheidungen des Rates aus. Hierzu erteilt gemäß Art. 12.1 UAbs. 3 ESZB-Satzung das Direktorium den nationalen Zentralbanken die erforderlichen Weisungen (Calliess/Ruffert-Häde, Art. 105 Rn. 29). Von zentraler Bedeutung ist die Kompetenzaufteilung bezüglich der Ausgabe von Banknoten. Die EZB hat nach Art. 106 I EGV das ausschließliche Recht, die Notenausgabe innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen. Die Ausgabe von Banknoten erfolgt dagegen zwar gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken, aber vorbehaltlich einer Genehmigung der EZB (Calliess/Ruffert-Häde, Art. 106 Rn. 6; Schimansky/Bunte/LwowskiHaug, § 123 Rn. 9; Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 88 Rn. 77; Schulze/Zuleeg-Gaitanides, § 31 Rn. 31 ff.). Hinsichtlich der Münzen bleibt das Emmissionsrecht der Mitgliedstaaten zwar bestehen und behalten diese auch den Münzgewinn. Ebenso darf die EZB nicht selbst Münzen ausgeben und bestimmen allein die Mitgliedstaaten, welche Stelle innerstaatlich zuständig ist. Gleichwohl hat die Bundesbank ihren Einfluss auf die Münzausgabe verloren, denn diese steht nunmehr unter gemeinschaftsrechtlichen Vorbehalten: der Umfang der Ausgabe bedarf der Genehmigung der EZB, und der Rat hat durch Verordnung 975/98 (Abl. 1998 L 139/6) die Stückelung und die technischen Merkmale aller für den Umlauf bestimmter Münzen geregelt (Calliess/Ruffert-Häde, Art. 106 Rn. 10 ff.; BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 591; Schulze/Zuleeg-Gaitanides, § 31 Rn. 34 f.). Unbeschadet des Übergangs der geld- und währungspolitischen Befugnisse der Bundesbank auf das ESZB sind den nationalen Zentralbanken im Rahmen des ESZB die nachfolgenden Befugnisse verblieben: Nach Art. 18.1 der ESZB-Satzung können die ESZB und die nationalen Zentralbanken auf den Finanzmärkten tätig werden, indem sie auf Gemeinschafts- oder Drittlandswährungen lautende Forderungen und börsengängie Wertpapiere sowie Edelmetalle endgültig oder im Rahmen von Rückkaufvereinbarungen kaufen und verkaufen oder entsprechende Darlehnsgeschäfte tätigen (Offenmarktgeschäfte). Ferner wird ihnen die Befugnis eingeräumt, Kreditgeschäfte mit Kreditinstituten und anderen Marktteilnehmern abzuschließen (Kreditgeschäfte). Diese Befugnisse sind für die Deutsche Bundesbank numehr in § 19 BBankG im einzelnen geregelt. Ebenso darf sie diese Geschäfte mit dem Bund und seinen Sondervermögen, mit den Ländern und anderen öffentlichen Verwaltungen (§ 20 BBankG) abwickeln. Art. 19 ESZB-Satzung gibt der EZB das Recht, von den in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten die Anlage von Mindestreserven auf Konten der EZB und der nationalen Zentralbanken zu verlangen (s. zum Ganzen Schulze/Zuleeg-Gaitanides, § 31 Rn. 36 ff.). Art. 23 ESZB-Satzung berechtigt die EZB und die nationalen Zentralbanken zu Geschäften mit Drittstaaten sowie internationalen Organisationen und erlaubt die währungspolitisch bedeutsamen Devisentransaktionen. Ferner kann der EZB-Rat nach Art. 20 UAbs. 1 ESZB-Satzung mit Zwei-Drittel-Mehrheit über die Anwendung anderer, bisher nicht vorgesehener Instrumente der Geldpolitik entscheiden. Die Bundesbank nimmt als Bestandteil des ESZB an dieser gemeinschaftsrechtlichen Garantie eines geldpolitischen Instrumentariums teil (BK-Hahn/Häde, Art. 88 Rn. 568).
Glauben
§ 64 Zentralbanksystem
1931
Außerhalb der Regelungskompetenzen der Europäischen Zentralbank kann die Bundesbank andere Aufgaben in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrnehmen (Art. 14.4 ESZB-Satzung). Allerdings darf der EZB-Rat nicht mit Zwei-DrittelMehrheit der abgegebenen Stimmen festgestellt haben, dass diese jeweilige Aufgabe mit den Zielen und Aufgaben des ESZB unvereinbar ist. Zu dem möglichen Kreis eigener Aufgaben gehören etwa die Bankenaufsicht, sofern der Rat der EU nicht der EZB bestimmte Aufgaben der Finanzaufsicht zuweist (§ 25.2 ESZB-Satzung). IV. Änderungen in der Struktur der Deutschen Bundesbank. Mit dem Siebenten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 30.4.2002 (BGBl. 2002 I 1159) wurden die notwendigen Anpassungen im Hinblick auf die Leitungsund Entscheidungsstruktur sowie den organisatorischen Aufbau der Deutschen Bundesbank nachvollzogen (Geerlings, DÖV 2003, 328). Seit dem Inkrafttreten des Bundesbankgesetzes 1957 waren diese Strukturen von einer Organvielfalt gekennzeichnet, bestehend aus dem Zentralbankrat, dem Direktorium und zuletzt neun Vorständen der Landeszentralbanken. Kernpunkt der organisatorischen Neuregelung ist dagegen die Schaffung eines einheitlichen Leitungsgremiums. Diese Aufgabe hat der Bundesbankvorstand übernommen (§ 7 I BBankG). Ihm gehören der Präsident, der Vizepräsident und sechs weitere Mitglieder an (§ 7 II BBankG).
26
Nach § 7 I 2 BBankG hat der Vorstand die Deutsche Bundesbank zu leiten und zu verwalten. Damit übernimmt er insbesondere die Aufgaben des Direktoriums, aber auch die der Vorstände der Landeszentralbanken und die dem Zentralbankrat nach dem Verlust seiner geldpolitischen Kompetenzen verbliebenen Aufgaben. § 7 I 4 BBankG ermöglicht, dass der Vorstand die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben einem Mitglied zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen kann. Zwar werden nach § 7 III 1 BBankG alle Mitglieder des Vorstands vom Bundespräsidenten bestellt. § 7 III 2 BBankG sieht jedoch vor, dass die Bundesregierung den Präsidenten und Vizepräsidenten sowie zwei weitere Vorstandsmitglieder und der Bundesrat die übrigen vier Vorstandsmitglieder im Einvernehmen mit der Bundesregierung vorschlägt. Nach § 7 V 1 bis 3 BBankG berät der Vorstand unter dem Vorsitz des Präsidenten oder des Vizepräsidenten und fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Das in § 13 II BBankG a.F. enthaltene Teilnahmerecht von Mitgliedern der Bundesregierung an Sitzungen der Leitungsgremien der Bundesbank ist angesichts der weggefallenen geld- und währungspolitischen Befugnisse nicht mehr sachgerecht. Allerdings bleibt es dem Vorstand unbenommen, Mitglieder der Bundesregierung zu seinen Sitzungen einzuladen.
28
Nach § 8 II BBankG werden die Hauptverwaltungen, die Bezeichnung „Landeszentralbank“ ist ersatzlos entfallen, von einem vom Vorstand der Bundesbank abhängigen Beamten geleitet. Er trägt die Bezeichnung „Präsident der Hauptverwaltung“. Die Bestellung erfolgt nicht mehr durch den Bundespräsidenten, sondern durch den Präsidenten der Deutschen Bundesbank. Die Mitwirkung des Bundesrates ist allerdings in Form einer Einvernehmensregelung erhalten geblieben. Mit dem Siebenten Änderungsgesetz wurden die Vorstände der Landeszentralbanken und damit zugleich deren in § 8 II BBankG a. F. verankerten so genannten Vorbehaltszuständigkeiten abgeschafft. Dagegen bleiben die bei den Hauptverwaltungen angesiedelten Beiräte bestehen (§ 9 I BBankG). Ebenso wird an dem Grundsatz festgehalten, dass die Deutsche Bundesbank in der Fläche vertreten sein soll. Nach § 10 BBankG unterhält sie daher Filialen, die der zuständigen Hauptverwaltung unterstehen. Die Differenzierung zwischen Haupt- und Zweigstellen entfällt.
29
Glauben
27
“This page left intentionally blank.”
§ 65 Bankenaufsicht
1933
§ 65 Bankenaufsicht
Schrifttum Artopoeus, Die Zukunft der Bankenaufsicht, in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002, S. 265; Bayer, Die neue Bankenaufsichtsstruktur in Deutschland, in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002, S. 283; Becker/Gromer, Rating als Herausforderung für Mittelstand und Banken – Basel II und seine Auswirkungen, 2001; Bock, Finanzaufsicht über Finanzkonglomerate, 1999; Bödecker, Prüfungen nach § 44 I KWG – Verfahren und Kosten, 1987; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG-Kommentar, 2. Aufl., 2004; Claussen (Hrsg.), Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl., 2008; Dreyling, Das Recht der Bankenwerbung nach dem Kreditwesengesetz, 1977; Faber, Von der Kreditaufsicht zur Allfinanzaufsicht, in: Festschr. f. E. Stein, 2002, S. 181; Früh, Die Regelung des § 18 KWG, WM 2002, 1813; Geschwandtner, Ist Werbung mit der Einlagensicherheit ein Misstand i.S. des § 23 Abs. 1 KWG?, WM 2006, 2124; Gramlich, Die rechtswissenschaftliche Sicht einer neuen Bankenaufsichtsstruktur in Deutschland, in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002, S. 313; Groß, Die administrative Föderalisierung der EG, JZ 1994, 596; Häde, Bankenaufsicht und Grundgesetz, JZ 2001, 105; Hagemeister, Die neue Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, WM 2002, 1773; Hammen, KWG-rechtliche und EG-rechtliche Aspekte des Kreditgeschäfts in § 1 I 2 Nr. 2 KWG, WM 1998, 741; Hartung, Zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 44 IV KWG, NJW 1988, 1070; Heinrich, Die EG-Richtlinie 2002/87/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten, ZBB 2003, 230; Herdegen, Bundesbank und Bankenaufsicht: Verfassungsrechtliche Fragen, WM 2000, 2121; Huber, Öffentlich-rechtliche Sparkassen in Privatrechtsform?, in: Festschr. f. R. Schmidt, 2006, S. 487; Kessel, Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung und ihre Bedeutung für das Bankgeschäft, in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002, S. 179; Kersting, Zinsanpassung nach Basel II, ZIP 2007, 56; Kießling/Kießling, Kontrolle durch Interne Revision in Kreditinstituten, WM 2003, 513; Koebnick, Die Landeszentralbanken im künftigen System einer nationalen Allfinanzaufsicht, in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002, S. 301; Krimphove, Gesetzgebung im europäischen Bank- und Kapitalmarktrecht – eine ökonomisch-historische Betrachtung, EuR 2007, 597; Lensdorf/Schneider, Das Rundschreiben des Bundesaufsichtsamtes für Kreditwesen zur Auslagerung von wesentlichen Bereichen von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten auf andere Unternehmen gem. § 25 a II KWG, WM 2002, 1949; Litten/Cristea, Asset Backed Securities in Zeiten von Basel II, WM 2003, 213; Lünterbusch, Die privatrechtlichen Auswirkungen des KWG auf Einlagen- und Kreditgeschäfte, 1968; Mayer, Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, 1981; Mielk, Die wesentlichen Neuregelungen der 6. KWG-Novelle, Teil II, WM 1997, 2237; Die Neufassung des § 10 KWG durch die 7. KWG-Novelle, WM 2007, 52; Neumann, Die Aufsicht über Finanzkonglomerate, 1998; Ohler, Hoheitsbeschränkungen im Rahmen grenzüberschreitender Verwaltungszusammenarbeit, DVBl. 2002, 880; Reiter/Geerlings, Die Reform der Bankenaufsicht, DÖV 2002, 562; Schenke/Ruthig, Amtshaftungsansprüche von Bankkunden bei der Verletzung staatlicher Bankenaufsichtspflichten, NJW 1994, 2324; Schieber, Die Aufsicht über Finanzkonglomerate, 1998; Schlette, Die Neustrukturierung der Kapitalmarktaufsicht – am Beispiel des Wertpapierhandelsrechts, in: Festschr. f. Starck, 2007, S. 405; Scholz, Wirtschaftsaufsicht und Amtshaftung, in: Festschr. f. H.-P. Schneider, 2008, S. 402; Schork, Kreditwesengesetz, Kommentar, 23. Aufl., 2005; Stober, Wirtschaftsaufsicht und Bankenaufsicht, in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002, S. 21; Suyter, Aufsichtliche Normen im Bankgeschäft und ihre Erweiterung um Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft, WM 2002, 991; Wambach/Kirchmer, Unternehmensrating: Weit reichende Konsequenzen für mittelständische Unternehmen und für Wirtschaftsprüfer, BB 2002, 400; Waschbusch, Bankenaufsicht, 2000; Ziegler/Rieder, Basel II – Aktueller Handlungsbedarf für die Rechtsberatung mittelständischer Unternehmen, ZIP 2002, 2289. Inhaltsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Aufgabenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 B. Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 C. Gegenstand der Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
I. Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Geschäfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Bankgeschäfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Verbotene Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . 13 D. Erlaubnispflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Erlaubniserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Geschäftsleiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Abberufung/Tätigkeitsverbot . . . . . . . . . 21
Brocker
1934
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
III. Erlöschen und Aufhebung der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Kontrolle und Reglementierung des Kreditgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigenmittel und Liquidität. . . . . . . . . . . . . . III. Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Anzeige- und Auskunftspflichten . . . . . . . . . . . I. Meldewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Depotprüfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sonderprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 25 25 29 32 33 33 35 37 38
V. Auskunftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Entwicklung („Basel II“). . . . . . . . . . . . . . . G. Eingriffsmöglichkeiten der Bankenaufsichtsbehörden im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . II. Maßnahmen in besonderen Fällen. . . . . . . . 1. Maßnahmen bei unzureichenden Eigenmitteln oder unzureichender Liquidität . 2. Maßnahmen bei Gefahr . . . . . . . . . . . . . H. Werbung und Bezeichnungsschutz . . . . . . . . . . I. Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bezeichnungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40 41 42 44 44 45 48 48 50
Stichwortverzeichnis Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 f. Abwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Allfinanzaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 7 Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 24, 38 Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . . . .3, 20, 25 ff., 33 ff. Aufhebung der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 f. Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 19 Auskunftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 ausländische Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bankenkrise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 „Basel II“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 40 Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Bezeichnungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 f. Bundesanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 f. Bundesbank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bußgeldbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Depotprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Eigenmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ff., 44 Eignung (Qualifikation) . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 19 f. Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 f., 23, 50 Erlöschen der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 f. Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Finanzkonglomerate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Forum für Finanzmarktaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ff. Geschäftsleiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 17 ff., 28 Gesetzgebungskompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Gewerbeaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1
Großkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Hauptverwaltungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 informelle Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 f. Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 f. Jahresabschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 f. Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 ff. Landeszentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 44 Millionenkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Missstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 48 Monatsausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Organkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 40 Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 43 Rechts- und Fachaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Registergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 51 Sonderprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Tätigkeitsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Umlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 verbotene Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 39 Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 14, 21, 38, 42 Verwarnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 f. Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48 f. Wertpapier- und Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . 37 Widerspruchsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 38 Zuverlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 19
A. Allgemeines I. Begriffsbestimmung. Das System der Bankenaufsicht zielt darauf, die Stabilität des Finanzsystems sicherzustellen (Reiter/Gerlings, DÖV 2002, 566). Die Bankenaufsicht selbst ist ein bereichsspezifischer Teil der allgemeinen Wirtschaftsaufsicht – genauer: eine besondere Form der Gewerbeaufsicht – und damit ordnungspolitischer Natur (Stober, S. 29; Reiter/Gerlings, DÖV 2002, 563 f.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 6 Rn. 2; Faber, S. 184) und wird definiert als die durch staatliche Stellen ausgeübte spezielle Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 125 Rn. 1 f.; vgl. zur historischen Entwicklung Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, Einf. Rn. 1 ff.). Sie ist geprägt von der Möglichkeit zu staatlichem Eingriff und Zwang (BGHZ 74, 144, 152 f.) und gehört damit zur klassischen Eingriffsverwaltung (BAG, NVwZ 1999, 917, 918). Umfasst sind dabei alle Arten von
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1935
Kreditinstituten. Die spezielle Beaufsichtigung erfolgt durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (s.u. Rn. 5 f.), die sie gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank (s.u. Rn. 7) ausübt. Daneben gibt es weitere, i.d.R. bereichsspezifische Zuständigkeiten etwa für das Börsen- und das Versicherungswesen, die neben der allgemeinen Bankenaufsicht bestehen (vgl. dazu im Überblick Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, Einf. Rn. 93 ff.). Auch andere staatliche Sonderaufsichten wie etwa die Anstaltsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und die Landesbanken treten neben die allgemeine Bankenaufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 52 KWG). II. Aufgabenbestimmung. Die Gewährleistung eines funktionsfähigen Kreditgewerbes im Interesse der Gesamtwirtschaft steht im Mittelpunkt der Bankenaufsicht. Es geht dabei einerseits um die Herstellung und Erhaltung geordneter Verhältnisse im Kreditgewerbe und andererseits um den Schutz der Gläubiger von Kreditinstituten vor Verlusten (Bock, S. 35). Zentrale Norm ist insoweit § 6 II KWG, wonach Institutsgläubiger vor Verlusten geschützt werden sollen und damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft erhalten werden soll (BVerfGE 14, 197; Hammen, WM 1998, 745). Die Bankenaufsicht steht damit im öffentlichen, nicht im privaten Interesse (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 6 Rn. 14; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 6 Rn. 2; vgl. auch BT-Drucks. 14/7033, S. 34; a.A. Schenke/Ruthig, NJW 1994, 2324; Scholz, S. 410). § 4 Abs. 4 FinDAG bestimmt daher konsequent und klarstellend, dass der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (s.u. Rn. 5) „Aufgaben nur im öffentlichen Interesse zugewiesen sind“ (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, Einf. Rn. 63). Dies schließt aus, dass der Staat Einlagegläubigern der Kreditinstitute gegenüber Amtspflichten hat, deren Verletzung Schadensersatzansprüche begründen könnte (EuGH, NJW 2004, 3479; BGHZ 58, 96, 98; NJW 2005, 742, 744; LG Bonn, NJW 2000, 815, 819; Claussen, § 1 Rn. 137; a.A. BAG, NVwZ 1999, 917, 918; Scholz, S. 412 f.). Zur Gewährleistung der Bankenaufsicht ist die aufsichtsrechtliche Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für das einzelne Kreditinstitut begründet, d.h. es hat sich von seiner Einrichtung bis zu seiner Auflösung mit jedem einzelnen Kreditinstitut zu befassen (Mayer, S. 25). Die Überwachung soll dabei vor allem eine solide Geschäftsführung und eine gesunde innere Struktur der Institute gewährleisten, und zwar notfalls durch den Einsatz von Zwangsmitteln (Waschbusch, S. 163 f.). Die laufende Aufsicht wird durch zahlreiche Informations- und Anzeigepflichten ermöglicht. § 6 I, III KWG ist demgegenüber für die notwendigen Einzelmaßnahmen, insbes. für den Erlass belastender Verwaltungsakte, die spezielle Ermächtigungsgrundlage (Reiter/Geerlings, DÖV 2002, 564). § 6 III KWG stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die Bundesanstalt diejenigen Anordnungen treffen kann, die geeignet und erforderlich sind, Missstände in dem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen. Unter Missständen versteht man dabei jede erhebliche, nachhaltige, negative Abweichung vom Standard (Reiter/Geerlings, DÖV 2002, 564 m.w.N.). Auch allgemeinen Missständen, also solchen, bei denen nicht das einzelne Institut im Mittelpunkt steht (Reiter/Geerlings, DÖV 2002, 564), hat die Bundesanstalt entgegenzuwirken (§ 6 II KWG). Solange diese Missstände allerdings unterhalb der in § 6 III KWG beschriebenen Schwelle liegen, ergibt sich noch keine Eingriffsbefugnis der Bundesanstalt; diese ist in dem vorgegebenen Rahmen vielmehr zunächst darauf beschränkt, gegenüber dem betroffenen Institut formlos auf Abhilfe zu drängen (Mayer, S. 26; Reiter/Geerlings, DÖV 2002, 564; a.A. wohl Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 6 Rn. 70).
Brocker
2
3
1936
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
4
Die Gesetzesgebungskompetenz des Bundes für diese Regelungsmaterie folgt aus Art. 74 I Nr. 11 GG, wonach ihm die konkurrierende Gesetzgebung für das Bank- und Börsenwesen als Teilbereich des Rechts der Wirtschaft zugewiesen ist. Hierzu gehört auch die Aufsicht über Kreditinstitute (BVerfGE 14, 197, 213; Häde, JZ 2001, 106; Huber, S. 496 ff.). In einigen Bundesländern, so etwa in Rheinland-Pfalz, sind Banken, Versicherungen und sonstige Geldinstitute sogar ausdrücklich unmittelbar kraft Verfassung der Staatsaufsicht unterstellt (s. dazu Grimm/Caesar-Jutzi, Verf. für Rh.-Pf., 2001, Art. 62 Rn. 1 ff.). Materiell geht das nationale Bank- und Kapitalmarktrecht ohnehin zu mehr als 80 % auf Initiativen der EU zurück (Krimphove, EuR 2007, 597 ff.). Das gilt für das Recht der Bankenaufsicht in besonderem Maße (Krimphove, EuR 2007, S. 605 ff.).
5
B. Organisation I. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Die Bankenaufsicht wurde in Deutschland mit dem am 22. April 2002 in-Kraft-getretenen Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (BGBl. I S. 1310) in wesentlichen Bereichen neu geordnet. Ziel der Gesetzesinitiative der Bundesregierung war die Schaffung einer Allfinanzaufsicht (vgl. dazu Artopoeus, S. 272 ff.; Gramlich, S. 344 ff.; Hagemeister, WM 2002, 1774; Faber, S. 181 ff. sowie u. Rn. 7), die sektorenübergreifend den gesamten Finanzmarkt umfasst (Banken, Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleistungsinstitute) und in deren Mittelpunkt die Errichtung der neuen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stand (BT-Drucks. 14/7033). Diese wurde zum 1. Mai 2002 im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, dem die Rechts- und Fachaufsicht obliegt (§ 2 FinDAG), durch Zusammenlegung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel als bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet (§ 1 I FinDAG). Durch die Wahl der Organisationsform der Anstalt wurde eine vom Bundeshaushalt größere Unabhängigkeit im budgetären, organisationsrechtlichen, personellen und auch operativen Bereich erreicht (BT-Drs. 14/7033, S.33; Schlette, S. 412). Die Bezeichnung als „bundesunmittelbar“ ändert dabei nichts daran, dass es sich bei der BaFin letztlich um mittelbare Staatsverwaltung handelt (Schlette, S. 412). Dieser Begriff bezeichnet nur die Zuordnung der Anstalt zum Bund (Schlette, S. 412). Die Aufsicht – Rechts- und Fachaufsicht – führt das Bundesministerium der Finanzen, dem damit das Aufsichts- und Weisungsrecht gegenüber der BaFin zukommt (§ 2 FinDAG), was im Hinblick auf das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG auch nicht verzichtbar wäre (Herdegen, WM 2000, 2122; Schlotte, S. 413). Ihre ansonsten organisatorische Selbständigkeit verleiht im übrigen auch keine originäre Satzungsgewalt (vgl. §§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 2 Satz 2 FinDAG).
6
Mit rund 1.600 Mitarbeitern beaufsichtigt die Bundesanstalt nach eigenen Angaben 2.1079 Kreditinstitute, 718 Finanzdienstleistungsinstitute, 633 Versicherungsunternehmen, 26 Pensionsfonds sowie rund 6.000 Fonds und 78 Kapitalanlagegesellschaften (Stand: Januar 2008). Sitz der Bundesanstalt sind Bonn und Frankfurt a.M. (§ 1 II FinDAG). Die Bankenaufsicht befindet sich, wie auch der Großteil der Mitarbeiter, in Bonn. Für Klagen gegen die Bundesanstalt und in Verfahren nach dem OWiG gilt Frankfurt a.M. als Sitz der Behörde (§ 1 III FinDAG). Die ursprünglich auf drei Anstalten verteilten Zuständigkeiten spiegeln sich heute in einer 3-Säulenstruktur der neuen Bundesanstalt wider, als dort für die Banken-, die Versicherungs- und die Wertpapieraufsicht eigene Geschäftsbereiche bestehen (§ 1 II der Satzung, vgl. VO v. 29.4.2002 (BGBl. I S. 1499); Bayer, S. 298 f.). Die Säule „Bankenaufsicht“ ist hierbei diejenige, mit den weitreichendsten Zuständigkeiten, die sich im übrigen durch die Neustrukturierung in der Sache
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1937
nicht wesentlich verändert haben (Bayer, S. 290). Sie ist damit als eigenständiger Geschäftsbereich in das zum 1. Mai 2002 bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht errichtete System der Allfinanzaufsicht integriert und besteht organisatorisch aus vier Abteilungen, die ihrerseits in insgesamt 28 Referate unterteilt sind. II. Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank. Die Bundesanstalt und die Deutsche Bundesbank arbeiten bei der Aufsicht zusammen (§ 7 KWG). Diese Zusammenarbeit umfasst vor allem die laufende Überwachung der Institute (§§ 7, 44 c KWG). Dies beinhaltet insbesondere die Auswertung der von den Instituten eingereichten Unterlagen, der Prüfungsberichte nach § 26 KWG und der Jahresabschlussunterlagen sowie die Durchführung und Auswertung der bankgeschäftlichen Prüfungen zur Beurteilung der angemessenen Eigenkapitalausstattung und Risikosteuerungsverfahren der Institute und das Bewerten von Prüfungsfeststellungen (§ 7 I 3 KWG). Die Stellung der Deutschen Bundesbank im System der Bankenaufsicht ist dabei stark ausgebildet, da sie allein mit den Hauptverwaltungen (vormals Landeszentralbanken, s. § 64 Rn. 29) über den notwendigen logistischen Unterbau verfügt und vor Ort handlungsfähig ist (Bayer, S. 296 f.; Claussen, § 3 Rn. 23; Häde, JZ 2001, 107; Koebnick, S. 305; Reiter/Geerlings, DÖV 2002, 568). Insbesondere die Durchführung der Prüfungen im Einzelfall kann die Bundesanstalt der Deutschen Bundesbank übertragen (§ 44 c II KWG), die sodann, zentral von der Bundesanstalt initiiert und mit dieser abgestimmt, durch die Hauptverwaltungen durchgeführt werden (Bayer, S. 296). Dabei hat die Bundesbank die Richtlinien der Bundesanstalt zu beachten (Claussen, § 3 Rn. 23). Auch wenn damit die „Regie in der Bankenaufsicht“ bei der Bundesanstalt liegt (§ 6 KWG; Bayer, S. 296), bedeutet dies freilich – schon im Lichte von Art. 87 III 1, 88 S. 2 GG (vgl. dazu § 55 Rn. 13 ff.) – nicht, dass die Deutsche Bundesbank insoweit weisungsgebunden wäre. Eine abgestimmte Kooperation aber, wie sie § 7 KWG vorsieht, ist demgegenüber verfassungsrechtlich unbedenklich (Herdegen, WM 2000, 2124; Hagemeister, WM 2002, 1779; a.A. Häde, JZ 2001, 112 ff.). Die Zusammenarbeit wird im übrigen im Forum für Finanzmarktaufsicht, dem die Bundesanstalt und die Deutsche Bundesbank angehören und an deren Sitzungen das Bundesministerium der Finanzen teilnehmen kann, koordiniert (§ 3 FinDAG). Aufgrund der damit letztlich doch verteilten „föderal-dezentral organisierten Aufsicht“ (Schlette, S. 410) wird vereinzelt die BaFin zwar als „Superaufsichtsbehörde“ (Schlette, ebd.), nicht jedoch als Instrument einer wirklichen Allfinanzaufsicht charakterisiert (Schlette, S. 410 u. 417). Die Struktur ist allerdings, wie gezeigt, was die Rolle der Bundesbank und die Garantie ihrer Unabhängigkeit anbelangt letztlich verfassungsrechtlich vorgegeben. III. Finanzierung. Die Finanzierung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfolgt gem. § 13 I FinDAG zu 100 % aus eigenen Einnahmen der Bundesanstalt, d.h. durch die Erhebung von Gebühren (§ 14 FinDAG), gesonderten Erstattungen (§ 15 FinDAG) und einer Umlage (§ 16 FinDAG). Die Aufsichtskosten der Deutschen Bundesbank sind dabei ausdrücklich einbezogen(§ 15 II FinDAG). Die Umlage gem. § 16 FinDAG errechnet sich nach der wirtschaftlichen Stärke der Beaufsichtigten (Bayer, S. 294). Sie stellt im System der Wirtschaftsaufsicht eine zulässige Sonderabgabe dar (BVerfG, WM 2007, 729 ff.; BVerwG, JZ 2007, 466 ff. m. abl. Anm. Kube). Einzelheiten sind in der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDADKostV) vom 29.4.2002 (BGBl. I S. 1504, BGBl. I S. 1847) geregelt.
Brocker
7
8
1938
9
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
C. Gegenstand der Aufsicht I. Adressaten der Aufsicht sind gem. § 1 I b KWG Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute. Das Gesetz verwendet insoweit den Begriff des Instituts als Oberbegriff. Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 I 1 KWG). Finanzdienstleistungsinstitute sind demgegenüber Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und die keine Kreditinstitute sind (§ 1 I a 1 KWG). Der Begriff des Unternehmens erfordert keine bestimmte Rechtsform (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 1 Rn. 3). Gewerbsmäßig handelt der Betreiber bereits, wenn der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und er ihn in der Absicht der Gewinnerzielung führt (amtl. Begr. BR-Drucks. 963/96, S. 62; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 1 Rn. 18). Auf den Umfang der Geschäfte kommt es dabei nicht an. Alternativ ist ausreichend, dass das Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Anders als bei der Gewerbsmäßigkeit, ist dafür eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich (VG Berlin, WM 1997, 218, 222). Maßgeblich ist allein, ob nach dem Schutzinteresse der mit dem Unternehmen in Verkehr tretenden Personen ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb, also ein solcher, der insbesondere Handelsbücher nach §§ 238 ff. HGB führt und der einen Jahresabschluss aufstellen muss, objektiv erforderlich ist (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 1 Rn. 19 f.). Ausnahmen sieht das Gesetz hingegen für einzelne Unternehmen vor, die nicht der allgemeinen Bankenaufsicht unterfallen sollen. Dies sind nach § 2 I, VI KWG vor allem die Deutsche Bundesbank selbst, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Sozialversicherungsträger und die Bundesanstalt für Arbeit, private und öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, Pfandleiher, Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, Unternehmen, die nur konzerninterne Bankgeschäfte betreiben sowie Unternehmen, die bestimmte Finanzdienstleistungen nur als Nebengeschäft erbringen.
10
Was ausländische Institute anbelangt, so ist zu unterscheiden, ob es sich in Deutschland um ein Tochterunternehmen handelt, eine Zweigniederlassung oder Zweigstelle, also eine unselbständige Betriebsstelle, oder eine bloße Repräsentanz. Ein Tochterunternehmen unterliegt als selbstständige deutsche juristische Person bereits nach § 1 I b KWG ohne Einschränkung der deutschen Bankenaufsicht (Reischauer/Kleinhans/Becker, § 53 Anm. 5). Zweigstellen ausländischer Unternehmen werden nach § 53 I 1 KWG als selbständige Institute behandelt, wobei mehrere Zweigstellen desselben ausländischen Unternehmens als ein Institut gelten (§ 53 I 2 KWG); mehrere Zweigstellen bennen aus verwaltungstechnischen Gründen eine sog. „Kopfstelle“, der der Verkehr mit den Behörden obliegt (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Marwede, § 53 Rn. 23). Sie unterliegen damit ebenfalls der deutschen Bankenaufsicht, (BGH, NJW 1970, 1187; näher Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Marwede, § 53 Rn. 7 ff.). Anders ist dies nur bei Zweigstellen ausländischer Unternehmen mit Sitz innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums; für diese gelten nach § 53 b KWG zahlreiche Ausnahmen, weshalb man auf diesem Feld nur von einer eingeschränkten Befugnis der deutschen Bankenaufsicht sprechen kann. § 53 b VI KWG begründet vielmehr eine primäre Zuständigkeit des Herkunftsmitgliedsstaats für die bankenaufsichtliche Überwachung der Zweigniederlassung, der gegenüber die deutschen Bankenaufsicht subsidiär ist (Reischauer/Kleinhans, § 53 b Rn. 6; Szagunn/ Haug/ Ergenzinger, § 53 b Rn. 28; Groß, JZ 1994, 596 ff.; Ohler, DVBl. 2002, 881 f.; vgl. i.e. § 63). Repräsentanzen ausländischer Institute schließlich als Vertretungen, die selbst keine erlaubnispflichtigen Tätigkeiten ausüben, werden bankenaufsichtlich grund-
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1939
sätzlich nicht überwacht (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Marwede, § 53 a Rn. 1); die Errichtung, Verlegung oder Schließung einer Repräsentanz sind der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank gleichwohl unverzüglich anzuzeigen (§ 53 a KWG). II. Geschäfte. 1. Bankgeschäfte. Die einzelnen Bankgeschäfte sind in § 1 I 2 KWG katalogmäßig aufgeführt. Es sind dies das Einlagengeschäft, das Kreditgeschäft, das Diskontgeschäft, das Finanzkommissionsgeschäft, das Depotgeschäft, das Investmentgeschäft, das Revolvinggeschäft, das Garantiegeschäft, das Girogeschäft, das Emissionsgeschäft, das Geldkartengeschäft und das Netzgeldgeschäft. Das Betreiben eines dieser Geschäfte ist Voraussetzung für die Eigenschaft des Unternehmens als Kreditinstitut. Das Betreiben anderer, insbesondere banknaher und sonstiger Hilfs- und Ergänzungsgeschäfte ist dadurch freilich nicht ausgeschlossen (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 1 Rn. 28), ebensowenig wie es erforderlich ist, dass das Bankgeschäft das Hauptgeschäft eines Unternehmens darstellt, um seine Geschäftstätigkeit der Bankenaufsicht zu unterwerfen (OLG Stuttgart, NJW 1960, 2158; OLG Frankfurt, NJW 1965, 264; LG Köln, NJW 1964, 252; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 1 Rn. 28 m.w.N.).
11
2. Finanzdienstleistungen. Auch die einzelnen Finanzdienstleistungen sind im KWG katalogmäßig aufgeführt. Es sind dies nach § 1 I a 2 KWG die Anlagevermittlung, die Abschlussvermittlung, die Finanzportfolioverwaltung, der Eigenhandel (Handel von Finanzinstrumenten für andere), die Drittstaatenanlagenvermittlung, das Finanztransfergeschäft und das Sortengeschäft.
12
3. Verbotene Geschäfte. Wegen ihrer Gefährlichkeit für die Gläubigerinteressen oder aufgrund ihrer Nachteiligkeit für die Gesamtwirtschaft sind bestimmte Geschäfte nach § 3 KWG verboten, nämlich der Betrieb von Werkssparkassen (§ 3 Nr. 1 KWG) und von Zwecksparunternehmen (§ 3 Nr. 2 KWG) sowie der Missbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (§ 3 Nr. 3 KWG), d.h. das Ausschließen oder die erhebliche Erschwerung der Verfügung über den Kreditbetrag oder die Einlagen durch Barabhebung beim Kredit- oder beim Einlagengeschäft (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 3 Rn. 1 ff. m.w.N.). Der Betrieb solcher Geschäfte ist mit Strafe bedroht (§ 54 I Nr. 1 KWG). Die Bundesanstalt kann gegen den Betrieb der Geschäfte unmittelbar einschreiten und deren unverzügliche Abwicklung anordnen und sicherstellen (§ 37 KWG); die verbotenen Geschäfte sind nämlich idR keinesfalls nach § 134 BGB nichtig, da andernfalls die Anleger, deren Schutz das Gesetz bezweckt, benachteiligt würden (Canaris, Rn. 1175 f.; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 3 Rn. 27 f.). Anders ist die Frage der Nichtigkeitsfolge allein bei Geschäften nach § 3 Nr. 3 KWG zu beurteilen; da sich hier das Verbot an beide Vertragspartner richtet und der gesetzliche Zweck anders als mit der Folge des § 134 BGB nicht erreicht werden könnte. In diesen Fällen ist daher idR von der Nichtigkeit des Geschäfts auszugehen (Canaris, Rn. 1176; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 3 Rn. 28; Lünterbusch, S. 130). Nur in Ausnahmefällen – etwa im Falle überhöhter Gebührenforderungen – kommt eine Teilnichtigkeit in Betracht (BGH, WM 1993, 2237, 2239).
13
D. Erlaubnispflichtigkeit
14
I. Erlaubniserteilung. Der Betrieb eines Bank- oder Finanzdienstleistungsinstituts bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt (§ 32 I KWG). Wer Bankgeschäfte ohne die erforderliche Erlaubnis betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt macht sich strafbar (§ 54 I Nr. 2 KWG); auch die fahrlässige Begehung ist mit Strafe bedroht (§ 54 II KWG). Die Erteilung der Erlaubnis stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, auf dessen Ergehen der Antragsteller einen Rechtsanspruch hat, falls keiner der in § 33 I bis III KWG aufgeführten Versagungsgründe vorliegt. Schon angesichts der ausdrücklichen Regelung in § 33 IV KWG und im Lichte des Art. 12 GG müssen die dort genannten
Brocker
1940
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
Versagungsgründe als abschließend begriffen werden (Boos/Fischer/Schulte-MattlerFischer, § 33 Rn. 4; a.A. Schork, § 33 Rn. 3 ff. Der Antrag muss allerdings die in § 32 I 2 KWG genannten Angaben enthalten. Andernfalls ist der Antrag unzureichend, was einen Versagungsgrund darstellt (§ 33 III Nr. 4 KWG). Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten wird die Bundesanstalt den Antragsteller aber in derartigen Fällen idR zur Ergänzung oder Nachlieferung der erforderlichen Unterlagen aufzufordern haben (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 33 Rn. 81). 15
Die Kriterien für die Erlaubniserteilung sind ein ausreichendes Anfangskapital (§ 33 I Nr. 1 KWG; dazu i.e. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 33 Rn. 6 ff.), die fachliche Qualifikation des Geschäftsleiters (§ 33 I Nr. 4, II KWG; s.u. Rn. 19) und seine sowie die Zuverlässigkeit anderer maßgeblicher Personen wie dem Antragsteller, dem Inhaber oder gesetzlichen Vertretern oder persönlich haftenden Gesellschaftern eines mit einer bedeutenden Beteiligung i.S. von § 1 IX KWG an dem Kreditinstitut beteiligten Unternehmens (§ 33 I Nrn. 2 u. 3 KWG). Dies gilt auch für den Erwerber einer Beteiligung an einem Kreditinstitut (VG Frankfurt a.M., WM 2008, 782 ff.). Im Falle mangelnder Zuverlässigkeit kann die BaFin den Erwerb daher gestützt auf § 2 c KWG untersagen (VG Frankfurt a.M., WM 2008, 782 f.). Ferner müssen die nötigen organisatorischen Anforderungen erfüllt (§§ 25 a II, 32 I 2 Nr. 5, 33 I 1 Nr. 7 KWG; vgl. dazu i.e. Suyter, WM 2002, 994 ff.; Lensdorf/Schneider, WM 2002, 1949 ff.), insbesondere die Hauptverwaltung des Instituts im Inland sein (§ 33 I Nr. 6 KWG). Das Institut muss ferner an ein Einlagensicherungssystem angeschlossen sein (§§ 32 III a, 35 I 2 KWG; vgl. dazu i.e. Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 133 Rn. 24 ff. m.w.N.). Die Erlaubnis kann daneben versagt werden, wenn aufgrund der Konzernstruktur eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt ist (§ 33 III Nr. 1 KWG) oder der Antrag keine ausreichenden Angaben oder Unterlagen enthält (§ 33 III Nr. 4 KWG; s.o. Rn. 14). Was Zweigstellen ausländischer Unternehmen außerhalb der EG anbelangt (s.o. Rn. 10) so gelten im übrigen zusätzlich die in § 53 II KWG gesondert aufgeführten Kriterien.
16
Die Erlaubnis kann grundsätzlich mit Beschränkungen oder Auflagen versehen werden. Beschränkungen (§ 32 II 2 KWG), etwa auf bestimmte Arten von Bankgeschäften, können allerdings, falls sie nicht auf Antrag ausgesprochen werden, nur auf einen der in § 33 I KWG aufgeführten Versagungsgründe (s.o. Rn. 15 f.) gestützt werden. Auch Auflagen (§ 32 II 1 KWG) dürfen die in §§ 32, 33 KWG normierten Zulassungsvoraussetzungen nicht erweitern (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 128 Rn. 35 f.).
17
II. Geschäftsleiter. 1. Bestellung. Geschäftsleiter sind nach der Legaldefinition in § 1 II 1 KWG diejenige natürlichen Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung eines Instituts berufen sind. Dies sind alle persönlich haftenden Gesellschafter, soweit sie nicht nach dem Gesellschaftsvertrag von der Führung der Geschäfte oder der Vertretung ausgeschlossen sind, sowie die Mitglieder des Vorstands einer AG, eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts oder einer eingetragenen Genossenschaftsbank und die Geschäftsführer einer GmbH. Stellvertretende Vorstandsmitglieder sind Geschäftsleiter nur dann, wenn sie zur Geschäftsführung und Vertretung des Instituts ausdrücklich befugt sind.
18
Den Geschäftsleitern kommt im System der Bankenaufsicht eine zentrale Rolle zu; sie sind der unmittelbare Ansprechpartner für die Bundesanstalt und dieser für die Einhaltung der Bestimmungen des KWG sowie der bankenaufsichtlichen Anordnungen verantwortlich. Dies bedingt, dass ihre volle und alleinige Verantwortlichkeit für die Geschäftstätigkeit des Instituts keinen, auch nicht satzungsmäßigen, Einschränkungen unterworfen werden darf (Szagunn/Haug/Ergenzinger-Haug, § 1 Anm. 74; Boos/Fischer/Schulte-Matt-
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1941
ler-Fülbier, § 1 Rn. 153). Das KWG statuiert im übrigen das Vier-Augen-Prinzip, d.h. es müssen grundsätzlich mindestens zwei persönlich zuverlässige und fachlich geeignete Geschäftsleiter bestellt werden (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 33 Rn. 65 ff.). Die persönliche Zuverlässigkeit (§ 33 I Nr. 2 KWG) wird grundsätzlich unterstellt, solange keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich die Unzuverlässigkeit ergeben könnte. Ob Bedenken gegen die Zuverlässigkeit bestehen, beurteilt die Bundesanstalt anhand der eingereichten Antragsunterlagen nach pflichtgemäßem Ermessen (Reischauer/Kleinhans, § 33 Anm. 10). Die fachliche Eignung demgegenüber (§ 33 I Nr. 4 KWG) wird nicht bereits unterstellt, sondern muss in jedem Fall dem Lebenslauf des Betroffenen positiv entnommen werden können. Erforderlich sind die theoretischen und praktischen Kenntnisse „in den betreffenden Geschäften“ sowie Leitungserfahrung (§ 33 II 1 KWG). Die erforderliche Eignung richtet sich damit maßgeblich nach der Geschäftsart und Größe des jeweiligen Instituts. § 33 II 2 KWG enthält eine Regelvermutung für die fachliche Qualifikation, „wenn eine dreijährige leitende Tätigkeit bei einem Institut von vergleichbarer Größe und Geschäftsart nachgewiesen wird.“ Diese Vermutung ist in beide Richtungen widerlegbar; zum einen kann der Nachweis der fachlichen Eignung auch auf andere Weise erbracht werden und zum anderen kann aufgrund weiterer Umstände die fachliche Eignung trotz Erfüllens der Regelvoraussetzungen zu verneinen sein. Eine individuelle Prüfung der fachlichen Eignung des Betroffenen anhand aller Umstände des Einzelfalls ist mithin in keinem Fall entbehrlich (BVerwGE 58, 352; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Fischer, § 33 Rn. 48 f.). Die Bundesanstalt kann im Falle unzureichender oder zweifelhafter Qualifikation auch Auflagen machen (Boos/Fischer/Schulte-MattlerFischer, § 33 Rn. 64).
19
Die persönliche Zuverlässigkeit und fachliche Eignung der Geschäftleiter wird allerdings nicht allein bei der Erlaubniserteilung überprüft. Auch nach Erlaubniserteilung sind die Absicht der Bestellung eines Geschäftsleiters und der Vollzug dieser Absicht der Bundesanstalt anzuzeigen und dabei die Tatsachen mitzuteilen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung wesentlich sind (§ 24 I Nr. 1 KWG). Die Bundesanstalt lässt in diesem Zusammenhang in begrenztem Umfang auch informelle Voranfragen durch Institute zu (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 128 Rn. 48 f.). Bei mangelnder persönlicher Zuverlässigkeit oder fachlicher Eignung kann die Bundesanstalt die Bestellung untersagen; ist die Bestellung bereits erfolgt, kann es nachträglich die Erlaubnis insgesamt entziehen (§ 35 II Nr. 3 KWG; s.u. Rn. 23) oder, was i.d.R. der Fall sein wird, als milderes Mittel die Abberufung des betreffenden Geschäftsleiters verlangen (§ 36 KWG; s.u. Rn. 21).
20
2. Abberufung/Tätigkeitsverbot. Ein auf § 36 KWG gestütztes Abberufungsverlangen der Bundesanstalt oder das Aussprechen eines Tätigkeitsverbots stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar. Liegen nach § 36 I KWG die Gründe für einen Erlaubnisentzug nach § 35 II Nr. 3, 4 und 6 KWG vor (s.u. Rn. 23), so sind der Ausspruch eines Abberufungsverlangens und ggf. zusätzlich eines Tätigkeitsverbots i.d.R. als milderes Mittel geboten (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 36 Rn. 4; Geschwandtner, NJW 2006, 1572). Dies gilt auch für entsprechende Hinweise und Belehrungen oder Missbilligungen, die als milderes Mittel ebenfalls von der Bankenaufsicht auch ohne spezielle Ermächtigungsgrundlage gegeben oder ausgesprochen werden können (BVerwG, WM 2007, 1655 f.). Daneben kommt nach § 36 II KWG als weiterer Grund in Betracht, wenn ein Geschäftsleiter vorsätzlich oder leichtfertig gegen Aufsichtsnormen verstoßen hat und dies trotz Verwarnung durch die Bundesanstalt fortsetzt. Ein Abberufungsverlangen kann isoliert, ein Tätigkeitsverbot nach § 36 I KWG nur zusätzlich zu diesem ausgesprochen werden (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 36 Rn. 3; a.A. Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 36
21
Brocker
1942
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
Rn. 7). Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 36 I KWG. Lediglich ein Tätigkeitsverbot nach § 46 I 1 Nr. 3 KWG kann als einstweilige Maßnahme zur Gefahrenabwehr unabhängig von einem Abberufungsverlangen ausgesprochen werden (s.u. Rn. 45). Voraussetzung ist allerdings stets, dass der Geschäftsleiter für die Mängel, die zu seiner Abberufung und ggf. auch einem Tätigkeitsverbot führen sollen, verantwortlich ist. Hierfür ist i.d.R. ausreichend, dass sie in seinem Verantwortungsbereich, etwa durch mangelhafte Kontrollen bzw. mangelhafte Durchsetzung angeordneter Maßnahmen oder durch Mängel in der Organisation (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 128 Rn. 81 ff.), entstanden sind. 22
Das Abberufungsverlangen richtet sich an das jeweilige Institut und kann von diesem im Wege des Widerspruchsverfahrens und der Anfechtungsklage angegriffen werden. Daneben steht allerdings auch dem in Rede stehenden Geschäftsleiter als Drittbetroffenem i.S. des § 41 I 1 VwVfG ein eigenes Anfechtungsrecht im Hinblick auf ein Abberufungsverlangen zu. Adressat des Tätigkeitsverbot ist demgegenüber unmittelbar der Geschäftsleiter. Da § 49 KWG die sofortige Vollziehbarkeit von Maßnahmen nach § 36 KWG anordnet, haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Ist im Hinblick auf das Abberufungsverlangen Erledigung eingetreten, ist die richtige Klageart die Fortsetzungsfeststellungsklage (ähnl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 36 Rn. 56). Gegen eine Verwarnung, die gem. § 36 II 1 KWG einer Maßnahme nach § 36 II KWG (s.o. Rn. 21) vorausgehen muss, kann der Betroffene im Wege der allgemeinen Leistungsklage nach § 42 VwGO (vorbeugende Unterlassungsklage) vorgehen; eine Anfechtungsklage kommt nicht in Betracht, da es sich bei der Verwarnung allein mangels eines Regelungsgehalts nicht um einen Verwaltungsakt handelt (VG Berlin, WM 1992, 1059; Reischauer/Kleinhans, § 36 Rn. 12; Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 36 Rn. 19; a.A. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 36 Rn. 35 u. 57). Rechtsschutz kann auch gegen die informellen Maßnahmen der BaFin (s.o. Rn. 21) in Anspruch genommen werden, wenn und soweit diese beschwerenden Charakter haben (BVerwG, WM 2007, 1655 f.; VG Berlin, WM 1992, 1060, 1062; Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 126 Rn. 21).
23
III. Erlöschen und Aufhebung der Erlaubnis. Die Erlaubnis erlischt automatisch, wenn von ihr nicht innerhalb eines Jahres seit ihrer Erteilung Gebrauch gemacht wird (§ 35 I 1 KWG) oder wenn das Institut von der zuständigen Entschädigungseinrichtung ausgeschlossen wird (§ 35 I 2 KWG). Der Katalog der Aufhebungsgründe ist demgegenüber in § 35 II KWG aufgeführt. Dies sind im einzelnen das Ruhen des Geschäftsbetriebs seit mehr als sechs Monaten (Nr. 1), die Umwandlung eines in Gesellschaftsform eingerichteten Kreditinstituts in einen Einzelkaufmann (Nr. 2), das Fehlen oder Wegfallen einer Erlaubnisvoraussetzung nach § 33 I KWG (Nr. 3; s.o. Rn. 15), das Bestehen einer Gläubigergefährdung (Nr. 4; dazu OVG NW, WM 2002, 847 ff.), nicht ausreichende Eigenmittel eines Wertpapierhandelsunternehmens (Nr. 5) und Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen oder Anordnungen (Nr. 6). Daneben treten die allgemeinen Aufhebungsgründe der §§ 48, 49 VwVfG, wie z.B. die Erschleichung der erteilten Erlaubnis. Dabei ist in jedem Fall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von der Bundesanstalt in besonderem Maße zu beachten, da die Schließung eines Instituts eine besonders einschneidende Maßnahme darstellt, die nicht zuletzt auch Gläubigerinteressen beeinträchtigen kann, deren Schutz § 35 KWG gerade maßgeblich intendiert (Schimansky/ Bunte/ Lwowski-Fischer, § 128 Rn. 78). Folge des Erlöschens bzw. der Aufhebung der Erlaubnis, die im übrigen von der Bundesanstalt im Bundesanzeiger bekannt zu machen sind (§ 38 III 1 KWG), ist die Abwicklung des Instituts (§ 38 KWG).
24
Gegen die förmliche Feststellung des Erlöschens der Erlaubnis ist die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 VwGO) die statthafte Klageart. Die Aufhebung der Erlaubnis kann
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1943
im Wege des Widerspruchsverfahrens und der Anfechtungsklage angegriffen werden. Diese entfalten jedoch gem. § 49 KWG keine aufschiebende Wirkung. Es kann allerdings um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht werden (§ 80 IV-VIII VwGO; vgl. OVG NW, WM 2002, 847 ff.; Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 49 Rn. 2).
E. Kontrolle und Reglementierung des Kreditgeschäfts
25
I. Kredite. §§ 13 bis 18 KWG enthalten spezielle Beschränkungen, um den besonderen Risiken, die mit der Kreditvergabe für die Institute selbst und damit auch für deren Gläubigern entstehen können, wirksam zu begegnen. Dabei wird ein weiter Kreditbegriff zugrunde gelegt, an den in den einzelnen Vorschriften des KWG, aber ergänzend auch in der Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV) v. 29.12.1997 (BGBl. I S. 3418) je nach Kategorie unterschiedliche Pflichten geknüpft werden. Das Kreditrisiko nämlich bildet bei weitem den größten Anteil bankbetrieblicher Risiken (Suyter, WM 2002, 998). Ziel der Kreditbeschränkungen ist es vor allem, gefahrbehaftete Abhängigkeiten von einzelnen, wenigen Kreditnehmern, die zu existenzgefährdenden Ausfällen führen können, zu vermeiden. §§ 13 ff. KWG statuieren daher besondere Anzeige- und Beobachtungspflichten für bestimmte Arten von Kreditgeschäften. Die betroffenen Kreditarten sind zum einen die Großkredite; ein solcher liegt vor, wenn die Kreditsumme 10 % des haftenden Eigenkapitals erreicht oder übersteigt (§§ 13, 13 a KWG). Dabei gelten für Nichthandelsbuchinstitute und für Handelsbuchinstitute gem. §§ 13, 13 a KWG unterschiedliche Beschränkungen. Gemeinsam ist den Großkrediten aber, dass sie nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter gewährt werden dürfen (§§ 13 II 1, 13 a II KWG) und der Deutschen Bundesbank unverzüglich anzuzeigen sind (§§ 13 I 1, 13 a I 1 KWG). Das Anzeigeverfahren ist im einzelnen in der Anzeigenverordnung (AnzV) v. 29.12.1997 (BGBl. I S. 3372) geregelt. § 20 KWG und die GroMiKV enthalten einzelne Ausnahmen von den besonderen Verpflichtungen bei Großkrediten, insb. für Staats- und Kommunalkredite (vgl. i.e. Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Meyer-Ramloch, § 20 Rn. 1 ff.).
26
Weiter betroffen sind zum anderen Millionenkredite, d.h. solche Kredite, bei denen ein Kreditnehmer zu einem Zeitpunkt während der einem Meldetermin (15.1, 15.4., 15.7., 15.10) vorhergehenden drei Kalendermonate eine Verschuldung von 1,5 Mio. € oder mehr aufgewiesen hat (§ 14 I 1 KWG). Im Hinblick auf die betroffenen Kreditnehmer besteht für den Kreditgeber eine Anzeigepflicht bei der Deutschen Bundesbank. Einzelheiten des Verfahrens sind in § 6 AnzV geregelt. Umgekehrt informiert auch die Deutsche Bundesbank ihrerseits diejenigen Kreditgeber, die eine Millionenkreditanzeige getätigt haben, über die Gesamtverschuldung der betreffenden Kreditnehmer, und zwar auch bereits im Wege der Vorab-Anfrage (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, § 14 Rn. 56 ff.). So entsteht durch die Einrichtung einer Evidenzzentrale bei der Deutschen Bundesbank ein System zur effektiven Risikokontrolle von Großschuldnern (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Fischer, § 130 Rn. 29).
27
Zu nennen sind schließlich als dritte Kategorie Organkredite, d.h. Kredite an in § 15 KWG genannte natürliche Personen oder Unternehmen, die dem Kreditinstitut besonders nahe stehen. Es sind dies die Geschäftsleiter des Instituts (§ 15 I Nr. 1 KWG), Gesellschafter des Instituts bei Personengesellschaften oder einer GmbH sowie stille Gesellschafter (§ 15 I Nr. 2 u. 6 KWG), Mitglieder des Aufsichtsorgans des Instituts (§ 15 I Nr. 3 KWG), Prokuristen und Generalbevollmächtigte des Instituts (§ 15 I Nr. 4 KWG), Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder der vorgenannten Personen (§ 15 I Nr. 5 KWG), persönlich haftende Gesellschafter, Geschäftsführer, Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsorgans, Prokuristen und Generalbevollmächtigte eines von dem
28
Brocker
1944
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
kreditgebenden Institut abhängigen oder dieses beherrschenden Unternehmens sowie deren Ehegatten, Lebenspartner und minderjährigen Kinder (§ 15 II KWG), sowie an bestimmte Unternehmen, die in einer engen Beziehung zu dem Kreditgeber stehen (vgl. i.e. § 15 I Nr. 7-11 KWG). Der Gesetzgeber geht in diesen Fällen davon aus, dass bei den genannten natürlichen und juristischen Personen die abstrakte Gefahr besteht, dass aufgrund von Eigeninteressen oder aufgrund persönlicher Abhängigkeiten Risiken oder gar Verluste infolge einer Vorzugsbehandlung entstehen (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 15 Rn. 1; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, § 15 Rn. 1). Ausnahmen gelten nach § 21 II, III KWG im wesentlichen nur für Gebietskörperschaften und Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie in dort ausdrücklich genannten eng umgrenzten Fällen. Der maßgebliche Kreditbegriff ergibt sich aus § 21 KWG. Im übrigen sind derartige Kredite aber nicht etwa unzulässig, bedürfen allerdings eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter sowie der ausdrücklichen Zustimmung des Aufsichtsorgans (§ 15 I 1 KWG). Im Hinblick auf Organkredite an natürliche Personen können auch Vorratsbeschlüsse gefasst werden (§ 15 IV 6 KWG). Damit sind Organkredite im Ergebnis einer besonderen Verantwortung und Beobachtung durch die Geschäftsleiter und das Aufsichtsorgan des Kreditinstituts (den Aufsichts- oder Verwaltungsrat) unterstellt. Fehlt es im Einzelfall an den erforderlichen Beschlüssen und werden diese auch nicht nachgeholt, so ist der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzuzahlen (§ 15 V KWG). Sollten die Geschäftsleiter oder die Mitglieder des Aufsichtsorgans in diesem Zusammenhang pflichtwidrig gehandelt haben, haften sie im übrigen für den daraus ggf. entstehenden Schaden (§ 17 KWG). 29
II. Eigenmittel und Liquidität. Neben diesen speziellen besonders risikobehafteten Krediten ist der allgemeine in § 10 I 1 KWG verankerte Grundsatz zu beachten, dass Kreditinstitute für ihren laufenden Geschäftsbetrieb im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere zur Sicherung der ihnen anvertrauten Vermögenswerte, über angemessene Eigenmittel zu verfügen haben (s. zur Ermittlung i.e. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Boos, § 10 Rn. 4 ff.). Dadurch soll Vorsorge zur Abdeckung des Adressenausfallrisikos und des allgemeinen Marktrisikos getroffen und die Liquidität (§ 11 S. 1 KWG), d.h. die Fähigkeit die jeweils fälligen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können, sichergestellt werden (s. zu den Eigenmittel- und Liquiditätsgrundsätzen Boos/Fischer/Schulte-Mattler-ders., Grds. I u. II). Bei der Berechnung der erforderlichen Höhe der notwendigen Eigenkapitalunterlegung wird das Kreditportfolio, d.h. der gesamte Bestand des Kreditgeschäfts betrachtet und beziffert. Dabei werden standardisierte Bonitätsgewichtungen vorgenommen (Kessel, S. 182 ff.), die zumindest bis Anfang des Jahres 2008 in aller Regel i.E. darauf hinausliefen, dass ganz weitgehend ohne Rücksicht auf das konkrete Kreditrisiko im Einzelfall grundsätzlich 8 % des Kreditvolumens als Eigenmittel vorgehalten werden mussten (Becker/Gromer, S. 12; Kessel, S. 183; Ziegler/Rieder, ZIP 2002, 2290; Claussen, § 1 Rn. 126).
30
Was die Ermittlung des notwendigen Eigenkapitalunterlegung anbelangt hat der sog. Basel II-Prozess allerdings zu grundlegenden Veränderungen geführt. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat Grundsätze erarbeitet, wonach die Höhe der Eigenkapitalunterlegung sich in stärkerem Maße als bisher individuell nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kreditnehmers richten soll (Ziegler/Rieder, ZIP 2002, 2290). Erklärtes Ziel ist es, die Kreditrisiken deutlicher zu erkennen, zu beziffern, zu überwachen und zu kontrollieren (Suyter, WM 2002, 993). Seit dem 1.1.2008 ist daher die früher pauschalierte Eigenkapitalquote von 8 % (s.o. Rn. 29) durch ein ausdifferenziertes System der Bonitätseinstufung der Aktiva einer Bank ersetzt worden (Claussen, § 1 Rn. 126 m.w.N.), wobei die Eigenkapitalanforderungen im Ergebnis nach der Bonität des Kreditnehmers
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1945
variieren (Claussen, § 1 Rn. 130). Diese grundlegende Umstellung im System der Kapitalund Liquiditätssicherung war vor allem deshalb dringend erforderlich, um die Bereitschaft einzelner Banken, unsichere Kredite zu gewähren, um Wachstum zu generieren, zu beschränken (Claussen, § 1 Rn. 130). Instrumente der Bonitätseinstufung sind dabei vor allem Ratings, die entweder extern erstellt und zugrunde gelegt werden oder die intern von den einzelnen Kreditinstituten zu erstellen sind (Litten/Cristea, WM 2003, 216 f.). In Deutschland haben sich erwartungsgemäß mittlerweile schwerpunktmäßig interne Ratingsysteme etabliert (Kessel, S. 188; vgl. i.e. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-ders., Basel II Rn. 11 ff.). Diese haben den Vorteil, dass sie als „hausinterne“ Ratings die konkrete Situation des Kreditnehmers „passgenauer“ beleuchten und bewerten können (Claussen, § 1 Rn. 128 f.). Dies hat naturgemäß als flankierender und notwendiger Baustein der Aufsicht eine verstärkte Kontrolle der angemessenen Eigenkapitalunterlegung unter Überprüfung der Ratings, auch und nicht zuletzt ihres Zustandekommens, zur Folge (s.a.u. Rn. 40). Im übrigen hat sich schon nach kurzer Zeit gezeigt, dass externe Ratings über spezielle Rating-Agenturen den gravierenden Nachteil haben, teuer, zeitaufwendig und nicht zuletzt durch die Hypothekenkrise in den USA im Jahr 2007 belastet zu sein (Claussen, § 1 Rn. 127). Daneben sind neue Anforderungen an die Ermittlung einer angemessene Eigenkapitalausstattung bei Finanzkonglomoraten, die durch die Richtlinie 2002/87/EG vom 16.12.2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomoraten statuiert wurden, getreten (dazu i.e. Heinrich, ZBB 2003, 235 ff.; Krimphove, EuR 2007, 612 f.). Ziel ist es, die zunehmende Zahl vorwiegend in der Finanzbranche tätiger Gruppen mit heterogenen Finanztätigkeiten (s. dazu Neumann, S. 9 ff.; Schieber, S. 44 ff.) effektiver bewerten und überwachen zu können. (Heinrich, ZBB 2003, 231 u. 235 ff.). Seit dem 1.1.2005 erstreckt sich die Finanzaufsicht daher auch auf Finanzkonglomorate. § 1 Abs. 20 KWG definiert diese als Unternehmensgruppen, die aus einem Mutterunternehmen und seinen Tochterunternehmen oder Beteiligungsunternehmen bestehen, zu denen Kreditinstitute, Versicherungen oder Wertpapierdienstleistungsunternehmen gehören. Die Aufsicht erstreckt sich ausdrücklich auch und nicht zuletzt auf die Eigenkapitalausstattung (§ 10 b KWG).
31
III. Offenlegungspflicht. Eine spezielle, eigentlich selbstverständliche Obliegenheit statuiert § 18 I KWG, nämlich sich als Kreditinstitut die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers offen legen zu lassen. Diese Pflicht besteht zwar nur bei Krediten über 250.000 € (§ 18 I 1 KWG), doch es dürften auch unterhalb dieses Betrags i.d.R. die Bonität eines Kreditnehmers und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sorgfältig geprüft werden müssen (Früh, WM 2002, 1813 m.w.N.). Im übrigen reicht es nicht aus, die Prüfung nur bei der Kreditvergabe selbst vorzunehmen, sondern sie muss als laufende Überprüfung während der gesamten Laufzeit des Kredits ausgestaltet sein und dokumentiert werden (Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Bock, § 18 Rn. 25 ff.; Früh, WM 2002, 1826 f.). Die formalen Voraussetzungen hat die Bundesanstalt in einem Rundschreiben zusammengefasst, das der Praxis der Kreditinstitute zugrunde gelegt wird (vgl. Mielk, WM 1997, 2243). Die Voraussetzungen für den Verzicht auf Offenlegung im Einzelfall sowie Ausnahmen von der Offenlegungspflicht sind in §§ 18 S. 4, 21 II-IV KWG normiert (vgl. i.e. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Bock, § 18 Rn. 78 ff.; Früh, WM 2002, 1823 ff.).
32
F. Anzeige- und Auskunftspflichten
33
I. Meldewesen. Durch eine Reihe von speziellen Meldepflichten wird sichergestellt, dass die Bankenaufsichtsbehörden laufend über die wesentlichen Entwicklungen bei den be-
Brocker
1946
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
aufsichtigten Instituten informiert werden. Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieses aufsichtlichen Meldewesens sind dabei die sog. Monatsausweise, die nach § 25 I KWG unverzüglich nach Ablauf jeden Monats bei der Deutschen Bundesbank einzureichen sind. Dabei handelt es sich um monatliche Zwischenbilanzen, die der Bankenaufsicht vor allem als Grundlage für die Berechnung der Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsgrundsätze dienen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 132 Rn. 1 f.). Institutskonzerne sind außerdem verpflichtet, zusammengefasste Monatsausweise einzureichen. Einzelheiten sind in der Monatsausweisverordnung v. 31.5.1999 (BGBl. I S. 1080 u. 1086) geregelt (vgl. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, § 25 Rn. 3 ff.). 34
Daneben gibt es weitere laufende Anzeige- und Meldepflichten, wovon die im Hinblick auf Großkredite (§ 13 KWG, s.o. Rn. 26), Millionenkredite (§ 14 KWG, s.o. Rn. 27) und den Jahresabschluss (§§ 26, 27, 29 KWG, s.u. Rn. 35 f.) die in praxi bedeutsamsten sind. Daneben sind noch die sog. organisatorischen Meldungen nach § 24 KWG zu nennen, die alle wesentlichen organisatorischen Maßnahmen und Veränderungen im Geschäftsbetrieb eines Instituts umfassen; § 24 KWG enthält den entsprechenden Katalog (vgl. i.e. Reischauer/Kleinhans, § 24 Anm. 11 ff.). Das Nähere zum Verfahren ist in der AnzV (s.o. Rn. 26) geregelt.
35
II. Jahresabschluss. Die entscheidende Grundlage für einen Einblick in die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage eines Unternehmens ist vor allem der Jahresabschluss (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 26 Rn. 1). Die Institute sind vor diesem Hintergrund verpflichtet, bereits ihren noch nicht geprüften Jahresabschluss, den sie gem. §§ 242 ff., 340 ff. HGB und nach den Vorschriften der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute (RechKredV) zu erstellen haben, binnen drei Monaten nach Ende des Geschäftsjahres der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank einzureichen (§ 26 KWG). Die rasche Aufstellung und Einreichung bereits vor der Prüfung soll sicherstellen, dass die Bankenaufsicht zeitnah über aktuelle Informationen vor allem im Hinblick auf die Entwicklung der Vermögenslage, der Liquidität und Rentabilität verfügt (Reischauer/ Kleinhans, § 26 Anm. 1). Dies gilt auch für Konzernabschlüsse und -lageberichte nach § 340 i HGB. Später sind auch der festgestellte Jahresabschluss und der Lagebericht (§ 26 I 1 KWG) sowie nach Fertigstellung unverzüglich der Prüfungsbericht einzureichen (§ 26 I 3 KWG). Das Verfahren der Einreichung ist im einzelnen in §§ 25, 26 AnzV geregelt. Das Rechenwerk selbst ist gem. § 340 l Abs. 4 HGB i.V.m. §§ 325 ff. HGB offenzulegen und wird im Bundesanzeiger veröffentlicht. Hierauf dürfen Kreditinstitute nur verzichten, wenn ihre Bilanzsumme 200 Mio. Euro nicht übersteigt (Claussen, § 1 Rn. 151).
36
Die Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses resultiert aus § 340 k HGB. Der von dem jeweiligen Institut bestellte Prüfer ist der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank gem. § 28 I 1 KWG unverzüglich anzuzeigen (eine Ausnahme gilt insoweit nur für die Sparkassen und Kreditgenossenschaften, § 28 III KWG), wobei die Bundesanstalt die Befugnis hat, die Bestellung eines anderen Prüfers zu verlangen, wenn „dies zur Erreichung des Prüfungszwecks geboten ist“ (§ 28 I 2 KWG). Damit sind die Fälle einer mangelnden persönlichen oder mangelnden fachlichen Eignung des Prüfers umschrieben (vgl. i.e. Schork, § 28 Rn. 3; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Winter, § 28 Rn. 24 ff. m.w.N.). Gegen entsprechende Maßnahmen der Bundesanstalt sind Widerspruch und Anfechtungsklage – auch durch den jeweiligen Prüfer als Drittbetroffenem (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 28 Rn. 8) – statthaft; diese haben allerdings keine aufschiebende Wirkung (§ 28 I 2 KWG). Kommt das Institut dem Verlangen der Bundesanstalt nicht unverzüglich nach, wird ein Abschlussprüfer durch das Registergericht bestellt (§ 28 II 1 Nr. 2 KWG). Der Prüfer hat neben der Ordnungsgemäßheit des Rechnungswesens und der Einhaltung der
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1947
gesetzlichen Vorschriften auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Instituts zu prüfen (§ 29 I 1 KWG) sowie die Einhaltung der Anzeigebestimmungen, der Pflichten nach dem Geldwäschegesetz (s. § 6) und der Offenlegungspflicht (s.o. Rn. 33) festzustellen (§ 29 I 2, II KWG). § 29 III KWG legt dem Prüfer darüberhinaus besondere Anzeigeund Mitwirkungspflichten gegenüber den Bankenaufsichtsbehörden auf. Zu nennen ist hier insbesondere die sog. Redepflicht, die dem Prüfer bereits während des Prüfungsverfahrens auferlegt, die Bankenaufsichtsbehörden von in § 29 III KWG im einzelnen aufgeführten gravierenden Vorkommnissen unmittelbar zu unterrichten (Schimansky/Bunte/ Lwowski-Fischer, § 132 Rn. 19; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Winter, § 29 Rn. 50). Verfahrensmäßige Einzelheiten sind im übrigen in der Prüfberichtsverordnung (PrüfbV) v. 6.1.1999 (BGBl. I S. 4) geregelt. III. Depotprüfung. Unabhängig von der Jahresabschlussprüfung (s.o. Rn. 35 f.) ist das Wertpapier- und Depotgeschäft bei Kreditinstituten jährlich gesondert und unangemeldet zu prüfen (§§ 70 ff. PrüfbV). Die gesonderte Depotprüfung trägt vor allem dem besonderen Vertrauensbedarf des Wertpapiergeschäfts Rechnung; dabei ist insb. festzustellen, ob die dem Schutz des Kunden dienenden Vorschriften des Depotgesetzes, des Wertpapierhandelsgesetzes und der §§ 128, 135 AktG eingehalten sind. Der Prüfer, der im übrigen auch den Jahresabschluss prüfen kann, hat den Depotprüfungsbericht bei der Bundesanstalt einzureichen (vgl. i.e. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Winter, § 29 Rn. 17 ff.).
37
IV. Sonderprüfungen. Auch anlassunabhängig kann die Bundesanstalt bei den Instituten Prüfungen vornehmen (sog. Sonderprüfungen) und deren Durchführung der Deutschen Bundesbank übertragen (§ 44 I 2, II 2 KWG; vgl. zu letzterem o. Rn. 7) oder von gem. § 4 III FinDAG beauftragten Wirtschaftsprüfern oder von eigenen Mitarbeitern durchführen lassen (vgl. BT-Drucks. 14/7033, S. 40). Initiator einer Sonderprüfung kann danach allein die Bundesanstalt sein; namentlich die Deutsche Bundesbank und die Landeszentralbanken können nicht von sich aus tätig werden (Bayer, S. 296). Nur der Bundesanstalt steht ein umfassendes Recht zu laufenden routinemäßigen, unvermuteten Prüfungen zu (Bödecker, S. 17 ff.). § 44 I KWG gewährt in diesem Zusammenhang umfassende Befugnisse zum Betreten der Geschäftsräume, zur Teilnahme an Versammlung und zu deren Einberufung (vgl. i.e. Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 44 Rn. 17 ff.). Aus der Befugnis zu unvermuteten Sonderprüfungen folgt gleichzeitig a maiore ad minus eine Befugnis zu anlassabhängigen Sonderprüfungen, d.h. dass auch dann eine Sonderprüfung vorgenommen werden kann und in praxi regelmäßig vorgenommen werden wird, wenn der Bundesanstalt Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass wesentliche Verstöße gegen rechtliche Vorschriften vorliegen oder sich gar eine Krise des Instituts anbahnt. Gegen die Anordnung einer Sonderprüfung, die als solche als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist (Bödecker, S. 27 ff.; Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 44 Rn. 15; Boos/Fischer/SchulteMattler-Braun, § 44 Rn. 33), kann im Wege des Widerspruchsverfahrens und der Anfechtungsklage vorgegangen werden; diese haben allerdings gem. § 49 KWG keine aufschiebende Wirkung (s.u. Rn. 43). Die Kosten einer Sonderprüfung sind im übrigen von dem betroffenen Institut zu erstatten (§ 51 III KWG).
38
V. Auskunftsrecht. Neben den Prüfungsbefugnissen steht den Bankenaufsichtsbehörden darüber hinaus nach § 44 I KWG ein umfassendes Auskunftsrecht zu, d.h. sie können von den Instituten und den Organmitgliedern Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Im Gegensatz zu Anzeigepflichten, bei denen das Institut von sich aus tätig werden muss, ist eine Auskunft nur auf Verlangen zu erteilen (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 44 Rn. 3). Das Auskunftsverlangen kann von der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank, anders als bei einer Sonderprüfung
39
Brocker
1948
40
41
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
(s.o. Rn. 38), unabhängig voneinander erhoben werden, ist aber in der Praxis nicht zuletzt über das Forum für Finanzmarktaufsicht (§ 3 FinDAG) zu koordinieren (BT-Drucks. 14/ 7033; Bayer, S. 296; s.o. Rn. 7). Wie alle Maßnahmen der Bankenaufsicht unterliegt auch das Auskunftsrecht den allgemeinen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit (Bödecker, S. 53 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, § 44 Rn. 42). Eine Einschränkung erfährt der allgemeine Auskunftsanspruch daneben im wesentlichen allein durch § 44 VI KWG, der ein spezielles Auskunftsverweigerungsrecht im Hinblick auf solche Fragen vorsieht, bei deren wahrheitsgemäßer Beantwortung sich der Auskunftsverpflichtete der Gefahr der Strafverfolgung oder eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens aussetzen würde. Die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen bleibt von diesem Auskunftsverweigerungsrecht allerdings unberührt (VG Berlin, NJW 1988, 1105; Hartung, NJW 1988, 1070). VI. Entwicklung („Basel II“). Mit den im Zuge von „Basel II“ erfolgten Änderungen (s.o. Rn. 30) wurde das bisherige System der präventiven Kontrolle durch die Bundesaufsicht, vor allem was Abläufe und Kontrolldichte anbelangt, grundlegend modifiziert. Bei der Kontrolle der angemessenen Eigenkapitalunterlegung (s.o. Rn. 29 f.) steht nicht mehr die Prüfung anhand der Anzeigen der Institute und der Prüfberichte im Mittelpunkt, sondern die Aufsichtsbehörden müssen selbst vor Ort Prüfungen durchführen, und zwar sowohl was die Abnahme des internen Ratingsystems anbelangt als auch was die Bewertung der Risikolage, des Risikomanagements und der Risikosteuerungsmethoden eines Instituts betrifft (Koebnick, S. 309 f.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-ders., Basel II Rn. 159 ff.; Kersting, ZIP 2007, 56 ff.). Diese von den Hauptverwaltungen durchzuführenden (Koebnick, S. 309) Aufsichtsmaßnahmen bedeuten zwar einen nicht unbeträchtlichen Mehraufwand für die Bankenaufsicht, aber damit einhergehend auch gleichzeitig eine nicht unbeträchtliche Verstärkung präventiver Kontrolle. Wenn in diesem Zusammenhang aber teilweise befürchtet wird, der damit verbundene direktere Einfluss auf die Bank- und Geschäftsführung könne zu groß werden (so Suyter, WM 2002, 992) ist dem entgegenzuhalten, dass die notwendigen Mindestkapitalanforderungen effektiv nur durch eine wirksame Bankenaufsicht, deren Kontrolle im Vorfeld ansetzt, gewährleistet werden können (Wambach/Kirchmer, BB 2002, 401). Insbesondere die Kontrolle interner Ratingsysteme wird ohne eine anzeigenunabhängige Kontrolle kaum möglich sein (s.o. Rn. 30). Ohne die durch „Basel II“ begründeten Wachstumsbarrieren, deren Einhaltung ohne engmaschige Kontrollen nicht gewährleistet werden kann, lassen sich mögliche Kettenreaktionen mit Gefahren für einzelne Banken oder gar das gesamte Bankensystem, die durch – wie die Vergangenheit gezeigt hat – unverantwortliche Kreditvergaben einzelner Banken ausgelöst werden, nicht effektiv ausschließen (Claussen, § 1 Rn. 130). In gleichem Maße, wie die anzeigenunabhängige Kontrolle sinkt, wird dabei im übrigen der unmittelbare Kommunikationsprozess zwischen der Bankenaufsicht und der internen Revision des Kreditinstituts (s. dazu Kießling/Kießling, WM 2003, 513 ff.) an deren Stelle treten (Suyter, WM 2002, 992).
G. Eingriffsmöglichkeiten der Bankenaufsichtsbehörden im Einzelfall Während die weitreichenden Informations- und Anzeigepflichten eine vorbeugende Überwachung und damit die laufende Aufsicht über die Institute ermöglichen (Reiter/Geerlings, DÖV 2002, 564; s.o. Rn. 3, 33 ff.), dienen spezielle bankenaufsichtsrechtliche Eingriffsmöglichkeiten dazu, Missständen (s.o. Rn. 3) im Finanz- und Dienstleistungswesen im allgemeinen (§ 6 II KWG) und im konkreten Fall bezogen auf ein Institut (§ 6 III KWG) entgegenzuwirken. Unterschieden werden insoweit die allgemeinen Maßnahmen (s.u. Rn. 42 f.) und Maßnahmen in besonderen Fällen, die das Gesetz besonders umschreibt (s.u. Rn. 44 ff.).
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1949
I. Allgemeine Maßnahmen. Einzelmaßnahmen gegenüber einem Institut zur Beseitigung von Missständen, die die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden könnten oder die die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen (§ 6 III KWG) gründen sich i.d.R. auf § 6 I, III KWG als der speziellen bankenaufsichtsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage (s.o. Rn. 3). Diese gibt der Bundesanstalt eine umfassende Anordnungsbefugnis in den dort genannten Fällen und unterstreicht daneben deutlich ihre „Regie in der Bankenaufsicht“ (Bayer, S. 296; s.o. Rn. 7). § 6 I, III KWG ermöglicht im Ergebnis den Erlass belastender Verwaltungsakte in allen Bereichen der der Bundesanstalt zugewiesenen Aufgaben (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 126 Rn. 13), und zwar allein durch diese und nicht etwa auch durch die Deutsche Bundesbank (Hagemeister, WM 2002, 1779). Spezifische Eingriffsbefugnisse bestehen daneben etwa für die Aufhebung der Bankerlaubnis (§ 35 II KWG; s.o. Rn. 23 f.), den Ausspruch des Abberufungsverlangens im Hinblick auf einen Geschäftsleiter (§ 36 KWG; s.o. Rn. 21 f.) und im Hinblick auf die Unterbindung verbotener Geschäfte (§ 37 KWG; s.o. Rn. 13) sowie „in besonderen Fällen“, d.h. bei unzureichenden Eigenmitteln oder unzureichender Liquidität (§ 45 f. KWG; s.u. Rn. 44) und bei „Gefahr“ (§ 46 f. KWG; s.u. Rn. 45). Die Befolgung der in den meisten Fällen sofort vollziehbaren (§ 49 KWG). Außerdem kann die Bundesanstalt Geldbußen nach dem OWiG festsetzen (§§ 56, 60 KWG).
42
Um Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Bundesanstalt kann vor den Verwaltungsgerichten nachgesucht werden; örtlich zuständig ist in erster Instanz das VG Frankfurt a.M., in zweiter Instanz der VGH Kassel (§ 1 III 1 FinDAG). Gegen Verwaltungsakte ist im übrigen zunächst Widerspruch bei der Bundesanstalt zu erheben, der – wie Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auch – i.d.R. keine aufschiebende Wirkung hat (§ 49 KWG). Es kann jedoch, was in praxi von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, um vorläufigen Rechtsschutz (§ 80 IV-VII VwGO) nachgesucht werden (vgl. OVG NW, WM 2002 847 ff.; Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 49 Rn. 2; Boos/Fischer/Schulte-MattlerLindemann, § 49 Rn. 11 f.). Steht kein Verwaltungsakt im Streit, können ausnahmsweise auch Feststellungsklage oder die allgemeine Leistungsklage statthaft sein (VG Berlin, WM 1987, 370; WM 1992, 1060, 1062). Gegen Bußgeldbescheide kann bei der Bundesanstalt Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden; zuständig für die gerichtliche Entscheidung ist das AG Frankfurt a.M. (§ 1 III 2 FinDAG i.V.m. § 68 I 1 OWiG), für eine Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des AG das OLG Frankfurt a.M. (§ 1 III 2 FinDAG i.V.m. §§ 68 I 1, 79 III 1 OWiG u. § 121 I Nr. 2 GVG; s.a.o. Rn. 22).
43
II. Maßnahmen in besonderen Fällen. 1. Maßnahmen bei unzureichenden Eigenmitteln oder unzureichender Liquidität. Nach § 10 I 1 KWG müssen Institute für ihren laufenden Geschäftsbetrieb im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere zur Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte, über angemessene Eigenmittel verfügen (s.o. Rn. 29). Wegen ihrer zentralen Bedeutung für einen funktionsfähigen Geschäftsbetrieb und zur Sicherung der Gläubiger ermächtigt § 45 KWG die Bundesanstalt zu verschiedenen sanktionsartigen Eingriffen (Szagunn/Haug/ Ergenzinger, § 45 Rn. 4), wenn Eigenmittel oder Liquidität nicht mehr den Anforderungen entsprechen. Ziel der Maßnahmen ist es, ausreichende Eigenmittel und Liquidität in absehbarer Zeit wieder herzustellen. Im einzelnen kann die Bundesanstalt Entnahmen durch die Inhaber oder Gesellschafter untersagen, Gewinnausschüttungen verbieten und ein Kreditverbot aussprechen (§ 45 I KWG). Letzteres bezieht sich allerdings nur auf neue Kredite; bereits verbindlich zugesagte oder gar bereits ausgereichte Kredite werden von § 45 I KWG nicht erfasst (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 133 Rn. 6). Außerdem ist § 134 BGB auf trotz Kreditverbots nach § 45 I KWG gewährte Kredite grund-
44
Brocker
1950
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
sätzlich nicht anwendbar, so dass diese – anders als etwa Gewinnausschüttungen (§ 45 II 2 KWG) – wirksam sind, es sei denn, es liegt ein kollusives Zusammenwirken zwischen Institut und Kunde vor (BGH, WM 1990, 54; Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 133 Rn. 6; zu Finanzholdinggesellschaften vgl. § 45a KWG). Bevor die Bundesanstalt allerdings eine der vorgenannten Anordnungen trifft, hat sie das betreffende Institut unter Fristsetzung zur Aufhebung des Mangels aufzufordern (§ 45 II KWG). 45
2. Maßnahmen bei Gefahr. Noch weiterreichende Maßnahmen als bei unzureichenden Eigenmitteln oder unzureichender Liquidität (s.o. Rn. 44) kann die Bundesanstalt bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern treffen. Neben den besonders einschneidenden Maßnahmen nach § 35 II Nr. 4 KWG (Aufhebung der Erlaubnis, s.o. Rn. 23 f.) und nach § 36 KWG (Abberufungsverlangen im Hinblick auf einen Geschäftsleiter, s.o. Rn. 21 f.) können nach § 46 KWG einstweilige Maßnahmen getroffen werden. Dies sind insbesondere der Erlass von Anweisungen für die Geschäftsführung, das Verbot der Annahme von Einlagen oder Geldern oder Wertpapieren von Kunden und der Gewährung von Krediten, der Ausspruch eines Tätigkeitsverbots oder der Beschränkung der Tätigkeit von Inhabern und Geschäftsleitern oder die Bestellung einer Aufsichtsperson (§ 46 I 2 KWG). Dieser Katalog ist nicht etwa abschließend (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 46 Rn. 6). Alle diese Maßnahmen setzen allerdings voraus, dass eine Gläubigergefährdung vorliegt (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 133 Rn. 9).
46
Bei Insolvenzgefahr kann die Bundesanstalt darüberhinaus gem. § 46a I KWG im Wege des Moratoriums zur Abwendung der Insolvenz – den Insolvenzantrag kann im übrigen allein die Bundesanstalt stellen (§ 46b I 4 KWG) – spezielle Maßnahmen treffen, nämlich ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot erlassen, die Schalterschließung anordnen und ein Verbot der Entgegennahme von Zahlungen aussprechen, die nicht zur Tilgung von Schulden gegenüber dem Institut bestimmt sind (§ 46a I 1 KWG). Auf Antrag der Bundesanstalt kann auch unter bestimmten Voraussetzung die gerichtliche Bestellung von Geschäftsleitern erfolgen (§ 46a II KWG).
47
Im Fall einer allgemeinen Krise des Kreditgewerbes (Bankenkrise), die aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei Kreditinstituten resultiert, ist demgegenüber die Bundesregierung unmittelbar zum Ergreifen von Notmaßnahmen durch Rechtsverordnung ermächtigt, um schwerwiegende Gefahren für die Gesamtwirtschaft abzuwenden (§ 47 KWG). Durch die Rechtsverordnung kann einem Kreditinstitut insb. ein Aufschub für die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gewährt werden (Moratorium) sowie eine Schalterschließung und eine vorübergehende Schließung der Börsen angeordnet werden (§ 47 I KWG). Ein solches umfassendes Moratorium nach § 47 KWG hat es bislang allerdings nicht gegeben.
48
H. Werbung und Bezeichnungsschutz I. Werbung. Der Bundesanstalt ist eine besondere Eingriffsbefugnis im Hinblick auf die Werbung der Institute zugewiesen (§ 23 I KWG), nach der sie Einzel- oder Allgemeinverfügungen erlassen kann (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 23 Rn. 13). Danach kann sie „bestimmte Arten der Werbung untersagen“, um Missständen bei der Werbung der Institute zu begegnen. Zweck der speziellen Befugnis zur Werbereglementierung ist es, der besonderen Vertrauensempfindlichkeit des Kreditgewerbes hinreichend Rechnung tragen zu können, da einwandfreien Werbemethoden für das Ansehen des Kreditgewerbes in der Öffentlichkeit eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung zukommt (vgl. BT-Drucks. III/1114). Damit ist der Bundesanstalt allerdings keineswegs eine umfassende Zuständigkeit in Werbe- und Wettbewerbsfragen der Institute eingeräumt. Nur wenn Werbemaßnahmen, bankenaufsichtlich relevante Nachteile befürchten lassen, kann ein
Brocker
§ 65 Bankenaufsicht
1951
Missstand i.S. des § 23 I KWG vorliegen, der Anlass für ein Eingreifen sein kann. Verstöße gegen das UWG oder andere Wettbewerbsnormen allein reichen daher für ein Eingreifen der Bundesanstalt nicht aus, genauso wenig, wie sie Voraussetzung für die Feststellung eines Missstandes nach § 23 I KWG sind (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 23 Rn. 7; Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 23 Rn. 3; Geschwandtner, WM 2006, 2126). Die Bestimmungen des UWG treten vielmehr neben § 23 I KWG, und ihre Einhaltung ist unabhängig davon von den nach dem UWG zuständigen Behörden zu überwachen (Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 23 Rn. 7). Missstände sind vor diesem Hintergrund vor allem dann anzunehmen, wenn bestimmte Werbemethoden zu erheblichen Nachteilen für die Gesamtwirtschaft führen, die Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes gefährden oder zu einer Irreführung des Publikums führen könnten (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 23 Rn. 1 f.). Warum dies allerdings, insbesondere unter Verbraucherschutzgesichtspunkten, nach einer verbreiteten Ansicht der Fall sein soll bei einem sachlichen, werbenden Hinweis etwa von Sparkassen oder eingetragenen Genossenschaftsbanken auf die Zugehörigkeit des Kreditinstituts zu einer Sicherungseinrichtung oder auf den Umfang der Einlagensicherheit (so BAKred, Entsch. zu § 23 KWG, abgedr. bei Reischauer/ Kleinhans, Kza. 316 Nr. 4, S. 2), bleibt unerfindlich (zutr. Geschwandtner, WM 2006, 2129 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 131 Rn. 14). Der Begriff der Werbung hingegen ist vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des § 23 I KWG (s.o. Rn. 48) weit auszulegen; er umfasst grundsätzlich alle Handlungen, die darauf zielen, die Aufmerksamkeit des Publikums auf das werbende Kreditinstitut zu lenken (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 23 Rn. 3; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 23 Rn. 5). Dazu gehören neben den typischen Werbemitteln auch werblich besonders gestaltete Angebote sowie ganz allgemein die Öffentlichkeitsarbeit der Institute (Dreyling, S. 11). Abzugrenzen ist die Werbung hingegen von der bloßen Kundeninformation, d.h. dem individuellen Kundenkontakt vor und bei Abschluss von Verträgen. Missstände in diesem Bereich können allerdings durchaus Anlass für Maßnahmen nach § 6 KWG sein (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 23 Rn. 6; s.o. Rn. 42). Dies gilt im wesentlichen auch für einzelne Werbemaßnahmen von Instituten, die nicht von ihrer „Art“ als solcher her problematisch sind, sondern lediglich im konkreten Einzelfall, da die Bundesanstalt nach § 23 I KWG ausdrücklich nur „bestimmte Arten der Werbung“, also bezogen auf das Medium selbst oder einzelne Aussagen, untersagen kann (Schimansky/Bunte/LwowskiFischer, § 131 Rn. 16).
49
II. Bezeichnungsschutz. Der Bundesanstalt ist schließlich auch die Aufgabe übertragen, über den Schutz der Bezeichnungen „Bank“ und „Bankier“ sowie „Volksbank“ und „Sparkasse“ zu wachen (§§ 39, 40 KWG; vgl. zu weiteren, ähnlich geschützten Begriffen in diesem Zusammenhang Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 39 Rn. 4). Dies gilt nach §§ 39, 40 KWG ausdrücklich auch für entsprechende Wortkombinationen. Sinn und Zweck des Bezeichnungsschutzes ist es, das Vertrauen in die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte zu gewährleisten, indem verhindert werden soll, dass Unternehmen, die im übrigen nicht an die Bestimmungen des KWG gebunden sind und der Bankenaufsicht nicht unterliegen, den Anschein bankengeschäftlicher Tätigkeit erwecken (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 39 Rn. 1). Die europarechtliche Zulässigkeit des Bezeichnungsschutzes nach § 40 KWG für die öffentlich-rechtlichen Sparkassen wird zwar zunehmend angezweifelt (vgl. Huber, S. 487 ff.; Witte/Gregoritza, WM 2007, 151 ff. jew. m.w.N.). Dies ändert aber nichts daran, dass nach der klaren Regelung des KWG de lege lata die geschützten Bezeichnungen nur von Kreditinstituten, die eine Erlaubnis besitzen (§ 32 KWG, s.o. Rn. 14 ff.), geführt werden kann, und dies auch nur dann, wenn Art und Umfang der Geschäfte nach der Verkehrsanschauung die Führung dieser
50
Brocker
1952
51
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
Bezeichnungen rechtfertigen (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 131 Rn. 37). In letzterem Fall wird die Bundesanstalt die Führung der Bezeichnungen „Bank“ und „Bankier“ (§ 39 I KWG) bereits bei Erteilung der Erlaubnis untersagen (§ 39 III KWG). Auf die Bezeichnungen „Sparkasse“ und „Volksbank“ (§ 39 II KWG) erstreckt sich die Untersagungsbefugnis nach § 39 III KWG demgegenüber nach dessen eindeutigem Wortlaut nicht (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 39 Rn. 19; s.u. Rn 51). Die verbindliche Untersagung der Führung der geschützten Bezeichnungen kann allerdings durch die Bundesanstalt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 39 III KWG nur bei Erteilung der Erlaubnis nach § 32 KWG ausgesprochen werden (Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 39 Rn. 27; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, § 39 Rn. 21). Bei zeitlich späteren Maßnahmen und in den Fällen des § 39 II KWG (s.o. Rn. 50) ist die Bundesanstalt nach § 42 KWG darauf beschränkt, ihre Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen zur Führung der nach §§ 39, 40 KWG geschützten Bezeichnungen befugt ist, dem Registergericht mitzuteilen. Diese bloße Entscheidungskompetenz ermächtigt nicht zu Eingriffsmaßnahmen gegenüber dem betroffenen Unternehmen; diese sind vielmehr gem. § 43 II KWG allein dem Registergericht vorbehalten (Schimansky/Bunte/LwowskiFischer, § 131 Rn. 45). Dieses entscheidet unabhängig von dem Vorliegen einer Entscheidung der Bundesanstalt nach § 42 KWG und auch ohne Bindung an eine bereits vorliegende Entscheidung der Bundesanstalt (BGH, WM 1970, 983; Boos/Fischer/SchulteMattler-Fischer, § 43 Rn. 4). Beachten muss das Registergericht damit im wesentlichen lediglich eine Entscheidung der Bundesanstalt nach § 39 III KWG, nicht aber eine Entscheidung nach § 42 KWG (Schimansky/Bunte/Lwowski-Fischer, § 131 Rn. 42; s.o. Rn. 50). Der Bundesanstalt sind allerdings nach § 43 III KWG im Verfahren des Registergerichts ein eigenes Antragsrecht und die Befugnis, Rechtsmittel einzulegen, eingeräumt.
Brocker
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1953
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
Schrifttum Bundschuh, Erfahrungen mit dem Ombudsmannverfahren der Banken, ZBB 1998, 2; Kartengesteuerter Zahlungsverkehr – Außergerichtliche Streitbeilegung, Bankrechtstag 1998, Schriftenreihe der Bankenrechtlichen Vereinigung, Bd. 14, 1999, S. 211; Gude, Der Ombudsmann der privaten Banken in Deutschland, Großbritannien und der Schweiz, 1999; von Hippel, Der Ombudsmann im Bank- und Versicherungswesen, 2000; Hoeren, Das neue Verfahren für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe, NJW 1992, 2727; Der Bankenombudsmann in der Praxis – Ein erstes Resümee, NJW 1994, 362; Scherpe, Gebühren bei außergerichtlicher Streitbeilegung, AnwBl. 2004, 14; Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen, 2002; Der Bankenombudsmann – Zu den Änderungen der Verfahrenordnung seit 1992, WM 2001, 2321; Zum Problem der Neutralität in der außergerichtlichen Streitbeilegung im Bankgewerbe, RabelsZ 64 (2000), 614. Inhaltsübersicht A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Übersicht, Funktion und Ziel: Der Ombudsmann als alternative Streitbeilegungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Begriff und Ursprünge . . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Die deutschen Streitschlichtungssysteme im Bankwesen als Teil eines europäischen Netzwerkes . . . . . . . . . 6 1. Parallelentwicklungen in zahlreichen Staaten ab 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Empfehlung der Kommission von 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3. Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen vom 27.1.1997 (97/5/EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4. Schaffung eines Europäischen Netzes alternativer Streitbeilegungsmechanismen (FIN-NET) . . . . . . . . . . . 9 5. Fazit: Deutsche Ombudsstellen als Teil des europäischen FIN-NET . . 14 IV. Verfahrensgrundsätze (Deutschland und EU) . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Ombudsmannverfahren in Deutschland . . . . . . 16 I. Vielzahl von Schlichtungssystemen . . . . . 16 II. Zuständigkeit des Ombudsmanns . . . . . . . 20 1. Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 21 2. Weitere Zuständigkeitsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Verfahrensablauf: Vergleich der verschiedenen Verfahrensarten . . . . . . . . . 28 1. Einleitung des Schlichtungsverfahrens: Vorprüfungsverfahren . . . 28 2. Durchführung des Schlichtungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Rechtsfolge: Hemmung der Verjährung . . . . . . . . . . 34 4. Vergleichende Übersicht über die wichtigsten deutschen Ombudsmannverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Beendigung des Verfahrens . . . . . . . . . . . 36
1. Durch Handeln der Parteien . . . . . . . . 2. Durch Schlichterspruch . . . . . . . . . . . V. Praktische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwaltskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Statistik und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . C. Ombudsmannverfahren gegen Banken im Ausland: Europäisches FIN-NET und Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktionsweise des FIN-NET . . . . . . . . . 1. Grundlagen und Anwendungsbereich des FIN-NET . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensablauf bei Beschwerden gegen eine ausländische Bank . . . . . . II. Ombudsmannverfahren in anderen Mitgliedstaaten des FIN-NET . . . . . . . . . 1. Zusammenfassende Übersicht . . . . . . 2. Rechtsvergleichende Synopse . . . . . . III. Ombudsmannverfahren in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassende Würdigung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nützliche Adressen und Links . . . . . . . . . II. Vereinbarung über ein grenzübergreifendes außergerichtliches Netz zur Behandlung von Beschwerden für Finanzdienstleistungen im Europäischen Wirtschaftsraum (Grundsatzvereinbarung FIN-NET) . . . . . III. Kommissionsempfehlung 98/257/EG betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind . . . . . . . . . . . IV. Mitglieder des FIN-NET einschließlich der Ombudsmannsysteme im Versicherungswesen und im Bereich des Wertpapierhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Brödermann
36 40 41 44 44 45 47
49 49 49 53 60 60 64 65 66 69 69
70
71
72
1954
V.
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
Beispiel für eine ausführliche Schlichtungsordnung: Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe . . . . . . . . . . . 73
VI. Beispiel für eine knappe Verfahrensordnung: Schlichtungsordnung des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . 74
Stichwortverzeichnis Absichtserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 ADR siehe Alternative Dispute Resolution Aktionsplan Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . 9, 12 Alternative Dispute Resolution . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Angelsächsischer Rechtskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Anwaltskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 f. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Beendigung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 36 ff. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 64 Beschwerdestelle im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Beschwerdestelle im Wohnsitzmitgliedstaat . . . 53 ff. Bestellung des Ombudsmanns . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 63, 64 Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 26 Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Clearingstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Deutsche genossenschaftliche Bankgruppe . . . . . . 35 ECC-NET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Einheitliche Europäische Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Empfehlung der Kommission über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligter außergerichtlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Empfehlung zur Transparenz der Bankkonditionen bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 67 Entschließung über ein gemeinschaftsweites Netz einzelstaatlicher Einrichtungen für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Erfolglosigkeitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Europäischer Wirtschaftsraum . . . . . . . . . . . . . . 2, 11 European Consumer Centres Network siehe ECC-NET Fernabsatz von Finanzdienstleistungen . . . . . . . . 21 Financial Dispute Resolution Network siehe FIN-NET Finanzdienstleistungsbinnenmarkt . . . . . . . . . . . 9, 68 FIN-NET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 9 ff., 11, 67 Finnland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Formblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Funktion des Ombudsmannverfahrens . . . . . . . . . . 1 Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Grenzen der Verfahrensordnung . . . . . . . . . . . . . . 33 Grenzüberschreitendes Bankgeschäft . . . . . . . . . . . 2 Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Grundsatzvereinbarung FIN-NET . . . . 11, 14, 49, 67 Hemmung der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 64 Internetbanking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 11 Irland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Island . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Kommissionsempfehlungen betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind . . . . . . . . . . . . . 14 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ff., 60, 65 Kundenbeschwerde im – Bereich der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 – Bereich des Bundesverbandes öffentlicher Banken Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 – deutschen Bankgewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 – Bereich der Landesbausparkassen . . . . . . . . . . . 35 – Bereich der privaten Bausparkassen . . . . . . . . . 35 Landesbausparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Leitfaden der EU-Kommission zum FIN-NET . . . 12 Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Litauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Missbrauch von Zahlungskarten . . . . . . . . . . . . 1, 21 Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 64 Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 OVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Private Bausparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Ratsgipfel von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Rechtsvergleichende Synopse . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Regionalprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Romanischer Rechtskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 ff. Schlichtungsstelle der deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 20 Schlichtungsstellen der EWR-Staaten . . . . . . . . . . 11 Schlichtungsstellenverfahrensordnung . . . . . . . . . 18 SchlichtVerfVO siehe auch Schlichtungsstellenverfahrensverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 f., 7, 64 Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 65 Skandinavien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52, 64 Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 f., 52 Tschechien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 21 Unterlassungsklagengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Unzuständigkeit der Schlichtungsstelle . . . . . . . . . 24 Ursprung des Ombudsmannverfahrens . . . . . . . . . . 4 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 61 Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 ff., 53
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
Verfahrensgrundsätze . . . . . . 13 ff., 32, 35, 55, 60, 67 Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Vergleichende Übersicht deutscher Ombudsmannverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Verjährung siehe auch Hemmung der Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 63 Ziele des FIN-NET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ff., 49 Ziele des Ombudsmannverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 3 Zulässige Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
1955
Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Zusammenarbeit der Beschwerdestellen . . . . . . . . 58 Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 ff., 53 ff. – bei Unternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – bei Verbraucherbeschwerden . . . . . . . . . . . . . . . 21 – des Ombudsmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – kraft Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Zuständigkeitsbeschränkungen . . . . . . . . . . 21 ff., 25
A. Grundlagen
1
I. Übersicht, Funktion und Ziel: Der Ombudsmann als alternative Streitbeilegungsform. Schlichtungsverfahren unter Einbindung eines Ombudsmanns sind ein modernes Mittel zur Lösung von Streitigkeiten zwischen Banken und ihren Kunden. Dies gilt vor allem für Kunden, die Verbraucher sind, kann aber auch für Kaufleute und Unternehmen von Interesse sein. Viele deutsche Banken sind über einen Banken- oder einen Sparkassen- und Giroverband einer Einrichtung zur Durchführung eines Ombudsmannverfahrens angeschlossen. Soweit dies nicht der Fall ist, kann in bestimmten Fällen (die den Überweisungsverkehr, Kartenmissbrauch und den Fernabsatz (Internet-Banking) betreffen) gegen jede in Deutschland niedergelassene Bank ein Schlichtungsverfahren bei der deutschen Bundesbank eingeleitet werden (dazu Rn. 16 f.). Ein solches Verfahren bietet Bankkunden die Möglichkeit, Streitigkeiten mit der Bank verhältnismäßig zügig und kostengünstig zu lösen. Voraussetzung aller deutschen Verfahrensordnungen ist es im Kern, dass (i) die Auseinandersetzung keine offene rechtliche Grundsatzfrage betrifft, (ii) der Anspruch nicht bereits verjährt ist, und (iii) die Streitigkeit nicht bereits Gegenstand eines anhängigen oder abgeschlossenen Gerichtsverfahrens ist (Ausnahme: Auseinandersetzungen über die Modalitäten und das Ausmaß der Durchsetzung von ausgeurteilten Bankenforderungen); s. im Einzelnen unten Rn. 20 ff., 25 ff. Ebenso sind zahlreiche ausländische Banken einem entsprechenden Schlichtungssystem angeschlossen: teils wie in Deutschland über einen Verband, teils kraft gesetzlicher Verpflichtung. Bei Auseinandersetzungen mit einer Bank in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (z.Zt. noch überwiegend beschränkt auf die Mitgliedstaaten der EU per 31.04.2004 sowie Banken aus Island, Lichtenstein, Norwegen) bietet das Netzwerk FIN-NET der Europäischen Union dem Bankkunden häufig (bei Beschwerden von Verbrauchern wohl in der überwiegenden Zahl der Fälle) die Möglichkeit, über nationale Kontaktstellen in Deutschland ein Schlichtungsverfahren gegen die Bank in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums durchzuführen, wenn die Beschwerde eine grenzübergreifende Überweisung betrifft. Ebenso können sich vor allem Verbraucher über das FIN-NET auch über Finanzdienstleistungen der ausländischen Bank beschweren.
2
Die deutschen und europäischen Schlichtungssysteme sind im Detail unterschiedlich, verfolgen aber alle das Ziel, dem Bankkunden eine Alternative zur gerichtlichen Auseinandersetzung zu bieten, um eine Fortsetzung der Vertragsbeziehung zwischen der Bank und ihrem Kunden trotz der zu klärenden Differenz zu ermöglichen. Um dies zu gewährleisten, bieten die Systeme in der Regel eine kostengünstige oder für den Bankkunden kostenlose Einschaltung eines unabhängigen Schlichtungsorgans, das außergerichtlich tätig wird (in einigen Fällen erst, wenn die bestehenden internen Reklamationsverfahren der beteiligten Finanzinstitute ausgeschöpft sind). Damit reiht sich der Ombudsmann in die weltweiten, modernen Bemühungen um Entlastung der Gerichte durch die Schaffung
3
Brödermann
1956
4
5
6
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
von Systemen alternativer Streitbeilegung (englisch: ADR für Alternative Dispute Resolution) ein. Weitere Beispiele bieten (i) die mittlerweile ebenfalls über das FIN-NET vernetzten Ombudsmannsysteme im Versicherungswesen und im Bereich des Wertpapierhandels oder (ii) die als Teil eines gemeinschaftsweiten Netzes für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten („European Consumer Centres Network“, kurz: ECC-NET, früher European Extra-Judicial Network, EEJ-NET) eingerichteten Clearingstellen. II. Begriff und Ursprünge. Der Begriff des Ombudsmanns (ggf. auch Ombudsfrau, Beispiel: Frau Dr. Heidi Lambert-Lang, Ombudsfrau der privaten Bausparkassen seit 2002) beruht auf dem schwedischen Wort ombudsman. Es besteht aus drei Wortteilen: (i) Om (= um, über und von), (ii) Bud (= Angebot oder Gebot) und (iii) man (= Mann). Es beschreibt damit – frei übersetzt – den Mann (oder die Frau), der ein Angebot zur Lösung einer Auseinandersetzung erarbeitet und unterbreitet. Erste Belege für den Begriff in der schwedischen Sprache finden sich in der Zeit vor 1520 (Nationalencyklopediens ordbook, Ausgabe 2004). Der Begriff Ombudsmann wird heute in der Praxis als Oberbegriff für alle Streitschlichtungssysteme verwendet, die die verschiedenen Bankenverbände in Deutschland seit 1992 eingeführt haben, auch wenn einige Verfahrensordnungen (wie z.B. die im Anhang unter E.VI. abgedruckte Schlichtungsordnung des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig-Holstein) den neutraleren Oberbegriff Schlichter (englisch: Mediator) verwenden. Der Oberbegriff „Ombudsmann“ wird unabhängig davon verwendet, ob die jeweilige Schlichtungsordnung die Bestellung von einem oder mehreren Ombudsleuten vorsieht, ob diese im Wesentlichen allein arbeiten oder ob sie durch ein Team unterstützt werden. Ein Beispiel, bei dem mehrere Ombudsleute bestellt werden, ist der Ombudsmann der privaten Banken (vgl. Nr. 1 (4) Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe, „VOpB“, abgedruckt im Anhang unter E.V.). Nachdem König Karl XII. von Schweden schon 1718 das Amt des so genannten Justitiekanzlers als Kontrollinstanz der Verwaltung geschaffen hatte, wurde 1809 die Institution der Justitieombudsmänner als konstitutionelles Kontrollorgan des Reichstags über Richter, Beamte und militärische Vorgesetzte eingerichtet, um einen Schutz vor Machtmissbrauch in der rechtlichen und öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten. Die Justitieombudsmännen des schwedischen Reichstags werden von diesem ernannt. Dieser Gedanke eines vermittelnden Bindeglieds zwischen Machthabern und Bürgern wurde im Laufe der Zeit auf andere Bereiche übertragen. So gibt es in Schweden mittlerweile neben dem Justitieombudsmännen einen Behindertenombudsmann, einen Gleichberechtigungsombudsmann, einen Kinderombudsmann, einen Ombudsmann gegen ethnische Diskriminierung, einen Presseombudsmann, und einen Verbraucherombudsmann (Konsumentombudsmännen) (s. www.swedengate.de/allgemeines/pdf_poli_ombud.pdf). Die dem FIN-NET angeschlossene schwedische Schlichtungsstelle selbst spricht von Kundenbeschwerdestelle (Allmänna reklamationsnämnden) und nicht vom Ombudsmann. III. Die deutschen Streitschlichtungssysteme im Bankwesen als Teil eines europäischen Netzwerkes. 1. Parallelentwicklungen in zahlreichen Staaten ab 1985. Außergerichtliche Streitbeilegungssysteme sind im Bankenwesen seit 1985 weltweit in zahlreichen Staaten entwickelt worden. Sie sind unabhängig vom Rechtskreis und der Streitkultur entstanden: zuerst in den Niederlanden (1985: Geschillencommissie Bankbedrijf), anschließend im angelsächsischen Rechtskreis (Großbritannien 1986, Australien 1990, Neuseeland 1992), im romanischen Rechtskreis (Spanien 1987, Italien 1989, Frankreich 1989) und in Skandinavien (Dänemark 1988, Norwegen 1988). Die Schweiz führte 1993 einen Bankenombudsmann ein (s. hierzu unten Rn. 65).
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1957
2. Empfehlung der Kommission von 1990. In einer Empfehlung zur Transparenz der Bankkonditionen bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen vom 14.2.1990 (ABl. (EG) 1990 Nr. L 67, S. 39) hat die Kommission die Mitgliedsaaten aufgefordert, für Streitigkeiten bei grenzüberschreitenden Zahlungen Schlichtungsstellen einzurichten. Die Art und Weise der Umsetzung war nicht Gegenstand der Empfehlung. In Folge dieses Aufrufs entwickelten sich in weiteren Mitgliedstaaten der EU mehrere unabhängige und im Detail unterschiedliche Schlichtungssysteme, teils wie in Belgien (1990) und Deutschland (1992) auf privatrechtlicher Ebene von Bankenverbänden, teils wie in Schweden (1990) durch Initiative des Gesetzgebers zur Schaffung eines quasi gerichtlichen Schlichtungsverfahrens.
7
3. Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen vom 27.1.1997 (97/5/EG). Gestützt auf die durch die Einheitliche Europäische Akte (1987) geschaffene Rechtsetzungskompetenz in Art. 100a (heute: Art. 95) EG-Vertrag haben das Europäische Parlament und der Rat unter dem 27. Januar 1997 die Richtlinie 97/5/EG über grenzüberschreitende Überweisungen erlassen (ABl. (EG) 1997 Nr. L 43, S. 25). Art. 10 dieser Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass wirksame Beschwerdemöglichkeiten zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen der überweisenden Bank und dem Bankkunden vorhanden sind. Dabei wird die Nutzung bestehender Schlichtungsverfahren ausdrücklich gestattet.
8
4. Schaffung eines Europäischen Netzes alternativer Streitbeilegungsmechanismen (FIN-NET). Im Mai 1999 hat die Kommission einen „Aktionsplan Finanzdienstleistungen“ vorgelegt, in dem sie die fehlenden Regressmöglichkeiten des Verbrauchers bei grenzübergreifenden Streitigkeiten über Finanzdienstleistungen als „Stolperstein auf dem Weg zu einem Finanzbinnenmarkt“ bemängelt und die Entwicklung eines unionsweiten Beschwerdenetzes mit einem Ombudsmann für Finanzdienstleistungen anregt (Aktionsplan Finanzdienstleistungen der Kommission vom 11.5.1999, S. 9 f. (KOM (1999) 232). Daran anschließend haben die Mitgliedstaaten der EU im März 2000 auf dem Ratsgipfel von Lissabon die Schaffung eines integrierten Finanzdienstleistungsbinnenmarktes für Endverbraucher zum Ziel erklärt (Schlussfolgerungen des Vorsitzes Nr. 20 f.).
9
In einer nachfolgenden Entschließung „über ein gemeinschaftsweites Netz einzelstaatlicher Einrichtungen für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten“ vom 25.5.2000 (2000/C 155/01) hat der Rat die Mitgliedstaaten und die Kommission um diverse Tätigkeiten ersucht, durch die EU-weite Schlichtungseinrichtungen für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten (unter Beachtung von bestimmten Verfahrensgrundsätzen – dazu unter Rn. 15 – und praktischen Hilfen, etwa „Verbindungsstellen“) geschaffen werden sollten.
10
Auf dieser Grundlage entstand am 1. Februar 2001 für den Bereich der Finanzdienstleistungen ein europäisches Netz von alternativen Streitbeilegungsmechanismen: das „Cross-border Out-of-Court Complaints Network for Financial Services“, das als FIN-NET abgekürzt wird und seit 2006 den verständlicheren Untertitel „Financial Dispute Resolution Network“ trägt (vgl. http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/finnet/index_de.htm). Das FIN-NET vereint die verschiedenen Schlichtungsstellen im Europäischen Wirtschaftsraum (EU-Mitgliedstaaten, Norwegen, Island und Lichtenstein; s. aber zur Zeit noch einschränkend oben Rn. 2) auf der Grundlage einer Vereinbarung über ein grenzübergreifendes außergerichtliches Netz zur Behandlung von Beschwerden für Finanzdienstleistungen im Europäischen Wirtschaftsraum („Grundsatzvereinbarung FIN-NET“, dazu näher Rn. 14 f.; genaues Datum unklar; s. http://ec.
11
Brödermann
1958
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/finnet/memo-understanding_de.pdf). Zurzeit (Stand: 15.08.2008) sind an dem Netzwerk 46 Schlichtungsstellen aus den folgenden EWR-Staaten beteiligt: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Lichtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Spanien, Tschechien, Vereinigtes Königreich (s. die Liste im Anhang E.IV.). Eine Ausweitung auf die fehlenden Mitgliedstaaten ist angestrebt. Dem Netzwerk sind teils speziell auf Finanzdienstleistungen zugeschnittene Stellen, teils allgemeine Verbraucherreklamationsstellen angeschlossen. Grundsätzlich werden sowohl online (Internet-Banking) als auch offline erbrachte Bankdienstleistungen vom Schlichtungsangebot erfasst. 12
Ziel des Netzwerkes FIN-NET ist es, dem Verbraucher Hilfestellung bei der außergerichtlichen Einforderung seiner Rechte im Binnenmarkt zu geben und so letztlich ein gesteigertes Vertrauen der Verbraucher in die Möglichkeiten des Binnenmarktes zu schaffen (s. in diesem Sinne bereits der in Rn. 10 zitierte Aktionsplan Finanzdienstleistungen von 1999). Konkret formuliert der Leitfaden der EU-Kommission zum FIN-NET (http://ec.europa.eu/youreurope/nav/sk/citizens/services/eu-guide/finnet/index_de.html? print=true) folgende Ziele: – Erstens den Verbrauchern durch umfassende Informationen in grenzüberschreitenden Streitfällen einen leichten Zugang zur außergerichtlichen Schlichtung zu verschaffen; – zweitens einen effizienten Informationsaustausch zwischen den europäischen Schlichtungsstellen zu gewährleisten, damit grenzüberschreitende Beschwerden so rasch, effizient und professionell wie möglich bearbeitet werden und – drittens einheitliche Mindeststandards für die außergerichtliche Beilegung in den verschiedenen EWR-Ländern zu garantieren.
13
Das FIN-NET bildet eine Ergänzung zu dem am 16.10.2001 geschaffenen ECC-NET (s. oben Rn. 3), einem weniger spezialisierten Netz von Streitbeilegungsinstanzen, die ebenfalls den Verfahrensgrundsätzen der Kommission für Schlichtungsstellen (dazu sogleich unter Rn. 15) genügen und der Kommission von den Mitgliedstaaten als entsprechende Einrichtungen gemeldet wurden. Wie beim FIN-NET bestehen Anlaufstellen für die Verbraucher in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat (sog. „Clearingstellen“), die ihnen im Fall eines Streits mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen über die Möglichkeit der Beschwerde bei einer außergerichtlichen Schlichtungsstelle beratend und helfend zur Seite stehen.
14
5. Fazit: Deutsche Ombudsstellen als Teil des europäischen FIN-NET. Vor diesem Hintergrund sind die Verfahrensordnungen der in Deutschland bestehenden Schlichtungssysteme der Banken im Geiste des europäischen FIN-NET und seiner Grundlagen anzuwenden, auch soweit sie vor der Errichtung des FIN-NET geschaffen wurden. Hierfür spricht auch der Beitritt der deutschen, privatrechtlich organisierten Schlichtungsstellen wie des Ombudsmanns der privaten Banken zur Grundsatzvereinbarung FIN-NET. Diese sieht in Ziff. 4 ausdrücklich vor, dass die Parteien, die in einer Empfehlung der EUKommission (Kommissionsempfehlung 98/257/EG „betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind“, ABl. (EG) 1998 Nr. L 115, S. 31) aufgestellten Verfahrensgrundsätze (dazu sogleich Rn. 15) einhalten (s. auch den Hinweis auf die Kommissionsempfehlung in Ziff. 6.4. der Grundsatzvereinbarung FIN-NET; die Kommissionsempfehlung 98/257/ EG wird im Folgenden abgekürzt als „Kommissionsempfehlung Verfahrensgrundsätze“). Nach Ziff 1. der Grundsatzvereinbarung FIN-NET soll diese Vereinbarung zwar
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1959
nur den Charakter einer Absichtserklärung haben und damit keine Rechte und Pflichten gegenüber Dritten begründen. Im Hinblick auf die Umsetzung der in der Kommissionsempfehlung niedergelegten Verfahrensgrundsätze in den einzelnen Verfahrensordnungen der deutschen Schlichtungssysteme der Banken (s. exemplarisch die Präambel der Verfahrensordnung für die außergerichtliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen privaten Bausparkassen und ihren Kunden „OVO“) sind die Grundsatzvereinbarung FIN-NET (die auch selbst Verfahrensleitlinien enthält, Ziff. 6 ff.) und die „Kommissionsempfehlung Verfahrensgrundsätze“ aber jeweils zur Auslegung der einzelnen Verfahrensordnungen heranzuziehen (arg. § 157 BGB), – wenn die Grundsatzvereinbarung FIN-NET (einschließlich der Einbeziehung der in der „Kommissionsempfehlung Verfahrensgrundsätze“ festgelegten Grundsätze, dazu sogleich Rn. 15) nicht gar mittlerweile kraft Übung, d.h. normativ verfestigter Verkehrsitte, und communis opinio iuris als Gewohnheitsrecht (s. dazu nur PWW/Brinkmann, § 157 BGB Rn. 10 f.) Bindungswirkung erhalten hat. So listet beispielsweise § 1 OVO zahlreiche Verfahrensgrundsätze, die das Ombudsmannverfahren prägen. IV. Verfahrensgrundsätze (Deutschland und EU). Aus der Grundsatzvereinbarung FIN-NET und der „Kommissionsempfehlung Verfahrensgrundsätze“ (beide abgedruckt im Anhang unter E.II. und E.III.) ergeben sich folgende Verfahrensgrundsätze (Synopse, in der die beiden Regelungswerke als „GV“ und „KV“ abgekürzt werden): (i) Unabhängigkeit der Schlichtungsstelle durch unparteiisches Handeln (Abschn. I KV), (ii) Transparenz durch Information, z.B. über das (jeweilige) Schlichtungssystem, den Verfahrensablauf, die Verfahrenskosten (Abschn. II KV) bzw. über das Beschwerdenetz FINNET (Ziff. 6.1, 10 GV), auch im Internet (Ziff. 8.2 GV), (iii) kontradiktorische Verfahrensweise, z.B. durch Weiterleitung der Standpunkte der Gegenpartei (Abschn. III KV), (iv) Effizienz, z.B. durch Zulassung der Eigenvertretung, Unentgeltlichkeit des Verfahrens (i.e. ein ausdrücklich von der Kommission genanntes Beispiel), rasche Verfahrensabwicklung und Zuweisung einer aktiven Rolle an die Schlichtungsstelle zur Streitbeilegung (Abschn. IV KV) oder durch Hinweispflichten der Schlichtungsstelle, z.B. verfahrensleitende Hinweise (Ziff. 6.2 GV) oder Weiterleitung von Beschwerden bei Unzuständigkeit (Ziff. 6.3 GV); (v) Rechtmäßigkeit, d.h. Einhaltung zwingenden Rechts des jeweiligen Mitgliedstaats, schriftliche Begründung von Entscheidungen (Abschn. V KV), (vi) Handlungsfreiheit, d.h. keine Bindungswirkung des Schlichtungsspruchs ohne Zustimmung des Bankkunden (Abschn. VI KV) bzw. Parteiautonomie (Ziff. 6.5 GV), (vii) Möglichkeit der Vertretung (Abschn. VII KV; so auch alle untersuchten deutschen Schlichtungsordnungen, s. Rn. 16 f.), (viii) Freiheit bei der Sprachauswahl im FIN-NET, d.h. Auswahl zwischen der Arbeitssprache, der Vertragssprache und ggf. der Sprache der bisherigen Kommunikation (Ziff. 6.5 GV), (ix) Beachtung von Datenschutz (Ziff. 9 GV). Diese Verfahrensgrundsätze hat die EU-Kommission mittlerweile in großen Teilen auch für Mediationsverfahren mit Verbrauchern übernommen, in denen der Schlichter die Parteien lediglich zusammenbringt, ohne selbst eine Entscheidung vorzuschlagen (Empfehlung der EU-Kommission vom 4.4.2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen, ABl. (EG) 2001 Nr. L 109, S. 56). – In Deutschland enthalten sämtliche analysierten Verfahrensordnungen (dazu unten Rn. 16) zusätzlich den Grundsatz der Verschwiegenheit des Ombudsmanns und der Mitarbeiter der Schlichtungsstelle (Kundenbeschwerdestelle).
15
B. Ombudsmannverfahren in Deutschland
16
I. Vielzahl von Schlichtungssystemen. Entsprechend der Vielfältigkeit des Bankensystems in Deutschland haben sich in Deutschland eine Vielzahl von Ombudsmannverfahren
Brödermann
1960
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
herausgebildet, die heute alle dem FIN-NET angeschlossen sind (s.o. Rn. 11, Anhang E.IV.). Bekannte Beispiele sind der Ombudsmann der privaten Banken, der Ombudsmann der öffentlichen Banken, der Ombudsmann der genossenschaftlichen Bankengruppe, der Ombudsmann (und die Ombudsfrau) der privaten Bausparkassen und die Schlichtungsstelle der Landesbausparkassen. Darüber hinaus existieren für zahlreiche Sparkassen – zumeist über den Landessparkassen- und Giroverband – Schlichtungsordnungen, die unterschiedlich stark ausdifferenziert sind. So beruht die Schlichtungsordnung des Sparkassen- und Giroverbandes Baden-Württemberg auf der ausdifferenzierten, im Anhang unter E.V. abgedruckten Schlichtungsordnung der privaten Banken (VOpB, s. die Übersicht Deutschland in Rn. 35). Ein Gegenbeispiel für eine knapp gehaltene Schlichtungsordnung stellt die im Anhang unter E.VI abgedruckte Schlichtungsordnung des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig-Holstein dar. Die Vielfältigkeit folgt aus dem in den Sparkassengesetzen niedergelegten Regionalprinzip. 17
Interne Organisation (Zusammenfassung aus der Sichtung der Verfahrensordnungen für die in Rn. 16 genannten Ombudsleute). Der Ombudsmann wird meist durch den Vorstand des jeweiligen Verbandes auf Vorschlag der Geschäftsführung und/oder in Abstimmung mit den zuständigen Gremien für drei Jahre bestellt. Wiederbestellung ist möglich (und entspricht der Praxis). Der Ombudsmann muss die Befähigung zum Richteramt haben. Er muss weisungsfrei und unabhängig sein (d.h. keine Tätigkeit bei einem der Schlichtungsordnung angeschlossenen Kreditinstitut während der letzten drei Jahre). Die Verbraucherverbände werden in der Regel in die Auswahl mit eingebunden und können binnen ca. zwei Monaten Einwendungen vortragen. Eine Abberufung des Ombudsmanns kann nur aus wichtigem Grund erfolgen. Einzelheiten ergeben sich aus der jeweiligen anwendbaren Verfahrensordnung.
18
Für Banken, die sich bisher keiner Schlichtungsordnung angeschlossen haben, ist in bestimmten Fällen (Kundenbeschwerden zum Überweisungsverkehr, über den Missbrauch von Zahlungskarten und über Fernabsatz von Finanzdienstleistungen) die Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank – faktisch als Auffangstelle – kraft Gesetzes zuständig. Die Regelung in § 14 Abs. 1 des Unterlassungsklagengesetzes überträgt die Schlichtungsaufgabe an die Deutsche Bundesbank, die sie nach § 7 Abs. 1 der Verordnung über das Verfahren der Schlichtungsstellen für Überweisungen (Schlichtungsstellenverfahrensverordnung – SchlichtVerfVO vom 15.7.2002, zuletzt geändert 2.12.2004) überwiegend auf private Stellen weiter übertragen hat.
19
Die folgenden Ausführungen beruhen auf einer Auswertung der in Rn. 16 f. genannten Schlichtungsordnungen (methodische Einschränkung). Einzelne andere Schlichtungsordnungen mögen Abweichungen enthalten. Im Hinblick auf die branchenüblichen Verfahrensgrundsätze (s. Rn. 14 f.) bestehen keine erheblichen Abweichungen. Die Bandbreite der Unterschiede ergibt sich aus der synoptischen Darstellung über die wichtigsten deutschen Ombudsmannverfahren (s. Rn. 35).
20
II. Zuständigkeit des Ombudsmanns. Hat sich die Bank einem Schlichtungssystem angeschlossen, ist grundsätzlich die durch dessen Verfahrensordnung geschaffene Schlichtungsstelle für Kundenbeschwerden gegen die teilnehmende Bank zuständig (§ 7 Abs. 1 a.E. SchlichtVerfVO gibt dem Bankkunden eine Wahlmöglichkeit, falls eine Bank an mehreren Schlichtungssystemen teilnimmt), sofern die einschlägige Verfahrensordnung sich für zuständig erklärt (dazu sogleich 1.). Darüber hinaus enthalten alle Verfahrensordnungen weitere Zuständigkeitsbeschränkungen (2.). Im Einzelfall ist ggf. vorab genau zu überprüfen, ob die Bank einem Schlichtungssystem angeschlossen ist. So listet der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) per
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1961
August 2008 insgesamt 1232 Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland. Die aktuelle Liste der am Ombudsmannverfahren des Verbandes teilnehmenden Banken (Stand: August 2008) weist aber nur ca. 1100 Banken aus (ca. 89 % der Mitglieder des BVR). Ist die Bank, gegen die sich ein Kunde beschweren möchte, keinem Schlichtungssystem angeschlossen, kommt die (eingeschränkte) sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank zum Zuge. 1. Sachliche Zuständigkeit. Grundsätzlich sind alle deutschen Schlichtungsstellen bei Verbraucherbeschwerden uneingeschränkt sachlich zuständig. Die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank beschränkt sich jedoch auf Kundenbeschwerden zum Überweisungsverkehr, über den Missbrauch von Zahlungskarten (§§ 675a-676g, 676h Satz 1 BGB) und über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (§ 676h, 312b-d BGB).
21
Unternehmer (vgl. § 14 BGB) unterliegen Beschränkungen: Ihre Beschwerde ist in der Regel nur (im gleichen Umfang wie die Beschwerde des Verbrauchers bei der Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank, s. vorige Rn.) sachlich beschränkt zulässig in Zusammenhang mit Fragen zu (grenzüberschreitenden) Überweisungen, Streitigkeiten aus der Anwendung des Überweisungsrechts oder dem Missbrauch von Zahlungskarten (§§ 675a-676h, 312b-d BGB). Ausnahmen: (i) Das Ombudsmannverfahren der genossenschaftlichen Bankengruppe (wie z.B. der Volksbanken) gestattet es sowohl Privatkunden (Verbrauchern) als auch Firmenkunden (Unternehmern), Beschwerden über sämtliche von der Bank angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu erheben, (ii) das Ombudsmannsystem der öffentlichen Banken (wie z.B. der HSH Nordbank) lässt auch Beschwerden aufgrund von innerdeutschen Überweisungen zu.
22
Auf freiwilliger Basis ist es möglich, den Schlichter auch dann einzuschalten, wenn er formal sachlich nicht zuständig ist und er bereit ist mitzuwirken. Dies folgt aus dem Grundsatz der Parteiautonomie (s.o. Rn. 15 unter (vi)). Die Zuständigkeit kraft Parteiautonomie kann auch konkludent durch (a) Annahme des Verfahrens durch den Schlichter und (b) rügeloses Einlassen der Bank erfolgen. So werden in der Praxis häufig Bürgen als Beschwerdeführer zugelassen, die selbst nicht Bankkunden sind. Ebenso kann ein Unternehmer versuchen, mit Hilfe des für die Bank zuständigen Schlichters eine außergerichtliche Einigung mit seiner Bank zu erreichen. Zur Pflege oder Heilung der Kundenbeziehung und Meidung der Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist dies auch aus Sicht der Bank sinnvoll. Selbst in umfangreicheren Akten lässt sich der Streit durch das Verfahren mit Hilfe des Schlichters als objektiven Dritten „auf den Punkt“ bringen und alsdann ökonomisch lösen. In der Regel wird sich ein Schlichter dem Wunsch der Parteien nach Durchführung eines Verfahrens nicht verwehren. Musterhaft hat sich z.B. im Jahr 2007 ein Schlichter eines Sparkassen- und Giroverbandes auf ein umfangreiches Schlichtungsverfahren zwischen einem Insolvenzverwalter und einer angeschlossenen Sparkasse eingelassen, in dem es um die Löschungsbewilligung mehrerer Grundschulden unterschiedlicher Immobilien im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Immobilienpaketes ging. Bereits die Anregung, ein Schlichtungsverfahren durchzuführen, kann der Ausgangspunkt für erfolgreiche Vergleichgespräche sein. Der (ggf. unausgesprochene) Weg über die Zuständigkeit kraft Parteiautonomie kann es dem Schlichter und den Parteien ermöglichen, eine im Einzelfall schwierige Abgrenzung zwischen dem Verbraucher- und Unternehmerbegriff (Stichwort: Kunde als Gesellschafter, Kunde als Geschäftsführer einer Grundstücks-GbR) offen zu lassen.
23
Wird eine unzuständige Schlichtungsstelle angerufen, ist diese verpflichtet, die Beschwerde an die zuständige Schlichtungsstelle weiterzuleiten. Dies ergibt sich für Be-
24
Brödermann
1962
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
schwerden, die unter § 14 UKlaG fallen, aus § 8 SchlichtVerfVO, im Übrigen aus dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz zur Weiterleitung von Beschwerden bei Unzuständigkeit (Grundsatz der Effizienz, s.o. Rn. 15). 25
2. Weitere Zuständigkeitsbeschränkungen. Alle ausgewerteten Verfahrensordnungen (s.o. Rn. 16 f.) beschränken die sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsstelle auf (i) unstreitige Sachverhalte, für die es keiner Beweisaufnahme bedarf, (ii) Auseinandersetzungen, die keine offene rechtliche Grundsatzfrage betreffen, und (iii) Streitigkeiten, die nicht bereits Gegenstand eines anhängigen oder abgeschlossenen Gerichtsverfahrens sind bzw. waren.
26
Liegt bereits ein gerichtlicher Titel gegen einen Bankkunden vor, kann gleichwohl ein Schlichtungsverfahren über die Modalitäten der Erfüllung durchgeführt werden (z.B. mit dem Ziel, die Zustimmung zu einem Tilgungsplan zu erwirken). Sonderfall: Bei Titeln aus alten Bürgschaften aufgrund gerichtlicher Entscheidung, die vor der Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen vom 19.10.1993 (1 BvR 567/89) ergangen sind, kann der Ombudsmann gleichfalls zur Vermeidung der Perpetuierung des Unrechts (vgl. BVerfG ZIP 06, 60, 64; PWW/Brödermann, § 765 BGB Rn. 23) angerufen werden.
27
In einigen Fällen steht dem Bankkunden alternativ der Weg offen, sich bei der BaFin zu beschweren. Einige Schlichter mögen sich in solchen Fällen mit dem Argument für unzuständig erklären, die öffentlich-rechtliche Beschwerde habe Vorrang vor der privaten Schlichtung. Andere können gleichwohl bereit sein, die Schlichtung durchzuführen: Eine materiellrechtliche, privatrechtliche Einigung ist juristisch ein aliud zu der Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde. Feste Abgrenzungsregelungen bestehen nicht. Der Verfasser hat es in einem Schlichtungsverfahren erlebt, dass ein Schlichter das Verfahren angenommen hat, obwohl der bestimmende Schriftsatz in Kopie auch der BaFin übersandt wurde.
28
III. Verfahrensablauf: Vergleich der verschiedenen Verfahrensarten. 1. Einleitung des Schlichtungsverfahrens: Vorprüfungsverfahren. a) Prüfung der Zuständigkeit. Das Schlichtungsverfahren beginnt üblicherweise mit einem Vorprüfungsverfahren, das alle untersuchten Schlichtungsordnungen (s. Rn. 19) vorsehen. Es wird zumeist bei der in der jeweiligen Schlichtungsordnung vorgesehenen Schlichtungsstelle (Kundenbeschwerdestelle) durchgeführt. Dabei kann die Bank bereits selbst abhelfen. Andernfalls unterbreitet die Kundenbeschwerdestelle dem Schlichter (Ombudsmann) einen Entscheidungsvorschlag über seine Zuständigkeit. Damit wird das Vorprüfungsverfahren abgeschlossen.
29
Stellt die Schlichtungsstelle fest, dass nicht sie, sondern eine andere Schlichtungsstelle zuständig ist, so hat sie die Beschwerde – wie dargestellt – an die zuständige Stelle weiterzuleiten (Rn. 24).
30
Der Ombudsmann überprüft den Vorschlag der Schlichtungsstelle zur Zuständigkeit. Kam die Schlichtungsstelle zum Ergebnis, der Ombudsmann sei unzuständig, kann der Ombudsmann sich gleichwohl für zuständig erklären. Diese letzte Entscheidungsbefugnis räumen die untersuchten Verfahrensordnungen ausdrücklich dem Ombudsmann ein (s. die in Rn. 35 abgedruckte Tabelle unter C.II.2a). Frühere Fassungen der Verfahrensordnungen waren kritisiert worden, weil sie die Entscheidung über die Zuständigkeit allein bei der Schlichtungsstelle und damit den betroffenen Banken beließen. Den Banken und Kundenbeschwerdestellen wurde eine „Geheimjustiz“ vorgeworfen. Durch die Filterung eines brancheninternen Gremiums werde die Glaubwürdigkeit des Ombudsmanns untergraben (Hoeren, NJW 1994, 362 (364); vgl. auch Schimansky/Bunte/Lwowski-
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1963
Steuer, § 3 Rn. 4). Die Kritik hat zur Änderung der Entscheidungszuständigkeit in allen untersuchten Verfahrensordnungen geführt (siehe für die privaten Banken Scherpe, WM 2001, 2321 (2322)). b) Inhalt der Beschwerde. Mit dem Beschwerdeschriftsatz ist der Sachverhalt darzustellen. Beizufügen sind die notwendigen Nachweise über den dargestellten Sachverhalt (z.B. Kopien von Kontoauszügen oder Überweisungsbelege). Darüber hinaus sehen viele Verfahrensordnungen – aber nicht alle – vor, dass der Beschwerdeführer eine Erklärung darüber abgibt, dass (i) der Beschwerdegegenstand nicht bei Gericht anhängig war oder ist, (ii) kein außergerichtlicher Vergleich geschlossen wurde, (iii) kein Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg abgewiesen wurde und (iv) die Angelegenheit bei keiner anderen Schlichtungsstelle ist oder war. Die genossenschaftlich organisierten Banken verlangen darüber hinaus die Erklärung, dass keine Strafanzeige wegen des Beschwerdegegenstandes erstattet wurde (zu Recht kritisch zur Unzulässigkeit wegen Strafanzeige: Scherpe, S. 241; a.A. Hoeren, NJW 1992, 2727 (2730)), der die Regelung als sinnvoll erachtet, da die Atmosphäre durch eine Strafanzeige „derart vergiftet“ sei, dass eine Schlichtung wahrscheinlich kaum noch möglich ist). Nach Einsendung des Beschwerdeschriftsatzes bestätigt die Kundenbeschwerdestelle den Eingang und übersendet dem Kunden in der Regel eine Darstellung des weiteren Verfahrensganges.
31
2. Durchführung des Schlichtungsverfahrens. Bei der Gestaltung des Schlichtungsverfahrens ist der Schlichter (Ombudsmann) innerhalb der Grenzen der Verfahrensordnung grundsätzlich frei. Er hat jedoch die in Rn. 15 dargestellten Verfahrensgrundsätze zu beachten. Konkret bedeutet dies z.B.: (i) Er kann mit den Parteien (jeweils einzeln) kommunizieren, soweit er die Gegenseite informiert (Grundsätze der Transparenz und der kontradiktorischen Verfahrensführung sowie des sich hieraus ergebenden Grundsatzes der Waffengleichheit). (ii) Aus dem gleichen Grund sind Schriftsätze einer Partei der Gegenseite in Kopie zur Verfügung zu stellen: Lediglich die Zusammenfassung der Argumentation der Bank durch den Ombudsmann stellt die Transparenz in Frage und ist daher nicht ausreichend. (iii) Der Ombudsmann ist frei in der Wahl der Kommunikationsmittel. Im Interesse einer raschen Verfahrensabwicklung kann er die Parteien auch fernmündlich kontaktieren (Grundsatz der Effizienz). (iv) Zur Durchführung einer effektiven Schlichtung kann der Ombudsmann in jedem Verfahrensstadium eine mündliche Verhandlung anberaumen. Dies ist selten, kann aber im Einzelfall sehr sinnvoll sein.
32
Der Schlichter (Ombudsmann) ist nicht berechtigt, sich ohne Einverständnis beider Parteien über Grenzen hinwegzusetzen, die sich aus der Verfahrensordnung ergeben: So darf er keine Zeugen laden und keine rechtlichen Grundsatzfragen entscheiden. Im Einverständnis mit beiden Parteien ist aber auch das – etwa die Anhörung eines Experten gemeinsam mit den Parteien – denkbar. Erfahrung in anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts lehrt, dass das gemeinsame Anhören eines Experten oft eine solide Basis für eine Einigung sein kann.
33
3. Rechtsfolge: Hemmung der Verjährung. Die meisten untersuchten Verfahrensordnungen bestimmen ausdrücklich, dass die Verjährung der Ansprüche des Beschwerdeführers für die Dauer des Schlichtungsverfahrens (Vorprüfungsverfahren und Schlichtung vor dem Obmann) gehemmt ist (s. die Nachweise in der Tabelle in Rn. 35 unter F.1). Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Regelung (wie in der im Verfahren vor der Deutschen Bundesbank geltenden SchlichtVerfVO), tritt die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB ein (MünchKommBGB-Grothe, § 204 Rn. 35). Eine Berufung auf Verjährung nach § 242 BGB wäre zudem treuwidrig (vgl. zur Möglichkeit der Argumenta-
34
Brödermann
1964
35
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
tion mit § 242 PWW/Schmidt-Kessel, § 242 Rn. 47). Die Bank hat über ihren (freiwilligen oder – beim Verfahren nach der SchlichtVerfVO – gesetzlich verordneten) Beitritt zu einem Schlichtungssystem ihre Bereitschaft zur außergerichtlichen Streitbeilegung bekundet. Deshalb ist der Durchführung eines solchen Verfahrens die gleiche Wirkung zuzuerkennen wie etwa der Durchführung einer Verhandlung, zumal der Verhandlungsbegriff weit auszulegen ist (BGH NJW-RR 2001, 1168 (1169)). 4. Vergleichende Übersicht über die wichtigsten deutschen Ombudsmannverfahren. Die Verfahrensregeln der wichtigsten Schlichtungsverfahren (ohne die regional organisierten Sparkassen, s. Rn. 16 f.) lassen sich synoptisch wie folgt vergleichen: Tabelle I: Vergleichende Übersicht Deutschland (Teil A) Ombudsmann der privaten Banken
Ombudsmann der öffentlichen Banken
Ombudsmann der genossenschaftlichen Bankengruppe
A. Angeschlossene Banken (Beispiele) Bayerische Hypo- und Vereinsbank, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Postbank, Dresdner Bank
Deutsche Kreditbank, HSH Nordbank, Landesbank BadenWürttemberg, Landwirtschaftliche Rentenbank, Sächsische Aufbaubank, West LB
Volksbanken und Raiffeisenbanken, Sparda-Banken, PSD-Banken
B. Anwendbare Verfahrensordnung Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe (VOpB)
Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im Bereich des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB)
Verfahrensordnung für die außergerichtliche Schlichtung von Kundenbeschwerden im Bereich der deutschen genossenschaftlichen Bankgruppe (VOgB)
C. Verfahren I. Zulässigkeit 1. Beschwerdeführer und -gegenstand a) Bei Verbrauchern als Beschwerdeführer: Keine Beschränkungen bzgl. des Beschwerdegegenstands? Ja, § 2 I a VOpB
Ja, § 1 I S. 1 VÖB
Ja, vgl. § 3 I VOgB
b) Zulässige Beschwerden auch durch Unternehmer? Ja, bei Streitigkeiten aus der Anwendung des Überweisungsrechts oder dem Missbrauch einer Zahlungskarte, §§ 675a – 676h S. 1 BGB (§ 2 I b, c VOpB)
Ja, bei Streitigkeiten aus der Anwendung des Überweisungsrechts oder dem Missbrauch einer Zahlungskarte, §§ 675a – 676h S. 1 BGB (§ 1 I S. 3 VÖB)
Ja, jegliche Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Kunden und seiner Bank über sämtliche von der Bank angebotenen Produkte und Dienstleistungen; nicht erfasst sind Streitigkeiten zwischen Banken untereinander (§ 3 I VOgB)
2. Beschwerdegegner: Ein dem Schlichtungssystem angeschlossenes Kreditinstitut (s. A. und G.II) § 3 II S. 1 VOpB
Präambel VÖB
§ 3 II S. 1 e VOgB
3. Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren a) Beschwerdegegenstand ist oder war bereits vor Gericht anhängig oder wird während des Verfahrens anhängig gemacht § 2 II S. 1 a Fall 1 VOpB
§ 1 II 1. Spiegelstrich VÖB
§ 3 II S. 1 a Fall 1-3 VOgB
b) Beilegung der Streitigkeit durch außergerichtlichen Vergleich § 2 II S. 1 a Fall 2 VOpB
§ 1 II 2. Spiegelstrich VÖB
§ 3 II S. 1 a Fall 5 VOgB
c) Abweisung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg § 2 II S. 1 a Fall 3 VOpB
§ 1 II 3. Spiegelstrich VÖB
Brödermann
§ 3 II S. 1 a Fall 4 VOgB
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1965
d) Angelegenheit ist oder war Gegenstand eines Verfahrens einer Schlichtungsstelle nach §14 UKlaG oder einer anderen Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt § 2 II S. 1 b VOpB
§ 1 II 4. Spiegelstrich VÖB
§ 3 II S. 1 b VOgB
e) Verjährung des Anspruchs, wenn sich die Bank darauf beruft § 2 II S. 1 c VOpB
§ 1 II 5. Spiegelstrich VÖB
§ 3 II S. 1 d VOgB
f) Wenn die Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage beeinträchtigt würde § 2 II S. 2 VOpB (Sollvorschrift)
§ 1 II 6. Spiegelstrich VÖB
§ 3 II S. 2 VOgB: wenn höchstrichterliche Entscheidung fehlt (Sollvorschrift)
g) Strafanzeige des Kunden (vor oder während des Verfahrens) wegen eines Beschwerdegegenstandes, der sich nicht auf den Anwendungsbereich der §§ 675a-676h S. 1 BGB bezieht Keine Regelung in diesem Sinne
§ 1 II 7. Spiegelstrich VÖB
§ 3 II S. 1 c VOgB
h) Wenn eine Beweisaufnahme erforderlich wäre und der Beweis nicht durch Vorlage von Urkunden möglich ist arg. § 4 IV S. 2, 3 VOpB
§ 1 III; s. auch § 3 III S. 3 VÖB
arg. § 6 IV S. 2 VOgB
II. Verfahrensablauf 1.Vorprüfungsverfahren a) Zuständige Stelle Kundenbeschwerdestelle des Bundesverbandes (§ 3 I VOpB)
Kundenbeschwerdestelle des VÖB (§ 2 I S. 1 VÖB)
Bank oder Kundenbeschwerdestelle des BVR (§ 4 VOgB).
b) Einzureichen: Kurze Sachverhaltsschilderung, notwenige Unterlagen zur Dokumentation sowie eine Erklärung § 3 I S. 3 VOpB: Versicherung, dass die hier unter C.I.3. lit. a, b und d genannten Umstände nicht vorliegen
§ 2 I S. 2, 3 VÖB: Versicherung, dass die hier unter C.I.3. lit. a bis d genannten Umstände nicht vorliegen
§ 5 I S. 1, 2 VOgB: Versicherung, dass die hier unter C.I.3. lit. a bis d und g genannten Umstände nicht vorliegen
c) Eingangsbestätigung (ggf. mit Darstellung des weiteren Verfahrensverlaufs) § 3 I S. 4 VOpB
§ 2 II S. 1, 3 VÖB
§ 5 I S. 3 VOgB
d) Formale Vorprüfung (i) Überprüfung, ob sich die Bank dem Schlichtungsverfahren angeschlossen hat, anderenfalls Abgabe an die zuständige Beschwerdestelle bei Benachrichtigung des Beschwerdeführers oder – wenn eine zuständige Stelle fehlt – Rücksendung an den Beschwerdeführer § 3 II S. 1, III VOpB
§ 2 II S. 2, III VÖB
§ 5 II S. 1-3 VOgB
(ii) Prüfung der Unterlagen und ggf. Aufforderung zur Ergänzung (i.d.R. binnen eines Monats) § 3 II S. 2 VOpB
§ 2 II S. 3, 4 VÖB
§ 5 II S. 4, 5 VOgB (eine Frist von 6 Wochen)
(iii) Verfahrensende bei fruchtlosem Fristablauf oder durch Mitteilung der Nichtdurchführbarkeit des Verfahrens, wenn der Beschwerdegegenstand aus den Unterlagen nicht ersichtlich ist § 3 II S. 3-5 VOpB: Bei Nichterkennbarkeit des Beschwerdegegenstandes: weitere einmonatige Frist zur Mängelbehebung
§ 2 II S. 5, 6 VÖB
§ 5 II S. 6, 7 VOgB
(iv) aber neue Beschwerde möglich § 3 II S. 5 VOpB
Keine ausdrückliche Regelung
Brödermann
§ 5 II S. 8 VOgB
1966
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
2. Schlichtungsverfahren vor dem Ombudsmann a) Zulässigkeitsprüfung: bei Feststellung der Unzulässigkeit durch die Kundenbeschwerdestelle entscheidet der Ombudsmann über Zulässigkeit; ggf. Abweisung durch entsprechenden Hinweis § 4 I VOpB
§ 3 I VÖB
§ 6 I VOgB
b) Weiterleitung zulässiger Beschwerde an die Bank § 4 II S. 1 VOpB
§ 3 II S. 1 VÖB
§ 6 II S. 1 VOgB
c) Stellungnahme der Bank innerhalb eines Monats nach Zugang der Beschwerde; Nachfrist von einem Monat möglich § 4 II S. 2, 3 VOpB
§ 3 II S. 2, 3 VÖB
§ 6 II S. 2-4 VOgB (Information des Beschwerdeführers bei Setzung einer Nachfrist)
d) Übermittlung der Stellungnahme an den Kunden; dieser kann sich binnen eines Monats ab Zugang dazu äußern § 4 II S. 4, 5 VOpB
§ 3 II S. 4, 5 VÖB
§ 6 II S. 5-7 VOgB (ggf. Hinweis des Beschwerdeführers auf fehlende Unterlagen oder Stellungnahme)
e) Vorlage an den Ombudsmann/Schlichter nach Ablauf der Fristen, wenn weder Abhilfe noch anderweitige Erledigung § 4 III VOpB
§ 3 III S. 1 VÖB
§ 6 III VOgB
f) Verfahren beim Ombudsmann (i) Anforderung weiterer Stellungnahmen der Parteien; mündliche Anhörung im Ermessen des Ombudsmannes § 4 IV S. 1 VOpB
§ 3 III S. 2, 5 VÖB
§ 6 IV S. 1 VOgB (fernmündlich)
(ii) Keine Beweisaufnahme (außer Beweis durch Urkunden) § 4 IV S. 2, 3 VOpB
§ 3 III S. 3 VÖB
§ 6 IV S. 2 VOgB
(iii) Keine Schlichtung bei Unzulässigkeit der Beschwerde § 4 IV S. 3 VOpB
arg. § 3 IV S. 1, 3 VÖB
§ 6 IV S. 3 VOgB
(iv) Bei Zulässigkeit der Beschwerde schriftlicher Erlass eines Schlichtungsvorschlags mit kurzer Begründung auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen und unter Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen § 4 IV S. 4, 6 VOpB
§ 3 IV S. 1, 3 VÖB
§ 6 IV S. 4, 5 VOgB
(v) (Unverzügliche und unmittelbare) Weiterleitung an die Parteien § 4 IV S. 7 VOpB
§ 3 IV S. 4 VÖB
§ 6 IV S. 5 VOgB
(vi) Regelung für den Sonderfall der Beschwerde eines „Kunden“ wegen Nichteinrichtung eines Girokontos: Überprüfung der Entscheidung der Bank unter Berücksichtigung der Empfehlung der Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft (ZKA) zum „Girokonto für Jedermann“ § 4 IV S. 5, § 4 V c VOpB
§ 3 IV S. 2 VÖB
§ 3 I S. 2 VOgB
3. Zulässigkeit der Abhilfe durch die Bank während des Verfahrens (in ihrer Stellungnahme) § 4 II S. 5 VOpB
§ 3 II, III VÖB
§ 6 II, III VOgB
D. Ausdrücklich erwähnte Verfahrensgrundsätze (weitere Grundsätze im Text in Rn. 15) I. Recht zur Vertretung § 5 III S. 1 VOpB
arg. § 7 S. 3 VÖB
§ 7 II VOgB
II. Verschwiegenheitspflicht (für Ombudsmann/Schlichter und Schlichtungsstelle) § 5 IV VOpB
§ 6 VÖB
§ 7 IV VOgB
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1967
E. Kosten I. Verfahrenskosten § 5 II S. 1 VOpB: trägt der Bundesverband
§ 7 S. 1 VÖB: kostenfrei für den Kunden
§ 5 III S. 2 VOpB: Die Parteien tragen ihre eigenen Kosten und die eines möglichen Vertreters selbst. Bei einer Entscheidung zugunsten des Kunden trägt die Bank die notwendigen Kosten für die Teilnahme einer mündlichen Anhörung.
§ 7 S. 3 VÖB: Der Kunde trägt die Kosten eines möglichen Vertreters selbst.
§ 5 II S. 2, 3 VOpB: bei Verwendung ausländischer Vertragssprache oder ausländischen Rechts im Bankvertrag muss die Bank die zusätzlichen Kosten tragen; aber Recht der Bank zur Stellungnahme vor Veranlassung einer Übersetzung oder eines Rechtsgutachtens
§ 7 S. 2 VÖB: Auslagen werden nicht erstattet.
§ 7 III S. 1 VOgB: trägt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken unter angemessener Beteiligung der vom Schlichtungsfall betroffenen Bank
II. Vertreterkosten § 7 III S. 2 VOgB: Die Parteien tragen die Kosten eines möglichen Vertreters.
III. Auslagen § 7 III S. 2 VOgB: Die Parteien tragen ihre eigenen Kosten.
F. Verfahrensbeendigung und Rechtsfolgen I. Hemmung der Verjährung (für die Dauer des Schlichtungsverfahrens) § 5 I VOpB
§ 5 VÖB
§ 7 I VOgB
II. Bindungswirkung des Schlichterspruchs 1. Grundsatz: Keine Bindungswirkung (ohne ausdrückliche Annahme durch die Parteien) § 4 V b VOpB: Es sei denn, der Wert liegt innerhalb des in Ziff. 2 (nächste Zeile) angegebenen Wertes. In diesem Fall ist die Anrufung der ordentlichen Gerichte für die Bank ausgeschlossen (§ 4 V a VOpB).
Bei Nichtannahme innerhalb einer 6-Wochen-Frist ab Zugang des Schlichtungsvorschlags (s.o. C.II.2.f(iv)) wird von der Ablehnung ausgegangen (§ 3 IV S. 5-8 VÖB). Nach Fristablauf Mitteilung des Ergebnisses an die Parteien durch Kundenbeschwerdestelle. Damit ist das Verfahren beendet (§ 3 IV S. 8 VÖB).
Der Schlichtungsvorschlag ist weder für die Bank noch den Beschwerdeführer bindend (§ 6 V VOgB). Die Parteien sollen sich innerhalb von sechs Wochen erklären, ob sie den Schlichtungsvorschlag annehmen (§ 6 IV VOgB).
2. Ausnahme: Bindungswirkung a) Einseitige Bindungswirkung gegenüber dem Kreditinstitut bis zum Höchstbetrag für vermögensrechtliche Klagen vor Amtsgerichten (§ 23 Nr. 1 GVG; derzeit € 5000) Ja (§ 4 V a VOpB)
Nein (§ 3 V S. 3 VÖB)
Nein
b) Bindungswirkung durch Annahme des Schlichterspruchs Schlichterspruch zu einer Beschwerde mit einem Wert oberhalb des Höchstbetrags bedarf der Annahme beider Parteien binnen 6 Wochen nach Zugang (§ 4 V b VOpB)
Der Schlichtungsvorschlag bedarf der Annahme beider Parteien (§ 3 V S. 3 VÖB).
Brödermann
Der Schlichtungsvorschlag bedarf der Annahme beider Parteien (§ 6 V VOgB).
1968
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
3. Mitteilung über erfolglosen Einigungsversuch nach § 15 a III S. 3 EGZPO Ja, nach Ablauf von drei Monaten nach Zugang der Beschwerde bei der Kundenbeschwerdestelle. Mit Erteilung der Bescheinigung ist das Verfahren beendet (§ 4 VI VOpB).
Die Mitteilung über das Ergebnis der Schlichtung erfüllt bei Nichteinigung zugleich diese Funktion. Dies wird auf der Mitteilung ausdrücklich vermerkt (§ 3 V VÖB).
Bei Nichteinigung über die Bindungswirkung erhalten Parteien auf Wunsch eine solche Mitteilung (§ 6 IV S. 10 VOgB)
G. Quellen I. Verfahrensordnung www.bankenverband.de/pic/ artikelpic/062006/0601_ Verfahrensordnung_dt.pdf
www.voeb.de/download/ verfahrensordnung.pdf
www.bvr.de/public.nsf/ 29A8C3379EC4AF 14C1256F71004E7829/$FILE/ omb-verfahrensord.pdf
II. Liste teilnehmender Banken www.bankenverband.de/pic/ artikelpic/042008/ om_mitgliedsinstitute.pdf
www.voeb.de/download/ liste_der_teilnehmenden_ institute.pdf
Jährlich durch Bundesverband (§ 5 V VOpB), im Internet über www.bankenverband.de
Jährlich durch die Kundenbeschwerdestelle (§ 8 VÖB)
Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband deutscher Banken Postfach 04 03 07 10062 Berlin Tel: +49 30 16 63 - 31 66 Fax: +49 30 16 63 - 31 69 E-Mail: (per Kontaktformular)
Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) Kundenbeschwerdestelle Postfach 11 02 72 10832 Berlin Tel: +49 30 81 92 295 Fax: +49 30 81 92 299 E-Mail: –
Eine Liste ist auf Anfrage bei der Kundenbeschwerdestelle erhältlich.
III. Tätigkeitsbericht Jährlich durch die Kundenbeschwerdestelle (§ 7 V VOgB)
IV. Kontaktdaten Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken BVR Postfach 30 92 63 10760 Berlin Tel: – Fax: – E-Mail: –
Tabelle II: Vergleichende Übersicht Deutschland (Teil B) Ombudsmann der privaten Bausparkassen
Ombudsmann der Landesbausparkassen
Allianz Dresdner Bauspar AG, Dresdner Bauspar AG, BHW Bausparkasse AG, HUKCOBURG-Bausparkasse AG, Vereinsbank Victoria Bauspar AG
LBS Bayerische Landesbausparkasse, LBS Bausparkasse Hamburg AG, LBS HessenThüringen
Ombudsmann der Deutschen Bundesbank
A. Angeschlossene Banken Auffangstelle: sämtliche Banken, die sich keiner der Schlichtungsordnungen angeschlossen haben (vgl. § 14 UKlaG)
B. Anwendbare Verfahrensordnung Verfahrensordnung für die außergerichtliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen privaten Bausparkassen und ihren Kunden / Ombudsmann-Verfahrensordnung (OVO)
Schlichtungsordnung der Landesbausparkassen (SOL)
Brödermann
Verordnung über das Verfahren der Schlichtungsstellen für Überweisungen/Schlichtungsstellenverfahrensverordnung (SchlichtVerfVO)
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1969
C. Verfahren I. Zulässigkeit 1. Beschwerdeführer und -gegenstand a) Bei Verbrauchern als Beschwerdeführer: Keine Beschränkungen bzgl. des Beschwerdegegenstands? Ja (§ 2 I a OVO)
Ja (§ 2 a, b SOL)
Nein, nur bei Streitigkeiten aus der Anwendung der §§ 675a676g und 676h S. 1 BGB (Überweisungsverkehr und Missbrauch von Zahlungskarten) oder der Vorschriften des BGB betreffend Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen einschließlich damit zusammenhängender Streitigkeiten aus der Anwendung des § 676h BGB (14 I S. 1 UKlaG)
b) Zulässige Beschwerden auch durch Unternehmer? Ja, wenn der Beschwerdegegenstand eine grenzüberschreitende Zahlung im Sinne der Empfehlung der EG-Kommission über die Transparenz der Bankkonditionen bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen vom 14.2.90 betrifft (§ 2 I b; vgl. Rn 7)
Nein (§ 2 a SOL)
Ja, wie bei Verbrauchern (siehe C.I.a.) mit der Ausnahme, dass Beschwerden über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen nicht zugelassen sind (§ 675 h BGB).
2. Beschwerdegegner: Ein dem Schlichtungssystem angeschlossenes Kreditinstitut (s. A. und G.II) Sämtliche Mitglieder des Verbandes (Präambel OVO)
Präambel
Keine Regelung
3. Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren a) Beschwerdegegenstand ist oder war bereits vor Gericht anhängig oder wird während des Verfahrens anhängig gemacht § 2 II a S. 1 OVO
§ 2 c S. 1 1. Spiegelstrich SOL
§ 3 S. 1 Nr. 1 SchlichtVerfVO
b) Beilegung der Streitigkeit durch außergerichtlichen Vergleich (oder andere gütliche Einigung) § 2 II a S. 2 Fall 2 und § 2 I a OVO
§ 2 c S. 1 2. Spiegelstrich SOL
§ 3 S. 1 Nr. 2 SchlichtVerfVO
c) Abweisung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg § 2 II a S. 2 Fall 3 OVO
§ 2 c S. 1 3. Spiegelstrich SOL: Es sei denn, dies beruhte darauf, dass ein für Zulässigkeit der Klageerhebung vorausgesetztes Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt wurde.
§ 3 S. 1 Nr. 3 SchlichtVerfVO
d) Angelegenheit ist oder war Gegenstand eines Verfahrens einer Schlichtungsstelle nach §14 UKlaG oder einer anderen Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt § 2 II a S. 2 Fall 1 OVO
§ 2 c S. 1 4. Spiegelstrich SOL
§ 3 S. 1 Nr. 4 SchlichtVerfVO
e) Verjährung des Anspruchs, wenn sich die Bank darauf beruft § 2 II c OVO
§ 2 c S. 1 5. Spiegelstrich SOL
Brödermann
§ 3 S. 1 Nr. 5 SchlichtVerfVO
1970
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
f) wenn die Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage beeinträchtigt würde § 2 II d OVO: nur wenn die Klärung einer nicht entschiedenen Grundsatzfrage eine höchstrichterliche Entscheidung erfordert
§ 2 c S. 2 SOL (Sollvorschrift)
§ 3 S. 2 SchlichtVerfVO (Sollvorschrift)
g) Strafanzeige des Kunden (vor oder während des Verfahrens) wegen eines Beschwerdegegenstandes, der sich nicht auf den Anwendungsbereich der §§ 675a-676h S. 1 BGB bezieht § 2 II b OVO
Keine Regelung
Keine Regelung
h) Wenn eine Beweisaufnahme erforderlich wäre und der Beweis nicht durch Vorlage von Urkunden möglich ist § 2 II e, s. auch § 4 III S. 2 OVO
§ 3 f S. 2 SOL
§ 5 I S. 2 SchlichtVerfVO
II. Verfahrensablauf 1.Vorprüfungsverfahren a) Zuständige Stelle Kundenbeschwerdestelle des Verbands der Privaten Bausparkassen e.V. (§ 3 I OVO)
Schlichtungsstelle der LBS; Voraussetzung ist jedoch, dass sich der Kunde zunächst erfolglos an die Bausparkasse zur einvernehmlichen Klärung gewandt hat; die Möglichkeit der Anrufung steht auch der Landesbausparkasse zu (§ 3 a SOL)
Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank; die jeweils zuständigen Dienststellen sind dem Bundesanzeiger zu entnehmen (§ 1 I SchlichtVerfVO).
b) Einzureichen: Kurze Sachverhaltsschilderung, notwenige Unterlagen zur Dokumentation sowie eine Erklärung § 3 II S. 1 OVO: Keine Erklärung erforderlich (gleichwohl ist der Hinweis nützlich, dass die hier unter C.I.3. lit. a bis d und g genannten Umstände nicht vorliegen)
§ 3 b SOL: Versicherung, dass die hier C.I.3. lit. a, b und d genannten Umstände nicht vorliegen
§ 4 I SchlichtVerfVO: Versicherung, dass die hier unter C.I.3. lit. a, b und d genannten Umstände nicht vorliegen
c) Eingangsbestätigung (ggf. mit Darstellung des weiteren Verfahrensverlaufs) § 3 II S. 2 OVO
§ 3 c S. 1 SOL
§ 4 II S. 1 SchlichtVerfVO
d) Formale Vorprüfung (i) Überprüfung, ob sich die Bank dem Schlichtungsverfahren angeschlossen hat, andernfalls Abgabe an die zuständige Beschwerdestelle bei Benachrichtigung des Beschwerdeführers oder – wenn eine zuständige Stelle fehlt – Rücksendung an den Beschwerdeführer § 3 III OVO
§ 3 d SOL
§ 8 SchlichtVerfVO
(ii) Prüfung der Unterlagen und ggf. Aufforderung zur Ergänzung (i.d.R. binnen eines Monats) § 3 IV S. 1 OVO
§ 3 c S. 4 SOL
§ 4 II S. 3 SchlichtVerfVO
(iii) Verfahrensende bei fruchtlosem Fristablauf oder durch Mitteilung der Nichtdurchführbarkeit des Verfahrens, wenn der Beschwerdegegenstand aus den Unterlagen nicht ersichtlich ist § 3 IV S. 2-4 OVO
Keine Regelung
Keine Regelung
(iv) aber neue Beschwerde möglich Keine ausdrückliche Regelung
Keine ausdrückliche Regelung
Keine ausdrückliche Regelung
2. Schlichtungsverfahren vor dem Ombudsmann a) Zulässigkeitsprüfung: bei Feststellung der Unzulässigkeit durch die Kundenbeschwerdestelle entscheidet der Ombudsmann über Zulässigkeit; ggf. Abweisung durch entsprechenden Hinweis § 3 V OVO
arg. § 3e SOL
Brödermann
§ 4 III SchlichtVerfVO
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1971
b) Weiterleitung zulässiger Beschwerde an die Bank § 4 I S. 1 OVO
§ 3 c S. 1 SOL (bereits im Vorverfahren)
§ 4 II S. 1 SchlichtVerfVO (bereits im Vorverfahren)
c) Stellungnahme der Bank innerhalb eines Monats nach Zugang der Beschwerde; Nachfrist von einem Monat möglich § 4 I S. 2-4 OVO (und Information des Beschwerdeführers bei Nachfrist)
§ 3 c S. 1, 2 SOL (in begründeten Fällen ist die Verlängerung der Nachfrist möglich)
§ 4 II S. 1 SchlichtVerfVO
d) Übermittlung der Stellungnahme an den Kunden; dieser kann sich i.d.R. binnen eines Monats ab Zugang dazu äußern. § 4 I S. 5 OVO (ohne Frist)
§ 3 c S. 3 SOL
§ 4 II S. 2 SchlichtVerfVO
e) Vorlage an den Ombudsmann/Schlichter nach Ablauf der Fristen, wenn weder Abhilfe noch anderweitige Erledigung § 4 II OVO (Hat die Bausparkasse nicht Stellung genommen, wird nur der Vortrag des Kunden weitergeleitet).
§ 3 e SOL
§ 4 III SchlichtVerfVO
f) Verfahren beim Ombudsmann (i) Anforderung weiterer Stellungnahmen der Parteien; mündliche Anhörung im Ermessen des Ombudsmannes § 4 III S. 1 OVO
§ 3 f S. 1 SOL
§ 5 I S. 1 SchlichtVerfVO
(ii) Keine Beweisaufnahme (außer Beweis durch Urkunde) § 4 III S. 2 OVO
§ 3 f S. 2 SOL
§ 5 I S. 2 SchlichtVerfVO
(iii) Keine Schlichtung bei Unzulässigkeit der Beschwerde § 4 III S. 3 OVO
Vgl. § 3 g S. 1 SOL
Keine ausdrückliche Regelung
(iv) Bei Zulässigkeit der Beschwerde schriftlicher Erlass eines Schlichtungsvorschlags mit kurzer Begründung auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen und unter Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen § 4 III S. 4, 5 OVO
§ 3 g S. 2 SOL
§ 5 II SchlichtVerfVO
(v) (Unverzügliche und unmittelbare) Weiterleitung an die Parteien § 4 III S. 6 OVO
Keine Regelung
Keine Regelung
(vi) Regelung für den Sonderfall der Beschwerde eines „Kunden“ wegen Nichteinrichtung eines Girokontos: Überprüfung der Entscheidung der Bank unter Berücksichtigung der Empfehlung der Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft (ZKA) zum „Girokonto für Jedermann“ Keine Regelung
Keine Regelung
Keine Regelung
3. Zulässigkeit der Abhilfe durch die Bank während des Verfahrens (in ihrer Stellungnahme) § 4 V OVO: dann Erklärung durch Ombudsmann oder ggf. Kundenbeschwerdestelle über Verfahrensbeendigung
§ 3 c SOL
§ 4 II S. 1 SchlichtVerfVO
D. Ausdrücklich erwähnte Verfahrensgrundsätze (weitere Grundsätze im Text in Rn. 15) I. Recht zur Vertretung § 6 III S. 1 OVO
§ 4 a SOL
§ 4 I S. 3 SchlichtVerfVO
II. Verschwiegenheitspflicht (für Ombudsmann/Schlichter und Schlichtungsstelle) § 8 OVO
§ 1 f SOL
Brödermann
§ 2 IV SchlichtVerfVO (Regelung nur für den Schlichter)
1972
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
E. Kosten I. Verfahrenskosten § 6 I, II S. 1 OVO: kostenfrei für den Beschwerdeführer; die Kosten tragen die dem Schlichtungssystem angeschlossenen Bausparkassen
§ 4 b S. 1 SOL: kostenfrei
§ 6 I S. 1 SchlichtVerfVO: kostenfrei für Beschwerdeführer; § 6 II SchlichtVerfVO: das beteiligte Unternehmen zahlt Gebühr von € 200 (außer bei Ablehnung der Schlichtung; Erlass bei Unangemessenheit möglich)
II. Vertreterkosten § 6 III S. 2 OVO: Die Parteien tragen ihre eigenen Kosten und die eines möglichen Vertreters selbst.
§ 4 b S. 2 SOL: Kosten werden nicht erstattet
§ 6 I S. 1, 3 SchlichtVerfVO: Schlichter kann Kostenübernahme vorschlagen, wenn es geboten erscheint
III. Auslagen § 6 II S. 2 OVO: keine Erstattung
§ 4 b S. 2 SOL: keine Erstattung
§ 6 I S. 2 SchlichtVerfVO: keine Erstattung
F. Rechtsfolge I. Hemmung der Verjährung (für die Dauer des Schlichtungsverfahrens) § 7 OVO
Keine Regelung, s. Rn. 34 im Text
Keine Regelung, s. Rn. 34 im Text
II. Bindungswirkung des Schlichterspruchs 1. Grundsatz: Keine Bindungswirkung ohne ausdrückliche Annahme durch die Parteien § 4 IV S. 5, 6 OVO: Es sei denn, der Wert liegt innerhalb des in Ziff. 2 (nächste Zeile) angegebenen Wertes.
§ 3 g S. 3 SOL: Es sei denn, der Wert liegt innerhalb des in Ziff. 2 (nächste Zeile) angegebenen Wertes.
Bei Nichtannahme innerhalb einer 6-Wochen-Frist ab Mitteilung über das Ergebnis wird von der Ablehnung ausgegangen (§ 5 III SchlichtVerfVO).
2. Ausnahme: Bindungswirkung a) Einseitige Bindungswirkung gegenüber dem Kreditinstitut bis zum Höchstbetrag für vermögensrechtliche Klagen vor Amtsgerichten (§ 23 Nr. 1 GVG) Ja (4 IV S. 1-3 OVO)
Ja, § 3 g S. 4 SOL (mit der Einschränkung: „… es sei denn die Klärung des Sachverhaltes erfordert eine Beweisaufnahme über den Urkundenbeweis hinaus“, die in der Praxis aber wohl noch nie genutzt wurde)
Nein
b) Bindungswirkung durch Annahme des Schlichterspruchs – Der Kunde kann den einseitig bindenden Schlichterspruch (i.S.v. lit a) seinerseits annehmen oder die ordentlichen Gerichte anrufen (§ 4 IV S. 3 OVO) – Schlichterspruch zu einer Beschwerde mit einem Wert > € 5000 bedarf der Annahme beider Parteien (§ 4 IV S. 5, 6 OVO)
– Der Kunde kann den einseitig bindenden Schlichterspruch (i.S.v. lit a) binnen 4 Wochen ab Zugang seinerseits durch schriftliche Mitteilung an Geschäftsstelle der Schlichtungsstelle annehmen (§ 3 h SOL). – Schlichterspruch zu einer Beschwerde mit einem Wert > € 5000 bedarf der Annahme beider Parteien (§ 3 g S. 6 SOL)
Brödermann
Annahme der Entscheidung durch schriftliche Mitteilung an Geschäftsstelle der Schlichtungsstelle innerhalb von sechs Wochen ab Zugang möglich (§ 5 III SchlichtVerfVO)
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1973
3. Mitteilung über erfolglosen Einigungsversuch nach § 15 a III S. 3 EGZPO Ggf. erforderliche Bescheinigungen über erfolglosen Einigungsversuch sind dem Kunden auszustellen (§ 4 IV S. 4 OVO)
Bei Nichteinigung über die Bindungswirkung erhalten Parteien auf Wunsch eine solche Mitteilung (§ 3 h S. 4 SOL)
Bei Nichteinigung über die Bindungswirkung ist Ergebnismitteilung als Bescheinigung über erfolglosen Einigungsversuch zu bezeichnen (§ 5 III S. 5 SchlichtVerfVO).
G. Quelle I. Verfahrensordnung www.bausparkassen.de/ fileadmin/user_upload/ pdf_verbraucherschutz/ Ombudsmann_VerfahrensO_ privBausp_.pdf
www.lbs.de/saar/die-ebs/ihreebs/schlichtungsordnungderlbs
www.bundesbank.de/download/ schlichtungsstelle/ schlichtungsstelle_ verfahrenvo.pdf
II. Liste teilnehmender Banken www.bausparkassen.de/ index.php?id=bausparkassen_ mitglieder
Präambel der OVO
Nicht vorgesehen
Nicht vorgesehen
Alle Banken (vgl. § 14 I UKlaG), es sei denn, die Schlichtungsaufgabe wurde wirksam übertragen (§ 7 SchlichtVerfVO). Derzeit handelt es sich hierbei um die Schlichtungsstelle beim (i) Bundesverband deutscher Banken e.V. (VOpB), (ii) Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands e.V. (VÖB), (iii) den Sparkassen- und Giroverbänden sowie (iv) den Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (VOgB).
III. Tätigkeitsbericht Jährlich durch Schlichtungsstelle (§ 1 IV SchlichtVerfVO)
IV. Kontaktdaten Verband der privaten Bausparkassen e.V. Postfach 30 30 79 Kundenbeschwerdestelle 10730 Berlin Tel. +49 30 59 00 91 - 500 Fax +49 30 59 00 91 - 501 E-Mail:
[email protected]
Schlichtungsstelle der LBS Postfach 7448 48040 Münster Tel.: +49 180 3000 863
Deutsche Bundesbank Schlichtungsstelle Postfach 11 12 32 60047 Frankfurt am Main Tel: +49 69 2388 1907/1906/ 1908 Fax: +49 69 2388 1919 schlichtung @bundesbank.de
IV. Beendigung des Verfahrens. 1. Durch Handeln der Parteien. Die Parteien sind als Herren des Verfahrens jederzeit frei, sich während des Verfahrens gütlich zu einigen: Das Schlichtungsverfahren wird hierdurch beendet. Ebenso ist der Bankkunde jederzeit frei, das Schlichtungsverfahren einseitig zu beenden und ggf. ein gerichtliches Verfahren einzuleiten. Zum Teil sehen die Schlichtungsordnungen vor, dass die Schlichtungsstelle der Bank (Kundenbeschwerdestelle) dem Bankkunden in diesem Fall auf Antrag eine Erfolglosigkeitsbescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch ausstellen muss (Beispiel: Verfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken, Verfahren vor der Deutschen Bundesbank).
Brödermann
36
37
1974
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
38
Die Bank hingegen hat die Freiheit, das Verfahren einseitig zu beenden, durch die eingegangene Selbstverpflichtung gegenüber ihren Bankkunden durch Anschluss an das jeweilige Schlichtungssystem aufgegeben (einseitig bindendes Angebot zu Gunsten der Bankkunden zum Abschluss eines prozessualen Vertrages). Dogmatisch ist die Einordnung der Rechtsnatur der Teilnahme der Bank an einem Schlichtungssystem schwierig (s. etwa Schimansky/Bunte/Lwowski-Steuer, § 3 Rn 54 ff.); inhaltlich liefen der Sinn und Zweck des Ombudsmannverfahrens aber ins Leere, wenn man es der Bank frei überließe, sich jederzeit aus dem Schlichtungsverfahren zurückzuziehen. Durch den Beitritt einer Bank zum Schlichtungssystem verpflichtet sich diese zur Beachtung der Verfahrensordnung. Diese Anerkennung der Verfahrensordnung hat zur Folge, dass die Bank (i.S.e. Rechtskonstruktion sui generis mit Elementen eines Vertrages zugunsten Dritter auf der Basis eines einseitig verpflichtenden Vertrages mit Begünstigungswirkung für eine unbestimmte Vielzahl von Dritten, vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Steuer, § 3 Rn 59) das Schlichtungsverfahren nicht ohne Zustimmung des Beschwerdeführers beenden kann. Eine Befugnis der Bank zur einseitigen Beilegung des Schlichtungsverfahrens wäre auch deshalb systemwidrig, da in diesem Fall die Letztentscheidungsbefugnis über die Zuständigkeit des Schlichters bei der Bank läge. Die Bank kann das Schlichtungsverfahren nur durch Abhilfe während des Verfahrens beenden (vgl. exemplarisch § 4 V OVO).
39
Eine entsprechende Beschränkung der Freiheit der Bank, das Schlichtungsverfahren einseitig zu beenden, gilt in den Fällen, in denen die Bank kraft Verpflichtung durch die SchlichtVerfVO (d.h. begrenzt auf deren Anwendungsbereich: Kundenbeschwerden zum Überweisungsverkehr, über den Missbrauch von Zahlungskarten und über Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, vgl. § 14 I UKlaG) an einem Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank teilnimmt. Auch diese Verpflichtung liefe ins Leere, wenn sich das Kreditinstitut jederzeit nach Verfahrenseinleitung einseitig der Verpflichtung zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren entziehen könnte.
40
2. Durch Schlichterspruch. Kommt es zu keiner Einigung der Parteien während des Verfahrens, endet das Schlichtungsverfahren durch einen Schlichtungsspruch, der schriftlich zu begründen ist. Dies Erfordernis folgt z.T. direkt aus der Schlichtungsordnung oder aber aus den Grundsätzen der Transparenz und Effizienz (s.o. Rn. 15). Nur durch eine Begründung der Entscheidung hat diese befriedende Wirkung und wird von den Parteien akzeptiert (vgl. auch Scherpe, WM 2001, 2321 (2324)). Nach einigen Verfahrensordnungen bedarf der Schlichtungsspruch der Annahme beider Parteien (Beispiel: Verfahren vor dem Ombudsmann der öffentlichen Banken; Verfahren vor dem Ombudsmann der genossenschaftlichen Bankengruppe). Nach anderen Verfahrensordnungen ist der Schlichterspruch bis zum Höchstbetrag nach § 23 Nr. 1 GVG für vermögensrechtliche Klagen vor dem Amtsgericht einseitig für die Bank bindend (Beispiel: Verfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken, Verfahren vor dem Ombudsmann der privaten Bausparkassen). In schwierigen Fällen (Auslandsbezug, Sprachbarrieren, schwierige Beweislage) versuchen die Ombudsleute in der Praxis z.T., einen unverbindlichen Vergleichsvorschlag (ggf. anstelle eines bindenden Schlichterspruchs) zu unterbreiten, der von den Parteien angenommen werden kann.
41
V. Praktische Fragen. Vor der Verfahrenseinleitung empfiehlt es sich – wie vor jedem anderen Verfahren –, sich das Ziel des Verfahrens zu vergegenwärtigen und gegen den Aufwand abzuwägen. Ist es (nur) der Ausgleich eines entstandenen Schadens? Ist es das Bedürfnis, dass ein (empfundenes) Unrecht angehört wird? Gerade bei Ärger über monetär kleinere Beträge lohnt es sich nicht, frustriert Groll im Herzen zu tragen, sich ungefiltert am Markt über die Bank zu beschweren oder sich ohne einen Einigungsversuch der Mühe eines Bankwechsels zu unterziehen. Unter Umständen reicht ein Anruf bei der Schlich-
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1975
tungsstelle oder dem zuständigen Ombudsmann, um zu sondieren, ob ein Schlichtungsverfahren aussichtsreich sein kann. Der Beitritt des Kreditinstituts zu einem Schlichtungssystem dokumentiert, dass die Bank grundsätzlich bereit ist, für Fehler, die ihr (oder einem Mitarbeiter) unterlaufen sind, einzustehen. Dem Bankkunden können ebenfalls Fehler unterlaufen sein, die er zu verantworten hat: Auch dann ist es am besten, diese durch die Verdichtung der Fakten bei der Vorbereitung des Schlichtungsantrags zu erkennen, statt sich zu Unrecht über die Bank zu beklagen. Der Ombudsmann erfüllt diese Funktion der Befriedung. Zur Prüfung der Zuständigkeit bieten die Schlichtungssysteme zum Teil interaktive Checklisten im Internet an (beispielsweise auf der Homepage des Ombudsmanns der privaten Banken, www.bankenombudsmann.de).
42
Für die Schilderung des Falls im Schlichtungsantrag bestehen keine besonderen Formalien. Hilfreich ist es, wenn das Geschehen vollständig, sachlich und in möglichst klar verständlicher Weise dargestellt wird: Warum will der Bankkunde etwas von der Bank? Warum ist sein Rechtsempfinden gestört? Auch Hintergrundinformationen über die Dauer der Kundenbeziehung und die Person des Beschwerdeführers können hilfreich sein.
43
VI. Kosten. 1. Verfahrenskosten. Kosten für die Durchführung des Verfahrens fallen für den Beschwerdeführer nicht an. Diese tragen die Banken gemeinschaftlich. Deshalb kann das Verfahren auch als „Serviceleistung der Banken“ bezeichnet werden (so Leo Parsch, der erste Ombudsmann der privaten Banken, in WM 1997, 1228).
44
2. Anwaltskosten. Den Ausgleich von Anwaltskosten und Auslagen sieht das System grundsätzlich nicht vor: Dies passt zum Ansatz der Serviceleistung; dem Bankkunden steht es frei, die Entscheidung nicht zu akzeptieren und gerichtlich vorzugehen. Im Schlichtungsvorschlag des Ombudsmanns der Deutschen Bundesbank kann jedoch ein Vorschlag zur Übernahme der Kosten enthalten sein (§ 6 Abs. 1 S. 3 SchlichtVerfVO). Im Schlichtungsverfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken trägt die Bank bei einem für den Beschwerdeführer positiven Schlichtungsspruch stets dessen notwendige Kosten für die Teilnahme an einer mündlichen Anhörung (5 Abs. 3 VOpB).
45
Die Schlichtungsstellen sind nach § 14 Abs. 1 S. 2 UKlaG (ggf. i.V.m. § 7 SchlichtVerfVO) eingerichtete Schiedsstellen, jedenfalls soweit das Verfahren Kundenbeschwerden zum grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, über den Missbrauch von Zahlungskarten und über Fernabsatz von Finanzdienstleistungen betrifft. Da gem. Nr. 2303 Ziff. 4 VV RVG alle nicht von den Ziff. 1-3 umfassten, gesetzlich eingerichteten Einigungsstellen, Gütestellen oder Schiedsstellen dem RVG unterfallen (vgl. Hartung/Römermann, RVG-Kommentar, § 36 Rn. 29; Scherpe, AnwBl. 2004, 14 ff. zur Anwendbarkeit von § 65 BRAGO (jetzt § 36 RVG bzw. 2303 VV RVG)), erhält der Anwalt für die anwaltliche Tätigkeit im Ombudsmannverfahren eine Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 1,5 gem. Nr. 2303 VV RVG. Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden ist, wird diese auf die o.g. Gebühr mit der Hälfte (berechnet nach dem Wert des Gegenstands, der in das Verfahren übergegangen ist, höchstens aber mit 0,75) angerechnet (Anm. zu 2303 Ziff. 4 VV RVG). Praktisch bedeutet dies bei einer Auseinandersetzung über eine zu Unrecht belastete Gebühr von beispielsweise € 70, dass der Anwalt eine Gebühr in Höhe von € 37,50 nach RVG verlangen kann. Dieser Betrag mag sowohl für den Bankkunden als auch den Rechtsanwalt ökonomisch nicht attraktiv sein. Vor diesem Hintergrund wird der Antragsteller oft auf sich allein gestellt sein und das Verfahren ohne anwaltliche Hilfe durchführen. Bei größeren und komplexeren Streitigkeiten kann das nach RVG oder kraft vertraglicher Vereinbarung
46
Brödermann
1976
47
48
49
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
nach Zeitaufwand anfallende Honorar in einem angemessenen Verhältnis zur Beauftragung eines Rechtsanwalts stehen. VII. Statistik und Erfahrungen. Das angebotene Schlichtungsverfahren wird von den Kunden zunehmend in Anspruch genommen. Beispielsweise riefen ab Einführung des Ombudsmannes privater Banken in den ersten Jahren von 1992 bis 1997 jährlich um die 1000 Kunden den Ombudsmann der privaten Banken an. In den folgenden Jahren erhöhte sich diese Zahl rapide; 2004 gingen über 4000 Anfragen ein (vgl. Tätigkeitsbericht des Bundesverbands deutscher Banken 2006, s. Tabelle Rn. 35 unter G.3). Vergleichsweise wenige Anfragen bearbeitet die Deutsche Bundesbank: Im Berichtszeitraum 2004 wurden laut Tätigkeitsbericht der Deutschen Bundesbank 2004 insgesamt 142 Anfragen an die Schlichtungsstelle gerichtet. Eine Tendenz, ob die Entscheidungen im Schlichtungsverfahren eher zugunsten der Kunden oder zugunsten der Banken ausfallen, lässt sich nicht feststellen (siehe z. B. für die privaten Banken: www.bankenverband.de/pic/artikelpic/022007/ta0701_om_ verfstatistik.pdf).
C. Ombudsmannverfahren gegen Banken im Ausland: Europäisches FIN-NET und Rechtsvergleichung I. Funktionsweise des FIN-NET. 1. Grundlagen und Anwendungsbereich des FINNET. Das FIN-NET vernetzt die Schlichtungsstellen des Europäischen Wirtschaftsraumes im Bereich Finanzdienstleistungen, also Bank-, Post-, Versicherungs- und Wertpapierdienstleistungen. Ziel des FIN-NET ist vor allem ein erhöhter Schutz der Verbraucher und eine Stärkung des Vertrauens der Verbraucher in grenzüberschreitend erbrachte Finanzdienstleistungen (vgl. Rn. 12 sowie u. a. den ersten Erwägungsgrund der Empfehlung der Kommission vom 4. April 2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen (2001/310/EG)). Das FIN-NET soll Verbrauchern und Unternehmen im Fall eines Streits mit einem ausländischen Finanzdienstleister als Anlaufstelle in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat dienen und über die Beschwerdemöglichkeiten im Ausland informieren sowie bei der Beschwerde helfend zur Seite stehen. Die Vernetzung durch das FIN-NET erfolgt freiwillig auf der Grundlage der Grundsatzvereinbarung FIN-NET (s. Rn. 11, 14 f.).
50
Typische Situationen, in denen die Anlaufstelle im Wohnsitzstaat für ein Verfahren gegen ein Kreditinstitut in einem anderen Mitgliedstaat des FIN-NET gebraucht wird, umfassen (i) der (durch das Internet erleichterte) Zugriff auf Finanzdienstleistungsangebote aus anderen Mitgliedstaaten der EU (etwa Annahme eines Immobiliarkreditangebotes einer französischen Bank, die später die Auszahlung des dringend benötigten Kredites nach Beginn der Renovierungsarbeiten, für die der Kredit aufgewendet werden sollte, mit der Begründung verweigert, zusätzliche Sicherheiten seien erforderlich, weil der nach französischem Recht zur Besicherung eingetretene Immobiliarkreditbürge in Deutschland und nicht in Frankreich wohne), oder (ii) Wohnsitzwechsel (z.B. Streitigkeiten aus der Abwicklung von gekündigten oder aufrechterhaltenen Kontoverbindungen im ursprünglichen Wohnsitzstaat: Etwa Nichtüberweisung des Restguthabens an die nach ihrem Auslandsstudium in Rom nach Deutschland zurückkehrende Studentin; Auseinandersetzung des in Marbella lebenden deutschen Rentners über die Nichtbeachtung eines Freistellungsauftrags durch seine deutsche Bank, der sich zunächst in seinem neuen Wohnsitzstaat an die dem FIN-NET angeschlossene Schlichtungsstelle, den Servicio de Reclamaciones del Banco de España in Madrid wendet).
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1977
Ein realistisches Extrembeispiel (in Abwandlung eines im FIN-NET gelösten irischenglisch-französischen Falls): Bei seiner Rückkehr nach Deutschland nach mehrjähriger Tätigkeit in London behält ein Deutscher sein englisches Bankkonto und seine englische Kreditkarte. Bei einer Urlaubsreise in Frankreich nutzt er sie für den Kauf einer Kamera für € 250. Nach dem Urlaub stellt er in Deutschland fest, dass die Kamera nicht funktioniert. Er beschwert sich per E-Mail vergeblich beim französischen Verkäufer und stellt schließlich fest, dass dieser sein Geschäft aufgegeben hat. Er wendet sich an seine englische Bank mit der Bitte, die Belastung seiner Kreditkarte zu stornieren. Die englische Bank weigert sich. Durch Vermittlung einer deutschen Schlichtungsstelle als Anlaufstelle in seinem Wohnsitzstaat befasst sich der Financial Ombudsman Service mit der Auseinandersetzung. Nach englischem Recht ist der englische Kreditkartenaussteller bei Käufen im Wert von mehr als 100 Pfund Sterling (ca. € 150) neben dem Verkäufer haftbar. In dem irisch-englisch-französischen Grundfall entschied der englische Ombudsmann daher gegenüber der englischen Bank als Kreditkartenaussteller, dass diese den Kaufpreis von € 250 gegen Übergabe der mangelhaften Kamera erstatten müsse (s. dazu den FINNET Tätigkeitsbericht 2001–2006). Statistik: Das FIN-NET hat in den letzten sechs Jahren (2002-2007) durchschnittlich ca. 700 Fälle bearbeitet. Aufgrund der aktiven Bemühungen des seit 2006 durch ein Steering Committee geführten Netzwerks, etwa durch einen zeitgerechten Internetauftritt bekannter zu werden, ist mit einer zunehmenden Inanspruchnahme des Netzwerks zu rechnen. Im Jahr 2006 wurden bereits 994 Fälle durch die dem Netzwerk angeschlossenen Schlichtungsstellen bearbeitet (s. dazu den FIN-NET Tätigkeitsbericht 2001–2006). 2. Verfahrensablauf bei Beschwerden gegen eine ausländische Bank. a) Einleitung des Verfahrens. Bei einer Auseinandersetzung mit einem in einem anderen Mitgliedstaat des EWR (s. jedoch einschränkend Rn. 2) ansässigen Finanzdienstleister kann sich der Kunde selbstständig an eine ausländische Schlichtungsstelle wenden und dort seine Beschwerde einlegen. Die Websites einiger ausländischer Schlichtungsstellen wie z.B. der schwedischen enthalten gute Informationen in englischer und deutscher Sprache. Dem Verbraucher steht es aber alternativ frei, sich aufgrund von praktischen Schwierigkeiten (Sprachhindernissen, fehlenden Informationen über die zuständigen Stellen im Ausland und deren Verfahren) zunächst an eine Schlichtungsstelle in seinem Wohnsitzmitgliedstaat zu wenden. In Deutschland sind alle sechs o.g. Schlichtungsstellen dem FIN-NET angeschlossen. Jede dieser Stellen kann für eine Beschwerde, die bei einer ausländischen, an das FIN-NET angeschlossenen Schlichtungsstelle eingelegt werden soll, angerufen werden. Es gibt keine Zuständigkeitsverteilung in dem Sinne, dass bestimmte Stellen nur bestimmte Länder abdecken oder z.B. nur für bestimmte Organisationsformen ausländischer Finanzdienstleister zuständig wären. Bei einer Beschwerde von Deutschland aus im Ausland hilft die deutsche Schlichtungsstelle dem Beschwerdeführer zunächst, die zuständige Schlichtungseinrichtung zu ermitteln und versorgt ihn in seiner Muttersprache mit weiteren Informationen, insbesondere über das Verfahren vor der ausländischen Stelle und dessen Voraussetzungen. Zudem weist sie den Beschwerdeführer darauf hin, wenn er zunächst als Zulässigkeitsvoraussetzung für das Schlichtungsverfahren ein Beschwerdeverfahren direkt bei der Beschwerdegegnerin durchführen muss (vgl. hierzu auch Ziff. 6.2 der im Anhang unter E.II abgedruckten „Grundsatzvereinbarung FIN-NET“) oder wenn bestimmte Fristen für die Beschwerde eingehalten werden müssen. Standardinformationen über die einzelnen Schlichtungsstellen und die jeweiligen Verfahren können auch über die Website des FIN-NET aufgerufen werden, die neben einem
Brödermann
51
52
53
54
55
56
1978
57
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
Leitfaden auch länderspezifische Informationsblätter mit den Adressen der zuständigen Stellen und weiteren Informationen enthält (www.fin-net.eu). Die Informationsblätter sind bisher nicht für alle Mitgliedstaaten, insbesondere nicht die erst zum 1.5.2004 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten verfügbar. (Die rechtsvergleichenden Übersichten in Rn. 64 beruhen z.T. auf intensiven Recherchen auch im Ausland, etwa zu Litauen, die in dieser Form keinem Verbraucher zuzumuten wären. Die Zugänglichkeit von Informationen soll sich aber nach dem Willen der Kommission und des Steering Committee des FIN-NET weiter verbessern. Noch ist der Finanzdienstleistungsbinnenmarkt im Aufbau.) Die eigentliche Beschwerde muss in einer von der ausländischen Schlichtungsstelle zulässigen Sprache verfasst sein. Soweit Angaben über die zulässige Sprache verfügbar sind, ergibt sich folgendes Bild: Deutsch wird ausdrücklich von Schlichtungsstellen in Luxemburg und Österreich zugelassen; Englisch von Schlichtungsstellen in Belgien, Finnland, Griechenland, Luxemburg, Polen und dem Vereinigten Königreich (vgl. jeweils IV.5 in den rechtsvergleichenden Übersichten in Rn. 64). Einheitlich gestaltete spezielle Formblätter für grenzüberschreitende Beschwerden gegen Finanzdienstleister (vergleichbar dem „Europäischen Formblatt für Verbraucherbeschwerden“, dazu Mitteilung der Kommission „Die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten“ (KOM(1998) 198), die dem Verbraucher das Abfassen der Beschwerde erleichtern würden, gibt es bisher nicht.
58
b) Durchführung des Verfahrens. Nach Einsendung bzw. Weiterleitung der Beschwerde durch die deutsche Schlichtungsstelle an die ausländische Beschwerdestelle setzt sich diese im weiteren Verfahrensverlauf direkt mit dem Beschwerdeführer in Verbindung. Sollten für die Beschwerde noch weitere Informationen notwendig sein oder weitere Unterlagen benötigt werden, so wendet sich die ausländische Stelle direkt an den Beschwerdeführer. Die Schlichtungsstelle im Wohnsitzstaat ist in der Regel zu diesem Verfahrenszeitpunkt nicht mehr involviert. Die Möglichkeit der Zusammenarbeit besteht aber, falls z.B. noch Informationen über konkrete Rechtsvorschriften im Wohnsitzstaat – etwa Verbraucherschutzvorschriften – zur Bearbeitung der Beschwerde benötigt werden.
59
Der weitere Verfahrensablauf richtet sich nach den Verfahrensvorschriften der jeweiligen ausländischen Schlichtungsstelle: s. sogleich Rn. 64 ff. (für Verfahren vor einer deutschen Schlichtungsstelle s.o. Rn. 32 ff., 35).
60
II. Ombudsmannverfahren in anderen Mitgliedstaaten des FIN-NET. 1. Zusammenfassende Übersicht. Alle an das FIN-NET angeschlossenen Schlichtungsstellen haben sich zur Einhaltung bestimmter Verfahrensgrundsätze, insbesondere zur Kostenlosigkeit bzw. -günstigkeit und der raschen Durchführung des Verfahrens, verpflichtet (s. die Zusammenfassung der aus der „Kommissionsmitteilung Verfahrensgrundsätze“ folgenden Grundsätze in Rn. 15). Über die einheitlichen Verfahrensgrundsätze hinaus lassen sich bei den Verfahren weitere Gemeinsamkeiten feststellen. So stehen die FIN-NET angeschlossenen Ombudsstellen oft nicht nur Verbrauchern, sondern in ca. der Hälfte der am FIN-NET teilnehmenden Staaten (jedenfalls in Belgien, Griechenland, Island, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Österreich, Spanien und Tschechien) auch juristischen Personen als Anlaufstelle zur Verfügung. In der Regel sind alle Kreditinstitute in den teilnehmenden Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums an die Ombudsstelle angeschlossen und kommen folglich als Beschwerdegegner in Betracht. Desgleichen werden oft alle Finanzprodukte ohne Begrenzung auf einen Höchststreitwert erfasst. Damit stellt das FIN-NET jedenfalls für Verbraucher und häufig auch für Unternehmen ein nahezu umfassendes Beschwerdesystem dar und bietet damit eine echte Alternative zu gerichtlichen Verfahren.
61
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1979
Ferner versuchen viele Mitgliedstaaten, den Bedürfnissen ausländischer Beschwerdeführer durch die Zulassung mehrerer Sprachen (vor allem Englisch) entgegenzukommen: S. Rn. 57. Die Entscheidung kann dagegen in der Regel nur in der jeweiligen Landessprache ergehen: Noch wird die Investition in sprachlich größere Flexibilität gescheut; dies wird auf Dauer nicht durchzustehen sein, wenn wirklich ein europäischer Finanzdienstleistungsbinnenmarkt entstehen soll. Die Entscheidung des Ombudsmanns ist zumindest für den Kunden nicht bindend. Er kann daher im Anschluss seine Beschwerde auf gerichtlichem Wege grundsätzlich weiterverfolgen. Die Verjährung der Ansprüche ist indes (soweit ersichtlich) nicht in allen Systemen für den Zeitraum der Durchführung des Ombudsmannverfahrens gehemmt (so aber z.B. Österreich). Ggf. muss sich der Beschwerdeführer hier über die Verjährung des Anspruchs vorab informieren, um kein Risiko einzugehen (in kleineren Fällen mag der Aufwand einer solchen Recherche zum ausländischen Verjährungsrecht außer Verhältnis zum Gegenstandswert stehen). Sofern keine Bindungswirkung für die Banken eintritt, halten sich diese in der Praxis meist an die Entscheidung. In vielen Detailpunkten bestehen aber auch Unterschiede, die sich aus der rechtsvergleichenden Synopse in Rn. 64 entnehmen lassen, so z.B. bei den Beschwerdefristen oder bei der Frage nach der Notwendigkeit eines Vorverfahrens.
62
2. Rechtsvergleichende Synopse. Die folgenden rechtsvergleichenden Übersichten enthalten für alle am FIN-NET beteiligten Länder die für den Beschwerdeführer wichtigsten Informationen (Stand: 15.08.2008; ggf. sollte bei der Fallbearbeitung auf den angegebenen Internetseiten überprüft werden, ob Veränderungen eingetreten sind).
64
Tabelle II: Rechtsvergleichende Übersicht (Teil A: Belgien bis Frankreich) Belgien
Dänemark
Finnland
Frankreich
I. Schlichtungsstelle Service de Médiation Banques – Crédit – Placements/ Bemiddelingsdienst Banken – Krediet – Beleggingen
Pengeinstitutankenævnet
Kuluttajariitalautakunta-consumer Disputes Board
Le Médiateur de l’ASF (Association Française des Sociétés Financières)
II. Zulässigkeit des Verfahrens 1. Beschwerdeführer (Beschwerdebefugnis) – Verbraucher – juristische Personen/Unternehmer wegen grenzüberschreitender Zahlung bis max. € 12.500
– Verbraucher – unter bestimmten, engen Voraussetzungen auch juristische Personen/ Unternehmer
Verbraucher
Brödermann
Verbraucher
63
1980
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
2. Beschwerdegegner – Mitglieder der ABB (Association belge des Banques) – Mitglieder der ABMB (Association Belge des Membres de la Bourse) – Mitglieder der UPC (Union Professionnelle du Crédit) – Mitglieder der BEAMA (Association Belge des Asset Managers)
alle Banken (nicht bei Instituten der Färöer oder Grönlands)
alle Banken
Mitgliedsgesellschaften der ASF, die auf Finanzierung von Privatpersonen spezialisiert sind
3. Beschwerdegegenstand alle Produkte
alle Produkte
alle Produkte
– alle Kredite an Privatpersonen – Verbraucherkreditsicherheiten
4. Höchstgrenze des Streitwerts keine
keine
keine
keine
5. Beschwerdefristen keine Angaben
keine
binnen angemessener Frist
keine
6. Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren – Gericht bereits angerufen – Titel existiert
– durch Gericht bereits entschieden – wenn Gerichtsverfahren anhängig, Genehmigung des zuständigen Gerichts erforderlich
– Gericht bereits angerufen – Konflikte, die Wertpapiere oder gewisse Immobiliengeschäfte zum Gegenstand haben
Gericht bereits angerufen
III. Vorverfahren 1. Notwendigkeit der Durchführung ja, wenn binnen angemessener Frist keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig
ja, wenn binnen angemessener Frist keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig
Beschwerdegegnerin
keine Angaben
ja
ja, wenn binnen angemessener Frist (i.d.R. 2 Monate) keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig
2. Beschwerdestelle Beschwerdegegnerin und lokaler Verbraucherberater (municipal consumer adviser)
Brödermann
Verbraucherabteilung der Beschwerdegegnerin
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1981
IV. Verfahren vor dem Ombudsmann/-frau 1. Form und einzureichende Unterlagen schriftlich mit allen erforderlichen Unterlagen
schriftlich mit allen erforderlichen Unterlagen
schriftlich (nicht elektronisch) mit allen erforderlichen Unterlagen, Beschwerdeformulare auf Finnisch und Schwedisch auf Homepage
schriftlich: – Beschreibung des Konflikts – Entscheidung/ Schreiben der Bank/ Verbraucherabteilung im Vorverfahren – Referenznummer der Bank/Verbraucherabteilung – Angabe der Telefonnummer telefonisch: Bereithalten aller oben genannten Unterlagen
2. In welchen Sprachen kann die Beschwerde eingelegt werden? Englisch, Französisch, Niederländisch, Deutsch
Deutsch, Englisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch
Englisch, Finnisch, Schwedisch
Englisch, Französisch
3. Frist für die Einlegung der Beschwerde keine Angaben
keine
6 Monate ab letztem Kontakt mit Beschwerdegegnerin
Brödermann
keine Angaben
1982
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
4. Verfahrensablauf 1. Beschwerde 2. Ombudsmann setzt sich mit Bank in Verbindung 3. Empfehlungsvorschlag (avis) des Ombudsmanns 4. Vorlage der Empfehlung bei Ständigem Vertreter der Verbraucherinteressen (Représentant permanent des intérêts des consommateurs) 5. Zustimmung des ständigen Vertreters 6. falls keine Zustimmung: Vorlage beim Collège de Médiation (bestehend aus Vorsitzendem Richter, Vertreter der Verbraucherorganisation und Finanzinstitutionen), dann Entscheidung 7. bei Grundsatzfragen: Ombudsmann kann Collège de Médiation selbst anrufen
1. Beschwerde 2. Ombudsmann setzt sich mit Bank in Verbindung 3. Empfehlungsvorschlag
1. Beschwerde 2. Aufforderung der Beschwerdegegnerin zur Stellungnahme 3. nach Erhalt der Stellungnahme Weiterleitung an Beschwerdeführer zur weiteren Stellungnahme 4. Möglichkeit der Einschaltung eines Experten/Gutachters 5. nach Einholen aller erforderlichen Informationen, Vorlage von Empfehlungsentwurf durch einen der Ombudsleute an Abteilung der Ombudsstelle 6. Empfehlung durch Abteilung der Ombudsstelle 7. Kontrolle der Entscheidung durch Vorsitzenden der Ombudsstelle (besonders wichtige Entscheidungen: in Plenarsitzung entschieden)
1. Beschwerde 2. Ombudsmann setzt sich mit Bank in Verbindung 3. Empfehlung (avis) von Ombudsmann an Bank 4. Bank teilt Kunden mit, ob mit Empfehlung einverstanden 5. falls nicht: „avis formel“ durch Ombudsmann
5. In welchen Sprachen kann die Entscheidung getroffen werden? Englisch, Französisch, Niederländisch, Deutsch
Dänisch
Finnisch, Schwedisch
– nein für Verbraucher – ja für Bank
ja für Bank, wenn sie Entscheidung nicht binnen vier Wochen ablehnt
keine Angaben
keine Angaben
Französisch
6. Bindungswirkung der Entscheidung? nein (Banken folgen der Entscheidung in über 70% der Fälle
– nein – Empfehlung (avis) wird bei gerichtlicher Auseinandersetzung Gericht zur Kenntnis gebracht
7. Hemmung der Verjährung keine Angaben
keine Angaben
8. Durchschnittliche Bearbeitungszeit einer Beschwerde 3 Monate
4-5 Monate
10 Monate
Brödermann
2 Monate
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1983
V. Kosten des Verfahrens nur für juristische Personen wird bei grenzüberschreitenden Verfahren Pauschalgebühr von € 50 erhoben, wird bei Erfolg der Beschwerde erstattet
Pauschalgebühr v. 150 DK (ca. € 20), wird bei Erfolg der Beschwerde erstattet
ja (auf Französisch, Niederländisch)
ja (auf Dänisch)
Service de Médiation Banques – Crédit – Placements/ Bemiddelingsdienst Banken – Krediet – Beleggingen Rue Belliard 15-17 Boîte 8 – 1040 Bruxelles Tel: +32 2 545 77 70 Fax: +32 2 545 77 79 E-Mail:
[email protected] Link: www.ombfin.be
Pengeinstitutankenævnet Østerbrogade 62, 4 DK – 2100 Kopenhagen Tel: +45 35 43 63 33 Fax: +45 35 43 71 04 E-Mail:
[email protected] Link: www.pengeinstitutankenaevnet.dk
keine
keine bis auf Auslagen des Ombudsmanns (Telefon, Porto, …)
VI. Jahresbericht erhältlich ja (auf Finnisch)
ja (auf Französisch)
VII. Kontaktdaten des Systems Kuluttariitalautakunta Hämeeutie 3B P.O. Box 306 FIN – 00531 Helsinki Tel: +358 100 86330 Fax: +358 10 3665249 E-Mail: KrilCat@ oikeus.fi Link: www.kuluttajavalituslautakunta.fi/ en/index.html
Le Médiateur de l’ASF 24 Avenue de la Grande Armée F-75854 Paris Cedex 17 Tel: +33 1 53 81 51 51 Fax: +33 1 53 81 51 50 E-Mail:
[email protected] Link: www.asf-france.com
Tabelle II: Rechtsvergleichende Übersicht (Teil B: Griechenland bis Italien) Griechenland
Irland
Island
Italien
I. Schlichtungsstelle Hellenic Ombudsman for Banking – Investment Services (H.O.B.I.S.)
Complaints Committee on Transactions with Financial Firms
Financial Services Ombudsman’s Bureau
Ombudsman Guirì Bancario
II. Zulässigkeit des Verfahrens 1. Beschwerdeführer (Beschwerdebefugnis) – Verbraucher – juristische Personen/Unternehmer mit max. Jahresumsatz von € 1 Mio.
– Verbraucher – juristische Personen/Unternehmen mit max. Jahresumsatz von € 3 Mio.
alle Banken, die Mitglieder des griechischen Bankenverbands H.B.A. sind
alle teilnehmenden Banken
alle Produkte
alle Produkte
keine
max. € 250.000
Kunden der Banken
Verbraucher, Unternehmen, Kaufleute, Handwerker
2. Beschwerdegegner alle teilnehmenden Banken
alle Banken
3. Beschwerdegegenstand alle Produkte
alle Produkte
4. Höchstgrenze des Streitwerts keine
Brödermann
max. € 50.000
1984
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
5. Beschwerdefristen binnen eines Jahres nach Entstehen der Streitigkeit
6 Jahre ab Entstehen der Streitigkeit
Gericht bereits angerufen
– Gericht bereits angerufen – Zuständigkeit des Pensions Ombudsman gegeben
keine
2 Jahre ab Entstehen der Streitigkeit
6. Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren Gericht bereits angerufen
Gericht bereits angerufen
III. Vorverfahren 1. Notwendigkeit der Durchführung ja, wenn binnen Frist von 10 Tagen keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig
ja, ab Erhalt der Beschwerde hat Bank 25 Werktage, um Streitigkeit zu lösen, a.E. schriftliche Benachrichtigung des Kunden (Final Response Letter)
Beschwerdestelle der Bank
Beschwerdestelle der Bank
keine Angaben
ja (wenn keine Einigung oder Antwort: Verfahren beim Ombudsmann zulässig)
2. Beschwerdestelle keine Angaben
Beschwerdestelle der Bank
IV. Verfahren vor dem Ombudsmann/-frau 1. Form und einzureichende Unterlagen – schriftliche Beschwerde – Beschwerdeformular H.O.B.I.S. Complaint form bei Mitgliedsinstituten oder auf Homepage erhältlich
ausgefülltes Beschwerdeformular (Vordruck bei Ombudsmann erhältlich) nebst allen Unterlagen
– keine Angaben – Beschwerdeformular auf Homepage erhältlich
– Beschwerdeformular bei den teilnehmenden Banken erhältlich – alle relevanten Unterlagen
2. In welchen Sprachen kann die Beschwerde eingelegt werden? Englisch, Griechisch
Englisch, Irisch
Beschwerdeformular auf Isländisch (Homepage); Beschwerde in anderen Sprachen nicht ausgeschlossen
1 Monat nach Antwort der Bank bzw. 10 Tage nachdem interne Beschwerdestelle der Bank hätte antworten müssen
25 Werktage ab Erhalt der schriftlichen Benachrichtigung durch Kundenbeschwerdestelle (Final Response Letter)
Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch
3. Frist für die Einlegung der Beschwerde keine
Brödermann
1 Jahr nach Antwort der Bank
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1985
4. Verfahrensablauf 1. Beschwerde 2. Ombudsmann setzt sich mit Bank in Verbindung 3. Empfehlung
1. nach Kontaktaufnahme mit Ombudsmann erhält Kunde Vordruck eines Beschwerdeformulars 2. Beschwerdeformular ist binnen 25 Werktagen ausgefüllt mit Unterlagen wieder einzureichen 3. Überprüfung Zuständigkeit des Ombudsmanns und Bestimmung einer Ombudsperson für den Fall 4. Aufforderung an Beschwerdegegnerin zur Stellungnahme und ggf. Erteilung weiterer Informationen binnen Frist von 20 Werktagen 5. Ombudsmann fällt Schiedsspruch (Finding) 6. Parteien haben 15 Werktage Widerspruchsfrist 7. bei Widerspruch ergeht neue Entscheidung (Final Decision)
1. Beschwerde wird beim Ombudsmann schriftlich und mit allen erforderlichen Unterlagen eingereicht 2. Ombudsmann leitet die Unterlagen an Finanzinstitut weiter 3. Antwort des Finanzinstituts innerhalb von 3 Wochen 4. Ombudsmann fällt Schiedsspruch idealerweise innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt aller erforderlichen Unterlagen
1. entspricht die Bank nicht der Beschwerde, kann innerhalb eines Jahres Beschwerde beim Ombudsmann schriftlich und mit allen erforderlichen Unterlagen eingereicht werden 2. Ombudsmann fällt Schiedsspruch idealerweise innerhalb von 90 Tagen 3. werden weitere Unterlagen benötigt, kann die Frist verlängert werden
5. In welchen Sprachen kann die Entscheidung getroffen werden? Englisch, Griechisch
Englisch, Irisch
Isländisch
Italienisch
6. Bindungswirkung der Entscheidung? nein
Möglichkeit der Berufung beim High Court binnen 21 Tagen nach Final Decision
keine Angaben
keine Angaben
nein (in Praxis halten sich Banken an Empfehlung und nehmen evtl. Schadensersatzzahlungen innerhalb von vier Wochen vor)
ja für Bank
7. Hemmung der Verjährung keine Angaben
keine Angaben
8. Durchschnittliche Bearbeitungszeit einer Beschwerde 2 Monate
Ziel: 60 Werktage
8 Wochen
Brödermann
3-4 Monate
1986
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
V. Kosten des Verfahrens keine
keine
– Beschwerdegegner tragen direkte Kosten der Arbeiten des Beschwerdeausschusses – bei Gebührenhöhe zu differenzieren: - Einzelperson: Ikr. 5.000 - Einzelperson, die Geschäft betreibt: Ikr. 15.000, sofern Unternehmen betroffen - andere Rechtspersonen: Ikr. 30.000 – Rückerstattung bei Entscheidung ganz/teilweise zu Gunsten des Beschwerdeführers
ja (auf Englisch, Griechisch)
ja (auf Englisch, Irisch)
Hellenic Ombudsman for Banking – Investment Services 12-14 Karagiorgi Servias Street GR – 105 62 Athens Tel: +30 210 33 76 700 Fax: +30 210 32 38 821 E-Mail:
[email protected] Link: www.bank-investomb.gr
Financial Services Ombudsman’s Bureau Lincoln House Lincoln Place IRL – Dublin 2 Tel: +353 1 66 20 899 Fax: +353 1 66 20 890 E-Mail:
[email protected] Link: www.financialombudsman.ie
keine
VI. Jahresbericht erhältlich ja (auf Isländisch, Englisch)
ja (auf Italienisch)
VII. Kontaktdaten des Systems Complaints Committee on Transactions with Financial Firms Sudurlandsbraut 32 IS – 108 Reykjavik Tel: +354 525 27 00 Fax: +354 525 27 27 E-Mail: urskfjarm@ fme.is Link: www.fme.is
Ombudsman – Giuri Bancario Via delle Botteghe Oscure 4 IT – 00186 Roma Tel: +39 06 674 821 Fax: +39 06 674 82250 E-Mail: associazione@ conciliatorebancario.it Link: www. conciliatorebancario.it
Tabelle II: Rechtsvergleichende Übersicht (Teil C: Liechtenstein bis Niederlande) Liechtenstein
Litauen
Luxemburg
Niederlande
I. Schlichtungsstelle Liechtensteinischer Bankenombudsmann
Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF)
State Consumer Rights Protection Authority
Klachteninstituut Financiële Dienstverlening (Kifid)
II. Zulässigkeit des Verfahrens 1. Beschwerdeführer (Beschwerdebefugnis) Kunden der Banken
Kunden der Banken
Kunden der Banken
Brödermann
keine Angaben
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1987
2. Beschwerdegegner alle Banken
alle Banken
alle unter Aufsicht der CSSF stehenden Finanzinstitute
alle Produkte
alle Produkte
keine Angaben
keine Angaben
alle Banken
3. Beschwerdegegenstand alle Produkte
alle Produkte
4. Höchstgrenze des Streitwerts keine
max. € 250.000
5. Beschwerdefristen keine Angaben
6 Monate nach Einreichung der Beschwerde bei der Bank
– Klärung abstrakter Rechts- und Wirtschaftsfragen erforderlich – Behörde bereits tätig – Entscheidung bereits ergangen
Gericht/Schiedsgericht/Centre for Protection of Consumer Rights/ Ombudsmann bereits angerufen
keine
3 Monate nach der letzten Entscheidung der Bank
6. Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren – Gericht bereits angerufen – Titel existiert
keine Angaben
III. Vorverfahren 1. Notwendigkeit der Durchführung ja (Beschwerde sollte zunächst an Bank gerichtet und eine schriftliche Antwort verlangt werden
ja, wenn binnen Frist von einem Monat keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig
ja (wenn keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig)
ja (wenn keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig)
2. Beschwerdestelle Beschwerdestelle der Bank
Beschwerdestelle der Bank
Beschwerdestelle der Bank
Beschwerdestelle der Bank
IV. Verfahren vor dem Ombudsmann/-frau 1. Form und einzureichende Unterlagen Darlegung des Sachverhalts mit allen erforderlichen Unterlagen
– schriftliche oder mündliche Beschwerde möglich – Einreichen der notwendigen Unterlagen
– schriftliche Beschwerde mit detaillierter Beschreibung des Konflikts – Einreichen der notwendigen Unterlagen zur Darstellung des Konflikts
keine Angaben
2. In welchen Sprachen kann die Beschwerde eingelegt werden? Deutsch
Litauisch
Deutsch, Englisch, Französisch
Brödermann
Niederländisch, Englisch
1988
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
3. Frist für die Einlegung der Beschwerde keine Angaben
30 Tage nach Einreichung der Beschwerde bei der Bank
1. mündliche oder schriftliche Beschwerde mit Ermächtigungserklärung des Kunden (damit Bank von gesetzlichem Berufsgeheimnis gegenüber Ombudsmann entbunden wird) 2. ggf. Einholen weiterer Informationen oder von Stellungnahme der Bank 3. Lösungsvorschlag des Ombudsmanns
1. mündliche oder schriftliche Beschwerde 2. Ombudsmann leitet Beschwerde an Bank weiter 3. Entscheidung in schriftlicher Form
keine Angaben
Ombudsstelle entscheidet von Fall zu Fall, ob angemessene Fristen eingehalten
4. Verfahrensablauf 1. Beschwerde 2. CSSF leitet Beschwerde an Bank und Aufforderung zur Stellungnahme 3. Abgabe einer Empfehlung (avis)
1. Beschwerde vor dem Ombudsmann 2. Wenn keine Einigung, Anrufung des Gerichtes (Tribunal) für bindende Entscheidung möglich
5. In welchen Sprachen kann die Entscheidung getroffen werden? Deutsch
Litauisch
Deutsch, Englisch, Französisch
nein
– nein für den Verbraucher – ja für die Bank (wenn nicht binnen eines Monats Beschwerde eingelegt wird)
nein
keine Angaben
Niederländisch
6. Bindungswirkung der Entscheidung? nein
– Ombudsmann: nein – Tribunal: ja
7. Hemmung der Verjährung keine Angaben
keine Angaben
8. Durchschnittliche Bearbeitungszeit einer Beschwerde keine Angaben
3 Monate
1-6 Monate
nur bei sehr komplexen Fällen Möglichkeit für Ombudsmann, Kunden nach vorheriger Mitteilung Teil der Kosten aufzuerlegen
keine
ja (auf Deutsch)
keine Angaben
3 Monate, Tribunal: 6 Monate
V. Kosten des Verfahrens keine
keine (Tribunal: € 50)
VI. Jahresbericht erhältlich ja (auf Französisch)
Brödermann
ja (auf Niederländisch)
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1989
VII. Kontaktdaten des Systems Liechtensteinischer Bankenombudmann Mitteldorf 1 Postfach 343 LI-9490 Vaduz Tel: + 423 238 10 30 Fax: + 423 238 10 31 E-Mail:
[email protected] Link: www. bankenombudsmann.li
State Consumer Rights Protection Authority Vilnius Str. 25 LT-Vilnius Tel: +371 526 26 751 Fax: +370 527 91 466 E-Mail: tarnyba@ nvtat.lt Link: www. vartotojoteises.lt
Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) 110, Route d’Arlon L – 2991 Luxemburg Tel: +352 26 251 329 Fax: +352 26 251 601 E-Mail:
[email protected] Link: www.cssf.lu
Klachteninstituut Financiële Dienstverlening (Kifid) Postbus 93257 NL – 2509 AG Den Haag Tel: +31 900 355 2248 Fax: +31 70 333 8969 E-Mail: consumenten@ kifid.nl Link: www.kifid.nl
Tabelle II: Rechtsvergleichende Übersicht (Teil D: Norwegen bis Portugal) Norwegen
Österreich
Polen
Portugal
I. Schlichtungsstelle Bankklagenemnda
Gemeinsame Schlichtungsstelle der Österreichischen Kreditwirtschaft
Bankowy Arbitraz Konsumencki
Centro de Arbitragem de Conflitos de Consumo de Lisboa
II. Zulässigkeit des Verfahrens 1. Beschwerdeführer (Beschwerdebefugnis) keine Angaben
Kunden der Banken
Verbraucher
Verbraucher
2. Beschwerdegegner alle Finanzinstitute (alle Banken, Finanzhäuser und Hypothekeninstitute)
alle teilnehmenden Banken
alle Produkte
– grenzüberschreitende Überweisungen – Geschäfte mit elektronischen Zahlungskarten – elektronischer Geschäftsverkehr – grenzüberschreitende Zahlungen in Euro – Fernabsatz von Finanzdienstleistungen – Beschwerden über mangelnde Informationen bei Wohnkreditvergabe
keine
keine
alle teilnehmenden Banken
alle Banken
3. Beschwerdegegenstand alle Produkte
alle Produkte mit Ausnahme von Wertpapieren
4. Höchstgrenze des Streitwerts max. 8000 PLN – entspricht ca. € 2.000 (Zinsen bleiben unberücksichtigt)
Brödermann
max. € 5.000
1990
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
5. Beschwerdefristen keine
Anspruch darf nicht verjährt sein
keine Angaben
– Gericht/Schlichtungsstelle bereits angerufen – außergerichtlicher Vergleich geschlossen – bei Gericht Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt – Beschwerdeführer hat Strafanzeige wegen Beschwerdegegenstand erstattet – Klärung von Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung/Beweisaufnahme erforderlich
es gelten Verjährungsfristen des polnischen Rechts (im Allgemeinen 10 Jahre)
keine
6. Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren – Gericht/Schiedsgericht bereits angerufen – Ombudsmann bestimmt, dass Verfahren aufgrund von Zeugenvorladungen vor Gericht zu entscheiden
keine Angaben
III. Vorverfahren 1. Notwendigkeit der Durchführung keine Angaben
ja
ja, wenn binnen Frist von 30 Tagen keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig
keine Angaben
2. Beschwerdestelle keine Angaben
Beschwerdegegnerin
Beschwerdegegnerin
keine Angaben
IV. Verfahren vor dem Ombudsmann/-frau 1. Form und einzureichende Unterlagen keine Angaben
schriftlich mit allen notwendigen Unterlagen sowie Zustimmungserklärung des Beschwerdeführers (Formular auf Homepage)
– genaue schriftliche Angaben zur Person (insb. Name, Adresse, Telefon, Fax, E-Mail, etc.) – Name der Bank – genaue Angaben zur Streitigkeit zusammen mit eventuellen Beweisdokumenten – Erklärung über nicht erfolgte Antwort der Bank im Rahmen des Reklamationsverfahrens
keine Angaben
2. In welchen Sprachen kann die Beschwerde eingelegt werden? Englisch, Norwegisch
Deutsch, Englisch
Englisch, Polnisch
Brödermann
Englisch, Französisch, Portugiesisch, Spanisch
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1991
3. Frist für die Einlegung der Beschwerde keine
keine Angaben
keine Angaben
30 Tage
4. Verfahrensablauf keine Angaben
1. Beschwerde 2. Prüfung der Zuständigkeit 3. Aufforderung zur Stellungnahme an Kreditinstitut binnen angemessener Frist (meist 6 Wochen) 4. mögliche Erwiderung des Kunden binnen 6 Wochen 5. Schlichtungsspruch oder Vergleichsvorschlag des Ombudsmanns
1. Beschwerde 2. Prüfung der Kostenabführung für das Verfahren 3. Ombudsmann fordert die Bank auf, innerhalb von 14 Tagen Stellung zu nehmen 4. kann dadurch der Konflikt nicht gelöst werden, erfolgt ein formelles nichtöffentliches Verfahren 5. Entscheidung des Ombudsmanns
keine Angaben
5. In welchen Sprachen kann die Entscheidung getroffen werden? Norwegisch
Deutsch, Englisch
Englisch, Polnisch
Portugiesisch
6. Bindungswirkung der Entscheidung? nein (in Praxis halten sich Banken an Entscheidung)
– ja für Bank bis € 4000 Streitwert – nein für Verbraucher (kann binnen 4 Wochen ab Zustellung als verbindlich angenommen werden; sonst nicht mehr für die Bank verbindlich)
keine Angaben
ja, für Dauer des Verfahrens bis zum Ablauf von 4 Wochen nach Zugang der Schlichtungsentscheidung oder nach Einstellung des Verfahrens
ja für Bank, nein für Verbraucher
ja (Entscheidung hat Urteilscharakter)
7. Hemmung der Verjährung keine Angaben
keine Angaben
8. Durchschnittliche Bearbeitungszeit einer Beschwerde 6 Monate
2-3 Monate
6 Wochen
30-40 Tage
V. Kosten des Verfahrens keine
keine (es kann jedoch eine Pauschale bis € 50 auferlegt werden, die bei Erfolg erstattet wird)
– Streitwert über 50 PLN (ca. € 12): 50 PLN – Streitwert unter 50 PLN: 20 PLN (ca. € 3) – Verfahrenskosten werden bei Erfolg erstattet
Brödermann
keine, bis auf Kosten für vom Schiedsrichter bestellte Gutachter
1992
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
VI. Jahresbericht erhältlich ja (auf Norwegisch mit englischer Zusammenfassung)
ja (auf Deutsch)
ja (auf Polnisch)
Bankklagenemnda Universitetsgaten 8, Post Box 6855, St. Olavs Plass N – 0130 Oslo Tel: +47 22 20 30 14 Fax: +47 22 20 31 90 E-Mail:
[email protected] Link: www.bankklagenemnda.no
Gemeinsame Schlichtungsstelle der Österreichischen Kreditwirtschaft Wiedner Hauptstraße 63 A – 1045 Wien, Tel: +43 1 505 42 98 Fax: +43 1 505 44 74 E-Mail:
[email protected] Link: www.bankenschlichtung.at
ja (auf Portugiesisch, Französisch)
VII. Kontaktdaten des Systems Bankowy Arbitraz Konsumencki ul. Kruczkowskiego 8 00-380 Warszawa Tel: +48 22 48 68 431 Fax: +48 22 48 68 100 E-Mail:
[email protected] Link: www.zbp.pl
Centro de Arbitragem de Conflitos de Consumo de Lisboa Rua dos Douradores n.° 106, 2° e 3° P – 1100-207 Lisboa Tel: +351 21 880 70 36 Fax: +351 21 880 70 38 E-Mail:
[email protected] Link: www.centroarbitragemlisboa.pt
Tabelle II: Rechtsvergleichende Übersicht (Teil E: Schweden bis Vereinigtes Königreich) Schweden
Spanien
Tschechien
Vereinigtes Königreich
I. Schlichtungsstelle Allmänna reklamationsnämnden
Servicio de Reclamaciones del Banco de España
Finanční arbitr České Republiky (Financial Arbiter of the Czech Republic)
Financial Ombudsman Service
II. Zulässigkeit des Verfahrens 1. Beschwerdeführer (Beschwerdebefugnis) Verbraucher
– Kunden der Banken – juristische Personen, die Kunden der Bank sind
alle Banken
– alle Banken – Einrichtungen für Währungstausch
alle Produkte
alle Produkte
Kunden der Banken
– Verbraucher – juristische Personen/ Unternehmer mit max. Jahresumsatz von ₤ 1 Mio.
2. Beschwerdegegner – alle Banken – Unternehmen, die gewerbsmäßig Zahlungsverkehr innerhalb Tschechiens betreiben – Aussteller von Instrumenten für elektronischen Zahlungsverkehr
alle Banken
3. Beschwerdegegenstand Zahlungen
Brödermann
alle Produkte
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1993
4. Höchstgrenze des Streitwerts keine Obergrenze, aber Mindeststreitwert von SEK 2000, es sei denn Streitigkeit von grundsätzlichem Interesse oder Vorliegen besonderer Gründe
keine
max. 1.5 Million CZK – ca. € 50.000
keine Angaben
5 Jahre ab Eintritt des Beschwerdefalls
– Gericht bereits angerufen – Vertrag, auf dem Streitigkeit beruht, wurde nicht in Schweden geschlossen – Streitigkeit zu umfangreich und umfassende Sachverhaltsermittlung erforderlich
Gericht/Schlichtungsstelle bereits angerufen
max. 100.000 GBP (einhunderttausend Pfund Sterling) – ca. € 150.000
5. Beschwerdefristen keine Angaben
6 Jahre ab Eintritt des Beschwerdefalls bzw. 3 Jahre nachdem Verbraucher hätte wissen müssen, dass er Gründe für Beschwerde hat
6. Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren keine Angaben
keine Angaben
III. Vorverfahren 1. Notwendigkeit der Durchführung keine Angaben
ja, wenn binnen angemessener Frist (i.d.R. 2 Monate) keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig
nein
ja, wenn binnen angemessener Frist (i.d.R. 8 Wochen) keine Einigung oder Antwort: Beschwerde beim Ombudsmann zulässig
2. Beschwerdestelle keine Angaben
Beschwerdegegnerin
nein
Brödermann
Beschwerdegegnerin
1994
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
IV. Verfahren vor dem Ombudsmann/-frau 1. Form und einzureichende Unterlagen schriftlich mit allen Unterlagen, Antragsformular auf Homepage verfügbar
schriftliche Beschwerde mit folgenden Informationen (Beschwerdeformular auf Homepage verfügbar): – Name und Adresse des Beschwerdeführers – Personalausweisnummer (Documento Nacional de Identidad – DNI bei natürlichen Personen) – Beschwerdegegner – Beschreibung des Konflikts – schriftliche Beweismittel (spätestens innerhalb von 15 Tagen nachzureichen) – Beleg für erfolglose Durchführung des Vorverfahrens – unter Beschwerdeschrift muss Ort, Datum, Unterschrift gesetzt werden
schriftliche Beschwerde mit folgenden Informationen: – Name, Geburtsdatum, Adresse des Beschwerdeführers (Registriernummer für juristische Personen) – Beschreibung Streitgegenstand – schriftliche Beweismittel – Erklärung des Beschwerdeführers, dass im Vorfeld kein Gericht oder Schiedsgericht angerufen – Datum, Unterschrift des Beschwerdeführers
schriftliche Beschwerde mit allen Beweismitteln (Beschwerdeformular auf Homepage)
2. In welchen Sprachen kann die Beschwerde eingelegt werden? Schwedisch, Dänisch, Norwegisch und prinzipiell Englisch
Englisch, Spanisch, Französisch
binnen 6 Monaten nachdem Bank Beschwerde erstmalig abgelehnt hat
keine Angaben
keine Angaben
alle Amtssprachen der EU
3. Frist für die Einlegung der Beschwerde keine Angaben
Brödermann
6 Monate nachdem Beschwerdeverfahren der Bank ausgeschöpft
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1995
4. Verfahrensablauf 1. Beschwerde 2. Ombudsmann fordert Bank zur Stellungnahme auf 3. ggf. Erwiderung des Verbrauchers 4. beide Parteien haben Recht, schriftliche Beweismittel einzureichen 5. Empfehlung des Ombudsmanns
1. Beschwerde 2. Überprüfung der eingereichten Beschwerdeunterlagen 3. ggf. Aufforderung des Beschwerdeführers binnen Frist von 10 Tagen Unterlagen zu vervollständigen 4. Ombudsmann fordert Finanzinstitut binnen Frist von 15 Tagen zur Stellungnahme auf 5. ggf. weitergehende Ermittlungen des Ombudsmanns 6. Empfehlung des Ombudsmanns
1. Beschwerde 2. Überprüfung eingereichter Beschwerdeunterlagen 3. ggf. Aufforderung des Beschwerdeführers Unterlagen zu vervollständigen 4. Ombudsmann fordert Finanzinstitut binnen Frist von 30 Tagen zur Stellungnahme auf; Finanzinstitut kann Antrag auf Fristverlängerung um weitere 30 Tage stellen
1. Beschwerde 2. Informelle Überprüfung des Konflikts 4. Ombudsmann fordert Finanzinstitut zur Stellungnahme auf 5. Empfehlung des Ombudsmann 6. Eröffnung formelles Verfahren 7. Sachverhaltsanalyse mit Hilfe beider Parteien 8. Entscheidung des Ombudsmann
5. In welchen Sprachen kann die Entscheidung getroffen werden? Schwedisch
Spanisch
keine Angaben
Englisch
6. Bindungswirkung der Entscheidung? nein (in der Praxis wird Entscheidung beachtet)
nein
keine Angaben
keine Angaben
keine Angaben
ja für Bank (bis zu einer Höhe von € 100.000 – ca. € 150.000 – Verlust)
7. Hemmung der Verjährung keine Angaben
keine Angaben
8. Durchschnittliche Bearbeitungszeit einer Beschwerde 5 Monate
3 Monate
100 Tage
6-9 Monate
V. Kosten des Verfahrens keine
keine
keine Angaben
ja (auf Schwedisch)
ja (auf Spanisch)
Allmänna reklamationsnämnden (ARN) Box 174, S – 101 23 Stockholm Tel: + 46 8 555 017 00 Fax: +46 8 555 017 01 E-Mail:
[email protected] Link: www.arn.se
Servicio de Reclamaciones Banco de España C/ Alcalá 48 E – 28014 Madrid Tel: +34 91 338 6530 Fax: +34 91 338 4341 E-Mail:
[email protected] Link: www.bde.es
für Verbraucher keine
VI. Jahresbericht erhältlich ja (auf Tschechisch, Englisch)
ja (auf Englisch)
VII. Kontaktdaten des Systems Finanční arbitr České Republiky (Financial Arbiter of Czech Republic) Washingtonova 25 110 00 Praha 1 Tel: +420 221 674 660 Fax: +420 221 674 666 E-Mail:
[email protected] Link: www.finarbitr.cz
Brödermann
Financial Ombudsman Service South Quay Plaza 183 Marsh Wall London E14 9SR Tel: +44 20 79 64 10 00 Fax: +44 20 79 64 10 01 E-Mail: complaint.info@ financial-ombudsman.org.uk Link: www.financialombudsman.org.uk
1996
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
65
III. Ombudsmannverfahren in der Schweiz. Seit dem 1. April 1993 gibt es auch in der Schweiz einen Bankenombudsmann. Dieser ist, obwohl die Schweiz EWR-Mitgliedstaat ist, (noch) nicht Mitglied des FIN-NET. Trägerschaft des Schweizerischen Bankenombudsmanns ist die Stiftung Schweizerischer Bankenombudsmann. Beschwerdeführer können alle Bankkunden sein, gleich ob sie natürliche oder juristische Personen sind. Als Beschwerdegegner kommen alle der Schweizerischen Bankiervereinigung angeschlossenen Banken in Betracht. Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist nicht möglich, wenn im Vorfeld bereits eine Behörde oder ein Gericht tätig wurden. Ferner ist zwingend ein Vorverfahren bei der Kundenbeschwerdestelle der jeweiligen Beschwerdegegnerin durchzuführen. Die Beschwerde selbst kann in Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch eingereicht werden. Der Ombudsmann holt hiernach in der Regel eine Stellungnahme der Bank ein, um ihr als Gegenpartei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Darüber hinaus kann er grundsätzlich alles unternehmen, was ihm zur Bildung einer freien und eigenen Meinung erforderlich erscheint und daher auch Akten und sonstige Auskünfte bei der Bank einholen. Nach einer Bearbeitungszeit von ca. einem Monat trifft der Ombudsmann eine Entscheidung, die für die Parteien nicht bindend ist, jedoch in der Regel von den Parteien, insbesondere der Bank, akzeptiert wird. Das Verfahren ist für den Kunden kostenlos. Zu weiteren Informationen sowie den Kontaktdaten des Schweizerischen Bankenombudsmannes s. www.bankingombudsman.ch.
66
D. Zusammenfassende Würdigung und Ausblick Entsprechend der Vielfalt der deutschen Bankenlandschaft besteht das Ombudsmannsystem in Deutschland aus einer Vielzahl von fest eingerichteten Schlichtungsstellen (Rn. 16 f., 35). Es hat sich in über 15 Jahren zu einer erprobten, funktionsfähigen Alternative zur gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Bankkunden (vor allem Verbrauchern) und Kreditinstituten entwickelt. Es ist von Anbeginn an als Teil europäischer Bemühungen um wirksame Beschwerdemöglichkeiten zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen der überweisenden Bank und dem Bankkunden zu sehen (s. Rn. 7 zur Empfehlung der Kommission von 1990 sowie Rn. 8 zur Richtlinie 97/5/EG über grenzüberschreitende Überweisungen). Aufgrund dieses europäischen Einflusses steht das Ombudsmannsystem mittlerweile deutschen und ausländischen Unionsbürgern und Mitgliedern anderer Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie ihnen gleichgestellten Unternehmen flächendeckend gegenüber jeder deutschen Bank zu, wenn die Beschwerden grenzüberschreitende Überweisungen, die Anwendung des Überweisungsrechts oder den Missbrauch von Zahlungskarten betreffen (Rn. 1, 16 f.).
67
Vor ca. 6 Jahren (2001) sind die deutschen Ombudseinrichtungen dem neu errichteten europäischen FIN-NET (Rn. 11) beigetreten, über das für Bankkunden Zugang zu 46 Schlichtungsstellen in zahlreichen europäischen Staaten (s. Rn. 2, 11) besteht; ebenso steht das Ombudsmannsystem in der Schweiz deutschen Bankkunden (Verbrauchern und Unternehmern) offen (Rn. 65). Der Beitritt zum FIN-NET strahlt auf die Behandlung deutscher Fälle ohne Auslandsbezug aus: In der Grundsatzvereinbarung FIN-NET (Rn. 11, 14 f.) haben sich die deutschen Schlichtungsstellen auch auf die Einbeziehung der Kommissionsempfehlung 98/257/EG über Verfahrensgrundsätze verständigt und damit eine Grundlage für die Anwendung dieser Grundsätze (s. die Synopse in Rn. 15) nach § 157 BGB auch auf innerdeutsche Fälle gelegt (Rn. 14).
68
Der Weg bis zur vollen Realisierung des von der Kommission angestrebten integrierten Finanzdienstleistungsbinnenmarktes für Endverbraucher (so das Ziel des Ratsgipfels von Lissabon 1999, Rn. 9) ist noch weit: Noch sind nicht alle Banken im Europäischen Wirtschaftsraum erfasst (Rn. 2); noch ist das Sprachenthema trotz guter Ansätze
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1997
durch die Verfügbarkeit erster Informationen in der Muttersprache (Rn. 55-57) nicht zufriedenstellend (Rn. 57, 62) gelöst. Letztlich wird das Ziel eines Binnenmarktes in der Europäischen Union im Sinne von Art. 3 lit. c EG-Vertrag nur erreicht, wenn auf lange Sicht – ggf. gegen angemessenes Entgelt – auch den Unternehmen das erfolgreiche Schlichtungssystem über einen Ombudsmann für alle Beschwerdegegenstände und über Überweisungs- und Kartenmissbrauchsfälle hinaus angeboten wird. Die rechtsvergleichende Betrachtung (Rn. 64 f.) zeigt, dass zahlreiche Ombudssysteme in anderen Staaten noch mehr Leistung auch für Unternehmen erbringen. Dies mag fast 15 Jahre nach der Einführung des Ombudsmannsystems in Deutschland ein Anlass zu weiterer Verbesserung sein: Denn jede Streitbeilegung im Wege der Schlichtung ist besser als ein Prozess.
E. Anhang
69
I. Nützliche Adressen und Links 1. Für Schlichtungsverfahren in Deutschland Siehe jeweils Punkt G.IV. der Vergleichenden Übersichten zu den deutschen Ombudsmannsystemen (unter Rn. 35) 2. Für Schlichtungsverfahren in Europa a) FIN-NET – Offizielle Seite des FIN-NET: www.fin-net.eu – Leitfaden zum FIN-NET: http://ec.europa.eu/youreurope/nav/sk/citizens/services/eu-guide/ finnet/index_de.html?print=true – Länderspezifische Informationsblätter des FIN-NET: http://ec.europa.eu/internal_market/ fin-net/members_en.htm b) ECC-NET – Offizielle Seite des ECC-NET (European Consumer Centres Network, vormals: European Extra-Judicial Network): http://ec.europa.eu/consumers/redress_cons/index_en.htm – Factsheet zum ECC-NET: http://ec.europa.eu/consumers/publications/factsheet-ECCNet_de.pdf – Clearingstellen des ECC-NET für Deutschland: Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland – Kehl/Deutsche Verbindungsstelle für Schlichtung, c/o Euro-Info-Verbraucher e.V., Rehfusplatz 11, D-77694 Kehl Tel: +49/7851/991480 E-Mail:
[email protected] Link: www.euroinfo-kehl.com Europäisches Verbraucherzentrum (EVZ) Kiel Willestraße. 4-6 D-24103 Kiel Tel: +49/431/9719350 E-Mail:
[email protected] Link: www.evz.de II. Vereinbarung über ein grenzübergreifendes außergerichtliches Netz zur Behandlung von Beschwerden für Finanzdienstleistungen im Europäischen Wirtschaftsraum (Grundsatzvereinbarung FIN-NET) (Quelle: http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/finnet/memo-understanding _de.pdf) 1. Ziele der Vereinbarung Diese Vereinbarung ist eine Absichtserklärung über die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Parteien. Die Vereinbarung beschreibt die Verfahren und anderen Bedingungen, unter denen die Parteien zusammenarbeiten wollen, um die außergerichtliche Beilegung von
Brödermann
70
1998
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
grenzübergreifenden Rechtsstreitigkeiten zwischen Verbrauchern und Anbietern von Finanzdienstleistungen zu erleichtern. Diese Vereinbarung ist für die Parteien nicht rechtsverbindlich und begründet deshalb für sie oder Dritte keine Rechte bzw. Pflichten. 2. Begriffsbestimmungen „Außergerichtliche Beilegung“ ist ein Verfahren, das unabhängig von seinen Einzelheiten durch aktive Intervention einer Streitschlichtungseinrichtung, die eine Lösung vorschlägt oder vorschreibt, zur Beilegung einer Streitigkeit zwischen Verbrauchern und Anbietern von Finanzdienstleistungen führt. „Streitbeilegungseinrichtung“ ist eine Einrichtung, die die außergerichtliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Verbrauchern und Finanzdienstleistungsanbietern in ihrer Eigenschaft als unabhängiger Dritter herbeiführt. Eine „grenzübergreifende Rechtsstreitigkeit“ ist ein Streitfall zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von Finanzdienstleistungen, bei dem der Anbieter seinen Wohnsitz bzw. seine Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat und der Verbraucher in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. „Das zuständige System“ ist die für die betreffenden Finanzdienstleistungen zuständige Streitbeilegungseinrichtung des Landes, in dem der Anbieter der Dienstleistung seinen Wohnsitz bzw. seine Niederlassung hat. „Das nächstgelegene System“ ist eine Streitbeilegungseinrichtung für den entsprechenden Finanzdienstleistungsbereich im Wohnsitzstaat des Verbrauchers. 3. Die Parteien der Vereinbarung Die Parteien der Vereinbarung sind in Anhang 1 aufgeführt. Der Vereinbarung können alle Systeme beitreten, die für die außergerichtliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Verbrauchern und Anbietern von Finanzdienstleistungen zuständig sind. 4. Einhaltung der Grundsätze der Empfehlung 98/257/EG Die Parteien halten die für Einrichtungen, denen die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten obliegt, in der Empfehlung 98/257/EG der Kommission aufgestellten Grundsätze ein (Anhang 2). Organe, die von Seiten der Mitgliedstaaten noch nicht gemäß der Empfehlung in die Datenbank der Kommission eingegeben wurden, versuchen ihr Möglichstes, um zu veranlassen, dass diese Meldung ihres Mitgliedstaats an die Datenbank der Kommission bis Ende 2001 erfolgt. 5. Umfang der Zusammenarbeit Die Zusammenarbeit betrifft Beschwerden von Verbrauchern im Zusammenhang mit grenzübergreifenden Finanzdienstleistungen. Jedes teilnehmende System kooperiert in den Bereichen, die gewöhnlich im Rahmen seiner Geschäftsordnung und/oder seiner rechtlichen Verpflichtungen in seine Zuständigkeit fallen. 6. Leitlinien für die Verfahren des Netzes zur Behandlung von Beschwerden bei der außergerichtlichen Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten Das nachstehende Modell beschreibt die Leitlinien, denen die Zusammenarbeit bei einer grenzübergreifenden Beschwerde im Allgemeinen unterliegen sollte. 6.1 Das nächstgelegene System erteilt dem Verbraucher alle erforderlichen und sachdienlichen Auskünfte über das Beschwerdenetz und das zuständige System. Diese Informationen sollten zumindest die in Nummer 8.1 genannten Angaben umfassen. 6.2 Gegebenenfalls erinnert das nächstgelegene System den Verbraucher außerdem daran, dass es angezeigt ist, seine Beschwerde zunächst unmittelbar an den Dienstleister zu richten, da diese Voraussetzung häufig erfüllt sein muss, damit sich Streitschlichtungseinrichtungen mit Beschwerden befassen dürfen. Das nächstgelegene System wird den Verbraucher darauf aufmerksam machen, dass es eine Frist für die Einreichung der Beschwerde beim zuständigen System und mögliche Fristen für etwaige gerichtliche Schritte geben kann.
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
1999
6.3 Das nächstgelegene System wird: a) die Beschwerde an das zuständige System weiterleiten oder b) dem Verbraucher raten, sich direkt an das zuständige System zu wenden oder c) falls der Finanzdienstleister die Zuständigkeit des nächstgelegenen Systems akzeptiert hat bzw. wenn die rechtlichen Verpflichtungen das nächstgelegene System hierzu verpflichten, die Beschwerde innerhalb der Grenzen seiner Geschäftsordnung selbst einer Lösung zuführen. 6.4 Wenn eine grenzübergreifende Beschwerde beim zuständigen System eingegangen ist, liegt es in seiner Kompetenz, die Schlichtung des Streits zwischen dem Dienstleister und dem Verbraucher nach den in seiner Geschäftsordnung und/oder gemäß seinen rechtlichen Verpflichtungen vorgesehenen Bestimmungen beizulegen zu versuchen und dabei die Empfehlung 98/ 257/EG der Kommission, einschließlich das geltende Recht, zu berücksichtigen. 6.5 Das vorstehend beschriebene Modell ist als das allgemeine Verfahren der Zusammenarbeit innerhalb des Netzes anzusehen. Die Parteien der Vereinbarung können jedoch jederzeit festlegen, im Interesse einer effizienteren Streitbeilegung ein alternatives Verfahren anzuwenden. 7. Sprache der Streitschlichtung Falls der Verbraucher sich nicht dafür entscheidet, sich in der üblichen Arbeitssprache an das zuständige System zu wenden, kann er mit ihm in einer der folgenden Sprachen kommunizieren: – der Sprache seines Vertrags mit dem Finanzdienstleister oder – der Sprache, in der er in der Regel mit dem Finanzdienstleister kommuniziert hat. 8. Informationsaustausch 8.1 Die Parteien werden den Kommissionsdienststellen unverzüglich folgende Informationen über ihr System und etwaige Änderungen bezüglich des Systems mitteilen: – Kontaktinformationen - Name - Postanschrift - Telefonnummer - Fax-Nummer - etwaige E-Mail-Adresse - etwaige Internet-Adresse – Tätigkeitsbereich - die abgedeckten Finanzinstitute - die abgedeckten Finanzprodukte - welche Intermediäre sind abgedeckt – Organisation - Handelt es sich um ein öffentliches/privates und gesetzliches/freiwilliges System? - Wer betreibt das System? - Wer finanziert das System? – In welcher (welchen) Sprache(n) kann das System - Nachforschungen anstellen? - Beschwerden bearbeiten? - Entscheidungen treffen? – Gegebenenfalls vom Verbraucher zu tragende Kosten – Ist die Entscheidung für das Finanzinstitut oder den Verbraucher verbindlich? – Zeit, die in der Regel für die Bearbeitung der Beschwerde benötigt – wird – Beschränkungen - etwaige Beschränkungen des Geldwerts im Zusammenhang mit Beschwerden und Schiedssprüchen - etwaige Fristen für die Einreichung der Beschwerde beim System
Brödermann
2000
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
- etwaige Fristen für gerichtliche Schritte und Angabe, ob diese Fristen mit dem Einreichen der Beschwerde bei der zuständigen Einrichtung ausgesetzt werden – Vorlage eines Jahresberichts (in welchen Sprachen?) – Wurde das System der Kommission gemäß der Empfehlung – 98/257/EG mitgeteilt? 8.2 Die Kommissionsdienststellen werden den teilnehmenden Systemen diese Informationen auf einer für die Teilnehmer und Verbraucher im Internet abrufbaren Web-Site zugänglich machen. 8.3 Das nächstgelegene System stellt dem zuständigen System auf dessen besonderen schriftlichen Antrag, der konkrete Fragen zu dem Einzelfall umfasst, Informationen über die im Wohnsitzland des Verbraucher geltenden einschlägigen verbindlichen Verbraucherschutzvorschriften zur Verfügung. Solchen Auskunftsersuchen eines anderen Systems ist so rasch wie möglich zu entsprechen. 9. Datenschutz Falls das nächstgelegene System beabsichtigt, die Beschwerde an das zuständige System weiterzuleiten, teilt das nächstgelegene System dem Verbraucher mit, dass erforderliche personenbezogene Daten gemäß Artikel 10 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr gegebenenfalls an das zuständige System übermittelt werden. 10. Informationen über die Funktionsweise des Netzes Die Parteien übermitteln den Kommissionsdienststellen auf Anfrage Statistiken über die grenzübergreifenden Fälle, die sie bearbeitet haben, und ihre Stellungnahme zur Funktionsweise des Kooperationsnetzes. Die Kommissionsdienststellen fordern diese Auskünfte mit einem besonderen Formblatt an. 11. Bericht über die Anwendung der Vereinbarung Die Kommissionsdienststellen planen, einmal jährlich eine Sitzung der teilnehmenden Systeme einzuberufen und ihnen einen Bericht über die Anwendung dieser Vereinbarung vorzulegen. In der Sitzung wird über eine etwaige Aktualisierung der Vereinbarung entschieden.
71
III. Kommissionsempfehlung 98/257/EG betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN – gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 155, in Erwägung nachstehender Gründe: Der Rat hat in seinen vom Rat „Verbraucherfragen“ am 25. November 1996 bestätigten Schlussfolgerungen unterstrichen, dass es für die Stärkung des Vertrauens der Verbraucher in das Funktionieren des Binnenmarkts und in ihre Fähigkeit, die Möglichkeiten des Binnenmarkts umfassend zu nutzen, wichtig ist, dass die Verbraucher die Möglichkeit haben, ihre Streitigkeiten durch außergerichtliche oder andere, vergleichbare Verfahren wirksam und angemessen beizulegen. Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 14. November 1996 (1) betont, dass es notwendig ist, dass diese Verfahren Mindestkriterien genügen, die die Unparteilichkeit des mit dem Rechtsstreit befassten Organs, die Effizienz des Verfahrens, die Öffentlichkeit sowie die Transparenz des Ablaufs garantieren sollen, und die Kommission um Vorlage entsprechender Vorschläge ersucht. Wesensbedingtes Merkmal der meisten Verbraucherrechtsstreitigkeiten ist das Missverhältnis zwischen dem, was bei einer Rechtssache wirtschaftlich auf dem Spiel steht, und den Kosten für eine Regelung auf dem Rechtsweg. Die eventuell mit Gerichtsverfahren verbundenen Schwie-
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
2001
rigkeiten sind insbesondere bei grenzübergreifenden Streitfällen geeignet, Verbraucher davon abzuhalten, ihre Rechte einzufordern. Zu dem Grünbuch „Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt“ (2) ist eine breit angelegte Konsultation durchgeführt worden, deren Ergebnisse die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Gemeinschaftsaktion zur Verbesserung der gegenwärtigen Sachlage bestätigt haben. Die Erfahrung verschiedener Mitgliedstaaten zeigt, dass sich mit Alternativen für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten, sofern die Wahrung bestimmter wesentlicher Grundsätze gewährleistet ist, sowohl für die Verbraucher als auch für Unternehmen akzeptable Ergebnisse erzielen lassen und die Verfahrenskosten gesenkt und Verfahrensfristen verkürzt werden können. Die Festschreibung entsprechender Grundsätze auf europäischer Ebene könnte die Durchführung außergerichtlicher Verfahren zur Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten vereinfachen. Damit könnte, mit Blick auf grenzübergreifende Streitfälle, das gegenseitige Vertrauen der außergerichtlichen Einrichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten wie auch das Vertrauen der Verbraucher in die auf nationaler Ebene bestehenden Verfahren gestärkt werden. Diese Kriterien würden den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbietern außergerichtlicher Dienste erleichtern, ihre Dienste in einem anderen Mitgliedstaat anzubieten. In den Schlussfolgerungen des genannten Grünbuchs wird u. a. die Annahme einer „Empfehlung der Kommission (…) mit dem Ziel, das Funktionieren und die Transparenz von Ombudsmann(Schlichter)-Systemen zu verbessern, die mit der Behandlung von Verbraucherstreitigkeiten befasst sind“, vorgeschlagen. Dass eine solche Empfehlung notwendig ist, haben die betroffenen Kreise mit großer Mehrheit während der Konsultation zum Grünbuch unterstrichen und im Verlauf der Konsultation zu der Mitteilung über den „Aktionsplan“ (3) bekräftigt. Diese Empfehlung betrifft ausschließlich Verfahren, die unabhängig von ihrer Bezeichnung durch die aktive Intervention eines Dritten, der eine Lösung vorschlägt oder vorschreibt, zu einer Beilegung der Streitigkeit führen. Sie betrifft keine Verfahren, die auf den einfachen Versuch beschränkt sind, eine Annäherung der Parteien zu erreichen, um sie zu überzeugen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Unter „Entscheidungen“ im Sinne dieser Empfehlung sind für die Parteien bindende Entscheidungen, Empfehlungen oder Vergleichsvorschläge außergerichtlicher Einrichtungen zu verstehen, die von den Parteien akzeptiert werden müssen. Unparteilichkeit und Objektivität der Einrichtungen, die die Entscheidungen zu treffen haben, sind unerlässliche Voraussetzungen zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte der Verbraucher und zur Stärkung des Vertrauens in alternative Systeme zur Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten. Eine Einrichtung kann nur dann unparteiisch sein, wenn sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben frei von Zwängen ist, die ihre Entscheidung beeinflussen könnten. Die Unabhängigkeit der Einrichtung muss sichergestellt werden, ohne dass hierfür dieselben strengen Garantien gegeben werden müssen wie für die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Richter innerhalb des Rechtssystems. Bei Individualentscheidungen kann die Unparteilichkeit der zuständigen Person nur dann gewährleistet sein, wenn sie unabhängig handelt, über die erforderlichen fachlichen Kompetenzen verfügt und unter Bedingungen handelt, die es ihr gestatten, selbständig zu entscheiden. Dies setzt voraus, dass die Dauer des Mandats ausreichend lang ist und diese Person während dieser Zeit nicht ohne triftigen Grund ihres Amts enthoben werden kann. Bei Kollegialentscheidungen ist eine paritätische Mitwirkung der Vertreter von Verbrauchern und Gewerbetreibenden ein angemessenes Mittel zur Gewährleistung der Unabhängigkeit. Im Hinblick auf eine angemessene Unterrichtung der betroffenen Personen ist die Transparenz des Verfahrens und der Tätigkeiten der für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zuständigen Einrichtungen zu gewährleisten. Fehlende Transparenz kann die Rechte der Parteien beein-
Brödermann
2002
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
trächtigen und Zurückhaltung gegenüber außergerichtlichen Verfahren zur Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten auslösen. Die Interessen der Parteien können nur dann gewahrt werden, wenn das Verfahren es ihnen gestattet, ihre Standpunkte vor der zuständigen Einrichtung zu vertreten und über die von der Gegenpartei geltend gemachten Gründe und gegebenenfalls über von Sachverständigen gemachte Aussagen Kenntnis zu erlangen. Dies schließt nicht unbedingt eine mündliche Anhörung der Parteien ein. Mit außergerichtlichen Verfahren kann der Zugang der Verbraucher zum Recht vereinfacht werden. Im Sinne der Effizienz muss demzufolge bestimmten, im Rahmen der gerichtlichen Verfahren auftretenden Problemen, wie hohe Kosten, lange Verfahrensdauer und schwerfälliger Verfahrensgang, abgeholfen werden. Um Effizienz und Billigkeit der Verfahren zu fördern, erscheint es geboten, der zuständigen Einrichtung eine aktive Rolle zuzuerkennen, die es ihr gestattet, alle für die Beilegung eines Streitfalls zweckdienlichen Elemente heranzuziehen. Eine solche aktive Rolle erweist sich umso wichtiger, als bei außergerichtlichen Verfahren die Parteien vielfach ohne Beistand durch Rechtsberater handeln. Außergerichtliche Einrichtungen können nicht nur auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen, sondern auch nach billigem Ermessen und unter Zugrundelegung von Verhaltensregeln entscheiden. Diese Flexibilität hinsichtlich der Rechtsgrundlage ihrer Entscheidungsfindung darf nicht dazu führen, dass das Schutzniveau des Verbrauchers im Vergleich zu dem Schutz, der ihm bei Anwendung des Rechts im Sinne des Gemeinschaftsrechts durch ein Gericht zuteil werden würde, geschmälert wird. Die Parteien haben das Recht, von getroffenen Entscheidungen und deren Begründung in Kenntnis gesetzt zu werden. Die Begründung der Entscheidungen ist ein unerlässliches Element zur Gewährleistung der Transparenz und des Vertrauens der Parteien in die Funktionsweise außergerichtlicher Verfahren. Laut Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist der Anspruch auf gerichtliches Gehör ein Grundrecht, das ohne Ausnahmen gilt. Wenn das Gemeinschaftsrecht den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im Gemeinsamen Markt garantiert, ist die Möglichkeit für die Wirtschaftsteilnehmer, also auch für die Verbraucher ebenso wie die Staatsangehörigen dieses Staates, die Gerichte eines Mitgliedstaats mit den Rechtsstreitigkeiten zu befassen, zu denen ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten führen können, die logische Folge dieser Freiheiten. Außergerichtliche Verfahren dürfen nicht zum Ziel haben, an die Stelle des gerichtlichen Systems zu treten. Infolgedessen darf dem Verbraucher durch die Beschreitung des außergerichtlichen Wegs sein Recht auf Zugang zum Gericht nur insoweit vorenthalten werden, als er dies in voller Sachkenntnis nach Entstehung des Streitfalls ausdrücklich billigt. Bisweilen können unabhängig von der Sache und dem Streitwert die Parteien, insbesondere der Verbraucher als „der wirtschaftlich schwächere und rechtlich weniger erfahrene Vertragspartner“, Rechtsbeistand und -beratung von Seiten eines Dritten benötigen, um ihre Rechte besser zu verteidigen und zu schützen. Um eine ausreichende Transparenz und Verbreitung außergerichtlicher Verfahren zu erreichen, die die Einhaltung der in dieser Empfehlung ausgeführten Grundsätze sicherstellen, und ihre Vernetzung zu erleichtern, wird sich die Kommission für die Einrichtung einer Datenbank einsetzen, in der außergerichtliche Einrichtungen zur Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten erfasst werden, die diese Garantien erfüllen. Der Inhalt der Datenbank besteht aus Informationen, die die Mitgliedstaaten, die an dieser Initiative teilnehmen wollen, der Kommission übermitteln. Um einheitliche Informationen zu gewährleisten und die Übertragung der Daten zu vereinfachen, wird den Mitgliedstaaten ein entsprechendes Musterauskunftsblatt zur Verfügung gestellt. Die Festlegung von Mindestgrundsätzen für die Einführung und das Funktionieren außergerichtlicher Verfahren zur Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten erscheint unter diesen Bedingungen als auf Gemeinschaftsebene unerlässlich, um auf diese Weise die von den Mitgliedstaaten durchgeführten Initiativen in einem wesentlichen Bereich zu unterstützen und zu vervollständigen und somit gemäß Artikel 129a EG-Vertrag ein hohes Verbraucherschutzniveau
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
2003
zu erreichen, das nicht über das hinausgeht, was zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens der außergerichtlichen Verfahren erforderlich ist. Mithin steht dies im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip – EMPFIEHLT, dass jede bestehende wie noch zu schaffende Einrichtung, der die außergerichtliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten obliegt, folgende Grundsätze wahrt: I. Grundsatz der Unabhängigkeit Die Unabhängigkeit der Einrichtung, der die Entscheidung obliegt, wird auf eine Weise gewährleistet, dass ein unparteiisches Handeln sichergestellt ist. Bei Individualeinrichtungen wird diese Unabhängigkeit insbesondere durch folgendes gewährleistet: – Die benannte Person verfügt über die für die Ausübung ihres Amtes erforderliche Befähigung, Erfahrung und Fachkompetenz, insbesondere in Rechtsfragen. – Die Amtszeit der benannten Person ist ausreichend lang, um die Unabhängigkeit ihres Handelns zu gewährleisten, und darf nicht ohne triftigen Grund beendet werden. – Wird die benannte Person von einem Berufsverband oder einem Unternehmen bestellt oder bezahlt, so darf sie in den letzten drei Jahren vor Amtsantritt weder für ein diesem Berufsverband angehörendes Mitglied noch für das betreffende Unternehmen tätig gewesen sein. Bei Kollegialentscheidungen kann die Unabhängigkeit der Einrichtung, der die Entscheidung obliegt, dadurch gewährleistet werden, dass Verbraucher und Gewerbetreibende in dieser Einrichtung paritätisch vertreten sind oder die obengenannten Kriterien erfüllt werden. II. Grundsatz der Transparenz Die Verfahrenstransparenz wird durch angemessene Mittel gewährleistet. Dazu gehören: 1. die Übermittlung folgender Angaben in schriftlicher oder einer anderen geeigneten Form an jeden, der dies beantragt: – genaue Beschreibung der Arten von Streitfällen, mit denen die Einrichtung befasst werden kann, sowie Angabe etwaiger territorialer oder streitwertbezogener Zuständigkeitsgrenzen; – die für die Befassung der Einrichtung geltenden Regeln, wozu auch die Regelung hinsichtlich etwaiger Schritte gehört, die der Verbraucher vorab bereits unternommen haben muss, und Verfahrensregeln, insbesondere darüber, ob das Verfahren im Schriftweg oder durch mündliche Verhandlung stattfindet, ob persönliches Erscheinen der Parteien vorgeschrieben ist und welche Sprache Verhandlungssprache ist; – etwaige Verfahrenskosten zu Lasten der Parteien, einschließlich Regelung der Kostenteilung nach Abschluss des Verfahrens; – Art der Regeln, auf denen die Entscheidung der Einrichtung beruhen (gesetzliche Bestimmungen, Billigkeitsmaßnahmen, Verhaltensregeln usw.); – Modalitäten der Entscheidungsfindung auf Ebene der Einrichtung; – rechtliche Wirkung der Entscheidung mit genauer Angabe darüber, ob sie für den Gewerbetreibenden oder für beide Parteien bindende Empfehlung ist. Trifft letzteres zu, muss weiter angegeben werden, zu welchen Sanktionen Verstöße führen. Gleiches gilt auch bezüglich der Rechtsmitteleinlegung durch die unterlegene Partei; 2. die Veröffentlichung eines jährlichen Berichts über die ergangenen Entscheidungen durch die zuständige Einrichtung, damit die Ergebnisse der Entscheidungen evaluiert und die Art der Streitfälle, mit denen die Einrichtung befasst wurde, festgestellt werden können. III. Grundsatz der kontradiktorischen Verfahrensweise Im Rahmen des anzuwendenden Verfahrens ist die Möglichkeit gegeben, dass die betroffenen Parteien der zuständigen Einrichtung gegenüber ihre Standpunkte vertreten und die von der jeweiligen Gegenpartei vertretenen Positionen und geltend gemachten Umstände wie auch gegebenenfalls Aussagen von Sachverständigen zur Kenntnis nehmen können.
Brödermann
2004
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
IV. Grundsatz der Effizienz Die Effizienz des Verfahrens wird durch Maßnahmen gewährleistet, die folgendes sicherstellen: – Inanspruchnahme des Verfahrens durch den Verbraucher ohne zwangsläufige Einschaltung eines Rechtsvertreters, – Unentgeltlichkeit des Verfahrens oder zumindest gesicherte Inanspruchnahme zu moderaten Kosten, – rasche Verfahrensabwicklung durch garantiert kurze Fristen vom Zeitpunkt der Anrufung der Einrichtung an bis zur Entscheidung, – Zuerkennung einer aktiven Rolle an die zuständige Einrichtung in einer Weise, die es ihr gestattet, alle für die Beilegung des Streitfalls zweckdienlichen Elemente heranzuziehen. V. Grundsatz der Rechtmäßigkeit Eine Entscheidung der Einrichtung darf nicht zur Folge haben, dass der Verbraucher den ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Mitgliedstaats, in dem die Einrichtung ihren Sitz hat, gewährten Schutz verliert. Bei grenzübergreifenden Rechtsstreitigkeiten darf die Entscheidung der Einrichtung nicht zur Folge haben, dass der Verbraucher in den in Artikel 5 des Übereinkommens von Rom vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht genannten Fällen den Schutz verliert, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Mitgliedstaats, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährt wird. Jede Entscheidung bedarf der Schriftform oder einer anderen geeigneten Form, wird begründet und den betroffenen Parteien unverzüglich mitgeteilt. VI. Grundsatz der Handlungsfreiheit Die Entscheidung der Einrichtung kann für die Parteien nur dann bindend sein, wenn diese vorab davon in Kenntnis gesetzt worden sind und die Entscheidung ausdrücklich angenommen haben. Die Einwilligung des Verbrauchers in ein außergerichtliches Verfahren darf nicht auf eine Verpflichtung vor Entstehung der Streitfrage zurückgehen, wenn diese Verpflichtung dazu führt, dem Verbraucher sein Recht zu entziehen, das für die Beilegung des Streitfalls zuständige Gericht anzurufen. VII. Grundsatz der Vertretung Das Verfahren darf dem Verbraucher nicht das Recht vorenthalten, sich zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens durch einen Dritten vertreten zu lassen oder einen Dritten beizuziehen. DIESE EMPFEHLUNG richtet sich an die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten zuständigen Organe, an alle natürlichen und juristischen Personen, die für die Einrichtung und Arbeitsweise dieser Organe verantwortlich sind, sowie an die beteiligten Mitgliedstaaten. Brüssel, den 30. März 1998 Für die Kommission Emma BONINO Mitglied der Kommission (*) Die Kommission hat am 30. März 1998 eine Mitteilung über die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten angenommen. Diese Mitteilung, die die vorliegende Empfehlung sowie das Europäische Beschwerdeformular für Verbraucher umfasst, kann im Internet eingesehen werden (http://europa.eu.int/comm/dg24). (1) Entschließung des Europäischen Parlaments zur Mitteilung der Kommission über den „Aktionsplan für den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt“ vom 14. November 1996 (ABl. C 362 vom 2. 12. 1996, S. 275). (2) Grünbuch über den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt, KOM(93) 576 endg. vom 16. November 1993.
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
2005
(3) Aktionsplan für den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt, KOM(96) 13 endg. vom 14. Februar 1996.
–
–
–
–
–
– – – – –
– – –
IV. Mitglieder des FIN-NET einschließlich der Ombudsmannsysteme im Versicherungswesen und im Bereich des Wertpapierhandels (Stand: 15.08.2008) Belgien - Ombudsman des assurances/Ombudsman van de verzekeringen - Service de Médiation Banques – Crédit – Placements/Bemiddelingsdienst Banken – Krediet – Beleggingen Dänemark - Pengeinstitutankenævnet - Realkreditankenævnet - Ankenævnet for Forsikring Deutschland - Schlichtungsstelle bei der Deutschen Bundesbank - Ombudsmann der privaten Banken - Deutscher Sparkassen- und Giroverband - Verband der Privaten Bausparkassen e.V. – Kundenbeschwerdestelle - Ombudsmann der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe c/o Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken BVR - Ombudsmann der öffentlichen Banken - Schlichtungsstelle der LBS - Ombudsmann private Kranken- und Pflegeversicherung - Versicherungsombudsman e.V. Finnland - Kuluttajavalituslautakunta - Arvopaperilautakunta - Kuluttajien vakuutustoimisto/Vakuutuslautakunta Frankreich - Médiateur de Groupement des Entreprises Mutuelles - Autorité des Marchés Financiers – Service de la Médiation - Médiateur de la Fédération Française des Sociétés d'assurances - Le Médiateur de l’Association française des Sociétés Financières (ASF) Griechenland - Υπουργείο Ανάπτυξης – Διεύθυνση Ασφαλιστικών Επιχειρήσεων και Αναλογιστικής - Μεσολαβητής Τραπεζικών – Επενδυτικών Υπηρεσιών (Μ.Τ.Ε.Υ.) Irland - Biúró an Ombudsman um Sheirbhísí Airgeadais/Financial Services Ombudsman’s Bureau Island - Úrskurðarnefnd í vátryggingamálum - Úrskurðarnefnd um viðskipti við fjármálafyrirtæki Italien - Ombudsman Bancario - ISVAP – Istituto di Vigilanza sulle assicurazioni private e di interesse collettivo Liechtenstein - Bankenombudsmann - Schlichtungsstelle zur Beilegung von Streitigkeiten bei der Ausführung von Überweisungen Litauen - Valstybinė vartotojų teisių apsaugos tarnyba Luxemburg - Médiateur en Assurances - Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) Malta - ‘Manager’ Għall-Ilmenti tal-Konsumatur, Awtorità għas-Servizzi Finanzjarji ta’ Malta Brödermann
72
2006
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
– Niederlande - Klachteninstituut Financiële Dienstverlening (Kifid) - Norwegen - Bankklagenemnda - Forsikringsklagekontoret – Österreich - Gemeinsame Schlichtungsstelle der Österreichischen Kreditwirtschaft – Polen - Sąd Polubowny przy Rzeczniku Ubezpieczonych - Bankowy Arbitraz Konsumencki – Portugal - Centro de Arbitragem de Conflitos de Consumo de Lisboa - Serviço de Mediação de Conflitos, CMVM – Schweden - Allmänna reklamationsnämnden – Spanien - Servicio de Reclamaciones del Banco de España – Tschechien - Finanční arbitr České Republiky – Vereinigtes Königreich - Financial Ombudsman Service
73
V. Beispiel für eine ausführliche Schlichtungsordnung: Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe I. Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe Der Bundesverband deutscher Banken (Bundesverband) hat für die ihm angeschlossenen Banken ein Schlichtungsverfahren zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Banken und Kunden geschaffen. Der Bundesverband hält eine Liste derjenigen Banken bereit, die an dem Verfahren teilnehmen. 1. Bestellung des Ombudsmanns (1) Bestellung durch den Vorstand. Das Schlichtungsverfahren wird vor einem Ombudsmann durchgeführt. Der Ombudsmann wird durch den Vorstand des Bundesverbandes auf Vorschlag der Geschäftsführung für die Dauer von drei Jahren bestellt. Seine Bestellung kann wiederholt werden. Der Ombudsmann kann vor Ablauf seiner Amtszeit vom Vorstand des Bundesverbandes nur abberufen werden, wenn Tatsachen vorliegen, die eine unabhängige Erledigung der Schlichtertätigkeit nicht mehr erwarten lassen, wenn er nicht nur vorübergehend an der Wahrnehmung seines Amts gehindert ist oder wenn ein vergleichbar wichtiger Grund gegeben ist. (2) Beteiligung der Verbraucherverbände. Vor der Bestellung des Ombudsmanns teilt der Bundesverband dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (Verbraucherzentrale Bundesverband – VZBV) den Namen und den beruflichen Werdegang der als Ombudsmann vorgesehenen Person mit. Wenn innerhalb von zwei Monaten von dem VZBV schriftlich keine Tatsachen vorgetragen werden, welche die Qualifikation oder Unparteilichkeit der vorgesehenen Person in Frage stellen oder erhobene Einwendungen geklärt sind, kann die Bestellung nach Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 erfolgen. (3) Qualifikation und Unparteilichkeit. Der Ombudsmann muß die Befähigung zum Richteramt haben. Er darf in den letzten drei Jahren vor Amtsantritt weder beim Bundesverband noch bei einem Kreditinstitut tätig gewesen sein. Der Ombudsmann ist in seiner Eigenschaft als Schlichter unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. (4) Berufung mehrerer Personen. Zum Ombudsmann sind zwei oder mehr Personen zu bestellen. Die Geschäftsverteilung einschließlich Vertretungsregelung legt der Vorstand im Einvernehmen mit diesen Personen mindestens vor jedem Geschäftsjahr fest. Eine Änderung der Geschäftsverteilung ist während des Geschäftsjahres nur aus wichtigem Grund zulässig.
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
2007
(5) Befangenheit. Ein Ombudsmann darf nicht in Streitfällen tätig werden, an deren Abwicklung er selbst beteiligt war. Hierüber entscheidet seine Vertretung. 2. Zulässigkeit des Verfahrens (1) Beschwerdeführer. Der Ombudsmann kann bei Beschwerden angerufen werden, a) wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Verbraucher handelt; das Verfahren findet demgemäß keine Anwendung, wenn der streitige Geschäftsvorfall der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers zuzurechnen ist; b) ohne Beschränkung auf Verbraucher, wenn der Beschwerdegegenstand eine Streitigkeit über eine grenzüberschreitende Überweisungen innerhalb der Europäischen Union und EWR-Staaten aus der Anwendung des Überweisungsrechts (§§ 675a bis 676g des Bürgerlichen Gesetzbuchs) betrifft; c) ohne Beschränkung auf Verbraucher, wenn der Beschwerdegegenstand eine Streitigkeit aus der Anwendung des Überweisungsrechts (§§ 675a bis 676g des Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder dem Missbrauch einer Zahlungskarte (§ 676h Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) betrifft und der betreffende Zahlungsvorgang nach dem 31. Dezember 2001 begonnen wurde (Art. 228 und Art. 229 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch). (2) Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren. Eine Schlichtung durch den Ombudsmann findet nicht statt, wenn a) der Beschwerdegegenstand bereits vor einem Gericht anhängig ist, in der Vergangenheit anhängig war oder von dem Beschwerdeführer während des Schlichtungsverfahrens anhängig gemacht wird; dasselbe gilt, wenn die Streitigkeit durch außergerichtlichen Vergleich beigelegt oder ein Antrag auf Prozesskostenhilfe abgewiesen worden ist, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet; b) die Angelegenheit bereits Gegenstand eines Schlichtungsverfahrens einer Schlichtungsstelle nach § 14 des Unterlassungsklagengesetzes oder einer anderen Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt, ist oder war; c) der Anspruch bei Anrufung des Ombudsmanns bereits verjährt war und die Bank sich auf Verjährung beruft. Der Ombudsmann soll die Schlichtung ablehnen, wenn die Schlichtung die Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage beeinträchtigen würde. 3. Vorprüfungsverfahren (1) Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband. Beim Bundesverband wird eine Kundenbeschwerdestelle eingerichtet.1) Beschwerden sind unter kurzer Schilderung des Sachverhaltes und unter Beifügung der notwendigen Unterlagen an diese Stelle zu richten. Der Kunde hat zu versichern, dass er in der Streitigkeit noch kein Gericht, keine Streitschlichtungsstelle und keine Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt, angerufen und auch keinen außergerichtlichen Vergleich mit der Bank abgeschlossen hat. Die Kundenbeschwerdestelle bestätigt den Eingang der Beschwerde und übersendet dem Kunden eine Darstellung des zukünftigen Verfahrensganges. (2) Formale Vorprüfung. Die Kundenbeschwerdestelle stellt fest, ob sich die Bank dem Schlichtungsverfahren angeschlossen hat. Sie prüft sodann die Unterlagen und fordert den Beschwerdeführer erforderlichenfalls zur Ergänzung auf. Lässt sich der Gegenstand der Beschwerde aus der Schilderung des Kunden und aus den beigefügten Unterlagen einschließlich der Stellungnahme der Bank nicht ableiten, so kann das Verfahren nicht durchgeführt werden; die Kundenbeschwerdestelle teilt dies dem Kunden mit. Das Verfahren ist damit beendet, soweit 1
Für Beschwerden, die sich gegen eine Hypothekenbank richten und nicht Überweisungen oder den Missbrauch einer Zahlungskarte betreffen, wurde eine Kundenbeschwerdestelle beim Verband deutscher Hypothekenbanken, Postfach 64 01 36, 10047 Berlin, eingerichtet; im übrigen gelten die Bestimmungen dieser Verfahrensordnung auch für diese Beschwerden. Beschwerden, die sich gegen eine Hypothekenbank richten und Überweisungen oder den Missbrauch einer Zahlungskarte betreffen, sind der Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband zuzuleiten.
Brödermann
2008
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
der Kunde nicht innerhalb eines Monats den Mangel abstellt. Es steht dem Kunden frei, unter Ergänzung und Konkretisierung eine neue Beschwerde zu erheben. (3) Unzuständigkeit. Stellt die Kundenbeschwerdestelle fest, dass die Bank nicht dem Schlichtungsverfahren angeschlossen ist, gibt sie die Beschwerde unter Benachrichtigung des Beschwerdeführers an die zuständige Schlichtungsstelle ab. Fehlt es an einer zuständigen Schlichtungsstelle, wird die Beschwerde an den Beschwerdeführer zurückgeleitet. 4. Schlichtungsverfahren (1) Prüfung der Zulässigkeit. Gelangt die Kundenbeschwerdestelle aufgrund der von dem Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen zu der Auffassung, dass die Kundenbeschwerde gemäß Nr. 2 dieser Verfahrensordnung unzulässig ist, legt sie die Beschwerde dem Ombudsmann zur Entscheidung über die Zulässigkeit vor. Die Kundenbeschwerdestelle verfährt ebenso, wenn sich bei der weiteren Behandlung einer Beschwerde ein Unzulässigkeitsgrund ergibt. Schließt sich der Ombudsmann der Auffassung der Kundenbeschwerdestelle an, weist er die Beschwerde mit einem entsprechenden Hinweis als unzulässig ab. Hält er sie dagegen für zulässig, wird das Beschwerdeverfahren fortgesetzt. (2) Weiterleitung an die Bank. Beschwerden, die nach dem Vortrag des Kunden zulässig sind, werden an die Geschäftsleitung der von der Beschwerde betroffenen Bank oder an eine von der Geschäftsleitung zuvor benannte Person oder Stelle weitergeleitet, die solche Beschwerden zur hausinternen Erledigung entgegennimmt. Die Bank hat binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang der Beschwerde zur Darstellung des Kunden Stellung zu nehmen. Erforderlichenfalls setzt die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband eine Nachfrist von einem weiteren Monat. Eine Stellungnahme der Bank wird dem Kunden zugeleitet. Hilft die Bank der Beschwerde nicht ab, so wird der Kunde auf die Möglichkeit verwiesen, sich zu der Stellungnahme der Bank innerhalb eines Monats ab Zugang zu äußern. (3) Vorlage an den Ombudsmann. Sofern die Bank der Kundenbeschwerde nicht abhilft oder diese sich nicht in sonstiger Weise erledigt, legt die Kundenbeschwerdestelle den Vorgang nach Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Fristen dem zuständigen Ombudsmann vor. (4) Verfahren beim Ombudsmann. Der Ombudsmann kann eine ergänzende Stellungnahme der Parteien zur Klärung des Sach- und Streitstandes anfordern, wenn ihm dies erforderlich erscheint; er kann die Parteien auch mündlich anhören. Eine Beweisaufnahme führt er nicht durch, es sei denn, der Beweis kann durch die Vorlegung von Urkunden angetreten werden. Gelangt der Ombudsmann zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde unzulässig ist oder nur nach einer weitergehenden Beweisaufnahme in der Sache entschieden werden kann, so sieht er mit einem entsprechenden Hinweis von einer Schlichtung ab. Ansonsten erlässt er auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen einen Schlichtungsspruch. Beschwert sich ein Verbraucher darüber, dass die Bank ihm kein Girokonto – zumindest auf Guthabenbasis – einrichtet, überprüft der Ombudsmann, ob die Bank hierbei die Empfehlung der Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft (ZKA) zum „Girokonto für jedermann“ beachtet. Der Schlichtungsspruch ergeht schriftlich und enthält eine kurze und verständliche Begründung. Der Ombudsmann leitet seine Entscheidungen unverzüglich den Parteien unmittelbar zu. (5) Bindungswirkung des Schlichtungsspruches. a) Der Schlichtungsspruch des Ombudsmanns ist für die Bank bindend, wenn der Beschwerdegegenstand den jeweils nach dem Gerichtsverfassungsgesetz maßgeblichen Höchstbetrag für vermögensrechtliche Klagen vor den Amtsgerichten (derzeit 10.000,– DM) nicht übersteigt. In diesen Fällen ist die Anrufung der ordentlichen Gerichte für die Bank ausgeschlossen. Dem Beschwerdeführer steht der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen. Will er die Gerichte anrufen und benötigt er hierzu eine Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle, wird ihm diese erteilt. b) Schlichtungssprüche in Verfahren mit einem höheren Beschwerdegegenstand entfalten für beide Parteien keine Bindung. Solche Schlichtungssprüche können innerhalb von 6 Wochen ab Zugang durch eine schriftliche Mitteilung an die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband angenommen werden. Die Parteien sind hierauf sowie darauf hinzuweisen, dass sie zur An-
Brödermann
§ 66 Institutionelle Schlichtungsverfahren (Ombudsmannverfahren)
2009
nahme nicht verpflichtet und bei Nichtannahme berechtigt sind, die Gerichte anzurufen. Nach Ablauf der Frist teilt die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband den Parteien das Ergebnis unter Angabe der Parteien und des Verfahrensgegenstands mit. Mit der Mitteilung ist das Verfahren beendet. c) Schlichtungssprüche bei Beschwerden von Verbrauchern, dass die Bank ihnen kein Girokonto – zumindest auf Guthabenbasis – einrichtet, beschränken sich auf die Feststellung, ob die Bank die Empfehlung der Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft (ZKA) zum „Girokonto für jedermann“ beachtet hat. (6) Erfolglosigkeitsbescheinigung auf Antrag. Will der Kunde vor Beendigung des Schlichtungsverfahrens die Gerichte anrufen und benötigt er hierzu eine Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle, wird ihm diese nach Ablauf von drei Monaten ab Zugang der Beschwerde bei der Kundenbeschwerdestelle des Bundesverbandes auf schriftlichen Antrag erteilt. Mit Erteilung dieser Bescheinigung ist das Verfahren beendet. 5. Sonstiges (1) Hemmung der Verjährung. Für die Dauer des Schlichtungsverfahrens (Vorprüfungsverfahren und Schlichtung vor dem Ombudsmann) gilt die Verjährung für die Ansprüche des Beschwerdeführers als gehemmt. (2) Kosten des Verfahrens. Die Kosten des Vorprüfungsverfahrens (Nr. 3) und der Schlichtung durch den Ombudsmann (Nr. 4) trägt der Bundesverband. Hat die Bank mit dem Kunden eine fremde Vertragssprache vereinbart und/oder findet eine fremde Rechtsordnung Anwendung, so hat sie dem Bundesverband die Auslagen zu erstatten, die durch Übersetzungen und die Einholung von erforderlichen Rechtsgutachten über die fremde Rechtsordnung entstanden sind. Vor Veranlassung einer Übersetzung oder eines Rechtsgutachtens gibt die Kundenbeschwerdestelle der Bank die Möglichkeit zur Stellungnahme. (3) Vertretung. Es ist den Parteien freigestellt, sich in dem Verfahren sachkundig vertreten zu lassen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten und die ihres Vertreters selbst. Bei einem positiven Schlichtungsspruch für den Beschwerdeführer trägt die Bank die notwendigen Kosten des Beschwerdeführers für die Teilnahme an einer mündlichen Anhörung durch den Ombudsmann. (4) Verschwiegenheitspflicht. Der Ombudsmann und die Mitarbeiter der Kundenbeschwerdestelle sind zur Verschwiegenheit über alle die Parteien betreffenden Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen sie im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens Kenntnis erlangen. (5) Tätigkeitsbericht. Der Bundesverband veröffentlicht jährlich einen Bericht über die Schlichtungstätigkeit. VI. Beispiel für eine knappe Verfahrensordnung: Schlichtungsordnung des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig-Holstein Der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein richtet zur Klärung und Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Kunden und ihm angeschlossenen Sparkassen eine Schlichtungsstelle ein. Die Vermittlung zielt darauf ab, streitige Geschäftsvorfälle zu klären und Meinungsverschiedenheiten zwischen Kunden und Sparkassen einvernehmlich zu schlichten. Die Akzeptanz durch beide Seiten wird durch strikte Neutralität des Schlichters gewährleistet. I. Vermittlungsstelle 1. Der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein (SGV) betraut eine externe Person mit der Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Kunden und Sparkasse. 2. Der Schlichter soll die Fähigkeit zum Richteramt besitzen. Er sollte sich in bankwirtschaftlichen und rechtlichen Fragen auskennen. 3. Der Schlichter unterliegt keinen Weisungen des SGV. Dies ist durch geeignete Maßnahmen sichergestellt.
Brödermann
74
2010
Kap. V – Öffentliches Bankrecht
II. Gegenstand des Schlichtungsverfahrens 1. Bei Meinungsverschiedenheiten über einen Geschäftsvorfall wendet sich der Kunde zunächst an seine Sparkasse. Die Sparkasse soll ggf. unter Einschaltung des SGV die Meinungsverschiedenheit möglichst einvernehmlich beilegen. 2. Kundenbeschwerden, die beim Verband eingehen, sollen zusammen mit der betroffenen Sparkasse möglichst einsvernehmlich geregelt werden. 3. Lässt sich die Angelegenheit zwischen der Sparkasse und dem Kunden nicht einvernehmlich regeln, kann dieser sich an den Schlichter wenden. Dieses Recht steht auch der Sparkasse zu. 4. Die Vermittlung findet bei Meinungsverschiedenheiten aller Art statt, z.B. auch – ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes, – wenn der Sachverhalt von der Sparkasse und dem Kunden nicht einheitlich dargestellt wird, – wenn der streitige Geschäftsvorteil die gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit des Kunden betrifft. Eine Vermittlung ist ausgeschlossen, wenn der Gegenstand der Meinungsverschiedenheit bereits bei einem Gericht anhängig ist oder war. III. Verfahrensablauf 1. Der Schlichter gibt beiden Seiten Gelegenheit zur Stellungnahme, ggf. auch in mündlicher Form, binnen einer Frist von 4 Wochen. 2. Das Verfahren kann mündlich und/oder schriftlich geführt werden. Hält der Schlichter eine Kundenbeschwerde für ganz oder teilweise begründet, so unterbreitet er den Beteiligten einen Vermittlungsvorschlag zur gütlichen Einigung. Die Beteiligten sollen innerhalb von 2 Wochen erklären, ob sie den Vermittlungsvorschlag annehmen. 3. Bei unbegründeten Kundenbeschwerden wird der Kunde vom Schlichter unmittelbar darüber informiert, dass sich die Sparkasse entsprechend Gesetz und Recht korrekt verhalten hat. 4. Soweit eine Beschwerde unmittelbar an den Schlichter gerichtet wird, schaltet dieser unter Abgabennachricht die betroffene Sparkasse über den Verband ein, um möglichst im Vorwege eine Einigung herbeizuführen. 5. Wenn der Kunde oder die Sparkasse die Entscheidung nach Ziff. 2 und 3 nicht akzeptieren, bleibt es den Parteien unbenommen, die Streitfrage im Rechtswege klären zu lassen. Der Schlichter weist den Kunden auf die Möglichkeit des ordentlichen Rechtsweges hin. IV. Sonstiges 1. Dem Kunden ist es freigestellt, sich in dem Verfahren sachkundig vertreten zu lassen. 2. Die Kosten, die dem SGV durch die Schlichtungstätigkeit entstehen, trägt er selbst. Im Übrigen tragen Kunden wie Sparkasse die jeweils eigenen Kosten. 3. Der Schlichter ist zur Verschwiegenheit über alle den Kunden oder die Sparkasse betreffenden Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen er im Rahmen des Schlichtungsverfahrens Kenntnis erlangt.
Brödermann
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2011
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
Schrifttum Asshauer/Bonenberger, Besteuerung von Kapitalanlagen im Privatvermögen, Wiesbaden 2007; Axer, Abgeltungs- und Veräußerungsgewinnbesteuerung ab 2009, Stbg 2007, 201; Brusch, Unternehmensteuerreformgesetz 2008: Abgeltungsteuer, FR 2007, 999; Carlé, Die Besteuerung von Investmenterträgen nach dem Investmentsteuergesetz, DStZ 2004, 74 und 341; Delp, Besteuerung von Wertpapierkombinationen, BB 2003, 1594; Eckhoff, Abgeltungsteuer, steuersystematische und verfassungsrechtliche Aspekte, FR 2007, 989; Englisch, Verfassungsrechtliche und steuersystematische Kritik der Abgeltungsteuer, StuW 2007, 221; Feyerabend/Vollmer, Investmentfondsbesteuerung und Abgeltungsteuer, BB 2008, 1088; Geurts, Die neue Abgeltungsteuer – das Ende einer steuerinduzierten Kapitalanlage?, DStZ 2007, 341; Geurts, Mehr Klarheit bei der Besteuerung von Finanzinnovationen?, DStZ 2007, 393; Geurts, Fremdwährungswechselkursschwankungen als Gegenstand der Besteuerung, DStZ 2008, 46; von Glasenapp, Die Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen, BB 2008, 360; Groh, Hände weg von Optionsanleihen?, DB 2002, 860; Hagen, Kein Ansatz von Verlusten bei Aktienanleihen?, BB 2008, 759; Haisch, Besteuerung von Finanzprodukten unter der Abgeltungsteuer, DStZ 2007, 762; Haisch/Danz, Grundsätze der Besteuerung von Zertifikaten im Privatvermögen, DStR 2005, 2108; Haisch/Danz, Aktuelle Fragen der Besteuerung von Options- und Wandelanleihen, DStZ 2006, 229; Haisch/Danz/Jetter, Gesamtkonzept des BFH zur Besteuerung von Finanzinnovationen, DStZ 2007, 450; Hammer, Die Besteuerung von Kapitalerträgen nach dem Investmentsteuergesetz, DStZ 2004, 340; Harenberg/Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 4. Aufl. 2007; Helios/Link, Zweifelsfragen der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge aus Finanzinnovationen und offenen Fonds, DStR 2008, 386; Heuermann, Das Glattstellen von Aktienoptionsgeschäften als privates Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, DB 2003, 1919; Heuermann, Aktuelle steuerrechtliche Entwicklungen bei den Überschusseinkünften (bei Bezugsrechten und Optionsrechten), Stbg 2003, 565; Jachmann, Besteuerung von Erträgen aus Finanzinnovationen, DStR 2007, 877; Kayser/Steinmüller, Die Besteuerung von Investmentfonds ab 2004, FR 2004, 137; Klatt, Besteuerung von Zertifikaten ohne Kapitalschutzgarantie im Wandel, BB 2008, 976; Lohr, Aktuelles Beratungs-Know-how Besteuerung von Kapitalvermögen, DStR 2004, 442; Merten, Kapitalanlage 2007 in Steueroasen, Berlin 2006; Moritz, Praktische Auswirkungen der neuen BFH-Rechtsprechung zu Finanzinnovationen, GStB 2007, 417; Paukstadt/Deiritz, Fremdwährungsgeschäfte im Rahmen des § 23 EStG, DStR 2004, 806; Philipowski, Verausgabte Stückzinsen und gezahlte Zwischengewinne – Rechtsfolgen und Gestaltungsmöglichkeiten bei ESt und ZASt, DStR 1994, 1593; Philipowski, Verfall wertlos gewordener Kauf- und Verkaufsoptionen, DStR 2004, 978; Philipowski, Werbungskosten bei fehlgeschlagenen Termingeschäften, DStR 2007, 1615; Rödel, Kapitaleinkünfte im Spiegel der neueren Rechtsprechung und Gesetzgebung, Inf. 2006, 577; Schultze/Grelck, Steuerpflicht bei Optionsgeschäften an der EUREX, DStR 2003, 2103; Stegemann, Die steuerliche Behandlung von Gratisaktien, BB 2000, 955; Steinlein, Zweifelsfragen bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, DStR 2005, 456; Tischbein, Kreditsicherung durch Lebensversicherung, 4. Aufl. 2003; Wagner, Zweifelsfragen bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, DStZ 2005, 251; Wagner, Die „verwirrende“ Rechtsprechung zu den Einkünften nach § 23 EStG, DStZ 2006, 177; Wagner, Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsregelung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG, Stbg 2007, 184; Wagner, die Abgeltungsteuer, Stbg 2007, 313; Wahl, Handbuch der privaten Kapitalanlage, 2. Aufl. 2006; Wengenroth/Maier, Optionsgeschäfte im Privatvermögen, EStB 2004, 414; Worgulla/Söffing, Gestaltungsmöglichkeiten und -pflichten bis zur bzw. nach der Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge, FR 2007, 1005. Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Umsatzsteuerliche Auswirkungen bei der Bank . 3 I. Ausführung von Bankleistungen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Ausführung von Bankleistungen im Inland 5 III. Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 C. Enkommensteuerliche Auswirkungen bei Privatkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . 11
II.
Philipowski
1. Einnahmen aus der Überlassung von Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einnahmen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sparer-Freibetrag . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kapitalertragsteuer, Zinsabschlag . . . Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 18 26 30 31 33
2012
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten Inhaltsübersicht 15. Null-Kupon-Anleihen (Zero-Bonds) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 16. Stripped Bonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 17. Disagio-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . 104 18. Agio-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 19. „Flat“ gehandelte Anleihen . . . . . . . 114 20. Wandelanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . 117 21. Optionsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . 118 22. Aktien-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . 122 23. Doppel-Aktien-Anleihen . . . . . . . . . 125 24. Aktien-Protect-Anleihen . . . . . . . . . 126 25. Umtausch-Anleihen . . . . . . . . . . . . . 127 26. Doppelzins-, Kombizins-, Gleitzins-, Staffelzins-Anleihen . . . . . . . . . . . . . 128 27. Anleihen mit unterschiedlich langen Zinszahlungszeiträumen. . . . . . . . . . 130 28. Realzins-Anleihen mit Inflationsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 29. Doppelwährungs-Anleihen . . . . . . . 135 30. Floater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 31. Down-Rating-Anleihen . . . . . . . . . . 140 32. Umlaufende festverzinsliche Wertpapiere mit kurzer Restlaufzeit . . . . 141 33. Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . . 143 34. Wertpapier-Pensionsgeschäfte . . . . . 148 35. Fremdwährungsgeschäft . . . . . . . . . 155 36. Fremdwährungsanleihen . . . . . . . . . 156 37. Kaufoption, Verkaufsoption . . . . . . . 159 38. Kombinationsgeschäft . . . . . . . . . . . 165 39. Festgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 40. Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 41. Investmentanteile . . . . . . . . . . . . . . . 173 42. Ausländische Quellensteuer . . . . . . . 183 43. Darlehen, Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Anhang: 25 % Abgeltungsteuer . . . . . . . 197
1. Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres. . . . . . . . . . . . . 36 2. Veräußerung vor Erwerb. . . . . . . . . . . 38 3. Ermittlung des Gewinns/Verlusts . . . . 40 4. Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5. Veräußerung sammelverwahrter Wertpapiere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 6. Saldierung von Gewinnen und Verlusten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 7. Freigrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 8. Verlustvortrag, Verlustrücktrag. . . . . . 52 9. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Einkünfte aus Termingeschäften . . . . . . . . 58 IV. Einkünfte aus Leistungen . . . . . . . . . . . . . 62 V. Einkommensteuerliche Auswirkung einzelner Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Freiaktien, Gratisaktien . . . . . . . . . . . 63 2. Bonusaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Aktiensplit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4. Gattungswechsel von Aktien . . . . . . . 69 5. Bezugsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 6. Tausch von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . 74 7. Zuteilung von Aktien nach Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 8. Zuteilung von Aktien nach einer Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 9. Übertragung von Aktien auf Aktionäre („spin-off“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 10. Abfindung von MinderheitsAktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 11. Abfindung beim „Squeeze-Out“. . . . . 83 12. Finanzinnovationen . . . . . . . . . . . . . . 86 13. Emissionsrendite. . . . . . . . . . . . . . . . . 89 14. Marktrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Stichwortverzeichnis Abfindung, Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . 82 Abgeltungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang Agio-Anleihen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111- 113 Airbag-Zertifikat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Aktien-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Aktiensplit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Anrechnungshöchstgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Anschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 36 Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Anschaffungsnebenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Argentinien-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Barausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Bezugsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Börsenumsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bonusaktien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Bundesschatzbriefe Typ B . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189-196 Disagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Disagio-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Disagio-Staffel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105-108 Dividendenscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Doppel-Aktien-Anleihen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . 184 Doppelwährungs-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Doppelzins-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Down-Rating-Anleihen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .140 Einlösung bei Endfälligkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Einnahmen, negative . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 94, 181 Emissionsrendite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Festgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Finanzinnovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 86 Flat gehandelte Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Floater. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Freiaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Freigrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51, 62 Freistellungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Fremdwährungsanleihen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Fremdwährungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Gattungswechsel, Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Geldbeschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Genussrechte, Genussscheine. . . . . . . . . . . . . . 12, 19 Gesamtwertmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Gesellschaftsteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Gewinnobligationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Gleitzins-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Gratisaktien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Halbabzugsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Halbeinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Haltefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 37 Inflationsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Investmentanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Kapitalschutz-Zertifikat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Kaufoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2013
Inhaltsübersicht Kombinationsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Kombizins-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186, 189-196 Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195, 196 Leerverkauf, Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Leistungen, Einkünfte aus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Marktrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Nachschaltkupon. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Nicht-Veranlagungs-Bescheinigung . . . . . . . . . . . . 32 Nominalwertprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Null-Kupon-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Options-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Quellensteuer, ausländische . . . . . . . . . . . . . 183-187 Quellensteuer, fiktive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Realzins-Anleihen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Sachdividende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 80 Sammelverwahrung, Wertpapiere. . . . . . . . . . . . . . 45 Schatzanweisungen, „unverzinsliche“ . . . . . . . . . 100 Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Sparbriefe, abgezinste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Sparer-Freibetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Spin-off . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Squeeze-Out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Staffelzins-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Stillhaltergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . 161, 163, 164 Stripped Bonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Stückzinsen, abfließende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Stückzinsen, zufließende . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 186 Tausch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 74, 139 Termingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Umkehr-Floater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Umlauf-Disagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Umtausch-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Veräußerung von Kapitalanlagen . . . . . . 18-25, 33-57 Verkaufsoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Verlustvortrag, Verlustrücktrag. . . . . . . . . . . . . .52-55 Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Vorschaltkupon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Wahlrecht bei Finanzinnovationen, kein . . . . . . . . 95 Wandel-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Währung, fremde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93, 155, 156 Wechselsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 43 Wertpapier-Darlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Wertpapier-Pensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . .148-154 Wertpapiersteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zero-Bonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168-172 Zinsabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Zwischengewinn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 180, 181
A. Einführung Bis zum Beginn der 1990er Jahre waren bei der Ausführung von Bankgeschäften zahlreiche Detailregelungen zu beachten, die sich aus den Rechtsverkehrsteuern ergaben. Diese Steuern sind jedoch ausgelaufen, und zwar – Ende 1964: die Wertpapiersteuer; sie erfasste den Ersterwerb von verzinslichen Wertpapieren; – Ende 1990: die Börsenumsatzsteuer; sie erfasste den Kauf und Verkauf von bereits umlaufenden Wertpapieren; – Ende 1991: die Gesellschaftsteuer; sie erfasste z.B. den Ersterwerb von Aktien; – Ende 1991: die Wechselsteuer; sie erfasste u.a. die Aushändigung eines Wechsels durch den Aussteller. Gegenwärtig interessiert auf Seiten der Bank vor allem, ob durch ein Bankgeschäft Umsatzsteuer entsteht oder nicht. Auf Seiten des Privatkunden geht es um die Einkommensteuer. Hier ist von Bedeutung, ob und in welcher Höhe durch ein Bankgeschäft steuerpflichtige Einnahmen oder steuerlich abziehbare Ausgaben entstehen. Wegen des enormen Stoffumfangs können nur die Grundzüge dargestellt werden. Steuerliche Auswirkungen bei – bilanzierenden – Geschäftskunden werden in diesem Beitrag nicht behandelt. Ausgespart bleiben auch die steuerlichen Auswirkungen von Aktientransaktionen bei solchen Privatkunden, die innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital einer AG unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt waren (Hinweis auf § 17 EStG).
1
2
B. Umsatzsteuerliche Auswirkungen bei der Bank I. Ausführung von Bankleistungen im Ausland. Der deutschen USt unterliegen nur solche Lieferungen und sonstigen Leistungen, die die Bank im Inland ausführt (§ 1 I Nr. 1 S. 1 UStG). Es muss also im konkreten Fall geprüft werden, ob eine Bankleistung umsatzsteuerlich im Inland oder im Ausland erbracht wird. Wird eine bewegliche Sache geliefert,
Philipowski
3
2014
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
so kommt es nicht darauf an, wo der Kaufvertrag abgeschlossen wird und wo sich die Vertragsteile über den Übergang von Eigentum und Besitz einigen. Die Lieferung wird vielmehr dort ausgeführt, wo sich der Liefergegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (wegen der Einzelheiten s. § 3 V bis VIII sowie §§ 3c, 3e und 3f UStG). Verkauft beispielsweise eine Bank in Deutschland an einen hier ansässigen Käufer Silberbarren, die sie im Ausland aufbewahren lässt, so wird die Lieferung im betreffenden ausländischen Staat erbracht und unterliegt nicht der deutschen USt (wohl aber der USt jenes Staates, falls dort Lieferungen dieser Art besteuert werden). 4
Bei Kreditgewährungen, bei Eröffnung oder Bestätigung eines Akkreditivs und bei den sonstigen in Rn. 5 genannten Dienstleistungen gilt: Ist der Kunde (Leistungsempfänger) ein Unternehmer, so wird die Bankleistung dort ausgeführt, wo er sein Unternehmen betreibt (§ 3a III mit IV Nr. 6 UStG). Verwahrt also die Bank in Deutschland Wertpapiere für einen in Mailand ansässigen Unternehmer, so wird die Verwahrleistung – Depotgeschäft – in Italien erbracht (dort unterliegt sie der italienischen USt; Steuerschuldner ist jedoch nach italienischem USt-Recht nicht das deutsche Kreditinstitut, sondern der italienische Leistungsempfänger, vgl. die Regelung des § 13 b I 1 Nr. 1 mit II des deutschen UStG, die in gleicher Weise in allen EU-Staaten gilt). Ist der Kunde ein Nichtunternehmer (Privatmann, Hoheitsträger) und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz außerhalb der EU, so wird die Bankleistung im Drittlandsgebiet ausgeführt. In allen anderen Fällen werden die in Rn. 5 erwähnten Bankleistungen an dem Ort erbracht, von dem aus die Bank ihr Unternehmen betreibt (§ 3a I UStG).
5
II. Ausführung von Bankleistungen im Inland. Diese Leistungen werden vom deutschen UStG erfaßt, aber überwiegend von der USt befreit. Steuerfrei sind (§ 4 Nr. 8 Buchst. a bis h UStG): – die Gewährung und die Vermittlung von Krediten, nicht aber die Verwaltung fremder Kredite, – die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln; das gilt nicht, wenn die Zahlungsmittel wegen ihres Metallgehalts oder ihres Sammlerwerts umgesetzt werden, – die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Einziehung von Forderungen (Inkassogeschäft), – die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft, im Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren, – die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren, – die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen, – die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze, – die Verwaltung von Sondervermögen nach dem Investmentgesetz.
6
Umsatzsteuerfrei sind auch: – die Umsätze der Bank aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter und als Versicherungsvertreter (§ 4 Nr. 11 UStG), – die Verschaffung von Versicherungsschutz (wenn die Bank im eigenen Namen, aber zu Gunsten ihrer Kunden Restkredit- und Schließfachversicherungen abschließt und die betreffenden Kunden hierfür mit Gebühren belastet, § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG),
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2015
– die Lieferung, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Anlagegold (§ 25c UStG). Wegen der Abgrenzung der steuerfreien von den steuerpflichtigen Bankleistungen s. die Kommentare zu den genannten Befreiungsvorschriften. Die Auffassung der Finanzverwaltung ergibt sich aus den Abschnitten 57 bis 69 sowie 74 und 75 der Umsatzsteuerrichtlinien – UStR –. Diese Richtlinien werden von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats gem. Art. 108 VII GG etwa alle drei Jahre in überarbeiteter Fassung neu herausgegeben. III. Vorsteuerabzug. Nimmt die Bank Vorbezüge in Anspruch, um mit ihrer Hilfe steuerpflichtige Leistungen zu erbringen, so kann sie die auf den Vorbezügen lastenden UStBeträge als Vorsteuern abziehen (§ 15 I UStG). Nimmt sie die Vorbezüge dagegen in Anspruch, um steuerfreie Leistungen zu erbringen, so ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 15 II UStG). Verwendet sie die Vorbezüge sowohl für steuerpflichtige als auch für steuerfreie Leistungen, so kann sie nur den Teil der Vorsteuern abziehen, der wirtschaftlich den steuerpflichtigen Leistungen zuzurechnen ist (§ 15 IV UStG).
8
C. Einkommensteuerliche Auswirkungen bei Privatkunden Bei Privatkunden werden Überschüsse und Verluste aus Bankgeschäften durch drei Steuervorschriften erfasst:
9
– durch § 20 EStG (Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen und in Ausnahmefällen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen, Rn. 11 ff); – durch § 22 Nr. 2 mit § 23 EStG (Einkünfte aus der Veräußerung von Kapitalanlagen, die höchstens ein Jahr lang gehalten wurden, sowie Einkünfte aus Leerverkäufen und schließlich Einkünfte aus Termingeschäften, die innerhalb eines Jahres abgewickelt werden, Rn. 33 ff); – durch § 22 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus Leistungen, insbesondere aus der Übernahme der Stillhalterposition bei Optionsgeschäften, Rn. 62). Nachstehend werden in knapper Form die Tatbestandsmerkmale der drei Steuervorschriften erläutert. Anschließend wird dargestellt, wie sich diese Vorschriften bei den wichtigsten Geschäften auswirken (ab Rn. 63). Ab 2009 wird sich die Besteuerung der Kapitaleinkünfte und Veräußerungsgewinne von Grund auf ändern. Dabei wird an die Stelle der bisherigen Besteuerung nach dem progressiven Einkommensteuertarif (mit vorab einbehaltener und anrechenbarer Kapitalertragsteuer/Zinsabschlagsteuer) eine einheitliche Abgeltungsteuer von 25 % treten. Wegen der Einzelheiten siehe den Anhang (nach Rn. 196).
10
I. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Erfasst werden in erster Linie die Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen (Rn. 12-17) und in Ausnahmefällen auch die Einkünfte aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (Rn. 18-25). Sie werden nach folgendem Schema ermittelt (§ 20 EStG): Einnahmen, saldiert mit etwaigen negativen Einnahmen
11
minus Werbungskosten – WK – (mindestens minus WK-Pauschbetrag) minus Sparer-Freibetrag = Überschuss oder Verlust 1. Einnahmen aus der Überlassung von Kapitalvermögen. Hierzu gehören: – Dividenden und sonstige Bezüge aus Aktien sowie Bezüge aus solchen Genußrechten, mit denen das Recht am Gewinn und am Liquidationserlös einer AG verbunden ist (§ 20 I Nr. 1 EStG); diese Einnahmen werden seit dem Jahr 2002, zum Teil schon seit
Philipowski
12
2016
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
2001, nur noch zur Hälfte angesetzt (Halbeinkünfteverfahren, § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG); sie können in Geld oder in Sachwerten bestehen; – Erträge aus verbrieften oder unverbrieften Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 I Nr. 7 EStG); wegen der Einzelheiten s. Rn. 13-17. – Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen einschließlich der Schatzwechsel (§ 20 I Nr. 8 EStG). – Erträge aus Investmentanteilen (s. Rn. 173 ff); soweit die ausgeschütteten oder für den Anteilinhaber thesaurierten Beträge aus Dividenden stammen, die das Sondervermögen vereinnahmte, werden diese Beträge seit 2001 bzw. seit 2002 nur zur Hälfte angesetzt (§ 3 Nr. 40 EStG mit § 2 II InvStG). 13
Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 I Nr. 7 EStG) werden erfasst, 1. a) wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder b) wenn ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, 2. auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. 3. Das gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.
14
Das Gesetz will Erträge aus Kapitalforderungen nur dann erfassen, wenn die Voraussetzung 1a oder 1b erfüllt ist. Nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag führen Forderungen mit rein spekulativem Charakter, bei denen sowohl die Rückzahlung des Kapitalvermögens als auch der Ertrag unsicher sind (Amtliche Gesetzesbegründung, BTDrucks. 12/6078, S. 122). Mit dem Wort „gewährt“ wollte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, dass eine ausdrückliche Zusage nicht erforderlich ist. Es genügt, wenn ein Entgelt aufgrund der Ausgestaltung der Kapitalanlage sicher ist (BMF DB 1998, 497). Das Gleiche muss für die Rückzahlung des Kapitalvermögens gelten.
15
Wenn das Gesetz voraussetzt, dass die Rückzahlung des Kapitalvermögens zugesagt wurde, bedeutet dies: die Rückzahlung des gesamten Kapitalvermögens muss zugesagt worden sein. Bei der Erfindung neuer Finanzprodukte versuchte die Praxis, diese gesetzliche Voraussetzung zu unterlaufen. Solchen Anlegern, die auf Sicherheit Wert legten, wurde eine Rückzahlung des eingesetzten Kapitals in Höhe von 99,9 % garantiert. Das ist zwar nur eine Winzigkeit weniger als 100 %. Mit dem Argument des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) lässt sich einer solchen Vertragsregelung aber nicht beikommen. Die Finanzverwaltung hat sich deshalb zu der Meinung durchgerungen, dass es zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen genüge, wenn die Rückzahlung eines Teils des Kapitalvermögens zugesagt worden sei (BMF BStBl. 1999 I 433). Das ist ein glatter Verstoß gegen Wortlaut und Sinn des Gesetzes (im Ergebnis ebenso: Harenberg/Irmer, Rn. 871, 882; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, Rn. 302 zu § 20). Die Kreditinstitute haben sich jedoch dieser Auffassung gebeugt, um Unannehmlichkeiten von sich und ihren Kunden abzuwenden. Infolgedessen werden von einer zentralen Stelle der Kreditwirtschaft als Kapitalforderungen i.S. des § 20 I Nr. 7 EStG auch solche Finanzprodukte verschlüsselt, bei denen die Rückzahlung nur eines Teils des Kapitalvermögens garantiert wird. Aufgrund dieser Verschlüsselung behalten alle Kreditinstitute Deutschlands durch ihre Rechenzentren ZASt ein, wenn bei diesen Finanzprodukten Erträge anfallen. Das muss der Bankkunde hinnehmen. Bei der Abgabe seiner ESt-Erklärung kann er sich aber auf den Wortlaut des Gesetzes berufen. Er kann verlangen, dass der Ertrag nicht als Teil seiner Kapitaleinkünfte erfasst wird (vorausgesetzt, dass kein Entgelt zugesagt wurde) und dass ihm trotzdem die einbehaltene ZASt auf seine ESt-Schuld angerechnet wird. Der BFH hat sich jetzt für eine Zwischenlösung entschieden. Ist die Rückzahlung des Kapitalvermö-
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2017
gens nur in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes garantiert, z.B. in Höhe von 10 %, so ist ein Ertrag, dessen Höhe von einem ungewissen Ereignis abhängt, nur in Höhe dieses Prozentsatzes (10 %) steuerpflichtig (BFH BStBl. 2008 II 563; BMF, Schr. v. 26.5.2008 – IV C 1 S 2252/07002). Ist die Rückzahlung des Kapitalvermögens zugesagt, so wird ein Ertrag steuerlich nicht nur dann erfasst, wenn seine Höhe von vornherein feststeht, sondern auch dann, wenn seine Höhe von einem ungewissen Ereignis abhängt. Das gilt selbst dann, wenn die Vertragsbedingungen so ausgestaltet sind, dass für den Anleger unter Umständen überhaupt kein Ertrag entsteht. In einem solchen Fall greift § 20 I Nr. 7 EStG zu, wenn und soweit dem Anleger ein Ertrag zufließt. Ist dagegen ein fester Ertrag zugesagt, so wird er steuerlich auch dann erfasst, wenn die Rückzahlung der Kapitalforderung nach den Vertragsbedingungen ungewiss ist. Zu den festen Erträgen gehören laufende (Zinsen), einmalige (Aufzinsungs- bzw. Abzinsungsbeträge) sowie solche Erträge, die in Sachwerten (z.B. in Aktien) bestehen. 2. Einnahmen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen. Hier sind mehrere Fallgruppen zu unterscheiden: a) Bei der Veräußerung von Aktien, Gewinnobligationen und Genußscheinen tritt der Zweiterwerber einfach in die Rechtsposition des Ersterwerbers ein. Alles, was der Zweiterwerber beim Kauf aufwendet, gehört zu seinen Anschaffungskosten (AK) für die Kapitalanlage, auch soweit er im Kaufpreis einen im Entstehen begriffenen Ertragsanspruch bezahlt. Der nach dem Erwerb fällige und ihm zufließende Ertrag wird steuerlich in voller Höhe bei ihm erfasst. Alles, was der Vorbesitzer seinerseits bei der Veräußerung erhält, gehört steuerlich zum Erlös für die Kapitalanlage als solcher, auch soweit er etwas für den im Entstehen begriffenen Ertragsanspruch bekommt. Bei ihm wird also nichts als Kapitalertrag erfasst. Falls die Aktie usw innerhalb eines Jahres seit Erwerb veräußert wird, können aber Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften entstehen (Rn. 33 ff).
16
b) Bei der Veräußerung einer Schuldverschreibung mit Zinsscheinen wird üblicherweise neben dem Wert des Stammrechts der Zinsbetrag vergütet, der rechnerisch auf den Zeitraum von der letzten Zinsfälligkeit bis zum Veräußerungstag entfällt. Beim Veräußerer der Schuldverschreibung werden diese zufließenden Stückzinsen als Einnahmen erfasst (§ 20 II 1 Nr. 3 EStG). Beim Erwerber werden die abfließenden Stückzinsen als negative Einnahmen angesetzt, und zwar im Jahr des Abflusses (Philipowski, DStR 1994, 1593). Sie sind mit positiven Einnahmen aus Kapitalvermögen zu saldieren. Erst vom Saldo sind die WK (bzw. der WK-Pauschbetrag) und der Sparerfreibetrag abzuziehen. Die gezahlten Stückzinsen sind allerdings nicht abziehbar, wenn schon bei Erwerb der Schuldverschreibung feststeht, daß bis zu ihrer Veräußerung unter Einbeziehung der Vermögensebene ein Verlust eintreten wird (BFH BStBl. 1999 II 769). Gewinne oder Verluste, die sich aus der Veräußerung des (mit Zinsscheinen versehenen) Stammrechts ergeben, werden nicht als (positive odere negative) Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst. Sie gehören aber zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften, falls die Schuldverschreibung innerhalb eines Jahres seit Erwerb veräußert wird (s. Rn. 33 ff).
20
c) Veräußert der Inhaber einer verzinslichen Schuldverschreibung oder einer Aktie isolierte Zins- bzw. Dividendenscheine, so werden die Veräußerungserlöse als Einnahmen aus Kapitalvermögen erfasst (§ 20 II 1 Nr. 2 EStG).
Philipowski
17
18 19
21
22
23
2018
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
24
d) Eine Sonderregelung gilt für sog. Finanzinnovationen (Rn. 86 ff). Um Steuerumgehungen unmöglich zu machen, erfaßt § 20 II 1 Nr. 4 EStG die Einnahmen aus der Veräußerung, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen (s. Rn. 89), und hilfsweise den Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung (s. Rn. 91 ff). Diese Regelungen gelten entsprechend, wenn ein Zweiterwerber die Wertpapiere/Kapitalforderungen bei deren Endfälligkeit einlöst (§ 20 II 1 Nr. 4 Satz 4 EStG).
25
e) Bei der Rückgabe oder Veräußerung von Investmentanteilen entsteht ein (vereinnahmter) Zwischengewinn (Rn. 180). Er gehört zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen. Der beim Erwerb eines Investmentanteils im Kaufpreis enthaltene (verausgabte) Zwischengewinn wird steuerlich ebenso behandelt wie gezahlte Stückzinsen (Rn. 21).
26
3. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 I 1 EStG). Die Aufwendungen müssen (objektiv) mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung zusammenhängen und (subjektiv) zur Erzielung von Einnahmen gemacht werden (BFH BStBl. 1989 II 934). Ein mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einnahmen genügt. Zu den Werbungskosten gehören: Depotgebühren; Gebühren für ein Schließfach, in dem Wertpapiere aufbewahrt werden; Kosten der Erträgnisaufstellung; Aufwendungen für einen Börseninformationsdienst und für Fachliteratur; Entgelte für Beratungen und für Vermögensverwaltung, es sei denn, daß die Entgelte nach den Wertsteigerungen des Kapitalvermögens bemessen werden (BFH BStBl. 1988 II 16); Reisekosten zur Hauptversammlung einer AG, wenn sie nicht außer Verhältnis zu den Dividenden dieser AG stehen. Wegen der Zinsen für einen Kredit zum Kauf von Wertpapieren s. Rn. 191, 194.
27
WK, die wirtschaftlich mit solchen Einnahmen zusammenhängen, die nur zur Hälfte anzusetzen sind, dürfen nur zur Hälfte abgezogen werden (Halbabzugsverfahren, § 3c II EStG). Bestimmte WK lassen sich nicht unmittelbar einer einzelnen Kapitalanlage zuordnen (z.B. Depotgebühren). Diese WK sind aufzuteilen auf die Gruppe der Kapitalanlagen, deren Erträge dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, und auf die Gruppe der übrigen Kapitalanlagen. Bei bestandsorientierten Gebühren geschieht dies nach den Kurswerten der Kapitalanlagen zum Abrechnungsstichtag (BMF BStBl. 2002 I 647).
28
Keine Werbungskosten sind die beim Erwerb oder bei der Veräußerung einer Kapitalanlage anfallenden Nebenkosten (Provisionen, Makler- und Transaktionsgebühren, Abwicklungsentgelte, Bankspesen). Soweit diese Kosten beim Erwerb entstehen, gehören sie zu den Anschaffungsnebenkosten (§ 255 I HGB). Soweit sie bei der Veräußerung entstehen, dienen sie nicht der Erzielung von Einnahmen, sondern im Gegenteil dem Wegfall einer Einkunftsquelle; sie sind auch dann nicht abziehbar, wenn Ziel die ertragserhöhende Umschichtung des Wertpapierdepots ist (BFH BStBl. 1989 II 934). Anschaffungsnebenkosten und Veräußerungskosten mindern aber die Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn bei Finanzinnovationen die Marktrendite zu ermitteln ist (s. Rn. 91 ff). Außerdem mindern sie die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (s. Rn. 33 ff, 43 ff).
29
Der WK-Pauschbetrag beträgt 51 €, bei zusammen veranlagten Ehegatten 102 €. Das gilt unabhängig davon, ob die Einnahmen aus Kapitalvermögen nur von einem Ehegatten erzielt wurden oder von beiden. Der Pauschbetrag kann nur bis zur Höhe der Einnahmen abgezogen werden (§ 9a 1 Nr. 2 EStG).
30
4. Sparer-Freibetrag. Bei Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nach Abzug der WK (bzw. des WK-Pauschbetrags) ein Sparer-Freibetrag von 750 € abzuziehen. Bei zusammen veranlagten Ehegatten wird ein gemeinsamer Sparer-Freibetrag von 1.500 € gewährt. In den Jahren 2004 bis 2006 betrug der Sparerfreibetrag jeweils 1.370/2.740 €.
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2019
Der jeweilige Freibetrag darf nicht höher sein als der Saldo „Summe der Kapitaleinnahmen minus WK und minus abzuziehende ausländische Steuern“ (§ 20 IV EStG). 5. Kapitalertragsteuer, Zinsabschlag. Bei der Gutschrift bzw. Auszahlung von Kapitalerträgen behält die Bank eine Steuer ein, die je nach Art des Kapitalertrags 20, 25, 30 oder 35 % beträgt (§§ 43, 43a EStG). Sie wird vom Finanzamt auf die Jahres-EStSchuld des Steuerpflichtigen angerechnet. Ergibt sich dabei ein Überschuss zugunsten des Steuerpflichtigen, so wird ihm dieser Betrag im Rahmen der ESt-Veranlagung erstattet. Wirtschaftlich gesehen, ist die von der Bank einbehaltene Steuer eine Vorauszahlung auf die Jahres-ESt des Kunden.
31
Hat die Bank einen Freistellungsauftrag entgegengenommen (von alleinstehenden/verheirateten Kunden bis maximal 801/1602 €; in den Jahren 2004 bis 2006 bis maximal 1421/2842 €), so wird sie jedes Jahr bis zur Höhe des darin genannten Betrages die Kapitalerträge ohne Steuerabzug gutschreiben (§§ 44a, 44b EStG). Wird der Kunde voraussichtlich nicht zur Einkommenssteuer veranlagt, so kann er sich vom Finanzamt eine Nicht-Veranlagungs-Bescheinigung erteilen lassen und sie an die Bank weiterleiten. Ihm werden dann sämtliche Kapitalerträge ohne Steuerabzug gutgeschrieben. Wegen einer ausländischen Quellensteuer s. Rn. 183 ff.
32
II. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Bei der Veräußerung von Wertpapieren, Forderungen, Gold oder solchen Rechten, die nicht den Vorschriften über Grundstücke unterliegen, werden Gewinn oder Verlust steuerlich erfaßt (§ 23 I 1 Nrn. 2 und 3 EStG), wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung höchstens ein Jahr liegt (Rn 36 f) oder wenn die Veräußerung früher erfolgt als der Erwerb (Rn. 38 f). Noch vor wenigen Jahren spielte dieser Besteuerungstatbestand in der Praxis nur eine geringe Rolle. Das hat sich von Grund auf geändert, und dazu haben drei Faktoren beigetragen: – das in den letzten Jahren stärker gewordene Auf und Ab der Börsenkurse, – die Verlängerung der „Spekulationsfrist“/Haltefrist (früher sechs Monate, jetzt ein Jahr), – die Tatsache, dass die Kreditinstitute ihren Kunden zusammenfassende Jahresbescheinigungen erteilen (müssen), die auch alle Angaben für die steuerliche Erfassung von privaten Veräußerungsgeschäften enthalten (§ 24c EStG). Wer eine solche Bescheinigung erhalten hat und weiß, dass das Finanzamt davon Kenntnis hat, wird sich nämlich drei Mal überlegen, ob es sich lohnt, in der ESt-Erklärung steuerpflichtige Veräußerungsgewinne zu verschweigen.
33
Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Vermögensgegenstandes. Durch die vertragliche Begründung einer Forderung wird diese nicht „angeschafft“, sondern „hergestellt“; durch die nachfolgende Veräußerung dieser Forderung innerhalb eines Jahres wird der Steuertatbestand des § 23 EStG nicht erfüllt (BFH BStBl. 2000 II 614). Als Anschaffung gilt auch die Überführung von Wertpapieren oder anderen Vermögensgegenständen aus dem Betriebs- in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe (§ 23 I 2 EStG). Der Erwerb durch Erbfall oder Schenkung ist dagegen keine „Anschaffung“. Der Erbe und der Beschenkte treten vielmehr durch Gesamtrechtsnachfolge bzw Einzelrechtsnachfolge in die steuerliche Position ihres Rechtsvorgängers ein. Dabei werden ihnen zugerechnet: das Datum, zu dem ihr Rechtsvorgänger den Vermögensgegenstand angeschafft hat, und die dabei aufgewendeten AK.
34
Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen anderen aufgrund einer Lieferverpflichtung (BFH BStBl. 2000 II 614). Eine Veräußerung ist auch beim Tausch eines Wirtschaftsguts in ein anderes gegeben (Ausnahme: Tausch eines Floaters in eine festverzinsliche Schuldverschreibung, Einzelheiten Rn. 139 Abs. 2) so-
35
Philipowski
2020
36
37
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
wie bei der „Glattstellung“ eines Optionsrechts (Rn. 161). Bedeutungslos ist, ob der Gewinn/Verlust gezielt herbeigeführt oder nur billigend in Kauf genommen wurde oder als (unerwünschter) Nebeneffekt einer Veräußerung angefallen ist. Schließlich ist ohne Bedeutung, ob das Geschäft unter wirtschaftlichem Zwang durchgeführt wurde. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist in bestimmten Fällen eine Veräußerung sogar dann gegeben, wenn die entgeltliche Übertragung des Vermögensgegenstandes kraft Gesetzes eintritt (s. Stichworte „Verschmelzung“ und „Squeeze-Out“, Rn. 76, 83). In der Einlösung eines verzinslichen Wertpapiers liegt dagegen keine Veräußerung; wer niedrig verzinsliche Wertpapiere mit Restlaufzeiten von unter einem Jahr unter dem Nennwert erwirbt und bei Fälligkeit zum Nennwert einlösen lässt, verwirklicht nicht den Steuertatbestand des § 23 EStG. 1. Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres. Entscheidend ist nicht der Zeitraum zwischen den dinglichen Erfüllungsgeschäften, sondern der Zeitraum zwischen den schuldrechtlichen Verträgen (Rechtsgeschäften). Das dingliche Rechtsgeschäft muß allerdings nachfolgen. Beim Kauf von Wertpapieren an der Börse wird das schuldrechtliche Rechtsgeschäft am sog. Schlusstag abgeschlossen, also an dem Tag, an dem der Börsenhändler, der vom Kunden oder von dessen Bank beauftragt wurde, den Kaufauftrag ausführt (BMF, BStBl. 2004 I 1034, Tz. 1). Ohne Bedeutung sind: der Tag, an dem das Wertpapier valutamäßig auf dem Depotkonto des Käufers gutgeschrieben wurde, sowie der Tag der Kaufpreiszahlung. Die Frist wird gem. § 108 AO nach den Grundsätzen der §§ 187 ff BGB berechnet. Sie endet mit Ablauf des Tages, der nach seiner Benennung dem Tag entspricht, an dem die Anschaffung vorgenommen wurde. Wurde also ein Wertpapier am Vormittag des 15. Dezember gekauft, so endet die Frist mit Ablauf des 15. Dezember des Folgejahres: Will der Bankkunde das Wertpapier außerhalb der Frist des § 23 EStG veräußern, so muss er mit dem Abschluss des (schuldrechtlichen) Verkaufsvertrages bis zum 16. Dezember warten.
38
2. Veräußerung vor Erwerb. Steuerlich erfasst werden auch solche Geschäfte, bei denen die Veräußerung früher erfolgt als der Erwerb (§ 23 I 1 Nr 3 EStG). Beispiel: 10.1.01 Leerverkauf von 100 A-Aktien per 30.6.01 in der Hoffnung, dass der Börsenkurs dieser Aktien bis dahin fällt. 28.6.01 Kauf dieser Aktien an der Börse 30.6.01 Lieferung der am 28.6.01 beschafften Aktien an den Partner des am 10.1.01 geschlossenen Verkaufsvertrages.
39
Sind die Aktien vom 10.1. bis zum 28.6.01 im Kurs deutlich gefallen, so wird durch das Geschäft ein Gewinn erzielt. Sind die Aktien wider Erwarten nicht gefallen oder sogar im Kurs gestiegen, so entsteht ein Verlust, der aber mit Gewinnen aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden kann (s. Rn. 50).
40
3. Ermittlung des Gewinns/Verlusts. Das hierbei anzuwendende Berechnungsschema lautet (23 III 1 EStG): Veräußerungspreis minus Anschaffungskosten (AK) minus Werbungskosten (WK) = Gewinn oder Verlust
41
Veräußerungspreis. Hierzu gehören alle Einnahmen in Geld und in Sachwerten aus einem Veräußerungsgeschäft. Beim Tausch ist der gemeine Wert (Börsenwert) des erworbenen – nicht des hingegebenen – Gegenstands anzusetzen.
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2021
Anschaffungskosten. Hierzu gehören alle Aufwendungen, die beim entgeltlichen Erwerb anfallen einschließlich der Anschaffungsnebenkosten. Bei der Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebs- in das Privatvermögen tritt an die Stelle der ursprünglichen Anschaffungskosten der angesetzte Entnahmewert (§ 23 III 3 EStG).
42
4. Werbungskosten. Das sind in erster Linie die Veräußerungskosten. Ein während der Haltefrist entstandener Finanzierungsaufwand ist bei ertragbringenden Kapitalanlagen vorrangig den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen. Nur wenn er dort nicht abgezogen werden kann (weil auf Dauer kein Überschuss zu erwarten ist), gehört er zu den Werbungskosten i.S. des § 23 EStG.
43
Wird ein Wertpapier im Jahr 01 angeschafft und – vor Ablauf von zwölf Monaten – im Jahr 02 veräußert, so gilt abweichend vom sonst geltenden Zufluss-Abfluss-Prinzip (§ 11 EStG) folgendes: Die AK und die WK, die im Jahr der Anschaffung anfielen, sind erst in dem Kalenderjahr anzusetzen, in dem der Veräußerungserlös zufließt. Fließt der Veräußerungserlös (z.B. aufgrund vereinbarter Ratenzahlung) in mehreren Kalenderjahren zu, so sind sämtliche AK und WK zunächst mit dem im erstem Zuflußjahr erhaltenen Teilerlös und ein etwa verbleibender Überschuß dieser Aufwendungen mit den in den Folgejahren zufließenden Teilerlösen zu verrechnen (EStH, H 169, Stichwort „Werbungskosten“).
44
5. Veräußerung sammelverwahrter Wertpapiere. Das Problem und die Lösung lassen sich am besten anhand eines Zahlenbeispiels darstellen.
45
10.8.01 10.1.02 10.2.02 10.3.02
Kauf 6.000 A-Aktien Kauf 3.000 A-Aktien Kauf 2.000 A-Aktien Kauf 5.000 A-Aktien
10.9.02
Verkauf 11.000 A-Aktien
AK insgesamt AK pro Stück 9.000 € 15 € 6.000 € 20 € 4.400 € 22 € 13.000 € 26 € Veräußerungspreis minus Veräußerungskosten insgesamt 26.400 € pro Stück 24 €
Bei Erwerb der Wertpapiere hat sich der Bankkunde damit einverstanden erklärt, dass die Papiere girosammelverwahrt werden. Er erwarb infolgedessen Bruchteilseigentum an einem Sammelbestand von A-Aktien (§ 5 DepotG). Veräußert wurde ebenfalls ein Bruchteil an jenem Sammelbestand. Gegenständlich lässt sich nicht feststellen, aus welchem Anschaffungsgeschäft der veräußerte Bruchteil stammt. Um diese Schwierigkeit zu beseitigen, unterstellt der Gesetzgeber, dass die zuerst erworbenen Papiere zuerst veräußert wurden (§ 23 I 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Das wirkt sich wie folgt aus:
46
Als veräußert gelten zunächst die am 10.8.01 erworbenen 6.000 Aktien. Bei diesen ist am 10.9.02 die Jahresfrist bereits abgelaufen. Auf diese Stücke entfiel ein „Veräußerungspreis minus Veräußerungskosten“ von 6/11 aus 26.400 € = 14.400 €. Der Veräußerungsgewinn von 14.400 minus 9.000 = 5.400 € wird steuerlich nicht erfasst.
47
Als veräußert gelten anschließend die am 10.1. und 10.2.02 erworbenen insgesamt 5.000 Aktien. Auf diese Stücke entfällt ein „Veräußerungspreis minus Veräußerungskosten“ von 5/11 aus 26.400 € = 12.000 €. Der Veräußerungsgewinn von 12.000 minus 10.400 = 1.600 € wird steuerlich erfasst.
48
Für den Bankkunden wäre es steuerlich günstiger gewesen, wenn er bei der Ermittlung des Gewinns/Verlusts anstelle der am 10.1. und 10.2.02 erworbenen insgesamt 5.000 A-Aktien die am 10.3.02 erworbenen 5.000 A-Aktien hätte ansetzen können. In diesem Fall hätte sich ein steuerlicher Verlust in Höhe von 12.000 minus 13.000 = 1.000 € ergeben, der mit Gewinnen aus anderen Veräußerungsgeschäften hätte verrechnet werden können.
49
Philipowski
2022
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
Dieses steuerlich erfreuliche Ergebnis hätte sich erzielen lassen, – wenn der Kunde bei Erteilung des Kaufauftrags für die am 10.3.02 erworbenen Aktien bestimmt hätte, dass diese Stücke auf einem gesonderten Unter-Depotkonto verwahrt werden sollen, und – wenn er bei Erteilung des Verkaufsauftrags bestimmt hätte, dass von den insgesamt zu verkaufenden 11.000 Aktien 5.000 Stück aus dem Unter-Depotkonto zu entnehmen sind. 50
6. Saldierung von Gewinnen und Verlusten. Die im Kalenderjahr erzielten Gewinne und Verluste sind zu saldieren. Dabei werden die Ergebnisse aus der Veräußerung von Aktien nur zur Hälfte angesetzt (§ 3 Nr. 40 Buchst. j mit § 3c II 1 EStG). In die Saldierung einzubeziehen sind auch Gewinne/Verluste aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (§ 23 I 1 Nr. 1 EstG) sowie aus Termingeschäften (Rn. 58 ff). Lassen sich Ehegatten zusammen veranlagen, so ist ein von einem Ehegatten erzielter Gesamtverlust auszugleichen mit dem Gesamtgewinn des anderen Ehegatten (eheinterner horizontaler Verlustausgleich, § 26b EStG, BFH BStBl. 1989 II 787). Dadurch gelingt es manchmal, den Gesamtgewinn des anderen Ehegatten unter die Freigrenze zu drücken (s. Rn. 51). Ein Gesamtverlust kann aber nicht mit Gewinnen oder Überschüssen aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden (§ 23 III 8 EStG). Der BFH hat diese Beschränkung des Verlustausgleichs als verfassungsgemäß angesehen (BFH BStBl. 2007 II 259). Im Schrifttum wurden jedoch Bedenken hiergegen erhoben (Wagner, Stbg 2007, 184).
51
7. Freigrenze. Ein Gesamtgewinn von weniger als 512 € im Kalenderjahr bleibt steuerfrei. Ist der Gesamtgewinn höher, so wird er in voller Höhe erfasst (die 512 € sind kein abziehbarer Freibetrag). Jeder Ehegatte kann die Freigrenze nur für seine eigenen Einkünfte in Anspruch nehmen. Ein nicht verbrauchter Teil der Freigrenze kann – anders als beim Sparerfreibetrag – nicht auf den anderen Ehegatten übertragen werden (s. aber Rn. 50).
52
8. Verlustvortrag, Verlustrücktrag. Ein Gesamtverlust aus privaten Veräußerungsgeschäften kann mit einem im Vorjahr erzielten oder mit einem in den Folgejahren erzielten Gesamtgewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden (Verlustrücktrag bzw. Verlustvortrag, § 23 III 9 mit § 10d EStG). Dabei ergeben sich folgende Verrechnungsmöglichkeiten: Fall 1 Fall 2 Fall 3 Jahr 01 Gesamtverlust 1.000 € Gesamtverlust 1.000 € Gesamtgewinn 1.000 € Jahr 02 Gesamtgewinn 1.511 € Gesamtgewinn 511 € Gesamtverlust 1.000 €
53
Im Fall 1 kann der Gesamtverlust aus 01 verrechnet werden mit dem Gesamtgewinn aus 02. In 02 verbleibt dann ein Gesamtgewinn von 511 €. Dieser bleibt steuerpflichtig. Denn die Freigrenze von 512 € ist auf den Gesamtgewinn v o r Verrechnung anzuwenden (BFH BStBl. 2005 II 433).
54
Im Fall 2 liegt der Gesamtgewinn des Jahres 02 unter der Freigrenze von 512 €, ist also steuerfrei. Ein Gesamtverlust kann nur mit einem an sich steuerpflichtigen Gesamtgewinn verrechnet werden, nicht dagegen mit einem steuerfreien Gesamtgewinn. Der Kunde behält deshalb am Ende des Jahres 02 einen vortragsfähigen Verlust von 1.000 €.
55
Im Fall 3 kann der Kunde den Gesamtverlust des Jahres 02 zurücktragen auf das Jahr 01 mit der Folge, dass in 01 kein Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften zu erfassen ist. Von einem Verlustrücktrag kann er aber auch absehen; in diesem Fall behält er am Ende des Jahres 02 einen vortragsfähigen Gesamtverlust. Der Kunde kann den Verlustrücktrag auch betragsmäßig beschränken; dann behält er am Ende des Jahres 02 in Höhe
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2023
des nicht rückgetragenen Teilbetrags einen vortragsfähigen Verlust. Wenn der Kunde von dem Gesamtverlust des Jahres 02 einen Teilbetrag von 489 € zurückträgt, verbleibt in 01 ein Gesamtgewinn von 511 €. Dieser bleibt steuerpflichtig. Denn die Freigrenze von 512 € ist auf den Gesamtgewinn v o r Verrechnung anzuwenden (BFH BStBl. 2005 II 433). Ein Verlustrücktrag ist auch dann möglich, wenn der Einkommensteuerbescheid für 01 bereits bestandskräftig geworden ist. 9. Subsidiarität. Soweit Gewinne bzw. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften zu anderen Einkunftsarten gehören, sind sie diesen zuzurechnen (§ 23 II 1 EStG). Auf diese Vorschrift berufen sich immer wieder Anleger, die innerhalb eines Jahres in großer Zahl Wertpapiere kaufen und verkaufen und dabei insgesamt einen hohen Verlust erwirtschaften. Sie machen geltend, dass ihre Tätigkeit wegen ihres großen Umfangs einen gewerblichen Wertpapierhandel darstelle, so dass der Verlust gem. § 2 III EStG mit ihren positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden könne. – Das ist aber normalerweise nicht der Fall. Denn bei Wertpapieren gehört es zum Tatbestand von privaten Veräußerungsgeschäften, den Bestand zu verändern, gewinnversprechende Wertpapiere zu erwerben und dafür andere abzustoßen. Nur in besonderen Fällen überschreitet der An- und Verkauf von Wertpapieren die Grenze zur gewerblichen Tätigkeit, nämlich dann, wenn sich der Anleger wie ein Wertpapierhändler verhält. Beweisanzeichen dafür sind: das Unterhalten einer Organisation zur Durchführung der Geschäfte, das Ausnutzen eines Markts unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und vor allem das Tätigwerden für fremde Rechnung nach Art von Finanzkommissionsgeschäften. Dagegen sprechen nicht zwingend für eine gewerbliche Tätigkeit: Zahl und Umfang der Geschäfte (bei zunehmender Größe von Privatvermögen nehmen auch sie zu), die Einholung geschäftsrelevanter Informationen über das Internet, der Einsatz handelsüblicher Computer und einschlägiger Standard-Software, die Ausführung der Geschäfte per „Bildschirmhandel“ und auch nicht die Inanspruchnahme von Kredit zur Finanzierung der Geschäfte. Entscheidend ist das Gesamtbild (BFH BStBl. 2001 II 706). Im übrigen sind bei der Abgrenzung zu anderen Einkunftsarten zwei Fälle von Bedeutung: (1) Wird eine abgezinste Schuldverschreibung innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Anschaffung veräußert und wird die Emissionsrendite nicht nachgewiesen, so ist der Veräußerungsgewinn (= Marktrendite) in voller Höhe bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen (§ 20 II 1 Nr. 4 2 EStG, s. Rn. 91). Für die Anwendung des § 23 EStG bleibt kein Raum. (2) Wird bei der Veräußerung derselben abgezinsten Schuldverschreibung die Emissionsrendite nachgewiesen, so ist – nur – diese bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen. Sank während der Haltezeit der Kapitalmarktzins und ist infolgedessen der Börsenkurs der Schuldverschreibung zusätzlich gestiegen, so ist der Teil des Veräußerungsgewinns, der die Emissionsrendite übersteigt, bei den Einkünften aus § 23 EStG zu erfassen. Wegen der Besonderheiten bei Fremdwährungsanleihen, die zugleich Finanzinnovationen sind, siehe Rn. 157. III. Einkünfte aus Termingeschäften. § 23 I 1 Nr. 4 EStG erfasst Geschäfte, durch die der Anleger am Ende der Laufzeit des Geschäfts etwas „erlangt“, nämlich einen Differenzausgleich oder einen Geldbetrag, der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmt wird. Bei den genannten Geschäften handelt es sich meist um den Erwerb eines Optionsrechts oder eines Zertifikats (Rn. 159 ff, 168 ff). Voraussetzung für die steuerliche Erfassung ist, daß der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts höchstens zwölf Monate beträgt. Es ist ohne Bedeutung, ob das Geschäft in einem Wertpapier verbrieft ist und ob es an einer Börse oder aber außerbörslich abgeschlossen wird.
Philipowski
56
57
58
2024
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
59
Wird das Recht während der Laufzeit verkauft, so liegt ein Veräußerungstatbestand vor; er fällt unter § 23 I 1 Nr. 2 EStG und kann zu einem Gewinn oder zu einem steuerlich ausgleichsfähigen Verlust führen. Dem gegenüber erfasst § 23 I 1 Nr. 4 EStG die Fälle, bei denen das Recht endet, ohne dass es zu einem Verkauf kommt.
60
Die Finanzverwaltung meint, die Vorschrift greife nur dann ein, wenn der Anleger etwas „erlange“. Werde aber das erworbene Recht wegen der Entwicklung der Börsenkurse oder der vertraglich in Bezug genommenen Indices wertlos und verfalle es, so komme die Vorschrift gar nicht zum Zuge; die für das Recht aufgewendeten AK (z.B. Optionsprämie plus Bankspesen) führten dann nicht zu einem ausgleichsfähigen Verlust, sondern seien steuerlich unbeachtlich (BMF BStBl. 2001 I 986 Tz. 18, 23; ebenso BFH BStBl. 2008 II 519). Diese Beurteilung überzeugt aber nicht, s. Rn. 162. Das Gesetz behandelt die Termingeschäfte als Varianten der privaten Veräußerungsgeschäfte (s. Rn. 33). Die bei Termingeschäften erwirtschafteten Gewinne und Verluste werden also in die bei Rn. 50 beschriebene Saldierung einbezogen. IV. Einkünfte aus Leistungen werden nach folgendem Schema ermittelt: Einnahmen minus WK. Beträgt der Saldo aus solchen Geschäften im Kalenderjahr weniger als 256 €, so wird er steuerlich nicht erfasst – Freigrenze – (§ 22 Nr. 3 EStG). Zu den Einnahmen aus Leistungen gehören u.a. die beim Abschluss eines Optionsgeschäfts vom Stillhalter vereinnahmten Optionsprämien (Rn. 163). Ein etwaiger Verlust kann nicht mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Er kann aber nach § 10 d EStG mit einem im Vorjahr oder mit einem in den Folgejahren erzielten Überschuss aus Leistungen verrechnet werden (Verlustrücktrag, Verlustvortrag). V. Einkommensteuerliche Auswirkung einzelner Bankgeschäfte. 1. Freiaktien, Gratisaktien. a) Einige ausländische Aktiengesellschaften zahlen nach Wahl des einzelnen Aktionärs entweder eine Bardividende oder sie gewähren Aktien, die dann dem Aktionär von der depotführenden Bank gutgeschrieben werden. Hierbei handelt es sich um eine „Sachdividende“; sie gehört ebenso zu den Einkünften aus Kapitalvermögen wie eine Gelddividende.
61
62
63
64
65
66
b) Wandelt eine AG Teile der Kapitalrücklage und der Gewinnrücklagen gemäß §§ 207 bis 220 AktG in Nennkapital um, das dadurch erhöht wird, und gewährt sie ihren Aktionären Freiaktien, so unterliegt der Erwerb der neuen Anteilsrechte nicht der ESt (§ 1 KapErhStG). Das gleiche gilt beim Erwerb von Anteilsrechten an einer ausländischen Gesellschaft, wenn die in § 7 KapErhStG geforderten Voraussetzungen vorliegen. Nach Ausgabe der im vorigen Absatz beschriebenen Freiaktien verteilen sich die ursprünglich vorhandenen Mitgliedschaftsrechte an der AG auf eine größere Zahl von Anteilen. Das bedeutet steuerlich: Die für die Altaktien aufgewendeten AK beziehen sich jetzt auf die Summe der Altaktien und der neuen Aktien (§ 3 KapErhStG; BFH BStBl. 2001 II 345). Besaß der Kunde ursprünglich 80 Aktien, die er für je 50 € angeschafft hatte, und erhält er für je vier Aktien eine Freiaktie, so verteilen sich also die damaligen AK von 4.000 € jetzt auf 100 Anteile. Veräußert er nunmehr 50 Altanteile innerhalb von 12 Monaten nach ihrem Erwerb für je 60 € (Veräußerungspreis minus Veräußerungskosten), so erzielt er einen Veräußerungsgewinn von (3.000 minus 2.000 =) 1.000 €. Da die für die Altaktien aufgewendeten AK zum Teil auf die neuen Aktien übergehen, werden auch die neuen Aktien so behandelt, als seien sie schon im Zeitpunkt des Erwerbs der Altaktien angeschafft worden. Bei einer Veräußerung der neuen Aktien wird die EinJahres-Frist des § 23 I 1 Nr. 2 EStG ab dem Anschaffungszeitpunkt für die Altaktien berechnet.
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2025
2. Bonusaktien. Bei den drei Börsengängen der Deutschen Telekom AG wurden den Zeichnern, sofern sie die erworbenen Aktien für eine bestimmte Zeit hielten, (zusätzliche) Bonusaktien (Treueaktien) gewährt. Bei der ersten Tranche wurde auf die steuerliche Erfassung des damit verbundenen Vorteils aus Gründen des Vertrauensschutzes verzichtet (BMF BStBl. 1999 I 1129). Für die Bonusaktien der zweiten und dritten Tranche und für alle weiteren vergleichbaren Fälle gilt jedoch folgendes: Die Gewährung von Bonusaktien führt zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag i.S. des § 20 I Nr. 1 Satz 1 mit II 1 Nr. 1 EStG und nicht etwa nur dazu, dass die vom Aktionär damals aufgewendeten AK jetzt auf die insgesamt gehaltenen Aktien zu verteilen sind (BFH BStBl. 2005 II 468). Mit dieser Entscheidung ist zugleich klargestellt: Der Kunde hat die Bonusaktien an dem Tag angeschafft, an dem sie in sein Depot eingebucht wurden. Maßgebend für die AK der Bonusaktien war der niedrigste Kurs, der an jenem Tag an einer deutschen Börse für Telekom-Aktien festgestellt wurde. Wurden die Bonusaktien innerhalb eines Jahres seit diesem Tag verkauft, so war ein privates Veräußerungsgeschäft (§ 23 I 1 Nr. 2 EStG) gegeben.
67
3. Aktiensplit. Bei diesem Vorgang wird eine Aktie in zwei oder mehr Aktien aufgeteilt. Das Grundkapital der AG und der prozentuale Anteil, zu dem der einzelne Aktionär an der AG beteiligt ist, bleiben jedoch unverändert. Steuerlich hat der Vorgang keine Folgen. Der Aktionär muss lediglich die Anschaffungskosten seines ursprünglichen Aktienbestandes auf den jetzt zahlenmäßig größeren Aktienbestand verteilen. Für die ihm im Rahmen des Aktiensplit zugeteilten neuen Aktien gilt als Anschaffungstag der Tag, an dem er die ursprünglichen Aktien anschaffte.
68
4. Gattungswechsel von Aktien. Stammaktien sind mit einem Stimmrecht ausgestattet, Vorzugsaktien nicht. Zum Ausgleich wird auf die Vorzugsaktien eine Vorzugsdividende ausgeschüttet (§ 139 I AktG). Beschließt eine AG die Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien, so führt dies nur zu einer Modifikation der dem Aktionär zustehenden Mitgliedschaftsrechte. Steuerlich ist aber weder eine Veräußerung der Vorzugsaktien noch eine Anschaffung der Stammaktien gegeben. Barzuzahlungen des Aktionärs sind eine nachträgliche Erhöhung der ursprünglich für die Aktien aufgewendeten Anschaffungskosten.
69
5. Bezugsrechte. Erhöht eine AG ihr Grundkapital und gewährt sie ihren Aktionären Bezugsrechte, die gegen Zahlung eines festgelegten Betrags zum Bezug der jungen Aktien berechtigen (§ 186 AktG), so gilt steuerlich Folgendes: Das Bezugsrecht ist schon in der Altaktie angelegt. Durch den Kapitalerhöhungsbeschluss wird es – nur – verselbständigt. Da sich durch die Gewährung des Bezugsrechts das Gesellschaftsvermögen nicht mindert, ist auf Seiten des Aktionärs kein Kapitalertrag gegeben.
70
Die für eine Altaktie aufgewendeten AK verteilen sich jetzt auf diese Aktie und auf das Bezugsrecht. Dabei ist folgende Formel anzuwenden (sog. Gesamtwertmethode): AK Bezugsrecht = AK Altaktie mal Börsenkurs Bezugsrecht geteilt durch Börsenkurs Altaktie vor Kapitalerhöhung (BFH BStBl. 1999 II 638, 641, 643). Beispiel: Die AK der Altaktie betrugen 50 €, der Börsenkurs der Altaktie vor Kapitalerhöhung belief sich auf 75 €, das Bezugsrecht hat einen Börsenkurs von 6 €. In diesem Beispiel entfallen auf das Bezugsrecht AK in Höhe von 50 mal 6 geteilt durch 75 = 4 €. Die AK der Altaktie mindern sich um 4 € auf jetzt 46 €. Die hiervon abweichende Auffassung, das Bezugsrecht sei mit seinem rechnerischen Wert anzusetzen, wurde vom BFH abgelehnt.
71
Die Veräußerung eines Bezugsrechts wird durch § 23 I 1 Nr. 2 EStG erfasst. Beim Altaktionär beginnt die Ein-Jahres-Frist allerdings nicht erst mit der Zuteilung des Bezugs-
72
Philipowski
2026
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
rechts, sondern schon mit dem Zeitpunkt der Anschaffung der zugrunde liegenden Altaktien (BFH BStBl. 2003 II 712). 73
Bei Veräußerung der Altaktien sind in das Berechnungsschema (Rn. 40) die nach der Gesamtwertmethode (Rn. 71) ermittelten geminderten AK einzusetzen. Werden die jungen Aktien innerhalb von zwölf Monaten nach ihrem Erwerb veräußert, so wird auch dieser Vorgang durch § 23 I 1 Nr. 2 EStG erfasst. Die AK einer jungen Aktie bestehen aus den AK der für den Bezug erforderlichen Bezugsrechte, dem Bezugspreis der jungen Aktie und etwaigen Anschaffungsnebenkosten.
74
6. Tausch von Aktien. Zu einem solchen Vorgang kommt es bei der „freundlichen“ oder „feindlichen“ Übernahme von Unternehmen. Tauscht ein Aktionär seine Aktien gegen solche einer anderen AG, so veräußert er die bisher gehaltenen Aktien und schafft die erlangten Aktien an. Dies geschieht an dem Tag, an dem er das ihm unterbreitete Tauschangebot annimmt. Der Ablauf einer Eintauschfrist sowie die Zuteilung der erlangten Aktien sind insoweit ohne Bedeutung. Der Veräußerungserlös für die hingegebenen Aktien ist unter Berücksichtigung des Börsenkurses der erlangten Aktien am Tag der Zuteilung zu ermitteln. Dabei ist der niedrigste Kurs anzusetzen, der an jenem Tag an einer deutschen Börse (einschließlich XETRA) gehandelt wurde.
75
Erfolgt der Aktientausch innerhalb eines Jahres nach Anschaffung der hingegebenen Aktien so ist ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 I 1 Nr. 2 EStG gegeben. Werden die erlangten Aktien innerhalb eines Jahres nach dem Tauschzeitpunkt veräußert, so liegt ebenfalls ein privates Veräußerungsgeschäft vor (BMF BStBl. 2004 I 1034, Tz. 24-26). Für den Aktientausch im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung gelten Besonderheiten.
76
7. Zuteilung von Aktien nach Verschmelzung. Wird eine AG auf eine andere AG verschmolzen, so wird der Aktionär der übertragenden (erlöschenden) AG steuerlich so behandelt, als habe er seine Anteile, die er an jener AG besaß, veräußert und die ihm zugeteilten Aktien an der übernehmenden AG angeschafft (§ 13 II 1 UmwStG). Das geschieht an dem Tag, an dem die Verschmelzung im Handelsregister der übernehmenden AG eingetragen wird. Die weiteren Rechtsfolgen hängen davon ab, wann der Aktionär seine Anteile an der übertragenden AG erworben hatte. (1) Geschah dies innerhalb eines Jahres vor der Eintragung der Verschmelzung, so ist zwar in Bezug auf diese Anteile ein privates Veräußerungsgeschäft gegeben. Ein Gewinn oder Verlust entsteht aber nicht. Denn die Anteile gelten zu den ursprünglichen AK als veräußert, und mit diesem Betrag gelten die zugeteilten Aktien an der übernehmenden AG als angeschafft. (2) Hatte der Aktionär die Anteile an der übertragenden AG vor mehr als einem Jahr erworben, so gelten seine Anteile zwar ebenfalls als veräußert. Diese Veräußerung wird aber steuerlich gar nicht erst erfasst. Wohl aber gelten die Anteile an der übernehmenden AG auch in diesem Fall als angeschafft, aber nicht zu den ursprünglichen AK der „alten“ Anteile, sondern zu deren gemeinem Wert. Das ist der niedrigste Kurs, der am Tag der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der übernehmenden AG an einer deutschen Börse (einschließlich XETRA) gehandelt wurde. (3) In beiden Fällen beginnt für die zugeteilten Aktien am Tag der Eintragung der Verschmelzung die 1-Jahres-Frist des § 23 I 1 Nr. 2 EStG (BMF BStBl. 2004 I 1034, Tz. 27-29).
77
8. Zuteilung von Aktien nach einer Spaltung. Das geschieht vor allem dann, wenn ein Großunternehmen mit mehreren Teilbetrieben im Wege einer Entflechtung aufgespalten wird (§ 123 ff UmwG). In diesem Fall erhält der Aktionär anstelle seiner Anteile an der übertragenden (erlöschenden) AG Anteile an mehreren übernehmenden AGen. Die Spaltung wird erst wirksam, wenn sie in das Handelsregister jeder übernehmenden AG und der
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2027
übertragenden AG eingetragen worden ist. An diesem Tag gelten die Aktien an der übertragenden AG als veräußert und die Aktien an den übernehmenden AGen als angeschafft. Hatte der Aktionär die Anteile an der übertragenden AG innerhalb eines Jahres vor dem Wirksamwerden der Spaltung erworben, so sind die hierfür aufgewendeten AK zu verteilen auf die ihm zugeteilten Aktien an den übernehmenden AGen (§ 15 mit § 13 UmwStG). Das geschieht nach dem Umtauschverhältnis, das im Spaltungs- und Übernahmevertrag oder im Spaltungsplan festgelegt wurde (BMF BStBl. 2004 I 1034, Tz. 30-32). Ein Gewinn oder Verlust entsteht nicht. Mit dem Wirksamwerden der Aufspaltung beginnt aber für die zugeteilten Aktien (erneut) die 1-Jahres-Frist des § 23 I 1 Nr. 2 EStG. Hatte der Aktionär die Anteile an der übertragenden AG vor mehr als einem Jahr erworben, so gelten sie zwar ebenfalls als veräußert. Diese Veräußerung wird aber steuerlich gar nicht erst erfasst. Wohl aber gelten die Aktien an den übernehmenden AGen auch in diesem Fall als angeschafft, aber nicht zu den ursprünglichen AK der „alten“ Anteile, sondern zu dem gemeinen Wert, den die Anteile an der übertragenden AG hatten. Das ist der niedrigste Kurs, der am Tag des Wirksamwerdens der Spaltung an einer deutschen Börse (einschließlich XETRA) gehandelt wurde. Der sich ergebende Betrag ist zu verteilen auf die zugeteilten Aktien an den übernehmenden AGen, und zwar nach dem im vorigen Absatz genannten Umtauschverhältnis. Mit dem Wirksamwerden der Spaltung beginnt die 1-Jahres-Frist des § 23 I 1 Nr. 2 EStG.
78
Sinngemäß das Gleiche gilt, wenn von dem Großunternehmen ein Teilbetrieb oder eine 100-%-ige Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft oder ein Mitunternehmeranteil an einer Personengesellschaft abgespalten wird. Wegen weiterer Einzelheiten siehe BMF BStBl. 2004 I 1034, Tz. 32.
79
9. Übertragung von Aktien auf Aktionäre („spin-off“). Besitzt eine AG weniger als 100 % der Anteile an einer anderen AG und überträgt sie diese Anteile auf ihre Aktionäre, ohne dass sie eine Kapitalherabsetzung vornimmt oder von ihren Aktionären ein Übertragungsentgelt verlangt, so gewährt sie ihnen eine Sachdividende. An dem Tag, an dem die AG die Übertragung beschließt, fließen ihren Aktionären Einkünfte aus Kapitalvermögen zu (§ 20 I Nr. 1 EStG), und zwar in Höhe des gemeinen Wertes der ihnen zugeteilten Aktien. Zugleich haben sie in Höhe dieses Wertes die ihnen zugeteilten Aktien i.S. des § 23 I 1 Nr. 2 EStG „angeschafft“ (BMF BStBl. 2004 I 1034, Tz. 34).
80
Dass die zugeteilten Aktien steuerlich als Kapitalertrag erfasst werden, hält mancher betroffene Aktionäre für ungerecht. Zwar sei ihm durch die Übertragung der Aktien an der Tochter-AG ein Vermögenswert zugeflossen. In gleicher Höhe habe sich aber der Wert seiner Aktien an der Mutter-AG gemindert. Per saldo habe bei ihm keine Vermögensmehrung stattgefunden. Richtigerweise müssten die ihm zugeteilten Aktien ebenso steuerfrei sein wie das beim Erhalt von Gratisaktien der Fall sei (Rn. 63). – Mit einem solchen Argument wird er aber vor dem Finanzgericht nicht durchdringen (Hinweis auf FG Rheinland-Pfalz, EFG 2005, 1047). Denn jede normale Dividendenzahlung hat ebenfalls zur Folge, dass sich beim Aktionär in Höhe der vereinnahmten Dividende auch der Wert der von ihm gehaltenen Aktien mindert. An der Börse zeigt sich das daran, dass beim Handel einer Aktie ex Dividende ein Kursabschlag gemacht wird.
81
10. Abfindung von Minderheits-Aktionären. Bei der Übernahme einer AG kommt es vor, dass die verbliebenen Minderheitsgesellschafter der AG wirtschaftlich gezwungen werden, ihre Anteile an den Übernehmer zu übertragen. Obwohl die Minderheitsgesellschafter in diesem Fall nicht „freiwillig“ handeln, liegt in ihrem Verhalten eine Veräußerung. Haben sie die Anteile innerhalb eines Jahres vor der Annahme des Kaufangebots erworben, so ist die Veräußerung steuerpflichtig nach § 23 I 1 Nr. 2 EStG. Erhalten sie als
82
Philipowski
2028
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
Gegenleistung eigene Aktien des Übernehmers, so sind diese mit dem niedrigsten Kurs anzusetzen, der am Tag der Annahme des Kaufangebots an einer deutschen Börse (einschließlich XETRA) gehandelt wurde. 83
11. Abfindung beim „Squeeze-Out“. Bei manchen AGen gehören mindestens 95 % der Aktien einem Großaktionär. Der Rest befindet sich im Streubesitz. In diesem Fall kann die Hauptversammlung die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen (§ 327a ff AktG). Auch eine solche Übertragung wird von der Finanzverwaltung als Veräußerung i.S. des § 23 I 1 Nr. 2 EStG behandelt (BMF BStBl. 2004 I 1034, Tz. 41). Ein großer Teil des Fachschrifttums stimmt dieser Beurteilung zu (Nachweise bei Harenberg/ Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 4. Aufl. 2007, Rn. 1133).
84
Diese Auffassung kann nicht richtig sein. Zweck des § 23 EStG ist es, Wertänderungen, die innerhalb der dort genannten Frist bei einem Wirtschaftsgut des Privatvermögens realisiert werden, steuerlich zu erfassen. Um diesen Gesetzeszweck möglichst vollständig zu verwirklichen, subsumierte die frühere Rechtsprechung unter den Begriff „Veräußerung“ auch andere Vorgänge, z.B. die Einziehung von unter dem Nennwert erworbenen Forderungen (BFH BStBl. 1962 III 127). Das wurde damit begründet, dass durch Veräußerung und Einziehung in wirtschaftlich gleicher Weise ein Gewinn realisiert werde. Seit den 1980er Jahren hat aber der BFH hervorgehoben, dass der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gerade bei § 23 EStG einen besonderen Stellenwert habe. Diese Vorschrift wolle keineswegs auf sämtliche Wertveränderungen zugreifen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums realisiert werden. Ein Vorgang, der keine Veräußerung sei, falle nicht in den vom Gesetzgeber durch § 23 I 1 Nrn. 2 und 3 EStG abgesteckten Besteuerungsrahmen. Es obliege dem Gesetzgeber, ein etwaiges Regelungsdefizit jener Vorschrift zu beseitigen (BFH BStBl. 1982 II 618 und 1988 II 248).
85
Beim Squeeze-Out ist es so: Mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister gehen die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär über (§ 327e III AktG). Die Minderheitsaktionäre schließen mit dem Hauptaktionär keinen Vertrag; infolgedessen entsteht auch keine Lieferverpflichtung. Die Minderheitsaktionäre verlieren ihre Aktien gegen ihren Willen aufgrund einer durch das Privatrecht für zulässig erklärten „Enteignung“. Das ist keine Veräußerung. Anders als beim Aktientausch im Rahmen einer Verschmelzung oder einer Spaltung (Rn. 76, 77) hat der Gesetzgeber auch nicht angeordnet, dass der Aktienübergang beim squeeze-out als Veräußerung gilt. Wer den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ernst nimmt, wird den Steuertatbestand nicht anwenden auf die Differenz zwischen den damaligen Anschaffungskosten der Aktien und dem jetzt vereinnahmten Abfindungsbetrag (im Ergebnis ebenso: Jansen, in: H/H/R, § 23 EStG, Anm. 146; Schuhmacher, DB 2002, 1626; Waclawik, DStR 2003, 447).
86
12. Finanzinnovationen. Es handelt sich um Kapitalanlagen bzw. um Gestaltungen, bei denen durch Veräußerung ein – verdeckter – Zinsertrag realisiert wird oder werden kann. Zu den Finanzinnovationen gehören (1) abgezinste oder aufgezinste Forderungen, verbrieft oder nicht (Beispiel: Null-KuponAnleihen, Rn. 100), (2) isolierte Stammrechte oder isolierte Zinsscheine, die durch den Zweiterwerber zu einem abgezinsten Preis veräußert werden („künstliche“ Null-Kupon-Anleihen, Rn. 101 ff), (3) Stammrechte mit Zinsscheinen, die aber ohne Berechnung von Stückzinsen „flat“ veräußert werden (Rn. 114); zu diesen Wertpapieren gehören aber nicht die sog. Argentinien-Anleihen, Rn. 115),
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2029
(4) Stammrechte mit Zinsscheinen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (Beispiele: Aktien-Anleihen, Umtausch-Anleihen, Doppelwährungs-Anleihen (Rn. 122, 127, 135), (5) Stammrechte mit Zinsscheinen, bei denen Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe oder für unterschiedlich lange Zeiträume gezahlt werden (Beispiel: Gleitzinsanleihen, Rn. 128). Behält ein Ersterwerber die vorstehend aufgezählten Wertpapiere/Kapitalforderungen bis zu deren Endfälligkeit, so versteuert er die ihm zufließenden Erträge nach denselben Grundsätzen wie bei sonstigen Kapitalanlagen. Besonderheiten sind zu beachten, wenn die genannten Kapitalanlagen während ihrer Laufzeit veräußert werden. Nach dem Binnensystem des § 20 EStG sollen nur Erträge aus der Kapitalüberlassung erfasst werden. Erträge aus einer durch Veräußerung realisierten Wertänderung der Anlage sollen jedoch unerfasst bleiben. Diesen Grundsatz machten sich bei Einführung der Zinsabschlagsteuer – ZASt – (1993) findige Emittenten zu nutze. Null-Kupon-Anleihen und sonstige abgezinste Forderungen gab es schon damals. Nunmehr aber wurden Produkte auf den Markt gebracht, die darauf angelegt waren, vom Erwerber während ihrer Laufzeit veräußert zu werden. Sie waren so konstruiert, dass bei ihrer Veräußerung das Entgelt für die Kapitalüberlassung nicht eindeutig oder jedenfalls nicht ohne weiteres von den durch Veräußerung realisierten Wertveränderungen der Kapitalanlage abgegrenzt werden konnte. Wegen dieser Besonderheit wurden die entstehenden Überschüsse nach der damaligen Gesetzeslage weder von der ZASt noch von der tariflichen ESt erfasst. Genau dieses Ergebnis wurde beabsichtigt. Die Emittenten kalkulierten: Wenn der Erwerber die Überschüsse aus einer Veräußerung steuerfrei vereinnahmen kann, wird er die Finanzinnovationen auch dann kaufen, wenn sie mit einer geringeren Zinsrendite ausgestattet sind (und der Emittent geringere Zinsbeträge aufwenden muss).
87
Durch kreative Gestaltungen war also eine Besteuerungslücke entstanden. Sie wurde 1994 durch die Vorschriften für Finanzinnovationen geschlossen. Wie der BFH 13 Jahre später klarstellte, werden aber die bei Veräußerungen realisierten Wertsteigerungen nur dann erfasst, wenn in ihnen Nutzungen aus der Kapitalüberlassung enthalten sind (BFH BStBl. 2007 II 562). Die Erfassung soll in erster Linie durch Ansatz der besitzzeitanteiligen Emissionsrendite geschehen und hilfsweise durch die Besteuerung der Marktrendite. Bei einem Zweiterwerber, der die erworbenen Stücke in der Folgezeit weiter veräußert oder bei Endfälligkeit einlöst, soll ebenfalls die zeitanteilige Emissionsrendite und nur hilfsweise die Marktrendite erfasst werden.
88
13. Emissionsrendite. Zu erfassen sind die bezifferten Geldbeträge, zu deren Zahlung sich der Emittent bei Emission fest verpflichtet hat. Aus der Gesamtheit dieser bis zur Endfälligkeit zugesagten Beträge, bezogen auf den bei Emission geforderten Kaufpreis und auf die vereinbarte Laufzeit der Kapitalanlage, ergibt sich in Form eines Prozentsatzes die Emissionsrendite. Sie wird üblicherweise im Emissionsprospekt genannt. Notfalls kann über die Hausbank beim Emittenten nachgefragt werden. Von der Gesamtrendite wird (unter Berücksichtigung von Zinseszinsen) der Teil angesetzt, der auf den Zeitraum des Besitzes entfällt. Etwaige Zinsen und Stückzinsen, die dem Anleger bereits zugeflossen sind, sind abzuziehen (§ 20 II 1 Nr. 4 3 Halbsatz 2 EStG). Das Gleiche gilt, wenn ein Zweiterwerber die Finanzinnovation bei Endfälligkeit einlösen läßt.
89
Eine Emissionsrendite fehlt bei solchen Finanzinnovationen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (Rn. 86 Punkt 4).
90
14. Marktrendite. Wenn sich bei einer „normalen“ verzinslichen Schuldverschreibung während ihrer Laufzeit der Wert des Stammrechts erhöht oder vermindert (weil der
91
Philipowski
2030
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
Kapitalmarktzins gesunken oder gestiegen ist), wird der bei einer Veräußerung erzielte Gewinn/Verlust steuerlich nicht erfasst. Anders ist es bei einer Finanzinnovation. Hat sie keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, so gilt als Kapitalertrag der Unterschied zwischen dem „Entgelt für den Erwerb“ und den „Einnahmen aus der Veräußerung“ (§ 20 II 1 Nr. 4 2 EStG). Dieser Unterschiedsbetrag wird „Marktrendite“ genannt. 92
a) Viele Finanzämter vertreten die Auffassung, daß bei Ermittlung der Marktrendite die reinen Kurswerte anzusetzen sind; die bei Erwerb oder Veräußerung anfallenden Nebenkosten wie Bankprovisionen und Bankspesen sollen unberücksichtigt bleiben. Dem ist aber nicht zu folgen. „Entgelt für den Erwerb“ ist alles, was der Wertpapierkäufer aufwendet, um das Wertpapier zu erhalten (§ 10 I 2 UStG); er wendet nicht nur den Kurswert auf, sondern auch die Nebenkosten. Zu den „Einnahmen aus der Veräußerung“ gehört nur das, was dem Wertpapierverkäufer tatsächlich zufließt; das ist der Kurswert minus Bankprovision und Bankspesen. Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht auch § 2 II Nr. 2 EStG. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß Einnahme der Zuflußbetrag vor Abzug von WK ist. Die Verkaufsspesen gehören aber bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht zu den WK. Schließlich: Wird der Kauf bzw. Verkauf von Schuldverschreibungen als Festgeschäft vereinbart, so werden solche Nebenkosten, die bei Kommissionsgeschäften offen ausgewiesen werden, üblicherweise gleich in den festen Kauf- oder Verkaufspreis mit einkalkuliert. Die Höhe des anzusetzenden Unterschiedsbetrags darf aber richtigerweise nicht davon abhängen, ob Erwerb und Veräußerung in Form des Kommissionsgeschäfts oder aber in Form des Festgeschäfts abgewickelt werden.
93
b) Erwirbt und veräußert der Kunde die Papiere in einer fremden Währung, so ist der Unterschiedsbetrag in der fremden Währung zu ermitteln und dann nach dem Wechselkurs vom Zeitpunkt der Veräußerung in Euro umzurechnen (§ 20 II 1 Nr. 4 2 letzter Halbsatz EStG; BFH BStBl. 2007 II 560).
94
c) Je nachdem, ob der Unterschiedsbetrag positiv oder negativ ist, handelt es sich um positive oder negative Einnahmen aus Kapitalvermögen. Negative Einnahmen sind mit positiven Einnahmen aus anderem Kapitalvermögen zu saldieren. Der Saldo mindert sich dann noch um die WK. Ist der geminderte Saldo negativ, so ergeben sich negative Einkünfte aus Kapitalvermögen. Sie werden bei der ESt-Veranlagung saldiert mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten (aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit usw).
95
d) Kein de-facto-Wahlrecht des Kunden. Der Unterschied zwischen dem Ansatz der besitzzeitanteiligen Emissionsrendite und dem Ansatz der Marktrendite wird besonders deutlich, wenn der Kunde eine Finanzinnovation erworben hat, wenn in der Folgezeit ihr Kurswert deutlich gesunken ist und wenn sie nach einer Haltedauer von mehr als einem Jahr veräußert wird. Beim Ansatz der besitzzeitanteiligen Emissionsrendite werden positive Einnahmen aus Kapitalvermögen erfasst (und erhöhen die Steuerlast); der auf Grund des Kursrückgangs wirtschaftlich erlittene Verlust bleibt steuerlich unberücksichtigt. Beim Ansatz der Marktrendite kommt es dagegen zu einem geringeren Betrag positiver Einnahmen oder sogar zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen; diese können mit positiven Einnahmen aus anderen Kapitalanlagen saldiert werden (und mindern dadurch die Steuerlast). Bei gesunkenen Kurswerten ist also der Ansatz der Marktrendite für den Kunden stets vorteilhafter als der Ansatz der Emissionsrendite.
96
Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Marktrendite u.a. dann anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige die Emissionsrendite nicht nachweist. Diese Wortfassung hat die h.M. jahrelang beeinflusst. Das Gesetz stelle darauf ab, so wurde gefolgert, ob der Steuerpflich-
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2031
tige die Emissionsrendite nachweise oder nicht. Der Steuerpflichtige habe also ein defacto-Wahlrecht, durch dessen Ausübung er bestimmen könne, nach welcher Methode der anzusetzende Kapitalertrag zu ermitteln sei. Sehe er in seiner Steuererklärung davon ab, die Emissionsrendite zu nennen, so müsse das Finanzamt die Marktrendite ansetzen. Das Finanzamt sei nicht befugt, gegen den Willen des Steuerpflichtigen die Emissionsrendite zu ermitteln (etwa aufgrund einer ihm zur Verfügung stehenden Datensammlung), den auf die Besitzzeit des Steuerpflichtigen entfallenden Teilbetrag zu errechnen und diesen Teilbetrag für Besteuerungszwecke anzusetzen. Die h.M. änderte sich erst Anfang 2007. Der BFH (BFH BStBl. 2007 II 553, 568) wies auf folgendes hin: Maßgeblich ist in erster Linie die Emissionsrendite. Ist sie feststellbar, so ist sie auch anzusetzen. Denn Steuern sind nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 AO). Dem entspricht der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 I 1 AO). Danach hat das Finanzamt die für die Steuerbemessung wesentlichen Sachverhalte von Amts wegen zu ermitteln. Allerdings gilt diese Pflicht nicht unbegrenzt. So ist das Finanzamt nicht gezwungen (wohl aber berechtigt), sich an den Emittenten oder an Datenbanken zu wenden und Auskünfte über die Höhe der Emissionsrendite einzuholen. Jedenfalls kann der Steuerpflichtige die Finanzbehörde nicht hindern, ihrerseits die renditebegründenden Tatsachen zu ermitteln und daraus die auf die Besitzzeit des Steuerpflichtigen entfallende Emissionsrendite zu errechnen. Nur dann, wenn das Finanzamt die Emissionsrendite nicht mit vertretbarem Aufwand feststellen kann, wenn also ein „non liquet“ droht, ist die Marktrendite anzusetzen. – Die Finanzverwaltung ist weniger streng als der BFH. Auch wenn bei strenger rechtlicher Betrachtung kein Wahlrecht zwischen Emissionsrendite und Marktrendite bestehe, könne aus verwaltungsökonomischen Gründen den Angaben des Steuerpflichtigen gefolgt werden. Wenn der Steuerpflichtige aber unter Anwendung der Marktrendite einen Verlust erkläre, könne er aufgefordert werden, die Emissionsrendite nachzuweisen, oder es könne die Berücksichtigung des Verlustes versagt werden (BMF, Schr. vom 18.7.2007, IV B 8 – S 2252/O). e) Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Marktrendite vor allem bei der Veräußerung solcher Wertpapiere/Kapitalforderungen anzuwenden, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (§ 20 II 1 Nr. 4 c Alt. 2 EStG; Rn. 86 Punkt 4). Die Vorschrift über die Marktrendite ist aber im Weg teleologischer Reduktion oder verfassungskonformer Auslegung dahin einzugrenzen. dass sie nicht Anwendung findet auf solche Wertpapiere, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist (BFH BStBl. 2007 II 555). Zu diesen Wertpapieren werden gerechnet: – seit jeher „einfache“ Floater, bei denen die Verzinsung mit dem jeweiligen Libor, Fibor oder Euribor identisch ist (Rn. 138), – seit neuestem auch Floater mit einem Aufschlag oder Abschlag zum jeweiligen Referenzzins sowie Umkehr-Floater (Rn. 139) sowie – Down-rating-Anleihen (Rn. 140).
97
98
Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung dieser Wertpapiere werden also steuerlich nicht als positive oder negative Kapitaleinnahmen erfasst. Nur die bei einer Veräußerung zufließenden Stückzinsen (Rn. 20) sind als Kapitalertrag anzusetzen. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH dieselbe Entscheidung auch bei weiteren Papieren treffen wird, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt.
99
15. Null-Kupon-Anleihen (Zero-Bonds) sind abgezinste langfristige Schuldverschreibungen ohne laufende Zinszahlung. Der Kapitalanleger überlässt dem Emittenten einen weit unter dem Nennwert liegenden Kapitalbetrag; bei Endfälligkeit erhält er den Nenn-
100
Philipowski
2032
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
betrag. Die Differenz besteht aus den angesammelten Zinsen und Zinseszinsen. Sie werden beim Anleger erst am Ende der Laufzeit steuerlich erfasst. Dadurch erreicht er im Ergebnis eine zinslose Steuerstundung. Bei Veräußerung während der Laufzeit ist als Ertrag die besitzzeitanteilige Emissionsrendite oder ausnahmsweise die Marktrendite anzusetzen (Rn. 89, 91 ff). Steuerlich werden ebenso behandelt: abgezinste Sparbriefe, „unverzinsliche“ Schatzanweisungen und Bundesschatzbriefe Typ B. 101
16. Stripped Bonds. Bei manchen Schuldverschreibungen mit Zinsscheinen hat der Emittent je eine eigene Wertpapier-Kenn-Nummer (WKN, ISIN) erteilen lassen (a) (b) (c) (d)
für das Stammrecht mit Zinsscheinbogen, für das Stammrecht „ohne“, für jeden einzelnen Zinsschein, für den gesamten Zinsscheinbogen.
102
Auf diese Weise wird es dem Ersterwerber erleichtert, die Schuldverschreibung in ihre einzelnen Teile zu zerlegen und die Teile einzeln zu veräußern. Tut er das, so erwirbt der Käufer in den Fällen (b) und (c) je einen durch Gestaltung entstandenen Zero-Bond und im Fall (d) ein ganzes Paket von kleinen Zero-Bonds. Veräußert er seinerseits diese Stücke während der Laufzeit oder lässt er sie bei Fälligkeit einlösen, so treten die bei Rn. 100 beschriebenen Steuerfolgen ein.
103
Beim Ersterwerber gehören die Einnahmen, die er durch Veräußerung der einzelnen Zinsscheine oder des Zinsscheinbogens erzielt, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 II 1 Nr. 2b EStG. Veräußert er das bloße Stammrecht, so kann er die Differenz zwischen dem Engelt für den Erwerb des ganzen Papiers und den Einnahmen aus der Veräußerung des Stammrechts als negative Einnahme ansetzen (str.).
104
17. Disagio-Anleihen. Wird ein festverzinsliches Wertpapier mit einem Abschlag vom Nennwert emittiert, so ist dieses Emissions-Disagio (der Emissions-Diskont) ein besonderer Vorteil, der zusätzlich zu den Zinsen gewährt wird. Dem Grunde nach unterliegt er der ESt (§ 20 II 1 Nr. 1 EStG).
105
a) Aus Vereinfachungsgründen wird er aber steuerlich nur dann erfasst, wenn er höher ist als der Grenzwert der nachstehenden Disagiostaffel (BMF BStBl. 1986 I 539, bestätigt durch BFH BStBl. 1988 II 252): Laufzeit beträgt Disagio beträgt höchstens unter 1 Jahr umgerechnet auf 1 Jahr: 1 % 1 Jahr bis unter 2 Jahre 1% 2 Jahre bis unter 4 Jahre 2% 4 Jahre bis unter 6 Jahre 3% 6 Jahre bis unter 8 Jahre 4% 8 Jahre bis unter 10 Jahre 5% ab 10 Jahre 6%
106
b) Die Grenzwerte sind keine Freibeträge. Ist also das Disagio im konkreten Fall höher als der Grenzwert, so bleibt nicht etwa ein Disagio-Teilbetrag in Höhe des Grenzwerts steuerlich unerfaßt. Vielmehr ist dann das Disagio in voller Höhe Kapitalertrag. Dieser Ertrag fließt aber steuerlich nicht schon bei Erwerb des Wertpapiers zu, sondern erst bei Einlösung. Wird das Papier während der Laufzeit veräußert, so ist der auf die Besitzzeit entfallende Teil des Ertrages zu erfassen. Angesetzt wird die besitzzeitanteilige Emissionsrendite oder die Marktrendite (Rn. 89, 91 ff).
107
c) Bei manchen Emissionen zieht sich der Absatz der Wertpapiere über einen längeren Zeitraum hin. Steigt inzwischen der Kapitalmarktzins, so ist der weitere Verkauf von Pa-
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2033
pieren dieser Emission nur möglich, wenn der Emittent einen immer höheren Abschlag vom Nennwert gewährt. Entscheidend für die Frage, ob sich das gewährte Emissions-Disagio innerhalb der Grenzwerte der Disagiostaffel hält oder nicht, ist für sämtliche Stücke einer Emission der tatsächliche erste Verkaufskurs. Gibt es für die Emission eine WKN, so wird der erste Verkaufskurs veröffentlicht im „Neuemissionen-Schnelldienst“ der WM. d) Die amtliche Disagiostaffel enthält nicht die vorstehend bei a) wiedergegebene erste Zeile „unter 1 Jahr .. „. Sie beginnt vielmehr mit der Zeile „..Laufzeit bis unter 2 Jahre .. „. Es kann deshalb sein, dass manche Emittenten (außerhalb der Kreditwirtschaft) Schuldverschreibungen mit beispielsweise folgenden Merkmalen anbieten: „Laufzeit 4 Monate; Zins für diese Laufzeit 0,1 %; Emissionsdisagio 1 %“. Würde der Kunde drei aufeinander folgende Emissionen dieser Art erwerben, so hätte er innerhalb von 12 Monaten vereinnahmt: Zinsen in Höhe von drei mal 0,1 % = 0,3 % und Disagiobeträge in Höhe von drei mal 1 % = 3 %. Bei dieser Gestaltung kann keine Rede davon sein, dass das insgesamt vereinnahmte Emissionsdisagio, verglichen mit dem Zins, wirtschaftlich nicht ins Gewicht falle. Es macht vielmehr den Hauptteil des Ertrages aus. Damit entfällt der innere Grund, ein geringfügiges Disagio unerfasst zu lassen (BFH BStBl. 1988 II 252). Die amtliche Disagiostaffel wurde festgelegt, als die Emission von Inhaberschuldverschreibungen genehmigungspflichtig war (§ 795 BGB) und als die Genehmigung nur für Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr erteilt wurde. Seitdem die Genehmigungspflicht aufgehoben worden ist und auch kürzerfristige Schuldverschreibungen ausgegeben werden können, gibt die amtliche Disagiostaffel (in der die bei a) wiedergegebene erste Zeile fehlt) die Rechtslage nicht mehr vollständig wieder. In dem geschilderten Zahlenbeispiel werden die Disagiobeträge von den Finanzämtern als Kapitalertrag erfasst. Mit Recht.
108
e) Hält sich das Emissions-Disagio innerhalb der bei a) genannten Grenzwerte, sinkt aber der Börsenkurs des Papiers während der Laufzeit, so entsteht ein „Umlauf-Disagio“. Kauft ein Zweiterwerber das Papier zum niedrigeren Kurs und realisiert er bei Einlösung des Papiers das Umlauf-Disagio, so wird dies steuerlich nicht als Kapitalertrag erfasst (Vorteil in der bloßen Vermögenssphäre).
109
f) Bei in Deutschland emittierten festverzinslichen Wertpapieren werden die Grenzwerte der Disagiostaffel (fast) immer eingehalten. Ganz anders ist es bei im Ausland emittierten Papieren, auch wenn sie auf € lauten und auch wenn sie an einer deutschen Börse gehandelt werden. Wer umlaufende Papiere dieser Art kaufen will (weil sie einen attraktiven Zins bieten und außerdem zu einem günstigen Kurs zu haben sind), sollte sich vorsichtshalber bei seiner Bank erkundigen, wie hoch denn seinerzeit das Emissions-Disagio war. Für die Frage, ob und welche Beträge steuerlich erfasst werden, kommt es nur auf die Höhe des damaligen Emissions-Disagios an, nicht aber auf die Höhe des jetzigen UmlaufDisagios.
110
18. Agio-Anleihen. a) Es handelt sich um festverzinsliche Anleihen, die zu einem Kurs von 100 % emittiert und zu einem höheren Kurs eingelöst werden (z.B. zu 106 %). Dieses bei Einlösung zufließende Agio wird als Kapitalertrag erfasst, wenn es die Grenzwerte der Disagiostaffel (Rn. 105) übersteigt. Bei Veräußerung oder Erwerb des Papiers während der Laufzeit gelten die Ausführungen bei Rn. 106 .
111
b) Mit dem Wort „Agio-Anleihen“ werden allerdings auch solche festverzinslichen Wertpapiere bezeichnet, die zu einem höheren Kurs als zu 100 % emittiert werden (z.B. zu 105 %), die aber später nur zu 100 % eingelöst werden. Das hier bei Einlösung „abfließende“ Agio ist als negative Einnahme anzusetzen (BMF-Schreiben vom 30.8.1988 - IV
112
Philipowski
2034
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
B 4 - S 2252 - 104/87, n.v.). Das gilt auch dann, wenn es innerhalb der Grenzwerte der Disagiostaffel (Rn.105) bleibt. Denn die Verwaltungsanweisung, die die Disagiostaffel einführte, gilt nur zu Gunsten des Steuerpflichtigen, nicht aber zu seinen Lasten. 113
Zum Teil wird allerdings die Auffassung vertreten, das Agio gehöre zu den AK der Schuldverschreibung. Diese Beurteilung kann nicht richtig sein. Wenn ein EmissionsDisagio die AK nicht mindert (sondern eine steuerbare Einnahme ist, die nur in bestimmten Fällen unerfasst bleibt), kann ein Emissions-Agio die AK nicht erhöhen.
114
19. „Flat“ gehandelte Anleihen. Werden Anleihen mit Zinsscheinen während einer Zinszahlungsperiode verkauft, so soll der Verkäufer neben dem Wert des Stammrechts auch den rechnerischen Zinszuwachs vom letzten Zinstermin bis zum Verkaufstag erhalten. Bei im Ausland gehandelten Anleihen ausländischer Emittenten wird der genannte Zinszuwachs aber vielfach nicht gesondert durch Stückzinsen erfasst. Er wird vielmehr in den Börsenkurs der Anleihe hineingerechnet. Das geschieht gelegentlich auch bei im Inland gehandelten Anleihen ausländischer Emittenten. Im Verkaufserlös vermengen sich dann Zinsbestandteile und der jeweilige Wert des Stammrechts (der möglicherweise aus Kapitalmarktgründen gestiegen oder gesunken ist). In solchen Fällen lässt sich nach der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers die Ertragsebene nicht hinreichend klar von der Vermögensebene abgrenzen. Aus diesem Grund sieht § 20 II 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alt. 1 und Satz 2 EStG vor, dass bei der Veräußerung von „flat“ gehandelten Anleihen die Emissionsrendite und hilfsweise die Marktrendite anzuwenden ist.
115
Von dieser Regelung wollten die Inhaber von Argentinien-Anleihen Gebrauch machen. Hintergrund: In Deutschland waren in großem Umfang argentinische Staatsanleihen gekauft worden, die auf DM lauteten und mit einer sehr hohen Verzinsung ausgestattet waren. Infolge der argentinischen Wirtschaftskrise wurden jedoch im Dezember 2001 bei allen diesen Papieren die Zinszahlungen eingestellt. Ob die Anleihen jemals wieder eingelöst werden würden, und wenn ja, wann und mit welcher Quote, war ungewiss. Ihr Kurs stürzte ab. Gekauft wurden sie nur noch von Personen, die mit einer wirtschaftlichen Restrukturierung Argentiniens rechneten und davon ausgingen, dass es dann unter internationalem Druck doch noch zu einer nennenswerten Einlösungsquote kommen werde. Um die Marktgängigkeit der Anleihen aufrecht zu erhalten, wurden sie in den EDV-Systemen der Banken und Börsen von Stückzinsabrechnung auf Flat-Handel umgeschlüsselt. Wer die Anleihen nunmehr verkaufte, erlitt einen hohen Veräußerungsverlust. Diesen wollte er als negativen Kapitalertrag geltend machen. Begründung: Im Zeitpunkt der Veräußerung seien die Argentinien-Anleihen nur noch flat gehandelt worden. Da die Zinszahlungen eingestellt worden seien, habe es keine Emissionsrendite mehr gegeben. Folglich gelte steuerlich als Ertrag der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung. Dieser Unterschied sei negativ.
116
Der BFH entschied: Ob eine Anleihe zu den Finanzinnovationen gehört oder nicht, beurteilt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Emission. Als die argentinischen Staatsanleihen begeben wurden, waren sie mit Zinsscheinen ausgestattet und wurden zunächst auch unter Berechnung von Stückzinsen gehandelt. Dass sie nach Einstellung der Zinszahlungen nur noch flat gehandelt wurden, ändert nicht nachträglich ihren Charakter. Der wirtschaftlich erlittene Veräußerungsverlust führt nicht zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen (BFH BStBl. 2007 II 568).
117
20. Wandelanleihen. Wer eine Wandelschuldverschreibung (§ 221 AktG) erwirbt, hat das Recht, innerhalb eines in den Emissionsbedingungen festgelegten Zeitraums die Anleihe mit oder ohne Zuzahlung in eine bestimmte Zahl von Aktien des Emittenten umzutauschen. Zinsen und etwaige Stückzinsen werden steuerlich wie bei einer „normalen An-
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2035
leihe“ erfaßt. Vom Wandlungsrecht wird üblicherweise Gebrauch gemacht, wenn im Wandlungszeitraum der Börsenwert der zu erlangenden Aktien höher ist als der Wert der Anleihestücke plus etwaiger Zuzahlung. Durch die Wandlung erlischt der in der Anleihe verbriefte Anspruch auf Verzinsung und Rückzahlung, und es werden die Aktien angeschafft. In Höhe der Wertdifferenz entsteht aber weder ein Kapitalertrag aus der Anleihe noch ein privater Veräußerungsgewinn (BMF BStBl. 2004 I 587 Tz. 6). Die für den Erwerb der Anleihe aufgewendeten AK gehören jetzt zu den AK der Aktien. Durch eine zu leistende Zuzahlung erhöhen sich die AK. 21. Optionsanleihen. Der Inhaber hat zwei Rechte: einen Anspruch auf Verzinsung und Rückzahlung des Anleihebetrages (dieser Anspruch bleibt bis zum Ende der Laufzeit der Anleihe erhalten) und außerdem das im beigefügten Optionsschein verbriefte Recht, innerhalb des in den Emissionsbedingungen festgelegten Zeitraums eine bestimmte Zahl von Aktien des Emittenten oder einer anderen AG oder aber Anleihen, Fremdwährungen, Edelmetalle oder andere Wirtschaftsgüter zu einem festgelegten Kaufpreis zu erwerben. Anleihestück und Optionsrecht können von einander getrennt werden und sind dann gesondert handelbar.
118
a) Als Kapitalertrag werden Zinsen und Stückzinsen wie bei einer „normalen“ Anleihe erfaßt. Die Differenz zwischen dem Emissionswert der blanken Anleihe und ihrem Rückzahlungsbetrag wird als zusätzlicher Kapitalertrag erfaßt, wenn sie höher ist als die Grenzwerte der Disagiostaffel (Rn. 105). Die Ausführungen bei Rn. 106 gelten auch hier.
119
b) Veräußert der Kunde innerhalb eines Jahres seit dem Erwerb der Optionsanleihe das Optionsrecht oder die blanke Anleihe, so ist jeweils ein privates Veräußerungsgeschäft gegeben (Rn. 33 ff).
120
c) Wenn der Inhaber des Optionsscheins das Optionsrecht ausübt, schafft er in diesem Zeitpunkt das im Optionsschein genannte Wirtschaftsgut an. Zu den AK dieses Wirtschaftsguts gehören dann auch die AK des Optionsrechts. Für deren Ermittlung gilt folgendes (BMF BStBl. 2004 I 1034 Tz. 8): (1) Ist die Anleihe mit einer marktgerechten Verzinsung ausgestattet und ist im Emissionsprospekt ein gesondertes Aufgeld für das Optionsrecht ausgewiesen, so kann der Ersterwerber die insgesamt für die Optionsanleihe aufgewendeten AK nach den Angaben im Emissionsprospekt auf die (blanke) Anleihe und auf das Optionsrecht aufteilen. (2) In anderen Fällen ermittelt der Ersterwerber den Emissionswert der (blanken) Anleihe anhand von Kursen einer vergleichbaren Anleihe ohne Optionsrecht. Auf das Optionsrecht entfällt dann die Differenz zwischen den AK der (gesamten) Optionsanleihe und dem Emissionswert der (blanken) Anleihe. (3) Der Zweiterwerber der Optionsanleihe teilt die von ihm aufgewendeten AK nach dem Verhältnis der Börsenkurse auf, die bei Erwerb für die (blanke) Anleihe und für das Optionsrecht gelten. (4) Wer das Optionsrecht isoliert erwirbt, setzt die von ihm aufgewendeten AK an.
121
22. Aktien-Anleihen. Es handelt sich um Anleihen mit einem Zins über dem Marktzins. Bei Endfälligkeit tilgt der Emittent die Anleihe nach seiner Wahl mit dem in den Emissionsbedingungen genannten Rückzahlungsbetrag oder aber durch Lieferung der in den Emissionsbedingungen genannten Zahl der dort bezeichneten Aktien (oder mit deren Börsenwert). Für diese zweite Möglichkeit wird er sich nur dann entscheiden, wenn der Börsenwert der Aktien kurz vor Endfälligkeit der Anleihe unter den nominellen Rückzahlungsbetrag der Anleihe gefallen ist.
122
a) Als Kapitalertrag werden Zinsen und Stückzinsen wie bei einer „normalen“ Anleihe erfasst. Tilgt der Emittent die Anleihe durch Lieferung von Aktien oder mit deren Börsenwert, so liegt aber in der Differenz zwischen diesem Wert und dem nominalen Rückzahlungsbetrag ein „abfließendes“ Agio (Rn. 112). Das bedeutet: Der Gesamtertrag ist
123
Philipowski
2036
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
verschieden hoch, je nachdem, in welcher Form der Emittent die Anleihe tilgt. Die Höhe des Ertrags hängt also von einem „ungewissen Ereignis“ ab (§ 20 II 1 Nr. 4 Buchst. c Alt. 2 EStG). Die Aktien-Anleihe ist eine Finanzinnovation (BMF BStBl. 2001 I 206). 124
b) Bei einer Veräußerung während der Laufzeit ist die Marktrendite anzusetzen (Rn. 91-94). Das Gleiche gilt, wenn ein Zweiterwerber die Anleihe bei Endfälligkeit einlösen läßt.
125
23. Doppel-Aktien-Anleihen. Hier haben die Anleihestücke einen relativ hohen Nominalwert (z.B. 5.000 €) und eine relativ kurze Laufzeit (höchstens ein Jahr). Der zugesagte Zins liegt deutlich über dem Marktzins und wird bei Endfälligkeit der Anleihe ausgezahlt. Entscheidend sind die weiteren Emissionsbedingungen. Sie nennen zwei ausgewählte Aktien und für beide je einen Basispreis. Notieren bei Endfälligkeit der Anleihe beide Aktien auf oder oberhalb ihres Basispreises, so löst der Emittent die Anleihe zum Nominalwert ein. Notiert aber eine Aktie unter ihrem Basispreis, so erfolgt die Tilgung jedes Anleihestücks durch Lieferung der in den Emissionsbedingungen genannten Zahl dieser Aktien. Notieren beide Aktien unter ihrem Basispreis, so tilgt der Emittent das Anleihestück durch Lieferung der Aktien, deren Kurs den Basispreis prozentual stärker unterschreitet. – Steuerlich gilt das Gleiche wie für Aktien-Anleihen (Rn. 122 f).
126
24. Aktien-Protect-Anleihen. Hier haben die Anleihestücke ebenfalls einen hohen Nominalwert (z.B. 5.000 €) und eine relativ kurze Laufzeit. Der zugesagte Zins liegt deutlich über dem Marktzins und wird zu den Fälligkeitsterminen ausgezahlt. Entscheidend sind auch hier die weiteren Emissionsbedingungen. Sie nennen für eine bestimmte Aktie einen Basispreis und einen niedrigeren „Protect-Preis“. Der Emittent zahlt die Anleihe auch dann zum Nennbetrag zurück, wenn der Aktienkurs zwar am siebenten Tag vor Endfälligkeit unter dem Basispreis notiert, wenn aber der niedrigere „Protect-Preis“ während der gesamten Laufzeit nicht unterschritten wurde. Andernfalls ist er berechtigt, jedes Anleihestück durch Lieferung der in den Emissionsbedingungen genannten Zahl der Aktien zu tilgen. – Steuerlich gilt das Gleiche wie für Aktien-Anleihen (Rn. 122 f).
127
25. Umtausch-Anleihen. Es handelt sich um Anleihen mit einem Zinssatz unter dem Marktzins. Bei Endfälligkeit erhält der Anleger nach seiner Wahl den in den Emissionsbedingungen festgelegten Rückzahlungsbetrag oder die in den Emissionsbedingungen genannte Zahl der dort bezeichneten Aktien. Steuerlich gilt das Gleiche wie für AktienAnleihen (Rn. 122 f).
128
26. Doppelzins-, Kombizins-, Gleitzins-, Staffelzins-Anleihen. Es handelt sich um Schuldverschreibungen, bei denen für die einzelnen Jahre der Laufzeit unterschiedlich hohe Zinssätze festgelegt sind, meist in ansteigender Form („Zinstreppe“). Auf diese Weise wird der Hauptteil der Verzinsung in die zweite Hälfte der Gesamtlaufzeit verlagert. Es handelt sich um Finanzinnovationen i.S. des § 20 II 1 Nr. 4 d EStG (Rn.86 Punkt 5). Bei Veräußerungen während der Laufzeit und bei Einlösung durch den Zweiterwerber ist die besitzzeitanteilige Emissionsrendite oder ausnahmsweise die Marktrendite anzusetzen (Rn. 89, 91 ff).
129
Doppelzins-Anleihen mit Kündigungsrecht des Emittenten. Für die ersten Jahre der Laufzeit ist in den Emissionsbedingungen ein fester Zins festgelegt (z.B. 4,5 %) und für die letzten Jahre ein etwas höherer Zins (z.B. 5,5 %). Der Emittent ist berechtigt, die Anleihe zum Ende der niedriger verzinsten Periode zu kündigen. Von diesem Recht wird er Gebrauch machen, wenn der Marktzins bis dahin zwar gestiegen ist, aber beispielsweise nur auf 4,7 %. Dagegen wird er von der Kündigung absehen, wenn der Marktzins beispielsweise auf 5,6 % gestiegen ist. Da die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (vom Ausspruch der Kündigung), hat die Anleihe keine Emissionsrendite.
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2037
Bei Veräußerungen während der Laufzeit und bei Einlösung durch den Zweiterwerber ist die Marktrendite anzusetzen (Rn. 91 ff). 27. Anleihen mit unterschiedlich langen Zinszahlungszeiträumen. Nennen die Zinsscheine stets den gleichen nominellen Zinssatz, umfassen aber die Zinszahlungsperioden zunächst längere und dann kürzere Zeiträume (z.B. beginnend mit 24 Monaten und dann abnehmend bis auf drei Monate), so wird wirtschaftlich der gleiche Effekt erzielt wie bei Anleihen mit ansteigenden Zinssätzen. Die steuerlichen Auswirkungen sind deshalb dieselben wie bei Rn. 128 .
130
Anders ist es bei solchen Anleihen, die z.B. eine Laufzeit von zehn Jahren und sechs Monaten haben und die mit neun Jahres-Zinsscheinen von je 5 % und einem 18-Monate-Zinsschein von 7,5 % ausgestattet sind. Ist der 18-Monats-Zinsschein als erster fällig, so spricht man von einem Vorschaltkupon, wird er als letzter bedient, so wird er als Nachschaltkupon bezeichnet. Hier bleibt die Verzinsung während der gesamten Laufzeit gleich hoch. Die Finanzverwaltung sieht in diesen Papieren keine Finanzinnovation (BMF DB 1995, 1205). Bei einer Veräußerung während der Laufzeit werden nur die gesondert in Rechnung gestellten Stückzinsen erfasst.
131
28. Realzins-Anleihen mit Inflationsschutz. Der Rückzahlungsbetrag und ggfls auch die Zinsen sind an die Entwicklung eines in den Emissionsbedingungen genannten Preisindex gekoppelt. Es gibt verschiedene Varianten. (1) Bei der Grundform haben die Anleihen während der gesamten Laufzeit eine feste Verzinsung. Nur der Rückzahlungsbetrag wird an die Entwicklung des Preisindex angepasst. Beispiel: festgelegter Rückzahlungsbetrag 1.000 €. Bei Emission der Anleihe beträgt der Index 100 %, am Ende der zehnjährigen Laufzeit 123 %. Bei Endfälligkeit erhält der Anleger 1.230 €. (2) Bei den weiter entwickelten Formen werden auch die Zinszahlungen an die Entwicklung des Preisindex angepasst. Beispiel: Zinszahlung jährlich nachträglich 3 %. Bei Emission der Anleihe beträgt der Index 100 %, nach dem ersten Jahr 102 %, nach dem zweiten Jahr 103,8 % usw. Nach dem ersten Jahr erhält der Anleger 3,06 % Zinsen, nach dem zweiten Jahr 3,114 % usw.
132
Steuerlich werden die Zinsen stets in voller Höhe erfasst. Die Inflationsrate, die sich in der Entwicklung des Preisindex widerspiegelt, darf nicht abgezogen werden (Nominalwertprinzip). Der Ersterwerber, der die Anleihe bis zur Endfälligkeit behält, muss als zusätzlichen Kapitalertrag auch die Differenz zwischen dem ursprünglich vorgesehenen und dem dann tatsächlich praktizierten Rückzahlungsbetrag ansetzen, im Beispiel also 230 €.
133
Da die Höhe des Rückzahlungsbetrags und ggfls die Höhe der Zinsen von einem künftigen ungewissen Ereignis abhängt, hat die Anleihe keine Emissionsrendite. Bei einer Veräußerung während der Laufzeit ist die Marktrendite anzusetzen. Das Gleiche gilt für die Einlösung bei Endfälligkeit durch den Zweiterwerber.
134
29. Doppelwährungs-Anleihen. Der Anleger erwirbt eine Anleihe, bei der der Emittent die Zinsen und bei Endfälligkeit den Rückzahlungsbetrag in der Währung X zu zahlen hat. Der Anleger kann jedoch zu einem in den Emissionsbedingungen festgelegten Stichtag erklären, dass ab diesem Tag die Zinsen und später der Rückzahlungsbetrag in der Währung Y zu zahlen sind. Für diesen Fall ist in den Emissionsbedingungen im voraus der – starre – Wechselkurs festgelegt, zu dem die ursprünglich in der Währung X geschuldeten Beträge umzurechnen sind.
135
Der Anleger wird die Erklärung nur dann abgeben, wenn er am Stichtag damit rechnet, daß der Kurs der Währung Y gegenüber der Währung X (deutlich) ansteigen wird. Da im
136
Philipowski
2038
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
Zeitpunkt der Emission unsicher ist, ob der Anleger die Erklärung abgeben wird oder nicht, hängt die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis ab. Die Anleihe ist eine Finanzinnovation (Rn. 86). Bei einer Veräußerung während der Laufzeit und bei Einlösung im Zeitpunkt der Endfälligkeit ist die Marktrendite anzusetzen (Rn. 91 ff). 137
138
139
140
30. Floater. Es handelt sich um Schuldverschreibungen, bei denen die Verzinsung in regelmäßigen Abständen (z.B. alle sechs Monate) an einen Referenzzins angepasst wird, z.B. an den Euribor (Euro interbank offered rate) oder an den Libor (London interbank offered rate). Es gibt zahlreiche Varianten: Floater, bei denen die Verzinsung während der einzelnen Zinszahlungsperioden mit dem Referenzzins übereinstimmt; bei denen Zuschläge zum oder Abschläge vom Referenzzins gemacht werden; bei denen die Zinsschwankungen begrenzt werden, und zwar durch einen Höchstzins, einen Mindestzins, durch beides oder nur für einen bestimmten Zeitraum; bei denen auf einen Zeitraum fester Zinsen ein Zeitraum variabler Zinsen folgt oder umgekehrt; bei denen die Verzinsung aus der Differenz zwischen einem im voraus festgelegten hohen Zinssatz und dem während der Laufzeit schwankenden Referenzzins ermittelt wird (Umkehr-Floater). Bei allen Floatern ist die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängig. Sie werden deshalb vom Wortlaut des § 20 II 1 Nr. 4 c Alt. 2 EStG erfasst. Eine Emissionsrendite gibt es bei ihnen nicht. Also wäre bei einer Veräußerung die Differenz zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung anzusetzen (§ 20 II 1 Nr. 4 2 Halbsatz 2 EStG). Bei „einfachen“ Floatern, bei denen die Verzinsung mit dem jeweiligen Referenzzins identisch ist, erkannte die Finanzverwaltung aber schon 1994, dass eine Erfassung der Marktrendite nicht sachgerecht ist. Sie verfügte deshalb, dass bei einer Veräußerung dieser Papiere § 20 II 1 Nr. 3 EStG anzuwenden ist, dass also steuerlich nur die vereinnahmten Stückzinsen erfasst werden (BMF FR 1994, 206). Jahre später kam der BFH durch teleologische Reduktion der Vorschrift über die Marktrendite (Rn. 91, 98) zu dem Ergebnis. dass bei sämtlichen Floatern (auch bei UmkehrFloatern) Überschüsse oder Verluste aus einer Veräußerung nicht steuerbar sind (BFH BStBl. 2007 II 555). Nur die bei Veräußerung anfallenden Stückzinsen sind als Kapitalertrag anzusetzen. Gelegentlich hat der Erwerber eines Floaters nach den Emissionsbedingungen das Recht, den Floater ab einem bestimmten Zeitpunkt ohne Zuzahlung in eine festverzinsliche Schuldverschreibung mit gleicher Restlaufzeit zu tauschen. Durch den Tausch ändern sich, wirtschaftlich gesehen, lediglich die Zinsbedingungen. Aus diesem Grund führt der Tausch steuerlich nicht zu einer „Veräußerung“ des Floaters und auch nicht zu einer „Anschaffung“ der festverzinslichen Schuldverschreibung. Wird diese in der Folgezeit veräußert, so ist die bei Rn. 36 erläuterte 1-Jahres-Haltefrist des § 23 I 1 Nr. 2 EStG ab dem Tag des Floater-Erwerbs zu berechnen (BFH BStBl. 2000 II 262). 31. Down-Rating-Anleihen. Es handelt sich um Schuldverschreibungen mit Zinsscheinen. Nach den Emissionsbedingungen erhöht sich der Zinssatz, wenn die Bonität des Emittenten von zwei Rating-Agenturen herabgestuft wird. Wegen dieser Klausel ist die Höhe der während der Laufzeit insgesamt zu zahlenden Zinsen von einem ungewissen Ereignis, nämlich von der Einstufung durch die Rating-Agenturen, abhängig. Da die Papiere keine Emissionsrendite haben, wäre bei einer Veräußerung die Differenz zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung als Kapitalertrag anzusetzen. Auch in diesem Fall kam aber der BFH durch teleologische Reduktion zu dem Ergebnis, dass Überschüsse oder Verluste aus einer Veräußerung nicht steuerbar sind (BFH BStBl. 2007 II 571). Nur die bei Veräußerung anfallenden Stückzinsen sind als Kapitalertrag anzusetzen.
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2039
32. Umlaufende festverzinsliche Wertpapiere mit kurzer Restlaufzeit. Solche Papiere kommen für die kürzerfristige Geldanlage vor allem dann in Betracht, wenn sie während einer Niedrig-Zins-Phase ausgegeben wurden und jetzt zu einem Kurs unter dem Nennwert erhältlich sind. Dabei vereinnahmt der Kunde für die Dauer der Restlaufzeit die zeitanteiligen laufenden Zinsen (= steuerbare Einnahme aus Kapitalvermögen) und bei Einlösung die Differenz zwischen dem Kaufkurs und dem Einlösungskurs, also das realisierte Umlauf-Disagio (= keine Einnahme aus Kapitalvermögen).
141
Wie aber, wenn der Kunde die Papiere innerhalb von zwölf Monaten vor Endfälligkeit gekauft hat? Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Einlösung bei Endfälligkeit als Veräußerung i.S. des § 23 EStG zu behandeln ist (FG Hamburg, EFG 1985, 125; Streck, FR 1987, 297). Diese Auffassung kann aber nicht richtig sein. Denn wenn der Aussteller bei Einlösung des Wertpapiers die Urkunde entgegennimmt, erwirbt er kraft Gesetzes das Eigentum an ihr (§ 797 S. 2 BGB). Eine dingliche Einigung zwischen ihm und dem bisherigen Eigentümer ist nicht erforderlich und kommt – weil unnötig – auch nicht zustande. Zugleich erlischt das verbriefte Recht (§ 362 BGB). In der Hand des Ausstellers hat die Urkunde nur noch eine Beweisfunktion (Beweis der erfolgten Tilgung). Es fehlen also alle Voraussetzungen, die für ein Veräußerungsgeschäft notwendig sind. Zu Beginn der 1960er Jahre hatte der BFH allerdings darauf hingewiesen, dass bei Veräußerung und Einlösung ein Gewinn in wirtschaftlich gleicher Weise realisiert werde. Es sei deshalb geboten, beide Tatbestände steuerlich gleich zu behandeln (BFH BStBl. 1962 III 127). Hier hat sich aber in der Rechtsprechung ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Seit Ende der 1980er Jahre betont der BFH, dass der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gerade bei § 23 EStG einen besonderen Stellenwert habe. Ein Geschäft, das kein Veräußerungsgeschäft sei, falle nicht in den vom Gesetzgeber abgesteckten Rahmen von Spekulationsgeschäften. Es obliege dem Gesetzgeber, ein etwaiges Defizit des Regelungsgehalts von § 23 I EStG zu beseitigen (BFH BStBl. 1988 II 248).
142
33. Wertpapierdarlehen (untechnisch „Wertpapierleihe“). Die Bank stellt dem Kunden Wertpapiere zur Verfügung. Der Kunde seinerseits verpflichtet sich, nach Ablauf der Darlehnszeit Papiere gleicher Art und Menge zurück zu geben und für die Dauer des Darlehns ein Entgelt zu entrichten (Darlehnsgeberprovision und Kompensationszahlungen). Steuerfolgen:
143
a) Der Kunde kann die entrichteten Entgelte bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten absetzen, wenn bei Abschluss des Darlehns zu erwarten ist, dass er aus den Wertpapieren Erträge vereinnahmen und insgesamt einen Überschuss erzielen wird (OFD Frankfurt/M, DB 1996, 1702). Handelt es sich bei den Erträgen um Aktiendividenden, so sind die Dividenden und die entrichteten Entgelte nur zur Hälfte anzusetzen (§ 3 Nr. 40 Buchst. d, § 3c II EStG).
144
b) Mancher Kunde will die Papiere, nachdem sie im Kurs gestiegen sind, veräußern. Dieses Geschäft wird nur dann durch § 23 I 1 Nr. 2 EStG erfasst, wenn im „Entleihvorgang“ eine Anschaffung lag. Zwar erwirbt der Kunde beim „Entleihen“ das Eigentum an den Wertpapieren. Es fehlt aber an einem hierfür gezahlten Entgelt. Die (Verpflichtung zur) Rückgabe der Papiere ist kein Entgelt für deren Erwerb. Erwerb und spätere Rückgabe sind vielmehr nur unselbstständige Bestandteile der darlehnsweisen Überlassung. Infolgedessen ist bei einer Veräußerung der entliehenen Papiere mangels „Anschaffung“ der Besteuerungstatbestand des § 23 EStG nicht erfüllt.
145
c) Hatte der Kunde die entliehenen Wertpapiere verkauft und erwirbt er in der Folgezeit Wertpapiere gleicher Art und Menge an der Börse (weil sie inzwischen im Kurs gesunken sind), so sind zwar eine Veräußerung und eine nachfolgende Anschaffung gegeben. Die
146
Philipowski
2040
147
148
149
150
151
152
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
veräußerten und später angeschafften Papiere sind aber nicht identisch. Infolgedessen wird der Vorgang nicht durch § 23 I 1 Nr. 3 EStG erfaßt. d) Hat der Kunde (wie im vorigen Absatz geschildert) Wertpapiere angeschafft und gibt er sie nach Ablauf der Darlehnszeit an die darlehnsgebende Bank zurück, so liegt zwar in der Rückgabe eine Übereignung der Papiere. Es fehlt aber an einem hierfür vereinnahmten Entgelt. Die Befreiung von der Rückgabeverpflichtung ist kein Entgelt (s. Rn. 145). Der Besteuerungstatbestand des § 23 I 1 Nr. 2 EStG ist mangels „Veräußerung“ nicht erfüllt. 34. Wertpapier-Pensionsgeschäfte. Der Pensionsgeber überträgt das Eigentum an den Wertpapieren gegen Entgelt (meist: Kurswert im Übertragungszeitpunkt) auf den Pensionsnehmer. Dabei wird vereinbart, dass die Papiere zu einem jetzt schon vereinbarten Preis an den Pensionsgeber zurück übertragen werden müssen oder können (Rückverkauf). a) Ein echtes Pensionsgeschäft ist gegeben, wenn sich der Pensionsnehmer verpflichtet, die Papiere zu einem vereinbarten oder vom Pensionsgeber noch zu bestimmenden Zeitpunkt zurück zu geben. In diesem Fall hat der Pensionsgeber die Papiere auch weiterhin in seiner Bilanz auszuweisen. In Höhe des für die Übertragung erhaltenen Betrags hat er eine Verbindlichkeit gegenüber dem Pensionsnehmer zu passivieren. Ist für die Rückübertragung ein höherer oder niedrigerer Betrag vereinbart, so ist der Unterschiedsbetrag über die Laufzeit des Pensionsgeschäfts zu verteilen. Beim Pensionsnehmer ist, wenn er Bilanzen aufstellt, spiegelbildlich zu verfahren; er hat in Höhe des für die Übertragung gezahlten Betrags eine Geldforderung auszuweisen (§ 340b IV HGB). Aus dieser gesetzlichen Regelung zieht ein Teil des Schrifttums folgenden Schluss: Die Wertpapiererträge seien steuerlich nach wie vor dem Pensionsgeber zuzurechnen. Da sie ihm aber rein tatsächlich gar nicht zufließen, könne er in gleicher Höhe Betriebsausgaben abziehen (und zwar als Nutzungsentgelt für den erhaltenen und zurück zu zahlenden Betrag). Beim Pensionsnehmer seinerseits seien die vereinnahmten Wertpapiererträge steuerlich Zinsen für die Rückzahlungsforderung, die der Pensionsgeber bei Rücknahme der Wertpapiere zu erfüllen habe. Das gelte unabhängig davon, ob der Pensionsnehmer das Geschäft in seiner betrieblichen oder aber in seiner privaten Sphäre abschließe und abwickle (L. Schmidt-Weber-Grellet, § 5 Anm. 270, Stichwort „Pensionsgeschäfte“). Diese Auffassung kann nicht richtig sein. Nach den Pensionsvereinbarungen ist der Pensionsnehmer berechtigt, die Wertpapiererträge zu vereinnahmen und zu behalten. Sie werden auch tatsächlich von ihm vereinnahmt und verbleiben bei ihm. Dann aber sind sie ihm auch steuerlich zuzurechnen (ebenso: BFH, BStBl. 1983 II 272; Harenberg/Irmer, Rn. 60; Häuselmann, BB 2000, 1282; Rau, BB 2000, 2338; für einen Parallelfall auch BFH BStBl. 2000 II 527). Dass der Gesetzgeber beim Pensionsnehmer, falls er bilanziert, den Ansatz einer Rückzahlungsforderung vorgeschrieben hat, kann daran nichts ändern. Dieser Ansatz soll nur den zutreffenden Ausweis der Vermögenslage gewährleisten, vor allem in den Fällen, in denen für die Rückübertragung der Papiere ein höherer oder niedrigerer Betrag vereinbart wird. Auf die steuerliche Qualifikation der beim Pensionsnehmer anzusetzenden Erträge hat die Art der Bilanzierung keinen Einfluss. Dass nur die hier vertretene Auffassung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wird besonders deutlich, wenn es sich beim Pensionsgut um Aktien handelt. Dividenden sind bei natürlichen Personen nur zur Hälfte anzusetzen (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG), und zwar bei dem, der sie vereinnahmt und behalten darf. Das ist der Pensionsnehmer. Die Gegenauffassung hätte zur Folge, dass er stattdessen Zinsen in voller Höhe des Dividendenbetrages ansetzen und versteuern müsste. Das kann nicht richtig sein.
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2041
Da der Pensionsnehmer für die in Pension genommenen Wertpapiere einen Kaufpreis bezahlt, ist ein entgeltlicher Erwerb und infolgedessen eine Anschaffung gegeben. Gibt er die Wertpapiere an den Pensionsgeber zurück, der hierfür den vereinbarten Preis bezahlt, so liegt hierin eine Veräußerung. Wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung höchstens 1 Jahr beträgt, wird ein realisierter Gewinn bzw. Verlust steuerlich erfaßt (§ 23 I 1 Nr. 2 EStG). b) Ein unechtes Pensionsgeschäft ist gegeben, wenn der Pensionsnehmer berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, die in Pension genommenen Wertpapiere zu einem vereinbarten oder von ihm noch zu bestimmenden Zeitpunkt zurück zu übertragen (§ 340 b III und 5 HGB). In diesem Fall ist es einhellige Meinung, dass die Wertpapiererträge steuerlich beim Pensionsnehmer zu erfassen sind; Entgegennahme und etwaige spätere Rückgabe des Pensionsguts sind bei ihm Anschaffungs- bzw. Veräußerungsgeschäfte.
153
35. Fremdwährungsgeschäft. Im entgeltlichen Erwerb eines Fremdwährungsbetrags liegt eine Anschaffung der Valuta, im Rücktausch eine Veräußerung. Beträgt der Zeitraum zwischen beiden Ereignissen höchstens ein Jahr, so wird ein auf Änderungen des Währungskurses beruhender Gewinn/Verlust steuerlich erfaßt (§ 23 I 1 Nr. 2 EStG). Anders ist es, wenn ein schon vorhandener Fremdwährungsbetrag auf einem Festgeldkonto angelegt wird. Hierdurch wird die Guthabenforderung begründet („hergestellt“), aber nicht „angeschafft“. Überweist der Kunde den Fremdwährungsbetrag auf ein anderes Konto, so geht die Guthabenforderung unter. In diesem Erlöschen liegt aber keine Veräußerung (BFH BStBl. 2000 II 614). Ein schon vorhandener Fremdwährungsbetrag kann also kürzerfristig auf einem Festgeldkonto angelegt werden, ohne dass die bei Beendigung der Festgeldanlage eingetretene Wertsteigerung durch § 23 EStG erfaßt wird. 36. Fremdwährungsanleihen. Bei Anleihen, die in fremder Währung begeben werden, verpflichtet sich der Emittent üblicherweise zur Zahlung der Zinsen in derselben fremden Währung. Steuerlich sind die Zinsbeträge anzusetzen mit ihrem Euro-Gegenwert (ermittelt nach dem am jeweiligen Fälligkeitstag geltenden Devisenkurs). Das gilt unabhängig davon, ob die depotführende Bank die Umrechnung vornahm und die Zinsen auf einem Euro-Geldkonto gutschrieb oder ob sie die Zinsen als Fremdwährungsbetrag auf einem Fremdwährungs-Geldkonto des Kunden gutbrachte.
155
Handelt es sich bei der Fremdwährungsanleihe um eine Finanzinnovation (Rn. 86) und ist der Kapitalertrag ausnahmsweise nach der Marktrendite zu ermitteln, so ist der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung in der fremden Währung zu ermitteln und erst dann in € umzurechnen (§ 20 II 1 Nr. 4 Satz 2 letzter Halbsatz EStG). Wird die Fremdwährungsanleihe innerhalb eines Jahres angeschafft und veräußert, so kommt es zu einem privaten Veräußerungsgeschäft (Rn. 33 ff). Wurden die AK in der fremden Währung aufgewendet und wurde der Veräußerungspreis ebenfalls in der fremden Währung vereinnahmt, so sind die Fremdwährungsbeträge zunächst nach dem bei ihrer Verausgabung/Vereinnahmung geltenden Devisenkurs in Euro umzurechnen. Erst diese Euro-Gegenwerte sind dann bei der Ermittlung des Gewinns/Verlusts einander gegenüber zu stellen. Diese Art der Gewinnermittlung weicht also ab von der Ermittlung der Marktrendite bei der Veräußerung von Fremdwährungs-Finanzinnovationen, und zwar deshalb, weil es in § 23 EStG keine Vorschrift gibt, die dem § 20 II 1 Nr. 4 2 Halbsatz 2 EStG entspricht. Wurde der Kapitalertrag bei der Fremdwährungs-Finanzinnovation nach der Marktrendite ermittelt, so ist wegen § 23 II EStG nur die positive oder negative Differenz zwischen dieser Marktrendite und dem nach § 23 III EStG ermittelten Ergebnis als Gewinn/Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft anzusetzen.
157
Philipowski
154
156
158
2042
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
159
37. Kaufoption, Verkaufsoption. a) Kauft der Anleger an der EUREX eine solche Option mit einer Laufzeit von höchstens einem Jahr und erhält er bei Ausübung der Option einen Barausgleich, so ist als Gewinn aus Termingeschäft (Rn. 58 ff.) folgender Saldo anzusetzen: vereinnahmter Barausgleich minus Spesen, die bei Erwerb des Optionsrechts sowie bei Ausübung der Option verausgabt wurden, und minus Preis des Optionsrechts (BMF BStBl. 2001 I 986, Rn.16, 21).
160
b) Veräußert der Anleger die Kaufoption oder Verkaufsoption innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb, so ist ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 I 1 Nr. 2 EStG gegeben. Als Gewinn oder Verlust ist folgender Saldo anzusetzen: Veräußerungspreis minus Veräußerungskosten und minus AK Optionsrecht (BMF BStBl. 2001 I 986, Rn. 17, 22).
161
c) Schließt der Inhaber der Kaufoption oder der Verkaufsoption innerhalb eines Jahres ein glattstellendes Stillhaltergeschäft ab, so liegt in diesem Vorgang ebenfalls ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 I 1 Nr. 2 EStG. Als Gewinn oder Verlust ist folgender Saldo anzusetzen: Vereinnahmte Optionsprämie aus dem glattstellenden Stillhaltergeschäft minus hierbei anfallende Spesen sowie minus verausgabte Prämie für den Erwerb der Kauf- oder Verkaufsoption und minus hierbei verausgabte Spesen (BFH BStBl. 2004 II 995).
162
d) Hat sich der Börsenkurs des Basiswerts nicht so wie erwartet entwickelt und ist das Optionsrecht dadurch wertlos geworden, so verfällt es am Ende der Laufzeit. In diesem Fall bleiben seine AK nach Meinung der Finanzverwaltung steuerlich unberücksichtigt (BMF BStBl. 2001 I 986, Rn. 18, 23; ebenso BFH BStBl. 2008 II 519). Begründung: Der Tatbestand des § 23 I 1 Nr. 4 Satz 1 EStG sei nur dann erfüllt, wenn der Optionsinhaber tatsächlich einen Barausgleich erhalte. Nur dann könne er die AK des Optionsrechts absetzen. Für eine andere Auslegung der Vorschrift sei angesichts ihres eindeutigen Wortlauts kein Raum. Dem ist nicht zu folgen. (1) Der Gesetzgeber hat das ESt-Recht als „symmetrisches System“ ausgestaltet. Alle steuerlich erfassten Tätigkeiten können sowohl einen Gewinn als auch einen Verlust zur Folge haben. (2) In Übereinstimmung mit diesem System wollte der Gesetzgeber alle Optionsgeschäfte erfassen, die ein (bedingtes) Recht auf Zahlung eines Barausgleichs einräumen, unabhängig davon, ob es zu einem Barausgleich kommt (BT-Drucks. 14/443, Einzelbegründung zu § 23 EStG). Dieser gesetzgeberische Wille ist im Gesetzestext auch zum Ausdruck gelangt, allerdings nur unvollkommen. (3) Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verbietet, bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage nur die glücklich verlaufenden Optionsgeschäfte „herauszupicken“ und alle anderen Optionsgeschäfte definitorisch auszuklammern. Dieser Grundsatz hat Verfassungsrang. Er gebietet eine verfassungskonforme Auslegung solcher Vorschriften, bei denen der Wortlaut den Willen des Gesetzgebers nur unvollkommen wiedergibt. (4) Unter Berücksichtigung dieser Argumente sind bei einem Verfall des Optionsrechts die vergeblich aufgewendeten AK als Verlust anzuerkennen, der dann von den Gewinnen aus anderen Optionsgeschäften oder aus privaten Veräußerungsgeschäften abgezogen werden kann (Philipowski, DStR 2004, 978 und DStR 2007, 1615).
163
e) Verkauft der Kunde eine (durch den Verkaufsvertrag begründete) Kaufoption oder Verkaufsoption, so übernimmt er als Stillhalter während der Optionsfrist vertragliche Bindungen und die damit verbundenen Risiken. Das ist eine Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG. Als Überschuss bzw. Verlust ist anzusetzen: Vereinnahmte Optionsprämie minus Provisionen und Spesen, die beim Abschluß des Geschäfts verausgabt werden (Rn. 62). Muss der Stillhalter am Ende der Laufzeit (weil sich der Börsenkurs des Basiswerts nicht wie erwartet entwickelt hat) einen Barausgleich leisten, so soll diese Zahlung steu-
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2043
erlich ohne Auswirkung sein. Der gezahlte Betrag kann nach Meinung des BMF nicht als WK bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG abgesetzt werden (BMF BStBl. 2001 I 986, Rn. 24). Gleicher Auffassung ist jetzt auch BFH BStBl. 2008 II 522. f) Anders ist es, wenn der Stillhalter während der Laufzeit des Optionsrechts durch ein glattstellendes Kaufgeschäft eine Kaufoption bzw. Verkaufsoption derselben Serie erwirbt. Da er dies tut, um sich von der zuvor eingegangenen Stillhalterbindung zu befreien, sind die jetzt gezahlten Beträge Aufwendungen zur Sicherung der damals vereinnahmten Optionsprämie. Es handelt sich um WK bei seinen Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG (BFH BStBl. 2007 II 606). 38. Kombinationsgeschäft. Der Betrag, der bei Abschluss eines Kombinationsgeschäfts (spread, straddle oder strangle) gezahlt oder vereinnahmt wird, ist auf die im Kombinationsgeschäft zusammengefassten Grundgeschäfte aufzuteilen. Jedes dieser Grundgeschäfte ist steuerlich selbstständig. Einnahmen und Aufwendungen aus den beiden Grundgeschäften dürfen nicht mit einander saldiert werden (BMF BStBl. 2001 I 986, Rn. 9, 28).
164
39. Festgeschäft. An der EUREX schließen zwei Kunden über ihre Banken einen Vertrag, durch den ein Aktienindex zu einem festgelegten Termin und zu einem bestimmten Preis (Basispreis) verkauft wird. Indizes als bloß rechnerische Größen sind körperlich nicht lieferbar. Deshalb wird im Kaufvertrag vereinbart: Für jeden Punkt, den der Aktienindex bei Fälligkeit des Kontrakts über dem Basispreis notieren wird, erhält der Käufer einen Barausgleich in Höhe von X € . Für jeden Punkt, den der Aktienindex bei Fälligkeit des Kontrakts unter dem vereinbarten Basispreis liegen wird, bekommt der Verkäufer einen Barausgleich von X € . Der jeweilige Zahlungsempfänger erzielt in Höhe des Barausgleichs minus Bankspesen einen Gewinn aus Termingeschäft (§ 23 I 1 Nr. 4 EStG), der Zahlende in Höhe des Barausgleichs plus Bankspesen einen entsprechenden Verlust (BMF BStBl. 2001 I 986, Tz. 31 bis 37) .
166
40. Zertifikate sind Schuldverschreibungen, die nicht laufend verzinst werden. Bei Fälligkeit des Zertifikats hat der Anleger Anspruch auf den Gegenwert – ausgedrückt in € – eines schwankenden Basiswerts. Bei ihm handelt es sich je nach den Zertifikatbedingungen um den Deutschen Aktien-Index (DAX-Partizipationsschein) oder um einen anderen Index (Index-Zertifikat) oder um den Kurswert einer Aktie (Aktien-Zertifikat) oder um den Kurswert eines Aktien-Korbes, in dem mehrere Aktien zusammengefasst sind (Basket-Zertifikat) oder um den Kurswert einer Währung (Währungs-Zertifikat) oder um den Kurswert von Metallen oder Agrarprodukten (Rohstoff-Zertifikat). Maßgebend ist jeweils, wie hoch der Basiswert am Stichtag ist. Das ist meist der siebente Tag vor Fälligkeit des Zertifikats.
168
Ist in den Emissionsbedingungen vorgesehen, dass der Anleger bei Fälligkeit des Zertifikats mindestens den Erwerbspreis zurück bekommt, so verbrieft das Zertifikat eine Kapitalforderung i.S. des § 20 I Nr. 7 EStG. Als steuerpflichtiger Ertrag wird der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Einlösung angesetzt (BFH BStBl. 2007 II 562). Dieser Unterschied ist allerdings Null, wenn sich der Basiswert bis zum Stichtag so entwickelt hat, dass der Anleger nur den Erwerbspreis zurück bekommt. Bei einer Veräußerung während der Laufzeit entstehen positive oder negative Einkünfte aus Kapitalvermögen. Da das Zertifikat keine Emissionsrendite hat, ist die Marktrendite anzusetzen. Das Halbeinkünfte-Verfahren gilt hier aber nicht, auch wenn es ein Aktien-Zertifikat ist, das eingelöst oder veräußert wird.
169
Philipowski
165
167
2044
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
170
Da das Entgelt für die Kapitalüberlassung unsicher ist, entstehen keinerlei Einkünfte aus Kapitalvermögen, falls die Rückzahlung des Erwerbspreises nicht zugesagt wurde und deshalb ebenfalls unsicher ist. In diesem Fall wird der Vorgang nur durch § 23 EStG erfasst. Wird das Zertifikat innerhalb eines Jahres nach Erwerb veräußert, so gehört der Gewinn oder der Verlust zu den positiven bzw negativen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (Rn. 33 ff). Wird das Zertifikat innerhalb eines Jahres nach Erwerb eingelöst, so entsteht ein Gewinn oder Verlust aus Termingeschäften (Rn. 58 ff). Der Verlust kann bis zum Totalverlust des aufgewendeten Erwerbspreises führen.
171
Um die Verlustrisiken zu begrenzen und das Zertifikat dadurch leichter absetzbar zu machen, ist in manchen Emissionsbedingungen vorgesehen, dass der Anleger bei Fälligkeit des Zertifikats, auch wenn der Kurs des Basiswerts abgestürzt ist, mindestens 90 % oder mindestens 60 % oder mindestens 40 % des ersten Emissionspreises ausgezahlt bekommt (Kapitalschutz-Zertifikat; Airbag-Zertifikat). Eine solche Klausel schließt natürlich nicht aus, dass der Basiswert steigt. Je höher die prozentuale Rückzahlungsgarantie ist, desto geringer ist allerdings die versprochene Teilhabe am Steigen des Basiswerts. Gleichwohl kommt es vor, dass der Anleger bei Fälligkeit des Zertifikats einen namhaften Überschuss erzielt. Führt dieser Überschuss zu steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen ? Legt man die Meinung der Finanzverwaltung zugrunde, wonach es für § 20 I Nr. 7 EStG ausreicht, dass die Rückzahlung eines Teils des Kapitalvermögens zugesagt wurde (Rn. 15), so wäre die Frage zu bejahen. Nach richtiger Auffassung ist sie aber zu verneinen. Das führt zu folgenden Ergebnissen: Wird das Zertifikat innerhalb eines Jahres nach Erwerb eingelöst, so ist der erzielte Gewinn ein solcher aus einem Termingeschäft, und dann ist er steuerpflichtig. Liegt dagegen zwischen Erwerb und Einlösung des Zertifikats ein Zeitraum von mehr als einem Jahr, so wird kein Steuertatbestand verwirklicht, und der erzielte Gewinn ist steuerfrei. Für den letztgenannten Fall (Haltedauer des Zertifikats länger als zwölf Monate) hat sich der BFH jetzt für eine Zwischenlösung entschieden, s. Rn. 15 am Ende.
172
Open End Zertifikate haben keine fixierte Endfälligkeit. Der Anleger hat aber das Recht, das Zertifikat jährlich zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. Ende März) gegen Auszahlung des dann maßgeblichen Zertifikatwerts an den Emittenten zurück zu geben. Diese Rückgabe wird steuerlich ebenso behandelt wie eine Einlösung bei Endfälligkeit.
173
41. Investmentanteile. Investmentvermögen sind Vermögen, die nach dem Grundsatz der Risikomischung angelegt sind in Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten, Derivaten, Bankguthaben, Grundstücken oder Unternehmensbeteiligungen. Zu den inländischen Investmentvermögen gehören Investmentfonds (Sondervermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft – KAG – für Rechnung der Anleger verwaltet werden) sowie Investmentaktiengesellschaften. Der Träger eines ausländischen Investmentvermögens kann jede Rechtsform haben, die im ausländischen Sitzstaat für zulässig erklärt wurde.
174
Die Investmentfonds heißen je nach der Anlageklasse, in die sie das von den Anlegern hereingeholte Geld hauptsächlich investieren: Aktienfonds, Rentenfonds, Geldmarktfonds, gemischte Fonds, Beteiligungsfonds oder Immobilienfonds. Hedgefonds versuchen, durch spekulative Geschäfte unabhängig vom Marktumfeld kurzfristig hohe Erträge zu erzielen. Dabei „wetten“ sie auf oder gegen Kursentwicklungen. Bei diesen Fonds handelt es sich um Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken, aber auch mit zusätzlichen Ertragschancen. Dachfonds investieren das von den Anlegern hereingeholte Geld in Anteile an anderen Investmentfonds und erreichen dadurch eine besonders breite
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2045
Risikostreuung. Spezialfonds sind Sondervermögen, die von höchstens 30 Anlegern gehalten werden; kein Anleger darf eine natürliche Person sein. Alle inländischen Investmentvermögen sind als solche von inländischen Ertragsteuern befreit. Die von inländischen oder ausländischen Investmentvermögen erwirtschafteten Erträge werden in Deutschland grundsätzlich so behandelt, als habe sie der einzelne Anleger persönlich in Höhe seiner Beteiligungsquote erzielt (Transparenzprinzip). Das gilt sowohl bei ausgeschütteten Erträgen als auch bei ausschüttungsgleichen (thesaurierten) Erträgen. Im einzelnen:
175
a) Soweit das Sondervermögen Aktiendividenden vereinnahmt und diese Einnahmen an den Anteilinhaber ausschüttet oder für ihn thesauriert, wird beim Anteilinhaber das Halbeinkünfteverfahren angewendet (§ 3 Nr. 40 EStG mit §2 II InvStG). Erwirbt das Sondervermögen Null-Kupon-Anleihen, so steigt der Wert des Sondervermögens durch die im Lauf der Zeit entstehenden Zinszuwächse. Dadurch kommt es auch beim Anteilinhaber zu einem Vermögenszuwachs. Dieser wird aber steuerlich – noch – nicht erfasst. Erst wenn der auf den Anteilinhaber entfallende Teil des Zinszuwachses an ihn ausgeschüttet wird oder ihm anlässlich der Rückgabe des Anteilscheins zufließt, unterliegt er bei ihm der ESt.
176
b) In einzelnen Punkten wird der Investmentanleger sogar steuerlich besser gestellt als ein Direktanleger. (1) Veräußert der Direktanleger Aktien innerhalb eines Jahres nach Erwerb, so wird ein realisierter Veräußerungsgewinn erfasst (Rn. 33 ff). Geschieht aber eine solche Veräußerung auf der Ebene des Sondervermögens, so bleibt beim einzelnen Anteilinhaber der auf ihn entfallende Teil des Veräußerungsgewinns steuerfrei (s. aber Rn. 182). (2) Kauft ein Direktanleger an der EUREX Optionen mit einer Laufzeit von höchstens einem Jahr und erhält er bei Ausübung der Option einen Barausgleich, so wird der dadurch erzielte Gewinn erfasst (Rn. 159). Erfasst werden auch die Optionsprämien, die jemand vereinnahmt, wenn er als Stillhalter Optionen verkauft (Rn. 163). Werden aber diese Geschäfte auf der Ebene des Sondervermögens vorgenommen, so bleibt beim einzelnen Anteilinhaber der auf ihn entfallende Teil der Erträge steuerfrei. (3) Diese Vergünstigungen gelten unabhängig davon, ob die vom Sondervermögen vereinnahmten Veräußerungsgewinne und Erträge an die Anteilinhaber ausgeschüttet oder für sie thesauriert werden (§ 1 III 3 und § 2 III Nr. 1 InvStG mit BMF BStBl. 2005 I 728, Tz. 15, 18, 37). (4) Die genannten Vergünstigungen gelten in gleicher Weise für Anteile an inländischen und für Anteile an ausländischen Investmentvermögen.
177
c) Die vorstehend skizzierten Steuerfolgen treten allerdings nur dann ein, wenn der Träger des Investmentvermögens die detaillierten Bekanntmachungsvorschriften des § 5 InvStG erfüllt. Die steuerbelastenden und die steuerentlastenden Tatsachen sind in doppelter Weise bekannt zu machen: im elektronischen Bundesanzeiger und außerdem (durch die depotführenden Stellen in Form von Ertragsgutschriften) den einzelnen Anlegern; bei ausgeschütteten Erträgen hat dies zeitgleich mit der Ausschüttung zu geschehen und bei ausschüttungsgleichen (thesaurierten) Erträgen spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs. Die in Deutschland ansässigen Träger von Investmentvermögen werden diese Pflichten in aller Regel schon aus aufsichtsrechtlichen Gründen erfüllen . Manche der im Ausland ansässigen Träger scheuen jedoch den damit verbundenen Arbeitsaufwand und die damit einhergehenden Kosten.
178
Werden (nur) die steuerentlastenden Tatsachen nicht bekannt gemacht, so kommt es zur Besteuerung der gesamten ausgeschütteten oder für den Anleger thesaurierten Erträge (§ 5 I 2 InvStG). Werden dagegen (auch) die steuerbelastenden Tatsachen nicht bekannt gemacht, so kommt es zu einer Pauschalbesteuerung: Beim Anleger sind neben den vollen Ausschüttungen 70 % des Mehrbetrages anzusetzen, der sich für einen Investmen-
179
Philipowski
2046
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
tanteil zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis ergibt; mindestens sind 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen (§ 6 InvStG). 180
d) Bei der Rückgabe des Anteilscheins (oder seiner Veräußerung) kann es zu Einkünften aus Kapitalvermögen und/ oder zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften kommen. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört der Zwischengewinn. Es handelt sich im wesentlichen um die Zinszuwächse (aus Null-Kupon-Anleihen usw), die im Sondervermögen entstanden, ihm aber noch nicht zugeflossen sind. Gibt der Anteilinhaber seinen Anteilschein zurück, so erhält er im Rücknahmepreis den auf ihn entfallenden Teil dieser Zinszuwächse. Dieser Betrag gehört bei ihm zu den steuerbaren Einnahmen (§ 2 I 1 InvStG).
181
e) Bei Erwerb des Anteilscheins muss im Ausgabepreis der bis dahin aufgelaufene Zwischengewinn bezahlt werden. Dieser verausgabte Zwischengewinn wird – ebenso wie verausgabte Stückzinsen (Rn. 21) – als negative Einnahme des Erwerbers erfasst.
182
f) Wird der Anteilschein innerhalb eines Jahres seit Erwerb zurückgegeben oder veräußert, so ist dies ein privates Veräußerungsgeschäft, das zu einem Gewinn oder Verlust führen kann. Anzuwenden ist das Berechnungsschema bei Rn. 40 . Von dem sich ergebenden Saldo ist jedoch der vereinnahmte Zwischengewinn (Rn. 180) abzuziehen. Außerdem ist der Veräußerungsgewinn zu kürzen um die ausschüttungsgleichen Erträge, die dem Anleger bereits als Einnahmen zugerechnet wurden, soweit sie sich noch werterhöhend im Veräußerungspreis befinden (Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei Umsetzung des Transparenzprinzips). Wird der Anteil an einem Aktienfonds veräußert, so enthält der Veräußerungspreis häufig den Gegenwert der Dividenden, die vom Fonds vereinnahmt wurden, dem Anleger aber noch nicht als Ausschüttung zugeflossen sind. Das Halbeinkünfteverfahren kann aber auf diese Gegenwerte nicht angewendet werden (§ 8 V InvStG).
183
42. Ausländische Quellensteuer. Wer bei einem deutschen Kreditinstitut ausländische Wertpapiere erwirbt, muß berücksichtigen, daß in vielen ausländischen Staaten (Quellenstaaten) die dort ansässigen Emittenten verpflichtet sind, bei der Auszahlung von Kapitalerträgen eine Kapitalertragsteuer (Quellensteuer) einzubehalten. Üblich sind Quellensteuersätze von 0 % bis 35 % für Dividenden und von 0 % bis 30 % für Zinsen.
184
a) Deutschland hat mit allen Industriestaaten und mit vielen Entwicklungsländern Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) – abgeschlossen. Danach verzichtet der Quellenstaat gegenüber den in Deutschland (Wohnsitzstaat) ansässigen Kunden ganz oder in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes auf die nach seinem nationalen Recht zu erhebende Quellensteuer. Das geschieht in unterschiedlicher Weise. In manchen Staaten behalten die Emittenten bei der Auszahlung von Kapitalerträgen, die für in Deutschland ansässige Kunden bestimmt sind, von vornherein keine Quellensteuer oder nur eine ermäßigte Quellensteuer ein. In anderen Staaten wird die Quellensteuer in voller Höhe einbehalten; dem in Deutschland ansässigen Kunden wird aber auf Antrag die materiell zu viel einbehaltene Steuer erstattet. Beim Erstattungsverfahren muß der Kunde eine Wohnsitzbescheinigung seines Finanzamts beibringen und bestimmte Fristen einhalten.
185
b) Die ausländischen Kapitalerträge unterliegen mit ihrem Bruttobetrag (vor Abzug der ausländischen Quellensteuer) der deutschen ESt. Die im Ausland einbehaltene und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende Quellensteuer wird aber auf die deutsche ESt angerechnet, allerdings nur auf den Teil der deutschen ESt, der auf die ausländischen Einkünfte entfällt (§ 34c I EStG). Es gibt also eine Anrechnungshöchstgrenze. Sie ergibt
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2047
sich aus der Formel: gesamter ESt-Betrag mal ausländische Einkünfte geteilt durch die Summe aller Einkünfte. Diese Grenze ist länderbezogen zu ermitteln. Die beim Kauf/Verkauf von ausländischen Anleihen verausgabten/vereinnahmten Stückzinsen lassen das Volumen der anrechenbaren Quellensteuer unberührt, mindern/erhöhen aber die in die Formel einzusetzenden „ausländischen Einkünfte“ und damit die Anrechnungshöchstgrenze. Hat der Kunde zum Kauf ausländischer Wertpapiere Kredit aufgenommen (z.B. bei einer inländischen Bank), so sind nicht etwa die vollen Wertpapiererträge als „ausländische Einkünfte“ anzusetzen, sondern nur der um die gezahlten Kreditzinsen geminderte Betrag (BFH BStBl. 1994 II 799). Seit 2003 gehören solche ausländischen Erträge, die im Quellenstaat nicht besteuert werden, nicht mehr zu den anzusetzenden „ausländischen Einkünften“ (neuer 3 des § 34c I EStG). Bei bestimmten Konstellationen fällt die Anrechnungshöchstgrenze sehr niedrig aus. Dann empfiehlt es sich, die ausländische Quellensteuer nicht anrechnen zu lassen, sondern sie bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte abzuziehen (§ 34c II EStG), und zwar wie WK.
186
187
c) Mit zahlreichen Quellenstaaten hat Deutschland vereinbart, dass die Emittenten jener Staaten zwar keine Quellensteuer einbehalten, dass aber die in Deutschland ansässigen Bezieher von Dividenden und Zinsen auf ihre Jahres-ESt-Schuld eine fiktive Quellensteuer anrechnen dürfen. Die Höhe dieser fiktiven Quellensteuer (meist 10% bis 20 %) und die Voraussetzungen der Anrechnung sind in den einzelnen DBA unterschiedlich geregelt. Wegen der Einzelheiten s. BMF BStBl. 1998 I 1554. Durch die Anrechnung erhöht sich die Rendite der Kapitalanlage. Ein Abzug der fiktiven Quellensteuer bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte ist allerdings nicht zulässig. 43. Darlehen, Kredit. Die vom Bankkunden gezahlten Zinsen sind bei der Ermittlung seiner steuerpflichtigen Einkünfte abzugsfähig, soweit sie mit ihnen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 2 II Nr. 2 mit § 9 I 3 Nr. 1 EStG). a) Ebenso abzugsfähig wie Zinsen sind Geldbeschaffungskosten, z.B. Bereitstellungszinsen sowie die Gebühren des Notars und des Grundbuchamts, die bei der Bestellung eines Grundpfandrechts zur Besicherung des Darlehns anfallen (BFH BStBl. 2003 II 399). Behält die Bank bei der Auszahlung eines Darlehns mit einem mehr als fünfjährigen Zinsfestschreibungszeitraum ein Disagio (Damnum) und/oder Bearbeitungs- und Auszahlungsgebühren ein, so hat der Darlehnsnehmer diese Beträge steuerlich auf den Zinsfestschreibungszeitraum zu verteilen (§ 11 II 3 EStG). Die Beträge sind jedoch sofort abziehbar, wenn sie marktüblich sind (§ 11 II 4 EStG). Das ist der Fall, wenn sie bei einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens 5 Jahren höchstens 5 % des Darlehnsbetrages ausmachen (BMF BStBl. 2003 I 546, Rn. 15).
188
b) Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den gezahlten Zinsen und den Einkünften aus Vermietung oder aus Kapitalvermögen ist gegeben, wenn das Darlehn zur Finanzierung der Anschaffung von solchen Grundstücken oder Wertpapieren verwendet wird, aus denen jetzt oder später Erträge fließen. Ein bloßer rechtlicher Zusammenhang (durch Belastung eines Grundstücks mit der das Darlehn sichernden Grundschuld) genügt nicht. Unerheblich ist andererseits, ob der Bankkunde ausreichende Eigenmittel hat und sie anstelle der Darlehnsmittel zum Bezahlen der AK einsetzen könnte. Der Kunde ist frei, wie er Eigen- und Fremdmittel verwendet (Grundsatz der Finanzierungsfreiheit). Seine Entscheidung ist, wenn sie tatsächlich durchgeführt wird, der Besteuerung zugrunde zu legen (BFH DB 2000, 2098). Das soll an zwei besonders wichtigen Beispielen verdeutlicht werden.
191
Philipowski
189
190
2048
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
192
c) Mancher Bankkunde erwirbt ein Hausgrundstück mit mehreren Wohnungen, von denen er eine selbst nutzt und die anderen vermietet. Finanziert er die AK teils mit Eigenund teils mit Fremdmitteln, so sind die in der Folgezeit gezahlten Zinsen nur anteilig abziehbar, nämlich in dem Verhältnis, in dem die Wohn-/Nutzfläche der vermieteten Wohnungen zur Wohn-/Nutzfläche des gesamten Gebäudes steht. Der Kunde kann aber auch anders vorgehen: Er veranlasst, daß im notariellen Kaufvertrag der Kaufpreis nach dem eben genannten Verhältnis aufgeteilt wird. Wenn er dann zur Bezahlung der AK, die auf die zu vermietenden Wohnungen entfallen, ein Darlehn aufnimmt und die Darlehnsvaluta mit einem entsprechenden Vermerk gesondert auf das Notar-Anderkonto überweist, kann er die für dieses Darlehn gezahlten Zinsen in voller Höhe bei der Ermittlung seiner Vermietungseinkünfte abziehen (BFH BFH/NV 2002, 1646; BMF DStR 2003, 832).
193
d) Entsprechendes gilt bei der Errichtung eines Gebäudes, das der Kunde teils zu eigenen Wohnzwecken und teils durch Vermietung nutzen will. Sammelt er die Eigenmittel und die Valuta des aufgenommenen Darlehns auf einem Baukonto und bezahlt er von diesem Konto die Bauunternehmer, so kann er die in der Folgezeit gezahlten Zinsen nur anteilig abziehen. Er kann aber auch veranlassen, daß die Bauunternehmer in ihren Rechnungen die Herstellungskosten – HK – für das Gebäude als solches (Fundament, Rohbau, Dach, Außenanstrich, Heizungsanlage) nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen aufteilen und die HK für den Innenausbau (Sanitäranlagen, Parkett, Fliesen und sonstige Bodenbeläge sowie Tapeten) wohnungsbezogen ausweisen. Wenn er dann zur Bezahlung der HK, die auf die zu vermietenden Wohnungen entfallen, ein Darlehn aufnimmt und die Darlehnsvaluta mit einem entsprechenden Vermerk gesondert an die Bauunternehmer überweist, kann er die zu zahlenden Zinsen in vollem Umfang abziehen (BFH BStBl. 1999 II 676, 678, 680).
194
e) Beim Kauf von Aktien auf Kredit sind die gezahlten Zinsen nur zur Hälfte abziehbar (§ 3c II EStG), und zwar deshalb, weil auch die vereinnahmten Aktiendividenden nur zur Hälfte erfasst werden (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG). Voraussetzung der (hälftigen) Abziehbarkeit ist allerdings, dass auf Dauer gesehen (maximal zehn bis zwölf Jahre) voraussichtlich mit einem – wenn auch nur geringen – Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu rechnen ist. Das kann der Fall sein, wenn nur ein Teil des Kaufpreises fremdfinanziert wird oder wenn nachweislich geplant ist, den zunächst aufgenommenen Kredit allmählich durch Eigenmittel abzulösen.
195
f) Hat der Kunde im Jahr 2004 oder in einem früheren Jahr für die Dauer von mindestens zwölf Jahren eine Lebensversicherung (Kapitalversicherung) gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil abgeschlossen, so sind die gezahlten Versicherungsprämien im Rahmen bestimmter Höchstbeträge als Sonderausgaben abzugsfähig (§ 10 I Nr. 2 Buchst. b mit III Nrn. 1, 2 und 4 EStG a. F.). Außerdem werden dann die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen, die der Versicherer auf die Sparanteile gutschreibt, nicht von der ESt erfaßt (§ 20 I Nr. 6 Sätze 2 bis 5 EStG a.F.). Diese beiden Vorteile lassen sich mit anderen Vorteilen kombinieren.
196
Nimmt nämlich der Kunde zum Bau eines Hauses oder zum Kauf eines Grundstücks ein Darlehn auf, so kann er mit der Bank vereinbaren, dass die Tilgung des Darlehns unter Einsatz der vom Versicherer auszuzahlenden Ablaufleistung erfolgen soll. Bis dahin wird er seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag sicherungshalber an die Bank abtreten. Bei einer solchen Gestaltung kann er die Darlehnszinsen steuerlich abziehen und die Versicherungszinsen steuerfrei vereinnahmen. Das Darlehn tilgt er dann zu einem erheblichen Teil aus unversteuerten Vermögenszuwächsen. Er muss allerdings darauf achten, dass mit dem Darlehn ausschließlich AK oder HK und nicht etwa auch Erhaltungsauf-
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2049
wendungen (Großreparaturen, Modernisierungsmaßnahmen) finanziert werden; Zinsansprüche der Bank dürfen durch die Versicherungsansprüche weder gesichert noch getilgt werden (§ 10 II 2 EStG a.F.; BMF BStBl. 1995 I 371 sowie 2000 I 1118 und 2002 I 476; zulässige Gestaltungsmöglichkeiten und Vertragsmuster bei Tischbein).
Anhang:
197
25 % Abgeltungsteuer Am 1.1.2009 kommt es zu massiven Steueränderungen bei Zinsen, Dividenden und anderen Kapitalerträgen, bei Optionsgeschäften und bei der Veräußerung von Wertpapieren und anderen Finanzinstrumenten (Art. 1 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.8.2007, BGBl. I S. 1912). Hier ein Überblick: – In einer Reihe von Fällen, in denen bisher keine Steuerpflicht besteht, werden neue Steuertatbestände eingeführt. – Bei allen Wertpapieren und sonstigen Finanzinstrumenten, und zwar unabhängig von der Haltedauer, sind künftig realisierte Wertzuwächse steuerpflichtig. – Dividenden und Gewinne aus Aktienverkäufen werden künftig nicht mehr zur Hälfte, sondern in vollem Umfang erfasst. – Werbungskosten, die tatsächlich entstehen, können nicht mehr steuermindernd abgesetzt werden. – Einkünfte aus Kapitalanlagen werden mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 % besteuert. – Die neuen Regeln gelten nur für Erträge aus privatem Kapitalvermögen. Für die anderen Einkunftsarten bleibt es dagegen bei der progressiven Einkommensteuer. Das führt zu einem radikalen Bruch im Einkommensteuersystem. – Um etwaige Missbräuche zu bekämpfen, wurden Ausnahmeregeln eingeführt. – Bei vielen Personen wird sich die Steuerbelastung mindern, bei anderen aber erhöhen. – Die Steuer wird künftig automatisch von den Banken einbehalten und ans Finanzamt abgeführt. Dadurch wird die Steuerpflicht der Bankkunden bei privaten Kapitaleinkünften erfüllt (abgegolten). – Die Verrechnung etwaiger Verluste wird teils erweitert, teils eingeschränkt.
Schon im Vorfeld zwingt die Neuregelung zu einem völligen Umdenken bei allen, die Zinsen oder Dividenden beziehen oder Wertpapiere veräußern (wollen). Nur wer sich informiert, kann die Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, die es beim Übergang von der bisherigen auf die neue Regelung gibt. Wenn Bankkunden und ihre Berater über neue Anlagestrategien nachdenken, werden sie die Vor- und Nachteile der neuen Regelung jeweils gesondert für Zinsen, Dividenden und andere Kapitalerträge prüfen. Aus diesem Grund ist dieser Anhang nach den Arten der Kapitalerträge gegliedert.
A. Zinsen aus Sparguthaben, Sparbriefen, Bundesschatzbriefen, Wertpapieren I. Steuerabzug durch Banken 1. Bei Gutschrift der Zinsen werden einbehalten und an das Finanzamt abgeführt:
a) bisher – 30 % Zinsabschlagsteuer – ZASt – (plus Solidaritätszuschlag – SolZ –) – bei Zinsen aus Wandelschuldverschreibungen, Gewinnobligationen und Genussscheinen: 25 % Kapitalertragsteuer – KapSt – (plus SolZ).
Philipowski
2050
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
b) künftig einheitlich – 25 % Abgeltungsteuer plus SolZ und plus Kirchensteuer – KiSt – (§ 43 I 1 Nrn. 2 und 7 mit § 43a I 1 Nr. 1 EStG n.F.) 2. Der Steuerabzug unterbleibt bisher und künftig bei einem vom Kunden erteilten Freistellungsauftrag bis € 801/1.602 (Alleinstehende/Verheiratete) oder bei einer vom Finanzamt ausgestellten Nicht-Veranlagungs-Bescheinigung. 3. Sichteinlagen mit Zinssatz bis 1 % und Sparzinsen bis jährlich 10 € a) bisher unterbleibt der Steuerabzug immer; b) künftig kommt es außerhalb eines Freistellungsauftrags oder einer Nicht-Veranlagungs-Bescheinigung zum Steuerabzug. 4. Über die einbehaltenen Abzugsteuern erhält der Kunde bisher und künftig eine Steuerbescheinigung der Bank. II. Tarifliche Einkommensteuer – ESt – Die Einkünfte aus aktiver Tätigkeit bilden den Grundstock des Einkommens. Zinsen und andere Kapitalerträge kommen „oben drauf “. Sie bilden die Spitze des Einkommens und unterliegen dem jeweiligen Grenzsteuersatz (= Belastung der letzten 1.000 € des hinzuverdienten Jahreseinkommens). Mit wachsendem Einkommen steigt der Grenzsteuersatz. Jahreseinkommen bis € 7.664/15.328 (Alleinstehende/Verheiratete) sind steuerfrei (Grundfreibetrag). – – – –
Oberhalb dieses Freibetrags beginnt der Grenzsteuersatz mit 15 %. Bei einem Jahreseinkommen von € 15.000/30.00 beträgt er 25 %. Bei Jahreseinkommen ab € 52.152/104.304 beträgt er 42 %. Bei Jahreseinkommen ab € 250.001/500.002 beträgt er 45 % („Reichensteuer“).
1. Eine ESt-Erklärung muss abgeben, wer ein Jahreseinkommen oberhalb des steuerfreien Grundfreibetrages hat.
a) bisher – In der ESt-Erklärung sind auch Kapitalerträge über € 801/1.602 anzugeben. – Das Finanzamt setzt die Jahressteuer fest (plus SolZ und Kirchensteuer). – Die von der Bank einbehaltenen ZASt- und KapSt-Beträge werden wie Vorauszahlungen auf die ESt angerechnet. – Je nach der Höhe der sonstigen Vorauszahlungen und des Grenzsteuersatzes muss der Kunde eine Nachzahlung leisten, oder ihm werden die einbehaltenen ZASt- und KapSt-Beträge ganz oder teilweise erstattet. b) künftig – Zinsen und andere Kapitalerträge brauchen nicht mehr in der ESt-Erklärung angegeben zu werden. – Bei ihnen wird die Steuerpflicht des Kunden durch den Steuerabzug abgegolten (§ 43 V EStG n.F.). – Ausnahmen unter 3 und 4. 2. Auswirkungen der künftigen Regelung: a) Entlastung bei Kunden mit Grenzsteuersatz über 25 %! b) Mehrbelastung bei Kunden mit Grenzsteuersatz unter 25 %? – Wenn der Kunde meint, dass sein Grenzsteuersatz unter 25 % liegt, kann er sich nach Ablauf des Jahres für die tarifliche ESt entscheiden (32d VI EStG n.F.). Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2051
– Das Wahlrecht kann nur einheitlich für alle Erträge ausgeübt werden, die nach neuem Recht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören (also für Zinsen, Dividenden und Investmenterträge sowie für Erträge aus Zertifikaten, aus Optionsrechten und aus Stillhaltergeschäften und schließlich für Wertpapier-Veräußerungsgewinne). – Eheleute, die sich zusammen veranlagen lassen, können das Wahlrecht nur einheitlich ausüben. – Das Wahlrecht für die tarifliche ESt wird dadurch ausgeübt, dass die Kapitalerträge und die einbehaltenen Steuerbeträge in der ESt-Erklärung angegeben werden (Bescheinigung der Bank beifügen!). – Bei der Festsetzung der ESt wird das Finanzamt die Kapitalerträge in das Jahreseinkommen einbeziehen, die Steuerabzugsbeträge anrechnen und einen Vorauszahlungs-Überschuss erstatten. – Vorab wird das Finanzamt von Amts wegen prüfen, ob es für den Kunden nicht doch günstiger ist, es bei der Belastung durch die 25%ige Abgeltungsteuer zu belassen. 3. Zinsen aus einem Geld- oder Depotkonto in CH, in F oder in LUX – Diese Zinsen unterliegen nicht der Abgeltungsteuer. – Sie müssen – wie bisher – in der ESt-Erklärung angegeben werden (§ 32d III EStG n.F.). – Das Finanzamt wird sie aber nicht nach dem progressiven ESt-Tarif besteuern, sondern mit dem Abgeltungsteuersatz von 25 % . 4. Zinsen aus einer Geldanlage bei Inanspruchnahme von Darlehen oder Kredit – Der Gesetzgeber hatte folgenden Fall vor Augen: Ein Kunde hat einen Betrieb oder eine vermietete Immobilie und will dort investieren. Zu diesem Zweck nimmt er ein Darlehen auf. Die gezahlten Darlehnszinsen mindern seine tariflich (z.B. mit 42 %) besteuerten Einkünfte aus dem Betrieb oder aus der Vermietung. Er hat aber frei verfügbares Kapital. Das legt er in Bankguthaben oder in verzinslichen Wertpapieren an. Werden die ihm gutgeschriebenen Zinsen nur mit 25 % Abgeltungsteuer belastet und kann er dadurch einen Vorteil aus dem Steuersatzgefälle ziehen? – Das Finanzamt wird die gutgeschriebenen Zinsen mit der tariflichen ESt belasten, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme des Darlehns und der Kapitalanlage besteht oder wenn die jeweiligen Zinsvereinbarungen miteinander verknüpft sind. Ausnahme: wenn die Zinsvereinbarungen marktüblich sind (§ 32d II Nr. 1 c EStG idF des JahressteuerG 2008 v. 20.12.2007, BGBl I S. 3150).
B. Dividenden aus Aktien und aus Geschäftsguthaben bei einer Genossenschaftsbank I. Steuerabzug 1. Bei Ausschüttung der Dividenden werden einbehalten und an das Finanzamt abgeführt:
a) bisher 20 % KapSt (plus SolZ) b) künftig 25 % Abgeltungsteuer (plus SolZ und plus KiSt) Das gilt auch bei Dividenden aus ausländischen Aktien, wenn diese von der inländischen Bank verwahrt werden. Die Bank wird aber die Abgeltungsteuer mindern um die anrechenbaren ausländischen Steuern (§ 43 I 1 Nr. 6, § 43a III EStG n.F.). Philipowski
2052
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
2. Freistellungsauftrag; Nutzung des Freistellungsvolumens von jährlich bis € 801/1.602 (Alleinstehende/Verheiratete)
a) bisher werden Dividenden nur mit 50 % angesetzt (Halbeinkünfteverfahren) b) künftig werden Dividenden mit vollen 100 % angesetzt (Wegfall des Halbeinkünfteverfahrens). 3. Genossenschaftliche Dividenden bis 51 € a) bisher können sie unabhängig vom Freistellungsvolumen ohne Steuerabzug gutgeschrieben werden; b) künftig kommt es außerhalb eines Freistellungsauftrags oder einer Nicht-Veranlagungs-Bescheinigung zum Steuerabzug. II. Tarifliche Einkommensteuer – ESt – 1. Höhe der Steuerbelastung
a) bisher: Dividenden sind nur mit der Hälfte des Grenzsteuersatzes belastet, also mit 50 % aus maximal 42 % = 21 %; bei der „Reichensteuer“ mit 50 % aus 45 % = 22,5 %. b) künftig sind sie stets mit vollen 25 % belastet. 2. ESt-Erklärung a) bisher sind auch die Dividenden in der ESt-Erklärung anzugeben, b) künftig wird die Steuerpflicht des Kunden durch den Steuerabzug abgegolten (Wahlrecht für die tarifliche ESt wie bei Zinsen, A II 2 b).
C. Erträge aus Investmentanteilen also aus Renten-, Geldmarkt- und Aktienfonds sowie aus gemischten Fonds und aus offenen Immobilienfonds Bisher bleiben die bei Rn. 177 genannten Investmenterträge stets steuerfrei, unabhängig davon, ob sie an die Anteilinhaber ausgeschüttet oder für sie thesauriert werden. Künftig werden diese Erträge steuerlich erfasst, wenn sie an die Anteilinhaber ausgeschüttet werden (Wegfall des bisherigen § 2 III Nr. 1 InvStG). Um diese Steuerpflicht zu vermeiden, werden die meisten Sondervermögen ab 2009 von einer Ausschüttung der genannten Ertragsteile absehen. Auf diese Weise wird dafür gesorgt, dass der Wert der Anteilscheine wächst und dass dieser Wertzuwachs beim Anteilinhaber (zunächst) steuerfrei bleibt. Stammen die vom Investmentvermögen ab 2009 erzielten Erträge aus der Veräußerung von Wertpapieren, die vor 2009 angeschafft wurden, oder aus Optionsgeschäften, die vor 2009 abgeschlossen wurden, so bleiben sie auch dann steuerfrei, wenn sie an die Anteilinhaber ausgeschüttet werden (Übergangsregelung, § 18 I InvStG n.F.). S. auch die Übergangsregelung im nachstehenden Abschnitt G. „Erträge aus der Veräußerung von Wertpapieren“. Werden die Investmenterträge steuerlich erfasst, so gilt folgendes: I. Steuerabzug durch Banken 1. Die an den Anteilinhaber ausgeschütteten oder für ihn thesaurierten Erträge unterliegen
a) bisher – der 30 %igen ZASt (plus SolZ), soweit sie aus den vom Fonds vereinnahmten Zinsen oder Mieten stammen, – der 20 %igen KapSt (plus SolZ), soweit sie aus Dividenden stammen. Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2053
b) künftig einheitlich – der 25 %igen Abgeltungsteuer plus SolZ und plus KiSt (§ 2 InvStG mit §§ 43 ff EStG n.F.). 2. Freistellungsauftrag; Nutzung des Freistellungsvolumens von jährlich bis € 801/1.602 (Alleinstehende/Verheiratete) a) bisher werden Erträge aus den vom Fonds vereinnahmten Dividenden nur mit 50 % angesetzt (Halbeinkünfteverfahren) b) künftig werden solche Erträge mit vollen 100 % angesetzt (Wegfall des Halbeinkünfteverfahrens). II. Tarifliche Einkommensteuer – ESt – 1. Höhe der Steuerbelastung
a) bisher: Erträge aus den vom Fonds vereinnahmten Dividenden sind nur mit der Hälfte des Grenzsteuersatzes belastet, also mit 50 % aus maximal 42 % = 21 %; bei der „Reichensteuer“ mit 50 % aus 45 % = 22,5 %. b) künftig sind sie mit vollen 25 % belastet. 2. ESt-Erklärung a) bisher sind auch die Investmenterträge in der ESt-Erklärung anzugeben, b) künftig wird die Steuerpflicht des Kunden durch den Steuerabzug abgegolten. Wahlrecht für die tarifliche ESt wie bei Zinsen (A II 2 b).
D. Erträge aus Zertifikaten Zertifikate sind Schuldverschreibungen, die nicht laufend verzinst werden. Sie beziehen sich auf einen bestimmten Basiswert (Aktie, Aktienkorb, Rohstoff usw). Bei Fälligkeit des Zertifikats hat der Anleger Anspruch auf einen Geldbetrag, der an den vereinbarten Basiswert gekoppelt ist. Inzwischen kann der Basiswert steigen, stagnieren oder sinken. Dann erhält der Anleger einen Ertrag, oder er geht leer aus. Bei Erwerb des Zertifikats ist also unsicher, ob der Anleger überhaupt einen Ertrag bekommt. Und die Rückzahlung des Erwerbspreises? Bei manchen Zertifikaten wird sie garantiert (in den Emissionsbedingungen), bei anderen nicht. I. Steuerabzug durch Banken 1. nur dann, wenn überhaupt ein Ertrag anfällt. Aber:
a) bisher – Steuerabzug nur dann, wenn die Emissionsbedingungen garantieren, dass bei Fälligkeit des Zertifikats mindestens der Erwerbspreis zurück gezahlt wird („Garantie-Zertifikat“). – In diesem Fall 30 % ZASt (plus SolZ) b) künftig – Steuerabzug ohne Rücksicht darauf, ob die Rückzahlung des Erwerbspreises zugesagt wurde oder nicht (§ 20 I Nr. 7 mit § 43 I 1 Nr. 7 EStG n.F.). – 25 % Abgeltungsteuer (plus SolZ und plus KiSt). 2. Übergangsregelungen für die Fälle, in denen die Rückzahlung des Erwerbspreises in den Emissionsbedingungen nicht zugesagt wurde (§ 52a X 8 EStG n.F.): Die bisherige Nicht-Erfassung etwaiger Erträge gilt auch in den Jahren ab 2009, Philipowski
2054
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
– wenn das Zertifikat vor dem 15.3.2007 erworben wurde oder – wenn es zwischen dem 15.3.2007 und dem 31.12.2008 erworben wurde/wird und etwaige Erträge bis zum 30.6.2009 zufließen. II. Tarifliche Einkommensteuer – ESt – 1. ESt-Erklärung
a) bisher sind Erträge sind nur dann anzugeben, wenn die Rückzahlung des Erwerbspreises garantiert wurde. b) künftig – sämtliche Erträge sind steuerpflichtig – die Steuerpflicht wird aber durch den Steuerabzug abgegolten – Wahlrecht für die tarifliche ESt wie bei Zinsen (A II 2 b).
E. Erträge aus Optionsrechten Eine Kaufoption bezieht sich auf einen bestimmten Basiswert (Aktie, Aktienkorb, Rohstoff usw). Steigt der Kurswert des Basiswerts während der Laufzeit der Option über den vereinbarten Basispreis, so kann der Inhaber das Optionsrecht ausüben und verlangen, dass ihm die Differenz zwischen Kurswert und Basispreis ausgezahlt wird. I. Wie ist es bisher ? Die Erträge gelten nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen; sie werden als „Gewinne aus Termingeschäften“ erfasst. 1. Steuerabzug durch Banken ? Nein. 2. Tarifliche Einkommensteuer – ESt –
a)
vereinnahmte Differenz ./. Anschaffungskosten des Optionsrechts = Ertrag.
b) Der Ertrag wird nur dann erfasst, wenn zwischen Erwerb und Beendigung des Optionsrechts höchstens ein Jahr liegt. c) Jahres-Freigrenze: 511,99 € . II. Wie ist es ab 1.1.2009? Die Erträge aus Optionsgeschäften werden ebenso wie Zinsen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gerechnet (§ 20 II 1 Nr. 3a EStG n.F.). Keine Freigrenze mehr. Statt dessen: 1. Steuerabzug durch Banken – Der Ertrag (E I 2 a) unterliegt stets der 25%igen Abgeltungsteuer (§ 43 I 1 Nr. 11 EStG n.F.). – Auf den Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Optionsrechts kommt es nicht an. 2. Einkommensteuer – ESt – – wird durch den Steuerabzug abgegolten. – Wahlrecht für die tarifliche ESt wie bei Zinsen (A II 2 b). 3. Übergangsregelung Bei Optionsrechten, die bis Ende 2008 erworben werden, gilt die bisherige Rechtslage auch noch in den Jahren ab 2009 (§ 52a X 3 EStG n.F.): – kein Steuerabzug bei Erträgen, die bei Fälligkeit des Optionsrechts vereinnahmt werden,
Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2055
– bei der tariflichen ESt wird ein Ertrag nur dann erfasst, wenn das Optionsrecht innerhalb eines Jahres nach Erwerb beendet wird.
F. Erträge aus Stillhaltergeschäften Wer eine Kaufoption verkauft (Stillhalter), vereinnahmt die Optionsprämie. Wenn innerhalb der Laufzeit der Option der Kurs des festgelegten Basiswerts über den vereinbarten Basispreis steigt, muss der Stillhalter die Differenz an den Inhaber der Kaufoption zahlen. I. Wie ist es bisher ? Die Erträge des Stillhalters gelten nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen; sie werden als „Einkünfte aus Leistungen“ erfasst. 1. Steuerabzug durch Banken? Nein. 2. Tarifliche Einkommensteuer – ESt –
a)
vereinnahmte Optionsprämie ./. die in einem etwaigen Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien = Ertrag. b) Der Ertrag wird erfasst ohne Rücksicht auf den Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Optionsrechts. c) Jahres-Freigrenze: 255,99 € . II. Wie ist es ab 1.1.2009 ? Die Erträge aus Stillhaltergeschäften werden ebenso wie Zinsen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gerechnet (§ 20 I Nr. 11 EStG n.F.). Keine Freigrenze mehr. Statt dessen: 1. Steuerabzug durch Banken – Der Ertrag (F I 2 a) unterliegt stets der 25%igen Abgeltungsteuer (§ 43 I 1 Nr. 8 EStG n.F.). – Auf den Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Optionsrechts kommt es nicht an. 2. Einkommensteuer – ESt – – wird durch den Steuerabzug abgegolten. – Wahlrecht für die tarifliche ESt wie bei Zinsen (A II 2 b).
G. Erträge aus der Veräußerung von Wertpapieren I. Steuerabzug durch Banken 1. bisher Als Einkünfte aus Kapitalvermögen gelten und dem 30%igen ZASt-Abzug unterliegen
a) Gewinne aus der Veräußerung – von Null-Kupon-Anleihen, – von Garantiezertifikaten, – von sonstigen „Finanzinnovationen“, – von aufgezinsten Bundesschatzbriefen (auch bei Rückgabe). b) Zwischengewinne aus der Veräußerung (oder Rückgabe) – von Investmentanteilen.
Philipowski
2056
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
2. künftig
a) An die Stelle der 30%igen ZASt tritt die 25%ige Abgeltungsteuer b) Der Kreis der Einkünfte aus Kapitalvermögen wird erweitert. Hierzu gehören künftig auch solche Erträge aus Finanzinstrumenten, die bisher zu den „Einkünften aus Privaten Veräußerungsgeschäften“ gerechnet werden (§ 20 II 1 Nrn. 1, 3b und 7 EStG n.F., § 8 VI InvStG n.F.). Unabhängig von der Haltedauer und mit ebenfalls 25%iger Abgeltungsteuer werden künftig als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst: Gewinne aus der Veräußerung – von Aktien (Gewinne werden mit 100 % angesetzt), – von Optionsrechten, – von Zertifikaten ohne Garantie, – von „normalen“ verzinslichen Wertpapieren, – von Investmentanteilen. c) Als Veräußerungsgewinn wird angesetzt: Veräußerungspreis minus Veräußerungskosten und minus Anschaffungskosten (§ 20 IV 1 EStG n.F.). d) Hat der Kunde zu verschiedenen Zeitpunkten und zu verschiedenen Anschaffungskosten Wertpapiere derselben Gattung erworben und lässt er sie girosammelverwahren, so gelten bei der Veräußerung eines Teilbestandes die zuerst angeschafften Papiere als zuerst veräußert (§ 20 IV 6 EStG n.F.). e) Werden Papiere an einer ausländischen Börse in ausländischer Währung gekauft und später verkauft, so werden die Anschaffungskosten und der Veräußerungspreis zu dem jeweils geltenden Währungskurs in Euro umgerechnet (§ 20 IV 1 HS 2 EStG n.F.). Die Gewinne und Verluste, die sich aus Währungsschwankungen ergeben, wirken sich also auch steuerlich aus. 3. Übergangsregelungen für Veräußerungen ab 1.1.2009 Gewinne/Verluste werden nicht erfasst, a) wenn Zertifikate ohne Garantie (§ 52a X 8 EStG n.F.) – vor dem 15.3.2007 erworben wurden und erst nach mehr als einem Jahr verkauft werden, oder – zwischen dem 15.3.2007 und dem 31.12.2008 erworben und erst nach mehr als einem Jahr, aber spätestens bis zum 30.6.2009 verkauft werden, b) wenn sonstige Wertpapiere oder Rechte, die in G I 2 b genannt sind, bis Ende 2008 erworben und erst nach mehr als einem Jahr verkauft werden (§ 52a X 1, 2, 4, 6 und 7 EStG n.F.). c) Eine besondere Übergangsregelung gilt für Anteile an inländischen oder ausländischen Spezial-Investmentvermögen sowie für Anteile an solchen Investmentvermögen, an denen sich natürliche Personen nur dann beteiligen dürfen, wenn sie sachkundig sind oder wenn sie sich mit mindestens 100.000 € beteiligen. Wurden diese Anteile bis zum 8.11.2007 erworben und werden sie ab 2009 veräußert oder zurück gegeben, so werden Gewinne und Verluste – ebenso wie bisher – steuerlich nicht erfasst. Werden die Anteile dagegen im Zeitraum vom 9.11.2007 bis zum 31.12.2008 erworben und ab 2009 veräußert oder zurück gegeben, so wird der Vorgang zwar steuerlich erfasst. Der Anleger kann aber den zu versteuernden Veräußerungsgewinn beschränken auf den Wert der rechnerisch anteilig auf ihn entfallenden Gewinne, die das InvestmentvermöPhilipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2057
gen bei der Veräußerung von ab 2009 angeschafften Wertpapieren erzielte und thesaurierte (§ 18 IIa InvStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008). – Diese besondere Übergangsregelung gilt nicht für Kleinanleger, die sich an typischen Publikumsfonds beteiligen. Diese Anleger können, wie vorstehend in Abschnitt b) dargelegt, auch noch in 2008 Fondsanteile erwerben, die nach Ablauf der Haltefrist von einem Jahr steuerfrei veräußerbar sind. 4. Exkurs: Erträge aus der Einlösung von endfällig gewordenen Papieren
a) bisher unterliegen dem Steuerabzug nur die Erträge aus abgezinsten Sparbriefen und aus den bei G I 1 a genannten Papieren b) künftig unterliegen dem Steuerabzug auch die Erträge (§ 20 II 2 EStG n.F.) – aus „normalen“ verzinslichen Wertpapieren – aus Zertifikaten ohne Garantie c) Übergangsregelung für Einlösungen ab 1.1.2009 Gewinne/Verluste werden nicht erfasst, – wenn „normale“ verzinsliche Wertpapiere bis 31.12.2008 erworben werden (§ 52a X 7 EStG n.F.), – wenn Zertifikate ohne Garantie (§ 52a X 8 EStG n.F.): – vor dem 15.3.2007 erworben wurden oder – zwischen dem 15.3.2007 und dem 31.12.2008 erworben und spätestens bis zum 30.6.2009 eingelöst werden. II. Tarifliche Einkommensteuer – ESt – 1. bisher unterliegen ihr (zum Grenzsteuersatz)
a) ohne Rücksicht auf die Haltedauer: die Gewinne aus der Veräußerung bzw Einlösung von abgezinsten Sparbriefen und der vorstehend bei G I 1 genannten Papiere b) wenn die Veräußerung innerhalb eines Jahres nach Erwerb stattfindet: – die Gewinne aus der Veräußerung von verzinslichen Wertpapieren, von Zertifikaten ohne Garantie, von Optionsrechten, von Investmentanteilen und von Aktien (bei diesen nur in Höhe von 50 %). – Für diese Gewinne (zusammen mit den Erträgen aus Optionsgeschäften gilt eine Jahres-Freigrenze von 511,99 €. 2. künftig – Die ESt wird durch den Steuerabzug abgegolten. – Wahlrecht für die tarifliche ESt wie bei Zinsen (A II 2 b).
H. Werbungskosten, Freibeträge, Freigrenzen, Pauschbeträge I. Wie ist es bisher ?
a) Als Werbungskosten – WK – sind abziehbar – Depotgebühren stets, – Zinsen für einen Kredit zum Kauf von Wertpapieren nur dann, wenn sie in „wirtschaftlichem Zusammenhang“ stehen mit den erwarteten Wertpapiererträgen oder mit steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen. b) Soweit WK mit Dividenden oder mit Veräußerungsgewinnen aus Aktien zusammenhängen, sind sie nur zu 50 % abziehbar (Halbabzugsverfahren). Philipowski
2058
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
c) Mindestens abziehbar von der Gesamtheit der Kapitalerträge ist der WK-Pauschbetrag von € 51/102. d) Außerdem abziehbar von der Gesamtheit der Kapitalerträge ist der Sparer-Freibetrag von € 750/1.500. e) Erträge aus Optionsgeschäften und aus Veräußerungsgewinnen (zusammen) bleiben bis € 511,99 unerfasst (Freigrenze). Für Erträge aus Stillhaltergeschäften beträgt die Freigrenze € 255,99 . II. Wie ist es ab 1.1.2009?
a) Der WK-Pauschbetrag und der Sparer-Freibetrag werden zusammengefasst zum Sparer-Pauschbetrag von € 801/1.602 (§ 20 IX EStG n.F.). b) Dieser Pauschbetrag ist abziehbar bei der Summe sämtlicher Kapitalerträge. Das sind künftig: Zinsen und Dividenden; Erträge aus Investmentanteilen, aus Zertifikaten, aus Optionsrechten und aus Stillhaltergeschäften sowie die Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren und Optionsrechten. c) Höhere Aufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Kapitaleinkünften stehen, sind nicht mehr als WK abziehbar. d) Es fallen weg: die bisherigen Freigrenzen von € 511,99 bei Erträgen aus Optionsrechten und Veräußerungsgewinnen sowie von € 255,99 bei Erträgen aus Stillhaltergeschäften.
J. Negative Kapitalerträge und Verluste, Verrechnung ab 2009 I. Die Bank bildet einen „Verrechnungstopf“ (= interne Nebenrechnung) 1. In der internen Nebenrechnung der Bank werden als Abzugsposten angesetzt: – die vom Kunden ab 1.1.2009 bezahlten Stückzinsen beim Kauf von verzinslichen Wertpapieren, – die vom Kunden ab 1.1.2009 bezahlten Zwischengewinne beim Kauf von Investmentanteilen (bei Rentenfonds und gemischten Fonds), – die Verluste des Kunden – beim Verkauf (bei der Einlösung) von Wertpapieren, die er ab 1.1.2009 erwirbt, – beim Verkauf (bei der Einlösung) von Optionsrechten, die er ab 1.1.2009 erwirbt, – beim Verkauf (bei der Einlösung) von Zertifikaten, – die er ab 1.1.2009 erwirbt oder – die er zwischen dem 15.3.2007 und dem 31.12.2008 erwirbt und erst nach dem 30.6.2009 veräußert/einlöst 2. Bezieht der Kunde in der Folgezeit (positive) Kapitalerträge, werden diese in der Nebenrechnung als Aktivposten angesetzt. 3. Nur eine positive Differenz ist Bemessungsgrundlage für die Abgeltungsteuer. Sie wird einbehalten bei Gutschrift der Kapitalerträge auf dem Kundenkonto und ans Finanzamt abgeführt (§ 43a III 2 EStG n.F.). 4. Verbleibt am Ende des Jahres ein Negativ-Saldo in der Nebenrechnung, so hat der Kunde ein Wahlrecht:
a) – Er kann bei der Bank eine Bescheinigung über die Höhe des nicht ausgeglichenen Verlusts beantragen – Antragsfrist: 15. Dezember – (§ 43a III 4 und 5 EStG n.F.). – Bei der ESt-Veranlagung kann er dann den Verlust verrechnen lassen mit Kapitalerträgen, die nicht der Abgeltungsteuer unterlagen (§ 32d IV EStG n.F.), also Philipowski
§ 67 Bankgeschäfte und Steuern
2059
mit Erträgen aus einem Bankkonto oder Depotkonto in CH, in F oder in LUX oder mit Gewinnen aus dem Verkauf von GmbH-Anteilen.
b) Unterlässt der Kunde den Antrag, so wird die Bank den nicht ausgeglichenen Verlustbetrag vortragen in den „Verrechnungstopf“ des nächsten Jahres (§ 43a III 3 EStG n.F.). c) Verluste aus Kapitalvermögen können nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden (§ 20 VI 2 EStG n.F.). 5. Sonderregelung für ab 2009 erworbene Aktien
a) Verluste aus dem Verkauf dieser Aktien dürfen nur abgezogen werden von Gewinnen aus dem Verkauf von ab 2009 erworbenen Aktien (§ 20 VI 5 EStG n.F.). b) – Verluste aus dem Verkauf aller übrigen ab 2009 erworbenen Wertpapiere und Optionsrechte und aus ab 2009 eingegangenen Stillhaltergeschäften – können abgezogen werden von allen ab 2009 erzielten Kapitalerträgen, auch von Zinsen und von Gewinnen aus dem Verkauf von ab 2009 erworbenen Aktien (§ 43a III 2 mit § 20 VI 1 EStG n.F.). II. Verrechnungen bei der ESt-Veranlagung
1. a) Wenn – Aktien oder – Investmentanteile oder – Zertifikate ohne Garantie der Rückzahlung des Erwerbspreises oder – Optionsrechte in 2008 erworben und vor Ablauf von 12 Monaten in 2009 verkauft werden (bei Investmentanteilen auch: zurückgegeben werden ; bei Optionsrechten auch: durch Geltendmachen beendet werden), b) entstehen „Alt-Gewinne“ und „Alt-Verluste“ aus privaten Veräußerungsgeschäften; sie unterliegen noch dem bisherigen Steuerrecht. 2. Nach Ablauf des Jahres 2009 erteilt die Bank dem Kunden auf Antrag eine Steuerbescheinigung. In ihr werden gesondert ausgewiesen: a) die vorstehend genannten „Alt-Gewinne“ und „Alt-Verluste“ sowie ein etwaiger „Alt-Verlust-Saldo“, b) die aus der Veräußerung von ab 1.1.2009 erworbenen Kapitalanlagen entstandenen „Neu-Gewinne“ und „Neu-Verluste“ sowie ein etwaiger „Neu-GewinnSaldo“, c) die sonstigen Neu-Erträge aus Kapitalanlagen (Zinsen und Dividenden) 3. Der bei 2 a genannte Alt-Verlust-Saldo kann verrechnet werden mit dem bei 2 b genannten Neu-Gewinn-Saldo (§ 23 III 9 EStG n.F.). a) Zu diesem Zweck muss der Kunde in seiner ESt-Erklärung einen entsprechenden Antrag stellen (Bescheinigung der Bank beifügen!). b) Das Finanzamt erstattet dem Kunden die von der Bank einbehaltene Abgeltungsteuer auf den Neu-Gewinn-Saldo, soweit dieser durch die Verrechnung verbraucht wird. 4. Einen verbleibenden Alt-Verlust-Saldo kann der Kunde nach dem gleichen Muster bei den ESt-Veranlagungen der folgenden Jahre verrechnen lassen (§ 23 III 10 EStG n.F.). Letztmals ist dies in 2013 möglich (§ 52a XI 11 EStG n.F.). Philipowski
2060
Kap. II – Kredit uKap. V – Öffentliches Bankrechtnd Kreditsicherheiten
K. Kirchensteuer 1. Bei Einkünften, die dem progressiven ESt-Tarif unterliegen, wird die KiSt bei der EStVeranlagung als Sonderausgabe abgezogen (§ 10 I Nr. 4 EStG n.F.). 2. Bei Kapitalerträgen hat der Kunde ab 2009 ein Wahlrecht:
a) Er kann bei der Bank unter Angabe seiner Religionszugehörigkeit beantragen (schriftlich !), dass neben der Abgeltungsteuer und dem SolZ auch die KiSt von der Bank einbehalten und abgeführt wird (§ 51a IIc EStG n.F.). – In einem ersten Rechenschritt ermäßigt die Bank die Abgeltungsteuer um 25 % der KiSt (32d I 3 bis 5 mit § 51a IIc EStG n.F.). – In einem zweiten Rechenschritt wird die Bank auf die geminderte Abgeltungsteuer den KiSt-Satz anwenden. b) – Unterlässt der Kunde den Antrag, so muss er in der ESt-Erklärung die Höhe der ihm einbehaltenen Abgeltungsteuer angeben (Bescheinigung der Bank beifügen!). – Das Finanzamt seinerseits wird dann die bei a genannten Rechenschritte vornehmen und die KiSt veranlagen (§ 51a IId EStG n.F.).
Philipowski
206
Kapitel VI Bankarbeitsrecht
Derleder
“This page left intentionally blank.”
§ 68 Bankarbeitsrecht
2063
§ 68 Bankarbeitsrecht
Schrifttum Borgmann, Ethikrichtlinien und Arbeitsrecht, NZA 2003, 352; Däubler, Das Arbeitsrecht 1, 16. Aufl. 2006; Das Arbeitsrecht 2, 12. Aufl. 2008; Gläserne Belegschaften? Datenschutz in Betrieb und Dienststelle, 4. Aufl. 2002; Zielvereinbarungen und AGB-Kontrolle, ZIP 2004, 2209; Zielvereinbarungen als Mitbestimmungsproblem, NZA 2005, 793; Däubler/Bertzbach (Hrsg.), Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Handkommentar, 2. Aufl. 2008; Däubler/Dorndorf/Bronin/Deinert, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2008; Däubler/Kittner/Klebe (Hrsg.), Kommentar zum BetrVG, 11. Aufl. 2008 (zitiert als DKK-Bearbeiter); Fitting, Handkommentar zum BetrVG, 24. Aufl., 2008; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, 2. Aufl. 2003; Grobys (Hrsg.), Arbeitsrecht in Kreditinstituten, 2003; Hanau/ Hromadka, Richterliche Kontrolle flexibler Entgeltregelungen in Allgemeinen Arbeitsbedingungen, NZA 2005, 73; Hauschka, Compliance, Compliance-Manager, Compliance-Programme: Eine geeignete Reaktion auf gestiegene Haftungsrisiken für Unternehmen und Management?, NJW 2004, 257; Hefendehl, Corporate Governance und Business Ethics: Scheinberuhigung oder Alternativen bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, JZ 2006, 119; Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.), Kommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2006 (zitiert als HWK-Bearbeiter); Höfer, Kommentar zum Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt (Stand Juni 2006); Hromadka, Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen, DB 2004, 1261; Hümmerich, Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2007; Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl. 2008 (zitiert als KDZ-Bearbeiter); Käufer, Weiterbildung im Arbeitsverhältnis, 2003; Kraft/Wiese u.a. Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, 2 Bände, 8. Aufl. 2005 (zitiert als GK-Bearbeiter); Küttner (Hrsg.), Personalbuch 2007, 2007; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, 2006; Lembke, Die Ausgestaltung von Aktienoptionsplänen in arbeitsrechtlicher Hinsicht, BB 2001, 1469; Lösler, Das moderne Verständnis von Compliance im Finanzmarktrecht, NZG 2005, 104; Löwisch, Der Grundsatz der freien Anlagenwahl im Recht der Vermögensbildung, FS Däubler, 1999, S. 473 ff.; Mauer, Zielbonusvereinbarungen als Vergütungsgrundlage im Arbeitsverhältnis, NZA 2002, 540; Mengel/Hagemeister, Compliance und Arbeitsrecht, BB 2006, 2466; Compliance und arbeitsrechtliche Implementierung im Unternehmen, BB 2007, 1386; Müller-Glöge/Preis/Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl. (zitiert als ErfK-Bearbeiter); Preis (Hrsg.), Der Arbeitsvertrag. Handbuch der Vertragspraxis und -gestaltung, 2. Aufl., 2005; Pulz, Personalbindung mit Aktienoptionen, BB 2004, 1107; Reim, Aktionenoptionsrechte, ZIP 2006, 1076; Riesenhuber/v Steinau-Steinrück, Zielvereinbarungen, NZA 2005, 785; Röder/Göpfert, Aktien statt Gehalt, BB 2001, 2002; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 12. Aufl. 2007; Seel, Wirksamkeit von Überstundenregelungen in Formulararbeitsverträgen, DB 2005, 1330; Tappert, Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf Aktienoptionsrechte von Arbeitnehmern, NZA 2002, 1188; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007; Thüsing/Lambrich, Das Fragerecht des Arbeitgebers – aktuelle Probleme zu einem klassischen Thema, BB 2002, 1146; Thüsing/Leder, Gestaltungsspielräume bei der Verwendung vorformulierter Arbeitsvertragsbedingungen – Besondere Klauseln, BB 2005, 1563; Tinnefeld/Ehmann/ Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, 4. Aufl. 2005; Tschöpe (Hrsg.) Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2007; Wisskirchen/Jordan/Bissels, Arbeitsrechtliche Probleme bei der Einführung internationaler Verhaltens- und Ethikrichtlinien, DB 2005, 2190; Worzalla, Die Wirksamkeit einzelner Arbeitsvertragsklauseln nach der Schuldrechtsreform – Entgelt, Arbeitszeit und Tätigkeit, Betriebsvereinbarungsund Tarifvertragsoffenheit, Änderung des Arbeitsvertrags, NZA 2006, Beil. 3, S. 122. Inhaltsübersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Einstellung und Ausgestaltung des Arbeitsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Das Einstellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 6 2. Zulässige und unzulässige Klauseln . . . . . 20 3. Fragen der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4. Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5. Nebenpflichten des Arbeitgebers . . . . . . . 57 6. Nebenpflichten des Arbeitnehmers . . . . . 63 7. Genehmigung von Nebentätigkeiten . . . . 69 8. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 9. Störfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
10. Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 11. Schriftform, Veränderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags . . . . . . . 94 12. Auslandsentsendung . . . . . . . . . . . . . . . . 96 13. Klauseln zu den Arbeitsergebnissen . . . . 97 III. Compliance-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. Zusatzpflichten nach sog. Ethikrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5. Whistleblower-Hotline . . . . . . . . . . . . . . 114
Däubler
2064
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
2. Aufhebungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . 124 4. Zeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
6. Einhaltung des Arbeitsrechts als Teil der Compliance? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Beendigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . 117 1. Freistellung während des Laufs der Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Stichwortverzeichnis Abgeltung von Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . 49 ff. AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen . . . . . . . . 20 ff. – Änderungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 – Arbeitnehmer als Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . 22 – Aufhebungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – ausgehandelte Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Auslegung zugunsten des Arbeitnehmers . . . . . 24 – Begriff AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Darlehensverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – Einschränkung von Mitarbeitergeschäften . . . 106 – geltungserhaltende Reduktion, Ausschluss . . . . 27 – Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 ff. – intransparente Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . 25 – Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – Reglementierung des persönlichen Verhaltens 111 – Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – überraschende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 23 – ungewöhnliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . 23 – Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ff. – AGB-Kontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 – bei Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 – Bindungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 – Haltefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 – Verfallklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 – Wartefrist für Bezug von Aktien . . . . . . . . . . . . 43 Allgemeine Vertragsbedingungen im Arbeitsrecht s. AGB-Kontrolle Änderungsvertrag und AGB-Kontrolle . . . . . . . . . 21 Anfechtung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber wegen unzutreffender Antworten . 16 Anzeige gegen den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . 115 Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Arbeitnehmer als Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 ff. – Arbeitskollege, geschädigter . . . . . . . . . . . . . . . 89 – Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 – Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 – Fahrlässigkeitsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 – Gefahrgeneigtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 – mitwirkendes Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . 87 – Schadenseintritt und Verschulden . . . . . . . . . . . 85 – Schwere des Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Arbeitsergebnisse, Recht an den . . . . . . . . . . . . . . 97 Arbeitsvertragspraxis im Kreditgewerbe . . . . . . . . . 2 Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ff. – Flexibilitätspuffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 – Mitbestimmung bei Überstunden . . . . . . . . . . . 51 – pauschale Abgeltung von Überstunden . . . . . . . 49 – Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Assessment-Center . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
AT-Angestellte und Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . 4 – tarifliche Abgeltung der Überstunden? . . . . . . . 56 – und Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ff. Aufhebungsvertrag und AGB-Kontrolle . . . . . . . . 21 Aufhebungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 ff. – Gebot fairen Verhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . 123 – Informationspflichten des Arbeitgebers . . . . . 122 Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers . 90 Ausgehandelte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Auslandsentsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Auslegung des Arbeitsvertrags zugunsten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . 93 Ausschreibung einer Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 19 Behinderung und Ausgestaltung der Arbeitsplätze 78 Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers . . . . 119 Bestechungsversuche, Anzeigepflicht . . . . . . . . . 109 Betriebsräte im Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Betriebsübergang und Aktienoptionsrechte . . . . . . 65 Betriebsübung und Internetnutzung . . . . . . . . . . . . 65 Beweislast bei Verstoß gegen Diskriminierungsverbote im Einstellungsverfahren . . . . . . . . . . . 17 Bewerbungsgespräch, Pflichten zur Offenlegung von bestimmten Umständen . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Bildschirmarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Bindungsfrist bei Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . 44 Branchenarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 99 ff. – Einhaltung des Arbeitsrechts? . . . . . . . . . . . . . 116 Compliance-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 ff. – Annahme von Geschenken und Gefälligkeiten 109 – Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 – Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ff. – Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 – Reglementierung des persönlichen Verhaltens 111 – Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Computersoftware und Urheberrecht des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Denunziationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Direktionsrecht und Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . 73 Diskriminierung – arbeitsrechtliche Pflicht zur Unterlassung von . 63 – bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses . . . . . 124 Diskriminierungsverbot – bei Ausschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – und Fragerecht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . 17 Doppelte Schriftformklausel, Unwirksamkeit . . . . 95 Ehrenämter, Arbeitsbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Eingebrachte Sachen des Arbeitnehmers . . . . . . . 59 Eingliederungsmanagement nach Erkrankung . . . 77 Einstellungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Einstellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 ff. – Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – Einstellungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 – Fragerecht des Arbeitgebers . . . . . . 10 ff. (s. dort) – genetische Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
– Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats . . . . . . 19 – Pflichten von Arbeitgeber und Bewerber . . . . . . 8 – Stellenbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Erkrankung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . 76 Erkrankung von Kindern und Entgeltfortzahlung . 79 Ethikrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 ff. – Bezugnahme im Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . 112 Faires Verhandeln bei Aufhebungsverträgen . . . . 123 Firmenparkplatz und Beschädigung von Fahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Formularverträge s. AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen Fragerecht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . 10 ff. – Anerkennung als Schwerbehinderter . . . . . . . . . 12 – Freizeitbeschäftigungen des Bewerbers . . . . . . 11 – gesundheitliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . 12 – Lohn- und Gehaltspfändungen . . . . . . . . . . . . . 15 – Schwangerschaft einer Bewerberin . . . . . . . . . . 12 – unzutreffende Antworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 – Vergütung, bisherige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – Vermögensverhältnisse des Bewerbers . . . . . . . 11 – Vorstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 – Wehrdienst, abgeleisteter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Freistellung während des Laufs der Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Freiwilligkeitsvorbehalt – bei laufenden Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – bei sonstigen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . 31 ff. Freizeitbeschäftigungen des Bewerbers . . . . . . . . . 11 Geltungserhaltende Reduktion, Ausschluss . . . . . . 27 Genetische Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Geschenke und Gefälligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 109 Gesundheitsschäden und Ersatzansprüche des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers . . . . . . . . . 60 – Bildschirmarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – Haftung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – Mitbestimmung des Betriebsrats und des Personalrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – Überforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Gewerbeaufsicht und Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . 53 Gläserner Bankangestellter . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Haftung eines Wertpapierhändlers . . . . . . . . . . . . . 91 Haltefrist bei Belegschaftsaktien . . . . . . . . . . . . . . 46 Hoheitliche Interventionen im Bankensektor . . . . . 3 Informationspflicht des Arbeitgebers bei Aufhebungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen . . . . . . . . 25 ff. Internetnutzung, private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 ff. Intransparenz von Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Intransparenz von Zusatzleistungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Kleiderordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 – Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 – veränderte Anschauungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Krankenrückkehrgespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Lage der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 – Direktionsrecht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . 54 Lohn- und Gehaltspfändungen, Frage nach – bei Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Manteltarifvertrag und Samstagsarbeit . . . . . . . . . 55 Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ff.
2065
– Mitarbeiter mit besonderen Funktionen . . . . . 104 Mitbestimmungsrechte – bei übertariflichen Leistungen . . . . . . . . . . . . . 36 – bei Zielvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 – Ethikrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 – Gesundheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – Kleiderordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 – Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Mitbestimmungsrechte bei der Einstellung . . . . . . 19 Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Namhaftmachung, Recht auf – als Urheber oder Erfinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Nebenpflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . 57 ff. – Bildschirmarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – eingebrachte Sachen des Arbeitnehmers . . . . . . 59 – Gesundheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – Rücksichtnahme auf die familiäre Situation des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 – Überforderung des Beschäftigten . . . . . . . . . . . 60 – Weiterqualifizierung der Arbeitnehmer . . . . . . 62 Nebenpflichten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . 63 ff. – Anzeige- und Nachweispflichten . . . . . . . . . . . 63 – Kleiderordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 – Preisgabe von Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – private Internetnutzung, Unterlassung? . . . . 64 ff. – Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Nebentätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 – Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung . . 70 – intransparente Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 – Vorträge und Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . 71 Private Internetnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 ff. Samstagsarbeit und Manteltarifvertrag . . . . . . . . . 55 Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Schriftformklausel, Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . 95 Schwangerschaft und Bewerbung . . . . . . . . . . . . . 12 Schwerbehinderung und Bewerbung . . . . . . . . . . . 12 Skill-Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Softwarepatente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Stellenbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Tarifverträge im Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – Abgeltung von Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . 56 – Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 – Samstagsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Transparenz – fehlende – bei Zusatzleistungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 – Nebentätigkeitsgenehmigung . . . . . . . . . . . . . . 70 – und Abgeltung von Überstunden . . . . . . . . . . . 50 Überraschende Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Überstunden, pauschale Abgeltung . . . . . . . . . . 49 ff. – Mitbestimmung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . 51 Übertarifliche Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ff. Ungewöhnliche Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Ungleichgewicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Unterlassungsanspruch des Betriebsrats . . . . . . . . 51 Urheberpersönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers . . 97 Urlaubszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Verbesserungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Verbraucher, Arbeitnehmer als – . . . . . . . . . . . . . . 22 Verfallklauseln bei Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . 44 Vergütung, bisherige, und Einstellungsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Däubler
2066
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
Verjährung und Ausschlussfristen . . . . . . . . . . . . . 92 Vermögensverhältnisse eines Bewerbers . . . . . . . . 11 Verschwiegenheitspflicht von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63, 107 f. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 ff. – Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 – Beteiligung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . 75 – erweitertes Direktionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 73 – typische Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Versetzungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Vertrauensarbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Vertraulichkeit von Bewerbungen . . . . . . . . . . . . . . 9 Vorstrafen, Frage nach – bei Einstellung . . . . . . . . 13 Vorträge und Veröffentlichungen als Nebentätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Weiche Ziele bei Zielvereinbarungen . . . . . . . . . . 36 Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Weiterbildungskosten, Rückzahlung . . . . . . . . 35, 44 Weiterqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Wertpapierhandel und Compliance-Regeln . . . . . . 99 Whistleblower-Hotline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 ff. – Angabe der Widerrufsgründe . . . . . . . . . . . . . . 33 – Anteil der widerruflichen Vergütung am Gesamtentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – unklare Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 – Vorliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 ff. Wissen, Umgang mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Zeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Zielerreichungsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Zielvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 ff. – Erfolgsgarantie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 – Freiwilligkeitsvorbehalt für Bonus? . . . . . . . . . 40 – Mitbestimmung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . 41 – Rahmenvereinbarung und Einzelabrede . . . . . . 27 – weiche Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 – Zielerreichungsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Zusatzvergütung für Sonderleistungen . . . . . . . . . 97 – pauschale Abgeltung im Arbeitsvertrag? . . . . . 98
1
I. Einleitung. Das deutsche Arbeitsrecht erfasst grundsätzlich alle Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik tätig sind. Mitarbeiter in Kreditinstituten und Sparkassen unterliegen ihm daher in gleicher Weise wie Arbeiter eines Metallbetriebs, Verkäuferinnen im Supermarkt oder Zugbegleiter der Bahn AG. Mit Rücksicht auf die spezifischen Verhältnisse einzelner Branchen existieren allerdings Sonderregeln, die die allgemeinen Normen ergänzen, zum Teil auch modifizieren. Bisweilen finden sie sich in Spezialgesetzen wie etwa im Bergbau oder in der Seeschifffahrt. Häufiger und von größerer praktischer Bedeutung sind unterschiedliche Tarifverträge; als Beispiele mögen der Bausektor mit seinen Gemeinsamen Einrichtungen oder der öffentliche Dienst mit seinen Annäherungen an den Beamtenstatus stehen. Weniger sichtbar sind Differenzierungen, die sich aus der Natur der Arbeitgebertätigkeit ergeben; wer in verantwortlicher Stelle in einem Tendenzbetrieb oder bei Kirchen beschäftigt ist, hat weitergehende Pflichten als andere zu erfüllen. In den vergangenen 20 Jahren sind bei zahlreichen Tätigkeiten intensive staatliche Reglementierungen hinzugekommen. Kernkraftwerke oder gefährliche chemische Anlagen, die unter die Störfallverordnung fallen, sind hierfür nur die prominentesten Beispiele.
2
Das Kreditgewerbe gehört nicht zu den Branchen, bei denen man traditionellerweise Sonderregeln erwartet. Allerdings gibt es eine durchaus spezifische Arbeitsvertragspraxis, die sich beispielsweise in weitgehenden Geheimhaltungspflichten niederschlägt. Üblicherweise werden Musterverträge abgeschlossen, die seit 1.1.2002 der AGB-Kontrolle unterliegen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) und die in vielen Fällen noch nicht an diesen neuen rechtlichen Rahmen angepasst sind. Insoweit bedarf es einer eingehenden Durchsicht. Empirische Grundlage ist die Praxis von fünf Bankhäusern, die in unterschiedlichen Bereichen angesiedelt sind (Einzelheiten unten II).
3
Auch im Bankenbereich haben hoheitliche Interventionen drastisch zugenommen. Dies betrifft etwa die Geldwäscheprävention (§ 70 in diesem Buch), aber auch das Kreditgeschäft (§ 10 ff. in diesem Buch ) und insbesondere die Insider-Regeln nach §§ 12 ff. WpHG sowie das Verhalten bei Wertpapiergeschäften (§§ 31 ff. WpHG). Beides ist an anderer Stelle abgehandelt (§ 52 in diesem Buch). Unter dem Stichwort „Compliance“ sind daneben weitere Regeln entwickelt worden, die sich insbesondere auf Mitarbeitergeschäfte im Wertpapierhandel beziehen, die aber bis hin zu einem Ethik-Kodex für alle
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2067
Beschäftigten und der Einrichtung einer Whistleblower-Hotline führen können. Hier ergeben sich zahlreiche noch nicht abschließend geklärte Rechtsfragen (unten III). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses provoziert erfahrungsgemäß die meisten Streitigkeiten; deshalb ist diesem Bereich ein besonderer Abschnitt gewidmet (unten IV). Inhaltlich geht es insbesondere um die Freistellung während des Laufs der Kündigungsfrist, um Aufklärungspflichten beim Aufhebungsvertrag und um Probleme der Altersdiskriminierung („kein Investmentbanker über 40“). Die hier zu behandelnden Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne sind nur zu einem Teil aus dem Arbeitsvertrag ersichtlich. Viele finden sich in den Tarifverträgen für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken, die im Folgenden nach dem Stand vom Juni 2006 zugrunde gelegt werden (abrufbar unter www.agvbanken.de). In den Arbeitsverträgen der „tariflichen Mitarbeiter“ wird üblicherweise auf diese Tarifwerke verwiesen. Sie sind also auch dann zu beachten, wenn der fragliche Arbeitnehmer nicht Gewerkschaftsmitglied ist. „Außertarifliche Angestellte“ sind nach § 1 Abs. 3 Manteltarif nur dann ausgenommen, wenn ihr Gehalt über dem der höchsten Tarifgruppe liegt und wenn ihre sonstigen Bedingungen nicht schlechter als die tariflich vorgesehenen sind. Bei allen Einzelfragen des Arbeitsvertrags, bei zusätzlichen Compliance-Pflichten und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist unter diesen Umständen immer auch eine mögliche tarifliche Regelung in Betracht zu ziehen.
4
In privaten Banken existieren in der Regel Betriebsräte, in öffentlich-rechtlichen Banken und Sparkassen Personalräte. Beiden stehen Mitbestimmungsrechte und sonstige Beteiligungsmöglichkeiten zu. Für Betriebsräte ergeben sie sich aus dem BetrVG, bei Personalräten aus dem jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetz, bei der Deutschen Bundesbank aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz. Nur soweit man diese Rechte und etwa abgeschlossene Betriebsvereinbarungen mit in Betracht zieht, erhält man ein vollständiges Bild von der arbeitsrechtlichen Regelung eines bestimmten Sachbereichs.
5
II. Einstellung und Ausgestaltung des Arbeitsvertrags. 1. Das Einstellungsverfahren. a)Ausgangssituation. Bei einer Bewerbung und bei Einstellungsverhandlungen besteht in aller Regel ein fundamentales Ungleichgewicht. Der Arbeitsuchende ist gezwungen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, weil er nur so das zum Lebensunterhalt Notwendige verdienen kann (klar angesprochen auch in BAG AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation Bl. 2R; BAG AP Nr. 1 zu § 242 BGB Ruhegeld-Unterstützungskassen Bl. 3). Sozialleistungen wie das ALG II gewähren lediglich das absolut Notwendige, stellen aber keine wirkliche „Grundsicherung“ dar. Der Arbeitnehmer unterliegt einem „ökonomischen Kontrahierungszwang“. Umgekehrt hat der Arbeitgeber in der Regel die Wahl, welchen Bewerber er berücksichtigen will. Häufig würde es für ihn keine unzumutbare Belastung bedeuten, mit der Stellenbesetzung noch einige Zeit zuzuwarten, um die aus seiner Sicht optimale Arbeitskraft zu finden. Die ungleiche Verhandlungsmacht ist noch ausgeprägter, wenn der Bewerber zu einer Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt gehört, also beispielsweise älter als 50 Jahre ist oder keine abgeschlossene Berufsausbildung besitzt.
6
Der Arbeitgeber entscheidet nicht nur über die Einstellung als solche, sondern auch darüber, wie eine etwaige Stellenbeschreibung aussieht und welchem Anforderungsprofil die fragliche Person entsprechen muss. Weiter bestimmt er das Verfahren, entscheidet also über die Frage, ob eine innerbetriebliche oder eine öffentliche Ausschreibung erfolgt oder ob eine geeignete Arbeitskraft über die Arbeitsagentur oder durch ein Zeitungsinserat gewonnen werden soll. Dennoch erfolgen Bewerbungen nicht im rechtsfreien Raum; der Arbeitgeber hat bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten, darf etwa bei Aus-
7
Däubler
2068
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
schreibungen nicht auf die Merkmale des § 1 AGG abstellen, also beispielsweise nur einen Mann oder nur eine Frau oder einen EG-Staatsangehörigen oder eine „Verstärkung für unser junges dynamisches Team“ suchen. 8
b) Rechte und Pflichten im Bewerbungsverfahren. Bewirbt sich jemand auf eine offene Stelle, wird ein vorvertragliches Rechtsverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB begründet. Aus diesem folgen nach Treu und Glauben bestimmte wechselseitige Pflichten. Der Arbeitgeber muss beispielsweise die eingereichten Unterlagen sorgfältig aufbewahren, der Arbeitnehmer muss darauf hinweisen, dass er erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung steht. Im Bewerbungsgespräch müssen beide Seiten unaufgefordert alle Umstände offen legen, die die Durchführung des Vertrages unmöglich oder unzumutbar machen könnten. Der Arbeitnehmer muss etwa darauf hinweisen, dass er die für die Tätigkeit vorausgesetzte Prüfung noch gar nicht bestanden hat, der Arbeitgeber muss überdurchschnittliche Anforderungen sowie Gesundheitsgefahren ausdrücklich erwähnen.
9
Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrags haben ähnlich wie die Personalakte vertraulichen Charakter. Erfährt der Bewerber beispielsweise Interna des Arbeitgebers, z. B. die Namen der wichtigsten Kunden oder erhält der Arbeitgeber Kenntnis von gesundheitlichen Problemen des Bewerbers, so ist ersichtlich beides geheim zu halten. Darüber hinaus dürfen ohne Einwilligung der anderen Seite auch sonstige Angaben nicht an Dritte weitergegeben werden; insbesondere muss sich ein ungekündigter Arbeitnehmer darauf verlassen können, dass die Bewerbung seinem bisherigen Arbeitgeber nicht bekannt wird (Tinnefeld/Ehmann/Gerling, S. 558). Eine Pflichtverletzung würde dem Betroffenen gegenüber zum Schadensersatz verpflichten.
10
11
12
c) Begrenzung des arbeitgeberseitigen Fragerechts. Der Arbeitgeber darf im Bewerbungsgespräch sowie im Personalfragebogen nur nach Tatsachen fragen, an deren Kenntnis er ein „berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse“ hat (grundlegend BAG AP Nr. 2 zu § 123 BGB; zuletzt BAG DB 2003, 396; im Grundsatz ebenso BVerfG EuGRZ 1997, 279). Dies ist nur dann anzunehmen, wenn sein Informationsbedürfnis so gewichtig ist, dass es den Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers beanspruchen kann (Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1146). Die Information muss sich deshalb auf das Arbeitsverhältnis beziehen, darf nicht Grundlage für eine mögliche Diskriminierung sein und nicht gegen einzelne gesetzgeberische Wertungen verstoßen. Wichtig könnten im Bankenbereich die folgenden Punkte sein: – Für das Arbeitsverhältnis irrelevant sind Freizeitbeschäftigungen des Bewerbers einschl. seiner Trinkgewohnheiten (Künzl, BB 1993, 1583) sowie Angaben über Verwandte und Bekannte. Auch die privaten Vermögensverhältnisse sind grundsätzlich tabu. Eine Ausnahme gilt dann, wenn nach zulässigen Compliance-Regeln (unten III) in einem bestehenden Arbeitsverhältnis entsprechende Dinge abgefragt werden dürfen. Wer sich um eine Position bewirbt, die erhebliche finanzielle Spielräume lässt, muss darüber hinaus monatliche Belastungen aus Zinsen und Tilgung sowie ihnen gegenüberstehende Einkünfte angeben. Auch nach einer möglichen Überschuldung kann in solchen Fällen gefragt werden. – Umstände, die zu einer Diskriminierung führen, dürfen nicht erfragt werden. – Dies gilt etwa für die Schwangerschaft einer Bewerberin, und zwar auch dann, wenn es sich um eine befristete Tätigkeit handelt (EuGH NZA 2000, 255 – Mahlburg; EuGH NZA 2001, 1241 – Tele Danmark). Inwieweit eine Ausnahme für Schwangerschaftsvertretungen besteht, ist noch nicht definitiv geklärt (dazu Däubler, Arbeitsrecht 2, Rn. 53; Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1146). Die Frage, ob bereits Wehr- oder Zivildienst abgeleistet wurde, kann sich nur an Männer richten und hat von daher diskriminierenden Charakter. Insoweit müssen dieselben Grundsätze wie bei der Schwanger-
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2069
schaft gelten (DKK-Klebe, § 94 Rn. 20; GK-Kraft/Raab, § 94 Rn. 28; HWK-Thüsing, § 123 BGB Rn. 27 m. w. N.). – Nach der Anerkennung als Schwerbehinderter oder als Gleichgestellter darf entgegen der überkommenen Rechtsprechung des BAG (AP Nr. 40 zu § 123 BGB) nicht mehr gefragt werden; die Literatur ist sich insoweit praktisch einig (s. statt aller Brors, DB 2003, 1734 ff.; Deinert, in: Neumann (Hrsg.), § 17 Rn. 7 ff.; Grobys, S. 21; DKKKlebe, § 94 Rn. 13; Düwell, BB 2006, 1741 (1743); ErfK-Preis, § 611 BGB Rn. 274; KR-Etzel, §§ 85 – 90 SGB IX Rn. 32; Rolfs/Paschke, BB 2002, 1261; a. A. Schaub, NZA 2003, 299 f.). Der Arbeitgeber ist allerdings befugt, die gesundheitliche Eignung des Arbeitnehmers für die in Aussicht genommene Tätigkeit zu erkunden. Ergeben sich hier Defizite, kann er ohne Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen Behinderung einen anderen Bewerber einstellen oder auf die Besetzung der Stelle verzichten. – Nach st. Rspr. des BAG darf nicht nach Vorstrafen schlechthin, sondern nur nach „einschlägigen“ Vorstrafen gefragt werden (BAG AP Nr. 2 zu § 123 BGB, seither st. Rspr.). Der Kraftfahrer darf also nach Verkehrsdelikten, der Kontoführer oder Kassierer nach Vermögensdelikten gefragt werden. Ein polizeiliches Führungszeugnis würde auch die nicht einschlägigen Vorstrafen ausweisen, weshalb der Arbeitgeber seine Vorlage nicht verlangen darf (Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn. 217; Linnenkohl, AuR 1983, 135; Wohlgemuth, DB 1985, Beil. 21, S. 6). – Die bisherige Vergütung kann dann in die Einstellungsverhandlungen eingehen, wenn der Bewerber diese bewusst als „Minimum“ ins Spiel bringt. Tut er dies nicht, würde eine entsprechende Frage lediglich die Verhandlungsposition des Arbeitgebers verbessern und wird deshalb als unzulässig angesehen (Fitting, § 94 Rn. 21; im Grundsatz auch ErfK-Preis, § 611 BGB Rn. 279; s. weiter BAG DB 1984, 298 = BB 1984, 534). Dahinter steht die Wertung, dass das typischerweise bestehende Verhandlungsungleichgewicht nicht noch stärker zugunsten des Arbeitgebers verschoben werden soll.
13
14
Lohn- und Gehaltspfändungen hängen normalerweise nicht mit der beruflichen Tätigkeit, sondern mit Unterhaltspflichten oder mit Fehldispositionen im Konsumbereich zusammen. Gleichzeitig vermitteln sie jedoch den Eindruck, es handle sich um eine Person, die die eigenen Angelegenheiten jedenfalls nicht optimal zu steuern vermag. Aus diesem Grund wird auch diese Frage von der herrschenden Meinung für unzulässig erklärt (DKKKlebe, § 94 Rn. 19; Fitting, § 94 Rn. 21; GK-Kraft/Raab, § 94 Rn. 32; a. A. Richardi/Thüsing, § 94 Rn. 27). Kommt es bei der Tätigkeit in der Bank gerade auf die Fähigkeit zu wirtschaftlich sinnvollen Dispositionen an, wird man mit Rücksicht auf ein überwiegendes Arbeitgeberinteresse jedoch eine Ausnahme machen müssen.
15
Wird eine unzulässige Frage gleichwohl gestellt, darf der Bewerber sie unrichtig beantworten („Bundeswehr abgehakt“, „Ich bin nicht schwanger“). Der Arbeitgeber kann in einem solchen Fall den Arbeitsvertrag nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten (so bereits BAG AP Nr. 2 zu § 123 BGB; ebenso in der Literatur etwa ErfK-Dieterich, Art. 2 GG Rn. 98). Die Diskriminierungsverbote schließen es überdies aus, dass der Arbeitgeber wegen Irrtums über eine „verkehrswesentliche Eigenschaft“ den Arbeitsvertrag nach § 119 Abs. 2 BGB anficht. Dies ist für den Fall der Schwangerschaft ausdrücklich entschieden worden (EuGH NZA 2003, 373 Tz. 49 – Wiebke Busch), muss jedoch auch in anderen Fällen gelten (Däubler/Bertzbach-Däubler, AGG, § 7 Rn. 276). Die Entscheidung des BAG (DB 1991, 1943), wonach die Unkenntnis über eine Geschlechtsumwandlung einen Anfechtungsgrund darstellen soll, ist deshalb überholt.
16
Unzulässige Fragen nach den Merkmalen im Sinne des § 1 AGG wie ethnische Zugehörgkeit, Behinderung usw. stellen überdies ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass im Ein-
17
Däubler
2070
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
stellungsverfahren gegen Diskriminierungsverbote verstoßen wurde. Nach § 22 Abs. 1 AGG muss in einem solchen Fall der Arbeitgeber den Nachweis führen, dass ausschließlich andere Gesichtspunkte bei der Einstellungsentscheidung eine Rolle gespielt haben (Däubler/Bertzbach-Bertzbach, § 22 Rn. 58). 18
d) Weitere Erkenntnismöglichkeiten Einstellungsuntersuchungen sind grundsätzlich zulässig, dürfen jedoch nur die gesundheitliche Abklärung für die in Aussicht kommende Tätigkeit zum Gegenstand haben. Der Arzt ist nicht berechtigt, dem Arbeitgeber darüber hinaus einzelne Diagnosedaten mitzuteilen. Diese unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht (Keller, NZA 1988, 562 f.). Er ist lediglich auf Schlussfolgerungen beschränkt, wobei im positiven Falle durchaus graduelle Unterscheidungen wie „mit Einschränkungen geeignet“, „geeignet“ oder „hervorragend geeignet“ gemacht werden dürfen. Der Bewerber kann den Arzt nicht von der Schweigepflicht entbinden, da ihm hierfür die nötige Entscheidungsautonomie fehlt (näher Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn. 227). Zu psychologischen und genetischen Tests sowie zu Auswahlverfahren in AssessmentCentern s. Däubler, Arbeitsrecht 2, Rn. 72 ff.).
19
e) Mitbestimmungsrechte Der Betriebsrat kann nach § 93 BetrVG verlangen, dass freie Stellen innerbetrieblich ausgeschrieben werden. Geschieht dies nicht, kann er einer gleichwohl vom Arbeitgeber gewünschten Einstellung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG die Zustimmung versagen. Weiter besitzt der Betriebsrat nach § 94 ein Mitbestimmungsrecht über Inhalt und Verwendung von Personalfragebögen, die auch die Natur einer Gesprächsgrundlage haben können. Auswahlrichtlinien fallen unter § 95 Abs. 1 und 2 BetrVG (Einzelheiten zu den Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei Däubler, Arbeitsrecht 1, Rn. 1024 ff.).
20
2. Zulässige und unzulässige Klauseln. Dass von Banken abgeschlossene Arbeitsverträge gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB oder gegen die guten Sitten nach § 138 BGB verstoßen, ist – soweit ersichtlich – bisher nicht zum Problem geworden. Möglich ist jedoch, dass einzelne Vertragsbestimmungen wegen Verstoßes gegen ein Gesetz oder einen Tarifvertrag unwirksam sind. Durch das „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) sind mit Wirkung vom 1. Januar 2002 die Grundsätze über die Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen auf Arbeitsverträge erstreckt worden. Soweit diese zum damaligen Zeitpunkt bereits bestanden, unterfielen sie erst ab 1. Januar 2003 dem neuen Recht (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB). Die Konsequenzen für die Auslegung und die rechtliche Überprüfung von arbeitsvertraglichen Klauseln sind beträchtlich.
21
a) Gegenstand der AGB-Kontrolle. Neben dem Arbeitsvertrag ist auch ein entsprechender Vorvertrag in die AGB-Kontrolle einbezogen (BAG NZA 2006, 539). Einvernehmliche Änderungen sowie Aufhebungsverträge sind ebenfalls erfasst (Däubler/ Dorndorf/Bonin/Deinert-Däubler, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Einl. Rn. 27 m. w. N.). Darlehensverträge, die die Bank zu Vorzugskonditionen mit einzelnen Beschäftigten abschließt, unterlagen schon vor der Schuldrechtsreform dem AGB-Recht (grundlegend BAG AP Nr. 3 zu § 23 AGB-Gesetz). Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen sind demgegenüber von der Kontrolle nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB ausgenommen.
22
b) Begriff der AGB. Die erfassten Vertragsbedingungen können aus einem Satz bestehen (was für Änderungsabreden bedeutsam ist), sich aber auch über vielen Seiten erstrecken. Entscheidend ist, dass sie von der Bank „vorformuliert“ wurden, was auch in der Weise geschehen kann, dass sie sich des Musters z. B. eines Verbandes bedient. Da der Arbeitnehmer von der Rechtsprechung zu Recht als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB an-
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2071
gesehen wird (BAG NZA 2005, 1111; BAG NZA 2006, 324, bestätigt durch BVerfG NZA 2007, 85), reicht es nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB aus, dass von einem Modell nur einmal Gebrauch gemacht wurde. Auch wird nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vermutet, dass die Bedingungen von der Bank „gestellt“ wurden. Dies hat zur Folge, dass eine AGBKontrolle nur dann ausscheidet, soweit einzelne Bedingungen „ausgehandelt“ wurden (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). Dies ist dann der Fall, wenn sie die Bank ernsthaft zur Disposition gestellt und der Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner eigenen Interessen hatte (so BAG NZA 2005, 1111, 1116 unter Bezugnahme auf BGH NJW 1998, 2600, 2601). Die bloße Bekundung der Bank, sie sei zu Verhandlungen über alle Punkte des Vertrages bereit, genügt nicht (BGH NJW 1987, 1634). In der Praxis wird daher so gut wie immer die AGB-Kontrolle Platz greifen. c) Kontrollprinzipien
23
– Ungewöhnliche Bestimmungen, mit denen der Arbeitnehmer nicht zu rechnen brauchte, werden nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsinhalt. „Ungewöhnlich“ sind Bedingungen dann, wenn sie von dem allgemein Üblichen, aber auch erheblich von dem abweichen, womit nach den Vertragsverhandlungen zu rechnen war. Weiter ist dieser Fall auch dann gegeben, wenn eine als solche nicht ungewöhnliche, aber den Arbeitnehmer erheblich belastende Klausel unter falscher oder nichtssagender Überschrift im Vertrag „versteckt“ wurde. Voraussetzung ist weiter, dass der Betroffene vernünftigerweise nicht mit einer solchen Klausel rechnen musste; wurde er extra auf sie hingewiesen, fehlt es am Überraschungseffekt. – Denkbar ist, dass eine Klausel trotz aller Bemühungen verschiedene Auslegungen zulässt. Nach § 305c Abs. 2 BGB ist hier die „arbeitnehmerfreundlichste“ Lesart zu wählen (vgl. BAG NZA 2006, 202). Ist eine der Auslegungsvarianten (d. h. die „arbeitnehmerfeindlichste“) rechtswidrig, so ist die Klausel insgesamt hinfällig. Anders zu entscheiden würde bedeuten, dass der Arbeitgeber den Versuch machen könnte, über das Maß des Zulässigen hinauszugehen, ohne dabei die Gültigkeit der Abmachung zu riskieren. Die entsprechende Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1992, 1097, 1099; BGH NJW 1994, 1798, 1799) hat auch im Arbeitsrecht Zustimmung gefunden (LAG Köln AuR 2006, 251; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 261; Hromadka, NJW 2002, 2526; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn. 261; MünchKommBGB-Basedow, § 305c Rn. 41; Preis/Roloff, RdA 2005, 144, 149 u. a.). – Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers auch darin, dass die Vertragsbedingungen nicht „klar und verständlich“, d. h. intransparent sind. Ein marktkonformes Verhalten setzt voraus, dass das gesamte Angebot des Verwenders erfasst und mit anderen Angeboten verglichen werden kann. An Transparenz fehlt es allen Regelungen, die so kompliziert sind, dass ein „durchschnittlich verständiger“ Arbeitnehmer sie nicht nachvollziehen kann, zumal von ihm keine Rechtskenntnisse verlangt werden. Die Transparenz ist aber auch dann nicht gegeben, wenn die Formulierung zwar vom Wortlaut her völlig klar ist, wenn sie den Arbeitnehmer aber zu Fehlschlüssen verleiten kann. Das BAG hat mit Recht betont, der Einzelne müsse wissen, was auf ihn zukomme, seine Pflichten müssten so genau umschrieben sein, dass er sich darauf einstellen könne (BAG NZA 2005, 465; BAG NZA 2006, 34, 36). – Der wohl wichtigste Teil der AGB-Kontrolle betrifft die inhaltliche Überprüfung der erfassten Verträge. Dabei ist allerdings – pauschal gesprochen – das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von vorneherein ausgenommen, es sei denn, insoweit würden ausnahmsweise rechtliche Regelungen existieren. In allen anderen Fällen ist zu fragen, ob ein Klauselverbot ohne Wertungsspiel-
Däubler
24
25
26
2072
27
28
29
30
31
32
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
raum (§ 309 BGB) oder ein Klauselverbot mit Wertungsspielraum (§ 308 BGB) verletzt ist oder ob eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegt, die nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB rechtswidrig ist. Dabei sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ zu berücksichtigen. – Wird eine Klausel nicht Vertragsinhalt oder ist sie wegen Verstoßes gegen das Transparenzprinzip oder aus inhaltlichen Gründen unwirksam, so bleibt der übrige Vertragsinhalt nach § 306 Abs. 1 BGB unberührt. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung. Eine „Anpassung“ der Klausel an das gerade noch Zumutbare findet nicht statt; eine sog. geltungserhaltende Reduktion ist ausgeschlossen (BAG NZA 2005, 1111, 1114; BAG NZA 2006, 150; allg. Meinung). Dies gilt sogar dann, wenn der Vertrag eine sog. salvatorische Klausel enthält, wonach statt unwirksamer Abmachungen eine Regelung gelten soll, die dem eigentlich Gewollten am nächsten kommt (BAG NZA 2005, 1111, 1115). In einzelnen Fällen kann durch die Unwirksamkeit einer Klausel eine Lücke im Vertrag entstehen, die seine Durchführbarkeit beeinträchtigt. Wird etwa die Arbeitszeit zu weitreichend flexibilisiert, so muss entschieden werden, in welchem Umfang der Arbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet ist. Hier bleibt als Ausweg eine sog. ergänzende Vertragsauslegung (BAG NZA 2006, 423, 428). 3. Fragen der Vergütung. Probleme macht in der Regel nicht das Festgehalt, das sich eindeutig aus dem Tarifvertrag bzw. dem Arbeitsvertrag ergibt. Zahlreiche juristische Zweifelsfragen ergeben sich jedoch im Zusammenhang mit Zusatzvergütungen. a) Pauschale Voraussetzungen. In vielen Fällen ist nur in ganz groben Umrissen oder überhaupt nicht festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine „Zulage“, ein „Bonus“ oder eine vergleichbare Leistung gewährt wird. Wenn es etwa heißt, der Bonus werde „unter Berücksichtigung der Ertragslage der Bank und nach individuellen Leistungsgesichtspunkten“ jedes Jahr neu festgelegt, so sind die Voraussetzungen im Grunde eine „black box“: Wie schlecht muss die Ertragslage sein, damit die Zahlung wegfällt, auch wenn die individuelle Leistung hervorragend war? Oder umgekehrt: Kann auch bei einer Gewinnexplosion die Zahlung auf einen symbolischen Betrag reduziert oder völlig verweigert werden, wenn die Leistung des Einzelnen zu wünschen übrig ließ? In wessen Hand liegt die Leistungsbeurteilung? Noch weniger kann der Einzelne voraussehen, was auf ihn zukommt, wenn es heißt, die Höhe des Bonus liege „im Ermessen der Bank“. In allen Fällen dieser Art fehlt die in § 307 Abs. 1 Satz 2 vorausgesetzte Transparenz, die Klausel kann als solche keinen Bestand haben. Bei einer dadurch notwendig werdenden ergänzenden Vertragsauslegung muss insbesondere auf die bisherige Praxis abgestellt werden (so BAG NZA 2006, 423, 428 für den Bereich der Arbeitszeit). b) Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt. Ist die Zusatzleistung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft oder gar betragsmäßig fixiert, so steht sie gleichwohl häufig unter „Freiwilligkeitsvorbehalt“. Bei monatlich zu bezahlenden Beträgen kommt dieser allerdings nicht in Betracht (BAG NZA 2007, 853 für eine Leistungszulage). In anderen Fällen unterscheidet die Rechtsprechung. – Zum einen ist es möglich, dass der Arbeitgeber eine Zusatzleistung so ausgestaltet, dass jedes Jahr neu über ihre Gewährung zu entscheiden ist. Die Bezeichnung als „freiwillig“ reicht hierfür allerdings nicht aus; hinzukommen muss sinngemäß oder ausdrücklich die Aussage, dass kein Anspruch für die Zukunft entstehe. – Die zweite Form liegt darin, dass die Leistung in der Zukunft widerrufen werden kann; ohne Widerruf muss sie weitergewährt werden.
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2073
Ist die Formulierung unklar, ist beispielsweise von einer „freiwilligen, widerruflichen Leistung“ die Rede, so findet die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB Anwendung; es wird daher die dem Arbeitnehmer günstigere zweite Variante, d. h. der Widerrufsvorbehalt angenommen (BAG NZA 2006, 746; zum Gesamtbereich s. auch Hanau/ Hromadka, NZA 2005, 73, 74). Ist die Vereinbarung nach dem 1.1.2002 getroffen worden, muss sie in groben Zügen die Gründe angeben, die für einen Widerruf maßgebend sein sollen; andernfalls ist die Klausel unwirksam (BAG NZA 2005, 465). Bei älteren Verträgen tritt diese Folge zwar auch ein, jedoch lässt das BAG (a. a. O.) den Vorbehalt nicht einfach wegfallen, sondern verlangt eine ergänzende Vertragsauslegung.
33
c) Zulässigkeitsgrenzen. Der Widerrufsvorbehalt darf sich auf höchstens 25 % der Gesamtvergütung beziehen (BAG NZA 2005, 465). Eine Erhöhung auf 30 % ist dann möglich, wenn es auch um den Ersatz für Aufwendungen geht, die wie die Kosten der Fahrt zum Arbeitsplatz normalerweise vom Arbeitnehmer selbst getragen werden (BAG NZA 2006, 423, 428). In diesen Richtwerten sieht das Gericht einen angemessenen Ausgleich zwischen den Belangen beider Seiten. Auch eine völlig freiwillige Leistung ohne Anspruch in der Zukunft darf keinen größeren Anteil ausmachen (ebenso Hanau/Hromadka NZA 2005, 73, 74).
34
Häufig findet sich die Klausel, dass die Leistung nur dann erbracht wird, wenn sich der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet. Auch dagegen bestehen Bedenken. Das BAG hat es für unzulässig erklärt, dass die vom Arbeitgeber übernommenen Weiterbildungskosten teilweise zurückzuerstatten sind, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von drei Jahren ende; hier hätte man nach Beendigungsgründen differenzieren und insbesondere die betriebsbedingte Kündigung ausnehmen müssen (BAG NZA 2006, 1042). Bei der Gewährung von Leistungen kann nichts anderes gelten, wenn diese primär die gezeigte Arbeitsleistung honorieren wollen. Anders wäre nur dann zu entscheiden, wenn es in erster Linie um einen Anreiz für künftige „Betriebstreue“ gehen würde: Hierfür wäre in der Tat keine Grundlage mehr vorhanden.
35
d) Mitbestimmung. Soweit eine Zusatzleistung AGB-rechtlich nicht zu beanstanden ist, bleibt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten. Kann der Einzelne durch seine Leistung die Höhe der Zuwendung unmittelbar beeinflussen, greift § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG ein, so dass auch der Umfang mitbestimmt werden kann. In allen anderen Fällen beschränkt sich die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auf die Verteilungskriterien.
36
e) Zielvereinbarungen. In der Praxis kommt es häufig zu Zielvereinbarungen. Werden bestimmte Ziele wie eine Umsatzsteigerung oder eine Erhöhung der verwalteten Depotwerte erreicht, entsteht für den Arbeitnehmer im Regelfall ein zusätzlicher Vergütungsanspruch, eine „Zielerreichungsprämie“. Zugrunde liegt meist eine Rahmenvereinbarung (die auch die Form einer Betriebsvereinbarung haben kann), in der die Grundsatzfragen geregelt sind. Sie wird durch die konkrete Zielvereinbarung mit dem einzelnen Arbeitnehmer oder einer Arbeitsgruppe ausgefüllt. Beide (nicht jedoch die Betriebsvereinbarung) unterliegen der AGB-Kontrolle (dazu Däubler, ZIP 2004, 2241; Riesenhuber/von Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785 ff.).
37
Werden sog. weiche Ziele vereinbart („hohe Kundenzufriedenheit“ als Ziel für den Vermögensmanager), so ist die Zielerreichung nur schwer nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (Mauer, NZA 2002, 540, 541). Liegt die Beurteilungskompetenz beim Arbeitgeber, ist der Arbeitnehmer schon wegen mangelnder Transparenz der Regelung in unangemessener Weise benachteiligt (Thüsing, AGB-Kontrolle Rn. 467). Ein Ausweg
38
Däubler
2074
39
40
41
42
43
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
könnte darin liegen, bei Meinungsverschiedenheiten eine unabhängige dritte Person als Schiedsgutachter entscheiden zu lassen. Nur eine Festlegung konkreter Ziele und ein objektives Beurteilungsverfahren tragen dem Transparenzgedanken Rechnung. Ist bei mehreren Zielen unklar, welche Bedeutung jedem von ihnen zukommt, so ist ihnen im Zweifel gleiches Gewicht beizumessen (Däubler, ZIP 2004, 2241; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rn. 477). Die Zielvereinbarung darf dem Arbeitnehmer keine Erfolgsgarantie auferlegen; sie will aus dem Arbeitsvertrag keinen Werkvertrag machen (Plander, ZTR 2002, 155, 161; Lakies, AGB-Kontrolle, Rn. 895). Würde gleichwohl Derartiges vereinbart, läge eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vor, da die Zielerreichung typischerweise nicht allein von seinem Arbeitseinsatz abhängt und da er überdies nicht die Verdienstchancen besitzt, die üblicherweise mit dem Abschluss von Werkverträgen, d. h. mit einer selbstständigen Tätigkeit verbunden sind. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wäre auch verletzt, wenn die Vergütung von der Erreichung eines Zieles abhängig gemacht würde, das wie z. B. der Bilanzgewinn vom einzelnen Arbeitnehmer nicht wirklich beeinflusst werden kann (Thüsing, AGB-Kontrolle, Rn. 466). Die im Falle der Zielerreichung vorgesehene Leistung darf nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden: Die Ungewissheit, ob man aus subjektiven Gründen oder wegen wirtschaftlicher Probleme des Unternehmens für die geleistete Zusatzarbeit überhaupt eine Vergütung erhält, ist dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten und stellt daher eine unangemessene Benachteiligung dar (dazu auch Küttner/Griese, Personalbuch 2007, Zielvereinbarung, Rn. 6, 18; Preis, Arbeitsvertrag, II Z 5 Rn. 16 ff.; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rn. 470 f.). Auch ein Widerrufsvorbehalt kann nur für die Zukunft wirken. Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Rahmenvereinbarung als auch in Bezug auf die konkrete Zielvereinbarung zu (Nachweise bei Däubler, NZA 2005, 793); s. auch Fitting, § 87 Rn. 498. f) Aktienoptionen. Sie werden insbesondere Führungskräften gewährt, die auf diese Weise das Recht erhalten, innerhalb bestimmter Fristen Aktien des Arbeitgeber- oder eines anderen Konzernunternehmens zu einem bestimmten Betrag zu beziehen (Küttner/ Röller, Personalbuch 2007, Aktienoptionen, Rn. 1 ff.). Die Entwicklung des Börsenkurses wird so zu einem Ziel auch für den einzelnen Mitarbeiter. Als Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers fällt die Einräumung von Optionsrechten grundsätzlich unter § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, unterliegt also keiner Angemessenheitskontrolle. Transparenzprobleme, die nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB zu berücksichtigen sind, können sich dadurch ergeben, dass die Bedingungen für den Bezug so diffus umschrieben sind, dass der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, welche Rechte ihm zustehen. Wird etwa auf den „verbesserten Auftritt des Unternehmens in der Öffentlichkeit“ abgestellt, so läge ein solcher Fall und damit eine nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB unwirksame Abrede vor (Reim, ZIP 2006, 1076). Eine hier notwendig werdende ergänzende Vertragsauslegung würde mangels anderer Anhaltspunkte vermutlich dazu führen, dass stattdessen auf die Steigerung des Bilanzgewinns (ohne außerordentliche Aufwendungen und Erträge) abgestellt würde. Der Arbeitnehmer kann dadurch unangemessen benachteiligt sein, dass er eine Wartefrist beachten muss, bevor er seine Optionsrechte ausüben und Aktien beziehen kann. § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG legt eine Mindestfrist von zwei Jahren fest, der Gesetzgeber hielt drei Jahre im Normalfall für angemessen (Nachweise bei Pulz BB 2004, 1108). Mit einer Verlängerung auf vier Jahre dürfte die Obergrenze erreicht sein. In der Regel ist während dieser Zeit auch eine Veräußerung der Optionsrechte ausgeschlossen; erfolgt sie gleichwohl, ist sie wegen Verstoßes gegen § 399 zweite Alternative BGB unwirksam (Pulz, BB 2004, 1108).
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2075
Ist die Wartezeit verstrichen, muss der Arbeitnehmer die Aktien nicht sofort beziehen, sondern kann sich während eines Zeitraums von bis zu zehn Jahren den ihm angemessen erscheinenden Zeitpunkt aussuchen oder auch ganz auf die Ausübung seiner Rechte verzichten, weil der Bezugspreis über dem Börsenkurs liegt. Hier setzen nun die Verfallklauseln ein, die verlangen, dass sich der Arbeitnehmer bei Ausübung seiner Rechte noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet. In Anlehnung an §§ 624 BGB, 15 Abs. 4 TzBfG, wonach der Arbeitnehmer spätestens nach fünf Jahren sein Arbeitsverhältnis kündigen kann, wird zum Teil eine Bindungsfrist von fünf Jahren für zulässig gehalten (Baeck/Diller, DB 1998, 1405, 1408; Pulz, BB 2004, 1112; Röder/Göpfert, BB 2001, 2002, 2004). Legt man die Maßstäbe des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zugrunde, so ist kein überwiegendes Interesse der Gesellschaft oder der Aktionäre erkennbar, nach Ablauf der Wartefrist noch eine zusätzliche Bindung zu vereinbaren. Von diesem Moment an können die Aktien bezogen und weiterveräußert werden. Die vom Gesetzgeber durchaus intendierte langfristige Bindung ist mit einer Höchstgrenze von vier Jahren erreicht; noch weiter zu gehen, würde die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig beschränken (für einen prinzipiellen Gleichklang von Wartefrist und Bindungsdauer auch Lembke, BB 2001, 1469, 1473). Erst recht kann es nicht in Betracht kommen, einen Verfall auch für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung vorzusehen: Nicht anders als bei der Rückzahlung von Weiterbildungskosten (BAG NZA 2006, 1042) wäre dies eine inakzeptable Risikoverlagerung auf den Arbeitnehmer. Tritt ein solcher Fall während der Wartefrist ein, wird aber das für die Gewährung von Aktien vorgesehene unternehmerische Ziel dann doch erreicht, ist eine zeitanteilige Berücksichtigung der gegen ihren Willen Ausgeschiedenen geboten.
44
Umstritten ist eine Verfallklausel des Inhalts, dass die Optionsrechte in dem Augenblick gegenstandslos werden, in dem das Arbeitsverhältnis auf ein konzernfremdes Unternehmen übergeht. Mit Recht wird der Standpunkt vertreten, eine solche Klausel sei wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 1 BGB unwirksam (Tappert, NZA 2002, 1188 (1192 f.); a. A. von Steinau-Steinrück, NZA 2003, 473, 474); ein AGB-rechtliches Problem stellt sich in diesem Falle nicht. Ist man anderer Ansicht, läge ein der betriebsbedingten Kündigung vergleichbarer Fall vor, so dass eine entsprechende Klausel an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitern würde. Auch wäre in diesem Fall zu berücksichtigen, dass die Übernahme der Zusage durch ein anderes Konzernunternehmen gegenüber dem Verfall die bei weitem mildere Maßnahme wäre, die für den Erwerber gleichfalls keine Belastungen mit sich bringen würde.
45
Sind die Aktien einmal bezogen, stellt sich das Problem einer „Haltefrist“. Diese kann grundsätzlich vorgesehen werden, um den Kurs vor einem plötzlichen massiven Verkaufsdruck zu schützen. Ein Jahr sollte allerdings nicht überschritten werden (Reim, ZIP 2006, 1075, 1080 bestr.), da es sich der Sache nach um eine „Entgeltverwendungsabrede“ handelt, die früher durch § 117 Abs. 2 GewO verboten war. Auch heute ist sie nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. (Einzelheiten bei Däubler, Arbeitsrecht 2, Rn. 834a), da sie in die außerbetriebliche Lebensgestaltung des Arbeitnehmers eingreift (vgl. BAG NZA 2001, 462, 464). Eine Verpflichtung zur Rückübertragung der Aktien bei Ausscheiden kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn der aufgewandte Betrag erstattet würde: Auch der Arbeitnehmer ist vollwertiger Aktionär, dessen Rechtsstellung nicht durch einen „Status“ bestimmt werden darf.
46
4. Arbeitszeit. a) Allgemeiner Rahmen. Nach dem Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken beträgt die Wochenarbeitszeit derzeit 39 Stunden. Dies ist allerdings eine flexible Größe: In der einzelnen Woche kann bis 45 Stunden gearbeitet werden, sofern sich nur innerhalb von sechs Monaten ein Durchschnitt von
47
Däubler
2076
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
39 Stunden ergibt. Außerdem enthält der Manteltarifvertrag in § 2 Abs. 4 eine Öffnung zugunsten von betrieblichen Gleitzeitmodellen. Soweit die auf diese Weise fixierte „Normalarbeitszeit“ überschritten wird, liegt „Mehrarbeit“ vor; in der Praxis ist auch von „Überstunden“ die Rede, was keinen sachlichen Unterschied ausmacht. In den Arbeitsverträgen wird häufig die Pflicht ausgesprochen, auch über die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit hinaus tätig zu sein, wenn die übernommene Aufgabe es erfordere. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. In AT-Verträgen werden als Ausgangsgröße normalerweise die 39 Wochenstunden genannt – sei es, dass sie ausdrücklich erwähnt werden, sei es, dass in diesem Punkt auf den Tarifvertrag verwiesen wird. Bisweilen ist auch von „betriebsüblicher“ Arbeitszeit die Rede. In sehr nachhaltiger Art und Weise wird dann die Pflicht fixiert, im Rahmen der geschäftlichen Erfordernisse länger zu arbeiten. 48
Eine Obergrenze stellt lediglich das ArbZG dar, das in seinem § 3 eine werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden vorschreibt, was einer 48-Stunden-Woche entspricht. Eine Verlängerung auf zehn Stunden täglich ist jederzeit möglich, soweit innerhalb von sechs Kalendermonaten oder von 24 Wochen der Durchschnittswert von acht Stunden werktäglich nicht überschritten wird. Die Arbeitsverträge wären transparenter, würde ausdrücklich auf diese Obergrenze verwiesen. Die fraglichen Bestimmungen sind jedoch gleichwohl als wirksam anzusehen, da es nicht Absicht der Beteiligten ist, eine gegen das ArbZG verstoßende Regelung zu treffen. Auch überschreitet der „Flexibilitätspuffer“ nicht die vom BAG (NZA 2006, 423, bestätigt durch BVerfG NZA 2007, 85) zugelassenen 25 %.
49
b) Pauschale Abgeltung der Überstunden. In den Arbeitsverträgen findet sich häufig die Klausel, dass die Überstunden mit dem Gehalt abgegolten seien. Nach der Rechtsprechung des BAG (NZA 2006, 149, 150) betrifft dies allerdings nicht diejenigen Stunden, die über das nach ArbZG Zulässige hinaus abgeleistet wurden. Da die Pauschalierungsabrede für sie nicht gilt, können die Betroffenen insoweit ein separates Entgelt verlangen, da es nicht Sinn des ArbZG sei, den unzulässig lange beschäftigten Arbeitnehmern die Vergütung für ihre Tätigkeit zu nehmen (BAG a.a.O.). Soweit wie in § 5 des Manteltarifvertrags Zuschläge vorgesehen sind, müssen sie auch in einer solchen Situation bezahlt werden. Werden innerhalb einer Woche mehr als acht Überstunden geleistet, beträgt der Zuschlag 50 %. Im Streitfalle würde vermutlich ein Gericht diese Regelung schon aus Gleichbehandlungsgrundsätzen auch auf die unzulässige Mehrarbeit von ATAngestellten anwenden.
50
Das BAG hat die Frage dahinstehen lassen, ob eine Pauschalabgeltung zulässiger Überstunden mit dem Transparenzprinzip vereinbar ist. In der Literatur besteht jedoch weitgehende Einigkeit darüber, dass eine Abmachung, wonach alle „bei Bedarf“ oder „mit Rücksicht auf die übernommene Aufgabe“ geleisteten Überstunden durch das Gehalt abgegolten sind, wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB keinen Bestand haben kann (Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert-Däubler, § 307 Rn. 290; Seel, DB 2005, 1330, 1332); Thüsing/Leder, BB 2005, 1563 (1570); Worzalla, NZA 2006, Beil. 3, S. 128): Der Einzelne vermag nicht vorauszusehen, wie viele Überstunden er leisten muss und wie das sich daraus ergebende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beschaffen ist. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn der Vertrag ein bestimmtes Quantum an Überstunden („bis zu zehn pro Woche“) vorsieht und als mit dem Gehalt abgegolten bezeichnet (s. die Formulierung bei Worzalla, NZA 2006, Beil. 3, S. 129). Dasselbe dürfte auch dann anzunehmen sein, wenn die Zahl der zu leistenden Mehrarbeit mit Rücksicht auf eine langjährige Praxis mehr oder weniger feststeht (ähnlich für eine pauschale Abgeltung des Nachtarbeitszuschlags BAG NZA 2006, 324).
51
c) Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung. Dem Betriebsrat bzw. Personalrat kommt auch bei Fragen der Dauer der Arbeitszeit eine wichtige Rolle zu. Überstun-
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2077
den können nur mit Zustimmung der betrieblichen Interessenvertretung angeordnet werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und die entsprechenden Vorschriften des Personalvertretungsrechts); übergeht der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht, kann der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung die weitere Ableistung der Überstunden stoppen lassen, bis Einvernehmen erzielt oder eine Entscheidung der Einigungsstelle herbeigeführt ist (für einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats BAG DB 1994, 2450, bestätigt durch BAG DB 1997, 378; dieser kann durch einstweilige Verfügung gesichert werden – Einzelheiten bei Däubler, Arbeitsrecht 1, Rn. 919 ff.). Das Mitbestimmungsrecht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Betroffenen freiwillig zur Ableistung von Überstunden bereit sind oder dass diese nicht „angeordnet“, sondern nur bewusst geduldet werden. Der Betriebsrat kann außerdem nach der Rechtsprechung des BAG (DB 2003, 2445) verlangen, dass der Arbeitgeber ihm die Anwesenheitszeiten aller Beschäftigten im Betrieb mitteilt. Nur so ist er in der Lage, die Einhaltung des ArbZG und tariflicher Arbeitszeitregeln zu kontrollieren (BAG, a.a.O.). Der Arbeitgeber kann sich seinerseits nicht darauf berufen, er wisse selbst nicht Bescheid, weil im Betrieb keine Zeiterfassung stattfinde. Vielmehr muss er nach Ansicht des BAG (a.a.O.) den Betrieb so organisieren, dass entsprechende Daten vorhanden sind. Nach § 16 Abs. 2 ArbZG muss jede Überschreitung des Acht-Stunden-Tags vom Arbeitgeber dokumentiert werden.
52
d) Gewerbeaufsicht Die Einhaltung des ArbZG wird durch die Gewerbeaufsicht kontrolliert. Ihre Einschaltung kann zur Verhängung von Bußgeldern und einem erheblichen Imageschaden für die Bank führen, sofern Verstöße effektiv festgestellt werden.
53
e) Lage der Arbeitszeit. Was die Lage der Arbeitszeit betrifft, so kann sie nach § 106 GewO grundsätzlich durch die Bank bestimmt werden. Will der Arbeitnehmer die bei Aufnahme seiner Tätigkeit bestehende Situation für die Zukunft vertraglich festschreiben lassen, kann er dies nur durch eine sehr deutlich formulierte Abmachung tun (BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit). Andernfalls greift das Direktionsrecht des Arbeitgebers ein, wonach selbst nach einer zehnjährigen Praxis noch eine Veränderung angeordnet werden kann (Thüsing, AGB-Kontrolle, Rn. 135 m. w. N.).
54
Angesichts dieser Schwäche der arbeitsvertragsrechtlichen Position ist es um so wichtiger, auf anderem Wege bestimmte Grenzen einzuziehen. Der Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken regelt und beschränkt insbesondere die Samstagsarbeit und sieht insoweit eine 6%-Quote vor. Auch erhält man für acht Einsätze am Samstag einen bezahlten freien Tag extra. Weiter sieht der Tarifvertrag vor, dass unbezahlte Arbeitsunterbrechungen nicht länger als eine Stunde pro Tag dauern dürfen. Eine Arbeit in zwei Blöcken z. B. von 8.00 bis 12.00 und von 14.00 bis 18.00 Uhr wäre daher unzulässig. Soll aus betrieblichen Gründen die Lage der Arbeitszeit verändert werden, steht dem Betriebsrat bzw. dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht zu.
55
f) Tarifvertrag und Abgeltung. Der Manteltarif für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken enthält eine Protokollnotiz zu § 1, die eine pauschale Abgeltung von Mehrarbeitsvergütungen und Sozialzulagen für alle die Arbeitnehmer vorsieht, deren laufendes Monatsgehalt das Endgehalt der höchsten Tarifgruppe überschreitet. Die Pauschalabgeltung muss „angemessen“ sein und kann auch in die Bemessung einer Jahresabschluss-Vergütung eingehen. Diese auf AT-Angestellte gemünzte Regelung geht von vorneherein dann ins Leere, wenn in den Arbeitsverträgen nicht auf die Arbeitszeitregeln des Tarifvertrags verwiesen wird. Ist dies im Einzelfall anders, könnte das bisher Gesagte zu revidieren sein, da die AGB-rechtlichen Grundsätze einschließlich der Transparenzkontrolle nach § 310 Abs. 4 Satz 1 nicht auf Tarifverträge erstreckt werden und dies
56
Däubler
2078
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB auch dann gilt, wenn im Arbeitsvertrag auf Tarifverträge verwiesen wird. Insoweit bestehen allerdings gleichfalls Bedenken. Zum einen scheidet die AGB-Kontrolle nur aus, wenn ein ganzer Tarifvertrag in Bezug genommen ist. Geht es lediglich um eine einzelne Bestimmung oder eine Gruppe von Vorschriften, findet dagegen die AGB-Kontrolle statt, da insoweit die Vermutung der inneren Ausgewogenheit („Richtigkeitsgewähr“) keine Grundlage hat (Einzelheiten bei Däubler/Dorndorf/Bonin/ Deinert-Däubler, § 310 BGB Rn. 43 ff.). Zum zweiten deckt die Verweisung auf Tarifverträge nur solche Vorschriften, mit denen der Einzelne vernünftigerweise rechnen musste. Eine Regelung, die von den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 BGB bewusst abweicht, ist jedoch völlig unüblich und auch aus anderen Branchen nicht bekannt. Mit Rücksicht auf den Rechtsgedanken des § 305c Abs. 1 BGB ist sie daher nicht Gegenstand der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel geworden. 57
5. Nebenpflichten des Arbeitgebers. Soweit der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit einseitig bestimmt, muss er auch auf die familiäre Situation des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen. Dies gilt insbesondere für solche Beschäftigte, die während der Elternzeit weiter Teilzeit arbeiten und die mit Rücksicht auf Pflichten gegenüber dem Kind sehr viel weniger als andere über ihre „Freizeit“ verfügen können.
58
Das Arbeitsverhältnis bringt nach allgemeiner Auffassung für beide Vertragsparteien sog. Nebenpflichten mit sich, deren Existenz durch § 241 Abs. 2 BGB anerkannt ist und deren Inhalt sich nach Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB bestimmt. Bei ihrer Konkretisierung sind insbesondere grundrechtliche Wertentscheidungen zu beachten. Drei Bereiche bedürfen der Hervorhebung.
59
a) Sorge um eingebrachte Sachen. Der Arbeitgeber muss in gewissem Umfang auf die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen. Bringt dieser erlaubterweise Gegenstände in die Bank mit, die er während der Arbeit nicht selbst beaufsichtigen kann, ist ihm ein verschließbarer Schrank oder eine vergleichbare Vorrichtung zur Verfügung zu stellen (BAG AP Nr. 75 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Wichtigster Anwendungsfall ist heute das Abstellen des Privatwagens auf dem Firmenparkplatz. Ob ein solcher überhaupt vom Arbeitgeber einzurichten ist, hat das BAG nie eindeutig entschieden (Schaub-Koch, § 107 Rn. 33), doch ist die Frage jedenfalls dann zu bejahen, wenn das Betriebsgelände mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen ist und öffentliche Parkplätze gleichfalls nicht zur Verfügung stehen. Auch kann sich für den Einzelnen ein Anspruch auf Schaffung von Parkraum aus einer Betriebsübung ergeben. Stellt der Arbeitgeber einen Parkplatz zur Verfügung, muss sich dieser in verkehrssicherem Zustand befinden. Dabei kann im Einzelfall sogar die Anstellung eines Parkwächters geboten sein, um Diebstähle in der Zukunft zu verhindern (s. den Fall LAG Hessen NZA-RR 2004, 69). Erfüllt der Arbeitgeber seine Pflichten nicht, haftet er auf Schadensersatz.
60
b) Gesundheitsschutz. § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet den Arbeitgeber, im Rahmen seiner Möglichkeiten den Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen. Dies ist eine notwendige Konsequenz der Tatsache, dass die Arbeit im Herrschaftsbereich des Arbeitgebers erbracht wird, der deshalb grundsätzlich die dort entstehenden Risiken zu verantworten hat (HWK-Thüsing, § 611 BGB Rn. 239). Alle wesentlichen Einzelpflichten sind im Arbeitsschutzrecht niedergelegt. Obwohl dieses zum öffentlichen Recht gehört, stellt seine Einhaltung zugleich eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers dar (BAG AP Nr. 17 zu § 618 BGB; ErfK-Preis, § 611 BGB Rn. 756; HWKThüsing, § 611 BGB Rn. 252). Von besonderer Bedeutung ist die Einhaltung der Bildschirmarbeitsverordnung, die eine regelmäßige Überprüfung des Sehvermögens sowie
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2079
Unterbrechungen der Bildschirmarbeit vorschreibt. Die Normen des Arbeitsschutzrechts haben keinen abschließenden Charakter in dem Sinn, dass nicht auch andere Verpflichtungen aus § 618 BGB abzuleiten wären. So ist etwa der Arbeitgeber verpflichtet, durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern, dass einzelne Beschäftigte systematisch schikaniert und ausgegrenzt, d. h. „gemobbt“ werden (LAG Thüringen NZA-RR 2001, 347; LAG Thüringen NZA-RR 2001, 577; Ruberg, AuR 2002, 201, 205; HWK-Thüsing, § 611 BGB Rn. 354; Wickler AuR 2004, 87, 89). Soweit dabei die in § 1 AGG genannten Merkmale wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Behinderung oder Alter eine Rolle spielen, ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung aus § 12 AGG. Auch eine erkennbare Überforderung des Arbeitnehmers ist zu vermeiden, da die Bank andernfalls bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Schadensersatz haften würde: Der Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII gilt nur für Arbeitsunfälle und anerkannte Berufskrankheiten, nicht für sonstige arbeitsbedingte Gesundheitsschäden (Däubler, Arbeitsrecht 2 Rn. 441 ff., m. w. N.). Bemerkenswert ist eine ältere Entscheidung des BAG (AP Nr. 15 zu § 618 BGB), die eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bejahte, weil er ein „Übermaß an Arbeit“ durch einen leitenden Angestellten geduldet und dieser dann einen Schlaganfall erlitten hatte. In jüngerer Zeit wurde ein Anspruch auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz bejaht, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen, etwa wegen häufiger Atemwegserkrankungen geboten war (BAG AP Nr. 26 zu § 618 BGB). Im Einzelfall kann die Ursächlichkeit einer belastenden Arbeitssituation für eine Erkrankung zweifelhaft sein. Bei typischen Geschehensabläufen wird allerdings die Kausalität bejaht, es sei denn, der Arbeitgeber könne gewichtige Anhaltspunkte für andere Ursachen belegen. Aus der Praxis wird von einem Fall berichtet, dass in einer aus 20 Personen bestehenden Abteilung drei Mitarbeiter innerhalb von zwei Monaten einen Hörsturz erlitten; da seit längerem über Stress und Arbeitsüberlastung geklagt wurde, spricht jedenfalls ein Prima-facie-Beweis für die Arbeitsbedingtheit der Erkrankung. Dem Betriebsrat steht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht in Fragen des Arbeitsschutzes zu. Dieses bezieht sich auch auf die Ausfüllung von Generalklauseln des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG). Bedeutsam ist dies insbesondere bei der Gefährdungsanalyse nach § 5 ArbSchG; hier kann der Betriebsrat auch über die Auswahl und den Einsatz der Analyseinstrumente sowie über die Fragestellungen mitbestimmen (vgl. BAG NZA 2004, 1175, 1177; BAG NZA 2005, 227, 229; zum Ganzen s. DKK-Klebe, § 87 Rn. 188a). In der Personalvertretung ist die Situation keine prinzipiell andere. c) Weiterqualifizierung Soweit Tätigkeiten bestimmten professionellen Standards entsprechen müssen, schuldet der Arbeitnehmer nicht nur die Arbeit als solche, sondern auch die jeweilige Aktualisierung seiner Kenntnisse. Dies gilt für Ärzte und Rechtsanwälte, aber in Banken z. B. auch für Vermögensmanager und für Kreditsachbearbeiter, die z. B. mit Basel II vertraut gemacht werden müssen. Weiterbildung wird so zu einem Bestandteil der Arbeitszeit. Diese ist von vornherein so zu kalkulieren, dass auch die Verarbeitung der einschlägigen Informationen möglich ist. Geht es um komplexere Neuerungen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Weiterbildungsseminare anzubieten (ebenso ArbG Bonn NZA 1991, 512 = NJW 1991, 2168; Einzelheiten bei Käufer, Weiterbildung im Arbeitsverhältnis, S. 199 ff.). Nach dem 2001 neu geschaffenen § 97 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat das Recht, von sich aus Weiterbildungsmaßnahmen zu verlangen (und notfalls über die Einigungsstelle durchzusetzen), wenn einzelne Beschäftigte neuen Anforderungen mit Rücksicht auf ihre bisherige Qualifikation nicht voll gerecht werden können. In der Praxis wird davon sehr wenig Gebrauch gemacht, was im Ergebnis dazu führt, dass überforderungsbedingte Stresssituationen noch sehr viel häufiger auftreten.
Däubler
61
62
2080
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
63
6. Nebenpflichten des Arbeitnehmers. Auch der Arbeitnehmer muss nach Treu und Glauben dazu beitragen, dass das Arbeitsverhältnis sein Ziel erreicht. Seine Nebenpflichten sind nur ausnahmsweise gesetzlich festgelegt. Zu erwähnen sind die §§ 15, 16 ArbSchG, die u. a. zur Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Normen und zur Gefahrenmeldung verpflichten. § 7 Abs. 3 AGG bestimmt, dass diskriminierendes Handeln eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellt. Für den Fall einer Erkrankung sieht § 5 EFZG bestimmte Anzeige- und Nachweispflichten vor. Schließlich ist auf das Wettbewerbsverbot nach § 110 GewO zu verweisen. Nicht ausdrücklich niedergelegt ist die Pflicht, mit dem Eigentum der Bank sorgsam umzugehen und Missbräuche für private Zwecke zu unterlassen. Kunden sind zuvorkommend und freundlich zu behandeln. Angebote des Arbeitgebers, die arbeitsnotwendigen Kenntnisse zu erlangen, sind grundsätzlich wahrzunehmen. Eine Reihe weiterer Pflichten soll unter dem Stichwort der „Compliance“ abgehandelt werden (unten III). Dazu gehören auch die Verschwiegenheitspflicht und die evtl. Meldung von Eigengeschäften. Im vorliegenden Zusammenhang bedürfen drei Nebenpflichten der ausdrücklichen Erwähnung.
64
a) Keine private Internetnutzung? Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Arbeitgebers seinen dienstlichen Telefon-, Internet- und E-MailAnschluss für private Zwecke zu verwenden. Eine Ausnahme gilt nur in Notsituationen sowie dann, wenn es um „dienstlich veranlasste Privatgespräche“ geht, durch die dem zu Hause wartenden Partner mitgeteilt wird, leider dauere die Sitzung noch ca. zwei Stunden (Einzelheiten bei Däubler, Internet und Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 177 ff.). Die Auseinandersetzungen konzentrieren sich auf dieser Grundlage auf zwei Fragen.
65
Zum einen kann sich die Zustimmung des Arbeitgebers zur Privatnutzung nicht nur aus einer ausdrücklichen Erklärung oder einer Klausel im Arbeitsvertrag, sondern auch aus einer Betriebsübung ergeben. Wird etwa ein halbes Jahr lang auch privat von den gegebenen Telekommunikationsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, ohne dass der Arbeitgeber oder Mitarbeiter der Personalabteilung dagegen protestiert hätten, wäre diese Voraussetzung gegeben. Auf diese Weise würde ein arbeitsvertragliches Recht entstehen, das nur durch Änderungsvertrag oder durch sog. gegenläufige betriebliche Übung wieder beseitigt werden kann. In aller Regel bleibt der Vorrang der Arbeitspflicht unangetastet; nur in den Pausen und wenn es die Arbeit erlaubt, kann privat „gesurft“ werden.
66
Findet eine Privatnutzung ohne Erlaubnis des Arbeitgebers statt, so liegt eine Pflichtverletzung vor. Ob diese nur eine „Ermahnung“, eine „Abmahnung“, eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung zur Folge hat, hängt von den näheren Umständen des Einzelfalls ab. Von Bedeutung ist insbesondere, ob außer dem Verbot der Privatnutzung auch die Arbeitspflicht verletzt und strafbare Inhalte heruntergeladen wurden (BAG NZA 2006, 98; BAG NZA 2006, 977 u. 980).
67
b) „Kleiderordnung“? Der einzelne Arbeitnehmer kann grundsätzlich frei darüber entscheiden, welche Kleidung er trägt und welche Frisur er bevorzugt. Ob man Farben und Schmuck liebt oder sich eher zurücknimmt, ist dem Einzelnen überlassen. Dieses Prinzip kennt allerdings einige Ausnahmen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eine „branchenübliche“ Kleidung zu tragen (BAG NZA 2003, 483, 485), was etwa im Verkehrssektor oder in der Gastronomie von besonderer Bedeutung ist. Bei Arbeitnehmern mit Kundenkontakt soll das äußere Auftreten dem Charakter des Unternehmens entsprechen. Ein Verkäufer in einem Möbelhaus der gehobenen Kategorie darf daher nicht in Turnschuhen und mit offenem Hemd erscheinen, sondern muss Krawatte und Sakko tragen (LAG Hamm BB 1992, 430 = DB 1992, 280). Ähnliches wird man bei Bankangestellten annehmen müssen, die an der Kasse, am Empfang oder als Berater unmittelbaren Kundenkontakt
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2081
haben. Innerhalb des so bestimmten Rahmens ist der Einzelne aber frei, welche individuellen Prioritäten er setzen möchte. Zu beachten ist außerdem, dass die „Kleiderordnung“ nicht weitergehen darf, als es durch ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse geboten ist (vgl. LAG Frankfurt/Main BB 1978, 810 zur Kleiderordnung beim fliegenden Personal der Lufthansa). Wird wie in Banken von Personen mit Kundenkontakt „gepflegtes Auftreten“ erwartet, so ist dabei auch auf die in der Gesellschaft herrschenden Anschauungen zu achten. Diese haben sich in den vergangenen 10 bis 20 Jahren erheblich im Sinne größerer Toleranz verändert. Bei männlichen Polizeibeamten werden z. B. lange Haare toleriert (BVerwG AuR 2006, 327), und zwar sogar dann, wenn diese zu einem „LagerfeldZopf“ zusammengeflochten werden (VGH Kassel NJW 1996, 1164, 1165). Auch ein Ohrstecker von 6 mm Länge würde heute wohl kaum mehr Anstoß erregen (ein im Jahre 1986 ausgesprochenes Verbot ließ BVerfG NJW 1991, 1477 unbeanstandet, verwies jedoch auf die Wandelbarkeit der Anschauungen). Vorschriften des Arbeitgebers in Bezug auf die äußere Erscheinung der Arbeitnehmer sind mitbestimmungspflichtig, da sie das „Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betreffen (BAG DB 1990, 893; BAG DB 1993, 990). In der Regel sind ausdrückliche Vorschriften entbehrlich, da Verstöße gegen informelle Regeln unfreundliche Kommentare zur Folge haben („So kommt man nicht in die Bank“), was normalerweise zu einer Verhaltenskorrektur führt. c) Umgang mit Wissen Wissen gehört in unserer Gesellschaft zu den wichtigsten Ressourcen. Dies hängt nicht nur mit dem Zuwachs an qualifizierten Tätigkeiten zusammen; vielmehr wandeln sich die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in rapidem Tempo. Ob der Einzelne verpflichtet ist, auch sein informelles Wissen („Wo bekomme ich bestimmte Informationen am schnellsten?“) in eine Skill-Datenbank einzustellen, ist bisher in der Praxis noch nicht zum Rechtsproblem geworden. Wirtschaftlich wird der Einzelne auf diese Weise leichter ersetzbar, so dass er unbillig benachteiligt wäre, würde er für eine Preisgabe seines Wissens nicht wenigstens eine Gegenleistung erhalten (vgl. Däubler, AiB 2005, 65).
68
7. Genehmigung von Nebentätigkeiten. Entgeltliche Nebentätigkeiten sind mit Rücksicht auf Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich erlaubt, soweit durch sie nicht das Arbeitsverhältnis in Mitleidenschaft gezogen wird (Thüsing, AGB-Kontrolle, Rn. 317). Dasselbe gilt für ehrenamtliche Aktivitäten, bei denen sich der Einzelne auf Art. 2 Abs. 1 GG stützen kann (BAG NZA 1997, 41). Die Grenze des Zulässigen ist etwa bei einer gesundheitlichen Überforderung des Arbeitnehmers (BAG AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) oder bei der Nichtbeachtung der Höchstarbeitszeit nach dem ArbZG überschritten (BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB Doppel-Arbeitsverhältnis). Weiter darf dem Arbeitgeber kein Wettbewerb gemacht oder die eigentliche Leistung erschwert oder entwertet werden. Soweit im Arbeitsvertrag lediglich diese Fälle vertraglich fixiert werden, liegt eine unproblematische Konkretisierung bestehender rechtlicher Grenzen vor. Ist keiner dieser Tatbestände gegeben, darf eine Nebentätigkeit nicht verboten werden. Geschieht dies im Arbeitsvertrag dennoch, ist die fragliche Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BAG AP Nr. 60 zu § 626 BGB). Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Verbot schon wegen der „Möglichkeit“ einer Beeinträchtigung von Arbeitgeberinteressen vorgesehen wird, wenn beispielsweise eine Lehrtätigkeit mit der Begründung untersagt wird, der fragliche Angestellte könne fahrlässig Betriebsinterna ausplaudern.
69
Ist keiner der Verweigerungsgründe gegeben, hat der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG (AP Nr. 8 zu § 611 BGB Nebentätigkeit) einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Wird dies – wie üblich – im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich hervorgehoben, sondern nur die Genehmigungsbedürftigkeit jeder Nebentätigkeit betont, so
70
Däubler
2082
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
verstößt die Klausel gegen das Transparenzprinzip nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist deshalb unwirksam (so zutreffend Singer, Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 611 BGB Nebentätigkeit). Für den einzelnen Arbeitnehmer entsteht der falsche Eindruck, auch in einem Bereich um Erlaubnis fragen zu müssen, wo der Arbeitgeber gar keine Spielräume besitzt. Das BAG hat sich bisher mit dem Transparenzargument noch nicht auseinandergesetzt; in der Literatur wird es verstärkt herangezogen (Gaul/Khanian, MDR 2006, 1 ff.; Singer, a.a.O.; Peter, Nebentätigkeiten von Arbeitnehmern, S. 206). Eine (ungeschriebene) Anzeigepflicht des Arbeitnehmers besteht dann, wenn durch die Nebentätigkeit die Interessen des Arbeitgebers bedroht sind (BAG NZA 1997, 41). Im Arbeitsvertrag kann dies verdeutlicht und konkretisiert, nicht aber auf alle Aktivitäten erstreckt werden, da dies einen unzumutbaren Eingriff in die private Lebensgestaltung darstellen würde. 71
Vorträge und Veröffentlichungen des Arbeitnehmers stellen gleichfalls eine Nebentätigkeit dar, soweit sie nicht zum vertraglich übernommenen Tätigkeitsspektrum gehören. Eine Genehmigung oder gar ein Verbot kommen von vorneherein nur in Betracht, wenn ein konkreter Bezug zur betrieblichen Arbeit besteht (Peter, S. 213; Preis, Arbeitsvertrag, II V 10). Auch dann ist aus Transparenzgründen jede Pauschalformulierung zu vermeiden; vielmehr sind die Verweigerungsgründe namhaft zu machen. Wer wissenschaftliche Analysen zu schreiben hat, kann sich überdies in der Regel auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG berufen, was schon im Interesse eines freien wissenschaftlichen Diskurses ein dauerhaftes Publikationsverbot ausschließt (Däubler, NZA 1989, 945, 949). Mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers wird es jedoch hinzunehmen sein, dass Veröffentlichungen unterbleiben müssen, solange sie zu einer erheblichen Schädigung des Unternehmens im Wettbewerb oder auf anderer Ebene führen können. Dies ist typischerweise eine Frage des Veröffentlichungszeitpunkts. Soweit rechtswidrige Tatsachen in Rede stehen, ist auf die Ausführungen zum Whistleblowing (unten III 3) zu verweisen.
72
8. Versetzung. In vielen Arbeitsverträgen finden sich Versetzungsklauseln, die der Bank weite Spielräume eröffnen. Typischerweise ist zunächst eine bestimmte Tätigkeit umschrieben, die sich im Einzelfall aber auch aus der Bezugnahme auf eine bestimmte Tarifgruppe ergeben kann. Anschließend heißt es dann im Musterarbeitsvertrag einer Großbank: „Der jeweilige Tätigkeitsbereich des Mitarbeiters wird von der Bank bestimmt. Dabei wird sie seine persönlichen Belange sowie seine Fähigkeiten und Kenntnisse berücksichtigen. Die Bank ist berechtigt, den Mitarbeiter an jeden zumutbaren Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen“. Im Mustereinstellungsschreiben eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts an die Mitarbeiter des Bereichs Spezialfinanzierungen heißt es dagegen: „Wir behalten uns vor, Ihnen bei Bedarf auch eine andere Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit an den Standorten der Bank zu übertragen.“
73
Klauseln dieser Art erweitern das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO. Danach kann dieser Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag oder auf andere Weise festgelegt sind. Behält sich der Arbeitgeber die Möglichkeit vor, einen einmal fixierten Tätigkeitsbereich nachträglich wieder zu ändern, liegt ein Versetzungsvorbehalt vor, der der AGB-Kontrolle unterliegt. Nach Auffassung des BAG (NZA 2006, 1149) ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Regelung des § 106 GewO sinngemäß übernommen wird – was voraussetzt, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den beiderseitigen Interessen vorgeschrieben wird. Wollte die Bank allein ihre Interessen für maßgebend erklären, wäre dies eine gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßende unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Höhere Anforderungen gelten dann, wenn eine Versetzung auch auf eine nicht gleichwertige Tätigkeit möglich sein soll
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2083
(BAG NZA 2007, 145). Um zu verhindern, dass das Erfordernis einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG umgangen wird, müssen die Gründe für eine solche Maßnahme so gewichtig sein, dass sie im Prinzip auch eine Änderungskündigung rechtfertigen könnten. Auch dabei sind selbstredend die Interessen des Betroffenen in die Abwägung einzubeziehen. Überprüft man die mitgeteilten Versetzungsklauseln an diesen Maßstäben, so wird deutlich, dass sie zu weit formuliert sind. Im Fall der Großbank wird zwar mit Recht auch auf die „persönlichen Belange, Fähigkeiten und Kenntnisse“ abgestellt, doch erfasst der Begriff „zumutbarer Arbeitsplatz“ seinem Wortsinn nach auch eine geringer bewertete Tätigkeit. Eine solche Auslegung ist zumindest möglich, wenn nicht sogar bewusst gewollt. Nach den oben Rn. 24 mitgeteilten Grundsätzen führt aber eine solche „kundenbzw. arbeitnehmerfeindliche“ Lesart dazu, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. Eine Auslegung der Art, dass nur gleichwertige Arbeit in Betracht komme, würde auf eine teleologische Reduktion hinauslaufen, die nach den Grundsätzen des AGB-Rechts unzulässig ist (oben Rn. 27). Im Fall der öffentlich-rechtlichen Bank fehlt es bereits an der ausreichenden Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen bei der Versetzungsentscheidung selbst. Maßgebend ist der „Bedarf“ der Bank. Die Arbeitnehmerinteressen kommen nur insoweit zum Ausdruck, als Vorbildung und Fähigkeiten des Arbeitnehmers beachtet werden müssen; persönliche Belange, die beispielsweise einem Ortswechsel entgegenstehen, sind nicht erwähnt. Darüber hinaus ist auch hier keine Gewähr dafür vorhanden, dass eine der „Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit“ immer „gleichwertig“ sein muss. Die Klausel kann daher gleichfalls keine rechtliche Anerkennung finden.
74
Bei Versetzungen kommt dem Betriebsrat nach § 99 in Verbindung mit § 95 Abs. 3 BetrVG ein Zustimmungsverweigerungsrecht zu. Wichtig ist insbesondere, dass das Betriebsverfassungsrecht in § 95 Abs. 3 BetrVG einen relativ weiten Versetzungsbegriff kennt. Es genügt die über einen Monat hinausgehende „Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs“. Auch bei kurzfristigeren Änderungen ist der Betriebsrat dann einzuschalten, wenn sie mit einer „erheblichen Änderung der Umstände“ verbunden sind, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Die Zustimmungsverweigerung muss sich auf einen der Gründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG stützen, wozu auch Gesetzesverstöße gehören. Bei unwirksamer Versetzungsklausel sind in der Regel die Grenzen des Direktionsrechts überschritten und deshalb wäre § 106 GewO verletzt. Wegen der Einzelheiten muss auf die einschlägige Literatur verwiesen werden (DKK-Kittner/Bachner, § 99 Rn. 86 ff.; Fitting, § 99 Rn. 97 ff.; Überblick auch bei Däubler, Arbeitsrecht 1, Rn. 1050 ff.).
75
9. Störfälle. a) Erkrankung. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer muss der Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 EFZG der Bank unverzüglich mitteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit mehr als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung einzureichen. Der Arbeitgeber kann dies auch zu einem früheren Zeitpunkt verlangen, doch muss er insoweit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachten (BAG DB 2000, 1128). Im Bereich der Personalvertretung dürfte nichts anderes gelten. Auch bei sog. Krankenrückkehrgesprächen, bei denen über mögliche Ursachen der Arbeitsunfähigkeit geredet wird, muss der Betriebsrat die Rahmenbedingungen und die angesprochenen Punkte mitbestimmen (vgl. BAG BB 1995, 1188).
76
Haben Zeiten der Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen betragen, findet nach § 84 Abs. 2 SGB IX ein sog. Eingliederungsmanagement statt, sofern der Betroffene damit einverstanden ist. In Gesprächen mit dem Betroffenen und mit der zuständigen Interessenvertretung – bei Schwerbehinderten auch mit der Schwerbehinder-
77
Däubler
2084
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
tenvertretung – soll dabei geklärt werden, wie einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Dabei ist ggf. auch medizinischer Rat heranzuziehen. Macht der Arbeitgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, kann eine später ausgesprochene Kündigung wegen Krankheit auf Schwierigkeiten stoßen: Hätte eine rechtzeitige Intervention die zur Kündigung führende Verschlimmerung der Krankheit vermieden, ist eine Kündigung insoweit ausgeschlossen (vgl. BAG NZA 2008, 173). 78
Ist ein Arbeitnehmer als schwerbehindert anerkannt oder einem Schwerbehinderten gleichgestellt, so gelten die Sondervorschriften der §§ 80 ff. SGB IX. Bankspezifische Probleme sind nicht ersichtlich. Zu beachten ist allerdings, dass § 1 AGG auch einfache Behinderte vor Benachteiligungen schützen will; der Begriff ist in § 2 Abs. 1 SGB IX im Einzelnen definiert. Art. 5 der Rahmenrichtlinie Gleichbehandlung verlangt, dass auch zugunsten dieses Personenkreises Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass die Behinderung auf die Leistung durchschlägt. Insoweit dürfte insbesondere die in § 81 SGB IX niedergelegte Pflicht zur behinderungsgerechten Ausgestaltung des Arbeitsplatzes entsprechend anwendbar sein.
79
Bei der Erkrankung von Kindern, die nicht durch andere Familienangehörige oder Freunde versorgt werden können, greift § 616 ein: Die Mutter oder der Vater können bis zu fünf Tagen im Jahr aus einem solchen Anlass zu Hause bleiben, ohne dass eine Entgeltminderung eintritt (BAG DB 1979, 1946 u. 1993; ErfK-Dörner, § 616 BGB Rn. 8; HWK-Krause, § 616 BGB Rn. 42; Schaub/Linck, § 97 Rn. 17). Sind beide Elternteile erwerbstätig, so entscheiden sie, wer von der Möglichkeit des § 616 BGB zuerst Gebrauch macht. Beiden steht unabhängig voneinander je ein Kontingent von fünf Tagen zu. Weiter hat nach § 45 SGB V jeder Elternteil Anspruch auf unbezahlte Freistellung und Krankengeld, wenn ein Kind unter zwölf Jahren erkrankt, pflegebedürftig ist und keine andere Pflegeperson zur Verfügung steht. Der Anspruch beläuft sich auf zehn Tage pro Jahr; Alleinerziehende können 20 Tage geltend machen. An sich könnte man die Rechte aus § 616 BGB und aus § 45 SGB V hintereinander geltend machen, doch ist der Rückgriff auf § 616 BGB nur dann möglich, wenn weder im Arbeitsvertrag noch im Tarifvertrag etwas Abweichendes vereinbart wurde. § 16 des Manteltarifvertrags für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken enthält aber in § 16 Abs. 3 einen Katalog an Freistellungsgründen nach § 616 BGB, zu dem der Fall erkrankter Kinder nicht zählt. Vielmehr bestimmt § 16 Abs. 4, dass in den Fällen des § 45 SGB V unbezahlte Arbeitsbefreiung gewährt wird. Dies ist so zu verstehen, dass § 616 BGB insoweit abbedungen ist und ausschließlich bis zu 10 bzw. 20 Tagen Krankengeld bezogen werden kann. AT-Angestellte, in deren Arbeitsvertrag nicht auf die tarifliche Regelung verwiesen ist, stehen insoweit besser, doch fragt sich im Einzelfall, ob sie sich zur Geltendmachung ihrer Rechte in der Lage sehen.
80
b) Ehrenämter. Wer ein Ehrenamt z. B. als Gemeinderatsmitglied oder als Schöffe ausübt, kann nach § 16 Abs. 1 des Manteltarifvertrags die dafür notwendige Arbeitsbefreiung verlangen. Eine Anrechnung auf den Erholungsurlaub ist ausdrücklich ausgeschlossen. Die Entgeltfortzahlung dürfte allerdings nur im Rahmen des § 616 BGB, d. h. für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit (von einigen Tagen im Jahr) möglich sein. Dass „Arbeitsbefreiung“ nicht mit „bezahlter Arbeitsbefreiung“ identisch ist, wird aus der Gegenüberstellung mit § 16 Abs. 2 des Manteltarifvertrags deutlich, wo in Bezug auf gewerkschaftliche Funktionsträger in leitender Stellung von einer Arbeitsbefreiung „unter Fortzahlung des Gehalts“ die Rede ist.
81
c) Haftung für Fehlverhalten. Während sich die Haftung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer gegenüber nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt, gelten für die Arbeitnehmerhaftung spezielle Regeln, die von der Rechtsprechung entwickelt und durch den im Jahre
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2085
2001 ins BGB eingefügten § 619a vom Gesetzgeber bestätigt wurden. Danach gilt Folgendes: – Die Sonderregelung betrifft alle betrieblichen oder betrieblich veranlassten Tätigkeiten, nicht jedoch eine (erlaubte oder unerlaubte) Privatfahrt mit dem Dienstwagen. Auf die „Gefahrgeneigtheit“ der Tätigkeit kommt es anders als nach der frühren Rechtsprechung (BAG AP Nr. 4 zu § 898, 899 RVO) aufgrund einer Entscheidung des Großen Senats des BAG (DB 1993, 939) nicht mehr an. Dem hat sich im Ergebnis auch der Bundesgerichtshof angeschlossen (BGH DB 1994, 428). – Liegt eine „betriebliche Tätigkeit“ vor, so bestimmt sich die Haftung des Arbeitnehmers nach der Schwere des Verschuldens. Während er bei vorsätzlichem Handeln für den vollen Schaden haftet, muss man bei Fahrlässigkeit differenzieren. Kann ihm nur geringe Schuld („leichteste“ Fahrlässigkeit) vorgeworfen werden, entfällt jede Haftung. Hat er grob fahrlässig gehandelt, muss er grundsätzlich den vollen Schaden bezahlen, es sei denn, dies wäre nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere wegen des Missverhältnisses von Vergütung und Schadenshöhe grob unbillig (BAG NZA 1990, 97). Bei „normaler“ oder „mittlerer“ Fahrlässigkeit ist der Schaden nach Billigkeitsgrundsätzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzuteilen, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (BAG AP Nr. 5 zu § 282 BGB). Zu diesen zählt z. B. der Umfang des Schadens im Verhältnis zum monatlichen Entgelt, das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers, die Dauer seiner Beschäftigung im Unternehmen, die Möglichkeit zum Abschluss einer Versicherung sowie die „Gefahrgeneigtheit“ der Tätigkeit, die hier wieder Berücksichtigung findet (BAG GS DB 1993, 940). Eine schematische summenmäßige Begrenzung der Haftung wird abgelehnt (BAG NZA 1990, 97). – Der Fahrlässigkeitsmaßstab wird entgegen § 276 Abs. 2 BGB „subjektiviert“. Grobe Fahrlässigkeit kann nur dann angenommen werden, wenn dem Arbeitnehmer ein schwerer persönlicher Schuldvorwurf zu machen ist (BAG AP Nr. 69 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers), wenn er eine „subjektiv schlechthin unentschuldbare“ Pflichtverletzung begangen hat. Bei „gröbster Fahrlässigkeit“ kann die Haftungsminderung aus Gründen der finanziellen Belastbarkeit entfallen (BAG NZA 1996, 301). – Anders als im Zivilrecht müssen sich Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht allein auf die Pflichtverletzung, sondern auch auf die Beeinträchtigung des Rechtsguts als solche beziehen (BAG AP Nr. 62 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Setzt sich etwa der Arbeitnehmer bewusst über Weisungen des Arbeitgebers oder über Dienstvorschriften hinweg, so begründet dies allein noch keine Verantwortlichkeit wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn auch der Schaden als solcher gewollt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht in Betracht gezogen wurde. – Im Streitfall muss der Arbeitgeber das Verschulden des Arbeitnehmers beweisen. Dies stellt § 619a BGB ausdrücklich klar. Da es in Fragen der subjektiven Vorwerfbarkeit keine „typischen Geschehensabläufe“ gibt, ist auch ein Beweis des ersten Anscheins zugunsten des Arbeitgebers ausgeschlossen (BAG AP Nr. 69 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). – Mitwirkendes Verschulden des geschädigten Arbeitgebers ist von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG AP Nr. 64 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Es wirkt sich auch dann haftungsmindernd aus, wenn dem Arbeitnehmer grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Bei mittlerer Fahrlässigkeit tritt ggf. eine doppelte Reduzierung ein. – Die Grundsätze über die Arbeitnehmerhaftung gelten nicht gegenüber Dritten. Die sog. Außenhaftung bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des BGB. Der Ar-
Däubler
82
83
84
85
86
87
88
2086
89
90
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
beitnehmer kann jedoch vom Arbeitgeber verlangen, von der Haftung freigestellt zu werden, soweit er nach den obigen Grundsätzen nicht oder nicht in vollem Umfang haften würde (BAG AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO; BAG AP Nr. 37 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Dies nützt ihm allerdings wenig, wenn der Arbeitgeber inzwischen insolvent geworden ist (so der Fall BGH NZA 1990, 100). – Schädigt der Arbeitnehmer einen Arbeitskollegen (wozu auch vorübergehend im Betrieb arbeitende Personen gehören), so ist zu unterscheiden: Bei Personenschäden ist nach § 105 Abs. 1 SGB VII jede Ersatzpflicht ausgeschlossen; der Geschädigte ist wie bei anderen Unfällen auf die Unfallversicherung verwiesen. Eine Ausnahme gilt nur bei vorsätzlicher Schadensverursachung, wobei sich der Vorsatz auch hier auf den „Verletzungserfolg“, also auf den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit beziehen muss (BAG NZA 2003, 436). Bei Sachschäden gelten die allgemeinen Grundsätze der Außenhaftung, doch besteht ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, soweit der Betreffende nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung keinen Ersatz leisten müsste (Schaub/Linck, § 53 Rn. 78). – Schädigt der Arbeitnehmer eigene Rechtsgüter, finden die Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich entsprechende Anwendung. Wird etwa das zu dienstlichen Zwecken benutzte Privatfahrzeug in einen Unfall verwickelt, so ist der Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 670 BGB gemindert, wenn er nach den hier skizzierten Grundsätzen einen Teil des Schadens selbst tragen müsste.
91
„Schadensanfällig“ sind im Bankbetrieb die Auszahlung von Bargeld sowie die Anlageberatung. Bei Letzterer trifft die Außenhaftung in der Regel die Bank als solche, so dass sie lediglich nach den skizzierten Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung Regress nehmen könnte. Einen Fall dieser Art hatte das BAG (NZA 2007, 1230 ff.) zu entscheiden, als es ein Wertpapierhändler versäumte, die vom Kunden gegebene Stop-loss-Order in das System einzugeben. Das Gericht nahm in Übereinstimmung mit der Vorinstanz eine bedingt vorsätzliche Pflichtverletzung sowie grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf den Schaden an und ließ den Arbeitnehmer auf den vollen Schaden haften. Dieser betrug etwa das 3½fache seines Monatsgehalts.
92
10. Ausschlussfrist. Anders als die meisten übrigen Tarifverträge enthält der Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken keine Ausschlussfristen. Für die Geltendmachung von Ansprüchen gelten daher die allgemeinen Grundsätze über die Verjährung. Vom Fall der Haftung einmal abgesehen, sind im Normalfall nur Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber im Streit, so dass die Nicht-Regelung im Bankentarif typischerweise die Arbeitnehmerseite begünstigt. Gelegentlich werden in Arbeitsverträgen Ausschlussfristen vereinbart. Nach der Rechtsprechung des BAG müssen dem Arbeitnehmer mindestens drei Monate-gerechnet ab erkennbarer Fälligkeit des Anspruchs – zur Verfügung stehen, um sich über sein weiteres Verhalten schlüssig zu werden. Kürzere Fristen sind unwirksam; es gilt dann gleichfalls Verjährungsrecht (BAG NZA 2005, 1111). Bestimmt eine Klausel, alle Ansprüche seien spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geltend zu machen, so ist dies im Grundsatz eine faire Regelung, weil nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne größeres Risiko auch ein Streit ausgefochten werden kann. Allerdings muss man solche Ansprüche ausnehmen, die – aus welchen Gründen auch immer – beim Ausscheiden des Arbeitnehmers noch nicht fällig oder noch nicht entstanden waren. Versäumt man dies, ist die ganze Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (so der Fall BAG NZA 2006, 783 ff.).
93
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2087
11. Schriftform, Veränderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags. Traditionellerweise wird in fast allen Arbeitsverträgen eine Klausel angefügt, wonach Änderungen und Ergänzungen der Schriftform bedürfen. Da mündliche Abreden in der Regel gleichzeitig als Durchbrechung dieser Formvorschrift gewertet werden, sehen viele Verträge eine sog. doppelte Schriftformklausel vor, wonach eine Änderung des vereinbarten Schriftformerfordernisses ihrerseits nur schriftlich erfolgen kann.
94
Seit der Erstreckung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge ist diese Praxis fragwürdig geworden. Lediglich in den seltenen Ausnahmefällen, in denen ein Arbeitsvertrag ausgehandelt wurde, kann es bei den bisherigen Grundsätzen bleiben. Soweit AGB-Recht eingreift, gilt auch die zwingende Vorschrift des § 305b BGB, wonach formlose Einzelabreden in Änderung und Ergänzung eines Vertrages immer möglich sind. Dieser Tatbestand wird der Sache nach verschleiert, wenn man die herkömmlichen Schriftformklauseln benutzt, da sie diesen immer bestehenden Ausweg auch nicht andeutungsweise kenntlich machen. Von daher hält der BGH in ständiger Rechtsprechung die Schriftformklausel für unwirksam (BGH NJW 1986, 3131; BGH NJW 2001, 292). Das BAG (20.5.2008 – 9 AZR 382/07 – Presseerklärung) und das arbeitsrechtliche Schrifttum haben sich dem mit Recht angeschlossen (Hromadka, DB 2004, 1261, 1264; Gotthardt, Rn. 253; Preis/Roloff, ZfA 2007, 63, 68; Tschöpe-Wisskirchen, Teil 1 D Rn. 20; Däubler/ Dorndorf/Bonon/Deinert-Däubler, § 305b Rn. 13). Dies wird auch auf die doppelte Schriftformklausel erstreckt (BGH NJW 1985, 320; Hromadka, DB 2004, 1261 (1264); Gotthardt, Rn. 263; Tschöpe-Wisskirchen, a.a.O.). Die Klausel für alle die Fälle aufrechtzuerhalten, in denen es nicht um eine Individualabrede geht, wäre nichts anderes als ein klassischer Anwendungsfall der geltungserhaltenden Reduktion, die nach § 306 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist. Auch mündliche oder konkludent geschlossene Nebenabreden sind daher gültig.
95
12. Auslandsentsendung. Die Entsendung ins Ausland erfolgt – soweit ersichtlich – nur mit Zustimmung des fraglichen Arbeitnehmers. In der Regel wird ein Zusatzabkommen zum Arbeitsvertrag geschlossen, das die spezifischen Probleme der Auslandstätigkeit von den Fahrt- und Umzugskosten bis zur Notwendigkeit zusätzlicher Versicherungen regelt. Wird ein Beschäftigter für längere Zeit zu einer ausländischen Tochtergesellschaft entsandt, wird häufig das bisherige Arbeitsverhältnis zum Ruhen gebracht und durch eine (oft befristete) Abmachung mit der ausländischen Tochtergesellschaft ersetzt. Bezüglich der Einzelprobleme muss auf das Spezialschrifttum verwiesen werden (Däubler, FS Birk 2008, S. 27 ff.; Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, 1999; Gerauer, Hrsg., Auslandseinsatz von Arbeitnehmern, 2000; Mauer, Personaleinsatz im Ausland, 2003).
96
13. Klauseln zu den Arbeitsergebnissen. Nach allgemeinen Grundsätzen stehen alle Arbeitsergebnisse dem Arbeitgeber zu. Nur im Bereich des geistigen Eigentums bestehen eine Reihe von Ausnahmen. Wer eine Erfindung macht, die als Patent oder als Gebrauchsmuster anerkannt wird, hat nicht nur ein Recht auf Namhaftmachung als Erfinder, sondern auch einen Anspruch auf angemessene (Zusatz-) Vergütung. Einzelheiten sind im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vom 25. Juli 1957 (BGBl. I S. 756, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Januar 2002, BGBl. I S. 414) geregelt. Für den Bankbetrieb kann es relevant werden, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch eine an bestimmte technische Systeme gekoppelte Software patentfähig ist (Einzelheiten bei Däubler, Internet und Arbeitsrecht, Rn. 561 ff.). Soweit ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit ein urheberrechtsfähiges Werk schafft, stehen dessen vermögensrechtliche Bestandteile nach § 43 UrhG automatisch dem Arbeitgeber zu; eine Sondervergütung gibt es nicht. Allerdings gilt dies nur für Nutzungen, die sich innerhalb des Zwecks des Ar-
97
Däubler
2088
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
beitgeberunternehmens bewegen; auch wird – was im Bankbetrieb weniger relevant sein wird – bei sog. Bestsellern eine Ausnahme gemacht. Für Computersoftware, die – isoliert betrachtet – urheberrechtsfähig ist, trifft § 69b UrhG eine Sonderregelung, wonach alle vermögensrechtlichen Befugnisse dem Arbeitgeber zustehen, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist. Dies geht insofern weiter als § 43 UrhG, als es nicht darauf ankommt, ob sich die Nutzung im Rahmen des Betriebs- oder Unternehmenszwecks bewegt. In allen Fällen bleibt jedoch das Urheberpersönlichkeitsrecht beim Arbeitnehmer; er kann verlangen, als Urheber genannt zu werden und sich gegen Verfälschungen des Werkes wehren. Schließlich sind Fälle denkbar, in denen der Arbeitnehmer eine „Sonderleistung“ erbringt, die deutlich über das im Arbeitsvertrag Geschuldete hinausgeht und die vom Arbeitgeber akzeptiert wird: Hier entsteht ein Anspruch auf Zusatzvergütung (BAG NZA 2004, 994, 997, 999 = AiB 2004, 560, 562 mit Anm. Schwab). Seine Höhe wird im Wesentlichen von dem Nutzen abhängen, der sich für das Unternehmen ergibt. In zahlreichen Unternehmen gibt es überdies Betriebsvereinbarungen über Verbesserungsvorschläge, denen in der Praxis auch finanziell eher größere Bedeutung als den gesetzlich vorgesehenen Rechten zukommt (Angaben bei DKK-Klebe, § 87 Rn. 289 ff.). 98
In Formularverträgen, die von einzelnen Banken benutzt werden finden sich Klauseln, wonach alle Arbeitsergebnisse, die aus der Tätigkeit für die Bank herrühren, dieser zustehen und mit dem Gehalt abgegolten sein sollen. Auch eine nicht bankbetriebliche Nutzung soll der Arbeitgeberseite erlaubt sein. Weiter wird zumindest in zwei Verträgen bestimmt, dass der Einzelne kein Recht auf Namhaftmachung als Urheber, Erfinder usw. habe, „soweit dies keine unbillige Härte“ darstelle. Abmachungen dieser Art weichen zu Lasten des Arbeitnehmers von den gesetzlichen bzw. richterrechtlichen Regelungen ab; ein berechtigtes Interesse der Bank, sich insoweit eine stärkere Stellung als andere Arbeitgeber auszubedingen, ist nicht ersichtlich. Außerdem sind die Bestimmungen intransparent, da für den Einzelnen nicht erkennbar ist, worauf er im Einzelnen verzichtet. Die Klauseln sind daher unwirksam. Möglicherweise sind sie eine (wenn auch wenig sachgerechte) Reaktion auf eine Entscheidung des ArbG Frankfurt/Main (Urt. v. 2.11.2003, Az. 6 Ca 5261/03 – n.v.): Ein Bankangestellter hatte die Software seines Arbeitgebers für den Devisenhandel erheblich verbessert, was Einsparungen in Höhe von ca. 1,8 Mio. Euro pro Jahr erbrachte. Unter Bezugnahme auf eine Betriebsvereinbarung über Verbesserungsvorschläge verlangte er einen Anteil von 30 % an einer Jahreseinsparung, was 559.888,00 Euro ausmachte. Die Bank wurde zur Zahlung dieses Beitrags verurteilt; über den Ausgang des Berufungsverfahrens ist Näheres nicht in Erfahrung zu bringen.
99
III. Compliance-Regeln. 1. Begriff. Der Begriff der „Compliance“ stammt aus den USA und meint nicht nur die schlichte Befolgung aller geltenden Gesetze und Regeln, sondern darüber hinaus auch alle solche Maßnahmen, die einer Normverletzung vorbeugen sollen (Hauschka, NJW 2004, 257; Lösler, NZG 2005, 104 ff.). In Deutschland wurden Compliance-Programme zunächst im Wertpapierhandel entwickelt, sind mittlerweile jedoch zu einer verbreiteten Erscheinung auch außerhalb des Bankensektors geworden. Beschleunigungsfunktion hatte dabei der Sarbanes-Oxley-Act von 2002, der als Reaktion auf betrügerische Machenschaften bei Enron und Worldcom börsennotierte Unternehmen verpflichtete, Wirtschaftskriminalität durch präventive Maßnahmen zu bekämpfen, insbesondere einen „Compliance Officer“ zu bestellen, einen Ethik-Kodex für Führungskräfte zu schaffen und den sog. Whistleblowern, die Verstöße den zuständigen Stellen melden, einen besonderen Schutz angedeihen zu lassen (zusammenfassend Mengel/Hagemeister, BB 2006, 2466 f.). Die praktische Wirksamkeit derartiger Maßnahmen wird eher skeptisch beurteilt (einleuchtend Hefendehl, JZ 2006, 119, 121 ff.). Gleichwohl hat
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2089
ein ausgebautes Compliance-System den Vorzug, Haftungsrisiken für das Unternehmen und die Leitungsorgane für Fehlverhalten nachgeordneter Stellen zu verringern, weil ja die nötigen Vorkehrungen getroffen wurden. Außerdem erhöht sich die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens auf dem Markt und in der Öffentlichkeit (zu weiteren Compliance-Funktionen Lösler, NZG 2005, 104 ff.). 2. Rechtsgrundlage Im Bankensektor ist Rechtsgrundlage für Compliance-Regeln und die Einrichtung eines Compliance-Beauftragten heute § 25a Abs. 1 KWG sowie § 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG, der „angemessene interne Kontrollverfahren“ verlangt, „die geeignet sind, Verstößen gegen Verpflichtungen nach diesem Gesetz entgegenzuwirken.“ Auf dieser Grundlage hat das (damalige) Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und das (damalige) Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel eine „Bekanntmachung über Anforderungen an Verhaltensregeln für Mitarbeiter der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte“ erlassen (Bundesanzeiger Nr. 131 v. 15. Juli 2000, S. 13 790, abgedruckt auch in WM 2000, 2462 und in ZBB 2000, 357 ff.), die allerdings die einzelnen Beschäftigten nur bindet, wenn sie z. B. durch Betriebsvereinbarung Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden ist (Grobys-Bauer, S. 101 ff.). Im Übrigen beschränken sich etwaige Ethikrichtlinien in der Regel auf pauschale Appelle (Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1368), doch hat der Fall Wal Mart gezeigt, dass hier auch sehr viel weitergehende Bindungen bis weit in das Privatleben hinein denkbar sind (LAG Düsseldorf NZA-RR 2006, 81; ArbG Wuppertal NZA-RR 2005, 476 (Vorinstanz)). Die Problematik des „Whistleblowers“ hat in Deutschland unter dem Stichwort „Gang an die Öffentlichkeit“ durchaus seine eigene Geschichte. Im Folgenden sollen zunächst die Mitarbeitergeschäfte, dann der mögliche Inhalt eines Ethikkodex samt damit zusammenhängender Loyalitätspflichten sowie schließlich die Whistleblower-Problematik abgehandelt werden.
100
3. Mitarbeitergeschäfte. Legt man die „Bekanntmachung“ der Bankenaufsicht zugrunde (indem beispielsweise im Arbeitsvertrag auf sie verwiesen wird), so ist zwischen (einfachen) Mitarbeitern und Mitarbeitern „mit Funktionen“ zu unterscheiden. Zu Letzteren gehören alle, die im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben regelmäßig Informationen erhalten, die geeignet sind, die Marktverhältnisse im Wertpapierhandel sowie im Handel in Derivaten erheblich zu beeinflussen. Dies betrifft „insbesondere“ Mitarbeiter der Funktionsbereiche Compliance, Wertpapierkonsortialgeschäft, Wertpapierhandel, Abwicklungsabteilung, Firmenkundenabteilung, Mandatsbetreuungen, Anlageabteilung für Privatkunden, M&A-Abteilung sowie Research. Die Benennung der Mitarbeiter mit besonderen Funktionen erfolgt durch die Geschäftsleitung. Dabei ist – was die Bekanntmachung nicht hervorhebt – darauf zu achten, dass dieser Personenkreis nur so weit ausgedehnt wird, wie es der Zweck der Vorschrift (Insidergeschäfte zu verhindern) erfordert. Pauschal alle Mitarbeiter der genannten Abteilungen und ihre Zuarbeiter einzubeziehen wäre ggf. unverhältnismäßig, weil zusätzliche Pflichten auch solchen Personen auferlegt würden, deren Tätigkeitsfeld keinerlei Gefahren mit sich bringt.
101
Bei beiden Gruppen werden die sog. Mitarbeitergeschäfte erfasst. Dies sind solche, die sie außerhalb ihrer dienstlichen Aufgabenstellung für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter, insbesondere von Familienangehörigen vornehmen, und die sich auf Wertpapiere oder Derivate beziehen. Bestimmte Gegenstände wie Schuldverschreibungen von EG-Mitgliedstaaten oder Arbeitnehmersparpläne sind ausgenommen. Die Mitarbeitergeschäfte dürfen nicht gegen Kundeninteressen oder gegen eigene Interessen des Instituts gerichtet sein. Außerdem sind alle Geschäfte zu unterlassen, „die den Anschein der Unlauterkeit erwecken oder geeignet sind, die Glaubwürdigkeit des Instituts oder seiner Mitarbeiter in Frage zu stellen“. Die Geschäfte sollen außerdem grundsätzlich der Vermö-
102
Däubler
2090
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
gensanlage dienen und dürfen nur im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Mitarbeiters getätigt werden. Bei Geschäften für Dritte darf kein Entgelt gefordert oder entgegengenommen werden, soweit dadurch Interessen des Instituts oder der Kunden beeinträchtigt werden könnten. 103
Eine verbindliche Pflicht, Konten und Depots nur bei der Arbeitgeber-Bank zu unterhalten, besteht nicht. Nr. B I 8 der Bekanntmachung sieht vor, dass Mitarbeiter allerdings das eigene Haus wählen „sollten“, soweit dies möglich ist. Auf Verlangen des Instituts haben sie Auskunft über Konto- und Depotverbindungen sowie die von ihnen übernommenen Vollmachten Dritter zu erteilen. Gleiches gilt für die auf diesen Konten und Depots getätigten Mitarbeitergeschäfte. Diese „Offenlegungspflicht“ besteht jedoch nur, wenn das Institut ein „berechtigtes Interesse“ an der Kenntnis dieser Tatsachen hat, das insbesondere dann vorliegt, wenn Anhaltspunkte vorhanden sind, „dass der Mitarbeiter gegen gesetzliche oder sonstige aufsichtsrechtliche Regelungen verstoßen haben könnte“. Dies sind ersichtlich seltene Ausnahmefälle.
104
Bei Mitarbeitern mit besonderen Funktionen geht die Offenbarungspflicht sehr viel weiter. Zur Eröffnung eines Depots oder eines Kontos, über das Geschäfte in Derivaten abgewickelt werden, bedürfen sie der vorherigen Zustimmung der Geschäftsleitung, soweit Depot oder Konto bei einem Drittunternehmen geführt werden. Die ArbeitgeberBank muss weiter dafür sorgen, dass sie jederzeit die getätigten Umsätze kontrollieren kann. Dies ist durch Übersenden von Zweitschriften oder durch eine Anzeige getätigter Mitarbeitergeschäfte in Verbindung mit einer Vollständigkeitserklärung möglich. Auch Vollmachten für Konten und Depots Dritter bei anderen Instituten bedürfen der Zustimmung der Arbeitgeberbank (weitere Einzelheiten bei Assmann/Schneider-Koller, § 33 Rn. 38).
105
Diese Grundsätze stellen einen sehr weitreichenden Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen dar, der nach allgemeinen Grundsätzen mit seinen Ersparnissen oder sonstigen finanziellen Mitteln im Prinzip nach Belieben verfahren kann. Dies ist auch vom Gesetzgeber in § 12 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes ausdrücklich bestätigt worden (dazu Löwisch, FS Däubler, S. 473 ff.). Während bei normalen Mitarbeitern in aller Regel keine Kontrollen stattfinden werden, ist die Herstellung eines „gläsernen Bankangestellten“ bei Personen mit besonderen Funktionen ein möglicherweise zu weit geratener „Vorfeldschutz“. Dies ließe sich in einem Mitbestimmungsverfahren klären; die Auferlegung zusätzlicher Pflichten betrifft die „Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, so dass der Betriebsrat mitentscheiden muss. Dies ist nicht etwa durch § 25a Abs. 1 KWG und § 33 Abs. 1 WpHG ausgeschlossen, da beide Vorschriften einen weiten Rahmen für organisatorische Vorkehrungen gegenüber illegalen Handlungen lassen. Die „Bekanntmachung“ stellt als solche keinen verbindlichen Verwaltungsakt dar; vielmehr ist sie eine der Ansicht der Aufsichtsbehörde entsprechende Leitlinie, die keine verbindliche Vorgabe für das Mitbestimmungsverfahren und eine evtl. Entscheidung durch die Einigungsstelle enthält.
106
Wollte man im Arbeitsvertrag über diese Regeln hinausgehen und etwa auch die normalen Arbeitnehmer zur Offenlegung jeder Disposition verpflichten oder bestimmten Beschäftigten jeden Kauf und Verkauf von Wertpapieren untersagen, wäre dies eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Erst recht wäre es unzulässig, den Arbeitnehmer auch zur Offenlegung von Wertpapiertransaktionen von Familienangehörigen zu verpflichten (Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1390; Wisskirchen u. a., DB 2005, 2190, 2195).
107
4. Zusatzpflichten nach sog. Ethikrichtlinien. Soweit Ethik-Richtlinien lediglich die Pflicht zur Einhaltung des geltenden Rechts in Erinnerung rufen, werfen sie keine Rechts-
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2091
probleme auf. Dass man andere nicht betrügen, Urkunden nicht fälschen und die Bank nicht bestehlen darf, ist selbstverständlich und allen Beteiligten bewusst; wird dennoch ausdrücklich darauf hingewiesen ist dies – positiv ausgedrückt – unschädlich. Die Situation ist eine andere, wenn den Beschäftigten zusätzliche Pflichten auferlegt werden, die sich aus dem geltenden Recht nicht zwingend ableiten lassen. Eine Reihe von Klauseln hat im Zusammenhang mit dem Wal-Mart-Verfahren Aufmerksamkeit erfahren, findet sich aber auch in Formularverträgen von Banken. a) Verschwiegenheitspflicht. Nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen ist der Arbeitnehmer zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verpflichtet (ErfKPreis, § 611 BGB Rn. 710 ff.). Ob auch „vertrauliche Angaben“ einbezogen sind, ist durchaus zweifelhaft (bejahend HWK-Thüsing, § 611 BGB Rn. 350 a. E.). Im Falle eines Bankmitarbeiters erstreckt sich die Verschwiegenheitspflicht auf alle die Tatsachen, die dem Bankgeheimnis unterfallen (zu diesem § 6 in diesem Buch). Weiter sind „Chinese Walls“ zu beachten, die auf der Grundlage des § 33 Abs.1 Nr. 3 WpHG geschaffen wurden (Assmann/Scheider-Koller, § 33 Rn. 19; Schwark, § 33 WpHG Rn. 19). In vielen Formularverträgen wird die Verschwiegenheits- oder Schweigepflicht auf alle „geschäftlichen Angelegenheiten“ erstreckt. Wo deren Grenzen verlaufen, ist unsicher. Ist die Krankheit eines Arbeitnehmers eine „persönliche“ oder eine „geschäftliche“ Angelegenheit? Davon ganz abgesehen, deckt die Klausel auch Vorgänge ab, an deren Geheimhaltung die Bank keinerlei Interesse hat: Über die einen Tag später stattfindende Kundenveranstaltung kann man selbstredend auch mit Dritten sprechen, obwohl es sich unzweifelhaft um eine „geschäftliche Angelegenheit“ handelt. Nach AGB-rechtlichen Grundsätzen lässt sich eine so weit gefasste Klausel aber nicht auf die Fälle reduzieren, in denen ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse an der Nichtweitergabe von Informationen besteht (s. o. Rn. 27 zum Verbot der geltungserhaltenden Reduktion). Erst recht ist eine Abmachung unwirksam, die die Verschwiegenheitspflicht auf „alle Angelegenheiten der Bank“ bezieht. In diesem Fall müsste man auch die ersichtlich keinen geschäftlichen Charakter tragende Weihnachtsfeier wie eine Verschlusssache behandeln. Für die Praxis bedeutet dies, dass die vorformulierte Ausdehnung der Verschwiegenheitspflicht ihr Ziel nicht erreicht; vielmehr bleibt es bei dem gesetzlichen/richterrechtlichen Pflichtenstandard. b) Annahme von Geschenken und Gefälligkeiten. Nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen darf der Arbeitnehmer Zahlungen und sonstige Leistungen durch Dritte weder fordern noch sich versprechen lassen noch annehmen (ErfK-Preis § 611 BGB Rn. 722 m. w. N.). Maßgebend hierfür ist die Befürchtung, dass er aufgrund einer solchen Zuwendung nicht mehr allein im Sinne des Arbeitgebers tätig wäre (Schaub/ Linck § 55 Rn. 41 f.). Würde der „Bestechende“ begünstigt, läge sogar eine strafbare Handlung nach § 299 StGB vor. Der Arbeitgeber kann die erhaltenen Beträge nach § 687 Abs. 2 BGB vom Arbeitnehmer herausverlangen (ErfK-Preis § 611 BGB Rn. 723). Ob der Arbeitnehmer verpflichtet ist, jeden Bestechungsversuch beim Arbeitgeber zu melden, erscheint zweifelhaft (HWK-Thüsing, § 611 BGB Rn. 367). Handelt es sich allerdings um einen wichtigen Geschäftspartner, mit dem der Arbeitgeber voraussichtlich auch in Zukunft in vertraglichen Beziehungen bleiben will, muss dem Arbeitgeber reiner Wein eingeschenkt werden. Nicht erfasst von diesen Verboten sind Gelegenheitsgeschenke wie Taschenkalender, Kugelschreiber, eine Flasche Wein oder ein Buch; die steuerliche Obergrenze von 40 € pro Jahr (§ 4 Abs. 5 EStG) könnte insoweit als Richtschnur dienen. Auch Trinkgelder haben nichts mit „Schmiergeld“ zu tun – allerdings nur dort, wo sie üblich sind.
Däubler
108
109
2092
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
110
Formularverträge wie auch Ethikkodizes untersagen häufig die Annahme jedes Geschenks und jeder kleinen Gefälligkeit und nehmen nur „übliche Geschenke von offensichtlich geringem Wert“ aus. Dies geht weiter als die allgemeinen Grundsätze und würde es beispielsweise einem Vermögensberater verbieten, sich von einem Kunden in einem ordentlichen Restaurant bewirten zu lassen. Fraglich erscheint sogar, ob man sich von einem Kunden im Auto mitnehmen lassen darf, weil dieser im selben Stadtviertel wohnt. Beides würde die geschäftlichen Beziehungen belasten statt sie zu fördern. Insoweit ist in der Praxis eine vorherige Rückfrage beim Vorgesetzten zu empfehlen; im Streitfall wäre die Klausel als unwirksam zu behandeln.
111
c) Reglementierung des persönlichen Verhaltens. In Ethikrichtlinien, die von amerikanischen Konzernspitzen beeinflusst sind, taucht bisweilen die Verpflichtung auf, man dürfe nicht mit einer Person des anderen Geschlechts ausgehen oder gar mit dieser eine Liebesbeziehung eingehen, wenn die eine Seite Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der anderen nehmen könne. Das LAG Düsseldorf (AuR 2005, 452 = DB 2006, 162) hat mit Recht den Standpunkt vertreten, dass eine solche Reglementierung des Privatlebens gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstößt, so dass eine entsprechende Klausel unwirksam ist. In der Literatur ist dem im Wesentlichen zugestimmt worden (Kolle/Deinert, AuR 2006, 177 ff.; mit kleinen Einschränkungen ebenso Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1389). Im Bankenbereich haben derartige Klauseln bisher – soweit ersichtlich – keine Rolle gespielt. d) Bezugnahme auf Ethikrichtlinien im Arbeitsvertrag. Wird auf Ethikrichtlinien oder vergleichbare Regelwerke „in ihrer jeweiligen Fassung“ Bezug genommen, so fehlt es an der von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vorausgesetzten Transparenz, da sich der künftige Inhalt für den einzelnen Arbeitnehmer nicht einschätzen lässt (ebenso Mengel/Hagemeister BB 2007, 1386, 1391). Wenn bei der Bezugnahme auf Kollektivverträge in ihrer jeweiligen Fassung anders entschieden wird, so hängt dies damit zusammen, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG es ausdrücklich genügen lässt, dass „in allgemeiner Form“ auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen hingewiesen wird. e) Mitbestimmung. Die Auferlegung zusätzlicher Pflichten unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das BAG hat dies in Bezug auf die Einführung eines Formulars bejaht, mit dem der Redakteur einer Wirtschaftszeitung aufgrund seines Arbeitsvertrags den Besitz bestimmter Wertpapiere seinem Arbeitgeber anzuzeigen hatte (BAG NZA 2003, 166 – „Handelsblatt“; dazu Borgmann NZA 2003, 352). Ohne die Zustimmung des Betriebsrats werden daher selbst zulässige Verpflichtungen nicht wirksam; Zuwiderhandlungen könnten nicht sanktioniert werden. 5. Whistleblower-Hotline. „Whistleblower“ sind im angloamerikanischen Sprachgebrauch Personen, die strafbare Handlungen oder andere schwere Missstände in Unternehmen zur Kenntnis bekommen und daraus Konsequenzen ziehen, indem sie „Alarm schlagen“ und dabei hohe persönliche Risiken in Kauf nehmen: Meistens lässt sich ein Gang in die Öffentlichkeit nicht vermeiden, was die Kündigung des „Nestbeschmutzers“ in greifbare Nähe rückt. Um solche mutigen Menschen geht es bei den Ethikkodizes jedoch nicht: Vielmehr gibt es Fälle, in denen der Einzelne verpflichtet wird, Gesetzesverstöße oder Verstöße gegen die Ethikrichtlinien der zuständigen Stelle über eine Hotline zur Kenntnis zu bringen. Dies bedeutet der Sache nach eine Pflicht zur Denunziation, was sich schwer mit überkommenen Wertvorstellungen vereinbaren lässt. Immerhin hat das BAG schon Mitte der 60er Jahre die Kündigung eines Denunzianten bestätigt, der im privaten Kreis gefallene Äußerungen an Vorgesetzte weitergegeben hatte (BAG AP Nr. 5 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung = BB 1966, 124). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch die Bank selbst nicht zur Meldung von schweren Gesetzesverstößen an die Bankenaufsicht verpflichtet ist (Schwark, § 33 WpHG Rn. 27).
112
113
114
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2093
Das Recht, Missstände anzuprangern und so für Abhilfe zu sorgen, ist durch die Rechtsprechung der letzten Jahre durchaus gestärkt worden. Muss der Arbeitnehmer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge aussagen und belastet er dabei seinen Arbeitgeber, so stellt dies die Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht (und nicht etwa einen Kündigungsgrund) dar (so ausdrücklich BVerfG NZA 2001, 888). Auch wenn er selbst das Verfahren in Gang gesetzt, also bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige erstattet hatte, gilt nichts anderes (BVerfG NZA 2001, 890; dazu Deiseroth, AuR 2002, 161). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn es sich um eine bewusst unrichtige oder leichtfertig erhobene Beschuldigung handelt. Auch kann das Verhalten des Arbeitnehmers aus anderen Gründen unverhältnismäßig sein, weil er beispielsweise eine offen zu Tage liegende und völlig risikolose innerbetriebliche Möglichkeit nicht nutzte (Einzelheiten bei KDZ-Däubler, § 626 BGB Rn. 112a, 112b). In der Praxis ist dringend zu empfehlen, vor einem Schritt in die Öffentlichkeit einen Rechtsanwalt zu konsultieren und sich die Unbedenklichkeit des geplanten Verhaltens bestätigen zu lassen. Soweit eine Hotline eingerichtet wird, die der Arbeitnehmer benutzen kann (aber nicht muss), besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Ähnlich wie im Fall des Handelsblatt-Redakteurs geht es um die Einführung einer bestimmten Verfahrensform (dort das Formular, hier die Hotline), durch das das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb geregelt wird.
115
6. Einhaltung des Arbeitsrechts als Teil der Compliance? In der Literatur ist mit Recht darauf hingewiesen worden, dass auch die korrekte Einhaltung arbeitsrechtlicher Normen zu einem umfassenden Compliance-Programm gehört (Mengel/Hagemeister, BB 2006, 2466 ff.). In der Tat kann die Verletzung arbeitsrechtlicher Normen zu einer Haftung in beträchtlicher Höhe führen; so wird berichtet, die Deutsche Bank sei in Großbritannien zu 1,2 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt worden, weil sie nicht verhindert hatte, dass eine Angestellte durch Mobbing Gesundheitsschäden erlitt (mitgeteilt bei Mengel/ Hagemeister, BB 2006, 2466, 2469). Auch kann das öffentliche Ansehen eines Unternehmens darunter leiden, dass den Beschäftigten bestimmte Rechte vorenthalten werden. Bisher scheint sich allerdings insoweit noch wenig Aktivität gezeigt zu haben.
116
IV. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Kündigung und Aufhebungsverträge unterliegen im Bankensektor keinen generellen Modifikationen. Es sollen daher einige Hinweise genügen.
117
1. Freistellung während des Laufs der Kündigungsfrist. In vorformulierten Arbeitsverträgen wird nicht selten vorgesehen, dass ein gekündigter Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt wird und dass damit sein Urlaubsanspruch abgegolten ist. Dies erweckt rechtliche Bedenken.
118
Zum einen kollidiert eine solche Freistellungsklausel mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung, wie er in der Rechtsprechung des BAG anerkannt ist (BAG GS AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Danach ist der Arbeitgeber zu einer Freistellung nur dann befugt, wenn hierfür ein besonders schutzwürdiges und überwiegendes Interesse spricht. Dies wird man bei einem dringenden Verdacht erheblicher Straftaten annehmen können. Eine „Suspendierung“ ist weiter dann gerechtfertigt, wenn ein Direktionsassistent, der wesentliche Geschäftsgeheimnisse kennt, von sich aus kündigt, um zu einer Konkurrenzfirma überzuwechseln (LAG Hamm DB 1994, 148). Fehlt es an derartigen Voraussetzungen, ist insbesondere auch nicht die Entbindung von einzelnen Funktionen kraft einseitiger Anordnung zulässig (ArbG Frankfurt/Main AiB 1993, 742). Die von der Rechtsprechung vorgenommene Interessenabwägung kann von den Arbeitsvertragsparteien nicht korrigiert werden, da es sich beim grundsätzlichen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers um eine Schutznorm handelt (ebenso im Ergeb-
119
Däubler
2094
120
121
122
123
Kap. VI – Bankarbeitsrecht
nis Preis, Arbeitsvertrag, II F 10 Rn. 9). Möglich ist deshalb allenfalls, die Bedingungen für eine Freistellung etwas zu präzisieren, doch ist eine generelle Erweiterung auf den gesamten Zeitraum der Kündigungsfrist nicht möglich (ebenso ArbG Stuttgart EzA-SD 2005 Nr. 14 S. 8; ArbG Frankfurt/Main NZA-RR 2004, 409 = DB 2004, 934; Felser, AiB 2006, 75; Hümmerich, Arbeitsrecht, Kap. 4 Rn. 565; einschränkend LAG Hamm NZARR 2005, 358, wonach es zulässig ist, dem Arbeitgeber nach der Kündigung ein Freistellungsrecht einzuräumen, dessen Ausübung jedoch der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegt). Zum zweiten kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Urlaub aufdrängen. Vielmehr ist für dessen Zeitpunkt nach § 7 Abs. 1 BUrlG der Wunsch des Arbeitnehmers maßgebend, der ggf. wegen dringender betrieblicher Belange oder vorrangiger Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer abschlägig beschieden werden kann. Auch im Fall der Kündigung und einer dann nach § 7 Abs. 4 BUrlG zu erwartenden Abgeltung ist nicht anders zu entscheiden, zumal der Arbeitnehmer ggf. schon Dispositionen für einen späteren Urlaubszeitpunkt getroffen hat (vgl. ErfK-Dörner, § 7 BUrlG Rn. 10 ff.). 2. Aufhebungsverträge. Bei Aufhebungsverträgen ist nach § 623 BGB die Schriftform zu wahren. Häufig geben die Begleitumstände dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer Anlass, den Vertrag nachträglich in Frage zu stellen. Ein Widerrufsrecht in analoger Anwendung des § 312 BGB wird von der Rechtsprechung abgelehnt (BAG NZA 2004, 597). Allerdings hat das BAG ausdrücklich darauf hingewiesen, den Arbeitgeber treffe eine Informationspflicht in Bezug auf die Folgen des Aufhebungsvertrags; außerdem müsse er das „Gebot fairen Verhandelns“ wahren (BAG NZA 2004, 597, 603; BAG AP Nr. 27 zu § 620 BGB Aufhebungsvertrag Tz. 35). Wie weit die Informationspflicht geht, ist bislang nicht im Einzelnen geklärt. Wichtig ist, ob die Initiative zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer ausgeht: Nur im ersten Fall hat der Arbeitgeber insbesondere über die Folgen bei der betrieblichen Altersversorgung und bei der Arbeitslosenversicherung zu informieren oder den Arbeitnehmer jedenfalls an eine Stelle zu verweisen, wo er verbindliche Auskünfte erhalten kann (Einzelheiten bei KDZ-Däubler, Einl. Rn. 303 ff.). Für die Richtigkeit einer ohne Vorbehalt gegebenen Auskunft muss der Arbeitgeber einstehen (BAG AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG = DB 1990, 2431; BAG DB 2001, 227). Sind sehr viele Informationen zu geben, muss dem Arbeitnehmer auch die Zeit eingeräumt werden, um sie zu verarbeiten und seine Handlungsmöglichkeiten einschließlich ihrer Erfolgsaussichten abzuschätzen. Im Regelfall des nicht vom Beschäftigten gewünschten Aufhebungsvertrags bedeutet dies, dass ihm Bedenkzeit einzuräumen ist. Ihre Länge bestimmt sich nach der Kompliziertheit der zu klärenden Fragen. Ein Rückgriff auf die pauschale Zwei-Wochen-Frist des § 355 BGB kommt nicht in Betracht. Das Gebot fairen Verhandelns ist verletzt, wenn der Arbeitnehmer in unangemessener Weise unter Druck gesetzt wird. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere darauf abzustellen, ob zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten verhandelt wurde, ob Zeitdruck oder intellektuelle Überlegenheit einer Seite bestand, weil diese durch mehrere Personen repräsentiert und die Gegenseite keine Möglichkeit zur Rücksprache mit Beratern hatte (näher zu diesen aus dem US-amerikanischen Zivilrecht übernommenen Prinzipien Lorenz, JZ 1997, 277, 280 ff.). Wird nicht ausreichend informiert oder gegen das Verbot fairen Handelns verstoßen, macht sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig. Der Schaden besteht in der Regel in der Auflösung des Arbeitsverhältnisses; diese ist daher nach dem Grundsatz der Naturalrestitution nach § 249 I BGB wieder rückgängig zu machen.
Däubler
§ 68 Bankarbeitsrecht
2095
3. Diskriminierungsverbote. Auch bei der Auflösung von Arbeitsverträgen darf nicht wegen eines der Merkmale des § 1 AGG diskriminiert werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn in einer bestimmten Abteilung alle Mitarbeiter, die das 40. oder das 45. Lebensjahr erreicht haben, einen Änderungs- oder einen Aufhebungsvertrag angeboten erhalten, bei dessen Ablehnung ihnen ein Entzug von Kompetenzen und faktische Nichtbeschäftigung drohen. Eine solche Diskriminierung wegen Alters ist nach den §§ 8 und 10 AGG nicht zu rechtfertigen; Vertragsangebote stellen dann eine „Benachteiligung“ im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG dar, wenn für den Fall der Ablehnung Nachteile nicht auszuschließen sind (Däubler/Bertzbach-Däubler, § 7 Rn. 17). Der Entzug von Kompetenzen wäre als diskriminierender Akt unwirksam.
124
4. Zeugnis. Das bei Ausscheiden zu erteilende Zeugnis ist sorgfältig zu formulieren. Aus Sicht des Arbeitnehmers muss insbesondere darauf geachtet werden, dass künftige Arbeitgeber auch aus sehr „sanften“ Andeutungen keine falschen Schlüsse ziehen können. Einzelheiten sind im arbeitsrechtlichen Schrifttum eingehend abgehandelt (ErfK-MüllerGlöge und KDZ-Däubler, jeweils Erläuterungen zu § 109 GewO).
125
Däubler
“This page left intentionally blank.”
209
Kapitel VII Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Derleder
“This page left intentionally blank.”
§ 69 Organhaftung
2099
§ 69 Organhaftung
Schrifttum Barth, Schadensberechnung bei Haftung wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2006; Baums, Haftung wegen Falschinformation des Sekundärmarktes, ZHR 167 (2003) 139; Dühn, Schadensersatzhaftung börsennotierter Aktiengesellschaften für fehlerhafte Kapitalmarktinformation de lege lata und de lege ferenda, 2003; Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderang des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten F zum 64. Deutschen Juristentag 2002, 2002, F 1; Erweiterte Außenhaftung der Organmitglieder im Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2004, 437; Gehrt, Die neue Ad-hoc-Publizität nach § 15 Wertpapierhandelsgesetz, 1997; Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, 2002; Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, Hess/Michailidou, Das Gesetz über Musterverfahren zu Schadensersatzklagen von Kapitalanlegern, ZIP 2004, 1381; Horn, Zur Haftung der AG und seiner Organmitglieder für unrichtige oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen, FS Ulmer, 2003, S. 817; Leuschner, Zum Kausalitätserfordernis des § 826 BGB bei unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen, ZIP 2008, 1050; v. Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität, 1999; Klussmann, Geschäftslagetäuschungen nach § 400 AktG, 1975; Köndgen, Die Ad hoc-Publizität als Prüfstein informationsrechtlicher Prinzipien, FS Druey, 2002, S. 791; Kort, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern für falsche Ad-hoc-Mitteilungen, AG 2005, 21; Kowalewski/Hellgardt, Der Stand der Rechtsprechung zur deliktsrechtlichen Haftung für vorsätzlich falsche Ad-hoc-Mitteilungen, DB 2005, 1839; Krause, Ad-hoc-Publizität und haftungsrechtlicher Anlegerschutz, ZGR 2002, 799; Leisch, Vorstandshaftung für falsche Ad-hoc-Mitteilungen, ZIP 2004, 1573; Maier-Reimer/Webering, Ad hoc-Publizität und Schadensersatzhaftung – Die neuen Haftungsvorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, WM 2002, 1857; Möllers, Der BGH, die BaFin und der EuGH: Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, NZG 2008, 330; ders., Der Weg zu einer Haftung für Kapitalmarktinformationen, JZ 2005, 75; ders., Konkrete Kausalität, Preiskausalität und uferlose Haftungsausdehnung – ComROAD I – VIII, NZG 2008, 413; Möllers/Leisch, Haftung von Vorstanden gegenüber Anlegern wegen fehlerhafter Ad-hoc-Meldungen nach § 826 BGB, WM 2001, 1648; Möllers/Weichert, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), NJW 2005, 2737; Mülbert/Steup, Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation am Beispiel der fehlerhaften Regelpublizität, WM 2005, 1633; Reichert/Weller, Haftung von Kontrollorganen, ZRP 2002, 49; Reuschle, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, 2006; Rieckers, Haftung des Vorstands für fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen de lege lata und de lege ferenda, BB 2002, 1213; Rimbeck, Rechtsfolgen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2005; Sauer, Haftung für Kapitalmarktinformationen des Sekundärmarktes, 2004; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hocPublizität, 1999; Veil, Die Ad-hoc-Publizitätshaftung im System kapitalmarktrechtlicher Informationshaftung, ZHR 167 (2003), 365; Weichert, Der Anlegerschaden bei fehlerhafter Kapitalmarktpublizität, 2008. Inhaltsübersicht I. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Haftung der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Der Anspruch aus § 826 BGB. . . . . . . . . . . 4 2. Ansprüche wegen Verletzung von Schutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Ansprüche aus § 93 Abs. 2 AktG und Regress gem. §§ 37b Abs. 6, 37c Abs. 6 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4. Vorvertragliche Ansprüche und zivilrechtliche Prospekthaftung. . . . . . . . . 39 III. Haftung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . 41
1. Zurechnung deliktischer Handlungen gem. § 31 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ansprüche nach §§ 37b, 37c WpHG . IV. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweisschwierigkeiten und „Streuschäden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informationsfreiheitsgesetz (IFG). . . . . . . 4. Überlegungen de lege ferenda (KapInHaG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 42 50 50 51 61 62
Stichwortverzeichnis Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Beweisschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 50 Business-Judgement-Rule. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Gesellschaftsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Grundsatz der Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Informationsfreiheitsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . KapInHaG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalanlagebetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KapMuG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Vorlageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Möllers
61 63 33 51 54
2100
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
– Musterverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 – Bindungswirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Kausalität – haftungsbegründende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 – Preiskausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Marktpreismanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Musterverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Schaden – Vertragsabschlussschaden . . . . . . . . . . . . . . . 17, 46
– Kursdifferenzschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 46 – finanzökonomische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 48 Schädigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Streuschäden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 49 Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
1
I. Praktische Relevanz. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Missstände am Neuen Markt aufgearbeitet, also die Zeit vor Einführung der §§ 37b, 37c WpHG durch das 4. FFG im Juli 2002. Im Vordergrund standen dabei Ansprüche gegen Organe gem. § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 AktG. Wegen der hohen Kosten, aber auch der Erforderlichkeit, die Revision zum BGH zuzulassen, sind bisher nur drei Verfahren bis zum BGH gekommen. Zu nennen sind Verfahren wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen durch Infomatec, ComROAD und EM.TV. Die Infomatec AG hatte in Ad-hocMitteilungen vom 20.5.1999 und 13.9.1999 behauptet, von der Mobilcom AG einen Auftrag in Höhe von 55 Mio. DM erhalten zu haben, was nicht den Tatsachen entsprach. Später wurden die fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen korrigiert (hierzu ausführlich Möllers/ Leisch, WM 2001, 1648). Der Vorstandsvorsitzende der ComROAD AG hatte nahezu alle Umsatz- und Gewinnzahlen frei erfunden. In mehreren Ad-hoc-Mitteilungen hatte die EM.TV AG den Erwerb von Unternehmen in ein zu optimistisches Licht gerückt, so etwa den Erwerb der Jim Henson Company durch Ad-hoc-Mitteilung vom 21.2.2000 sowie die Übernahme der SLEC Formel 1-Gruppe durch Ad-hoc-Mitteilung vom 22.3.2000. Zudem wurden durch Ad-hoc-Mitteilungen vom 22.8.2000 Halbjahreszahlen des Unternehmens bekannt gegeben, die in dieser Form unzutreffend waren (zu den Sachverhalten s. Möllers/Rotter/Möllers, § 1 Rn. 2 ff.).
2
Die Gerichte taten sich anfangs schwer mit der zutreffenden juristischen Beurteilung der Sachverhalte. Zwar kam es zu einer Reihe strafrechtlicher Verurteilungen. Jedoch nur das LG Augsburg bejahte in Sachen Infomatec einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB (LG Augsburg WM 2001, 1944 = ZIP 2001, 1881 – Infomatec m. Anm. v. Möllers/Leisch, BKR 2001, 78). Alle anderen Gerichte lehnten einen Schadensersatzanspruch ab. Der BGH entschied dann über drei Klagen in Sachen Infomatec: In einer Entscheidung bejahte der BGH die persönliche Haftung der Vorstände (BGH (II ZR 402/02) BGHZ 160, 149 = WM 2004, 1721 = NJW 2004, 2971 – Infomatec), in einer zweiten Entscheidung wurde die Haftung verneint (BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 134 = WM 2004, 1731 = NJW 2004, 2664 – Infomatec) und in einer dritten Entscheidung wies der BGH zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Berufungsgericht zurück (BGH (II ZR 217/03) NJW 2004, 2668 – Infomatec). Erst seitdem der BGH in einer der drei Infomatec-Entscheidungen einen Anspruch aus § 826 BGB bejahte, argumentieren die Gerichte differenzierter (OLG München ZIP 2005, 298 – Infomatec; OLG München WM 2005, 1311). Unsicherheiten zeigten auch Erstinstanzen, als sie Ansprüche gegen EM.TV ablehnten. Der Bundesgerichtshof hat dies inzwischen korrigiert (BGH NJW 2005, 2450 = BB 2005, 1644 – EM.TV). Anders war dagegen der Sachverhalt in Sachen ComROAD: Landgerichte und Oberlandesgerichte haben jeweils Schadensersatz zugesprochen (OLG Frankfurt a.M. ZIP 2005, 710 – ComROAD; OLG München NZG 2005, 518 = ZIP 2005, 901 – ComROAD; OLG München ZIP 2005, 1141, 1143 – ComROAD). Der BGH hat die Rechts-
Möllers
§ 69 Organhaftung
2101
sache in sieben von acht ComROAD-Urteilen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung (BGH (II ZR 80/04) ZIP 2007, 681 – ComROAD I; BGH (II ZR 246/04) ZIP 2007, 679 – ComROAD II; BGH (II ZR 147/05) ZIP 2007, 1560 = NJW 2008, 76 – ComROAD IV; BGH (II ZR 173/05) ZIP 2007, 1564 = NJW-RR 2007, 1532 – ComROAD V; BGH (II ZR 218/ 03) BGHZ 160, 138, 141 – Infomatec; BGH (II ZR 229/05) ZIP 2008, 407 = WM 2008, 395 – ComROAD VI; BGH (II ZR 68/06) ZIP 2008, 410 = WM 2008, 398 – ComROAD VII) bzgl. des Nachweises der konkreten Kausalität zurückverwiesen. In einem Fall bejahte er den Anspruch (BGH (II ZR 153/05) ZIP 2007, 326, 327 – ComROAD III). Zu den §§ 37b, 37c WpHG sind bisher nur zwei OLG-Entscheidungen ergangen (OLG Schleswig WM 2005, 696 und OLG Stuttgart (s. Rn. 50). Zum Sachverhalt in Sachen Schrempp ist mittlerweile auch eine Entscheidung des BGH ergangen (s. Rn. 50). Umfangreiche Rechtsprechung im Ausland zu fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen existiert bisher nur in Frankreich (Nachweise bei Fleischer/Jänig, RIW 2002, 729) und in den USA (s. etwa Rimbeck); insbesondere in zahlreichen anderen EU-Mitgliedstaaten ist eine Haftung denkbar (KK-WpHG/Möllers/Leisch, §§ 37b, 37c Rdn. 44; Hopt/Voigt, 811, 867 ff.) II. Haftung der Organmitglieder. 1. Der Anspruch aus § 826 BGB. Die Anwendbarkeit von anderen Anspruchsgrundlagen hatte der Gesetzgeber mit § 15 Abs. 6 S. 2 WpHG angesprochen; § 826 BGB hatte der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum 2. FFG ausdrücklich genannt: Ein Haftungsausschluss zu Gunsten des Emittenten in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter sei mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren und würde eine sachlich nicht vertretbare Bevorzugung des Emittenten gegenüber anderen Unternehmen darstellen, die für betrügerisches Verhalten ihres gesetzlichen Vertreters haften müssten, gegebenenfalls mit existenzbedrohenden Konsequenzen für das Unternehmen (vgl. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/7918, S. 102). Da der Emittent, an den § 15 Abs. 6 S. 2 WpHG adressiert ist, als juristische Person durch seine Organe handelt und sich deren Verschulden zurechnen lassen muss, treffen die Normen mittelbar auch eine Aussage über die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Organe des Emittenten. Wegen der klaren Ausführungen in der Regierungsbegründung zum 2. FFG ist die Möglichkeit einer Vorstandshaftung nach § 826 BGB auch in der Literatur von Anfang an grundsätzlich anerkannt. Problemschwerpunkte bilden die Fragen, ob die Veröffentlichung einer unrichtigen Ad-hoc-Mitteilung oder die Unterlassung der Veröffentlichung objektiv als sittenwidrige Schädigung einzuordnen ist, wann dem Beklagten ein Schädigungsvorsatz vorzuwerfen ist und unter welchen Voraussetzungen Kausalität und Schaden bejaht werden können. Im Bereich der Börsenprospekthaftung wird schon seit über 100 Jahren diskutiert, wie die börsenprospektrechtliche Schadensersatzhaftung zum gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Kapitalerhaltung der §§ 57, 71 AktG steht. Da die Leistung von Schadensersatz an Aktionäre keinen gesetzlich anerkannten Ausnahmefall nach § 57 AktG darstellt, handelt es sich hierbei nach weitem Verständnis um eine verbotene Einlagenrückgewähr (KK-AktG/Lutter, § 57 Rn. 5). In Literatur und Rechtsprechung wurde bisher teilweise für einen Vorrang des Anlegerschutzes plädiert. In jüngeren Entscheidungen zu § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 400 AktG schließt sich die Rechtsprechung (OLG München ZIP 2005, 901 – ComROAD; OLG Frankfurt a.M. ZIP 2005, 710, 713 – ComROAD; BGH NJW 2005, 2450 = BB 2005, 1644 – EM.TV; ausführlich Möllers, BB 2005, 1637 (1639 ff.); Gottschalk, DStR 2005, 1648 (1651 ff.); BGH NZG 2007, 269 (270) – ComROAD) der Ansicht an, die für einen Vorrang der kapitalmarktrechtlichen Emittentenhaftung vor den aktienrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften eintritt. Die Überlegungen gelten auch für die §§ 37b, 37c WpHG.
Möllers
3
4
5
2102
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
6
Anspruchsgegner ist nach § 826 BGB der Handelnde und im Gegensatz zu den §§ 37b, 37c WpHG nicht das Unternehmen selbst. Der Vorstand leitet in eigener Verantwortung die Gesellschaft; er übernimmt die Geschäftsführung der Gesellschaft und vertritt die AG nach außen, §§ 76 – 78 AktG. Die Leitung des Unternehmens ist der zentrale Inhalt der Führungsfunktion des Vorstandes. Sie ist ein herausgehobener Teil der Geschäftsführung. Leitungsaufgaben darf der Vorstand nicht auf tiefere Führungsebenen übertragen (Hüffer, § 76 AktG Rn. 7; KK-AktG/Mertens § 76 Rn. 4). Welche Aufgabenbereiche zur Leitungsfunktion des Vorstandes gehören, ist einerseits nach der Größe der Gesellschaft, andererseits nach der Erheblichkeit einer Aufgabe für die mittel- und langfristige Entwicklung des Unternehmens sowie für die Ertrags-, Finanz- und Beschäftigungslage zu bestimmen. Die Durchführung der Ad-hoc-Publizität ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Gesellschaft. Bei den publizitätspflichtigen Tatsachen handelt es sich um solche von erheblicher Bedeutung. Für Unternehmen hat der Aktienkursverlauf eine überragende Bedeutung hinsichtlich Geschäftspotential und Reputation. Darüber hinaus ist der Kursverlauf entscheidend für die Chancen der Gesellschaft, ihren Kapitalbedarf durch weitere Emissionen zu befriedigen. Die Durchführung der Ad-hoc-Publizität gehört daher zum Kernbereich der Leitungsfunktion des Vorstandes (so bereits Möllers/Leisch, WM 2001, 1648 (1651 f.); Möllers/Rotter/Möllers/Leisch, § 15 Rn. 93).
7
Der Gesamtvorstand kann die Aufgabe an einen einzelnen Vorstand delegieren. Zudem ist die Einrichtung einer zentralen Stelle (Assmann/Schneider/Assmann, § 15 Rn. 294; Fleischer, BKR 2003, 608 (615)) sinnvoll, welche die Insiderverzeichnisse nach § 15b einrichtet bzw. führt und in diesem Rahmen auch für die Ad-hoc-Publizität verantwortlich ist. Regelmäßig wird man davon ausgehen können, dass der Vorstand selbst die Ad-hocMitteilung veranlasst hat. Wo dies im Einzelfall nicht feststellbar ist, kommt eine Haftung der Vorstände nach § 826 BGB für Informationspflichtverletzungen der Angestellten in Betracht.
8
Nicht jedes rechtswidrige Verhalten ist zugleich sittenwidrig. Im Allgemeinen genügt hierfür weder die bloße Tatsache, dass der Täter gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat, noch der Umstand, dass sein Handeln bei einem anderen zu einem Vermögensschaden geführt hat. Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn das Gesamtbild eines Vorgangs signifikant den Grundanschauungen über den loyalen Umgang unter Rechtsgenossen widerspricht (BGH NJW 1981, 2184 (2185); Staudinger/Oechsler, § 826 BGB Rn. 4 ff., 31.). Die damit geforderte besondere Verwerflichkeit des Verhaltens kann sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (BGH (II ZR 402/02) BGHZ 164, 149 (157) – Infomatec). Der Sittenverstoß kann durch Tun oder Unterlassen verwirklicht werden.
9
Die Konkretisierung der Generalklausel des § 826 BGB durch die Rechtsprechung und die daran anknüpfende systematisierende Arbeit der Rechtswissenschaft hat zur Herausbildung von Fallgruppen geführt. Sofern ein Sachverhalt das typische Gepräge einer anerkannten Fallgruppe hat, ist damit die Sittenwidrigkeit gleichsam indiziert. Im Rahmen informationeller Fehlleistungen haben sich zwei Fallgruppen herausgebildet: die Fallgruppe der bewusst unrichtigen Auskunft und die Fallgruppe der leichtfertigen Irreleitung Dritter durch Fehlinformationen (vgl. hierzu eingehend Möllers/Leisch, WM 2001, 1648 ff.; Möllers/Rotter/Möllers/Leisch, § 15 Rn. 7 ff.).
10
Die Rechtsprechung des BGH zur Vorstandshaftung bei fehlerhaften Ad-hoc-Meldungen stellt die konsequente Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechungslinie dar; angesichts der kapitalmarktrechtlichen Besonderheiten lässt sich durchaus von einer neuen Fallgruppe sprechen. So führt der BGH in seinen drei Grundsatzurteilen zu Infomatec aus,
Möllers
§ 69 Organhaftung
2103
dass im Falle direkt vorsätzlicher unlauterer Beeinflussung des Sekundärmarktpublikums durch eine grob unrichtige Ad-hoc-Mitteilung die Verwerflichkeit des Verhaltens bereits indiziert sei. Ein solches Verhalten verstoße derart gegen die Mindestanforderungen im Rechtsverkehr auf dem Kapitalmarkt, dass ein Ausgleich der durch sie bei den einzelnen Marktteilnehmern verursachten Vermögensschäden geboten erscheine (BGH (II ZR 402/ 02) BGHZ 160, 147 (157) – Infomatec; BGH (II ZR 217/03) NJW 2004, 2668 (2670 f.) – Infomatec). Basis der Sittenwidrigkeitswertung ist – wie in den überkommenen Fallgruppen – die besondere Bedeutung der Information für das Anlegerpublikum. Dies kommt in der Anknüpfung des BGH an die „grobe Unrichtigkeit“ zum Ausdruck. Die Bedeutung der Information ist den Verantwortlichen im Falle der Veröffentlichung in einer Ad-hoc-Mitteilung auch erkennbar, denn mittels einer solchen Meldung dürfen überhaupt nur solche Informationen veröffentlicht werden, die von besonderer Bedeutung sind (vgl. auch BGH (II ZR 402/02) BGHZ 160, 147 (156) – Infomatec; BGH (II ZR 217/03) NJW 2004, 2668 (2670) – Infomatec, jeweils in Bezug auf das Vorsatzerfordernis). Ein weiteres Element der Sittenwidrigkeitswertung ist die besondere Verwerflichkeit des Mittels. Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ad-hoc-Publizität wird vom BGH als Zeichen dafür gewertet, dass den hierfür Verantwortlichen offensichtlich jedes Mittel recht ist, um in den potentiellen Anlegern positive Vorstellungen über den Wert des Unternehmens hervorzurufen (BGH (II ZR 402/02) BGHZ 160, 147 (157) – Infomatec; BGH (II ZR 217/03) NJW 2004, 2668 (2670 f.) – Infomatec; vgl. bereits Möllers/Leisch, WM 2001, 1648 (1654); Krause, ZGR 2002, 799 (821); Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063 (1068)). Als letztes Element der Sittenwidrigkeitswertung wird vom BGH die Verfolgung eigener Zwecke in objektiv unlauterer Weise angesprochen. Im zu entscheidenden Fall waren die verantwortlichen Vorstände zugleich Aktionäre des Unternehmens und profitierten daher durch die unrichtige Mittelung von der entsprechend verzerrten Kursentwicklung der Wertpapiere (BGH (II ZR 402/02) BGHZ 160, 147 (158) – Infomatec; ebenso OLG Frankfurt a.M. ZIP 2005, 712 – ComROAD; s. bereits Möllers/Leisch, WM 2001, 1648 (1653 f.)). Ein Unterlassen verstößt nur dann gegen die guten Sitten, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Dazu müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral verwerflich machen (so wörtlich BGH NJW 2001, 3702 – Sittenwidrige Schädigung durch Unterlassen). Die Anforderungen sind bei § 826 BGB damit höher als im Rahmen des § 37b WpHG. Ein sittenwidriges Verhalten wegen des mit ihm verfolgten Zwecks wird ein Unterlassen dann darstellen, wenn der Vorstand des Unternehmens eine erhebliche negative Tatsache kennt, aber nicht veröffentlicht, um Aktien des Unternehmens noch zu einem guten Kurs verkaufen zu können. Umgekehrt gilt dies auch für den Fall, dass der Vorstand eine den Kurs positiv beeinflussende Tatsache nicht veröffentlicht, um Aktien des Unternehmens noch preiswert kaufen zu können. In diesen Fallkonstellationen wird Insiderwissen zur persönlichen Bereicherung auf Kosten und durch Täuschung des Anlegerpublikums ausgenutzt; dies ist allein schon wegen der eigensüchtigen Gesinnung als verwerflich zu qualifizieren (Krause, ZGR 2002, 799 (824); Möllers, WM 2003, 2393 (2394); Schwark, FS Hadding, S. 1117 (1131); Fleischer, DB 2004, 2031 (2034)). Bloße Kenntnis der Insiderinformation reicht indessen noch nicht, um einen Sittenwidrigkeitsvorwurf begründen zu können. Zusätzlich erforderlich ist, dass die Veröffentlichungsbedürftigkeit der Tatsache offensichtlich ist (Möllers, WM 2003, 2393 (2395); anders Fleischer, DB 2004, 2031 (2034)). Das kann etwa der Fall sein, wenn es sich um ein besonders gefährliches Geschäft handelt (Horn, FS Ulmer, S. 817 (820)).
Möllers
11
12
2104
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
13
Die Fahrlässigkeitshaftung stellt im deutschen Schadensersatzrecht eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass bei einer außervertraglichen Verletzung von Vermögensinteressen vorsätzliches Verhalten vorausgesetzt wird. Im Gegensatz zu den §§ 37b, 37c BGB verlangt § 826 BGB eine sog. Schädigungsabsicht; grob fahrlässiges Verhalten ist damit nicht ausreichend. Der in § 826 BGB erforderliche Vorsatz, einem anderen Schaden zuzufügen, setzt voraus, dass der Täter im Bewusstsein der Schädigung handelt und dass er die Schädigung will oder zumindest billigend in Kauf nimmt. Ausreichend ist mithin bedingter Vorsatz. Es genügt, wenn der Vorsatz die Art und Richtung der Folgen grob umfasst, wohingegen genaue Vorstellungen vom Umfang des Schadens, vom Kausalverlauf und von der Person des Geschädigten nicht erforderlich sind (BGH BGHZ 108, 134 (143 f.) – Konkursausfallgeld; Staudinger-Oechsler, § 826 Rn. 77 f.). Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit ist nicht Voraussetzung des Tatbestandes, da ansonsten besonders gewissenlos oder rücksichtslos Handelnde begünstigt würden. Der subjektive Tatbestand des § 826 BGB verlangt nur, dass der Schädiger die tatsächlichen, das Sittenwidrigkeitsurteil prägenden Umstände kennt.
14
Schwierigkeiten bereitet im Rahmen des Vorsatzes vor allem der Beweis, dass der Schädiger die Unwahrheit der Information kannte. Fraglich ist, welche Anforderungen an die Kenntnis zu stellen sind und in welchem Umfang zu Gunsten des Klägers im Prozess Beweiserleichterungen möglich sind. Nach Ansicht der Rechtsprechung kann bei besonders gewissenlosem Verhalten vom Tatbestand der Sittenwidrigkeit auf den Vorsatz des Täters zur Schadenszufügung geschlossen werden. Ein solches Verhalten liegt beispielsweise vor, wenn der Täter vor den die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen „geradezu die Augen verschließt“ (BGH BGHZ 10, 228 (233) – Sanierungsvorhaben; BGH NJW 1991, 3282 (3283) – Sachverständigengutachten; BGH WM 1986, 904 (906) – Fehlerhaftes Gutachten; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, § 40 Rn. 65; LG Augsburg WM 2001, 1944 (1946) – Infomatec; vorher schon Möllers/Leisch, WM 2001, 1642 (1662)). Steht im Einzelfall fest, dass der Mitteilungsverantwortliche die Unwahrheit der Information kannte, so steht aufgrund der Eigenart einer Ad-hoc-Mitteilung auch der Schädigungsvorsatz fest. Sofern nämlich der Mitteilungsverantwortliche die Information als Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG veröffentlicht, bringt er damit zum Ausdruck, dass es sich bei der mitgeteilten Information seiner Ansicht nach um eine Insiderinformation handelt. Er gibt damit seine Einschätzung zu erkennen, dass die Information „geeignet ist, den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen“ (§ 13 Abs. 1 S. 1 WpHG), was wiederum dann anzunehmen ist, wenn „ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“ (§ 13 Abs. 1 S. 2 WpHG). Eine erhebliche Beeinflussung des Börsenpreises kommt nur durch entsprechende Kauf- oder Verkaufsorders zustande, also durch eine Steigerung der Nachfrage bzw. des Angebots. Der die Unwahrheit der Information kennende Mitteilungsverantwortliche geht daher notwendigerweise davon aus, dass die Mitteilung zum Abschluss von Kaufverträgen über das Insiderpapier führen würde, die auf falscher Tatsachenbasis getroffen würden (BGH (II ZR 402/02) BGHZ 160, 149 (155) – Infomatec, gegen OLG München ZIP 2002, 1989 (1993) – Infomatec; ebenso bereits Möllers/Leisch, ZIP 2002, 1995 (1997 f.); zustimmend Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063 (1067 f.); Weitnauer, DB 2003, 1719 (1723 f.)). Hinsichtlich des Schadens ist sowohl der Vertragsabschlussschaden als auch der Kursdifferenzschaden ersatzfähig. Zudem kommt im Rahmen des § 826 BGB der Ersatz von Schäden in Betracht, die durch die täuschungsbedingte Nichtveräußerung der Finanzinstrumente entstanden sind.
15
16
Möllers
§ 69 Organhaftung
2105
Ausgangspunkt der Grundsatzentscheidung des BGH zur Ersatzfähigkeit des Vertragsabschlusschadens ist die Feststellung, dass als Schaden im Sinne des § 826 BGB jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses zu verstehen ist (BGH (II ZR 402/ 02) BGHZ 160, 149 (155) – Infomatec; bestätigend BGH NJW 2005, 2450 (2451) – EM.TV). Damit kann bereits der täuschungsbedingte Vertragsschluss als solcher einen ersatzfähigen Schaden darstellen, und zwar unabhängig davon, ob der Verpflichtung ein gleichwertiger Anspruch gegenübersteht; dass ein Vermögensschaden vorliegt, fordert § 826 BGB schließlich nicht (vgl. bereits Möllers/Leisch, WM 2001, 1648 (1655)). Sofern der geschädigte Anleger die Finanzinstrumente noch hält, geht der Ersatzanspruch daher auf Zahlung des Erwerbspreises Zug um Zug gegen Übertragung der Finanzinstrumente auf den Schädiger. Sofern der Anleger die Finanzinstrumente zwischenzeitlich veräußert hat, geht der Anspruch auf Ersatz des Differenzbetrages zwischen Erwerbs- und Veräußerungspreis. Dies stellt der BGH explizit in der Entscheidung II ZR 217/03 fest (BGH NJW 2004, 2968 (2969) – Infomatec; vgl. auch BGH NJW 2005, 2450 (2451) – EM.TV).
17
Der Erwerbsentschluss des Anlegers muss auf der unwahren Information oder der Unterlassung der Veröffentlichung der Insiderinformation beruhen. Es handelt sich um eine Frage der haftungsbegründenden Kausalität, für die der Anspruchsteller grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast trägt. Da es sich hierbei um eine innere Tatsache des Geschädigten handelt, ist der Beweis allerdings schwer zu führen. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 826 BGB bestehen grundsätzlich keine Beweiserleichterungen zu Gunsten des Geschädigten. Zu Recht lehnt der BGH eine analoge Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BörsG i.d.F d. 3. FFG v. 24.3.1998 (jetzt § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG) ab. Auch eine undifferenzierte Übernahme der Rechtsprechung zur Anlagestimmung lehnt der BGH zu Recht ab. Sie könne „nicht ohne weiteres“ auf die Deliktshaftung nach § 826 BGB im Hinblick auf fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen i.S.d. § 15 Abs. 1 bis 3 WpHG a.F. übertragen werden (BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 134 (145) – Infomatec; BGH (II ZR 217/03) NJW 2004, 2668 (2671) – Infomatec). Entscheidend ist zum einen, dass die einzelne Ad-hocMeldung im Unterschied zu einem Prospekt keine vollständige Information des Anlegerpublikums bezweckt, sondern regelmäßig nur über eine wesentliche Einzeltatsache Auskunft gibt oder geben soll. Zum anderen ist sie auch nicht die einzige und allenfalls für einen kurzen Zeitraum die wichtigste Informationsquelle zur Beurteilung des Emittenten, der umfangreichen weiteren kapitalmarktrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Publizitätspflichten unterliegt (zu den verschiedenen Publizitätspflichten vgl. Möllers/RotterMöllers, § 2 Rn. 2 ff.).
18
In der Infomatec-Entscheidung ist jedoch die Rede davon, dass im Einzelfall durchaus eine regelrechte Anlagestimmung entstehen könne (BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 134 (146) – Infomatec; BGH (II ZR 217/03) NJW 2004, 2668 (2671) – Infomatec. Vorher schon Möllers/Rotter-Möllers/Leisch, § 15 Rn. 65; Hennrichs, FS Kollhosser, Bd. II, S. 201 (204)). Die weiteren Ausführungen sind allerdings etwas unklar. Jüngst hat der BGH seine Rechtsprechung präzisiert und betont, dass selbst in eindeutigen Fällen wie ComROAD, also auch bei extrem unseriöser Kapitalmarktinformation, auf eine Anlagestimmung vergleichbar mit der US-amerikanischen „fraud-on-the-market-theory“ nicht abgestellt werden kann. Vielmehr muss die Kausalität im konkreten Einzelfall nachgewiesen werden. Dazu reicht es aus, dass der geschädigte Anleger etwa auf Äußerungen des Emittenten vertraute, die dieser in öffentlichen Stellungnahmen oder gegenüber dem Anleger abgegeben hatte (BGH (II ZR 80/04) ZIP 2007, 681, 682 – ComROAD I; BGH (II ZR 246/04) ZIP 2007, 679, 680 – ComROAD II; BGH (II ZR 153/05) ZIP 2007, 326 – ComROAD III; BGH (II ZR 147/05) ZIP 2007, 1560, 1562 – ComROAD IV; BGH (II ZR 173/05) ZIP 2007, 1564, 1565 = NJW-RR 2007, 1532 – ComROAD V; BGH (II ZR
19
Möllers
2106
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
229/05) ZIP 2008, 407, 409 – ComROAD VI; BGH (II ZR 68/06) ZIP 2008, 410, 411 – ComROAD VII; zuvor schon BGH (II ZR 402/02) BGHZ 160, 149 (152) – Infomatec, zur weiteren Rechtsprechung zur Abschlusskausalität s. KK-WpHG-Möllers/Leisch, §§ 37b, 37c Rn. 336 f.). Die Anforderungen an die einzelbezogene Anlagestimmung sind damit ausgesprochen hoch. Zudem bedürfe es einer markttechnischen Analyse, die mittels eines Sachverständigengutachtens zu erheben sei (BGH (II ZR 147/05) ZIP 2007, 1560, 1561 = NJW 2008, 76 – ComROAD IV; BGH (II ZR 173/05) ZIP 2007, 1564, 1565.– ComROAD V; BGH (II ZR 68/06) ZIP 2008, 410, 412 – ComROAD VII). In concreto lehnt es der BGH in allen acht bisher ergangenen Entscheidungen ab, für den Sachverhalt in Sachen ComROAD eine solche einzelfallbezogene Anlagestimmung anzunehmen (vgl. hierzu Möllers, NZG 2008, 413, 414). Im Regelfall muss der Kläger daher den vollen Kausalitätsbeweis führen, ohne dass ihm Beweiserleichterungen zugute kommen. In sieben von acht ComROAD-Urteilen hat der BGH die Rechtssache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung (BGH (II ZR 310/06) NZG 2008, Rn. 26; BGH (II ZR 80/ 04) ZIP 2007, 681 – ComROAD I; BGH (II ZR 246/04) ZIP 2007, 679 – ComROAD II; BGH (II ZR 147/05) ZIP 2007, 1560 = NJW 2008, 76 – ComROAD IV; BGH (II ZR 173/05) ZIP 2007, 1564 = NJW-RR 2007, 1532 – ComROAD V; BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 138, 141 – Infomatec; BGH (II ZR 229/05) ZIP 2008, 407 = WM 2008, 395 – ComROAD VI; BGH (II ZR 68/06) ZIP 2008, 410 = WM 2008, 398 – ComROAD VII) bzgl. des Nachweises der konkreten Kausalität zurückverwiesen. Nur in einem Fall hatte er einen Anspruch bejaht, weil der Kläger telefonisch mit dem Beklagten unmittelbar vor dem Erwerb der Aktien Kontakt aufgenommen und der Beklagte etwa eine Woche vor dem Erwerbszeitpunkt eine unrichtige Stellungnahme abgegeben hatte (BGH (II ZR 153/05) ZIP 2007, 326, 327 – ComROAD III). 20
Allgemeine Anhaltspunkte für die Beweiswürdigung sind vor allem die Bedeutsamkeit der Information sowie die zeitliche Nähe des Erwerbsgeschäfts zur fehlerhaften Ad-hocMitteilung (BGH (II ZR 218/03) NJW 2004, 2664 (2667) – Infomatec; BGH NJW 2005, 2450 (2453) – EM.TV; Spindler/Christoph, BB 2004, 2197 (2220); Möllers, JZ 2005, 75 (77); BB 2005, 1637 (1639); Gottschalk, DStR 2005, 1648 (1650)). Neben der Vorlage von kaufentscheidenden Analystenempfehlungen und Presseberichten, welche sich auf die Ad-Hoc-Mitteilung beziehen, kommen als Beweismittel insbesondere die Zeugenvernehmung des Anlageberaters sowie eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO in Betracht (BGH NJW 2005, 2450 (2453) – EM.TV). In einigen Fällen wurden die Ansprüche auch abgetreten, um eine Zeugenvernehmung des geschädigten Anlegers zu ermöglichen. Dieses Vorgehen wurde von der Rechtsprechung gebilligt (so im Fall BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 134 (147 f.) – Infomatec; ausführlicher zur Problematik Möllers/Rotter-Rotter, § 18 Rn. 13 ff.).
21
Nicht nach §§ 37b, 37c ersatzfähig sind Schäden von Anlegern, die wegen der Desinformation von einer Veräußerung der Finanzinstrumente abgesehen haben. Diesen Anlegern fehlt die Aktivlegitimation (s. Rn. 44). Ein derartiger Schaden kann jedoch nach § 826 BGB ersatzfähig sein. Soweit Anleger nachweisbar täuschungsbedingt von dem zu einem bestimmten Zeitpunkt fest beabsichtigten Verkauf der Finanzinstrumente Abstand genommen haben, sind sie gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als hätten sie zu dem beabsichtigten Termin die Finanzinstrumente veräußert. Geschuldet ist der hypothetische Verkaufspreis auf der Basis desjenigen Kurses, der sich an dem ursprünglich geplanten Verkaufstermin unter Hinwegdenken der Informationspflichtverletzung gebildet hätte.
22
Allerdings ist der Kausalitätsbeweis noch schwerer zu führen als im Falle des täuschungsbedingten Erwerbs. Im Falle einer täuschungsbedingten Abstandnahme von der
Möllers
§ 69 Organhaftung
2107
Transaktion fehlt eine Handlung des Anlegers, die als Reaktion auf die Informationspflichtverletzung gedeutet werden könnte. Der Anleger muss also seine Verkaufsabsicht vollumfänglich beweisen. Dies kann im Wesentlichen nur durch Zeugen geschehen, etwa durch den Anlageberater, der im Rahmen des Anlagegesprächs von einer Veräußerung unter Hinweis auf die Informationslage abgeraten hat. Nach einhelliger Auffassung ist auch der Kursdifferenzschaden ersatzfähig (vgl. obiter dictum BGH NJW 2005, 2450 (2453 f.) – EM.TV; zu § 826 BGB s. Steinhauer, S. 272 ff.; Möllers/Rotter-Möllers/Leisch, § 15 Rn. 75 ff.). Als Kursdifferenzschaden oder Alternativinteresse bezeichnet man den Schaden, der dem Anleger dadurch entstanden ist, dass er die Finanzinstrumente wegen der Informationspflichtverletzung „zu teuer“ gekauft bzw. „zu billig“ verkauft hat. Als Schadensersatz geschuldet ist mithin die Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten bzw. erlösten Preis und dem Preis, der bei Hinwegdenken der Informationspflichtverletzung zum Transaktionszeitpunkt gezahlt bzw. erlöst worden wäre. Die Berechnung des Kursdifferenzschadens erfordert in der Regel ein Sachverständigengutachten (zur Berechnungsmethode Rn. 48).
23
Im Hinblick auf den Kausalitätsbeweis überrascht der BGH, indem er sehr knapp zu der bisher noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Frage Stellung nimmt, welche Art von Kausalität für den Kursdifferenzschaden erforderlich ist (vgl. hierzu Möllers, NZG 2008, 413, 415). So formuliert der BGH: „Das Erfordernis eines Nachweises des Anlegers, dass die unrichtige Ad-hoc-Mitteilung ursächlich für seinen Kaufentschluss war, hängt nicht etwa von der gewählten Schadensart ab, sondern gilt für die im Rahmen des § 826 BGB als Rechtsfolge in Betracht kommende Form des Schadensersatzes gem. § 249 BGB – Naturalrestitution und Differenzschaden – in gleicher Weise“ (BGH (II ZR 246/04) ZIP 2007, 679, 680 – ComROAD II; vorher schon Rützel, AG 2003, 69, 73 f., 76; Mülbert/ Steup, WM 2005, 1633, 1636 f.; Hutter/Stürwald, NJW 2005, 2428, 2430). In concreto verlangt der BGH folglich auch für den Kursdifferenzschaden den Nachweis der konkreten Kausalität (vgl. hierzu Möllers, NZG 2008, 413, 415). Diese karge Argumentation ist vor allem deswegen überraschend, weil die bisherige Rechtsliteratur vertreten hatte, dass nur die Ursächlichkeit derjenigen Umstände zu beweisen ist, von denen der geltend gemachte Schadensersatzanspruch abhängt. Der Anleger behauptet im Falle der Geltendmachung des Kursdifferenzschadens nicht, dass er durch die Informationspflichtverletzung zum Kauf bestimmt wurde (teilweise als Transaktionskausalität bezeichnet, siehe hierzu Leuschner, ZIP 2008, 1050). Er behauptet, dass er infolge der Informationspflichtverletzung die Finanzinstrumente zu einem ungünstigeren Preis erworben bzw. veräußert hat, als es ohne die Informationspflichtverletzung der Fall gewesen wäre. Hieraus folgt, dass auch nur die Ursächlichkeit der Informationspflichtverletzung für die Verzerrung des Kurses zum Zeitpunkt der Transaktion darzulegen und zu beweisen ist (Preiskausalität, teilweise auch als Schadenskausalität bezeichnet, siehe hierzu Leuschner, ZIP 2008, 1050, 1051). Es kommt mithin weder darauf an, ob der Anleger überhaupt von der unwahren Information Kenntnis hatte, noch gar darauf, ob die Anlageentscheidung durch die Informationspflichtverletzung mitverursacht wurde (bisher ganz h.M., vgl. LG Frankfurt a. M vom 21.3.2003 (2-21 O 282/01) – Metabox; Fleischer, BB 2002, 1869 (1874); Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857 (1860); Rösner/Bolkart, ZIP 2002, 1471 (1475); Möllers/Rotter-Möllers/Leisch, § 15 Rn. 75; Schwark-Zimmer, §§ 37b, 37c Rn. 90; Leisch, ZIP 2004, 1573 (1578); Hopt/Voigt-Hopt/Voigt, S. 133 f.; Assmann/ Schneider-Sethe, §§ 37b, 37c Rn. 83; Kowalewski/Hellgardt, DB 2005, 1839 (1840); Rimbeck, S. 153; vgl. auch Leuschner, ZIP 2008, 1050, 1058 f.). Alle ComROAD-Entscheidungen enthalten im Zusammenhang mit der konkreten Kausalität für den Vertragsabschlussschaden den Hinweis, dass eine uferlose Ausweitung des Haftungstatbestandes zu
24
Möllers
2108
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
vermeiden sei (BGH (II ZR 310/06) NZG 2008, Rn. 17; BGH (II ZR 80/04) ZIP 2007, 681, 682 – ComROAD I; BGH (II ZR 246/04) ZIP 2007, 679, 680 – ComROAD II; BGH (II ZR 153/05) ZIP 2007, 326, 327 – ComROAD III; BGH (II ZR 147/05) ZIP 2007, 1560, 1563 = NJW 2008, 76 – ComROAD IV; BGH, (II ZR 173/05) ZIP 2007, 1564, 1565 = NJW-RR 2007, 1532 – ComROAD V; BGH (II ZR 229/05) ZIP 2008, 407, 409 = WM 2008, 395 – ComROAD VI; BGH (II ZR 68/06) ZIP 2008, 410, 411 = WM 2008, 398 – ComROAD VII). Andere Stimmen in der Literatur betonen, dass das Marktrisiko vom Anleger und nicht vom Emittenten zu tragen ist. Beide Argumente mögen eine gewisse Berechtigung für den Vertragsabschlussschaden haben (zu diesem Streitpunkt im Rahmen der §§ 37b, 37c WpHG s. umfassend Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, 2007, §§ 37b, 37c Rn. 266 ff. m.w. Nachw.); für die Geltendmachung des Kursdifferenzschadens überzeugen sie aber nicht: Weil der Kläger nur die Kursdifferenz, die sich aus der fehlerhaften Kapitalmarktinformation ergibt, geltend macht, ist das Marktrisiko gerade ausgenommen. Eine Übermaßhaftung ist aber, wenn es nur um wenige Prozentpunkte Kursdifferenz geht, mehr als unwahrscheinlich (Möllers, NZG 2008, 413, 415). 25
Der Kläger hat ein Wahlrecht, ob er den Vertragsabschlussschaden (das negative Interesse) oder den Kursdifferenzschaden (das Alternativinteresse) geltend macht (BGH NJW 2005, 2450 (2451) – EM.TV; Möllers/Rotter-Möllers/Leisch, § 15 Rn. 75; Assmann/ Schneider-Sethe, §§ 37b, 37c Rn. 123). Der Kausalitätsbeweis stellt im Rahmen des Vertragsabschlussschadens eine hohe Hürde dar, an der erfahrungsgemäß viele Klagen scheitern. In Schadensersatzprozessen wird daher mittlerweile nicht selten hilfsweise der Kursdifferenzschaden geltend gemacht.
26
Ein Mitverschulden gem. § 254 BGB besteht regelmäßig nicht. Der Schädiger kann nicht mit dem Vorwurf gehört werden, dem Geschädigten wäre es bei Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt gelungen, die Unwahrheit der Information zu erkennen bzw. die Existenz der Insiderinformation aufzudecken. Das Gesetz legt in § 15 WpHG allein dem Emittenten die Pflicht auf, den Kapitalmarkt zutreffend über ihn unmittelbar betreffende Insiderinformationen aufzuklären. Daher stellt es für den Geschädigten keine verkehrserforderliche Sorgfaltspflicht dar, eigene Erkundigungen über mögliche Insiderinformationen einzuholen.
27
Deliktsrechtliche Ansprüche verjährten gemäß § 852 BGB a.F. nach drei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte vom Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangte. Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde mit Wirkung vom 1.1.2002 mit den §§ 195, 199 BGB n.F. eine neue Verjährungsregelung geschaffen (zum Übergangsrecht s. Art. 229 § 6 EGBGB). Diese beinhaltet eine kenntnisabhängige relative und eine kenntnisunabhängige absolute Verjährungsfrist.
28
2. Ansprüche wegen Verletzung von Schutzgesetzen. Nur im Einzelnen ist geklärt, in welchem Umfang die Verletzung einzelner Normen als Verletzung von Schutzgesetzen i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden kann.
29
§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG stellt die unrichtige oder verschleiernde Wiedergabe von Gesellschaftsverhältnissen unter Strafe. Durch die Strafandrohung soll gewährleistet werden, dass ein zutreffendes Bild des Unternehmens gezeichnet wird. Dies ist die Voraussetzung sowohl dafür, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft von den hierzu Berufenen überwacht werden kann, als auch dafür, dass Dritte ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dem Unternehmen beurteilen können. Geschütztes Rechtsgut ist mithin das Vertrauen dieser Personen in die Richtigkeit der Angaben (Erbs/Kohlhaas-Fuhrmann, Strafrechtliche Nebengesetze, 146. EL, 2002, AktG, § 400 Anm. 1b; Klussmann, S. 18). § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG dient damit nicht nur dem Schutz der Gesell-
Möllers
§ 69 Organhaftung
2109
schaft und ihrer Aktionäre, sondern auch anderer Personen, die in einer qualifizierten Art und Weise in Kontakt zum Unternehmen stehen oder einen solchen Kontakt anbahnen wollen. Daher fallen unter den geschützten Personenkreis neben den Gläubigern und Arbeitnehmern des Unternehmens auch solche Personen, die ein entsprechendes Verhältnis erst anstreben und bei dieser Entscheidung auf die Informationen des Vorstands vertrauen. Die Norm ist deshalb im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB Schutzgesetz auch insoweit, als es um potentielle Aktionäre geht. (BGH NJW 2005, 2450 (2451) – EM.TV; BGH NJW 2005, 445 (447) – EM.TV). Unter „Übersichten über den Vermögensstand“ sind alle Zusammenstellungen von Zahlenmaterialien, insbesondere alle Arten von Bilanzen zu verstehen, die einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ermöglichen. Als “Darstellungen über den Vermögensstand“ gelten nur solche Berichte, die den Vermögensstand des Unternehmens so umfassend wiedergeben, dass sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken (BGH NJW 2005, 2450 (2451) – EM.TV; BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 134 (141) – Infomatec; GK-AktG-Otto, § 400 Rn. 32; Rieckers, BB 2002, 1213 (1216); Möllers/Rotter/Leisch, § 16 Rn. 51). Zudem muss sich die „Darstellung“ auf den Vermögensstand beziehen. Für die Ad-hoc-Publizität ist folglich zu differenzieren: Ad hoc-Mitteilungen, die – wie im Infomatec-Fall – nur jeweils eine Einzelinformation enthalten, stellen keine Berichte dar, die den Vermögensstand des Unternehmens so umfassend wiedergeben, dass sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken (BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 138 (141) – Infomatec; Möllers, JZ 2005, 75 (76); Kort, AG 2005, 21 (24); Schwark-Zimmer, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 110; Assmann/Schneider-Sethe §§ 37b, 37c Rn. 113). Zu den Darstellungen über den Vermögensstand zählen dagegen Halbjahresfinanzberichte, denn diese erheben den Anspruch auf vollständige Information für den relevanten Berichtszeitraum. Bestandteil der Halbjahresfinanzberichte sind der verkürzte Abschluss, der aus einer verkürzten Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sowie einem Anhang besteht, der Zwischenlagebericht sowie der Bilanzeid (§ 37w Abs. 2, Abs. 3 WpHG). Enthält eine Ad-hocMitteilung einen Quartals- oder Halbjahresbericht, wie im EM.TV-Fall, dann ist folglich § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG anwendbar (BGH NJW 2005, 2450 – EM.TV; zustimmend Möllers, BB 2005, 1637 (1638); Gottschalk, DStR 2005, 1648 (1649); Kort, NZG 2005, 708 (709 f.); Assmann/Schneider-Sethe, §§ 37b, 37c Rn. 113; Schwark-Zimmer, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 110). Der Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 400 AktG erfasst den Vertragsabschlussschaden (BGH NJW 2005, 2450 (2451) – EM.TV; Gottschalk, DStR 2005, 1648 (1651); a.A. Kowalewski/Hellgardt, BB 2005, 1839 (1841); dazu Rn. 17). Statt dessen kann auch der Kursdifferenzschaden geltend gemacht werden (dazu Rn. 23). § 264a StGB als Norm zur Ahndung des Kapitalanlagebetrugs ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (BGHZ 116, 7 (13 f.); BGH NJW 2000, 3346; BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 134 (142) – Infomatec; Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 932 (938); Rützel, AG 2003, 69 (72)). Zwar wird der Begriff der „Darstellungen“ weiter verstanden als in § 400 AktG. Dennoch wird eine Ad-hoc-Mitteilung nur dann eine Darstellung im Sinne des § 264a StGB sein, wenn sie umfangreiche Informationen über den Emittenten enthält (Hopt/Voigt-Ehricke, S. 276 f.; Assmann/Schneider-Sethe, §§ 37b, 37c Rn. 112). Erforderlich ist zusätzlich ein Zusammenhang mit einer konkreten Vertriebs- oder Kapitalsammelmaßnahme (OLG München NJW 2003, 144 (147) – Infomatec; BGH (II ZR 218/03), BGHZ 160, 134 (142) – Infomatec).
Möllers
30
31
32
33
2110
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
34
Der Betrugstatbestand nach § 263 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (BGH BGHZ 57, 137; BGH NJW 1993, 2992; BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 134 (142) – Infomatec). Durch die vorsätzliche Veröffentlichung einer falschen Ad-hoc-Mitteilung werden regelmäßig die Tatbestandsmerkmale Täuschung, Irrtumserregung sowie Vermögensverfügung erfüllt; auch fehlt es regelmäßig nicht am entsprechenden Vermögensschaden des Anlegers. Der Anspruch scheitert aber meist an der von § 263 StGB geforderten Stoffgleichheit. Diese liegt nur dann vor, wenn die Vermögensverfügung zu einem unmittelbaren Vermögensvorteil beim Täuschenden führt (Tröndle-Fischer, § 263 StGB Rn. 39). In der Regel erwerben die Anleger die Aktien jedoch von einem Dritten. Die mittelbare Begünstigung des Mitteilungsverantwortlichen durch einen infolge der falschen Ad-hoc-Mitteilung steigenden Aktienkurs reicht hingegen nicht aus (BGH (II ZR 218/03), BGHZ 160, 134 (142) – Infomatec; Möllers/Rotter-Wilga, § 12 Rn. 104; Rützel, AG 2003, 69 (73); Rodewald/Siems, BB 2001, 2437 (2440)).
35
§ 15 WpHG war weder in seiner alten Fassung noch ist er in seiner aktuellen Fassung Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Der Qualifikation des § 15 WpHG als Schutzgesetz steht der eindeutige Wille des Gesetzgebers – kein Individualschutz – sowie der dies klarstellende § 15 Abs. 6 S. 1 WpHG entgegen.
36
§ 88 BörsG a.F. wurde durch das 4. FFG mit Wirkung zum 1.7.2002 aufgehoben; es gilt seitdem der neu eingeführte § 20a WpHG. Ob § 88 BörsG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt, war in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. ausführlich Möllers/Rotter-Leisch, § 16 Rn. 13 ff.). Der BGH verneinte in seiner Grundsatzentscheidung zu Infomatec die Schutzgesetzfähigkeit (BGH (II ZR 218/03) BGHZ 160, 134 (139 f.) – Infomatec, zustimmend Gottschalk, Der Konzern, 2005, 274 (277); Kort, AG 2005, 21 (23); ablehnend Leisch, ZIP 2004, 1573 (1574); vorher bereits BVerfG ZIP 2002, 1986 (1988 f.) – Metabox).
37
Die Kurs- und Marktpreismanipulation gem. § 20a WpHG wurde durch das 4. FFG eingeführt und löst den § 88 BörsG a.F. ab, der damit zum 1.7.2002 außer Kraft trat. In der Literatur ist die Frage, ob § 20a WpHG Schutzgesetzeigenschaft zukommt, umstritten. Der BGH hat die Frage in den Infomatec-Urteilen nicht angesprochen. Gegen eine Schutzgesetzeigenschaft werden der unklare gesetzgeberische Wille, die Funktion des § 20a WpHG als Nachfolgernorm zu § 88 BörsG, die spezialgesetzlichen Haftungsnormen in §§ 37b, 37c WpHG und die regelmäßig nicht bestehenden Haftungslücken als Argumente vorgetragen (Fleischer, DB 2004, 2031 (2033); Assmann/Schneider-Vogel, § 20a Rn. 22; s. auch KK-WpHG-Möllers/Leisch, §§ 37b, 37c Rn. 458 ff.). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs des 4. FFG soll die „Funktionsfähigkeit der überwachten Wertpapiermärkte“ (4. FFG Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8017, S. 89) bzw. die „Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung“ (4. FFG Begr. RegE, BT-Drucks. 14/ 8017, S. 98) Schutzgut der §§ 20a, 38 Abs. 1 Nr. 4, 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG sein. Nach dem Willen der Regierung steht der Schutz öffentlicher Interessen damit klar im Vordergrund. Allerdings wird an herausgehobener Stelle im Bericht des Finanzausschusses formuliert, die Neuregelung der Kurs- und Marktpreismanipulation diene dem Ziel, den Anlegerschutz zu stärken (Bericht des Finanzausschusses 4. FFG, BT-Drucks. 14/8601, S. 1). Im Ergebnis ist der gesetzgeberische Wille daher nicht hinreichend klar. Eine ausdrückliche Bejahung der Schutzgesetzfähigkeit fehlt zumindest. Weil der Gesetzgeber das WpHG in den letzten Jahren zahlreich geändert und bisher nur für die §§ 37b, 37c WpHG ausdrücklich zivilrechtliche Schadensersatznormen eingeführt hat, kann man deshalb nicht davon ausgehen, dass der Gesetzgeber einzelnen Normen des WpHG Schutzgesetzfähigkeit zubilligen wollte (Assmann/Schneider-Vogel, § 20a Rn. 22). Deshalb ist de lege lata die Schutzgesetzfähigkeit zu verneinen. Nur de lege ferenda wird
Möllers
§ 69 Organhaftung
2111
man fordern können, dass dem § 20a WpHG Schutzgesetzfähigkeit zugesprochen werden solle. 3. Ansprüche aus § 93 Abs. 2 AktG und Regress gem. §§ 37b Abs. 6, 37c Abs. 6 WpHG. Soweit der Emittent nach § 37b oder § 37c WpHG (Rn. 42) haftet, können die verantwortlichen Organmitglieder im Wege des Regresses in Anspruch genommen werden. Die Gesellschaft hat dann einen Anspruch gegen das Vorstandsmitglied (§ 93 Abs. 2 AktG) bzw. das Aufsichtsratsmitglied (§§ 116, 93 Abs. 2 AktG), das seine Pflicht verletzt hat. Zu beachten ist, dass die von der Rechtsprechung anerkannte (BGH BGHZ 135, 244 (253) = NJW 1997, 1926 – ARAG/Garmenbeck; Henze, NJW 1998, 3309 (3311); Kindler, ZHR 162 (1998) 101 (103)) und nunmehr (s. Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802) in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG aufgenommene Business-Judgement-Rule in diesen Fällen nicht anwendbar ist. Die Regelung geht von einer Differenzierung zwischen fehlgeschlagenen unternehmerischen Entscheidungen einerseits und der Verletzung sonstiger Pflichten andererseits aus. Die unternehmerische Entscheidung steht im Gegensatz zur rechtlich gebundenen Entscheidung. Unter letztere Kategorie fällt die Erfüllung der gesetzlichen Informationspflichten. Für illegales Verhalten gibt es keinen „sicheren Hafen“ im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung (so wörtlich Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11). Die Pflichtwidrigkeit kann darin liegen, dass der Vorstand selbst die Informationspflichtverletzung begangen hat oder für die unzureichende Kontrolle bzw. Einrichtung einer Organisationsstruktur verantwortlich ist (Schwark-Zimmer, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 120; Assmann/Schneider-Sethe, §§ 37c, 37c Rn. 134). Der Aufsichtsrat kann insbesondere wegen mangelnder Kontrolle der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG) regresspflichtig werden.
38
4. Vorvertragliche Ansprüche und zivilrechtliche Prospekthaftung. Ausnahmsweise können vorvertragliche Ansprüche gegeben sein. Sofern der Emittent direkt mit dem Investor einen Vertrag (beispielsweise einen Lock-up-Vertrag) schließt, ist er ihm zur Aufklärung über alle wesentlichen Umstände verpflichtet. Verletzt er die Pflicht, was auch durch eine unrichtige Ad-hoc-Mitteilung geschehen kann, so ist er dem Investor gem. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz auch bei leichter Fahrlässigkeit verpflichtet. Auch Gespräche mit Aktionären, die im Vorfeld einer Kapitalerhöhung geführt werden, können im Einzelfall ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit entsprechenden Pflichten begründen.
39
Darstellungen fallen funktional nur dann unter den Prospektbegriff, wenn sie das Anlegerpublikum umfassend über die anlageerheblichen Umstände informieren und damit Rückschlüsse auf die Entwicklung des Wertpapiers zulassen. Ad-hoc-Mitteilungen werden dagegen üblicherweise nur anlassbezogen abgegeben und erheben nicht den Anspruch – wie ein Prospekt – den Anleger umfassend zu informieren. Deshalb greifen die Grundsätze der Prospekthaftung, wie die überwiegende Literatur und die Rechtsprechung (BGH (II ZR 218/03), BGHZ 160, 134 (139) – Infomatec) betonen, grundsätzlich nicht ein. Nach verbreiteter Literaturansicht können dagegen unrichtige Halbjahresfinanzberichte (zur Rechtslage vor dem TUG und den Zwischenberichten, Assmann/ Schütze-Assmann, § 7 Rn. 50; Baumbach/Hopt, § 47 BörsG Rn. 4, Krause, ZGR 2002, 799 (827 ff.); Schwark/Schwark, § 45 BörsG Rn. 16) oder ein fehlerhafter Jahresfinanzbericht den Prospektbegriff erfüllen. Folgt man dem, so kommt eine Haftung nach den Grundsätzen der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung unabhängig davon in Betracht, auf welche Art und Weise die Darstellungen veröffentlicht werden.
40
III. Haftung des Unternehmens. 1. Zurechnung deliktischer Handlungen gem. § 31 BGB analog. Die Tathandlung des § 826 BGB oder des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem
41
Möllers
2112
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Schutzgesetz kann nur durch natürliche Personen erfolgen. Ob deren Verhalten dem Emittenten zuzurechnen ist, bestimmt sich nach § 31 BGB. Gem. § 31 BGB ist das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln eines verfassungsmäßigen Vertreters der Gesellschaft zuzurechnen, soweit es in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung begangen wird. Ein Anspruch etwa nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 AktG kann gegen den Emittenten in Verbindung mit § 31 BGB analog geltend gemacht werden (Möllers/ Rotter-Möllers/Leisch, § 15 Rn. 96 ff.; Schwark-Zimmer, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 105). Die Rechtsprechung betont unter Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers, dass der betrügerisch oder sittenwidrig Handelnde haften muss. Es sei gerechtfertigt, auch die juristische Person über § 31 BGB grundsätzlich für vorsätzliche Falschinformationen ihrer Organe gegenüber dem Anlegerpublikum auf Schadensersatz haften zu lassen (BGH NJW 2005, 2450 (2451 f.) – EM.TV; OLG Frankfurt a. M. ZIP 2005, 710 – ComROAD; OLG München ZIP 2005, 901 – ComROAD II). 42
2. Die Ansprüche nach §§ 37b, 37c WpHG. Die §§ 37b, 37c WpHG betreffen eine Reihe von Besonderheiten, die hier nicht vollständig erörtert werden können (s. KK-WpHGMöllers/Leisch, §§ 37b, 37c Rn. 77 ff.). Im Unterschied zu § 826 BGB sind die Voraussetzungen teilweise weiter, weil keine Sittenwidrigkeit und keine Schädigungsabsicht erforderlich ist. Der Anspruch richtet sich aber nur gegen den Emittenten. Auch der Kreis der Anspruchsberechtigten ist beschränkt. Schließlich ist der Schaden umstritten und die Verjährungsfrist eine andere.
43
Nach §§ 37b, 37c WpHG trifft die Schadensersatzverpflichtung nur den Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind.
44
Nach § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist im Falle einer unterlassenen Ad-hoc-Meldung nur aktivlegitimiert, wer die Finanzinstrumente nach der Unterlassung erwirbt und bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist. Berücksichtigt man, dass dem Anleger ein Schaden entstanden sein muss, dann wird deutlich, dass mit § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG die Fallgruppe geregelt wird, in der der Anleger wegen der Nichtveröffentlichung einer negativen Insiderinfomation die Finanzinstrumente überhaupt erworben bzw. „zu teuer“ (vgl. Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 93) erworben hat. Nach § 37c Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist im Falle einer unwahren Ad-hoc-Mitteilung nur aktivlegitimiert, wer die Finanzinstrumente nach der Veröffentlichung erwirbt und bei dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist. Grundlage für den Anspruch nach § 37c Abs. 1 Nr. 1 WpHG kann wegen eines erforderlichen Schadens nur der Umstand sein, dass der Emittent eine unwahre positive Information veröffentlicht hat. Der Schadensersatzanspruch ergibt sich mithin daraus, dass der Anleger wegen der positiven Falschinformation das Finanzinstrument überhaupt erworben bzw. zu teuer erworben hat. Ein Beispiel bildet der Infomatec-Fall.
45
Unterlässt es der Emittent, unverzüglich eine publizitätspflichtige Insiderinformation zu veröffentlichen, ist er einem Dritten zum Ersatz des durch die Unterlassung entstandenen Schadens verpflichtet (§ 37b Abs. 1 WpHG). Die §§ 37b, 37c WpHG enthalten im Hinblick auf den Anspruchsinhalt keine besondere Regelung. Es gelten mithin uneingeschränkt die §§ 249 ff. BGB. Nach § 249 Abs. 1 BGB ist der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Denkt man sich den zum Ersatz verpflichtenden Umstand – die Informationspflichtverletzung – weg, so sind im Falle einer Investitionsentscheidung zwei Zustände denkbar. Die Informationspflichtverletzung kann für die Kaufentscheidung ursächlich gewesen sein. In diesem Fall geht der Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung. Denkbar ist
Möllers
§ 69 Organhaftung
2113
aber auch, dass der Anleger die Papiere ohne Kenntnis der Informationslage erworben hat. Dann geht der Schadensersatzanspruch lediglich auf den Betrag, um den der Anleger die Papiere zu teuer erworben hat. Die Anordnung des § 249 Abs. 1 BGB enthält den schadensrechtlichen Grundsatz der Totalreparation, der seinerseits eine Ausprägung des das Recht fundamental prägenden Prinzips der ausgleichenden Gerechtigkeit darstellt. Dementsprechend gelangt die Rechtsprechung im Falle von Informationspflichtverletzungen regelmäßig zu einer schadensrechtlichen Rückabwicklung (BGH BGHZ 57, 137 (142 ff.); BGH NJW 1982, 2815 (2816 f.); BGH (II ZR 402/02), BGHZ 160, 149 (159) – Infomatec; BGH NJW 2005, 2450 (2451) – EM.TV); in Einzelfällen ermöglicht sie aber auch eine schadensrechtliche Vertragsanpassung. Eine Einschränkung des Grundsatzes der Totalreparation kommt in Betracht, wenn der Schutzzweck der verletzten Pflicht dies gebietet. Ob die §§ 37b, 37c WpHG teleologisch zu reduzieren sind, stellt derzeit die wohl umstrittenste Frage im Bereich der kapitalmarktrechtlichen Informationshaftung dar, denn über den Schutzzweck herrscht Uneinigkeit. Sofern man davon ausgeht, dass mit §§ 15, 37b, 37c WpHG die rationale Anlegerentscheidung geschützt werden soll, ist das negative Interesse zu ersetzen; der Anleger ist mithin regelmäßig so zu stellen, als hätte er die Investitionsentscheidung nicht getroffen (Vertragsabschlussschaden). Geht man dagegen davon aus, dass mittels der §§ 15, 37b, 37c WpHG lediglich die korrekte Preisbildung an den Märkten sichergestellt werden soll, dann liegt es nicht fern, die Anlegerentscheidung auszublenden, also mit der Unterstellung zu arbeiten, der Anleger hätte die Entscheidung in jedem Fall getroffen. Ersatzfähig ist dann nur die Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten bzw. erlösten Preis und dem Preis, der sich unter Hinwegdenken der Pflichtverletzung hypothetisch zum Zeitpunkt des Erwerbs bzw. der Veräußerung gebildet hätte. Es handelt sich hierbei um das Interesse an einem anderen Vertragsinhalt und damit an einem anderen Vertrag. Man kann es in Abgrenzung zum negativen und zum positiven Interesse als Alternativinteresse bezeichnen. Strukturell entspricht es der kaufrechtlichen Minderung. Eingebürgert hat sich hierfür der Begriff des Kursdifferenzschadens (s. Rn. 23).
46
In der Literatur sind vier Ansichten nachweisbar. So wird vertreten, der Anleger habe nach §§ 37b und 37c WpHG einen Anspruch, so gestellt zu werden, als habe er das Wertpapiergeschäft nicht getätigt (Vertragsabschlussschaden, negatives Interesse).Wahlweise habe er auch die Möglichkeit, lediglich den Betrag zu verlangen, um den er das Wertpapier zu teuer erworben bzw. zu billig veräußert hat (Kursdifferenzschaden, Alternativinteresse; s. Rössner/Bolkart, ZIP 2002, 1471 (1475); Möllers/Leisch, BKR 2002, 1071 (1072 ff.); Möllers/Rotter-Möllers/Leisch, § 14 Rn. 77 ff.; Rieckers, BB 2002, 1213 (1217); Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 932 (939 f.); Dühn, S. 179; Abrams, NZG 2003, 307 (311 f.); Escher-Weingart/Lägeler/Eppinger, WM 2004, 1845 (1848 f.); Hopt/VoigtEhricke, S. 293 f.; Hennrichs, FS Kollhosser, S. 201 (206)). Eine zweite Ansicht geht davon aus, dass nach §§ 37b und 37c WpHG eine schadensrechtliche Rückabwicklung des Vertrages nicht in Betracht komme; erfasst sei nur der Kursdifferenzschaden (Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857 (1860 ff.); Rützel, AG 2003, 69 (79); Schwark-Zimmer, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 87 ff.; Hopt/Voigt-Hopt/Voigt, S. 128 ff.; Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1636 f.); Langenbucher, ZIP 2005, 239 (240 f.); Assmann/Schneider-Sethe, §§ 37b, 37c Rn. 73 ff.). Vertreten wird ferner die Auffassung, dass die §§ 37b und § 37c WpHG einen Vorrang des Kursdifferenzschadens begründen. Die schadensrechtliche Rückabwicklung sei aber in Ausnahmefällen möglich (Fleischer, BB 2002, 1869 (1872 f.); Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063 (1068 f.)). Die vierte Auffassung will ebenfalls die Rückabwicklung in natura versagen. Sie definiert aber den Kursdifferenzschaden in einer Weise, die weder das Alternativinteresse noch das negative Interesse ausdrückt
47
Möllers
2114
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
(Reichert/Weller, ZRP 2002, 49 (55); zur Argumentation s. umfassend KK-WpHG-Möllers/Leisch, §§ 37b, 37c Rn. 249 ff.). 48
Zulässig ist auch die Geltendmachung des Kursdifferenzschadens. Da der Schaden des Anlegers darin besteht, seine Transaktion zu einem wegen der Informationspflichtverletzung verzerrten Kurs vorgenommen zu haben, geht der Ersatzanspruch gem. § 249 Abs. 1 BGB auf Ersatz der Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten bzw. erlösten Transaktionspreis und dem Preis, der sich bei pflichtgemäßem Publizitätsverhalten zum Zeitpunkt der Transaktion gebildet hätte (Rn. 23). Der Schaden ist mithin zum Zeitpunkt der Transaktion entstanden. Im einfachsten Fall, in dem zwischen der Informationspflichtverletzung und der Korrektur keinerlei sonstigen Umstände auf den Kurs eingewirkt haben und der gemeldete Umstand bzw. die unterlassene Information eine im Zeitverlauf gleichbleibende Relevanz hatte, besteht der Kursdifferenzschaden schlicht in der Kursveränderung nach Bekanntwerden der Informationspflichtverletzung, multipliziert mit der Anzahl der vom Anleger erworbenen Finanzinstrumente. Tatsächlich wirkt jedoch im Zeitverlauf eine Vielzahl unterschiedlicher Umstände auf die Bewertung eines Finanzinstruments ein. Zudem kommt nur in den seltensten Fällen die Wahrheit mit einem Schlag an die Öffentlichkeit. Die Ermittlung gerade der Differenz, die auf die Informationspflichtverletzung zurückzuführen ist, bereitet mithin regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten. Es wurden in den letzten Jahrzehnten ausgefeilte finanzökonomische Verfahren entwickelt, mittels derer die für eine Schadensschätzung im Sinne des § 287 ZPO erforderliche wissenschaftlich abgesicherte Schätzungsgrundlage erlangt werden kann (vgl. Fleischer, BB 2002, 1869 (1872 f.); Sauer, S. 366 ff.; Escher-Weingart/Lägeler/Eppinger, WM 2004, 1845 (1849 ff.); Barth, S. 223 ff.). Für die Berechnung des Kursdifferenzschadens (out-of-pocket-damages) werden in U.S.-amerikanischen Schadensersatzprozessen unterschiedliche finanzökonomische Verfahren angewandt (Barth, S. 226 ff.; KKWpHG-Möllers/Leisch, §§ 37b, 37c Rn. 351 ff.).
49
Gemäß §§ 37b Abs. 4, 37c Abs. 4 WpHG verjährt der Anspruch ein Jahr nach Kenntnis, spätestens aber drei Jahre seit der Unterlassung bzw. Veröffentlichung. Der Gesetzgeber legt damit jeweils eine subjektive und eine objektive Verjährungsfrist oder anders formuliert, eine kenntnisabhängige relative und eine kenntnisunabhängige absolute Verjährungsfrist fest. Die Verjährungsregelung entspricht damit den Verjährungsregelungen, die für die meisten anderen im weiteren Sinne kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzansprüche gelten (§ 46 BörsG, § 12 Abs. 4 WpÜG, § 127 Abs. 5 InvG; anders § 37a WpHG). Die Regelung unterscheidet sich damit in vierfacher Hinsicht von der in §§ 195, 199 Abs. 1 BGB getroffenen Anordnung. So reicht, anders als nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, grob fahrlässige Unkenntnis nicht aus. Auch wird der Verjährungsbeginn nicht wie in § 199 Abs. 1 BGB auf den Schluss des Jahres verschoben. Ferner unterscheidet sich die Dauer der relativen Verjährungsfrist. Sie würde nach § 199 BGB drei Jahre betragen, während sie bei §§ 37b Abs. 4, 37c Abs. 4 auf ein Jahr verkürzt ist. Schließlich ist die absolute Verjährungsfrist, die nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BGB 10 bzw. 30 Jahre betragen würde, auf drei Jahre verkürzt (zur Kritik an der Verjährungsfrist Stellungnahme BRat AnSVG, BT-Drucks. 15/3355, S. 3; BRat, 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 155; kritisch auch Rössner/Bolkart, ZIP 2002, 1471 (1477); Möllers/Rotter-Möllers, § 17 Rn. 36 f.; Assmann/ Schneider-Sethe, §§ 37b, 37c Rn. 96; KK-WpHG-Möllers/Leisch, §§ 37b, 37c Rn. 370 f.).
50
IV. Rechtsdurchsetzung. 1. Beweisschwierigkeiten und „Streuschäden“. Als Reaktion auf die Missstände am Neuen Markt und das Telekom-Verfahren hat der Bundestag das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren (Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren v. 16.8.2005, BGBl. I, 2437, s. hierzu eingehend § 57; zudem Braun/Rotter, BKR 2004, 296; Duve/Pfitzner, BB 2005, 673; Hess, WM
Möllers
§ 69 Organhaftung
2115
2004, 2329; Hess/Michailidou, ZIP 2004, 1381; Reuschle, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, Einführung, Texte, Materialien; Ausführungen) beschlossen, welches in seinem Art. 1 das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) beinhaltet. Es soll die Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Informationen am Kapitalmarkt erleichtern. Es kann auf zahlreiche Lösungsmöglichkeiten und Modelle kollektiver Rechtsverfolgung aufbauen, die in den letzten Jahren diskutiert wurden (Beschlüsse des 64. DJT, Abteilung Wirtschaftsrecht (E), 2002, Beschluss 1.15; Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, BT-Drucks. 14/7515, S. 88 ff.). Auch zahlreiche andere Mitgliedstaaten der EU kennen Gruppen- und Vertreterklagen. Mit dem KapMuG sollte die prozessuale Geltendmachung von „Streuschäden“ (Schäden von im Einzelfall vergleichsweise geringem Streitwert) erleichert und das mit einer Klage verbundene hohe Kostenrisiko reduziert werden (Begr. RegE, BT-Drucks. 15/5091, S. 1, 13). Bislang sind nur wenige Mustervorlagen veröffentlicht (vgl. etwa LG Frankfurt a. M ZIP 2006, 1730 – Mustervorlage zur Unrichtigkeit des Aktienprospekts der Telekom beim dritten Börsengang; LG Stuttgart ZIP 2006, 1731 – Mustervorlage zur Rechtzeitigkeit der Ad-hoc-Mitteilung über das Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden von DaimlerChrylser). Der Beschluss des OLG Stuttgart WM 2007, 585, stellt die erste Entscheidung dar, die im Rahmen eines Musterverfahrens nach dem neuen KapMuG getroffen wurde. Das OLG Stuttgart hatte im Ergebnis einen Schadensersatz wegen unterlassener bzw. verspäteter Ad-hoc-Publizität abgelehnt (s. hierzu Möllers/Weichert, EWiR 2007, 285 f.). Der BGH hob zwar die Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers auf und verwies das Verfahren an einen anderen Senat des OLG zurück. In der Sache gab er aber dem OLG weitgehend recht (BGH (II ZB 9/07) m. Anm. Möllers, NZG 2008, 330). Dies wird wohl im Ergebnis dazu führen, dass das OLG die Klage abweisen wird. Die eigentliche Brisanz der Entscheidung liegt aber darin, dass der BGH sich weder mit dem Emittentenleitfaden und dem Bußgeldbescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) noch in ausreichendem Maße mit europarechtlichen Fragen auseinandersetzt. So ist nicht auszuschließen, dass in den nächsten Monaten voneinander abweichende Urteile ergehen werden (Möllers, NZG 2008, 330). 2. Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG). Bis zum Erlass des KapMuG galten die allgemeinen Regelungen zur sachlichen Zuständigkeit, vgl. §§ 23, 71 GVG. Örtlich war gem. § 32 ZPO auf den Handlungs- oder Erfolgsort abzustellen. Neben dem besonderen Gerichtsstand des § 32 ZPO konnte der Kläger seine Ansprüche auch am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten geltend machen, also gem. § 13 ZPO am Wohnsitz des Beklagten oder gem. § 17 ZPO am Sitz des Beklagten, sofern dieser eine juristische Person war. Das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren hat nun mit den Art. 2 und 3 zwei Spezialvorschriften eingeführt. In einem neuen § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG wird ohne Rücksicht auf den Streitwert den Landgerichten die sachliche Zuständigkeit zugewiesen für Streitigkeiten, mit denen Schadensersatz aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation begehrt wird. Nach § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO ist für die örtliche Zuständigkeit das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten ausschließlich zuständig. Als Sitz des Emittenten gilt der in der Satzung genannte Sitz, hilfsweise der Ort, an dem seine Verwaltung geführt wird, § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO. Gem. § 32b Abs. 2 ZPO besteht zudem die Möglichkeit für die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung einem Landgericht die Bezirke mehrerer Landgerichte zuzuordnen, so dass es jedenfalls innerhalb eines Bundeslandes zu einer Spezialisierung eines oder mehrerer Landgerichte kommen kann. Der ausschließliche Gerichtsstand gilt nur für Klagen gegen einen inländischen Emittenten, da bei Klagen gegen ausländische Emittenten Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (VO (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom
Möllers
51
2116
52
53
54
55
56
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L 12, 1) Vorrang genießt, § 32b Abs. 1 S. 2 ZPO. Das Musterverfahren ist als Zwischenverfahren ausgestaltet. Das LG führt durch Beschluss eine Entscheidung des OLG herbei. Das OLG entscheidet über den Musterfeststellungsantrag in dem eigentlichen Musterverfahren. Eine Verfahrensbündelung findet nur im Hinblick auf das eigentliche Musterverfahren statt; es ändert sich also nichts an dem Grundsatz, dass jeder Anleger seine Ansprüche gesondert gerichtlich geltend zu machen hat. Anwendung findet das KapMuG auf Klagen, die falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformationen betreffen sowie auf vertragliche Erfüllungsansprüche, die auf einem Angebot nach dem WpÜG beruhen. Der Begriff der „öffentlichen Kapitalmarktinformation“ wird definiert als eine „für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Information über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen“. Darunter fallen Prospekte, im Rahmen der Hauptversammlung erteilte und aufgrund der verschiedenen Berichtspflichten zu erfolgende Mitteilungen sowie Angebotsunterlagen im Sinne des WpÜG, insbesondere aber auch Ad-hoc-Mitteilungen, § 1 Abs. 1 S. 3, 4 KapMuG. Denkbare Anspruchsgrundlagen bilden etwa die § 44 BörsG, §§ 37b, 37c WpHG, § 12 WpÜG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 HGB, § 400 I AktG sowie i.V.m. § 264a StGB und § 826 BGB. Als Teil des Ausgangsverfahrens bezweckt das in den §§ 1 bis 5 KapMuG geregelte Vorlageverfahren, eine Entscheidung über die Zulassung des Musterverfahrens herbeizuführen. Sowohl Kläger als auch Beklagter können beim einschlägigen LG als dem Prozessgericht den Musterfeststellungsantrag einreichen. Im Antrag müssen das verfolgte Feststellungsziel sowie die öffentliche Kapitalmarktinformation angegeben werden, welche den Gegenstand des Verfahrens bilden. Als Feststellungsziel kommen die Feststellung von anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Voraussetzungen sowie die Klärung von Rechtsfragen in Betracht. Der Klärung des Feststellungsziels muss für den konkreten Fall, aber auch über den einzelnen Rechtsstreit hinaus Bedeutung zukommen, § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 KapMuG. Der zulässige Musterfeststellungsantrag ist von dem Prozessgericht im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt zu machen, § 2 Abs. 1 KapMuG. Damit sollen andere potenziell geschädigte Anleger über die Rechtshängigkeit des Verfahrens informiert und gegebenenfalls zur Beteiligung an dem Musterverfahren veranlasst werden. Mit der Bekanntmachung tritt die Unterbrechung des Verfahrens vor dem Prozessgericht ein, § 3 KapMuG. Wenn innerhalb von vier Monaten nach Bekanntmachung neun weitere, gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt werden, erfolgt die Vorlage an das OLG durch Beschluss des Prozessgerichts, bei dem der zeitlich erste Antrag gestellt wurde, § 4 Abs. 1 KapMuG. In dem in den §§ 6 bis 15 KapMuG normierten Musterverfahren entscheidet das Oberlandesgericht über das Feststellungsziel. Dazu bestimmt es einen Musterkläger, § 8 Abs. 2 KapMuG. Die Auswahl des Musterklägers erfolgt unter den Klägern des Landgerichts, welches den Musterentscheid einholt, d.h. welches den Vorlagebeschluss erlässt. Das OLG entscheidet nach billigem Ermessen, wobei die Höhe des Anspruchs sowie eine Verständigung mehrerer Kläger auf einen Musterkläger zu berücksichtigen sind. Mit dem Ermessen des Gerichts wollte man der Gefahr eines „race to the courtroom“ vorbeugen, wie sie bei der class action nach US-amerikanischem Recht auftritt (Begr. RegE BTDrucks. 15/5091, S. 25).
Möllers
§ 69 Organhaftung
2117
Nach Auswahl des Musterklägers wird das Musterverfahren im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemacht, § 6 KapMuG. Daraufhin sind alle Verfahren, in deren Rahmen dasselbe Feststellungsziel entscheidungserheblich ist, von Amts wegen auszusetzen, und zwar unabhängig davon, ob im Verfahren ein Musterfeststellungsantrag gestellt wurde oder nicht. Der Aussetzungsbeschluss gilt als Beiladung, § 8 Abs. 3 S. 2 KapMuG. Die Beiladungsfiktion führt dazu, dass alle Kläger zwingend Beteiligte des Musterverfahrens werden.
57
Die Entscheidung des OLG im Rahmen des Musterverfahrens ergeht durch Beschluss, § 14 KapMuG. Gegen diesen Musterentscheid steht allen Beteiligten des Musterverfahrens als Rechtsmittel die Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 574 ff. ZPO offen. Diese ist stets statthaft, ohne dass es einer Prüfung der Frage bedarf, ob die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat, § 15 Abs. 1 S. 2 KapMuG.
58
Nachdem der Musterentscheid ergangen ist, können die Ausgangsverfahren vor dem LG als Prozessgericht wieder fortgesetzt werden. In diesen Verfahren entfaltet der Musterentscheid Bindungswirkung ähnlich der des § 68 ZPO. Während aber im Rahmen des § 68 ZPO die Bindungswirkung nur zu Lasten der einen Partei geht, entfaltet der Musterentscheid Bindungswirkung für alle Beteiligten des Musterverfahrens, d.h. für Musterkläger, Musterbeklagten und die Beigeladenen, § 16 KapMuG. Die Bindungswirkung geht ferner weiter als die bloße Rechtskraftwirkung, denn in Rechtskraft erwächst regelmäßig nur der Tenor eines Urteils, wohingegen die Bindungswirkung des Musterentscheids neben dem Tenor auch die im Musterverfahren festgestellten Tatsachen umfasst (Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737 (2740)).
59
Bei fehlerhaften Prospekten ist das Musterverfahren als Massenverfahren sicherlich sinnvoll. Als Feststellungsziel bietet sich hier insbesondere die Fehlerhaftigkeit des Prospektes an, die – wie im Telekom-Verfahren – meist die größte Schwierigkeit in der Beweisführung darstellt (vgl. LG Frankfurt a. M. ZIP 2006, 1730). Bei fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen kann die Fehlerhaftigkeit der Kapitalmarktinformation sowie das fehlende Verschulden ebenso in einem Musterverfahren festgestellt werden wie der sog. Kursdifferenzschaden, also die Differenz zwischen tatsächlichem und angemessenem Kurs des Wertpapiers (s. Rn. 48). Auch die Frage, ob zwischen Falschinformation und Kursentwicklung eine kausale Verbindung besteht, kann einheitlich für alle Schadensersatzprozesse geschädigter Anleger festgestellt werden (Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737 (2738)). Verlangt der geschädigte Anleger aber die Rückerstattung des Kaufpreises (Vertragsabschlussschaden, s. Rn. 15), muss er grundsätzlich nachweisen, dass er das Wertpapier aufgrund der fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung erworben hat (s. Rn. 19 ff.). Hier scheidet ein Musterverfahren grundsätzlich aus (Begr. RegE BT-Drucks. 15/56091, S. 20; ebenso BGH NJW 2005, 2450 (2453) – EM.TV). Im Fall der Unterlassung von Ad-hocMitteilungen kommen daneben insbesondere als Streitpunkte in Betracht: die Frage, ob, und wenn ja, ab wann eine Insiderinformation vorgelegen hat, ferner ob, und wenn ja, wie lange die Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 vorgelegen haben (zum Verfahren des OLG Stuttgart s. Rn. 50).
60
3. Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Wenn geschädigte Kapitalanleger Schadensersatzansprüche geltend machen wollen, sehen sie sich regelmäßig mit dem Problem konfrontiert, nur über unzureichende Informationen zu verfügen. Unternehmensinterne Abläufe, die zu Pflichtverletzungen geführt haben können, sind ihnen in aller Regel nicht im Einzelnen bekannt. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche in den Fällen Infomatec und EM.TV etwa wäre ohne die Kooperation der Staatsanwaltschaft nicht denkbar gewesen. In der Vergangenheit wurden entsprechende Antragssteller allzu
61
Möllers
2118
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
oft auf § 8 WpHG verwiesen, der die Beschäftigten der BaFin sowie diejenigen, derer sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedient, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dabei untersagt § 8 WpHG nur die unbefugte Weitergabe und Verwertung von Informationen. Schon immer bestanden daher Fallgestaltungen, in denen die Weitergabe an sich geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen zulässig und ggf. sogar geboten war. Seit dem 1.1.2006 sieht zudem § 1 des neu erlassenen Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG v. 5.9.2005, BGBl. I 2005, S. 2722) einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen für jedermann vor. Dieser neue Anspruch, der eine Kehrtwende zum tradierten Grundsatz der Amtsverschwiegenheit darstellt, steht in augenscheinlichem Gegensatz zur bisherigen Verwaltungspraxis der BaFin. Im Einzelfall können daher Informationsansprüche bestehen (Möllers/Wenninger, ZHR (170) 2006, 455 (460 ff.); Sellmann/Augsberg, WM 2006, 2293). 62
4. Überlegungen de lege ferenda (KapInHaG). Die gegenwärtigen §§ 37b, 37c WpHG haben verschiedene Lücken: Sie beinhalten nur die Haftung des Emittenten, nicht aber der Organmitglieder. Dies ist mit der Überlegung angegriffen worden, dass damit die anderen Aktionäre den Schaden bezahlen müssten und oft bei Insolvenz des Unternehmens die Ansprüche ins Leere gingen (Baums, ZHR 166 (2002), 375 (379)). Schließlich haben die Ansprüche aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 AktG, auf deren Grundlage auch gegen den Vorstand vorgegangen werden kann, deutlich höhere Voraussetzungen. Ferner betreffen die §§ 37b, 37c WpHG nur die Haftung wegen fehlerhafter oder unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen. Die Haftung für die Verletzung anderer ereignisbezogener Publizitätspflichten, etwa die Veröffentlichungspflichten hinsichtlich der Directors’ Dealings oder der Beteilungstransparenz, sowie die Haftung für Verstöße im Rahmen der Regelpublizität, wie etwa im Falle von Zwischenmitteilungen und (Halb-) Jahresfinanzberichten ist weitgehend ungeklärt, weil spezialgesetzliche Haftungsregelungen fehlen und die Schutzgesetzeigenschaft der einzelnen Publizitätspflichten teilweise umstritten ist.
63
Die Baums-Kommission hat sich dezidiert für Ansprüche gegen den Vorstand ausgesprochen. Sie orientierte sich an § 400 AktG (Baums, Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, BT-Drucks. 14/7515, Rn. 186). 2004 hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den beteiligten Kreisen zwei verschiedene Fassungen eines Diskussionsentwurfes eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes (KapInHaG) zugeleitet. Der zweite, später zurückgezogene Entwurf eines KapInHaG sah eine Reihe von Erweiterungen in einem neu gefassten § 37a WpHG-E vor (abrufbar unter www.thomasmoellers.de/materialien und NZG 2004, 1042). Im Einzelnen wurde vorgeschlagen: Anspruchsgegner sind nicht nur der Emittent, sondern auch Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans; die Haftung beschränkt sich nicht nur auf Ad-hoc-Mitteilungen, sondern umfasst auch zahlreiche andere Informationen, die das Unternehmen veröffentlicht; der ersatzfähige Schaden wird konkretisiert und für einen Zeitraum von drei Monaten wird vermutet, dass der Anleger wegen dieser Falschinformation das einschlägige Wertpapier erworben oder veräußert hat. Überdies ist der Schadensersatz gegen das Organmitglied auf die vierfache Summe des Jahresgehaltes beschränkt. Allerdings ist zulasten des Organmitgliedes ein „Selbstbehalt in Höhe von 50% der Versicherungssumme“ vorgesehen.
64
Auf europäischer Ebene hat die High Level Expert Group eine kollektive Haftung der Leitungsorgane für fehlerhafte Jahres-, Halbjahres- und Quartalsberichte vorgeschlagen; für Ad-hoc-Mitteilungen sollte ein angemessenes Autorisierungssystem vorhanden sein (Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, Dokument vom 4.11.2002, S. 72; abrufbar unter www.thomas-moellers.de/materialien) Die EG-Kommis-
Möllers
§ 69 Organhaftung
2119
sion unterstützt diesen Vorschlag in ihrem Aktionsplan 2003 („Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“, KOM (2003) 284 endg., S. 19). Aufgrund der rechtsvergleichenden Gesamtschau (s. Rn. 3) wird auf europäischer Ebene für eine Richtlinie für fehlerhafte Kapitalmarktkommunikation plädiert (Hopt/Voigt-Hopt/Voigt, S. 1 (4)). Positiv am Entwurf des KapInHaG ist sicherlich zu werten, dass der Versuch unternommen wurde, eine Reihe von ungeklärten Rechtsfragen wie etwa zur Kausalität und zum Schaden zu präzisieren. Dem Vorschlag gelingt es indessen nicht, Tatbestand, ersatzfähigen Schaden und die entsprechenden Kausalitätsanforderungen sinnvoll aufeinander abzustimmen. Kritisiert wurden in der Literatur vornehmlich die vorgesehenen Haftungsverschärfungen: die Ausweitung des Tatbestands auf nahezu alle Kapitalmarktinformationen, die persönliche Haftung des Organmitglieds, die Kausalitätsvermutung für drei Monate und die Begrenzung des Selbstbehaltes auf 50% (schon Möllers, JZ 2005, 75 (82); Semler/Gittermann, NZG 2004, 1081 ff.; Casper, BKR 2005, 83 ff.; Sauer, ZBB 2005, 24 ff.; Veil, BKR 2005, 91 ff.; Gottschalk, Der Konzern 2005, 274 (279 ff.); Hopt/Voigt-Hopt/ Voigt, S. 1 (109 ff.); Assmann/Schneider/Sethe, §§ 37b, 37c Rn. 27). De lege ferenda sollte der Gesetzgeber die bisherigen §§ 37b, 37c WpHG vorsichtig sprachlich präzisieren, etwa einen einheitlichen Tatbestand der fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung schaffen, den Schaden und die Kausalität präzisieren und die Verjährung modifizieren. In Umsetzung des Art. 7 der Transparenz-RiL 2004/109/EG wäre es naheliegend gewesen, neben der Ad-hocPublizität einen weiteren Haftungstatbestand für fehlerhafte Quartals-, Halbjahres- und Jahreszahlen zu schaffen.
Möllers
65
“This page left intentionally blank.”
§ 70 Geldwäschegesetz
2121
§ 70 Geldwäschegesetz
Schrifttum Altvater/Mahnkopf, Globalisierung der Unsicherheit – Arbeit im Schatten, Schmutziges Geld und informelle Politik, 2002; Auerbach/Vitztum, Prüfung der Anti-Geldwäsche-Organisation international tätiger deutscher Kreditinstitute durch den Jahresabschlußprüfer, Die Wirtschaftsprüfung 2005, 957; Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Customer Due Diligence for Banks, Basel Committee Publication No. 85, Oktober 2001; Bergles, Baseler Committee, Kundensorgfaltspflichten – ein Knebel für die Banken? BKR 2002, 379.; Findeisen, Deliktsspezifische Strukturprävention gegen Geldwäsche, WM 1998, 2410; Geldwäschebekämpfung im Zeitalter des Electronic Banking, Kriminalistik 1998, 107; Der Präventionsgedanke im Geldwäschegesetz, wistra 1997, 121; Fülbier/Aepfelbach/Langweg, GWG Kommentar zum Geldwäschegesetz, 5. Aufl. 2006; Hafner, Im Schatten der Derivate, 2002; Herzog, Der Banker als Fahnder?, WM 1996, 1754; Herzog/Christmann; Geldwäsche und Bekämpfungsgesetzgebung, WM 2003, 6; Herzog/Mülhausen, Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung, 2006; Körner/Dach, Geldwäsche, 1994; Lampe, Der neue Tatbestand der Geldwäsche, JZ 1994, 123; Mayer/Brechfeld, Die Pflichten der Kreditinstitute nach dem GwG, Die Wirtschaftsprüfung 1995, 334; Scherp, Gesetze gegen Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus – eine stille Verfassungsreform,, WM 2003, 1245; Suendorf, Geldwäsche – Eine kriminologische Untersuchung, 2001; Tanzi, Money Laundering and the International Finance System, IMF Working Paper No. 96/55 (Mai 1996); Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 54 Aufl. 2007; Zuberbühler, Banken als Hilfspolizisten zur Verhinderung der Geldwäscherei? – Sicht eines Bankaufsehers, in: Pieth, Bekämpfung der Geldwäscherei – Modellfall Schweiz, 1992. Inhaltsübersicht A. Definition und Umfang der Geldwäsche . . . . . 1 B. Internationales Maßnahmepaket gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung . . . . 3 C. Umsetzung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Strafbarkeit der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . 6 II. 1. Das Geldwäschegesetz (GwG) . . . . . . 9 2. Adressaten des GwG . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Methoden der Geldwäsche . . . . . . . . . 12 4. Sorgfaltspflichten und interne Sicherungsmaßnahmen im GwG . . . . 13 5. Zuständige Behörde für die Umsetzung des GwG – die Bundes-
anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nexus zwischen GwG und KWG/VAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaberkontrolle gem. § 2b KWG . . . 2. Sicherungssysteme gegen Geldwäsche und Finanzbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Transparenz des Zahlungsverkehrs (§ 25b KWG) . . . . . . . . . . . . 4. Online-Datenabrufsystem gem. § 24c KWG . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 20 20 21 22 23 24
Stichwortverzeichnis Aufbewahrung der Aufzeichnungen . . . . . . . . . . . 14 Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Aufsicht über Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht . . . . . . . 4, 17 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . . . . . 17, 19, 20, 21, 24 Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 16 Customer Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Dokumentationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 EG-Durchführungsrichtlinie (2006/70/EG) zur EG-Richtlinie 2005/60/EG . . . . . . . . . . . . . . 4 EG-Richtlinie 91/308/EWG zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 13 EG-Richtlinie 2005/60/EG zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 4, 13, 24
EG-Verordnung Nr. 1781/2006 über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Elektronisches Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Externe Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 19 FATF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Financial Action Task Force On Money Laundering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Finanzkriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Freie Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 G 7-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Geldwäschebeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Geldwäschebekämpfungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 10 Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz . . . . . 10 Kreditwesengesetz (KWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Identifizierungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Inhaberkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Innenrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Integrität des Finanzmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Findeisen
2122
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Intermediäre im Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . 22 Internationaler Währungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Jahresabschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kapitalsammelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Know your customer- Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Korrespondenzbankbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 4 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Online-Datenabrufsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Operationelle Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Politisch Exponierte Personen (PEPs) . . . . . . . . . . . 4 Prepaid cards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rechtsgut des § 261 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Reputationsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Research . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 24 Risikoorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 24
1
Rundschreiben der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Sicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Solidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Sonderprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 14 Stabilität des Finanzmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Strukturprävention gegen Geldwäsche . . . . . . . . . . 9 Tatobjekt des § 261 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Terrorismusfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Transparenz des Zahlungsverkehrs . . . . . . . . . . 3, 22 Verdachtsanzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) . . . . . . . . . . 10 Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) . . . . . . . 17 Vermögensstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Vortaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Wirtschaftlicher Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Wirtschaftlicher Berechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
A. Definition und Umfang der Geldwäsche Das Volumen der Gelder, die aus kriminellen Aktivitäten weltweit erwirtschaftet und „gewaschen“ werden, nimmt in erheblichem Umfang zu. Geldwäsche ist ein Wachstumsmarkt. Studien des Internationalen Währungsfonds (IWF) schätzten das Volumen der Geldwäsche bereits Mitte der neunziger Jahre weltweit auf jährlich 1,5 Billionen USDollar (Tanzi, S. 35). Dies sind etwa zwei bis fünf Prozent der weltweiten Wertschöpfung. Die damaligen Schätzungen, denen allerdings keine umfassende Dunkelfeldforschung zugrunde lag, haben sich noch stark an Geldwäscheaktivitäten orientiert, deren Vortaten vorwiegend aus dem Bereich der sog. organisierten Kriminalität, insbesondere aus dem Drogenhandel, stammen. Inzwischen konzentriert sich die internationale Geldwäschebekämpfung auch auf Gelder, die primär der Wirtschafts- und Finanzkriminalität (Kapitalanlagebetrug, Bilanzbetrug, Insolvenzdelikte, Korruption, Steuer- und Zolldelikte etc.) zuzuordnen sind. Diese blieben bei den Schätzungen des IWF noch unberücksichtigt und dürften deshalb zu einer drastischen Zunahme des damals geschützten Volumens bei der internationalen Geldwäsche führen. Die Akkumulation deliktisch erlangten Kapitals wird im Zeitalter globalisierter Finanzmärkte und transnationaler Finanzströme als Gefährdungsfaktor für die wirtschaftliche und politische Stabilität und für legal handelnde Wirtschaftssubjekte angesehen. Dies macht ein konzertiertes Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft erforderlich. Die Entwicklungen der Globalisierung und namentlich die Liberalisierung der Finanzmärkte ermöglichte nicht nur legal handelnden Akteuren, sondern auch „crime entrepreneurs“, die neuen Chancen der Kapitalakkumulation und der Mobilität im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr bzw. im Wertpapiergeschäft zu nutzen, etwa über Offshore-Zentren (vgl. Pieth in: Herzog/Mühlhausen, § 3 S. 38). Geldwäsche dient dazu, sich auch in der „legalen Wirtschaft“ ein Standbein zu schaffen. Gegen legale Konkurrenten können sich kriminelle Marktteilnehmer durch ihre aus illegalen und unversteuerten Gewinnen beruhende Finanzkraft durchsetzen. Folge dieser Praktiken sind eine Verzerrung des Wettbewerbs sowie ein Zuwachs von wirtschaftlicher und damit auch politischer Macht. Die Kontamination der Finanzmärkte durch illegales Kapital und das dadurch bedingte Entstehen intransparenter, anti-konstitutioneller Strukturen wird damit zu einer ordnungspolitischen Herausforderung (vgl. Altvater/Mahnkopf, S. 237ff).
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2123
Geldwäsche ist, vereinfacht ausgedrückt, die Umwandlung von kriminell erworbenen Geld bzw. sonstigen Vermögensgegenständen in „sauberes Geld“ (Hafner, S. 46). Dabei ist Geldwäsche eine Technik, mit der die Herkunft illegal erlangten Vermögens vor den Strafverfolgungsbehörden verdeckt werden soll; die Vermischung von legalem und illegalem Vermögen und speziell das Einschleusen derjenigen illegalen Profite in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf, die durch Delikte der Finanzkriminalität generiert worden sind, sind dabei die besonders gefährdenden Faktoren.
2
Der Begriff der Geldwäsche ist schillernd; zum Teil werden in der öffentlichen Diskussion hierunter alle Sachverhalte subsumiert, die jede Form des „Verschiebens“ von Geldern oder Vermögensgegenständen umfassen, etwa Unregelmäßigkeiten bei der Parteienfinanzierung. Welche unrechtmäßigen Vermögensverschiebungen und Verschleierungsverhandlungen tatsächlich Geldwäsche sind, ist ausschließlich kriminologisch und im Ergebnis strafrechtlich zu definieren. Abgesehen von den politischen Standards der bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris domizilierenden Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) und der eher phänomenologischen Definition, die in Art. 1 II und III der EG-Geldwäscherichtlinie 2005/60EG den Pflichten dieser Richtlinie zugrunde liegt, besteht keine international rechtsgültige Definition, die insbesondere einen einheitlichen Vortatenkatalog in die Definition des Geldwäschetatbestands einbezieht. Maßstab für die Legaldefinition der Geldwäsche ist deshalb in Deutschland der Geldwäschestraftatbestand des § 261 StGB. Techniken zum „Waschen“ von illegalen Erträgen und zu ihrer Legitimierung entscheiden über den finanziellen Erfolg von illegalem wirtschaftlichen Handeln. Geldwäsche ist im kriminologischen Sinne erfolgreich, wenn die Erträge keinen Rückschluss mehr über die Wege des Geldes zur kriminellen Quelle zulassen, die Beschlagnahme und Konfiskation dieser Vermögensgegenstände durch Ermittlungsbehörden dadurch verunmöglicht wird und diese für den „unverdächtigen“ privaten Konsum oder als Investitionsmittel für neue (legale oder illegale) wirtschaftliche Aktivitäten zur Verfügung stehen. Mit der Geldwäsche soll die Herkunft des Geldes so verschleiert werden, dass sie nicht mehr nachvollzogen werden kann. Dies kann auf dem Wege verschiedenster Vermögensverschiebungen und Finanztransaktionen geschehen.
B. Internationales Maßnahmepaket gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung Die Strafbarkeit der Geldwäsche, eine verbesserte internationale Zusammenarbeit der Ermittlungs- und Finanzmarktaufsichtsbehörden und eine effektivere Rechtshilfe, neue Kooperationspflichten von privaten Finanzinstituten gegenüber Ermittlungsbehörden ohne Einschränkung durch das Bankgeheimnis und sonstige vertragliche Verschwiegenheitspflichten, die Transparenz aller Finanztransaktionen und gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen wie etwa Trusts oder Stiftungen, ein vorwiegend präventiv wirkender Pflichtenkatalog gegen Geldwäsche für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sowie Lebensversicherungen im Finanzsektor und darüber hinaus für spezifische Unternehmensgruppen des Nicht-Finanzsektors (Immobilienmakler, Spielbanken) sowie für Freie Berufe (z. B. Rechtsanwälte und Notare) werden als Instrumente angesehen, die nach internationalem Standard Voraussetzung zur Aufdeckung und zur Verhinderung von Geldwäschehandlungen sind. Für den Bereich der Kreditwirtschaft und bei Versicherungsunternehmen wurden dabei 5 Kernpflichten formuliert: – Allgemeine Sorgfaltspflichten zur Identifizierung des Vertragspartners und des wirtschaftlich Berechtigten
Findeisen
3
2124
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
– die gesteigerte Aufmerksamkeit bei unüblichen Umständen und Geschäftsabläufen – die Pflicht zur Dokumentierung von Geschäftsvorfällen und Aufbewahrung von Informationen – die Anzeigepflicht bei verdächtigen Transaktionen und Geschäften – die Pflicht zur Organisation von institutsinternen Sicherungsmaßnahmen, ComplianceSystemen und Trainingsprogrammen für Mitarbeiter Motor dieses neuen internationalen Verständnisses waren hauptsächlich die G 7-Staaten, denen es seit 1990 gelungen ist, wichtige internationale Organisationen (Internationaler Währungsfonds, Weltbank, Vereinte Nationen) in diesen Aktionsplan einzubinden. 4
Die EG-Richtlinie 91/308/EWG des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche vom 10. Juni 1991, die durch die Richtlinie 2001/97/EWG vom 4.12.2001 („2. EG-Geldwäscherichtlinie“) im Anwendungsbereich erweitert (ABlEG Nr. L 344 v. 28.12.2001) und durch die Richtlinie 2005/60/EG vom 26. 10. 2005 (AblEG L 309 v. 25.11.2005) völlig neu strukturiert worden ist („3. EGGeldwäscherichtlinie“), verpflichtet die EU-Staaten zur Schaffung eines Anti-Geldwäschegesetzes mit präventiv wirkender, gewerberechtlicher Zielrichtung und stellt hierdurch die Harmonisierung nationaler Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Wirtschaftsund Finanzmarktaufsichtsrechts zur Bekämpfung und Verhinderung der Geldwäsche innerhalb der Europäischen Union sicher. Die Richtlinie 2005/60/EG ersetzt die Richtlinie 91/308/EG und verpflichtet alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, ihre innerstaatlichen Vorschriften bis 15. Dezember 2007 mit den neuen Bestimmungen in Einklang zu bringen. Die Richtlinie gilt wie die Vorgängerrichtlinie nicht nur für den Finanzsektor, sondern bezieht weitere Dienstleistungsunternehmen und Anbieter von Gütern in den Anwendungsbereich ein. Neu ist auch die Einbeziehung von Geldern, die der Terrorismusfinanzierung dienen können. Die den Adressaten obliegenden Sorgaltspflichten, darunter der Katalog der Identifizierungs- und Abklärungspflichten sowie die Verdachtsanzeigepflicht, bezieht sich nunmehr auch auf Gelder und Vermögensgegenstände, die neben der Geldwäsche auch der Terrorismusfinanzierung dienen können (Art. 1 I, IV). Ein Pardigmenwechsel hat insbesondere im Bereich der Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten stattgefunden. Dem Verständnis der Geldwäscherichtlinien von 1991 und 2001 lag noch ein formaler „rule based approach“ zugrunde, der durch die „3. EG-Geldwäscherichtlinie“ von einem „risk based approach“ und neuen „customer due diligence“-Normen abgelöst worden ist. Dieser risikoorientierte Ansatz war schon seit langem von der Kreditwirtschaft gefordert worden. Allzu oft hatten sich Kreditinstitute aufgrund der in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzten Geldwäscherichtlinien mehr Gedanken über die formale Befolgung detaillierter staatlicher Vorgaben sowie über Sanktionen bei Verletzungen von Verfahrensverstößen als über materielle Risikoverhinderung gemacht. Auch die Lehre, die die Finanzmarktaufsichtsbehörden weltweit aus Geldwäscheskandalen gezogen haben, war, den Kreditinstituten mehr Spielraum für Eigeninitiative und ein maßgeschneidertes Risikomanagementprogramm zur Geldwäscheprävention einzuräumen und ihnen diese Verantwortung aufsichtsseits nicht abzunehmen, aber bei unzureichendem Risikomanagement aufsichtsrechtlich einzuschreiten. An die Stelle detaillierter Maßnahmenkataloge treten durch die „3. EG-Geldwäscherichtlinie“ nunmehr Regelsysteme, die die Aufgaben der Institute und die Risikofaktoren festlegen. Bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten haben die Verpflichteten den konkreten
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2125
Umfang ihrer Maßnahmen entsprechend dem Risiko des jeweiligen Vertragspartners, der jeweiligen Geschäftsbeziehung oder der jeweiligen Transaktion zu bestimmen. Die verpflichteten Unternehmen und Personen müssen jedoch gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden auf Verlangen darlegen können, dass der Umfang der von ihnen getroffenen Maßnahmen im Hinblick auf die Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung als angemessen anzusehen ist. Es bleibt damit grundsätzlich Sache der Unternehmen, auf ihr spezifisches Kundensegment und auch auf ihre Produkte zugeschnittene Risikokategorien auf der Basis einer unternehmensinternen Gefährdungsanalyse zu bilden und entsprechend abgestufte institutsinterne Maßnahmen zu treffen. Intensität und Umfang der einzelnen Sorgfaltspflichten bestimmen sich nach der Risikoklassifizierung der „3. EG-Geldwäscherichtlinie“. Nach diesen Vorgaben kommt es darauf an, ob ein Sachverhalt einer „Hochrisikokategorie“ zuzuordnen ist oder ein „normales“ bzw. „niedriges“ Risiko besteht. Geht das Institut von einem niedrigen Risiko aus, muss auch das Vorliegen dieser Sachverhaltskonstellation gegenüber der Finanzmarktaufsicht dargelegt werden können. Verstärkte Sorgfaltspflichten wegen eines erhöhten Risikos gelten nach Art. 13 der „3. EG-Geldwäscherichtlinie“ immer bei der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung mit physisch nicht präsenten Kunden („non-face-to face customers“), bei der Kontoeröffnung im Rahmen einer Korrespondenzbankbeziehung („correspondent banking“) oder für politisch exponierte Personen („politically exposed persons“, PEPs) und ihnen nahe stehender Personen und Gesellschaften. Dieser als besonders risikoträchtig angesehene Sachverhalt erfordert erhöhte Sorgfaltspflichten, weil das Vermögen von PEP´s, wie Anfang der Jahrtausendwende aufgedeckte Investments von Potentaten (Abacha, Marcos, Pinochet) insbesondere bei Banken in der Schweiz zeigten, aus Korruption und der Veruntreuung öffentlicher Gelder stammen können. Bei den verstärkten Sorgfaltspflichten orientiert sich die “3. EG-Geldwäscherichtlinie“ an einem Katalog des „Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht“ vom Oktober 2001, bleibt aber im Ergebnis hinter den dort genannten Fallgruppen zurück. Der in dieser Richtlinie vorgesehene Katalog verstärkter Sorgfaltspflichten wurde durch das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz in § 6 GwG inhaltlich identisch umgesetzt. Art. 3 Nr. 6 der „3. EG-Geldwäscherichtlinie“ hat im Übrigen den Begriff des „wirtschaftlichen Eigentümers“ neu definiert, um Strohmannverhältnisse durch die Schaffung spezifischer, auf den „wirtschaftlichen Eigentümer“ zugeschnittener Sorgfaltspflichten transparenter machen zu können. Er geht über den Begriff des wirtschaftlich Berechtigten in den früheren Geldwäscherichtlinien weit hinaus und machte deshalb auch hier eine Änderung des GwG erforderlich. Auf die Adressaten der Norm kommen neue Sorgfaltspflichten hinsichtlich des „wirtschaftlichen Eigentümers“ zu, die in vielen Fällen nur durch Verlagerung dieser Pflichten auf den Kunden erfüllbar sind, da dem pflichtigen Institut oder Unternehmen, das keinen Kundenkontakt zum „wirtschaftlichen Eigentümer“ hat, die erforderlichen Informationen in der Regel nicht vorliegen. „Wirtschaftliche Eigentümer“ sind danach die natürlichen Personen, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Kunde letztlich steht und/oder die natürliche Person, in deren Auftrag oder Veranlassung eine Transaktion oder Tätigkeit letztlich ausgeführt oder eine Geschäftsbeziehung begründet wird. Bei juristischen Personen, die nicht an einer amtlichen Börse zugelassen sind, knüpft die Definition im Ergebnis an die Frage an, ob eine natürliche Person über mehr als 25% der Stimm- oder Kapitalanteile einer Rechtsperson verfügt. Bei Stiftungen oder vergleichbaren Rechtskonstruktionen ist entscheidend, ob die natürliche Person 25% und mehr des Vermögens kontrolliert oder deren Begünstigte ist.
Findeisen
2126
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Am 1.8.2006 ist die „Erste Durchführungsrichtlinie“ zur Geldwäscherichtlinie 2005/ 60/EG in Kraft getreten (2006/70/EG). Sie enthält für die Kreditwirtschaft wichtige Auslegungshilfen zum Anwendungsbereich der Risikokategorie der „politisch exponierten Personen“ und technische Auslegungskriterien, unter welchen Voraussetzungen „vereinfachte Kundensorgfaltspflichten“ Anwendung finden können. Auch diese Durchführungsbestimmungen müssen Gegenstand der nationalen Umsetzung in den Mitgliedsstaaten sein. Die Geldwäscherichtlinie 2005/60/EG und die „Erste Durchführungsrichtlinie“ (2005/60/ EG) mussten in den EG-Ländern bis Dezember 2007 in nationales Recht umgesetzt werden. Die Bundesregierung konnte den Gesetzesentwurf für das Umsetzungsgesetz, den „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz)“ erst im Mai 2008 in den Deutschen Bundestag einbringen (BT-Drucks. 16/9038 vom 5.5.2008). Eine Verabschiedung durch den Bundestag erfolgte am 19.6.2008; die Zustimmung des Bundesrats am 4.7.2007 (BR-Drucks. 439/08). Der Inhalt der EG-Geldwäscherichtlinien orientiert sich an diversen internationalen, politischen Initiativen zur Eindämmung der Geldwäsche. Dabei leisteten die 40 Empfehlungen vom 19.4.1990 der von den G 7-Staaten ins Leben gerufenen und heute wichtigsten internationalen politischen „Anti-Geldwäsche-Institution“, der bei der OECD domizilierenden und inzwischen 32 Mitgliedstaaten umfassenden „Financial Action Task Force On Money Laundering“ (FATF), wichtige Vorarbeiten. Diese Empfehlungen beeinflussten auch die Aktivitäten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des „Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht“ auf dem Gebiet der Verhinderung der Geldwäsche. Die unter deutscher FATF-Präsidentschaft am 18. 6. 2003 neu gefassten 40 Empfehlungen stellen weltweit den wichtigsten, multidisziplinären Standard gegen Geldwäsche im repressiven und präventiven Bereich dar. Die im Jahr 2003 überarbeiteten 40 Empfehlungen verankerten auch erstmals einen risikoorientierten Ansatz bei der Handhabung der Kundensorgfaltspflichten. Obwohl es sich nur um „soft law“ der wichtigsten Industrieländer ohne unmittelbare rechtliche Bindungswirkung handelt, ist dieser Standard der FATF (www.fatf-gafi.org) mit einem politischen Sanktionsmechanismus (Publizierung von „Schwarzen Listen“, „name and shame-policy der FATF“) auch gegenüber Nicht-Mitgliedstaaten für den Fall der Abweichung der nationalen Rechtspraxis von diesem Standard ausgestattet und damit im Ergebnis für den einzelnen Nationalstaat genauso verpflichtend wie eine klassische Konvention mit rechtlicher Bindung. Dieser Standard der FATF gegen Geldwäsche wurde am 30. Oktober 2001 durch inzwischen 9 Sonderempfehlungen der FATF gegen die Finanzierung des Terrorismus ergänzt, die in Deutschland primär durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz vom 8.8.2002 (BGBl. I. S. 3105 ff.), und das seit 1.7.2002 wirksame 4. Finanzmarktförderungsgesetz umgesetzt worden sind. Die Erweiterung des Aufgabenfeldes der FATF ist der Tatsache geschuldet, dass im Gefolge der Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 die Aufdeckung der Finanzströme, die die Finanzierung des Terrorismus logistisch ermöglicht haben, auf internationaler Ebene als ein mit der Geldwäsche vergleichbarer Risikofaktor begriffen wird. Bei den für die Terrorismusfinanzierung eingesetzten Geldern und Vermögenswerten handelt es sich allerdings nur um Bruchteile der Volumina, die bei der Geldwäsche eine Rolle spielen. Trotz der Parallelitäten, die bei den Tathandlungen und der Nutzung des Finanzsystems zu Geldwäschezwecken oder zur Terrorismusfinanzierung vorhanden sind, besteht ein wesentlicher Unterschied darin, dass bei der Finanzierung des Terrorismus die dort verwendeten Gelder durchaus auch aus legalen Finanzquellen (Spenden) stammen können.
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2127
C. Umsetzung in Deutschland
5
Die Standards der FATF und der EG-Geldwäscherichtlinie werden durch ein multidisziplinäres Maßnahmepaket Deutschlands gegen die Geldwäsche implementiert, das – wiederum in Reaktion auf internationale Vorgaben und erkannte nationale Regelungsdefizite – mehrfach erweitert und aktualisiert worden ist. Diese miteinander verzahnten Maßnahmen bestehen aus folgenden rechtlichen Elementen: 1. Strafbarkeit der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Der Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) wurde durch Art. 1 Nr. 19 des „Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrGKG)“ vom 15. Juli 1992 (BGBl. I 1992, S. 1302) in das StGB eingefügt und inzwischen mehrfach erweitert. Es sollen bestimmte Vorgehensweisen des Straftäters erfasst werden, die den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Gegenstände aus bestimmten Straftaten verhindern oder erschweren sollen. Mit § 261 StGB wird im Ergebnis ein bestimmtes Fahndungskonzept zur Strafnorm erklärt. Der zunächst von den USA nur gegen die Drogengeldwäsche entwickelte kriminalistische Ansatz soll es ermöglichen, in die arbeitsteiligen und konspirativen Strukturen von „organisierter Kriminalität“ und Wirtschaftskriminalität einzudringen, an deren Hintermänner heranzukommen und durch die Entziehung der finanziellen Grundlagen ihren Nerv zu treffen bzw. den Verbrechensgewinn hierdurch verkehrsunfähig zu machen. Diese Zielsetzung stellt sich für den deutschen Gesetzgeber als Trias dar, der aus der Aufspürung deliktisch erlangter Gewinne, deren Abschöpfung über den erweiterten Verfall (§ 73d StGB) bzw. über die (mit Urteil vom 20.3.2002, NJW 2002, 1779) vom Bundesverfassungsgericht wegen Unvereinbarkeit mit Art. 103 II GG vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten) Vermögensstrafe (§ 43a StGB) sowie aus der Bestrafung des Geldwäschers besteht.
6
Eine kriminologische oder gar wirtschaftliche Definition der Geldwäsche ist für das Strafrecht zu unbestimmt. Geldwäsche gem. § 261 StGB ist nicht bei jedweder Herkunft des illegalen Vermögensgegenstands anzunehmen, sondern nur dann, wenn der Gegenstand aus einer der Vortaten des Absatzes 1 stammt. Entsprechend seinem Charakter als selbständige, aber an ein vorgelagertes strafbares Verhalten anknüpfende Strafnorm ist der Straftatbestand mit einem breit gefächerten Vortatenkatalog verbunden. Als Vortaten der Geldwäsche kommen alle rechtswidrigen Taten in Betracht, die in Absatz 1 normiert sind. Er enthält zunächst einmal in Satz 1 sämtliche Verbrechen, d.h. nach § 12 I StGB alle Straftaten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 1 Jahr. Sie umfassen darüber hinaus in den Sätzen 2 bis 5, insbesondere durch die Erweiterungen durch das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 4.5.1998“ alle relevanten Delikte der organisierten Kriminalität und Wirtschaftskriminalität, soweit es sich um keine Verbrechen handelt. Hierzu gehört inzwischen auch die Bildung terroristischer Vereinigungen (§129a StGB), die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§§ 129a Abs. 1, 129 StGB), jeweils auch in Verbindung mit kriminellen und terroristischen Vereinigungen im Ausland (§ 129b StGB).
7
Seit dem 28.12.2001 war auch die Schwere Steuerhinterziehung gem. § 370a Abgabenordnung (AO) Vortat i. S. d. § 261 StGB. Durch das Telekommunikationsüberwachungsgesetz (BGBl. I 2007, S. 3198 ff.) wurde die bisherige Regelung des § 370a AO aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesgerichtshofs an der Bestimmtheit der Vorschrift gestrichen. Seit dem 1.1.2008 wurde ihr Regelungsgehalt weitgehend in § 370 Abs. 3 AO in Ergänzung der bereits vorhandenen Regelbeispiele übernommen, allerdings unter Verzicht auf das bisher notwendige qualifizierende Merkmal der Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“. Im Ergebnis ist nunmehr die „einfache“ Steuerhinterziehung nach
Findeisen
2128
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
§ 370 Abs. 1 AO, soweit sie gewerbsmäßig oder bandenmäßig begangen wird, Vortat im Sinne des § 261 StGB. Auch der Vortäter bzw. Mittäter der Vortat kann wegen § 261 StGB bestraft werden. 8
§ 261 StGB stellt eine allgemeine Strafnorm dar, die – anders als das Geldwäschegesetz (GwG) – nicht auf einen speziellen Adressatenkreis des Wirtschaftslebens, etwa Mitarbeiter von Banken, zugeschnitten ist. § 261 StGB besitzt keinen unmittelbaren Bezug zu den Handlungspflichten des GwG. Es besteht hier keine mit den Normen des Umweltstrafrechts vergleichbare Verwaltungsakzessorietät. § 261 StGB ist sehr weit gefasst. Taugliches Tatobjekt ist nicht nur Geld, sondern jeder Vermögensgegenstand. Als Tathandlung kommen das Verbergen oder die Verschleierung der Herkunft des Vermögensgegenstands, die Vereitelung oder Gefährdung der Ermittlung der Herkunft, des Auffindens, des Verfalls, der Einziehung oder der Sicherstellung eines solchen Vermögensgegenstandes in Frage (§ 261 I). Als geschütztes Rechtsgut des § 261 StGB wird von der noch h. M. allein die inländische staatliche Rechtspflege und deren Funktionsfähigkeit gesehen (vgl. Tröndle/Fischer, § 261 Rdnr. 3b). Diese Auffassung blendet jedoch internationale Standards und deren Zielrichtung aus (vgl. insb. Erwägungsgrund 2 der EG-Geldwäscherichtlinie 2005/60/EC). Aufgrund dessen dient § 261 StGB ebenso wie das GwG auch dem Schutz des Finanzsystems und des legalen Wirtschafts- und Finanzkreislaufs vor einer Unterwanderung durch illegales Kapital (vgl. Lampe, JZ 1994, 123; Körner/Dach, S. 24). Mit geschützt ist also das Universalrechtsgut der legalen Wirtschaft. Der Tatbestand des § 261 StGB setzt den Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen der Geldwäschehandlung und der Vortat dergestalt voraus, dass die Herkunft der gewaschenen Vermögensgegenstände aus einer Vortat bewiesen werden muss. Diese Beweiskette ist jedoch schwer zu ermitteln und schmälert deshalb in der Praxis signifikante Ermittlungserfolge.
9
II. 1. Das Geldwäschegesetz (GwG) steht zwar mit § 261 StGB in einem funktionalen Zusammenhang, da es den Geldwäschestraftatbestand und einschlägige Ermittlungen unmittelbar (durch die Verdachtsanzeigepflicht gem. § 11 I GwG) bzw. mittelbar (durch das Vorhalten von Identifikationsunterlagen zur Sicherstellung der Papierspur der einzelnen Finanztransaktionen – Dokumentationspflicht gem. § 8 GwG) „flankiert“. Zum „Ausführungsgesetz zu § 261 StGB“ wird das GwG jedoch hierdurch nicht. Das GwG setzt den Regelungsinhalt der politischen FATF –Standards und der rechtlich verbindlichen EGGeldwäscherichtlinie 2005/60/EG mit Normen des Wirtschaftsverwaltungsrechts um; der Inhalt und Umfang des GwG geht dabei über diesen internationalen Standard nicht hinaus. Die bisweilen von den Verbänden der Kreditwirtschaft pauschal erhobenen Vorwürfe, es liege in Deutschland insoweit eine für die Adressaten des Gesetzes kostenintensive Überregulierung vor, ist nicht zu belegen. Das GwG hat keinen repressiven, sondern einen gewerberechtlichen Charakter. Es dient der Strukturprävention gegen Geldwäsche (primär im Finanzsektor) durch Maßnahmen des Wirtschaftsverwaltungsrechts. Das GwG begründet die öffentlichrechtliche Verpflichtung zur Schaffung einer adäquaten Aufbau- und Ablauforganisation, um einem Missbrauch der Institute und Unternehmen durch Geldwäsche sowie der Finanzierung des Terrorismus entgegenzutreten. Das GwG besitzt einen eigenständigen Regelungskreis, der – in der Praxis erfolgreich – eine verhaltensregulierende und risikominimierende Wirkung mit dem Ziel der Verhinderung der Geldwäsche im Finanzsektor (Findeisen, WM 1998, 2410 f.) und – durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz vom 8.8.2002 und das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz (BT-Drucks. 16/9038 vom 5.5.2008) – inzwischen auch in anderen Unternehmensbereichen sowie bei den freien Berufen entfalten soll.
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2129
Das Geldwäschegesetz ist nicht das einzige Umsetzungsgesetz, mit dem die Bestimmungen der Richtlinie 2005/60EG in nationales Recht implementiert wurden. Das GwG fungiert lediglich als „Allgemeiner Teil“ des nationalen Anti-Geldwäscherechts. Dort wurden die allgemeinen Sorgfaltspflichten, soweit diese sämtliche Adressaten der Richtlinie 2005/60/EG treffen, durch das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz geregelt. Die ausschließlich für Banken, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen geltenden, zusätzlichen Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie 2005/60/EG wurden im KWG und VAG umgesetzt. Hierzu gehören Vorkehrungen zur Schaffung spezifischer interner Sicherungsmaßnahmen (§ 25c KWG, § 80d VAG) sowie ergänzende Fallkonstellationen, bei denen über die im GwG geregelten Sachverhalte hinaus vereinfachte Sorgfaltspflichten angewendet werden können (§ 25d KWG, §80e VAG) bzw. erleichterte Anforderungen bei der Durchführung der Identifizierung gelten (§ 25e KWG, § 80f VAG). Auch die in der Richtlinie 2005/60/EG enthaltenen Verbotsnormen für bestimmte Geschäftsaktivitäten wurden im KWG umgesetzt. § 25h KWG verbietet die Aufnahme oder Fortführung einer Korrespondenz- oder sonstigen Geschäftsbeziehung mit einer (meist in Offshore-Staaten domizilierenden) Bank-Mantelgesellschaft oder die Errichtung und Führung von Konten auf den Namen des Instituts oder für dritte Institute, über die Kunden zur Durchführung von Transaktionen eigenständig verfügen können. Zu einem funktionierenden Binnenmarkt gehört es bereits nach der EG-Geldwäscherichtlinie, die Integrität, Stabilität und damit die „Sauberkeit“ des EU-Finanzmarkts zu schützen (vgl. Erwägungsgründe 1, 2 und 8 der EG-Geldwäscherichtlinie 2005/60/EG). Die durch Deregulierung der Finanzmärkte gesteigerten Schadensrisiken fordern neue Regelungsmuster für das institutsinterne Risikomanagement gegen Finanzkriminalität im Allgemeinen und Geldwäsche im Besonderen. Die von Banken, Finanzdienstleistungsinstituten und sonstigen Unternehmen dagegen zu treffenden internen Sicherungsmaßnahmen (vgl. § 9 GwG, § 25c KWG, § 80d VAG) sind nach internationalen finanzmarktaufsichtsrechtlichen Standards (Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht) ein Erfordernis, das sich aus der Verantwortung der Institute zur Wahrung ihrer eigenen Solidität und Integrität ergibt (vgl. Findeisen, Wistra 1997, 121 f.) und – im eigenen Interesse der Institute – der Minimierung von der Geldwäsche immanenten Reputationsrisiken, Rechtsrisiken und operationellen Risiken im Rahmen eines bankinternen Risikomanagements dient (vgl. Bergles, BKR 2002, 379 f.). Die Steuerung dieser drei Risikokategorien im Bereich der Geldwäscheprävention, der Verhinderung der Finanzierung des Terrorismus und der Verhinderung des Finanzbetrugs zulasten des Instituts (vgl. § 25c I KWG) hat in der Praxis inzwischen eine ähnliche Bedeutung wie das Kredit- und Marktrisikomanagement einer Bank. Das Risikomanagement gegen Geldwäsche weist somit Schnittstellen zu dem aufsichtsrechtlich geforderten Risikomanagement eines Instituts zur Verhinderung von Solvenzrisiken auf. Gerade das Reputationsrisiko spielt bei Geldwäschefällen eine große Rolle. Man weiß nie, wann und in welcher Form sich Reputationsrisiken verwirklichen. Wie verhält sich die Presse? Wie verhalten sich Staatsanwaltschaften? Interessiert sich die Öffentlichkeit für den Fall? Die Informationsgesellschaft lässt Kommunikationswege völlig unvorhersehbar erscheinen. Diese Unkalkulierbarkeit der Folgen macht das Reputationsrisiko gefährlich, weil bei Serviceleistungen und Bankprodukten nur derjenige erfolgreich ist, der Kompetenz und Reputation hat. Jeder Geldwäschefall, der Außenwirkung erlangt und damit zum Medienereignis und zum Objekt staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen bzw. bankaufsichtlicher Aufklärung wird, kann neben dem allgemeinen Vertrauens- und Imageschaden für die betroffene Bank – etwa durch den Abzug von Kundeneinlagen und durch die Einziehung von Vermögenswerten – für das einzelne Institut einen materiellen Schaden zur Folge haben (Zuberbühler, S. 51).
Findeisen
10
2130
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Aufgedeckte Geldwäschefälle in Banken Deutschlands, Großbritanniens, den USA und in der Schweiz belegen dies eindrucksvoll. Vor diesem Hintergrund kann die Rolle der Institute im GwG nicht in die eines „Fahnders“ und bzw. eines faktischen „Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft“ umgedeutet werden (so jedoch Herzog, WM 1996, 1753 (1760 f.)). Ebenso wenig bezweckt das GwG die Privatisierung oder das Outsourcing von staatlichen Ermittleraufgaben. Die von einem Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut, Versicherungsunternehmen oder Nicht-Finanzunternehmen zu treffenden Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sind heute eine wichtiges Element im Compliance-System eines Unternehmens, mit dem rechtskonformes Verhalten im Hinblick auf sämtliche rechtlichen Gebote und Verbote unternehmensintern sichergestellt werden soll. Bezweckt wird dabei, bereits im Vorfeld durch eine entsprechende Organisation Gesetzesverstöße und damit schadensstiftende Situationen zu vermeiden. 11
2. Adressaten des GwG sind gem. § 2 I GwG neben Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, Finanzunternehmen und Versicherungsunternehmen, soweit letztere neben dem Versicherungsgeschäft, wozu auch Unfallversicherungsverträge mit Prämienrückgewähr gehören, das Kapitalisierungsgeschäft betreiben. Im Inland gelegene Zweigstellen oder Zweigniederlassungen eines solchen Instituts oder Unternehmens mit Sitz im Ausland sind ebenfalls Adressat ebenso wie Versicherungsvermittler, Investmentaktiengesellschaften im Sinne des § 2 V des Investmentgesetzes und Kapitalanlagegesellschaften im Sinne des § 2 VI des Investmentgesetzes. Darüber hinaus unterfallen gem. § 2 I GwG spezifische Nicht – Finanzunternehmen sowie Freie Berufe (z.B. Immobilienmakler, Spielbanken sowie Personen, die gewerblich mit Gütern handeln, soweit sie Bargeld entgegennehmen, Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Dienstleister für Gesellschaften und Treuhandvermögen oder Treuhänder) diesem Gesetz. Zur Erreichung seiner Ziele werden jedoch Kredit- und Finanzinstituten sowie Versicherungsunternehmen einerseits und sonstigen Wirtschaftsunternehmen sowie Freien Berufen andererseits je nach drohender Missbrauchs- und Risikogefährdung und damit differierender interner Risikostruktur unterschiedlich weit reichende Pflichten bei der Durchführung von Transaktionen auferlegt. Dem Finanzsektor stehen überdies die größten Möglichkeiten offen, neben ihrer präventiv ausgerichteten Verantwortung eine gegenüber den Ermittlungsbehörden informative Rolle zu übernehmen.
12
3. Methoden der Geldwäsche. Insbesondere Banken werden aufgrund ihres breiten Angebots von Finanzdienstleistungen, insbesondere als Kapitalsammelstellen und als Intermediäre im nationalen und internationalen Zahlungsverkehr für die Geldwäsche missbraucht. Sie nehmen als Anlaufstelle für Geldwäscher eine Schlüsselrolle ein. Ihre auf der Qualität ihrer Services beruhende Attraktivität kann schon aus logistischen Gründen nicht vollständig durch die Einschaltung von Nicht-Finanzunternehmen, Schattenmärkten und illegalen Transfersystemen im Untergrundkapitalismus ersetzt werden, obgleich sich, nicht zuletzt durch die Wirkung bankinterner und aufgrund der von der Aufsicht in den einzelnen Nationalstaaten geforderten Sicherungsmaßnahmen, bestimmte Methoden der Geldwäsche teilweise auf andere Unternehmen verlagert haben. Für den Prozess der Geldwäsche spielen Banken sowohl bei der Einschleusung illegaler (Bar-)Gelder in den legalen Finanzkreislauf als auch bei der Verschleierung bereits im Finanzkreislauf befindlicher, illegaler Erträge eine Schlüsselrolle. Geldwäsche durch Bareinzahlung an den Schaltern von Instituten hat allerdings an Bedeutung verloren. Es gibt inzwischen andere, erheblich verfeinerte Methoden. Hierzu gehört Geldwäsche mittels anonymer Trusts und Stiftungen, etwa durch die Nutzung von Stiftungen und Anstalten liechtensteinischen Rechts, die in keinem öffentlichen Register erfasst werden müssen, oder durch Offshore-
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2131
Banken. Schmutziges Geld wird auch direkt in die Wirtschaft investiert bzw. über Gewerbeunternehmen „vorgewaschen“. Hierzu eignen sich etwa die Nutzung von Scheinfirmen, vorgetäuschte Warengeschäfte, Scheinrechnungen, Über-/Unterfakturierungen und die Nutzung von Umsatzsteuerkarussellen. Auch Vermögensgegenstände, die über sog. semilegale Frontorganisationen vorgewaschen worden sind, gelangen früher oder später wieder zu Banken. Kontaminierte Vermögensmassen werden auf diesem Weg, etwa über den internationalen Zahlungsverkehr, von Konto zu Konto „bewegt“ und neu angelegt. Die Entwicklung auf den Finanzmärkten hat Geldwäschern die Arbeit eher erleichtert. Die Methoden wurden im Zug der technischen Neuerungen auf den Finanzmärkten und bei der technischen Abwicklung von Bankgeschäften (online banking, direct banking, elektronisches Geld, Einsatz von anonymen „prepaid cards“) professionalisiert und umfassen heute auch eine Vielzahl von Anlageinstrumenten des Wertpapiersektors einschließlich der Derivate (vgl. Findeisen, Kriminalistik 1998, 107 f.; Hafner, S. 90 f.). Angesichts der wachsenden Kapitalströme, die heute zwischen weitgehend liberalisierten Finanzmärkten hin- und herfliessen, wird es deshalb gerade im Massengeschäft immer schwieriger, zwischen Finanztransaktionen zu unterscheiden, die einen legalen oder aber einen Geldwäschehintergrund haben. Sowohl die beim Bundeskriminalamt angesiedelte „Zentralstelle für Verdachtsanzeigen“ (FIU) als auch die Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) unterrichten regelmäßig in öffentlich zugänglichen Analysen über aktuelle Typologien und Methoden der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. 4. Sorgfaltspflichten und interne Sicherungsmaßnahmen im GwG. Die nach den nach den Vorgaben der „3. EG-Geldwäscherichtlinie“ im Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz geregelten Sorgfalts- und Organisationspflichten lassen sich in folgende Kategorien einteilen: a) Verdachtsanzeigepflicht. Allein mit der Strafbarkeit der Geldwäsche werden noch nicht die notwendigen Informationen für die Aufklärung von Geldwäsche gesichert. Der strafprozessuale Nachweis von Geldwäsche als Voraussetzung für die Abschöpfung von Straftatgewinnen ist aufgrund der traditionellen Methoden der Ermittlung schwierig. Geldwäsche ist ein sog. victimless crime. Als problematisch erweist sich für die Delikte sog. organisierter Kriminalität und Wirtschaftskriminalität die geringe Bedeutung von Strafanzeigen. Ermittler sind deshalb auf die Kooperation mit den Finanzmarktaufsichtsbehörden, mit den Kredit- und Finanzinstituten, Versicherungsunternehmen sowie den Nicht-Finanzunternehmen und freien Berufe angewiesen. Durch § 11 I 1 GwG soll diesen von Privaten Anhaltspunkte für Geldwäschetransaktionen verfügbar gemacht werden. Dieses Ziel wird durch die im GwG als gewerberechtliche Meldepflicht (jedoch nicht als Strafanzeige gem. § 158 StPO) ausgestaltete „Verdachtsanzeigepflicht“ für Institute sowie anderen Unternehmen und Freie Berufe gem. § 11 Abs. 1 GwG sichergestellt. Die Pflichtigen haben dabei unabhängig von der Höhe der Transaktion bei der Feststellung von Tatsachen, die darauf schließen lassen, dass eine Tat nach § 261 StGB oder eine Terrorismusfinanzierung begangen oder versucht wurde oder wird, diese unverzüglich mündlich, telefonisch, fernschriftlich oder durch elektronische Datenübermittlung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde und in Kopie dem Bundeskriminalamt –Zentralstelle für Verdachtsanzeigen – anzuzeigen. Soweit Pflichtige zu den freien Berufen gehören und Mitglied einer Berufskammer sind, ist die Anzeige an die für die zuständige Bundesberufskammer zu übermitteln. Diese hat die Anzeige mit ihrer eventuellen Stellungnahme unverzüglich an die zuständige Strafverfolgungsbehörde weiterzuleiten (§ 11 IV GwG). Die Erstattung einer Verdachtsanzeige führt gem. § 13 GwG nicht zur Verletzung des Bankgeheimnisses sowie sonstiger Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem Kunden und stellt die Anzeigenden von zivilrechtlicher bzw. strafrechtlicher
Findeisen
13
2132
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Verantwortung frei, soweit die Anzeige nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden ist. § 11 GwG beruht nicht auf einem zwingenden „automatischen“ Melden von behördlich vorgegebenen „Sachverhalten“ an die zuständige Strafverfolgungsbehörde. Soweit das Bundesministerium des Innern und das Bundesministerium der Finanzen nicht durch Rechtsverordnung im Einzelfall zusätzliche typisierte Transaktionen bestimmen, die „automatisch“ als verdächtig gelten und von den Verpflichteten anzuzeigen sind (von dieser Verordnungsermächtigung gem. § 11 VII GwG wurde bisher in Deutschland nicht Gebrauch gemacht), räumt die Verdachtsanzeigepflicht den Adressaten einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der verdachtsindiziellen Tatsachen ein, der bei den Instituten von der (externen und internen) Revision der BaFin auf Beurteilungsfehler zu überprüfen ist. Die Nichterfüllung der Pflicht zur Anzeige eines Verdachtsfalls ist allerdings – bei Fehlgebrauch dieses Spielraums – eine bußgeldwehrte Ordnungswidrigkeit (§ 17 I Nr. 4 GwG). Die Pflicht zur Erstattung von Verdachtsanzeigen wurde bereits durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz vom 8.8.2002 (BGBl. I, 3105) auf Sachverhalte, die der Finanzierung einer terroristischen Vereinigung dienen oder dienen würden, ausgedehnt. Verdächtige Tatsachen sind gem. § 14 I GwG auch von den für die Implementierung des GwG zuständigen Behörden sowie seit dem Inkrafttreten des Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetzes gem. § 14 II GwG zusätzlich durch die mit der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Behörden („Zoll“) sowie durch die für die Überwachung der Aktien-, Devisen- und Finanzderivatemärkte zuständigen Behörden zu melden. Schon durch das 4. Finanzmarktsförderungsgesetz vom 21.6.2002 (BGBl I, 2010) wurden auch die Finanzbehörden, vornehmlich die Finanzämter verpflichtet, verdachtsrelevante Tatsachen (§ 31b Abgabenordnung, AO), anzuzeigen. Spezielle Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der Verdachtsanzeigepflicht sollen den Strafverfolgungsbehörden darüber hinaus ermöglichen, die Ermittlungen wegen Geldwäsche und die Sicherstellung von Geldern vor der Ausführung von verdächtigen Transaktionen schnellstmöglich vorzunehmen, wobei diese Ermittlungen, etwa durch Information an Kunden oder sonstige Dritte über die Erstattung einer Anzeige oder von einem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren, nicht gefährdet werden dürfen. Das in § 12 I GwG statuierte generelle Verbot der Informationsweitergabe wird nur in den in § 12 I Nr. 1 bis 4 GwG angesprochenen Fällen durchbrochen. Allerdings haben die Verpflichteten, insbesondere die Finanzdienstleister ein besonderes Interesse daran, von meldepflichtigen, mehrgliedrigen Vorgängen, die unter Einschaltung mehrerer Institute ablaufen und bezüglich des gemeldeten Sachverhalts ihr eigenes Unternehmen betreffen können, zu erfahren, um die notwendigen unternehmerischen Abklärungen und Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Eine berechtigte Informationsweitergabe liegt deshalb nicht nur in Fällen der Übermittlung an staatliche Stellen und Aufsichtsbehörden vor, sondern auch in Fällen der Übermittlung zwischen den derselben Gruppe angehörenden Instituten und Versicherungsunternehmen und bei der Übermittlung in Fällen, die sich auf denselben Kunden und dieselbe Transaktion beziehen. Verdachtsanzeigen sind bei den jeweils zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Länder, vornehmlich den Landeskriminalämtern und Staatsanwaltschaften, zu erstatten. Eine Kopie der Verdachtsanzeige ist an die „Zentralstelle für Verdachtsanzeigen“ beim Bundeskriminalamt zu senden. Diese Stelle, die als Zentralstelle die Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung der Geldwäsche sowie der Terrorismusfinanzierung unterstützt (vgl. § 10 I GwG) hat die Funktion einer deutschen „Financial
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2133
Intelligence Unit (FIU)“. Sie soll die ihr – in Kopie – übermittelten Verdachtsanzeigen sammeln und auswerten, Statistiken zum Verdachtsmeldewesen führen, einen Jahresbericht veröffentlichen und die Meldepflichtigen regelmäßig über Typologien und Methoden der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung informieren. Der Informationsaustausch zwischen dieser Zentralstelle und den administrativ, justiziell oder polizeilich tätigen Anti-Geldwäschebehörden im Ausland ist im Rahmen dieser Analysetätigkeit von besonderer Bedeutung. Die Jahresberichte der deutschen FIU sind über das Internet abrufbar (www.bka.de). Der Inhalt der Verdachtsanzeige kann neben Strafverfahren und für Aufgaben der gem. § 16 GwG zuständigen Behörden auch für Besteuerungsverfahren verwendet werden, wodurch ein Abgleich mit verbundenen Daten aus Steuerakten möglich ist (§ 15 II GwG). Dies erlaubt eine Feststellung über bislang unbekannte steuererhebliche Tatsachen für Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren. b) Sorgfaltspflichten, namentlich Identifizierungspflichten und Dokumentationspflichten. Die in den §§ 3-6 GwG statuierten Sorgfaltspflichten haben einen präventiven Effekt. Durch die Einhaltung des „know-your-customer“-Prinzips und sog. „customer due diligence“-Pflichten soll die Aufnahme der Geschäftsbeziehung sowie die laufende Geschäftsbeziehung sorgfältig nach bestimmten Risikokriterien überwacht werden. Keine Transaktion soll anonym durchgeführt werden können, sondern einem bestimmten bekannten Kunden zuordenbar bleiben. Die Sorgfaltspflichten sollen mittelbar aber auch die Rückverfolgung der Papierspur für die Ermittlungsbehörden und den Zugriff auf Unterlagen über Identifikationsvorgänge ermöglichen. Solide Verfahren für die Feststellung der Kundenidentität, für die Einholung von Informationen über den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung, die Abklärung eines möglicherweise existierenden wirtschaftlich Berechtigten sowie eine kontinuierliche Überwachung der Geschäftsbeziehung sind als sog. allgemeine Sorgfaltspflichten (§ 3 I GwG) Voraussetzung für ein wirksames institutsinternes Risikomanagement. Der konkrete Umfang der Maßnahmen bei der Anwendung dieser allgemeinen Sorgfaltspflichten ist in Abhängigkeit von dem Risiko des Vertragspartners, der Geschäftsbeziehung, des Produkts oder der Transaktion vom einzelnen Adressaten des GwG zu bestimmen. Den zuständigen Behörden muss auf Verlangen dargelegt werden können, dass der Umfang der getroffenen Maßnahmen risikoangemessen ist. Die allgemeinen Sorgfaltspflichten werden durch drei Sachverhaltskonstellationen ausgelöst: Die Begründung einer Geschäftsbeziehung, das Bestehen von Verdachtsmomenten und Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der Identitätsdaten von Kunden oder wirtschaftlich Berechtigten (§ 3 II GwG). Können die Sorgfaltspflichten (Identifizierung von Kunden oder des Vertragspartners, Einholung von Informationen zum Geschäftszweck, Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten) nicht erfüllt werden, darf die Geschäftsbeziehung nicht begründet oder fortgesetzt bzw. die Transaktion nicht ausgeführt werden. Eine bestehende Geschäftsbeziehung muss in einem solchen Fall durch Kündigung beendet werden (§ 3 VI GwG). Diese öffentlichrechtliche Verpflichtung, die Geschäftsbeziehung zu beenden, ist als außerordentliches Kündigungsrecht des Instituts gegenüber dem Kunden zu klassifizieren. Die Identifizierung des Vertragspartners ist ein Kernelement der Sorgfaltspflichten. Sie besteht aus zwei Elementen: Der Feststellung der Identität und der Überprüfung der Identität des Vertragspartners (§ 1 I GwG). Die Identifizierung muss grundsätzlich vor Begründung der Geschäftsbeziehung durchgeführt werden. Zur Feststellung der Identität sind vom Pflichtigen in § 4 III GwG näher bezeichnete Angaben zu erheben, die abhängig davon sind, ob es sich beim Vertragspartner um eine natürliche oder juristische Person bzw. Personengesellschaft handelt. Die Identität des Vertragspartners ist dann anhand von
Findeisen
14
2134
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Dokumenten (bei der natürlichen Person etwa aufgrund eines gültigen Passes oder Personalausweises, bei juristischen Personen oder Personengesellschaften durch einen Registerauszug oder Einsichtnahme in ein amtliches Verzeichnis) zu überprüfen (§ 4 IV GwG). Eine erneute Identifizierung ist entbehrlich, wenn bereits früher identifiziert wurde und die Angaben aufgezeichnet worden sind (§ 4 II GwG). Das weitgehend identische Erfordernis der Identifizierung des Kontoinhabers und des Verfügungsberechtigten bei einer Kontoeröffnung, die in der steuerrechtlichen Pflicht zur Legitimationsprüfung gem. § 154 I Abgabenordnung (AO) verankert ist, hat für die Geldwäscheprävention an Bedeutung verloren, nachdem die Pflicht zur Identifizierung des Vertragspartners bereits durch das GwG vor Begründung einer auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung ausgelöst wird. Auch für den wirtschaftlich Berechtigten gilt, dass Angaben zu erheben und die Angaben zu verifizieren sind (§ 4 V S. 1 GwG). Der im deutschen Recht verwendete Begriff ist inhaltlich identisch mit dem Begriff des „wirtschaftlichen Eigentümers“ in der Richtlinie 2005/60/EG. § 1 VI GwG definiert den wirtschaftlich Berechtigten als die natürliche Person, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Vertragspartner letztlich steht oder auf deren Veranlassung eine Transaktion letztlich durchgeführt oder auf deren Veranlassung eine Geschäftsbeziehung letztlich begründet wird. Es geht also darum, die letztlich profitierende natürliche Person zu ermitteln. Beispielhaft wird in § 1 VI GwG aufgezählt, wer dies bei bestimmten Gesellschaften und Rechtskonstrukten ist. Bei Gesellschaften, die nicht an einem organisierten Markt notiert sind, ist dies die natürliche Person, die mehr als 25% der Stimmrechte kontrolliert oder mehr als 25% der Kapitalanteile hält. Bei Stiftungen und vergleichbaren Rechtskonstrukten ist es die natürliche Person, die 25% und mehr des Vermögens kontrolliert oder deren Begünstigte ist. Handelt es sich um eine Gesellschaft, die am organisierten Markt notiert ist (börsennotierte Aktiengesellschaften bzw. Kommanditgesellschaften auf Aktien), so entfällt die Pflicht zur Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten. In einem ersten Schritt ist die Person des wirtschaftlich Berechtigten abzuklären: dabei ist die Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzuhalten. Dafür ist anders als bei der Identifizierung des Vertragspartners lediglich dessen Name und Anschrift zu erheben. Weitere Identifizierungsmerkmale wie Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit sind nur zu erheben, soweit dies mit Blick auf das im Einzelfall bestehende Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsrisiko angemessen ist. Die Überprüfung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten hat nur auf risikoorientierter Grundlage zu erfolgen (§ 4 V S. 2 GwG). Wie dies genau zu erfolgen hat, haben die Verpflichteten selbst zu entscheiden. Es kann sich um Nutzung öffentlicher Aufzeichnungen handeln, Erbitten zweckdienlicher Daten vom Kunden oder Beschaffung der Informationen auf andere Art und Weise. In Betracht kommt das Hinzuziehen von Gesellschaftsvertrag, Bestätigung des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers, Geschäftsbericht, Internet-Recherche u. ä. m. Weitere Maßnahmen sind abhängig von der Risikoeinschätzung, die in der Gefährdungsanalyse vorgenommen werden muss. Anlass für weitergehende Maßnahmen können z. B. abweichende Zahlungseingänge sein. Gem. § 4 VI GwG hat der Vertragspartner des Pflichtigen eine gesetzliche Mitwirkungspflicht, dem Pflichtigen die zur Erfüllung der Pflichten notwendigen Informationen und Unterlagen zur Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten zur Verfügung zu stellen. Alle im Rahmen der Erfüllung der Sorgfaltspflichten erhobenen Angaben und eingeholten Informationen über Vertragspartner, wirtschaftlich Berechtigte, Geschäftsbeziehungen und Transaktionen sind von den Instituten nach § 8 I GWG aufzuzeichnen und mindestens fünf Jahre aufzubewahren. § 8 II GWG erlaubt die Aufbewahrung der Aufzeichnungen
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2135
auf einem Bildträger oder auf einem anderen Datenträger, soweit eine Lesbarmachung innerhalb angemessener Frist erfolgen kann. c) Präventive Sicherungsmaßnahmen gegen Geldwäsche und gegen die Finanzierung terroristischer Vereinigungen (§ 9 GwG). § 9 II GwG stellt die Generalklausel des gesamten Pflichtenkatalogs im GwG dar (Körner/Dach, S. 154). Die drei darin statuierten allgemein gehaltenen Organisationspflichten entsprechen zum Teil wörtlich der EGGeldwäscherichtlinie. Sie werden durch die von Banken, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen in den §§ 25c KWG und 80d VAG zusätzlich verlangten spezifischen Sicherungsmaßnahmen ergänzt. Darüber hinaus hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen diese Maßnahmen durch Verwaltungsvorschriften konkretisiert, die auch den von der FATF und dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht fortgeschriebenen, internationalen Standards bei technischen Abwehrdispositiven gegen Geldwäsche laufend Rechnung tragen. Ziel der Bestimmungen zu den internen Sicherungsmaßnahmen soll es sein, den Missbrauch von Unternehmen, vornehmlich Banken, durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu verhindern (vgl. BT-Drucks. 12/ 2704 S. 10). Instrumente hierfür sind neben einer effektiven Personalpolitik die Etablierung technischer Sicherungssysteme und operationelle Vorgaben für den Geschäftsablauf der einzelnen Bankgeschäfte. Effektive Präventionsmaßnahmen auch bei der Geldwäschebekämpfung sind heute Voraussetzung für internationale Wettbewerbsfähigkeit, für die Vertrauenswürdigkeit eines nationalen Bankensystems und für die Sicherung des Finanzplatzes. „Compliance“ in diesem Bereich ist im Wettbewerb um Geschäft und Standing unverzichtbar. Ein funktionierendes Sicherungssystem schützt gleichermaßen Vorstandsmitglieder und sonstige Mitarbeiter vor unberechtigten Anschuldigungen und Schadensersatzansprüchen von außen, sowie vor Fehlhandlungen, und es nutzt den Interessen der legal handelnden Kunden. Institute haben kompetentes und weisungsbefugtes Fachpersonal zur Verhinderung der Geldwäsche einzusetzen und einen unmittelbar der Geschäftsleitung nachgeordneten Geldwäschebeauftragen zu bestellen, der nicht nur als Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden fungiert, sondern in diesem Bereich auch die Kommunikation zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sicherstellt (vgl. § 9 II Nr. 1 GwG). Banken haben darüber hinaus die Entwicklung interner Grundsätze, Verfahren und Kontrollen zur Verhinderung der Geldwäsche (§ 9 II Nr. 2 GwG) sicherzustellen sowie die Beschäftigten der Institute und Unternehmen über die Methoden der Geldwäsche regelmäßig zu schulen (§ 9 II Nr. 3 GwG). Inhalt der bewusst unbestimmt gehaltenen Organisationspflichten ist die „Entwicklung interner Grundsätze, angemessener geschäfts- und kundenbezogener Sicherungssysteme und Kontrollen zur Verhinderung der Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Vereinigungen“ (§ 9 II Nr. 2 GwG). Das interne Kontroll- und Überwachungssystem beruht in Deutschland bei Banken und Versicherungsunternehmen auf der Innenrevision, die die Einhaltung der geldwäscherechtlichen Pflichten in ihren internen Prüfungen zu kontrollieren hat, und dem Vorstand des Instituts, der die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung für die organisatorischen und administrativen Vorkehrungen und deren Weiterentwicklung unabhängig von der jeweiligen Ressortzuständigkeit trägt. Organisationsstruktur, Verfahren, Abläufe und technische Mittel zur Realisierung eines effektiven Abwehrsystems sind vor dem Hintergrund der eigenen Geschäftsstruktur und damit der Bedrohungssituation institutsintern festzulegen. Die Schaffung eines effektiven Kontrollsystems darf nicht allein von der mehr oder weniger „zufälligen“ Wahrnehmung von unter Geldwäschegesichtspunkten auffälligen Transaktionen durch einzelne Mitarbeiter abhängen. Selbst unter der Voraussetzung, dass alle Mitarbei-
Findeisen
15
2136
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
ter mitdenken, beobachten und richtige Entscheidungen treffen bzw. sich für ihre Kunden und deren Geschäfte unter diesem Blickwinkel interessieren, hat die Mehrzahl der heute banktäglich im Massengeschäft abgewickelten (unbaren) Transaktionen von vornherein keinen Auffälligkeitswert mehr, weil diese automatisiert und elektronisch abgewickelt werden, ohne dass es hierfür noch der Einschaltung von Personal oder der Anwesenheit des Kunden bedarf. Durch die aktuellen Änderungen in der Struktur und Abwicklung des Bankgeschäfts, wobei insbesondere das sog. „relationship banking“ durch das „technology banking“ verdrängt wird, sind deshalb neue technische Verfahren des Risikomanagements erforderlich. Eine eigenständige, EDV-gestützte Recherchetätigkeit des in der Bank hierfür existenten Fachpersonals („Geldwäschebeauftragte“) zur Erkennung auffälliger und ungewöhnlicher Sachverhalte bezüglich einzelner Transaktionen und Kundenbeziehungen hat hier Priorität (vgl. § 25c KWG). Hinzutreten muss die verbesserte Auswertung und Verknüpfung des im Institut vorhandenen Datenbestands. 16
Angesichts der für den Bankensektor gewachsenen Risiken haben sich viele Kreditinstitute entschlossen, die geldwäscherechtlichen Anforderungen des nationalen Gesetzgebers durch eine spezifische „Compliance Policy“ ihrer Häuser bei der Geldwäscheprävention zu ergänzen. Der „Compliance“-Ansatz stammt dem US-amerikanischen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht. Inzwischen haben aber auch Kreditinstitute mit Sitz in der EU, die grenzüberschreitend aktiv und in den USA präsent sind, in ihrer Konzern- und Unternehmensorganisation Compliance-Strukturen etabliert, die hinsichtlich ihres Umfangs und Zweckes über die bloße Gesetzesimplementierung in den einzelnen Staaten, in denen das Instiut aktiv ist, hinausgehen. Dieser risikobegrenzende Ansatz spielt inzwischen auch in der deutschen Bankenpraxis gerade bei der Geldwäscheprävention eine zunehmende Rolle. Banken bedienen sich dabei neben den gesetzlichen Anforderungen oder den Vorgaben der Aufsicht zusätzlicher Schutzschilder, um Schadensrisiken zu minimieren und die Integrität des Instituts zu gewährleisten.
17
5. Zuständige Behörde für die Umsetzung des GwG – die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Zuständige Behörde für die Umsetzung des GwG bei Banken sowie für Finanzdienstleistungsinstitute, Lebensversicherungsunternehmen, Investmentaktiengesellschaften im Sinne des § 2 Abs. 5 des Investmentgesetzes und Kapitalanlagegesellschaften im Sinne des § 2 Abs. 6 des Investmentgesetzes ist gem. § 16 Abs. 2 GwG die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Sitz in Bonn und Frankfurt/Main, die aus der zum 1.5.2002 erfolgten Zusammenlegung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen mit den Bundesaufsichtsämtern für das Versicherungswesen und dem für den Wertpapierhandel hervorgegangen ist. Der BaFin wurde im GwG eine herausragende Rolle zur Eindämmung der Geldwäsche übertragen (Suendorf, S. 250). Der Rückgriff des GwG auf die Finanzmarktaufsicht liegt auch auf der Hand. Durch das KWG und dessen weite Definition des Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituts (§ 1 I, Ia KWG) ist schon lange ein weiter Bereich von Finanzaktivitäten und von Unternehmen, die solche Geschäfte tätigen, einer staatlichen Aufsicht unterworfen. Wer Bankgeschäfte tätigt bzw. Finanzdienstleistungsgeschäfte betreibt, bedarf der Erlaubnis (§§ 32 ff. KWG) und unterliegt einer laufenden Aufsicht. Die Aufsicht über Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen ist dabei bekanntlich umfassender und mit größeren Eingriffsbefugnissen ausgestattet als die Gewerbeaufsicht in anderen Bereichen der Wirtschaft. Sie nimmt als Aufsichtsinstitution durch Verlautbarungen und Rundschreiben normenkonkretisierende, praxis- und risikogerechte Auslegungen zu den oftmals generalklauselartig ausgestalteten Pflichten des GwG vor und stellt so eine einheitliche Verwaltungspraxis sicher (abgedruckt in: Consbuch/Möller/
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2137
Bähre/Schneider, Rn. 11 f.). Diese unterliegt einer Überprüfung der Verwaltungsgerichte. Da die BaFin die Institute beaufsichtigt, diese einem Prüfungsregime auch bezüglich der Einhaltung der Pflichten des GwG und sonstiger geldwäscherechtlicher Pflichten unterwirft und die Institute durch Bußgelder (vgl. § 17 GwG) sanktionieren bzw.Anordnungen nach dem KWG gegen das Institut (§ 6 III KWG) bzw. gegen die Geschäftsleitung (§ 36 KWG) sowie nach dem GwG (§ 9 IV) mit den Mitteln des Verwaltungszwangs treffen kann, orientieren sich die Institute und die externe Revision in der Praxis bei der Auslegung des GwG primär an den Verlautbarungen und sonstigen Verwaltungsvorschriften der BaFin (vgl. Auerbach/Vitzthum, S. 957 ff.; Mayer/Brechfeld, S. 334 f.). Neben der Einhaltung der den Instituten nach dem GwG obliegenden Pflichten stellt die BaFin eine praxisorientierte Auslegung des GwG durch Handlungsempfehlungen sicher und informiert die Institute regelmäßig über aktuelle Methoden der Geldwäsche durch sog. Typologienpapiere. Im Rahmen ihrer aktuellen Aufsichtspraxis hat die BaFin bereits lange vor dem Inkrafttreten des Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetzes den Weg für den neuen risikoorientierten Ansatz geebnet, der den 40 Empfehlungen der FATF von 2003, den Standards des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Customer due diligence for banks, Oktober 2001) und der „3. EG-Geldwäscherichtlinie (2005/60/EG) zugrundeliegt. Die BaFin verlangte bereits seit 2003 von den einzelnen Instituten und Versicherungsunternehmen die Verankerung eines risikoorientierten Ansatzes und damit die Erstellung einer institutsinternen Gefährdungsanalyse. Nach Ansicht der BaFin ist es das Ziel der institutsinternen Gefährdungsanalyse, die institutsspezifischen Risiken zu Zwecken der Geldwäsche , Terrorismusfinanzierung sowie Betrug zu Lasten der Institute zu identifizieren, zu kategorisieren, zu gewichten sowie darauf aufbauend geeignete Geldwäsche – Präventionsmaßnahmen zu treffen (BaFin, Rundschreiben Nr. 8/2005 vom 24.3.2005, abrufbar unter www.bafin.de/Rundschreiben/892005/o50324.htm). Die BaFin hat u. a. auch im Vorgriff auf die Umsetzung der 3. Geldwäscherichtlinie Hinweise über die Behandlung von gesteigerten Sorgfaltspflichten bezüglich der „politisch exponierten Personen“ (PEPs) sowie des Korrespondenzbankenwesens veröffentlicht. Anders als bei Nicht-Finanzunternehmen hat eine Überprüfung der Einhaltung der GwGPflichten bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Versicherungsunternehmen in regelmäßigen Abständen durch die Innenrevision zu erfolgen. Abgesehen davon gehören diese Pflichten, besonders die Pflicht, interne Sicherungsmaßnahmen gem. § 9 II GwG getroffen zu haben und angemessene Monitoringsysteme gem. §§ 25, 25c II KWG vorzuhalten, zu den Gegenständen der Jahresabschlussprüfung bei Instituten (§ 29 II KWG). Der Prüfer des Jahresabschlusses hat festzustellen, ob das Institut seinen ihm obliegenden geldwäscherechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist; über das Ergebnis hat er im Prüfungsbericht, der auch der BaFin zur Auswertung zugeht, Ausführungen zu machen. Was den in diesem Zusammenhang anzulegenden Prüfungsmaßstab und den Prüfungsumfang anbelangt, hat die BaFin in § 17 der Prüfungsberichtsverordnung vom 17.12.1998 (BGBl. I S. 3690) detaillierte Regelungen über die Prüfungshandlungen im Bereich der geldwäscherechtlichen Pflichten getroffen, die durch eine vom „Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland“ (IdW) herausgegebene, letztmals im Jahr 2005 aktualisierte „Checkliste zur Prüfung der Maßnahmen eines Kreditinstituts zur Verhinderung des Missbrauchs zu Geldwäschezwecken“ ergänzt wird. Das Ergebnis der Prüfungsfeststellungen ist in den Prüfungsbericht aufzunehmen (§ 29 I S. 4 KWG). Die Jahresabschlussprüfung besteht auch bei den Sorgfaltspflichten des GwG aus einer Systemund Stichprobenprüfung. Die Wirksamkeit und Schlüssigkeit des bankinternen Sicherungs- und Compliance-Systems gegen Geldwäsche stehen dabei im Mittelpunkt der ex-
Findeisen
18
2138
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
ternen Prüfung. Prüfungsgegenstand ist auch das gesamte betriebsinterne Verdachtsmeldesystem gem. § 11 GwG. Nicht nur die tatsächlich den Ermittlungsbehörden gem. § 11 GwG angezeigten Sachverhalte sind zu dokumentieren, sondern jeder im Institut entstandene und dem Geldwäschebeauftragten schriftlich zu meldende „Verdachtsfall“. Bei Transaktionen, die zwar nach der Beurteilung des Kreditinstituts die Verdachtsschwelle noch nicht überschritten haben, die aber nach wie vor Zweifel begründen, ob eine Geldwäschehandlung vorliegt, sollte das Institut nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten und nach erfolgloser Überwachung der Geschäftsbeziehung („monitoring“) aus Gründen des Selbstschutzes den Abbruch der Geschäftsbeziehung in Erwägung ziehen. 19
Abgesehen von den Prüfungen des Anti-Geldwäsche-Katalogs durch Stichproben des Geldwäschebeauftragten, Prüfungen der Innenrevision und im Rahmen der Jahresabschlussprüfung führen Mitarbeiter der BaFin bzw. von dieser beauftragte Wirtschaftsprüfer spezielle im Rahmen der Geldwäscheprävention vorgesehene Sonderprüfungen gem. § 44 I KWG (ohne Anlass bzw. aufgrund eines besonderen Anlasses) durch. In diesem Zusammenhang besteht für die Aufsicht eine uneingeschränkte Auskunfts- und Prüfungsbefugnis. Für die gewerblichen Nicht-Finanzunternehmen und Freien Berufe sind gem. § 16 Nr. 4 GwG „die jeweils nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen“ zuständig. Da den nach der Gewerbeordnung zuständigen Gewerbeämtern bzw. den Kammern für die Freien Berufe neben der personellen Ausstattung die rechtlichen Kompetenzen zur Vornahme von Prüfungen und Anordnungen, wie sie im Bereich der Bankenaufsicht üblich sind, fehlen, haben die Pflichten des GwG in diesem Sektor bisher aufgrund unzureichender Kontrolle ihrer Implementierung eher einen symbolischen Charakter. Folglich werden über 96% der Verdachtsanzeigen von lizenzierten Banken erstattet.
20
III. Nexus zwischen GwG und KWG/VAG. Das geldwäscherechtliche Pflichtenprogramm ist nicht nur hinsichtlich der Durchsetzungs- und Sanktionsmöglichkeiten bei den konzessionierten Instituten und Unternehmen eng vernetzt mit dem Kernbereich des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts. Diese Gesetze dienen demselben Zweck. Sie sollen mit gewerberechtlichen Instrumenten den Risiken, die vom einzelnen Institut bzw. Versicherungsunternehmen und dessen geschäftlichen Aktivitäten ausgehen, vorbeugen. GwG und KWG/VAG stehen hinsichtlich der materiellen Normen gegen Geldwäsche in einem engen, funktionalen Zusammenhang.. Dieser Zusammenhang wird auch dadurch dokumentiert, dass das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz besondere Abschnitte im KWG und VAG geschaffen hat, die sich ausschließlich mit instituts- und unternehmensbezogenen Maßnahmen gegen Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung befassen. 1. Eine direkte Verbindung besteht auch bei der Inhaberkontrolle gem. § 2b KWG, die durch die 2. EG-Richtlinie zur Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts im Gefolge des gravierenden Geldwäschefalls Bank of Credit and Commerce (BCCI) im KWG für Anteilseigner geschaffen worden ist, die mittelbar oder unmittelbar mit mindestens 10% an der Bank beteiligt sind oder mindestens 10% der Stimmrechte ausüben können (§§ 1 IX, 2b, 32 I 1 S. 2 Nr. 6c KWG). Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass Banken oder Anteile mit illegalen Geldern gekauft und damit diese Institute für Geldwäschezwecke leichter missbraucht werden können. Durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz wurde § 2b KWG verschärft: Die BaFin kann den Erwerb bereits dann untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das die vom Erwerber aufgebrachten Mittel aus einer Straftat herrühren. Lässt sich die Zuverlässigkeit des Inhabers der Beteiligung nicht zweifelsfrei klären, gehen die Zweifel zu seinen Lasten.
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2139
2. Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute bzw. Versicherungsunternehmen müssen gem. § 25c KWG bzw. gem. § 80d VAG über angemessene, geschäfts- und kundenbezogene Sicherungssysteme gegen Geldwäsche und – soweit es sich um Banken und Finanzdienstleistungsinstitute handelt – zusätzlich gegen Finanzbetrug zulasten des Instituts verfügen; bei Sachverhalten, die auf Grund des Erfahrungswissens über die Methoden der Geldwäsche zweifelhaft oder ungewöhnlich sind, hat es diesen nachzugehen. Diese internen Sicherungsmaßnahmen müssen, soweit das Kredit-oder Finanzdienstleistungsinstitut ein übergeordnetes Unterehmen einer Institutsgruppe, einer FinanzholdingGruppe oder Mutterunternehmen eines Finanzkonglomerats ist, auch gruppenweit getroffen werden (§ 25g KWG). Gleiches gilt für Versicherungsunternehmen, soweit dieses Mutterunternehmen einer Versicherungs-Holdingsgesellschaft oder eines Finanzkonglomerats ist (§ 80d VAG). In Ergänzung zu § 9 II GwG werden somit Institute und Versicherungsunternehmen kraft Gesetzes durch eine aktive Aufklärungspflicht angehalten, mittels eines verdachtsunabhängigen, EDV-gestützten Systems Transaktionen und Geschäftsbeziehungen nach Risikogruppen und Auffälligkeiten zu überprüfen („monitoring“, „research“), um so das Erkennungsproblem für geldwäscherelevante Sachverhalte, das im automatisierten Massengeschäft besteht, zu lösen. Welche edv-gestützten Systeme vom Kreditinstitut eingesetzt werden und welchen risikoträchtigen Geschäftsvorfällen proaktiv nachzugehen ist, hat jedes Kreditinstitut auf der Grundlage seiner eigenen Gefährdungsanalyse und der Risikostruktur der von ihm angebotenen Dienstleistungen und Produkte sowie seiner Kundenstruktur zu entscheiden. Sachverhalte, die auf Grund des Erfahrungswissens der Banken und der Ermittlungsbehörden über die Methoden der Geldwäsche zweifelhaft oder ungewöhnlich sind, können als geeignete Parameter in ein solches System eingestellt werden. Eine Verpflichtung zur permanenten Überwachung aller Transaktionen ist aber vom Gesetzgeber nicht gefordert und wäre im Übrigen weder effizient noch technisch machbar. Die Forderung der BaFin an die Banken, solche Systeme als Teil des Risikomanagements zu implementieren, ist insbesondere vor Inkrafttreten dieser Norm bei den deutschen Verbänden der Kreditwirtschaft und in den von ihr in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten (Herzog, WM 1996, 1754 ff.; Herzog/Christmann, WM 2003, 6 ff.) auf erhebliche Kritik gestoßen (zu dieser Kritik und deren Zirkelschlüsse vgl. Mühlhausen, in: Herzog/Mühlhausen, § 43 Rn. 52) Inzwischen ist diese auf datenschutzrechtliche und verfassungsrechtliche Argumente gestützte Kritik weitgehend abgeebbt, nachdem solche Systeme im Rahmen der „Customer Due Diligence“-Vorschriften der EG-Geldwäscherichtlinie 2005/60/EG explizit gefordert werden und sich dieser Ansatz bereits vorher bei allen relevanten Banken weltweit im Rahmen des bankinternen Risikomanagements für das Massengeschäft als unverzichtbar erwiesen hat.
21
3. Die Transparenz des Zahlungsverkehrs (§ 25b KWG) wurde durch organisatorische Pflichten von Instituten in § 25b KWG sichergestellt, der durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz von 2002 in Kraft getreten ist. Danach haben Institute bei Überweisungen im Auslandszahlungsverkehr außerhalb der Europäischen Union sicherzustellen, dass Transaktionsdaten der Auftraggebers vollständig aufgezeichnet, weitergeleitet und unvollständige Transaktionsdaten erkannt bzw. vervollständigt werden können. Mit § 25b KWG wurde ermöglicht, dass eine Transaktion vom Auftrageber bis zum Empfänger hinsichtlich der Kundendaten (Name, Adresse, Kontonummer) für die Ermittlungsbehörden transparent bleibt und gleichzeitig für die Empfängerbank die Einhaltung des „Know your customer-Prinzips“ möglich ist. Am 1. Januar 2007 ist die „EG-Verordnung Nr. 1781/2006 vom 15.11.2006 über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers“ in Kraft getreten.
22
Findeisen
2140
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Soweit diese unmittelbar geltende Verordnung mit dem Regelungsinhalt des § 25b KWG deckungsgleich ist, ist § 25b KWG außer Kraft getreten. Die Verordnung soll im Interesse einer effektiveren Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung und der Geldwäsche die Transparenz im Zahlungsverkehr sicherstellen und die Rückverfolgbarkeit von Transfers zwischen dem Zahlungsempfänger zum Auftraggeber gewährleisten. Sie dient der Umsetzung der Umsetzung einer entsprechenden Empfehlung (Sonderempfehlung VII) der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) in das Gemeinschaftsrecht. Adressaten der Verordnung sind Kreditinstitute und sonstige Zahlungsinstitute i.S.d. § 1 I Satz 1 Nr. 6 KWG. Die Verordnung ist von ihrem Anwendungsbereich weiter als der frühere § 25b KWG, da sie auch grundsätzlich Inlandszahlungen erfasst. Sie sieht vor, dass der Zahlungsdienstleister des Auftragebers sicherstellt, dass bei einem Geldtransfer vollständige, genaue und aussagekräftige Angaben zum Auftraggeber übermittelt werden; zudem hat jeder zwischengeschaltete Intermediär dafür zu sorgen, dass alle übermittelten Auftraggeberdaten weitergeleitet oder angemessen gespeichert werden. Der Zahlungsverkehrsdienstleister des Begünstigten muss seinerseits in der Lage sein, bei Erhalt einer Zahlung das Fehlen von Angaben zum Auftraggeber festzustellen und angemessene Gegenmaßnahmen (Zurückweisung der Zahlung oder Ersuchen beim Zahlungsdienstleister des Auftraggebers oder beim Intermediär) zu treffen, damit eingehende Geldtransfers nicht anonym bleiben. 23
4. Online-Datenabrufsystem gem. § 24c KWG. Durch § 24c KWG wurde bei der BaFin zum 1.4.2003 ein Online-Datenabrufsystem eingerichtet, das den automatisierten Abruf von allen Kontenstammdaten bei den Banken im Interesse der effektiveren Bekämpfung der Geldwäsche, der Finanzierung des Terrorismus sowie des unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften und des Schattenbankenwesens ermöglicht. Die Institute müssen deshalb die Daten (Name und Kontonummer des Kontoinhabers, des Verfügungsberechtigten und des abweichend wirtschaftlich Berechtigten) für den elektronischen Zugriff zur Verfügung stellen; Kontenbewegungsdaten wie etwa Kontostände und Kontobewegungen müssen jedoch nicht vorgehalten werden. Das automatisierte Abrufsystem ergänzt das auch bezüglich kontenbezogener Daten seit 1962 bestehende, uneingeschränkte Auskunftsrecht der BaFin gegenüber den Kreditinstituten (§ 44 I KWG). Dieses muss aber jeweils einzelfallbezogen durch Auskunftsersuchen bei den Instituten ausgeübt werden. Das Verfahren hat sich angesichts des damit verbundenen zeitlichen Aufwandes bei „Massenabfragen“ im Lichte der Tatsache, dass Deutschland in der EU trotz der seit zwei Jahrzehnten verstärkt stattfindenden Fusionen noch immer die weitaus höchste Zahl von kontoführenden Kreditinstituten aufweist (per 1.1.2008: 2277 Kreditinstitute), als ineffizient und nicht mehr zeitgemäß erwiesen. Finanzermittlungen und die Vermögensabschöpfung haben seit der Einführung des automatisierten Kontenabrufverfahrens einen deutlichen Qualitätsanstieg erfahren. Der automatisierte Kontenabruf dient in Deutschland auch der Umsetzung von Artikel 32 der Geldwäscherichtlinie 2005/60/EG, nach dem die Mitgliedsstaaten vorschreiben müssen, dass ihre Kredit- und Finanzinstitute Systeme schaffen, die es ihnen ermöglichen, auf Anfragen der Financial Intelligence Unit und sonstiger Behörden vollständig und rasch darüber Auskunft zu geben, ob sie mit bestimmten natürlichen oder juristischen Personen eine Geschäftsbeziehung unterhalten oder während der letzten fünf Jahre unterhalten haben. Die Bestimmung ist unter Datenschutzgesichtspunkten durch die Kreditwirtschaft als verfassungswidrig angegriffen worden (vgl. Fülbier/Aepfelbach/Langweg, GWG, § 24c KWG Rn. 107 und Scherp, WM 2003, 1254, 1255). Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings mit Beschluss vom 22. März 2005 entsprechende Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die sich neben dem steuerrechtlichen Kontenabruf gem. §§ 93
Findeisen
§ 70 Geldwäschegesetz
2141
Abs. 7 und 8, 93b Abgabenordnung auch gegen den Kontenabruf gem. § 24c KWG gerichtet haben, abgelehnt (1 BvR 2357/04). Das Bundesverfassungsgericht hat am 12.7.2007 die Verfassungsmäßigkeit des § 24c KWG im Hauptsacheverfahren bestätigt (1 BuR 1550/03; 1 BuR 603/05). Es ist somit den datenschutzrechtlichen Bedenken von Teilen der deutschen Kreditwirtschaft nicht gefolgt.
D. Ausblick
24
Das Abwehrnetz gegen die Geldwäsche in Deutschland ist durch zahlreiche, von internationalen Vorgaben und Standards veranlasste Gesetzesänderungen immer engmaschiger geworden. Diese Maßnahmen zeigen erste Erfolge. Bestimmte Methoden, insbesondere bargeldorientierte und kontenbezogene Typologien, können heute, u. a. durch die von den Banken geforderten edv-gestützten Sicherungssysteme und durch effiziente Strukturen im internen Risikomanagement und durch eine konsequente Compliance-Politik besser aufgedeckt und verhindert werden. Dadurch konnten Integritätsrisiken und operationelle Risiken der Banken zumindest bei einigen Kunden- und Produktsegmenten im Interesse des einzelnen Instituts minimiert werden. Es ist zu begrüßen, dass den Instituten mit der neuen Geldwäscherichtlinie 2005/60/EG ein Ansatz zur Verfügung steht, der die früheren, sehr formalistisch ausgeprägten präventiven Sorgfaltspflichten durch einen risikoorientierten Ansatz ersetzt. Dieses Umdenken bei den internationalen Standards hat nun seine Fortsetzung in der nationalen Implementierung durch das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz gefunden. Der neue Ansatz ist effektiver und zum Teil auch kostengünstiger, weil er den Instituten Gelegenheit gibt, ihre internen Sicherungsmaßnahmen weitgehend eigenständig zu kalibrieren. Geldwäsche und die daraus resultierenden Risiken für die einzelne Bank, das einzelne Unternehmen sowie den Finanzplatz Deutschland werden jedoch dadurch nicht völlig verschwinden. Professionell handelnde Geldwäscher haben sich in der Vergangenheit auf die Bekämpfungskonzepte dadurch einstellen können, dass die im Finanzsektor angewandten Methoden der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung perfekter geworden und dadurch schwieriger zu erkennen sind. Die Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung werden deshalb auch in Zukunft für den Gesetzgeber sowie für die Aufsichtsinstanzen und die pflichtigen Unternehmen Aufgabe und Herausforderung bleiben.
Findeisen
“This page left intentionally blank.”
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2143
§ 71 Kapitalanlagebetrug
Schrifttum Achenbach/Ransiek (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht (HWSt), 2. Aufl. 2008; Birkholz/Saller, IOS. Senkrechtstart und Absturz einer Erfolgsidee, 1970; Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2003 – 2006; Grill/Perczynski, Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 2005; Joecks, Anleger- und Verbraucherschutz durch das 2. WiKG, wistra 1986, 142; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch. 2. Aufl. 2005; Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch Kommentar, 26. Aufl. 2007; Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2005; Müller-Gugenberger/Bieneck (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, Handbuch des Wirtschaftsstraf- und – ordnungswidrigkeitenrechts, 4. Aufl. 2006; Otto, Strafrechtliche Aspekte der Anlageberatung, WM 1988, 729; Park (Hrsg.) Nomos-Kommentar Kapitalmarktstrafrecht, Baden-Baden 2004; Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch. Kommentar, 27. Aufl. 2006; Statistisches Bundesamt Deutschland, Strafverfolgungsstatistik 2003; Strafverfolgungsstatistik 2004; Strafverfolgungsstatistik 2005; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2007; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, 30. Aufl. 2007. Inhaltsübersicht A. Regelungskontext des Kapitalanlagebetruges gemäß § 264a StGB . . . . . . . . . . . . . . 7 B. Bedeutung der Norm des § 264a StGB . . . . . . 13 C Rechtsgut der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D. Deliktsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 E. Tatbestandsmäßige Anlageobjekte . . . . . . . . . 29 F. Tatmittel des § 264a StGB . . . . . . . . . . . . . . . 36
G. H. I. J. K. L.
Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tätige Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tätergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften, §§ 49, 26 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 53 54 55 56 58
Stichwortverzeichnis 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Anlageobjekte i.S. des § 264a StGB . . . . . . . . . 29 ff. – Bezugsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 – echte Treuhandbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . 35 – Inhaberpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Kapitalmarktpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Unternehmensbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Anlegerschutzverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . . 10 EU-Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . 10 „Grauer“ Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 f. Kapitalanlagebetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 ff. – als abstraktes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . 26 – als Auffangtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – als kupiertes Erfolgsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – als Vorfelddelikt zum Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – als zum selbständigen Tatbestand erhobenes Versuchsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – Rechtsgut der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 ff. – strafrechtliche Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 – subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
– Subsidiarität gegenüber Betrug . . . . . . . . . . . . . 22 – Tätergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 – tätige Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 – Täuschungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 ff. – und deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 f. – und Kapitalmarktaufsichtsrecht. . . . . . . . . . . . . . . 8 – Verhältnis zum Betrugstatbestand . . . . . . . . . . . . 7 – Verschweigen nachteiliger Tatsachen . . . . . . . . . 48 – Zahl der Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 14 – Zahl der Verurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kapitalanlage-Checklisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Prospekt i.S. des § 264a StGB . . . . . . . . . . . . . . 37 ff. Prospekthaftungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften . . 58 ff. – als Begleitdelikt des Kapitalanlagebetrugs . . . . . 58 – Begriff der Verleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – Begriff des Börsenspekulationsgeschäfts . . . . . . 59 – strafrechtliche Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 – Termingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 f. – Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Wertpapier-Verkaufsprospektegesetz . . . . . . . . . . 10 White-collar-Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Die Vorschrift des § 264a StGB wurde erstmalig im Rahmen des 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG) aus dem Jahr 1986 in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Hintergrund war die Fortführung von Reformanliegen, die bereits mit dem Ersten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (1. WiKG) aus dem Jahre 1976 angestoßen worden waren (BGBl. I, S. 2034). Der Schwerpunkt der dort getroffenen Regelungen lag auf der Bekämpfung der so genannten „white-collarcrimes“, Delikten, die zumeist von Angehörigen der oberen Mittelschicht oder Ober-
Herzog
1
2144
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
schicht, etwa Akademikern und Managern im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit im Wirtschaftsleben begangen werden. Diesem Kriminalitätsbereich galt seit den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts verstärkt kriminalpolitische Aufmerksamkeit, weil zum einen der enorme materielle gesellschaftliche Schaden thematisiert und zum anderen auf die massiven Legitimationsschäden für die Strafgerechtigkeit („Die Kleinen hängt man, …“) verwiesen wurde, wenn hier Reaktionen ausblieben. Dem Begriff des „whitecollar-crime“ unterfallen beispielsweise typische Delikte der Wirtschaftskriminalität wie der Subventionsbetrug (§ 264 StGB), der Kreditbetrug (§ 265b StGB), die Insolvenzdelikte (§§ 283–283d StGB) und der Wucher (§ 302a StGB), aber auch Delikte aus dem Bereich des Umweltstrafrechts und der Korruption. 2
Mit dem Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sollten die Bemühungen um eine wirksamere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität weiter gefördert werden (vgl. BT-Drucks. 10-318, S. 1). Neben dem Straftatbestand des Kapitalanlagebetruges, mit dem Kapitalanlagebetrügereien zukünftig bereits im Vorfeld des Betruges strafrechtlich erfasst werden sollten, wurden z.B. im Bereich des Nebenstrafrechts der Kursbetrug (§ 88 BörsG a. F.; nunmehr aufgehoben und in die Regelungen des WpHG über Marktmanipulation überführt) und das Verleiten zu Börsenspekulationsgeschäften (§ 89 BörsG a. F.; nunmehr §§ 49, 26 BörsG) neu eingeführt. Insofern kann von einer „Entdeckung“ der Anlagegeschäfte als Bereich für strafrechtliche Kontrolle gesprochen werden. Dieser Bereich sollte später im Zusammenhang mit dem Börsenboom, dem Neuen Markt und der zunehmenden Popularität von Geschäften an der Börse Ende der Neunziger Jahre weiter expandieren.
3
Hintergrund für die Ausweitung der Strafvorschriften im Bereich der Wirtschaftskriminalität und speziell der Vorschrift des § 264a StGB war aber in der „Frühzeit“ der zunehmenden Popularität von Geldanlagen jenseits des Sparbuchs und festverzinslichen Wertpapieren die Bildung eines „grauen Kapitalmarktes“ neben dem konventionellen Markt, der durch zahlreiche Missstände auf sich aufmerksam machte (vgl. BT-Drucks. 10-318, S. 21 f.; dazu auch NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 1). Aus den USA schwappte außerhalb der bisher üblichen Vertriebswege und -formen für Geldanlagen eine Welle von Investmentkonzepten und –fonds nach Deutschland, die auf ein unbedarftes Publikum und einen unvorbereiteten Markt trafen. Beispielsweise bestanden für viele Anlageformen, die in den sechziger und siebziger Jahren auf den Kapitalmarkt gebracht wurden, keine oder zumindest keine hinreichenden Anlegerschutzbestimmungen. Auch erwies sich der unreglementierte, keiner staatlichen Aufsicht unterliegende graue Kapitalmarkt aufgrund der fehlenden Markttransparenz als ein Anziehungspunkt für unseriöse Anbieter. Spekulationsgeschäften mit hohen Renditeversprechen stehen dort extrem hohe Verlustrisiken gegenüber, die bis zum Totalverlust der angelegten Gelder reichen können. Zudem waren und sind dort Anbieter aktiv, die nicht nur durch eine hochspekulative Anlagepolitik und atemberaubende Kostenrechnungen, sondern zuweilen auch durch direkte Veruntreuung Kunden um ihr Geld bringen.
4
Hatte der graue Kapitalmarkt bis Mitte der 1960er Jahre keine oder eine nur untergeordnete Bedeutung, weil die privaten Haushalte noch den Erwerb langfristige Anlagestrategien (klassisch: den Bundesschatzbrief) bevorzugten und Investitionen auf dem Aktienmarkt nur geringes Vertrauen genossen, zeichnete sich der deutsche Kapitalmarkt in den Folgejahren zunehmend durch ein risikobereites bis spekulationsgeneigtes Publikum aus, dem zunehmend auch betrügerische Investmentangebote unterbreitet wurden. Die häufig an Schneeballsysteme erinnernden Vertriebsorganisationen und das unseriöse Geschäftsgebaren endeten zuweilen mit Unternehmenszusammenbrüchen mit teilweise verheerenden Folgen für die Anleger. Bekanntes Beispiel und einer der wesentlichen Anstöße für
Herzog
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2145
die kriminalpolitische Debatte war der Zusammenbruch der „Investment Overseas Services“ (IOS) im Jahre 1969, einem in den 1960er Jahren bedeutenden Offshore-Finanzkonzern, der mit Aktienfonds, Immobilien und Versicherungen handelte. IOS praktizierte damals vor allem in den USA ein aggressives Vertriebssystem mit direkter Ansprache der Anleger. Auch deutsche Kapitalanleger – zunächst gut verdienende Selbständige und Unternehmer und später auch Kleinsparer – investierten in bedeutendem Umfang in die von der IOS aufgelegten Fonds, bevor das Unternehmen gegen Ende der 1960er Jahre durch gravierende Fehlinvestitionen in die Krise geriet. Nachdem gegen einige Mitglieder der Geschäftsleitung der Vorwurf erhoben wurde, Gelder in beträchtlicher Höhe veruntreut zu haben, meldete die IOS im Jahr 1973 schließlich Insolvenz an; ein Großteil der Anlegergelder war verloren (vgl. hierzu Birkholz/Saller, IOS. Düsseldorf-Wien 1970). Die mit dem 2. WiKG getroffenen Regelungen sind vor diesem Hintergrund als Reaktion auf die Missstände des Kapitalanlagemarktes vor allem in den Bereichen ausländischer Aktien und Obligationen, Anleihen und Fonds zu verstehen.
5
Die Entwicklung des Kapitalmarktstrafrechts ist jedoch keineswegs als abgeschlossen zu betrachten, kommt doch gerade diesem Bereich in der jüngeren Zeit in der Praxis eine steigende Bedeutung zu, wie spektakuläre Strafverfahren nach dem Platzen der „Internetblase“ am Neuen Markt und die zunehmende Aufmerksamkeit für Insidergeschäfte zeigen (vgl. zur praktischen Bedeutung des Kapitalmarktstrafrechts auch NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park-Sorgenfrei, S. 23 f.).
6
A. Regelungskontext des Kapitalanlagebetruges gemäß § 264a StGB
7
Die Norm des § 264a StGB ist zunächst im Regelungskontext zum Betrugstatbestand des § 263 StGB zu sehen, wonach sich strafbar macht, wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, vgl. § 263 Abs. 1 StGB. Zwar dürfte in Fällen unrichtiger Darstellungen in Verkaufsprospekten regelmäßig eine Täuschung i.S.v. § 263 StGB anzunehmen sein (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 3). Mit dieser Feststellung endet aber häufig bereits eine umstandslose Subsumtion des Geschehens unter den Betrugstatbestand. Erforderlich ist bei § 263 StGB nämlich auch der Nachweis eines durchgängig von der Täuschung bis hin zur Verursachung eines Vermögensschadens verlaufenden Kausalzusammenhangs, dessen Feststellung sich in Kapitalanlagebetrugsfällen häufig tatsächlich wie rechtlich als problematisch erweist. Auf diese Schwierigkeiten ist in der kriminalpolitischen Debatte immer wieder verwiesen und darin ein erhebliches Schutzdefizit für betroffene Anleger erblickt worden. Mit der Einfügung des § 264a StGB wird die Strafbarkeit abweichend von § 263 StGB nunmehr nicht mehr an die Verursachung eines Vermögensschadens geknüpft, sondern der Strafschutz wird in den Bereich der Gefährdung vorverlagert (vgl. auch BT-Drucks. 10-318, S. 22). Im Verhältnis zum Betrug kann also von einem Vorfelddelikt gesprochen werden, das einerseits schon die Kriminalisierung von Vorbereitungshandlungen für den eigentlichen Betrug ermöglicht, andererseits im Falle von Beweisschwierigkeiten für eine Strafbarkeit wegen Betruges i.e.S. als Auffangtatbestand genutzt werden kann. § 264a StGB steht weiterhin in einem Regelungskontext zum Kapitalmarktaufsichtsrecht und zu Bereichen der Prospekthaftung im Zivilrecht. Neben dem Straftatbestand des § 264a StGB, der unter anderem die vorsätzliche Täuschung von Anlegern zum Regelungsgegenstand hat, sieht das Börsengesetz eine spezielle Regelung der Prospekthaftung für den Wertpapierkauf vor. Die in den §§ 44 ff. BörsG geregelte börsengesetzliche Prospekthaftung schützt die Anleger für den Fall, dass sie Wertpapiere aufgrund
Herzog
8
2146
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
eines unrichtigen oder unvollständigen Prospekts erwerben und einen entsprechenden Schaden erlitten haben. So können Erwerber von Wertpapieren, die auf Grund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind, in dem für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind, von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben und von denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Ausgabepreis der Wertpapiere nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, § 44 Abs. 1 BörsG. 9
In einem solchen Fall haften dem getäuschten Anleger also sowohl das entsprechende Unternehmen als auch die Emissionsbanken auf Schadensersatz. Eine Einschränkung ergibt sich allerdings insoweit, als der Prospekthaftungsanspruch nur dann eingreift, falls das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurde.
10
Ergänzend ist ferner auf die im (Auslands-)Investmentgesetz und seit dem 1. Juli 2005 im Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998, BGBl. I S. 2701, zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 19. August 2005, BGBl. I S. 2437) geregelten spezialgesetzlichen Schadensersatzansprüche hinzuweisen. So muss der Anbieter für im Inland öffentlich angebotene nicht in Wertpapieren verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, für Treuhandvermögen und Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds einen Verkaufsprospekt veröffentlichen (Prospektpflicht), vgl. § 8 f Abs. 1 VerkProsG. Enthält der Verkaufsprospekt nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen zu ermöglichen, sieht § 13 VerkProsG bei Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit wesentlicher Angaben in einem Prospekt im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes die entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 44 bis 47 des Börsengesetzes vor. Die Ausweitung des Verkaufsprospektgesetzes, das bisher nur für nichtbörsliche Wertpapiere galt, auf den so genannten grauen Markt wurde erstmalig mit Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG) ermöglicht, mit dem die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt und eine Prospektpflicht für nicht in Wertpapieren verbriefte Anlageformen des „grauen Kapitalmarktes“ eingeführt wurde. Neben § 47 BörsG und § 13 VerkaufsprospektG ist eine gesetzliche Prospekthaftung ebenfalls vorgesehen in § 20 KAGG und in § 12 AuslInvestmG.
11
Daneben wurden von der Rechtsprechung durch Rechtsfortbildung allgemeine Grundsätze zur Prospekthaftung nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches entwickelt (zur Prospekthaftung bei Bauherrenmodellen vgl. beispielsweise BGHZ 111, 314; BGHZ 115, 213). Eine Haftung wird danach begründet durch schuldhaft unrichtige oder unvollständige Angaben, wobei den Anlegern grundsätzlich der Schaden zu ersetzen ist, den sie dadurch erlitten haben, dass sie auf die Prospektangaben vertraut haben (PalandtHeinrichs, § 280, Rn. 54 ff.). Neben den Verantwortlichen für die Herausgabe des Prospektes erstreckt sich die Haftung auch auf diejenigen, die die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer in den Prospekt eingeflossenen Informationen garantieren und die im Prospekt ausdrücklich genannt sind, oder die sich den Inhalt des Prospektes zu eigen machen.
12
Zu beachten ist allerdings, dass die Vorschriften des Aktiengesetzes auch unter Berücksichtigung der Erweiterung durch das VerkProsG nur einen kleinen Ausschnitt an Kapitalanlagen betreffen und auch zivilrechtliche Ausgleichsansprüche über die Prospekthaftung nur begrenzten Schutz schaffen (so auch HWSt-Joecks, X 1, Rn. 3).
Herzog
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2147
Zudem ist im Hinblick auf diesen Regelungskontext anzumerken, dass – jedenfalls nach einem in der Bundesrepublik noch als herrschend zu bezeichnenden Verständnis von zivilrechtlichen Reaktionen – den Ausgleichsansprüchen keine „Strafwirkung“ zugebilligt und das Zivilrecht insofern nicht als Sanktionierung und Steuerungsinstrument gegenüber Fehlverhalten auf dem Markt verstanden wird.
B. Bedeutung der Norm des § 264a StGB
13
Ursprünglich sollte § 264a – wie bereits angedeutet – in das StGB eingefügt werden, um Beweisschwierigkeiten zu beseitigen, die im Rahmen der Strafbarkeitsprüfung nach § 263 StGB beispielsweise bei der Feststellung des Schadens zu beobachten waren. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere kritisiert, dass die Ermittlung des Wertes der Kapitalanlage, bei der auf den Zeitpunkt der täuschungsbedingten Vermögensverfügung abzustellen ist, oft erst mehrere Jahre nach dem Erwerb im Strafprozess erfolge und dort praktisch nicht mehr in realistischer Weise zu leisten sei (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 3; NKStGB-Hellmann, § 264a, Rn. 3). Betrachtet man dagegen die strafrechtliche Praxis, erscheint der behauptete Mehrwert von § 264a StGB, alle diejenigen Fälle noch erfassen zu können, die sonst an den hohen Hürden der Betrugsdogmatik scheitern würden, jedoch sehr zweifelhaft. Frappierend ist eine relativ gleichbleibend hohe Zahl an Ermittlungsverfahren im Verhältnis zu einer sehr geringen Zahl an Verurteilungen nach § 264a StGB. Dies spricht dafür, dass dem Tatbestand in der Wahrnehmung der Betroffenen und folglich für ihr Anzeigeverhalten eine große Bedeutung zukommt, während in der Justizpraxis große Zurückhaltung besteht und der Norm eher eine symbolische strafrechtliche Bedeutung beizumessen ist. Die Antwort auf die Frage nach den Ursachen für die erhebliche Diskrepanz zwischen den in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in den letzten Jahren ausgewiesenen Zahlen an Ermittlungsverfahren zum Beteiligungs- und Kapitalanlagebetrug (2003: 10.287; 2004: 10.194; 2005: 10.675; 2006: 18.115) und den in der Strafverfolgungsstatistik geführten Aburteilungen (2003: 7; 2004: 3; 2005: 14) zu § 264a StGB erschließt sich auch durch einen praktischen Vorrang von Verurteilungen wegen „klassischen“ Betruges. Es dürfte in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sein, dass schon der Grundtatbestand des Betruges nach § 263 StGB mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe höher liegt als der Strafrahmen des § 264a StGB, der im Grundtatbestand lediglich eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht. Insoweit liegt die Vermutung nahe, dass Gerichte – wenn es irgend geht – eher eine Verurteilung nach § 263 StGB anstreben werden als nach § 264a StGB. Zudem dürfte in wirklich gravierenden Fällen neben dem Grundtatbestand des Betruges auch ein besonders schwerer Falles des Betruges wegen gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung nach § 263 Abs. 3 Nr. 1 oder in einer anderen Variante (beispielsweise durch die Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes oder dem Handeln in der Absicht, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, vgl. § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB) verwirklicht sein (so die plausible Vermutung bei HWSt-Joecks, X 1, Rn. 5 f.; NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 4). Was nicht in diesen gravierenden Bereich fällt, dürfte entgegen der ursprünglichen kriminalpolitischen Intention des Gesetzgebers irgendwo zwischen Anzeigeerstattung und Verurteilung durch irgendeine der mittlerweile üblichen Absprachen über eine vorzeitige Verfahrensbeendigung auf der Strecke bleiben, d.h. regelmäßig gem. § 153a StPO eingestellt werden.
Herzog
14
15
16
2148
17
18
19
20
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Dies ist auch eine plausible Erklärung für die erstaunlich niedrige Zahl der veröffentlichten Entscheidungen von Strafgerichten zum Kapitalanlagebetrug (NK-StGB – Hellmann, § 264a, Rn. 4; vgl. insoweit beispielsweise BGHSt 40, 385 ff. oder OLG Köln NJW 2000, 598 f.); die geringe Anzahl an bekanntgewordenen Fällen muss als Indikator für die geringe Relevanz der Norm in der Praxis der Strafgerichte angesehen werden (vgl. HWSt-Joecks, X 1, Rn. 6). Ganz anders sieht es dagegen mit der Bedeutung von § 264a StGB im Rahmen der deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB aus (vgl. insoweit den Wortlaut von § 823 Abs. 1, 2 BGB, wonach dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt und die gleiche Verpflichtung denjenigen trifft, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt). Insoweit erfüllt § 264a StGB als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB wichtige Funktionen (BGHZ 116, 7; BGH NJW 2000, 3346; vgl. die treffende Formulierung bei HWSt-Joecks, X 1, Rn. 5, der von einer „Schutzmannfunktion“ des § 264a StGB spricht). In der Praxis hat die Möglichkeit der deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB sicherlich Auswirkungen auf die Gestaltung von Verkaufsprospekten: Da nach der Rechtsprechung für die Annahme der Kausalität der unrichtigen Angaben im Prospekt für den Schaden des Anlegers bereits die Vermutung ausreicht, dass durch unvollständige oder beschönigende Informationen in das Recht des Anlegers eingegriffen wurde, nach Abwägung aller Umstande darüber zu befinden, ob in ein (bestimmte Risiken enthaltendes) Projekt investiert werden soll (vgl. BGH NJW 2000, 3346, 3347 f.), dürfte § 264a StGB vermittelt über das Haftungsrecht in nicht wenigen Fällen eine negativ-generalpräventive Wirkung in Form der Abschreckung potentieller Täter haben, die darauf bedacht sein werden, mit der entsprechenden Gestaltung der Verkaufsprospekte das Risiko einer persönlichen Haftung, die über den Bereich der zivilrechtlichen Prospekthaftung hinausreicht, weitgehend zu minimieren (so HWSt-Joecks, X 1, Rn. 5).
C. Rechtsgut der Norm Nach wohl überwiegender Meinung dient § 264a StGB jedenfalls dem Schutz der Marktteilnehmer vor Vermögensgefährdung (vgl. BGHZ 116, 7). Über den Schutz des Individualrechtsgutes des Vermögens der Anleger hinaus wird teilweise auch eine doppelte Schutzfunktion des § 264a StGB angenommen, wonach neben dem Schutz der Marktteilnehmer vor Vermögensgefährdung auch die Lauterkeit der Kapitalmarktteilnehmer im Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit des Marktes geschützt werden soll (zur überwiegenden Meinung stellvertretend für viele NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 9; a.A.: Kühl, StGB, § 264a, Rn. 1 m.w.N., und NK-KapitalmarktstrafrechtPark, § 264a StGB, Rn. 3 f., die von einer doppelten Schutzfunktion durch § 264a StGB ausgehen; differenzierend HWSt-Joecks, X 1, Rn. 7 ff.).
21
Von einer doppelten Schutzfunktion ging jedenfalls auch die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität aus: „[…] Die Bekämpfung des Versuchs, mit täuschenden Angaben andere zur Anlage ihres Geldes zu veranlassen, dient nämlich nicht nur dem Schutz des individuellen Vermögens. Solche Verhaltensweisen sind vielmehr, wenn sie in einer gewissen Massenhaftigkeit auftreten, geeignet, dass Vertrauen in den Kapitalmarkt zu erschüttern und damit das Funktionieren eines wesentlichen Bereichs der geltenden Wirtschaftsordnung zu gefährden.“ (BT-Drucks. 10-318, S. 22).
Herzog
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2149
Gegen die Annahme, § 264a StGB schütze auch das Universalrechtsgut des Vertrauens in den Kapitalmarkt, sprechen allerdings verschiedene Umstände. Insoweit ist die Frage nach dem durch § 264a StGB geschützten Rechtsgut differenziert zu betrachten. Zunächst ist zu bedenken, dass der Tatbestand des § 264a StGB subsidiär gegenüber dem Betrugstatbestand ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2003 – Az.: 1 StR 335-03), weswegen die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes lediglich als Reflex eines solchermaßen statuierten Schutzes anzusehen sein könnte (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 9 m.w.N.). Weiter wird zu Recht hervor gehoben, dass die Störung des Funktionierens des Kapitalmarktes gerade kein Tatbestandsmerkmal des § 264a StGB ist (so NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 11; zustimmend HWSt-Joecks, X 1, Rn. 9).
22
Insoweit ist auch dem teilweise vorgebrachten Argument, es gehe gerade nicht um eine Individualtäuschung, da das Erfordernis der Falschinformation „gegenüber einem größeren Kreis von Personen“ eine vom Tatbestand ausdrücklich aufgestellte Voraussetzung sei, die Tathandlung gegenüber einer unbestimmten Mehrzahl an Personen zu begehen (NKKapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 3; Otto, WM 1988, 729, 736; Wessels/Hillenkamp, Rn. 692), zu widersprechen. Zwar mag man hieraus noch ein mittelbares Bewahren des Vertrauens in den Kapitalmarkt ableiten, indem der Tatbestand potentielle Anleger vor betrügerischen Machenschaften schützt (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 10). Die Annahme jedoch, dass sich aus der Summe der Individualinteressen ein Allgemeininteresse dergestalt ableiten lässt, dass der Tatbestand des § 264a StGB auch das Universalrechtsgut des Vertrauens in den Kapitalmarkt schützt, vermag nicht zu überzeugen. Würde man eine doppelte Schutzfunktion des Tatbestandes des § 264a StGB bejahen, ließe man es zu, eine bloße Nebenfolge des Kapitalanlageschwindels zum Primärzweck des Tatbestandes zu erheben (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 9).
23
D. Deliktsnatur
24
§ 264a StGB stellt sich gegenüber dem Betrugstatbestand gemäß § 263 StGB als kupiertes Betrugsdelikt dar (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 5); § 264a StGB ist also gewissermaßen ein Tatbestand ohne Erfolgsvoraussetzung. Ursprünglich geschaffen, um die bei der Anwendung des Betrugstatbestandes häufig feststellbaren Schwierigkeiten bei Schadensfeststellung und beim Nachweis des Schädigungsvorsatzes zu umgehen, wurde mit dem Tatbestand des § 264a StGB ein erfolgskupierter Betrug ins Leben gerufen, der bereits die bloße, unter bestimmten Voraussetzungen erfolgende vorsätzliche Täuschung unter Strafe stellt, ohne dass, wie beim einfachen Betrugstatbestand der Fall, der Eintritt eines Erfolges erforderlich wäre (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 5 m.w.N.). Da im Ergebnis bereits weit im Vorfeld eines vollendeten Betruges liegende Handlungen unter Strafe gestellt werden, kann § 264a StGB gegenüber § 263 StGB auch als ein zum selbständigen Tatbestand erhobenes Versuchsdelikt (BGH wistra 2001, 57, 58 m.w.N.; Fischer, § 264a Rn. 3; so auch NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 5) betrachtet werden. Folgerichtig dürfte § 264a StGB als Delikt, dessen Vollendungsstrafbarkeit bereits im Vorfeld konkreter Rechtsgutverletzungen eingreift, vor allem auch als abstraktes Gefährdungsdelikt anzusehen sein (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 5; Kühl, § 264a, Rn. 2; NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 11 m.w.N.), bei dem der Unrechtsgehalt nicht erst in der Verletzung, sondern bereits in der Gefährdung des geschützten Rechtsgutes (hier dem Schutz der Marktteilnehmer vor Vermögensgefährdung, vgl. BGHZ 116, 7) zu sehen ist und die Gefährlichkeit der Handlung für das geschützte Rechtsgut ohne das Erfordernis des Eintritts einer konkreten Gefahrenlage präsumiert wird.
Herzog
25
26
2150
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
27
Soweit § 264a StGB vereinzelt als Verletzungsdelikt, bei dem die Verletzung des geschützten Rechtsgutes vorausgesetzt wird, bezeichnet wird, und in diesem Zusammenhang darauf verwiesen wird, dass in irreführenden, mit Falschangaben versehenen Verkaufsprospekten, mit denen Kapitalanlagen beworben werden sollen, über eine reine Vertrauensgefährdung des Kapitalmarktes hinaus die Verletzung von „Funktionsbedingungen“ des Kapitalmarktes zu sehen sei, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Störung des Funktionierens des Kapitalmarktes kein Tatbestandsmerkmal von § 264a StGB ist und mithin insoweit eine konkrete Rechtsgutverletzung gar nicht angenommen werden kann (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 11; vgl. auch HWSt-Joecks, X 1, Rn. 9).
28
Zwar erscheint im Ergebnis eine Vorverlagerung der Strafbarkeit durch den Gesetzgeber aus Gründen von Beweisschwierigkeiten rechtsstaatlich bedenklich (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 5), § 264a StGB fügt sich aber mit dieser Regelungstechnik in eine moderne Strategie des Strafgesetzgebers ein, bestimmte soziale Problemlagen, häufig auch solche auf dem Feld der Wirtschaft, mit symbolischen Strafrechtsnormen zu besetzen (vgl. insoweit die Nachweise zur kriminalpolitischen Debatte bei Kühl, § 264a, Rn. 2).
29
E. Tatbestandsmäßige Anlageobjekte Der Tatbestand des § 264a StGB betrifft bestimmte Täuschungshandlungen, die sich in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen materialisieren. Es muss sich um unrichtige vorteilhafte Angaben oder die Unterdrückung nachteiliger Tatsachen handeln, die im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen (§ 264a Abs. 1 Nr. 1) oder dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen (§ 264a Abs. 1 Nr. 2), stehen.
30
Als tatbestandsmäßige Anlagewerte werden damit zunächst Wertpapiere, Bezugsrechte, Unternehmensbeteiligungen und ferner echte Treuhandbeteiligungen als Anteile an einem Vermögen, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet (vgl. § 264 Abs. 2 StGB), erfasst.
31
Allgemein definiert wird der Begriff des Wertpapiers zunächst einmal als Urkunde, in der ein privates Vermögensrecht dergestalt verbrieft ist, dass zur Ausübung des Rechts der Besitz an der Urkunde erforderlich ist (vgl. beispielsweise die Definition bei Grill/ Perczynski, S. 202). Da das Strafgesetzbuch eine Legaldefinition des strafrechtlichen Wertpapierbegriffs nicht enthält, ist zur Ermittlung der durch § 264a StGB tatbestandsmäßig erfassten Wertpapiere eine eigenständige Abgrenzung der sehr weit gefassten schulmäßigen Definition des Wertpapierbegriffs unumgänglich. Insoweit verbietet sich beispielsweise auch eine Anleihe bei der in § 2 Abs. 1 WpHG enthaltenen Definition des Wertpapierbegriffs oder der in § 151 StGB, bzw. § 1 Abs. 1 DepotG enthaltenen Aufzählung von Wertpapieren, da § 264a StGB mit dem Anlegerschutz einen anderen Schutzzweck verfolgt (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 14 f.).
32
In Anlehnung an den besonderen Schutzzweck von § 264a StGB unterfallen nach überwiegender Meinung nur so genannte Kapitalmarktpapiere dem Anwendungsbereich von § 264a StGB, während beispielsweise Scheck und Wechsel als klassische Wertpapiere des Zahlungsverkehrs nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 19; NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 15; Fischer, StGB, § 264a Rn. 6 jeweils m.w.N.). Im Ergebnis werden damit im Wesentlichen Inha-
Herzog
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2151
berpapiere wie Inhaberaktien, Renten, Staats- und Wandelanleihen, Obligationen, Schatzanweisungen oder Genussscheine, Orderpapiere wie Namensaktien, nicht vinkulierte Zwischenscheine und Orderschuldverschreibungen, sowie ferner Zinsund Dividendenscheine als Nebenpapiere vom Wertpapierbegriff des § 264a StGB erfasst (so die Aufzählung bei NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 16; LK-Tiedemann, Rn. 25). Umstritten ist ferner, ob auch auf den Namen lautende Rektapapiere, deren Übertragung durch Abtretung einer Forderung erfolgt, als Kapitalmarktpapiere bezeichnet werden können, was jedoch überwiegend unter Verweis auf die fehlende massenhafte Ausgabe und den fehlenden massenhaften Handel abgelehnt wird (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 17; LK-Tiedemann, Rn. 26; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 19). Bezugsrechte, definiert als unverbriefte Rechte auf den Bezug von Leistungen, die aus einem Stammrecht abgeleitet werden, welches durch Leistung von Kapital erworben wird (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 18; LK-Tiedemann, Rn. 27), stellen zwar weder Anteile im Sinne des Tatbestandes noch Wertpapiere dar, bedürfen nach ausdrücklicher Auffassung des Gesetzgebers jedoch der Gleichstellung (so die Begründung im Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BT-Drucks. 10-318, S. 22). Erfasst sind beispielsweise das dem Aktionär zustehende Recht, bei einer Kapitalerhöhung einen dem Anteil am bisherigen Grundkapital entsprechenden Teil der neuen Aktien zu beziehen, sowie ferner Bezugsrechte auf Wandelschuldverschreibungen, Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechte (Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 27, Rn. 137).
33
Auch Unternehmensbeteiligungen sind tatbestandsmäßige Anlageobjekte i.S.d. § 264a StGB. Ausgehend von der Definition in der Begründung des Entwurfs eines zweiten WiKG, wonach eine Unternehmensbeteiligung insbesondere dann vorliegen soll, „wenn der Anleger entweder selber einen Gesellschaftsanteil an dem Unternehmen, insbesondere einen Kommanditanteil, erwirbt oder in eine sonstige – unmittelbare – Rechtsbeziehung zum Unternehmen tritt, die ihm eine Beteiligung am Ergebnis dieses Unternehmens verschafft, etwa auf Grund eines partiarischen Darlehens“ (BT-Drucks. 10-318, S. 22), zählen zu den erfassten Unternehmensbeteiligungen neben Gesellschaftsanteilen an einem Unternehmensträger auch Anteile an Kapitalgesellschaften, sowie ferner Beteiligungen in Form von stillen Gesellschaften oder Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds (Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 27, Rn. 138). Entsprechend dem Wortlaut der Begründung des Gesetzesentwurfs zählen auch Beteiligungen aufgrund partiarischer Darlehen zu den von § 264a erfassten Beteiligungsformen (zustimmend HWSt-Joecks, X 1, Rn. 16; Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 27, Rn. 98; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 21). Zu der Streitfrage, ob auch Mitgliedschaften bei so genannten Bauherren- oder Erwerbermodellen von § 264a StGB geschützt werden, vgl. beispielsweise Schmid, in: Müller-Gugenberger/ Bieneck, § 27, Rn. 139; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 21.
34
§ 264 Abs. 2 StGB erweitert den Anwendungsbereich schließlich auf Anteile an einem Vermögen, das ein Unternehmen in eigenem Namen für fremde Rechnung verwaltet. Solche echten Treuhandbeteiligungen, bei denen anstelle des Anlegers der ihm vorgeschaltete Treuhänder mit Erwerb des Anteils in die Gesellschaft eintritt (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 23) umfassen neben echten Treuhandbeteiligungen an Abschreibungsgesellschaften insbesondere auch Treuhandkommanditisten bei Immobilienfondsgesellschaften (vgl. BT-Drucks. 10-318, S. 22; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 23; Kühl, StGB, § 264a, Rn. 4), mangels Beteiligung an dem Unternehmensergebnis aber nicht Warentermingeschäfte (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 4). Ebenso wenig vom
35
Herzog
2152
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Anwendungsbereich erfasst sind schließlich Verwaltertreuhandverhältnisse, bei denen der Treuhänder für den anlegenden Gesellschafter dessen Rechte nur ausübt, so genannte unechte Treuhandverhältnisse (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 23). 36
F. Tatmittel des § 264a StGB Die Strafbarkeit nach § 264a StGB ist auf die Begehung von Täuschungshandlungen mittels Prospekten, Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände beschränkt.
37
Als Prospekt im Sinne dieser Vorschrift gilt dabei jede Werbe- oder Informationsschrift, die den Eindruck erweckt, die für die Beurteilung einer Anlageentscheidung erheblichen Angaben zu enthalten, und die zugleich Grundlage für diese Entscheidung sein soll (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 10; NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 26; BGHSt 40, 385, 388; vgl. auch BT-Drucks. 10-318, S. 23). Der in § 264a StGB enthaltene Prospektbegriff geht damit etwa über den börsenrechtlichen Prospektbegriff gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 BörsG hinaus, wonach Prospekt nur der vor Einführung eines Wertpapiers an der Börse zu erstellende Prospekt ist und nach den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes gebilligte oder bescheinigte Prospekte, ausführliche Verkaufsprospekte im Sinne von § 42 Investmentgesetz, sowie Prospekte im Sinne von §§ 102, 137 Abs. 3 Investmentgesetz erfasst (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 31; NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 26). Auch nach der Begründung im Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ist der Begriff des Prospektes in einem umfassenden Sinne zu verstehen (BT-Drucks. 10-318, S. 23). Unerheblich ist insoweit auch, ob der Prospekt unmittelbar vom Emittenten oder von einem selbständigen Vertreiber herrührt (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 10).
38
Erforderlich ist jedoch, dass der Prospekt einen Eindruck der Vollständigkeit erwecken muss (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 31; Schönke/Schröder-Perron, § 264a StGB, Rn. 19), weswegen erkennbar lückenhafte Informationen nicht für die Annahme eines Prospektes im Sinne von § 264a StGB genügen (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 10; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 31). Gleiches gilt im Übrigen auch für die Bewertung von Kurzprospekten. Soweit diese den Eindruck einer umfassenden Informationsdarstellung hinterlassen, müssen sich Prospekturheber und Verwender daran messen lassen (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 27).
39
Ähnlich geht die von der Rechtsprechung des BGH entwickelte zivilrechtliche Prospekthaftung, die ebenfalls auf eine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Prospekten rekurriert, davon aus, dass Emissionsprospekte in der Regel die einzige Informationsquelle der Anleger sind (vgl. BGH 111, 314) und erfordert allgemein die richtige und vollständige Information über sämtliche Umstände, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind.
40
Hingegen ist nicht erforderlich, dass wie beim Prospektbegriff des § 264a StGB der Eindruck der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt werden muss (vgl. Palandt-Heinrichs, § 280, Rn. 54 f.).
41
Mit den Begriffen der Darstellungen und Übersichten über den Vermögensstand knüpft der Gesetzgeber an die in § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG enthaltenen Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der unrichtigen Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung an. Der Ergänzung des Prospektbegriffes durch die Darstellungen
Herzog
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2153
und Übersichten über den Vermögensstand bedurfte es vor allem deswegen, da auch die Förderung des Betriebes etwa durch Bilanzen vom strafrechtlichen Schutz gegen Irreführung erfasst werden sollte (BT-Drucks. 10-318, S. 23). Der Begriff der Vermögensübersicht wird insoweit definiert als ein Status oder eine Bilanz, für die sowohl Handels-, Steuer- als auch Vermögensbilanzen in Betracht kommen können (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 26; Schönke/Schröder-Perron, § 264a StGB, Rn. 20). Während es sich bei den Vermögensübersichten jedoch immer um schriftliche Übersichten handeln muss (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 32 m.w.N.) und diese im gleichen Sinne zu verstehen sind wie der in § 265b Abs. 1 Nr. 1 a StGB verwendete Begriff der Vermögensübersichten (überwiegende Meinung; BT-Drucks. 10-318, S. 23; Kühl, § 264a, Rn. 10; a.A. NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 28, da auch Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen erfasst seien, die in § 265b Abs. 1 StGB zusätzlich zu den dort erwähnten Vermögensübersichten erwähnt würden), erfasst der Begriff der Darstellungen grundsätzlich auch mündliche oder durch Ton- und Bildträger verbreitete Darstellungen (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 29; Kühl, § 264a, Rn. 10; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 32; BT-Drucks. 10-318, S. 23). Da der Begriff der Darstellung den Begriff der Übersichten über den Vermögensstand insoweit ergänzt, muss sich auch die Darstellung auf den Vermögensstand beziehen (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 32; NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 29). Wie schon beim Prospektbegriff ist sowohl bei den Darstellungen als auch bei den Übersichten über den Vermögensstand erforderlich, dass der Eindruck einer gewissen Vollständigkeit erweckt wird (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 10).
42
G. Tathandlungen
43
Im objektiven Tatbestand erfordert § 264a StGB eine Täuschungshandlung gegenüber potentiellen Anlegern, die entweder aus unrichtigen vorteilhaften Angaben oder dem Verschweigen nachteiliger Tatsachen jeweils gegenüber einem größeren Kreis von Personen bestehen und entweder im Zusammenhang mit dem Vertrieb der oben aufgeführten Anlageobjekte oder dem Angebot, die Einlage zu erhöhen, stehen muss. Unter unrichtigen vorteilhaften Angaben sind zunächst sowohl äußere Tatsachen als vergangene oder gegenwärtige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens als auch innere Tatsachen, wie etwa die gegenwärtige Überzeugung des Täters von einer künftigen Entwicklung zu verstehen (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 34). Daneben umfasst der Begriff der Angabe über den Tatsachenbegriff hinausgehend auch solche Angaben, die unter Umständen nur schwerlich unter den Tatsachenbegriff des § 263 StGB zu subsumieren sind, wie beispielweise Liquiditätsberechnungen, tatsachengestützte Werturteile und Prognosen (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 34; Kühl, § 264a, Rn. 12; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 9; zweifelnd NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 32). Insoweit reicht der Begriff der Angabe über den Tatsachenbegriff hinaus und stimmt mit dem Begriff der Angaben in § 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG überein (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 9). Soweit es den Bereich der Prognosen anbelangt, dürften diese jedoch nur erfasst sein, wenn sie den Eindruck der Ernsthaftigkeit und der Seriosität erwecken (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 37).
44
Vorteilhaft sind Angaben dann, wenn sie dazu geeignet sind, die konkreten Aussichten für die positive Anlageentscheidung zu verbessern, weswegen für die Entscheidung irrelevante oder ihr entgegenwirkende Angaben ausscheiden (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 12; BT-Drucks. 10-318, S. 24). Diese Beurteilung ist grundsätzlich aus Sicht des Anlegers vorzunehmen; so gilt als vorteilhaft im Sinne von § 264a StGB, was den Anleger zu der
45
Herzog
2154
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
Investition veranlasst haben könnte (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 40; Schönke/SchröderPerron, § 264a StGB, Rn. 25). Soweit es um die unrichtige Darstellung von Bagatellrisiken geht, dürfte regelmäßig bereits das Merkmal der Vorteilhaftigkeit nicht erfüllt sein, so dass es hiernach nicht mehr auf die Frage der Erheblichkeit des Umstandes ankommen wird (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 41). 46
Als unrichtig werden wiederum solche Angaben bezeichnet, mit denen nicht vorhandene Umstände als vorhanden oder vorhandene Umstände als nicht vorhanden bezeichnet werden (Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 27, Rn. 144; so auch Joecks wistra 1986, 142, 145). Dabei stellt sich die Frage, wann eine Unrichtigkeit von Prognosen oder auch Werturteilen anzunehmen ist, da in die Zukunft reichende Prognoseberechnungen begriffsnotwendig mit Unsicherheiten behaftet sind. Stellt sich eine Prognose später als unrichtig heraus, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass diese schon zum Zeitpunkt des Vertriebes des Prospektes unrichtig gewesen sein muss (vgl. hierzu HWSt-Joecks, X 1, Rn. 38). So sind klare Prognosen zudem oftmals nicht möglich, man nehme hier beispielsweise nur die Entwicklung des Goldpreises, die von zahlreichen Faktoren wie unter anderem dem US-Dollar, dem Ölpreis, aber auch von der Entwicklung bestimmter Aktienkurse oder allgemein von steigender Inflation, globalen politischen Unruhen, etc. abhängig ist. So dürfte sich in der Praxis gerade die Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung und Phantasie oftmals als schwierig erweisen.
47
Im Ergebnis dürfte eine Unrichtigkeit von Prognosen jedenfalls dann gegeben sein, wenn sie auf einer unvollständigen oder unrichtigen Tatsachenbasis beruhen, oder zugleich Umstände verschwiegen werden, die die Angabe nachteilig beeinflussen (Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 27, Rn. 144; kritisch hierzu NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 32, der geltend macht, dass Wertungen und Prognosen per se nicht unrichtig sein können, sondern allenfalls unvertretbar). Maßgeblich für die Bewertung ist dabei gemeinhin, ob sich die jeweilige Liquiditäts- oder Prognoseberechnung bei gebotener Zurückhaltung noch als kaufmännisch vertretbar darstellt (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 39).
48
Das Verschweigen nachteiliger Tatsachen ist echtes Unterlassungsdelikt und dem aktiven Tun in Form des Tätigens unrichtiger vorteilhafter Angaben gleichgestellt (Schönke/Schröder-Perron, § 264a StGB, Rn. 27; HWSt-Joecks, X 1, Rn. 42; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 11). Werturteile und Prognosen werden von dieser Tatbestandsalternative im Gegensatz zum Tätigen unrichtiger vorteilhafter Angaben nicht erfasst (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 11; HWSt-Joecks, X 1, Rn. 42). Welche Tatsachen als nachteilig anzusehen sind, bedarf grundsätzlich einer Überprüfung im Einzelfall (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 43). Jedenfalls wird man aber sagen können, dass solche Tatsachen nachteilig sind, die geeignet sind, die Entscheidung für den Erwerb der Kapitalanlage negativ zu beeinflussen und die bei wahrheitsgemäßer Offenbarung den Anleger vom Beitritt abhalten könnten oder würden (NKKapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 11 m.w.N.) oder anders ausgedrückt ist für das Verschweigen nachteiliger Tatsachen die Unterdrückung von Tatsachen erforderlich, deren Kenntnis geeignet wäre, den Interessenten von der Entscheidung für die Anlage abzuhalten (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 12). Als problematisch dürfte sich in diesem Zusammenhang im Einzelfall der Umfang der Informationspflicht über Informationsrisiken und Defizite erweisen, so dass zutreffend auf das Erfordernis einer sachgerechten Begrenzung der mitteilungsbedürftigen Tatsachen hingewiesen wird (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 11; HWSt-Joecks, X 1, Rn. 45), da anderenfalls Prospekte schnell das Volumen eines Versandhauskataloges annehmen würden (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 45). Dieses wiederum dürfte zu praktischen Schwierigkeiten bei den potentiellen Anlegern führen, relevante Tatsachen aus der Fülle an Informationen herauszufiltern. Hier
Herzog
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2155
gilt es, spezifische Risikofaktoren einer bestimmten Kapitalanlage von allgemeinen Risiken einer nicht mündelsicheren Kapitalanlage abzugrenzen (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 45). Erforderlich ist schließlich, dass das Verschweigen nachteiliger Tatsachen oder das Machen unrichtiger vorteilhafter Angaben für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblich ist. Übereinstimmung besteht jedenfalls darüber, dass durch das Erfordernis der Erheblichkeit Täuschungen über Bagatellrisiken oder über für den Erwerb des Anlageobjektes bedeutungslose Umstände ausgeschlossen werden (NKStGB-Hellmann, § 264a, Rn. 59). Darüber hinaus ist jedoch fraglich, welcher Maßstab für die Beurteilung der Frage der Erheblichkeit anzulegen ist. Nach wohl überwiegender Meinung bildet für die Beantwortung der Frage, ob die Angaben oder das Verschweigen Einfluss auf Wert, Chancen und Risiken der Kapitalanlage haben, die Sicht eines verständigen, durchschnittlich vorsichtigen Kapitalanlegers die relevante Bezugsgröße (NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 61; HWSt-Joecks, X 1, Rn. 46; Kühl, StGB, § 264a, Rn. 13). Hiergegen wird teilweise eingewandt, dass aus Sicht des Anbieters ein hinreichend konkreter Geschäftszweck des potentiellen Anlegers in aller Regel nicht beurteilt werden könne, was vielmehr eine Einzelfallprüfung von Art und Inhalt der jeweiligen Kapitalanlage unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erforderlich mache (NKKapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 13). Insoweit verbiete sich die Übernahme des ursprünglich zu § 265b StGB entwickelten Kriteriums der Sicht einer verständigen durchschnittlichen Person bereits deshalb, weil es anders als beim Kreditbetrug nicht lediglich um die Beurteilung des Kreditgeschäfts gehe, sondern die Anleger mit den verschiedenen Anlageformen auch unterschiedliche Anlagezwecke verfolgten (NK-StGBHellmann, § 264a, Rn. 61). Freilich dürfte es im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob auf den verständigen durchschnittlichen Anleger abzustellen ist oder auf den Gesamtzusammenhang des jeweiligen Anlageobjektes, da die Erwartungen des Kapitalmarktes vornehmlich durch die potentiellen Anleger als Marktteilnehmer bestimmt werden (HWStJoecks, X 1, Rn. 56; NK-StGB-Hellmann, § 264a, Rn. 61). Für die Praxis dürften hier die zivilrechtliche Rechtsprechung zur Prospekthaftung einerseits, und die in der Anlageberatung entwickelten Mindestinhalte für Prospekte, sowie die so genannten Kapitalanlage-Checklisten andererseits eine erste Orientierung für die Auslegung bieten, die jedoch über die Wertigkeit von Indizien nicht hinausreichen (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 13; Kühl, § 264a, Rn. 13). Auch hier ist wiederum auf den konkreten Einzelfallzusammenhang unter Berücksichtigung der Gesamtumstände abzustellen (Kühl, § 264a, Rn. 13).
49
Als weitere Voraussetzung müssen die Prospekte, Übersichten und Darstellungen im Sinne dieser Norm im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Kapitalanlage eingesetzt werden. Hierunter fallen Tätigkeiten, die auf den Absatz einer Vielzahl von Stücken ausgerichtet sind und die sich an den Markt wenden, während beispielsweise die individuelle unrichtige Anlageberatung nicht erfasst wird (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 27; Kühl, § 264a, Rn. 7; BT-Drucks. 10-318, S. 24). Nach dem Referentenentwurf sollen mithin nur mehr oder weniger massenhafte Angebote vom Tatbestand erfasst werden (BT-Drucks. 10318, S. 24).
50
Der geforderte Zusammenhang mit dem Vertrieb liegt dann vor, wenn sich die Tathandlung sachlich und zeitlich auf eine bestimmte Vertriebsmaßnahme bezieht; allgemeine Mitteilungen und Meinungsäußerungen bleiben hingegen außen vor (Schönke/ Schröder-Perron, § 264a StGB, Rn. 16; BT-Drucks. 10-318, S. 24). Hiermit sollen über den Kreis der Emittenten hinaus vor allem kriminelle Praktiken unseriöser Vertriebsgesellschaften und anderer Personen erfasst werden, die über eine individuelle Anlageberatung hinausgehen (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 9; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a
51
Herzog
2156
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
StGB, Rn. 29). Lediglich mittelbar im Zusammenhang mit dem Vertrieb stehende Tätigkeiten, wie etwa den späteren Vertrieb vorbereitende Pressemitteilungen sind hingegen nicht tatbestandsmäßig (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 29). Auch die informative Berichterstattung des Wirtschaftsjournalismus ist vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgenommen (BT-Drucks. 10-318, S. 24). 52
Des Weiteren erfordert § 264a StGB, dass die Tathandlungen gegenüber einem größeren Kreis von Personen vorgenommen werden müssen. Hierunter ist eine mindestens so große Personenzahl potentieller Anleger zu verstehen, dass deren Individualität gegenüber dem sie verbindenden potentiell gleichen Interesse an der Kapitalanlage zurücktritt (BT-Drucks. 10-318, S. 23; Kühl, StGB, § 264a, Rn. 11). Ausgenommen sind damit Fälle, in denen lediglich einige wenige Anleger angesprochen werden sollen (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 30), wohingegen das Auslegen von Werbematerial an allgemein zugänglichen Orten, die systematische Haustürwerbung oder das Ansprechen von Mitgliedern bestimmter Berufsgruppen unter Zuhilfenahme von Telefon- oder Adressbüchern vom Tatbestand erfasst werden (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 11).
53
H. Subjektiver Tatbestand Im subjektiven Tatbestand des § 264a StGB ist zumindest bedingter Vorsatz erforderlich (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 15; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 33; Schönke/Schröder-Perron, § 264a StGB, Rn. 36). Insbesondere in Fällen, in denen es um Prognoseberechnungen geht und im Vorfeld bereits die Feststellung der Unrichtigkeit der Prognoseberechnung Probleme bereitet hat, kann es schwierig sein, dem Täter wenigstens bedingt vorsätzliches Handeln nachzuweisen, wenn dieser sich darauf einlässt, er habe ernsthaft darauf vertraut, es werde schon gut gehen und insofern bei fehlender Widerlegbarkeit der Einlassung lediglich bewusste Fahrlässigkeit anzunehmen wäre (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 34). So ist für die Annahme bedingten Vorsatzes nach h.M. erforderlich, dass der Täter die Umstände nicht nur für möglich hält, sondern der Täter in Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit diese Umstände auch billigend in Kauf nimmt und sich trotz des erkannten Risikos mit dem Eintritt der Umstände abfindet. Fehlender Vorsatz wäre unter anderem auch dann anzunehmen, wenn der Täter die Mitteilung einer bestimmten Tatsache für unwichtig hält, weil er davon ausgeht, dass sie keinen Einfluss auf den Wert einer Kapitalanlage hat (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 33 m.w.N.).
54
I. Tätige Reue Nach § 264a Abs. 3 StGB wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass auf Grund der Tat die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung erbracht wird. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern. Dieser persönliche Strafaufhebungsgrund, der eine Sonderregelung der tätigen Reue darstellt, wurde als Ausgleich für die Vorverlagerung der vollendeten Tat in einen Bereich, der bei Verletzungsdelikten lediglich Versuchsstrafbarkeit begründen würde, eingefügt (NKKapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 38; HWSt-Joecks, X 1, Rn. 93; Schönke/ Schröder-Perron, § 264a StGB, Rn. 39). Freiwilligkeit ist unter anderem dann anzunehmen, wenn der Täter sein Handeln aus Reue, Selbstbesinnung, Scham, oder auf Vorhaltungen eines Mittäters aufgibt; unfreiwilliges Handeln liegt etwa dann vor, wenn der Täter meint, die Durchführung des Projektes sei ohnehin nicht mehr möglich (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 95). In Zweifelsfällen ist damit auf die Frage abzustellen, ob die Verhinderung auf einer autonomen Willensentscheidung des Täters beruht (NK-Kapitalmarktstrafrecht-
Herzog
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2157
Park, § 264a StGB, Rn. 42). Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so ist erforderlich, dass er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern. Dabei ist für die Annahme eines ernsthaften Bemühens erforderlich, dass der Täter alles tut, was nach seiner Überzeugung zur Verhinderung der Leistungserbringung erforderlich ist (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 43).
J. Verjährung
55
Nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB beträgt die strafrechtliche Verjährungsfrist für den Kapitalanlagebetrug fünf Jahre, wobei die Verjährung mit Beendigung der Tat, bzw. bei später eintretendem Erfolg mit diesem beginnt (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 83). Stellt sich das Delikt nach Art des Vertriebes jedoch als Presseinhaltsdelikt im Sinne der Pressegesetze der verschiedenen Bundesländer dar, gilt abweichend von der fünfjährigen strafrechtlichen Verjährungsfrist die erheblich kürzere presserechtliche Verjährungsfrist (HWStJoecks, X 1, Rn. 88; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 46). Ein Presseinhaltsdelikt ist dann anzunehmen, wenn die Strafbarkeit der Verbreitung eines Druckwerks alleine in seinem Inhalt begründet ist, was vor allem in Fällen der Verbreitung unrichtiger oder unvollständiger Prospekte der Fall sein kann (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 90). In diesen Fällen kann sich die Frage nach der Verjährungsfrist also nach den presserechtlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Länder richten, wobei allerdings zahlreiche Pressegesetze jedenfalls Werbeschriften vom Anwendungsbereich ausnehmen. Auch Prospekte und gewerbliche Druckschriften unterliegen nicht der kurzen presserechtlichen Verjährung (Schönke/Schröder-Perron, § 264a StGB, Rn. 42; Kühl, StGB, § 264a, Rn. 17; BGHSt 40, 385).
K. Tätergruppen
56
Nach § 264a Abs. 1 StGB muss die Tathandlung im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsechten oder Anteilen im Sinne von Abs. 1 Nr. 1 stehen oder aber im Zusammenhang mit dem Angebot auf Erhöhung der Einlage auf Angebote nach Nr. 1, § 264a Abs. 1 Nr. 2 StGB. Damit kann Täter grundsätzlich jeder sein, sofern die Tathandlung den besonderen Zusammenhang nach Nrn. 1, 2 aufweist (Kühl, StGB, § 264a, Rn. 6; NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 44). Eine etwaige Beschränkung lediglich auf den Emittenten war auch nach der Begründung im Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität nicht vorgesehen. Im Interesse einfacher Anwendung und der Erschwerung von Umgehungsmöglichkeiten sei es vielmehr erforderlich, den Täterkreis möglichst nicht einzuschränken. Insbesondere dürfe es für die Anwendung des Tatbestandes keinen Unterschied machen, ob der Prospekt von dem zur Beteiligung angebotenen Unternehmen oder von einem bloßen Vertriebsunternehmen ausgegeben werde (BT-Drucks. 10-318, S. 23). Als Tätergruppen des § 264a StGB kommen damit neben Emittenten vor allem auch Anlageberater, Strukturvertriebe, Banken und Finanzdienstleister, unter bestimmten Umständen aber etwa auch Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Bankmitarbeiter in Betracht (NK-Kapitalmarktstrafrecht-Park, § 264a StGB, Rn. 44; Schönke/ Schröder-Perron, § 264a StGB, Rn. 38). § 264a StGB ist folglich kein auf bestimmte Tätergruppen beschränktes Sonderdelikt (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 78; Kühl, StGB, § 264a, Rn. 6). Gerade bei den zuletzt genannten Personengruppen dürfte es für die Frage einer Strafbarkeit nach § 264a StGB häufig nicht darauf ankommen, ob eine Beteiligung an der Herstellung des Verkaufsprospektes vorliegt, sondern vielmehr auf die Frage, welche Rolle im Zusammenhang mit der Verteilung der Verkaufsprospekte übernommen wurde.
Herzog
57
2158
Kap. VII – Haftung und strafrechtliche Sanktionen
So kann unter Umständen mittelbare Täterschaft für denjenigen gegeben sein, der sich im Rahmen des Vertriebs gutgläubiger Mitarbeiter bedient; Bankmitarbeiter, Rechtsanwälte, etc. können sich ggf. der Beihilfe zu § 264a StGB strafbar machen, wenn sie durch ihre Mithilfe beim Vertrieb ursächlich für denselben werden (HWSt-Joecks, X 1, Rn. 78 f.). Zu Abgrenzungsproblemen bei nur mittelbar fördernden Handlungen wie beispielsweise Beratungs- oder Notartätigkeiten, die für sich genommen ordnungsgemäß sind, vgl. Fischer, § 264a Rn. 17; Beispiel bei HWSt-Joecks, X 1, Rn. 79 zu der Frage, inwieweit sich beispielsweise ein Notar, der einen korrekten Grundstückskaufvertrag beurkundet, wegen Beihilfe schuldig macht, wenn er weiß, dass es in der Folge zu einem Vertrieb unter Zuhilfenahme unrichtiger Prospekte kommen wird, die jedoch nichts mit seiner Beurkundungstätigkeit zu tun haben. 58
L. Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften, §§ 49, 26 BörsG Häufiges Begleitdelikt des Kapitalanlagebetrugs und häufiges weiteres Betätigungsfeld der auf dem grauen Kapitalmarkt anzutreffenden Anbieter ist die Verleitung zu Börsenspekulationsgeschäften (dabei handelt es sich regelmäßig um Betrügereien im Zusammenhang mit Warentermin(options)geschäften, vgl. HWSt-Schröder, X 2, Rn. 237 ff.). Während es – wie jüngste Ereignisse nahe legen – offenbar zu den üblichen Geschäftspraktiken in der Finanzindustrie gehört, hochspekulative Produkte zu entwickeln und in der Finanzwelt untereinander zu verkaufen, wird es andererseits durch §§ 49, 26 BörsG strafrechtlich sanktioniert, wenn Personen unter Ausnutzung ihrer Unkenntnis über die Risiken derartiger Geschäfte dazu verleitet werden, sich auf spekulative Investitionen einzulassen. Hinter der Norm steht der Gedanke, unerfahrene Anleger vor dem „Verzocken“ des eingesetzten Kapitals zu bewahren; täterseitig wird damit die Gefährdung des Vermögens der verleiteten Personen bestraft (HWSt-Schröder, X 2, Rn. 221 f.). Nach § 49 BörsG macht sich strafbar, wer entgegen des Verbotes in § 26 BörsG andere gewerbsmäßig unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit zu Börsenspekulationsgeschäften oder zur unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an solchen Geschäften verleitet.
59
§ 26 Abs. 2 BörsG definiert in nicht abschließender Weise („insbesondere“) das Tatbestandsmerkmal des Börsenspekulationsgeschäfts. Es handelt sich danach um An- und Verkaufsgeschäfte mit aufgeschobener Lieferzeit (also: Termingeschäfte) und Optionen auf solche Geschäfte, die darauf gerichtet sind, aus dem Unterschied zwischen dem für die Lieferzeit festgelegten Preis und dem zur Lieferzeit vorhandenen Börsen- oder Marktpreis einen Gewinn zu erzielen. Nach der Legaldefinition ist es gleichgültig, ob diese Geschäfte an einer inländischen oder ausländischen Börse abgeschlossen werden; zudem greift die Norm auch dann, wenn der Abschluss außerhalb einer Börse getätigt wird.
60
Als Orientierungshilfe für die nähere Bestimmung des Wesens von Spekulationsgeschäften lässt sich § 37e Satz 2 WpHG und der dort enthaltene Begriff des Finanztermingeschäfts heranziehen (HWSt-Schröder, X 2, Rn. 232). Aus der Kasuistik lassen sich folgende Beispiele nennen: Warentermingeschäfte von Getreide über Rohöl bis hin zu Schlachtvieh, Warenterminoptionsgeschäfte als Call- oder Put-Optionen, Wertpapiertermingeschäfte, Financial Futures und Kontrakte auf Aktien- und Rentenindices, Optionen auf Terminkontrakte, Devisenoptionsscheine u.v.m. (ausführlich und mit Beispielen hierzu HWSt-Schröder, X 2, Rn. 237-266). Grob skizziert ist diesen (wohlgemerkt nicht per se rechtswidrigen) Konstrukten eigen, dass sie einerseits enorme Hebelwirkungen in die Gewinnzone aufweisen können, andererseits diese Hebelwirkungen aber auch umgekehrt rasch zum Totalverlust und zu ruinösen Nachschussverpflichtungen führen können, was wiederum eine Verstrickung in weitere spekulativer Geschäfte zum Ausgleich dieser Verluste auslösen kann. Ohne seriöse Anlageberatung, ohne ein vorhandenes wirtschaft-
Herzog
§ 71 Kapitalanlagebetrug
2159
liches Grundverständnis und ohne Kenntnisse über aktuellen Entwicklungen am Finanzmarkt gleicht die Investition in derartige Geschäfte dem Besuch eines Automaten-Spielkasinos. Die durch §§ 49, 26 BörsG unter Strafe gestellte Tathandlung ist das Verleiten eines unerfahrenen Opfers zu derartigen Geschäften. Verleiten kann in Anlehnung an die Dogmatik der Anstiftung als ein Bestimmen der Opfers zur Eingehung solcher Geschäfte durch eine zielgerichtete Willensbeeinflussung verstanden werden (vgl. Nack, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 68, Rn. 6). Folglich kann eine zu Spekulationsgeschäften bereits entschlossene Person (omnimodo facturus) nicht mehr hierzu verleitet werden (HWStSchröder, X 2, Rn. 267). Unerfahren ist eine Person dann, wenn sie infolge fehlender geschäftlicher Einsicht die Tragweite derartiger spekulativer Investitionen nicht in ihrer ganzen Bedeutung überblicken kann (BGH wistra 2002, 22 f.; Hans. OLG Bremen wistra 1990, 163). Diese Unerfahrenheit kann zwar durch eine umfassende Aufklärung und Anlageberatung kompensiert werden, freilich bedeutet die Übergabe und Unterzeichnung einer Informationsbroschüre i.S. des § 31 Abs. 3 WpHG für sich alleine keine „Freizeichnung aus der strafrechtlichen Verantwortlichkeit“ (HWSt-Schröder, X 2, Rn. 272 unter Verweis auf OLG Düsseldorf wistra 1989, 115). Bei der Verleitung des Opfers muss der Täter schließlich dessen Unerfahrenheit ausgenutzt haben und gewerbsmäßig handeln. Dies ist jedenfalls bei allen denjenigen Vertriebsmethoden über Telefonverkäufer, Drückerkolonnen und Strukturvertriebe der Fall, die unter der Behauptung von Insiderkenntnissen, „heißen Tipps“ und dem Versprechen von hohen Gewinnchancen einfältige Kunden zum raschen Vertragsschluss drängen (vgl. HWSt-Schröder, X 2, Rn. 275). Im subjektiven Tatbestand ist Vorsatz erforderlich, wobei jedoch dolus eventualis genügt, sodass sich auch derjenige strafbar macht, der es für möglich hält, mit einem unerfahrenen Kunden zu verhandeln, dem es aber dennoch so sehr auf den Vertragsabschluss ankommt, dass er es billigend in Kauf nimmt, eine unerfahrene Person in ein Börsenspekulationsgeschäft zu verstricken. § 49 BörsG droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren an; die strafrechtliche Verjährung beträgt folglich gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre.
Herzog
61
62
63
64
“This page left intentionally blank.”
216
Kapitel VIII Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Derleder
“This page left intentionally blank.”
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
2163
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
Schrifttum Christ, Der Einfluss der EU-Prospektrichtlinie auf das Wertpapierprospekthaftungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 2007; Constantinesco, L’applicabilité directe dans le droit de la C.E.E. 2006; Babusiaux, Die richtlinienkonforme Auslegung im deutschen und französischen Zivilrecht: ein rechtsvergleichender Beitrag zur europäischen Methodendiskussion, 2007; Digel, Die primärrechtlichen Grundlagen des Europäischen Finanzmarktes, 2006; European Coalition for Responsible Credit (ECRC) (2008), Prinzipien verantwortlicher Kreditvergabe (http://www.verantwortliche-kreditvergabe.net/index.php?id= 2519); Gerster, Kreditwirtschaftlich wichtige Vorhaben der EU, 2007; Granger, National applications of Francovich and the construction of a European administrative jus commune. ELR 2007, 157; Haferkamp, Die Kapitalverkehrsfreiheit im System der Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2003; Heimann, Zwingender Verbraucherschutz und Grundfreiheiten im Bereich der Finanzdienstleistungen, 2005; Hemetsberger, European Banking and Financial Services Law, 2006; Hesselink, The Politics of a European Civil Code, European Law Journal 2004, 675; Hoffmann, Die Reform der Verbraucherkredit-Richtlinie (87/102/ EWG): eine Darstellung und Würdigung der Entwürfe für eine neue Verbraucherkredit-Richtlinie unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und englischen Rechts, 2007; Hopt, European company and financial law: texts and leading cases, 2007; Howells/Weatherhill, Consumer Protection Law, 2005; Iro, Die Bedeutung der EuGH-Urteile „Schulte“ und „Crailsheimer Volksbank“ für das österreichische Recht, ÖBA 2006, 326; Knaul, Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes der Banken auf das internationale Bankvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Verbraucherschutzes, 1995; Lachmair, Was bringt die neue Fernabsatz-Richtlinie der EU betreffend Finanzdienstleistungen für Verbraucher?, RdW 2003, 151; Macht, Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht und Basel II: Bankenregulierung auf einem internationalen level playing field, 2007; Matusche, EU-Verbraucherschutz und deutsches Bankvertragsrecht: Die Umsetzung der Richtlinien über Verbraucherkredite, missbräuchliche Klausein und grenzüberschreitende Überweisungen, 1998; Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit: Kommentar zu den Artikeln 56 bis 60 EGV, der Geldwäscherichtlinie und Überweisungsrichtlinie, 2002; Panourgias, Banking regulation and world trade law: GATS, EU and „Prudential“ institution building, 2006; Prokopf, Das gemeinschaftsrechtliche Rechtsinstrument der Richtlinie: eine rechtsdogmatische Untersuchung der Art. 249 Abs. 3 EGV und Art. 161 Abs. 3 EAGV, 2007; Ramsay, Consumer Law and Consumer Policy – Text and Materials on Regulating Consumer Markets, 2007; Reifner, Maximalharmonisierung, Heimatlandkontrolle oder Standardisierung – Das Ende des nationalen Verbraucherschutzes aus Brüssel?, in: Blaschek/Enthofer-Stoisser/Medwed/Pirker-Hörmann/Reiffenstein (Hrsg.), Konsumentenpolitik im Spannungsfeld von Liberalisierung und sozialer Verantwortung, Festschrift Gottfried Mayer, 2004, S. 159; Verantwortung bei der Kreditvergabe oder im Kredit? – Zum Konzept des Entwurfes der Konsumentenkreditrichtlinie, VuR 2006, 121; Verantwortungsvolle Kreditvergabe im europäischen Recht, in: Thévenoz/Reich (Hrsg.), Droit de la consommation, Konsumentenrecht, Consumer law, Liber amicorum Bernd Stauder, 2006, S. 383; Renting a Slave – European Contract Law in the Credit Society, in: Wilhelmsson (Hrsg.), Private Law and the Cultures of Europe, 2007, S. 325; Zur Zukunft des europäischen Vertragsrechts – Soziale Dauerschuldverhältnisse in der Kreditgesellschaft, VuR Sonderheft 2007, 1; Micro-lending – a case for regulation in Europe, 2002; Bank Standard Contract Terms and EECConsumer Protection Law, in: Rabello (Hrsg.), Essays on European Law and Israel, 1996, 565; Schmies, Codes of Conduct in der Bankwirtschaft, ZBB 2003, 277; Restuccia, La carta di credito nell’ordinamento giuridico italiano e comunitario, 1999; Ritz, Harmonisierungsprobleme bei der Umsetzung der EG-Richtlinie 87/102 über den Verbraucherkredit, 1996; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und des Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten: Hintergrund und Entwicklung gemeinschaftsrechtlicher und globaler Regelungsansätze, 2008; Schmidt, Verbraucherschutz im Bürgschaftsrecht: die Anwendbarkeit deutscher und europarechtlicher Vorschriften des Verbraucherkredit- und Haustürwiderrufsrechts, 2003; Schwolow, Internationale Entwicklungslinien im Recht der Auslandsüberweisung: eine vergleichende Darstellung der Regelungen des UNCITRAL-Modellgesetzes, des amerikanischen Art. 4 A UCC, der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen und der deutschen Rechtslage, 1999; Stavropoulos, Verbraucherkreditrechtliche Vorgaben für Finanzierungsleasingverträge nach deutschem und europäischem Recht, 2005; Stünkel, EG-Grundfreiheiten und Kapitalmärkte: die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf die Integration der Sekundärmärkte, 2005; Stürner, Markt und Wettbewerb über alles? – Gesellschaft und Recht im Fokus neoliberaler Marktideologie, 2007; Usher, The law of money and
Reifner
2164
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
financial services in the EC, 2002; Vollrath, Die Endgültigkeit bargeldloser Zahlungen: zivilrechtliche Gestaltungsvorgaben für grenzüberschreitende Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme, 1997; Wernicke, Privates Bankvertragsrecht im EG-Binnenmarkt, 1996; Wilhelmsson, The Average European Consumer: a Legal Fiction? in: Wilhelmsson, T./Paunio, E./Pohjolainen, A. (eds) Private Law and the Many Cultures of Europe, 2007, 241; The Abuse of the ‚Confident Consumer’ as a Justification for EC-Consumer Law, JCP 2004, 317; Wilhelmsson/Howells, EC Consumer Law: Has it Come of Age? ELR 2003, 370.
Inhaltsübersicht I. Die Rechtsetzung der EU im Bankvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Struktur des EU-Bankrechts . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Öffentliches EU-Bankrecht . . . . . . . . . . . . . 7 2. Privates EU-Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3. EU-Bankvertragsrecht und Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4. Mindest- und Maximalharmonisierung im EU-Bankvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Inhalt des EU-Bankrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Stichwortverzeichnis Banken – Bankenkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – Bankensicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – Bankensicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Bankgeschäfte als Teil der Existenznotwendigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Banklizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – Bankaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – Bankrechtsregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 – Bankrechtsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – Bankvertragsrechtrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Bankvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 10, 11 – Deutsches Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – DIN-Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 – Lamfalussy-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 18 – Partikularismus der Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . 31 Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . 19 Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 EU-Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 19 – Common Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 31 – EU-Rechtssetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 EU-Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 15 – freier Kapitalverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 – globalisierter Bankmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – historische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Marktvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 – Wettbewerbshindernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 EU-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 EU-Regelungsphilosophie – einheitlicher Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 13, 14 – gegenseitige Anerkennung . . . . . . . . . . . . . 2, 9, 14 – Heimatlandkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 – Maximalharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 28 – Mindestharmonisierung . . . . . . . . . . . . . 23, 26, 28 – Rechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 23 EU-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 23, 30, 31, 34 – Änderungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – Gastland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Alpine Investment BV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 – Cassis-de-Dijon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Clinique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Europäischer Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 26 – Francovich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
– GB-Inno-BM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Heininger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 – Keck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Marshall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – Oosthoek’s Uitgeversmaatschappij . . . . . . . . . . . 27 – Perealta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 – Schrottimmobilienfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 34 – Schulte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 – Yves Rocher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Yvonne van Duyn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Euro-Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 – EU-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – Europäisches Vertragsgesetzbuch . . . . . . . . . . . . 21 – EWG-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Kerngehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 fair finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Fernabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Fernabsatzrichtlinie bei Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 15, 23 Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 16, 35 – Aktionsprogramm für die Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Bankdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 – europäischer Finanzmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 – Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – Geldsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – Weißbuch Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . 22 – Zugang zu Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . 8 Haftungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Hypothekenkredit – Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 – Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . 24 informelles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Institutionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Kapitalmarkt – Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 1, 26, 30 – OGAV Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – Wertpapierbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – Wertpapierdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 – Wertpapierdienstrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Wertpapierdienstleistungsrichtlinie . . . . . . . . . . 14 – Wertpapierkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Rechtskulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Rechtsmethodik – Experteneffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Reifner
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen – juristische Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – Ökonomisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 – teleologische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . 30, 34 – teleologische Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 – Totalharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – Umgehungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 – Umsetzungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Schutz des Finanzdienstleistungssektors . . . . . . . . 29 Verbraucherkredit – Effektivzinsangabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 30 – effiziente Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 – Haustürbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Haustürwiderrufsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Hypothekenkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Microlending . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – verantwortliche Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . 19 – Verbraucherkreditrichtlinie . . . . . . 5, 11, 18, 22, 23 – verbundenes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2165
– Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Verbraucherschutz . . 4, 16, 19, 20, 22, 23, 26, 30, 34 – Grünbuch zum Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . 22 – hohes Verbraucherschutzniveau . . . . . . . . . . . 4, 21 – Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 31, 32 – Konsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – Retail Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 – Verbraucherbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 – Verbraucherpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – Verbraucherpolitischer Aktionsplan . . . . . . . . . . 22 – Verbraucherschutzkulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 – Verbraucherschutzstandards . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – Verbrauchervorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Versicherung – Versicherungsaufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 – grenzüberschreitende Überweisungen . . . . . . . . 13 – Kontoüberziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Kreditkartenempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Zahlungsdienstrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 – Zahlungsverkehrsdienstleistungsrichtlinie . . . . . . 9 Zivilrechtssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
I. Die Rechtsetzung der EU im Bankvertragsrecht. 1. Motor der europäischen Integration ist die Erweiterung des gemeinsamen Marktes. Diese baute seit dem Gründungsvertrag auf dem „freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital“ (Art. 26 Abs. 2 EU-Vertrag 2009) auf. Da die durch die kulturellen und personengebundenen Unterschiede bedingten Einschränkungen bei Waren, Personen und Dienstleistungen relativ hoch sind, hat sich der freie Kapitalverkehr als die eigentlich treibende Kraft des Binnenmarktes etabliert. Ihm wurde wiederum ein selbständiges Kapitel 4 im EUVertrag 2009 zugeordnet, der in Artikel 63 ohne soziale Einschränkungen, wie sie z.B. das Grundgesetz in Art. 2 und 14 vornimmt, die Kapitalverkehrsfreiheit und die Freiheit des Zahlungsverkehrs festlegt. Der Grund liegt darin, dass das Kapital die geringsten kulturellen Besonderheiten aufweist und in der Euro-Zone sogar einen identischen Verkehrsgegenstand, den Euro, aufweist. Außerdem gibt es bereits einen einheitlichen europäischen Bankenmarkt, in dem einige Großbanken grenzüberschreitend präsent sind und einige Länder im Südosten wie die Slowakei oder Rumänien über praktisch keine eigenen nationalen Banken mehr verfügen. Insofern scheint es keine stichhaltigen Gründe für nationale Besonderheiten zu geben, die den Grundsatz in Artikel 3 (3) S. 4, wonach die Europäische Union „den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt (wahrt) und für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas (sorgt)“ als Grenze der Harmonisierung im Bankrecht wirksam werden lassen könnte. 2. Entsprechend ordnet der EU-Vertrag die Finanzdienstleistungen nicht dem freien Dienstleistungs-, sondern dem freien Kapitalverkehr zu. Art. 58 (2) bestimmt: „Die Liberalisierung der mit dem Kapitalverkehr verbundenen Dienstleistungen der Banken und Versicherungen wird im Einklang mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs durchgeführt.“ Hier aber findet sich im Vertrag im Wesentlichen nur die Beschränkung zugunsten der Steuerhoheit der Mitgliedsstaaten (Art. 65). Während im Dienstleistungssektor sich aus Art. 57 S. 2 noch eine nationale Bindung ergibt, wenn die Gastbedingungen auf die „Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt“ Bezug genommen wird, tendiert die Kapitalverkehrsfreiheit dazu, den Mitgliedsstaaten über die Prinzipien der gegenseitigen Anerkennung bzw. der Vollharmonisierung die Bedingungen vorzuschreiben, unter denen sie fremde Anbieter gewähren lassen müssen.
Reifner
1
2
2166
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
3
3. Diese Vorgabe (siehe dazu Rn. 1) ist angesichts der Entwicklung des Finanzdienstleistungsmarktes zu einem Verbrauchermarkt („Retail Finance“), bei dem die Banken das Lebenseinkommen vor allem aus unselbständiger Arbeit über Girokonto, Konsum- und Hypothekenkredite, Altersvorsorge und Vermögensverwaltung dort und dann verfügbar halten, wo es gebraucht wird, nicht unproblematisch. Überschuldung privater Haushalte, Altersarmut, Zwangsversteigerungen oder Existenzgründungen haben die kulturelle Einbettung der Finanzdienstleistungen in ihre Absatzländer erkennbar werden lassen. Dass die Diskussion hier noch nicht weiter gediehen ist, liegt vor allem jedoch daran, dass die EU in den bankrechtlichen Richtlinien es bisher weitgehend vermieden hat, auch die sozialen Probleme, mit denen Finanzdienstleistungen zu tun haben, anzusprechen. Sie hat sich stattdessen auf den Versuch einer Organisation eines störungsfreien Marktes beschränkt und die sozialen Fragen wie Wucher, Kredithaie, Finanzbetrug etc. der Regelungen der Mitgliedsstaaten überlassen.
4
In welche Richtung sich die Entwicklung fortsetzt, ist allerdings im EU-Vertrag selber nicht eindeutig festgelegt. Er hat auch für den freien Kapitalverkehr wiederholt das Prinzip eines hohen Verbraucherschutzniveaus (Art. 12, 114 (3), 169 (1)) zur Realisierung des Binnenmarktes verankert und in einem besonderen Kapitel zum Verbraucherschutz festgelegt, dass „die nach Absatz 3 beschlossenen Maßnahmen die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran (hindern), strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Diese Maßnahmen müssen mit den Verträgen vereinbar sein. Sie werden der Kommission mitgeteilt.“ (Art. 169 (3)). Sieht man im Konsum nicht nur das Entscheidungsverhalten von Erwerbern auf dem Markt, sondern eine sozio-ökonomische Tätigkeit der Menschen, mit denen sie sich selbst sowie ihre eigenen Verhältnisse reproduzieren, so impliziert das wiederholte Bekenntnis zum Verbraucherschutz damit auch die Anerkennung kultureller Vielfalt im Marktgeschehen. Das „höhere“ Schutzniveaus ist damit qualitativen nationalen Definitionen offen und keine quantifizierbare Größe. Ein hoher Schutz im protestantischen Großbritannien mit seiner Marktideologie mag daher im katholischen Frankreich mit seiner Betonung sozialer Solidarität anders gesehen werden. Insoweit sichert Art. 12 über den Verbraucherschutz auch die kulturelle Vielfalt in der EU.
5
4. Kernpunkt der EU-Regulierung sind die Richtlinien (dazu Prokopf, S. 5 ff.). Art. 288 Abs. 3 AEUV definiert sie deutlich abgesetzt einerseits von den unmittelbar verbindlichen Verordnungen und Beschlüssen sowie den unverbindlichen Empfehlungen und Stellungnahme wie folgt: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ Richtlinien sollten danach den Charakter verbindlicher Aufträge allein an die Regierungen und Parlamente, ihnen entsprechende Inhalte in der nationalen Rechtskultur zu verankern, nicht überschreiten. Unter einem hohen Globalisierungsbedürfnis auf Herstellung eines Binnenmarktes, der angesichts des Wettbewerbsdrucks bereits existierender größerer Märkte in Amerika und Asien notwendig erscheint, hat man vor allem den Europäischen Gerichtshof in der Ausweitung seiner Kompetenzen, die mit der Vergesetzlichung der Richtlinien einherging, gewähren lassen. Schon längst ist das Klagerecht der EU-Kommission gem. Art. 263 Abs. 3 AEUG wegen mangelhafter Umsetzung der Richtlinien (zur versäumten Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie die Beschlüsse EuGH C141/06 (Spanien) OJ C 96 v. 28.04.2007; C127/06 (Luxemburg) OJ C 108 of 06.05.2006) 31.650 Euro Bußgeld pro Tag für Frankreich wegen mangelhafter Umsetzung der RiLi 85/374/EWG und des Urteils des EuGH (Slg. 2005, I 8209) nicht mehr das wesentliche Instrument ihrer Implementation. Der EuGH gibt auch Privaten ein Schadensersatzrecht gegen ihren Staat (EuGH, EuGH Slg. 1991, I5357 – Francovich; Granger, ELR 2007, 157 ff.), wenn dieser die Richtlinie nicht ord-
Reifner
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
2167
nungsgemäß umgesetzt hat. Der Gerichtshof führt an anderer Stelle aus: „Es ist daher in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob die Bestimmung, um die es geht, nach Rechtsnatur, Systematik und wortlaut geeignet ist, unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den einzelnen zu begründen. (EuGH Yvonne van Duyn Slg. 1974, 1337; ähnlich EuGH Marshall Slg. 1986, 723). Danach gilt ferner auch, dass im Bereich der öffentlich-rechtlichen Richtlinien bei verspäteter Umsetzung sich die Bürger schon dann auf die ihnen in der Richtlinie gewährten Rechte direkt berufen können, wenn diese ausreichend konkret und operationalisierbar sind. Soweit die Richtlinien erlassen und umgesetzt sind, gehen sie zudem nationalem Recht insoweit vor. Nationale Gerichte sind zur Frage der Übereinstimmung mit dem EU-Recht bei letztinstanzlichen Verfahren zur Vorlage mit dem Ziel einer Vorabentscheidung verpflichtet. (Art. 267 AEUV). Dabei ist der nach dem Nationalitätenprinzip zusammengesetzte Gerichtshof (27 Richter) stark abhängig von der Vorbereitung seiner Entscheidungen durch die ebenfalls publizierten Schlussanträge der Generalanwaltschaft, denen er in hohem Maße folgt. Diese umfassende Präsenz der Richtlinien auch nach deren Umsetzung in nationales Recht führt wiederum zu einer zusätzlichen Auslegungsmethode im nationalen Recht, der richtlinienkonformen Auslegung (Babusiaux, S. 15 ff.) sowie bei einigen Ländern wie Luxemburg, Griechenland, Rumänien aber auch Italien etwa bei der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG oder der Fernabsatzrichtlinie bei Finanzdienstleistungen dazu, dass die EURichtlinien sogar unverändert im nationalen Recht abgebildet werden. Auch im deutschen Bankrecht hat der Druck aus Brüssel dazu geführt, dass ein Durchsetzung immer mehr Konzepte und Begrifflichkeiten aus den Richtlinien mit der internationalen zweckorientierten ökonomischen Rechtssprache der EU, die sich stark an der Kautelarpraxis des Common Law orientiert, ohne kulturelle Übersetzung ins deutsche Recht übernommen wird (Reifner, VuR Sonderheft 2007, 1, 17 ff.). Das EU-Bankrecht verändert auf diese Weise nicht nur die Inhalte des nationalen Rechts sondern auch dessen Form. Der Artenvielfalt der Rechtskulturen und der philosophischen Tradition hierarchisch aufgebauter Zivilrechtssysteme, die sich am höchsten Rechtsprinzip der Gerechtigkeit orientieren, wird gerade im Geldsektor ein transkulturelles Wirtschaftsrecht übergestülpt, das sich in der Tradition des Common Law an der jeweiligen ökonomischen Funktionalität der zu regelnden Abläufe unter Effizienz- und Marktfreiheitspostulaten orientiert (Stürner, S. 8 ff). Die weltpolitische Fragestellung, ob Standardisierung oder Vielfalt auf lange Sicht mehr nachhaltiges Wirtschaftswachstum ermöglichen müssten, sind an sich verfassungs- und EU-vertragsrechtlich zugunsten der Vielfalt entschieden. EU-rechtlich dominiert dagegen die betriebswirtschaftliche Perspektive aus der Sicht eines in allen EU-Staaten tätig werdenden Unternehmens. Die kurzfristigen Erfolge scheinen dem Recht zu geben, die langfristigen Ergebnisse können dagegen in den USA studiert werden, das einen solchen Rechtsvereinheitlichungsprozess 30 Jahre früher vollzogen hat. Die Konsequenz dieser Entwicklung ist nun nicht ein interessantes, innovatives und die nationalen Rechtskulturen anreizendes EU-Bankrechtssystem. Im Gegenteil, dass EU-Bankrecht stellt im Wesentlichen eine Summe von betriebswirtschaftlichen Postulaten aus dem Bankrecht der vier großen EU-Staaten im Schatten von Weltbank, IWF, Baseler Interbankenkomitee und WTO dar. Im übrigen ist es ein rein negatives Recht, das nationale Rechte zurückschneidet. Da alle EU-Richtlinien noch einmal in welcher Form auch immer im nationalen Recht reproduziert werden, entsteht damit innerhalb der am Gerechtigkeitsideal orientierten traditionellen Zivilrechtsordnung ein funktonalistisches am Common Law orientiertes Wirtschaftsrecht.
Reifner
6
2168
7
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
II. Struktur des EU-Bankrechts. 1. Öffentliches EU-Bankrecht. a) Das EU-Bankrecht gliedert sich wie das nationale Bankrecht in einen öffentlich-rechtlichen Teil des Bankaufsichtsrecht und das Bankvertragsrecht auf, das zunehmend den Kernbereich des Verbraucherschutzrechts bildet, weil es vornehmlich die Beziehungen der Massenkunden zu den Banken regelt. Im Bankaufsichtsrecht geht es um die Vereinheitlichung der Grundsätze zur Bankensicherheit, das „safe and sound banking“, das aus dem Gedanken erwachsen ist, dass Banken in großem Maße Einlagen des Publikums hereinnehmen und verwalten und daher der Staat dafür Sorge zu tragen hat, dass diese Einlagen nicht verloren gehen. Allerdings ist bereits hier das EU-Bankrecht deutlich vom deutschen Bankaufsichtsrecht unterschieden. Da das EU-Recht den kleinsten gemeinsamen Nenner bei der Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts suchen musste, die angelsächsischen Länder aber das Bankaufsichtsrecht im wesentlichen auf den Kernbereich des Einlagengeschäftes begrenzen und insoweit für Kredit- und Zahlungsverkehr, aber auch für Investment und Vermögensverwaltung keine Banklizenz und auch keine Bankaufsicht vorschreiben, konnte sich in der dritten Bankrechtsrichtlinie insoweit nur eine Harmonisierung durchsetzen, bei der allein der angelsächsische Bankbegriff zur Geltung kam. Nach Art. 1 der RiLi 2000/12/EG (erweitert um E-Geld-Institute in der RiLi 2000/46/EG) ist ein nach den Kriterien der EU zu beaufsichtigendes Euro-Kreditinstitut „ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren.“ Diese Vorschrift besagt, dass nur Kreditinstitute, die Einlagen hereinnehmen, sich also nicht ihrerseits nur über Kredite refinanzieren, „Kreditinstitute“ sind, während nach §1 KWG auch reine Tätigkeiten der Kreditigewährung oder des Zahlungsverkehrs als aufsichtspflichtige Bankgeschäfte angesehen werden (Kümpel, Rn. 18.9; Hammen, WM 1998, 741 (747)).
8
Entsprechend sind EU-rechtlich unbedenklich in Großbritannien Kreditvergabe und Dienstleistungen im Zahlungsverkehr weitgehend aufsichtsfrei durch jedermann möglich. Dieses liberale System transportiert damit zugleich auch eine Anschauung, wonach das Besondere der Aufsichtsbedürftigkeit von Banken allein im Anvertrauen fremder Gelder liegt und nicht darin, dass sie insgesamt mit den Finanzdienstleistungen ein öffentliches Gut, nämlich das Geld, verwalten und damit ein wesentlicher sozialer Faktor bei der Verfügbarmachung von Lebenseinkommen zu dem Zeitpunkt (Sparen/Kredit) und an dem Ort (Zahlungsverkehr) sind, wenn dieses Einkommen für Investitionen oder Altersversorgung gebraucht wird. Die kontinentaleuropäische Sichtweise, die in soweit implizit in Brüssel keinen Widerhall gefunden hat, sieht daher Bankgeschäfte als Teil der Existenznotwendigkeiten an. Auch der neue EU-Vertrag bestimmt, dass für im einzelnen nicht näher definierte „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse oder (die) den Charakter eines Finanzmonopols haben, … die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert, (gelten)“ (Art. 106 (2) EVG 2008). In ihrem Grünbuch über solche Dienstleistungen (COM (2003) 270) (dazu Ramsay, S. 95) hat die Kommission die Finanzdienstleistungen noch nicht aufgenommen. Die finnische und die portugiesische Präsidentschaft hatten angesichts der Situation Überschuldeter schon vor Jahren für die Aufnahme plädiert. Mit der Diskussion um reduzierte Mehrwertsteuerraten für solche Dienstleistungen wird diese Frage wieder aufgeworfen (vgl. das Memo der EU-Kommission 07/277 v. 5.7.2007). Da zudem die Frage des „Zugangs zu Finanzdienstleistungen“ als lebensnotwendigem Gut („lifeline banking“) – in den USA gesichert durch Equal Credit Opportunity Act, den Community Reinvestment Act und den Home Mortgage Disclosure Act sowie in England
Reifner
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
2169
durch das OFT – auch in Deutschland inzwischen bei der Frage des „Mindestgirokontos für Jedermann“ (dazu BT-Drucks. 16/2265, S. 26/27) oder eines pfändungsgeschützten „P-Kontos“ (Regierungs-Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes v. 28.9.2007) diskutiert wird, ist das EU-Recht bei Finanzdienstleistungen theoretisch durchaus offen und ambivalent. In der Praxis jedoch war das EU-Bankrecht bisher der Motor der Marktliberalisierung. b) Wesentlich für die Herstellung des Binnenmarktes war es seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, dass Euro-Kreditinstitute in ihrer Aufsicht so weit angeglichen wurden, dass auch ohne eine europäische Finanzaufsicht die Möglichkeit eröffnet wurde, dass Banken aus einem Land (Heimatland) in einem anderen Land (Gastland) ohne die Notwendigkeit, sich den Besonderheiten des Aufsichtsrechts des Gastlandes zu unterwerfen, Geschäfte tätigen konnten und eine Finanzdienstleistungsfreiheit entstehen konnte, die weit gravierender als die Niederlassungsfreiheit den Markt durchlässig machte. Dieser Ansatz des „einheitlichen Passes“, der „gegenseitigen Anerkennung“ bzw. der „Heimatlandkontrolle“ ist in Ziff. 14 der Erwägungen zur RiLi 2000/12/EG wie folgt ausgedrückt: „Der gewählte Ansatz besteht darin, dass es den im Herkunftsmitgliedstaat zugelassenen Kreditinstituten aufgrund der gegenseitigen Anerkennung ermöglicht wird, die … Tätigkeiten überall in der Gemeinschaft durch die Errichtung einer Zweigniederlassung oder im Wege der Dienstleistung auszuüben.“
9
Da wegen der engen Definition des Kreditinstitutes zunächst nur Einlageinstitute in den Genuss dieses Privilegs kamen, wurde das Prinzip der „gegenseitigen Anerkennung“ auf andere Anbieter von Finanzdienstleistungen schrittweise ausgedehnt. Dabei wurden allerdings die durch das Bankmonopol auch für diese Finanzdienstleistungen auf dem Kontinent höheren Anforderungen EU-einheitlich etwa für alle Anbieter von Wertpapierdienstleistungen mit der RiLi 2004/39/EG ausgedehnt, die nicht nur die Einlagensicherheit, eine qualifizierte Zulassung und eine kontinuierliche Überwachung sondern auch bestimmte zivilrechtlich relevante Verhaltenspflichten enthält. Mit der Ende 2007 verabschiedeten Zahlungsverkehrsdienstleistungsrichtlinie RiLi 2007/64/EG (KOM(2005) 603) werden nunmehr auch die Anbieter von Zahlungsverkehrsdienstleistungen mit dem einheitlichen Pass für den Binnenmarkt ausgestattet. Damit entwickelt sich allmählich ein Regime der Heimatlandkontrolle, indem alle Finanzdienstleistungen europaweit im Binnenmarkt vertrieben werden können, ohne dass das öffentliche Aufsichtsrecht des Gastlandes einschließlich seiner Behörden die Möglichkeit erhält, direkt einzugreifen (vgl. auch für Kreditverleiher aus Drittstaaten der Antrag des Generalanwalts in WM 2008, 109 (Fidium Finanz)). Stattdessen enthalten die Single-Passport-Richtlinien die Einrichtung von Koordinationsgremien der nationalen Aufsichten sowie Informations- und Kooperationsmöglichkeiten. Dieses System, das an anderer Stelle (unten § 76) näher beschrieben wird und mit 31 Richtlinien (abrufbar unter http://www.uni-leipzig.de/bankinstitut/service/eurecht.php? &topic=Kapitalmarktaufsicht) ein umfangreiches Gesetzgebungswerk darstellt, hat unmittelbare Auswirkungen auf das private europäische Bankvertragsrecht. Durch die Heimatlandkontrolle beim Aufsichtsrecht haben sich die nationalen Möglichkeiten, eine eigene über die Harmonisierungsanforderungen hinausgehende Kultur etwa im Kreditwesen, beim Wertpapierabsatz, im Zahlungsverkehr oder im Einlagengeschäft aufrechtzuerhalten, auf das Zivilrecht verlagert. Im Zivilrecht galt nach dem Rom I Abkommen das Gastlandprinzip, d.h. „das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“ (Vorschlag der Kommission 2005/0261 (COD)). Auf deutsche Intervention (Pressemitteilung des BMJ v. 7.12.2007) wurde dies nun dahingehend
Reifner
10
2170
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
abgeschwächt, dass unabdingbar nur noch die zwingenden Vorschriften des Wohnsitzlandes des Verbrauchers gelten sollen (EU VO vom 7.12.2007 (Rom I)). Gleichwohl schneidet dies ausländischen Anbietern die Möglichkeit ab, mit den Rechtsvorschriften ihres Herkunftslandes und entsprechend ausgestalteten AGB auch im Gastland auszukommen. Da zudem weiterhin für Verbraucherstreitigkeiten auch bei ausländischen Anbietern in der Regel deutsche Gerichte zuständig sein werden, hat sich die kulturelle Diversität im Finanzdienstleistungsrecht bei den immer wichtiger werdenden Verbrauchergeschäften von der Institutionenvielfalt auf das private Bankvertragsrecht verlagert. Da es zudem keine dem Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen entsprechende Bankenaufsichtsbehörde auf EU-Ebene gibt, bleibt die Bankenaufsicht ausschließlich den Nationalstaaten überlassen. Die Europäische Zentralbank spielt hier keine Rolle. Sie ist in ihren Kompetenzen zusammen mit den nationalen Zentralbanken auf die Eurozone begrenzt und soll sich auf die Erhaltung der Preisstabilität konzentrieren (Art. 282). Eine Bankenaufsichtsfunktion, wie sie etwa auch in Frankreich bei der Zentralbank angesiedelt ist, kann ihr gem. Art. 25 ihrer Satzung (Protokoll Nr. 4 zum EU-Vertrag) durch Verordnungen des Rates nach Artikel 127 Abs. 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zugewiesen werden. Dies ist aber gegenwärtig nicht der Fall. 11
2. Privates EU-Bankrecht. Begonnen hatte die Gesetzgebung zum Bankvertragsrecht mit der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG und ihren Erweiterungen zur Festlegung der Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes in den Richtlinien 90/88/EWG und 98/7/ EG. Während es in der Richtlinie von 1986 noch hieß, dass „der Verbraucher vor missbräuchlichen Kreditbedingungen zu schützen ist und dass vorrangig eine Harmonisierung der allgemeinen Bedingungen für den Verbraucherkredit vorzunehmen ist“, bestimmt die neue Richtlinie (RiLi 2008/48/EG) vom 9.4.2008 als Ziel nur noch Harmonisierung und Wettbewerb (Art. 1). Nach Ziff. (8) der Begründung sollte „zur Sicherung des Vertrauens der Verbraucher … der Markt ein ausreichendes Verbraucherschutzniveau bieten. Auf diese Weise sollte der freie Verkehr von Kreditangeboten … stattfinden können.“
12
Beim Hypothekenkredit scheiterten dagegen alle Versuche einer Harmonisierung bisher an nationalen Interessen. Im Grünbuch Hypothekenkredite vom 19.7.2005 (KOM(2005) 327 endgültig) ist der Verbraucherschutz auch nicht mehr Ziel, sondern Folge der Marktharmonisierung, wenn es heißt: „Ein integrationsbedingt leistungs- und wettbewerbsfähigerer Markt für Hypothekarkredite könnte zum Wachstum der EU-Wirtschaft beitragen. Er könnte die Arbeitskräftemobilität fördern und den Verbrauchern in der EU die Möglichkeit geben, größtmöglichen Nutzen aus ihrem Eigenheim zu ziehen und dieses gegebenenfalls zur langfristigen Altersabsicherung einzusetzen – ein Aspekt, dessen Bedeutung vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Bevölkerung nicht zu unterschätzen ist.“
13
Im Bereich des Zahlungsverkehrs hatte die Richtlinie 97/5/EG bei grenzüberschreitenden Überweisungen das Ziel verkündet, dass „für Privatpersonen wie Unternehmen, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, ihre Überweisungen … schnell, zuverlässig und kostengünstig erfolgen.“ Dieses Ziel beherrschte auch schon die Empfehlung 95/198/EG über die Zahlungsfristen im Handelsverkehr, die Kreditkartenempfehlung 88/590/EWG und die Empfehlung 87/598/EWG für einen Verhaltenskodex im Bereich des elektronischen Zahlungsverkehrs, in der Beziehungen zu den „Verbrauchern“ genannt sind. In der zusammenfassenden Zahlungsdiensterichtlinie v. 28.1.2008, die für viele Länder den einheitlichen Pass einführt und vor allem den Wettbewerb und die Technik unter den Anbietern harmonisiert, wird der Verbraucherschutz in den Vordergrund gestellt, weil „klare, kohärente Transparenzvorschriften für Zahlungsdienste nach Auffassung der Kommis-
Reifner
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
2171
sion den Wettbewerb steigern und den Verbrauchern eine größere Auswahl und mehr Schutz bieten.“ „Das Mehr an Wettbewerb, Transparenz und Auswahl auf dem Zahlungsverkehrsmarkt“, so die Begründung im Kommissionsentwurf, „wird den Nutzern von Finanzdienstleistungen zugute kommen.“ Die Regulierung dient hier dem Wettbewerb, dessen Nutzen für die Verbraucher wiederum offensichtlich ist. Im Wertpapierbereich dominierten zunächst die Vereinheitlichung der Wertpapiervorschriften, die die gegenseitige Anerkennung der Finanzaufsichten und einen einheitlichen Pass angesichts der Unterschiede in den Systemen einführte. So wurden die Investmentfonds nach dem ersten Versuch in der Richtlinie 85/611/EWG mit der zweiten OGAV Richtlinie 2007/16/EG vereinheitlicht. Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/ EWG führte die gegenseitige Anerkennung für Wertpapierdienstleister und den einheitlichen Pass ein und begründete die Zulassungspflicht „aus Gründen des Anlegerschutzes und der Stabilität des Finanzsystems“ (Erwägungsgrund 1). In Art. 11 werden „Wohlverhaltensregeln“ vorgeschrieben, denen zufolge „die Wertpapierfirma bei der Ausübung ihrer Tätigkeit recht und billig im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden und der Integrität des Marktes handeln“ muss. Dabei werden im Einzelnen Verbraucherschutzstandards wie Beratungs- und Informationspflichten, Verbot der Interessenkollision sowie bedürfnisorientierte Verfahren verlangt.
14
3. EU-Bankvertragsrecht und Verbraucherschutz. a) Entsprechend groß geworden ist damit der Druck auf eine Angleichung divergierender zivilrechtlicher Vorschriften, da diese von der Anbieterseite ebenso wie von der EU-Kommission als Barriere für einen erweiterten Binnenmarkt angesehen werden. So verlangt etwa die Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen 2002/65/EG, dass „Schwierigkeiten zu analysieren und im Einzelnen aufzuzeigen sind, die sich den Verbrauchern und den Anbietern stellen oder stellen können, insbesondere jene, die sich aus den unterschiedlichen einzelstaatlichen Bestimmungen über die Information und das Widerrufsrecht ergeben.“ Damit wird durch die Richtlinie vorausgesetzt, dass unterschiedliche zivilrechtliche nationale Regelungen zum Widerrufsrecht oder über vorvertragliche Informationspflichten als Barrieren für den gemeinsamen Markt anzusehen sind. Demgegenüber betont die Verbraucherschutzliteratur (Wilhelmsson, The Average European Consumer, S. 241 ff.; The Abuse of the Confident Consumer, S. 317; Hesselink, ELJ 2004, 675; Wilhelmsson/Howells, ELR 2003, 370) wie auch der behavioural finance Ansatz (dazu Ramsay, S. 71 ff.) die Bedeutung des „Vertrauens“ bei der Nutzung von Angeboten auf dem Markt. Danach ist dem Binnenmarkt besser gedient, wenn Verbrauchern Angebote gemacht werden, die mit ihren kulturellen Traditionen und nationalen Erfahrungen übereinstimmen.
15
Das Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik der Jahre 2005-2010 der EU-Kommission (KOM(2005) 629) lehnt dies ab: „Die Zielsetzungen der Finanzdienstleistungspolitik der Kommission für die nächsten fünf Jahre sind: eine dynamische Konsolidierung der Fortschritte auf dem Weg zu einem integrierten, offenen, inklusiven, wettbewerbsfähigen und wirtschaftlich effizienten europäischen Finanzmarkt; Beseitigung der verbleibenden wirtschaftlich bedeutenden Hindernisse, so dass Finanzdienstleistungen erbracht und Kapital zu den niedrigstmöglichen Kosten frei in der EU zirkulieren können, und dies vor dem Hintergrund eines effizienten Aufsichtsniveaus und einer effizienten Regulierung auf dem Gebiet der Wohlverhaltensregeln, die wiederum zu einem hohem Maß an Finanzstabilität sowie an Vorteilen für die Verbraucher und des Verbraucherschutzes führen; Umsetzung, rechtliche Durchsetzung und kontinuierliche Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens, rigorose Anwendung der Agenda zur „guten Gesetzgebungspraxis“ bei künftigen Initiativen“ (S. 5). Die Firmen sollen, heißt es im zitierten Weißbuch, „EUweite Skalenerträge erzielen: durch zentrale Zusammenlegung von Risikomanagement
16
Reifner
2172
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
und Back Offices, durch grenzübergreifende Zusammenschlüsse und durch Nutzung des Internets. Die Regulierungs- und Aufsichtsstrukturen in der EU müssen also angepasst – und die Regulierungskosten wo immer möglich gesenkt werden. Im Mittelpunkt des EGRegulierungs- und Aufsichtskonzepts im Finanzdienstleistungsbereich steht der vierstufige Lamfalussy-Prozess, der breite Unterstützung findet und allgemein als Erfolg gesehen wird. Durch ihn sind die Entscheidungsprozesse und Aufsichtsstrukturen sehr viel effizienter und flexibler geworden“ (zur Kritik vgl. die Stellungnahme des Financial User Expertengremiums (FINUSE) v. 4.10.2004, http://ec.europa.eu/internal_market/fin-use_ forum/docs/opinion1_en.pdf). 17
Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die EU in vielen Aspekten nur noch Ausführende ist. Sie steht in Fragen der Risikosteuerung unter dem Zwang der Möglichkeiten ungehinderten Kapitaltransfers in Drittländer durch die Regulierungsvorschläge des Basel Komitees der wichtigsten Zentralbankpräsidenten („Basel II“). Faktische Regulierungsführerschaft haben dabei die Finanzplätze New York und London, deren Börsenzulassung weltweit entscheidend ist. Ferner geben die internationalen Abkommen wie das Welthandelsabkommen bei vielen Fragen nur noch einen engen Regelungskorridor vor. Ob dies notwendig so sein muss und ob der Segen der Globalisierung nicht zugleich auch ihr Problem bedeutet, ist hier nicht zu beurteilen. Wichtig für die rechtliche Sicht aber ist es, dass andere politische Einschätzungen, die in der nationalen Erfahrung die Basis intelligenter und verantwortlicher Regulierung sehen, überhaupt noch eine Einflusschance erhalten.
18
Die aktuelle Bankrechtsregulierung setzt sich nämlich in zweifacher Hinsicht deutlich von der Politik der 90er Jahre des vorigen Jahruhunderts ab: Materiell geht es in den Richtlinien nicht mehr um die Herstellung eines europäischen Bankrechtssystems, das möglichst viele der kulturellen Eigenschaften der Nationalstaaten beinhaltet. Vielmehr geht es im Wesentlichen um einen Abbau und eine Nivellierung solcher Unterschiede. Formell soll dies im sog. Lamfalussy-Verfahren erreicht werden. Die neue Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG (ebenso wie schon zuvor die Fernabsatzrichtlinie, die eine zentralistische Rechtsnivellierung einführte) behauptet in Ziff. 4 der Erwägungen: „(4) In einigen Fällen, in denen Mitgliedstaaten verschiedene zwingende Rechtsvorschriften erlassen haben, die strenger sind als die Bestimmungen der Richtlinie 87/102/EWG, führt die sich aus diesen nationalen Unterschieden ergebende Sach- und Rechtslage zum einen zu Verzerrungen im Wettbewerb der Kreditgeber in der Gemeinschaft und behindert den Binnenmarkt“, obwohl nachweislich gar kein grenzüberschreitender Verkauf von Krediten stattfindet. Diese Einebnung nationaler Verbraucherschutzkulturen erfolgt zudem noch teilweise in dem im zitierten Weißbuch beschriebenen, vor allem auf der vierten Stufe von den Finanzministerien bestellten EU-Expertengremium, das die Rechtssetzung „im Bank-, im Versicherungs- und Altersversorgungssektor sowie im Wertpapierbereich und auf die OGAW“ vornimmt und dabei (mit deren Zustimmung) die demokratisch legitimierten Organe wie Ministerrat und Parlament in die Rolle von Einspruchsorganen verweist. Dieses Verfahren geht weit über die nach Art. 80 GG in Deutschland denkbare Entparlamentarisierung der Gesetzgebung hinaus.
19
Dabei herrscht in Brüssel die Ansicht vor, Bankrecht sei eine vor allem technische Materie, die den Fachleuten anvertraut werden sollte. Hier gehe es nicht um politisch sensible Fragen der Sozial-, Bildungs- und Sicherheitspolitik, sondern um die optimale Organisation von Dienstleistungsangeboten. Diese Sichtweise muss angesichts der jüngsten Bankenkrise in der EU nur kurz nach der großen Wertpapierkrise um die Jahrtausendwende mit massiver Staatsintervention, verlorenen Steuergeldern und Vermögensverlusten der Anleger in Zweifel gezogen werden. Die Probleme des Banksektors berühren heute die private Altersvorsorge, die Finanzierung von Existenzgründung und Mittelstand, Über-
Reifner
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
2173
schuldung, Wohnungsversorgung durch Kredite und damit Sozialstaat und Arbeitsmarkt. Allein die technische Sprache des Geldsektors, die diese Richtlinien beherrscht, die längst die juristische Begrifflichkeit durch die Bezugnahme auf die Anglizismen betriebswirtschaftlicher Produktkategorien ersetzt haben, erzeugt einen unangebrachten Experteneffekt. Tatsächlich schafft auch das private EU-Bankrecht nicht mehr als das allgemeine Zivilrecht, indem es Verantwortlichkeiten verteilt, Risiken zuordnet und dafür zu sorgen hat, dass die mit der Inanspruchnahme von Finanzdienstleistungen verknüpften Zielsetzungen der Bankkunden im bereitgestellten Produkt eine Chance der Verwirklichung erhalten. Begriffe wie „fair finance“, „verantwortliche Kreditvergabe“ und Corporate Social Responsibility gewinnen daher auch in der öffentlichen Meinung und in der Bankregulierung an Bedeutung. Dem öffentlichen Unbehagen an einer rein technisch dargestellten Entwicklung zu einem globalisierten Bankmarkt, von dem die einzelnen nationalen Politiken zunehmend abhängiger werden, wird in Brüssel durch eine Betonung des Verbraucherschutzes in dieser Regulierung entgegengewirkt. b) Schon in dem Grünbuch zu „Finanzdienstleistungen und Verbraucherinteressen“ aus dem Jahr 1996 (C367 v. 4.12.1997, S. 50, ebenso „Finanzdienstleistungen: Abstecken eines Aktionsrahmens“, KOM(1998) 625 endg., v. 28.10.1998, S. 2/4) hat die Kommission dies mit Art. 153 EU-Vertrag für vereinbar erklärt. Der Verbraucherschutz werde „keineswegs als der Verwirklichung des Binnenmarktes unter- oder nachgeordnet angesehen. Beide Ziele sind gleich wichtig, ihre Umsetzung muss Hand in Hand erfolgen. Gäbe es keine Vorteile für die Verbraucher … könnte der Eindruck entstehen, der Binnenmarkt schlage einzig zum Nutzen der Anbieter von Gütern und Dienstleistungen aus.“
20
Nach dem zitierten Weißbuch (2005, S. 11) soll „in den nächsten fünf Jahren die bereits enge Zusammenarbeit mit anderen politischen Bereichen, wie insbesondere dem Wettbewerb (sektorspezifische Untersuchungen), der Verbraucherpolitik (Verbraucherschutz, Vertragsrecht) und der Steuerpolitik weiter ausgebaut werden.“ Im Grünbuch der Kommission zur „Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz“ (EU-Kommission 8.2.2007 KOM(2006) 744 endg., S. 7), der eine einheitliche Rechtsgrundlage für ein europäisches Vertragsrecht vorbereiten soll, wird das mangelnde Vertrauen der Verbraucher beklagt, die „Waren oder Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten kaufen bzw. in Anspruch nehmen, (dass) Unternehmer weniger Verbraucherschutzvorschriften einhalten müssen.“ „Übergeordnetes Ziel“ sei „die Verwirklichung eines echten Binnenmarktes für Verbraucher mit einem möglichst ausgewogenen Verhältnis zwischen einem hohem Verbraucherschutzniveau und wettbewerbsfähigen Unternehmen unter gleichzeitiger strenger Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips“ (S. 3). Sie sollten „gleich was sie, gleich wo in der EU kaufen, die gleichen grundlegenden Rechte besitzen.“ Im Grünbuch (S. 7) sollen aber ebenso wie bei der Schaffung einer Grundlage für ein Europäisches Vertragsgesetzbuch („Acquis“) die vielen Verbraucherschutzrichtlinien zu Finanzdienstleistungen ausgeklammert werden (siehe Aktionsplan KOM(2003) 68 endg., sowie Stellungnahme der Kommission ‚European Contract Law and the Revision of the Acquis: The Way Forward‘ (KOM(2004) 651 endg.) v. 11.10.2004; zur Bedeutung des Finanzdienstleistungsrechts aber gerade hierfür Reifner, 2007, S. 325 ff.; Soziale Dauerschuldverhältnisse, 2007, S. 1 ff.). Tatsächlich ist der überwiegende Teil der privatrechtlichen Bankrechtsrichtlinien aber explizit dem Verbraucherschutz gewidmet.
21
c) Seit Ende des vorigen Jahrhunderts hat sich die Regulierungspolitik auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft vom Verbraucherschutz als Motor und Legitimation euro-
22
Reifner
2174
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
päischer Einigung zum Verbraucherschutz als logischer Folge einer Marktvereinheitlichung verschoben. Zwar werden alle Richtlinien, die den Verbraucher betreffen vor allem in den Presseerklärungen auf nationaler wie auf EU-Ebene immer noch als Verbraucherschutzrichtlinien bezeichnet. Inhaltlich wird darin aber nicht mehr, wie noch idealtypisch in der Wertpapierdienstrichtlinie, der Kreditkartenempfehlung oder der ersten Verbraucherkreditrichtlinie, auf den Verbraucher und seine Probleme des Zusammenbringens von Bedürfnis und Angebot auf einem Markt abgestellt, sondern nur noch das Interesse der Verbraucher, möglichst billig an Finanzdienstleistungen zu kommen, in einem möglichst ungehinderten Wettbewerb aus Angeboten aller 27 EU-Staaten transparent und überlegt auswählen zu können, berücksichtigt. Dieses Informationsmodell, das Informationspflichten und Widerruf in den Mittelpunkt stellt und im Übrigen material ausgestalteten nationalen Verbraucherschutz in der Tradition des Wucherverbotes durch Totalharmonisierung zurückschneidet, hat auch die Begrifflichkeit allmählich vertauscht. Aus dem Verbraucherschutz ist der (pekuniäre) Verbrauchervorteil, aus dem Verbraucher der Kunde oder Nutzer und aus dem Interesse am bedürfnisgerechten Produkt das Interesse an freier Auswahl getreten. So verkündet bereits das Weißbuch Finanzdienstleistungen, dass mehr Marktfreiheit „wiederum zu einem hohen Maß an Finanzstabilität sowie an Vorteilen für die Verbraucher und des Verbraucherschutzes führen“ wird. Im Grünbuch zum „Verbraucherschutz“ dominieren die „Vorteile für die Verbraucher“. Im Aktionsprogramm für die Finanzdienstleistungen von 1998 („Finanzdienstleistungen: Abstecken eines Aktionsrahmens“ KOM(1998) 625 endg. v. 28.10.1998, S. 2/4) stehen die „Nutzer von Finanzdienstleistungen“ im Vordergrund. Es sollen die „Wahlfreiheit des Verbrauchers“ gestärkt und die „Beschränkungen für grenzüberschreitende Privatkundenfinanzgeschäfte“ aufgehoben werden. In dem Arbeitspapier „Finanzdienstleistungen: Das Vertrauen der Verbraucher stärken“ geht es um den Verbrauchervorteil durch mehr Binnenmarkt (KOM(97) 309 endg. v. 26.6.1997, S. 3). Das dann plötzlich der Begriff vom „echten Interesse“ (S. 4) der Verbraucher auftaucht, der das Interesse am Konsum selber bezeichnet, deutet an, dass auch sprachlich Verbraucherschutz und Verbrauchervorteil, Geld und Gebrauchsinteresse unterschieden werden können. Der „Verbraucherpolitische Aktionsplan 1999-2001 (KOM(1998) 696 endg. v. 1.12.1998) hatte noch „vordergründige Interessen als Verbraucher“ von der „längerfristig ausgerichteten Sorge um Umwelt und Gesellschaft“ getrennt. Davon ist in den neuen Plänen nicht mehr die Rede. Der Paradigmenwechsel spiegelt sich auch in den Richtlinien der EU zum Bankvertragsrecht wider. 23
4. Mindest- und Maximalharmonisierung im EU-Bankvertragsrecht. a) In Erwägungsgrund 4 der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG wird nunmehr behauptet, dass „zwingende Rechtsvorschriften, die strenger sind als die Bestimmungen der Richtlinie 87/ 102/EWG (und damit mehr Verbraucherschutz verankern U.R.), die sich aus diesen nationalen Unterschieden ergebende Sach- und Rechtslage zum einen zu Verzerrungen im Wettbewerb der Kreditgeber in der Gemeinschaft (führen) und den Binnenmarkt (behindern).“ Dies ist ein Paradigmenwechsel zum Vorrang des Verbraucherschutzes. Artikel 22 dieser Richtlinie bestimmt: „(1) Soweit diese Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält, dürfen die Mitgliedstaaten keine Bestimmungen in ihrem innerstaatlichen Recht aufrechterhalten oder einführen, die von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen.“ Demgegenüber hieß in Artikel 15 der abgelösten Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/ EWG: „Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht, in Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag weitergehende Vorschriften zum Schutz der Verbraucher aufrechtzuerhalten oder zu erlassen.“ Entsprechende Bestimmungen gibt es immer
Reifner
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
2175
noch in Artikel 14 der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG v. 20. 5.1997: „Die Mitgliedstaaten können in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem EG-Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen.“ Oder in Art. 8 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 93/13/EWG v. 5.4.1993: „Die Mitgliedstaaten können auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Vertrag vereinbare strengere Bestimmungen erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten.“ Im neueren Bankvertragsrecht werden die Richtlinien diesem „28. Regime“, wonach das EU-Bankrecht eine übergeordnete Alternative zum nationalen Bankrecht darstellt, angenähert. So hieß es schon in Ziff. 12 der Erwägungen zur Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher: „Gegensätzliche oder voneinander abweichende Verbraucherschutzbestimmungen der Mitgliedstaaten im Bereich Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher könnten negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt und den Wettbewerb der Unternehmen im Binnenmarkt zur Folge haben. Es ist daher geboten, auf Gemeinschaftsebene gemeinsame Regeln für diesen Bereich einzuführen, wobei am allgemeinen Verbraucherschutz in den Mitgliedstaaten keine Abstriche vorgenommen werden dürfen.“ Allerdings hat die Auseinandersetzung vor allem bei der Dienstleistungsrichtlinie zu einer erneuten Kurskorrektur geführt. Die Erwägungen (Ziff. 9) betonten, dass die Vollharmonisierung „nur in den Fällen gelten (solle), in denen Vorschriften durch diese Richtlinie harmonisiert werden. Soweit es keine solchen harmonisierten Vorschriften gibt, sollte es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben, innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen.“ Und weiter in Ziff. 10 „Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie sollte sich daher nur auf den durch diese Begriffsbestimmungen festgelegten Bereich erstrecken.“ Zudem dürfe die Richtlinie auf von ihr nicht geregelte Bereiche ausgedehnt werden. Im Einzelnen gibt es dann doch eine Vielzahl von Ausnahmen zugunsten nationalen Regelungsspielraums, etwa bei der Frage der Effektivzinsangabe bei der Kontoüberziehung (Art. 4 Abs. 2), bei Ausnahmen bzgl. notariell geschlossener Kreditverträge (Art. 14 Abs. 6), in der Ausübung der Rechte beim verbundenen Geschäft (Art. 15 Abs. 2), bei der Vorfälligkeitsentschädigung (Art. 15 Abs. 4), bei der Widerrufsfrist (Art. 14 Abs. 2), grundsätzlich bei Stundungskrediten (Art. 2 Abs. 6), bzgl. Microlending Organisationen (Art. 2 Abs. 5). Im Fernabsatz sind mehr Informationsrechte (Art. 4 RiLi 2002/65/EG), aber auch weniger Widerrufsrechte durch Ausnahme von Hypothekenkrediten (Art. 6 RiLi 2002/65/EG) möglich.
24
Ungeklärt ist die Frage, inwieweit mit diesen Richtlinien auch in das allgemeine Zivilrecht der Mitgliedstaaten eingegriffen werden darf, wenn z.B. in der Information und Beratung sowie bei der Produktqualifizierung Maximalharmonisierung herrscht, während die deutsche Rechtsprechung aus den §§ 138 Abs. 1, 241 und 242 oder 311 BGB Wucherverbote, Beratungspflichten und Rücksichtspflichten ableitet, die den Rahmen der EURichtlinien weit überschreiten, während beispielsweise englische Gerichte solche Regeln nicht kennen. Die Vereinheitlichung des EU-Bankrechts wird überschätzt, weil die Spielräume in den Richtlinien weiterhin groß sind und zudem bei sehr unterschiedlichen nationalen Bankkulturen dieselben Regeln zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen führen.Viele Artikel formulieren lediglich das zu erreichende Ziel (angemessene Beratung, Stellen, bei denen man sich beschweren kann, Entschädigung oder Schadensersatz, detaillierte Angaben etc.), nicht aber die Instrumente. Andere Vorschriften benutzen unbestimmte Rechtsbegriffe. Häufig verzichten die Richtlinien auch darauf, anzugeben, ob, soweit nicht die Ver-
25
Reifner
2176
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
tragsgestaltung direkt angesprochen ist, die Regelung im öffentlichen oder im Privatrecht zu erfolgen hat. Dies macht jedoch einen großen Unterschied in der Effektivität des Rechts. In England ist der Zugang der Verbraucher zu den Zivilgerichten sehr schwierig, während das Amt für fairen Wettbewerb (Office of Fair Trading) sehr gut funktioniert, während in Deutschland die öffentlich-rechtliche Aufsicht als Beschwerdeinstanz für Bankkunden versagt, während die Verbraucherverbände aus abgetretenem Recht vor den Zivilgerichten erfolgreicher sind. In Skandinavien wiederum ist der Weg über den staatlichen Verbraucherombuds effektiv. Was einheitlich aussieht muss daher nicht einheitlich wirken. 26
b) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs schwankt zwischen der Idee, dass die Herstellung eines möglichst durch nationale Gesetzgebung nicht beeinträchtigten freien Marktes grundsätzlich im Interesse der Verbraucher liege und damit nationale Besonderheit grundsätzlich dem Verdacht des Protektionismus ausgesetzt ist, und der Idee, dass ein hohes Verbraucherschutzniveau ein Garant für das Vertrauen der Verbraucher in die weitere Entwicklung des Europarechts sein dürfte. Im Bankrecht bedeutet dies, dass das Prinzip der Mindestharmonisierung, wie es die frühen bankrechtsbezogenen Richtlinien ganz und die späteren bzgl. einzelner Regelungen sowie die von den Richtlinien (noch) nicht geregelten Bereiche beherrscht, immer stärker dem Verdacht eines Wettbewerbshindernisses ausgesetzt ist. Nationaler Verbraucherschutz ergänzt danach nicht mehr die Kapitalverkehrsfreiheit, sondern beschränkt sie, so dass ähnlich wie in der Grundrechtsinterpretation zu den Schranken der Schranken mit einem Kerngehalt des Wettbewerbs argumentiert wird, den der Verbraucherschutz nicht angreifen darf. Andererseits verlagert der EuGH den Verbraucherschutz auf die Ebene des EU-Rechts und verlangt von den Mitgliedstaaten, dieses Niveau auf jeden Fall vor allem seinem Sinn nach zu erreichen. So hat der EuGH vor allem in den letzten Jahren einerseits die Freiheit der Banken im Gastland betont, zum anderen aber auch den Verbraucherschutz in den Richtlinien eng an deren Wortlaut angelehnt die Effektivität im Mitgliedstaat zu sichern versucht.
27
Er entwickelte zunächst das Prinzip der Mindestharmonisierung aus dem Vorrang des nationalen ordre public. In Cassis-de-Dijon (v. 20.2.1979 Rs. 120/78, Slg. 1979, 649; ebenso Oosthoek’s Uitgeversmaatschappij 286/81 (1982) ECR 4575) wurde dem nationalen Verbraucherschutz der Status einer gerechtfertigten Einschränkung der Grundfreiheiten des EWG-Vertrages zuerkannt, „soweit die Vorschriften notwendig für die Verteidigung der Verbraucher sind“! In Keck (EuGH EuZW 1993, 770), GB-Inno-BM (Slg. 1990, I-667), Yves Rocher (GRUR 1993, S. 747) und Clinique (Slg. 1994, I-317 = EuZW 1994, 148) sowie auch ansatzweise in den Urteilen zur Deregulierung des deutschen Versicherungsaufsichtsrechts (Slg. 1986, 3755; vgl. auch „Reinheitsgebot“ Slg. 1987, 1227) nationales Recht für unvereinbar mit dem EWG-Vertrag erklärt, obwohl seine Verfechter als Ziel der Regelung den Verbraucherschutz angaben. Die Frage, die der EuGH deshalb zu entscheiden hatte, war nicht, ob der nationale Verbraucherschutz ein Grund sein kann, das Recht auf freien Waren- und Dienstleistungsverkehr zu begrenzen, sondern die Frage, ob solche Gesetze das Gütesiegel „Verbraucherschutz“ verdienen, oder ob sie allein diesen Begriff dazu missbrauchen, Wettbewerb zu verhindern.
28
In seiner Entscheidung (WM 2001, 2434) zur Haustürwiderrufsrichtlinie interpretiert der EuGH das Prinzip der Minimalharmonisierung in Art. 8 der Richtlinie so, dass die Richtlinie den nationalen Gesetzgeber nicht daran hindert, weiterhin solche Verbraucherschutzvorschriften für diesen Bereich aufrecht zu erhalten oder neu zu schaffen, die noch verbraucherfreundlicher sind als die Richtlinie selber. In gleicher Intention interpretiert der
Reifner
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
2177
Gerichtshof dort Art. 15 der noch bestehenden Verbraucherkreditrichtlinie. Allerdings sieht er in ihnen Ausnahmeprinzipien zu den Marktfreiheiten, die einschränkend interpretiert werden müssen. In der Entscheidung zur Haustürbürgschaft (NJW 2000, 1323) schließt er den Bürgen vom Schutzbereich aus, überlässt es aber dem nationalen Gesetzgeber, anders zu entscheiden. Bei der Beschäftigung mit Bankensicherungssystemen für Investoren hat der EuGH dagegen entschieden, dass die Richtlinie den Schutz des niederländischen Bankensicherheitssystem vermindern durfte, weil „der Verbraucherschutz nur ein Ziel der Gemeinschaft ist und in der Tat nicht das einzige. Weil die Richtlinie versucht, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit im Bankensektor zu fördern, was ohne Zweifel einen höheren Verbraucherschutz bewirkt, fordert der Vertrag nicht, immer den höchst möglichen Verbraucherschutz für alle Mitgliedsstaaten auszuwählen“ (Slg. 1997, I-2405). Das Gericht verbot der holländischen Regierung somit nicht, höhere Anforderungen an die Sicherheit ihrer Banken zu stellen und verfolgte damit nicht das Prinzip der Maximalharmonisierung. Es gebot aber umgekehrt der EU auch nicht, allein oberhalb des hohen holländischen Schutzniveaus zu regulieren. In der Alpine Investment BV Entscheidung des EuGH (Slg. 1995, 1-1141) wird im Hinblick auf die Zulassung zum Bond Markt in den Niederlanden ähnlich argumentiert. Nationale Gesetze, die sich auf Fragen des Verbraucherrechts oder den Schutz des Finanzdienstleistungssektors in den Niederlanden beziehen, dürften grundsätzlich Art. 59 und seiner Dienstleistungsfreiheit widersprechen. Das Verbot von bestimmten Marketingmethoden für Investmentgesellschaften in den Niederlanden kann wichtiger sein als ihre Fähigkeit zur grenzüberschreitenden Aktivität. Auch in der Perealta Entscheidung (Slg. 1994, I-3453) wird festgestellt, dass kein Verstoß gegen Art. 59 als solchen vorliegt, wenn ein Staat strengere Regeln unterhält als ein anderer Staat für ähnliche Dienstleistungen. Auch in der Entscheidungsserie gegenüber Deutschland zum Widerruf in den sog. Schrottimmobilienfällen (zuletzt Schulte, EuGH NJW 2005, 3551; grundlegend Heininger EuGH WM 2002, 2434, und darauf Bezug nehmend EuGH WM 2008, 109; NJW 2005, 3551; NJW 2005, 3555) wird immer wieder betont, dass die Richtlinien weitergehendes nationales Verbraucherschutzrecht etwa beim Widerruf von Kapitalanlagen und Krediten erlauben. Umgekehrt wird aber betont, dass der nationale Gesetzgeber nicht nur den Wortlaut, sondern auch den Sinn der EU-Richtlinien im Bankrecht einzuhalten habe. So heißt es in der Heininger Entscheidung (Ziff. 34) belehrend: „Der Schutz, der dem Verbraucher gewährt wird, der einen solchen Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden geschlossen hat, wird aber nicht dadurch entbehrlicher, dass der Kreditvertrag durch ein Grundpfandrecht abgesichert wird.“
29
III. Inhalt des EU-Bankrechts. 1. Da die aufgeführten EU-Bankvertragsrechtsrichtlinien vollständig in nationales Recht umgesetzt werden, dieses Recht jedoch in den Richtlinien nicht abschließend geregelt ist, macht es wenig Sinn, das EU-Recht gesondert vom nationalen Recht darzustellen. Man wird hier weitgehend nur aus der nationalen Gesetzgebung Bekanntes wiederfinden. Zudem muss bezweifelt werden, dass es eine kohärente EU-Rechtssetzung gibt. Das EU-Recht wird äußerst pragmatisch und politisch entwickelt. Eine dogmatische Struktur lässt sich kaum erkennen. Als Topoi, an denen sich das EU-Bankrecht orientiert, erscheinen die Kapitalverkehrsfreiheit, die Rechtsvereinheitlichung und der Verbraucherschutz. Allein diese Prinzipien sind, wie am Beispiel des Verbraucherschutzes gezeigt wurde, in sich heterogen und je nach Anwendungsbereich unterschiedlich interpretiert. Daher ähneln die Bankrechtsrichtlinien auch eher der amerikanischen als der kontinentaleuropäischen Rechtssetzung. Die Richtlinien enthalten in einem ersten Teil umfangreiche „Erwägungsgründe“, die wie in der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG nunmehr auch als Ziel in Art. 1 Eingang
30
Reifner
2178
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
finden. Sie gleichen daher Verträgen zwischen Staaten und nicht der Gesetzgebung. Die Rechtsqualität dieser Erwägungsgründe ist angesichts der Nutzung dieser Richtlinien wie Gesetze unklar. Nach deutschem Zivilrechtsverständnis spielen die vom Gesetzgeber verfolgten historischen Ziele nur insoweit eine Rolle, als sie sich im Wortlaut der formal formulierten Rechtsvorschriften selber wiederfinden lassen. Dass nunmehr die „Motive“ des Gesetzes selber im Gesetz aufgeführt werden, ohne dass der direkte Zusammenhang mit den Vorschriften selber hergestellt ist, deutet auf eine neue Rechtsauffassung hin, in der die teleologische Interpretation zur dominierenden Interpretationsmethode wird. Soll, wo beispielsweise bei der Effektivzinsangabe oder beim Kreditverkauf Ziele und Regelung nicht übereinstimmen, der Wortlaut der Regelung auch contra legem entsprechend dem Ziel ausgelegt werden? Es spricht vieles dafür, dass die EU zu solchen methodischen Veränderungen keinen Auftrag hat und daher die umfangreichen Erläuterungen sich allein an den nationalen Gesetzgeber zum besseren Verständnis wenden, nicht jedoch für die Interpretation des Wortlauts durch die Gerichte entscheidend sind. Etwas anderes dürfte aber für die Vorschriften selber gelten, die in hohem Maße statt der Mittel, wie es für das formale an Rechtssicherheit orientierte Rechtsverständnis im Zivilrecht üblich ist, die Ziele formulieren und häufig mit dem Satz beginnen „Die Mitgliedstaaten stellen sicher …“ 31
Im ersten Teil der Richtlinien findet sich dann wie im common law ein umfangreicher Definitionskatalog, wobei alle Rechtsbegriffe detailliert definiert werden. Dabei ist es nicht selten, dass die Begrifflichkeit von Richtlinie zu Richtlinie in ihrem Bedeutungshorizont schwankt und etwa der Verbraucherbegriff ebenso wie die Maximal- oder Minimalharmonisierung sehr unterschiedliche Definitionen erfahren. Damit stellt das EU-Recht sicher, dass durch die Integration dieser Vorschriften in nationale Rechtskulturen nicht sehr unterschiedliche Regelungsbereiche entstehen. Andererseits liegt in den jeweiligen nationalen Begrifflichkeiten aber auch ein historisches Verständnis von Gleichheit und Gerechtigkeit, das damit verloren geht, und es droht ein Partikularismus der Rechtsgebiete. Weiter enthalten die Richtlinien eine umfangreiche Definition von Anbietern und Produkten, die mit dem Ziel, den Anwendungsbereich der Richtlinie zu klären, damit implizit aber auch europaweit definiert und standardisiert werden. Produkte, die in diese Schemata nicht passen, werden es schwer haben, sich auf dem Markt zu behaupten. Umgekehrt werden Märkte, in denen eine in der Richtlinie vorgenommene Produktdifferenzierung nicht herrscht, zu einer solchen Differenzierung gezwungen. Die eigentlichen zivilrechtlichen Regelungen in den Richtlinien beschränken sich im Wesentlichen auf das Informationsmodell. Da Bankdienstleistungen im Wesentlichen durch Informationen zugänglich werden, standardisieren die Richtlinien die als notwendig erachteten Informationen und versehen sie zunehmend (Haustürsituation, Fernabsatz, Konsumentenkredit) mit einem Widerrufsrecht, das eine Überlegungsfrist ermöglichen soll. Für diese Informationspflichten werden wiederum implizit Abläufe standardisiert wie etwa die Berechnungsart von Zinsen oder der Überweisungsverkehr.
32
Das Informationsmodell wird durch ein Haftungsmodell ergänzt, wonach vor allem im Zahlungsverkehr und bei der Kapitalanlage einheitliche Bestimmungen zu einer verursachungsgerechten Haftung herrschen sollen. Daneben enthalten die Richtlinien in aller Regel ein Institutionenrecht, wonach die Mitgliedstaaten Einrichtungen vorhalten und gründen sollen, die bestimmte Funktionen wie Aufsicht, Zulassung, Überwachung, aber auch Beschwerdemanagement oder Auskunft für Banken etwa über die Kreditwürdigkeit erfüllen sollen.
33
Den Abschluss der Richtlinien bildet regelmäßig ein Umgehungsverbot, das die Effektivität der Vorschriften gegenüber der im Rahmen der Vertragsfreiheit möglichen dero-
Reifner
§ 72 Europäisches Bankvertragsrecht – Grundlagen
2179
gierenden Rechtsformwahl enthält. An sich ist eine solche Vorschrift, die eine „Umgehung durch die Wahl rechtlicher Gestaltungen“ verbietet, angesichts der ohnehin unformalen ökonomischen Rechtssprache überflüssig. Begriffe des EU-Bankrechts wie Kredit, Konsum, Konto, Zahlungsverkehr etc. unterscheiden sich von Begriffen des deutschen Privatrechts wie Darlehen, Kaufmann oder Geschäftsbesorgung bereits dadurch, dass nicht der Prozess rechtlich formal beschrieben wird, in dem diese ökonomische Funktion sich üblicherweise umsetzt (z.B. Hingabe und Belassung von Geld, Entgeltlichkeit, Rückzahlung beim Darlehen), sondern dass der Zweck einer Transaktion angegeben wird (Kredit: Bereitstellung von Kaufkraft zur Erzielung von Erträgen; örtliche Verlagerung von Kaufkraft beim Zahlungsverkehr). Insoweit erfordert schon der Richtlinientext eine teleologische Sichtweise. Die Umgehungsartikel betonen aber noch mehr, dass die Vertragsfreiheit im Bereich des Verbraucherschutzes auch in formaler Hinsicht eingeschränkt sein soll. Bei der Übernahme in nationales Recht hat die Schuldrechtsreform vieles von dem wieder rückgängig gemacht, was in der vorschnellen Rezeption der Richtlinien im nationalen Recht bereits an Ökonomisierung passiert war. Während die Ökonomisierung der Rechtssprache der Effektivität des Verbraucherschutzes zum Schutze der Schwächeren dient, bedroht sie zugleich auch deren Rechtssicherheit. Man wird daher mit großer Vorsicht dafür Sorge tragen müssen, dass das deutsche Bankvertragsrecht nicht dort ökonomisiert wird, wo es um die damit effektiver durchsetzbaren Interessen der ökonomisch Stärkeren geht, während umgekehrt die teleologische Interpretation beim Verbraucher sogar dazu führt, dass formale Schutzpositionen nicht unter Berufung darauf, ein Schutz sei hier nicht zweckdienlich, verwehrt werden. Den Abschluss der Richtlinien bilden die Umsetzungsfristen, Übergangsvorschriften und das Verhältnis zu anderen Richtlinien. Eine Abstimmung ist hier noch keineswegs gelungen. Da bei Änderungsrichtlinien keine konsolidierten neuen Richtlinien erlassen werden, ist das EU-Richtlinienrecht zudem äußerst unübersichtlich, weil neben der Urfassung auch in ganz anderen Richtlinien versteckt Änderungen dieser Fassung rechtskräftig geworden sein können. Diese Konsolidierungsaufgabe wäre zumindest eine Aufgabe der Rechtsverlage, wenn schon die EU sie selber nur ausnahmsweise leistet. Bisher wird die Umsetzung im Wesentlichen von der EU-Kommission selber überwacht. Die nationalen Gerichte nehmen nur sehr zögerlich Kenntnis davon, dass es nach dem EUVertrag ihre Aufgabe ist, die Übereinstimmung nationaler Gesetze mit den Richtlinien zu überprüfen. Richtlinien werden bisher nur ausnahmsweise zitiert und ganz selten direkt herangezogen. In Deutschland waren es erst die sog. Schrottimmobilienfälle, die ein Bewusstsein dafür geschaffen haben, dass es noch Richter und Richtlinien außerhalb Deutschlands gibt, die unmittelbar für die Rechtslage entscheidend sind. Erst wenn es zu den Richtlinien auch den deutschen Kommentaren vergleichbare Werke gibt, die international gepflegt und mit der Rechtsprechung der nationalen Gerichte sowie des EuGH gefüllt werden, dürfte sich eine europäische Bankrechtsdiskussion herausbilden. Bisher konzentriert sich die Wissenschaft eher darauf, festzustellen, was in Brüssel entsteht bzw. besser nicht entstehen sollte und was es für die erst noch zu schaffende deutsche Rechtslage bedeuten wird.
34
2. Für die Rechtslage im europäischen Bankrecht nicht unerheblich dürfte auch die Zunahme von informellem Recht sein. Mit Verhaltenskodices der Banken selber (Schmies, ZBB 2003, 277 ff.) sowie einer Vielzahl von „Prinzipien“ (European Coalition for Responsible Credit (ECRC) 2008), die wie die „Prinzipien verantwortungsvoller Kreditver-
35
Reifner
2180
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
gabe“ oder die Exxon-Valdes-Prinzipien von außen an die Banken herangetragen werden und die bereits aus der Diskussion um DIN-Normen im Bereich der Finanzdienstleistungen bekannt sind, verschwindet die Grenze zwischen hard und soft law auch in Europa. Auch die EU hat mit dem Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber vom 5. März 2001 dieser Form besondere Aufmerksamkeit geschenkt und der Selbstbindungsvereinbarung der Verbände in einer entsprechenden Empfehlung (2001/193/EC v. 5.3.2001) den Status eines offiziellen EU-Dokumentes gegeben. Allerdings zeigt die Praxis, dass das Bankrecht von diesen Regulierungen noch sehr wenig Notiz nimmt (dazu die iff Studie für die Kommisson http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/home-loans/ home-loans-final-report_en.pdf) und damit die Frage, inwieweit in Zukunft solche Regelungen etwa über die Generalklauseln oder explizit durch die Richtliniengeber Relevanz erhalten und sanktioniert und damit effektiviert werden, noch offen ist.
Reifner
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2181
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
Schrifttum Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht, 2005; Die Auswirkungen der Basel II-Umsetzung auf die aufsichtsrechtlichen Eingriffskompetenzen nach dem Kreditwesengesetz, WM 2006, 2114; Cranston/Hadjiemmanuil, Banking Integration in the European Community: The European Commission’s Unfinished Agenda, in: Norton/Andrews/Footer (Hrsg.), The Changing World of International Law in the Twenty-First Century (1998), S. 341; Dale, Regulation investment business in the Single Market, Bank of England Quarterly Bulletin 1994, S. 333; Dassesse, The European Commission's Interpretative Communication on Freedom to Provide Services and the General Good under the Second Banking Directive, (1997) Yearbook of International and Financial and Economic Law, S. 45; Dassesse/Isaacs/Penn, EC Banking Law, 2. Aufl., London 1994; Hadjiemmanuil, Financial Reporting and Auditing in the Regulated Sector, J.I.B.L 1996, 103; Banking Regulation and the Bank of England, 1996; Heinrich, Die EG-Richtlinie 2002/87/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten, ZBB 2003, 230; Hirte, Europäisches Bankrecht, RWS-Dokumentation 22, 2000, Bd. I; Hirte/Heinrich, Principles and Technical Instruments for Prudential Regulation, in: Alpa/Capriglione (Hrsg.), Diritto Bancario Comunitario, 2002, S. 457 ff.; Entwicklungen im Europäischen Bankrecht, ZBB 2001, 338; Hoger, Bankenaufsicht in der EU im Wandel – Bemerkungen zur Reform des aufsichtsrechtlichen Genehmigungsverfahrens bei Fusionen im Bankensektor, WM 2007, 1053; Horn, The Monetary Union and the Internal Market for Banking and Investment Services, EBLR 1999, 150; Entwicklungslinien des Europäischen Bank- und Finanzdienstleistungsrechts, ZBB 1994, 130; Bankrecht auf dem Weg nach Europa, ZBB 1989, 107; Jörgens, Die koordinierte Aufsicht über europaweit tätige Bankengruppen, 2002; Katz, The Second Banking Directive, 12 Yearbook of European Law, S. 249 (1992); Keller, Die Wertpapiersicherheit im Gemeinschaftsrecht, BKR 2002, 347; Köndgen, Regulation of Banking Services in the European Union: A Comparative View, in: Basedow/Baum/Hopt/Kanda/Kono (Hrsg.), Economic Regulation of Competition, 2002, S. 27; Löber, Der Entwurf einer Richtlinie für Finanzsicherheiten, BKR 2001, 118; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl., 1996; Mülbert, Bankenaufsicht und Corporate Governance – Neue Organisationsanforderungen im Finanzdienstleistungsbereich, BKR 2006, 349; Nielsen, The Recent Updating of EU Financial Market Legislation, EBLR 1998, 307; Norton, Devising International Supervisory Standards, 1995; Sethe, Einlagensicherung und Anlegerentschädigung nach europäischem und deutschem Recht, ZBB 1998, 305; Szegö, The CAD and Competitive Distortion, in: Ferrarini (Hrsg.), Prudential Regulation of Banks and Securities Firms, 1995, S. 63; Walker, Consolidated Supervision, (1996) 11 Butterworths J. of Int. Banking and Fin. L., Teil 1, S. 74, Teil 2, S. 131; Wimmer, Die Richtlinien 2000/17/EG und 2000/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, ZInsO 2002, 897; Zavos, Banking Integration and 1992: legal issues and policy implications, 31 Harv. Int. Law J. 463 (1990). Inhaltsübersicht A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Ausgangspunkte der Harmonisierung im europäischen Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Rechtsgrundlagen und Instrumente der Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Strukturelle Änderungen der Kapitalmärkte und ihr Einfluss auf das europäische Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Entwicklungen auf internationaler Ebene . . 9 C. Einzelne Koordinierungsschritte . . . . . . . . . . . 13 I. Anfänge bankrechtlicher Koordinierung auf Gemeinschaftsebene . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Zwischenschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Neuanfang und Durchbruch . . . . . . . . . . . . 21 1. Die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie und die Harmonisierung der Eigenmittel- und Solvabilitätsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Weitere Initiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
IV. Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . V. Systeme der Einlagensicherung . . . . . . . . . VI. Nachfolgende bank- und wertpapieraufsichtsrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . 1. BCCI-Folgerichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bankaufsichtsrechtliches Änderungspaket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten . . . 5. Richtlinie über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten . . . . . . . . . . . . . . D. Umsetzung von „Basel II“ durch die Eigenmittelrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Bewertung der bisherigen Regelungsmaßnahmen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . .
Hirte/Heinrich
35 41 44 45 46 50 51 53 54 55
2182
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Stichwortverzeichnis Aktionsplan für Finanzdienstleistungen . . . . . . . . Bankbilanzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bankzweigniederlassungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht . . . . . . . . . – Baseler Eigenkapitalakkord . . . . . . . . . . . . . . . . – Baseler Konkordat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Basel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BCCI-Folgerichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenmittelrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einlagensicherungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . Erste Bankrechtskoordinierungsrichtlinie . . . . . . . Erste Konsolidierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . .
1
54 19 31 10 11 11 55 45 29 41 14 18
Europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzkonglomeraterichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . Großkreditrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitaladäquanzrichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niederlassungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip der Herkunftslandkontrolle . . . . . . . . . . . . Solvabilitätsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weißbuch der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertpapierdienstleistungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie . . . . . Zweite Konsolidierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . .
24 53 34 37 13 23 30 21 36 22 33
A. Überblick Die Entwicklungen auf dem Gebiet des Europäischen Bankrechts seit Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhundert haben zu einer weitreichenden Harmonisierung der Regelungsmaterie und einer Koordinierung der Aufsichtstätigkeit europäischer Bankaufsichtsbehörden geführt. Der nachfolgende Abschnitt zeichnet die Entwicklungslinien dieses Prozesses für den Bereich des Europäischen Bankaufsichtsrechts nach. Der Begriff des Bankaufsichtsrechts meint hier das „öffentliche“ Bankrecht in Gestalt der materiellen Aufsichtsregeln über den Marktzugang der Kreditinstitute, deren Kapitalausstattung und die Risikobewertung ihrer Anlagen.
2
Regulatorischer Ausgangspunkt für eine Standortbestimmung des europäischen Bankaufsichtsrecht ist heute die Bankenrichtlinie 2006/48/EG, mit der zahlreiche in den vergangenen Jahren erlassene Richtlinien zusammengefasst wurden (Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. Nr. L 177/1 (Neufassung)). In den Erwägungsgründen der Richtlinie werden folgende Ziele aufgeführt, die sich in der Vergangenheit als Leitprinzipien des europäischen Bankaufsichtsrechts herausgebildet haben: Vollendung des Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen (Erwägungsgrund 4), Erleichterung der Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (2), Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen (5 und 9), Erleichterung der Errichtung grenzüberschreitender Filialnetze (14 und 19), Schutz der Kreditinstitutskunden (5 und 51) sowie Sicherung der Stabilität des Finanzsystems (51).
3
B. Ausgangspunkte der Harmonisierung im europäischen Bankrecht I. Rechtsgrundlagen und Instrumente der Rechtsangleichung. Als Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft nennt der EG-Vertrag an erster Stelle die Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes (Art. 2 EGV). Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Ziels ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Banken- und Finanzmarktes. Die Errichtung des gemeinsamen Binnenmarktes erfolgt im Wege der Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit eine solche für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist (Art. 3 I lit. h) EGV). Vehikel für die Initiierung und Fortführung dieses Prozesses im Bereich des Europäischen Bankrechts ist bislang vorwiegend das Instrument der EG-Richtlinie gewesen, die der Rat mit qualifizierter Mehrheit erlässt (Art. 95 EGV). Die Rechtsetzung vollzieht sich dabei nach dem in Art. 251 EGV niedergelegten Verfahren. Nach einem Vorschlag der Kommission, in einem bestimmten Bereich aktiv zu werden und Richtlinien zu entwerfen, entscheiden der Ministerrat und das Europäische Parlament über den Vorschlag der Kommission im Wege
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2183
des Mitentscheidungsverfahrens. Ministerrat und Parlament müssen über den Vorschlag der Kommission eine Einigung erzielen. Zu diesem Vorschlag erarbeiten Ministerrat und Parlament eine Stellungnahme, über die zunächst das Parlament in einer Lesung entscheidet. Der Rat beschließt seine Stellungnahme sodann als „gemeinsame Stellungnahme“ der Mitgliedstaaten, die mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen ist. Die gemeinsame Stellungnahme des Rates geht daraufhin dem Europäischen Parlament zu, das sie in einer zweiten Lesung endgültig annehmen, ablehnen oder ändern kann. Kommt es innerhalb bestimmter Fristen nicht zu einer Übereinstimmung zwischen Rat und Parlament, so ist ein von beiden Seiten bestellter Vermittlungsausschuss anzurufen. Wird hierbei keine Einigung erzielt, so gilt der Vorschlag als gescheitert. Im Vorfeld der Richtliniensetzung werden oftmals unverbindliche Empfehlungen an die Mitgliedstaaten gemäß Art. 249 V EGV ausgesprochen. Die auf Gemeinschaftsebene erlassenen Richtlinien sind für die Mitgliedstaaten nur hinsichtlich der zu erreichenden Ziele verbindlich. Den Mitgliedstaaten bleibt bei der Umsetzung in nationales Recht durch die Wahl der Formen und Mittel hinreichender Spielraum für flexible Lösungen, die den Stil der jeweiligen Rechtsordnung respektieren (Art. 249 III EGV). Nationales Recht, das durch EG-Richtlinien angeglichen wurde, ist richtlinienkonform, d.h. unter Beachtung der erkennbaren Ziele der Richtlinie auszulegen (vgl. hierzu auch in diesem Band Ohler, § 76 Rn. 10 ff.).
4
Das 2001 in dem Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Europäischen Wertpapiermärkte (sog. Lamfalussy-Bericht, abrufbar unter http://ec. europa.eu/index_de.htm → Von A bis Z → Binnenmarkt → Index → Lamfalussy) ursprünglich für den Wertpapiersektor entwickelte Lamfalussy-Verfahren findet nach der Richtlinie 2005/1/EG (RL 2005/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.3.2005 zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 85/611/EWG, 91/675/EWG, 92/49/ EWG und 93/6/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/19/EG, 98/78/EG, 2000/12/EG, 2001/34/EG, 2002/83/EG und 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich, ABl. L 79 vom 24.3.2005) auf den gesamten Finanzdienstleistungsbereich Anwendung und schließt damit auch Bankdienstleistungen ein.
5
Ziel des Lamfalussy-Verfahrens ist es, das Rechtsetzungsverfahren zu beschleunigen, seine Transparenz zu erhöhen und seine Qualität durch Einbeziehung externen Sachverstands zu steigern. Das Verfahren ist in vier Stufen unterteilt. Auf dem Gebiet des europäischen Bankrechts gestaltet sich das Verfahren wie folgt: Auf der 1. Stufe wird nach dem üblichen Rechtsetzungsverfahren, hier also nach dem Mitentscheidungsverfahren gem. Art. 251 EGV, ein sog. Basisrechtsakt erlassen, in dem die politischen Grundentscheidungen und Art und Umfang der auf der 2. Stufe zu erlassenden Durchführungsbestimmungen festgelegt werden. Auf der 2. Stufe wird ein sog. Komitologieverfahren durchgeführt. Die Kommission erarbeitet unter Mitwirkung von vier Fachausschüssen, die mit hochrangigen Vertretern der Mitgliedstaaten besetzt sind, die delegierten „technischen“ und detaillierten Durchführungsbestimmungen. Bei den Fachausschüssen handelt es sich um den Europäischen Bankenausschuss (European Banking Committee – EBC; zu dessen Vorgängern siehe unten Rn. 16), den Finanzkonglomerateausschuss (European Financial Conglomerates Committee – EFCC) für Fragen der Beaufsichtigung sektorübergreifender Konzerne, den Europäischen Ausschuss für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Committee – EIOPC) und den Europäischen Wertpapierausschuss (European Securities Committee – ESC; zum
Hirte/Heinrich
2184
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Komitologieverfahren auf dem Gebiet des europäischen Kapitalmarktrechts KölnKommWpHG-Hirte/Heinrich, Einl. Rn. 49 ff.). Auf der 3. Stufe soll durch intensivere Zusammenarbeit und Vernetzung der EU-Wertpapierregulierungsbehörden eine kohärente Umsetzung der auf Stufe 1 und 2 erlassenen Regelungen gewährleistet werden. Dies zu gewährleisten ist insbesondere Aufgabe des Ausschusses der europäischen Bankaufsichtsbehörden (Committee of European Banking Supervisors – CEBS), der aus hochrangigen Vertretern der nationalen Bankaufsichtsbehörden und Notenbanken der EU sowie der EZB besteht. Auf der 4. Stufe soll eine nachdrücklichere Durchsetzung der Vorschriften insbesondere durch ein energischeres Vorgehen der Europäischen Kommission bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts stattfinden, unterstützt durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, ihren Regulierungsbehörden und der Privatwirtschaft. 6
Die Koordinierung des europäischen Bankrechts beruft sich vor allem auf die im EG-Vertrag niedergelegte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 43 ff., 49 ff. EGV; vgl. hierzu näher in diesem Band Ohler, § 76 Rn. 5 ff.). Hiernach ist die Gemeinschaft zur Koordinierung aller für eine Erleichterung der Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten einschlägigen Rechtsvorschriften ermächtigt (Art. 47 EGV). Die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit gelten gemäß Art. 55 EGV für das Kapitel „Dienstleistungen“ (Art. 49 ff. EGV) entsprechend. Als für die Ausübung der Geschäftstätigkeit der Kreditinstitute wesentliche Niederlassungsform gilt dabei der Aufbau eines europaweiten Filialnetzes, gestützt auf die Errichtung von Zweigniederlassungen. Als weitere Niederlassungsformen kommen Tochtergesellschaften, Repräsentanzen und Vertreter in Betracht. Wesentliches Hindernis für die Umsetzung dieser Grundfreiheiten war die bis Ende 1993 die fehlende Implementierung der für die grenzüberschreitende Erbringung von Bankdienstleistungen unerlässlichen Kapitalverkehrsfreiheit (vgl. hierzu den durch den Vertrag von Maastricht geänderten Art. 56 EGV, wonach Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs weitgehend unzulässig sind. Mittelbare Beschränkungen ergeben sich darüber hinaus aus weiterhin zulässigen Vorbehalten im Steuerrecht der Mitgliedstaaten (Art. 58 I EGV) sowie aus verschiedenen Meldepflichten und Schutzklauseln gegenüber Drittländern (vgl. hierzu Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg, § 135 Rn. 34 ff., 40).
7
II. Strukturelle Änderungen der Kapitalmärkte und ihr Einfluss auf das europäische Bankrecht. Die europäischen Finanzmärkte sind seit Beginn der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts einem grundlegenden strukturellen Wandel unterworfen. Nicht nur die zunehmende Konvergenz des Regelungsumfeldes, sondern auch der fortschreitende technologische Fortschritt und die Globalisierung der Finanzmärkte haben ihren Beitrag hierzu geleistet. Der Begriff der Globalisierung umfasst drei in diesem Zusammenhang interessierende Aspekte: (a) die grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen an Einzelpersonen im In- oder Ausland, (b) die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen auf ausländischen Finanzmärkten durch Niederlassungen und Tochtergesellschaften international und branchenübergreifend agierender Finanzinstitute, (c) Finanztransaktionen zwischen Banken- und Finanzunternehmen mit grenzüberschreitenden Ausfallrisiken. Weitere Katalysatoren der Entstehung weitreichender struktureller Änderungen auf europäischer Ebene waren der schrittweise Abbau von Kapitalverkehrsbeschränkungen innerhalb der Gemeinschaft und die Einführung der Europäischen Währungsunion.
8
Die Entwicklungen stellen den europäischen Gesetzgeber vor neue Herausforderungen. Durch die zunehmende Integration der Finanzmärkte sind die Kreditinstitute verschärften
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2185
Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt. Dies kommt nicht zuletzt in der wachsenden Konzentration im Bankensektor und der Schaffung von paneuropäisch und branchenübergreifend organisierten Finanzinstituten zum Ausdruck. Neben den Koordinierungsmaßnahmen im Bereich des Bankrechts spielen für den inzwischen überwiegenden Teil der Kreditinstitute daher insbesondere die verschiedenen Regelungen und Regelungsinitiativen auf dem Gebiet des Wertpapieraufsichtsrechts eine zunehmend wichtige Rolle. III. Entwicklungen auf internationaler Ebene. Neben den geschilderten integrationsbezogenen Zielen hat sich auf europäischer und internationaler Ebene früh die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Entstehen internationaler Finanzmärkte, die zunehmende Verzahnung der Bankenindustrien durch liquide Interbankenmärkte und die nachhaltigen internationalen Implikationen verschiedener Bankenkrisen eine verstärkte internationale Zusammenarbeit bei der Aufsicht von Kreditinstituten und eine Koordinierung des Bankrechts auf internationaler Ebene unumgänglich machen.
9
Diese Entwicklungen haben zu Beginn der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts zur Einberufung des so genannten 10er-Clubs, bestehend aus Vertretern der Bankaufsichtsbehörden und Zentralbanken der wichtigsten Industrienationen, und deren fortlaufender Zusammenarbeit im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht geführt (vgl. Norton, Devising International Standards, S. 163 ff., 186-190; Hadjiemmanuil, Banking Regulation, S. 55 ff.). Der Baseler Ausschuss ist ein informeller Zusammenschluss von Bankaufsichtsbehörden, der 1975 von den Notenbankgouverneuren der „Zehnergruppe“ gegründet wurde. Zweck des Ausschusses ist eine Verbesserung und Harmonisierung des bankaufsichtsrechtlichen Instrumentariums der westlichen Industrienationen. Die grundsätzlich einstimmig gefassten Beschlüsse des Ausschusses sind für die Teilnehmerstaaten nicht bindend (soft law). Der Ausschuss tritt seit seiner erstmaligen Einberufung infolge der Krise des Kölner Bankhauses I. D. Herstatt 1974 regelmäßig drei bis vier Mal im Jahr bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel zusammen.
10
Zu den Empfehlungen des Baseler Ausschusses, die die Gestalt des europäischen Bankaufsichtsrechts wesentlich geprägt haben, gehört zunächst das sog. Baseler Konkordat (vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Principles for the Supervision of Bank’s Foreign Establishments, Juli 1992, sowie die unter demselben Titel vorangehenden Fassungen aus den Jahren 1975 und 1983), mit dem die Eckpunkte einer Kooperation der nationalen Aufsichtsbehörden bei der Beaufsichtigung international tätiger Banken gesetzt wurden. Daneben war vor allem der sog. Baseler Eigenkapitalakkord (Basel I) aus dem Jahre 1988 für die Entwicklung einheitlicher Aufsichtsstandards bei der Beaufsichtigung von Eigenkapital- und Solvabilitätsvorschriften von Bedeutung. Beide Empfehlungen sind in der Folgezeit kontinuierlich fortentwickelt und durch eine Reihe weiterer Empfehlungen ergänzt worden (Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, History of the Basle Committee and its Membership, April 1997; zur Novellierung des Baseler Akkords (Basel II) siehe unten Rn. 55). Weitere Initiativen haben in der Vergangenheit insbesondere die Entwicklung von Grundsätzen bei der ordnungsgemäßen Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten berührt (vgl. hierzu Heinrich, ZBB 2003, 230 (232)).
11
Die Europäische Kommission verfolgt die Arbeiten des Ausschusses als Beobachterin (vgl. zu dem Kommunikationsprozess zwischen der Generaldirektion XV der Europäischen Kommission, dem beratenden Bankenausschuss („Kontaktausschuss“) und dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Norton, a. a. O., S. 163 ff.). Die Konsultationen des Baseler Ausschusses und die durch diesen veröffentlichten Konsultationspapiere (abrufbar unter: http://www.bis.org → Publications & research) haben bis heute wesentlichen Einfluss auf die Rechtsetzungsbemühungen auf europäischer Ebene. Aufgrund der
12
Hirte/Heinrich
2186
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
zunehmenden Verzahnung der Bank- und Finanzmarktindustrie hat darüber hinaus die Zusammenarbeit des Baseler Ausschusses mit der IOSCO (International Organization of Securities Commissions) an Bedeutung gewonnen. 13
C. Einzelne Koordinierungsschritte I. Anfänge bankrechtlicher Koordinierung auf Gemeinschaftsebene. Als erster Versuch, das Konzept einer weitgehenden Bankrechtskoordinierung innerhalb der Gemeinschaft zu verankern, diente die Niederlassungsrichtlinie (RL 73/183/EWG des Rates vom 28.6.1973 zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten der Kreditinstitute und anderer finanzieller Einrichtungen, ABl. Nr. L 194/1). Die Wirkung der Richtlinie wurde, noch bevor diese in den Einzelstaaten umgesetzt werden konnte, durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der eine direkte Anwendung des nun in Art. 43, 49 EGV verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes vorsah, vorweggenommen (vgl. Jean Reyners v. Belgien (1974) Rs. 2/74, Slg. 1974, 631; Van Binsbergen v. Bestuur van de Bedryfvereniging vor de Metaalnijverheid (1974), Rs. 33/74, Slg. 1974, 1299; die Entwicklungen zusammenfassend Dassesse/Isaacs/Penn, EC Banking Law, S. 17 f.; Schimansky/Bunte/ Lwowski-Troberg, § 135 Rn. 42). Die bis dahin auf europäischer Ebene verfolgte Koordinierungsstrategie war darauf gerichtet, auf dem Verordnungswege einheitliche Zulassungsbedingungen für die gemeinschaftsweite Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Kreditinstitute aufzustellen. Mit dem Scheitern dieses Vorhabens auf Grund der fehlenden politischen Einigungsfähigkeit über die geplanten Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene kam es zu einer grundlegenden Neuausrichtung der Koordinierungsbemühungen mit dem Versuch einer schrittweisen Annäherung der nationalen Bankrechtssysteme im Weg der Richtliniensetzung.
14
Ausgangspunkt dieser „Politik der kleinen Schritte“ war die Erste Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (RL 77/780/EWG des Rates vom 12.12.1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. Nr. L 322/30; Dassesse/Isaacs/Penn, EC Banking Law, S. 18 ff.; die Bedeutung der Richtlinie ist durch die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (89/ 646/EWG) erheblich eingeschränkt worden, vgl. dazu näher unten Rn. 20 ff.). Die Erste Bankrechtskoordinierungsrichtlinie stellte die Voraussetzungen, unter denen ein Kreditinstitut in einem Mitgliedstaat zugelassen werden durfte, erstmals auf eine einheitliche europarechtliche Grundlage (gem. Art. 1 Spiegelstrich 1 RL 77/780/EWG (= heute Art. 1 I Buchst. a) RL 2006/48/EG) ist ein Kreditinstitut „jedes Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“; gem. Art. 1 I Buchst. b) RL 2006/48 ist auch ein E-Geld-Institut im Sinne der Richtlinie 2000/46/EG ein Kreditinstitut). Vorrangiges Ziel der Richtlinie war es in der Erwartung einer späteren Freistellung der Kreditinstitute von dem Zulassungsverfahren in den anderen Mitgliedstaaten (10. Erwägungsgrund der RL 77/780/EWG), unsachliche Hindernisse bei der Gründung von Zweigniederlassungen eines Kreditinstituts in den anderen Mitgliedstaaten abzubauen (2. Erwägungsgrund der RL 77/780/EWG).
15
Die Erteilung der Zulassung ist nach der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie an das Vorhandensein rechtlich verselbständigter und ausreichender Eigenmittel des Kreditinstituts, mindestens zweier Geschäftsleiter mit der notwendigen Zuverlässigkeit oder angemessenen Erfahrung in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und das Vorliegen eines Geschäftsplans gebunden, aus dem die Art der geplanten Geschäfte und der organisatorische Aufbau des Kreditinstitutes hervorgehen (Art. 4 RL 77/780/EWG, heute Art. 9 I,
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2187
Art. 11 I RL 2006/48/EG). Zur Förderung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen haben bei der Prüfung des Zulassungsantrages die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Marktes des jeweiligen Mitgliedstaates außer Betracht zu bleiben (Art. 3 III RL 77/780/EWG, heute Art. 8 RL 2006/48/EG). Um zu verhindern, dass nationale Zulassungsverfahren dazu missbraucht werden, ausländische Kreditinstitute vom eigenen Bankenmarkt abzuhalten, ist jede Ablehnung der Zulassung dem Antragsteller gegenüber durch die zuständige Behörde zu begründen und den Geschäftsleitern des Instituts mitzuteilen (Art. 3 VI RL 77/ 780/EWG, heute Art. 13 RL 2006/48/EG), und es sind dem Kreditinstitut bei Ablehnung der Zulassung ausreichende Rechtsmittel zu gewähren (Art. 13 RL 77/780/EWG, heute Art. 55 RL 2006/48/EG). Schließlich brachte die Richtlinie – wenn auch zunächst nicht bindend – den Einstieg in die koordinierte Überwachung der Zahlungsfähigkeit und Liquidität (Art. 6 RL 77/780/EWG), der in die spätere Solvabilitätsrichtlinie mündete (RL 89/647/EWG des Rates vom 18.12.1989 über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute, ABl. Nr. L 386/14; siehe hierzu unten Rn. 30). Für den Bereich der Bankaufsicht wurden durch die Erste Bankrechtskoordinierungsrichtlinie erstmals die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden im Bereich der Überwachung und ein Informationsaustausch zwischen ihnen über die Leitung, die Verwaltung und die Eigentumsverhältnisse zwecks Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen sowie die Überwachung der Liquidität und Zahlungsfähigkeit festgeschrieben (Art. 7 I RL 77/780/EWG, heute Art. 42 RL 2006/48/EG). Die erstmals durch die Richtlinie eingeführte „Inhaberkontrolle“ steht dabei in engem Zusammenhang zum Geldwäscheverbot, könnten doch auf dem „Umweg“ über die Beteiligung an einem Kreditinstitut Geldmittel aus illegalen Quellen erheblich leichter „gewaschen“ werden als durch Einzahlung auf ein Bankkonto (zu diesem Zusammenhang auch in diesem Band Findeisen, § 70 Rn. 20; zur weiteren Koordinierung der entsprechenden Vorschriften mit dem Ziel einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren durch die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG betreffend Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor; vorläufiger Text abrufbar unter <www.ec.europa.eu/sides/getDoc.do?language=DE& objRefld=139973>; Hoger, WM 2007, 1053). Daneben wurde durch die Richtlinie der Beratende Ausschuss eingesetzt, der seit 1979 das wichtigste Forum für die laufende politische Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission im Bereich der Bankenaufsicht war (Art. 11 RL 77/ 780/EWG). Später hieß der Ausschuss Beratender Bankenausschuss (Art. 57 ff. RL 2000/ 12/EG). Mit Aufhebung der RL 2000/12/EG trat der Beschluss der Kommission vom 5.11.2003 zur Einsetzung des Europäischen Bankenausschusses in Kraft, durch den der Europäische Bankenausschuss als Nachfolger des Beratenden Bankenausschusses (vgl. Erwägungsgründe 5 und 6 des Beschlusses) eingesetzt wurde.
16
II. Zwischenschritte. Obgleich bei der Verabschiedung der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie weitere Harmonisierungsschritte ins Auge gefasst worden waren, gab es auf europäischer Ebene in der Folgezeit zunächst nur punktuelle Fortschritte. Es gelang insbesondere nicht, eine Einigung über die gegenseitige Anerkennung der Zulassung und Überwachung durch die jeweilige Aufsichtsbehörde des Herkunftslandes herbeizuführen.
17
Als Folge der Krise des Banco Ambrosiano, bei der es zu Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Aufsichtsbehörden in Italien und Luxemburg kam, und auf die Empfehlungen des Baseler Ausschusses zurückgehend hat der europäische Gesetzgeber mit der Ersten Konsolidierungsrichtlinie (RL 83/350/EWG des Rates vom 13.6.1983 über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis ABl. Nr. L 193/18) das Kon-
18
Hirte/Heinrich
2188
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
zept der konsolidierten Überwachung eingeführt (zur zwischenzeitlichen Konsolidierung des Richtlinientextes unten Rn. 50). Hiernach erstreckt sich die Überwachung durch die zuständige Aufsichtsbehörde nicht allein auf das einzelne Kreditinstitut, sondern auf den gesamten Bankenkonzern mit etwaigen in- und ausländischen Tochtergesellschaften. Durch die Richtlinie sollte im Wesentlichen der Gefahr entgegengewirkt werden, dass Kreditinstitute durch die Gründung von Tochtergesellschaften den gleichen Kapitalstock mehrfach als Grundlage für neue Geschäfte verwenden, um damit die bankaufsichtsrechtlich zulässigen Kreditvolumina zu überschreiten (double gearing). Die Erste Konsolidierungsrichtlinie wurde später durch Art. 10 I der Richtlinie 92/30/EWG des Rates vom 6.4.1992 über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis, ABl. Nr. L 110/52, abgelöst, vgl. hierzu unten Rn. 33 (beide Rechtsakte zusammenfassend Horn, ZBB 1994, 130 (135); Dassesse/Isaacs/Penn, EC Banking Law, S. 78 ff.; Hadjiemmanuil, Banking Regulation, S. 72, 212 ff.; G. Walker, 11 Butterworths J. of Int. Banking and Fin. L., Teil 1, S. 74 ff.; Teil 2, S. 131 ff.). 19
Daneben wurde die Bankbilanzrichtlinie (RL 86/635/EWG des Rates vom 8.12.1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten, ABl. Nr. 372/1) verabschiedet. Die Richtlinie baut auf den beiden gesellschaftsrechtlichen Richtlinien zur Harmonisierung des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften auf („Vierte Richtlinie 78/660/EWG vom 25.7.1978 über den Jahresabschluss der Gesellschaften“, ABl. Nr. L 222/11, und „Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13.6.1983 über den konsolidierten Abschluss“, ABl. Nr. L 193/1; zum europäischen Gesellschaftsrecht im Übrigen siehe den Überblick in: Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl., 2006, Rn. 1.35 ff.; zu den aktuellen Entwicklungen vgl. die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards vom 19.7.2002, ABl. Nr. L 243, S. 1). Schließlich veröffentlichte die Kommission zwei weitere Empfehlungen über die Einführung von Einlagensicherungssystemen und die Überwachung und Kontrolle von Großkrediten (Empfehlung der Kommission vom 22.12.1986 zur Einführung von Einlagensicherungssystemen in der Gemeinschaft (87/63/EWG), ABl. 1987 Nr. L 33/16, sowie die Empfehlung der Kommission vom 22.12.1986 über die Überwachung und Kontrolle von Großkrediten (87/62/EWG), ABl. 1987 Nr. L 33/10. Beide Empfehlungen wurden durch die spätere Aufnahme in Richtlinien zwingendes Recht; vgl. im Einzelnen unten (zur Einlagensicherungsrichtlinie Rn. 41 sowie zur Großkreditrichtlinie Rn. 34).
20
Fasst man diese bis Mitte der 80er Jahre vollzogenen Entwicklungen zusammen, so setzte die Koordinierung des Bankrechts auf europäischer Ebene – mit Ausnahme der Fragen der konsolidierten Überwachung und der Jahresabschlüsse – nur verhaltene Impulse. Es war insbesondere nicht gelungen, eine Harmonisierung auf dem Gebiet der Regelungen über die Solidität und Stabilität der Kreditinstitute zu erreichen. Durch die bei der zuständigen Behörde des Gastlandes verbleibende Zulassungskompetenz war die Vornahme von Bankgeschäften über die Grenzen des Staates, in dem das Kreditinstitut seinen satzungsmäßigen Sitz hatte, weiterhin erheblich beschränkt. Das Gastland war, insbesondere wenn es selbst eine starke Bankwirtschaft hatte, jederzeit in der Lage, durch eine Verschärfung der nationalen Zulassungsbedingungen oder die Begrenzung der Tätigkeitsfelder den Marktzugang ausländischer Institute zu behindern. Integrationshemmend wirkten sich auch die mit der Gründung von Zweigniederlassungen verbundenen Kapitalkosten aus, da für ausländische Zweigniederlassungen ebenfalls das Erfordernis eines Dotationskapitals, das die Eigenmittel einer Zweigstelle (nicht „Eigenkapital“, da unselbständiger Betriebsteil) bezeichnet, bestand. Darüber hinaus war die Autonomie des jeweiligen Bankensektors aufgrund der weiterhin zulässigen Berücksichtigung der währungs- oder wirtschafts-
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2189
politischen Interessen des einzelnen Mitgliedstaates und der fehlenden Implementierung der Kapitalverkehrsfreiheit weiterhin gegeben. Schließlich erschwerte das Erfordernis der Einstimmigkeit bei der Annahme von Richtlinien die politische Einigung über weitere für eine fortschreitende Bankrechtsharmonisierung erforderliche Maßnahmen innerhalb der Gemeinschaft. III. Neuanfang und Durchbruch. Einen Neuanfang markierte die in dem Weißbuch der Kommission 1985 niedergelegte Entscheidung, die Vollendung des Binnenmarktes als einheitlichen Wirtschaftsraum und die hiermit in engem Zusammenhang stehende Schaffung eines europaweit einheitlichen Bankenmarktes bis zum 1.1.1993 voranzutreiben (KOM(85) 310 vom 14.6.1985, abrufbar unter http://europa.eu/index_de.htm → Dokumente → Europäische Kommission → Weißbücher). Grundvoraussetzung hierfür war ein zwischen den Einzelstaaten herzustellendes uneingeschränktes Angebot von Finanzdienstleistungen. Das hiermit zusammenhängende Ziel der umfassenden Integration der Finanzmärkte sowie die 1986 durch die Einheitliche Europäische Akte geschaffene Rechtsgrundlage für die Annahme von Richtlinien mit einer qualifizierten Mehrheit im Ministerrat (Art. 95 EGV) schafften die Voraussetzungen für neue und weitergehende Maßnahmen der Rechtsangleichung. Daneben wurden durch die Einbindung von sieben der damals zwölf Mitgliedstaaten in die Arbeit des Baseler Ausschusses und die in diesem Zusammenhang erfolgte Vorbereitung des Baseler Übereinkommens über die internationale Konvergenz der Eigenkapitalbemessung und der Eigenkapitalanforderungen von 1988 (Baseler Eigenkapitalakkord) allgemein anerkannte Standards der Bankenregulierung innerhalb der Gemeinschaft geschaffen (vgl. Hadjiemmanuil, Banking Regulation, S. 73). Die neue Strategie erlaubte die Annahme dreier weiterer, für die Integration der Bankenmärkte und die Fortführung der Harmonisierung des Gemeinschaftsrechts im Bankensektor grundlegender Richtlinien.
21
1. Die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie und die Harmonisierung der Eigenmittel- und Solvabilitätsbestimmungen. Die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (RL 89/646/EWG vom 15.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der RL 77/780/EWG, ABl. Nr. L 386/1; zusammenfassend Horn, ZBB 1989, 107 (108, 110); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 325 ff.; Zavos, 31 Harv. Int. Law J. 463 (1990); Katz, 12 Yearbook of European Law 249 (1992); Cranston/ Hadjiemmanuil, Banking Integration in the EC, S. 341, 352; Dassesse/Isaacs/Penn, EC Banking Law, S. 23 ff.) schaffte wesentliche Erleichterungen für das grenzüberschreitende Angebot von Bankdienstleistungen und die Errichtung von Zweigniederlassungen durch den zulassungsfreien Zugang zu den Märkten der jeweils anderen Mitgliedstaaten. Die (inzwischen konsolidierte; siehe unten Rn. 50) Richtlinie stützte sich im Wesentlichen auf die Konzepte der Anerkennung des Herkunftslandprinzips und des „europäischen Passes“ sowie die Weiterführung der Harmonisierungsbemühungen im Wege einer Angleichung der Zulassungsvoraussetzungen für das Betreiben von Bankgeschäften.
22
Im Hinblick auf die Verwirklichung der im EG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit von zentraler Bedeutung war das aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Warenverkehrsfreiheit abgeleitete Prinzip der Herkunftslandkontrolle (EuGH, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 – Cassis de Dijon (Rewe-Zentral AG v. Bundesmonopolverwaltung für Branntwein)). Hiernach kann ein Kredit- oder Finanzinstitut mittels Zweigniederlassung oder im Wege des Dienstleistungsverkehrs auf Grund der Zulassung in seinem Herkunftsstaat ohne jede weitere Zulassung innerhalb der Gemeinschaft einen breiten, in dem Anhang der Richtlinie aufgeführten Rahmen an Bankdienstleistungen erbringen (Anhang der RL 89/646/EWG, heute Anhang I Num-
23
Hirte/Heinrich
2190
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
mern 1 bis 14 der RL 2006/48/EG), wenn diese von der Zulassung im Heimatland abgedeckt werden (Art. 18 I und I RL 89/646/EWG, heute Art. 17 und 18 RL 2006/48/EG). Für eine Zweigniederlassung eines europäischen Kreditinstitutes in der Bundesrepublik bestehen damit weder besondere Mindestkapitalanforderungen noch muss von diesem ein testierter Jahresabschluss vorgelegt werden. Die Gründung von Tochtergesellschaften und deren Tätigkeit unterliegt umgekehrt weiterhin der Zulassungspflicht und Kontrolle der Aufsichtsbehörde des Sitzstaates. Dies war nicht zuletzt ein Grund dafür, weshalb die Expansion der Kreditinstitute innerhalb der Gemeinschaft bislang überwiegend durch Erwerb ausländischer Kreditinstitute erfolgt ist. 24
Die Zulassung des Herkunftslandes fungiert als sog. „Europäischer Pass“ für die Erbringung von Bankdienstleistungen innerhalb der anderen Mitgliedstaaten. Die Aufsicht über das Kreditinstitut und seine Zweigniederlassungen in dem Gastland obliegt grundsätzlich der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates (Art. 13 I RL 89/646/EWG, heute Art. 40 I RL 2006/48/EG). Jeder Mitgliedstaat hat daneben die Voraussetzungen zu schaffen, unter denen Kreditinstitute aus anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen errichten können.
25
Die vorbezeichneten Regelungen können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Reihe von Regelungsspielräumen und Eingriffsbefugnissen bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleibt, von denen diese auch Gebrauch machen und die wesentliche Hemmnisse bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Finanzdienstleistungen begründen können.
26
Die Aufsichtsbehörden des Gastlandes sind nur insoweit zur Beaufsichtigung der Geschäftstätigkeit des Institutes befugt, als es für die Überwachung der Liquidität, die Berücksichtigung währungspolitischer Belange (Art. 14 II RL 89/646/EWG, heute Art. 41 RL 2006/48/EG) oder aus Gründen des Allgemeininteresses erforderlich ist (vgl. Art. 21 II, V und XI sowie die Erwägungsgründe 15 und 16 der RL 89/646/EWG, heute Art. 30 I, Art. 31, Art. 37 sowie die Erwägungsgründe 17 und 18 der RL 2006/48/EG; vgl. hierzu vor allem EuGH, Rs. 33/74, Slg. 1974, 1299, Tz. 10-16 (Van Binsbergen v. Bestuur); EuGH, Rs. 110 und 111/78, Slg. 1979, 35, Tz. 27 (Ministère Public v. van Wesemael); EuGH, Rs. 279/80, Slg. 1981, 3305, Tz. 14 (Alfred John Webb); EuGH, Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755 (Europäische Kommission v. Bundesrepublik Deutschland, Versicherungsfall); siehe zum Begriff des Allgemeininteresses auch die Mitteilung der Kommission vom 20.6.1997 zu Auslegungsfragen über den freien Dienstleistungsverkehr und das Allgemeininteresse in der Zweiten Bankenrichtlinie (97/2C 209/04), ABl. Nr. C 209/6; vgl. hierzu Dassesse, 1997 Yearbook of International and Financial and Economic Law, S. 45 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg, § 135 Rn. 32 ff.). Die Bedeutung währungspolitischer Belange der einzelnen Mitgliedstaaten ist durch die Einführung des Euro zum 1.1.1999 und mit der Errichtung der Europäischen Zentralbank (EZB) freilich erheblich zurückgegangen.
27
Wesentliche Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung der Aufsichtsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und die Einführung des Europäischen Passes war die durch die Richtlinie erreichte weitere Harmonisierung der Zulassungsbedingungen innerhalb der Gemeinschaft. Hierzu gehören insbesondere die Bestimmungen über das Anfangskapital (Art. 4 I, 2 RL 89/646/EWG, heute Artikel 9 I UA 1 RL 2006/48/EG), die Offenlegung der Identität und des Beteiligungsumfangs der direkten oder indirekten Aktionäre oder Gesellschafter mit einer qualifizierten Beteiligung an dem Kreditinstitut (Art. 5 RL 89/646/EWG, heute Art. 12 I UA 1, II RL 2006/48/EG), Bestimmungen über den Beteiligungsbesitz von Banken im nicht finanziellen Sektor (Art. 12 I RL 89/
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2191
646/EWG, heute Art. 120 I RL 2006/48/EG, vgl. hierzu Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388, 393) sowie die Abschaffung des für die Zulassung von Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten erforderlichen Dotationskapitals (der frühere Art. 6 I RL 89/ 646/EWG). Im Hinblick auf die weiteren Bemühungen um eine substantielle Harmonisierung auf EGEbene von größerer Bedeutung war die Harmonisierung der Eigenkapitalbestimmungen der Kreditinstitute. Die hierfür wesentlichen Rechtsgrundlagen sind die Eigenmittelrichtlinie (Richtlinie 89/299/EWG des Rates vom 17.4.1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten, ABl. Nr. L 124/16; vgl. hierzu Horn, ZBB 1989, 107 (108, 114 ff.); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 347 ff.; Hadjiemmanuil, Banking Regulation, S. 204 ff.; Dassesse/Isaacs/Penn, EC Banking Law, S. 129 ff.) und die Solvabilitätsrichtlinie (vgl. unten Rn. 30 und dazu Horn, ZBB 1989, 107, 108, 118 ff.; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 359 ff.; Hadjiemmanuil, Banking Regulation, S. 204 ff.; Dassesse/ Isaacs/Penn, EC Banking Law, S. 161 ff.). Beide Richtlinien lehnen sich stark an das Übereinkommen über die internationale Konvergenz der Eigenkapitalbemessung und der Eigenkapitalanforderungen des Baseler Ausschusses für Bankaufsicht an (Basel I) und wurden zuletzt mit Inkrafttreten der europäischen Eigenmittelrichtlinie grundlegend überarbeitet (siehe hierzu Rn. 50).
28
Die inzwischen konsolidierte (siehe unten Rn. 50) Eigenmittelrichtlinie legte fest, welche Bestandteile des Eigenkapitals anerkennungsfähig sind und damit für eine Unterlegung der gewichteten Risikogeschäfte in Betracht kommen. Sie unterschied zu diesem Zweck nach der Qualität verschiedener Eigenkapitalkomponenten, namentlich sog. Basiseigenmittel (Kerneigenmittel, Art. 2 I Nr. 1-4 RL 89/299/EWG) und der nur beschränkt zu berücksichtigenden ergänzenden Eigenmittel (Art. 6 RL 89/299/EWG), die die Grundlage für eigenkapitalabhängige Normen bilden. Das Vorhandensein ausreichender Eigenmittel eines Kreditinstituts dient neben der Finanzierung der Geschäftstätigkeit des Instituts in der Anlaufphase der Abdeckung möglicher Verluste. Eine adäquate Eigenmittelausstattung soll daneben den Schutz der Einleger und die Stabilität und Kontinuität des Instituts und damit des Bankensektors insgesamt erhöhen (1. und 3. Erwägungsgrund RL 89/299/EWG).
29
Nach der ebenfalls inzwischen konsolidierten (siehe unten Rn. 50) Solvabilitätsrichtlinie wurden bilanzwirksame und außerbilanzielle Geschäfte in Beziehung zum haftenden Eigenkapital des Kreditinstitutes gesetzt (RL 89/647/EWG des Rats vom 18.12.1989 über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute, ABl. Nr. L 386/14). Die Richtlinie verlangt, dass Risikogeschäfte eines Kreditinstituts unter Berücksichtigung verschiedener Adressenausfallrisiken zu wenigstens 8 % mit Eigenkapital zu unterlegen sind (Art. 10 I RL 89/647/EWG). Bei der Anrechnung der einzelnen Aktiva differenziert die Richtlinie nach festgelegten Risikogewichtungen (0 %, 10 %, 20 %, 50 %, 100 %), die sich nach der Person des Vertragspartners richten und aus denen sich durch Multiplikation mit den jeweiligen Risikoaktiva der risikogewichtete Wert des anzurechnenden Geschäfts ergibt (Art. 5 i. V. m. Art. 6 RL 89/647/EWG). Die Solvabilitätsrichtlinie stellt damit ein Verfahren zur Verfügung, anhand dessen die Solvenz eines Kreditinstituts gemessen werden kann. Ausgehend von einem harmonisierten Eigenkapitalbegriff stellt die Richtlinie gemeinschaftsrechtliche Definitionen und Techniken für einen Solvabilitätskoeffizienten auf, der die Eigenmittel eines Kreditinstituts in Beziehung zu den nach ihrem Risiko gewichteten Aktiva und den außerbilanzmäßigen Geschäften setzt.
30
Von den 1989 ergangenen Richtlinien ist schließlich die so genannte Bankzweigniederlassungsrichtlinie (RL 89/117/EWG des Rates vom 13.2.1989 über die Pflichten der in
31
Hirte/Heinrich
2192
32
33
34
35
36
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats zur Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen, ABl. Nr. L 44/40) zu nennen. Mit der Richtlinie sollte sichergestellt werden, dass Niederlassungen von Kredit- und Finanzinstituten mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat im Hinblick auf die Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen in gleicher Weise behandelt werden wie Niederlassungen von Banken in demselben Mitgliedstaat. 2. Weitere Initiativen. Das Konzept der gegenseitigen Anerkennung der aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten durch die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie hat innerhalb der Gemeinschaft die Initiative für eine Beschleunigung der Harmonisierungsbemühungen mit dem Ziel der Beseitigung der verbleibenden Regelungsunterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten wach gerufen. Mit der Zweiten Konsolidierungsrichtlinie (RL 92/30/EWG des Rates vom 6.4.1992 über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten auf konsolidierter Basis, ABl. Nr. L 110/ 52) wurde die Basis der konsolidierten Überwachung auf Unternehmensgruppen ausgedehnt, an deren Spitze eine Finanzholding steht. Daneben wurde durch die Richtlinie der Kreis der in die Konsolidierung einbezogenen Kreditinstitute erweitert (Prinzip der Vollkonsolidierung). Die Richtlinie reduzierte daneben die für die Konsolidierung maßgebliche Beteiligungsschwelle von 25 % auf 20 %. Durch die Großkreditrichtlinie (RL 92/121/EWG des Rates vom 21.12.1992 über die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten, ABl. 1993 Nr. L 29/1; vgl. Horn, ZBB 1994, 130 (136); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 377; Dassesse/Isaacs/Penn, EC Banking Law, S. 199 ff.) sollte den Risiken einer übermäßigen Konzentration von Krediten auf einen bestimmten Bankkunden oder eine Gruppe verbundener Bankkunden nachgekommen werden (zu ihrer zwischenzeitlichen Konsolidierung unten Rn. 50). Sie stellt insoweit eine wichtige Ergänzung des in der Solvabilitätsrichtlinie zugrunde gelegten Prinzips der angemessenen Eigenkapitalausstattung um Regeln zur Risikostreuung bei der Vergabe von Großkrediten dar. Ein meldepflichtiger Großkredit liegt nach der Richtlinie vor, wenn ein Kredit an einzelne Kunden oder Kundengruppen 10 % der Eigenmittel des Kreditinstituts erreicht (Art. 3 I RL 92/121/EWG, heute Art. 108 RL 2006/48/EG). Die zulässige Obergrenze für Großkredite beträgt 25 % des Eigenkapitals des Kreditinstituts (Art. 4 I RL 92/121/EWG, heute Art. 111 I RL 2006/48/EG). Darüber hinaus enthält die Richtlinie Bestimmungen über die konsolidierte Überwachung von Großkrediten (Art. 5 RL 92/121/EWG, heute Art. 118 RL 2006/48/EG). IV. Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften. Infolge der zunehmenden Verschachtelung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit dem Wertpapiergeschäft der Universalbanken entstand innerhalb der Gemeinschaft die Notwendigkeit, die Voraussetzung für die Aufsicht von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen zu harmonisieren und gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen herzustellen. Rechtlicher Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, mit der das Konzept der Herkunftslandkontrolle und des Europäischen Passes auf Wertpapierfirmen übertragen wurde. Die Richtlinie beeinflusste auch das Recht der Bankenaufsicht, indem sie die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen durch Kreditinstitute regelt (Art. 2 I i.V. m. III, Art. 8 II, Art. 10, 11, 12 I, Art. 14 III und IV, Art. 5, 19 und Art. 20 RL 93/22/EWG). Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wurde vor kurzem durch die Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente (sog. MiFID) abgelöst.
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2193
In Ergänzung zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und als Pendant zu der nur für Kreditinstitute geltenden Eigenmittel- und Solvabilitätsrichtlinie wurde die Kapitaladäquanzrichtlinie verabschiedet (RL 93/6/EWG des Rates vom 15.3.1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. Nr. L 141/1; die zuletzt durch die RL 2006/49 abgelöst wurde, vgl. hierzu im Einzelnen unten Rn. 54). Vorrangiges Ziel der Richtlinie war es, einheitliche Eigenkapitalanforderungen für wertpapierspezifische Risiken festzulegen, die sich aus der Durchführung von Wertpapierhandels- und Fremdwährungsgeschäften von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsunternehmen ergeben (vgl. 1., 3. und 12. Erwägungsgrund der RL 93/6/EWG sowie die Nachweise bei Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388 (393)).
37
Offene Positionen aus Geschäften, die mit Markt- oder Preisrisiken behaftet sind, waren nach der Richtlinie abhängig von dem jeweiligen Risikobereich mit Eigenkapital zu unterlegen. Die Richtlinie differenzierte bei der Eigenkapitalausstattung der Wertpapierfirmen in zweifacher Hinsicht: Das absolute Mindestkapital konnte abhängig von der Art der betriebenen Geschäfte zwischen € 50.000 für Wertpapierfirmen, die ausschließlich für fremde Rechnung handeln (Art. 3 II RL 93/6/EWG, heute Art. 5 III RL 2006/49/EG), über € 125.000 für Wertpapierfirmen, die Portefeuillemanagement und Fremdhandel betreiben (Art. 3 I RL 93/6/EWG, heute – mit einigen Abweichungen – Art. 5 I und II RL 2006/49/ EG) bis zu € 730.000 für Wertpapierfirmen, die neben den vorgenannten Bereichen auch im Eigenhandel tätig sind, betragen (Art. 3 III RL 93/6/EWG, heute – mit einigen Abweichungen – Art. 9 RL 2006/49/EG). Durch das relative Mindestkapital sollten Umsatz und Einkommensrückgänge der Wertpapierfirma abgedeckt werden. Das Mindestkapital musste hier mindestens ein Viertel der fixen Gemeinkosten des Vorjahres bzw. des Unternehmensplans einer Wertpapierfirma betragen (Anhang 4 der RL 93/6/EWG, heute Art. 21 RL 2006/49/EG).
38
Die Eigenkapitalerfordernisse für die einzelnen Wertpapierfirmen werden nach der Richtlinie anhand des spezifischen Emittentenrisikos und dem allgemeinen Marktrisiko der jeweiligen offenen Positionen ermittelt und zusammengefasst (building block). Von zentraler Bedeutung ist dabei das Positionenrisiko aus Wertpapierhandelsgeschäften des Instituts. Weitere Risikobereiche, die von der Kapitaladäquanzrichtlinie erfasst werden, sind das Zinsrisiko (d.h. das Risiko, das ein Institut aus offenen Positionen mit festverzinslichen oder zinsvariablen Finanzinstrumenten, insbesondere zinsbezogenen Derivaten erleiden kann), das Adressenausfallrisiko sowie Abwicklungs- und Lieferrisiken. Um eine Mehrfachbelegung der Eigenmittel zu vermeiden, sind gem. Art. 4 I und II RL 93/6/ EWG (heute Art. 18 I RL 2006/49/EG) für alle Positionen täglich das Positionsrisiko, das Abwicklungs- und Adressrisiko, das Fremdwährungsrisiko und vergleichbare Risiken zu bewerten und entsprechend mit Eigenmitteln zu unterlegen (mark-to-market). Kreditinstitute konnten nach der Richtlinie entscheiden, ob sie ihre Wertpapiergeschäfte nach Erreichen einer bestimmten Größenordnung nach den weniger kapitalintensiven Bestimmungen der Kapitaladäquanzrichtlinie (trading book, Art. 2 VI, Art. 4 VI RL 93/6/ EWG, heute Art. 18 II RL 2006/49/EG) oder der Eigenmittel- und Solvabilitätsrichtlinie durchführen. Die Richtlinie erlaubte damit für Universalbanken und Wertpapierhäuser die Anwendung eines vereinheitlichten Eigenkapitalbegriffs für die Risikounterlegung von Wertpapiergeschäften. Sie enthielt darüber hinaus Regelungen zum Anfangskapital von Wertpapierunternehmen (Art. 3 RL 93/6/EWG, heute Art. 5 RL 2006/49/EG), Bestimmungen zu Großkrediten (Art. 5 RL 93/6/EWG, heute Art. 28 RL 2006/49/EG), zum internen Controlling der Institute und zur Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis (Art. 6 und 7 RL 93/6/EWG, heute Art. 2 II, Art. 3 III Buchst. a, b, c, Art. 23 I und II, Art. 33 III RL 2006/49/EG).
39
Hirte/Heinrich
40
2194
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
41
V. Systeme der Einlagensicherung. Die Einlagensicherungsrichtlinie (RL 94/19/ EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.5.1994 über Einlagensicherungssysteme, ABl. Nr. L 135/5; vgl. im Übrigen Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388 (394)) verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein innerhalb der Gemeinschaft einheitliches Einlagensicherungssystem mit einem Sicherungsumfang von mindestens € 20.000 zu führen und die Erlaubnis zum Betreiben des Einlagengeschäfts von der Teilnahme an einem solchen System abhängig zu machen. Die Richtlinie soll in erster Linie den Schutz der Einlagen der Bankkunden vor den Folgen einer Finanzkrise des Institutes gewährleisten. Zum anderen dient sie dazu, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Kreditwirtschaft und damit die Stabilität des Bankensystems, wie sie durch die ansteckende Wirkung der Kündigung der Einlagen eines Instituts auf andere gesunde Institute gefährdet werden kann, sicherzustellen; insoweit dient die Richtlinie dem Schutz vor Marktversagen (vgl. die Begründung des Vorschlags über eine Einlagensicherungsrichtlinie KOM(92) 188 endg. vom 4.6.1992; ausführlich Sethe, ZBB 1998, 305, 306 ff.). Im Jahr 2005 leitete die Kommission die Überprüfung der Richtlinie ein. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Überprüfung hat sie Ende des Jahres 2006 in der Form einer Mitteilung nach ihrer Auffassung bestehende Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt und angeregt, dass die Banken die Verbesserungsvorschläge im Wege der Selbstregulierung umsetzen. Unter anderem schlug die Kommission vor, eine Feinabstimmung der „Aufstockungsvereinbarungen“ (bei denen sich eine Bankniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat freiwillig dem Einlagensicherungssystem im Aufnahmemitgliedstaat anschließt) vorzunehmen, die Frist für die Auszahlung der Entschädigungen an die Einleger infolge der Insolvenz einer Bank zu verkürzen und den Informationsaustausch zwischen den Einlagensicherungssystemen zu verbessern. Die Kommission wies darauf hin, dass eine legislative Überarbeitung der Richtlinie in der Zukunft nicht ausgeschlossen sei.
42
Das Einlagensicherungssystem muss auch den Schutz von Einlegern aus anderen Mitgliedstaaten umfassen, wenn das Kreditinstitut grenzüberschreitend tätig wird oder über Zweigstellen im Ausland Einlagen annimmt (Art. 4 I Satz 1 RL 94/19/EWG). Die Regelung schafft damit einen wichtigen Anreiz der Aufsichtsbehörden des Herkunftsstaates, die Geschäftstätigkeit ihrer Institute im Ausland zu überwachen. Die Richtlinie sah bis zum 31.12.1999 vor, dass der Schutz der Einleger ausländischer Zweigstellen nicht weiter reichen darf als die in dem Aufnahmemitgliedstaat gewährleistete Deckung, sog. „Nichtausfuhrklausel“ (vgl. Art. 4 I 2 RL 94/19/EWG). Die Regelung war Grundlage einer durch den Europäischen Gerichtshof abgewiesenen Klage der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Urteil des EuGH vom 13.5.1997, Rs C-233/94, Slg. 1997, I-2405 = ZBB 1997, 365 = ZIP 1997, 1016 = EWiR Art. 57 EGV 2/97, 549 (Dreher/Neumann); siehe auch Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg, § 138 Rz. 2; Horn, EBLR, 1999, 150 (154)). Die Regelung verhinderte damit den Export eines in einigen Mitgliedstaaten – insbesondere der Bundesrepublik – vergleichbar höheren Einlagensicherungsniveaus innerhalb der Gemeinschaft. Die Regelung ist nach erneuter Prüfung durch die Europäische Kommission aufgehoben worden (vgl. den Bericht der Kommission vom 22.12.1999, Dok. KOM(1999) 722 endg., über die Anwendung von Art. 4 I RL 94/19/EG, abrufbar unter www.europa.eu.int/eur-lex/de/com/rpt/1999/com1999_0722de01.pdf).
43
Schließlich sind nach der Richtlinie inländische Sicherungseinrichtungen verpflichtet, Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute trotz des im Heimatland bestehenden Einlagensicherungssystems aufzunehmen, um einen entsprechend höheren Schutzumfang im Gastland zu erreichen (Art. 4 II RL 94/19/EWG). Eine Zweigniederlassung kann sich danach einer Einlagensicherungseinrichtung im Gastland anschließen, um die Sicherung zu ergänzen, über die ihre Einleger bereits infolge des Anschlusses des Instituts an das Sys-
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2195
tem des Herkunftsstaates verfügen (topping-up). Diese Regelung ist weiterhin rechtsgültig, so dass die vom EuGH (Urt. vom 4.12.1986, Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755) formulierten Grundsätze über die Zulässigkeit der topping-up-Klausel weiterhin anwendbar sind. VI. Nachfolgende bank- und wertpapieraufsichtsrechtliche Maßnahmen. Nachdem mit der Einlagensicherungsrichtlinie und den zuvor erfolgten Maßnahmen ein wesentlicher Teil des Koordinierungsprogramms zum Abschluss gekommen ist, beschränkt sich der europäische Gesetzgeber inzwischen auf die Änderung und Konsolidierung der bis dahin verabschiedeten Richtlinien: 1. BCCI-Folgerichtlinie. Der Zusammenbruch der Bank of Credit and Commerce International (BCCI) begründete die Initiative für die Verabschiedung der BCCI-Folgerichtlinie (RL 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.1995 zur Änderung der RL 77/780/EWG und 89/646/EWG betreffend Kreditinstitute, der RL 73/239/ EWG und 92/49/EWG betreffend Schadensversicherungen, der RL 79/267/EWG und 92/ 96/EWG betreffend Lebensversicherungen, der RL 93/22/EWG betreffend Wertpapierfirmen sowie der RL 85/611/EWG betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks verstärkter Beaufsichtigung dieser Finanzunternehmen, ABl. Nr. L 168/7), die zu wesentlichen Veränderungen in der Struktur und Beaufsichtigung von Finanzunternehmen führte. Nach der Richtlinie haben die Aufsichtsbehörden die Möglichkeit, die Stellung von Wertpapierfirmen innerhalb einer Finanzgruppe und die sich hieraus ergebenden Risken für eine ordnungsgemäße Überwachung zu beurteilen und zu überwachen. Weitere Bestimmungen der Richtlinie beziehen sich auf die Verweigerung und Rücknahme der Zulassung der Kreditinstitute (Art. 2 II RL 95/26/ EG), die Transparenz von Gruppen- und Finanzunternehmen (Art. 2 I RL 95/26/EG), die Zusammenfassung des satzungsmäßigen Sitzes und der Hauptverwaltung in einem Mitgliedstaat (Art. 3 RL 95/26/EG), den Informationsaustausch zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden (Art. 4 RL 95/26/EG) und auf Informationspflichten bei externen Prüfungen (Art. 4 III, Art. 7 sowie 15.-17. Erwägungsgrund RL 95/26/EG).
44
2. Bankaufsichtsrechtliches Änderungspaket. Am 22.7.1998 verabschiedete der Rat ein bankaufsichtsrechtliches Änderungspaket, mit dem die Erste Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, die Solvabilitätsrichtlinie und die Kapitaladäquanzrichtlinie geändert wurden (vgl. Nielsen, EBLR 1998, 307 ff.; Wiesner, EuZW 1998, 619 (622)). Durch das Änderungspaket wurde unter anderem – auf den Zusammenbruch des Bankhauses Barings zurückgehend – eine verfeinerte und verschärfte Behandlung derivativer Finanzinstrumente erreicht. Durch die Änderungen der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie soll den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben werden, Abkommen über den Informationsaustausch mit Aufsichtsbehörden des Nichtbankenbereichs von Drittländern abzuschließen (Art. 1 RL 98/33/EG, des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.6.1998 zur Änderung des Artikels 12 der RL 77/780/EWG des Rates über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, der Artikel 2, 5, 6, 7 und 8 sowie der Anhänge II und III der Richtlinie 89/647/EWG des Rates über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute und des Artikels 2 sowie des Anhangs II der RL 93/6/EWG des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. Nr. L 204/29). Mit den Änderungen der Solvabilitätsrichtlinie wurde eine geringere Risikogewichtung für bestimmte Aktivabestandteile zugelassen (Art. 2 RL 98/33/EG). Durch Änderungen der Kapitaladäquanzrichtlinie wurden Hinweisvorschriften auf die Solvabilitätsrichtlinie angepasst, die für eine einheitliche aufsichtsrechtliche Behandlung von Derivaten erforderlich waren (Art. 3 RL 98/33/EG).
46
Hirte/Heinrich
45
47
2196
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
48
In diesem Zusammenhang ist auch die zeitgleich verabschiedete Änderungsrichtlinie zur Kapitaladäquanzrichtlinie zu nennen, durch die die Vorschläge zu den Baseler Marktrisikoregelungen umgesetzt wurden (vgl. hierzu Baseler Bankenausschuss, Amendment to the Capital Accord to Incorporate Market Risks, Basle Committee Publications No. 24 Jan. 1996, abrufbar unter www.bis.org/publ/bcbs24.pdf). Die Mitgliedstaaten können hiernach interne Risikomanagementsysteme (Value-at-Risk-Model) von Kreditinstituten oder Wertpapierfirmen zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen für Marktrisiken anerkennen. Daneben erfolgte eine Ausweitung auf Warenpositionen und derivative Wareninstrumente, die für Handelszwecke gehalten werden und Marktrisiken ausgesetzt sind (Art. 1 I Buchst. a RL 98/31/EG).
49
Im Rahmen der zur Solvabilitätsrichtlinie erfolgten Änderungen ist schließlich die Richtlinie zur Änderung der Solvabilitätsrichtlinie zu nennen (RL 98/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.6.1998 zur Änderung – im Hinblick auf Hypotheken – der Richtlinie 89/647/EWG des Rates über einen Solvabilitätskoeffizienten, ABl. Nr. L 204/26). Hiernach wird den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, auf hypothekarisch gesicherte Wertpapiere eine Risikogewichtung von 50 % anzuwenden (Art. 1 I RL 98/32/EG). Daneben wurde die Möglichkeit der 50 %igen Gewichtung des gewerblichen Realkredits in der Solvabilitätsrichtlinie unter Aufhebung der bislang befristeten Ausnahmen bis zum 31.12.2006 für alle Mitgliedstaaten ausgeweitet (Art. 1 I RL 98/32/EG).
50
3. Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute. Eine Konsolidierung der bis dahin erfolgten Initiativen auf europäischer Ebene wurde durch die Verabschiedung der Richtlinie 2000/12/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute vorgenommen. Wesentliche Aufgabe der Richtlinie war es, aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit die bisherigen Regelungsmaßnahmen der Gemeinschaft im Bankrecht zu kodifizieren und in einem einzigen Text zusammenzufassen (1. Erwägungsgrund RL 2000/12/EG). Die Richtlinie fasste insoweit die Erste und die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, die Eigenmittel- und Solvabilitätsrichtlinie, die Konsolidierungsrichtlinien und die Großkreditrichtlinie sowie die jeweils inkorporierten zwölf Änderungsrichtlinien in einem einzigen Richtlinientext zusammen. Von der Konsolidierung ausgenommen blieben die Kapitaladäquanz- und die Einlagensicherungsrichtlinie. Die Richtlinie 2000/12/EG wurde zuletzt durch die Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie 2006/48/EG abgelöst, mit der gleichzeitig die vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht entwickelten und als „Basel II“ bekannten Aufsichtsstandards umgesetzt werden (siehe hierzu Rn. 54).
51
4. Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. Als weitere Harmonisierungsmaßnahme auf europäischer Ebene ist die Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (2001/24/EG) zu nennen (RL des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. Nr. L 125/15; vgl. hierzu Wimmer, ZInsO 2002, 897 ff.; Keller, BKR 2002, 347 ff.). Die Richtlinie enthält Sonderregelungen gegenüber der EG-Verordnung 1346/ 2000 über Insolvenzverfahren vom 29.5.2000 (ABl. Nr. L 160/1), von deren Anwendungsbereich Kreditinstitute ebenso wie Versicherungen (vgl. insoweit die RL 2001/17/ EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen vom 19.3.2001 ABl. Nr. L 110/28) ausgenommen sind. Ziel der Richtlinie 2001/24/EG ist es, ein einheitliches Verfahren für Sanierungsmaßnahmen und Liquidationsverfahren für ein in Insolvenz geratenes Kreditinstitut mit Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Durch die Richtlinie werden insbesondere Sekundärinsolvenzverfahren am Ort der Zweigniederlassung des Kreditinstituts ausgeschlossen, die nach bisherigem
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2197
Recht zu unterschiedlichen Sanierungsmaßnahmen in verschiedenen Staaten und zur Benachteiligung einzelner Gläubiger geführt hatten. Das Insolvenzverfahren wird allein von der Aufsichtsbehörde des Mitgliedstaates eingeleitet und nach dem Recht des Mitgliedstaates durchgeführt, in dem das Kreditinstitut seinen satzungsmäßigen Sitz hat (vgl. Art. 3 I und II, Art. 9 I, Art. 10 der RL 2001/24/EG). Die Richtlinie entspricht mithin dem Grundsatz der Herkunftslandkontrolle, wie er bereits Grundlage früherer Koordinierungsmaßnahmen war (vgl. oben Rn. 23). Abweichende Sonderanknüpfungen zum Schutze des Geschäftsverkehrs ergeben sich für Arbeitsverträge, Verträge über die Nutzung und den Erwerb unbeweglicher Gegenstände/Sachen, Nettingvereinbarungen, Pensionsgeschäfte, Rechte an unbeweglichen Gegenständen, besonders Wertpapiere, Zahlungs- und Abrechnungssysteme sowie für dingliche Rechte und Aufrechnungen (Art. 20 ff. der RL 2001/ 24/EG). Die Richtlinie enthält darüber hinaus Regelungen über die gegenseitige Unterrichtung der Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten im Falle der Notwendigkeit, Sanierungsmaßnahmen durchzuführen (Art. 4 und 5 der RL 2001/24/EG), Veröffentlichungs- und Informationspflichten bei Eröffnung des Liquidationsverfahrens (Art. 13-15 der RL 2001/24 EG) sowie Konkretisierungen des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung (Art. 16 der RL 2001/24/EG). Die Europäische Kommission hat im Juni 2007 eine öffentliche Konsultation zur Revision der Richtlinie 2001/24/EG eingeleitet (Presseveröffentlichung der Europäischen Kommission vom 12.6.2007). Da sich der Anwendungsbereich der Richtlinie bisher auf Kreditinstitute mit Zweigniederlassungen beschränkt, soll im Rahmen des Konsultationsprozesses insbesondere geklärt werden, ob der Anwendungsbereich der Richtlinie auf die Sanierung und Liquidation von grenzüberschreitenden Bankengruppen ausgedehnt werden soll und wie Hindernissen in Bezug auf die Übertragung von Vermögensgegenständen innerhalb solcher Gruppen entgegengetreten werden kann.
52
5. Richtlinie über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten. Ergänzend zu den überwiegend sektoral angelegten finanzmarktrechtlichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen werden mit der Richtlinie 2002/87/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 35 S. 1 vom 11.2.2003) die Voraussetzungen für deren gruppenweite Beaufsichtigung geschaffen (vgl. hierzu im Einzelnen Heinrich, ZBB 2003, 230 ff.). Die Richtlinie enthält dabei neben einzelnen Anpassungen der branchenspezifischen Regelwerke Vorschriften, die eine Beurteilung der Finanzlage, insbesondere in Bezug auf die Solvabilität, Risikokonzentration sowie gruppeninterne Geschäfte, auf Konglomeratsebene gestatten. Daneben sollen die Beaufsichtigung auf Konglomeratsebene sowie die Koordinierung und der Informationsaustausch zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden verbessert werden. Die Maßnahme trägt insoweit der wachsenden Bedeutung von Finanzkonglomeraten als Teilnehmern auf den internationalen Finanzmärkten Rechnung und dient dazu, den hierdurch entstehenden Risiken für die Stabilität des Finanzsystems entgegenzuwirken.
53
D. Umsetzung von „Basel II“ durch die Eigenmittelrichtlinie
54
Mitte 2004 verabschiedete der Baseler Ausschuss die überarbeitete Rahmenvereinbarung der Internationalen Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigen-
Hirte/Heinrich
2198
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
kapitalanforderungen („Basel II“). Kernanliegen der darin enthaltenen Regelungen ist es, die Verbindung zwischen den rechtlich auszuweisenden Eigenkapitalkosten und dem wirtschaftlichen Risiko der Institute zu verstärken, die Differenzierung der Abstufungen von Kreditrisiken zu verbessern sowie die Strategien für die Kreditallokation und -preisfestsetzung stärker aufeinander abzustimmen. Durch die Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und die Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten wurden die Bestimmungen von „Basel II“ in europäisches Recht umgesetzt (hierzu allgemein Mülbert, BKR 2006, 349 (351)). Die Vorgaben dieser beiden Richtlinien – welche (gemeinsam) auch unter dem „Oberbegriff“ Eigenmittelrichtlinie (Capital Requirements Directive – CDR) bekannt sind – müssen seit dem 1.1.2007 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union für alle Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute angewendet werden. Basel II ist in vier Teile gegliedert und besteht aus mehreren Anhängen. Der 1. Teil regelt den Anwendungsbereich, der 2. Teil ist mit „Teil 2: Säule 1 – Mindestkapitalanforderungen“ überschrieben, der 3. Teil mit „Teil 3: Säule 2 – Aufsichtliches Überprüfungsverfahren“ und der 4. Teil mit „Teil 4: Säule 3 – Marktdisziplin“. Daher spricht man von den drei Säulen von Basel II. Auf Basis der 1. Säule sind die Mindestkapitalanforderungen an die Kreditinstitute für Kreditrisiken, Marktrisiken sowie operationelle Risiken zu berücksichtigen. Marktrisiken sind bereits seit der „Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken“ aus dem Jahr 1996 zu berücksichtigen. Basel II brachte hier nur geringfügige Veränderungen. Marktrisiken werden definiert als Risiken für Verluste aus bilanzwirksamen und außerbilanziellen Positionen aufgrund von Veränderungen der Marktpreise, wobei Risiken aus Zinsinstrumenten und Aktien im Handelsbestand sowie Fremdwährungsrisiken und Rohstoffrisiken in der gesamten Bank zu berücksichtigen sind. Zu den wichtigsten durch Basel II eingeführten Neuerungen gehört hierbei, dass das Kreditausfallrisiko nun einzelfallbezogen zu bestimmen ist, während im Rahmen von Basel I die Risikogewichtung durch eine Zuordnung des jeweiligen Kredits zu bestimmten allgemein definierten Kategorien erfolgte (so waren z.B. Forderungen an den Privatsektor mit 100 %, Forderungen gegen OECD-Zentralregierungen und Zentralbanken mit 0 % in Ansatz zu bringen, vgl. zu den Regelungen unter der damaligen europäischen Solvabilitätsrichtlinie Rn. 30). Seit Basel II wird das Kreditrisiko entweder im Wege eines externen Ratings oder unter Verwendung der bankinternen Rating-Systeme bestimmt, wobei die zweite Vorgehensweise der ausdrücklichen Genehmigung durch die zuständige Bankenaufsicht bedarf. Ebenfalls neu ist die Berücksichtigung von operationellen Risiken. Hierzu gehört die Gefahr von Verlusten, die infolge einer Unzulänglichkeit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder infolge externer Ereignisse eintreten, wobei Rechtsrisiken eingeschlossen sind, nicht jedoch strategische Risiken oder Reputationsrisiken. Im 3. Teil (2. Säule) sind vor allem die zentralen Grundsätze des aufsichtlichen Überprüfungsverfahrens geregelt. Demgegenüber ist im 4. Teil (3. Säule) eine Reihe von Offenlegungspflichten der Banken festgelegt. Zweck der Offenlegungspflichten ist es, die Marktteilnehmer in die Lage zu versetzen, die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung einer Bank auszuwerten.
Hirte/Heinrich
§ 73 Bankrechtskoordinierung und -integration
2199
E. Bewertung der bisherigen Regelungsmaßnahmen und Ausblick Die Vielzahl der im Bereich des europäischen Bank- und Finanzmarktrechts verabschiedeten Richtlinien bestätigt die zunehmende Dominanz des Gemeinschaftsrechts und die damit verbundene Überlagerung und Neuordnung der nationalen Rechtsordnungen in diesem Bereich. Durch die weitgehende Liberalisierung der Bankenindustrie und die einzelnen Harmonisierungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine zunehmende Integration der Finanzmärkte geschaffen worden. Die Anerkennung des Herkunftslandprinzips und die Schaffung des Europäischen Passes für die Erbringung von Bankdienstleistungen in Verbindung mit den Bestimmungen der Eigenmittel- und Solvabilitätsrichtlinie zum Schutz der Einleger und des Bankensystems stellen dabei bis heute die entscheidenden Schritte zur rechtlichen Integration des Bankenmarktes innerhalb der Gemeinschaft dar. Die Kritik des Ansatzes einer Schaffung von Mindeststandards durch EG-Richtlinienrecht und der gegenseitigen Anerkennung der Aufsichtsmaßnahmen durch die Herkunftslandbehörde als gegenüber einem einheitlichen Bankenaufsichtsgesetz mit einer zentralen Aufsichtsbehörde unvollkommenes Harmonisierungsinstrument hat sich dabei nicht bestätigt. So weit die bisherigen Harmonisierungsmaßnahmen auf EG-Ebene bis heute fortgeschritten sein mögen, so wenig kann bestritten werden, dass die Entwicklung des europäischen Bankrechts mit der jüngsten Koordinierung nicht an ihrem Ende angelangt ist. Die zunehmende Globalisierung der Finanzmärkte sowie der fortdauernde technologische Fortschritt in diesem Sektor stellen neue Herausforderungen an den europäischen Gesetzgeber und verlangen eine ständige Revision der bislang erfolgten Maßnahmen; so gibt es inzwischen Überlegungen seitens des Baseler Ausschusses, Vorgaben für die corporate governance von (auch nicht börsennotierten) Banken zu machen, die aufsichtsrechtlich durchgesetzt werden können (hierzu Mülbert, BKR 2006, 349 ff.). Verbleibende Regelungslücken innerhalb des europäischen Bankrechtssystems und unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten, etwa bei der steuerlichen Behandlung einzelner Finanzprodukte, bekräftigen die Forderung nach weiterer Koordinierung.
Hirte/Heinrich
55
56
“This page left intentionally blank.”
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
2201
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
Schrifttum Bader, Inhalt und Bedeutung der 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie – ein „EG-Grundgesetz“ für die Banken?, EuZW 1990, 117; Bülow, Zum internationalen Anwendungsbereich des deutschen Verbraucherkreditgesetzes, EuZW 1993, 435; Eberth, Zur Rechtsnatur der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, Festschrift Neumayer, 1985, S. 199; Eilmansberger, Die Liberalisierung des Hypothekarkredits in der EWG, EuZW 1991, 691; Hanten, Der europäische Paß für Zweigniederlassungen von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten aus deutscher Sicht, ZBB 2002, 245; Aufsichtsrechtliche Erlaubnispflicht bei grenzüberschreitenden Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen, WM 2003, 1412; Grenzüberschreitende Aspekte des Kreditwesengesetzes und der Wohlverhaltensregeln des WpHG, in: Baudenbacher (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, 7/2005, S. 153 ff.; Herring/Kübler, Grenzüberschreitende Bankgeschäfte im Zielfeld politischer Intervention, ZBB 1995, 113; Hirte, Europäisches Bankrecht, 2000; Huber, Bankrecht, 1. Aufl., 2001; Kimms, Die Kapitalverkehrsfreiheit im Recht der Europäischen Union, 1996; Knaul, Auswirkungen des Europäischen Binnenmarktes der Banken auf das internationale Bankvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Verbraucherschutzes, 1995; Krimphove, Aktuelle Entwicklungen im europäischen Bank- und Kapitalmarktrecht, Kreditwesen 2005, 97, Micklitz/Rott, Vergemeinschaftung des EuGVÜ in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, EuZW 2001, 325; Vergemeinschaftung des EuGVÜ in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, EuZW 2002, 15; Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl., 1999; Europäisches Gemeinschaftsrecht und Privatrecht – Das Privatrecht in der europäischen Integration, NJW 1993, 13; Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft: Ebenen und gemeinschaftsprivatrechtliche Grundfragen, Festschrift Börner, 1992, S. 303; Schneider, Europäische und internationale Harmonisierung des Bankvertragsrechts, NJW 1991, 1985; Europäische und internationale Rechtsangleichung und ihre Bedeutung für die Kreditwirtschaft, in: Hadding/Welter, Rechtsfragen bei Bankleistungen im Europäischen Binnenmarkt, 1994, S. 9; Schneider/Troberg, Finanzdienstleistungen im EG-Binnenmarkt: Sitzland oder Gastlandrecht?, WM 1990, 165; Schücking, Das Internationale Privatrecht der Banken-Konsortien, WM 1996, 281; Schütze, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, 5. Aufl., 1999; Kollisionsrechtliche Probleme des Dokumentenakkreditivs, WM 1982, 226; Stötter, Zur Abfassung der Akkreditivklausel im Kaufvertrag, RIW/AWD 1981, 86; Wälzholz, Zur Anwendbarkeit des AGBG auf die Einheitlichen Richtlinien der ICC, WM 1994, 1457; v. Westphalen, Rechtsprobleme der Exportfinanzierung, 3. Aufl., 1987; AGB-rechtliche Erwägungen zu den einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive – Revision 1993, RIW 1993, 453; Wolf, Privates Bankvertragsrecht im EG-Binnenmarkt, WM 1990, 1941; Zahn/Eberding/Ehrlich, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 6. Aufl., 1986. Inhaltsübersicht A. Länderübergreifende Bankgeschäfte und ihre Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Grundsätze des anwendbaren Rechts . . . . . . . . . 6 I. Grundsatz der engsten Verbindungen (Art. 28 EGBGB). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Konsequenzen für ausgewählte Bankgeschäftstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Girogeschäft, Einlagengeschäft, Diskontgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Garantie, Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4. Dokumenten-Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . 15 5. Börsengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 C. International harmonisierte Regeln für Bankgeschäfte unabhängig von der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 D. International harmonisiertes Recht für das Bankgeschäft innerhalb der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
I. Gemeinschaftsprimärrecht: Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bankgeschäfte im Recht der Grundfreiheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bankgeschäfte im Recht der Wettbewerbsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinschaftssekundärrecht: Richtlinien und Verordnungen . . . . . . . . . . 1. Richtlinien und Richtlinienvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das inhaltliche Grundkonzept der Richtliniengebung für die binnenmarktweite Banktätigkeit . . . . . . . . . . . . 3. Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übereinkommen über Kollisionsrecht im Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gerichtsstand, Anerkennung und Vollstreckung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Müller-Graff
22 23 28 30 31
36 38 40 41
2202
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
1. Gerichtstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung und Vollstreckung. . . . . . . E. Möglichkeiten und Grenzen der Rechtswahl. . . I. Grundsatz der Parteiautonomie (Art. 3 EVÜ; Art. 27 EGBGB) . . . . . . . . . . 1. Rechtswahl durch Individualvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 55 56 57 58
2. Rechtswahl in Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . II. Einschränkungen der Parteiautonomie . . . . 1. Verbraucherschutz (Art. 29 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. International zwingendes Recht (Art. 34 EGBGB; Art. 7 II EVÜ) . . . . . .
59 62 63 67
Stichwortverzeichnis Abschlussmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 AGB Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Allgemeiner Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . 59 Allgemeines wirtschaftliches Interesse. . . . . . . . . . 29 Anerkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 41, 55 Anerkennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit der E-Geld-Institute . . . . . . . . . . . . . . 32 Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Ausländisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 56, 67 Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Ausnahmeregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Beaufsichtigung (zusätzliche). . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Begünstigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 16 Begleitmaßnahmen (selbständige) . . . . . . . . . . . . . 25 Beratungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Bereichsausnahmen (primärrechtliche) . . . . . . . . . 29 Börsengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Börsenort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Börsentermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Charakteristische Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 9 Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Darlehensgewährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Deckungsverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Deutscher Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 47 Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 36 Diskontgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 13 Dokumenten-Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 26 Eigenkapitalausstattung (angemessene) . . . . . . . . . 32 Einlagengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 12 Einlagensicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Einzelstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Engste Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Entschädigung der Anleger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Ermessensspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Euro-Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Europäische Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53, 64 Finanzierungskredite (gebundene) . . . . . . . . . . . . . 66 Finanzkonglomerat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 33 Fremdes nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Garantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 61 Gegenleistungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Geldüberweisungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Gemeinsame europäische Währung . . . . . . . . . . . . 38 Gemeinschaftssekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Gerichtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 41 Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 43 Gerichtsstand (ausländischer). . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Gerichtsstandwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Geschäftsbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 63 Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Grenzüberschreitende Zahlungen in Euro . . . . . . . 38 Grundfreiheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 69 Grundkonzept der Richtliniengebung. . . . . . . . . . . 36 Grundstücksbelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Güterbeförderungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Haftungsrisiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Hauptniederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Hauptverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 International zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . 67 Jahresabschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Kapitalbeteiligung (nicht-unternehmerische) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kapitaltransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kommissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Konsolidierter Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Konsumentenkredite (ungebundene) . . . . . . . . . . . 66 Kreditinstitute (öffentlich-rechtliche). . . . . . . . . . . 29 Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kreditverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50, 53, 66 Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Nichtigkeit des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 16 Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 36 Nutzung des Kapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Platzierung einer Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Recht an einem Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Rechtfertigung von Beschränkungen . . . . . . . . . . . 22 Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Rechtsvorschriften (ausländische) . . . . . . . . . . . . . . 4 Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 58, 59 Rechtswahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 31 Richtlinien der ICC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Richtlinienvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Risiken (allgemeine). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Risiken (spezielle rechtliche) . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 4 Sekundärrechtliche Akte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Sanierung und Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Sicherheiten (ausländische) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Sitz der Zweitbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte Sitzlandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Staatsangehörigkeit (ausländische) . . . . . . . . . . . . . . 2 Stellung einer Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Überweisungen (grenzüberschreitende) . . . . . . . . . 33 Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Unerlaubte Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53, 63 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 35 Verbraucherschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 63 Verhaltenskonzertierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Vermittlertätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Vermögensverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 38 Vertragliche Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 40
2203
Wertpapierliefersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Wertpapiermakler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Wertpapiertermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Wertübertragung (einseitige) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Wettbewerbsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Wohn- oder Geschäftssitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Zahlungsverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Zuständigkeitsvereinbarung (internationale) . . . . . 54 Zweigniederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Zwingende Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Zwingende Gründe des Allgemeininteresses . . . . . 24
A. Länderübergreifende Bankgeschäfte und ihre Risiken
1
Länderübergreifende Bankgeschäfte stellen keinen eigenständigen Geschäfts- oder Vertragstyp dar. Sie lassen sich vielmehr als die insbesondere in § 1 I KWG aufgeführten Geschäfte (z.B. Einlagengeschäft, Kreditgeschäft, Investmentgeschäft, Garantiegeschäft, Girogeschäft, Emissionsgeschäft), aber auch als Finanzdienstleistungsgeschäfte im Sinne des § 1 I a KWG (z. B. Finanzportfolioverwaltung, Eigenhandel, Finanztransfergeschäft) verstehen, die einen Auslandsbezug aufweisen (Kümpel, Rn. 7.4; BuBNielsen, Rn. 5/1a). Der Auslandsbezug kann sich aus einer Vielzahl von Anknüpfungselementen innerhalb oder außerhalb des europäischen Binnenmarktes ergeben, so insbesondere: aus der ausländischen Staatsangehörigkeit eines Bankkunden (oder seines Ehegatten; Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 26 Rn. 1), aus dem Wohn- oder Geschäftssitz eines Kunden in einem anderen Staat (Huber, Rn. 379), aus Dienstleistungen für inländische Kunden, die (ganz oder teilweise) im Ausland auszuführen sind (z. B. Übernahme von Garantien gegenüber ausländischen Begünstigten, grenzüberschreitende Überweisungen, Akkreditive, Erwerb von Wertpapieren im Ausland; BuB-Nielsen, Rn. 5/1b), aus der Verwendung ausländischer Sicherheiten (z. B. ausländische Pfand- und Grundpfandrechte, Abtretung von Forderungen inländischer Kunden gegen ausländische Schuldner; Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 26 Rn. 1).
2
Länderübergreifende Bankgeschäfte bergen spezifische Risiken allgemeiner und speziell rechtlicher Art. Zu den allgemeinen Risiken zählen die wirtschaftlichen und politischen Gefährdungen, die mit derartigen Auslandsgeschäften zusammenhängen können (wie etwa Kriege, Blockaden, Embargos; vgl. BuB-Nielsen, Rn. 5/1 c sowie die Auflistung von Beispielfällen durch Herring/Kübler, ZBB 1995, 113 (117)). Sind diese auch bei grenzüberschreitenden Geschäften innerhalb des Binnenmarktes der Europäischen Gemeinschaft überwunden, so bestehen doch auch hier spezielle rechtliche Risiken, die allerdings in noch stärkerem Maße bei Geschäften auftreten, die die Grenzen der Europäischen Gemeinschaft überschreiten.
3
Spezielle rechtliche Risiken für länderübergreifende Bankgeschäfte wurzeln mangels eines einheitlichen internationalen Rechtsrahmens (BuB-Nielsen, Rn. 5/2 a) zum einen in öffentlich-rechtlichen Hindernissen für grenzüberschreitende Bankgeschäfte (z. B. devisenrechtliche Beschränkungen), zum anderen darin, dass fremdes nationales Recht für die inländische Bank oder den inländischen Geschäftspartner einer ausländischen Bank anwendbar sein kann. Selbst wenn dies nicht der Fall ist (namentlich im Fall einer wirk-
4
Müller-Graff
2204
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
samen Rechtswahl inländischen Rechts; siehe unten E), können dennoch einzelne ausländische Rechtsvorschriften zur Anwendung kommen, die sich gegenüber dem anwendbaren oder gewählten inländischen Recht durchsetzen. Dies kann vor allem eintreten, wenn es sich bei dem Kunden der Bank um einen Verbraucher handelt (Mankowski, RIW 1993, 453 (459)). Schließlich kann die Auslandsberührung zu einem ausländischen Gerichtsstand führen. Konsequenz dieser regelmäßig seitens der Bank nicht erwünschten Rechtsfolgen sind nicht nur eine Konfrontation mit gegebenenfalls unbekannten Rechtsnormen oder der gesteigerte Aufwand eines im Ausland zu führenden Prozesses, sondern möglicherweise auch die Nichtigkeit des Vertrages (wenn bestimmte (ausländische) zwingende Vorschriften nicht eingehalten werden) oder nur schwer kalkulierbare Haftungsrisiken (vgl. hierzu Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 28 Rn. 44 sowie BGH NJW 1984, 568). 5
Kann es damit nach den einschlägigen Grundsätzen zur Anwendbarkeit ausländischen Rechts kommen (B), so bestehen doch insoweit international in begrenztem Umfang harmonisierte Regeln zum einen unabhängig von der Europäischen Gemeinschaft (C), zum anderen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (D) sowie schließlich Möglichkeiten der Rechtswahl (E).
6
B. Grundsätze des anwendbaren Rechts Das auf länderübergreifende Bankgeschäfte anwendbare Recht bestimmt sich grundsätzlich nach einzelstaatlichem Recht (vgl. Huber, Rn. 381). Dies kann zum einen zu spezifischen öffentlich-rechtlichen Hindernissen für grenzüberschreitende Bankgeschäfte, zum anderen nach den auf das jeweilige Rechtsgeschäft anwendbaren internationalprivatrechtlichen Vorschriften dazu führen, dass auf den betroffenen Vertrag ausländisches Recht anwendbar ist (Kümpel, Rn. 7.10). Nach deutschem Recht ist bei fehlender Rechtswahl (s. dazu unten E.) Art. 28 EGBGB (I) mit entsprechenden Auswirkungen auf einzelne Bankgeschäftstypen (II) einschlägig.
7
I. Grundsatz der engsten Verbindungen (Art. 28 EGBGB). Art. 28 EGBGB bestimmt, dass mangels einer gültigen Rechtswahl das Recht desjenigen Staates anzuwenden ist, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Art. 28 II EGBGB stellt hierzu drei Vermutungen auf, die im Zweifelsfall die Bestimmung der engsten Verbindungen erleichtert.
8
Grundsätzlich wird danach vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Vertragspartei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, wenn es sich um eine Gesellschaft, einen Verein oder eine juristische Person handelt, ihre Hauptverwaltung hat, wobei jedoch im Falle des Abschlusses in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Partei auf die Niederlassung (Hauptniederlassung, gegebenenfalls andere Niederlassung) abgestellt wird (Art. 28 II EGBGB). Bei Verträgen über ein dingliches Recht an einem Grundstück oder ein Recht zur Nutzung eines Grundstücks knüpft die Vermutung an der Grundstücksbelegenheit an (Art. 28 III EGBGB) und bei Güterbeförderungsverträgen an der Hauptniederlassung des Beförderers im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Art. 28 IV EGBGB).
9
II. Konsequenzen für ausgewählte Bankgeschäftstypen. Als charakteristische Leistung wird gemeinhin die Leistung angesehen, die einen Vertrag sachgegenständlich von anderen Vertragstypen unterscheidet (MünchKommEGBGB-Martiny, Art. 28 Rn. 33). Die Geldleistung ist im Gegensatz hierzu unspezifisch, da sie nur die Gegenleistung für die charakteristische Leistung darstellt. Im Regelfall erbringt daher im Rahmen von Bank-
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
2205
geschäften die Bank die charakteristische Leistung (MünchKommEGBGB-Martiny, Art. 28 Rn. 350), so dass es insbesondere bei Geschäften von Inländern mit ausländischen Banken zur Anwendung ausländischen Rechts kommen kann. Für die einzelnen Bankgeschäfte ergibt sich hierbei folgendes: 1. Darlehen. Beim Darlehensvertrag stellt sich das Problem, dass es sich sowohl bei der Darlehensgewährung als auch bei der Rückzahlung um Geldleistungen handelt. Dennoch ist die Darlehensgewährung als charakteristische Leistung anzusehen (BuB-Nielsen, Rn. 5/18b; Schücking, WM 1996, 281 (283); Knaul, S. 256), da der Zweck des Darlehensvertrages die Nutzung des zur Verfügung gestellten Kapitals auf Zeit ist und die Zinsen nur ein Entgelt für diese Leistung darstellen. Die Pflicht zur Rückgewähr des Geldes schließlich ergibt sich aus dem Zweck des Vertrages selbst (nur Nutzung des Kapitals), ist also Grundlage für die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages, nicht aber dessen prägende Bestimmung (vgl. hierzu Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 26 Rn. 136).
10
2. Girogeschäft, Einlagengeschäft, Diskontgeschäft. Im Rahmen des Überweisungsverkehrs obliegt der beauftragten Bank die typische Leistung. Mithin findet ihr Recht Anwendung (BuB-Nielsen, Rn. 5/18c; MünchKommEGBGB-Martiny, Art. 28 Rn. 352; BGH WM 1987, 530; Pleyer/Wallach, RIW 1988, 173 f.; Knaul, S. 260 f.). Beauftragt eine inländische Bank ihrerseits eine ausländische Bank zur Durchführung der Überweisung (BGHZ 25, 127; OLG Köln RIW 1993, 1023; Kegel, GS R. Schmidt, S. 237 f.), ist folgerichtig das Recht der ausländischen Bank anzuwenden (Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 26 Rn. 139).
11
Problematisch ist die Bestimmung der charakteristischen Leistung im Rahmen des Einlagengeschäfts, dem in der Regel eine Darlehensvergabe durch den Kunden zugrunde liegt, doch wird der charakterisierende Schwerpunkt dieses Geschäftes überwiegend in der Annahme als Einlage gesehen (BuB-Nielsen, Rn. 5/18c; MünchKommEGBGB-Martiny, Art. 28 Rn. 351; OLG Düsseldorf, RIW 1996, 155, im Anschluss an BGH WM 1957, 1574; 1968, 1170 (1172). Dagegen spricht (vgl. Knaul, S. 257 f.; wohl auch v. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 6), dass die bloße Annahme durch das Kreditinstitut als passivisches Pendant zur Einlage hinter diese unter dem Gesichtspunkt der Leistungscharakterisierung zurücktritt.
12
Im Rahmen des Diskontgeschäfts erbringt die Bank die charakteristische Leistung (OLG Frankfurt a. M. WM 1984, 20; MünchKommEGBGB-Martiny, Art. 28 Rn. 354).
13
3. Garantie, Bürgschaft. Im Rahmen von Garantien und Bürgschaften ist das Rechtsverhältnis zwischen Bank und Begünstigtem von demjenigen zu unterscheiden, das zwischen Bank und Auftraggeber besteht, doch erbringt bei beiden Rechtsverhältnissen die Bank die charakteristische Leistung. Gegenüber dem Begünstigten erbringt ohnehin nur die Bank eine Leistung, so dass nur diese die charakteristische sein kann (BGH NJW 1996, 2569 (2570); Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 26 Rn. 141). Im Auftragsverhältnis zu ihrem Kunden ist die Bank diejenige, die die vertragstypische Leistung (nämlich die Übernahme der Garantie) erbringt, wohingegen der Kunde lediglich das vereinbarte Entgelt entrichtet (OLG Frankfurt a.M. WM 1988, 140).
14
4. Dokumenten-Akkreditiv. Die Frage nach dem anwendbaren Recht spielt bei Dokumenten-Akkreditiven eine eher untergeordnete Rolle, da diesen in der Regel die „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive 1993“ zugrunde liegen und diese den Sachverhalt umfassend und in international einheitlicher Weise regeln (MünchKommEGBGB-Martiny, Art. 28 Rn. 355).
15
Sollten diese Regeln nicht wirksam zugrunde gelegt sein, ist zu unterscheiden: Im Verhältnis zwischen dem Auftraggeber des Akkreditivs und der eröffnenden Bank (De-
16
Müller-Graff
2206
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
ckungsverhältnis) gilt das Recht der Bank (Zahn/Eberding/Ehrlich, Rn. 1/39; Assmann/ Schütze, § 10 Rn. 98, allerdings mit dem Hinweis darauf, dass Akkreditivauftraggeber und Akkreditivbank ihren Sitz regelmäßig im gleichen Staat haben). Für das Verhältnis zwischen der eröffnenden Bank und dem Begünstigten gilt das Recht der Niederlassung der Bank (OLG Frankfurt a. M. RIW 1992, 315; v. Bar, ZHR 152 (1988), 53; Schütze, Rn. 448). Bestätigt eine Zweitbank das Akkreditiv, so gilt gegenüber dem Begünstigten das Recht des Sitzes der Zweitbank (v. Bar, ZHR 152 (1988), 38 ff.; Schütze, Rn. 450 ff.; WM 1982, 226 (228)). 17
5. Börsengeschäfte. Börsengeschäfte unterliegen bei fehlender Rechtswahl grundsätzlich dem Recht des Börsenortes, da dort die charakteristische Leistung erbracht wird (MünchKommEGBGB-Martiny, Art. 28 Rn. 377).
18
C. International harmonisierte Regeln für Bankgeschäfte unabhängig von der Europäischen Gemeinschaft Trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit einzelstaatlichen Rechts auf länderübergreifende Bankgeschäfte bestehen doch international in begrenztem Umfang harmonisierte Regeln für Bankgeschäfte. Dies gilt zum einen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (siehe unten D), zum anderen aber auch auf internationaler Ebene unabhängig von der Europäischen Gemeinschaft.
19
Von Bedeutung sind insoweit namentlich die Richtlinien der International Chamber of Commerce (ICC) in Paris. Sie sind zwar keine Rechtsnormen (insofern besteht Einigkeit im Schrifttum, vgl. statt aller Kümpel, Rn. 7.48; MünchKommBGB-Hüffer, § 783 Rn. 100), haben aber aufgrund ihrer hohen Akzeptanz in der Praxis dennoch für das Auslandsgeschäft der Banken herausragende Bedeutung (zum Streit über die Rechtsnatur der Richtlinien der ICC vgl. Canaris, Rn. 925 ff.; Eberth, FS Neumayer, S. 199 ff.; Wälzholz, WM 1994, 1457 (1458); „Normengefüge eigener Art“: Schütze, Rn. 39; BuBNielsen, Rn. 5/2e; „internationale Handelsbräuche“: Zahn/Eberding/Ehrlich, Rn. 1/18; „AGB“: v. Westphalen, RIW 1994, 453 (454); Stötter, RIW/AWD 1981, 86 (87); vermittelnd (teils Handelsbräuche, teils AGB): Graf v. Westphalen, S. 227; Peters, WM 1978, 1030 (1032)).
20
Die wichtigsten derartigen für Bankgeschäfte einschlägigen Richtlinien der ICC sind: – Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive („ERA“, vgl. hierzu BuB-Nielsen, Rn. 5/473 f. und 5/496 ff.), ICC-Publikation Nr. 500 (ab 1. Juli 2007 Nr. 600) – Einheitliche Richtlinien für Inkassi, ICC-Publikation Nr. 522 (mit Vorwort abgedruckt in WM 1996, 229 ff.; vgl. auch Zahn/Eberding/Ehrlich, Rn. 1/22 ff.) – Incoterms 1990, ICC-Publikation Nr. 460 – Uniform Rules for Bank-to-Bank Reimbursement under Documentary Credits, ICCPublikation Nr. 525 (vgl. hierzu ausführlich BuB-Nielsen, Rn. 5/737a ff.) – Vergleichs- und Schiedsgerichtsordnung der ICC, ICC-Publikation Nr. 447 – Einheitliche Richtlinien für Demand Guarantees, ICC-Publikation Nr. 458 (vgl. Kümpel, Rn. 7.54 ff.).
21
D. International harmonisiertes Recht für das Bankgeschäft innerhalb der Europäischen Gemeinschaft International harmonisiertes Recht für das Bankgeschäft findet sich insbesondere innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Maßgeblich sind insoweit zunächst die unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages (I), das
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
2207
Sekundärrecht der Europäischen Gemeinschaft in Gestalt von Richtlinien und Verordnungen (II), das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (III) und das Sekundärrecht über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (IV). I. Gemeinschaftsprimärrecht: Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln. Für grenzüberschreitende Bankgeschäfte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sind als unmittelbar anwendbare gemeinschaftsprimärrechtliche Vorschriften die Grundfreiheiten und bei Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages maßgeblich. Während die Grundfreiheiten (Art. 23 ff. EGV) als subjektive Rechte für deren jeweilige Träger die einzelstaatlichen Märkte namentlich gegenüber mitgliedstaatlichen (aber auch gemeinschaftlichen und unter bestimmten Voraussetzungen auch gegenüber privat verursachten) Beschränkungen öffnen oder offenhalten (im Konfliktfall durch Anwendungsvorrang gegenüber widerstreitendem nationalen Recht; vgl. EuGH, 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251) und dadurch behinderungsfreien gemeinschaftsweiten Wettbewerb ermöglichen (unbeschadet einer Rechtfertigung von Beschränkungen aus speziellen Ausnahmevorschriften oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses), sichern die Wettbewerbsregeln dieses System transnationaler wettbewerblicher Handlungsfreiheiten gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Art. 81 ff. EGV).
22
1. Bankgeschäfte im Recht der Grundfreiheiten. Für den Schutz des grenzüberschreitenden Bankgeschäfts im allgemeinen und der grenzüberschreitenden Bankgeschäfte im einzelnen einschlägig sind insbesondere die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EGV) sowie die Kapitalverkehrs- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EGV) und im Falle der Banktätigkeit durch grenzüberschreitende Haupt- oder Zweigniederlassung die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV).
23
Bankgeschäfte innerhalb des europäischen Binnenmarktes stehen als gewerbliche Tätigkeiten, die in der Regel gegen Geld erbracht werden, sofern sie nicht in den Schutzbereich der Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit fallen (zur Abgrenzung Rn. 25 ff.), unter dem Schutz der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EGV (vgl. beispielhaft EuGH, C-222/95, Parodi, Slg. 1997, I-3899 – Kreditvergabe –; EuGH, C-384/93, Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141 – Wertpapierdienstleistungen –; EuGH, 15/78, Koestler, Slg. 1978, 1971 – Wertpapiertermingeschäfte –; EuGH, C-101/94, Kommission/Italien, Slg. 1996, I-2691 – Wertpapiermakler –). Allerdings unterfallen nicht alle Bankgeschäfte mit Auslandsberührung (siehe oben A) dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit, sondern nur, wenn der Sachverhalt ein aktuelles oder potentielles grenzüberschreitendes Element innerhalb des Binnenmarktes im Sinne des Art. 49 EGV beinhaltet (vgl. z. B. Grabitz/Hilf-Randelzhofer/Forsthoff, Art. 49/50 Rn. 16; daran fehlt es beispielsweise, wenn der Bankkunde zwar ein ausländischer Staatsangehöriger ist, das Bankgeschäft aber kein sonstiges über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisendes Element aufweist, wie es beispielsweise bei Ansässigkeit des Kunden in einem anderen Mitgliedstaat der Fall ist). Art. 49 EGV gewährleistet unter den in dieser Norm genannten Voraussetzungen dem Dienstleistenden die Erbringung der Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat (sei es durch persönliche Überquerung der Grenze, sei es im Korrespondenzwege) und dem Dienstleistungsempfänger deren Empfangnahme (im Heimatstaat durch den aus einem anderen Mitgliedstaat kommenden Dienstleistenden, durch persönliche Überquerung der Grenze zu dem Dienstleistenden oder im Korrespondenzwege). Dieser Schutz besteht nicht nur gegenüber dienstleistungsbeschränkenden öffentlichrechtlichen Vorschriften (wie etwa dem Aufsichtsrecht). Die Dienstleistungsfreiheit (wie auch die anderen Grundfreiheiten des EG-Vertrages) bindet vielmehr auch den nationalen
24
Müller-Graff
2208
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Zivilrechtssetzer und ist daher auch gegenüber privatrechtlichen Bestimmungen anwendbar (h. M.: z.B. Müller-Graff, S. 15 f.; von der Groeben/Thiesing/Ehlermann-Müller-Graff, Art. 30 Rn. 130 ff.; Grabitz/Hilf-Randelzhofer/Forsthoff, vor Art. 39-55 EGV, Rn. 54; v. Wilmowsky, JZ 1996, 590 ff.; RabelsZ 62 (1998), 1 (3); Roth, ZEuP 1994, 5 (6 f.); Steindorff, JZ 1994, 95 (97); Fezer, JZ 1994, 623 (625)). Mithin unterfallen auch zivilrechtliche Regelungen des Aufnahmestaates, die geeignet sind, die Erbringung einer grenzüberschreitenden Dienstleistung einer Bank zu beschränken, der Überprüfung anhand des Art. 49 EGV. Allerdings können sie gerechtfertigt sein. Im Ergebnis sind jedoch nur diejenigen, die grenzüberschreitende Dienstleistung beschränkenden privat- und öffentlichrechtlichen Regelungen des Bestimmungsstaates primärgemeinschaftsrechtlich zulässig, die durch ausdrückliche Ausnahmeregeln (Art. 55 EGV i. V. m. Art. 46 I EGV) oder (im Falle einer unterschiedslos auf die inländische und binnengrenzüberschreitende Erbringung anwendbare Regelung) durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 28 Rn. 8; zur Definition des Allgemeininteresses in der zweiten Bankenrechtskoordinierungsrichtlinie sowie den Einzelheiten der Prüfung, ob eine nationale Vorschrift diesen Vorgaben entspricht, vgl. die „Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen über den freien Dienstleistungsverkehr und das Allgemeininteresse in der zweiten Bankenrichtlinie“ vom 20.06.1997, SEK(97) 1193 endg.). Bei Vorliegen eines solchen eine beschränkende Regelung rechtfertigenden zwingenden Grundes des Allgemeininteresses (wie beispielsweise namentlich des Verbraucherschutzes) ist die Regelung auf ihre Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. 25
Die Dienstleistungsfreiheit ist gemäß Art. 50 I EGV allerdings nur anwendbar, soweit die Leistung nicht schon den Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 I EGV) unterfällt, die gleichermaßen ein grundsätzliches Verbot von Beschränkungen im grenzüberschreitenden Verkehr enthält und unter spezifischen Voraussetzungen (Art. 57 ff. EGV) oder (im Falle von Beschränkungen infolge unterschiedslos anwendbarer Regelungen) aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses einschränkbar ist. Für den Kapitalverkehr konstitutiv ist die einseitige Wertübertragung (Grabitz/Hilf/Ress-Ukrow, Art. 56 Rn. 32). Da Kapitalverkehr regelmäßig mit Hilfsleistungen verbunden ist, ist für die Zuordnung eines grenzüberschreitenden Vorgangs im System der Grundfreiheiten zu unterscheiden: nämlich zwischen dem Kapitaltransfer und den dazu funktionsnotwendigen Leistungen (Art. 56 EGV) und den davon abtrennbaren selbständigen Begleitmaßnahmen (Art. 49 EGV). So ist beispielsweise bei der Platzierung einer Anleihe durch eine Bank auf dem Inlandsmarkt für einen Gebietsfremden zu unterscheiden: Die Unterbringung ist Kapitalverkehr, zusätzliche, nicht funktionsnotwendige Beratungen und Werbemaßnahmen sind jedoch Dienstleistungsverkehr. Inhaltlich ist allerdings das auch auf Art. 49 EGV anzuwendende (EuGH, 267/86, Van Eycke, Slg. 1988, 4769 Rn. 22) Abstimmungsgebot des Art. 51 II EGV zu beachten, wonach die Liberalisierung der mit dem Kapitalverkehr verbundenen Dienstleistungen der Banken (und Versicherungen) im Einklang mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs durchgeführt wird. Bei janusköpfigen Vorgängen kommen Art. 49 EGV und Art. 56 EGV parallel zur Anwendung (EuGH, C-484/93, Svensson und Gustavsson, Slg. 1995, I-3971, 3975). So ist beispielsweise die Stellung einer Sicherheit bei einem Kreditinstitut für den Sicherheitssteller Kapitalverkehr, für das Kreditinstitut aber Dienstleistung, so dass die Pflicht zur Stellung einer Sicherheit bei einem inländischen Kreditinstitut sowohl gegen Art. 49 EGV als auch gegen Art. 56 EGV verstoßen kann (EuGH, C-279/00, Kommission/Italien, Slg. 2002, I1425 Rn. 37 f.). Tritt der Aspekt des Kapitalverkehrs im Verhältnis etwa zur Dienstleistungs- oder der Niederlassungsfreiheit bei wertender Betrachtung völlig in den Hintergrund, greifen nur die Regeln der in erster Linie betroffenen Grundfreiheiten ein (EuGH,
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
2209
C-275/92, Schindler, Slg. 1994, I-1039, Rn. 20; EuGH, C-390/99, Canal Satélite Digital, Slg. 2002, I-607, Rn. 31). Umgekehrt kann jedoch auch eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit mit deren spezifischen Schranken subsidiär sein (EuGH, Urt. v. 13.5.2003 – C-463/00 – Slg. 2003, Golden Shares, I-4581, 4606, insbes. 4638; Streinz, S. 350; Kimms, S. 140). Im Verhältnis zu den anderen Grundfreiheiten (mit Ausnahme der Zahlungsverkehrsfreiheit) außergewöhnlich ist die Garantie des Art. 56 I EGV insoweit, als sie im Hinblick auf den Kapitalverkehr nicht nur Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten, sondern (unilateral) auch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten verbietet. Im Verhältnis zur Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 56 II EGV), die gleichermaßen ein grundsätzliches Verbot von Beschränkungen im grenzüberschreitenden Verkehr enthält und unter spezifischen Voraussetzungen oder (im Falle von Beschränkungen infolge unterschiedslos anwendbarer Regelungen) aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses einschränkbar ist, ordnet Art. 50 I EGV keine Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit an. Der Zahlungsverkehr unterscheidet sich von der einseitigen Wertübertragung des Kapitalverkehrs durch ihren Gegenleistungscharakter zur Erfüllung einer Verbindlichkeit. Im Falle der Behinderung von Geldüberweisungen, mit der die Gegenleistung für Dienstleistungen erbracht wird, sind daher wegen des sachgegenständlich verschiedenartigen Wirkungskreises der Behinderung Art. 49 EGV und Art. 56 II EGV parallel anwendbar (vgl. Streinz-EUV/EGV-Kommentar-Müller-Graff, Art. 49 EGV Rn. 24; siehe schon EuGH, 286/82 und 26/83, Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377 Rn. 10 ff.; siehe auch EuGH, C-484/93, Svensson und Gustavsson, Slg. 1995, I-3955 Rn. 19; EuGH, C-118/96, Safir, Slg. 1998, I-1897 Rn. 35; EuGH, C-410/96, Ambry, Slg. 1998, I-7875 Rn. 40). Art. 56 II EGV verbietet ebenso wie Art. 56 I EGV (unilateral) Beschränkungen nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten.
26
Für das Bankgeschäft im Binnenmarkt im allgemeinen ist darüber hinaus die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV) einschlägig. Sie gewährleistet unter den in Art. 43, 48 EGV aufgeführten Voraussetzungen auch Banken die primäre ebenso wie die sekundäre (Agenturen, Zweigniederlassungen, Tochtergesellschaften) grenzüberschreitende Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat gegen Beschränkungen und ist unter spezifischen Voraussetzungen (Art. 46 I EGV) oder (im Falle von Beschränkungen infolge unterschiedslos anwendbarer Regelungen) aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses einschränkbar. Die Niederlassungsfreiheit erfasst nur die dauerhafte Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats (z. B. EuGH, C-70/95, Sodemare, Slg. 1997, I-3395 Rn. 24), regelmäßig auf der Grundlage einer festen Einrichtung. Die Schaffung einer Infrastruktur allein (z. B. eines Büros) begründet jedoch noch nicht notwendig eine Niederlassung im Sinne des Art. 43 EGV, sondern kann auch nur Grundlage für die Erbringung gelegentlicher Dienstleistungen im Sinne des Art. 49 EGV sein (vgl. EuGH, C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165 Rn. 27). Im System der Grundfreiheiten nicht von der Niederlassungsfreiheit, sondern von der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 I EGV) erfasst wird die nicht zu einer unternehmerischen Kontrolle und damit nicht zu einer selbständigen unternehmerischen Erwerbstätigkeit führende nicht-unternehmerische Kapitalbeteiligung an Unternehmen, beispielsweise im Falle einer Direktinvestition durch Erwerb von Gesellschaftsanteilen (Müller-Graff, FS Ulmer, 2003, S. 929 (935 f.); ähnlich EuGH, C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919 Rn. 77; EuGH, C-436/00, X und Y II, Slg. 2002, I-10829 Rn. 35 ff., 66).
27
2. Bankgeschäfte im Recht der Wettbewerbsregeln. Bankgeschäfte innerhalb des europäischen Binnenmarktes unterliegen gleichermaßen dem unmittelbaren Gemeinschafts-
28
Müller-Graff
2210
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
primärrecht der allgemeinen Wettbewerbsregeln, mithin dem Verbot der wettbewerbsbeschränkenden Verhaltenskonzertierung zwischen Unternehmen (Art. 81 I EGV) und dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 82 EGV), sofern derartige Beschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind. 29
Primärrechtliche Bereichsausnahmen für das Kreditgewerbe bestehen im Gemeinschaftskartellrecht nicht. Dessen konditionierte Geltung für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, soweit die Anwendung der Vertragsvorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert (Art. 86 II S. 1 EGV), erstreckt sich nicht auf Geschäftsbanken (Calliess-Jung, Art. 86, Rn. 40), mag aber im Einzelfall für bestimmte Verhaltensweisen von öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten in Deutschland, Österreich und Luxemburg einschlägig sein (37. Erklärung zur Schlussakte des Vertrags von Amsterdam; ABl. 1997 C 340/1 (138)).
30
II. Gemeinschaftssekundärrecht: Richtlinien und Verordnungen. Gemeinschaftsrecht für die binnenmarktliche Banktätigkeit im allgemeinen und Bankgeschäfte im einzelnen findet sich auch in sekundärrechtlichen Akten, namentlich in Richtlinien (vgl. unten 1 und 2) und auch in Verordnungen (vgl. unten 3). Während die Verordnung gemäß Art. 249 II EGV allgemeine Geltung hat, in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, bindet die Richtlinie gemäß Art. 249 III EGV die Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet ist, nur „hinsichtlich des zu erreichenden Ziels“, überlässt den innerstaatlichen Stellen jedoch die Wahl der Form und der Mittel und belässt ihnen damit einen gewissen Ermessensspielraum, der trotz der gemeinsamen Bindung an das Ziel durchaus Unterschiede im nationalen Recht bewirken kann (Knaul, S. 85; Bleckmann, Rn. 456). Ermächtigungsgrundlage für die Rechtsetzung der Gemeinschaft in Materien, die die Banktätigkeit und Bankgeschäfte direkt oder als allgemeine Regeln betreffen, sind insbesondere Art. 47 II, 55 EGV (namentlich für aufsichtsrechtliche Regelungen zur Verwirklichung der grenzüberschreitenden Niederlassung und des freien Dienstleistungsverkehrs), im Hinblick auf kollisionsrechtliche und zivilverfahrensrechtliche Regeln Art. 65, 67 EGV, hinsichtlich des Gesellschaftsrechts Art. 44 II lit. g EGV und im Bereich sonstiger Rechtsnormen, insbesondere im Privatrecht bei marktintegrativer Erforderlichkeit Art. 94, 95 EGV (Müller-Graff, S. 59; NJW 1993, 13 (16 f.); a. A. zum Privatrecht noch, aber nicht überzeugend und überholt Rittner, JZ 1990, 838 (842)).
31
1. Richtlinien und Richtlinienvorschläge. Der Kranz unmittelbar einschlägiger Richtlinien umfasst namentlich folgende Rechtsakte für die Tätigkeiten von Banken und anderer Kreditinstitute im europäischen Binnenmarkt (ohne Vollständigkeit):
32
a) Richtlinien zu aufsichtsrechtlichen Fragen. Von den zu aufsichtsrechtlichen Fragen erlassenen Richtlinien sind insbesondere hervorzuheben: – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (2000/12/EG, ABl. 2000 L 126/1; Vorläufer waren: Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1973 zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten der Kreditinstitute und anderer finanzieller Einrichtungen (73/183/EWG, ABl. 1973 L 194/1), Erste Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (77/780/EWG, ABl. 1977 L 322/30), Richtlinie des Rates vom 17. April 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten (89/299/EWG ABl. 1989 L 124/16), Zweite Richtlinie vom 15. Dezember
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
–
–
– –
–
– – – –
–
–
–
2211
1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/ 780/EWG (89/646/EWG, ABl. 1989 L 386/1), Richtlinie des Rates vom 18. Dezember 1989 über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute (89/647/EWG, ABl. 1989 L 386/14), Richtlinie des Rates vom 6. April 1992 über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten auf konsolidierter Basis (92/30/EWG, ABl. 1992 L 110/52), Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1992 über die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten (92/121/EWG, ABl. 1993 L 29/1)) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 zur Änderung der Richtlinie 2000/12/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (2000/28/EG, ABl. 2000 L 275/37) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (2000/46/EG, ABl. 2000 L 275/39) Richtlinie des Rates vom 15. März 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (93/6/EWG, ABl. 1993 L 141/1) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/6/EWG des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (98/31/EG, ABl. 1998 L 204/13) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 zur Änderung des Artikels 12 der Richtlinie 77/780/EWG des Rates über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, der Artikel 2, 5, 6, 7 und 8 sowie der Anhänge II und III der Richtlinie 89/647/EWG des Rates über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute und des Artikels 2 sowie des Anhangs II der Richtlinie 93/6/EWG des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (98/33/EG, ABl. 1998 L 204/29) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (94/19/EWG, ABl. 1994 L 135/5) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (2001/24/EG, ABl. 2001 L 125/15) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (97/9/EG, ABl. 1997 L 84/22) Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (85/611/EWG, ABl. 1985 L 375/3) Richtlinie des Rates vom 22. März 1988 zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in bezug auf die Anlagepolitik bestimmter OGAW (88/220/EWG, ABl. 1988 L 100/31) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks Festlegung von Bestimmungen für Verwaltungsgesellschaften und vereinfachte Prospekte (2001/107/EG, ABl. 2002 L 41/20) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) hinsichtlich der Anlagen der OGAW (2001/108/EG, ABl. 2002 L 41/35)
Müller-Graff
2212
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
– Richtlinie des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (93/22/ EWG, ABl. 1993 L 141/27) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 1995 zur Änderung der Richtlinien 77/780/EWG und 89/646/EWG betreffend Kreditinstitute, der Richtlinien 73/239/EWG und 92/49/EWG betreffend Schadensversicherungen, der Richtlinien 79/267/EWG und 92/96/EWG betreffend Lebensversicherungen, der Richtlinie 93/22/EWG betreffend Wertpapierfirmen sowie der Richtlinie 85/611/EWG betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks verstärkter Beaufsichtigung dieser Finanzunternehmen (95/26/EG, ABl. 1995 L 168/7) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. November 2000 zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG und 93/22/EWG des Rates im Hinblick auf den Informationsaustausch mit Drittländern (2000/64/EG, ABl. 2000 L 290/27) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/ 239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (2002/87/EG, ABl. 2003 L 35/1) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (2002/47/EG, ABl. 2002 L 168/43) 33
b) Richtlinien zu bankvertragsrechtlichen Fragen. Von den zu bankvertragsrechtlichen Fragen erlassenen Richtlinien sind insbesondere hervorzuheben: – Richtlinie des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (87/102/EWG, ABl. 1987 L 42/48) – Richtlinie des Rates vom 22. Februar 1990 zur Änderung der Richtlinie 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (90/88/EWG, ABl. 1990 L 61/14) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (98/7/EG ABl. 1998 L 101/17) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (2002/ 65/EG, ABl. 2002 L 271/16) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen (97/5/EWG, ABl. 1997 L 43/25) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (98/26/EG, ABl. 1998 L 166/45) – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (2002/47/EG, ABl. 2002 L 168/43)
34
c) Richtlinien, die sich auf den Jahresabschluss beziehen. Von den Richtlinien, die sich auf den Jahresabschluss beziehen, sind insbesondere hervorzuheben: – Richtlinie des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (86/635/EWG, ABl. 1986 L 372/1)
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
2213
– Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen (2003/51/EG, ABl. 2003 L 178/16) – Richtlinie des Rates vom 13. Februar 1989 über die Pflichten der in einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats zur Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen (89/117/EWG, ABl. 1989 L 44/40) d) Richtlinienvorschläge. Daneben liegen Richtlinienvorschläge vor, darunter: – Geänderter Richtlinienvorschlag betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (KOM (2002) 460 endg., ABl. 2003 C 20/ 122) – Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (KOM (2002) 443 endg., ABl. 2002 C 331/200) – Richtlinienvorschlag über Wertpapierdienstleistungen und geregelte Märkte und zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (KOM (2002) 625 endg., ABl. 2003 C 71/62)
35
2. Das inhaltliche Grundkonzept der Richtliniengebung für die binnenmarktweite Banktätigkeit. Das Grundkonzept der Richtliniengebung zur Effektuierung der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit für die Tätigkeit der Kreditinstitute und die Durchführung von Bankgeschäften im europäischen Binnenmarkt kommt insbesondere in der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (2000/12/EG, ABl. 2000 L 126/1) zum Ausdruck (vgl. schon zur zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG (89/646/EWG, ABl. 1989 L 386/1)), die gemeinsam mit weiteren Richtlinien (siehe oben Rn. 32) in der Richtlinie 2000/12/EG kodifiziert worden ist, z. B. Bader, EuZW 1990, 117 ff.; Emmerich, WM 1990, 1; zum „europäischen Pass“ der Banken Hanten, ZBB 2000, 245 ff.). Die Richtlinie statuiert für die Bankentätigkeit in aufsichtsrechtlicher Hinsicht das Sitzlandprinzip als Ausprägung des Anerkennungsprinzips (Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter § 28 Rn. 1; vgl. allgemein zum Anerkennungsprinzip Steindorff, FS Lorenz, S. 561 ff.). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Bank, die in einem Mitgliedstaat eine Zulassung erhalten hat, zugleich das Recht erhält, in sämtlichen Mitgliedstaaten – sei es in Form von Zweigniederlassungen oder in Form grenzüberschreitender Dienstleistungen – tätig zu werden, ohne zuvor eine erneute Zulassung beantragen zu müssen (Schneider, S. 15; Emmerich, WM 1990, 1 (3)). Dies bedeutet im Grundsatz, dass trotz weiterhin bestehender Unterschiede in den nationalen Aufsichtsrechten diese nicht dazu führen dürfen, dass der grenzüberschreitende Freiverkehr von Bankdienstleistungen eingeschränkt wird (BuB-Nielsen, Rn. 5/3a).
36
Zweifelhaft ist die teilweise aus der der Zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie vorangestellten Begründung (dass die Mitgliedstaaten darauf zu achten haben, dass die Tätigkeiten, die unter die gegenseitige Anerkennung fallen, „ohne Behinderung auf die gleiche Weise wie im Herkunftmitgliedstaat ausgeübt werden können“) gezogene Folgerung, dass sich danach auch das zivilrechtliche Heimatrecht der betroffenen Bank insofern
37
Müller-Graff
2214
38
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
durchsetze, als dies zur ungehinderten Erbringung der entsprechenden Dienstleistung erforderlich sei (Wolf, WM 1990, 1941 ff.), so dass die Bank insoweit grundsätzlich, also vorbehaltlich nationaler Sonderregeln zum Schutz von Allgemeininteressen, unabhängig von jeglichen kollisionsrechtlichen Regelungen ohne weiteres ihre Leistung nach ihrem nationalen Recht erbringen könne (vgl. dazu Wolf, WM 1990, 1941 (1942)). Über das anwendbare Recht entscheiden die Parteien autonom (Art. 3 EVÜ, Art. 27 EGBGB, dazu unten E) oder die Vorschriften des IPR (vgl. oben B). Im ersten Fall scheidet eine Grundfreiheitsbeschränkung von vornherein aus. Anders liegt es erst dann, wenn ausländische Marktteilnehmer jenseits der bloßen Anpassung an eine fremde Rechtsordnung diskriminiert werden. Weitergehende Schranken stellt auch die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie nicht auf. 3. Verordnungen. Einschlägige Verordnungen für das Bankengeschäft und die Bankgeschäfte im europäischen Binnenmarkt sind vor allem diejenigen, die die gemeinsame europäische Währung betreffen, darunter namentlich die drei Verordnungen zur EuroEinführung (Verordnung (EG) 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, ABl. 1997 L 162/1 („Euro- VO I“), geändert durch Verordnung (EG) 2595/2000 des Rates vom 27. November 2000 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, ABl. 2000 L 300/1; Verordnung (EG) 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro, ABl. 1998 L 139/1 („Euro-VO II“), geändert durch die Verordnung (EG) 2596/2000 vom 27. November 2000, ABl. 2000 L 300/2; Verordnung (EG) 2866/98 des Rates vom 31. Dezember 1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, ABl. 1998 L 359/1 („Euro-VO III“), geändert durch die Verordnung (EG) 1478/2000 vom 19. Juni 2000, ABl. 2000 L 167/1) sowie die Verordnung (EG) 2560/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro (ABl. 2001 L 344/13).
39
Daneben können für Bankgeschäfte auch allgemeine für die Wirtschaftstätigkeit erhebliche Verordnungen der Gemeinschaft Bedeutung erlangen, so im Bereich der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln die dazu konkretisierend ergangenen Verordnungen (insbesondere Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1/1; Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 III des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 1999 L 336/21; Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1989 L 395/1, berichtigte Fassung in ABl. 1990 L 257/13, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997, ABl. 1997 L 180/1) und im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. 2001 L 12/1); siehe dazu unten IV.
40
III. Übereinkommen über Kollisionsrecht im Vertragsrecht. Nicht Gemeinschaftsrecht, aber doch harmonisierte Regeln für die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Bereich des das anwendbare nationale Privatrecht bestimmenden internationalen Privatrechts enthält das Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 in konsolidierter Fassung (ABl. 1998 C 27/34); vgl. dazu unten D.
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
2215
IV. Gerichtsstand, Anerkennung und Vollstreckung. Die Entscheidung zur Durchführung länderübergreifender Bankgeschäfte wird nicht zuletzt von der Vorhersehbarkeit des im Konfliktfall maßgeblichen Zivilverfahrens- und Vollstreckungsrechts bestimmt. Harmonisiertes Gemeinschaftsrecht besteht insoweit im Hinblick auf die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen. Die Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001 L 12/1; nachfolgend EuGVO) auf der Grundlage der Art. 61 lit. c, 67 I EGV hat mit Wirkung vom 01. März 2002 das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) für 14 von 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ersetzt (ausgenommen ist gemäß Art. 1 III Dänemark; vgl. Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 ff.; EuZW 2002, 15 ff.). Dadurch sind die Regeln für Gerichtsstand, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen innerhalb der Gemeinschaft nunmehr mit allgemeiner, verbindlicher und unmittelbarer Geltung (Art. 249 II EGV) festgelegt, wodurch dem Bedürfnis nach Einheitlichkeit und Transparenz sowie zeitnaher Anwendung Geltung verschafft wird (Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (326)). Im Hinblick auf Bankgeschäfte ergibt sich hieraus folgendes: 1. Gerichtsstand. Im Hinblick auf den Gerichtsstand zu unterscheiden sind der allgemeine Gerichtsstand (a), die anderen Gerichtsstände (b) und die Gerichtsstandwahl (c). a) Allgemeiner Gerichtsstand. Grundsätzlich ist nach Art. 2 EuGVO die Klage in dem Mitgliedstaat zu erheben, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Die Bestimmung des Wohnsitzes richtet sich hierbei nach den Art. 59 ff. EuGVO. Während Art. 59 EuGVO bezüglich natürlicher Personen auf das Recht des Forumstaates verweist, ist die Bestimmung des Sitzes von Gesellschaften und juristischen Personen in der Verordnung harmonisiert. Ihr „Wohnsitz“ bestimmt sich nach dem satzungsmäßigen Sitz (Art. 60 lit. a EuGVO), ihrer Hauptverwaltung (Art. 60 lit. b) oder ihrer Hauptniederlassung (Art. 60 lit. c). b) Andere Gerichtsstände. Neben dem Grundsatz des allgemeinen Gerichtsstandes gibt es Regeln für andere Gerichtsstände. Für Bankgeschäfte einschlägig können insbesondere sein:
41
aa) Gerichtsstand des Erfüllungsorts. Für vertragliche Ansprüche bestimmt Art. 5 Nr. 1 a EuGVO den Gerichtsstand nach dem Erfüllungsort (als zusätzlichen Gerichtsstand neben Art. 2 EuGVO, Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (328)). Richtete sich die Bestimmung des Erfüllungsortes im Rahmen des EuGVÜ nach der Rechtsprechung des EuGH noch nach dem Recht, das nach dem internationalen Privatrecht des Forums für das Vertragsverhältnis maßgeblich war (sog. „Tessili“-Formel; vgl. EuGH, 12/76, Tessili, Slg. 1976, 1473 Rn. 13), so beinhaltet die EuGVO jetzt für den Verkauf beweglicher Sachen sowie für die Erbringung von Dienstleistungen eine gemeinschaftsrechtlich autonome Definition des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 b EuGVO). Danach gilt für den Verkauf beweglicher Sachen derjenige Ort als Erfüllungsort, an den die Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. Für die Erbringung von Dienstleistungen gilt der Ort als Erfüllungsort, an dem die Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Der für Bankgeschäfte zentrale Begriff der Dienstleistung im Sinne der Verordnung ist im Gleichklang mit Art. 50 EGV (siehe oben unter D I 1) zu bestimmen (Kropholler, EuZPR, Art. 5 Rn. 36 f.).
46
Müller-Graff
42
43 44
45
47
48
2216
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
49
Im Einzelnen gelten hierbei im Bankenbereich als Dienstleistungen: die Vermittlertätigkeit für Kredite und Kapitalanlagen (Kropholler, EuZPR, Art. 5 Rn. 37); das Kommissionsgeschäft auf Abschluss ausländischer Warentermingeschäfte (OLG Köln, ZIP 1989, 838 zu Art. 13 EuGVÜ); die Beratungstätigkeit und Vermögensverwaltung der Banken (Kropholler, EuZPR, Art. 5, Rn. 37).
50
Auch Kreditverträge, die im Rahmen von Art. 13 EuGVÜ nicht als Dienstleistungen gelten sollten (Bericht Schlosser, Nr. 157), fallen nunmehr im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 b EuGVO unter diesen Begriff (Micklitz/Rott, EuZW 2001, 325 (328); Kropholler, EuZPR, Art. 5 Rn. 37; kritisch dazu Hau, IPrax 2000, 354 (359)).
51
bb) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Ein zusätzlicher Gerichtsstand ist nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO für Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegeben. Maßgeblich ist hier der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht (vgl. Kropholler, EuZPR, Art. 5 Rn. 64 ff.) Der Begriff der unerlaubten Handlung und der Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, ist autonom gemeinschaftsrechtlich zu bestimmen (vgl. EuGH, 189/87, Kalfelis, Slg. 1988, 5565 zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ; diese Art der Auslegung ist auch im Rahmen der EuGVO beizubehalten, Kropholler, EuZPR, Art. 5 Rn. 65). Er bezieht sich auf alle Klagen, „mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen „Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 anknüpfen“ (EuGH, 189/87, Kalfelis, Slg. 1988, 5565, Rn. 18). Somit werden unterschiedliche Deliktstypen erfasst, wie z. B. Straßenverkehrsunfälle und Umweltbeeinträchtigungen, aber auch – insofern bankrechtlich relevant – Schädigungen bei der Kapitalanlage und unlauterer Wettbewerb (Kropholler, EuZPR, Art. 5 Rn. 66).
52
cc) Gerichtsstand der Zweigniederlassung. Einschlägig für Bankgeschäfte kann des Weiteren der Gerichtsstand der Zweigniederlassung sein (Art. 5 Nr. 5 EuGVO). Maßgeblich ist hiernach bei Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung der Ort, an dem sich diese befindet (Kropholler, EuZPR, Art. 5 Rn. 88 ff.). Von Bedeutung kann dies im Rahmen von Klagen eines Kunden, Arbeitnehmers oder sonstigen Geschäftspartners der Niederlassung aus einem Vertrag sein, aber auch im Falle von deliktsrechtlichen Klagen, die sich auf eine unerlaubte (betriebsbezogene) Handlung von Arbeitnehmern der Niederlassung begründen (Schlosser, EuZPR, Art. 5 Rn. 24).
53
dd) Gerichtsstand in Verbrauchersachen. Besonderheiten ergeben sich, wenn es sich bei dem Geschäftspartner der Bank um einen Verbraucher handelt. Sowohl im Fall von Darlehen oder anderen Kreditgeschäften zur Finanzierung eines Kaufs beweglicher Sachen als auch (unter bestimmten Umständen, vgl. Kropholler, EuZPR, Art. 15 Rn. 20 ff.) bei allen anderen Vertragstypen (mithin auch bei reinen Kreditverträgen, vgl. Micklitz/ Rott, EuZW 2001, 325 (330)) kann der Verbraucher nur in seinem Heimatstaat verklagt werden (Art. 16 II EuGVO). Der Verbraucher selbst kann hingegen sowohl vor dem Gericht seines Wohnsitzes (insoweit wird ausnahmsweise die örtliche Zuständigkeit geregelt) als auch in dem Mitgliedstaat klagen, in dem der Vertragspartner seinen Wohnsitz hat (Art. 16 I EuGVO).
54
c) Gerichtsstandwahl. Art. 23 I EuGVO eröffnet die Möglichkeit einer internationalen Zuständigkeitsvereinbarung. Sie ist allerdings begrenzt, da Gerichtsstandsvereinbarungen, die den Schutzvorschriften für Versicherungsnehmer, Verbraucher und Arbeitnehmer zuwider laufen, keine rechtliche Wirkung haben (Art. 23 V EuGVO; vgl. hierzu ausführlich Kropholler, EuZPR, Art. 23 Rn. 1 ff.).
55
2. Anerkennung und Vollstreckung. Die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen richtet sich nach Art. 32 ff. EuGVO. Grundsätzlich wird gemäß Art. 33
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
2217
EuGVO jede Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats ipso iure und ohne besonderes Anerkennungsverfahren anerkannt (hierzu und zu den geltenden Versagungsgründen vgl. Micklitz/Rott, EuZW 2002, 15 (16 ff.)). Für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel hingegen ist ein Exequaturverfahren erforderlich, das im Anwendungsbereich der EuGVO an die Stelle einer Klage nach § 722 ZPO tritt (vgl. BuB-Nielsen, Rn. 5/5d; umfassend zur Anerkennung und Vollstreckung Kropholler, EuZPR, Art. 32 ff.).
E. Möglichkeiten und Grenzen der Rechtswahl
56
Um die Unsicherheiten aus der Anwendbarkeit ausländischen Rechts in der Praxis zu vermeiden, werden Strategien empfohlen, die es der Bank ermöglichen, auch im Rahmen länderübergreifender Bankgeschäfte ihre Leistungen in größtmöglichem Umfang unter den gewohnten rechtlichen Bedingungen erbringen zu können (Schimansky/Bunte/LwowskiWelter, § 28 Rn. 15). Erste Voraussetzung hierfür ist es, im Rahmen einer Rechtswahl sicherzustellen, dass das eigene nationale Recht Anwendung auf ein Bankgeschäft findet. Die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Rechtswahl sind im vertraglichen Bereich für die Mitglieder der EG durch das Römische EG-Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ; Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980 in der (nichtamtlichen) konsolidierten Fassung, ABl. 1998 C 27/ 34) festgelegt. Die Vorschriften des EVÜ sind vom deutschen Gesetzgeber in den Art. 2737 EVÜ eingearbeitet worden. Diese gehen vom Grundsatz der Parteiautonomie aus (I), kennen jedoch Einschränkungen (II). I. Grundsatz der Parteiautonomie (Art. 3 EVÜ; Art. 27 EGBGB). Grundsätzlich unterliegt die Wahl des anwendbaren Rechts der Parteiautonomie (Art. 3 EVÜ; Art. 27 I EGBGB), wobei die Mitgliedstaaten wegen ihrer völkerrechtlichen Bindung diese Rechtswahlfreiheit nicht beschränken dürfen (Grundmann, NJW 2000, 14 (19)). Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben (in diesem Sinne also konkludent).
57
1. Rechtswahl durch Individualvereinbarung. Der sicherste Weg, das Heimatrecht zu wählen, ist eine ausdrückliche individuelle Vereinbarung in der auch sonst verwendeten Vertragssprache (Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter § 28 Rn. 16). Lediglich die gesetzlich normierten Ausnahmen (siehe unten II) sowie die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe (wie etwa eine Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung) vermögen in diesem Fall noch die Rechtswahl im Einzelfall zu durchbrechen bzw. die Unwirksamkeit der Rechtswahl insgesamt herbeizuführen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahl grundsätzlich nach dem Recht richten, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre (Art. 27 IV i. V. m. Art. 31 I EGBGB; dazu Kropholler, § 52 II 2) und im Konfliktfall zumindest insoweit gewohnte Bedingungen sichergestellt sind. Anderes gilt nach h. L. allerdings im Hinblick auf die Folgen der mangelnden Geschäftsfähigkeit einer Person (Heimatrecht der betreffenden Person; Erman-Hohloch, Art. 7 EGBGB Rn. 14; Staudinger-Beitzke, Art. 7 EGBGB Rn. 72; Palandt-Heldrich, Art. 7 EGBGB Rn. 5; v. Bar II, Rn. 43, jeweils m.w.N.; a. A. (Wirkungsstatut auch bezüglich der Folgen mangelnder Geschäftsfähigkeit) OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 755; MünchKommEGBGB-Birk, Art. 7 Rn. 36).
58
2. Rechtswahl in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Rechtswahl kann auch im Rahmen der Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) erfolgen (MünchKommEGBGB-Spellenberg, Art. 31 Rn. 23; Gruber, DB 1999, 1437 (1441) m.w.N.; vgl. umfassend zur Zulässigkeit der formularmäßigen Rechtswahl Rühl, S. 43 ff. sowie allgemein zu AGB im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr Sieg, RIW 1997,
59
Müller-Graff
2218
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
811ff.), wobei umstritten ist, ob eine Inhaltskontrolle der Rechtswahl nach § 307 BGB stattfindet (gegen eine Inhaltskontrolle: Wolf/Horn/Lindacher, Anh. § 2 AGBG Rn. 34; MünchKommEGBGB-Spellenberg, Art. 31 EGBGB Rn. 23; Rühl, S. 206 f.; Jayme, FS Lorenz, S. 435 (439); Mankowski, RIW 1994, 422; für eine solche Kontrolle: Ulmer/ Brandner/Hensen-H. Schmidt, Anh. §§ 9-11 AGBGB Rn. 575; Heiss, RabelsZ 165 (2001), 634 ff.). 60
Eine derartige Rechtswahl ist in Art. 6 I der von den privaten Banken verwendeten AGB (AGB Banken) enthalten (weitgehend übereinstimmend mit den AGB Banken sind auch die AGB der Sparkassen und Volksbanken; vgl. allgemein zu den AGB Banken § 3). Hiernach gilt für die Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und der Bank deutsches Recht.
61
Der Wortlaut dieser Rechtswahlklausel enthält die zu beachtende Einschränkung, dass die Vereinbarung deutschen Rechts nur im Verhältnis zwischen dem Kunden und der Bank gilt, wohingegen andere im Gefolge der Geschäftsbeziehung sich ergebende Beziehungen von der Rechtswahl unberührt bleiben. So entfaltet Nr. 6 I AGB Banken im Verhältnis zu dem ausländischen Gläubiger eines inländischen Bankkunden, zu dessen Gunsten die Bank eine Garantie übernommen hat, keine Wirkung. Soll auch in dieser Hinsicht eine Rechtswahl erfolgen, muss dies ausdrücklich geschehen, wie es in der Praxis üblicherweise in der Garantieurkunde selbst geschieht (Kümpel, Rn. 7.24).
62
II. Einschränkungen der Parteiautonomie. Unabhängig davon, ob eine Rechtswahl durch Individualvereinbarung oder Allgemeine Geschäftsbedingungen erfolgt, sind jedoch bestimmte Einschränkungen der Dispositionsbefugnis zu beachten (Kümpel, Rn. 7.21). Für Bankgeschäfte können hierbei insbesondere folgende Einschränkungen von Bedeutung sein.
63
1. Verbraucherschutz (Art. 29 EGBGB). Gemäß Art. 29 EGBGB darf eine Rechtswahl nicht dazu führen, dass einem Verbraucher (definiert aus einem Zweck des Vertrages, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Berechtigten zugerechnet werden kann) der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird. Dieser Schutz ist jedoch in zweierlei Hinsicht eingeschränkt.
64
Zunächst muss es sich um einen der in Art. 29 EGBGB genannten drei Vertragstypen handeln: Lieferung beweglicher Sachen; Erbringung von Dienstleistungen; Finanzierung eines solchen Geschäfts.
65
Ist dies der Fall, so muss zusätzlich eine der drei in Art. 29 I Nr. 1-3 EGBGB aufgeführten Abschlussmodalitäten vorgelegen haben: Angebot oder Werbung sowie die Vornahme der zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen im Staat des Verbrauchers; Entgegennahme der Bestellung im Staat des Verbrauchers; Verkauf von Waren auf einer Reise des Verbrauchers in einen anderen Staat und Veranstaltung der Reise durch den Verkäufer mit dem Ziel des Vertragsabschlusses („Kaffeefahrten“, vgl. Mankowski, RIW 1993, 453 (459) m.w.N.).
66
Bezogen auf Bankgeschäfte ist hervorzuheben, dass unter den (weit auszulegenden, Reithmann/Martiny, Rn. 438) Begriff des Dienstleistungsvertrages im Sinne des Art. 29 EGBGB jedenfalls auch Geschäftsbesorgungsverhältnisse fallen (v. Bar II, Rn. 432; BGH NJW 1994, 262 (263)). Somit können grundsätzlich die meisten Bankgeschäfte des § 1 I KWG, wie etwa Zahlungsverkehr, Effekten-, Einlagen-, Depot- und Garantiegeschäft vom Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB erfasst werden (Knaul, S. 272). Hinsichtlich der Frage, ob Wertpapiergeschäfte als Verkauf beweglicher Sachen zu qualifizieren sind (zu Wertpapieren im engeren Sinne als bewegliche Sachen vgl. Schimansky/Bunte/
Müller-Graff
§ 74 Länderübergreifende Bankgeschäfte
2219
Lwowski-Welter § 28 Rn. 39), hat sich die deutsche Rechtslehre und Rechtsprechung hingegen im Einklang mit der Auslegung des Art. 5 EVÜ (vgl. Bericht von Giuliano/ Lagarde, BT-Drucks. 10/503, 36 (55); vgl. zum Erfordernis der einheitlichen Auslegung und Anwendung in den Vertragsstaaten des EVÜ Art. 36 EGBGB; dazu Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 ff.; Reinhart, RIW 1994, 445 ff.) gegen die Anwendung des Art. 29 EGBGB auf Wertpapiere entschieden (BGH NJW 1994, 262 (263); LG Darmstadt NJW-RR 1994, 684 (685); Schlosser, Art. 13 EuGVÜ Rn. 5; Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter § 28 Rn. 39). In der Frage, ob Kreditverträge Dienstleistungen im Sinne des Art. 29 I EGBGB darstellen, besteht mittlerweile weitgehend Einigkeit darin, dass nur „gebundene Finanzierungskredite außerhalb der Immobilienfinanzierung“ (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Welter § 28 Rn. 45) dem Anwendungsbereich des Art. 29 I EGBGB unterfallen, nicht aber ungebundene Konsumentenkredite (MünchKommEGBGB-Martiny, Art. 29 Rn. 22; v. Bar II, Rn. 430; Knaul, S. 273 f.; Palandt-Heldrich, Art. 29 EGBGB Rn. 3; Bülow, EuZW 1993, 435 (436)). Die Durchführung von Börsentermingeschäften wird hingegen teilweise als Dienstleistung im Sinne des Art. 29 EGBGB eingestuft (OLG Düsseldorf RIW 1996, 681 (683); kritisch dazu Aden, RIW 1997, 723), wobei hierzu jedoch höchstrichterliche Rechtsprechung noch aussteht. Nicht vom Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB erfasst sind Realkredite, Kreditkartenverträge, Sparverträge, Geldanlagen und Kombinationsprodukte wie ein mit einer Lebensversicherung kombinierter Kredit (Knaul, S. 273; Hörmann, VuR 1991, 226 (227)). 2. International zwingendes Recht (Art. 34 EGBGB; Art. 7 II EVÜ). Eine weitere Einschränkung der Rechtswahlfreiheit enthält Art. 34 EGBGB, die allerdings im Falle der wirksamen Wahl deutschen Rechts ohne Bedeutung ist. Denn nach Art. 34 EGBGB bleibt die Anwendung der Bestimmungen des deutschen Rechts unberührt, die ohne Rücksicht auf das den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln. Die Wahl ausländischen Rechts kann mithin nicht dazu führen, dass deutsche Bestimmungen verdrängt werden, die als international zwingend angesehen werden.
67
Wegen der Harmonisierung dieser kollisionsrechtlichen Regel durch das EVÜ (Art. 7 II EVÜ) gilt Entsprechendes jedoch für jeden Mitgliedstaat der EG. Ruft daher ein Vertragspartner ein Gericht in einem anderen Mitgliedstaat an und bejaht dieses seine internationale Zuständigkeit (zum Gerichtsstand siehe oben D IV), so können trotz der gültigen Wahl deutschen Rechts dennoch im Einzelfall Bestimmungen des Forumstaats Anwendung finden.
68
Das Kernproblem dieser Regel liegt darin, dass in höchstem Maße unklar ist, welche Regeln als international zwingend anzusehen sind (Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter § 28 Rn. 48 ff.). Grundsätzlich steht es jedem Staat frei, international verbindliche Regeln ausdrücklich aufzustellen (Kropholler, § 52 IX, mit Einschränkungen innerhalb des europäischen Binnenmarktes durch die Wirkung der Grundfreiheiten; vgl. EuGH, C-369/ 96 und C-376/96, Arblade und Leloup, Slg. 1999, I-8453). Darüber hinaus kann eine Norm als international zwingend aber auch dann angesehen werden, wenn sie von einem „starken öffentlichen Interesse“ getragen wird (BAGE 63, 17 (32); vgl. umfassend Knaul, S. 289 ff.).
69
Besteht schon im deutschen Recht kaum Klarheit über die hierfür zugrunde zu legenden Kriterien, so verstärken sich die Schwierigkeiten im Hinblick auf die Kriterien in den anderen Mitgliedstaaten (vgl. hierzu ausführlich Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 28 Rn. 53 ff.). Diese Schwierigkeiten können nur vermieden werden, wenn sichergestellt wird, dass zusätzlich zur Wahl deutschen Rechts auch ein deutscher Gerichtsstand wirksam vereinbart wird (Schimansky/Bunte/Lwowski-Welter, § 28 Rn. 61).
70
Müller-Graff
“This page left intentionally blank.”
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2221
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
Schrifttum Benjamin, Interests in Securities, Oxford 2000; Benjamin/Yates, The Law of Global Custody, 2. Aufl. 2002; Bernasconi/Potok, The Future Hague Convention on Indirectly Held Securities, in: Potok (Hrsg.), Cross-Border Collateral: Legal Risk and the Conflict of Laws, 2002, S. 615; Bjerre/Rocks, The ABCs of the UCC. Article 8: Investment Securities, 2004; Dorndorf, Kreditsicherungsrecht und Wirtschaftsordnung, 1986; Eidenmüller/Kieninger (editors), The Future of Secured Credit in Europe, ECFR, special issue 2008; Einsele, Dorothee, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2006; Einsele, Das Haager Übereinkommen über das auf bestimmte Rechte im Zusammenhang mit zwischenverwahrten Wertpapieren anzuwendende Recht, WM 2003, 2349; Das neue US-amerikanische Wertpapierrecht als Modell für einen funktionsfähigen Effektengiroverkehr, RIW 1997, 269; Wertpapiere im elektronischen Bankgeschäft, WM 2001, 7; Flessner/Verhagen, Assignment in European Private International Law, 2006; Goode, Legal Problems of Credit and Security, 3. Aufl. 2003; Goode, The Nature and Transfer of Rights in Dematerialised and Immobilised Securities, JIBFL 4 (1996) 167; Grothe, Fremdwährungsverbindlichkeiten, 1999; Keller, Die Wertpapiersicherheit im Gemeinschaftsrecht, BKR 2002, 347; Kieninger, Mobiliarsicherheiten im Europäischen Binnenmarkt, 1996; Löber, Der Entwurf einer Richtlinie für Finanzsicherheiten, BKR 2001, 118; Mangold, Die Abtretung im Europäischen Kollisionsrecht, 2001; Ooi, Shares and Other Securities in the Conflict of Laws, 2003; Prefatory Note [to Article 8], in: Uniform Commercial Code, Official Text and Comments, 2005, S. 790-823; Reuschle, Grenzüberschreitender Effektengiroverkehr, RabelsZ 68 (2004) 687; Rogers, Policy Perspectives on Revised U.C.C. Article 8, UCLA L. Rev. 43 (1996) 1431; Roth, Die Freiheiten des EG-Vertrages und das nationale Privatrecht, ZEuP 1994, 5; Saager, Effektengiroverkehr und internationales Privatrecht, 2007; Sauer, Die Harmonisierung des Kollision- und Sachrechts für Werpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten, 2008; v. Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht, 1996; Wolf, Privates Bankvertragsrecht im EG-Binnenmarkt – Auswirkungen der II. EG-BankrechtsRichtlinie auf privatrechtliche Bankgeschäfte, WM 1990, 1941. Inhaltsübersicht A. Primäres Gemeinschaftsrecht: Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf die nationalen Kreditsicherungsrechte . . . . . . . . . . . 1 I. Bestellung von Sicherungsrechten. . . . . . . . . 3 1. Schutz durch EG-Grundfreiheiten . . . . . . 3 2. Mitgliedstaatliche Regelungen . . . . . . . . . 4 II. Bestand von Sicherungsrechten. . . . . . . . . . 14 1. Schutz durch EG-Grundfreiheiten . . . . . 14 2. Mitgliedstaatliche Regelungen . . . . . . . . 15 III. Mobilität von Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . 21 1. Schutz durch EG-Grundfreiheiten . . . . . 21 2. Mitgliedstaatliche Regelung . . . . . . . . . . 22 IV. Folgerungen für die Rechtsangleichung . . . 24 B. Sekundäres Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . 25 I. Die EG-Richtlinie über Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1. Regelungsgegenstand der Richtlinie. . . . 2. Anwendungsbereich der Richtlinie. . . . . 3. Exkurs: Erwerb von Kapitalmarktrechten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestellung von Sicherungsrechten . . . . . 5. Publizität und Nachvollziehbarkeit des Sicherungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfügungen über den Sicherungsgegenstand während der Sicherungszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verwertung des Sicherungsgegenstands im Sicherungsfall . . . . . . . . . . . . . 8. Insolvenz des Sicherungsgebers . . . . . . . 9. Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andere EG-Richtlinien und Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 28 31 43 44 51 54 55 58 62
Stichwortverzeichnis Abrechnungssysteme, EG-RL 98/26/EG . . . . . . . . 62 Abtretung, siehe Forderungen Aneignung von Wertpapieren durch Sicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52, 53, 56 Anschaffungskredit . . . . . . . . . . 3, 11, 13, 16-18, 62 Austausch des Sicherungsgegenstands . . . . . . . . . 53 Bankguthaben – Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 59 Besitz – Bestellungsvoraussetzung für Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 46 f. – Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 f.
Clearstream Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Dassonville (8/74) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Effektengiro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . .3, 11, 13, 16-18, 62 Euroclear . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Finanzaktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Finanzsicherheiten, siehe Sicherungsrechte an Bankguthaben und Sicherungsrechte an Wertpapieren Forderungen – Anzeige an Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . 7, 44 – Bestellung von Sicherungsrechten . . . . . . . . . 7, 43 – Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Gebietswechsel des Sicherungsguts . . . . . . . . .21-23
von Wilmowsky
2222
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Gesellschaftsrecht, internationales . . . . . . . . . . 12, 23 Grundfreiheiten des EGV – allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 23 – Bestand von Sicherungsrechten . . . . . . . . . . 14-20 – Bestellung von Sicherungsrechten . . . . . . . . . . . . 3 – Mobilität von Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . 21-23 Hague Conference . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 8 Insolvenzrecht – EG-VO 1346/2000 über Insolvenzverfahren . . . 62 – Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 f., 55, 62 – Verfügungsmacht des Insolvenzschuldners . . . . 57 internationales Privatrecht, siehe Kollisionsrecht Kapitalmarktrechte, siehe Wertpapiere Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . 1-3, 5, 8, 13, 20, 22 Kollisionsrecht – Gebietswechsel von Sicherungsgut . . . . . . . . . . . 22 – Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 23 – Hague Conference . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – PRIMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – Sicherungsrechte an Forderungen . . . . . . . . . 13, 59 – Sicherungsrechte an Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . 11 – Sicherungsrechte an Wertpapieren . . . . . . . . 58-61 Kontrolle über indirekt gehaltene Wertpapiere 46-49 Krantz (C-69/88) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Lageort, zwingende Geltung des Rechts des Lageorts der Sache . . . . . . . . . . . . . . . 11 f., 22 Marktfreiheiten, siehe Grundfreiheiten des EGV Mobilität von Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . . 21-23 PRIMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Publizität – Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 6, 7 – Sicherungsrechte an Bankguthaben . . . . . . . 44-50 – Sicherungsrechte an Wertpapieren . . . . . . . . 44-50 Register für Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . 5, 44 Registerwertrechte . . . . . . . . . . . . . . 32, 34 f., 38, 59 Sicherungsrechte allgemein – Aneignung des Sicherungsguts durch Sicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 – Bankguthaben, siehe Sicherungsrechte an Bankguthaben – Besitz am Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . . . 6, 46 f. – Bestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14-20 – Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-13, 43 – Bestellungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – Faustpfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – Forderungen, siehe Sicherungsrechte an Forderungen – Gebietswechsel des Sicherungsguts . . . . . . . 21-23 – Insolvenz des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . . 19 f. – Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 f., 22 f. – Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21-23 – Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 6, 7, 44 – Register für Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . 5, 44 – Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . 1, 9, 11, 20, 24 – Verteilungsvorrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – Verwertungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – Wertpapiere, siehe Sicherungsrechte an Wertpapieren Sicherungsrechte an Bankguthaben . . . . . . . . . . . . 30 – Anfechtung des Sicherungsrechts . . . . . . 52, 53, 56 – Anzeige an Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . 7, 44 – Bereitstellung des Bankguthabens . . . . . . . . 46, 48
– Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 – Insolvenz des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . .55-57 – Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 59 – Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 50 – Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 – Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 – Verwertung durch Sicherungsnehmer . . . . . . . . . 54 – Wartefrist vor Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Sicherungsrechte an Forderungen – Anzeige an Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . 7, 44 – Bankguthaben, siehe Sicherungsrechte an Bankguthaben – Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 59 Sicherungsrechte an Wertpapieren – Aneignung des Wertpapiers durch Sicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 – Anfechtung des Sicherungsrechts . . . . . . 52, 53, 56 – Austauschrecht des Sicherungsgebers . . . . . . . . 53 – Bereitstellung des Wertpapiers . . . . . . . . . . . .46-50 – Bereitstellung durch Besitz . . . . . . . . . . . . . . . .46 f. – Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 43 – EG-RL 2002/47/EG über Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26-30, 40, 43-61 – Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 – indirekt gehaltene Wertpapiere . . . . . . . . . .42, 60 f. – Insolvenz des Sicherungsgebers . . . . . . . . . . .55-57 – Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58-61 – Kontrolle über Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . .46-49 – Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 50 – Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 – Pensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44-50 – Verfügungsrecht des Sicherungsnehmers während der Sicherungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . 52 – Verwertung durch Sicherungsnehmer . . . . . . . . 54 – Wartefrist vor Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Situsdoktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 f., 22 Trummer und Mayer (C-222/97) . . . . . . . . . . 3, 5, 8 Überseering BV (C-208/00) . . . . . . . . . . . . . . 12, 23 Uniform Commercial Code – Art. 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 39-41, 48 f., 59, 61 – Art. 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27, 48, 58 f., 61 USA – Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . .27, 48, 58 f., 61 – Wertpapiere . . . . . . . . . . . . 32, 39-41, 48 f., 59, 61 Verbraucherschutz – Kreditsicherungsrecht . . . . . . . . . . . 1, 9, 11, 20, 24 Verkehrsfreiheiten, siehe Grundfreiheiten des EGV Vertragsbruchrechtsprechung des BGH . . . . . . . . 18 Verwertungsbefugnis des Sicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 19, 54, 55 Währung des Grundpfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . 8 Währungsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Warenverkehrsfreiheit . . 1, 2, 3, 5, 11, 13, 17, 21, 22 Wertpapiere – Bestellung gegenständlicher Teilrechte . . . . 42, 43 – direkte Wertpapierhaltung . . . . . . . . . . . . . . 34, 59 – Effektengiro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 – Eigentumsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 37-40 – indirekte Wertpapierhaltung siehe Wertpapiere, indirekte Haltung – Intermediäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 – Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46-49 – Pensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Registerwertrechte . . . . . . . . . . . . .32, 34 f., 38, 59
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
– Repräsentationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Sicherungsrechte, siehe Sicherungsrechte an Wertpapieren – Übertragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31-41 – Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31-42 Wertpapiere, indirekte Haltung . . . . . . . . . . . . 35-42 – Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 47 – Bestellung von Teilrechten an dem Wertpapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2223
– Insolvenz des Intermediärs . . . . . . . . . . . . . 37, 39 – Intermediäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 – Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 f. – Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46-49 – Rechtsstellung des Anlegers . . . . . . . . . . . . . .37-40 – security entitlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 f. – Verfügungen über das Wertpapier . . . . . . . . . . . 41 Wertpapierpensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zahlungsverzug, EG-RL 2000/35/EG . . . . . . . . . . 62 Zentralverwalter von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . 35 zwingende Erfordernisse . . . . . . . . . 1, 5-13, 17 f., 23
A. Primäres Gemeinschaftsrecht: Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf die nationalen Kreditsicherungsrechte
1
Die Verkehrsfreiheiten des EGV stellen inhaltliche Anforderungen an die Rechtsetzung der EG-Mitgliedstaaten, und zwar auch und gerade in den Bereichen, in denen die Regelungszuständigkeit weiterhin bei den Mitgliedstaaten liegt. Soweit mitgliedstaatliche Regelungen den Warenverkehr, den Dienstleistungsverkehr, den Kapitalverkehr, die Niederlassung von Unternehmen oder die Tätigkeit von Arbeitnehmern zwischen den Staaten einschränken, unterliegen sie einem Rechtfertigungszwang: Sie müssen geeignet und erforderlich sein, Belange des Allgemeinwohls zu fördern, die einen höheren EG-verfassungsrechtlichen Stellenwert haben als der freie Wirtschaftsverkehr; außerdem ist das Übermaßverbot einzuhalten. Die möglichen Rechtfertigungsgründe verteilen sich auf zwei Gruppen. Spezielle Schutzklauseln wie z. B. Art. 30, 39 III, 46, 55 und 58 EGV bezeichnen ausdrücklich die Rechtsgüter, zu deren Schutz die EG-Verkehrsfreiheiten eingeschränkt werden dürfen. Daneben hat der EuGH ungeschriebene Gründe anerkannt, die Einschränkungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs zu rechtfertigen vermögen. Im Zivilrecht zählen zu diesen „zwingenden Erfordernissen“ z. B. der Schutz der schwächeren Vertragspartei (z. B. des Verbrauchers, des Mieters oder des Arbeitnehmers) und die Funktionsfähigkeit im Gemeinwohl liegender Institutionen (wie des Vertrags, des Eigentums oder von Insolvenzverfahren). Staatliche Regelungen, die diese Hürde nicht nehmen, d. h. keinen legitimen Regelungsinteressen dienen, bleiben zwar gültig, dürfen aber auf Transaktionen, die unter dem Schutz einer oder mehrerer EG-Verkehrsfreiheiten stehen, nicht angewendet werden. Welchen Einfluss die Verkehrsfreiheiten des EGV auf die Kreditsicherungsrechte der Mitgliedstaaten ausüben, ist höchstrichterlich wenig geklärt. Entsprechend groß ist die Rechtsunsicherheit. Es sind drei Regelungsbereiche, auf die die Grundfreiheiten, in erster Linie die Freiheit des Kapitalverkehrs, aber auch die Freiheit des Warenverkehrs, einwirken können: die Bestellung von Sicherungsrechten, der Bestand von Sicherungsrechten und die Mobilität von Sicherungsgut.
2
I. Bestellung von Sicherungsrechten. 1. Schutz durch EG-Grundfreiheiten. Der Bestellung von Sicherungsrechten können die EG-Grundfreiheiten auf zwei Pfaden Schutz gewähren. Der erste Pfad führt über das gesicherte Geschäft. Soweit dieses unter dem Schirm einer EG-Grundfreiheit steht, wird auch die Bestellung des zugehörigen Sicherungsrechts geschützt (abgeleiteter Grundfreiheitsschutz). Sieht z. B. ein Kaufvertrag die grenzüberschreitende Lieferung einer Ware vor, schützt die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28, 29 EGV) nicht nur die grenzüberschreitende Lieferung, sondern auch die Bestellung von Vorbehaltseigentum oder eines (anderen) Sicherungsrechts an der Kaufsache zur Sicherung der Kaufpreisschuld oder eines Anschaffungsdarlehens. Dementsprechend
3
von Wilmowsky
2224
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
erstreckt sich bei einem Darlehen die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 56 I EGV) nicht nur auf die grenzüberschreitende Auszahlung des Darlehensbetrags, sondern auch auf das dazugehörige Sicherungsgeschäft (vgl. EuGH, C-222/97, Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661/1679 Rn. 23: Wird eine Hypothek bestellt, um die Kaufpreisforderung des Verkäufers eines Grundstücks zu sichern, erstreckt sich der Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit, die die grenzüberschreitende Grundstücksveräußerung schützt, auch auf die Hypothekbestellung). Der zweite Pfad wird durch denjenigen Grundfreiheitsschutz gebildet, den die Sicherungsrechtsbestellung unabhängig von dem gesicherten Geschäft genießt (eigenständiger Grundfreiheitsschutz). Bestellt ein Sicherungsgeber ein Sicherungsrecht an einer Sache oder einem anderen Gegenstand, wird Kapital iS von Art. 56 I EGV übertragen (vgl. Anhang I, Ziffer IX der RL 88/361/EWG, ABl. 1988 L 178/5). Dieser Kapitalverkehr überschreitet eine Grenze, wenn Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer in verschiedenen Staaten ansässig sind oder wenn sich der zu belastende Gegenstand in einem anderen Staat befindet (vgl. z. B. EuGH, C-222/97, Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661/1678 Rn. 20-22: Bestellung einer Hypothek an einem Grundstück in Österreich durch den gleichfalls in Österreich ansässigen Grundstückseigentümer und Schuldner für den in Deutschland ansässigen Gläubiger). 4
2. Mitgliedstaatliche Regelungen. a) Verbote der Bestellung von Sicherungsrechten. Am weitesten reichen staatliche Regelungen, welche die Bestellung von Sicherungsrechten vollständig unterbinden. Ein nationales Zivilrecht mag etwa vorsehen, dass bestimmte Gegenstände nicht belastet werden dürfen. Derartige Bestellungsverbote dienen keinen Regelungsinteressen, welche Einschränkungen der EG-Verkehrsfreiheiten rechtfertigen würden (v. Wilmowsky, S. 140-149). Indem sie das Vermögen des Schuldners ganz oder teilweise gegenüber Sicherungsrechten sperren und damit dem Wettbewerb unter den Gläubigern des Schuldners entziehen, führen sie im Gegenteil zu Nachteilen. Den Parteien einer Kreditgewährung wird die Möglichkeit genommen, der Gefahr vorzubeugen, dass der Kreditnehmer das vom Kreditgeber übernommene Risiko nach Vertragsschluss (durch weitere Kreditaufnahmen) einseitig erhöht. Sicherungsrechte bilden eine Funktionsvoraussetzung für Kreditverträge (Dorndorf, S. 28-32). Auf Sicherungsrechtsbestellungen, die den Schutz einer EG-Verkehrsfreiheit genießen, dürfen Bestellungsverbote mithin nicht angewendet werden. Gerichtsentscheidungen hierzu liegen allerdings noch nicht vor.
5
b) Publizität. Zu den staatlichen Regelungsinteressen, zu deren Wahrung die Bestellung von Sicherungsrechten eingeschränkt werden kann, ohne gegen Grundfreiheiten des EGV zu verstoßen, gehört die Publizität. Wer einem Schuldner Kredit gibt und diesen gesichert haben möchte, muss feststellen können, ob der Gegenstand, den der Schuldner als Sicherungsgut anbietet, nicht bereits anderweitig belastet ist; außerdem muss er sicher sein können, dass das ihm bestellte Sicherungsrecht nachfolgend eingeräumten Sicherungsrechten am selben Gegenstand vorgeht. Sicherungsrechte setzen daher, um optimal funktionieren zu können, voraus, dass andere Sicherungsinteressenten sie erkennen können (Dorndorf, S. 34-38). Folgerichtig hat der EuGH die Publizität von Sicherungsrechten als ein „zwingendes Erfordernis“ anerkannt, welches Belastungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs (und auch des Warenverkehrs) rechtfertigt. (EuGH, C-222/97, Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661/1680 Rn. 30: „Ein Mitgliedstaat ist berechtigt, sein Grundpfandrechtssystem so zu gestalten, dass es die (Grundpfandrechte) . . . in sicherer und transparenter Weise festlegt.“) Von diesem Rechtfertigungsgrund sind Register gedeckt, in die Sicherungsrechte (oder Hinweise auf Sicherungsrechte) eingetragen werden müssen, um Wirksamkeit gegenüber anderen Gläubigern des Sicherungsgebers zu erlangen. Sicherungsrechtsregister bestehen in den meisten Ländern für Grundstücke und in einigen Län-
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2225
dern (wie Großbritannien und USA) auch für bewegliche Sachen und für Forderungen (Überblick bei v. Wilmowsky, S. 155-160 und 387 f.). Einige Mitgliedstaaten lassen Sicherungsrechte an beweglichen Sachen allein in der Form zu, dass der Sicherungsnehmer die Sache in Besitz nimmt und der Sicherungsgeber den Besitz an ihr aufgibt. Mehr oder weniger starke Bekenntnisse zum Prinzip des Faustpfands legen z. B. das schottische, das französische, das schweizerische und das österreichische Sachenrecht ab. Das Besitzerfordernis errichtet eine Zulassungsschranke, die prohibitiv wirkt. Die meisten beweglichen Sachen scheiden als Kreditunterlage aus, sei es, weil der Sicherungsnehmer über keine geeigneten Lagerräume verfügt, sei es, weil der Sicherungsgeber auf eine weitere Nutzung des Sicherungsguts angewiesen ist. Ob diese drastische Einschränkung der Bestellung von Sicherungsrechten durch die damit gewonnene Publizität gerechtfertigt ist, erscheint zweifelhaft. Die Zweifel ergeben sich aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Um Sicherungsrechte publik zu machen, ist Besitz zwar geeignet, aber nicht erforderlich. Mit Sicherungsrechtsregistern steht ein alternatives Publizitätsmittel zur Verfügung, welches die Bestellung von Sicherungsrechten (und damit die EG-Grundfreiheiten) weitaus weniger beschränkt. Die Belastungen, die mit einer Registrierung einhergehen, sind viel geringer als die des Faustpfandprinzips, das in den meisten Fällen eine Sicherheitenbestellung völlig vereitelt. Auf Sicherungsrechtsbestellungen, die unter dem Schutz einer Grundfreiheit des EGV stehen, darf das Besitzerfordernis folglich nicht mehr angewendet werden (v. Wilmowsky, S. 166-171). Gerichtliche Entscheidungen, die diese Rechtsauffassung bestätigen würden, liegen allerdings noch nicht vor.
6
Die Bestellung von Sicherungsrechten an Forderungen hängt in einigen Zivilrechten davon ab, dass sie dem Schuldner der Forderung angezeigt wird. Die Belastungen, zu denen dieses Anzeigeerfordernis führt, lassen sich nicht durch legitime staatliche Regelungsanliegen rechtfertigen. Insbesondere ist die Anzeige an den Forderungsschuldner weder geeignet noch erforderlich, die für die Funktionsfähigkeit von Sicherungsrechten wichtige Publizität herzustellen. Auf Sicherungsrechtsbestellungen, die den Schutz einer Grundfreiheit genießen, kann das Anzeigeerfordernis keine Anwendung mehr finden (Kieninger, S. 201-204, 214; v. Wilmowsky, S. 389-394). Auch hierzu liegen allerdings noch keine Gerichtsentscheidungen vor.
7
c) Währung des Sicherungsrechts. Stehen mitgliedstaatliche Regelungen, die Sicherungsrechte nur in der inländischen Währung oder in bestimmten, abschließend aufgeführten Währungen zulassen, mit Art. 56 I EGV in Einklang? Derartige Anforderungen werden vor allem an Sicherungsrechte an Grundstücken gestellt. Das deutsche Zivilrecht verlangt, dass eine Grundschuld oder eine Hypothek in Euro, in einer anderen Währung eines EU-Staats, in Schweizer Franken oder in US-Dollar bestellt wird; anderenfalls entsteht kein Grundpfandrecht (§ 28 S. 2 GBO i.V.m. § 1 VO vom 30.10.1997 über Grundpfandrechte in ausländischer Währung, BGBl. 1997 I 2683). Ähnliche Vorgaben machen die Zivilrechte anderer Mitgliedstaaten, wobei der Kreis der zugelassenen Währungen zum Teil enger (etwa allein auf die Inlandswährung), zum Teil weiter (etwa auf die Währungen aller OECD- oder IWF-Staaten) gezogen wird. Der dadurch bewirkte Ausschluss anderer Währungen kann den Kapitalverkehr belasten. Darf das Sicherungsrecht nicht in derjenigen Währung bestellt werden, auf die die zu sichernde Forderung lautet, wird eine währungskongruente und damit vollständige Sicherung zumindest erschwert. Der Sicherungsnehmer riskiert, dass seine Sicherung infolge späterer Wechselkursänderungen hinter die zu sichernde Forderung zurückfällt (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schefold, § 115 Rn. 318-333). Zwingende Gründe des Gemeinwohls, die diese Beschränkung des Kapitalverkehrs rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Kapitalverkehrsfreiheit des
8
von Wilmowsky
2226
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
EGV steht daher zivilrechtlichen Regelungen entgegen, die die Währungen begrenzen, in denen ein Sicherungsrecht bestellt werden kann (EuGH, C-222/97, Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661/1680 Rn. 29-31; Grothe, S. 437, 445-449). Auf Sicherungsrechtsbestellungen, die unter dem Schutz des Art. 56 I EGV oder einer anderen Grundfreiheit erfolgen, können solche Regelungen nicht angewendet werden. Insoweit müssen alle Währungen zugelassen werden (vgl. GA La Pergola, C-222/97, Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661/1669 Nr. 16; GA Léger, C-464/98, Stefan, Slg. 2001, I-173/180 f. Nr. 30). 9
d) Verbraucherschutz. Der Verbraucherschutz gehört zu den Regelungsinteressen, denen als „zwingenden Erfordernissen“ Vorrang vor dem freien Wirtschaftsverkehr gebührt. Die Bestellung von Sicherungsrechten kann daher eingeschränkt werden, um solche Sicherungsgeber zu schützen, die nicht zu geschäftlichen oder beruflichen Zwecken, sondern als Verbraucher handeln. Von diesem Rechtfertigungsgrund sind u.a. gedeckt: Regelungen, die eine Übersicherung des Sicherungsnehmers verbieten; Anforderungen an die Verwertung des Sicherungsguts, die den Zeitpunkt der Verwertung, die Art und Weise der Verwertung oder die Verteilung des Verwertungserlöses betreffen und dem Sicherungsgeber eine faire Behandlung gewährleisten.
10
e) Kollisionsrecht. Die mitgliedstaatlichen Kreditsicherungsrechte schränken die Bestellung von Sicherungsrechten nicht nur durch Regelungen des Sachrechts (d. h. des in der Sache entscheidenden Rechts), sondern auch durch Regeln des Kollisionsrechts (d. h. des Rechts, das in Sachverhalten mit Auslandsberührung das anwendbare nationale Recht festlegt) ein. Sachen und Forderungen werden dabei unterschieden.
11
Soll eine Sache mit einem Sicherungsrecht belastet werden, ordnen zahlreiche Zivilrechte an, dass hierfür die Rechtsordnung desjenigen Staates gilt, auf dessen Territorium sich die Sache befindet (z. B. Art. 43 I EGBGB). Diese Anknüpfung an den Lageort der Sache ist zwingend; den Parteien der Sicherungsrechtsbestellung wird verwehrt, das anwendbare Sachenrecht auszuwählen. Die zwingende Geltung des Lageortrechts (Situsdoktrin) kann die Bestellung von Sicherungsrechten auf verschiedene Weise beschränken und damit in Verkehrsfreiheiten des EGV eingreifen (v. Wilmowsky, S. 97-108). Deutlich wird dies z. B. bei der Sicherung von Anschaffungskrediten. Soll bei einem grenzüberschreitenden Warenverkauf der kreditierte Kaufpreis mit einem Recht an der Kaufsache gesichert werden, zwingt die Situsdoktrin dazu, sukzessive verschiedene Rechtsordnungen anzuwenden. Dadurch droht die Sicherungsrechtsbestellung im internationalen Warenverkehr zu einem rechtlichen Glücksspiel zu werden. Es müssen die Bestellungsvoraussetzungen aller beteiligten Staaten erfüllt werden: des Absendestaats, des Bestimmungsstaats und eventueller Transitstaaten. Es gibt keine Belange des Allgemeinwohls, welche die zwingende Geltung des Lageortrechts rechtfertigen würden (v. Wilmowsky, S. 2 f., 122-152; a. A. Kieninger, S. 173 f.; vgl. auch Roth, ZEuP 1994, 5 (24 f.)). Insbesondere kann die nationale „Gläubigerordnung“ nicht als zwingendes Erfordernis anerkannt werden. Auf Sicherungsrechtsbestellungen, die unter dem Schutz einer EG-Verkehrsfreiheit stehen, kann die Lageortregel nicht länger angewendet werden. Ihre Unanwendbarkeit bedeutet, dass das anwendbare Sachenrecht im Grundsatz frei gewählt werden darf. Die so gewonnene Rechtswahlfreiheit darf jedoch durch Sonderanknüpfungen einzelner legitimer Regelungsanliegen (wie der Publizität von Sicherungsrechten, des Schutzes hilfsbedürftiger Gläubigergruppen, der Funktionsfähigkeit von Insolvenzverfahren, des Verbraucherschutzes) eingeschränkt werden. Fragt man, nach welchen Kriterien diese Sonderanknüpfungen vorzunehmen sind, empfehlen sich durchweg andere Anknüpfungen als die an den Lageort der Sache (v. Wilmowsky, S. 171-194, 280-342, 366-374).
12
Wie der EuGH über die Vereinbarkeit der Situslehre mit den Verkehrsfreiheiten entscheiden würde, ist nicht abzusehen. Gewisse Anhaltspunkte vermittelt seine Rechtsprechung
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2227
zum internationalen Gesellschaftsrecht. Nach ihr ist die zwingende Anknüpfung sämtlicher gesellschaftsrechtlicher Fragen an den Sitz der Verwaltung der Gesellschaft mit der Niederlassungsfreiheit des EGV unvereinbar und darf im Schutzbereich dieser Grundfreiheit nicht mehr angewendet werden. (Siehe EuGH, C-208/00, Überseering BV, Slg. 2002, I-9919, Rn. 78-95: Die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft muss nach dem Recht desjenigen Staats beurteilt werden, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet wurde. Aus dem Schrifttum siehe Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2242 f.).) Die Unanwendbarkeit der Sitztheorie eröffnet den Gründern der Gesellschaft die Freiheit, das Gesellschaftsstatut frei zu wählen (Gründungstheorie). Diese Rechtswahlfreiheit darf jedoch durch Sonderanknüpfungen eingeschränkt werden, um einzelne „zwingende Gründe des Gemeinwohls“ (wie z. B. den Schutz der Arbeitnehmer der Gesellschaft) zu verfolgen. Musste damit im internationalen Gesellschaftsrecht aufgegeben werden, sämtliche gesellschaftsrechtlichen Fragen zwingend einer einzigen Rechtsordnung, nämlich der am Verwaltungssitz geltenden Rechtsordnung, zu unterwerfen, liegt es nahe, für das internationale Sachenrecht eine ähnliche Entwicklung vorherzusagen. Dann könnte im Schutzbereich der EG-Grundfreiheiten die Situsdoktrin, wonach alle sachenrechtlichen Fragen zwingend nach dem Recht des Lageorts der Sache zu beurteilen sind, nicht mehr aufrechterhalten werden und wäre durch Rechtswahlfreiheit zu ersetzen, die durch Sonderanknüpfungen einzelner legitimer Regelungsanliegen ergänzt werden könnte. Soll eine Forderung mit einem Sicherungsrecht belastet werden, kommt in grenzüberschreitenden Sachverhalten diejenige Rechtsordnung zur Anwendung, auf die der Art. 12 EVÜ verweist. „Für die Verpflichtungen zwischen Zedent und Zessionar“ ist das Recht maßgebend, welches die Parteien hierfür vereinbart haben (Abs. 1). Die „Übertragbarkeit (der Forderung), das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner, die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung dem Schuldner entgegengehalten werden kann, und die befreiende Wirkung einer Leistung durch den Schuldner“ bestimmen sich demgegenüber zwingend nach demjenigen nationalen Recht, dem die übertragene Forderung unterliegt (Abs. 2). Diese Verweisungsregeln gelten nicht nur für die Übertragung, sondern auch für die Belastung einer Forderung. Wie sie zu verstehen sind, ist jedoch umstritten. In einigen Mitgliedstaaten (wie z. B. Deutschland und England) herrscht die Auffassung vor, dass die Verfügung über eine Forderung (d. h. die Abtretung der Forderung oder die Bestellung eines Sicherungsrechts an der Forderung) nicht der Kollisionsregel des Abs. 1, sondern der des Abs. 2 unterfalle. Folglich sei für die Verfügung das die Forderung beherrschende Recht (d. h. das Forderungsstatut) maßgeblich (Soergel-von Hoffmann, 12. Aufl., Band 10, 1996, Art. 33 EGBGB Rn. 7; MünchKommBGB-Martiny, 4. Aufl. Bd. 10, 2006, Art. 33 EGBGB Rn. 12; Mangold, S. 215 f.; Dicey/Morris, Rn. 24-053). In anderen Mitgliedstaaten (wie z. B. den Niederlanden) wird Art. 12 EVÜ oft dahin verstanden, dass der Abs. 1 nicht nur das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch die Verfügung über die Forderung erfasse. Mithin basiere auch die Verfügung auf dem von den Parteien gewählten Recht (Hoge Raad, 16.5.1997, N.J. 1998, No. 585). Ausgenommen von der Rechtswahlfreiheit seien lediglich die in Abs. 2 genannten Regelungsgegenstände (Übertragbarkeit der Forderung und das Verhältnis zum Schuldner der Forderung), für die das Forderungsstatut gilt. Die Einwirkung der Grundfreiheiten des EGV entscheidet diesen Auslegungsstreit zugunsten der zweitgenannten Auffassung. Die erstgenannte Auffassung (Geltung des Forderungsstatuts) würde Sicherungsrechtsbestellungen einschränken, die unter dem Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit oder (bei der Besicherung von Warenkredit) auch der Warenverkehrsfreiheit stehen. Belastet würden vor allem die Bestellung von Sicherungsrechten an ausländischen Forderungen sowie Globalzessionen und verlängerte Eigentumsvorbehalte. Es gibt keine legitimen zivilrechtlichen Regelungsinteressen, die es
von Wilmowsky
13
2228
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
rechtfertigen würden, die Bestellung von Sicherungsrechten an Forderungen in Gänze dem Forderungsstatut zu unterstellen. Um ungerechtfertigte Beschränkungen der Grundfreiheiten zu vermeiden, ist Art. 12 EVÜ daher im zweitgenannten Sinn zu verstehen (vgl. auch das Plädoyer von Flessner/Verhagen, S. 21-37, 53-70, für Rechtswahlfreiheit). Die so eröffnete freie Wahl des auf die Sicherungsrechtsbestellung anwendbaren Rechts wird durch die Sonderanknüpfung nach Abs. 2 eingeschränkt, die den Schuldner der Forderung vor der Geltung einer fremden Rechtsordnung in Schutz nimmt. Eine weitere Sonderanknüpfung (nämlich an den Sitz des Zedenten) wird benötigt für Publizitätsregelungen sowie für sozialpolitisch motivierte Begrenzungen von Sicherungsrechten an Lohn- und Gehaltsansprüchen (v. Wilmowsky, S. 394-435). 14
II. Bestand von Sicherungsrechten. 1. Schutz durch EG-Grundfreiheiten. Die Freiheiten des EG-Vertrags schützen explizit den Verkehr (mit Waren, Kapital usw.); das schließt einen Schutz des Bestands von Sicherungsrechten aber nicht aus. Vielmehr sind die Verkehrsfreiheiten in der Lage, im Rahmen des Schutzes der (grenzüberschreitenden) Begründung des Sicherungsrechts auch dessen Bestand zu gewährleisten. Abzustellen ist auf die Wirkung der zu überprüfenden Regelung: Sobald die Regelung geeignet ist, die Parteien von einer (grenzüberschreitenden) Sicherungsrechtsbestellung abzuhalten, belastet der Eingriff in den Bestand eines Rechts bereits die Begründung dieses Rechts.
15
2. Mitgliedstaatliche Regelungen. Einige Zivilrechte greifen in den Bestand von Sicherungsrechten ein, indem sie die Befugnisse beschneiden, die Sicherungsrechte gewähren. Diese Eingriffe lassen sich danach ordnen, ob sie immer oder nur dann Geltung beanspruchen, wenn der Sicherungsgeber insolvent wird.
16
a) Verdrängung früherer Sicherungsrechte durch spätere Sicherungsrechte. Bei beweglichen Sachen sowie bei Forderungen, weniger bei Grundstücken, stößt man auf Regelungen, die ein bestehendes Sicherungsrecht dadurch entwerten, dass sie einem zeitlich später bestellten Sicherungsrecht Vorrang einräumen oder ein vorrangiges Sicherungsrecht gesetzlich zuweisen. Hierzu gehören etwa die Eingriffe zugunsten derjenigen, die Kredit zur Anschaffung einer bestimmten Sache gewähren (Anschaffungskreditgeber). Um diesen Kreditgebern einen Anteil am knappen Angebot von Mobiliarsicherheiten zu erhalten, ordnen viele Rechtsordnungen die zeitlich früher begründeten Sicherungsrechte der allgemeinen Kreditgeber den später bestellten Sicherheiten der Anschaffungskreditgeber unter. Entsprechende Eingriffe sind zugunsten des Werkunternehmers und zugunsten der staatlichen Finanzverwaltung anzutreffen.
17
In den Fällen, in denen das verdrängte Sicherungsrecht unter dem Schutz einer Grundfreiheit des EGV bestellt worden war, stellt sich die Frage, ob die angeordnete Verdrängung durch ein späteres Sicherungsrecht die Bestellung des früheren Sicherungsrechts und damit die EG-Grundfreiheit einschränkt. In der Rs. Krantz verneinte der EuGH diese Frage (C-69/88, Krantz, Slg. 1990, I-583). Die niederländische Regelung, über die dort zu urteilen war, wies der staatlichen Finanzverwaltung ein gesetzliches Pfandrecht an bestimmten Gegenständen des Steuerschuldners zu, welches bereits bestehende Sicherungsrechte (wie etwa die Eigentumsvorbehalte von Warenlieferanten aus anderen Mitgliedstaaten) verdrängte. Aufgrund dieses Vorrangs lief der Eigentumsvorbehalt des deutschen Lieferanten einer Maschine leer. Der Gerichtshof konnte hierin keinen Eingriff in den freien Warenverkehr erkennen: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Sicherungsgeber später einmal Steuerschulden haben, diese nicht begleichen und das Finanzamt auf das Sicherungsgut zugreifen werde, sei zu gering, um die Sicherungsparteien von durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Warenverkäufen abhalten zu können. Ob das Urteil Krantz verlässliche Orientierung bietet, muss bezweifelt werden. Nach der Leitentscheidung zum freien
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2229
Warenverkehr, dem Urteil Dassonville, richten sich die Grundfreiheiten nicht nur gegen tatsächliche, sondern auch gegen potentielle Behinderungen (EuGH, 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837/852 Rn. 5). Wertet man den hoheitlich erzwungenen Vorrang nachfolgender Sicherungsrechte als eine Maßnahme, welche die Bestellung der von dieser Verdrängung bedrohten Sicherungsrechte behindern kann, bedarf er der Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls. Diese Hürde nehmen z. B. Eingriffe zugunsten von Ansprüchen auf Wiederherstellung der natürlichen Umwelt. Keinen Allgemeinwohlbelangen dienen dagegen Eingriffe zugunsten der Gläubiger von Anschaffungskredit, Werklohnansprüchen oder staatlichen Steuerforderungen. Folglich wird vertreten, dass die deutsche Vertragsbruchrechtsprechung, die dem Sicherungsrecht des Eigentumsvorbehaltslieferanten Vorrang vor dem zeitlich früher bestellten Sicherungsrecht des Darlehensgebers verschafft, nicht mehr gegenüber solchen Darlehensbesicherungen angewendet werden darf, die durch Grundfreiheiten des EGV geschützt werden (Wolf, WM 1990, 1941 (1950); v. Wilmowsky, S. 195-217). b) Insolvenzeingriffe. Viele Zivilrechte schränken die Befugnisse, die ein Sicherungsrecht dem Sicherungsnehmer begründet, dann ein, wenn der Kreditnehmer und Sicherungsgeber in Insolvenz fällt und über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Obwohl insolvenzbezogene Einschränkungen noch nicht bei der Bestellung gelten, sondern erst später in der Insolvenz des Sicherungsgebers greifen, belasten sie bereits die Bestellung des Sicherungsrechts: Niemand wird einen Kredit mit einem dinglichen Recht besichern, das im Konkurs ohne Wirkung bleibt. Für die Frage, inwieweit Insolvenzeingriffe und die von ihnen verursachten Einschränkungen grenzüberschreitender Sicherungsrechtsbestellungen durch legitime Regelungsanliegen gerechtfertigt sind, ist zwischen Eingriffen in die Verwertungsbefugnisse und Eingriffen in die Verteilungsbefugnisse von Sicherungsrechten zu differenzieren (v. Wilmowsky, S. 219-280). Eingriffe in die Verwertungsbefugnisse sind für die Funktionsfähigkeit von Insolvenzverfahren unverzichtbar. Ein Insolvenzverfahren kann seine Aufgabe, die ertragreichste Verwendung des Unternehmens des Schuldners zu finden, nur erfüllen, wenn den Gläubigern (einschließlich der gesicherten) die individuellen Zugriffsrechte auf das Schuldnervermögen entzogen werden. Nur so lässt sich erreichen, dass das schuldnerische Unternehmen nicht nur durch Auflösung, sondern auch durch Fortführung verwertet werden kann. In den Fällen, in denen der Fortführungswert den Auflösungswert übersteigt, wird eine Verschwendung wirtschaftlicher Werte verhindert. Schwieriger zu rechtfertigen sind Eingriffe in die Verteilungsrechte, die das Sicherungsrecht vermittelt. Eingriffe dieses Typs weisen den Erlös, den die Verwertung des Sicherungsguts im Insolvenzverfahren erzielte, nicht vorrangig dem Sicherungsnehmer zu, sondern verteilen ihn stattdessen ganz oder teilweise an andere Gläubiger des Schuldners. Gerechtfertigt sind diese Eingriffe nur dann, wenn sie solche Gruppen innerhalb der ungesicherten Gläubiger begünstigen, die aus sozialen oder anderen im Gemeinwohl liegenden Gründen staatlichen Schutz benötigen. Verteilungsrechtlichen Schutz verdienen die Forderungen der Arbeitnehmer, die auf Wiederherstellung der natürlichen Umwelt gerichteten Ansprüche, die Ansprüche der Verbraucher sowie die der unfreiwilligen Kreditgeber (wie Opfer unerlaubter Handlungen und Unterhaltsberechtigter). Nicht gerechtfertigt sind Eingriffe zugunsten der Gesamtheit der ungesicherten Gläubiger. Soweit ersichtlich, liegen zu der Frage, wann insolvenzbezogene Eingriffe in Sicherungsrechte mit der EG-Kapitalverkehrsfreiheit in Einklang stehen, noch keine gerichtlichen Entscheidungen vor.
von Wilmowsky
18
19
20
2230
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
21
III. Mobilität von Sicherungsgut. 1. Schutz durch EG-Grundfreiheiten. Die Verkehrsfreiheiten des EGV gewährleisten die innereuropäische Mobilität von Sicherungsgut. Zum einen kann sich der Besitzer des Sicherungsguts auf die Freiheit des Warenverkehrs berufen, um das Sicherungsgut in einen anderen Mitgliedstaat zu verbringen. Zum anderen macht der Inhaber des Sicherungsrechts von der EG-Kapitalfreiheit Gebrauch, wenn er dem Sicherungsgeber in der Sicherungsabrede die Befugnis zu grenzüberschreitender Verbringung der belasteten Sache einräumt und der Gebietswechsel des Sicherungsguts hierauf beruht.
22
2. Mitgliedstaatliche Regelung. Die internationalen Sachenrechte der meisten EG-Mitgliedstaaten reagieren auf den Gebietswechsel von Sicherungsgut mit einem Wechsel des anwendbaren Sachenrechts: Welche Rechte an dem Sicherungsgut nach dem Wechsel bestehen, beurteilt sich nach dem Recht des neuen Lageortstaats (Situsdoktrin). Von diesem hängt ab, was aus dem Sicherungsrecht wird, welches nach dem Recht des ursprünglichen Lageortstaats bestellt worden war. Möglich ist, dass das Sicherungsrecht des ursprünglichen Lagestaats in einen ähnlichen Rechtstyp des neuen Lagestaats umgewandelt wird, womit Rechtsverluste und –gewinne einhergehen können. Kennt das Sachenrecht des neuen Lagestaats keinen vergleichbaren Rechtstyp, geht das nach der Rechtsordnung des ursprünglichen Lagestaats begründete Sicherungsrecht unter (Staudinger-Stoll, Bearbeitung 1996, EGBGB/ IPR, IntSachenR Rn. 355). Der von den internationalen Sachenrechten angeordnete Statutwechsel kann massiv in Grundfreiheiten des EGV eingreifen. Mit der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 56 I EGV) ist unvereinbar, dass eine Erscheinungsform von Kapital beim Grenzübertritt vernichtet wird. Außerdem zwingt die beschriebene Rechtslage den Sicherungsnehmer dazu, in der Sicherungsabrede den Sicherungsgeber zu verpflichten, die Sache nicht im Ausland einzusetzen. Dieser Druck schränkt sowohl den Warenverkehr als auch den Kapitalverkehr in der Union ein. Rechtfertigungen für diese Eingriffe in Grundfreiheiten sind nicht ersichtlich. Die zwingende Herrschaft des Lageortrechts nimmt keine legitimen Erfordernisse wahr und darf auf einen Gebietswechsel von Sicherungsgut, der unter dem Schirm von EG-Freiheiten steht, nicht länger angewendet werden (v. Wilmowsky, S. 140-152).
23
Der EuGH hatte über den Gebietswechsel von Sicherungsgut noch nicht zu entscheiden. Aufschlussreich ist jedoch seine Rechtsprechung zur Sitzverlegung von Gesellschaften. Verlegt eine Gesellschaft, die in Mitgliedstaat A wirksam gegründet wurde, den Sitz ihrer Verwaltung von A in den Mitgliedstaat B, verlangt die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV), dass die Rechtsfähigkeit, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt, von der Rechtsordnung des Staats B geachtet wird (EuGH, C-208/00, Überseering BV, Slg. 2002, I-9919, Rn. 95). Überträgt man diese Rechtsprechung auf das internationale Sachenrecht, muss ein niederländisches Sicherungsrecht als solches erhalten bleiben, wenn die Sache, an der dieses Sicherungsrecht bestellt wurde, von den Niederlanden nach Deutschland verbracht wird.
24
IV. Folgerungen für die Rechtsangleichung. Die Einwirkung der Grundfreiheiten zeigt den Umfang an, in dem Bedarf für Rechtsangleichung auf europäischer Ebene besteht. Soweit die Grundfreiheiten zur Unanwendbarkeit staatlicher Einschränkungen führen, erübrigt sich jedwede Rechtsangleichung. Rechtsangleichung ist nur dort erforderlich, wo mitgliedstaatliche Interventionen von zwingenden Erfordernissen gedeckt sind. Im Kreditsicherungsrecht benötigt man folglich keine Angleichung der verschiedenen Typen von Sicherungsrechten; es besteht auch kein Bedarf für einen neuen europäischen Rechtstyp. Harmonisierungsbedarf besteht allein hinsichtlich der legitimen Eingriffsgründe: Publizität, Verbraucherschutz und funktionstaugliche Insolvenzverfahren. In diesen Bereichen
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2231
kann man, wenn man dies politisch wünscht, gemeinschaftsweite Anforderungen entwerfen, die unabhängig von der Nationalität des Sicherungsrechts gelten.
B. Sekundäres Gemeinschaftsrecht
25
Das sekundäre Gemeinschaftsrecht befasst sich mit einzelnen, speziellen Bereichen der Kreditbesicherung. Im Mittelpunkt stehen Sicherungsgeschäfte, welche Zahlungsströme zwischen Banken flankieren. Derzeit nicht angestrebt wird eine flächendeckende, sämtliche Sicherungsgeschäfte erfassende Vergemeinschaftung staatlicher Regelungsinteressen (wie Publizitätsanforderungen oder Insolvenzregelungen). Die Standards, die gemeinschaftsrechtlich in speziellen Bereichen gesetzt wurden, werden sich jedoch auf die Fortentwicklung auch des sonstigen Kreditsicherungsrechts in den Mitgliedstaaten auswirken. I. Die EG-Richtlinie über Finanzsicherheiten. Die RL 2002/47/EG über Finanzsicherheiten (ABl. 2002 L 168/43) hat einen Teilbereich des Kreditsicherungsrechts nach Art. 95 EGV harmonisiert und insoweit ein europäisches Sachenrecht geschaffen. Da diese RL über weite Strecken im Jargon der Bankpraxis verfasst ist, fällt es mitunter schwer, ihre zivilrechtliche Bedeutung zu erfassen. In Deutschland wurde sie, soweit erforderlich, durch Regelungen in verschiedenen Gesetzen (insbesondere BGB, KWG, HypBG und InsO) umgesetzt (BGBl. 2004 I 502).
26
1. Regelungsgegenstand der Richtlinie. Gegenstand der RL sind Sicherungsrechte an Wertpapieren und Bankguthaben. Die RL selbst spricht nicht von Sicherungsrechten (auf Englisch „security interests“), sondern von „Sicherheiten“ („collateral arrangements“). Hierunter versteht die RL sowohl beschränkte dingliche Rechte als auch das Vollrecht, vorausgesetzt, durch das jeweilige Recht wird eine Verbindlichkeit gesichert (Art. 2 I a-c). Ausdrücklich einbezogen sind Wertpapierpensionsgeschäfte. Die Regeln, die die RL für die Bestellung, die Verwertung und die Insolvenzbehandlung aufstellt, gelten einheitlich für alle Typen von Sicherungsrechten. Dadurch verlieren die Unterschiede, die im nationalen Zivilrecht zwischen den verschiedenen Typen (wie Pfandrecht, Sicherungseigentum, Eigentum) bestehen mögen, im Kreditsicherungsrecht ihre Bedeutung. (In anderen Rechtsgebieten, wie dem Gesellschaftsrecht oder dem Bankaufsichtsrecht, können die Unterschiede weiterhin erheblich sein.) Im Geltungsbereich der RL ist es unerheblich, ob der Sicherungsnehmer oder der Sicherungsgeber das Vollrecht innehat. Entscheidend ist allein der Zweck, dem das bestellte Recht zu dienen bestimmt ist. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Modernisierung des Kreditsicherungsrechts. (Zum parallelen Ansatz des amerikanischen Kreditsicherungsrechts siehe § 9-202 UCC.)
27
2. Anwendungsbereich der Richtlinie. Die RL verdankt ihre Entstehung u. a. den Erfordernissen der Währungsunion (Erwägungsgrund 12). Damit die Nachfrage nach und das Angebot von Geld in der gesamten Eurozone in kurzer Zeit zu niedrigen Kosten aufeinander treffen können, müssen für die Sicherungsrechte, die zur Kreditgewährung benötigt werden, einheitliche Regeln gelten. Anderenfalls erweisen sich die Staatsgrenzen als Hindernisse. Für die Währungsunion ist der reibungslose „Großhandel“ mit Geld, d. h. die Kreditgeschäfte der Banken untereinander oder mit den Zentralbanken, von erheblicher Bedeutung. Die RL befasst sich daher nicht mit der gesamten Breite von Sicherungsgeschäften, sondern nur mit Geschäften zwischen bestimmten Sicherungsparteien und über bestimmte Sicherungsgegenstände.
28
a) Sicherungsparteien. Die RL beansprucht Geltung nur dann, wenn sowohl der Sicherungsnehmer als auch der Sicherungsgeber bestimmten Gruppen von Akteuren angehören. Diese sind zum einen: öffentlichrechtliche Körperschaften, Zentralbanken, Kredit-
29
von Wilmowsky
2232
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
und weitere Finanzinstitute und bestimmte Einrichtungen der Finanzmärkte (Art. 1 II ad). Einbezogen sind zum anderen sonstige (d. h. außerhalb des Finanzsektors stehende) Unternehmen, vorausgesetzt allerdings, deren Vertragspartner ist ein Akteur des Finanzsektors (d. h. eine öffentlichrechtliche Körperschaft, eine Zentralbank, ein Finanzinstitut oder eine Finanzmarkteinrichtung) (Art. 1 II e). Diese Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs hat zur Folge, dass Voraussetzungen und Wirkungen eines Sicherungsrechts davon abhängen können, welche Parteien das Sicherungsrecht bestellt haben. Das verfassungsrechtliche Gebot zur Gleichbehandlung scheint verletzt. (Zu Recht kritisch daher EZB, Stellungnahme, ABl. 2001 C 196/10 (Nr. 8); Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme, ABl. 2002 C 48/1 (Nr. 2.1).) Eine weitere Einschränkung kann sich daraus ergeben, dass die Mitgliedstaaten Sicherungsgeschäfte zwischen den Akteuren des Finanzsektors und den sonstigen Unternehmen (also Sicherungsrechte für den „Geld-Einzelhandel“ zwischen Bank und Kunde) ausnehmen dürfen (Art. 1 III) (Ehricke, ZIP 2003, 1065). Von diesem „Opt-Out“ hat Deutschland in einem geringen Umfang Gebrauch gemacht (§ 1 XVII 2 KWG) (Bundestag, Rechtsausschuss, BT-Drucks. 15/2485; RegE, BT-Drucks. 15/1853; Kollmann, WM 2004, 1012; Obermüller/Hartenfels, BKR 2004, 440; Flöther/Bräuer, DZWIR 2004, 89). 30
b) Sicherungsgegenstände. Die RL gilt nur für zwei Sicherungsgegenstände: Bankguthaben (die die RL missverständlich auf Deutsch als „Barsicherheit“ und auf Englisch als „cash“ bezeichnet, obwohl Bargeld, d. h. gesetzliche Zahlungsmittel, ausdrücklich ausgeschlossen ist) und Wertrechte wie Aktien, Schuldverschreibungen und sonstige handelbare Forderungen (die die RL inhaltsarm als „Finanzinstrumente“ bezeichnet) (Art. 2 I d, e). Damit beschränkt sich die RL auf solche Vermögensgegenstände, die bei größeren Kreditgeschäften vor allem zwischen Banken zur Sicherung eingesetzt werden. Als Oberbegriff für Bankguthaben und handelbare Wertrechte verwendet die RL „Finanzaktivum“ („financial collateral“) (Art. 2 I b, c). Sicherungsrechte hieran fasst sie unter der Bezeichnung „Finanzsicherheit“ („financial collateral arrangement“) zusammen (Art. 2 I a).
31
3. Exkurs: Erwerb von Kapitalmarktrechten. Indem sich die Richtlinie mit Sicherungsrechten an Wertpapieren befasst, äußert sie sich zum Rechtserwerb an Wertpapieren und trifft damit auf ein rechtlich schwieriges Umfeld.
32
a) Kapitalmarktrechte mit und ohne Repräsentationsmittel. Wie ein Kapitalmarktrecht erworben werden kann, hängt von dessen Ausgestaltung durch die Rechtsordnung ab. Zwei Gruppen sind zu unterscheiden. In einer Gruppe lassen sich diejenigen Wertrechte erfassen, für die die Rechtsordnung ein Hilfsmittel vorsieht, welches das Recht nach außen vertritt. Wertrechte mit Repräsentationsmittel werden verbreitet als „Wertpapiere“ bezeichnet, obwohl dieser Begriff zu eng ist, weil er sich nur auf die Urkunde bezieht. Häufig wird auch der Begriff „Effekten“ verwandt; im Englischen spricht man von „securities“ (§ 8-102 (a)(15) UCC). Sämtliche Rechtsordnungen erkennen die Urkunde („certificate“) zur Repräsentation von Wertrechten an (verbriefte Wertpapiere, „certificated securities“). Einige Länder lassen aber auch die Eintragung in ein Register als Repräsentationsmittel zu (unverbriefte, papierlose Wertpapiere, Registerwertrechte, „uncertificated securities“); das Register wird entweder vom Emittenten selbst oder für diesen von einer dritten Person geführt. Das Repräsentationsmittel wird von der Rechtsordnung mit der Aufgabe betraut, am Erwerb des Wertrechts mitzuwirken: Zum Erwerb kann oder muss es genutzt werden. Bei verbrieften Wertpapieren kann der Besitz der Urkunde, bei Registerwertrechten die Eintragung im Register für den Erwerb des Rechts von Bedeutung sein. Die andere Gruppe wird von solchen Wertrechten gebildet, für die die Rechtsordnung kein Repräsentationsmittel bereithält, die aber gleichwohl auf einem Kapitalmarkt gehandelt werden (Kapitalmarktrechte ohne Verbriefung oder Registrierung,
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2233
„unsecuritized rights“). Über sie kann allein durch Abtretung verfügt werden, die nicht nach außen erkennbar wird. Für den Erwerb von Kapitalmarktrechten der ersten Gruppe (Wertpapiere, „securities“) ist weiterhin von Bedeutung, in welcher Beziehung der Anleger zu dem Repräsentationsmittel steht. Zwei Systeme haben sich in der Praxis herausgebildet: die direkte Beziehung und die indirekte Beziehung (Bjerre/Rocks, S. 1-8).
33
b) Direkte Beziehung zwischen Anleger und Repräsentationsmittel (direkte Wertpapierhaltung, „direct holding system“). Von einer direkten Beziehung spricht man, wenn das Repräsentationsmittel auf den Anleger verweist. Für ein Wertpapier, welches in einer Urkunde verbrieft ist, bedeutet dies, dass sich die Urkunde im Besitz des Anlegers befindet. Mittelbarer Besitz reicht aus, d. h. der Anleger kann die Urkunde einer Bank zur (gesonderten) Verwahrung geben (Sonderverwahrung nach § 2 DepG). Handelt es sich um ein Registerwertrecht, liegt eine direkte Beziehung vor, wenn der Anleger im Register eingetragen ist. Im direkten System steht außer Frage: Der Anleger ist Eigentümer bzw. Inhaber des Kapitalmarktrechts. Will er sein Recht übertragen, kann oder muss er die Urkunde übergeben bzw. den Registereintrag ändern.
34
c) Indirekte Beziehung zwischen Anleger und Repräsentationsmittel (indirekte Wertpapierhaltung, „indirect holding system“). In aller Regel werden Wertpapiere (d. h. Kapitalmarktrechte mit Repräsentationsmittel) nicht direkt, sondern indirekt über Intermediäre gehalten. Eingeschaltet sind Intermediäre auf verschiedenen Stufen. An der Spitze steht ein sog. Zentralverwalter („central securities depository“). (Beispiele: Deutschland: Clearstream Banking Frankfurt; USA: The Depository Trust Company, New York City; international tätig sind u.a. Euroclear Brüssel und Clearstream Banking Luxemburg; siehe Prefatory Note, unter I C, sowie Goode, Rn. 6-02.) Handelt es sich um verbriefte Wertpapiere, hat er einen großen Teil der Einzelurkunden der Wertpapierserie bzw. die Globalurkunde in unmittelbarem Besitz. Bei (papierlosen) Registerwertrechten ist er als Inhaber sämtlicher oder eines großen Teils der Rechte der Wertpapierserie im Register des Emittenten eingetragen. Er besitzt die Urkunden jedoch nicht für sich, sondern für seine Kunden. Ebenso ist er nicht im eigenen Interesse im Register eingetragen, sondern im Interesse seiner Kunden. In Wertpapierkonten schlüsselt er auf, für welche Kunden er welche Wertpapiere in welcher Menge hält. Wenn Kunden desselben Zentralverwalters untereinander Wertpapiere handeln (d.h. verkaufen und kaufen), müssen zur Erfüllung dieser Kaufverträge die Urkunden nicht bewegt werden bzw. muss der Registereintrag nicht verändert werden. Rechtsverlust und Rechtserwerb werden lediglich auf den vom Zentralverwalter geführten Konten (durch Buchung eines Abgangs beim Veräußerer-Kunden und Buchung eines Zugangs beim Erwerber-Kunden) vermerkt. Auch die Kunden des Zentralverwalters halten die für sie gebuchten Wertpapiere größtenteils nicht für sich, sondern für ihre Kunden. Insofern bilden sie die zweithöchste Ebene der Wertpapierintermediäre. Wie der Zentralverwalter führen auch sie Wertpapierkonten für ihre Kunden. Dieses System der Wertpapierhaltung setzt sich fort bis zur Ebene der Anleger. Diese halten die Wertpapiere, die ihr Intermediär auf dem für sie geführten Wertpapierkonto bezeichnet, für sich selbst. Daher bilden sie die Basis der Haltepyramide. Zwischen ihnen und dem Repräsentationsmittel besteht eine lediglich indirekte Beziehung. Will ein Anleger Wertpapiere einem anderen Anleger verschaffen, weist er seinen Intermediär an, auf dem für ihn geführten Konto entsprechende Umbuchungen vorzunehmen sowie erforderlichenfalls Intermediäre auf höheren Ebenen zu entsprechenden Umbuchungen auf deren Konten anzuweisen.
35
Die RL verwendet nicht den Begriff „indirekte Wertpapierhaltung“. Stattdessen spricht sie von „im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren“ („book entry securities“, Art. 2 I g).
36
von Wilmowsky
2234
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Der Begriff der deutschen Fassung ist missverständlich, als gerade in Frage steht, ob in dem beschriebenen Verkehr ohne Verwendung des Repräsentationsmittels die Kapitalmarktrechte tatsächlich übertragen werden. Denkbar ist nämlich auch, dass Rechtserwerb und Rechtsverlust nicht (derivativ) durch Übertragung, sondern (originär) allein im Rechtsverhältnis zwischen Anleger und Intermediär erfolgen. Ein passender Begriff scheint noch nicht gefunden; als Annäherungen können auch „Girosystem für Kapitalmarktrechte“ oder „zentralverwaltete Kapitalmarktrechte“ dienen. 37
d) Die Rechtsstellung des Anlegers bei indirekter Wertpapierhaltung. Die indirekte Wertpapierhaltung stellt jedes Zivilrecht vor beträchtliche Herausforderungen. Es besteht die Gefahr, dass der Anleger ausschließlich schuldrechtliche Ansprüche (und zwar gegen seinen Intermediär) besitzt. Für den Anleger wäre dies verhängnisvoll: Fällt sein Intermediär in Insolvenz, würde der Anleger nicht die dort für ihn gebuchten Wertpapiere erhalten, sondern lediglich die Insolvenzquote auf den Wert dieser Papiere. Sämtliche Rechtsordnungen geben sich daher große Mühe, diese Schlussfolgerung zu vermeiden und den Anleger mit einem dinglichen (genauer: gegenständlichen) Recht auszustatten, welches ihn in der Insolvenz des Intermediärs vor einer Beschränkung auf die Insolvenzquote schützt. Hierfür stehen ihnen zwei unterschiedliche Konzepte zur Verfügung (Goode, JIBFL 1996, 167 (171 f.)).
38
Viele Rechtsordnungen räumen dem Anleger ein gegenständliches Recht an den vom Zentralverwalter gehaltenen Wertpapieren und Wertrechten ein (Konzept 1). Ausgeschlossen ist allerdings, dem Anleger Rechte an bestimmten einzelnen Wertpapieren („definitives“) zuzuerkennen. Wurde die Wertpapierserie in Einzelurkunden verbrieft, werden diese Urkunden beim Zentralverwalter untrennbar vermengt (Sammelverwahrung). Ähnlich wird bei Registerwertrechten verfahren: Der Zentralverwalter wird für sämtliche von ihm gehaltenen Rechte (häufig für die gesamte Serie) im Register eingetragen (Sammelwertrecht), ohne dass erkennbar würde, welches einzelne Wertrecht er im Interesse welches Kunden hält. Den Anlegern können gegenständliche Rechte folglich nur an dem Gesamtbestand zugewiesen werden, den der Zentralverwalter an Wertpapieren der betreffenden Serie hält. Zu welchem Bruchteil ein Anleger ein Recht am Gesamtbestand erwirbt, bemisst sich nach dem Verhältnis zwischen der Anzahl der Wertpapiere, die der Intermediär des Anlegers auf dem für den Anleger geführten Wertpapierkonto gebucht hat, und der Gesamtzahl der vom Zentralverwalter gehaltenen Wertpapiere derselben Serie. Welcher Art das dem Anleger eingeräumte Recht ist, ist von untergeordneter Bedeutung. Es kann sich um das Vollrecht handeln, so dass der Anleger einen Miteigentumsoder Mitvollrechtsanteil an dem Gesamtbestand des Zentralverwalters besitzt (so z. B. in Deutschland, § 6 I DepG, siehe BuB Rn. 8/50a-53, sowie Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2006, § 9 Rn. 11). In Betracht kommt aber auch das Treuhandrecht. Dann befindet sich das Vollrecht beim Zentralverwalter, doch ist dieses treuhänderisch zugunsten der Anleger ausgestaltet, so dass jeder Anleger seinem Anteil entsprechend Treuhandberechtigter ist (so die Interpretation des englischen Rechts durch Benjamin, Rn. 2.36 –2.69, Benjamin/Yates, Rn. 3.5 – 3.18, Micheler, S. 317-331; anders allerdings Palmer/McKendrick-Beaves, S. 117-138).
39
Einige Rechtsordnungen, insbesondere die der Bundesstaaten der USA sowie die Kanadas, verfolgen ein (völlig) anderes Konzept. Danach hat der Anleger kein gegenständliches Recht an den Vermögensgegenständen, die sich beim Zentralverwalter befinden (also an den dort verwalteten Kapitalmarktrechten). Eigentümer (oder genauer: Inhaber) der Kapitalmarktrechte ist vielmehr der Zentralverwalter. Die Rechtsstellung des Anlegers beschränkt sich (schuldrechtlich wie gegenständlich) auf das Verhältnis zu demjenigen Intermediär, mit dem er in Vertragsbeziehung steht (Konzept 2). In schuldrechtlicher
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2235
Hinsicht besteht ein Schuldversprechen. Darin verpflichtet sich der Intermediär dem Anleger gegenüber zu verschiedenen Leistungen, die im Zusammenhang mit den Kapitalmarktrechten (des Zentralverwalters) stehen. Zu diesen Leistungen gehören: sich selbst die auf das Kapitalmarktrecht bezogenen Rechte in entsprechender Menge bei seinem (d.h. dem nächsthöheren) Intermediär (gleichfalls durch Schuldversprechen) zu verschaffen und diese dann für den Anleger zu halten; sich die Dividenden oder Zinszahlungen, die der Emittent leistet, zu verschaffen und an den Anleger weiterzuleiten; für eine Ermächtigung des Anlegers zu sorgen, so dass dieser die Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte, die das Kapitalmarktrecht gewährt, ausüben kann, bzw. diese Rechte nach Weisung des Anlegers auszuüben; auf Weisung des Anlegers das Intermediär-System zu verlassen und dem Anleger das Kapitalmarktrecht zu verschaffen (wenn der Inhalt des Kapitalmarktrechts ein Halten des Rechts außerhalb des Intermediär-Systems zulässt). Auf der gegenständlichen Seite wird dem Anleger ein gegenständliches Recht (allein) an den Vermögensgegenständen zuerkannt, die sein Intermediär besitzt. Das sind diejenigen Forderungen und Rechte, die der Intermediär des Anlegers gegen seinen Intermediär (d. h. gegen den Intermediär des Intermediärs) im Zusammenhang mit den Wertpapieren hat. Hieran hat der Anleger ein (anteiliges) Trustrecht. Durch dieses gegenständliche („dingliche“) Recht wird bewirkt, dass die Ansprüche und Rechte, die der Intermediär des Anlegers gegen den nächsthöheren Intermediär besitzt, nicht zum haftenden Vermögen des Intermediärs gehören. Wird gegen den Intermediär vollstreckt oder fällt dieser in Insolvenz, sind sie an den Anleger auszusondern (§ 8-503 (a) UCC). Die Rechtsstellung, die der Anleger schuldrechtlich und gegenständlich (gegenüber seinem Intermediär bzw. an dessen Rechten) erlangt, wird vom UCC als „security entitlement“ bezeichnet. (Siehe § 8-102 (a)(17), § 8-104 und §§ 8-501 – 8-511 UCC; Erläuterungen durch Prefatory Note, unter IV B 2, Bjerre/Rocks, S. 33-66, Rogers, UCLA L. Rev. 43 (1996) 1431. Für ein entsprechendes Verständnis des englischen Rechts wirbt Goode, Rn. 6-10 – 6-14. Für Deutschland de lege ferenda Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, 1995, S. 561-563, sowie Einsele, RIW 1997, 269. Zum Entwurf (2004) von UNIDROIT für ein Übereinkommen über intermediärverwahrte Wertpapiere siehe Einsele, WM 2005, 1109; Paech, WM 2005, 1101; Sauer, Die Harmonisierung des Kollisions- und des Sachrechts für Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten, 2008; sowie das Sonderheft der Unif. L. Rev./Rev. dr. unif. 2005-1/2. Die RL legt sich nicht fest. Unter ihrer Geltung kann jedes der beiden Konzepte verfolgt werden. Sie regelt Sicherungsrechte an „Finanzaktiva“ (Art. 2 I b, c), und hierzu zählen nicht nur die Kapitalmarktrechte (Wertpapiere) selbst, sondern darüber hinaus „jegliche Rechte . . . im Zusammenhang mit (Kapitalmarktrechten)“ (Art. 2 I e). Wenn europäische Rechtsordnungen das Konzept des UCC (Art. 8, Part 5) übernehmen, gehört das „security entitlement“, d. h. das Recht des Anlegers an den wertpapierbezogenen Rechten seines Intermediärs, zu den Vermögensgegenständen, deren Besicherung die RL erfasst.
40
e) Erfüllung von Kaufverträgen über indirekt gehaltene Wertpapiere. Hat sich ein Anleger verpflichtet, einem anderen Anleger das Vollrecht an indirekt gehaltenen Wertpapieren zu verschaffen (Verkauf), stellt sich die Frage, wie dieses Geschäft erfüllt wird. Die Antwort hängt davon ab, wie das nationale Recht die Rechtsstellung des Anlegers ausgestaltet hat. In Rechtsordnungen, die den Anleger als Miteigentümer oder Treuhandmitberechtigten der vom Zentralverwalter gehaltenen Kapitalmarktrechte erachten (Konzept 1), erfolgt die Erfüllung durch Übertragung: Der Verkäufer-Anleger überträgt seinen Eigentumsbruchteil bzw. seinen Treuhandrechtsanteil auf den Käufer-Anleger (Übersicht zum deutschen Recht bei MünchKommHGB-Einsele, Band 5, 2001, Depotgeschäft Rn. 95-114, sowie BuB Rn. 8/67-70, 8/336-339). In Rechtsordnungen, die die Rechts-
41
von Wilmowsky
2236
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
position des Anlegers durch ein Schuldversprechen seines Intermediärs definieren und den Anleger nicht als Inhaber der Kapitalmarktrechte betrachten (Konzept 2), wird dagegen nicht durch Übertragung erfüllt; es findet keine Verfügung statt. Die Erfüllung erfolgt vielmehr durch Begründung und Aufhebung von Schuldversprechen: Der Käufer erhält von seinem Intermediär ein Schuldversprechen. Darin erkennt dieser (durch Gutschrift auf dessen Wertpapierkonto) an, dass er wertpapierbezogene Rechte entsprechender Art und Menge für den Käufer-Anleger hält, und verspricht diesem die hiermit zusammenhängenden Leistungen. Mit diesem Schuldversprechen erwirbt der Käufer entsprechende Ansprüche gegen seinen Intermediär und Rechte an den (auf das Kapitalmarktrecht bezogenen) Ansprüchen und Rechten seines Intermediärs. Auf der anderen Seite willigt der Verkäufer gegenüber seinem Intermediär (Verkäufer-Intermediär) in die Aufhebung oder entsprechende Reduzierung des zwischen ihnen bestehenden Schuldversprechens ein; damit beendet der Verkäufer-Intermediär das Halten wertpapierbezogener Rechte für den Verkäufer. Für die weiteren eingeschalteten Intermediäre gilt Entsprechendes. Mithin: Die Rechte, die der Käufer erwirbt, leiten sich nicht von den Rechten des Verkäufers ab. Der Käufer erwirbt seine Rechte vielmehr originär durch das abstrakte Schuldversprechen seines Intermediärs (siehe § 8-501 (b) UCC, erläutert u.a. in Comments 2 und 5 sowie von Bjerre/Rocks, S. 36; im deutschen Schrifttum Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, 1995, S. 563 f.). Diese Form der Erfüllung gleicht der Banküberweisung im bargeldlosen Zahlungsverkehr. 42
f) Erfüllung von Sicherungsverpflichtungen. Verpflichtet sich der Anleger (z. B. in einem Darlehensvertrag), einer anderen Person ein Sicherungsrecht an seiner Rechtsposition zu begründen, hängt die Erfüllung dieser Verpflichtung von dem Konzept für die zivilrechtliche Erfassung ab. Im Konzept 1 bestellt der Anleger das Sicherungsrecht an demjenigen Recht, das er an den Wertpapieren beim Zentralverwalter besitzt; das kann (Mit-) Eigentum oder ein (Mit-) Treuhandrecht sein. Der Sicherungsnehmer erlangt das Sicherungsrecht (derivativ) durch Verfügung des Sicherungsgebers. Innerhalb des Konzepts 2 bestehen zwei Möglichkeiten. Zum einen – und das wird der Regelfall sein – kann der Rechtserwerb des Sicherungsnehmers (originär) durch ein Schuldversprechen seines Intermediärs erfolgen. Darin verspricht der Intermediär, seinem Kunden (dem Sicherungsnehmer) die auf die Kapitalmarktrechte bezogenen Leistungen zu erbringen und die Ansprüche und Rechte, die ihm gegenüber seinem Intermediär zustehen, für seinen Kunden (den Sicherungsnehmer) zu halten. In dem Sicherungsvertrag mit dem Sicherungsgeber verpflichtet sich der Sicherungsnehmer, von seinen Rechten aus dem Schuldversprechen nur im Sicherungsfall Gebrauch zu machen und nach Erledigung des Sicherungszwecks dafür zu sorgen, dass das Schuldversprechen seines Intermediärs aufgehoben wird und der Intermediär des Sicherungsgebers ein neues Schuldversprechen dem Sicherungsgeber gegenüber (durch Gutschrift) eingeht. Zum anderen besteht auch in Konzept 2 die Möglichkeit, das Sicherungsrecht derivativ, also durch eine Verfügung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer, zu verschaffen. Der Sicherungsgeber kann dem Sicherungsnehmer ein Pfandrecht an den Ansprüchen und Rechten, die ihm (d.h. dem Sicherungsgeber) gegen seinen Intermediär (aus dem Schuldversprechen) zustehen, bestellen oder diese Ansprüche und Rechte zur Sicherheit abtreten.
43
4. Bestellung von Sicherungsrechten. Die RL überlässt die Frage, unter welchen Voraussetzungen Sicherungsrechte an Kapitalmarktrechten wirksam bestellt werden können, weitgehend dem anwendbaren nationalen Recht. Die RL beschränkt sich darauf, den Mitgliedstaaten bestimmte Bestellungsvoraussetzungen zu untersagen. Für die Bestellung des Sicherungsrechts darf keine bestimmte Form (wie etwa Schriftform oder
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2237
notarielle Beglaubigung) verlangt werden (Art. 3 I). Welche Formerfordernisse damit untersagt sind, ergibt sich u. a. aus den Beispielen (und Gegenbeispielen), die in Erwägungsgrund 10 S. 1 und S. 4 der RL genannt sind. 5. Publizität und Nachvollziehbarkeit des Sicherungsrechts. Aufgrund des Verbots von Formerfordernissen (Art. 3 I) ist es den Mitgliedstaaten verwehrt, die Publizität von Sicherungsrechten durch Sicherungsrechtsregister herbeizuführen. Der Verlust dieses wirksamsten Publizitätsmittels schränkt die Funktionsfähigkeit von Sicherungsrechten an Bankguthaben und Kapitalmarktrechten ein. Ob in Deutschland an der Drittschuldneranzeige zur Verpfändung von Forderungen festgehalten werden kann, erscheint zumindest zweifelhaft (a. A. Bundesregierung, Entwurf Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 563/03, Begründung A 2, S. 13). Die Mitgliedstaaten sind jedoch berechtigt, die Wirkungen der RL solchen Sicherungsrechten vorzubehalten, die bestimmten Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit genügen.
44
a) Schriftlicher Nachweis der Bestellung des Sicherungsrechts. Die Mitgliedstaaten müssen die Regelungen der RL nur auf solche Sicherungsrechte (an Wertpapieren und Bankguthaben) erstrecken, deren Bestellung schriftlich oder auf eine andere, rechtlich gleichwertige Weise nachgewiesen werden kann (Art. 1 V UAbs. 3, Art. 3 II, Erwägungsgrund 11). „Schriftlich“ umfasst auch die Aufzeichnung mittels Datenträgers (Art. 2 III). Das deutsche Recht sieht von dieser Einschränkung des Anwendungsbereichs ab.
45
b) Bereitstellung des Sicherungsgegenstands. Ferner müssen die Mitgliedstaaten nur solche Fälle erfassen, in denen der Sicherungsgegenstand dem Sicherungsnehmer „bereitgestellt“ wurde (Art. 1 V UAbs. 1, Art. 2 II, Art. 3, Erwägungsgrund 9). Die deutsche Fassung der RL verwendet den Begriff „Bereitstellung“ zwar nicht, sondern in munterem Wechsel die Begriffe „Bestellung“ (z.B. Art. 2 II) und „Besitzverschaffung“ (z.B. Art. 3 II), die falsch bzw. unvollständig sind. Dass „Bereitstellung“ gemeint ist, ergibt sich aber aus der englischen Fassung der RL, die durchgängig von „provision“ spricht (Art. 2 II, 3 II), sowie aus einem Teil der deutschen Umsetzungsgesetzgebung (§ 1 XVII 1 KWG). „Bereitgestellt“ ist der Sicherungsgegenstand dann, wenn der Sicherungsnehmer in der Lage ist, ohne Mitwirkung des Sicherungsgebers über den Sicherungsgegenstand zu verfügen (vgl. im US-Recht Prefatory Note, unter II D). Dies kann auf zwei Wegen erreicht werden: Der Sicherungsnehmer muss entweder den Besitz an dem Sicherungsgegenstand oder die Kontrolle über den Sicherungsgegenstand erlangt haben.
46
An welchen Kapitalmarktrechten Besitz erworben werden kann, richtet sich nach dem anwendbaren nationalen Recht. Häufig kommen hierfür nur solche Kapitalmarktrechte in Betracht, die in Urkunden verbrieft wurden und die direkt (d. h. z. B. in Sonderverwahrung) gehalten werden. Ob ein Anleger an indirekt gehaltenen (verbrieften) Wertpapieren Besitz hat, ist in vielen Rechtsordnungen rechtlich umstritten (zum Streitstand im deutschen Recht siehe MünchKommHGB-Einsele, Band 5, 2001, Depotgeschäft Rn. 88-91; Einsele, WM 2001, 7 (11)).
47
Neben dem Besitz akzeptiert die RL ein zweites Rechtsinstitut, mit dem der Sicherungsgegenstand dem Sicherungsnehmer bereitgestellt werden kann: die Kontrolle (Art. 2 II, vgl. im US-Recht § 9-314, §§ 9-104 – 9-107, § 8-106 UCC). Dieses neue Rechtsinstitut kann vor allem bei unverbrieften sowie bei indirekt gehaltenen Kapitalmarktrechten und auch bei Bankguthaben eingesetzt werden. Um die Kontrolle über ein indirekt gehaltenes Kapitalmarktrecht zu erlangen, ist eine Handlung des Intermediärs erforderlich. Der Intermediär muss sich gegenüber dem Sicherungsnehmer verpflichten, in Bezug auf das fragliche Kapitalmarktrecht die Weisungen des Sicherungsnehmers zu befolgen. Dabei kann es sich um den Intermediär des Sicherungsnehmers oder den des Sicherungsgebers
48
von Wilmowsky
2238
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
handeln. Erhält der Sicherungsnehmer das Vollrecht, werden die indirekt gehaltenen Wertpapiere seinem Wertpapierkonto gutgeschrieben. In diesem Fall erlangt er die Kontrolle durch seinen Intermediär. Dieser ist verpflichtet, den Weisungen des Sicherungsnehmers zu folgen. Bei der Bestellung eines beschränkten gegenständlichen Rechts können die Wertpapiere auf dem Konto des Sicherungsgebers verbleiben. In diesem Fall erlangt der Sicherungsnehmer die Kontrolle, wenn sich der Intermediär des Sicherungsgebers ihm gegenüber zur Befolgung seiner Weisungen verpflichtet. Die Kontrolle, die der Sicherungsnehmer erlangen muss, braucht nicht ausschließlich zu sein (vgl. Art. 2 II 2, im US-Recht § 8-106 (f) UCC). Solange der Sicherungsnehmer ohne Zustimmung des Sicherungsgebers über die Kapitalmarktrechte verfügen kann, schadet es nicht, wenn auch der Sicherungsgeber weiterhin verfügen darf. Beispiel (nach Uniform Commercial Code, § 8-106, Comment 4, Example 3): Der Sicherungsgeber hält 1.000 Aktien der A-AG indirekt über seinen Intermediär. Um ein Pfandrecht an diesen Aktien zu erhalten, muss ein Sicherungsnehmer den Besitz an oder die Kontrolle über die Papiere erlangen. Sicherungsgeber, Sicherungsnehmer und der Intermediär des Sicherungsgebers können eine dreiseitige Vereinbarung treffen, derzufolge der Sicherungsgeber weiterhin die Dividenden erhält und über die Papiere verfügen darf, dass aber auch der Sicherungsnehmer über die Papiere verfügen darf und hierzu keine Zustimmung des Sicherungsgebers benötigt. (Nicht ausreichen würde die Einräumung qualifizierten Mitbesitzes nach § 1206 Alt. 2 BGB.) 49
Deutschland hat von der Möglichkeit, die Vergünstigungen, welche die RL vorsieht, auf Sicherungsrechte mit „bereitgestelltem“ Sicherungsgegenstand zu beschränken, teilweise Gebrauch gemacht. Indem das deutsche Recht als „Finanzsicherheiten“ allein solche Sicherungsrechte definiert, bei denen der Sicherungsgegenstand bereitgestellt wurde (§ 1 XVII 1 KWG), erheben diejenigen Umsetzungsregelungen, die auf Finanzsicherheiten Bezug nehmen, die Bereitstellung des Sicherungsgegenstands zur Voraussetzung. Allerdings versäumt die genannte Bestimmung, die Wege auszuschildern, die zur Bereitstellung führen. Insoweit wird man auf die Begriffsbestimmung der EG-RL (Art. 2 II) zurückzugreifen haben. Folglich kann ein Sicherungsgegenstand auch im deutschen Recht nicht nur durch Besitzverschaffung, sondern auch durch die Verschaffung der „Kontrolle“ dem Sicherungsnehmer bereitgestellt werden.
50
c) Schriftlicher Nachweis der Bereitstellung. Die Mitgliedstaaten können eine weitere Einschränkung vornehmen. Sie müssen in das Regelungskonzept der RL Sicherungsrechte nur dann einbeziehen, wenn die Bereitstellung des Sicherungsgegenstands an den Sicherungsnehmer (durch Verschaffung von Besitz oder Kontrolle) schriftlich oder auf einem anderen dauerhaften Träger nachgewiesen wird (Art. 1 V UAbs. 1, Art. 3 II, Erwägungsgrund 10 S. 3). Fehlt dieser Nachweis, scheitert die Bereitstellung jedoch nicht, sondern kann im Streitfall lediglich nicht bewiesen werden. Deutschland hat von dieser Einschränkungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
51
6. Verfügungen über den Sicherungsgegenstand während der Sicherungszeit. Um Erträge durch die Nutzung des Sicherungsgegenstands erzielen zu können, sehen viele Sicherungsverträge vor, dass in der Zeit, in welcher der Sicherungsgegenstand als Sicherheit dient, entweder der Sicherungsnehmer oder der Sicherungsgeber oder sogar beide über ihn verfügen dürfen.
52
a) Verfügungsrecht des Sicherungsnehmers. Der Sicherungsnehmer kann daran interessiert sein, den Sicherungsgegenstand seinerseits zur Kreditbesicherung einzusetzen („rehypothecation“) oder mit dem Sicherungsgegenstand zu handeln („trade“) (KOM(2001) 168 endgültig, 9; Benjamin/Yates, Rn. 4.11 und 4.22; Goode, Rn. 6-30 und
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2239
6-43). Wurde dem Sicherungsnehmer lediglich ein Teilrecht an dem Sicherungsgegenstand bestellt, kann er Verfügungen über das Vollrecht nur treffen, wenn er hierzu (durch den Sicherungsgeber im Sicherungsvertrag oder kraft Gesetzes) ermächtigt ist („right of use“). Die mitgliedstaatlichen Regelungen über das Pfandrecht und andere dingliche Teilrechte dürfen derartigen vertraglichen Ermächtigungen nicht entgegenstehen (Art. 5 I, im deutschen Recht umgesetzt durch die Anerkennung des unregelmäßigen Pfandrechts, siehe Staudinger-Wiegand, Bearbeitung 2002, § 1204 Rn. 54-60). Im Anfechtungsrecht wird die Übertragung von Ersatzgegenständen durch den Sicherungsnehmer an den Sicherungsgeber so behandelt, als wäre sie zu demjenigen Zeitpunkt erfolgt, zu dem das Sicherungsrecht an den ursprünglichen Gegenständen bestellt wurde (Art. 5 III). b) Verfügungsrecht des Sicherungsgebers. Der Sicherungsvertrag kann vorsehen, dass der Sicherungsgeber berechtigt ist, den Sicherungsgegenstand gegen andere Sicherungsgegenstände auszutauschen („right of substitution“) (Benjamin/Yates, Rn. 4.17; Goode, Rn. 6-31 – 6-33). Ob die RL von den Mitgliedstaaten verlangt, derartige Austauschermächtigungen zu ermöglichen, ist unklar. Eine klare Regelung (wie zu vertraglich eingeräumten Verfügungsrechten des Sicherungsnehmers) fehlt (vgl. lediglich Art. 2 II 2, Art. 8 III b). Auf jeden Fall ist der Austausch von Sicherungsgegenständen durch den Sicherungsgeber in bestimmter Weise vor Anfechtung geschützt (Art. 8 III b).
53
7. Verwertung des Sicherungsgegenstands im Sicherungsfall. Wie das Sicherungsrecht im Sicherungsfall durchgesetzt wird, überlässt die RL weitgehend den Parteien der Sicherungsvereinbarung. Für den Verkauf des Sicherungsgegenstands durch den Sicherungsnehmer können sie jede Form vereinbaren (Art. 4 I a); sie sind mithin nicht auf die öffentliche Versteigerung festgelegt (Art. 4 IV c). Die Einschaltung bestimmter Personen (vgl. z. B. § 1221 BGB) darf nicht verlangt werden. Tritt der Sicherungsfall ein, darf der Sicherungsnehmer verwerten, ohne dies zuvor androhen und eine Wartefrist verstreichen lassen zu müssen (Art. 4 IV a, d; im deutschen Recht umgesetzt durch § 1259 und § 1279 S. 2 BGB, die keine Bereitstellung des verpfändeten Gegenstands i.S.v. Art. 2 II RL voraussetzen). Leider versäumt die RL, in allen Mitgliedstaaten den Parteien zu erlauben, die Aneignung des Sicherungsgegenstands durch den Sicherungsnehmer zu vereinbaren. Diejenigen Mitgliedstaaten, in denen die Aneignung untersagt ist, dürfen diese Verbote beibehalten (Art. 4 III). Diese Verbote sind rational kaum zu verteidigen (v. Wilmowsky, S. 365 f.) und können der wirtschaftlich günstigsten Verwertung im Weg stehen (Uniform Commercial Code, § 9-620, Comment 2). Außerdem ist wenig plausibel, dass die Parteien die Aneignung zwar für die Sicherungszeit (d. h. für die Zeit zwischen der Bestellung des Sicherungsrechts und dem Eintritt des Sicherungsfalls) vereinbaren dürfen (Art. 5 I), nicht jedoch für den Sicherungsfall (Löber, BKR 2001, 118 (121)). Bei der Umsetzung der RL in das deutsche Recht hat man sich diesen Erkenntnissen nicht verschlossen und die Aneignung von Sicherungsgegenständen, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, zugelassen (§ 1259 und § 1279 S. 2 BGB, Bereitstellung iS der RL nicht erforderlich).
54
8. Insolvenz des Sicherungsgebers. Die RL stellt die von ihr erfassten Sicherungsrechte von einigen Regelungen der nationalen Insolvenzrechte frei.
55
a) Verwertungsbefugnis des Sicherungsnehmers. Fällt der Sicherungsgeber in Insolvenz und wird über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet, entziehen die meisten Insolvenzrechte dem Sicherungsnehmer die Befugnis zur (Einzel-) Verwertung des Sicherungsgegenstands (z.B. § 166 I, II InsO). Dadurch wahren sie die Chance, das Vermögen des Insolvenzschuldners als Einheit zu verwerten, insbesondere ein vom Insolvenzschuldner betriebenes Unternehmen fortzuführen. Die RL nimmt die von ihr erfassten
von Wilmowsky
2240
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Sicherungsrechte von diesem Stopp des Einzelzugriffs aus (Art. 4 V; in Deutschland §§ 166 III, 21 II 2 und 223 I 2 InsO, die aufgrund der Anknüpfung an § 1 XVII KWG die Bereitstellung des Sicherungsgegenstands voraussetzen). Das bedeutet, dass die Befugnisse des Sicherungsnehmers zur Einzelverwertung auch in der Insolvenz bestehen bleiben. Zu überzeugen vermag diese Freistellung kaum. Wo der Insolvenzschuldner z. B. Anteile an Tochtergesellschaften verpfändet oder als Sicherheit übertragen hat, kann die Einzelverwertung durch den Sicherungsnehmer es vereiteln, dass die Insolvenzverwaltung die Konzernherrschaft fortführt. 56
b) Anfechtungsrecht. Unberührt lässt die RL die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Anfechtung solcher Handlungen, mit denen der Schuldner die Gesamtheit seiner Gläubiger unzulässig benachteiligt (vgl. Erwägungsgrund 16 S. 4). Die RL wirkt ausschließlich auf die anderen Zweige des Anfechtungsrechts ein, die sich mit Fehlverhalten der Gläubiger untereinander befassen und solche Vermögenstransfers an Gläubiger bekämpfen, die kurz vor dem Insolvenzverfahren stattfinden und sich als Flucht vor den später eingreifenden Regelungen des Insolvenzrechts darstellen. Von dieser „Anfechtung wegen Insolvenz“ (oder „Anfechtung wegen Gläubigerfehlverhaltens“), die im Wesentlichen auf bestimmte Zeiträume vor Verfahrensbeginn abstellt, muss die Bestellung richtliniengeschützter Sicherungsrechte (und auch die Bereitstellung des Sicherungsgegenstands) gänzlich freigestellt sein (Art. 8 I b). Wenn die genannte Bestimmung tatsächlich in diesem Sinn zu verstehen ist, schafft sie ein Privileg, das jeder Rechtfertigung entbehrt und das Gleichbehandlungsgebot der Verfassung verletzt. In das deutsche Recht wurde sie nicht umgesetzt (Wimmer, ZIP 2003, 1563 (1565)). Sachlich begründet ist dagegen, sowohl die Aufstockung von Sicherheiten, die für Änderungen im Marktwert des Sicherungsgegenstands oder der gesicherten Forderung vereinbart worden war, als auch die Stellung von Austauschgegenständen durch den Sicherungsgeber vor einer Anfechtung wegen Gläubigerfehlverhaltens in Schutz zu nehmen (Art. 8 III; in Deutschland § 130 I 2 InsO, der die Bereitstellung des Sicherungsgegenstands voraussetzt).
57
c) Verfügungsmacht des Insolvenzschuldners. In aller Regel verliert der Insolvenzschuldner die Verfügungsmacht über die Gegenstände seines Vermögens am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Einleitung anderer Insolvenzmaßnahmen. Dabei halten einige Rechtsordnungen die Stunde des gerichtlichen Beschlusses oder der behördlichen Entscheidung für maßgeblich, während andere Rechtsordnungen zurück auf null Uhr verweisen. Die RL verlangt, dass Sicherungsrechte, die am Tag der Eröffnung oder Einleitung bestellt wurden, nicht an der fehlenden Verfügungsmacht des Sicherungsgebers scheitern (siehe Art. 8 I a für die Bestellung vor Beschluss und Art. 8 II für die Bestellung nach Beschluss; im deutschen Recht § 81 III 2 InsO, der die Bereitstellung des Sicherungsgegenstands voraussetzt).
58
9. Kollisionsrecht. In grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich die Frage, welches nationale Recht oder welche nationalen Rechte auf die Bestellung von Sicherungsrechten (einschließlich der Vollrechtsübertragung) Anwendung finden. Bereits über die Grundstruktur besteht international kein Einvernehmen. Viele Rechtsordnungen favorisieren ein einheitliches Statut, welches sämtliche Gesichtspunkte der Sicherungsrechtsbestellung beherrscht. Andere Rechtsordnungen spalten den Regelungsgegenstand auf; so gewährt z. B. das amerikanische Kollisionsrecht grundsätzlich Rechtswahlfreiheit, die für einzelne Aspekte der Sicherungsrechtsbestellung, insbesondere für die Drittwirksamkeit des Sicherungsrechts („perfection“), durch zwingende Sonderanknüpfungen eingeschränkt wird (§ 1-301 und §§ 9-301 bis 9-307 UCC). Sowohl in denjenigen Kollisionsrechten, die ein einheitliches Statut für die Sicherungsrechtsbestellung kennen, als auch in denjenigen Kollisionsrechten, welche lediglich für die Drittwirksamkeit des Sicherungsrechts eine
von Wilmowsky
§ 75 Europäisches Kreditsicherungsrecht
2241
zwingende Verweisung treffen, kommt es für die Rechtsordnung, auf die verwiesen wird, auf den Gegenstand an, an dem das Sicherungsrecht bestellt werden soll. Handelt es sich um ein Bankguthaben, kommt entweder auf die gesamte Sicherungsrechtsbestellung oder jedenfalls auf die Frage der Drittwirksamkeit (durch Bereitstellung des Sicherungsgegenstands oder durch Publizierung des Sicherungsrechts in einem Sicherungsrechtsregister) das die Forderung beherrschende Recht zur Anwendung (Art. 12 Abs. 2 EVÜ analog, siehe Soergel-von Hoffmann, 12. Aufl., Band 10, 1996, Art. 33 EGBGB Rn. 7; im US-Recht vgl. § 9-304 UCC). Sachgerechter und damit rechtspolitisch zu empfehlen ist allerdings die Anknüpfung der Publizitätsfragen an den Sitz des Zedenten (so die Grundregel des amerikanischen Rechts, § 9-301 UCC, und des Art. 22 UN Convention on the Assignment of Receivables in International Trade von 2001, die beide jedoch nicht für Bankguthaben gelten). Bei Wertpapieren, die in Urkunden verbrieft sind und vom Anleger direkt (z. B. durch Sonderverwahrung) gehalten werden, richtet sich die Bestellung von Sicherungsrechten, insbesondere die Bereitstellung des Sicherungsgegenstands und die Publizität des Sicherungsrechts, – vorherrschender Auffassung zufolge – nach dem Recht, welches am Ort der Belegenheit der Urkunde gilt (lex cartae sitae) (Staudinger-Stoll, Bearbeitung 1996, EGBGB/IPR, IntSachenR Rn. 413; Dicey/ Morris, Rn. 24-047; § 9-305 (a)(1) UCC). Bei unverbrieften Registerwertrechten, die direkt gehalten werden, kommt (zumindest auf die Fragen der Bereitstellung und der Publizität und vorbehaltlich spezieller gesetzlicher Regelung) dasjenige Recht zur Anwendung, nach welchem der Emittent verfasst ist (vgl. § 9-305 (a)(2), § 8-110 (d) UCC) oder welches am Sitz des Emittenten gilt (Dicey/Morris, Rn. 24-047, 24-060).
59
Die RL stellt eine Kollisionsregel für solche (verbrieften oder unverbrieften) Kapitalmarktrechte auf, die indirekt (d. h. bei verbrieften Wertpapieren durch Sammelverwahrung) gehalten werden. Da bei indirekter Wertpapierhaltung eine Anknüpfung an den Ort der Belegenheit der Urkunde unlösbare Probleme heraufbeschwören würde, verweist die RL auf das Recht desjenigen Landes, „in dem das maßgebliche [Wertpapier-] Konto geführt wird“ (Art. 9 I; umgesetzt in Deutschland durch § 17a DepG, der sich nicht auf § 1 XVII KWG bezieht und daher keine Bereitstellung des Sicherungsgegenstands verlangt). „Maßgeblich“ ist dasjenige Konto, auf welchem (durch Buchung) dokumentiert wird, dass der Sicherungsgegenstand dem Sicherungsnehmer bereitgestellt wurde (Art. 2 I h). Verschafft der Intermediär des Sicherungsgebers dem Sicherungsnehmer die Kontrolle über die Kapitalmarktrechte (indem er dies durch eine entsprechende Buchung auf dem Konto des Sicherungsgebers zum Ausdruck bringt), ist der Ort, an dem dieses Konto (des Sicherungsgebers) geführt wird, maßgeblich. In den Fällen dagegen, in denen der Sicherungsnehmer die Kontrolle durch seinen eigenen Intermediär erlangt (indem der Sicherungsgeber die Kapitalmarktrechte auf das Konto des Sicherungsnehmers überweist), ist der Ort maßgeblich, an dem der Intermediär des Sicherungsnehmers dessen Wertpapierkonto führt.
60
Diese Kollisionsnorm greift ein Konzept auf, welches weltweit unter der Bezeichnung PRIMA („place of the relevant intermediary approach“) vordringt (siehe insbesondere Hague Conference on Private International Law, Convention (No. 36) on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities Held with an Intermediary, 2002, Art. 4). Nicht zu überzeugen vermag aber, dieses Konzept auf den Ort der Kontoführung zu reduzieren. Wo ein (Wertpapier-) Konto geführt wird, besitzt für das Rechtsverhältnis zwischen Kunde und Intermediär keine oder allenfalls untergeordnete Bedeutung. Besser wäre gewesen, die RL hätte die Fragen der Bereitstellung des Sicherungsgegenstands und der Publizität des Sicherungsrechts an dasjenige Recht verwiesen, welches für das Vertragsverhältnis zwischen dem Sicherungsnehmer und dem „relevanten“ Intermediär gilt,
61
von Wilmowsky
2242
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
durch den der Sicherungsnehmer die Kontrolle über den Sicherungsgegenstand erlangt haben kann. So verfahren sowohl der amerikanische UCC (§ 9-305 (a)(3), § 8-110 (e)) als auch die genannte Haager Konvention (Art. 4 I 1); letztgenannte beschränkt jedoch die Rechtsordnungen, die der Sicherungsnehmer und der relevante Intermediär für ihre Beziehung vereinbaren dürfen (Art. 4 I 2). (Vgl. dazu Bernasconi/Potok, passim; Ege, Das Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, 2006; Einsele, WM 2003, 2349; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht, 2005; Reuschle, RabelsZ 68 (2004) 687; Saager, Effektengiroverkehr und internationales Privatrecht, 2007; Schefold, FS Kümpel, 2003, S. 473.) 62
II. Andere EG-Richtlinien und Verordnungen. In anderen Akten der europäischen Gesetzgebung finden sich lediglich vereinzelte Regelungen zum Kreditsicherungsrecht. – Die RL über den Zahlungsverzug (RL 2000/35/EG, ABl. 2000 L 200/35) verpflichtet die Mitgliedstaaten, den Eigentumsvorbehalt zuzulassen (Art. 4). Welche weitere Bedeutung dieser Artikel entfaltet, insbesondere inwieweit er Voraussetzungen und Wirkungen des Eigentumsvorbehalts festlegt, ist umstritten (Ciacchi, EWS 2002, 306 (318 f.), Gsell, ZIP 2000, 1861 (1872-1875), Schmidt-Kessel, NJW 2001, 97 (100 f.)). – Die VO über Insolvenzverfahren (VO 1346/2000, ABl. 2000 L 160/1) schirmt Sicherungsrechte sowie Eigentumsvorbehalte vor jedweden Einschränkungen des Insolvenzrechts ab, wenn sich der Sicherungsgegenstand nicht im Staat des Insolvenzverfahrens, sondern in einem anderen Mitgliedstaat befindet (Art. 4 I, 5, 7) (hierüber v. Wilmowsky, EWS 1997, 295). – Auch die beiden RLen über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten und von Versicherungen (RL 2001/24/EG, ABl. 2001 L 125/15, und RL 2001/17/EG, ABl. 2001 L 110/28) schließen es aus, Beschränkungen des Insolvenzrechts auf Sicherungsrechte anzuwenden, deren Gegenstand sich außerhalb des Eröffnungsstaats befindet (Art. 3 II, 10, 21, 22 RL 2001/24/EG) (zu diesen RLen u.a. Wimmer-Wimmer, Anhang IV nach § 358 Rn. 1-19, Keller, BKR 2002, 347 (349-351)). – Die RL über Abrechnungssysteme (RL 98/26/EG, ABl. 1998 L 166/45) nimmt Sicherungsrechte, die im Rahmen von Abrechnungssystemen oder zugunsten von EG-Zentralbanken bestellt wurden, von sämtlichen Beschränkungen aus, die in einem Insolvenzverfahren gegen den Sicherungsnehmer anderenfalls gelten würden (Art. 9 I). Diese Regelung hat durch Art. 4 V der RL über Finanzsicherheiten (oben Rn. 55) an Bedeutung verloren.
von Wilmowsky
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2243
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
Schrifttum Bader, Inhalt und Bedeutung der 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie – ein „EG-Grundgesetz“ für die Banken?, EuZW 1990, 117; Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld von Bankaufsichts- und Insolvenzrecht, 2005; Die Auswirkungen der Basel II-Umsetzung auf die aufsichtsrechtlichen Eingriffskompetenzen nach dem Kreditwesengesetz, WM 2006, 2114; Calliess, Heimatstaatprinzip und Europa-Pass (single licence principle) im europäischen Finanzmarktrecht: Wettbewerb der Finanzdienstleister oder der Finanzplätze, EWS 2000, 432; Corcoran/Hart, The Regulation of Cross-Border Financial Services in the EU Internal Market, Columbia Journal of European Law 2002, 221; Dassesse/Isaacs/Penn, EC Banking Law, 2. Aufl. 1994; Ferrarini u.a. (Hrsg.), Capital Markets in the Age of the Euro, 2002; Grundmann, Das Europäische Bankaufsichtsrecht wächst zum System, 1990; Gruner-Schenk, Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts, 1995; Hahn/Wild, Grenzüberschreitende Bankdienstleistungen in der EU, EuZW 2006, 107; Hammen, KWG-rechtliche und EG-rechtliche Aspekte des Kreditgeschäfts in § 1 I 2 Nr. 2 KWG, WM 1998, 741; Hanten, Aufsichtsrechtliche Erlaubnispflicht bei grenzüberschreitenden Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen, WM 2003, 1412; Hellenthal, Das Bankenaufsichtsrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1992; Hoger, Bankenaufsicht in der EU im Wandel, WM 2007, 1053; Jörgens, Die koordinierte Aufsicht über europaweit tätige Bankengruppen, 2002; Jung, Finanzdienstleistungsrecht (§ 20), in: Schulze/Zuleeg (Hrsg.), Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2006, 725; Krimphove, Gesetzgebung im europäischen Bank- und Kapitalmarktrecht – eine ökonomisch-historische Betrachtung, EuR 2007, 597; Mülbert, Bankenaufsicht und Corporate Governance – Neue Organisationsanforderungen im Finanzdienstleistungsbereich, BKR 2006, 349; Nirk, Das Kreditwesengesetz, 12. Aufl. 2003; Norton/Cheng/Fletcher (Hrsg.), International Banking Regulation and Supervision, 1994; Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, 2002; Hoheitsrechtsbeschränkungen im Rahmen grenzüberschreitender Verwaltungszusammenarbeit, DVBl. 2002, 880; Aufsichtsrechtliche Fragen des electronic banking, WM 2002, 162; Ortino, The Role and Functioning of Mutual Recognition in the European Market of Financial Services, ICLQ 2007, 309; Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, 2002; Pitschas/Gille, Rechtliche und institutionelle Entwicklungen der Finanzmarktaufsicht in der EU, VerwArch 2003, 68; Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht in der EG, 2000; Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse im EG-Binnenmarkt, 1998; Schuster/Binder, Die Sitzverlegung von Finanzdienstleistern innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, WM 2004, 1665; Strivens, The Liberalization of Banking Services in the Community, CMLRev. 1992, 283; Schnyder, Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, 2005; Strub, Bankdienstleistungen im Binnenmarkt, 1994; Troberg, Europäische Aufsicht über das Kreditwesen, 1979; Usher, The Law of Money and Financial Services in the European Community, 2. Aufl. 2000; Voge, Zur Erlaubnispflicht grenzüberschreitend betriebener Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte, WM 2007, 381; Winkelmüller, Verwaltungskooperation bei der Wirtschaftsaufsicht im EG-Binnenmarkt, 2002; Winter, Die Angemessenheit der Eigenmittelausstattung in der Bankenaufsicht, 2004; Wymeersch, The Future of Financial Regulation and Supervision in Europe, CMLRev. 2005, 987. Inhaltsübersicht A. Rechtsquellen des europäischen Bankenaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Koordinierung im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Primärrechtliche Grundlagen der europäischen Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . 4 1. Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Beschränkungsverbot und Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Richtlinien zur Harmonisierung des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Bislang harmonisierte Bereiche . . . . . . 13 3. Ziele des sekundärrechtlichen Aufsichtsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
B. Zulassung zum Bankgeschäft . . . . . . . . . . . . . 17 I. Begriff des Kreditinstituts. . . . . . . . . . . . . 17 II. Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . 23 1. Objektive Zulassungsvoraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Entzug der Zulassung . . . . . . . . . . . . . 30 III. Besonderheiten bei Wertpapierfirmen . . . 31 C. Inanspruchnahme der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Gegenseitige Anerkennung . . . . . . . . . . . . . (Europäischer Pass). . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Anzeigepflicht und Kontrollverfahren . . . 36 III. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . 37
Ohler
2244
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
D. Drittlandsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Technische Instrumente der laufenden Bankenaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Angemessene Solvabilität . . . . . . . . . . . . . II. Risikoarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kreditrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Marktrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Operationelle Risiken. . . . . . . . . . . . . . 4. Liquiditätsisiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigenmittelbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ermittlung des Kreditrisikos . . . . . . . . . . . 1. Standardansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. IRB-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kreditrisikominderung . . . . . . . . . . . . .
41 44 44 45 45 46 47 48 49 55 56 57 58
4. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Großkredite und Beteiligungsbesitz . . . . . VI. Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zur Einzelaufsicht . . . . . . . . 3. Konsolidierungskreis . . . . . . . . . . . . . . 4. Form und Umfang der Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Pflichten der Mutterunternehmen . . . . 6. Zuständige Behörde für die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59 61 63 63 66 67 69 70
71 74
Stichwortverzeichnis Amtshilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Anerkennung, gegenseitige. . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 13 Anfangskapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Ansteckungsgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Aufnahmemitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 39 Aufsichtsbehörden, Herkunftslandkontrolle . . . . 36 ff. Basel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 ff. Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis . . . . . . . . 43 Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 67, 69 consolidating supervisor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Dienstleistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 4, 32 f., 36 Drei-Säulen-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 E-Geld-Institute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Eigenkapital – Kernkapital. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49, 50 – Abzugsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 f. – Ergänzungskapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 51 – Ergänzungskapital zweiter Ordnung . . . . . . . 49, 52 Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 enge Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft . . . . . . . . . . . 67 EU-Mutterkreditinstitut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Europäischer Bankenausschuss . . . . . . . . . . . . . . . 14 Europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Finanzinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 21 Finanzkonglomerate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 54 Forderungsklasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Fremdwährungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 gemischtes Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Geschäftsleiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Geschäftsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 gewerbsmäßige Betätigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Großkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Handelsbuchrisiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Hauptverwaltung, Sitz der . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Herkunftslandkontrolle, Prinzip der . . . . . . . . . . . . 13 Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Herkunftsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 38 IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Integrität des Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 IRB-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 55 Kapitaladäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 f. Konsolidierung, anteilige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 14 Kreditrisiko. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Kreditrisikominderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Lamfalussy-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Liquiditätsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37, 48 Marktdisziplin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Marktrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Mutterfinanzholdinggesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 67 Mutterkreditinstitut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Netting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 operationelle Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 qualifizierte Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 qualifizierte Beteiligungen an Unternehmen außerhalb des Finanzbereichs . . . . . . . . . . . . . . 62 Repräsentanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rückversicherungsunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . 54 Securitisation (s. auch Verbriefung) . . . . . . . . . 55, 59 Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Solvabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Solvabilitätskoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Staatshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Stabilität des Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Standardansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Terrorismusfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Tochterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 32, 41, 67, 69 Transparenzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 true sale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Untersagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – synthetische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 – traditionelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Versicherungsholdinggesellschaft . . . . . . . . . . . . . 54 Versicherungsunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Verwässerungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Vor-Ort-Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Warenpositionsrisiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Wertpapierfirmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 15 Zahlungsinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 15 Zuverlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Zweigstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 33, 36, 41 zwingende Gründe des Allgemeininteresses . . . . . . 8
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2245
A. Rechtsquellen des europäischen Bankenaufsichtsrechts
1
I. Koordinierung im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ist das wichtigste internationale Gremium zur Koordinierung der Aufsichtsstandards im Banksektor. Er ist seit seiner Gründung im Jahr 1974 bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel angesiedelt und besteht aus Vertretern von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden der wichtigsten westlichen Industriestaaten (G 10). Heute gehören ihm formell 13 Staaten an. Die Europäische Kommission ist beratend beteiligt. Ziel seiner Tätigkeit ist die Erarbeitung von wirksamen Aufsichtsstandards (core principles), die es den Staaten erlauben sollen, international tätige Banken vollständig und angemessen zu überwachen. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen aber Standards für die Festlegung von Eigenkapitalanforderungen der Banken. Der Ausschuss verfügt dabei nicht über formale Regelungsbefugnisse, sondern erarbeitet nur rechtlich unverbindliche Empfehlungen, selbst wenn er seine Papiere als „Vereinbarungen“ bezeichnet. Tatsächlich binden sich die am Ausschuss beteiligten Staaten jedoch freiwillig an die Empfehlungen, so dass eine faktische internationale Rechtsannäherung die Folge ist. Die Gründe für diese Bindungskraft liegen in der Reputation des Ausschusses, der fachlichen Qualität der Beschlüsse und der weitgehenden Akzeptanz der Standards auf Seiten der Staaten und der Banken. Daher reicht die Wirkung der vom Ausschuss geleisteten Arbeit auch über den Kreis der unmittelbar beteiligten Staaten hinaus. Über regelmäßige Kontakte mit Aufsichtsbehörden aller Staaten weltweit versucht der Ausschuss, seine Standards universell durchzusetzen. Die Bankwirtschaft kooperiert zum Teil eng mit dem Ausschuss, wobei freilich starke Eigeninteressen eine wichtige Rolle spielen. Für die betroffenen Banken ist die internationale Konvergenz der Aufsichtsstandards von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Annähernd ähnliche Aufsichtsbedingungen erhöhen die Chancengleichheit im Wettbewerb und führen zudem in der Tendenz zu einem Sinken der mit der Aufsicht verbundenen Kosten (vgl. Norton, FS J. Gold, S. 249 (253 ff.)). In der Vergangenheit waren diese Wirkungen nur vergleichsweise schwierig zu erzielen, da sich die Tätigkeit des Ausschusses in aller Regel auf strukturelle Fragen beschränkte. Durch die grundlegende Überarbeitung des Eigenkapitalakkords aus dem Jahr 1988, die im Jahr 2004 zur Verabschiedung des zweiten Basler Eigenkapitalakkords („Basel II“) führte, wurden neue Maßstäbe hinsichtlich des Umfangs, der Detailgenauigkeit und Dichte der Standards gesetzt. Parallel zu den Beratungen im Basler Ausschuss arbeitet die Kommission der EG an der Weiterentwicklung des Aufsichtsrechts der Gemeinschaft. Beide Einrichtungen, der Ausschuss und die Kommission, kooperieren dabei intensiv und präsentieren im Ergebnis annähernd gleiche Ergebnisse (Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 9.4). Obwohl die Basler Vereinbarungen damit für die EG keine Rechtsquellen im eigentlichen Sinn bilden, können sie gleichwohl als Erkenntnisquellen, genauer als Instrumente bei einer rechtsvergleichenden Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien zum Bankaufsichtsrechts herangezogen werden (vgl. auch Erwägungsgrund 37 RL 2006/48). Der neue Basler Eigenkapitalakkord aus dem Jahr 2004 reformiert das bisherige System der Eigenkapitalanforderungen tiefgreifend. Die neuen Vorgaben dienen primär dem Ziel, gegenüber dem früheren, stark standardisierten Ansatz der Risikomessung und Risikobewertung präzisere, dem individuellen Risiko angepasste Anforderungen aufzustellen. Ermöglicht wird dies einerseits durch die Zulassung interner Risikomessmethoden der Banken (sog. Internal Ratings Based Approach), anderseits durch die weitreichende Anerkennung privatrechtlicher Sicherungsinstrumente, seien es bestimmte Kreditsicherheiten, Nettingvereinbarungen oder Kreditderivative, und Risikotransfervereinbarungen wie Securitisation. Unverändert bleibt jedoch der Grundsatz, dass Banken alle Kreditrisiken, zudem die Marktrisiken und operationellen Risiken, in angemessenem Umfang
Ohler
2
2246
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
mit Eigenkapital unterlegen müssen. Auch die Anforderungen an die Qualität und die Gliederungen des bankenaufsichtlichen Eigenkapitals wurden nicht verändert. 3
Auf der Strukturebene stellt Basel II ein Drei-Säulen-Modell der Bankenaufsicht auf, bei dem jede Säule einer eigenen Aufsichtslogik unterliegt, das in der Summe aber eine umfassende Kontrolle der Banken erlauben soll. In der ersten Säule enthält es die verfeinerten Eigenkapitalanforderungen. Nach der Vorstellung des Ausschusses sollen diese Anforderungen durch einen Mix aus zwingenden gesetzlichen Vorgaben und internem Risikomanagement durchgesetzt werden. Regulierung und Selbstregulierung sollen sich insoweit ergänzen. Die zweite Säule ist der Beaufsichtigung durch die nationalen Aufsichtsbehörden gewidmet. Die staatliche Aufsicht soll einerseits auf die Einhaltung der Eigenkapitalanforderungen achten und sie ggf. zwangsweise durchsetzen. Andererseits soll die Aufsicht die Banken ermuntern, geeignete Verfahren und Techniken des Risikomanagements zu entwickeln. Insoweit ist das Instrumentarium primär dialogischer, nicht repressiver Natur. Die Aufsichtsbehörde prüft hierbei nur noch die Geeignetheit bzw. Angemessenheit der internen Verfahren. Damit geht es bei diesem bankenaufsichtlichen Dialog um die Stärkung der Eigenverantwortung mit dem Ziel der vorbeugenden Risikobewältigung. Schließlich soll die Aufsicht auf externe Faktoren, wie z.B. die konjunkturelle Entwicklung achten. In der dritten Säule, der Marktdisziplin, sollen nach der Vorstellung des Basler Ausschusses weitreichende Publizitätspflichten der Banken für Transparenz auf den Kapitalmärkten sorgen. Hier ist das Ziel, mit den Veröffentlichungspflichten ein zu den Eigenkapitalanforderungen korrelierendes Instrument zu schaffen.
4
II. Primärrechtliche Grundlagen der europäischen Bankenaufsicht. Für den Bereich des grenzüberschreitenden Bankgeschäfts sind im EG-Vertrag in erster Linie die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff.) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff.) einschlägig. In beiden Fällen bestehen zudem Überschneidungen mit der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV. Nachdem das Verhältnis zwischen diesen Freiheiten lange Zeit umstritten war (Ohler, Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 56 EGV Rn. 110 ff. (137 ff.)), hat der EuGH in einer Leitentscheidung diese Frage nunmehr geklärt. In der Rs. C-452/04, Fidium Finanz AG, Urt. v. 3.10.2006 (EuZW 2006, 689, m. Anm. Ohler, 691, m. Anm. Hanten, WuB/April 2007, 189 = WM 2006, 1949, m. Anm. Voge, WM 2007, 381), entschied der EuGH, dass im Fall der gewerbsmäßigen Kreditvergabe die Dienstleistungsfreiheit der Kapitalverkehrsfreiheit vorgeht. Soweit das Urteil auf andere Geschäftsfelder der Banken übertragbar ist (wovon regelmäßig ausgegangen werden kann), beurteilt sich die Tätigkeit damit vorrangig an der Dienstleistungsfreiheit und ggf. der Niederlassungsfreiheit. Gemeinsam ist allen Grundfreiheiten des EG-Vertrags freilich, dass sie Anwendungsvorrang vor allem widersprechenden nationalen Recht genießen. Praktisch bedeutet das die Unanwendbarkeit allen mitgliedstaatlichen Rechts, das mit den Grundfreiheiten inhaltlich nicht vereinbar ist. Die Grundfreiheiten bilden insoweit unmittelbar anwendbare Normen, auf die sich der Einzelne vor mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten berufen kann. Im Sinne des deutschen Rechts stellen sie subjektive öffentliche Rechte dar. Zugleich sind sie als Teil des primären Gemeinschaftsrechts gegenüber dem in Form von Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen erlassenen Sekundärrecht der EG vorrangig und aus diesem Grund Maßstab für dessen Rechtmäßigkeit sowie Auslegung. Im Übrigen ist dieses Sekundärrecht jedoch lex specialis im Verhältnis zum Primärrecht.
5
1. Niederlassungsfreiheit. Bei der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 I EGV handelt es sich um die selbstständige Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit (EuGH, C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165 Rn. 25: Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Mitglied-
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2247
staats in „stabiler und kontinuierlicher Weise“). Die Niederlassungsfreiheit umfasst die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften (sog. primäre Niederlassungsfreiheit) nach Art. 43 II EGV. Sie erlaubt die Gründung von Agenturen, rechtlich unselbstständigen Zweigniederlassungen (zur Auslegung der identischen Begriffe in Art. 5 Nr. 5 EuGVO siehe EuGH, 14/76, De Bloos, Slg. 1976, 1497 Rn. 20/22; 33/78, Somafer, Slg. 1978, 2183 Rn. 12) und rechtlich selbstständigen Tochterunternehmen durch Personen, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässig sind (sog. sekundäre Niederlassungsfreiheit) gem. Art. 43 I 2 EGV. Obwohl in Art. 43 EGV nicht ausdrücklich erwähnt, aber aufgrund von Art. 294 EGV vorgegeben, kann auch die Beteiligung (Direktinvestition) an einem Unternehmen Ausdruck der Niederlassungsfreiheit sein. 2. Dienstleistungsfreiheit. Der EGV definiert Dienstleistungen als grundsätzlich entgeltliche, wirtschaftliche Tätigkeiten, die vorübergehend erbracht werden. Ob eine Tätigkeit vorübergehend ist, bedarf im Einzelfall der Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV (EuGH, C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165 Rn. 25). Innerhalb des Anwendungsbereichs der Dienstleistungsfreiheit sind durch die Rechtsprechung des EuGH drei Erbringungsformen der Dienstleistungsfreiheit anerkannt, nämlich die aktive und passive Dienstleistungsfreiheit sowie die Erbringung von sog. Korrespondenzdienstleistungen. Im ersten Fall überschreitet der Dienstleistungserbringer die Grenze zwischen zwei Mitgliedstaaten, um den Kunden aufzusuchen. Im zweiten Fall verlässt der Dienstleistungsempfänger seinen Herkunftsstaat, um im Aufnahmestaat eine Leistung in Anspruch zu nehmen. Bei den Korrespondenzdienstleistungen überschreitet nur die unkörperliche Dienstleistung die Grenze (so z.B. bei der grenzüberschreitenden Abwicklung von bargeldlosen Zahlungen). Für die Bankaufsicht relevant und sekundärrechtlich geregelt sind aber nur die Fälle 1 und 3, während Fall 2 (Kunde verlässt Herkunftsstaat) keine ausdrückliche Regelung erfahren hat. Der Grund für den fehlenden bankaufsichtsrechtlichen Schutz des passiven Dienstleistungsverkehrs liegt darin, dass Anknüpfungspunkt der Aufsicht allein die grenzüberschreitende Bewegung des Kunden, nicht aber der Bank wäre. Die mitgliedstaatliche Aufsichtsbehörde im Empfangsstaat kann diesen Vorgang aber nur wie einen reinen Inlandsfall beaufsichtigen, da ihre Adressaten lediglich die gebietsansässigen Institute sind. Der Kunde selbst unterliegt damit mittelbar dem aufsichtsrechtlichen Schutz, der im Empfangsstaat gilt. Gemeinschaftsrechtlich können zu seinen Gunsten allerdings verbraucherschützende Bestimmungen eingreifen. Der Herkunftsstaat des Kunden übt wiederum gegenüber den Instituten im Empfangsstaat aufgrund des Territorialitätsprinzips keine Aufsicht aus. Im Einzelfall, vor allem im Rahmen des elektronischen Bankgeschäfts, ist die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Formen der Dienstleistungsfreiheit freilich nicht ohne weiteres zu treffen (Ohler, WM 2002, 162 (165 f.); Voge, WM 2007, 381 (382)).
6
3. Beschränkungsverbot und Rechtfertigung. Verboten sind den Mitgliedstaaten zurechenbare Beschränkungen, d.h. jede Maßnahme, die das Gebrauchmachen von der jeweiligen Grundfreiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen kann (EuGH, C442/02, Caixa-Bank, Slg. 2004, I-8961 Rn. 11). Lediglich völlig fernliegende Erschwernisse sind vom Anwendungsbereich des Beschränkungsverbots ausgeschlossen. Das so verstandene Beschränkungsverbot richtet sich dabei sowohl gegen den Herkunftsmitgliedstaat, soweit Wegzugsbestimmungen betroffen sind, als auch gegen den Aufnahmemitgliedstaat, der Marktzugangsbeschränkungen oder faktisch benachteiligende Regeln für die Ausübung der Tätigkeit erlassen haben kann (Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 136 Rn. 34). Auch umfasst das Beschränkungsverbot diskriminierende
7
Ohler
2248
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Maßnahmen, die Personen aus verschiedenen Mitgliedstaaten aufgrund der Staatsangehörigkeit direkt oder indirekt unterschiedlich behandeln. Der EuGH hat zudem das Diskriminierungsverbot um die Fallgruppe erweitert, dass Auslandssachverhalte ungünstiger als Inlandssachverhalte behandelt werden. 8
Die Rechtfertigungsprüfung verläuft bei beiden Grundfreiheiten prinzipiell zweispurig. Neben den geschriebenen Gründen aus Art. 46 EGV, die eine Beschränkung bzw. Diskriminierung rechtfertigen können, hat der EuGH im Wege der Rechtsfortbildung die Figur der sog. zwingenden Gründe des Allgemeininteresses entwickelt (st. Rspr. seit EuGH, 33/74, Van Binsbergen, Slg. 1974, 1299 Rn. 10/12). Sie beruhen auf jedem legitimen öffentlichen Belang, wobei allerdings sog. wirtschaftliche Ziele (insbesondere protektionistische Gründe und fiskalische Zielsetzungen) stets ausscheiden. Die beschränkenden Maßnahmen müssen geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Zielerreichung erforderlich ist (EuGH, C-222/95, Parodi, Slg. 1997, I-3899 Rn. 21; C-442/02, Caixa-Bank, Slg. 2004, I-8961 Rn. 17 m.w.N.). Zudem darf ein Mitgliedstaat aufgrund der nur vorübergehenden Natur der Dienstleistungserbringung in seinem Hoheitsgebiet nicht die gleichen Anforderungen stellen wie im Fall der Niederlassungsfreiheit (vgl. EuGH, C-58/98, Corsten, Slg. 2000, I-7919 Rn. 43). Bei unmittelbaren Diskriminierungen anhand der Staatsangehörigkeit ist umstritten und in der Rechtsprechung nicht definitiv geklärt, ob die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses zum Tragen kommen.
9
Wichtige Folge des aus den Grundfreiheiten abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsprinzips ist, neben strengen Anforderungen an innerstaatliche Genehmigungsverfahren für die Zulassung zur beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit, die Pflicht zur Anerkennung gleichwertiger gesetzlicher Erfordernisse in einem anderen Mitgliedstaat. Erfüllt eine aus der Grundfreiheit berechtigte Person bereits in ihrem Herkunftsstaat diese Erfordernisse, darf der aufnehmende Mitgliedstaat seine eigene Regelung nicht mehr anwenden oder durchsetzen (EuGH, C-369/96 und C-376/96, Arblade, Slg. 1999, I-8453 Rn. 39, 48 ff.; C-390/99, Canal Satélite Digital, Slg. 2002, I-607 Rn. 38). Im Bankensektor knüpft der EuGH die gegenseitige Anerkennung wegen der Besonderheiten dieses Bereichs jedoch an den Stand der Harmonisierung durch das Sekundärrecht. Fehlt es an einer solchen Harmonisierung, greift die Anerkennungspflicht nicht automatisch ein. Zur Rechtfertigung einer beschränkenden mitgliedstaatlichen Maßnahme verlangt der EuGH insoweit nur, dass ein zwingender Grund des Allgemeininteresses vorliegt und die mitgliedstaatliche Maßnahme erforderlich ist (EuGH, C-222/95, Parodi, Slg. 1997, I-3899 Rn. 22 ff.).
10
III. Richtlinien zur Harmonisierung des Aufsichtsrechts. 1. Allgemeines. Das sekundärrechtliche Bankaufsichtsrecht ist Folge der Bemühungen zur Schaffung eines Binnenmarkts zwischen den Mitgliedstaaten der EG einerseits, der Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts parallel zu den Vorschlägen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht andererseits. Rechtsgrundlage für den Erlass dieses Sekundärrechts bildet Art. 47 II 1 und 3 EGV (vgl. EuGH, C-233/94, Deutschland/Parlament und Rat – Einlagensicherungsrichtlinie, Slg. 1997, I-2405). Das europäische Bankaufsichtsrecht wurde bislang nur in der Form von Richtlinien nach Art. 249 III EGV erlassen, die die Mitgliedstaaten zur vollständigen und ordnungsgemäßen Umsetzung durch nationale Rechtsvorschriften binnen einer vorgegebenen Frist verpflichten.
11
Die Richtlinien zum Bankaufsichtsrecht begründen in aller Regel nur Mindeststandards, stellen es den Mitgliedstaaten also frei, strengere Vorgaben zu erlassen. Ob dies der Fall ist, kann aber im Einzelfall nur durch Auslegung der jeweiligen Richtlinienbestimmung, erforderlichenfalls unter Heranziehung der Erwägungsgründe, ermittelt werden (Ham-
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2249
men, WM 1998, 741 (747)). Ungeachtet dessen hat sich das europäische Bankaufsichtsrecht mittlerweile so sehr verdichtet, dass die eigenen Entscheidungsspielräume der Mitgliedstaaten stark geschrumpft sind. Dies betrifft als Folge von Basel II vor allem die Vorschriften zum Eigenkapitalrecht, deren Komplexität mittlerweile an äußerste Grenzen stößt. Sofern ein Mitgliedstaat seiner Umsetzungspflicht aus einer Richtlinie bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist nicht oder nur mangelhaft nachgekommen ist, lässt sich eine Richtlinie in der innerstaatlichen Rechtsordnung grundsätzlich nicht unmittelbar anwenden. Die vom EuGH richterrechtlich geschaffene, ausnahmsweise vorgesehene Möglichkeit der unmittelbaren Wirkung greift nur ein, wenn der konkrete Inhalt einer Richtlinienbestimmung unbedingt, vorbehaltlos und hinreichend genau ist (st. Rspr., siehe die Nachweise bei Calliess/Ruffert-Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 73 ff.; Streinz, Rn. 444 ff.). Zusätzlich darf die fragliche Richtlinienbestimmung aber nicht selbst eigene Rechtspflichten für Private begründen, da dies die unmittelbare Anwendbarkeit in jedem Fall ausschließt; faktische Belastungen Privater durch die Richtlinie sind aber unschädlich. Umgekehrt ist nicht erforderlich, dass die Richtlinie subjektive Rechte des Einzelnen gegenüber dem Mitgliedstaat begründet (str.). Rechtsfolge der unmittelbaren Anwendbarkeit ist aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, dass der Richtlinie widersprechendes, mitgliedstaatliches Recht unangewendet bleiben muss. Die Richtlinien zum Bankaufsichtsrecht sind insoweit grds. zur unmittelbaren Anwendbarkeit geeignet; ob eine konkrete Richtlinienbestimmung aber unter Beachtung der Anforderungen des EuGH zur Anwendung kommen kann, lässt sich nur durch Auslegung der einschlägigen Richtlinienbestimmung ermitteln. Dagegen schaffen die Bestimmungen des europäischen Bankaufsichtsrechts keine subjektiven Rechtspositionen des Einzelnen, die im Fall eines Verstoßes durch mitgliedstaatliche Behörden einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösen würden. Ausdrücklich hat der EuGH dies zu den Richtlinien 77/780, 89/299 und 89/ 646 (s. unten Rn. 14) entschieden (EuGH, C-222/02, Peter Paul u.a., Slg. 2004, I-9425 Rn. 33 ff.). Sieht man von der Möglichkeit der unmittelbaren Wirkung ab, kann eine Richtlinie stets herangezogen werden, um bestehende mitgliedstaatliche Normen, in diesem Fall das KWG und die hierzu ergangenen Verordnungen, richtlinienkonform auszulegen. Angesichts einiger systematischer Unterschiede zwischen dem KWG und den EG-Richtlinien, vor allem in Hinblick auf die abweichende Legaldefinition von Kreditinstituten und anderen Institutsformen, kommt es nicht darauf an, begriffliche Gleichheit in allen Einzelheiten zu erreichen. Aufgabe der richtlinienkonformen Auslegung ist es vielmehr, orientiert am Wortlaut und Zweck der Richtlinie eine Ergebnisgleichheit in der Anwendung des KWG anzustreben.
12
2. Bislang harmonisierte Bereiche. Das europäische Bankaufsichtsrecht trennt regelungstechnisch zwischen Kreditinstituten und Wertpapierfirmen. Diese Unterscheidung spiegelt vor allem das angelsächsische Trennbankensystem gegenüber dem kontinentaleuropäischen Universalbankensystem wider. Als dritte Form wurden im Jahr 2007 die Zahlungsinstitute eingeführt. Die Abgrenzung zwischen den Instituten erfolgt dabei allein tätigkeitsbezogen: Kreditinstitute sind Unternehmen, die Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennehmen und Kredite für eigene Rechnung vergeben, Art. 4 Nr. 1 RL 2006/48. Konstitutiv für eine Wertpapierfirma ist dagegen die gewerbsmäßige Ausübung einer Wertpapierdienstleistung für Dritte und/oder die gewerbsmäßige Anlagetätigkeit, Art. 4 I Nr. 1 RL 2004/39 (Rn. 15). Zahlungsinstitute erbringen Leistungen für Kunden im Bereich des gemeinschaftsweiten Zahlungsverkehrs, d.h. insbesondere im Girogeschäft und Finanztransfergeschäft. Eine Aufzählung der Zahlungsdienste enthält der Anhang zu RL 2007/64. Alle Institutstypen bedürfen der behörd-
13
Ohler
2250
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
lichen Zulassung vor Aufnahme ihrer Tätigkeit und müssen laufend beaufsichtigt werden. Sie genießen dann aber auch das Recht, ohne weitere Zulassung in anderen Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit durch Gründung von Zweigstellen und die Dienstleistungsfreiheit auszuüben. Hierin verwirklicht sich der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung. Er bedeutet im rechtlichen Ergebnis, dass die Zulassungsentscheidung eines Mitgliedstaats gemeinschaftsweit gilt und damit auch Behörden und Gerichte in anderen Mitgliedstaaten bindet. Die daraus abgeleiteten sekundärrechtlichen Berechtigungen erstrecken sich bei Kreditinstituten auf eine Liste von Tätigkeiten, die über das Einlagenund Kreditgeschäft hinausgehen und sich z.T. mit den Geschäften von Wertpapierfirmen überschneiden. Die laufende Aufsicht über diese grenzüberschreitenden Tätigkeiten verbleibt grundsätzlich beim Herkunftsmitgliedstaat, d.h. dem Mitgliedstaat, in dem die Zulassung erfolgte (Prinzip der Herkunftslandkontrolle). 14
Im Einzelnen handelt es sich im Bereich der Kreditinstitute um folgende Richtlinien (ohne Änderungsrichtlinien) zur Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts: – RL 73/183/EWG vom 28.6.1973 zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten der Kreditinstitute (ABl. 1973 L 194/1); – Erste RL 77/780/EWG vom 12.12.1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 1977 L 322/30); – RL 83/350/EWG vom 13.6.1983 über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis (ABl. 1983 L 193/18); – RL 86/635/EWG vom 8.12.1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (ABl. 1986 L 372/1); – RL 89/117/EWG vom 13.2.1989 über die Pflichten der in einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats zur Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen (ABl. 1989 L 44/40); – RL 89/299/EWG vom 17.4.1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten (ABl. 1989 L 124/16); – Zweite RL 89/646/EWG vom 15.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der RL 77/780/EWG (ABl. 1989 L 386/1); – RL 89/647/EWG vom 18.12.1989 über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute (ABl. 1989 L 386/14); – RL 92/30/EWG vom 6.4.1992 über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis (ABl. 1992 L 110/52); – RL 92/121/EWG vom 21.12.1992 über die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten (ABl. 1993 L 29/1); – RL 93/6/EWG vom 15.3.1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (ABl. 1993 L 141/1); – RL 94/19/EG vom 30.5.1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 1994 L 135/5); – RL 2000/46/EG vom 18.9.2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (ABl. 2000 L 275/39); – RL 2001/24/EG vom 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. 2001 L 125/15); – RL 2002/87/EG vom 16.12.2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats (ABl. 2003 L 35/1).
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2251
Die meisten dieser Richtlinien wurden im Jahr 2000 aufgehoben und in konsolidierter Fassung in die RL 2000/12/EG vom 20.3.2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2000 L 126/1) überführt. Durch die notwendige Anpassung des europäischen Rechts an Basel II wurde 2006 eine neue Konsolidierungsrichtlinie erlassen (RL 2006/48/EG, ABl. 2006 L 177/1), die durch eine neue KapitaladäquanzRichtlinie ergänzt wird (RL 2006/49/EG, ABl. 2006 L 177/201). Neu ist an beiden Richtlinien auch, dass sie eine Ermächtigung an die Kommission vorsehen, im sog. Komitologieverfahren (Lamfalussy-Verfahren) Duchführungsbestimmungen zu erlassen. Die Kommission wird dabei vom Europäischen Bankenausschuss unterstützt. Der Erlass von Durchführungsbestimmungen entlastet Rat und Parlament als Gesetzgeber der Richtlinien und gestattet die rasche Anpassung vorwiegend technischer Regeln. Für die Tätigkeit der Wertpapierfirmen ist die RL 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente (ABl. 2004 L 145/1) maßgeblich. Sie folgt insofern den Richtlinien für Kreditinstitute, als sie ebenfalls auf dem Herkunftslandprinzip zur Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit aufbaut. Neben den Vorschriften für Wertpapierfirmen enthält die Richtlinie spezifische Vorgaben für geregelte Märkte in Art. 36 ff. Zudem sieht sie aufgrund der Besonderheiten des Wertpapiergeschäfts in Abweichung vom Prinzip der Herkunftslandkontrolle umfassendere Befugnisse der Aufnahmemitgliedstaaten vor. Zur Verwirklichung des Anlegerschutzes fordert die Richtlinie schließlich Vorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten, die Beachtung von Wohlverhaltensregeln und die kostengünstigste Ausführung von Geschäften, die im Auftrag von Kunden getätigt werden. Soweit Kreditinstitute auch Wertpapierdienstleistungen erbringen oder Anlagetätigkeiten ausüben, gilt die RL 2004/39/EG nur eingeschränkt, um Überschneidungen mit der für Kreditinstitute geltenden RL 2006/48/ EG zu vermeiden. Die Kapitaladäquanz-Richtlinie 2006/49/EG, die für Wertpapierfirmen und Kreditinstitute gilt, enthält zudem eine differenzierte Regelung für die Eigenmittelausstattung zur Absicherung gegenüber den Marktrisiken des Wertpapiergeschäfts. Die RL 2007/64 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (ABl. 2007 L 319/1) hat dagegen die primäre Funktion, einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Bereich des gemeinschaftsweiten Zahlungsverkehrs zu schaffen. Sie konsolidiert bestehende Vorschriften (RL 97/5 über grenzüberschreitende Überweisungen) und verpflichtet die Mitgliedstaaten darüber hinaus, das gewerbliche Erbringen von Zahlungsdiensten zulassungspflichtig zu machen. Hintergrund dieser Regelung ist die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, da Zulassung und laufende Aufsicht über diese Institute als geeigneter Präventionsbeitrag gelten. Die RL enthält ferner spezielle Eigenkapitalvorschriften (Art. 6 ff.) und Sicherungsanforderungen in Hinblick auf den Schutz von Kundengeldern (Art. 9). Wie die anderen bankenaufsichtsrechtlichen Richtlinien beruht sie auf dem Grundsatz gemeinschaftsweiter Geltung der Zulassung (Art. 10 Abs. 9) und der laufenden Aufsicht nach dem Prinzip der Herkunftslandkontrolle (Art. 21, 25).
15
3. Ziele des sekundärrechtlichen Aufsichtsrechts. Die Richtlinien verwirklichen zunächst die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der Banken. Dabei zielen sie auf die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen den Instituten durch die Angleichung des Aufsichtsrechts (Erwägungsgründe 2, 7, 8 und öfter RL 2006/48/EG). Im Übrigen dienen die Vorschriften einerseits dem Schutz der Kunden, d.h. Sparer bzw. Anleger (Erwägungsgründe 5, 27 und 57 RL 2006/48; vgl. EuGH, C-366/97, Romanelli, Slg. 1999, I-855 Rn. 12), sowie andererseits der Stabilität und Integrität des Finanzsystems vor den möglichen negativen Wirkungen der Tätigkeit unbeaufsichtigter oder nicht hinreichend beaufsichtigter Institute (Erwägungsgründe 24 und 57 RL 2006/48/EG, vgl. auch EuGH, C-222/02, Peter Paul, Slg. 2004, I-9425 Rn. 44). Diese allgemeinen Rege-
16
Ohler
2252
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
lungszwecke decken sich mit den international anerkannten Standards der Bankenaufsicht (vgl. Follak, FS Hahn, S. 379 (389); Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 8.3), die so beispielsweise auch im General Agreement on Trade in Services (GATS) zum Ausdruck kommen, vgl. ausdrücklich Abs. 2 des Annexes zu Finanzdienstleistungen. Durch die RL 2006/48 ist zudem der Ansatz von Basel II verwirklicht worden, die hoheitliche Regulierung und behördliche Aufsicht durch Instrumente der Selbstregulierung auf Bankenseite zu ergänzen. Das spiegelt nicht nur ein gewandeltes Aufsichtsverhältnis wider, vielmehr ist es in erster Linie der außerordentlichen Komplexität der Materie geschuldet. Freilich obliegt den Aufsichtsbehörden gem. Art. 124 RL 2006/48 die Pflicht, den Selbstregulierungsprozess zu überwachen und für eine wirksame Kontrolle des Risikomanagements und der Risikoabdeckung der Banken zu sorgen. Die Richtlinie verstärkt zudem auch die Pflicht der Mitgliedstaaten zu einer effektiven Überwachung und unterstreicht die Notwendigkeit risikoadäquater behördlicher Eingriffsbefugnisse, vgl. Art. 136 RL 2006/48. 17
B. Zulassung zum Bankgeschäft I. Begriff des Kreditinstituts. Kreditinstitute bedürfen vor Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs der Zulassung durch die zuständige Behörde (Art. 6 RL 2006/48). Der richtlinienrechtliche Begriff des Kreditinstituts ist auf einen engen Bereich des Bankgeschäfts zugeschnitten, so dass die gemeinschaftsrechtliche Pflicht, eine Zulassung vorzusehen, auch nur für diesen Fall gilt. Die Richtlinie definiert ein Kreditinstitut in Art. 4 Nr. 1 lit. a zunächst als ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. Nach lit. b dieser Bestimmung stellen auch E-Geld-Institute Kreditinstitute dar, d.h. solche Institute, die elektronisches Geld emittieren (Rn. 20). Unter den Begriff des Kreditinstituts fallen private und öffentliche Unternehmen mit Ausnahme der in Art. 2 genannten Einrichtungen. Allerdings ist der Unternehmensbegriff denkbar weit: Hierunter fällt jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Hinzukommen muss aber das Merkmal der gewerbsmäßigen Betätigung (vgl. Art. 5 I RL 2006/48 sowie Nirk, S. 13). Ob eine Einrichtung sich gewerbsmäßig betätigt, lässt sich nur anhand der Umstände des Einzelfalls bestimmen, wozu die Dauerhaftigkeit und die Gewinnerzielungsabsicht gehören (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fülbier, § 1 Rn. 18). Angesichts des Schutzzwecks der Richtlinie dürfte die Aufgreifschwelle aber nicht hoch liegen. Die gewerbsmäßige Betätigung muss sich in jedem Fall kumulativ auf die Entgegennahme von Einlagen und die Kreditvergabe beziehen (h.M. Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 3.5; Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 136 Rn. 2 (5)), ohne dass es sich dabei jeweils um die Haupttätigkeiten des Unternehmens handeln muss. Sachlicher Hintergrund dieser Verknüpfung ist die Funktion von Kreditinstituten als Finanzintermediäre einer Volkswirtschaft (Troberg, S. 13: „Relaisfunktion“). Erfüllt ein Unternehmen nicht diese kumulativen Kriterien, weil es andere Bankgeschäfte betreibt, handelt es sich im Sinne der Richtlinie um ein Finanzinstitut (Rn. 21). Ferner ist die Legaldefinition der Richtlinie von dem Verbot des unerlaubten Einlagengeschäfts nach Art. 5 I RL 2006/48 zu unterscheiden (Rn. 23).
18
Der Begriff der Einlagen ist in RL 2006/48 nicht definiert, jedoch gebietet der Schutzzweck der Richtlinie eine weite Auslegung (Erwägungsgrund 6 RL 2006/48; EuGH, C366/97, Romanelli, Slg. 1999, I-855 Rn. 13). Im Übrigen lassen sich Art. 1 Nr. 1 der RL 94/19 über Einlagensicherungssysteme (Rn. 14) zwar keine abschließende Definition für aufsichtsrechtliche Zwecke, aber zumindest Anhaltspunkte für die Auslegung der RL 2006/48 entnehmen (ebenso Jung, § 20 Rn. 54). Hiernach ist unter einer Einlage ein Guthaben zu verstehen, das sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2253
Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften ergibt und vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen ist, sowie Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat. Zu den anderen rückzahlbaren Geldern des Publikums zählen sowohl Finanzierungsinstrumente (wie Schuldverschreibungen und andere Wertpapiere), deren Wesensmerkmal die Rückzahlbarkeit ist, als auch solche, bei denen die Rückzahlbarkeit vertraglich vereinbart ist (EuGH, aaO, Rn. 15 ff.). Negativ abzugrenzen sind Einlagen bzw. rückzahlbare Gelder des Publikums von solchen Rechten, die Bestandteil des Eigenkapitals des Kreditinstituts bilden (vgl. Art. 2, 2. Gedankenstr. RL 94/19; GA Fennelly, C366/97, Romanelli, Slg. 1999, I-855 Nr. 12). Nicht zu den rückzahlbaren Geldern zählen auch Beträge, die von Kapitalanlagegesellschaften (OGAW) und Versicherungen eingenommen werden, da hierfür sekundärrechtliche Spezialregelungen bestehen. Die Schutzzwecke der RL 2006/48, Anlegerschutz und Stabilität des Finanzsystems, gebieten ebenfalls eine weite Auslegung des Begriffs der Kreditgewährung (Troberg, S. 13), da in diesem Geschäftsbereich die Risiken gesammelt werden, denen vorzubeugen und die abzusichern die Richtlinie bezweckt. In jedem Fall handelt es sich um die Ausleihungen gem. Anhang I Nr. 2 der RL. Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs Kredit lassen sich ferner Art. 75 lit. a RL 2006/48 entnehmen, auch wenn diese Bestimmung auf einen speziellen Anwendungsbereich zielt. Zu den Krediten i.S.d. Art. 4 I lit. a gehören daher die „Forderungen“ i.S.v. Art. 79 und 86 RL und die „außerbilanzmäßigen Geschäfte“ in Anhang II der RL 2006/48. Bei Anhang IV – Geschäften (Derivate) ergibt sich die Krediteigenschaft hingegen nur im Einzelfall.
19
Durch die RL 2000/46 (ABl. 2000 L 275/39) werden sog. E-Geld-Institute in den Anwendungsbereich des europäischen Bankaufsichtsrechts einbezogen. Hierunter sind Unternehmen oder sonstige juristische Personen zu verstehen, die Zahlungsmittel in Form von elektronischem Geld ausgeben, Art. 1 III lit. a RL 2000/46 (vgl. Kokemoor, BKR 2003, 859 ff.). Hintergrund dieser Ausdehnung des Bankaufsichtsrechts auf E-Geld-Institute ist die Besorgnis, dass die Ausgabe von elektronischem Geld die Stabilität des Finanzwesens und die korrekte Funktionsweise der Zahlungssysteme beeinträchtigen könnte. Um elektronisches Geld handelt es sich, wenn das Institut einen monetären Wert ausgibt, der in einer Forderung gegenüber dem Institut verkörpert und auf einem Datenträger gespeichert ist, sofern der monetäre Wert durch Einzahlung eines wertmäßig mindestens entsprechenden Geldbetrags erworben wurde und von anderen Unternehmen als der ausgebenden Stelle als Zahlungsmittel akzeptiert wird, Art. 3 lit. b RL 2000/46. Nach seiner praktischen Bedeutung gilt elektronisches Geld als Ersatz für Banknoten und Münzen. Zum Einsatz kommt es auf sog. Geldkarten (Chipkarten) oder als sog. Netzgeld bei Zahlungsverkehrsdienstleistern im Internet (z.B. im Fall von PayPal). Die RL 2000/46 enthält für die E-Geld-Institute Sondervorschriften für die Zulassung und die laufende Aufsicht. Dabei handelt es sich um niedrigere Anforderungen an das Anfangskapital und das laufende Eigenkapital (Art. 4 RL 2000/46) sowie bestimmte Kapitalanlagebeschränkungen (Art. 5 RL 2000/46). Zum Schutz der Kunden muss elektronisches Geld jederzeit rücktauschbar sein (Art. 3 RL 2000/46). Die Richtlinie gestattet jedoch, dass Mitgliedstaaten bestimmte, risikoarme Institute von der Beachtung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen ganz oder teilweise freistellen (Art. 8 RL 2000/46).
20
Ein Finanzinstitut ist gem. Art. 4 Nr. 5 RL 2006/48 ein Unternehmen, das kein Kreditinstitut ist und dessen Haupttätigkeit darin besteht, Beteiligungen zu erwerben oder eines oder mehrere der Geschäfte zu betreiben, die in Nr. 2 bis 12 der Liste in Anhang I der RL 2006/48 aufgeführt sind. Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich um die Bankgeschäfte, die der gegenseitigen Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten unterliegen, wobei mit
21
Ohler
2254
22
23
24
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Nr. 1 das Einlagengeschäft ausgenommen ist. Negatives Wesensmerkmal für ein Finanzinstitut ist es mithin, dass es kein Einlagengeschäft betreibt. Finanzinstitute kommen in den Genuss der Freizügigkeit nach Art. 24 RL 2006/48, wenn ihre Muttergesellschaften in der Gemeinschaft zugelassene Kreditinstitute sind und die Muttergesellschaften die weiteren, dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Zur uneinheitlichen Verwendung des Begriffs Finanzinstitut im übrigen Gemeinschaftsrecht siehe Jung, § 20 Rn. 54. Einen Sonderbereich stellen die sog. Finanzkonglomerate dar. Dabei handelt es sich um Konzerne aus Kreditinstituten, Finanzinstituten und Versicherungen, die weltweit in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Um den spezifischen Eigenmittelrisiken, insbesondere den Ansteckungsgefahren innerhalb solcher Konglomerate besser begegnen zu können, haben verschiedene Mitgliedstaaten bereits einheitliche Aufsichtsbehörden geschaffen (D: BAFin; GB: FSA). Der europäische Richtliniengesetzgeber hat durch die RL 2002/87 spezifische Eigenmittelanforderungen für Finanzkonglomerate erlassen. Darüber hinaus regelt die Richtlinie die „zusätzliche Beaufsichtigung“ von Finanzkonglomeraten, wobei eine der beteiligten Aufsichtsbehörden zum Koordinator bestimmt werden muss. Ferner ordnet die RL 2002/87 erste Schritte zur Einbeziehung von Vermögensverwaltungsgesellschaften in die Aufsicht an. Parallel zur räumlichen Erstreckung der Risiken enthält die Richtlinie schließlich auch Vorschriften zur aufsichtlichen Behandlung von Finanzkonglomeraten, deren Mutterunternehmen in einem Drittstaat ansässig sind. II. Zulassungsvoraussetzungen. Vor Aufnahme des Geschäftsbetriebs bedarf ein Kreditinstitut der Zulassung durch eine förmliche, hoheitliche Entscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde (Art. 6 RL 2006/48). Auch wenn die Richtlinie bei einem Kreditinstitut von der kumulativen Ausübung des Einlagen- und Kreditgeschäfts ausgeht (Rn. 17), ist Auslöser für das Zulassungserfordernis bereits der isolierte Betrieb des gewerbsmäßigen Einlagengeschäfts, wie aus Art. 5 I RL 2006/48 folgt. Will ein Unternehmen daher nur das Einlagengeschäft betreiben, bedarf es ebenfalls einer Zulassung (ohne dadurch zum Kreditinstitut zu werden), anderenfalls ist die Tätigkeit zu untersagen (Schimansky/ Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 136 Rn. 5). Vom Verbot des Einlagengeschäfts ohne Zulassung nimmt Art. 5 II RL 2006/48 u.a. die Mitgliedstaaten und ihre Gebietskörperschaften aus. Soweit ein Institut ausschließlich andere Bankgeschäfte als das Einlagengeschäft betreibt, besteht europarechtlich keine Zulassungspflicht, die Mitgliedstaaten können aber dieses Erfordernis autonom vorsehen (Hammen, WM 1998, 741 (747)). Wenn ein Kreditinstitut allerdings innerhalb der Gemeinschaft grenzüberschreitend andere Bankgeschäfte als das Einlagen- und Kreditgeschäft im Wege der Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit anbieten will, müssen diese Tätigkeiten aber ausdrücklich durch seine Zulassung und die laufende Aufsicht abgedeckt sein. Die Zulassungsvoraussetzungen für Kreditinstitute sind in Art. 7 bis 12 der RL 2006/48 nicht abschließend aufgeführt, doch enthält die Richtlinie Mindeststandards, die die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Anforderungen nicht unterschreiten dürfen. Zugleich regelt die RL, welche Anforderungen nicht mehr gestellt werden dürfen, insbesondere die Prüfung eines wirtschaftlichen Bedürfnisses (Art. 8 RL 2006/48). Ferner ordnen Art. 13 und 55 RL 2006/48 bestimmte Verfahrensgarantien, einschließlich der Rechte im Falle einer Ablehnung des Zulassungsantrags an. Im Übrigen richtet sich das Zulassungsverfahren nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats. Die Zulassung darf mit Nebenbestimmungen (z.B. Bedingungen und Auflagen) versehen werden (vgl. Art. 17 I lit. c RL 2006/48), sofern diese nicht der Richtlinie widersprechen. Zugelassene Kreditinstitute sind der Kommission der EG mitzuteilen; diese veröffentlicht regelmäßig eine aktualisierte Liste im Amtsblatt der EU (Art. 14 RL 2006/48).
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2255
1. Objektive Zulassungsvoraussetzungen. Jedes Kreditinstitut muss nach Art. 9 I RL 2006/48 grundsätzlich über ein Anfangskapital von mindestens 5 Mio. Euro verfügen. Ausnahmsweise ist ein Anfangskapital von 1 Mio. Euro unter den in Art. 9 II beschriebenen Voraussetzungen zulässig. Unter Anfangskapital sind dabei die Kapitalbestandteile i.S.v. Art. 57 lit. a und b RL zu verstehen. Im laufenden Geschäftsbetrieb dürfen die Eigenmittel nicht unter das bei der Zulassung geforderte Anfangskapital fallen (Art. 10 I RL 2006/48), ansonsten könnte die Zulassung entzogen werden (Art. 17 I lit. d RL 2006/48). Ferner muss das Kreditinstitut über getrennte Eigenmittel verfügen. Hiermit ist gemeint, dass ein Kreditinstitut nicht einzelkaufmännisch betrieben werden darf, da Privat- und Betriebsvermögen bei Einzelkaufleuten nicht eindeutig getrennt werden können (Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 136 Rn. 25). Ausnahmen zu den Anforderungen an Rechtsform und Anfangskapital sind für Altfälle nach Art. 9 I UAbs. 3 und Art. 10 II RL 2006/48 zulässig.
25
Das Kreditinstitut muss den Sitz seiner Hauptverwaltung in dem Mitgliedstaat unterhalten, in dem es den Zulassungsantrag stellt (Art. 11 II lit. b RL 2006/48). Bei juristischen Personen bedeutet dies, dass satzungsmäßiger Sitz und Hauptverwaltung sich im gleichen Mitgliedstaat befinden müssen (Art. 11 II lit. a). Der Sitz der Hauptverwaltung im Sinne dieser Vorschrift liegt dort, wo die effektive Leitung über die Geschäftstätigkeit des Kreditinstituts ausgeübt wird. Dies ist regelmäßig der Ort der Geschäftsleitung. Hintergrund dieser Regelung ist, dass die mitgliedstaatliche Aufsicht dort am wirksamsten wahrgenommen werden kann, wo das Kreditinstitut auch tatsächlich sein Bankgeschäft betreibt (vgl. Jörgens, S. 80; Schuster/Binder, WM 2004, 1665 (1668 f.)). Zum anderen soll verhindert werden, dass ein Kreditinstitut sich durch Schaffung eines nur formalen Unternehmenssitzes in einem anderen Mitgliedstaat bewusst den strengeren Anforderungen des Mitgliedstaats entzieht, in dem es tatsächlich tätig ist (Erwägungsgrund 10 RL 2006/48). Hierin liegt eine sekundärrechtlich zulässige Abweichung von der Rechtsprechung des EuGH zur Geltung der Sitztheorie im Rahmen von Art. 48 EGV (vgl. EuGH, C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459 Rn. 21 ff.), die durch die Anforderungen an eine wirksame Beaufsichtigung der Kreditinstitute gerechtfertigt ist (vgl. Schuster/Binder, WM 2004, 1665 (1674)).
26
Jedem Zulassungsantrag ist ein Geschäftsplan beizufügen, aus dem sich insbesondere die Art der geplanten Geschäfte und der organisatorische Aufbau des Kreditinstituts ergeben (Art. 7 RL 2006/48). Die Angaben über die Art der geplanten Geschäfte sind u.a. relevant für den sachlichen Umfang der Zulassung, sofern im nationalen Recht ein Zulassungserfordernis für weitere Bankgeschäfte als das Einlagengeschäft besteht. Der organisatorische Aufbau des Kreditinstituts gibt Aufschluss über die Struktur, die voraussichtliche Zahl der Mitarbeiter, die Standorte der Hauptverwaltung und der Zweigniederlassungen und auch die internen Kontrollverfahren (Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 136 Rn. 30). Letztere sind in Art. 7 zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergeben sich aber aus Art. 22. Wegen der Bedeutung für die Zulassungsentscheidung und die laufende Aufsicht darf die Aufsichtsbehörde hinsichtlich aller Punkte Klarstellungen und Erläuterungen im Geschäftsplan verlangen. Der zuständigen Behörde ist es grundsätzlich erlaubt, auf der Grundlage von Planbilanzen zu beurteilen, wie sich die aufsichtsrechtlichen Eigenmittel entwickeln werden. Sie verfügt aufgrund von Art. 8 RL 2006/48 aber nur über einen eingeschränkten wirtschaftlichen Beurteilungsspielraum, insbesondere kann sie nicht allgemein die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten als Ablehnungsgrund einer Zulassung heranziehen (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 136 Rn. 30).
27
2. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen. Vor allem die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen gem. Art. 11 und 12 RL 2006/48 beinhalten zahlreiche unbestimmte
28
Ohler
2256
29
30
31
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Rechtsbegriffe, die den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungsspielraum einräumen. Deutlich wird dies an den Anforderungen, die die Mitgliedstaaten an die Eignung der Geschäftsführer und Anteilseigner des Kreditinstituts sowie die aufsichtsrechtliche Neutralität der Konzernstruktur stellen müssen. Diese Spielräume verleihen den Mitgliedstaaten zwar große Entscheidungsfreiheit, sie müssen sie aber rechtlich gebunden, d.h. einerseits im Sinne der aufsichtsrechtlichen Ziele, andererseits im Sinne der grundfreiheitlichen Berechtigungen ausüben. Die Zulassung kann nur erteilt werden, wenn das Kreditinstitut mindestens zwei Geschäftsleiter bestimmt, die die Geschäftstätigkeit tatsächlich bestimmen (Vieraugenprinzip). Sie müssen die notwendige Zuverlässigkeit und angemessene Erfahrung besitzen, um diese Aufgabe wahrzunehmen (Art. 11 I RL 2006/48). Hierzu zählt insbesondere die Fähigkeit und Eignung zu einem umsichtigen und ordnungsgemäßen Handeln, wodurch eine solide Bankgeschäftsführung gewährleistet ist (vgl. Erwägungsgrund 52 RL 2006/ 48). Ferner müssen Identität und Beteiligungsbetrag der direkten oder indirekten Aktionäre und Gesellschafter, die eine qualifizierte Beteiligung an dem Kreditinstitut halten (d.h. nach Art. 4 Nr. 11 RL mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte bzw. die Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung), der Aufsichtsbehörde vor der Zulassung mitgeteilt werden (Art. 12 I RL 2006/48). Diese Personen müssen zudem zuverlässig i.S.d. Art. 12 II RL 2006/48 sein. Ziel der Richtlinie ist es dabei sicherzustellen, dass die Kreditgewährung eines Kreditinstituts völlig autonom, nach den Prinzipien einer soliden Bankgeschäftsführung und ohne Berücksichtigung hiermit nicht in Einklang stehender Gesichtspunkte erfolgt (vgl. Erwägungsgrund 52 der RL). Zu den korrespondierenden Anforderungen bei Erwerb oder Erweiterung einer qualifizierten Beteiligungen an einem Kreditinstitut im Rahmen der laufenden Aufsicht siehe Art. 19 und 19a RL 2006/48 (i.d.F durch RL 2007/44, ABl. 2007 247/1). Die Kontrolle qualifizierter Beteiligungen soll zudem Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern. Schließlich kann die Konzernstruktur einer Zulassung entgegenstehen, wenn enge Verbindungen (Art. 4 Nr. 46 RL 2006/48) zwischen dem Kreditinstitut und anderen natürlichen oder juristischen Personen die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufsicht behindern (Art. 12 III UAbs. 1 RL 2006/48). Speziell bei Konzernen, die in Drittländern tätig sind, zählen hierzu auch Behinderungen der inländischen Aufsicht durch die Rechtsvorschriften bzw. deren Anwendung in einem Drittland (Art. 12 III UAbs. 2 RL 2006/48). 3. Entzug der Zulassung. Anders als die Erteilung der Zulassung ist der Entzug der Zulassung durch die RL 2006/48 abschließend geregelt, die in Art. 17 die einzelnen Voraussetzungen enumerativ aufzählt. Dies ergibt sich aus der Formulierung „nur dann entziehen, wenn“. Eine generalklauselartige Erweiterung erfahren die Entzugsgründe allerdings durch die Verweisung auf andere in den mitgliedstaatlichen Vorschriften vorgesehen Fälle in Art. 17 I lit. e RL 2006/48 (Troberg, Aufsicht, S. 32). Die Entscheidung über den Entzug ist zu begründen und den Betroffenen mitzuteilen; der Entzug wird der Kommission gemeldet (Art. 17 II RL 2006/48). Zuständig für diese Maßnahme ist allein die Behörde, die dem Kreditinstitut die Zulassung erteilt hat. III. Besonderheiten bei Wertpapierfirmen. Für Wertpapierfirmen (Rn. 13) gelten aufgrund Art. 5 ff. RL 2004/39 grundsätzlich die gleichen Zulassungsanforderungen. Im Unterschied zu Kreditinstituten bedarf es aber nur verminderter Anforderungen an das Anfangskapital, die sich nach der Höhe gestaffelt und abhängig vom Geschäftstyp aus Art. 5 ff. RL 2006/49 ergeben.
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2257
C. Inanspruchnahme der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
32
Die Gründung von Tochterunternehmen, d.h. rechtlich selbstständigen Unternehmen, unterliegt zwar dem Schutz der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV. Die Richtlinie geht aber in diesem Fall von der uneingeschränkten Notwendigkeit einer vom Mutterunternehmen separaten Zulassung und Beaufsichtigung in dem Mitgliedstaat aus, in dem das Tochterunternehmen tätig werden will (Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 135 Rn. 40). Sie schreibt für diesen Fall lediglich Konsultationen zwischen den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten vor (Art. 15 I RL 2006/48). Grundlegende Erleichterungen schafft die Richtlinie daher nur für das Gebrauchmachen von der Niederlassungsfreiheit durch die Gründung von Zweigstellen und für das Gebrauchmachen von der Dienstleistungsfreiheit. Zweigstellen sind rechtlich unselbstständige Betriebsstellen (Art. 4 Nr. 3 RL 2006/48), die aber im Unterschied zu bloßen Repräsentanzen (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Marwede, § 53a Rn. 3 f.) eine eigene Geschäftstätigkeit entfalten (Troberg, S. 11). Die Dienstleistungsfreiheit im Sinn der Richtlinie erfasst dagegen die aktive Dienstleistungsfreiheit und die Erbringung von Korrespondenzdienstleistungen (s. Rn. 6). Die Abgrenzung zwischen Zweigstelle und Dienstleistung ist nur im Einzelfall möglich (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, § 24a Rn. 20), wobei aber die primärrechtlichen Maßgaben zu berücksichtigen sind (Rn. 5). I. Gegenseitige Anerkennung (Europäischer Pass). Die RL 2006/48 beruht ebenso wie die Vorgängernormen auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungsentscheidungen im Herkunftsmitgliedstaat (vgl. Erwägungsgrund 7). Rechtlich bedeutet dies, dass die Zulassungsentscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde – entgegen dem Grundsatz der Territorialität – auch in den anderen Mitgliedstaaten rechtliche Verbindlichkeit entfaltet. Sie stellt damit einen echten transnationalen Verwaltungsakt dar. Zugleich entfällt die internationale Zuständigkeit der Behörden in den anderen Mitgliedstaaten, eine eigene Entscheidung an die Stelle der ersten Zulassung zu setzen, wenn das Kreditinstitut im Hoheitsgebiet dieser Mitgliedstaaten tätig wird. Möglich ist die gegenseitige Anerkennung auf der Grundlage weitgehend harmonisierter Aufsichtsstandards, die Vertrauen in die Vergleichbarkeit und Wirksamkeit der verschiedenen Aufsichtsregime begründen (Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 4.6; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Marwede, § 53b Rn. 1). Die nationalen Zulassungsentscheidungen gelten daher sowohl in verfahrensrechtlicher als auch materiell-rechtlicher Hinsicht als gleichwertig (Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2005, S. 56 f.). Hat somit die zuständige Behörde im Herkunftsmitgliedstaat einem Kreditinstitut die Zulassung erteilt und übt es über das Kreditinstitut die laufende Aufsicht aus, so ist das Kreditinstitut berechtigt, auch ohne weitere Zulassung im Aufnahmemitgliedstaat innerhalb des von Anhang I der Richtlinie vorgesehenen Geschäftsumfangs Zweigstellen zu gründen und den Dienstleistungsverkehr auszuüben. Jedem Aufnahmemitgliedstaat ist es verwehrt, für solche Zweigstellen eine erneute Zulassung oder Dotationskapital zu verlangen (Art. 16 RL 2006/48). Gleiches gilt sinngemäß für die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit. In der Konsequenz liegt auch die Zuständigkeit über die Änderung oder Aufhebung der Zulassungsentscheidung allein bei der Behörde des Herkunftsmitgliedstaats, was indirekt auch aus Art. 35 RL 2006/48 folgt.
33
Die Richtlinie stellt folgende Voraussetzungen auf, die vor dem Gebrauchmachen von Berechtigungen aus dem „Europäischen Pass“ erfüllt sein müssen: Zum einen müssen die Tätigkeiten, die im Aufnahmemitgliedstaat ausgeübt werden sollen, von der Zulassung im Herkunftsmitgliedstaat abgedeckt und laufend beaufsichtigt sein (Art. 23 RL) sowie einen Bestandteil der Liste in Anhang I der Richtlinie bilden. Zum anderen verlangen Art. 25 I bzw. Art. 28 I RL 2006/48, dass das betreffende Institut seine Absicht, erstmalig
34
Ohler
2258
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
eine solche Tätigkeit auszuüben, den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats mitteilt. 35
36
Die Liste der Tätigkeiten nach Anhang I umfasst die Entgegennahme von Einnahmen und anderen rückzahlbaren Geldern; Ausleihungen (insbesondere Konsumentenkredite, Hypothekendarlehen, Factoring mit und ohne Rückgriff und Handelsfinanzierung einschließlich Forfaitierung); Finanzierungsleasing; Dienstleistungen zur Durchführung des Zahlungsverkehrs; Ausgabe und Verwaltung von Zahlungsmitteln (Kreditkarten, Reiseschecks und Bankschecks); Garantien und Zusagen; Handel für eigene Rechnung oder im Auftrag der Kundschaft mit Geldmarktinstrumenten (Schecks, Wechsel, Depositenzertifikate usw.), Geldwechselgeschäften, Termin- und Optionsgeschäften, Wechselkurs- und Zinssatzinstrumenten sowie Wertpapiergeschäften; Teilnahme an der Wertpapieremission und den diesbezüglichen Dienstleistungen; Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur, die industrielle Struktur von Unternehmen und in damit verbundenen Fragen sowie Beratung und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Zusammenschlüsse und Übernahme von Unternehmen; Geldmaklergeschäfte im Interbankenmarkt; Portfolioverwaltung und –beratung; Wertpapieraufbewahrung und –verwaltung; Handelsauskünfte und Schließfachverwaltungsdienste. Für Wertpapierfirmen findet sich die Liste zugelassener Tätigkeiten in den Abschnitten A und B des Anhangs I der RL 2004/39. II. Anzeigepflicht und Kontrollverfahren. Im Fall der Dienstleistungsfreiheit stehen nach Abgabe der Mitteilung durch das Kreditinstitut der Tätigkeitsaufnahme keinerlei Beschränkungen mehr entgegen (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Marwede, § 53b Rn. 17; Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 136 Rn. 37). Die Weiterleitung der Mitteilung an den Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 28 II RL 2006/48 hat lediglich verwaltungsinterne Wirkung und ist nicht konstitutiv für das Erlaubtsein der Dienstleistung. Soll eine grenzüberschreitende Tätigkeit durch Gründung einer Zweigstelle erfolgen, so sind die Anforderungen aufgrund der dauerhaften Niederlassung im Aufnahmemitgliedstaat höher. Daher muss vor Beginn der Tätigkeit ein Kontrollverfahren vor den Aufsichtsbehörden des Herkunftsmitgliedstaats durchlaufen werden, dessen Zweck neben der Verfahrenskonzentration (Winkelmüller, S. 186) zudem sein muss, die Schutzinteressen des Aufnahmemitgliedstaats zu wahren. Die von dem Kreditinstitut erteilten Angaben werden von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats auf die Angemessenheit der Verwaltungsstrukturen und die Finanzlage des Kreditinstituts geprüft (Art. 25 III RL 2006/48). Ergeben sich keine Gründe für Zweifel, übermittelt die Behörde alle Informationen innerhalb von drei Monaten nach Eingang an die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats. Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats kann aber auch die Übermittlung der Angaben verweigern, was einem Verbot der Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat gleichkommt (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, § 24a Rn. 31). Gegen diese Entscheidung ist gerichtlicher Rechtsschutz eröffnet (Art. 25 IV UAbs. 2 RL 2006/48). Die Weiterleitung der Angaben an die Aufsichtsbehörde des Aufnahmemitgliedstaats gibt dieser dann die Möglichkeit, sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf die Aufsicht über die Zweigstelle vorzubereiten (Art. 26 I RL 2006/48). Zudem kann sie das Kreditinstitut auf die Bedingungen hinweisen, die für die Ausübung der Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat aus Gründen des Allgemeininteresses gelten (Art. 26 I RL 2006/48). Für dieses Aufnahmeverfahren verfügt die Behörde im Aufnahmemitgliedstaat über eine Frist von zwei Monaten, die mit dem Eingang der Mitteilung der anderen Aufsichtsbehörde zu laufen beginnt. Das Kreditinstut darf die Zweigstelle erst errichten und die Tätigkeit aufnehmen, wenn entweder innerhalb dieser Frist die Aufsichtsbehörde des Aufnahmemitgliedstaats sich gegenüber dem Institut geäußert hat oder die Frist ohne Äußerung verstrichen ist (Art. 26 II RL 2006/48).
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2259
III. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden. Die gegenseitige Anerkennung von Zulassungsentscheidungen wird ergänzt durch den Grundsatz der Herkunftslandskontrolle bei der laufenden Aufsicht. Hintergrund dieser Zuständigkeitsfestlegung ist das Bemühen, auch bei der laufenden Aufsicht von grenzüberschreitend tätigen Kreditinstituten sowohl negative als auch positive Zuständigkeitskonflikte zwischen den beteiligten Aufsichtsbehörden auszuschließen. Daher ordnet die Richtlinie den Zuständigkeitsvorrang der Aufsichtsbehörden des Herkunftsmitgliedstaats an (Art. 40 I RL 2006/48), dem gegenüber die Zuständigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat subsidiär sind (Art. 29 ff. RL 2006/48). Lediglich die Überwachung der Liquidität der Zweigstelle stellt eine originäre Aufgabe der zuständigen Behörde im Aufnahmemitgliedstaat dar (Art. 41 I RL 2006/48). Die Primärzuständigkeit des Herkunftsmitgliedstaats rechtfertigt sich dadurch, dass in diesem die Instrumente der materiellen Bankaufsicht, vor allem die Eigenkapitalanforderungen, am wirkungsvollsten durchzusetzen sind (EuGH, C-384/93, Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141 Rn. 48), da am Sitz der Hauptverwaltung die maßgeblichen geschäftlichen Entscheidungen des Instituts fallen. In der Konsequenz folgt aus dieser Zuständigkeitsverteilung auch die Pflicht der Behörden im Aufnahmemitgliedstaat, die laufenden Aufsichtsmaßnahmen der Herkunftslandsbehörde gegenseitig anzuerkennen (vgl. Bader, EuZW 1990, 117 (118); Schlag, S. 53). Die Richtlinie deutet diese Pflicht nur an, indem sie in Erwägungsgrund 7 von der gegenseitigen Anerkennung der Bankenaufsichtssysteme spricht.
37
Die umfassende Einzelaufsicht über grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute, d.h. die Überwachung der Solvabilität, der Großkredite und qualifizierten Beteiligungen sowie die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung in Hinblick auf interne Organisation und Kontrolle (mit Ausnahme der Überwachung der Liquidität), liegt daher grundsätzlich bei den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats (s. dazu Art. 40 RL 2006/48; Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 4.7). Aus diesem Grund verfügen sie auch über die Befugnis, durch eigene Bedienstete oder Beauftragte im Aufnahmemitgliedstaat Vor-Ort-Prüfungen in den Zweigstellen vorzunehmen (Art. 43 I). Aus der Tatsache, dass die Herkunftslandbehörde auch in dieser Situation eine eigene Aufgabe wahrnimmt, folgt, dass die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats bei ihren Prüfmaßnahmen das eigene nationale Recht anwenden (Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2005, S. 72; vgl. auch Royla, S. 101). Allerdings kommt der Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaats keine eigene Zwangsbefugnis im Aufnahmemitgliedstaat zu (Ohler, DVBl 2002, 880 (881); Schlag, S. 62 f.), da der Wortlaut des Art. 43 I RL 2006/ 48 diese Befugnis nicht umfasst. Will sie dennoch Zwangsmaßnahmen erlassen, muss sie diese entweder an die Hauptverwaltung im Herkunftsmitgliedstaat richten oder die Unterstützung der Aufsichtsbehörde im Aufnahmemitgliedstaat anfordern. Der Rechtsschutz der Bank richtet sich bei Streitigkeiten wegen Maßnahmen im Zusammenhang mit Vor-Ort-Prüfungen nur gegen die Behörde des Herkunftsmitgliedstaats vor dessen Gerichten. Lediglich in den Fällen, in denen der Rechtsschutz sich gegen Maßnahmen der Behörde des Aufnahmemitgliedstaats aufgrund von Amts- oder Vollstreckungshilfe richtet, sind die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats zuständig.
38
Für den Aufnahmemitgliedstaat bedeutet das Prinzip der Herkunftslandkontrolle, dass seine Aufsichtsbehörden mit Ausnahme der Liquiditätsüberwachung nur noch über sehr eingeschränkte eigene Befugnisse verfügen. Sie dürfen für statistische Zwecke Geschäftsberichte verlangen (Art. 29 I RL 2006/48). Im Fall von Rechtsverstößen gegen Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats, für die die Richtlinie dem Aufnahmemitgliedstaat die Zuständigkeit zuweist, kann die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats das Kreditinstitut lediglich auffordern, die vorschriftswidrige Situation zu beenden
39
Ohler
2260
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
(Art. 30 I RL 2006/48). „Geeignete Maßnahmen“, d.h. regelnde Anordnungen, Zwangsmaßnahmen und repressive Sanktionen, darf allein die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats festlegen (Art. 30 II UAbs. 2 RL 2006/48), die zu diesem Zweck von den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats informiert wird. Von dieser grundsätzlichen Verteilung der Aufsichtsbefugnisse lässt RL 2006/48 drei Ausnahmen zu: a) Unwirksamkeit, Ungeeignetheit oder Fehlen von Maßnahmen des Herkunftsmitgliedstaats (Art. 30 III), b) Gründe des Allgemeininteresses im Aufnahmemitgliedstaat (Art. 31) und c) Sicherungsmaßnahmen des Aufnahmemitgliedstaats in dringenden Fällen zum Schutz der Einleger und Investoren (Art. 33). Allen diesen Ausnahmen ist gemeinsam, dass sie grundsätzlich nicht das Verbot der bisherigen Geschäftstätigkeit gestatten, sondern lediglich die Verhinderung weiterer Rechtsbrüche oder ihre Ahndung. Möglich ist allerdings ein Verbot der Aufnahme „neuer Geschäftstätigkeiten“. Wie sich aus dem englischen Wortlaut der Richtlinie („further transactions“) ergibt, ist damit gemeint, dass die Bank keine neuen (Einzel-)Geschäfte mehr abschließen darf. In der Literatur wird aber diskutiert, ob aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses ausnahmsweise auch die völlige Untersagung der Geschäftstätigkeit eines Kreditinstituts im Aufnahmemitgliedstaat angeordnet werden darf, solange die Verhältnismäßigkeit eines solchen Verbots gewahrt ist (Ohler, DVBl 2002, 880 (882) m.w.N.). 40
Zum Ausgleich für die subsidiären Aufsichtsbefugnisse der Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einerseits und zur Überbrückung von Informationsdefiziten der Aufsichtsbehörden im Herkunftsmitgliedstaat andererseits sieht die Richtlinie in Art. 42 eine allgemeine Pflicht zur Zusammenarbeit sowie speziell wechselseitige Informationspflichten vor. In der Sache handelt es sich jeweils um Formen der internationalen Amtshilfe. Ungeachtet der Pflicht zur Zusammenarbeit bleiben die Behörden jedoch organisatorisch und verfahrensrechtlich getrennt und wenden auch jeweils nur das eigene mitgliedstaatliche Recht gegenüber den betroffenen Banken an. Die beteiligten Behörden unterliegen gemeinschaftsrechtlich allerdings datenschutzrechtlichen Einschränkungen (Art. 44 ff. RL 2006/48, vgl. auch EuGH, 110/84, Commune de Hillegom, Slg. 1985, 3947 Rn. 27), die durch Gemeinschaftsgrundrechte ergänzt werden. Zu den damit verbundenen Fragen des Rechtsschutzes der Bank gegen Eingriffe in diese Rechte siehe Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2005, S. 229 f.
41
D. Drittlandsbeziehungen Die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit des EGV schützen nicht den Wirtschaftsverkehr mit dritten Ländern, sondern nur zwischen den Mitgliedstaaten. Zwar gilt die Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu dritten Staaten, doch hat der EuGH diese Wirkung dadurch eingeschränkt, dass er die Dienstleistungsfreiheit für vorrangig anwendbar erklärt hat (EuGH, C-452/04, Fidium Finanz AG, Urt. v. 3.10.2006, EuZW 2006, 689 m. Anm. Ohler, 691 = WM 2006, 1949). Das Urteil betraf zwar nur die gewerbsmäßige Kreditvergabe, doch dürfte die Ratio der Entscheidung auf andere Geschäftsbereiche übertragbar sein. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Institute aus Drittstaaten sich nicht auf Grundfreiheiten des EGV berufen können, wenn sie in der Gemeinschaft im Wege der sekundären Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit tätig werden wollen. Aus der RL 2006/48 lässt sich aber ein abgestuftes Zulassungsregime folgern: Die Errichtung eines Kreditinstituts, das Tochterunternehmen eines Unternehmens in einem Drittland ist, ist zulässig und unterliegt allen Zulassungs- und Aufsichtsanforderungen der Richtlinie. Dagegen überlässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Entscheidung, ob sie Zweigstellen von Drittlandsinstituten zulassen wollen (Schimansky/Bunte/LwowskiTroberg/Kolassa, § 136 Rn. 39). Allerdings lässt sich aus Art. 5 und 6 RL 2006/48 zu-
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2261
mindest schließen, dass die Zweigstellen eines Kreditinstituts aus einem dritten Staat, die gewerbsmäßig das Einlagengeschäft betreiben, vor Aufnahme ihrer Tätigkeit förmlich zugelassen und beaufsichtigt werden müssen (Jung, § 20 Rn. 69). Zudem dürfen sie nicht besser gestellt werden als Zweigstellen von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten (Art. 38 I RL 2006/48). Zweigstellen aus Drittstaaten kommen aber trotz möglicher Zulassung in einem Mitgliedstaat nicht in den Genuss der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EG (Jung, § 20 Rn. 69; Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/ Kolassa, § 136 Rn. 40). Bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung aus einem Drittland in einen Mitgliedstaat der EU besteht grundsätzlich kein Zugangsrecht (Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 136 Rn. 41), da zwingende Zulassungserfordernisse, inbesondere die physische Präsenz im Inland, faktisch nicht eingehalten werden können (Ohler, EuZW 2006, 691 (693); zur entsprechenden Rechtslage in Deutschland Voge, WM 2007, 381 (383); a.A. Hanten, WM 2003, 1412 (1414)). Die Zulassung von Zweigstellen aus Drittstaaten seitens der Mitgliedstaaten ist entweder autonom aufgrund des mitgliedstaatlichen Rechts oder kraft völkerrechtlicher Vereinbarung möglich. Eine völkerrechtliche Vereinbarung würde dabei regelmäßig die gegenseitige Anerkennung der Zulassungsentscheidungen bewirken. Vorgesehen ist diese Möglichkeit insbesondere aufgrund von Art. VII GATS i.V.m. Abs. 3 der Anlage zu Finanzdienstleistungen des GATS. Für den Abschluss entsprechender Verträge sind die Mitgliedstaaten zuständig, solange keine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft besteht. Insoweit sieht Art. 38 III RL 2006/48 vor, dass die Gemeinschaft Abkommen schließen kann, die den Zweigstellen die „gleiche Behandlung im gesamten Gebiet der Gemeinschaft einräumen“. Damit ist die Berechtigung gemeint, über die Zweigstelle die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in der Gemeinschaft auszuüben. Für diesen Fall besteht eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft, da ein Mitgliedstaat nicht zu Lasten anderer Mitgliedstaaten solche Vereinbarungen treffen kann. Die Zulassung von Zweigstellen mit Wirkung allein für ihr Hoheitsgebiet können jedoch die Mitgliedstaaten weiterhin kraft eigener Zuständigkeit mit dritten Staaten vereinbaren. Diese Vereinbarung dürfte aber wegen der Gleichbehandlungspflicht nach Art. 38 I nicht die Standards der RL 2006/48 unterschreiten.
42
Die Gemeinschaft verfügt kraft Art. 39 RL 2006/48 ferner über die ausschließliche Zuständigkeit, völkerrechtliche Abkommen mit Drittländern über die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis zu schließen. Dies ist insofern von eminenter Bedeutung, weil international tätige Kreditinstitute in den meisten Fällen in Konzerne eingebunden sind. Die Aufsicht muss aber sicherstellen können, dass konzernweit (jedenfalls im Bereich des Bankgeschäfts) die Eigenkapitalanforderungen eingehalten werden. Im Verhältnis zu dritten Staaten kann dies allein durch völkerrechtliche Vereinbarungen sichergestellt werden, die den nötigen Informationsfluss garantieren. Solange es an solchen Vereinbarungen der Gemeinschaft fehlt, können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Art. 143 RL 2006/48 einseitig die Einbeziehung inländischer Kreditinstitute in die Aufsicht auf konsolidierter Basis anerkennen, wenn die Aufsichtsanforderungen gegenüber dem Mutterunternehmen im Drittstaat gleichwertig sind.
43
E. Technische Instrumente der laufenden Bankenaufsicht
44
I. Angemessene Solvabilität. Die RL 2006/48 sieht als zentrale Anforderung der laufenden Aufsicht die angemessene Solvenz bzw. Solvabilität eines Kreditinstituts vor. Hierunter sind die Eigenmittel zu verstehen, die dem einzelnen Kreditinstitut uneingeschränkt und sogleich für die Risiko- und Verlustdeckung zur Verfügung stehen. Durch das Erfordernis einer angemessenen Eigenkapitalausstattung wird zweierlei bewirkt. Zum einen
Ohler
2262
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
trägt das Eigenkapital dazu bei, die Verluste aus der Geschäftstätigkeit der Banken aufzufangen. Dies dient wiederum dem Anlegerschutz, da das Eigenkapital ein Schutzpolster gegen eine allzu rasche Insolvenz der Bank darstellt. Zum anderen begrenzt das Eigenkapital den Umfang der risikoträchtigen Geschäftstätigkeit des Instituts. Da die Eigenmittel uneingeschränkt vorliegen müssen, sobald Geschäfte abgeschlossen werden, die aufsichtsrechtliche Verlustrisiken verkörpern, beschränkt das real verfügbare Eigenkapital zusätzliche Geschäftstätigkeiten. Auch hiermit verwirklicht das Eigenkapitalrecht das Ziel des Anlegerschutzes. Mittelbar dienen die Eigenkapitalanforderungen schließlich der Finanzsystemstabilität. Durch das Instrument des Eigenkapitalrechts wird das Risiko eines Zusammenbruchs einzelner Banken und der Bankwirtschaft insgesamt abgefedert. Hiermit sinkt auch das Risiko von Ansteckungsgefahren, die von nicht solventen Instituten auf die Bankwirtschaft ausgehen können. Freilich bedeutet die Eigenkapitalanforderung eine erhebliche Kostenbelastung für die Institute, die diese aufgrund der neuen Rechtslage aber durch den Einsatz der fortschrittlichen Risikomessverfahren, dank der Anerkennung von Sicherungsinstrumenten und schließlich über die Forderungsverbriefung (Securitisation) mindern können. 45
II. Risikoarten. 1. Kreditrisiken. Messgröße der Kreditrisiken sind zunächst die risikogewichteten Aktiva und außerbilanzmäßigen Geschäfte des Kreditinstituts, mit denen das Kreditinstitut Forderungsausfälle erleiden kann (Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 15.1). Das Kreditrisiko besteht mithin darin, dass der Schuldner auf die Kreditforderung der Bank verspätet, nur noch teilweise oder überhaupt nicht mehr leistet. Entsprechend erleidet das Kreditinstitut einen vollständigen oder teilweisen Ausfall mit der Kreditsumme. Zur Bestimmung des angemessenen Deckungsbetrags an Eigenmitteln für Kreditrisiken müssen die tatsächlich vorhandenen Eigenmittel zu den Risiken ins Verhältnis gesetzt werden, wobei den Zähler des Bruchs die Eigenmittel, den Nenner die Kreditrisiken bilden. Der Wert dieses Bruchs muss mindestens 1/12,5 (= 0,08) betragen, vgl. Art. 75 lit. a RL 2006/ 48. Hiermit wird die zwingende anteilige Unterlegung der Kreditrisiken durch Eigenmittel beschrieben bzw. das Aktivgeschäft des Kreditinstituts seinem wertmäßigen Umfang nach auf das 12,5-fache der Eigenmittel begrenzt. Der sog. Solvabilitätskoeffizient von 8 % spiegelt dabei die historische, durchschnittliche Ausfallhöhe der Banken bei ihren Kreditkunden wider. Jedes Kreditinstitut muss diesen Mindestwert ständig einhalten (Art. 75 lit. a RL 2006/48), möglich ist aber auch, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden höhere Mindestkoeffizienten festlegen (Art. 136 I lit. a RL 2006/48). Die Vorgaben der RL 2006/48 zur Solvabilität stellen daher insgesamt nur Mindestanforderungen dar, wenn auch in einzelnen Bereichen, wie z.B. für zulässige Bestandteile des Eigenmittelbegriffs, Maximalstandards gesetzt werden. In beiden Fällen sollen damit Wettbewerbsverzerrungen vermieden und das Bankensystem der Gemeinschaft gestärkt werden (Erwägungsgrund 35 RL 2006/48). Durch die 8 %-ige Eigenkapitalunterlegung muss schließlich auch das sog. Verwässerungsrisiko abgedeckt werden, Art. 75 lit. a RL 2006/48. Es besteht darin, dass bei einer angekauften Forderung der Forderungsbetrag durch Einwendungen des Forderungsschuldners vermindert wird (Art. 4 Nr. 24 RL 2006/ 48).
46
2. Marktrisiken. Im Bereich der Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten stellen die Handelsbuchrisiken sowie Fremdwährungsrisiken und Warenpositionsrisiken die relevanten Ausfallrisiken einer Bank dar. Insofern bestehen parallel zu den Solvabilitätsanforderungen im Kreditgeschäft der Bank die Vorschriften zur Kapitaladäquanz nach Art. 18 ff. RL 2006/49. Das Handelsbuch besteht gem. Art. 11 I RL 2006/ 49 aus sämtlichen Positionen in Finanzinstrumenten und Waren, die entweder mit Handelsabsicht oder zur Absicherung bestimmter Bestandteile des Handelsbuchs gehalten
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2263
werden. Als Handelsabsicht definiert Art. 11 II RL 2006/49 die Absicht zum kurzfristigen Wiederverkauf bzw. zur kurzfristigen Gewinnrealisierung. Gleichgültig ist, ob die Positionen zum Eigenhandel, zur Kundenbetreuung oder aus Gründen des market making gehalten werden. Handelsbuchpositionen verkörpern verschiedene Typen von Marktrisiken, d.h. Positionsrisiken, Abwicklungsrisiken, Gegenparteiausfallrisiken, die für die jeweiligen Geschäftsformen charakteristisch sind. Zudem bestehen bei allen Geschäften der Bank, die in fremden Währungen ausgedrückt sind, aufgrund der Änderungen der Kurse am Devisenmarkt Fremdwährungsrisiken. Schließlich verkörpern Warengeschäfte oder warenunterlegte Derivate Risiken, die sich aus den Marktpreisschwankungen für diese Waren ergeben. Typischerweise betrifft das den Handel mit Rohstoffen und Edelmetallen. Auf all diesen Geschäftsfeldern kann es daher zum vollständigen oder teilweisen Wertverlust der Aktiva kommen, mit der Folge, dass die Solvabilität der Bank gefährdet ist, wenn nicht im Übrigen hinreichende Gewinnvolumina aus dem Handelsgeschäft bestehen. Insoweit soll das Eigenkapital die möglichen Verluste aus solchen Geschäften absorbieren (Erwägungsgrund 12 RL 2006/49). Der Höhe nach bestimmt sich die Eigenkapitalunterlegung aus Art. 18 ff. RL 2006/49 als ein Prozentsatz der jeweiligen Risiken. Im Falle von Kreditinstituten tritt die Eigenkapitalunterlegung für die mit dem Handelsbuch verbundenen Positionsrisiken, Abwicklungsrisiken und Gegenparteiausfallrisiken sowie die Fremdwährungsrisiken und Warenpositionsrisiken für alle Geschäfte kumulativ zur Eigenkapitalunterlegung für Kreditrisiken hinzu (Art. 75 lit. b und c RL 2006/48). 3. Operationelle Risiken in allen Geschäftsfeldern sind nach den Vorschriften der Art. 102 ff. RL 2006/48 mit Eigenkapital zu unterlegen. Unter dem operationellen Risiko versteht Art. 4 Nr. 22 RL 2006/48 das Risiko von Verlusten, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden, einschließlich Rechtsrisiken. Gemeint sind z.B. Betrug durch Mitarbeiter, Versagen der IT-Systeme oder Unglücksfälle aufgrund von Naturkatastrophen. U.a. zur Minderung und Steuerung dieser Risiken verpflichtet die Richtlinie die Kreditinstitute zur Schaffung geeigneter interner Organisationsstrukturen und Überwachungsverfahren, vgl. Art. 22 RL 2006/48 sowie Anhang V Nr. 12 und 13. Zur Bemessung des operationellen Risikos stellt die Richtlinie einen Standardansatz und einen fortgeschrittenen Messansatz zur Verfügung (Anhang X der RL). Die für das operationelle Risiko erforderliche Eigenkapitalunterlegung beträgt abhängig vom Geschäftsfeld und der Messmethode einen Prozentsatz des Dreijahresdurchschnitts der Summe aus Nettozinserträgen und zinsunabhängigen Nettoerträgen gem. Anhang X. Sie tritt kumulativ zu den übrigen Eigenkapitalanforderungen hinzu, Art. 75 lit. d RL 2006/48.
47
4. Liquiditätsrisiken. In Hinblick auf Liquiditätsrisiken schreibt die Richtlinie in Anhang V Nr. 14 und 15 den Kreditinstituten nur allgemeine organisatorische Vorkehrungen vor. Dagegen enthält das sekundäre EG-Recht keine inhaltlichen Vorgaben für die Liquidität der Kreditinstitute, so dass hier die Mitgliedstaaten in der Gestaltung ihrer Anforderungen frei sind. Bei inländischen Zweigniederlassungen von Kreditinstituten aus einem anderen Mitgliedstaat überwacht folglich auch der Aufnahmemitgliedstaat die Einhaltung seiner Liquiditätsvorschriften, Art. 41 I RL 2006/48. In Deutschland handelt es sich insoweit um die Liquiditätsverordnung vom 14.12.2006 (BGBl. 2006 I 3117).
48
III. Eigenmittelbegriff. Wie bereits der Basler Eigenkapitalakkord von 1988 (Rn. 1) und die Vorgängerrichtlinien legt die RL 2006/48 zwei verschiedene Ebenen (engl. tier) von Eigenmitteln fest, wobei die zweite Ebene eine weitere Unterkategorie enthält. Terminologisch wird daher zwischen Kernkapital (oder Basiskapital), Ergänzungskapital und Ergänzungskapital zweiter Ordnung unterschieden (Schimansky/Bunte/LwowskiTroberg/Kolassa, § 137 Rn. 10). Diese Differenzierung spiegelt die Qualität der Eigen-
49
Ohler
2264
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
mittel wider, insbesondere in welchem Grad sie im Risiko- oder Verlustfall uneingeschränkt und sogleich für die Deckung zur Verfügung stehen (Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 14.9). Die in der Richtlinie aufgezählten Bestandteile des Eigenmittelbegriffs sind nach oben hin abschließend, die Mitgliedstaaten dürfen also lediglich strengere Maßstäbe ansetzen und weniger Bestandteile im nationalen Recht zulassen (Art. 61 I RL 2006/48). Generell gilt, dass die Eigenmittel nur in der Höhe zur Deckung herangezogen werden können, in der sie dem Kreditinstitut real zur Verfügung stehen, d.h. entweder tatsächlich einbezahlt sind, oder in der das Kreditinstitut die effektive wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Mittel erlangt hat. Gewertet werden kann stets nur der Nettobetrag, da jede bestehende oder vorhersehbare Steuerschuld abgezogen werden muss (Art. 61 II RL 2006/48). Nicht zu den Eigenmitteln zählen die staatlichen Garantien bei öffentlichen Kreditinstituten (Art. 64 II RL 2006/48). 50
Zum Kernkapital gehören das eingezahlte Kapital, die offengelegten Rücklagen und festgestellten Gewinne sowie der sog. Fonds für allgemeine Bankrisiken (Art. 57 I lit. a bis c RL 2006/48). Vom Kernkapital abzuziehen sind der Bestand des Kreditinstituts an eigenen Aktien zum Buchwert, immaterielle Anlagewerte (z.B. Goodwill) und Verluste aus dem laufenden Geschäftsjahr (Art. 57 I lit. i bis k RL 2006/48). Aus der Gesamtschau des Art. 66 I lit. a und b RL 2006/48 ergibt sich, dass das derart bereinigte Kernkapital mindestens 50 % der gesamten Eigenmittel betragen muss.
51
Das Ergänzungskapital bilden die Neubewertungsrücklagen, die Wertberichtigungen und die sonstigen Bestandteile (Art. 57 I lit. d bis f RL 2006/48). Unter sonstigen Bestandteilen verbergen sich Positionen, die für den normalen Geschäftsbetrieb frei verfügbar, aus den internen Unterlagen ersichtlich, festgestellt und den Aufsichtsbehörden offengelegt sind (Art. 63 I). Ferner handelt es sich um den tatsächlich einbezahlten Betrag aus unkündbaren, vollständig nachrangigen, verbrieften Schuldvereinbarungen (Art. 63 II). Gedacht ist in diesem Fall an hybride Finanzierungsinstrumente, die der Form nach Fremdkapital bilden, ihrem Inhalt, d.h. der vertraglichen Gestaltung nach sich aber als Eigenkapital einordnen lassen. Das Ergänzungskapital zuzüglich des Ergänzungskapitals zweiter Ordnung darf seinem Wert nach nicht den Betrag des um die Abzugsposten verminderten Kernkapitals übersteigen (Art. 66 I lit. a), d.h. maximal 50 % der gesamten Eigenmittel betragen.
52
Ergänzungskapital zweiter Ordnung sind die Haftsummen der Mitglieder genossenschaftlicher Kreditinstitute, kumulative Vorzugsaktien mit fester Laufzeit sowie im Insolvenzfall nachrangige Darlehen mit einer Ursprungslaufzeit von mindestens fünf Jahren (Art. 57 I lit. g und h, Art. 64 I und III). Dieses Ergänzungskapital zweiter Ordnung darf 50 % der Summe des um die Abzugsposten verminderten Kernkapitals nicht übersteigen (Art. 66 I lit. b).
53
Von dem so bestimmten Eigenkapital sind weitere Positionen abzuziehen, Art. 66 II i.V.m. Art. 57 I lit. l bis r. Dies betrifft zum einen bestimmte Eigenkapitalbeteiligungen (Art. 57 I lit. l bis p), zum anderen erwartete Verlustbeträge aus Forderungen und Beteiligungspositionen, die nach dem IRB-Ansatz ermittelt wurden, sowie Forderungen aus Verbriefungspositionen mit niedrigster Bonitätsstufe, deren Risikogewichtung 1250 % beträgt, Art. 57 I lit. q und r RL 2006/48.
54
Abzugsposten: Die Anwendung von Art. 66 II i.V.m. Art. 57 I lit. l bis r soll verhindern, dass Kapitalverflechtungen innerhalb der Bankwirtschaft zu einer Mehrfachbelegung von Eigenkapital für aufsichtsrechtliche Zwecke führen (Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 14.21; Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 137 Rn. 27 ff.). Bei diesen Abzugsposten handelt es sich um Beteiligungen an anderen Kreditinstituten oder Fi-
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2265
nanzinstituten in Höhe von mehr als 10 % des Kapitals dieser (Ziel-)Institute. Die Beteiligung ist in voller Höhe abzuziehen. Gleichfalls vollständig abzuziehen sind nachrangige Forderungen und sonstige Kapitalbestandteile i.S.v. Art. 63 und Art. 64 III, die das Kreditinstitut an anderen Kreditinstituten und Finanzinstituten besitzt, an deren Kapital es zu mehr als 10 % beteiligt ist. Schließlich sind Kapitalbeteiligungen etc. von höchstens 10 % an anderen Kreditinstituten oder Finanzinstituten ihrem Gesamtbetrag nach abzuziehen, wenn dieser Gesamtbetrag wertmäßig mehr als 10 % der nicht nach lit. l bis p bereinigten Eigenmittel des besitzenden Kreditinstituts ausmacht (Art. 57 I lit. n). Zudem müssen Beteiligungen i.S.v. Art. 4 Nr. 10 RL 2006/48 und sonstige Kapitalbestandteile an Versicherungsunternehmen, Rückversicherungsunternehmen und Versicherungsholdinggesellschaften abgezogen werden (Art. 57 I lit. o und p). Diese Bestimmung dient der Verhinderung mehrfacher Eigenkapitalnutzungen innerhalb von Finanzkonglomeraten. Alle diese Beteiligungen sowie die erwarteten Verluste und schlechten Forderungen aus Verbriefungspositionen müssen nach Art. 66 II zur Hälfte vom bereinigten Kernkapital, zur Hälfte vom Ergänzungskapital abgezogen werden. Zur aufsichtsrechtlichen Behandlung von Beteiligungen an Unternehmen außerhalb des Finanzbereichs siehe Rn. 62. IV. Ermittlung des Kreditrisikos. Die zentrale Neuerung durch Basel II sowie die RL 2006/48 liegt in der Zulassung präziserer Messmethoden zur Bestimmung des Kreditrisikos individueller Forderungen und außerbilanzieller Geschäfte. Damit soll eine risikoadäquate Eigenkapitalunterlegung erreicht werden. Die Richtlinie setzt hier auf mehreren Ebenen an. Die einzelnen Aktiva und außerbilanziellen Geschäfte werden zunächst entweder auf der Basis der International Financial Reporting Standards (IFRS) gem. VO (EG) Nr. 1606/2002 oder der RL 86/635 bewertet, Art. 74 I RL 2006/48. Im zweiten Schritt geht es um die Bestimmung des individuellen Kreditrisikos. Den Kreditinstituten stehen hier zwei verschiedene Ansätze zur Risikoermittlung zur Verfügung: der Standardansatz und der IRB-Ansatz. Eine Bank ist zur Wahl zwischen diesen Alternativen verpflichtet und muss diese einheitlich für den gesamten Konzern treffen. Aus Erwägungsgrund 42 der RL ergibt sich, dass die Entscheidung der Bank für einen Ansatz nicht zu einer diskriminierenden aufsichtlichen Behandlung durch die zuständige Behörde führen darf. Folge des IRB-Ansatzes aber ist in jedem Fall, dass die Risikogewichtung und damit das zu unterlegende Eigenkapital wesentlich geringer, zum Teil aber auch wesentlich höher ausfallen können als nach dem Standardansatz. Bei beiden Ansätzen ist es aber möglich, durch Berücksichtigung von Sicherheiten zu einer Kreditrisikominderung zu kommen. Schließlich darf unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden, dass ein Kreditrisiko im Wege eines Verbriefungsgeschäfts (Securitisation) weitergereicht wurde.
55
1. Standardansatz. Wie noch in der RL 2000/12 werden die bilanzwirksamen Aktiva und außerbilanziellen Posten vier verschiedenen Kreditrisikograden zugeordnet, die als prozentuale Gewichte (0 %, 20 %, 50 %, 100 %) ausgedrückt werden (Art. 78 I RL 2006/ 48). Hinzu kommt in Fällen sehr hoher Ausfallwahrscheinlichkeit ein Risikogewicht von 150 %. Diese Kreditrisikograde spiegeln in grob typisierter Weise die Bonität eines Schuldners bzw. das Ausfallrisiko der Bank aus einem bestimmten Geschäft wider (Dassesse/Isaacs/Penn, Rn. 15.20). Der Bilanzwert der einzelnen Aktivposten bzw. der außerbilanziellen Posten wird dann mit dem jeweiligen Gewicht multipliziert, woraus sich ein risikogewichteter Wert ergibt, Art. 80 II RL 2006/48. Die Bestimmung des anwendbaren Risikogewichts erfolgt in zwei Schritten. Zunächst werden die Forderungen einzelnen Forderungsklassen zugeordnet (Art. 79 I i.V.m. Anhang VI Teil 1 RL 2006/48). Die eigentliche Neuerung liegt darin, dass die Zuordnung eines Schuldners zu einem der Risi-
56
Ohler
2266
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
kogewichte nicht mehr allein nach der Forderungsklasse erfolgt, sondern zusätzlich nach dem von einer gem. Art. 81 RL anerkannten Ratingagentur vergebenen Rating (Art. 80 I RL 2006/48). Existiert ein solches Rating nicht, liegt die Risikogewichtung im standardisierten Ansatz grundsätzlich bei 100 % (Art. 80 VI RL 2006/48). Im Übrigen verfolgt die Richtlinie verschiedene Wege, um einer Forderung ein Risikogewicht zuzuordnen. In einigen wenigen Fällen trifft sie selbst ausdrücklich die Vorgabe (vgl. u.a. Art. 80 VII und VIII sowie Anhang VI Nr. 20-22), in der Mehrzahl der Fälle überlässt sie es aber den mitgliedstaatlichen Behörden, ausgehend von den Ratingnoten der Ratingagenturen die Risikogewichtung vorzunehmen (Art. 82 I RL 2006/48). 57
2. IRB-Ansatz. Im zweiten Ansatz, dem sog. Internal Ratings Based Approach, entwickeln die Kreditinstitute ein eigenes, internes Rating-System, um die Bonität ihrer Schuldner zu ermitteln (Art. 84 ff. RL 2006/48). Zulässig ist die Wahl dieses Verfahrens nur, wenn das Kreditinstitut von der Aufsichtsbehörde hierfür die Erlaubnis erhalten hat (Art. 84 I). Die Erlaubniserteilung setzt voraus, dass die internen Systeme und Verfahren für eine aussagekräftige, präzise und zuverlässige Kreditrisikomessung geeignet sind, diese Systeme und Verfahren regelmäßig validiert werden und das Kreditinstitut seinen Dokumentationspflichten genügt (Art. 84 II). Hat das Institut die Erlaubnis erhalten, so muss der IRB-Ansatz für alle Forderungen konzernweit zur Anwendung gebracht werden (Art. 85 I RL 2006/48). Hiervon sind Ausnahmen, d.h. ein Rückgriff auf den Standardansatz, nur unter den Voraussetzungen des Art. 89 zulässig. Der IRB-Ansatz beruht auf einer Differenzierung nach Art der Forderungsklasse (Art. 86 I) und in eingeschränktem Maße nach dem Finanzierungsgegenstand (Art. 86 VI), für den der Kredit begeben wurde, da beide Kriterien das Risiko beeinflussen. Bei den Forderungsklassen wird zum einen hinsichtlich der Kreditnehmer unterschieden, d.h. nach Staaten, Instituten, Unternehmen, Privatkunden (Retailgeschäft), zum anderen nach Art der Aktiva, d.h. Beteiligungen, Verbriefungspositionen und sonstigen Aktiva. Die aus diesen Vorgaben abzuleitende Risikogewichtung bestimmt sich gem. Art. 87 I RL 2006/48 nach Anhang VII. Sie ist auf einer gleitenden Skala möglich, d.h. sie erfolgt variabel auf Grundlage einer individuellen Einschätzung. Zur Risikoquantifizierung müssen gem. Art. 87 III RL 2006/48 verschiedene Parameter festgestellt werden, darunter die Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default = PD, Art. 4 Nr. 25), die Verlustquote bei Ausfall (Loss Given Default = LGD, Art. 4 Nr. 27), der Forderungswert und die effektive Restlaufzeit (Maturity Value = M) des Kreditrisikos. Speziell für das als risikoärmer geltende Retailgeschäft gestattet die Richtlinie in Art. 87 VII den Kreditinstituten die Schätzung des LGD und schafft damit Erleichterungen gegenüber den regulären Anforderungen. Schließlich differenziert die RL danach, ob Kreditinstitute die Risikoparameter selbst schätzen dürfen oder zumindest teilweise die Vorgaben der RL anwenden müssen. Insofern kommt es innerhalb des IRB-Ansatzes zu einer Spaltung zwischen Basisansatz und fortgeschrittenem Ansatz.
58
3. Kreditrisikominderung. Unter Kreditrisikominderung versteht die Richtlinie in Art. 4 Nr. 30 ein Verfahren zur Herabsetzung des Kreditrisikos. Konkret handelt es sich um die Berücksichtigung von verschiedenen Sicherheiten i.S.v. Art. 92. Die Richtlinie unterscheidet dabei nach Sach- und Personalsicherheiten, die sie als Besicherung mit Sicherheitsleistung (Art. 4 Nr. 31) und Absicherung ohne Sicherheitsleistung (Art. 4 Nr. 32) bezeichnet. Auch Aufrechnungsvereinbarungen (Netting) fallen unter die Kategorie der Besicherung mit Sicherheitsleistung. In welchem Umfang die Kreditrisikominderung zulässig ist, ergibt sich aus Anhang VIII der RL 2006/48.
59
4. Verbriefung. Die seit Mitte der 1990er Jahre auch in Europa sprunghaft angestiegene Bedeutung von Securitisation als Finanzierungstechnik wurde durch die RL 2006/48 erstmals sekundärrechtlich gewürdigt. Securitisation ist eine Finanzierungsform, die in
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2267
ähnlicher Weise seit langem auf dem Pfandbriefmarkt besteht. In ihrer traditionellen Form zeichnet sie sich dadurch aus, dass eine liquide Forderung vom Verkäufer („Originator“) bilanzwirksam verkauft („true sale“) und in einem Forderungspool gesammelt wird. Handelt es sich beim Verkäufer um eine Bank, dient die Forderungsabtretung der Bilanzverkürzung und damit der Eigenkapitalentlastung. Andere Wirtschaftsunternehmen verkaufen Forderungen dagegen zum Zweck der Risikosteuerung und Liquiditätsverbesserung oder aus steuerlichen Gründen. Käufer ist in jedem Fall ein speziell zu diesem Zweck gegründetes Unternehmen, die sog. Zweckgesellschaft („SPV“). Der Einzug der Forderung erfolgt weiterhin durch den Originator, da die Abtretung regelmäßig gegenüber dem Drittschuldner nicht offengelegt wird. Die Zweckgesellschaft refinanziert den Forderungskauf durch die Emission von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt. Die Mittel zur Bedienung der Verbindlichkeiten aus dem Wertpapier fließen aus dem vom Originator geleisteten Forderungseinzug, so dass wirtschaftlich letztlich die Anleihegläubiger das Kreditrisiko aus der verkauften Forderung tragen. Die Rolle der Banken ist in diesem Zusammenhang vielfältig. Sie können Originator sein, das Gesamtgeschäft strukturieren, beraten, Kreditlinien zur Verfügung stellen, die Kontenführung übernehmen, Treuhandtätigkeiten ausüben sowie die gesamten Wertpapierdienstleistungen auf der Kapitalmarktseite erbringen. Bei synthetischen Verbriefungen kommt es nicht zur Veräußerung der Forderung. Hier wird nur das der Forderung immanente Risiko auf den Käufer durch ein Kreditderivat übertragen. Die Finanzierung erfolgt wiederum durch eine Wertpapieremission seitens des Käufers. Üblicherweise werden die verkauften Forderungen nach Bonität unterteilt. Auf der Kapitalmarktseite spiegelt sich dies entweder im Rating der Wertpapiere wider oder in der Aufteilung der Emission in verschiedene, zueinander nachrangige Tranchen. Die Richtlinie räumt in Art. 95 den Kreditinstituten, die als Originator auftreten, die entsprechende Eigenkapitalentlastung ein, sofern die Voraussetzungen dieser Bestimmung sowie des Art. 101 erfüllt sind. Es muss mithin tatsächlich und effektiv eine Übertragung des Kreditrisikos auf den Käufer stattgefunden haben. Erwirbt ein Kreditinstitut dagegen eine Verbriefungsposition, d.h. eine Risikoposition in einer Verbriefung, so berechnet sich die hierfür erforderliche Eigenkapitalunterlegung nach Art. 96 i.V.m. Teil 4 des Anhangs IX.
60
V. Großkredite und Beteiligungsbesitz. Sondervorschriften gelten schließlich für Großkredite (Art. 106 bis 119 RL 2006/48), die darauf zielen, Risikokonzentrationen zu verhindern bzw. die Risikostreuung der Kreditinstitute zu verbessern (vgl. Erwägungsgrund 48 RL 2006/48); Schimansky/Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 137 Rn. 22). Unter einem Großkredit ist dabei ein Kredit an einen Kunden oder eine Gruppe verbundener Kunden (Art. 4 Nr. 45 RL 2006/48) zu verstehen, wenn sein Wert 10 % der Eigenmittel des Kreditinstituts erreicht oder überschritten hat (Art. 108). Speziell zum Zweck der Überwachung von Großkrediten ist der Begriff des Kredits in Art. 106 I RL 2006/48 definiert. Hierunter fallen alle Aktiva und außerbilanzmäßigen Geschäfte ohne Anwendung der im Standardansatz vorgesehenen Gewichtungen und Risikograde. Das bedeutet, dass alle Kredite mit 100 % ihres Wertes anzusetzen sind, wobei nach Art. 106 I UAbs. 3 RL 2006/48 die Kredite außer Betracht bleiben können, die bereits vom Eigenkapital abgezogen wurden. Liegt ein Großkredit vor, so muss das betroffene Kreditinstitut ihn zunächst regelmäßig an die Aufsichtsbehörde melden (Art. 110 I). Ferner bestehen Obergrenzen für Großkredite, die nicht überschritten werden dürfen. Die Richtlinie schafft wiederum nur Mindeststandards, so dass die Mitgliedstaaten strengere Obergrenzen vorsehen können (Art. 113 I RL 2006/48). Zunächst darf der Gesamtbetrag eines Großkredits in keinem Fall 25 % der Eigenmittel des Kreditinstituts übersteigen (Art. 111 I
61
Ohler
2268
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
RL 2006/48). Handelt es sich bei dem Kunden oder der Gruppe verbundener Kunden um das Mutterunternehmen, ein Tochterunternehmen oder Schwesterunternehmen des Kreditinstituts, so sinkt diese Grenze auf 20 % (Art. 111 II). Schließlich darf der aggregierte Wert aller Großkredite eines Kreditinstituts 800 % seiner Eigenmittel nicht überschreiten (Art. 111 III RL 2006/48). Ausnahmen von den Obergrenzen sind im Falle der Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis nach Art. 113 II und für Kredite an bestimmte Schuldner mit hoher Bonität oder bei Aktiva mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit nach Art. 113 III RL 2006/48 zulässig. Ebenso kommt in ausdrücklich vorgesehenen Fällen des Art. 113 III eine Risikogewichtung in Betracht. Weitere Risikogewichtungen gestatten die Art. 114 bis 117 RL 2006/48. 62
Qualifizierte Beteiligungen an Unternehmen außerhalb des Finanzbereichs werden strukturell ähnlich wie Großkredite behandelt. Das unterscheidet sie von Beteiligungen an Kredit- und Finanzinstituten sowie Versicherungsunternehmen, bei denen im Fall des Überschreitens der Grenze von 10 % bzw. 20 % (bei Versicherungen) des Kapitals ein voller Abzug von den Eigenmitteln des Kreditinstituts erfolgt (Rn. 54). Bei qualifizierten Beteiligungen (mindestens 10 %, Art. 4 Nr. 11 RL 2006/48) an Unternehmen außerhalb dieses Bereichs gelten stattdessen Vorschriften für maximal zulässige Obergrenzen, die anhand der Eigenmittel des Kreditinstituts bestimmt werden. Sie betragen für eine einzelne qualifizierte Beteiligung 15 % der Eigenmittel (Art. 120 I RL) und 60 % der Eigenmittel für den Gesamtbetrag aller qualifizierten Beteiligungen (Art. 120 II RL 2006/48). Wie im Fall der Großkredite zielt die Regelung damit auf den Schutz der Eigenmittel durch ein Verbot von Risikokonzentrationen (Beck/Samm-Kokemoor, KWG, Stand 12/ 2002, § 12 Rn. 7). Ausnahmeregelungen sehen Art. 121 und 122 vor.
63
VI. Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis. 1. Grundsätze. Die Beaufsichtigung von Finanzkonzernen sieht sich besonderen Herausforderungen gegenüber. So stellt sich wegen der zum Teil korrespondierenden Aktiva und Passiva innerhalb der Gruppe bei einem konzernangehörigen Kreditinstitut die Frage nach der Bestimmung seiner tatsächlich verfügbaren Eigenmittel (Gefahr der Mehrfachbelegung). Auch bestehen Ansteckungsgefahren zwischen den Gruppenunternehmen, die die Stabilität der Kreditinstitute bedrohen können. Schließlich können gruppeninterne Geschäfte nicht den Anforderungen genügen, die an vergleichbare Geschäfte mit Dritten zu stellen wären. Daher sieht die RL 2006/48 verschiedene Vorgaben für die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis vor. Ziel ist es, den besonderen Gefahren zum Schutz der Kunden und für die Stabilität des Finanzsystems zu begegnen (Erwägungsgrund 57).
64
Gegenstand der Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis sind daher die Eigenkapitalausstattung für Kreditrisiken, Marktrisiken und operationelle Risiken, die Überwachung der Großkredite und der Beteiligungsbesitz am Nichtbankensektor. Die Richtlinie regelt dabei ausschließlich die Konsolidierung für aufsichtsrechtliche Zwecke. In einem gemischten Konzern aus Kreditinstituten und Finanzinstituten einerseits, Unternehmen aus dem Nicht-Bankensektor andererseits ist unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten somit nur der Finanzbereich zu konsolidieren (Art. 127 I i.V.m. 133 RL 2006/48). Insoweit müssen einerseits die Eigenmittel, andererseits die Risiken der in den Konsolidierungskreis einbezogenen Kreditinstitute und Finanzinstitute kumuliert werden, so dass die Eigenkapitalanforderungen für diese Gruppe insgesamt eingehalten werden (vgl. Schimansky/ Bunte/Lwowski-Troberg/Kolassa, § 137 Rn. 30). Nach der Konzeption der Richtlinie bleiben Adressaten der Aufsichtsmaßnahmen aber grundsätzlich nur die in der Gemeinschaft ansässigen, gruppenangehörigen Kreditinstitute, auch wenn sie aufgrund der Konsolidierung im Konzernzusammenhang betrachtet werden (vgl. Schimansky/Bunte/ Lwowski-Troberg/Kolassa, § 137 Rn. 33). Für das einzelne, gruppenangehörige Kredit-
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2269
institut kommt es allerdings wieder darauf an, welchem Pflichtenkanon es unterworfen ist. Insoweit bestehen Pflichten, die jedes Kreditinstitut auf Einzelbasis zu erfüllen hat, und Pflichten, die das jeweilige Mutterunternehmen auf konsolidierter Basis beachten muss (Rn. 66). Hinsichtlich der Mutterunternehmen ist ferner danach zu differenzieren, ob sie selbst Kreditinstitute, Finanzinstitute oder gemischte Unternehmen sind (Rn. 70). Vollumfänglich greift die Aufsicht nur bei solchen Mutterunternehmen ein, die selbst Kreditinstitute sind. Handelt es sich bei dem Mutterunternehmen dagegen um ein Finanzinstitut (d.h. eine Finanzholdinggesellschaft gem. Art. 4 Nr. 19), so beziehen die Mitgliedstaaten dieses nach Art. 127 I RL in die konsolidierte Aufsicht ein. Die Konsolidierung löst aber keine Beaufsichtigung auf Einzelbasis zu Lasten dieser Finanzholdinggesellschaft aus (Art. 127 I 2 RL 2006/48). Zudem unterliegen nunmehr auch Mutterunternehmen, die selbst keine Kreditinstitute oder Finanzinstitute sind (gemischte Unternehmen, Art. 4 Nr. 20 RL 2006/48), einer abgestuften Pflichtenbindung. Keine zwingenden Vorgaben enthält die RL 2006/48 für die bilanztechnischen Methoden der Konsolidierung. Hierfür sind die RL 86/635 (Rn. 14) und RL 83/349 (ABl. 1983 L 193/1) heranzuziehen. Die Vorschriften der RL 2006/48 betreffen dagegen nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kreditinstitut konsolidiert werden muss bzw. kann, welche Behörden für die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis zuständig sind und welche Form und Umfang die Konsolidierung annimmt.
65
2. Verhältnis zur Einzelaufsicht. Die RL 2006/48 verpflichtet in Art. 68 I die Kreditinstitute zunächst, auf Einzelbasis die Organisations- und Verfahrenspflichten für ein angemessenes Risikomanagement i.S.v. Art. 22 einzuhalten. Ebenfalls auf Einzelbasis müssen die Eigenkapitalanforderungen für Kreditrisiken, Marktrisiken und operationelle Risiken gem. Art. 75 beachtet werden. Gleiches gilt schließlich für die Beachtung der Großkreditgrenzen nach Art. 106 ff. RL 2006/48. Von der Beachtung dieser Pflichten auf Einzelbasis können Tochterunternehmen eines Kreditinstituts nur auf Grundlage und unter den Voraussetzungen von Art. 69 RL 2006/48 befreit werden. Zu den Anforderungen, die auf Einzelbasis erfüllt werden müssen, treten dann die Anforderungen an das Mutterunternehmen aufgrund der Aufsicht auf konsolidierter Grundlage hinzu (Rn. 70).
66
3. Konsolidierungskreis. Hinsichtlich der in die Konsolidierung einzubeziehenden Unternehmen ist von der Konzernmutter (dem Mutterunternehmen gem. Art. 4 Nr. 12 RL 2006/48) auszugehen, der die Tochterunternehmen und bestimmte Beteiligungen zugerechnet werden. Bei den Mutterunternehmen ist zum einen zwischen nationalen Konzernmüttern und EU-Konzernmüttern zu unterscheiden. Zum anderen ist danach zu unterscheiden, ob das Mutterunternehmen selbst ein Kreditinstitut oder eine Finanzholdinggesellschaft (zum Begriff s. Art. 4 Nr. 19 i.V.m. Nr. 5) ist. Damit ergeben sich die vier folgenden Formen von Mutterunternehmen, von denen aus der Konsolidierungskreis gezogen wird: Im Fall eines Kreditinstituts als nationale Konzernmutter spricht die Richtlinie vom Mutterkreditinstitut in einem Mitgliedstaat und bezeichnet damit das konzernhöchste Kreditinstitut der Gruppe innerhalb eines Mitgliedstaats (vgl. Art. 4 Nr. 14 RL 2006/48). Im Fall des EU-Mutterkreditinstituts handelt es sich um das konzernhöchste Kreditinstitut der Gruppe innerhalb der Europäischen Union (vgl. Art. 4 Nr. 16 RL 2006/48). Mutterfinanzholdinggesellschaften in einem Mitgliedstaat sind dadurch gekennzeichnet, dass sie, bezogen auf den gleichen Mitgliedstaat, ranghöchstes Finanzinstitut (Rn. 21) sind und mindestens ein Kreditinstitut als Tochter aufweisen (Art. 4 Nr. 15). EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften sind dagegen gemeinschaftsweit die ranghöchsten Finanzinstitute über Kreditinstitute als Tochterunternehmen. Handelt es sich bei dem Mutterunternehmen schließlich um ein gemischtes Unternehmen, d.h. we-
67
Ohler
2270
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
der ein Kreditinstitut noch ein Finanzinstitut, findet lediglich eine Konsolidierung der Banktöchter statt, ohne dass das Mutterunternehmen in den Konsolidierungskreis einbezogen wird (vgl. Art. 133 I i.V.m. Art. 137 RL). Unter einem Tochterunternehmen ist nach Art. 4 Nr. 13 RL 2006/48 ein Unternehmen zu verstehen, an dem das Mutterunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte besitzt oder die sonstigen in Art. 1 I RL 83/349 (ABl. 1983 L 193/1) beschriebenen Einflussmöglichkeiten hat. Art. 4 Nr. 13 lit. b RL 2006/48 stellt die Unternehmen gleich, auf die das Mutterunternehmen nach Auffassung der zuständigen Behörden tatsächlich einen beherrschenden Einfluss ausübt. Hinsichtlich der Tochterunternehmen trifft die Richtlinie keine Unterscheidung nach inländischen und ausländischen Unternehmen. Zu konsolidieren sind daher nicht nur die Töchter mit Sitz in der Gemeinschaft, sondern auch Töchter mit Sitz in Drittstaaten. Ferner sind solche Kredit- und Finanzinstitute zu konsolidieren, selbst wenn sie keine Tochterunternehmen sind, an denen ein anderes Kreditinstitut eine Beteiligung hält, wie sich aus der Legaldefinition des Mutterkreditinstituts in Art. 4 Nr. 14 ergibt. Beteiligungen sind definiert als Anteile an anderen Unternehmen, die dazu bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu jenen Unternehmen zu dienen oder als das direkte oder indirekte Halten von mindestens 20 % der Stimmrechte oder des Kapitals an dem Zielunternehmen (Art. 4 Nr. 10 RL 2006/48). 68
Unter den in Art. 73 RL 2006/48 genannten Voraussetzungen kann im Einzelfall jedoch auf die Einbeziehung eines Kreditinstituts, eines Finanzinstituts oder Anbieters von Nebendienstleistungen (Art. 4 Nr. 21) in den Konsolidierungskreis verzichtet werden. Erweitert werden kann der Konsolidierungskreis dagegen unter den Voraussetzungen des Art. 134 RL 2006/48, d.h. in den Fällen eines beherrschenden Einflusses oder einer einheitlichen Leitung.
69
4. Form und Umfang der Konsolidierung. Besteht eine Konsolidierungspflicht, so müssen die zuständigen Behörden zum Zweck der Beaufsichtigung grundsätzlich die vollständige Konsolidierung der Kreditinstitute und der Finanzinstitute, die Tochterunternehmen des Mutterunternehmens sind, verlangen (Art. 133 I RL 2006/48). Ist eine auf den Kapitalanteil beschränkte Haftung des Mutterunternehmens effektiv gewährleistet, kann nach Art. 133 I UAbs. 1 jedoch eine anteilige Konsolidierung der Tochter zugelassen werden. Die anteilige (pro rata) Konsolidierung ist dagegen bei bloßen Beteiligungen nach Art. 133 II vorgeschrieben. Spielraum für Einzelfallentscheidungen hinsichtlich einer Konsolidierungspflicht und ihrer Form (wenn auch nicht Einbeziehung in die konsolidierte Aufsicht) gewährt Art. 133 III und IV. In den Fällen des Art. 134 RL 2006/48 entscheiden die Aufsichtsbehörden einzelfallweise über die Form und den Umfang der Konsolidierung.
70
5. Pflichten der Mutterunternehmen. Die Pflichten der Mutterunternehmen variieren in Abhängigkeit von der Art des Mutterunternehmens. Mutterkreditinstitute in einem Mitgliedstaat (Rn. 67) sind verpflichtet, auf konsolidierter Basis das Gesamtspektrum der Pflichten aus Art. 75, 106 ff., 120 und 123 zu erfüllen (Art. 71 I RL 2006/48). Mutterfinanzholdinggesellschaften in einem Mitgliedstaat (Rn. 67) trifft nach Art. 71 II die gleiche Pflicht. EU-Mutterkreditinstitute sind dagegen zur Beachtung der Offenlegungspflichten nach Art. 145 ff. verpflichtet (Art. 72 I RL 2006/48). Handelt es sich bei der Mutter dagegen um eine EU-Finanzholdinggesellschaft, so treffen die Offenlegungspflichten die Kreditinstitute selbst (Art. 72 II RL 2006/48). Wenn das Mutterunternehmen dagegen ein gemischtes Unternehmen gem. Art. 4 Nr. 20 RL ist, das also weder Kreditinstitut noch Finanzholdinggesellschaft ist, so unterliegt es eigenen aufsichtsrechtlichen Pflichten in Form von Informations- und Prüfungspflichten nur dann, wenn die Mitgliedstaaten von der Ermächtigung nach Art. 137 RL 2006/148 Gebrauch machen. Im Übrigen
Ohler
§ 76 Europäisches Bankenaufsichtsrecht
2271
setzt die Aufsicht bei Konzernen, deren Mutter ein gemischtes Unternehmen ist, bei den einzelnen Kreditinstituten an (Art. 138 RL). 6. Zuständige Behörde für die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis. Die Richtlinie bezweckt, in allen Fällen der Konsolidierungspflicht die Aufsichtszuständigkeit in der Hand nur einer Behörde („consolidating supervisor“) zu konzentrieren, da bei internationalen Bankengruppen die Zuständigkeiten von Behörden in mehreren Mitgliedstaaten berührt sind. Leitender Gesichtspunkt ist dabei, die Aufsicht in dem Mitgliedstaat anzusiedeln, in dem sich innerhalb einer Gruppe das übergeordnete Kreditinstitut befindet. Zuständige Behörde für die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis ist daher bei Mutterunternehmen, die selbst Kreditinstitute sind, diejenige Behörde, die dem Mutterunternehmen die Zulassung nach Art. 6 RL erteilt hat (Art. 125 I RL 2006/48). Ist das Mutterunternehmen eine Finanzholdinggesellschaft, so ist für die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis die Behörde zuständig, die dem Tochter-Kreditinstitut die Zulassung erteilt hat (Art. 125 II). Nur wenn eine Finanzholdinggesellschaft mehrere Kreditinstitute als Töchter hat, die in verschiedenen Mitgliedstaaten zugelassen sind, so ist die Behörde zuständig, in deren Mitgliedstaat das Mutterunternehmen seinen Sitz hat und eine Tochter zugelassen ist (Art. 126 I UAbs. 1). In Fällen, in denen mehr als eine Finanzholdinggesellschaft die Anteile an den Kreditinstituten hält, ist die Behörde zuständig, in der sich das Kreditinstitut mit der höchsten Bilanzsumme befindet. Das gleiche Kriterium wird in den Fällen angewendet, in denen sich in einem Mitgliedstaat nicht zugleich die Finanzholdinggesellschaft und ein Tochter-Kreditinstitut befinden (Art. 126 II). Abweichend hiervon können unter den Voraussetzungen des Art. 126 III von den beteiligten Behörden andere Zuständigkeitsvereinbarungen getroffen werden. Ausführliche Regelungen zur Zusammenarbeit, vor allem zum Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden der verschiedenen betroffenen Mitgliedstaaten sieht schließlich Art. 132 RL 2006/48 vor. Die für die Aufsicht von EU-Mutterkreditinstituten und EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften auf konsolidierter Basis zuständige Behörde hat nach Art. 129 I RL 2006/48 ferner die Aufgabe, für eine Koordinierung der Informationsströme zwischen den beteiligten Aufsichtsbehörden zu sorgen und die Aufsichtstätigkeiten zu planen und zu koordinieren. Sie ist ausschließlich zuständig für die Erteilung von Genehmigungen für die Wahl von aufsichtsrechtlichen Bewertungsansätzen (Art. 129 II). Schließlich ist jede für die Aufsicht auf konsolidierter Basis zuständige Behörde nach Art. 130 dafür verantwortlich, in stabilitätsbedrohenden Krisensituationen alle betroffenen Behörden zu alarmieren. Alle Kooperationspflichten der zuständigen Behörden im Rahmen der Aufsicht auf konsolidierter Basis können durch Vereinbarungen zwischen den Behörden konkretisiert werden (Art. 131 I RL 2006/48). Die Rechtsnatur dieser Vereinbarung und das auf sie anwendbare Recht sind bislang nicht geklärt. Eine Besonderheit ergibt sich noch aus Art. 131 III RL 2006/48: Hiernach kann durch Vereinbarung zwischen den beteiligten Behörden die Zuständigkeit für die Aufsicht auf Einzelbasis auf den consolidating supervisor übertragen werden. Eine solche Vereinbarung bedeutet einen tiefen Eingriff in die ansonsten nach dem Territorialitätsprinzip verteilten Aufsichtszuständigkeiten über die rechtlich selbstständigen Kreditinstitute. Einen Einbruch in dieses System hat aber bereits das Prinzip der Herkunftslandkontrolle über Zweigstellen und den Dienstleistungsverkehr bewirkt. Insofern stellt Art. 131 III RL die konsequente, wenn auch einschneidende Fortsetzung der Veränderung der aufsichtlichen Zuständigkeiten dar. Gerechtfertigt werden kann dieser Einbruch in die reguläre Zuständigkeitsverteilung allein durch die höhere Effektivität und Effizienz bei der Wahrnehmung der Aufsichtsaufgaben (vgl. Wymeersch, CMLRev. 2005, 987 (999 f.)).
Ohler
71
72
2272
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
73
Ungeklärt durch die Richtlinie bleibt allerdings die Kollision der theoretisch anwendbaren Aufsichtsrechte, wenn das Mutterunternehmen und die Gruppenunternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten ihren Sitz haben (vgl. Jörgens, S. 186, der eine Wahlfreiheit annimmt). Trotz Zuständigkeitskonzentration auf eine Behörde schafft die RL 2006/48 keine ausdrückliche Erweiterung der Aufsichtsbefugnisse gegenüber den gruppenangehörigen Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat. Lediglich im Fall der Zuständigkeitsübertragung nach Art. 131 III RL 2006/48 muss man annehmen, dass auf die Tochterunternehmen in anderen Mitgliedstaaten auch das Recht der neuen Aufsichtsbehörde anwendbar wird.
74
F. Offenlegungspflichten Art. 145 ff. RL 2006/48 enthalten schließlich die Offenlegungspflichten der Institute. Wie in der dritten Säule von Basel II vorgesehen, soll mit diesem Instrument Marktdisziplin dadurch ausgeübt werden, dass die Banken durch die Reaktionen der Anleger auf den Kapitalmärkten für ihren Geschäftserfolg bzw. -misserfolg sanktioniert werden. Aufsichtsrechtlich hat dieses Instrument damit eine ergänzende Funktion, die aber nicht die hoheitliche Aufsicht durch die zuständigen Behörden ersetzen kann. Gleichwohl vermag der Markt wichtige Impulse für eine Verbesserung des Risikomanagements der Banken zu geben.
Ohler
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
2273
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
Schrifttum Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. A 2007; Bischoff, Bankgeschäft; Erlaubnispflicht; Kapitalverkehrsfreiheit; Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU; Schweiz (Vorlagefragen des VG Frankfurt an den EuGH), in: Mitteilungen zum Deutsch-Schweizerischen Rechtsverkehr, 2005, S. 6 ff.; Dembowski, Banken ringen noch mit der MiFID, in: Portfolio International, 2007, einsehbar unter http://www.portfolio-international.de; Heisrath, Integration der europäischen Hypothekarkreditmärkte, in: Mitteilungen zum Deutsch-Schweizerischen Rechtsverkehr, 2005, S. 1 ff.; Herzog/Mühlhausen, Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung, 2006; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch (Bd. 2), 2007. Pressemitteilungen der EU: IP/03/1458 vom 27.10.2003, IP/04/600 vom 06.05.2004, IP/05/527 vom 03.05.2005, IP/05/971 vom 19.07.2005, IP/05/1529 vom 05.12.2005, IP/06/642 vom 17.05.2006, IP/06/ 1072 vom 28.07.2006, IP/07/550 vom 24.04.2007, IP/07/596 vom 02.05.2007, IP/07/1494 vom 15.10.2007, IP/07/1615 vom 26.10.2007, IP/07/1625 vom 29.10.2007, IP/07/1782 vom 28.11.2007, IP/07/ 1914 vom 12.12.2007, IP/07/1921 vom 13.12.2007, IP/08/20 vom 08.01.2008, IP/08/209 vom 12.02.2008, IP/08/442 vom 13.03.2008, IP/08/500 vom 03.04.2008, IP/08/583 vom 17.04.2008, IP/08/ 745 vom 14.05.2008, IP/08/944 vom 16.06.2008; alle einsehbar unter www.europa.eu. MEMO/07/519 vom 28.11.2007, einsehbar unter www.europa.eu; Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Informationsschreiben zur MiFID vom 26.10.2005 (Geschäftszeichen WA 15 – W 7720 – 2005/0021), einsehbar unter http://www.bafin.de/schreiben/89_2005/051026_info.htm; Mitteilung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (Zentraler Kreditausschuss) vom 08.04.2008, einsehbar unter www.bvr.de.
Inhaltsübersicht A. Die Politik der Kommission zur Fortentwicklung eines Europäischen Banken-, Börsen- und Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . 1 B. Finanzdienstleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 I. Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Neue Verbraucherkreditrichtlinie vom 12.03.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Bankdienstleistungen und privater Zahlungsverkehr im Binnenmarkt. . . . . . . 22 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Anwendungsbereich, Zulassung . . . . . 23 3. Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4. Inhaltliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . 25 5. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Weißbuch zur Änderung der OGAW-Richtlinie 85/611/EWG . . . . . . . . 32 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Stärkung des bisherigen Rahmens . . . . 33 3. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . 38 4. Einbeziehung offener Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Grün- und Weißbuch zum Thema Hypothekarkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden im Binnenmarkt . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angestrebte Maßnahmen . . . . . . . . . . 3. Erste Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Mehrwertsteuerreform im Finanz- und Versicherungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorgeschlagene Maßnahmen . . . . . . . C. Weitere Vorhaben und Maßnahmen . . . . . . . . I. Leichterer Zugang der Öffentlichkeit zu Finanzdaten börsennotierter Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verordnung über Rechnungslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zulassungsbedingungen zum Finanzsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Berichte der interinstitutionellen Überwachungsgruppe zur besseren Regulierung von Finanzdienstleistungen . . . . . . .
41 43 45 46 46 48 50 51 51 52 53 54 54 55 56 57
Stichwortverzeichnis Binnenmarktüberprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 51 Börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 34, 36 European Financial Integration Report, EFIR . . . . 58 Finanzdienstleistungen für Privatkunden . . . . . . . . 46 Finanzdienstleistungen für Privatkunden, Finanzwissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Finanzdienstleistungen für Privatkunden, horizontale Initiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Finanzdienstleistungen für Privatkunden – Produkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 – Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Fonds-Fusionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Grünbuch Finanzdienstleistungspolitik . . . . . . . . 1 ff. Grünbuch Finanzdienstleistungen für Privatkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 ff. Grünbuch Hypothekarkreditmärkte . . . . . . . 40, 42 ff. Hypothekarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 ff.
Micklitz/Böhnlein
2274
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Hypothekarkreditmarkt, Integration . . . . . . . . . . 44 f. Hypothekarkredit, Regelungsgegenstände . . . . . 43 f. Interinstitutionelle Überwachungsgruppe . . . . . . . . 57 Kleinanleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 ff. Mehrwertsteuer, steuerbefreite Dienstleistungen . . 53 Nichtharmonisierte Fonds. . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 36 Offene Immobilienfonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 39 OGAW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 ff. OGAW, Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 OGAW, Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 35 f. Payment Service Directive, PSD . . . . . . . . . . . . . . 22 Privatanleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 f. Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Qualifizierte Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Richtlinie 85/577/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 85/611/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 87/102/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 93/6/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 97/9/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2003/71/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2004/109/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 f. 2006/48/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2006/49/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2007/64/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Single Euro Payment Area, SEPA . . . . . . . . . . . . . 22 Weißbuch Änderung OGAW-Richtlinie . . . . . . . 32 ff. Weißbuch Finanzdienstleistungspolitik . . . . . . . 5, 31
1
Weißbuch Hypothekarkredite . . . . . . . . . .40, 42, 44 f. Verbraucherkredit – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 – effektiver Jahreszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 – Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. – Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 – verbundene Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 – vorzeitige Rückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 – vorvertragliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. – Widerruf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Verbraucherkreditrichtlinie, Anwendungsbereich . . 7 Vereinfachter Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Zahlungsdienste – Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Beschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 – Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – Zulassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Zahlungsdienstrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 – Kleinstunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Zugang zu Finanzdaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Zulassung Finanzsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
A. Die Politik der Kommission zur Fortentwicklung eines europäischen Banken-, Börsen- und Kapitalmarktrechts Das Ziel der Kommission ist und bleibt ein gemeinsamer Markt für Bank-, Börsen- und Kapitalmarktleistungen, also die Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen. Will man die aktuelle sowie die vorauszusehende Entwicklung der nächsten Jahre beschreiben, muss man zunächst auf den Aktionsplan für Finanzdienstleistungen (Financial Service Action Plan, FSAP, KOM (1999) 232 vom 11.05.1999) zugreifen, dessen Schlüsselbegriffe grenzüberschreitender Wettbewerb, verstärkte Transparenz, Marktintegrität und Effizienz waren (Pressemitteilung IP/05/1529 vom 05.12.2005). Diese Grundprinzipien gelten auch heute noch. Dem folgte das Grünbuch der Kommission zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005 bis 2010 (KOM (2005) 177; s.a. Pressemitteilung IP/05/527 vom 03.05.2005). Als allgemeine Zielsetzungen der Finanzdienstleistungspolitik für diesen Zeitraum werden drei Punkte genannt: Zunächst die „Konsolidierung der Fortschritte auf dem Weg zu einem integrierten, offenen, wettbewerbsfähigen und wirtschaftlich effizienten europäischen Finanzmarkt und zur Beseitigung der verbleibenden wirtschaftlich bedeutenden Hindernisse“. Gegenstand ist daneben die „Förderung eines Marktes, auf dem Finanzdienstleistungen und Kapital zu den niedrigsten möglichen Kosten frei in der EU zirkulieren können“. Ferner ist Ziel die „Umsetzung, rechtliche Durchsetzung und kontinuierliche Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens, rigorose Anwendung der Agenda zur „besseren Regulierung“ bei künftigen Initiativen zwecks Verbesserung der aufsichtlichen Konvergenz und Stärkung des europäischen Einflusses auf die internationalen Finanzmärkte“ (Grünbuch S. 3). Hier wurde sogar eine Durchführbarkeitsstudie angeregt, um zu eruieren, ob langfristig alle Vorschriften in einem einzigen „Finanzdienstleistungsregelungswerk“ zusammengefasst werden können (Grünbuch S. 10; Anhang I Abschnitt II/S. 7).
Micklitz/Böhnlein
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
2275
Erste Priorität galt dem Grünbuch gemäß dem Abschluss der 2005 im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Maßnahmen sowie der in der Kommission in Vorbereitung befindlichen Maßnahmen. Letztere waren zu diesem Zeitpunkt eine Richtlinie über nachbörsliche Finanzdienstleistungen (Clearing und Abrechnung; hier ist noch kein Vorschlag vorgelegt worden), der neue Solvenzrahmen für Versicherungen und ein Legislativvorschlag zu Zahlungen (Grünbuch S. 11; letzteres s. unten B. II., die Richtlinie wurde Ende 2007 verabschiedet). Ein weiterer Aspekt des Grünbuchs besteht im Blick auf die außenwirtschaftliche Dimension. Es geht nicht nur um EU-internen Wettbewerb, sondern darüber hinaus auch um die Stärkung des europäischen Einflusses auf internationaler Ebene und die Gewährleistung der globalen Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Finanzdienstleistungssektors (Grünbuch S. 13). Neben den USA wird auch Japan, China und eventuell Indien eine zentrale Rolle zugedacht.
2
Das Grünbuch gewährt Ausblicke auf mögliche neue geplante Initiativen. Die Kommission hat zwei politische Bereiche ausgemacht, in denen Initiativen der europäischen Wirtschaft zugute kommen könnten: Vermögensverwaltung und Finanzdienstleistungen für Privatkunden. Hier haben zwischenzeitlich zahlreiche Entwicklungen stattgefunden (die als Meilenstein gewertete Finanzmarktrichtlinie (MiFID) wurde erlassen und ist weitestgehend umgesetzt, nach langen Verhandlungen wurde eine neue Verbraucherkreditrichtlinie erlassen, dazu unter B. I.). Als weiteren regelungswürdigen Punkt erkannte das Grünbuch in diesem Zusammenhang eine stärkere Integration des Hypothekarkredits im Privatkundenfeld (Grünbuch S. 14). Die Arbeiten hieran gestalten sich offenbar schwierig und ziehen sich hin (s. unten B. IV.). Als weitere Bereiche, in denen Überlegungen für notwendig erachtet wurden, hat die Kommission herausgestellt: Kodifizierung und mögliche Vereinfachung der bestehenden Vorschriften zu den Informationsanforderungen, Finanzintermediation und Bankkonten. Die Kommission hat diese Zielsetzungen im Weißbuch vom 01.12.2005 (KOM (2005) 629) verfeinert und weiter vorangetrieben. Ein besonderes Augenmerk liegt nunmehr auf der Ex-Post-Bewertung nach Erlass neuer Regelungen. Beispielsweise wird eine erste sektorale Konsistenzprüfung im Wertpapierbereich angekündigt (Weißbuch S. 8). Daneben sollen Synergien zwischen Finanzdienstleistungen und anderen Bereichen, insbesondere dem Wettbewerb, der Verbraucherpolitik und der Steuerpolitik weiter ausgebaut werden (Weißbuch S. 10). Ebenso wird die Wichtigkeit einer effektiveren Aufsicht betont, insbesondere einer engeren Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden (Weißbuch S. 12). Schritte in dieser Hinsicht wurden durch die Finanzmarktrichtlinie bereits getan.
4
B. Finanzdienstleistungen
6
I. Verbraucherkredit. 1. Neue Verbraucherkreditrichtlinie vom 12.03.2008. Nach langen Beratungen und mehrmaligen Änderungen (14.09.2007 Gemeinsamer Standpunkt, 21.09.2007 Mitteilung der Kommission an das Parlament KOM (2007) 546, 16.10.2007 Entwurf einer Empfehlung für die zweite Lesung durch Berichterstatter Kurt Lechner) hat der Rat am 07.04.2008 die Verbraucherkreditrichtlinie vom 12.03.2008 verabschiedet. Aufgrund der vielfältigen Änderungen und Weiterentwicklungen des Marktes wird dadurch die „alte“ Richtlinie 87/102/EWG aufgehoben und durch die neue Richtlinie ersetzt (Erwägungsgrund Nr. 51), wobei dem neuen Verbraucherkreditrecht der Grundsatz der vollständigen Harmonisierung zugrunde liegt (Erwägungsgrund Nr. 9, Art. 22 der Richtlinie; Pressemitteilung des EU-Wettbewerbsfähigkeitsrates vom 21.05.2007 zur politischen Einigung). Hervorzuheben sind die folgenden Punkte:
Micklitz/Böhnlein
3
5
2276
7
8
9
10
11
12
13
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
a) Anwendungsbereich. Sachlich gilt die Richtlinie für Kreditverträge, wobei zahlreiche Ausnahmen (Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie), insbesondere für hypothekarisch oder ähnlich gesicherte Kredite und solche zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs sowie für Großund Kleinkredite (Gesamtkreditbetrag über 75.000 bzw. unter 200 Euro oder kurze Laufzeit) greifen und Sonderregelungen für Überziehungskredite. Besonderheiten gelten auch bei verbundenen Kreditverträgen. Persönlich ist die Richtlinie zunächst auf „Verbraucher“ anzuwenden, wobei hier auf die Minimaldefinition zurückgegriffen wird, sowie auf „Kreditgeber“, der wiederum sehr großzügig definiert wird. Eine Ausweitung des Schutzbereichs wie z.B. im deutschen Recht auf Existenzgründer taucht nach wie vor nicht auf, obwohl dies im Vorfeld (z.B. Diskussionspapier 2002) diskutiert worden war. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass nunmehr Kreditvermittler ausdrücklich von der Richtlinie erfasst sind (Art. 3 f., 21). b) Informationspflichten und vorvertragliche Pflichten. Kapitel II der Richtlinie (Art. 4 ff.) begründet zahlreiche Informations- und Dokumentationspflichten insbesondere für den Kreditgeber bzw. –vermittler, auch schon im Vorfeld des Vertragsschlusses, wobei im Anhang ein Formular für Standardinformationen vorgegeben wird (insbes. Modalitäten des Kredits, sämtliche Kosten und zu leistende Zahlungen, vor allem effektiver Jahreszins, Verzugszinsen und sonstige Nichterfüllungskosten, Recht auf vorzeitige Rückzahlung nebst Kostenfolge, gegebenenfalls Anrechnungsreihenfolge von Zahlungen, Recht auf kostenfreie Kopie des Vertragsentwurfs). Der Kreditgeber muss sich im Vorfeld des Vertragsschlusses über die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers informieren. Falls dabei die vom Verbraucher bereitgestellten Informationen nicht ausreichen, muss er Auskünfte bei der in Frage kommenden Datenbank einholen (Art. 8). Deshalb müssen die Mitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden Krediten diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Datenbanken sicherstellen (Kapitel III, Art. 9). Von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung des Betriebes einer zentralen Datenbank wurde jedoch abgesehen (Mitteilung der Kommission S. 6). Für den Kreditvertrag selbst gelten im Wesentlichen dieselben Informationspflichten wie im Vorfeld (Kapitel IV, Art. 10 ff.), wobei die Information auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger erfolgen muss. Bei Krediten in Form einer Überziehungsfazilität erfolgt die Information durch regelmäßige Erstellung von Kontoauszügen mit bestimmten Mindestangaben (Art. 12). Die Informationspflichten gelten auch hinsichtlich Änderungen, die während des laufenden Vertrages eintreten, insbesondere hinsichtlich des Sollzinssatzes. Im Falle der Überziehung eines Kontokorrentkredits muss der Kreditgeber den Verbraucher zusätzlich über sämtliche Folgen der Überschreitung informieren (Art. 18). c) Beendigung des Vertrages, Widerruf, vorzeitige Rückzahlung, verbundene Verträge. Der Verbraucher darf einen unbefristeten Kreditvertrag jederzeit unentgeltlich ordentlich kündigen. Falls eine Kündigungsfrist vereinbart ist, darf diese einen Monat nicht überschreiten (Art. 13 Abs. 1). Der Kreditgeber kann dies nur bei ausdrücklicher Vereinbarung unter Einhaltung einer mindestens zweimonatigen Frist. Ohne Angabe von Gründen kann der Verbraucher innerhalb von vierzehn Kalendertagen nach Abschluss den Kreditvertrag widerrufen, wobei für den Fristbeginn gegebenenfalls erst der Tag der Aushändigung der Informationen i.S.v. Art. 10 der Richtlinie maßgeblich ist (Art. 14 Abs. 1). Bis zur Rückzahlung, die binnen 30 Tagen zu erfolgen hat, werden die vereinbarten Sollzinsen angesetzt, der Kreditgeber hat daneben keinen Anspruch auf weitere Entschädigungen (Art. 14 Abs. 3 b).
Micklitz/Böhnlein
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
2277
Übt der Verbraucher ein Widerrufsrecht bei einem Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen nach Gemeinschaftsrecht aus, ist er auch an einen verbundenen Kreditvertrag nicht mehr gebunden. Die Mitgliedstaaten können bestimmen, unter welchen Bedingungen der Verbraucher Rechte aus einem verbunden Vertrag gegen den Kreditgeber geltend machen kann. Nationale Vorschriften, wonach der Kreditgeber gegenüber dem Verbraucher neben dem Lieferer der verbundenen Dienstleistung als Gesamtschuldner haftet, sollen davon unberührt bleiben (Art. 15).
14
Gemäß Art. 16 der Richtlinie ist der Verbraucher jederzeit berechtigt, seine Verbindlichkeit aus dem Vertrag ganz oder auch teilweise zu erfüllen. Er kann dann eine Ermäßigung der Gesamtkosten verlangen, die sich nach den Zinsen und Kosten der Restlaufzeit richtet. Der Kreditgeber kann für unmittelbar im Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung entstandene Kosten eine Entschädigung verlangen, jedoch nur unter engen Voraussetzungen und der Höhe nach (prozentual am vorzeitigen Rückzahlungsbetrag und direkt durch den Betrag der ausgefallenen Zinsen) begrenzt, Art. 16 Abs. 2, 3.
15
d) Effektiver Jahreszins. Art. 19 der Richtlinie gibt unter Verweis auf den Anhang genau vor, wie die Berechnung des effektiven Jahreszinses anhand einer mathematischen Formel zu erfolgen hat. So soll die Vergleichbarkeit der Angaben des effektiven Jahreszinses in der gesamten Gemeinschaft gewährleistet werden (Erwägungsgründe 19, 43), um die Transparenz des Marktes und den Wettbewerb zu fördern. Neu ist, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die Angabe des effektiven Jahreszinses im Fall von Überziehungen nicht vorzuschreiben (Art. 4 Abs. 2 c).
16
e) Kreditgeber und Kreditvermittler. Kapitel VI der Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 20 f.) unterwirft zum einen Kreditgeber der nationalen Aufsicht und stellt zum anderen Pflichten der Kreditvermittler gegenüber den Verbrauchern auf, insbesondere müssen die Verbraucher über seine Tätigkeit informiert werden und darf er von ihnen nur unter sehr engen Bedingungen eine Vergütung seiner Dienste verlangen.
17
f) Sanktionen, Streitbeilegung. Die Mitgliedstaaten werden in Art. 23 der Richtlinie verpflichtet, „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktionen für Verstöße gegen die Vorschriften der Richtlinie festzulegen. Art. 24 gibt auf, die außergerichtliche Streitbeilegung, auch international, zu fördern.
18
2. Würdigung. Die Verbraucherkreditrichtlinie reicht – trotz der immer stärkeren Eingrenzung des Gegenstandes – immer noch sehr weit. Dabei bringt vor allem der Grundsatz der vollständigen Harmonisierung Konflikte mit sich. Gleichwohl ist es aus Verbrauchersicht bedauerlich, dass Komplexe wie die Vermeidung von Verbraucherüberschuldung auf ein Informationsrecht verkürzt und andere gar nicht oder nur rudimentär geregelt wurden (Verbraucherkonkurs, Kartenkredite, Rückabwicklung bei verbundenen Geschäften, Höhe der Verzugszinsen, Zinseszinsproblematik, etc.). Der Streit um die verantwortliche Kreditvergabe ist paradigmatisch. Die Regelungen, die in einigen Ländern existieren (ausdrückliche Begrenzungen für Soll- und Verzugszinsen, Zinseszinsverbot), machen deutlich, dass andere Ansätze durchaus möglich waren. Immerhin erfolgen Festlegungen über den Komplex der Vorfälligkeitsentschädigung, mit denen im Ergebnis wohl auch den Interessen beider Seiten genüge getan werden kann. Nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Bereich der missbräuchlichen Klauseln, der noch im Vorschlag der Kommission vom 11.09.2002 enthalten war (dort Art. 15), nun völlig ausgenommen wurde.
19
Insgesamt enthält die Richtlinie aus Sicht der Kommission für vier der wesentlichen Probleme des Verbraucherkredits befriedigende Lösungen. Die vorvertragliche und die vertragliche Information, der effektive Jahreszins und das Widerrufsrecht werden vollständig harmonisiert und gewährleisten ein hohes Maß an Verbraucherinformation und -schutz.
20
Micklitz/Böhnlein
2278
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Zugleich werden die Bedingungen für die Entstehung eines echten Binnenmarktes für Verbraucherkredite geschaffen. Wünschenswert wäre noch die weitere Harmonisierung der Bestimmungen über die vorzeitige Rückzahlung (Mitteilung der Kommission KOM (2007) 546 vom 21.09.2007 zum Gemeinsamen Standpunkt, S. 12).
21
22
Einige Punkte waren bis zuletzt umstritten. Änderungsvorschläge des Europaparlaments zielten nahezu sämtlich auf eine weitere Reduzierung des Verbraucherschutzniveaus. Der Anwendungsrahmen sollte nur noch Kredite von 500 Euro bis 50.000 Euro erfassen (Änderungsanträge 2, 18), festgelegt wurde er auf 200 bis 75.000 Euro. Anders als die Kommission sah der Berichterstatter des EP auch die Frage der Entschädigung im Falle vorzeitiger Rückzahlung. Dem Verbraucher sollte lediglich eine angemessene Ermäßigung der Gesamtkosten eingeräumt werden. Alles andere müsste den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, insbesondere Regelungen über eine Vorfälligkeitsentschädigung für den Kreditgeber (Änderungsanträge 13 ff., 79 ff.; Begründung des Entwurfs S. 55). Von diesem Antrag wurde nur die Option für die Mitgliedstaaten übernommen, in Ausnahmefällen höhere Entschädigungen zuzulassen. Auch behielt die Richtlinie die Begrenzung der Frist zur ordentlichen Kündigung durch den Verbraucher entgegen dem Vorschlag des EP auf höchstens einen Monat bei (Änderungsantrag 72). Besondere Beachtung verdient die Zurückweisung des Vorschlages, das Widerrufsrecht – entgegen der Rechtsprechung des EuGH zur Haustürwiderrufs-Richtlinie 85/577/EWG – in allen Fällen nach Ablauf von sechs Monaten nach Abschluss des Kreditvertrages erlöschen zu lassen (Änderungsantrag 73; Begründung des Entwurfs S. 55) Dem Anliegen, die vorvertraglichen und die vertraglichen Informationen erheblich zu entschlacken (Änderungsanträge 29 ff., Begründung des Entwurfs S. 54), wurde nur bedingt Rechnung getragen. Ebenfalls zurückgewiesen wurde der Antrag, die Abfrage von Datenbanken hinsichtlich der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers von dessen Einwilligung abhängig zu machen (nicht erfolgt, s. Art. 5 Abs. 1 q). Diesbezüglich blieb es bei einer obligatorischen Abfrage. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Richtlinie gleichzeitig der Stärkung des Verbraucherschutzes und der Vertiefung des europäischen Binnenmarktes dienen will (vgl. Pressemitteilung EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat vom 21.05.2007). Sie bildet ein wichtiges Teilstück im Hinblick auf die generellen Zielsetzungen der EU-Finanzpolitik. Ob sie geeignet ist die Ziele zu erreichen, steht auf einem anderen Blatt und wird sich zu erweisen haben. Wie schon die langwierige Diskussion zeigt, bestehen an der Tauglichkeit für den Ausbau der grenzüberschreitenden Verbraucherkredite erhebliche Zweifel (http://www.europarl. europa.eu/comparl/imco/studies/0704_consumercredit_en.pdf ). II. Bankdienstleistungen und privater Zahlungsverkehr im Binnenmarkt. 1. Überblick. Der Rat hat die Richtlinie über Zahlungsdienste (Payment Services Directive, PSD) vom 13.11.2007 (2005/0245 (COD)) verabschiedet. Sie wurde am 05.12.2007 als Richtlinie 2007/64/EG veröffentlicht (Pressemitteilung IP/07/1914 vom 12.12.2007). Die Mitgliedstaaten sollen sie bis spätestens 01.11.2009 umsetzen. Ziel ist die Schaffung einer Rechtsgrundlage für den einheitlichen EURO-Zahlungsverkehrsraum (Single Euro Payments Area, SEPA), aufgrund derer Zahlungen – insbesondere Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen – innerhalb der europäischen Union genauso einfach, billig und sicher vorgenommen werden können wie innerhalb der Mitgliedstaaten. Sie bildet die rechtliche Grundlage eines EU-weiten Binnenmarktes für den Zahlungsverkehr, indem sie moderne und umfassende Vorschriften einführt, die für alle Zahlungsdienstleistungen in der Union gelten werden. Daneben soll dies auch bezwecken, dass die Zahlungsverkehrsmärkte durch die Verbesserung des Wettbewerbs effizienter und kostengünstiger werden (vgl. Pressemitteilung IP/07/550 vom 24.04.2007).
Micklitz/Böhnlein
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
2279
2. Anwendungsbereich, Zulassung. Abgesehen von einigen Ausnahmen soll die Richtlinie für alle Zahlungen innerhalb der Gemeinschaft gelten (Art. 2 Abs. 1). Sie richtet sich gemäß Art. 1 Abs. 1 an Kreditinstitute, E-Geld-Institute, Postscheckämter und Zahlungsinstitute (s.a. Art. 4 Nr. 4), sowie die Zentralbanken, die Mitgliedstaaten und deren Gebietskörperschaften, soweit diese in entsprechender Funktion handeln. Ein Zahlungsinstitut bedarf der Zulassung in seinem Herkunftsmitgliedstaat, Art. 5, die an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, insbesondere das Vorhandensein bestimmter Eigenmittel (Art. 6 ff.). Der Katalog der zugelassenen Tätigkeiten ergibt sich aus Art. 16 (i.V.m. dem Anhang). Die Mitgliedstaaten führen ein Register der zugelassenen Zahlungsinstitute (Art. 13). Gemäß Art. 15 sind die Institute zur Rechnungslegung und Abschlussprüfung verpflichtet. Hervorzuheben ist, dass die im Anhang aufgeführten Zahlungsdienste ausdrücklich den Personen vorbehalten sind, die Zahlungsdienstleister i.S.d. Richtlinie oder ausdrücklich von deren Anwendungsbereich ausgeschlossen sind. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, anderen Personen solche Tätigkeiten zu untersagen (Art. 29; Art. 26 regelt Ausnahmen).
23
3. Aufsicht. Art. 20 verlangt eine unabhängige Aufsichtsbehörde. Die zuständige Stelle ist der Kommission mitzuteilen. Die Aufsichtsbehörden haben umfassende Rechte, insbesondere zur Einsicht in Unterlagen und zur Inspektion vor Ort (Art. 21). Umgekehrt unterliegen sie dem Berufsgeheimnis (Art. 22), außer sie sind gemäß Art. 24 zum Informationsaustausch verpflichtet, was EU-intern der Fall ist. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen oder Niederlassungen verpflichtet die Richtlinie sie zur Kooperation. Gegen die Entscheidungen der Aufsichtsbehörde steht den Zahlungsinstituten der Rechtsweg offen (Art. 23).
24
4. Inhaltliche Vorgaben. a) Zugang zu Zahlungssystemen. Zahlungsdienstleistern im Sinne der Richtlinie muss Zugang zu den Zahlungssystemen in objektiver, diskriminierungsfreier und verhältnismäßiger Weise gewährt werden (Art. 28).
25
b) Informationspflichten. Die Zahlungsdienstleister müssen ihre Nutzer hinreichend informieren, auch schon im vorvertraglichen Stadium (Art. 36, 37, 41, 42), sowie ihnen nach Eingang der Zahlungsanweisung (Art. 38) und nach Ausführung des Zahlungsvorgangs (Art. 39) bestimmte Angaben übermitteln. Bei Rahmenverträgen (Art. 40 ff.) sind die Anforderungen noch höher und geben bestimmte Punkte vor (z.B. Gebühren, Zinsen, Vertragsänderungen, Kündigung, Rechtsbehelfe), für die in den folgenden Artikeln (Art. 44 ff.) wiederum inhaltliche Vorgaben gemacht werden. Der Zahlungsdienstleister darf dem Zahlungsdienstnutzer Gebühren für die Bereitstellung der Informationen nur unter ganz bestimmten Bedingungen berechnen (Art. 32, 52). Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, dass den Zahlungsdienstleister die Beweislast trifft, dass er die Informationen i.S.d. Richtlinie bereitgestellt hat (Art. 33). c) Teilnehmer, die keine Verbraucher sind. Art. 30 schränkt die Anwendung bestimmter Normen gegenüber Teilnehmern, die nicht Verbraucher sind, ein. Er lässt auch zu, dass Kleinstunternehmer durch die Mitgliedstaaten Verbrauchern gleichgestellt werden.
26
d) Sicherheit von Zahlungsvorgängen. Zunächst werden Regelungen über die Autorisierung von Zahlungsvorgängen getroffen, Art. 54 ff. Art. 56 ff. legen sowohl dem Zahlungsdienstleister als auch dem Dienstnehmer bestimmte Pflichten auf, um die Sicherheit der Zahlungsmittel zu gewährleisten. Art. 62 f. regeln, unter welchen Voraussetzungen die Rückerstattung ausgeführter Zahlungsanweisungen möglich ist. e) Ausführung der Zahlungsdienstleistungen. Von dem angewiesenen Betrag dürfen von keinem der Dienstleister Gebühren abgezogen werden (Art. 67). Die Wertstellung hat grundsätzlich bis zum Ende des folgenden Geschäftstages zu erfolgen (Art. 69 Abs. 1),
28
Micklitz/Böhnlein
27
29
2280
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
wobei bis 01.01.2012 Übergangsregelungen (maximal drei Geschäftstage) gelten. Die Frist kann für Zahlungsvorgänge, die in Papierform angewiesen werden, um einen weiteren Geschäftstag verlängert werden. Für nicht oder fehlerhaft ausgeführte Zahlungsanweisungen haften die Dienstleister gemäß den Artikeln 74 ff. 30
f) Datenschutz, Beschwerden, außergerichtliche Streitbeilegung, Sanktionen. Personenbezogene Daten dürfen nur verbreitet werden, soweit dies zur Verhütung, Ermittlung und Feststellung von Betrugsfällen notwendig ist (Art. 79 mit einem Verweis auf Richtlinie 95/46/EG). Den Nutzern der Zahlungssysteme müssen angemessene Beschwerdeverfahren zur Verfügung gestellt werden, Art. 80, wobei auch außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren gefördert werden sollen, Art. 83. Gemäß Art. 81 müssen die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zur Durchsetzung der Vorschriften festlegen. In diesem Zusammenhang werden auch die Kompetenzen der nationalen Aufsichtsbehörden festgelegt (Art. 82 Abs. 1), wobei für grenzüberschreitende Verstöße die Aufsicht durch die Behörde des Herkunftsmitgliedstaates des Zahlungsdienstleisters ausgeübt werden soll, bei Zweigniederlassungen jedoch diejenige des Aufnahmemitgliedstaates zuständig ist (Art. 82 Abs. 2).
31
5. Sonstiges. Die Richtlinie unterliegt dem Grundsatz der vollständigen Harmonisierung, Art. 86. Drei Jahre nach Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten (plangemäß also zum 01.11.2012) erfolgt eine Überprüfung über den Nutzen der Richtlinie, um gegebenenfalls eine entsprechende Anpassung vorzunehmen (Art. 87). Dies ist Teil des verbesserten Gesetzgebungsprozesses, den FSAP, Grün- und Weißbuch über Finanzdienstleistungen fördern wollen. Die Kommission will die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie unterstützen, die spätestens bis zu 01.11.2009 erfolgen soll. Neben den bewährten Praktiken sollen praxisbezogene Workshops angeboten werden sowie eine interaktive Fragen-und Antworten-Website (vgl. Pressemitteilung IP/07/1914 vom 12.12.2007).
32
III. Weißbuch zur Änderung der OGAW-Richtlinie 85/611/EWG. 1. Überblick. Aus dem FSAP und den daraus folgenden Weiß- und Grünbuch ging unter anderem eine Initiative zur Änderung der OGAW-Richtlinie hervor. Aktuell ist das Weißbuch für den Ausbau des Binnenmarktrahmens für Investmentfonds der Kommission vom 15.11.2006. Hintergrund ist der Umstand, dass aufgrund der Veränderung der Bevölkerungsstruktur immer stärkerer Bedarf an langfristigen Finanzanlagen besteht, was zu mehrstelligen Wachstumsraten in der Branche der Investmentfonds führt. Dieser Markt wird in hohem Maß auf europaweiter Basis organisiert, der Europäische Pass für OGAW-Produkte sehr stark genutzt. Dies erfordert eine Überarbeitung des Regulierungsrahmens zur Anpassung an veränderte Marktgegebenheiten und Kundenbedürfnisse (Weißbuch S. 1, 2).
33
2. Stärkung des bisherigen Rahmens. Das Weißbuch sieht einen allmählichen Ausbau des derzeit bestehenden Rahmens vor. Dazu strebt es folgende Maßnahmen an: a) Ausbau der Freiheiten des Binnenmarktes, damit die Fondsbranche den europäischen und globalen Anlegern effizienter dienen kann. b) Gewährleistung des Umstands, dass die Anleger in der Lage sind, fundierte Anlageentscheidungen zu treffen, um sich auf qualifizierte Intermediäre für eine objektive und sachverständige Beratung zu stützen. c) Bewertung der Tatsache, ob ein Binnenmarktrahmen geschaffen werden sollte, um den grenzübergreifenden Vertrieb einiger Nicht-OGAW-Arten an private Anleger zu ermöglichen und wie dies am Effizientesten erfolgen könnte. d) Beginn der Arbeiten an einer europäischen „Privatplatzierungs“-Regelung zwecks Erleichterung des Vertriebs nichtharmonisierter Fonds und von Finanzinstrumenten an institutionelle und versierte Anle-
Micklitz/Böhnlein
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
2281
ger in anderen Mitgliedstaaten (Weißbuch S. 5). Im Einzelnen sind dabei folgende Schritte vorgesehen: a) Zur Förderung einer effizienteren europäischen Fondsbranche sollen zunächst die administrativen Hindernisse für den grenzübergreifenden Vertrieb beseitigt werden (Weißbuch S. 6/7). Diesbezüglich wird die Kommission insbesondere Vorschläge zur Änderung der Art. 44 bis 47 der Richtlinie vorlegen. Beschränkt werden soll vor allem die derzeitige Ex ante-Prüfung durch das Aufnahmeland und die Zweimonats-Wartefrist. Daneben sollen grenzübergreifende Fonds-Fusionen erleichtert werden (S. 7/8). Hintergrund ist, dass der OGAW-Markt derzeit von Fonds einer Größe beherrscht wird, die nicht optimal ist, weshalb wichtige Größenvorteile ungenutzt bleiben. Es sollen angemessene rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen für die Fusion von Fonds geschaffen werden. Änderungen sollen außerdem das Pooling von Vermögenswerten, auch grenzübergreifend, erleichtern (S. 8/9). Durch diese Aggregation von Vermögenswerten verschiedener Fonds zwecks gemeinsamer Verwaltung werden Größen-, Liquiditäts- und andere Vorteile genutzt. Ein weiterer Punkt ist die beabsichtigte Einführung des „EUPasses“ für die Verwaltungsgesellschaften (S. 9). Die Kommission wird eine Änderung der Richtlinie vorschlagen, um es den zugelassenen Verwaltungsgesellschaften zu ermöglichen, sowohl Fonds der gesellschaftsrechtlichen als auch der vertraglichen Rechtsform in anderen Mitgliedstaaten zu verwalten. Der Anwendungsbereich der für den EU-Pass in Frage kommenden Dienstleistungen muss noch geprüft werden. Auch hinsichtlich OGAW soll mit der neuen Richtlinie die aufsichtliche Zusammenarbeit der zuständigen Behörden verbessert werden (S. 9/10). Diese Maßnahmen werden bereits für eine deutliche Zuständigkeitsregelung vieler derzeit unklarer Fragen sorgen. Die Änderungen werden sich an die einschlägigen Bestimmungen der Wertpapierrechtsvorschriften aus jüngster Zeit anlehnen (MiFID und Prospekt-Richtlinie). Daneben beabsichtigt die Kommission Effizienzverbesserungen zu erzielen, ohne die Richtlinie ändern zu müssen (S. 10). Neben Konsequenz bei der Einhaltung bestehender Vorschriften sollen die Mitgliedstaaten strenge Zulassungsfristen einführen, die europäische Fondsbranche soll eine kohärente Strategie für die allmähliche Einführung von Verbesserungsmaßnahmen der Vertriebssysteme entwickeln. Hinsichtlich der freien Wahl der Verwahrstellen wird sich die Kommission an die Mitgliedstaaten wenden. b) Die Etablierung eines Binnenmarktes dergestalt, dass der Anleger davon profitiert, hängt insbesondere von Wettbewerb und Transparenz ab. Die Anleger müssen sich auf die Qualität und Objektivität der von Finanzberatern und -intermediären erbrachten Dienstleistungen verlassen können und benötigen selbst verständliche und verlässliche Informationen (S. 11/12). Deshalb sollte ein vereinfachter Prospekt Anlegern und Intermediären Basisinformationen über Risiken, Kosten und erwartete Wertentwicklung des jeweiligen Produkts vermitteln. Dies wurde bisher nicht verwirklicht. Gleichwohl besteht eine große Nachfrage nach standardisierten Informationen über Fonds, die nicht unter das Standardregister fallen. Der vereinfachte Prospekt muss wieder so gestaltet werden, dass er ein kurzes und verständliches Dokument ist, das die notwendigen Informationen gibt. Da die Mängel so erheblich sind, dass eine Änderung der Richtlinie nicht abgewartet werden kann, wurden praktische Schritte zur Korrektur unverzüglich in die Wege geleitet, die dann auch in die geänderte Richtlinie einfließen sollen. Auch die Organisation der Vertriebsnetze soll vorrangig den Anlegerinteressen dienen (S. 12/13). Derzeit macht der Vertrieb den größten Kostenanteil in der Investmentfondsbranche aus. Insbesondere die Provisionen sind zu überprüfen. Die Kommission wird auf diesem Sektor die Umsetzung der MiFID-Vorgaben zu den Wohlverhaltensregeln und Interessenkonflikten genauestens überwachen. Ein Handbuch zur einfachen Anwendung dieser Vorschriften ist in Arbeit.
Micklitz/Böhnlein
34
35
2282
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
36
c) Zudem stellt sich die Frage nach einer Binnenmarktlösung für nichtharmonisierte Privatkunden-Fonds (S. 13). Der OGAW-Rahmen deckt nicht mehr die gesamte Bandbreite der Investmentfonds ab, die im Rahmen zersplitterter nationaler Systeme an Privatanleger vertrieben werden. Das Fehlen eines EU-Passes ist bei gut etablierten Privatkundenprodukten (z.B. offene Immobilienfonds) eine große Frustrationsquelle, denn diese möchten ihren Vertrieb auf eine europaweite Anlegerbasis ausdehnen. Tatsächlich wenden sich die Anleger verstärkt nichtharmonisierten Fonds zu. Aktuell ist aus Sicht der Kommission die Frage, ob ein einheitlicher formeller Rahmen für den Vertrieb geschaffen werden soll, noch nicht zu beantworten. Zu viele Unsicherheiten bieten die Auswirkungen (S. 14). Die Kommission wird diese Fragen analysieren und prüfen und im Laufe des Jahres 2008 dem Rat und dem Parlament Bericht erstatten (vgl. unten 4.).
37
d) Ein weiteres Thema ist der Vertrieb und Verkauf von Produkten an „qualifizierte Anleger“. Es gibt keinen gemeinsamen europäischen Ansatz, um für Privatanleger geeignete Produkte von Produkten zu unterscheiden, die versierten Anlegern vorbehalten bleiben sollen (S. 15). Zufriedenstellenden Kriterien zur Abgrenzung fehlen. Hier bilden die Grundpfeiler nunmehr die Anforderungen der Prospekt-Richtlinie und insbesondere der MIFID, die die Verantwortung zur Beurteilung der Geeignetheit auf die Wertpapierfirma überträgt. Dies stellt hohe Anforderungen an die Regulierungsbehörden, welche sorgfältig überwacht werden sollen. Weitere Beobachtungen und Analysen stehen noch an (S. 16).
38
3. Schlussfolgerungen. Die Branche der Investmentfonds gewinnt zunehmend an Bedeutung, weshalb eine einheitliche europäische Regelung notwendig ist. In vielen Punkten herrscht jedoch noch Unklarheit, wie dies erfolgen kann (S. 17). Zeitgleich mit dem Weißbuch wurde ein Arbeitsdokument über die Folgenabschätzung veröffentlicht (SEK (2006) 1452), demgemäß ein Vorschlag für die Änderung der OGAW-Richtlinie bereits im Herbst 2007 vorgelegt werden sollte (S. 2). Bisher ist ein entsprechendes Dokument jedoch noch nicht veröffentlicht. Die im Weißbuch empfohlenen Maßnahmen stützen sich auf Bewertungen aus dem Begleitdokument. Demnach werden die ausgewählten Optionen folgende Auswirkungen haben: a) Für die Branche werden Zeitaufwand, Kosten und Ungewissheit im Zusammenhang mit der OGAW-Verwaltung substanziell verkürzt. Vereinfachte Organisation und Größenvorteile führen zu Kosteneinsparungen. Marktintegrität und Wettbewerb werden sich steigern, was wiederum zu Kostensenkungen führt und so die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Fondsbranche erhöht (S. 8). b) Für Anleger bringen die Reduzierung der Kosten und die verbesserte Information bessere Wahlmöglichkeiten und leistungsfähigere Produkte. Zugleich wird ein besserer Anlegerschutz gewährleistet (S. 8/9). c) Für den Gesetzgeber besteht die Herausforderung insbesondere in der Klarstellung der Kompetenzen der eng zusammenarbeitenden Behörden.
39
4. Einbeziehung offener Immobilienfonds. Die Europäische Kommission hat einen Branchenbericht veröffentlicht, der den EU-Markt für offene Immobilien-Fonds betrachtet. Solche fallen derzeit nicht unter die OGAW-Richtlinie, bedürfen aber dem Bericht zufolge einer europäischen Regelung. Im April 2008 fand eine öffentliche Anhörung zu dem Thema statt, eine weitere Konsultation wird durchgeführt (vgl. Pressemitteilung IP/08/ 442 vom 13.03.2008) sowie Studien über harmonisierte sowie nicht harmonisierte Investmentfonds, insbesondere auch mit Blick auf den Kleinanlegerbereich (Pressemitteilungen IP/08/209 vom 12.02.2008 und IP/08/442 vom 13.03.2008). Ein Resultat ist derzeit noch nicht absehbar.
40
IV. Grün- und Weißbuch zum Thema Hypothekarkredite. Dem Weißbuch über den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen (dort S. 14) gemäß hätte bereits 2006 ein Weiß-
Micklitz/Böhnlein
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
2283
buch zum Thema Hypothekarkredite veröffentlicht werden sollen. Auf das Grünbuch vom 19.07.2005 folgte jedoch erst am 18.12.2007 ein Weißbuch der Kommission über die Integration der EU-Hypothekarkreditmärkte. 1. Ausgangslage. Hypothekarkredite sind bisher von der Verbraucherkreditrichtlinie ausgeschlossen. Mangelnde Informationen, rechtliche Hindernisse und ein geringes Verbrauchervertrauen in grenzübergreifende Geschäfte sind der Grund dafür, dass eine Hypothekarkredittätigkeit zwischen den Mitgliedstaaten derzeit nicht ihr volles Potential erreichen kann. Ein europäischer Binnenmarkt für solche Kredite könnte bei einer angemessenen Etablierung und Verwaltung jedoch viele Vorteile bieten, zum Beispiel eine größere Auswahl, niedrigere Zinsen und Gebühren für Verbraucher und bessere Geschäftsmöglichkeiten für die Anbieter von Hypothekarkrediten.
41
Nachdem die Kommission zahlreiche Sitzungen mit Vertretern der Branche abgehalten hat, in deren Mittelpunkt Themen wie Informationen, Beratung, frühzeitige Rückzahlung und effektiver Jahreszins stehen, folgte die Veröffentlichung des Weißbuchs Ende 2007 (vgl. zum Ganzen Grünbuch über Hypothekarkredite vom 19.07.2005 und Presseerklärungen IP/05/971 vom selben Tag sowie IP/06/642 vom 17.05.2006), derzeit läuft eine Studie über Kosten und Nutzen der verschiedenen Politikoptionen für Hypothekarkredite.
42
2. Regelungsinhalte. Notwendige Regelungsinhalte sind beim Hypothekarkredit letztlich dieselben, wie bei anderen Krediten auch. Folgende Komplexe sollen nach derzeitigem Stand einer Regelung unterworfen werden: Verbraucherinformation, Beratung und Kreditvermittlung, vorzeitige Rückzahlung, effektiver Jahreszins, Regeln in Bezug auf Wucher und variable Zinssätze, Standardisierung von Hypothekarkreditverträgen, Durchsetzung und Rechtsbehelfe sowie Bonität des Kunden. Daneben sind die spezifischeren Probleme, die erfasst werden sollen, insbesondere die Bewertung von Grundstücken und Gebäuden, Zwangsversteigerungsverfahren und Steuern sowie hypothekarische Sicherheiten an sich und konkret die Finanzierung solcher Hypothekarkredite (vgl. Grünbuch vom 19.07.2005).
43
Um das Ziel einer stärkeren Integration des Hypothekarkreditmarktes zu fördern, müssen verschiedene Punkte umgesetzt werden. Das Weißbuch bezieht sich dabei insbesondere auf die Erleichterung der grenzübergreifenden Vergabe und Refinanzierung (Weißbuch S. 3 f.), die Erweiterung des Produktangebots (S. 4), die Steigerung des Verbrauchervertrauens (S. 5) und die Förderung der Kundenmobilität (S. 5). Von den im Grünbuch genannten Regelungsgebieten soll im Jahr 2008 Fragen der vorzeitigen Rückzahlung, der Qualität und Vergleichbarkeit von Informationen sowie der eigenverantwortlichen Kreditvergabe und –aufnahme Aufmerksamkeit gewidmet werden (S. 6 ff.). Außerdem werden die Bereiche Bewertung, Grundbuchregister und Zwangsvollstreckung untersucht (S. 8 f.) und weitere Untersuchungen angestellt (S. 10).
44
3. Würdigung. Zwar wird erkannt, dass das Integrationspotential für Hypothekarkredite begrenzt ist (Weißbuch S. 3), da zahlreiche Faktoren bei der Wahl des Anbieters unabhängig von rechtlichen Möglichkeiten sind, doch deuten der Kommission zufolge die bisherigen Arbeiten darauf hin, dass durch ein Tätigwerden in den angesprochenen Bereichen ein wesentlicher Nutzen erzielt werden könne (S. 11). Es zeichnen sich allerdings bereits Proteste in der Kreditwirtschaft ab (vgl. Mitteilung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken vom 08.04.2008 unter www.bvr.de).
45
V. Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden im Binnenmarkt. 1. Überblick. Die Kommission hat die Diskussion über die künftige Politik im Bereich der Dienstleistungen für Privatkunden eröffnet, indem sie am 30.04.2007 ein weiteres Grünbuch (KOM (2007) 226 endg.) vorgelegt hat, welches diesen Aspekt vertieft. Ge-
46
Micklitz/Böhnlein
2284
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
genstand sind insbesondere Produkte wie Bankkonten, Darlehen, Hypotheken, Anlagen und Versicherungen für Verbraucher. Die Kommission will die Probleme, denen Verbraucher und Branche in diesem Bereich gegenüberstehen, erkennen und anhand dieser Erkenntnisse sowie der übergeordneten Ziele die Bereiche herausarbeiten, in denen weitere Arbeiten notwendig sind. Insoweit bilden diese Maßnahmen einen Beitrag zur laufenden Binnenmarktüberprüfung der Kommission (vgl. Pressemitteilung IP/07/596 vom 02.05.2007). 47
Hintergrund der Initiative sind umfangreiche Studien und Evaluationen, die belegen, dass das Potential für die Integration von Finanzdienstleistungen auf diesem Sektor noch nicht ausgeschöpft und der Wettbewerb noch unzureichend ist (Grünbuch S. 2). Dabei wird auf mehrere Indikatoren Bezug genommen: der grenzübergreifende Handel ist mit Ausnahme von OGAW sehr begrenzt, bei Dienstleistungen im Zahlungsverkehr und Produkten wie Verbraucherkrediten und Girokonten herrschen nach wie vor erhebliche Preisunterschiede, die Produktauswahl und Rentabilität der Anbieter von Finanzdienstleistungen für Privatkunden variieren stark. Ohne weitere Bemühungen werden die europäischen Finanzdienstleistungsmärkte deshalb vermutlich fragmentiert bleiben (vgl. Grünbuch S. 5 f.). Neben den rechtlichen und wirtschaftlichen Barrieren wird auch das Verhalten und die Präferenzen der Verbraucher als einschränkendes Kriterium der Integration erkannt. Ziel ist eine bessere Regulierung von Finanzdienstleistungen für Privatkunden (vgl. S. 7).
48
2. Angestrebte Maßnahmen. Als geeignete Maßnahmen in diesem Gebiet erscheinen der Kommission die Folgenden (vgl. Grünbuch S. 3 und S. 8 ff.): Vorteile für Verbraucher herbei zu führen, indem sichergestellt wird, dass angemessen geregelte offene Märkte und starker Wettbewerb Produkte hervorbringen, die die Bedürfnisse der Verbraucher erfüllen und Auswahl, Wert und Qualität bieten; Steigerung des Verbrauchervertrauens, indem sichergestellt wird, dass die Verbraucher gegebenenfalls angemessen geschützt werden und die Anbieter finanziell solide und vertrauenswürdig sind; Stärkung der Verbraucher, damit sie die für ihre finanziellen Verhältnisse richtigen Entscheidungen treffen können. Hierher gehören Maßnahmen zur Verbesserung der finanzielle Allgemeinbildung, klare, angemessene und rechtzeitige Bereitstellung von Informationen, hochwertige Beratung und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Produkte, die als solche mit ähnlichen Merkmalen wahrgenommen werden. Sind die Verbraucher auf diese Art gestärkt, so die Annahme, trauen sie sich möglicherweise eher zu, ungeachtet des Standorts des Finanzdienstleisters das am besten auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Angebot ausfindig zu machen.
49
Zudem werden „horizontale Initiativen“ ins Auge gefasst, dort wo es Überschneidungen mit anderen Themen gibt, wie z.B. mit Regelungen zu Hypothekarkrediten (vgl. S. 10). In diesem Zusammenhang wird der Plan zur Schaffung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (vgl. II.) gewürdigt (vgl. S. 11).
50
3. Erste Schritte. Zum Thema sind umfangreiche Stellungnahmen eingegangen, welche die Richtung der ersten Schritte beeinflusst haben. Nach einer Studie über den Markt für langfristige und substitutive Sparprodukte für Privatkunden (s.a. Pressemitteilung IP/07/ 1615 vom 26.10.2007) fand im Juli 2008 eine Anhörung zu dem Thema statt. Die Kommission wird im Herbst 2008 dem Rat und dem Parlament eine Mitteilung vorlegen (s.a. http://ec.europa.eu/internal_market/finances/cross-sector/index_de.htm und Pressemitteilung IP/08/500 vom 03.04.3008). Die Kommission hat eine Überprüfung der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen eingeleitet. Der Bericht ist noch für das Jahr 2008 vorgesehen (Grünbuch S. 17; Mitteilung der Kommission vom 06.04.2006 KOM (2006) 161 endg.).
Micklitz/Böhnlein
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
2285
Was die geeignete Wissensbasis der Verbraucher angeht, sind zwischenzeitlich erste Maßnahmen ergriffen worden. Durch Beschluss der Kommission (2008/365/EC) wurde eine Expertengruppe Finanzwissen eingesetzt, welche zunächst die aktuelle Lage erfassen und sodann Maßnahmen zu deren Verbesserung einleiten soll (vgl. auch Pressemitteilung IP/08/745 vom 14.05.2008; Grünbuch S. 18 f.; Mitteilung KOM (2007)808 vom 18.12.2008). Mittelbar aus dem Grünbuch sowie unmittelbar aus der Überprüfung des Binnenmarktes der Kommission hat sich außerdem der Einsatz der Expertengruppe Kredithistorien ergeben (Beschluss der Kommission vom 13.06.2008 K 2008/542/EG), die Lösungen zur Optimierung der Weiterleitung von Kredithistorien innerhalb der EU erarbeiten soll und deren Bericht für Mai 2009 in Aussicht gestellt ist (Pressemitteilung IP/08/944 vom 16.06.2008). VI. Mehrwertsteuerreform im Finanz- und Versicherungsbereich. 1. Überblick. Ein weiterer Ausfluss der Binnenmarktüberprüfung der Kommission ist der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Modernisierung und Vereinfachung der Mehrwertsteuervorschriften für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Er soll Mitgliedstaaten sowie Banken und Versicherungsgesellschaften mehr Rechtssicherheit und Gewissheit verschaffen und gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten (vgl. Pressemitteilung IP/07/1782, MEMO 07/519 vom 28.11.2007).
51
2. Ziele. Im Wesentlichen verfolgt der Vorschlag drei Ziele. Vor allem soll die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöht und damit der Verwaltungsaufwand für die richtige Anwendung der Bestimmungen auf die entsprechenden Dienstleistungen gesenkt werden. Daneben soll die einheitliche Anwendung der Steuer gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt schaffen. Zuletzt sollen für die Unternehmer die Auswirkungen der Abzugsfähigkeit der Mehrwertsteuer besser beherrschbar werden.
52
3. Vorgeschlagene Maßnahmen. Dazu werden drei Maßnahmen vorgeschlagen. Von erheblicher Bedeutung ist die Neudefinition steuerbefreiter Dienstleistungen im Wege einer in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Verordnung, welche die bisherigen Befreiungstatbestände ausweitet. Banken und Versicherungen können sich dem Vorschlag gemäß für eine Besteuerung ihrer Dienstleistungen entscheiden. Zurzeit liegt diese Möglichkeit noch im Ermessen der Mitgliedstaaten und wird nur selten in Anspruch genommen, was zu Wettbewerbsverszerrungen führt. Die Möglichkeit sollte deshalb im gesamten Binnenmarkt bestehen. Banken und Versicherungen können bei Geschäften untereinander genauso Kosten sparen wie deren vorsteuerpflichtigen Kunden.
53
Zudem soll eine branchenspezifische Mehrwertsteuerbefreiung bei Kostenteilungsvereinbarungen eingeführt werden, so dass Banken und Versicherungen Tätigkeiten zusammenlegen und Kosten zwischen den Mitgliedern der Gruppe teilen können, ohne dass zusätzlich nicht abzugsfähige Mehrwertsteuer anfällt.
C. Weitere Vorhaben und Maßnahmen I. Leichterer Zugang der Öffentlichkeit zu Finanzdaten börsennotierter Gesellschaften. Die Europäische Kommission hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, ein elektronisches Netz zu schaffen, das die nationalen Register zur Speicherung von Finanzdaten börsennotierter Gesellschaften miteinander verbindet. Aufgrund der Richtlinie über die Transparenzpflichten börsennotierter Gesellschaften (2004/109/EG) müssen die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene einen zentralen Speicher errichten, über den die Marktteilnehmer stets Zugang zu den vorgeschriebenen Finanzdaten der Unternehmen haben.
Micklitz/Böhnlein
54
2286
55
56
57
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten nun, mit Hilfe der CESR eine elektronische Vernetzung ihrer Zentralspeicher in die Wege zu leiten. Langfristiges Ziel ist, für die Anleger eine einzige Anlaufstelle für die vorgeschriebenen Finanzdaten börsennotierter Gesellschaften zu schaffen (vgl. dazu Pressemitteilung IP/07/1494 vom 15.10.2007). II. Verordnung über Rechnungslegungsgrundsätze. Am 21.12.2007 hat das Europäische Parlament die Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG angenommen. Damit wird die Grundlage für Entscheidungen geschaffen, auf welcher Basis Drittland-GAAP („Generally Accepted Accounting Principles“) als den IFRS („International Financial Reporting Standards“) der EU gleichwertig anzusehen sind. Ziel der EU ist die Festlegung international anerkannter Rechnungslegungsstandards für börsennotierte Unternehmen, so dass auf die derzeitigen schwerfälligen und finanziell aufwendigen Abstimmungsauflagen verzichtet werden kann. Bei grundsätzlicher Anwendbarkeit ab 2009 gelten Übergangsfristen bis zum Jahr 2011 (vgl. Pressemitteilung IP/08/20 vom 08.01.2008). III. Zulassungsbedingungen zum Finanzsektor. Mit der weitgehenden Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie in den Mitgliedstaaten sind die Arbeiten auf diesem Sektor zwar weit vorangekommen, doch werden Änderungen durch andere Richtlinien folgen. Die MiFID nimmt bei der Zulassung von Finanzdienstleistern und den weiteren Ausübungsbedingungen Bezug auf die Richtlinie 93/6/EWG und modifiziert diese bis zu deren Revision (Art. 67 Finanzmarktrichtlinie). Nunmehr gilt hier die Richtlinie 2006/49/EG (vgl. dort Art. 52), Art. 12. Diese Änderungen beziehen sich auf das notwendige Anfangskapital. Ferner müssen die Gewerbetreibenden die Mitgliedschaft in einem zugelassenen Anlegerentschädigungssystem im Sinne der Richtlinie 97/9/EG nachweisen können (Art. 11). Hinsichtlich dieser Eigenkapitalvorschriften in Richtlinie 2006/48/EG und 2006/49/EG sind derzeit Änderungen geplant, das Konsultationsverfahren wurde eingeleitet (Pressemitteilung IP/08/583 vom 17.04.2008). IV. Berichte der interinstitutionellen Überwachungsgruppe zur besseren Regulierung von Finanzdienstleistungen. Teil des Konzeptes des FSAP ist die ständige Überwachung der getroffenen Maßnahmen und Bewertung ihrer Effizienz. Neben dem regelmäßig erscheinenden Financial Integration Monitor (FIM; s. u.a. Pressemitteilung IP/03/ 1458 vom 27.10.2003, IP/04/601 vom 06.05.2004, IP/06/1072 vom 28.07.2006) veröffentlichte die Kommission den sog. Fortschrittsbericht über den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen (Pressemitteilung IP/07/270 vom 01.03.2007). Kernstück dieser Praxis sind die Berichte der interinstitutionellen Überwachungsgruppe über das LamfalussyVerfahren, die jeweils auch weitere Verbesserungsvorschläge enthalten (vgl. z.B. Pressemitteilung IP/07/108 vom 30.01.2007). Der dritte und letzte Bericht wurde zwischenzeitlich veröffentlicht. Die Gruppe legte allgemeine Bewertungen des Konzeptes und seiner Leistungsfähigkeit sowie konkrete Empfehlungen vor, wie der Prozess insgesamt verbessert werden könnte. Das Lamfalussy-Konzept habe einen erheblichen Beitrag zur Integration der europäischen Finanzmärkte geleistet, was das institutionelle Gefüge jedoch vor neue Herausforderungen stelle. Insbesondere die Funktion der „Level-3-Ausschüsse“ sollte aufgewertet werden, ein Forum für die Koordinierung der Aufsicht und Regulierung sei geboten, die Entwicklung von Aufsichtsinstrumenten und –verfahren solle erleichtert und das Vertrauen zwischen den einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden gestärkt werden (vgl. Pressemitteilung IP/07/1495 vom 15.10.2007).
Micklitz/Böhnlein
§ 77 Europarechtlicher Ausblick
2287
Seit 2007 gibt es eine neue Form des Berichts im Rahmen der Überwachung der europäischen Finanzmarktintegration, der die beiden früheren Berichte fortan zusammenfasst als „European Financial Integration Report“ (EFIR). Für 2007 konnte dort festgestellt werden, dass die EU-Finanzdienstleistungsbranche international wettbewerbsfähiger geworden ist. Hauptaugenmerk legt der Bericht auf die Themen Integration, Marktstrukturen und Wettbewerb, Effizienz und Innovation sowie Stabilität des Finanzsystems (vgl. Pressemitteilung IP/07/1921 vom 13.12.2007).
Micklitz/Böhnlein
58
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil
2289
§ 78 Länderteil
1. Belarus
§ 78 Länderteil Schrifttum Klim, Kontrol i nadzor za deyatelnostju bankov i nebankovskich kreditno-finansovych organisatsiy [Kon– Belarus trolle und Aufsicht über Banken und weitere Finanzinstitutionen], ConsultantPlus 10.01.2006; Podgrusha, Dogovor bankovskogo vklada (deposita) [Die Kontenvereinbarung], ConsultantPlus 22.02.2007; Sapharevich, Banki kak agenty valyutnogo kontrolya [Die Rolle von Banken als Vertreter bei der Währungskontrolle], ConsultantPlus 01.03.2007; Tomkovich, Novaya redaktsiya bankovskogo kodeksa: Izmeneniya kreditowanii [Ergänzungen zum Bankgesetz: Änderung der Darlehensvergabe (Kommentar zu Kapitel 18 des Bankgesetzes „Bank Darlehen“)], ConsultantPlus 01.11.2006; Bankovskaya garantiya i porutchitelstvo banka) (Commentary on Chapter 20 of Banking Code [Bankgarantie und Bürgschaft (Kommentar zu Kapitel 20 des Bankgesetzes)], ConsultantPlus, 01.11.2006; Pravovie aspekti rastchotnich otnosheniy [Rechtliche Bedingungen des Kontenausgleichs] R.. ConsultantPlus15.03.2007.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Kredite und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 7
I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 C. Konten und Geldtransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Geldtransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Stichwortverzeichnis Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Bankbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Hypothek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Nationalbank von Belarus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Sicherungsdepot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 10 Zahlungsmitteltransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 9
A. Rahmenbedingungen
1
I. Banksystem. Die allgemeine Struktur des Bankensystems ist gesetzlich durch das Bankrechtsgesetz (Nationales Gesetzesregister, 26.07.2006, N 113, 2/1243, nachfolgend: BG) geregelt. Gemäß Art. 6 BG besteht das Bankensystem aus der Nationalbank der Republik Belarus (www.nbrb.by) sowie Geschäftsbanken und Nichtbankkredit- und Finanzorganisationen. Als Zentralbank ist die Nationalbank eine staatliche Institution mit der Aufgabe, das Kreditsystem und den Geldumlauf zu steuern sowie den Zahlungsablauf zu regeln. Sie hat das Exklusivrecht der Geldemission (Art. 7 BG) und den Auftrag die Richtlinien der Finanzpolitik zu bestimmen (Art. 26 BG). Darüber hinaus ist sie Kontrollinstitution für sämtliche Bankgeschäfte (Art. 34 BG). Verwaltende Körperschaften der Nationalbank sind ihr Vorstand und der Verwaltungsrat (Art. 59 BG). Der Vorstand ist das oberste Verwaltungsorgan. Der Vorstandsvorsitzende sowie die Vorstandsmitglieder werden durch den Staatspräsidenten unter Berücksichtigung des Zustimmungserfordernisses durch die obere Kammer des Parlaments für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt (Art. 61 BG). Entscheidungen des Vorstandes ergehen durch einfache Mehrheit gefaßt, sofern ein Quorum von 75 % der Mitglieder erreicht ist (Art. 63 BG). Der Verwaltungsrat ist ein vollziehendes Organ und seine Mitglieder werden durch den Vorstand ernannt (Art. 65 BG).
Klauberg/Kozlova
2
2290
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
3
II. Bankenaufsicht. Das grundlegende durch die Nationalbank auszuübende Aufsichtsrecht ist im BG geregelt (Art. 34 BG), wonach Regelungen zur Offenlegung von Informationen durch die Banken von der Nationalbank zu bestimmen sind. Mithin sind die Banken gemäß § 7 Verordnung des Vorstandes der Nationalbank über die Offenlegung von Informationen über Bank- und Nichtbankkreditvergaben und Finanzorganisationen vom 19. Januar 2006, N 6, Nationales Gesetzesregister, 06.03.2006, N 36, 8/ 13937 (nachfolgend: Verordnung zur Offenlegung genannt) angehalten, jährliche Berichte und Buchprüfungsberichte zu erstellen, mit dem Ziel der Überprüfung der Finanzinstitutionen durch die Behörden zu gewährleisten. Zudem sind die Banken verpflichtet ihre Quartalsberichte zu veröffentlichen (§ 8 Verordnung zur Offenlegung). Die Banken sind berechtigt weitere Informationen offenzulegen; ausgenommen davon sind Bankgeheimnisse oder Geheimnisse von durch das Gesetz geschützten Personen (§ 4 Verordnung zur Offenlegung).
4
Die Voraussetzungen für die Führung der Buchhaltung der Bank, insbesondere im Hinblick auf die notwendigen Qualifikationen werden gleichfalls von der Nationalbank in besonderen Bestimmungen vorgegeben (Regelungen des Vorstandes der Nationalbank zur Begutachtung der Einhaltung von Qualifikationsvorgaben und Vorgaben bezüglich des geschäftlichen Ansehens eines Leitenden und Chefbuchhalters von Bank- und Nichtbankkreditvergaben und Finanzorganisationen und deren Vertreter vom 28. September 2006, N 140, Nationales Gesetzesregister, 26.10.2006, N 171, 8/ 15166). Ferner legt die Nationalbank wirtschaftliche Voraussetzungen für den Bankbetrieb fest, einschließlich der Mindesteigenkapitalbestimmungen (§ 3 Verordnung des Vorstandes der Nationalbank zu wirtschaftlichen Vorgaben bei Bank- und Nichtbankkreditvergaben und Finanzorganisationen vom 28. September 2006, N 137, Nationales Gesetzesregister 16.11.2006, N 186, 8/15213) die derzeit für die Gründung einer Bank 5 Millionen Euro beträgt. Die im Rahmen der Überprüfung der Aktivitäten einer Bank zulässigen Maßnahmen sind in der Prüfungsverordnung bestimmt. Im Rahmen einer Prüfung werden unter anderem der finanzielle Zustand, die Rechtmäßigkeit der Geschäftsabläufe einer Bank, die Zuverlässigkeit der Buchhaltung sowie die bestehenden Risiken für das Bankgeschäft bewertet (§ 10 Verordnung des Vorstandes der Nationalbank über das Verfahren der Überprüfung von Bank- und Nichtbankkreditvergabe und Finanzorganisationen durch die Nationalbank vom 31. Januar 2007, N 35, Nationales Gesetzesregister, 02.04. 2007, N 79, 8/ 16008). Nach Art. 13 BG sind Banken nur nach dem Erwerb einer Lizenz, welche durch die Nationalbank erteilt wird, zur Geschäftsaufnahme berechtigt (s. dazu Verordnung des Vorstandes der Nationalbank zur Registrierung und Lizenzierung von Bank- und Nichtbankkreditvergaben und Finanzorganisationen vom 28. Juni 2001, N 175, Nationales Gesetzesregister, 23.08.2001, N 77, 8/6419).
5
III. Bedeutende Rechtsquellen. Die grundlegenden Bestimmungen zum Bankensystem sind durch das Bankrechtsgesetz (BG) geregelt. Obwohl das BG alle Belange des Bankrechts umfasst, sind dennoch einige wesentliche Regelungen hinsichtlich besonderer Belange in anderen Gesetzen enthalten. Detaillierte Regelungen zu Zahlungen sind in der Zahlungsverordnung (Präsidialverordnung über Zahlungen zwischen Rechtspersonen und Einzelunternehmen, N 359, Nationales Gesetzesregister, 14.07.2000, N 64, 1/ 1403), im Währungsgesetz (Gesetz zur Währungsregulierung und Währungskontrolle, Nationales Gesetzesregister, 04.08.2003, N 85, 2/978) und in der danach erlassenen entsprechenden Verordnung vorgesehen. Darüber hinaus ist das Zahlungsverfahren mittels automatisierten Zahlungssystem in der Verordnung des Verwaltungsrats der Nationalbank über Zahlungen zwischen Banken mittels dem Interbank- Zahlungssystem
Klauberg/Kozlova
§ 78 Länderteil – Belarus
2291
der Nationalbank (N 37, Nationales Gesetzesregister, 06.04.2005, N 53, 8/12306) bestimmt. Grundlegende Regeln zu Krediten sind sowohl im BG als auch in der Verordnung des Verwaltungsrates der Nationalbank über die Vergabe und Rückzahlung von Krediten (N 226, Nationales Gesetzesregister 04.02.2004, N 19, 8/10459) enthalten. Die Regelungen über Kreditsicherheiten enthält das Zivilgesetzbuch (Mitteilungsblatt der Nationalversammlung der Republik Belarus, 05.03.1999, N 7-9) in Art. 110. Aber darüber hinaus befinden sich Vorschriften zu bestimmten Sicherheiten auch im Gesetz über Wertpapiere und den Börsenhandel (Mitteilungsblatt der Nationalversammlung der Republik Belarus 1992, N 11, Art. 194), nachfolgend: Wertpapiergesetz, dem Wechselgesetz (Mitteilungsblatt der Nationalversammlung der Republik Belarus, 1999, N 36, Art. 585) und dem Hypothekengesetz (Nationales Gesetzesregister, 01.07.2008, N 157, 2/1442). Die Aktivitäten der Wertpapierbörse und die Registrierung von Sicherheiten sind durch das Wertpapiergesetz geregelt. Weitere wichtige Rechtsquellen sind: Präsidialverordnung über Vorzugskreditgewährung an natürliche Personen für die Errichtung von Bauwerken (Wiederaufbau) oder den Erwerb von Wohngebäuden vom 14. April 2000, N 185, Präsidialverordnung über Belange der Sicherheiten der Marktregulation (Nationales Gesetzesregister, 10.05.2006, N 71, 1/ 7529), Gesetz über das Pfandrecht (Mitteilungsblatt der Nationalversammlung der Republik Belarus, 1993, N 35, Art. 449), Gesetz über die Währungsregulierung und Währungskontrolle (Nationales Gesetzesregister, 04.08.2003, N 85, 2/978), Gesetz zur Verhinderung der Legalisierung von illegalen Einkünften und Finanzierung von terroristischen Aktivitäten (Nationales Gesetzesregister, 21.12.2005, N 196, 2/1165), Gesetz über Depotaktivitäten und Zentralem Sicherheitsdepot (Nationales Gesetzesregister, 30.07.1999, N 56, 2/61), Wechselgesetz (Mitteilungsblatt der Nationalversammlung der Republik Belarus, 1999, N 36, Art. 585), Gesellschaftsrechtsgesetz (Nationales Gesetzesregister, 01.02.2006, N 18, 2/1197), Verwaltungsvorschrift über Leasing innerhalb des Gebietes Belarus vom 31. Dezember 1997, N 1769 (Republika, N 18-19, 1998), Verordnung des Verwaltungsrates der Nationalbank über die Vergabe und Rückzahlung (Nationales Gesetzesregister 04.02.2004, N 19, 8/10459), Verordnung des Verwaltungsrates der Nationalbank über die Eröffnung und Schließung von Bankkonten (Nationales Gesetzesregister, 01.11.2007, N 261, 8/17262), Verordnung des Verwaltungsrats der Nationalbank über die Leitbestimmungen von Geldtransaktionen (Nationales Gesetzesregister, 20.05.2004, N 76, 8/10973), Verordnung des Verwaltungsrats der Nationalbank über das Konzept der Entwicklung des nationalen Verrechnungssystems bis 2010 (Mitteilungsblatt der Nationalbank, N 18, 30.06.2004), Bestimmte Gesetze und Verordnungen aus dem Bereich des Bank- und Finanzrechts liegen in englischer Übersetzung auf der Website der Nationalbank (Rn. 1) vor.
6
B. Kredite und Kreditsicherheiten
7
I. Kreditformen. Die Rahmenbedingungen für Kredite und Darlehen sind durch das BG bestimmt, das die Formerfordernisse der Kreditvergabe und -auszahlung, Zahlungsbedingungen, die Kreditrückführung sowie die Arten von Kreditsicherheiten regelt. Weitere Kreditvorschriften sind in der von der Nationalbank erlassenen Verordnung über die Vergabe und Rückzahlung von Krediten vom 30. Dezember 2003, N 226 (Nationales Gesetzesregister 04.02.2004, N 19, 8/10459) (nachfolgend: Kreditverordnung) enthalten. Danach sind Banken berechtigt, Geld in der Form eines gewöhnlichen Kredits, eines Überziehungskredits und eines verlängerbaren Dispositionskredits zu verleihen (§ 1 Kreditverordnung). In Abhängigkeit von den Laufzeiten der Rückzahlung werden die
Klauberg/Kozlova
2292
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Kredite in Kredite mit kurzer Laufzeit (diese sehen eine Rückzahlungslaufzeit bis zu einem Jahr vor) und Kredite mit langer Laufzeit (welche eine Rückzahlungslaufzeit von über einem Jahr festlegen), unterschieden (§ 5 Kreditverordnung). Kredite werden natürlichen Personen gewährt und unterschieden in Kredite zur Immobilienfinanzierung und in Verbraucherkredite (§ 5 Kreditverordnung). Darüber hinaus sind Mikrokredite vorgesehen, die den Betrag von 262 500 000 Belarussische Rubel nicht übersteigen. 8
Die Banken sind beim Festlegen der Zinssätze ebenso frei, wie bei der Häufigkeit des Zinsanfalls und den Zahlungsterminen (Art. 145 BG). Abgesehen vom Zins ermöglicht das BG den Banken, eine Gebühr oder Provision für die Inanspruchnahme eines Kredits in Rechnung zu stellen (Art. 137 BG). Die Höhe der Provision wird ebenfalls von den Banken festgelegt. Wenn gleich die Banken bei der Festlegung des Zinses frei sind, so wird dieser wesentlich von dem Refinanzierungszins beeinflusst, welcher durch die Nationalbank festgelegt wird (Art. 31 BG).
9
Die allgemeinen Bestimmungen zur Kreditbeendigung sind gleichfalls im BG ausgestaltet (Kap. 18). Im Regelfall fällt die Kreditvereinbarung mit Rückzahlung des Kredits, des gesamten Zinsbetrags und der der Bank geschuldeten Provision weg. Das BG trifft Regelungen für bestimmte Sachverhalte. Dementsprechend darf zum Beispiel der Kreditnehmer den Erhalt des gesamten Kreditbetrages oder eines Teils ablehnen, wenn er den Gläubiger hierüber innerhalb der im Vertrag vereinbarten Frist in Kenntnis setzt (Art. 142 BG). Außerdem kann der Kreditnehmer den Vertrag durch Vorauszahlungen beenden. Dies ist unter bestimmten Umständen möglich, nämlich entweder wenn diese Möglichkeit durch Vereinbarung vorgesehen ist (für gewöhnlich gegen Zahlung einer bestimmten Gebühr, allerdings kann die Vereinbarung, auch die Tilgung ohne das eine Gebühr zu zahlen ist, vorsehen) oder , wenn keine derartige Vereinbarung vorliegt, bei Zustimmung des Kreditgebers (Art. 143 BG). Der Kreditgeber kann eine Kreditvereinbarung dann kündigen, wenn der Kredit zu einem bestimmten Zweck gewährt worden ist und der Kreditnehmer entweder diesen Zweck nicht verfolgt oder die Bank bei ihrer Überwachung behindert. In diesem Fall ist die Bank dazu berechtigt die Beendigung der Vereinbarung, die Rückzahlung des Kredits, die Zahlung fälliger Zinsen und anderer Ausstände, zu verlangen (Art. 144 BG). Das gleiche Recht hat die Bank für den Fall, dass der Kreditnehmer den Kredit nicht zurückzahlt (Art. 143 BG). Sofern der Kreditnehmer eine Zahlung nicht rechtzeitig erbringt, sind erhöhte Zinsen für die Nutzung zu zahlen, es sei denn, dass der Kredit zurückgezahlt wird ( Art. 145, BG).
10
Verbraucherdarlehen können nur an natürliche Personen zur nicht gewerblichen Nutzung vergeben werden, um damit die Bezahlung von Verbraucherbedürfnissen vornehmen zu können. Verbraucherdarlehen werden zudem auch an natürliche Personen vergeben, welche betriebliche Tätigkeiten ausführen, die gemäß der Gesetzgebung nicht der Handelstätigkeit zugerechnet werden, obwohl sie Gewinn erwirtschaften, einschließlich der Handwerksarbeit, des Agrotourismus und der weiteren in § 5 Kreditverordnung genannten Tätigkeiten. Zu erwähnen ist, dass das Bankrecht für Verbraucherverträge im Gegensatz zu Immobilienfinanzierungsdarlehen keine näher bestimmten Regelungen vorsieht, weshalb diese unter gewissen Umständen mit reduziertem Zinssatz (3% oder 5%) und für einen längeren Zeitraum (bis zu 40 Jahren) gewährt werden können (§ 1.4. Präsidialverordnung über Vorzugskreditgewährung an natürliche Personen für die Errichtung von Bauwerken (Wiederaufbau) oder den Erwerb von Wohngebäuden vom 14. April 2000, N 185).
11
Abgesehen von Bankgeschäften sind Banken berechtigt Dienstleistungen auf dem Gebiet des Finanzierungs- und Operatingleasing anzubieten (Art. 14 BG). Die wesentlichen
Klauberg/Kozlova
§ 78 Länderteil – Belarus
2293
Leasingbestimmungen sind im Ziviligesetzbuch (ZG) Kapitel 34, Abschnitt 6) und der Verwaltungsvorschrift zum Leasing innerhalb des Gebietes Belarus vom 31. Dezember 1997, N 1769 (Republika, N 18-19, 1998), nachfolgend: Leasingbestimmungen, enthalten. Die Leasingbestimmungen unterscheiden zwischen Finanzierungs- und Operatingleasing. Danach hat bei einer Vereinbarung eines Finanzierungsleasings der Leasingnehmer mehr als 75 % des Wertes des Leasingobjektes zu erstatten und das Recht dieses sodann zu erwerben. Der Zeitraum einer solchen Vereinbarung darf nicht kürzer als ein Jahr sein. Bezüglich des Operatingleasing dürfen die Leasingzahlungen nicht mehr als insgesamt 75 % betragen. Nach dem Ablauf der Vereinbarung muss das Leasingobjekt an den Leasinggeber zurückgegeben werden. Belarus ist zudem Partner der UNIDROIT Konvention zum internationalem Finanzierungsleasing von 1988. II. Kreditsicherheiten. Das BG sieht folgende Kreditsicherheiten vor: das Sicherheitsdepot, die Eigentumsübertragung, das Pfandrecht, die Hypothek, das Sicherungseigentum und die Bürgschaft (Art. 147 BG). Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend; es können ebenso andere Sicherungsmittel vertraglich durch die Parteien vereinbart werden. Die Hypothek ist derzeit im ZG (§ 3, Kapitel 23), in Art. 150 des BG und im Gesetz zum Pfandrecht vom 24. November 1993 (Mitteilungsblatt der Nationalversammlung der Republik Belarus, 1993, N 35, Art. 449), nachfolgend: Pfandrechtsgesetz, geregelt. Für die Hypothekenvereinbarung gilt das Erfordernis der Schriftform sowie der Grundbuchregistrierung (Art. 320). Ein neues Hypothekengesetz tritt am 23. Dezember 2008 in Kraft. Es sieht grundlegende Änderungen im Hypothekenrecht vor und beinhaltet darüber hinaus zusätzliche Regelungen bezüglich der Formerfordernisse an die Hypothekenurkunde (Kap. 3), die zukünftig bereits zum Zeitpunkt der Eintragung von einem Grundbuchbeamten ausgestellt worden sein muss. Die Hypothekenurkunde kann auch auf andere Personen übertragen werden. Um die Übertragung durchzuführen, ist diese im Grundbuch zu verzeichnen. Der neue Hypothekengläubiger ist dann verpflichtet den Hypothekenschuldner unverzüglich über die Übertragung zu unterrichten. Danach ist der Hypothekenschuldner nur noch berechtigt seine Pflichten gegenüber dem neuen Gläubiger zu erbringen.
12
Bei einem Vertrag zur Eigentumsübertragung wird die Bank (Kreditgeber) Eigentümerin der übertragenen Immobilie, welche der Bank von ihrem Kreditnehmer als Sicherheit für den Fall übertragen wird, dass der Kreditnehmer der Rückzahlung des Darlehens nicht nachkommt. Falls der erzielte Wert des übertragenen Eigentums die noch ausstehende Kreditschuld übersteigt, so ist die Bank verpflichtet, den Überschuss an den Kreditnehmer auszuzahlen. Der Darlehensnehmer hat zudem einen Anspruch darauf, nachdem das gesicherte Darlehen ordnungsgemäß getilgt wurde, sein Eigentum zurückzuerhalten (Art. 149 BG).
13
Das Sicherungseigentum und die Bürgschaft sind durch § 5 und § 6, Kapitel 23 ZG geregelt. Für Sicherungseigentums- und Bürgschaftsverträge gilt das Schriftformerfordernis, dessen Nichtbeachtung die Ungültigkeit zur Folge hat (Art. 342 ZG). Nach dem jeweiligen Vertrag wird der Bürge gegenüber dem Gläubiger entweder nachrangig oder gemeinschaftlich, völlig oder teilweise verpflichtet (Art. 343, 349 ZG). Im Gegensatz zum Sicherungseigentum besitzt der Bürge bei einer Bürgschaft nicht das Recht, gegen den Kreditnehmer eine Regressklage zu erheben (Art. 349 ZG). Banken können gleichfalls Bürgschaften stellen (Kapitel 20 BG).
14
Die Pfandrechtsbestellung ist in Art. 150 des BG ist als Sicherheit für einen Kredit vorgesehen. Das Pfandrecht erfährt seine Regelung durch § 3, Kap. 23 des ZG und durch das Pfandrechtsgesetz. Danach (Art. 320 ZG) bedürfen Pfandrechtsverträge der
15
Klauberg/Kozlova
2294
16
17
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Schriftform und der Registrierung für den Fall, dass Vermögensgegenstände hinterlegt werden. Gemäß Art. 148 des BG kann der Bürge oder eine andere Person einzelne Geldsummen auch auf das Konto, welches vom Kreditnehmer zwecks Bestellung einer Kreditsicherheit eröffnet worden ist, ein Sicherungsdepot, einzahlen. Die Bank kann für den Fall, dass der Kreditnehmer den Kredit nicht vertragsgemäß zurückzahlt, die Geldsumme in Höhe der Schulden von diesem Konto eintreiben (Art. 148 BG).
C. Konten und Geldtransfer I. Konten. Bankkonten sind in Kapitel 22 BG geregelt, welches u.a. die Bestimmungen für Verträge über Bankkonten, die Beendigung und Kündigung eines Kontovertrages, die Verfügungsberechtigung über das Konto, die Vergütung der Bank vorsieht. Danach können Bankkonten von natürlichen und juristischen Personen eröffnet werden. Die Bank ist verpflichtet mit jeder Person einen Vertrag über ein Bankkonto, vorbehaltlich der durch die Bank vorgeschriebenen Richtlinien zur Eröffnung eines Bankkontos, abschließen (Art. 199 BG), wobei die Anzahl der Konten sowohl für nationale oder ausländische Währung nicht begrenzt ist (§ 3 der Verordnung des Verwaltungsrates der Nationalbank über die Eröffnung und Schließung von Bankkonten vom 20. Juni 2007, N 127, Nationales Gesetzesregister, 01.11.2007, N 261, 8/17262, nachfolgend: Kontobestimmungen). Weitere Konten werden eröffnet, wenn die in den Kontobestimmungen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Zudem legt das BG die Arten von Konten, nämlich Girokonten (Art. 197 BG), Kurzzeitkonten (Art. 208 BG), Geschäftskonten (Art. 209 BG), Spendenkonten (Art. 210, BG) und Kreditkonten (Art. 211 BG), fest. Genauerer Vorschriften zur Eröffnung und Schließung eines Kontos sind in den Kontobestimmungen vorgesehen, einschließlich der vorzulegenden Dokumente, der zulässigen Gründe für die Eröffnung eines weiteren Kontos sowie die verschiedenen Eigenarten der Kontotypen. Eine Besonderheit stellt das Kurzzeitkonto dar, welches für einen speziellen Zeitraum und Zweck eröffnet wird (z.B. Nachweis bewilligter Gelder vor Gesellschaftsgründung) (Art. 208 BG), wobei die Verfügungsgewalt über das Geld eines Kurzzeitkontos entsprechend eingeschränkt sind und lediglich Rücküberweisungen an die Gründer oder Überweisungen auf das Girokonto der Gesellschaft nach deren Gründung möglich sind.
18
II. Geldtransfer. Allgemeine Vorschriften über Zahlungen sind in Art. 775c ZG und Kapitel 24 BG enthalten. Gemäß Art. 231 BG sind Zahlungen in bar und bargeldloser Form möglich. Bargeldlose Zahlungen werden in Form von Überweisungen, Kreditbriefen und Einzugsermächtigungen vorgenommen (Art. 231 BG). Barzahlungen werden gewöhnlich von natürlichen Personen vorgenommen, wohingegen juristische Personen und Einzelunternehmer Zahlungen in bargeldloser Form vornehmen müssen, sofern dies gesetzlich vorgesehen ist (Art. 775 ZG). Diese und andere Belange, betreffend die Zahlung zwischen juristischen Personen und Einzelunternehmern, sind durch die Präsidialverordnung über Zahlungen zwischen Rechtspersonen und Einzelunternehmen (vom 29. Juni 2000, N 359, Nationales Gesetzesregister, 14.07.2000, N 64, 1/ 1403, nachfolgend: Zahlungsverordnung) geregelt. Danach sind Barzahlungen zwischen Gesellschaften und Einzelunternehmern nur möglich, wenn die Summe 1 750 000 Belarussiche Rubel im Zeitraum eines Monats nicht übersteigt (§ 5.1 Zahlungsverordnung). Die Zahlungsverordnung sieht jedoch auch Fälle vor, in denen es juristischen Personen erlaubt ist, diese Summe zu überschreiten, so wenn Zahlungen für Dienstleistungen (ausgenommen die Pacht von Firmengrundstücken) vorgenommen werden, welche der Handel in eben dieser Form vorsieht (§ 5.2 Zahlungsverordnung).
Klauberg/Kozlova
§ 78 Länderteil – Belarus
2295
Abgesehen von den Zahlungsarten schreibt der Gesetzgeber detaillierte Vorschriften bezüglich der Belange des Zahlungsmitteltransfers vor. So ist es entsprechend dem Gesetz über Währungsregulierung und Währungskontrolle (vom 22. Juli 2003, Nationales Gesetzesregister, 04.08.2003, N 85, 2/978, nachfolgend: Währungsgesetz) den in Belarus ansässigen Personen (d.h. juristischen Personen, die in Belarus registriert sind) nicht erlaubt, Zahlungen in fremder Währung an andere in Belarus ansässige Personen vorzunehmen, es sei denn, dass gesetzlich etwas abweichendes vorgesehen ist (Art. 11 Währungsgesetz). Indes können Nichtortsansässige (d.h. solche Gesellschaften, die nicht in Belarus registriert sind) entweder ausländische Währung oder Belarussische Rubel in Abhängigkeit von ihrem Kontostand nutzen (Art. 16 Währungsgesetz). Die Nationalbank ist dazu ermächtigt die Kontrolle über die Währungsmittel auszuüben und Regeln des Zahlungsmittelsgebrauchs zu schaffen (Art. 21 Währungsgesetz). Daher wurden detaillierte Vorschriften über den Gebrauch von fremden Zahlungsmitteln und Belarussische Rubel durch die Nationalbank erlassen. Danach sind Zahlungen zwischen in Belarus Ansässigen und Nichtansässigen in ausländischer Währung möglich, deretwegen die Nationalbank einen Wechselkurs eingerichtet hat. Belarussische Rubel können jedoch nur genutzt werden, sofern dies durch eine internationale Vereinbarung oder ein Gesetz festgeschrieben oder durch die Nationalbank zugelassen sind (Art. 23 Währungsgesetz). Nach dem Gesetz gegen illegale Einkünfte sind die Banken verpflichtet den Geldtransfer zu überwachen und die zuständige Überwachungsabteilung (Dezernat der Finanzüberwachung unter staatlicher Aufsicht) über Transaktionen in Fällen zu unterrichten, in denen die Bank vermutet, dass eine Transaktion vorgenommen wird, um illegale Gewinne zu verschleiern oder terroristische Akte zu finanzieren. Dies gilt auch wenn der Verdacht besteht, dass einer der Parteien an einer Transaktion in terroristische Aktivitäten involviert ist, aber auch wenn eine Parteien an einer Transaktion ihren Geschäftsitz (oder Aufenthaltsort) in einem Land hat, welches nicht Partner der Konvention zur Bekämpfung illegaler Gewinne und Terrorismus ist und schließlich wenn der Betrag einer Transaktion 70 000 000 Belarussische Rubel im Fall einer natürlichen Person oder 700 000 000 Weißrussische Rubel im Fall einer juristischen Person, übersteigt. Zahlungen werden im Nationalen Zahlungssystem (NZS) ausgeführt, welches in Übereinstimmung mit dem Regeln die durch die Nationalbank geschaffen wurden, funktioniert. Nach dem Konzept des Zahlungssystems beinhaltet das NZS das InterbankenZahlungssystem (IAZS). Das IAZS ist sowohl Teil des belarussischen Interbanken-Zahlungssystems, welches für Pauschal- und Eilzahlungen im Echtzeitverfahren vorgesehen ist, als auch des Abrechnungssystems für untergeordnete und nicht bevorzugte Zahlungen. Abgesehen vom IAZS und NZS sowie dem Abrechnungssystem für den Wertpapierhandel und den Einzelhandel, wird für Zahlungen auch das Kreditkarten-Zahlungssystem mittels Kreditkarte genutzt (Verordnung des Verwaltungsrats der Nationalbank über Zahlungen zwischen Banken mittels dem interbanklichen automatisierten Zahlungssystem der Nationalbank von Belarus vom 10. März 2005, N 37, Nationales Gesetzesregister, 06.04.2005, N 53, 8/12306).
Klauberg/Kozlova
19
20
21
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Belgien
2297
2. Belgien
§ 78 Länderteil Schrifttum – Belgien Anon, Crédit a la consommation, JJP 1998, 531-614; Anon, Beurs – Bourse. Dossier, Rev. Banque 1998, 126; Anon, Évolutions boursières, Rev. Banque 2000, 437; Bellinger, „Pfandbrief“: Quels arguments plaident en faveur du financement de l’immobilier au moyen des obligations foncières?, Rev. Banque 1993, 139; Bette, Vertraglicher Abtretungsausschluss im deutschen und grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr, WM 1994, 1909; Biquet-Mathieu, Le sort des intérêts dans le droit du crédit, 1998; Bouloc, Le cautionnement donné par le dirigeant d’une société, Revue des sociétés 1992, 1-21; Bruyneel, Le secret professionnel de la Commission bancaire et financière, Rev. Banque 1994, 28; Bruyneel, La reforme 19951997 des marchés et intermédiaires financiers, Rev. Banque 1997, 519; Bruyneel/van den Haute, Chronique de droit bancaire privé, Rev. Banque 1999, 388; Bruyneel/van den Haute, Chronique de droit bancaire privé, Rev. Banque 2000, 539; Bruyneel/van den Haute, Chronique de droit bancaire privé – Les opérations de banque 2002-2003, Droit bancaire et financier 2005/IV; Bruyns/Buysschaert, La location – financement ou leasing mobilier, JT 1994, 461; Bruyns, La location-financement ou leasing mobilier (1993-1998), JT 1999, 201; Buyle/Delernieux, Jurisprudence commentée en droit bancaire et financier, R.D.C. 2007/1, 40; Buyle, Les devoirs précontractuels du prêteur en matière de crédit à la consommation et la charge de la preuve du manquement à ces obligations, R.C.J.B. 2005/4, 683; Buyle/Creplet, Les conditions générales de Banque. Les opérations sur instruments financiers, in les conditions générales bancaires, Bruylant, 2005, 307 à 381; Buyle/Mairlot, Le statut des intermédiaires en services bancaires et en services d’investissement après la loi du 22 mars 2006, Droit banciare et financier, 2007, 123. Buyle, Les jardins secrets du compte bancaire professionnel de l’avocat (dans:liber amicorum lucien simont), 2000; Carton de Tournai/Mertens de Wilmars, Répertoire notarial, Tôme II Livre 6, 1974; Conseil Superieur des finances, Section „Besoins de financement des pouvoirs publics“, Rapport annuel 2002; Coriat, La reconnaissance d’un contrat bancaire: le compte courant, Revue trimestrielle de droit commercial 1989, 597; Creplet, „Les opérations sur instruments financiers“, in Les conditions générales bancaires texte, cahier de l’AEDBF, n°17, Bruylant, Bruxelles, 2005; Dal/Corbisier, Les instruments de paiement et le crédit (1980-1989), J.T. 1990, 429; Dassesse, Les services financiers: Banques et Assurances, JT (Droit Européen) 1996, 15-19; Dégué/Devos, La loi relative aux sûretés financières du 15 décembre 2004 – Lignes directrices, Droit bancaire et financier 2005/III, 155-163; Delahaut, La doctrine de la commission bancaire et financiere en matiere de changement de controle des entreprises apres l’affaire „societe generale de belgique“, Le droit des affaires 1998, 33-62; Delvaux/Moises, Droit bancaire et financement des marches publics – les dossiers du journal des tribunaux nr. 24, 2000; Dhaeyer, Le contrat du factoring en droit belge, Revue Juridique Thémis 1974, Nr. 1; Europäischer Hypothekenverband/Bearbeiter, Die Hypothekenbanken und der Pfandbrief in Europa, 3. Auflage 2001; Feron, La réforme de la Bourse, Revue pratique des sociétés civiles et commerciales 1995, 308-346; Forestini, Le régime fiscal des certificats immobiliers, Rev. Banque 1995, 283-291; Forthomme, Le marché belge des organismes de placement collectif (OPC), Rev. Banque, 1995, 129; Francquen, Quand le cautionnement consenti par un seul des conjoints est-il annulable?, R.C.J.B. 2000, 155-166; Fraselle, Crédit, endettement et surendettement des menages, Courrier hebdomadaire du C.R.I.S.P., 1998, 1-35; Gregoire, Chronique de Jurisprudence/Rechtspraakoverzicht. Les suretés réelles et les privilèges. II ième partie: 1975-2000. II. Les privilèges mobiliers, Rev. Banque 2001, 17-42; Grégoire, Chronique de Jurisprudence/Rechtspraakoverzicht – Les sûretés réelles et les privilèges,, Actualisation au 30 juin 2005, Droit bancaire et financier, 2005/V-VI; de Gottrau, Crédit documentaire et la fraude, 1999; Grégoire, Les sûretés réelles et les privilèges, Droit bancaire et financier, 2007/V, 334-343; Hanotiau, Le cautionnement d’engagements bancaires, J.L.M.B. 1993, 1090-1093; Heymans, Crédit hypothécaire, Le Monde des Assurances 1998, 17; Hoffmann, Grundzüge des belgischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, 1996; Hoffmann, Die Haftung des Kreditgebers nach belgischem Recht, WM 1986, 1073; Hürner, Aspects controversés des sûretés et privilèges financiers, Droit bancaire et financier, 2008/ I, 28-45; International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. I B; International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. IX, Chapter 3; du Jardin, Le leasing et le privilege du bailleur de l’immeuble (ou comment sauver les meubles), JT 1994, 113-118; du Jardin, Le crédit et les garanties entre societés groupées, JT 2000, 609-615; Jakhian, Le crédit hypothécaire – Examen de la loi du 4 août 1992; Jakhian, Les offres publiques d’acquisition – les dossiers du journal des tribunaux nr. 26, 2001; Karelle, Le leasing immobilier, Annales de la Faculté de droit de Liège 1996, 755-786; Keppenne/Stempnierwsky, La réforme financière de 1990. Livre II, JT 1991, 573-579; Kleynen, Un autre regard sur l’obligation de declarer les comptes bancaires etrangers, Revue Générale de Fiscalité 1997, 113-122; Köndgen, Vorzeitige Tilgung hypothekarisch gesicherter Festzinskredite, 2000; Le Brun, Les lignes de force de la nouvelle législation sur les éta-
Hök
2298
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
blissements de crédit, Rev. Banque 1993, 530-540; Ledoux, Les sûretés réelles, Croniques de jurisprudence 1994-2002, Ledoux, Loi du 13 mars 1998, Revue du Notariat Belge 1998, 553-557; Leger, Endossement de la facture, Rev. Banque 1958, 263-283; Lerouge, La libre prestation des services bancaires virtuels, JT (droit europeen) 1999, 111-114; Maes, L’endossement de la facture, JT (outre mers) 1959, 145-150; Marquette/Stuer, Les nouvelles règles de conflit de lois relatives aux titres, aux créances et aux espèces, Droit Bancaire et financier, 2007/II, 71-106; Martin, Les participants aux marchés de valeurs mobilières, Rev. Banque 1994, 573-577; Martin/Delerneux, Les garanties bancaires autonomes, 1991; Meinertzhagen-Limpens, Le cautionnement partiel: un accessoire gênant, R.D.C.B. 1998, 719-723; Merchiers, L’assurance crédit, Le monde des assurances 2000, 1-12; Meunier, Le système belge de clearing d’opérations sur valeurs mobilières, Rev. Banque 1994, 144-151; Mey, La nouvelle réforme de la bourse, Rev. Banque 1995, 522534; Moreau, La loi du 20 juillet 2005 et la décharge des personnes qui se sont constituées sûreté personnelle. Nouvelles interrogations ?, RGDC 2006, 156; Moris, Le leasing immobilier, Revue Générale de Fiscalité 1999, 43-61; Nejman, L’article 17bis de la loi du 2 mars 1989 relative à la publicité des participations importantes dans les societes côtées en bourse et reglementant les offres publiques d’acquisition, Revue des Sociétés 1998, 57-89; Pardon, Blanchiment de l’argent, Rev. Banque 1994, 221-222; Parmentier, La mise en gage d’une créance par endossement de la facture, J.L.M.B. 1988, 424-425; de Patoul/Baudoux, Le cautionnement d’une ouverture de crédit, J.L.M.B. 1993, 876-880; Philippe, La subrogation légale, support juridique du factoring belge, J.T. 1980, 233; Poelmans & Deome, Les relations entre le banquier et son client titulaire d’un compte en banque apres l’arrêt de la Cour de Cassation du 16 septembre 1993, Rev. Banque 1994, 411-418; Putzeys, La loi relative au crédit à la consommation, R.D.C. 1992, 94; Quaden, La réforme de la surveillance du secteur financier en belgique, Revue Economique 2002, III; Rigaux/Fallon, Droit international privé, Brüssel 2005; de Rijcke, Sûretés: entre crédit et discrédit, Annales de Droit 1999, 109163; Romain, Autorisation de vente du fonds de commerce gage, Rev. Banque 1994, 419-420; Romain, Faux chèque endossé, Rev. Banque 1994, 238-242; Romain, Compte à vue – faux virement – Responsabilité contractuelle du banquier. Responsabilité quasi délictuelle du client commettant du faussaire – Compensation, Rev. Banque 1994, 43-44; de Schepper, Chronique juridique – Droit bancaire, Rev. Banque 1968, 393-407; Simont/Bruyneel, Le cautionnement donné en garantie de toutes les obligations d’un debiteur envers son créancier, R.C.J.B. 1974, 211-237; Smets, La banque et les structures bancaires en Belgique de 1830 à nos jours, Rev. Banque 1973, 195-238; Streel/Libert, Le leasing mobilier en belgique, aspects comptables et fiscaux, Revue Générale de Fiscalité 1998, 388-400; T’Kint, Sûretés et principes généraux du droit de poursuite des créanciers, 4eme éd.; Taevernier/Pijcke, Description des derniers développpements legislatifs et règlementaires liés à la restruction de la place financière de Bruxelles, Rev. Banque 2000, 192-199; Tison, Sûretés bancaires et financières.(Bancaire en financiële Zekerheden), Brüssel 2004; Van Cotten, Le système belge de protection des dépôts et des instruments financiers, Rev. Banque 1999, 146-156; Van den Haute, Quel avenir pour le crédit hypothécaire en Europe, Revue de droit de l’ULB, 2001, 83-99; Van den Haute, Le Règlement général des opérations de banque et les clauses absuives : vers la consécartion du concept du <
> ?, Droit bancaire et financier, 2007/V, 351-355; Van Huffel, Commercialisation à distance des services financiers, Revue Européenne de Droit de la Consommation, 2001, 295-430; Van Huffel, Contrats à distance, services financiers à distance et commerce électronique, Cahier du Juriste 2001, 21-38; Van der Haegen, La loi relative aux sûretés financières : droit matériel du gage et droit international privé du gage et de la compensation, Droit bancaire et financier 2005/III, 179192; Van der Putte/Boon, Les organismes de placement collectif en Belgique, 1994; Voorhelst/Maerevoet/ Van den Driessche, Le leasing financier dans la pratique, 1997; Wautelet, Code de droit international privé, Droit bancaire et financier 2005/I; Watelet, La rédaction des actes notariés, 2. Auflage; Éditions Francis Lefebvre, Dossiers Internationaux, Belgien, 5. Auflage, 1998; Wymeersch, Aspects juridiques de certains nouveaux moyens de paiement, Rev. Banque 1995, 17-39; Wymeersch, Les règles de conduite relatives aux opérations sur instruments financiers, Rev. Banque 1995, 574-592.
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2299
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem und -aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Grundlagen der Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde . . . . . . . . . . . . 7 2. Besondere Verhaltenspflichten . . . . . . . . 10 3. Bankvertragliche Distanzgeschäfte . . . . 12 4. Elektronischer Geschäftsverkehr . . . . . . 13 5. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . 14 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 15 I. Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Dingliche Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Privilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Pfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4. Pfandrechte an Unternehmen . . . . . . . . . 41 5. Antichrèse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 IV. Persönliche Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Forderungsabtretung und -verpfändung . 52
V. Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leasing beweglicher Sachen . . . . . . . . . 2. Immobilienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konto- und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . I. Kontoeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Überziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bankkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einfache Anlageformen . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bons de caisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliche Schuldverschreibungen . . . . 3. Corporate Bonds und Eurobligationen . 4. Pfandbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertpapierhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalanlagegesellschaften . . . . . . . . . . . .
53 54 57 58 59 62 64 68 69 70 71 75 76 77 78 79 82 83 85 86 90 93
Stichwortverzeichnis Abbruch von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . 10 Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 34 Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Antichrèse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 42 Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 60 Ausländische Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Bankaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bankkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Bankkundengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Bankwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Baurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Belastungsvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 33 Beleihungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Belfox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Belgische Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Beratungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 18, 19 Berufsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Beweiserleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bon d’État . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Bon de caisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Börsengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73, 75, 91 Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 8, 14, 44-48 CBFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 3, 5, 71, 93 Certificat de trésorerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Certificats immobiliers . . . . . . . . . . . . . . . . 57, 94, 95 Code Civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Compte à terme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Compte á vu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Compte ouvert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Comptes de dépôt d’épargne . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Darlehnsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 59, 60 Diebstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Distanzgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
EASDAQ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Elektronischer Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . 13 Entreprise d’investissement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Escrow account . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Euronext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Euroobligation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 EVÜ (siehe Römisches Übereinkommen) . . . . . . . 14 Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Festgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Forderungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Gage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 50 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Geregelte Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85, 92 Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Gesetzliche Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Gewerbliche Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 65, 73 Hinterlegungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 60, 61 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Hypothekarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 23 Hypothekenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Hypothekenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Immobilienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Indossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Kapitalanlagegesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Kommission für das Bank- und Finanzwesen . . 2, 3 Konsensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Kontoeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Hök
2300
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Kontoüberziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Kontoverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Koppelgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kreditangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 ff. Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Kreditkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kreditrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Kreditversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Leasing beweglicher Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Marktwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Nießbrauchsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Notarielle Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Obligation de résultat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Obligation linéaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 OCA (CBFA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 4 OPC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93, 94 Pfandbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 83, 84 Pfandbriefsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 40, 41 Pfandrecht an Handelsunternehmen . . . . . . . . 28, 41 Prämienschuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Privilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 27-30 Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Regress des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Römisches Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Sachdarleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Sachverständiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Saldenmitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Sale and lease back . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 57 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Scheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 19, 67 Schuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Schweigepflicht (anwaltliche) . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Sekundärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
SICAFI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 51 Sitzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Spareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Subrogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 47 Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Taux Annuel Effectif Global-TAEG . . . . . . . . . . . 20 Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Überweisungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 66 Unentgeltiche Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 49, 50 Valeur commerciale future . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Valeur hypothécaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Valeur marchande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Valeur vénale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 18 ff. Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 ff. Verbrauchsdarleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 61 Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73, 91 Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Vertragsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Vorausklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Wandelschuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 19, 23 Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Wohnungseigentumsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 36 Wuchergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 18 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Zinsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Zukünftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 39
Abkürzungsverzeichnis AR CA Cass.civ
Arrêté Royal Cour d’appel Cour de Cassation en matière civile (Kassationshof in Zivilsachen) CBFA Commission bancaire, financière et des assurances CC Code Civil belge CIR Code des impôts sur le revenu (belgisches EStG) Code Civil Code Civil Belge (belgisches Zivilgesetzbuch) C.com. Code Commercial Belge (belgisches HGB) Code des sociétés Code des sociétés belge (Gesetz über Handelsgesellschaften) HypG Hypothekengesetz HypKreditG Hypothekenkreditgesetz Int. Ency. International Encyclopedia JJP Journal des Juges de Paix J.L.M.B. Revue Juridique Liège Mons Bruxelles JP Juge de Paix JT Journal des Tribunaux Königl. AO Königliche Anordnung (Arrêté Royal)
L. M.B. MinAO OCA
OPC Pas Rev. Banque R.D.C.B. (J.com.B.) R.C.J.B. R.R.D. S.P.R.L. Trib. Com. TPI VerbraucherKG
Hök
Loi relative à (Gesetz bezüglich) Moniteur Belge (Belgisches Gesetzblatt) Ministerialanordnung Office de Contrôle des Assurances (Amt zur Überwachung der Versicherungen) Organisme de placement collectif (Kapitalanlagegesellschaften) Pasicrisie (Entscheidungssammlung) Revue de la Banque Revue de Droit Commercial belge (früher: Jurisprudence Commerciale de Belgique) Revue Critique de Jurisprudence Belge Revue Régionale de Droit Société privée à responsabilité limitée Tribunal de commerce Tribunal de première instance Verbraucherkreditgesetz
§ 78 Länderteil – Belgien
2301
A. Rahmenbedingungen
1
Belgien ist eine konstitutionelle Monarchie (vgl. Belgische Verfassung vom 07.02.1831). Die Gesetzgebungsbefugnis liegt bei dem belgischen Parlament und dem belgischen König (vgl. Limpens/Schrans: in Int. Encycl., Vol. I (Belgium), B 14), teilweise auch bei den Sprachgemeinschaften (Communautés flamande et francaise). Das Recht der Bankaufsicht ist ausdrücklich dem belgischen Staat vorbehalten (Schiedsgericht, 22.01.2003, 8/ 2003). Gesetze und Königliche Anordnungen werden im Moniteur Belge veröffentlicht. Gerichtsentscheidungen finden sich zuverlässig in der Pasicrisie. Über den Server der Belgischen Regierung (www.juridat.be oder www.just.fgov.be) besteht on-line Zugang zu den gesetzlichen Grundlagen und zur belgischen Rechtsprechung, teilweise in deutscher Übersetzung. Soweit nachstehend keine Fundstellen im M.B. angegeben sind, sind die angegebenen Quellen jeweils über das angegebene Datum on-line wie angegeben auffindbar. I. Banksystem und -aufsicht. Das belgische Bankensystem war bis 1934 praktisch völlig ungeregelt. Der Gesetzgeber hat in das Verhalten der Banken bei Banktransaktionen erstmals in den Jahren 1934 und 1935 gesetzlich eingegriffen (Königl. AO 1934 Nr. 2 und Königl. AO 1935, M.B. 10.VII.1935). Beide Anordnungen bilden die Grundlage für das heutige Bankwesen, das seit den 90er Jahren grundlegend reformiert wurde (vgl. Möschel, in: Int. Encycl., Vol. IX, Chapter 3, Rn. 3-16). Die allgemeine Bankenaufsicht wird durch das G. vom 22.03.1993 betreffend die Statuten und die Aufsicht über die Kreditinstitute (L. au statut et au contrôle des établissements de crédit, M.B. 19.IV.1993, M.B. 2.VI.1993, M.B. 9.VII.1993, zuletzt geändert durch G. vom 16.06.2006, M.B. 21.VI.2006 und G. vom 15.05.2007, M.B. 18.VI.2007, 32903) geregelt (Bankaufsichtsgesetz). Die Kreditinstitute, die in Belgien das Bankgeschäft aufnehmen wollen, müssen sich bei der Kommission für das Bank- und Finanzwesen (CBF) akkreditieren lassen (Art. 7 G. vom 22.03.1993). Das Hypothekengeschäft wird von der OCA überwacht (Art. 38 HypKreditG). Beide Einrichtungen wurden durch das G. vom 02.08.2002 in der Kommission für das Bank-, Finanz- und Versicherungswesen bzw. Commission bancaire, financière et des assurances (CBFA) zusammengefasst (L. relative à la surveillance du secteur financier et aux services financiers, M.B. 4.IX.2003, geändert durch G. vom 01.04.2007, M.B. vom 26.IV.2007, 22403; Königl. AO vom 25.03.2003, M.B. 31.III.2003). Die CBFA hat in 2003 eine Zulassungsordnung für Prüfer und Prüfungsgesellschaften (règlement relatif à l´agrément des réviseurs et des sociétés réviseurs) erlassen, die am 09.01.2003 genehmigt wurde (AR ministériel v. 09.01.2003, M.B. 24.I.2003). Diese Zulassungsordnung wurde allerdings durch eine neue ersetzt (Règlement de la Commission bancaire, financière et des Assurances concernant l’agrément des réviseurs et des sociétés de réviseurs, vom 21.02.2006, M.B. vom 21.IV.2006). Das Gesetz in Bezug auf die Vermittlung von Bank- und Anlagedienstleistungen und zum Vertrieb von Finanzinstrumenten vom 22.03.2006 (L. relative à l’intermédiation en services bancaires et en services d’investissement et à la distribution d’instruments financiers, M.B. 28.IV.2006, geändert durch G. vom 01.04.2007, M.B. 15.VI.2007, 32647) regelt u.a. den Zugang zum Beruf, die Ausübung des Berufs, das Angebot von Bankdienstleistungen und Anlagemodellen sowie die Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit bei Ausübung des Berufes (vgl. auch die Königl. Anordnung vom 01.07.2006, M.B. 6.VII.2006). Die Organverfassung der Belgischen Nationalbank ist im Gesetz vom 22.02.1998 geregelt. Die Nationalbank hat weiterhin das Recht zur Ausgabe von Banknoten (Trib. Comm. Bruxelles, 27.10.2005, Droit bancaire et financier 2007, 43). Ferner hat der Staat Anspruch auf einen Teil der Bankgewinne als Gegenleistung für die Verleihung des Rechts Banknoten auszugeben (Trib. Comm. Buxelles, 02.02.2006, Droit bancaire et financier 2007, 47).
Hök
2
2302
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
3
Ausländische Banken können in Belgien das Bankgeschäft vermittels der Gründung einer Niederlassung betreiben. In Mitgliedsstaaten der EU zugelassene Bankinstitute können ihre Geschäfte aufnehmen, wenn die CBFA ihnen ihre Eintragung als Niederlassung einer europäischen Krediteinrichtung mitgeteilt hat (Art. 65 Bankaufsichtsgesetz). Diese Mitteilung hat spätestens zwei Monate nach der Übermittlung der vollständigen Unterlagen durch die zuständige ausländische Bankaufsichtsbehörde (vgl. § 24a Abs. 2 KWG) zu erfolgen. Bleibt die Benachrichtigung durch die CBFA aus, kann die ausländische Niederlassung ihr Geschäft aufnehmen (Art. 65 Bankaufsichtsgesetz). Die CBFA veröffentlicht die Liste der registrierten Niederlassungen im M.B. Das Verfahren für die Zulassung von Niederlassungen aus anderen Ländern regelt Art. 66 Bankaufsichtsgesetz.
4
Eine Hypothekenbank darf ihr Geschäft nur aufnehmen, wenn sie ihr Geschäft bei dem CBFA (früher OCA) hat einschreiben lassen. Die Einschreibung setzt voraus, dass die Hypothekenbank die Anforderungen des HypKreditG erfüllt. Das Amt kann die Eintragung löschen, wenn das Institut schwer gegen die Vorschriften des HypKreditG verstößt (Art. 43 § 3 HypKreditG). Hypothekenbanken aus EU-Mitgliedstaaten benötigen keine Einschreibung bei der CBFA (Art. 43 bis § 1 HypKreditG). Halten sie sich nicht an den Geist des Hypothekenkreditgesetzes kann die CBFA einschreiten, die Kommission für das Bank- und Finanzwesen informieren und dem Institut den Abschluss neuer Kreditverträge untersagen (Art. 43bis § 3 HypKreditG).
5
Art. 44 G. vom 22.03.1993 sieht vor, dass die Kreditinstitute der Belgischen Nationalbank und der CBFA regelmäßig detailliert ihre finanzielle Situation offen legen müssen. Die Buchführungs- und Bilanzvorschriften werden auf Vorschlag der CBFA und der Belgischen Nationalbank erlassen. Die Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften finden sich in dem G. vom 17.07.1975 (in der Fassung vom 07.05.1999, zuletzt geändert durch G. vom 20.07.2006, M.B. 28.VII.2006) betreffend die Buchführung und die Jahresbilanz der Gesellschaften und den dazu ergangenen Königlichen Anordnungen. Für den Bankbereich ist auf die Königl. AO vom 23.09.1992 (relatif aux comptes annuels des établissements de crédit) hinzuweisen (zuletzt geändert durch Königliche AO vom 26.11.1998).
6
II. Bedeutende Rechtsquellen. Das belgische Zivilrecht wird von dem napoleonischen Code Civil beherrscht. Die Grundzüge des belgischen Zivilrechts entsprechen technisch und konzeptionell dem französischen Recht (Limpens/Schrans, in: Int. Encycl., Vol. I (Belgium), B 17). In einigen Bereichen (z.B. dem Hypothekenrecht) hat der belgische Gesetzgeber allerdings das französische Vorbild durch eigene Regelungen ersetzt. Das Bankrecht ist zudem zu wesentlichen Teilen durch Richtlinien aus Brüssel geprägt. Ob eine RL umgesetzt wurde, lässt sich nicht immer zweifelsfrei feststellen, weil die veröffentlichten Gesetze nicht immer Bezug auf die EU-Richtlinien nehmen.
7
1. Grundlagen der Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunde. Das Verhältnis zwischen Bank und Kunde ist zivilrechtlicher Art. Zwischen Bank und Kunde bestehen je nach Charakter des Bankgeschäfts unterschiedliche Vertragsbeziehungen. Der belgische Code Civil regelt u.a. den Darlehensvertrag (Art. 1874 bis 1914 CC), den Hinterlegungsvertrag (Art. 1917 bis 1954bis CC), den Auftrag (Art. 1984 bis 2010 CC), den Bürgschaftsvertrag (Art. 2011 bis 2043 CC) und das Pfandrecht (Art. 2071 bis 2091 CC). Privilegien und Hypotheken sind im G. vom 16.12.1851 (HypothekenG) normiert. Das Handelsrecht war ursprünglich im C.com. zusammengefaßt. Von Bedeutung für den Banksektor sind nur noch das Buch I (Allgemeines Handelsrecht), dort Titel I (Kaufleute), Titel II (Güterrechtliche Vereinbarungen der Kaufleute), Titel IV (zum Beweis bei kaufmännischen Geschäften) sowie Titel VIII (Wechselrecht). Der C.com. findet auf Kauf-
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2303
leute sowie auf Geschäfte Anwendung, die ausdrücklich zu kaufmännischen Geschäften erklärt wurden. Im Vordergrund für die Abgrenzung zu den zivilrechtlichen Geschäften steht der gewerbliche Charakter eines Geschäfts. Kaufleute sind diejenigen, die Handlungen ausführen, die gesetzlich als Handel definiert werden, und die dies zu ihrem gewöhnlichen Beruf gemacht haben, sei es hauptsächlich oder nebenbei (Art. 1 C.com.). Handelsgeschäfte sind nach Art. 2 C.com. u.a.: – jede Dienstleistung, wie die Versicherung nach Prämien – jedes Bankgeschäft, wie Wechsel-, Kommissions- oder Maklergeschäfte – Wechsel-, Auftrags-, Schuldschein- oder andere Effektengeschäfte an Order des Inhabers. Das Wechselrecht hat in Titel VIII des belgischen C.com. eine Regelung gefunden (zuletzt geändert durch das G. vom 10.06.1997, M.B. 19.VII.1997); das Scheckrecht im G. vom 01.03.1961 (zuletzt geändert durch das G vom 10.12.2001, M.B. 20.XII.2001), das eine Umsetzung des internationalen Einheitsrechts darstellt. Darüber hinaus bestehen Spezialgesetze für den Hypothekenkredit (G. bezüglich des Hypothekenkredits vom 04.08.1992, modifiziert durch G. vom 13.04.1995 und zuletzt geändert durch G. vom 20.06.2005, M.B. vom 26.08.2005) und den Verbraucherkredit (VerbraucherKG vom 12.06.1991, M.B. 9.VII.1991, M.B. 6.VIII.1991, zuletzt geändert durch G. vom 11.04.2006). Das Bankkundengeschäft ist grundsätzlich ein privatrechtliches Geschäft, ebenso die Bürgschaft (CA Bruxelles, 14.12.2000, Az: 91/AR/1423; CA Bruxelles, 21.04.1998, Az: 95/AR/3858). Kaufmännische Geschäfte unterliegen z. B. Beweiserleichterungen. Art. 25 C.com. lässt den Zeugenbeweis zu, der nach Art. 1341 ff. CC für zivilrechtliche Geschäfte nur bis zu einem Gegenstandswert von 375 EUR zulässig ist. Die Bürgschaft kann also auch durch Zeugen bewiesen werden, wenn der Bürge ein Kaufmann ist oder die Bürgschaft im Rahmen eines kaufmännischen Geschäfts zustande kommt (CA Bruxelles, 14.12.2000, Az: 91/AR/1423; CA Bruxelles, 21.04.1998, Az: 95/AR/3858). Nach der Legaldefinition des Art. 1349 CC ist eine Vermutung die Folge, die das Gesetz oder das Gericht aus einem bekannten Umstand ableiten. Fehlt eine solche Anordnung, so obliegt es nach Art. 1353 CC dem Gericht, unter Anwendung größtmöglicher Sorgfalt derartige Rückschlüsse von bekannten auf unbekannte Tatsachen vorzunehmen. Die unbekannten, aber vermuteten Umstände dürfen der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts allerdings nur zu Grunde gelegt werden, wenn die Vermutung nachvollziehbar und gut begründet ist, und auch nur dort, wo im Übrigen der Zeugenbeweis zulässig wäre. Ausgeschlossen ist die Vermutung in Fällen von Betrug und arglistiger Täuschung. In den Fällen, in denen das Gesetz die Heranziehung von vermuteten Umständen zulässt, würdigt der Richter die Aussagekraft der bekannten Tatsachen, auf die er sich stützt. Die Cour de Cassation (Revisionsgericht) beschränkt sich auf die Prüfung, ob das Gericht mit den zugrunde gelegten Vermutungen gegen den gesunden Menschenverstand verstoßen hat und namentlich, ob es aus den zugrunde liegenden Tatsachen Folgen abgeleitet hat, die ihnen völlig fremd sind, d.h. Folgen, die in den Tatsachen keine Grundlage haben (Cass.civ., 09.05.2008, n° C.07.0438.F).
8
Das belgische Vertragsrecht beruht auf fünf Grundprinzipien (Éditions Francis Lefebvre, Rn. 752). Zu nennen sind: Konsensprinzip (Angebot und Annahme), Vertragsautonomie, Legalitätsprinzip (ordnungsgemäß zustande gekommene Verträge haben die Wirkung einer gesetzlichen Bindung, Art. 1134 Abs. 1 CC), Vertragserfüllung nach Treu und Glauben (Art. 1134 Abs. 3 CC), lediglich relative Bedeutung von Verträgen (Art. 1165 CC). Der Vertrag über die Eröffnung eines Bankkontos enthält Elemente des
9
Hök
2304
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Darlehensvertrages und des Hinterlegungsvertrages. Ergänzend kommen die Vorschriften über den Auftrag hinzu (vgl. dazu Bruyneel/van den Haute, Rev. Banque 2000, 539, 543 Rn. 13). Der Darlehensvertrag wird unter Rn. 16 näher erläutert. Das belgische Recht unterscheidet wie das französische zwischen kaufmännischen und zivilrechtlichen Geschäften (vgl. Limpens/Schrans: in Int. Encycl., Vol. I (Belgium), B 18). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken unterliegen dem Gesetz vom 14.07.1991 über die Praktiken des Handels und die Information und den Schutz der Verbraucher (L. sur les pratiquesdu commerce et sur l’information et la protection du consommateur, geändert durch G. vom 11.05.2007, M.B. 25.V.2007, 28167 sowie durch G. vom 5.6.2007, M.B. 21.VI.2007, 34272). Der belgische Verbraucherschutzverein hat in einem umfassenden Verfahren vor dem TGI Naumur und der Cour d’Appel de Liège mehr als 80 Klauseln der belgischen Bankbedingungen überprüfen lassen. Der größte Teil der kritisierten Klauseln blieb unbeanstandet. Erfolgreich war die Klage u.a. in Bezug auf die Beschränkung des Rechts der Verbraucher, nur am Gerichtsstand der Bank klagen zu dürfen, während sich die Bank vorbehielt, den Kunden vor jedem zuständigen Gericht zu verklagen. Weiterhin gab das Gericht der Klage in Bezug auf eine Klausel statt, der zufolge sich die Bank vorbehielt zu bestimmen, gegen welche ihrer Forderungen die Aufrechnung greift (CA Liège, 26.01.2007, Droit bancaire et financier 2007, 344). 10
2. Besondere Verhaltenspflichten. Grundsätzlich schulden sich die Parteien vor und nach Vertragsschluss Loyalität. Schon in der Verhandlungsphase muss der Vertragspartner über die wesentlichen Punkte des Vertrages unterrichtet werden (Éditions Francis Lefebvre, Rn. 755). Der brutale Abbruch von Vertragsverhandlungen kann Schadenersatzansprüche auslösen (Éditions Francis Lefebvre, Rn. 755). Das Verhältnis zwischen Bank und Kunde ist privilegiert. Die Bank ist grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ursprünglich galt jedoch nach der Rechtsprechung der belgischen Gerichte die Regelung in Bezug auf das Berufsgeheimnis in Artikel 458 Code Pénal nicht für die Beschäftigten von Kreditinstituten (Cass. 25.10.1978, J.T. 1979, 371, Pas., 1979 I, 237). Dies führte bei grenzüberschreitenden Fällen zu erheblichen Problemen (vgl. EuGH, 10.12.2002, Rs C-153/00; vgl. auch CA Bruxelles, 10.06.2005, KBC Bank SA/North American Indemnity SA, R.D.C. 2007/1, 85 und CA Liège, 15.09.2005, D.Reynders/SA Kredietbank Luxembourgeoise, R.D.C. 2007/1, 90), denn die Aussageverweigerung ist strafbar (Cass., 10.07.1916, Pas 1917 I, 195). Das Bankgeheimnis wurde zuletzt im G. vom 02.08.2002 betreffend die Überwachung des Finanzsektors und der Finanzdienstleistungen (L. à la surveillance du secteur financier et aux services financiers) geregelt. Es verweist nunmehr auf Art. 458 Code Pénal. Danach wird die Verletzung des Bankgeheimnisses mit Haft- oder Geldstrafe bestraft. Allerdings hat die CA Bruxelles (10.06.2005, KBC Bank SA/North American Indemnity SA, R.D.C. 2007/1, 85; vgl. auch Cass., 25.10.1978, Pas. 1979 I, 237) entschieden, dass Banken nicht grundsätzlich dem Bankgeheimnis unterliegen, sondern lediglich vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (siehe auch Cass., Urt. v. 25.10.1978, Pas. 1979 I, 237). Ordnet ein ausländisches Gericht, vor dem ein Verfahren gegen den Bankkunden anhängig ist, die Vorlage von Bankunterlagen an, genügt dies, um den Bruch des Bankgeheimnisses zu rechtfertigen, jedenfalls dann, wenn die Bank ihrerseits der Gerichtsbarkeit des ausländischen Gerichts unterworfen ist, weil sie im Gerichtsstaat eine Zweigniederlassung unterhält (Cour d’appel de Bruxelles, 10.06.2005, KBC Bank SA/North American Indemnity SA, R.D.C. 2007/1, 85). Dass der Bruch des Berufsgeheimnisses unter Strafe steht, wird in der Entscheidung nicht erwogen (vgl. dazu auch Buyle/Delernieux, R.D.C. 2007/1, 40, 88). Die CA Liège weist hingegen zu Recht darauf hin, dass Luxemburg strengere Regeln kennt. Dort ist das Bankgeheimnis zwingend (d´ordre public). Die Verpflichtung, es zu beach-
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2305
ten, ist dort eine „obligation de résultat“, also eine erfolgsorientierte Verpflichtung. Eine luxemburgische Bank ist mithin aus belgischer Sicht nicht gezwungen, gegenüber Dritten Auskünfte zu erteilen (CA Liège, 15.09.2005, D. Reynders/SA Kredietbank Luxembourgeoise, R.D.C. 2007/1, 90). Der Bank obliegt keine allgemeine Beratungspflicht. Sie muss lediglich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers aufklären. Aufzuklären sind die aktuellen und zukünftigen Einnahmen des Kreditnehmers, hierin eingeschlossen die beruflichen Einkünfte, die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalanlagen (Buyle/Delernieux, R.D.C. 20071/1, 66). Weder aus dem Gesetz noch aus dem Berufsrecht der Banken folgt die Verpflichtung, dass die Bank die Aufgabe hat, Hüter der wirtschaftlichen und finanziellen Interessen des Kunden zu sein, der Kredit begehrt, es sei denn dies ergibt sich aus besonderen Umständen (vgl. Trib. comm. Bruxelles, 04.11.1987, R.D.C., 1989, 69; Trib. comm. Bruxelles, 31.05.1996, J.L.M.B., 1996, 1588; Civ. Bruxelles 7e ch., 07.01.2005, unveröffentlicht, R G 95/13756/A et 96/1862/A). Verschiedentlich wurde jedoch entschieden, dass das kreditgebende Institut verpflichtet ist, unter Zuhilfenahme normaler Aufklärungsmöglichkeiten die Solvenz des Kunden nachzuprüfen (vgl. Bruyneel/van den Haute, Rev. Banque 1999, 388, 395 Rn. 30). Eine Bank kann für eine Kreditvergabe in die Haftung genommen werden, wenn sie einem unerfahrenen Kreditnehmer unter unvernünftigen Bedingungen Kredit einräumt („responsabilité pour octroi abusif de crédits“, CA Liège, 28.04.1994, R.D.C.B. 1995, 1032; CA Mons, 26.09.1994, R.D.C.B. 1995, 1035; CA Bruxelles, 06.09.1999, R.D.C.B. 2000, 703; Civ. Bruxelles (74e ch.), 20.05.2005, SA CBC Banque/Mathieu-Gueulette, n° R.G. 98/1420/ A; CA Bruxelles, 09.02.2005, R.D.C. 2007/1, 64). Diese Beratungspflicht besteht allerdings nicht gegenüber erfahrenen Kreditnehmern („emprunteur averti“): Die belgische Rechtsprechung folgt in dieser Hinsicht der ständigen Rechtsprechung der französischen Cour de Cassation, die eine Haftung des Kreditgebers wegen der Verletzung der Beratungspflicht gegenüber einem erfahrenen Kreditnehmer ausschließt (CA Liège, 08.02.2005, R.D.C.B. 2007/1; vgl. französisch, Cour de Cassation, Civ., 03.05.2006 et Com. 20.06.2006). Die Beweislast liegt in diesem Fall bei dem Kreditnehmer (Cass., 10.12.2004, R.C.J.B. 2005/4, 683). Ein Mitverschulden des Kreditnehmers ist zu berücksichtigen (Buyle/Delernieux, R.D.C. 20071/1, 68). Wurde der Kredit zu einem bestimmten Zweck vergeben, schließt die Überwachungsaufgabe die Kontrolle ein, dass die Mittel zu dem vereinbarten Zweck verwendet werden (vgl. Bruyneel/van den Haute, Rev. Banque 1999, 388, 395 Rn. 30). Ein Verstoß kann die Bank einer Haftung gegenüber Dritten aussetzen (vgl. Cass.comm., 18.05.1993, D.S., J. 1993, 609; CA Liège, 10.11.1998, R.R.D. 1999, 2-im konkreten Fall gegenüber Bürgen). Dagegen hat das Tribunal de Commerce Gand entschieden, dass keine generelle Überwachungspflicht besteht, wenn es sich um ein übliches Geschäft handelt und der Kunde gewarnt ist (TPI Gand, 11.04.1997, R.D.C. 1998, 832). Zudem haftet die Bank für die fehlerhafte Kreditkündigung (vgl. Bruyneel/van den Haute, Rev. Banque 1999, 388, 396 Rn. 32).
11
3. Bankvertragliche Distanzgeschäfte. Belgien hat die RL 97/7/EG vom 20.05.1997, 97/55/EG vom 06.10.1997 bzw. die RL 84/450/EWG sowie die RL 2005/29/EG mit G. vom 25.05.1999 (Loi modifiant la loi du 14 juillet 1991 sur les pratiques du commerce et sur l’information et la protection du consommateur, zuletzt geändert durch das G. vom 03.12.2006, M.B. 20.XII.2006, zuletzt geändert durch G. vom 05.06.2007, M.B. 21.VI.2007, 34272) umgesetzt. Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im Rahmen eines Verkaufs- oder Vertriebssystems, das der Verkäufer organisiert hat, der, für die Zwecke dieses Vertrages ausschließlich eine oder meh-
12
Hök
2306
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
rere Fernkommunikationsmittel bis zum Abschluss des Vertrages benutzt, den Vertragsschluss selbst eingeschlossen (Art. 77 § 1 G. vom 14.07.1991) über die Praktiken des Handels und die Information und den Schutz des Verbrauchers (Loi sur les pratiques du commerce et sur l’information et la protection du consommateur in der Fassung des Art. 20 G. vom 25.05.1999). Art. 77 § 1 G. vom 14.07.1991 (Verbraucherschutzgesetz) zählt die Finanzleistungen umfänglich auf und nimmt sie in Art. 77 § 2 Verbraucherschutzgesetz ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Einzelne Finanzdienstleistungen können durch Königliche Verordnung dem G. unterworfen werden. Ergänzend ist auf das G. vom 24.08.2005 (L. visant à transposer certaines dispositions de la directive services financiers à distance et de la directive vie privée et communications électroniques, M.B. 31.VIII.2005, 38144) hinzuweisen 13
4. Elektronischer Geschäftsverkehr. Der elektronische Geschäftsverkehr wird durch das G. vom 17.07.2002 (L. aux opérations effectuées au moyen d’instruments de transfert électronique de fonds, noch nie geändert) geregelt. Das G. betrifft alle oder einzelne Instrumente zur elektronischen Übermittlung von Werten, namentlich die Übertragung von Werten, das Ein- und Auszahlen von Bargeld, der Zugang zu Bankkonten, das Laden und Entladen von aufladbaren Zahlungsmitteln. Es regelt umfängliche Aufklärungspflichten des Leistungserbringers sowie eingehend die Haftung desselben. Das G. vom 25.02.2003 (Gesetz zur Modifikation des BankaufsichtsG) hat die RL 2000/46/EG vom 18.09.2000 umgesetzt. Die CBFA kann u.a. E-Geld-Unternehmen von der Bankaufsicht befreien, deren Geschäft darin besteht, normalerweise nicht mehr als 5 Mio. EUR, keinesfalls aber mehr als 6 Mio. EUR in Umlauf zu bringen (Art. 4 G. vom 25.02.2003). Befreite Unternehmen unterliegen allerdings im Geschäftsbetrieb einer Reihe von Beschränkungen, etwa was die Höhe der zu emittierenden E-Mittel im Einzelfall (150 EUR) angeht (Art. 4 G. vom 25.02.2003).
14
5. Internationales Privatrecht. Belgien ist Vertragsstaat des Römischen Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht vom 19.06.1980 (BGBl. 1986 II 810; BGBl. 1999 II 7). Es herrscht mithin grundsätzlich Rechtswahlfreiheit (Art. 3 des Übereinkommens). Hilfsweise ist an die vertragscharakteristische Leistung anzuknüpfen (Art. 4 des Übereinkommens). Der belgische ordre public greift durch, wenn die Anwendung ausländischen Rechts mit wesentlichen Grundsätzen des belgischen Rechts unvereinbar ist (vgl. Cass.civ., 10.04.2003, C020112F). Fragen der Internationalen Zuständigkeit, der Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen und der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Gerichtsentscheidungen und notariellen Urkunden sind in der EuGVVO geregelt. Im Sachenrecht gilt die lex rei sitae (t’Kint, Sûretés, 125 ff.). Hypothek und zu besichernde Forderung können jedoch unterschiedlichen Rechtsordnungen unterfallen (t’Kint, aaO.). Den besondere Schutz des HypKreditG kann jedoch nur derjenige in Anspruch nehmen, der entweder im Zeitpunkt der Kreditvergabe seinen Wohnsitz in Belgien hatte oder, falls dies nicht der Fall ist, wenn dem Vertragsschluss in Belgien eine Werbung oder ein besonderes Angebot vorausging und der Darlehensnehmer den Vertrag in Belgien geschlossen hat (Art. 1 HypKreditG). Am 1.Oktober 2004 ist das Gesetzbuch des internationalen Privatrechts in Kraft getreten (M.B. vom 27.VII.2004). Im Bereich des Vertragsrechts sind die im IPR-Gesetzbuch enthaltenen Regeln jedoch nur hilfsweise anwendbar, da das auf die vertraglichen Schuldverhältnisse anwendbare Recht vermittels des EVÜ ermittelt wird. Soweit das EVÜ sachlich nicht anwendbar ist, erweitert Art. 98 des IPR-Gesetzbuches seinen Anwendungsbereich auch auf andere Verträge (vgl. dazu Rigaux/Fallon, Droit international privé, Rn. 14.35). Im Internationalen Gesellschaftsrecht hat Belgien das Sitzprinzip gesetzlich verankert (Art. 56 Code des sociétés; vgl. auch Cass.civ., 06.12.1996, Pas. 1996
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2307
I, 490). Art. 137 des IPR-Gesetzbuches hat allerdings die Anknüpfung an den „siège réel“ durch die Anknüpfung an das „établissement principal“ (Hauptsitz) ersetzt. Mangels Rechtswahl ist mithin prinzipiell das Recht am Sitz der Partei anzuwenden, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt. Hinsichtlich der Bürgschaft besteht allerdings die Tendenz, diese unselbständig anzuknüpfen und dem Recht der Hauptforderung gegenüber dem Recht am Sitz des Bürgen den Vorzug zu geben (Liège, 6.11.1989, Rev.rég. dr. (1989), 85; Rigaux/Fallon, Droit international privé, Rn. 14.125; für die autonome Anknüpfung dagegen Liège, 28.06.1991, Pas. (1991) II, 179). Fragen der Internationalen Zuständigkeit bleiben nach wie vor in der EuGVVO geregelt. Hilfsweise sind die Art. 2 und 5 ff. des IPR Gesetzbuches einschlägig. Aufmerksamkeit ist hinsichtlich der speziellen Vorschriften geboten, die trotz des umfangreichen Charakters des IPR-Gesetzbuches anderweitig geregelt bleiben. Dies ist z. B. der Fall in § 2 des VerbraucherKG vom 12.06.1991, in § 1 des G. bezüglich des Hypothekenkredits vom 04.08.1992. Ferner beachtlich sind die Vorschriften, die den § 9 der Richtlinie 2002/47/CE über Finanzsicherheiten umsetzen. Seit dem 15.12.2004, stellt Art. 17 des G. über die Kreditsicherheiten für die Ermittlung des auf die beweglichen Sicherheiten anwendbaren Rechts auf die lex rei sitae ab („la loi de l’Etat du lieu où le compte pertinent est tenu“ = Recht am Ort des Staates, an dem das betreffende Konto gehalten wird) ab, wobei der Renvoi ausgeschlossen ist (Rigaux/Fallon, Droit international privé, Rn. 14.127). Die Regel des „Rechts der belegenen Sache“ (lex rei sitae), der zufolge die Wirksamkeit einer Finanzsicherheit gegenüber Dritten sich nach dem Recht des Landes bestimmt, in dem die Sicherheit belegen ist, wird derzeit von allen Mitgliedstaaten anerkannt und gilt auch für die Sicherheiten, die an „Finanzinstrumenten“ begründet werden („Finanzinstrumente“ sind Aktien und andere, diesen gleichzustellende Wertpapiere, Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte und unverbriefte Schuldtitel, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, und alle anderen üblicherweise gehandelten Titel, die zum Erwerb solcher Aktien, Schuldverschreibungen oder anderer Wertpapiere durch Zeichnung, Kauf oder Austausch berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, mit Ausnahme von Zahlungsmitteln, einschließlich Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen, Geldmarktinstrumenten sowie jegliche Rechte oder Ansprüche im Zusammenhang mit irgendeinem der vorgenannten Aktiva). Ungeachtet dessen, dass die Richtlinie auf unmittelbar gehaltene Wertpapiere Anwendung findet, ist die Belegenheit von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren, die als Finanzsicherheit gestellt und über einen oder mehrere Intermediäre zwischenverwahrt werden, auch möglich (die Finanzsicherheit wird dem Sicherungsnehmer oder seinem Vertreter geliefert oder im Wege des Effektengiros gutgeschrieben). Hat der Sicherungsnehmer eine Sicherheit inne, die nach dem Recht des Landes, in dem sich das maßgebliche Konto befindet („maßgebliches Konto“ bezeichnet das Register oder Depotkonto, das auch vom Sicherungsnehmer selbst geführt werden kann, in dem der maßgebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebliche Buchung erfolgt, aufgrund derer der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt), wirksam ist, soll auch für die Wirksamkeit der Sicherheit gegenüber konkurrierenden Eigentums- oder sonstigen dinglichen Rechten und für ihre Verwertung ausschließlich das Recht dieses Landes maßgebend sein, damit keine Rechtsunsicherheit infolge unvorhergesehener Rechtsvorschriften entsteht. Im Sinne der Richtlinie, „im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“ sind Finanzsicherheiten in Form von Finanzinstrumenten, bei denen die Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem von einem Intermediär oder für den Intermediär selbst geführten Depotkonto nachgewiesen werden.
Hök
2308
15
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
B. Kredit und Kreditsicherheiten Das Recht der Kreditvergabe ist in Belgien sehr unübersichtlich geregelt. Neben den Grundnormen des CC sind vor allem das VerbraucherKG sowie das HypKreditG zu nennen. Das Insolvenzrecht hat in dem G. vom 08.08.1997 (Loi sur les faillites, M.B. 28.X.1997-Insolvenzgesetz i.d.F. v. 04.09.2002) eine Neuregelung gefunden. Das Insolvenzverfahren hat grundsätzlich zwei Ziele: die Einführung eines schnellen, geschmeidigen und einfachen Verfahrens sowie den besseren Schutz des Gemeinschuldners sowie mehr Transparenz für die Gläubiger. Dafür wurden die amtswegige Konkurserklärung und die Zustimmung nach Konkurseintritt abgeschafft und die Entschuldung des Gemeinschuldners und eine verbesserte Information der Gläubiger eingeführt. Aus belgischer Sicht ist die Anzahl der Vorzugsrechte an dem Vermögen des Schuldners gesetzlich abschließend geregelt, denn das Schuldnervermögen stelle die Haftungsmasse für alle Verbindlichkeiten dar (Art. 8 HypG; vgl. Rn. 20). Mithin wird z. B. die Sicherungsabtretung kritisch betrachtet (vgl. Rn. 45). Per Gesetz vom 06.12.2005 wurde das Anmeldeverfahren für Forderungen geändert. Kernstück ist der neue Art. 68 des Insolvenzgesetzes. Danach legt der Insolvenzverwalter das Prüfungsprotokoll innerhalb der in der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgelegten Frist vor. Alle vier Monate nach der ersten Niederlegung und während der folgenden 16 Monate legt der Insolvenzverwalter ein ergänzendes Prüfungsprotokoll in Bezug auf die jeweils nachgemeldeten Forderungen vor. In dem Protokoll ist vermerkt, ob die Forderung anerkannt, zunächst zurückgestellt oder ob ihr widersprochen wird. Über den Widerspruch unterrichtet der Insolvenzverwalter den Gläubiger schriftlich und fordert ihn auf, seine Forderung gerichtlich geltend zu machen.
16
I. Darlehensvertrag. Das belgische Recht unterscheidet die Sachdarleihe von der Verbrauchsdarleihe. Die Sachdarleihe ist inhaltlich der Leihe vergleichbar, denn die Sachdarleihe ist ein Vertrag, mit dem unentgeltlich ein Gegenstand zur Nutzung überlassen wird, der als solcher wieder zurückgegeben werden muss, wenn der Vertrag endet (Art. 1875 ff. CC). Der Darleiher bleibt Eigentümer der überlassenen Sache. Die Verbrauchsdarleihe (prêt à consommation) ist ein Vertrag, demzufolge der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine bestimmte Menge von Gegenständen überlässt, die durch den Gebrauch verbraucht wird (Art. 1892 CC). Der Darlehensnehmer muss Gegenstände von gleicher Art und Menge zum vereinbarten Termin zurückgeben (Art. 1902 CC) und wird Eigentümer der überlassenen Gegenstände (Art. 1893 CC). Bei Gelddarlehen wird der bezifferte Betrag geschuldet (Art. 1895 CC). Das Darlehen kann nicht vor dem vereinbarten Termin zurückgefordert werden (Art. 1899 CC). Fehlt ein Termin, kann das Gericht eine Rückzahlungsfrist festlegen (Art. 1900 CC). Darlehen können verzinslich gewährt werden (Art. 1905 ff. CC). Eine Bank handelt fehlerhaft, wenn sie einen Kredit unter Verletzung der banktypischen Sorgfalt verfrüht und fristlos fällig stellt, obwohl ein wichtiger Grund für die vorzeitige Kündigung vorliegen mag (CA Bruxelles, 14.09.2006, Droit bancaire et financier 2007, 40). Auch wenn ein wichtiger Grund für die Beendigung des Kreditengagements besteht, muss ggfs. eine Kündigungsfrist eingehalten werden (CA Bruxelles, 14.09.2006, Droit bancaire et financier 2007, 40). Der Zinssatz ist entweder der gesetzliche oder der vereinbarte Zinssatz. Der vereinbarte Zinssatz kann den gesetzlichen Zinssatz übersteigen, es sei denn, das G. sieht im Einzelfall etwas anderes vor (Art. 1907 CC). Der erhöhte Verzugszins darf ein halbes Prozent jährlich nicht übersteigen (Art. 1907 CC). Verbraucherkredite sind gesondert gesetzlich geregelt, und zwar differenziert nach einfachen Darlehen und Hypothekendarlehen. Diese Vorschriften sind in weiten Teilen zwingend (vgl. TPI Courtrai, 29.04.1994, JJP 1995, 130). Für gewerbliche Kredite besteht im Rahmen der allgemeinen Gesetzgebung Ver-
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2309
tragsfreiheit (vgl. Köndgen, Vorzeitige Tilgung, 48). Mithin sind bei gewerblichen Krediten z. B. Wertsicherungsklauseln zulässig (CA Bruxelles, Pas. 1978 II, 142). Wuchergrenzen bestehen nach Art. 1907ter CC und Art. 494 Code Pénal. Nach Art. 1907ter CC kann der Darlehensnehmer von dem Darlehensgeber, der sich oder einem Dritten für die Darlehenshingabe einen Zins oder andere Vorteile hat versprechen lassen, der oder die den normalen Zins mit Blick auf die Risiken des Darlehens offenkundig übersteigt bzw. übersteigen, die Anpassung des Darlehens auf die Rückzahlung des Kapitals nebst gesetzlicher Zinsen verlangen. Art. 1907ter CC hat nicht etwa die Vertragsfreiheit in Bezug auf den Zinssatz abgeschafft, sondern regelt einen qualifizierten Fall der Schädigung unter uneingeschränkt Geschäftsfähigen. Art. 1907ter CC setzt voraus, dass die Unkenntnis oder die Bedürfnisse des Darlehensnehmers missbraucht werden und dass der vereinbarte Zins im Verhältnis zu den Kreditrisiken offenkundig zu hoch ist (TPI Namur, 22.06.1989, J.L.M.B. 1989 II, 1320). II. Verbraucherdarlehen. Das belgische VerbraucherKG vom 12.06.1991, zuletzt geändert durch G. vom 11.04.2006, definiert den Verbraucher als „jede natürliche Person, die zu einem Zweck handelt, der nicht zu ihren kommerziellen, beruflichen oder handwerklichen Aktivitäten gehört (Art. 1 Nr. 1 VerbraucherKG). Darlehensgeber ist jede natürliche oder juristische Person oder jede Personenvereinigung, die im Rahmen ihrer kommerziellen oder beruflichen Aktivitäten einen Kredit gewährt, außer der Person oder der Personenvereinigung, die einen Ratenkauf oder einen Leasingvertrag anbietet oder schließt, wenn dieser Vertrag Gegenstand einer Abtretung oder einer sofortigen Subrogation zugunsten eines zugelassenen und im Vertrag angegebenen Kreditgebers ist (Art. 1 Nr. 2 VerbraucherKG). Aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind Hypothekenkredite und solche mit einer Laufzeit von weniger als drei Monaten (Art. 3 § 1 VerbraucherKG), aber auch die Kredite, deren Betrag unter 200 Euro liegt, mit Ausnahme der Vorschriften der §§ 2, 4 bis 11, 13, 21, 27 bis 40, 47, 48, 54, 55, 57, 58, 60, 62 bis 67, 74 bis 109 (§ 3 Nr. 2 Abs. 1) und in notarieller Form geschlossener Kredite, deren Betrag über 20.000 Euro liegt, mit Ausnahme der Vorschriften der §§ 2, 4 bis 11, 13, 14 Nr.3 1bs. 1° bis 6°, 10° und 11°, und der §§ 15, 21, 27 bis 40, 47 und 48, 54, 55, 59, 60, 62 bis 109 (§ 3 Nr. 2 Abs. 2). Bei der semiprofessionellen Nutzung eines Kredites entscheidet es sich nach der ratio des VerbraucherKG (Schutz der schwächeren Vertragspartei), ob das Kreditverhältnis den Regelungen des VerbraucherKG unterfällt oder nicht (TPI Bruxelles, 06.03.1997, Az: 9612674A).
17
Das VerbraucherKG regelt die Werbung für Kredite (Kapitel II), den Vertrag (Kapitel III), Sonderregelungen für Ratenkäufe und Ratendarlehen sowie der Krediteröffnung (Kapitel IV), Regelungen zu den Vermittlern (Kapitel V), dem Datenschutz (Kapitel VI), der Überwachung und Kontrolle (Kapitel VII), der Suche und Feststellung von Handlungen, die nach dem G. verboten sind (Kapitel VIII), Sanktionen (Kapitel IX) sowie Schlussvorschriften (Kapitel X). Nach § 5 Nr. 2 muss jede Werbung, die den Zinssatz oder jede andere Angabe in Bezug auf die Kosten des Kredits enthält, immer unzweideutig, lesbar, sichtbar oder hörbar, den globalen effektiven Jahrzinses (T.E.G.) erwähnen. Soll in der Werbung ein präferenzieller globaler effektiver Jahreszins angegeben werden, so muss sie auch die Bedingungen beschreiben und auf dem normalen globalen effektiven Jahreszins hinweisen. Kapitel III regelt den Vertragsschluss (vorvertragliche Informationspflichten, das Kreditangebot, den Vertragsschluss, Rücktrittsmöglichkeiten des Verbrauchers, Vorschriften zur Verbindung zwischen dem Kredit und dem Grund seiner Inanspruchnahme), die Vertragserfüllung (maximaler effektiver Jahreszins, Rückzahlungsfristen und vorzeitige Rückzahlung, Einreden, Zession des Kreditvertrages und die aus ihm resultierenden Ansprüche, unzulässige Vertragsklauseln, persönliche Sicher-
18
Hök
2310
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
heiten, gerichtliche Stundungsmöglichkeiten und Forderungsbeitreibung). An ein Angebot ist er mindestens zwei Wochen gebunden. Begehrt ein Verbraucher Grunddienstleistungen einer Bank, ist er verpflichtet, die Bank darüber zu unterrichten, ob er bereits bei einer anderen Bank versorgt ist (Art. 3 § 4 G. v. 24.03.2003 über die Einrichtung von Grundleistungen einer Bank). Begehrt ein Verbraucher Kredit, ist er verpflichtet, die Bank vollständig und korrekt über seine finanzielle Situation zu unterrichten (Art. 10 VerbraucherKG) und auch selbständig seine eigene Rückzahlungsfähigkeit einzuschätzen (Civ. Bruxelles (8e chambre), 05.05.2006, Grand Henry/S.A. Fortis Banque, n° R.G. 03/ 8217/A, unveröffentlicht). Die Bank ist nicht verpflichtet, die angegebenen Informationen zu überprüfen, soweit es nicht offensichtlich ist, dass die Angaben ungenau, falsch oder erfunden sind (Civ.Bruxelles (70e ch.) Sohie et crts/Monnet, SA Fortis Banque, n° R.G. 95/13756/A). 19
Das Angebot muss umfassende Angaben zum Kredit enthalten, die in Art. 14 § 3 VerbraucherKG im Einzelnen benannt sind. Hinzu kommen Beratungspflichten (§ 14 VerbraucherKG). Der Kreditgeber muss den Kreditnehmer über den für diesen am besten geeigneten Kredit beraten (siehe dazu Buyle R.C.J.B. 2005/4, 683). Der Verbraucher muss das Kreditangebot ggf. ausdrücklich annehmen. Seine Unterschrift muss den gesamten Namenszug wiedergeben und den Zusatz enthalten: „gelesen und bestätigt für … EUR Kredit“. Für alle anderen Kreditverträge muss der Verbraucher vor seiner Unterschrift den Zusatz „Genehmigt und bestätigt für … Euro zur Rückzahlung“ hinzufügen. Ebenfalls handschriftlich hinzuzufügen ist das Datum und der Ort der Unterschrift (Art. 17 VerbraucherKG). Die vorgedruckten Verträge müssen zwingend die folgenden Klauseln enthalten: 1° neben dem für die Unterschrift des Verbrauchers vorgesehenen Platz: a) „Unterschreiben Sie nie einen nicht ausgefüllten Vertrag.“ b) „Die Versicherung ist nie obligatorisch. Nach § 4 Nr. 2 Abs. 2 des VersicherungsG. vom 25.06.1992, steht dem Versicherten das Recht zu, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung zu kündigen, und zwar binnen einer Frist von 30 Tagen ab dem Empfang der vorunterschriebenen Versicherungspolice oder des Antrags durch den Versicherer.“ 2° die Klausel: „ Der Verbraucher darf keinen Wechsel oder Eigenwechsel unterschreiben mit dem Zweck, die Rückzahlung des Kredits zu versprechen oder zu garantieren. Er darf auch keine Schecks unterschreiben, um die Rückzahlung des Kredits zu garantieren.“ 3° die Klausel: „Außer des vereinbarten globalen effektiven Jahreszinses (Taux Annuel Effectif Global-TAEG), ist der Verbraucher nicht verpflichtet, andere Kosten oder Entschädigungen zu zahlen, wenn diese nicht ausdrücklich vereinbart wurden“. 4° die Klausel: „Wenn der Kreditvertrag einen Eigentumsvorbehalt vorsieht, muss er auch die Vorschriften des § 491 des Strafgesetzbuches wiedergeben. Sollten diese Vorschriften nicht im Vertrag wiedergegeben sein, ist die Klausel unwirksam.“.
20
TAEG Tabelle für 1.000 €: TAEG 5% 5,5% 6% 6,5% 7% 8% 9% 10%
30 Monate 35.48 35.69 35.90 36.12 36.33 36.76 37.18 37.61
36 Monate 29.92 30.13 30.35 30.56 30.77 31.20 31.63 32.06
42 Monate 25.95 26.16 26.38 26.60 26.81 27.24 27.68 28.11
Hök
48 Monate 22.97 23.19 23.41 23.62 23.84 24.28 24.71 25.15
60 Monate 18.82 19.03 19.25 19.47 19.70 20.14 20.58 21.03
§ 78 Länderteil – Belgien
2311
Berechnungsbeispiel: Um die Monatsrate zu ermitteln, wird wie folgt vorgegangen; Bei einem Kredit über 10.000 € über 48 Monate mit einem TAEG von 10% ergibt sich aus der anzuwendenden Tabelle der Wert 25,15 für 1.000 €. Es ist folglich der ermittelte Wert mit 10 zu multiplizieren (25,15 x 10 = 251,5). Die Monatsrate beträgt also 251,5 €. Die Kreditkosten können anschließend in der Weise ermittelt werden, dass die Monatsrate mit der Laufzeit in Monaten multipliziert wird. Davon wird sodann der Kreditbetrag abgezogen. Es ergibt sich aus der Formel (251,5 x 48)-10.000 ein Kostenbetrag von = 2.072 €. Regelungen zu den Zinssätzen werden als Mitteilungen veröffentlicht (vgl. Mitteilung vom 24.10.2007 über die jährlichen Maximalzinssätze (Taux annuels effectifs globaux maxima), M.B. 24.X.2007, 55190). Der Verbraucher kann von dem Vertrag binnen sieben Tagen zurücktreten, Art. 18 VerbraucherKG (ausgenommen Ratenkaufverträge und Leasingverträge, soweit der Kredit den Betrag von 1.250 Euro nicht überschreitet, vermittels eines Briefes per Einschreiben mit Rückschein (§ 18 Nr. 3). Für sie gelten die Sonderregelungen in Kapitel IV des Gesetzes. Die allgemeinen Wuchervorschriften in Art. 1907 der CC und Art. 494 Code Pénal finden auf den Verbraucherkredit wegen der dort bestehenden Sonderregelungen keine Anwendung (TPI Courtrai, 29.04.1994, JJP 1995, 130). Nach § 31 der Neufassung des VerbraucherKG darf bei dem Abschluss eines Kreditvertrages der Kreditgeber oder der Kreditvermittler den Verbraucher nicht zwingen, einen anderen Vertrag mit dem Kreditgeber, Vermittler oder Dritten zu schließen (§ 31 Nr. 1); der Vertrag darf auch keine Klauseln enthalten, die den Verbraucher verpflichten würden, die ausgeliehenen Gelder zum Teil oder im Ganzen zu verpfänden, zu deponieren oder zum Kauf von Wertpapieren (§ 31 Nr. 2) zu verwenden. Außerdem darf ein Kreditvertrag nicht mit einem Personenversicherungsvertrag verbunden sein (§ 31 Nr. 4). Gem. § 31 Nr. 5 sind die von den oben erwähnten Vorschriften des § 31 abweichenden Klauseln unwirksam. Nach der neuen Fassung des § 34 dürfen die bei unbefristeten Kreditverträgen zu begebenden persönlichen Sicherheiten maximal für einen Zeitraum von fünf Jahren verlangt werden. Diese Frist kann nur mit einer ausdrücklichen Zustimmung bei Fristende verlängert werden.
21
Das VerbraucherKG regelt zudem eingehend die Informierungspflicht des Kreditgebers: Dieser ist verpflichtet, dem Verbraucher monatlich einen Auszug zu übermitteln, in dem angegeben ist: 1° die genaue Frist, die im Auszug behandelt wird; 2° die abgezogenen Beträge und ihr Datum; 3° der Restbetrag des vorherigen Auszugs; 4° der Betrag und die Fälligkeit der geschuldeten Kosten; 5° der Betrag der vom Verbraucher veranlassten Zahlungen; 6° der letzte vereinbarte Jahresschuldzins; 7° der gesamte Betrag der geschuldeten Zinsen und deren Fälligkeit; 8° der minimal zu zahlende Betrag 9° der neue geschuldete Restbetrag, 10° der neue geschuldete Gesamtbetrag.
22
Der Verbraucher-Hypothekenkredit ist durch G. vom 04. 08. 1992 (HypKreditG), zuletzt geändert durch G. vom 20.06.2005, M.B. vom 26.VIII.2005, geregelt (zu seinem Vorgänger vgl. Königl. AO Nr. 225 vom 07.01.1936 betreffend den Hypothekenkredit und die Überwachung der Hypothekenbanken). Das G. vom 04.08.1992 in seiner heutigen Fassung regelt den Hypothekarkredit, der hauptsächlich für Zwecke der persönlichen Wohnnutzung einer natürlichen Person vergeben wird. Das HypKreditG war früher hin-
23
Hök
2312
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
sichtlich seines sachlichen Anwendungsbereiches restriktiver als das VerbraucherKG, da seine alte Fassung eine ausschließlich private Nutzung des Kredites verlangte. Es enthält Regelungen in Bezug auf die Zinsvariabilität (vgl. Art. 9 G.), die Kreditversicherung, die Kosten und Entschädigungen, die dem Schuldner auferlegt werden, sowie prekontraktuelle Informationspflichten (z. B. auch die Bereithaltung von Kreditinformationen in Prospektform, deren Inhalt durch die Königliche Anordnung vom 05.02.1993 detailliert vorgegeben ist) und die vorzeitige Kredittilgung. Dem Hypothekenkreditvertrag muss ein schriftliches Angebot des Darlehensgebers vorausgehen, das die Darlehenskonditionen und die Angebotsbindefrist enthalten muss (Art. 14 HypKreditG). Von dem Kreditnehmer zu übernehmende Kosten sind ihm exakt vorab mitzuteilen (vgl. Art. 13 Königl. AO vom 05.02.1993). Der Vertrag darf keine Regelungen enthalten, die zu einer einseitigen Änderung berechtigen (Art. 15 HypKreditG). Das Darlehen muss in bar oder als Kontoguthaben ausgereicht werden (Art. 16 HypKreditG). Es ist untersagt, den Hypothekenkredit unter der Bedingung auszureichen, Wertpapiere (als Obligationen, Aktien, Beteiligungen) zu erwerben, zu tauschen oder zu zeichnen (Art. 18 HypKreditG). Ähnliches gilt für Koppelgeschäfte mit Versicherungen oder Sparverträgen (vgl. Art. 19 HypKreditG), es sei denn sie dienen der Kreditrückführung (vgl. Art. 5 und 6 HypKreditG). Grundsätzlich unzulässig ist es ebenfalls, Wechsel auszustellen oder Eigenwechsel zu akzeptieren, die den Hypothekenkredit ersetzen (Art. 20 § 1 HypKreditG). Ausnahmen lässt Art. 20 § 2 ff. HypKreditG zu. Der Kreditnehmer kann den Kredit jederzeit vollständig tilgen (Art. 26 § 1 HypKreditG). Die vorzeitige Teilrückführung ist einer vertraglichen Vereinbarung zugänglich. Sie darf dem Kreditnehmer allerdings nicht verbieten, einmal jährlich eine Sondertilgung von wenigstens 10% des Kapitals vorzunehmen. Der Zinssatz kann fest oder variabel sein (Art. 7 HypKreditG). Die Einzelheiten regeln Art. 8 ff. HypKreditG. Der variable Zins muss nach oben und nach unten variabel sein (Art. 9 § 1 Abs. 1 HypKreditG). Der Zinssatz darf erst nach Ablauf vorgegebener Zeiträume verändert werden; die Mindestlaufzeit ist ein Jahr (Art. 9 § 1 Abs. 2 HypKreditG). Die Zinsanpassung muss an einen Referenzindex gebunden sein. Dieser muss aus einer in einer Liste veröffentlichten Anzahl von Indices entnommen werden. Die Liste, der Berechnungsmodus und die Auswahlmöglichkeiten sind in der Königlichen Anordnung vom 11.01.1993, geändert durch Anordnung vom 20.04.1999 (AR fixant les indices de référence pour les taux d´intérêts variables en matière de crédits hypothécaire), geregelt. Die Liste der Referenzindices wird monatlich im M.B. veröffentlicht. Die Referenzindices werden jeweils jahres-, halbjahres-, vierteljahresbezogen und monatsbezogen dargestellt. Wird ein Hypothekenkredit überfällig, muss die Hypothekenbank den Kreditnehmer innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Überfälligkeit schriftlich mit eingeschriebenem Brief unter Hinweis auf die Folgen des Verzugs aufmerksam machen. Anderenfalls kann die Bank nicht den erhöhten vertraglichen Verzugszins im Sinne des Art. 1907 CC verlangen und sie muss ein zins- und kostenloses Zahlungsziel von sechs Monaten gewähren (Art. 45 HypKreditG). 24
III. Dingliche Sicherheiten. Nach belgischem Recht haftet der Schuldner für seine Verbindlichkeiten mit seinem beweglichen und seinem unbeweglichen Vermögen (Art. 7, 8 HypG). Hypotheken und Privilegien stellen die legitimen Gläubigervorrechte dar (Art. 9 HypG). Alle grundstücksbezogenen Veränderungen (Verkauf, Teilung, Tausch oder Schenkung) sowie die Belastung mit Hypotheken werden im Hypothekenregister eingetragen. Das Hypothekenregister wird nach Eigentümern geführt. Ein Hypothekenregister existiert in jeder belgischen Provinz.
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2313
Das G. vom 16.12.1851 hat drei Formen der Publizität eingeführt: – Transkription, die in der schriftlichen Kopie der Akte unter Lebenden (übertragend oder deklaratorisch) in Bezug auf dingliche Rechte mit Ausnahme der Privilegien und Hypotheken – Eintragung einer Formalität, der bestimmte Immobilienprivilegien und die Hypotheken unterworfen sind – die Randanmerkungen, die in den Transkriptions- oder Eintragungsregister durch Reservierung eines Bereiches ermöglicht werden. Belgien hat die Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.06.2002 über Finanzsicherheiten (ABl Nr. L 168/43) im Gesetz vom 15.12.2004 betreffend die Finanzsicherheiten (M.B. 01.II.2005, Ed. 2, 2961) umgesetzt. Das Gesetz findet sachlich auf Vereinbarungen über Pfandrechte, Vereinbarungen über die Übertragungen von Eigentum und Vereinbarungen über die Abtretung und Rückabtretung Anwendung (cession-rétrocession). Unter Letzteren versteht das Gesetz Vereinbarungen, durch die jemand gegen Barzahlung Finanzinstrumente veräußert und sich zugleich verpflichtet, tremingebunden Finanzinstrumente ähnlichen Charakters zu einem festgelegten Preis zurückzukaufen (vgl. Déguée/Devos, Droit bancaire et financier, 2005, 155, 158). Das Gesetz erfasst aufgrund eines Verweises auf Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 02.08.2002 u.a. auch „Future“, „Forward rate agreemments“ und „Equity Swaps“ (van der Haegen, Droit bancaire et financier, 2005, 179, 181). Das Gesetz stellt nur auf den Inhalt des Geschäfts ab, so dass es auch Transaktionen mit natürlichen Personen einschließt; ausgenommen sind lediglich Vereinbarungen mit natürlichen Personen, die die Übertragung von Eigentum zu Sicherungszwecken betreffen (van der Haegen, Droit bancaire et financier, 2005, 179, 181). Das Gesetz regelt u.a. vor allem Folgendes: (1) das zivilrechtliche Pfandrecht ist nicht mehr den Vorschriften des Code Civil in Bezug auf ein sicheres Datum (Art. 1328 CC) und die notarielle Beurkundung bzw. Registrierung (Art. 2074 CC) unterstellt, (2) Besonderheiten in Bezug auf die Substitution des Pfandgegenstandes (vgl. zu den Einzelheiten van der Haegen, Droit bancaire et financier, 2005, 179, 182 ff.). Art. 17 des Gesetzes enthält zudem neue international-privatrechtliche Regelungen, die die Regelungen der Richtlinie umsetzen (zu den Einzelheiten siehe Marquette/Steuer, Droit bancaire et financier 2007, 71 ff.).
25
Das Eigentum des Schuldners stellt das gemeinsame „Pfand“ aller Gläubiger des Schuldners dar (Art. 8 HypG). Der Verwertungserlös gehört allen Gläubigern gemeinsam. Sie werden ggf. prozentual im Verhältnis aller Forderungen zueinander befriedigt, es sei denn einzelne Gläubiger haben legitime Vorrechte (Art. 8 HypG). Diese Vorrechte können Hypotheken oder Privilegien sein (Art. 9 HypG).
26
1. Privilegien. Das Privileg ist ein Recht, das den Charakter einer Forderung zugunsten des Gläubigers begründet und das ihn gegenüber anderen Gläubigern, auch Hypothekengläubigern, bevorzugt (Art. 12 HypG). Es kann auf Mobilien und auf Immobilien lasten (Art. 16 HypG). Unter den privilegierten Gläubigern entscheidet die unterschiedliche Qualität der Forderung (Art. 13 HypG). Bei gleichem Rang konkurrieren die Gläubiger (Art. 14 HypG). Das Privileg des Fiskus ist in besonderen Gesetzen geregelt.
27
Die privilegierten Forderungen sind in Art. 19 und 20 HypG und in Art. 27 HypG geregelt. Zu den wichtigsten Mobiliarprivilegien gehören die Justizkosten, Beerdingungskosten, Krankenbehandlungskosten, Ansprüche auf Arbeitsvergütung, Ansprüche der Sozialkassen und Versicherungen etc. sowie z. B. die Ansprüche auf die Pacht an landwirtschaftlichen Flächen bezüglich der Ernte oder auf Mieterträge an (weitervermieteten) Immobilien. Bezüglich der Immobilien sind u.a. privilegiert: der Verkäufer bezüglich des
28
Hök
2314
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Kaufpreises, der Tauschende in Bezug auf seinen Ausgleichsanspruch, die Miterben in Bezug auf ihre Ausgleichsansprüche sowie die Bauunternehmen, Architekten und Handwerker für ihr Entgelt (soweit ein besonderes Verfahren zur Feststellung des Betrages bzw. der Werterhöhung stattgefunden hat). Im Falle der Subunternehmer von Bauleistungen sind die Haftungsmassen für das Privileg und die action directe (gem. Art. 1798 CC.) identisch (Cass., 21.12.2001, R.D.C.B. 2002, 443). Subunternehmer genießen also einen doppelten Schutz, vor allem wenn die action directe erst nach Beantragung der Insolvenz des Hauptunternehmers erhoben wird, weil dem Subunternehmer, trotz der Unzulässigkeit einer solchen Klage (Cass., 23.09.2004, J.L.M.B. 2004, 1439) dank des Subunternehmerprivilegs das Recht zusteht, bevorzugt bezahlt zu werden. Mit Urteil vom 05.03.2001 hat das Handelsgericht Malines entschieden, dass, wenn die action directe des Subunternehmers abgewiesen wurde, sich dieser später auf das Privileg des Subunternehmers berufen kann (Trib. comm. Malines, 05.03.2001, R.W. 2001-02, 1510), um bevorzugt vor den anderen Gläubigern bezahlt zu werden. Was den Konflikt zwischen dem Gläubiger, der ein Pfandrecht an einem Handelsgeschäft (nantissement au fond du commerce) inne hat, und dem Subunternehmerprivileg angeht, hat die Cour de Cassation in ihrem Urteil vom 25.03.2005 (C.03.0378.N/1, ING v. Keirsmaekers et consors) entschieden, dass die §§ 13, 20 HypG anwendbar sind. Der Subunternehmer wird also gegenüber dem Inhaber des Pfandrechts am Handelsgeschäft bevorzugt behandelt. 29
Die Privilegien an Immobilien wirken sich im Verhältnis zu anderen Gläubigern erst aus, wenn sie im Hypothekenregister eingetragen wurden (Art. 29 HypG). In der Regel genügt die Vorlage des Übertragungsaktes, der den Anspruch auslöst (Kaufvertrag, Erbauseinandersetzungsvereinbarung, Tauschvertrag). Die Eintragung des zugrunde liegenden Geschäftes (Schenkung, Verkauf etc.) in das Hypothekenregister bewirkt zugleich die Eintragung des Privilegs (Art. 34 HypG). Im Fall der Architekten und Werkunternehmer muss das Protokoll über die Feststellung des Zustandes der Örtlichkeiten vor Baubeginn und sodann das Protokoll über die Feststellung des Zustandes der Örtlichkeiten nach Bauabnahme eingetragen werden. Sie erlangen das Privileg mit dem Rang des Datums des ersten Protokolls. Wird das zweite Protokoll nicht innerhalb von 14 Tagen nach Bauabnahme registriert, erhält der Unternehmer nur den Rang einer Hypothek mit dem Tag ihrer Eintragung (Art. 38 HypG).
30
Im Effektengeschäft bestehen Privilegien der Börsenmakler etc. an den ihnen anvertrauten Wertpapieren (vgl. Art. 31 G. vom 02.08.2002 betreffend die Überwachung des Finanzsektors und der Finanzdienstleistungen).
31
2. Hypothek. Die belgische Hypothek ist ein dingliches Recht, das heißt eine Sicherheit, die auf einem Gut des Schuldners lastet und ihrem Inhaber das Recht auf bevorzugte Befriedigung aus dem Gut verschafft (Art. 41 HypG). Im Falle der Nichtzahlung kann der Gläubiger die Hypothek im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Belastbar sind nur Immobilien oder für die Dauer ihres Bestehens Nießbrauchsrechte, Baurecht auf Zeit (superficie), Erbbaurechte (emphythéose) oder Wohnungseigentumsrechte (Art. 45 HypG). Die Hypothek verhindert nicht, dass sich der Besitz an der Immobilie verändert, ist der Publizität unterworfen, und räumt dem Inhaber das Recht ein, gegen den jeweiligen Eigentümer vorzugehen (droit de suite).
32
Die Hypothek kann von Gesetzes wegen auf vertraglicher Grundlage oder durch Testament entstehen (Art. 43 HypG). Die gesetzliche Hypothek entsteht nur zugunsten spezieller Gläubiger, doch kann sie gegenüber Dritten erst eingewandt werden, sobald sie durch Grundbucheintragung vollzogen ist. Die Cour d´Arbitrage hat entschieden, das die
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2315
gesetzliche Hypothek an Nachlassimmobilien verfassungsgemäß ist (C.A: n° 72/2007, http://www.arbitrage.be). Die Hypothek kann durch einseitigen Vertrag bestellt werden. Die Bestellung muss in einem notariellen Akt erfolgen: Eine Hypothek ohne notarielle Beurkundung ist nichtig (Cass., 21.01.1901, Pas., 1901, I, s.113). Der Bestellungsakt soll die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestangaben enthalten (Natur und Lage des Belastungsgegenstandes, Forderungshöhe, Zinsen und Kosten). Die Angabe des Rechtsgrundes der Forderung ist nicht zwingend erforderlich. Eine Belastungsvollmacht muss notariell erteilt werden (Art. 76 HypG). Art. 139 HypG i.d.F vom 01.03.2007 schreibt zukünftig vor, dass in jeder Bestellungsurkunde der Name der Person, zu deren Gunsten die Eintragung erfolgen soll, vollständig mit Angaben zum Geburtsort und zum Geburtsdatum anzugeben ist. Das Notargesetz (L. de 25 ventôse de l’an XI) wird ebenfalls entsprechend geändert. Der Notar ist von Amts wegen verpflichtet, sich von der Identität der Erschienenen zu überzeugen (CA Liège, 8.3.2007, Az: 2005/RG/948). Die Verpflichtung zur Bestellung einer Hypothek kann privatschriftlich eingegangen werden und kommt häufig vor (vgl. De Page, Band VII, 658, Rn. 724). Der Gläubiger lässt sich in der Praxis eine unwiderrufliche Belastungsvollmacht erteilen (vgl. CA Bruxelles, Urt. vom 09.05.2000, Az: 98/AR/2370). Die Vollmacht kann sich auch auf zukünftige Immobilien des Schuldners beziehen (vgl. CA Bruxelles, Urt. vom 09.05.2000, Az: 98/AR/2370). Sie muss notariell beurkundet (Art. 76 HypG) und darf nicht direkt dem Gläubiger erteilt werden, sondern nur zu seinen Gunsten, so dass die Einbeziehung eines Dritten zwingend erforderlich ist (vgl. Watelet, La rédaction, 376; CA Bruxelles, aaO.). Sollte die Belastungsvollmacht nicht notariell beurkundet sein, so ist die anschließend bestellte Hypothek nichtig (Gand, 29.11.1996, T.G.R. 1997, 64). Diese Nichtigkeit kann nicht später privatschriftlich geheilt werden (CA Bruxelles, 23.12.1999, J.T. 2000, 310). Die Zwangsvollstreckung kann aus einem solchen Mandat nicht betrieben werden. Im Falle der Insolvenz droht der Forderungsausfall, wenn das Mandat nicht ausgenutzt wurde. Die Hypothek ist ein akzessorisches Recht, also von dem Bestand der besicherten Forderung abhängig (vgl. Art. 108 HypG). Im belgischen Recht existiert keine vertragliche Hypothek, die von der Forderung unabhängig wäre. Der akzessorische Charakter der Hypothek hat folgende Auswirkungen: – Die Hypothek erlischt, wenn die Forderung erlischt. – Produziert die besicherte Forderung Zinsen, sind diese mitbesichert. – Die Hypothek folgt der Zession der besicherten Forderung; die Zession ist Gegenstand einer Randanmerkung im Hypothekenregister. – Die Hypothek kann nicht ohne die Forderung abgetreten werden; aber es kann der Rang einer Hypothek an einen anderen Hypothekengläubiger abgetreten werden. Die Rangabtretung ist wiederum Gegenstand einer Randanmerkung. Der Gläubiger kann allerdings unter Aufrechterhaltung seiner Forderung auf die Hypothek verzichten (Art. 108 Abs. 1 Nr. 2 HypG). Das G. vom 13.04.1995 hat einen Art. 51bis im HypKreditG vom 04.08.1992 in Bezug auf den Hypothekenkredit eingeführt, der es erlaubt, Hypotheken für zukünftige Forderungen (sog. hypothèque pour toutes sommes oder omnibus) zu bestellen, soweit die Forderung bei der Hypothekenbestellung bestimmt oder bestimmbar ist (Cass. 08.10.1999, Cass. 14.12.2000, R.C.J.B., 2001, 376). Diese Hypothek erhält den Rang am Tag ihrer Eintragung, ohne Rücksicht auf den Zeitraum, der bis zur Forderungsentstehung abläuft. Diese Regelung ist sehr praktisch, sofern sich die Kosten der Hypothek erhöhen. Ferner eignet sich die Regelung, um die Hypothek für den Fall der Schuldbedienung für eine neue Forderung zu nutzen.
Hök
33
34
35
2316
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
36
Die Hypothek ist unteilbar. Das bedeutet, dass sie das Grundstück insgesamt belastet. Veräußert der Eigentümer einen Teil des belasteten Grundstücks, lastet die Hypothek auf der verbleibenden und zugleich auf der veräußerten Fläche. Im Falle der Teilung in Wohnungseigentum lastet die Hypothek auf allen Wohnungseigentumsrechten. Die Hypothek erstreckt sich auch auf die Verbesserungen des Grundstücks (art. 45, al. 2, in fine; Cass., 15.06.2001, R.W., 2001-2002, 308).
37
Hypothekarisch belastbar ist nicht nur das Eigentum (Rn. 27), sondern auch das bloße Eigentum und das Nießbrauchrecht. Werden andere dingliche Rechte belastet, erlischt die Hypothek mit diesem dinglichen Recht (z.B. dem Erbbaurecht, CA Mons, 04.03.1998, J.M.L.B., 1999, 444). Der Antrag, ein hypothekarisch belastetes Recht zur Löschung zu bringen, ist dem betroffenen Hypothekengläubiger mitzuteilen. Die Belastung von ungeteiltem Eigentum ist problematisch, denn es kann durch die Teilung in Miteigentum zur Löschung der Hypothek kommen (vgl. T’Kint, Sûretés et principes généraux du droit de poursuite des créanciers, 4. Auflage, 287-289, Rn. 560-564).
38
Die Hypothek kann Dritten erst nach der Eintragung im Hypothekenregister entgegen gehalten werden. In der Praxis wird der Notar beauftragt, die Eintragung herbeizuführen. Die Eintragung verliert ihre Wirkung nach 30 Jahren, es sei denn sie wird rechtzeitig erneuert (Art. 90 HypG). Die Nichtigkeit der Eintragung beeinträchtigt keineswegs die Hypothek selbst.
39
Dem Schuldner eines belasteten Grundstücks verbleiben folgende Rechte: – – – –
Er kann die Immobilie veräußern. Er kann die Immobilie mit nachrangigen Hypotheken belasten. Er behält das Recht der Nutzung und der Fruchtziehung. Die Vermietung kann nicht mehr für eine längere Zeit als neun Jahre vereinbart werden.
Im Falle der Nichtzahlung kann der Gläubiger die Hypothek geltend machen. Der Schuldner muss die Zwangsvollstreckung dulden. Die Zwangsvollstreckung führt zur Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks. Das Verfahren ist in den Art. 1489 bis 1675 Code judiciaire geregelt. Eine andere Verwertungsart kann auch nicht durch Parteivereinbarung vorgesehen werden. Die Vollstreckung ist durch eine Zahlungsaufforderung (commandement) einzuleiten. Der Gläubiger muss ein Wahldomizil im Vollstreckungsbezirk begründen. Auf Antrag stellt der Gerichtsvollzieher das commandement zu. Die insoweit vorgesehenen Förmlichkeiten sind einzuhalten, insbesondere muss der Schuldner auf die Möglichkeit der Zwangsveräußerung hingewiesen werden. Ferner ist der Schuldner auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass er innerhalb von acht Tagen dem Gericht Kaufofferten nachweisen kann. Die Zustellung des commmandement hat verschiedene Wirkungen: – Mietverhältnisse mit einer Dauer von mehr als neun Jahren oder solche, die Quittungen in Bezug auf die Miete für einen Zeitraum wenigstens drei Jahren enthalten, sind Dritten gegenüber nicht mehr einwendbar; – Unterbrechung der Verjährung; – Zahlungsverzug. Die Zahlungsaufforderung wird im Hypothekenregister eingetragen. Mit der Eintragung verliert der Schuldner seine Verfügungsbefugnis, d.h. Verfügungen zugunsten Dritter können dem Gläubiger nicht mehr entgegengehalten werden. Dem „commandement“ muss innerhalb von sechs Monaten eine Pfändungsanordnung nachfolgen. Anderenfalls verliert das „commandement“ seine Wirkungen. Sie darf allerdings erst 15 Tage nach der Zustellung des „commandement“ zugestellt werden. Im Anwendungsbereich des Ver-
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2317
braucherschutzgesetzes muss vorab eine Anhörung stattfinden. Der Schuldner muss auf die Möglichkeit hingewiesen werden, Kaufofferten einzureichen, die Grundlage für einen freihändigen Verkauf sein können. Der Pfändung folgt auf Antrag des Gläubigers die Zwangsversteigerung. Zuständig sind die Notare. Der jeweilige Notar wird vom Vollstreckungsgericht bestimmt. Der Notar fasst die Versteigerungsbedingungen in einem „cahier des charges“ zusammen. Die Versteigerungsbedingungen enthalten: – den Tag der Versteigerung, – die Anweisung des Preises an die Gläubiger, – die Maßnahmen der Bekanntmachung der Versteigerung. Im Versteigerungstermin erhält der Meistbietende den Zuschlag. Es besteht die Möglichkeit der „surenchère“. Jeder Interessent kann innerhalb von 15 Tagen ein Mehrgebot abgeben, das das Verfahren erneut eröffnet. Der Zuschlag bringt die Belastungen zum Erlöschen, die bis zur Eintragung des „commandement“ oder ggf. der Pfändung im Hypothekenregister eingetragen worden waren. Die Rechte der Gläubiger setzen sich am Veräußerungserlös fort. Der Notar legt einen Verteilungsplan fest. 3. Pfandrechte. Das Pfandrecht (nantissement) ist ein Vertrag, durch den der Schuldner dem Gläubiger zur Forderungsbesicherung einen Gegenstand übergibt (Art. 2071 CC). Nicht abtretbare Gegenstände können nicht verpfändet werden. Das Pfandrecht an Mobiliar nennt man „gage“, das Pfandrecht an einer Immobilie nennt man „antichrèse“ (Art. 2072 CC). Das Pfandrecht an Mobilien ist in den Art. 2073 ff. CC näher geregelt. Es muss in ein Register eingetragen werden (Art. 2074 CC). Der Wert des Vorganges muss 375 EUR übersteigen. Von Bedeutung sind vor allem Pfandrechte an Unternehmen.
40
Die Vorschriften über das Pfandrecht an Finanzinstrumenten (für die Definition der Finanzinstrumente, siehe oben Rn. 17) wurden in den § 7 bis 11 des G. über die finanziellen Sicherheiten (M.B. 01.II.2005) „kodifiziert“, das die sog. Richtlinie 2002/47/CE über Finanzsicherheiten vom 06.06.2002 umsetzt. Diese Vorschriften haben den Charakter einer lex specialis, da dieses Pfandrecht nicht mehr den Vorschriften des § 1328 C.civ (bestimmtes Datum) und § 2074 C.civ. (notarielle Form oder Eintragung) unterliegt. Dem Pfandgläubiger steht im Falle der Nichterfüllung das Recht zu, die verpfändeten Finanzinstrumente ohne jegliche Mahnung oder gerichtliche Entscheidung zu veräußern, und zwar trotz Insolvenzverfahren oder Zwangsvollstreckung. Das Gesetz enthält auch neue IPR-Regelungen (vgl. oben, Rn. 17) Eine Geldsumme, die auf einem Konto blockiert ist, muss als Pfand bzw. Barsicherheit („Barsicherheit“ ist ein i.S.d. Richtlinie in beliebiger Währung auf einem Konto gutgeschriebener Betrag oder vergleichbare Geldforderungen, beispielsweise Geldmarkt-Sichteinlagen) betrachtet werden (Ger. Meise, 23.12.2004, R.W. 2004-2005, 1233), mit der Besonderheit, dass der verpfändete Gegenstand sich nicht in den Händen des Pfandgläubigers, sondern eines Dritten bzw. der von der Parteien gewählten Bank befindet. Kreditsicherheiten, die dem G. vom 15.12.2004 unterfallen, können unmittelbar verwertet werden (Trib. Comm. Gand, 08.03.2005, R.W. 2004-05, 1557). 4. Pfandrechte an Unternehmen (nantissement au fond de commerce). Das G. vom 25.10.1919 bezüglich der Verpfändung eines Handelsunternehmens (M.B. 21.XI.1919) gestattet die Belastung eines Handelsunternehmens mit einem Pfand. Handelsunternehmen können mithin mit ihrem Aktivbestand, insbesondere dem Kundenstamm, Zeichen, Ausrüstung, Marken, Mobiliar, Gerätschaften und dem Mietvertrag, sowie dem Warenbestand (bis zu einer Quote von 50%) verpfändet werden (Art. 1 und 2 des Unternehmenspfandgesetzes). Die Verpfändung kann privatschriftlich oder in notarieller Urkunde erfolgen (Art. 3 Unternehmenspfandgesetz) und ist zu Beginn nur zu-
Hök
41
2318
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
gunsten eines in Belgien oder der EU zugelassenen Kreditinstitutes zulässig (Art. 7 Unternehmenspfandgesetz). Die Verpfändung ist im Handelsregister einzutragen (Art. 4 Unternehmenspfandgesetz). Die Verpfändung gilt zehn Jahre (Art. 9 Unternehmenspfandgesetz). Sie ermöglicht eine besondere Form der Vollstreckung in Rohstoffe, Ausrüstung und Gerätschaften (vgl. Art. 11, 12 Unternehmenspfandgesetz). Die Klauseln, die regeln, dass ein bestimmtes Handelsgeschäft verpfändet wird, die aber zugleich vorsehen, dass sich das Pfandrecht auch auf andere Betriebsstellen erstreckt, sind wirksam, soweit letztere kein eigenständiges Handelsgeschäft darstellen (Bruxelles 06.02.2001, R.W. 2001-02, 204; Anvers, 13.12.1999, R.W. 2000-01, 204). Der Kassationshof hat dem Gläubiger implizit ebenfalls das Folgerecht (droit de suite) auf das gesamte Handelsgeschäft zugestanden (Cass. 21.10.1999, Pas.1999, I, 1368, A.J.T. 1999-2000, 517), d.h. das Pfandrecht bleibt veräußerungsbeständig. Das G. vom 22.03.1993 hat die Reichweite des Pfandrechts geringfügig verändert. Aus Art. 2 Unternehmenspfandgesetz folgt, dass Banken Unternehmen nur eingeschränkt beleihen dürfen. Dementsprechend hat die Cour de Cassation entschieden, dass sich das Pfandrecht nicht auf eine Bürgschaft erstreckt, die die Inhaber des Unternehmens zugunsten der Kreditverpflichtung eines Dritten eingeht (Cass.civ. 23.12.2005, C.04.0613.F, zitiert nach Grégoire, Droit bancaire et financier 2007, 334, 335). 42
5. Antichrèse. Schließlich kennt das belgische Recht das besitzabhängige Pfandrecht an Immobilien (antichrèse). Sie kann nur schriftlich vereinbart werden (Art. 2085 CC) und berechtigt den Gläubiger, die Früchte der Immobilie zu ziehen, die er zunächst auf Zinsen und sodann auf das Kapital verrechnen muss (Art. 2085 CC). Im Gegenzug muss der Gläubiger –wenn nichts anderes vereinbart ist- die Lasten und Kosten des Grundstücks tragen sowie die Instandhaltung des Gebäudes übernehmen (Art. 2086 CC). Die Instandhaltungskosten kann er mit den Früchten verrechnen. Kommt der Schuldner mit der Rückzahlung in Verzug, kann der Gläubiger die Enteignung des Schuldners betreiben (Art. 2088 CC). Das bloße Ausbleiben der Zahlung hat keine unmittelbare Eigentumsveränderung zur Folge. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig (Art. 2088 CC).
43
IV. Persönliche Sicherheiten. Zu den persönlichen Sicherheiten gehören Bürgschaften und Garantien. Nur die Bürgschaft ist gesetzlich geregelt. Die Sicherungsabtretung von Forderungen hat keine praktische Bedeutung.
44
1. Bürgschaft. Der Bürge übernimmt die Verpflichtung, für den Fall eine Forderung zu bezahlen, dass der Schuldner dies nicht tut (Art. 2011 CC). Es handelt sich um einen Vertrag zwischen Gläubiger und Bürgen. Er ist in der Regel kein kaufmännisches Geschäft, selbst dann nicht, wenn die Hauptforderung kaufmännischen Charakter hat und sich der Geschäftsführer einer Gesellschaft für deren Verbindlichkeiten verbürgt (CA Mons, 05.02.1991, Revue du Notariat Belge 1992, 541; CA Bruxelles, 08.05.1990, JT 1990, 675; vgl. aber CA Bruxelles, 14.12.2000, Az: 91/AR/1423 für den Fall des Eigeninteresses). Die Bürgschaft muss ausdrücklich übernommen werden (Art. 2015 CC). Das Zustandekommen des Bürgschaftsvertrages kann nicht vermutet werden (Art. 2015 CC) und muss grundsätzlich formell mit dem Zusatz „bon“ oder approuvé“ sowie dem bezifferten Betrag unterschrieben werden (Art. 1326 CC). Doch unterliegt das Zustandekommen der Bürgschaftsverpflichtung keinen Formvorschriften (Cass.civ., 27.10.2000, Pas. 2000, I, 586). Verlangt wird lediglich eine unzweideutige Bekundung des Bürgen. Es genügt ein beweiskräftiges Schweigen, wie etwa in dem Fall, in dem der Geschäftsführer einer GmbH für diese einen Vertrag unterzeichnet, der ausdrücklich vorsieht, dass sich der Geschäftsführer für die Verbindlichkeiten der GmbH verbürgt, ohne dass ein selbständiger Bürgschaftsvertrag geschlossen wird (vgl. Cass.civ., 27.10.2000, Pas. 2000, I, 586). Der Gerichtshof hat mit dieser Entscheidung Art. 1326 CC für die Fälle ausgehebelt, in denen
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2319
das Zustandekommen des Vertrages aus den Umständen heraus angenommen werden kann. In solchen Fällen kann es unschädlich sein, dass der Bürgschaftsakt selbst unwirksam ist. Die Bürgschaft kann nur aufgrund einer wirksamen Hauptforderung bestehen (Art. 2012 CC), ist also akzessorisch. Es ist zulässig, sich in Bezug auf alle bestehenden und zukünftigen Verbindlichkeiten gegenüber einer Person zu verbürgen (CA Mons, Revue du Notariat Belge 1992, 541; CA Bruxelles, 04.04.2000, Az: 96/AR/469). Die zukünftigen Forderungen müssen bestimmbar sein. Dieser Anforderung genügt eine Klausel, die objektive Kriterien enthält, nach denen der Gegenstand der Bürgschaft im Augenblick ihrer Inanspruchnahme bestimmt werden kann. Demzufolge ist eine Klausel wirksam, „die alle Kredit- und Bankgeschäfte der Bank mit dem Hauptschuldner und alle Bankleistungen an den Hauptschuldner“ einbezieht (CA Bruxelles (9e ch.), 30.06.2006, Az: 2000/AR/2706). Der Bürge kann im Falle seiner Inanspruchnahme alle Einwendungen erheben, die der Hauptschuldner erheben kann, es sei denn sie beruhen ausschließlich auf persönlichen Gründen (Art. 2036 CC). Verbürgt sich der Bürge für die Erfüllung einer Verbindlichkeit aus einem synallagmatischen Vertrag, kann er den Einwand der Nichterfüllung erheben. Jedoch ist die Verpflichtung aus dem Bürgschaftsvertrag gegenüber der verbürgten Forderung eigenständig. Deshalb kann der Bürge im eigenen Namen den Einwand der Nichterfüllung, wie auch alle anderen Einwände, die der Hauptforderung innewohnen, geltend machen, und zwar auch dann, wenn der Schuldner es unterlässt, ihn zu erheben, darauf verzichtet hat oder seine Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger stillschweigend oder ausdrücklich anerkannt hat. Das Gericht muss in einem solchen Fall nachprüfen, ob der Einwand berechtigt ist (Cass.civ., 17.03.2008 N° C.07.0016.F).
45
Der Schuldner, der sich verpflichtet, einen Bürgen zu stellen, muss einen solchen stellen, der geschäftsfähig ist und über ausreichend Vermögen verfügt, um die Bürgschaftsverpflichtung zu erfüllen. Überdies soll der Bürge seinen Sitz in dem Bezirk des Berufungsgerichts haben, in dem die Bürgschaft begeben werden soll (Art. 2018 CC). Die Solvenz des Bürgen beurteilt sich nur anhand seines Immobilienvermögens, es sei denn im kaufmännischen Verkehr oder wenn die Verpflichtung gering ist (Art. 2019 CC). Wird der Bürge nach Übernahme der Bürgschaft insolvent, muss der Schuldner einen neuen Bürgen stellen (Art. 2020 CC). Die Bürgschaftsverpflichtung steht unter dem Vorbehalt des „bénéfice de discussion“, dem Einwand der Vorausklage, auf den der Bürge allerdings verzichten kann (Art. 2021 CC). Der Einwand der Vorausklage entfällt auch dann, wenn die Bürgschaftsverpflichtung „solidarisch“ ist, d.h. wenn Schuldner und Bürge gesamtschuldnerisch haften. Der Einwand der Vorausklage muss sofort bei Inanspruchnahme erhoben werden (Art. 2022 CC). Der Verzicht auf den Einwand der Vorausklage beinhaltet aber nicht den Verzicht auf den Einwand der Subrogation, der in Art. 2037 CC enthalten ist. Gemäß Art. 2037 CC wird der Bürge von der Verpflichtung frei, wenn die Subrogation in die Rechte, Hypotheken und Privilegien des Gläubigers aufgrund einer Handlung des Gläubigers nicht mehr zugunsten des Bürgen erfolgen kann. Der Bürge wie der selbstschuldnerische Bürge können den Einwand aus Art. 2037 CC erheben. Der Einwand kann nicht nur auf die fahrlässige Beeinträchtigung der Sicherheit sondern auch darauf gestützt werden, dass der Gläubiger seine Rechte gegen den Schuldner nicht mit aller gebotenen Sorgfalt verfolgt, z.B. wenn infolge der unterlassenen Forderungsanmeldung des Gläubigers gegen die Insolvenz des Schuldners der Rückgriff des Bürgen auf die Sicherheiten beeinträchtigt wird (Cass.civ., 17.03.2008 N° C.07.0016.F). Auch der Umstand, dass der Bürge nicht selbständig gegenüber der Insolvenz des Schuldners die Forderung angemeldet hat, ist unschädlich (Cass.civ., 17.03.2008 N° C.07.0016.F).
Hök
46
2320
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Der Bürge, der den Einwand der Vorausklage erhebt, muss dem Gläubiger das im Gerichtsbezirk des Berufungsgerichts belegene Vermögen des Schuldner mitteilen und die Kosten der Beitreibung vorstrecken (Art. 2023 CC). Die Mitteilung mit Kostenvorstreckung hat zur Folge, dass der Gläubiger das Insolvenzrisiko des Schuldners in Bezug auf die mitgeteilten Vermögenswerte übernimmt, wenn er seine Forderung nicht gegenüber dem Schuldner beitreibt und die mitgeteilten Vermögenswerte vollstreckt (Art. 2024 CC). Mehrere Bürgen haften jeweils voll für die Hauptschuld (Art. 2025 CC). Haben die Mitbürgen nicht auf den Einwand der Vorausklage verzichtet, können sie nach Maßgabe von Art. 2026, 2027 CC die verhältnismäßige Aufteilung der Verbindlichkeit verlangen. 47
Der Bürge, der die Hauptforderung bedient, kann gegen den Schuldner Regress nehmen. Der Regressanspruch umfasst Kosten und Zinsen (Art. 2028 CC). Darüber hinaus wird der Bürge in die Rechte eingesetzt (Subrogation), die der Gläubiger gegen den Schuldner besaß (Art. 2029 CC). Haben mehrere Bürgen für ein und dieselbe Forderung gegen den Schuldner gebürgt, können sie auch untereinander Ausgleich verlangen (Art. 2033 CC). Die Bank wiederum haftet dem Bürgen, falls sie die Bürgschaftsverpflichtung zweideutig abfasst und sie den Bürgen nicht in vollem Umfang über die Reichweite der Bürgschaft unterrichtet (CA Liège, 30.09.2005, Az: 2001/RG/1299). Zwar ist die Bank nicht verpflichtet, den Bürgen über die Verschlechterung der finanziellen Situation des Hauptschuldners zu unterrichten, jedoch muss sie offen legen, dass sie einen weiteren Kredit gewährt, der durch die Bürgschaft gedeckt ist (CA Liège, 30.09.2005, Az: 2001/RG/1299).
48
Die Bürgschaft erlischt in denselben Fällen wie alle anderen Verpflichtungen (Art. 2034 CC), insbesondere also durch Erfüllung. Der Bürge wird von der Haftung frei, wenn es durch eine Handlung des Gläubigers unmöglich wird, dass der Bürge in die Rechte des Gläubigers (vgl. Art. 2029 CC) eingesetzt wird (Art. 2037 CC). Auf den Bestand der Bürgschaft hat es keinen Einfluss, dass der Bürge seine frühere Stellung als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin verloren hat, es sei denn die Bürgschaft wurde ausdrücklich unter dieser Voraussetzung begeben (CA Bruxelles, 04.04.2000, Az: 96/AR/469). Es kann allerdings dem Bürgschaftsnehmer unter Umständen vorgehalten werden, er habe den Bürgen nicht über die Entwicklung der Verbindlichkeit unterrichtet, obwohl es im Grunde genommen Sache des Bürgen ist, insoweit Auskünfte einzuholen (CA Bruxelles, 04.04.2000, Az: 96/AR/469). Nach Art. 224 § 1 Abs. 4 CC können auf Antrag des Ehepartners und unbeschadet der Gewährung von Schadensersatz die von einem der Ehegatten geleisteten persönlichen Sicherheiten, die die Interessen der Familie gefährden, für nichtig erklärt werden. Die Klage auf Nichtigkeitserklärung oder auf Schadensersatz muss nach Art. 224 § 2 CC zur Vermeidung des Ausschlusses innerhalb eines Jahres ab dem Tag, an dem der klagende Ehegatte von dem Rechtsgeschäft Kenntnis bekommen hat, erhoben werden. Stirbt der Ehegatte vor Ablauf der Ausschlussfrist, so verfügen seine Erben ab dem Tode über eine neue Frist von einem Jahr. Diese Vorschrift ist unabdingbar (CA Mons, 20.06.1989, R.D.C.B. 1990, 787). Die Gefahr für die Familie muss im Augenblick des Vertragsschlusses vorliegen (Cass.civ., 24.04.1998, Pas. 1998 I, 211).
49
Durch G. vom 03.06.2007 über die unentgeltliche Bürgschaft (M.B. 27.VI.2007, 35012) hat der belgische Gesetzgeber ein neues Kapitel in den Code Civil eingebaut. In den Art. 2043bis ff. CC ist nunmehr die unentgeltliche Bürgschaft geregelt. Die unentgeltliche Bürgschaft ist nach Art. 2043bis CC der Akt, durch den eine natürliche Person unentgeltlich eine Hauptverbindlichkeit zugunsten eines Gläubigers besichert. Die unentgeltliche Natur der Bürgschaft richtet sich auf das Fehlen jeden wirtschaftlichen Vorteils, sei es indirekt oder direkt, den der Bürge aufgrund der Bürgschaft erhalten kann. Gemäß Art. 2043ter CC muss der Gläubiger den Beweis führen, dass die Bürgschaft nicht unentgeltlich begeben wurde. Dann findet das Kapitel über die unentgeltliche Bürgschaft
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2321
keine Anwendung. Die allgemeinen Regeln über die Bürgschaft finden mit Ausnahme der Art. 2014 Abs. 1, 2018 und 2019 CC auf die unentgeltliche Bürgschaft Anwendung, es sei denn sie sind mit den Regelungen in den Art. 2043 unvereinbar. Unentgeltliche Bürgschaften müssen schriftlich und getrennt von dem Hauptgeschäft abgeschlossen werden, anderenfalls sind sie nichtig (Art. 2043quinquies CC). In dem Bürgschaftsvertrag muss die Laufzeit der verbürgten Forderung angegeben werden. Handelt es sich um eine unbefristete Verbindlichkeit, darf die Bürgschaft maximal eine Laufzeit von fünf Jahren haben (Art. 2043quinquies § 2 CC). Zur Vermeidung der Nichtigkeit der Bürgschaft ist zwingend vorgeschrieben, dass diese die Formulierung enthält: „en me portant caution de … dans la limite de la somme de … (en chiffres) couvrant le paiement du principal et en intérêts pour une durée de …, je m’enagage à rembourser au créancier de … les sommes dues sur mes biens et sur mes revenus si, et dans la mesure où, … n’y satisfait pas luimême“ (übersetzt: In dem ich mich als Bürge des … für den Betrag von bis zu … (in Buchstaben) zur Deckung der Hauptforderung nebst Zinsen zur Verfügung stelle, verpflichte ich mich, dem Gläubiger von … die geschuldeten Beträge aus meinen Gütern und meinem Einkommen zu bezahlen, wenn und unter der Voraussetzung, dass sie der … nicht selbst bedient) (Art. 2043quinquies § 3 CC). Einzelheiten kann der König festlegen (Art. 2043 quinquies § 4 CC). Art. 2043sexies CC regelt weitere Nichtigkeitsgründe. Die Bürgschaft darf nicht mehr Zinsen aus der Hauptforderung einschließen als bis zu 50% der Hauptforderung (Art. 2043sexies § 1 CC). Es darf überdies kein Missverhältnis zwischen der Bürgschaftssumme und dem Leistungsvermögen des Bürgen bestehen (Art. 2043sexies § 2 CC). Schließlich ist in Art. 2043septies CC vorgesehen, dass der Gläubiger den Bürgen bei ordnungsgemäßem Verlauf mindestens einmal jährlich entsprechend unterrichtet. Sämtliche Korrespondenz mit dem Schuldner über die Nichterfüllung der Rückzahlungsverpflichtung muss auch dem Bürgen zugeleitet werden. Anderenfalls kann sich der Gläubiger ab dem Tag seiner Unterlassung nicht auf die Erhöhung der Hauptschuld berufen. Erben haften nur im Verhältnis ihrer Erbanteile (Art. 2043octies CC). Die unentgeltliche Bürgschaft hat bereits in einem erheblichen Umfang die Gerichte beschäftigt. Die CA Liège hat die Unverhältnismäßigkeit einer Bürgschaft unter Bezugnahme auf die neue gesetzliche Definition verneint, die die Mutter des Geschäftsführers einer in Insolvenz gefallenen Gesellschaft begeben hatte (Trib. Com. Verviers, 25.01.2007 – NELIS Jeannine c/ SA AXA BANK C/ faillite SPRL DATEX TRANS; CA Liège, 22.11. 2007 – S.A. AXA BANK c/ NELIS Jeannine). Die Unverhältnismäßigkeit ist durch einen Vergleich zwischen dem Bürgschaftsbetrag und dem Einkommen des Bürgen unter Berücksichtigung seines Vermögens festzustellen (Moreau, RGDC 2006, 156; CA Liège, 06.03.2008, 2006/RG/1365).
50
2. Garantie. Die Bankgarantie, namentlich die Garantie auf erstes Anfordern, ist eine dem belgischen Recht ursprünglich fremde, jedoch im Rahmen internationaler Verträge durchaus praktizierte Vertragsform. Um wirksam zu sein, muss sie von der zugrunde liegenden Forderung unabhängig, abstrakt und unbedingt sein (vgl. CA Bruxelles, 04.04.1987, Az: 91/18346). Um zu ermitteln, ob ein Bankengagement den Charakter einer Bürgschaft oder den einer Garantie auf erstes Anfordern hat, stellen die belgischen Gerichte darauf ab, dass eine Garantie auf erstes Anfordern unabhängig von der garantierten Forderung besteht, und zwar in Bezug auf ihre Existenz wie in Bezug auf ihre Erfüllung, während die Bürgschaft, die mit einem Hauptvertrag akzessorisch verbunden ist, einen subsidiären Charakter in dem Sinne hat, dass der Bürge nur dann aufgerufen ist, tätig zu werden, wenn die Möglichkeiten, den Hauptschuldner in Anspruch zu nehmen, erschöpft sind (CA Liège, 28.06.1991, Pas. 1991 II, 179). Die Verpflichtung, die die Bank im Rahmen einer Garantie auf erstes Anfordern eingeht, wird durch ihren autonomen und abs-
51
Hök
2322
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
trakten Charakter charakterisiert. Diese Verpflichtung ist von der Beziehung zwischen der Bank und dem Garantieverpflichteten (Deckungsverhältnis) und der Beziehung zwischen dem Garantieverpflichteten und dem Begünstigten (Valutaverhältnis) abgekoppelt, was impliziert, dass sie nicht auf der Grundlage von Mängeln oder Ausnahmen aus diesen Verhältnissen in Frage gestellt werden kann. Die Bank kann sich also damit begnügen, eine formelle Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Anforderung auf der Grundlage der in der Garantie genannten Bedingungen vorzunehmen (CA Bruxelles, 07.06.1995, Le Droit des Affaires – Het Ondernemingsrecht 1995, 74). Wird in der Garantieerklärung der Begriff „solidairement“ (ex.: „nous nous portons garants solidaires“) verwendet, kommen Zweifel am Garantiecharakter der Erklärung auf und es kommt eine Umdeutung in eine Bürgschaft in Betracht. Das Handelsgericht Brüssel hat in diesem Sinne entschieden (Trib. comm. Bruxelles, 28.04.1983, R.D.C. 1984, 57) und ausgeführt, die Verwendung dieser Begriffe vertrage sich auch dann nicht mit dem Charakter einer Garantie, die eine autonome und abstrakte Verpflichtung darstelle, wenn es in der Garantie heiße, das Zahlung auf erstes schriftliches Anfordern zu leisten sei. Die Entscheidung wurde allerdings durch das Berufungsgericht Brüssel aufgehoben. Es genüge, wenn die Unabhängigkeit vertraglich geregelt sei, auch wenn gleichzeitig Begriffe verwendet würden, die die Bürgschaft betreffen. Diesbezüglich herrscht in der belgischen (CA Bruxelles 03.04.1987, J.L.M.B. 1987, 810; CA Anvers 13.10.1982, JCB. 1982, 642) und französischen (Cass.civ., 08.12.1987, D. 1988, 240) Rechtsprechung Einigkeit. Mithin kommt eine Garantie auf erstes Anfordern nur zustande, wenn (Flamme/Flamme/Delvaux/Pottier, Contrat d’entreprise 1990-2000, Rn. 179; Romain, Principes d´interprétation et de qualification des garanties indépendantes première demande, R.G.D.C. 1989, 429 ff.; CA Liège, 08.06.1999, J.L.M.B. 2000, 1680): – sich die Verpflichtung der garantierenden Bank ausschließlich aus der Garantieerklärung ergibt, – die Garantieerklärung keine inhaltliche Überprüfung der Zahlungsanforderung zulässt, – die Garantieerklärung keine Verweisung auf das Recht der Bürgschaft enthält, – der Verweis auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis „einfach“ ist, d.h. wenn lediglich auf das Rechtsverhältnis verwiesen wird, ohne dass die sich daraus ergebenden Verpflichtungen beschrieben oder zitiert werden. Die Bankgarantie darf nicht mit den „escrow account“-ähnlichen Operationen verwechselt werden, bei denen die Bank ausschließlich als Treuhänder handelt und eine als Garantie auf einem Konto verpfändete Summe, Wertpapiere oder Forderungen verwahren muss (CA Mons, 20.02.2003). Das Anfordern einer Garantie ist dann missbräuchlich, wenn ein Recht in einer Weise ausgeübt wird, die deutlich die Schranken seiner normalen Ausübung durch eine sorgfältige und gewissenhafte Person überschreitet (TPI Bruxelles, 03.09.1993, Revue de Droit Commercial 1994, 1126). Das einfache Berufen auf die Nichtigkeit ist unzureichend, um die Erfüllung der Garantie zu verhindern. Allein eine in aller Augen ausgesprochene und offenkundige Nichtigkeit kann diesen Effekt haben, mit der Maßgabe, dass der ordnungsgemäß informierte Garant in der Lage ist, die manifeste Missbräuchlichkeit der Inanspruchnahme festzustellen. Eine Bankeinrichtung, die sich ihrer Inanspruchnahme entziehen will, indem sie die Nichtigkeit der Garantiebegebung erst in dem Augenblick behauptet, wo die Solvenz ihres Kunden bereits in Frage steht, obwohl sie den Nichtigkeitsgrund von Beginn an kannte, verletzt das legitime Vertrauen des Dritten und begründet ihre Haftung (CA Liège, 15.09.1995, Revue Pratique des Sociétés Civiles et Commerciales 1995, 416).
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2323
3. Forderungsabtretung und -verpfändung. Grundsätzlich ist die Abtretung von Forderungen zulässig (vgl. auch Bette, WM 1994, 1909-1921). Die Vereinbarung zwischen Zedent und Zessionar wird mit der Anzeige an den Schuldner wirksam (Art. 1689, 1690 CC). Die belgischen Gerichte stehen der Sicherungsabtretung von Forderungen sehr skeptisch gegenüber. Für sie stellt die Sicherungsabtretung eine Gesetzesumgehung dar. Aus Art. 8 HypG folge, die Bevorzugung einzelner Gläubiger sei nur in den gesetzlich benannten Fällen zulässig. Die Sicherungsabtretung stelle in Wahrheit keine Vollrechtsübertragung dar; sie müsse daher als Pfand verstanden werden, dessen Anforderungen eine Sicherungsabtretung nicht erfülle (Cass.civ., 17.10.1996, Az: C940421F; TPI Liège, 06.10.1982, Az: 86/245). Das Pfandrecht an einer Forderung (gage) setzt voraus, dass die Vereinbarung schriftlich oder notariell getroffen wurde und dass das Pfandrecht registriert wurde. Ferner muss die Verpfändung dem Schuldner angezeigt werden (Art. 2075 CC). V. Leasing. Das belgische Leasingrecht hat sich in Bezug auf das Leasing beweglicher und unbeweglicher Sachen unterschiedlich entwickelt. Grundsätzlich handelt es sich um einen Vertrag sui generis (vgl. Cass.civ. 17.06.1993, JT 1993, 732), der allerdings anders als im deutschen Recht eine gewisse gesetzliche Grundlage gefunden hat (vgl. Hoffmann, Grundzüge, Rn. 101). Es herrscht grundsätzlich Rechtswahlfreiheit (vgl. Cass.civ., 17.06.1999, Pas. 1999 I, 372). Das Leasinggeschäft mit Verbrauchern unterfällt dem VerbraucherKG vom 12.06.1991 (vgl. auch Éditions Francis Lefebvre, Rn. 868, 870). Wenn der Leasingvertrag einen oder mehrere Zeitpunkte für das Ausüben der Kaufoption vorsieht, muss er für jeden Zeitpunkt die jeweiligen Restwerte angeben. Wenn die Restwerte bei Vertragsschluss nicht bestimmt werden können, muss der Vertrag die entsprechenden Parameter angeben, die es dem Verbraucher erlauben, die Restwerte zum Zeitpunkt des Ausübens der Kaufoption festzustellen (§ 2 VerbraucherKG).
52
53
Ein Leasingvertrag muss zwingend die folgenden Angaben enthalten: 1° den baren Preis des beweglichen Gegenstandes, und gegebenenfalls den baren Preis für jede zusätzliche Leistung; 2° den ganzen Betrag der vom Verbraucher zu entrichtenden Zahlungen inkl. des Restwerts des Gegenstandes bei Ausübung der Kaufoption; 3° die Anzahl, den Betrag und den Zeitpunkt der Zahlungen; 4° die genaue Frist zwischen dem Lieferdatum des Gegenstandes und dem Datum der ersten Zahlung; 5° gegebenenfalls den Betrag der geleisteten Sicherheit und die Verpflichtung des Kreditgebers, die Erträge der als Sicherheit deponierten Summen dem Verbraucher zurückzuzahlen; 6° die Möglichkeit, jederzeit eine vorfristige Rückzahlung vorzunehmen. 1. Leasing beweglicher Sachen. Die „Location financement“ (Leasing von beweglichen Gegenständen) wird wie folgt charakterisiert (Art. 1 Königl. AO Nr. 55 vom 10.11.1967 betreffend die Organisation des rechtlichen Status von Unternehmen, die das Leasing praktizieren): (1) Das Leasing muss sich auf Ausrüstungsgegenstände beziehen, die der Mieter ausschließlich für professionelle Zwecke nutzt. (2) Die Güter müssen von dem Vermieter speziell für die Zwecke der Vermietung nach den Spezifikationen des Mieters erworben werden. (3) Die vereinbarte Vertragslaufzeit muss der voraussichtlichen Dauer der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Vertragsgegenstandes entsprechen. (4) Der Mietzins muss so bemessen sein, dass sich der Wert der Mietsache während der Laufzeit amortisiert. (5) Der Vertrag muss dem Mieter die Möglichkeit eröffnen, am Ende der Vertragslaufzeit den Mietgegenstand zu einem im Vertrag festgesetzten Preis zu er-
Hök
54
2324
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
werben, der dem voraussichtlichen Restwert der Sache entsprechen muss. Unternehmen, die das Leasinggeschäft aufnehmen wollen, müssen von dem Belgischen Wirtschaftsministerium zugelassen sein (Art. 2 Königl. AO Nr. 55 vom 10.11.1967; vgl. auch Cass.civ., 20.12.1999, Pas. 1999 I, 688). Die Einzelheiten der Zulassung regelt die MinAO vom 23.02.1968 zur Durchführung der Königl. AO Nr. 55 vom 10.11.1967. 55
Das Eigentum des Leasinggebers hat auch in der Insolvenz des Leasingnehmers Bestand. Auf dem Leasinggegenstand ist eine gut lesbare Plakette anzubringen, die darauf hinweisen soll, dass der Gegenstand im Eigentum des Leasinggebers steht (Art. 2 MinAO vom 23.02.1968). Die Verletzung dieser Verpflichtung führt nicht zum Eigentumsverlust. Sie kann jedoch mit der Entziehung der Zulassung geahndet werden (Cass.civ., 27.11.1981, J.C.B, 1982, 67; vgl. auch Cass.civ., 27.11.1981, Pas. 1982, 434).
56
Es ist zulässig, bereits abgeschriebene Gegenstände im „sale and lease-back“Verfahren erneut unter die Leasing-Vorschriften zu stellen. Allein in der Absicht, sich einer günstigeren Besteuerung zu unterwerfen, liegt keine Gesetzesumgehung (Cass.civ., 20.12.1999, Pas. 1999 I, 688).
57
2. Immobilienleasing. Von besonderer Bedeutung in Belgien ist das Immobilienleasing. Es ersetzt in gewisser Weise die wenig entwickelte langfristige Hypothekenfinanzierung. Das Immobilienleasing hat zivilrechtlich keine Sonderregelung erfahren. Zu steuerrechtlichen Fragen kann auf Art. 44 Umsatzsteuergesetz in Verbindung mit der Königlichen Anordnung Nr. 30 vom 29.12.1992 sowie auf den Code des impôts sur le revenu (CIR) verwiesen werden. Die Rechtsprechung begreift das Immobilienleasing als einen Vertrag sui generis, demzufolge der Vermieter die Verpflichtung übernimmt, ein bestimmtes Grundstück für den Mieter zu erwerben, das nach dessen Angaben für die Zwecke des Mieters bebaut wird. Die Aufgabe des Vermieters erschöpft sich in der Finanzierung des Vorhabens. Der Mieter verpflichtet sich zur Zahlung des vereinbarten Mietzinses. Der Vertrag hat in der Regel eine Laufzeit von 27 Jahren, was der Mindestlaufzeit eines Erbbaurechtes entspricht (vgl. CA Bruxelles, 25.05.1982, JT 1983, 664; CA Bruxelles, 25.09.1985, Pas. 1985 II, 183; Cass.civ., 17.06.1993, JT 1993, 732). Die Überlassung des Objektes kann jedoch mietvertraglich oder im Wege der Erbbaurechtsbestellung (emphythéose, vgl. dazu G. vom 10.01.1824) erfolgen. Auf den Mietvertrag sind die Kündigungsvorschriften über gewerbliche Mietverhältnisse nicht anwendbar (CA Bruxelles, 22.02.1983, R.D.C. 1983, 530; CA Bruxelles, 25.05.1982, JT 1982, 664), weshalb auch kürzere Laufzeiten als 27 Jahre vereinbart werden können. In der Regel werden Leasingvorhaben durch die Ausgabe von sog. „certificats immobiliers“ refinanziert (siehe unten V 3). Sale and lease back-Geschäfte sind seit 1986 wirtschaftlich uninteressant, weil der Gesetzgeber den Veräußerungserlös besteuert (vgl. dazu Circulaire vom 08.07.1993, n CI.RH.421/443.775, B.C., 1993, n 730, 2091; Art. 47 CIR).
58
VI. Factoring. Das Factoring hat in Belgien nur eine rudimentäre Regelung erfahren. Es wird nicht zwischen echtem und unechtem Factoring unterschieden (Hoffmann, Grundzüge, Rn. 112). In Belgien wird anstelle des Gläubigerwechsels vorzugsweise mit dem Rechnungsindossament (endossement de la facture) gearbeitet. Das G. vom 25.10.1919 (M.B. 21.XI.1919) bezüglich der Verpfändung eines Handelsunternehmens (vgl. oben Rn. 34 ff.) regelt das Rechnungsindossament in Kapitel II (Art. 13 bis 16). Jede Forderung, die aus einer beruflichen oder gewerblichen oder zivilrechtlichen Tätigkeit entstammt, und die gewöhnlich in einer Rechnung konkretisiert wird, kann qua Indossament abgetreten oder verpfändet werden (Art. 13 aaO.). Die Forderung muss entstanden sein, aber noch nicht fällig (vgl. Cass.civ., 21.04.1994, J.L.M.B. 1994, 1238). Das Indossament ist nur gültig, wenn es zugunsten einer in der Europäischen Union zugelassenen Bank oder eines Instituts, das per Königlicher Anordnung definiert ist, erfolgt. Das In-
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2325
dossament muss dem Schuldner per eingeschriebenem Brief angezeigt werden (Art. 16 aaO.). Die Anzeige bewirkt, dass der Schuldner ab Zugang nur noch befreiend an den neuen Gläubiger zahlen kann. In der Praxis wird häufig auf die Anzeige verzichtet (vgl. Hoffmann, Grundzüge, Rn. 121). Das ist wegen Art. 16 Abs. 3 G. in Verbindung mit Art. 1690 Abs. 3 CC jedenfalls unschädlich, wenn der Schuldner formlos benachrichtigt wurde (vgl. CA Bruxelles, 14.10.1981, J. com. B. 1982, 217; Hoffmann, Grundzüge, Rn. 121; vgl. aber Cass.civ., 13.05.1988, Pas. 1988 I, 1117; CA Bruxelles, 04.06.1985, R.D.C. 1986, 393; CA Bruxelles, 03.04.1990, JT 1991, 177). Gegenüber Dritten ist der Übergang bereits durch das Indossament vollzogen (Art. 16 Abs. 2 G.). In der Praxis hat es sich eingebürgert, das Indossament als Forderungsabtretung zu verstehen, bei dem dem Schuldner die Einwendungen erhalten bleiben, die im Zeitpunkt der Abtretung bestanden (CA Bruxelles, 17.03.1988, Pas. 1988 II, 153).
C. Konto- und Zahlungsverkehr
59
Der Konto- und Zahlungsverkehr setzt in der Regel die Eröffnung eines Bankkontos voraus. In der Regel werden Bankkonten als „compte ouvert“ (auf offene Rechnung), „compte courant“ (Kontokorrent) oder „compte à vue“ (Sichtkonto) geführt. Die Einzelheiten der Rechtsbeziehung regeln die Allgemeinen Bankbedingungen, die Vertragsbestandteil werden, sobald der Kunde bestätigt, dass ihm die Allgemeinen Bedingungen ausgehändigt wurden, und zwar auch dann, wenn er die Erklärung automatisch und ohne die Bedingungen zu lesen, unterschrieben hat (CA Gand, 23.05.1997, R.D.C. 1998, 248). Die Bank kann die Bedingungen ändern, soweit es Umstände betrifft, die außerhalb des Einflussbereiches der Bank liegen, Treu und Glauben beachtet werden und die Änderung richterlicher Kotrolle unterliegt. Die Bank muss sich derartige Änderungen in ihren Bedingungen vorbehalten und sie dem Kunden mitteilen. Überdies sollte in den Bedingungen die Regelung enthalten sein, dass das Schweigen des Kunden als Annahme interpretiert wird (vgl. CA Bruxelles, 27.06.1997, R.D.VCC. 1998, 806; CA Gand, 24.12.1997, R.D.C. 1998, 848). Wie die Beziehung zwischen kontoführender Bank und Kunde zu qualifizieren ist, war Gegenstand mehrerer Gerichtsentscheidungen. Es finden sich Elemente des Hinterlegungsvertrages, des Auftrages sowie des Darlehensvertrages. Die Hinterlegung beinhaltet die Annahme des Gegenstandes eines Dritten mit der Verpflichtung, die Sache zu bewahren und sie in Natur zurückzugeben (Art. 1915 CC). Es handelt sich um einen unentgeltlichen Vertrag (Art. 1917 CC), der schriftlich zu vereinbaren ist (Art. 1923 CC). Grundsätzlich ist der hinterlegte Gegenstand in Natur wieder herauszugeben. Bei hinterlegtem Geld soll dieselbe Summe in geltender Währung wieder herausgegeben werden (Art. 1932 CC). Herauszugeben ist der Betrag nur an denjenigen, der ihn hinterlegt hat (Art. 1937 CC). Der Auftragnehmer ist verpflichtet, den Auftrag so auszuführen, wie er erteilt ist, und haftet auf Schadensersatz im Falle der Nichtausführung (Art. 1991 CC). Der Auftragnehmer ist weiter gehalten, Rechenschaft zu legen und das Erlangte herauszugeben (Art. 1993 CC). Der Auftraggeber muss die Verpflichtungen erfüllen, die der Auftragnehmer für ihn eingegangen ist (Art. 1998 CC). Auslagen und Kosten sind dem Auftragnehmer zu erstatten (Art. 1999 CC). Der Auftrag endet entweder durch Rücknahme des Auftrages durch den Auftraggeber oder durch Kündigung des Auftragnehmers sowie durch den Tod, sei es der des Auftragnehmers oder der des Auftraggebers (Art. 2003 CC). Der Auftragnehmer kann verpflichtet sein, im Falle der Gefahr den Auftrag über den Tod hinaus auszuführen (Art. 1991 CC). Nach Auffassung der CA Mons (21.06.1988, Az: 10081) stellt die Einzahlung von Geld auf ein Bankkonto keine Hinterlegung im juristischen Sinne, sondern eine Verbrauchs-
Hök
60
61
2326
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
darleihe (prêt à consommation) dar (vgl. Art. 1892 CC), da es dem Vertrag wesentlich sei, dass die Bank die eingezahlten Mittel verwende und dem Kunden hierfür als Gegenleistung einen Zins zahle. Ähnlich hat sich die CA Bruxelles geäußert (23.12.1998, Az: 91/ AR/3821). Die Cour de Cassation hingegen hat ausgeführt, es handele sich um einen Hinterlegungsvertrag, denn wesentlich sei, dass die Bank die Mittel verwalte und Bankleistungen erbringe (Cass.civ., 16.09.1993, Pas. 1993 I, 698). Die Bank schulde daher gemäß Art. 1937 CC die Herausgabe der hinterlegten Beträge, wenn dies der Kunde verlange. Die Bank verletze demgemäß ihre vertraglichen Verpflichtungen, wenn sie das Konto ohne Auftrag belaste (vgl. dazu Romain, Rev. Banque 1994, 43-44). Die Bank haftet insoweit auf den Erfolg (obligation de résultat). 62
I. Kontoeröffnung. Bei der Kontoeröffnung muss die Bank die Identität und die Anschrift des Kunden aufklären. Die Bank ist verpflichtet, sich ein Originaldokument vorlegen zu lassen, aus dem sich zweifelsfrei die Identität des Kunden ergibt. Anderenfalls muss die Bank vertiefte Prüfungen anstellen, um die Identität festzustellen (vgl. Trib. comm. Bruxelles, 05.09.1997, R.D.C. 1998, 788; Cour d’appel de Bruxelles, 07.09.1999, R.W. 2002-2003, 704; CA Bruxelles, 20.12.2005, R.D.C.B. 2007/1, 58). Diese Verpflichtung findet sich in den Vorschriften des Gesetzes bezüglich der Prävention und der Nutzung des Finanzsystems zu Zwecken der Geldwäsche vom 11.01.1993, geändert durch das Gesetz vom 12.01.2004. Das belgische Verfassungsgericht (Cour d’Arbitrage) hat Art. 18 Abs. 2 des G. vom 12.01.2004 teilweise aufgehoben und im Übrigen Auslegungsvorgaben bezüglich einiger Regelungen des Gesetzes auferlegt (Cour d’Arbitrage, 23.01.2008 n° 10/2008, http://www.arbitrage.be). Letztere betreffen die anwaltliche Schweigepflicht. Informationen, die der Rechtsanwalt im Rahmen eines Mandates erlangt, bleiben von der anwaltlichen Schweigepflicht gedeckt und dürfen mithin nicht gemeldet werden (Cour d’Arbitrage, 23.01.2008 n° 10/2008, http://www.arbitrage.be).
63
Die Führung eines Bankkontos wird in Belgien als höchstpersönliche Angelegenheit verstanden, so dass das Konto im Falle des Todes des Kontoinhabers geschlossen wird (Bruyneel/van den Haute, Rev. Banque 1999, 388, 390 Rn. 6). Allerdings hat das Friedensgericht Herstal entschieden, dass die Erben Kontoinhaber werden, wenn die Bank in Unkenntnis des Todesfalles weiterhin Zahlungen entgegennimmt (vgl. J. P. Herstal, 17.10.1997, R.D.C. 1998, 794). Die Cour de Cassation hat jedoch inzwischen anders entschieden. Ein Rententräger hatte nach dem Tod des Erblassers eine weitere Rentenzahlung auf dessen Konto veranlasst. Er verklagte die Bank auf Rückzahlung. Die Cour de Cassation gab ihr Recht. Der Bankvertrag ende mit dem Tod des Kontoinhabers. Das Konto werde geschlossen. Bereichert sei mithin die Bank, nicht der Erbe (Cass.civ., 220.2.2008 n° C.07.0274.F). Die Bank sei der tatsächliche Leistungsempfänger (accipiens matériel), während der Erbe lediglich der wirtschaftlich Begünstige (accipiens intellectuel) sei. Jeder Kaufmann ist verpflichtet, auf Rechnungen seine Bankverbindung anzugeben. Falls er dies nicht tut, kann er im Falle des Zahlungsverzuges keine Zinsen verlangen.
64
II. Kontoführung. Die Bank ist verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Kontoverwaltung Sorge zu tragen, ohne berechtigt zu sein, sich in die abzuwickelnden Operationen einzumischen (vgl. Trib. comm. Bruxelles, 05.09.1997, R.D.C. 1998, 788). Bei der Entgegennahme von Geldern ist sie verpflichtet, den Umständen der Zahlung Rechnung zu tragen. Nimmt sie eine Zahlung des Bauherrn an den Bauunternehmer entgegen, gegen den sie eine Forderung hat, kann sie die Gelder nicht auf eigene Forderungen verrechnen (vgl. auch Art. 1293 Nr. 3 CC), wenn die Zahlung mit Hinterlegungscharakter auf ein „blockiertes Konto“ erfolgt (vgl. CA Bruxelles, 16.10.1996, R.W. 1998-1999, 18).
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2327
Führt die Bank eine Überweisung aus, für die sie keinen Auftrag erhalten hat, muss sie den Betrag auf das Konto des Belasteten zurückbuchen und Regress bei dem Pseudoberechtigten nehmen (CA Mons, 26.06.1997, J.T. 1998, 71; CA Bruxelles, 06.05.1998, J.T. 1998, 602; Cass.civ., 16.09.1993, Az: 9650). Sie trägt mithin das Insolvenzrisiko bezüglich des Pseudoberechtigten (vgl. auch CA Bruxelles, 27.06.1997, R.D.C. 1998, 806). Weist ein Ehegatte eine Bank an, Mittel des anderen Ehegatten, der bei dieser Bank kein Konto unterhält, auf ein Konto dieses Ehegatten im Ausland zu transferieren, ist der anweisende Ehegatte Auftraggeber. Die Bank muss sich keine schriftliche Vollmacht vorlegen lassen (CA Bruxelles, 03.05.1985, Az: 10847). Auf Rückzahlung des Betrages, der aufgrund eines gefälschten Überweisungsauftrages von dem Konto des Kontoinhabers abgebucht wird, haftet die Bank jedenfalls dann, wenn ihr grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann; so entschieden bei einem (gefälschten) größeren Überweisungsauftrag aus einem Konto, dessen Inhaber im Ausland lebt, sofern die Bank ihre eigenen Sicherheitsbestimmungen missachtet (CA Bruxelles, 20.12.2005, R.D.C. 2007/1, 58).
65
Aus dem Auftragscharakter, den die Anordnung einer Banküberweisung hat, ergibt sich für die beteiligten Banken, dass sie prüfen muss, ob die von dem Auftraggeber als begünstigte Person angegebene auch Inhaberin des im Auftrag angegebenen Kontos ist (vgl. Trib. comm. Bruxelles, 02.09.1998, R.D.C. 1999, 691). Weist der Kontoinhaber irrtümlich einen zu hohen Betrag an (365.394 EUR statt geschuldeter 365,94 EUR), ist er in der Insolvenz des Kontoinhabers nur einfacher Gläubiger, denn der Irrtum macht die Anweisung nicht nichtig. Der Kontoinhaber ist lediglich Gläubiger der Bank und nicht Eigentümer des Kontoguthabens (CA Bruxelles, 25.11.2005, R.D.C. 2007/1, 52).
66
Der Scheck „nicht an Order“ ist kein übertragbarer Titel. Die Bank ist verpflichtet zu überprüfen, ob ihr ein Scheck vom Berechtigten vorgelegt wird. Sie muss die Identität des Vorlegenden prüfen. Geschieht dies nicht, haftet sie, falls sie den Scheck einlöst (CA Liège, 09.02.2007, n° 2004/RG/705).
67
III. Überziehungen. Wird ein laufendes Konto überzogen, erhöhen die auflaufenden Zinsen periodisch mit den Saldenmitteilungen den Saldo, worauf wiederum Zinsen anfallen. Das verstößt grundsätzlich gegen Art. 1154 CC, was jedoch für das Kontokorrentkonto contra legem traditionell hingenommen wird (Cass.civ., 27.02.1930, Pas. 1930 I, 129). Für das auf Sicht geführte Konto (compte à vue) soll das Zinseszinsverbot dagegen gelten (vgl. J.P. Verviers, 27.06.1997, J.L.M.B. 1998, 431, TPI Liège, 19.05.1993, R.R.D. 1996, 63 umstritten), denn insoweit sei Vertragsgegenstand lediglich die Überlassung von Geldmitteln gegen Erhalt banküblicher Dienstleistungen (vgl. zum geschlossenen „compte courant“ CA Bruxelles, 08.05.1990, JT 1990, 675). In einem Verbraucherkreditvertrag ist ausdrücklich vorzusehen, dass die Überziehung des Kreditbetrages unzulässig ist (§ 60bis Nr. 1 VerbraucherKG). Sollte es jedoch zu einer Überziehung kommen, muss der Kreditgeber die Auszahlungen einstellen und zur Rückzahlung der Überziehung innerhalb von 45 Tagen auffordern. Nur die ausdrücklich vereinbarten und vom VerbraucherKG genehmigten Verzugszinsen können gefordert werden. Die Verzugszinsen müssen auf der Basis der Überziehung kalkuliert werden. Wenn der Verbraucher seine Pflichten nicht beachtet, muss der Kreditgeber entweder den Vertrag kündigen oder einen neuen Vertrag über einen höheren Kreditbetrag abschließen.
68
IV. Bankkarten. Die Benutzung einer Bankkarte ist einem Kassenkredit der Art ähnlich, dass der Kunde verpflichtet ist, jeden Monat ausreichend Geldmittel auf seinem Konto zur Verfügung zu stellen. Der Umstand, dass die Lebensgefährtin des Karten- und Kontoinhabers in strafbarer Weise Abhebungen tätigt, macht diesen nicht von seiner vor-
69
Hök
2328
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
bezeichneten Verpflichtung frei (Anvers, 02.09.1998, T.Not. 1999, 128). Einzelheiten regelt das G. vom 17.07.2002 betreffend den elektronischen Bankverkehr, M.B. 17.VIII.2002, 35337). Der Inhaber einer Bankkarte muss nach Art. 8 § 1 des G. in Übereinstimmung mit den Kartenbedingungen nutzen. Das entspricht der Rechtslage nach Art. 1134 CC. Im Falle des Verlustes oder des Diebstahls einer Bankkarte, die den Zugang zu Bankautomaten verschafft, sowie im Falle von Unregelmäßigkeiten, die der Bankkunde in den Bankauszügen feststellt, ist er gehalten, die Bank zu unterrichten (Art. 8, § 1er, Abs. 2 des G.). Das G. will ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen des Bankinstitutes und der Kunden regeln (Trib. Comm., 27.11.2006, Droit bancaire et financier 2007, 137). Für den durch den vertragswidrigen Gebrauch entstehenden Schaden ist der Bankkunde bis zu dem Augenblick verantwortlich, an dem er den Verlust oder den Diebstahl dem Institut angezeigt hat. Ist die Bank informiert, muss sie alle Maßnahmen ergreifen, um den Missbrauch zu verhindern und trägt demgemäß den weiteren Schaden. Hat der Kunde den Verlust verschuldet, kann er u. U. auch für Schäden, die nach der Anzeige entstehen, mitverantwortlich gemacht werden (Bruyneel/van den Haute, Rev. Banque 1999, 388, 390 Rn. 17). Bank- und Kreditkarten müssen sorgfältig aufbewahrt werden. Die Klage einer Bankkundin, die ihre Eurocard bei einem Krankenhausaufenthalt in ihrem Zimmer aufbewahrte, das unverschlossen war und von dem man ausgehen muss, dass es gelegentlich verlassen wird, wurde abgewiesen (JP Bruxelles, 07.07.2006, Droit bancaire et financier 2007, 134). Das G. vom 17.07.2002 verbietet es nicht, das Verschulden des Bankkunden zu vermuten (Trib. Comm., 27.11.2006, Droit bancaire et financier 2007, 137). Das Gericht kann insoweit alle relevanten Umstände in seine Erwägungen einbeziehen. Solche Umstände können sein: (1) Die fragliche Bankkarte wurde nicht kurz vor dem Diebstahl der Karte benutzt, so dass ausgeschlossen werden kann, dass die Geheimnummer beim Eingeben in das Bankterminal von einem Dritten mitgelesen wurde, (2) Beim ersten Versuch, die gestohlene Karte zu nutzen, wurde eine falsche Nummer eingegeben, jedoch konnte bei einem unmittelbar folgenden 2. und 3. Versuch der richtige Code eingegeben und erfolgreich Geld abgehoben werden, so dass zu vermuten ist, dass sich der Dritte im Besitz der Gemeinnummer befand (3) der Geschädigte kennt seine Geheimnummer nicht auswendig, (4) der Geschädigte hat seine Tasche mit der Karte im Hotelzimmer belassen, um zu frühstücken. Unter solchen Umständen kann das Gericht vermuten, dass der Geschädigte dem Dritten die Geheimnummer zugänglich gemacht hat (Trib. Comm., 27.11.2006, Droit bancaire et financier 2007, 137, 138). 70
V. Einfache Anlageformen. In Belgien sind zwei einfache Bankanlageformen zu unterscheiden. Gearbeitet wird mit dem sog. „compte à terme“ und dem „comptes de dépôt d’épargne“. Die „comptes à terme“ sind eine kurzfristige Anlagemöglichkeit (in der Regel bis zu zwölf Monaten), bei der der Zinssatz und die Laufzeit zu Beginn bekannt sind. Die eingelegten Gelder sind für die gesamte Laufzeit blockiert. Der Zinssatz orientiert sich an den marktüblichen Zinsen. Die „comptes de dépôt d’épargne“ sind die klassischen Spareinlagen. Der Anleger kann über die eingelegten Mittel frei verfügen. Es gibt keine Kündigungsfristen. Das jeweils eingelegte Geld wird verzinst. Seit dem 01.01.2001 gilt für derartige Einlagen ein neues Zinsregime (vgl. Königl. AO vom 31.12.1999). Eine Einlage verzinst sich ab dem Tag, der der Einzahlung folgt. Die Verzinsung endet frühestens sieben Tage vor der Auszahlung (Art. 1 der Königlichen Anordnung). Festgelder und Spareinlagen sind bis zu einer Einlage von 20.000 EUR nach Maßgabe der Art. 110 ff. G. vom 22.03.1993 (M.B. 19.IV.1993, M.B. 2.VI.1993, M.B. 9.VII.1993) über den „Fonds de protection des dépôts et des instruments financiers“ geschützt (vgl. Mitteilung
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2329
vom 25.02.1999 – Avis du Fonds de protection des dépôts et des instruments financiers relatif au système de protection des dépôts et des instruments financiers).
D. Kapitalmarktrecht
71
Der Brüsseler Börsenplatz hat Tradition (seit 1801). Das belgische Kapitalmarkt- und Börsenrecht erfuhr seit Beginn der 90er Jahre zahlreiche grundlegende Änderungen (vgl. dazu Éditions Francis Lefebvre, Rn. 694 ff.; Feron, Revue pratique des sociétés civiles et commerciales 1995, 308-346; Wymeersch, Rev. Banque 1995, 574-592). Es wurde der Markt für öffentliche Schuldverschreibungen (G. vom 02.01.1991 „relative au marché des titres de la dette publique et aux instruments de la politique monétaire), das Börsenrecht und der Kapitalanlagemarkt grundlegend neu geregelt. Das G. vom 04.12.1990 (M.B. 22.XII.1990, M.B. 1.II.1991) hat das Börsenrecht reformiert, gefolgt von dem G. vom 06.04.1995 (M.B. 3.VI.1995, M.B. 1.VIII.1995; geändert durch G. vom 15.05.2007, M.B. 18.VI.2007, 32903). Den Schlusspunkt stellt das G. vom 02.08.2002 betreffend die Überwachung des Finanzsektors und der Finanzdienstleistungen (L. à la surveillance du secteur financier et aux services financiers) dar. Zentrale zuständige Überwachungsbehörde ist nun die Kommission für das Bank- und Finanzwesen (CBFA). Die CBFA ist eine autonome rechtsfähige Einrichtung, die ihren Sitz in Brüssel hat (Art. 44 G. vom 02.08.2002). Ihre Organe sind gemäß Art. 47 G. vom 02.08.2002 der Überwachungsrat (conseil de surveillance), das Direktionskomitee (comité de direction), der Präsident und der Generalsekretär. Die CBFA hat die Aufgabe, die Kontrolle der Kreditinstitute, der Kapitalanlagegesellschaften, der Anlageberater, der Wechselbüros, der Kapitalanlagegesellschaften zu gewährleisten. Sie überwacht die Transaktionen und die Einhaltung der Regelungen zum Schutze der Kapitalanleger (Art. 45 G.). Das G. vom 02.08.2002 regelt folgende Gegenstände: Kapitel I (Allgemeines), Kapitel II (2. Markt der Finanzinstrumente), Kapitel III (CBFA), Kapitel IV (Office de Contrôle des Assurances), Kapitel V (Koordinierung der Überwachung des Finanzsektors), Kapitel VI (Rechtsmittel gegen Entscheidungen der CBFA), Kapitel VII (Rechtsmittel gegen Entscheidungen der OCA/CBFA), Kapitel VIII (Änderungen, Aufhebungen, Diverses). Kapitel II besteht aus insgesamt 9 Sektionen: Sektion 1 (Geregelte Märkte), Sektion 2 (Finanzinstrumente, die von dem belgischen Staat oder Gebietskörperschaften herausgegeben werden), Sektion 3 (Andere Märkte), Sektion 4 (Marktbeteiligte Unternehmen), Sektion 5 (Kursmakler), Sektion 6 (Ankaufs- und Verrechnungsorganisationen), Sektion 7 (Transaktionen und Verhaltensregeln), Sektion 8 (Kontrolle durch die CBFA), Sektion 9 (Strafrechtliche Sanktionen). Art. 2 G. vom 02.08.2002 definiert alle Finanzprodukte wie Aktien und vergleichbare Papiere, handelbare Obligationen, Beteiligungen, Finanzinstrumente, Futures, Termingeschäfte, Swaps, Devisen- und Zinsoptionen.
72
Um der Vermittlung von Wertpapieren eine professionellere Struktur zu geben, hat der belgische Gesetzgeber durch das Kapitalmarktgesetz vom 04.12.1990 (M.B. 22.XII.1990, M.B. 1.II.1991) die Beteiligten verpflichtet, das Wertpapiergeschäft in der Form einer Börsengesellschaft zu betreiben. Gleichzeitig wurden Verhaltensregeln für Personen erlassen, die das Geschäft der Vermögensverwaltung oder der Anlageberatung betreiben wollen. Für die Vermögensverwaltungsgesellschaften, die Anlageberatungsgesellschaften und die Makler wurde ein spezielles Statut geschaffen. Das G. vom 06.04.1995 entwickelt dies unter Berücksichtigung der EU-Richtlinien weiter. Es führt ferner eine neue Legaldefinition ein, namentlich die „entreprise d'investissement“, die als Unternehmen definiert wird, deren übliche Betätigung darin besteht, Dritten gewerblich Investitionsdienstleistungen zu liefern. Das G. vom 06.04.1995 unterscheidet: (1) Börsengesellschaften (sociétés de bourse), (2) Vermögensverwaltungsgesellschaften (sociétés de
73
Hök
2330
74
75
76
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
gestion de fortune), (3) Finanzmakler (sociétés de courtage en instruments financiers), (4) Kapitalanlagegesellschaften (sociétés de placement d’ordres en instruments financiers). Ein unabhängiger Beauftragter, der im Auftrag eines Finanzinstituts für Rechnung von Endkunden an der Börse in hoch spekulative und risikoreiche Anlagen investiert, ohne das Institut über die Risiken zu unterrichten, verletzt seine Aufklärungspflicht aus dem Vertrag zwischen Finanzinstitut und Beauftragtem, sofern in diesem Vertrag vorgesehen ist, dass letzterer die gesetzlichen Regelungen, Verordnungen und Berufsregeln beachtet (CA Bruxelles, 25.10.2005, R.D.C. 2007/1, 73). Die Börsengesellschaften können grundsätzlich Investitionsdienstleistungen einschließlich der Nebenleistungen anbieten. Die Vermögensverwaltungsgesellschaften können neben der reinen Vermögensverwaltung Anlageaufträge annehmen, sie weiterleiten und ausführen. Die Aktivitäten der Finanzmakler bestehen darin, zwei oder mehrere Investitionswillige zusammenzubringen, um diese in die Lage zu versetzen, ein Finanzgeschäft zu tätigen. Der Status der Kapitalanlagegesellschaften eröffnet die Möglichkeit, Werte unter einem weniger strikten Regime zu platzieren als die Börsengesellschaften. I. Wertpapiere. Zu den Wertpapieren gehören (vgl. Art. 460 Code des sociétés) Aktien (actions), Gewinnanteilsscheine (parts bénéficiaires), Schuldverschreibungen (obligations) und Bezugsscheine (droits de souscription) und Derivate (z.B. Option, Warrant, Futures, Minis). Diese Papiere sind Namenspapiere (Art. 462 ff. Code des sociétés), Inhaberpapiere (Art. 466 ff. Code des sociétés) oder nicht verbriefte Wertpapiere (Art. 468 ff. Code des sociétés). Aktien repräsentieren das Stammkapital der Aktiengesellschaft (Art. 476 Code des sociétés). Sie sind bis zu ihrer vollständigen Einzahlung Namenspapiere (Art. 477 Code des sociétés). Die Rechte aus Gewinnanteilsscheinen sind in den Statuten der AG geregelt (Art. 483 Gewinnanteilsscheine). Schuldverschreibungen stellen das Anerkenntnis einer Verbindlichkeit des Herausgebers dar und können – bei Aktiengesellschaften - zu jeder Zeit ausgegeben und ggf. in Aktien umgewandelt werden (Art. 485 Code des sociétés, vgl. für die S.P.R.L. Art. 243 ff. Code des sociétés). Schuldverschreibungen können von staatlichen Einrichtungen, Unternehmen, internationalen Organisationen und Bankinstituten herausgegeben werden. Es gibt verschiedene Arten von Schuldverschreibungen: Prämienschuldverschreibung (obligations à prime, Art. 488 Code des sociétés), Wandelschuldverschreibung (obligations convertibles, Art. 489 ff. Code des sociétés), Pfandbriefe (obligations hypothécaires, Art. 493 ff. Code des sociétés). Sie können als privilegierte Schuldverschreibungen ausgestaltet werden, so dass die Inhaber in der Insolvenz des Emittenten bevorzugt befriedigt werden (Art. 495 Code des sociétés). Bezugs- oder Optionsscheine können isoliert oder gebunden an andere Titel herausgegeben werden (Art. 496 Code des sociétés). Namenspapiere werden durch eine Übertragserklärung, die in das Aktienregister eingetragen wird, übertragen. Die Übertragung von Inhaberpapieren vollzieht sich durch Übertragung des Papiers (Art. 504 Code des sociétés). Die Gesellschaftssatzung kann die Übertragbarkeit der Papiere beschränken (Art. 510 Code des sociétés). II. Aktien. Aktien sind börsenfähige Wertpapiere ohne feste Verzinsung. Der Aktieninhaber verfügt grundsätzlich über den Anspruch auf Teilhabe am Betriebsgewinn (Dividendenanspruch). Er hat Stimmrecht und Anspruch auf Information. Im Falle der Liquidation hat der Aktionär Anspruch auf den anteiligen Auseinandersetzungserlös. Im Falle der Kapitalerhöhung hat der Aktionär Anspruch auf vorrangige Berücksichtigung bei der Ausgabe neuer Aktien (vgl. Art. 605 Nr. 1 Code des sociétés). Der Aktionär kann seine Aktien an der Börse verkaufen, vorausgesetzt es handelt sich um Namensaktien einer Gesellschaft, deren Stammkapital voll eingezahlt ist, oder um Inhaberaktien. Die Dividenden werden an der Quelle mit 15 bis 25% besteuert. Spekulationsgewinne sind steuerfrei.
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2331
III. Schuldverschreibungen. Der Markt für Schuldverschreibungen ist vielfältig. Zu finden sind die sog. „bons de caisse“, „obligations linéaires“, „bons d´État“, Corporate Bonds und Euroobligationen.
77
1. Bons de caisse. Der „bon de caisse“ ist eine in Belgien weit verbreitete Schuldverschreibung, die von einem Kreditinstitut herausgegeben wird. Üblicherweise handelt es sich um ein Inhaberpapier, das jederzeit veräußerlich ist. Die „bons de caisse“ dürfen über nicht weniger als 250 EUR valutieren und müssen zum Nominalwert abgegeben werden. Die geläufigsten Stückelungen sind 250, 1.000, 2.500 und 10.000 EUR. Zumeist haben diese Papiere eine Laufzeit von fünf Jahren. Sie können jederzeit herausgeben werden. Das Risiko dieser Papiere ist relativ gering, weil die Banken an ein Sicherungssystem (système de protection des dépôts et des instruments financiers) angeschlossen sind (vgl. oben IV 5), das für den Ausfall von bis zu 20.000 EUR bürgt. Diese Papiere werden mit 15% an der Quelle besteuert. 2. Öffentliche Schuldverschreibungen. Der belgische Markt für öffentliche Schuldverschreibungen wird bis 2010 an Bedeutung gewinnen und von da ab auf hohem Niveau stagnieren (vgl. Conseil Supérier des finances, section „Besoins de financements des pouvoirs publics, Rapport annuel 2002). Das G. vom 02.01.1991 erlaubt die Emission von kurzfristigen öffentlichen Schuldverschreibungen (so. certificats de trésorerie) mit kurzen Laufzeiten oder langfristige Schuldverschreibungen (sog. obligations linéaires). Letztere stellen das Hauptinstrument der öffentlichen Refinanzierungspraxis dar. Die „obligations linéaires“ sind mittelfristige, langfristige oder sehr langfristige (bis 30 Jahre) Finanzinstrumente. Sie werden in EUR herausgegeben und nicht verbrieft. Der Markt wird von der Königl. AO vom 22.12.1995 (bezüglich der Organisation des außerbörsenlichen Sekundärmarktes für öffentliche Schuldverschreibungen) geregelt. Die Einzelheiten sind in MinAOen geregelt (vgl. MinAO vom 12.12.2000 bezüglich der certificats de trésorerie in der Fassung vom 22.03.2002; MinAO vom 12.12.2000 bezüglich der obligations linéaires in der Fassung vom 19.03.2002). Die „certificats de trésorerie“ werden in der Regel (zu anderen Formen vgl. Art. 5 der Anordnung) öffentlich ausgeschrieben (adjudication sur appel d’offre). Den Zuschlag erhält letztlich das höchste Zinsgebot. Sind mehrere Anleihen im Angebot, erfolgt die Vergabe an die Bieter, die weniger als das höchste Gebot geboten haben, zum Bieterpreis. Das höchste Gebot kann zu einem proportional geringeren Zinssatz zugeschlagen werden, als geboten wurde (Art. 13 der MinAO). Entsprechendes gilt für die „obligations linéaires“ (vgl. Art. 11 der MinAO). Zugang zu diesen Märkten haben nur die sog. „primary dealer“ und die „recognized dealer“ im Sinne des Art. 8 der Königlichen Anordnung vom 22.12.1995. Art. 14 G. vom 02.08.2002 enthält die Ermächtigung zum Erlass von Sonderregelungen für den Handel mit öffentlichen Schuldverschreibungen, insbesondere bezüglich der Zulassung derartiger Instrumente in geregelten Märkten. Seit Mitte 1996 ist der belgische Staat dazu übergegangen, vier Mal im Jahr börsennotierte sog. „Bons d’État“ herauszugeben. Es handelt sich um materialisierte Inhaberpapiere. Sie haben Laufzeiten von drei bis acht Jahren und können mit fester oder veränderbarer Verzinsung auf den Markt gebracht werden. Zielgruppe ist der private Anleger. Die belgische Praxis, qua Königlicher Anordnung (vgl. Anordnung vom 04.10.1994) Staatsanleihen zu vergeben, die weder unmittelbar noch mittelbar im Königreich Belgien ansässigen Personen, Gesellschaften oder anderen Rechtssubjekten angeboten oder verkauft werden dürfen, ist mit Blick auf Artikel 56 EGV europarechtswidrig (EuGH, 26.09.2000, Rs C-478/98). 3. Corporate Bonds und Eurobligationen. Als „Corporate Bonds“ werden die langfristigen Schuldverschreibungen der Unternehmen gehandelt. Die Verzinsung wird bei
78
Hök
79
80
81
82
2332
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
der Ausgabe der Bonds festgelegt. Sie sind am Tag der Fälligkeit zurückzuzahlen und können an der Börse gehandelt werden. Sie werden an der Quelle mit 15% besteuert. Euroobligationen werden in mehreren Ländern gleichzeitig auf den Markt gebracht. Sie können von Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen, Staaten und internationalen Organisationen aufgelegt werden. Sie werden in Belgien an der Quelle mit 15% besteuert. 83
4. Pfandbriefe. Die Praxis der Refinanzierung von langfristigen Immobilienfinanzierungen hat sich ähnlich wie die in Frankreich entwickelt (vgl. Hök, Der Langfristige Kredit 2001, 26). Das in der 2. Hälfte des 19. Jh. etablierte Pfandbriefsystem geriet kriegsund krisenbedingt und wegen der steuerlichen Benachteiligung von Pfandbriefen in Vergessenheit (zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Europäischer Hypothekenverband/ Lambert/Müller, Hypothekenbanken, 95 ff.). Die erste Neuverbriefung von Hypothekenforderungen fand im Jahr 1997 statt. Bis dahin refinanzierten sich die belgischen Institute ausschließlich durch Bankschuldverschreibungen (bons de caisse) und Kassenobligationen mit einer Laufzeit von zwischen fünf und sieben Jahren sowie mit Spareinlagen. Das HypKreditG vom 04.08.1992 hat die Verbriefung von Hypotheken vereinfacht. Art. 50 ff. HypKreditG sollen ein Mehr an Finanzierungskongruenz ermöglichen (vgl. auch Köndgen, Vorzeitige Tilgung, 48). Vor allem erleichtert das G. die Publizitäts- und Formanforderungen (vgl. Art. 2, 5, 92 Abs. 2 HypothekenG) für die Abtretung verbriefter Hypothekenforderungen (Art. 51 § 1 HypKreditG). Art. 493 ff. Code des sociétés regeln ausdrücklich die “obligations hypothécaires“. Die “Pfandbriefinhaber“ können in der Insolvenz des Schuldners einen Beauftragten ernennen lassen, der die Gläubiger im Rahmen der Verwertung vertritt (Art. 496 Code des sociétés). In der letzten Zeit meldet sich der Pfandbrief, ermutigt vom Erfolg der französischen „obligation foncière“, wieder zurück (vgl. Association Belge des Banques, La Banque dans la Société, 7/1999, 3). Eine aus Repräsentanten der großen Banken bestehende Arbeitsgruppe diskutiert die mögliche Ausgestaltung einer belgischen Pfandbriefgesetzgebung, die sich voraussichtlich an dem französischen Gesetzesrahmen orientieren wird. Mit einem Anteil von rund 70% an der gesamten Hypothekenkreditvergabe dominieren die sechs großen belgischen Banken den Markt. Zunehmend gewinnen auch Mortgage-Backed-Transaktionen an Bedeutung.
84
Ausleihungen, die durch Hypotheken auf Wohneigentum, das vom Kreditnehmer gegenwärtig oder künftig selbst genutzt oder vermietet wird, in vollem Umfang gesichert sind, sowie solche, die durch Hypotheken auf Bürogebäude und Gewerbebauten in vollem Umfang gesichert sind, werden mit 50% des Marktwertes der Immobilie oder mit 60% des Beleihungswertes (valeur hypothécaire) gewichtet (vgl. Art. 16 der Anordnung der CBFA vom 05.12.1995 bezüglich der Eigenmittel der Kreditinstitute). Der Marktwert (valeur vénale) der Immobilie muss von zwei unabhängigen Schätzern berechnet werden, die zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung voneinander unabhängige Bewertungen vornehmen. Der Marktwert wird von der belgischen Rechtsprechung durch den Handelswert (valeur marchande) bestimmt, d.h. den Preis, der erzielt würde, wenn man die Immobilie zum Verkauf anböte, und zwar unter Vernachlässigung persönlicher Elemente des Verkäufers und des Käufers, worunter wiederum solche zu verstehen sind, die einen Gefälligkeitspreis ausmachen (vgl. CA Liège, 28.06.1996, Recueil Général de l’Enregistrement et du Notariat 1996, 381). Dem Darlehen ist die niedrigere der beiden Schätzungen zugrunde zu legen. Die Immobilie wird mindestens einmal jährlich von einem Schätzer erneut geschätzt. Im Fall von Darlehen, die 1 Mio. EUR und 5% der Eigenmittel des Kreditinstituts nicht überschreiten, wird die Immobilie mindestens alle drei Jahre von einem Schätzer einer erneuten Schätzung unterzogen. Der Beleihungswert korrespondiert mit dem Wert, den ein Gutachter aufgrund einer sorgfältigen Schätzung ermittelt hat. Ermittelt wird der zukünftige Handelswert der Immobilie (valeur commerciale future)
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2333
unter Berücksichtigung der dauerhaften Eigenschaften der Immobilie, der normalen lokalen Marktbedingungen, der aktuellen Nutzung der Immobilie und der möglichen Nutzung. Spekulative Elemente dürfen nicht berücksichtigt werden (vgl. Art. 16 der Anordnung der CBFA vom 5. 12. 1995). IV. Wertpapierhandel. Das Verzeichnis der geregelten Märkte, das der Kommission von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 16 der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (93/ 22/EWG) übermittelt wurde (ABl 1999 C 151/19 –20), weist für Belgien aus: – De eerste, de tweede en de nieuwe markt van de Effectenbeurs van Brussel/Le premier, le second marché et le nouveau marché de la Bourse de valeurs mobilières de Bruxelles – De Belgische Future- en Optiebeurs, afgekort Belfox/La Bourse belge des futures et options, en abrégé Belfox – De secundaire buitenbeursmarkt van de lineaire obligaties, de gesplitste effecten en de schatkistcertificaten/Le marché secondaire hors bourse des obligations linéaires, des titres scindés et des certificats de trésorerie – Easdaq (European Association of Securities Dealers Automated Quotation)
85
In der Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (ABl Nr. C 300/23) sind für Belgien genannt: 1. Bourse de valeurs mobilières de Bruxelles: – Le marché „Eurolist by Euronext“ – Le marché „Trading Facility“ – Le Marché des Instruments dérivés 2. e marché secondaire hors bourse des obligations linéaires, des titres scindés et des certificats de trésorerie Am 31.12.2005 waren in der belgischen Liste gemäß Erlass vom 11.4.2003 die folgenden Märkte eingetragen (M.B. 8.III.2006, 14299): – der Markt „Eurolist by Euronext“, der Markt „Trading Facility“ und der Markt „des instruments dérivés d'Euronext Brussels“; der außerbörsliche Sekundärmarkt „des obligations linéaires, des titres scindés et des certificats de trésorerie“ 1. Übersicht. Der erste, der zweite und der Neue Markt werden in Belgien über die „Euronext“ abgewickelt. Euronext setzt sich aus drei Börsenplätzen zusammen, und zwar der Euronext Paris (früher Société des Bourses françaises), der Euronext Amsterdam (Nachfolgerin der „Amsterdam Exchanges“) und der Euronext Brüssel (früher Société de la Bourse de Valeurs mobilières de Bruxelles). Anfang 2002 expandierte die Euronext durch die Fusion mit der portugiesischen Börse „Bolsa de Valores de Lisboa e Porto“ (BVLP) (Les Échos, 28.2.2003, 25) und die Übernahme der Londoner Terminbörse „London International Financial Futures and Option Exchange“ (LIFFE). Inzwischen hat sich die Euronext auf eine Fusion mit der New York Stock Exchange (NYSE) geeinigt, die im Jahr 2006 vollzogen wurde. Diese Börsengesellschaften sind Filialen, die von der Euronext N.V. gehalten werden, einer AG niederländischen Rechts, deren Anteile von verschiedenen Finanzinstitutionen gehalten werden. Die drei Börsengesellschaften organisieren eine Reihe von geregelten Märkten, sind rechtlich selbständig und unterliegen jeweils der Kontrolle des Rechts des Börsenplatzes. Unterdessen sind diese Märkte oder werden diese Märkte funktionell durch ein gemeinsames Handelssystem verbunden, das den Handel mit jedem Finanzinstrument erlaubt, das auf einem der Märkte zugelassen ist. Im Jahr 2002 wurde auch der
Hök
86
2334
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Markt für derivative Finanzinstrumente zusammengeschlossen. Die Kassamärkte werden auf einer gemeinsamen elektronischen Plattform, dem französischen System NSC abgewickelt. Die Kurse werden dezentral notiert. Der Wertpapierhandel erfolgt vollständig über die französische Clearnet und die belgische Euroclear. 87
Die Börsenunternehmen der Euronext organisieren darüber hinaus lokale ungeregelte Märkte. Der Zugang zu einem der drei Teilmärkte eröffnet den Zugang zu allen drei geregelten Märkten. Euronext Brüssel organisiert folgende Märkte: den 1. Markt, den 2. Markt, den Neuen Markt, Trading Facility. Ferner organisiert Euronext Brüssel den „Marché des Ventes Publiques“, der kein geregelter Markt ist. In Bezug auf das TrackerGeschäft (XTF) war Euronext (NextTrack) im Jahr 2001 mit 46,6% des Umsatzes führend (Les Échos, 28.2.2003, 25).
88
Die Regeln, nach denen die Euronext-Märkte funktionieren, sind in den Marktregeln (Règles de Marchés) für jeden Markt zu finden. Eine elektronische Fassung findet sich auf den Seiten http://www.beurs.be bzw. http://www.euronext.com. Eine Reihe von Regeln der Euronext-Märkte wurden vereinheitlicht. Andere Regeln sind auf dem Weg zur Vereinheitlichung. Die Marktregeln sind aktuell auf zwei Bücher (Livre I und II) aufgeteilt. In Buch I enthält die harmonisierten Vorschriften, Buch II die ausschließlich für Belgien relevanten. In Buch I sind gegenwärtig (1) Allgemeine Regeln, (2) Regeln über die Zulassung, (3) gewisse gemeinsame Verhaltensregeln und (4) Regeln über den Handel mit Titeln zu finden. Die Regeln in Buch I und II sind durchnumeriert. Die Regeln des Buches II sind jeweils zusätzlich mit B (z. B. B 2301) für Belgien kenntlich gemacht. Zuletzt wurden die Marktregeln der Euronext durch Ministererlass vom 29.05.2001 (Arrêté ministériel portant approbation des règles des marchés d’Euronext Brussels) bestätigt. Änderungen der Marktregeln wurden mit Erlass vom 19.03.2003 (M.B. 14.V.2003, 25718) genehmigt. Die aktuellen Marktregeln sind im M.B. 2003, 25719 abgedruckt. Besondere Regelungen für die Segmente Next Economy und Next Prime finden sich in dem Ministererlass vom 060.9.2001, M.B. 21.IX.2001, 31648).
89
Im Jahre 1991 wurde die „Bourse des contrats à terme, futures et options“ (Belfox) gegründet. Hier werden u. a. Terminkontrakte auf belgische Staatsanleihen, Aktienoptionen sowie Terminkontrakte nach dem Brüsseler Dreimonats-Interbankensatz gehandelt. Etwas später im Jahr 1995 entstand die EASDAQ. Sie basierte auf dem Marketmakerprinzip mit konkurrierenden Marketmakern. Sie wurde nach belgischem Recht gegründet und nahm 1996 den Handel auf. Es handelte sich um einen unabhängigen Markt ohne offizielle Kurse. Belgien hat die EASDAQ als offiziellen Markt zugelassen, so dass der Marktzugang europaweit gegeben war. Die Zulassungsvoraussetzungen waren eng an die der NASDAQ angelehnt. Später übernahm die NASDAQ die EASDAQ (NASDAQ Europe). Im November 2003 wurde der Handel wegen Erfolglosigkeit NASDAQ Europe eingestellt.
90
2. Rechtliche Grundlagen. Der Königliche Erlass n° 84 vom 30.01.1935 bildete die erste rechtliche Grundlage für das Börsengeschäft in Belgien. Der Königliche Erlass n° 61 vom 10.11.1967 erging auf der Grundlage spezieller Ermächtigungen, die durch die Kommission de Voghel inspiriert war. Es folgten das G. vom 04.12.1990 (L. relative aux opérations financières et aux marchés financiers, M.B. 22.XII.1990) und schließlich das G. vom 06.04.1995. Das Kapitalmarktgesetz vom 04.12.1990 (relative aux opérations financières et aux marchés financiers, M.B. 22.XII.1990, M.B. 1.II.1991, zuletzt geändert durch das G. vom 13.VI.2006, M.B. 21.VI.2006) regelte ursprünglich in Buch II den Sekundärmarkt, in Buch III das Recht der Kapitalanlagegesellschaften, in Buch IV die Vermögensverwal-
Hök
§ 78 Länderteil – Belgien
2335
tung und die Anlageberatung, in Buch V die Strafbarkeit des Insiderhandels, in Buch VI den Devisenhandel und in Buch VII Diverses. Buch II wurde durch das G. vom 6.4.1995 (Loi relative aux marchés secondaires, au statut des entreprises d’investissement et à leur contrôle, aux intermédiaires et conseillers en placements) weitgehend aufgehoben (Buch I des Gesetzes). Dieses wiederum wurde durch das G. vom 02.08.2002 (M.B. 4.IX.2002) neu geregelt. Dort ist nunmehr auch der Sekundärmarkt eingehend geregelt. Durch den Erlass vom 03.07.2007 (M.B. 18.VI.2007, 32935) hat Belgien die Richtlinien 2004/39 und 2006/73/EG umgesetzt. Das G. vom 06.04.1995 hat seine Bedeutung vor allem für die belgischen „entreprises d’investissement“ (also Börsengesellschaften, Vermögensverwaltungsgesellschaften etc.) behalten (für die ausländischen Gesellschaften vgl. Verordnung vom 20.12.1995). Gemeint sind – vorbehaltlich der Ausnahmen, die in Art. 45 G. vom 06.04.1995 geregelt sind (also u.a. Banken, Versicherungen) – die Unternehmen belgischen und ausländischen Rechts, deren übliche Geschäftstätigkeit darin besteht, Dritten gewerbsmäßig Investitionsdienstleistungen zu erbringen (Art. 44 G.). Betroffen sind u.a. folgende Dienstleistungen (Art. 46 G.): die Annahme und Weiterleitung von Ordern für Rechnung von Anlegern bezüglich eines oder mehrerer Finanzinstrumente, die Ausführung solcher Anordnungen für Rechnung eines Dritten, das Vermitteln von Kontakten zwischen zwei oder mehreren Investoren zum Zwecke der Realisierung von Operationen bezüglich eines Finanzinstruments, der Eigenhandel mit Finanzinstrumenten, die in das Ermessen des Auftragnehmers gestellte Verwaltung von Vermögen eines Dritten, wenn diese Vermögen Finanzinstrumente enthalten, die vollständige Übernahme oder Platzierung von Emissionen und die dazugehörigen Nebenleistungen. Belgische Gesellschaften, die diese Geschäfte ausführen wollen und nicht bereits aus anderen Gründen über eine entsprechende Zulassung verfügen, bedürfen der Genehmigung ihres Geschäftsbetriebs durch die CBFA. Sie müssen je nach Geschäftszweck ein Stammkapital von mindestens 250.000 EUR bzw. 1.250.000 EUR haben (Art. 58 § 1 G. vom 06.04.1995).
91
Das G. vom 02.08.2002 regelt ausdrücklich die geregelten Märkte (Art. 3-13 G.), den Markt für öffentliche Schuldverschreibungen (Art. 14 G.), sowie die anderen Märkte (Art. 15 G.). Die geregelten Märkte werden auf Empfehlung der CBFA durch den Minister der Finanzen zugelassen. (Art. 3 § 1 G.). Die Liste der geregelten Märkte wird im Belgischen Gesetzblatt (Moniteur belge) veröffentlicht.
92
3. Kapitalanlagegesellschaften. Das Ziel von Kapitalanlagegesellschaften (OPC) ist es, bei ihnen eingelegte Werte im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger anzulegen. Die Werte werden vermittels des öffentlichen Angebotes von Anteilen gesammelt. Für diese Form der Kapitalanlagegesellschaften (OPC) behält das G. vom 04.12.1990 (nebst der ausführenden Königlichen Anordnungen, namentlich der vom 04.03.1991, M.B. 9.III.1991, M.B. 1.II.1991) weiterhin seine Bedeutung. Unter das G. fallen alle belgischen Organisationen, deren Geschäftsbereich darauf gerichtet ist, in der Öffentlichkeit oder bei professionellen Anlegern, sei es in Belgien oder im Ausland, gesammelte finanzielle Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger anzulegen, und die entsprechenden ausländischen Organisationen. Zu den belgischen Kapitalanlagegesellschaften gehören (Art. 108 G. vom 04.12.1990, M.B. 22.XII.1990, M.B. 1.II.1991) offene oder geschlossene Fondsgesellschaften, die entweder vertraglich ausgeformt sind (fonds de placement) oder als Aktiengesellschaft (société d’investissement-SICAF oder SICAV). Die AG muss ein Mindestkapital von 1.200.000 EUR haben (Art. 115 § 3 G. vom 04.12.1990). Alle Formen müssen von der CBFA genehmigt werden.
93
Für Anlagen in Immobilien dürfen ausschließlich sog. SICAFI (société d’investissement à capital fixe à vocation immobilière) eingesetzt werden, die an der Börse notiert sein
94
Hök
2336
95
96
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
müssen. Die SICAFI haben in Belgien für die Finanzierung größerer Bauvorhaben (vor allem für Bürogebäude, Industriebauten, aber gelegentlich auch für Wohnungsbauvorhaben) eine erhebliche Bedeutung. Mangels einer ausgebauten Pfandbriefstruktur konnte sich das Hypothekenbankgeschäft nicht wie in Deutschland entwickeln (vgl. Rn. 75). In Belgien werden Bauvorhaben daher über sog. „certificats immobiliers“ refinanziert. Art. 106 Kapitalmarktgesetz vom 4.12.1990 (relative aux opérations financières et aux marchés financiers) definiert die „certificats immobiliers“ als Forderungsrechte auf Einnahmen, Ergebnisse und den Veräußerungserlös an einer oder mehreren Immobilien, die bei Ausgabe der Zertifikate bestimmt werden. Die Ausgabe solcher Zertifikate ist den OPC vorbehalten (Art. 106 Kapitalmarktgesetz). Eine SICAF darf nur in „certificats immobiliers“ investieren, wie sie in Art. 106 Kapitalmarktgesetz geregelt sind (Art. 44 der Königlichen Anordnung vom 10.04.1995). Diese Form der Finanzierung hat in Belgien Tradition und Erfolg. Dies hebt die Begründung der Königlichen Anordnung vom 10.04.1995 (relatif aux sicaf immobilières), zuletzt geändert durch die Königliche Anordnung vom 21. Juni 2006 (relatif à la comptabilité, aux comptes annuels et aux comptes consolidés des SICAF immobilières publiques, et modifiant l’arrêté royal du 10 avril 1995 relatif aux SICAF immobilières, M.B. 29.VI.2006, 32780) ausdrücklich hervor. Sie ermöglicht es der Öffentlichkeit, sich an der Finanzierung von Bauvorhaben zu beteiligen, die bei der Ausgabe der „certificats immobiliers“ gegenständlich bekannt sind. Die SICAFI muss in mehrere Immobilien investieren. Die Investition in eine Immobilie darf nicht mehr als 20% der Aktiva ausmachen. Aus der Sicht des belgischen Gesetzgebers beinhaltet diese Beschränkung auf genau beschriebene Immobilien eine Risikominimierung, die es gleichzeitig ausschließt, dass günstige Marktbedingungen etwa durch Verkauf der Immobilie ausgenutzt werden. Die SICAF darf gemäß Art. 53 der Königlichen Anordnung bezüglich der „SICAF immobilières“ vom 10.04.1995 ihr Vermögen zum Schutze der Anleger nur mit Hypotheken oder anderen Sicherheiten belasten, um eine Immobilie zu finanzieren. Die Sicherheiten dürfen nicht mehr als 40% des Wertes des gesamten Immobilienbestandes und nicht mehr als 75% des Wertes der belasteten Immobilie ausmachen (M.B. 23.V.1995, 14170; vgl. Erlass vom 10.06.2001, M.B. 19.VI.2001, 20905). Insgesamt darf die Belastung mit Verbindlichkeiten nicht mehr als 50% (seit dem Erlass vom 21.06.2006: 60%) des Wertes des Immobilienbestandes betragen (vgl. Bericht an den König zum Erlass vom 21.06.2006, M.B. 29.VI.2006, 32780). Belastete Immobilien darf sie nur erwerben, wenn dies in dem Land, in dem die Immobilie belegen ist, ständige Praxis ist (Art. 54 Königl. AO vom 10.04.1995). Jeweils nur bis zu 20% des Anlagevermögens darf auf eine Immobilie vereint werden. Die SICAFI unterliegt strengen Informationspflichten und muss alle sechs Monate den Wert ihres Immobilienbestandes durch einen Sachverständigen feststellen lassen.
Hök
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2337
3. Bulgarien
§ 78 Länderteil Schrifttum Anastasov/Čalăkov, Pogled vărchu bălgarskoto bankovo pravo (Überblick über das bulgarische Bank– Bulgarien recht), 2006; Džerov, Veštno pravo (Sachenrecht), 1995; Goleminov, Tărgovsko i bankovo pravo (Handels- und Bankrecht), 1995; Kalajdžiev, Čekăt v bălgarskoto pravo (Der Scheck im bulgarischen Recht), 1992; Orešarski u.a. (Hrsg.), Cenni kniža. Fondovi borsi. Investicionni družestva (Wertpapiere, Börsen, Investitionsgesellschaften), 1995; Stojnov (Hrsg.), Bankovo pravo na Republika Bălgarija (Bankrecht der Republik Bulgarien), Sammlung der Normativakte, 1993; Soloton (Hrsg.), Bankovo Pravo (Bankrecht, Sammlung normativer Akte), 1995; Stefanova, Vzajmootnošenija na predprijatijata s bankite (Beziehungen zwischen den Unternehmen und den Banken), 1993; Venedikov, Ipoteki, zalog, privilegii (Hypotheken, Pfand, Privilegien), 1994; Schrameyer, in: Breidenbach (Hrsg.), Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa, BG Syst. Teil, A II, S. 4-16; ders., Die neue bulgarische Verfassung, Osteuropa-Recht 1992, 159; ders., in: Brunner (Hrsg.), Verwaltungs- und Verfassungsrecht der Staaten Osteuropas/VSO, Einführung I. 1; ders., in: Hofmann/Küpper (Hrsg.), FS Brunner, Aspekte der bulgarischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2001, S. 512; ders., Der Gesetzgebungsrat oder warum sind die bulgarischen Gesetze so schlecht, WGO 2006, 8; ders., Bulgarien – Änderung der Verfassung, WiRO 2005, 278; ders., Der Erwerb von Grundeigentum in Bulgarien durch Ausländer, WiRO 2005, 241; ders., in: FS Roggemann, Bulgariens Beitritt zur EU – verfassungsrechtliche Voraussetzungen, 2006, S. 107; vgl. zudem die Gesetzes- und Verordnungssammlung („Normativni aktove“/NA, amtliche Loseblattsammlung) sowie Bankovi zakoni (Bankgesetze), 2006.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Kommission für Finanzaufsicht . . . . . . . 14 2. Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4. Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 5. Maßnahmen gegen die Terrorismusfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 6. Missbrauch des Wertpapiermarkts . . . . . 22 7. Strafrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . 23 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Anfechtung von Verwaltungsakten der BNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Bankenlizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 30 1. Bankgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Weitere Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Zivilrechtliche Gesetze . . . . . . . . . . . . . 33 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 34 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Bankkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Andere Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
1. Hypothek/Grundschuld . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . III. Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Giro-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Depositenkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sparkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Scheck- und Kartengeschäft . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung) . . . . . . . . . . . . 1. Treuhandverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Miete eines Bankschließfachs . . . . . . . . 3. Bankinkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Effekten-, Emissions- u. Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 45 46 53 54 56 57 58 59 60 62 63 65 65 68 68 70 71 72 73 75
Stichwortverzeichnis Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 39, 62 Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 27 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 24, 27 Bankeninsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Bankenlizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 10 Bankgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 51 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 16 Bankgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Bankinkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Bankkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 35 Bankschließfach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 70 Berufsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 17
Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Bulgarische Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . 8, 10, 31 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 45 Currency Board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 11 Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Depositenkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 58 Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 10, 16, 31, 54 Einlagensicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Emissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 28, 31, 67 Finanzkonglomerate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 31
Schrameyer
2338
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 20 Giro-Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Gleichstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Gutschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 43, 44 Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Kartengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Klage auf Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Klassifizierte Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 56 Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Kreditbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 38 Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 43, 46 Lastschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Lev . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11-13, 62 Liquidator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 31, 74 Pfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 46, 51-53 Pfand (kaufmännisches) . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 49 Questor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 74 Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Rechtsschutz (außergerichtlich) . . . . . . . . . . . . . . 42 Scheckgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Sicherheiten (kaufmännische) . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Sparkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Strafrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . 23 Terrorismusfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 31 Treuhandverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Überweisungen . . . . . . . . . 10, 13, 31, 56, 60, 62, 64 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 31, 40 Vermögensbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Weitere Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Wertpapiermarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 22, 29, 67 Zahlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 54, 60 Zivilrechtliche Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Zurückbehaltungsrecht (kaufmännisches) . . . . . . . 49
Abkürzungsverzeichnis AfA BNB DV GKI KfA NA RB ÜSB VerfG
1
Agentur für Finanzaufsicht Bulgarische Nationalbank Dăržaven Vestnik (Amtsblatt) Gesetz über Kreditinstitutionen Kommission für finanzielle Aufsicht Normativni Aktove (Normativakte, d.h. die amtliche Loseblattsammlung der Gesetze und Verordnungen) Republik Bulgarien Übergangs- und Schlussbestimmungen eines Gesetzes Verfassungsgericht
A. Rahmenbedingungen I. Bankensystem. Mit der „Palastrevolution“ vom 10. November 1989 (Sturz des Vorsitzenden der Bulgarischen Kommunistischen Partei/BKP Todor Živkov durch das Politbüro) begann die Transformation des politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Systems (Schrameyer/1, S. 4-16). An die Stelle der bisher allmächtigen BKP trat zunächst der Runde Tisch (Februar/März 1990), der unter Beteiligung der Oppositionsparteien den „Fahrplan“ für die Reformen ausarbeitete: er beraumte vor allem die ersten freien Parlamentswahlen für den 17. Juni 1990 an.
2
Der überraschende Wahlsieg der in Bulgarische Sozialistische Partei/BSP umbenannten BKP verzögerte die Transformation. Immerhin konnte am 12. Juli 1991 die neue, nach westlichen Vorbildern konzipierte Verfassung verabschiedet werden (Schrameyer/2, S. 159-180; ders./3. Einführung I. 1). Die nur kurz (Sept. 1991-Okt. 1992) amtierende Regierung der Opposition von Ministerpräsident Filip Dimitrov (Union der Demokratischen Kräfte/UdK) konnte endlich damit beginnen, die schlimmsten rechtlichen „Sünden“ der Kommunisten rückgängig zu machen und vor allem das bis dahin vorherrschende Staatseigentum allmählich durch verschiedene Formen der Privatisierung in Privateigentum zu verwandeln. Die damit verbundenen Probleme (staatliche Unternehmen, die gegenüber den staatlichen Banken hoch verschuldet waren) beschreibt Stojnov, S. 7-8.
3
Ende der 90-iger Jahre kam es angesichts der Misswirtschaft der Regierung Žan Videnov (BSP) zu einer derartigen wirtschaftlichen Misere (u.a. Inflation von 578% im Jahre 1997), dass politische Unruhen ausbrachen: am 10. Januar 1997 versuchten die aufge-
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2339
brachten Massen das Parlament zu stürmen. Videnov trat zurück, und der neuen Regierung der Oppositionsparteien UdK unter Ivan Kostov gelang es, die Wirtschaft zu sanieren (Schrameyer/1 BG A II Rdn. 6-80). Dabei wurden u.a. sechzehn marode Banken geschlossen, die übrigen 36 mit großem öffentlichen Aufwand (14% des BIP) saniert (NZZ 18.10.2000) und am 1. Juli 1997 ein „Currency Board“ eingeführt, das bis heute besteht (s. dazu weiter unten Rn. 11). Grundlage der neuen Rechtsordnung und damit auch des bulgarischen Bankenrechts ist die Verfassung vom 12. Juli 1991 (DV 56/1991, Übers. Schrameyer, Jahrbuch für Ostrecht 2007, 339 ff.): Art. 17 schützt das Eigentum und Art. 19 Abs. 1 legt fest, dss die Wirtschaft auf der „freien Wirtschaftsinitiative“ beruht; dies nimmt Art. 2 Abs. GBNB auf, indem er die BNB verpflichtet, „in Übereinstimmung mit dem Prinzip der offenen Marktwirtschaft bei freier Konkurrenz“ und den „gemeinsamen Zielen der Wirtschaftspolitik der EU“ zu handeln.
4
Es gilt grundsätzlich die Gleichstellung von In- und Ausländern. Artikel 19 Abs. 3 lautet: „Die Investitionen und die Wirtschafstätigkeit bulgarischer und ausländischer Bürger und juristischer Personen sind geschützt“. Für ausländische Personen besteht jedoch noch das Verbot, Grund und Boden zu erwerben (Art. 22 I), das jedoch sieben Jahre nach dem EU-Beitritt, also spätestens 2014, aufgehoben wird (Schrameyer, WiRO 9/2005, S. 278279; WiRO 8/2005, S. 241-242; ders., in: FS Roggemann, 2006, S. 107-114). Durch Gründung einer juristischen Person bulgarischen Rechts kann man dieses Verbot legal umgehen. Die Verfassung enthält jedoch keine ausdrückliche Vorschrift über Banken. Sie enthält keine verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit der Zentralbank, der Bulgarischen Nationalbank. Diese ist nur in Art. 44 des Gesetzes über die BNB enthalten.
5
Das bulgarische Bankrecht gleicht dem deutschen insofern, als es ebenfalls ein Konglomerat zahlreicher Einzelgesetze ist, die von der Rechtslehre unter dem Begriff „Bankrecht“ zusammengefasst werden, der ebenfalls „ein nicht eindeutig abgrenzbarer Begriff“ ist. Auch hier ist das einzige Kriterium, dass es sich um Rechtsbeziehungen handelt, die „durch die von Banken in ihrem typischen Bereich getätigten Geschäfte entstehen“ (Bülow, § 1 Rn. 4). Das bulgarische Bankrecht unterscheidet ebenfalls zwischen öffentlich-rechtlichen Normen (wie z.B. dem Währungs- und Bankenaufsichtsrecht) und zivilrechtlichen Vorschriften, wie z.B. dem bulgarischen BGB (Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge/GSV), dem HGB und anderen Spezialgesetzen (Verbraucherkreditgesetz, Insolvenzrecht usw., Anastasov/Čalăkov, S. 284) bzw. den vertraglich vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anastasov/Čalăkov, S. 284). Daneben sind die (im Amtsblatt veröffentlichten) „Verordnungen“ (naredbi) der BNB eine wichtige Rechtsquelle. Sie beruhen auf gesetzlichen Ermächtigungen und enthalten detaillierte Vorschriften. Diese werden manchmal noch durch weitere von der BNB erlassene Normen (ukazanija) präzisiert.
6
Bankgeschäfte oder Bankoperationen sind eine Unterart der kaufmännischen Geschäfte (Anastasov/Čalăkov, S. 286). Kaufmännische Geschäfte sind nach Art. 286 Abs. 1 HGB einerseits alle von einem Kaufmann (der in Art. 1 HGB definiert wird) abgeschlossenen Geschäfte, anderseits nach Art. 286 Abs. 2 HGB all die in Art. 1 Abs. 1 aufgezählten Geschäfte, gleichgültig, ob ein Kaufmann daran beteiligt ist. Die zulässigen Bankgeschäfte sind in Art. 2 des GKI aufgelistet: Abs. 1 erwähnt als Haupttätigkeit von Banken die „öffentliche Hereinnahme von Einlagen oder sonstigen vertretbaren Sachen“ und die „Gewährung von Krediten oder eine sonstige Finanzierung auf eigene Rechnung und eigenes Risiko“. Abs. 2 enumeriert weitere 16 Arten von Bankgeschäften. Damit ist der maximale Rahmen der zulässigen Bankgeschäfte festgelegt. Darüber hinaus sind grundsätzlich
7
Schrameyer
2340
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
keine sonstigen Geschäfte zulässig (Art. 2 Abs. 4 GKI). Andererseits kann die BNB bei der Lizenzerteilung bestimmte Bankgeschäfte ausschließen, wenn sie die Bank für nicht qualifiziert hält oder sonstige gesetzliche Erfordernisse nicht erfüllt sind (Art. 15 Abs. 3 GKI). 8
Bulgarien begann sich in den vergangen Jahren auf den EU-Beitritt am 1. Januar 2007 vorzubereiten. Im Jahre 2004 beschloß der Verwaltungsrat der BNB die „Strategie für die Entwicklung der BNB für die Zeit von 2004-2009“ (Anastasov/Čalăkov, S. 39). Im Einklang mit dieser Strategie verabschiedete das Parlament 2005 Änderungen zu dem Gesetz über die Bulgarische Nationalbank (DV Nr. 46/1997, zuletzt geändert DV Nr. 59/2006). Besonders der Erlass des Gesetzes über die Kreditinstitutionen/GKI von 2006 zeigt die Inkorporierung von EU-Normen; § 4 der Übergangs- und Schlussbestimmungen/ÜSB verweist darauf, dass das GKI die Richtlinien 89/117/EES, 2000/46/ES, 2001/24/EES und 2006/48/EES in bulgarisches Recht überführt.
9
Das bulgarische Bankensystem besteht aus der Zentralbank (der Bulgarischen Nationalbank/BNB, Bălgarska Narodna Banka) und – seit der Sanierung und der Beendigung der Bankenprivatisierungen 2003 (NZZ 18.10.2000: „Bulgarien – ein Stabilisierungswunder. Erfolgreiches Currency-Board-Regime“) – aus den Privat- oder Geschäftsbanken (einschließlich der Zweigstellen ausländischer Banken) sowie den Finanzinstitutionen. Daher heißt das neue „Grundgesetz“ des Bankwesens vom 13. Juli 2006 nicht mehr wie bisher das „Gesetz über die Banken“ (aufgehoben durch § 5 der Übergangs- und Schlussbestimmungen/ÜSB des GKI, DV 59/2006), sondern „Gesetz über die Kreditinstitutionen“/GKI (DV Nr. 59/2006).
10
Die Bulgarische Nationalbank (BNB) sorgt nach Art. 1 Abs. 1 GKI für ein „stabiles, verlässliches und sicheres Bankensystem und den Schutz der Anleger“. Sie ist nach dem Gesetz über die BNB von 1997 (zuletzt geändert 2006 durch § 17 des GKI/DV 59/2006) unabhängig (Art. 44 GBNB) Zentralbank. Sie ist allein dem Parlament rechenschaftspflichtig (Art. 50 und 51 GBNB). Sie darf auch staatlichen und kommunalen Institutionen grundsätzlich keinerlei Kredite geben (Art. 45 GBNB, Ausnahme Abs. 3). Das GKI unterscheidet zwischen „Kreditinstitutionen“ (Art. 1 Abs. 2) und Finanzinstitutionen (Art. 3). Kreditinstitutionen sind die Banken und die Gesellschaften für elektronisches Geld. Eine Finanzinstitution ist eine „von der Kreditinstitution unterschiedene Person, deren grundlegende Tätigkeit die Ausübung einer der in Art. 2 Abs. 2, Ziff. 5-14 erwähnten Tätigkeiten ist (sie dürfen jedoch keine bargeldlosen Überweisungen, Akkreditive oder Inkassotätigkeiten vornehmen/Art. 2 Abs. 1 Ziff. 1, keine EZI und Reiseschecks ausgeben/ Ziff. 2, keine Wertsachen aufbewahren/Ziff. 3, und nicht als Depositar oder Treuhandinstitution tätig werden/Ziff. 4), sowie die Gewährung von Krediten mit Mitteln, die nicht aus einer „öffentlichen Hereinnahme von Einlagen oder sonstigen vertretbaren Sachen“ stammen. Die Legaldefinition des § 1 GKI lautet: „Annahme von Einlagen oder sonstigen vertretbaren Sachen von mehr als 30 Personen, die nicht Banken oder andere institutionalisierte Investoren sind“. Dieses Verbot gilt nach Art. 5 nicht für den Staat, die Gemeinden und öffentlich-rechtliche internationale Organisationen der EU-Mitglieder. Derartige Institutionen bedürfen grundsätzlich keiner Lizenz, sondern müssen ihre Tätigkeit der BNB nur anzeigen (Art. 3 Abs. 2). Das GKI gilt nicht für die BNB, für lizenzierte Institutionen der Post und für Genossenschaftskassen (Art. 4).
11
Die BNB ist in ihren Befugnissen insofern beschränkt, als nach der Hyperinflation von 1996/1997 seit dem 1. Juli 1997 ein Währungsamt (Currency Board) gem. Art. 28 GBNB über die Geldmenge wacht, und die bulgarische Währungseinheit, der Lev, zu einem festen Kurs im Verhältnis 1:1 an die DM (und damit seit dem 01.01.2002 an den Euro) gebunden ist (Art. 29 Abs. 1 GBNB). Der jetzt an den Euro gekoppelte Kurs be-
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2341
trägt seit der Abwertung von 1999 1 Lev : 1,95583 Euro (Art. 29 Abs. 2 GBNB; Ries, in: Handbuch WiRO, Rahmenbedingungen Rn. 84). In Bulgarien hält man das CurrencyBoard angesichts der günstigen Wirtschafts- und Finanzentwicklung für überflüssig, ja schädlich, weil die Geldmengen für ein Wachstum der Wirtschaft zu sehr limitiert bleiben (Wachstum des BIP von über 6%, Haushaltsüberschüsse, Senkung der Einkommens- und Körperschaftsteuer auf 20 und 10%, jedoch hohes Leistungsbilanzdefizit von 12,5%, Arbeitslosigkeit von 8,8%, Inflation von 7,2%, BIP/pro Kopf nur 32% des EUDurchschnitts, Quelle: Bulgarisches Wirtschaftsblatt Nr. 12/2006, S. 16-17). Man hat aber bisher aus Rücksicht auf den IWF und auf mögliche negative Reaktionen von Investoren bisher nicht gewagt, es abzuschaffen. Auch Ivan Iskrov, der Nachfolger von Svetoslav Gavrijski als Notenbankchef, hat Ende 2003 erklärt, das Currency Board werde bis zum Beitritt Bulgariens zur Euro-Zone beibehalten (NZZ 11.12.2003). Lesenwert ist auch der Vergleich zwischen den Erfahrungen mit den Currency Boards Argentiniens und Bulgariens, in: NZZ 22./23.12.2001, S. 10). Ebenso hat sich die BNB geäußert (Anastasov/Čalăkov, S. 39). Damit wird auch der – übrigens auch im Beitrittsvertrag vereinbarte – feste Kurs beibehalten. Bulgarien hatte seinen Beitritt zur Euro-Zone für 2010 vorgesehen. Am 1. Februar 2006 jedoch erklärte Finanzminister Orešarski Reuters, man werde diesen um zwei Jahre verschieben. Zwar seien die makroökonomischen Daten (bis auf das Leistungsbilanzdefizit) zufriedenstellend, jedoch sei die Inflation mit 6,5% zu hoch. Man hoffe aber Mitte 2007 dem Europäischen Währungssystem-2 beitreten zu können. Zahlungsmittel ist der Lev. Er wurde am 5. Juli 1999 1:1000 abgewertet (Gesetz über die Denomination des Lev, DV Nr. 20 vom 05.03.1999, zuletzt geänd. DV Nr. 65/1999). Der im Devisengesetz/DevG (DV Nr. 83/1999, zuletzt geänd. DV Nr. 5 9/2006) geregelte Devisenverkehr ist grundsätzlich frei, sofern das Gesetz keine andere Regelung für folgende Bereiche trifft (Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1): – – – – – –
12
Geschäfte zwischen In- und Ausländern, den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, Geschäfte mit Edelmetallen und Edelsteinen, die Bareinfuhr und Ausfuhr von Lev und Devisen, die Erhebung und Verarbeitung der statistischen Handelsbilanzdaten und die Devisenkontrolle.
Verschiedene Verordnungen (VO Nr. 3/DV 81/2005 über Geldüberweisungen und Zahlungssysteme; VO Nr. 28/DV Nr. 111/1999 über die Informationen, die die Banken bei der Durchführung von grenzüberschreitenden Überweisungen und Zahlungen sammeln; VO Nr. 27/DV Nr. 69/2003 über die Statistik der Zahlungsbilanz; VO Nr. 10/DV Nr. 1/ 2004 über die Aus- und Einfuhr von Lev und Devisen in bar, von Edelmetallen, Edelsteinen und aus diesen hergestellten Erzeugnissen) schreiben umfangreiche Meldepflichten bei grenzüberschreitenden Zahlungen sowie die Angabe des Grundes der Überweisung (Art. 6 Abs. 1 DevG) oder der Herkunft der Mittel (Art. 11 Abs. 3 DevG) vor. Außerdem müssen die Kaufleute vierteljährlich und jährlich Berichte über ihre ausländischen Forderungen und Schulden vorlegen (Art. 10). Sie dienen vor allem dem Zweck, statistische Daten für die Erstellung der Zahlungsbilanz zu sammeln, denn dafür ist die BNB nach Art. 7 DevG/Art. 42 Abs. 2 GBNB zuständig.
13
1. Kommission für Finanzaufsicht/KfA. Die KFA ist eine von der Exekutive unabhängige juristische Person (Art. 2 Abs. 4, 11 GKFA (DV Nr. 8 vom 28.1.2003, zuletzt geänd. DV Nr. 59/2006), die allein dem Parlament und dem Rechnungshof rechenschaftspflichtig ist (Art. 2 Abs. 4, 29 GKFA). Sie führt nach Art. 1 Abs. 2, 12 GKFA die Aufsicht über
14
Schrameyer
2342
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
die Finanzmärkte (§ 1 GKFA), den regulierten Wertpapiermarkt (Art. 8 GÖAW), das Versicherungswesen und die Zusatz-Sozialversicherung. 15
2. Bankgeheimnis. Die bulgarische Gesetzgebung kennt eine Vielzahl von Vorschriften zum Schutz von zahlreichen Arten von Geheimnissen: Geschäfts- (z.B. Art. 52 HGB, Art. 7 Abs. 9 DevG), Industrie-, Dienst- (z.B. Art. 23 GBNB), Bank- und Berufsgeheimnis. Für den Bankensektor sind folgende Geheimnisarten wichtig: Das GKI unterscheidet im 8. Kapitel zwischen dem Bankgeheimnis der Banken (Art. 62) und dem Berufsgeheimnis der BNB (Art. 63).
16
a) Dem Bankgeheimnis (bankova tajna) unterliegen nach Art. 62 Abs. 2 „Fakten und Umstände, welche die Kontoguthaben und die Kontooperationen und die Einlagen der Bankkunden betreffen“. Keiner der in der Bank oder für die Bank arbeitenden Mitarbeiter darf derartige Informationen verbreiten oder für sich oder die Mitglieder seiner Familie nutzen (Art. 62 Abs. 1), auch nicht nach der Beendigung ihrer Banktätigkeit (Abs. 4). Nicht dem Bankengeheimnis unterliegen nach dem „Gesetz über Informationen über nichtbediente Kredite“ (DV Nr. 95/1997) Angaben über faule Kredite, die von der BNB nach dem 1. Juli 1991 gewährt wurden (Art. 1 Ziff.1). Dasselbe gilt für die von Geschäftsbanken nach dem 01.01.1987 ausgereichten Kredite in Höhe von mehr als 5.000 DM (Art. 1 Ziff. 2). Ein nichtbedienter Kredit ist nach der Definition des § 1 ein Kredit, dessen Tilgung sechs Monate und 30 Tage überfällig ist. Diese Schuldner müssen der BNB nach Art. 2 binnen 45 Tagen gemeldet werden. Nach Art. 3 Abs. 3 ist neben anderen Organen auch die Staatsanwaltschaft davon zu unterrichten. Weitere Ausnahmen vom Bankengeheimnis gelten nach Abs. 5 GKI nur für drei Fälle: wenn der Kunde zustimmt, wenn dies für die Zwecke des Informationssystems der BNB nach Art. 56, Art. 67 ff. erforderlich ist (wobei auch hier nach Art. 56 Abs. 3 das Bankgeheimnis zu wahren ist), oder wenn ein Gericht dies anordnet. Das Gericht kann auf Antrag zahlreicher staatlicher Organe (Staatsanwaltschaft, Finanzminister, Steuerbehörde, Zoll, Polizei usw.) die vom Bankengeheimnis geschützten Daten mit Zustimmung des Bezirksgerichts bei den Banken abfragen (Abs. 6 Ziff. 1-8). Das Bezirksgericht muß innerhalb von 24 Stunden nach Antragstellung eine mit Gründen versehene Entscheidung erlassen (Abs. 7). Die Entscheidung ist unanfechtbar; dazu ist zu bemerken, daß das VerfG in verschiedenen Fällen unter Berufung auf Art. 120 der Verfassung den gesetzlichen Ausschluss eines Rechtsmittels missbilligt hat (Schrameyer, FS Brunner, S. 516 ff.). Sind die Kontoinhaber Gesellschaften mit einer staatlichen oder kommunalen Beteiligung von über 50%, genügt ein Schreiben der Untersuchungsbehörde, des Nationalen Sicherheitsdienstes oder der Polizei ohne Einschaltung des Gerichts (Abs. 8). Auch der Generalstaatsanwalt kann ohne Beteiligung des Gerichts bei Straftaten auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität und der Geldwäsche die dem Bankengeheimnis nach Abs. 2 unterliegenden Daten von den Banken verlangen (Abs. 10).
17
b) Unter das Berufsgeheimnis (profesionalna tajna) fallen Informationen, welche die BNB für Aufsichtszwecke erwirbt oder schafft und deren Verbreitung den geschäftlichen Interessen oder dem Prestige der Bank oder ihrer Aktionäre schaden würde (Art. 63 Abs. 1) oder Informationen, welche die BNB von Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedstaaten erhalten hat (Art. 65). Zur Wahrung verpflichtet sind alle in der BNB oder für die BNB Beschäftigten oder ehemals Beschäftigten (Abs. 3). Art. 64 Abs. 1 Ziff. 1-10 ermächtigt diese Personen zur Weitergabe an zahlreiche Institutionen: an die Justiz im Falle eines eröffneten Strafverfahrens, unter gewissen sonstigen Voraussetzungen an die Gerichte, Finanzbehörden, Insolvenzverwalter, Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten, die EZB u.a. Die BNB ist auch nach Art. 4 Abs. 2 des GBNB zur Wahrung des Bankoder Geschäftsgeheimnisses hinsichtlich der Informationen verpflichtet, die sie von den
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2343
Geschäftsbanken oder anderen Teilnehmern am Geldverkehr und an den Kreditbeziehungen erhalten hat, es sei denn, das Gesetz über den Schutz der klassifizierten Information (s. u.) erlaubt dies. Art. 63 Abs. 2 GKI schließt aber die Anwendung dieses Gesetz hinsichtlich des Berufsgeheimnisses ausdrücklich aus. c) Das GBNB kennt in Art. 23 Abs. 1 und 2 ein umfassendes Dienstgeheimnis für die Angehörigen der BNB (služebna tajna).
18
3. Datenschutz. Das Datenschutzgesetz (Gesetz über den Schutz der persönlichen Daten, DV Nr. 1/2002, zuletzt geänd. DV Nr. 103/2005) schützt „die Unversehrtheit der Persönlichkeit und des privaten Lebens“ (Art 1 Abs. 2). Persönliche Daten sind „jede Information, die sich auf eine natürliche Person bezieht, die ... identifiziert werden kann“, entweder durch eine Identifikationsnummer oder durch spezifische Merkmale (Art. 2). Das „Gesetz zum Schutz der klassifizierten Information“ (DV Nr. 45/2002, zuletzt geänd. DV Nr. 89/2004) schützt klassifizierte Informationen vor „unreglementiertem Zugang“ (Art. 1 Abs. 2). Eine klassifizierte Information ist ein „staatliches oder dienstliches Geheimnis sowie auch eine ausländische klassifizierte Information“ (Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Art. 25-27). Im Bankensektor dürfte nur das dienstliche Geheimnis eine Rolle spielen. Art. 26 regelt, dass darunter Informationen staatlicher oder kommunaler Organe fallen, die kein Staatsgeheimnis sind, deren „ungeregelter Zugang sich jedoch ungünstig auf die Interessen des Staates auswirken würde oder einem anderen rechtsgeschützten Interesse schaden würde“. Es wird durch Gesetz und in den Listen der Leiter der entsprechenden Organisationseinheiten festgelegt (Art. 26 Abs. 2 und 3).
19
4. Geldwäsche. Nach dem „Gesetz über Maßnahmen gegen die Geldwäsche“ (DV Nr. 85/ 1998, zuletzt geänd. DV Nr. 56/2006, NA VIII, 1, 45) haben die in Art. 3 Abs. 2 aufgezählten 29 Berufsgruppen Maßnahmen zur Identifizierung von „Geldwäschern“ vorzunehmen, die einen Betrag von 30.000 bzw. 10.000 Lev (bei Banken usw. gem. Art. 3 Abs. 2 Ziff. 1) oder Devisengegenwert durch eine – auch im Ausland begangene (Art. 2 Abs. 3) – Straftat erhalten haben und es auf eine der in Art. 2 Abs. 2 definierte Art waschen. Bei Nichtidentifizierung müssen diese Berufsgruppen auf die Vornahme des Geschäfts verzichten (Art. 4 Abs. 3). Liegen Indizien für eine Geldwäsche vor, muss die „Agentur für die finanzielle Aufklärung“/AfA beim Finanzministerium (Art. 10 ff.) unterrichtet werden (Art. 11), ohne dass der Kunde davon unterrichtet wird (Art. 14). Über Zahlungen in Höhe von über 30.000 Lev oder Gegenwert muss in jedem Fall – also auch ohne Geldwäscheverdacht – die Afa informiert werden (Art. 11a); irgendwelche gesetzlichen oder vertraglichen Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen (Art. 15).
20
5. Maßnahmen gegen die Terrorismusfinanzierung. Das Gesetz über Maßnahmen gegen die Finanzierung des Terrorismus (DV Nr. 16/2003, zuletzt geänd. DV Nr. 59/2006; NA II, 3, 15) sieht in Art. 3 Abs. 1 folgende Maßnahmen vor: Blockierung von Finanzmitteln und sonstigem Vermögen (Ziff. 1) und ein Verbot, Finanzdienstleitungen zu erbringen (Ziff. 2). Die Blockierung hat nach Abs. 3 die Wirkung einer Pfändung (zapor) oder einer Beschlagnahme (văzbrana). Unklar ist, wer für die Maßnahmen nach Abs. 1 zuständig ist. Abs. 2 spricht nur davon, daß „die Personen, die die Maßnahmen nach Abs. 1 getroffen haben“, den Innen- und den Finanzminister und die Kommission zur Feststellung von illegal erworbenem Vermögen davon benachrichtigen müssen. Es müssen also Institutionen außerhalb dieses Kreises sein. Auch Art. 11 gibt dem Innenminister nur das Recht, zeitlich begrenzte Maßnahmen anzuordnen: Finanzdienstleistungen bis zu drei Tagen zu hemmen (Abs. 1) oder in Eilfällen die Blockierung für 45 Tage zu verfügen und unverzüglich die Staatsanwaltschaft zu unterrichten (Abs. 2). Daneben stellt der Ministerrat auf Vorschlag des Innenministeriums und des Generalstaatsanwalts nach Art. 5 eine
21
Schrameyer
2344
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Liste derjenigen natürlichen und juristischen Personen auf, „gegen die Maßnahmen nach diesem Gesetz getroffen werden“. Die Liste wird also grundsätzlich erst aufgestellt, wenn bereits Maßnahmen getroffen wurden. Die Liste wird im Amtsblatt veröffentlicht (Art. 5 Abs. 4). Dagegen ist die Anfechtung vor dem Obersten Verwaltungsgericht zulässig (Art. 5 Abs. 5). Jedermann, der Kenntnis von derartigen Finanzierungsoperationen hat, muss das Finanzministerium benachrichtigen (Art. 9 Abs. 1). Darüber hinaus sind die in Art. 3 Abs. 2 und 3 des Geldwäschegesetzes zur Kontrolle Verpflichteten gehalten, die Agentur für finanzielle Aufklärung auch über einen Verdacht der Terrorismusfinanzierung zu unterrichten (Art. 9 Abs. 3 und 4). Es können Geldbußen von 2000 bis 50.000 Lev verhängt werden (Art. 15). 22
6. Missbrauch des Wertpapiermarkts. Nach dem am 04.10.2006 erlassenen Gesetz über den Marktmissbrauch von Finanzinstrumenten (DV Nr. 84/2006) soll ein Mißbrauch des Marktes mit Hilfe von Insider-Informationen (Art. 4) und Manipulationen (Art. 6) des Marktes verhindert werden (Art. 1 Abs. 2), wobei auch Handlungen außerhalb Bulgariens unter das Gesetz fallen (Art. 3 Abs.1 Ziff. 1).
23
7. Strafrechtliche Bestimmungen. Die Artikel 243-252 StGB (DV Nr. 26/1968, zuletzt geänd. DV Nr. 88/2005; NA VIII, 1, 1) schützen das Geld- und Kreditsystem, und die Art. 253-260 die Finanz-, Steuer- und Versicherungssysteme.
24
II. Bankenaufsicht. Die Bankenaufsicht erfolgt gem. Art. 79 GKI durch die BNB, und zwar mit dem Ziel der Beachtung der Rechtsvorschriften, der „verlässlichen und sicheren Verwaltung der Banken und der Risiken“ und „eines den Risiken angemessenen Eigenkapitals“. Innerhalb der BNB ist dafür der Vizepräsident zuständig, der die Abteilung „Bankenaufsicht“ leitet (§ 2 ÜSB GKI, Art. 2 Abs. 6 GBNB, 19 Abs. 1 und 20 Abs. 3). Die Periodizität und die Intensität der Aufsichtsmaßnahmen hängen von der Größe, Bedeutung usw. der jeweiligen Bank ab (Art. 79 Abs. 3 GKI). Die BNB darf auch die auf ausländischem Territorium tätigen Zweigstellen von in Bulgarien lizenzierten Banken kontrollieren (Art. 79 Abs. 4). Die BNB kann auch die in Bulgarien tätigen Zweigstellen dritter Staaten, so wie in den gesetzlich vorgesehen Fällen (s. Art. 81 ff.) auch die von EU-Mitgliedsstaaten beaufsichtigen (Art. 79 Abs. 5). Die Betroffenen müssen der BNB alle erforderlichen Unterlagen vorlegen, und die BNB kann Prüfungen vor Ort vornehmen (Art. 79 Abs. 9, Art. 80). Sie kann auch Klage auf Aufhebung von Beschlüssen der Verwaltungsorgane oder von Beschlüssen der Hauptversammlungen erheben (Art. 79 Abs. 10).
25
Bei Normenverstößen gem. Art. 103 Abs. 1 GKI kann die BNB zahlreiche Maßnahmen ergreifen (Art. 103 Abs. 2 ff., Art. 104). Eine der weitestgehenden Maßnahmen ist die Bestellung eines „Questors“ (Art. 13 Abs. 2 Ziff. 19 oder nach Art. 116 Abs. 1 Ziff. 1). Der Questor ist ein von der BNB für maximal sechs Monate (Art. 106 Abs. 2) eingesetzter und von ihren Weisungen abhängiger Treuhänder, der sämtliche Befugnisse der Bankorgane besitzt; deren Befugnisse erlöschen (Art. 107). Bei Gefahr der Zahlungsunfähigkeit einer Bank gelten die speziellen Aufsichtsvorschriften der Art. 115-121, darunter die Einsetzung eines Questors. Wird einer Bank die Lizenz entzogen, setzt der Einlagengarantiefonds einen Liquidator ein (Art. 126-130 GKI). Zum Schutz oder zur Wiederherstellung der finanziellen Stabilität einer Bank kann die BNB Sanierungsmaßnahmen nach Art. 133 ff. bzw. 141 ff. GKI vornehmen. Für die (freiwillige oder zwangsweise) Liquidierung (Anastasov/Čalăkov, S. 281 ff.) oder die Einleitung eines Insolvenzverfahrens gelten zunächst die Vorschriften der Art. 137 ff. GKI, ferner die des Gesetzes über die Bankeninsolvenz/GBI, die aber teilweise auf das GKI zurückverweisen (Art. 1 Abs. 2 usw.). Wegen der Missbräuche im Bankensektor zu Beginn der Transformation, musste dieses besondere Gesetz erlassen werden (DV Nr. 92/2002, zuletzt geänd. DV Nr. 59/
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2345
2006). Ergänzend finden die Artikel Art. 607 ff. des HGB Anwendung (Art. 612 Abs. 2 HGB). Im Bankeninsolvenzverfahren nimmt die BNB eine wichtige Rolle ein (Art. 44 ff. GBI). Daskalov/Thurner, Das neue bulgarische Bankeninsolvenzrecht im Überblick, WiRO 1996, 377 ff., behandelt in seinem Artikel die Regelung vor Erlass des BankeninsolvenzG von 2002, also die Kapitel XIII (Sonderaufsicht bei drohender Zahlungsunfähigkeit) und XIV (Insolvenz) des damaligen Gesetzes über die Banken und Kreditwesen von 1992 (DV Nr. 95/1992). Das Insolvenzverfahren wird gem. Art. 8 GBI von der BNB durch den Entzug der Lizenz nach Art. 36 Abs. 2 GKI eingeleitet, dann aber wie üblich von den Gerichten weitergeführt (Art. 137 GKI). Das Gesetz gilt für Banken mit Sitz in der RB (Art. 1 Abs. 2 GBI); für deren Zweigstellen in EU-Mitgliedstaaten finden die Vorschriften der Art. 133 ff. des GKI Anwendung (Art. 1 Abs. 2 GBI). Für bei der Aufsicht entstehende Schäden haftet die BNB nur bei Vorsatz (Art. 79 Abs. 8). 1. Anfechtung von Verwaltungsakten der BNB. Die Verwaltungsakte der BNB werden vom Verwaltungsrat der BNB erlassen, müssen begründet werden und sind sofort vollziehbar (Art. 151 Abs. 1 und 2 GKI). Sie können vor dem Obersten Verwaltungsgericht hinsichtlich ihrer Gesetzmäßigkeit angefochten werden; das Gericht darf bis zur Entscheidung ihre sofortige Vollziehbarkeit nicht aussetzen (Abs. 3). Im Übrigen gilt das neue Verwaltungsprozessgesetzbuch (DV Nr. 30/2006).
26
27
Für die Aufsicht über Zweigstellen von Banken, die in Bulgarien tätig sind, jedoch in EU-Mitgliedsstaaten lizenziert wurden, gilt folgendes: – Grundsätzlich übt die BNB die Bankenaufsicht gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden der EU-Staaten aus (Art. 87-88 GKI). – Die Aufsicht erfolgt durch die ausländischen Aufsichtsorgane auch in Bulgarien, wobei sie die Befugnisse nach Art. 80 Abs. 3 GKI haben (Art. 81 Abs. 1 GKI), unbeschadet der Aufsichtsbefugnisse der BNB (Abs. 2). Bei Gesetzesverletzungen der Zweigstelle kann die BNB nach Art. 82 Abs. 1 die Abstellung dieser Verletzungen gem. Art. 103 Abs. Ziff. 3 GKI verlangen. Hat dies keinen Erfolg, wendet sich die BNB an das ausländische Aufsichtsorgan (Abs. 2). Erweisen sich dessen Maßnahmen als unzureichend, kann die BNB alle erforderlichen Maßnahmen nach dem GKI treffen (Abs. 3 und 4). Die BNB hat davon die EU-Kommission zu unterrichten (Art. 82 Abs. 7). In dringenden Fällen kann die BNB auch direkt handeln (Art. 83). – Die Liquidität dieser Zweigstellen überwachen die BNB und das ausländische Aufsichtsorgan gemeinsam (Art. 81 Abs. 3). – Die Banken der Mitgliedstaaten, die Zweigstellen in Bulgarien haben, müssen der BNB „für statistische Zwecke periodische Rechenschaftsberichte“ liefern (Art. 81 Abs. 5. – Art. 81 Abs. 6 und Art. 86 ordnen die Gleichbehandlung der in EU-Mitgliedstaaten und im sonstigen Ausland lizenzierten Zweigstellen mit den in Bulgarien lizenzierten Banken an. Eine zusätzliche Aufsicht über die Finanzkonglomerate sieht das gleichlautende, verschiedene EU-Richtlinien gem. § 3 ÜSB übernehmende Gesetz über Finanzkonglomerate (DV Nr. 59/2006) vor. Finanzkonglomerate sind eine Mischung aus Banken, Versicherungen oder Investitionsgesellschaften (Art. 1 Abs. 2, Art. 2). Sie werden von einem Koordinator der Mitgliedsstaaten beaufsichtigt (Art. 14), in Bulgarien von der BNB und der Kommission für Finanzaufsicht (KFA). Über die Organisation und Kontrolle der Sicherheit der Banken und der Finanzinstitutionen erlassen nach § 3 ÜSB GKI das Finanzministerium und der Verwaltungsrat der BNB eine Verordnung.
Schrameyer
28
2346
29
30
31
32
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
2. Bankenlizenz. Ein wichtiges Instrument der präventiven Aufsicht ist die Erteilung der Bankenlizenz nach Art. 13 GKI ff. durch die BNB. Neben der Prüfung der eingereichten Unterlagen nach Art. 13 Abs. 1 hat die BNB die Zuverlässigkeit, die finanzielle Situation des Antragsteller und die in Abs. 3 aufgeführten Bedingungen zu prüfen, und nach Abs. 2 eine Stellungnahme der KfA einzuholen, wenn der Antragsteller auf dem Wertpapiermarkt tätig werden will. Innerhalb von drei Monaten hat die BNB eine vorläufige Entscheidung zu treffen (Abs. 4). Die Erteilung wird endgültig, wenn binnen weiterer drei Monate weitere sechs Voraussetzungen (Einzahlung der Aktien, Vorhandensein eines Gebäudes etc.) nachgewiesen werden (Art. 15 Abs. 1). Die BNB kann eine gewisse Banktätigkeit ausschließen (Abs. 3). Die Erteilung der Lizenz wird in einem bei der BNB geführten Register eingetragen (Abs. 5) und erforderlichenfalls der KfA (Abs. 6) und der EU-Kommission mitgeteilt (Abs. 7). Wird der Antrag abgewiesen, kann ein neuer Antrag erst wieder nach einem Jahr gestellt werden (Art. 19) oder er kann nach Art. 151 Abs. 3 vor dem Obersten Verwaltungsgericht angefochten werden. Die Voraussetzung für die Erteilung einer Lizenz für eine Zweigstelle einer ausländischen Bank regelt Art. 17. III. Bedeutende Rechtsquellen. Es sei daraufhin gewiesen, dass die BNB normative Befugnisse hat. Sie kann auf Grund gesetzlicher Ermächtigungen Verordnungen (naredbi) und auf deren Grundlage Weisungen (ukazanija) erlassen, in denen die detaillierten Anwendungsregeln enthalten sind. Nachfolgend soll eine Übersicht über die wichtigsten Gesetze gegeben werden: 1. Bankgesetze – Gesetz über die Kreditinstitutionen/GKI vom 13. Juli 2006 (DV Nr. 59/2006, S. 27 ff. – Gesetz über die bulgarische Nationalbank/GBNB (DV Nr. 46/1997, zuletzt geänd. DV Nr. 59/2006 – Gesetz über die Kommission für Finanzaufsicht/GKFA (DV Nr. 8 vom 28.01.2003, zuletzt geänd. DV Nr. 84/2006) – Gesetz über die zusätzliche Aufsicht über die Finanzkonglomerate (DV Nr. 59/2006) – Gesetz über die Bankeninsolvenz/GBI (DV Nr. 92/2002, zuletzt geänd. DV Nr. 59/ 2006) – Gesetz über die Garantie von Einlagen bei Banken/GGEB (DV Nr. 48/1998, zuletzt geänd. DV Nr. 86/2006) – Gesetz über Geldüberweisungen, elektronische Zahlungsinstrumente und Zahlungssysteme/GGEZZ (DV Nr. 31/2005, zuletzt geänd. DV Nr. 16/2008) – Gesetz über Finanzdienstleistungen, die auf Distanz erbracht werden (DV Nr. 105/ 2006) – Gesetz über den Verbraucherkredit vom 15. Juni 2006 (DV Nr. 53/2006, zuletzt geänd. DV Nr. 105/2006) – Gesetz über den Schutz der Verbraucher (DV Nr. 99/2005, zuletzt geänd. DV Nr. 108/ 2006, NA II, 1, 482) – Gesetz über das öffentliche Angebot von Wertpapieren von 1999 (DV Nr. 114/1999, zuletzt geänd. DV Nr. 25/2007) – Gesetz über die Maßnahmen gegen die Geldwäsche (DV Nr. 85/1998, zuletzt geänd. DV Nr. 56/2006 – Gesetz über die Maßnahmen gegen die Terrorismusfinanzierung (DV Nr. 16/2003, zuletzt geänd. DV Nr. 59/2006) – Gesetz gegen den Marktmissbrauch von Finanzinstrumenten (DV Nr. 84/2006) 2. Weitere Gesetze – Devisengesetz (DV Nr. 83 vom 21.09.1999, zuletzt geänd. DV Nr. 59/2006) – Gesetz über den Zugang zu öffentlichen Informationen (DV Nr. 55/2000), zuletzt geänd. DV Nr. 59/2006)
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2347
– Gesetz über den Schutz der persönlichen Daten (DV Nr. 1/2002, zuletzt geänd. DV Nr. 91/2006) – Gesetz über den elektronischen Handel (DV Nr. 51/2006, zuletzt geänd. DV Nr. 105/ 2006) 3. Zivilrechtliche Gesetze – Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge/GSV (DV Nr. 48/1950, zuletzt geänd. DV Nr. 36/2006). – Gesetz über die besonderen Pfandrechte/GBesPf (DV Nr. 100/1996, zuletzt geänd. DV Nr. 43/2005) – Gesetz über Hypothekenpfandbriefe (DV Nr. 83 vom 10.10.2000, zuletzt geänd. DV Nr. 59/2006) – Handelsgesetzbuch/HGB (DV Nr. 48/1991, zuletzt geändert DV Nr. 59/2006). Der dritte Teil des HGB behandelt die Handelsgeschäfte: a. im 29. Kapitel die Bankgeschäfte (Art. 420-432, 435-450), b. im 30. Kapitel das Wechselrecht (Art. 455-534), c. im 32. Kapitel das Scheckrecht (Art. 539-562) und d. im 33. Kapitel die auf Wechsel, Scheck und Anweisung an Order gemeinsam anwendbaren Vorschriften (Art. 563-572). e. im 37. Kapitel den Vertrag über das Bankschließfach (Art. 605-606a)
33
Aufgehoben: – Gesetz über die Banken (DV Nr. 52/1997, aufgehoben gem. § 5 ÜSB des GKI, DV Nr. 59/2006)
B. Kredit und Kreditsicherheiten
34
I. Kreditformen. 1. Darlehensvertrag. Den zivilrechtlichen Darlehensvertrag regeln die Art. 240-242 GSV. Er ist – im Gegensatz zum Bankkredit des Art. 430 HGB – nicht zweckgebunden. Zinsen müssen – im Gegensatz zum Bankkredit – schriftlich vereinbart werden (Art. 240 Abs. 2 S. 2, Art. 430 Abs. 2 HGB). Nach Abs. 3 findet der Schadensersatzanspruch für Mängel der geliehenen Sache des Art. 247 Anwendung. Mangels einer anderslautenden Vereinbarung ist das Geld oder die Sache innerhalb eines Monats zurückzugeben (Art. 240 Abs. 4). Nach Art. 241 kann der Darlehensgeber zurücktreten, wenn der Darlehensnehmer zahlungsunfähig geworden ist. 2. Bankkredit. Der Bankkredit richtet sich zunächst nach den Vorschriften des HGB gem. Art. 430-442 HGB: Die Bank gewährt den Geldbetrag für einen bestimmten Zweck zu vereinbarten Bedingungen und für eine vereinbarte Frist (Art. 430 Abs. 1 HGB). Der Vertrag bedarf der Schriftform (Art. 430 Abs. 3). Zinsen sind zu zahlen, ihre Höhe richtet sich nach dem Vertrag (Art. 420 Abs. 2). Der Kreditnehmer hat der Bank die erforderlichen Informationen zu erteilen (Art. 431). Eine vorzeitige Kündigung des Darlehens ist in vier Fällen möglich (Art. 432). Zusätzlich finden die Art. 58-60 GKI Anwendung: Eine Bank hat die Kreditbedingungen in den Räumen, die den Kunden zugänglich sind, zu veröffentlichen. Sie müssen klar und für den Kunden verständlich formuliert sein (Art. 59 GKI). Darüber hinaus hat sie dem Kreditnehmer gem. Art. 58 GKI schriftlich ihre Kreditbedingungen auszuhändigen, die die Kosten des Kredits und die Voraussetzungen für seine Änderung, den jährlichen Zinssatz, die Methode seiner Berechnung und die Änderungsvoraussetzungen, zusätzliche Pflichten und die Voraussetzungen und die Kosten einer vorzeitigen Tilgung des Kredits enthalten müssen.
35
Die Bank kann vom Kreditnehmer verlangen, Jahresabschlüsse und sonstige für den Kredit wichtige Unterlagen zur Verfügung zu stellen, sowie Kontrollen der Sicherheiten und
36
Schrameyer
2348
37
38
39
40
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
der zweckentsprechenden Verwendung des Kredits zu erlauben (Art. 61 GKI). Zur Sicherung des Kredits darf die Bank keine Aktien als Sicherheit nehmen, die von ihr oder ihr nahestehenden Personen gegeben wurden (Art. 60 Abs. 1 GKI). Wird der Kredit oder seine Raten nicht rechtzeitig getilgt, kann die Bank auf Grund des Kontoauszugs einen Vollstreckungsbefehl beantragen (Art. 60 Abs. 2 GKI). Durch eine gemeinsame VO des Gouverneurs der BNB und des Justizministers kann die Bank ermächtigt werden, verpfändete Sachen in einem besonderen Verfahren zu versteigern; dies ist bei den „Registerpfandrechten“ (s. u.) nicht erlaubt (Art. 60 Abs. 3 GKI). Die Bank hat ferner einen Anspruch auf gesetzliche Hypotheken und andere dingliche Rechte an Immobilien, die ganz oder teilweise mit dem Kredit erworben wurden (Art. 60 Abs. 4 GKI). Die Bank hat die Sicherheiten nach völliger Tilgung des Kredits binnen 14 Tagen nach Antrag des Kunden und Zahlung der geschuldeten Gebühren freizugeben bzw. zu löschen (Art. 60 Abs. 5 GKI). Es werden kurzfristige Kredite bis zu einem Jahr (Lombard-, Wechsel-, Kontokorrentkredite, Kreditkartenkredite u.a.), mittelfristige bis zu zwei Jahren und langfristige von über zwei Jahren (Investitionskredite, Hypothekenkredite usw.) unterschieden (Anastasov/ Čalăkov, S. 316 ff.). 3. Andere Kreditformen. a) Kreditbrief. Mit dem in den Art. 433-434 HGB geregelten Kreditbrief ermächtigt eine Bank eine andere einer in dem Brief bezeichneten Person eine bestimmte Summe zu zahlen (Art. 433 Abs. 1 HGB); sie hat die Zahlung auf dem Brief, den der Zahlungsempfänger ihr zu übergeben hat, zu vermerken (Art. 434 Abs. 2 HGB). Der Begünstigte ist verpflichtet, der ermächtigenden Bank eine Vergütung und Aufwendungsersatz zahlen (Art. 434 HGB). b) Akkreditiv. Gem. Art. 435-441 HGB ist das Akkreditiv „eine einseitige schriftliche Erklärung einer Bank, durch die sie sich verpflichtet, der in dem Akkreditiv genannten Person eine im Akkreditiv bestimmte Summe auszuzahlen, wenn die betreffende Person die im Akkreditiv geforderten Unterlagen vorlegt und die darin geforderten Bedingungen erfüllt“ (Art. 435 Abs. 1). Die Bank kann eine andere Bank beauftragen, den Betrag auszuzahlen, nachdem sie die Voraussetzungen für die Auszahlung geprüft hat (Abs. 2). Das Akkreditiv gilt nur für die vereinbarte Frist, nach deren Ablauf erlischt es (Abs. 6). Das Akkreditiv ist unwiderruflich, falls im Akkreditiv nichts anderes erwähnt ist und die Zustimmung des Dritten nicht vorliegt (Abs. 437). Das Akkreditiv ist grundsätzlich teilbar und unübertragbar (Art. 438). Wird ein unwiderrufliches Akkreditiv von einer anderen Bank bestätigt, entsteht eine neue selbstständige, direkte Verpflichtung (Art. 439). Zwischen dem Auftraggeber und der Bank und zwischen den Banken entstehen Auftragsverhältnisse (Art. 440). Der Auftraggeber schuldet der Bank eine Vergütung (Art. 441) c) Verbraucherkredit. Der Verbraucherkredit wird durch das Verbraucherkreditgesetz vom 15. Juni 2006 (DV Nr. 53/2006 S. 2 ff.) geregelt. Es gilt auch für Vermittlungsverträge (Art. 23-24). Er ist schriftlich zu schließen (Art. 6 Abs. 2), mündliche Vereinbarungen sind unwirksam (Abs. 3). Hauptziel ist nach Art. 2 der Schutz des Kreditnehmers durch umfassende und klare Unterrichtung über die Kreditbedingungen (Art. 6, 7, 9, 13 usw.) und gleiche Behandlung (Art. 2 Ziff. 2). Der Kreditnehmer muss über den Jahreszins und die sonstigen Kreditkosten unterrichtet werden (Art. 7, Art. 21-22). Die dem Kreditnehmer nach diesem Gesetz eingeräumten Rechte sind nicht abdingbar (Art. 11, Art. 2 Ziff. 3). Bei Nichtbeachtung verschiedener Vorschriften ist der Vertrag nichtig (Art. 11 Abs. 1, 14, 16 Abs. 3). Das Gesetz sieht ferner verwaltungsstrafrechtliche Bußen bis zu 6.000 Lev vor (Art. 28-35).
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2349
Der Kreditgeber kann seine Forderung nur abtreten, wenn dies im Vertrag vorgesehen ist (Art. 16 Abs. 1). Der Kreditnehmer kann die Schuld vorzeitig – auch teilweise (Art. 19 Abs. 3) – zurückzahlen (Art. 18). Der Kreditnehmer darf nicht gezwungen werden, seine Schuld durch einen Wechsel zu garantieren (Art. 20). In den in Art. 3 Abs. 3-5 aufgezählten Fällen findet das Gesetz keine Anwendung: so z.B. bei Kreditverträgen von weniger als 400 Lev oder von mehr als 4.000 Lev (Ziff. 5), es gilt also nur im Bereich von 4004.000 Lev. Es gilt ferner nicht, wenn der Kredit binnen drei Monaten, oder durch nicht mehr als vier Teilzahlungen binnen zwölf Monaten (Ziff. 6) zurückzuzahlen ist, oder wenn er durch eine Erhöhung des Überziehungskredits des Girokontos erfolgt (Abs. 4; dabei sind die Voraussetzungen des Art. 9 zu beachten). Schließlich gilt das Gesetz nicht für Kreditverträge (oder Kreditvermittlungsverträge), die durch dingliche Pfandrechte gesichert sind, oder die mit einer Immobilie zusammenhängen (Abs. 5). Er gilt jedoch für Kreditkartenverträge (Art. 3 Abs. 4, Art. 10).
41
Das Gesetz sieht einen außergerichtlichen Rechtsschutz vor der Kommission für den Verbraucherschutz/KVS vor (Art. 2 Ziff. 6, Art. 25-27). Diese wie auch die Verbrauchervereinigungen können in gewissen Fällen Klage erheben (Art. 26). Das Gesetz verweist an verschiedenen Stellen (Art. 12, Art. 15 Abs. 2, Art. 27 Abs. 1) auf das Verbraucherschutzgesetz (DV Nr. 99/2005, zuletzt geänd. DV 108/2006; NA II, 1 482); das Gesetz hatte nach § 14 das alte Gesetz über den Verbraucherschutz und die Handelsregeln (DV Nr. 30/1999, zuletzt geänd. DV Nr. 42/2005) abgelöst: – So finden nach Art. 12 die Diskriminierungsverbote der Artikel 143-148 VerbrSchutzG Anwendung. – Nach Art. 15. Abs. 2 gilt das gleiche für die Artikel 32-42 VerbrSchG über irreführende Werbung und – nach Art. 27 Abs. 2 für die Art. 182-184 VerbrSchG über Beschwerden der Verbraucher und die Schlichtungskommission.
42
Ein Verbraucherschutzgesetz ist auch das Gesetz über die auf Distanz erbrachten Finanzdienstleistungen (DV Nr. 105/2006) vom 13. Dezember 2006. II. Kreditsicherheiten. Im 1. Teil des „bulgarischen BGB“, des Gesetzes über Schuldverhältnisse und Verträge/GSV vom 01.01.1950 (DV Nr. 275/1950, zuletzt geänd. DV Nr. 36/2006/deutsche Übers. des Verf., in: Handbuch WiRO BG 220 (Stand 12.04.2000)) regelt das 7. Kapitel die schuldrechtliche (Bürgschaft, Garantie, Abtretung von Forderungen) und sachenrechtliche Sicherung (Pfand und Hypothek) von Forderungen. In der bulgarischen Lehre ist weiterhin umstritten, ob das Pfand ein schuldrechtliches oder sachenrechtliches Phänomen ist. Zwar spricht der Ort der Regelung für eine obligatorische Natur des Pfandes. Jedoch besteht am Pfand eine Rangordnung (Art. 153) und ein vorrangiges Befriedigungsrecht (Art. 159) sowie ein Herausgaberecht (Art. 157 Abs. 3). Pfand und Hypothek sind akzessorisch (Art. 150 GSV). Sie können an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache oder einer Forderung sowie für eine eigene oder eine fremde Schuld bestellt werde (Art. 149). Im letzteren Fall hat der Eigentümer alle dem Schuldner zustehenden Einreden (Art. 151). Eine andere als die gesetzliche Form der Befriedigung (z.B. eine Verfallsabrede) ist unzulässig (Art. 152). Mehrere Pfandgläubiger werden in der Reihenfolge der Bestellung des Pfandes befriedigt (Art. 153).
43
1. Hypothek/Grundschuld. Die Hypothek ist in den Art. 149 ff., 166-179 GSV geregelt. Sie ist mit der deutschen Hypothek vergleichbar. Ihre Bestellung bedarf wie alle Immobiliengeschäfte der notariellen Form nach Art. 18/167 GSV. Bestimmte inhaltliche Mängel des Vertrags führen zur Unwirksamkeit (Art. 170). Die Hypothek muss ins Grundbuch eingetragen werden (Art. 166; ausführlich zur Hypothek: Plamen Diljanov, WGO 2005,
44
Schrameyer
2350
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
402 ff.). Eine eingetragene Hypothek erlischt automatisch nach zehn Jahren (Art. 172 Abs. 1 S. 1); sie kann vor Fristablauf erneuert (Art. 172 Abs. 1 S. 2) oder danach neu eingetragen (Art. 172 Abs. 2) werden. Wird die Schuld getilgt, muss die Hypothek mit Zustimmung des Gläubigers gelöscht werden (Art. 179 Abs. 1 und 2); erst die Löschung lässt die Hypothek erlöschen (Art. 179 Abs. 3). Eine (nichtakzessorische) Grundschuld kennt das bulgarische Recht nicht. 45
2. Bürgschaft. Die Art. 138-148 des GSV regeln die Bürgschaft. Sie bedarf der Schriftform (Art. 138 Abs. 1 Satz 2). Bürge und Schuldner haften gesamtschuldnerisch (Art. 141). Der Bürge kann dem Gläubiger alle Einwendungen des Schuldners entgegensetzen (Art. 142). Befriedigt der Bürge den Gläubiger, geht die Forderung kraft Gesetzes auf ihn über (Art. 16).
46
3. Andere Kreditsicherheiten. a) Das Pfand an einer beweglichen Sache oder einer Forderung ist in den Art. 149 ff. GSV geregelt. Dabei ist in der bulgarischen Lehre weiterhin umstritten, ob es sich um dingliches oder ein obligatorisches Recht handelt (Venedikov, S. 195). – Ein Pfandrecht an einer beweglichen Sache (Art.162-165) entsteht nur, wenn dem Gläubiger der Besitz der Sache eingeräumt wird (Art. 156); ein besitzloses Pfand ist im Gesetz über die besonderen Pfandrechte geregelt (s. Rn. 51). – Ein Pfand an einer Forderung (Art. 162-165) entsteht durch einen entsprechenden formlosen Vertrag (Art. 162) und die Übergabe der Dokumente, aus denen das Bestehen der Forderung hervorgeht (Art.163). Bei Beträgen über 5.000 Lev kann nach Art. 162 S. 2/ 156 Abs. 2 das Pfand Dritten nur entgegengehalten werden, wenn die Schriftform gewahrt wurde.
47
b) Art. 310 ff. HGB regeln die kaufmännischen Sicherheiten: das kaufmännische Pfand (Art. 310-314), das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht (Art. 315) und die Bankgarantie (Art. 442).
48
– Das kaufmännische Pfand Der Pfandvertrag gilt als abgeschlossen, wenn das Pfand (Sache oder Inhaberwertpapier) an den Kreditgeber (oder eine von ihm bestimmte Person) übergeben oder ein Orderpapier giriert und übergeben wird (Art. 310). Ist der Pfandvertrag schriftlich abgeschlossen und haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass bei Verzug kein Gericht eingeschaltet wird, kann der Gläubiger die Sache zu dem Markt- oder Börsenpreis verkaufen, den Schuldner davon benachrichtigen und einen Überschuss an den Schuldner übergeben (Art. 311). In gesetzlich vorgesehenen Fällen kann der Gläubiger das Pfand behalten (Art. 312). Ist das Pfand leicht verderblich, kann es der Gläubiger verkaufen und den Preis bei einer Bank hinterlegen (Art. 313). Wegen der Früchte des Pfandes kann vereinbart werden, daß der Gläubiger sie unter Anrechnung auf die Schuld behalten darf (Art. 314).
49
– Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht (ZBR) Wegen seiner fälligen Forderungen gegen einen anderen Kaufmann kann der Kaufmann, der rechtmäßig bewegliche Sachen oder Wertpapiere des anderen im Besitz hat, diese zurückbehalten (Art. 315), es sei denn, der Schuldner hat bei der Übergabe etwas anderes angeordnet oder der Gläubiger hat sich dazu verpflichtet (Art. 315 Abs. 5). Das ZBR besteht auch dann, wenn das Eigentum am Pfand auf den Gläubiger übergegangen ist, dieser es aber zurückübertragen muss (Abs. 2). Das ZBR kann auch Dritten gegenüber geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger Einwendungen gegen den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe hat (Abs. 3). Das ZBR gilt auch bei nichtfälligen Forderungen, wenn ein Insolvenzverfahren gegen das Vermögen des Schuldners eröffnet
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2351
oder erfolglos eine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner vorgenommen wurde (Abs. 6). – Bankgarantie Gem. Art. 442 HGB verpflichtet sich eine Bank schriftlich, der in der Garantie bestimmten Person eine festgelegte Summe gem. den in ihr vereinbarten Bedingungen auszuzahlen. Das bulgarische Recht kennt verschiedene Arten von Garantien (Performance Bond, Advance Payment Guarantee, Payment Guarantee, Bid Bond, Zollgarantie usw., siehe Anastasov/Čalăkov, S. 333-342).
50
c) Das Gesetz über die besonderen Pfandrechte von 1996 (DV Nr. 100/1996, zuletzt geänd. DV Nr. 43/2005; dazu Schrameyer, WiRO 2007, 373 – mit Textübersetzung) regelt das besitzlose (Register-) Pfand (Art. 1, Art. 8).Gegenstand dieses Pfandes können nach Art. 4 sein: – Forderungen, nichtverkörperte Wertpapiere und bewegliche Sachen mit Ausnahme von Schiffen und Luftfahrzeugen. – Gesellschaftsanteile von OHGs und KGs, KGaA oder GmbHs. – Eine Gesamtheit von Forderungen, Maschinen und Anlagen, Waren oder Materialien oder Wertpapieren. – Rechte auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. – Handelsunternehmen.
51
Der Pfandgeber muss grundsätzlich ein Kaufmann sein (Art. 3). Die Pfandbestellung unterliegt der Schriftform (Art. 2). Das Pfand wird registriert (Art. 1 Abs. 2), sein Rang hängt vom Zeitpunkt der Eintragung ab (Art. 14). Es ist akzessorisch (Art. 6)und erlischt nach fünf Jahren, wenn es nicht vor Ablauf erneuert wird (Art. 30 Abs. 2). Die Vollstreckung richtet sich nach den Art. 10 und 32 ff. Der Gläubiger hat das Recht, das Pfand zu verkaufen (Art. 32 Abs. 4, Art. 37); er darf es aber gem. Art. 60 Abs. 3 GKI im Gegensatz zum gewöhnlichen kaufmännischen Pfand nicht versteigern. III. Kreditabwicklung. Wird der Kredit nicht ordnungsgemäß getilgt, kann die Bank nach Art. 60 Abs. 2 GKI. Auf Grund des Kontoauszugs einen Vollstreckungsbefehl (izpălnitelen ist) beantragen. Im Kreditvertrag kann ferner vorgesehen werden, dass die Bank die verpfändete Sache versteigern darf (Art. 60 Abs. 3 S. 1); dies gilt nicht für das oben erwähnte (Rn. 51) besondere Pfand (Abs. 3 S. 2).
52
C. Konto und Zahlungsverkehr
54
Art. 57 und 59 GKI legen die Grundvoraussetzungen für Einlagen fest. Danach müssen 1. die Einlagebedingungen in Räumen, die Kunden zugänglich sind, veröffentlicht sein. Sie müssen klar und für den Kunden verständlich formuliert sein (Art. 61 GKI). 2. die Bedingungen folgende Punkte enthalten: die Zinsen und die Art ihrer Berechnung, die Perioden der Zinszahlung, die Angabe, ob und unter welchen Bedingungen der Zinssatz verändert werden kann, der Mindesteinlagebetrag, die Kündigungsfrist und die Folgen eines vorzeitigen Abzugs, sowie die Höhe der Einlagengarantie. 3. die Banken diese veröffentlichten Bedingungen auf alle Kunden anwenden (Art. 57 Abs. 1 GKI), sie dürfen also nicht diskriminieren. Dieses Gleichbehandlungsgebot dürfte sich nicht bereits aus dem Antidiskriminierungsgesetz ergeben, da der Kunde nicht immer aus den in Art. 4 AntidiskrG aufgezählten Merkmalen benachteiligt werden dürfte (DV 86/2003. s. Schrameyer, WiRO 2004, 269 ff. – mit Textübersetzung). Sedes materiae der Einlagensicherung sind die Art. 38-43 des Gesetzes über die Bankeninsolvenz, die die Befugnisse des Garantiefonds im Falle der Insolvenz einer Bank regeln. Lex specialis ist das Gesetz über die Garantie von Einlagen in Banken von 1998 so-
Schrameyer
53
55
2352
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
wie eine auf Grund des Art. 10 des EinlagengarantieG erlassene VO der BNB Nr. 23 vom 04.02.1994 über die Auszahlung der Beträge (DV Nr. 12/1999, zuletzt geänd. DV Nr. 15/ 1999, NA II, 2, 421). Eingeflossen sind in diese Vorschriften die EU-Richtlinien 94/19/ EEC und 2001/24/EU. Nach Art. 4 werden Einlagen bis zu 40.000 Euro durch einen Fonds (Art. 7) garantiert (Ausnahmen Art. 5), der vom Rechungshof kontrolliert wird (Art. 7 Abs. 4). Reichen die Mittel des Fonds nicht aus, müssen die Banken Mittel vorschießen, es werden die Prämien erhöht oder es werden Anleihen aufgenommen (Art. 18). 56
I. Konten. Die Einzelheiten der Kontos, ihrer Eröffnung, Führung usw. regeln die Art. 211 der VO Nr. 3 über die Geldüberweisungen und die Zahlungssysteme der BNB vom 29.09.2005 (Anastasov/ Čalăkov, S. 256), die auf Grund des Art. 40 GBNB erlassen wurde. Jedes Konto erhält eine International Bank Account Number/IBAN und einen Bank Identifier Code/BIC gem. der VO Nr. 13 vom 07.04.2005 (DV Nr. 36/2005, zuletzt geänd. DV Nr. 5/2006; NA II, 2, 401). Die IBAN besteht aus dem Code für Bulgarien BG, einer aus zwei Ziffern bestehenden Kontrollziffer und der Basic Bank Account Number/BBAN (Art. 1-3 sowie drei Anlagen). Eine natürliche Person braucht nur einen Antrag auf Kontoeröffnung einzureichen; weitere Unterlagen sind nach Art. 3 Abs. 2 der VO Nr. 3 nicht erforderlich. Allerdings kann die Bank Bedingungen für die Eröffnung eines Kontos nach Art. 5 der VO Nr. 3 stellen. Die Bank kann die Eröffnung eines Kontos ohne Angabe von Gründen ablehnen (Art. 3 Abs. 6 der VO Nr. 3). Es gibt nach Art. 2 Abs. 3 Ziff. 1-9 der VO Nr. 3 folgende Kontenarten: Girokonto, Depositenkonto, Konten für Verwalter von Haushaltsmitteln, Sparkonten, Sammelkonten, Akkreditivkonten, Liquidationskonten, Insolvenzkonten, Mehrwertsteuerkonten und sonstige Konten, welche die Banken bei Bedarf vereinbaren können (Abs. 4). Die wichtigsten sind:
57
1. Giro-Konto (razplaštatelna smetka). Der Giro-Vertrag ist primär in den Art. 426-429 HGB geregelt. Nach Art. 426 Abs. 2 HGB unterliegt er der Schriftform. Nach Art. 128 HGB unterrichtet die Bank – falls nichts anderes vereinbart ist – den Kontoinhaber mindestens einmal monatlich schriftlich über die vorgenommenen Operationen; widerspricht er nicht binnen zwei Monaten, gelten sie als genehmigt. Nach Art. 427 HGB schuldet der Kontoinhaber der Bank eine Vergütung und Auslagenersatz, die Bank ihm Zinsen. Die Einzelheiten regelt der Erlass Nr. 3. Nach Art. 2 Abs. 3 Ziff. 1 dieses Erlasses ist der Vertrag über ein Girokonto ein Vertrag über die Aufbewahrung von Geld, das auf Sicht ohne Kündigung zahlbar ist. Er ist daher eine Mischform zwischen einem Vertrag über Bankeinlagen (Art. 420-425 HGB) und einem Auftrag; daher findet gem. Art. 429 HGB hilfsweise das schuldrechtliche Auftragsrecht Anwendung, also die Art. 280-292 GSV. Nach Art. 2 Abs. 1 des Erlasses Nr. 3 können In- und Ausländer eine unbegrenzte Zahl von Konten mit unbegrenzten Lev- oder Devisenbeträgen bei jeder Bank besitzen.
58
2. Depositenkonten, die unter Einhaltung einer bestimmten Frist gekündigt werden müssen (Art. 2 Abs. 3 Ziff. 2 des Erlasses Nr. 3).
59
3. Sparkonten, wobei ein Sparbuch oder ein sonstiges Identifikationsdokument ausgestellt wird (Ziff. 3).
60
II. Zahlungsverkehr. Die rechtliche Grundlage für eine Überweisung sind die Art. 448450 HGB. Nach Art. 448 überläßt der Anweisende der Bank einen bestimmten Geldbetrag mit der Anweisung, ihn an eine bestimmte Person zu zahlen. Hat die Bank den Empfänger nicht von der Anweisung unterrichtet, kann der Anweisende den Auftrag nach Art. 449 bis zur Ausführung widerrufen. Der Anweisende schuldet der Bank nach Art. 450 eine Vergütung und Erstattung der Kosten. Lex specialis ist das Gesetz über Geldüberweisungen, elektronische Zahlungsinstrumente und Zahlungssysteme/GGEZZ (DV Nr. 31/2005, zuletzt geänd. DV Nr. 56/2006) und die Verordnung Nr. 3 der BNB über Geldüberwei-
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2353
sungen und Zahlungssysteme (DV Nr. 81/2005, zuletzt geänd. DV Nr. 24/2006). Diese Vorschriften setzen die EU-Richtlinie Nr. 2000/46/EU vom 08.06.2000 um. Der Zahlungsverkehr innerhalb Bulgariens wird über das von der BNB geleitete „realtime Interbank Gross Settlement system“ gem. Art. 44 Abs. 2 GGEZZ , kurz „RINGS“ genannt (Anastasov/Čalăkov, S. 229 ff. und die dort in Anm. 1, S. 245 erwähnten Verordnungen), oder auch durch Vereinbarung geschaffene „Hilfssysteme“ (s. Anastasov/Čalăkov, S. 233 Anm. 22) abgewickelt. Teilnehmer an RINGS sind die BNB, die Geschäftsbanken und die Zweigstellen ausländischer Banken, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, und die Systemoperatoren von Hilfssystemen außerhalb von RINGS. Die Zahlungssysteme werden von der BNB nach Art. 2 Abs. 4 beaufsichtigt.
61
1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften. Art. 2 des GGEZZ regelt die Überweisung, darunter auch die bargeldlose Überweisung. Vor der Überweisung kontrolliert die die Überweisung ausführende Institution nicht die Gesetzmäßigkeit oder causa des der Zahlung zugrundeliegenden Geschäfts, außer wenn das Gesetz es verlangt (Abs. 3, wie z.B. nach dem Geldwäschegesetz, s. oben). Das Gesetz gilt nicht für andere Anweisungen wie Reiseschecks, Schecks, Wechsel, Akkreditive sowie postalische Überweisungen, die in besonderen Gesetzen geregelt sind (Abs. 4). Eine Überweisung verlangt eine schriftliche oder elektronische Form (Art. 3 Abs. 1). Ein Überweisungsauftrag ist fünf Jahre aufzuheben (Art. 3 Abs. 4). Der Identifikationscode wird von der BNB festgelegt (Art. 7 Abs. 5). Belastung und Überweisung erfolgen grundsätzlich am gleichen Arbeitstag (Art. 9 Abs. 2). Die Bank haftet nicht bei höherer Gewalt, oder wenn die Überweisung nach dem Geldwäschegesetz nicht ausgeführt werden durfte (Art. 14). Ausländische Überweisungen sind Überweisungen in Lev und Devisen an Empfänger im Ausland oder aber auch Überweisungen in Devisen innerhalb Bulgariens (Art. 15). Für Überweisungen bis zu 50.000 Euro/Gegenwert in Länder der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EU plus Liechtenstein, Norwegen und Island) gelten gem. Art. 25 die Art. 18 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2 und 3, 19 Abs. 3 und 22-24 des GGEZZ.
62
2. Scheck- und Kartengeschäft. a) Scheckgeschäft. Das Scheckrecht ist in den Art. 539562 HGB geregelt. Es gleicht unserem Scheckrecht. Hilfsweise finden nach Art. 563 die Vorschriften über den Wechsel (Art. 455-538 HGB) Anwendung. Es gibt gekreuzte und Verrechungsschecks (Art. 555-557).
63
b) Kartengeschäft. Die Bankcard (bankova platežna karta, dazu Orešarski, S. 299 ff.) ist ein elektronisches Zahlungsinstrument/EZI, das in den Art. 27-40 des Gesetzes über die Geldüberweisungen, EZI und Zahlungssysteme, sowie durch die Art. 10-30 der VO Nr. 16 der BNB von 2005 über die EZI (DV Nr. 81/2005, NA II, 2, 445) geregelt ist.
64
D. Kapitalmarktrecht
65
I. Börsenrecht. Das Gesetz über das öffentliche Angebot von Wertpapieren (GÖAW, DV Nr. 114 vom 30.12.1999, zuletzt geänd. DV Nr. 86/2006) hat das bisherige Gesetze über die Wertpapiere, Wertpapierbörsen und Investitionsgesellschaften (DV Nr. 64/1995, zuletzt geänd. DV Nr. 29/1999) abgelöst (§ 2 ÜSB). Es regelt die Emission und den Handel von Wertpapieren, die Wertpapierbörsen, den zentralen Depositar, die Stellung der Makler usw. (Art. 1). Es hat nach § 1c folgende EU-Richtlinien inkorporiert: 85/611/EIU, 93/22/EIU, 97/9/EU, 2003/71/EU. Der Oberbegriff ist gem. § 1 „Finanzinstrumente“. Er unterfällt in Wertpapiere (cenni kniža) und neun Gruppen von Finanz-Instrumenten, die sich von Wertpapieren unterscheiden (§ 1 Ziff. 2. b aa-ii). Unter Wertpapieren werden nach Art. 2 Abs. 1-4 folgende übertragbaren Rechte verstanden: Aktien und Anteile von „kollektiven Investitionsschemen“, Obligationen und
Schrameyer
66
2354
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
sonstige Schuldverschreibungen und „sonstige Rechte, die mit Aktien, Obligationen oder sonstigen Schuldverschreibungen und mit Währungskursen und Zinsen verbunden sind“, also Derivate (Orešarski u.a., S. 182). Ferner sind sog. Investitionsverträge nach Art. 2 Abs. 3 Wertpapiere (Orešarski u.a., S. 184 ff.). Das Gesetz regelt grundsätzlich nur nichtverkörperte Wertpapiere (Art. 3 Ziff. 1), sofern sie übertragbar sind (Art. 3 Ziff. 2). Voraussetzungen für ein öffentliches Angebot ist nach Art. 4 Abs. 1 ein Angebot auf entgeltlichen Erwerb von Wertpapieren an mindestens 100 Personen innerhalb eines Kalenderjahres oder an einen unbestimmten Kreis. 67
Die Börse ist nach Art. 20 Abs. 1 GÖZAW eine AG (mit Sonderstatus), die den offiziellen Wertpapiermarkt (Abs. 2) oder inoffiziellen (Abs. 3, Art. 44 ff.) mit freiem und gleichem Zugang ihrer Mitglieder und deren Kunden organisiert. Für die Gründung einer Börse ist eine Lizenz erforderlich (Art. 20 Abs. 6, Art. 28 ff.). Die Erteilung setzt ein Kapital von 100.000 Lev voraus (Art. 22 Abs. 1). Das Kapital muß zu 2/3 von Anlagevermittlern (Maklern) und institutionellen Investoren aufgebracht werden (Art. 23 Abs. 1), wobei jeder Aktionär nicht mehr als 5% der Aktien besitzen darf (Abs. 2). Die Lizenzierung und Aufsicht obliegt der „Kommission für die Finanzaufsicht“ (KFA, Art. 8, 28 ff.,), die durch das gleichnamige Gesetz (DV Nr. 8/2003, zuletzt geänd. DV Nr. 59/2006) geregelt ist. Mitglieder der Börse sind Makler (investionni posrednici, Art. 54; Art. 70), die einer Lizenz bedürfen (sofern sie nicht Banken sind), welche die KFA erteilt (Art. 55, 62 ff.). Die ihnen obliegenden Pflichten sind in den Art. 70-77 geregelt. Die Art. 77a-x sehen einen Entschädigungsfonds für den Fall vor, dass ein Makler in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Makler mit Sitz in einem EU-Staat oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, die in EU-Staaten zugelassen sind, müssen ihre Absicht, in Bulgarien eine Filiale zu errichten, durch die zuständige einheimische (Börsenaufsichts-) Behörde der KFA anzeigen (Art. 69d). Sobald die KFA den Makler vom Eingang dieser Anzeige unterrichtet hat, darf der Makler mit seiner Tätigkeit beginnen (Art. 69e). Ein ähnliches Verfahren ist für den Fall vorgesehen, dass der Makler ohne Errichtung einer Filiale tätig werden will (Art. 69f). Streitigkeiten in Börsenfragen werden von einem Arbitragegericht entschieden (Art. 37 ff.), dessen Entscheidung unanfechtbar ist (Art. 42 Abs. 3).
68
II. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung). 1. Treuhandverwaltung. Der „Vertrag über eine Treuhandverwaltung (doveritelno upravlenie) von fremden Finanzwerten“ wie Geld oder Wertpapiere ist eine „vergleichsweise neue Finanzdienstleistung“ (Orešarski u.a., S. 184 ff.). Er ist ein Bankengeschäft, wenn eine Bank beteiligt ist; ihn können aber auch andere Finanzinstitutionen abschließen. Die Vermögensbetreuung ist eine der in Art. 54 Abs. 2 des GÖZAW aufgezählten „Finanzdienstleistungen“, und zwar nach Abs. 2 Ziff. 4 die „Verwaltung eines individuellen Portefeuilles gem. dem mit dem Kunden geschlossenen Vertrag nach eigenem Ermessen ohne spezielle Weisungen des Kunden“, und zwar auf Rechnung des Kunden und zum Zwecke der Gewinnerzielung. Der entgeltliche und schriftliche Vertrag wird zwischen einem von der KFA lizenzierten Finanzmakler (investicionen posrednik) im Sinne der Art. 70-77 GÖZAW (einer Bank oder einer Finanzinstitution mit Ausnahme von Investitionsgesellschaften und Pensionsfonds (Anastasov/Čalăkov, S. 360) und dem Kunden geschlossen. Der Verwalter wird nicht Eigentümer des Portefeuilles, sondern erhält nur eine Vollmacht (Anastasov/Čalăkov, S. 360).
69
Er muss die Interessen seines Kunden gem. Art. 70 Abs. 1 GÖZAW „ehrlich, gerecht wie ein Profi und ein ehrbarer Kaufmann“ wahren. Er muss seine Kunden unterrichten, ob er auf eigene oder fremde Rechnung kauft (Art. 70 Abs. 3). Er muß das Geschäftsgeheimnis wahren (Art. 71 Abs. 1). Er hat die eingehenden Weisungen der Reihenfolge nach in einem besonderen Tagebuch (auf Papier oder elektronischem Träger, Art. 72 Abs. 4) zu
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Bulgarien
2355
registrieren und diese Reihenfolge auch bei der Ausführung zu beachten (Art. 72 Abs. 1). Er hat ausgeführte Weisungen am Ende des Tages zu verzeichnen (Art. 73 Abs. 1). Er muss das Tagebuch fünf Jahre aufbewahren (Art. 73 Ab S. 3). Er hat die dem Kunden gehörenden Gelder und Wertpapiere auf einem Sonderkonto zu führen (Art. 75). Er hat zahlreiche Informationspflichten gegenüber der KFA. Eine in Art. 77 erwähnte VO, welche die Pflichten des Finanzmaklers detailliert regeln soll, ist bisher nicht ergangen. 2. Miete eines Bankschließfachs (naem na sejf). Die Grundvorschriften sind die des GSV über Verwahrung (Art. 250-257). Die Spezialvorschriften finden sich im HGB: die bisherigen Vorschriften über den Bankschließfach-Vertrag (bankova kasetka) (Art. 451454 HGB) wurden aufgehoben (durch § 14 Ziffer 3 USB GKI (DV Nr. 59/2006) und durch die sprachlich präzisere Fassung der Art. 605-606a HGB ersetzt; inhaltlich hat sich kaum etwas verändert: Wie bisher hat nur der Mieter einen Schlüssel (Abs. 3) und Zugang zum Safe (Art. 605 Abs. 1 S. 3), und er braucht dessen Inhalt nicht offenzulegen (Abs. 2). Allerdings darf der Vermieter „auf geeignete Weise“ prüfen, ob nach Art. 606 Abs. 2 verbotene Sachen im Safe aufbewahrt werden. Ist das der Fall, kann er den Vertrag sofort kündigen (Abs. 3). Bezahlt der Mieter die Miete nicht, darf der Vermieter den Safe in Gegenwart eines Notars öffnen und bis zur Bezahlung zurückbehalten (Art. 606a).
70
3. Bankinkasso. Gem. Art. 443-447 HGB kann die Bank im Auftrag des Kunden gegen Vergütung eine Geldforderung einziehen oder eine andere Inkassohandlung vornehmen (Art. 443). Durch das Bankdokumenteninkasso verpflichtet sich eine Bank, einer anderen Person Dokumente gegen Zahlung eines Betrags zu übergeben (Art. 444). Der Anweisende trägt die Kosten (Art. 451 Abs. 1 und 3). Die Bank haftet nur für die unrichtige Ausführung der gegebenen Anweisung (Art. 445 Abs. 2); sie braucht nicht die Dokumente zu prüfen. Ein Inkasso- oder Dokumenteninkasso-Auftrag endet nicht mit dem Tod des Auftraggebers (Art. 447). Hilfsweise finden die Vorschriften über den Auftrag, also die Artikel 280-292 GSV (deutsche Übersetzung des Verf. in Handbuch WiRO BG 220), Anwendung (Art. 446).
71
III. Finanztermingeschäfte. Derartige Geschäfte sind zulässig und üblich, wie auch § 1 Ziffer 2 b GÖAW zeigt: Er erwähnt Optionen, Futures, Derivative usw. Allerdings gibt es keine spezielle gesetzliche Regelung dafür.
72
IV. Effekten-, Emissions- u. Investmentgeschäft. Die entsprechenden Vorschriften finden sich im bereits erwähnten Gesetz über das öffentliche Angebot von Wertpapieren/ GÖAW, das erst kürzlich (19.10.2006) im Hinblick auf den EU-Beitritt umfassend novelliert und sprachlich modernisiert wurde (DV Nr. 86/2006). Das Gesetz spricht jetzt anstelle von Wertpapieren von Finanzinstrumenten, die in § 1 definiert werden. Nach Art. 1 Abs. 3 gilt das Gesetz nicht für staatliche Wertpapiere. Öffentlich ist ein Angebot, wenn es an mindestens einhundert Personen gerichtet ist (Art. 4 Abs. 1). Die Art. 78 ff. (besonders auch Art. 100a ff.) regeln die Voraussetzungen für eine Neuemission von Wertpapieren: Herausgabe eines Prospekts (Art. 78 ff.) mit Genehmigung der KFA (Art. 78 Abs. 2, 90 ff.). Die Emission von ausländischen Wertpapieren in Bulgarien ist in Art. 141 geregelt, und die Emission von bulgarischen Wertpapieren im Ausland durch Art. 142. Der Handel mit Wertpapieren darf nur auf den regulierten Wertpapiermärkten (Art. 101 Abs. 1) erfolgen, also auf dem offiziellen (Art. 102 ff.) oder auf dem inoffiziellen (Art. 109) Wertpapiermarkt. Die in den Art. 101 ff. festgelegten Voraussetzungen sind zu beachten. Die Systeme für das „Settlement“ (clearing) von Wertpapiergeschäften sind in den Art. 109a ff. geregelt. Sog. „öffentliche Gesellschaften“ sind nach Art. 110 AGs, die Aktien emittiert haben oder diese Absicht bei der KfA registriert haben oder die während zweier Kalenderjahre mehr als 10.000 Aktionäre haben. Ein „gemeinsames Unterneh-
73
Schrameyer
2356
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
men“ ist ein öffentliches Unternehmen, das mit einem anderen Unternehmen zusammenarbeitet, das 25% der Stimmen in der Hauptversammlung der öffentlichen Gesellschaft besitzt (Art. 126b). Die Art. 145-157 enthalten Informationspflichten für Anteilsinhaber, deren Stimmenanteile an öffentlichen Gesellschaften gewisse Prozentsätze erreichen. 74
Für die Wirksamkeit von Geschäften mit nichtverkörperten Wertpapieren ist die Eintragung bei einer nicht gewinnorientierten AG, die „Öffentlicher Depositar“ heißt und deren Anteil mindestens zu ¾ dem Finanzministerium, der BNB, den Banken und Maklern gehören muss, wobei der Anteil des FM und der BNB nicht unter 34% fallen darf (Art. 128 Abs. 2) Voraussetzung (Art. 127); sie kann nicht von ihrer Hauptversammlung aufgelöst werden und nicht insolvent werden (Abs. 8). Bei ihr wird ein Arbitragegericht gebildet (Abs. 7). Die Art. 158-163 regeln die Insider-Information. Diesen Bereich regelt auch das gerade (4. Oktober 2006) erlassen Gesetz gegen den Markt-Missbrauch von Finanzinstrumenten (DV Nr. 84/2006) durch Insiderinformationen und sonstige Manipulationen des Marktes der Finanzinstrumente. Die Art. 164 ff. betreffen offene (Art. 192) oder geschlossene (Art. 198) Investitionsgesellschaften und Wertpapierfonds (Art. 164a, 177a), die Art. 180 ff. mit deren Lizenzierung, die Art. 186 ff. das öffentliche Angebot von deren Aktien und Anteilen. Die Art. 202-211 befassen sich mit den Verwaltungsgesellschaften in Bulgarien, die Art. 211a-211l von der der Tätigkeit derartiger Gesellschaften aus EUStaaten in Bulgarien. Bei Verstößen gegen die Vorschriften des Gesetzes kann die KfA sofort zu vollziehende Zwangsmaßnahmen verhängen (Art. 212). Sie können nach dem Verwaltungsprozessgesetzbuch angefochten werden (Art. 215). Die KfA kann einen oder mehrere Verwalter (Questor) einsetzen (Art. 216 ff.). Unabhängig davon können nach den Art. 221 und 222 Geldbußen verhängt werden. Die Hypothekenpfandbriefe werden durch ein „Gesetz über Hypothekenobligationen“ (DV Nr. 83/2000, zuletzt geändert DV Nr. 59/ 2006) geregelt.
75
E. Aktuelle Entwicklungen Die bulgarische Gesetzgebung hat sich in den vergangen Jahren in einem atemberaubenden Tempo gewandelt. Dieser rasche Wandel hat häufig weder zur Rechtsicherheit noch zur Qualität der Gesetze beigetragen, wie selbst der Vorsitzende des Gesetzgebungsrats des Parlaments, Mrăčkov, beklagt (Schrameyer, WGO 2006, 8 ff.). Inzwischen scheint wenigstens bei der Bankengesetzgebung eine Zäsur eingetreten zu sein, nicht zuletzt durch den EU-Beitritt und die dadurch erforderliche Übernahme von EU-Richtlinien. Dringend erforderlich jedoch wäre eine Modernisierung des Sachenrechts (hier vor allem des Pfandrechts) und des Grundbuchrechts. Dieses wird bereits seit 2000 auf das deutsche Grundbuchsystem umgestellt (DV Nr. 34/2000, s. auch Diljanov, WGO 2005, 402 ff.), befindet sich jedoch noch in einem Übergangszustand. Das Grundbuchrecht ist im Gesetz über das Kataster und das Grundbuch geregelt (DV Nr. 34/2000). Laut Auskunft von Prof. Ries, München, der als Berater an der Reform mitgewirkt hat, sollten bis heute erst 14% des gesamten Staatsgebiets von der Neuregelung erfasst sein. Im Übrigen gilt noch das alte osmanische Tapija-System.
Schrameyer
§ 78 Länderteil – Dänemark
2357
4. Dänemark
§ 78 Länderteil Schrifttum – Dänemark Lynge Andersen, Lov om kreditaftaler med kommentarer (Gad Jura, 2001); Lynge Andersen/Werlauff, Kreditretten (Gad Jura 3. udg. 2000); Andersen/Clausen, Børsretten, 2007; Carstensen/Rørdam, Pant, 7. udg. 2002; Jacobsen/Larsen/Kjøller/Larsen, Bank og Sparekasseloven med kommentare, 1996; Kristensen, Studier i erhvervsfinansieringsret, 2003; Legind, Privat Kaution, 2002; Mortensen, Tinglysning (Gad Jura, 3. udg. 2002); Godsk Pedersen, Kaution, 8. udg. 2008; Bankgarantier, 1995; Werlauff, Børsret, Kapitalmarkedets retsforhold, 2. udg. 2000.
Inhaltübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Die Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3. Realkreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4. Ausländische Finanzunternehmen . . . . . . 8 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 15 B. Kreditsicherheiten (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . 21 I. Pfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Generelle Bedingungen . . . . . . . . . . . . . 21 2. Belastung von Grundstücken . . . . . . . . . 24 3. Verpfändung von beweglichen Sachen . 28 4. Verpfändung von Forderungen . . . . . . . . 32 II. Die Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . 34
2. Die private Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . III. Der Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . C. Konto und Zahlungsverkehr (in Auswahl) . . . . I. Das Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis zwischen der Bank und den Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die guten Sitten der Kreditinstitute . . . . 4. Inhalt der BKG 1222/07 . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Geldordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . I. Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 48 52 52 54 58 61 62 68 68 69 73 73 78
Stichwortverzeichnis Ausländische Finanzunternehmen . . . . . . . . . . . . . . 8 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bank und Kunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Bank, Beschwerden der Kunden. . . . . . . . . . . . . . . 60 Belastung von Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Bürgschaft, Allgemeine Bedinungen . . . . . . . . . . . 34 Bürgschaft, selbstschuldnerische . . . . . . . . . . . . . . 41 Bürgschaft, privat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 73 Clearing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Finanzunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Geldordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Geregelter Markt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Kreditinstitute (Definition) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Kreditinstitute, gute Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Kreditsicherungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Pfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Realkreditinstitute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Verpfändung, bewegliche Sachen. . . . . . . . . . . . . . 28 Verpfändung, Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Wertpapierrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Wertpapierrecht, Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Wertpapiere, dematerialisierte . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Wertpapiere, Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Wertpapiere, Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Zahlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Abkürzungsverzeichnis Alle Gesetzestexte sind zugänglich (in dänisch) auf der Adresse; www.retsinfo.dk Auf der Internetseite des Finanstilsyn (www.ftnet.dk) sind einige Texte in der offiziellen englischen Übersetzung zugänglich. TL Tinglysningsloven. Lovbekendtgørelse GBL Lov om gældsbreve. Lovbekendtgørelse Nr. 158 vom 9. März 2006 Nr. 669 vom 23. September 1986, mit späteren VHL Lov om værdipapirhandsel mv. LovbekendtÄnderungen. gørelse Nr. 214 vom 2. April 2008 KAL Kreditaftaleloven. Lov Nr. 398 vom 6. Juni 1990, mit späteren Änderungen LFV Lov om finansiel virksomhed, Lovbekendtgørelse Nr. 376 vom 22. Mai 2008
Hansen
2358
1
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
A. Rahmenbedinungen I. Banksystem. 1. Die Nationalbank. Danmarks Nationalbank ist die Zentralbank in Dänemark, die die Verantwortung für das Geldwesen trägt. Die Rechtsgrundlage für die Nationalbank ist das Gesetz Nr. 116 vom 7. April 1936. Es ist die Aufgabe der Nationalbank, ein sicheres Geldwesen zu schaffen und für die Erleichterung des Zahlungsverkehrs und der Kreditgewährung zu arbeiten (Gesetz § 1 I). Die Nationalbank hat das Notenmonopol (Gesetz Nr. 116, vom 7. April 1936, § 8 I). Diese Noten sind Zahlungsmittel in Dänemark (Gesetz Nr. 116, § 8 II).
2
2. Kreditinstitute. Als Kreditinstitute gelten die privaten Geschäftsbanken („Banker“), die Sparkassen („Sparekasser“) und die Genossenschaftsbanken („Andelskasser“). Unter der Bezeichnung Kreditinstitute („Pengeinstitutter“) versteht man nach dänischem Recht ein Unternehmen, das Geld oder andere Mittel von der Öffentlichkeit annimmt, die zurück gezahlt werden müssen, oder Darlehen für eigene Rechnung gewährt (§ 7 I, LFV). Kreditinstitute sind verpflichtet, die Bezeichnungen „Bank“, „Sparekasse“, oder „Andelskasse“ in Verbindung mit ihrem Namen zu benutzen (LFV § 7 V).
3
Das Betreiben eines Kreditinstituts bedarf einer Erlaubnis des dänischen Finanzaufsichtsamtes (LFV § 7 I). Voraussetzung für die Erlangung einer Erlaubnis ist, dass das Unternehmen die Bedingungen im LFV erfüllt (LFV § 14), z. B. betreffend die Kapitalverhältnisse des Kreditinstituts (LFV §§ 124–144), Vorstand und Aufsichtsrat (LFV §§ 64–80 für Banken) sowie Rechnungslegung (LFV §§ 183–200). Die Erlaubnis zum Betreiben eines Kreditinstituts kann unter gewissen Voraussetzungen vom Finanzaufsichtsamt eingezogen werden (LFV §§ 223-234). Nachdem ein Kreditinstitut die Erlaubnis zur Betreibung von Geschäften in Dänemark erhalten hat, muss es als Gesellschaft bei dem dänischen Gesellschaftsamt (Erhvervs- og Selskabsstyrelsen) registriert werden (LFV § 15). Das gilt auch für Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die den Bestimmungen betreffend Registrierung von Aktiengesellschaften unterliegen (LFV § 15 IV).
4
Das Gesellschaftsamt in Dänemark ist Erhvervs- og Selskabsstyrelsen. Es ist die zentrale dänische Behörde mit Verantwortung für die Registrierung von Gesellschaften und für das Gesellschaftsrecht. Die Internetadresse ist: www.eogs.dk. Die Postanschrift ist: Erhvervs- og Selskabsstyrelsen, Kampmannsgade 1, 1780 København V, DÄNEMARK. Telefon: 0045 33 30 77 00. Telefax: 0045 33 30 77 99. E-mail: [email protected].
5
Kreditinstitute sind verpflichtet, Bankgeschäfte nur in Dänemark zu betreiben. Was Bankgeschäfte sind, ist in der „Beilage 1“ zum LFV aufgelistet, die ein Teil des LGV ist. Bankgeschäfte sind z. B. Annahme fremder Gelder, Gewährung von Darlehen und Verwahrung von Wertpapieren. Geschäfte, die mit den vorgenannten Geschäften verbunden sind, können ebenfalls von einem Kreditinstitut ausgeübt werden, es sei denn, das Finanzaufsichtsamt fordert, dass solche Geschäfte in einer selbständigen Gesellschaft ausgeübt werden müssen (LFV § 24 I). Kreditinstitute können unter gewissen Umständen vorübergehend andere Geschäfte betreiben, wenn dies dem Finanzaufsichtsamt mitgeteilt wird (LFV § 25).
6
Für Banken besteht ein Rechtsformzwang. Sie dürfen nur in der Rechtsform von Aktiengesellschaften betrieben werden (LFV § 12), während Genossenschaftsbanken als Genossenschaften organisiert werden müssen.
7
3. Realkreditinstitute. Realkreditinstitute sind Unternehmen, die Hypothekendarlehen, die durch registrierte Grundpfandrechte besichert sind, gewähren. Die Hypothekendarlehen werden durch die Ausgabe von Realkreditobligationen oder andere Wertpapiere, finanziert (§ 8 I LFV). Realkreditinstitute dürfen nur solche Geschäfte, die in „Beilage 3“
Hansen
§ 78 Länderteil – Dänemark
2359
zum LFV aufgelistet sind, sowie auch akzessorische Geschäfte betreiben (LFV § 24 I). Für die Realkreditinstitute besteht ein Rechtsformzwang; sie müssen in der Rechtsform von Aktiengesellschaften betrieben werden (LFV § 12 I). 4. Ausländische Finanzunternehmen. Ausländische Finanzunternehmen können durch Zweigniederlassungen Geschäfte in Dänemark betreiben. Zweigniederlassungen eines Unternehmens mit Sitz in einem anderen Staat der EU dürfen ohne Erlaubnis des dänischen Finanzaufsichtsamts Bankgeschäfte in Dänemark betreiben. Die Zweigniederlassung eines ausländischen Kreditinstituts kann ihre Tätigkeiten in Dänemark jedoch erst zwei Monate, nachdem das dänische Finanzaufsichtsamt eine Mitteilung von der zuständigen Aufsichtsbehörde im Heimatland des Finanzunternehmens bekommen hat, aufnehmen (LFV § 30 betreffend Bankgeschäfte und LFV § 31 betreffend Dienstleistungen). Für die Prüfung der Liquiditätsanforderungen an Zweigniederlassungen ausländischer Finanzunternehmen in Dänemark ist jedoch das dänische Finanzaufsichtsamt zuständig (§ 344 II LFV). Ein dänisches Finanzunternehmen, das eine Zweigniederlassung in einem anderen Staat gründen will, muss eine Anmeldung beim Finanzaufsichtsamt einreichen (LFV § 38). II. Bankenaufsicht. Finanstilsynet. Die Aufsicht über die Finanzunternehmen in Dänemark wird durch das „Finanstilsyn“ (im folgenden: „Finanzaufsichtsamt“) ausgeübt. Das Finanzaufsichtsamt ist die nationale Behörde, die für diese Aufgaben verantwortlich ist. Ihm stehen weitgehende Informationsrechte zu (LFV § 347 I, § 349). Finanstilsynet kann unter der Adresse: www.ftnet.dk besucht werden. Die Postanschrift lautet: Finanstilsynet, Gl. Kongevej 74 A, 1850 Frederiksberg C, DÄNEMARK. Telefon: 0045 33 55 82 82, Telefax: 0045 33 55 82 00. Das Finanzaufsichtsamt erteilt die Erlaubnis zum Betreiben von Finanzgeschäften in Dänemark, wenn das Finanzunternehmen dokumentiert hat, dass die Bedingungen im LFV für das Betreiben derartiger Geschäfte (bzw. Bank, Realkreditinstitut u.s.w.) erfüllt sind (LFV § 14). Dem Finanzaufsichtsamt stehen weitgehende Informationsrechte zu. Das Finanzaufsichtsamt kann in Wahrnehmung seiner weitgehenden Informationsrechte ohne besonderen Anlass und ohne Vorankündigung bei den Kreditinstituten Prüfungen vornehmen (LFV § 347 II). Jahresabschluss. Kreditinstitute unterliegen einer Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses. Der Jahresabschluss von Finanzunternehmen muss nach den besonderen Bestimmungen im LFV aufgestellt werden (LFV §§ 183–200). Der Jahresabschluss muss innerhalb von vier Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres bei dem Finanzaufsichtsamt eingereicht werden (LFV § 195 I).
8
III. Bedeutende Rechtsquellen. In Dänemark gibt es keine grundlegende Gesetzgebung im Privatrecht wie z. B das BGB. Dies bedeutet, dass einige Gebiete, die Gegenstand dieses Handbuchs sind, nicht gesetzlich geregelt sind. Dass gilt z. B. für die grundlegenden Regeln über die Bürgschaft.
15
Kreditsicherungen. Bestimmungen betreffend die Behandlung von Hypotheken sowie von Verpfändungen befinden sich im „Tinglysningsloven“ (= TL). Kontobücher sind im „Gældsbrevsloven“, das aus dem Jahre 1938 stammt, geregelt (= GBL, Lovbekendtgørelse Nr. 669 vom 23. September 1986 mit späteren Änderungen).
16
Börsenrecht. Das Börsenrecht und das Wertpapierrecht sind im Gesetz über Wertpapierhandel geregelt (Lov om værdipapirhandel, = VHL, Lovbekendtgørelse Nr. 214 vom 2. April 2008.
17
Hansen
9
10 11
12
13
14
2360
18
19
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Finanzunternehmen. Das Hauptgesetz für das dänische Bankwesen ist das „Gesetz über Finanzunternehmen“, oder „Lov om finansiel virksomhed“ (im folgenden: „LFV“). Dieses Gesetz enthält alle materiellen Bestimmungen betreffend Banken, Sparkassen, Realkreditinstitutte und Versicherungsunternehmen. Das Gesetz wurde vom dänischen Parlament am 4. Juni 2003 verabschiedet, als Gesetz Nr. 453 vom 10. Juni 2003, jetzt Lovbekendtgørelse Nr. 376 vom 22. Mai 2008. Das LFV ist, nach dänischen Verhältnissen, ein umfangreiches Gesetz. Es umfasst 438 Bestimmungen und neun „Beilagen“, die Teile des Gesetzes sind. Das LFV ist durch eine „Verschmelzung“ von sechs bisherigen Gesetzen entstanden, die verschiedene Teile des dänischen Bank-, Versicherungs- und Realkreditwesens regelten. In Verbindung mit der Verschmelzung zum LFV sind jedoch in vielen Bereichen auch materielle Regeln geändert worden. Noch gibt es wenig Literatur zum LFV. Zu den Bestimmungen, die aus den alten Gesetzen stammen, ist die bisherige Literatur nach wie vor von Bedeutung.
20
Das Gesetz trat am 1. Januar 2004 in Kraft (LFV § 375 I). Bereits nachdem das Gesetz vom Parlament verabschiedet war, wurde klar, dass mit weiteren Änderungen des Gesetzes gerechnet werden muss. Nach Angaben in der Presse wird es wahrscheinlich bereits einige Änderungen geben, bevor das Gesetz in Kraft treten wird. Die Aufsichtsbehörde, also das Finanzaufsichtsamt, hat inzwischen bestätigt, dass zwar mit Änderungen gerechnet werden müsse, es sich wahrscheinlich aber nur um kleinere Korrekturen handeln werde.
21
B. Kreditsicherheiten (in Auswahl)
22
23
24
25
I. Pfandrechte. 1. Generelle Bedingungen. Im dänischen Recht muss zwischen Faustpfand und besitzlosem Pfand unterschieden werden. Pfandrechte an Immobilien (Hypotheken) sind in dem Tinglysningslov (TL) geregelt, während Pfandrechte an Forderungen im GBL geregelt sind. Das Generalpfand (die Pfändung des gesamten Vermögens) ist in Dänemark verboten (TL § 47a). Dasselbe gilt für besitzlose Pfandrecht an Sammlungen von beweglichen Sachen, (TL § 47b). Diese Bestimmungen haben zur Folge, dass das Faustpfand z. B. an dem Warenlager eines Unternehmens oft nicht unbeträchtliche Kosten verursacht. Durch Gesetz Nr. 560 vom 24. Juni 2005 ist das Unternehmenspfand nach schwedischem und norwegischem Vorbild geregelt. Bei dem Unternehmenspfand ist eine generelle Verpfändung des Warenlagers und der Betriebsaustattung eines Unternehmens zulässig (TL §§ 47 c–47 f) (Lynge Andersen/Werlauff, Kreditretten, S. 222 ff., Kristensen, Erhvervsfinansieringsret, S. 471– 478, Bent Iversen/Hedegaard Kristensen, Panteret (thomson 2005), S. 329-350). 2. Belastung von Grundstücken. Bei der Belastung von Grundstücken erfolgt die Sicherung durch die Eintragung in das Grundbuch (TL § 1 und § 27). Das Grundbuch wird als regionales Register bei den Amtsgerichten geführt. Die Belastung von Grundstücken unterliegt Formvorschriften (TL § 50a). Die Anmeldung zum Grundbuch ist nur möglich, wenn bei der Verpfändung die offiziellen Formblätter verwendet worden sind (Carstensen/Rørdam, Pant, S. 121–123). Wenn ein Grundstück für gewerbliche Zwecke eingerichtet ist, umfasst eine Belastung des Grundstücks automatisch die dazugehörende Betriebsausstattung (Maschinen und technische Anlagen; TL § 37). Das Warenlager des Unternehmens ist jedoch nicht von dieser Regel umfasst. Für landwirtschaftliche Betriebe ist die Verpfändung der kommenden Ernte möglich.
Hansen
§ 78 Länderteil – Dänemark
2361
Die Belastung umfasst automatisch das Zubehör des Gebäudes, darunter feste Haushaltsmaschinen (wie z. B. Waschmaschinen); eine Verpfändung solchen Zubehörs ist dann ausgeschlossen (TL § 38; Carstensen/Rørdam, Pant, S. 169–189).
26
Wird ein gewerbetreibendes Unternehmen aus Mieträumen geführt, kann der Inhaber des Unternehmens die Betriebsausstattungen (Maschinen und technische Anlagen) selbständig verpfänden (TL § 47b).
27
3. Verpfändung von beweglichen Sachen. Bei der Verpfändung von beweglichen Sachen (abgesehen von Kraftfahrzeugen) kann der Pfandinhaber zwischen Faustpfand und besitzlosem Pfand wählen. Für das Faustpfand gilt keine gesetzlichen Vorschriften im dänischen Recht. Die Verpfändung erfolgt durch Vereinbarung zwischen Pfandgläubiger und Verpfänder. Die Sicherung bei der Verpfändung erfolgt durch die effektive Verfügungsbeschränkung des Verpfänders. Die entscheidende Sache ist, dass der Verpfänder nicht in der Lage ist, über die Pfandsache zu verfügen (Carstensen/Rørdam, Pant, S. 298–306). Diese Art von Sicherung hat zur Folge, dass die Verpfändung von beweglichen Sachen oft als besitzlose Verpfändung erfolgt. Es gelten grundsätzlich keine Formvorschriften für die besitzlose Verpfändung von beweglichen Sachen. Eine besitzlose Verpfändung beweglicher Sachen wird durch die gerichtliche Eintragung in das „Personbuch“ gesichert (TL § 42d und TL § 47 I). Dieses ist ein Gegenstück zum Grundbuch und wird als ein nationales Register durch das Gericht in Århus geführt. Für Kraftfahrzeuge gilt, dass besitzlose Verpfändungen durch eine gerichtliche Eintragung in das „KfZ-Buch“ („Bilbogen“) gesichert werden müssen (TL §§ 42d und 42e). Das KfZBuch wird auch als nationales Register in Århus geführt. Bei der gerichtlichen Eintragung gelten Formvorschriften (TL § 50a; (Lynge Andersen/Werlauff, Kreditretten, S. 218–221). Die gerichtliche Eintragung gilt für 10 Jahre (TL § 42g III), kann aber verlängert werden. Werden die Leistungen nicht rechtzeitig bezahlt, kann der Pfandgläubiger ohne weiteres in die Pfandsache vollstrecken (RPL § 478 I Nr. 6). 4. Verpfändung von Forderungen. Bei der Verpfändung von Forderungen ist eine besitzlose Verpfändung nicht möglich (TL § 47 IV). Hier erfolgt die Sicherung bei der Verpfändung von abtretbaren Forderung durch den Sachbesitz des Pfandinhabers (GBL § 22). Bei der Verpfändung von nicht abtretbaren Forderungen (wie z.B. beim Factoring) erfolgt die Sicherung durch eine Mitteilung („denunctiation“) an den Schuldner der Forderung (GBL § 31; Carstensen/Rørdam, Pant, S. 336–254). II. Die Bürgschaft. 1. Allgemeine Bestimmungen. Die Bürgschaft ist in Dänemark nicht grundlegend geregelt. Es wird grundsätzlich zwischen Ausfallbürgschaft und selbstschuldnerischer Bürgschaft unterschieden. Erfolgt bei dem Vertragsabschluss keine Verabredung über die Art der Bürgschaft, wird bei Geldforderungen angenommen, dass es sich um eine selbstschuldnerische Bürgschaft handelt (Godsk Pedersen, Kaution, S. 32). Der Bürgschaftsvertrag ist ein einseitig verpflichtender Vertrag, der Verpflichtungen nur für den Bürgen begründet. Die Verpflichtungen des Bürgen sind akzessorisch im Verhältnis zur Hauptschuld. Sowohl künftige als auch bedingte Verbindlichkeiten können durch Bürgschaft gesichert werden. Bei Mitbürgschaft haften die Bürgen solidarisch für die Verpflichtungen aus dem Bürgschaftsvertrag (GBL § 61). Die Bürgschaft kann auf den Verlust des Gläubigers begrenzt werden. Bei der Nachbürgschaft sichert der zweite Bürge die Forderung des Gläubigers gegen den Vorbürgen. Geht die gesicherte Forderung auf einen anderen Gläubiger über, hat dies normalerweise keine Bedeutung für die Verpflichtungen des Bürgen (Godsk Pedersen, Kaution, S. 77).
28
Hansen
29
30
31 32
33
34
35
36
2362
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
37
Die Bürgschaft kommt durch Willenserklärungen, also Angebot und Annahme zustande. Der Vertragsabschluss kann zwischen dem Gläubiger der gesicherten Forderung und dem Bürgen folgen, ist aber auch als Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner möglich. Für die Bürgschaftserklärung gelten nach dänischem Recht keine Formvorschriften.
38
Den Gläubiger trifft grundsätzlich keine Verpflichtung, die Interessen des Bürgen zu wahren oder den Bürgen über die wirtschaftliche Situation des Hauptschuldners zu informieren.
39
Für den Fall, dass der Gläubiger ein Kreditinstitut und der Hauptschuldner ein Kaufmann ist („erhvervsdrivende“), gelten die Bestimmungen des LFV § 47 (Legind, Privat Kaution, S. 282–290). Hiernach muss der Gläubiger den Bürgen innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Hauptschuldner seine Pflichten gegenüber dem Gläubiger verletzt hat, hiervon informieren. Bekommt der Bürge keine solche Mitteilung, verliert das Kreditinstitut seine Forderung gegen den Bürgen in dem Umfang, in dem der Bürge gegenüber dem Hauptschuldner wegen der unterbliebenen Information mit einer Regressforderung ausfällt.
40
Der Gläubiger hat keine Verpflichtung, den Bürgen über die Abwicklung der Hauptforderung zu unterrichtigen. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 LFV muss es aber angenommen werden, dass ein Kreditinstitut als Gläubiger der Verpflichtung unterliegt, den Bürgen zu informieren, wenn die Abwicklung der Hauptforderung nicht planmäßig verläuft (Legind, Privat Kaution, S. 294–295).
41
Die Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger wird bei selbstschuldnerischer Bürgschaft aktualisiert, wenn der Hauptschuldner seine Verpflichtungen gegenüber dem Gläubiger verletzt hat. Bei einer Ausfallbürgschaft aktualisiert sich die Verpflichtung des Bürgen erst, nachdem klar ist, dass der Hauptschuldner nicht im Stande ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn der Hauptschuldner nicht selbst erklärt, dass er seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann, ist normalerweise erforderlich, dass der Gläubiger vergeblich eine Vollstreckungshandlung durchgeführt hat, bevor er die Forderung gegenüber den Bürgen geltend machen kann (Godsk Pedersen, Kaution, S. 34 f.). Die Verpflichtung des Bürgen kann auf einen bestimmten Betrag begrenzt werden.
42
Wird die Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger aktualisiert, hat der Bürge eine Regressforderung gegenüber dem Hauptschuldner. In dem Fall geht die Forderung des Gläubigers auf den Bürgen über (Godsk Pedersen, Kaution, S. 85). Die Rechtsstellung des Bürgen entspricht der des Gläubigers. Bei Mitbürgschaft hat der zahlende Bürge eine Regressforderung gegenüber den Mitbürgen (GBL § 2 und § 61). Wird über das Vermögen des Bürgen der Konkurs eröffnet, kann der Gläubiger die Verpflichtungen nach dem Bürgschaftsvertrag anmelden.
43
Die Regressforderung des Bürgen wird zur selben Zeit wie der Hauptforderung begründet, was u. a. Bedeutung hat, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners der Konkurs eröffnet wird.
44
Die Bürgschaft erlischt durch Erfüllung. Die Verpflichtungen des Bürgen enden mit der Erfüllung der Hauptschuld, obwohl in Einzelfällen die Bürgschaft noch fortbesteht, nachdem die Hauptverbindlichkeit erloschen ist, was z. B. möglich ist, wenn der Konkurs über das Vermögen des Hauptschuldners eröffnet wird. Die Bürgschaft erlischt auch durch Verjährung. Die Erfüllung kann durch eine Verrechnung des Bürgen folgen.
45
Stundet der Gläubiger dem Hauptschuldner die Forderung, erlischt die Bürgschaft nicht, aber der Gläubiger trägt im Verhältnis zum Bürgen das Risiko, dass sich die Zahlungs-
Hansen
§ 78 Länderteil – Dänemark
2363
fähigkeit des Hauptschuldners während der Stundung verringert hat (Godsk Pedersen, Kaution, S. 63). 2. Die private Bürgschaft. Die Bürgschaft gibt Anlass zu besonderen Problemen, wenn der Bürge als Privatperson auftritt und der Gläubiger der gesicherten Forderung ein Kreditinstitut ist (Legind, Privat Kaution). Seit dem Jahre 2002 sind solche Bürgschaften gesetzlich geregelt (LFV § 48). Bürgschaftserklärungen dieser Art müssen schriftlich fixiert werden (LFV § 48 V). Diese Bestimmung gilt für Bürgschaftserklärungen, wenn der Gläubiger ein Kreditinstitut ist und der Hauptschuldner in keiner gewerbsmäßigen Verbindung zum Gläubiger steht (Godsk Pedersen, Kaution, S. 16).
46
Nach LFV § 48 I muss das Kreditinstitut dem Bürgen innerhalb von drei Monaten, nachdem der Hauptschuldner seine Pflichten gegenüber dem Gläubiger (Kreditinstitut) verletzt hat, schriftlich davon informieren. Bekommt der Bürge keine solche Information von dem Kreditinstitut, so wird seine Verpflichtung reduziert auf den Betrag des Verlusts, den der Gläubiger in den drei Monaten nach der Benachrichtigung des Bürgen über die Zahlungspflichtverletzung des Hauptschuldners hat.
47
III. Der Eigentumsvorbehalt. Der Eigentumsvorbehalt ist in Dänemark grundsätzlich nicht gesetzlich geregelt. Ist ein Eigentumsvorbehalt jedoch in Verbindung mit der Gewährung eines Kredites von einem Kaufmann („erhvervsdrivende“) an einen Verbraucher vereinbart worden, so gilt das Kreditaftalelov (= KAL, Gesetz Nr. 398 vom 13. Juni 1990, mit späteren Änderungen; Lynge Andersen, Lov om kreditaftaler). Dieses Gesetz bedeutet weitgehende Einschränkungen in den Rechten des Kaufmanns. Der Eigentumsvorbehalt muss vor der Übergabe des verkauften Gegenstandes an den Verbraucher festgelegt worden sein (KAL § 34 I Nr. 1). Der Käufer muss zu diesem Zeitpunkt dem Verkäufer mindestens 20% vom gesamten Barkaufpreis gezahlt haben.
48
Der Gläubiger muss seine Forderung durch das Zurücknehmen der verkauften Sache realisieren (KAL § 35 und § 36). Nur in Ausnahmefällen kann er wegen seiner Forderungen in das übrige Vermögen der Schuldner vollstrecken (KAL § 41 und 42).
49
Für Kreditgeschäfte, bei denen ein Verbraucher in Verbindung mit einem Kaufmann steht, gelten generell eine Reihe von Formvorschriften (KAL § 8, § 8a, § 8b). Die Verpfändung der verkauften Sachen an den Kaufmann ist in diesem Fall ausgeschlossen (KAL § 21).
50
Wird ein Eigentumsvorbehalt in Verbindung mit einem Kraftfahrzeug vereinbart, erfolgt die Sicherung durch die gerichtliche Eintragung in das KfZ-Buch (TL § 42d).
51
C. Konto und Zahlungsverkehr (in Auswahl)
52
I. Das Konto. Es gibt in Dänemark keine gesetzliche Regelung betreffend das Bankkonto. Es ist möglich, eine Reihe von verschiedenen Arten von Konten zu benutzen (z. B. Sparkonto, Kontokorrentkonto und Girokonto). Bei der Eröffnung eines Kontos muss das Kreditinstitut fordern, dass sich der Kunde legitimiert (Gesetz Nr. 442 vom 11. Mai 2007, § 12). Der Kunde muss dem Kreditinstitut seinen Namen und seine Adresse angeben. Bei der Vermittlung einer Zahlung ohne persönliche Kontakte zum Kunden muss dieser dieselben Informationen dem Kreditinstitut gegenüber abgeben (§ 4 II). Hat das Kreditinstitut den Verdacht, dass eine Zahlung in Verbindung mit Terrorismus steht, muss es die Polizei über die Zahlung benachrichtigen (Gesetz Nr. 442/2005, § 6 und § 7).
53
1. Das Sparbuch. Es ist möglich, aber nicht notwendig, dass die Bank eine besondere Urkunde über die Spareinlage ausfertigt. Für Sparbücher (auf dänisch: „bankbog“ oder
54
Hansen
2364
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
„kontrabog“) gelten die Bestimmungen im GBL (§§ 32–35; Lynge Andersen-Hansen, Bankbogen – og det der ligner). Das Sparbuch ist kein Inhaberpapier (GBL § 32). 55
Das Sparbuch ist eine Schuldurkunde, die auf den Namen eines bestimmten Gläubigers lauten muss. Es ist aber möglich zu bestimmen, dass die versprochene Leistung an jeden Inhaber der Urkunde bewirkt werden kann (GBL § 33 I). Diese Vereinbarung muss deutlich aus dem Sparbuch hervorgehen.
56
Die Bank kann an den jeweiligen Inhaber des Sparbuchs mit befreiender Wirkung zahlen, wenn dieser das Sparbuch vorgelegt und den Namen, auf den das Sparbuch lautet, angegeben hat (GBL § 33 II). Die Bank muss, wenn besondere Umstände dies notwendig machen, weitere Angaben von dem Vorlegenden verlangen, um sicher zu stellen, dass er tatsächlich mit dem Inhaber des Kontos identisch ist (GBL § 33 II, Lynge Andersen/ Møgelvang-Hansen, Gældsbrevsloven, S. 226–227). Der Gläubiger hat die Möglichkeit, das Sparbuch mit einem Zeichen („mærke“) zu sichern. Ist dies geschehen, kann die Bank nur mit befreiender Wirkung an den Vorlegenden zahlen, der das korrekte Zeichen angegeben hat.
57
Bei der Verpfändung eines Sparbuchs erfolgt die Sicherung durch eine Notierung der Bank sowie durch Benachrichtigung der Bank an den Pfandinhaber, die eine Aufstellung des Kontos enthalten muss (GBL § 34 I). Kann die versprochene Leistung an jeden Inhaber der Urkunde bewirkt werden, muss der Pfandinhaber dazu auch das Sparbuch in Besitz nehmen (GBL § 34 III).
58
2. Das Verhältnis zwischen der Bank und den Kunden. Das Verhältnis zwischen den Banken und ihren Kunden ist seit einigen Jahren Gegenstand von großem Interesse in Dänemark. Das gilt z. B. für die Frage der Verantwortung der Kreditinstitute bei der Beratung privater Kunden. Das Kreditinstitut wird gegenüber dem Kunden zum Schadensersatz verpflichtet, wenn es nicht wie ein ordentlicher Berater dieses Berufs gehandelt hat (Lynge Andersen/Møgelvang-Hansen, Finansiel rådgivning).
59
Die Kreditgewährung der Banken an private Kunden ist durch das KAL geregelt (KAL § 1 I, Lynge Andersen, Kreditaftaleloven, S. 41–42).
60
Beschwerden der Kunden. Private Kunden haben seit 1988 die Möglichkeit, bei dem „Kreditinstitutsgericht“ („Pengeinstitutankenævn“) Beschwerden zu führen. Das Kreditinstitutsgericht ist zwar kein ordentliche Gericht, und die Beschlüsse dieses Organs sind nicht rechtlich bindend. Dennoch kommt diesen Beschlüssen eine wichtige Funktion als Rechtsquelle zu (Legind, Privat Kaution, S. 51–70).
61
3. Die guten Sitten der Kreditinstitute. 1994 wurden „die Richtungslinien für die Ethik der Kreditinstitute bei der Beratung ihrer Kunden“ erlassen. Wie angedeutet waren diese Richtungslinien für die Kreditinstitute nicht rechtlich bindend (Lynge Andersen/Werlauff, Kreditretten, S. 448–457). Am 26. Juni 2003 wurde die Bekanntmachung Nr. 604 von diesem Tag betreffend die „guten Sitten von Finanzunternehmen“ veröffentlicht. Diese Bekanntmachung trat am 1. Oktober 2003 in Kraft. Sie wurde durch Bekanntmachung Nr. 1222 vom 19. Oktober 2007 abgelöst (= BKG 1222/07). Es gibt seit 1974 im Gesetz eine Generalklausel betreffend die Verpflichtung der Kreditinstitute, bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten die guten Sitten zu beachten (heute LFV § 43 I) (Lynge Andersen/Dietz Legind, Ugeskrift for Retsvæsen 2005B, S. 337-345. Mit dem Inkrafttreten der BKG 604/ 03 ist es aber das erste Mal, dass diese Generalklausel durch rechtlich bindende Bestimmungen konkretisiert wird (Henrik Juul, in: Lynge Andersen (Red.), Kreditrettens udvikling 3, 2003, S. 89–148, Godsk Pedersen/Dietz Legind, S. 210-230, und Camilla Hørby Jensen, S. 123-140, beide Beiträge in: Juridiske Emner ved Syddansk Universitet 2005,
Hansen
§ 78 Länderteil – Dänemark
2365
red. Hans Viggo Godsk Pedersen, DJOF Publishing). 4. Inhalt der BKG 1222/07. Die BKG 1222/07 gilt für alle privaten Kundenverhältnisse und für solche gewerbsmäßigen Kundenverhältnisse, die sich nicht wesentlich von privaten Kundenverhältnissen unterscheiden (BKG 1222/07 § 1 II).
62
Ein Kreditinstitut muss alle wesentlichen Vereinbarungen, die es mit seinen Kunden eingeht, bestätigen. Diese Bestätigung muss entweder schriftlich oder mittels eines anderen dauerhaften Mediums (z. B. einer elektronischen) erfolgen (BKG 1222/07, § 6 I).
63
Die Eröffnung eines Sparkontos darf nicht einem Kunden verweigert werden, ohne dass eine individuelle und sachliche Beurteilung des Kunden erfolgt (BKG 1222/07, § 19). Diese Bestimmung ist zwar neu, aber sie entspricht der bisher geltende Rechtslage (George Wenning, in: Festskrift til Juridisk klub, 1998, S. 145–150).
64
Auch bei der Kündigung einer Verabredung zwischen einem Kunden und einem Kreditinstitut obliegt dem Kreditinstitut eine Verpflichtung zur individuellen und sachlichen Beurteilung des Kunden (BKG 1222/07, § 7). Bei einer unbefugten Kündigung einer Kreditgewährung haftet das Kreditinstitut für die Verluste des Kunden (Lynge Andersen/ Werlauff, Kreditretten, S. 439).
65
Ein Kreditinstitut darf nicht als Gläubiger einer durch Bürgschaft gesicherten Forderung mitwirken, wenn die gesicherte Forderung nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Vermögen des Bürgens steht (BKG 1222/07, § 20). Das Kreditinstitut muss den Bürgen mindestens einmal im Jahr über die Abwicklung der gesicherten Forderung benachrichtigen (BKG 1222/07, § 20 III).
66
Bei der Beratung privater Kunden kommt dem Kreditinstitut eine weitgehende Informationspflicht zu (BKG 1222/07, § 5–§ 12).
67
II. Zahlungsverkehr. 1. Geldordnung. In § 26 des dänischen Grundgesetzes wird bestimmt, dass der König das Recht hat, Münzen zu prägen (Jens Hartig Danielsen, Juristen 1998, S. 1–20). Die Währung in Dänemark ist die Krone („DKK“; Gesetz Nr. 817 vom 21. Dezember 1988, § 1).
68
2. Zahlungsmittel. Gültige Zahlungsmittel in Dänemark sind dänische Münzen (Gesetz Nr. 817 vom 21. Dezember 1988, § 4 I), dänische Banknoten (Gesetz Nr. 116 vom 7. April 1936, § 8 I) und gewisse andere Zahlungsmittel (E-Geld) (Lovbekendtgørelse Nr. 1501 vom 20. Dezember 2004).
69
Als Zahlungsmittel können auch Schecks verwendet werden, obwohl die praktische Bedeutung dieses Zahlungsmittels in den letzten Jahren reduziert worden ist. Die Zahlung mit Schecks ist durch das Scheckgesetz geregelt (Lovbekendgørelse Nr. 558 vom 25. August 1986, dazu Godsk Pedersen/Anders Ørgaard, Checkloven, 1999).
70
Es ist möglich zu verabreden, dass bei der Zahlung einer Forderung andere Zahlungsmittel als die Krone verwendet werden (Lynge Andersen/Werlauff, Kreditretten, S. 117–121). Somit kommt auch der EURO als Zahlungsmittel in Betracht. Lautet ein Schuldbrief auf eine Währung, die nicht übliches Zahlungsmittel am Erfüllungsort ist, so hat der Gläubiger die Wahl zwischen der Währung, die im Schuldbrief angegeben ist, und der Währung, die das offizielle Zahlungsmittel am Zahlungsort ist (GBL § 7). Zahlungen, die durch Zahlungskarten (z. B. Kreditkarten) vorgenommen werden, sind durch das Zahlungsmittelgesetz geregelt („Betalingsmiddelloven,“, Lovbekendtgørelse Nr. 259 vom 28. März 2008).
71
Der Aussteller einer Kreditkarte (typischerweise ein Kreditinstitut) haftet für den unbefugten Gebrauch der Kreditkarte (Gesetz 259/08, § 11 I). Der Verwender einer Kredit-
72
Hansen
2366
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
karte (der Kunde) haftet jedoch bis zur Höhe von 8.000 DKK für den unbefugten Gebrauch einer Kreditkarte, wenn er nicht fahrlässig gehandelt hat (Gesetz 259/08, § 11, II und III). Wird die Kreditkarte unbefugt von einer Person benutzt, der der Verwender den Code der Kreditkarte mitgeteilt hat, so haftet der Verwender für alle Verluste, die aus dem unbefugten Gebrauch der Kreditkarte herrühren (Gesetz 259/08, § 11 VI). 73
D. Kapitalmarktrecht (in Auswahl) I. Börsenrecht. Eine Börse gibt es in Dänemark seit dem siebzehnten Jahrhundert (Jesper Lau Hansen, Fondsbørsen, 1999). 1987 und 1996 wurde durch die Börsenreform I und II die Regelung das Börsenwesens in Dänemark weitgehend geändert. Nach § 8 I VHL ist zur Errichtung einer Börse in Dänemark die Genehmigung des Finanzaufsichtsamtes erforderlich. Das Organisationsrecht der Börse ist im VHL festgeschrieben (VHL §§ 9–15). Eine Börse muss als dänische Aktiengesellschaft mit einem Kapital von mindestens 40.000.000 DKK errichtet werden (VHL § 8 II).
74
In Dänemark gibt es zur Zeit nur eine Börse: die Aktiengesellschaft: „Københavns Fondsbørs A/S“. Die Börse in Kopenhagen nimmt an einer nordischen und baltischen Zusammenarbeit (OMX, zwischen den Börsen in Kopenhagen, Stockholm, Helsinki Island, Tallin, Riga und Vilnius teil (see: www.omxgroup.com/nordicexchange) (Jul Clausen/ Engsig Sørensen, European Business Organization Law Review 2002:3, S. 371 ff.).
75
Der Wertpapierrat. Der Wertpapierrat („Fondsrådet“) ist ein unabhängiges Organ, das für die ordnungsmäßige Durchführung des Handels an der Börse oder an einem regulierten Markt arbeitet (VHL § 83). Er hat in Zusammenarbeit mit dem Finanzaufsichtsamt die Verantwortung für die Börsenaufsicht (VHL § 84).
76
Gesellschaften, die Emittenten an der Börse in Kopenhagen sind, unterliegen den Regeln der Börse („Regler for notering på Københavns fondbørs“, geändert im Mai 2007; Dan Moalem/David Moalem, Nordisk Tidsskrift for Selskabsret 2002, S. 145 ff).
77
Multilaterales Handelssystem (in dänish ‚MHF‘). Seit 1996 ist es möglich, eine Genehmigung zur Erreichung eines Multilateralen Handelssystems zu bekommen (VHL §§ 40–§ 42 b). Dort werden Wertpapiere gehandelt, die nicht an der Börse gehandelt werden. Der erste von diesen Handelssystemen in Dänemark wurde 1998 eröffnet (Jul Clausen/Krüger Andersen, Børsretten, S. 115–119).
78
II. Wertpapierrecht. Definition. Die Definition des Begriffs der „Wertpapiere“ („værdipapirer“) findet sich in § 2 VHL (Schaumburg-Müller, Dansk børsret, 2. Del, 2003, S. 18–25). Wertpapiere sind z. B. Aktien, Hypothekenpfandbriefe und öffentliche Anleihen (Obligationen).
80
Zulassung. Die Zulassung eines Wertpapiers zur Börse erfolgt auf Grund eines Antrags des Emittenten (VHL § 22 I). Dieser Antrag muss eine Vielzahl von Angaben über die Gesellschaft enthalten. Am wichtigsten ist die Entwicklung eines Emissionsprospektes (VHL § 23 I). Die materiellen Regeln über Emissionsprospekte sind in der Bekanntmachung Nr. 1232 vom 22. Oktober 2007 festgelegt (Krüger Andersen/Jul Clausen, Børsretten, S. 171–192).
81
Handel. Finanzunternehmen können Mitglieder der Börse werden, womit sie Zugang zur Börse bekommen (VHL § 20 I). Der Handel mit Wertpapieren erfolgt an der Börse. Dem Marktbetreiber obliegt der Verpflichtung zur Aufstellung eines Handelssystems (VHL § 18 II 1). Die Börse in Kopenhagen stellt das Handelssystem SAXESS ihren Mitgliedern zur Verfügung. Auch bei dem Handel mit Wertpapieren müssen die guten Sitten beachtet
Hansen
§ 78 Länderteil – Dänemark
2367
werden (VHL § 3 I). Diese Generalklausel der VHL ist durch die Bekanntmachung Nr. 72 vom 31. Januar 2003 konkretisiert worden (BKG 72/03). Informationen, die veröffentlicht werden müssen, werden durch das System „Stock Wise Online“ öffentlich bekannt gemacht. Das gilt z.B. für Informationen, die Einfluss auf die Kursbildung eines Emittenten haben können. Der Emittent ist zur sofortigen Veröffentlichung solcher Information über die Börse verpflichtet (VHL § 27).
82
Ein Wertpapiermakler muss unverzüglich informieren über alle Geschäfte mit Wertpapieren, die an der Börse oder an einem geregelten Markt gehandelt werden (VHL § 33; Schaumburg-Müller, Dansk Børsret 2, S. 41–54).
83
Clearing. Unter Clearing wird eine Feststellung der Rechte und Pflichten bei einem Austausch von Leistungen verstanden (VHL § 50 I). Unter „Abwicklung“ („afvikling“) wird ein Austausch der Leistungen verstanden (VHL § 50 II). Unter „Wertpapierclearing“ wird ein regelmäßig erfolgendes Clearing mit Abwicklung in Verbindung mit Transaktionen betreffend Wertpapiere verstanden (VHL § 50 IV). Wertpapierclearing kann nur von der Nationalbank und von „Clearingzentralen“ durchgeführt werden (VHL § 51). Eine Clearingzentrale ist eine Aktiengesellschaft, die Wertpapierclearing betreibt (VHL § 7 I).
84
Dematerialisierte Wertpapiere. Es ist heute noch möglich, ein Wertpapier an der Börse zuzulassen, das als ein Papierdokument vorliegt. Solche Wertpapiere kommen aber an der Börse in Kopenhagen kaum mehr vor. In Dänemark werden Wertpapiere seit 1980 elektronisch registriert. Diese elektronische Registrierung geschieht in der Wertpapierzentrale. Eine Wertpapierzentrale ist eine Aktiengesellschaft, die Wertpapiere registriert (VHL § 7 I 6).
85
Die Herausgabe von Wertpapieren erfolgt heute als elektronische Registrierung in der Wertpapierzentrale (VHL § 59 I). Solche Dokumente werden als „dematerialisierte Wertpapiere“ oder auf dänisch „fondsaktiver“ bezeichnet. Es ist möglich, dass ein Wertpapier, das nicht dematerialisiert ist, dennoch in der Wertpapierzentrale registriert wird (VHL § 59 IV). Es besteht die Möglichkeit, auch Wertpapiere (z. B. aus einem anderen Staat), die noch als Papierurkunden vorliegen, registrieren zu lassen (Werlauff, Børs- og kapitalmarkedsret, S. 62).
86
Verpfändung oder Übertragung eines dematerialisierten Wertpapiers erfolgt durch die Registrierung des Rechtshandels in der Wertpapierzentrale (VHL § 66). Die Anmeldung zur Registrierung erfolgt auf Anforderung eines kontoführenden Instituts (VHL § 62), das normalerweise ein Kreditinstitut ist. Das kontoführende Institut muss sich durch Vereinbarung an die Wertpapierzentrale anschließen (VHL § 64 II).
87
Hansen
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Estland
2369
5. Estland
§ 78 Länderteil Schrifttum Hagelberg, Pangandust reguleerivate seaduste kujunemisest taasiseseisvunud Eestis/Über die Entwick– Estland lung der Gesetze im Bereich des Bankwesens nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Estlands, Juridica 2001, S. 153; Hint, Avalikustamiskohustuste vajalikkus väärtpaberituruõiguses. Õiguse majandusteaduslik analüüs/Die Erforderlichkeit der Veröffentlichungspflicht im Wertpapiermarktrecht. Eine wirtschaftsrechtliche Analyse des Rechts, Juridica 2005, S. 62; Kergandberg, Natuke privaatsusest ja mõnevõrra enam selle jälitustegevuslikust riivest isikuandmeid töötleva Eesti avaliku võimu poolt/Kurzer Beitrag über die Vertraulichkeit sowie ausführliche Behandlung von deren Verletzung im Rahmen staatlicher Verfolgungstätigkeit in Estland, bei der Personendaten verarbeitet werden, Juridica 2005, S. 544; Pilving, Õigus isikuandmete kaitsele/Das Recht auf Schutz von Personendaten, Juridica 2005, S. 532; Raa, Sissejuhatus pangandusõigusesse/Einführung in das Bankrecht, Juridica 2001, S. 147; Raa/Siibak, Pangasaladus, Das Bankgeheimnis, Juridica 2002, S. 171; Runnel, Elektroonilise maksevahendi abil omaja tahteta tehtud tehing/Ohne Willen der Karteninhaber getätigte Geschäfte mit elektronischen Zahlungsmitteln, Juridica 2005, S. 367; Siibak, Finantsregulatsioonid ja finantsjärelevalve/Finanzregulierung und Finanzaufsicht, Juridica 2001, S. 170; Tiivel, Hüpoteegi aktsessoorsusest ja muustki hüpoteegiga seonduvast/ Über die Akzessorität der Hypothek und Sonstiges über die Hypothek, Juridica I 2006, S. 42; Tupits, Keskpanga funktsioonid/Die Funktionen der Zentralbank, Juridica 2001, S. 160; Ulst, Finantskonglomeraatidega seotud riskid ja regulatiivne turvasüsteem/Mit Finanzkonglomeraten verbundene Risiken und regulative Sicherungssysteme, Juridica 2003, S. 708; Ulst, Euroopa äriühingu mudel ja selle rakendamine finantssektori äriühingute poolt/Das Modell der europäischen Handelsgesellschaft und dessen Anwendung auf Handelsgesellschaften im Finanzsektor, Juridica 2005, S. 466.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Bedeutende Rechtsquellen. . . . . . . . . . . . . . . 8 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Börsenrecht / Wertpapierrecht. . . . . . . . . . . II. Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rentenfonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34 36 40 40 45 47 50
Stichwortverzeichnis Bank (von Estland) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Bankrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 16 Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 6 Finanzaufsichtsamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 45 Garantie, Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Gesetz, Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Interbank-Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Investment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 45 Konto, Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Kredit, Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 25 Leasingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Pfandrecht (Faust-, Register-, Handelspfandrecht) . . . . . . 28, 30 Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Rentenfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Verbraucher, -kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 21 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Abkürzungsverzeichnis Abkürzung EEBankG EEEigentumG EEFIAG EEGarantFG EEGeldwäscheG EEHandelspfandG EEInvestFG EEKredInstG EERentenFG
Voller Name (nichtamtliche Übersetzung des Autors) Gesetz über die Zentralbank der Republik Estland Eigentumsgesetz Gesetz über das Finanzaufsichtsamt Gesetz über den Garantiefonds Gesetz zur Vermeidung der Geldwäsche und zur Verhinderung der Finanzierung des Terrorismus Handelspfandgesetz Gesetz über Investmentfonds Gesetz über Kreditinstitute Gesetz über Rentenfonds
Klauberg/Pärn-Lee
1
2370
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
EESchuldRG EEWertPMarktG EEWertPZentralRG TBO
Schuldrechtsgesetz Gesetz über den Wertpapiermarkt Wertpapierzentralregistergesetz Talliner Börsenordnung
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. Die Zentral- und Notenbank, die Bank von Estland (Eesti Pank, www.bankofestonia.info) mit Sitz in Tallinn, bestimmt die Währungs- und Bankenpolitik und unterstützt das Finanzaufsichtsamt (Rn. 3) bei der Bankenaufsicht (§§ 1 f. Gesetz über die Zentralbank der Republik Estland, Riigi Teataja I 1993, 28, 498; nachfolgend EEBankG).
2
Die Bank von Estland ist ein unabhängiges Staatsorgan. Sie ist lediglich zur Berichterstattung an das estnische Parlament verpflichtet, weder dem Parlament noch anderen Exekutivorganen unterstellt bzw. von diesen abhängig, § 3 Abs. 1 S. 1 EEBankG. Einzig weisungsbefugt ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 EEBankG die Europäische Zentralbank. Der vom Parlament eingesetzte Bankrat ist in seiner Tätigkeit unabhängig (§§ 3, 6 f. EEBankG). Der Bankrat besteht aus einem Vorsitzenden und sieben ständigen Mitgliedern, § 6 EEBankG. Seine Amtszeit dauert fünf Jahre. Der Vorsitzende wird auf Vorschlag des Präsidenten hin für eine Amtszeit von fünf Jahren durch das Parlament ernannt, § 7 EEBankG. Die Ernennung der Mitglieder des Bankrats erfolgt ebenfalls durch das Parlament, allerdings auf Vorschlag des Vorsitzenden des Bankrats, § 8 EEBankG. Im Bankgeschäft sind estnische Universalbanken, Niederlassungen sowie Repräsentanzen ausländischer Kreditinstitute tätig.
3
II. Bankenaufsicht. Die Aufsicht über Kreditinstitute wird im Rahmen der konsolidierten Aufsicht, die die Aufsicht über Versicherungen und den Wertpapiermarkt einschließt, durch das der Bank von Estland angeschlossene, unabhängig handelnde Finanzaufsichtsamt (www.fi.ee) ausgeübt.
4
Diesem stehen im Rahmen der Beaufsichtigung der laufenden Geschäftstätigkeit weitgehende Informationsrechte zu (§ 48 Gesetz über das Finanzaufsichtssamt, Riigi Teataja I 2001, 48, 267, nachfolgend: EEFIAG). Informationsquellen des Finanzaufsichtsamtes sind neben anderen staatlichen Einrichtungen insbesondere die Bank von Estland und das Finanzministerium. Letzteren gegenüber ist das Finanzaufsichtsamt im Gegenzug ebenfalls zur Informationsweitergabe verpflichtet. Auch die Weitergabe vertraulicher Informationen an staatliche Behörden im Rahmen von Ermittlungen oder Aufsichtsverfahren ist nach Maßgabe des § 54 Abs. 4 EEFIAG möglich. Diese weitreichende Eingriffsbefugnis des Staates in Informationsrechte der Unternehmen aber auch vor allem in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung estnischer Privatpersonen wird auch kritisch betrachtet (Kregandberg, S. 544-552, zur Betrachtung datenschutzrechtlicher Probleme aus verfassungsrechtlicher Sicht: Pilving, S. 532-536).
5
Das Finanzinspektionsamt ist zum Erlass von Verordnungen und Beschlüssen befugt. Es erteilt insbesondere die Erlaubnis zur Gründung und zum Betreiben von Kreditinstituten, sofern die Voraussetzungen in §§ 13 ff. des Gesetzes über Kreditinstitute (Riigi Teataja I 2002, 17, 96; nachfolgend: EEKredInstG), einschließlich des Mindesteigenkapitals in Höhe von fünf Millionen Euro (§ 44 EEKredInstG) und der Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung (§ 48 EEKredInstG) erfüllt sind.
6
Eine generelle Erlaubnispflicht zur Eröffnung einer Repräsentanz besteht nicht. Bloße Repräsentanzen können auch ohne entsprechende Erlaubnis eröffnet werden, solange ein Geschäftsplan, eine Vollmacht für den handelnden Vertreter in Estland sowie Dokumente
Klauberg/Pärn-Lee
§ 78 Länderteil – Estland
2371
vorliegen, aus denen sich die Existenz der vertretenen ausländischen Bank in ihrem Heimatland ergibt. Erforderlich sind außerdem Angaben gegenüber dem Finanzaufsichtsamt über die Satzung der Bank sowie die Angabe der Adresse und sonstiger Kontaktdaten der Vertretung. Diesen Repräsentanzen ist jedoch die Aufnahme jeglicher Geschäftstätigkeit untersagt. Für die Eröffnung einer eigenständigen Filiale mit allen geschäftlichen Befugnissen bedarf es einer Erlaubnis durch das Finanzaufsichtsamt. Ein Antrag muss unter Berücksichtigung der §§ 13 f. EEKredInstG gestellt werden. Dieser wird dann innerhalb von sechs Monaten nach Eingang aller Antragsdokumente durch das Finanzinspektionsamt beschieden, § 14 Abs. 1 EEKredInstG. III. Bedeutende Rechtsquellen. Die Gründung und das Betreiben von Kreditinstituten regeln das EEBankG, das EEKredInstG, das Handelsgesetzbuch (Riigi Teataja I 1995, 26/ 28, 355), das Gesetz über den Garantiefonds (Riigi Teataja I 2002, 23, 131), das Gesetz zur Vermeidung der Geldwäsche und der Verhinderung der Finanzierung des Terrorismus (Riigi Teataja I 1998, 110, 1811, nachfolgend: EEGeldwäscheG), sowie eine Reihe von Beschlüssen der Bank von Estland (Rn. 1). Vorschriften über Sicherungsmittel an Grundvermögen und beweglichem Vermögen finden sich im Schuldrechtsgesetz (Riigi Teataja I 2001, 81, 487, nachfolgend: EESchuldRG), dem Eigentumsgesetz (Riigi Teataja I 1993, 39, 590, nachfolgend: EEEigentumG) und dem Handelspfandgesetz (Riigi Teataja I 1996, 45, 848; nachfolgend: EEHandelspfandG). Für den Bereich des Börsenrechts, des Wertpapierrechts und den übrigen Kapitalmarkt relevant sind das Gesetz über den Wertpapiermarkt (Riigi Teataja I 2001, 89, 532, nachfolgend: EEWertPMarktG), das Gesetz über das Wertpapierzentralregister (Riigi Teataja I 2004, 57, 373, nachfolgend: EEWertPZentRG), das Gesetz über Investmentfonds (Riigi Teataja I 2004, 36, 251, nachfolgend: EEInvestFG) und das Gesetz über Rentenfonds (Riigi Teataja I 2004, 37, 252, nachfolgend: EERentenFG). In nicht amtlicher englischer Übersetzung liegen die meisten Gesetze auf den Webseiten der Bank von Estland (Rn. 1), des Finanzinspektionsamts (Rn. 3) und des staatlichen Übersetzungsdienstes vor (www.legaltext.ee).
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Einleitung. Einleitend sei voranzustellen, dass die Systematik und Struktur des estnischen Zivilrechts dem des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs ähneln. Das estnische Zivilrecht besteht aus fünf Teilen, die in voneinander getrennten Gesetzen ihre Ausprägung gefunden haben: Das Gesetz über den Allgemeinen Teil, das Eigentumsgesetz, das Familienrechtsgesetz und das Erbrechtsgesetz sind in ihrer jetzigen Form bereits seit Mitte der neunziger Jahre in Kraft. Das SchuldRG ist erst am 1.7.2002 in Kraft getreten. Es setzt – ebenso wie die deutsche Gesetzgebung zur Schuldrechtsmodernisierung – die EU-Richtlinien beispielsweise zum Verbraucherschutz und zum elektronischen Geschäftsverkehr um und beinhaltet sowohl allgemeine schuldrechtliche Regelungen als auch Regelungen der einzelnen Vertragstypen. II. Kreditformen. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Darlehensvertrag (§§ 396 ff. EESchuldRG) dem Kreditvertrag (§ 401 EESchuldRG), sowie dem Verbraucherkreditvertrag (§ 402 EESchuldRG). Auf den Kreditvertrag, in dem sich der Kreditgeber zur Zahlung einer Geldsumme, der Kreditnehmer zur Entrichtung der Zinsen und zur Rückzahlung verpflichtet (§ 401 Abs. 1 EESchuldRG), sind die Vorschriften über den Darlehensvertrag anzuwenden (§§ 401 Abs. 3, 396 ff. EESchuldRG).
Klauberg/Pärn-Lee
7
8
9
10
11
12
13 14
15
16
2372
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
17
Zustandekommen und Kündigung des Vertrages richten sich nach den allgemeinen Regeln des Gesetzes über den allgemeinen Teil sowie den Regeln aus Kapitel 1 des Schuldrechtsgesetzes. Hierbei ergeben sich keine Besonderheiten. Bei unbefristeten Krediten gilt bei Fehlen einer abweichenden Vereinbarung eine Kündigungsfrist von zwei Monaten (§ 398 Abs. 1 S. 2 EESchuldRG).
18
Zu beachten ist, dass bei im Rahmen einer Geschäftstätigkeit vergebenen Krediten immer Zinsen zu entrichten sind. Bei anderen als geschäftlichen Krediten sind Zinsen nur bei Vorliegen einer entsprechenden Parteivereinbarung zu zahlen (§ 397 Abs. 1 EESchuldRG). Sofern über den Zinssatz keine vertragliche Regelung getroffen wird, gilt der für vergleichbare Kredite übliche Zinssatz, § 397 Abs. 2 i. V. m. § 94 EESchuldRG. § 94 EESchuldRG enthält keinen festgelegten Zinssatz sondern schreibt lediglich vor, dass sich dieser an den Zinsvorgaben der Europäischen Zentralbank zu orientieren hat und die Zinssätze von der Bank von Estland rechtzeitig festgesetzt und entsprechend veröffentlicht werden müssen.
19
Für Kreditvermittlungsverträge gelten besondere Formvorschriften (§ 418 EESchuldRG). Ein Kreditvermittlungsvertrag muss schriftlich geschlossen werden, § 418 Abs. 1 EESchuldRG.
20
Ein Vertragschluss mittels eines Formulars, bei dem der Vermittlungsvertrag und der Kreditantrag selbst in einem Vertrag miteinander verbunden sind, ist unzulässig, § 418 Abs. 2 EESchuldRG. Eine Missachtung dieser Regelungen führt zur Rechtsunwirksamkeit des Vertrags, § 418 Abs. 4 EESchuldRG.
21
Hinsichtlich der Vergabe von Verbraucherkrediten und deren Vermittlung, sowie bei der Gewährung anderer Finanzierungshilfen und Überziehungskrediten an Verbraucher, d. h. an eine natürliche Person, die nicht im Rahmen einer unabhängigen geschäftlichen Tätigkeit handelt (§ 34 EESchuldRG), sind zusätzliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien detailliert gesetzlich geregelt (§§ 402 f. EESchuldRG).
22
Bei Verstoß gegen die Schriftform oder die vom Kreditgeber zu beachtenden Informationspflichten ist der Verbraucherkreditvertrag grundsätzlich unwirksam, erlangt aber in bestimmten Fällen Wirksamkeit, wenn der Verbraucher den betreffenden Vertragsgegenstand erhält (§ 408 Abs. 1 und Abs. 2 EESchuldRG). Enthält der Vertrag keine Angaben zum Zinssatz, gilt der gesetzliche Zinssatz (Rn. 18, § 408 Abs. 4 EESchuldRG). Verzugszinsen, die den gesetzlichen Zinssatz übersteigen, dürfen nicht vereinbart werden (§ 415 Abs. 1 EESchuldRG). Der Verbraucher ist innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt der Mitteilung über das Rücktrittsrecht, jedoch nicht später als ein Jahr nach Vertragsannahme, zum Rücktritt berechtigt und dann zur Rückzahlung innerhalb von zwei Wochen verpflichtet (§ 409 EESchuldRG).
23
In diesem Fall kann der Verbraucher bei verbundenen Geschäften auch vom Kaufvertrag zurücktreten (§ 414 Abs. 2 EESchuldRG). Der Kredit kann jederzeit rückgeführt werden, wobei für den verbleibenden Zeitraum bis zur Fälligkeit Zinsen oder eine Vergütung nicht zu zahlen sind, § 411 Abs. 1 EESchuldRG). Bei verbundenen Geschäften kann der Verbraucher dem Kreditgeber Einwendungen aus dem Kaufvertrag entgegenhalten (Einwendungsdurchgriff, § 414 Abs. 2 EESchuldRG). Der Kreditgeber ist zur Kündigung berechtigt, wenn der Verbraucher ganz oder teilweise mit drei aufeinander folgenden Ratenzahlungen im Rückstand ist und eine zweiwöchige Frist nach Zustellung einer Mahnung mit Kündigungsandrohung abgelaufen ist (§ 416 Abs. 1 EESchuldRG). Die Voraussetzungen der Zahlungsverpflichtung eines Verbrauchers aus einem Kreditvermittlungsvertrag (Rn. 19) regelt § 419 EESchuldRG. Von den gesetzlichen Verbraucher-
Klauberg/Pärn-Lee
§ 78 Länderteil – Estland
2373
schutzvorschriften zum Nachteil des Verbrauchers abweichende Vereinbarungen sind nichtig (§ 412 EESchuldRG). Gemäß der gesetzlichen Definition des Leasingvertrags verpflichtet sich der Leasinggeber, den Leasinggegenstand zu erwerben und dem Leasingnehmer zu übergeben, der Leasingnehmer hingegen verpflichtet sich zur Zahlung der Leasingraten (§ 361 EESchuldRG). Die Gefahr der zufälligen Beschädigung oder des Untergangs des Leasinggegenstands geht mit Übergabe auf den Leasingnehmer über (§ 364 EESchuldRG). Der Leasingnehmer ist Inhaber der Gewährleistungsansprüche gegen den Hersteller (§ 365 Abs. 1 EESchuldRG). Ansprüche gegen den Leasinggeber entstehen nur, wenn dieser den Leasinggegenstand selbst ausgewählt hat oder als natürliche Person über entsprechende Fachkenntnisse im Zusammenhang mit diesem verfügt (§ 362 Abs. 3 EESchuldRG). Beim Rücktritt vom Kaufvertrag oder bei Untergang des Leasinggegenstands sind beide Parteien des Leasingvertrags zur fristlosen Kündigung berechtigt (§ 366 EESchuldRG). Das Leasinggeschäft kann sowohl durch Kreditinstitute als auch durch Leasinggesellschaften betrieben werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EEKredInstG).
24
III. Kreditsicherheiten. Die Bereitstellung von Sicherheiten richtet sich nach dem Eigentumsgesetz (siehe Rn. 29). Wichtigstes Sicherungsmittel ist die Grundschuld, die aufgrund einer notariell beglaubigten Sicherungsvereinbarung auf Antrag durch Eintragung im Grundbuch entsteht (§ 326 Abs. 1 EEEigentumG). Das estnische Recht sieht keine zwei Sicherungsmittel in Form von Hypothek und Grundschuld vor, sondern hält einzig die nicht-akzessorische Grundschuld als verkehrsfähiges und flexibles Sicherungsmittel bereit.
25
Die Grundschuld ist nicht akzessorisch und kann daher unabhängig vom Bestand einer zu sichernden Forderung bestellt werden. (§ 325 Abs. 4 EEEigentumG). Auch eine getrennte Abtretung von Grundschuld und gesicherter Forderung ist möglich (§ 338 EEEigentumG). Eine Grundschuld kann auch zugunsten des Eigentümers bestellt werden (§ 328 Abs. 1 EEEigentumG), bei Zahlung der Grundschuldsumme erwirbt er sie als Eigentümergrundschuld (§ 329 Abs. 1 EEEigentumG). Die Abtretung einer Eigentümergrundschuld zwecks verdeckter Kreditaufnahme ist rechtlich zulässig, jedoch in der Praxis unbekannt, wohl aufgrund von Risiken im Zusammenhang mit der fehlenden Publizität der Sicherungsbestellung.
26
Auf Antrag des Bestellers und Gläubigers bei dem zuständigen Gericht wird die Verwertung der Grundschuld durchgeführt, wenn der Schuldner der Erfüllung seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Sie erfolgt durch Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung (§ 352 EEEigentumG). Die Befriedigung der gesicherten Ansprüche bestimmt sich nach der Eintragungsfolge (§ 353 EEEigentumG), es gilt das Prioritätsprinzip.
27
Weitere Sicherungsmittel sind Pfandrechte. Diese können auf drei Arten begründet werden: als Faustpfandrecht, Registerpfandrecht oder Pfandrecht an Wertpapieren. Ihre Verwertung erfolgt durch den Pfandrechtsgläubiger, der die betroffene Sache auf einer öffentlichen Auktion verkauft. Die Auktion kann binnen eines Monat nach ihrer Bekanntgabe gegenüber dem Pfandrechtsschuldner stattfinden.
28
Das Faustpfandrecht entsteht durch entsprechende Einigung der Parteien und die Übergabe der Sache an den Pfandgläubiger, § 282 Abs. 1 EEEigentumG. Der Pfandgläubiger darf die Sache nur in Gebrauch nehmen, wenn es ihm vom Pfandschuldner gestattet wurde. Zudem trägt der Pfandgläubiger die Last des Erhalts der Sache, allerdings auf Kosten des Pfandschuldners. Schriftform der Einigung ist nur erforderlich, wenn der Wert der Sache eine Summe von 500 EEK übersteigt, § 282 Abs. 2 EEEigentumG. Die Bestellung mehrerer Faustpfandrechte an einer Sache ist naturgemäß nicht möglich, § 282 Abs. 3 EEEi-
29
Klauberg/Pärn-Lee
2374
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
gentumG. Das Pfandrecht erlischt insbesondere bei Zerstörung der Sache, § 284 EEEigentumG und wenn der Pfandrechtsgläubiger auch das Eigentum an der Sache erlangt, § 285 EEEigentumG. Das Faustpfandrecht spielt in der Bankenpraxis nur in Bezug auf Wertpapiere eine Rolle. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Verpfändung von GmbH-Gesellschaftsanteilen notariell beglaubigt werden und die Geschäftsführung von der Verpfändung in Kenntnis gesetzt werden muss. Werden an einer Sache mehrere Pfandrechte bestellt, so gilt das Prioritätsprinzip, für die Rangfolge ist der Zeitpunkt der Entstehung des zu sichernden Anspruchs maßgeblich. 30
Sachen, die Gegenstand eines Registerpfandrechts sind, verbleiben im Besitz des Pfandschuldners. Das Registerpfandrecht kann an allen Gegenständen bestellt werden, die in einem öffentlichen Register geführt werden, namentlich also Gegenständen des Handelsrechts und des geistigen Eigentums, sowie an Transportmitteln. Das Registerpfandrecht entsteht mit dessen Eintragung im betreffenden Register, nämlich abhängig von der Art des Gegenstands beispielsweise im Kommerzpfandregister, dem Register für gewerbliche Schutzrechte, dem Kraftfahrzeug-, Schiffs-, oder dem Flugzeugregister, die alle als öffentliche Register geführt werden.
31
Für die Bestellung des in der Praxis bedeutsamen Handelspfandrechts gilt das Handelspfandgesetz (RT I 1996, 45, 848, in Kraft getreten am 1. Januar 1997, nachfolgend: EEHandelspfandG). Das Handelspfand wird am gesamten bestehenden oder zukünftigen beweglichen Vermögen eines Unternehmens bestellt, einschließlich beweglicher Sachen und gegenwärtiger und zukünftiger Ansprüche gegen Dritte (§ 2 EEHandelspfandG). Es erfordert zu seiner Entstehung neben der Eintragung einen notariell beglaubigten Vertrag (§ 4 Abs. 2 EEHandelspfandG). Es ist in seinem Bestand nicht von der zu Grunde liegenden Forderung abhängig und kann als abstraktes Sicherungsmittel auch bestellt werden, ohne dass eine Forderung besteht (§ 1 Abs. 2 EEHandelspfandG). Verfügt der Verpfänder über die verpfändeten Gegenstände im üblichen Geschäftsverkehr, erlischt das Pfandrecht, sofern es sich nicht um einen bedeutenden Teil des Vermögens handelt. Das Gleiche gilt für den gutgläubigen Erwerb durch Dritte (§§ 5, 6 EEHandelspfandG). Die im deutschen Recht beliebten Sicherungsmittel der Sicherungsübereignung oder der Verkauf unter (verlängertem) Eigentumsvorbehalt spielen in der Praxis keine bedeutende Rolle, sind aber von der Lehre anerkannte Rechtsinstitute.
32
Die Bürgschaft entsteht durch Abschluss eines Bürgschaftsvertrags. In diesem verpflichtet sich der Bürge, für die Verbindlichkeiten des Schuldners einzustehen (§142 Abs. 1 EESchuldRG). Die Bürgschaft kann sowohl für Geldforderungen als auch für andere Forderungen übernommen werden. Sie ist akzessorisch (§ 153 Abs. 1, S. 1 EESchuldRG) und kann für eine zukünftige Verbindlichkeit nur dann übernommen werden, wenn diese bereits hinreichend bestimmt ist (§ 142 Abs. 2 EESchuldRG). Ist der Bürge Verbraucher (Rn. 21), sind sowohl die Forderung als auch ein Höchstbetrag der Bürgschaftssumme zu bestimmen. Die Nichtbeachtung dieser Form führt zur Unwirksamkeit des Bürgschaftsvertrages (§ 143 Abs. 2 EESchuldRG). Daneben besteht für den Verbraucherbürgschaftsvertrag das allgemeine Schriftformerfordernis, § 144 Abs. 2 EESchuldRG. Ein Verstoß gegen dieses Formerfordernis, sowie Verstöße gegen oder die Nichteinhaltung anderer gesetzlicher Regelungen werden durch Erfüllung geheilt (§ 144 Abs. 2 und Abs. 3 EESchuldRG). Grundsätzlich haften Schuldner und Bürge gleichberechtigt nebeneinander, sofern nicht das Recht zur Erhebung der Einrede der Vorausklage ausdrücklich vereinbart wurde (§ 145 Abs. 1 EESchuldRG). Dann ist der Gläubiger verpflichtet, zunächst den Schuldner in Anspruch zu nehmen, und erst bei Erfolglosigkeit berechtigt, auf den Bürgen zurückzugreifen. Gemäß §146 EESchuldRG treffen den Gläubiger gegenüber dem Bürgen Informationspflichten über den Fortgang der Erfüllung durch den Schuldner. Einreden
Klauberg/Pärn-Lee
§ 78 Länderteil – Estland
2375
stehen dem Bürgen gemäß § 149 EESchuldRG gegenüber dem Gläubiger in gleichem Umfang wie dem Schuldner selbst zu. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Einreden höchstpersönlicher Art sind, also nur in der Person des Schuldners entstehen können. Der Bürge kann in dem Maße Rückgriff auf den Schuldner nehmen, in dem er entsprechend seiner Verpflichtung den Gläubiger befriedigt, § 152 EESchuldRG. Wird der Bürgschaftsvertrag unbefristet für eine zukünftige Forderung geschlossen, so kann der Bürge ihn jederzeit kündigen, § 154 Abs. 2 EESchuldRG. Befristete Bürgschaftsverträge enden mit Fristablauf. Ansonsten erlischt die Bürgschaft entsprechend Ihrer Akzessorietät automatisch in der Höhe, in der die zu sichernde Forderung erlischt. Ein weiteres Sicherungsmittel neben der Bürgschaft ist die Garantie. Der Garantievertrag kann nicht mit einem Verbraucher geschlossen werden. Das liegt unter anderem daran, dass es dem Verbraucherschutz zuwiderliefe, weil der Garant weitaus begrenztere Möglichkeiten hat, die Zahlung zu verweigern, als ein Bürge. Der Garant darf die Zahlung an den Gläubiger nur verweigern, wenn seine Einrede auf Umständen beruht, die den Garantievertrag selbst betreffen, § 155 Abs. 3 EESchuldRG. Die Garantie ist nicht akzessorisch und in ihrem Bestand von der gesicherten Forderung unabhängig (§ 155 Abs. 2 EESchuldRG). Der durch eine Garantie Verpflichtete ist zum Rückgriff gegen den Schuldner der Forderung nur kraft besonderer Vereinbarung im Garantievertrag berechtigt (§ 155 Abs. 5 EESchuldRG). Aufgrund der damit verbundenen verschiedenen Rechtsfolgen ist bei Vereinbarung einer Garantie oder Bürgschaft (Rn. 32) auf die genaue Bezeichnung gemäß der estnischen Gesetzesterminologie zu achten.
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. Bankkonten können als Spar-, Kontokorrent-, Treuhandkonten oder in anderer Form in beliebiger Währung eröffnet werden. Die in §§ 709 ff. EESchuldRG enthaltenen Regelungen zum Kontoführungsvertrag enthalten u. a. das Weisungsrecht des Kontoinhabers und die Pflichten der kontoführenden Partei, einschließlich der Pflicht zur Zahlung von Zinsen auf die Einlage sowie zur Geheimhaltung, sowie Dokumentationspflichten; von diesen Vorschriften darf zu Lasten eines Verbrauchers (Rn. 21) nicht abgewichen werden (§ 721 EESchuldRG). Der Umgang mit Geld im Allgemeinen unterliegt in Estland den weitgreifenden Regelungen des EEKredInstG und des EEGeldwäscheG. Dieses Gesetz findet gemäß §§ 3 f. EEGeldwäscheG auf Einrichtungen jeglicher Art Anwendung, die auch nur im Entferntesten den Umgang mit Geld pflegen. Neben Banken und Kreditinstituten sind dies vor allem auch Glücksspieleinrichtungen, Lotterien und Wechselstuben, sowie Anwälte und Notare, die Grundstücksgeschäfte, und die rechtliche Betreuung von Mandanten in Finanzangelegenheiten und im Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechts leisten, § 5 Abs. 2 EEGeldwäscheG. Zur Förderung der Transparenz im Zahlungs- und Transaktionsverkehr beinhaltet das EEGeldwäscheG insbesondere strenge Regelungen für die Identifizierung desjenigen, der geldgeschäftich tätig wird. Bei der Kontoeröffnung sind die im EEGeldwäscheG bestimmten Identifizierungspflichten zu beachten, die auch für bargeldlose Transaktionen von mehr als 200 000 EEK (12 783 Euro) bzw. darüber hinaus für Bargeldtransaktionen von mehr als 100 000 EEK (6391 Euro) gelten, § 6 EEGeldwäscheG. Die Pflicht zur Offenbarung der Identität des bankgeschäftlich Handelnden gilt gemäss § 10 Abs. 1 und Abs. 2 EEGeldwäscheG auch für Fälle, in denen Grund zum blossen Verdacht besteht, dass jemand anderes als der wahre Berechtigte tätig wird. Gelingt die Identifizierung dann nicht, kann der Betreffende die Transaktion nicht ausführen und ist von der Handlung ausgeschlossen. Als weitere Ermächtigungsgrundlage zur Herausgabe von Kundeninformationen dient § 15 EEGeldwäscheG. Nach dieser Vorschrift müssen auf Geldwäsche hindeutende Transaktionen dem Finanzaufsichtsamt (Rn. 3) gemeldet werden.
Klauberg/Pärn-Lee
33
34
2376
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
35
Auch das Bankgeheimnis kann hinter die Offenbarungspflichten zurücktreten. Zunächst trifft § 88 Abs. 2 EEKredInstG eine Ausnahmeregelung vom Bankgeheimnis für solche Informationen, die schon deshalb nicht dem Bankgeheimnis unterfallen, weil sie ohnehin öffentlich oder Dritten zugänglich sind. § 88 Abs. 3 EEKredInstG bestimmt, dass eine Weitergabe von anderen, geschützten Informationen an Dritte nur mit schriftlicher Zustimmung des Betroffenen erfolgen soll. Dem Staat gegenüber, in solchen Situationen vertreten durch das Finanzinspektionsamt oder durch die Bank von Estland, sind der jeweiligen Bank keine Einschränkungen zur Weitergabe von geschützten Informationen auferlegt. § 88 Abs. 5 EEKredInstG verpflichtet die Bank zur Offenlegung der Informationen, wenn eine Anfrage von staatlicher Seite nach den Vorgaben des § 88 Abs. 6 EEKredInstG gestellt ist. Dass dies im Hinblick auf das notwendige Vertrauen, das der Bankkunde der Bank entgegenbringt durchaus kritisch zu würdigen ist, ändert nichts an der bestehenden Rechtslage. Eine Verletzung des Bankgeheimnisses, das auch nach Beendigung der Geschäftsbeziehung fortwirkt, verpflichtet das Kreditinstitut zum Schadensersatz (Raa/Siibak, S. 171 f.)
36
II. Zahlungsverkehr. Die Kreditinstitute sind verpflichtet, den Zahlungsverkehr gemäß den Verordnungen der Bank von Estland durchzuführen. Die Zahlungsinstrumente werden im EESchuldRG geregelt, das unter anderem Vorschriften über Überweisungen und Bankverfügungen einschließlich elektronischer Zahlung und über die Haftung der Teilnehmer enthält (§§ 703 ff. EESchuldRG). Daneben sind die Mitteilungspflichten bei verdächtigen Transaktionen gem. § 15 EEGeldwäscheG zu beachten. Das Zahlungsverfahren wird in den Vereinbarungen zwischen den Kreditinstituten, Dienstleistern und den Kunden bestimmt.
37
Das Interbank-Zahlungssystem wird von der Bank von Estland (Rn. 1) betrieben und basiert auf zwei Systemen, einem designated-time net settlement system für den RetailBereich und einem real-time gross settlement system für die Abwicklung umfangreicher Interbank-Zahlungen. Die Zahlungsverkehrsregelungen entsprechen grundsätzlich den Anforderungen der EU-Überweisungsrichtlinie 97/5/EG v. 27.1.1997 sowie der Richtlinie 98/26/EG v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen. Letztere schreibt unter anderem folgendes vor:
38
(22) Die Mitgliedstaaten sollten sich darum bemühen, zwischen allen durch diese Richtlinie erfaßten Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen hinlängliche Verbindungen herzustellen, um ein Höchstmaß an Transparenz und Rechtssicherheit bei Wertpapiergeschäften zu fördern.
39
Diesem Verlangen kommt die Bank von Estland mit einem ausdifferenzierten System von Regelungen und Verträgen nach, z.B. der Bestimmung für den Geldmarkt unter Banken (Reg. No. 45 vom 19.3.1995), der Bestimmung über Devisen und Absatz (Reg. No. 32 vom 17.2.1993) oder der Bestimmung über das Verfahren bei der Einfuhr von Bargeld und Wertpapieren (Reg. No 17 vom 18.3.1994).
40
D. Kapitalmarktrecht I. Börsenrecht / Wertpapierrecht. Die Börse in Tallinn (www.hex.ee) ist klein. Zur Zeit sind rund 40 Unternehmen notiert. Es ist die einzige Wertpapierbörse in Estland. Das Hauptgesetz, dass den Wertpapiermarkt und Investment-Aktivitäten reguliert, ist das Gesetz über den Wertpapiermarkt (RTI 2001, 89, 532 vom 1.1.2002, nachfolgend: EEWertPMarktG). Weitere gesetzliche Bestimmungen über Wertpapiere sind in Teil 9 des EESchuldRG (§§ 917 ff.) enthalten, einschließlich des Wechsel- und Scheckrechts. Den
Klauberg/Pärn-Lee
§ 78 Länderteil – Estland
2377
Wertpapierhandel sowie die Tätigkeit der gewerblichen Teilnehmer, den Schutz der Anleger, die Wertpapieremission und die Registrierung von Wertpapieren regeln das EEWertPMarktG und das EEWertPZentRG; ferner sind die Dekrete des Ministeriums für Finanzen zu beachten. Die Verwaltung und Abwicklung erfolgt durch das Wertpapierzentralregister (§§ 8 f. EEWertPZentRG). Die Aufsicht wird ausgeübt durch das Finanzaufsichtsamt (Rn. 3). Das EEWertPMarktG enthält Regelungen für zwei Arten von regulierten Wertpapiermärkten: für die Aktienbörse und für den gebundenen Markt. Das Gesetz regelt außerdem den Kauf und Verkauf von Wertpapieren im Allgemeinen. Die Voraussetzungen für die Zulassung zum Handel an der Börse von Tallinn legt die Tallinner Börsenordnung (nachfolgend: TBO, Inoffizielle Übersetzung ins Englische: http://www.baltic.omxgroup.com/bwebdocs/TSE_Listingrules.pdf) fest.
41
Regelungspunkt 1.2 TBO unterteilt den Markt in vier Listen: 1) die Hauptliste, 2) die I-Liste, 3) die Wertpapierliste sowie 4) die Liste der Fonds-Anteile. Die Entscheidung über die Notierung eines Unternehmens am Wertpapiermarkt trifft das Notierungs-Komittee der Tallinner Börse innerhalb von drei Monaten nach Beginn des Notierungs-Prozesses. Der Notierungs-Prozess für die Wertpapierbörse beginnt gemäß Regelungspunkt 3 der TBO mit Einreichung der Bewerbungsunterlagen, die unter anderem einen Auszug aus dem Handelsregister und die Anerkennung der Börsenregeln enthalten (Regelungspunkt 3.3). Ausländische Bewerber treffen gemäß Regelungspunkt 14 TBO zusätzlich besondere Pflichten: die Pflicht zur Offenlegung sämtlicher geschäftlicher Aktivitäten der letzten drei Jahre, Regelungspunkt 14.2.1, die Pflicht der Tallinner Börse den Zugang zu Informationen über geschäftliche Aktivitäten ebenso zu verschaffen, wie anderen Märkten und Börsen, an denen das ausländische Unternehmen möglicherweise gleichzeitig notiert ist, Regelungspunkt 14.2.2 sowie die Pflicht zur Bereitstellung wenigstens einer Zahlstelle, die als Kredit- oder Finanzinstitution in Estland vertreten ist, Regelungspunkt 14.2.3 TBO. Auch vor der endgültigen Notierung eines Unternehmens an der Börse ist ein Einstieg in den Handel möglich, als Vorstufe vor der Notierung und auch zur Vorbereitung der Notierung dient hierzu die Aufnahme des Handels am sog. „freien Markt“. Die Erlaubnis hierzu erteilt ebenfalls das Notierungskommittee, Regelungspunkt 16 TBO. II. Investmentgeschäft. Die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung und die Aktivitäten von Investmentfonds finden sich im Gesetz für Investmentfonds (RT I 2004, 36, 251 vom 1. Mai 2004; nachfolgend: EEInvestFG). Das Gesetz sieht zwei mögliche Arten von Fonds vor. Vertragliche Fonds und Fonds, die als Aktiengesellschaften errichtet werden. Rechtliche Beziehungen bestehen bei den Vertrags-Fonds zwischen den ManagementGesellschaften und den Anteilseignern innerhalb des jeweiligen Fonds. Wenn ein Fonds als Aktiengesellschaft errichtet wird, bestehen die Beziehungen zwischen dem FondsManagement und dem Management der Gesellschaft selbst. Die Fonds-Gesellschaften investieren in Fonds-Anteile, organisieren die Gewinnverteilung unter den Anteilseignern und betreiben die Vermarktung ihrer Fonds entsprechend der Regelungen im Gesetz über Investmentfonds. Die Management-Gesellschaften müssen als Aktiengesellschaft errichtet werden, die im eigenen Namen oder im Namen des jeweilig geführten Fonds in die Fonds-Masse investieren, je nachdem, wie die geschäftliche Vereinbarung getroffen wurde, § 9 EEInvestFG. § 11 Abs. 1 EEInvestFG sieht vor, dass der Sitz einer solchen Gesellschaft in Estland sein muss, bzw., sollte eine Gesellschaft eine Filiale in Estland unterhalten, diese Filiale im estnischen Handelsregister eingetragen sein muss, § 11 Abs. 1 EEInvestFG.
42
Klauberg/Pärn-Lee
43
44
45
2378
46
47
48
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Die Erlaubnis zur Aufnahme der Geschäfte als Fonds-Gesellschaft wird vom Finanzinspektionsamt erteilt, § 12 EEInvestFG. Diese Erlaubnis wird nur unter strengen Voraussetzungen erteilt, die Einzelheiten regeln die §§ 14 f. EEInvestFG. Neben dem Erforderniss eines Mindestwerts der Gesellschaftsanteile bestehen weitere hohe Anforderungen an die Geschäftsleitung für das Betreiben einer Fonds-Gesellschaft, insbesondere müssen die Mitglieder der Geschäftsleitung der Fonds-Gesellschaft hohe persönliche Voraussetzungen erfüllen, was ihre Qualifizierung und persönliche Eignung betrifft. III. Rentenfonds. Ein Sonderfall eines Investmentfonds ist der Rentenfonds. Das Gesetz über Rentenfonds, EERentenFG enthält die Rahmenbedingungen und Verfahrensvoraussetzungen für eine Einzahlung in einen solchen Fonds. Einzahler sind Personen, die ihre Altersvorsorge über Beitragszahlungen in einen Rentenfonds absichern und sich nach dem Eintritt ins Rentenalter durch die Ausschüttungen aus dem Fonds eine zusätzliche Einkommensquelle verschaffen wollen. Der Beginn des Rentenalters richtet sich nach den Regelungen des Rentenversicherunsgesetzes gemäss § 40 EERentenFG. Unterschieden wird zwischen der Pflichtrente und der Zusatzrente, § 2 Abs. 2 und § 3 Abs. 2 EERentenFG.
49
Die Einzahlung in den Pflicht-Fonds erfolgt aus der Staatlichen Rentenkasse oder durch einen Versicherer, die Einzahlung in einen Zusatz-Fonds wird durch einen freiwilligen Rentenfonds oder eine freiwillige Rentenversicherung gesichert. Beide Fonds existieren als Vertrags-Fonds. Das EEInvestFG sieht vor, dass Rentenfonds nur von natürlichen Personen und von Management-Gesellschaften eines Rentenfonds erworben werden dürfen. Anteile eines Rentenfonds können weder übertragen, noch belastet werden.
50
E. Aktuelle Entwicklungen Die fortschreitende Rechtsvereinheitlichung, die Europa insbesondere im Bereich des Zivil- und des Wirtschaftsrechts in den letzten Jahren mit sich gebracht hat und weiter mit sich bringen wird, führt auch in Estland zu einer Fülle neuer Gesetze und Gesetzesänderungen, die wie das neue Schuldrechtsgesetz 2002 gezeigt hat, erst von Rechtsprechung und Lehre im Rechts- und Wirtschaftsalltag etabliert werden müssen. Gleichzeitig führt die Umsetzung europaweit erwünschter rechtlicher Ziele zu einem stärkeren Zusammenwachsen und einer Erleichterung des grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs. Auf dem Bank- und Finanzsektor dürfte insbesondere die Diskussion um die Einführung des Euro in Estland für Spannung sorgen. Die Bank von Estland rechnet in ihrem Bericht zur Einführung des Euro vom 6.6.2007 nicht mit einem Einführungszeitpunkt vor 2011. Auch wenn mit einer Erfüllung der Maastricht-Kriterien nicht in nächster Zukunft zu rechnen ist, ist eine Aufnahme in den Kreis der Euro-Länder vorrangiges volkswirtschaftliches Ziel Estlands.
Klauberg/Pärn-Lee
§ 78 Länderteil – Finnland
2379
6. Finnland
§ 78 Länderteil Schrifttum Anttila, Pankit, riskit ja sääntely, 1996; Aurejärvi, Luotto- ja maksuvälineet, 1986; Aurejärvi, Takaus, – Finnland 2002; Hemmo, Pankkioikeus, 2002; Hoppu, Sijoitustuotteiden markkinoinnin sääntely, 2004; Huhtamäki, Luotonantajavastuu, 1993; Karjalainen – Laurila – Parkkonen, Arvopaperimarkkinalaki, 2005; Kurkela, Pankkitakaukset kansainvälisessä kaupassa, 1993; Rudanko, Pankkiasiakkaan ja pankin oikeussuoja, 1995; Rudanko, Arvopaperimarkkinat ja siviilioikeus, 1998.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 III. Bedeutende Rechtsquellen. . . . . . . . . . . . . . 15 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 32 39 51 51 54
Stichwortverzeichnis Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Garantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Konto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Kreditformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Kundenberatungsbüro. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertpapierbörse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertpapierrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 15 25 39 51 54
A. Rahmenbedingungen
1
I. Banksystem. Traditionell haben die einheimischen Banken im finnischen Banksystem eine starke Stellung inne. In Bezug auf den Marktanteil sind die größten Bankkonzerne derzeit Nordea, Sampo und die Osuuspankki-Gruppe („Genossenschaftsbank“). Die nächst größten Banken sind die Säästöpankki („Sparkassen“), Aktia, Paikallisosuuspankki („lokalen Genossenschaftsbanken“) und Ålandsbanken. Neben den einheimischen Banken gibt es in Finnland Zweigstellen von rund 20 ausländischen Banken. Eines der Charakteristika der Entwicklung der finnischen Banktätigkeit der letzten Jahre war eine Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Banken und den Versicherungsgesellschaften. Die Banken und Versicherungsgesellschaften haben unter anderem Zusammenarbeitsverträge im Bereich des Vertriebs der Produkte abgeschlossen. Gleichzeitig hat im Zusammenhang mit den Eigentumsverhältnissen auch die Bildung von Finanzkonglomeraten begonnen. Die gegenseitige Annäherung der Branchen hat Diskussionen darüber ausgelöst, ob die Aufsicht von Banken und Versicherungsgesellschaften einer einzigen, gemeinsamen Behörde unterstellt werden sollte.
2
Im internationalen Vergleich gilt das finnische Finanzierungssystem schon seit Langem als bankenzentriert. Ein relativ geringer Teil der Unternehmen bemüht sich auf dem Wertpapiermarkt um eine Finanzierung, und die Stellung der Banken als Finanzierungsvermittler ist weiterhin zentral. Der Anteil der Bankkonzerne an der Gesamtvergabe von Krediten betrug 2006 fast 60 %.
3
Die finnischen Banken gehörten zu den ersten, die die elektronische Datentechnik genutzt haben. Ein bedeutender Anteil der Zahlungsvorgänge der Kunden wird entweder mit Hilfe von Online-Verbindungen der Kunden oder über Zahlautomaten abgewickelt. Die Aufträge, welche im einheimischen Zahlungsverkehr der Banken eingehen, wurden zu mehr als 95 % maschinensprachlich erteilt. Kontoüberweisungen und Zahlungen per Zahlkarte sind sehr weit verbreitet, und so hat beispielsweise die Verwendung von
4
Hemmo
2380
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Schecks praktisch ganz aufgehört. Die Verbreitung der Datentechnik hat gleichzeitig auch dazu geführt, dass die Anzahl der Zweigstellen und der Mitarbeiter der Banken seit Anfang der neunziger Jahre deutlich zurückgegangen ist. 5
6
7
II. Bankenaufsicht. Die Tätigkeit der Kreditinstitute wird von dem zur Bank von Finnland gehörenden Finanzprüfungsamt als der allgemeinen Aufsichtsbehörde überwacht. Die Überwachung durch das Finanzprüfungsamt bezieht sich neben der allgemeinen Gesetzmäßigkeit und Solidität der Tätigkeit auch auf die von den Kreditinstituten verwendeten Vertragsbedingungen und Marketingmaßnahmen. Soweit diese den Verbraucherschutz betreffen, unterliegen die Vertragsbedingungen und das Marketing auch der Aufsicht des Beauftragten für Verbraucherangelegenheiten (Gesetz über Kreditinstitute 121/2007 § 128). Die Überwachung des Finanzprüfungsamtes richtet sich in erster Linie darauf, dass die zu überwachenden Institute ihre Tätigkeit im Einklang mit dem Gesetz, den behördlichen Vorschriften und mit den Gesellschaftssatzungen sowie sonstigen internen Normen ausüben. Die Überwachung wird umgesetzt, indem Bestimmungen über die Einhaltung der die zu überwachenden Institute betreffenden Regeln erlassen und für die Überwachung notwendige Tätigkeitsanweisungen aufgestellt werden. Das Finanzprüfungsamt führt Überprüfungen der zu überwachenden Institute in einem Umfang durch, wie dies zur Überwachung notwendig ist. Bei der Ausübung seiner Überwachungstätigkeit hat das Finanzprüfungsamt das Recht auf Anwesenheit und den Erhalt von Informationen. Sein Vertreter hat das Recht, den Versammlungen der beschlussfassenden und verwaltenden Organe des zu überwachenden Institutes beizuwohnen und diese bei Bedarf einzuberufen. Dazu gehört auch das Rederecht des Vertreters und sein Recht, auf der Aufnahme ins Protokoll von Bemerkungen, die von ihm als begründet angesehen werden, zu bestehen (Finanzprüfungsamtgesetz 587/2003 § 14). In der Geschäftsstelle des zu überwachenden Institutes hat der Vertreter des Finanzprüfungsamtes das Recht, alle solche das zu überwachende Institut und dessen Kunden betreffenden Dokumente und sonstige Aufnahmen einzusehen, die er für die Überwachungsaufgabe für notwendig erachtet. Das Überprüfungsrecht betrifft auch die Datenverarbeitungs- und sonstigen Systeme des zu überwachenden Institutes sowie den Kassenbestand und sonstige Mittel. Das zu überwachende Institut hat dem Finanzprüfungsamt die erbetenen Informationen und Erklärungen auch zuzustellen (Finanzprüfungsamtgesetz § 15).
8
Zu den Rechten, die dem Finanzprüfungsamt zur Verfügung stehen, gehören verschiedene Verbotsrechte, die Erteilung einer öffentlichen Beanstandung oder einer öffentlichen Warnung, die Auferlegung einer Geldstrafe, die Beschränkung der Tätigkeit des zu überwachenden Institutes und der Entzug der Konzession.
9
Das Verbot kann sich zunächst auf die Umsetzung der von den Verwaltungsorganen des zu überwachenden Institutes gefassten Beschlüsse und geplanten Maßnahmen beziehen. Gleichzeitig kann auch die Rückgängigmachung oder Berichtigung eines bereits umgesetzten Beschlusses auferlegt werden (Finanzprüfungsamtgesetz § 19). Falls die Ausübung der Tätigkeit des Kreditinstitutes durch Unfähigkeit, Fahrlässigkeit oder Missbrauch gekennzeichnet war oder ein sonstiger besonderer Grund dies erfordert, kann das Finanzprüfungsamt einen Vertreter für die Überwachung der Tätigkeit des Institutes einsetzen. Der Vertreter hat bei seiner Tätigkeit die dem Finanzprüfungsamt zustehenden Rechte auf Anwesenheit und auf den Erhalt von Informationen (Finanzprüfungsamtgesetz § 22).
Hemmo
§ 78 Länderteil – Finnland
2381
Das Finanzprüfungsamt kann ein zu überwachendes Kreditinstitut, das gegen das Gesetz oder die internen Normen des Institutes verstoßen hat, auch unter Androhung einer Geldstrafe zur Erfüllung seiner Pflichten verpflichten. Falls das Versäumnis anhält, hat das Finanzprüfungsamt das Recht, das Institut zur Zahlung der Geldstrafe zu verurteilen (Finanzprüfungsamtgesetz § 24).
10
Nach der 2003 in Kraft getretenen Gesetzesänderung hat das Finanzprüfungsamt das Recht, dem zu überwachenden Institut eine öffentliche Beanstandung oder eine öffentliche Warnung zu erteilen (Finanzprüfungsamtgesetz §§ 25-26). Diese Mittel können eingesetzt werden, wenn das zu überwachende Institut absichtlich oder fahrlässig den Bestimmungen, welche den Geldmarkt betreffen, oder den Bedingungen seiner Konzession zuwiderhandelt. Voraussetzung ist, dass die Angelegenheit in ihrer Gesamtheit keinen Anlass zu strengeren Maßnahmen gibt.
11
Als strengste Rechtsfolge kann das Finanzprüfungsamt dem Kreditinstitut die Konzession entziehen. Voraussetzung für den Entzug ist, dass das zu überwachende Kreditinstitut erheblich gegen das Gesetz verstoßen hat, seine Tätigkeit beendet oder bei der Beantragung der Konzession falsche Informationen gegeben hat (Gesetz über Kreditinstitute § 28). Bei ernsthafteren Versäumnissen kommt auch eine befristete Beschränkung der Tätigkeit des Kreditinstitutes oder eine Änderung der Konzessionsbedingungen in Frage.
12
Der Verbraucherschutz, das Finanzprüfungsamt und die Finnische Bankvereinigung haben 1998 für die Beratung von Bankkunden gemeinsam ein Kundenberatungsbüro der Bankbranche gegründet. Das Beratungsbüro ist ein auf einem Abkommen basierendes Organ, und es gibt keine Gesetze über seine Stellung. Es bietet den Verbraucher- und Kleinunternehmerkunden kostenlose Beratungsdienstleistungen, und zwar in erster Linie in den Bereichen Bankgesetze, Anwendung von Vertragsbedingungen und handelsübliche Bankgebräuche. Das Büro kann sich bei Konflikten zwischen Kunde und Bank auch um eine Schlichtung bemühen.
13
Das Kundenberatungsbüro verzeichnete 2006 rund 1.500 Kontaktaufnahmen. In seinem Geschäftsbericht hat das Büro eine Statistik über die Angelegenheiten veröffentlicht, nach denen die Kunden sich erkundigten. Auf dieser Grundlage kann man auch allgemeinere Schlussfolgerungen darüber ziehen, in welchen Teilbereichen der Bankdienstleistungen die Kunden Unsicherheit empfinden. Die häufigsten Gründe für eine Kontaktaufnahme waren das Kreditverhältnis betreffende Angelegenheiten (31 % der Kontaktaufnahmen), Kontoverwendung und Zahlungen (42 %) und Geldanlagen (8 %).
14
III. Bedeutende Rechtsquellen. Allgemeine die Banktätigkeit betreffende Bestimmungen sind in dem Gesetz über Kreditinstitute von 2007 (121/2007) enthalten. In diesem Gesetz werden unter anderem die Gründung einer Bank, die Konzession, die Solidität, der Kundenschutz und das Kundengeheimnis geregelt. Ergänzende Bestimmungen sind in dem 2001 erneuerten Handelsbankgesetz (1502/2001) enthalten, in dem unter anderem Umstrukturierungen von Banken und die Aufgabe der Geschäftstätigkeit geregelt werden. Für Genossenschaftsbanken und Sparkassen gilt außerdem das Gesetz über Genossenschaftsbanken und Sparkassen (1504/2001). Die Tätigkeit und die Befugnisse des Finanzprüfungsamtes, dem die Bankaufsicht obliegt, werden in dem Gesetz über das Finanzprüfungsamt (587/2003) festgelegt.
15
Der Inhalt von Kundenbeziehungen wird in mehreren Gesetzen geregelt. Kapitel 7 des Verbraucherschutzgesetzes (38/1978) enthält Bestimmungen über den Konsumkredit. Bürgschaften und Fremdschuldverpfändungen werden in dem Gesetz über Bürgschaften und Fremdschuldverpfändungen (361/1999) geregelt. Fragen im Zusammenhang mit der Zahlungsvermittlung unterliegen dem Überweisungsgesetz (821/1999). Das Gesetz über
16
Hemmo
2382
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
die Verhinderung und Aufklärung von Geldwäsche (68/1998) regelt die Pflichten der Banken bei Verdacht eines Geldwäschefalls. Das Wertpapiergesetz (495/1989) wiederum bietet Grundnormen für Anlageinstrumente. 17
18
Die Anweisungen des Finanzprüfungsamtes sind von großer Bedeutung. So wurden beispielsweise die Kundenbeziehungen direkt betreffende Anweisungen über den Inhalt von Kreditbedingungen und Depositenverträgen sowie über die Rückgängigmachung von geleisteten Bezahlungen erteilt. Ein erheblicher Anteil der Anweisungen betrifft die Überwachung der Solidität. Die Präzedenzfälle des Obersten Gerichtshofes waren vor allem in bestimmten Haftungsfragen von Banken von Bedeutung. Die Anzahl von bankrechtlichen Vorentscheidungen ist jedoch nicht sehr groß. Eine praktische Bedeutung kommt auch den Entscheidungen der Schlichtungsorgane zu, welche ihre Beschlüsse in Form von Empfehlungen fassen. Empfehlungen hinsichtlich der Vertragsbedingungen von Banken und Kunden geben der Verbraucherschutzausschuss und der Wertpapierausschuss.
19
B. Kredit und Kreditsicherheiten
20
21
22
23
I. Kreditformen. Ende 2006 betrug der Kreditbestand der Banken in Finnland rund 110 Milliarden Euro, was etwa der Hälfte des finnischen Kreditbestandes entspricht. Privathaushalten wurden Kredite in Höhe von 70 Milliarden und Unternehmen in Höhe von 40 Milliarden bewilligt. Zu den Besonderheiten des finnischen Kreditmarktes im Vergleich zum internationalen Markt gehört die Tatsache, dass in Finnland die Finanzierung von Wohnungen von den Depositenbanken übernommen wird, nicht von speziellen Bausparkassen. Um das Finanzierungssystem vielseitiger zu gestalten, trat 2000 das Gesetz über Hypothekenkreditinstitute (1240/1999) in Kraft. Die von diesem Gesetz betroffenen Banken bewilligen von ihren mit Hilfe von gesicherten Schuldverschreibungen erworbenen Mitteln Kredite gegen Aktien von Immobilien- oder Wohnungsaktiengesellschaften oder gegen eine Grundstückshypothek. Bei der Unternehmensfinanzierung hat die Bedeutung von mit den herkömmlichen Kreditinstituten konkurrierenden Finanzierungsformen in letzter Zeit zugenommen. Zu diesen Finanzierungsmitteln gehören beispielsweise Emissionen von Schuldverschreibungen sowie von Industrieunternehmen emittierte Schuldtitel, Kommunalschuldtitel und Einlagenzertifikate. Außerdem sollte man noch die sogenannten hybriden Finanzierungsinstrumente erwähnen, die in unterschiedlichem Maße über sowohl für Eigen- als auch für Fremdkapital typische Eigenschaften verfügen. Dazu gehören unter anderem Wandelanleihen, Optionsanleihen, Kapitalanleihen und stimmrechtslose Aktien. Auch Schuldverschreibungen und Gewinnanteilanleihen kann man zu dieser Gruppe zählen. Bei der Unternehmensfinanzierung gehören neben den Banken auch die Sonderfinanzierungsinstitute, welche öffentliches Eigentum sind, zu den wichtigen Kreditbewilligern. Als Kreditverleiher seien auch noch die Versicherungsgesellschaften erwähnt, bei denen vor allem die Versicherungsbeitragsdarlehen eine eigene Kreditform darstellen. Detaillierte Bestimmungen, welche Kreditverträge betreffen, gibt es in Finnland nur im Fall von Verbraucherverträgen. Für Schuldscheine gilt das Schuldscheingesetz von 1947 (622/1947), bei dem der Schwerpunkt der Bestimmungen auf der Übertragung von Schuldscheinen liegt. Die Eintreibung von Forderungen wird im 1999 erlassenen Eintreibungsgesetz (513/1999) geregelt. In diesem Gesetz wird die Einhaltung guter Eintreibungsgebräuche gefordert, und die von dem Schuldner zu zahlenden Eintreibungskosten werden auf ein angemessenes Maß begrenzt.
Hemmo
§ 78 Länderteil – Finnland
2383
Vorentscheidungen, welche Kreditverhältnisse betreffen, gibt es im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Kreditverträge nur relativ wenige. In der Gerichtspraxis wird vor allem zum Recht der Banken Stellung genommen, die Zinsen einseitig und von möglichen Referenzzinssätzen unabhängig zu ändern. Eine derartige Änderung wird ohne entsprechende ausdrückliche Vertragsbedingung nicht gutgeheißen (Oberster Gerichtshof 1992:50), mit Ausnahme der Bankmitarbeitern bewilligten Personaldarlehen, bei denen das Anheben der Zinsen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne besondere Vertragsbedingung erlaubt ist (Oberster Gerichtshof 1995:56 und 1995:157). Ausdrückliche, das Recht auf Zinsänderung betreffende Vertragsbedingungen sind dagegen zumindest bei gewissen Kreditformen zugelassen (Oberster Gerichtshof 1997:104).
24
II. Kreditsicherheiten. Ein wichtiges die Sicherheiten betreffendes Gesetz ist das 1999 in Kraft getretene Gesetz über Bürgschaften und Fremdschuldverpfändungen, in dem diese beiden Sicherheitsformen in vieler Hinsicht einander gleichgestellt werden. Zu den wichtigsten Zielen des Bürgschaftsgesetzes gehörte die Schaffung eindeutigerer, genauerer Bestimmungen. Ein ziemlich großer Teil der Bestimmungen des Bürgschaftsgesetzes übernimmt die in der Gerichtspraxis bereits zuvor entwickelten Lösungen, daher hat das Gesetz von einigen Ausnahmen abgesehen auch keine großen inhaltlichen Veränderungen im Vergleich zu den früheren Bürgschaftsgesetzen gebracht.
25
Bei Erlass des Bürgschaftsgesetzes war eines der Ziele eine Verbesserung der Stellung von privaten Bürgen. Mit diesem Ziel waren jedoch Beschränkungen verbunden, welche auf den Sicherungscharakter einer Bürgschaft zurückzuführen sind. Falls die Eintreibung einer Bürgschaftsforderung in der Praxis schwierig wäre oder falls die persönlichen Umstände des Bürgen seine Bürgschaftshaftung leicht einschränken könnten, verringerte sich der Wert einer Bürgschaft als Sicherheit.
26
In dem Bürgschaftsgesetz hat man sich daher darum bemüht, solche die Stellung des Bürgen verbessernde Mittel anzuwenden, welche die Funktion der Bürgschaft als Sicherheit nicht zu sehr gefährden. Eine wichtige Rolle kommt hierbei vor allem der Bemühung zu, den Wissensstand des Bürgen zu verbessern. In dem Bürgschaftsgesetz wurde die Pflicht zur Mitteilung von Informationen des Kreditgebers, die auch in früheren Gesetzen schon erwähnt wird, noch deutlicher betont. Zu den bedeutendsten Neuerungen des Gesetzes gehört außerdem, dass eine Bürgschaft, die von einer Privatperson für einen Wohnungskredit übernommen wird, dann eine sog. Schadlosbürgschaft ist, wenn das erworbene Eigentum als Sicherheit des Hauptdarlehens dient (Bürgschaftsgesetz § 3). In dem Gesetz wird auch die Möglichkeit erweitert, die Bürgschaftsverpflichtung bei ursprünglicher Unbilligkeit abzuwandeln. Das kommt dann in Frage, wenn die Summe der Hauptschuld, die der Bürge zu zahlen hat, im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Bürgen unbillig ist und der Kreditgeber bei Übernahme der Bürgschaft hätte wissen müssen, dass die Haftungspflicht des Bürgen in offensichtlichem Missverhältnis zu seiner Zahlungsfähigkeit steht (Bürgschaftsgesetz § 7).
27
Hinsichtlich Generalbürgschaften wurde festgelegt, dass die Bürgschaftshaftung eine genannte Summe als Obergrenze und eine zuvor bestimmte Gültigkeitsfrist haben muss. Der Bürge haftet für innerhalb dieser Frist entstandene Schulden (Bürgschaftsgesetz § 5). Außerdem kann der Bürge während der Gültigkeitsfrist einer Generalbürgschaft einen Zeitpunkt bestimmen, ab dem er für danach entstandene Hauptschulden nicht mehr haftet (Bürgschaftsgesetz § 6).
28
Vom Hauptschuldner ausgeführte Verpfändungen werden in einigen unzusammenhängenden Bestimmungen des Handelsgesetzes von 1734 geregelt. Außerdem wurde dem Handelsgesetz eine Bestimmung über die mit der Entgegennahme von Verpfändungsver-
29
Hemmo
2384
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
sprechen zusammenhängende Auskunftspflicht hinzugefügt. Die Rechtslage hat jedoch viele Lücken, beispielsweise bezüglich Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Realisierung von Pfandrechten. Die Realisierungsvoraussetzungen von Pfandrechten sind allerdings mit einer 1988 ins Handelsgesetz aufgenommenen Bestimmung ergänzt worden. Dieser Bestimmung zufolge erfordert die Realisierung eine nach der Zahlungsverzögerung vorgenommene Ankündigung, nach deren Erhalt der Schuldner noch die Gelegenheit hat, sein Versäumnis nachzuholen. Zur Zahlung der Forderung müssen bei der Verpfändung von Wohnungsaktien mindestens zwei Monate Zeit eingeräumt werden. Bei anderen Verpfändungen beträgt die Frist einen Monat. 30
Über Grundstückshypotheken gibt es detaillierte Bestimmungen im Liegenschaftsrecht. Die Verpfändung von für die Erwerbstätigkeit benötigtem beweglichen Vermögen wird in dem Gesetz über Unternehmenshypotheken (634/1984) geregelt. Die immaterialgüterrechtliche Gesetzgebung enthält eigene Verpfändungsbestimmungen, und außerdem gibt es Sondergesetze über die Verwendung von Kraftfahrzeugen als Sicherheit.
31
Bei auf erstes Anfordern zahlbaren Garantien wurde in der Gerichtspraxis bestätigt, dass der Garant trotz der Bedingungslosigkeit der Garantieverpflichtung sich gegen die Zahlungsforderung des Garantienehmers darauf berufen kann, dass die Zahlungsforderung auf einem Rechtsmissbrauch beruht, den die Garantieverpflichtung mit sich bringt (Oberster Gerichtshof 1992:145). In der Gerichtspraxis hat sich auch die Hauptregel abgezeichnet, der zufolge derjenige, der eine Garantieverpflichtung eingeht, seine Verpflichtung erfüllen muss, auch wenn das Recht des Garantienehmers auf eine Zahlungsleistung des Hauptschuldners unklar oder streitig ist (Oberster Gerichtshof 1991:148).
32
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. Bei Entgegennahme einer Einlage muss zwischen der Bank und dem Kontoeröffner ein Vertrag über die Einlage abgeschlossen werden. Der Kontoeröffner muss sich in diesem Zusammenhang ausweisen, und in dem Vertrag müssen ausreichende Angaben über den Kontoeröffner, den Kontobesitzer und die zur Nutzung des Kontos berechtigten Personen vermerkt werden (Gesetz über Kreditinstitute § 145). Beim Abschluss eines Einlagenvertrags hat die Bank eventuell Auskunftspflichten, obwohl in den die Einlagen betreffenden Bestimmungen des Gesetzes über Kreditinstitute keine derartige Verpflichtung festgelegt ist. Ein Teil der Auskunftspflicht gegenüber dem Kunden wird mit den Vertragsbedingungen abgedeckt, in die nach den Anweisungen des Finanzprüfungsamtes unter anderem detaillierte Erwähnungen darüber aufgenommen werden müssen, aus welchen Faktoren sich die Zinsen ergeben.
33
Auf die Einlagen werden im Allgemeinen den Kontobedingungen entsprechende Zinsen gezahlt, die entweder Fixzinsen oder an Referenzzinsen gebunden sind. Die Verpflichtung, Einlagenzinsen zu zahlen, endet, falls in den Kontobedingungen nichts anderes festgelegt wird, wenn zehn Jahre nach Ablauf desjenigen Kalenderjahres vergangen sind, in dem das Konto zuletzt benutzt worden ist (Gesetz über Kreditinstitute § 137). Das Kapital der Einlagen dagegen verjährt nicht, und die Rückzahlung kann unabhängig davon verlangt werden, wie viel Zeit vergangen ist.
34
Der Einzahler kann nach § 5 des Schuldscheingesetzes die Zahlung der Einlagen jederzeit verlangen, falls nichts anderes vereinbart wurde. Von dieser unverzüglichen Fälligkeit der Einlagen wurde bei Termingeldeinlagen, bei denen in den Bedingungen bestätigt wird, wann die Gelder abgehoben werden können, jedoch abgewichen. Die Freiheit des Einzahlers auf das Abheben seiner Anlage kann auch so eingeschränkt werden, dass seine vor einem bestimmten Zeitpunkt getätigten Abhebungen zu einer zusätzlichen Servicegebühr
Hemmo
§ 78 Länderteil – Finnland
2385
führen oder dass kostenlose Abhebungen nur in einem begrenzten Umfang pro Jahr getätigt werden können. Bei Einhaltung der allgemeinen Aufrechnungsvoraussetzungen darf die Bank die Mittel auf dem Konto für die Zahlung ihrer Forderungen an den Kunden verwenden. Das Aufrechnungsrecht wird jedoch in dem Gesetz über Kreditinstitute (§ 138) in der Weise begrenzt, dass demzufolge die Depositenbank nicht derartige auf dem Konto von Privatpersonen befindliche oder ihnen zur Zahlung zugewiesene Mittel aufrechnen darf, die dem Gesetz zufolge nicht gepfändet werden dürfen. In den Anweisungen des Finanzprüfungsamtes hinsichtlich der Einlagenverträge wird der Bank bei auf ihre Initiative hin stattfindenden Änderungen des Einlagenvertrags ein relativ großer Spielraum gewährt, wenn auch das Änderungsverfahren präzise geregelt ist. Der Anweisung zufolge ist eine Änderung des Kontovertrags, der Kontobedingungen und der Servicegebühren während der Gültigkeitsdauer des Vertrags möglich, vorausgesetzt, dass der Einlagenvertrag Bestimmungen über das Änderungsverfahren enthält. Der Anweisung zufolge können die Änderungen jedoch nur Sichteinlagen und bis auf Weiteres gültige Verträge betreffen, nicht aber Termingelder. Die Banken haben ihr Zweigstellennetz in den neunziger Jahren deutlich verringert. Dies wurde durch die Verbreitung von Kreditkarten, Bankautomaten und Internetdienstleistungen ermöglicht. Ende der neunziger Jahre musste man sich jedoch Gedanken darüber machen, inwieweit mit dem Kontovertrag die Verpflichtung verbunden ist, dem Kunden ausreichend leicht und schnell zu erreichende Schalterdienstleistungen zu bieten. Der Verbraucherbeschwerdeausschuss wurde um mehrere Gutachten zu Fällen gebeten, in denen die Kunden von der Bank Schadensersatz für den durch das Schlangestehen am Schalter verursachten Schaden verlangten. Die Vollversammlung des Ausschusses hielt eine derartige Ersatzverpflichtung an sich für möglich, hat aber eine Wiedergutmachung des verursachten Schadens aufgrund der mangelhaften Erklärungen in keinem einzigen Fall empfohlen. II. Zahlungsverkehr. Der Zahlungsverkehr wird in dem 1999 in Kraft getretenen Überweisungsgesetz geregelt, das sich hinsichtlich der grenzüberschreitenden Überweisungen auf die Überweisungsrichtlinie der EU stützt. Das Überweisungsgesetz geht jedoch über die Forderungen der Richtlinie hinaus und betrifft auch inländische Überweisungen. Das Überweisungsgesetz ist in erster Linie ein zwingendes Gesetz, daher darf man von diesem Gesetz nicht rechtsgültig zum Schaden des Kunden abweichen (§ 3). Im Überweisungsgesetz § 1 werden unterschieden: 1) inländische Überweisungen, 2) Überweisungen zwischen Finnland und einem zum Europäischen Wirtschaftsraum gehörenden Land (EWR-Überweisung) und 3) Überweisungen zwischen Finnland und einem nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum gehörenden Land (eine sogenannte Drittlandüberweisung). Eine inländische auf die finnische Währung lautende Überweisung und die übrigen Überweisungsarten unterscheiden sich durch die für die Überweisung geforderte Zeit (Überweisungsgesetz § 7.1) und durch einige Fragen hinsichtlich nicht realisierter Überweisungen voneinander (Überweisungsgesetz §§ 11 und 15). Die Drittlandüberweisungen befinden sich dagegen hauptsächlich außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Überweisungsgesetzes. Die Fälligkeit wird in § 7 des Überweisungsgesetzes geregelt. Der Bestimmung zufolge legt die Höchstzeit die geforderte Zahlungsleistungsfrist fest, falls nichts anderes vereinbart wird. Die in den Vertragsbedingungen enthaltenen Realisierungszeitforderungen können voneinander abweichen, da in der Zahlungsverkehrspraxis mehrere verschiedene Dienstleistungsformen mit jeweils eigenen Fristen angeboten werden. So werden die Auf-
Hemmo
35
36
37
38
39
40
41
2386
42
43
44
45
46
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
träge beispielsweise bei Expressüberweisungen und sogenannten Euroüberweisungen schneller als im gewöhnlichen Zahlungsverkehr realisiert. Soweit die Fälligkeiten von den Parteien nicht ausdrücklich vereinbart werden, unterscheidet § 7 des Überweisungsgesetzes: 1) auf die finnische Währung lautende inländische Überweisungen und 2) auf ausländische Währungen lautende inländische und EWR-Überweisungen. Bei den auf die finnische Währung lautenden Inlandsüberweisungen ist die Summe spätestens am Tag nach der Entgegennahme des Zahlungsauftrags bei derjenigen Bank einzuzahlen, bei der der Empfänger sein Konto hat. Die Bank des Empfängers dagegen muss die Summe spätestens einen Tag, nachdem die Summe auf dem Konto der Bank des Empfängers eingetroffen ist, auf das Konto des Empfängers einzahlen. Bei auf ausländische Währungen lautenden inländischen und bei EWR-Überweisungen müssen die Mittel spätestens am fünften Banktag nach Entgegennahme des Zahlungsauftrags überwiesen werden. Für die Bank des Empfängers gilt dann die gleiche Forderung des nächsten Banktages wie bei den auf die finnische Währung lautenden inländischen Überweisungen. Die Verantwortung für fehlerhafte Zahlungsinformationen wird im Überweisungsgesetz hauptsächlich dem Auftraggeber der Überweisung übertragen. Den §§ 16 und 11-15 des Gesetzes zufolge werden die Bestimmungen über die Rückgabepflicht und die Schadenshaftung nicht angewandt, wenn die Überweisung deshalb nicht realisiert wurde, weil der Zahlende dem Institut falsche oder mangelhafte Anweisungen gegeben hat. Daher schließt der eigene Fehler des Kunden bei der Angabe der Kontonummer die Haftung der Bank aus. Vor Erlass des Überweisungsgesetzes war der Einfluss der Mitwirkung des Kunden geringer, und man war der Ansicht, dass das Datensystem der Bank in der Lage hätte sein müssen, die sich aus der fehlerhaften Kontonummer ergebenden Probleme zu verhindern (Oberster Gerichtshof 1992:3 und 1994:80). Die Bank muss bei der Realisierung der Überweisung jedoch sorgfältig vorgehen. Wenn sie bei Anwendung gewöhnlicher Sorgfalt merken müsste, dass der Name und die Kontonummer des Empfängers nicht übereinstimmen, schließt der Fehler des Kunden die Schadenshaftung der Bank nicht aus. Neben den in der Überweisungsrichtlinie der EU geregelten Fragen wurden auch in das finnische Überweisungsgesetz Bestimmungen über die Verbindlichkeit einer Überweisung für Dritte und über die Rückgängigmachung des Zahlungsauftrags aufgenommen. Nach § 7.1 Überweisungsgesetzes verpflichtet die Zahlung per Überweisung den Gläubiger des Zahlenden und sonstige Dritte, wenn 1) die Bank des Empfängers die notwendigen Daten für die Zahlung der Mittel auf das Konto des Empfängers erhalten und entweder 2a) die Mittel der Überweisung auf dem Konto der Bank des Empfängers eingezahlt wurden oder 2b) die von der Bank des Empfängers für die Deckung einer Überweisung aufgestellten Bedingungen auf sonstige Weise erfüllt wurden. Im Allgemeinen ist das Eingehen der Mittel auf dem Konto der Bank des Empfängers entscheidend, was eine Vorverlegung der Verpflichtung des Dritten im Vergleich zu der früheren Rechtslage bedeutet, wonach die Wirkung erst bei Verbuchung der Mittel auf dem Konto entstand. Im Prinzip hat der Auftraggeber einer Zahlungsanweisung das Recht, die Zahlungsanweisung rückgängig zu machen. Das Recht auf Rückgängigmachung kann jedoch mit dem Vertrag zwischen dem Zahler und dessen Bank geregelt werden, und in der Praxis ist es auch die Norm, dass Bedingungen eingesetzt werden, welche das Recht auf Rückgängigmachung einschränken. Die Möglichkeit zur Rückgängigmachung kann höchstens bis zu dem Zeitpunkt gegeben sein, zu dem die Voraussetzungen für die Verpflichtung Dritter der Überweisung erfüllt werden (Überweisungsgesetz § 18.1).
Hemmo
§ 78 Länderteil – Finnland
2387
Von den Zahlungsmitteln in Kartenform werden nur die von den Verbrauchern verwendeten Kreditkarten mit gesetzlichen Bestimmungen geregelt. Bei ihnen liegt der Schwerpunkt auf der Regelung von Missbrauchssituationen. In der Vertragspraxis bemüht man sich schon seit Langem, dem Karteninhaber die Verantwortung für alle mit der Karte getätigten Käufe unabhängig davon zu aufzuerlegen, wer die Karte benutzt hat. Was die von den Verbrauchern verwendeten Kreditkarten angeht, so wurde die Verbindlichkeit derartiger objektiver Haftungsbedingungen jedoch mit der Bestimmung 7:19 des Verbraucherschutzgesetzes aufgehoben.
47
Nach der gesetzlichen Bestimmung haftet der Verbraucher nur dann für den unerlaubten Gebrauch seiner Kreditkarte oder einer sonstigen Identifikationskarte, wenn eine der folgenden drei Bedingungen erfüllt wird: 1) wenn der Karteninhaber die Identifikationskarte einem anderen übergeben hat, 2) wenn die Tatsache, dass die Identifizierung in die Hände eines Anderen geraten ist, auf das Verhalten des Karteninhabers zurückzuführen ist oder 3) wenn der Karteninhaber, der seine Identifikationskarte auf andere als unter Punkt 2) beschriebene Weise verloren hat, es versäumt hat, den Aussteller der Karte unverzüglich über diesen Verlust zu informieren.
48
In den Bestimmungen werden auch weitere Beschränkungen der Haftung festgelegt. Trotz der Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen entsteht keine Haftung, wenn die Identifizierung benutzt wird, nachdem der Kartenaussteller eine Mitteilung über das Verschwinden oder den Diebstahl der Karte erhalten hat. Der richtige Inhaber der Karte entzieht sich der Haftung auch dann, wenn der Empfänger der Zahlungsleistung mit der Karte nicht ausreichend sorgfältig überprüft hat, dass der Karteninhaber das Recht auf die Nutzung der Identifikationskarte hat.
49
In das Gesetz über Kreditinstitute wurden 2003 besondere Bestimmungen über elektronisches Geld aufgenommen. Elektronisches Geld wurde als ein Geldwert definiert, der gegen die Zahlung einer gleich großen Geldsumme an den Ausgeber des elektronischen Geldes auf einem elektronischen Datenträger gespeichert wird und bei dem sich ein oder mehrere Unternehmen verpflichtet haben, dies als Zahlung anzuerkennen (Gesetz über Kreditinstitute § 6). Das Recht auf die Ausgabe elektronischen Geldes haben die Depositenbanken und in begrenztem Umfang auch einige andere Unternehmen. Der Ausgeber des elektronischen Geldes ist verpflichtet, das von ihm ausgegebene elektronische Geld im vollen Umfang des entsprechenden Geldwertes einzulösen (Gesetz über Kreditinstitute § 127).
50
D. Kapitalmarktrecht
51
I. Börsenrecht. Die Tätigkeit der Wertpapierbörse wird in Kapitel 3 des Wertpapiermarktgesetzes geregelt. Die Tätigkeit erfordert eine Konzession des Finanzministeriums. Das Ministerium bestätigt auch die Regeln der Wertpapierbörse. In der Wertpapierbörse sind rund 140 finnische Unternehmen notiert, deren zusammengezählter Marktwert rund 250 Milliarden Euro beträgt (6/2007). Die in Bezug auf ihren Börsenwert und auf ihren Handel eindeutig größte Aktie ist Nokia. Die Börse Helsinki ist als eine der ersten zu einem stückelosen Wertpapierverkehr übergegangen. Die gehandelten Aktien sind in der Praxis alle stückelos. Die Bestimmungen des Systems beruhen auf dem 1991 erlassenen Gesetz über den stückelosen Wertpapierverkehr und über Effektenkonten (826/1991 und 827/1991).
52
Das Börsen- und Wertpapierrecht hat sich in Finnland relativ langsam entwickelt. Aktuelle rechtswissenschaftliche Werke sind erst in den letzten Jahren erschienen. Auch der Umfang der Rechtspraxis ist bis auf Weiteres noch sehr gering. In den Gerichten wurden
53
Hemmo
2388
54
55
56
57
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
bisher nur einige Schadensersatzklagen auf der Grundlage von Auskunftsfehlern und einige Strafsachen im Zusammenhang mit einem Missbrauch von Insiderinformationen behandelt. 2002 wurde ein Wertpapierausschuss gegründet, dessen Funktion die Ausgabe von Lösungen in Form von Empfehlungen vor allem bezüglich des Rechtsschutzes von Privatpersonen ist. Man kann damit rechnen, dass der Ausschuss pro Jahr einige Dutzend Fälle zu bearbeiten hat. II. Wertpapierrecht. Die den Anleger schützenden Bestimmungen sind in erster Linie in dem Wertpapiermarktgesetz enthalten, in dem zu diesem Thema unter anderem das Marketing und die Emission von Wertpapieren sowie die Tätigkeit der Börsenmakler geregelt werden. Dem Wertpapiermarktgesetz zufolge ist es verboten, beim Marketing von Wertpapieren unwahre oder irreführende Informationen auszugeben oder Methoden anzuwenden, welche gegen einen guten Handelsbrauch verstoßen oder auf sonstige Weise unpassend sind (Wertpapiermarktgesetz § 2:1). Was die Emission von Wertpapieren angeht, so hat der Emittent die Pflicht, den Zeichnern ausreichende Informationen über diejenigen Faktoren, die sich entscheidend auf den Wert des Wertpapiers auswirken, zur Verfügung zu stellen. Zu den wichtigsten Punkten der Auskunftspflicht gehört die Erstellung einer Broschüre über die Notierung an der Börse. In der Broschüre müssen dem Anleger ausreichende Informationen für eine fundierte Einschätzung der Wertpapiere und den Herausgeber mitgeteilt werden. Zu diesem Zweck müssen in der Broschüre wichtige und ausreichende Auskünfte beispielsweise über die Mittel, die Verpflichtungen, die wirtschaftliche Lage, das Ergebnis und die Zukunftsaussichten des Emittenten enthalten sein (Wertpapiermarktgesetz § 2:3-3a). Bei dem Handel mit Wertpapieren und dem Anbieten von Anlagedienstleistungen sind Methoden verboten, die gegen die guten Sitten verstoßen (Wertpapiermarktgesetz § 4:1). Der Börsenmakler muss den Vertrag über das Anbieten von Anlagedienstleistungen schriftlich abschließen; Ausnahmen sind Verträge mit professionellen Anlegern. Nach dem „Know your customer“-Prinzip wird im Wertpapiermarktgesetz bestimmt, dass ein Anbieter, der Vermögensverwaltungsdienstleistungen anbietet, zuvor seinen Kunden um ausreichende Informationen über dessen wirtschaftliche Lage, seine Anlageerfahrung und seine mit der Anlage angestrebten Ziele bitten muss, es sei denn, dass dies aufgrund der Anlageerfahrung des Kunden oder aufgrund sonstiger Umstände unnötig ist (Wertpapiermarktgesetz § 4:3). Makleraufträge müssen dem Wertpapiermarktgesetz zufolge sorgfältig zum Vorteil des Kunden und ohne grundlose Verzögerung ausgeführt werden. Was die Auskunftspflicht des Maklers betrifft, so wurde festgelegt, dass der Makler dem Kunden über die Anlagedienstleistung oder die dieser Dienstleistung zugrunde liegenden Wertpapiere solche Informationen geben muss, die eventuell einen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung des Kunden haben, es sei denn, dass dies aufgrund der Art der Dienstleistung oder sonstiger Umstände unnötig ist. Der Makler muss bei seiner Tätigkeit auch Interessenkonfliktsituationen vermeiden und alle Kunden gleich behandeln (Wertpapiermarktgesetz § 4:6).
Hemmo
§ 78 Länderteil – Frankreich
2389
7. Frankreich
§ 78 Länderteil Schrifttum – Frankreich Aynes, La cession de créance à titre de garantie: quel avenir?, Recueil Dalloz, S. 961-962; Bertran de Balanda und Sorensen, La fiducie, un enfer pavé de bonnes intentions? Revue Lamy Droit des affaires 2007, n° 17; Bonneau et Drummond, Droit des marches financiers, 2. Aufl., 2005; Bonneau, Droit bancaire, 7. Aufl., 2007; Bulletin rapide de droit des affaires, 8/07, Transposition de la directive „marchés d’instruments financiers“; Bulletin rapide de droit des affaires, 6/07, Introduction de la fiducie en droit français; Chemin-Bomben, Marchés financiers, Revue Lamy Droit des affaires, n° 17; Lamy Droit du financement, 2007; Gavalda/Stoufflet, Instruments de paiement et de crédit, 6. Aufl., 2006; Jeantin/Le Cannu/Granier, Instruments de paiement et de crédit.Titrisation, 7. Aufl., 2007; Legeais, Sûretés et garanties du crédit, 6. Aufl., 2008; Mémento Pratique Francis Lefebvre, Sociétés commerciales, 2007; Neau-Leduc, Droit bancaire, 2005; Neuville, Droit de la banque et des marchés financiers, 2005; Code monétaire et financier, 2007; Piette, Droit des sûretés, 2006; Simler, Le crédit & ses garanties, 2004; Simler/Delebeque, Droit des sûretés, JCP (Ed. entreprises et affaires) 2007, S. 9-15; Witz, La fiducie française face aux expériences étrangères et à la convention de la Haye relative au „trust“, Recueil Dalloz 2007, S. 1369-1374.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Banque de France . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Commission bancaire . . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Bankrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . 5 2. Zivilrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . 7 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 12 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Darlehensvertrag und Zinsen . . . . . . . . . 12 2. Immobiliarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4. Andere Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Hypothek/Grundschuld/Privilège du prêteur de deniers . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Bürgschaft (cautionnement) . . . . . . . . . . 20 3. Andere Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Privatpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 C. Konto- und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Kontenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften 2. Scheck- und Kartengeschäft . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Pariser Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Börsenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung) . . . . . . . . . . . . 1. Finanzberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investitionsunternehmen . . . . . . . . . . . . II. Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbedingte Termingeschäfte . . . . . . . . . 2. Bedingte Termingeschäfte . . . . . . . . . . . III. Effekten, Emissions- und Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktien und Titel, die den Zugang zum Kapital gewähren . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . 3. Handelbare Forderungstitel . . . . . . . . . . 4. Finanzprodukte gemeinsamer Sparanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsverordnung 2006-346 v. 23.03.2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fiducie (Treuhandvertrag) – Gesetz n° 2007-211 v. 19.02.2007 . . . . . . . . . . .
49 50 54 64 64 64 65 66 66 67 68 69 70 71 72 74 75 76 82 82 85
Stichwortverzeichnis Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 f. Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Banque de France . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Börsenaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Cession Dailly . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Crédit-bail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Effektiver Jahreszins (TEG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 fiducie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Garantie auf erstes Anfordern. . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Gewerblicher Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Immobiliarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Kontoeröffnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 ff. Kreditinstitut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Nantissement de fonds de commerce . . . . . . . . . . . 23 Patronatserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Privilège du prêteur de deniers . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Scheck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 TIP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Wechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Wucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Zahlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Bauerreis/Neumann
2390
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten Abkürzungsverzeichnis
AMF Cass. COB
Autorité des marches financiers Cour de cassation Commission des operations de bourse C. civ. Code civil C. com. Code de commerce Code de la cons. Code de la consommation Code mon. et fin. Code monétaire et financier
1
com. CMF D. Gaz. Pal. L. ppd R. TEG
commercial Conseil des marchés financiers Dalloz Gazette du Palais Loi privilège du prêteur de deniers Règlement taux effectif global
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. 1. Kreditinstitute. Gemäß Art. L. 511-1 Code mon. et fin. handelt es sich um juristische Personen, deren gewöhnliche berufliche Tätigkeit darin besteht, Bankgeschäfte (opérations de banque) im Sinne von Art. L. 311-1 Code mon. et fin. sowie die mit Bankgeschäften im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte (opérations connexes à leurs activités) im Sinne von Art. L. 311-2 Code mon. et fin. durchzuführen. Die Kreditinstitute (établissements de crédit) dürfen erst nach Erteilung einer Genehmigung durch den Ausschuss für Kreditinstitute und Investitionsunternehmen (comité des établissements de crédit et des entreprises d’investissement/ CECEI) ihr Bankgeschäft aufnehmen (Art. L. 511-10 Code mon. et fin.). Die Bezeichnung Kreditinstitut umfasst gemäß Art. L. 511-9 Abs. 1 Code mon. et fin. als Oberbegriff die Banken in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen (banque, banque mutualiste/coopérative, caisse de crédit municipal), ferner die sogenannten Finanzierungsgesellschaften (société financière) sowie spezialisierte Finanzierungseinrichtungen (institution financière spécialisée). Nur die Banken sind grundsätzlich berechtigt, von Privatanlegern Sichtguthaben oder Guthaben für eine Laufzeit von weniger als zwei Jahren entgegenzunehmen (Art. L. 511-9 Abs. 2 Code mon. et fin.). Längerfristige Bankgeschäfte (z. B. Verwaltung eines Werpapierdepots) werden zumeist von den derzeit (Stand: April 2005, Neuville, n° 26) in Frankreich tätigen 243 aktiven Finanzierungsgesellschaften durchgeführt. Zu den spezialisierten Finanzierungseinrichtungen gehören insbesondere die Hypothekenbanken (wie z. B. der Crédit Foncier de France). Zwar handelt es sich bei den Kreditinstituten in aller Regel um juristische Personen des Privatrechts. Es gibt jedoch die Ausnahme der Caisse des Dépôts et Consignations, die dem öffentlichen Sektor angehört und insbesondere Aufgaben im öffentlichen Interesse – wie z.B. die Finanzierung von Sozialwohnungen – und zugleich Wettbewerbsaktivtäten wahrnimmt (Art. L. 518-1 Abs. 2 Code mon. et fin.).
2
2. Bankgeschäfte. Gemäß Art. L. 311-1 Code mon. et fin. umfassen die Bankgeschäfte (opérations de banque) die Entgegennahme der Guthaben von Privatanlegern (réception de fonds du public), die Durchführung von Kreditgeschäften (opérations de crédit) sowie die Zurverfügungstellung von Zahlungsmitteln für die Bankkunden (mise à la disposition de la clientèle de moyens de paiement) bzw. die Verwaltung dieser Zahlungsmittel (gestion de moyens de paiement). Zu den Zahlungsmitteln gehören neben den Banknoten insbesondere Schecks und Kreditkarten. Für die Durchführung von Bankgeschäften besteht ein strafbewehrtes Monopol bei den Kreditinstituten. In zivilrechtlicher Hinsicht bedeutet dies, dass z. B. Kreditverträge, die mit staatlich nicht genehmigten Kreditinstituten abgeschlossen werden, nichtig sind.
3
II. Bankenaufsicht. Kreditinstitute mit Sitz in Frankreich unterliegen einer strengen Aufsicht, die durch verschiedene Kontrolleinrichtungen gewährleistet wird. 1. Banque de France. Auf nationaler Ebene ist die Banque de France das zentrale Kontrollorgan. Ihrem Status nach handelt es sich um eine Einrichtung, deren Kapital vom Staat
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2391
gehalten wird (Art. L. 142-1 Code mon. et fin.). Die wichtigsten Aufgaben der Banque de France als Teil des europäischen Systems der Zentralbanken bestehen darin, die Preisstabilität zu gewährleisten, die Währungspolitik der französischen Regierung zu unterstützen (Art. L. 141-1 Abs. 2 Code mon. et fin.) und die Funktionsfähigkeit und Rechtssicherheit der Zahlungssysteme zu überwachen (Art. L. 141-4 Abs. 1 Code mon. et fin.). Trotz ihres Status als staatliche Einrichtung handelt die Banque de France insoweit unabhängig, als sie von der französischen Regierung Anweisungen (instructions) weder einholen noch ihnen Folge leisten darf (Art. L. 141-1 Abs. 3 Code mon. et fin.). Da das Kapital der Banque de France dem Staat gehört, ist es ihr verwehrt, staatlichen Stellen ein Darlehen oder einen sonstigen Kredit zu gewähren (Art. L. 141-3 Code mon. et fin.). Als „Bank der Banken“ ist die Banque de France für die Refinanzierung der Kreditinstitute verantwortlich. Auf europäischer Ebene unterliegt die Banque de France wie alle nationalen Zentralbanken der Autorität der Europäischen Zentralbank und unterstützt diese in enger Zusammenarbeit mit den anderen nationalen Zentralbanken (Art. L. 141-1 Abs. 1 Code mon. et fin.). 2. Commission bancaire. Die Commission bancaire, die sich aus dem Vorsitzenden der französischen Zentralbank (Gouverneur de la Banque de France) in seiner Eigenschaft als Kommissionspräsident, dem Direktor des Trésor public, dem Vorsitzenden des Versicherungskontrollausschusses (Autorité de contrôle des assurances et des mutuelles) sowie aus vier vom Wirtschaftsminister für eine Dauer von jeweils sechs Jahren ernannten Sachverständigen (darunter jeweils ein Richter des Kassationsgerichtshofs und des Staatsrates) zusammensetzt (Art. L. 613-3 Code mon. et fin.), ist in Frankreich das klassische Organ der Bankenaufsicht. Sie überwacht die Einhaltung der gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Bestimmungen durch die Kreditinstitute und ist befugt, Verstöße durch entsprechende Disziplinarmaßnahmen zu sanktionieren (Art. L. 613-1 Code mon. et fin.). Der Maßnahmenkatalog reicht gemäß Art. L. 613-21 Code mon. et fin. von der Verwarnung (avertissement) bis zur Löschung aus dem Verzeichnis der Kreditinstitute (radiation de la liste des établissements de crédit). Die Commission bancaire ist ebenso befugt, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen für Kreditinstitute einen vorläufigen Verwalter (administrateur provisoire) der Bank einzusetzen (Art. L. 613-18 Code mon. et fin.).
4
III. Bedeutende Rechtsquellen. 1. Bankrechtliche Regelungen. Die bankrechtlichen Regelungen sind im wesentlichen im Code mon. et fin. zusammengefasst und gelten im Verhältnis zwischen den öffentlichen Kontrollorganen und den Kreditinstituten.
5
a) Bedeutung des Code monétaire et financier. Der Code mon. et fin. stellt das zentrale Regelwerk für Kreditinstitute dar. Er geht auf eine Zusammenfassung verschiedener Einzelgesetze zurück: z.B. das Bankengesetz L. n° 84-46 v. 24.01.1984, das Gesetz über die Modernisierung von Finanzdienstleistungen L. n° 96-597 v. 02.07.1996, das Gesetz über die finanzielle Sicherheit (Loi de sécurité financière) L. n° 2003-706 v. 01.08.2003, das Gesetz über das Vertrauen und die Modernisierung der Wirtschaft (Loi pour la confiance et la modernisation de l’économie) L. n° 2005-842 v. 26.07.2005 sowie die Kapitalmarktverordnung (Ordonnance relative aux marchés financiers) n° 2007-544 v. 12.04.2007. Der Code mon. et fin. legt unter anderem die Aufgaben des Wirtschaftsministers fest, der gemäß Art. L. 611-1 ff. Code mon. et fin. besondere Vorschriften zur Regelung der Kreditinstitute erlassen kann. b) Regelungen für Kreditinstitute. Das Bankrecht im engeren Sinne findet Anwendung auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Kreditinstituten und der Banque de France. Die Kreditinstitute müssen eine Reihe von gesetzlichen und vom Wirtschaftsminister auferlegten Verpflichtungen gegenüber der Banque de France und der Commission bancaire
Bauerreis/Neumann
6
2392
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
erfüllen. Es geht dabei hauptsächlich um die obligatorische Hinterlegung von Mindestreserven, damit die Banque de France ihre Rolle als währungspolitisches Verwaltungsorgan ausüben kann. Außerdem müssen die Kreditinstitute an die Banque de France wichtige Informationen weiterleiten, die im Rahmen einer von der französischen Zentralbank verwalteten Datenbank über Risikogeschäfte und Zahlungsvorkommnisse von Bankkunden gesammelt werden (Art. L. 144-1 Code mon. et fin.). Die Banque de France stellt den Kreditinstituten dabei den sog. FIBEN (fichier bancaire des entreprises) zur Verfügung, durch den diese sich vor Kreditvergabe im jeweiligen Einzelfall über die wirtschaftliche Lage gewerblicher Kunden informieren können. Die Kreditinstitute trifft somit eine wechselseitige Verpflichtung im Hinblick auf die von der Banque de France verwaltete Datenbank: Zum einen müssen Kreditinstitute relevante Informationen an die französische Zentralbank weiterleiten, zum anderen sind sie umgekehrt auch verpflichtet, die in der Datenbank gespeicherten Informationen bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Kreditinstitute unterliegen einer strengen inneren Kontrolle: Sie dürfen nur die gesetzlich definierten Bankgeschäfte im Sinne von Art. L. 311-1 Code mon. et fin. betreiben und nebenbei keine sonstige gewerbliche oder industrielle Tätigkeit ausüben. Die Banque de France spielt auch gemäß Art. L. 331-1 Code de la cons. eine wesentliche Rolle bei der Durchführung von Überschuldungsverfahren für Privatpersonen (surendettement des particuliers). 7
2. Zivilrechtliche Regelungen. Die zivilrechtlichen Regelungen betreffen insbesondere das Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Bankkunde. a) Zustandekommen des Bankgeschäfts. Der Bankkunde muss beim Abschluss eines Bankgeschäfts über Umfang der Dienstleistung, anfallende Gebühren sowie die sich aus dem jeweiligen Bankgeschäft für den Bankkunden ergebenden sonstigen Verpflichtungen informiert werden. Dies gilt insbesondere bei Bankgeschäften, die mit Verbrauchern abgeschlossen werden und bei denen auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich hingewiesen werden muss. Für verzinsliche Darlehensverträge ist Schriftform vorgeschrieben (Art. 1907 C. civ., Art. L. 313-2 Code de la cons.), wobei der effektive Jahreszins (taux effectif global bzw. kurz TEG) in der Vertragsurkunde ausdrücklich genannt sein muß. Die mangelnde Angabe des effektiven Jahreszinses ist sogar strafbar (Art. L. 313-2 Code de la cons.). Bei Bankgeschäften, die „online“ geschlossen werden, sind auf der Grundlage der ins französische Zivilrecht umgesetzten EU-Richtlinie 97/7/ EU v. 20.05.1997 über Fernabsatzverträge sowie der EU-Richtlinie 2000/31/EU v. 08.06.2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr besondere Formvorschriften und Informationspflichten zu beachten. Die Verbraucher haben ein gesetzliches Rücktrittsrecht von sieben Tagen, das sich auf drei Monate erhöht, wenn bestimmte Informationen (darunter die Belehrung über Voraussetzungen und Modalitäten des Rücktrittsrechts) unterbleiben (Art. L. 121-20 Code de la cons.).
8
b) Inhalt des Bankgeschäfts. Die bedeutendste inhaltliche Beschränkung der Vertragsfreiheit betrifft das Verbot, wucherartige Darlehensverträge (prêts usuraires) abzuschließen (Art. L. 313-3 Code de la cons.). Diese Verbot gilt allerdings weder gegenüber Kunden, die als natürliche Personen für ihren beruflichen Bedarf handeln, noch gegenüber Kunden, die als juristische Personen eine industrielle, gewerbliche, handwerkliche, landwirtschaftliche oder nicht gewerbliche Geschäftstätigkeit ausüben (Art. L. 313-3 Abs. 4 Code de la cons.), es sei denn, der Wucherzins wird auf einen Überziehungskredit angewandt (Art. L. 313-5-1 Code mon. et fin.). Abzustellen ist dabei auf den vertraglich vereinbarten effektiven Jahreszins bzw. TEG, der den von Kreditinstituten für vergleichbare Kreditgeschäfte in den vorangegangenen drei Monaten zu Grunde gelegten TEG nicht um mehr als ein Drittel übersteigen darf. Verstößt ein Kreditinstitut gegen diese Vorschrift,
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2393
muss es mit strafrechtlichen Sanktionen (Freiheitsstrafe von zwei Jahren und/oder Geldstrafe von EUR 45.000,00) rechnen. Die über dem durchschnittlichen TEG liegenden und vom Kreditinstitut eingezogenen Wucherzinsen werden gemäß Art. L. 313-4 Code de la cons. auf die vom Bankkunden zurückzuzahlenden durchschnittlichen Zinsen sowie hilfsweise auf das zurückzuzahlende Kapital angerechnet. c) Haftung der Bank. Es ist zwischen der vertraglichen Haftung und der deliktischen Haftung (im Verhältnis zu Dritten) zu unterscheiden. Im Gegensatz zum deutschen Zivilrecht bedarf es für die zweite Fallgruppe in Frankreich der Konstruktion des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht, da das französische Deliktsrecht (Art. 1382 ff. C. civ.) – anders als § 823 BGB – auch das Vermögen als Rechtsgut schützt.
9
aa) Vertragliche Haftung. Gemäß Art. 1147 C. civ. hat der Bankkunde Anspruch auf Schadensersatz, wenn die Bank oder deren Erfüllungsgehilfen (préposés) den Vertrag nicht oder nur schlecht erfüllen, wobei die Bank grundsätzlich für jedes Verschulden einzustehen hat. Haftungsausschluß- bzw. begrenzungsklauseln sind im Verhältnis zu Verbrauchern nur dann zulässig, wenn die Bank sich von leichter Fahrlässigkeit freizeichnet. Ein vollständiger Haftungsausschluß ist auch im gewerblichen Rechtsverkehr nichtig, solange es sich bei den Vertragsparteien nicht um Unternehmer aus der gleichen Branche (professionnels de la même spécialité) handelt. Gemäß Art. L. 331-7 Code de la cons. ist es Kreditinstituten weiterhin untersagt, überschuldeten Privatpersonen weitere Kredite zu gewähren, wobei die Bank – verschuldensunabhängig – verpflichtet ist, sich über eine etwaige Verschuldung ihrer Kunden zu informieren. Eine fristlose Kündigung einer Kreditlinie seitens der Bank ist nur im Falle eines grob fehlerhaften Verhaltens (comportement gravement répréhensible) oder einer aussichtslosen finanziellen Lage des Bankkunden (situation irrémédiablement compromise) zulässig (Art. L. 313-12 Code mon. et fin.).
10
bb) Deliktische Haftung. Die Bank ist gemäß Art. 1382 ff. C. civ. für jedes eigene Verschulden (ab leichter Fahrlässigkeit) verantwortlich, das bei einem Dritten, der nicht in vertraglicher Beziehung zur Bank steht, kausal einen Schaden verursacht. Es handelt sich hierbei insbesondere um die Fallgruppen der (bewussten oder fahrlässigen) Weiterleitung von falschen (oder vertraulichen) Informationen über einen Kunden (z.B. über dessen Zahlungsunfähigkeit) sowie der Mittäterschaft bei rechtswidrigen Bankgeschäften des Kunden. Die Reform des Insolvenzrechts durch das Gesetz L. n° 2005-845 v. 26.07.2005 über die Sanierung von Unternehmen (Loi de sauvegarde des entreprises) hat die Haftung der Bank im Falle der Unternehmensinsolvenz zum Teil entschärft. Die sog. missbräuchliche Unterstützung (soutien abusif) der Bank, wenn sie einem Kunden (Unternehmen) weiterhin Kredit gewährt, obwohl sie von dessen Zahlungsunfähigkeit (cessation de paiement) bereits Kenntnis hat, begründet gemäß Art. L. 650-1 C. Com. nur in folgenden Fällen eine Haftung der Banken:
11
– kollusives Zusammenwirken (fraude), – erhebliche Einmischung in die Geschäftsleitung des Schuldners (immixtion caractérisée dans la gestion du débiteur), – wertmässiges Missverhältnis zwischen der gewährten finanziellen Unterstützung und den als Gegenleistung vom Schuldner bestellten zusätzlichen Sicherheiten (garanties prises en contrepartie de ces concours disproportionnées à ceux-ci).
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditformen. 1. Darlehensvertrag und Zinsen. Unter einem Darlehensvertrag, genauer gesagt einem Darlehensvertrag über Geld (contrat de prêt d’argent), versteht man einen Vertrag, in dem der Darlehensgeber sich verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine
Bauerreis/Neumann
12
2394
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
bestimmte Geldsumme zur Verfügung zu stellen, die dieser zu einem vereinbarten Zeitpunkt zurückzahlen muss. In der Praxis wird der Darlehensgeber die Zuverfügungstellung des Geldes regelmäßig nur dann gewähren, wenn der Darlehensnehmer im Gegenzug sich verpflichtet, einen vereinbarten Zins zu entrichten. Der Darlehensvertrag ist in den Art. 1892 bis 1914 C. civ. geregelt. Handelt es sich um ein Verbraucherdarlehen, so sind zudem die einschlägigen Vorschriften des Code de la consommation (Verbrauchergesetzbuch) zu beachten. Ein Darlehensvertrag gemäß Art. 1892 ff. C. civ. wird von der Rechtsprechung als Vertrag, der erst durch die Hingabe des Darlehens geschlossen wird (contrat réel), angesehen, es sei denn bei dem Darlehensgeber handelt es sich um ein Kreditinstitut bzw. auf den Darlehensvertrag sind die Art. L. 312-7 ff. C. cons. anwendbar. In diesen Fällen wird der Darlehensvertrag als contrat consensuel (Konsensualvertrag) angesehen. In der Praxis hat der Darlehensvertrag somit fast ausschließlich die Rechtsnatur eines Konsensualvertrages. Dies hat zur Folge, dass die Wirksamkeit des Darlehensvertrages nicht davon abhängt, ob der Darlehensnehmer die Darlehenssumme erhalten hat. Der Darlehensvertrag unterliegt grundsätzlich keiner besonderen Formvorschrift. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Darlehensvertrag in den Anwendungsbereich des Verbrauchergesetzbuches fällt. Das Bestehen bestimmter vertraglicher Pflichten kann dagegen von der Einhaltung von Formvorschriften abhängen. So wird der vertraglich vereinbarte Zins nur dann vom Darlehensnehmer geschuldet, wenn dies schriftlich festgehalten wurde (Art. 1907 C. civ.) Insgesamt weist das französische Darlehensrecht einige Besonderheiten auf. So ist auch beim Darlehen zu unternehmerischen Zwecken der effektive Jahreszins (TEG) im Vertrag anzugeben, auch wenn die Bestimmungen zum effektiven Jahreszins im französischen Verbrauchergesetzbuch festgehalten sind. Auch der TEG muss schriftlich angegeben werden (Cass. com., 09.05.2001, Bull. Civ. IV, n° 86, S. 82). Ergänzend ist zu erwähnen, dass der TEG aus der Sicht des Bankkunden zu ermitteln ist und somit alle Kosten, die mit der Kreditvergabe in Zusammenhang stehen, bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses zu berücksichtigen sind, z.B. auch Maklerkosten (Art. L. 313-1 Code de la cons.). Neben dem effektiven Jahreszins ist auch stets der sog. Periodenzins anzugeben (Art. R. 313-1 Code de la cons.), so wenn z.B. im Vertrag eine dreimonatige Zinsperiode vorgesehen ist. Vorteilhaft für Banken ist die Bestimmung des Art. 1154 C. civ. Danach können Zinsen, soweit dies vereinbart wurde und soweit diese für mindestens ein Jahr geschuldet sind, kapitalisiert werden. Ebenfalls bankenfreundlich ist die Tatsache, dass während der Laufzeit eines Kredites, der nicht unter das Verbrauchergesetzbuch fällt, die vorläufige Rückzahlung vollständig ausgeschlossen werden kann, gleichgültig ob ein Festzins oder ein variabler Zins vereinbart wurde. In der Praxis wird allerdings für den Fall der vorzeitigen Rückzahlung regelmäßig eine entsprechende Entschädigungsklausel vertraglich vorgesehen sein. Ein Darlehensvertrag kann entweder auf bestimmte Zeit oder auf unbestimmte Zeit eingegangen werden. Wird einem Unternehmer ein Darlehen gewährt, so kann das Kreditinstitut unter Beachtung von Art. L. 313-12 Code mon. et fin. (schriftliche Benachrichtigung des Darlehensnehmers, Einhaltung einer für diese Art von Darlehen üblichen Kündigungsfrist etc.) das Darlehen ordentlich kündigen. Aus wichtigem Grund (z.B. weil sich die finanzielle Situation des Darlehensnehmers endgültig verschlechtert hat) kann der Darlehensgeber das Darlehen auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen (s. im Einzelnen Art. L. 313-12 Code mon. et fin.).
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2395
2. Immobiliarkredit. Ein Immobiliarkredit liegt dann vor, wenn der Kredit zur Finanzierung des Erwerbs oder der Renovierung einer Immobilie bestimmt ist (Art. L. 312-2 Code de la cons.). Nach Art. L. 311-3 Code de la cons. muss die Summe, die für Wartungs-, Reparaturarbeiten etc. an der Immobilie aufgewandt wird, EUR 21.500 übersteigen (Art. D. 311-1 Code de la cons.). Handelt es sich um einen Immobiliarkredit, der nicht unter die Regelungen des Verbrauchergesetzbuches fällt, so muss zwingend lediglich der TEG nebst Periodenzins angegeben werden. Nicht unter das Verbrauchergesetzbuch fallen Immobiliarkredite, die zu unternehmerischen Zwecken aufgenommen werden (Art. L. 312-3 n° 2 Code de la cons.). Ein Kreditnehmer nimmt einen Immobiliarkredit im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit auf, wenn er die Immobilie erwirbt, um diese weiterzuveräußern oder zu vermieten. Die Nutzung der Immobilie für eigene unternehmerische Zwecke (z.B. Nutzung der Immobilie für eigene Kanzlei) lässt dagegen die Anwendung des Verbrauchergesetzes nicht entfallen (s. Art. L. 312-2 n°1 Code de la cons.). Auch Immobiliarkredite, die an juristische Personen des öffentlichen Rechts vergeben werden, fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Art. L. 312-1 ff. Code de la cons. Es handelt sich folglich bei einem Immobiliarkredit dann um einen Verbraucherkredit, wenn dem Kredit kein unternehmerischer Zweck zugrunde liegt, er nicht an eine juristische Person des öffentlichen Rechts gewährt wird und auch nicht unter den speziellen Anwendungsbereich des Gesetzes n° 52-332 v. 24.03.1952 fällt (Art. L. 312-3 n° 1, n° 2 und n° 3 Code de la cons.). Dem Kreditnehmer muss bei einem Immobiliarverbraucherkredit vor Abschluss des Kreditvertrages ein schriftliches Angebot („offre préalable“) per Post unterbreitet werden (Art. L. 312-7 Code de la cons.). Dieses Angebot muss der Kreditgeber mindestens 30 Tage aufrechterhalten. Der Kreditnehmer darf das Angebot frühestens nach Ablauf einer Frist von zehn Tagen (d.h. am 11. Tag; der Tag, an dem der Kreditnehmer das Angebot erhalten hat, zählt nicht mit) nach Erhalt desselben per Brief annehmen (Art. L. 312-10 Code de la cons.). In dem Angebot müssen folgende Elemente zwingend enthalten sein: Identität der Vertragsparteien und gegebenenfalls der Bürgen, Art und Gegenstand des Kredits, Datum und Voraussetzungen der Zurverfügungstellung des Geldes, Kreditsumme, Sicherheiten, abzuschließende Versicherungen, Möglichkeit und Bedingungen der Übertragung des Darlehens auf einen Dritten, Tilgungstabelle, Gesamtkosten des Kredits und der effektive Jahreszins (TEG) nebst Periodenzins. Zudem muss in dem Angebot die Vorschrift des Art. L. 312-10 Code de la cons. wiedergegeben werden; s. im Einzelnen Art. L. 312-8 Code de la cons. Kommt der Kreditnehmer diesen Anforderungen nicht nach, droht ihm eine Geldstrafe (s. im Einzelnen Art. L. 312-33 Code de la cons.). Kommt der Kauf der Immobilie nicht zustande, so ist der Kreditvertrag nichtig. Aus Art. L. 312-12 Code de la cons. geht hervor, dass der Kreditnehmer das Angebot des Kreditgeber stets unter der auflösenden Bedingung annimmt, dass der Vertrag für welchen das Immobiliendarlehen aufgenommen wurde, innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss nicht zustande kommt. In diesem Fall muss der Kreditnehmer dem Kreditgeber eine Entschädigung in Höhe von bis zu 0,75% der Kreditsumme bezahlen; die Entschädigung darf allerdings EUR 150,00 nicht überschreiten (Art. R. 312-1 Code de la cons.). Diese Entschädigung kann der Darlehensgeber allerdings nur dann vom Darlehensnehmer fordern, wenn er auf die mögliche Forderung einer Entschädigung in seinem Darlehensangebot deutlich hingewiesen hat (Art. L. 312-14 Code de la cons.).
Bauerreis/Neumann
13
2396
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Laut Art. L. 312-21 Code de la cons. hat der Kreditnehmer stets das Recht, den Kredit vorzeitig zurückzuzahlen. Allerdings kann im Kreditvertrag vorgesehen werden, dass in diesen Fällen der Kreditnehmer dem Kreditgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen hat. Diese Vorfälligkeitsentschädigung darf allerdings den auf ein Halbjahr anfallenden Zinsbetrag der zurückgezahlten Summe und 3% des vor Rückzahlung geschuldeten Kreditbetrag nicht überschreiten (Art. R. 312-2 Code de la cons.). 14
3. Dispositionskredit. Der Dispostionskredit wird im Französischen als découvert en compte bezeichnet. Der Dispositionskredit muss dem Kreditnehmer zumindest stillschweigend eingeräumt worden sein. Wird der Dispositionskredit für private Zwecke und für mehr als 3 Monate eingeräumt und übersteigt er auch nicht die Summe von EUR 21.500 (s. Art. L. 311-3 n° 2 und n° 3 i.V.m. D. 311-1 Code de la cons.), so sind die Verbraucherschutzvorschriften der Art. L. 311-1 ff. Code de la cons. zu beachten (s. hierzu Cass civ., 16.01.1996, Bull. 1996 n° 31, S. 20). Der Kredit wird dann allgemein als Verbraucherkredit (crédit à la consommation) bezeichnet. Wie bei einem unter das Verbrauchergesetz fallenden Immobiliarkredit geht auch beim crédit à la consommation ein Angebot (s. hierzu im Einzelnen Art. L. 311-10 ff. Code de la cons.) voraus. Dieses Angebot muss 15 Tage aufrechterhalten werden. Es muss einem der speziellen Muster, welche im Anhang zu Art. R. 311-6 Code de la cons. im Verbrauchergesetzbuch abgedruckt sind, entsprechen. Der crédit à la consommation ist im französischen Recht somit stark formalisiert. Ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kreditangebotes hat der Kreditnehmer sieben Tage lang ein Widerrufsrecht (droit de rétractation). Dieses Widerrufsrecht ergibt sich aus Art. L. 311-15 Code de la cons. Zur Ausübung dieses Widerrufsrechts ist dem Angebot ein entsprechendes Formular beigefügt, das der Kreditnehmer nutzen kann, aber nicht verwenden muss (s. Cass. civ., 12.02.1991, Bull. 1991 n° 62, S. 39). Dispositionszinsen, die über den gesetzlichen Zinssatz hinausgehen, müssen schriftlich vereinbart werden (s.o.).
15
4. Andere Kreditformen. Crédit-bail (Leasing). Der crédit-bail ist in Art. L. 313-7 ff. Code mon. et fin. geregelt. Der crédit-bail wird gemäß Art. L. 313-1 Code mon. et fin. einem Bankgeschäft gleichgesetzt und kann infolgedessen regelmäßig nur von Kreditinstituten mit einer speziellen Zulassung gewährt werden. Der crédit-bail ist zudem gemäß Art. 313-1 Abs. 2 Code mon. et fin. ein Kreditgeschäft. Damit der Leasingvertrag, der zwischen dem Leasinggeber (crédit bailleur) und dem Leasingnehmer (crédit preneur) geschlossen wird, Dritten gegenüber wirksam ist, muss er gemäß Art. L. 313-10 Code mon. et fin. in ein spezielles Register eingetragen werden (die Einzelheiten der Eintragung ergeben sich aus den Art. R. 313-4 ff. Code mon. et fin.). Laut Art. L. 313-11 Code mon. et fin. hat die Eintragung eine Gültigkeit von fünf Jahren. Drei Voraussetzungen müssen zwingend kumulativ vorliegen, damit von einem créditbail gesprochen werden kann: a) ein Mietgeschäft b) über eine bewegliche (crédit-bail mobilier) oder über eine unbewegliche (crédit-bail immobilier) Sache (Gegenstand eines Leasingsvertrages können zudem ein fonds de commerce (Handelsunternehmen) oder Geschäftsanteile bzw. Aktien sein.), die zu unternehmerischen Zwecken genutzt wird, und c) ein einseitiges Verkaufsversprechen. Das Mietgeschäft wird auf bestimmte Zeit abgeschlossen. Der Leasinggeber kauft die Sache bzw. Sachen, die er dem Leasingnehmer vermietet, oder im Fall einer Immobilie kann der Leasinggeber die Immobilie auch selbst errichten. Der Leasingnehmer entscheidet allerdings, was und bei wem gekauft wird. Eigentümer der Sache ist somit der Leasinggeber und nicht der Leasingnehmer. Leasingvertrag und Kaufvertrag sind eng miteinander verbunden. Die Aufhebung des Kaufvertrages zieht somit zwingend die Kündigung des Leasingvertrages nach sich (s. im Einzel-
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2397
nen mit Rechtsprechungsnachweisen (Le crédit & ses garanties, hrsg. von Lexis Nexis/ JurisClasseur, Rn. 030-22 ff.) Am Ende der Laufzeit hat der Leasingnehmer drei Möglichkeiten: Entweder er kauft das Objekt zum Restwert, er gibt es zurück oder er verlängert das Mietgeschäft. Rechtlich wird der crédit-bail als Vertrag sui generis eingeordnet. Der große Vorteil des crédit-bail aus Leasinggebersicht besteht darin, dass dieser solange Eigentümer der Sache bleibt, bis der Leasingnehmer von seinem Ankaufsrecht Gebrauch macht. Fällt der Leasingnehmer nämlich in die Insolvenz, so ist es von Vorteil für den Leasinggeber, dass er weiterhin Eigentümer des verleasten Gegenstandes ist. Infolgedessen kann er grundsätzlich vom Insolvenzverwalter die Herausgabe der Sache verlangen. II. Kreditsicherheiten. 1. Hypothek/Grundschuld/Privilège du prêteur de deniers. a) Hypothek. aa) Grundsätzliche Bemerkungen zur Hypothek. Die Hypothek ist in Frankreich in den Art. 2393 bis Art. 2488 C. civ. geregelt. Dabei handelt es sich um ein dingliches Recht an einem Grundstück, das zur Sicherheit einer Schuld bestellt wird. Wird die Schuld nicht beglichen, z.B. die Raten aus dem Darlehensvertrag nicht gezahlt, so berechtigt dies den Gläubiger der Hypothek, die Immobilie öffentlich versteigern zu lassen (vente aux enchères publiques). Generell ist derjenige, der die Hypothek bestellt, auch der Schuldner der Forderung. Art. 2334 C. civ. sieht jedoch für das Pfandrecht vor, dass es auch ein Dritter bestellen kann. Dies wird in Anlehnung an das Pfandrecht von der Rechtsprechung (Piette, S. 126) auch für die Hypothek bejaht. Voraussetzung für die Bestellung einer Hypothek an einem Grundstück ist jedoch stets, dass der Besteller der Hypothek Eigentümer des Grundstücks ist. Die Hypothek ist eine Sicherheit, die es dem Schuldner erlaubt, weiterhin im Besitz des als Sicherheit verwendeten Grundstücks zu bleiben. Die Hypothek ist eine akzessorische Sicherheit, d. h. sie setzt stets das Bestehen einer oder mehrerer Forderungen voraus. Die Forderung muss jedoch nicht bereits exisitieren. Es reicht aus, dass es sich um eine künftige Forderung handelt. Allerdings muss in diesem Fall die künftige Forderung zumindest bestimmbar sein; (s. Art. 2421 C. civ.). Die Hypothek erstreckt sich von Rechts wegen, ohne dass es hierfür einer besonderen vertraglichen Vereinbarung bedarf, stets auch auf die sich aus der Forderung ergebenden Zinsen und Nebenkosten (Art. 2423 Abs. 2 C. civ.). Die Hypothek selbst muss bereits in der notariellen Bestellungsurkunde, also in der Urkunde, in welcher die Bestellung einer Hypothek vereinbart wird, auf eine bestimmte Summe lauten. Anderenfalls ist die notarielle Bestellungsurkunde unwirksam (Art. 2423 Abs. 1 C. civ.). Hypotheken werden in der conservation des hypothèques (franz. Hypothekenregistratur, die für alle Departements bis auf die drei Departements im Elsass/Mosel maßgeblich ist) eingetragen. Die conservation des hypothèques ist eine Behörde der Direction générale des impôts (Generalfinanzdirektion). In den zwei Departements im Elsass und im Departement Mosel werden – wie in Deutschland – die Eintragungen von Hypotheken in einem Grundbuch (livre foncier) vorgenommen. Wird eine Hypothek nicht eingetragen, so kann sie Dritten gegenüber nicht entgegengehalten werden. Für die Eintragung der Hypothek sieht das französische Recht keine spezielle Frist vor. Der Gläubiger der Hypothek hat dennoch ein Interesse, die Hypothek schnellstmöglich eintragen zu lassen. Zum einen ist die Hypothek erst mit ihrer Eintragung Dritten gegenüber wirksam, zum anderen ist das Datum der Eintragung maßgebend für den Rang der Hypothek. Derjenige, der an erster Stelle eingetragen ist, wird auch im Falle einer öffentlichen Versteigerung der Immobilie zuerst aus dem durch die Ersteigerung Erlangten befriedigt.
Bauerreis/Neumann
16
2398
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Trotz der Hypothek bleibt der Schuldner weiter im Besitz der Immobilie und genießt auch weiterhin die Verfügungsrechte über dieselbe. Er kann die Immobilie somit veräußern oder mit weiteren Rechten belasten. Die Hypothek ist nicht teilbar (indivisibilité de l’hypothèque). Dies ergibt sich aus Art. 2393 C. civ. Dies bedeutet, dass z.B. im Falle einer Teilzahlung der Schuld, die Restschuld weiterhin durch die gesamte Hypothek gesichert ist. Außerdem wird durch die spätere Teilung einer Immobilie nicht zugleich die Hypothekenschuld geteilt; vielmehr garantiert jeder Immobilienanteil die gesamte Forderung. Die Hypothek folgt dem jeweiligen Eigentümer der Immobilie. Auch dies ergibt sich aus Art. 2393 C. civ. (s. a. Art. 2461 C. civ.) und wird als droit de suite (Folgerecht) bezeichnet. Der Hypothekengläubiger kann seine Rechte aus der Hypothek also stets gegenüber dem aktuellen Eigentümer geltend machen. Die Hypothek verleiht gemäß Art. 2323 C. civ. ihrem Gläubiger ein sog. droit de préférence (Recht auf vorzugsweise Befriedigung): Hypothekengläubiger werden im Falle der Insolvenz des Schuldners vor den nachrangigen Gläubigern (créanciers chirographaires) befriedigt. Begleicht der Schuldner nicht die Forderung seines Hypothekengläubigers, so wird dieser seine Ansprüche in der Regel im Rahmen der procédure de saisie (Pfändungsverfahren) durchsetzen. In Art. 2190 C. civ. wird die saisie immobilière definiert. Danach versteht man unter einer saisie immobilière den Zwangsverkauf der Immobilie des Schuldners bzw. des Dritten, um so die Gläubiger durch den Erlös zu befriedigen. Die saisie immobilière (Pfändung eines Grundstücks) setzt stets voraus, dass der Hypothekengläubiger über einen vollstreckbaren Titel verfügt (Art. 2191 Abs. 1 C. civ.). Um das Verfahren einzuleiten, muss der Gläubiger dem Schulder zunächst ein sog. commandement de payer (Zahlungsaufforderung) zustellen. Diese Zahlungsaufforderungen muss zudem in der zuständigen conservation des hypothèques zwei Monate lang veröffentlicht werden (s. im Einzelnen Art. 13 ff. des Dekretes n° 2006-936 v. 27.07.2006). Ab dem Zeitpunkt der Zustellung der commandement de payer an den Schuldner kann dieser seine Immobilie nicht mehr veräußern (s. Art. 25 des Dekretes). Zahlt der Schulder weiterhin nicht, so kann der Gläubiger die Immobilie öffentlich versteigern lassen. Allerdings sind zuvor noch weitere Schritte erforderlich: die Erstellung eines sog. pvd (procès-verbal de description des lieux), d.h. eines Protokolls, in dem wichtige Angaben über die Immobilie enthalten sind, wie z.B. Angaben über eine mögliche Asbestverseuchung; ein sog. cahier des conditions de la vente (ccv) muss bei der Geschäftsstelle des für die Zwangsvollstreckung zuständigen Richters hinterlegt werden (ein solches ccv enthält u.a. zwingende Angaben über den Vollstreckungstitel, die Zahlungsaufforderung etc.). Zudem muss dem Schuldner eine Aufforderung, bei Gericht zu erscheinen, zugestellt werden. Bei diesem Termin geht es darum, dem Schuldner eine letzte Möglichkeit einzuräumen, die Immobilie im gegenseitigen Einverständnis zu veräußern. Zu beachten ist hierbei, dass der französische Gesetzgeber zum Teil äußerst kurze Fristen bezüglich der Einleitung der einzelnen Schritte vorgesehen hat. Die Einzelheiten zu dem Verfahren ergeben sich aus dem Dekret n° 2006-936 v. 27.07.2006. Um das zeitaufwendige und umständliche Verfahren der procédure de saisie zu vermeiden, können die Parteien auch einen sog. pacte commissoire vereinbaren, der dem Gläubiger erlaubt, im Falle der Nichtzahlung durch den Schuldner selbst Eigentümer des Grundstücks zu werden (Art. 2459 C. civ.). Eine solche Vereinbarung ist unwirksam, wenn die belastete Immobilie der Hauptwohnsitz des Schuldners ist.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2399
Soll die Hypothek aus dem Register gestrichen werden, bezeichnet man diesen Vorgang als mainlevée. Das Löschen der Hypothek muss spätestens ein Jahr nach der vollständigen Begleichung erfolgen. Die Eintragung der Hypothek darf zudem eine Frist von fünfzig Jahren nicht überschreiten. (Art. 2434 C. civ.). Das Löschen der Hypothek hat zur Folge, dass die nachfolgenden Hypotheken im Rang aufrücken. Gem. Art. 2440 C. civ. kann die Löschung der Hypothek rechtsgeschäftlicher oder gerichtlicher Natur sein (radiation volontaire oder radiation judiciare). Die sog. radiation volontaire wird vom Gläubiger der Hypothek vorgenommen. Sie ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Die radiation judiciaire wird vom Richter angeordnet. Dies kann z.B. deswegen erforderlich werden, weil der Gläubiger der Hypothek sich unberechtigterweise weigert, die Hypothek löschen zu lassen. Neben der vollständigen Löschung der Hypothek ist auch eine teilweise Löschung der Hypothek möglich. Diese wird dann als radiation partielle bezeichnet. S. im Einzelnen Art. 2444 f. C. civ. bb) Verschiedene Hypothekenarten. Man unterscheidet zwischen der hypothèque conventionnelle (Art. 2413 bis Art. 2424 C. Civ.) der hypothèque judiciaire (Art. 2412 C. Civ.) und der hypothèque légale (Art. 2400 bis Art. 2411 C. Civ.) . Die hypothèque judiciaire wird aufgrund eines Urteils bestellt. Der durch Urteil festgestellte Gläubiger kann an den gegenwärtigen und künftigen Immobilien seines Schuldners zu seinen Gunsten eine Hypothek eintragen lassen. Die hypothèque légale ist eine Hypothek, die dem Gläubiger kraft Gesetz zugestanden wird. So wird beispielsweise kraft Gesetz jedem Ehegatten an den Gütern des anderen Ehegatten eine Hypothek eingeräumt. Die für die Bankenpraxis wichtige Hypothek ist die sog. hypothèque conventionnelle. Wie der Name bereits sagt, handelt es sich um eine Hypothek durch Parteivereinbarung. Allerdings muss die Parteivereinbarung in notarieller Form erfolgen, denn es handelt sich bei dem Vertrag zur Bestellung einer Hypothek um einen sog. contrat solennel (formbedürftiger Vertrag) In diesem notariellen Vertrag muss die Höhe der zu sichernden Forderung angegeben sein (Art. 2423 Abs. 1 C.civ.). Fehlt diese Angabe, so ist der Vertrag nichtig. Durch die Rechtsverordnung v. 26.03.2006, die die Sicherheiten nach französischem Recht grundlegend reformiert hat, ergab sich für die Hypothek eine besonders wichtige Neuerung, nämlich die Einführung der sog. hypothèque rechargeable (wieder verwendbare Hypothek). Aus dem neuen Art. 2422 C. civ. ergibt sich, dass eine Hypothek nachträglich zur Sicherung anderer Forderungen als derjenigen, die in der Bestellungsurkunde aufgeführt worden sind, verwendet werden kann. Hierbei ist allerdings erforderlich, dass die Bestellungsurkunde eine solche Vereinbarung der anderweitigen Verwendung der Hypothek ausdrücklich enthält. Wird die Hypothek wieder verwendet, also zur Sicherung einer anderen als der ursprünglichen Schuld verwendet, so muss dies vor einem Notar geschehen. Die Wiederverwendung der Hypothek kann nur im Rahmen der ursprünglich vereinbarten Höchstsumme vorgenommen werden. Die sich daraus ergebenden Vorteile sind, dass ein Schuldner zur Sicherung einer neuen Schuld keine neue Hypothek bestellen muss und der neue Gläubiger von dem ursprünglich eingeräumten Rang profitiert.
Bauerreis/Neumann
17
2400
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
18
b) Grundschuld. Das französische Recht kennt keine Grundschuld.
19
c) Privilège du prêteur de deniers. Das privilège du prêteur de deniers (ppd) gehört zu der Gruppe der privilèges immobiliers spéciaux (Art. 2374 n° 2 C. civ.) und wird – abgesehen von der Rückwirkung der Eintragung – wie eine Hypothek behandelt. Generell sind privilèges Vorzugsrechte. Sie sind restriktiv auszulegen (Cass. soc., 30.11.1951, D. 1952. 121, Anm. Voirin). Spezielle privilèges räumen dem Gläubiger eine privilegierte Position in Bezug auf bestimmte Vermögensgüter ein (im Fall des ppd bezüglich einer Immobilie) und gehen den Allgemeinen vor, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (Cass. com., 25.10.1976, D. 1977. 380, Anm. Taisne). Das ppd kommt als Kreditsicherheit für die Bank dann in Frage, wenn sie den Kaufpreis einer Immobilie finanziert. Zu beachten ist hierbei, dass ein ppd nur bis zur Höhe des Kaufpreises nebst Zinsen und Nebenkosten bestellt werden kann. Ist der Darlehensbetrag höher als der Kaufpreis, so sollte als weitere Sicherheit zusätzlich eine Hypothek bestellt werden. Das ppd hat gegenüber der Hypothek den Vorteil, dass zum einen die Bestellung der Sicherheit wesentlich günstiger ist (es fällt keine Registergebühr an). Von entscheidendem Vorteil ist jedoch, dass der Rang rückwirkend zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages entsteht. In Art. 2374 n° 2 C. civ. werden folgende Voraussetzungen für die wirksame Vereinbarung eines ppd genannt: a.) Der Darlehensvertrag und die „quittance“ (Zahlungsbestätigung) müssen notariell beurkundet sein (forme authentique) b.) aus dem Darlehensvertrag muss hervorgehen, dass das Darlehen für den Erwerb der Immobilie verwendet wird. Aus der Zahlungsbestätigung muss sich ergeben, dass der Kaufpreis mit dem Geld aus dem Darlehen beglichen wurde. Erforderlich ist allerdings nicht, dass Kauf- und Darlehensvertrag zum gleichen Zeitpunkt abgeschlossen werden; der Darlehensvertrag kann nach dem Kaufvertrag unterzeichnet werden. Damit der Zeitpunkt der Bewilligung des Rangs mit dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrags übereinstimmt, ist erforderlich, dass das ppd innerhalb von einer Frist von zwei Monaten nach Unterzeichnung des Kaufvertrages in die conservation des hypothèques eingetragen wird. In den drei Departements im Elsass/Mosel ist die Eintragung eines ppd nicht möglich. Das ppd verleiht dem Gläubiger und Inhaber des ppd zum einen ein droit de suite (Folgerecht) und zum anderen ein droit de préférence (Recht auf vorzugsweise Befriedigung); s. Art. 2323 f. und Art. 2461 C. civ. Somit kann der Gläubiger auch bei Veräußerung der Immobilie an einen Dritten jederzeit mittels seines ppd so vollstrecken, als wäre die Immobilie nie veräußert worden, und wird zudem bei der Verwertung der Immobilie bevorzugt behandelt.
20
2. Bürgschaft (cautionnement). Die Bürgschaft ist in den Art. 2011 bis 2043 C. civ. geregelt. Der Bürgschaftsvertrag ist auch im französischen Recht ein einseitig verpflichtender Vertrag. Wie auch im deutschen Recht, verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger, die vertraglichen Verpflichtungen des Schuldners zu erfüllen, falls dieser dies nicht tut. Dies geht aus Art. 2288 C. civ. hervor. Die Bürgschaft setzt als akzessorischer Vertrag stets eine Hauptverbindlichkeit voraus. Aufgrund der Akzessorität der Bürgschaft kann die Verpflichtung aus der Bürgschaft ihrem Umfang nach die vom Schuldner geschuldeten Beträge nicht überschreiten. Zudem kann der Bürge die gleichen Einwendungen aus dem Hauptgeschäft geltend machen wie der Schuldner. Die Bürgschaft unterliegt als Konsensualvertrag grundsätzlich keiner besonderen Formvorschrift.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2401
Das französische Recht unterscheidet zwischen dem sog. cautionnement civil (zivilrechtliche Bürgschaft) und dem sog. cautionnement commercial (handelsrechtliche Bürgschaft). Eine Bürgschaft ist dann eine handelsrechtliche Bürgschaft, wenn sie für den Bürgen ein Handelsgeschäft darstellt (acte de commerce). Dies ist immer dann der Fall, wenn sich ein Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes verbürgt. Als handelsrechtliche Bürgschaft wird auch erachtet, wenn die Bürgschaft bereits kraft ihrer Form eine handelsrechtliche Bürgschaft darstellt wie im Fall der Wechselbürgschaft gemäß Art. L. 511-21 C. com. Von einer handelsrechtlichen Bürgschaft spricht man schließlich auch, wenn es sich um eine Bankbürgschaft handelt, also um eine Bürgschaft, die von einem Kreditinstitut gegeben wird (Art. L. 110-1 n° 7 C. com.). Die Rechtsprechung betrachtet auch eine Bürgschaft, die von einem Geschäftsführer einer französischen GmbH (SARL) oder durch die Geschäftsleitungsorgane einer Aktiengesellschaft (SA) abgeben wird, als eine handelsrechtliche Bürgschaft, auch wenn diese Personen an sich keine Kaufleute sind, sondern vielmehr die Gesellschaft an sich die Kaufmannseigenschaft besitzt. Dies wurde nochmals in einer Entscheidung der Cour de cassation bestätigt (s. Cass. com, 21.02.2006). Ob eine Bürgschaft als handelsrechtliche Bürgschaft angesehen wird oder nicht, hat für die Bürgschaft weitreichende Konsequenzen. So wird bei einer handelsrechtlichen Bürgschaft stets vermutet, dass es sich um eine eine sog. cautionnement solidaire (gesamtschuldnerische Bürgschaft) handelt. Dies ergibt sich nicht aus dem Gesetz, ist jedoch gewohnheitsrechtlich anerkannt. Dies hat für den Bürgen zu Folge, dass er sich weder auf die Einrede der Vorausklage (bénéfice de discussion) noch auf dem sog. bénéfice de division berufen kann. Unter dem bénéfice de discussion versteht man, dass der Bürge erst dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Hauptschuldner nicht zahlt (Art. 2298 C. civ.). Bénéfice de division bedeutet, dass der Gläubiger die Mitbürgen nur anteilsmäßig in Anspruch nehmen kann (Art. 2303 C. civ.). Bei handelsrechtlichen Bürgschaften sind zudem die Handelsgerichte (tribunaux de commerce) zuständig (Art. L. 721-3 C. com.). Zudem gilt im Handelrecht eine zehnjährige und keine dreißigjährige Verjährungsfrist (Art. L. 110-4 C. com). Auch unterliegt die handelsrechtliche Bürgschaft nicht den Beweisvorschriften der Art. 1326 und 1346 C. civ. (s.u.); denn im Handelsrecht können die Beweismittel frei gewählt werden (Art. L. 110-3 C. com.). Ist die Bürgschaft keine handelsrechtliche Bürgschaft, dann ist sie eine zivilrechtliche Bürgschaft. In diesem Fall gelten die bereits angesprochenen Beweisvorschriften. Gem. Art. 1341 C. civ. müssen vertragliche Verpflichtungen, die die Summe von EUR 1.500,00 überschreiten, mittels eines schriftlichen Vertrages nachgewiesen werden. Besondere Beachtung verdient im französischen Recht Art. 1326 C. civ. Danach muss im Zivilrecht bei einseitig verpflichtenden Verträgen, die zu Zahlung einer Geldsumme – wie bei der Bürgschaft – verpflichten, die sich verpflichtende Partei in der Urkunde die sog „mention manuscrite“ ihrer Unterschrift beifügen, d.h. sie muss eigenhändig die Geldsumme, in deren Höhe sie sich verpflichtet, in Zahlen und in Buchstaben auf der Urkunde angeben (Cass. 1re civ., 29.10.2002, Bull. civ. I, n° 1509). Auch Art. 1326 C. civ. ist eine Vorschrift des Beweisrechtes: Wird Art. 1326 C. civ. von den Parteien nicht eingehalten, so ist der Bürgschaftsvertrag grundsätzlich nicht nichtig, verliert aber seine Beweiskraft. Das französische Verbrauchergesetzbuch enthält allerdings für Verbraucherkredite zwingende Formvorschriften (darunter auch eine mention manuscrite, die hier nicht lediglich als Beweis-, sondern als Formvorschrift erachtet wird), deren Nichtbeachtung dann auch
Bauerreis/Neumann
2402
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
die Nichtigkeit des Bürgschaftsvertrags nach sich zieht. Dies ergibt sich aus den Art. L. 313-7 und Art. L. 313-8 Code de la cons. Eine weitere Besonderheit des französischen Bürgschaftsrechts ist die Informationspflicht des Bürgschaftsgläubigers gegenüber dem Bürgen. Den Bürgschaftsgläubiger trifft die Pflicht, den Bürgen bis zum 31.03. eines jeden Jahres über die zum Zeitpunkt des 31.12. des Vorjahres bestehenden Forderungen (Kapital, Zinsen, Nebenkosten) zu informieren (L. 313-22 Code mon. et fin.) Kommt der Gläubiger dieser Verpflichtung nicht nach, so verliert er den Anspruch auf Zinsen für den Zeitraum zwischen der letzten Information und der erneuten Mitteilung über die bestehenden Forderungen (s. Art. L. 313-22 Code mon. et fin.). Wichtig ist es, in zivilrechtlichen Bürgschaftsverträgen die sog. „stipulation de solidarité“ vorzusehen, die es dem Gläubiger erlaubt, den Bürgen direkt in Anspruch zu nehmen, ohne zuvor gegen den Hauptschuldner vorgehen zu müssen. Aufgrund des akzessorischen Charakters der Bürgschaft erlischt diese, wenn die Hauptverbindlichkeit erloschen ist. Befriedigt der Bürge den Gläubiger, so sieht auch das französische Recht einen gesetzlichen Gläubigerwechsel vor (Art. 2314 C. civ.). 21
3. Andere Sicherheiten. a) Selbständige Garantie (garantie autonome). Die selbständige Garantie hat durch Erlass der Rechtsverordnung vom 23.03.2006 eine gesetzliche Grundlage erfahren. Die gesetzliche Regelung der selbständigen Garantie erfolgt in Art. 2321 C. civ. Danach ist die selbständige Garantie eine Verpflichtung, durch welche sich der Garant verpflichtet, auf erstes Anfordern oder nach Erfüllung bestimmter vertraglich vereinbarter Kriterien zu zahlen. Art. 2321 C. civ. hält zwar fest, dass die Garantie im Hinblick auf die Schuld eines Dritten abgegeben wird, aber die selbständige Garantie ist im Gegensatz zur Bürgschaft nicht akzessorisch, sondern vielmehr eine abstrakte Sicherheit. Dadurch unterscheidet sie sich von der Bürgschaft, die stets eng mit dem Schicksal der Hauptverbindlichkeit verbunden ist. Als abstrakte Sicherheit begründet die selbstständige Garantie eine eigene Verbindlichkeit des Garanten. Aufgabe des Richters ist es, aus dem Vertragstext zu entnehmen, ob der Sicherungsgeber eine eigene Verbindlichkeit eingehen wollte oder vielmehr für die Schuld eines anderen hat einstehen wollen. Besteht Unsicherheit darüber, ob es sich bei der Sicherheit um eine Bürgschaft oder eine selbständige Garantie handelt, so geht aus Art. 1162 C. civ. hervor, dass im Zweifel eine Auslegung zugunsten der Partei, die sich verpflichtet hat, erfolgt. Im Zweifel wird der Richter daher in der Verpflichtung des Sicherungssgebers eine Bürgschaft und nicht eine selbständige Garantie sehen. Art. 2321 C. civ. lässt den Personenkreis, der eine solche Garantieerklärung abgeben kann, offen. Auch natürliche Personen können somit grundsätzlich selbständige Garantien abgeben. Allerdings darf der Begünstigte aus der Garantie nicht rechtsmissbräuchlich handeln. Dies ergibt sich aus Abs. 2 des Art. 2321 C. civ. Zudem erfolgt eine Einschränkung des Personenkreises potentieller Garanten durch das französische Verbrauchergesetzbuch, dass untersagt, dass im Rahmen von Verbraucherkrediten, wobei sowohl Mobiliar- als auch Immobliarkredite gemeint sind, selbständige Garantien zur Sicherung des Darlehens abgebeben werden. Zudem können selbständige Garantien nicht im Rahmen von Mietverträgen über Wohnraum abgegeben werden (Art. 22-1-1 des Gesetzes n° 86-462 v. 06.07.1989 zur Verbesserung der Mietverhältnisse). Es gibt verschiedene Arten von selbständigen Garantien. Die selbständige Garantie kann eine sog. garantie à première demande (Garantie auf erstes Anfordern) oder eine sog. garantie documentaire (Garantie bei Vorlage von bestimmten Dokumenten) sein.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2403
Handelt es sich um eine garantie à première demande, so kann die Garantie von dem aus der Garantie Begünstigten jederzeit geltend gemacht werden. Liegt jedoch eine garantie documentaire vor, so ist die Verpflichtung zur Zahlung aus der Garantie daran gebunden, dass der aus der Garantie Begünstigte die sich aus dem Garantievertrag ergebenden Dokumente vorlegt. Da es keine speziellen, auf die Garantie zugeschnittene Form- und Beweisvorschriften bzw. Vorschriften bezüglich des Zustandekommens eines Garantievertrages gibt, gilt das sog. droit commun (allgemeines Recht). Somit kann auch der Garantievertrag grundsätzlich formlos geschlossen werden. Handelt es sich um eine handelsrechtliche Garantie, so gilt wiederum der Grundsatz der preuve libre (Freiheit bei den Beweismitteln). Ist dies nicht der Fall, so sind wiederum die Art. 1326 und Art. 1341 C. civ. zu beachten. Übersteigt die Garantiesumme EUR 1.500, so ist aus Beweisgründen die Schriftform erforderlich (Art. 1341 C. civ.). Zudem ist aufgrund von Art. 1326 C. civ. die sog. mention manuscrite erforderlich; also die handschriftliche Wiedergabe der Summe, für die der Garant einstehen möchte, in Worten und Zahlen. Nach den allgemeinen Regeln zum Vertragsrecht ist stets erforderlich, dass der Vertrag eine sog. cause (Causa) hat. Die cause ist das sog. psychologische Element eines Vertrages: das Motiv für den Abschluss des Vertrages. Die Cour de cassation nahm in einer jüngeren Entscheidung an, dass der Garant eine wirksame Verpflichtung übernimmt, d.h. also eine Verpflichtung, der es nicht an dem erforderlichen psychologichen Element, der cause, mangelt, wenn er selbst ein wirtschaftliches Interesse an dem Abschluss des Vertrages hat und die Garantie als Sicherheit hierfür dient (Cass. com, 19.04.2005, JCP E 2005, S. 916). Möchte der Begünstigte seine Rechte aus der Garantie geltend machen, so kann der Garantieschuldner aufgrund der Abstraktheit der Garantie grundsätzlich keine Einreden geltend machen, die die Schuld des Dritten betreffen, im Hinblick auf die die Garantie abgeben wurde (Art. 2321 Abs. 3 C. civ.). Anders sieht es mit den Einreden aus, die sich aus dem Garantievertrag selbst ergeben. b) Patronatserklärung (lettre d’intention). Auch die Patronatserklärung wurde zwischenzeitlich gesetzlich durch die o.g. Rechtsverordnung v. 26.03.2006 geregelt und in den gesetzlichen Kanon des Code civil aufgenommen. In Art. 2322 C. civ. heißt es nunmehr, dass eine Patronatserklärung eine Erklärung ist, die die Verpflichtung zu einem positiven Tun oder Unterlassen enthält, um den Schuldner in der Erfüllung seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger zu unterstützen. Besondere Formvorschriften sind auch hier nicht einzuhalten. Die Frage, welche rechtliche Konsequenzen an eine Patronatserklärung zu knüpfen sind, könnte weiterhin Schwierigkeiten bereiten, da Art. 2322 C. civ. nicht dazu Stellung nimmt, ob es sich um eine obligation de résultat (Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges) oder lediglich um eine obligation de moyens (Verpflichtung zur Hinwirkung auf das angestrebte Ergebnis) handelt. Früher war die Cour de Cassation sehr zurückhaltend, in einer Patronatserklärung eine obligation de résultat (Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges) zu sehen. Nur wenn die Muttergesellschaft sich ausdrücklich verpflichtete, an die Stelle ihrer Tochtergesellschaft zu treten, falls diese ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, wurde eine solche obligation de résultat angenommen. In einer neueren Entscheidung (Cass. com., 09.07.2002, D. 2002, Jur., 2327, Anm. Lienhard) hat die Cour de Cassation jedoch ihre Rechtsprechung geändert: Nach diesem Urteil ist bereits in der Tatsache, dass eine Muttergesellschaft sich in der Patronatserklärung verpflichtet hat, das „Notwendige zu tun, um das Geschäft zu einem guten Ende zu bringen“, eine obligation
Bauerreis/Neumann
22
2404
23
24
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
de résultat zu sehen. Bislang sah die Cour de Cassation hierin lediglich eine obligation de moyens, d. h. die Pflicht, auf das angestrebte Ergebnis lediglich hinzuwirken. c) Unternehmerische Sicherheiten (nantissement de fonds de commerce). Der Kaufmann kann seinen fonds de commerce zur Sicherheit verpfänden. Unter einem fonds de commerce versteht man die Gesamtheit aller materiellen, beweglichen und immateriellen Güter eines Handelsunternehmens. Eine Legaldefinition des fonds de commerce gibt es nicht. Der fonds de commerce ist als juristischer Terminus im deutschen Recht unbekannt. Geregelt ist der nantissement de fonds de commerce im Gesetz vom 17.03.1909 (abgedr. unter Art. L. 142-1 ff. C. com.). Der nantissement de fonds de commerce beinhaltet die Elemente, die in der Bestellungsurkunde des nantissment aufgeführt sind. Sollte aus dieser Urkunde nicht hervorgehen, auf welche Bestandteile sich der nantissement de fonds de commerce erstreckt, so umfasst dieses das Firmenzeichen (enseigne), die Firma (nom commercial), Ansprüche aus dem Mietvertrag (droit au bail), die Kundschaft (clientèle) und den good-will (achalandage). Das Herzstück des fonds de commerce ist jedoch die Kundschaft. Ohne Kundschaft kann es keinen fonds de commerce geben (Cass. com., 31.05.1988, Bull. civ., IV, n° 180) und somit also auch kein nantissement de fonds de commerce. Neben den oben aufgeführten Elementen kann sich der nantissement noch auf die Geschäftseinrichtung, das zum Betrieb des fonds de commerce benötigte Werkzeug sowie auf Patente, Lizenzen, Markenrechte und sonstiges mit dem fonds de commerce verbundene geistige Eigentum erstrecken (s. im Einzelnen Art. L. 142-2 C. com.). Der Verpfändungsvertrag kann entweder notariell oder privatschriftlich erstellt werden. Der nantissement muss in einem öffentlichen Register beim Tribunal de commerce (Gericht für Handelssachen) innerhalb einer Frist von 15 Tagen (Datum der Bestellungsurkunde für Fristbeginn entscheidend) eingetragen werden. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach der Belegenheit des fonds de commerce. Auch der nantissement de fonds de commerce räumt dem Gläubiger sowohl ein Folgerecht (droit de suite) als auch ein Recht auf vorzugweise Befriedigung (droit de préférence) ein. Ferner muss der Schuldner den Gläubiger informieren, wenn er seinen fonds de commerce an einen anderen Ort verlegt; eine Kündigung des Mietvertrags kann vom Vermieter nur dann ausgesprochen werden, wenn er zuvor dem Gläubiger von der Kündigung informiert hat. d) Abtretung von Mietansprüchen. Die Abtretung von Mietzinsansprüchen ist für den Kreditgeber bei Immobiliendarlehen von besonderem Interesse. Die Höhe der zu erwartenden Mietzinsansprüche wird oft entscheidend dafür sein, ob der Kreditnehmer den Kredit bewilligt bekommt. Die Abtretung der Mietzinsansprüche nach der sogenannten „loi Dailly“ (Art. L. 313-23 ff. C. mon. et fin.) hat gegenüber der zivilrechtlichen Abtretung (vgl. Art. 1690 C. civ.) den Vorteil, dass für die Drittwirksamkeit der Abtretung (Art. L. 313-27 C. mon. et fin.) deren Zustellung an den Schuldner der Forderung nicht erforderlich ist. Die Abtretung nach der „loi Dailly“ erfolgt im Zuge der Übergabe des „bordereau“ (Forderungsliste) an den Zessionar. Die Abtretung kann Dritten (auch den Mietern) mit Datum des „bordereau“ entgegengehalten werden. Die „cession Dailly“ setzt zum einen voraus, dass ein Kreditinstitut (Zessionar) einem Unternehmer (Zedent) zur Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit einen Kredit gewährt und zum anderen, dass es sich bei der abgetretenen Forderung um eine sogenannte „créance professionnelle“ handelt (Forderungen gegenüber Verbrauchern können nicht im Rahmen der „cession Dailly“ abgetreten werden). Nicht nur Mietzinsansprüche können mittels der „cession Dailly“ abgetreten werden, sondern auch andere „créances professionnelles“, hiervon umfasst sind auch Forderungen gegenüber dem Fiskus (z.B. im Rahmen der Wiedererlangung der Mehrwertssteuer). Außerhalb des Anwendungsbereiches der „loi Dailly“ ist auf ein kürzlich ergangenes Urteil der Cour de cassation (Cass. com., 19.12.2006, n° 05-13.395, D. 2007, S. 344), das
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2405
in der Literatur heftig kritisiert wurde (s. insb. Aynes, Recueil Dalloz 2007, S. 961-962; Simler/Delebeque, JCP (Ed. entreprise et affaires) 2007, S. 15) hinzuweisen. Bislang schien sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung die Auffassung gefestigt zu sein, dass auch nach allgemeinem Zivilrecht (droit commun) Ansprüche, insbesondere unter bestimmten Voraussetzungen auch künftige Mietzinsansprüche, zur Sicherheit abgetreten werden können. In der genannten Entscheidung hat die Cour de cassation jedoch die zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche in einen nantissement umgedeutet, was für den Gläubiger u.a. insolvenzrechtliche Probleme (z.B. Notwendigkeit einer Anmeldung der Forderung (déclaration de créances) im Insolvenzverfahren bedeuten kann. Inwiefern die Einführung des Gesetzes zur fiducie (Gesetz n° 2007-211 v. 19.02.2007) hier Abhilfe verschaffen mag, bleibt fraglich. In der Literatur wird derzeit verneint, dass es sich beim dem Gesetz zur fiducie um eine vorrangige, die Vorschriften des Code civil verdrängende Sonderregelung handele (s. hierzu Aynes, a.a.O., S. 962 und Witz, Recueil Dalloz 2007, S. 1369 – 1374). e) Verpfändung von Geschäftsanteilen (nantissement de parts sociales). Geschäftsanteile von Personengesellschaften (z.B. Offene Handesgesellschaft société en nom collectif) oder einer französischen GmbH (SARL) können verpfändet werden. Dies wird dann als nantissement des parts sociales bezeichnet. Handelt es sich nicht um eine sog. société civile (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts), so erfolgt die Verpfändung gemäß Art. 1866 ff. C. civ. Sollen jedoch Anteile an einer handelsrechtlichen Personengesellschaft oder einer GmbH verpfändet werden, so erfolgt die Verpfändung nach den neuen Regeln des nantissement des créances (Verpfändung von Forderungen) gemäß Art. 2356 ff. C. civ. Danach muss der Verpfändungsvertrag schriftlich abgeschlossen werden und in ihm die verpfändeten bzw. zu verpfändenden Forderungen angegeben werden. Damit dem Schuldner der verpfändeten Forderung der Verpfändungsakt entgegengehalten werden kann, muss er zugestellt werden, oder der Schuldner muss Vertragspartei des Pfändungsvertrages sein (Art. 2362 C. civ.).
25
f) Pfandrecht (gage). aa) Grundsätzliche Bemerkungen zum Pfandrecht. Im französischen Recht wird zwischen Pfandrecht mit Besitzaufgabe (gage avec dépossession) und Pfandrecht ohne Besitzaufgabe (gage sans dépossession) unterschieden.
26
Das ist für den deutschen Juristen ungewohnt, da nach deutschem Recht das Pfandrecht an beweglichen Sachen zwingend mit einer Besitzaufgabe an dem verpfändeten Gegenstand verbunden ist. Das Pfandrecht ist in den Art. 2333 bis 2354 C. civ. geregelt. Art. 2333 C. civ. enthält eine Legaldefinition des Pfandrechts. Danach kann ein Pfandrecht nur an körperlichen beweglichen Sachen bestellt werden. Seit der Reform durch die Rechtsverordnung vom 23.03.2006 wird der Pfandvertrag nicht mehr als durch die Übergabe der Pfandsache zustandekommender Vertrag angesehen. Dies beruht darauf, dass die Übergabe des Pfandgegenstandes nicht mehr zwingend erforderlich ist, sondern lediglich eine vertragliche Option darstellt. Das Pfandrecht kann nunmehr sowohl an bereits existierenden Gegenständen als auch an künftigen Gegenständen bestellt werden. Somit können auch die Gegenstände eines Lagers, die sich ständig ändern, verpfändet werden, was als ein großer Vorteil der Reform zu werten ist. Auch kann das Pfandrecht nicht nur gegenwärtige, sondern auch künftige Forderungen sichern. Allerdings muss es sich wiederum um zumindest bestimmbare Forderungen handeln (Art. 2333 Abs. 2 C. civ.).
Bauerreis/Neumann
2406
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Nach Art. 2334 C. civ. kann das Pfandrecht sowohl vom Schuldner als auch von einem Dritten bestellt werden. Die Bestellung eines Pfandrechtes muss schriftlich vorgenommen werden. Dies geht aus Art. 2336 C. civ. hervor. In dem schriftlichen Pfandvertrag muss die zu sichernde Verbindlichkeit angegeben und die verpfändeten Gegenstände bezeichnet werden (s. im Einzelnen Art. 2336 C. civ.). Die Schriftform wird man als Gültigkeitsvoraussetzung für das Zustandekommens des Pfandvertrages halten müssen, so dass es sich beim Pfandvertrag um einen sog. contrat solennel (formbedürftiger Vertrag) handelt. Dritten gegenüber ist der Pfandvertrag wirksam, sobald er in ein spezielles Register, das von der Geschäftsstelle des jeweilig zuständigen Handelsgerichtes (tribunal de commerce) geführt wird, eingetragen wird (dies ergibt sich aus Art. 2338 C. civ. i.V.m. Art. 1 des Dekretes n° 2006-1804 v. 23.12.2006) bzw. wenn es sich um ein Pfandvertrag handelt, in welchem die Besitzaufgabe des verpfändeten Gutes vorgesehen ist, mit der Besitzaufgabe an dem verpfändeten Gut. Dies ergibt sich aus dem Art. 2337 C. civ. Die einzelnen Formalitäten der Eintragung sind in den Art. 2 ff. des Dekretes n° 2006-1804 v. 23.12.2006 festgehalten. Die Eintragung ist gemäß Art. 7 des Dekretes fünf Jahre lang gültig. Bestehen mehrere Pfandrechte an einer Sache, so richtet sich die Reihenfolge der Befriedigung aus der verpfändeten Sache nach der im Register eingetragenen Rangfolge. Der Gläubiger kann durch das Pfandrecht generell bei Nichtbegleichung der gesicherten Verbindlichkeit durch den Schuldner Befriedung dahin gehend erlangen, dass die Sache auf Anordnung des Gerichts zwangsverkauft wird (Art. 2346 C. civ.) und er an durch den Erlös teilweise oder vollständig befriedigt wird oder dass er bei Gericht beantragt, dass das Gut ihm zugesprochen wird (Art. 2347 C. civ.). Nach dem neuen Sicherheitenrecht ist es möglich, dass zwischen Pfandrechtsgläubiger und Pfandrechtsschuldner ein sog. pacte commissoire vereinbart wird. Hierunter versteht man eine Vereinbarung, nach welcher der Pfandrechtsgläubiger im Falle der Nichterfüllung der gesicherten Forderung Eigentümer der verpfändeten Sache wird. 27
bb) Besondere Pfandrechte. Ein besonderes Pfandrecht von Interesse ist die sog. gage de véhicule automobile (Pfandrecht an einem Kraftfahrzeug). Die Rechtsverordnung enthält drei Spezialnormen bezüglich der Verpfändung eines Kraftfahrzeuges, nämlich die Art. 2351 bis 2353 C. civ. Von besonderer Wichtigkeit ist hierbei Art. 2351 C. civ., nach dem die Meldung der Verpfändung des Kraftfahrzeuges bei der Präfektur, die den Kraftfahrzeugschein ausgestellt hat, vorzunehmen ist (Art. 2 Dekret n° 53968 v. 30.09.1953). Ein anderes wichtiges spezielles Pfandrecht ist die sog. gage des stocks (Verpfändung eines Warenlagers). Die Verpfändung eines Warenlagers, eingeführt durch die Rechtsverordnung vom 23.03.2006, ist in den Art. L. 527.1 bis L. 527.11 C. com. geregelt. Es handelt sich hierbei um ein Pfandrecht ohne Besitzaufgabe. Der Pfandvertrag muss zwischen einem Kreditinstitut und einem Unternehmer, genauer gesagt einer juristischen Person des Privatrechts oder einer natürlichen Person in Ausübung ihrer unternehmerischen Tätigkeit, geschlossen werden. Dies ergibt sich aus Art. L. 527-1 C. com. Der Pfandvertrag über ein Warenlager muss schriftlich abgeschlossen werden und die in Art. L. 527-1 C. com. erwähnten Angaben (so muss u.a. die Art und der Wert der verpfändeten Güter als auch deren Verwahrungsort angegeben werden) enthalten. Gegenstand des Pfandrechts sind die sich im Warenlager befindlichen Gegenstände. Diese müssen nicht alle verpfändet werden. Vielmehr soll aus dem Pfandvertrag genau hervorgehen, welche bereits exisitierenden und künftigen Sachen Gegenstand des Pfandver-
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2407
trages sein sollen. Dies kann z.B. mittels eines Lageplans erfolgen. Gegenstände, an denen ein Eigentumsvorbehalt besteht, können nicht verpfändet werden. Dies ergibt sich aus Art. L. 527-3 C. civ. Wird ein solches Pfandrecht bestellt, so ist es in einem Register beim Handelsgericht (tribunal de commerce) einzutragen. Die Eintragung ist hier nicht lediglich eine Frage der Wirksamkeit des Pfandrechtes gegenüber Dritten, sondern vielmehr eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Pfandvertrag. Wird das Pfandrecht nicht oder nicht rechtzeitig eingetragen, so ist es nichtig. Die Eintragung hat innerhalb von 15 Tagen nach Unterzeichnung des Pfandvertrages zu erfolgen. Dies ergibt sich aus Art. L. 527-4 C. com. Auch hier ist wiederum der Zeitpunkt der Eintragung entscheidend für die Reihenfolge der Befriedigung. Die Formalitäten der Eintragung ergeben sich aus den Art. 2 ff. des Dekretes n° 2006-1803 v. 23.12.2006. Die Eintragung über die Verpfändung eines Warenlagers ist fünf Jahre lang gültig (s. Art. 10 des Dekretes). Der Pfandrechtsschuldner kann über sein Warenlager trotz bestehenden Pfandrechts frei verfügen (Art. L. 527-5 Abs. 2 C. com.). Der Gläubiger dieses Pfandrechtes kann vom Schuldner verlangen, dass im Falle des Wertverlustes von 20% oder mehr des Lagerbestandes der Schuldner seinen Lagerbestand entsprechend aufwertet oder ihm die entsprechende Summe zahlt. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht nach, so kann das Kreditinstitut den Kredit fällig stellen und die sofortige Rückzahlung der geschuldeten Gesamtsumme verlangen. Dies geht aus Art. L. 527-7 Abs. 3 C. com. hervor. III. Kreditabwicklung. Kommt der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht nach, so wird das Kreditinstitut versuchen, sich aus den für den Kreditvertrag bestellten Sicherheiten zu befriedigen. Allerdings sieht Art. 1244-1 C. civ. vor, dass zugunsten des sich in Schwierigkeiten befindenden Schuldners, der angerufene Richter unter Abwägung der beiderseitigen Interessen entscheiden kann, dass die vom Schuldner geschuldete Summe über einen Zeitraum, der zwei Jahre nicht überschreiten darf, gestundet wird oder ratenweise abzuzahlen ist.
28
Bei finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners sind zudem die speziellen Vorschriften des Verbrauchergesetzes bzw. bei Unternehmen die speziellen insolvenzrechtlichen Vorschriften zu beachten. 1. Privatpersonen. Wann eine Privatperson überschuldet ist, wird in Art. L. 331-1 Code de la cons. definiert. Danach liegt eine Überschuldung vor, wenn der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen offensichtlich nicht mehr nachkommen kann. Ist der Schuldner nicht nur vorübergehend zahlungsunfähig, sondern besteht keine Aussicht, dass er in absehbarer Zeit seinen Zahlungspflichten nachkommen kann, hat er die Möglichkeit, einen Antrag auf Eröffnung einer procédure de rétablissement personnel (Verbraucherinsolvenzverfahren) zu stellen. In diesem Fall hat sich der Schuldner an die commission de surendettement (Verschuldungskommission), die sich aus Mitgliedern verschiedener Institutionen (Banque de France, Präfektur, Verbraucherverbände etc.) zusammensetzt, in jedem französischen Departement mindestens eine Niederlassung hat und unter der Aufsicht der Banque de France steht, zu wenden (s. im Einzelnen zu der Zusammensetzung der Kommission Art. L. 331-1 Code de la cons.). Der Schuldner muss der Kommission verschiedene Angaben zu seiner Person (Name, Familienstand usw.) und zu seiner finanziellen Situation (Einkommen, laufende Ausgaben, Schulden usw.) machen. Zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Überschuldungsakte an
Bauerreis/Neumann
29
2408
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
die Kommission wird sofort eine Meldung bei der FICB (Fichier des incidents de remboursement des crédits aux particuliers), also einem Register für Privatpersonen, die Schwierigkeiten mit der Rückzahlung ihres Kredites haben, veranlasst. Dieses Register kann von jedem Kreditinstitut eingesehen werden und wird von der Banque de France verwaltet. Die Kommission entscheidet dann, ob die Kriterien für die Eröffnung einer procédure de rétablissement personnel erfüllt sind. Diese Kriterien ergeben sich aus Art. L. 330-1 Code de la cons.: Es muss dem Schuldner offensichtlich unmöglich sein, den laufenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, wobei diese Unmöglichkeit nicht auf Schulden aus unternehmerischer Tätigkeit zurückzuführen sein darf. Zudem muss es sich um einen redlichen Schuldner (débiteur de bonne foi) handeln. Lehnt die Kommission den Antrag des Antragsstellers ab, so kann dieser einen Antrag bei der Kommission stellen, dass sein Fall an den juge de l’exécution (für die Zwangsvollstreckung zuständigen Richter, im Folgenden: JEX) am Tribunal de Grande Instance (Landgericht) weitergeleitet wird. Hält die Kommission den Antrag des Antragsstellers für begründet, wird sie versuchen, eine gütliche Einigung (accord amiable) zwischen dem Antragssteller und dessen Gläubigern (Stundung der Schulden, Ratenzahlung etc.) zu finden. Diese Einigung muss vom JEX für vollstreckbar erklärt werden (s. Art. L. 332-1 Code de la cons.).
30
31
32
Wird keine Einigung erzielt, so entscheidet das Gericht dann über das weitere Vorgehen. Der JEX wird gemäß Art. L. 332-6 Code de la cons. das Verfahren eröffnen. Dieses Urteil über die Verfahrenseröffnung ist gemäß Art. R. 332-15 Code de la cons. im Bulletin officiel des annonces civiles et commerciales (Amtsblatt für zivil- und handelsrechtliche Eintragungen) zu veröffentlichen. Die Gläubiger haben dann zwei Monate Zeit (Art. R. 332-16 Code de la cons.), um ihre Forderungen anzumelden. Der JEX wird die vorgebrachten Einwendungen prüfen und dann mit Urteil die Liquidation des Vermögens des Schuldners anordnen (s. Art. L. 332-8 Code de la cons.). 2. Unternehmen. Nicht nur bei Privatpersonen, sondern auch bei Unternehmen setzt das französische Recht zunächst auf eine gütliche Einigung zwischen Schuldner und Gläubigern. Die entsprechenden Vorschriften beruhen auf dem Gesetz v. 01.03.1984, dem Gesetz v. 25.01.1985 und dem Gesetz v. 26.07.2005. Alle drei Gesetze wurden in den Code de commerce aufgenommen. Bereits die Gesetze von 1984 und 1985 verfolgten das Anliegen, durch präventive Verfahren die Insolvenz von Unternehmen zu verhindern. Durch das nunmehr seit dem 01.01.2006 in Kraft getretene Insolvenzgesetz vom 26.07.2005 soll diesem Anliegen nun noch mehr Nachdruck verliehen werden. a) Präventive Verfahren. Die Verfahren zur Vermeidung der Insolvenz sind in den Art. L. 611-1 ff. C. com. geregelt. Dem Unternehmen stehen hier zwei Verfahren zur Auswahl: das mandat ad hoc und die conciliation. aa) Mandat ad hoc (Ad hoc Beauftragung eines Schlichters). Das Unternehmen kann beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Bestellung eines mandataire ad hoc (Ad hoc Beauftragter) stellen. Das Gericht legt den genauen Auftrag des mandataire ad hoc fest (Art. L. 611-3 C. com.). Regelmäßig nimmt dieser die Rolle eines Schlichters ein. So wird das Gericht ihn z.B. beauftragen gegenüber den Gläubigern eine Vereinbarung über die Stundung der Schulden, Ratenzahlung oder ähnliches zu erwirken. Die durch den mandataire ad hoc für den Schuldner mit dessen Gläubigern erzielte Vereinbarung bleibt vertraulich; sie wird nicht durch Urteil bestätigt. Voraussetzung für dieses Verfahren ist jedoch, dass der Schuldner nicht zahlungsunfähig ist.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2409
bb) Conciliation (Schlichtungsverfahren). Nach Art. L. 611-4 C. com. darf der Schuldner nicht länger als 45 Tage zahlungsunfähig sein, um dieses Schlichtungsverfahren einzuleiten.
33
Die Aufgabe des Schlichters (conciliateur) ist in Art. L. 611-7 C. com. festgelegt. Es geht im Wesentlichen darum, dass der Schlichter eine Einigung zwischen dem sich in einem finanziellen Engpass befindenden Schuldner und seinen Gläubigern erwirken soll. Dieser Vergleich kann durch Urteil bestätigt werden (jugement d’homologation). Dies hat den Vorteil, dass Gläubiger, die im Rahmen der durch Urteil bestätigten Einigung dem Unternehmen neue Mittel zuführen sollen, ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung gegenüber solchen Gäubigern haben, deren Forderungen vor Eröffnung des Schlichtungsverfahrens entstanden sind. Während der Dauer der Durchführung der zwischen dem Unternehmer und seinen Gläubigern gefundenen Einigung sind Klagen und Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen den Unternehmer ausgesetzt. Zudem können sich Mitschuldner, Bürgen und Personen, die eine selbständige Garantie abgegeben haben, auf die durch Urteil bestätigte Einigung berufen. Dies ergibt sich aus Art. L. 611-10 Abs. 3 C. com. Ein Vorteil für Kreditinstitute ist, dass das Datum der Zahlungseinstellung in einem späteren Insolvenzverfahren nicht vor dem Datum liegen kann, das aus dem jugement d’homologation hervorgeht. Hierduch wird eine eventuelle Haftung der Kreditinstitute für Rechtsgeschäfte, die im Rahmen der durch Urteil bestätigten Einigung vorgenommen wurden ausgeschlossen. Ebensowenig können solche Rechtsgeschäfte wegen bereits vorliegender Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens angefochten werden. b) Procédure de sauvegarde (Verfahren zur Rettung des Unternehmens). Die procédure de sauvegarde ist in den Art. L. 620-1 f. C. com. geregelt. Das Unternehmen muss einen Antrag auf Eröffnung des Verfahrens beim zuständigen Gericht stellen. Die Eröffnung eines solchen Verfahrens ist immer nur dann möglich, wenn das Unternehmen seine Zahlungen noch nicht eingestellt hat; sich jedoch in unüberwindbaren Schwierigkeiten befindet, die zur Zahlungseinstellung führen werden (Art. L. 620-1 C. com.). Durch die Eröffnung des Verfahrens werden Klagen und Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen das Unternehmen ausgesetzt (L. 620-21 C. com.). Gem. Art. L. 622-28 C. com. laufen die Zinsen ab dem Zeitpunkt des Eröffnungsurteils mit Ausnahme von Zinsen aus Darlehen mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr nicht weiter. Auch dingliche Rechte können ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht mehr eingetragen werden (s. im Einzelnen Art. L. 622-30 C. com.). Das Gericht bestellt für das Verfahren einen administrateur judiciaire (Verwalter); die Beobachtungsphase beginnt. Der administrateur judiciaire erstellt während der Beobachtungsphase mit dem Unternehmen und eventuell mit Sachverständigen einen Bericht über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Dieser Bericht ist die Grundlage für die Erstellung des plan de sauvegarde (Plan zur Rettung des Unternehmens). Handelt es sich um ein Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitern, werden zwei Gläubigerausschüsse gebildet. Der eine Gläubigerausschuss setzt sich aus den Kreditinstituten des Unternehmens und der andere aus dessen Hauptlieferanten zusammen. Nur Gläubiger, deren Forderung mehr als fünf Prozent der Gesamtforderung ausmacht, sind in den Ausschüssen vertreten. Die beiden Ausschüsse entscheiden mit einer 2/3 Mehrheit darüber, ob der vom administrateur judiciaire vorgeschlagene Plan angenommen wird oder nicht. Die einschlägigen Vorschriften finden sich in den Art. L. 623-1 ff. C. com. Das Gericht entscheidet letztendlich, ob der Plan in der Praxis Aussicht auf Erfolg haben wird (Art. L. 626-1 C. com.). Kommt das Unternehmen seinen Pflichten aus dem Plan nicht nach, kann die Aufhebung des Sanierungsplan beantragt werden (Art. L. 626-27 C.
Bauerreis/Neumann
34
2410
35
36
37
38
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
com.); stellt das Gericht fest, dass das Unternehmen zwischenzeitlich zahlungsunfähig geworden ist, hebt es auf Antrag eines Gläubigers den plan de sauvegarde auf und leitet das Liquidationsverfahren über das Unternehmen ein. c) Insolvenzverfahren. aa) Redressement judiciaire (Sanierung des Unternehmens). Dieses Verfahren ist in den Art. L. 631-1 ff. C. com. geregelt. Ein Unternehmen, welches seine Zahlungen eingestellt hat, muss innerhalb einer Frist von 45 Tagen nach Zahlungseinstellung einen Antrag auf Verfahrenseröffnung stellen (Art. L. 631-4 C. com.). Der Antrag kann auch durch einen Gläubiger gestellt werden oder das Gericht kann das Verfahren von Amts wegen einleiten (s. Art. L. 631-5 C. com.). Die Beobachtungsphase des Verfahrens redressement judiciaire ist weitgehend identisch mit der des Verfahrens im Rahmen der procédure de sauvegarde. Am Ende der Beobachtungsphase wird festgestellt, ob das Unternehmen saniert werden kann oder liquidiert werden muss. bb) Liquidation judiciaire (Liquidation des Unternehmens). Die liquidation judiciaire ist in den Art. L. 640-1 ff. C. com. geregelt. Auch dieser Antrag muss vom Unternehmen innerhalb von 45 Tagen nach Zahlungseinstellung gestellt werden (Art. L. 640-4 C. com.). Ein Antrag auf Liquidation des Unternehmens kann immer dann sofort gestellt werden, wenn die Sanierung des Unternehmens offensichtlich unmöglich ist. Gemäß Art. L. 6412 C. com. findet nunmehr auf kleine, einfache Insolvenzen ein vereinfachtes und vor allen Dingen schnelles Liquidationsverfahren Anwendung; die sog. liquidation judiciaire simplifiée. cc) Période suspecte. Die Phase zwischen dem Zeitpunkt des Urteils über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Zeitpunkt der Zahlungseinstellung wird période suspecte genannt. Rechtshandlungen, die während dieses Zeitraums vorgenommen werden, können bzw. müssen für nichtig erklärt werden (ob eine Rechtshandlung für nichtig erklärt werden muss oder kann, hängt von der Art der Rechtsgeschäfte ab; s. im Einzelnen Art. L. 632-1 f. C. com.). d) Stellung des Kreditinstitutes als Gläubiger. Das Kreditinstitut muss seine Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, anmelden. Die Anmeldepflicht gilt sowohl für das „klassische“ Insolvenzverfahren als auch für die neue procédure de sauvegarde. Die Anmeldungsfrist beträgt zwei Monate beginnend mit der Veröffentlichung des Urteils über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Bulletin officiel des annonces civiles et commerciales (BODACC). Gläubiger, die ihren Wohnort bzw. Sitz außerhalb Frankreichs haben, haben zwei Monate länger Zeit ihre Forderung anzumelden (s. Art. R. 622-24 C. com.). Wird die Anmeldung der Forderung nicht fristgemäß vorgenommen, so führt dies grundsätzlich zu einem Ausschluss der Forderung wegen Fristablauf. Die Einzelheiten der Forderungsanmeldung sind in den Art. R. 622-21 bis Art. R. 622-26 C. com. geregelt. Inwieweit die Forderungen des Kreditinstitutes befriedigt werden, hängt weitergehend von der Qualität dieser Forderungen ab. Hier wird unterschieden zwischen den sog. créances chirographaires (nachrangige Forderungen) und den créances priviligiées (bevorrechtigte Forderungen). Das Kreditinstitut, welches seine Forderungen z.B. durch eine Hypothek abgesichtert hat, wird größere Chancen haben, seine Forderung zumindest teilweise befriedigt zu bekommen als ein Kreditinstitut, das eine ungesicherte Forderung anmeldet. In Art. L. 622-17 und Art. L. 641-13 C. com. ist die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger im Rahmen der einzelnen Verfahren aufgelistet. Besonderen Vorrang genießen die Lohnforderungen von Arbeitnehmern.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2411
C. Konto- und Zahlungsverkehr
39
I. Konto. 1. Girogeschäft. a) Compte courant und compte de dépôt. Zunächst soll auf die in der Literatur und Rechtsprechung vorgenommene Unterscheidung zwischen compte courant und compte de dépôt eingegangen werden. Beide Termini kann man mit Girokonto übersetzen. Einige Autoren machen die Unterscheidung zwischen den beiden Konten daran fest, dass dann, wenn es sich bei dem Kunden um einen Kaufmann handele, ihm ein compte courant eingeräumt werde. Anderenfalls sei das dem Kunden zur Verfügung gestellte Konto rechtlich als compte de dépôt einzuordnen. Besser und zutreffender ist jedoch die Unterscheidung von Trouche-Doerflinger („La distinction entre compte de dépôt et compte courant“, PA 1998 S. 4 – 12) die in dem compte courant ein Girokonto mit Dispositionskredit und in dem compte de dépôt ein Girokonto auf Guthabenbasis sieht. Letzlich stellt Trouche-Doerflinger (a.a.O.) zutreffend fest, dass der Streit über die jeweilige Bezeichnung des Kontos von sekundärer Bedeutung ist, da gemäß Art. 1134 C. Civ. nicht entscheidend sei, wie die Parteien das Konto nennen, sondern was nach ihrem Willen Inhalt des Vertrages sein. b) Droit au compte (Anspruch auf ein Girokonto). Aus Art. L. 312-1 Code mon. et fin. geht hervor, dass sowohl jede natürliche als auch jede juristische Person mit Domizil in Frankreich das Recht auf Eröffnung eines Kontos (compte de dépôt) hat, sofern sie noch kein Konto in Frankreich unterhält. Jedoch können Kreditinstitute ihrerseits dem Kunden die Kontoeröffnung verweigern, denn der Kontoeröffnung liegt ein Vertrag zugrunde, in welchem Kunde und Kreditinstitut nach dem Konsensualprinzip ihre diesbezüglich übereinstimmenden Willenserklärungen abgeben. Das Kreditinstitut muss also grundsätzlich die Möglichkeit haben, den Antrag des Bankkunden auf Kontoeröffnung abzulehen. Allerdings sieht Art. L. 312-1 Code mon. et fin. ebenfalls vor, dass im Fall einer Ablehnung eines Antrages auf Kontoeröffnung der Kunde sich an die Banque de France wenden kann, die für ihn ein Kreditinstitut zwecks Kontoeröffnung auswählt. Bei natürlichen Personen besteht zudem seit dem 28.04.2006 für den Kunden die Möglichkeit, das Kreditinstitut, welches seinen Antrag auf Kontoeröffnung abgelehnt hat, aufzufordern, sich an die Banque de France für ihn zu wenden, damit diese ihm ein Kreditinstitut bezeichne, das ihm schließlich die Kontoeröffnung gewähren muss. Diese neue Möglichkeit wurde in einem Abkommen zwischen der Banque de France und der Fédération Bancaire Française (französischer Bankenverband) vorgesehen. c) Formalitäten der Kontoeröffnung. Grundsätzlich hat das Kreditinstitut in Frankreich folgende Formalitäten bei der Kontoeröffnung zu beachten: aa) natürliche Personen: Das Kreditinsitut muss die Identität z. B. durch Vorlage eines Reisepasses oder eines Personalausweises überprüfen. Zudem muss es den angegebenen Wohnort regelmäßig durch Vorlage einer Stromrechnung verifizieren. bb) juristische Personen: Bei juristischen Personen muss das Kreditinstitut sich folgende Dokumente vorlegen lassen: Handelsregisterauszug (extrait K bis), beglaubigter Gesellschaftsvertrag, Photokopie der Personalausweise der Geschäftsführer. Bei Neugründungen von SA oder SARL ist zudem zu überprüfen, ob das Gesellschaftskapital auf ein separates Konto eingezahlt wurde. Zudem muss das Kreditinstitut das bei der Banque de France geführte Zentralregister über Bankverbote (fichier central des interdits bancaires et judiciares) einsehen. Das Kreditinstitut muss zudem das Zentralregister, das Auskunft über Rückzahlungsaufälligkeiten bei Krediten an Einzelpersonen gibt (fichier des incidents des remboursements des crédits aux particuliers), konsultieren. d) Form- und Beweisvorschriften. Ist der Kunde ein Kaufmann, kann der Beweis für die Eröffnung eines Kontos grundsätzlich durch alle Beweismittel erbracht werden. Dies geht
Bauerreis/Neumann
40
41 42
43
44
2412
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
aus Art. 1341 Abs. 2 C. civ. i.V.m. Art. L. 110-3 C. com hervor, dem zufolge für den Kaufmann bei Handelsgeschäften der Grundsatz der preuve libre (Freiheit bei den Beweismitteln) gilt. Ebensowenig sind in diesem Fall besondere Formvorschriften zu beachten. Ist der Kunde kein Kaufmann, so findet wiederum Art. 1341 C. civ. Anwendung. Nach dieser Vorschrift müssen vertragliche Verpflichtungen, die die Summe von EUR 1.500,00 überschreiten, mittels eines schriftlichen Vertrages nachgewiesen werden. Die Loi Murcef n° 2001-1168 v. 11.12.2001 fand hinsichtlich der Beziehung zwischen Bank und Kunde in den Art. L. 312-1 ff. Code mon. et fin. Eingang. In Art. L. 312-1-1 Code mon et fin. wird ausdrücklich festgehalten, dass bei Konten von Verbrauchern die Schriftform eingehalten werden muss. Dies gilt für alle Konten, die nach dem 28.02.2003 eröffnet wurden. Bei Konten, die vor diesem Datum eröffnet worden sind, muss das Schriftformerfordernis nicht zwingend nachgeholt werden; der Kunde hat allerdings das Recht bei seinem Kreditinstitut einen schriftlichen Vertrag einzufordern. 45
46
e) Einzelheiten zur Kontoführung und -beendigung. Im Ministererlass v. 08.03.2005 werden im Detail die Vorschriften hinsichtlich der Eröffnung, der Führung und der Auflösung eines Kontos festgehalten. Ebenso festgehalten werden die Informationspflichten der Kreditinstitute hinsichtlich der für Bankdienstleistungen anfallenden Gebühren. Ändert sich eine Gebühr, so hat das Kreditinstitut den Kunden mindestens drei Monate von Inkraftreten schriftlich hierüber zu informieren. Widerspricht der Kunde diesem geänderten Tarif nicht innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der schriftlichen Information, so gilt der geänderte Tarif als vom Kunden angenommen. In Art. D. 312-6 Code mon. et fin. wird festgehalten, dass die unter Art. D. 312-5 Code mon. et fin. genannten Bankdienstleistungen (Kontoeröffnung und -schließung, Kontoauszüge, Nutzung des Lastschriftverfahrens etc.) für den Kunden kostenlos sein müssen. Gem. Art. 4 c) des Ministererlasses v. 08.03.2005 müssen dem Kunden, soweit dies nicht anders vereinbart wurde, regelmäßig, mindestens einmal im Monat, Kontoauszüge über sein Konto von dem Kreditinstitut zur Verfügung gestellt werden. Wird der Vertrag über das Konto auf unbestimmte Zeit geschlossen, so haben beide Parteien das Recht den Vertrag zu kündigen. Allerdings muss das Kreditinstitut eine angemessene Kündigungsfrist einhalten. Dies ergibt sich aus den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften (droit commun). Wurde das Konto durch Veranlassung der Banque de France zwangsweise eröffnet, sind zudem die Abs. 5 und 6 des Art. L. 312-1 Code mon. et fin. zu beachten: Möchte das Kreditinstitut den Vertrag über die Führung des Girokontos beenden, so muss es eine Kündigungsfrist von mindestens 45 Tagen einhalten. Außerdem muss es die Kündigung gegenüber dem Kunden schriftlich erklären und diese begründen. Die Banque de France muss dann das Kündigungsschreiben zur Kenntnisnahme erhalten. 2. Kontenarten. a) Gemeinschaftliches Konto (compte joint). Ein gemeinschaftliches Konto schließt das Kreditinstitut mit mehreren Personen, d.h. mehreren Kontoinhabern. Innerhalb des gemeinschaftlichen Kontos gibt es verschiedene Unterarten, denn es wird zwischen einem gemeinschaftlichen Konto als Und-Konto und einem gemeinschaftlichen Konto als Oder-Konto unterschieden. Beim Und-Konto müssen alle Kontoinhaber unterschreiben, beim Oder-Konto hingegen reicht regelmäßig eine Unterschrift aus, um Kontobewegungen – z.B. Überweisung oder Abhebung – durchzuführen. Bei einem gemeinschaftlichen Konto sind die Kontoinhaber Gesamtschuldner. Weist also das Girokonto einen Negativsaldo auf, so kann das Kreditinstitut die vollständige Summe von einem der Kontoinhaber verlangen.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2413
b) Terminkonto (compte à terme). Bei einem Terminkonto kann während einer bestimmten vertraglich festgelegten Zeit nicht über das Kontoguthaben verfügt werden. Im Gegenzug erhält der Kontoinhaber eine Vergütung.
47
c) Sparkonto (compte d’épargne). Das Sparkonto ist seinem Wesen nach ein compte de dépôt (s.o.). Allerdings weist es besondere Vorzüge hinsichtlich der Verzinsung auf. Zudem sind mit dem Sparkonto oft steuerliche Vorteile verbunden.
48
II. Zahlungsverkehr. Der Zahlungsverkehr bedient sich auch in Frankreich verschiedener Arten von Zahlungsmitteln, wobei in Frankreich die Barzahlung in Frankreich eine geringere Bedeutung und die Scheckzahlung eine größere Bedeutung hat als in Deutschland. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf Art. 1649 quater B CGI (Code général des impôts), d.h. eine Vorschrift des französischen Steuerrechts, nach welcher Zahlungen über EUR 3.000 gemäß den Vorgaben des Art. L. 122-8 Code mon. et fin. zu erfolgen haben. Solche Zahlungen müssen per Scheck erfolgen oder sonst durch eine Kontobewegung nachvollziehbar sein.
49
1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften. a) Überweisungen. Die Zahlung per Überweisung (virement) ist in Frankreich weit weniger verbreitet als in Deutschland. Einzelne Zahlungen werden regelmäßig per Scheck und nicht per Überweisung vorgenommen. Ungeachtet dessen besteht auch in Frankreich die Möglichkeit, Überweisungen vorzunehmen. Unter einer Überweisung versteht man die Weisung an die Bank, eine bestimmte Summe vom eigenen Konto auf ein anderes Konto zu transferieren. Man unterscheidet – wie in Deutschland – grundsätzlich zwischen einmaligen Überweisungen und der Überweisung in Form eines Dauerauftrags (z.B. Mietzahlung). Die Überweisung bedarf keiner speziell gesetzlich vorgeschriebenen Form. Es gibt grundsätzlich in Frankreich keine speziellen gesetzlichen Regelungen zum Überweisungsverkehr. Häufig werden Aufträge für Einzelüberweisungen auf papier libre (ohne Vordruck) erteilt. Es wird grundsätzlich zwischen dem ordre de virement und der opération de virement unterschieden. Das ordre de virement wird rechtlich als Auftrag (mandat) eingeordnet. Der Auftrag ist in den Art. 1984 ff. C. civ. geregelt. Die opération de virement hingegen wird als Übertragung von Buchgeld eingestuft. Diese Übertragung wird dadurch vollzogen, dass das Konto des Überweisenden in Höhe des Überweisungsbetrages belastet und dem Begünstigten in gleicher Höhe gutgeschrieben wird.
50
Sobald das Konto des Überweisenden mit der in der Überweisung ausgewiesenen Summe belastet wurde, kann dieser die Überweisung nicht mehr widerrufen (D. 1983, I.R., S. 469). Eine Überweisung kann nur dann als schuldbefreiende Zahlung gewertet werden, wenn die zu zahlende Summe auf dem Konto des Begünstigten gutgeschrieben wurde (Cass. civ., 23.06.1993, Bull. civ. I, n° 229). Die Richtlinie 97/5/ EG v. 14.02.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen wurde in Frankreich in Art. L. 133-1 Code mon. et financier umgesetzt. Die Einzelheiten zu Art. L. 133-1 Code mon. et fin. wurden im Erlass v. 21.07.1999 geregelt. In Art. 1 wird festgehalten, dass sich die entsprechenden Vorschriften nur auf Überweisungen bis zu EUR 50.000 beziehen. Zudem wird in dem Erlass auf die einzelnen Informationspflichten des Kreditinstitutes für Überweisungen innerhalb der Europäischen Union eingegangen. b) Gut- und Lastschriften. aa) Allgemeines. Lastschriften können nur mit der Einwilligung des Schuldners vorgenommen werden. Deswegen muss zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger ein Vertrag geschlossen werden, in dem der Schuldner dem Gläubiger seine Einwilligung erteilt, Abbuchungen zu seinen Lasten vorzunehmen. Außerdem muss
Bauerreis/Neumann
51
2414
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
ein Vertrag zwischen dem Kreditinstitut und dem Schuldner geschlossen werden, in dem der Schuldner das Kreditinstitut bevollmächtigt, die vom Gläubiger eingereichten Lastschriften einzulösen. Beide Rechtsgeschäfte sind rechtlich als widerruflicher Auftrag, geregelt in den Art. 1984 ff. C. civ., zu werten. 52
bb) TIP (einmalige Einzugsermächtigung). Bei den Lastschriften unterscheidet man zwischen den sog. prélèvements automatiques und dem TIP (Titre Interbancaire de Paiement) als einmaliger Einzugsermächtigung. Einmalige Lastschriften werden folglich in Form eines sog. TIP als einmalige Einzugsermächtigung vorgenommen. In der Praxis hat er in Frankreich besondere Bedeutung, da er im Gegensatz zu einer generellen Einzugsermächtigung nur zum einmaligen Einzug einer bestimmten Summe ermächtigt. In der Praxis funktioniert der TIP wie folgt: Der Gläubiger sendet dem Schuldner mit der Rechnung einen TIP (auf dem TIP sind die Bankkoordinaten wie Kontonummer und BLZ des Schuldner (der sog. RIB (Relevé d’Identité Bancaire) und die Höhe der Summe, welche der Gläubiger einziehen darf, vermerkt), der Schuldner unterzeichnet den TIP und sendet ihn an das bezeichnete Zentrum, das eine besondere Zulassung für diese Art von Zahlungsverkehr hat, zurück.
53
54
55
cc) Prélèvement automatique (Dauerauftrag). Der Dauerauftrag (prélèvement automatique) wird bei häufig immer wiederkehrenden Zahlungen – wie z.B. Strom- oder Telefonkosten – verwendet. Der Nachteil des Dauerauftrags besteht für den Schuldner darin, dass er „die Zügel aus der Hand gibt“, indem er zuvor den Gläubiger ermächtigt, die Abbuchung der jeweils fälligen Zahlungen ohne sein Zutun zu veranlassen. 2. Scheck- und Kartengeschäft. a) Scheck. aa) Allgemeines. Der Scheck ist ein in Frankreich stark verbreitetes Zahlungsmittel. Er ist ein Wertpapier mit der Anweisung einer natürlichen oder juristischen Person an das Kreditinstitut, a vista zu bezahlen. Drei Personen sind bei einem Scheckgeschäft beteiligt: der Aussteller (le tireur), der Bezogene (le tiré) und der Begünstigte (le bénéficiaire). Ob die Ausstellung eines Schecks als Handelsgeschäft (acte de commerce) anzusehen ist, hängt von der Identität des Ausstellers ab. Die Ausstellung eines Schecks wird dann als Handelsgeschäft angesehen, wenn der Aussteller des Schecks Kaufmann ist und im Rahmen seines Handelsgewerbes einen Scheck ausstellt (Jeantin/Le Cannu/Granier, Rn. 10). Die Ausstellung eines Schecks ist jedoch nicht wie beim Wechsel (Art. L. 110-1 n° 10 C. com.) kraft der Form des Schecks ein Handelsgeschäft. bb) Pflichten des Kreditinstitutes bei Ausgabe von Schecks. Bevor ein Kreditinstitut erstmals Mal Schecks an einen Neukunden ausgibt, muss es bei der Banque de France Erkundigungen anstellen, ob der Neukunde bereits wegen Zahlungsschwierigkeiten (incidents de paiement) aufgefallen ist (s. Art. 30 Dekret n° 92-456 v. 22.05.1992). Aus Art. L. 163-6 C. com. geht zudem hervor, dass ein Kreditinstitut, das von der Banque de France darüber informiert wurde, dass jemandem untersagt wurde, Schecks auszustellen, an eine solche Person keine Schecks ausgeben darf. Gibt ein Kreditinsitut an einen Kunden Schecks aus, obwohl bereits Zahlungsschwierigkeiten bekannt waren, kann es sich dem Begünstigten gegenüber gemäß Art. 1382 C. civ. schadensersatzpflichtig machen. Ein Kreditinstitut kann grundsätzlich die Ausgabe von Schecks an einen Kunden verweigern, wenn es dies entsprechend begründet (s. im Einzelnen Art. L. 131-71 Code mon. et fin.).
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2415
cc) Gesetzliche Grundlagen. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in Art. L. 131-1 ff. Code mon. et fin., welche im Wesentlichen die Vorschriften das Einheitlichen Scheckgesetzes (Genfer Abkommen v. 19.03.1931) wiedergeben.
56
dd) Zwingende Angaben. In Art. L. 131-2 Code mon. et fin. ist festgehalten, welche zwingenden Angaben ein Scheck aufweisen muss. Die Angaben stimmen mit § 1 des dt. ScheckG überein. Fehlt eine dieser zwingenden Angaben, so liegt grundsätzlich kein Scheck vor (Art. L. 131-3 Code mon. et fin.)
57
ee) Einlösung eines Schecks. Das bezogene Kreditinstitut muss stets vor Einlösung des Schecks prüfen, ob die formalen Voraussetzungen des Schecks eingehalten wurden, ob also die zwingenden Angaben des Art. L. 131-2 Code mon. et fin. gemacht wurden. Zudem muss es überprüfen, ob eine ununterbrochene Indossamentenkette vorliegt (Art. L. 13138 Code mon. et fin.). Anderenfalls kann sich das bezogene Kreditinstitut schadensersatzpflichtig machen (s. Jeantin/Le Cannu, Granier, Rn. 90). Übergibt der Begünstigte den Scheck der Bank, so ist hierin grundsätzlich eine unwiderrufliche Zahlungsanweisung zu sehen. Die Übergabe des Schecks an sich hat allerdings noch keine schuldbefreinde Wirkung. Diese Wirkung tritt erst dann ein, wenn aus dem Scheck die Zahlung erfolgt (Art. L. 131-67 Code mon. et fin.).
58
Grundsätzlich muss die bezogene Bank aus dem Scheck zahlen. Dies gilt auch dann, wenn der Scheck nicht innerhalb der Frist zur Vorlegung (Art. L. 131-35 Code mon. et fin.) vorgelegt wurde. Die Frist zur Vorlegung des Schecks beträgt gemäß Art. L. 131-32 Abs. 1 Code mon. et fin. acht Tage, wenn der Scheck in Frankreich ausgestellt wurde und dort zahlbar ist. Anderenfalls verlängert sich die Frist zur Vorlage des Schecks gemäß Abs. 2 des o.g. Artikels. Hält der Inhaber die Vorlegefrist nicht ein, verliert er die Möglichkeit, gegen die Indossanten und den Aussteller vorzugehen (Art. L. 131-47 Code mon. et fin.). Die Cour de cassation hat jedoch in einem Urteil v. 07.01.1997 entschieden, dass der Inhaber auch bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Frist gegen den Aussteller vorgehen kann, wenn dieser zum Zeitpunkt der Ausstellung nicht für eine entsprechende Deckung Sorge getragen hat (Cass. Com., 07.01.1997, Bull. 1997 n° 4, S. 3). Löst das Kreditinstitut den Scheck nicht ein, obwohl der Scheck gedeckt und auch nicht gesperrt ist, kann sie sich gegenüber dem Aussteller schadensersatzpflichtig machen (Art. L. 131-70 Abs. 2 C. mon. et fin.). Eine Sperrung des Schecks (opposition) wird nur im Falle des Diebstahls, des betrügerischen Gebrauchs, des Verlustes oder der Insolvenz des Inhabers zugelassen (Art. L. 131-35 Code mon. et fin.). Der Scheck muss bereits bei Ausgabe gedeckt sein, da dem Inhaber zu diesem Zeitpunkt bereits die im Scheck ausgewiesene Summe zufällt. Sollte der Scheck nicht gedeckt sein, kann das bezogene Kreditinstitut, nachdem es den Kontoinhaber über die rechtlichen Folgen eines ungedeckten Schecks aufgeklärt hat, die Einlösung des Schecks grundsätzlich verweigern (Art. L. 13173 Code mon. et fin.). Die Möglichkeit, die Einlösung des Schecks zu verweigern, hat das Kreditinstitut allerdings dann nicht, wenn der Geldbetrag über den der Scheck ausgestellt wurde, EUR 15,00 nicht übersteigt (s. Art. L. 131-82 Code mon. et fin.). Von dieser Vorschrift kann auch nicht durch Parteivereinbarung abgewichen werden. In diesen Fällen muss das Kreditinstitut auch ungedeckte Schecks einlösen. Um einem möglichen Missbrauch entgegenzuwirken, stellt Art. 40 des Dekretes n° 92-456 v. 22.05.1992 die künstliche Teilung einer Zahlung in mehrere Schecks bis zu EUR 15,00 unter Strafe. Sorgt der Aussteller des Schecks nicht schnellsmöglichst für die Deckung seines Kontos oder einigt sich mit dem Begünstigten anderweitig, indem er z.B. den Scheck einzieht und seinen Gläubiger bar bezahlt, droht ihm der sog. interdit bancaire (Bankverbot). Dies bedeutet
Bauerreis/Neumann
2416
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
eine Eintragung im Fiche national des chèques irréguliers (FNCI) und das damit verbundene Verbot, im Laufe der nächsten fünf Jahre Schecks auszustellen (s. Art. L. 131-70 bis Art. L. 131-86 Code mon. et fin.). Weitere Ausnahmen vom Grundsatz, dass das bezogene Kreditinstitut trotz nicht ausreichender bzw. gar keiner Deckung des Schecks zahlen muss, sind in Art. L. 131-81 Code mon. et fin. aufgelistet. 59
ff) Protest. Erfolgt keine Zahlung aus dem Scheck, kann also der Scheck nicht eingelöst werden, so muss der Inhaber Protest (protêt) einlegen (der Protest ist in den Vorschriften Art. L. 131-60 bis Art. L. 131-68 Code mon. et fin. geregelt). Der Protest muss von einem Notar (notaire) bzw. einem Gerichtsdiener (huissier) gemäß der Verfahrens- und Formvorschriften des Art. L. 131-61 ff. Code mon. et fin. aufgenommen werden. Der Protest ist die offizielle Feststellung, dass der Scheck nicht eingelöst wurde. Die Einlegung des Protests ist erforderlich, um sich als Inhaber seinen Rückgriff gegen die Indossanten, Aussteller und die anderen aus dem Scheck Verpflichteten zu sichern (s. Art. L. 131-47 Code mon et fin.). Der Prostest muss vor Ablauf der Vorlegungsfrist eingelegt werden (Art. L. 131-48 Code mon. et fin.).
60
gg) Rückgriff mangels Zahlung. Gemäß Art. L. 131-47 Code mon. et fin. kann der Inhaber, wenn er die mangelnde Zahlung aus dem Scheck mittels Protest hat feststellen lassen, gegen den Aussteller, die Indossanten und die anderen Scheckverpflichteten vorgehen.
61
hh) Verjährung. Die Rechte des Inhabers, aus dem Scheck gegenüber dem Bezogenen Zahlung zu verlangen, verjähren gemäß Art. L. 131-59 Abs. 2 S. 2 Code mon. et fin. innerhalb eines Jahres beginnend mit Ablauf der Vorlagefrist. Die Rückgriffsrechte gegenüber den anderen Scheckverpflichteten, insbesondere gegenüber dem Aussteller und den Indossanten, verjähren in sechs Monaten beginnend mit Ablauf der Vorlagefrist (Art. L. 131-59 Abs. 1 Code mon. et fin.).
62
ii) Gekreuzter Scheck (chèque barré). Der gekreuzte Scheck ist in Frankreich die Regel. Die meisten Scheckformulare sind bereits vorgekreuzt. Der gekreuzte Scheck muss über ein Bankkonto eingelöst werden (s. Art. L. 131-45 Code mon. et fin.).
63
b) Kreditkarte. Die Kreditkarte oder Zahlkarte (carte de paiement) ist in Art. L. 132-1 ff. Code mon. et fin. geregelt. Die carte bancaire ist in Frankreich die Kreditkarte, die besonders verbreitet ist. Man erkennt sie an dem Kürzel CB, das auf der jeweiligen carte bancaire vermerkt ist. Sie wird von den französischen Banken und Sparkassen ausgegeben. Umgangssprachlich wird die carte bancaire auch als carte bleue bezeichnet. Mit ihr kann man in Frankreich an allen Geldautomaten, die mit dem Zeichen CB versehen sind, Geld abheben. Handelt es sich um eine carte bancaire internationale, gilt dies auch für Abhebungen an ausländischen Geldautomaten. Zudem kann man mit ihr im Einzelhandel zahlen. Nach der Legaldefinition (Art. L. 132-1 Code mon. et fin.) ist die carte bancaire eine Karte, die ihrem Inhaber erlaubt, mit ihr Geld abzuheben oder zu transferieren. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Definition übersieht, dass die carte bancaire dem Inhaber häufig zudem einen Kredit einräumt, zum einen wenn die Belastung nicht unmittelbar auf dem Konto vorgenommen wird und zum anderen wenn die Eröffnung einer Kreditlinie mit der Ausgabe der carte bancaire verbunden ist (Bonneau, Rn. 441). Die französischen cartes bancaires sind grundsätzlich sog. cartes à puce, d.h. sie funktionieren mit einem Chip, der vor Missbrauch schützen soll.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2417
Aus Art. L. 132-2 Code mon. et fin. folgt, dass die Zahlungsanweisung mittels einer solchen Karte grundsätzlich unwiderruflich ist, es sei denn, es liegt ein Fall des Diebstahls, des Verlustes oder der Insolvenz des Begünstigten vor. In diesen Fällen kann der Zahlung widersprochen werden (opposition au paiement). Dies ergibt sich aus Art. L. 132-2 Code mon. et fin. Im Fall des Verlustes oder des Diebstahls der Karte muss der Karteninhaber für die entstandenen Schäden aufkommen, die vor der Verlust- bzw. Diebstahlsmeldung (opposition au paiement) eingetreten sind. Allerdings darf die Summe, für welche der Karteninhaber aufzukommen hat, EUR 400,00 nicht überschreiten. Diese Begrenzung gilt nur dann nicht, wenn der Karteninhaber grob fahrlässig gehandelt oder nicht baldmöglichst den Verlust oder Diebstahl gemeldet hat (s. im Einzelnen Art. L. 132-3 Code mon. et fin.). Die Benutzungsbedingungen der carte bancaire werden im Wesentlichen vertraglich festgelegt. Zwei Verträge sind notwendig, um die Kreditkartenbenutzung zu ermöglichen: a.) Der Vertrag, den der Inhaber der carte bancaire mit seinem Kreditinstitut (sog. contrat porteur) abschließt und b.) der Vertrag, den der Kaufmann, der die Zahlung per Karte annimmt, mit seinem Kreditinstitut unterzeichnet. Die Zahlung durch carte bancaire wird durch Angabe des Geheimcodes, zu dessen Geheimhaltung der Karteninhaber verpflichtet ist, bewirkt. In dem contrat porteur kann entweder vereinbart werden, dass jeder Kauf mit der carte bancaire sofort das Konto belastet (débit immédiat) oder dass das Konto erst am Monatsende mit den mittels der Kreditkarte getätigten Zahlungen belastet wird. Im letzteren Fall spricht man von einem sog. débit différé. Besonders zu erwähnen sind die sog. cartes accréditives, d.h. Karten, die von speziellen Kreditinstituten ausgegeben werden, bei denen der Karteninhaber kein Konto unterhält. Beispiele für sog. cartes accréditives sind die American Express oder die Diners’Club. Ebenfalls aufzuführen sind die cartes de retrait. Handelt es sich bei der Karte um eine carte de retrait (Kundenkarte), können mit ihr lediglich Abhebungen bei Kreditinstituten, die zum Netz des kontoführenden Kreditinstituts gehören, vorgenommen werden.
D. Kapitalmarktrecht
64
I. Allgemeines. 1. Die Pariser Börse. Euronext Paris SA ist eine Aktiengesellschaft des französischen Rechts (société anonyme) der Unternehmensgruppe Euronext Group und verwaltet in ihrer Eigenschaft als Marktunternehmen (entreprise de marché) im Sinne von Art. L. 441-1 Code mon. et fin. den geregelten Markt Eurolist in Paris. Der Markt Eurolist entstand am 21.02.2005 durch Übernahme der Börsennotierung der am Ersten Markt (premier marché), Zweiten Markt (second marché) und Neuen Markt (nouveau marché) der ehemaligen Börse von Paris notierten Unternehmen. Der Eurolist wurde am 04.04.2005 auf die Finanzmarktplätze Amsterdam, Brüssel und Lisabon erweitert. Die Euronext Paris SA bietet darüber hinaus seit dem 17.05.2005 kleinen und mittelständigen Unternehmen als Alternative den (nicht geregelten) Markt Alternext mit vereinfachten Zugangskonditionen an. Die Finanzgeschäfte werden außerdem auf dem von der Euronext Paris SA geregelten Markt Euronext.Liffe Paris gehandelt, der aus dem Zusammenschluss der MATIF- und MONEP-Märkte entstanden ist. 2. Börsenaufsicht. Die Börsenaufsicht erfolgt in Frankreich durch die AMF. Dieses Kontrollorgan ersetzt und übernimmt seit Inkrafttreten des Gesetzes n° 2003-706 v. 01.08.2003 über die Sicherheit der Finanzmärkte (Loi de sécurité financière) die Aufgaben des ehemaligen Conseil des Marchés Financiers (CMF) sowie der Commission des opérations de Bourse (COB). Die AMF ist eine unabhängige öffentliche Behörde (autorité publique indé-pendante) mit Rechtspersönlichkeit. Sie besteht gemäß Art. L. 621-1 Code
Bauerreis/Neumann
65
2418
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
mon. et fin. aus einem Entscheidungsgremium (collège), einem Sanktionsausschuss (commission des sanctions) und gegebenenfalls aus Sonder- und Beratungsausschüssen (commissions spécialisées et consultatives) (Art. L. 621-2-I Code mon. et fin.). Die Kernkompetenzen der AMF werden vom Entscheidungsgremium ausgeübt, das aus 16 Mitgliedern besteht. Hiervon werden 13 Mitglieder entweder aufgrund ihrer Funktion in bestimmten Ämtern (wie z.B. beim Kassationsgerichtshof oder bei der Banque de France) oder aufgrund ihrer besonderen Erfahrungen im Finanzbereich ernannt. Ein weiteres Mitglied wird in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmervertreter vom Finanz- und Wirtschaftsminister ernannt. Der Präsident (président) der AMF wird per Verordnung und der Vize-Präsident (vice-président) vom stellvertretenden Vorsitzenden des Conseil d’Etat ernannt (Art. 6212-II Code mon. et fin.). Der Sanktionsausschuss besteht gemäß Art. L. 621-2 IV Code mon. et fin. aus 12 Mitgliedern (zwei Richter des Conseil d’Etat, zwei Richter der Cour de cassation, sechs Mitglieder mit Erfahrung im Rechts- und Finanzbereich sowie im Hinblick auf Börsengänge, und zwei Arbeitnehmervertreter). Die Mitglieder ernennen einen der vier Richter zum Präsidenten des Sanktionsausschusses. Es ist verboten, gleichzeitig Mitglied des Sanktionsausschusses und des Entscheidungsgremiums zu werden (Art. L. 621-2 IV 4° Code mon. et fin.). Sonder- und Beratungsausschüsse (commissions spécialisées et consultatives) werden vom Präsidenten des Entscheidungsgremiums ernannt, wenn individuelle Entscheidungen getroffen werden. Die AMF normiert in ihrer Generalverordnung (Règlement général de l’AMF) die Grundlagen für die Organisation der geregelten Finanzmärkte. Sie bestimmt die Verhaltensregeln für die an den Finanzmärkten agierenden Dienstleister (prestataires), die Tätigkeit der Verwaltungsgesellschaften der Organismen für gemeinsame Anlagen und der Gesellschaften, deren Aktien gehandelt werden. Der Règlement général (in seiner letzen durch Erlass des Finanz- und Wirtschaftsministeriums vom 15.05.2007 geänderten Fassung) legt ebenfalls die Regeln fest, die bei einem öffentlichen Kaufangebot zu beachten sind (Art. L. 621-7 Code mon. et fin.). Die AMF verfügt zur Erfüllung ihrer Aufgaben über Kontrollbefugnisse und kann auch Disziplinarmaßnahmen gegen Finanzdienstleistungsunternehmen ergreifen (Art. L. 62215 Code mon. et fin.). 66
II. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung). 1. Finanzberater (conseiller en investissements financiers). Der geregelte Berufstand des Finanzberaters ist in Frankreich mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Sicherheit der Finanzmärkte v. 01.08.2003 eingeführt worden. Geregelt wird die Beratungstätigkeit von Personen, die weder Kreditinstitute noch Versicherungsgesellschaften bzw. Investitionsgesellschaften (entreprises d’investissement) sind. Gemäß Art. L. 541-1 Code mon. et fin. ist der Finanzberater derjenige, der als Beruf eine Beratungsleistung über die Durchführung von Geschäften über Finanzinstrumente (instruments financiers), von Bankgeschäften, über die Erbringung von Investitionsdienstleistungen (services d’investissement) und über den Erwerb von Leibrenten bzw. beweglichen und unbeweglichen Rechten (souscrire des rentes viagères ou acquérir des droits sur des biens mobiliers ou immobiliers) erbringt. Zu den Finanzinstrumenten zählen gemäß Art. L. 211-1-1 Abs. 1 Code mon. et fin. folgende Leistungen: Die Aktien und sonstigen Titel mit Beteiligung am Kapital bzw. an Stimmrechten, die Forderungstitel (titres de créances), die Anteile bzw. Aktien in Organismen für gemeinsame Anlagen (parts ou actions d’organismes de placement collectif), die Finanztermingeschäfte (instruments financiers à terme) und die sonstigen Finanzinstrumente gleicher Art, die nach ausländischen Rechte ausgegeben werden. Der Finanzberater darf seine Finanzberatungstätigkeit nur dann ausüben, wenn er volljährig, nicht wegen berstimmten Finanz- und Bankdelikten vorbestraft ist (Art. L. 541-2 und Art. D. 541-8 Code mon. et fin) und eine berufliche Haftpflichtversicherung abschließt (Art. L. 541-3
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2419
und Art. D. 541-9 Code mon. et fin.). Der Règlement général der AMF setzt die Kompetenzanforderungen für den Finanzberater fest. Jeder Finanzberater ist zwangsläufig auf der Liste einer von der AMF zugelassenen Berufsorganisation (association professionnelle) eingetragen (Art. L. 541-5 Code mon. et fin.). Zum 01.06.2006 bestanden sechs solche zugelassene Berufssorganisationen. 2. Investitionsunternehmen. Die Investitionsunternehmen (entreprises d’investissement. gehören gemäß Art. L. 531-1 Abs. 1 Code mon. et fin. mit den zur Erbringung von Finanzdienstleistungen zugelassenen Kreditinstituten zum Oberbegriff der Investitionsdienstleister (prestataires de services d’investissement). Die Investitionsunternehmen erbringen gemäß Art. L. 321-1 Code mon. et fin. genauso wie die als Investitionsdienstleister zugelassenen Kreditinstitute verschiedene Finanzdiensleistungen: Sie erhalten und übertragen bzw. führen Aufträge für Dritte aus, verhandeln auf eigene Rechnung, verwalten Wertpapiere für Dritte, erbringen Investitionsberatungsleistungen im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten und kaufen bzw. legen (placement) Finanzinstrumente an. Die Investitionsunternehmen bedürfen zur Ausübung ihrer Tätigkeit einer Zulassung (agrément) durch die für die Zulassung der Kreditinstitute zuständige Stelle (CECEI). In ihrer Eigenschaft als „Investitionsdienstleister“ haben die Investitionsunternehmen grundsätzlich ein gesetzliches Monopol für die Erbingung von Finanzdienstleistungen, das gemäß Art. L. 531-2 Code mon. et fin. jedoch auch den dort geregelten gesetzlichen Ausnahmen, insbesondere den Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (organismes de placements collectifs en valeurs mobilières/OPCVM) sowie den Personen, die diese Dienstleistungen als Nebenleistung erbringen, zusteht. Die Verpflichtungen der Investitionsunternehmen gegenüber ihren Kunden sind durch Umsetzung der EU-Richtlinie n° 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente im Règlement général der AMF v. 15.05.2007 festgelegt. Der Règlement général der AMF sieht unter anderem in seinem Art. 314-3 vor, dass das Investitionsunternehmen im bestmöglichen Interesse seiner Kunden und mit dem Ziel, die Integrität des Marktes zu fördern, aufrichtig, loyal und professionnel handelt, die Interessen seiner Kunden bestmöglichst vertritt und die Integrität des Marktes fördert“ („Le prestataire de services d’investissements agit d’une manière honnête, loyale et professionnelle qui sert au mieux l’interêt du client et favorise l’intégrité du marché.“). Die Portfolioverwaltungsgesellschaften (sociétés de gestion de portefeuille) bilden eine Sonderkategorie der Investitionsgesellschaften. Sie werden nicht von der CECEI, sondern von der AMF zugelassen. Die AMF führt auf ihrer Internetseite (www.amf-france.org) die Liste der zugelassenen Portfolioverwaltungsgesellschaften. Die Zahl dieser zugelassenen Portfolioverwaltungsgesellschaften belief sich zum 21.03.2007 auf 507. Diese Gesellschaften erbringen Finanzdienstleistung sowohl im Rahmen einer kollektiven als auch individuellen Verwaltung (gestion collective ou individuelle) von Wertpapieren für Dritte. Die kollektive Verwaltung von Wertpapieren betrifft insbesondere die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren. Der Règlement général der AMF v. 15.05.2007 sieht in Anwendung des Code mon. et fin. sämtliche Sonderverpflichtungen der Portfolioverwaltungsgesellschaften in Art. 313-54 bis Art. 313-78 vor. Die Portfolioverwaltungsgesellschaften sind zum Beispiel verpflichtet, eine Abschrift des vom Abschlußprüfer testierten Jahresabschlusses der AMF vorzulegen. 3. Der Finanzanalytiker (analyste financier). Der Berufsstand des Finanzanalytikers wurde mit dem Gesetz über die Sicherheit der Finanzmärkte v. 01.08.2003 eingeführt. Die vom Finanzanalytiker erstellte Investitionsrecherche (recherche en investissements) bzw. Finanzanalyse (analyse financière) schließt gemäß Art. L. 544-1 Code mon. et fin. die Recherchearbeiten bzw. Informationen ein, die eine Investitionsstrategie in Bezug auf Fi-
Bauerreis/Neumann
67
2420
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
nanzinstrumente mittelbar oder unmittelbar vorschlägt bzw. empfiehlt. Zur Finanzanalyse zählen auch die für die verschiedenen Vertriebsmärkte sowie das breite Publikum bestimmten Meinungsäußerungen über den derzeitigen oder den künftigen Kurs der Finanzinstrumente. Diese sehr weit reichende Definition der Finanzanalyse ist durch die Regierungsverordnung n° 2007-544 v. 12.04.2007 in den Code mon. et fin. eingeführt worden. Der Finanzanalytiker ist entweder ein Angestellter bzw. Vertreter eines Investitionsunternehmens oder freiberuflich tätig. Die Tätigkeit des freiberuflichen Finanzanalytikers ist im Règlement général der AMF (Art. 337-2 bis A. 338-1) geregelt. Er unterliegt strengen Verpflichtungen zur Wahrung seiner Unabhängigkeit und muss unter anderem einen Verantwortlichen für die Finanzanalyse (responsable de l’analyse financière) ernennen. Er unterliegt den wichtigsten auf Finanzanalytiker innerhalb eines Investitionsunternehmens anwendbaren Normen (Art. 337-2 Réglement général de l’AMF). 68
II. Finanztermingeschäfte. Die Finanztermingeschäfte sind Finanzinstrumente, die gemäß Art. L. 211-1 Abs. 1 Code mon. et fin. weder Wertpapiere (valeurs mobilières) noch Anteile oder Aktien an Organismen für gemeinsame Anlagen (parts ou actions d’organismes de placement collectif) darstellen. Es sind reine Verträge, die unter Privatpersonen (de gré à gré) abgeschlossen werden bzw. auf geregelten Märkten (in Frankreich: Euronext.Liffe Paris) bzw. organisierten Märkte (wie z.B. Powernext SA in Frankreich für den Strommarkt) gehandelt werden. Sie werden auch in der Praxis als Derivative (produits dérivés) bezeichnet. Diese den Finanzinstrumenten zugrundeliegenden Verträge begründen den Anspruch der einen Vertragspartei gegenüber der anderen auf Zahlung eines Vermögenswertes innerhalb bzw. mit Ablauf eines Zeitraumes zu einem bestimmten Kurs bzw. bestimmten Zinskonditionen. Die Finanztermingeschäfte werden in zwei Kategorien unterteilt.
69
1. Unbedingte Termingeschäfte, die in der französischen Terminologie als „feste Geschäfte“ (marchés fermes) bezeichnet werden, werden zu ihrem Fälligkeitszeitpunkt durchgeführt. Der Gesetzgeber hat sich gegen eine allgemeine Definition, sondern für die folgende Auflistung der festen Geschäfte im Art. 211-1 Abs. 2 Code mon. et fin. entschieden: Es handelt sich um Finanzterminverträge über Effekten, Wertpapiere, Indices, Währungen (contrats financiers à terme sur tous effets, valeurs mobilières, indices ou devises), Terminverträge über Zinssätze (contrats à terme sur taux d‘intérêt), Austauschverträge (contrats d‘échange), feste Finanzinstrumente über alle Waren oder über Kontigenten von Treibhausgasemissionen (instruments financiers à terme sur toutes marchandises ou quotas d‘émission de gaz à effet de serre) und im allgemeinen alle sonstigen festen Finanzinstrumente.
70
2. Die bedingten Termingeschäfte, die auch „Optionsgeschäfte“ (marchés optionnels) genannt werden, werden auf dem Euronext.Liffe-Markt in Paris gehandelt. Die Optionsgeschäfte werden im Art. L. 211-1 Abs. 2 Code mon. et fin. als Verträge über Kauf- bzw. Verkaufsoptionen von Finanzinstrumenten (contrats d‘options d‘achat ou de vente d‘instruments financiers) definiert. Sie unterscheiden sich von den „festen Geschäften“ dadurch, dass eine Vertragspartei sich noch nicht verpflichtet hat, ihren Anspruch auf Kauf (sog. call option) bzw. Verkauf (sog. put option) zu einem bestimmten Fälligkeitszeitpunkt auszuüben. Die Finanztermingeschäfte werden ausschließlich von dem französischen Staat, einer juristischen Person, einem gemeisamen Investmentfonds (fonds commun de placement) oder einem Forderungsfonds (fonds commun de créances) ausgegeben.
71
III. Effekten, Emissions- und Investmentgeschäft. Art. L. 211-2 Code mon. et fin. bietet seit Inkrafttreten der Durchführungsverordnung v. 24.06.2004 eine allgemeine klarstellende Definition der Wertpapiere (valeurs mobilières) im französischen Recht an.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2421
Wertpapiere sind Titel, die von juristischen Personen des öffentlichen oder des Privatrechts ausgegeben werden und die durch Kontoeintrag bzw. tatsächliche Übergabe übertragbar (transmissibles) sind. Sie verleihen gleiche Rechte innerhalb einer Inhaberkategorie und berechtigen – unmittelbar oder mittelbar – zur Beteiligung am Kapital der emittierenden jurristischen Person bzw. gewähren einen allgemeinen schuldrechtlichen Anspruch auf deren Vermögen. Die Anteile an Fonds für gemeinsame Anlagen sowie an Forderungsfonds zählen gemäß Art. L. 211-2 Abs. 2 Code mon. et fin. ausdrücklich zu den Wertpapieren. 1. Aktien und Titel, die den Zugang zum Kapital gewähren (titres donnant accès au capital). a) Aktien. Aktien werden von Aktiengesellschaften (société anonyme), vereinfachten Aktiengesellschaften (société par actions simplifiée), Kommanditgesellschaften auf Aktien (société en commandites par actions) und europaischen Aktiengesellschaften (société européenne) ausgegeben. Die Zulassung auf einem geregelten Markt ist allerdings unter gewissen Voraussetzungen im Hinblick auf Mindestkapital und Publizität der klassischen Aktiengesellschaft vorbehalten. Der Mindestnominalbetrag der Aktie kann von der emmittierenden Gesellschaft frei festgelegt werden. Die Vorzugsaktie (action de préférence) ist eine Sonderkategorie von Aktie, deren Sonderrechte im Gesellschaftsvertrag frei festgelegt werden. Der Gesetzgeber hat diese neue Kategorie geschaffen, um die biher komplexe Kategorie der Sonderaktien (wie z.B. die stimmrechtslosen Aktien mit Vordividenden – actions à dividende prioritaire sans droit de vote) abzuschaffen. Vorzugsaktien können genauso wie die gewöhnlichen Aktien an der Börse gehandelt werden (Art. L. 22820 C. Com.).
72
b) Titel, die zum Zugang zum Kapital bzw. zu Stimmrechten berechtigen (autres titres donnant ou pouvant donner accés au capital ou aux droits de vote). Diese allgemeine Kategorie enthält die bisher gesetzlich vorgesehenen Sonderkategorien der in Aktien umwandelbaren Schudverschreibungen (obligations convertibles en actions), der Wandelschuldverschreibungen (obligations échangeables contre les actions), der Optionsanleihen (actions à bons de souscription d’actions). In der Praxis sind im Laufe der Jahre frei geschaffene (titres composés innomés) Titel erschienen, wie z.B. „OCEANE“. OCEANE ist eine Schuldverschreibung mit Umwandlungsoption für auf Wahl der emmittierenden Gesellschaft neu ausgegebene bzw. bereits existierende Aktien. Die Aktien und Titel, die zum Zugang zum Kapital berechtigen werden in einem (gegebenenfalls außerordentlichen) Kapitalerhöhungsbeschluss der Aktionäre bzw. Gesellschafter ausgegeben (Art. L. 228-92 C. com.).
73
2. Schuldverschreibungen (obligations). Die Schuldverschreibungen sind handelbare Titel, die bei einer Ausgabe zu gleichen Forderungsrechten zu einem gleichen Nominalwert berechtigen (Art. L. 213-5 Code mon. et fin.). Der französische Gesetzgeber hat die Ausgabe von Schuldverschreibungen in letzter Zeit vereinfacht. Zuständig für die Ausgabe ist jetzt das Leitungsorgan der emittierenden Gesellschaft und nicht mehr die Hauptversammlung (Art. L. 228-40 Abs. 1 C. com.). Die Hauptversammlung bleibt jedoch grundsätzlich für die Ausgabe von Schuldverschreibungen zuständig, soweit eine Kapitalerhöhung damit verbunden ist (etwa bei den in Aktien umwandelbaren Schuldverschreibungen). Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (SARL) darf seit Inkrafttreten der Verordnung n° 2004-274 v. 25.03.2004 Schuldverschreibungen neben den Gesellschaften, die Aktien ausgeben, ebenfalls ausgeben (Art. L. 223-11 C. com.).
74
3. Handelbare Forderungstitel (titre de créances négociables). Sie gehören ebenfalls zur Kategorie der Finanzinstrumente (Art. L. 211-1 Abs. 1 n° 2 Code mon. et fin.) Die han-
75
Bauerreis/Neumann
2422
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
delbaren Forderungstitel sind keine Wertpapiere. Sie werden auf geregelten Märkten gehandelt. Sie dürfen im wesentlichen von folgenden Personen ausgegeben werden: Kreditinstitute, Investitionsunternehmen (entreprises d’investissement), Gesellschaften, die die Anforderungen zum Börsengang erfüllen, EU-Institutionen und internationale Organisationen, Staaten sowie die sog. Forderungsfonds (Art. L. 213-3 Code mon. et fin). Die Forderungstitel unterliegen einer Mindest- bzw. Höchstdauer der Notierung: Die von den Investitionsunternehmen (sog. billets de trésorerie) bzw. den Kreditinstituten (certificats de dépôt) herausgegebenen „Kurzzeitforderungstitel“ werden zwischen einem Tag und einem Jahr, die sonstigen Forderungstitel (bons à moyen terme négociables) mindestens ein Jahr gehandelt. 76
4. Finanzprodukte gemeinsamer Sparanlage (produits d’épargne collective). Art. L. 214-1 Code mon. et fin. listet die Organismen der gemeinsamen Sparanlagen auf, die Produkte auf dem Markt anbieten dürfen: Organismen für gemeinsame Sparanlagen in Wertpapieren (organismes de placement collectif en valeurs mobilières/OPCVM), gemeinsame Forderungsfonds (fonds communs de créances), Immobilienfonds-BGBGesellschaften (sociétés civiles de placement immobilier), Forstanlagegesellschaften (sociétés d’épargne forestière), Organismen für gemeinsame Anlagen in Immobilien (organismes de placement collectif immobilier). Die Bestimmungen des französischen Rechts zu den Organismen für gemeinsame Anlagen sind im Code mon. et fin. (Art. L. 214-1 bis L. 214-146 und Art. R. 214-1 bis Art. L.214-122 Code mon. et fin.) sowie im 4. Buch des Règlement général der AMF enthalten.
77
a) Organismen der gemeinsamen Anlagen in Wertpapieren (organismes de placement collectif en valeurs mobilières). Die Organismen der gemeinsamen Anlagen in Wertpapieren sind sehr erfolgreich in Frankreich und werden unter anderem im Rahmen der Arbeitnehmersparanlage (épargne salariale) oft in Anspruch genommen. Art. L. 214-2 Code mon. et fin. sieht zwei unterschiedliche Gesellschaftformen vor: Die in den Art. L. 214-15 bis Art. 214-19 Code mon. et fin. vorgesehene Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (société d’investissements à capital variable- abgekürzt: SICAV) mit Rechtspersönlichkeit einerseits und der in den Art. L. 214-20 bis Art. 214-32 Code mon. et fin. vorgesehene sog. Investmentfonds (fonds commun de placement – abgekürzt: FCP) andererseits, der keine Rechtspersönlichkeit besitzt und dessen Finanzinstrumente im Miteigentum (copropriété) der Anleger steht. Die Organismen der gemeinsamen Anlagen in Wertpapieren müssen finanzielle Garantien erbringen (Mindestkapital für die SICAV und Anfangsmindestaktivvermögenswert für die FCP). Sie dürfen dem Anleger ein sehr breites Angebot an Finanzprodukten anbieten, d.h. sämtliche gesetzlich vorgesehenen Finanzprodukte einschliesslich der Finanztermingeschäfte, Depoteinlagen bei französischen oder ausländischen Kreditinstituten sowie im Zusammenhang hierzu stehend Liquiditäten (Art. L. 214-4 Code mon. et fin.). Sie unterliegen der Pflicht zur Streuung der Anlagen, d.h. nur 5 % ihrer Aktiva dürfen vom gleichen Emittenten stammen – Art. L. 2144 Abs. 3 Code mon. et fin.).
78
b) Die gemeisamen Forderungsfonds (fonds communs de créance). Die Forderungsfonds erwerben ausschliesslich die im Artikel R. 214-94 Code mon. et fin. definierten Forderungen. Sie werden in der Form des Investmentfonds (fonds commun de placement) ohne Rechtspersönlichkeit verwaltet. Der gemeinsame Forderungsfonds hat sich gegen die mit seiner Verwaltung verbundenen Risiken über die im Art. R. 214-96 Code mon. et fin. festgelegten Maßnahmen abzusichern.
79
c) Immobilienfonds-BGB-Gesellschaften (sociétés civiles de placement immobilier). Sie werden unter der Rechtsform der BGB-Gesellschaft (société civile) des französischen Rechts gegründet (Art. L. 214-50 Code mon. et fin.) und sind daher juristische Personen.
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Frankreich
2423
Sie erwerben und verwalten ausschliesslich Immobilien. Sie sind zur öffentlichen Zeichnung von Wertpapieren zugelassen. d) Forstanlagegesellschaften (sociétés d’épargne forestière). Diese Gesellschaften unterliegen im Wesentlichen den gleichen Bestimmungen wie die Immobilienfonds-BGBGesellschaften. Sie müssen mindestens in Höhe von 60% ihrer Aktiva in Holz bzw. Forstanlagen investieren (Art. L. 214-85 Code mon. et fin.).
80
e) Organismen für gemeinsame Anlagen in Immobilien (organismes de placement collectif immobilier). Sie werden in der Form der überwiegend im Immobilienbereich tätigen Anlagegesellschaft mit variablem Kapital oder des Immobilienanlagefonds gegründet und verwalten ausschliesslich Immobilien (Art. L. 214-89 Code mon. et fin.).
81
E. Aktuelle Entwicklungen
82
1. Rechtsverordnung n° 2006-346 v. 23.03.2006. Das Recht der Sicherheiten wurde durch die Rechtsverordnung n° 2006-346 v. 23.03.2006 reformiert. In formaler Hinsicht ist zu erwähnen, dass dem französischen Zivilgesetzbuch (dem Code civil) ein neues Buch (4. Buch) mit der Überschrift Sicherheiten sûretés (Sicherheiten) hinzugefügt wurde. Dieses Buch umfasst die Art. 2284-2488 C. civ. Durch die Neuordnung findet das französische Recht der Sicherheiten, das zuvor über viele einzelne Gesetztestexte verstreut war, zum ersten Mal eine zentrale Regelung im französischen Zivilgesetzbuch. Diese formale Änderung ist eine besondere Errungenschaft der Reform des Sicherheitenrechts. Neben dieser formalen Reform sind jedoch auch materielle Änderungen vorgenommen worden. Besonders erwähnenswert sind: a) Die Bestellung eines Pfandrechtes wurde grundsätzlich vereinfacht. Das Zivilgesetzbuch fordert vom Sicherungsgeber nun nicht mehr die Übergabe der Sache an den Sicherungsnehmer. Zudem kann das Pfandrecht nunmehr auch an künftigen Gegenständen bestellt werden, was die Bestellung eines Pfandrechtes an wechselnden Lagerbeständen möglich gemacht hat.
83
b) Hervorzuheben ist auch die Einführung der hypothèque rechargeable (wieder verwendbare Hypothek). Die wieder verwendbare Hypothek macht es möglich, die Hypothek immer wieder zu verwenden und so vor allen Dingen Kosten zu sparen und den Rang zu wahren.
84
2. Fiducie (Treuhandvertrag) – Gesetz n° 2007-211 v. 19.02.2007. Mit Gesetz v. 19.02.2007 wurde in Frankreich die fiducie gesetzlich geregelt. Das Gesetz wurde im Zivilgesetzbuch in den Art. 2011 bis 2031 aufgenommen. Bereits kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes (das gesetz trat am 22.02.2007 – ein Tag nach seiner Veröffentlichung im Journal Officiel (Amtsblatt) – in Kraft), wurde es bereits heftig von namhaften französischen Juristen kritisiert (s. hierzu vor allem die Dalloz-Sammlung von Aufsätzen zur fiducie, die von Barrière koordiniert wurde, Recueil Dalloz 2007, Dossier La fiducie, S. 1346-1374). U.a. wird kritisiert, dass das Gesetz nicht zwischen fiducie sûreté (Treuhandvertrag in Verbindung mit der Bestellung von Sicherheiten) und fiducie gestion (Treuhandvertrag zur Verwaltung von Vermögen) unterscheide. Ein weiterer gewichtiger Kritikpunkt ist, dass nur juristische Personen, die der Körperschaftsteuer unterliegen, als Besteller im Rahmen einer fiducie auftreten dürfen. Die fiducie erhält in Art. 2011 C. civ. Eine Legaldefinition. Danach setzt die fiducie voraus, dass ein Dreiecksverhältnis vorliegt, das sich aus folgenden Personen zusammensetzt:
85
Bauerreis/Neumann
2424
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
constituant (Besteller), fiduciaire (Treuhänder) und bénéficiaire (Begünstigter). Alle drei Beteiligten können jeweils auch mehrere Personen sein. Gegenstand der fiducie ist die Übereignung von Sachen, persönlichen oder dinglichen Rechten und Sicherheiten, die bereits bestehen oder in Zukunft bestehen werden. Der Treuhandvertrag muss zu einem bestimmten Zweck geschlossen worden sein. Nur juristische Personen, die der Körperschaftsteuer unterliegen, können constituants sein (s. Art. 2014 C. civ.). Der fiduciaire muss regelmäßig ein Kreditinstitut sein (s. im Einzelnen, wer konkret fiduciaire sein kann, Art. 2015 C. civ.). Der bénéficiaire kann sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein. An ihn sind auch ansonsten keine speziellen Anforderungen geknüpft. Die fiducie kann nur durch Gesetz oder Vertrag begründet werden (Art. 2012 C. civ.). Der Vertrag muss zwischen dem constituant und dem fiduciaire geschlossen werden. In Art. 2018 C. civ. wird aufgelistet, welche zwingenden Angaben ein solcher Vertrag enthalten muss. Ferner muss der Treuhandvertrag und jede Änderung in ein spezielles Treuhandregister eingetragen werden. Ansonsten ist der Vertrag nichtig (s. Art. 2019 und 2020 C. civ.).
Bauerreis/Neumann
§ 78 Länderteil – Griechenland
2425
8. Griechenland
§ 78 Länderteil Schrifttum Alepakos, Die Frage der Verjährung von vertraglichen Ansprüchen aus einem Börsenauftrag, NoB 2007, – Griechen249; Chelidonis, Das Verhältnis von Art. 862 grZGB zu Art. 863 grZGB, EpiskED 2001, 351; Chrysanthis, land Verbraucherkreditgeschäfte, Syn 6/1998, 20; The legal regime of bankassurance products in Greece, in: Neue Tendenzen im Recht des Versicherungsvertrags, 2005; Die normative Konformität im Rahmen des Systems interner Bankinspektion, in: Bulletin des Griechischen Bankenverbands 2006, 63 f.; Douros, Banklehre in der Praxis, 2007; Douvlis, Die Befreiung von bankmäßigen Bürgen gemäß Art. 862 grZGB, 1998; Die jüngere Entwicklung der Rechtsprechung auf dem Anwendungsbereich von Art. 862-863 grZGB betreffend Gewährung von Bankkrediten, DEE 1998, 238; Europäisches Bankrecht, 2003; Frangos, Das Gesetz 3606/2007 über Märkte für Finanzinstrumente im Lichte des Rechts von Organismen für Kollektivanlagen: same business-same risks-same rules?, DEE 6/2008, 680; Galiatsos, Grundkenntnisse von Investmentbanking: Entgegennahme und Weiterleitung von Aufträgen, Hellenischer Bankenverband 2007; Georgakopoulos/Chryssanthis, Börsen- und Bankrecht, 1999; Bankgesetzgebung, Bände I-II, 2001; Georgiadis, Kreditsicherheiten, 2001; Das Gesetz 2844/2000 zum Pfandrecht ohne Überlieferung der Sache und andere Kreditverträge, ChrID 2001, 7; Gogos, Das Zivilgesetzbuch Griechenlands, dt. Übersetzung, 1951; Gortsos, Greek Banking System, 2001; 50 Jahre Europäische Gemeinschaft: Die Gestaltungsphasen des euopäischen Bank- und Kreditrechts, Bulletin des Griechischen Bankenverbands 48/ 2007, 8 f.; Bankmäßige Umgebung, Bd III, Bank- und Währungsrecht, 2000; Gortsos/Staikouras/Livada, Der institutionelle und Regelungsrahmen des Kapitalmarkts, 2007; Griechischer Bankenverband, Einführung in die Banklehrestudien, Bände A-C, 2006; Lyberis, Die Zulassung von Kreditinstituten im griechischen Bankenaufsichtsrecht, 2001; Masis, Das Gesetz 4112/1929 über Hypothekenbestellung auf Maschinen und sonstigen Anlagen und der unmittelbare Bedarf seiner Novellierung, EEmpD 1973, 1; Mitropoulou, Die Funktion des Krediteröffnungsvertrags, in: ETrAxChrD 2002/1, 3; Nicolaysen, Europarecht Band II: Das Wirtschaftsrecht im Binnenmarkt, 1996; Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt. Das Beispiel der Banken und Bausparkassen, in: U. Battis (Hrsg.), Europäischer Binnenmarkt und Nationaler Öffentlicher Dienst, 1989; Keine Staatshaftung für die Bankenaufsicht? Eine Korrektur der Rechtsprechung durch den Gesetzgeber, in: Selber/v. Münch (Hrsg.), GS Martens, 1987; Pampoukis, Bankkreditverträge, 1962; Provopoulos/Gortsos, Der neue europäische Finanzwirtschaftliche Rahmen, 2004; Psychomanis, Bankrecht I, Recht der Bankverträge, 5. Aufl. 2001; Banktätigkeiten zweifelhafter Legalität, 2002; Die Banken und deren Aufsicht – Das Recht des Banksystems, 2006; Rokas, Grundzüge des Bankrechts, 2002; Tragakis, Griechische Bankgesetzgebung und -praxis, 1980; Tsibanoulis, Die Reform des griechischen Börsenrechts, Die Aktiengesellschaft, 1989, 123 f.; Der Abschied vom Börsenrecht: Der Einfluss der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente auf das griechische Kapitalmarktrecht, DEE 1/2007, 35 f.; Velentzas, Bankrecht, 2004; Venieris, Gemeinschaftliche Kreditinstitute – Niederlassung durch Zweigstellen, Dienstleistungserbringung, Aufsicht in den Mitgliedstaaten, 2006; Handelsrechtliche Anwendungen, 2007, 993; Vrentzou/Nouni, Laufende Entwicklungen im griechischen Bank- und Finanzsystem, Bulletin des Griechischen Bankenverbands 49/2007, 35 f.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 III. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 IV. Ombudsmannverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Kreditgeschäft und -formen. . . . . . . . . . . . . 22
II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Nützliche Internetadressen . . . . . . . . . . . . . . . .
31 42 42 45 47 54
Stichwortverzeichnis AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 28, 33 Akzessorietät. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – repressive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – Vier-Augen-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – vorbeugende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 – Ziele der . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bankrecht – öffentliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
– privates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Banksystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Berufsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Bürgschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Darlehensvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 e-Geld Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Einlagensicherungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Finanzinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Lyberis
2426
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Haftung des Kreditinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 34 Hypothek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Immobiliengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Konsumentendarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ?? Kreditbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Kreditformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kreditgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Kreditgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – Zulassung eines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Kreditkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Mindestanfangskapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Ombudsmannverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
1
Solvabilitätskoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Staatshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Überweisungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Universalbanksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Verbraucherdarlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Verhaltenskodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Vorausklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Vormerkung einer Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Zinseszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. Griechenland hatte bis zum Anfang der 90er Jahre ein dirigistisches, stark reguliertes Bankensystem, das sich durch eine oligopolartige Marktgestaltung, eine enorme staatliche Beteiligung und eine örtliche Konzentration in den drei wichtigen städtischen Ballungsgebieten von Athen, Piräus und Thessaloniki ausgezeichnet hatte. Der im Jahr 1987 durch die Regierung angenommene sog. Karatzas-Bericht für die Umstrukturierung und Modernisierung des Bankensystems hat eine historische Wende im Finanzsektor des Landes schlechthin angebahnt: Die Abschaffung der Bedürfnisprüfung für die Erteilung einer Bankzulassung hat den Marktzutritt jedem Interessenten ermöglicht, während die Verabschiedung des Ges. 2076/1992 – nunmehr novelliert und ersetzt durch das neue Bankengesetz 3601/2007 – die Harmonisierung des griechischen öffentlichen Bankenrechts nach Maßgabe der inzwischen ergangenen Bankenrichtlinien der EU (77/780/ EWG, 89/646/EWG, 2000/12/EG, 2000/46/EG, 2006/48/EG und 2006/49/EG) und den Übergang vom Spezial- zum Universalbankensystem signalisiert hat. Seitdem dürfen Realkreditinstitute die Bankgeschäfte einer konventionellen Bank betreiben, wobei sich die Geschäftsbanken inzwischen auch mit dem Hypothekarkredit intensiv beschäftigen. Allfinanzphänomene (financial supermarkets) werden mittlerweile auch in Griechenland immer öfter verzeichnet.
2
Als Spezialkreditinstitute gelten unter anderem auch die staatliche Hellenische Bank für Industrielle Entwicklung (ETBA, GesVO 4366/1964, Ges. 2359/1995), die Darlehensund Hinterlegungskasse (juristische Person des öffentlichen Rechts; Präsidialdekret 471/ 1998), die Agrarbank von Griechenland (Universalbank mit schwerpunktmäßiger Kredittätigkeit im Agrarsektor; Ges. 4322/1929, Ges. 1914/1990), die Realkreditinstitute (Ges. 3221/1924), die Außenhandelsbanken (Ges.VO 116/1973) und die Schifffahrtsbanken (Ges. 1321/1972).
3
Die Postbank galt für mehrere Jahrzehnte als Spezialkreditinstitut, bei welchem Spareinlagen des Publikums eine Staatsgarantie sui generis genossen haben. Sie wurde sogar als eine selbstständige Behörde eingestuft (Präsidialdekret 366/1996). Kraft Gesetz 3082/ 2002 (Abl. d. Reg. A 316/16.12.2002) wurde die Postbank jedoch in eine Universalbank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft umgewandelt. Das unter der Firmenbezeichnung „Hellenische Postbank Aktiengesellschaft“ geschaffene Kreditinstitut darf somit eine breitere Palette von Bankgeschäften als bisher tätigen, wobei es administrative und wirtschaftliche Unabhängigkeit erlangt. Die Postbank soll sich somit unter Wahrung privatwirtschaftlicher Kriterien entwickeln, während die durch sie gehaltenen Aktien an-
Lyberis
§ 78 Länderteil – Griechenland
2427
derer Kreditinstitute inzwischen auf den Fiskus übertragen wurden. Kraft Verwaltungsaktes des Zentralbankgouverneurs 2579/19.04.2006 unterliegt die Postbank der allgemeinen Bankenaufsicht der Bank von Griechenland sowie den Vorschriften des EUAufsichtsrechts. Zum 31.12.2005 umfasste das griechische Bankensystem nebst der Bank von Griechenland (Zentralbank) 21 griechische und 22 ausländische Geschäftsbanken sowie 16 Genossenschaftsbanken. Landesweit unterhielten diese Kreditinstitute zum gleichen Zeitpunkt insgesamt 3.369 Bankfilialen bei einer Gesamtanzahl von 63040 Beschäftigten (vgl. www.hba.gr). Zum 31.12.2006 haben griechische Kreditinstitute 146 Niederlassungen bzw. Filialen mit 1452 Angestellten in sieben Ländern gehabt (vgl. www.hba.gr).
4
II. Bankenaufsicht. Die Grundregeln der Bankenaufsicht sind im Ges. 3601/2007 über die „Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von Kreditinstituten, Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten und Unternehmen zur Erbringung von Investmentdienstleistungen und sonstige Vorschriften“ enthalten. Dieses als grundlegendes Bankgesetz eingestufte Regelwerk hat die EU-Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2000/46/EG ins griechische Recht übernommen. In das neue Gesetz 3601/2007 wurden die meisten Vorschriften des weitgehend ersetzten Gesetzes 2076/1992 integriert, das vor allem die Vorschriften der Bankenrichtlinie 89/646/EWG ins griechische Recht umgesetzt hatte (dazu Lyberis, S. 1 ff.). Das griechische Bankenaufsichtsrecht umfasst Rechtssätze betreffend sowohl die vorbeugende (vor allem Zulassungsvoraussetzungen und Beaufsichtigung des laufenden Geschäftsgebarens) als auch die repressive Bankenaufsicht (Maßnahmen zur Vermeidung von Bankeninsolvenzen wie z.B. die Bestellung eines Kurators bzw. in dringenden Fällen eines vorläufigen Kurators zur Geschäftsführung anstelle des satzungsmäßigen Verwaltungsrats, die Auferlegung von Auflagen an das beaufsichtigte Kreditinstitut für das Fortbetreiben von Bankgeschäften oder auch die Rücknahme der Betriebserlaubnis).
5
Träger der Bankenaufsicht ist die Bank von Griechenland, eine juristische Person des Privatrechts, die zugleich öffentlich-rechtliche Befugnisse als Zentralbank des Landes seit 1928 ausübt sowie bankenaufsichtliche Aufgaben erfüllt (Art. 25 Ges. 3601/2007; Areopag Urteil 1/2006; 214/2003; Staatsrat Urteil 2938/2001). Die bankaufsichtsrechtlichen Rechtsakte werden entweder durch den Gouverneur der Zentralbank oder durch von ihm dazu ermächtigte Organe, wie dem Ausschuss für Kredit- und Währungsangelegenheiten der Zentralbank, erlassen.
6
Die Ziele der Bankenaufsicht bestehen in dem Einlegerschutz, der Vorbeugung gegen Bankenkrisen und der Sicherung der Stabilität und Effektivität des Bankenapparates und des Finanzsektors der Volkswirtschaft im Allgemeinen (neuer Artikel 55A der Satzung der Bank von Griechenland nach dem Ges. 2609/1998). Diesem Zweck dient die Bankenaufsicht im Hinblick auf die Überwachung der Solvabilität, der ausreichenden Liquidität und dem ordnungsgemäßen und transparenten Geschäftsgebaren von Kreditinstituten, wobei darauf geachtet wird, dass der Risikostreuung und den Anforderungen der Eigenkapitalausstattung und Transparenz bzw. den Offenlegungspflichten Rechnung getragen wird (Art. 25 Abs. 3 Ges. 3601/2007). Der generelle Einlegerschutz stellt den leitenden Gedanken des Gesetzgebers dar und hängt mit der Vertrauensanfälligkeit des vertraglichen Verhältnisses zwischen Bank und Kunden zusammen. Der spezielle Einlegerschutz wird jedoch anhand des Einlagensicherungssystems erreicht: Der mit dem Gesetz 2832/2000 geschaffene Einlagensicherungsfonds (in Anlehnung an die EU-Richtlinie 94/19/EG) garantiert im Insolvenzfall die Auszahlung einer Höchstsumme von bis zu Euro 120.000 an denselben Bankeinleger, auch wenn seine Gesamteinlagen bei dem
7
Lyberis
2428
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
betroffenen Kreditinstitut diesen Betrag übersteigen. Die Teilnahme aller in Griechenland operierenden Kreditinstitute am Einlagensicherungsfonds ist de jure obligatorisch. Sollten zwei Kreditinstitute zur Gründung eines neuen Bankunternehmens fusionieren, so besteht das übernommene Kreditinstitut durch die juristische Person des übernehmenden Kreditinstituts fort. Dies hat zur Folge, dass die Verpflichtungen des übernommenen Kreditinstituts Dritten gegenüber – wie etwa seine Beitragsverpflichtungen auf Jahresebene analog bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Fusion gegenüber dem Einlagensicherungsfonds – rechtlich verbindlich und deshalb einzuhalten sind (Areopag Urteil 1775/ 2006 EempD 2007, 639). Handlungen oder Unterlassungen des Zentralbankgouverneurs, die als fehlerhafte Bankenaufsicht eingestuft werden, können die Staatshaftung zur Folge haben (Urteil des Staatsrates 2938/2001 betreffend Aufsichtsregeln für Kreditgewährung im Agrarbereich). 8
Gegenstand der bankenaufsichtlichen Tätigkeit der Bank von Griechenland sind Kreditund Finanzinstitute. Ein Kreditinstitut stellt ein Unternehmen dar, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen und andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen sowie Kredite für eigene Rechnung zu gewähren (Art. 2 Abs. 1 Ges. 3601/2007). Ein Finanzinstitut ist hingegen ein Unternehmen, das nicht unter die Begriffsbestimmung eines Kreditinstituts fällt, und dessen Haupttätigkeit im Erwerb von Beteiligungen liegt. Zu den Finanzinstituten gehören die Finanzleasinggesellschaften (Ges. 1665/1989) und die Factoring- und Forfaitinggesellschaften (Art. 2 Abs. 11 in Verbindung mit Art. 11 Ges. 3601/2007).
9
Art. 11 Ges. 3601/2007 enthält eine Liste von Bankgeschäften. Diese dürfen angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Mindestharmonisierung, der Herkunftslandkontrolle, der gegenseitigen Anerkennung von Bankpraktiken und der Schaffung einer europaweit gültigen Bankzulassung durch die in Griechenland zugelassenen Kreditinstitute betrieben werden. Die Liste entspricht den Bankgeschäften, die in der Richtlinie 2006/48/EG enthalten sind..
10
Die Globalisierung der Märkte und die immer häufiger anzutreffenden Allfinanzkonglomerate haben zur Erweiterung des bankenaufsichtlichen Objektbereichs geführt. Somit gehören auch Gesellschaften für gegenseitige Bürgschaften, Gegenbürgschaftenfonds, Wechselschalter und Gesellschaften, die auf den Interbankmärkten vermitteln, zu den durch die Bank von Griechenland beaufsichtigten Unternehmen (neuer Art. 55A der Satzung der Bank von Griechenland, der kraft Art. 1 XXX des Gesetzes 2609/1998 eingeführt wurde; Abl. d. Reg. A101/1998).
11
Auch sog. Kreditgesellschaften i.S.v. Art. 38 II Ges. 2937/2001 i.V.m. GesVO des Zentralbankgouverneurs 2485/2002 werden bankenaufsichtsrechtlich erfasst. Es handelt sich um Unternehmen, die nicht als Kreditinstitute im herkömmlichen Sinne gelten, und deren Aufgabe lediglich darin besteht, persönliche Kredite und Konsumentendarlehen zu vergeben. Ratio dieses neuen Rechtsinstituts ist, durch die Zunahme des Wettbewerbs auf dem inländischen Markt einerseits und das geringere Anfangskapital solcher Gesellschaften andererseits das verhältnismäßig hohe Zinsniveau bei Krediten in Griechenland zu reduzieren. Das Mindestanfangskapital von Kreditgesellschaften beträgt Euro 9 Mio. für Firmen, die nach dem 01.01.2003 gegründet wurden, also die Hälfte des Anfangskapitals eines Kreditinstituts, das sowohl Aktiv- als auch Passivgeschäfte tätigt.
12
Seit dem 01.01.2003 unterliegen des Weiteren auch Immobiliengesellschaften der Aufsichtskontrolle durch die Bank von Griechenland (GesVO des Zentralbankgouverneurs 2512/30.12.2002). Anders als bisher werden Firmen durch die konsolidierte Beaufsichtigung von Bankgruppen erfasst, die sich mit Immobilienverwaltung beschäftigen
Lyberis
§ 78 Länderteil – Griechenland
2429
bzw. den Erwerb von Beteiligungen an solchen Gesellschaften bezwecken. Eine erhöhte Risikohaftung von Positionen betreffend Immobilien wird eingeführt, wenn der Gesamtwert dieser Immobilien kumulativ 30% des Eigenkapitals der beaufsichtigten Kreditinstitute im Einzelnen oder auf konsolidierter Basis übersteigt. Schließlich unterliegen auch e-Geld-Institute der Aufsicht durch die Bank von Griechenland gemäß Gesetz 3148/2003 und Art. 58 Ges. 3601/2007.
13
Die Zulassung eines Kreditinstituts zum Betrieb setzt ein Mindestanfangskapital von Euro 18 Mio. voraus (Art. 5 Abs. 4a Ges. 3601/2007). Für die Zulassung einer Bankfiliale eines Kreditinstituts mit Sitz in einem Dritten (nicht-EU) Land beläuft sich das Mindestanfangskapital auf Euro 9 Mio. Ein Kreditinstitut darf nur in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer Kreditgenossenschaft gegründet und betrieben werden (Art. 5 Abs.1 Ges. 3601/2007), wobei das Vier-Augen-Prinzip im Sinne zweier persönlich zuverlässiger, fachlich geeigneter und hauptamtlich beschäftigter Geschäftsführer zur soliden und umsichtigen Geschäftsführung beitragen soll.
14
Der Solvabilitätskoeffizient eines Kreditinstitutes muss mindestens 8% sein, wobei dieser bei einer Kreditgesellschaft 10% nicht unterschreiten darf (Zentralbankgouverneur Rechtsakt 2479/2001). Laut Rechtsakt des Zentralbankgouverneurs 2560/01.04.2005 wurde ein verbindlicher Rahmen von (Mindest-)Liquiditätsgrenzen zum ersten Mal eingeführt, welcher durch die Kreditinstitute auf täglicher Basis eingehalten werden muss.
15
Die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit EU-ausländischer Bankhäuser auf griechischem Territorium soll in Anlehnung an die oben erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze gewährleistet sein. Diese den Binnenmarkt für Kreditinstitute schaffenden Grundsätze sind inzwischen weitgehend ins nationale Recht umgesetzt worden (Art. 13 und 15 Ges. 3601/2007). In Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden ist besonders auf ein deutsch-griechisches sog. Memorandum of Understanding hinzuweisen, das unter anderem auch mittels Weiterbildungsseminaren zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Bankkontrolleuren beider Staaten beitragen soll. Dabei muss das Berufs- und Dienstgeheimnis nach wie vor gewahrt werden.
16
III. Rechtsquellen. Das griechische private Bankrecht zeichnet sich durch fragmentarische Regelungen mit erheblicher Streuung in zu unterschiedlichen Zeiten verabschiedeten Rechtssätzen variierender Rechtsnatur aus (Gesetze, Präsidialdekrete, normative Verwaltungsakte, Gesetzesverordnungen des Zentralbankgouverneurs usw.).
17
Das öffentliche Bankrecht hingegen findet sich in wenigen, deutlich übersichtlicheren Regelwerken, die wegen der Schaffung des Binnenmarktes für Kreditinstitute und des Beitritts Griechenlands zur Währungsunion (Eurozone) nach 1992 eingeführt wurden. Von grundlegender Bedeutung für die Bankenaufsicht ist das Gesetz 3601/2007 über die Aufnahme und Ausübung von Tätigkeiten durch Kreditinstitute, die Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten und Unternehmen zur Erbringung von Investmentdienstleistungen (welches das Ges. 2076/2992 weitgehend novelliert bzw. ersetzt hat). Der als „Basel II“ bekannte bankenaufsichtliche Regelungsrahmen, welcher in den EU-Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG mit allen drei regulativen Säulen enthalten ist, wurde aufgrund der im Gesetz 3601/2007 vorgesehenen Gesetzesermächtigung mittels zehn detaillierter Rechtsakte des Zentralbankgouverneurs ins griechische Recht übernommen. Der ersten Säule sind folgende Rechtsakte des Gouverneurs zuzuordnen: 2858/20.08.2007 (Standardised Approach, Berechnung von Eigenkapitalausstattung); 2589/20.08.2007 (Internal Ratings Based Approach); 2593/20.8.2007 (Alternativberechnungsmethoden für Eigenkapitalausstattung betreffend offene Positionen aus Sekurisierung); 2591/ 20.08.2007 (Marktrisiko); 2594/20.08.2007 (Vertragspartnerrisiko verbunden mit Repos
18
Lyberis
2430
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
oder Derivaten); 2590/20.08.2007 (operationelles Risiko). Der zweiten Säule gehören folgende Rechtsakte an: 2595/20.08.2007 (Kriterien zur bankinternen Bewertung der Kapitalausstattung bzw. der Bewertung durch die Bank von Griechenland in ihrer Rolle als Bankenaufsichtsbehörde). Unter die dritte Säule ist folgender Rechtsakt zu subsumieren: 2592/20.08.2007 (Offenlegungspflicht von Kreditinstituten betreffend ihre ausreichende Kapitalausstattung und die durch sie eingegangenen Risiken, sowie deren Verwaltung). Des Weiteren sind die Rechtsakte 2587/20.08.2007 (Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten mit Sitz in Griechenland) und 2596/20.08.2007 (Beaufsichtigung von und Kontrolle über Grosskredite) ergangen. Außerdem sind besonders zu beachten: GesVO 2054/ 1992 über den Solvabilitätskoeffizienten; Ges. 2331/1995 und Ges. 2655/1998 betreffend Geldwäsche; Ges. 2832/2000 zur Einführung eines Einlagensicherungssystems; Ges. 2948/2001 zur Einführung des Euro als Zahlungsmittel. 19
Als indirekte Rechtsquellen gelten zum einen der Verhaltenskodex für das Kreditwesen (1997), der wohl als ein Gentlemen’s Agreement die Rechtsverhältnisse zwischen Kreditinstituten zu beeinflussen versucht, und zum anderen das Gesetz 2251/1994 zum Verbraucherschutz (in der Fassung von Ges. 3587/2007 nach mehrmaliger Novellierung) in Bezug auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten.
20
IV. Ombudsmannverfahren. Der im Jahr 1999 institutionalisierte Ombudsmann zielt auf die Verbesserung der Beziehungen zwischen Banken und Kunden durch die außergerichtliche Schlichtung von Unterschieden betreffend das Kreditwesen ab. Als Mitglied des FIN-NET arbeitet er mit seinen Amtskollegen aus anderen europäischen Ländern zusammen. Der Ombudsmann erhält schriftliche Beschwerden natürlicher Personen, die als Bankkunden und außerhalb ihrer gewerbsmäßigen Tätigkeit mit Schwierigkeiten bei der Abwicklung eines Bankgeschäftes konfrontiert werden, und erlässt rechtlich unverbindliche Empfehlungen an die betroffenen Parteien, um eine gütliche Einigung zu erreichen.
21
Der Ombudsmann sollte eine unabhängige Verwaltungsbehörde werden. Er bleibt jedoch ein durch den Hellenischen Bankenverband auf drei Jahre bestellter, beschäftigter und bezahlter Bankfachmann, der kaum Unabhängigkeitsgarantien aufweist (Psychomanis, Banktätigkeiten zweifelhafter Legalität, S. 27). Er handelt nach Maßgabe des Statuts dieses Verbandes und hat mit seinen Empfehlungen in vielen Fällen die Interessen der involvierten Bank zu stark berücksichtigt. Der Ombudsmann greift ein, wenn: a) der Bankvorgang nicht älter als ein Jahr ist; b) der Bankkunde eine Vollmacht an den Ombudsmann zur Einholung nötiger Informationen aus der Bank erteilt hat; c) (noch) keine Rechtshängigkeit eingetreten ist; und d) kein von Amts wegen verfolgtes Vergehen begangen wurde.
22
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditgeschäft und -formen. Das Kreditgeschäft als wichtiges Aktivgeschäft betrifft sowohl Unternehmen (corporate banking) als auch Privatpersonen (z.B. Verbraucherkredite). Durch die jüngst eingetretene Sekursierung der Märkte ist die kreditgewährende Bankfunktion zu Gunsten der Vermittlungsfunktion der Kreditinstitute teilweise zurückgegangen.
23
Der Kreditbegriff wird im Bankrecht weiter als der Darlehensbegriff gemäß Art. 806 grZGB gefasst. Als Kredit gilt somit jede geldliche bzw. jede in Geld verwertbare Leistung eines Kreditinstituts an seinen Kunden, das auf das Vertrauen des kreditgebenden Instituts auf die Kreditwürdigkeit und Rückzahlungswilligkeit des Bankkunden angewiesen ist. Daher ist die sorgfältige Prüfung dieser Kundenmerkmale vor dem Abschluss des
Lyberis
§ 78 Länderteil – Griechenland
2431
Kreditgeschäfts von außerordentlicher Bedeutung, wobei die Kreditsicherheiten die Banken vor Insolvenzen schützen sollen. Der im Art. 11 Ges. 3601/2007 enthaltene Katalog von enumerativ aufgeführten Bankgeschäften (vgl. Anhang I der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates; ABl. Nr. L 126/26.05.2000) umfasst nebst dem Darlehen auch andere Kreditformen wie das Buchgeld, das Kontokorrent, das Diskontgeschäft betreffend Schecks wie Wechsel, den Lombardkredit, das Factoring-, Forfaiting- und Finanzierungsleasinggeschäft, das Garantiegeschäft, die Ausgabe und Verwaltung von Zahlungsmitteln wie Kreditkarten, Reise- und Bankschecks und die Begleichung von Kundenverbindlichkeiten.
24
Der Darlehensvertrag als Bankgeschäft stellt die grundlegende und am häufigsten anzutreffende Form eines Kreditgeschäfts dar. Es handelt sich um ein formfreies Rechtsgeschäft mit geldlichem Gegenstand. Ausnahmsweise wird die Form der notariellen Beurkundung für diejenigen Darlehensverträge verlangt, die mit einer Grundhypothek gesichert werden (Art. 50 §1 GesVO 17/13.08.1923; OLG Athen 1349/1999 in EllDni 1999/1114). Der Darlehensvertrag zwischen Bank und Kunde wird als gegenseitiger schuldrechtlicher Dauervertrag eingestuft, denn der Kreditnehmer ist auch zur Leistung von Zinsen und Vergütungen an die Bank verpflichtet. Üblicherweise wird in den meisten Darlehensverträgen vereinbart, dass der Kreditnehmer bei ratenmäßiger Tilgung seiner Schuld jedesmal einen Teil des Kapitals und einen Teil des Zinsvolumens abzahlen wird (Areopag Urteil 637/1997 DEE 1998, 294). Bei höheren Darlehensbeträgen, welche zur Finanzierung von anspruchsvollen Projekten benötigt werden, bilden sich Konsortien von Kreditinstituten, die wiederum eine Einheit sog. Konsortialdarlehen darstellen (Rokas, Grundzüge, 72).
25
Zinsen sind zu den im Darlehensvertrag vereinbarten Zeitpunkten zu entrichten. Ist im Vertrag nichts anderes bestimmt, so sind die rechtsgeschäftlichen Zinsen jährlich zu entrichten (Art. 295 § 2 grZGB). Nebst dem rechtsgeschäftlichen gibt es auch den Verzugsund den Zinseszins (Rokas, Grundzüge des Bankrechts, S. 71 f.). Der Zinssatz kann konstant oder schwankend gemäß den jeweils herrschenden Marktverhältnssen bzw. den Beschlüssen des Griechischen Zentralbankgouverneurs vereinbart werden. Im Falle von schwankendem Zinssatz sind die Kreditinstitute verpflichtet, ihn je nach Niveau der Kapitalbeschaffungskosten anzupassen. In diesem Sinne ist das kreditgebende Institut gebunden, den Zinssatz entsprechend zu verringern, wenn sich die aktuellen Geld- und Kapitalanschaffungskosten reduzieren (Friedensgericht Athen 2639/2002 DEE 2004, 570). Eine solche Zinsschwankung ist legitim und rechtmäßig, da die Vertragsparteien nicht im Voraus wissen können, wie sich die Geldanschaffungskosten während der Dauer des Darlehensvertrags gestalten (ibid.). Es wird als rechtskonform und zulässig betrachtet, wenn das Kreditinstitut die Zinssatzanpassung zwar einseitig vornimmt, diese Anpassung aber erst nach gesetzmäßiger oder vertraglich vereinbarter Bekanntmachung für den Kreditnehmer verbindlich ist (OLG Athen 304/2002 EtrAxChrD 2003, 137). Unter allen Umständen unterliegt diese einseitige Beschlussfassung des Kreditinstituts der gerichtlichen Kontrolle nach Maßgabe der Gerechtigkeit (ibid.). Eine allgemein formulierte Klausel wurde jedoch als missbräuchlich und deshalb verboten eingestuft, wonach es dem Kreditinsitut allein obliegen sollte, den rechtsgeschäftlichen Zinssatz jeweils zu bestimmen, da keine objektiven, im Voraus bestimmten Kriterien zur Festlegung dieser wichtigen Darlehenskondition vorhanden waren (Art. 2 Abs. 7ia Ges. 2251/1994 zum Verbraucherschutz). Diese gerichtliche Annäherung der Zinsfestsetzung wurde somit auf das schutzwürdige Bedürfnis gestützt, das ausgewogene Interessengleichgewicht zwischen Kreditgeber und –nehmer nicht zu Lasten des Konsumenten zu stören. Mit bankaufsichtlichen
26
Lyberis
2432
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Rechtsakten des Zentralbankgouverneurs wurde allein die Mindestgrenze des Verzugszinssatzes aus Schulden wegen Bankdarlehen, sondern nicht die Obergrenze, welche frei bestimmbar durch die Vertragsparteien bleibt (Areopag Urteil 491/2003, EtrAxChrD 2004, 117). Zinseszinsen können von vornherein vereinbart und dürfen nach einem Rückstand von sechs Monaten erst berechnet werden (Areopag 8 und 9/1998, DEE 1998, 177, 180; Art. 296 grZGB, 110-112 EGgrZGB; Art. 12 Ges. 2601/1998; Art. 30 Ges. 2789/2000 i.d.F.v. Art. 42 Ges. 2912/2001 und Ges. 3259/2004; vgl. den lange umstrittenen Beschluss des Währungsausschusses 289/1980, wonach Zinseszinsen ab dem ersten Tag nach Fälligkeit von Zinsen berechnet wurden. So wurden zahlreiche Bankkreditnehmer hoch verschuldet; dazu Psychomanis, Banktätigkeiten zweifelhafter Legalität, S. 144). Art. 281 grZGB über Rechtsmissbrauch und Ges. 2251/1994 zum Verbraucherschutz liefern diesbezüglich nützliche Kriterien für die Grenzen der Ansprüche von Banken und Kreditnehmern gegeneinander. 27
Ein Darlehen mit Festlaufzeit (befristeter Kredit) kann lediglich aus wichtigem Grund durch jede Partei vorzeitig gekündigt werden (außerordentliche Kreditkündigung). In den meisten AGBs sind solche Kündigungsgründe anzutreffen, wie z.B. nachträgliche Verschlechterung der Kreditnehmerbonität (Psychomanis, Bankrecht I, S. 276; Rokas, Grundzüge des Bankrechts, S. 72, 78). Der „wichtige Grund“ ist ein auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen im Einzelfall im Rahmen eines Revisionsverfahrens durch den Kassationsgerichtshof (Areopag) geprüft werden kann (ähnlich zur Beendigung des Krediteröffnungsvertrags, Mitropoulou, ETrAxChrD 2002/ 1, 3, 43). Es kommt in der Bankpraxis oft vor, dass das Kreditinstitut bei vorzeitiger Kündigung durch den Kreditnehmer die Zinsen für die Gesamtdauer des Kreditvertrags verlangt bzw. eine Vertragsstrafe fordert (vgl. Vorfälligkeitsentschädigung). Richtigerweise ist der Kreditnehmer nur verpflichtet, die bis zur außerordentlichen Kündigung fälligen Zinsen und das Darlehenskapital zurückzuerstatten, zusätzliche Leistungen anderer Art jedoch nicht (Psychomanis, Bankrecht I, 276). Danach ist jede darüber hinausgehende geldliche Leistung an die Bank als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzuverlangen. Der Oberste Zivilgerichtshof (Areopag, Kassationsgerichtshof) hat in seinem Vollkammerurteil 15/2007 (Chridik 3/2007, 437) diejenigen AGBs als nicht missbräuchlich und deshalb als verbraucherrechtskonform angesehen, nach welchen es den Kreditnehmern gestattet ist, den Kredit vorzeitig teilweise oder ganz zurückzubezahlen, vorausgesetzt, das kreditgebende Kreditinstitut wird für die Verringerung seines vertraglich vereinbarten Gewinns dadurch entschädigt, dass ihm die Zinsen für sechs Monate gezahlt werden, die dem restlichen, frühzeitig zurückgezahlten Kreditkapital entsprechen. Laut Areopag sind solche Klauseln insoweit zulässig, als deren Inhalt hinreichend bestimmt und transparent ist bzw. dem Laien, dem mit dem Bankwesen wenig vertrauten durchschnittlichen Kreditnehmer, zum Zeitpunk des Abschlusses des Kreditvertrags verständlich sein kann, wobei die Anwendung der Bedingungen solcher Klauseln das Gleichgewicht der entgegengesetzten Interessen von Kreditinstitut und Kreditnehmer nicht stört.
28
Bei unbefristeten Kreditverträgen ist das Darlehen nach Ablauf eines Monats vom Zeitpunkt der Kündigung durch den Gläubiger oder den Schuldner zurückzuerstatten, wenn für die Rückerstattung des Darlehens kein Zeitraum bestimmt wurde und sich aus den Umständen ebenfalls kein Zeitraum ergibt (Art. 807 grZGB).
29
Im Verbraucherdarlehensvertrag handelt der Kreditnehmer nicht als Kaufmann, sondern als Privatperson zur Deckung seines Konsumbedarfs. Dabei sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen (Schriftform, Widerrufsrecht, einklagbarer Anspruch auf Heraus-
Lyberis
§ 78 Länderteil – Griechenland
2433
gabe einer Vertragskopie mit detaillierter Aufstellung der Leistungen des Kreditnehmers, Möglichkeit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits unter Minderung der anfangs kalkulierten Kreditkosten, Möglichkeit des Konsumenten, entweder die Fortführung der Ratenzahlung an das Kreditinstitut zeitweilig einzustellen oder dieses in einer Klage mit zu verfolgen, wenn der Konsumzweck des Kredits durch den Lieferanten oder Dienstleistungserbringenden aus irgendeinem schuldrechtlichen Pathologiegrund nicht erfüllt wird, usw.) aus dem griechischen (Ministerialbeschluss F1-983/7/21.03.1991 i.d.F.v. F1-5353/ 14.02.1994 und Z1-178, ABl. d. Reg. B255/09.03.2001) und dem Gemeinschaftsrecht (EU-Richtlinien 87/102/EWG/22.12.1986, 90/88/EWG/22.02.1990 und 98/7/EG/ 16.02.1998) zu beachten (jus cogens), welche die Vertragsfreiheit der Parteien zwar einengen, die Konsumenten angesichts mangelnder Erfahrung und oft Verhandlungsunfähigkeit aber schützen (Chrysanthis, Syn 6/1998, 20). Durch das neue Verbraucherschutzgesetz 3587/2007 wurde unter anderem auch der EU-Richtlinie 2005/29/EG bezüglich unlauterer Handelspraktiken Rechnung getragen. Somit wurden noch mehr AGBs als missbräuchlich eingestuft und deren Formulierung strenger zu Gunsten des Kreditnehmers gestaltet. Mit dem gleichen Gesetz 3587/2007 wurde eine Regelung eingeführt, wonach eine Immobilie des Konsumentenkreditnehmers durch ein Kreditinstitut zur Befriedigung von seinen legitimen Ansprüchen aus einem Verbraucherkredit bzw. aus Kreditkartenschulden unter Bedingungen nicht als Sicherheit in Beschlag genommen werden darf, wenn dies die einzige Wohnung des Kreditnehmers/Konsumenten ist. Die Entscheidung zur Kreditgewährung bzw. -verweigerung steht jedem Kreditinstitut frei und kann nicht als Pflichterfüllung angesehen werden. Die nachlässige Erfüllung der Kreditfunktion von Banken (Kreditgewährung oder deren Fortsetzung) kann unter Umständen eine schuldrechtliche Haftung des Kreditinstituts gegenüber Dritten erzeugen. Diese auf Art. 919 grZGB (Verletzung der guten Sitten; vgl. § 826 BGB) gestützte Haftung eines Kreditinstituts kann gegenüber dessen vertragsmäßigen Kunden, den Gläubigern seiner Kunden oder sogar einem anderen Kreditinstitut entstehen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn eine dinglich voll abgesicherte Bank die Kreditgewährung an ein geschäftlich offenbar aussichtsloses Unternehmen fortgesetzt und somit seinen Konkurseintritt unter Beeinträchtigung der legitimen Interessen von Unternehmensgläubigern verschoben hat (Areopag 925/1991; OLG Athen 770/1991 in EEmpD 1992, 32). Unter Berufung auf Rechtsprechung deutscher Gerichte haben jüngere griechische Urteile die Haftung eines Kreditinstituts in folgenden Fällen auch bejaht: a) Anstatt dass die Bank die permanente wirtschaftliche Wiederbelebung des Kreditnehmers fördert, nimmt sie unter missbräuchlicher Ausnutzung ihrer Machtposition zur Unzeit Maßnahmen gegen ein Unternehmen vor, die eher auf seine Verfolgung abzielen; b) Die Bank droht dem Kreditnehmer, die Rückzahlung des gesamten Kredits vorzeitig fällig zu erklären, obwohl dies in concreto eine übermäßige Einschränkung der Vertrags- und Unternehmensfreiheit des Bankkunden darstellt; c) Angesichts verschlechterter Finanzlage des Kunden erteilt ihm die Bank wiederholt irreführende Versprechungen wegen Umstrukturierung bzw. Neuverhandlung des geschuldeten Kredits, ohne diese Versprechungen je eingelöst zu haben; d) Diskriminierende Behandlung bestimmter Bankkunden und Nichtbeachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beim Ergreifen von Maßnahmen gegen bestimmte Kreditnehmer und Verschonung anderer (OLG Nafplion 679/2000, ChrId 2001, 227). Des weiteren liegt ein Haftungstatbestand zu Lasten eines Kreditinstituts gegenüber einem anderen vor, wenn ein unwahrhaftes und mit falscher Bonitätsbewertung belegtes Empfehlungsschreiben betreffend die Kreditwürdigkeit eines Kunden erstellt wird, das das geschädigte Kreditinstitut überzeugt hat, dem Kunden Kredit zu gewähren. Der entstandene Schaden trifft mittelbar ein – er ist nicht aus dem Empfehlungsschreiben direkt, sondern
Lyberis
30
2434
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
aus der darauf gestützten prekären Kreditgewährung entstanden –, wobei ein bedingter Vorsatz des Ausstellers des Empfehlungsschreibens im Hinblick auf die Herbeiführung des Schadens zu Lasten des Empfängers dieses Schreibens reicht (LG Piräus 1187/1999, ChrID 2001, 322). 31
II. Kreditsicherheiten. Um dem Kreditrisiko entgegenzuwirken, verlangen die Kreditinstitute die Bestellung oder die Verstärkung von bankmäßigen Sicherheiten. Dieses Risiko betrifft grundsätzlich die nachteilige Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bankkunden mit der Folge der Nichterfüllung seiner Verpflichtungen oder seine Zahlungseinstellung bzw. seinen Konkurs. Daher zeichnet sich der Sicherungsvertrag durch Akzessorietät gegenüber dem Kreditvertrag aus (Bürgschaftsvertrag; Art. 847 grZGB). Dem Sicherungsvertrag liegt sinngemäß eine Kreditrisikobewertung seitens des kreditgebenden Bankhauses zugrunde.
32
Die Kreditsicherheiten bilden die Sachsicherheiten (Pfandrechte an beweglichen Sachen und Rechten, Sicherungsabtretungen, Grundpfandrechte, Vormerkung einer Hypothek) und die Personalsicherheiten (Bürgschaften, Garantien, sonstige Gewährleistungen), wobei die vertragliche Form sich nach der zu bestellenden Sicherheit richtet. Ist der Kreditnehmer mit dem Sicherungsgeber nicht identisch, so handelt es sich um eine kumulative Schuldübernahme gemäß Art. 477 grZGB. Bei der rechtlichen Qualifikation und der Auslegung der Verpflichtungen des Sicherungsgebers spielt die jeweils enge oder weite Fassung der Sicherungszweckvereinbarung eine wichtige Rolle.
33
Die Grenzen bei der Einholung von Kreditsicherheiten durch die kreditgewährende Bank setzen allgemeine zivilrechtliche Grundsätze, wie den Grundsatz der guten Sitten und den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 178, 281, 288, 919 grZGB) voraus. Somit ist eine Übersicherung, d.h. eine anfängliche oder nachträgliche Überschreitung der Deckungsgrenze, als sittenwidrig einzustufen (Rokas, S. 39, 79). Die meist schriftliche Niederlegung und Zurverfügungstellung der AGBs von Bankkreditverträgen ermöglicht nunmehr die vorsorgliche Kontrolle von Klauseln betreffend die Kreditsicherung nach Maßgabe von Art. 2 Ges. 2251/1994 zum Verbraucherschutz.
34
Gemäß Art. 855 grZGB kann der Bürge die Tilgung der Schuld verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einspruch der Vorausklage). Die Banken verlangen jedoch pauschal, dass der Bürge auf alle Einsprüche verzichtet, die zum Erlöschen der Bürgschaft oder auch zur vorläufigen Verweigerung der Erfüllung gegenüber der Bank führen könnten. In diesem Sinne wird normalerweise auch auf die Einreden von Art. 862 grZGB – wonach der Bürge befreit wird, sofern infolge Verschuldens des Gläubigers dessen Befriedigung durch den Schuldner unmöglich wurde – und Art. 863 grZGB – wonach der Bürge befreit wird, sofern zu seinem Schaden der Gläubiger auf Sicherheiten verzichtet hat, welche ausschließlich für seine Forderung bestanden, für die die Bürgschaft übernommen worden war – verzichtet. Art. 332 Abs. 1 grZGB bestimmt jedoch, dass jede im Voraus getroffene Vereinbarung nichtig ist, welche die Haftung wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit ausschließt oder beschränkt. Vor diesem Hintergrund ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zu begrüßen, die den Bürgen schützt, wenn die Bank sich mit der geleisteten Bürgschaft grob fahrlässig begnügt und keine Sorge dafür getragen hat, die Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers bei einem so besicherten Kredit überhaupt zu prüfen. Es scheint jedoch eine Inkonsequenz der gleichen Rechtsprechung zu sein, dass der Haftungsausschluss zu Gunsten des Bürgen verneint wird, auch wenn die kreditgebende/sicherungsnehmende Bank auf bestehende dingliche Sicherheiten verzichtet hat, sodass sich die Interessenlage des Bürgen verschleiern lässt (Areopag 262/1996, EEmpD 1996,
Lyberis
§ 78 Länderteil – Griechenland
2435
486; Areopag 1230/1997, 681/1998, DEE 1998, 280, 863; Areopag 6/2000, ChrID 2001/ 223; Areopag 48/2001, DEE 2001, 1011). Es ist hierbei anzumerken, dass der griechische Staat sich das Recht vorbehält, Bürgschaften zur Unterstützung von Handwerksunternehmern im Rahmen von durch Geschäftsbanken gewährten Krediten zu bestellen (Areopag 1434/1998, EEmpD 1999, 277). Kraft Gesetzes 2367/1995 werden sog. Gesellschaften für gegenseitige Bürgschaften zugelassen. Sie dürfen Bürgschaften zu Gunsten ihrer Mitglieder (meistens KMUs) gegenüber Kredit- bzw. Finanzinstituten übernehmen.
35
Die Hypothek (Art. 1257 f. grZGB) und die Vormerkung einer Hypothek (Art. 1274 f. grZGB) bilden die meist gebrauchten Kreditsicherheiten im griechischen Bankwesen. Der Erwerb einer Hypothek setzt das Vorhandensein eines Titels (gerichtlichen, gesetzlichen oder auf dem Willen der Parteien beruhenden), der das Hypothekenrecht begründet, einerseits, sowie die Eintragung in das Hypothekenbuch des Ortes, wo das Grundstück liegt, andererseits voraus (Art. 1260 grZGB). Anders als bei Hypotheken gewährt die Vormerkung nur ein Vorzugsrecht auf Hypothekenerwerb (Art. 1277 § 1 grZGB). Der wesentliche Vorteil der Vormerkung liegt darin, dass sie mit deutlich niedrigeren Amtsgebühren als die Hypothek verbunden ist, wobei sie nach gerichtlich rechtskräftiger Zuerkennung der gesicherten Forderung in eine Hypothek umgewandelt werden kann (Art. 1277 § 2 grZGB), welche vom Tag der Vormerkung an als eingetragen gilt. Ein weiterer Vorteil der Vormerkung einer Hypothek ist die Unterbrechung der Verjährung zu Gunsten des Kreditinstituts, für dessen Rechte sie erfolgte (Art. 1280 grZGB).
36
Die Hypothek erstreckt sich auf das ganze Hypothekengrundstück sowie auf seine Bestandteile und das Zubehör (Art. 1282 grZGB). Die durch eine Hypothek angebotene Deckung schließt auch die fälligen Zinsen mit ein, wenn das geschuldete Kapital zuzüglich dieser Fälligkeitszinsen den durch Hypothek gesicherten Betrag nicht übersteigt (Areopag 307/1996, EEmpD 1997, 45).
37
Die flexiblere und privilegierte Befriedigung von Bankforderungen in Abweichung von den üblichen grZPO Vorschriften wurde anhand spezifischer, für sie günstiger Regelung sichergestellt (GesVO 17.7/13.08.1923 über Sondervorschriften betreffend Aktiengesellschaften in Verbindung mit Art. 26 IX Ges. 2076/1992; Areopag 1125/1987, EEmpD 1990, 222; Areopag 38/1988, EEmpD 1989 = EllDni 1990, 313, 558; Areopag 1129/1987, NoB 1988, 1597). Danach soll zur gültigen Bestellung des Pfandrechts ein Schriftstück – auch ohne sicheres Datum – vgl. Art. 1211 grZGB – reichen (Art. 36 § 2 GesVO 17.7/13.08.1923). Im Fall der Verpfändung einer Namensforderung des Bankkunden gegen einen Dritten wird der Pfandvertrag in Kopie an den Dritten zugestellt, während die abgesicherte Bank als Alleininhaberin dieser Namensforderung auftreten und ihre Befriedigung verlangen darf (Art. 39, 44 GesVO 17.7/13.08.1923). Genauso günstige Vorschriften zu Gunsten der kreditgewährenden Banken gelten auch im Konkursverfahren (GesVO 4001/1959).
38
Gegenstand von Pfandrechten dürfen Geldforderungen, Aktien, Gesellschaftsanteile, Wertpapiere (z.B. Wechsel nach Maßgabe von Art. 38 GesVO 17.7/13.08.1923) sowie Schutzrechte des gewerblichen Eigentums (z.B. eine eingetragene Marke gemäß Ges. 2239/1994) sein.
39
Ein Sonderpfandrecht wurde durch Ges. 2844/2000 eingeführt. Danach ist die Bestellung von Pfandrechten auch ohne Übergabe der gepfändeten Sache möglich, was dem kreditnehmenden Unternehmen zugute kommen soll (Georgiadis, ChrID 2001, 7).
40
Des Weiteren ist die Hypothekeneintragung – in Abweichung von der Regel der Immobilienbelastung – laut Ges. 4112/1929 auch für Maschinen und sonstige Fabrikanlagen zu-
41
Lyberis
2436
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
lässig (Areopag 1761/1998, EtrAxChrD 2000, 149; Psychomanis, Bankrecht I, S. 109; Masis, EEmpD 1973, 1). 42
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. Nach einhelliger Auffassung von Judikatur und Theorie stellt das Bankkonto ein depositum irregulare dar (Art. 830 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 806 grZGB; OLG Athen 3807/1998, NoB 46, 1453; OLG Dodoni 295/1997, EpiskED 1998, 994; OLG Thessaloniki 1580/2000, DEE 6, 884; OLG Athen 807/2000, DEE 6, 522; Psychomanis, Bankrecht I, S. 58, 217 f.). Die Kontoführung ist grundsätzlich – aber nicht zwangsläufig – auf den Zinsertrag gerichtet. Die Kontoeröffnung bzw. –führung setzt im üblichen Fall die Bargeldhinterlegung voraus. Der Bankhinterlegungsvertrag kann jedoch auch darin bestehen, dass der Kontoinhaber Wertpariere, wie z.B. Orderschecks, mittels Indossaments seinem Konto gutschreibt. In einem solchen Fall handelt es sich um eine Bankhinterlegung unter der aufschiebenden Bedingung, dass das einschlägige Wertpapier Deckung hat und dem Konto gegebenenfalls gutgeschrieben wird. Die Scheckeinlösung wird hierbei zwecks Diskontierung und nicht Liquidierung und Entgegennahme vorgenommen (Areopag Urteil 4/2000, EempD 1999, 491; Rokas, Grundzüge des Bankrechts, S. 62). Wenn das Konto bei einem Kreditinstitut mit der Vereinbarung eröffnet wird, dass über das jeweilige Saldo eine andere Person als diejenige verfügen darf, die das Konto eröffnet hat, so handelt es sich um einen Verfügungsakt eines Dritten im Sinne von Art. 239 Abs.1 grZGB. Der geldliche Anspruch des Kontoinhabers kann Gegenstand einer Abtretung, Verpfändung oder eines Nießbrauchrechts werden. Der Kontoinhaber genießt das Bankgeheimnis mit der Ausnahme von Art. 24 Ges. 2915/ 2001. Danach wird der Grundsatz des Bankgeheimnisses betreffend Bankeinlagen bzw. andere Titel nur dann durchbrochen, wenn ein Dritter als Gläubiger ein Beschlagnahmerecht zu Lasten des Schuldnervermögens bzw. Kontoinhabers vorweisen kann. Dies gilt jedoch nur in Bezug auf den bestimmten Gläubiger, und zwar bis zur Höhe des geschuldeten Betrags, dessen Anspruch durch die Aufhebung des Bankgeheimnisses befriedigt werden soll (Venieris, Handelsrechtliche Anwendungen, S. 1023).
43
Das Sparbuch und die darin elektronisch oder handschriftlich eingetragenen Gutschriften bzw. Lastschriften bilden inter partes einen vollen Beweis (Art. 444 Nr. 3 in Verbindung mit Art. 448 § 2 grZPO) bezüglich des Vorliegens und der Betragshöhe der vorgenommenen Eintragungen bzw. des vorhandenen Saldos bis zum Datum der letzten Eintragung (Areopag 54/1993, EEmpD 1993, 374; OLG Athen 3545/1998, EEmpD 1999, 491; Areopag 592/1999, EEmpD 2000, 289). Dies gilt unabhängig davon, dass das Sparbuch keine Unterschrift der Vertragsparteien (Kreditinstitut – Kunde) trägt (vgl. aber Psychomanis, Bankrecht I, S. 231, der die zivilprozessrechtliche Einordnung des Sparbuches als vollen Beweis insoweit bejaht, als dies ein Auszug aus den ohnehin ununterschriebenen kaufmännischen Bucheintragungen des Kreditinstituts ist).
44
Bei fehlerhaften Eintragungen im Bankkonto, welcher Art auch immer, muss man differenzieren je nach dem, zu wessen Lasten die Eintragung vorgenommen wurde: Ist eine die Interessen des Kunden schädigende Eintragung auf Verschulden eines Bankbeamten zurückzuführen, so haftet die Bank dafür, den dadurch dem Kunden entstandenen Schaden zu ersetzen. Ist die fehlerhafte Eintragung zu Lasten der Bank vorgenommen, so ist sie nicht befugt, diese Eintragung einseitig, also ohne vorherige Benachrichtigung ihres Kunden, im Wege der buchhalterischen Verrechnung aufzuheben (OLG Thessaloniki 997/ 1995, DEE 1995, 627).
45
II. Zahlungsverkehr. Der bargeldlose Zahlungsverkehr und die Abwicklung von Überweisungen erfolgen in Griechenland im Rahmen des sog. Hermes-Systems, d.h. eines
Lyberis
§ 78 Länderteil – Griechenland
2437
Systems zur dauerhaften Abwicklung von Überweisungen in Euro (Beschluss Nr. 46/ 21.12.2000 des Zentralbankausschusses für währungspolitische Themen). Das HermesSystem nimmt an dem Target-System für den transeuropäischen Zahlungsverkehr teil. Der Überweisungsvertrag ist ein Mischvertrag mit Elementen von Auftrag (Art. 713 grZGB) und Werkvertrag (Art. 681 grZGB). Ist die beauftragte Bank mit der Abwicklung der Überweisung im Verzug, verweigert sie die Erfüllung oder hat sie den Überweisungsauftrag fehlerhaft erfüllt, so ist sie zum Schadensersatz verpflichtet. In der Praxis wird oft eine zweite Bank, also das Kreditinstitut des Überweisungsempfängers eingeschaltet. Dabei erlangt der begünstigte Dritte einen direkten Anspruch gegenüber der zweiten Bank auf Auszahlung des überwiesenen Betrages (Areopag 467/1990, EllDni 1991, 117).
46
D. Kapitalmarktrecht
47
Das griechische Börsenrecht, dessen Grundzüge bzw. ursprüngliche Regelungen in den Gesetzen Nr. 3632/1928 und 1806/1988 enthalten sind, bezog sich hauptsächlich auf die Organisation und das Geschäftsgebaren der erst 1876 geschaffenen Athener Börse. Diese wies gegenüber ihren Mitgliedern und börsenzugelassenen Gesellschaften ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis auf. Sie war nämlich nicht nur der Marktbetreiber, sondern zugleich die Aufsichtsbehörde, die zusammen mit der Kapitalmarkt-Komission ihr marktregulierendes Ermessen bzw. Monopol ausübte. Es bestand somit eine weitgehende begriffliche Überlappung zwischen Börsen- und Kapitalmarktrecht, denn im Mittelpunkt des gesetzgeberischen Regelungsinteresses lagen bis 1996 lediglich die organisatorischen Bestimmungen bezüglich der Athener Börse, die Bedingungen, die für die Mitgliedschaft eines Kreditinstituts oder einer Gesellschaft an dieser Börse erforderlich waren und die Voraussetzungen für die Börsennotierung von Wertpapieren, deren Handel sowie deren Streichung von der Liste der handelbaren Werte. Der Unterentwicklung des Kapitalmarktrechts lag die langjährige Isolierung des griechischen Kapitalmarkts zugrunde, welche wiederum unter anderem durch die bis Anfang der 1990er Jahre im Lande geltende Devisenbewirtschaftung bedingt war. Mit Gesetz 2396/1996 wurde das griechische Recht nach Maßgabe der Richtlinie 93/22/ EG über Märkte für Finanzinstrumente dem europäischen Gemeinschaftsrecht weitgehend angeglichen. Die Umwandlung des Börsenrechts, sprich des Rechts der Athener Börse, zum Kapitalmarktrecht wurde erst 1996 angebahnt. Regelungsgegenstand des neu eingeführten griechischen Kapitalmarktrechts ist nicht mehr das Funktionieren der Börse in Athen, sondern die Erbringung von Finanzdienstleistungen durch Investmentgesellschaften, sei es mit Firmensitz in Griechenland oder EU-ausländische Gesellschaften. Die Einführung des sog. europäischen Passes für solche juristischen Personen und die Anwendung des Prinzips der Herkunftslandkontrolle haben unter anderem zur Folge gehabt, dass europaweit grenzüberschreitende Investmentdienstleistungen einer in Griechenland ansässigen Investmentgesellschaft möglich sind, wobei diese den griechischen Aufsichtsregeln unterliegen müssen. Ähnliches gilt für EU-ausländische Investmentgesellschaften, die sich in Griechenland niederlassen bzw. tätig werden wollen.
48
Das sekundäre europäische Gemeinschaftsrecht hat die Entwicklung bzw. Umorientierung des griechischen Kapitalmarktrechts stark ausgeprägt. Im Einzelnen:
49
Erstens, die Richtlinien 2004/39/EG und 85/611/EWG in der Fassung der Richtlinien 2001/107/EG und 2001/108/EG wurden durch das Gesetz 3606/2007 über Finanzmärkte sowie durch das Gesetz 3283/2004 über Wertpapierdienstleistungsunternehmen ins griechische Recht umgesetzt. Somit wurde der europarechtlichen Zielsetzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Rechnung getragen. Zweitens, die Zielsetzung der
Lyberis
2438
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Stabilität der Kapitalmärkte wurde durch die Gesetze 3606/2007 über Märkte für Finanzinstrumente, 3601/2007 (sog. neues Bankgesetz), 1806/1988 über Börsen und 3283/ 2004 gebührend berücksichtigt. Drittens, auf die Effektivität und Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte zielen eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften ab. Dabei sind besonders folgende Gesetze hervorzuheben: Gesetze Nr. 3283/2004, 3371/2005 über Kapitalmarktfragen, 3401/2005 über Informationsprospekte für das öffentliche Angebot von Wertpapieren und deren börslichen Handel, 3556/2007 über Transparenzbedingungen betreffend Emittenten, deren Wertpapiere auf einem organisierten Markt gehandelt werden, der Beschluss der Kapitalmarkt-Kommission 1/434/3.7.2007 über periodische und laufende Mitteilungs- und Offenlegungspflichten, 3340/2005 über missbräuchliche Benutzung von priviligierten Informationen und Marktmanipulationen, 2533/1997 über den organisierten Derivatenmarkt und den Anlegerschutz im Insolvenzfalle einer Wertpapieranlagefirma. 50
Quasi als Nachfolgerin der ehemaligen Athener Börse wurde die Börse von Athen Aktiengesellschaft mit Gesetz Nr. 3152/2003 gegründet, welche seitdem als eine juristische Person des Privatrechts ohne die bisherigen öffentlich-rechtlichen Aufsichtsbefugnisse operiert. Letztere sind auf die Kapitalmarkt-Kommission übergegangen, welche mit Beschluss Nr. 3/358/8.11.2005 die Betriebserlaubnis für organisierte Märkte von Wertpapieren und Derivaten der Börse von Athen AG erteilte. Die Kapitalmarkt-Kommission hat ferner den grundlegenden Beschluss Nr. 4/358/8.11.2005 erlassen, mit welchem sie die Satzung der Börse von Athen AG genehmigte. In dieser Satzung werden die organisatorischen und funktionellen Regeln der Wertpapiermärkte, des Wertpapierhandels und der Beteiligung der Mitglieder der Börse von Athen AG festgelegt.
51
Am 1. November 2007 trat das Gesetz 3606/2007 in Kraft. Dieses Gesetz dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/39/EG. Es hat zum Ziel, die Bedingungen für die Erteilung der Betriebserlaubnis von Unternehmen, welche Finanz- und Investment-Dienstleistungen erbringen bzw. Investmentgeschäfte tätigen, in Griechenland wie auch in anderen EU-Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Dabei sind die legitimen Interessen von Investmentanlegern vorrangig zu berücksichtigen, sodass Investmentgeschäfte im gesamten europäischen Wirtschaftsraum einschließlich Griechenland leichter getätigt werden können. Im Hinblick auf den Haftungsgrad von Investmentgesellschaften ist die Differenzierung durch den Gesetzgeber hervorzuheben, wonach die Auftraggeber von solchen Gesellschaften in zwei Kategorien unterteilt werden: 1. Gewerbsmäßige Anleger, wie z.B. Kreditinstitute, institutionelle Anleger und sonstige juristische Personen, die eine Zulassung von der Kapitalmarkt-Kommission erhalten haben und Investmentgeschäfte berufsmäßig vornehmen; und 2. Privatanleger, die nicht zur ersten Kategorie gehören. Die zur ersten Kategorie gehörenden Firmen können von der Investmentgesellschaft verlangen, dass sie einem Privatanleger gleichgesetzt werden, um höheren Rechtsschutz zu genießen bzw. einen höheren Haftungsgrad der einschlägigen Investmentgesellschaft zu erreichen (Art. 6 Ges. 3606/2007). Art. 25 Ges. 3106/2007 enthält Vorschriften bzgl. des Marktverhaltens von Investmentgesellschaften (Best-Execution-Klausel usw.) nach Maßgabe der EU-Richtlinie 2006/73/EG, wobei etwaige Verletzungen von Bestimmungen dieses Gesetzes mit hohen Geldstrafen, Schadensersatzleistungen bzw. Entzug der Zulassung bestraft werden.
52
In Anlehnung an das Gesetz 3606/2007 hat die Kapitalmarkt-Kommission den Beschluss Nr. 2/477/1.7.2008 erlassen, der am 5.9.2008 veröffentlicht wurde und in Kraft trat. Hiermit werden die Voraussetzungen und das Verfahren für Erteilung der Betriebszulassung eines Multilateralen Handelssystems (MTF) detailliert festgelegt. Ein solches Handels-
Lyberis
§ 78 Länderteil – Griechenland
2439
system kann durch eine Wertpapierfirma, ein Kreditinstitut oder einen Marktbetreiber betrieben werden. Die fortgeschrittene Transformation des Börsenrechts zum Kapitalmarktrecht hat zur Folge gehabt, dass die bisher geltenden Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse im Rahmen der Athener Börse nicht unbedingt auch für die Zukunft bzw. für andere organisierte Märkte und Marktbetreiber Anwendung finden können. So schreibt Art. 15 Abs. 6 Gesetz 3632/1928 die einjährige Verjährungsfrist für Ansprüche vor, die aus einer Börsentransaktion hervorgehen. Es ist in der Rechtsprechung jedoch umstritten, ob diese Verjährung nur die Rechtsverhältnisse und Transaktionen zwischen den sog. Börsenmitgliedern, sprich den zum Börsenhandel zugelassenen Banken und Gesellschaften betrifft (OLG Athen 3338/2004, 8809/2003, 1497/2005, 4985/2005) oder auch die Rechtsverhältnisse zwischen diesen und deren auftraggebenden Kunden (Areopag Urteil 16/2008, OLG Athen 1481/2005, 6244/2004, 8418/2003). Ebenso umstritten ist, ob börsenzugelassene Finanzunternehmen Darlehen an ihre Kunden gewähren dürfen, damit letztere das geliehene Geld in Wertpapiere investieren können. Dies wurde zwar kraft Gesetzes Nr. 2843/2000 den börsenzugelassenen Finanzunternehmen expressis verbis untersagt. Diese Regelung wurde durch höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch nicht angewendet und das Darlehen wurde als rechtswirksam qualifiziert (Areopag Urteil 1490/2005). Eine solche Lösung scheint auch durch gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des oben genannten griechischen Gesetzes geboten zu sein. Ansonsten würde die Beachtung dieser gesetzlichen Untersagung von Darlehensgewährung eine umgekehrte Diskriminierung griechischer Finanzunternehmen gegenüber ihren EU-ausländischen Konkurrenten darstellen.
E. Nützliche Internetadressen
53
54
Bank von Griechenland (Zentralbank; Aufsichtsbehörde): www.bankofgreece.gr Griechischer Bankenverband: www.hba.gr Wirtschafts- und Finanzministerium Griechenlands: www.mnec.gr Ombudsmann: www.bank-omb.gr; www.investment-omb.gr Griechischer Kapitalmarktausschuss: www.hcmc.gr Griechische Wettbewerbskommission (Kartellamt): www.epant.gr Bibliotheken Griechischer Kreditinstitute – ALPHA BANK: www.alpha.gr/page/default.asp?gs – NATIONAL BANK OF GREECE: www.nbg.gr/social.asp?P_ID=679 – AGRICULTURAL BANK OF GREECE: www.ate.gr/books.shtml
Lyberis
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2441
9. Großbritannien/Nordirland Schrifttum Blair, Financial Services and Markets Act 2000, 2001; Howard/Masefield, Butterworths Banking Law Guide, 2006, Cranston, Principles of Banking Law, 2002; Chitty on Contracts, Volume 2: Specific Contracts, 2004; Ellinger/Lomnicka/Hooley, Modern Banking Law, 2006. Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 18 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 20 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Darlehensvertrag und Zinsen . . . . . . . . . 21 2. Immobiliarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4. Andere Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Hypothek/Grundschuld . . . . . . . . . . . . . 39 2. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Andere Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . 45 III. Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
1. Kontenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Scheck- und Kartengeschäft . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung) . . . . . . . . . . . . 1. Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . II. Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . III. Effekten-, Emissions- u. Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Emissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 56 56 60 62 62 63 65 66 68 69 76 81 85
Stichwortverzeichnis Acceleration clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Actual undue influence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Agency . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Annual percentage rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 33 APACS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Assignments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Authorisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Authorised persons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 BACS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Bank of England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Bonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Bonds with warrants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 British Bankers Association . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Building Societies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 CAT Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Certificates of deposits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 CHAPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Cheque . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Commercial papers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Companies Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Company account . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Conduct of Business Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Consideration period. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Consumer Credit Act 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Credit balance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Cross default clauses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Crossed cheque . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Cruickshank Report . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Current account . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Custody . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Debit transfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Debt securities. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Default clauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Default interest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Direct debit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Duty of confidentiality . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Collective investment scheme. . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Commitment fee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Compound interest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Equitable charge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Equitable mortgage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Equity securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Events of default . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Exempted persons. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Fee simple. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Financial future. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Financial promotion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Financial Services Authority . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Financial Services and Markets Act 2000 . . . . . . . 10 Financial Services Compensation Scheme . . . . . . . 14 Financial Services Ombudsman Service . . . . . . . . 15 Floating charge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Giro transfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Guarantee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Hire purchase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Interest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Initial public offering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Joint account . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Lease . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Legal charge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Legal mortgage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Letter of hypothecation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Listing Particulars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Listing Rules. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Land Registry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Land Charges Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Loan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Medium term notes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Merchant banks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Schlüter
2442
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Minors’ Accounts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Money Laundering Regulations 2003. . . . . . . . . . . 87 Money Lenders Act 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Negligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Official List . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Open-ended investment companies. . . . . . . . . . . . . 83 Overdraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Placing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Principles of business . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Protected goods. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Pledge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Presumed undue influence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Proceeds of Crime Act 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Prudent man rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Reasonableness test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Recognised clearing houses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1
Recognised investment exchanges . . . . . . . . . . . . . . 7 Recognised overseas schemes . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Recourse agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Regulated activities. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Rights issue. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Standing order. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Tacking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 The Banking Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Tripartite credit card system . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Trust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Trust account . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Underlying instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Underwriter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Unfair relationship between creditors and debtors . 27 Unit trusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Warranties. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
A. Rahmenbedingungen „Großbritannien“ im Sinne dieses Länderteils meint das Vereinigte Königreich von Großbritannien (England, Wales und Schottland) und Nordirland. Dieser Länderteil befasst sich mit materiellen Rechtsvorschriften und höchstrichterlicher Rechtsprechung, die im gesamten Vereinigten Königreich gelten. Sofern für die Praxis relevante Abweichungen in den Landesteilen Wales, Schottland und Nordirland bestehen, werden diese besonders erwähnt.
2
3
4
I. Banksystem. Das Banksystem von Großbritannien kann in fünf Gruppen eingeteilt werden. Die wichtigste Gruppe sind die Clearing-Banken (clearers). Zu ihnen gehören vor allem die „großen Vier“: Barclays Bank, Lloyds TSB Bank, HSBC Bank und die Royal Bank of Scotland Group. Die Clearing-Banken zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch ihre Mitgliedschaft in der Association for Payment Clearing Services (APACS) in der Lage sind, Schecks und andere beleggebundene Giroüberweisungen sowie elektronische Geldtransfers im Verbund mit den anderen Clearing-Banken für ihre und deren Kunden abzuwickeln. Die schottischen Clearing-Banken Bank of Scotland, Clydesdale Bank, Lloyds TSB Scotland und die Royal Bank of Scotland betreiben ein eigenes Clearinghaus in Edinburgh, sind aber zugleich Nutzer der APACS-Systeme. Die nordirischen ClearingBanken Northern Bank und Ulster Bank verfügen ebenfalls über ein eigenes Clearinghaus in Belfast und sind indirekte Nutzer der APACS-Systeme. Die zweite große Gruppe sind die Bausparkassen (building societies). Mit dem Inkrafttreten des Building Societies Act 1987 ist es den Bausparkassen nun erlaubt, Banklizenzen zu beantragen, ihren Mitgliedern fast alle im Privatkundengeschäft üblichen Finanzdienstleistungen anzubieten und ihre Rechtsform von der mitgliederbasierten Eigentümerstruktur (mutual associations) in Kapitalgesellschaften umzuwandeln. Die größten Bausparkassen haben sich bereits zu Banken umgewandelt (s. Abbey National plc, Alliance and Leicester plc u. Halifax plc). Für die Kunden besteht der Unterschied zwischen den Banken und den noch nicht zu Banken umgewandelten Bausparkassen primär darin, dass Bausparkassen ihre Finanzdienstleistungen nur ihren Mitgliedern gegenüber erbringen, während Banken keine Mitgliedschaft ihrer Kunden kennen. Die dritte Gruppe sind die Handels- und Investmentbanken (merchant banks), deren Schwerpunkte in der Finanzierung des internationalen Handels und Kapitalmarktaktivitäten liegen. Diese Banken unterhalten keine landesweiten Geschäftsstellen und sind in der London Investment Banking Association (LIBA) organisiert. Zur vierten Gruppe gehören die Banken, die primär im Tagesgeld- und Diskontgeschäft tätig sind. Sie haben
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2443
sich in der London Money Market Association (LMMA) zusammengeschlossen. Die fünfte Gruppe bilden die ausländischen Banken, zu denen vor allem die zahlreichen Banken aus Ländern des Commonwealth und der früheren und noch bestehenden Protektorate des Vereinigten Königreichs gehören. Sie sind in der Association of Foreign Banks (AFB) organisiert. Die Interessenvertretung aller fünf Gruppen von Banken ist die British Bankers’ Association (BBA). Die Mitgliedschaft in der BBA steht allen inländischen und ausländischen Banken offen, die Bankgeschäfte in Großbritannien anbieten. Zur Zeit sind 260 Institute Mitglied im BBA (www.bba.org.uk am 08.09.2008).
5
Zur Zeit kann gesagt werden, dass das britische Banksystem vor Veränderungen steht. Im März 2000 wurde der von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Cruickshank Report (Treasury, March 2000, London) veröffentlicht. Dieser beschäftigte sich mit der Intensität des Wettbewerbs im Banksystem Großbritanniens und stellte einen Mangel an Wettbewerb bei Überweisungen sowie den Bereichen Privatkunden und kleinere Geschäftskunden fest. Im Segment der kleineren und mittleren Geschäftskunden betrug 1999 der Marktanteil der vier größten Clearing-Banken nicht weniger als 83% (Cruickshank Report, Seite ix). Die hohen Margen im Bankgeschäft haben zum Markteintritt von Supermarkt- und Internetbanken geführt. Die Supermärkte betreiben ihre Bankgeschäfte üblicherweise als Joint ventures mit etablierten Clearing-Banken. Großbritanniens größte Supermarktkette, Tesco, war dabei so erfolgreich, dass sie ihren Partner Royal Bank of Scotland für nicht weniger als 950 Mio. Pfund aus dem gemeinsamen Joint venture herauskaufen konnte. Wichtige Internetbanken sind Ableger etablierter Banken. So wurde z.B. Cahoot von Abbey National und Smile von der Co-operative Bank gegründet. Trotz des Eintritts neuer Markteilnehmer wird allgemein die Wettbewerbsintensität im Banksenktor weiterhin als verbesserungsfähig angesehen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ergebnisse des im Januar 2007 veröffentlichen Abschlussberichts der EU-Kommission zur Untersuchung des Retail-Bankgeschäfts hinzuweisen (Sector Inquiry under Art. 17 of Regulation1/2003 on retail banking (Final Report) vom 31.01.2007). Im Abschlussbericht kündigte die Kommission an, dass sie ihre wettbewerbsrechtlichen Überwachungskompetenzen nach Art. 81, 82 und 86 EG-Vertrag insbesondere auf den Bereichen Konzeption und Betrieb von Zahlungssystemen, Kreditauskunftssysteme, Zusammenarbeit zwischen den Banken und der Festlegung von Preisen und Geschäftsstrategien einschließlich der immer häufiger auftretenden Produktkoppelung ausüben wird. Dieser Ansatz wurde inzwischen von der Führung des OFT aufgriffen, die eine detaillierte Untersuchung der Wettbewerbssituation im britischen Bankgeschäft angekündigte (vgl. OFT Press Release 55/07 vom 29.03.2007). Bei dieser Untersuchung dürfte sicherlich das als besonders lukrativ geltende Girotransfergeschäfts, das den beteiligten Bank laut Presseberichten ca. 30 Mio. Pfund jährlich an Zinsen einbringen soll, im Mittelpunkt stehen.
6
Aus Gründen der Vollständigkeit sei hier auch noch das Börsensystem Großbritanniens erwähnt. Zur Zeit gibt es sechs große anerkannte Börsen (recognised investment exchanges) und zwei anerkannte Clearinghäuser (recognised clearing houses). Zu den anerkannten Börsen zählen The London Stock Exchange (LSE), Tradepoint Stock Exchange, The London International Financial Futures and Options Exchange (LIFFE), London Securities and Derivatives Exchange (OM London Exchange), The IntercontinalExchange (ICE, früher International Petroleum Exchange, IPE) und The London Metal Exchange (LME). Hier sei erwähnt, dass britische Regionalbörsen versuchen, über Online-Trading-Systeme Marktanteile zu gewinnen. Als Beispiel kann das neue Projekt der Birmingham Stock Exchange namens Investbx genannt werden. Investbx versteht sich als Handelsplatz für Unternehmen, die einerseits zu groß sind, über sog. Business Angels fi-
7
Schlüter
2444
8
9
10
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
nanziert zu werden, andererseits zu klein sind, an der LSE gelistet zu werden (s. Financial Times vom 30.03.2007). Finanziell wird Investbx von der regionalen Entwicklungsagentur Advantage West Midlands unterstützt. Die anerkannten Clearinghäuser sind The London Clearing House (LCH) und CRESTCo. Ltd (CREST), jetzt Teil von Euroclear. Unternehmen, die das Verfahren zur Zulassung als Börse nach Sections 287, 288 FSMA 2000 erfolgreich durchlaufen haben, sind von dem Erfordernis der Beantragung einer Erlaubnis (authorisation) nach Sections 19, 22 FSMA 2000 ausgenommen, unterliegen aber hinsichtlich ihrer Börsen- und Clearingaktivitäten einer (Sonder-)Aufsicht durch die FSA (s. Section 293 FSMA 2000). Börsen und Clearinghäuser mit Sitz und Zulassung außerhalb Großbritanniens können sich nach Section 295 FSMA 2000 in einem vereinfachten Verfahren von der FSA als recognised investment exchange bzw. recognised clearing house anerkennen lassen, wenn sie beabsichtigen, ihre Dienstleistungen auch in Großbritannien anzubieten (vgl. Blair, S. 216). Die in der Praxis an Bedeutung zunehmenden alternativen Handelsplattformen (alternative trading platforms) haben derzeit, abhängig von der Ausgestaltung ihrer Dienstleistungen, die Wahl, ob sie bei der FSA um eine „normale“ authorisation oder eine recognition beantragen (dual regime approach der FSA). II. Bankenaufsicht. Die Zusammenbrüche der Bank of Credit and Commerce International und Barings sowie die Misstände beim Verkauf von privaten Pensionssparplänen in den 80er Jahren haben dazu geführt, dass die britische Regierung Ende der 90er Jahre einen tiefgreifenden Wandel in der britischen Bankenaufsicht in Gang setzte. Mit dem Bank of England Act 1998 wurde nicht nur die Notenbank mit voller Unabhängigkeit in monetären Fragen ausgestattet, sondern mit der Financial Services Authority (FSA) auch eine neue Allfinanzaufsichtsbehörde geschaffen. Die FSA diente zum Teil auch als Vorbild bei der Neugestaltung der Finanzaufsicht in Deutschland. Die Bank of England ist schwerpunktmäßig für die generelle Stabilität des Finanzsystems Großbritanniens zuständig. Ihr Ziel ist dabei, die Infrastrukturen zu verbessern, aber auch systembedingte Risiken auf dem Finanzsektor zu reduzieren. Der FSA obliegt der gesamte Bereich der Zulassung und Überwachung der Bausparkassen, Banken, Investmentgesellschaften und Versicherungen. Zu Überschneidungen bei den Kompetenzen zwischen der Bank of England und der FSA kann es allerdings kommen, wenn der Ausfall eines größeren Instituts eine Bedrohung für die allgemeine Stabilität des Finanzsystems in Großbritannien zur Folge haben könnte (vgl. Barings und Northern Rock). Für solche Fälle ist in dem Memorandum of Understanding zwischen der Bank of England und der FSA geregelt, dass beide Institutionen sich gegenseitig informieren und zusammenarbeiten (s. www.bankofengland.co.uk). Am 1. Dezember 2001 nahm die FSA ihre operative Tätigkeit als alleinige Aufsichtsbehörde für das gesamte Finanzwesen Großbritanniens auf. Seitdem sind alle Verantwortlichkeiten der früher existierenden sieben Selbstverwaltungsaufsichtsbehörden auf die FSA übergegangen („one stop“-Regulierung). Die FSA ist mittlerweile für die Überwachung von über 29.000 Finanzunternehmen verantwortlich (www.fsa.gov.uk am 08.09.2008). Mit dem Inkrafttreten des Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA 2000) setzt das Finanzministerium (Treasury) die Rahmenrichtlinien für die Finanzaufsicht und trägt in letzter Instanz die Verantwortung für die aufsichtsbezogenen Aktivitäten der Bank of England sowie der FSA, ohne jedoch in die tägliche Aufsichtsarbeit eingebunden zu sein. In Part I, Section 2 para 2 des FSMA 2000 sind die vier gesetzlich fixierten Ziele (regulatory objectives) für die Aufgaben der FSA festgelegt. Diese sind die Stärkung des Vertrauens der Finanzmarkteilnehmer, die Förderung des Verständnisses der Öffentlichkeit für das Finanzsystem, der Verbraucherschutz und die Verringe-
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2445
rung der Finanzkriminalität. Von großer praktischer Bedeutung ist die Ermächtigung für die FSA, Verhaltensmaßregeln für Finanzmarktteilnehmer in einem sog. Handbook festzulegen. Kernelemente diese Handbuchs sind die „11 Principles for Business“, die durch mittlerweile nicht weniger als 5.000 (!) Detailregeln präzisiert worden sind (FSA, Annual Report 2005/6, S. 8). Nach den Sections 19 und 22 FSMA 2000 bedarf jede juristische oder natürliche Person, sofern sie nicht zu den in dem Gesetz ausdrücklich aufgeführten ausgenommen Personen gehört (exempted persons), einer Erlaubnis (authorisation), wenn sie erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen (regulated activities) im Vereinigten Königreich erbringen möchte. Erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen im Sinne der Section 22 FSMA 2000 sind in nicht abschließender Form in Schedule 2 des FSMA 2000 ausgeführt. Zu ihnen zählen insbesondere der Handel und die Anbahnung von Geschäften mit „Investments“, das Einlagengeschäft, die Anlageberatung, das Gründen, Betreiben und Auflösen von kollektiven Anlageformen sowie die Verwendung von computergestützen Systemen für Anlageempfehlungen. Darüber hinaus erläßt das Treasury regelmäßig aktualisierte Rechtsverordnungen (Regulated Activities Orders; s. Statutory Instrument 2001 No. 544 u. No. 1177), in denen festgelegt wird, welche weiteren Aktivitäten der Erlaubnispflicht unterliegen sollen.
11
Nach dem Exemption Order 2001 (Statutory Instrument 2001 No. 1201) sind die Bank of England, die anderen Zentralbanken des Europäischen Wirtschaftsraumes sowie verwandte internationale Institutionen und Entwicklungsbanken als exempted persons vollständig vom regulatorischen Regime der FSA ausgenommen. Finanzinstitute, die in einem Mitgliedsland des europäischen Wirtschaftsraumes zugelassen sind (EEA firms), gelten nicht als exempted persons, sondern als authorised persons. Sie benötigen somit keine Erlaubnis, wenn sie im Vereinigten Königreich Finanzdienstleistungen anbieten, welche zu den erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistungen zählen, fallen aber bei Erbringung dieser Dienstleistungen im Vereinigten Königreich unter das Regime des FSMA 2000.
12
Nicht zuletzt auch als Folge der umstrittenen Umstände beim Verkauf von Pensionssparplänen (pension plans) in den 80er Jahren ist in Section 21 (1) und (2) FSMA 2000 geregelt, dass das geschäftsmäßige Werben (financial promotion) für eine Finanzinvestition (investment activity) nur durch eine lizenzierte Person (authorised person) erlaubt ist bzw. zumindest ihr Inhalt von einer „authorised person“ abgenommen wurde. Welche Formen des geschäftsmäßigen Werben s. unter Section 21 FSMA 2000 fallen, ist in dem vom Treasury herausgebenen Financial Promotions Order festgelegt (Statutory Instrument 2001 No. 1335).
13
Nach Part XV FSMA 2000 hat die FSA mit dem Financial Services Compensation Scheme (FSCS) einen einheitlichen Sicherungsfonds für die gesamte Finanzwirtschaft des Vereinigten Königreichs eingerichtet. Erleiden Privatleute sowie kleine Geschäftsbetriebe im Rahmen der Ausübung einer erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistung (regulated activity) einen Verlust durch den Ausfall eines Instituts, so werden sie bis zu einem Betrag von derzeit maximal 35.000 Pfund (Sichteinlagen) bzw. 48.000 Pfund (Finanzanlagen, Hypothekenkredite) vom Sicherungsfonds entschädigt.
14
Mit dem FSMA 2000 ist außerdem auch ein einheitliches Ombudsmannverfahren für die gesamte Finanzwirtschaft, Financial Ombudsman Service (FOS), eingeführt worden. Kern des neuen, gesetzlich verankerten Konfliktverfahrens ist, dass der Beschwerdeführer zuerst das interne Beschwerdeverfahren seines Finanzinstituts durchlaufen muss, bevor er sich mit seinem Anliegen an das FOS wenden kann (Section 13 (3) Schedule 17,
15
Schlüter
2446
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
FSMA 2000). Beschwerdeberechtigt sind alle Privatpersonen und kleine Geschäftsbetriebe bis zu einem Jahresumsatz von 1 Million Pfund. Hervorzuheben ist, dass das FOS größeren Spielraum bei Entscheidungen hat als Gerichte. Während die Gerichte an das normale Schadensersatzrecht gebunden sind, kann der Finanzombudsmann eine Entschädigung einer Privatperson durch einen Finanzdienstleister anordnen, wenn ihm dies billig und angemessen erscheint (Section 228 (2) FSMA 2000). Die Entscheidung des Finanzombudsmanns ist für die betroffenen Finanzdienstleister bis zu dem Betrag von 100.000 Pfund bindend und kann von diesem nicht mehr gerichtlich angefochten werden. Dagegen steht es dem Beschwerdeführer offen, den Schiedsspruch nicht zu akzeptieren und vor Gericht zu klagen. Der FOS ist mittlerweile nicht mehr aus dem Alltag des britischen Bankwesens wegzudenken. Er hat rund 900 Mitarbeiter bei einem Budget von 56 Mio. Pfund. Im Geschäftsjahr 2007-8 wurden nicht weniger als 800.000 Kundenbeschwerden, von denen 90% informell, d.h. ohne eine formelle Entscheidung des Ombudsmanns gelöst werden konnten. Bemerkenswert ist, dass die Beschwerden nicht nur sog. „schwarze Schafe“ betreffen. 50% aller Beschwerden in 2007-8 betrafen die sechs größten Finanzinstitute Großbritanniens (FOS, Annual Review 2007-8, S. 66). 16
17
18
19
Weitere Besonderheiten sind der The Banking Code, The Business Banking Code und The Mortgage Code. Diese Codes sind Regelwerke freiwilligen Charakters und werden regelmäßig aktualisiert. Sie legen für Banken, die sich ihnen unterwerfen, einen Mindeststandard (good practice) im Umgang mit ihren Privatkunden etwa bei der Kontoführung, Kleinkrediten und Hypothekendarlehen fest. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass mittlerweile der „Verkauf“ von Hypothekendarlehen (mortgages) von der FSA reguliert wird und Institute, die mortgages vertreiben, nun einer speziellen FSA-Lizenz bedürfen. Abschließend sei auf die CAT-Standards hingewiesen, die vom Finanzministerium für bestimmte Finanzprodukte wie etwa private Pensionssparpläne und nicht überziehungsfähige Girokonten (Basic Bank Accounts) veröffentlicht werden. CAT steht für „fair Charges“, „easy Access“ und „decent Terms“. Sie gehen auf Forderungen des Cruickshank-Reports nach mehr Transparenz und Wettbewerb im Bankgeschäft zurück. Aufgrund des Marktdrucks und der der zunehmenden diesbezüglichen Aktivitäten des Office of Fair Trading in diesem Bereich gehen immer mehr Banken dazu über, ihre Produkte nach den CAT-Standards auszurichten. III. Bedeutende Rechtsquellen. Die Hauptquelle des Bankrechts von Großbritannien ist das sogenannte common law, welches sich aus über die Jahrhunderte gefällten Einzelentscheidungen der höchsten Gerichte des Landes entwickelt hat. Die Grundlagen der Rechtsbeziehung zwischen der Bank und ihrem Kunden sind nicht kodifiziert, sondern vielmehr ein Konglomerat aus Einzelverträgen. Die Inhalte der jeweiligen Einzelverträge sind wiederum in unzähligen Entscheidungen festgelegt worden. Beim Studium des Fallrechts ist die Gerichtshierachie zu beachten. Nach der stare decisis-Doktrin sind die Gerichte an die früheren Entscheidungen gleich- und höherrangiger Gerichte gebunden und dürfen von ihnen nicht abweichen. Dabei gehen Entscheidungen des höchsten Gerichts, des „House of Lords“ den Urteilen des Berufungsgerichts (Court of Appeal) und der „High Courts“, die bei Vermögensstreitigkeiten in der Regel als erstinstanzliche Gerichte fungieren, vor. Eine Ausnahme von dieser Doktrin gilt nur für das House of Lords, das unter bestimmten Voraussetzungen von früheren eigenen Entscheidungen abweichen darf. In der Praxis wird das aber von House of Lords aus Gründen der Rechtssicherheit zu vermeiden versucht. Bezüglich des Banksrechts ist die Entscheidung in Woods v Martins Bank Ltd (1959) 1 QB 55 instruktiv. Kodifikationen gehen Gerichtsurteilen vor, haben häufig jedoch nur fragmentarischen Charakter. Zu den wichtigsten zählen (in alphabetischer Reihenfolge): Bank of England
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2447
Act 1998, Banking Act 1987, Building Societies Act 1986, Consumer Credit Act 1974 und 2006, Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999, Financial Services and Markets Act 2000, Misrepresentations Act, Trustee Investment Act 1961, Unfair Contract Terms Act 1997, Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999. Ergänzende wichtige Vorschriften sind die Verordungen des Finanzministeriums wie die Regulated Activities Orders, das Handbook der FSA, die Consumer Credit (Agreements) Regulations 1983 und Selbstverpflichtungen wie The Banking Code.
B. Kredit und Kreditsicherheiten
20
I. Kreditformen. Die wichtigsten Kreditformen sind das Darlehen mit festgelegter Laufzeit (term loan) und der Überziehungskredit (overdraft). 1. Darlehensvertrag und Zinsen. Das Darlehen (loan) wird als Gebrauchüberlassung einer festgelegten Geldsumme für einen genau bestimmten Zeitraum, typischerweise für einen spezifizierten Zweck, definiert (Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 636-637). Kommerzielle Kreditverträge beinhalten in der Regel ferner umfangreiche Zusicherungen (representations), Gewährleistungen (warranties) und Verpflichtungen (covenants) des Kreditnehmers. Die covenants begründen oft umfangreiche Informations- und Verhaltenspflichten, wie z. B. die Einhaltung einer bestimmten Eigenkapitalquote. Eine Verletzung eines covenants (event of default) berechtigt den Kreditgeber zur Kündigung (Ellinger/ Lomnicka/Hooley, S. 656).
21
Das Recht, Zinsen (interest) für die Gewährung eines Darlehens zu berechnen, muss ausdrücklich oder implizit zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer vereinbart werden. Auch das Recht des Kreditgebers, vom Kreditnehmer Zinseszins (compound interest) zu verlangen, muss ausdrücklich vereinbart werden. Im Gegensatz dazu besteht bei der equitable charge, einer formlosen Rechtsübertragung an einem Grundstück zu Sicherungszwecken, die Besonderheit, dass eine schriftliche Vereinbarung zur Begründung der Zinszahlungspflicht nicht erforderlich ist. In der Praxis wird die Pflicht zur Zahlung von Zinsen bzw. Zinseszinsen in den Standardformularen bei Kontoeröffnung von den Banken mit ihren Kunden schriftlich vereinbart.
22
Große Bedeutung haben in der Praxis die Bestimmungen zur vorzeitigen Rückzahlungspflicht des Schuldners (default clauses). Zum einen gibt es Vertragsgestaltungen, die den Schuldner zur sofortigen Rückzahlung bei Verzug verpflichten. Häufiger sind allerdings Klauseln, bei denen der Gläubiger die sofortige Rückzahlung des Darlehens nur unter bestimmten Bedingungen (events of detault) verlangen kann. Typischerweise zählen zu diesen Bedingungen der Verzug mit der Zahlung von Zinsen oder Tilgung, die Insolvenz des Schuldners, die Verletzung von ergänzenden Verpflichtungen, die der Schuldner im Kreditvertrag eingegangen ist (covenants) oder die Nichterfüllung von gegebenen Zusicherungen (warranties). Ein Beispiel für ein covenant ist die Verpflichtung, Dritten nicht Besitz oder Eigentum an dem Gläubiger gewährten Kreditsicherheiten zu verschaffen. Mit der Hilfe von warranties lassen Gläubiger von Schuldnern üblicherweise bestimmte Eigenschaften des Schuldners bzw. seines Geschäfts wie zum Beispiel die Eigentümereigenschaft an wichtigen Produktionsmitteln zusichern. Bei Großkrediten bestehen Gläubiger in der Regel auch auf die vertragliche Vereinbarung von sogenannten cross default clauses. Diese Klauseln geben Gläubigern das Recht, die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens für den Fall eines Verstosses des Schuldners einer Verpflichtung, die er im Rahmen von anderen Verträgen mit dem Gläubiger, z.B. einem zeitlich früher abgeschlossenen anderen Darlehen, eingegangen ist, zu verlangen.
23
Nicht unüblich sind dabei in Großbritannien auch Vereinbarungen, bei denen der Kreditnehmer, sobald er in Verzug mit der Rückzahlung seines Kredits gerät, einen höheren
24
Schlüter
2448
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Zinssatz zu zahlen hat (default interest). Um eine Unwirksamkeit derartiger Klausels als unbillige Vertragsstrafe zu umgehen, wird in der Praxis oft folgender Ansatz verfolgt: Es wird vereinbart, dass der höhere Zinssatz nicht rückwirkend, sondern nur ab dem Zeitpunkt des Zahlungsverzugs des Schuldners gilt. Ähnlich verfahren die Banken gegenüber Privatkunden bei Überziehungskrediten. Bei der Gewährung dieser Kreditform legen die Banken häufig zwei unterschiedliche Zinssätze fest. Einen niedrigeren Zinssatz im Rahmen des vereinbarten Kreditlimits und einen höheren für Abhebungen, die der Kunde tätigt und die über das vorgegebene Limit hinausgehen. Ergänzend werden von Kreditgebern oft sogenannte Beschleunigungsklausels (acceleration clauses) eingesetzt. Sie legen fest, dass der Kreditgeber im Falle des Verzugs des Kreditnehmers die sofortige Rückzahlung des Darlehens inklusive bis dahin angefallener Zinsen verlangen kann. 25
Bei Darlehen kommen die Bestimmungen des Consumer Credit Act 1974 zur Anwendung, wenn der Kreditnehmer eine Privatperson ist und der Kredit nicht für geschäftliche Zwecke vergeben wird. Mit einer Gesetzesänderung in 2006 ist die zuvor geltende Einschränkung der Anwendung des Consumer Credit Act 1974 auf Kredite bis zu einer Summe von 25.000 Pfund aufgehoben und damit der Schutz für private Kreditnehmer erweitert worden. Daneben wurde die Defintion von „Privatperson“ (individual) um eine Gemeinschaft von zwei bis drei Personen erweitert, sofern sich unter diesen Personen keine juristische Person oder eine sog. Parternschaft-Gesellschaft (partnership), die mit der offenen Handelsgesellschaft nach deutschen Recht verglichen werden kann, befindet. Section 21 des Gesetzes schreibt vor, dass jeder, der Konsumentenkredite vergeben will, einer Lizenz bedarf, die nicht die FSA, sondern das Office of Fair Trading erteilt.
26
Nach Section 60 Consumer Credit Act 1974 sind zahlreiche Verordnungen wie z. B. die Consumer Credit (Agreements) Regulations 1983 (Statutory Instrument 1983 No. 1553) erlassen worden. Sie bestimmen, dass bei Darlehen mit fester Summe die Gesamtkosten des Kredits und bei Überziehungskrediten die Kreditlinie sowie die Art und Weise, wie diese festgelegt wird, mitzuteilen sind. Auch die Kalkulationsweise von variablen Zinsen ist offenzulegen sowie eine festgelegte Berechnungsformel zu verwenden, wenn mit dem Jahreszinssatz (annual percentage rate) geworben wird.
27
Hinsichtlich der inhaltlichen Kontrolle in Bezug auf Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung bei Verbraucherkreditverträgen sind die folgenden Rechtsvorschriften zu beachten: §§ 140A-D Consumer Credit Act 1974, der Unfair Contract Terms Act 1977 sowie The Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 (Statutory Instrument 1999 No. 2083). Mit den §§ 140A-D sind die bisher gültigen Sections 137-140 Consumer Credit Act 1974 ersetzt worden. Die Bestimmungen der §§ 137-140 gelten übergangsweise noch für alle Kreditverträge mit Privatkunden, die vor dem 06.04.2007 abgeschlossen wurden. Nach den §§ 137 und 138 kann ein Gericht eine mit einem Verbraucher geschlossene Kreditvereinbarung abändern, wenn sie als unstatthaft (extortionate) anzusehen ist. In der Praxis kamen diese Bestimmungen früher allerdings selten zur Anwendung. Beispielsweise wurde in A. Ketley Ltd v Scott ((1981) ICR 241 (Ch.Div.)) ein monatlicher Zinssatz von 12%, was einem jährlichen Nominalzins von 48% entspricht, nicht als „extortionate“ eingestuft. Um dieses Defizit zu beheben, wurde mit Consumer Consumer Credit Act 2006, einem grundlegenden gesetzlichen Neuansatz im britschen Konsumentenkreditrecht, die Rechtsfigur des unfair relationship between creditors and debtors neu eingeführt. Sie ist in etwa vergleichbar mit dem im deutschen Recht bekannten Begriffs der „Störung des vertraglichen Gleichgewichts“.
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2449
Die neue Rechtsfigur wird es den Gerichten in Großbritannien ermöglichen, eine Kreditvereinbarung abzuändern, wenn diese als unfair einzuordnen ist. Unfairness kann vorliegen, wenn die Bestimmungen des Darlehens oder einer anderen damit zusammenhängenden Vereinbarung, die Art und Weise, wie der Gläubiger seine Rechte unter dem Darlehensvertrag oder der anderen Vereinbarung ausüben kann, zulassen. Die Gerichte können nach Section 140B in einem solchen Fall anordnen, dass bereits vom Gläubiger getätigte Zahlungen an diesen zurückzuerstatten sind, bestimmte Verhaltensweisen des Gläubigers zu unterlassen oder die Konditionen des Darlehens zu verändern sind. Die Bestimmungen der neuen §§ 140A-D werden auch Anwendungen finden auf Kreditverträge, die über den 06.04.2008 hinaus bestehen, dem Ende der Übergangsphase, in der für Altverträge die §§ 137-140 noch gültig sind. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die britische Regierung die Einführung eines maximalen Zinssatzes bei Erstellung des Consumer Credit Act 2006 erwog, dann aber doch verwarf. Als Begründung dafür wurden u.a. befürchtete Negativeffekte für den Wettbewerb und der für diesen Fall vermutete Anstieg von unlizenzierten und somit illegalen Kreditgeschäften angeführt (www.dti.org am 04.03.2007: Frequently Asked Questions on Consumer Credit Act 2006). Die Bestimmungen des Unfair Contract Terms Act 1977 finden Anwendung, wenn eine Bank versucht, sich der Haftung gegenüber einem Verbraucherkunden über Ausschlussklauseln zu entziehen. Haftungsklauseln unterliegen einer Angemessenheitskontrolle (reasonableness test). In der Praxis relevanter ist Regulation 8 der The Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999. Nach ihr ist eine allgemeine Vertragsbestimmung dann nicht bindend für den Verbraucher, wenn sie „unfair“ ist. Bei der Beurteilung der Fairness von Klauseln findet allerdings keine Beurteilung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung, sondern vielmehr eine Bewertung der Ausgeglichenheit der vertraglichen Rechte statt (vgl. Director General of Fair Trading v First National Bank plc (The Times Law Reports, 14 March 2000, 173)).
28
2. Immobiliarkredit. Der Immobiliarkredit unterscheidet sich inhaltlich vom Darlehen ohne Grundstücksbezug im Wesentlichen in folgenden drei Punkten: Zunächst gibt es im Vergleich zum deutschen Recht, aufgrund der Tatsache, dass nicht alle Immobilien in Grundbüchern registriert sind, administrative Besonderheiten im Vorfeld der Kreditgewährung. Daneben ist der Immobiliarkredit bei seiner Gewährung an Privatpersonen von bestimmten Vorschriften des Consumer Credit Act 1974 ausgenommen. Zusätzlich gelten für den Immobiliarkredit hinsichtlich der mit ihm verbundenen Sicherheitengewährung Sondervorschriften, die unter II.1. ausführlich behandelt werden.
29
Will der Kreditgeber einen Immobiliarkredit nur unter gleichzeitiger Einräumung einer Kreditsicherheit an dem vom Kreditnehmer zu erwerbenden Grundstück vergeben, muss er sicherstellen, dass der Kreditnehmer auch rechtlich berechtigt ist, das Grundstück als Sicherheit zu geben. Sofern das Grundstück im Grundstücksregister (Land Registry) registriert ist, ergibt sich aus dem Register, ob bereits vorrangige Sicherheiten anderer Kreditgeber eingetragen sind. Ist das Grundstück allerdings nicht registriert, muss der Eigentümer durch die Vorlage von Vertragsurkunden (deeds), die unter Umständen sehr alt und verstaubt sein können, nachweisen, dass er sein Eigentum aus einer lückenslosen Kette von Eigentumsübertragungen ableiten kann. Ergänzend muss der Kreditgeber im sogenannten Land Charges Register, einem weiteren Register, in dem an Grundstücke gewährte Kreditsicherheiten verzeichnet sind, prüfen, ob für das betreffende Grundstück nicht bereits andere Kreditsicherheiten eingetragen sind. Ergänzend hat der Kreditgeber zu prüfen, ob nicht Dritte wie etwa Ehepartner oder Verwandte des Kreditnehmers aufgrund ihrer Beiträge zum Erwerb des Grundstücks oder aufgrund ihres (Mit-)besitzes am Grundstück eigene eigentumsähnliche Rechte am Grundstück erworben haben, die Bin-
Schlüter
30
2450
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
dungswirkung für den Sicherheitennehmer haben können. Ist der Kreditnehmer eine juristische Person, hat der Kreditgeber außerdem noch das Companies Register zu durchzusuchen. Im Companies Register sind bestimmte von einem Unternehmen an Dritte gewährte Sicherheiten wie etwa eine „floating charge“ registiert, die alle Vermögenswerte erfasst, die ein Unternehmen Dritten gewährt hat. 31
Nach Section 16 des Consumer Credit Act 1974 sind Immobiliarkredite, solange sie von Gläubigern, die unter den Bestimmungen des Finanical Services and Markets Act 2000 authorisiert sind, von den meisten Vorschriften des Consumer Credit Act 1974 befreit. In der Praxis bedeutet dies, dass insbesondere das Widerrufsrechts des Kreditnehmers nach Section 67 des Consumer Credit Act 1974 keine Anwendung auf Immobiliarkredite findet. Stattdessen wird der Kreditgeber verpflichtet, dem Kreditnehmer vor Übergabe der finalisierten Dokumente eine nicht bindende Entwurfsfassung des Kreditvertrags samt aller dazugehörigen Dokumente wie etwa den Vertrag über die Kreditsicherheit und dem schriftlichen Hinweis zu übersenden, dass der Kreditnehmer vom Rechtsgeschäft noch zurücktreten kann. Der Kreditnehmer muss dann nach Ablauf einer Überlegensphase, die als consideration period oder cooling off period bezeichnet wird, die Unterlagen an den Kreditgeber zurücksenden, der dann die endgültige Fassung erstellt (vgl. Chitty, Specific contracts, S. 933, Rn. 38-0496).
32
3. Dispositionskredit. Rechtlich wird der Dispositionskredit (overdraft) auch als normales Darlehen eingestuft, hat aber einige Besonderheiten. So ist er nicht zweckgebunden und jederzeit auf Anforderung durch die Bank vom Kreditnehmer sofort zurückzuzahlen. Auch ist der Zins üblicherweise nicht festgeschrieben, sondern variabel. Nach §§ 4.1 und 4.3 des Banking Code gilt es als good practice, Privatkunden die Höhe des Zinssatzes und, auf Nachfrage, auch seine Berechnungsgrundlage offen zu legen.
33
Sobald die Bank das Überziehungsversprechen gibt, ist der Kunde berechtigt, es bis zur angegebenen Höhe zu nutzen. Bis zum Ausspruch der Kündigung ist die Bank verpflichtet, Kontoüberziehungen zu dulden und vom Kunden ausgestellte Schecks bis zum Kreditlimit einzulösen. Gleichzeitig ist die Bank allerdings grundsätzlich jederzeit berechtigt, ihr Darlehensversprechen zurückzunehmen. Nur in Ausnahmefällen ist dieses „Kündigungsrecht“ eingeschränkt. In Williams & Glyn’s Bank v Barnes (1981) Com. LR 205 urteilte das House of Lords, dass eine Bank einen für ein konkretes, ihr bekanntes Projekt des Kunden gewährten Überziehungskredit nicht mitten in der Transaktion des Kunden kündigen darf. Überziehungskredite fallen auch unter den Anwendungsbereich des Consumer Credit Act 1974. Sie sind jedoch nach einer Verordnung des Office of Fair Trading von den meisten Formvorschriften ausgenommen, darunter dem wichtigsten Teil, Part V (Determination vom 21.12.1989). In der Praxis bedeutet dies, dass bei Dispositionskrediten nicht die gleiche hohe Informationspflicht des Kreditgebers gegenüber dem Kreditnehmer besteht wie bei Darlehen. So muss der Anbieter eines Überziehungskredits dem Kunden „nur“ die Zinsrate (Annual Percentage Rate, APR) offen legen, während er über die anderen mit dem Überziehungskredit verbundenen Kosten wie z.B. die Bereitstellungskosten (commitment fee) separat informieren kann. Eine weitere praxisrelevante Erleichterung ist, dass Section 49 (3) des Consumer Credit Acts 1974, der das aktive Zugehen auf Privatleute (canvassing) mit dem Ziel, einen Kredit zu vereinbaren, keine Anwendung auf die Bewerbung von Dispositionskrediten findet, sofern die angesprochenen Privatpersonen bereits eine Kontoverbindung mit der werbenden Bank haben (Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 705).
34
4. Andere Kreditformen. In der Praxis wichtige Kreditformen bzw. kreditähnliche Rechtsgeschäfte, auf die zumindest teilweise kreditrechtliche Vorschriften Anwendung
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2451
finden, sind der Mietkauf und das Leasing. Beide werden im englischen Recht unter dem Oberbegriff hire purchase zusammengefasst. Der Mietkauf zeichnet sich im englischen Recht dadurch aus, dass der Kunde zunächst nicht Eigentümer des ihm vom Verkäufer zur Nutzung überlassenen Gegenstands wird. Der Kunde leistet eine Anzahlung, zahlt eine monatliche Miete und zusätzlich Zinsen. Somit erhält er das Recht, durch eine einseitige Erklärung, den Gegenstand nach Ablauf eines Zeitraums zu einem vorher festgelegten Preis unter Anrechnung der vorher gezahlten Mietsumme zu erwerben. Nach Ablauf der Mietzeit kann der Kunde den Gegenstand aber auch an den Vermieter zurückgeben. Bis zur Zahlung dieser Summe verbleibt das Eigentum an dem Gegenstand beim Vermieter.
35
Das Leasing ähnelt stark dem hire purchase. Beim Leasing vermietet der Leasinggeber einen Gegenstand oder eine Immobilie an den Leasingnehmer. Der Leasingnehmer zahlt Leasingraten, die die Kosten für die Herstellung, die Finanzierung, die Versicherung umfassen. Beim direkten Leasing ist der Hersteller des vermieteten Gegenstands der Leasinggeber. Beim indirekten Leasing ist ein Finanzinstitut der Leasinggeber. Beim indirekten Leasing verlangt das Finanzinstitut vom Hersteller oder Händler die Übernahme einer Bürgschaft für die vertraglichen Verpflichtungen des Leasingnehmers. Derartige Vereinbarungen werden als recourse agreements bezeichnet. Das Leasing unterscheidet sich in der Praxis vom Mietkauf dadurch, dass die üblicherweise mietvertraglich geschuldete Wartungs- und Instandsetzungspflicht des Vermieters auf den Leasingnehmer abgewälzt wird. Dies erfolgt im Austausch gegen die Abtretung der Kaufrechte seitens des Leasinggebers. Der Vorteil von hire purchase-Vereinbarungen im englischen Recht liegt darin, dass auf sie die generellen Vorschriften, die für andere Kreditformen Anwendung finden, nicht einschlägig sind, da die Vereinbarungen keinen Kredit im engeren Sinne darstellen. Dazu zählen der Moneylenders Act 1900 und 1927 und der Bills of Sale Act 1882. Der Moneylenders Act 1900 und 1927 schreibt die Lizenzpflichtigkeit von Kreditgeschäften vor (vgl. heute auch Financial Services and Markets Act 2000). Der Bills of Sale Act 1878 erlässt strenge Formvorschriften für Kaufverträge, bei denen der Verkäufer den Besitz des verkauften Gegenstands behält (Chitty, Specific Contracts, S. 861, Rn. 38-272-273).
36
In der Praxis ist oft die entscheidende Frage, ob die Bestimmungen des Consumer Credit Act 1974 auf die konkrete hire purchase-Vereinbarung Anwendung finden. Nach Section 9 (3) des Consumer Credit Act 1973 findet dieser dann Anwendung auf hire purchaseVereinbarungen mit einer Privatperson, wenn diese Vereinbarung vorsieht, dass die Transaktion durch einen Kredit finanziert wird. In diesem Fall kommt der Mieter und Kreditnehmer in den Genuss verschiedener Schutzvorschriften. Die wichtigste darunter ist Section 90 (1) Consumer Credit Act 1974 (protected goods). Sie besagt, dass der Kreditgeber die Herausgabe des Mietgegenstands nur per Gerichtsurteil verlangen kann, wenn der Kreditnehmer zum Zeitpunkt seines vertragswidrigen Verhaltens bereits ein Drittel der Kaufsumme angezahlt hat. Vor diesem Zeitpunkt ist der Kreditgeber berechtigt, im Fall eines wesentlichen Vertragsbruchs durch den Kreditnehmer sich den Besitz des in seinem Eigentum stehenden Gegenstands zu verschaffen. Daneben besagt Section 56 Consumer Credit Act 1974, dass ein Händler, der gegenüber dem Kreditnehmer bestimmte Ausagen in Bezug auf den Mietgegenstand gemacht hat, als Stellvertreter des Kreditgebers gilt. In der Praxis bedeutet dies, dass sich bei Anfechtungstatbeständen der Kreditnehmer nicht nur von dem hire purchase-, sondern auch von dem Kreditvertrag lösen kann. Vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass die folgenden Vorschriften ebenfalls von erheblicher Bedeutung bei der rechtlichen Bewertung von hire purchase-Vereinbarungen sind:
37
Schlüter
2452
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Supply of Goods (Implied Terms) Act 1973, Factors Act 1889, Sale of Goods Act 1979 und der Hire-Purchase Act 1964. 38
II. Kreditsicherheiten. In Großbritannien sind die wichtigsten Kreditsicherheiten die Hypothek (mortgage), das Pfandrecht (pledge), die persönlichen Sicherheiten wie die Bürgschaft (guarantee) und Abtretung (assignment) sowie Sicherheiten über unbewegliche Sachen (charges over realty). Als Besonderheit kommt bei Unternehmen die „floating charge“ hinzu.
39
1. Hypothek/Grundschuld. Hinsichtlich der Sicherheiten zugunsten des Gläubigers über unbewegliche Sachen wie Grundstücke ist zwischen einer legal mortgage und legal charge auf der einen, und einer equitable mortgage und equitable charge auf der anderen Seite zu unterscheiden. Bei der legal mortgage wird das Eigentum am Grundstück vom Schuldner, der zugleich Grundstückseigentümer bzw. Pachtrechtsbesitzer (lease-holder) ist, auf den Gläubiger übertragen. Der Schuldner und Sicherheitgeber wird dabei als mortgagor, der Gläubiger und Sicherheitengeber als mortgagee bezeichnet. Bei dieser Transaktion behält jedoch der Schuldner eine Anwartschaft auf Rückübertragung des Grundstücks (equitable right of redemption; vgl. Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 760). Dieses Recht wird umgangssprachlich auch als „equity“ bezeichnet. Sein wirtschaftlicher Wert berechnet sich aus dem Grundstückswert abzüglich des ausstehenden Kreditbetrags, der noch nicht an den Kreditgeber zurückgezahlt wurde. Zur Absicherung lässt der mortgagee die legal mortgage in der Rubrik Belastungen (charges) in dem Land Register eintragen und sich die Grundstückskaufverträge (deeds) vom mortgagor übergeben. Die Übergabe der Grundstückskaufverträge vom mortgagor an den mortgagee soll den gutgläubigen Grundstückserwerb durch Dritte verhindern. Wird später noch eine weitere Kreditsicherheit (second legal mortgage) eingetragen, nimmt sie den zweiten Rang ein. In der Praxis benachrichtigt der second mortagee den first mortgagee über die Eintragung der zweiten mortgage. Die Folge ist, dass der first mortgagee verpflichtet ist, dem second mortgagee die Kaufvertragsdokumente (deeds) dann zu übergeben, wenn der mortgagor seinen Kredit zurückgezahlt hat und damit die first mortgage aufgelöst wird (discharge). Bestehen mehrere mortgages im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldner und stellt sich bei der Zwangsversteigerung heraus, dass der (Versteigerungs-)Wert des Grundstücks nicht ausreicht, um alle gesicherten Kredite abzulösen, greift der Prioritätsgrundsatz. D.h., der (Versteigerungs-)Erlös bedient die zeitlich früheste mortgage und dann erst die zeitlich nachrangigen. Eine pro rata-Ablösung erfolgt nicht. Ausnahmen von dieser Regelung gibt es nur in eingeschränktem Umfang, beispielsweise dann, wenn Fehler bei der Registrierung gemacht wurden.
40
In diesem Zusammenhang sei noch die Besonderheit des tacking erwähnt. Dabei handelt es sich um die Möglichkeit des first mortgagee, an den Kredit, den er mit der mortgage abgesichert hat, noch weitere Zahlungen „anzukleben“, um sie ebenfalls durch die mortgage abzusichern. Da ein solches tacking die Interessen nachrangiger mortgagees beeinträchtigt, ist es nur unter bestimmten Voraussetzung wirksam. Das tacking wirkt nur dann zulasten der nachrangigen mortgagees, wenn a) der nachrangige mortgagee dazu sein Einverständnis erklärt, b) der erstrangige mortgagee die weitere Zahlung zu einem Zeitpunkt tätigte, in dem er keine Kenntnis von der Registrierung einer nachrangigen mortgage hatte und c) wenn die erstrangige mortgage eine Verpflichtung enthielt, das weitere Zahlungen vom first mortgagee an den mortgagor zu leisten sind (s. Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 768). Um erst gar nicht sich auf diese Ausnahmefälle berufen zu müssen, lassen sich die Banken in der Praxis in ihren Standardformularen vom Kreditnehmer zusichern, dass wei-
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2453
tere mortgages nur nach vorheriger schriftlicher Einwilligung der Bank gewährt werden dürfen. Im Gegensatz zur legal mortgage behält der Schuldner bei der legal charge das Eigentum am Grundstück, jedoch wird die Sicherheit bei unregistrierten Grundstücken im Land Charges Register und bei registrierten Grundstücken direkt im Land Registry eingetragen. Bei Nichtrückzahlung des Darlehens kann sich der Gläubiger in Besitz des Grundstücks bringen und es verkaufen. Aus Gründen der Vollständigkeit sei erwähnt, dass das englische Recht nach Section 1 des Law of Property Act 1925 zwei Arten von Grundstückseigentum kennt: zum einen die fee simple, das Volleigentum, und die lease, ein in der Praxis üblicherweise auf 99 oder 999 Jahre zeitlich befristetes Pachtrecht. Nur wer einen Eigentumstitel in der Form des fee simple oder lease hat, kann wirksam eine legal mortgage oder legal charge gewähren. Eine equitable mortgage kann entstehen, wenn jemand, der ein Recht an einem Grundstück hat, ohne Grundstückseigentümer zu sein (bspw. ein beneficiary eines trusts), dieses Recht als Sicherheit an einen Dritten überträgt, oder, wenn die Begebung einer legal mortgage beabsichtigt war, die dafür geltenden Formvorschriften aber nicht eingehalten wurden (Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 762-763). Bei einer equitable charge wird dem Kreditgeber formlos ein Recht an einem Grundstück als Sicherheit übertragen. Aufgrund des geringen Schutzes, die diese Sicherheitsform gegenüber Dritten genießt, wird sie in der Praxis kaum verwendet. 2. Bürgschaft. Die Bürgschaft (guarantee) wird als schriftliches Versprechen eines Dritten gegenüber dem Gläubiger eines Schuldners, als sekundärer Schuldner für die bestehenden oder zukünftigen Verbindlichkeiten des Schuldners einzustehen, definiert (Chitty, Specific Contracts, S. 1521 Rn. 44-001). Sofern der Bürge keine direkte Gegenleistung (consideration) für sein Bürgschaftsversprechen erhält, bedarf die Bürgschaft zu ihrer Wirksamkeit einer besonderen Urkundsform (deed). Leistet der Bürge an den Gläubiger, wird der Hauptschuldner von seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger frei, ist aber üblicherweise einem Rückgriffsanspruch des Bürgen ausgesetzt (Chitty, Specific Contracts, S. 1582 Rn. 44-108). Die Wirksamkeit einer Bürgschaftserklärung kann wegen Ausübung von unstatthaftem Druck (actual and presumed undue influence) auf den Bürgen entfallen. Zu Bürgschaften von (Ehe-)partnern gibt es umfangreiche Rechtsprechung. Im Fall Bank of Credit & Commerce v Aboody (1990) 1 QB 923 (CA) wurde die Bürgschaftserklärung einer Ehefrau zugunsten einer Bank aufgrund von actual undue influence für unwirksam erklärt, da ihr Ehemann massiven psychischen Druck bei Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung ausgeübt hatte und die Bank davon auch Kenntnis hatte. In Barclays Bank plc v O’Brien (1994) 1 AC 180 (HL) erklärte das House of Lords das Bürgschaftsversprechen einer Ehefrau, die von ihrem Ehemann über den Umfang der Bürgschaft getäuscht wurde, wegen presumed undue influence für unwirksam, da unter den Umständen des konkreten Einzelfalls die Bank hätte misstrauisch werden und diesbezügliche Nachforschungen hätte anstellen müssen (constructive notice). Dieser Ansatz wurde in dem späteren Fall Royal Bank of Scotland v Etridge (No. 2) (2002) 2 A.C. 773 (HL) dahingehend präzisiert, dass die Erkundigungspflicht der Bank nur in den Fällen entstehen soll, in denen der Bürge selbst kein unmittelbares eigenes finanzielles Interesse an dem mit der Bürgschaft abgesicherten Kredit hat. Um in diesen Konstellationen die Wirksamkeit der Bürgschaft nicht zu gefährden, sollte die Bank auf einem Einzelgespräch mit dem Bürgen bestehen, in dessen Rahmen sie auf die Risiken der Bürgschaft hinweisen und die Empfehlung aussprechen soll, dass der Bürge sich unabhängigen Rechtsrat einholt.
Schlüter
41
42
43
44
2454
45
46
47
48
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
3. Andere Kreditsicherheiten. Abtretungen (assignments) spielen sowohl bei Darlehen an Privatpersonen als auch bei Geschäftskrediten eine wichtige Rolle. Zur Absicherung von Privatkrediten werden oft die Ansprüche aus Lebensversicherungen an den Gläubiger abgetreten. Bei Geschäftskrediten tritt der Schuldner häufig seine bestehenden und zukünftigen Kundenforderungen (receivables) an den Gläubiger ab (Cranston, S. 401-402). Das Pfand (pledge) setzt den Besitzwechsel am Pfand voraus, wobei allerdings Besitzdienerschaft des Schuldners für den Gläubiger (constructive possession) möglich ist (Cranston, S. 401). Es berechtigt den Pfandgläubiger zur Veräußerung des Pfands bei Nichtzahlung des Schuldners. In der Praxis werden häufig Wechsel (bills of exchange) und Konnossemente (bills of lading) an Banken verpfändet. Ist ein Besitzwechsel an größeren Gegenständen nicht praktikabel, kann vom Schuldner dem Gläubiger ein sog. letter of hypothecation ausstellt werden, mit dem dem Gläubiger das Recht (equitable interest) an den Gegenständen übertragen wird. Eine Besonderheit im Kreditsicherheitenrecht Großbritanniens ist die sog. floating charge. Darunter versteht man eine Kreditsicherheit, die alle Vermögenswerte eines Unternehmens, auch unspezifizierte, umfasst, und dies über einen unbestimmten Zeitraum hinweg. Die Gesellschaft, die einer „floating charge“ unterworfen wurde, kann weiterhin über alle Vermögenswerte verfügen. Die Verfügungsmacht endet aber in dem Zeitpunkt, in dem die Kreditsicherheit bei Nichtzahlung in Anspruch genommen wird (crystalliziation of floating charge). Ist jedoch eine „floating charge“, für die eine Eintragungspflicht in das Firmenregister besteht, nicht eingetragen worden, so gilt sie nach Section 395 (1) Companies Act 1985 gegenüber dem Insolvenzverwalter, dem Zwangsverwalter und allen Gläubigern des Unternehmens als unwirksam (Cranston, S. 404). III. Kreditabwicklung. Bei der Abwicklung notleidender Kredite an Privatpersonen im Anwendungsbereich des Consumer Credit Act 1974 sind den Kreditgebern zum Teil erhebliche Restriktionen auferlegt. Nach Section 87 des Consumer Credit Act 1974 hat ein Gläubiger einem Schuldner eine förmliche Mitteilung (default notice) zu machen, wenn er beabsichtigt, den Kreditvertrag zu kündigen, vorzeitige Rückzahlung zu verlangen oder eine Sicherheit zu verwerten. In der Mitteilung hat der Gläubiger dem Schuldner den ihm vorgeworfenen Vertragsbruch und die sich daraus ergebenen Konsequenzen zu erläutern und ihm eine Frist von sieben Tagen zur Zahlung bzw. Abstellung des vertragswidrigen Verhaltens zu gewähren. Hintergrund dieser Schonfrist ist, dass dem Schuldner die Gelegenheit gegeben werden soll, seinen Finanzierungsbedarf von Dritter Seite decken zu können. Diese Bestimmung findet allerdings keine Anwendung auf Dispositionskredite. Im Gegensatz dazu ist der Schuldner berechtigt, den Kreditvertrag vorzeitig zu kündigen, ohne dass hier zugunsten des Gläubigers eine vergleichbare Frist gewährt wird. Dies wird damit begründet, dass für ein Kreditinstitut keine Schwierigkeit besteht, den zurückgezahlten Betrag kurzfristig zu gängigen Marktbedingungen wieder anzulegen. Hohe Praxisrelevanz hat auch das Verbot der Section 93 des Consumer Credit Act 1974 für den Gläubiger, im Verzugsfall höhere Zinsen in Rechnung zu stellen. Zahlreiche Kreditgeber versuchen, diese Vorschrift dadurch zu umgehen, dass sie als Regelzinssatz einen sehr hohen Zinssatz vereinbaren, der im Falle der fristgerechten Zahlung reduziert wird (Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 86)
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2455
C. Konto und Zahlungsverkehr
49
I. Girogeschäft. In Großbritannien versteht man unter den papiergebundenen oder elektronischen Überweisungen die Übertragung eines Guthabens (credit balance) von einem Konto auf ein anderes Konto mittels eines Ausgleichs zwischen dem Zahlungsanweisenden (payer) und des Zahlungsempfängers (payee). Das Konto des Zahlungsanweisenden wird belastet, das Konto des Zahlungsempfängers erhält eine Gutschrift. Ein Übertragung von Eigentum erfolgt dabei nicht, sondern lediglich eine Anpassung der Forderungen (choses in action), die Zahlungsanweisender und Zahlungsempfänger ihrerseits jeweils gegenüber ihren Banken haben. Strenggenommen findet also kein Transfer eines Zahlungsmittels, sondern vielmehr die Übertragung von Vermögenswerten statt (Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 513-514). Die Zahlungsanweisung wird dabei als Auftrag des Zahlungsanweisenden an seine Bank verstanden, das Guthaben an den Zahlungsempfänger zu übermitteln. Das der Überweisung zugrundeliegende Rechtsgeschäft ist der Auftrag (agency). Handelt es sich bei der Überweisung um einen sich periodisch wiederholenden Auftrag, so wird dieser als standing order bezeichnet. Die papiergebundene Überweisung erfolgt in der Praxis mittels eines Standardformulars (bank giro credit), das der Kunde ausfüllt. Im Unterschied zu anderen Rechtsordnungen beinhaltet dieser Auftrag im englischen Recht aber zugleich nicht implizit eine Ermächtigung an die den Guthabentransfer ausführende Bank des Anweisenden, das Konto des Anweisenden in Höhe des übermittelten Betrags zu belasten. Zur Belastung des Konto des Anweisenden benötigt die Bank eine ausdrückliche Beauftragung. Formulare für Daueraufträge enthalten eine derartige Ermächtigung. Die beauftragte Bank ist aber nicht verpflichtet, den Überweisungsauftrag auszuführen, sollte das Konto des Überweisenden keine hinreichende Deckung haben. Auch besteht nach der Grundsatzentscheidung in Whitehead v Nationals Westminster Bank Ltd, The Times, 9 June 1982, bei einem Dauerauftrag keine Verpflichtung auf Seiten der beauftragten Bank, zu überwachen, ob das Konto des Überweisenden immer eine ausreichende Deckung für die Ausführung der periodischen Zahlungen hat. 1. Kontenarten. Das Konto (current account) steht im Zentrum der Bank/Kunde-Beziehung. Rechtlich lässt sich das Konto in zwei wesentliche Vertragsverhältnisse einteilen. Zum einen besteht in Bezug auf den Saldo des Kontostands ein Darlehensverhältnis. Bei Vorhandensein eines Guthabens ist die Bank Inhaberin der valuta und zugleich Schuldner des Kunden (Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 203). Ist der Kontostand negativ, ist der Kunde Schuldner der Bank. Diese im Kern auf ein Gläubiger/Schuldner-Verhältnis reduzierte Geschäftsverbindung ist auch der Grund dafür, dass die Bank – im Regelfall – eben nicht als Treuhänder, sondern nur als Gläubiger/Schuldner des Kunden angesehen wird und ihr deshalb auch nicht die gleichen Sorgfaltspflichten wie einem Treuhänder obliegen. Zum anderen existiert hinsichtlich der dem Bankkonto angegliederten Serviceleistungen der Bank, wie dem Scheckgeschäft, den Überweisungen, Lastschriften und Einzugsermächtigungen, ein Auftragsverhältnis (agency). Der Kunde gilt dort als Auftraggeber (principal), die Bank als Auftragnehmer (agent). Neben dem Einzelkonto sind in der Praxis das Gemeinschaftskonto, das Konto eines Minderjährigen, das Konto einer Gesellschaft sowie das Treuhänder-Konto von Bedeutung. Beim Gemeinschaftskonto (joint account) wird das Konto im Namen zweier oder mehrerer Personen geführt. Je nach vertraglicher Festlegung können alle Personen nur gemeinschaftlich, eine Person einzeln oder eine Person nur in Verbindung mit einer oder mehreren anderen Personen berechtigt sein, wirksame Verfügungen zu treffen.
Schlüter
50
51
2456
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
52
Nach Section 1 Minors’ Contracts Act 1987 hat ein Minderjähriger (natürliche Person unter 18 Jahren) das Wahlrecht, ob er einen von ihm geschlossenen Vertrag gegen sich gelten lassen will oder nicht. Seine Vertragspartei kann von ihm nicht Erfüllung seiner Vertragspflichten verlangen. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, eröffnen Banken für Minderjährige üblicherweise Konten nur in der Form, dass nicht die Minderjährigen selbst, sondern nur ihre gesetzlichen Vertreter zu Kontotransaktionen berechtigt sind (minors’ accounts).
53
Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit unterhalten Bankkonten unter ihrem Firmennamen (company account). Hinsichtlich der Wirksamkeit von Transaktionen im Namen der Firma sind Section 35 und Section 35A Companies Act 1985 von Bedeutung. Nach ersterer Bestimmung kann die Geschäftsfähigkeit einer Gesellschaft mit eigener Rechtsfähigkeit Dritten gegenüber nicht durch ihre Satzung eingeschränkt werden. Letzterer Bestimmung zufolge kann die Vertretungsmacht von mit Geschäftsführung ausgestatteten Personen (directors) nicht gegenüber (gutgläubigen) Dritten eingeschränkt werden. In der Praxis verlangen die Banken von Unternehmen Urkunden, aus denen die Erteilungen der Vertretungsmacht an die Personen hervorgehen, die Firmenkontotransaktionen anweisen dürfen sollen. In der Praxis kommt es aber immer wieder vor, dass vertretungsberechtigte Firmenangestellte ihre Vertretungsmacht zu Lasten ihrer Arbeitgeber missbrauchen. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, in welchen Konstellationen die Hausbank des Unternehmens den Missbrauch der Vertretungsmacht hätte erkennen und an die Unternehmensleitung melden müssen. In der Entscheidung Selanor United Rubber Estates Ltd. v Cradock (No. 3) (1968) 1 WLR 1555 wurde grundsätzlich festgehalten, dass in diesen Fällen keine überzogenen Forderungen an die Pflichten der Bank gestellt werden dürfen. Von einer Bank könne in derartigen Fällen nur die Sorgfalt verlangt werden, die dem objektiven Standard entspricht, den man von Banken allgemein erwarten kann („reasonable banker test“). Dieser Grundsatz wurde in dem Urteil in Lipkin Gorman v Karpnale & Co. (1989) 1 WLR 1340 bestätigt. In diesem Fall missbrauchte ein glücksspielsüchtiger Juniorpartner einer Anwaltskanzlei seine Verfügungsmacht über Klientenkonten seiner Kanzlei zum eigenen finanziellen Vorteil. Dabei änderte er unter anderem Schecks so ab, dass er sich deren Wert in bar auszahlen lassen konnte. Direkte Überweisungen von den Klientenkonten auf sein Privatkonto, das er bei derselben Bank führte, veranlasste er aber nicht. Der mit den Transaktionen befasste Bankangestellte wusste zwar um die Spielsucht des Anwalts, sah aber keinen Anlass, die Seniorpartner auf den Sachverhalt aufmerksam zu machen. Die Richter verneinten im konkreten Fall eine Sorgfaltspflichtsverletzung der Bank. Zum einen, da der Anwalt von seinen Seniorpartnern der Bank als vertretungsberechtigt und besonders vertrauenswürdig vorgestellt worden war. Zum anderen, weil die Bank mangels offensichtlicher Umleitungen von Geldern auf das Privatkonto des Juniorpartners nicht misstrauisch hätte werden müssen.
54
Bei einem Treuhänder-Konto (trust account), das in der Regel von einem als Testamentsvollstrecker bestellten Anwalt oder einer Treuhänder-Gesellschaft (trust company) eröffnet und geführt wird, bestehen besondere Obhutspflichten der Bank gegenüber den Begünstigten (beneficiaries) des Sondervermögens (trust). Transferiert etwa ein Treuhänder hohe Summen von dem trust account auf sein Privatkonto und werden beide Konten bei der selben Bank geführt, ist die Bank dem Begünstigten zum Schadensersatz verpflichtet (Foxton v Manchester and Liverpool District Banking Co (1881) 44 LT 406).
55
Abschließend ist noch auf die Verschwiegenheitspflicht der Bank im Rahmen der Kontoführung hinzuweisen (duty of confidentiality). In Tournier v National Provincial and
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2457
Union Bank of England ((1924) 1 KB 461 (CA)) wurde entschieden, dass es im Rahmen der Bank/Kunde-Beziehung eine stillschweigend geschlossene vertragliche Vereinbarung gibt (implied term), die die Bank dazu verpflichtet, keine Informationen, die sie aus der Führung des Kontos für ihren Kunden gewinnt, an Dritte weiterzugeben, es sei denn, der Kunde hat sie dazu ausdrücklich ermächtigt (vgl. Cranston, S. 171 ff.). II. Zahlungsverkehr. 1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften. Die wichtigsten Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind in Großbritannien Überweisungen, Lastschriften, Kreditkarten und Schecks.
56
Das Girosystem der Banken ist Mitglied im APACS-Clearingsystem, unterscheidet sich aber von den elektronischen Transaktionsystemen von APACS durch seine Beleggebundenheit. Bei der Giro-Überweisung (giro transfer) füllt der Überweisende einen Anweisungsbeleg aus, welcher dann von seiner Bank über ein Clearingsystem an die Bank des Überweisungsempfängers übermittelt wird.
57
In der Praxis von größerer Bedeutung sind die elektronischen Überweisungen. Sie werden von den Anbietern Voca Ltd (früher BACs Ltd.), BACS Payment Schemes Ltd (wobei BACS für „Bankers Automated Clearing System“ steht) und die CHAPS Clearing Company Ltd, auch NewCHAPS genannt (wobei CHAPS für „Clearing House Automated Payment System“ steht) zwischen den Banken abgewickelt. Das BACS-System wird für elektronische Überweisungen großer Mengen mit niedrigeren Überweisungssummen bei zwei- bis dreitägiger Bearbeitungszeit eingesetzt, während über das CHAPS-System Überweisungen höherer Summen bei taggleicher Bearbeitung vorgenommen werden.
58
Das Lastschriftverfahren (debit transfer) findet sich in Großbritannien hauptsächlich in zwei Ausprägungen: Zum einen gibt es die klassische Form der schriftlichen Lastschrifterteilung. Bei dieser lässt sich der Gläubiger den Schuldner eine Einzugsermächtigung auf einem Standardformular erteilen. Das Standardformular wird von dem Automated Direct Debit Instruction Service (AUDDIS) zentral aufgebewahrt und in elektronischer Form an die Bank des Schuldners zur Umsetzung übermittelt. In der Praxis ist mittlerweile die moderne vollelektronische Form des Lastschriftverfahrens (direct debit) am wichtigsten. Beim direct debit ermächtigt der Zahlungspflichtige den Empfänger über das EFTPOS-System (Electronic Funds Transfer at Points of Sale), seine fällige Forderung im Wege der Lastschrift bei der Bank des Zahlungspflichtigen „online“ einzuziehen. Banken stellen ihren Kunden sogenannte Debit cards zur Verfügung, mit denen sie Waren in Geschäften elektronisch bezahlen können. Neben der elektronischen Bezahlung von Waren kann der Inhaber einer Debit card sich vom Händler Bargeld auszahlen lassen (cash back), dessen Betrag dann gemeinsam mit dem Zahlungsbetrag für die gekaufte Ware per Lastschrift direkt vom Konto des Karteninhabers abgebucht wird.
59
2. Scheck- und Kartengeschäft. Der Scheck (cheque) ist in Großbritannien immer noch verbreitet, seine Bedeutung hat in den letzten zehn Jahren aber stark abgenommen. Während 1990 noch 11 Mio. Checks am Tag ausgestellt wurden, reduzierte sich diese Zahl auf 4,9 Mio. in 2006 (www.apacs.org.uk am 08.09.2008). Die Besonderheit des Schecks ist, dass er zum einen dem Kunden die Auszahlung von seinem Kontoguthaben ermöglicht, in dem er eigene Schecks bei seiner Bank einlöst (cashing in). Zum anderen kann der Kunde den Scheck zur Zahlung einer Summe an einen Dritten einsetzen, indem er dem Dritten den Scheck zur Einlösung übergibt. Dabei besteht die Besonderheit, dass die Bank zur Einlösung des Schecks verpflichtet ist, sofern das Konto des Scheckausstellers ausreichende Deckung aufweist (Cranston, S. 262). Der Scheck ist grundsätzlich ein umlauffähiges Wertpapier (negotiable instrument) und wird auch heute noch als „Wechsel, gezogen auf eine Bank, zahlbar bei Vorlage“ (Section 73
60
Schlüter
2458
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Bills of Exchange Act 1882) bezeichnet. Dies bedeutet, dass ein Scheck von einem Inhaber, der nicht als Empfänger aus dem Scheck hervorgeht, eingelöst werden kann. Mit dem Cheque Act 1992 wurde allerdings festgeschrieben, dass ein Scheck dann seine Übertragbarkeit verliert, wenn er als gekreuzter Scheck (crossed cheque) ausgestellt und mit den Worten „nur an Zahlungsempfänger“ versehen ist. Fast alle von Banken an Privatkunden ausgegebenen Schecks sind gekreutzte, nicht übertragbare Schecks. Sie haben in der Mitte zwei parallel verlaufende Linien sowie die Worte „account payee“ aufgedruckt. In diesem Kontext sollten hier noch einmal die drei Hauptunterschiede von Schecks und Überweisungen im alltäglichen Bankgeschäft hervorgehoben werden: Während bei der Überweisung der Zahlungsempfänger von Anfang an verbindlich festgelegt ist, kann ein Scheck so ausgestellt werden, dass kein bestimmter Empfänger genannt wird. Bei der Überweisung kann ferner die Überweisung auch nur an die in der Überweisung genannte Bank des Begünstigten erfolgen, während ein Scheck so ausgestellt werden kann, dass er bei jedem Kreditinstitut eingelöst werden kann. Außerdem erfolgt bei der Überweisung die Übertragung des Vermögenswerts zwangsweise in Form einer Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten, während ein Scheck so ausgestellt werden kann, dass der Begünstige sich den Gegenwert des Schecks in bar auszahlen lassen kann. 61
Beim in der Praxis relevanten dreiseitigen Kreditkartenverfahren (tripartite credit card system) besteht ein Rahmenvertrag zwischen dem Kartenausgeber (card issuer) und dem Vertragsunternehmen, welches üblicherweise ein Handelsunternehmen (dealer) ist. In diesem Vertrag verpflichtet sich der Kartenaussteller, die vom Karteninhaber im Rahmen seines Kreditlimits gegenüber dem Händler eingegangen Verbindlichkeiten zu begleichen. Gleichzeitig verpflichtet sich der Karteninhaber gegenüber dem Kartenaussteller, dessen Aufwendung, also die Zahlung an den Händler, zu ersetzen sowie ggf. noch ein jährlich anfallendes Nutzungsentgelt und/oder Zinsen zu zahlen. Letztere Abrede wird regelmäßig als „regulated credit agreement“ angesehen und fällt damit in den Anwendungsbereich des Consumer Credit Act 1974 (Ellinger/Lomnicka/Hooley, S. 585).
62
D. Kapitalmarktrecht I. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung). Anlageberatung und Vermögensbetreuung spielen eine immer größere Bedeutung in der Praxis. London gilt neben Zürich als das Zentrum für Vermögensverwaltung in der Welt. Allein im Asset Management-Bereich werden derzeit rund 3.400 Milliarden Pfund in Großbritannien verwaltet (www.investmentuk.org am 08.09.2008).
63
1. Anlageberatung. Im Gegensatz zur Vermögensverwaltung, für die das englische Recht einen eigenen Vertragstypus kennt, wird bei einer separat abgeschlossenen Finanzanlage nur selten ein Beratungsvertrag zwischen Bank und Privat- oder Geschäftskunde angenommen. Selbst in der Grundsatzentscheidung Woods v Martins Bank Ltd (1959) 1 QB 55 sahen die Richter, obwohl die Bank durch ihr Verhalten nach Ansicht der Richter die Verantwortung für ihre Anlageberatung übernommen hatte, eine Haftung der Bank nicht im vertraglichen Bereich, sondern im Deliktsrecht (negligence). Die Richter betonten allerdings, dass im konkreten Fall das Bestehen einer vertraglichen Beziehung zwischen Bank und Kunde von entscheidender Bedeutung für die Begründung der deliktischen Sorgfaltspflicht (duty of care) war. Im Alltag viel häufiger ist die Beratung im Rahmen des bestehenden Geschäftsverhältnisses zwischen Bank und Kunde. Findet in diesem Kontext eine Beratung statt, kann sich daraus unter bestimmten Umständen eine Haftung aus Delikt (negligence) oder Billigkeitsrecht (equity) ergeben. Eine Haftung nach dem deliktsrechtlichen Tatbestand der
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2459
negligence erfordert eine Pflichtverletzung (breach of duty of care). In der Grundsatzentscheidung Hedley Byrne & Co Ltd v Heller & Partners Ltd (1964) AC 465 wurde festgelegt, dass eine solche Pflicht nicht vorschnell angenommen werden darf, sondern für ihre Begründung im konkreten Einzelfall eine aktive Übernahme der Verantwortung (assumption of responsibility) durch die Bank erforderlich ist. Wie die ebenfalls richtungsweisende Entscheidung in Royal Bank of Canada v Pampellone (1987) 1 Lloyds’ Reports 218 zeigt, macht es in der Praxis einen entscheidenden Unterschied, ob die Bank eine selbst ermittelte Information oder eine eigene Bewertung gegenüber dem Kunden abgibt, oder lediglich die Stellungnahme eines Dritten an ihren Kunden weitergibt. In diesem Fall hatte die beklagte Bank ihrem Kunden ein Anlageprospekt weitergeleitet, auf dessen Aussagen der Kunde bei seiner Geldanlage vertraute und einen Verlust erlitt. Eine Haftung der Bank wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Bank im konkreten Fall lediglich als Bote einer Finanzinformation eines Dritten und nicht selbst als Ratgeber auftrat. In der Praxis müssen für die Begründung einer deliktsrechtlichen Haftung (negligence) der Bank bei Anlageberatungen die folgenden vier Stufen erfüllt sein: Bestehen einer Sorgfaltspflicht (duty of care), Verletzung dieser Pflicht (breach), Kausalität (causation) und Eintritt eines ersatzfähigen Schadens (damages). In diesbezüglichen Rechtsstreitigkeiten stehen die Fragen, ob eine Sorgfaltspflicht bestand, und inwieweit der verursachte Sachen ersatzfähig ist, im Mittelpunkt. Um eine Sorgfaltspflicht zu begründen, sind die drei Voraussetzungen besondere Nähe (proximity), Vorhersehbarkeit (foreseeability) und Angemessenheit (fair, just and reasonable) zu erfüllen. Dabei ist festzuhalten, dass die normale Bank-/Kundenbeziehung noch besondere Nähe begründet. Je intensiver der Kontakt zwischen Bank und Kunde und je stärker die Bank ihre Kompetenz in Bezug auf das vom Kunden getätigte Anlagegeschäft betont, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Gericht vom Vorliegen der erforderlichen proximity ausgeht. In der Praxis versuchen die Banken durch die Wortwahl in ihren Verkaufsunterlagen die Begründung dieser besonderen Nähe zu verhindern, in dem sie immer wieder betonen, dass die von ihnen übergebenen Unterlagen und getätigten Aussagen nur eine Information, aber keine Beratung darstellen. Im nächsten Schritt ist zu ermitteln, ob es für die Bank vorhersehbar war, dass der Kunde auf seinen spezifischen Rat hörte, als er die fragliche Anlageentscheidung traf. Da dieses Erfordernis oft relativ leicht erfüllt ist, fungiert hier der Angemessenheitstest als Regulativ. Es muss der Billigkeit entsprechen, dass der Bank unter den konkreten Umständen des Einzelfalls eine erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber dem Kunden aufzuerlegen ist. Von Seiten der Finanzindustrie werden in diesem Kontext zwei Hauptargumente vorgetragen. Zum einen das alte Prinzip des englischen Common Law-Prinzip caveat emptor („der Käufer muss Acht geben“), zum anderen die Gefahr ausufernder und dann nicht mehr finanzierbarer Haftung der Banken mit volkswirtschaftlich negativen Effekten („Öffnung der Schleusentore der Haftung“). Britische Verbraucherschützer verweisen dagegen vor dem Hintergrund immer komplexer werdender Finanzprodukte auf eine zunehmende Asymetrie der Wissensstände von Bank und Kunde. Letzterem Argument versuchen die Banken durch verstärke Aktivtäten bei der Konsumentenaufklärung zu begegen. So unterstützen sie aktiv die präventive Aufklärungsarbeit des von der britischen Regierung eingesetzen Financial Serices Ombudsmann Scheme, das mittlerweile nicht weniger als 1.000 Mitarbeiter mit einem Budget in zweistelliger Millionhöhe hat. Die Kausalität wird mittels des sog. but-for-test ermittelt. Nach diesem Test ist die Kausalität gegeben, wenn der Kunde ohne das Verhalten bzw. die Unterlassung der verklagten
Schlüter
64
2460
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Bank nicht den konkret geltend gemachten Schaden erlitten hätte. Neben Kausalitätsfragen steht bei Rechtsstreitigkeiten die Frage im Mittelpunkt, ob die Art und der Umfang des vom Kunden erlittenen Schadens ersatzfähig ist. Hierzu ist die Entscheidung des House of Lords in Banque Bruxelles Lambert SA v Eagle Star Insurance Co Ltd (1996) 3 WLR 87 instruktiv. In der Entscheidung ging es um die Grenzen der Haftung eines Sachverständigen, der für seine Auftraggeber Grundstücke und Häuser begutachtete. Seine Gutachten wurden dann von Dritten als Grundlage für deren finanzielle Entscheidung genommen. In der Entscheidung wurde betont, dass jemand, dem es „nur“ obliegt, bei seinem Handeln eine generelle Sorgfaltspflicht (duty of care) einzuhalten, lediglich für den Schaden haftet, der aus der Verletzung seiner Sorgfaltspflicht entstanden ist. Für Schäden, die entstanden wären, auch wenn der Handelnde seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt hätte, soll er nicht haften. Im Gegensatz dazu soll jemand, der einem anderen sorgfaltswidrig eine konkrete Handlung empfiehlt, für alle vorhersehbaren Folgen haften, die eintreten können, weil die Empfehlung fehlerhaft ist. 65
2. Vermögensverwaltung. Bei der Vermögensverwaltung wird zwischen dem Kunden und seinem Vermögensverwalter üblicherweise ein separater Vertrag abgeschlossen, bei dem der Kunde die Bank damit beauftragt, das gesamte Vermögen oder einen Teil davon gegen ein Entgelt zu verwalten. In Großbritannien werden die meisten Investmentfonds und private Altersvorsorge-Anlagen als Treuhand-Sondervermögen (trust) ausgestaltet. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieses Handbuchs kann nur ein ganz kurzer Überblick über die Grundzüge der im englischen Recht sehr wichtigen Rechtsfigur des trust gegeben werden. Stark vereinfacht dargestellt, wird beim Trust ein bestimmtes Vermögen einer oder mehrerer Personen (trustees) übertragen, welcher dieses Vermögen zum alleinigen Vorteil einer oder mehrerer Personen (beneficiaries) verwaltet. In einer Urkunde (trust deed) werden die Pflichten und die Vergütung des trustees festgelegt. Die Rechtsbeziehung zwischen trustee und beneficiary wird als treuhänderisch (fiduciary) bezeichnet. In der Grundsatzentscheidung Re Whitely (1886) 33 (Ch.Div.) 347 wurde die sog. prudent man rule entwickelt, die immer noch als Ausgangspunkt der Diskussion dienen kann. Danach ist ein trustee verpflichtet, bei der Vermögensverwaltung für die beneficiaries die Sorgfalt auszuüben, die ein ordentlicher und zuverlässiger Mann ausüben würde, wenn es sich dabei um sein eigenes Vermögen handeln würde. In der neueren Entscheidung Barlett v Barclays Trust Co. (No. 1) (1980) 515 (Ch.Div.) wurde diese Regeln dahingehend erweitert, dass von professionellen und bezahlten Trustees eine höhere Sorgfalt erwartet werden könnte. Diese Sorgfalt hat sich an dem zu orientieren, was von einem professionellen Vermögensverwalter, der für seine Dienste entlohnt wird, vernünftigerweise mit Blick auf die in seiner Branche gültigen objektiven Standards erwartet werden kann. 1961 trat der Trustee Investments Act in Kraft, der detaillierte Vorgaben für die Investmententscheidungen von Trustees machte. Das Gesetz unterscheidet in sog. engere (narrow-range) und weitere (wider-range) Investmentgeschäfte. Zu den narrow-range Investitionen gehören zum Beispiel Staatsanleihen, Schuldverschreibungen von britischen Unternehmen (debentures) und Pfandbriefe. Zu den wider-range Investitionen zählen vor allem börsennotierte Aktien und Anteile an Sondervermögen (unit trusts). Vereinfacht gesagt, sind Trustees nach dem Gesetz dazu befugt, die eine Hälfte des ihnen übertragenen Vermögens in narrow-range, die andere Hälfte in wider-range Anlageformen zu investieren. Die Bedeutung des Trustee Investments Act 1961 wird in der Praxis aber dadurch beschränkt, dass die Inhalte der Urkunden (trust deeds), in denen die Rechte und Pflichten
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2461
der Trustees definiert sind, immer umfangreicher werden und häufig über die Vorgaben des Gesetzes hinausgehen. II. Finanztermingeschäfte. Als Finanztermingeschäft wird in Großbritannien ein Vertrag über den Kauf/Verkauf eines Basiswertprodukts (underlying instrument) zu einem in der Zukunft liegenden Termin bezeichnet, bei dem der Preis für Basiswertprodukt schon zum Abschluss des Vertrags fixiert wird.
66
Finanztermingeschäfte lassen sich in Großbritannien zum einen danach trennen, ob sie an der Börse oder außerbörslich abgeschlossen werden. Zum anderen lassen sie sich nach ihren drei Haupterscheinungsformen Waren-, Wertpapier- und Devisentermingeschäfte einteilen. Außerbörsliche Warentermingeschäfte werden als OTC (Over The Counter)Geschäfte bezeichnet. Sie unterscheiden sich von den börslichen Termingeschäften dadurch, dass sie nicht standardisiert sind. In Abgrenzung zu den börsengehandelten und damit standardisierten Futures, werden sie in der Praxis oft als Forwards bezeichnet. Die wichtigsten Finanztermingeschäfte sind Futures und Options. Futures werden generell als Festpreisgeschäfte definiert. Dies bedeutet, dass die getroffene Vereinbarung sofort wirksam ist, lediglich der Erfüllungszeitraum hinausgeschoben ist. Die Erfüllung kann dabei in der Lieferung des Basiswerts liegen (physical delivery) oder in einer Differenzzahlung (financial delivery). Bei letzterer Erfüllungsart spricht man deswegen auch von einem financial future. Bei Optionsgeschäften erhält dagegen nur eine Partei das Recht, von der anderen Partei innerhalb des definierten Zeitraums eine bestimmte Leistung zu verlangen. Im Gegenzug für dieses Recht erhält der Verkäufer der Option eine Prämie. Die Option wird als einseitig ausübbares Recht angesehen (Chitty on Contracts, General Principles, 4-057, S. 354). Finanztermingeschäfte werden im englischen Recht als Kaufvertrag eingeordnet. Bei börsengehandelten Futures und Options bestehen für die Marktteilnehmer in der Regel Sonderregeln für die Marktzulassung, den Handel und die finanzielle Abwicklung (clearing) der an der Börse getätigten Verkäufe und Käufe (vgl. Euronext Rulebook unter www.euronext.com), die dann integraler Bestandteil der an der Börse getätigten Abschlüsse werden. Üblicherweise nehmen die Marktteilnehmer über von den Börsen angebotene Konsultationsforen aktiven Einfluss auf die Ausgestaltung dieser Regeln. Gerade bei Finanztermingeschäften, die allgemein risikoreicher als gewöhnlichere Anlageformen wie Festzinspapiere oder Aktien sind, spielen bei der Definition der Pflichten von Finanzinstituten die von der Financial Services Authority erlassenen Regeln eine wichtige Rolle. Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Bank und Kunde werden sie von den Gerichten als Richtschnur bei der Definition der Sorgfaltspflichten der Bank hinzugezogen. Die wichtigsten Regeln der FSA in diesem Bereich sind die 11 Principles of Business sowie die Conduct of Business Rules (COB). Während die Principles abstrakt-generellen Charakter haben, enthalten die Conduct of Business Rules konkretere Anweisungen rund um den Vertrieb von Finanzprodukten, aus deren Verletzung Schadensersatzansprüche abgeleitet werden können (vgl. Blair, S. 139). Aufgrund des summarischen Charakters dieses Handbuchs kann hier nur auf ausgewählte Vorschriften und deren Hauptregelungsinhalt eingegangen werden. Zu erwähnen sind insbesondere die Know your customer-Regel (Chapter 5.2 COB), die Suitability-Vorschrift (Chapter 5.3 COB) und die Customer’s understanding-Vorschrift (Chapter 5.4 COB). Nach der Know your customer-Regel ist die Bank verpflichtet, bevor sie eine Anlageempfehlung für einen Privatkunden ausspricht, sich alle erforderlichen finanziellen und
Schlüter
67
2462
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
persönlichen Informationen über den Kunden in Bezug auf das von ihr angebotene Produkt oder die von ihr angebotene Dienstleistung einzuholen. Auch ist die Bank verpflichtet, sich diesbezüglich zu dokumentieren. Nach der Suitability-Vorschrift ist eine Bank gefordert, einem Privatkunden nur dann ein Finanzprodukt zu empfehlen, wenn es für ihn geeignet (suitable) ist. Welches Finanzprodukt im konkreten Einzelfall für die individuellen Interessen des Kunden geeignet ist, lässt sich in der Praxis oft nur schwer definieren. Auf Finanztermingeschäfte bezogen, die im Regelfall zur Absicherung von konkreten Preis- oder Währungsrisiken abgeschlossen werden, kann aber gesagt werden, dass eine Bank einem Kunden ein solches Geschäft nur solange empfehlen sollte, wie der Kunde auch diesen Risiken ausgesetzt ist. Nach der Customer’s understanding-Vorschrift ist eine Bank gehalten, einem Privatkunden keine Anlageempfehlung abzugeben, solange sie nicht alle vernünftigen Schritte unternommen hat, sicherzustellen, dass der Privatkunde die mit der Anlage verbundenen Risiken verstanden hat. Instruktiv in diesem Zusammenhang ist die Entscheidung in Regina v Investors Compensation Scheme Ltd, ex parte Weyell (1994) QB 749 (DC). Das Urteil betrifft zwar keine Finanzinstrumente, doch lässt sich an ihm die Anwendung dieser Vorschrift durch die Gerichte exemplarisch erläutern. In diesem Fall empfahl ein Anlageberater einem pensionierten Ehepaar ein in den 90er Jahren in Großbritannien eingeführtes Finanzprodukt namens Home income-plan. Dieses Produkt bestand zum einen aus einem Kredit, der über das Eigenheim des Ehepaares abgesichert wurde, zum anderen aus einer fondsgebundenen Investmentanlage. Ziel war dabei, dass mit dem Investment ein Einkommen erzielt wurde, das höher sein sollte als die Aufwendungen für den Kredit. Der Anlageberater unterließ es einerseits nicht nur, das mit dem neuen Finanzprodukt nicht vertraute Ehepaar über das mit diesem Geschäft verbundenen Risiko einer Kapitaleinbuße und damit auch potentiellen Verlusts ihres Eigenheims aufzuklären. Andererseits wies der Anlageberater auch nicht darauf hin, dass aus der Investmentanlage keine größeren Beträge abgezogen werden durften, um nicht das Ertragspotential und damit auch die Kreditrückzahlungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Als das Ehepaar einen nicht unwesentlichen Betrag aus der Anlage abzog und sich parallel dazu der Aktienmarkt negativ entwickelte, konnte der Kredit nicht mehr bedient werden. Es drohte die Zwangsversteigerung. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz des Anlageberaters wurde der britische Einlagensicherungsfonds um Hilfe ersucht. In dem folgenden Rechtsstreit wurde dann zugunsten des Ehepaares entschieden mit der Begründung, dass die Kunden aufgrund einer mangelhaften Produktaufklärung des Anlageberaters die mit dem Produkt verbundenen Risiken nicht gekannt hatten. 68
III. Effekten-, Emissions- u. Investmentgeschäft. Die Bedeutung von London als einem der weltweit führenden Finanzzentren wurde erst kürzlich wieder durch das britische Finanzministerium bestätigt. In Bezug auf Finanzprodukte exportiert Großbritannien nicht weniger als 19 Mrd. Pfund mehr als es importiert. Die Finanzindustrie generiert rund 8,5 Prozent des britischen Bruttosozialprodukts und stellt eine Million Arbeitsplätze zur Verfügung. Auch war London das Ziel von nicht weniger als 20% aller weltweit seit 2002 durchgeführten Verlegungen der Hauptsitze internationaler Unternehmen (vgl. HM Treasury, The financial challenge to crime and terrorism, February 2007, S. 5). Als einer der Erfolgsfaktoren für den Finanzplatz London wird die Professionalität der Finanzaufsicht durch die Financial Services Authority (FSA) genannt.
69
1. Effekten. Die wichtigsten Wertpapiere auf dem Kapitalmarkt sind Anteilsscheine (equity securities) und Schuldverschreibungen (debt securities). Die bedeutendsten equity securities sind Aktien (shares) und Investmentzertifikate (investment trust unit
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2463
certificates). Aktien verbriefen die Teilhabe- und Mitgliedsrechte ihrer Inhaber. Investmentzertifikate verbriefen Miteigentum an einem Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft. Beim Investmentzertifikat besteht die Besonderheit, dass der Inhaber Anspruch auf Rücknahme des Investmentzertifikats zu Lasten des Sondervermögens hat. Debt securities sind Urkunden, die Forderungsrechte verbriefen. Sie dokumentieren das Recht, von den Ausstellern die Rückzahlung der Darlehenssummen bei Fälligkeit sowie die Zahlung von Zinsen verlangen zu können. Die wichtigsten debt securities sind langfristige Schuldverschreibungen (bonds), mittelfristige Schuldverschreibungen (medium term notes) und kurzfristige Schuldverschreibungen (commercial papers und certificates of deposit).
70
Bonds sind die gängigsten Schuldverschreibungen im Markt und haben verschiedenste Ausprägungen. So zeichnet sich ein fixed rate bond dadurch aus, dass sein Zinssatz während seiner Laufzeit unverändert bleibt. Bonds mit variablem Zinssatz werden (etwas irreführend) als floating rate notes bezeichnet. Referenzwert zur Errechnung ihres Zinssatzes ist üblichweise der LIBOR. Eine solche variable Zinsabrede könnte etwa lauten: „US$ LIBOR plus 50 base points“. Bei Zero coupon bonds gibt es keine Zinszahlungen, die Schuldverschreibung wird jedoch unter Nominalwert verkauft (discount). Wandelschuldverschreibungen (convertible bonds) geben dem Inhaber die Option, die Schuldverschreibung in Aktien des ausstellenden Unternehmens umgetauscht zu bekommen. In ihnen ist auch der Preis pro Aktie festgelegt, die der Inhaber des convertible bonds bei Umtausch seiner Schuldverschreibung in Aktien zu zahlen hat (conversion price).
71
Außerdem gibt es noch Schuldverschreibungen, die mit ihnen in Bezug stehenden Optionsscheinen ausgestellt werden (bonds with warrants). Die Optionsscheine geben den Inhabern der Schuldverschreibungen zusätzlich die Option, Aktien des Ausstellers der bonds zu einem festgelegten Preis innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erwerben.
72
Medium term notes und commercial papers unterscheiden sich von den bonds durch ihre kürzere Laufzeit und dadurch, dass sie typischweise nicht einzeln, sondern in Tranchen (programmes) ausgegeben werden. Certificates of deposits sind handelbare Urkunden, die von einer Bank oder Bausparkasse bei Annahme einer Geldeinlage ausgegeben werden, die in Form eines Darlehens gemacht wurde.
73
Sowohl bei Aktienemissionen als auch bei der Platzierung von Schuldverschreibungen spielen Banken eine zentrale Rolle. Im Vorfeld einer Aktienausgabe beraten sie die Unternehmen über Umfang und Art der Emission. Daneben treten sie als underwriter auf, d. h., sie verpflichten sich, Aktien, die bei der Emission nicht an Investoren verkauft werden können, zu erwerben. In Einzelfällen schließen Emittent und Bank einen Vertrag (purchase agreement), demzufolge die Bank alle Aktien des Emittenten erwirbt, um sie dann an Investoren weiterzuverkaufen (Cranston, S. 336). Bei der Platzierung einer Schuldverschreibung erstellt üblicherweise eine Bank (arranger) die für die Ausgabe notwendigen Vertragsdokumentationen. Beim späteren „Verkauf“ der Schuldverschreibungen treten noch andere Banken (dealers) hinzu.
74
Abschließend ist noch auf die Zusatzleistungen der Banken im Wertpapierbereich hinzuweisen (custody). Zu diesen zählen vor allem die Abwicklung von Wertpapieren (settlement), die Verwahrung der Papiere (bailment), die Ausübung von Stimmrechten (voting rights) und die Wertpapierleihe (stock lending). In diesem Sektor sehen sich die Banken aber immer häufiger dem Wettbewerb durch auf diesen Gebiet spezialisierte Dienstleister ausgesetzt. Als Beispiel kann hier das Geschäftsmodell des international tätigen australischen Dienstleisters Computershare genannt werden, der weltweit für nicht weniger als 14.000 Unternehmen die Aktivitäten rund um die Aktionärsverwaltung übernimmt. Die
75
Schlüter
2464
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Bandbreite des Angebots dieser Dienstleister reicht von der organisatorischen Abwicklung von Hauptversammlungen, über strategische Analysen der Aktionärsstrukturen von Unternehmen bis hin zur Unterstützung bei grenzüberschreitenden Börsennotierungen. 76
2. Emissionen. In Großbritannien sind die folgenden drei Formen von Emissionen (public offerings) relevant: das Angebot zur Zeichnung (offering), die Platzierung (placement) und das Angebot von Bezugsrechten (rights issue). Beim Zeichnungsangebot unterscheidet man zwischen dem Erstangebot (initial public offering) und nachfolgenden Angeboten. Von einer offer for subscription spricht man, wenn das Unternehmen selbst den Kauf eigener Aktien anbietet. Ein offer for sale meint das Angebot eines bestehenden Aktionärs, von ihm gehaltene Aktien zum Verkauf zu offerieren. Hinsichtlich des Kaufpreises wird zwischen Festpreisangeboten (fixed-price offer) und einem Submissionsangebot (tender offer) unterschieden. Wie oben bereits erwähnt, fungieren Banken bei Angeboten als underwriter, d.h., sie erklären ihre Bereitschaft, von Dritten nicht gekaufte Aktien zu erwerben, um die Emission als solche zum Erfolg zu führen. Das Angebot, Aktien zu verkaufen, wird im englischen Recht als invitatio ad offerendum eingestuft. Das verbindliche Kaufangebot wird dann vom Anleger getätigt, indem er ein Kaufantragsformular ausfüllt. Die Annahme des Kaufangebots erfolgt im Wege von Annahmeschreiben (acceptance letters).
77
Während public offerings mit großem administrativen und finanziellen Aufwand verbunden sind, ist eine Platzierung (placing) einfacher zu realisieren. Bei einer Platzierung werden Aktien eines Unternehmens von einem oder mehreren Brokern direkt an eine kleinere Gruppe von üblicherweise instituionellen Anlegern wie zum Beispiel Versicherungen angeboten.
78
Bei einem Bezugsrechtsangebot (rights issue) bietet ein Unternehmen Aktien bestehenden Aktionären im Verhältnis zu deren aktuellen Anteilen am Gesamtbestand aller ausgegebenen Aktien an. Solange auf der Hauptversammlung des Unternehmens nichts anderes festgelegt ist, müssen Unternehmen, die neue Aktien ausgeben wollen, den Weg des Bezugsrechtsangebot gehen (s. Blair, S. 100).
79
Hinsichtlich der Zulassung von Wertpapieren fungiert die FSA als Zulassungsbehörde (Official Listing of Securities (Change of Competent Authority) Regulations 2000 (Statutory Instrument 2000 No. 968)). Die Rahmengesetzgebung für das Listingverfahrens ist in Part VI FSMA 2000 aufgeführt und wird durch regelmäßig aktualisierte Verordnungen der FSA (Listing Rules) konkretisiert (www.fsa.gov.uk). Nur von der FSA geprüfte und zugelassene Wertpapiere werden in einer sog. Official List geführt. Die Entscheidung, ob die von der FSA zugelassenen Papiere dann auch zum Handel freigegeben werden, obliegt aber weiterhin den Börsen (Blair, S. 8).
80
Um für ein Wertpapier die Zulassung der FSA zu erhalten, muss ein Unternehmen ein formelles Zulassungsverfahren durchlaufen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Erfüllung der Vorschriften im Zusammenhang mit den Zulassungsdokumenten, den sog. Listing Particulars. Unter Listing Particulars wird eine Ansammlung von Unterlagen verstanden, die das Unternehmen nach den für seine spezifische Emission geltenden Vorschriften der Listing Rules nach Section 79 des FSMA 2000 zu erstellen hat. Nach Section 80 (1) des FSMA 2000 gilt für den Emittenten eine allgemeine gesetzliche Offenlegungspflicht in Bezug auf die Listing Particulars. Dies bedeutet, dass diese Listing Particulars all die Informationen enthalten müssen, die Anleger und professionelle Berater vernünftigerweise in derartigen Dokumenten erwarten dürfen, um eine fundierte
Schlüter
§ 78 Länderteil – Großbritannien/Nordirland
2465
Bewertung des Anlagevermögens, der Verbindlichkeiten, der finanziellen Lage, der Gewinne oder Verluste, der Zukunftsaussichten sowie der mit den Aktien verbundenen Rechte vornehmen zu können. Ergänzend besteht nach Section 80 (2) des FSMA 2000 eine besondere Offenlegungspflicht für Personen, die mit der Erstellung der Listing Particulars beauftragt sind. Diese Pflicht betrifft nur solche Informationen, die nur diesen Personen bekannt sind, und bezüglich derer unter den Umständen des Einzelfalls vernünftigerweise eine Offenlegung erwartet werden darf. Eine weitere zentrale Vorschrift im Zusammenhang mit Emissionen ist Section 84 (1) FSMA 2000. Nach ihr muss bei Erstemissionen in Großbritannien zwingend ein Verkaufsprospekt erstellt und veröffentlicht werden, der von der FSA geprüft und freizugeben ist. Alle (Offenlegungs-)Pflichten bezüglich der Listing Particulars gelten auch für den Verkaufsprospekt. Nach Section 91 (1) FSMA ist die FSA befugt, bei Verstößen gegen die Listing Rules Strafen auszusprechen. Die FSA ist nach Section 93 (1) FSMA verpflichtet, zu der Ausübung ihrer Sanktionsmöglichkeit eine Grundsatzerklärung (policy statement) zu veröffentlichen, in welcher die Sanktionskriterien sowie Art und Umfang der Sanktion darzulegen sind. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass trotz der FSA-Prüfung der Emittent primär für die Korrektheit und Vollständigkeit der Listing Particulars verantwortlich bleibt (s. Blair, S. 109). Nach Section 90 (1) FSMA sind Emittenten oder mit der Emission beauftragte Dritte wie Banken gegenüber Investoren schadensersatzpflichtig, wenn sie an der Erstellung von fehlerhaften Listing Particulars bzw. einem unrichtigen Verkaufsprospekt beteiligt waren. Daneben können bei Aktienemissionen und der Platzierung von Schuldverschreibungen Banken gegenüber Investoren zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sie diesen gegenüber fehlerhafte Aussagen zu den verkauften Wertpapieren gemacht haben (misrepresentation). 3. Investmentgeschäft. Aufgrund des summarischen Charakters dieses Handbuchs muss hier der Schwerpunkt auf die in der Praxis wichtigen kollektiven Kapitalanlageformen gelegt werden. Section 235 (1) FSMA 2000 definiert ein sog. collective investment scheme als ein Arrangement betreffend Eigentum in jeglicher Form, bei dem die Teilnehmer Beiträge leisten und an den vom Arrangement erwirtschafteten Erträgen partizipieren. Ein weiteres Charakteristikum ist der Mangel an Personenidentität zwischen Teilnehmer und Management. Von dieser Definition ausgenommen sind Arbeitnehmer-Aktienprogramme, Sichteinlagen von Kreditinstituten und Versicherungsverträge. Die drei wichtigsten Arten kollektiver Kapitalanlageformen in Großbritannien sind unit trusts, openended investment companies (OEICs) und recognised overseas schemes.
81
Unter unit trusts werden kollektive Kapitalanlageformen verstanden, die in der Rechtsform des trusts organisiert und eine Zulassungsurkunde der FSA nach Section 243 FSMA 2000 erhalten haben. Für sie gelten umfangreiche Vorschriften zum Anlegerschutz. So dürfen nach Section 242 (1) FSMA 2000 die Aufgaben von Manager und Treuhänder (trustee) nicht in einer Person vereinigt sein. Manager und Trustee müssen von der FSA zum Management bzw. der Treuhänderschaft zugelassene Personen sein (authorised persons). Für die Praxis ist wichtig, dass – unabhängig von den Bestimmungen des Treuhandurkunde (trust deed) – Manager, Treuhänder und Teilnehmer an die von der FSA aufgestellten allgemeinen Vorschriften (trust scheme rules) gebunden sind. Section 251 FSMA 2000 schreibt auch vor, dass eine Änderung der Konditionen des Arrangements, ein Personalwechsel bei Manager oder Treuhänder von der FSA zu genehmigen ist. Nach
82
Schlüter
2466
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Section 257 ist die FSA ferner berechtigt, einen Manager oder Treuhänder eines unit trusts anzuweisen, den Vertrieb oder die Rücknahme von Anteilen einzustellen oder die Auflösung des gesamten Sondervermögens zu vollziehen. Personen, die sich nicht an eine solche Anweisung halten, können nach Section 257 FSMA 2000 gegenüber Personen, die dadurch einen Verlust erleiden, zum Schadensersatz verpflichtet sein. 83
Die Anlegerschutzvorschriften für open-ended investment companies (OEICs) sind weniger umfangreich. OEICs zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Investment- und eine Grundstückskomponente zu erfüllen haben. Sie bedürfen ebenfalls einer Zulassung durch die FSA. Die grundstücksbezogene Vorgabe ist, dass Grundstückseigentum durch die Gesellschaft erworben wird mit dem Zweck, Erträge bei gleichzeitiger Risikostreuung zu erzielen. Die anlagebezogene Vorgabe lautet, dass ein vernünftiger Investor von dem Arrangement erwarten darf, in angemessener Zeit einen Ertrag zu erhalten, der im Verhältnis zu seinem geleisteten Beitrag steht.
84
Unter einem recognised investment scheme versteht man kollektive Kapitalanlageformen, die in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bzw. in definierten anderen Ländern eingerichtet wurden, und spezifische, für sie geltende Anforderungen des britischen Finanzministeriums erfüllen sowie zusätzlich von der FSA zum Vertrieb in Großbritannien zugelassen sind.
85
E. Aktuelle Entwicklungen Die Terrorakte am 11. September 2001 in New York sowie am 7. Juli 2005 in London haben dazu geführt, dass das Thema Geldwäsche hohe politische Aufmerksamkeit hat und nicht nur die einschlägigen Vorschriften, sondern auch deren Umsetzung nachgehalten wird. Geldwäsche wird in Großbritannien entsprechend der Defintion der zwischenstaatlichen Finacial Action Task Force (FATF) als Nutzbarmachung von auf illegale Weise beschafften Vermögenswerten bezeichnet, um ihre Herkunft zu verschleiern und sie für zukünftige legale oder illegale Geschäfte zu nutzen (s. Howard/Masefield, Rn. 1.203, S. 62). Die Geldwäsche wird dabei in drei Hauptakte eingeteilt: Das Abliefern großer Bargeldmengen (placement), das Abschichten (layering) und die Wiedereinschleusung in den regulären Geldkreislauf (integration).
86
Im Zentrum der gesetzlichen Geldwäschevorschriften steht der Proceeds of Crime Act 2002 (PCA 2002). Mit ihm wurde die Behörde Assets Recovery Agency (ARA) geschaffen. Sie wurde mit Sonderrechten bezüglich der Ermittlung, Beschlagnahme und Verwertung von illegal erlangten Vermögenswerten ausgestattet (vgl. Sections 352, 357 und 371 PCA 2002). Ihr Direktor wird vom Innenminister ernannt. Insgesamt wurden in 2005-6 rund 97 Mio. Pfund an illegalen Geldern eingezogen und seit 2003 fast 200 Bankkonten von mutmaßlichen Terroristen eingefroren (HM Treasury, The financial challenge to crime and terrorism, February 2007, S. 4). Auch wurden die strafrechtlichen Vorschriften zur Geldwäsche von ihrer früheren Verknüpfung mit anderen Delikten wie Drogenschmuggel entkoppelt und damit in ihrem Anwendungsbereich erweitert.
87
Daneben existieren die Money Laundering Regulations 2003. Sie verlangen, dass Unternehmen Geldwäschebeauftragte (Money Laundering Reporting Office, MLRO) einsetzen. Ferner schreiben sie vor, dass ein Finanzinstitut sich hinreichende Kenntnisse über die Identität eines Kunden verschaffen muss, sobald dieser eine einmalige Transaktion oder eine Serie von Transaktionen mit einer Mindestmenge von 15.000 Pfund tätigt. Mit Inkrafttreten der Dritten Geldwäsche-Richtlinie der EU im Dezember 2007 wird diese Summe auf das Pfund-Äquivalent von 15.000 EUR heruntergesetzt.
Schlüter
§ 78 Länderteil – Irland
2467
10. Irland
§ 78 Länderteil Schrifttum Breslin, Banking Law, 2007; Priority of Company Charges and the Purchase Money Security Interest, – Irland Commercial Law Practitioner (CLP), 1994, 327; Cahill, Corporate Finance Law, 2000; Courtney, The Law of Private Companies, 2002; Donnelly, The Law of Banks and Credit Institutions, 2000; Keane, Company Law, 2007.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Bedeutende Rechtsquellen. . . . . . . . . . . . . . 11 B. Kredit- und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 13 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Darlehensvertrag, Sicherungsvertrag und Zinsen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Verbraucherdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Immobiliarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5. Andere Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Charge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. „Mortgage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. „Mortgage“ und „charge“ an Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Sicherungsübertragung . . . . . . . . . . . . . . 44 5. Mobiliarpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 6. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 7. Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2. Kontoarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Wechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3. Scheck- und Kartengeschäft . . . . . . . . . . 68 4. Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung) . . . . . . . . . . . . 78 1. Genehmigung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . 78a 3. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78b II. Derivatgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Begriff und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Rechtliche Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4. Dokumentation von OTC Derivaten . . . . 93 III. Effekten-, Emissions- und Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Emissionsgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . 115 E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Zahlungsdienste im Binnenmarkt . . . . . . 124 III. Company Law Reform . . . . . . . . . . . . . . . 125
Stichwortverzeichnis Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 74 Aktie . . . . . . . . 76, 83, 84, 85, 97, 102, 103, 104, 118 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) . . . . . . 53 Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61, 62, 63 Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 62, 78-78b Anteile. . . . . . . . . . . 76, 115, 116, 118, 119, 121, 122 Anteilsschein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 105 Anmeldung einer Charge . . . . . 16, 30, 39, 42, 43, 48 Asset Backed Securities . . . . . . . . . . . . . . . . 111, 112 Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78a, 83, 90 Aufleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117, 122 Aufnahmemitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 7, 109 Aufsicht. . . . . . . . . . . . . . 2, 3, 5, 6, 10, 75 f., 88, 122 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 63, 94 Aufwendungsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . 70, 71 Bankgeschäft. . . . . . . . . . . . 1, 3, 4, 5, 7, 9, 26, 42, 52 Basiswert. . . . . . . . . . . . . . . . . 79, 81, 82, 84, 85, 103 Börse . . . . . . . . . . . . . 76, 80, 81, 88, 96, 97, 110, 112 Börsenmakler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62, 76, 96 Börsenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16, 46, 47, Call Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Central Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 6, 22, 77, 101 Charge . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 37, 38, 39, 41, 42, 44 Common Contractual Fund. . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Common Law . . . . 11, 13, 15, 29, 36, 38, 50, 53, 125
CPC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 77, 83, 92, 95, 105 Darlehensvertrag. . . . . . . . . 13, 22, 31, 33, 49, 53, 64 Dauerauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 66 Dematerialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Derivat . . . . . . . . . . . . . . . . .76, 79, 80, 82, 83, 85-94 Director of Consumer Affairs. . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Dispositionskredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 f. Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 5 Effektenbörse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96, 111 Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .95, 97 f. Eigenkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 3, 52, 59, 60, 61, 83 Einzugsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Emissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103, 105 Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 46 Equitable Assignment. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 44 Equitable Mortgage . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41-43, 45 Erkundigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78b Ermessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 10 European Master Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Factoringgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Financial Contract. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88, 89, 94 Financial Regulator. . . 1 f., 4-10, 26, 57, 75 f., 83, 88, 95 f., 98, 105, 107, 109, 115, 117-119, 121 f. Finanzbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
O’Kelly
2468
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Finanzdienstleistung . . . . . . . . . 2, 75 f., 95, 105, 123 Finanzierungsleasing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Finanzierungsleasing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Finanzinstrument. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 76 Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 94 Finanztermingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Fixed Charge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Floating Charge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Forderungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 43, 47 Fund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111, 115, 117, 120-122 Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 47 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . 1-7, 9, 76 f., 79, 89, 95, 96, 97, 105, 107, 115-118, 119, 122 Genehmigungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . 2, 6, 76, 107 Geschäftsbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Geschäftsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 86, 125 Gesellschaft. . . . . . . . .5, 7, 15 f,, 39, 45, 86 f., 102 f., 107 f., 110 f., 113-115, 118, 125 Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Girokonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 42, 43 Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Herkunftmitgliedstaat . . . . . . . . . 5, 75, 107, 108, 116 Hedge Fund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Immobiliarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83, 84, 85, 92 Indossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Insider-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . 98, 100, 101, 105 Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Investment Business Firm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Investment Company . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .118 f. Investment Firm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Investment Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Irish Stock Exchange . . . . . . . . . 97, 102, 104, 106 f., 110 f., 115 ISDA Master Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Kapitalanlagegesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Kassageschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Kleinanleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78a, 78b Kodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Konsortialkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 34, 35 Kontoarten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Kontoeröffnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53, 54 Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71, 72, 73 Kreditrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 80, 85 Kreditsicherheit. . . . . . . . .11, 14, 16, 26 f., 36, 39, 80 Kundenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Kursrelevant Tatsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Landregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 43 Lastschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 65, 66 Leerkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Legal Assignment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32, 44 Legal Mortgage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 43 Liquidationsnetting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Listing Rules . . . . . . . . . . . . . 102, 106, 110, 111, 114 Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) . . . . . . .5, 12, 75-79, 95, 97, 106 Management Company . . . . . . . . . . . . . . . . . 119, 120 Marktmissbrauch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78, 98, 105
Marktmanipulations . . . . . . . . . . . . . . . . . 98, 99, 101 Mietkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 MiFID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Mitgliedstaat der EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 4, 5 Mitteilungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102, 113 Mobiliarpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Mortgage. . . . . . . . . . . . . . . 37, 40, 41, 42, 43, 44, 45 Natürliche Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 22, 120 Nichtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 22 Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 29, 86 Non-UCIT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115, 116, 117, 121 Novation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 55 Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79, 82, 83, 85, 89, 97 Over The Counter (OTC) . . . . . 80, 81, 82, 85, 88, 93 Pfandrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 63 Put Option. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106-110, 116, 122 Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Rahmenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52, 93, 94 Ratenzahlungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Rechtliches Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80, 86 Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 78b Registered Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 43 Richtlinien . . . . 1-3, 5, 22, 25, 48, 75 f., 85, 98, 108, 110, 113-115, 123 f. Risk Participation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Sale-and-Lease-Back . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 56 Scheck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 64, 68, 69, 70 Schriftform, schriftlich . . . . . . 13, 27, 43, 44, 47, 108 Schuldverschreibung . . . . . . . . . 4, 97, 103, 112, 114 Selbstverpflichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Sicherheit über Kontoguthaben . . . . . . . . . . . . . . . 39 Sicherungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 45, 53 Sicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 15 Sicherungszession. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Sicherungsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Sparkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Spieleinrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Stellvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 64 Strafrechtliche Folgen. . . . . . . 25, 78b, 101, 109, 113 Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79, 84, 89 Teilzahlungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 22, 30 Termingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 f., 79-82 Trackerbond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 83 Transparenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8, 110, 113, 114 Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49, 60, 91 Treuepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 65 Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61, 63 Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33, 61, 63, 117, 119 Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35, 101, 102, 110 Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 7, 22, 96, 122 Überweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64, 65, 66 Überziehungskredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 29 UCIT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4, 115, 116, 117 Ultra Vires. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 86, 125 Unerlaubte Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 56, 78b Unit Trust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117, 119 Unregistered Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 UT Regs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 18, 19, 20, 24, 92 Verbraucher. . . .11, 18-27, 29-31, 50, 53, 72, 78b, 83, 90, 92, 95, 105 Verbraucherdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . .18, 20-26, 29
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
Verkehrsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 f. Verschwiegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55, 56 Versicherungseinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Vertraulichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 55 Vermögensbetreuung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 78 Vermögensverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 76 Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 60, 87 Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67, 68, 97 Weisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 74 Wechselkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79, 81, 84, 85 Wertpapier. . . . . . . . . 3, 4, 45, 52, 75-77, 78b, 92, 95, 97-100, 105-108, 110 f., 115
2469
Wetteinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 23, 25, 108 Wohlverhaltensregeln . . . 5, 76-78a, 90, 95, 105, 124 Wohnraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zahlungsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Zahlungskarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 72, 73 Zahlungsnetting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Zinsbegrenzungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Zins . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 18, 31, 59, 71, 72, 85, 89 Zinseszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 28 Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . 59, 79, 81, 82, 83, 84, 103 Zinsschein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Zivilrechtliche Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 78b, 101 Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Abkürzungsverzeichnis CBA CBFSA CCA CPC IIA MiFID
Central Bank Act(s) Central Bank and Financial Services Authority of Ireland Act 2003 und 2004 Consumer Credit Act 1995 Consumer Protection Code Investment Intermediaries Act 1995 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente MiFID Regs European Communities (Markets in Financial Instruments) Regulations SI 60/2007 as amended by SI 663/2007 and SI 773/2007 Reg Regulation(s) SEA Stock Exchange Act 1995 UT Regs European Communities (Unfair Terms in Consumer Contracts) Regulations 1995 2005 Act Investment Funds, Companies and Miscellaneous Provisions Act 2005 2006 Act Investment Funds, Companies and Miscellaneous Provisions Act 2006
A. Rahmenbedingungen
1
I. Bankensystem. 1. Grundsätzlich gilt, dass niemand in Irland Bankgeschäfte betreiben, sich als Banker ausgeben oder Einlagen (deposits) oder andere rückzahlbare Gelder (repayable funds) von der Öffentlichkeit im Namen und für Rechnung anderer annehmen darf, der nicht im Besitz einer Genehmigung der Irish Financial Services Regulatory Authority (Financial Regulator) ist (§ 33A CBA 1942 eingefügt durch § 26 CBFSA 2003, § 7 (1) CBA 1971 geändert durch §§ 70 (a) CBA 1997 und 35 (1) CBFSA 2003). Dieser strafbewehrte Grundsatz hat durch die Harmonisierungs-Richtlinien 77/780/EEC und 89/646/EEC, die durch die European Communities (Licensing and Supervision of Banks) Regulations 1979 und die European Communities (Licensing and Supervision of Credit Institutions) Regulations 1992 in Irland umgesetzt wurden, erhebliche Einschränkungen erfahren. Demnach kann jedes Kreditinstitut, das in einem Mitgliedstaat des EWR als Kreditinstitut zugelassen ist, in allen anderen Mitgliedstaaten des EWR Bankgeschäfte betreiben, ohne dass es einer weiteren Zulassung bedarf (Rn. 7-9). Kreditinstitute, die in einem Drittstaat zugelassen sind, bedürfen, wenn sie Bankgeschäfte in Irland betreiben wollen, einer gesonderten Zulassung durch den Financial Regulator. 2. Zuständige Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für alle Finanzdienstleistungsbereiche in Irland ist der Financial Regulator, eine selbstständige Abteilung der Central Bank and Financial Services Authority of Ireland (Central Bank). Sie erteilt die bankrechtlichen Genehmigungen und überwacht die Tätigkeit der in Irland zugelassenen Banken und Kreditinstitute nach Maßgabe der Central Bank Acts (CBA), der Central Bank and Financial Services Authority of Ireland Act 2003 und 2004 (CBFSAs) und anderer einschlägiger Vorschriften wie z.B. die MiFID Regs (s. Rn. 76 ff.). Die Central Bank hat zu diesem Zweck auch eine Richtlinie erlassen (Licensing and Super-
O’Kelly
2
2470
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
vision Requirements and Standards for Credit Institutions, 1995). Die Aufgaben der Central Bank umfassen neben der Koordinierung der Tätigkeiten des Financial Regulators die nationale Umsetzung der monetären Politik der Europäischen Zentralbank und die Förderung der Finanzdienstleistungsindustrie mit dem Ziel, die Stabilität des Finanzsystems in Irland zu wahren. Für Zwecke der EU Gesetzgebung gilt die Central Bank als die zuständige Behörde (competent authority). 3
II. Bankenaufsicht. 1. Genehmigung. a) Für die Bestimmung, ob ein Unternehmen einer Genehmigung als Bank (banking licence) bedarf, hat der irische Gesetzgeber nicht die Definition von Bankgeschäften (banking business), wie sie in den HarmonisierungsRichtlinien enthalten ist, übernommen, sondern folgende Definition entwickelt (§ 2 CBA 1971 geändert durch § 70 (b) CBA 1997 und CBFSA 2004): (1) das Geschäft der Annahme von Geldsummen von der Öffentlichkeit für eigene Rechnung in der Form von Einlagen und anderen rückzahlbaren Geldern, unabhängig davon, ob es mit der Ausgabe von Wertpapieren oder der Eingehung anderer Formen von finanzieller Verpflichtungen verbunden ist oder nicht, oder (2) das eben beschriebene Geschäft und jedes andere Geschäft, das normalerweise von einer Bank betrieben wird und das die Ausgabe von Krediten für eigene Rechnung beinhalten kann. Der Finanzminister kann dieser bereits sehr weit gefassten Definition weitere Geschäftsarten unterstellen. Die CBA nehmen bestimmte Tätigkeiten von dieser Definition aus, wie zum Beispiel die Annahme von Zahlungen im Zusammenhang mit bestimmten Teilzahlungsgeschäften, Lebensversicherungen und Altersvorsorgen.
4
b) Die Landeszentralbanken der anderen Mitgliedstaaten des EWR, die Post Office Savings Bank, „building societies“, „industrial and provident societies“, „friendly societies“, „credit unions“ und „managers“ beziehungsweise „trustees“ von UCITS (s. auch Rn. 115 ff.) brauchen keine Genehmigung, um Bankgeschäfte in Irland zu tätigen (§ 7 (4) CBA 1971 geändert durch § 30 CBA 1989). Diese Liste kann vom Finanzminister erweitert oder eingeschränkt werden. Außerdem kann der Financial Regulator Gruppen von Personen von der Genehmigungspflicht ausnehmen, die Bankgeschäfte nur insoweit betreiben, als sie bestimmte Schuldverschreibungen oder andere Wertpapiere ausgeben, so zum Beispiel geschehen im Novemer 2002 für Emittenten bestimmter Handelspapiere (commercial papers).
5
c) Kreditsinstitute, die in einem anderen Mitgliedstaat des EWR zugelassen sind, bedürfen für die Ausübung von Bankgeschäften in Irland keiner Genehmigung des Financial Regulator (European Communities (Licensing and Supervision of Credit Institutions) Regulations 1992). Die Zulassung als Kreditinstitut im Herkunftmitgliedstaat wirkt wie ein Pass, der diesem Kreditinstitut und seinen Zweigstellen, jedoch nur in beschränkten Umfang seinen Tochtergesellschaften, die Vornahme von Bankgeschäften innerhalb des EWR erlaubt. Während der Herkunftmitgliedstaat das Kreditinstitut im Hinblick auf seine im Herkunftmitgliedstaat und jedem Aufnahmemitgliedstaat und Drittstaat ausgeübte Tätigkeit überwachte, übte der Aufnahmemitgliedstaat zusätzlich bis zum 31.10.2007 die Aufsicht aus, soweit es das öffentlichen Interesse im Aufnahmemitgliedstaat verlangte (European Communities (Licensing and Supervision of Credit Institutions) Regulations 1992). Dies galt insbesondere für die Einhaltung der vom Financial Regulator aufgestellten bindenden Wohlverhaltensregeln (Codes of Practice and Codes of Conduct). Mit der Umsetzung von MiFID und der Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (2006/48/EG) sind nun die Zuständigkeiten von Aufnahmemitgliedstaaten im Wesentlichen auf den jeweiligen Herkunftmitgliedstaat konzentriert. Dabei ist nun der von einer Bankgenehmigung erfasste Tätigkeitskatalog erweitert, so dass die Zulassung als Kreditinstitut im Herkunftmitgliedstaat dann z. B. auch Anlage-
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2471
beratung und Handel mit Waren (commodities) in Aufnahmemitgliedstaaten ohne zusätzlich erforderliche Genehmigung erlaubt. Die Überwachung der örtlich bindenden Verhaltensregeln bleibt jedoch nach wie vor den Aufnahmemitgliedstaaten belassen. Deutsche Banken, die in Irland eine Zweigstelle haben, unterliegen daher auch den in den MiFID Regs aufgestellten Wohlverhaltensregeln für bestimmte Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten (s. Rn. 78a). d) Es steht im Ermessen des Financial Regulator als der zuständigen Genehmigungsbehörde, eine beantragte Genehmigung zu erteilen oder zu verweigern (§ 9 CBA 1971). Der Financial Regulator kann eine Genehmigung mit bestimmten Auflagen verbinden oder solche Auflagen später machen oder abändern (§ 10 CBA 1971). Im Extremfall kann der Financial Regulator mit Zustimmung der Central Bank die Genehmigung widerrufen (§ 11 CBA 1971). Deren Zustimmung ist nicht erforderlich, wenn das zugelassene Kreditinstitut selbst den Widerruf beantragt hat oder wenn der Financial Regulator wegen mangelnder Transparenz seine Aufsichtsfunktionen nicht mehr effektiv ausüben kann (Reg. 4 Supervision of Credit Institutions, Stock Exchange Member Firms and Investment Business Firms Regulations 1996; § 11 CBA 1971 geändert durch § 71 CBA 1997). Der Financial Regulator ist dann zum Widerruf verpflichtet.
6
2. Überwachung (supervision). a) Als Kehrseite der Genehmigungspflicht kann der Financial Regulator im High Court eine einstweilige Verfügung gegen Personen beantragen, die ohne die erforderliche Genehmigung Bankgeschäfte in Irland betreiben (§ 74 CBA 1997). Bei entsprechendem Anfangsverdacht ist der Financial Regulator berechtigt, deren Geschäftslokale zu betreten, Dokumente einzusehen und zu kopieren und Auskünfte zu verlangen (§ 75 CBA 1997 geändert durch § 35 (1) 2003) und mit gerichtlicher Bestätigung Geschäftslokale zu durchsuchen und Unterlagen zu beschlagnahmen. Letzteres gilt sowohl für Personen, die ohne Zulassung Bankgeschäfte zu tätigen scheinen, als auch für zugelassene irische und andere EWR Kreditinstitute. Über Reg. 28 European Communities (Licensing and Supervision of Credit Institutions) Regulations 1992 kann der Financial Regulator die Einhaltung von örtlichen Vorschriften der Aufnahmemitgliedstaaten sowohl von den Kreditinstituten, die eine irische Zulassung haben, als auch von irischen Finanzinstitutionen, die die Zulassung ihrer Muttergesellschaft nutzen, verlangen.
7
b) Der Financial Regulator kann dem Inhaber einer Bankzulassung Weisungen erteilen, insbesondere anordnen, dass bestimmte Tätigkeiten bis zu sechs Monate nicht mehr ausgeübt werden dürfen, zum Beispiel wenn die finanzielle Lage einer Bank gefährdet scheint oder wenn sie unter gemeinsamer Kontrolle mit anderen Unternehmen steht und der Financial Regulator glaubt, dass dies nicht im Interesse der Einzahler der Bank ist (§ 21 CBA 1971 geändert durch § 38 CBA 1989 und § 10 (2) CBFSA 2004). Der CBFSA 2004 ermächtigt den Financial Regulator, bei Verdacht auf Zuwiderhandlungen gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften, förmliche Untersuchungen durchzuführen und Massnahmen aufzuerlegen.
8
c) Pflichten des Inhabers einer Bankzulassung. Ein Kreditinstitut, das im Besitz einer Genehmigung des Financial Regulator ist (holder of a licence), muss seinen gemeldeten Sitz (registered office) und seine Hauptverwaltung in Irland haben (Reg. 5 Supervision of Credit Institutions, Stock Exchange Member Firms and Investment Business Firms Regulations 1996) und Geschäftsbücher und – unterlagen in Irland aufbewahren (§ 17 (1) CBA 1971 geändert durch § 35 (1) 2003). Weiter muss der Inhaber einer Bankzulassung dem Financial Regulator bestimmte Informationen, die dessen Bankgeschäfte betreffen, wie zum Beispiel geprüfte Bücher und offizielle Finanzmitteilungen auf regelmäßiger Basis und auf schriftliche Anordnung im Einzelfall vorlegen (§ 18 CBA 1971 geändert durch
9
O’Kelly
2472
10
11
12
13
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
§ 37 CBA 1989 und § 35 (1) CBFSA 2003). Die Verpflichtung einer zugelassenen Bank, diese Informationen an den Financial Regulator weiterzugeben, hat Vorrang vor der vertraglichen Pflicht der Bank gegenüber einem Kunden, dessen Daten vertraulich zu behandeln (Glackin v Trustee Savings Bank (1993) 3 IR 55). d) Rechtsbehelfe. Ein Kreditinstitut, das der Aufsicht des Financial Regulators unterliegt, kann sich gegen dessen aufsichtsrechtliche Maßnahmen an das Irish Financial Services Appeals Tribunal wenden (Part VII(a) CBA 1942 eingefügt durch § 28 CBFSA 2004). Verbrauchern steht für Beschwerden gegen Kreditinstitute neben den ordentlichen Gerichten der Financial Services Ombudsman zur Verfügung (Part VII(b) CBA 1942 eingefügt durch § 28 CBFSA 2003). Die einschlägige Gesetzgebung räumt dem Ombudsman bei der Gestaltung seiner Ermittlungsverfahren Ermessensspielraum ein. In der viel beachteten Entscheidung J. & E. Davy Trading as Davy v Financial Services Ombudsman, Ireland and the AG, July 2008, stellte der irische High Court klar, dass der Ombudsman dieses Ermessen fair ausüben muss. Der High Court gab dem Ombudsman eine Liste von Kriterien an die Hand, die er in die Ausübung seines Ermessens einbeziehen muss. III. Bedeutende Rechtsquellen. 1. Das „Common Law“, das auf Fallentscheidungen über die Jahrhunderte aufbaut, bestimmt die Grundlagen des irischen Bankrechts. Dies gilt insbesondere für Fragen des Vertrags- und des Kreditsicherheitenrechts. Entscheidungen höherrangiger Gerichte gehen Entscheidungen niederrangiger Gerichte vor, soweit sie die selbe Rechtsfrage betreffen. Die englische Rechtsprechung ist für irische Gerichte nicht bindend, kann jedoch in den Urteilsgründen zur Falldiskussion herangezogen werden. Es spielt als sogenannte „persuasive authority“ in Rechtsgebieten, die neuen Entwicklungen unterliegen, eine nicht unerhebliche Rolle (siehe zum Beispiel Rn. 88). Auch Rechtsprechung anderer Länder, in denen das Common Law System herrscht, wie z.B. in den USA, Australien und weiten Teilen Kanadas, können in die Erörterung einfließen. 2. Kodifikationen finden sich vor allem in Bereichen, die aufsichtsrechtliche Fragen betreffen und/oder bei der Umsetzung von EU-Recht eine Rolle spielen. Sie gehen Fallrecht vor. Die folgenden Gesetze sind von zentraler Bedeutung im irischen Bankrecht: Central Bank Acts 1942 bis 1998 (CBA); Central Bank and Financial Services Authority of Ireland Acts 2003 und 2004 (CBFSA); Consumer Credit Act 1995 (CCA); European Communities (Unfair Terms in Consumer Contracts) Regulations 1995 (UT Regs); European Communities (Licensing and Supervision of Credit Institutions) Regulations 1979 und 1992 (as amended); Investment Intermediaries Act 1995 (IIA), die Companies Acts (as amended) und die MiFID umsetzenden Gesetze und Regulations für den Kapitalmarktbereich (s. Rn. 75 ff.).
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditformen. 1. Darlehensvertrag, Sicherungsvertrag und Zinsen. a) Auf den Abschluss und den Inhalt von Darlehensverträgen und Sicherungsverträgen (debentures) finden die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts Anwendung, die im Common Law verankert sind. So dient Fallrecht zum Beispiel als Quelle für die Bestimmung, ob und welche Vertragsbedingungen stillschweigend einbezogen wurden. Im grundlegenden Unterschied zum deutschen Recht muss ein Vertrag, um nach irischem Recht gültig zu sein, eine Gegenleistung (consideration) aufweisen oder den Formvorschriften einer „deed“ (Schriftform und Siegel) entsprechen. Es ist nicht ausreichend, dass die Gegenleistung bereits vollständig erbracht ist, bevor das Leistungsversprechen gegeben wird. Dies bedeutet, dass eine Sicherungszusage, die erst nach Auszahlung eines Kredits abgegeben wird, nicht von einer Gegenleistung gedeckt und unwirksam ist, falls sie nicht als „deed“ gestaltet ist oder eine weitere Gegenleistung vereinbart wird.
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2473
b) Eine Kreditsicherheit kann nicht über einen Gegenstand eines anderen bestellt werden (Clough Mill Ltd v Martin (1984) 3 All ER 982). Wenn eine natürliche Person eine Sicherheit an einer beweglichen Sache bestellt, bestehen zu deren Schutz bestimmte Formerfordernisse sowie eine Registrierungspflicht, die in den Bills of Sale (Ireland) Acts 1879 and 1883 geregelt sind. c) Eine irische Gesellschaft kann Rechtsgeschäfte wie Darlehens- und Sicherungsverträge grundsätzlich nur wirksam schließen, wenn deren Statuten (memorandum of association) die Gesellschaft hierzu ermächtigen. Ist dies nicht der Fall, ist das Rechtsgeschäft „ultra vires“ der Gesellschaft und wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit nichtig und kann dann auch nicht von den Gesellschaftern im Nachhinein genehmigt werden. Diese Ultra-Vires Doktrin geht auf Common Law and Equity Law zurück. Ein umfassendes Reformprojekt im Gesellschaftsrecht befasst sich auch mit der Ultra-Vires Doktrin (s. Rn. 125).
14
Weiterhin muss eine irische Gesellschaft durch die Aufnahme des Darlehens beziehungsweise die Begebung der Sicherheit einen wirtschaftlichen Vorteil (corporate benefit) erlangen. Dies ist insbesondere für Bürgschaften (Rn. 46) von Bedeutung. Bestimmte Kreditsicherheiten, die am beweglichen oder unbeweglichen Vermögen einer Gesellschaft bestelllt werden, können vom Gläubiger nur wirksam verwertet werden, wenn diese im Companies Registration Office innerhalb von 21 Tagen nach Bestellung angemeldet werden (§ 99 Companies Act 1963). Wird diese Frist versäumt, kann der Gläubiger die Sicherheit grundsätzlich nicht gegenüber dem Konkursverwalter des Schuldners und seinen anderen Gläubigern durchsetzen. Der Schuldner selbst kann keine Einwendungen erheben. d) Eine Bank unterliegt keiner Pflicht (weder aus Vertrag noch aus unerlaubter Handlung), die finanziellen Interessen eines Kunden zu berücksichtigen, wenn sie entscheidet, ob sie sich an einer gewissen finanziellen Handlung, zum Beispiel der Gewährung eines Darlehens, beteiligen soll (Kennedy v Allied Irish Banks Limited (1998) 2 IR 48). e) Zinsen. Die Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung von Zinsen an den Darlehensgeber ist üblicherweise durch Vertrag geregelt. Sie kann jedoch auch aus stillschweigenden Vereinbarungen, regelmässigen Verhaltensweisen und allgemeinem Brauch oder Handelsbrauch hergeleitet werden. Ein Darlehensgeber kann sich vorbehalten, Darlehenszinsen ohne vorherige Ankündigung zu erhöhen, vorausgesetzt er hat einen vernünftigen Grund für die Zinserhöhung und infomiert den Darlehensnehmer bei nächster Gelegenheit. Dies ist in den UT Regs geregelt, die auf Verbraucherdarlehen und alle anderen Verträge mit Verbrauchern Anwendung finden. Zinseszins können nur geltend gemacht werden, wenn dies ausdrücklich vertraglich geregelt wurde (Trustee Savings Bank Dublin v Maughan (1992) 1 I.R. 488). Die UT Regs schützen wiederum den Verbraucher, indem sie entsprechende Vertragsbestimmungen nur erlauben, wenn der Verbraucher Gelegenheit hatte, diesen Vorschriften bei Vertragsschluss zuzustimmen. Verzugszinsen können nur geltend gemacht werden, wenn sie ausdrücklich vertraglich geregelt sind und eine echte Schätzung des Verzugsschadens des Darlehensgebers reflektieren. Verzugszinsen in Verbraucherdarlehen, die unverhältnismässig hoch angesetzt sind, können vom Darlehensgeber nicht durchgesetzt werden (UT Regs). 2. Verbraucherdarlehen. Vorschriften zum Schutze von Verbrauchern gibt es in zahlreichen Rechtsquellen, die sich im Zuge der europäischen Initiative, die Rechtsstellung von Verbrauchern zu stärken, in den letzten 15 Jahren deutlich vermehrt haben.
16
O’Kelly
15
17
18
19
20
21
2474
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
22
a) So finden sich Sondervorschriften zum Verbraucherdarlehensvertrag, ob Immobiliarkredit, allgemeines Darlehen oder Teilzahlungsgeschäft, im Consumer Credit Act 1995 (CCA), der die EU-Richtlinien 87/88/EEC und 90/88/EEC umsetzt. Dieses Gesetz findet auf Kreditverträge, Teilzahlungsgeschäfte und bestimmte andere Rechtsgeschäfte, an denen ein Verbraucher (consumer) beteiligt ist, Anwendung. Verbraucher ist definiert als jede natürliche Person, die außerhalb ihres Handels, Gewerbes oder Berufs ein Rechtsgeschäft tätigt. Der CCA enthält sehr detaillierte Bestimmungen, die vom Kreditgeber beachtet werden müssen, um zu vermeiden, dass der Darlehensvertrag nichtig ist oder wird (§ 38 CCA). Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von der Central Bank und dem Director of Consumer Affairs überwacht, dessen Amt und Behörde durch The Consumer Information Act 1978 etabliert wurde.
23
Sowohl Vertragsschluss und Vertragsabwicklung als auch vorvertragliches Verhalten und Verhalten während des Verlaufs des Vertrages werden vom CCA erfasst. So werden dem Verbraucher Rechte eingeräumt, innerhalb bestimmter Fristen den Vertrag zu widerrufen. Der Kreditgeber kann sich mit dem Verbraucher nur in beschränktem Masse in Verbindung setzen. So ist es dem Kreditgeber nicht erlaubt, den Darlehensnehmer am Arbeitsplatz zu kontaktieren. Außerdem gewährt § 52 CCA einem Darlehensnehmer das Recht, seine Schulden vorzeitig zu begleichen. In diesem Fall ist die Vorfälligkeitsentschädigung des Darlehensgeber auf die im CCA beschriebene Weise zu berechnen. Diese legt dem Darlehensgeber effektiv eine Pflicht zur Schadensbegrenzung durch geeignete Reinvestierung auf.
24
b) Weiterhin finden auf Verbraucherdarlehen, wie auf alle anderen Verträge mit Verbrauchern, die UT Regs Anwendung (s. Rn. 18), soweit Vertragsbestimmungen nicht individuell verhandelt wurden. Als Faustregel gilt, dass jede Klausel erfasst wird, die im Vorhinein entworfen wurde und es dem Verbraucher daher nicht ermöglicht, deren Inhalt zu beinflussen. Die UT Regs enthalten eine nicht abschliessende Liste von Vertragsbestimmungen, die grundsätzlich als unlauter angesehen werden. Allgemein gilt, dass die Verhandlungsstärke und das Verhalten der Vertragsparteien während der Verhandlungen bei der Beurteilung, ob Vertragsbestimmungen unlauter sind, eine Rolle spielen. Die Banken haben sich insoweit in einem sog, „voluntary code of practice“ freiwilliger Selbstkontrolle unterworfen.
25
c) Auch die European Communities (Distance Marketing of Consumer Financial Services) Regulations 2004 and 2005 (DMD), die EU-Richtlinie 2002/65/EG umsetzen, haben für Kreditinstitute weitere Vorschriften eingeführt, die sich auf Vertragsverhandlungen beziehen, die nicht in persönlicher Gegenwart des Verbrauchers oder seines Vertreters stattfinden. Kreditinstituten werden in diesen Fällen zusätzliche Informationspflichten auferlegt. Pflichtverletzungen können die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge haben sowie strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dem Verbraucher räumt die DMD in bestimmten Fällen ein zusätzliches Widerrufsrecht ein.
26
d) Der Financial Regulator hat außerdem im August 2006 den Consumer Protection Code (CPC) erlassen, der alle vom Financial Regulator beaufsichtigten Unternehmen verpflichtet. Er enthält zusätzliche Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers für verschiedenste Bankgeschäfte, wobei der Begriff des Verbrauchers hier weiter gefasst ist. Er umfasst auch Kleinunternehmen, deren Jahresumsatz EUR 3.000.000 nicht übersteigt. Der CPC verwischt dadurch die Grenzen zwischen Verbraucher- und Geschäftskredit und schafft erhebliche Probleme in der bankpraktischen Umsetzung. Im Hinblick auf Darlehen spezifiziert der CPC vor allem Anforderungen an Werbung und Verbraucherinformation, die sich auch auf entsprechende Kreditsicherheiten erstrecken. Der CPC findet
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2475
keine Anwendung auf Banken und Finanzdienstleister, soweit sie Finanzdienstleistungen im Rahmen der MiFID Regs erbringen (s. Rn. 77). 3. Immobiliarkredit. Grundsätzlich werden Darlehen zur Anschaffung einer Immobilie wie allgemeine Darlehen behandelt, so dass auch die Verbraucherschutzvorschriften für Darlehen Anwendung finden (s. Rn. 21 ff.). Einige Sonderregeln gelten im Hinblick auf Darlehen zum Erwerb von Wohnraum (housing loans). Diese betreffen die Hingabe der betroffenen Immobilie als Kreditsicherheit durch einen Verbraucher und verlangen, dass die Vertragsunterlagen und -urkunden ausdrücklich auf das Risiko des Verlusts des Grundstücks im Vollstreckungsfall hinweisen (s. zum Beispiel § 28 Consumer Credit Act 1995). Besonderheiten gelten auch für die Bestellung einer Sicherheit an der gemeinsamen Wohnung eines Ehepaares (family home). In diesem Fall ist die vorherige schriftliche Zustimmung des Ehegatten notwendig, auch wenn er kein Eigentum an der Wohnung hat. Wird die Sicherheit ohne diese Einverständniserklärung bestellt, kann der betroffene Ehegatte die Sicherheitsbestellung in der Regel anfechten (Family Home Protection Act 1976 geändert durch Family Law Act 1995).
27
4. Dispositionskredit. Auch der Überziehungskredit (overdraft) wird rechtlich wie allgemeine Darlehen eingestuft. Wenn eine Bank einem Kunden einen Dispositionskredit einräumt, gewährt sie dem Kunden ein Darlehen jeweils in dem Umfang, in dem das Konto überzogen ist (Yourell v Hibernian Bank Ltd. (1918) A.C. 372 at 394 per Lord Parker). Das Recht eines Kunden, sein Konto zu überziehen, kann sich aus ausdrücklichen Vertragsbestimmungen ergeben oder aus regelmässiger Verhaltensweise hergeleitet werden. Wenn ein Kunde einen Scheck in einer Höhe hingibt, die über das Kontoguthaben hinausgeht, verlangt er damit die Gewährung eines Überziehungskredits in der Unterschiedssumme. Mit dem Einlösen des Schecks nimmt die Bank dieses Angebot an (Lloyd’s Bank plc v Voller (2001) Lloyd’s Law Rep: Banking 67). Wie oben dargelegt (Rn. 19), können Zinseszinsen nur verlangt werden, wenn dies ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde (Trustee Savings Bank Dublin v Maughan (1992) 1 I.R. 488).
28
Wird einem Verbraucher ein Überziehungskredit gewährt, finden die Vorschriften für Verbraucherdarlehen (Rn. 21 ff.) Anwendung. § 35 CCA legt Banken Informationspflichten auf, die besondere Relevanz haben, wenn der Überziehungskredit stillschweigend gewährt wurde. Die Verletzung von Informationspflichten führt in der Regel zur Nichtigkeit des Darlehens (§ 38 CCA). Wenn ein Überziehungskredit vereinbart wurde, befindet sich die Bank in Vertragsbruch, wenn sie die entsprechenden finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stellt. Der Kunde kann in diesem Fall jedoch nur auf Schadensersatz, nicht aber auf Erfüllung klagen. Dies liegt in einer Besonderheit des Common Law begründet, das Erfüllungsklagen nur unter ganz bestimmten Umständen zulässt. Wenn vertraglich nichts anderes bestimmt ist, ist ein Dispositionskredit jederzeit auf Verlangen zurückzuzahlen. Banken sind nicht verpflichtet, eine Schonfrist zu gewähren (Socomex Ltd v Banque Bruxelles Lambert SA (1996) 1 Lloyd’s Rep 156).
29
5. Andere Kreditformen. a) Teilzahlungsgeschäfte. „Conditional sales“ sind Ratenzahlungskäufe, bei denen die Ware unter Eigentumsvorbehalt bleibt, dh der Eigentumsübergang aufschiebend bedingt ist, bis der Kaufpreis vollständig bezahlt ist. Die Rechtsprechung zu Eigentumsvorbehaltsklauseln (retention of title clauses) ist ausgedehnt und erkennt verschiedenste Gestaltungen der Bedingtheit an, die jedoch teilweise als „charge“ am Gesellschaftsvermögen beim Companies Registration Office angemeldet werden müssen, um durchsetzbar zu sein (Rn. 16). Der Mietkauf (hire purchase) unterscheidet sich vom einfachen Ratenzahlungskauf im Wesentlichen dadurch, dass hier der Käufer nicht verpflichtet ist, die Ware bei Vertragsende zu erwerben (Helby v Matthews (1985-9) ALL ER 821). In beiden Fällen kann, wenn der Erwerber ein Ver-
30
O’Kelly
2476
31
32
33
34
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
braucher ist, der CCA Anwendung finden, der unter anderem das Recht des Eigentümers, bei Zahlungsverzug wieder Besitz am Vertragsgegenstand zu erlangen, stark beschränkt. „Credit sales“ sind Ratenzahlungskäufe, bei denen der Käufer mit Vertragsschluss Eigentum an der Ware erwirbt und den Kaufpreis in Raten begleicht. Der CCA findet wiederum Anwendung. Dies gilt auch für Mietverträge über bewegliche Sachen (consumer hire agreements), die faktisch als eine Art Darlehen betrachtet werden. b) Finanzierungsleasing (Finance Lease). Der Leasingnehmer hat während der Vertragsdauer eigentümerähnliche Rechte und Pflichten am Leasinggegenstand und dadurch oft steuerliche Vorteile. Die Zahlungen entsprechen, wirtschaftlich gesehen, Zinszahlungen unter einem Darlehensvertrag. Dem Leasingnehmer wird kein Recht eingeräumt, den Vertragsgegenstand bei Vertragsende zu erwerben. Auch auf diese Finanzierungsform findet der CCA zum Schutz des Verbrauchers Anwendung. Beim Sale-andLease-Back-Geschäft wird das Eigentum an der Leasingsache vom Leasingnehmers an den Kreditgeber gegen Zahlung übertragen und dann von diesem in der Funktion als Leasinggeber an den früheren Eigentümer zurückgeleast. Diese Form des Leasings hat im Rahmen der Kapitalbeschaffung von Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewonnen, wobei Banken nicht nur als Leasinggeber auftreten. Der CCA spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. c) Factoringgeschäft. Factoring beinhaltet die Übertragung von Forderungen zu einem Preis unter deren Nennwert mit dem Ziel den Cashflow des Forderungsinhabers zu verbessern. Wenn die Parteien die Rückübertragung der Forderungen bei mangelnder Realisierbarkeit vereinbaren oder eine Haftung des Forderungsinhabers für ausgefallene Forderungen vereinbaren (with recourse), hat es die Wirkungen eines Kreditgeschäft. Wenn die Übertragung „without recourse“ erfolgt, stellt das Geschäft in der Regel einen reinen Forderungskauf dar. Letztendlich sind jedoch die individuelle Gestaltung des Rechtsgeschäft und die Umstände des Einzelfalls für die Bestimmung, ob ein Kreditgeschäft oder ein Forderungskauf vorliegt, massgeblich. Die Gericht zeigen sich bei der Auslegung der Vertragsunterlagen flexibel (Welsh Development Agency v Export Finance Co. Ltd. (1992) B.C.L.C. 148 (1192) B.C.C. 270). Zu den unterschiedlichen Formen der Forderungsübertragung – legal und equitable assignment – s. Rn. 44. d) Konsortialkredit (Syndicated Loan). Es handelt sich hierbei um multiple Darlehensverträge, die in einem Konsortium (syndicate) zusammengeschlossene Kreditgeber mit einem Darlehensnehmer oder einer Gruppe von Darlehensnehmern abschliessen, um einen Grosskredit zu finanzieren. Jeder dieser Darlehensverträge unterliegt grundsätzlich den gleichen Vertagsbedingungen. Üblicherweise wird die Konsortialführerin (lead bank oder agent) von dem Darlehensnehmber beauftragt, das Konsortium zusammenzustellen und die Vertrragsbedingungen auszuhandeln. Die Konsortialführerin ist dabei prima facie den Konsortialmitgliedern zur Sorgfalt verpflichtet (Sumitomo Bank v Banque Bruxelles Lambert (1997) 1 Lloyd’s Rep. 487). Die Besicherung des Konsortialkredits erfolgt in der Regel durch Bestellung der Sicherheiten an die Konsortialführerin, die diese treuhänderisch für die Konsortialmitglieder verwaltet. Beteiligungen an Konsortialkrediten können durch eigenständige Folgeverträge zwischen den Beteiligten (novations) im Sekundärmarkt auf neue Kreditgeber übertragen werden. Eine einfache Abtretung (assignment) ist hier nicht ausreichend, da nicht nur Rechte sondern auch Verpflichtungen auf den Kreditübernehmer übertragen werden. Wie sich diese Novation auf die gewährten Sicherheiten auswirkt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere der Rolle, die die Konsortialführerin in diesem Zusammenhang spielt.
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2477
Unbeteiligte Kreditgeber können eine synthetische Konsortialbeteiligung durch eine Übernahme des Kreditrisikos von einem Konsortialmitglied erreichen (risk participation). Es handelts sich hierbei um einen Parallelvertrag (back-to-back arrangement), in dem sich der Risikoübernehmer verpflichtet, an das Konsortialmitglied eine Zahlung in bestimmter Höhe zu leisten – entweder wenn der Darlehensnehmer seine Rückzahlungspflichten nicht (mehr) erfüllt (unfunded participation) oder bereits bei Vertragsschluss (funded participation). Im letzteren Fall hat der Übernehmer einen aufschiebend bedingten Rückzahlungsanspruch für den Fall, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen nachkommt.
35
II. Kreditsicherheiten. Im „Common Law“ gibt es bestimmte Kreditsicherheiten, die dem deutschen Recht so nicht bekannt sind und die sich nicht in die Kategorien und das Begriffverständnis deutschen Rechts einordnen lassen. 1. „Charge“. Eine „charge“ ist eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger, bestehendes und/oder künftiges Vermögen des Schuldners und gegebenenfalls dessen Erträge (proceeds) für die Begleichung von Schulden zu verwenden. Dieses Verwertungsrecht des Gläubigers kommt zur Zeit der Vereinbarung zum Entstehen oder, soweit sich die „charge“ auf künftiges Vermögen bezieht, im Zeitpunkt des Erwerbs des weiteren Vermögens. Dieses Verwertungsrecht kann jedoch erst in der Zukunft, d.h. bei Eintritt des Sicherungsfalls, verwirklicht werden. Im Gegensatz zur „mortgage“ (Rn. 40) überträgt die „charge“ nicht Eigentum und gibt kein Recht zum Besitz (vgl. Northern Banking Co. Ltd. v Devlin (1924) 1 IR 90).
36
a) Im Falle einer „fixed charge“ kann der Schuldner das Vermögen, das Gegenstand der „fixed charge“ ist, nur mit Zustimmung des Gläubigers veräußern oder übertragen. „Fixed“ deshalb, weil die „charge“ in dem Augenblick zum Entstehen kommt und am Vermögen haftet, in dem die „charge“ wirksam vereinbart wird oder, im Falle von künftigem Vermögen, der Schuldner dieses Vermögen erwirbt. Eine dem Common Law eigentümliche „floating charge“ liegt dagegen vor, wenn der Schuldner über das betroffene Sicherungsvermögen frei verfügen kann (in re Tullow Engineering (Holdings) Ltd (1990) 1 IR 452). Die „floating charge“ schwebt sozusagen über dem Sicherungsvermögen, dessen Zusammensetzung sich ständig ändern kann. Sie kristallisiert, dh verbindet sich mit identifizierbaren Vermögengegenständen und wird zur „fixed charge“, wenn bestimmte Ereignisse eintreten, wie zum Beispiel der Konkurs des Schuldners beantragt oder ein Zwangsverwalter für die schuldnerische Gesellschaft (receiver) bestellt wird (in re Tullow Engineering (Holdings) Ltd (1990) 1 IR 452). b) Sicherheit über ein Kontoguthaben wird im Wege der charge bestellt, wobei noch nicht eindeutig geklärt ist, ob, wenn Kontoinhaber eine irische Gesellschaft ist, die charge im Companies Registration Office angemeldet werden muss, um ihre Durchsetzbarkeit sicherzustellen (s. Rn. 16). Jedenfalls immer dann, wenn die irische Gesellschaft freie Verfügungsgewalt über das Konto behält, sollte die charge angemeldet werden (Breslin, 13-03). Nach überwiegender Meinung ist es für die Wirksamkeit der charge über ein Kontoguthaben unbedeutend, ob ein Dritter die Sicherheit bestellt oder die Bank, die das Konto hält (House of Lords, obiter, Re Bank of Credit and Commerce International SA (No. 8) (1997) 3 W.L.R. 909 (1997) 4 ALL E.R. 568; Breslin, 13-04). Ein wirtschaftlich ähnliches Ergebnis kann erzielt werden, wenn die Konto führende Bank mit dem Kontoinhaber die Aufrechnung des Guthabens gegen die Forderungen der Bank (set-off) oder die Begleichung der Forderungen der Bank als aufschiebende Bedingung des Auszahlungsanspruch vereinbart (flawed asset arrangement). Diese sind jedoch Vertragsgestaltungen, die technisch keine Kreditsicherheiten darstellen und daher im Insolvenzfall schwer durchzusetzen sind.
38
O’Kelly
37
39
2478
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
40
2. „Mortgage“. Eine „mortgage“ ist die Übertragung von Eigentum an Gegenständen des beweglichen oder unbeweglichen Vermögens eines Schuldners auf den Gläubiger für Sicherungszwecke. Der Gläubiger verpflichtet sich dabei zur Rückübertragung des Eigentums in dem Augenblick, in dem die besicherte Forderung erfüllt ist. Der Schuldner behält auf diese Art ein bedingtes Rückübertragungsrecht (equity of redemption). Die Sicherheit bleibt dabei grundsätzlich in vollem Umfang bestehen, bis die besicherte Forderung vollständig erfüllt ist. Der wirtschaftliche Wert der „equity of redemption“ des Schuldners wächst mit fortschreitender Begleichung der besicherten Forderung.
41
Wenn der Schuldner bei Vertragsschluss Eigentümer der Sicherungsobjekte ist, entsteht eine „legal mortgage“. Wird eine „mortgage“ an künftigem Vermögen des Schuldner vereinbart, wird eine sog. „equitable mortgage“ bestellt, die in dem Moment Wirkung entfaltet, in dem der Schuldner künftiges Vermögen erwirbt (vgl. Tailby v Official Receiver (186-90) ALL ER 486) Eine „equitable mortgage“ liegt auch dann vor, wenn der Schuldner das Eigentum an einem Vermögensgegenstand nicht ausdrücklich an den Gläubiger überträgt, sondern nur ein Versprechen gibt, dass er das Eigentum für Sicherungszwecke übertragen wird. Da im Falle der „equitable mortgage“ das Eigentum gerade nicht übertragen wird, ist diese tatsächlich eine Form der „charge“ (Rn. 37).
42
3. „Mortgage“ und „charge“ an Grundstücken. a) Die Bestellung einer „legal mortgage“ an Grundstücken, die vom Landregister (land registry) erfasst sind (registered land), kann nur in Form einer „deed“ oder eines Testaments erfolgen und bedarf der Eintragung im Landregister (§ 62 Registration of Title Act 1964). Die bloße Hinterlegung der das Eigentum an vom Landregister erfassten Grundstücken nachweisenden Urkunde (land certificate) beim Gläubiger begründet bei entsprechender ausdrücklicher oder stillschweigender Sicherungsabrede eine „equitable mortgage“. Der Registration of Deeds and Title Act 2006 sieht eine umfassende Reform des Registrierungssystem vor, die u.a. die Abschaffung der land certificates und damit auch der Möglichkeit, durch deren Hinterlegung eine equitable mortgage zu schaffen, zur Folge hat. Bereits bestehende equitable mortgages werden in sogenannte „burdens“ umgewandelt, jedoch nur auf Antrag; andernfalls verlieren sie ihre Wirksamkeit. Dies führt zu einem erhöhten Handlungsbedarf für Sicherungsnehmer, da es im irischen Bankgeschäft bis zum Erlass dieses Gesetzes gängige Praxis war, Sicherheit an einem Grundstück durch Sicherungsabrede kombiniert mit blosser Entgegennahme der entsprechenden Grundstücksurkunden zu schaffen. Aus diesem Grund ist eine Übergangsfrist von drei Jahren vorgesehen, die am 1. Januar 2007 zu laufen begann.
43
b) Für Grundstücke, die nicht vom Landregister erfasst sind (unregistered land), ist eine Registrierung nicht Wirksamkeitsvoraussetzung. Doch müssen bestimmte Urkunden im Urkundenregister (registry of deeds) eingetragen werden, um rangwahrende Wirkung zu entfalten (Deeds Act (Ireland) 1707). Wie beim „registered land“ kann es für die Bestellung einer Sicherheit an einem Grundstück, das nicht vom Landregister erfasst ist, ausreichen, dass der Schuldner die Urkunden, die sein Eigentumsrecht an einem Grundstück ausweisen (title deeds), beim Gläubiger mit der stillschweigenden Vereinbarung hinterlegt, dass dies zur Besicherung einer Forderung erfolgt. Die Wirksamkeit dieser „equitable mortgage“ (Rn. 41) wird durch das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung oder schriftlichen Zusammenfassung der mündlichen Vereinbarung nicht beeinträchtigt. Um eine „legal mortgage“ an „unregistered land“ zu schaffen muss dagegen die Schriftform gewahrt werden (§ 2 Statute of Frauds (Ireland) 1695).
44
4. Sicherungsübertragung. Die Sicherungsübertragung (security assignment) ist, wie die „mortgage“, eine Übertragung von Eigentum und anderen Rechten an Vermögens-
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2479
gegenständen an einen Gläubiger verbunden mit der Vereinbarung, dass der Gläubiger diese Rechte rückübertragen wird, wenn sämtliche ausstehenden Summen beglichen sind. Sie kommen hauptsächlich in der Form von Sicherungszessionen von Außenständen, Buchschulden, Forderungen und Rechten, die nur durch Klageerhebung durchgesetzt werden können (chose in action), vor. Voraussetzung für ein „legal assignment“ von „choses in action“ ist nach § 28 (6) Supreme Court of Judicature (Ireland) Act 1877, dass die Übertragung nicht als „charge“ (Rn. 37) erfolgt. Sie kann aber zum Zwecke der Besicherung einer Forderung erfolgen. Weiter ist erforderlich, dass sie schriftlich vom Abtretenden verfasst ist, dass schriftliche Mitteilung an den Schuldner der zu übertragenden Forderung gemacht und dass die Forderung nicht nur teilweise übertragen wird (Conlan v Carlow County Council (1912) 2 IR 535). Eine Sicherungszession, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist zwar als „equitable assignment“ wirksam, hat unter anderem aber nachteilige Auswirkungen für den Abtretungsempfänger, die mit der Durchsetzbarkeit der abgetretenen „chose in action“zusammenhängen. So kann der Schuldner die abgetretene Forderung trotz erfolgter Abtretung an den Abtretungsempfänger durch Leistung an den Abtretenden wirksam erfüllen. Auch erlangt ein nachfolgendes legal assignment Vorrang vor dem bereits erfolgten equitable assignment, so dass der erste Abtretungsempfänger erst nach dem zweiten Abtretungsempfänger Befriedigunng erlangen kann. 5. Mobiliarpfandrecht. Ein Mobiliarpfandrecht (pledge) wird durch Sicherungsabrede und Besitzübertragung begründet. Der Verpfändende bleibt Eigentümer (Dublin City Distillery Ltd v Doherty (1914) AC 823). Demzufolge kann ein „pledge“ nur an Gegenständen begründet werden, die besessen werden können, also an beweglichen Gegenständen einschließlich Dokumenten, die ein Recht an einem Gegenstand verkörpern (documentary intangibles), wie zum Beispiel begebbare oder übertragbare Wertpapiere (negotiable instruments). Anteilsscheine (share certificates), zum Beispiel, sind nur Nachweis dafür, dass bestimmte Anteile an einer Gesellschaft (shares) gehalten werden. Wird ein „share certificate“ zur Sicherheit an den Gläubiger übergeben, begründet dies eine „equitable mortgage“ (vgl. Rn. 41) an den betroffenen Anteilen (Harrold v Plenty (1901) 2 Ch 314), nicht ein „pledge“. Im Falle eines Forderungsausfalls hat der Gläubiger das Recht, den Pfandgegenstand zu verkaufen (re Morfitt, ex p Official Receiver (1886) 18 QBD 222).
45
6. Bürgschaft. Im irischen Recht finden sich im Wesentlichen zwei Formen von Bürgschaften (contracts of suretyship). In einer echten Bürgschaft (guarantee) verpflichtet sich eine Partei, für die Schuld oder Nichterfüllung einer Verpflichtung eines Dritten einzustehen. Diese Verpflichtung ist eine Sekundärverpflichtung und daher forderungsabhängig, so dass der Garantiegeber nur haftet, wenn der Dritte haften würde. Erfüllt der Dritte die zugrundeliegende Forderung oder erlischt sie auf andere Weise (zum Beispiel durch Vergleich, Verzicht etc.), wird der Garantiegeber von seiner Leistungspflicht befreit. In einer Entschädigungsvereinbarung (indemnity) hingegen verpflichtet sich eine Partei, den Schaden der anderen Partei wiedergutzumachen. Dies ist eine Primärverpflichtung und daher nicht forderungsabhängig (Commodity Broking Co. Ltd. v Meehan (1985) IR 12). Dies bedeutet, dass je nachdem wie die Entschädigungsvereinbarung im Einzelfall gestaltet ist, der Garantiegeber für mögliche Kosten auch dann haftbar bleiben kann, wenn sich Gläubiger und Hauptschuldner im Hinblick auf die Hauptschuld vergleichen. Wegen dieser Eigenschaft ist die Indemnity das bevorzugte Gestaltungsmittel für irische Banken, wird aber oft fälschlicherweise als „guarantee“ bezeichnet.
46
§ 2 Statute of Frauds (Ireland) 1695 schreibt für Guarantees Schriftform vor. Indemnities werden davon jedoch nicht erfasst (Birkmeyr v Darnell (1704) 1 Salk 27, 91 ER 27). Der
47
O’Kelly
2480
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Schriftform wird Genüge getan, wenn ein schriftlicher Bericht (memorandum) über die vorher mündlich vereinbarte Guarantee abgefasst wird (Bradford v Roulston (1858) 8 ICLR 468). Wird keine Gegenleistung (consideration) für die Guerantee oder Indemnity versprochen, müssen zugleich die Formerfordernisse einer „deed“ erfüllt werden (s. Rn. 13). Grundsätzlich wird der Garantiegeber von seinen Pflichten aus der Bürgschaft frei, wenn der Gläubiger Schritte unternimmt, die den Garantiegeber schädigen könnten, so zum Beispiel wenn der Gläubiger eine zusätzlich bestehende Sicherheit aufgibt (zum Beispiel Greer v Kettel (1938) AC 156) oder mit dem Hauptschuldner vereinbart, die Darlehenslaufzeit ohne Zustimmung des Bürgen zu verlängern (Provincial Bank of Ireland v Fisher (1918) 2 IR 521 (1919) 2 IR 249). Diese Wirkung kann jedoch vertraglich abbedungen werden. 48
7. Finanzsicherheiten. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass für Finanzsicherheiten (financial collateral) Sondervorschriften bestehen, die auf der Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/EG) basieren und Finanzsicherheiten von bestehenden Form- und Registrierungserfordernissen ausnehmen. Der Begriff der Finanzsicherheit umfasst Barsicherheit und Finanzinstrumente, soweit sie im Finanzmarkt als Sicherheit gegeben werden. Die vereinfachte Verwendung dieser Finanzsicherheiten erhöht die Effizienz der europäischen Finanzmärkte (siehe dazu auch Rn. 94).
49
III. Kreditabwicklung. Bei der Fälligstellung eines Darlehens sind irische Banken nicht verpflichtet, ihre Rechte nach Treu und Glauben auszuüben (H Albert Bary & Co. M.V. v T.F. O’Mullane, unreported, High Court, Barron J., 2 June 1992). Sie sind vielmehr berechtigt, im eigenen Interesse zu handeln. Wann eine Bank das Recht hat, ein Darlehen fällig zu stellen, hängt von der Auslegung des Darlehensvertrags ab. Ausser wenn ein Vertrag ausdrücklich anderes vorsieht, ist eine Zahlungsaufforderung nicht Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Klage auf Rückzahlung geliehener Gelder (Bradford Old Bank v Sutcliffe (1928) 2 K.B. 833). Eine Bank wird jedoch normalerweise vor Klageeinreichung ein ausdrückliches Zahlungsverlangen (demand) an den Schuldner richten. Die Verwertung von Sicherheit erfolgt je nach Sicherungsform durch Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung durch einen „receiver“.
50
Handelt es sich bei dem Darlehensnehmer um einen Verbraucher, werden die oben genannten Common Law Grundsätze jedoch durch Verbraucherschutzgesetze stark eingeschränkt. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche des Kreditgebers sondern auch im Hinblick auf die Verwertung von Sicherheiten. So erlegt § 54 CCA dem Kreditgeber weitreichender Informationspflichten auf, die erfüllt werden müssen, bevor ein Verbraucherdarlehen fällig gestellt werden oder eine Sicherheit verwertet werden kann.
51
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. 1. Girogeschäft. Der Begriff Girogeschäft als Sammelbegriff für die Durchführung des bargeldlosen Zahlungs- und Abrechnungsverkehrs ist dem irischen Recht so nicht bekannt.
52
a) Rechtliche Grundlage. Zwischen einer Bank und ihrem Kunden besteht in der Regel eine längerfristige Geschäftsbeziehung, die ihre rechtliche Grundlage in einem Vertrag findet. Es handelt sich meist um einen Rahmenvertrag, der die Basis für zahlreiche verschiedene Bankgeschäfte bildet und vom Sale of Goods and Supply of Services Act 1980 geregelt wird. Das Verhältnis zwischen einer Bank und ihrem Kunden, der eine Einlage (deposit) macht, ist das von Schuldner und Gläubiger mit den zusätzlichen Pflichten, die sich aus der Bankpraxis ergeben, zum Beispiel Wertpapiere des Kunden bei Deckung einzulösen (Joachim v Swiss Bank Corporation (1912) 3 KB 110). Bei den auf ein Konto er-
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2481
folgenden Eingängen und Abbuchungen, die den Saldo des Kontos erhöhen oder vermindern, handelt es sich um Forderungen des Kunden gegen die Bank oder umgekehrt, die gegeneinander verrechnet werden. b) Auf die Kontoeröffnung finden die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts Anwendung. Der Antrag auf Kontoeröffnung (mandate) stellt das Angebot dar, das die Bank durch Zuteilung einer Kontonummer annimmt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) (terms and conditions) von Banken finden in der Regel durch Bezugnahme im Antragsformular Eingang in den Vertrag. Die AGB unterliegen den gleichen rechtlichen Beschränkungen wie Darlehens- und Sicherungsabreden. Insbesondere finden die oben beschriebenen Verbraucherschutzvorschriften Anwendung (s. Rn. 21 ff.). Nach Common Law besteht eine allgemeine Auslegungsregel, dass Rechtsurkunden im Zweifel gegen den Urheber (contra proferentem) auszulegen sind. Dies trifft insbesondere auf die Verwender von AGB zu. Gerichte legen dabei mehrdeutige Begriffe gegen die Partei aus, die den Begriff eingeführt hat (In re Sweeney Kennedy Arbitration (1950) IR 85).
53
c) Soweit die Bank Anweisungen des Kontoinhabers ausführt, handelt die Bank als Stellvertreter für den Bankkunden. Als solcher hat sie Treuepflichten (fiduciary duties) gegenüber ihrem oder ihren Geschäftsherren. Deren Umfang kann, soweit eine Vertragsbeziehung besteht, nicht im Widerspruch zu den vertraglichen Regelungen stehen. Einzelheiten der Stellvertretung ergeben sich aus der Bankanweisung bei Kontoeröffnung und Bankvollmachten (mandates). Diese Unterlagen bestimmen unter anderem wer für den Kunden zeichnungsberechtigt ist und Vertretungs- und Verfügungsmacht über das Konto besitzt.
54
d) Vertraulichkeit. Das Verhältnis zwischen einer Bank und ihrem Kunden ist ein vertrauliches. Die Verpflichtung einer Bank zur Verschwiegenheit wurde historisch als eine stillschweigend vereinbarte vertraglich Pflicht betrachtet. Die irischen Gerichte gehen heute jedoch davon aus, dass sich die Pflicht der Banken zur Vertraulichkeit aus den Grundsätzen zum Gemeinwohl ableiten. Wirtschafliche Notwendigkeit spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dementsprechend ist eine Bank nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet, wenn die Offenbarung bestimmter Umstände im öffentlichen Interesse liegt (zum Beispiel National Irish Banks Limited v RTE (1998) 2 IR 465). Weiter kann ein Gericht anordnen, dass eine Partei in einem Gerichtsverfahren die Bücher einer Bank einsehen darf (§ 7 Bankers’ Books Evidence Act 1979; Rules of the Superior Courts O 31 r 17, O 63 r 1(17)). Ein Gericht kann auch einer Finanzinstitution auferlegen, die Angelegenheiten ihrer Kunden offenzulegen (§ 908 Taxes Consolidation Act 1997). Unter gewissen Umständen können die irischen Steuerbehörden auch ohne gerichtliche Unterstützung gewisse Information hinsichtlich eines Steuerzahlers verlangen (§ 13 Waiver of Certain Tax, Interest and Penalties Act 1993).
55
Verletzt eine Bank ihre Verpflichtung zur Verschwiegenheit, kann der betroffene Kunde Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung verlangen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Pflichtverletzung beabsichtigt war oder ungewollt erfolgte (A.G. v Guardian Newspaper Ltd. (No. 2) (1990) 1 A.C. 109 at 281, 286, 287 per Lord Goff). Auch auf Datenschutzvorschriften kann sich ein Bankkunde in einer Klage auf Schadensersatz im gegebenen Fall berufen (§ 7 Date Protection Act 1988).
56
2. Kontoarten. Bei einem Bankkonto handelt es sich im Grunde um ein blosses Verzeichnis der gegenseitigen Verbindlichkeiten zwischen einer Bank und ihrem Kunden (Clark v Ulster Bank Ltd (1950) N.I. 132 at 142 per Black L.J.). Eine Unterscheidung verschiedener Kontoarten erfolgt im Hinblick auf die unterschiedlichen Berechtigungen, die sich
57
O’Kelly
2482
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
aus Vertrag und Bankpraxis ergeben. Gesetzliche Vorschriften bestehen insofern nicht. Bleibt ein Konto mehr als derzeit 15 Jahren umsatzlos (dormant account), werden die verbleibenden Gelder nach Einhaltung eines bestimmten Ankündigungs- und Verteilungsverfahrens auf ein Sonderkonto übertragen, das vom Dormant Accounts Board, einer staatlichen Einrichtung, verwaltet wird (Dormant Accounts Act 2001 as amended). Kontoinhaber, die natürliche Personen sind, sind gegen Verlust ihrer Bankguthaben bis zu einem Höchstbetrag von (seit 19. September 2008) EUR 100.000 pro vom Financial Regulator zugelassenem Kreditinstitut (einschließlich ausländischer Zweigstellen) durch die European Communities (Deposit Guarantee Scheme) Regulations 1995 as amended, geschützt. 58
a) Girokonto (current account). Das Girokonto/Kontokorrent ist das Konto, das für die täglich anfallenden Geschäfte verwendet wird. Ein-und Auszahlungen werden täglich verrechnet.
59
b) Sparkonto (deposit account). Eine Spareinlage stellt tatsächlich ein Darlehen des Kunden an die Bank dar. Der Kunde hat daher keinen Anspruch auf Auszahlung des tatsächlich geleisteten Geldes, sondern nur eine Forderung auf Zahlung des entsprechenden Betrages. Man unterscheidet zwischen demand deposits, die jederzeitige Abhebungen der Einlage erlauben, und Termingeldkonten (term deposits), in denen die Einlage für einen vorher vereinbarten Zeitraum nicht zugänglich ist. Häufig wird von vorneherein eine automatische Verlängerung zu einem bestimmten oder geänderten Zinssatz vereinbart (rollover).
60
c) Gemeinschaftskonto (joint account). Ein Gemeinschaftskonto wird im Namen von zwei oder mehr Parteien eröffnet. Einzelheiten unterliegen der individuellen Vetragsabrede. In der Regal haften mehrere Kontoinhaber gesamtschuldnersich. Die Verfügungsberechtigung der Kontoinhaber bestimmt sich nach der erteilten Kontovollmacht (mandate). Der irische Supreme Court hat kürzlich entschieden, dass im Falle des Ablebens eines Kontoinhabers der überlebende Kontoinhaber auch dann seine Rechte an der Einlage behält, wenn er selbst keinerlei Einzahlungen geleistet hat (Lynch v Burke and Allied Irish Banks plc (1995) 2 I.R.159). Das Gericht entschied, dass die Frage rein nach Vertragsrecht zu lösen ist. Vor dieser Entscheidung konnten sich die Erben des verstorbenen Kontoinhabers auf eine besondere Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben berufen.
61
d) Treuhand- und Anderkonto (fiduciary account). Während bei einem Eigenkonto der Kontoinhaber Inhaber der Einlagenforderung ist und für Passivsalden haftet, ist der Kontoinhaber eines Treuhandkontos zwar der rechtliche Inhaber der Vermögenswerte, doch hält er sie tatsächlich (in equity) für andere und muss deren wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen. Eine besondere Form von Treuhandkonto stellt das „escrow account“ dar, das der Hinterlegung von Geldbeträgen von Parteien mit unterschiedlicher Interessenlage dient. Es wird von einem Treuhänder verwaltet, bis sich die Interessenlage geklärt hat. Während die Bank nicht in das Escrowverhältnis eingebunden ist, sondern nur das Konto zur Verfügung stellt, bestimmen sich die Pflichten des Kontoinhabers insbesondere Einzelheiten der Kontoverwaltung nach den vertraglichen Vereinbarungen, die zwischen dem Treuhänder und den Einzahlern getroffen wurden.
62
Bestimmte Berufsgruppen sind gesetzlich verpflichtet Anderkonten für die Verwaltung von Mandanten/Kundengeldern zu eröffnen. Dies gilt für Wertpapier- und Börsenmakler sowie für Anlageberater und -vermittler deren Anderkonten „client asset accounts“ oder „section 52 accounts“ genannt werden, abhängig davon, ob die Verpflichtung zur Eröffnung dieser Konten in Reg 160 oder MiFID Regs oder § 52 IIA geregelt ist (s. Rn. 76 ff.
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2483
und 96). Einzelheiten finden sich in den Client Asset Requirements des Financial Regulators. Rechtsanwälte (solicitor) sind verpflichtet sog. client accounts einzurichten. Treuhand- und Anderkonten haben gemein, dass sich die Konto gewährende Bank nicht durch Aufrechnung (set-off) gegen den Rückzahlungsanspruch des nominellen Kontoinhaber befriedigen kann, wenn sie von der Zweckbindung oder Treuhandfunktion des Kontos weiss oder hätte wissen müssen. Auch etwaige Zurückbehaltungs- und Pfandrechte sind beschränkt. Reg. 79 (3) und 160 MiFID Regs, § 52 IIA sowie § 67 Solicitors Act 1954 as amended bestimmen dies ausdrücklich für die in Rn. 62 aufgeführten Anderkonten.
63
II. Zahlungsverkehr. Während sich Bank und Kunde in Spar- und Darlehensverträgen als Schuldner und Gläubiger gegenüberstehen und ihre Rolle nur davon abhängt, wer die anfängliche Zahlung erbracht hat, handelt eine Bank im Konto- und Zahlungsverkehr in der Regel als Stellvertreter des Kunden (Barclays Bank plc v Quincecare Ltd (1992) 4 All E.R.353, (1998) 1 F.T.L.R.507, (1998) F.L.R. 166). Dies gilt insbesondere für Vorgänge um Scheckeinziehungen, Überweisungen, Daueraufträge, Lastschriften und Zahlungen auf Akkreditive. Der Zahlungsvorgang ist in der Regel dann abgeschlossen, wenn der Zahlungsempfänger unbedingten Zugriff auf die Gelder hat (The Brimnes (1973) 1 All E.R. 769, 781 per Brandon).
64
1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften. a) Bei der Überweisung (bank transfer) werden verschiedene Zahlungsvorgänge abgewickelt – die Belastung des Kontos des Auftraggebers (debit) und die Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten (credit). Die Bank handelt dabei sowohl für den Auftraggeber als auch für den Begünstigten und unterliegt gegenüber beiden Seiten bestimmten Treupflichten (s. Rn. 54). Überweisungen sind gesetzlich nicht besonders geregelt, wohl weil sich Schecks und Zahlungskarten in Irland wesentlich größerer Beliebtheit erfreuen als Überweisungen.
65
b) Lastschriftverfahren (direct debit). Einzugsermächtigungen werden in der Regel erteilt, um regelmässige Zahlungen zu ermöglichen, zum Beispiel zur Begleichung von Strom- oder Gasrechnungen. Es ist der Zahlungsempfänger, der in diesem Fall die zu überweisende Summe bestimmt. Technisch beauftragt der Kontoinhaber seine Bank, sein Konto mit bestimmten Summen zu bestimmten Zeiten zu belasten, die jeweils der Zahlungsempfänger wählt. Der Begünstigte der Einziehungsermächtigung gewährt der Bank, die den Zahlungseinzug vornimmt, eine Haftungsfreistellung. Bei Daueraufträgen (standing orders) ist hingegen der Zahlende der Auftraggeber. Daueraufträge sind in Irland weniger gebräuchlich als Einzugsermächtigungen. Die Bearbeitung von Lastschriften und Daueraufträgen ist mittlerweile völlig automatisiert. Buchungen werden auf beiden Konten am gleichen Tag wertgestellt.
66
2.Wechsel. Der Wechsel (bill of exchange) hat in Irland vergleichsweise geringe Bedeutung. Ein Wechsel enthält eine unbedingte Anweisung an den Bezogenen, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen (§ 3 (1) Bills of Exchange Act 1882). Der Bezogene ist zunächst wechselrechtlich nicht verpflichtet. Es haftet lediglich der Aussteller (§§ 17, 55 Bills of Exchange Act 1882). Nimmt der Bezogene den Wechsel an, entsteht eine abstrakte Verbindlichkeit aus dem Wechsel (§ 54 Bills of Exchange Act 1882). Diese Verbindlichkeit besteht unabhängig von dem zugrundeliegenden Geschäft. Der Austeller bleibt wechselrechtlich Regressschuldner (§ 17 Bills of Exchange Act 1882). Die Übertragung eines Wechsels (dh aller Rechte aus dem Wechsel) erfolgt durch Indossament, regelmäßig auf der Rückseite des Wechsels (§ 55 Bills of Exchange Act 1882). Der Übertragende wird mit der Übertragung regelmäßig neben dem Aussteller Regressschuldner (§ 8 (1) Bills of Exchange Act 1882), kann aber diese Haftung durch entsprechende Wortwahl auf dem
67
O’Kelly
2484
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Wechsel ausschließen (§ 8 (1) Bills of Exchange Act 1882). Um die Verkehrsfähigkeit des Wechsels zu erhöhen, wenn der Inhaber eines Wechsels seine Ansprüche geltend macht, sind die Verteidigungsmöglichkeiten des Anspuchsgegners sehr eingeschränkt. Es besteht eine Vermutung rechtmäßiger Inhaberschaft, wenn derjenige, der den Wechsel in Händen hält, durch ununterbrochene Indossamentenkette legitimiert ist (§§ 30 (1), 31 Bills of Exchange Act 1882). 68
3. Scheck- und Kartengeschäft. a) Scheck. Der Scheckverkehr entspricht weitgehend dem Wechselverkehr und wird grundsätzlich vom Bills of Exchange Act 1882 und Cheques Act 1959 geregelt. Als Grundsatz gilt, dass die Formerfordernisse des irischen Scheckrechts weniger streng sind als die Formerfordernisse des Genfer Scheckrechts, das von einer grossen Anzahl europäischer Staaten übernommen wurde.
69
Ein Scheck wird nicht durch den Bezogenen angenommen (vgl. Breslin 6-02). Bezogener ist hier vielmehr eine Bank (§ 73 Bills of Exchange Act 1882), die aufgrund Vertrags ihrem Kunden gegenüber zur Einlösung verpflichtet ist, wenn das notwendige Guthaben beziehungsweise der notwendige Kredit besteht. Der Schecknehmer hat mangels Annahme grundsätzlich keinen Anspruch auf Einlösung des Schecks gegen die bezogene Bank (Dublin Port and Docks Board v Bank of Ireland (1967) IR 118). Anders als im englischen Recht, hat die einziehende Bank ihre Verpflichtung schon dann erfüllt, wenn der Scheck dem Vertreter der bezogenen Bank in der Abrechnungsstelle vorgelegt wird (Royal Bank of Ireland Ltd v O’Rourke (1962) I.R. 159; vgl. Breslin 3-79).
70
Bei Einlösung erlöschen alle Scheckverbindlichkeiten. Die Bank hat aufgrund des Scheckvertrages einen Aufwendungsersatzanspuch und kann daher das Konte des Ausstellers entsprechend belasten (vgl. Breslin, CLP 1994, 327). Zahlt die Bank auf einen gefälschten Scheck, so steht ihr dieser Aufwendungsersatzanspuch grundsätzlich nicht zu, da kein Scheck i.S.d. Bills of Exchange Act 1882 vorlag. Jedoch können die Folgen einer missbräuchlichen Verwendung oder Fälschung von Schecks dem Kontoinhaber zur Last fallen, wenn sie sich aus seiner Fahrlässigkeit ergeben. Um dieses Risiko zu verringern, kann der Austeller auf der Vorderseite des Schecks durch den Vermerk „not negotiable“ zwischen zwei parallelen Linien erreichen, dass nur an den ersten Schecknehmer ausgezahlt wird, da der Scheck mit diesem Vermerk unübertragbar wird (§ 76 Bills of Exchange Act 1882).
71
b) Kreditkarten. Eine Kreditkarte (credit card) ist ein Kreditinstrument, welches von einer Bank (oder einer anderen Institution) ausgestellt wird und der bargeldlosen Erlangung von Gütern, Dienstleistungen und auch Bargeld dient. Die Mehrheit aller Kreditkarten basieren auf dem Dreiparteiensystem. Die Beteiligten sind der Aussteller der Kreditkarte, der Kreditkarteninhaber und das Unternehmen, das Zahlung mit Kreditkarte akzeptiert. Zwischen dem Aussteller der Kreditkarte und dem Unternehmen besteht eine Vereinbarung, wonach sich der Unternehmer zur Annahme von Kreditkarten des Ausstellers verpflichtet und der Aussteller im Gegenzug Zahlung an den Unternehmer zusagt, wenn von ihm ausgestellte Kreditkarten zur Zahlung vorgelegt und akzeptiert wurden. Die rechtliche Beziehung zwischen Karteninhaber und Unternehmen besteht in einem Kauf-, Werk-, Dienstvertrag o.ä., wobei der Karteninhaber gegen Vorlage seiner Kreditkarte die vertraglichen Leistungen ohne sofortige Zahlung erhält. Zwischen dem Aussteller einer Kreditkarte und dem Karteninhaber besteht eine Kontovereinbarung, derzufolge sich der Karteninhaber zum Ersatz von Zahlungen des Ausstellers verpflichtet, die der Aussteller aufgrund der Vorlage der von ihm ausgestellten Kreditkarte an das Unternehmen erbringt (vgl. Re Charge Card Services Ltd. (1987) Ch. 150), soweit nicht Betrug vorliegt. Mit jeder Vorlage seiner Kreditkarte verpflichtet sich der Karteninhaber, dem Austeller die Auf-
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2485
wendungen zu erstatten, die zum Ausgleich der mit dieser Vorlage verbundenen Verbindlichkeiten gegenüber dem Unternehmen erforderlich waren. Eine besondere Zinsvereinbarung besteht für den Fall, dass der Karteninhaber die Aufwendungen nicht zur vertraglich vereinbarten Zeit erstattet. In Irland ist dies üblicherweise erst drei bis vier Wochen nach Rechnungsstellung durch den Aussteller. Auf Zahlungskarten finden die Vorschriften des CCA Anwendung, wenn der Karteninhaber ein Verbraucher ist und soweit er die Karte nicht für Geschäftszwecke verwendet (s. § 2 (1) CCA). Der CCA hat hingegen keine Bedeutung, wenn die Kreditkartenvereinbarung ausdrücklich vorsieht, dass der Karteninhaber nach Erhalt der monatlichen Abrechnung die ausstehende Summe in voll bezahlt und dann keinerlei Zinszahlungen fällig werden (s. 3(2)(f) CCA). Es handelt sich dann um eine sogenannte „charge card“.
72
Eine andere Form von Zahlungskarte ist die sog „debit card“. Diese unterscheidet sich von der Kreditkarte dadurch, dass im Verhältnis Kartenausteller-Karteninhaber der Ersatz sofort durch Buchung auf dessen Konto erfolgt, dh das Konto des Austellers direkt belastet wird. Sogenannte „laser cards“ fallen in diese Kategorie. Für alle Aussteller von Zahlkarten gilt, dass sie das Risiko für Betrug durch Dritte tragen und für vom Verbraucher nicht genehmigte Transaktionen einstehen müssen, soweit sie nach Mitteilung des Verlusts der Karte erfolgen (Reg. 29 EC (Distance Marketing of Consumer Financial Services) Regulations 2004 as amended).
73
4. Akkreditiv (letter of credit). Bei einem Akkreditiv handelt sich um eine vertragliche Verpflichtung einer Bank, im Auftrag, für Rechnung und nach Weisung eines Kunden gegen Übergabe bestimmter Dokumente eine Geldauszahlung vorzunehmen. Eine Anwendung des Bills of Exchange Act 1882 scheidet aus, weil die Anweisung gegenüber der Bank nicht unbedingt ist, zum Beispiel nur die Auszahlung gegen Übergabe bestimmter Dokumente erfolgen soll. Die Eröffnung des Akkreditivs stellt ein selbstständiges Schuldverspechen oder einen Garantievertrag dar, und somit eine vom Grundgeschäft (in der Regel Kauf) unabhängige, abstrakte Schuld einer Bank gegenüber dem Gläubiger (s. Breslin 7-13).
74
D. Kapitalmarktrecht
75
Die Regulierung der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Wertpapierbereich hat sich mit der Einführung von MiFID im November 2007 grundlegend geändert. MiFID modernisierte die Vorschriften für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen und -instrumente und schuf einen einheitlichen Markt für Finanzdienstleistungen. Zugelassenen Wertpapierfirmen ist nun das Erbringen von Dienstleistungen in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen des Binnenmarkts auf der Grundlage der Herkunftslandaufsicht gestattet. Alle Personen, die die unter diese Richtlinie fallende Wertpapierdienstleistungen erbringen und/oder Anlagetätigkeiten ausüben, unterliegen nun der Zulassung durch ihren Herkunftmitgliedstaat. MiFID regelt ausserdem – unabhängig von den für den Abschluss dieser Geschäfte verwendeten Handelsmethoden – die Ausführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten, damit bei der Ausführung der entsprechenden Anlegeraufträge eine hohe Qualität gewährleistet ist und die Integrität und Gesamteffizienz des Finanzsystems gewahrt werden. Während sich die Genehmigungspflicht für Finanzdienstleister im Wertpapierbereich (mit der Ausnahme von Regulierten Märkten und Börsenmaklern, s. Rn. 96 f.) bis November 2007 aus dem IIA ergab, gilt nun ein zweigleisiges System. Im Wesentlichen spiegelt dieses System die Unterschiede zwischen der früheren Richtlinie für Wertpapierdienstleistungen (93/22/EG) und MiFID wieder. Danach unterscheidet man für die
O’Kelly
76
2486
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Bestimmung, ob und welche Genehmigungspflicht besteht, nach der Art der zu erbringenden Finanzdienstleistung und des relevanten Finanzinstruments. Werden ausschliesslich Dienstleistungen, die weiterhin vom IIA gedeckt sind und sich auf IIA Wertpapiere beziehen, erbracht, findet weiterhin der IIA Anwendung. Der Finanzdienstleister wird dann als sog. „investment business firm“ genehmigt. Werden hingegen auch oder ausschliesslich Dienstleistungen, die in den MiFID Regs beschrieben sind, im Hinblick auf sog. MiFID Finanzinstrumente erbracht, richtet sich die Genehmigungspflicht nach den MiFID Regs. Der Antragsteller wird dann als sog. „investment firm“ zugelassen. Zulassungs- und Aufsichtsbehörde ist in allen Fällen der Financial Regulator. Er hat mittlerweile vergleichende Tabellen bereit gestellt, die die Dienstleistungen und Finanzinstrumente von IIA und MiFID gegenüberstellen (mapping) und auf www.ifsra.ie abgerufen werden können. Anlageformen wie Aktien, Anleihen, Wertpapiere, Anteile an bestimmten Investmentfonds (units) und bestimmte Derivate werden von beiden Systemen erfasst, Trackerbonds und grundsätzlich auch Währungstermingeschäfte hingegen nur vom IIA und exotische Derivate und Warenderivate nur von den MiFID Regs. 77
Kreditinstitute, die eine bankrechtliche Genehmigung eines Mitgliedstaats besitzen, bedürfen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen in Irland keiner gesonderten Genehmigung. Die Umsetzung von MiFID hat für diese Kreditinstitute erhebliche Änderungen mit sich gebracht. Die MiFID Regs erweiterten zum einen den Katalog von Tätigkeiten, den diese Kreditinstitute in Drittstaaten ohne zusätzliche Genehmigung erbringen können (s. Rn. 5). Zum anderen unterwarfen sie diese Kreditinstitute aber auch neuen Wohlverhaltensregeln für MiFID Produkte, die weit über die bisherigen Anforderungen, die die Central Bank im Code of Conduct for the Investment Business Services of Credit Institutions festgelegt hatte, hinausgehen (s. Rn. 78). Für Finanzinstrumente, die nicht von den MiFID Regs, sondern vom IIA erfasst werden, findet der CPC Anwendung (s. auch Rn. 26). Dies gilt zum Beispiel für Trackerbonds und für die meisten Währungstermingeschäfte.
78
I. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung). 1. Genehmigung. Anlageberatung (investment advice) und Vermögensverwaltung (portfolio management) sind grundsätzlich genehmigungspflichtige Tätigkeiten, die von den MiFID Regs erfasst werden, soweit Investment Firms die Dienstleistungen erbringen, und vom IIA, soweit Investement Business Firms tätig sind. Wie unter Rn. 75 ausgeführt, hängt die Unterscheidung im Wesentlichen davon ab, welche Anlageformen betroffen sind. Sowohl Anlageberatung also auch Vermögensverwaltung unterliegen den Beschränkungen der Marktmissbrauchvorschriften. Hierzu mehr in Rn. 98 ff.
78a
2. Wohlverhaltensregeln. Soweit Banken in der Anlageberatung oder Vermögensverwaltung, die sich auf MiFID Finanzinstrumente bezieht, tätig sind, unterliegen sie den Wohlverhaltensanforderungen der MiFID Regs. Diese verpflichten Kreditinstitute bei der Vermögensverwaltung im besten Interesse des Kunden zu handeln und die nötige Sorgfalt walten zu lassen – zum Wohle des Kunden und im Interesse der Integrität des Marktes. Sie erlegen Kreditinstituten umfangreiche Informations- und Aufklärungspflichten auf, die die Pflicht zur Offenlegung von Gebühren und Kommissionen einschliessen. Während Kreditinstitute bei Kunden vom Fach (eligible and professional clients) nur in begrenztem Masse zur Erholung von Auskünften verpflichtete sind, legen die MiFID Regs Kreditinstituten im Umgang mit Kleinanlegern (retail clients) sehr umfangreiche Erkundigungspflichten auf. Insbesondere für den Bereich der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung bestehen Erkundigungspflichten, die sicherstellen sollen, dass der Kunde entsprechend seiner persönlichen Situation tatsachlich angemessene Dienstleistungen erhält. Kreditinstitute müssen sich daher ein Bild von der Angemessenheit (sui-
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2487
tability) einer Transaktion für einen Kleinanleger machen, ihn anlagegerecht beraten und immer zum bestmöglichen Vorteil des Kunden handeln. Je weniger Sachverstand und Erfahrung ein Kunden hat, desto strengere Grundsätze gelten. Wichtig ist auch, dass Aufträge zu den für den Kunden günstigsten Bedingungen ausgeführt werden müssen (best execution). Dies schliesst die zeitgerechte Ausführung einer Transaktion ein (timely execution). Die MiFID Regs befassen sich auch mit internen und externen Interessenskonflikten, die insbesondere zum Tragen kommen, wenn das Kreditinstitut ein Eigeninteresse an einer Transaktion hat, oder die Interessen verschiedener Anleger des gleichen Kreditinstituts kollidieren. Kreditinstitute werden insbesondere dazu verpflichtet, wirksame „Chinese Walls“ zwischen Geschäftseinheiten zu errichten, wo möglicherweise interne Interessenkonflikte entstehen können. 3. Rechtsbehelfe. Es finden sich keine besonderen vertragsrechtlichen Vorschriften für die Vermögensbetreuung. Verbraucher sind durch die umfangreichen Verbraucherschutzvorschriften geschützt (s. Rn. 21 ff.). Die MiFID Regs enthalten ausserdem detaillierte Vorschriften zum Schutz von Anlegern, allen voran Kleinanlegern. § 5 of the Markets in Financial Instruments and Miscellaneous Provisions Act 2007 bestimmt die strafrechtlichen Folgen der Zuwiderhandlung gegen bestimmte Vorschriften der MiFID Regs. Darunter fallen Anlageberatung oder Vermögensbetreuung ohne die notwendige Zulassung (Reg. 7), Werbung für solche Dienste ohne die notwendige Zulassung (Reg. 152) und Veruntreuung von Kundengeldern oder Kundenwertpapieren (Reg. 159). Es ist fraglich, ob eine Kunde ein Kreditinstitut ohne weiteres unter Berufung auf die MiFID Regs zivilrechlich belangen kann. Auf vertraglicher Grundlage dürfte dies nur möglich sein, wenn im Einzelfall die Bestimmungen der MiFID Regs in den Vermögensbetreuungsvertrag einbezogen wurden. Abgesehen davon sollte es möglich sein, die Bestimmungen der MiFID Regs zur Begründung einer Pflichtverletzung des Kreditinstituts im Rahmen einer Klage aus unerlaubter Handlung (tort) heranzuziehen.
78b
II. Derivatgeschäfte. 1. Begriff und Zweck. Ein Derivatgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, das sich von einem dem Vertrag zugrundeliegenden Basiswert, wie zum Beispiel einem Zinssatz oder Wechselkurs ableitet. Während wirtschaftlich der vereinbarte Preis vom Basiswert abhängt, begründet das Derivatgeschäft selbständige, vom Basiswert rechtlich unabhängige Rechte und Pflichten. Ob ein Derivatgeschäft ein Finanztermingeschäft darstellt, d.h. ob eine hinausgeschobener Erfüllungszeitpunkt vereinbart ist oder nicht, hat für die rechtliche Einordnung und vertragsrechtliche Behandlung von Derivatgeschäften im irischen Recht untergeordnete Bedeutung. Einzig in aufsichtsrechtlicher Hinsicht können Unterschiede bestehen. Swapverträge sind ebenso Derivatgeschäfte wie Optionen, Futures und Termingeschäfte. Kassageschäfte (spot transactions) hingegen stellen keine Derivatgeschäfte dar. Derivatgeschäfte werden sowohl für die Absicherung gegen Preisoder Kursänderungen (hedging) verwendet als auch zu Arbitrage- oder anderen Spekulationszwecken abgeschlossen. Genehmigungsrechtlich ist der IIA und die MiFID umsetzende Gesetzgebung einschlägig. Siehe hierzu oben, Rn. 75 f.
79
2. Arten. Derivatgeschäfte können börslich (on an exchange) oder außerbörslich (over the counter, OTC) abgeschlossen werden. Der Handel mit Derivaten über die Börse bietet hohe Kreditsicherheit für beide Parteien, doch sind die vertraglichen Gestaltungsmittel begrenzt. OTC-Geschäfte hingegen können auf die individuellen wirtschaftlichen Bedürfnisse der Parteien zugeschnitten werden, setzen die Parteien aber erhöhtem Kreditrisiko und rechtlichem Risiko aus.
80
a) Termingeschäfte können an der Börse abgeschlossen werden (futures) oder ausserbörslich – „forwards“, wenn sie sich auf einen Wechselkurs beziehen, und „forward rate agreements“ (FRA) in der Regel, wenn ein Zinssatz Basiswert ist. Beide Arten von
81
O’Kelly
2488
82
83
84
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
OTC-Termingeschäften beziehen sich auf den Erwerb bestimmter Waren oder Rechte mit Wirkung von einem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt in der Zukunft, aber zu einem bereits bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis. Der wirtschaftliche Wert des Vertrages hängt von der künftigen Preisentwicklung des zugrundeliegenden Basiswerts ab. Häufig werden diese Verträge nicht tatsächlich durch vertragliche Leistung erfüllt (delivery), sondern durch Zahlung der Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Marktpreis bei Vertragserfüllung (net oder cash settled). Dies wird, wenn nicht von vorneherein vereinbart (wie zum Beispiel beim „non-deliverable forward“), in der Regel dadurch erreicht, dass die beiden Partein einen gegenläufigen Vertrag schliessen, der sich nur im Preis unterscheidet (closing out a position). b) Optionsgeschäfte. In einem Optionsgeschäft erwirbt der Optionskäufer gegen Zahlung einer Prämie das Recht, aber nicht die Pflicht, zu oder vor einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft, eine vorbestimmte Menge des Vertragsgutes, das auch ein Recht sein kann, zu einem bereits bei Vertragsschluss bestimmten Preis zu kaufen (call option) oder zu verkaufen (put option). Wie Termingeschäfte können Optionen börslich und ausserbörslich gehandelt werden. Ihr wirtschaflicher Wert hängt ebenfalls von der künftigen Preisentwicklung des zugrundeliegenden Basiswerts ab. Auch Optionen sind häufig cash settled. OTC-Optionen sind die Hauptbausteine aller strukturierten Derivate. Auch Zinsbegrenzungsgeschäfte wie Caps, Floors und Collars (eine Kombination von Cap und Floor) sind Optionen, die ausgeübt werden, wenn sich der relevante Zinssatz über (Cap) oder unter (Floor) einem vereinbarten Wert bewegt. In der Praxis wird meist automatische Ausübung der Option vereinbart. Optionen werden auch häufig in Kombination mit Geldeinlagen verwendet, um Zinsabreden zu sichern, bei denen der Zins nicht in Bezug auf einen bestimmten Zinssatz errechnet wird, sondern im Hinblick auf die Entwicklung eines oder mehrer Aktienkurse oder -indexe (embedded option). Aus Sicht des Anlegers handelt es sich hierbei jedoch um ein Sparguthaben, nicht um ein Derivatgeschäft, wobei jedoch das Kreditinstitut, das derartige Geldeinlagen anbietet, erhöhten Sorgfalts- und Aufklärungspflichten unterliegt, die sicherstellen sollen, dass der Anleger die Berechnung des Einkommens nachvollziehen kann. Diese Kombination findet sich auch bei Trackerbonds. Der Financial Regulator verpflichtet die Ausgeber von Tracker Bonds im CPC (s. Rn. 26), den Umfang der Kapitalabsicherung, die Berechnung des Einkommens und der in Anrechnung gebrachten Gebühren in den Werbe- und Vertragsunterlagen für Verbraucher allgemein verständlich darzulegen. Die MiFID Regs finden auf Trackerbonds keine Anwendung (s. Rn. 77). c) Swap-Geschäfte. Swapverträge stellen Vereinbarungen dar, wonach eine Vertragspartei der anderen innerhalb bestimmeter Zeiträume Zahlung leisten muss, wobei sowohl die Höhe dieser Zahlung als auch die Frage, welche der beiden Parteien in dem definierten Zeitraum Zahlung leisten muss, von der Veränderung eines Basiswertes wie Zinssatz, Wechselkurs, Warenpreis oder Aktienindex über den definierten Zeitraum abhängt. Die Vertragspartei, zu deren Gunsten sich ein Basiswert verändert, erhält von der anderen Vertragspartei Zahlung. So vereinbaren die Parteien eines Zinsswap (interest rate swap) in Bezug auf einen vereinbarten Kapitalbetrag (nominal) für eine bestimmte Laufzeit und zu bestimmten Zahlungsterminen, die Zinssumme an die andere Partei zu zahlen, die angewendet auf den Nominalbetrag fällig geworden wäre. Eine Partei übernimmt dabei einen festen Zinssatz (fixed rate payer) während die andere Partei für die Zahlung eines variablen Zinssatzes, z.B. six-months LIBOR, verantwortlich ist (floating rate payer). Üblicherweise wird jedoch in jeder Zahlungsperiode nur der Unterschiedsbetrag bezahlt (net payment basis). Siehe hierzu auch Hazell v Hammersmith and Fulham LBC (1990) 2 Q.B. 697 und (1992) A.C. 1. Swaps sind typische OTC-Geschäfte.
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2489
d) Basiswerte. Während Mitte der 90iger Jahre Derivaten hauptsächlich Warenpreise, Zinssätze und Wechselkurs zugrundelagen, schliessen die heute gängigen Basiswerte alle möglichen Werte, wie zum Beispiel Aktienkurse oder -indexe, ein, ob einzeln oder in der Form eines Baskets (equity derivatives), Inflationsraten (inflation derivatives) und Kreditrisiken (credit derivatives). Seit der Handel mit Emissionszertifikaten gemäss der Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG möglich ist, werden nun auch Optionen und Forwardverträge zum Erwerb oder Verkauf solcher Zertifikate abgeschlossen und gehandelt.
85
3. Rechtliche Risiken. a) Geschäftsfähigkeit. Im Derivatgeschäft mit irischen Vertragspartnern muss hinsichtlich deren Geschäftsfähigkeit Vorsicht walten, da diese, ausser bei volljährigen natürlichen Personen, nicht automatisch angenommen werden kann. Bei Verhandlungen mit irischen Gesellschaften muss durch Überprüfung des Memorandum of Association der Gesellschaft vorab sichergestellt werden, dass diese Gesellschaft tatsächlich im Hinblick auf das beabsichtigte Derivatgeschäft geschäftsfähig ist. Wie bereits oben ausgeführt (Rn. 15) führt mangelnde Geschäftsfähigkeit (capacity) zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ex tunc (Ultra-Vires-Doctrine). Dies hat grosse Bedeutung für Derivatgeschäfte, die wegen ihrer Risikobehaftetheit in der Regel nicht zu Standardgeschäften zählen, die eine irische Gesellschaft im Zusammenhang mit ihrem Hauptgeschäftszweck ohne weitere ausdrückliche Ermächtigung in den Statuten vornehmen kann. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sich in § 34 Building Societies Act 1989 eine besondere Ermächtigung für Bausparkassen findet, Hedging Transaktionen vorzunehmen. Gesellschaften, die in Staatseigentum sind, bedürfen genereller ministerieller Ermächtigung unter dem Financial Transactions of Certain Companies and Other Bodies Act 1992, bevor sie Derivatgeschäfte abschliessen können.
86
b) Vollmacht. Auch muss sichergestellt sein, dass die Personen, die für eine irische juristische Person Rechtsgeschäfte abschliessen und Verträge unterzeichnen, entsprechend bevollmächtigt sind. Da das Companies Registration Office hierzu keinerlei Information enthält, wird man von irischen Gesellschaften in der Regal verlangen müssen, dass sie eine Abschrift der entsprechenden Beschlüsse der Geschäftsleitung (board of directors), die auch Unterschriftsproben enthalten, vorlegen. Auf Anscheinsvollmacht sollte man sich insbesondere bei Derivatgeschäften nicht verlassen.
87
c) Spieleinrede. Gegen Ansprüche aus Derivaten, die an einer Börse gehandelt werden, die der Aufsicht des Financial Regulators unterstehen, kann der Wetteinwand nicht erhoben werden (§ 98 CBA 1989). Das gleiche gilt für OTC Derivate, die von § 4 Abs. 4 Netting of Financial Contracts Act 1995 as amended (Netting Act) gedeckt sind, sogenannte Financial Contracts. Mehr dazu unter Rn. 94). Für England und Wales hat Hobhouse J. in Morgan Grenfell v Welwyn Hatfield District Council (1995) 1 All E.R. 1 klargestellt, dass die Spieleinrede nicht greifen kann, wenn auch nur eine der beiden Parteien ein echtes wirtschaftliches Interesse an der Transaktion hat. Sollte ein irisches Gericht mit der Frage des Wetteinwands befasst werden, steht zu erwarten, dass es dieser „persuasive authority“ folgen wird (vgl. Breslin 8-86 ff. und Rn. 11).
88
d) Versicherungseinwand. Viele Derivatgeschäfte, die zu Sicherungszwecken (hedging) abgeschlossen werden, kommen in wirtschaftlicher Hinsicht einem Versicherungsgeschäft gleich. So können zum Beispiel Zinsswaps einen Bauunternehmer gegen Zinserhöhungen und Dieseloptionen einen Spediteur gegen Preiserhöhungen für Diesel schützen. Bei wörtlicher Auslegung der einschlägigen versicherungsrechtlichen Vorschriften bräuchten Anbieter derartiger Geschäfte eine versicherungsrechtliche Genehmigung und wären ohne solche Genehmigung nicht in der Lage, solche Geschäfte rechtlich durchzusetzen. Klarheit brachte erst Schedule 3 Part 1 des Central Bank and Financial Services Authority of Ireland Act 2004, die ausdrücklich bestimmt, dass Financial Con-
89
O’Kelly
2490
90
91
92
93
94
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
tracts im Sinne des Netting Acts (s. Rn. 88, 94) nicht unter den Begriff des Versicherungsvertrages fallen. e) Aufklärungs- und Informationspflichten. Derivatgeschäfte enthalten Potential für hohe Gewinne, sind aber extrem risikobehaftet, da die Parteien einen über das eingesetzte Kapital hinausgehenden Verlust erzielen können. Kreditinstituten unterliegen daher erhöhten Aufklärungspflichten, wenn sie mit Verbrauchern oder unerfahrenen Kunden Derivatgeschäfte abschliessen. Besondere Risikoaufklärungspflichten ergeben sich insbesondere aus den Wohlverhaltensregeln der MiFID Regs (s. Rn. 77 ff.). f) Kundenschutz. Wenn eine Bank der anderen Vertragspartei zum Abschluss eines Derivatgeschäfts geraten hat und wesentlich an der Gestaltung und Preisbestimmung der Transktion beteiligt war, könnte man berechtigte Zweifel daran haben, ob die Bank in diesem Fall tatsächlich berechtigt sein soll, Vorteil aus der Transaktion zu ziehen, wenn sie sich zugunsten der Bank entwickelt. In Irland kam diese Frage bisher nicht vor die Gerichte. Englische und US Rechtsprechung lassen die Tendenz erkennen, dass in diesen Fällen für Banken nicht automatisch eine Pflicht, nach Treu und Glauben zu handeln, erwächst (vgl. Breslin 8-97). Als Beurteilungskriterien kommen in Betracht, wie stark sich die Gegenpartei auf die Bank verlassen hat und ob der Bank dies bekannt war oder hätte sein sollen. Man darf auch nicht vergessen, dass, sollte eine Partei argumentieren, dass sie das Derivatgeschäft ohne Hintergrundwissen abgeschlossen hat, sie sich dem Vorwurf des Mitverschuldens aussetzen kann. Verbraucherschutzvorschriften mit Ausnahme des CPC finden auch auf Derivatgeschäfte Anwendung. Dies gilt für die Vorschriften gegen unlautere Vertragsbedingungen (UT Regs) aber nur, soweit sie Devisen zum Gegenstand haben oder sich auf Wertpapiere beziehen, deren Preis Kurs- oder Indexschwankungen unterliegt oder den weder Käufer noch Verkäufer kontrollieren. Im Gegensatz zu sonstigen Verbraucherverträgen, können diese Verträge einseitig, zum Beispiel durch Preiserhöhung, geändert werden und einseitig ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden (vgl. Schedule 3 der UT Regs; Rn. 18). 4. Dokumentation von OTC Derivaten. Sowohl für Derivatgeschäfte zwischen irischen Parteien als auch für grenzüberschreitende Derivatgeschäfte werden in Irland internationale Rahmenverträge verwendet, allen voran das 1992 und das 2002 ISDA Master Agreement. Örtliche Rahmenverträge wie in Deutschland gibt es nicht. Die Europäische Zentralbank und die europäischen Zentralbanken bestehen vermehrt auf die Verwendung des European Master Agreement, das aber im übrigen vom Markt nicht gut angenommen wird. Diese Rahmenverträge erlauben die Verbindung aller Einzelgeschäfte unter einem Rahmenvertrag und ermöglichen Zahlungsnetting (payment netting) mit der Wirkung, dass alle Zahlungen in gleicher Währung, die am gleichen Tag fällig werden, gegeneinander verrechnet werden können. Außerdem sehen die Rahmenverträge Liquidationsnetting vor, wobei die Marktwerte aller Einzelgeschäfte gegeneinander verrechnet werden, so dass bei Insolvenz einer Partei letztendlich nur eine Summe geschuldet wird (close-out netting). Der Netting Act (s. Rn. 88) erkennt Liquidationsnetting in Irland an, beschränkt es aber auf die im Netting Act definierten Financial Contracts. Dieser Begriff wurde im Rahmen der MiFID Umsetzung im Jahr 2007 auf alle gängigen Derivatgeschäft ausgedehnt. Der Netting Act wird durch die EC (Financial Collateral Arrangements) Regulations 2004 ergänzt, die den Einschluss von Finanzsicherheiten (financial collateral) in das Close-Out Netting erlauben (siehe auch Rn. 48). Die restriktiven Aufrechnungsregeln werden dadurch für Financial Contracts and Financial Collateral modifiziert.
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2491
III. Effekten-, Emisions- und Investmentgeschäft. 1. Effektengeschäft. a) Genehmigung. Effektengeschäfte haben die Anschaffung oder Veräusserung von Wertpapieren für andere zum Gegenstand. Sie sind Bestandteil der Finanzdienstleistungen, die vom IIA bzw. den MiFID Regs geregelt werden (s. Rn. 75 ff.). Wie bereits dargelegt (Rn. 75 f.), sind diese Tätigkeiten grundsätzlich genehmigungspflichtig, doch bedürfen Kreditinstitute, die eine bankrechtliche Genehmigung besitzen, keiner Genehmigung des Financial Regulators, um Effektengeschäfte zu tätigen. Im Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde finden die MiFID Regs (im von Reg. 2(2) bestimmten Umfang) oder der CPC Anwendung. Dies hängt von der Art des Wertpapiers ab (s. Rn. 75 ff.). Außerdem gelten die allgemeinen Verbraucherschutzvorschriften (siehe Rn. 24 f.).
95
b) Börse. Durch MiFID und seine umsetzenden Vorschriften wurde das Monopol von organisierten Börsen abgeschafft und das Börsenrecht neu geregelt. Der Betrieb von sog. geregelten Märkten (Börsen) mit Sitz in Irland bedarf der Genehmigung des Financial Regulator (Reg. 43 ff. MiFID Regs). Der Financial Regulator ist außerdem ermächtigt, die Organisation der als Börsen genehmigten Marktveranstaltungen und den Handel an den Börsen zu überwachen (Reg. 46 MiFID Regs, §§ 70-83 Investor Compensation Act 1998, § 99 CBA 1989). Der Financial Regulator ist verpflichtet, seine Regulierungs- und Überwachungsrolle so auszuüben, dass die ordentliche Ausführung der Aktivitäten der Effektenbörsen und ihrer Mitgliedsfirmen gefördert und zugleich Anleger geschützt werden. Die MiFID Regs haben den Stock Exchange Act aufgehoben und auch die Überwachung der Mitgliedsfirmen von Börsen (Börsenmakler) auf den Financial Regulator übertragen.
96
Die Irish Stock Exchange Limited ist der Börsenträger, der aufgrund staatlicher Genehmigung zu Errichtung und Betrieb von geregelten Märkten in Irland berechtigt ist und die äußeren Mittel für die Durchführung des Börsenhandels zu Verfügung stellen muss. An der Irish Stock Exchange wird elektronisch gehandelt. Wie in anderen Ländern, können an der Börse in Irland Effekten, wie zum Beispiel Aktien (shares), Zinsscheine (warrants), Schuldverschreibungen (debt securities), Optionen auf deren Erwerb und andere Wertpapiere (securities) gehandelt werden, wenn sie vertretbar sind dh, anders als zum Beispiel ein Wechsel (bill of exchange), durch ein anderes Wertpapier mit gleichlautendem Inhalt beliebig ersetzt werden können.
97
c) Marktmissbrauch. Effektengeschäfte unterliegen den Beschränkungen der Marktmissbrauchsvorschriften von Part IV des 2005 Act und der Market Abuse (Directive) (2003/6/EC) Regulations 2005, die Richtlinie 2003/6/EG umsetzen und sowohl InsiderGeschäfte als auch Marktmanipulation regeln. Sie finden Anwendung auf alle Handlungen, die sich auf Wertpapiere (financial instruments) beziehen, die in einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats gehandelt werden, oder deren Wert von einem Wertpapier abhängt, das dort gehandelt wird. Man unterscheidet zwischen Marktmanipulation und Insider-Geschäften. Handlungen ausserhalb Irlands sind von den vorgenannten Vorschriften jedoch nur erfasst, wenn sie sich auf Wertpapiere eines geregelten Marktes in Irland beziehen. Kreditinstitute, wie ander Personen, die beruflich Geschäfte mit Finanzinstrumenten tätigen, unterliegen der Verpflichtung, unverzüglich den Financial Regulator zu informieren, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass eine Transaktion ein Insider-Geschäft oder eine Marktmanipulation darstellen könnte (suspicious transaction) (§ 13 Market Abuse (Directive) (2003/6/EC) Regulations 2005). Die MiFID Regs verpflichten die Irish Stock Exchange, verdächtige Vorgänge dem Financial Regulator zu melden. Das Verbot der Marktmanipulation erstreckt sich auf Geschäfte und Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, die falsche oder irreführende Signale für den betroffenen Effektenmarkt im
98
O’Kelly
99
2492
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Hinblick auf Angebot, Nachfrage oder Preis des betroffenen Wertpapiers geben oder geben könnten oder den Preis eines Wertpapiers auf ein abnormales oder künstliches Niveau bringen (§ 2 Market Abuse (Directive) (2003/6/EC) Regulations 2005). Im Zuge der eskalierenden Finanzkrise hat der Financial Regulator am 18. September 2008 die Market Abuse Rules erweitert, in dem er Leerkäufe (short selling) von der Irish Stock Exchange gehandelten Effekten der vier größten irischen Banken verbot. Außerdem führte er mit Wirkung vom 23. September 2008 für Short Positionen diese Aktien ein. 100
Insider-Geschäfte sind Wertpapiergeschäfte, die von Personen getätigt werden, die Kenntnis von nicht öffentlich bekannten Tatsachen besitzen, die geeignet sind, den Kurs der betreffenden Wertpapiere erheblich zu beeinflussen (§ 5 Market Abuse (Directive) (2003/6/EC) Regulations 2005). Der Begriff Wertpapier erfasst in diesem Zusammenhang nicht die Anteile an Private Companies. Das Verbot von Insiderhandel umfasst sowohl Eigen- als auch Fremdgeschäfte und die Weitergabe von Insiderinformation an Dritte. Es erfasst dabei Vorgänge, bei denen ein Kreditinstitut kursrelevanten Tatsachen von einem Kunden im Hinblick auf ein bestimmtes Wertpapier erhält und für diesen eine Transaktion im Hinblick auf dieses Wertpapier ausführt.
101
Verstösse gegen das Verbot von Insider-Geschäften und Marktmanipulation können zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Auch kann die Central Bank Ermittlungen veranlassen und gegebenenfalls Sanktionen aussprechen, die jedoch der gerichtlichen Bestätigung bedürfen. Ausnahmen von den vorgenannten Verboten bestehen für Vorgänge im Zusammenhang mit einer Firmenübernahme (take-over), unter bestimmten Umständen Massnahmen zur Stabilisierung des Marktpreises bestimmter Effekten und andere in den Market Abuse (Directive) (2003/6/EC) Regulations 2005 aufgeführte legitime Gründe.
102
d) Übernahmen (take-over). Für den Erwerb oder die Veräusserung von Aktien, die an der Irish Stock Exchange notiert sind, sind außerdem der Irish Takeover Panel Act 1997, die Take-Over Rules des Panels und die European Communities (Take-Over Bids) (Directive 2004/25/EC) Regulations 2006 einschlägig. Diese Vorschriften befassen sich mit der Übernahme von irischen Gesellschaften. Von besonderer Bedeutung sind die darin enthaltenen Mitteilungspflichten, die durch die „Listing Rules“ der Irish Stock Exchange (s. Rn. 110) ergänzt werden. Sie bestimmen, dass der Erwerb oder die Veräusserung von Aktien offiziel mitgeteilt werden müssen, wenn bestimmte Beteiligungen über- oder unterschritten werden (substantial acquisition). Sie dienen dem Schutz von Aktieninhabern und Gläubigern der betroffenen Gesellschaften.
103
2. Emissionsgeschäft. a) Begriff. Emissionsgeschäft dienen der Aufnahme von mittelund langfristigem Kapital im Rahmen von Unternehmensfinanzierungen. Man unterscheidet zwischen Aktienemissionen (shares) und der Platzierung von Schuldverschreibungen (debt securities). Debt Securities verbriefen Rechte auf die Rückzahlung einer Darlehenssumme bei Fälligkeit sowie die Zahlung von Zinsen, wobei letztere in Bezug auf einen vereinbarten Zinssatz oder anderen Basiswert, wie zum Beispiel eine Inflationsrate, berechnet werden. Sie umfassen im Wesentlichen die Emission von längerfristige Schuldverschreibungen (bonds), mittelfristige Schuldverschreibungen (medium term notes, MTNs) und kurzfristige Schuldverschreibungen (commercial papers). MTNs und Commercial Papers werden oft in Tranchen basierend auf Programmen emittiert. Shares hingegen verbriefen die Teilhabe- und Mitgliedsrechte ihrer Inhaber im Hinblick auf eine Gesellschaft.
104
Im Zuge der Dematerialisierung steht zu zu erwarten, dass immer weniger Zertifikate ausgegeben und die zu verbriefenden Rechte elektronisch registriert werden. So ermäch-
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2493
tigt § 12 2006 Act den zuständigen Minister, Public Limited Companies (plc) zur Verwendung eines elektronischen Registrierungssystem zu verpflichten. Anstelle von Aktienzertifikaten (share certificates) treten dann zum Beispiel Auszüge aus dem Aktienregister (share register). An der Irish Stock Exchange wird schon seit geraumer Zeit elektronisch gehandelt. Kreditinstitute können in vielfacher Weise an Emissionsgeschäften beteiligt sein, zum Beispiel als Selbstemittent, Berater, Garant oder Übernehmer, Konsortialführer oder Eigenhändler. All diese Tätigkeiten stellen Finanzdienstleistungen dar, die von den MiFID Regs erfasst werden. Wie bereits dargelegt (Rn. 75 f.), ist die Erbringung dieser Services grundsätzlich genehmigungsbedürftig, doch bedürfen Kreditinstitute, die eine bankrechtliche Genehmigung besitzen, keiner Genehmigung des Financial Regulators, um an Emissionsgeschäften mitzuwirken. Im Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunde finden die Wohlverhaltensregeln der MiFID Regs ebenso Anwendung wie Verbraucherschutzvorschriften mit Ausnahme des CPC (siehe Rn. 24 f.). Die Marktmissbrauchvorschriften (siehe Rn. 98 ff.) sind von dem Zeitpunkt, in dem die Zulassung von Wertpapieren an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats beantragt wird, relevant. Die Market Abuse (Directive) (2003/6/EC) Regulations 2005 sehen für Emittenten insbesondere erweiterte Informations- und Offenlegungspflichten vor, die sich auf InsiderInformation beziehen.
105
b) Prospektpflichtigkeit. Im Zuge der Umsetzung der Prospektichtlinie 2003/71/EC wurde das in Irland geltende Recht für Prospekte von Grund auf überholt. Die für Form, Wirksamkeit und Inhalt von Prospekten bestimmenden Vorschriften finden sich nun in den Commission Regulation (EC) No 809 of 29 April 2004 (EU Prospectus Regulation), dem 2005 Act, dem 2006 Act und den Prospectus (Directive 2003/71/EC) Regulations 2005 (Irish Prospectus Regulations). Demnach muss grundsätzlich für jedes öffentliche Angebot von Wertpapieren oder jeden Antrag auf Zulassung an einer Effektenbörse ein Prospekt veröffentlicht werden. Dabei ist ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Diese Definition gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre. Für amtlich notierte Wertpapiere sind weitere Anforderungen in den „Listing Rules“ der Irish Stock Exchange enthalten, die Inhalt, Finanzinformation, Vorgehensweise, Veröffentlichung und Verbreitung betreffen (siehe Rn. 110). Ausnahmen von der Prospektpflicht in Irland gelten zum Beispiel für Angebote, die ausschliesslich an Kredit- oder Finanzinstitute oder an höchstens 99 Anleger gerichtet sind oder für die die Mindestzahlung pro Anbieter EUR50.000 beträgt (§ 9 Irish Prospectus Regulations).
106
Prospekte für Emissionen innerhalb des EWR bedürfen grundsätzlich der Genehmigung des Herkunftmitgliedstaats des Emittenten. Irland hat die Rolle des Herkunftmitgliedstaat für Gesellschaften, die in Irland registriert sind oder die Irland als ihren Herkunftmitgliedstaat wählen. Die zuständige Genehmigungsbehörde für Irland ist der Financial Regulator. Er hat Prospectus Rules erlassen, die verfahrensrechtliche und verwaltungstechnische Vorschriften und Leitlinien für die Irish Prospectus Regulations enthalten und mit Wirkung vom 15. September 2008 überarbeitet wurden. Bestimmte Aufgaben im Zusammenhang mit der genauen Prüfung von Prospekten hat der Financial Regulator an die Irish Stock Exchange übertragen. So muss ein Prospektentwurf zur Überprüfung bei der Irish Stock Exchange eingereicht werden. Gegen die ablehnende Entscheidung des Financial Regulators steht dem Emittenten der Rechtsweg offen (§ 29 Irish Prospectus Regu-
107
O’Kelly
2494
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
lations). Ist der Prospekt eines Emittenten in seinem Herkunftmitgliedstaat genehmigt, bedarf der Emittent keiner gesonderten Prospektgenehmigung des Financial Regulators, wenn er die entsprechenden Wertpapiere direkt in Irland anbieten will, vorausgesetzt er erfüllt die Unterrichtungsvorschriften. 108
Jeder Prospekt muss die Mindestinhaltsanforderungen für die unterschiedlichen Arten von Wertpapieren erfüllen, die in Kapitel III der EU Prospectus Regulation, die die Prospektrichtlinie umsetzt und in Irland direkt Anwendung findet, enthalten sind. Zusätzlich gelten für Prospekte von Gesellschaften, für die Irland der Herkunftmitgliedstaat ist, die Vorschriften der Irish Prospectus Regulations. Soweit nach EU Recht die Stellungnahme eines Sachverständigen im Prospekt erforderlich ist, darf der Prospekt nur veröffentlicht werden, wenn der Sachverständige der Veröffentlichung seiner Stellungnahme im Prospekt schriftlich zugestimmt, diese nicht vor Veröffentlichung widerrufen hat und eine entsprechende Feststellung im Prospekt enthalten ist (§ 45 2005 Act ergänzt durch § 14 2006 Act).
109
c) Prospekthaftung. Für die in einem Prospekt enthaltenen Angaben haften der Emittent, dessen Verwaltungs- und Managementstellen, der Anbieter, die Person, die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragt, und der Garantiegeber. Es haften außerdem die Gründer des Emittenten, alle Personen, die zugestimmt haben, dass sie persönlich im Prospekt als Direktoren oder künftige Direktoren genannt werden, und jede Person, die die Veröffentlichung des Prospekts genehmigt hat, nicht jedoch der Financial Regulator (§§ 41 ff. 2005 Act). Falsche, irreführenden oder unvollständige Angaben in Prospekten können strafrechtliche Folgen nach sich ziehen (§ 47 2005 Act). Die Prospekthaftung ist auf einen kleineren Personenkreis beschränkt, soweit der Prospekt nur sogenannte „non-equity securities“ betrifft (§ 43 2005 Act ergänzt durch § 13 2006 Act).
110
d) Börseneinführung und -zulassung. Gesellschaften, die ihre Emissionen an einer Effektenbörse notiert haben möchten, müssen deren Zulassungsanforderungen erfüllen. Die sog „Listing Rules“ der Irish Stock Exchange (s. Rn. 97) basieren auf der konsolidierten Richtlinie 2001/34/EG betreffend die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung, sind aber den irischen Rahmenbedingungen, insbesondere der irischen Gesetzgebung angepasst, allen voran den Übernahme- (siehe Rn. 102), Prospekt- (s. Rn. 106) und Transparenzvorschriften (siehe Rn. 113 f.). Die Listing Rules ergänzen die Prospektvorschriften, wenn der Emittent mit der Emission auch die Notierung der Emission an der Irish Stock Exchange beabsichtigt.
111
Der Handel mit Wertpapieren an der Irish Stock Exchange findet an drei Märkten statt, die sich „Official List“ (Main Market), „Alternative Securities Market“, der auf sog. Professionel Investors ausgerichtet ist, und „Irish Enterprise Exchange (IEX)“ nennen. Letzterer ist ein multilaterales Handelssystem (i.S.v. MiFID) für kleine bis mittelgroße Gesellschaften. Die Listing Rules für letzteren sind so angelegt, dass eine Gesellschaft, die zum IEX zugelassen ist, gleichzeitig zum AIM der London Stock Exchange zugelassen werden kann. Für den Main Market gibt es verschiedene Listing Rules je nach Art des zu emittierenden oder gehandelten Wertpapiers, z.B. „Equity Security“, „Irish Government Bonds“, „Asset Backed Securities“, „Debt Securities“, „Derivative Securities“, „Covered Debt Securities“ und „Investment Funds“.
112
Bei Asset Backed Securities“ handelt es sich um Schuldverschreibungen, die entweder ein rechtliches Interesse an einer bestimmten Vermögensart (asset) verkörpern oder die durch solches Vermögen besichert sind. Sie kommen Pfandbriefen sehr nahe. Asset Backed Securities können in Irland seit 2001 ausgegeben werden. Das Vermögen des Emittenten, das für die Effekten verpfändet wird, muss kraft Gesetzes zuerst für die
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2495
Befriedigung der Effektenhalter verwendet werden (§ 83 Asset Covered Securities Act 2001). e) Melde- und Transparenzpflichten. Nach der Notierung treffen den Emittenten weitere Offenbarungs- und Mitteilungspflichten, die mit der Umsetzung von Richtlinie 2004/ 109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen (Transparency Directive) erheblich erweitert werden und strafbewehrt sind.
113
Diese Pflichten umfassen insbesonder eine Verpflichtung für notierte Gesellschaften, Jahres- und Halbjahresfinanzberichte und regelmässige Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung herauszugeben und den Erwerb von oder andereVeränderungen in bedeutenden Beteiligungen oder Anteilen an Stimmrechten mitzuteilen. Diese erstrecken sich nun auch auf die Emittenten, die nur Schuldverschreibungen ausgegeben haben.
114
3. Investmentgeschäft. a) Kaptitalanlagegesellschaften. Sie werden in Irland gemeinhin „funds“ genannt. Soweit sie ihre Anteile öffentlich anbieten, unterscheidet man im Wesentlichen zwischen Funds, die von den Richtlinien für bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren und die sie umsetzenden Regulations erfasst werden (sog. UCITS), und Funds, die nicht unter diese Vorschriften fallen (non-UCITS). UCITS steht für „Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities“. UCITS und non-UCITS bedürfen der Genehmigung des Financial Regulator. Wenn sie an der irischen Börse notiert werden sollen, unterliegen sie auch den Anforderungen, insbesondere den Listing Rules der Irish Stock Exchange, die sich weltweit einen Namen als Zentrum für die Notierung von Off-Shore Investmentfonds gemacht hat (s. auch Rn. 97).
115
UCITS haben den Vorteil, dass ihre Beteiligungen europaweit angeboten werden können, ohne dass sie einer anderen Genehmigung als der des Herkunftmitgliedstaats bedürfen. Ihr Anlagespektrum ist jedoch beschränkt. Sie eignen sich insbesondere für private Anleger (retail investors). Non-UCITS zeichnen sich durch grössere Flexibilität aus. Sie unterliegen lediglich örtlicher Gesetzgebung, die umfassendere Anlagemöglichkeiten gewährt, doch ist ihnen keine grenzüberschreitende Verkaufsaktivität erlaubt. Zweck von UCITS und non-UCITS ist das gepoolte Vermögen ihrer Anleger im Rahmen ihrer Anlageziele, die im Verkaufsprospekt offengelegt sind, anzulegen. Während sich UCITS an jede Art von Investor wenden können, konzentrieren sich non-UCITS auf institutionelle Anleger (insitutional investors).
116
b) Rechtsformen. UCITS und non-UCITS können im Wesentlichen als Public Limited Company (investment company), Treuhandvermögen (unit trust) oder Fund auf vertraglicher Basis (common contractual fund) aufgelegt werden, wobei UCITS keine Beschränkung der Anteilsausgabe und –rücknahme vorsehen dürfen (open-ended funds). Wer als Aufleger eines Funds (sponsor oder promoter) tätig werden will, bedarf der Genehmigung des Financial Regulator.
117
Anleger in einer irischen Investment Company halten Aktien (shares) an dieser Gesellschaft. Ihre innere Organisation bestimmt sich nach irischem Gesellschaftsrecht. So regeln die Statuten der Gesellschaft, die Anlagerichtlinien, unter welchen Bedingungen Anteile ausgegeben und zurückgenommen werden und wie sich der Nettovermögenswert (net asset value) der Anteile bestimmt. Die Direktoren, die die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat in sich vereinen und deren Bestellung vom Financial Regulator genehmigt werden muss, bestimmen die Angelegenheiten der Gesellschaft. Sie delegieren jedoch typischerweise die Kapitalanlage selbst an einen Investment Manager. Dessen Ernennung bedarf ebenfalls der Genehmigung des Financial Regulators. Mit der Verwaltung der Anteile, wie zum Beispiel der Berechnung des Nettovermögenswert und der Durchführung von Anteilsausgaben oder -rücknahmen wird ein Verwalter (administrator)
118
O’Kelly
2496
119
120
121
122
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
betraut. Das Vermögen der Gesellschaft muss bei einem sog. Custodian verwahrt werden, der gleichzeitig eine Aufsichtsrolle innehat. Ein Unit Trust ist ein Sondervermögen, das durch Urkunde (trust deed) zwischen einem Treuhänder (trustee) und einer Management Company begründet wird. Die Trust Deed gestaltet die rechtlichen Beziehungen zwischen Treuhänder, Management Company und den Anlegern, deren Anteile „units“ genannt werden, und beschreibt die Anlageziele und Anlagestrategie. Die Management Company nimmt die Aufgaben war, die in der Investment Company den Direktoren obliegen. Wie dort, delegiert sie typischerweise die Verwaltung der Anteile an einen Verwalter und die Kapitalanlage an einen Investment Adviser, dessen Ernennumg der Genehmigung des Financial Regulators bedarf. Der Treuhänder ist der Eigentümer des Sondervermögens. Er nimmt gleichzeitig die Funktionen wahr, die bei der Investment Company auf den Custodian übertragen sind. Der Common Contractual Fund (CFF) wurde als neue Investitionsform im Jahr 2003 mit dem Ziel, Altersversorge- und institutionellen Fonds Vermögensanlagen in steuerlich vorteilhafter Form zu ermöglichen, eingeführt. Die Anleger sind hier Miteigentümer (tenants in common) des Anlagevermögens. Der CFF wird durch Urkunde zwischen der Management Company und dem Verwalter begründet. Da der CFF nicht rechtsfähig ist, nehmen die Management Company und der Verwalter die Aufgaben des CFF in dessen Namen vor oder delegieren die Aufgaben entsprechend. Nach irischem Recht können natürliche Personen nicht in CFFs investieren. Non-UCITS können auch als Funds aufgelegt werden, die die Rücknahme ihrer Anteile innerhalb bestimmter Zeiten nicht zulassen (closed-ended funds). Der Financial Regulator erlegt non-UCITS, die sich an Retail Investoren richten, sehr detaillierte Beschränkungen im Hinblick auf die zugelassene Anlagen und auf den Umfang der Aufnahme von Krediten auf. Ein freieres Regime gilt für die Anlagepolitik und Darlehensaufnahme von non-UCITS für instutionelle Anleger. So können Funds, bei denen die Mindesteinlage pro Anleger EUR125,000 beträgt, sog. Professional Investor Funds (PIFs), Ausnahmen von den Anlage- und Kreditbeschränkungen mit dem Financial Regulator verhandeln. Ein Qualifying Investor Fund (QIF), der sich dadurch auszeichnet, dass die Mindestanlage EUR250,000 beträgt und nur Anleger mit einer hochangesetzten Kapitalbasis einzahlen können, unterliegt keiner dieser Investitionsbeschränkungen. Hedge Funds können als PIFs oder als QIFs erichtet werden. c) Genehmigungs- und Überwachungsverfahren. Die Genehmigung und Aufsicht von Funds durch den Financial Regulator beinhaltet die umfassende Beurteilung des Gründers und der übrigen Beteiligten und die Auferlegung und Durchsetzung von aufsichtsrechtlichen Anforderungen wie zum Beispiel Anlagebeschränkungen und Informationspflichten, die in sog. Notices des Financial Regulators veröffentlicht sind. Der Financial Regulator hat sich verpflichtet, erste Anmerkungen drei Wochen nach Einreichung der vollständigen Antragsunterlagen zu versenden. Außerdem hat er zugesagt, einen Fund, dessen Dokumentation in Ordnung ist und der keine komplexe Struktur aufweist, innerhalb von acht Wochen zu genehmigen. Um diese Selbstverpflichtung nachkommen zu können, hat der Financial Regulator die Aufleger verpflichtet, vor formaler Antragstellung eine detaillierte Aufstellung aller für den geplanten Fund relevanten Tatsachen einzureichen, wenn der Fund eine komplexe Anlagepolitik vorsieht. Zur Funddokumentation zählen der Verkaufsprospekt (siehe schon Rn. 106ff), die Gesellschaftsstatuten oder Trust Deed und die Verträge mit den am Fund beteiligten Parteien wie der Custodian, der Verwalter oder auch der für den Vertrieb der Anteile verantwortlichen Personen.
O’Kelly
§ 78 Länderteil – Irland
2497
E. Aktuelle Entwicklungen
123
I. Geldwäsche. Der irische Gesetzgeber hat sich bei der Umsetzung der Richtlinie 2005/ 60/EG zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erheblich verspätet. Der Gesetzesentwurf, der erst für Januar 2009 erwartet wird, wird bedeutende Änderungen des derzeitigen Regimes herbeiführen, auf die sich die irischen Finanzinstitute sorgfältig vorbereiten müssen. Die Direktoren (members of the board) werden dabei ausdrücklich in die Pflicht genommen. Es kann derzeit noch nicht gesagt werden, inwieweit der irische Gesetzgeber von etwaigen Spielräumen, die die Richtlinie einräumt, Gebrauch machen wird. II. Zahlungsdienste im Binnenmarkt. Die Umsetzung der Richtline 2007/64/EG über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, die auf die Harmonisierung der Zahlungsdienste in den Mitgliedstaaten abzielt, ist in Vorbereitung. Der Konsultationsprozess wurde abgeschlossen, doch ein Gesetzentwurf lag bei Drucklegung noch nicht vor. Wie bei der dritten Geldwäscherichtlinie, kann es daher noch nicht abgesehen werden, inwieweit der irische Gesetzgeber von etwaigen Spielräumen, die die Richtlinie einräumt, Gebrauch machen wird. III. Company Law Reform. Ein Gesetzentwurf zur umfassenden Reform des irischen Gesellschaftsrecht ist in Vorbereitung. Dieser sieht unter anderem die Entschärfung der Ultra Vires Doktrin vor (s. Rn. 15), die auf Common Law and Equity Law zurückgeht und den Erfordernissen modernen Geschäftslebens nicht gerecht wird. Das Reformprojekt beendet deren Anwendung sowohl auf Aktiengesellschaften (public limited companies) als auch auf private limited companies, soweit sie nicht Objektgesellschaften (special purpose vehicles) sind. Für die genannten Gesellschaften bedeutet die Reform, dass sie voll rechts- und geschäftsfähig sein werden, ohne dass es weiterhin darauf ankommt, was deren Gesellschaftsstatuten vorsehen.
O’Kelly
124
125
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Island
2499
11. Island
§ 78 Länderteil Schrifttum – Island Ágústsson, Eignarréttarleg vernd veiðiheimilda- merking fyrirvara 3. málsl. 1. gr. laga um stjórn fiskveiða, 53 TRL (2003), S. 199; Ármannsson, Valdaheimildir samkeppnisyfirvalda á Íslandi, 57 Úlfl. (2004), S. 139; Ármannsson, Fjárhæð eignarnámsbóta, 59 Úlfl. (2006), S. 81; Árnadóttir/Bernódusson/Matthíasson (Hrsg.), Lagasafn 2007 (die neueste öffentliche isländische Gesetzessammlung), 11. Aufl., 2007; Árnadóttir/Stefánsson/Örlygsson, Kauparéttur-skýringar á lögum um lausafjárkaup og lögum um neytendakaup, 2007; Árnason, Flutningur fyrirtækja þvert á landamæri Evrópubandalagsins, 3 (1) Tímarit Lögréttu (2006), S. 51; Árnason/Gissurarson (Hrsg.), Individual Transferable Quotas in Theory and Practice, 1999; Eignarréttur: inntak, gæði og efnahagslegt gildi, FS Sigurður Líndal, 2001, S. 459; Upptaka evru og vextir á Íslandi [Ökonomie Intsitut – Universität Islands – Bericht Nr. R03:05], 2003 [http://www.ioes. hi.is/publications/rseries/R0305-Upptaka-Evru-og-vextir-a-Islandi.pdf]; Staða efnahagsmála, gengi krónunnar og evran, Félag viðskiptafræðinema Viðskiptaháskólans á Bifröst (Hrsg.), Bifröst, 2005, S. 7: Þjóðareign á fiskistofnum – hagrænar afleiðingar, Pétursson (Hrsg.), Þjóðareign: Þýðing og áhrif stjórnarskrárákvæðis um þjóðareign á auðlindum sjávar, 2007, S. 107; Árnason, Hvað er ranglátt við kvótann?, 49 TRL (1999), S. 73; Axelsson, Um réttaráhrif eignarskráningar rafbréfa, 53 Úlfl. (2000), S. 400; Baudenbacher, Erla María: Viðurkennd réttarsköpun dómstóla, 57 TRL (2007), S. 147; Bjarnadóttir, Skattareglur og EES-samningurinn, 13 (2) Lögmannablaðið (2007), S. 18; Bjarnson, Evran er ekki lengur ESB-gulrót, 3 (3) Þjóðmál, 2007, S. 8; Björgvinsdóttir, Félagaréttur, 1999; Reglur um verðbréfamarkaði og viðfangsefni verðbréfamarkaðsréttar, 54 Úlfl. (2001), S. 343; Den förste dom om insiderhandel/Island, 1 Nordisk tidsskrift for selskabsret, 2002, S. 29; Icelandic Company Law, 45 Scandinavian Studies in Law, S. 45; Stjórnarhættir fyrirtækja og fyrstu viðmið á Íslandi, 1 (1) Tímarit Lögréttu (2004), S. 87; Viðskipti hlutafélaga við stjórnendur, FS Guðrún Erlendsdóttir, 2006, S. 51; Björgvinsson/Arnardóttir/Matthíasson (Hrsg.), Álitsgerð um ýmis lögfræðileg efni í frumvarp til laga um gagnagrunn á sviði heilbrigðissviði: unnið fyrir Íslenska erfðagreiningu ehf., 1998; Björgvinsson, EES og framsal ríkisvalds, FS Þór Vilhjálmsson, 2000, S. 77; Bein réttaráhrif og forgangsáhrif EES-réttar, FS Sigurður Líndal, 2001, S. 71; Þýðing fordæma dómstóls EB við framkvæmd og beitingu EES-samningsins, FS Gunnar G. Schram, 2002, S. 93; Skipting fyrirtækja með opinberu valdboði, 52 TRL (2002), S. 129; Stjórnarskrárákvæði um framsal valdheimilda ríkisins til alþjóðastofnana, Matthíasson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum IV: Lagadeild, 2003, S. 213; Álitsgerð um framsal ríkisvalds til alþjóðastofnana í tilefni af innleiðingu reglugerðar nr. 1/ 2003/EB, 2004; Lögskýringar, 2. Aufl. 2007; Björnsdóttir, Bótaábyrgð vegna mengunartjóna, 52 Úlfl. (1999), S. 215; Björnsson, Skaðabótaréttur – kennslubók fyrir byrjendur, 2. Aufl. 1999; Björnsson, Breytingar á lögum um meðferð opinberra mála, 49 TRL (1999), S. 283; Opinber málsmeðferðs, 51 TRL (2001), S. 71; Björnsson, Landgrunn og olíuleit, Hjörtur Gíslason/Hákon Ólafsson (Hrsg.), Í ljósi vísindanna: saga hagnýttra rannsókna á Íslandi, 2005, S. 233; Skuldbinding ábyrgðarmanns samkvæmt kröfuábyrgð, 50 TRL (2000), S. 5; Dómar um kröfuábyrgð: 1888-2003, 2004; Lok kröfuábyrgðar, 56 TRL (2006), S. 217; Bragason, Nordic Equity Markets, 2007; Um skuldajöfnuð við gjaldþrot, 51 Úlfl. (1998), S. 475; Christiansen, Nokkur lögfræðileg álitaefni við gildistöku evrósins, 48 TRL (1998), S. 1; Diego, Afleiðslusamningar, 7 (1) Lögmannablaðið (2001), S. 15; Lög um verðbréfaviðskipti, 9 (4) Lögmannablaðið (2003), S. 29; Eggertsson, Evrópski myntsamruninn og Ísland, Jónsson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum, Nr. 2, 1998, S. 337; Einarsson, Öndvegissetur í sjávarlíftækni (Industrieministerium/Universität Akureyri Nr. 2), Akureyri, 2003; Einarsson, Hugtakið markaðsráðandi staða í samkeppnisrétti, 57 Úlfl. (2004), S. 51; Einarsson, Meðferð samkeppnismála og 6. gr. Mannréttindasáttmála Evrópu: rétturinn til málsmeðferðar fyrir sjálfstæðum og óvilhöllum dómstól, 54 TRL (2004), S. 523; Þagnarréttur og meðferð samkeppnismála, 56 TRL (2006), S. 55; Finnsson, Orkumál: orkugeirinn í þjóðhagslegu tilliti og erlendum samanburði, 2005; Fjármálaráðuneytið (Hrsg.), Gildi og gagnsemi tvísköttunarsamninga (Finanzministerium 1998-2), 1998; Forsætisráðuneytið (Hrsg.), Áhrif Efnahags- og myntbandalags Evrópu á íslenskt efnahagslíf, 1998; Forsætisráðuneytið/Evrópunefnd (Hrsg.), Tengsl Íslands og Evrópusambandsins: skýrsla Evrópunefndar um samstarfið á vettvangi EES og Schengen um álitaefni varðandi hugsanlega aðild Íslands að Evrópusambandinu, 2007; Gauksdóttir, Eru aflaheimildir eign í skilningi 72. gr. stjórnarskrárinnar? Pétursson (Hrsg.), Þjóðareign: Þýðing og áhrif stjórnarskrárákvæðis um þjóðareign á auðlindum sjávar, 2007, S. 73; Gissurarson, Fiskur, eignir og réttlæti, 49 TRL (1999), S. 31; Hvernig getur Ísland orðið ríkasta landi í heimi?, 2001; Gissurarson, Evra, dalur, króna-eða krónur, 25 (10) Vísbending, 2007, S. 3; Guðjónsdóttir, Megindrættir í þjóðlendumálum 1998-2005, 55 TRL (2005), S. 495; Guðbjartsson, Hlutabréfamarkaður – forsendur, eðli og hlutverk, 1999; Guðbjartsson, Álitsgerð um áhrif laga um persónuvernd og meðferð persónuupplýsinga á starfsemi fjármálafyrirtækja, 2002; Guðmundsdóttir, Fyrning samkeppnislagabrota lögaðila, 57 Úlfl. (2004), S. 87; Guðmundsson, Milliverðlagning (Transfer Pri-
Jónhildarson
2500
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
cing), 59 Úlfl. (2006), S. 245; Guðmundsson/Matthíasson (Hrsg.), Milliverðlagning, 2006; Guðmundsson, Skaðabótaábyrgð stjórnenda hlutafélaga gagnvart félaginu sjálfu – með hliðsjón af drögum að 5. félagstilskipun ESB, 54 Úlfl. (2001), S. 533; Guðmundsson/Stefánsson (Hrsg.), Lögbókin þín, 2. Aufl., 2005; Guðmundsson, Afréttareign í sögu og samtíð, Ársskýrsla Fasteignamats ríkisins, 2001, S. 33; Gunnarsson, Monetary Policy in the European Union and Iceland, 3 (No. 4), Montery Bulletin (2001), S. 52; Gunnarsson, Varnarþingsreglur Luganósamningsins, 49 TRL (1999), S. 317; Lagaskil á sviði samningaréttar, 53 TRL (2003), S. 137; Alþjóðleg lögsaga íslenskra dómstóla, Jóhannsdóttir (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum V: Lagadeild, 2004, S. 105; Meginatriði íslensks vatnaréttar, Spanó (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum VI: Lagadeild, 2005, S. 143; Gunnarsson, FS J. Þórmundsson, 2008 (in Vorbereitung); Gunnlaugsson/Kolbeinsson/Stefánsson, Skýrsla um lögleiðingu EES-gerða, 1998; Gunnarsdóttir, Aðild að málum sem varða umhverfið, 58 Úlfl. (2005), S. 349; Gunnarsdóttir, Rafræn viðskipti á innri markaði Evrópusambandsins, 52 TRL (2002), 171; Gunnarsson/Guðmundsson, Aðferðir til að takmarka tvísköttun, 3 (2) Tímarit Lögréttu (2006), S. 151; Gylfason, Viðskipti efla alla dáð, 1999; Er eignarréttur náttúrulegur?, FS Þór Vilhjálmsson, 2000, S. 611; Framtíðin er annað land, 2001; Hafstein, Evrópsk hlutafélög – ný tækifæri fyrir íslenskt viðskiptalíf, Félag viðskiptafræðinema Viðskiptaháskólans á Bifröst (Hrsg.), Bifröst, 2005, S. 30; Frjálsir fjármagnsflutningar og einkaréttarleg áhrif, Hafstein (Hrsg.), Bifröst: rit lagadeildar Háskólans á Bifröst, 2006, S. 289: Hagfræðistofnun Háskóla Íslands (Hrsg.), Vinnumarkaðurinn og EMU: Skýrsla til starfshóps um um áhrif Efnahags – og myntbandalags Evrópu á íslenskt atvinnulíf, 1998; Hall, Nokkur undirstöðuatriði fjármagnsmarkaðarins, 53 Úlfl. (2000), S. 389; Halldórsdóttir, Yfirlit fir önnur og ný og breytt vanefndaúrræði, Matthíasson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum IV: Lagadeild, S. 180; Harðardóttir, Ákvörðun um saksókn, Matthíasson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum IV: Lagadeild, 2003, S. 83; Harðarson, Keppt um traustið, 54 Úlfl. (2001), S. 155: Haraldsson/Varðardóttir, Kostir og gallar evru sem gjaldmiðils á Íslandi (Ökonomieinstitut der Universität Islands-Bericht Nr. C0702), 2007 (http://www.forsaetisraduneyti.is/media/Ymislegt/Evran.pdf); Haraldsson/Varðardóttir, Kostir og gallar upptöku evru sem gjaldmiðils á Íslandi, 2007; Hjartardóttir, Réttaráhrif afhendingar fasteignar í fasteignakaupum, 56 Úlfl. (2003), S. 619; Heimisdóttir, Stjórnarskrárbundið fullveldi Íslands, 53 TRL (2003), S. 19; Helgadóttir, Meðferð samkeppnismála, 52 Úlfl. (2000), S. 395; Herbertsson, Mega keppinautar hvorki hittast, heyrast né sjást? – Nokkur álitaefni tengd 10. gr. samkeppnislaga nr. 8/1993, 57 Úlfl. (2004), S. 101; Hlöðversdóttir, Valdaheimildir samkeppnisyfirvalda á Íslandi, 57 Úlfl. (2004), S. 130; Holt/Jóhannesson (Hrsg.), The Currency of Iceland: Issues and Features of Icelandic Notes and Coins, 2002; Jóhannesson, Lagaáskilnaðarregla atvinnufrelsisákvæðis stjornarskrárinnar, FS Sigurður Líndal, 2001, S. 399; Kaflar um viðskiptabréf, 2003; Yfirlit yfir helstu viðskiptabréfsreglur sem gilda um skuldabréf, 2006; Rafræn vinnsla persónuupplýsinga við meðferð stjórnsýslumála, 2007; Ingason, Ný lög um aðgerðir gegn peningaþvætti o.fl., 12 (4) Lögmannablaðið (2006), S. 6; Ísleifsson/Þorbergsson, Krónan og atvinnulífið, 2006; Koh Jaemyong, Suppressing Terrorist Financing and Money Laundering, 2006; Jóhannesson, Hugtakið „föst atvinnustöð“ samkvæmt alþjóðlegum skattarétti, 55 Úlfl. (2002), S. 5; Jóhannsdóttir, Aðgreining milli beins og óbeins tjóns innan samninga, 59 Úlfl. (2006), S. 655; Ákvörðun um saksókn frá sjónarhóli verjanda, Matthíasson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum IV: Lagadeild, 2003, S. 93; Verðbréfaviðskipti – gildissvið laga nr. 108/2008, 61 Úlfl. (2008), S. 195; Hugtakið innherji, 55 Úlfl. (2002), S. 227; Jónsson, Um Evrópusambandið: í tilefni skýrslu Evrópunefndar forsætisráðherra, 3 (2) Þjóðmál, 2007, S. 48; Jónsson, Upptaka evrunnar, 21 (24) Vísbending, 2003, S. 1; Jónsson, Bindandi álit í skattamálum, 5 (2) Lögmannablaðið (1999), S. 9; Jónsson, Innherjaviðskipti, 53 Úlfl. (2000), S. 430; Jónsson/Hall/Zoëga/Skúladóttir/Herbertsson, Tekjuskipting á Íslandi-þróun og ákvörðunarvald [English Summary], 2001; Jónsson/Jóhannesson, Sveigjanleiki á vinnumarkaði og upptaka evrunnar, 2002; Júlíusdóttir/Aðalasteinsson, Er rétt að rannsókn efnahags- og skattabrota sé á sömu hendi’, 59 Úlfl. (2006), S. 162; Káradóttir, Skilyrði um sambærilega skattlagningu á hagnað erlends félags: samanber 9. tl. 31. gr. laga um tekjuskatt nr. 90/2003, 59 Úlfl. (2006), S. 607; Ketilsson, Fjármálaskilgreiningar, 2006; Kristgeirsson, Sjávarútvegur, eignaréttur og óviss framtíð, Pétursson (Hrsg.), Þjóðareign: Þýðing og áhrif stjórnarskrárákvæðis um þjóðareign á auðlindum sjávar, 2007, S. 127; Lárusdóttir, Fyrirsjáanlegar vanefndir í kauparétti, 55 TRL (2005), S. 407; Líndal, Nytjastofnar á Íslandsmiðum – sameign þjóðarinnar?, FS Davíð Oddsson, 1998, S. 781; Um lög og lögfræði – grundvöllur laga – réttarheimildir, 2002; Um þjóðareign, Pétursson (Hrsg.), Þjóðareign: Þýðing og áhrif stjórnarskrárákvæðis um þjóðareign á auðlindum sjávar, 2007, S. 53; Réttarsöguþættir, 2. Aufl. 2007; Logadóttir, Lög á bók: yfirlitsrit um lögfræði, 2003; Magnússon, Forkaupsréttur, 56 Úlfl. (2003), S. 609; Króna og evra, 20 (4) Vísbending, 2002, S. 3; Magnússon, Eignastýring, 2002; Um stjórnskipulegt gildi sóknartakmarka við stjórn fiskveiða krókabáta, 54 Úlfl. (2001), S. 367; Um hið sérstaka eðli samningsins um Evrópska efnahagssvæðið, FS Gunnar G. Schram, 2002, S. 461; Íslensk fiskveiðistjórn og réttur eigenda sjávarjarða, Stefánsson/Matthíasson (Hrsg.), Lögberg, 2003, S. 683; Matthíasson, Er víst að loforð sé enn loforð?: Hugleiðingar um skuldbindingargildi lo-
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2501
forða, FS Þór Vilhjálmsson, 2000, S. 591; Er þörf á endurskoðun vaxtalaga?, 50 TRL (2000), S. 125; Hvar eru bótareglurnar vegna umhverfistjóna?, FS Gunnar G. Schram, 2002, S. 507; Trúnaðarskylda við gerð framkvæmda og slit saminga, 53 Úlfl. (2003), S. 190; Skaðabótareglur í kaupalögum, Matthíasson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum IV: Lagadeild, 2003, S. 153; Skaðabótaréttur, 2005; Fasteignir og fasteignakaup, 2008; Másson, Peningaþvætti og lögmenn, 4 (1) Lögmannablaðið (1998), S. 6; Mogensen/Holm, Valdaheimildir samkeppnisyfirvalda á Íslandi, 57 Úlfl. (2004), S. 133; Möller, Ógnir við sjálfstæði lögmanna, alþjóðlegar og heimafengnar, 5 (4) Lögmannablaðið (1999), S. 3; Hvert á að verða skipulag ákæruvalds hér á landi?, Matthíasson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum IV: Lagadeild, 2003, S. 71; Nordal u.a. (Hrsg), Auðlindanefnd –1999; Nordby, Foretak med oppgaver av almen økonomisk betydning: EØSavtalen art 59 Nr. 2, FS Þór Vilhjálmsson, 2000, S. 381-397; Normann/Finansdepartmentet (Hrsg.), Om tiltak mod hvitvaskning og terrorfinansiering: gjennomföring av EÖS-regler tilsvarende EUs tredje hvitvaskningsdirektiv i norsk rett, Norges offentlige utredninger: 2007:10, Oslo, 2007; Ólafsdóttir, Réttaráhrif varnarþingssamninga samkvæmt 1. mgr. 17 gr. Lúganósamningsins, 51 TRL (2001), S. 325; Ólafsson, Samanburður á evruvæðingu og myntráði, 25 (17) Vísbending, 2007, S. 3; Ólafsson, Minnihlutavernd í hlutafélagalögunum, 57 Úlfl. (2004), S. 609; Örlygsson, Sjávarlíftækni á Íslandi, 10 Stafnbúi (2002), S. 4; Örlygsson, Möguleikar í sjávarlíftækni á Íslandi [Industrieministerium/Universität Akureyri Nr. 1], Akureyri, 2002; Meðferð persónuupplýsinga í vísindarannsóknum: helstu efnis- og málsmeðferðarreglur, 51 Úlfl. (1998), S. 305; Om ejendomsret til landområder og naturressourcer, 111 Tidskrift for rettsvitenskap, 1998, S. 553; Hver á kvótann?, 48 TRL (1998), S. 28; Greiðslutími og greiðslustaður, 48 TRL (1998), S. 303; Efndir in natura, 50 TRL (2000), S. 285; Gildistaka nýrra laga um lausafjárkaup hinn 2001, 54 Úlfl. (2001), S. 41; Gildistaka nýrra laga um lausafjárkaup, 54 Úlfl. (2001), S. 41; Veðréttur, 2002; Gildissvið kaupalaga nr. 50/2000, 52 TRL (2002), S. 15; Eignarréttur og íslenskt forráðasvæði, FS Gunnar G. Schram, 2002, S. 529; Riftunarreglur kaupalaga, 53 Úlfl. (2003), S. 217; Réttarreglur um galla í lausafjárkaupum, 54 TRL (2004), S. 191; Hvernig hefur Ísland brugðist við ákvörðun EFTA-dómstólsins, 54 TRL (2004), S. 365; Skaðabótareglur laga um lausafjárkaup, 2 (2) Tímarit Lögréttu (2005), S. 103; Hlutverk efndabóta, Hafstein (Hrsg.), Bifröst-rit lagadeildar Háskólans á Bifröst, 2006, S. 533; Óskarsdóttir, Hver á vatnið? 61 Úlfl. (2008), S. 87; Óskarsson, Ný lög um þjónustukaup, Matthíasson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum IV: Lagadeild, 2003, S. 203; Óskarsson, Notkun söluveðs í viðskiptum birgja, Stefánsson/ Matthíasson (Hrsg.), Lögberg, 2003, S. 401; Pálmadóttir/Eiríksson, Minnihlutavernd í hlutafélögum, 54 Úlfl. (2001), S. 543; Pálmadóttir, Valdamörk úrskurðarnefndar skipulags- og byggingarmála vegna breytinga á deiliskipulagi, 58 Úlfl. (2005), S. 317; Pálsson, Mótun Hæstaréttar Íslands á gildissviði 36. gr. samningalaga, 57 Úlfl. (2004), S. 405; Evrópskur samingaréttur – þróun, staða og framtíð, 3 (2) Tímarit Lögréttu (2006), S. 121; Samingalögin sjötug-standast þau tímans tönn?, 57 TRL (2007), S. 83; Pálsson, Skaðabótaábyrgð aðildarríkja EES-samningsins gagnvart einstaklingum, 48 TRL (1998), S. 124; Fjármálaeftirlitið, 53 Úlfl. (2000), S. 415; Pétursson, Evran og íslensk utanríkisviðskipti, 23 (20) Vísbending, 2005, S. 3; Ríkislögreglustjóri/Ármannsson (Hrsg.), Ársskýrsla peningaþvættisskrifstofu ríkislögreglustjóra fyrir árið 2006 (http://www.logreglan.is/upload/files/RLS_arsskyrsla%20peningar.pdf), 2007; Ríkisendurskoðun (Hrsg.), Samningurinn um líffræðilega fjölbreytni: umhverfisendurskoðun, 2006; Vísbendingar um fjármálamisferli, 2006: Rogers, Conflict of Laws for Transactions in Securities Held through Intermediares, 39 Cornell International Law Journal, 2006, S. 285; Schram (Hrsg.), Stjórnskipunarréttur, 2. Aufl. 1999; Schram, Hafréttur, 2001; Sigfússon, Straumhvörf – útrás íslensks viðskiptalífs og innrás erlendra fjárfesta til Íslands (Executive Summary), 2005; Sigurðsson, Samlagshlutafélög, 55 Úlfl. (2002), S. 443; Mat á lögmæti samruna, 57 Úlfl. (2004), S. 5; Sigurðsson, Eignarréttur að lífssýnum, FS Guðmundur Ingvi Sigurðsson, Seltjarnarnes, 2002, S. 419; Sigurðsson, Verðbréfaviðskipti í gegnum Netið, 53 Úlfl. (2000), S. 481; The Icelandic Law of Contracts – An Overview, Páll Sigurðsson (Hrsg.), Lagaskuggsjá-greinar um lög og sögu, 2004, S. 303; Sigurðsson/Rannsóknarstofnun í fjármálarétti (Hrsg.), Réttarstaða og hlutverk Íbúðarlánasjóðs með tilliti til EES-samningsins, 2000; Sigurðsson, Skráning verðbréfa í kauphöll, 52 Úlfl. (2002), S. 223; Upplýsingaskylda um mikilvæg atvik og ákvarðanir, 56 Úlfl. (2003), S. 5; Sigurðsson, Lánssamningar, Stefánsson/Matthíasson (Hrsg.), Lögberg, 2003, S. 333; Yfirtökuskylda, samstilltar aðgerðir, samstæður og önnur tengsl hluthafa, 2 (1) Tímarit Lögréttu (2005), S. 81; Sigurðsson/Jónsson,Verðbréfamarkaðsréttur, 2004; Sigurðsson, Álitsgerð um heimildir til lánveitinga, fjármögnunar og áhættustýringar, 2005; Sjávarútvegsráðuneytið/Nefnd um endurskoðun laga um stjórn fiskveiða (Hrsg.), Niðurstöður nefndar um endurskoðun laga um stjórn fiskveiða ásamt fylgiskjölum, 2001; Sigurjónsdótir, Verkskipulagsvald og valdframsal í sveitarstjórnarrétti, 59 Úlfl. (2006), S. 545; Skúlason, Hversu nákvæmar eru greiningardeildir íslensku viðskiptabankanna?, Félag útskriftarnema Viðskiptaháskólans á Bifröst (Hrsg.), Bifröst, 2007, S. 28; Skarphéðinsson, Flöggun, 53 Úlfl. (2000), S. 460; Sólnes, Um eignarhald á vatni í íslenskum vatnalögum, 61 Úlfl. (2008), S. 115; Spanó, Sérstök fyrirmæli um réttarstöðu útlendinga, Björg Thorarensen/Davíð Þór Björgvinsson/Guðrún Gauksdót-
Jónhildarson
2502
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
tir/Hjördís Björk Hákonardóttir (Hrsg.), Mannréttindasáttmáli Evrópu: meginreglur, framkvæm og áhrif á íslensk lög, 2005, S. 527; Kröfugerð í málum gegn ríkinu og stjórnskipuleg valdmörk dómsstóla, 2 (1) Tímarit Lögréttu (2005), S. 23; Statistics Iceland/Hagstofa Íslands (Hrsg.), Landshagir/Statistical Yearbook of Iceland 2006 (inbegr. CD-Computerdiskette), 2006; Statistics Iceland (Hrsg.), Iceland in Figures – Band Nr.12 – 2006-2007, 2006/2007; Stefánsson, Ákvæði fasteignakaupalaga nr. 40/2002 um stöðvunarrétt og framkvæmd þeirra, 56 Úlfl. (2003), S. 593; Stefánsson/Baldursson (Hrsg.), Mat á þátttöku Íslands í Norðurslóðaáætlun ESB, 2006; Evrópusambandið og Evrópska efnahagssvæðið, 2000; Hlutafélög og einkahlutafélög [inbegr. CD-Computerdiskette], 2000; Þýðing meginreglna í Bandalagsrétti og rétti Evrópska efnahagssvæðisins, FS Sigurður Líndal, 2001, S. 533; Hlutafélög, einkahlutafélög og fjármálamarkaðir, 2003; The EEA Agreement and its Adoption into Icelandic Law, Oslo, 2003; Er Evrópusambandið ríki?, FS Guðrún Erlendsdóttir, 2006, S. 471; Samstæður hlutafélaga, 2008; „Réttmætar væntingar í EB / EES rétti“, FS J. Þórmundsson, 2008 (in Vorbereitung); Svansson/Einarsson/Örlygsson (Hrsg.), Líftækninet í auðlindanýtingu: frá þróunarsamstarfi til markaðsárangurs, Akureyri 2004 [Teil. 3]; Sveinsson, Félagsform íslensku sparisjóðanna: hlutafélagavæðing of SPRON-málin, 2 (1) Tímarit Lögréttu (2005), S. 43; Sveinsson/Matthíasson (Hrsg.), Viðbótarkröfur verktaka í verksamningum, 2005; Thorarensen/Leifsson, Kaflar úr þjóðarétti, 2. Aufl., 2005; Thorarensen/Tómasson/Sigurðsson (Hrsg.), Um lög og rétt – Helstu greinar íslenskrar lögfræði, 2006; Thoroddsen/Magnússon, Rafræn viðskipti: umfjöllun um íslensk lög, 1999; Þvingunarráðstafanir í þágu meðferðar opinberra mála, 2000; Meginreglur opinbers réttarfars, 2002; Ákæruvaldið í ljósi jafnræðisreglna, Matthíasson (Hrsg.), Rannsóknir í félagsvísindum IV: Lagadeild, 2003, S. 45; Sérsjónarmið hljóta að gilda á sviði samkeppnisréttar eins og á öðrum réttarsviðum: umfjöllun um dóm Hæstaréttar 2003 í máli Sölufélags garðyrkjumanna o.fl. gegn Samkeppnisráði, 57 Úlfl. (2004), S. 117; Réttarstaða sakborninga og verjanda, 2005; Tynes, Ys og þys út af engu?: Hugleiðingar um bókun 35 við samninginn um Evrópska efnahagssvæðið, 55 Úfl. (2002), S. 473; Valdimarsson, Milliverðlagning (Transfer Pricing), 50 TRL (2000), S. 75; Valdimarsson, Skattasniðganga, 49 TRL (1999), S. 219; Valfells, Um einhliða upptöku annars gjaldmiðils en þjóðargjaldmiðils, 3 (3) Þjóðmál, 2007, S. 52; Valtýsdóttir, Áhrif EES-samingsins á íslenskan skattarétt, 10 (2) Lögmannablaðið (2004), S. 27; Skattar á fjármagnstekjur og eignir, 1999; Útgáfa jöfnunarhlutabréfa: gagnrýnin endurskoðun á dómi Hæstaréttar í máli Félags vatnsvirkja hf., 2000; Fjármálaleg tæki – undirliggjandi verðmæti – afleiður, 51 TRL (2001), S. 203; Skattur á fyrirtæki, 2003; Skattlagning samvinnufélaga, 56 Úlfl. (2002), S. 31; Um gerð og túlkun tvísköttunarsamninga, 60 Úlfl. (2007), S. 121; Full og ótakmörkuð skattskylda fyrirtækja, Hafstein (Hrsg.), Bifröst, 2006, S. 27; Zoëga/Herbertsson, Fyrirkomulag gengismála á Íslandi – Horft til framtíðar [English Summary], 2005; Þórðarson, „Ákvæði 94. gr. tekjuskattslaga um upplýsingaskyldu – nokkur dómafordæmi“, FS J. Þórmundsson, 2008 (in Vorbereitung); Þorkelsdóttir/Ármann, Upplýsingatækni og hluthafafundur, 54 Úfl. (2001), S. 557; Þorláksson, Sjálfsfjármögnunarbann – um 2. mgr. 104. gr. laga um hlutafélög, 57 Úlfl. (2004), S. 623; Þorláksson, Getur þjóð átt eign?, Pétursson (Hrsg.), Þjóðareign: Þýðing og áhrif stjórnarskrárákvæðis um þjóðareign á auðlindum sjávar, 2007, S. 15; Afbrot og refsiábyrgð-Band Nr. 1-3, 1999, 2002, 2004.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht und staatliche Kapitalmarktaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Anwendungsbereich des Finanzdienstleistungsunternehmensgesetzes . . . . . . . . 7 2. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Das nationale isländische Bank- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Der Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Vertrag) und die EWR-Rechtsquellen (acquis européen) . 12 3. Die nordische Zusammenarbeit und das isländische Bank- und Kapitalmarktrecht (acquis nordique) . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 16 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 C. Währung – Konto und Zahlungsverkehr . . . . . 18
I. Die gesetzliche isländische Währung und der Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Internationales Wirtschaftskollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Reform des isländischen Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Modernisierung des Verjährungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Isländisches und internationales Umweltrecht bzw. isländisches internationales Sachen- und Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . V. Der Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Frage des Beitritts Islands zur EG (EU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jónhildarson
18 21 22 22 24 26 26 27 28
29 30 31
§ 78 Länderteil – Island
2503
Stichwortverzeichnis Ausnahmen (vom EWR-Vertrag) . . . . . . . . . . . . . . 14 Banken/Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 EWR-Gesetz von 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Finanzdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . 8 Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Kreditkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Gesetzliches Zahlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Króna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Nichtmitgliedstaat EG/EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Notenbank/Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 19 Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 27 Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sachen- und Sicherheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Schuld- und Obligationenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Sicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 27 Versprechensvertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Wertpapierhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Abkürzungsverzeichnis A-hluti Alþt. B-hluti Buchst. C-hluti EES EFTA-G. ehf. ESB EWU EWR EWW ESZB grg.
A-Teil Alþingistíðindi B-Teil Buchstabe C-Teil Evrópska efnahagssvæðið European Free Trade Association-Gericht einkahlutafélag [Privataktiengesellschaften] Evrópusambandið Europäische Währungsunion Europäischer Wirtschaftsraum Europäische Währungs- und Wirtschaftsunion Europäisches System der Zentralbanken greinargerð
Hérd.
Héraðsdómar (Amtsgerichtsrechtsprechung) Hrd. Hæstaréttardómar-Dómasafn Hæstaréttar (Oberstgerichtsrechtsprechung) hf. hlutafélag (Aktiengesellschaft) l. lög Lagas.1999 Lagasafn 1999 [die neueste öffentliche isländische Gesetzesammlung] rglg. Reglugerð Stjt. Stjórnartíðindi TRL. Tímarit lögfræðinga SUA Skýrsla Umboðsmanns Alþingis Sdr. Sonderdruck Úlfl. Úlfljótur
A. Rahmenbedingungen
1
I. Banksystem. Die Grundsäulen des freien kommerziellen isländischen Bank- (bankaréttur) und Kapitalmarktrechts (fjármagnsréttur; s. Sigurðsson/Jónsson,Verðbréfamarkaðsréttur, 2004) sind die Art. 72 (Schutz des Privateigentums), Art. 74 (Schutz des Gesellschaftsrechts) und Art. 75 (Schutz des Arbeitsrechts) der isländischen Verfassung (Stjórnarskrá lýðveldisins Íslands, Nr. 33/1944, Hauptabteilung Nr. 1: Verfassungsordnungsgesetz usw. (Stjórnskipunarlög o.fl); s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1-11); vgl. Art. 28-30, 31-35, 36-39, 40-45, 46, 61, und 77 EWR-Vertrag und ferner insb. die Annexe IX-XI und den Annex XXII zum EWR-Vertrag (insbes. Gesellschaftsrecht (félagaréttur)); s. im Allg. über das isländische Verfassungsrecht: Schram, Stjórnskipunarréttur, 2. Aufl. 1999; vgl. ferner Snævarr, Haglýsing Íslands, 2. Aufl.; Nordal u.a. (Hrsg.), Auðlindanefnd, 1999; Statistics Iceland/Hagstofa Íslands (Hrsg.), Landshagir/Statistical Yearbook of Iceland 2006 (inbegr. CD-Computerdiskette), 2006; Statistics Iceland (Hrsg.), Iceland in Figures – Band Nr. 12 – 2006-2007. Die isländische Verfassung unterscheidet weder genau zwischen dem öffentlichen und dem privatrechtlichen kommerziellen Bankgeschäft („Commercial Banking“), noch nennt sie ausdrücklich das Bank- und Kapitalmarktrecht als verfassungsrechtlich und rechtssystematisch geschützte Bestandteile des isländischen Wirtschaftsrechts. Die verfassungsrechtliche Funktion des Ministers (Iðnaðar-og viðskiptaráðherra) und Ministeriums für Industrie und Wirtschaft (Iðnaðarog viðskiptaráðuneyti) ist in Art. 2 der isländischen Verfassung, Art. 4 des isländischen Ministeriumsgesetzes Nr. 73/1969 (lög um Stjórnarráð Íslands, später geändert, s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 262-263) und in Art. 8 und 15 der Regelung des isländischen Ministeriums Nr. 3/2004 (reglugerð um Stjórnarráð Íslands; s. Árnadóttir, Lagasafn,
Jónhildarson
2504
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
2007, S. 2623-265 (später geändert)) geregelt. Diese Rechtsquellen bilden den höchstrangigen öffentlich-rechtlichen Teil des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts. 2
Das alte Gesetz für kommerzielle Banken und Sparkassen Nr. 113/1996 (lög um viðskiptabanka og sparisjóði) wurde aufgehoben und durch das neue übergreifende Finanzdienstleistungsunternehmensgesetz (lög um fjármálafyrirtæki Nr. 161/2002) ersetzt, vgl. EWR-Vertrag IX. Anlage EG-Verordnung Nr. 85/611/EG, 86/635/EG, 93/22/ EG, 96/26/EG, 2000/12/EG und 2000/43/EG; Änderung durch Gesetz Nr. 4/2004 (in Kraft seit 06.02.2006), Gesetz Nr. 129/2004 (in Kraft seit 31.12.2005), Gesetz Nr. 130/ 2004 (in Kraft seit 01.01.2006); vgl. Art. 21 Gesetz Nr. 161/2002) und vgl. ferner EWRVertrag I. Anlage EG-Verordnung Nr. 2002/87/EG, 2001/24/EG, Gesetz Nr. 67/2006 (in Kraft seit 24.06.2006), Gesetz Nr. 108/2006 (01.11.2006 vgl. Bekanntmachung Stjt. C Nr. 1/2006), Gesetz Nr. 170/2006 (in Kraft seit 01.01.2007) und Gesetz Nr. 55/2007 (in Kraft seit 03.04.2007) (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1144-1164). Das neue Finanzdienstleistungsunternehmensgesetz stellt eine umfassende Novellierung der alten Gesetzeslage dar und regelt das öffentliche isländische Bank- und Kapitalmarktrecht in den Grundzügen neu. In der neuen Gesetzgebung wurden u.a. Auslegungsrichtlinien eingeführt, darüber hinaus sieht es eine Einbeziehung des privaten isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts vor. Artikel 1 und 3 des neuen Finanzdienstleistungsunternehmensgesetzes gelten für isländische und ausländische Finanzdienstleistungsunternehmen, die in Island betrieben werden. Durch diese Änderung wurde der Anwendungsbereich von Art. 1 und 3 Finanzdienstleistungsgesetz erheblich erweitert, da nach alter Gesetzeslage (nach dem aufgehobenen Gesetz für kommerzielle Banken und Sparkassen Nr. 113/1996) das Gesetz nur Anwendung bei folgenden isländischen kommerziellen Banken und Sparkassen fand: – die staatlichen kommerziellen Banken – d. h. Banken, die dem isländischen Staat gehören (ríkisviðskiptabankar), – die Aktiengesellschaftsbanken (viðskiptabankar sem reknir eru af hlutafélögum) und – die Sparkassen (sparisjóði). Einige EWR-Finanzdienstleistungsunternehmen (vgl. Regelung Nr. 244/2004 über Finanzdienstleistungsunternehmen) und Tochtergesellschaften anderer Kreditunternehmen, die innerhalb des EWR begründet worden sind, bieten ihre Finanzdienstleistungen innerhalb Islands an. Sie können die Geschäfte aufnehmen, ohne dass es einer vorherigen Bewilligung (án starfsleyfis) nach Art. 3 Absatz 3 Nr. 1-7 Finanzdienstleistungsunternehmensgesetz bedarf.
3
Die Folgen der Umsetzung des EWR-Rechts (Rn. 13) in das nationale isländische Recht und die jüngste Privatisierung von Staatseigentum (Rn. 26 ff.) mit Hilfe des neuen isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts (s. Framkvæmdanefnd um einkavæðingu og Samtök verðbréfafyrirtækja,Einkavæðing á Íslandi: Greinasafn, 1997) sind inzwischen deutlich spürbar; obwohl die früheren staatlichen kommerziellen Banken unter dem älteren isländischen Bank- und Kapitalmarktrecht eher die Ausnahme waren (vgl. Stefánsson, Evrópusambandið og Evrópska efnahagssvæðið, 2000, S. 441-443, 478-481, 500-501, 510-515 und 901-902). Die Privatisierung des isländischen Bankensektors im Bank- und Kapitalmarkt ist nach dem – nun bald abgewickelten – Verkauf von Landsbanki Íslands und Búnaðarbanki Íslands an private Unternehmen fast abgeschlossen. Dieser Einfluss des EWR-Rechts auf das isländische Bank- und Kapitalmarktrecht wirkt sich insb. auf die Tätigkeit von ausländischen kommerziellen Banken und Sparkassen in Island aus. Diese werden durch das neue Gesetz in Kapitel XI (Art. 82-85) und Kapitel XII (Art. 86-89) geregelt, während die Rechtsverhältnisse der isländischen kommerziellen
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2505
Banken und Sparkassen im Ausland weiterhin in den Anwendungsbereich der zitierten Normen des Finanzdienstleistungsunternehmensgesetzes fallen. Die weitere Entwicklung der Privatisierung und des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts sowie die rechtliche Beurteilung des isländischen Kapital-, Sachen- und Finanzsteuerrechts (s. Valtýsdóttir, Skattur á fjármagnstekjur og eignir, 1999; s. ferner Skattur á fyrirtæki, 2003; 60 Úlfl. (2007), S. 121; Hafstein, Bifröst, 2006, S. 27; Jóhannesson, 55 Úlfl. (2002), S. 5) werden sich eventuell an der rechtlichen Ausgestaltung des Bank- und Kapitalmarktrechts des EU-Mitgliedstaates Luxemburg orientieren oder an dem anderer international anerkannter „Steuer- oder Bankenaufsichtsoasen“ der Welt (s. ferner Gissurarson, Hvernig á getur Ísland orðið ríkasta landi í heimi?, 2001; Gissurarson/Herbertsson (Hrsg.), Tax Competition, 2001; Magnússon, Eignastýring, 2002; Valdimarsson, 49 TRL (1999), S. 219). Art. 35 und 36 des EWR-Vertrages regeln zusammen mit den Rechtsnormen des Annexes IX des EWR-Vertrages die Finanzdienstleistungen im Europäischen Wirtschaftsraum (s. unten). Dazu gehören insb. die Grundsätze der zu erfüllenden Aufgaben von Banken, Sparkassen oder anderen kommerziell tätigen Finanzinstituten im Gründungsstaat (heimaríkis). Diese Prinzipien des EWR-Vertrages haben Einfluss auf die Bankenaufsicht (bankaeftirlit), d. h. auf die Finanzaufsicht (fjármálaeftirlit) im isländischen Kapital- und Finanzmarktprivatrecht. Der EWR-Vertrag hat starke Implikationen auf die Isländische Gesetzgebung. Zusammen mit dem „europäischen“ Bank- und Kapitalmarkrecht (d. h. „acquis européen“ des EG-Bank- und Kapitalmarkrechts; s. unten) hat es den Erlass des im isländischen Bank- und Kapitalmarkrecht geltenden übergreifenden Finanzdienstleistungsunternehmensgesetz initiiert – vgl. EWR-Vertrag IX. Anlage EG-Verordnung Nr. 85/611/EG, 86/635/EG, 93/22/EG, 96/26/EG, 2000/12/EG und 2000/43/EG; Veränderung durch Gesetz Nr. 4/2004 (in Kraft seit 06.02.2006), Gesetz Nr. 129/2004 (in Kraft seit 31.12.2005), Gesetz Nr. 130/2004 (in Kraft seit 01.01.2006); vgl. Art. 21, Gesetz Nr. 161/2002; und vgl. ferner EWR-Vertrag I. Anlage EG-Verordnung Nr. 2002/87/EG, 2001/24/EG, Gesetz Nr. 67/2006 (in Kraft seit 24.06.2006), Gesetz Nr. 108/2006 (01.11.2006-vgl. Bekanntmachung Stjt. C Nr. 1/2006), Gesetz Nr. 170/2006 (in Kraft seit 01.01.2007) und Gesetz Nr. 55/2007 (in Kraft seit 03.04.2007) (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1144-1164) –, das für alle Finanzdienstleistungsunternehmen (fjármálafyrirtæki) gilt. Das Gesetz trat gem. Art. 113 am 01.01.2003 in Kraft. Es regelt den von ihm umfassten Anwendungsbereich abschließend. Der Anwendungsbereich umfässt hauptsächlich folgende Finanzdienstleistungsunternehmen: – kommerzielle Banken (viðskiptabankar), – kommerzielle Sparkassen (sparisjóðir), – andere Kreditunternehmen (lánastofnanir aðrar ehn viðskiptabankar og parisjóðir), – Wertpapierdienstleistungsunternehmen (verðbréfafyrirtæki), – elektronische Währungsunternehmen (rafeyrisfyrirtæki), – Wertpapiermaklerunternehmen (verðbréfamiðlanir). Neben dem Finanzdienstleistungsunternehmensgesetz bestehen weiterhin andere wichtige Rechtsquellen des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts, insbes. des privatrechtlichen kommerziellen Bankgeschäfts-, Bank- und Kapitalmarktprivatrechts (d. h. „Commercial Banking“). Von Bedeutung ist hier vor allem das übergreifende Gesetz über Wertpapierfonds und Investmentfonds (lög um verðbréfasjóði og fjárfestingasjóði) Nr. 30/2003 (s. Stjt. A-deild (2003), S. 51-70) (vom 20.03.2003), es trat am 01.07.2003 in Kraft (vgl. ferner Regelungen Nr. 530-532/2003 (vom 30.06.2003), Stjt. B-deild (2003), S. 1730- 1766 und Nr. 540/2003 (vom 30.06.2003), Stjt. B-deild (2003), S. 1780-1781).
Jónhildarson
4
2506
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
5
II. Bankenaufsicht und staatliche Kapitalmarktaufsicht. Art. 3, 4, 6, 7 und Kapitel VI (Art. 29-31) des Notenbankgesetzes Nr. 36/2001 (lög um Seðlabanka Íslands; s. Stjt.Adeild 2001, S. 70-77; s. im Allg. Alþt.A-deild, Heft Nr. 16, 2001, þskj. Nr. 1054, S. 45574585) legen fest, dass die öffentliche Bankenaufsicht der Notenbank obliegt. Im Widerspruch zu der Regelung steht die Gesetzgebung über die öffentliche Aufsicht der Finanztätigkeit Nr. 87/1998 (lög um opinbert eftirlit með fjármálastarfsemi, s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1199-1202), welche die Finanzaufsicht als Aufgabe eines gesonderten Organs oder Instituts im isländischen Kapital- und Finanzmarkt sieht (s. Alþt. A-deild, Heft Nr. 14, 1997-1998, þskj. Nr. 951, 122. Parlament, S. 395 und Alþt. A-deild, Heft Nr. 6, 1999-2000, þskj. Nr. 232, 125. Parlament, S. 1801-1813, und s. ferner Nefnd um endurskoðun á opinberu eftirliti með fjármálastofnunum/Iðnaðar-og viðskiptaráðuneytið, Endurskoðun á opinberu eftirliti með fjármálastofnunum – IVR Rit 98-1, Januar 1998). Nach Art. 93 dieses Gesetzes ist das staatliche Organ der Finanzaufsicht zugleich die zuständige Behörde für die Bankenaufsicht über die isländischen und ausländischen Banken und Sparkassen sowie die Unternehmen und Institute gem. Art. 1 des Gesetzes. Zwischen beiden Gesetzen besteht mithin ein gewisser Widerspruch bezüglich der Zuständigkeit der öffentlichen Bankenaufsicht.
6
Durch die Transformierung der verschiedenen Rechtsnormen des EWR-Rechts in das nationale isländische Recht entstand die Notwendigkeit mehrere Gesetze zu reformieren bzw. neu zu erlassen, so wurde etwa das Gesetz über die öffentliche Aufsicht der Finanztätigkeit Nr. 87/1998 (vgl. Art. 102-105 der Finanzdienstleistungsunternehmensgesetz Nr. 161/2002, zu den Gesetzesänderungen s.o.) und das neue Gesetz über Börsenmärkte (lög um kauphallir; Nr. 110/2007, vgl. EWR-Vertrag IX. Anlage EG-Verordnung 2004/ 39/EG (vom 26.06.2007, in Kraft getreten am 01.11.2007)), sowie das neue Gesetz über Wertpapierhandel (lög um verðbréfaviðskipti; Nr. 108/2007, vgl. EWR-Vertrag IX. Anlage EG-Verordnungen 89/298/EG, 89/592/EG, 2001/34/EG, 2003/6/EG, 2003/71/EG, 2003/124/EG und 2003/125/EG, EG-Richtlinie Nr. 2273/2003; EG-Verordnung Nr. 2004/25/EG 2004/39/EG, 2004/72/EG und 2004/109/EG (vom 26.06.2007, am 01.11.2007 in Kraft getreten)) im Zuge der Vorgabenumsetzung erlassen. Durch die Einführung genannter Gesetze wird primär das Ziel verfolgt, die Rechtssicherheit der Wertpapierinvestoren zu steigern. Des Weiteren soll die Information und die Transparenz im Wertpapier- bzw. Bank- und Kapitalmarkthandel sowie auch im Verbraucherschutz gefördert werden (s. Hrd. 213/2006 (23.11.2006), Hrd. 214/2006 (23.11.2006), vgl. ferner Hrd. 225/2006 (09.11.2006), vgl. Hrd. 225/2006 (09.11.2006)); vgl. auch das Gesetz über die Aufsicht über unlautere Geschäftsmethoden und die Transparenz des Marktes (lög um eftirlit með óréttmætum viðskiptaháttum og gagnsæi markaðarins) Nr. 57/2005 (vom 20.05.3005, in Kraft seit 01.07.2005), s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 111-1113; ähnlich – mit den gleichen Zielen des EG Wertpapier- und Bank- und Kapitalmarkthandelrechts – s. den Gesetzesentwurf über ein Gesetz über Börsenmärkte (frumvarp til laga um kauphallir) (http://www.althingi.is/altext/134/s/0008.html); s. den Gesetzesentwurf über ein Gesetz zum Wertpapierhandel (frumvarp til laga um verðbréfaviðskipti) (http:// www.althingi.is/altext/134/s/0007.html)).
7
1. Anwendungsbereich des Finanzdienstleistungsunternehmensgesetzes. Das Finanzdienstleistungsunternehmensgesetz Nr. 161/2002 (zu den Gesetzesänderungen s.o.) gilt für Finanzdienstleistungsunternehmen (fjármálafyrirtæki), die kein klassisches Bankgeschäft im Sinne des früheren isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts betreiben. Die Rechtsfolgen der Veränderung der Bankenaufsicht in eine Finanzaufsicht sind marginal, weil die Finanzaufsicht die rechtlichen Kompetenzen der Bankenaufsicht für viele andere Bereiche des Kapitalmarkts übernimmt, wie etwa die Aufischt im Versicherungskapi-
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2507
talmarkt (s. 30. Teil Versicherungsrecht (Vátryggingar); s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1218-1278) (vgl. ferner insb. das neue Gesetz über Versicherungsvermittlung (lög um miðlun vátrygginga) Nr. 32/2005, vgl. EWR-Vertrag IX. Anlage EG Verordnung Nr. 2002/92/EB (vom 11.05.2005, in Kraft seit 25.05.2005) (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S 1270-1278), das neue Gesetz über finanzielle Sicherheitsmaßnahmen (lög um fjárhagslegar tryggingarráðastafanir) Nr. 46/2005, vgl. EWR-Vertrag-IX. Anlage EG Verordnungen Nr. 2002/47/EG (vom 13.05.2005, in Kraft seit 30.05.2005) (s. Árnadóttir, a.a.O., S 1216-1217) oder im Rentenkapitalmarkt u.s.w. (vgl. Art. 2 des Gesetzes über öffentliche Aufsicht der Finanztätigkeit Nr. 87/1998; s. ferner Hrd. 1996.1255; s. Pálsson, 53 Úlfl. 2000, S. 415-428). Mögliche Zweifel bezüglich der Grenzen der gesetzlichen Kompetenzen der Finanzaufsicht lässt das EFTA-Gerichtsurteil Nr. 4/97 (Samband norskra banka gegn Eftirlitstofnun EFTA; vgl. teilw. Nordby 2000, S. 381-397) aufkommen. Die Kompetenz der Finanzaufsicht wird auf der Grundlage des EWR-Rechts und der vergleichbaren Kapitel VI. und Art. 102-104 des Finanzdienstleistungsunternehmensgesetzes Nr. 161/2002 (zu den Gesetzesänderungen s.o.), des Weiteren um die Kontrollaufsicht der Publizitätspflichten erweitert (flöggunarskyldur) (s. Hrd. 213/2006 (23.11.2006), Hrd. 214/2006 (23.11.2006), vgl. ferner Hrd. 225/2006 (09.11.2006)). Dieser Pflicht der Emittenten und anderer Beteiligter des isländischen Börsenmarktes muss bei der Zulassung ihrer Wertpapiere durch die Kauphöll Íslands hf. nachgekommen werden (Islands Börsenmarkt GmbH – Iceland Stock Exchange (seit dem 2. April 2007 ist Islands Börsenmarkt GmbH ein Teil der OMX Nordic Exchange (Stockholm) OMX AB (publ.) (Corporate Identity No. 556243-8001 (Schweden)); ferner sind seit Herbst 2007 weitere vorvertragliche Verhandlungen zwischen OMX Nordic Exchange (Stockholm) und Dubai Börsenmarkt (Dubai) im Gange). Das EWR-Recht enthält auch Vorgaben über die Kontrolle der Einhaltung des Insiderrechts (innherjaviðskipti) (vgl. insb. Regelung Nr. 630/2005 über Insiderhandel und Marktbetrug (reglugerð um innherjaviðskipti og markaðssvik), sowie über die Grundsätze der Insiderregelungen des isländischen Börsenhandelsrechts (vgl. Wertpapierhandelsgesetz Nr. 13/1996 u. Art. 102-104 Finanzdienstleistungsunternehmensgesetz Nr. 161/2002 (zu den Gesetzesänderungen s.o.) (vgl. Jónsson, 53 Úlfl. (2000), S. 430-459 (insb. S. 450-454; ferner s. unten). Kauphöll Íslands hf. (bzw. die OMX Nordic Exchange (Stockholm) OMX AB (publ.) Corporate Identity No. 556243-8001 (Schweden)). Das EWR schreibt darüber hinaus vor, welche Kompetenzen der Finanzaufsicht bezüglich der Einhaltung des Insiderrechts (innherjaviðskiptaréttar) und des Publizitätspflichtenrechts zukommen (flöggunarskylduréttar) (Harðarson, 54 Úlfl. (2001), S. 155. Ein weiterer Aufgabenbereich des gesetzlich festgelegten Tätigkeitsbereichs der Bankenaufsicht bzw. der Finanzaufsicht (s. Pálsson, 53 Úlfl. (2000), S. 415) wird durch die Regelung über Aufgaben der Finanzinstitute gegen die Geldwäsche hinzugefügt (reglugerð um hlutverk fjármálastofnana gegn peningaþvætti), vgl. Art. 2 Par. 2 des Gesetzes über öffentliche Aufsicht mit der Finanztätigkeit Nr. 87/ 1998. In ihren Aufgabenbereich fällt aufgrund dieser Zuweisung auch die Überwachung der Einhaltung des Geldwäschebekämpfungsgesetzes über Maßnahmen gegen Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus (lög um aðgerðir gegn peningaþvætti og fjármögnun hryðjuverka) Nr. 64/2006 (vom 14.06.2006; in Kraft seit 23.06.2006 u. 01.01.2007; Art. 12), vgl. EWR-Vertrag: EG-Verordnung Nr. 2005/60/EG (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1205-1209; http://www.althingi.is/lagas/134/2006064.html), s. ferner die Regelung Nr. 550/2006 über die Durchführung von Mitteilungspflichten und Untersuchungen der Zuverlässigkeit von Geschäftsmännern (Kunden) bei Maßnahmen gegen Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus; Regelung Nr. 626/2006 über die Bearbeitung von Mitteilungen über den Verdacht der Geldwäsche (reglugerð um meðhöndlun tikynninga um ætlað peningaþvætti). Der Verdacht der Geldwäsche und der Finan-
Jónhildarson
2508
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
zierung von Terrorismus sollen an das Geldwäschebüro (Peningaþvættisskrifstofa) des isländischen Staatspolizeidirektors (Ríkislögreglustjóri) gerichtet werden. Der Staatspolizeidirektor muß nach Empfang einer solchen Mitteilung eine strafrechtliche Untersuchung nach Art. 264 / Wirtschaftsstrafsachen des allg. Strafgesetzes einleiten (almenn hegningarlög) Nr. 19/1940 (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 633-655), s. Art. 2 der Regelung Nr. 804/2007 über Untersuchungen und Strafverfolgungsverfahren in Wirtschaftsstrafsachen (um rannsókn og saksókn efnahagsbrota). Der Jahresbericht 2006 des isländischen Geldwäschebüros enthält 323 Mitteilungen über den Verdacht der Geldwäsche und der Finanzierung von Terrorismus (s. Ríkislögreglustjóri/Ármannsson 2006, 2007). Keine dieser Mitteilungen (s. Ríkisendurskoðun, Vísbendingar um fjármálamisferli, 2006) wurde Gegenstand einer Strafverfolgung oder einer formellen Anklage (ákæra) des Staatspolizeidirektors i.S.d. Gesetzes über öffentliche Strafverfahren Nr. 91/1991 (lög um meðferð opinberra mála) (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 136-158; zum Berichtsjahr 2006 s. Ríkislögreglustjóri/Ármannsson 2006, S. 17). Die isländische Rechtsprechung (vgl. Hrd. 373/2005 (09.02.2006), Hrd. 347/2004 (28.05.2005), Hrd. 333/2003 (20.11.2003), Hrd. 203/2003 (28.05.2003), Hrd. 423/2002 (13.02.2003), Hrd. 372/2002 (03.04.2003), 151/2002 (27.03.2002), Hrd. 368/2001 (04.10.2001), Hrd. 367/2001 (04.10.2001), Hrd. 241/2001 (08.11.2001), Hrd. 200/2001 (08.11.2001) und Hrd. 161/ 2001 (08.11.2001) und die akademische Rechtslehre auf dem Gebiet des Geldwäscherechts (s. Ingason, 12 (4) Lögmannablaðið (2006), S. 6; s. Guðmundsson/Stefánsson, Lögbókin þín, 2007, S. 87) haben diesem Rechtsproblem bis jetzt wenig Beachtung geschenkt, so dass es noch kaum Veröffentlichungen zu diesem Thema gibt. Es wird jedoch darauf hinaus laufen, dass sich sowohl die Rechtslehre als auch die Rechtspraxis im Bereich des isländischen Geldwäscherechts bzw. des Rechts der Finanzierung von Terrorismus der voranschreitenden Entwickulng auf diesem Gebiet anpassen werden müssen. Die durch die „Globalisierung“, durch Kriminalität und Terrorismus bedingten Veränderungen fordern eine erhöhte Aufmerksamkeit und größeres Problembewusstsein der isländische Rechtssprechung bzw. Rechtspraxis (s. die Rechtsvergleichung zwischen norwegischem und internationalem Geldwäscherecht, Normann/Finansdepartmentet (Norwegien), 2007:10, 200; ferner s. Koh Jae-myong 2006). 8
2. Rechtsbehelfe. Gegen die Entscheidungen der Finanzaufsicht ist eine Beschwerde an die sog. Klagekommission (Kærunefnd) möglich (vgl. Art. 17 des Gesetzes über die öffentliche Aufsicht über die Finanztätigkeit Nr. 87/1998) (s. teilw. die Entscheidung des Ombudsmanns des isländischen Parlaments Nr. 3309/2001). Die isländische Finanzaufsichtsbehörde unterhält ferner einen Beschwerdedienst (Kvörtunarþjónusta). Bei ihm können natürliche und juristische Personen, die Missstände über die Geschäfte mit isländischen kommerziellen Finanzdienstleistungsunternehmen oder über andere Finanzinstitute anzeigen wollen, Beschwerde einreichen. Jedoch trifft die Finanzaufsichtsbehörde selbst keine Entscheidung im Einzelfall. Die isländischen Banken und andere isländische kommerzielle Geldinstitute, sonstige Finanzinstitute, die Finanzaufsicht und die isländische Verbraucherorganisation (Neytendasamtök Íslands) haben, außerhalb der gesetzlich organisierten Bankenaufsicht zusätzlich eine Entscheidungskommission (Úrskurðarnefnd) eingerichtet. Diese trifft im Einzelfall eine Entscheidung über Beschwerden natürlicher oder juristischer Personen, die sich über mit isländischen Finanzdienstleistungsunternehmen geschlossene Geschäfte beschweren wollen.
9
III. Bedeutende Rechtsquellen. 1. Das nationale isländische Bank- und Kapitalmarktrecht. Das isländische Bank- und Kapitalmarktrecht ist nur in einem geringen Um-
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2509
fang kodifiziert. Eine spezialgesetzliche Regelung dieses Rechtsgebietes gibt es in Island nicht, anders als für Teilgebiete dieses Bereichs im deutschen Recht. Die isländische Gesetzessammlung (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1129-1217) enthält in dem für Banken, Kreditinstitute und den Wertpapierhandel (bankar, lánastofnanir og verðbréfaviðskipti) geltenden Kapitel Nr. 29 die öffentlich-rechtlichen Rechtsquellen des isländischen Bankund Kapitalmarktrechts. Die Beurteilung der Rechtslage richtet sich beim isländischen Bank- und Kapitalmarktrecht daher vorwiegend nach den Rechtsquellen der allgemeinen Prinzipien des isländischen Schuldrechts (allmennar reglur íslensks kröfuréttar). Zwar sind auch diese Prinzipien nicht umfassend kodifiziert, jedoch enthält das Hauptkapitel Nr. 44 eine Übersicht über die wichtigsten Gesetze des isländischen Obligationenrechts (kröfuréttindi) (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1811-1868). Die allgemeinen Prinzipien werden ergänzt durch Grundsätze, welche durch die isländische Rechtsprechung im Kapitalmarktrecht (s. Sigurðsson, Dómar í verðbréfamarkaðsrétti 1980-2005,2006), die juristische Lehre und Theorie, sowie durch sogenannte „nordische Rechtsvergleichung“ entwickelt wurden (s. Sigurbjörnsson (Jónhildarson), Drobnig/Van Erp/International Academy of Comparative Law (Hrsg.), The Use of Comparative Law by Courts 1999, S. 189; Árnadóttir/Stefánsson/Örlygsson, 2007). Das wichtigste Gesetze des isländischen Schuldrechts ist das vor kurzem reformierte Vertragsgesetz Nr. 7/1936 (lög um samningsgerð, umboð og ógilda löggerninga) (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1812-1815), welches an die europäischen Vorgaben des Verbraucherschutzrechts angepasst wurde (s. Artikel 36, 36 a.-d. des Vertragsgesetzes, geändert durch Gesetz Nr. 14/1995) (Árnadóttir, a.a.O., S. 1814-1815). Weitere wichtige Rechtsquellen des isländischen Bankprivatrechts sind – neben den noch aus früherer Zeit bestehenden Rechtsquellen – das neue Kaufgesetz (lög um lausafjárkaup-kaupalög) Nr. 50/2000 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1819-1828; Örlygsson, 54 Úlfl. (2001), S. 41-69; Örlygson, 52 TRL (2002), S. 15), das Gesetz über den Immobilienkauf (lög um fasteignakaup) Nr. 40/2002 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1834-1839), sowie das Gesetz über Dienstleistungen (lög um þjónustukaup) (Árnadóttir, a.a.O., S. 1828-1831), das Wechselgesetz (víxillög) Nr. 33/1933 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1845-1853) und das Scheckgesetz (lög um tékka) Nr. 94/1933 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1853-1858). Weitere entscheidungsrelevante Normen beinhaltet das Verjährungsgesetz (lög um fyrningu skulda og annarra kröfuréttinda) Nr. 14/1905 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1866-1868) und das Ersitzungsgesetz Nr. 46/ 1905 (lög um hefð) Nr. 46/1905 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1980), das jedoch eher ein Bestandteil des isländischen Sachenrechts ist. Die Kollisionsnormen des Gesetzes über das internationale Privatvertragsrecht (lög um lagaskil á sviði samningaréttar) Nr. 43/2000 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1817-1819; Gunnarsson, 53 TRL (2003), S. 137) gelten nur bedingt für das isländische internationale Bank- und Kapitalmarktprivatrecht (Art. 1 Par. 1 Buchst. c.; s. ferner Alþt. A-deild, Heft Nr. 2 (1999-2000), þskj. Nr. 70, S. 684-711). Die international-privatrechtlichen Kollisionsnormen des EWR-Rechts hingegen, die vom EWR-Vertragsrecht abgeleitet sind, haben nach Art. 18 des Gesetzes über internationales Privatvertragsrecht Nr. 43/2000 Vorrang (lex specialis oder lex superior) vor den innergesetzlichen Kollisionsnormen. Durch die in Art. 3 dieses Gesetzes festgelegte Parteiautonomie können die Vertragsparteien sich über das anzuwendene Recht einigen. Dies gilt jedoch nur, soweit Art. 7 des Gesetzes über das internationale Privatvertragsrecht Nr. 43/2000 nicht Kollisionsnormen vorsieht, die als zwingend anzuwendene Vorschriften (ófrávíkjanlegar reglur) des ausländischen und isländischen internationalen Privatrechts unabdingbar sind. Das neue Kaufgesetz Nr. 50/2000 (s. Stjt. A-deild (2000), S. 107- 128) gilt nicht für den Kauf von Immobilien (Art. 1). Es enthält aber die neuen Kollisionsnormen des interna-
Jónhildarson
2510
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
tionalen Privatkaufrechts (alþjóðleg kaup; Art. 87-98). Die Rechtsnormen des neuen Gesetzes über Dienstleistungen Nr. 42/2000 sind nicht direkt auf das Bank- und Kapitalmarktrecht anwendbar (lög um þjónustukaup; Stjt. A-deild (2000), S. 80-87), dasselbe gilt für die Normen des Gesetzes über den Verbrauchsgüterkauf (lög um neytendakaup) Nr. 48/2003, vgl. EWR-Vertrag XIX. Anlage EG Verordnung Nr. 1999/44/EG (vom 20.03.2003) (Árnadóttir, a.a.O., S. 1839-1845). Das Gesetz über den Verbrauchsgüterkauf Nr. 48/2003 trat am 01.06.2003 in Kraft, jedoch gelten die einzelnen Gesetzesbestimmungen nach Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 lit. d. des Gesetzes nicht (direkt) für das Bankund Kapitalmarktdienstleistungsrecht, welches auch ein Teil des isländischen Verbraucherrechts ist. Das isländische Deliktsrecht („skaðabótaréttur“) ist ein Teil des Schuldrechts und wurde das erste Mal mit der Einführung des Deliktsgesetzes (skaðabótalög) Nr. 50/1993 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1859-1862) im Jahre 1993 zumindest teilweise kodifiziert (s. Björnsson, Skaðabótaréttur 1999; Matthíasson, Skaðabótaréttur, 2005). 10
Das isländische Bank- und Kapitalmarktprivatrecht hat weitere wichtige Berührungspunkte mit anderen Rechtsquellen des isländischen Wirtschaftsprivatrechts, sowohl als auch mit dem öffentlich-rechtlichen Teil des isländischen Wirtschaftsrechts. Das betrifft z. B. das Gesellschaftsrecht (lög um félög og firmu – félagaréttur og firmaréttur) und das Stiftungsrecht (stofnanir og sjóðir – sjálfseignarstofnanir; s. das Hauptkapitel Nr. 45 der Gesetzessammlung (félög, firmu og stofnanir) (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1869-1979). Die wichtigsten Grundsätze des isländischen Gesellschaftsrechts (s. Björgvinsdóttir, Félagaréttur, 1999) sind in letzter Zeit weitgehend an das europäische Gesellschaftsrecht angepasst worden. Aktuelle Beispiele hierfür sind das Gesetz über die Europäischen Genossenschaften: SCE (lög um evrópsk sameignarfélög) Nr. 92/2006 (vom 14. Juni 2006, in Kraft seit 18.08.2006) (Árnadóttir, a.a.O., S. 1955-1973) und das Gesetz über Europäische Gesellschaften: SE (lög um Evrópufélög) Nr. 26/2004, vgl. EWR-Vertrag Anlage Nr. 2157/2001/EG (vom 27.04.2004, in Kraft seit 08.10.2004) (Árnadóttir, a.a.O., S. 1941-1955). Das neue Gesetz über Gemeinbesitzgesellschaften (lög um sameignarfélög) Nr. 50/2007 (vom 27. März 2007, in Kraft seit 01.01.2008) (Árnadóttir, a.a.O., S. 1877-1883) stellt zum Teil eine vom modernen europäischen Gesellschaftsrecht abweichende Regelung dar, die als isländische Besonderheit hinzunehmen ist (s. Kommentar zum Getzesentwurf über ein Gesetz über Gemeinbesitzgesellschaften (frumvarp til laga um sameignarfélög) (http://www.althingi.is/altext/133/s/0079.html)). Das an dieser Stelle wichtigste Beispiel für die Europäisierung des isländischen Gesellschaftsrechts bilden die Privataktiengesellschaften (einkahlutafélög) des Privataktiengesellschaftsgesetzes (lög um einkahlutafélög) Nr. 138/1994 (s. insb. EWR-Vertrag XXII. Anlage und EG-Verordnungen; Árnadóttir, a.a.O., S. 1895-1914). Die isländischen Privataktiengesellschaften sind an das Modell im dänischen Gesellschaftsrecht und die deutsche GmbH angelehnt (vgl. das Aktiengesellschaftsgesetz (lög um hlutafélög) Nr. 2/1995 (s. insb. EWR-Vertrag XXII. Anlage und EG-Verordnungen; Árnadóttir, a.a.O., S. 1914-1938), sowie an das Gesetz über internationale kommerzielle Aktien- und Privataktiengesellschaften (lög um alþjóðleg viðskiptafélög) Nr. 31/1999 (Árnadóttir, a.a.O., S. 19381940). Schließlich ist auch das Gesetz über europäische kommerzielle Interessengesellschaften Nr. 159/1994 (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1871-1877) ein Bestandteil des EWRRechts, oder besser gesagt des – „acquis européen“ – Gesellschaftsrechts (Rn. 12).
11
Weitere Berührungspunkte des isländischen Bankprivat- und Kapitalmarktrechts bestehen mit anderen nationalen Rechtsquellen des isländischen Wirtschaftsprivatrechts, ferner mit den Rechtsquellen des isländischen Sachenrechts (eignarréttar) und Kreditsicherheitsrechts (veðréttindi). Man findet sie im Hauptkapitel Nr. 46 Sachenrecht (hlutaréttindi) der Gesetzessammlung (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1980-2039). Die für das
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2511
Bank- und Kapitalmarktrecht wichtigsten Gesetzesquellen sind das Gesetz über Vertragssicherungsbürgschaftsverhältnisse (lög um samningsveð) Nr. 75/1997 (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1995-1999) sowie das Gesetz über das öffentliche Notariat (þinglýsingalög) Nr. 39/1978 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1999-2006). Diese Gesetze werden durch die allgemeinen Prinzipien des isländischen Sachen- und Kreditsicherheitsrechts ergänzt, die weitgehend durch die isländische juristische akademische Lehre und Theorie entwickelt wurden. 2. Der Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Vertrag) und die EWR-Rechtsquellen (acquis européen). Der Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (d. h. der EWR-Vertrag, Evrópska efnhagssvæðið, abgekürzt „EES“ in Isländisch) wurde am 02.05.1992 von Island (und den sechs anderen EFTA-Staaten) sowie den zwölf EG/EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Schweden und Finnland sind später Mitgliedstaaten der EG/EU geworden. Norwegen ist -ebenfalls wie Island- nicht Mitgliedstaat der EG/EU und bildet zusammen mit Island eines der letzten autonomen Gebiete der nordischen zwischenstaatlichen Kooperation auf der Grundlage des Nordischen Vertrages über Zusammenarbeit (Samstarfssamningur Norðurlanda) vom 23. März 1962, und nimmt am nordischen Bank- und Kapitalmarktrecht sowie am nordischen Rechtskreis teil (acquis nordique). Der EWR-Vertrag gilt auch für die neuen osteuropäischen und für weitere zukünftige EU-Mitgliedstaaten als Teil des acquis européen.
12
Der EWR-Vertrag wurde in Island durch das EWR-Gesetz von 1993 eine zwingend ins nationale Recht umzusetzende Vorgabe. (EWR-Gesetz – lög um evrópska efnahagssvæðið; Nr. 2/1993, insb. EWR-Vertrag, die Anlagen und EG-Verordungen, Richtlinien usw.; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 559-574; vgl. ferner ABlEG Nr. L 1/94 vom 16.01.1994, S. 1 ff.). Nach verschiedenen Vorschriften des EWR-Vertrages, nach weiteren EWRRechtsquellen und nach Artikel 3 EWR-Gesetz Nr. 2/1993 sollen die Rechtsgrundsätze des nationalen isländischen Rechts dem EWR-Recht angepasst werden. Entsprechend dem EWR-Vertrag und der vorgesehenen Transformation ins nationale Recht (Rn. 27) müssen die Rechtsnormen des EG-Rechts über Bank- und Kapitalmarktrecht von Island ebenso wie von den anderen EFTA-Staaten übernommen werden. Allerdings haben die EG-Rechtsnormen des Bank- und Kapitalmarktrechts durch den ebenfalls gesetzlich vorgeschriebenen Auslegungszwang des Artikel 3 EWR-Gesetz Nr. 2/1993 zusammen mit Protokoll 35 des EWR-Vertrages, eine nahezu direkte rechtliche Auswirkung auf das nationale isländische Recht. Das europäische Recht gilt also auch ohne die verfassungsrechtlich zwingend vorgesehene Umsetzung und ohne die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Veröffentlichung der übernommenen EG-Rechtsnormen (s. die kritische Entscheidung des Ombudsmanns des isländischen Parlaments (Umboðsmanns Alþingis) Nr. 2151/1997, s. SuA 1998:64 S. 64-86).
13
Auch wenn die Rechtsanwendung und die Auslegung der Rechtsnormen des EG-Rechts im nationalen isländischen Recht theoretisch vorgegeben ist, besteht bei der tatsächlichen Umsetzung in die Rechtspraxis bis jetzt ein gleichermaßen akademisches wie praktisches Problem (s. allg. über diesen fortwährenden, aber ungelösten Verfassungsstreit Hrd. 1994. 1451 und EFTA-Ger. Erla María Sveinbjörnsdóttir gegn íslenska ríkinu Nr. E9/97; s. Pálsson, 48 TRL (1998), S. 124-128; vgl. ferner Hrd. 276/2004 (07.09.2004) (eine Ablehnung („acte-clair-Doktrin“) einer EFTA-Gerichtsvorlageverfahrensklage des Obersten Isländischen Gerichtshofs (Hæstiréttur Íslands); ferner s. Hrd. 212/2005 (07.06.2005) (eine Zustimmung einer EFTA-Gerichtsvorlageverfahrensklage); s. insb. Hrd. 274/2006 (24.05.2006) (das EFTA-Gericht ist nicht zuständig für die Auslegung der Isländischen Verfassung) und die folgenden wichtigen Beiträge: Gunnlaugsson/Kolbeinsson/Stefánsson, Skýrsla um lögleiðingu EES- gerða, 1998; Björgvinsson, 2000,
Jónhildarson
2512
14
15
16
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
S. 77-109; Tynes, 55 Úfl. (2002), S. 473-496; Líndal, 2002; Heimisdóttir, 53 TRL (2003), S. 19; Björgvinsson, EES-réttur og landsréttur, 2006). Der beschriebene Auslegungszwang des Artikels 3 des EWR-Gesetzes Nr. 2/1993 ist auch zwingend bei der Auslegung des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts zu beachten (vgl. Magnússon, FS G. G. Schram (2002), S. 461). Die Rechtsfolgen des EWRVertrages und des acquis européen sind im isländischen Investitionsrecht zu spüren, dies gilt insb. für Art. 40-45 des EWR-Vertrages, die auf den freien Kapitalverkehr Anwendung finden (s. Stefánsson, Evrópusambandið og Evrópska efnahagssvæðið, 2000, S. 510-515, 901-902). Vergleiche ferner das Gesetz über die Investitionen von Ausländern im Gewerbe (lög um fjárfestingu erlendra aðila í atvinnurekstri) Nr. 34/1991 (vgl. EWR-Vertrag XII. Anlage; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1042-1044). Ausnahmen. Die Regeln des EWR-Vertrages haben also für das isländische Investitionsrecht sowie für das isländische Bank- und Kapitalmarktrecht allgemeine Geltung. Wichtige Ausnahmen bilden der VII. und XII. Annex des EWR-Vertrages, die insb. die Bereiche der Fischfang- und Fischereiindustrie betreffen (s. Pétursdóttir, Property Rights in the Fishing Industry: Proceedings of a Seminar held in Reykjavík in November 1995, 1997; vgl. ferner Stefánsson/Jónsson, Úlfljótur 50 ára -afmælisrit, 1997, S. 275-309). Weitere Ausnahmen finden sich im isländischen Investitionsrecht, hinsichtlich des Grundbesitzes und Immobilien (fasteignir; s. Stefánsson, Evrópusambandið, 2000, S. 513 und S. 815-816). Der IX. Annex des EWR-Vertrages regelt die Grundprinzipien der Freiheit des Kapitalverkehrs. Vom Anwendungsbereich des isländichen Bank- und Kapitalmarktrechts erfasst sind die Korrelation und die Kooperation zwischen inländischen Parteien, sowie auch zwischen den EWR-Mitgliedstaaten innerhalb des EWR. Diese Grundsätze des EWR-Vertrages haben insb. Einfluss auf die Bankenaufsicht (bankaeftirlit; jetzt die Finanzaufsicht). 3. Die nordische Zusammenarbeit und das isländische Bank- und Kapitalmarktrecht (acquis nordique). Der Vertrag über die Errichtung der Nordischen Investitionsbank (Samningur um stofnun Norræna fjárfestingabankans) vom 4. Dezember 1975 wurde durch den neuen Vertrag über die Errichtung der Nordischen Investionsbank vom 23.10.1998 (in Kraft seit 18.07.1999) aufgehoben (s. Stjt. C-Deild (1999), Nr. 15/1999). Er ist die Grundlage für den nordischen Bestandteil (acquis nordique) des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1197-1199). Vgl. ferner das Gesetz Nr. 102/1990 über nordische Investitionsgesellschaften im Bereich des Umweltschutzes (lög um norrænt fjármögnunarfélag á sviði umhverfisverndar) (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1199; vgl. Nordischen Vertrag über Investionsgesellschaften im Bereich des Umweltschutzes (NEFCO) vom 06.11.1998, in Kraft seit 09.10.1999; s. Stjt. C-deild (1999), Nr. 18/1999 S. 141-144).
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditformen. Die Gesamtheit der rechtlichen Regeln über die unterschiedlichen Kreditformen des isländischen Bankprivatrechts kann in diesem kurzen Beitrag nicht dargestellt werden. Die wichtigsten Kreditformen sind folgende: Der Grundstücks- und Immobilienpfandkredit (fasteignaveð), ferner der Mobiliarpfandkredit (lausafjárveð), etwa zur Sicherung eines Kredits durch Verpfändung eines Pkw oder eines Flugzeugs. Weitere Kreditformen sind Teilzahlungsgeschäfte (raðgreiðslur), insb. mit Kreditkarten als Zahlungsmittel, der Verbraucherdarlehensvertrag (kaup með eignaréttarfyrirvara), das Finanzierungsleasing (fjármögnunarleiga), sowie der Dispositionskredit (kaup með greiðslufresti), vgl. auch das Vertragssicherungsbürgschaftsverhältnis (lög um samningsveð) Nr. 75/1997 (s. ferner Örlygsson, Veðréttur, 2002).
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2513
II. Kreditsicherheiten. Die Sicherungshypothek/Sicherungsgrundschuld (fasteignaveðskuldarbréf oder tryggingarréttindi; viðskiptabréf tryggt með samningsveði í fasteign) ist die praxisrelevanteste Kreditsicherheit im isländischen Bankprivatrecht. Das gilt insbesondere auch für die staatliche Unterstützung durch Darlehensgewährung beim Wohnungsbau (Íbúðarlánasjóður) (vgl. das Gesetz über Wohnungssachen (lög um húsnæðislán) Nr. 44/1998 (s. Árnadóttir, Lagasafn, 2007, S. 1577-1526) Das Gesetz über das Wohnungsbauinstitut des isländischen Staates (lög um Húsnæðisstofnun ríkisins) Nr. 97/1993 (Árnadóttir, a.a.O., S. 1526-1532; ferner s. Hauptteil Nr. 37 Buchstab e. Wohnungsdarlehen (húsnæðislán), dazu Árnadóttir, a.a.O., S. 1517-1533) ermöglicht zahlreichen isländischen natürlichen Personen, eine eigene private Wohnung oder ein Haus zu finanzieren. Der rechtliche Schutz von Kreditsicherheiten des nationalen isländischen Bankprivatrechts ist insb. mit Rücksicht auf Rechte dritter Parteien (z. B. die Insolvenzvorrechte der Wohnungsdarlehensstiftung (Íbúðarlánasjóð)) abhängig von den gemeinsamen Rechtsnormen des Gesetzes über das Vertragssicherungsbürgschaftsverhältnis Nr. 75/1997 und des Gesetzes über das öffentliche Notariat (þinglýsingalög) Nr. 398/1978.
17
Eine der neuesten Kreditsicherheiten und -formen des isländischen Bankprivatrechts findet sich in dem neuen „europäischen“ (acquis européen) Verbraucherdarlehensgesetz (lög um neytendavernd) Nr. 121/1994 (s. Árnadóttir, a.a.O., 2007, S. 1099-1102), das Bestandteil des fünften Teils und des zweiten Kapitels des EWR-Vertrages ist. Zu den neu eingeführten Kreditsicherheiten gehört auch das Vertragsgarantieverhältnis), das zwischen dem gesetzlichen Herausgeber von Kreditkarten (útgefanda greiðslukorts, Banken und Sparkassen) und dem Kreditkarteninhaber (korthafa), sowie dessen Garanten begründet werden kann (ábyrgðarmaður). Es ist ein sehr wichtiges Sicherungsmittel des isländischen Kreditkartenmarktes, wobei die Kreditkarte das Hauptzahlungsmittel in Island ist.
C. Währung – Konto und Zahlungsverkehr
18
I. Die gesetzliche isländische Währung und der Euro. Die gesetzliche Währung (lögeyrir) im isländischen Bank- und Kapitalmarktprivatrecht ist die króna (vgl. das Gesetz über die Währung von Island (lög um gjaldmiðil Íslands) Nr.22/1968 (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 344-345; Guðmundsson/Stefánsson, a. a. O., S. 169, 269, 298 und 328). Bis 2003 war die króna noch in 100 aurar unterteilt. Sie wird in Geldscheinen (peningaseðlar) und Münzen (mynt) verkörpert. Herausgeber der gesetzlichen Währung ist die isländische Notenbank (Seðlabanki Íslands); vgl. Art. 5 des Notenbankgesetzes Nr. 36/2001 (lög um Seðlabanka Íslands) (s. Árnadóttir u.a. (Hrsg.), Lagasafn, 11. Aufl., 2007, S. 1129-1132). Sie kontrolliert auch den Wechselkurs (gengismál), den Währungsmarkt (gjaldeyrismarkaður) und den ausländischen Währungshandel (verslun með erlendan gjaldeyri); vgl. auch Art. 18-20 des Notenbankgesetzes Nr. 36/2001 sowie die Einhaltung des Währungsgesetzes (lög um gjaldeyrismál) Nr. 87/1992 (Árnadóttir, Lagasafn, a.a.O., S. 348-350). Die neue Regelung über den Währungsmarkt (reglur um gjaldeyrismarkað) Nr. 742/2000 (Stjt. B-Deild, S. 2101-2105) und die Regelung über den Zwischenwährungshandelsvertragsmarkt Nr. 187/2002 (reglur um millibankamarkað með gjaldeyriskiptasamninga; Stjt. B (2002), S. 421-422) erlauben auch anderen Marktteilnehmern (markaðsaðilar; kommerziellen Banken und Sparkassen als sog. „Wirtschaftsbeweger“ (viðskiptavakar)) die Beteiligung an dem Zwischenwährungshandelsmarkt (millibankamarkaði) und an dem Währungsmarkt (s. ferner die Regelung über den Devisenzwischenmarkt (reglur um gjaldeyrisskiptimarkað) Nr. 913/2002; Stjt.B-deild (2002), S. 2274-2277). Die Notenbank kontrolliert nur teilweise die zum Teil öffentlich-rechtlichen Rechtsnormen des isländischen nationalen Zinsrechts (vaxtaréttur) und Preisgarantierechts
Jónhildarson
19
2514
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
(verðtryggingaréttur) im isländischen Bank- und Kapitalmarktprivatrecht. Dies begründet sich durch die Regelung des neuen Gesetzes über Zinsen und Preisgarantie (lög um vexti og verðtryggingu) Nr. 38/2001 (geändert durch das Gesetz Nr. 51/2007, in Kraft seit 01.01.2008; vgl. EWR-Vertrag EG-Verordnung 2000/35/EG; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1864-1866), welche die Autonomie der Vertragsparteien weitgehend anerkennt (Art. 2). Die vor kurzem eingeführten Gesetze des isländischen Zins- und Preisgarantierechts sind weitere Beispiele für die Privatisierung des isländischen Bank- und Kapitalmarkts (vgl. Matthíasson, 50 TRL (2000), S. 125-141); s. ferner den Gesetzesentwurf über ein Gesetz über Zinsen und Preisgarantie (frumvarp til laga um vexti og verðtryggingu), þskj.873, Sache Nr. 566 Sdr. (22 S.). 20
Island ist nicht Mitgliedstaat des Vertrages über die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWW; Efnahags-og myntbandalag Evrópu), der am 07.02.1992 von den EGMitgliedstaaten unterzeichnet wurde und am 01.11.1993 in Kraft trat (Vertrag von Maastricht). Deshalb ist Island auch nicht Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB). Weder der EWW-Vertrag noch der EWR-Vertrag lassen die Möglichkeit zu, dass Island oder auch die anderen EFTA-Staaten auf der Grundlage des EWR-Vertrages Mitgliedstaat oder auch nur Neben-Mitgliedstaat der EWW werden können. Art. 18 Par. 2 des Notenbankgesetzes Nr. 36/2001 ermächtigt die Notenbank, mit Zustimmung des Ministerpräsidenten (forsætisráðherra), den Gegenwert (verðgildi) der króna im Vergleich zu ausländischen Währungen wie dem Euro mitzubestimmen. Die Entscheidungen der Notenbank und des Ministerpräsidenten erfolgen in der Form einer einseitigen verwaltungsrechtlichen Erklärung. Das gesetzliche Zahlungsmittel der EWW-Mitgliedstaaten, also der Euro (evra), ist im autonomen isländischen Bank- und Kapitalmarktrecht kein gesetzliches Zahlungsmittel. Das Gesetz über die fortdauernde Geltung von Verträgen nach der Einführung des Euro (lög um áframhaldandi gildi samninga með tilkomu evrunnar) Nr. 39/1998 (vgl. EWR IX. Anlage EG Verordnung Nr. 93/6/EG; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 345) versucht, die Rechtsunsicherheit in Bezug auf Verträge, die vor Einführung des Euro abgeschlossen wurden, zu beseitigen, nachdem die bisherigen nationalen Währungen in den EWW-Mitgliedstaaten durch den Euro ersetzt worden sind. Zudem wurde ein neues Gesetz ins isländische Wirtschaftsrecht eingeführt, das die Bezahlung mit Euro im internationalen Zahlungsverkehr regelt (lög um greiðslur yfir landamæri í evrum) Nr. 146/2004 (vom 22.12.2004, in Kraft seit 01.01.2005) (vgl. auch die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates (EG) Nr. 2560/2006 vom 19.12.2001; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 345-398).
21
II. Konto und Zahlungsverkehr. Das isländische Bankenprivatgeschäft regelt den bargeldlosen isländischen Bankenzahlungsverkehr, indem es die kommerzielle Zusammenarbeit zwischen den isländischen Banken und Sparkassen, der Notenbank sowie den privaten juristischen Personen leitet. Zu den privaten juristischen Personen zählen in Island auch die privaten Wirtschaftszweige des isländischen Post- und Telekommunikationsmarktes. Die häufigsten Formen des bargeldlosen isländischen Bankenzahlungsverkehrs sind die Bezahlung fälliger Geldschulden im Rahmen des Girogeschäftes (gíróviðskipti), Girokonten (gíróreikningar), Giroscheck (gíróávísun), sowie Girozetteln (gíróseðill) (s. Guðmundsson/Stefánsson, a. a. O., S. 167-168; ferner s. die Entscheidungen des Ombudsmanns des isländischen Parlaments Nr. 3350/2001 und Nr. 4741/ 2006). Ein besonders bedeutsames Zahlungsmittel im modernen Zahlungsverkehr Islands sind Kreditkarten. Die wichtigsten Rechtsnormen der staatlichen Aufsicht des öffentlichrechtlichen Wettbewerbsinstituts (Samkeppnisstofnun) und des Wettbewerbsrates (Samkeppnisráð) über die Herausgabe von Kreditkarten und die allgemeinen Geschäftsbedin-
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2515
gungen bei Kreditkarten enthält Kapitel VIII (Art. 35-37) des Wettbewerbsgesetzes (samkeppnislög) Nr. 44/2005 (vom 19.05.2005, in Kraft seit 03.04.2007; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1092-1099; Ármannsson, 57 Úlfl. (2004), S. 139; Einarsson, 56 TRL (2006), S. 55; Guðmundsdóttir, 57 Úlfl. (2004), S. 87; Herbertsson, 57 Úlfl. (2004), S. 101; Mogensen/ Holm, 57 Úlfl. (2004), S. 133; Spanó, 56 TRL (2006), S. 295). Eine Tochtergesellschaft (Zweigstelle- „Europay International Ísland“) der internationalen Dachorganisation „Europay International S. A. Brüssel“ ist in letzter Zeit im isländischen internationalen edcSystem („electronic debit card“) als Teil des grenzüberschreitenden isländischen Debitkarten-Service wirtschaftlich tätig.
D. Kapitalmarktrecht
22
I. Börsenrecht. Erst seit der Umsetzung des EWR-Vertrages existiert im nationalen Recht (Rn. 13) ein vollständig börsenmäßig organisierter Wertpapierhandel mit einem modernen Wertpapierhandelsgesetz (s. das neue Gesetz über Wertpapierhandel (lög um verðbréfaviðskipti) Nr. 108/2007; vgl. EWR-Vertrag IX. Anlage EG-Verordnungen 89/ 298/EG, 89/592/EG, 2001/34/EG, 2003/6/EG, 2003/71/EG, 2003/124/EG und 2003/125/ EG; EG-Richtlinie Nr. 2273/2003; EG-Verordnung Nr. 2004/25/EG 2004/39/EG, 2004/ 72/EG und 2004/109/EG (vom 26.06.2007, am 01.11.2007 in Kraft getreten (http:// www.althingi.is/lagas/134/2007108.html)); das neue Gesetz über Börsenmärkte (lög um kauphallir) Nr. 110/2007; vgl. EWR-Vertrag IX. Anlage EG-Verordnung 2004/39/EG (vom 26.06.2007, in Kraft getreten am 01.11.2007 (http://www.althingi.is/lagas/134/ 2007110.html)); und die Regelung Nr. 245/2006 über öffentliche Registrierung von Wertpapieren im Börsenmarkt (reglugerð um opinbera skráningu verðbréfa í kauphöll); die Regelung über allgemeine Ausbietung von Wertpapieren im Wert von 8,4 bis 210 Millionen krónur (reglugerð um almennt útboð verðbréfa að verðmæti 8,4 til 210 millj. Kr.) (s. Björgvinsdóttir, 54 Úlfl. (2001), S. 344-360); ferner s. Hall, 53 Úlfl. (2000), S. 389398; Sigurðsson, 52 TRL (2002), S. 223). Die Börse als Marktveranstalter ist nicht öffentlich-rechtlich, sondern weitgehend privatrechtlich organsiert. Die isländische Stiftung Eignarhaldsfélag Verðbréfaþing Íslands hf. (Islands Wertpapiermarkt GmbH) hat auf der Rechtsgrundlage des Börsenhandelsmarktgesetzes Nr. 34/1998 (lög um starfsemi kauphalla og skipulegra tilboðsmarkaða) am 6. Juni 2002 zwei Aktiengesellschaften errichtet: Die Kauphöll Íslands hf. (Islands Börsenmarkt GmbH–Iceland Stock Exchange (bzw. OMX Nordic Exchange (Stockholm) OMX AB (publ.) (Corporate Identity No. 556243-8001 (Schweden)), und die Verðbréfaskráning Íslands hf. (Islands Wertpapierregistrierung GmbH – Icelandic Securities Depository; vgl. Ordnung der Verðbréfaskráning Íslands hf. vom 13. Juni 2007 (http:// www.vbsi.is) („Lög og reglur“-law and regulations)) sind bisher als einzige Börsenhandelsaktiengesellschaften und Börsenmarktveranstalter auf dem isländischen Börsenhandelsmarkt tätig. Weitere entscheidungsrelevante Vorschriften den isländischen elektronischen Wertpapierhandel betreffend (s. Axelsson 53 Úlfl. (2000), S. 400-414) sind die Regelung über die Registrierung von Wertpapieren bei Kauphöll Íslands hf. (bzw. OMX Nordic Exchange (Stockholm) OMX AB (publ.) (Corporate Identity No. 556243-8001 (Schweden)) und das Gesetz über elektronische Eigentumsregistrierung von Wertpapieren (lög um rafræna eignarskráningu verðbréf) Nr. 131/1997 (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1132-1137; ferner im Englischen s. http://www.vbsi.is), sowie die Regelung Nr. 397/2000 über elektronische Eigentumsregistrierung von Wertpapieren (reglugerð um rafræna eignarskráningu verðbréfa; s. Stjt. B-deild (2000), S. 875-888; ferner im Englischen s. http://www.vbsi.is) und das neue Gesetz über den Distanzverkauf von Finanzdienstleistungen (lög um fjarsölu á
Jónhildarson
2516
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
fjármálaþjónustu) Nr. 33/2005 (vom 11.05.2005, in Kraft seit 01.07.2005; vgl. EWR-Vertrag IX. Anlage und XIX. Anlage EG Verordnung Nr. 2002/65/EG; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1213-1216); vgl. das Gesetz über elektronische Unterschrift (lög um rafrænar undirskriftir) Nr. 28/2001; vgl. EWR-Vertrag XI. Anlage EG-Verordnung Nr. 99/93/EG (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1102-1105) und das Gesetz über elektronische Geschäfte und andere elektronische Dienstleistungen (lög um rafræn viðskipti og aðra rafræna þjónustu) Nr. 30/ 2002 vgl. EWR-Vertrag XI. Anlage EG-Verordnung Nr. 2000/31/EG (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1106-1108). 23
Das EWR-Recht hat auch Einfluss auf Kapitel 7 des Börsenhandelsmarktgesetzes Nr. 34/ 1998, das zum Schutz der Anleger verschiedene Pflichten festlegt. Dazu gehören die Publizitätspflichten des Emittenten, der Parteien des Börsenhandels und des Eigentümers von Wertpapieren, die auf dem Börsenhandelsmarkt registriert sind. Des Weiteren sind in dem Kapitel auch weitreichendere Verhaltenspflichten der Emittenten in Verbindung mit der Zulassung von Wertpapieren auf Kauphöll Íslands hf geregelt (bzw. die OMX Nordic Exchange (Stockholm) OMX AB (publ.) (Corporate Identity No. 556243-8001 (Schweden)). Die Einhaltung der Publizitätspflichten wird durch die staatliche Bankenaufsicht sowie durch die Finanzaufsicht kontrolliert (vgl. Skarphéðinsson, 53 Úlfl. 53 (2000), S. 460-480). Siehe ferner die Verhaltenspflichten für die Parteien in Kauphöll Íslands hf. (Islands Börsenmarkt GmbH) (bzw. die OMX Nordic Exchange (Stockholm) OMX AB (publ.) (Corporate Identity No. 556243-8001 (Schweden) vom 1. Juli 1999 (Regelungen der ICEX Nr. 5).
24
II. Wertpapierrecht. Die wichtigste Rechtsgrundlage im isländischen Wertpapierrecht stellt das Wertpapierhandelsgesetz Nr. 13/1996 (verðbréfaviðskiptalög) dar. Es gilt allerdings nur für den börsenmäßig organisierten Wertpapierhandel gemäß dem Börsenhandelsmarktgesetz Nr. 34/1998 (lög um starfsemi kauphalla og skiplegra tilboðsmarkaða; s. Björgvinsdóttir, 54 Úlfl. (2001), S. 360-364)). Der Wertpapierhandel zwischen natürlichen und juristischen Personen außerhalb des Geltungsbereichs des Börsenhandelsmarktgesetzes Nr. 34/1998 ist jetzt durch das neue Gesetz über den Wertpapierhandel (lög um verðbréfaviðskipti) Nr. 108/2007 (vgl. EWRVertrag IX. Anlage EG-Verordnungen 89/298/EG, 89/592/EG, 2001/34/EG, 2003/6/EG, 2003/71/EG, 2003/124/EG und 2003/125/EG; EG-Richtlinie Nr. 2273/2003; EG-Verordnung Nr. 2004/25/EG, 2004/39/EG, 2004/72/EG und 2004/109/EG (vom 26.06.2007, am 01.11.2007 in Kraft getreten)) zum großen Teil einheitlich geregelt. Im Wertpapierhandel finden auch die allgemeinen Prinzipien des isländischen Schuldrechts Anwendung (almennar reglur kröfuréttarins; Rn. 9). Die allgemeinen Prinzipien des isländischen Gesellschaftsrechts (félagaréttur) stellen den wichtigsten Schnittpunkt zwischen dem Wertpapierhandelsrecht und den Rechtsquellen des allgemeinen isländischen Schuldrechts dar. Diese ergänzen zusammen mit dem Gesellschaftsrecht, dem Sachenrecht und dem Kreditsicherheitsrecht das Wertpapier- und Börsenprivatrecht.
25
Ein weiterer Anwendungsbereich des modernisiersten isländischen internationalen Wertpapierhandelsprivatrechts ist der grenzüberschreitende Wertpapierhandel mit Hilfe des Internets. Der grenzüberschreitende Wertpapierhandel hat Auswirkung auf die Kollisionsnormen des autonomen isländischen Privatvertragsrechts (lög um lagaskil á sviði samningaréttar; Nr. 43/2000; vgl. Sigurðsson, 53 Úlfl. (2000), S. 504-512); Gunnarsdóttir, 52 TRL (2002), S. 175-184; Sigurðsson, 56 Úlfl. (2003), S. 59). Das Gesetz über das internationale Privatvertragsrecht Nr. 43/2000 löst die Rechtsprobleme im Internet nicht umfassend. Eine abschließende Regelung ist auch nicht über die Kollisionsnormen und Rechtswahlklauseln zu erzielen (s. Gunnarsson, 53 TRL (2003), S. 137), wel-
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2517
che die Vertragsbindung eines Versprechens (loforð) auf der Grundlage der älteren nordischen Versprechensvertragstheorie und der traditionellen allg. Rechtsnormen des nordischen Vertrags- und Kaufrechts bestimmen. Eine umfassende Erfassung der Rechtsprobleme könnte durch das Gesetz über elektronische Unterzeichnung (lög um rafrænar undirskriftir) Nr. 28/2001 (s. (Árnadóttir, a.a.O., S. 1102-1105) und das Gesetz über elektronische Geschäfte und andere elektronische Dienstleistungen (lög um rafræn viðskipti og aðra rafræna þjónustu) Nr. 30/2002 (s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1106-1108) erreicht werden. Auch auf die öffentlich-rechtlichen und die privatrechtlichen Rechtsnormen des isländischen Insiderrechts hat das EWR-Recht Einfluss, insbesondere auf die Insiderregelungen des isländischen Börsenhandelsmarktrechts, welche z. B. die Insidergeschäfte, Insiderinformationen (Weitergabeverbot, Insidertatsache u.s.w.), ferner insiderrechtliche Präventivmaßnahmen und Verbote inkl. strafrechtlicher Rechtsfolgen des Wertpapierhandelsgesetzes Nr. 13/1996 regeln (Art. 59 ff.; siehe z. B. Hérd. Reykjavíkur Nr. 601/ 2001, 29.10.2001; Sigurðsson, 56 Úlfl. (2003), S. 5; Jónasson, 55 Úlfl. (2002), S. 227252).
E. Aktuelle Entwicklungen
26
I. Internationales Wirtschaftskollisionsrecht. Die oben genannten Rechtsprobleme des Wertpapierhandels im Internet und die neu eingeführten Rechtswahlklauseln des isländischen Gesetzes über internationales Privatvertragsrecht Nr. 43/2000 sind eine Alternative zu den klassischen Kollisionsnormen und zu der Lehre des isländischen internationalen Privat- (íslenskur alþjóðlegur lagaskilaréttur) und Zivilverfahrensrechts (alþjóðlegt einkamálaréttarfar) (s. Gunnarsson 2004, S. 105; vgl. ferner die Kollisionsnormen der fünf nordischen Konventionen des traditionellen nordischen internationalen Privatrechts, Korkisch, 23 RabelsZ, 1958, S. 613). Das die Kollisionsnormen des isländischen bzw. nordischen internationalen Privat- und Wirtschaftsrechts und des Völkerrechts teilweise nur ungenügende Lösungen bieten können, ist eine Folge der sog. „Globalisierung“ und „Privatisierung“ des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts bzw. des isländischen Wirtschaftsrechts (íslenskur alþjóðlegur efnhagasréttur). Das Problem wurzelt in der Souveränität Islands, die eine wirtschaftliche Begrenzung zur Folge hat und durch den Einfluß der Welthandelsorganisation (WTO) im isländischen Recht verstärkt wird (vgl. Basedow, FS Hans Stoll, 2001, S. 405). Eine weitere regionale Besonderheit des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts bzw. des isländischen Wirtschaftsrechts bildet das isländische internationale Zivilprozessrecht (alþjóðlegt einkamálaréttarfar); es geht insoweit um die Verfahrensbeteiligung von Ausländern, um die Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen usw. (Gunnarsson, 2004, S. 105) bzw. auch das nordische Zivilverfahrensrecht. Island ist weiterhin auch ein Vertragsstaat des sog. LuganoParallel-Übeinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (vgl. Stjt. Abteilung C 36/1995 (vom 16.09.1988, in Kraft seit 01.12.1995); s. Tómasson, European Case Law on the Judgments Convention, 1998, S. 617; Gunnarsson, 49 TRL (1999), S. 317; Ólafsdóttir, 51 TRL (2001), S. 325). Die weitere aktuelle Entwicklung auf der internationalen Ebene beruht auf dem völkerrechtlichen Beitritt Islands zur Haager Konferenz für Internationales Privatrecht (Beitritt am 14. November 2003). Allerdings sind insbesondere das Internationale Haager Abkommen über den Zivilprozeß (17. Juli 1905, in Kraft seit 24.04.1909) und das Internationale Haager Abkommen zum Dispens ausländischer öffentlicher Urkunden (vom 05.10.1961; vgl. Stjt. Abteilung C 52/2004) nur zum Teil für die praktische Anwendung bzw. Vollstreckung des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts von Be-
Jónhildarson
2518
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
deutung. Die Auswirkung der Völkerrechtsverträge der Haager Konferenz für internationales Privatrecht auf das isländische Wirtschaftsrecht und auf das Wirtschaftsvölkerrecht ist umstritten und generell eher als marginal einzustufen (rechtsvergleichend s. Basedow, FS Werner Lorenz, 2000, S. 463). Das isländische Recht könnte durch einen möglichen Beitritt Islands zum Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen beeinflusst werden (30. Juni 2005), etwa hinsichtlich des gewerblichen Rechtsschutzes für das geistige Eigentum usw.. Die zukünftige isländische Rechtsentwicklung (de lege ferenda) könnte ferner durch einen Beitritt zum Haager Übereinkommen beeinflusst werden. Hier wären Einflüsse insbesondere auf bestimmte Rechte in Bezug auf intermediär verwahrte Wertpapiere zu erwarten (5. Juli 2006). 27
II. Die Reform des isländischen Sachenrechts. Die Einflüsse der „Globalisierung“ und der supranationale Zwang des EWG-Vertrags zur „Privatisierung“ machen sich in der rechtlichen Transformation des heutigen isländischen Sachenrechts und ferner des isländischen Pfandrechts (veðréttur) (s. Örlygsson, Veðréttur, 2002) (Immobiliarpfandrecht (Grundpfandrecht) und Mobiliarpfandrecht) bemerkbar. Als Folge der Reformierung des Sachenrechts wurde auch das Recht hinsichtlich der Immobiliar- und Mobiliarsicherheiten des isländischen internationalen Anerkennungs- und Vollstreckungsrechts angepasst (viðurkenning erlendra dóma og alþjóðlegur fullnustréttur), des isländischen internationalen Insolvenzrechts (alþjóðlegu gjaldþrotaréttur), sowie auch des Insolvenzverfahrensrechts (alþjóðlegur gjaldþrotaskiptaréttur), Insolvenz Gesetz Nr. 21/1991 (Árnadóttir, a.a.O., S. 225-250; die nordische Konkurs-Konvention, vom 29.06.1934, in Kraft seit 01.01.1935), sowie Gesetz Nr. 21/1934 (07.11.1933; s. Árnadóttir, a.a.O., 2007, S. 250-252). Die teilweise gesetzliche Anerkennung der „Privatisierung“ sowohl durch den Gesetzgeber (Alþingi) als auch durch die Rechtsprechung (Hæstiréttur Íslands) umfasst u.a. die qualifizierten „Eigentumsrechte“ (Gauksdóttir 2007, S. 73) und Pfandrechte (Mobiliarpfandrechte) an sog. „Fischfangquoten“ (aflaheimildum – fiskveiðikvóta) (s. Hrd. 12/2000 (06.04.2000)). Diese wurden durch das Gesetz über die Verwaltung des Fischfangs im isländischen Recht kodifiziert (lög um stjórn fiskveiða) Nr. 116/2006 (vgl. Gesetz Nr. 38/1990, aufgehoben; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1343-1349; zum isländischen Pfandrecht (Mobiliarpfandrecht) siehe ferner Örlygsson, 48 Úlfl. (1995), S. 206). Aber dies ist nur eines von vielen Beispielen für die derzeitige „Privatisierung“ im isländischen internationalen Wirtschaftsrecht. Die aktuelle politische und rechtliche Debatte über die weitere Anerkennung privatrechtlicher Eigentumsrechte natürlicher und juristischer Personen an natürlichen Ressourcen, die bisher dem Staat Island zustanden, sieht weitere Privatisierungen vor. Es werden zur Zeit Gesetzesvorschläge diskutiert, welche eine sehr zügige „Privatisierung“ wichtiger Zweige des isländischen Wirtschaftslebens zum Gegenstand haben. Hierbei geht es u.a. um: die „Privatisierung“ von Grundbesitz bzw. von Bauernhöfen (vgl. das neue Grundbesitzgesetz (jarðalög) Nr. 81/ 2004 (vom 09.06.2004, in Kraft seit 01.07.2004); s. Árnadóttir, a.a.O., S. 2034-2039) und das Gesetz über die Pacht von Bauernhöfen (ábúðarlög) Nr. 80/2004 (vom 09.06.2006, in Kraft seit 01.07.2005; Árnadóttir, a.a.O., S. 2029-233). Im Gespräch sind weiterhin Gesetze über die Neuregelung von Wasserresourcen (vgl. das alte Wassergesetz (vatnalög) Nr. 15/1923; Árnadóttir, a.a.O., S. 1288-1300; Gunnarsson 2005, S. 143); das alte Wassergesetz soll von einem neuen umstrittenen Wassergesetz abgelöst werden (vatnalög) Nr. 20/2006 (vom 31.03.2006, das ursprünglich am 01.11.2007 in Kraft treten sollte, was aber um ein Jahr verschoben wurde; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1300-1304). Des Weiteren sollen die Gesetze hinsichtlich erneuerbarer Energiequellen (vgl. das neue Elektrizitätsenergiegesetz (raforkulög) Nr. 68/2003 (vom 27.03.2003, in Kraft seit 07.04 2003 und 01.07.2003); s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1305-1316; vgl. die Regelung über die Durchfüh-
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2519
rung des Elektrizitätsenergiegesetzes Nr. 1040/2005), hinsichtlich des Hochlands (hálendi), sogenannten „Allgemeinheitsgebieten“ (almenningur), sowie Naturschutzgebieten usw. am Privatisierungsziel ausgerichtet werden. Das wird mittel- oder langfristig auch die Gewinnung von Energie durch die Erschließung von Ölquellen am Meeresboden und andere lebende oder natürliche Ressourcen durch Private in der Ausschließlichen Wirtschaftzone (AWZ), am Festlandsockel, auf der Hohen See und insbesondere am Tiefseeboden betreffen (vgl. Örlygsson 1998, S. 553; 48 TRL (1998), S. 28). Ergänzend soll das gesamte isländische Energierecht (vgl. das alte Energiegesetz (orkulög) Nr. 58/1967; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1304-1305) „modernisiert“ und „privatisiert“ werden (vgl. für einen Überblick über das heutige isländische Recht der natürlichen Ressourcen und des Energierechts die Gesetzsammlung (Lagasafn) Hauptteil Nr. 32: Natürliche Ressourcen und Energiesachen (Náttúruauðlindir og orkumál); s. auch Árnadóttir, a.a.O., S. 1288-1339). Das moderne isländische internationale Biotechnologierecht bzw. das internationale Recht des geistigen Eigentums und insbesondere das internationale Biotechnologiepatentrecht spielen eine immer wichtigere und größere Rolle im isländischen internationalen Sachenrecht und in den „globalisierten“ Bereichen des isländischen Wirtschaftslebens, was durch das zum Teil zweifelhafte Handeln der Bioindustrie bedingt ist. Island ist eine Insel und ein Küstenstaat mit einer riesigen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und einem riesigen Festlandsockel. Die Fischerreiindustrie ist deshalb immer noch ein großer und existenzieller Teil der isländischen Volkswirtschaft. Island ist ebenso wie Deutschland und die Mehrzahl der Mitgliedstaaten der EG und des EWR ein Vertragsstaat des Internationalen Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (am 16.11.1994 in Kraft getreten; vgl. Stjt.-Abteilung C 40/1993). In nächster Zukunft sollen die natürlichen Ressourcen Islands in den Meeresgebieten der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), am Festlandsockel, auf Hoher See und insbesondere am Tiefseeboden durch Meeresbiotechnologie erschlossen werden (s. Svansson/Einarsson/Örlygsson 2004, Teil. 3; Leary, International Law and the Genetic Resources of the Sea, 2007). Diese Ressourcen sollen dann die Hauptsäulen der isländischen Wirtschaft bilden, so dass keine Abhängigkeit von der Fischereiindustrie mehr besteht (vgl. das Gesetz über das Eigentumsrecht des isländischen Staates an natürlichen Ressourcen des Meeresbodens (lög um eignarrétt íslenska ríkisins að auðlindum hafsbotnsins) Nr. 73/1990 (vom 18.05.1990, in Kraft seit 31.05.1990; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 6-7). Die sog. effektive „Landnahme“ (landnám) – also die Errichtung – von Islands Ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ), des Festlandsockels bzw. des Tiefseebodens (s. Heiðar, FS Sigurður Líndal, 2001, S. 589) i.S.d. Seerechtübereinkommens (im Folgenden „SeeRÜbk.“) von 1982 ist im Gange. Sie betrifft viele aktuelle oder zukünftige völkerseerechtliche Streitigkeiten z. B. um die isländische Insel Kolbeinsey, die norwegische Insel Jan Mayen, die norwegische „Souveränität“ über das Archipel Svalbard (Spitzbergen) sowie um das Nordpolarmeergebiet (vgl. Regelung Nr. 554/2005 über eine Kommission für die Zusammenarbeit in Nordpolsachen). Die isländische „Landnahme“ berührt insbesondere die umstrittene völkerseerechtliche Frage, ob die Insel „Rockall“ unter die Definition von „Felsen“ i.S.v. Art. 121 Absatz Nr. 3 des SeeRÜbk. fällt. Dieser wichtige Streit ist jetzt Gegenstand einer neuen völkerseerechtlichen Abgrenzungsstreitbeilegung vor der Festlandsockelvergleichskommission im Rahmen des Verfahrens zur friedlichen Streitbeilegung nach dem SeeRÜbk. (vgl. Lagoni, Handbuch des Seerechts, 2006, S. 264 ff.). III. Die Modernisierung des Verjährungsrechts. Der neue isländische Wirtschaftsminister hat in diesem parlamentarischen Jahr (2007/2008) ein neues Gesetz über die Ver-
Jónhildarson
28
2520
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
jährung von Obligationsforderungen (Nr. 150/2007 vom 20.12.2007, am 01.01.2008 in Kraft getreten) durchgesetzt. Der Titel „Gesetz über die Verjährung von Obligationsforderungen“ ist allerdings zu eng gefasst, weil das neue Gesetz nicht nur für Geldforderungen (kröfur um peninga), sondern auch für andere Zahlungen (eða aðrar greiðslur) gelten soll. Die juristische Begründung des Gesetzesentwurfes führt als Hauptgründe der geplanten Modernisierung des isländischen Verjährungsrechts Beweggründe aus den Bereichen der Prozessökonomie, des öffentlich-rechtlichen und des privatrechtlichen Beweisrechts und des Verbraucherrechts an (s. Kommentar zum neuen Gesetz über die Verjährung von Obligationsforderungen, http://www.althingi.is/altext/135/s/0067.html). 29
IV. Isländisches und internationales Umweltrecht bzw. isländisches internationales Sachen- und Deliktsrecht. Ausländische Investoren und andere natürliche und juristische Personen, die am isländischen Banken- und Kapitalmarkt teilnehmen, müssen das isländische und internationale Umweltrecht (Gesetzessammlung (Lagasafn) Hauptteil Nr. 34: Umweltsachen (Umhverfismál); s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1424-1486), sowie auch das isländische internationale Sachen- und Deliktsrecht (Rn. 9) berücksichtigen (s. Björnsdóttir, 52 Úlfl. (1999), S. 215). Island ist ein Vertragsstaat des SeeRÜbk. (vgl. Rn. 27) und des Übereinkommens zur Durchführung des Teils XI des SeeRÜbk. (vgl. Stjt.-Abteilung C 43/1995 und C 39/2001, am 28.07.1996 in Kraft getreten) sowie des Übereinkommens zur Durchführung der Bestimmungen des SeeRÜbk. über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischbeständen (vgl. Stjt. Abteilung C 8/1997 und C 40/2001, vom 04.12.1995, am 11.12.2001 in Kraft getreten; s. allg. Schram, Hafréttur, 2001; vgl. das Gesetz über den Fischfang außerhalb Islands Jurisdiktion (lög um fiskveiðar utan lögsögu Íslands) Nr. 151/1996, vom 27.12.2006, in Kraft seit 30.12.2006; s. Árnadóttir, a.a.O., S. 1352-1355). Der 11. Teil (Gebiet) und der 12. Teil (Schutz und Bewahrung der Meeresumwelt) des SeeRÜbk. sind die wichtigsten Teile des Übereinkommens für ausländische Investoren und andere Beteiligte des isländischen Bank- und Kapitalmarktrechts bzw. Wirtschafts- und Umweltrechts. Island ist zudem Vertragspartei vieler anderer internationaler Umweltvölkerrechtsverträge von wirtschaftlicher Bedeutung. Die für das isländische Bank- und Kapitalmarktrecht wichtigsten Umweltvölkerrechtsverträge mit isländischer Beteiligung sind das „RAMSAR-Übereinkommen“ (Übk. über Feuchtgebiete, insb. als Lebensraum für Wasser- und Wattvögel von internationaler Bedeutung; vgl. Stjt. Abteilung C 1/1978, C 10/1986, C 19/1993 und C 49/1995 (vom 02.02.1971, am 06.03.1995 in Kraft getreten)), das Übereinkommen über biologische Vielfalt (vgl. Stjt. Abteilung C 11/1995 (vom 22.05.1992, am 23.12.1992 in Kraft getreten; s. Ríkisendurskoðun, Samningurinn um líffræðilega fjölbreytni: umhverfisendurskoðun, 2006), ferner das „Klima-Schutz-Übereinkommen“ (vgl. Stjt. Abteilung C 14/1993 und C 39/1993), das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderung (vom 09.05.1992, am 21. 03. 1994 in Kraft getreten), und das politisch wie rechtlich streitige „Kyoto-Protokoll“ (Übereinkommen zum Klimaschutz vom 10.12.1997, am 16.02.2005 in Kraft getreten und im Jahr 2012 möglicherweise auslaufend; vgl. Stjt. Abteilung C 28/2002).
30
V. Der Euro. Island ist nicht Mitglied der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und befindet sich deshalb außerhalb der Euro-Zone. Auf politischer und wissenschaftlicher Ebene sind viele Vorschläge über den formellen oder informellen Beitritt Islands zur Europäischen Währungsunion gemacht worden. Es wurden Stimmen laut, die vorschlagen, dass Island einseitig den Euro einführen soll oder aber auf andere formelle (z.B. mit festem Wechselkurs zum Euro) oder informelle (der Euro als Zahlungsmittel in Island außerhalb der Eurozone) Art und Weise zum Akteur innerhalb der Euro-Zone werden soll (s. teilw. Árnason, Upptaka evru og vextir á Íslandi (Ökonomie Institut – Universität Is-
Jónhildarson
§ 78 Länderteil – Island
2521
lands – Bericht Nr. R03:05), 2003). Bedeutende isländische Ökonomen sind der Ansicht, dass Island unbedingt ein Mitglied bzw. Vertragsstaat der Europäischen Währungsunion werden müsse, um die wirtschaftliche Stabilität der isländischen Finanzmärkte bzw. Bank- und Kapitalmärkte zu gewährleisten. Diese politischen oder ökonomischen Vorschläge übersehen jedoch, dass aufgrund der wirtschaftlichen Lage Islands ein Einhalten der Defizitgrenze für den isländischen Haushalt eine kaum zu bewältigende Vorgabe wäre; dementsprechend wären Sanktionen durch das Überwachungs- und Sanktionsregime der Euro-Zone aufgrund der isländischen Haushaltsdisziplin die zu erwartende Folge (s. teilw. Christiansen, 48 TRL (1998), S. 100). Diese Ansicht entspricht der offiziellen Stellungnahme der derzeitigen isländischen Regierung (eine Koalition der Liberal-Konservativen (Sjálfstæðisflokkurinn), der Sozialdemokraten (Samfylking)), sowie der der Notenbank (Seðlabanki Íslands) und des Ministerpräsidenten (Forsætisráðuneytið). Sie bestätigen, dass sie einen Beitritt zur Europäischen Wirtschafts- und Wahrungsunion oder eine andere formelle völkerrechtliche oder informelle Verbindung zur Euro-Zone für Island derzeit nicht als notwendig betrachten (s. Forsætisráðuneytið, 1998). VI. Die Frage des Beitritts Islands zur EG (EU). In letzter Zeit wurde die politisch und rechtlich bedeutende Frage aufgeworfen, welcher Rechtsnatur der EWR-Vertrag entspricht. In der Lehre wird die Meinung vertreten, dass der EWR-Vertrag und die EWRInstitute möglicherweise bereits Teile einer Vorstufe zu einem „Supranationalen EWRGemeinschaftsstaat“ sind. Dies wird dadurch begründet, dass die völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit der EG (EU) mit einem „föderalen Bundesstaat“ zu vergleichen ist, der den einzelnen Ländern eigene Hoheitsgewalt zugesteht, aber auch Kompetenzen hat, Bestimmungen für alle Mitgliedsländer verbindlich festzulegen (s. Stefánsson, FS Hans Gammeltoft-Hansen, 2004, S. 585). Von dieser Tatsache ausgehend begründen die Vertreter dieser Ansicht die Verfassungswidrigkeit des EWR-Vertrages. Die „supranationalen Elemente“ seien nach isländischem Verfassungsrecht als auch nach dem Verfassungsrecht anderer EWR-Staaten nicht verfassungskonform (s. Baudenbacher, 57 TRL (2007), S. 147). Die herrschende Meinung steht allerdings immer noch auf dem Standpunkt, der EWR-Vertrag sei ein verfassungskonformer völkerrechtlicher Vertrag (s. Björgvinsson, EES-réttur og landsréttur, 2006). Island ist kein Mitgliedstaat der EG (EU) und auf politischer Ebene wurden formelle Beitrittsverhandlungen weder begonnen noch sind sie erwünscht (s. Forsætisráðuneytið/Evrópunefnd, 2007). Ein baldiger Beitritt wäre theoretisch möglich, da Island die Mehrzahl der Beitrittsbedingungen erfüllt. In nur wenigen Jahren hat sich die Wirtschaft des isländischen Staates stark verändert, und die alten monopolistischen Tendenzen in der Wirtschaft der 12-14 Familien sind aufgelöst worden (s. Sigurbjörnsson (Jónhildarson), ZEuP 2000, 277 f.). Nunmehr sind es ungefähr 5 riesige isländische Finanzakteure, die den isländischen Bank- und Kapitalmarkt beherrschen. Das von der überwiegenden Anzahl von Akademikern und Politikern vorgebrachte einschlägige Argument (vgl. Thorhallsson, 74 (3) Scandinavian Studies, 2002, S. 349) für eine Mitgliedschaft Islands in der Europäischen Währungsunion, der Euro-Zone und der EG (EU) ist die abnehmende Ökonomie der Fischereiindustrie. Tatsache ist, dass der wirtschaftliche Beitrag der Fischereiwirtschaft am Staatshaushalt Islands nach neuesten Statistiken in Zukunft immer geringer werden wird. Die modernen „Wikingerzüge“ („Víkingferðir“ – der „Abzug“ ) der Akteure des isländischen Bank- und Kapitalmarkts finden in Skandinavien, Großbritannien, Irland, den baltischen Staaten und anderen osteuropäischen Ländern, in Russland und in Asien statt – bislang mit viel Erfolg (s. Sigfússon, 2005).
Jónhildarson
31
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Italien
2523
12. Italien
§ 78 Länderteil Schrifttum – Italien Alpa/Capriglione (Hrsg.), Commentario al testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria, Bd. I-III, 1998; Ambrosio/Cavallo/Di Benedetto, I contratti bancari, 1999; Annunziata, La disciplina del mercato mobiliare, 4. Aufl., 2008; Abusi di mercato e tutela del risparmio, 2006; Annunziata/Guffanti, Il recesso nei contratti finanziari a distanza, CG 2006, 5; Antonucci, Diritto delle banche, 3. Aufl., 2006; Assonime, La autorità di vigilanza nella legge per la tutela del risparmio: il commento dell’Assonime, RSoc 2006, 797; Barbiera/Gentile, Diritto della banca e contratti bancari, 2003; Belli/ Contento/Patroni Griffi/Pozio/Santoro (Hrsg.), Testo unico delle leggi in materia bancaria e creditizia, Bd. I – II, 2003; Bertolotti, Illegittimità di norme bancarie uniformi (NBU) per contrasto con le regole antitrust ed effetti sui „contratti a valle“: un’ipotesi di soluzione ad un problema dibattuto, GI 1997, IV, 345; Bochicchio, Ancora sul conflitto di interessi nella prestazione dei servizi finanziari: il conflitto d’interesse nei rapporti contrattuali d’impresa, CI 2007, 306; Bruno/Rozzi, Il destino dell’operatore qualificato alla luce della MiFID, Soc 2007, 277; Calandra Buonaura/Perassi/Solvetti, La banca: l’impresa e i contratti, 2001; Callegari, Il pegno su titoli dematerializzati, 2004; Campobasso (Hrsg.), L’Eurosim, 1997; Testo unico della finanza, Bd. I-III, 2000; Capriglione (Hrsg.), La nuova legge sul risparmio, 2006; Operazioni bancarie e tipologia contrattuale, RDC 2006, I, 29; Diritto delle banche degli Intermediari Finanziari e dei Mercati, 2003; Carrato, Cancellazione dell’ipoteca e responsabilità del creditore nei confronti del fideiussore, CG 2007, 239; Carriero, Autonomia privata e disciplina del mercato. Il credito al consumo, 2002; Nuova trasparenza bancaria, tutela del risparmiatore e prospettive di riforma del credito al consumo, 2004; Castaldi, Il testo unico bancario tra innovazione e continuità, 2. Aufl., 1997; Capobianco, Contrattazione bancaria e tutela del consumatore, 2000; Ceccherini/Genghini, I contratti bancari nel codice civile, 2 Aufl., 2003; Cera/Mosco, Il risparmiatore, AGE 2006, 1, 3; Cerulli Irelli, Provvedimenti di rigore nei confronti delle SIM e competenze della Banca d’Italia e della CONSOB, DBMF 2001, I, 125; Chianale, L’ipoteca, 2005; Chiarloni, La tutela dei risparmiatori alla luce delle recenti iniziative legislative, GI 2006, 1114; Chiné, I contratti di garanzia, in: Lipari (Hrsg.), Trattato di diritto privato europeo, Bd. IV, 2. Aufl., 2003, 309; Costanza, La novella sulle clausole abusive a confronto con il regime dei contratti finanziari, BBTC 2000, I, 361; Colombo, La Consob e la soluzione extragiudiziale delle controversie in materia di servizi di investimento, Soc 2007, 8; Collura, La nuova legge dell’usura e l’art. 1815 c.c., CI 1998, 602; Costi, Il mercato mobiliare, 5. Aufl., 2008; Crisostomo, Le banche e le imprese di investimento, in: Lipari (Hrsg.), Trattato di diritto privato europeo, Bd. II, 2 Aufl., 2003, 97; Cuffaro (Hrsg.), Il mutuo e le altre operazioni di finanziamento, 2005; Dopo il codice del consumo: la disciplina della commercializzazione a distanza di servizi finanziari, CI 2007, 264; De Poli, Il „contratto bancario“ tra tutela della liquidità e trasparenza, RDC 2004, I, 261; De Sinno, Le clausole di determinazione degli interessi nei contratti bancari, 1995; Di Majo, Prodotti finanziari e tutela del risparmiatore, CG 2005, 1282; I contratti bancari e finanziari dopo la legge sulle clausole vessatorie, in: Ruffolo (Hrsg.), Clausole „vessatorie“ e „abusive“, 1997, 239; Di Marzio, Clausole abusive nei contratti bancari. Recesso, ius variandi e limitazioni di responsabilità: Perlingieri/Caterini (Hrsg.), Il diritto dei consumi, Bd. I, 2004, 307; Di Nella, Profili della nuova disciplina dei mercati finanziari, in: Di Nella (Hrsg.), La tutela del consumatore di servizi d’investimento, 2007; Dolmetta (Hrsg.), Le nuove modifiche al testo unico bancario, 2000; Fondamento, implicazioni e limiti dell’intervento regolamentare nei rapporti tra intermediari finanziari e clientela, 1999; Exceptio doli generalis, BBTC 1998, I, 147; Falconio, Operazioni bancarie on-line, in: Bocchini (Hrsg.), Diritto dei consumatori e nuove tecnologie, Bd. I, Gli scambi, 2003; Farace, La responsabilità della SIM per illecito del (già) promotore finanziario tra apparenza del diritto e obblighi di protezione, NGCC 2007, I, 233; Fauceglia, I contratti bancari, Torino, 2005; Fausti, Il ruolo ambiguo della trattativa e l’importanza della trasparenza, N 2007, 59; Il mutuo, 2004; Febbrajo, Violazione delle regole di comportamento e rimedi civilistici, in: Di Nella (Hrsg.), La tutela del consumatore dei servizi finanziari, 2007, 137; Ferroni, La nuova disciplina civilistica del contratto di mutuo ad interessi usurari, 1997; Fragali, Fideiussione. Mandato di credito, 1968; Gabrielli/Lener (Hrsg.), I contratti del mercato finanziario, Bd. I-II, 2004; Gaggero, L’oggetto sociale delle società di intermediazione mobiliare, RDCo 1997, I, 981; Diritto comunitario e disposizioni interne in materia di credito al consumo, CI-Europa 1996, 622; Galgano, L'inadempimento ai doveri dell'intermediario non è, dunque, causa di nullità virtuale, CI 2006, 579; Il contratto di intermediazione finanziaria davanti alle sezioni unite della Cassazione, CI 2008, 1; Garilli, L’anatocismo nei rapporti bancari alla luce della deliberazione CICR 9 febbraio 2000, DBMF 2001, I, 165; Genovesi, Limiti della „nullità virtuale“ e contratti su strumenti finanziari, CG 2006, 672; Gentili, Disinformazione e invalidità: i contratti di intermediazione dopo le Sezioni Unite, C 2008, 393; Giampiccolo, Mutuo (dir. priv.), ED XXVII, 1977, 444; Giusti, La fideiussione e il mandato di credito, 1998; Godano, Le banche:
Di Nella
2524
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Tizzano (Hrsg.), Il diritto privato dell’Unione europea, Bd. I, 2 Aufl., 2006; Gorla/Zanelli, Del pegno. Delle ipoteche, 4. Aufl. 1992; Grisi, Forme e modelli di garanzia, RCDP 1997, 202; Guccione, Il credito al consumo finalizzato all’acquisto di beni tra testo unico bancario e norme in materia di clausole abusive, BBTC 2000, II, 735; Guerinoni, Quando il fideiussore è consumatore, C 2007, 225; Guerri, Le modifiche alle competenze in materia antitrust introdotte con la legge di riforma della tutela del risparmio e la disciplina dei mercati finanziari, DE 2006, 279; Inzitari, Le Sezioni Unite e il divieto di anatocismo: l'asimmetria contrattuale esclude la formazione dell'uso normativo, CG 2005, 217; Liace, Le nuove istruzioni di vigilanza in tema di trasparenza bancaria, CI 2003, 1530; I contratti bancari, 2002; Lobuono, Contratto e attività economica nelle garanzie personali, 2002; Valori mobiliari e strumenti finanziari, in: Lipari (Hrsg.), Trattato di diritto privato europeo, Bd. II, 2 Aufl., 2003, 495; Lupoi, Strumenti di investimento nell’impresa (forme complesse di garanzia), CI 2007, 278; Macario, Il credito al consumo, in: Gabrielli/ Minervini, Enrico (Hrsg.), I contratti dei consumatori, Bd. II, 2005, 543; Maffeis, Servizi di investimento: l’onere della prova del conferimento dei singoli ordini di negoziazione, C 2007, 231; Forme informative, cura dell'interesse ed organizzazione dell'attività nella prestazione dei servizi di investimento, RCDP 2005, 575; Marano, Sul pegno (irregolare) del saldo di conto corrente, BBTC 2000, II, 610; Martorano, Condizioni generali di contratto e rapporti bancari, BBTC 1994, I, 125; Mastropaolo (Hrsg.), I contratti di garanzia, Bd. I-II, 2006; Mazzamuto, Mutuo di scopo, EG XX, 1990, 1; Meruzzi, La responsabilità precontrattuale tra regola di validità e regola di condotta, CI 2006, 944; Minervini, Enrico, La trasparenza delle condizioni contrattuali, BBTC 1997, I, 94; Minervini, Gustavo, La Banca d’Italia, oggi, BBTC 2006, I, 619; Mezzacapo, Promozione e tutela della concorrenza bancaria dopo la 'legge sul risparmio' (n. 262 del 2005), BBTC 2007, I, 48; Miccoli, Nuovi limiti dell’autonomia contrattuale nei contratti per servizi di investimento finanziario, 2005; Mirone, Standardizzazione dei contratti bancari e tutela della concorrenza, 2003; Miola, La gestione collettiva del risparmio nel t.u.f.: profili organizzativi, BBTC 2001, I, 299; Molle, Considerazioni sul conto corrente bancario, BBTC 1950, I, 97; Morelli, Materiali per una configurazione del conto corrente bancario come contratto legalmente tipico, GC 1998, II, 139; Nappi, Garanzia autonoma e garanzie con clausola a prima richiesta, GI 1993, IV, 575; Nigro, Anatocismo nei rapporti bancari e Sezioni Unite: la fine della „storia infinita“?, DBMF 2004, I, 651; Nigro/Santoro, La tutela del risparmio, 2007; Ntuk, Questioni in tema di efficacia probatoria delle annotazioni sui libretti di deposito, BBTC 1995, I, 510; Palmieri/Pardolesi, In tema di interessi dovuti dal correntista, FI 2004, I, 3294; Parrella, La disciplina speciale dell’offerta a distanza di „prodotti finanziari“ e di „servizi di investimento“, DBMF 2000, I, 38; Passaro, Intermediazione finanziaria e violazione degli obblighi informativi: validità dei contratti e natura della responsabilità risarcitoria, NGCC 2006, 902; Patroni Griffi, Antonio, Il „Decreto Eurosim“ e l’offerta fuori sede di strumenti finanziari e di servizi di investimento, GCo 1997, I, 5; Perego, L’art. 1831 codice civile e il contratto di conto corrente bancario, C 1999, 854; Perrone, Gli obblighi di informazione nella prestazione dei servizi di investimento, BBTC 2006, I, 372; Petrelli, Mutui ipotecari bancari e cancellazione di ipoteche: novità nel decreto legge Bersani-bis, N 2007, 110; Piazza, La responsabilità della banca per acquisizione e collocamento di prodotti finanziari „inadeguati“ al profilo del risparmiatore, CG 2005, 1027; Piepoli, Le „garanzie negative“, BBTC 2001, I, 405; Piscitello, Considerazioni sulle posizioni soggettive del cliente nei contratti bancari, RDCo 2005, I, 255; Costituzione in pegno di beni dell’impresa e spossessamento, BBTC 2001, I, 155; Poli, Il pegno di azioni, 2000; Portale, Diritto privato e diritto comune dell’impresa, BBTC 1984, I, 14; Fideiussione e Garantievertrag nella prassi bancaria: Portale (Hrsg.), Le operazioni bancarie, II, 1978, 1045; Le garanzie bancarie internazionali, 1989; Portale/Tombari, Opa transnazionale e decentramento delle strutture di governance, BBTC 2002, I, 295; Porzio, Le imprese bancarie, 2007; Prosperi, Violazione degli obblighi di informazione nei servizi di investimento e rimedi contrattuali, CI 2008, 222; Quargnolo, Investimento obbligazionario e diligenza degli intermediari finanziari tra validità del contratto e responsabilità della banca, NGCC 2007, II, 41; Ravazzoni, Ipoteca immobiliare, EG XVII, 1989, 1; Fideiussione, D VIII, 1992, 254; Realmonte, Pegno (in generale), EG XXII, 1990, 1; Rivolta, Le nuove disposizioni sulla fideiussione, RDC 1992, II, 673; Rizzo, Trasparenza e contratti del consumatore, 1997; Rolfi, La Cassazione e la forma dei contratti bancari: il difficile bilanciamento tra garanzie e celerità, CG 2006, 361; Romagnoli, La protezione dei consumatori tra novella e disciplina speciale dei contratti bancari e finanziari, GCo 1998, I, 400; Controllo e regole di collocamento dei prodotti assicurativi a carattere finanziario, NGCC2007, II, 90; Rossi, La legge sulla tutela del risparmio e il degrado della tecnica legislativa, RSoc 2006, 1; Ruggero, La reticenza dell’intermediario nei contratti relativi alla prestazione di servizi d’investimento, BBTC 2005, I, 665; Salanitro, L’offerta fuori sede di prodotti finanziari bancari e assicurativi, BBTC 1999, I, 397; Salinas, Il pegno „omnibus“, BBTC 1997, I, 603; Sangiovanni, Operazione inadeguata dell’intermediario finanziario fra nullità del contratto e risarcimento del danno alla luce della direttiva MIFID, C, 2007, 243; La violazione delle regole di condotta dell'intermediario finanziario fra responsabilità precontrattuale e contrattuale, C 2006, 1133; La
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2525
responsabilità dell’intermediario nel caso Cirio e la recente legge per la tutela del risparmio, C 2006, 691; Sbisà, I controlli della CONSOB, 1997; Scozzafava, L'anatocismo e la Cassazione: così è se vi pare, C 2005, 225; Sparano, Il conto bancario cointestato, BBTC 1996, I, 87; Triola, Mutuo e promessa di mutuo, GC 1982, I, 211; Ubertazzi, Concorrenza e contratti bancari: vent'anni dopo DBMF 2003, I, 353; Urbani, L’impresa bancaria italiana nella prospettiva del mercato unico europeo, 2005; Vettori (Hrsg.), Squilibrio e usura nei contratti, 2002; Tucci, Giuseppe, Ipoteca mobiliare, EG XVII, 1989, 1; Vittoria, Pegno irregolare, EG XXII, 1990, 1.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Bankrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Die Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Die Krediteröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Der Bankvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Der Bankdiskontvertrag . . . . . . . . . . . . . 7 4. Der Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 8
5. Der Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Die Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Pfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 10 11 12 13 14 15 16 16 17
Stichwortverzeichnis Angebotsprospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Angebot von Finanzprodukten, öffentliches . . . . . 17 Bankbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bankdiskontvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bankeinlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bankkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Bankverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bankvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bargeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Differenzgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Finanzdienstleistungen und Tätigkeiten . . . . . . . . 17 Finanzdienstleistungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Finanzmittelmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Gemeinschaftsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Generalbürgschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Girovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Krediteröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Pfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Reportgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 SICAV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 SIM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Sonderkreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Tagesgeschäft (festes). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Termingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Wertpapiermarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Wucherzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Abkürzungsverzeichnis A. AC AGE B BBTC BI C C.
Corte di Appello (Oberlandesgericht) Archivio civile Analisi giuridica dell’economia Bancaria Banca, Borsa e titoli di credito Banca d’Italia I contratti Corte di Cassazione (Oberster Gerichtshof) cc codice civile (Zivilgesetzbuch) ccons codice del consumo (dlg 206/2005) cpc codice di procedura civile (Zivilprozessordnung) CI Contratto e impresa CICR Interministerieller Ausschuss für Kreditund Sparwesen CI-Europa Contratto e impresa-Europa CG Corriere giuridico D Digesto delle discipline privatistiche (sezione civile) DBMF Diritto della banca e del mercato finanziario DE Diritto dell’economia
dl
dlg
DF dm ED EG F FI G GC GI GCo l. N NGCC P. RaDC
Di Nella
decreto legge (Verordnung mit Gesetzeskraft, die von der Regierung direkt erlassen und danach vom Parlament in ein Gesetz umgewandelt wird) decreto legislativo (Verordnung mit Gesetzeskraft, die die Regierung auf der Grundlage eines parlamentarischen Ermächtigungsgesetzes erlassen hat) Il diritto fallimentare Ministerialdekret Enciclopedia del diritto Enciclopedia giuridica Treccani Il fallimento Foro italiano Gius Giustizia civile Giurisprudenza italiana Giurisprudenza commerciale legge (Gesetz) Notariato Nuova giurisprudenza civile commentata Pretura (Gericht) Rassegna di diritto civile
2526
RCDP RDC RDCo RDImp rdl RFI RIL
1
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Rivista critica di diritto privato Rivista di diritto civile Rivista di diritto commerciale Rivista di diritto dell'impresa regio decreto legge (königliche Verordnung mit Gesetzeskraft) Repertorio generale annuale – Foro italiano Rivista italiana del leasing
RN RSoc RTDPC Soc T. tub tuf
Rivista del notariato Rivista delle società Rivista trimestrale di diritto e procedura civile Società Tribunale (Landesgericht) testo unico bancario testo unico della finanza
A. Rahmenbedingungen I. Bankrecht. Als Bank bezeichnet man Rechtssubjekte, denen die Ausübung von Bankgeschäften vorbehalten ist (10 II dlg 385/1993 – tub). Der Bankbetrieb besteht aus dem Sammeln der Ersparnisse des Volkes und der Kreditvergabe (10 I tub), die untrennbar miteinander verbunden sind. Banken können auch andere Tätigkeiten (Dienstleistungen für Kunden, steuer- und währungsrechtliche Aufgaben) sowie alle weiteren finanziellen Aktivitäten übernehmen und sie nach deren Regelung ausüben (10 III tub). Der Bankverkehr ist jedoch ausschließlich den Banken vorbehalten, was zur Anwendbarkeit des tub führt. Der Bankbetrieb ist eine unternehmerische Tätigkeit (10 I tub; 2082, 2195 I Nr. 4 cc), für die die Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der Aktiengenossenschaft mit beschränkter Haftung vorgeschrieben ist (14 I a tub). Die Aufnahme des Bankbetriebs bedarf einer auf einer reinen Rechtmäßigkeitsprüfung basierenden Genehmigung, die von der Banca d’Italia – BI – erteilt wird (14 tub). Im Falle wirtschaftlicher Probleme der Firma unterliegt das Betreiben einer Bank einer eigenen Ordnung, die z. B. keinen Konkurseröffnungsantrag vorsieht (70 ff. tub). Ebenso sind beim Erwerb von Bankbeteiligungen Grenzen gesetzt, um eigensüchtiges Managementverhalten von branchenfremden Firmen zu verhindern bzw. einzuschränken (19-27 tub). Die Kategorie der Bankverträge umfasst sämtliche Formen von Spar- und Kreditvergabeverträgen und auch Vertragstypen, die nicht unmittelbar als Bankvertrag im engeren Sinne angesehen werden (z. B. Wertpapierdepot). Ein Bankvertrag liegt vor, wenn ein Bankgeschäft getätigt wird und eine der Vertragsparteien eine Bank ist. Bei Bankverträgen wird unterschieden zwischen Dienstleistungen und Operationen (116 I tub). Zum Operationsvertrag zählen die Sparverträge (Passivoperationen) und die Kreditvergabe (Aktivoperationen). Der Operationsvertrag wird in der Regel nach den Rechtssätzen über den Kontokorrentvertrag erfüllt (1852 ff. cc). Dienstleistungsverträge sind nur indirekt mit dem Bankverkehr verbunden (z. B. Investmentgeschäfte). Der Bereich des Bankvertragsrechts kann in zwei Teile gegliedert werden. Im „Allgemeinen Teil“ (115 ff. tub) finden sich die auf alle Bankverträge anwendbaren Vorschriften, die nur zu Gunsten des Kunden abdingbar sind (127 I tub). Der „Besondere Teil“ besteht aus den verschiedenen Normen, die für die einzelnen Vertragstypen vorgesehen sind. Der „Allgemeine Teil“ ist durch die herausragende Stellung des Transparenzgebots geprägt (s. CICR Beschluss 4.3.2003 über die Regelung der Transparenz der AGB von Operationen und Dienstleistungen). Das soll die Erkennbarkeit der wesentlichen Vertragsbestandteile für den Kunden gewährleisten. Zu diesem Zweck werden der Bank eine Vielzahl von Publizitäts- und Informationspflichten auferlegt (116118 tub). Zur Erfüllung der Publizitätspflichten müssen die Zinssätze, die Gebühren, die Kosten der Mitteilungen an die Kunden und jede andere wirtschaftliche Vertragsbedingung in jeder für das Publikum zugänglichen Bankfiliale publiziert werden (116 I tub). Die publizierten Vertragsbedingungen stellen kein bindendes Vertragsangebot i. S. v. Art. 1336 cc dar (116 IV tub). Die Verträge bedürfen der Schriftform und ein Vertragsexemplar muss dem Kunden ausgehändigt werden (117 I tub). Ein Verstoß gegen dieses Form-
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2527
erfordernis führt zur Nichtigkeit des Vertrags (117 III tub) und die Nichterfüllung der Pflicht, dem Kunden eine Vertragskopie auszuhändigen, stellt eine aggressive Geschäftspraktik dar (8, 9 Richtlinie 2005/29/EG). Aus technischen Gründen kann aber der Interministerielle Ausschuss für Kredit- und Sparwesen – CICR – eine andere Vertragsform für besondere Verträge genehmigen (117 II tub). Die einzelnen Verträge müssen den Zinssatz, die Gebühren und alle anderen Vertragsbedingungen beinhalten, einschließlich der Verzugskosten im Falle eines Kreditvertrags (117 IV tub). Eine Klausel, die der Bank das Recht einräumt, während der Vertragslaufzeit Zinssätze, Gebühren und Vertragsbedingungen zu Ungunsten des Kunden zu ändern (ius variandi in pejus), muss im Vertrag ausdrücklich vorgesehen und vom Kunden eigens unterschrieben werden (117 V tub). Wenn der Kunde ein Verbraucher ist, ist das Vorkommen eines im Vertrag vorgesehenen rechtfertigenden Grundes nötig, um dieses ius variandi auszuüben (33 II m ccons). Die BI, mit Einverständnis der Nationalen Kommission für die Gesellschaften und die Börse – CONSOB –, kann den Inhalt für bestimmte Verträge vorschreiben; eine Abweichung hiervon führt zur Nichtigkeit (117 VIII tub). Die Klauseln, die zur Bestimmung von Zinssätzen, Gebühren und anderen Bedingungen auf die Bankenbräuche verweisen, sind nichtig und gelten als nicht eingefügt (117 VI tub). Gleiches gilt für Klauseln, die für den Kunden ungünstigere Bedingungen festlegen als die publizierten (117 VI tub). Im Falle der Nichtangabe der Bedingungen gem. Art. 117 IV tub oder der Nichtigkeit der Klauseln gem. Art. 117 VI tub wird der Vertragsinhalt automatisch durch die gesetzlichen Vorschriften ersetzt. Insbesondere kommt der Mindest- und Höchstzinssatz der jährlichen Schatzanweisungen oder anderer vom Schatzminister bestimmter Wertpapiere jeweils für Aktiv- und Passivgeschäfte zur Anwendung (117 VII a tub). Gleiches gilt für die Gebühren und Vertragsbedingungen, die die Bank für Geschäfts- und Leistungsarten der entsprechenden Kategorie publiziert hat; im Falle, dass die Bank solche Gebühren und Bedingungen nicht veröffentlicht hat, muss der Kunde nichts bezahlen (117 VII b tub). Bei den Dauerverträgen kann die Befugnis der Bank vereinbart werden, Zinssätze, Gebühren und weitere Vertragsbedingungen einseitig zu ändern (ius variandi in pejus), sofern ein rechtfertigender Grund vorliegt und eine diesbezügliche Klausel vom Kunden eigens unterschrieben wird (118 I tub; vgl. 33 III b ccons). Fehlt die Unterschrift, ist die Klausel unwirksam (1341 II cc). Jede einseitige Änderung der Vertragsbedingungen muss dem Kunden ausdrücklich und schriftlich mitgeteilt werden, mit einer Vorankündigung von mindestens dreißig Tagen, wobei die Formulierung „Vorschlag für eine einseitige Änderung des Vertrages“ explizit anzuführen ist. Diese Änderung gilt als angenommen, wenn der Kunde nicht innerhalb von sechzig Tagen ohne Kosten vom Vertrag zurücktritt. Im Falle eines Rücktritts hat der Kunde bei Vertragsauflösung das Recht auf die Anwendung der zuvor geltenden Bedingungen (118 II tub). Die Vertragsänderungen, für welche diese Vorschriften nicht beachtet wurden, sind unwirksam, sofern sie nachteilig für den Kunden sind (118 III tub). Interessant ist Art. 118 IV tub, wonach Zinssatzänderungen aufgrund einer währungspolitischen Entscheidung gleichzeitig sowohl die Schuldner- als auch die Gläubigerzinssätze betreffen sollen; diese sind also ohne Nachteil für den Kunden anzuwenden. Um die Konkurrenz unter den Banken zu steigern, bestimmt Art. 10 II dl 223/ 2006, dass in jedem Fall bei Dauerverträgen der Kunde die Möglichkeit hat, ohne Vertragsstrafe und ohne Kosten vom Vertrag zurückzutreten. Art. 8 dl 7/2007, umgesetzt durch l. 40/2007, sieht die Übertragbarkeit von einigen Bankverträgen vor, sowie eine spezielle Regelung für die Surrogation gem. Art. 1202 cc (nach dieser Vorschrift kann der Schuldner, der zwecks Bezahlung seines Schuldens ein Darlehen abgeschlossen hat, den Darlehensgeber in die Rechte seines ausgezahlten Gläubigers eintreten lassen, auch ohne dessen Konsens und ohne das Erlöschen des Schuldverhältnisses). Bei Krediten, Kontoeröffnungen oder anderen Finanzierungsverträgen seitens Bank- und Finanzvermittler ist
Di Nella
2528
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
die Surrogation auch vor der Fälligkeit des Kredits möglich und wird durch die Vereinbarung einer Frist zu Gunsten des Gläubigers nicht ausgeschlossen (8 I dl 7/2007). Im Falle einer Surrogation, tritt der surrogierte Kreditgeber in die akzessorischen, persönlichen und dinglichen Sicherheiten des Kredits ein. Die Anmerkung der Surrogation erfolgt formlos in das Grundbuch, indem man dem Grundbuchamt eine beglaubigte Kopie des durch öffentliche Urkunde oder private Vereinbarung abgeschlossenen Surrogationsgeschäfts vorweist (8 II dl 7/2007). Jede auch nach Vertragsabschluss stipulierte Vereinbarung, nach der die Befugnis des Schuldners zur Surrogation ausgeschlossen wird oder diese gegen Entgelt ausgeübt werden kann, ist nichtig. Es handelt sich dabei um eine gesetzlich vorgesehene Teilnichtigkeit, die nicht die Nichtigkeit des gesamten Vertrags nach sich zieht (8 III dl 7/2007). Die Surrogation bestimmt die Übertragung des bestehenden Darlehens zu der neuen Bank zu den mit dieser neu verhandelten Bedingungen, ohne Kosten jeglicher Art, Vertragsstrafen oder Gebühren zu Lasten der Kunden (8 III bis dl 7/2007). Zusätzlich wird auch die Neuverhandlung der Vertragsbedingungen geregelt. Diese muss ohne Kosten für den Schuldner erfolgen; das daraus resultierende Rechtsgeschäft kann auch in privatrechtlicher, nicht beglaubigter Form vorgenommen werden (8 III dl 7/2007). In der Praxis wurden die Kunden, die die Surrogation verlangt haben, von den Banken schikaniert. Insbesondere haben die Kreditinstitute die Ausübung des entsprechenden Rechts dadurch behindert, dass sie mit sehr viel Verspätung reagiert, falsche Informationen gegeben oder verweigert und sogar Geld verlangt haben, obwohl die Surrogation und die Übertragbarkeit nach Art. 8 III dl 7/2007 kostenlos erfolgen sollten. Da solche Verhaltensweisen unlautere Geschäftspraktiken bzw. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nicht vertraglicher Art, irreführende Handlungen und Unterlassungen darstellten (20 ff ccons), wurden viele Banken von der zuständigen Antistrust Autority zu einer sehr hohen Geldstrafe verurteilt (provvedimenti Nr. 18726 166; 18727 174; 18728 183; 18729 192; 18730 202; 18731 210; 18732 221; 18733 231; 18734 240; 18735 249; 18736 259; 18737 268; 18738 277; 18379 286; 18740 297; 18741 306; s. diese Entscheidungen in www.agcm.it). Art. 8bis dl 7/2007 sieht andere Bestimmungen zum Schutz der Kunden vor. So wird festgelegt, dass im Bereich der Versicherungs- und Bankverhältnisse es absolut untersagt ist, den Kunden die Kosten der Vorbereitung, Produktion, Übersendung oder weitere Gebühren für die Mitteilungen gem. Artt. 7, 8 und 13 VIIIsexies-VIIIterdecies dl 7/2007 zur Last zu legen. In Bezug auf Anatozismus (1283 cc) hat die Bankenpraxis seit jeher die Zinseszinsen in ihren AGB vorgesehen, sowie die Rechnung der Passivzinsen mit einer dreimonatigen Periodizität, während die der Aktivzinsen nur jährlich stattfand. Die Rechtssprechung hat aber entschieden, dass derartige Klauseln nichtig sind (C. 2374/1999, BBTC 1999, II, 389; C. 3845/1999, BBTC 2000, II, 254; für die Darlehen, C. 2593/2003, BBTC, II, 505). Auf dieser Grundlage hat der Gesetzgeber den Art. 120 tub modifiziert. Nach der neuen Fassung soll CICR vorschreiben, wie die Zinseszinsen für die Operationen zu regeln sind (CICR Beschluss 9.2.2000); dabei muss auf jeden Fall garantiert sein, dass die Passiv- und Aktivzinsen der Kontokorrentoperationen und der Darlehen mit derselben Periodizität gerechnet werden (120 II tub). Die Vorschriften von Artt. 115-128bis tub sind nur zugunsten der Kunden abdingbar (127 I tub). Die Banken müssen an ein von CICR geregeltes System zur Beilegung von Rechtstreitigkeiten mit den Kunden teilnehmen; dem Kunden steht aber in jedem Moment das Recht zu, sich an die staatlichen Justizorgane zu wenden (128bis I-III tub). Bei Verbraucherbankverträgen kommen zusätzlich die Normen über missbräuchliche Klauseln zur Anwendung (33 ff ccons, Capobianco, 3). Auf die in den Artt. 115-128 tub vorgesehenen Nichtigkeitsgründe kann sich ausschließlich der Kunde berufen (127 II tub).
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2529
II. Bankenaufsicht. Die Ausübung des Bankbetriebs unterliegt der Kontrolle seitens der verschiedenen Behörden für Kreditwesen (CICR, Schatzminister, BI: 1 I a, 2-5 tub), die ihre Kontrollbefugnisse in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht ausüben, indem sie die Verordnungen und Entscheidungen der Europäischen Union anwenden und verwaltungsrechtliche Maßnahmen – provvedimento, provv. – im Bereich des Kredit- und Finanzwesens treffen (6 tub). Dem CICR ist die Oberaufsicht im Bereich des Kreditwesens und des Schutzes der Sparguthaben übertragen. Zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient sich dieser Ausschuss der BI (2 tub). Mittels Verordnung ergreift der Schatzminister die in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden, notwendigen Maßnahmen (3 tub). BI übt die Informations-, Verordnung- und Inspektionsaufsicht aus (51 ff. tub), auch in konsolidierter Form in Bezug auf die Bankkonzerne (59 ff. tub). Im Rahmen der Ausübung der Kontrollfunktionen unterbreitet die BI dem CICR Vorschläge zur Beschlussfassung, erlässt Verordnungen, bestimmt und veröffentlicht die Grundsätze und Kriterien der Aufsichtsausübung, erteilt Anweisungen und ergreift Maßnahmen im Bereich der eigenen Zuständigkeit (4 tub). Zur Erleichterung der entsprechenden Funktionen arbeitet die BI mit den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten zusammen (7 VI tub). Im Rahmen des Abkommens über die Zusammenarbeit und bei entsprechenden Verschwiegenheitspflichten können Informationen zum Zweck der Aufsicht auch mit Nichtmitgliedstaaten ausgetauscht werden (7 VII, 66 tub). Alle Angaben, Informationen und Daten, die BI im Rahmen ihrer Kontrollfunktion erlangt, unterliegen auch gegenüber anderen öffentlichen Stellen dem Dienstgeheimnis; ausgenommen davon ist die Justiz, sofern die Informationen der Unterstützung der Strafverfolgung oder Ermittlung dienen (7 I, III tub). Die Antitrust Authority, in Zusammenarbeit von BI, ist zuständig für den Schutz des Wettbewerbs im Bankensektor (20 III-Vter l. 287/1990). Mit dem provv. 18.1.2006 Nr. 15088 hat die Antitrust Authority entschieden, eine informative Untersuchung – indagine conoscitiva, IC – über die Preise für die Operationen und Dienstleistungen nach dem Art. 12 II l. 287/1990 einzuleiten. Der erstellte Bericht IC32 (unter www.agcm.it) hat gezeigt, dass der Markt in diesem Bereich folgende Merkmale aufweist: ein Informationsdefizit zu Ungunsten der Kunden; das Bestehen von direkt von den Banken geschaffenen, zahlreichen Hindernissen zur Mobilität der Kundschaft (switching costs); sehr häufige Benutzung von Verträgen, die mehrere Operationen und Dienstleistungen vorsehen (tying-Praktiken). Deswegen ist es für die Verbraucher extrem kostspielig, wenn nicht gar unmöglich, eine rationelle Wahl zu treffen, was die Qualität und den Preis von einzelnen Operationen und Dienstleistungen angeht. Diese Ergebnisse erläutern die Gründe der sehr hohen Preise der Angebote auf diesem Markt und sind teilweise die Grundlagen vieler Reformen in diesem Bereich. Die Reformen wollen aber auch eine Antwort an die berüchtigten Finanzskandale (z. B. Parmalat-Skandal, Tangobonds) der letzten Jahre sein (z. B. l. 262/2005, modifiziert durch dlg 303/2006).
2
III. Die Rechtsquellen des Bankrechts sind gesetzlicher und außergesetzlicher Art. Wichtigste gesetzliche Rechtsquellen sind das tub, das dlg 58/1998 – tuf – (Finanzwesen), die Art. 1283, 1813 ff. und 1834 ff. cc (jeweils Anatozismus, Darlehen, Bankverträge), das Verbraucherrecht, das Kartellrecht (l. 287/1990) und die Vorschriften über den Datenschutz (dlg 196/2003). Außergesetzliche Rechtsquellen sind die Verordnungen und die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen der Kreditbehörde. Für die Regelung der Bankverträge sind auch die Bankenbräuche, die AGB der ABI – Associazione Bancaria Italiana – genannt Nbu und das Bankenkartell (durch welches die Banken ihre Gebühren für Aktiv- und Passivoperationen vereinbaren) in Betracht zu ziehen. Die Nbu richten sich an die Banken, welche diese für ihre eigenen Geschäfts- und Vertragsabschlüsse mit den Kunden verwenden und sie in ihren AGB wiedergeben; dadurch entfalten sie Wirksamkeit
3
Di Nella
2530
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
zwischen den Parteien (C. 5815/1994, GC 1995, I, 474). Die AGB müssen nun mit dem Verbraucherrecht abgestimmt werden, das den Bankvertrag zu Gunsten des Kunden verändert hat (A. Roma 24.9.2002, FI 2003, I, 332; Martorano, BBTC 1994, I, 125; Romagnoli, GCo 1998, I, 396), sowie mit dem italienischen und gemeinschaftlichen Kartellrecht (T. Genova 21.5.1996, BBTC 1998, II, 1997; T. Alba, 12.1.1995, DB 1996, I, 501; Bertolotti, GI 1997, IV, 345). Besonders hervorzuheben ist, dass die einst von Nbu und Bankenkartelle eingenommene Rolle durch den Erlass des provv. der BI 3.12.1994 Nr. 12 (DBMF 1995, II, 88) zum Schutz des Wettbewerbs im Bankensektor in erheblichem Maß zurückgedrängt wurde. Die BI hat entschieden, dass Klauseln, welche die wirtschaftlichen Bedingungen und den Vertragsinhalt verpflichtend festlegen, sowie die in Nbu beinhalteten missbräuchlichen Klauseln gegen das Verbot der wettbewerbswidrigen Vereinbarungen verstoßen (2 l. 287/1990). Infolgedessen wurden die unrechtmäßigen Klauseln aus den Nbu gestrichen und es hat sich allgemein das Prinzip durchgesetzt, dass es den Banken frei stehen soll, die Nbu zu verwenden oder abzuändern. 4
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditformen, die ausschließlich den Banken zustehen, sind die Aktivoperationen (Krediteröffnung, Bankvorschuss und Diskont); andere Kredite werden nicht nur von Banken angeboten (Darlehen, Verbraucherkredit). Zu erwähnen sind auch Sonderkreditformen, die sich durch eigene Regelungen auszeichnen, die von der Art der Geschäfte, der Zielrichtung der Finanzierung und der Beschaffenheit des Kreditobjekts abhängen (z. B. Landwirtschafts- und Fischereikredit 43-45 tub, Finanzierung von Unternehmen mit besonderen Vorrechten 46 tub).
5
1. Die Krediteröffnung ist ein Vertrag, mit dem sich die Bank verpflichtet, dem Kunden einen bestimmten Geldbetrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Verfügung zu stellen (1842 cc). Die Bank bleibt Eigentümerin des Betrags, solange der Kunde nicht darüber verfügt. Erst ab diesem Zeitpunkt werden Zinsen fällig. Sofern nicht anders vereinbart, kann der Kunde über den Betrag durch mehrere Entnahmen bis zu einer bestimmten Höhe verfügen und die Verfügbarkeit durch nachfolgende Einzahlungen wiederherstellen (1843 I cc). Dem Erfordernis der Schriftform (117 I tub) genügt die Erklärung der Bank in einem Kontokorrentvertrag, dem Kunden eine Krediteröffnung gewähren zu können (BI provv. 4.5.1992). Die bloße Duldung einer Kontoüberziehung führt nicht automatisch zum Abschluss eines Krediteröffnungsvertrags, da es an einer entsprechenden Pflicht der Bank mangelt. Die Krediteröffnung ohne Sicherheit ist als ungedeckt definiert. Erfolgt die Krediteröffnung mit einer Sicherheit, erlischt diese nicht vor Vertragsende, da der Kunde während der Vertragslaufzeit nicht mehr Schuldner der Bank ist (1844 I cc), die Schuld nicht revalutiert wird. Bei Vertragsende ist der Kunde verpflichtet, der Bank den Betrag zurückzuerstatten. Wurde für die Krediteröffnung eine bestimmte Zeit vereinbart, kann die Bank vor Ablauf dieser Frist nur aus wichtigem Grund vom Vertrag zurücktreten (1845 I cc), z. B. bei Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers oder Unzulänglichkeit der Sicherheiten (1844 II cc). Ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Rücktritts an den Kunden wird die Inanspruchnahme des Kredits mit sofortiger Wirkung aufgehoben (C. 9943/1993, GI 1995, I, 1, 90). Die Bank muss dem Kunden für die Rückzahlung eine Frist von mindestens 15 Tagen einräumen (1845 II cc). Wurde die Krediteröffnung auf unbestimmte Zeit vereinbart, kann jede der Parteien innerhalb der vertraglich vorgesehenen oder nach Bankenbräuchen üblichen Frist oder bei Fehlen einer solchen innerhalb von 15 Tagen vom Vertrag zurücktreten (1845 III cc). Ist der Kunde ein Verbraucher, kann die Bank ohne Einhaltung einer Frist nur aus wichtigen Gründen vom Vertrag zurücktreten, wenn sie ihm dies unverzüglich mitteilt (33 III a ccons). Als wich-
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2531
tiger Grund gilt die mangelnde Solvenz des Kunden (C. 4538/1997, GC 1998, I, 507) oder die vereinbarungswidrige Verwendung des Geldes. 2. Der Bankvorschuss ist eine Form von abgesicherter Krediteröffnung (Serra, DCo, IV, 123), die der Finanzierung von Warenkäufen dient. Der Produzent verpfändet die Waren (C. 9512/1993, BBTC 1994, II, 373) oder Inhaberpapiere, die die Waren repräsentieren, und lässt sich von der Bank soviel im Voraus auszahlen, wie er von den Verkäufen einzunehmen hofft. Die Stellung einer Garantie ist dabei wesentlicher Vertragsinhalt. Die Kreditgewährung wird hauptsächlich nach dem Wert der Sicherheiten bestimmt. Letztere werden durch die Wertschwankungen beeinflusst, denen die Ware oder Inhaberpapiere während des Vertragsverhältnisses unterliegen. Nimmt der Wert der Sicherheit um mindestens 10% im Vergleich zu dem Wert bei Vertragsschluss ab, kann die Bank die Ergänzung der Sicherheit verlangen oder, wenn diese nicht geleistet wird, den Verkauf der Ware und Inhaberpapiere betreiben (1850 I cc). Die Bank hat ein sofortiges Rückerstattungsrecht bzgl. des nicht durch den Verkauf befriedigten Teils der Schuld (1850 II cc). Das Pfand kann regulär oder irregulär sein. Ein reguläres Pfand liegt vor, wenn die Bank dem Kunden ein Dokument ausstellt, in dem die Waren und Inhaberpapiere einzeln aufgeführt sind. Die Bank kann nicht über die verpfändeten Gegenstände verfügen (1846 cc) und muss diese auf Kosten des Kunden verwahren (1848 cc) und versichern, sofern dies den üblichen Vorkehrungen entspricht (1847 cc). Nach vollständiger Zahlung müssen diese Gegenstände zurückgegeben werden. Im Falle der proportionalen Rückzahlung des vorgeschossenen Betrags und der Aufwendungen ist eine Teilrückgabe der Waren und Inhaberpapiere zulässig (1849 cc). Von irregulärem Pfand spricht man, wenn die Sicherheiten für den Vorschuss in Form von Geldeinlagen, Waren und Inhaberpapieren geleistet werden, die nicht individualisiert wurden oder über welche die Bank frei verfügen kann. Die Bank erwirbt an diesen Eigentum und muss nur den Teil der Summe, Ware oder Inhaberpapiere zurückerstatten, der den Wert der Kreditsumme übersteigt. Der Überschuss richtet sich nach dem Wert der Waren und Inhaberpapiere zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Kredite (1851 cc). In der Praxis ist der garantierte Vorschuss mit einem Pfandrecht an Forderungen als Sicherheit verbreitet. Durch diesen Vertrag erhält der Verkäufer den Vorschuss eines eigenen Kredits in Erwartung seiner Fälligkeit (2800 ff. cc). Wenn die Bank die Kredite eintreibt, ist sie verpflichtet, dem Kunden den Betrag zurückzuerstatten, der sich nach Abzug des vorgeschossenen Betrags, der vereinbarten Zinsen und der Aufwendungen ergibt (2803 cc).
6
3. Der Bankdiskontvertrag ist ein Vertrag, mit dem der Kunde der Bank einen noch nicht fälligen Kredit gegenüber einem Dritten abtritt, wobei die Bank ihm den Betrag nach vorherigem Abzug der Zinsen vorstreckt (1858 cc; C. 1097/1999, GC 1999, I, 1624). Die Bank zahlt als Abtretungspreis die Differenz zwischen dem Nominalbetrag des Kredits und der geringeren Vorschusssumme (Diskontsatz). Das Diskontgeschäft erfolgt „vorbehaltlich Eingang“ (1858 cc); es ist daher eine Abtretung mit Forderungsgarantie (C. 1295/ 1991, GI 1993, I, 1, 499): Der Kunde haftet für das Bestehen der Forderung (1266 cc) und für die Bonität des Schuldners (1267 cc). Der Diskont kann auch mittels Wechsel- oder Scheckindossament durchgeführt werden (C. 559/1995, CG 1995, 1089). Wenn das Indossament unwirksam ist, wird der Diskontvertrag unwirksam (A. Torino, 24.2.1997, BBTC 1998, II, 310). Für den Fall der ausbleibenden Zahlung steht der Bank sowohl Klage aus dem Besitz des Kreditbriefs als auch die Klage aus dem Diskontvertrag zu (1859 I cc), welche unabhängig von der Wechselklage ist und zehn Jahre lang zulässig ist. Verbreitet ist der Diskont der Bankquittungen (C. 1041/1999, C 1999, 790), d. h. der Quittungen, die vom Gläubiger vor Schuldeintreibung ausgegeben und der Bank zur Einziehung übertragen werden. Verlangt der Kunde von der Bank die gewöhnliche Einziehung
7
Di Nella
2532
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
und den Vorschuss für einen niedrigeren Betrag als den Nominalbetrag, findet ein Diskontgeschäft nur statt, wenn der jeweilige Kredit an die Bank abgetreten wurde. 8
4. Der Darlehensvertrag ist ein Vertrag, mittels dessen der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine bestimmte Menge Geldes oder anderer vertretbarer Sachen übergibt und der Darlehensnehmer sich verpflichtet, ebenso viele Sachen gleicher Art und Güte zurückzuerstatten (1812 cc). Der Darlehensnehmer erwirbt das Eigentum an der Darlehenssache. Ist der Darlehensgeber eine Bank, richtet sich das Darlehen nach den Bestimmungen des tub. Der Darlehensvertrag ist ein Realvertrag, der durch die Übergabe der Sachen zustande kommt (Giampiccolo, 447; C. 1945/1999, FI 1999, I, 2569; a. M. Triola, GC 1982, I, 212). Die Parteien können einvernehmlich einen atypischen Darlehenskonsensualvertrag abschließen (C. 611/1996, FI 1997, I, 1247). Sondergesetze sehen einige Konsensualdarlehen vor (z. B. zweckgebundenes Darlehen). Die Übergabe des Betrags kann auch durch eine Gutschrift auf dem Kontokorrentkonto des Darlehensnehmers (C. 12123/1990, RFI 1999, 2065, Nr. 4-5) oder durch Einzahlung auf ein zinsbringendes Sparbuch erfolgen (C. 6686/1994, GC 1995, I, 157). Die Parteien können auch ein Darlehensversprechen abschließen (1822 cc), dessen Verletzung nur zu einem eventuellen Schadensersatzanspruch führt (C. 3980/1981, GC 1982, I, 201). Die Weigerung, das Darlehensversprechen zu erfüllen, ist gerechtfertigt, wenn sich die Verhältnisse derart verändert haben, dass die Rückerstattung offensichtlich nur unter Schwierigkeiten möglich erscheint und keine geeigneten Sicherheiten angeboten werden (1822 cc). Vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarung ist der Darlehensvertrag ein entgeltlicher Vertrag, soweit der Darlehensnehmer Zinsen an den Darlehensgeber entrichten muss (1815 I cc). Unterbleibt die Zinszahlung, kann die Bank die Auflösung des Vertrags verlangen (1820 cc). Die Höhe der Zinsen kann von den Parteien vereinbart werden; sie muss publiziert und im Vertrag angegeben werden (116 I, 117 IV tub). Die Vereinbarung von Wucherzinsen führt zur Nichtigkeit der Klausel und es können keine Zinsen mehr verlangt werden (1815 II cc; Collura, CI 1998, 602). Als Wucherzinsen bezeichnet man solche, die zum Zeitpunkt des Versprechens oder der Vereinbarung die vom Schatzminister vierteljährlich festgesetzte Zinshöhe übersteigen. Diese Grenze ergibt sich aus dem durchschnittlichen Zinssatz der Kreditgeschäfte der gleichen Art, erhöht um die Hälfte (2 IV l. 108/1996, 1 l. 24/2001). Der Zeitpunkt der Rückzahlung ist wesentlicher Vertragsbestandteil (C. 2055/1972, GC 1972, I, 1511) und wird von den Parteien festgelegt. Fehlt eine solche Klausel oder ist vereinbart, dass der Darlehensnehmer nur zahlt, wenn er dazu in der Lage ist, ist die Frist vom Richter zu bestimmen (1817 cc; C. 4939/1997). Beim unentgeltlichen Darlehen wird vermutet, dass der Zeitpunkt zugunsten des Darlehensnehmers vereinbart wurde; dieser kann die Summe auch vorzeitig erstatten (1816 cc). Beim entgeltlichen Darlehen wird vermutet, dass der Zeitpunkt zugunsten beider Parteien vereinbart wurde (1816 cc); diese können vor Fälligkeit weder erfüllen, noch Erfüllung verlangen. Wurde eine Ratenzahlung vereinbart und leistet der Darlehensnehmer auch nur eine Rate nicht, kann der Darlehensgeber die sofortige Rückzahlung des gesamten Betrags verlangen. Die Ausübung dieses Rücktrittsrechts im Falle eines unentgeltlichen Darlehens unterliegt der Bewertung durch den Richter (1819 cc). Auf das entgeltliche Darlehen findet in diesem Fall Art. 1453 cc Anwendung (Auflösung des gegenseitigen Vertrags wegen Nichterfüllung; C. 1861/1995, GI 1996, I, 1, 998). Das zweckgebundene Darlehen liegt vor, wenn die Parteien oder das Gesetz vorsehen, dass der Darlehensbetrag für einen bestimmten Zweck verwendet werden muss. Für diesen Darlehensvertrag ist eine unter der marktüblichen Zinshöhe liegender Zinssatz vorgesehen. Gleichzeitig trifft den Darlehensnehmer die Pflicht, das geliehene Geld zweckentsprechend zu verwenden; der Rechtsgrund dieses Vertrags umfasst also auch den Finanzierungszweck (Mazzamuto, 1). Vereinbaren die Parteien, sich nicht an den von gesetzlichen Vorgaben festgelegten Finanzierungszweck zu halten, ist der
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2533
Vertrag wegen originären mangelnden Rechtsgrunds unwirksam (C. 6572/1997, FI 1998, 1,169). Art. 7 dl 7/2007 regelt die vorzeitige Auflösung bestimmter Darlehen, um auch die Konkurrenz zu beleben. Die ursprüngliche Fassung dieser Vorschrift betraf nur die Verträge für den Kauf des ersten Hauses oder Wohnung, d. h. der Immobilie, wo die natürlichen Personen ihren Wohnsitz haben werden. Das l. 40/2007 hat dl 7/2007 mit Änderungen umgesetzt. Der neue Art. 7 I, II dl 7/2007 betrifft die Auflösung eines Darlehens für den Kauf oder die Renovierung einer Immobilie sowohl für Wohnzwecke als auch für die Ausübung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Tätigkeit seitens natürlicher Personen. Jede Klausel, die irgendeine Leistung für die vorzeitige oder teilweise Darlehensauflösung zur Last des verlangenden Darlehensnehmers festlegt, ist unwirksam; dies gilt auch für die nach Vertragsabschluss getroffenen Vereinbarungen und für die Vertragsstrafen (7 I dl 7/2007). Die Klauseln, die das Verbot der Vertragsstrafe verletzen, sind von Rechts wegen nichtig, ohne dass dies die Nichtigkeit des ganzen Vertrags auslöst (7 II dl 7/2007). Das Verbot der Vertragsstrafen findet auf die ab dem Inkrafttreten des dl 7/2007, d. h. dem 2.2.2007, abgeschlossenen Darlehen Anwendung (7 III dl 7/2007). Für die davor abgeschlossenen Verträge gelten andere Bestimmungen. Der ABI und die staatlich anerkannten Konsumentenschutzvereine (vgl. Art. 137 ccons) sollten innerhalb von drei Monaten ab dem Inkrafttreten des dl 7/2007 die Regeln für die Angleichung der bestehenden Darlehen festlegen, insbesondere durch die Festsetzung des Höchstbetrages der Vertragsstrafe für den Fall der vorzeitigen oder teilweisen Darlehensauflösung (7 V dl 7/2007). Falls keine Übereinkunft getroffen werden konnte, wäre eine angemessene Höhe der Vertragsstrafe innerhalb von dreißig Tagen direkt von BI festgelegt worden und hätte eine zwingende Bestimmung i. S. v. Art. 1419 II cc zum Zweck der Neuverhandlung der bestehenden Darlehensverträge dargestellt (7 VI dl 7/2007). Die Vereinbarung wurde getroffen und hat den höchsten Vertragsstrafebetrag nach der Art der Zinssatz und dem Vertragsabschlussdatum festgelegt. Die privatrechtliche Regelung sieht folgendes vor: a) für Darlehen mit variablem Zinssatz ist der Höchstbetrag von 0,50%, 0,20% für das drittletzte Jahr und 0,00% für die letzten zwei Jahre; b) für die vor dem 1.1.2001 abgeschlossenen Darlehen mit festem Zinssatz ist der Höchstbetrag von 0,50%, 0,20% für das drittletzte Jahr und 0,00% für die letzten zwei Jahre; c) für die nach dem 31.12.2000 abgeschlossenen Darlehen mit festem Zinssatz ist der Höchstbetrag von 1,90% für die erste Hälfte der Tilgungszeit und 1,50% für die zweite Hälfte, 0,20% für das drittletzte Jahr und 0,00% für die letzten zwei Jahre; d) für die Darlehen mit gemischtem Zinssatz variiert der Höchstbetrag je nach dem, wann der Vertrag abgeschlossen wurde (vor dem 1.1.2001 wie unter a und b; nach dem 31.12.2000 wie unter a, wenn sich die Art der Zinssatz jede zwei Jahre oder früher ändert; nach dem 31.12.2000 wie unter a – Auflösung beim variablen Zinssatz – oder c – Auflösung beim festen Zinssatz –, wenn sich die Art der Zinssatz später als jede zwei Jahre ändert). Falls die Vertragstrafe gleich oder niedriger als die vereinbarten Höchstbeträge ist, wird sie reduziert um 0,20% für die Darlehen unter a und b und um 0,25% oder 0,15% für die Darlehen unter c je nach dem, ob der Betrag gleich oder höher als 1,25 oder niedriger als 1,25% ist. Dieses Abkommen findet auf die für den Kauf des ersten Hauses oder Wohnung vor dem 2.2.2007 abgeschlossenen Darlehen (als die alte Fassung von Art. 7 I, II dl 7/2007 galt) und auf die im Art. 7 I, II vorgesehenen, vor dem 3.4.2007 abgeschlossenen Darlehen (Inkrafttretensdatum des l. 40/2007, das die neue Fassung der Vorschrift angeführt hat) Anwendung. Ein Darlehensgeber kann die Neuverhandlung eines vor dem Inkrafttreten des dl 7/2007 abgeschlossenen Darlehensvertrages nicht ablehnen, wenn der Schuldner innerhalb der festgelegten Grenzwerte gem. Art. 7 V, VI eine Reduzierung des Vertragsstrafebetrags verlangt (7 VII dl 7/2007). Da die Steigerung der Marktzinssätze eine beträchtliche Ratenerhöhung der Darlehen mit variablem Zinssatz verursacht hat, hat der Gesetzgeber zusätzliche Normen erlassen, um den in
Di Nella
2534
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Schwierigkeit geratenen Darlehensnehmern Hilfe zu leisten. Art. 3 I dl 93/2008, umgesetzt mit Änderungen durch l. n. 126/2008, sah vor, dass das Wirtschafts- und Finanzministerium und der ABI ein Abkommen vereinbaren sollten, um die Neuverhandlung der Darlehensbedingungen mit variablem Zinssatz zu regeln. Das Abkommen, dessen Grundlinien von Art. 3 II-VIII dl 93/2008 vorgeschrieben worden sind, wurde am 19.6.2008 geschlossen (s. www.abi.it). Den Banken und sonstigen Kreditgebern (106 tuf) steht frei, dem Abkommen beizutreten; wenn sie es tun, dann sind sie dazu verpflichtet, den Kunden die neuen Bedingungen anzubieten. Diese Regelung gilt für die vor dem 29.5.2008 von natürlichen Personen zwecks Kauf, Bau oder Renovierung der Wohnsitzsimmobilie geschlossenen oder durch Vertrag mit dem Schuldner übernommenen Darlehen mit variablem Zinssatz. Das Ziel der Neuverhandlung besteht im Grunde darin, dass ein solches Darlehen in ein Darlehen mit festem Zinssatz umgewandelt wird, dessen neuer Zinssatz dem Durchschnittzinssatz des Jahres 2006 entspricht; dadurch wird die Höhe der Raten reduziert und sie bleibt unverändert bis zum Erlöschen des Darlehens (3 II dl 93/2008). Die Differenz zwischen der vorherigen Ratenhöhe und der durch die Neuverhandlung kalkulierten wird auf einem akzessorischen Finanzierungskonto gutgeschrieben, das parallel zur Hauptfinanzierung mit einem gesetzlich bestimmten Zinssatz für den Darlehensnehmer eröffnet wird (3 III dl 93/2008). Somit kann es im Laufe der Vertragszeit geschehen, dass die alte Rate höher oder niedriger wird als die neuverhandelte. Im ersten Fall wird der daraus resultierende Unterschied auf dem akzessorischen Finanzierungskonto gutgeschrieben; wenn diese akzessorische Finanzierung damit ganz zurückbezahlt wird, kehrt man zu dem ursprünglichen Tilgungsplan zurück (3 IV dl 93/2008). Wenn sich aber bei der Darlehensfälligkeit aus dem Finanzierungskonto noch Schulden ergeben, werden diese vom Kunden an die Bank in Raten zurückerstattet, deren Höhe jener der Neuverhandlung gleicht und deren Zinssatz jenem des akzessorischen Finanzierungskontos entspricht, falls letzterer für den Kunden günstiger ist als der gesetzlich bestimmte (3 V dl 93/ 2008). Die oben genannten Regeln sind nur zu Gunsten der Kunden abdingbar (3 VIII bis dl 93/2008). Der Kunde hat heute die Neuverhandlung ex Art. 8 III dl 7/2007, die Neuverhandlung ex Art. 3 dl 93/2008, die Übertragbarkeit des Darlehens und seine vorzeitige kostenlose Auflösung zur Verfügung, um eventuelle wirtschaftliche Schwierigkeiten bei der Bezahlung der Raten zu überwinden. Die Neuverhandlung ex Art. 3 dl 93/2008 scheint nur für die Kunden empfehlenswert zu sein, die die Erhöhung der Ratenhöhe wirtschaftlich nicht mehr tragen können oder sogar schon im Verzug sind. Auf Grund des dargestellten Mechanismus könnte der Kunde der Bank wesentlich mehr zurückzahlen müssen als ursprünglich vorgesehen. 9
5. Der Verbraucherkredit ist ein Vertrag, mit dem ein Unternehmer in Ausübung seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit einem Verbraucher einen Kredit in Form einer Finanzierung, eines Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen Finanzierungshilfe gewährt (121 I tub; Gaggero, CI-Europa 1996, 622). Die Vergabe von Verbraucherkrediten ist Banken, Finanzvermittlern und solchen Unternehmern vorbehalten, die zum Verkauf von Gütern und Dienstleistungen ausschließlich in Form von Zahlungsaufschub autorisiert wurden (121 II tub). Das Gesetz sieht die Publizität des wirtschaftlichen Inhalts des Geschäfts (116 I tub) und die Angabe des effektiven Jahreszinses – Taeg – vor (123 I tub). Der Taeg bezeichnet die Gesamtkreditkosten als jährlichen Prozentsatz der geliehenen Summe, einschließlich der Zinsen und sämtlicher Kosten der Kreditvergabe (122 tub). Der Taeg und dessen jeweilige Gültigkeitsdauer müssen in Anzeigen und Angeboten jeglicher Form angegeben werden (123 II tub). Der einzelne Vertrag muss schriftlich abgefasst werden, andernfalls ist er nichtig (124 I i. V. m. 117 I und III tub); er muss den Taeg angeben und eine Reihe von Bedingungen einhalten, um die „klare und richtige“ Verständlichkeit des Geschäftsinhalts sicherzustellen (124 II-III tub). Keine Summe darf dem
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2535
Verbraucher zugerechnet werden, wenn sie nicht im Vertrag ausdrücklich vorgesehen ist; Klauseln, welche für die Bestimmung der wirtschaftlichen Bedingungen auf die Handelsbräuche verweisen, sind nichtig und gelten als nicht vereinbart (124 IV tub). Fehlt eine Vereinbarung oder ist diese nichtig, wird sie durch gesetzliche Bestimmungen ersetzt (124 V a-c tub). Nur der Verbraucher kann sich auf die genannten Nichtigkeitsgründe berufen (127 II tub). Wird auf die mit dem Kredit gekauften Güter ein dingliches Recht als Sicherheit eingeräumt, findet Art. 1525 cc Anwendung (125 I tub). Das Recht des Verbrauchers, im Voraus zu erfüllen und ohne Vertragsstrafe vom Vertrag zurückzutreten, ist unabdingbar (125 II tub). Hat der Verbraucher den Lieferanten erfolglos in Verzug gesetzt und besteht zwischen letzterem und dem Kreditgeber ein Ausschließlichkeitsabkommen zur Finanzierung der Kunden des Lieferanten, kann der Verbraucher dem Kreditgeber hinsichtlich des Kredits die Einwendungen entgegenhalten, die ihm wegen der Nichterfüllung gegen den Lieferanten zustehen (125 IV tub). Werden Forderungen aus einem Verbraucherkredit abgetreten, kann der Verbraucher dem Zessionar sämtliche Einwendungen entgegenhalten, die ihm gegen den Zedenten zustehen, einschließlich der Aufrechnung (125 III tub). Sofern vereinbart, finden die Regelungen über den Verbraucherkreditvertrag auch auf den Kreditvermittler Anwendung (121 III tub). II. Kreditsicherheiten sind die persönlichen Sicherheiten (Bürgschaft, Garantievertrag) und die dinglichen Sicherheiten (Pfand, Hypothek).
10
1. Die Bürgschaft. Bürge ist derjenige, der die Erfüllung einer Verpflichtung eines Dritten sichert, indem er sich persönlich gegenüber dessen Gläubiger verpflichtet (1936 cc; Ravazzoni, D, 254). Die von einem Verbraucher geleistete Bürgschaft ist durch die Vorschriften über missbräuchliche Klauseln (33 ff. ccons) und über Haustürgeschäfte geschützt (45 ccons). Die Schuld des Bürgen ist akzessorisch zur Hauptschuld. Wenn die Hauptschuld unwirksam ist, wird daher auch die Bürgschaft unwirksam, es sei denn, sie wurde für einen Geschäftsunfähigen geleistet (1939 cc; Giusti, 130). In der Rechtsprechung wird teilweise vertreten, dass diese Norm abdingbar und der Bürge immer zur Erfüllung verpflichtet sei, sofern die Abweichungsklausel nicht unwirksam ist (C. 4117/ 1995; a. A. C. 4899/1992, GC 1993, I 1293). Wenn die Bürgschaft die Schuld des Hauptschuldners übersteigt oder zu kostspieligeren Bedingungen geleistet wurde, besteht sie nur in Höhe der Hauptschuld (1941 cc) und ist für den restlichen Betrag nichtig (C. 1427/ 1999, GI 1999, 1576). Die Bürgschaft kann durch das Gesetz, einseitiges Rechtsgeschäft (C. 9777/1993, GI 1994, I, 1, 1536) oder durch Vertrag (auch Vertrag zu Gunsten Dritter: C. 3940/1995, GC I, 2413; einseitiger Vertrag: C. 4646/1997, GI 1998, 1135) begründet werden. Der Wille, bürgen zu wollen, muss ausdrücklich erklärt werden (1937 cc), d. h. er muss eindeutig und unmissverständlich erkennbar sein, ohne dass auf die Erklärungsumstände zurückgegriffen werden muss (C. 3400/1988, BBTC 1989, II, 434). Die Bürgschaft kann auch ohne Kenntnis des Schuldners, der nicht am Vertrag beteiligt ist (C. 8064/ 1992, GI 1993, I, 1, 1296), geleistet werden (1936 II cc; C. 4651/1984, GI 1985, I, 1,952). Gegenstand der Bürgschaft kann auch eine andere Bürgschaft sein (1940, 1948 cc; C. 9363/1991, BBTC 1993, II, 265), ebenso eine bedingte oder zukünftige Schuld, deren maximale Höhe jedoch feststehen muss (1938 cc). Von einer Generalbürgschaft spricht man, wenn der Bürge für alle Verbindlichkeiten einsteht, die ein Kunde aufgrund einer oder mehrerer zukünftiger Kreditgewährungen gegenüber seiner Bank eingehen wird. Die Garantie ist wirksam, da der Gegenstand anhand der von Fall zu Fall übernommenen Verpflichtungen des Schuldners gegenüber der Bank (Bestimmbarkeit des Dritten, 1349 cc) bestimmbar ist (C. 12743/1999, RFI 1999, 1128, Nr. 33-34; Giusti, 159), wobei diese sich nach Treu und Glauben verhalten muss (C. 831/1998, GI 1998, 1645; C. 9099/1994, BBTC 1996, II, 596; a. A. C. 13131/1997, GI 1998, 1644). Der Bürge für zukünftige Ver-
11
Di Nella
2536
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
bindlichkeiten wird durch Richterspruch frei, wenn die Bank ohne besondere Genehmigung des Garanten einem Schuldner, der sich in einer wirtschaftlichen Lage befindet, in der es schwierig erscheint, dass er die Forderung befriedigen kann, weitere Kredite gewährt (1956 I cc). Der Generalbürge kann die exceptio doli erheben (C. 2890/1991, GC 1992, I, 515) und haftet nicht für den Betrag, der die vorgesehene maximale Höhe übersteigt (1938 cc; Rivolta, RDC 1992, II, 675). Der Bürge haftet solidarisch mit dem Hauptschuldner, soweit keine Einrede der Vorausklage vereinbart worden ist (1944 I-II cc); dem Bürgen steht jedoch immer das beneficium ordinis zu, d. h der Gläubiger muss zuerst die Erfüllung vom Hauptschuldner verlangen (Fragali, Fideiussione, 76). Wenn mehrere Bürgen für die gleiche Schuld einstehen, haftet jeder für die gesamte Schuld, sofern nicht die Begünstigung der Teilung vorgesehen ist (1946 cc; C. 2459/1999, FI 1999, I, 2253). Der Bürge haftet auch nach Fälligkeit der Hauptschuld, sofern der Gläubiger binnen sechs Monaten Klage gegen den Schuldner erhebt und diese mit Sorgfalt betreibt (1957 I cc; C. 9719/1992, GI 1993 I, 1, 1256; C. 6604/1994, F 1995, 256). Diese Regel gilt auch dann, wenn der Bürge ausdrücklich in der Bürgschaftsurkunde erklärt hat, die Bürgschaft auf die Laufzeit der Hauptforderung zu beschränken. In diesem Fall muss der Gläubiger innerhalb von zwei Monaten tätig werden (1957 II-III cc; C. 12901/1993, GI 1994, I, 1, 1308). Die Vorschrift des Art. 1957 cc wird als abdingbar betrachtet (C. 6897/1993, RFI 1993, 1111, Nr. 50). Der Bürge kann dem Gläubiger alle Einreden des Hauptschuldners einschließlich der Aufrechnung entgegenhalten. Ausgeschlossen sind die Einreden, die auf Geschäftsunfähigkeit beruhen (1945 cc). Sieht das Bürgschaftsgeschäft eine Klausel „solve et repete“ vor, können die Einwendungen vom Garanten nur nach der vollständigen Befriedigung der Forderungen des Gläubigers erhoben werden. Der Bürge kann im Folgenden seine Einwendungen im Wege einer Klage auf Rückforderung der Nichtschuld geltend machen (2033 cc). Der Bürge, der gezahlt hat, tritt in die Rechte des Gläubigers ein (1949 cc) und erhält einen Rückforderungsanspruch gegen einen oder mehrere Hauptschuldner (1950 f. cc). In einigen Fällen kann der Bürge auch vor der Zahlung gegen den Schuldner vorgehen, damit dieser ihn freistellt oder aber die erforderlichen Sicherheiten leistet, um ihm die Erfüllung seines Rückforderungsanspruchs zu sichern (1953 cc; C. 3538/1984, GC 1985, I, 99). Wenn der Bürge gezahlt hat, ohne den Schuldner davon in Kenntnis zu setzen, und auch dieser seine Schuld erfüllt, steht dem Bürgen nur ein klagbarer Anspruch auf Rückforderung gegen den Gläubiger zu (1952 III cc). 12
2. Der Garantievertrag ist ein Vertrag, mit dem der Garant die unbedingte und unwiderrufliche Zahlung eines Geldbetrags auf schriftliche Anforderung des Begünstigten garantiert (C. 3964/1999, RN 1999, 1271; C. 3552/1998, GI 1999, 502). Der Garant ist i. d. R. eine Bank oder eine Versicherungsgesellschaft, die anstelle des Gläubigers das Insolvenzrisiko des Schuldners trägt (A. Milano 15.10.1999, C 2000, 468). Mit der Formulierung „auf erste Anfrage“ wird jegliche Akzessorietät ausgeschlossen. Gleichzeitig wird verhindert, dass der Garant Einreden erhebt, die aus dem garantierten Rechtsverhältnis stammen (Nappi, GI 1993, IV, 575). Die Abstraktheit leitet sich aus der absoluten Unabhängigkeit des Vertrags ab (Portale, BBTC 1984, I, 14). Die Nichtigkeit wegen Rechtswidrigkeit des Hauptvertrags führt jedoch kraft Art. 1344 cc zur Nichtigkeit des Garantievertrags (A. Milano 4.3.1998, BBTC 1988, II, 608). Zur Zahlungsverweigerung kann der Garant dem Begünstigten auch die Erfüllung durch den Schuldner entgegenhalten, die vom Dritten ohne Vorbehalte angenommen wird oder durch sicheren oder unbestrittenen Nachweis bewiesen werden kann (C. 3291/1993, GI 1994, I, 1, 246). Sofern nicht anders vereinbart, führt das Fehlen der Akzessorietät dazu, dass der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Bürgschaft auf den Garantievertrag erweitert wird, insoweit sie ihrem Wesen nach mit dessen Funktion vereinbar sind. Nicht anwendbar sind deshalb
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2537
Art. 1939, 1941, 1957 cc (C. 3964/1999, a. a. O). Verlangt der Begünstigte unter Verstoß gegen Treu und Glauben (P. Roma 4.11.1992, GI 1994, I, 2, 612) die Zahlung der Garantie auf Grund eines nicht bestehenden oder künstlich angestrengten Rechtsstreits, kann der Schuldner gem. Art. 700 cpc den Garanten an der Zahlung hindern (T. Roma 6.11.1998, GC 1999, I, 3457; Dolmetta, BBTC 1998, I, 147). Wegen der Schutzpflichten muss die Einrede auch vom Garanten erhoben werden (T. Roma 26.5.1995, BBTC 1998 II, 71). In beiden Fällen bedarf es aussagekräftiger Beweise für die Arglist und Unredlichkeit des Gläubigers (C. 10864/1999, GC 1999, 1463) oder eines schwerwiegenden, nicht wieder gutzumachenden Schadens, der darin besteht, dass das Synallagma des garantierten Grundverhältnisses verändert und die Vertragsfreiheit verletzt wurde (T. Roma 6.11.1988, BBTC 1990, II, 2). Der Garant, der gezahlt hat, kann gegen den Schuldner Rückgriffsklage erheben. Nachdem der Garant gegen den Schuldner eingeschritten ist (T. Milano 16.6.1988, BBTC 1990, II, 2), kann er gegen den Gläubiger Klage auf Rückzahlung der Nichtschuld erheben, wenn dieser trotz der Erfüllung durch den Schuldner die Garantie in Anspruch genommen hat (C. 4006/1989, GCo 1991, II, 5). 3. Das Pfand wird i. d. R. durch Vertrag oder einseitiges Rechtsgeschäft begründet. Der Vertragsschluss besteht in der Übergabe des Gegenstandes oder des Dokuments (C. 5562/ 1999, RFI 1999, 1649, Nr. 12) an den Gläubiger durch den Schuldner oder einen Dritten (2786 cc; C. 3942/1995, GI 1996, I, 1, 1532; Realmonte, 1). Überschreitet der Kredit den Betrag von 2,58 Euro (2787 III cc), bedarf es der Schriftform für eine vorzugsweise Befriedigung, bzw. um Dritten die Garantie entgegenhalten zu können. Das Pfand besteht nur, solange die Hauptschuld besteht. Es ist unteilbar und sichert den gesamten Kredit, bis dieser vollständig befriedigt ist. Als Pfand können bewegliche Sachen, Sachgesamtheiten, Forderungen (Ruscello, 3) und andere Rechte an beweglichen Sachen übergeben werden (2784 II cc). Das Pfand an Forderungen wird durch schriftliches Rechtsgeschäft und Anzeige an den Schuldner oder seine datierte schriftliche Einverständniserklärung begründet (2800 ff cc). Auch die Verpfändung zukünftiger Sachen ist zulässig, wobei bis zur Übergabe der Pfandvertrag nur schuldrechtliche Wirkung entfaltet (C. 8517/1998, GC 1998, 1311). Die verpfändete Sache geht in den Besitz des Gläubigers über (2789 cc); sie kann aber auch einem Dritten übergeben oder von dem Besteller und Gläubiger gemeinsam verwahrt werden (2786 II cc). Die Besitzentziehung beim Schuldner und die Inbesitznahme durch einen Dritten oder den Gläubiger sind i. d. R. unerlässlich (C. 851/1993, GI 1993, I, 1, 1438). Ohne Einverständnis des Bestellers kann der Gläubiger die Sache weder nutzen noch über sie verfügen (2792 II cc). Beim Rotationspfand ersetzt die Bank aufgrund der Ermächtigung des Kunden die verpfändete Sache durch eine andere, über welche sie die Verfügungsbefugnis erlangt, ohne dass die notwendigen Formalitäten für die vorzugsweise Befriedigung erneuert werden müssen (Grisi, RCDP 1997, 202). Beim Pfand an Waren, die die Produktionsstätte noch nicht verlassen haben, wird die Besitzentziehung durch ein Zusatzkennzeichen an der Ware und einen Vermerk im Register ersetzt (1 l. 401/1985). Mit einem Generalpfand überträgt der Kunde der Bank das Pfandrecht an Titeln und Wertpapieren über ihm bereits zustehende oder zukünftige Forderungen (Salinas, BBTC 1997, I, 603). Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, kann der Gläubiger die verpfändete Sache verkaufen (2796 cc) oder bei Gericht beantragen, dass ihm die Sache an Zahlung statt zugeteilt wird (2798 cc). Beim irregulären Pfand ist der Pfandgegenstand eine vertretbare Sache des Schuldners (C. 6969/1996, GC 1996, I, 3211; C. 9075/1995, G 1996, 169), die Eigentum des Gläubigers wird. Erlischt die Schuld, muss der Gläubiger Sachen gleicher Art und Menge erstatten (Vittoria, 2).
13
4. Die Hypothek kann gesetzlich, gerichtlich oder freiwillig entstehen (2808 III cc), je nachdem, ob der Titel das Gesetz (2817 cc), ein Urteil (2818 ff cc) oder ein schriftlich oder
14
Di Nella
2538
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
durch öffentliche Urkunde verfasstes Geschäft (2821 I cc) ist (Ravazzoni, EG, 1; Tucci Gius., 1). Die Hypothek entsteht mit ihrer Eintragung im Grundbuch (2800 II, 2827 ff cc) oder in andere Register, je nach dem Vermögensgegenstand. Sie ist akzessorisch zur gesicherten Forderung, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Vor der Eintragung steht dem Gläubiger nur ein Recht auf Bestellung einer Hypothek zu. Wegen des Spezialitätsprinzips der Hypothek muss die Eintragung für jeden Vermögensgegenstand einzeln erfolgen und jeweils den genauen Betrag, für den die Hypothek gegeben wurde, anführen (2809 I, 2838 cc). Sofern keine andere Verjährung im Gesetz vorgesehen ist, ist die Wirkung der Eintragung auf zwanzig Jahre beschränkt (2847 cc). Nach diesem Zeitraum erlischt die Hypothek, es sei denn, deren Verlängerung wurde vor Fristablauf beantragt (2847 ff cc); andere Erlöschensgründe sind in Art. 2878 cc vorgesehen. Als Gegenstand für die Hypothek kommen dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen, eingetragene Sachen und Staatsrenten des Hypothekengebers oder Dritter in Betracht (2808 II, 2810 cc). Die Hypothek ist unteilbar und besteht an der Gesamtheit der Sachen, an jeder einzelnen und an jedem Teil von ihnen (2809 II cc; C. 6471/1980, FI 1981, I, 2338). Die Hypothek kann für zukünftige Gegenstände bestellt werden, allerdings kann die Eintragung erst nach ihrem Entstehen vorgenommen werden (2823 cc). Die Hypothek verleiht dem Gläubiger das Recht auf Zwangsveräußerung der Gegenstände sowie auf bevorzugte Befriedigung an dem Verkaufserlös (2808 I cc). Wenn mehrere Hypotheken an demselben Gegenstand bestehen, richtet sich das Recht auf vorzugsweise Befriedigung des Gläubigers nach der Reihenfolge der Eintragung, die den Rang der Hypothek bestimmt (2852 cc). Ein Hypothekengläubiger, dessen Forderung nicht befriedigt wird, kann gegen einen dritten Hypothekenbesteller vorgehen, der den Verkauf dulden oder zahlen muss (2868 ff cc). In diesem Fall tritt der Dritte in die Rechte des Gläubigers ein und kann Regressklage gegen den Schuldner erheben (2871 cc). Der Gläubiger kann auch gegen den Dritterwerber des Hypothekengegenstands vorgehen, wenn die Hypothek vor der Eintragung der Veräußerung eingetragen wurde (2858 ff cc; C. 6052/1995, GI 1996, I, 990). Der Dritterwerber kann zahlen, auf den Gegenstand zu Gunsten des Gläubigers verzichten (2858 cc) oder diesen in einem besonderen Verfahren von der Garantie befreien (2889 ff. cc). Dem Dritterwerber, der gezahlt hat, auf den Gegenstand verzichtet hat oder enteignet wurde, steht eine Regressklage gegen den Schuldner zu (2866 cc). Nach Erlöschen der Hypothek kann der Eigentümer die Löschung der Eintragung beantragen, durch welche die Immobilie von der Garantie freigestellt wird (2882 cc). Abweichend von Art 2847 cc hat Art. 13 VIIIsexies-VIIIquaterdecies, VIIIvicies dl 7/2007 eine spezielle Regelung für das Erlöschen einiger Arten von Hypotheken vorgesehen. Wenn der Gläubiger einen Bankbetrieb oder eine Finanzierungstätigkeit ausübt, erlischt die zur Sicherheit von Verbindlichkeiten aus einem Darlehen entstandene Hypothek automatisch zum Zeitpunkt des Erlöschens der gesicherten Forderung (13 VIIIsexies dl 7/2007). Der Gläubiger muss dem Schuldner eine Quittung mit dem Datum des Forderungserlöschens ausstellen und eine entsprechende Mitteilung innerhalb von dreißig Tagen von diesem Zeitpunkt dem Grundbuchamt nach den in Art. 13 VIIIocties dl 7/2007 vorgesehenen Modalitäten und ohne Kosten für den Schuldner reichen (13 VIIIsepties dl 7/2007). Diese Mitteilung wird vom Grundbuchbeamten auch für Dritte zur Verfügung gestellt (13 VIIIdecies dl 7/2007). In Abweichung von Art. 1199 I cc scheint es, dass die Verpflichtung zur Ausstellung einer Quittung unabhängig vom Schuldnerantrag zu erfolgen hat. Das Erlöschen der Hypothek erfolgt jedoch nicht, wenn ein rechtfertigender Grund vorliegt. In diesem Fall muss der Gläubiger der örtlich zuständigen Behörde – Agenzia del territorio – und dem Schuldner innerhalb von dreißig Tagen von der Schuldfälligkeit i. S. v. Art. 2850 cc mitteilen, dass die Hypothek bestehen bleibt (13 VIIInovies dl 7/2007). Die Behörde nimmt am Tag nach Erhalt dieser Mitteilung eine Anmerkung am Rand der Hypothekeneintragung vor, damit sie
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2539
auch für Dritte erkenntlich ist (13 VIIInovies dl 7/2007). Wenn die Frist des Absatzes VIIIsepties abgelaufen ist, das Vorliegen der Erlöschensmitteilung festgestellt wird und keine Mitteilung über das Nichterlöschen vom Gläubiger eingereicht wurde, nimmt der Grundbuchbeamte von Amts wegen die Löschung der Eintragung der Hypothek bis zum darauffolgenden Tag vor (13 VIIIdecies dl 7/2007). Die Vorschriften der Absätze VIIIsexies-VIIIterdecies finden ab dem 60. Tag nach dem Inkrafttreten der dl Anwendung (13 VIIIduodecies dl 7/2007). Ab diesem Datum beginnen auch die Fristen gem. Absätze VIIIsepties und VIIInovies für die Immobiliensdarlehen zu laufen, die nach dem Inkrafttreten des l. 40/2007 erlöschen. Die gegen die Vorschriften der Absätze VIIIsexies-VIIIterdecies verstoβenden Klauseln sind nichtig, lösen aber nicht die Nichtigkeit des Vertrags aus (13 VIIIduodecies dl 7/2007). Für die in den Absätzen VIIIsexies-VIIIduodecies vorgesehenen Darlehen, die vor dem Inkrafttreten des l. 40/2007 erloschen sind, aber die Eintragung der entsprechenden Hypotheken noch nicht gelöscht wurde, beginnt die Frist des Absatzes VIIIsepties ab dem Datum zu laufen, an welchem der Schuldner mittels eingeschriebenen Briefs mit Rückschein eine Quittung vom Gläubiger verlangt (13 VIIIterdecies dl 7/2007).
C. Konto und Zahlungsverkehr
15
Das Bankkonto unterscheidet sich vom Girokonto (Molle, BBTC 1950, I, 97), die sich beide nach den gleichen Vorschriften richten (1852 ff cc). Das Bankkonto kann durch eine eigens dafür vorgesehene Klausel im Rahmen der im Kontokorrent geregelten Geschäfte (z. B. Einlagengeschäft, Krediteröffnung, 1852 cc) oder zeitlich vor diesen eröffnet werden. Der Kontokorrentinhaber kann i. d. R. sofort über die zu seinen Gunsten bestehende Geldsumme verfügen, sofern die allenfalls vereinbarte Vorankündigungsfrist eingehalten wird (1853 cc). Bestehen zwischen der Bank und dem Kontokorrentinhaber mehrere Rechtsverhältnisse und mehrere Konten, so werden vorbehaltlich anderweitiger Abmachungen die Aktiva und Passiva gegeneinander aufgerechnet. Ein Girovertrag liegt vor, wenn die Bank sich per Auftrag dazu verpflichtet, die erhaltenen Aufträge des Kontoinhabers, wie Inkasso, Zahlung, An- und Verkauf von Wertpapieren, Zahlung von Schecks, die vom Kunden aus dem von der Bank ausgeteilten Scheckbuch ausgestellt wurden, zu erfüllen (Morelli, GC 1998, II, 139). Die Bank wird als Kasse tätig und richtet sich dabei nach den Vorschriften über den Auftrag für die Durchführung der vom Kontokorrentinhaber erhaltenen Weisungen (1856 I cc). Lautet das Kontokorrent auf den Namen mehrerer Personen und ist der Mitinhaber befugt, auch alleine über die Summe zu verfügen, wird jeder von ihnen als Gesamtschuldner- oder gläubiger der Kontosalden betrachtet (1854 cc; Sparano, BBTC 1996, I, 87). In Ermangelung einer spezifischen Vereinbarung wird vermutet, dass die Kontoinhaber nur gemeinsam verfügungsberechtigt sind. Die Vertragsparteien können vom Vertrag unter Einhaltung der von den Gebräuchen festgesetzten Frist oder bei Fehlen einer solchen innerhalb von 15 Tagen zurücktreten (1855 cc). Der Kunde muss die Aufwendungen und Kommissionsgebühren für die ausgeführten Aufträge zahlen (1826 cc). Ergibt sich kein anderer Parteiwille, so wird vermutet, dass die Eingänge von Seiten Dritter auf das Konto mit der Klausel „Eingang vorbehalten“ erfolgen (1829 cc; C. 13160/1992, BBTC 1994, II, 394). Dies gilt i. d. R. auch für Eingänge auf das Konto in Form von Schecks Dritter, die gutgeschrieben werden, wenn sie gedeckt waren (C. 866/1994, DF 1994, II, 1088). In der Bankpraxis benötigt man für die Gutschrift eines Schecks anderer Banken 3-5 Tage oder mindestens 10 Tage, je nach dem, ob es sich um einen Platzscheck handelt oder nicht. Die Gutschrift eines Schecks derselben Bank oder von Bareinzahlungen erfolgt mit Valutierung am Tag des Eingangs (120 I tub). Die Bank muss die Valutierung publizieren (116 I tub). Die Zinsen werden Tag für Tag berechnet, auch wenn die Errechnung erst am Ende des Kalenderjahrs mit
Di Nella
2540
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Thesaurierung zu diesem Datum erfolgt (120 II tub; Perego, C 1999, 854). Der Kontoauszug muss eine verständliche und vollständige Schilderung der Kontobewegungen wiedergeben und dem Kunden jährlich bzw. auf seinen Wunsch hin halbjährlich, vierteljährlich oder monatlich zugesandt werden (119 I-II tub). Der Kontoauszug gilt als stillschweigend genehmigt, wenn der Kunde diesem nicht innerhalb von 60 Tagen nach dessen Erhalt schriftlich widerspricht (119 III tub). Die Genehmigung der Aufstellung schließt das Recht nicht aus, dieselbe wegen Schreib- und Rechenfehlern, Auslagen- und Doppelverrechnung innerhalb von 6 Monaten anzufechten (1832 II cc; C. 8989/1997, AC 1997, 1198; C. 4140, GC 1995, I, 1776). Die Banken können auf der Grundlage des Kontoauszugs als schriftlichen Beweis für eigene Forderungen den Erlass eines Mahnbescheids gegen den Kunden beantragen (50 tub). Das Kontokorrent ist im Allgemeinen auch mit einer Bankeinlage verbunden. Diese ist ein Vertrag, mit dem die Bank Eigentum an einem Geldbetrag des Kunden erwirbt und sich verpflichtet, ihm die gleiche Menge der Geldsorte zurückzuzahlen (1834 I cc; C. 1224/1998, GC 1998, I, 639). Auf das Guthaben finden die Vorschriften des Darlehens Anwendung, insbesondere der Art. 1815 cc, der die Bank zur Zinszahlung an den Kunden verpflichtet. Die Geldeinlage ist i. d. R. als Kontokorrent ausgestaltet (vgl. 1834 cc) oder wird mittels eines Einlagenscheins (gebundene Einlage) oder eines Sparbuchs (freie Einlage), auf dem die Entnahmen und Einzahlungen eingetragen werden, dokumentiert (1835 I cc). Die vom zuständigen Bankangestellten unterschriebenen Eintragungen gelten als voller Beweis für das Vertragsverhältnis (1835 cc) und gehen auch bankinternen Buchungsunterlagen vor (Ntuk, BBTC 1995, I, 510). Die fehlende Eintragung eines Geschäfts schließt die Möglichkeit eines Gegenbeweises nicht aus (C. 2641/1993, NGCC 1994, I, 12). Das Sparbuch kann als Namenssparbuch oder Inhabersparbuch ausgestaltet sein. Das Namenssparbuch ist ein Legitimationspapier (vgl. 2002 cc). Hingegen ist das Inhabersparbuch ein Schuldpapier, das den Besitzer zur Abhebung berechtigt (C. 1048/ 1998, GC 1998, I, 1626). Zahlt die Bank ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit an den Besitzer des Inhabersparbuchs, wird sie auch dann befreit, wenn dieser nicht der Inhaber ist (1836 I, II cc). Das Inhabersparbuch wird oft anstelle von Bargeld als Zahlungsmittel genutzt, wenn die Zahlung nicht zurückverfolgt werden soll. Um die Umgehung von Vorschriften im Bereich der Geldwäsche zu verhindern, darf das Guthaben eines Sparbuchs die Höhe von 12.500 € nicht überschreiten (1 IIbis dl 143/ 1991). 16
D. Kapitalmarktrecht I. Börsenrecht. Unter der Aufsicht der CONSOB und teilweise der BI (Sbisà, 1; Costi, 321) werden die regulierten Finanzmittelmärkte von Aktiengesellschaften organisiert (61 ff tuf; Campobasso, Testo unico; Alpa/Capriglione, Commentario al testo unico). Die Organisation und die Verwaltung des regulierten Marktes sind durch die Marktordnung geregelt, welche von der ordentlichen Hauptversammlung der Verwaltungsgesellschaft beschlossen wird (62 tuf; T. Bologna 23.9.1999, NGCC 2000, I, 1). Der wichtigste Markt ist die Börse, an der die in den Art. 1 Ibis, Iter, II, IIbis, III tuf und in den Schatzministerverordnungen (18 V a tuf) genannten Finanzinstrumente gehandelt werden (Aktien, Termingeschäfte usw.). Die Börseninvestmentgeschäfte sind i. d. R. Kaufverträge, die Finanzprodukte (Inhaberpapiere und Devisen) zum Gegenstand haben. Sie unterliegen einer speziellen Rechtsordnung und den Börsenbräuchen. Formale Voraussetzungen für ihren Abschluss sind nicht einzuhalten. Das Steuerrecht unterwirft sie einer besonderen Steuer, die mittels einer eigens mit einer Börsenumsatzsteuermarke versehenen Schlussnote bezahlt wird, aus der das Datum, die Parteien, die Art und Menge der Inhaberpapiere als Geschäftsgegenstand, der vereinbarte Preis, die Geschäftsart und die Fälligkeit ersichtlich sein müssen. Die Börsengeschäfte unterscheiden sich in Prompt- und Termingeschäfte
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2541
(T. Grosseto 19.2.1996, BBTC 1998 II, 353; T. Roma 17.3.1996, BBTC 1996, II, 665). Promptgeschäfte werden weiter in Bargeschäfte und feste Tagesgeschäfte unterteilt. Das Bargeschäft ist ein befristeter Kauf von Wertpapieren, bei dem Übergabe und Zahlung nach den Bräuchen am dritten Börsentag nach Vertragsschluss erfolgen müssen. Es handelt sich dabei um eine ordentliche Frist, da der Verkäufer nach der Geschäftspraxis die Wertpapiere auch nach dem dritten Börsentag übergeben kann. Der Kauf bei festen Tagesgeschäften ist ein befristeter Kauf von Wertpapieren, dessen Durchführung innerhalb von 10 Börsentagen ab Vertragsschluss erfolgen muss. Innerhalb dieser Frist muss der Käufer eine Teilübergabe akzeptieren und den entsprechenden Kaufpreis zahlen. Der Kauf beim Termingeschäft hat notierte Wertpapiere zum Gegenstand. Er zeichnet sich durch die monatliche Wiederkehr und den Umstand aus, dass die Fälligkeit für sämtliche in einem bestimmten Zeitraum geschlossene Termingeschäfte gleichermaßen nach dem offiziellen Börsenkalender bestimmt wird. Die Ausführung aller Geschäfte am selben Tag erlaubt die Verwendung einer Abrechnungsstelle. Jeder daran angeschlossene Händler kann die Ausführung der jeweiligen abgeschlossenen Geschäfte über gleiche Wertpapiere zum Differenzbetrag betreiben, indem er die Anzahl der Wertpapiere und Entgelte ausgleicht. Außerdem kann er kaufen und verkaufen, ohne über die Wertpapiere oder nötigen Geldmittel tatsächlich zu verfügen, indem er sich mit diesen durch andere An- und Verkäufe zum gleichen Zeitpunkt versorgt. Deshalb ist der Termin der Börsenkalender essenziell gem. Art. 1457 cc (Auflösung des Vertrags wegen Nichteinhaltung eines essenziellen Verweises). Termingeschäfte können im festen Markt abgeschlossen werden, wenn die Parteien sich verpflichten, die Geschäfte wie vereinbart auszuführen, oder auf dem freien Markt, wenn der Vertragsschließende das Geschäft nicht durchführen oder einseitig den Geschäftsinhalt durch eine Prämienzahlung (Vorprämiengeschäft, Rückprämiengeschäft, Stellgeschäft, Stripgeschäft, Strapgeschäft) verändern kann. Diese Geschäfte haben spekulativen Charakter, soweit sie einer Partei das Recht einräumen, innerhalb einer bestimmten Frist Käufer oder Verkäufer zu werden. Für dieses Recht wird ein Preis verlangt (die s.g. Prämie, die zu dem Preis für die erworbenen Wertpapiere aufgeschlagen oder von dem für die Verkäufe abgezogen wird), der als Gegenleistung von der Partei bezogen wird, die an den Willen der anderen gebunden ist. Die Frist, innerhalb welcher die Partei das ihr zustehende Recht ausüben muss, heißt Prämienerklärung und ist im Börsenkalender auf den vorletzten Börsentag des Monats festgelegt (Tag der Reportprämie). Die Börsenbräuche verleihen dem Schweigen der Vertragspartner die Bedeutung einer Zustimmung zugunsten der Partei, der dieses Recht zusteht. Auf Prämiengeschäfte (wie auf alle Börsentermingeschäfte) ist die Vertragsauflösung wegen plötzlicher Unzumutbarkeit nicht anzuwenden, da sie Geschäfte mit unbegrenzter Zufälligkeit sind (1467 II cc). Typische Geschäftsschemata der Termingeschäfte sind das Report- und Differenzgeschäft (A. Milano 1.12.1995, BBTC 1997, II, 564). Beim Reportgeschäft überträgt der Reportgeber das Recht an einer Forderung einer bestimmten Art und zu einem bestimmten Preis auf den Reportnehmer, der die Verpflichtung übernimmt, bei vereinbarter Fälligkeit dem Reportgeber das Recht an anderen Forderungen der gleichen Art gegen Zahlung des nach dem Abschluss gestiegenen oder gesunkenen Preises zu übertragen. Das Geschäft kommt durch die Übergabe von Wertpapieren zustande (1549 cc). Der Gegenwert besteht aus einer Erhöhung (Kursaufschlag) oder einer Senkung (Kursabschlag) des Preises, der anlässlich der zweiten Übertragung als Gegenwert gezahlt wird. Erfüllt eine Partei nicht rechtzeitig ihre Pflichten, findet die zwangsweise Durchführung wegen Nichterfüllung der Käufer- oder Verkäuferpflichten statt (1515, 1516 cc). Erfüllen beide Parteien ihre Pflichten nicht, wird das Reportgeschäft unwirksam und jede Partei behält, was sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erhalten hat (1551 cc). Beim Differenzgeschäft verpflichten sich die Parteien, bei Fälligkeit die Differenz zwischen dem vereinbarten und dem aktu-
Di Nella
2542
17
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
ellen Preis der Wertpapiere zu zahlen. Der Saldo fällt je nachdem, ob der Preis gesunken oder gestiegen ist, zu Gunsten des Käufers oder des Verkäufers aus. Die Parteien wetten im Wesentlichen über den Quotierungsverlauf des Wertpapiers. Die Einrede der Spielschuld kann bei Streitigkeiten aus dem Börsengeschäft nicht erhoben werden, selbst wenn die Verträge außerhalb der Börse oder ohne Einschaltung autorisierter Vermittler geschlossen wurden (5 II rdl 601/1925). II. Wertpapierrecht. Das Gebiet wurde durch die Richtlinien 2004/29/EG und 2006/73/ EG und die Verordnung 1287/2006 grundlegend erneuert (Annunziata, 300; Costi, 221; Di Nella, 193). In Italien wurden diese Vorschriften durch dlg 164/2007 umgesetzt, welches den tuf modifiziert hat (s. die neue Fassung in www.consob.it). Auf diesen Grundlagen hat die CONSOB die neuen verwaltungsrechtlichen Verordnungen 16190/2007 über die Vermittler (Regolamento intermediari, RI) und 16191/2007 über die Märkte (Regolamento mercati, RM) erlassen (s. www.consob.it), die den tuf ergänzen. Der Wertpapiermarkt wird hauptsächlich von CONSOB und anderen Behörden, insbesondere BI, reglementiert (Campobasso, Testo unico; Alpa/Capriglione, Commentario al testo unico). Dieses Gebiet wurde vom tuf liberalisiert, wodurch die Aktiengesellschaften die Verwaltung der Wertpapiermärkte nach den von CONSOB und BI festgelegten Maßstäben betreiben können (61 ff. tuf; Cerulli Irelli, DBMF 2001, I, 125). Als weitere, mit den traditionellen Märkten konkurrierende trading venues zählen dazu auch die (in Italien schon vorher geregelten) multilateralen Handelssysteme (77bis tuf) und die systematischen Internalisierer (1 Vter tuf). Öffentliches Angebot von Finanzprodukten ist jede Form und Art von Mitteilung, inklusiv Placierung, die genügende Informationen über die Angebotsbedingungen und die entsprechenden Produkte beinhaltet, sodass der Investor damit in die Lage versetzt ist, zu entscheiden, die Finanzprodukte zu kaufen oder zu zeichnen (1 I t tuf). Wer ein derartiges öffentliches Angebot betreiben möchte, ist verpflichtet, vorher ein nach den vorgeschrieben Modalitäten erstelltes Angebotsprospekt zu veröffentlichen, das bestimmte, komplette, klar und verständlich verfasste Informationen über die Menge, die wesentlichen Merkmale der Produkte und des Emittents oder Käufers sowie die Bedingungen, Risiken und Fristen des Geschäfts zu informieren. Vor der Veröffentlichung ist der CONSOB das Prospekt zu übermitteln, sodass sie zwecks der Zustimmung die Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit der eingeführten Angaben kontrollieren kann. Art. 1 Ibis, Iter II, III und Art. 18 V tuf zählen die Finanzinstrumente auf, die in übertragbare Finanzinstrumente (Übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen) und Derivat-Instrumente (Finanzderivatkontrakte, Derivatkontrakte auf Waren, sog. exotische Derivatkontrakte) unterschieden werden (Annunziata, 345; Costi, 245; Di Nella, 206). Unter Finanzdienstleistungen und Tätigkeiten werden vom Art. 1 V a-g tuf folgende verstanden, wenn sie Finanzinstrumente zum Gegenstand haben: der Handel auf eigene Rechnung, die Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden, die Übernahme der Emission von Finanzinstrumenten und/oder Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung, die Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung, die PortfolioVerwaltung, die Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die Anlageberatung, der Betrieb eines multilateralen Handelssystems (MTF) (für die entsprechenden Definitionen s. 1 Vbis -Vocties tuf); die Nebendienstleistungen sind in Art. 1 VI tuf vorgesehen (Annunziata, 345; Costi, 245; Di Nella, 212). Die von Vermittlern auf Rechnung des Depotinhabers gehandelten Wertpapiere werden in das System der Monte Titoli s.p.a. oder bei anderen Aktiengesellschaften der konzentrierten Verwaltung von Finanzinstrumenten (80 tuf) durch ein reguläres Unterdepot eingeführt (85 III tuf). Banken sowie italienische, gemeinschaftliche und außergemeinschaftliche Investmentunternehmen können Finanzdienstleistungen und Tätigkeiten gegenüber der Allgemeinheit professionell betreiben
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2543
(18 I-IIIbis tuf; Caggero, RDCo 1997, I, 981). Art. 18bis tuf erlaubt auch natürlichen Personen unabhängige Anlageberatung zu betreiben, ohne aber Geld oder Finanzinstrumente von den Kunden erhalten zu dürfen. Zu den Investmentunternehmen zählt auch die Wertpapiervermittlungsgesellschaft – SIM (1 I e und 18 IV tuf; Campobasso, L’Eurosim). Die SIM ist eine AG. Sie wird von der CONSOB und der BI überwacht (5 ff. tuf) und ist in das entsprechende Register eingetragen (20 tuf). Der Betrieb von Finanzdienstleistungen, Tätigkeiten und Nebendienstleistungen unterliegt in der Regel den allgemein geltenden Verhaltensregeln von Artt. 21, 23 tuf und den für die einzelnen Dienstleistungen vorgesehenen besonderen Vorschriften (Annunziata, 335; Costi, 235; Di Nella, 246). Die Anwendung der allgemeinen Regeln hängt von der Qualifikation der Kunden als professioneller Kunde, geeignete Gegenpartei, Kleinanleger auf Grund seiner Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand ab (6 IIquinquies, IIquater d, tuf) (Annunziata, 338; Costi, 221; Di Nella, 239). Der Vermittler muss sich mit Sorgfalt, Korrektheit und Professionalität um die Interessen des Kunden kümmern (21 I a tuf). Er muss dem einzelnen Kunden die Unterlagen über die für ihn getätigten Geschäfte übergeben, ihn adäquat informieren und bereits im Vorfeld Informationen über ihn einholen, die für die Vermittlung wichtig sind (21 I b tuf). Alle Informationen, einschließlich Marketing-Mitteilungen, die die Vermittler an Kunden oder potentielle Kunden richten, müssen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein (21 I c tuf). Schließlich muss der Vermittler eine laufende interne Kontrolle über seine Geschäfte und Angestellten unterhalten und diese entsprechend weiterbilden, um die effiziente Leistung der Dienste und Tätigkeiten zu gewährleisten (21 I d tuf). Die suitability rule gilt nur für die Portfolio-Verwaltung und die Anlageberatung und dient dazu, dass der Kunde seine wirtschaftlichen Entscheidungen bewusst treffen kann (39 f RI) (Annunziata, 325; Costi, 235; Di Nella, 254). Die appropriateness rule findet auf die anderen Finanzdienstleistungen (außer der Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden) Anwendung und ist darauf ausgerichtet, die Kunden nach vernünftigem Ermessen über die genaue Art und die Risiken der Wertpapierdienstleistungen und des speziellen Typs von angebotenen Finanzinstrumenten zu informieren (41 f RI) (Annunziata, 325; Costi, 235; Di Nella, 254). Diese neuen Normen schwächen den Schutz der Kunden im Vergleich mit der alten Regelung beträchtlich; denn sie haben eine Standardisierung der Informationen eingeführt, die Informationspflichten nur auf die Art und die Risiken des Typs von Finanzinstrument oder Dienstleistung reduziert und die Anwendung der suitability rule wesentlich eingeschränkt, während vorher letztgenannte Norm allgemein galt, nach der die Informationen, die konkrete Finanzinstrumente und ihr rating betrafen, spezifisch für jeden einzelnen Kunden geliefert werden sollten (dazu Di Nella, 253). Der Vermittler muss alle angemessenen Vorkehrungen treffen, um Interessenkonflikte zwischen ihm selbst, einschließlich seiner Geschäftsleitung, seinen Beschäftigten und vertraglich gebundenen Vermittlern oder anderen Personen, die mit ihm direkt oder indirekt durch Kontrolle verbunden sind, und seinen Kunden oder zwischen seinen Kunden untereinander zu erkennen, die bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder Nebendienstleistungen oder einer Kombination davon entstehen; reichen die getroffenen organisatorischen oder verwaltungsmäßigen Vorkehrungen zur Regelung von Interessenkonflikten nicht aus, um nach vernünftigem Ermessen zu gewährleisten, dass das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen vermieden wird, so legt der Vermittler dem Kunden die allgemeine Art und/oder die Quellen von Interessenkonflikten eindeutig dar, bevor er Geschäfte in seinem Namen tätigt (21 Ibis a, b tuf) (Annunziata, 325; Costi, 235; Di Nella, 259). Die alten allgemeinen Verhaltensregeln haben auf Grund der Finanzskandale der letzten Jahre (z. B. Parmalat, Tangobonds usw.) in zahlreichen Urteilen Anwendung gefunden (dazu Febbrajo, 137). Da diese Vorschriften für den Fall ihrer Verletzung nicht ausdrücklich eine Sanktion vorsahen, ist es unerlässlich die richterliche Rechtsfortbildung zu diesem Pro-
Di Nella
2544
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
blem zu betrachten. Denn sie gilt auch für die aktuellen Verhaltensregeln, die diese Gesetzeslücke nicht gefüllt haben. Die Rechtsprechung ist geteilt, was die Bestimmung der Rechtsfolgen angeht. In Anlehnung an den traditionellen von einem Teil der Literatur im Vertragsrecht betonten Unterschied zwischen Verhaltensregel (z. B. Treu und Glauben) und Gültigkeitsregel (z. B. Formvorschriften) wurde in einigen Urteilen entschieden, dass das wegen des Verstoßes gegen Art. 21 tuf gesetzeswidrige Verhalten des Vermittlers beim Abschluss eines Finanzdienstleistungsvertrags eine culpa in contrahendo (C. 3683, 3684/ 2007, CG 2007, 631) oder eine Nichterfüllung des Vertrags mit dessen Aufhebung und dem Schadenersatz nach dem Art. 1453 cc (T. Trani, 6.3.2007 und T. Bergamo, 26.6.2006, www.ilcaso.it) darstellt. Anderer Rechtsprechung nach verursacht jedoch der Verstoß gegen die im tuf dargelegten Verhaltensregel bzw. der Informationspflichten beim Abschluss des Vertrags dessen Nichtigkeit, da Art. 21 tuf zwingenden Charakter hat und Art. 1418 I cc die Rechtsfolge der Nichtigkeit für den Verstoß gegen solchen Normen im Allgemeinen vorsieht (T. Firenze, 19.4. 2005, CG 2005, 1273; Trib. Pescara, 28.2. 2006 und Trib. Marsala, 12.7.2006, www.ilcaso.it). Um diesen Widerspruch zu lösen, haben die Sezioni Unite der Corte di Cassazione entschieden, dass die Verletzung der o.g. Verhaltensregel seitens der Vermittler je nach Fall eine vorvertragliche Haftung mit Schadenersatz oder eine Nichterfüllung des Vertrags mit dessen Aufhebung und Schadenersatz nach dem Art. 1453 cc nach sich zieht (C., S.U., 26725/2007, C 2008, 221 ss; bejahend Galgano, CI 2008, 1; kritisch dazu Prosperi, CI 2008, 222, und Gentili, C 2008, 393). Insbesondere finden die Normen der vorvertraglichen Haftung und gegebenenfalls des entsprechenden Schadenersatzes Anwendung, wenn eine Verletzung der Informations- und Korrektheitspflichten beim Abschluss des die zukünftigen Verhältnisse zwischen Vermittlern und Kunden regulierenden master agreement vorliegt. Die Normen der Nichterfüllung des Vertrages und dessen Aufhebung mit Schadenersatzpflicht kommen in Frage, wenn die Verstöße des Art. 21 tuf bei der Schließung der sukzessiven, vom master agreement geregelten Finanzverträgen vorkommen. Der Finanzdienstleistungsvertrag muss schriftlich abgeschlossen werden, wobei dem Kunden ein Exemplar ausgehändigt werden muss (23 I tuf). Die Anlageberatung bedarf keiner Form (23 I tuf); Formvorschriften bestehen nur, wenn sie zusammen mit anderen Finanzdienstleistungen angeboten wird (37 I g RI) (Annunziata, 325; Costi, 235; Di Nella, 268). Klauseln, welche die Gegenleistung und die Verbindlichkeiten des Kunden durch Verweis auf die Gebräuche festlegen, sind unwirksam und begründen für diesen keine Zahlungspflicht (23 II tuf; Costanza, BBTC 2000, I, 361). Eine Klausel, die dem Vermittlern das Recht einräumt, während der Vertragslaufzeit Zinssätze, Gebühren und Vertragsbedingungen zu Ungunsten des Kunden zu ändern, muss im Vertrag ausdrücklich vorgesehen und vom Kunden eigens unterschrieben werden. Wenn der Kunde ein Verbraucher ist, ist das Vorkommen eines im Vertrag vorgesehenen rechtfertigenden Grundes nötig, um dieses ius variandi auszuüben; der Verbraucher kann vom Vertrag zurücktreten (33 II m ccons; 33 IV ccons). Auch bei den Dauerverträgen kann die Befugnis des Vermittlers vereinbart werden, Zinssätze, Gebühren und weitere Vertragsbedingungen einseitig zu ändern, sofern ein rechtfertigender Grund vorliegt und eine diesbezügliche Klausel vom Kunden eigens unterschrieben wird (33 III b ccons). Fehlt die Unterschrift, ist die Klausel unwirksam (1341 II cc). Jede einseitige Änderung der Vertragsbedingungen muss dem Kunden ausdrücklich und schriftlich mitgeteilt werden. Im Falle eines Rücktritts hat der Kunde bei Vertragsauflösung das Recht auf die Anwendung der zuvor geltenden Bedingungen (33 III b ccons). Nur der Kunde kann sich auf die Unwirksamkeit der Bestimmungen berufen (23 III tuf). Für Verwaltungsgeschäfte von Einzelbeständen und Plazierungsgeschäfte von Finanzinstrumenten ist das Rücktrittsrecht zu Gunsten des Investors vorgesehen. Nach Art. 30 VI tuf ist der Vertrag für die Dauer von sieben Tagen ab Zeichnungsdatum schwebend wirksam. Wäh-
Di Nella
§ 78 Länderteil – Italien
2545
rend dieser Frist kann der Kunde dem Vermittler seinen Rücktritt erklären, ohne Ausgaben entrichten zu müssen (Salanitro, BBTC 1999, I, 397). Gleiches gilt für Fernverträge nach Art. 32 tuf (Parrella, DBMF 2000, I, 38; für Verbraucherverträge s. 67bis ff ccons). Die neue best execution rule sieht vor, dass der Vermittler bei der Ausführung von Aufträgen unter Berücksichtigung des Kurses, der Kosten, der Schnelligkeit, der Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Abrechnung, des Umfangs, der Art und aller sonstigen für die Auftragsausführung relevanten Aspekte alle angemessenen Maßnahmen ergreifen muss, um das bestmögliche Ergebnis für seinen Kunden zu erreichen (6 II b tuf, 45 ff. RI) (Annunziata, 325; Costi, 235; Di Nella, 272). Die Vermittler müssen die Grundsätze der Auftragsausführung festlegen und anwenden; liegt jedoch eine ausdrückliche Weisung des Kunden vor, so führt der Vermittler den Auftrag gemäß dieser aus (46 RI). Die Grundsätze enthalten für jede Gattung von Finanzinstrumenten Angaben zu den verschiedenen Handelsplätzen und die Faktoren, die für die Wahl des Ausführungsplatzes ausschlaggebend sind (45 RI). Die Vermittler informieren ihre Kunden über diese Grundsätze und müssen die vorherige Zustimmung der Kunden zu ihrer Ausführungspolitik einholen (46 RI). Wenn die Grundsätze auch die Ausführung der Aufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder eines MTF vorsehen, müssen die Vermittler auf diese Möglichkeit besonders hinweisen und die ausdrückliche Zustimmung der Kunden einholen (46 RI). Bei Wertpapieranlagen sind offene und geschlossene Gemeinschaftsfonds zu unterscheiden (1 I j, 36 f. tuf; dm 228/1999). Diese Fonds sind selbständige Vermögen, die sich aus Geld, Wertpapieren, Aktien und Immobilienrechte zusammensetzen (4 dm 228/1999), an denen die Anteilszeichner Miteigentum haben. Dieses Vermögen wird von der Verwaltungsgesellschaft verwaltet (33 ff. tuf), die die Einlage durch Anteilszeichnung sammelt und im Interesse der Anteilseigner handelt (Miola, BBTC 2001, I, 299). Die Gesellschaft haftet gegenüber den Anteilseignern nach den Regeln des Auftrags (36 V tuf). Jeder Fondsteilnehmer kann Schadensersatzklage gegen die Gesellschaft, ihre Geschäftsführer und ihre Bilanzprüfer erheben. Der Gesellschaft obliegt die Beweislast, dass sie mit der notwendigen Sorgfalt gehandelt hat (23 VI tuf). Die von der Verwaltungsgesellschaft angezeigten Geschäfte werden von einer Depotbank ausgeführt, die das Vermögen verwahrt (36 II, 38 tuf). Das Vermögen des Gemeinschaftsfonds ist vom Vermögen der Verwaltungsgesellschaft, anderen von derselben Gesellschaft verwalteten Fondsvermögen und von den Privatvermögen der Teilnehmer getrennt zu betrachten (4 II l. 77/1983). Der Gemeinschaftsfond ist ein kollektives Eigentum mit besonderer Ordnung. Charakteristisch für diesen ist ein Doppelmandat ohne Vertretung. Ein Mandat wird der Verwaltungsgesellschaft von den Teilnehmern für die Besorgung der Verwaltung ihrer Vermögenswerte verliehen. Das andere erhält die Bank für die Durchführung der bei ihr in Auftrag gegebenen Geschäfte. Dieses Verhältnis entsteht durch Anteilszeichnung der Teilnehmer bei gleichzeitiger Zahlung der entsprechenden Summe. Alle Anteile sind gleichwertig, verleihen die gleichen Rechte und lauten entweder auf den Inhaber oder werden als Namenszertifikate ausgegeben (36 VIII tuf). Die Investmentgesellschaften mit variablem Kapital – SICAV – befassen sich ausschließlich mit Kollektivinvestments des Kapitals, das durch die Ausgabe eigener Aktien beschafft wird (1 I tuf; 43 ff. tuf). Die Sparer zeichnen Aktien, die von der Gesellschaft ausgegeben werden. Das Kapital der SICAV ist daher variabel und entspricht immer dem Nettovermögen, ohne dass zwischen Kapital und Nettovermögen oder verfügbaren und nicht verfügbaren Fonds unterschieden wird. Die Normen des Art. 2438 ff., welche Regelungen zu Kapitalschwankungen entfalten, werden nicht auf die SICAV angewendet (45 II tuf).
Di Nella
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Kasachstan
2547
13. Kasachstan
§ 78 Länderteil Schrifttum – Kasachstan Agentur zur Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzverwaltung und der Finanzorganisationen, Jahrenbericht 2007 (http://www.afu.kz); Baker&McKenzie, Doing Business in Kazakhstan, 2007; Suleimenov/Basin, Kommentar zum ZGB der Republik Kasachstan, Allgemeiner Teil (2003), Besonderer Teil (2003) (Сулейменов /Басин Гражданский Кодекс Республики Казахстан – общая часть, – особенная часть).
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Das Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 II. Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Die Aufsicht über die Banktätigkeit . . . . . . 11 IV. Wichtige Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . 15 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 16
I. Kreditgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kreditsicherheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bankdienstleistungen und Zahlungsverkehr . . . I. Bankdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 29 36 36 45 49
Stichwortverzeichnis Agentur für Regulierung und Aufsicht . . . . . . . 3, 11 Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Bankbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Banken (Arten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Banken (ausländische) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 ff. Bankdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ff. Bankgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Darlehnsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 ff. Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Eigentumsvorbehalt Einlagenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Einlagensicherungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Filialen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 ff. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 19 ff. Kreditgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Nicht-Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Pfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Registrierung (Pfand, Hypothek) . . . . . . . . . . . . . . 32 Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Sonderbeziehungen (Interessenkonflikt) . . . . . . . . 22 Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Wertpapiermarkt (Aufsicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Wertpapiermarkt (Tätigkeiten) . . . . . . . . . . . . . . . 50 Zahlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
A. Rahmenbedingungen
1
Zu den interessantesten Märkten für Bankdienstleistungen innerhalb der Nachfolgestaaten der Sowjetunion gehört derjenige der Republik Kasachstan. Ausweislich offizieller Dokumente strebt das Land eine regionale Führungsrolle und die Etablierung als Geschäfts- und Finanzzentrum für die Staaten der GUS und Mittelasien an. Der Ressourcenreichtum des Landes lässt dieses Ansinnen nicht völlig aussichtslos erscheinen. Nachdem die gesetzlichen Grundlagen in den letzten Jahren hierfür systematisch geschaffen wurden kann als ein Abschluss dieser ersten Phase die Einführung der vollen Konvertibilität des kasachischen Tenge zum 01.01.2007 angesehen werden. Gelungen ist zudem die Konsolidierung des Bankensektors durch Rückführung der Zahl der Geschäftsbanken von vormals über zweihundert auf 35 zum 01.01.2008, darunter zwei staatliche Banken. Rechtspolitisch lässt sich eine Ausrichtung an kontinentaleuropäischen Regelungskonzepten ausmachen. Sichtbarer Ausdruck dieser Entscheidung ist das kasachische Zivilgesetzbuch, das die grundlegenden Bestimmungen zum privaten Bankvertragsrecht enthält (kasZGB). Das kasZGB wurde zeitgleich mit dem russischen ZGB erarbeitet, was die weitgehende Übereinstimmung beider Kodices erklärt und auch in der Praxis mit einer
Schramm/Nogaibay
2
2548
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Orientierung am russischen Privatrecht einher geht. Im Bankenaufsichtsrecht ist die Übernahme von EU-Standards Teil der offiziellen Politik. Ähnlich wie im russischen Recht ist auch in Kasachstan aufgrund einer Vorrangklausel des ZGBs das Verhältnis zwischen den allgemeinen Regeln des Zivilrechts und den speziellen der bankrechtlichen Vorschriften noch nicht abschließend geklärt (Art. 3 III kasZGB). 3
Anders als das private Bankrecht ist das öffentliche Bankrecht gekennzeichnet durch eine große Zahl spezieller Normativakte, sowohl auf gesetzlicher als auch untergesetzlicher Ebene, die bereits Ausdruck einer eigenständigen Gesetzgebungstätigkeit sind und die im Rahmen der GUS-Staaten zu den modernsten gezählt werden können. Für den Erlass der untergesetzlichen Akte zeichnen in erster Linie die Nationalbank (NB) der Republik Kasachstan und die 2004 ins Leben gerufene ‚Agentur der Republik Kasachstan für die Regulierung und Aufsicht über den Finanzmarkt und die Finanzorganisationen‘ (ARA) verantwortlich. Angesichts der Tatsache, dass die einschlägigen Regelungen überwiegend neu sind, fehlt es einstweilen noch an Erfahrung im praktischen Umgang.
4
I. Das Banksystem. Gemäß Art. 3 des Gesetzes von 31.08.1995 „Über die Banken und die Banktätigkeit“ (Bankgesetz) hat die Republik Kasachstan ein zweistufiges Banksystem. Die NB ist die Zentralbank des Staates und stellt die obere Stufe des Banksystems dar. Die Rechtsstellung der NB wird in einem selbstständigen Gesetz von 30.03.1995 „Über die Nationalbank der Republik Kasachstan“ (NB-Gesetz) geregelt. Die NB übt die Regulierungs- und Aufsichtsfunktionen zu den einzelnen Fragen der Banktätigkeit im Rahmen ihrer Kompetenz aus, mit dem Zweck, die Stabilität des Geld- und Kreditsystems zu unterstützen, die Interessen der Bankgläubiger, -einleger und -kunden zu schützen und die Schaffung von Gesamtbedingungen für die Tätigkeit der Banken und Organisationen zu fördern. Die NB ist eine juristische Person in der Rechtsform einer staatlichen Einrichtung und hat ein Filialnetz in allen Gebieten der Republik. Nach Art. 1 NB-Gesetz darf die NB bei der Ausübung ihrer Tätigkeit keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen. Die NB ist dem Staatspräsidenten rechnungspflichtig und hat das Recht, Normativakte im Rahmen ihrer Kompetenz zu verabschieden, Art. 3, 4 NB-Gesetz. Das Hauptziel der NB ist die Gewährleistung der Stabilität der Preise, wofür sie die Geld- und Kreditpolitik des Staates ausarbeitet und durchführt, die Funktionsfähigkeit der Zahlungssysteme sicherstellt, die Währungsregulierung und -kontrolle vollzieht und bei der Sicherung des Finanzsystems mitwirkt. Für die Realisation der o.g. Aufgaben wird die NB in Art. 8 NB-Gesetz mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet, und zwar: Kreditvergabe an Banken und andere juristische Personen; die Bestimmung der Ordnung, des Systems und der Form der Ausübung von Geldzahlungen und –überweisungen; die Durchführung aller Arten von Währungsoperationen; die Festlegung des Regimes der Bankkonten, von Normativen der Mindestreservenforderungen; u.a.m.
5
Alle anderen Banken bilden die untere Stufe des Banksystems. Dabei enthält die Gesetzgebung den Begriff einer „Bank mit ausländischer Teilnahme“ und den einer „zwischenstaatlichen Bank“. Art. 1 I Bankgesetz definiert eine Bank als eine kommerzielle juristische Person, die laut diesem Gesetz berechtigt ist, die in diesem Gesetz geregelten Bankgeschäfte auszuüben. Die Banken werden in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) gegründet. Nach Art. 1 Bankgesetz wird der offizielle Bankstatus aufgrund einer staatlichen Registrierung einer juristischen Person als Bank bei den Justizbehörden in Verbindung mit einer von der ARA vergebenen Lizenz erlangt. Dabei ist die Bezeichnung „Bank“ den Instituten vorbehalten, die entsprechend lizenziert wurden. Die Voraus-
Schramm/Nogaibay
§ 78 Länderteil – Kasachstan
2549
setzungen der Erteilung einer Erlaubnis für die Eröffnung einer Bank werden in der Bankgesetzgebung geregelt. Art. 3 V Bankgesetz enthält eine breite Definition der Banken mit ausländischer Teilnahme; eine der Besonderheiten ihrer Rechtsstellung ist die Notwendigkeit der Vorlage eines Dokuments, dass entweder die Bestätigung der zuständigen Behörde des Sitzstaates enthält, wonach dieser Einrichtung der Erwerb von Aktien einer kasachischen Bank erlaubt oder eine solche Erlaubnis nicht erforderlich ist, Art. 21 Bankgesetz. Zum 01.01.2006 waren 15 Banken mit ausländischer Beteiligung registriert. Quantitative Beschränkungen für ausländische Investoren im Bankensektor sind nach Art. 3 Investitionsgesetz vom 08.01.2003 zum Schutz nationaler Interessen grundsätzlich zulässig, derzeit aber nicht in Kraft. Gemäß Art. 17 Bankgesetz dürfen natürliche und juristische Personen, Residenten und Nicht-Residenten, als Gründer einer Bank auftreten. Dabei dürfen nach Art. 17 V die juristischen Personen, die in off-shore Zonen registriert sind, oder die affiliierte Personen haben, die in off-shore Zonen registriert sind, oder die natürlichen Personen, die an den o.g. juristischen Personen beteiligt sind, nicht direkt oder indirekt stimmberechtigte Aktien von Inlandsbanken der Republik Kasachstan besitzen und (oder) nutzen und (oder) über sie verfügen. Als eine „Elternbank“ im Verhältnis zu einer Tochterbank dürfen die Auslandsbanken auftreten, die ein bestimmtes Rating einer der Rating-Agenturen besitzen, Art. 18 Bankgesetz. Weitere Anforderungen an die leitenden Angestellten einer Bank werden in Art. 20 Bankgesetz festgelegt. Zwecks Realisierung von gemeinsamen Projekten für eine Kreditvergabe haben Banken das Recht, Konsortien aufgrund eines Vertrages über eine gemeinsame Tätigkeit (Art. 228 kasZGB ff) zu bilden (Art. 10-1 Bankgesetz). Mit Erlaubnis der ARA (siehe Bestimmung des ARA-Vorstands v. 9.01.2006 № 4) darf eine Bank zwecks Erfüllung ihrer Befugnisse eine Tochterorganisation (Art. 2 IX des Bankgesetzes: Merkmal ist die ‚Kontrolle‘ seitens einer anderen Person, ähnlich Art. 94 kasZGB. Die Feststellung einer ‚Kontrolle‘ erfolgt gemäß den Regelungen, die in der Bestimmung des ARA-Vorstands v. 09.01.2006 № 18 niedergelegt sind) gründen. Dabei dürfen die Bank-Tochterorganisationen selbst keine weiteren Tochterorganisationen bilden (oder an ihnen teilnehmen). Um eigenständig oder zusammen mit anderen Personen den Rechtsstatus einer Bankholding oder des Inhabers einer bedeutenden Beteiligung einer Bank zu erlangen, braucht man die schriftliche Einwilligung der ARA (Art. 17-1 Bankgesetz, dazu die Regeln, bestätigt durch Bestimmung des ARA-Vorstands v. 9.01.2006 № 3). Eine Inlandsbank der Republik Kasachstan ist berechtigt, aufgrund einer Entscheidung des Aufsichtsrates und ohne Zustimmung der ARA Filialen (Art. 29 IV Bankgesetzes; Art. 43 kasZGB) und Geschäftsvertretungen (Art. 29 V Bankgesetzes; Art. 43 kasZGB) sowohl in Kasachstan als auch außerhalb der Republik zu gründen. Schließlich dürfen die Banken Abrechnungs- und Kassenabteilungen schaffen. Die Eröffnung von Vertretungen durch ausländische Banken bedarf keiner Genehmigung der ARA, sondern unterliegt lediglich der Registrierung bei den Justizorganen (Art. 29 XI, XIII Bankgesetz). Die Eröffnung von Filialen ist hingegen verboten (Art. 29 XII Bankgesetz). Eine besondere Rechtsstellung (außerhalb des o.g. Banksystems) wird im Gesetz v. 25.04.2001 „Über die Entwicklungsbank Kasachstans“ der Entwicklungsbank Kasachstans eingeräumt. Grundlegende Bestimmungen zu den Hypothekenbanken (‚Hypothekenorganisationen‘) finden sich seit kurzem im Gesetz „Über die Hypothek des Immobiliarvermögens“.
6
Art. 5 Bankgesetz enthält den Begriff einer „Organisation, die einzelne Arten von Bankoperationen ausübt“ (nachfolgend: Nicht-Bankorganisationen) – eine juristische Person, die keine Bank ist, und aufgrund einer Lizenz der ARA oder der Nationalbank oder laut einem Gesetz bevollmächtigt ist, einzelne Arten von Bankoperationen durchzu-
7
Schramm/Nogaibay
2550
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
führen. In der Praxis finden sich folgende Arten solcher Organisationen: Kreditgenossenschaften, Pfandleihhäuser, Wechselstuben u.a.m. Nichtbank-Organisationen (die Rechtsgrundlagen sind niedergelegt in der Bestimmung des ARA-Vorstands vom 25.02.2006 № 34 und der Bestimmung des NB-Vorstands vom 17.01.2003) dürfen in allen Rechtsformen außer der der Produktionsgenossenschaft gegründet werden. 8
II. Bankgeschäfte. In Art. 30 Bankgesetz ist eine abschließende Liste von Bankoperationen (Bankgeschäften) festgelegt. Zu den Bankgeschäften gehören: die Annahme von Depositen, Eröffnung und Führung von Bankkonten (Bestimmung des NB-Vorstandes v. 2.06.2000 № 266); die Eröffnung und Führung von Korrespondenz-Konten von Banken und Nichtbank-Organisationen (Bestimmungen des NB-Vorstandes v. 28.03.1999 № 37 und 25.11.2000 № 428); die Eröffnung und Führung von Edelmetallkonten; Kassenoperationen; Überweisungsoperationen; Diskontierungsoperationen; die Vergabe von Bankdarlehen; Devisengeschäfte mit ausländischer Währung (Regeln des NB-Vorstandes v. 27.10.2006 № 106)p; das Clearing zwischen Banken: Sammeln, Vergleichen, Sortierung und Bestätigung von Zahlungen, sowie die Durchführung ihrer gegenseitigen Verrechnung und Bestimmung der reinen Positionen der Clearing-Teilnehmer (Bestimmung des NB-Vorstandes v. 16.06.2000 № 273); die Ausgabe von Zahlungskarten; die Entgegennahme von Banknoten, Münzen und Wertgegenständen; die Annahme auf Inkasso von Zahlungsdokumenten (außer Wechseln); die Eröffnung und Bestätigung von Akkreditiven und die Erfüllung der entsprechenden Verpflichtungen; die Ausgabe von Bankgarantien und Bankbürgschaften (zugunsten Dritter), die eine Erfüllung in Geldform vorsehen. Nach Art. 30 V Bankgesetz werden die Lizenzen zur Durchführung von Bank- u.a. Operationen, die in Art. 30 Bankgesetz vorgesehen sind, von der ARA ausgegeben. Die Lizenzen für Nichtbank-Organisationen zur Durchführung der ihnen erlaubten Geschäfte werden von der ARA oder der Nationalbank erteilt (Art. 30 VI und VII Bankgesetz).
9
Außer den o.g. Operationen dürfen Banken unter der Voraussetzung des Vorhandenseins einer Lizenz der ARA noch folgende Geschäfte durchführen: den Ankauf, die Annahme als Pfand, die Diskontierung, die Aufbewahrung und den Verkauf von affinierten Wertmetallen (Gold, Silber, Platin u.a.) in Barren, von Münzen in Wertmetallen; den Ankauf, die Inpfandnahme, die Diskontierung, die Aufbewahrung und den Verkauf von Edelsteinschmuckwaren, die Wertmetalle und -steine beinhalten; Operationen mit Wechseln (Bestimmung des NB-Vorstands v. 15.11.1999 № 9); die Leasingtätigkeit (Art. 565 kasZGB ff., Gesetz v. 05.07.2000 „Über das Finanzleasing, die Ausgabe eigener Wertpapiere (außer von Aktien); Factoringoperationen (Art. 729 kasZGB ff); Forfait-Operationen (Bestimmung des NB-Vorstandes v. 15.11.1999 № 396); Treuhandoperationen (Art. 883 kasZGB); Safeoperationen.
10
Schließlich dürfen die Banken folgende Arten der professionellen Tätigkeit am Wertpapiermarkt durchführen: Broker-, Dealer- Custodial-Transfer-Agenttätigkeit (Art. 30 XII Bankgesetz, Art. 63 f., 73 ff. WPMG, Bestimmung des ARA-Vorstands v. 09.01.2006 № 19). Die Lizenz für die Ausübung einer oder mehrerer gemeinsam ausübbarer Arten der o.g. professionellen Tätigkeit am Wertpapiermarkt wird auch hier von der ARA erteilt (Bestimmung des NB-Vorstands v. 27.10.2003 № 379). Banken haben das Recht zur Ausübung von Bankoperationen unter der Voraussetzung des Vorliegens von internen Regeln, die die inneren Bedingungen der Durchführung von Geschäften bestimmen (Art. 31 Bankgesetz ). Nach Art. 8 Bankgesetz ist es den Banken verboten, Operationen und Rechtsgeschäfte als unternehmerische Tätigkeit auszuüben, die nicht zu den Bankgeschäften gehören, sowie
Schramm/Nogaibay
§ 78 Länderteil – Kasachstan
2551
der Erwerb von Anteilen oder Aktien an juristischen Personen, soweit nicht die Ausnahme der Art. 8 und 30 Bankgesetz eingreifen. III. Die Aufsicht über die Banktätigkeit. Art. 7 III Bankgesetz verbietet jede Form einer staatlichen Einmischung in die Tätigkeit der Banken, außer in den Fällen, die direkt in der Gesetzgebung vorgesehen werden. Bevollmächtigtes Staatsorgan zur Ausübung der Aufsicht nach dem Bankgesetz ist zur Zeit die ARA. Laut Art. 41 Bankgesetz übt sie die Regulierung und Aufsicht über die Banktätigkeit mit dem Ziel der Gewährleistung der finanziellen Solidität der Banken, des Schutzes der Interessen ihrer Gläubiger und der Unterstützung der Stabilität des Geld- und Kreditsystems der Republik Kasachstan aus. Dazu stellt ihr das Gesetz die folgenden Kompetenzen zur Verfügung: Festlegung von Anforderungen an die Eigenmittel und anderer für die Banken verbindlicher Grundsätze und Limits, von Regeln zur Behandlung zweifelhafter und hoffnungsloser Aktiva; Erlass weiterer, für Banken verbindlicher normativ-rechtlicher Akte; die Prüfung von Bankoperationen; die Ausgabe von Empfehlungen für die Sanierung der Finanzlage von Banken; die Verhängung begrenzter Maßnahmen; die Verhängung von Sanktionen gegenüber Banken oder ihren Angestellten.
11
Im Rahmen der Empfehlungen für die Sanierung der Finanzlage von Banken (Art. 45 des Bankgesetzes) kann die ARA im Falle der Verschlechterung der finanziellen Lage einer Bank ihren Aktionären die Frage über die Notwendigkeit einer finanziellen Sanierung, der Absetzung des Vorstands oder der Reorganisation der Bank zur Entscheidung vorlegen, einschließlich der Ausgabe von Empfehlungen über: die Begrenzung der Depositenannahme; der Erhöhung des Satzungskapitals; des Aussetzens der Dividendenauszahlungen und der Erhöhung von Provisionen; die Ausgabenkürzung durch Schließen einzelner Filialen und Geschäftsvertretungen, und auch durch Begrenzung der Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter; die ständige oder befristete Absetzung von Mitarbeitern einer Bank; die Suspendierung oder Begrenzung einzelner Arten von Bankoperationen mit hoher Risikostufe.
12
Wenn die ARA Verstöße gegen Eigenmittelvorschriften und andere Normen und Limits entdeckt oder rechtswidrige Handlungen oder Untätigkeit von Mitarbeitern aufdeckt, die die finanzielle Sicherheit und Stabilität der Bank, die Interessen ihrer Depositoren, Kunden und Korrespondenten bedrohen können, hat die ARA gemäß Art.46 Bankgesetz das Recht, gegenüber einer Bank eine der nachfolgenden begrenzten Maßnahmen anzuwenden (Bestimmung des ARA-Vorstands v. 25.02.2006 № 42): eine Verpflichtungserklärung verlangen; mit der Bank ein schriftliches Abkommen abschließen; eine Warnung abgeben; eine verbindliche schriftliche Anordnung geben. Diese Maßnahmen können auch gegenüber einer Bankholding, den Organisationen, die Mitglieder eines Bankkonglomerat sind, den Inhabern bedeutender Beteiligungen angewandt werden, wenn sie gegen die Forderungen des Bankgesetzes verstoßen und wenn die ARA feststellt, dass diese Verstöße die finanzielle Lage der Bank verschlechtert haben.
13
Ohne Abhängigkeit von den früher gegenüber einer Bank angewendeten Maßnahmen kann die ARA laut Art. 47 Bankgesetz die nachfolgenden Sanktionen gegenüber einer Bank verhängen: Auferlegung und Einziehung einer Geldbuße; Suspendierung oder Widerruf einer Lizenz zur Durchführung aller oder einzelner Arten von Bankoperationen; Banksanierung (Die Gründe dafür und die entsprechende Ordnung sind in Art. 62 ff. Bankgesetz festgelegt; sowie in der Bestimmung des NB-Vorstands v. 29.02.1996 № 48); Widerruf der Genehmigung zur Bankeröffnung; im Falle der negativen Größe des Eigenkapitals der Bank kann die ARA mit Zustimmung der Regierung der Republik Kasachstan eine Entscheidung über den Zwangsaufkauf der Aktien (Aktienanteile der Bankaktionäre)
14
Schramm/Nogaibay
2552
15
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
treffen. Dabei wird der Aufkaufpreis der Anteile durch die ARA bestimmt, ausgehend vom Wert der Bankaktiva abzüglich der Bankverpflichtungen zum Datum der Entscheidung. Die aufgekauften Aktien müssen unverzüglich und zu demselben Preis einem neuen Investor verkauft werden; dabei werden gleichzeitig alle Rechte und Verpflichtungen der Bank und ihrer Aktionäre übergeben. Die letzte Art der Sanktionen ist die Absetzung der leitenden Bankangestellten. Laut Art. 47-1 Bankgesetz kann die ARA auch gegenüber den Inhabern bedeutender Beteiligungen, Bankholdings oder den juristischen Personen, die in einem Bankkonglomerat verbunden sind, Zwangsmaßnahmen anwenden, wenn die genannten Personen Handlungen vornehmen, durch die der Bank ein Schaden zugefügt wird. Die Regulierung der Banktätigkeit erfolgt sowohl gegenüber einer Bank als auch auf einer konsolidierten Basis, d.h. gegenüber einem Bankkonglomerat. Die Regeln einer konsolidierten Aufsicht werden seitens der ARA festgestellt. IV. Wichtige Rechtsgrundlagen. Zu den wichtigsten Rechtsgrundlagen gehören die folgenden Normativakte: Zivilgesetzbuch der Republik Kasachstan (ZGB), Teil 1 v. 27.12.1994, Teil 2 v. 01.07.1999, Konzept für die Entwicklung des Finanzsektors der Republik Kasachstan für die Jahre 2007 bis 2011‘, bestätigt durch Beschluss der Regierung vom 25.12.2006; Gesetz v. 31.08.1995 ‚Über die Banken und die Banktätigkeit‘ (Bankgesetz); Gesetz der Republik Kasachstan ‚Über die Nationalbank der Republik Kasachstan‘ (NB-Gesetz) v. 30.03.1995, http://www.nationalbank.kz/; ‚Gesetz über Aktiengesellschaften der Republik Kasachstan‘ v. 13.05.2003; Regeln der Ausgabe der Erlaubnis für die Eröffnung einer Bank, und der Ausgabe, Einstellung und Abberufung von Lizenzen für die Durchführung von Bankoperationen und anderen Operationen, die durch Banken ausgeübt werden, verabschiedet durch Bestimmung von ARA-Vorstand v. 09.01.2006 9; Bestimmung des NB-Vorstands v. 02.06.2001 190 ‚Über die minimalen Größen des Satzungsund Eigenkapitals von Banken der zweiten Stufe‘; Gesetz ‚Über die obligatorische Sicherung von Einlagen, die bei den Banken der zweiten Ebene untergebracht sind‘ vom 07.07.2006; Gesetz v. 02.07.2003 ‚Über den Wertpapiermarkt‘ (WPMG); Gesetz der Republik Kasachstan ‚über die staatliche Regulierung und Aufsicht über den Finanzmarkt und die Finanzorganisationen‘ v. 04.07.2003, http://www.afn.kz/; Bestimmung über die ARA, verabschiedet durch den Beschluss des Präsidenten der Republik Kasachstan v. 31.12.2003 1270; Gesetz v. 28.03.2003 ‚Über die Kreditgenossenschaften‘; Gesetz v. 13.06.2005 ‚Über die Währungsregulierung und -kontrolle‘, dazu Bestimmung des NB-Vorstands v. 27.10.2006 106; Gesetz v. 28.04.1997 ‚Über den Wechselverkehr in der Republik Kasachstan‘, dazu Bestimmung des NB-Vorstands v. 15.11.1999 396; Gesetz v. 29.06.1998 ‚Über Zahlungen und Geldüberweisungen‘ (GesZahlGÜ), Gesetz v.05.07.2000 ‚Über Finanzleasing‘; Gesetz v. 06.12.2001 ‚Über die Mitgliedschaft der Republik Kasachstan im Internationalen Währungsfonds, der Internationalen Bank für Rekonstruktion und Entwicklung, der Internationalen Finanzkorporation, der Internationalen Entwicklungsassoziation, der Internationalen Agentur für die Gewährleistung der Investitionen, dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, der Europäischen Bank für Rekonstruktion und Entwicklung, der Asiatischen Entwicklungsbank, der Islamischen Entwicklungsbank‘.
№
№
№ №
№
16
B. Kredit und Kreditsicherheiten In der kasachischen Finanzierungspraxis trifft man folgende Hauptarten der Kredite: Budgetkredite (Art. 163 ff. Budgetkodex v. 24.04.2004), kommerzielle Kredite, Bankkredite, internationale Kredite und Kredite zwischen den Banken. In der Bankgesetzgebung treffen sich folgende Kriterien für die Klassifizierung von Bankkrediten: die Qualität der Kreditsicherung; der finanzielle Zustand des Kreditnehmers; seine Kreditgeschichte; die Klassifikationskategorie der vom Kreditnehmer früher erhaltenen Kredite, und andere Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit ihrer vollen Rückzahlung beeinflussen (Bestimmung des ARA-Vorstands v. 25.12.2006 № 296). Schramm/Nogaibay
§ 78 Länderteil – Kasachstan
2553
Die rechtlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Grundlagen der Erhebung der Kreditgeschichte werden im Gesetz v. 06.07.2004 „Über die Kreditbüros und Gründung der Kreditgeschichten in der Republik Kasachstan“ bestimmt. Laut Art. 18 dieses Gesetzes treten als Informationslieferanten für die Kreditbüros die juristischen Personen, die eine Lizenz für die Durchführung des Darlehensgeschäfts haben und die Banken, sowie die Staatsbetriebe, die die Registrierung von Rechten an Immobilien und von Rechtsgeschäften mit Immobilien durchführen, und andere Personen auf. Abnehmer des Kreditberichtes sind laut Art. 20 des o.g. Gesetzes die Banken und die Nicht-Bankorganisationen; ferner – die individuellen Unternehmer oder eine juristische Person, die die Waren und Dienstleistungen in Kreditform veräußern, und ein Subjekt der Kreditgeschichte. Dabei darf die Information den anderen Subjekten nicht übergeben werden. Die Zustimmung zur Aufnahme der Daten des Schuldners in die Datenbank des Kreditbüros ist Voraussetzung für den Abschluss eines Darlehensvertrages (Art. 34 I Bankgesetz).
17
Die rechtlichen Anforderungen an ein System der Risikoverwaltung und der inneren Kontrolle sind in der Bestimmung des ARA-Vorstands v. 30.09.2005 № 359 geregelt.
18
I. Kreditgeschäft. Die kasachische Gesetzgebung erfasst die Kreditoperationen der Banken in der Rechtsform des Bankdarlehensvertrages. Die Hauptregeln für diese Vertragsart enthalten Art. 727 ff. kasZGB und Art. 34 ff. Bankgesetz.
19
Gemäß Art. 727 kasZGB verpflichtet sich der Darlehensgeber nach dem Bankdarlehensvertrag, das Geld dem Darlehensnehmer zu übergeben, unter den Bedingungen der Entgeltlichkeit, Befristetheit und Rückzahlungspflicht. Bei der Definition der „Darlehensoperationen“ werden in Art. 30 II 8) Bankgesetz ähnliche Kriterien benutzt. Das Geld wird aufgrund eines Bankdarlehensvertrages dem Darlehensnehmer zu Eigentum übergeben, Art. 715 kasZGB. Art. 728 kasZGB enthält spezielle Normen zu den Vertragsparteien, der Form und dem Gegenstand des Vertrags: 1) Als Darlehensgeber tritt eine Bank oder eine andere juristische Person auf, die eine Lizenz des berechtigten staatlichen Organs zur Gewährung von Darlehen in Geldform hat. 2) Vertragsgegenstand ist Geld, das auch erst in der Zukunft gewährt werden kann. Im letzten Falle tritt der Vertrag mit seinem Abschluss in Kraft, wenn etwas Anderes nicht im Vertrag geregelt wurde. 3) Der Vertrag soll in Schriftform abgeschlossen werden. Die Nicht-Einhaltung der Schriftform führt zur Ungültigkeit des Bankdarlehensvertrages. 4) Für Bankdarlehensverträge gilt mit Ausnahme der Fälle, die durch die Bankgesetzgebung vorgesehen sind, Art. 722 II kasZGB nicht, der die Möglichkeit der Erfüllung der Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers in anderer Weise als durch Geld vorsieht. Es ist den Banken verboten, Darlehen zu gewähren, die durch die Aktien gesichert werden, die durch diese Bank emittiert worden sind, oder Darlehen für den Kauf dieser Aktien zu gewähren. Die Bankdarlehensoperationen werden entsprechend einem internen Dokument der Bank, den Regeln über die interne Kreditpolitik (Art. 34 IV Bankgesetz), ausgeübt, die durch ihre Verwaltungsorgane verabschiedet werden. Als Organ, das unmittelbar die innere Kreditpolitik einer Bank ausübt, handelt ihr Kredit-Komitee. Eine Bank, die einen Kredit gewährt, darf auf die Nichterfüllung der Pflichten seitens des Kreditnehmers folgendermaßen reagieren: von weiteren Kredite absehen; ohne Zustimmung des Kreditnehmers in sein Geld, das sich auf Kontos befindet, vollstrecken (wenn etwas anderes nicht im Vertrag bestimmt ist); eine gerichtliche Klage erheben und durch
Schramm/Nogaibay
20
2554
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Einleitung eines Insolvenzverfahrens gemäß der Gesetzgebung der Republik Kasachstan, Art. 36 Bankgesetz. Für die Ansprüche der Banken gegen die Kreditnehmer auf eine gehörige Pflichterfüllung finden die allgemeinen Verjährungsvorschriften Anwendung, Art. 37 Bankgesetz. 21
Laut Art. 718 kasZGB zahlt für die Nutzung des Darlehensgegenstandes der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber ein Entgelt in der Höhe, die im Vertrag bestimmt wird. Gemäß Art. 39 Bankgesetz werden die Entgelt- und Provisionsraten sowie Tarife für die Bankdienstleistungen selbständig durch die Banken und Nicht-Bankorganisationen festgelegt. Dabei müssen sie diese Entgeltraten in einer glaubwürdigen, effektiven und vergleichbaren Berechnung (deren Ordnung durch das bevollmächtigte Organ festgelegt wird) in den Verträgen mit den Kunden, sowie bei der Verbreitung (Publikation) der Information über die Entgelthöhe für die Finanzdienstleistungen anzeigen. Als Richtpunkt für die Entgeltraten bei den Grundoperationen der Geld- und Kreditpolitik dient die offizielle Refinanzierungsrate der NB gemäß den Art. 29, 31 NB-Gesetz.
22
Gemäß Art. 40 Bankgesetz dürfen Banken keine Vergünstigungen zu Gunsten der Personen gewähren, die mit der Bank durch Sonderbeziehungen verbunden sind. Eine Bank darf keine ungesicherten Darlehen an solche Personen vergeben. Die Gewährung einer Vergünstigung liegt vor bei einem Rechtsgeschäft mit einer Person, die mit der Bank durch eine Sonderbeziehungen verbunden ist oder zugunsten dieser Person, das die Bank mit anderen (nicht verbundenen Personen) unter Berücksichtigung des Wesens, Zwecks und Risikos dieses Rechtsgeschäfts nicht vornehmen würde. Als Personen, die mit einer Bank durch Sonderbeziehungen verbunden sind, gelten folgende Personen: a) jeder Bankangestellte (zu denen die leitenden Angestellten, d.h. die Mitglieder des Vorstands und des Direktorenrats zählen), der Leiter und Hauptbuchhalter einer Filiale, sowie ihre Gatten und nahe Verwandten; b) der Inhaber einer bedeutenden Beteiligung (eine natürliche oder juristische Person) an einer Bank, oder die leitenden Angestellten (Vorstandsund Direktorenrats-Mitglieder) des Inhabers, sowie ihre Gatten und nahe Verwandten; c) eine juristische Person, an der alle o.g. Personen eine bedeutende Beteiligung haben; d) eine juristische Person, der gegenüber die Bank eine bedeutende Beteiligung hält, die leitenden Angestellten (Vorstands- und Direktorenrats-Mitglieder) dieser juristischen Person, ihre Gatten und nahe Verwandten; e) die affiliierten Personen der Bank. Eine Person, die durch eine Sonderbeziehung mit einer Person aus der Gruppe der miteinander verbundenen juristischen Personen verbunden ist, gilt als durch Sonderbeziehung mit jeder von diesen Personen verbunden. Die zwei (und mehr) juristischen Personen gelten als miteinander verbundenen, wenn eine von ihnen eine bedeutende Beteiligung an einer anderen hat. Die Bank darf kein Rechtsgeschäft mit einer Person abschließen mit dem Zweck, ihr die Möglichkeit zu gewähren: eine Verpflichtung gegenüber einer Person, die mit der Bank durch Sonderbeziehungen verbunden ist, zu bezahlen; irgendwelches Vermögen von einer Person, die mit der Bank durch Sonderbeziehungen verbunden ist, zu erwerben; Wertpapiere zu kaufen, die von einer Person emittiert worden sind, die mit der Bank durch Sonderbeziehungen verbunden ist. Ein Rechtsgeschäft mit einer Person, die mit der Bank durch eine Sonderbeziehung verbunden ist, darf nur nach Entscheidung des Direktorenrats der Bank und unter Berücksichtigung des o.g. allgemeinen Verbotes der Vergünstigungen für diese Personen abgeschlossen werden. Die Entscheidung über ein Rechtsgeschäft zwischen der Bank und der Person, die mit ihr mittels Sonderbeziehungen verbunden ist, darf nur nach Prüfung aller Bedingungen dieses Rechtsgeschäfts durch den Direktorenrat getroffen werden. Der Verzicht auf Forderungsrechte betreffend die Aktiva, die den o.g. Personen gewährt oder bei diesen Personen untergebracht worden sind, erfolgt mit einer nachfolgenden Benachrichtigung der allgemeinen Gesellschafterversammlung. Schließlich,
Schramm/Nogaibay
§ 78 Länderteil – Kasachstan
2555
darf der leitende Bankangestellte und auch der Leiter und der Hauptbuchhalter einer Filiale der Bank nicht an der Prüfung und Entscheidung über ein Rechtsgeschäft zwischen der Bank und ihm selbst (seinen nahen Verwandten; juristischen Personen, an denen er oder einer von seinen nahen Verwandten als Beamte oder Großteilnehmer auftritt) teilnehmen. Alle Rechtsgeschäfte zwischen der Bank und Personen, die mit der Bank mittels Sonderbeziehungen verbunden sind, sind dem Aufsichtsorgan zu melden. Nach Art. 719 kasZGB wird der Gegenstand des Darlehens in den Fristen, in der Höhe und unter den Bedingungen, die im Vertrag vorgesehen sind, gewährt. Soweit nicht etwas anderes durch den Vertrag geregelt ist, gilt der Vertragsgegenstand als gewährt im Moment der Buchung der entsprechenden Geldsumme auf dem Konto des Darlehensnehmers. Der Darlehensnehmer ist berechtigt, auf den Empfang des Darlehensgegenstandes völlig oder teilweise zu verzichten mittels einer Mitteilung an den Darlehensgeber, die bis zur Fälligkeit der vertraglich für die Gewährung des Vertragsgegenstands vorgesehenen Frist erfolgen muss.
23
Soweit nicht anders geregelt gilt das Darlehen als zweckfrei vergeben und der Darlehensnehmer darf den empfangenen Gegenstand nach eigenem Ermessen benutzen, Art. 720 kasZGB. Wenn vertraglich ein zweckgebundenes Darlehen vorgesehen wurde (was in der Praxis häufiger anzutreffen ist), darf der Darlehensgeber die entsprechende Kontrolle ausüben und der Darlehensnehmer muss ihm die Möglichkeit der Ausübung der Kontrolle gewährleisten. Im Falle der Nichterfüllung der genannten Pflichten sowie bei einer zweckwidrigen Nutzung des Darlehensgegenstandes darf der Anleihengeber auf die Vertragserfüllung hinsichtlich des noch nicht gewährten Darlehensgegenstandes verzichten und vom Darlehensnehmer eine vorfristige Rückgabe des Darlehensgegenstandes und des entsprechenden Entgelts verlangen.
24
Die Fragen der Rückgabe des Darlehensgegenstandes werden in Art. 722 kasZGB geregelt. Nach einer allgemeinen Vorschrift hat der Darlehensnehmer den Darlehensgegenstand in dem Verfahren und den Fristen, die vertraglich vorgesehen sind, zurückzugeben. Wenn die Rückgabefrist vertraglich nicht festgesetzt wurde, muss der Darlehensgegenstand im Laufe von 30 Tagen ab dem Tag des entsprechenden Rückgabeverlangens des Darlehensgebers zurückgegeben werden. Der Darlehensgegenstand, der entgeltlich gewährt wurde, kann mit Zustimmung des Darlehensgebers (oder wenn es vertraglich vorgesehen ist) vorfristig zurückgegeben werden. Das Entgelt kann jederzeit vorfristig bezahlt werden, es sei denn, vertraglich ist es anders geregelt. Wenn der Vertrag eine Teilrückgabe (Stundung) zulässt, darf der Darlehensgeber bei einer Verletzung der Zahlungstermine durch den Darlehensnehmer die vorfristige Rückgabe des ganzen verbliebenen Teils de Darlehens, einschließlich des Entgelts, verlangen.
25
Der Darlehensnehmer kann den Darlehensvertrag bestreiten und belegen, dass er den Darlehensgegenstand in Wirklichkeit nicht erhalten hat oder nur in einer kleineren Höhe, als im Vertrag vorgesehen ist, Art. 724 I kasZGB. Gemäß Art. 724 II kasZGB darf der Darlehensvertrag nicht mit Hilfe von Zeugenaussagen bestritten werden, es sei denn, der Vertrag wurde unter Einfluss einer Täuschung, von Zwang, einer Bedrohung, einer böswilligen Abmachung der Parteienvertreter oder des Zusammentreffens von schwierigen Umstände abgeschlossen (Art. 159 IX und X kasZGB).
26
Eine Haftung für die rechtswidrige Nutzung fremden Geldes in Form einer Vertragsstrafe laut Art. 353 kasZGB tritt im Fall der Nichterfüllung einer Geldverpflichtung oder des Fristverzugs bei Bezahlung oder eines ungerechtfertigten Empfangs der Darlehenssumme ein. Die Höhe der Vertragsstrafe wird ausgehend von der offiziellen Refinanzierungsrate der NB auf den Tag der Erfüllung der Geldverpflichtung oder ihres Teils
27
Schramm/Nogaibay
2556
28
29
30
31
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
berechnet. Diese Regeln werden angewendet, es sei denn, eine andere Höhe der Vertragsstrafe wurde gesetzlich oder vertraglich vorgesehen. Die Vertragsstrafe für die Nutzung des fremden Geldes wird bis zum Tag der tatsächlichen Zahlung der Geldsumme erhoben, es sei denn, es ist vertraglich anders geregelt. Wenn die Verluste des Gläubigers infolge der rechtswidrigen Nutzung seines Gelds höher als die Summe der ihm zustehenden Vertragsstrafe sind, ist er berechtigt, vom Schuldner den Verlustausgleich in dem Teil, der die Vertragsstrafe überschreitet, zu verlangen. Die Ordnung der Führung der Kreditdokumentation durch die Banken wird in einem normativ-rechtlichen Akt des bevollmächtigten Organs festgelegt (Bestimmung des NBVorstands v. 23.02.2007 № 49). II. Kreditsicherheiten. Der Frage der Kreditsicherheiten ist eine spezielle Norm in Art. 35 Bankgesetz gewidmet. Danach kann die Rückzahlung eines Kredits durch eine Vertragsstrafe, ein Pfand, eine Garantie, eine Bürgschaft und andere in der Gesetzgebung oder dem Vertrag vorgesehenen Mittel sichergestellt werden (vgl. Art. 292 kasZGB). Bemerkenswert ist dabei, dass nach den allgemeinen Regeln alle Sicherungsrechte insoweit akzessorisch ausgestaltet sind, als die Unwirksamkeit der gesicherten Forderung die Unwirksamkeit des Sicherungsmittels nach sich zieht. Unter der Bedingung einer hohen Kreditfähigkeit und Sicherheit (Glaubwürdigkeit) des Kunden ist eine Bank berechtigt, eine Entscheidung zu treffen über die Ausstellung eines Kredits ohne Sicherung (sog. Blankokredit). Die Bank darf einem Darlehensnehmer einen Blankokredit nur insoweit gewähren oder eine ungesicherte Eventualverpflichtung nur insoweit annehmen, als die Gesamtsumme den durchschnittlichen Jahreswert der Aktiva dieses Darlehensnehmers abzüglich des Umfangs der Darlehensmittel, die dieser Darlehensnehmer von Banken und Nicht-Bankorganisationen erhalten hat, nicht überschreitet, Art. 35 II Bankgesetz. In den Fällen, die im Pfandvertrag und in der Gesetzgebung vorgesehen werden hat die Bank das Recht, das verpfändete Vermögen selbständig zwangsweise außergerichtlich im Wege der Durchführung einer Versteigerung (Auktion) zu veräußern, Art. 35 III Bankgesetz. Soweit nicht abweichend geregelt hat der Darlehensnehmer gemäß Art. 721 kasZGB im Falle der Besicherung des Darlehens mit den Mitteln, die im ZGB vorgesehen sind, dem Darlehensgeber die Möglichkeit einer Kontrolle über die Sicherheit des Darlehens zu gewährleisten. Verletzt der Darlehensnehmer seine Pflichten zur Stellung einer Sicherheit, ist der Darlehensgeber berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. In der kasachischen Praxis werden am häufigsten die Vertragsstrafe und das Pfand angewendet. Die Regelung der Vertragsstrafe findet sich in Art. 293 ff. kasZGB. Die Vertragsstrafe wird als eine gesetzlich oder vertraglich bestimmte Geldsumme definiert, die der Schuldner dem Gläubiger im Falle einer Nichterfüllung oder einer nicht ordnungsgemäßen Erfüllung zahlen muss. Bei der Geltendmachung einer Vertragsstrafe muss der Gläubiger keinen Schaden nachweisen. Für die Abmachung über eine Vertragsstrafe ist die Schriftform obligatorisch vorgesehen. Die Höhe der Vertragsstrafe wird in einer bestimmten Geldsumme (das Strafgeld) oder in einem Prozentsatz zur Summe der nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllten Verpflichtung (der Versäumniszuschlag) ausgedrückt. Wenn die zu zahlende Vertragsstrafe im Vergleich zu den Verlusten des Gläubigers übermäßig groß ist, ist das Gericht berechtigt, sie zu senken, unter Berücksichtigung des Maßes der Erfüllung durch den Schuldner und der beachtenswerten Interessen des Schuldners und des Gläubigers.
Schramm/Nogaibay
§ 78 Länderteil – Kasachstan
2557
Die Regelung des Pfands ist in Art. 299 ff. kasZGB niedergelegt. Grundsätzlich hat der Pfandgläubiger wie im deutschen Recht die Befugnis, im Falle der Nichterfüllung der gesicherten Forderung vorzugsweise Befriedigung aus dem Wert des verpfändeten Vermögens zu erhalten. Im Unterschied zum deutschen Recht unterscheidet man in Kasachstan unter dem Oberbegriff ‚Pfand‘ zwischen Besitzpfand (Faustpfand) und besitzlosem Pfand (Hypothek), Art. 303 I kasZGB. Musterbeispiel des besitzlosen Pfandrechts ist die in einem eigenständigen Gesetz geregelte Hypothek an Immobiliarvermögen. Allerdings ist nach allgemeinem Zivilrecht die Hypothek nicht auf unbewegliches Vermögen beschränkt, sondern kann auch an beweglichen Vermögensgegenständen eingeräumt werden, Art. 303 I kasZGB. Voraussetzung ist in jedem Fall eine Registrierung. Diese Registrierung erfolgt dabei bislang nicht in einem Zentralregister, sondern in den Registern, in denen die Eigentumsrechte an den jeweiligen Vermögensgegenständen verzeichnet sind. Grundlagen sind Art. 308 kasZGB und das Gesetz ‚Über die Registrierung der Verpfändung von unbeweglichem Vermögen‘ vom 30.06.1998. Die Registrierung von Rechten an Immobilien erfolgt durch die Abteilung zur Registrierung von Immobilien und juristischen Personen des Justizministeriums, (http://www.justice.kz/). Das Immobilienpfand (Hypothek) entsteht auf der Grundlage des Gesetzes vom 23.12.1995 „Über die Hypothek an Immobiliarvermögen“ (HypothekenG) kraft Vertrag oder Gesetz. Anders als im deutschen Recht unterliegt nicht die Hypothek selber der Registrierung, sondern der Vertrag, Art. 6 HypothekenG. Die Registrierung ist konstitutiv für die Entstehung der Hypothek und auf ihrer Grundlage erhält der Hypothekar einen Hypothekenbrief, bei dem sich um ein Orderwertpapier handelt. Soweit dies vertraglich vereinbart ist darf die Verwertung auch auf außergerichtlichem Wege erfolgen. Als Pfandgegenstand kommt jegliches Vermögen einschließlich der Vermögensrechte (Forderungsrechte) in Frage, mit den Ausnahmen nach Art. 301 kasZGB. Soweit etwas anderes nicht vertraglich oder gesetzlich vorgesehen ist, gewährleistet das Pfand die Forderung im Umfang, den diese Forderung im Moment der tatsächlichen Befriedigung hat. Als Pfandgeber kann sowohl der Schuldner selbst als auch eine dritte Person auftreten. Der Pfandvertrag ist obligatorisch schriftlich abzuschließen. Bei einem Faustpfand entsteht das Pfandrecht in dem Moment des Pfandvertragsabschlusses in Verbindung mit der Übergabe. Der Pfandinhaber ist berechtigt, eine fristlose Erfüllung der mit einem Pfand gesicherten Verpflichtung zu verlangen, wenn: der Pfandgeber, bei dem der Pfandgegenstand geblieben ist, den Besitz über ihn entgegen den Bedingungen des Vertrags verloren hat; der Pfandgeber die Regelungen über den Wechsel des Pfandgegenstands verletzt hat; der Pfandgeber den Pfandgegenstand aus Gründen verloren hat, für die der Pfandinhaber nicht haftet, und ihn in vernünftigen Fristen nicht wiederherstellt oder mit einem gleichwertigen Vermögen nicht ersetzt hat. Der Pfandinhaber ist auch berechtigt, eine vorfristige Pflichterfüllung zu verlangen und falls seine Forderung nicht befriedigt wird, in den Pfandgegenstand zu vollstrecken, wenn: der Pfandgeber die Regelungen über die nachfolgende Verpfändung verletzt (Art. 311 kasZGB); die Sorgfaltspflichten für die Instandhaltung und die Erhaltung des verpfändeten Vermögens verletzt; die Regeln über die Verfügung über das verpfändete Vermögen missachtet. Der Pfandinhaber hat das Recht, seine Pfandvertragsrechte einer anderen Person zu übertragen. Dabei hat er die Regelungen über die Übertragung der Gläubigerrechte im Wege einer Zession zu beachten (Art. 339 ff. kasZGB). Die Zession der Vertragsrechte durch den Pfandinhaber auf eine andere Person gilt als wirksam, wenn dieser dritten Person auch die Forderungsrechte gegenüber dem Schuldner nach der Hauptverpflichtung (die mit dem Pfand gesichert ist) abgetreten werden. Mit der Übertragung der Schuld aus einer pfandgesicherten Verpflichtung endet das Pfand, wenn der Pfandgeber dem Gläubiger nicht zugestimmt hat, für den neuen Schuldner zu haften.
Schramm/Nogaibay
32
33
2558
34
35
36
37
38
39
40
41
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Die Garantie wird in Art. 329 kasZGB als eine Verpflichtung des Garanten gegenüber dem Gläubiger einer anderen Person (des Schuldners) definiert, völlig oder teilweise für die Pflichterfüllung des Schuldners solidarisch zu haften. Die Bürgschaft wird in Art. 330 kasZGB als eine Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger einer anderen Person (des Schuldners) definiert, völlig oder teilweise für die Pflichterfüllung des Schuldners subsidiär zu haften. Die Garantie und Bürgschaft sind in den Art. 329 ff. kas ZGB ausführlich geregelt. Die treuhänderische Übertragung von Rechten (Sicherungseigentum und -zession) hat hingegen noch keine offizielle Anerkennung erfahren und ist dem gemäß mit Unsicherheiten behaftet.
C. Bankdienstleistungen und Zahlungsverkehr I. Bankdienstleistungen. Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen der Bank und ihren Kunden ist nach Art. 33 Bankgesetz der Vertrag. Die allgemeinen Regeln hierzu finden sich unter dem Oberbegriff der Bankdienstleistungen in Art. 739 ff. kasZGB. Danach verpflichtet sich die Bank, gemäß den Weisungen des Kunden die Bankdienstleistungen auszuführen, und der Kunde verpflichtet sich, die Dienstleistung zu bezahlen. Der genannte Artikel unterteilt die Bankdienstleistungen in die folgenden Arten: den Bankkontovertrag, den Geldüberweisungsvertrag, den Bankeinlagevertrag und andere Vertragsarten, die gesetzlich oder nach der Parteienvereinbarung vorgesehen werden. Art. 739 ff. kasZGB enthalten eine Reihe zusätzlicher Gewährleistungen für Bankkunden. So darf etwa nach Art. 739 kasZGB die Bank die auf dem Konto vorhandenen Gelder benutzen, unter der Bedingung der Gewährleistung des Rechts des Kunden auf eine ungehinderte Verfügung über sein Geld. Gemäß Art. 740 kasZGB kann das Geld der juristischen und natürlichen Personen, das sich in einer Bank befindet, nur durch die Gerichte, Ermittlungsorgane, Vollstreckungsorgane und in Bezug auf die entsprechenden Zivil-, Straf- und Vollstreckungssachen ein Arrest verhängt werden. Dabei werden die Einzelheiten in der Zivilverfahrens-, Strafverfahrensgesetzgebung und in der Gesetzgebung über das Vollstreckungsverfahren bestimmt. Die Sperrfrist darf nicht die Fristen, die für die Führung der entsprechenden Sachen in der Zivil- und Strafverfahrensgesetzgebung vorgesehen werden, übersteigen. Gegen die Entscheidungen der Ermittlungsorgane über die Sperre von Geldern steht der Rechtsweg offen. Gemäß Art. 741 kasZGB kann das Geld, das sich in einer Bank oder Nichtbank-Organisation befindet, nur aufgrund eines in Kraft getretenen Gerichtsaktes beschlagnahmt werden, sowie in den Fällen, die in Steuer-, Zollkodices und den Gesetzen über die Rentenversorgung und die obligatorische soziale Versicherung vorgesehen sind. Schließlich gewährleistet die Bank gemäß Art. 745 kasZGB die Wahrung des Bankgeheimnisses. Nach Art. 50 Bankgesetz schließt das Bankgeheimnis insbesondere folgende Daten ein: die Daten über das Vorhandensein, die Inhaber und die Nummern der Bankkontos der Deponenten, Kunden und Korrespondenten der Bank, über den Rest und die Bewegung des Gelds auf diesen Konten. Es werden vom Bankgeheimnis nicht erfasst Daten über Kredite, die von einer Bank ausgegeben wurden, die sich im Liquidationsverfahren befindet. Die Bankangestellten haften strafrechtlich für die Verletzung des Bankgeheimnisses. Eine für alle Unterarten des Bankdienstleistungsvertrages gültige Norm findet sich auch in Art. 746 kasZGB. Nach dieser Bestimmung haften Banken für Rechtsverletzungen nach den allgemeinen Vorschriften. Das Rechtsregime des Bankkontovertrags wird in Art. 747 ff. kasZGB festgelegt: durch einen Bankkontovertrag verpflichtet sich die Bank Geld anzunehmen, das zugunsten des
Schramm/Nogaibay
§ 78 Länderteil – Kasachstan
2559
Kunden eingeht; die Aufträge des Kunden über die Überweisungen (oder die Ausgabe) dem Kunden oder den Dritten von entsprechenden Geldsummen auszuführen, und andere Dienstleistungen zu erbringen, die im Bankkontovertrag vorgesehen sind. Aufgrund eines Bankkontovertrages wird dem Kunden oder einer von ihm genannten Person ein individueller Kunden-Identifizierungskode zuerkannt. Die Bank hat kein Recht, die Nutzung des Geldes durch den Kunden irgendwie zu beeinflussen, oder andere in der Gesetzgebung nicht vorgesehene Begrenzungen seines Rechts, über das Geld nach eigenem Ermessen zu verfügen, einzuführen. Für die Nutzung des Gelds, das sich in der Bank befindet, hat die Bank ein Entgelt in der Höhe und Ordnung, die im Vertrag festgestellt werden, zu zahlen (Art. 751 kasZGB). Der Bankkontovertrag kann von dem Kunden jederzeit gekündigt werden, es sei denn, es ist gesetzlich oder vertraglich anders geregelt, Art.752 kasZGB. Schließlich ist durch Art. 6 des Gesetzes v. 29.06.1998 „Über Zahlungen und Geldüberweisungen“ (GesZahlGÜ) festgelegt, dass der Bankkontovertrag sich auf die Unterarten des Vertrags über das laufende Konto und des Vertrags über das Karten-Konto erstreckt. Der Geldüberweisungsvertrag wird in Art. 754 ff. kasZGB geregelt. Danach verpflichtet sich die Bank gemäß der Anweisung des Kunden einer dritten Person Geld zu überweisen, ohne dem Kunden einen individuellen Identifizierungskode zuzuweisen. Dieser Vertrag gilt als abgeschlossen, wenn die Bank die Kundenanweisung im Moment des Antrags seitens des Kunden zur Erfüllung annimmt, und dem Kunden gleichzeitig eine solche Dienstleistung vorschlägt.
42
Dem Bankeinlagevertrag sind Art. 756 ff. kasZGB gewidmet. Gemäß einem solchen Vertrag verpflichtet sich die Bank, Gelder (Einlagen) des Kunden anzunehmen, dafür in der vertraglich vorgesehenen Höhe und Ordnung ein Entgelt zu zahlen und die Einlage unter Bedingungen und in der Ordnung, die gesetzlich und vertraglich vorgesehen sind, zurückzuzahlen. Anhand der Umstände der Rückzahlung unterscheidet man folgende Arten: Einlagen auf tägliche Kündigung (auf Sicht); befristete Einlagen und bedingte Einlagen (Art. 757 kasZGB). Wenn eine befristete Einlage vom Einleger vor dem Auslaufen der bestimmten Frist oder wenn die bedingte Einlage vom Einleger vor dem Eintreten der vertraglich bestimmten Bedingungen zurückgefordert wird, muss das Entgelt in der Höhe gezahlt werden, die vertraglich vorgesehen ist. Der Bankeinlagevertrag ist obligatorisch schriftlich abzuschließen. Entsprechend dem Willen des Kunden muss das Dokument, welches die gemachte Einlage bestätigt, entweder auf seinen Namen oder auf den Namen einer dritten Person ausgefertigt werden.
43
Die Bank zahlt dem Einleger das Entgelt auf die Einlagesumme in der Höhe und Ordnung, die vertraglich bestimmt werden. Die Bank darf nicht die Entgelthöhe einseitig ändern, es sei denn, dies ist vertraglich zugelassen (Art. 760 kasZGB ). Für den Fall, dass der Vertrag keine Bestimmungen enthält, sind in Art. 761 kasZGB detaillierte Vorschriften über die Zahlung des Entgelts zu finden. Ausführlich geregelt ist darüber hinaus der Einlagevertrag zu Gunsten Dritter. Die Bank ist schließlich verpflichtet, die Einlage oder ihren Teil auf Anforderung des Einlegers herauszugeben: bei Einlagen auf Sicht – bei Eingang der Anforderung; bei befristeten Einlagen – bei Ablauf der vertraglich vorgesehenen Frist; bei bedingten Einlagen – bei Eintritt der vertraglich vorgesehenen Umstände. Der Einleger hat das Recht auf eine vorfristige Rückforderung einer befristeten Einlage. In diesem Fall hat die Bank die Einlage oder ihren Teil nicht später als 5 Tage ab dem Moment des Zugangs der Anforderung auszuzahlen. Bei bedingten Einlagen hat der Einleger das Recht auf die Rückforderung der Einlage vor dem Eintreten der vertraglich für die Rückzahlung vorgesehenen Umstän-
Schramm/Nogaibay
2560
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
de (auch im Laufe von 5 Tagen). Eine Regelung im Bankeinlagevertrag, die den Verzicht des Einlegers auf das vorfristige Rückzahlungsrecht bei befristeten und bedingten Einlagen vorsieht, ist ungültig. Einlagen, die in einer Auslandswährung erbracht wurden, müssen in derselben Währung zurückgezahlt werden, wenn etwas anderes gesetzlich oder vertraglich nicht vorgesehen ist. 44
Ein Einlagensicherungssystem wurde in Kasachstan 1999 eingeführt und 2006 gesetzlich geregelt. Durch das System wird die Rückzahlung von Einlagen in der Höhe bis maximal 700.000,- Tenge garantiert (Art. 18 Gesetz über die Einlagensicherung. Die Sicherungssumme entspricht derzeit knapp 4.000,-€).
45
II. Zahlungsverkehr. Die Verhältnisse, die bei der Durchführung von Zahlungen und Überweisungen von Geldern in der Republik Kasachstan entstehen, werden durch das GesZahlGÜ und Verträge geregelt, und in dem Teil, der nicht der Gesetzgebung widerspricht – auch durch die Gewohnheiten des Geschäftsverkehrs, die in der Bankpraxis angewendet werden. Art. 5 GesZahlGÜ stellt fest, dass Geld in der Form von Geldscheinen (Bargeld) oder in der Form von Geldverpflichtungen der Banken, ausgedrückt in der Form einer Eintragung auf den Bankkonten ihrer Kunden, existiert.
46
Art. 7 GesZahlGÜ bestimmt, dass in der Republik Kasachstan folgende Zahlungs- und Überweisungsmittel angewendet werden: die Übergabe von Bargeld; die Vorlage von Zahlungsanweisungen (Art. 8 GesZahlGÜ; dazu die Regeln Über bargeldlose Zahlungen und Überweisungen, verabschiedet durch Bestimmung des NB-Vorstands v. 25.04.2000 № 179; die Regeln Über den Wechsel mit den elektronischen Dokumenten bei der Ausübung von Zahlungen und Überweisungen, verabschiedet durch Bestimmung des NBVorstands v. 21.04.2000 № 146); die Ausgabe von Schecks (Art. 9 GesZahlGÜ; dazu die Regeln der Scheckanwendung, verabschiedet durch die Bestimmung des NB-Vorstands v. 05.12.1998 № 266); die Ausgabe von Wechseln oder ihre Übertragung durch Indossament (Gesetz v. 28.04.1997 „Über den Wechselverkehr in der Republik Kasachstan“, das aufgrund der Genfer Konvention über das einheitliche Gesetz über den trassierten und eigenen Wechsel (v. 07.06.1930), Genfer Konvention mit Zweck der Auflösung der Kollision von manchen Gesetzen über die trassierten und eigenen Wechseln (v. 7.06.1930) und der Genfer Konvention über die Stempelgebühr in Bezug auf den eigenen und trassierten Wechsel (v. 07.06.1930) ausgearbeitet worden ist; Erlass des Präsidenten der Republik Kasachstan v. 21.08.1995 „Über den Beitritt der Republik Kasachstan zu den Genfer Konventionen v. 07.06.1930“); die Nutzung von Zahlungskarten (einschließlich der Zahlungskarten mit Mikroprozessoren; Art. 11 GesZahlGÜ, dazu Regeln für die Ausgabe und Benutzung von Zahlungskarten, verabschiedet durch die Bestimmung des NB-Vorstands v. 24.08.2000 № 331); das direkte Debetieren eines Kontos (Lastschrift; Art. 12 GesZahlGÜ; dazu die Regeln, verabschiedet durch die Bestimmung des NB-Vorstands v. 14.11.2001 № 430); die Vorlage einer Zahlungsanweisung (Art. 13 GesZahlGÜ; dazu die Regeln, verabschiedet durch die Bestimmung des NB-Vorstands v. 21.04.2000 № 146); die Vorlage einer Inkasso-Verfügung (Art. 14 f. des GesZahlGÜ; dazu die Regeln, verabschiedet durch die Bestimmung des NB-Vorstands v. 25.04.2000 № 179); andere in der Gesetzgebung vorgesehene Mittel.
47
Laut Art. 21 GesZahlGÜ werden Zahlungen sowohl unter Benutzung von Bargeld als auch ohne Bargeld (bargeldlose Zahlungen) durchgeführt. Zahlungen zwischen juristischen Personen aufgrund eines Rechtsgeschäfts, dessen Summe den Betrag von 4000 monatlichen Berechnungsindexen übersteigt, sollen bargeldlos durchgeführt werden (Art. 23 GesZahlGÜ ff.; dazu Bestimmungen des NB-Vorstands v. 25.04.2000 № 179, 13.10.2000 № 395; 25.11.2000 № 433). Schramm/Nogaibay
§ 78 Länderteil – Kasachstan
2561
Die Geldüberweisung wird mittels Clearing oder im Wege einer individuellen Ausübung jeder Anweisung des Anweisungsgebers durchgeführt. Für das Außenhandelsgeschäft ist der Rückgriff auf den Dokumentenakkreditiv möglich, der in einer Verordnung der NB speziell geregelt ist (Regeln über den Dokumentenakkreditiv, bestätigt durch Beschluss der NB vom 25.04.2000 № 178).
48
D. Kapitalmarktrecht
49
Grundlage des kasachischen Kapitalmarktrechts ist das Gesetz ‚Über den Wertpapiermarkt‘ (WPMG) vom 02.07.2003. In diesem Gesetz sind sowohl die Vorschriften zu den institutionellen Grundlagen des Wertpapiermarktes niedergelegt als auch die grundlegenden Regeln zu den Geschäften des Wertpapiermarktes. Aufsichtsrechtliche Vorschriften sind darüber hinaus im Gesetz ‚Über die staatliche Regulierung und Aufsicht über den Finanzmarkt und die Finanzorganisationen‘ vom 04.07.2003 enthalten. Ergänzt werden diese Gesetze durch eine Vielzahl untergesetzlicher Vorschriften, die von der NB und der ARA erlassen werden. Eine wichtige Besonderheit besteht hier allerdings für die Rechnungslegung der Unternehmen, die zu regeln grundsätzlich das Finanzministerium aufgerufen ist. Die Infrastruktur des kasachischen Kapitalmarktes ist vorgegeben durch die Liste der lizenzpflichtigen Tätigkeiten gemäß Art. 45 WPMG. Unterschieden werden danach der Wertpapierhandel (‚Broker/Dealer‘-Tätigkeit), der auch die Emissionsbegleitung umfasst (Art. 63 WPMG f), die Verwaltung eines Registers der Wertpapierinhaber (Art. 65 WPMG ff), die Portfolioverwaltung einschließlich der Verwaltung von Pensionskassen (Art. 69 WPMG ff), das Verwahrungsgeschäft (‚Custodialtätigkeit‘; Art. 73 WPMG ff.), die Organisation des Wertpapierhandels sowie die Geschäfte des Transfer-Agenten und des Zentraldepositars. Alle diese Geschäfte dürfen nur aufgrund einer Lizenz ausgeübt werden, die einzeln oder im Verbund erworben werden können und auch den Einlagebanken offen stehen. Besonderheiten gelten hier vor allem für das Zentraldepositargeschäft (Art. 78 WPMG ff), die Organisation des Wertpapierhandels (Art. 83 WPMG) und das Investmentgeschäft (Gesetz ‚Über Investitionsfonds‘ vom 07.07.2004), die nur durch eigenständige Organisationen wahrgenommen werden dürfen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang das Geschäft der ‚Securitisation‘ zu nennen, dessen Grundlagen unlängst im Gesetz ‚Über Securitisierung‘ vom 20.02.2006 geregelt wurden, das bislang aber nicht zu den aufsichtspflichtigen Tätigkeiten gehört.
50
Die Aufsicht über den Kapitalmarkt ist in Anlehnung an angelsächsische Vorbilder zweistufig organisiert. Eine erste Stufe bilden die Selbstverwaltungsorganisationen, in denen sich die verschiedenen Berufsgruppen organisieren müssen und denen bestimmte Aufsichtsbefugnisse zustehen (Art. 91 WPMG ff). Staatliches Aufsichtsorgan ist seit 2004 die ARA, der als Allfinanzaufsichtsbehörde weitreichende Kompetenzen auf dem Gebiet der Normgebung und der Aufsicht übertragen wurden (Art. 12 Gesetz der Republik Kasachstan ‚Über die staatliche Regulierung und Aufsicht über den Finanzmarkt und die Finanzorganisationen‘). Darüber hinaus ist die ARA das für die Registrierung öffentlicher Wertpapierausgaben zuständige Organ (Art. 6 WPMG).
51
Hinsichtlich der einzelnen Geschäfte des Kapitalmarktes enthält das WPMG in Verbindung mit untergesetzlichen Normen die grundsätzlichen Ausübungsregeln. Zu nennen ist hier zunächst der Wertpapierhandel und die Emissionsbegleitung, die in Kasachstan unter dem Begriff der ‚Broker/Dealer-Tätigkeit‘ zusammengefasst werden. Ausgangspunkt ist hier wie auch bei den weiteren Geschäften die Freiheit zur vertraglichen Gestaltung. Gesetzlich geregelt sind dagegen die Pflicht zur vorrangigen Interessenwahrung des
52
Schramm/Nogaibay
2562
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Kunden und das Verbot des ‚unlauteren Verhaltens und der Preismanipulation‘ (Art. 56, 64 WPMG). Mit einer Reform vom Februar 2007 wurden zudem erstmalig Vorschriften gegen den Insiderhandel in das Gesetz aufgenommen (Art. 56-1 WPMG). 53
Das Geschäft der Führung des Registers der Inhaber von Wertpapieren findet seine Grundlage darin, dass insbesondere Aktien in Kasachstan als registrierte Namenswertpapiere ausgestaltet sind, bei denen sich die Inhaberschaft des Rechts aus einem Eintrag im Register der Inhaber ergibt. Grundlage der Tätigkeit des Registrators ist ein mit dem Emittenten geschlossener Vertrag, dessen Inhalt durch entsprechende untergesetzliche Akte weitgehend vorgegeben ist (Art. 67 WPMG, ‚Regeln der Führung des Systems der Register der Inhaber von Wertpapieren‘ vom 16.02.2004). Die Übertragung der Wertpapiere vollzieht sich technisch über die Einschaltung sog. nomineller Halter (Art. 57 WPMG ff), eine Tätigkeit, die den Inhabern einer Broker/Dealer-Lizenz vorbehalten ist. Der zentralisierten Abwicklung des Wertpapierhandels dient das Geschäft des Zentraldepositars, das nur von einer eigenständigen und nicht-kommerziellen Organisation betrieben werden darf (Art. 78 WPMG ff). Dabei steht weniger die zentrale Wertpapierverwahrung im Vordergrund, da Aktien und Obligationen auch als Wertrechte ausgegeben werden können, als vielmehr die zentralisierte Abrechnung von Wertpapiergeschäften. Dem gemäß steht dem Zentraldepositar das Recht zu, als nomineller Halter im Register der Inhaber von Wertpapieren eingetragen zu werden.
54
Schließlich sind im Wertpapiermarktgesetz die Grundlagen des Börsenorganisationsrechts geregelt in der Gestalt der Bestimmungen zu den Organisatoren des Handels (Art. 83 WPMG ff). Bei diesen handelt es sich um lizenzierte Einrichtungen der professionellen Wertpapiermarktteilnehmer, denen das Recht zum Erlass von Regeln zuerkannt wird und die der Aufsicht der ARA unterliegen. Einzige Einrichtung dieser Art ist derzeit die Kazakh Stock Exchange.
Schramm/Nogaibay
§ 78 Länderteil – Lettland
2563
14. Lettland
§ 78 Länderteil Schrifttum – Lettland Balodis, Sicherungsübereignung im deutsch-lettischen Rechtsvergleich, Dissertation Münster, 2001; CLC/Baltmane & Bitans, Grundeigentum und Sicherheiten in Lettland, 2003; Klauberg, Die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts und die Strukturen im Bereich Finanzdienstleistungen in Lettland, ERA-Forum 3/2004, S. 376; Melnbārdis, Hipotekārā kreditēšana un tās funkcionēšanas mehānisms [Funktion der Hypothekenvergabe], Jurista Vārds 2 (109) 14.1.1999, 3 (110) 21.1.1999; Plokšta, Kas ir finanšu nodrošinājums? [Was ist eine Finanzsicherheit?], Saldo, 10/2006, S. 13 ff.; Rozenfelds, Banku pieprasījuma garantīja kā saistības nodrošināšanas veids, Banku garantījas izcelšanas un tiesiskais regulējums internacionālā mērogā; [Die Bankgarantie als Mittel der Besicherung von Ansprüchen, Ursprung und Regelung der internationalen Bankgarantie] LU Zinātniskie raksti 1999, 96; Rozenfelds, Latvian Property and Collateral Law and Protection of Foreign Investments, Juridica (Estland), 2001, 108; Višņakova/Beļajevs, Par komercķīlu [Über das Handelspfand], Jurista V ārds 10.06.1999 22 (129).
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem. Zentral- und Notenbank . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Stichwortverzeichnis Abrechnungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Bankeinlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Bankkredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Bankrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Faustpfandrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Finanzierungsleasing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Finanz- und Kapitalmarktkommission . . . . . . . . . . . 2 Garantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Handelspfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Hypothek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Abkürzung
Hypothekenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommerzpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Mobiliarpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Nutzungspfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Registerpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Sicherheitsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Überweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Verbraucher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Zentral- und Notenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 13 Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Abkürzungsverzeichnis Voller Name (nichtamtliche Übersetzung des Autors) Gesetz über die Bank von Lettland Gesetz über die Börse Gesetz zur Vermeidung der Geldwäsche Handelspfandgesetz
Fundstellenangabe
Ziņ otājs 22, 4. 6. 1992 Ziņ otājs 8, 27. 2. 1992 Latvijas Vēstnesis 3, 6. 1. 1998 Latvijas Vēstnesis 337/338, 11. 11. 1998 5. LVKredInstG Gesetz über Kreditinstitute Latvijas Vēstnesis 163, 24. 10. 1995 6. LVVerbrKrVertrVO Verordnung über Verbraucherkreditverträge Latvijas Vēstnesis 231/232, 16. 7. 1999 7. LVVerbrSchG Verbraucherschutzgesetz Latvijas Vēstnesis 104/105, 1. 4. 1999 8. LVFinanzInstrG Gesetz über den Markt mit Finanzierungs- Latvijas Vestnesis 175, 11.12.2003 instrumenten 9. ZGB-LV Zivilgesetzbuch von Lettland 1937 Ziņ otājs 4 1992.01.30 10 LVFinanzSichG Finanzsicherheitengesetz Latvijas Vēstnesis Nr. 74, 11.05.2005 1. 2. 3. 4.
LVBankG LVBörsG LVGeldwäscheG LVHandelsPfG
Klauberg
2564
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Übersetzungen: 1. Latvijas Republikas augstākas tiesas senata spriedumi un lēmumi – Entscheidungssammlung des Obersten Gerichtshof von Lettland, Jahresband, Seitenzahl 2. Latvijas Vēstnesis – Amtlicher Anzeiger der Republik Lettland 3. Lik. un not. kr. – Amtlicher Anzeiger der Republik Lettland 1919–1940 4. Ziņ otājs – Amtlicher Anzeiger der Republik Lettland
1
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. Zentral- und Notenbank (§ 4 Gesetz über die Bank von Lettland, Ziņotājs 22, 4. 6. 1992, nachfolgend LVBankG) ist die Bank von Lettland (Latvijas Banka, www.bank.lv). Sie ist zur Bestimmung und Umsetzung der Währungspolitik mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Preisstabilität verpflichtet (§ 3 LVBankG). Durch die Festlegung der Mindestreserven-, Diskont-, Lombard- sowie Offen-Markt-Politik (§ 35 ff. LVBankG) beeinflusst sie das Finanzsystem und überwacht die von ihr zu diesem Zweck erlassenen Beschlüsse und Verordnungen (§ 10 LVBankG). Ferner unterstützt sie die Aufsichtsbehörde (Rn. 2) bei der Bankenaufsicht und erstellt Analyseberichte. Der Bankrat, der den geschäftsführenden Ausschuss einsetzt, wird vom Parlament für eine sechsjährige Amtszeit gewählt und trifft seine Entscheidungen weisungsfrei (§ 13 LVBankG). Im privatrechtlichen Bankgewerbe sind lettische Banken, Zweigniederlassungen ausländischer Kreditinstitute sowie Repräsentanzen tätig. Lettische Banken sind grundsätzlich Universalbanken.
2
II. Bankenaufsicht. Gründung und Führung von Kreditinstituten sowie Repräsentanzen unterliegen der Aufsicht durch die Finanz- und Kapitalmarktkommission (www. fktk.lv), die daneben auch die Tätigkeit der Versicherungen und der weiteren Teilnehmer am Kapitalmarkt beaufsichtigt und Analysen über den Kapitalmarkt veröffentlicht. Der Kommission stehen eine Reihe von Informations- und Prüfungsrechten zu (§ 106 Gesetz über Kreditinstitute, Latvijas Vēstnesis 163, 24. 10. 1995, nachfolgend LVKredInstG), ferner kann sie sichernde Maßnahmen bei Verstößen gegen finanzielle oder bankenaufsichtsrechtliche Pflichten anordnen (§§ 102 – 105 LVKredInstG). Die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften wird erteilt, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen, einschließlich der Vorschriften über ausreichendes Eigenkapital in Höhe von 5 Millionen Euro und zur Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung, erfüllt sind (§ 15 i. V. m. § 21 LVKredInstG). Dies gilt auch für ausländische Kreditinstitute die Zweigniederlassungen betreiben, (§ 20 Abs. 1 i.V.m. § 21 LVKredInstG); ferner muss das ausländische Kreditinstitut bereits mindestens eine dreijährige Geschäftstätigkeit nachweisen können, allerdings gilt diese Voraussetzung nicht im Hinblick auf in WTO-Mitgliedsstaaten ansässige Kreditinstitute (§ 20 Abs. 2 LVKreditInstG). Für elektronische Kreditinstitute liegt die Mindesteigenkapitalhöhe bei 1 Million Euro (§ 21 Abs. 2 LVKreditInstG). Kreditinstitute sind als akciju sabiedrība (AS, Aktiengesellschaften) zu betreiben (§ 3 II LVKredInstG). Elektronische Geldinstitute können als Kapitalgesellschaften, d.h. auch in der Form der sabiedrība ar ierobežotu atbildību (SIA, GmbH) betrieben werden (§ 3 Abs. 3 LVKreditInstG i.V.m. § 134 Abs. 2 Handelsgesetzbuch). Repräsentanzen ist jegliche Geschäftstätigkeit untersagt. Für die Erteilung einer Erlaubnis zum Handel mit Fremdwährungen, ist, sofern dieser nicht durch Kreditinstitute betrieben wird, die Bank von Lettland zuständig (§ 11 LVKredInstG). Kreditinstitute mit Hauptsitz in einem Land der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) können unselbständige Zweigniederlassungen erlaubnisfrei betreiben, nachdem die Finanz- und Kapitalmarktkommission in Kenntnis gesetzt wurde und nach Einreichen einer gesetzlich näher bestimmten
Klauberg
§ 78 Länderteil – Lettland
2565
Anzahl von Informationen und Dokumentation (§ 12.1 Abs. 1 LVKreditInstG). Die Aufsicht erfolgt durch das Heimatland des Mutterunternehmens. III. Bedeutende Rechtsquellen. Die Gründung und das Betreiben von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsunternehmen werden geregelt im LVKredInstG sowie dem Gesetz über die Finanz- und Kapitalmarktkommission (Latvijas Vēstnesis 20. 6. 2000, Ziņotājs 13, 13. 7. 2000), im Handelsgesetzbuch (Latvijas Vēstnesis 158/160, 4. 5. 2000) und dem LVBankG. Grundsätze der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung enthalten das Gesetz über Einlagegarantien (Latvijas Vēstnesis 162, 3. 6. 1998) und das Investorenschutzgesetz (Latvijas Vēstnesis 170, 23. 11. 2001). Vorschriften über Kreditformen, Kreditsicherheiten und den Zahlungsverkehr enthalten das Zivilgesetzbuch (Zivilgesetzbuch der Republik Lettland 1937, mit Änderungen, Latvijas Vēstnesis 187, 20. 12. 2002, nachfolgend ZGB-LV), das Handelspfandgesetz (Latvijas Vēstnesis 337/ 338, 11. 11. 1998, nachfolgend LVHandelsPfG), das Scheckgesetz (Lik. un not. kr. 1938 10.07. Nr. 38), das Gesetz zur Vermeidung der Geldwäsche (Latvijas Vēstnesis 3, 6. 1. 1998, nachfolgend LVGeldwäscheG) sowie das Verbraucherschutzgesetz (Latvijas Vēstnesis 104/105, 1. 4. 1999, nachfolgend LVVerbrSchG). Das Recht des Kapital- und Wertpapiermarkts regelt das Gesetz über den Markt mit Finanzierungsinstrumenten (Latvijas Vēstnesis 175, 11. 12. 2003, nachfolgend LVFinanzInstrG) und das Gesetz über die Börse (Ziņotājs 8, 27. 2. 1992, nachfolgend LVBörsG), sowie das Gesetz über Investmentunternehmen (Latvijas Vēstnesis 342/346, 30. 12. 1997) und das Pensionsfondsgesetz (Latvijas Vēstnesis 150, 20. 6. 1997). Seit dem Beitritt Lettlands zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 wurden auch die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts im Bereich des Kapitalmarktrechts weitestgehend umgesetzt (Klauberg, S. 376 ff.). Die Regelungen über Finanzsicherheiten enthält das Finanzsicherheitengesetz (Latvijas Vēstnesis Nr. 74, 11.05.2005). Die Regelungen über Pflichten und Aufsicht über die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/611/ EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) legt das Gesetz über Anlageverwaltungsgesellschaften (Latvijas Vēstnesis 342/ 346 30.12.1997) fest.
3
Nichtamtliche Übersetzungen der wichtigsten Rechtsquellen veröffentlichen die Bank von Lettland (Rn. 1) die Finanz- und Kapitalmarktkommission (Rn. 2), die Börse von Riga (Rn. 14) sowie der staatliche Übersetzungsdienst (www.ttc.lv) in englischer Sprache. Eine deutsch-lettische Textausgabe des Zivilgesetzbuches auf dem Stand vom 1. 3. 2006 wird herausgegeben vom Verlag des Staatlichen Anzeigers Latvijas Vēstnesis.
B. Kredit und Kreditsicherheiten
4
I. Kreditformen. Ein Darlehensvertrag gilt als geschlossen, nachdem die Darlehenssumme bei gleichzeitig getroffener Rückzahlungsvereinbarung übergeben wurde (§ 1934 ZGB-LV), ein auf ein Darlehen gerichteter Vertrag bereits, wenn sich die Parteien über die Höhe der Darlehenssumme geeinigt haben (§ 1935 S. 1 ZGB-LV); aus letzterem ist der Darlehensgeber zur Hingabe der Darlehenssumme, der Darlehensnehmer zur Rückzahlung in gleiche Höhe verpflichtet (§§ 1935 S. 2, 1943 ZGB-LV). Für durch Kreditinstitute vergebene Darlehen (Bankkredite) gelten besondere Formvorschriften: Sie bedürfen eines schriftlichen Krediteröffnungsvertrages, der neben der Bezeichnung der Kreditvertragspartner und Kredithöhe auch Angaben über den Verwendungszweck, Auszahlungsund Rückzahlungsverfahren, Zinssatz und dessen Berechnungsmethode, Sicherheiten sowie alle weiteren Bedingungen enthält (§ 54 LVKredInstG). Zinssatz gem. Parteivereinbarung, mangels dieser Anspruch auf den gesetzlichen Zinssatz; der gesetzliche Zins-
Klauberg
2566
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
satz beträgt grundsätzlich 6 %, allerdings sind eine Reihe von Ausnahmen gesetzlich bestimmt: Im Fall von Warenkäufen sowie der Erbringung von Dienstleistungen beträgt er 7 % über dem Basiszinssatz, jedoch bei Verbrauchergeschäften (Rn. 5) nur 6 %. Der Basiszinssatz beträgt 4 %; dieser wird jährlich zum 1. Januar sowie zum 1. Juli von der Bank von Lettland in Höhe des Diskontierungssatzes angepasst und in dem Staatlichen Anzeiger Latvijas Vēstnesis bekanntgegeben (§ 1765 ZGB-LV i. V. m. § 69 LVKredInstG). Nach Ablauf eines Jahres ab Fälligkeit der Zinsen können auf ausstehende Zinsschulden Zinsen berechnet werden (§ 1765 Abs. 5 ZGB-LV). Sofern keine anders lautende vertragliche Regelung besteht, sind Zinsen jährlich zum 31. 12., bei Darlehen auf kürzere Frist als ein Jahr zusammen mit der Rückzahlung zu entrichten (§ 70 LVKredInstG, § 1946 ZGB-LV). Bei Fehlen einer vertraglichen Regelung über die Fälligkeit gilt eine gesetzliche Kündigungsfrist von sechs Monaten (§ 1945 ZGB-LV). 5
Bei Verbraucherkrediten, d. h. der gewerblichen Kreditgewährung an einen Verbraucher, die in der Form eines Zahlungsaufschubs, eines Barkredits oder einer sonstigen Finanzierungshilfe erfolgt (§ 8 I LVVerbrSchG), sind weitere Formvorschriften hinsichtlich der Dokumentationspflicht zu Angaben über Kreditkonditionen zu beachten (§§ 10 ff. Verordnung über Verbraucherkreditverträge, Latvijas Vēstnesis 231/232, 16. 7. 1999, nachfolgend LVVerbrKrVertrVO). Bei fehlerhaften Angaben hinsichtlich der Verzinsung und anderer Kosten ist nur der gesetzliche Zinssatz in Höhe von 6 % über dem Basiszinssatz (Rn. 4) zu zahlen (§ 20 LVVerbrKrVertrVO); bei Verstoß gegen Formvorschriften ist Rechtsfolge die Unwirksamkeit des Vertrags (§ 1475 Abs. 1 ZGB-LV). Verbraucher sind zur jederzeitigen Rückführung des Kredits sowie zum Widerruf im Wege des Einwendungsdurchgriffs bei verbundenen Geschäften berechtigt (§ 8 Abs. 3 i. V. m. § 31 LVVerbrSchG). Bei Widerruf Rückgewähr der Leistungen innerhalb von sieben Tagen, die Geltendmachung zusätzlicher Kosten ist ausgeschlossen (§ 31 I i. V. m. § 12 V LVVerbrSchG). Verbraucher im Sinne des Gesetzes sind nur natürliche Personen bei denen die Kreditaufnahme nicht deren gewerblicher Tätigkeit zugerechnet werden kann (§ 1 Nr. 3 LVVerbrSchG).
6
Finanzierungsleasing, mit i. d. R. während deren Laufzeit unkündbaren Verträgen, kann von Kreditinstituten und Leasinggesellschaften betrieben werden. Kreditinstitute sind beim Leasinggeschäft von der Umsatzsteuer befreit (§ 6 I Nr. 17 a i. V. m § 1 Nr. 22 Gesetz über die Umsatzsteuer, Latvijas Vēstnesis 49, 30. 3. 1995). Lettland ist Vertragsstaat der UNIDROIT-Leasingkonvention.
7
II. Kreditsicherheiten. Die Hypothek kommt durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch (s. dazu bei CLC/Baltmane & Bitans, S. 79 ff.) zustande (§§ 1367, 1368 ZGBLV). In der Praxis wird neben einer umfassenden Überprüfung des Hypothekenschuldners auch die die der betreffenden Immobilie sinnvoll sein, da sich als Folge der Sowjetzeit Fehler im Grundbuch aber auch häufig bestehende Steuerschulden ergeben können (Melnbārdis, 109). Sie ist akzessorisch (§§ 1379, 1309 ZGB- LV). Die Vereinbarung über die zu sichernde Forderung wird im Sicherungsvertrag mit Sicherungszweckerklärung getroffen, in der Praxis in schriftlicher Form. Jede Neuerung hinsichtlich einer in die Grundbücher eingetragenen Forderung muss auch in diese Bücher eingetragen werden, andernfalls ist sie nur für die Vertragschliessenden, nicht aber dritten Personen gegenüber verbindlich (§ 1374 ZGB-LV). Für die völlige Löschung der Hypothek genügt der Wegfall ihres Grundes allein noch nicht, da sie bezüglich Dritter nicht wirksam ist, solange die Löschung der Hypothek nicht in die Grundbücher eingetragen ist (§ 1379 S. 2 ZGB-LV). Die Rangfolge bestimmt sich nach der Eintragungsfolge (§ 1290 S. 2 ZGB- LV, § 628 Zivilprozessordnung von Lettland, Latvijas Vēstnesis 326/330, 3. 11. 1998). Bei RückKlauberg
§ 78 Länderteil – Lettland
2567
zahlung des Kredits entsteht ein Anspruch des Eigentümers auf Löschung der Hypothek. Die Verwertung der Hypothek erfolgt durch Veräußerung oder Zwangsversteigerung (§ 1321 ZGB-LV). Eine dem deutschen Recht vergleichbare Grundschuld ist unbekannt. Für die Bürgschaft (s. dazu bei CLC/Baltmane & Bitans, S. 159 ff.) ist Schriftform zwingend vorgeschrieben (§ 1695 ZGB-LV), daneben verlangen Kreditinstitute i. d. R. zusätzlich die notarielle Beglaubigung. Der Bürge kann die Einrede der Vorausklage erheben, sofern kein entsprechender Verzicht vereinbart wird (§ 1702 II 1 ZGB-LV), sowie in den § 773 I Nr. 2 u. 3 BGB ähnlichen Fällen (§ 1703 ZGB- LV). Die Bürgschaft ist akzessorisch (§ 1710 ZGB-LV) und bei Zahlung geht die Forderung auf den Bürgen über (§ 1704 ZGBLV). Bei Vereinbarung einer Zeitbürgschaft wird der Bürge frei, sofern er nicht innerhalb der bestimmten Frist in Anspruch genommen wird (§ 1715 ZGB-LV). In der Literatur und Rechtsprechung wird daneben auch der Begriff der „Garantie“ verwendet, den das ZGBLV jedoch nicht kennt; daher wird in der Praxis angenommen, dass die beiden Begriffe synonym sind (Rozenfelds, LU Zinātniskie raksti, S. 96).
Praktisch bedeutsamstes Mobiliarpfandrecht ist das Handelspfand (dazu näher Višņakova/Beļajevs), ein besitzloses Registerpfandrecht an beweglichen körperlichen Sachen oder Rechten (§ 3 LVHandelsPfG). Es wird begründet durch Eintragung in das öffentliche Handelspfandregister, auf mit notariell beglaubigten Unterschriften der Vertragsparteien versehenen Antrag, der den zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger geschlossenen Handelspfandvertrag und den die gesicherte Forderung begründenden Vertrag enthalten muss (§ 13 I LVHandelsPfG). Eine Belastung von Sachgesamtheiten ist möglich. Bei Eintragung eines Handelspfandrechtes an eintragungspflichtigen Sachen (u. a. Kraftfahrzeuge und Flugzeuge) muss ein Vermerk über die Verpfändung auch in das jeweilige Sachregister eingetragen werden (§ 18 LVHandelsPfG). Bei mehrfacher Verpfändung desselben Gegenstands richtet sich die Priorität nach der Reihenfolge der Eintragungen (§ 27 LVHandelsPfG). Unzulässig ist die Verpfändung von Sachen, die Gegenstand des Handelspfandrechts sein können, nach Bestimmungen über die Bestellung anderer Pfandrechte (§ 3 IV LVHandelsPfG), also denen im ZGB-LV geregelten Pfandrechten. Der Umfang des Schutzes des Pfandgläubigers vor vertragswidrigen Verfügungen der Schuldner ist jedoch fraglich, da die gesetzliche Regelung, nach der zwar der Inhalt des Handelspfandregisters gegenüber Dritten als verbindlich gilt (§ 33 II LVHandelsPfG), jedoch das Handelspfandrecht im Fall des gutgläubigen Erwerbs durch Dritte erlischt (§ 34 III LVKommG), diesen Schutz erheblich relativiert (Balodis, S. 192). In der Praxis wird sich jedoch ein Dritter, auch aufgrund der leichten Zugänglichkeit des Handelspfandregisters im Internet (www.ur.gov.lv) nur in Ausnahmefällen auf Gutgläubigkeit berufen können. Eine Veräußerung der verpfändeten Sachen durch den Verpfänder ist nur nach schriftlicher Erlaubnis durch den Pfandgläubiger gestattet (§ 34 LVHandelsPfG). Die Verwertung erfolgt im Wege der Versteigerung oder der Veräußerung, jedoch muss die Möglichkeit der Verwertung durch Verkauf im Handelspfandvertrag ausdrücklich vereinbart werden (§ 36 LVHandelsPfG). Daneben ist die Bedeutung des Faustpfandrechts gering, sowohl aufgrund praktischer Nachteile wegen der Erforderlichkeit der Übertragung des Besitzes auf den Pfandgläubiger (§ 1340 I ZGB-LV), als auch wegen ungeklärter rechtlicher Fragen hinsichtlich dessen Entstehung, insbesondere hinsichtlich der Begründung eines Pfandrechts durch Besitzkonstitut (Rozenfelds, Juridica International 2001, 112). Keine praktische Bedeutung hat das Nutzungspfandrecht (§ 1362 ZGB-LV), das neben beweglichen Sachen auch für Grundstücke vereinbart werden kann und das den Gläubiger berechtigt, aus dem Pfand Früchte zu ziehen. Neben dem Handelspfandrecht (Rn. 9) gibt es weitere Registerpfandrechte an beweglichem Vermögen, die in der Seerechtsverordnung (Latvijas Vēstnesis Klauberg
8
9
10
2568
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
106, 10. 9. 1994) geregelte Schiffshypothek und das Registerpfandrecht an den zum öffentlichen Umlauf zugelassenen Wertpapieren (§ 92 Abs. 2 Nr. 8 LVFinanzInstrG). 11
Die Zulässigkeit der Sicherungsübereignung wird bejaht (Balodis, S. 292), jedoch wird sie in der Praxis der Kreditinstitute kaum verwandt und ihre Funktion wird durch das Handelspfand (Rn. 9) übernommen. Der Umfang des Schutzes des Sicherungseigners und das Verhältnis des Sicherheitseigentums zum Handelspfand sind nicht vollständig geklärt. Gleiches gilt für die Sicherungsabtretung. Die Bestellung und Wirksamkeit von Finanzsicherheiten durch Finanzinstitute und öffentlich-rechtliche Körperschaften, also von Barsicherheiten mit Ausnahme von Bargeld sowie Finanzinstrumenten (Aktien, Wertpapiere, Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte und unverbriefte Schuldtitel) werden im LVFinanzSichG geregelt. Im Einklang mit Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (Plokšta, S. 13) bestimmt das Gesetz, dass zur Bestellung und Wirksamkeit sowie zur prozessualen Beweisführung keine zusätzlichen Formerfordernisse gelten; ferner, dass die Verwertung von Finanzinstrumenten durch Verkauf und Aneignung und anschliessende Verrechnung ihres Werts oder Verwendung an Zahlungs statt sowie Barsicherheiten durch Aufrechung genutzt werden können, § 7 LVFinSichG.
12
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. Bei Eröffnung eines Kontos sind die Pflichten zur Identifizierung des Kontoinhabers zu beachten (§ 6 LVGeldwäscheG). Durch die Kreditinstitute werden bei Abschluss des Bankvertrages AGB, die jedoch nicht vereinheitlicht wurden, verwendet. Die Einlage ist als Darlehen anzusehen (Oberster Gerichtshof, Latvijas Republikas augstākās tiesas senāta spriedumi un lēmumi 1996, 384 (386)). In der Praxis werden Sparkonten, Termingeldkonten, Giro- und Kreditkartenkonten sowie Treuhandkonten in beliebigen Währungen geführt. Die Kündigung von auf unbestimmte Zeit überlassenen Festgeldern ist erst nach Ablauf einer zehntägigen Frist möglich, sofern keine abweichende vertragliche Regelung getroffen wurde (§ 67 Abs. 2 LVKredInstG). Im Fall von verdächtigen Kontobewegungen muss eine Kontosperrung sowie eine Benachrichtigung des staatlichen Dienstes zur Vermeidung von Geldwäsche erfolgen (§§ 17, 22 LVGeldwäscheG).
13
II. Zahlungsverkehr. Die Informationspflichten der Kreditinstitute gegenüber Kunden bei Überweisungen sowie die Pflichten des Instituts des Auftraggebers und des Instituts des Begünstigten sind in der Überweisungsverordnung (Verordnung für Überweisungen, bestätigt durch den Bankrat der Bank von Lettland durch Beschluss Nr. 96/4 vom 11. 7. 2002) geregelt, die auf der EU-Überweisungsrichtlinie 97/5/EG v. 27. 1. 1997 basiert. Daneben sind die Mitteilungspflichten bei verdächtigen Transaktionen sowie bei Transaktionen von mehr als 15 000 Euro gem. § 7 LVGeldwäscheG zu beachten. In der Praxis sind neben Lastschriftverfahren und Zahlungen mit Kreditkarte auch Verfügungen über das Internet bedeutsam, dagegen spielt die Verfügung durch Scheck nur eine geringe Rolle. Den Abrechnungsverkehr für bargeldlose Transaktionen führt die Bank von Lettland gemäß der Abrechnungsverordnung (Verordnung über Interbankabrechnung durch die Bank von Lettland, bestätigt durch den Bankrat der Bank von Lettland durch Beschluss Nr. 453/3 vom 27. 7. 2000) durch, die zwei Systeme zur Interbank-Abrechnung verwendet: Das electronic clearing system, das als automated clearing house nur elektronische Dokumente verarbeitet, dient der Abrechnung des Retailgeschäfts, während das real time gross settlement system für umfangreiche Interbank-Transaktionen, die Offenmarkt- und die weiteren durch die Bank von Lettland durchzuführenden Transaktionen eingerichtet ist. Mindestvoraussetzungen für Transaktionen mittels elektronischer Zahlungssysteme bestimmen die gleichnamigen Empfehlungen der Bank von Lettland (Empfehlungen der
Klauberg
§ 78 Länderteil – Lettland
2569
Bank von Lettland für Transaktionen mittels elektronischer Zahlungssysteme, bestätigt durch den Bankrat der Bank von Lettland durch Beschluss Nr. 89/9 vom 13. 9. 2001), die zurückgehen auf die Empfehlung der Kommission 97/489/EG vom 30. 7. 1997.
D. Kapitalmarktrecht
14
Börsenrecht. Wertpapierrecht. Die Börse und den Börsenverkehr regelt das LVBörsG. Die Zentralbörse von Riga (www.rfb.lv) ist Teil des OMX Verbundes der baltischen und skandinavischen Wertpapiermärkte. Bestimmungen über die Emission, die Registrierung und den Handel mit Wertpapieren enthält das LVFinanzInstrG, das auch die Pflichten der Beteiligten festlegt, daneben die Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zum öffentlichen Handel (Latvijas Vēstnesis 57, 16. 4. 2002) und die Börsenordnung (Regelwerk der Rigaer Börse, bestätigt durch Beschluss des Aufsichtsrats der Rigaer Börse am 30. 8. 1996). Das LVFinanzInstrG setzt die geltenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in den Bereichen des Kapital- und Wertpapierrechts um und bestimmt die Regelungen über die Geschäftsabwicklung am Kapitalmarkt sowie die Aufsicht über die Marktteilnehmer und die getätigten Geschäfte, Wohlverhaltenspflichten und Anlegerschutz. Mit der damit verwirklichten Einführung des Single-Passport-Prinzips im Zulassungsverfahren für Anlagegesellschaften sind Inhaber einer Erlaubnis eines Mitgliedstaats zur Erbringung von Anlagedienstleistungen in Lettland berechtigt. Die Geschäftsabwicklung, die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren erfolgen durch das Wertpapierzentraldepot (§§ 94 ff. FinanzInstrG) oder die Bank von Lettland (Rn. 1). Die Aufsicht über die Börse und den Wertpapierhandel übt die Finanz- und Kapitalmarktkommission (Rn. 2) aus. Aufgrund der Umsetzung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. 5. 1993 über Wertpapierdienstleistungen dürfen Wertpapiermakler ihre Tätigkeit erst nach Erwerb einer Erlaubnis aufnehmen.
Klauberg
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2571
15. Liechtenstein
§ 78 Länderteil Schrifttum – LiechtenBreuer, Die EG-Geldwäscherichtlinie und deren Umsetzung im Fürstentum Liechtenstein, Schriftenreihe des Liechtensteinischen Bankenverbandes 4; Eidgenössische Bankenkommission, Bulletin, 2002, 42, stein 124; Gasser, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Vorgesetzten für Geldwäscherei ihrer Mitarbeiter, LJZ 2002, 9; Hammermann, Die Auswirkungen des EWR-Acquis auf das liechtensteinische Personenund Gesellschaftsrecht, 1998; Kuster, Wie kann Geldwäscherei frühzeitig erkannt werden? Der Schweizer Treuhänder 2002, 337; Liechtensteiner Bankenverband, Von der Bankenaufsicht zur Finanzmarktaufsicht, 2; Müller/Gstöhl, Das neue Sorgfaltspflichtgesetz, Der Schweizer Treuhänder, 1997, 6-7, 529; Schweitzer/ Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Ressort Finanzen, Vernehmlassungsbericht der Regierung betreffend die Totalrevision des Sorgfaltspflichtsgesetzes (SPG), Vaduz, 2004, 23.3. (zit.: Vernehmlassung SPG-Revision), Stabsstelle für Sorgfaltspflichten, Newsletter, 2001, Februar, Dezember; Newsletter, 2002, September; Strub, Der Geheimnisschutz im liechtensteinischen Treuhandwesen, 1987; Wagner, Bankplatz Liechtenstein, 2000; Zobl/Reto, Banken und Finanzgesellschaften in Liechtenstein, Schweizer Schriften zum Bankrecht, Band 40, S. 39.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . 1 2. Private Banking . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3. Sitz- und Holdinggesellschaften . . . . . 3 4. Banken und Finanzgesellschaften . . . . 4 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Aufsicht über Banken und Finanzgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Prüfung von Zweigstellen von Banken, Finanzgesellschaften oder Wertpapierfirmen aus anderen EWR-Mitgliedsländern . . . . . . . . . . . 10 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 11 C. Liechtenstein im Europäischen Wirtschaftsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 D. Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I. Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Durchbrechung des Bankgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 E. Sorgfaltspflichtbestimmungen . . . . . . . . . . . . . 28 I. Überblick über die in Liechtenstein geltenden Sorgfaltspflichtbestimmungen . . 28 II. Sorgfaltspflicht-Gesetzgebung in Liechtenstein: Eine lange Tradition . . . 29 III. Entwicklung der internationalen Sorgfaltspflicht-Standards . . . . . . . . . . . 30 IV. Know your customer . . . . . . . . . . . . . . . 31 V. Erhöhte Sorgfaltspflicht: Eine Folge der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 VI. Umfassende Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . 34 VII. Identifizierung des Vertragspartners . . . 35
VIII. Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Delegation der Sorgfaltspflichten an einen beauftragten Dritten . . . . . . . . X. Wiederholung der Identifikation . . . . . . XI. Abwehr der Geldwäsche . . . . . . . . . . . . XII. Kundenprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Interne Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Interne Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . XV. Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen . . . . . . . . . XVI. Weiterbildung gesetzlich verankert . . . . XVII. Hohe Strafen bei SPG-Verstößen . . . . . G. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neuordnung des Kapitalmarktrechts . . . II. Vermögensverwaltungsgesetz . . . . . . . . 1. Gegenstand und Zweck . . . . . . . . . . 2. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfasste Dienstleistungen, Zulassung als Vermögensverwalter und Begriffsbestimmungen . . . . . . . 4. Bewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufsicht durch die Finanzmarktbehörde (FMA) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Strafbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . III. Investmentunternehmensgesetz (IUG) . 1. Gegenstand und Zweck . . . . . . . . . . 2. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . 4. Typen von Investmentunternehmen . 5. Bewilligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verhältnis zum EWR . . . . . . . . . . . . 7. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 46 47 47 48
49 50 51 53 57 58 58 59 60 61 62 63 64
Stichwortverzeichnis Acquis communautaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Amtsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Ansprechperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Bewilligung (Regierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Herkunftsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Holdingprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Homogener Wirtschaftsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Identifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Integrale Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Objektive Schutzwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Rechtshilfe in Fiskalsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Sitzprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Sorgfaltspflichtbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Steuerbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Seeger/Heidbrink
2572
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Strafbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Untersuchungsbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Währungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Zollanschlussvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Zollunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Abkürzungsverzeichnis ABGB BankG EFTA EWR EWRA FATF FIU LES
1
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Bankengesetz European Free Trade Association Europäischer Wirtschaftsraum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Financial Action Task Force on Money Laundering Financial Intelligence Unit Liechtensteinische Entscheidungssammlung
LGBl. LJZ MWSTG OGH PGR RHG SPG SPV SSP SteG StPO
Landesgesetzblatt Liechtensteinische Juristen-Zeitung Mehrwertsteuergesetz Oberster Gerichtshof Personen- und Gesellschaftsrecht Rechtshilfegesetz Sorgfaltspflichtgesetz Sorgfaltspflichtverordnung Stabsstelle für Sorgfaltspflichten Steuergesetz Strafprozessordnung
A. Rahmenbedingungen – I. Bankensystem. 1. Bedeutende Rechtsquellen. Gesetz vom 21. Oktober 1992 über die Banken und Finanzgesellschaften (Bankengesetz), LGBl. 1992, 108 i. d. F. LGBl. 2000, 214 – Verordnung vom 22. Februar 1994 zum Gesetz über die Banken und Finanzgesellschaften (Bankenverordnung), LGBl. 1994, 22 i. d. F. LGBl. 2001/189 – Verordnung vom 5. Dezember 2000 über die Einhebung von Gebühren nach dem Bankengesetz und dem Gesetz über Investmentunternehmen, LGBl. 2000, 237 – Gesetz vom 16. Dezember 1999 über die Ausführung von Überweisungen, LGBl. 2000, 51 – Gesetz vom 21. Oktober 1992 über die Liechtensteinische Landesbank, LGBl. 1992, 109 i. d. F. LGBl. 2000, 279 – Gesetz vom 23. Oktober 1997 über die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren zu veröffentlichenden Prospekts (Prospektgesetz), LGBl. 1997, 210 i. d. F. LGBl. 1999, 87 – Gesetz vom 18. Juni 2004 über die Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FMAG), LGBl. 2004/175 – Gesetz vom 25. November 2005 über die Vermögensverwaltung (Vermögensverwaltungsgesetz, VVG) LGBl. 2005/278 – Gesetz vom 19. Mai 2005 über das Investmentunternehmen (Investmentunternehmensgesetz, IUG) LGBl. 2005/156
2
2. Private Banking. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liechtensteinischer Banken liegt seit jeher im „Private Banking“, in der Betreuung vermögender Kundschaft. Ein Großteil der Vermögenswerte wird von Sitz- und Holdinggesellschaften verwaltet. Die größeren liechtensteinischen Banken sind auch im regionalen Firmenkunden- und Retailgeschäft engagiert.
3
3. Sitz- und Holdinggesellschaften. Unter das Holdingprivileg fallen jene im Öffentlichkeitsregister eingetragenen juristischen Personen sowie die nicht eingetragenen Stiftungen, deren Zweck ausschliesslich oder vorwiegend in der Vermögensverwaltung, in der Beteiligung oder dauernden Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmungen besteht (Art. 83 I SteG). Hinter dem Holdingprivileg steht die Auffassung des Gesetzgebers, dass eine Mehrfachbesteuerung desselben Steuerobjektes zu vermeiden ist, zumal Beteiligungsgesellschaften in Liechtenstein keine Handels- und Produktionstätigkeit aus-
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2573
üben. Unter das Sitzprivileg fallen jene im Öffentlichkeitsregister eingetragenen juristischen Personen, die in Liechtenstein ihren Sitz haben, im übrigen aber am inländischen Wirtschaftsleben nicht aktiv teilnehmen (Art. 84 I SteG). Davon unberührt hat jede Sitzgesellschaft das Recht, für die Verwaltung der Gesellschaft in Liechtenstein einen eigenen Geschäftssitz mit Personal einzurichten (Art. 84 I SteG). 4. Banken und Finanzgesellschaften. Unter das Bankengesetz fallen Banken und Finanzgesellschaften (Art. 2 I BankG). Banken sind Unternehmen, die gewerbsmässig folgende Geschäfte betreiben (Art. 3 I u. III BankG): – die Annahme von Einlagen und anderen rückzahlbaren Geldern; – die Ausleihung von fremden Geldern an einen unbestimmten Kreis von Kreditnehmern; – das Depotgeschäft; – alle weiteren bankmässigen Außerbilanzgeschäfte; – die Teilnahme an Wertpapieremissionen und die damit verbundenen Dienstleistungen; – die Ausgabe von elektronischem Geld (E-Geldgeschäft, Art. 3 Bst. a E-Geldgesetz).
4
Finanzgesellschaften sind Unternehmen, die gewerbsmässig folgende Geschäfte betreiben (Art. 3 II u. III Bst. b, d u. f. BankG):
5
– die Ausleihung von fremden Geldern an einen unbestimmten Kreis von Kreditnehmern – alle weiteren bankmässigen Außerbilanzgeschäfte; – die Teilnahme an Wertpapieremissionen und die damit verbundenen Dienstleistungen. II. Bankenaufsicht. 1. Aufsicht über Banken und Finanzgesellschaften. Den globalen und europäischen Bestrebungen folgend, alle Teilnehmer am Finanzmarkt sowie den Finanzmarkt selbst von einer Regulierungsbehörde beaufsichtigen zu lassen, wurde in Liechtenstein mit dem Erlass des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (FMAG, in Kraft seit dem 1.1.2005) die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) geschaffen. In der FMA wurden alle bisherigen Aufsichtsbehörden (Bankenkommission, Amt für Finanzdienstleistungen, Versicherungsaufsicht, Stabstelle für Sorgfaltspflichten u.a.) zusammengefasst. Unter der einheitlichen Aufsicht der FMA wird der Finanzmarkt und alle Marktteilnehmer (u.a. Banken, Versicherungen, Treuhänder, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer sowie Revisionsgesellschaften, Art. 5 FMAG) integral beaufsichtigt. Ziele der FMA sind (Art. 4 FMAG): – – – –
6
die Stabilität des Finanzmarktes Liechtenstein; der Schutz der Kunden; die Vermeidung von Missbräuchen; sowie die Umsetzung und die Einhaltung anerkannter internationaler Standards.
Mit der Aufsicht über Banken und Finanzgesellschaften sind neben der Finanzmarktaufsicht (FMA) die dazu zugelassenen Revisionsstellen und das Landgericht betraut (Art. 31 BankG, Art. 5 I Bst. a FMAG). Banken und Finanzgesellschaften benötigen zur Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit eine Bewilligung der Regierung (Art. 15 I BankG). Die erforderliche Bewilligung wird von der FMA erteilt (Art. 35 III Bst. a BankG). Die FMA überwacht den Vollzug des Bankengesetzes sowie der dazugehörigen Verordnungen und trifft die notwendigen Massnahmen (Art. 35 I BankG). Die Aufgaben der FMA umfassen dabei insbesondere (Art. 35 III BankG): – Die Erteilung, den Entzug sowie den Widerruf von Bewilligungen; – die Genehmigung der Statuten und Reglemente der Banken und Finanzgesellschaften und ihrer Änderungen; – die Überprüfung der Revisionsberichte; – die Erteilung von Bewilligungen an Repräsentanzen;
Seeger/Heidbrink
7
2574
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
– die Ahndung von einfachen Verstössen gegen die Strafbestimmungen des BankG (Übertretungen, Art. 63 III BankG). Die FMA ist für die Umsetzung des Vollzugs des BankG insbesondere befugt (Art. 35 II BankG) – von den Banken und Finanzgesellschaften und ihren Revisionsstellen alle für den Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen Auskünfte und Abklärungen zu verlangen; – ausserordentliche Revisionen anzuordnen oder selber Revisionen über bestimmte Tatbestände durchzuführen; – rechtskräftige Entscheidungen und Verfügungen zu erlassen und nach vorheriger Androhung zu veröffentlichen, wenn sich die Bank oder die Finanzgesellschaft diesen widersetzt. 8
Revisionsstellen, die Banken und Finanzgesellschaften prüfen, bedürfen dafür eine Bewilligung der FMA (Art. 37 I BankG). Die zur bankenrechtlichen Revision zugelassenen Revisionsstellen prüfen im Rahmen ihrer Tätigkeit (Art. 38 I BankG), ob – die Geschäftstätigkeit der Bank oder Finanzgesellschaft dem Gesetz, den Statuten und den sonstigen Regeln entspricht; – die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung dauernd erfüllt sind; und ob – der Geschäftsbericht und der konsolidierte Geschäftsbericht nach Form und Inhalt den gesetzlichen, statutarischen und reglementarischen Erfordernissen entsprechen. Die Ergebnisse der Prüfung werden in einem schriftlichen Revisionsbericht festgehalten, (Art. 38 II BankG). Der Revisionsbericht wird gleichzeitig dem Verwaltungsrat der Bank oder Finanzgesellschaft, der nach dem Personen- und Gesellschaftsrecht des Fürstentums Liechtenstein (PGR) für die gesellschaftsrechtliche Revision benannten Revisionsstelle der Bank oder Finanzgesellschaft und der FMA übermittelt (Art. 38 III BankG). Stellt die bankenrechtliche Revisionsstelle Verletzungen von gesetzlichen Vorschriften oder andere Missstände fest, setzt sie der betroffenen Bank oder Finanzgesellschaft eine angemessene Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen oder ordentlichen Zustandes. Wird die Frist nicht eingehalten, berichtet die bankenrechtliche Revisionsstelle der FMA (Art. 39 I BankG).
9
Das Landgericht ist die Strafbehörde gemäss BankG und beurteilt schwerwiegende Verstösse gegen das BankG. (Art. 41 BankG). Schwere Verstösse gegen das BankG stellen bspw. die Verletzung des Bankgeheimnisses oder die Ausübung einer Tätigkeit als Bank oder Finanzgesellschaft ohne Bewilligung der FMA dar (Art. 63 I Bst. a u. b BankG). Zuständige Behörden für die Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten bei Finanzgeschäften sind die FMA und die Financial Intelligence Unit (Rn. 28, 39, 43).
10
2. Prüfung von Zweigstellen von Banken, Finanzgesellschaften oder Wertpapierfirmen aus anderen EWR-Mitgliedsländern. Nach vorheriger Unterrichtung der FMA können ausländische Behörden des Herkunftsmitgliedstaates die für die Aufsicht erforderlichen Informationen bei Zweigstellen von Banken, Finanzgesellschaften oder Wertpapierfirmen in Liechtenstein vor Ort überprüfen (Art. 30d I, Art. 36a I BankG). Herkunftsmitgliedstaat ist der Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes, in dem die Bank, Finanzgesellschaft oder Wertpapierfirma zugelassen ist (Art. 3a Bst. f BankG).
11
B. Kredit und Kreditsicherheiten Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch regelt das Darlehen und den Kauf auf Kredit (§§ 983 ff. und § 1063 ABGB). Der Verbraucherkredit ist im Gesetz vom 22. Oktober 1992 über den Konsumkredit (LGBl. 1993, 50 i. d. F. LGBl. 2000, 18) und in der Verordnung
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2575
vom 15. Februar 2000 zum Gesetz über den Konsumkredit (LGBl. 2000, 67) festgeschrieben. Die Verordnung wurde zur Durchführung der Richtlinie 98/7/EG des Rates vom 16. Februar 1998 zur Änderung der Richtlinie 87/102/EWG zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit in Kraft gesetzt. Als Kreditsicherheiten dienen u. a. Grundpfandverschreibungen (Art. 265 ff. SR), Schuldbriefe (Art. 319 ff. SR), Faustpfandverschreibungen (Art. 365 ff. und Art. 384 ff. SR) und Bürgschaften (§ 1346 ff. ABGB).
C. Liechtenstein im Europäischen Wirtschaftsraum
12
Seit dem 1. Mai 1995 gehört das Fürstentum Liechtenstein zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Als letztes der 18 EWR-Länder ist Liechtenstein damit jenem Wirtschaftsabkommen beigetreten, das die EFTA-Staaten in den Binnenmarkt der Europäischen Union einbindet. Gleichzeitig behält Liechtenstein aber auch seine engen Beziehungen zum Nicht-EWR-Land Schweiz bei, die durch den Zollvertrag (LGBl. 1923 23) und den Währungsvertrag (LGBl. 1981 52) begründet wurden. Diese Neuorientierung der liechtensteinischen Aussenpolitik hat keine Auswirkungen auf den Finanzdienstleistungssektor, weil die wesentlichen Rahmenbedingungen erhalten bleiben. Liechtenstein bietet also auch nach dem EWR-Beitritt interessante Anlagemöglichkeiten für Investoren. Die Zugehörigkeit Liechtensteins zu zwei Wirtschaftsräumen war notwendig geworden, nachdem die Schweizer Stimmbürger im Dezember 1992 einen EWR-Beitritt abgelehnt hatten, die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner aber eine Woche später dem EWR-Abkommen zustimmten. So mussten in langwierigen Verhandlungen mit der Schweiz und den EWR-Partnern Regelungen gefunden werden, die es Liechtenstein erlauben, die bestehende enge Partnerschaft mit der Schweiz weiterzuführen und gleichzeitig von den Vorteilen des Europäischen Binnenmarktes zu profitieren (Art. 121b EWRA). Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum ist am 1. Januar 1994 mit einem Jahr Verspätung in Kraft getreten, nachdem das schweizerische EWR-Nein vom 6. Dezember 1992 Nachverhandlungen und Anpassungen des Vertragswerkes notwendig gemacht hatte. Der EWR ist im Unterschied zur EU keine Zollunion. Die Mitgliedstaaten behalten ihre Autonomie hinsichtlich Aussenzoll, Handelspolitik, Agrarpolitik und den direkten Steuern (Hammermann, S. 54). Vom EWR umfasst sind die vier Grundfreiheiten, die Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit sowie das Wettbewerbsrecht und die flankierenden Politiken (Art. 1 II EWRA; Schweitzer/Hummer, S. 220). Aufgrund seiner Mitgliedschaft im EWR übernimmt Liechtenstein einen großen Teil des im „Acquis communautaire“ verankerten europäischen Rechts (Art. 7 EWRA). Allerdings muss sogleich einschränkend hinzugefügt werden, dass die für den Investor ausschlaggebenden Standortvorteile des Finanzdienstleistungsplatzes Liechtenstein nicht Teil des „Acquis“ bilden und somit ungeschmälert erhalten bleiben. Insbesondere gibt es im EWR
13
– keine internationale Amtshilfe in Steuersachen, – keine Harmonisierung der Steuersysteme und Steuersätze mit den übrigen Ländern des EWR, – ein nach wie vor uneingeschränktes Holding- und Sitzprivileg, – ein unverändert starkes und gesetzlich geschütztes Bankgeheimnis. Ziel des EWR ist die Schaffung eines homogenen Europäischen Wirtschaftsraumes (Art. 1 I EWRA). Darunter wird eine möglichst einheitliche Auslegung des EWR-Abkommens und der gemeinschaftlichen Bestimmungen verstanden (Art. 6 EWRA, Art. 105 I EWRA). Zudem ist vertraglich die Anpassung des EWR – Rechts an das Gemeinschaftsrecht sichergestellt (Art. 7 EWRA, Art. 102 EWRA). Wichtig ist auch der Hinweis, dass
Seeger/Heidbrink
14
2576
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
15
Änderungen im EWR-Abkommen nur mit Zustimmung aller Vertragsparteien vorgenommen werden können (Art. 118 EWRA). Eine künftige Ausweitung des Abkommens auf Steuerprivilegien würde also beispielsweise auch die Zustimmung des Finanzplatzes und EG-Gründungsmitgliedes Luxemburg erfordern, dessen Volkswirtschaft in noch viel stärkerem Maße vom Finanzdienstleistungssektor abhängig ist, als dies in Liechtenstein der Fall ist. Das EWR-Abkommen verpflichtet seine Mitgliedstaaten zu einer Harmonisierung in Teilbereichen des Gesellschaftsrechts. Betroffen sind allerdings nur die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung sowie die Kommanditaktiengesellschaft. Die zu übernehmenden Vorschriften betreffen beispielsweise die Rechnungslegung einer Gesellschaft. Die zu übernehmenden Richtlinien dienen vornehmlich dem Gläubiger- und Gesellschafterschutz. Ausserdem sind die für den ausländischen Anleger besonders wichtigen liechtensteinischen Gesellschaftsformen Anstalt, Stiftung und Treuunternehmen (Trust) von dieser Harmonisierung nicht betroffen (Hammermann, S. 227).
16
D. Geheimnisschutz
17
18
Unter dem Begriff Geheimnis werden bestimmten Personen bekannte, anderen Personen aber unbekannte Tatsachen verstanden (OGH LES 1993, 116; Strub, S. 37 ff.). Der liechtensteinische Geheimnisschutz bezweckt den Schutz des Vertrauens in die in Betracht kommende Person. Der Geheimnisschutz wird aber dann nicht gewährt, wenn die objektive Schutzwürdigkeit fehlt, wie z. B. bei kriminellen Sachverhalten (OGH LES 1993, 116). An dieser Einschränkung des Geheimnisschutzes ändert sich auch durch jene Ausnahmebestimmungen nichts, nach denen bestimmten berufsmässigen Vertrauenspersonen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (OGH LES 1993, 116). I. Persönlichkeitsschutz. Der allgemeine Schutz der Privatsphäre natürlicher und juristischer Personen bildet die eigentliche Basis des spezialgesetzlich normierten Bankgeheimnisses. Die gesetzliche Bestimmung für den allgemeinen Schutz der Privatsphäre findet sich wie folgt in Art. 39 I PGR Wer in seinen persönlichen Verhältnissen (Persönlichkeitsgütern) unbefugterweise verletzt oder bedroht wird, wie beispielsweise in der körperlichen und geistigen Unversehrtheit, der Ehre, im Kredit, im Hausfrieden, in der Freiheit, im Namen, Wappen, Hauszeichen und ähnlichen Verhältnissen und überhaupt im Recht auf Achtung und Geltung der Persönlichkeit, soweit nicht Persönlichkeitsgüter, wie das Urheber-, Erfinderrecht und dergleichen, durch besondere Gesetze geregelt sind, und soweit ihr Schutz mit den Interessen der Mitmenschen verträglich ist, kann Feststellung der Verhältnisse, Beseitigung (Ablassung) der Störung, Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Widerruf und dergleichen und Unterlassung fernerer Störung verlangen, ohne dass er ein Verschulden des anderen zu beweisen hat. Wer in seinen persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt wird, hat bei Verschulden außerdem noch Anspruch auf Ersatz des Schadens und eventuell auf Genugtuung (Art. 40 PGR). In allen Fällen können im Vorfeld eines Rechtsstreits die nötigen sichernden Massnahmen getroffen werden (Art. 39 IV PGR). Zur Verhinderung zukünftiger Störungen kann, wenn ein Schaden entstanden ist, eine angemessene Sicherheitsleistung auferlegt werden (Art. 39 II PGR). Unabhängig vom Vorhandensein eines Vertrages und von anderen gesetzlichen Bestimmungen bieten die Vorschriften über den Schutz der Persönlichkeit einen allgemeinen, sehr weitreichenden Schutz. Darüber hinaus kann sich der Geheimnisschutz aus vorvertraglichen und vertraglichen Verpflichtungen ergeben (Wagner, S. 34).
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2577
II. Bankgeheimnis. Die Bestimmungen über Banken und Finanzgesellschaften und insbesondere die Bestimmungen über das Bankgeheimnis sind im Gesetz vom 21. Oktober 1992 über die Banken und Finanzgesellschaften enthalten (BankG).
19
Aus dem Bankengesetz
20
Art. 14 BankG: 1) Die Mitglieder der Organe von Banken und Finanzgesellschaften und ihre Mitarbeiter sowie sonst für solche Gesellschaften tätige Personen sind zur Geheimhaltung von Tatsachen verpflichtet, die ihnen auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind. Die Geheimhaltungspflicht gilt zeitlich unbegrenzt. 2) Werden Behördenvertretern bei ihrer dienstlichen Tätigkeit Tatsachen bekannt, die dem Bankgeheimnis unterliegen, so haben sie das Bankgeheimnis als Amtsgeheimnis zu wahren. 3) Widerhandlungen werden gem. Art. 63 I geahndet. 4) Vorbehalten bleiben die gesetzlichen Vorschriften über die Zeugnis- oder Auskunftspflichten gegenüber den Strafgerichten. 1. Persönlicher und sachlicher Geltungsbereich. Das Bankengesetz unterstellt alle Personen, die für eine Bank oder eine Finanzgesellschaft tätig sind, dem Bankgeheimnis (Art. 14 I BankG). Auch Behörden, die bei ihrer dienstlichen Tätigkeit auf Tatsachen stossen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, haben darüber Stillschweigen zu bewahren. Sie haben das Bankgeheimnis als Amtsgeheimnis zu wahren (Art. 14 II BankG). In die Geheimnispflicht miteinbezogen werden auch Dritte, die im Auftrag der Bank tätig sind und dabei möglicherweise Informationen erhalten, die dem Bankgeheimnis unterliegen (Art. 14 I BankG). Umfang und Art der geschützten Informationen sind ebenfalls sehr umfassend definiert; jegliche Information, die der Bank beim geschäftlichen Kontakt mitgeteilt wird, ist geschützt. Die Geheimhaltungspflicht gilt zeitlich unbeschränkt (Art. 14 I BankG). Zu den geschützten Informationen gehören sowohl Kenntnisse, welche die Bank aus Nachforschungen über den Kunden erlangt hat, als auch Schlussfolgerungen, die sie aus seinen Auskünften oder aus ihrer Tätigkeit für den Kunden gezogen hat. Geschützt sind darüber hinaus auch Informationen über private und persönliche Dinge. Ziel der gesetzlichen Vorschriften ist es, die Privat- und Geheimsphäre der Bankkunden umfassend und zeitlich unbegrenzt zu gewährleisten. Die Schweigepflicht reicht sogar so weit, dass auch Dritte von ihr profitieren: Einzelheiten über Geschäftspartner, Verwandte oder Bekannte des Bankkunden, die der Bank zugänglich gemacht worden sind, unterliegen ebenfalls dem Bankgeheimnis.
21
2. Durchbrechung des Bankgeheimnisses. Obwohl das Bankgeheimnis durch die liechtensteinische Gesetzgebung sehr umfassend geschützt ist, gibt es in der Rechtspflege Fälle, in denen es aufgehoben werden kann. Diese Fälle sind genau umschrieben:
22
Gegenüber Privatpersonen darf die Schweigepflicht nur durchbrochen werden, wenn der Kunde sein Einverständnis dazu gibt.
23
Gegenüber Behörden darf eine Bank grundsätzlich keine Informationen weitergeben, es sei denn, sie wird vom Kunden ausdrücklich dazu ermächtigt. Ausnahmen bestehen nach den gesetzlichen Sorgfaltspflichtbestimmungen (Rn. 28 ff.).
24
Behörden, die bei ihrer dienstlichen Tätigkeit auf Tatsachen stossen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, haben darüber in einem Zivilverfahren Stillschweigen zu bewahren (Art. 14 II BankG). Beamte dürfen, wenn sie durch ihre Aussage das ihnen obliegende
25
Seeger/Heidbrink
2578
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Amtsgeheimnis verletzen würden, insofern sie von der Pflicht zur Geheimhaltung nicht durch ihre Vorgesetzten befreit sind, nicht vernommen werden (§ 320 Z. 3 ZPO). Das Gericht darf einen Beamten auch nicht vernehmen, wenn dieser in Kenntnis des Unzulässigkeitsgrundes aussagen möchte (§ 320 ZPO). Beim Zeugnisverweigerungsrecht des Bankiers obliegt es einzig dem Bankier darüber zu entscheiden, ob er vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte (§ 321 I ZPO). Das Gericht kann keinen Einfluss auf seine Entscheidung nehmen. Dem Bankier steht das Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf Tatsachen zu, die durch das Bankgeheimnis geschützt sind bzw. deren Bekanntgabe ein Kunst- oder Geschäftsgeheimnis offenbaren würde (§ 321 I Z. 3 u. Z. 5 ZPO). 26
Im Strafprozess ist die Bank zur Aufhebung des Bankgeheimnisses verpflichtet. Das Gericht kann sowohl Auskünfte über die Tatsachen und die Hintergründe des geschäftlichen Kontakts und die Art der getätigten Geschäfte als auch über alle privaten Informationen über den Kunden verlangen (§ 105 StPO).
27
In Fiskalsachen darf das Bankgeheimnis grundsätzlich nicht durchbrochen werden (Art. 9 III SteG). Bei Steuerbetrug gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Das Bankgeheimnis kann bei Steuerbetrug aufgehoben werden. Steuerbetrug ist gegeben, wenn jemand eine Steuerhinterziehung durch vorsätzlichen Gebrauch falscher, verfälschter, inhaltlich unwahrer Geschäftsbücher oder anderer Urkunden begeht (Art. 146 SteG, Art. 76 I MWSTG; OGH LES 1982, 189). Für die Verfolgung des Steuerbetruges ist im Gegensatz zur Steuerhinterziehung nicht eine Verwaltungsbehörde, sondern das Strafgericht zuständig (Art. 146 SteG). Folglich gelten für das fiskale Strafverfahren die Bestimmungen der Strafprozessordnung, die eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses erlauben (Rn. 26). Ungeachtet der gerichtlichen Strafbarkeit des Steuerbetruges leistete Liechtenstein bisher in Fiskalsachen keine Rechtshilfe (Art. 15 Z. 2 und Art. 51 I Z. 1 RHG, Art. 2 Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen). Im Vertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Juli 2002 betreffend die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen wird nun auch in Fällen des Steuerbetruges Rechtshilfe gewährt (Art. 1 Z. 4).
28
E. Sorgfaltspflichtbestimmungen I. Überblick über die in Liechtenstein geltenden Sorgfaltspflichtbestimmungen. – Gesetz vom 26. November 2004 über die beruflichen Sorgfaltspflichten bei Finanzgeschäften (Sorgfaltspflichtsgesetz, SPG), LGBl. 2005/5 – Verordnung vom 11. Januar 2005 zum Sorgfaltspflichtsgesetz (Sorgfaltspflichtsverordnung, SPV), LGBl. 2005/6 i.d.F. LGBl. 2005/47. – Gesetz vom 18. Juni 2004 über die Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FMAG), LGBl. 2004/175 – FMA-Richtlinie 2005/1 vom 14. Januar 2005, Überwachung der Geschäftsbeziehungen, – FMA-Richtlinie 2006/2 vom 15. Dezember 2006, Sorgfaltspflichtkontrollen durch beauftragte Sorgfaltspflichtsprüfer – Verordnung vom 22. Februar 2001 über die Financial Intelligence Unit (FIU-Verordnung) LGBl. 2001, 43 – Richtlinie des Liechtensteinischen Bankenverbandes vom 1. Oktober 2000 über die Erweiterung der Sorgfaltspflichten bei Finanzgeschäften – Strafgesetzbuch (StGB) vom 24. Juni 1987, LGBl. 1988, 37 i. d. F. LGBl. 2001, 31
29
II. Sorgfaltspflicht-Gesetzgebung in Liechtenstein: Eine lange Tradition. In Liechtenstein war die Sorgfaltspflicht schon lange vor dem Inkrafttreten des heute gültigen
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2579
Sorgfaltspflichtsgesetzes geregelt. Bereits 1977 schloss die Regierung mit den damals drei in Liechtenstein tätigen Banken eine Vereinbarung ab, in der sich die Banken verpflichteten, die Identität ihrer Kunden zu überprüfen. 1989 wurde diese Vereinbarung erweitert. Neben dem Kunden musste nun auch der wirtschaftlich Berechtigte festgestellt werden. Falls diese Identifikation durch einen Berufsgeheimnisträger, also beispielsweise einen Rechtsanwalt oder einen Treuhänder erfolgte, war dieser nicht verpflichtet, diese Information an die Bank weiterzugeben. Das auf der EG- Richtlinie 91/308/EWG basierende Gesetz über die beruflichen Sorgfaltspflichten bei Finanzgeschäften (Sorgfaltspflichtgesetz, SPG) trat am 1. Januar 1997 in Kraft. Eine umfassende Überarbeitung des Sorgfaltspflichtgesetzes erfolgte im Jahr 2000. Dabei wurden die Kontrollkompetenzen der zuständigen Behörde ausgeweitet sowie die Pflicht zur Überprüfung finanzieller Transaktionen und die Meldepflicht bei Verdacht auf Geldwäscherei verschärft. Als Folge der Weiterentwicklung der internationalen Anforderungen an die Sorgfaltspflichten wurde das SPG einer erneuten Revision unterzogen, die am 1. Februar 2005 in Kraft getreten ist. Der Fokus dieser Revision liegt auf der Erweiterung der Gesetzesanwendung auf die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, auf der Erweiterung des Anwendungsbereichs des SPG auf weitere Berufsgruppen und auf der Einführung einer risikoadäquaten Überwachung der Geschäftsbeziehung. III. Entwicklung der internationalen Sorgfaltspflicht-Standards. In den letzten Jahren wurden die liechtensteinischen Sorgfaltspflichtsvorschriften kontinuierlich den internationalen Standards angepasst. Angesichts der Bedeutung des Finanzdienstleistungssektors für die Volkswirtschaft Liechtensteins und der Kritik insbesondere der Finacial Action Task Force (FATF) an den Sorgfaltspflichts- und Geldwäschereibekämpfungsstandards in Liechtenstein, setzte die liechtensteinische Regierung ein Reformpaket um, das Liechtenstein nicht nur an die internationale Spitze der Sorgfaltspflichts- und Geldwäschereibekämfungsstandards brachte, sondern auch die Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Liechtenstein sicherte. Im Rahmen der Umsetzung dieses Reformpaketes wurden Gesetzesanpassungen in den folgenden Bereichen vorgenommen: – Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, – Bekämpfung der Geldwäscherei, – Berufliche Sorgfaltspflichten bei der Entgegennahme von Vermögenswerten. Die neuerliche Revision des SPG fand vor dem Hintergrund der folgenden Entwicklung statt: – Besondere Empfehlungen betreffend Finanzierung des Terrorismus der FATF vom 30. Oktober 2001; – Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2001 (2. EU-Geldwäsche-Richtlinie) zur Änderung der Richtlinie 91/308/EWG des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche (1. EU-Geldwäsche-Richtlinie); – Revision der „40 Empfehlungen“ der FATF von 1996 mit anschliessender Veröffentlichung der „revidierten 40 Empfehlungen (2003)“ am 20. Juni 2003. Die Revision diente in erster Linie dazu, der Verpflichtung aus dem EWR-Abkommen nachzukommen, die 2. EU-Geldwäsche-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Gleichzeitig erfüllt das revidierte SPG die Standards der überarbeiteten 40 Empfehlungen der FATF und der 8 besonderen Empfehlungen der FATF betreffend Finanzierung des Terrorsismus. Neben der Ausweitung der Unterstellung von neuen Berufsgruppen unter das SPG, legt das revidierte SPG neu auch den Fokus auf die Abwehr und Verhinderung der Terrorismusfinanzierung über den Finanzplatz Liechtenstein.
Seeger/Heidbrink
30
2580
31
32
33
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
IV. Know your customer. Der Grundsatz „know your customer“ ist einer der zentralen Pfeiler in der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung. Die Bank oder die Finanzgesellschaft muss sicherstellen, dass sie bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung ihren Vertragspartner identifizieren, allenfalls Kenntnisse über Personen, für die der Vertragspartner handelt, in Erfahrung bringen sowie Hintergründe über die aufgenommene Geschäftsbeziehung und die Herkunft der eingebrachten Vermögenswerte ermitteln. Der „Know your customer“-Grundsatz fand bereits in den Siebziger-Jahren mit einer Vereinbarung zwischen der Regierung und den in Liechtenstein tätigen Banken (vgl. o. Rn. 29) Eingang in die Bankpraxis in Liechtenstein. Mit der mordernen Umsetzung im revidierten SPG – Identifizierung des Vertragspartners, Feststellung des wirtschafllich Berechtigten und Ermittlung der Herkunft der Vermögenswerte (Art. 5 u. Art. 7 SPG) – erfüllt Liechtensteins Gesetzgebung die höchsten internationalen Standards. Damit leistet der Finanz- und Bankenplatz Liechtenstein einen wesentlichen Beitrag zur weltweiten Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung. V. Erhöhte Sorgfaltspflicht: Eine Folge der Globalisierung. Beim Sorgfaltspflichtgesetz (SPG), das in seiner revidierten Form nochmals erhöhte Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der Banken und Finanzunternehmen stellt, geht es nicht um das Bankgeheimnis, sondern explizit um die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung. Die Globalisierung hat nicht nur neue Impulse für die Wirtschaft gebracht, sondern auch die Bekämpfung der Kriminalität und die mit ihr verbundene Geldwäscherei zu einem weltweiten Problem gemacht, das keine Landesgrenzen kennt. Zudem bedienen sich auch terroristische Organisationen der weltweiten Finanzströme, um ihre Aktivitäten zu finanzieren oder um die dafür erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung sind deshalb in vielen Ländern strafbar. Der liechtensteinische Gesetzgeber hat eine entsprechende Strafrechtsnorm bereits 1996 erlassen und im Sorgfaltspflichtgesetz die Bekämpfung der Geldwäscherei und der organisierten Kriminalität als ausdrückliches Ziel verankert (Art. 165, Art. 278a StGB, Art. 1 SPG; siehe auch Gasser, LJZ 2002, 9). Die entsprechenden Ergänzungen für den Bereich der Terrorismusbekämpfung erfolgten 2003. Das liechtensteinische Strafgesetzbuch wurde um Terrorismusstraftatbestände ergänzt: Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, terroristische Straftaten und die Terrorismusfinanzierung wurden unter Strafe gestellt (§ 165 VI, Art. 278b, 278c und 278d StGB). Aus dem Sorgfaltspflichtgesetz Art. 1 – Gegenstand und Zweck 1) Dieses Gesetz regelt die Sicherstellung der Sorgfalt bei berufsmässiger Ausübung von Finanzgeschäften und dient der Bekämpfung von Geldwäscherei, organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung im Sinne des Strafgesetzbuches (§§165, 278 bis 278d StGB). Art. 5 – Identifizierung des Vertragspartners Sorgfaltspflichtigen sind verpflichtet, bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung ihre Vertragspartner aufgrund eines beweiskräftigen Dokuments zu identifizieren. Art. 7 – Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person 1) Die Sorgfaltspflichtigen müssen bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt die wirtschaftlich berechtigte Person feststellen. Dabei dürfen sie von der Vermutung ausgehen, dass der Vertragspartner mit der wirtschaftlich berechtigten Persone identisch ist. Ergeben sich jedoch Zweifel an der Richtigkeit dieser Vermutung, muss der Sorgfaltspflichtige vom Vertragspartner eine schriftliche Erklärung darüber verlangen, wer die wirtschaftlich berechtigte Person ist.
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2581
VI. Umfassende Sorgfaltspflicht. Dem SPG unterstehen alle Unternehmen und Personen, die berufsmäßig fremde Vermögenswerte annehmen, sie aufbewahren oder helfen, sie anzulegen oder zu übertragen (Art. 3 und 4 SPG). Im Gesetz namentlich genannt sind Banken und Finanzgesellschaften mit einer Bewilligung gemäss Gesetz über die Banken und Finanzgesellschaften sowie liechtensteinische Zweigstellen von ausländischen Banken und Finanzgesellschaften, Rechtsanwälte, Rechtsagenten und Treuhänder, Anbieter von Lebensversicherungen, Immobilienmakler, Händler mit wertvollen Gütern und Versteigerer, sowie Spielbanken, liechtensteinische Zweigstellen von ausländischen Wertpapierfirmen, die Liechtensteinische Post AG und die Wechselstuben (Art. 3 I SPG).
34
VII. Identifizierung des Vertragspartners. Die Sorgfaltspflichtigen sind verpflichtet, die Vertragspartner bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen anhand eines beweiskräftigen Dokuments (Original oder echtheitsbestätigte Kopie) zu identifizieren (Art. 3 SPG). Bei natürlichen Personen sind Name, Vorname, Geburtsdatum, Wohnsitzadresse, Wohnsitzstaat und Staatsangehörigkeit in den Sorgfaltspflichtsakten zu dokumentieren (Art. 3 I Bst. a SPV). Bei juristischen Personen, Gesellschaften, Treuänderschaften, sonstigen Gemeinschaften und Vermögenseinheiten hat sich der Sorgfaltspflichtige ein beweiskräftiges Dokument über die juristische Person wie einen Öffentlichkeits- bzw. Handelsregisterauszug, oder, wo ein solcher nicht vorhanden ist, die Statuten, Gründungsakten oder ähnliches vorlegen zu lassen und folgende Angaben zu dokumentieren: Namen oder Firma, Sitzadresse, Sitzstaat, Gründungsdatum und, falls ersichtlich, Ort und Datum des Registerauszuges (Art. 3 und 5 SPV). Erfolgt die Aufnahme der Geschäftsbeziehung nicht persönlich, sondern auf dem Korrespondenzweg, müssen die beweiskräftigen Dokumente echtheitsbestätigt sein (bspw. notariell beglaubigt). Die zu dokumentierenden Angaben über den Vertragspartner hat sich der Sorgfaltspflichtige unterschriftlich bestätigen zu lassen (Art. 3 II SPV).
35
VIII. Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person. Ist an den eingebrachten Vermögenswerten eine andere Person als der Vertragspartner berechtigt, muss der Vertragspartner eine Erklärung zu dieser wirtschaftlich berechtigten Person abgeben. Diese Erklärung hat die gleichen Angaben zu enthalten wie die Dokumentation über den Vertragspartner (Art. 9 I SPV, siehe auch: Eidgenössische Bankenkommission, Bulletin, 2002, 42, 129 f.). Eine Ausnahme von der Feststellungspflicht besteht u.a. bei börsennotierten Unternehmen oder im Geschäftsverkehr zwischen Banken, die der Richtlinie 91/ 308/EWG oder einer gleichwertigen Regelung unterstehen (Art. 6 II u. Art. 8 SPG).
36
IX. Delegation der Sorgfaltspflichten an einen beauftragten Dritten. Die Sorgfaltspflichtigen können die Identifikation des Vertragspartners, die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person, die Ersterhebung der Daten für die Erstellung der Sorgfaltspflichtsdokumentation der Geschäftsbeziehung und die laufende Überwachung der Geschäftsbeziehung durch einen anderen Sorgfaltspflichtigen oder einen beauftragten Dritten vornehmen lassen (Art. 18 SPG ).
37
X. Wiederholung der Identifikation. Ergeben sich im Laufe der Geschäftsbeziehung Zweifel an der Identität des Vertragspartners oder der wirtschaftlich berechtigten Person, so ist die Identifizierung zu wiederholen (Art. 9 I SPG). Bleiben trotz der wiederholten Identifizierung oder Feststellung Zweifel an den Angaben bestehen, kann der Sorgfaltspflichtige die Geschäftsbeziehung abbrechen (Art. 9 II SPG). Der mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehung verbundene Abfluss von Vermögenswerten ist hinreichend zu dokumentieren (Art. 13 II SPV).
38
XI. Abwehr der Geldwäsche. Treten in einer auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung Sachverhalte oder Transaktionen auf, die Verdachtsmomente begründen, dass Vermö-
39
Seeger/Heidbrink
2582
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
genswerte im Zusammenhang mit Geldwäsche, organisierter Kriminalität oder Terrorismusfinanzierung stehen, sind besondere Abklärungen vorzunehmen (Art. 15 II SPG). Ergibt sich aus den Abklärungen der Verdacht, dass ein Zusamenhang mit Geldwäscherei, organisierter Kriminalität oder Terrorismusfinanzierung besteht, ist eine Meldung an die Stabstelle Financial Intelligence Unit (FIU) zu machen (Art. 16 I SPG). Die Geschäftsbeziehung darf nicht abgebrochen werden (Art. 16 II SPG) und es darf der Vertragspartner, die wirtschaftlich berechtigte Person oder Dritte bis zum Eintreffen einer Verfügung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde, längstens aber bis zum Ablauf von 20 Werktagen nach Erstattung der Meldung, nicht über die Meldung an die FIU in Kenntnis gesetzt werden (Art. 16 V SPG). 40
XII. Kundenprofil. Die dem SPG unterstellten Personen und Unternehmen sind verpflichtet, sämtliche Abklärungen schriftlich zu dokumentieren und über jeden Kunden ein Profil zu erstellen, in dem neben den Angaben über den Vertragspartner und die wirtschaftlich berechtigte Person auch Informationen über Bevollmächtigte sowie über den wirtschaftlichen Hintergrund und die Herkunft der eingebrachten Vermögenswerte enthalten sind. Ebenso sind der Beruf und die Geschäftstätigkeit der wirtschaftlich berechtigten Person sowie der Verwendungszweck der Vermögenswerte zu dokumentieren (Art. 14 u. Art. 21 I SPG).
41
XIII. Interne Weisungen. Zu diesem Zweck sind in jedem Unternehmen, das dem SPG untersteht, interne Weisungen über Inhalt, Führung und Aufbewahrung von Sorgfaltspflichtsakten sowie über das Verhalten des Personals bei zweifelhaften Transaktionen aufzustellen (Art. 21 SPG und Art. 27 I u. II SPV).
42
XIV. Interne Funktionen. Die Sorgfaltspflichtigen müssen der FMA als Aufsichtsbehörde eine Ansprechsperson sowie Personen oder Fachstellen für die internen Funktionen des Sorgfaltpflichtsbeauftragten und des Untersuchungsbeauftragten benennnen (Art. 22 SPG). Der Sorgfaltspflichtbeauftragte ist mit der internen Organisation, der Ausarbeitung und Umsetzung von Richtlinien, der Aus- und Weiterbildung des Personals sowie der Beratung in allen Fragen der Sorgfaltspflicht betraut (Art. 30 SPV). Der Untersuchungsbeauftragte kontrolliert laufend die Einhaltung der Vorschriften und verfasst regelmäßig Prüfberichte an die Geschäftsleitung (Art. 31 SPV).
43
XV. Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen. Der Vollzug des SPG wird von der FMA überwacht (Art. 23 SPG). Die FMA führt bei den Banken oder Finanzgesellschaften regelmässig stichprobenweise ordentliche Kontrollen über die Einhaltung der Bestimmungen des SPG durch (Art. 24 I SPG). Die so gewonnenen Erkenntnisse dürfen ausschließlich zur Bekämpfung der Geldwäscherei, von Vortaten zur Geldwäscherei oder der organisierten Kriminalität verwendet werden (Art. 24 VIII SPG).
44
XVI. Weiterbildung gesetzlich verankert. Die Aus- und Weiterbildung des an Finanzgeschäften mitwirkenden Personals ist gesetzlich verankert. Die Sorgfaltspflichtigen haben sicherzustellen, dass dem mitwirkenden Personal Kenntnisse über die Vorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäscherei, Vortaten der Geldwäscherei, organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung vermittelt werden (Art. 21 I SPG und Art. 28 SPV). Der Nachweis der Aus- und Weiterbildung des Personals bildet einen Bestandteil des internen Jahresberichts des Sorgfaltspflichtigen (Art. 26 I Bst. c SPG).
45
XVII. Hohe Strafen bei SPG-Verstößen. Verstöße gegen das SPG werden mit hohen Strafen geahndet. Wer den gesetzlichen Sorgfaltspflichten nicht nachkommt (bspw. Unterlassen der Identifikation des Vertragspartners oder Unterlassen der Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person) kann vom Landgericht mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit einer Geldstrafe in der Höhe von bis zu 360 Tagessätzen bestraft
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2583
werden (Art. 30 I SPG). Die FMA ist befugt, bei Übertretungen Bussen von bis zu CHF 100’000 auszusprechen. Übertretungen liegen beispielsweise vor, wenn gegenüber der FMA, Wirtschaftsprüfern, Revisionsgesellschaften oder einer spezialgesetzlichen Revisionsstelle Auskünfte verweigert, unwahre Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen werden (Art. 31 I SPG). Weitere Sanktionen, wie z. B. der Entzug der Bewilligung, bleiben ausdrücklich vorbehalten (Art. 34 SPG).
G. Kapitalmarktrecht
46
I. Neuordnung des Kapitalmarktrechts. Die Bestrebungen Liechtensteins, den Finanzplatz Liechtensteins dem Niveau der internationalen Finanzmarktstandards anzugleichen, machten es erforderlich, das Kapitalmarktrecht anzupassen. Infolgedessen wurden das Vermögensverwaltungsgesetz und das Investmentunternehmengesetz geschaffen. Beide Gesetze dienen dem Zweck, die Regulierung des Finanzplatzes Liechtenstein auf dem Niveau internationaler Standards sicherzustellen sowie das Ansehen und das Vertrauen in den Finanzplatz Liechtenstein zu fördern. II. Vermögensverwaltungsgesetz. 1. Gegenstand und Zweck. Am 1. Januar 2006 trat das Vermögensverwaltungsgesetz (VVG) in Kraft. Das VVG regelt die Voraussetzungen für die gewerbsmässige Erbringung und Vermittlung der Vermögenverwaltung. Im weiteren hat es zum Zweck, Kunden zu schützen, die Dienstleistungen von Vermögensverwaltern in Anspruch nehmen, und das Vertrauen in den Finanzplatz Liechtensteins zu sichern (Art. 1 I VVG). Mit dem VVG wurde die Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über die Märkte für Finanzinstrumente in Liechtenstein umgesetzt.
47
2. Geltungsbereich. Dem VVG sind Unternehmen unterstellt, die gewerbsmässig Vermögensverwaltung für Dritte erbringen oder vermitteln. Unternehmen, die diese Dienstleistungen erbringen, sind im Sinne des VVG Vermögensverwaltungsgesellschaften. Sie sind gleichzeitig Wertpapierfirmen im Sinne der Richtlinie 2004/39/EG (Art. 2 I VVG). Das VVG ist insbesondere nicht anwendbar auf (Art. 2 II VVG): – Banken und Finanzgesellschaften im Sinne des Bankgesetzes; – Investmentunternehmen im Sinne des Investmentsunternehmensgesetzes: – Versicherungsunternehmen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes; – Personen, die Vermögensverwaltungsdienstleistungen ausschliesslich in Funktion eines Organmandates für juristische Personen (bspw. Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft), Treuhänderschaften, sonstige Gemeinschaften oder Vermögenseinheiten ausüben.
48
Aufgrund der Tatsache, dass die Aufsicht über den gesamten Finanzmarkt, einschliesslich Banken- und Versicherungsaufsicht, unter einer Behörde, der FMA, zusammengefasst wurde, ist die Einheitlichkeit und Kohärenz der Aufsicht über die verschiedenen Teilnehmer am Finanzmarkt gewährleistet. Dies erhöht die Professionaltiät der Finanzmarktaufsicht sowie die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den Finanzmarkt Liechtensteins. 3. Umfasste Dienstleistungen, Zulassung als Vermögensverwalter und Begriffsbestimmungen. Das Vermögensverwaltungsgesetz umfasst als Vermögensverwaltung folgende Dienstleistungen (Art. 3 I VVG): – Portfolioverwaltung; – Anlageberatung; – Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die ein oder mehrere Finanzinstrumente zum Gegenstand haben; und – Wertpapier- und Finanzanalyse oder sonstige Formen allgemeiner Empfehlungen,
Seeger/Heidbrink
49
2584
50
51
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
– die Geschäfte mit Finanzinstrumenten betreffen, die direkt der Kundenbetreuung dienen. Gewerbsmässig dürfen nur Vermögensverwaltungsgesellschaften, die gemäss VVG zur Geschäftstätigkeit in der Vermögensverwaltung zugelassen sind, Dienstleistungen als Vermögensverwalter am Markt erbringen (Art. 3 II VVG). Zum Schutz des Publikums sieht das Gesetz eine Entflechtung der Interessenslagen der Vermögensverwalter und der Kunden vor. Zur Geschäftstätigkeit zugelassene Vermögensverwaltungsgesellschaften dürfen zu keinem Zeitpunkt Vermögenswerte Dritter entgegennehmen oder halten (Art. 3 III VVG). Das VVG nimmt in bezug auf die Marktteilnehmer, Dienstleistungserbringer und -empfänger, sowie auf die erbrachten Dienstleistungen und die angebotenen Finanzmarktprodukte umfangreiche Begriffsbestimmungen vor (Art. 4 VVG). Das Gesetz definiert Begriffe wie „vertraglich gebundener Vermittler“, „Kunde“, „professioneller Kunde“, „Kleinanleger“ u.a.m. (Art. 4 I Bst. a ff. VVG). Die Begriffsbestimmungen dienen der Orientierung der Marktteilnehmer und fördern die Rechtssicherheit. 4. Bewilligung. Vermögensverwaltungsgesellschaften, die Dienstleistungen im Sinne des VVG erbringen wollen, müssen vor Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit über eine Bewilligung der FMA verfügen. Die FMA erteilt Vermögensverwaltungsgesellschaften eine Bewilligung unter den folgenden Voraussetzungen (Art. 6 I VVG): – Die Vermögensverwaltungsgesellschaft muss als Verbandsperson, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft errichtet sein; – der Sitz der Hauptverwaltung muss sich in Liechtenstein befinden; – die Vermögensverwaltungsgesellschaft muss über angemessene Büroräumlichkeiten und ausreichend Personal verfügen; – die Geschäftsführung der Vermögensverwaltungsgesellschaft muss mindestens aus zwei Personen bestehen, die handlungsfähig und vertrauenswürdig sind. Einer der Geschäftsführer muss die Vermögensverwaltungsgesellschaft tatsächlich leiten; die mit der Verwaltung betrauten Personen müssen jederzeit fachlich und persönlich eine einwandfreie Geschäftstätigkeit gewährleisten; – für die Vermögensgesellschaft muss ein tragfähiger Geschäftsplan vorliegen; – es muss eine nach dem VVG qualifizierte Revisionsgesellschaft bestellt sein; – die Eigentumsverhältnisse an der Vermögensgesellschaft müssen offengelegt und dargestellt werden; – die Vermögensverwaltungsgesellschaft muss eine angemessene Eigenmittelunterlegung nachweisen; das VVG verlangt als Mindesteigenmitteldeckung Eigenmittel, die einem Viertel der festen Betriebskosten der letzten Jahresrechnung entsprechen. (Art. 8 I VVG); – die Vermögensverwaltungsgesellschaft muss über ein Eigenkapital von mindestens CHF 100’000 verfügen, das voll und bar einbezahlt sein muss. Die Revisionsstelle der Vermögensverwaltungsgesellschaft ist verpflichtet, jährlich zu prüfen, ob das Mindestkapital und die Mindesteigenmittelunterlegung dauernd vorliegen (Art. 8 III VVG). 5. Aufsicht durch die Finanzmarktbehörde (FMA). Die FMA überwacht den Vollzug des VVG, die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln und die für verbindlich erklärten Standesrichtlinien (Art. 41 I VVG). Um ihre Aufsichtspflicht auch entsprechend wahrnehmen zu können, ist die FMA insbesondere befugt (Art. 41 III VVG): – Von den Vermögensverwaltungsgesellschaften, ihren Revisionsstellen, sowie ihren Angestellten alle für den Vollzug des VVG erforderlichen Auskünfte und Abklärungen zu verlangen;
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2585
– bei den Vermögensverwaltungsgesellschaften ausserordentliche Revisionen anzuordnen oder selber Revisionen über bestimmte Tatbestände durchzuführen; – bereits existierende Informationen und Telefonaufzeichnungen anzufordern; – die Einstellung einer Praxis zu verlangen, die gegen das VVG, die Wohlverhaltensregeln oder gegen die für verbindlich erklärten Standesrichtlinien verstößt. Die Befugnisse der FMA werden durch Mitwirkungspflichten der Vermögensverwaltungsgesellschaften ergänzt. Änderungen, die wesentliche Funktionen oder die Organisation sowie die Beteiligungsverhältnisse an der Vermögensverwaltungsgesellschaft betreffen, dürfen nur vorgenommen werden, wenn die FMA vorgängig auf Gesuch hin dafür eine Bewilligung erteilt hat (Art. 10 I VVG).
52
6. Anlegerschutz. Ein wichtiger Bestandteil des VVG ist der Anlegerschutz. Der Ausbau des Anlegerschutzes stärkt das Vertrauen der Anleger in die Tätigkeit der Vermögensverwalter und in den Finanzplatz Liechtenstein. Der Anlegerschutz umfasst Wohlverhaltensregeln und Standesrichtlinien für die Vermögensverwalter, Aufklärungs- und Informationspflichten gegenüber den Anlegern, Dokumentationspflichten sowie Geheimhaltungspflichten.
53
Für die Vermögensverwaltungsgesellschaften und deren Angestellte setzt das VVG Wohlverhaltensregeln fest. Die Dienstleistungen müssen gewissenhaft, redlich, ehrlich und professionell im bestmöglichsten Interesse der Kunden erbracht werden, dabei müssen die Ehre und das Ansehen des Berufsstandes gewahrt werden (Art. 14 I VVG). Die FMA erlässt im Rahmen ihrer Marktaufsicht Richtlinien zur näheren Ausführung der Wohlverhaltensregeln. Im weiteren kann die FMA Standesrichtlinien für verbindlich erklären (Art. 14 II und III VVG).
54
Die Vermögensverwaltungsgesellschaften haben über ihre Kunden ein Kundenprofil zu erstellen, um dem Kunden geeignete Finanzdienstleistungen erbringen oder Finanzinstrumente empfehlen zu können. Für das Kundenprofil holt die Vermögensverwaltungsgesellschaft die erforderlichen Angaben über die Finanzlage, die Anlageziele sowie die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden im Anlagebereich ein (Art. 15 I und II VVG). Im weiteren sind den Kunden, auch den potentiellen Kunden, in angemessener und verständlicher Form Informationen über die Vermögensverwaltungsgesellschaft und ihre Dienstleistungen, die vorgeschlagenen Anlagestrategien und Finanzinstrumente sowe über die Kosten der Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen (Art. 16 I VVG).
55
Die Vermögensverwaltungsgesellschaften sind verpflichtet, mit den Kunden schriftliche Vereinbarungen abzuschliessen, die die Rechte und Pflichten festhält und im weiteren andere wesentliche Vertragsbedingungen enthält, wie die Art der zu tätigenden Anlage, den Umfang der Vermögensverwaltungsermächtigung sowie die Höhe der Entschädigung der Vermögensverwaltungsgesellschaft (Art. 18 VVG). Im Rahmen des Vermögensverwaltungsmandats ist die Vermögensverwaltungsgesellschaft verpflichtet, den Klienten mindestens einmal im Jahr umfassend über die Entwicklung der Anlagen und Kosten zu informieren und auf Verlangen der Klienten umfassend Auskunft über die erbrachten Leistungen zur erteilen. Die Vermögensverwaltungsgesellschaften haben dabei einen Vermögens- und Erfolgsausweis vorzulegen (Art. 19 VVG).
56
7. Strafbestimmungen. Die Aufsichts- und Kontrollbefugnisse der FMA werden durch Strafbestimmungen ergänzt. Gewichtige Verstösse gegen die Strafbestimmungen des VVG werden vom Landgericht des Fürstentums Liechtensteins beurteilt (Art. 62 I und II VVG). Eine Geld- oder Haftstrafe wird beispielsweise ausgesprochen, wenn das Mindestkapitalerfordernis nicht eingehalten wird (vgl. o. Rn. 48) oder wenn die Vermögensver-
57
Seeger/Heidbrink
2586
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
waltungsgesellschaft nicht über die gesetzlich vorgeschriebene Eigenmittelunterlegung verfügt (vgl. o. Rn. 48; Art. 62 II Bst. g u. h VVG). 58
III. Investmentunternehmensgesetz (IUG). 1. Gegenstand und Zweck. Im Rahmen der Neuordnung der Finanzmarktgesetzgebung trat am 1. September 2005 das Gesetz über Investmentunternehmen in Kraft. Das IUG umschreibt die Organisation und die Geschäfte von Investmentunternehmen und deren Verwaltungsgesellschaften. Wie auch das Vermögensverwaltungsgesetz bezweckt das IUG allgemein die Förderung des Vertrauens in den Finanzplatz Liechtenstein sowie den Anlegerschutz. Im besonderen wird das Vertrauen in den Fondsplatz Liechtenstein und in das liechtensteinische Finanzwesen gefördert (Art. 1 I IUG). Mit dem IUG wird die Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in der Fassung der Richtlinien 2001/107/EG und 2001/108/EG umgesetzt.
59
2. Geltungsbereich. Unter das IUG fallen Investmentunternehmen und deren Verwaltungsgesellschaften, die ihr Domizil in Liechtenstein haben oder ihre Anteile in Liechtenstein oder von Liechtenstein aus öffentlich anbieten oder vertreiben (Art. 1 III IUG). Ausdrücklich ausgenommen sind Vermögen, die von Kunden einer Bank oder Finanzgesellschaft mit Sitz in Liechtenstein aufgebracht und für die gemeinsame Kapitalanlage gesondert verwaltet werden (sog. bankinterne Sondervermögen, Art. 1 IV Bst. a IUG). Ebenso Lebensversicherungsprodukte, deren Leistungen direkt an den Wert von Anteilen eines Investmentunternehmens, eines bankinternen oder anderen Sondervermögens gebunden sind (Art. 1 IV Bst. b IUG).
60
3. Begriffsbestimmungen. Das Gesetz gibt für die wesentlichsten Begriffe im Zusammenhang mit den Investmentunternehmen und den Finanzmarktteilnehmern Legaldefinitionen vor. Als „Investmentunternehmen“ (Fonds) bezeichnet das Gesetz ein Vermögen, das über öffentliche Werbung beim Publikum für gemeinschaftliche Kapitalanlagen durch Einlagen des Publikums gebildet wird und auf gemeinsame Rechnung der (Publikums-) Anleger nach dem Grundsatz der Risikostreuung von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltet wird. Die Verwaltung erfolgt als Anlagefonds oder als Anlagegesellschaft (Art. 2 I Bst. a IUG). Eine „Verwaltungsgesellschaft“ ist eine juristische Person, die ein Investmentunternehmen (Fonds) auf Rechnung der (Publikums-) Anleger verwaltet. Bei einem Anlagefonds ist die Verwaltungsgesellschaft die Fondsleitung, bei der Anlagegesellschaft die Anlagegesellschaft selbst oder eine von der Anlagegesellschaft benannte Drittgesellschaft (Art. 2 I Bst. b IUG). „Öffentliche Werbung“ ist Werbung, die sich unabhängig von ihrer Form nicht nur an einen eng umschriebenen Kreis von Personen, insbesondere nicht nur an den bestehenden Kunden- (Anleger-) kreis richtet (Art. 2 I Bst. c IUG). Das IUG umschreibt „geschlossene Investmentunternehmen“ als Investmentunternehmen, die nicht zur Ausgabe und/oder Rücknahme von Anteilen verpflichtet sind (Art. 2 I Bst. d IUG). Ein „segmentiertes Investmentunternehmen“ (Umbrella Fonds) ist in Segmente, in wirtschaftlich voneinander unabhängige Teilvermögen aufgeteilt (Art. 2 I Bst. e).
61
4. Typen von Investmentunternehmen. Das IUG unterscheidet verschiedene Typen von Investmentunternehmen. Die Unterscheidung richtet sich nach der Anlagepolitik und nach den Anlagekategorien, in die investiert wird. Die Typenunterscheidung ermöglicht
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Liechtenstein
2587
es dem Anlagepublikum, die Anlagestruktur sowie das Anlagerisiko des Fonds zu erkennen. Der Typus des Investmentunternehmens für Wertpapiere darf in „massenweise ausgegebene Wertpapiere“ (Aktien o.ä.), Geldmarktinstrumente, Wertpapiere aus Neuemissionen sowie in Anteile anderer Investmentunternehmen für Wertpapiere investieren (Art. 40 I IUG). Dabei werden Dachfonds, Fonds, die in andere Investmentunternehmen für Wertpapiere investieren, und Indexfonds, die einen anerkannten Aktien- oder Schuldtitelindex nachbilden, unterschieden (Art. 1 Bst. a IUG). Investmentunternehmen für „andere Werte“ dürfen in Anlagen investieren, die nur beschränkt marktgängig sind, hohen Kursschwankungen unterliegen, eine begrenzte Risikoverteilung aufweisen oder deren Bewertung erschweren. Zulässig sind insbesondere Anlagen in Edelmetalle, Massenwaren (Commodities) sowie derivative Finanzinstrumente (Art. 3 Bst. b und Art. 42 IUG). Investmentunternehmen für „andere Werte mit erhöhtem Risiko“ weisen aufgrund ihrer Anlagepolitik, Struktur oder Anlagetechniken sowie Anlagebeschränkungen ein Risikoprofil auf, das im Vergleich zu Investmentunternehmen für andere Werte deutlich erhöht ist (Art. 44 IUG). Das Gesetz nennt als letzte Kategorie „Investmentunternehmen für Immobilien“. Diese investieren in Immobilienwerte, soweit dies die jeweils nationalen Vorschriften erlauben (Art. 45 I IUG). 5. Bewilligungen. Fonds-Verwaltungsgesellschaften und Investementunternehmen bedürfen für ihre Tätigkeit einer Bewilligung der FMA (Art. 55 IUG). Verwaltungsgesellschaften erhalten eine Bewilligung, wenn sie als Fondsleitung in der Rechtsform einer AG oder Anstalt nach liechtensteinischem Recht oder als Europäische Gesellschaft (SE) (Art. 56 I und Art. 65 I IUG) und als Anlagegesellschaft als Aktiengesellschaft mit veränderlichem oder fixem Kapital liechtensteinischen Rechts oder als Europäische Gesellschaft (SE) ausgestaltet sind (Art. 56 I und Art. 65 II IUG). Darüber hinaus muss die Kapitalausstattung ausreichend sein: Für eine Fondsleitung ist ein Anfangskapital von 1 Mio. Schweizerfranken erforderlich, für eine Anlagegesellschaft ein Anfangskapital von 500’000 Schweizerfranken. Das Anfangskapital kann auch im Gegenwert in Euro oder US-Dollar erbracht werden (Art. 56 I und Art. 66 III IUG). Investmentunternehmen wird die Bewilligung erteilt, wenn der vollständige Prospekt den Anfordernungen des IUG entspricht. Das Investmentunternehmen muss in der Rechtsform einer Kollektivtreuhänderschaft (Anlagefonds) oder – bei einer Anlagegesellschaft – als liechtensteinische Aktiengesellschaft oder als Europäische Gesellschaft (SE) gegründet sein (Art. 57 IUG). 6. Verhältnis zum EWR. Im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums ist im Zusammenhang mit dem IUG volle Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit gewährleistet. Fondsverwaltungsgesellschaften mit Sitz in Liechtestein können in einem anderen EWRMitgliedstaat durch Errichtung einer Zweigstelle oder im Zuge des freien Dienstleistungsverkehrs ihre in Liechtenstein bewilligte Tätigkeit uneingeschränkt ausüben (Art. 76 I IUG). In gleicher Weise können Fondsverwaltungsgesellschaften, die ihren Sitz in einem EWR-Mitgliedsstaat haben, ihre in ihrem Herkunftsland bewilligte Tätigkeit entweder durch Errichtung einer Zweigstelle in Liechtenstein oder im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs in Liechtenstein uneingeschränkt ausüben (Art. 79 IUG).
Seeger/Heidbrink
62
63
2588
64
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Anteile von liechtensteinischen Investmentunternehmen, die den Vorschriften der Richtlinie 85/611/EWG (UICTS) entsprechen, können ohne zusätzliche Bewilligung im gesamten Vertragsgebiet des EWR vertrieben werden. Anteile von Investmentunternehmen anderer EWR-Mitgliedstaaten können gleichfalls ohne Bewilligung in Liechtenstein vertrieben werden, sofern sie mit der Richtlinie 85/611/EWG (UCITS/Europapass) übereinstimmen (Art. 87 I und 91 I IUG). 7. Haftung. Zum Schutz der Anleger stellt das IUG Haftungsregeln auf. Insbesondere wird eine Beweislastumkehr zugunsten der Anleger vorgenommen. Im Rahmen des IUG haften Verwaltungsgesellschaften, Depotbanken, Zahlstellen, Revisoren, Schätzungsexperten, Liquidatoren oder Sachwalter eines Investmentunternehmens für Schäden, die durch Pflichtverletzungen entstanden sind, wobei eine Haftung nur dann entfällt, wenn sie nachweisen können, dass ihnen keinerlei Verschulden zur Last fällt (Art. 105 I IUG). Die Haftung erstreckt sich auch auf Handlungen von beauftragten Hilfspersonen, sofern nicht nachgewiesen wird, dass bei der Auswahl, Instruktion und Überwachung der beauftragten Hilfspersonen die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angwendet wurde (cura in eligendo, instruendo et custodiendo, Art. 105 II IUG). Eine Haftungsbeschränkung ist gesetzlich ausgeschlossen (Art. 105 III IUG). Zudem ist eine Haftung des Anlegers ausgeschlossen (Art. 105 IV IUG).
Seeger/Heidbrink
§ 78 Länderteil – Litauen
2589
16. Litauen
§ 78 Länderteil Schrifttum Bartkus/Petrauskaite, Lithuania’s law on pledge over movable property, Law in Transition, autumn 2000, – Litauen 50; Raa/Siibak, Banking secrets, Juridica International (Estland), 2002, 171; Regija Borenius, Insvestment Guide, 2006; Šarka, Sabaliauskas, Jankauskas, Wirtschaftsrecht der Republik Litauen, 2. Auflage, Deutsch-Baltische Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen (Hrsg.), 2006.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Bedeutende Rechtsquellen. . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Zahlungsverkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Stichwortverzeichnis Abrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Bankeinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Bankenzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bankgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Bankkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Bankrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 2, 14 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 11 Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Faustpfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Finanzsicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 6 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Hypothekenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 8
Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 5, 12 Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 12 Mobiliarpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Rangklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Registerpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Sicherheitsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Spezialabteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Unternehmensinsolvenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 12 Wertpapierbörse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Wertpapierkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 15 Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme . . . . . 14 Wertpapierzentralregister . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 15 Zahlungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Zentral- und Notenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Abkürzungsverzeichnis Abkürzung 1. LTBankG 2. BankenGLT 3. LTGeldwäscheG 4. LTFinanzIMärkteG 5. LTKreditIG 6. LTWertPG 7. ZGB-LT 8. ZPO-LT
Voller Name (nichtamtliche Übersetzung des Autors) Gesetz über die Bank von Litauen, Gesetz Nr. I-678 Gesetz über Banken, Gesetz Nr. IX-2085 Gesetz zur Vermeidung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, Gesetz Nr. VIII-275 Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente, Gesetz Nr. X-1024 Gesetz über Kreditinstitute, Gesetz Nr. IX-1068 Wertpapiergesetz, Gesetz Nr. X-1023 Zivilgesetzbuch der Republik Litauen, Gesetz Nr. VIII-1864 Zivilprozessordnung der Republik Litauen, Gesetz Nr. IX-743
Übersetzung: Valstybės žinios – Amtlicher Anzeiger der Republik Litauen
Klauberg/Heemann
Fundstellenangabe Valstybės žinios, 1994, Nr. 99-1957; 2001, Nr. 28-890 Valstybės žinios, 2004, Nr. 54-1832 Valstybės žinios, 1997, Nr. 64-1502; 2008, Nr. 10-335 Valstybės žinios, 2007, Nr. 17-627 Valstybės žinios, 2002, Nr. 91-3891 Valstybės žinios, 2007, Nr. 17-626 Valstybės žinios, 2000, Nr. 74-14 Valstybės žinios, 2002, Nr. 36-1340
2590
1
2
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. Zu den Aufgaben der Zentral- und Notenbank, der Bank von Litauen (Lietuvos bankas, http://www.lb.lt), zählen die Festlegung der Währungspolitik mit dem Hauptziel der Preisstabilität (§§ 1, 6, 7, 25, 45 Gesetz über die Bank von Litauen Nr. I-678, Valstybės žinios, 1994, Nr. 99-1957, nachfolgend LTBankG) sowie die Bankenaufsicht (Rn.16). Der geschäftsführende Bankrat, der die diesbezüglichen Beschlüsse fasst sowie Verfahrensvorschriften bestimmt (§ 11 LTBankG), ist in seiner Tätigkeit unabhängig (§ 3 LTBankG). Seit dem Beitritt Litauens zu der Europäischen Union ist die Bank von Litauen ein Teil des Systems der europäischen Zentralbanken (§ 1 Nr. 1 LTBankG). Im Bankengeschäft sind litauische Banken als Geschäftsbanken (Universalbanken) (§ 2 Nr. 5 Gesetz über Banken, Gesetz Nr. IX-2085, Valstybės žinios, 2004, Nr. 54-1832, nachfolgend BankenGLT) sowie Niederlassungen und Repräsentanzen ausländischer Banken aktiv. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes lizenzierte Banken dürfen in Litauen Finanzdienstleistungen ohne Gründung einer Niederlassung erbringen (§ 4 Nr. 1 und § 16 Nr. 1 BankenGLT). Daneben können auch Spezialbanken für den elektronischen Geldverkehr gegründet werden (§ 2 Nr. 7 BankenGLT). II. Bankenaufsicht. Kreditinstitute unterliegen einer Informationspflicht gegenüber der Bank von Litauen, die wiederum Maßnahmen nach § 46 LTBankG ergreifen darf. Die Bank von Litauen erteilt die Erlaubnis zur Gründung einer Bank. Banken sind, ebenso wie alle anderen juristischen Personen und in Litauen befindliche Zweigniederlassungen und Repräsentanzen litauischer und ausländischer juristischer Personen, im öffentlichen Register der juristischen Personen der Republik Litauen zu registrieren (Internetadresse des Registers: http://www.registrucentras.lt). Die Erlaubnis zur Gründung der Bank ist vor dieser Registrierung zu beantragen und zu erhalten. Nach der Eintragung der Bank in das Register der juristischen Personen der Republik Litauen erteilt die Bank von Litauen auch die Bankenzulassung zum Betreiben von lizenzierten Finanzdienstleistungen (z.B. der Annahme von Einlagen), sofern die folgenden Voraussetzungen vorliegen: Mindestkapital von 5 Millionen Euro (für Geschäftsbanken) oder von 1 Million Euro (für Spezialbanken) (§§ 40, 41 BankenGLT), Einhaltung der Vorschriften hinsichtlich der Geschäftslokale (§§ 9, 11, 19 BankenGLT), der Aktionäre (§§ 23, 25 BankenGLT) und der Zuverlässigkeit der Bankleiter (§ 34 BankenGLT; Regeln über die Auswahl und die Einsetzung von Bankleitern, bestätigt durch den Bankrat der Bank von Litauen gemäß Beschluss Nr. 105 vom 17. 6. 2004, Valstybės žinios, 2004, Nr. 103-3825) sowie weitere Bestimmungen des BankenGLT. Dieses Gesetz enthält auch besondere Vorschriften für die Gründung von Banken, Zweigniederlassungen und Repräsentanzen ausländischer Banken (§§ 16-22) und über die Führung von Banken (§§ 30-36), das Bankkapital (§§ 37-46), Betriebsgefahr der Bank und Wahrung der Interessen ihrer Kunden (§§ 47-56), die Beaufsichtigung von Gruppen von Kreditinstituten auf konsolidierter Basis (§§ 57-59), die Buchführung, Abschluss und Buchprüfung der Bank (§§ 60-63), die Bankenaufsicht (§§ 64-77), die Beendung der Bank sowie Insolvenzvorschriften (§§ 78-94). Bei der Gründung von Banken und Zweigniederlassungen ausländischer Banken, von Repräsentanzen von Banken sowie bei dem Anbieten von Finanzdienstleistungen ohne Gründung einer Niederlassung der in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes lizenzierten Banken sind ferner die Regelungen in den Beschlüssen der Bank von Litauen Nr. 127 vom 19. 7. 2001 (Valstybės žinios, 2001, Nr. 66-2439) und Nr. 127 vom 22. 7. 2004 (Valstybės žinios, 2004, Nr. 118-4417) zu beachten. Repräsentanzen ist das Erbringen von Finanzdienstleistungen untersagt (§ 12 Nr. 2 und § 22 Nr. 1 BankenGLT).
Klauberg/Heemann
§ 78 Länderteil – Litauen
2591
III. Bedeutende Rechtsquellen. Die Gründung und das Betreiben von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsunternehmen regeln das LTBankG, das BankenGLT, das Gesetz über Kapitalgesellschaften (Gesetz Nr. VIII-1835, Valstybės žinios, 2000, Nr. 641914; 2003, Nr. 123-5574), das Gesetz über die Versicherung von Einlagen und Verpflichtungen gegenüber Kapitalanlegern (Gesetz Nr. IX-975, Valstybės žinios, 2002, Nr. 65-2635), das LTGeldwäscheG, das Gesetz über Kreditinstitute (Gesetz Nr. IX-1068, Valstybės žinios, 2002, Nr. 91-3891, nachfolgend LTKreditIG), das Gesetz über die zusätzliche Beaufsichtigung der Unternehmen eines Finanzkonglomerats (Gesetz Nr. IX2387, Valstybės žinios, 2004, Nr. 120-4433) sowie eine Reihe von Verordnungen und Entscheidungen der Bank von Litauen (Rn. 15) und der Wertpapierkommission der Republik Litauen (Lietuvos Respublikos vertybiniu popieriu komisija, http://www.vpk.lt). Ferner sind das Gesetz über gezogene und eigene Wechsel (Gesetz Nr. VIII-1087, Valstybės žinios, 1999, Nr. 30-851) und das Scheckgesetz (Gesetz Nr. VIII-1088, Valstybės žinios, 1999, Nr. 30-852) zu erwähnen. Vorschriften über Sicherungsmittel an Grundvermögen und beweglichem Vermögen finden sich im Zivilgesetzbuch der Republik Litauen (Gesetz Nr. VIII-1864, Valstybės žinios, 2000, Nr. 74-14, nachfolgend ZGBLT) und in der Zivilprozessordnung der Republik Litauen (Gesetz Nr. IX-743, Valstybės žinios, 2002, Nr. 36-1340, nachfolgend ZPO-LT). Im Bereich des Börsenrechts, des Wertpapierrechts und für den übrigen Kapitalmarkt relevant sind das Wertpapiergesetz (Gesetz Nr. X-1023, Valstybės žinios, 2007, Nr. 17-626, nachfolgend LTWertPG), das Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente (Gesetz Nr. X-1024, Valstybės žinios, 2007, Nr. 17-627, nachfolgend LTFinanzIMärkteG), das Gesetz über gemeinsame Investitionsunternehmungen (Gesetz Nr. IX-1709, Valstybės žinios, 2003, Nr. 74-3424; 2007, Nr. 117-4772), das Gesetz über die zusätzliche freiwillige Bildung von Renten (Gesetz Nr. VIII-1212, Valstybės žinios, 1999, Nr. 55-1765; 2003, Nr. 75-3473), das Gesetz über die Bildung von Renten (Gesetz Nr. IX-1691, Valstybės žinios, 2003, Nr. 75-3472) und das Gesetz über die Bildung von Betriebsrenten (Gesetz Nr. X-745, Valstybės žinios, 2006, Nr. 82-3248). In nichtamtlicher englischer Übersetzung liegen die wichtigsten Gesetze und Rechtsvorschriften auf der Webseite der Bank von Litauen (Rn. 15), der Wertpapierkommission (Rn. 29) sowie – teilweise auch in amtlicher Übersetzung – des Parlaments (http://www.lrs.lt) vor.
3
B. Kredit und Kreditsicherheiten
4
I. Kreditformen. Das litauische Zivilgesetzbuch enthält neben den Regelungen über Darlehen Spezialvorschriften über den Bankkredit sowie über die Hingabe von Sachen als Kredit und den Zahlungsaufschub. Ein zur Vergabe eines Kredits durch ein Kreditinstitut geschlossener Vertrag verpflichtet das Kreditinstitut zur Auszahlung der Kreditsumme und den Kreditnehmer zu dessen Rückzahlung sowie zur Entrichtung der Zinsen (§ 6.881 Nr. 2 ZGB-LT). Bei Nichtbeachtung der Schriftform ist der Bankkreditvertrag unwirksam (§ 6.882 ZGB-LT). Wird über die Höhe der Zinsen keine Vereinbarung getroffen, gilt der am Ort des Kreditinstituts zur Zeit des Abschlusses des Kreditvertrages übliche Zinssatz der Geschäftsbanken (§ 6.872 Nr. 1 i. V. m. 6.881 Nr. 2 ZGB-LT). Erfolgt die Rückzahlung nicht termingerecht, ist der Kreditgeber bei Fehlen einer anderweitigen Vereinbarung zur Geltendmachung von Verzugszinsen i. H. v. 5 % p. a. bzw. 6 % p. a. gegenüber Kaufleuten berechtigt (§ 6.874 Nr. 1 i. V. m. 6.210, 6.881 Nr. 2 ZGB-LT). Bei unbefristeten Krediten und sofern keine abweichende vertragliche Regelung getroffen wird, gilt eine Kündigungsfrist von 30 Tagen (§ 6.873 Nr. 2 ZGB-LT). Für Verbraucherkredite, d. h. die gewerbliche Gewährung eines Kredits oder einer anderen Finanzierungshilfe einschließlich Zahlungsaufschub, Teilzahlungsvereinbarung
Klauberg/Heemann
5
2592
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
und Finanzierungsleasing (§ 6.886 ZGB-LT), gelten zusätzliche Formerfordernisse bezüglich der Angaben im Kreditvertrag über Kreditkonditionen und Rechte des Kreditnehmers (§ 6.887 Nr. 3 ZGB-LT). Bei Nichtbeachtung der Formvorschriften ist der Kreditnehmer ohne zeitliche Begrenzung zum Rücktritt berechtigt, bei zinsloser Gewährung zur Rückzahlung des Kredits (§ 6.888 Nr. 1 ZGB-LT). Der Kreditgeber ist zur Kündigung bei einem Zahlungsrückstand von mind. 10 % der Kreditsumme nach mehr als einem Monat und nach Ablauf einer zweiwöchigen Mahnfrist berechtigt (§ 6.889 ZGB-LT). Bei verbundenen Geschäften kann der Verbraucher die Erfüllung des Kreditvertrags nach einer Mahnung verweigern, soweit Einwendungen aus dem verbundenen Geschäft zu seinen Gunsten bestehen (Einwendungsdurchgriff, § 6.891 ZGB-LT). Ferner sind Informationspflichten zugunsten des Kreditnehmers sowie die Pflicht zur Übergabe eines Vertragsdokuments an diesen zu beachten (§ 6.887 Nr. 2, 5, 6 ZGB-LT). 6
Banken sind berechtigt, als Form der Finanzdienstleistung Finanzierungsleasing zu betreiben (§ 4 Nr. 3 BankenGLT; § 3 Nr. 1 LTKreditIG). Das Leasing (Finanzierungsleasing) wird im ZGB-LT geregelt (§§ 6.567 ff.). Nach der gesetzlichen Definition wird im Leasingvertrag der Leasinggeber dazu verpflichtet, von einer dritten Person eine durch den Leasingnehmer bestimmte Sache (Leasinggegenstand) zu erwerben und sie dem Leasingnehmer zum wirtschaftlichen Gebrauch gegen Bezahlung zu überlassen unter der Voraussetzung, dass nach der Zahlung des zwischen den Parteien vereinbarten Gesamtentgeltes die Sache in das Eigentum des Leasingnehmers übergeht, sofern keine abweichende vertragliche Regelung getroffen wird. Die Leasingvorschriften des ZGB-LT gelten entsprechend, wenn der Eigentümer des Leasinggegenstandes der Leasinggeber ist. Den Kreis möglicher Leasingnehmer beschränkt das Gesetz nicht. Als Leasinggeber sieht das Gesetz nur Banken oder andere nach Gewinn strebende juristische Person vor (§ 6.567 Nr. 3 ZGB-LT). Als Leasinggegenstände sind alle unverbrauchbaren Sachen zulässig mit Ausnahme von Grundstücken und Bodenschätzen (§ 6.568 Nr. 1 ZGB-LT).
7
II. Kreditsicherheiten. Wichtigstes Sicherungsmittel ist die Hypothek, die nach dem Grundsatz der Akzessorietät in ihrem Bestand an die gesicherte Forderung gebunden ist. Eine dem deutschen Recht vergleichbare Grundschuld ist unbekannt. Sicherungsgegenstände können im öffentlichen Register (d. h. im Immobilienregister) eingetragene unbewegliche Sachen sowie Schiffe und Flugzeuge sein (§ 4.171 Nr. 1 i. V. m. § 1.98 Nr. 3 ZGB-LT). Gesetzlich geregelte Arten von Hypotheken sind die einfache Hypothek sowie Gesamthypothek, Fremdhypothek, Höchstbetragshypothek, gemeinsame Hypothek und bedingte Hypothek (§§ 4.179 – 4.184 ZGB-LT). Zur Bestellung einer Hypothek auf Basis eines Vertrags bedarf es der notariellen Beglaubigung, eines sog. Hypothekenbriefs, der die Vereinbarung über die Hypothek sowie die Zustimmung des Eigentümers enthält und bei der Hypothekenabteilung eines Kreisgerichtes als Antrag eingereicht wird; sodann wird sie im Hypothekenregister eingetragen (§§ 4.185 ff. ZGB-LT; §§ 542 ff. ZPO-LT), das seit 1998 geführt wird (dazu: Bartkus/Petrauskaite, Law in Transition, autumn 2000, 50 (51)) und öffentlich einsehbar ist (http://www.lhr.lt). Die Hypothek entsteht erst nach ihrer Registrierung im Hypothekenregister (§ 4.187 ZGB-LT; § 43 der Hypothekenregistersatzung, bestätigt durch die Regierung der Republik Litauen gemäß Beschluss Nr. 1246 vom 18. 10. 2001, Valstybės žinios, 2001, Nr. 90-3173; 2007, Nr. 108-4416). Für Immobilien bestehen drei getrennte Registersysteme: Bestandsverzeichnis, Eigentumsverhältnisse, Belastungen mit Ausnahme der nachfolgend geschilderten und Transaktionen werden beim öffentlichen Immobilienregister registriert (§§ 2 ff. das Gesetz über den Immobilienregister Nr. I-1539, Valstybės žinios, 1996, Nr. 100-2261; 2001, Nr. 551948), Hypotheken und Pfand-Transaktionen zur Eintragung des besitzlosen Pfandrechts dagegen bei dem Hypothekenregister (§ 4.209 Nr. 2 ZGB-LT; §§ 542 ff. ZPO-LT; § 1 das
Klauberg/Heemann
§ 78 Länderteil – Litauen
2593
Gesetz über die Gründung des Hypothekenregisters Nr. I-1544, Valstybės žinios, 1996, Nr. 100-2266 in der neuen Fassung des Gesetzes – Gesetz Nr. VIII-252, Valstybės žinios, 1997, Nr. 63-1469). Für die Eintragung von Beschlagnahmeakten ist das öffentliche Register der Beschlagnahmeakte gegründet. Akte der Beschlagnahme des Besitzes werden von den Hypothekenabteilungen der Kreisgerichte registriert (§§ 3 ff. das Gesetz über das Register der Beschlagnahmeakten Nr. VIII-1375, Valstybės žinios, 1999, Nr. 101-2897). Hypotheken und Beschlagnahmen von Immobilien werden nach Registrierung im Hypothekenregister und im Register der Beschlagnahmeakten auch an das Immobilienregister gemeldet und bei diesem geführt (§§ 12, 15 des Gesetzes über das Immobilienregister; § 88 der Hypothekenregistersatzung; § 44 der Satzung des Registers der Beschlagnahmeakten, bestätigt durch die Regierung der Republik Litauen gemäß Beschluss Nr. 314 vom 5.3.2002, Valstybės žinios, 2002, Nr. 26-924; 2007, Nr. 68-2666). Die Registrierung im zentralen Hypothekenregister kann jedem Dritten nach dem Publizitätsgrundsatz entgegengehalten werden. Die Verwertung der Hypothek kann durch Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung erfolgen (§ 4.192 ZGB-LT). Ein Mobiliarpfandrecht kann durch Übergabe an den Pfandgläubiger (Faustpfand) oder durch Eintragung als besitzloses Registerpfandrecht (dazu: Šarka, Sabaliauskas, Jankauskas, S. 39, Bartkus/Petrauskaite, Rn. 21) begründet werden (§§ 4.198, 4.213 ZGB-LT). Zur Eintragung wird der notariell beglaubigte sog. Pfandbrief, d. h. der Verpfändungsvertrag, beim öffentlichen Hypothekenregister (Rn.21) als Antrag eingereicht (§§ 4.209 Nr. 2 ZGB-LT; §§ 542 ff. ZPO-LT). Gegenstand des Registerpfandrechts können auch gegenwärtige und zukünftige Vermögensrechte (§§ 4.201 Nr.1, 4.204 ZGB-LT) sowie im Umlauf befindliche Warenvorräte sein; bei Letzteren erlischt das Pfandrecht mit der Veräußerung und neue Warenvorräte werden mit dem Zeitpunkt des Erwerbs Gegenstand des Pfandrechts (§ 4.202 ZGB-LT). Die Verwertung erfolgt gem. Parteivereinbarung oder durch Versteigerung (§ 4.219 Nr. 5 ZGB-LT), Vermögensrechte werden an den Gläubiger abgetreten (§ 4.220 Nr. 1 ZGB-LT). Es gibt Sondervorschriften im Gesetz über Finanzsicherungsgeschäfte (Gesetz Nr. IX2127, Valstybės žinios, 2004, Nr. 61-2183, nachfolgend LTFinanzSGeschäfteG). Durch dieses wurde in Litauen die Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten implementiert. Das LTFinanzSGeschäfteG regelt den Abschluss und die Erfüllung von Finanzsicherungsgeschäften (§ 1, § 2 Nr. 8 Nr. 11 LTFinanzSGeschäfteG). Das Gesetz gilt für Finanzsicherungsgeschäfte, in denen der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer bestimmten Kategorien angehören, nämlich Kreditinstituten, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und anderen Subjekten (§ 3 LTFinanzSGeschäfteG). Finanzsicherheiten (Finanzsicherungsgegenstände) sind Barsicherheiten (Geld) und Finanzinstrumente (§ 2 Nr. 11 LTFinanzSGeschäfteG). Nach LTFinanzSGeschäfteG sind zwei Arten von Finanzsicherungsgeschäften möglich: Finanzsicherungsgeschäfte in Form der Vollrechtsübertragung, wobei die Übereignung eines Finanzaktivums (Finanzsicherungsgegenstandes) zum Zwecke der Besicherung von Verbindlichkeiten stattfindet; hierzu gehören auch Wertpapierpensionsgeschäfte (§ 2 Nr. 3 und Nr. 10 LTFinanzSGeschäfteG) und Finanzsicherungsgeschäfte in Form eines beschränkten dinglichen Rechts, das heißt, ein Sicherungsrecht an einem Finanzaktivum (Finanzsicherungsgegenstand), wobei das Eigentum am Finanzsicherungsgegenstand beim Sicherungsgeber verbleibt (§ 2 Nr. 9 LTFinanzSGeschäfteG). Die Vorschriften des ZGB-LT über das Mobiliarpfandrecht (§§ 4.198 ff. ZGB-LT) sind bei Finanzsicherungsgeschäften in Form eines beschränkten dinglichen Rechts entsprechend anzuwenden (§ 3 Nr. 4 LTFinanzSGeschäfteG).
Klauberg/Heemann
8
2594
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
9
Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt sind nicht bekannt, gesetzliche Vorschriften stehen jedoch nicht entgegen; sie können daher zwar vertraglich vereinbart werden, die Geltendmachung der Rechte daraus ist aufgrund fehlender Praxis aber mit Schwierigkeiten verbunden. Die Funktion der Sicherungsabtretung übernimmt die Verpfändung von Vermögensrechten .
10
Mit der akzessorischen Bürgschaft verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten einzustehen, wenn dieser die Verbindlichkeit ganz oder teilweise nicht erfüllt (§§ 6.76 ZGB-LT). Die Nichtbeachtung des Schriftformerfordernisses macht den Bürgschaftsvertrag anfechtbar (§ 6.79 ZGB-LT). Der Bürge haftet neben dem Schuldner, sofern keine anderweitige Vereinbarung getroffen wird (§ 6.81 Nr. 1 ZGB-LT). Dagegen haftet der aus einer Garantie Verpflichtete nur subsidiär (§§ 6.90 Nr. 1, 6.92 Nr. 1 ZGB-LT). Die Garantie ist nicht akzessorisch (§ 6.90 Nr. 2 ZGB- LT) und bei Nichtbeachtung des Schriftformerfordernisses unwirksam (§ 6.91 ZGB-LT). In einer Bankgarantie verpflichtet sich ein Kreditinstitut, dem Gläubiger auf dessen Anfordern eine bestimmte Summe zu zahlen (§ 6.93 ZGB-LT). Die Bankgarantie ist schriftlich zu erteilen und unwiderruflich, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wird; sie darf nicht abgetreten werden (§§ 6.94 f. ZGB-LT).
11
Nach der gesetzlichen Definition eines Factoringvertrages wird der Factor aus dem Vertrag verpflichtet, an den Kunden eine Vergütung gegen Abtretung der Forderung abzüglich Kosten zu zahlen, ferner kann die Übernahme der Debitorenbuchhaltung bestimmt werden (§ 6.903 Nr. 1, 3 ZGB-LT). Factor darf nur eine Bank oder eine Factoringgesellschaft, die über eine Erlaubnis verfügt, sein (§ 6.904 ZGB-LT). Gemäß LTKreditIG (§ 2 Nr. 37, § 3 Nr. 1(2)) fällt das Factoring in den Katalog der Finanzdienstleistungen.
12
Kreditabwicklung. Die Abwicklung gekündigter Kredite folgt in litauischen Banken einem weitegehend standardisiertem Verfahren, wobei der Grad der Standardisierung bei Verbraucherkrediten höher ist als bei den regelmäßig besser besicherten Firmenkrediten. Notleidende oder anderweitig auffällige Kreditengagements werden in Spezialabteilungen (z.B. Special Assets Department) abgegeben. Nach erfolgloser Mahnung kündigt diese Abteilung den Kreditvertrag. In der sich anschließenden Abwicklungsphase werden regelmäßig die folgenden Maßnahmen ergriffen, wobei nicht in jedem Fall alle Maßnahmen erforderlich sind: Neubewertung der Kreditsicherheiten; Neustrukturierung der Kredite, wenn die Fortsetzung der Beziehung mit dem Kunden Erfolg verspricht; Verwertung von Sicherheiten; Titulierung und Vollstreckung von Forderungen; Einleitung von und Mitwirkung an Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren (bei Unternehmen als Schuldner). Bei den größeren Geschäftsbanken ist die Tendenz zu beobachten, Teilbereiche der Kreditabwicklung outzusourcen. Dies betrifft insbesondere die Titulierung von Forderungen. Diese Tätigkeit wird zunehmend an externe Dritte abgegeben. Forderungen aus Kreditverträgen verjähren in Litauen in zehn Jahren. Die Verjährungsfrist für titulierte Forderungen beträgt ebenfalls zehn Jahre. Die Möglichkeit der Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens besteht in Litauen noch nicht. Für den Fall von Unternehmensinsolvenzen stehen zwei Gesetze bereit. Zum einen das Unternehmensinsolvenzgesetz (Gesetz Nr. IX-216, Valstybės žinios, 2001, Nr. 31-1010) und das Unternehmensrestrukturierungsgesetz (Gesetz Nr. IX-218, Valstybės žinios, 2001, Nr. 31-1012). Die Zusammenführung der Regelungsgehalte der beiden Gesetze in ein Gesetz ähnlich der deutschen Insolvenzordnung wird diskutiert. Das Unternehmensrestrukturierungsgesetz findet in der Praxis, wenn überhaupt, meist zweckentfremdet mit dem Ziel Anwendung, Zeit zu gewinnen. Denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht möglich, so lange ein Restrukturierungsverfahren läuft. Gerichte
Klauberg/Heemann
§ 78 Länderteil – Litauen
2595
weisen die Eröffnung von Insolvenzverfahren häufig ab, weil keine die Verfahrenskosten deckende Insolvenzmasse zu erwarten ist und Gläubiger nicht bereit sind, ohne zusätzliche Sicherheiten Massekostenzuschüsse zu leisten. Damit scheitert oft eine geordnete Liquidation insolventer Unternehmen. Festgestellte Forderungen werden in einem Insolvenzverfahren nach Rangklassen befriedigt. Unbesicherte Kreditforderungen fallen in die letzte Rangklasse und gehen in der Praxis leer aus. Die frühzeitige (sonst Anfechtungsgefahr!) Besicherung eigener Forderungen ist daher anzuraten.
C. Konto und Zahlungsverkehr
13
I. Konto. Der auf Eröffnung eines Bankkontos gerichtete Kontoführungsvertrag bestimmt den Umfang der durch die Bank zu erbringenden Dienstleistungspflichten sowie die Vergütungspflicht des Kontoinhabers (§ 6.913 ZGB-LT). Bei Vertragsschluss hat die Identifizierung des Kontoinhabers und des Nutznießers zu erfolgen (§§ 9-11 LTGeldwäscheG). Das Zivilgesetzbuch enthält detaillierte Regelungen über die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien des Kontoführungsvertrages (§§ 6.915 ff. ZGB-LT). Hinsichtlich der Kontenform oder der Währungsart der Einlage sind keine Beschränkungen vorgesehen. Daneben hat die Bankeinlage, über die der sog. Depositenvertrag schriftlich abzuschließen ist (sonst Nichtigkeit, § 6.894 Nr. 3 ZGB-LT), eine umfangreiche gesetzliche Regelung erfahren (§§ 6.892 ff. ZGB-LT). Ist bei Abbuchungsvorgängen die Einlage für die Befriedigung der Forderungen nicht ausreichend, gilt die gesetzliche Rangordnung (§ 6.923 Nr. 2 ZGB-LT). Wird das Bankgeheimnis in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen verletzt, ist die Bank schadensersatzpflichtig (§ 6.925 Nr. 3 ZGB-LT). Die Mitteilungspflichten der Bank gegenüber der Aufsichtsbehörde zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie deren Eingriffsbefugnisse sind im LTGeldwäscheG sowie in der Strafprozessordnung der Republik Litauen (Gesetz Nr. IX785, Valstybės žinios, 2002, Nr. 37-1341) geregelt. II. Zahlungsverkehr. Die wichtigsten Regeln über den Zahlungsverkehr, einschließlich des Zahlungssystems, der Zahlungsinstrumente sowie der Rechtsbeziehungen zwischen den Teilnehmern, sind in §§ 6.36, 6.929 ff. ZGB-LT sowie dem Gesetz über den Zahlungsverkehr (Gesetz Nr. VIII-1370, Valstybės žinios, 1999, Nr. 97-2775; 2003, Nr. 612753) enthalten. Gemäß § 3 Nr. 3, 4 des Gesetzes über Devisen in der Republik Litauen (Gesetz Nr. I-202, Valstybės žinios, 1993, Nr. 28-640) dürfen Devisen, abgesehen von einigen Ausnahmen, nur einvernehmlich für bargeldlose Zahlungen und die unbare Abrechnung verwendet werden. Eine der Ausnahmen ist der Euro, der neben unbaren Zahlungen auch für Barzahlungen sowie Barabrechnungen verwendet werden darf. Schecks spielen in der Praxis nur eine geringe Rolle. Beschränkungen des Zahlungsverkehrs bestehen nicht, jedoch ist bei Transaktionen in bar, die 15 000 Euro übersteigen, sowie in anderen im LTGeldwäscheG bestimmten Fällen das Kreditinstitut zur Identifizierung und Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde verpflichtet (§§ 9-11, § 14 Nr. 1, § 17 Nr. 1 LTGeldwäscheG). Das Zahlungssystem LITAS-RLS, das die Bank von Litauen betreibt und beaufsichtigt, dient der Ausführung in Echtzeit von für gegenseitige Abrechnungen bestimmten Litas-Zahlungsaufträgen der Teilnehmer dieses Zahlungssystems. LITASRLS dient auch dem Zweck, die Schlussabrechnung anderer Zahlungssysteme durchzuführen, um Zahlungsaufträge über Wertpapiergeschäfte auszuführen mitsamt der Wertpapierliefer- und –abrechnungssysteme, und die Schlussabrechnung von Einzelzahlungen zusammen mit dem Zahlungssystem LITAS-MMS zu exekutieren. Eine der Rechtsgrundlagen dieser Zahlungssysteme ist das Gesetz über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Gesetz Nr. IX-1597, Valstybės žinios, 2003, Nr. 61-2754), mit dem in Litauen die Richtlinie 98/ Klauberg/Heemann
14
2596
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen implementiert wurde. Daneben sind andere Gesetze der Republik Litauen zu nennen sowie die entsprechenden Regeln der Zahlungssysteme: die Regeln über das Funktionieren des Zahlungssystems LITAS-RLS und die Regeln über das Funktionieren des Einzelzahlungssystems LITAS-MMS, bestätigt durch Beschluss des Bankrats der Bank von Litauen Nr. 173 vom 28. 12. 2006, Valstybės žinios, 2007, Nr. 4-207, und die Regeln der Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme, bestätigt durch den Vorstand der Wertpapierzentralregister Litauens AG gemäß Protokoll Nr. 20 vom 8. 12. 2003, sowie die Regeln der Wertpapierabrechnungssysteme der Wertpapierzentralregister Litauens AG, bestätigt durch den Vorstand der Wertpapierzentralregister Litauens AG gemäß Protokoll Nr. 4 vom 19.10.2007. Teilnehmer der Zahlungssysteme dürfen Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und andere berechtigte Subjekte sein (Punkt 8 der Regeln über das Funktionieren des Zahlungssystems LITAS-RLS und der Regeln über das Funktionieren des Einzelzahlungssystems LITAS-MMS, Punkt 9 Regeln der Wertpapierliefer- und –abrechnungssysteme). Seit dem 29. 1. 2007 dient das Einzelzahlungssystem LITAS-MMS, das ebenfalls die Bank von Litauen betreibt und beaufsichtigt, der Ausführung von lokalen Einzelzahlungen in Litas und ist gleichzeitig eine Clearingstelle (Punkt 3 der Regeln über das Funktionieren des Einzelzahlungssystems LITAS-MMS). Die Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme werden von der Wertpapierzentralregister Litauens AG (http://www. csdl.lt) betrieben. Durch die letzteren Systeme werden die Abrechnungen über Wertpapiergeschäfte in Echtzeit sowie zu festgesetzten Zeiten ausgeführt. 15
D. Kapitalmarktrecht Börsenrecht. Wertpapierrecht. Die Zulassung und die Teilnahme am Wertpapierhandel sowie am Handel mit anderen Finanzinstrumenten im litauischen geregelten Markt – an der Wertpapierbörse von Vilnius (http://www.baltic.omxnordicexchange.com) – bestimmen die Regeln der Wertpapierbörse von Vilnius AG sowie das LTFinanzIMärkteG, das auch Vorschriften über das Erbringen von Wertpapierdienstleistungen (§§ 4 ff.), den Handel an geregelten Märkten (§§ 44 ff.), das Verbot vom Marktmissbrauch (§§ 62, 63), das Buchen von Finanzinstrumenten sowie das Wertpapierzentralregister (§§ 64 ff.), die Marktaufsicht und die Haftung für Verstöße gegen das Gesetz (§§ 64 ff. LTFinanzIMärkteG) vorsieht. Kreditinstitute und die anderen bestimmten Kriterien erfüllende Subjekte sind berechtigt, Mitglieder der Wertpapierbörse zu werden (§ 56 Nr. 3 LTFinanzIMärkteG). Es existieren vier Listen von an der Wertpapierbörse gehandelten Finanzinstrumenten mit unterschiedlich hohen Zulassungsanforderungen. Die Listen unterscheiden sich auch durch Finanzinstrumentarten. Die Abwicklung erfolgt durch die Wertpapierzentralregister Litauens AG (§§ 64 ff. LTFinanzIMärkteG), die Finanzinstrumentkonten einrichtet und verwaltet. Das LTWertPG enthält die Vorschriften über das öffentliche Angebot von Wertpapieren und zum Emissionsprospekt, die Weitergabe von Informationen der Ausgeber von Wertpapieren sowie Übernahmeregeln, die Aufsicht über die Beachtung des Gesetzes und die Haftung für Verstöße gegen das Gesetz. Die Aufsicht über den Wertpapierhandel obliegt der Wertpapierkommission, die die Aufsichtsbehörde der Märkte für Finanzinstrumente ist (§ 41 LTWertPG, § 69 LTFinanzIMärkteG). Ergänzt werden die in diesem Abschnitt stehenden Regelungen durch die Bestimmungen des ZGB-LT.
Klauberg/Heemann
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2597
17. Luxemburg
§ 78 Länderteil Schrifttum – Luxemburg ALJB, Droit bancaire et financier au Luxembourg, 2. Auflage 2004; Bartsch/Wittenberg, Finanzplatz Luxemburg, Erfolgreiches Investment für den Kapitalanleger, 1988; Comité des juristes de la CSSF, La nature et la portée du secret bancaire. DOC0979; Dietrich, Ein Konto in Luxemburg, 1987; Henniaux/Renner, MiFID transposed in Luxembourg, in PWC Flash News, 16.07.2007; Henniaux/Renner, MiFID implementation: a busy summer for the CSSF, in PWC Flash News, 13.08.2007; Kolb, Luxemburg, in: Kreditinstitute im europäischen Binnenmarkt 1993, Tradition, Struktur, Perspektiven, Herausgegeben von der Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung über das Spar- und Girowesen e.V., 1990; Ludovissy, La surveillance du secteur financier, 2000; Meier, Struktur des Bankwesens in Luxemburg, in: Hein (Hrsg.), Struktur ausländischer Bankensysteme: Luxemburg, Schriftenreihe des Instituts für Bank- und Finanzwirtschaft der FU Berlin, 3. Auflage, 1997; Muller (Hrsg.), Anti-money-laundering: international law and practice, 2007; Oostvogels/Wellens, Luxembourg, in: The international Comparative Legal Guide to: Merger Control 2006 (Hrsg.: Global Legal Group); Ortner, Das Bankgeheimnis, Rechtsvergleich Österreich, Deutschland, Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg, 1995; Vilret-Huot, Les limites du secret bancaire et du secret des assurances, in: Le Bulletin d’information Nr. 11/Juin 2007 (Hrsg.: Association Luxembourgeoise des Compliance Officers du Secteur Financier); De Pover, MiFID: Aspects transfrontaliers et politique des groupes, in: Le Bulletin d’information Nr. 11/Juin 2007; Voß, Die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Offshore-Finanzzentren, ein Vergleich der rechtlichen Standortkonditionen von Guernsey und Luxemburg aus der Sicht der Finanzunternehmen, 2000.
Inhaltsübersicht A. Der rechtliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Die wichtigsten Aspekte der Regelung des Finanzsektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1. Der Zugang zu den Beschäftigungsmöglichkeiten im Finanzsektor . . . . . . . . 3 2. Der Kampf gegen die Geldwäsche . . . . . 10 3. Die Verhaltensregeln des Finanzsektors . 24 4. Das Bankgeheimnis. . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Die Überwachung des Bankensektors . . . . . 33 1. Die Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Ziel der Aufsicht und Aufgaben der CSSF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Kompetenzbereich der Aufsicht . . . . . . . 35 4. Die Aufsicht auf konsolidierter Basis . . . 38 5. Die Mittel der Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . 39 6. Die Schweigepflicht der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Die luxemburgische Zentralbank. . . . . . . . . 47 B. Die Bankkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Die Beziehungen beim Online-Banking . 58 3. Verpflichtung, seinen Kunden zu kennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen. 70 II. Zahlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Die Pflicht zur Nichteinmischung und zur Vorsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. Die Überweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5. Die Bankkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
C.
D. E.
F. G.
6. Pflicht zur Berichterstattung . . . . . . . . . . 96 III. Das Depotkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Depot von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . 100 3. Pflicht zur Verwahrung und zur Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Auftrag zum Kauf oder Verkauf . . . . . . 107 Die Verwaltung des Vermögens des Kunden . 112 I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Der Anlageberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Die Vermögensverwaltung i.e.S. . . . . . . . . 120 Die Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Die Organisation der Börsen und anderer Handelssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 II. Die Organisation der Handelsplätze . . . . . 134 1. Die Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Die geregelten Märkte . . . . . . . . . . . . . 140 3. Multilaterale Handelsplattformen (MTF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4. Systematische Internalisierer . . . . . . . . 150 III. Die Notierung der Papiere. . . . . . . . . . . . . 156 1. Die Zulassung an die Börse . . . . . . . . . 156 2. Notierung von Papieren an einem geregelten Markt oder MTF . . . . . . . . . 162 IV. Die Kontrollmechanismen im Börsenrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Hauptanliegen der Gesetzesreform 2007 . . . . 177 I. Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Micklitz/Böhnlein
2598
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten Stichwortverzeichnis
Anlageberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 116 ff., 120 Aufsicht. . . . . . . . . . . . .6 f., 29, 33 ff., 53, 130, 166 f. Bank, Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . 10, 20 f., 28 ff., 45 Bankkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 ff. Bankkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 ff. Best execution. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 ff. Clearstream . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 53 Depot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55, 99, 100, 107, 128 Europäischer Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 7 f., 127 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 ff., 29, 64 ff., 80 Girokonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54, 95 Handelssystem . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 9, 35, 133, 136 Home country control . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Hypothek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 173 Investmentfond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 ff. Kontoauszug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71, 98 Kreditinstitut, Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73, 169, 172 Memoranda of understanding . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Prospekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 f., 156 ff. PSF, Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 40, 42 PSF, Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 PSF, Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 PSF, Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 ff. PSF, Zulassung Handelsplatz . . . . . . . . . . . . 135, 140 Richtlinie 86/635/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 87/102/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 89/117/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 89/646/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1
91/308/EWG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 93/22/EWG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 97/5/EWG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2000/12/EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 f. 2000/31/EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2001/97/EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 11 2001/107/EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1, 125 f. 2001/108/EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2003/6/EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2004/39/EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 177 2006/73/EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 24, 177 Scheck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 f. Treuhandvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Überweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 ff., 92 Umbrella Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62, 73, 169 Vermögensverwalter/-ung. . . . . . . . . . . . . . . 8, 120 ff. Wertpapierhandelssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 35 Zahlungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 35, 53 Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 35, 45 ff. Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 f. – Anlageberater. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 – Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 43 – Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Handelsplatz . . . . . . . . . . . . . . . 130, 140 ff., 146 ff. – Notierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 ff., 162, 165 – Vermögensverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Zulassungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 ff. Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 ff.
A. Der rechtliche Rahmen Als unmittelbare Folge des Umsetzungsbedarfs diverser EG-Richtlinien hat der rechtliche Rahmen der Regelung des luxemburgischen Finanzsektors in den letzten Jahren wesentliche Änderungen erfahren. Auf deutsch zugängliche Untersuchungen beschreiben regelmäßig einen Rechtszustand, der so schon lange nicht mehr existiert. Gleichwohl bietet die Arbeit von Bartsch/Wittenberg immer noch einen guten Einstieg in den Finanzplatz Luxemburg, vor allem unter dem Blickwinkel des Kapitalanlegers. Jüngeren Datums ist der von Voß angestrengte Vergleich der rechtlichen Standortkonditionen von Guernsey und Luxemburg aus der Sicht der Finanzunternehmen. Beide behandeln jedoch noch nicht die Konsequenzen, die sich aus der Neuregelung der Finanzmarktaufsicht ergeben. Selbst die sehr tief gehende Analyse von Voß spiegelt den Rechtszustand nur unvollkommen wieder, weil auch das von ihm neben dem Bankenaufsichtsrecht behandelte Investmentrecht durch die Richtlinie 2001/107/EG betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren wichtige Neuerungen erfahren hat. Neu und von großer Wichtigkeit sind schließlich die Folgewirkungen der Richtlinie 2001/97/EG zur Bekämpfung der Geldwäsche. Ferner spielt die Marktmissbrauchsrichtlinie (RiL 2003/6/EG und deren Durchführungsmaßnahmen) eine wichtige Rolle. Von immenser Bedeutung sind aber vor allem die aufgrund der Richtlinien 2004/39/EG (Finanzmarktrichtlinie/MiFID) und 2006/73/EG (Durchführungsmaßnahme) erlassenen Regelungen, das Gesetz über den Markt der Finanzinstrumente vom 13. Juli 2007 (nunmehr Finanzmarktgesetz) sowie die beiden großherzoglichen Verordnungen vom selben Tag. Sie sind mit Wirkung vom 1. November 2007 verbindlich. Großenteils geben sie den Wortlaut der Richtlinie wieder, gehen aber weiter ins Detail.
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2599
I. Die wichtigsten Aspekte der Regelung des Finanzsektors. Der Kern der gesetzlichen Regelung des Finanzsektors findet sich in der modifizierten Fassung des Gesetzes vom 5. April 1993 über den Finanzsektor (hiernach als Bankgesetz bezeichnet; das Gesetz kann unter www.cssf.lu in französischer Sprache abgerufen werden). Dieses Gesetz beinhaltet Regelungen über Kreditinstitute und über andere im Finanzsektor Tätige, die in verschiedene Kategorien unterteilt werden. Die gesetzlichen Regelungen über die Erstellung der jährlichen Konten und der konsolidierten Konten der Kreditinstitute ergeben sich aus dem Gesetz vom 17. Juni 1992 (zwei Richtlinien wurden durch dieses Gesetz in nationales Recht umgesetzt, und zwar die Richtlinie 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten und die Richtlinie 89/117/EWG über die Pflichten der in einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaats zur Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen). Nahezu alle genannten Bereichen sind von der Finanzmarktrichtlinie betroffen. Allerdings halten sich im Ergebnis die Auswirkungen für das luxemburgische Recht in Grenzen. Vielerorts erschöpfen sich die Neuregelungen darin, bereits bestehende Vorgaben zu detaillieren.
2
1. Der Zugang zu den Beschäftigungsmöglichkeiten im Finanzsektor. Diesen Bereich regelt Teil I des Bankgesetzes, das die Zweite Bankenrichtlinie (Richtlinie 89/646/EG vom 15. Dezember 1989) ins luxemburgische Recht umsetzt. Die Richtlinie von 1989 sowie die wichtigsten Richtlinien über die Tätigkeit von Kreditinstituten wurden in der Richtlinie 2000/12/EG vom 20. März 2000 zusammengefasst, die sich mit der Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute befasst. Diese vereint in einem einzigen Text die verschiedenen Richtlinien, um den Benutzern bessere Lesbarkeit und einfachere Handhabung der verschiedenen europäischen gesetzlichen Regelungen zu verschaffen. Die Finanzmarktrichtlinie hat hier Änderungen gebracht.
3
Das Bankgesetz gilt zunächst für Kreditinstitute im Sinne der Richtlinie 2000/12/EG. Danach ist ein Kreditinstitut ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. Diese Tätigkeit bedarf einer Zulassung, die durch die „Commission de surveillance du secteur financier“ (Überwachungskommission des Finanzsektors, CSSF) bzw. den zuständigen Minister erteilt wird. Diese Zulassung ist jedoch nicht erforderlich, wenn es sich um ein Kreditinstitut aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt, welches vom Europäischen Pass profitiert. Ein solches Institut kann seine Tätigkeit durch eine Niederlassung oder im Wege der Dienstleistung frei in Luxemburg ausüben, unter der Bedingung natürlich, dass diese Art von Tätigkeiten von der jeweiligen nationalen Zulassung erfasst wird. Die Vorschriften gelten in weiten Teilen auch für Wertpapierfirmen und geregelte Märkte. Generell richten sie sich zumeist an alle „PSF“, also „professionels du secteur financier“ (vgl. Teil I, Kapitel 2 Bankgesetz = Art. 13 ff.). Jegliche dieser Tätigkeiten bedarf der Zulassung.
4
Das Zulassungsverfahren eines luxemburgischen PSF wird von der CSSF kontrolliert. Die Zulassung ist an Voraussetzungen geknüpft. Außer einer bestimmten Rechtsform (Notwendigkeit einer öffentlichen Anstalt, einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer Genossenschaft) benötigt ein Kreditinstitut eine zentrale Verwaltung in Luxemburg und eine ausreichende Infrastruktur, die sich aus einem guten Verwaltungs- und Rechnungskomplex zusammensetzen muss, sowie funktionierende interne Kontrollmöglichkeiten. Entsprechendes gilt grundsätzlich für alle Gewerbetreibenden des Finanzsektors. Als juristische Person müssen sie einen Sitz in Luxemburg haben, natürliche Personen müssen nachweisen, dass sie ihre Tätigkeit tatsächlich in Luxemburg ausüben, Art. 17 (1) S. 2 Bankgesetz.
5
Micklitz/Böhnlein
2600
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
6
Ferner müssen sie bestimmten organisatorischen Anforderungen genügen (aufgezählt in Art. 37-1 Bankgesetz). Unter Umständen gelten weitere Anforderungen, so zum Beispiel für Multilaterale Handelssysteme (MTF) mit Art. 20 des Finanzmarktgesetzes. Einzelfirmen müssen den Nachweis erbringen, dass sie „andere Maßnahmen“ ergriffen haben, um eine gesunde und gründliche Geschäftsführung zu garantieren (Art. 19 (3) a.E. Bankgesetz). Die Art und Weise der Kapitalbeteiligung muss transparent sein und jeder Referenzaktionär (darunter versteht man all die Personen, die eine qualifizierte Beteiligung an der Kapitalgesellschaft halten, z.B. eine Beteiligung von mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte bzw. jede andere Art, einen erheblichen Einfluss auf die Unternehmensführung auszuüben [s. Rundschreiben IML 93/94 vom 30.04.1993]) muss von der CSSF zugelassen worden sein. Ebenso Veräußerungen von Gesellschaftsanteilen, die bei einem der Beteiligten die Schwellen von 20, 33 oder 50 % der Stimm- oder Kapitalanteile berühren oder überschreiten oder die das Kreditinstitut zur Filiale werden lassen. Für Emittenten, deren Wertpapiere an einem geregelten Markt gehandelt werden, gelten zudem die spezifischen Vorgaben der Art. 8 ff. des Gesetzes vom 11. Januar 2008 über Transparenzanforderungen. Sowohl die Referenzaktionäre als auch die Mitglieder der Verwaltung, der Unternehmensführung und der Aufsicht müssen die Voraussetzungen von Ehrenhaftigkeit und geforderter Berufserfahrung erfüllen. Wenn der Einfluss der betreffenden Personen die gesunde und gründlich Unternehmensführung gefährdet, kann die CSSF die notwendigen Maßahmen ergreifen, insbesondere kann sie Suspendierungen aussprechen und die betreffenden Personen mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 125,bis 12.500,- Euro belegen (Art. 6 (8) Bankgesetz). Das Institut muss in Bezug auf die von ihm geplanten Tätigkeiten über eine gewisse finanzielle Grundausstattung verfügen (Banken müssen ein Grundkapital von mindestens 8.700.000 EURO nachweisen, von denen 6.200.000 EURO verfügbar sein müssen [Art. 8 (1) des Bankgesetzes]. Für andere PSF wurde die Mindestkapitalgrenze im Zuge der europäischen Vereinheitlichung gesenkt: soll die Zulassung die Verwaltung fremder Gelder einschließen, beträgt die Mindestreserve 125.000,- Euro, anderenfalls nur 50.000,- Euro, Art. 20 Bankgesetz). Zudem sind alle einer externen Kontrolle durch Revisoren unterworfen, die vom Institut des Réviseurs d’Entreprises (Institut der Unternehmensrevisoren) zugelassen wurden. Jedes luxemburgische Kreditinstitut und jede luxemburgische Wertpapierfirma muss außerdem an einem von der CSSF anerkannten Einlagensicherungssystem teilnehmen (siehe Art. 22-1 und Teile IV, IV bis, IV ter des Bankgesetzes). Nach dem Gesetz muss die Einlagensicherung alle Einlagen ein und desselben Einlegers bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EURO abdecken, unaghängig davon ob es sich dabei um eine natürliche oder eine juristische Person handelt, entsprechend der EG-Verordnung Nr. 1103/97 vom 17. Juni 1997 (vgl. Art. 62-2 (2) und (3) Bankgesetz). Die Einleger von Niederlassungen einer luxemburgischen Bank in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union werden nicht vom luxemburgischen Einlagensicherungssystem erfasst. Eine ausländische Niederlassung kann sich jedoch einem Sicherungssystem im Aufnahmestaat anschließen, um die Sicherung zu vervollständigen und sie auf das gleiche Niveau wie die anderen in diesem Land befindlichen Kreditinstitute zu bringen. Will ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Unternehmen ein Tochterunternehmen oder eine Filiale in Luxemburg eröffnen, muss die CSSF vor Erteilung der Zulassung die zuständige Behörde des Herkunftsstaates konsultieren (Art. 15 (4) Bankgesetz).
7
Sollte eine der wesentlichen Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sein, kann die Zulassung nach Anhörung widerrufen werden. Bei der Anhörung kommt der CSSF aufgrund ihrer Funktion als Aufsichtsorgan im Finanzsektor naturgemäß eine besonders wichtige Rolle zu. Die Zulassung wird widerufen, wenn sie durch Falschangaben oder
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2601
sonstige rechtswidrige Mittel erlangt wurde oder wenn das Kreditinstitut den Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nicht mehr nachkommen kann. Die CSSF darf nicht durch enge Verbindungen an der Ausübung der Überwachung gehindert sein, insbesondere nicht, wenn durch diese Verbindungen gesetzliche Regelungen eines Drittlandes anzuwenden sind, die die Überwachung stören. Eine Zulassung kann dann nicht erteilt werden bzw. ist zu widerrufen. Luxemburgische Banken, die ihre Tätigkeit aufgrund des Europäischen Passes auch in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausüben wollen (sei es durch eine Niederlassung [sollte die Bank geneigt sein, eine Niederlassung im Ausland zu eröffnen, so muss die Bank vorher eine Genehmigung der CSSF einholen, die für die Gründung oder den Kauf von Filialen, Niederlassungen oder Zweigstellen erforderlich ist, egal, ob es dabei um die Errichtung im eigenen Land oder im Ausland geht geht, vgl. Art. 3 (5) Bankgesetz] oder durch Angebot von Dienstleistungen), müssen dies vorher der luxemburgischen Bankenaufsicht gemäß den in Art. 33 und 34 des Bankgesetzes beschriebenen Modalitäten anzeigen. In Übereinstimmung mit den europäischen Regelungen wird die Bankenaufsicht über die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ausgeübte Tätigkeit durch die CSSF als zuständige Einrichtung des Herkunftslandes ausgeübt. In einem solchen Fall arbeitet die CSSF stets mit den verantwortlichen Behörden des Aufnahmestaates zusammen, gegebenenfalls per memoranda of understanding. Jedenfalls teilt sie der Aufsichtsbehörde des Aufnahmestaates die Ausübung der Tätigkeit durch ein luxemburgisches Unternehmen mit (Art. 34 (1) a.E. Bankgesetz). Umgekehrt können auch Kreditinstitute und Wertpapierfirmen aus anderen Mitgliedstaaten zum luxemburgischen Finanzsektor zugelassen werden. Sie können ihre Aktivitäten im Wege der Zweigniederlassung oder als Dienstleistung ausüben, wenn diese Tätigkeit durch ihre jeweilige Zulassung abgedeckt ist und zu den in Anhang I oder Anhang II, Abschnitt A oder C Finanzmarktgesetz (das den Vorgaben der Richtlinie entspricht) genannten Tätigkeiten gehört. Nebendienstleistungen können sie allerdings nur erbringen, soweit sie mit der Hauptdienstleistung zusammenhängen. Sie bedürfen dafür keiner Genehmigung durch die luxemburgischen Behörden. Wird ein in Luxemburg ansässiger vertraglich gebundener Vermittler eingeschaltet, wird dieser einer luxemburgischen Zweigniederlassung gleichgestellt (Art. 30 Bankgesetz). Dies gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch für Geldinstitute (Art. 31 Bankgesetz). Die anderen im Finanzsektor Tätigen, also diejenigen dem luxemburgischen Recht unterstehenden Personen, die zwar gewerbsmäßig, aber nicht in Form eines Kreditinstitutes, einer Tätigkeit im Finanzsektor nachgehen, sind ähnlichen Zulassungsbedingungen unterworfen, wenngleich diese von Fall zu Fall weniger streng sind, vor allem hinsichtlich des Grundkapitals. Namentlich zählen zu den PSF die „Wertpapierfirmen“, also andere Gewerbetreibende auf dem Finanzsektor, die gewerbsmäßig eine Tätigkeit ausüben, die darin besteht, Dritten Investitionsleistungen über Wertpapierdienstleistungen zu erbringen und die daher von einem Europäischen Pass profitieren können. Das Gesetz unterscheidet je nach Tätigkeitsfeld verschiedene Kategorien von PSF: Anlageberater (Art. 24 Bankgesetz, näheres s.u.), Finanzmakler (Art. 24-1 Bankgesetz), Kommissionäre (Art. 24-2 Bankgesetz), Vermögensverwalter (Art. 24-3 Bankgesetz), selbstständige Gewerbetreibende (Art. 24-4 Bankgesetz), Marketmaker (Art. 24-5 Bankgesetz), Abnehmer („preneur“) von Finanzinstrumenten (Art. 24-6 Bankgesetz), Verteiler von Anteilen von OGA (Art. 24-7 Bankgesetz), Finanzvermittlungsgesellschaften (Art. 24-8 Bankgesetz), Wertpapierfirmen, die ein MTF in Luxemburg betreiben (Art. 24-9 Bankgesetz), „agents teneurs de registre“ (Art. 25 Bankgesetz), „dépositaires professionells d’instruments financiers“ (Art. 26 Bankgesetz), Betreiber eines geregelten Marktes (Art. 27 Bankgesetz).
Micklitz/Böhnlein
8
2602
9
10
11
12
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Das Finanzmarktgesetz beschäftigt sich in Art. 26 ferner mit dem Begriff des systematischen Internalisierers. Dieser wird identisch mit der Richtlinie definiert als eine Wertpapierfirma, die in organisierter und systematischer Weise häufig regelmäßig Handel für eigene Rechnung durch Ausführung von Kundenaufträgen außerhalb eines geregelten Marktes oder MTF betreibt (s. dazu unten Punkt E. Organisation des Handels). Der Vollständigkeit halber seien noch drei besondere Tätigkeitsbereiche erwähnt, die genauso wie die Banken und die PSF einer Zulassung bedürfen. Es handelt sich um Hypothekenbanken (die sehr detaillierte Regelung dieser Tätigkeit wurde durch Art. 12-1 bis 12-9 des Bankgesetzes auf der Grundlage des Gesetzes vom 21. November 1997 unternommen), Einrichtungen über elektronische Zahlungsmittel (siehe Art. 12-10 bis 12-15 des Bankgesetzes [auf der Grundlage des Gesetzes vom 14. Mai 2002]) und Zahlungssysteme sowie Wertpapierhandelssysteme (siehe Art. 34-2 bis 34-7 des Bankgesetzes; in diese Kategorie fällt auch das System Clearstream, welches das maßgebliche System für die Abrechnung von Wertpapieren in Luxemburg ist). 2. Der Kampf gegen die Geldwäsche. Angesichts des internationalen Charakters des Finanzplatzes Luxemburg waren die luxemburgischen Behörden bemüht, Maßnahmen gegen die Geldwäsche zu ergreifen, die zum einen höchsten Standards entsprechen und die sich an den 40 Empfehlungen GAFI (Groupe d’Action Financière gegen Geldwäsche. Verabschiedet 1990 und geändert 1996 wurden die Empfehlungen weiteren Überprüfungen unterworfen. Zur alten Rechtslage vgl. noch Dietrich, S. 14, der die Vorteile des luxemburgischen Bankgeheimnisses herausstreicht) sowie den europäischen Richtlinien über die Bekämpfung von Geldwäsche ausrichten (zur europäischen Rechtslage vgl. Muller, a.a.O.). a) Gesetzliche Grundlage der Maßnahmen gegen die Geldwäsche. Die gesetzliche Grundlage für den Kampf gegen die Geldwäsche auf dem Finanzsektor findet sich in Art. 39 bis 40 des Bankgesetzes. Diese Vorschriften setzen die Richtlinie 91/308/EWG vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche um, sowie die Richtlinie 2001/97/ EG, die allerdings zum großen Teil bereits durch das Gesetz vom 11. August 1998 vorweggenommen wurde, welches vor allem andere Gewerbetreibende außerhalb des Finanzsektors dem Vorsorgemechanismus und dem Aufdeckungsmechanismus hinsichtlich Geldwäsche unterwirft. Im einzelnen werden Versicherungen, Notare, Casinos und Glücksspielstätten, Unternehmensrevisoren und Buchhalter (vgl. speziell hierzu das Gesetz vom 10. Juni 1999) erfasst. Die gesetzlichen Regelungen werden durch Rundschreiben der Bankenaufsicht ergänzt, die vor allem dazu dienen, die Pflichten der Gewerbetreibenden im Finanzsektor hinsichtlich der Geldwäsche zu präzisieren (unter der Vielzahl von Rundschreiben, die von der Bankenaufsicht auf diesem Gebiet erlassen wurden, sollen lediglich die zwei wichtigsten erwähnt werden, nämlich das Rundschreiben IML 94/112 vom 25. November 1994, dessen Anwendungsbereich durch das Rundschreiben BCL 98/153 vom 24. November 1998 erweitert wurde und das Rundschreiben CSSF 01/40 vom 14. November 2001, welches die Verpflichtungen der Gewerbetreibenden im Finanzsektor genauer ausgeführt hat). Der Prozess wurde abgeschlossen durch das Gesetz vom 12. November 2004 über den Kampf gegen Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus. b) Definition von Geldwäsche. Das Geldwäschegesetz definiert Geldwäsche lakonisch, nämlich durch simplen Verweis auf die entsprechenden Vorschriften im Strafrecht. Es handelt sich dabei um Art. 506-1 des Code pénal (diese Vorschrift wurde in das luxemburgische Strafgesetzbuch durch das Gesetz vom 11. August 1998 eingeführt, welches als vorrangiges Ziel die Definition des Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz hatte) sowie um das Gesetz vom 19. Februar 1973 über den Kampf gegen Rauschgift.
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2603
Das Vergehen der Geldwäsche besteht in der Verschleierung der Herkunft finanzieller Mittel, die Gegenstand oder Ergebnis einer der folgenden kriminellen Aktivitäten (Ersttaten vor Geldwäsche) sein muss:
13
– Terroristischer Anschlag; – Verbrechen oder Vergehen, das im Rahmen oder in Verbindung mit einer kriminellen Vereinigung oder eines organisierten Verbrechens begangen wurde; – Entführung Minderjähriger; – Sexueller Missbrauch von Minderjährigen; – Zuhälterei; – Subventions- und Sozialbetrug (letztlich geht es um sämtliche Formen von Zuschüssen) – Korruption; – Verstoß gegen Waffengesetze; – Verstoß gegen das Gesetz über den Kampf gegen Rauschgift (Drogenhandel). Ebenso begeht das Delikt der Geldwäsche, wer sich aus einer der genannten Aktivitäten einen vermögensrechtlichen Vorteil verschafft. Im Gegensatz zu manch anderen europäischen Staaten wird in Luxemburg das Vergehen der Geldwäsche genau definiert in Bezug auf bestimmte Vergehen, die durch das Gesetz eng definiert und abschließend aufgezählt werden. Da es sich um ein Vergehen handelt, ist Vorsatz als subjektives Element eine notwendige Voraussetzung der Ersttaten. Art. 506-1 des Code pénal verlangt diesbezüglich, dass der Täter „bewusst“ die falsche Angabe über die kriminelle Herkunft der Güter ermöglicht haben muss bzw. „bewusst“ am Inverkehrbringen, an der Verschleierung oder der Umwandlung dieser Güter mitgewirkt haben muss, um sich einer Geldwäsche schuldig gemacht zu haben. In diesem Fall sind die Strafen hoch: das Gesetz sieht Freiheitsstrafe von 1 bis 5 Jahren vor und/oder Geldstrafe in Höhe von 1.250 bis 1.250.000 EURO. Nach der luxemburgischen Rechtsprechung (Cour d’Appel de Luxembourg: Chambre du Conseil, 10. August 1990, Bulletin Droit et Banque Nr. 117, 42-44, Anm. Kinsch; es handelte sich in diesem Fall um Geld, das durch Handel mit Betäubungsmitteln erworben worden war) ist Geldwäsche in Luxemburg auch dann strafbar, wenn die Ersttat, deren Ergebnis in einer Finanzeinrichtung in Luxemburg gewaschen wurde, im Ausland begangen wurde. Ziel der Gesetzgebung ist, den Finanzplatz Luxemburg zu schützen und zu vermeiden, dass Geldmittel in die luxemburgischen Banken gelangen, die von einem Verbrechen im Ausland stammen.
14
15
c) Verpflichtungen der Kreditinstitute und der Gewerbetreibenden im Finanzsektor hinsichtlich des Kampfes gegen Geldwäsche. Der PSF, der in Missachtung seiner beruflichen Verpflichtungen, also durch einfache Fahrlässigkeit, zu Geldwäsche-Aktionen beigetragen hat, wird von Art. 506-1 Code pénal nicht erfasst, da er keinen Vorsatz zur Geldwäsche hatte. Er muss daher nicht mit einer Freiheitsstrafe rechnen, setzt sich aber der Gefahr einer Geldstrafe aus, die bis zu 125.000 EURO betragen kann (Art. 9 des Geldwäschegesetzes hinsichtlich Verstößen gegen Art. 3 bis 8 dieses Gesetzes; näheres s.u.).
16
Die Pflichten des Bankiers auf dem Gebiet der Geldwäsche, die durch die oben erwähnten luxemburgischen Regelungen definiert werden, lassen sich in die folgenden vier Gruppen einteilen:
17
aa) Verpflichtung, den Kunden zu kennen (Art. 3 Geldwäschegesetz). Der Bankier muss, bevor er eine Geschäftsbeziehung mit einem neuen Kunden eingeht, eine vollständige Identifizierung des Kunden vornehmen und diese sorgfältig dokumentieren. Diese
18
Micklitz/Böhnlein
2604
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob der Geschäftspartner des Bankiers eine natürliche oder eine juristische Person ist. Sollte der Bankier es mit einer zwischengeschalteten juristischen Person zu tun haben bzw. die Person in der Lage sein, als Schutzschild zu wirken (holding, Anstalt, trust…) oder mit einer Person, die nicht in eigenem Namen und für eigene Rechnung handelt, muss er zudem den wirtschaftlich Berechtigten, also den eigentlichen Geschäftsherrn identifizieren und dessen Daten genauso sorgfältig dokumentieren wie die des Kontoinhabers. Diese Regel findet auch dann Anwendung, wenn der Bankier eine Geschäftsbeziehung zu einem Gewerbetreibenden eingeht, dessen Tätigkeit es normalerweise mit sich bringt, dass er Gelder eines Dritten bei einer Bank verwahrt (Bsp: Rechtsanwalt, Notar). Der Bankier muss sich dann darüber informieren, ob sein Vertragspartner für eigene oder fremde Rechnung handelt. Je nach Fall wird der Bankier sich bemühen, alle Informationen zu erhalten, die er für notwendig erachtet, um ausschließen zu können, dass die Geschäftsbeziehung nicht der Geldwäsche dient. Die Daten, die für die Identifizierung des Kunden erforderlich sind, müssen seitens der Bank mindestens fünf Jahre nach Beendigung der Geschäftsbeziehungen gespeichert werden. 19
Bei Gelegenheitskontakten (Schaltergeschäften) ist der Bankier nur gehalten, die Identität des Kunden zu überprüfen, wenn der Betrag der Transaktion 15.000 EURO (der Betrag kann durch großherzogliche Verordnung geändert werden) und mehr beträgt. Dies gilt allerdings unabhängig davon, ob die Transaktion in einem einzigen Mal oder gestaffelt durchgeführt wird, sofern zwischen den Staffelungen eine Verbindung zu existieren scheint. Schöpft der Bankier jedoch den Verdacht, dass bei einer Transaktion Geld gewaschen wird, so muss er unabhängig von der Höhe des Betrages alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Die Verpflichtung gilt nicht gegenüber Finanzinstituten, die einer vergleichbaren Verpflichtung unterworfen sind. Bei Geschäften mit Abwesenden müssen die Unternehmen entsprechende geeignete Maßnahmen treffen, um die Identifizierung abzusichern und die Risiken im Hinblick auf Geldwäschetatbestände abzuwägen.
20
bb) Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den Behörden (Art. 5 Geldwäschegesetz). Den Bankier trifft vor allem die allgemeine Verpflichtung, auf Verlangen der Behörden, die mit der Anwendung der Gesetze über Geldwäsche betraut sind, Rede und Antwort zu stehen sowie vollumfänglich zu kooperieren. Hier ist der Staatsanwalt des Bezirksgerichts Luxemburg die verantwortliche Behörde. Die Banken müssen ausnahmslos mit dem Staatsanwalt zusammenarbeiten und können ihm in diesem Zusammenhang auch nicht das Bankgeheimnis entgegenhalten.
21
Im übrigen bestimmt das Gesetz, dass die Bankiers und andere Gewerbetreibende im Finanzsektor den Staatsanwalt immer dann aus eigener Initiative darüber informieren müssen, wenn sie mit einer Tatsache konfrontiert werden, die ihnen als Hinweis auf Geldwäsche erscheint. Spontane Äußerungen eines Verdachts werden an den Staatsanwalt (Abteilung Wirtschaftskriminalität – Geldwäsche) gerichtet. Die Information muss gleichzeitig auch an die CSSF weitergeleitet werden. Das Gesetz enthält eine besondere Schutzvorschrift zugunsten des Bankiers hinsichtlich der Verletzung des Bankgeheimnisses, die dann Anwendung findet, wenn der Bankier spontan den Verdacht der Geldwäsche äußert und nachher dafür zur Rechenschaft gezogen werden soll, dass er das Bankgeheimnis verletzt hat.
22
cc) Verpflichtung zur entsprechenden Einrichtung von internen Abläufen (Art. 4 a) Geldwäschegesetz). Darüber hinaus sieht Art. 4 a) Geldwäschegesetz vor, dass jeder Finanzdienstleister einen Plan zur Bekämpfung der Geldwäsche aufstellen muss, der Richtlinien, interne Abläufe und Kontrollen mit einschließt, um vorzusorgen und um die
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2605
Umsetzung von Geschäften im Zusammenhang mit Geldwäsche zu verhindern. Die Vorschrift bezieht sich insbesondere auf den Abschluss von Geschäften mit Abwesenden. dd) Dies beinhaltet auch die Verpflichtung, seine Angestellten auszubilden (Art. 4 b) Geldwäschegesetz). Die Bekämpfung von Geldwäsche erfordert die Zusammenarbeit aller Angestellten und vor allem derjenigen, die Kunden akquirieren bzw. Transaktionen überwachen sollen. Daher ist es erforderlich, dass die Angestellten die anwendbaren Regeln kennen und über ihre Verpflichtungen bei der Bekämpfung von Geldwäsche so aufgeklärt werden, dass sie sich der Wichtigkeit ihres Beitrages bewusst sind. Die Banken sind daher verpflichtet, ein Programm zur Sensibilisierung zu erstellen. Sie müssen auch bestimmte Schulungsmaßnahmen organisieren und diese Schulungen immer wieder auf den neuesten Stand bringen, damit alle ihre Angestellten stets hinreichend sensibilisiert sind und ihre Verpflichtungen auf dem Gebiet kennen.
23
3. Die Verhaltensregeln des Finanzsektors. Art. 37 ff. des Bankgesetzes beschreiben die Verpflichtungen, die den Bankier und jeden PSF als Verhaltensregel treffen. Art. 37 beschränkte sich darauf, die sieben Regeln des Art. 11 der Richtlinie 93/22/EWG über Wertpapierdienstleistungen wiederzugeben. Im Gegensatz zur Rechtslage bis zum November 2007 gelten diese Regeln nun grundsätzlich gegenüber allen Vertragspartnern, nicht nur gegenüber privaten Anlegern. Die folgenden Artikel nennen weitere Pflichten. Generell müssen Wertpapier- und Nebendienstleistungen ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse der Kunden erbracht werden (Art. 37-3 (1) Bankgesetz). So müssen den Kunden angemessene Informationen in verständlicher Weise über das Unternehmen und seine Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden, ebenso wie über die Finanzinstrumente und vorgeschlagenen Anlagestrategien, was auch geeignete Leitlinien und Warnhinweise beinhaltet, außerdem über die Ausführungsplätze und Kosten. Ferner trifft den jeweiligen Erbringer einer Finanzdienstleistung die Pflicht, sich über die Erfahrungen und Kenntnisse des Kunden hinsichtlich der angestrebten Finanzdienstleistung zu informieren und anhanddessen zu evaluieren, ob die geplanten Finanzinstrumente für diesen geeignet sind. Sind sie dies nicht oder macht der Kunde keine hinreichenden Angaben, muss er gewarnt werden. Es sind Aufzeichnungen zu führen und dem Kunden zur Verfügung zu stellen und dem Kunden ist über die erbrachten Dienstleistungen und die damit verbundenen Kosten Bericht zu erstatten (Art. 37-3 (2) – (8) mit Ausführungsvorschriften in der großherzoglichen Verordnung vom 13.07.2007 über organisatorische Anforderungen und Verhaltensregeln des Finanzsektors und zur Umsetzung der RiL 2006/73/ EG). Daneben gilt grundsätzlich die Verpflichtung zur kundengünstigsten Ausführung von Aufträgen (Art. 37-5).
24
Hierbei sind jedoch ausdrückliche Ausnahmen zu beachten, nämlich die der Geschäfte mit geeigneten Gegenparteien (Art. 37-7). Dies sind insbesondere sämtliche Parteien, für die das Gesetz ebenfalls gilt. Daneben aber auch OGAW, Pensionsfonds (und deren jeweilige Verwaltungsgesellschaften), entsprechende Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten sowie nationale Regierungen und öffentliche Stellen, Zentralbanken und supranationale Organisationen. Daraus ergibt sich eine abgestufte Verpflichtung zum Schutz des Vertragspartners, die letztlich zu einer Dreiteilung in die Kategorien „Retailkunden“, professionelle Kunden (Def. s. Art. 1 Nr. 1ter) und 1quater) Finanzmarktgesetz sowie Anhang II der Finanzmarktrichtlinie) und geeignete Gegenparteien führt. Bei schweren Verstößen gegen diese Wohlverhaltenspflichten kann die Zulassung zum Finanzsektor entzogen werden (Art. 23 (4) Bankgesetz).
25
Die Verordnung vom 13.07.2007 über die organisatorischen Anforderungen erklärt genauer, wie jede einzelne dieser sieben Verhaltensregeln anzuwenden ist (s.a. Rundschrei-
26
Micklitz/Böhnlein
2606
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
ben CSSF 2007/307 vom 31.07.2007). Weiter unten (Titel III, Kapitel 2 und 3) werden einige Anwendungsfälle dieser Regeln auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung und der Investitionsberatung dargestellt. 27
Auch für das eventuelle Auftreten von Interessenskollissionen sind Vorkehrungen zu treffen, Art. 37-1 (2), 37-2 Bankgesetz i.V.m. Art. 23 ff. der Verordnung über organisatorische Anforderungen.
28
4. Das Bankgeheimnis. Art. 41 des Bankgesetzes verbindet das Berufsgeheimnis der im Finanzsektor Tätigen mit Art. 458 des Code pénal. Diese Vorschrift, die die Grundnorm zum Berufsgeheimnis darstellt, lautet wie folgt: „Ärzte, Chirurgen, Angestellte im Gesundheitswesen, Apotheker, Hebammen und alle anderen Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit oder Stellung Geheimnissträger sind, werden mit Freiheitsstrafe von 8 Tagen bis zu 6 Monaten und einer Geldstrafe in Höhe von 500 EURO bis 5.000 EURO bestraft, wenn sie diese Geheimnisse preisgeben, es sei denn, dass sie als Zeugen vor Gericht aussagen müssen oder sie gesetzlich zur Offenbarung verpflichtet sind.“
29
Das Bankgesetz definiert das Berufsgeheimnis im Finanzsektor und zieht insbesondere hinsichtlich des Bankgeheimnisses gewisse Grenzen: – Das Bankgeheimnis ist dann nicht mehr zu beachten, wenn die Auskunftserteilung gestattet oder sogar gesetzlich verlangt wird (vor allem auf dem Gebiet der Bekämpfung der Geldwäsche). – Das Bankgeheimnis kann nicht den Aufsichtsorganen entgegengehalten werden, die im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse in der Ausübung eben dieser Aufsichtsverpflichtung handeln. – Das Bankgeheimnis kann nicht den Referenzaktionären und Referenzteilhabern (diejenigen, die einer Zulassung durch die CSSF bedurften) entgegengehalten werden, sofern diese Auskunft für eine ordentliche und sorgfältige Geschäftsführung der Bank erforderlich ist.
30
Hinzu kommen die Ausnahmen aus dem allgemeinen Recht bezüglich des Bankgeheimnisses. Eine davon ist die Zeugenaussage vor Gericht. Werden Personen, die dem Berufsgeheimnis unterliegen, als Zeugen benannt und geladen, müssen sie vor Gericht aussagen, können dazu jedoch nicht gezwungen werden. Da sie als Träger eines Geheimnisses im gesetzlichen Sinn angesehen werden (was bei Bankiers aufgrund von Art. 41 des Bankgesetzes der Fall ist), sind sie befugt selbst zu entscheiden, ob sie aussagen oder schweigen wollen. Dies gilt selbst dann, wenn sie von ihrer Geheimhaltungspflicht durch ihren Mandanten ausdrücklich entbunden sind (Cour de Cassation, 21 mars 1957, Pasicrisie, Band 17, 43; Cour d’appel de Luxembourg, 3 novembre 1976, Pas., Band 23, 469; Cour d’appel de Luxembourg, 6 juin 1961, Pas., Band 18, 351; durch das Gesetz vom 23. Dezember 1998). Mit anderen Worten obliegt es dem Bankier, nach seinem Gewissen darüber zu entscheiden, ob er sein Geheimnis preisgibt und antwortet. Daneben gibt es noch weitere Ausnahmen des allgemeinen Rechts, von denen die bekanntesten diejenigen sind, die sich auf die Pflichtteilsberechtigten des Erblasser-Mandanten und auf die gerichtlichen Streitigkeiten beziehen.
31
Die Frage von Zeugenaussagen vor Gericht betreffend gab es nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 10. Dezember 2002 in Lehre und Rechtsprechung lebhafte Diskussionen. Diese Entscheidung beschäftigte sich in einem Vorlageverfahren mit der Frage eines belgischen Gerichts in der strafrechtlichen Affäre der Weduwe. Bei dieser Gelegenheit führte die luxemburgische Regierung näher aus, dass das Bankgeheimnis nicht nur dann Anwendung findet, wenn sich der Bankier im eigenen Land befindet, sondern auch im Ausland (extraterritoriale Geltung des Bankgeheimnisses). Wird der Ban-
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2607
kier als Zeuge bei einem ausländischen Gericht benannt und geladen, finden die luxemburgischen Regeln über Berufsgeheimnisse Anwendung, und zwar genauso, wie wenn der Bankier vor einem nationalen Gericht als Zeuge aussagen müsste. Ein luxemburgischer Bankier, der seine beruflichen Pflichten im Ausland verletzt, kann strafrechtlich mit den Strafen des Art. 458 des luxemburgischen Code pénal belangt werden. Das Bankgeheimnis gehört zu den Regeln des ordre public, so dass der Bankier davon nicht durch eine allgemeine Befreiungserklärung seines Mandanten entbunden werden kann. Eine Entscheidung des Cour d´Appel de Luxembourg (Berufungsgericht) vom 2. April 2003 hat die Qualifizierung als Regel des ordre public bestätigt und dem hinzugefügt, dass es sich dabei um eine obligation de résultat handelt, also um eine ergebnisorientierte Pflicht. Das Gericht hat jedoch nicht die Grenzen und die genauen Umrisse dieser Pflicht beschrieben, die immerhin enorme Folgen für die Bankiers nach sich ziehen kann. II. Die Überwachung des Bankensektors. 1. Die Aufsichtsbehörden. Nach luxemburgischem Recht wird die Aufsicht des Finanzsektors durch die Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) wahrgenommen (Art. 30 ff. Finanzmarktgesetz), die ihrerseits dem Minister untersteht, der für den Finanzplatz verantwortlich ist (zur früheren Zuständigkeit Voß, S. 79, 115; Kolb, S. 223). 2. Ziel der Aufsicht und Aufgaben der CSSF. Die Regeln über die Aufsicht haben zum Ziel, eine ordentliche und sorgfältige Geschäftsführung der Kreditinstitute zu erreichen und zu erhalten. Es obliegt der CSSF, sich der Anwendung der auf dem Gebiet des Finanzsektors anwendbaren Gesetze und Regeln durch die ihrer Aufsicht unterstehenden Personen zu vergewissern. Die CSSF führt ihre Aufgabe ausschließlich im öffentlichen Interesse durch, nicht im Interesse der Gesellschaften und einzelner Personen. Auf internationaler Ebene muss die CSSF außerdem darüber wachen, dass internationale Abkommen und das Gemeinschaftsrecht eingehalten werden. Dieser Teil ihrer Aufgaben wird durch Austausch von Informationen, Mitteilungen und Vereinbarungen zur Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden der anderen Mitgliedstaaten erfüllt. 3. Kompetenzbereich der Aufsicht. Der Kompetenzbereich der Aufsicht durch die CSSF bestimmt sich vor allem durch die Personen, die ihrer Kontrolle unterliegen. Es handelte sich dabei in erster Linie um die Kreditinstitute. Daneben unterliegen der Aufsicht auch Finanzinstitute, andere Gewerbetreibende des Finanzsektors sowie Zahlungssysteme und Wertpapierhandelssysteme. Seit dem Gründungsjahr der CSSF im Jahre 1998 wurde die Aufsichtsbehörde mit mehr Kompetenzen ausgestattet, die sich auf die Aufsicht über die OGA und die Börsen sowie die Aufsicht über die Kreditmärkte erstrecken. Die CSSF hat damit die früheren Aufsichtskompetenzen der Börsenaufsicht (commissariat aux bourses) sowie die der luxemburgischen Zentralbank übernommen. Durch die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie erstreckt sich die Kompetenz auch auf Wertpapierfirmen, geregelte Märkte und MTF. Die CSSF ist also für den gesamten Markt der Finanzinstrumente und seine Teilnehmer zentrale Überwachungsbehörde (Art. 30 (1) Finanzmarktgesetz). Sie ist auch der zentrale Kontaktpunkt im Sinne der Finanzmarktrichtlinie, wenn Fragen der internationalen Zusammenarbeit betroffen sind (Art. 30 (2) Finanzmarktgesetz). Gemäß den Regeln der Zweiten Bankenrichtlinie vom 15. Dezember 1989 übt die CSSF ihre Aufsicht über die Tätigkeit von „Kredit- und Finanzinstituten“ in Luxemburg aus, sowohl soweit diese ihre Aktivitäten auf luxemburgischem Hoheitsgebiet ausüben als auch, wenn sie von Luxemburg aus in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Niederlassung gründen oder Dienstleistungen anbieten. Dies gilt nunmehr für alle PSF.
Micklitz/Böhnlein
32
33
34
35
36
2608
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
37
Umgekehrt obliegt es der Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaates, die Tätigkeit eines Kreditinstitutes oder eines Investitionsunternehmens eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union auf luxemburgischem Gebiet gemäß dem Prinzip der „home country control“ zu überwachen. Nach den europäischen Regeln behält die CSSF jedoch die Befugnis, Maßnahmen zur Verhütung oder Ahndung von Verhaltensweisen auf luxemburgischem Hoheitsgebiet zu ergreifen, die gegen Verhaltensregeln des Finanzsektors bzw. gegen luxemburgisches Recht verstoßen, das dem öffentlichen Interesse dient, Art. 35 Finanzmarktgesetz. Die CSSF ist generell zuständig für Fragen der grenzüberschreitenden Kontrolle (Artt. 44-1 bis 44-3 Bankgesetz).
38
4. Die Aufsicht auf konsolidierter Basis. Das Bankgesetz organisiert die Aufsicht über Kreditinstitute auf konsolidierter Basis (siehe Teil III, Kapitel 3 des Gesetzes). Die konsolidierte Aufsicht gehört zu den Kompetenzen der CSSF und betrifft jedes luxemburgische Kreditinstitut, das eine inländische oder ausländische Filiale oder eine Teilhabe an einem Finanzinstitut unterhält. Die konsolidierte Aufsicht beinhaltet zumindest die Aufsicht über die Solvenz sowie die Beurteilung darüber, ob im Verhältnis zum Risiko des betroffenen Marktes genügend Finanzmittel vorhanden sind und die Kontrolle der großen Risiken abdeckt. Die Konsolidierung kann vollständig sein oder auch nur im Verhältnis zum Umfang der Kontrolle, die durch das Mutterunternehmen ausgeübt wird, erfolgen. Falls sich herausstellen sollte, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht genau eingehalten werden, entscheidet die CSSF darüber, ob eine Konsolidierung erfolgen muss, und wenn ja, in welcher Form. Im letzten Fall kann sie insbesondere die Verwendung der Ausgleichsmethode erlauben bzw. sogar vorschreiben, was die Unternehmen in die Aufsicht auf konsolidierter Basis nicht einschließt. 5. Die Mittel der Aufsicht. Das Gesetz gibt der CSSF einige Mittel zur Ausübung der Aufsicht an die Hand. Hier werden nur die wichtigsten vorgestellt. Die CSSF erstellt zunächst einmal die offiziellen Listen der Kreditinstitute und anderer Finanzdienstleister, die ihre Tätigkeit in Luxemburg ausüben dürfen. Die Nennung auf diesen Listen bedeutet automatisch die Zulassung für die gewünschte Tätigkeit. Die Personen auf den Listen haben sozusagen das Monopol für die entsprechende Tätigkeit. Daher kann niemand im Finanzsektor eine Tätigkeit aufnehmen, sofern er sich nicht auf der Liste der Kreditinstitute bzw. PSF befindet. Dieses Verbot wird strafrechtlich von hohen Strafen begleitet, nämlich Freiheitsstrafe von 8 Tagen bis zu 5 Jahren und/oder einer Geldstrafe in Höhe von 5.000 bis 125.000 EURO (Art. 64 Bankgesetz). Ausnahmen sind hinsichtlich der im Wege des Herkunftlandsprinzips zugelassenen Personen zu berücksichtigen. Im übrigen hat die CSSF ein unbegrenztes Recht, Bücher, Konten und Register sowie jedes Dokument der zu beaufsichtigenden Personen zu kontrollieren. Die CSSF kann zudem von den Gewerbetreiben des Finanzsektors und allen anderen Personen verlangen, ihr all die Auskünfte zu erteilen, die sie für die Ausführung ihrer Aufgabe für bedeutsam hält (Art. 31 Finanzmarktgesetz). Das luxemburgische Recht hat für die Aufsicht ein System der direkten Zusammenarbeit zwischen den Revisoren der Unternehmen und der CSSF. Die Revisoren sind gesetzlich dazu verpflichtet, der CSSF unverzüglich die Dinge anzuzeigen, von denen sie während der jährlichen Kontrolle der Konten eines Kreditinstitutes Kenntnis erlangen und die eine schwerwiegende Verletzung der gesetzlichen Vorschriften darstellen bzw. der kontinuierlichen beruflichen Betätigung im Finanzsektor schaden könnten. Die CSSF selbst kann einen Unternehmensrevisor beauftragen, bei einem Gewerbetreibenden des Finanzsektors Kontrollen für sie durchzuführen, deren Kosten der Gewerbetreibende zu tragen hat.
39 40
41
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2609
Es obliegt der CSSF, Regeln hinsichtlich des Inhaltes, der Hinterlegung und der Veröffentlichung von Buchhaltungsdokumenten derjenigen aufzustellen, die ihrer Aufsicht unterliegen. Sie legt die Koeffizienten der Struktur der Kreditinstitute sowie der anderen PSF fest, wie zum Beispiel den Solvabilitäts-Koeffizienten (Ratio CAD) oder den Liquiditäts- Koeffizienten. Dies geschieht durch Rundschreiben (grundlegend Rundschreiben CSSF 2000/12 und 2001/50, die die ratio des Eigenkapitals festlegen, in Anwendung von Art. 56 des Gesetzes über den Finanzsektor [ratio CAD]). Schließlich kann die CSSF Unterlassung von den Personen verlangen, die die gesetzlichen Vorschriften oder Verordnungen des Finanzsektors missachten, sowie für den Fall, dass die Geschäftsführung oder die finanzielle Situation eines PSF keine ausreichenden Garantien dafür bieten, dass er seinen Verpflichtungen nachkommen können wird. Im Fall eines schwerwiegenden Verstoßes hat die CSSF das Recht, die Mitglieder der Geschäftsführung bzw. der Verwaltung vorübergehend zu suspendieren. Sie kann außerdem die Stimmrechte des Referenzaktionärs eines Kreditinstitutes vorläufig aufheben. Schließlich kann sie auch dem Kreditinstitut oder allen sonstigen PSF vorübergehend die Ausübung ihrer Tätigkeit oder eines Teils seiner Tätigkeiten untersagen oder die Zulassung entziehen. Die Missachtung dieser vorläufigen Maßnahmen wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft (Art. 64 Bankgesetz). Daneben ist die Verhängung verwaltungsrechtlicher Sanktionen (in Höhe von 125,- Euro bis 12.500,- Euro) möglich, Art. 63 Bankgesetz (vgl. auch Art. 51 (1) Finanzmarktrichtlinie). Gegen jegliche Maßnahmen der Aufsicht steht den Betroffenen der Rechtsweg offen. Verbrauchern stehen im Übrigen im Streitfall mit Wertpapierfirmen wegen erbrachter Wertpapier- oder Nebendienstleistungen Schlichtungsstellen zur Verfügung (Art. 53 Finanzmarktrichtlinie). Hinsichtlich der Gewerbetreibenden des Finanzsektors, die in Luxemburg im Wege der Niederlassung oder der Dienstleistung tätig werden, gilt eine strenge Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden. Grundsätzlich hat die CSSF zunächst die Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaates über Unregelmäßigkeiten zu informieren, damit diese geeignete Maßnahmen ergreifen kann. Tut sie dies nicht oder nicht hinreichend, kann die CSSF nach Unterrichtung dieser Behörde in bestimmten Fällen unmittelbar eingreifen. Dies gilt umgekehrt genauso zwischen der Aufsichtsbehörde des Aufnahmemitgliedstaates und der CSSF, wenn eine luxemburgische Wertpapierfirma (ebenso geregelte Märkte und MTF) in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird. Ein Informationsaustausch ist auch mit Drittländern möglich, sofern dort die Einhaltung eines vergleichbaren Berufsgeheimnisses garantiert ist (Art. 34 Finanzmarktgesetz). Diese komplexen Regelungen finden sich in Art 62 (1) der Finanzmarktrichtlinie, Art. 44-1 Bankgesetz und Art. 33 ff. Finanzmarktgesetz.
42
6. Die Schweigepflicht der Aufsichtsbehörde. All diejenigen, die für die CSSF die Aufsicht ausüben, unterliegen einer Schweigepflicht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann gemäß Art. 458 des Code pénal bestraft werden, genau wie ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Das Gesetz, welches die CSSF schuf, und Art. 44 bis 44-3 des Finanzmarktgesetzes benennen Grenzen dieser Pflicht, die speziell auf das Aufsichtsrecht zurückzuführen sind. Die Schweigepflicht besteht, was den Informationsaustausch angeht, beispielsweise nicht im Verhältnis der CSSF zur Zentralbank. Die Schweigepflicht hindert die CSSF auch nicht am Austausch für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlicher Informationen mit den Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Drittländern. Schon aus der Richtlinie folgt sogar die Pflicht zur Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten.
45
Micklitz/Böhnlein
43
44
2610
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
46
Der Austausch ist jedoch auf die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Informationen beschränkt. Die Informationen können daher von den Behörden nur für die Zwecke verwendet werden, für die sie diese erhalten haben. Die Behörden, die Empfänger von Informationen sind, sind zudem an die Schweigepflicht ihres eigenen Landes gebunden. Der Gesetzgeber hat damit versucht, ein vernünftiges Gleichgewicht zu schaffen zwischen der Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Behörden verschiedener Mitgliedstaaten für eine umfassende und wirksame Aufsicht und dem Bedürfnis, die Unverletzlichkeit der Schweigepflicht zu erhalten, die zu den anerkannten demokratischen Werten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehört. Die CSSF wird zudem vom Gesetz über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz vom 23. April 2008 genannt (dort Art. 5 (1)), welches die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 in nationales Recht umsetzt.
47
III. Die luxemburgische Zentralbank. Die Rolle der luxemburgischen Zentralbank muss verstanden werden als die einer Bank, die Teil des Europäischen Zentralbankensystems ist (SEBC), sich gleichzeitig aber innerhalb des Rahmens bewegt, der durch die Geldordnung des Großherzogtums Luxemburg vorgegeben ist. Als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft hat Luxemburg den EURO als Währung eingeführt und akzeptiert daher die Einheitswährung (Meier, a.a.O. zur Rechtslage vor der Schaffung der Zentralbank).
48
Die Hauptaufgabe der luxemburgischen Zentralbank liegt darin, die Aufgaben des SEBC auszuführen, um die Ziele innerhalb des Großherzogtums Luxemburg zu erreichen.
49
Der Staat ist alleiniger Inhaber und Geldmittelgeber der Zentralbank. Ihre Satzung ähnelt der eines établissement public (öffentlich-rechtliche Anstalt), welches mit Rechtspersönlichkeit und finanzieller Unabhängigkeit ausgestattet wurde. Sie nimmt alle Rechte und Pflichten Luxemburgs gegenüber dem Internationalen Währungsfonds wahr.
50
Unter Beachtung der Grundsätze des SEBC diskutiert der Rat der luxemburgischen Zentralbank die Anwendungen der Geldpolitik und bestimmt die Wirtschaftspolitik der Zentralbank. Er legt die Richtlinien zur finanziellen Situation der Zentralbank fest, billigt das Budget, erteilt seine Zustimmung zur Verwendung der Geldreserven, erstellt Tätigkeitsberichte und schlägt der Regierung den Rechnungsprüfer zur Ernennung vor. Das Prinzip der Unabhängigkeit der Organe der Zentralbank ist gesetzlich festgelegt. Daher kann die Zentralbank bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weder den Anordnungen der Institutionen der Europäischen Union unterworfen werden noch denen der Regierungen anderer Mitgliedstaaten oder sonstiger Verbände.
51
Die Zentralbank ist alleinige Notenbank und gibt entweder Scheine oder Münzen heraus, die im Namen und auf Rechnung des Fiskus ausgestellt sind. Diese Herausgabe vollzieht sich unter Beachtung der Regeln und Grenzen, die durch das SEBC geschaffen wurden.
52
Die Zentralbank hält die Mindestreserven der anderen Banken. Diese sind aufgrund des SEBC zur Einzahlung zum Zwecke der Geldkontrolle verpflichtet. Sie stellt außerdem die Einhaltung des Eigenmittelsystems des Eurosystems sicher.
53
Eine weitere Aufgabe der Zentralbank liegt darin, die nationalen Abrechnungssysteme und Wertpapierliefersysteme zu überwachen. Das Gesetz vom 12. Januar 2001 (in das Bankgesetz integriert: siehe dazu vor allem Art. 47-1 des Bankgesetzes; dieses Gesetz setzt die Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen von Zahlungssystemen und Wertpapierliefersystemen um) überträgt der Zentralbank diese Aufgabe und definiert gleichzeitig den Inhalt und die Grenzen ihrer Befugnisse, die sie mit der CSSF teilt. Die Aufsicht durch die Zentralbank zielt vor allem auf die Verhütung des Systemrisikos. Der Aufsicht unterworfen sind unter anderem die Abrechnungssysteme, insbe-
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2611
sondere das internationale System über die Abrechnung von Wertpapieren Clearstream Luxemburg.
B. Die Bankkonten
54
I. Allgemeines. 1. Grundsätze. Der Girokontovertrag wird nicht durch ein besonderes Gesetz geregelt. Auf ihn finden Regeln des Gewohnheitsrechts Anwendung sowie einige Regeln aus dem Recht des Auftrages (Art. 1984 bis 2010 Code civil), der Hinterlegung (Art. 1915 bis 1948 Code civil) und der Leihe (Art. 1874 bis 1914 Code civil). Die Eröffnung eines Kontos gibt dem Bankier unter der Bedingung, dass er dem Kunden eine gleichwertige Summe zurückzahlen kann (Cour de Cassation, 30. April 1998), das Recht, frei über die eingezahlten Gelder zu verfügen. Der Depotkontovertrag ist Hinterlegungsvertrag im Sinne des Code civil (Cour d’appel Luxembourg, 26. März 1997).
55
In der Praxis ist es häufig so, dass der Bankier ein Konto zugunsten mehrerer Berechtigter eröffnet. Sofern der Kontovertrag keine besondere Regelung trifft, ist das Konto ein unteilbares, das den Regeln des code civil über Gesamthandsvermögen unterliegt. Der Bankier kann insbesondere Transaktionen über das Konto nur mit der Zustimmung aller Berechtigten vornehmen.
56
Die Parteien können sich aber darüber einigen, dass das Konto zwar gemeinsam eröffnet wird und sie auch Gesamtgläubiger gegenüber dem Bankier sind, jeder Beteiligte aber selbstständig über die Gesamtheit des auf dem Konto befindlichen Guthabens allein verfügen kann (Cour d’appel Luxembourg, 11. Juli 1997). Das Recht, das Konto einseitig zu belasten, dauert auch über den Tod eines der Mitkontoinhaber hinaus an. Jeder Beteiligte kann die Gemeinschaft jederzeit widerrufen, indem er diesen Entschluss der Bank mitteilt, so dass die Berechtigten nicht mehr allein handeln können. Das Konto wird dann ein unteilbares (Cour de Cassation, 13. Juli 1995).
57
2. Die Beziehungen beim Online-Banking. Ein Bankkonto kann auch, wie jeder andere Vertrag zwischen Bank und Kunde, per Fernvertrag eröffnet werden.
58
Die Verträge können verhandelt und abgeschlossen werden, ohne dass sich die Parteien jemals treffen. Der Vertrag gilt dann in dem Moment (und an dem Ort) als zustande gekommen, in dem das Angebot wirksam angenommen wurde, was voraussetzt, dass der Antragende Kenntnis der Annahme erlangen konnte (Tribunal de Luxembourg, 13. Juni 1997).
59
Der Kunde kann mit seinem Bankier einen Vertrag auch im elektronischen Geschäftsverkehr abschließen. Luxemburg hat die Richtlinie 2000/31/EG vom 8. Juni 2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr mit dem Gesetz vom 14. August 2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr in nationales Recht umgesetzt. Art. 49 bis 59 dieses Gesetzes regeln den Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr und vor allem den Abschluss von Verträgen über Konten zwischen der Bank und ihren Kunden, ganz gleich, ob es sich bei letzteren um Verbraucher handelt oder nicht. Sie geben die Verpflichtungen aus Art. 10 und 11 der Richtlinie wortgetreu wieder.
60
Im elektronischen Geschäftsverkehr gilt ein Vertrag dann als geschlossen, wenn der Kunde von der Bank eine elektronische Bestätigung über ihre Annahme erhalten hat bzw. wenn er Zugang zum Service der Bank hat.
61
Wird der Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen, so muss der Bankier eine Reihe zusätzlicher Informationen übersenden, wie zum Beispiel über die notwendigen Schritte
62
Micklitz/Böhnlein
2612
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
zum Vertragsschluss oder die Berichtigung von Irrtümern. Ist der Vertrag erst einmal geschlossen, so muss der Verbraucher die Vertragsbedingungen auf einem dauerhaften Datenträger erhalten, genau wie die Bedingungen des Widerrufsrechts, das regelmäßig in den ersten 7 Tagen ausgeübt werden muss. Der Kunde hat kein Widerrufsrecht, wenn es sich um Finanzdienstleistungen handelt, deren Wert den Schwankungen des Marktes besonders unterworfen ist. Hier steht der Erlass weiterer Schutzvorschriften durch die neue Verbraucherkreditrichtlinie an. 63
Für elektronische Geldinstitute gelten mit Art. 12-10 bis 12-15 Bankgesetz eigene Vorschriften.
64
3. Verpflichtung, seinen Kunden zu kennen. Der Bankier muss den Kunden kennen, der bei ihm ein Konto eröffnet (Art. 39 des Bankgesetzes). Diese Pflichten wurden durch die oben erwähnten Vorschriften des Geldwäschegesetzes noch verschärft.
65
Der Bankier muss bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen Informationen über die Identität des Kunden, seinen Wohn-/Geschäftssitz, seinen Status und seine Rechtsfähigkeit erhalten (Punkt 4.1 des Rundschreibens CSSF 2000/15). Er ist verpflichtet, sich ein beweiskräftiges Dokument vorlegen zu lassen, aus dem Name, Vorname und Adresse des Bewerbers hervorgehen und welches mit einem Lichtbild des Inhabers versehen ist; für den Fall, dass der Kunde ein Gewerbetreibender ist, muss er sich auch einen Handelsregisterauszug vorlegen lassen. Der Bankier muss an seinen neuen Kunden einen Willkommensbrief mit normaler Post schicken (vgl. auch Art. 3 Geldwäschegesetz).
66
Die luxemburgische Gesetzgebung zur Geldwäsche legt dem Bankier ab der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen weitere Verpflichtungen auf.
67
Der Bankier muss bestimmte Informationen über den Kunden erhalten, über seine Aktivitäten und über die Gründe für die einzugehende Geschäftsbeziehung. Er muss eine direkte Beziehung zum Kunden unterhalten; dies setzt jedoch nicht voraus, dass sich die Parteien ständig treffen. In diesem Fall muss der Bankier verlangen, dass die Kopien der Dokumente entweder öffentlich beglaubigt werden oder von einem Bankier, der dazu unter engen Voraussetzungen ersucht worden ist, bestätigt werden.
68
Die umfassende Identifizierung muss vollständig abgeschlossen worden sein, bevor der Bankier auch nur eine Transaktion für den Kunden ausführt.
69
Der Bankier muss außerdem die Identität desjenigen kennen, für den der Kontoinhaber gegebenenfalls bei Kontoeröffnung handelt („wirtschaftlich Berechtigter“).
70
4. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Banken verwenden allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese können dem Kunden nur dann entgegengehalten werden, wenn dieser bei Vertragsschluss in der Lage war, von ihrem Inhalt ausreichende Kenntnis zu nehmen und aus dem Verhalten des Kunden auf dessen Einverständnis mit ihrer Geltung geschlossen werden kann. Einige Klauseln, wie beispielsweise zur Haftungsbeschränkung, müssen gesondert und schriftlich akzeptiert werden (Art. 1135-1 Code civil).
71
Allgemeine Geschäftsbedingungen können eine Klausel enthalten, mit der die Parteien vereinbaren, dass verschiedene Konten ein und derselben Person nichts weiter sind als Teile eines einzigen Kontos (Cour d’appel Luxembourg, 17. März 1999). Ebenfalls erlaubt sind Klauseln, die die Haftung ausschließen. Diese können aber weder den Bankier noch den Kunden von einer Haftung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit befreien, andernfalls sind sie nichtig (Cour d’appel Luxembourg, 13. Dezember 1984). Erlaubt ist hingegen eine Klausel, die den Kunden verpflichtet, innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt seines Kontoauszuges der Bank zu melden, dass er auf diesem einen Fehler gefunden hat; tut
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2613
er dies nicht, so wird vermutet, dass er die entsprechende Transaktion auf seinem Konto akzeptiert (Cour d’appel Luxembourg, 10. Dezember 1997). Das luxemburgische Gesetz vom 25. August 1983 über den Verbraucherschutz regelt die Wirksamkeit einiger Klauseln. Dieses Gesetz erklärt dabei die Klauseln für unwirksam, die ein Ungleichgewicht in der vertraglichen Beziehung zu Lasten des Verbrauchers herbeiführen (Art. 1 des Gesetzes). Dieses Gesetz ist zwingend und kann insbesondere nicht durch Vertragsbedingungen abbedungen werden. Das Gesetz soll auch die vertraglichen Beziehungen zwischen Bankier und Verbraucher, also einer Person, die nicht zum Zwecke ihrer beruflichen Tätigkeit handelt, regeln (siehe Cour d’appel Luxembourg, 27. März 1996), sofern der Verbraucher zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung in Luxemburg dort auch seinen Wohnsitz hat.
72
Art. 2 des Gesetzes spricht die Vermutung der Unwirksamkeit für eine Reihe von Klauseln aus. So wurde eine Klausel für unwirksam erklärt, die dem Kunden dann eine Vertragsstrafe auferlegt, wenn der Bankier dazu gezwungen wird, Rechtsmittel zu ergreifen (J.P. Luxembourg, 13. Januar 1987). Ebenso unwirksam ist die Klausel in einem Kreditvertrag, die der Bank erlaubt, einseitig und jederzeit den Zinssatz zu verändern (Cour d’appel Luxembourg, 27. März 1996). Auch hier wird die Verbraucherkreditrichtlinie zu Änderungen führen.
73
II. Die Zahlungsmittel. 1. Allgemeines. Der Kontoinhaber oder sein Vertreter können über das Kontoguthaben verfügen.
74
Im Regelfall sind die an den Bankier erteilten Aufträge einer dritten Person, die keine Befugnis hat, über das Guthaben zu verfügen, dem Kontoinhaber gegenüber unwirksam (Cour de Cassation, 10. März 1983). Konstellationen dieser Art umfassen sowohl den Fall, dass ein Unbefugter über das Guthaben in eigenem Namen verfügt, als auch den, dass das Konto des Kunden aufgrund einer Fälschung belastet wird.
75
Der Bankier muss dann zugunsten des Kunden die fälschlicherweise ausgeführten Belastungen rückbuchen. Der Bankier kann sich nur durch den Nachweis freisprechen, dass die Fehlbuchung auf einen Fehler des Kunden zurückzuführen ist oder dass ein Fall von force majeure gemäß einer Vertragsklausel oder durch Anwendung von Rechtsscheingrundsätzen vorlag.
76
2. Die Pflicht zur Nichteinmischung und zur Vorsicht. Wenn der Bankier einen Auftrag des Kunden erhält, eine bestimmte Transaktion auszuführen, trifft ihn die Pflicht zur Nichteinmischung und zur Vorsicht.
77
Der Grundsatz der Nichteinmischung verpflichtet den Bankier dazu, sich nicht in die Geschäfte seines Kunden einzumischen. Der Bankier kann sich nicht weigern, die Aufträge des Kunden auszuführen, weil er meint, dass diese unvorteilhaft oder sogar gefährlich oder verboten sind (Cour d’appel Luxembourg, 2. Juni 1999).
78
Diese Pflicht zur Nichteinmischung in die Geschäfte des Kunden wird durch die Pflicht zur Wachsamkeit ausgeglichen. Der Bankier muss seinen Kunden überwachen, um jede offensichtliche und augenscheinliche Unregelmäßigkeit sofort festzustellen. Diese sollten jedoch von der Bank ohne weitere Nachforschung oder Ermittlung entdeckt werden können (Cour d’appel Luxembourg, 2. Juni 1999). Stellt der Bankier eine solche Unregelmäßigkeit fest, so muss er zunächst beim Kunden nachfragen, um Genaueres zu erfahren. Gegebenenfalls muss er seine Zustimmung zur Ausführung der Transaktion verweigern (Tribunal de Luxembourg, 19. Januar 1984; Rundschreiben IML 94/112, 19).
79
Das luxemburgische Recht hat die Pflicht zur Vorsicht des Bankiers in den Bemühungen im Kampf gegen Geldwäsche noch verstärkt. Der Bankier muss mit besonderer Aufmerk-
80
Micklitz/Böhnlein
2614
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
samkeit all diejenigen Transaktionen überprüfen, die ihm eines Zusammenhangs mit Geldwäsche verdächtig sind (Art. 39 Bankgesetz, 3 (9) Geldwäschegesetz). Der Bankier muss genau über die Transaktionen seines Kunden im Bilde sein. Er muss insbesondere dann aufmerksam werden, wenn das wirtschaftliche Ziel einer Transaktion nicht erkennbar oder absurd ist (Rundschreiben IML 94/112). Der Bankier muss von jeder Transaktion Abstand nehmen, von der er weiß oder die er im Verdacht hat, dass sie der Geldwäsche dient oder damit zu tun hat. Er muss aus eigener Initiative den Staatsanwalt über all die Tatsachen informieren, die einen Hinweis auf Geldwäsche liefern könnten (Art. 40 Bankgesetz, 5 Geldwäschegesetz). 81
82 83
84
85
86
87
3. Aufklärungspflicht. Der Bankier hat außerdem eine Aufklärungspflicht gegenüber seinem Kunden. Er muss dem Kunden genaue, ausreichende, vollständige und ehrliche Auskünfte darüber erteilen, welche Dienstleistungen er anbietet und welche Dienstleistungen und Dokumente er zur Verfügung stellt bzw. benutzt (Punkt 5.4 Rundschreiben CSSF 2000/15). Den Bankier trifft hingegen keine generelle Beratungspflicht, die beinhalten würde, dass er den Kunden anregt, eine bestimmte Transaktion durchzuführen. Art. 41-3 des Bankgesetzes sieht ausdrücklich eine Aufklärungspflicht des Bankiers für den internationalen Geldverkehr vor (Bedingungen einer Überweisung, Ausführungsfristen, Berechnung der Gebühren und Kosten, Wirksamwerden etc.). Art. 41-1 bis 41-10 des Bankgesetzes setzen die Richtlinie 97/5/EWG über grenzüberschreitende Überweisungen in nationales Recht um. 4. Die Überweisung. Der Kunde kann seinem Bankier den Auftrag erteilen, sein Konto mit einer bestimmten Summe zu belasten und diesen Betrag einem anderen Konto gutzuschreiben. Auch vertretbare Wertpapiere (also Wertpapiere, die auf einem Konto ohne besondere Kennnummer oder sonstige individuelle Identifizierungsmerkmale bestehen), die sich auf einem Konto befinden, können von einem Konto auf ein anderes überwiesen werden (Art. 3 des Gesetzes vom 1. August 2001 über den Handel mit Wertpapieren und anderen austauschbaren Mitteln). Die Umsetzung der Zahlungsdienstleistungsrichtlinie wird die Pflichten europaweit vereinheitlichen, was hier aber nur zu geringen Änderungen führen wird. Der Kunde, der einem Bankier einen Überweisungsauftrag erteilt, erteilt diesem einen Auftrag i.e.S. (Cour d’appel Luxembourg, 11. Juli 2001). Wenn die Überweisung zugunsten eines Kontos erfolgt, das sich bei einer anderen Bank befindet, so ist der Bankier des Empfängers der stellvertretende Auftragnehmer für den Bankier des eigentlichen Auftraggebers (Cour d’appel Luxembourg, 13. März 2002). Der Auftraggeber kann direkt gegen den Bankier des Empfängers vorgehen, sollte die Überweisung durch diesen fehlerhaft ausgeführt worden sein (Art. 1994 Code civil). Der Bankier, der eine Überweisung ausführt, muss sich versichern, dass der entsprechende Auftrag von einer Person mit Vollmacht über das Konto erteilt wurde. Er muss nachprüfen, ob die Angaben auf dem Auftrag keine Unregelmäßigkeiten aufweisen und ob Übereinstimmung zwischen der Kontonummer und dem Namen des Auftraggebers besteht. Der Bankier des Empfängers muss die gleichen Überprüfungen vornehmen (Cour d’appel Luxembourg, 11. Juli 2001, s.a. Art. 39 Bankgesetz a.E.). Der Kontoinhaber kann den Überweisungsauftrag gegenüber seinem Bankier widerrufen. Dieser Widerruf muss erfolgen, bevor der Empfänger das Recht erwirbt, über die übertragenen Gelder zu verfügen.
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2615
Die Überweisung ist dann endgültig und der Auftrag des Bankiers beendet, wenn das Konto des Empfängers die Gutschriften aufweist, die der Auftraggeber ihm zukommen lassen wollte.
88
Bei einer grenzüberschreitenden Überweisung legt das Bankgesetz dem Bankier eine Reihe weiterer Verpflichtungen auf (Fristen, Beachtung von Anweisungen, Erstattung, Informationen, Art. 41-4 bis 41-8 des Bankgesetzes). Hier wird die Zahlungsdienstleistungsrichtlinie im Einzelnen für Neuerungen sorgen.
89
5. Die Bankkarte. Die Bankkarte ist ein Ausweispapier, das von einer Bank ausgestellt wurde und auf dem sich verschiedene, verschlüsselte, elektronische Daten befinden, die dem Kontoinhaber erlauben, mit Hilfe einer Geheimzahl an einem Selbstbedienungsterminal Transaktionen vorzunehmen.
90
Art. 64 bis 69 des Gesetzes vom 14. August 2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr regeln verschiedene Aspekte des elektronischen Zahlungsverkehrs. Durch sie werden die Grundsätze der Empfehlung 97/489/EG vom 30. Juli 1997 betreffend die Transaktionen im elektronischen Verkehr ins nationale Recht übernommen.
91
Die Rechtsnatur der Transaktion ändert sich je nach Art der Transaktion, die vom Kunden vorgenommen wird. Nimmt er also eine Überweisung vor, so handelt es sich schlicht um eine elektronische Überweisung, auf die die allgemeinen Regeln über Überweisungen Anwendung finden. Unter rechtlichen Gesichtspunkten handelt es sich dabei um eine Schuldübernahme (Art. 1275 Code civil) ohne befreiende Wirkung (Schuldbeitritt). Der Kunde ist der Schuldner, der seinen Bankier, den Beitretenden, bittet, in dem Moment, in dem er den Auftrag dazu per Karte und unter Verwendung der Geheimzahl erteilt, die Schuld gegenüber dem Gläubiger zu bezahlen.
92
Wenn die Bank des Empfängers auf elektronischem Weg den Zahlungsauftrag wirksam erhalten hat, ist er unwiderruflich (Art. 69 des Gesetzes über den elektronischen Geschäftsverkehr). Wenn der Kunde diese Transaktion in Frage stellt, muss der Bankier den Beweis erbringen, dass die Transaktion wirksam registriert und verrechnet wurde und nicht mit einem Fehler behaftet war (Art. 67 des Gesetzes über den elektronischen Geschäftsverkehr). Inwieweit eine Haftung des Zahlungsdienstleisters in Betracht kommt, wird aufgrund der Zahlungsdienstleistungsrichtlinie im Einzelnen neue Regelungen erfahren.
93
Es kommt vor, dass das Konto des Kunden nach Verlust oder Diebstahl seiner Karte belastet wird. Sobald er den Verlust seiner Karte feststellt, muss der Kunde diese unverzüglich bei seiner Bank sperren lassen (Art. 68 des Gesetzes über den elektronischen Geschäftsverkehr). Sofern das Konto vor Sperrung mit Abhebungen belastet wird, muss der Kunde diese bis zu einem Betrag von 150 EURO gegen sich gelten lassen. Er muss die gesamten Abhebungen gegen sich gelten lassen, wenn er sich eines Betrugs oder einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht hat (Art. 68 (2) des Gesetzes über den elektronischen Geschäftsverkehr). Der Kunde, der einem Dritten seine Geheimzahl mitteilt, verhält sich grob fahrlässig. Ab dem Moment, ab dem der Kunde den Bankier über den Verlust seiner Karte in Kenntnis gesetzt hat, obliegt es dem Bankier, jede weitere Benutzung zu verhindern. Der Bankier ist dann allein für jede Abhebung mit Hilfe dieser Karte verantwortlich (Art. 68 (2) des Gesetzes über den elektronischen Geschäftsverkehr).
94
Wenn es sich bei dem Konto um ein Girokonto handelt, so kann der Kunde über sein Guthaben auch mittels eines Schecks verfügen. Der Scheck ist Wertpapier und unterliegt in
95
Micklitz/Böhnlein
2616
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Luxemburg den Vorschriften des Gesetzes vom 26. Februar 1987. Dieses Gesetz setzt die Internationale Scheckkonvention vom 19. März 1931, unterzeichnet in Genf, in nationales Recht um. 96
6. Pflicht zur Berichterstattung. Der Bankier muss dem Kunden über die Transaktionen auf dem Konto berichten. Im Regelfall kommt er dieser Pflicht mit Hilfe von regelmäßigen Kontoauszügen oder Ratschlägen nach.
97
Der Kunde ist verpflichtet, davon Kenntnis zu nehmen und die Kontoauszüge auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Andernfalls verhält er sich grob fahrlässig. Zu diesen Berichtspflichten äußert sich auch die Zahlungsdienstleistungsrichtlinie, wird hier aber keine erheblichen Änderungen bringen.
98
Nach bankrechtlicher Gewohnheit bedeutet das Schweigen auf einen erhaltenen Kontoauszug oder einen Beleg über eine durchgeführte Transaktion, bei denen die Angaben ausreichend klar sind, die Genehmigung der aufgeführten Transaktionen und die Anerkennung ihrer Bedingungen. Diese Genehmigung ist lediglich eine Vermutung und kann daher weder einen materiell-rechtlichen Fehler noch eine sonstige Unregelmäßigkeit durch die Bank ausgleichen, sofern der Kunde dieses nachweist (Cour d’appel Luxembourg, 11. Juli 2001).
99
III. Das Depotkonto. 1. Allgemeines. Wenn ein Kunde, der nicht Gewerbetreibender ist, bei einer Bank ein Depotkonto eröffnet, muss die Bank ihm zusätzliche Informationen liefern, die sie selbst (Satzung, Tätigkeiten, Kosten) sowie ihre Aufsichtsbehörde und das Einlagensicherungssystem betreffen (Punkt 5.2 Rundschreiben CSSF 2000/15). Vergleichbare Pflichten ergeben sich auch aus den Verhaltensregeln des Finanzsektors, zumindest gegenüber Kleinkunden. Auch die Zahlungsdienstleistungsrichtlinie setzt gewisse Maßstäbe (Informationspflicht über die Kosten).
100
2. Depot von Wertpapieren. Das Gesetz vom 1. August 2001 über den Handel mit Wertpapieren und anderen austauschbaren Mitteln regelt die Rechtsnatur von Wertpapieren, die sich auf einem Konto bei einem zugelassenen bzw. zum Handel in Luxemburg autorisierten Treuhänder befinden. Als austauschbare Titel gelten all diejenigen, die zum Zeitpunkt ihrer Hinterlegung oder zum Zeitpunkt ihrer Gutschrift auf einem Konto keine Identifikationsmerkmale aufweisen (Art. 1 des Gesetzes).
101
Der Kunde, der Wertpapiere dieser Art bei einer Bank hinterlegt, hat die gleichen Rechte, als ob er die Papiere bei sich behalten hätte. Er übt sein dingliches Recht über die Gesamtheit der Papiere gleicher Art aus, die von einem Bankier zum Zwecke der Hinterlegung empfangen wurden und kann sie im Falle der Insolvenz von diesem zurückfordern bzw. sie verpfänden (Art. 6, 7 und 9 des Gesetzes). Er übt die Rechte aus den Wertpapieren auf der Basis einer vom Bankier ausgestellten Bescheinigung aus (Art. 8 des Gesetzes).
102
3. Pflicht zur Verwahrung und zur Rückgabe. Der Bankier, der von einem Kunden Wertpapiere zum Zwecke der Hinterlegung empfangen hat, muss diese in ihrem materiellen und rechtlichen Bestand bewahren und sie dem Kunden bei Vertragsende zurückgeben.
103
Handelt es sich bei den hinterlegten Papieren um austauschbare Wertpapiere, so kann der Bankier diese selbst bei einem anderen luxemburgischen oder ausländischen Treuhänder hinterlegen (Art. 12 des Gesetzes).
104
An die Verpflichtung, die Titel in ihrem rechtlichen Bestand nicht anzutasten, schließen sich die Nebenpflichten der Überwachung und Aufklärung an. Der Bankier muss also den Kunden über Transaktionen informieren, die diese Wertpapiere betreffen und die notwendig sind, um einen Verlust zu verhindern. Daneben hat er die Pflicht, all die Maßnahmen
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2617
zu ergreifen, die zum Erhalt der Papiere notwendig sind (Einlösen von Gutscheinen, Regularisierungsmaßnahmen, etc. Cour d’appel Luxembourg, 26. März 1997). Im Falle des Verlusts oder der Zerstörung der Wertpapiere muss der Bankier Einspruch erheben und zu ihrer Wiederherstellung beitragen (Art. 13 des Gesetzes). Der Bankier muss außerdem die Konten so gestalten, dass er jederzeit seine eigenen von denen des Kunden unterscheiden kann (Punkt 2.1 des Rundschreibens CSSF 2000/15), selbst wenn es sich um austauschbare Papiere handelt (Art. 12 des Gesetzes).
105
Wenn es sich um austauschbare Papiere handelt, dann kommt der Bankier seiner Rückgabepflicht nach, wenn er Papiere gleicher Menge und Art liefert (Art. 5 des Gesetzes). 4. Auftrag zum Kauf oder Verkauf. Der Kunde, der Inhaber eines Depotkontos ist, kann dem Bankier Aufträge zum Kauf oder Verkauf der Wertpapiere erteilen, sei es auf einem geregelten Markt oder außerhalb.
106
Bei Ausführung dieser Aufträge trifft den Bankier eine Aufklärungspflicht, z.B. über den untergeordneten Charakter der Schuldverschreibung oder das Risiko bestimmter Investitionen mit Hebeleffekt. Der Bankier muss den Kunden außerdem über das Risiko der Durchführung einer für den Kunden ungewöhnlichen Transaktion aufklären (Punkte 5.4, 5.5 Rundschreiben CSSF 2000/15). Diese Aufklärungspflicht besteht nicht oder zumindest nur abgeschwächt, wenn der Kunde sich im Börsengeschäft auskennt (vgl. die oben schon erwähnte Gliederung in Kleinkunden, professionelle Kunden, geeignete Gegenparteien).
108
Um seine Aufgaben zu erfüllen, muss der Bankier: – sich über die Identität, das Vermögen und die Vollmacht des Auftraggebers informieren, – sich um die Ausführung der Transaktion kümmern. Wenn der Kunde ein Termingeschäft ausführen will, muss der Bankier von diesem eine Sicherheit verlangen. – sich genau an die Anweisungen des Kunden halten und diese unverzüglich ausführen. Er muss sich bemühen, dass die Aufträge so gut als möglich ausgeführt werden (Prinzip der best execution), innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens und in der Reihenfolge ihres Eingangs (zunächst Punkte 1.2 und 1.3 des Rundschreibens CSSF 2000/15, nunmehr auch festgehalten in Art. 27-3 (1), 37-5 (1), (3), (4) Bankgesetz, 51 bis 54 Verordnung über organisatorische Anforderungen vom 13. Juli 2007). – über sein Tätigwerden Rechenschaft ablegen und vor allem über die Schwierigkeiten berichten, die er bei der Ausführung der Aufträge hatte. Er muss in der Lage sein, jederzeit genau und im Einzelnen die durchgeführten Transaktionen zu beschreiben (Punkt 3.2 des Rundschreibens CSSF 2000/15, nunmehr auch Art. 37-3 (8) Bankgesetz und 46 bis 50 Verordnung über organisatorische Anforderungen vom 13. Juli 2007). Der Bankier muss ab Ausführung der Aufträge zwischen den Transaktionen für das Konto des Kunden und denen für sein eigenes Konto unterscheiden (Punkt 1.6 des Rundschreibens CSSF 2000/15). Er muss den Kunden darüber informieren, wenn er an einer Transaktion des Kunden Vertragspartner war (Punkt 5.7 des Rundschreibens CSSF 2000/15).
109
Der Bankier, bei dem Wertpapiere deponiert wurden, hat keine anderen Verpflichtungen, vor allem keine Beratungspflichten. Der Kunde ist Herr seiner Entscheidungen (Cour d’appel Luxembourg, 26. März 1997).
111
C. Die Verwaltung des Vermögens des Kunden
112
I. Allgemeines. Der Kunde kann sich auch an eine Bank mit der Bitte um Vermögensverwaltung wenden. Dies kann auf zweierlei Art und Weise geschehen. Der Kunde kann bei der Verwaltung lediglich die Hilfe der Bank in Anspruch nehmen oder die Verwaltung vollständig auf die
Micklitz/Böhnlein
107
110
113
2618
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Bank übertragen. Je nach Fallkonstellation hat der Bankier nach Art. 37 ff. des Bankgesetzes dann unterschiedliche Pflichten. 114
Der Bankier muss sich von seinem Kunden, um diesem einen passenden Service bieten zu können, ab Beginn der Vertragsbeziehungen alle geeigneten Informationen beschaffen über dessen finanzielle Situation, die Ziele seiner Investitionen, seine Erfahrung, sein Wissen über Investitionen und seine Kenntnis der Risiken, die die Transaktionen mit sich bringen können. Die Angaben müssen regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden. Danach erfolgt die Einteilung als Kleinanleger, professioneller Kunde oder geeignete Gegenpartei, woraus sich die gestaffelten Verhaltenspflichten ergeben. Der Bankier muss den Kunden außerdem über die von ihm angebotenen Produkte und Dienstleistungen und deren Risiken informieren (s. bereits Punkte 4.2 bis 4.4 und 5.4 Rundschreiben CSSF 2000/15).
115
Der Bankier muss bei Ausführung der Tätigkeit darauf achten, dass er seine eigenen Interessen nicht auf treuwidrige Weise vor die des Kunden stellt. Im Falle eines Interessenkonfliktes (Art. 37-1 (2), 37-2 Bankgesetz, 23 bis 28 Verordnung über organisatorische Anforderungen) darf er keine Wertpapiere empfehlen oder Transaktionen durchführen. Dies kann er nur dann, wenn er vorher den Kunden davon unterrichtet und Maßnahmen ergriffen hat, damit ihm aus der Situation kein Nutzen und dem Kunden kein Schaden entsteht. Der Bankier muss den Kunden außerdem informieren, wenn er an einer Transaktion des Kunden Vertragspartner war (Punkt 5.7 und 6.3 bis 6.5 des Rundschreibens CSSF 2000/15).
116
II. Der Anlageberater. Als Anlageberater gilt ein Gewerbetreibender, dessen Tätigkeit darin besteht, auf den Kunden persönlich zugeschnittene Empfehlungen über finanzielle Transaktionen auszusprechen (Art. 24 (1) des Bankgesetzes). Anlageberater dürfen ihre erteilten Ratschläge nicht ausführen. Andererseits ist die reine Information ebenfalls nicht von der Regelung erfasst (Art. 24 (2) und (3) Bankgesetz). Der Kunde trifft die Investitionsentscheidung, nachdem er den Rat des Beraters gehört hat.
117
Dieser Vertrag ist Werkvertrag und untersteht als solcher den Art. 1779 ff. Code civil, dem Bankgesetz und dem Gewohnheitsrecht. Die Verordnung über organisatorische Anforderungen legt dem Gewerbetreibenden zusätzliche Pflichten auf, die neben den allgemeinen Wohlverhaltensregeln des Finanzsektors gelten.
118
Der Anlageberater muss seine Aufgabe mit Sorgfalt erfüllen, indem er einen geeigneten Rat erteilt, was im Zeitpunkt der Erteilung des Rates zu beurteilen ist. Damit ein Rat als geeignet gilt, ist es vor allem notwendig, dass der Situation auf dem Markt Rechnung getragen wurde. Daneben ist es notwendig, dass der Rat dem persönlichen Profil des Kunden entspricht. Dies beurteilt sich nach dem Wissen und den persönlichen Bedürfnissen des Kunden. Um eine Zulassung zur Beratertätigkeit zu erlangen, muss der Gewerbetreibende Finanzreserven von minimal 25.000 Euro bereithalten oder eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 500.000 Euro haben oder diese beiden Absicherungsmaßnahmen kombinieren (Art. 24 (4) Bankgesetz).
119
Der Berater verspricht seinem Kunden keinen bestimmten Erfolg. Er begeht daher nur einen Fehler, wenn sein Rat auf einem Irrtum beruht, dem ein normal informierter Gewerbetreibender unter den gleichen Umständen nicht unterlegen wäre.
120
III. Die Vermögensverwaltung i.e.S. Neben dem Anlageberater unterscheidet das Gesetz verschiedene Formen der Vermögensverwaltung. Abgestufte Befugnisse erfordern unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen. Zu nennen sind insbesondere Finanzmakler und Kommissionäre. Da im Gegensatz zur Anlageberatung hier direkt auf das Vermö-
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2619
gen des Kunden zugegriffen wird, greift das Rechtsformerfordernis einer juristischen Person (Art. 16 Bankgesetz). Je mehr Kompetenzen der PSF hat, umso höher sind daneben die Anforderungen an Finanzreserven bzw. Grundkapital. Als Vermögensverwalter gilt der Gewerbetreibende, dessen Tätigkeit im selbstständigen und eigenständigen Portfoliomanagement besteht, im Rahmen eines Auftrages, der ihm von einem Anleger erteilt wurde, solange das Portfolio Finanzierungsinstrumente beinhaltet (Art. 24-3 des Bankgesetzes). Auch hier gilt das Erfordernis der Rechtsform als juristische Person und die Pflicht zum Nachweis eines Grundkapitals in Höhe von 125.000 Euro. Neben Beratungsund Maklertätigkeit ist ihm auch die Ausübung von Kommissionärsaktivitäten gestattet. Der Verwalter ist gegenüber dem Kunden Auftragnehmer. Der Vertrag unterliegt daher den Regeln über den Auftrag (Art. 1984 bis 2010 Code civil), dem Bankgesetz und dem Gewohnheitsrecht. Das Rundschreiben CSSF 2000/15 und nunmehr die Verordnung über die organisatorischen Anforderungen legen dem Gewerbetreibenden zusätzliche Pflichten auf. Der zwischen dem Bankier und dem Vermögensverwalter geschlossene Vertrag unterliegt der Schriftform. Er muss die Ziele der Verwaltung, die Art der Wertpapiere, die erworben werden können, die Art und Weise der Information des Kunden über den Fortgang der Verwaltung, die Vertragsdauer und die Arten der Entlohnung des Bankiers enthalten. Wenn die Verwaltung an einen Dritten übertragen werden soll, muss auch der Name des Dritten erwähnt werden (Punkt 5.3 des Rundschreibens CSSF 2000/15, vgl. insgesamt nunmehr auch Art. 37-3 (2), (3) Bankgesetz, 31 bis 39 Verordnung über organisatorische Anforderungen).
121
Der Verwalter muss das Vermögen, das ihm anvertraut wurde, sorgfältig verwalten, insbesondere, indem er den im Auftragsverhältnis vereinbarten Zielen entsprechende Transaktionen vornimmt und die Wünsche des Kunden beachtet. Die Investitionsentscheidungen müssen nach vernünftigen wirtschaftlichen und rechtlichen Überlegungen unter Beachtung der vereinbarten Ziele getroffen werden. Wenn der Verwalter die ihm gesetzten Grenzen überschreitet und eine Transaktion ausführt, die den Zielen des Auftrages zuwiderläuft, begeht er eine Pflichtverletzung und die Transaktion ist dem Kunden gegenüber unwirksam. Der Verwalter muss sich davor hüten, unnütze Transaktionen durchzuführen, die den Interessen des Kunden zuwiderlaufen oder die das Portfolio ohne wirtschaftlichen Grund substantiell verändern (Punkt 1.4 des Rundschreibens 2000/15).
122
Der Verwalter muss im Prinzip die Risiken verteilen und eine Diversifizierung der im Portfolio vorhandenen Werte vornehmen. Er muss die Entwicklung des Wertes des Portfolio, das er verwaltet, verfolgen, insbesondere mit Blick auf die ihm innewohnenden Risiken (Punkt 2.3 des Rundschreibens CSSF 2000/15). Er muss in angemessener Weise auf die Ereignisse des Marktes reagieren und darf daher, zum Beispiel in einer Krise, weder verspätet noch zu hastig handeln. Der Verwalter garantiert dem Kunden keinen bestimmten Erfolg. Seine Verwaltung kann daher nicht nur nach der Performance des Portfolio beurteilt werden. Sie muss nach dem allgemeinen Ergebnis beurteilt werden, nicht bloß anhand einzelner Transaktionen.
123
Der Verwalter muss dem Kunden über sein Tun Rechenschaft ablegen. Er muss in der Lage sein, jederzeit und genauestens die Herkunft, die Übertragung und die Ausführung der Aufträge und Verpflichtungen des Kunden zu belegen. Er muss dem Kunden in regelmäßigen Abständen, deren Länge sich nach der Art der Investition bestimmt, den status quo seines Portfolio mitteilen. Er muss dem Kunden jederzeit bei einfacher Anfrage Auskunft über seine Situation erteilen können. Im Falle eines bedeutenden Wertverlustes der
124
Micklitz/Böhnlein
2620
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
getätigten Investitionen muss der Verwalter den Kunden darüber unverzüglich informieren (Punkte 3.2 und 5.8 bis 5.10 des Rundschreibens CSSF 2000/15). 125
126
127
128 129
130
D. Die Investmentfonds Die Vermögensverwaltung kann auch mittels Investmentfonds geschehen (OGA; zur Rechtslage vor Verabschiedung der Richtlinie 2001/107/EG: Voß, S. 198). Die OGA unterlagen vorübergehend zwei Gesetzen gleichzeitig: dem Gesetz vom 30. März 1988 und dem vom 20. Dezember 2002 über die OGA. Das letztgenannte setzt die Richtlinie 2001/107/EG betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks Festlegung von Bestimmungen für Verwaltungsgesellschaften und vereinfache Prospekte und die Richtlinie 2001/108/EG betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) hinsichtlich der Anlagen der OGAW in nationales Recht um. Seit dem 13. Februar 2007 findet allein das Gesetz vom 20. Dezember 2002 Anwendung. Dieses Gesetz gibt die Vorschriften der beiden Richtlinien wortgetreu wieder. Da auf EUEbene bereits an einer umfassenden Neureglung gearbeitet wird, soll im Folgenden nur das Wichtigste dargestellt werden: Nach den Richtlinien sind die OGAW befugt, ihr Tätigkeitsfeld auf die selbstständige Vermögensverwaltung von Konten von Einzelpersonen auszudehnen, die Rentenfonds eingeschlossen. Diese Gesellschaften können nun also vom Europäischen Pass profitieren und einfache Prospekte zu Werbezwecken in den Mitgliedstaaten verwenden. Die Anlagestrategie der OGAW kann die Tätigkeitsfelder Anlagen in Depots, Finanzderivate, Geldmarktinstrumente und Dachfonds umfassen. Einige weitere wichtige Neuerungen des aktuellen Gesetzes betreffen die sog. Umbrella Fonds. Bei diesen Fonds wird jede Abteilung für die Anwendung der Regeln über die Risikoverteilung so betrachtet, als wäre sie ein selbständiger Emittent. Auf der anderen Seite sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, jede Abteilung eines OGA gesondert aufzulösen, ohne dass dies die Auflösung der anderen Abteilungen oder des OGA als solchen zur Folge hätte.
E. Die Organisation der Börsen und anderer Handelssysteme I. Allgemeines. In Luxemburg war das grundlegende Gesetz über die Organisation der Börsen das vom 23. Dezember 1998 über die Aufsicht über Finanzmärkte (Börsengesetz), welches durch Art. 176 Finanzmarktgesetz abgeschafft wurde. Die begleitende Verordnung vom 31. März 1996 über die Zulassung und den Pflichtenkatalog der luxemburgischen Börsengesellschaft wurde ebenfalls aufgehoben, nämlich mit der Verordnung vom 13. Juli 2007 über die Unterhaltung einer offiziellen Notierung für Finanzinstrumente (Verordnung über die offizielle Notierung), welche nunmehr maßgeblich ist und durch die Satzung der Börse Luxemburg (hiernach Satzung) vervollständigt wird (der vollständige Text dieser Vorschriften ist in englischer und französischer Sprache auf der Seite der Börse erhältlich, unter www.bourse.lu).
131
Nach alter Rechtslage gab es im Großherzogtum nur eine Börse, nämlich die Société de Bourse de Luxembourg S.A. (hiernach „Die Börse“), die bis zum 21. März 2027 zugelassen ist (Art. 1 (2) Börsengesetz und Art. 1 (1) der Verordnung von 1996, welche abgeschafft wurden). Die Société de la Bourse besteht weiter und unterhält nunmehr einen geregelten Markt unter dem Namen „Bourse de Luxembourg“ und ein MTF unter dem Namen „Euro MTF“ (Teil 1 Kapitel 1 Nr. 104 der Satzung).
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2621
Die „Société de la Bourse“ hat unterschiedliche Aufgabenbereiche, wie zum Beispiel die Prüfung von Zulassungs- oder Löschungsanträgen, die Ergreifung der für das Funktionieren des Marktes notwendigen Maßnahmen, Verbreitung der Kurse, Organisation von Versteigerungen, Anwendung der Berufsregeln, Kontrolle der wöchentlichen oder kurzfristigen Informationen, die zur Verbreitung bestimmt sind. Sie legt auch den offiziellen Wert der zugelassenen Aktien fest (Teil 1 Kapitel 1 Nr. 103 und Teil 3 Kapitel 6 der Satzung).
132
Mit Wirkung vom 1. November 2007 wird der Börsenzwang praktisch aufgehoben. Durch die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie werden neue Handelsplattformen eingeführt, die „Geregelten Märkte“ (Art. 2 ff. des Gesetzes über den Markt der Finanzinstrumente) und „Multilaterale Handelssysteme“ (MTF), Art. 17 ff. des Finanzmarktgesetzes). Bezüglich beider Syteme folgt der Gesetzgeber der Definition der Finanzmarktrichtlinie (Art. 1 Nr. 11 und 18 Finanzmarktgesetz). Die CSSF führt eine amtliche Liste über die zugelassenen Plattformen (Art. 16, 25 Finanzmarktgesetz). Soweit es sich um geregelte Märkte oder MTF aus anderen Mitgliedstaaten handelt, führt die Liste die Europäische Kommission, bei Herkunft aus Drittländern die dort jeweils zuständige Behörde, wobei zusätzliches Kriterium in diesem Fall ist, dass die Plattform nach vergleichbaren Regeln funktioniert. An dieser Stelle sind auch die systematischen Internalisierer zu erwähnen (vgl. oben A. I. 1.), für die Art. 26 des Finanzmarktgesetzes inhaltlich die identischen Regelungen vorgibt wie Art. 27 der Richtlinie (unter Ausschluss von dessen Absatz (7)). Sie stellen die Form des (regelmäßigen) Handels ausserhalb geregelter Märkte oder MTFs dar.
133
II. Die Organisation der Handelsplätze. 1. Die Börse entscheidet über die Zulassung ihrer Mitglieder nach den Regeln ihrer Satzung. Die Finanzinstitute anderer Mitgliedstaaten können ebenfalls zugelassen werden (Art. 37 Finanzmarktgesetz).
134
Allein solche PSF, die einer Aufsicht unterstehen und die befugt sind, Finanzdienstleistungen zu erbringen, können als Mitglieder der Börse zugelassen werden. Die Zulassung erfolgt auf der Basis eines Antrages, der bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss (Teil 1 Kapitel 3 der Satzung).
135
Die Börse organisiert, leitet und überwacht den Markt dergestalt, dass alle Mitglieder ihre Transaktionen ohne Beschränkung selbst vornehmen oder vornehmen lassen können. Sie müssen gleichen Zugang zu dem Handelssystem und zu den Informationen haben.
136
Früher durften nur Kreditinstitute und andere Finanzdienstleister, die im Großherzogtum zugelassen oder befugt sind, an der Börse Geschäfte abschließen. Nunmehr sind auch Finanzdienstleister aus anderen Mitgliedstaaten und aus Drittländern zugelassen. Einige Personen sind ausdrücklich von der Nutzung der Börse ausgeschlossen (diejenigen, die insolvent oder wegen Betruges/Diebstahl etc. verurteilt sind, Teil 3 Kapitel 5 Nr. 5104 der Satzung).
137
Die Finanztitel werden entweder elektronisch oder auf dem Parkett oder mit jeder anderen durch die Société de la Bourse genehmigten Methode gehandelt. Teil 3 Kapitel 3 der Satzung legt die Voraussetzungen fest, unter denen die Mitglieder Zugang zum elektronischen System haben.
138
Allein die Papiere, die notiert sind, können Gegenstand einer Transaktion an der Börse sein (siehe u.a. Teil 3 Kapitel 4 Nr. 4405/3 der Satzung). Die Mitglieder müssen auf dem Markt ehrlich, mit Wissen, Sorgfalt und Vorsicht und zum Besten des Marktes handeln und sich den Regeln unterwerfen. Die Aushändigung der Papiere geschieht gegen Bezahlung und nach den Bedingungen, die von der Kommission vorgegeben wurden. Die Bedingungen und Umstände einer Transaktion an der Börse müssen spätestens am Ende des
139
Micklitz/Böhnlein
2622
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Tages, an dem das Geschäft abgeschlossen wurde, bestätigt werden. Die Transaktionen an der Börse sind steuerfrei (Art. 43 Finanzmarktgesetz). Die Abrechnung der Geschäfte geschieht über ein von der Börse anerkanntes Abrechnungssystem. 140
2. Die geregelten Märkte. Ein geregelter Markt bedarf der Zulassung durch die CSSF (Art. 3 ff. Finanzmarktgesetz, die großteils den Wortlaut der Richtlinie wiedergeben). Diese ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, deren Vorliegen regelmäßig überprüft wird. Der Betreiber bedarf in der Regel zunächst der Zulassung als PSF in Luxemburg. Betreiber und Eigentümer eines geregelten Marktes müssen gut beleumundet sein und über ausreichend Erfahrung verfügen, um eine solide und umsichtige Verwaltung und Führung des geregelten Marktes zu gewährleisten. Ebenso müssen alle Personen, die wesentlichen Einfluss auf den geregelten Markt ausüben können, die erforderliche Eignung besitzen. Deshalb ist die Publizität der Eigentums- und Betreiberverhältnisse vorgeschrieben. Die CSSF erstellt ein Verzeichnis aller geregelten Märkte, für die Luxemburg Herkunftsmitgliedstaat ist, und übermittelt dieses an die Kommission und an alle Mitgliedstaaten (Art. 16 Finanzmarktgesetz). Änderungen werden nachgemeldet.
141
Organisatorisch werden an geregelte Märkte zahlreiche Anforderungen gestellt (Art. 7 Finanzmarktgesetz). So müssen Vorkehrungen getroffen werden, um Interessenkonflikte und deren eventuelle negative Auswirkungen zu verhindern. Der geregelte Markt muss angemessen für die Verwaltung seiner Risiken ausgestattet sein und Vorkehrungen für eine solide Verwaltung der technischen Systemabläufe treffen. Von großer Wichtigkeit ist die Festlegung transparenter und nichtdiskretionärer Regeln und Verfahren für einen fairen und ordnungsgemäßen Handel sowie objektiver Kriterien für eine effiziente Auftragsausführung. Daneben sind Vorkehrungen zum reibungslosen und rechtzeitigen Abschluss der innerhalb des geregelten Marktes ausgeführten Geschäfte erforderlich und der Markt muss fortlaufend über ausreichende Finanzmittel für ein ordnungsgemäßes Funktionieren verfügen, wobei Art und Umfang der geschlossenen Geschäfte Rechnung zu tragen ist.
142
Die geregelten Märkte müssen klare und transparente Regeln für die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel festlegen (Art. 8 Finanzmarktgesetz). Diese müssen gewährleisten, dass alle zum Handel zugelassenen Finanzinstrumente fair, ordnungsgemäß und effizient gehandelt werden können und, im Fall übertragbarer Wertpapiere, frei handelbar sind. Bei letzteren muss von Seiten des geregelten Marktes dafür Sorge getragen werden, dass die Emittenten ihren gemeinschaftsrechtlichen Veröffentlichungspflichten nachkommen. Diese sind nunmehr durch das Gesetz und die großherzogliche Verordnung vom 11. Januar 2008, welche die Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, umsetzen, geregelt; (s. dort. Art. 3 ff. sowie III. 2. dieses Abschnitts). Umgekehrt ergreifen die geregelten Märkte Maßnahmen, die ihren Mitgliedern und Teilnehmern den Zugang zu solchen Informationen erleichtern. Generell müssen die geregelten Märkte Vorkehrungen treffen, um die von ihnen zum Handel zugelassenen Finanzinstrumente regelmäßig auf die Einhaltung ihrer Zulassungsvoraussetzungen zu überprüfen. Erfüllt ein Instrument diese Voraussetzungen nicht, kann der Marktbetreiber den Handel aussetzen oder das Instrument vom Handel ausschließen, wenn dies den Anlegerinteressen oder dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Marktes nicht erheblich schadet. Dies hat er der CSSF mitzuteilen, welche die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten informiert.
143
Die geregelten Märkte müssen auf Dauer transparente, nichtdiskriminierende und auf objektiven Kriterien beruhende Regeln für Zugang und Mitgliedschaft festlegen (Art. 10 Fi-
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2623
nanzmarktgesetz). Daraus müssen sich die jeweiligen Pflichten der Mitglieder und Teilnehmer insbesondere hinsichtlich bestimmter Punkte ergeben, nämlich für Einrichtung und Verwaltung des geregelten Marktes, die Regeln für die am Markt getätigten Geschäfte, die Standesregeln für die Mitarbeiter, Regeln und Verfahren für das Clearing und die Abrechnung der getätigten Geschäfte sowie die Teilnahmebedingungen für andere als Wertpapierfirmen und Kreditinstitute (notwendige Eignung, ausreichende Fähigkeiten und Kompetenzen für den Handel, ggf. die erforderlichen organisatorischen Gegebenheiten, Verfügen über ausreichende finanzielle Mittel unter Berücksichtigung der Vorkehrungen des geregelten Marktes). Die Zugangsregeln müssen die direkte oder Fernteilnahme von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten vorsehen. Auch Wertpapierfirmen aus anderen Mitgliedstaaten, die zur Ausführung von Kundenaufträgen und zum Handel auf eigene Rechnung berechtigt sind, ist der Zugang zu den geregelten Märkten zu gewähren, entweder unmittelbar durch Errichtung einer Zweigniederlassung oder – wenn physische Anwesenheit nicht erforderlich ist – durch Fernmitgliedschaft oder Fernzugang, ohne dass zusätzliche rechtliche oder verwaltungsrechtliche Auflagen zu erfüllen wären (Art. 33 Finanzmarktrichtlinie, 11 Finanzmarktgesetz). Für den von der Société de la Bourse betriebenen geregelten Markt ergeben sich diese Zugangskriterien aus der Satzung. Geregelte Märkte aus anderen Mitgliedstaaten dürfen ohne weitere rechtliche oder verwaltungstechnische Auflagen in ihrem Hoheitsgebiet angemessene Systeme bereitstellen, um Fernmitgliedern oder –teilnehmern in ihrem Hoheitsgebiet Zugang zu und Handel an diesen Märkten zu erleichtern. Jedenfalls müssen die geregelten Märkte der Aufsichtsbehörde regelmäßig (halbjährlich) ein Verzeichnis aller Mitglieder und Teilnehmer übermitteln. Ebenso haben sie Verfahren zur regelmäßigen Überwachung der Einhaltung ihrer Regeln festzulegen und die in ihrem System geschlossenen Geschäfte zu überwachen. Schwerwiegende Verstöße sind der CSSF zu melden (Art. 12 Finanzmarktgesetz). Auch Änderungen ihrer Regeln oder Wechsel in der Leitung müssen die geregelten Märkte der CSSF mitteilen. Die CSSF kann diese unterbinden.
144
Es gelten strenge Transparenzvorschriften für die geregelten Märkte (Art. 13, 14, 27 ff. Finanzmarktgesetz, Rundschreiben CSSF 2007/302 vom 17. Juli 2007 und 2007/306 vom 27. Juli 2007). Diese müssen grundsätzlich die aktuellen Geld- und Briefkurse und die Tiefe der Handelspositionen zu diesen Kursen veröffentlichen, die über ihre Systeme für zum Handel zugelassene Aktien mitgeteilt werden. Diese Informationen müssen „zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen“ kontinuierlich während der üblichen Geschäftszeiten verfügbar sein. Auf ebensolche Weise müssen, soweit wie möglich auf Echtzeitbasis, Kurs, Umfang und Zeitpunkt der Geschäfte veröffentlicht werden, die in Bezug auf zum Handel zugelassene Aktien abgeschlossen wurden. Unter bestimmten Voraussetzungen darf die Veröffentlichung auch erst später stattfinden, insbesondere wenn es sich um ein Geschäft von großem Volumen handelt. Dies muss jedoch von der CSSF ausdrücklich im Voraus genehmigt und Marktteilnehmer und Anlegerpublikum darauf hingewiesen werden.
145
Die Börse von Luxemburg erhält bereits mit dem Gesetz vom 13.07.2007 die Zulassung als geregelter Markt (dort Art. 175).
146
3. Multilaterale Handelsplattformen (MTF, Art. 17 ff. Finanzmarktgesetz) bieten eine weitere Form, Handel mit Wertpapieren zu treiben. Neben den organisatorischen (Art. 371 Bankgesetz) und Anforderungen an die Ehrenhaftigkeit und Erfahrung (Art. 18, 19 Bankgesetz), die für alle PFS gelten, sind MTF an strenge Auflagen gebunden. Um eine
147
Micklitz/Böhnlein
2624
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Zulassung zu erhalten, müssen sie transparente und nichtdiskretionäre Regeln und Verfahren für einen fairen und ordnungsgemäßen Handel sowie objektive Kriterien für die wirksame Ausführung von Aufträgen festlegen. Die Betreiber – deren Kreis auf luxemburgische Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, luxemburgische Zweigniederlassungen solcher aus anderen Ländern und Betreiber eines geregelten Marktes begrenzt ist (Art. 18 (1) Finanzmarktgesetz) – müssen insbesondere transparente Regeln und Kriterien aufstellen, aus denen hervorgeht, welche Finanzinstrumente in ihrem System gehandelt werden können. Die Betreiber müssen der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, sich über die Anlagemöglichkeiten zu informieren, wobei sowohl die Art der gehandelten Instrumente als auch der Nutzer zu berücksichtigen sind. Bei der Ausführung von Kundenaufträgen sind die Wohlverhaltensregeln des Finanzsektors sowie der Best-Execution-Grundsatz zu beachten, jedoch nicht bei Geschäften innerhalb des MTF. Für die Festlegung der Zugangsregeln zum MTF gelten dieselben Regeln wie beim geregelten Markt. Hinsichtlich der Abrechnung z.B. bestehen wiederum Unterschiede. Der Betreiber muss die Nutzer klar auf ihre jeweilige Verantwortung für die Abrechnung der über die Systeme des MTF abgewickelten Geschäfte informieren und Vorkehrungen treffen, um eine wirksame Abrechnung zu erleichtern (Art. 20 Finanzmarktgesetz). 148
Die Vorschriften zu Überwachung und Einhaltung der Regeln des MTF und anderer rechtlicher Verpflichtungen (Art. 21 Finanzmarktgesetz), Transparenzvorschriften (Art. 22, 23 Finanzmarktgesetz) und Regelungen über Vereinbarungen mit zentralen Gegenparteien und über Clearing und Abrechnung (Art. 24 Finanzmarktgesetz) entsprechen im Wesentlichen denen für geregelte Märkte.
149
Der Marktbetreiber wird ausdrücklich verpflichtet, Anweisungen der CSSF unverzüglich auszuführen, insbesondere wenn es um den Ausschluss eines Finanzinstruments vom Handel geht (Art. 20 (7) Finanzmarktgesetz). Auch die zugelassenen MTF werden von der CSSF in einer Liste geführt (Art. 25 Finanzmarktgesetz). Die Börse erhält durch Art. 175 Finanzmarktgesetz auch die Zulassung, MTFs in Luxemburg zu betreiben.
150
4. Dass systematische Internalisierer einer Zulassung durch die CSSF bedürfen, folgt schon daraus, dass es sich stets um Wertpapierfirmen handelt; diese bedürfen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen der Zulassung. Bereits dadurch ergeben sich gewisse Wohlverhaltens- und Organisationspflichten. Die systematische Internalisierung erfordert allerdings weitere Voraussetzungen. Die CSSF überprüft die Einhaltung der Veröffentlichungspflichten der Kurse und ob diese den allgemeinen Marktbedingungen entsprechen (Art. 26 (5) a) Finanzmarktgesetz) und ob die Wertpapierfirmen die Bedingungen für Kursverbesserungen im Sinne von Art. 26 (4) Unterabsatz 4 erfüllen (Art. 26 (5) b) Finanzmarktgesetz).
151
Systematische Internalisierer dürfen entsprechend ihrer Geschäftspolitik und in objektiver, nicht diskriminierender Weise entscheiden, welchen Anlegern sie Zugang zu ihren Kursofferten gewähren. Dafür müssen sie eindeutige Standards festlegen. Sie dürfen die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung mit einem Anleger ablehnen oder solche beenden, wenn dies aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen (z.B. Kreditsituation des Anlegers, Gegenparteirisiko, Endabrechnung des Geschäfts) erfolgt, Art. 26 (6) Finanzmarktgesetz.
152
Systematische Internalisierer müssen verbindliche Kursofferten für die an einem geregelten Markt gehandelten Aktien veröffentlichen, für die sie systematische Internalisierung betreiben und für die es einen liquiden Markt gibt. Für Aktien, für die es keinen liquiden Markt gibt, müssen sie ihren Kunden auf Anfrage Quotierungen anbieten (Art. 26 (2) Unterabsatz 1 Finanzmarktgesetz), sofern es sich um Handel mit Aufträgen bis zur standardmäßigen Marktgröße handelt (Art. 26 (1) Finanzmarktgesetz). Dabei können die syste-
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2625
matischen Internalisierer die Größe bzw. die Größen festlegen, zu denen sie Kursofferten anbieten. Für eine bestimmte Aktie muss jede Offerte einen verbindlichen Geld- und/oder Briefkurs bzw. Briefkurse für Größen bis zur üblichen Marktgröße für die Gattung, der die Aktie angehört, umfassen. Diese Kurse müssen die vorherrschenden Marktbedingungen widerspiegeln (Art. 26 (2) Unterabsatz 2 Finanzmarktgesetz). Dabei legt die CSSF mindestens einmal jährlich für jede Aktie auf arithmetischer Grundlage die jeweilige Aktiengattung fest und gibt diese Information allen Marktteilnehmern bekannt (Art. 26 (3) Finanzmarktgesetz). Auch systematische Internalisierer sind Publizitätspflichten unterworfen: sie müssen ihre Kursofferten regelmäßig und kontinuierlich während der üblichen Handelszeiten veröffentlichen. Sie dürfen ihre Offerten jederzeit aktualisieren, im Falle außergewöhnlicher Marktbedingungen sogar zurückziehen (Art. 26 (4) Unterabsatz 1 Finanzmarktgesetz). Den übrigen Marktteilnehmern sind die Offerten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen in leicht zugänglicher Weise bekannt zu geben (Art. 26 (4) Unterabsatz 2 Finanzmarktgesetz).
153
Hinsichtlich Kleinanlegern gilt der Grundsatz der kundengünstigsten Ausführung im Sinn von Art. 37-5 Bankgesetz uneingeschränkt (Art. 26 (4) Unterabsatz 3 Finanzmarktgesetz), gegenüber professionellen Kunden sind Ausnahmen möglich (Art. 26 (4) Unterabsatz 3 und 4 Finanzmarktgesetz). Art. 26 (4) Unterabsatz 5 spezifiziert die Vorschriften über die Bearbeitung von Kundenaufträgen (Art. 37-6 Bankgesetz) für die systematische Internalisierung.
154
Zu beachten ist, dass systematische Internalisierer ihr Risiko beschränken können, das sich bei einer Häufung von Geschäften mit dem selben Kunden ergibt, indem sie die Zahl der Geschäfte zu den veröffentlichten Bedingungen, die sie mit einem Kunden abzuschließen bereit sind, in nicht-diskriminierender Weise beschränken. Außerdem dürfen sie die Gesamtzahl der gleichzeitig ausgeführten Geschäfte mit verschiedenen Kunden beschränken (in nicht-diskriminierender Weise entsprechend der Vorschrift des Art. 376 Finanzmarktgesetz), sofern sie dies nur tun, wenn die Zahl bzw. der Umfang der Aufträge erheblich über der Norm liegt, Art. 26 (6) Finanzmarktgesetz.
155
III. Die Notierung der Papiere. 1. Die Zulassung der Papiere einer Gesellschaft an die Börse von Luxemburg unterliegt ebenfalls der großherzoglichen Verordnung vom 13. Juli 2007, soweit Zulassungsbedingungen, Kontrolle und Verteilung von Prospekten für ein Angebot an die Öffentlichkeit oder Zulassung zur Wertpapierbörse betroffen sind.
156
Eine Gesellschaft, die gerne notiert wäre, muss einen entsprechenden Antrag stellen und einen Prospekt übersenden. Die Börse entscheidet über Zulassung, Löschung, vorläufige Entziehung der Lizenz und ergreift jede Maßnahme, die für den Erhalt der Börse erforderlich ist (Art. 4 der Verordnung und Teil 1 Kapitel 1 Nr. 103 der Satzung).
157
Teil 1 der Satzung führt die Anforderungen an die Informationen und den Inhalt des Zulassungsantrags weiter aus, die von den Gesellschaften, die ihre Aktien, Obligationen oder andere Papiere gerne notiert sähen, erfüllt werden müssen. Dem Zulassungsantrag muss vor allem der Emissionsprospekt und der Zulassungsprospekt (Teil 2 der Satzung) beigefügt werden. Die Verordnung setzt dafür die Mindestanforderungen, z.B. hinsichtlich Betriebsumfang oder Umfang der Anleihe (Art. 7, 23 der Verordnung). Für Finanzinstrumente, die von der Verordnung nicht erfasst sind, obliegt die Festlegung der Zulassungsvoraussetzungen dem Betreiber des Marktes (hier also der Société de la Bourse), Art. 3 (7) der Verordnung.
158
Der Prospekt muss die Auskünfte enthalten, die für Investoren und ihre Berater erforderlich sind, um ein fundiertes Urteil über die Vermögenssituation, die finanzielle Situation,
159
Micklitz/Böhnlein
2626
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
die Ergebnisse und die Perspektiven des Emittenten und die Rechte, die mit den Effekten einhergehen, abgeben zu können (Art. 5 der Verordnung), zum Beispiel die Jahresabschlüsse der drei vorangegangenen Geschäftsjahre (Art. 8 der Verordnung). Der Emittent kann davon befreit werden, bestimmte Informationen zu veröffentlichen, entweder, weil sie weniger bedeutend sind oder weil sie dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen oder weil sie dem Emittenten schaden. Der Prospekt wird vor Notierung veröffentlicht, und alle Werbung des Emittenten muss sich auf den Prospekt beziehen sowie den Ort angeben, an dem er erhalten werden kann. Die anderen Dokumente zur Notierung und die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, müssen der Börse ebenfalls zur Kontrolle vorgelegt werden. 160
161
162
163
164
165
Wenn ein Börsengang in mehreren Ländern des Europäischen Wirtschaftsraumes kurz hintereinander geplant ist, kann der Emittent von der CSSF die Erlaubnis erhalten, dass der Prospekt, welcher von einer Behörde anerkannt wurde, auch hier anerkannt wird. Ein Prospekt, welcher von einer Behörde im Rahmen eines öffentlichen Angebotes anerkannt wurde, kann ebenfalls für die Einschreibung zur Notierung an der Börse verwendet werden. Die Organe der Börse müssen ihre Entscheidung innerhalb von einem Monat mitteilen. Erfolgt dann keine Antwort, gilt dies als Ablehnung, gegen die Einspruch beim Minister zulässig ist (Art. 4 (7) der Verordnung, Teil 1 Kapitel 3 Nr. 301 der Satzung). 2. Für die Notierung von Papieren an einem geregelten Markt oder MTF gilt nicht viel anderes (geregelt in der großherzoglichen Verordnung vom 13. Juli 2007 über die allgemeinen Bestimmungen über die Zulassung von Finanzinstrumenten zur offiziellen Notierung durch den Betreiber eines Marktes für Finanzinstrumente sowie ihre Suspendierung und ihr Ausschluss von der offiziellen Notierung). Gesellschaften, die notiert werden wollen, müssen beim Marktbetreiber einen entsprechenden Antrag stellen. Dieser entscheidet dann über die Zulassung (Art. 4 (1) der Verordnung; später ist er gegebenenfalls auch für den Widerruf, die Aussetzung des Handels etc. zuständig, dies unbeschadet der Befugnisse der CSSF aus Art. 31 Finanzmarktgesetz, Art. 4 (8) der Verordnung). Erfolgt im Monat, der auf die Einreichung des Antrags folgt, keine Entscheidung, gilt dies als Ablehnung (Art. 4 (7) der Verordnung). Hinsichtlich der Anforderungen an die Informationen, die dem Antrag zu entnehmen sein müssen, gilt für Aktien, Obligationen und sonstige Anteile im Wesentlichen ebenfalls das Selbe. Die Auskünfte müssen dem Marktbetrieber und den Investoren ein fundiertes Urteil über das Unternehmen ermöglichen (vgl. insbesondere Art. 5 der Verordnung, wonach der Betreiber vom Emittenten prinzipiell alle Informationen verlangen kann, die er mit Blick auf den Anlegerschutz und das geregelte Funktionieren des Marktes benötigt). Der notwendige Umfang und Inhalt der Jahresberichte ergibt sich aus Art. 3 des Gesetzes vom 11. Januar 2008 über Transparenzanforderungen. Eine Befreiung des Emittenten von der Erteilung bestimmter Informationen ist möglich (vgl. o.). Für solche Finanzinstrumente, die in der Verordnung nicht genannt sind, obliegt die Festlegung der Zulassungsvoraussetzungen dem Betreiber des Marktes (Art. 3 (7) der Verordnung). In jedem Fall muss dem Marktbetreiber aufgrund der durch den Emittenten gegebenen Informationen eine Beurteilung möglich sein, ob die Zulassung im Interesse der Anleger ist und dem geregelten Betrieb des Marktes zuträglich (vgl. Art. 4 (4), (8) der Verordnung). Ist die Zulassung zur Notierung der Papiere am geregelten Markt einmal erteilt, erfolgt auch weiterhin die Überwachung der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen durch die CSSF (Art. 22 Transparenzgesetz). Hierzu zählen insbesondere die Anforderungen des
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2627
Gesetzes vom 11. Januar 2008 über die Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere auf einem geregelten Markt zugelassen sind und der ergänzenden großherzoglichen Verordnung vom selben Tag. Hierzu gehören insbesondere die Veröffentlichung von Jahres- und Halbjahresberichten sowie Zwischenmitteilungen (Art. 3 ff. Transparenzgesetz), Informationspflichten gegenüber den Aktionären bzw. Inhabern (Art. 16 f. Transparenzgesetz), sowie generell die Ermöglichung von Zugang zu den vorgeschriebenen Informationen (Art. 20 Transparenzgesetz). IV. Die Kontrollmechanismen im Börsenrecht. Die Organe der Börse wachen in erster Linie über die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und Verordnungen und können Disziplinarmaßnahmen ergreifen. Gegen diese Entscheidungen steht den Betroffenen der Rechtsweg offen, Art. 40 Finanzmarktgesetz. Die CSSF stellt das ordentliche Funktionieren der Börse sicher. Sie führt die Aufsicht über den gesamten Finanzmarkt, also auch alle Handelsplattformen einschließlich der systematischen Internalisierer. Sie erstellt eine Liste der Handelsplätze, von denen das Großherzogtum Gründungsmitgliedstaat ist. Auch über die anderen in Luxemburg zugelassenen Handelsplätze unterhält die CSSF Listen, die aufgrund der Regelungen der Finanzmarktrichtlinie auch an die Kommission gemeldet werden (Art. 16, 25 Finanzmarktgesetz). Sie wacht über die Anwendung der Vorschriften über die Notierung von Papieren und über die Verkäufe und öffentlichen Angebote und Versteigerungen. Sie kann jedes Dokument, das sie zur Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht für erforderlich hält, verlangen und vor Ort Untersuchungen durchführen, genauso wie sie den Handelsplätzen und ihren Mitgliedern auferlegen kann, illegalen Zuständen abzuhelfen; sie nimmt an den Versammlungen der Organe der Börse teil und hat ein Vetorecht, etc. Die CSSF ist die Behörde, die für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit den entsprechenden Behörden anderer Mitgliedstaaten und den Behörden von Drittländern verantwortlich ist (vgl. oben und Art. 34 ff. Finanzmarktgesetz). Gegen die Entscheidungen der CSSF ist Einspruch vor dem Verwaltungsgericht möglich.
F. Kredite
165
166
167
168
169
Der Kreditvertrag untersteht in Luxemburg keinem besonderen Gesetz. Etwas anderes gilt nur für den Verbraucherkredit, der durch das Gesetz vom 9. August 1993 über den Verbraucherkredit geregelt wird, welches wortgetreu die Richtlinie 87/102/EG vom 22. Dezember 1986 über den Verbraucherkredit, nunmehr in ihrer geänderten Version, in luxemburgisches Recht umgesetzt hat. Die erwartete neue Verbraucherkreditrichtlinie wird insoweit zu gewissen Änderungen führen. Alle anderen Kreditverträge unterstehen daher dem allgemeinen Recht der Schuldverhältnisse (Art. 1101 bis 1386 Code civil) und dem Bankgewohnheitsrecht. Derzeit wird in Luxemburg eine Kodifizierung des Verbraucherrechts in einem gesonderten Codex diskutiert. Voraussichtlich dürfte dort auch die Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG zum Verbraucherkredit integriert werden. Im Folgenden sollen kurz die groben Leitlinien vorgestellt werden, die auf alle Kreditverträge Anwendung finden. Angesichts der gesellschaftlichen Verantwortung des Kreditgebers ist dieser verpflichtet, sich sowohl bei Gewährung des Kredites als auch während der Laufzeit des Vertrages über die Situation des Kreditnehmers zu informieren. Die Informationen sollen sich auf die Legalität des Kredits, auf die Zahlungsmoral und die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers und seine Krediteignung beziehen. Der Bankier muss auf der Grundlage einer technischen und rechnerischen Analyse die Eignung des Kunden überprüfen, den Kredit zurückzuzahlen (Cour d’appel Luxembourg, 6. Oktober 1993).
Micklitz/Böhnlein
170
2628
171
172
173
174
175
176
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Der Kreditgeber begeht eine Pflichtverletzung, wenn er einem Unternehmen einen Kredit zubilligt, dessen Überlebensfähigkeit von Anfang an zweifelhaft ist oder welches sich gar schon in einer Situation der Zahlungsunfähigkeit befindet und der Kreditgeber das weiß (Cour d’appel Luxembourg, 20. März 2002). In manchen Situationen kann der Bankier dazu gezwungen sein, den Kredit vor Fälligkeit und fristlos zu kündigen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich eine Tatsache auftut, die das Vertrauen in die Solvenz und die Ehrenhaftigkeit des Kunden ernsthaft stört und die die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung unmöglich macht. Der Bankier begeht eine Pflichtverletzung, wenn er durch sein Zutun die Fortsetzung einer ausweglosen Tätigkeit unterstützt und einen Kredit an eine Gesellschaft aufrechterhält, deren finanzielle Situation sich erheblich und trotz eines Restrukturierungsplanes verschlechtert. Der Bankier muss den Kreditvertrag beenden, wenn er erfährt, dass die Tätigkeit des Kunden illegal oder unredlich ist. Der Bankier, der einen Kredit zubilligt, wird von selbst eine Sicherheit fordern. Die häufigsten Sicherheiten sind Bürgschaften (Art. 2011 bis 2043 Code civil), die Verpfändung einer Sache, eines Rechtes oder eines Kontos (Art. 2073 bis 2083 Code civil sowie Art. 110 bis 119 Code de commerce) und die Bestellung einer Hypothek auf ein Gebäude des Kreditnehmers (Art. 2114 bis 2192 des Code civil). Der großherzogliche Erlass vom 27. Mai 1937 regelt die Verpfändung eines Betriebes des Kreditnehmers zugunsten einer Bank. In diesem Pfand ist die Gesamtheit aller Werte enthalten, die den Betrieb ausmachen, vor allem der Kundenbestand, das Wissen, Lizenzen, die Geschäftsorganisation, Marken, Patente, Mietrechte, Produktionsmittel, Werkzeug und Material. Das Pfand kann ferner auch die im Lager befindlichen Waren bis zu 50 % erfassen (Art. 2 des Erlasses). Die Verpfändung eines Betriebes begründet ein besitzloses Pfandrecht (Art. 13 des Erlasses), das dem Kreditnehmer erlaubt, den Betrieb normal fortzuführen und der Bank gleichzeitig den Vorrang auf alle Aktiva einräumt, die sie dann im Falle der Insolvenz des Kunden verwerten kann (Art. 15 ff. des Erlasses). Das Gesetz vom 5. August 2005 über Verträge über finanzielle Sicherheiten erlaubt es dem Kunden, Eigentum an seinen Wertgegenständen auf die Bank zu übertragen, um damit seine gegenwärtigen oder auch zukünftigen Verpflichtungen abzusichern. Der Bankier verpflichtet sich, bei Fälligkeit – je nach Vereinbarung – die Wertgegenstände oder einen gleichwertigen Ersatz rückzuübertragen, außer im Falle der Nichterfüllung der gesicherten Forderung. Das Gesetz vom 27. Juli 2003 über den Trust und den Treuhandvertrag sieht für die Bank (Treuhänder) die Möglichkeit vor, einen Vertrag mit ihrem Kunden (Treugeber) abzuschließen, durch den sie Eigentümerin einer Position wird, die Rechte darauf oder daran aber vertraglich beschränkt werden. Die Verpflichtungen des Bankier-Treuhänders werden von den Parteien frei festgelegt. Es kann sich dabei vor allem um die Anweisung des Treugebers hinsichtlich der Benutzung der Position handeln sowie um deren Rückgabe am Ende der vertraglichen Beziehung oder die Rückgabe an einen Dritten. Der Treuhandvertrag erlaubt beispielsweise dem Vermieter eines Betriebes, der nicht in Erscheinung treten will, Beträge an den Bankier zu überweisen mit der Anweisung, diese Dritten darlehensweise zur Verfügung zu stellen. Die durch den Dritten gezahlten Zinsen und das durch diesen rückerstattete Kapital werden dann an den Treugeber weitergeleitet. Der Treuhandvertrag erlaubt es auch, das Eigentum an einem Gegenstand sicherungsweise zu übertragen.
Micklitz/Böhnlein
§ 78 Länderteil – Luxemburg
2629
G. Hauptanliegen der Gesetzesreform 2007 Die Neuschaffung des Gesetzes und der beiden großherzoglichen Verordnungen vom 13. Juli 2007 führt zur vollständigen Umsetzung der Richtlinien 2004/39/EG und 2006/73/ EG in luxemburgisches Recht. Damit werden auch deren Hauptanliegen umgesetzt. Allem voran geht es um die Vereinheitlichung der Regelungen in den Mitgliedstaaten, dies um zwei Ziele zu verfolgen: I. Freizügigkeit. Die Richtlinie und das Finanzmarktgesetz mit seinen Nebengesetzen transponieren den Grundsatz der Freizügigkeit ins Finanzwesen. Im luxemburgischen Gesetzeswerk finden sich in jedem Abschnitt Vorschriften, die den Zugang von Finanzdienstleistern aus anderen Mitgleidstaaten zum luxemburgischen Markt regeln. Generell werden keine besonderen Anforderungen gestellt, die nicht auch für luxemburgische Unternehmen bestehen. Dies entspricht dem Herkunftslandprinzip (vgl. z.B. Art. 19 (2) Finanzmarktgesetz). Großenteils wird auch der Zugang von Finanzdienstleistern aus Drittländern reglementiert. Umgekehrt wird auch festgelegt, unter welchen Umständen luxemburgische Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten tätig werden können. Dies sind insbesondere Fragen der Registerpflicht und der Zusammenarbeit der zuständigen Behörden, in Luxemburg also der CSSF (Art. 33 ff. Finanzmarktgesetz). Die CSSF ist die zentrale Behörde für den Austausch mit anderen Mitgliedstaaten im Sinne der Finanzmarktrichtlinie (Art. 30 (2) Finanzmarktgesetz). II. Anlegerschutz. Dem Belang des Anlegerschutzes wird auf zweifache Weise genüge getan. Zum einen führt bereits die Vereinheitlichung der Regelungen innerhalb Europas zu mehr Sicherheit für Investoren, zum anderen werden durch die neuen Vorschriften strenge Transparenzregeln eingeführt. Andererseits ist der Aspekt nicht zu vernachlässigen, dass die Mindestkapitalanforderungen, die aufgrund der neuen Gesetzeslage gelten, im Schnitt niedriger sind als zuvor. So muss beispielsweise eine PSF, die keine fremden Gelder verwaltet, Finanzreserven nur noch in Höhe von 50.000 Euro nachweisen, statt bisher 125.000 Euro. Werden auch fremde Gelder verwaltet, beträgt die Summe nunmehr 125.000 Euro, statt früher 620.000 Euro, Art 20 Bankgesetz in der alten und neuen Fassung. Die Gesetzesreform hat die Informationspflichten verfestigt, die orientiert am Wissensund Erfahrungsstand des Vertragspartners unterschiedlich stark ausgestaltet sind, wobei gegenüber geeigneten Gegenparteien konsequenterweise die geringsten Pflichten gelten, stärkere im Verhältnis zu professionellen Kunden und besonders ausgeprägte gegenüber Kleinanlegern.
Micklitz/Böhnlein
177
178
179
180
181
182
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Niederlande
2631
18. Niederlande
§ 78 Länderteil Schrifttum – Niederlande Van Baalen, Zorgplichten in de effectenhandel, 2006; Bakkerus, Bancaire aansprakelijkheid / De civielrechtelijke aansprakelijkheid van de bank jegens de (aspirant-)kredietnemer en jegens medeschuldeisers voor vermogensschade, in het bijzonder wegens de schending van het ongeschreven recht, 2000 (mit deutscher Zusammenfassung); Barendrecht / Van den Akker, Aansprakelijkheid van de bank wegens het schenden van een informatieplicht, in: Bancaire aansprakelijkheid 1996; Barendrecht / Van den Akker, Informatieplichten van dienstverleners, 1999; Boele-Woelki / Van der Velden, Nederlandse rechtsbegrippen vertaald / Frans-Engels-Duits, 1998; Bollen / Hartlief, De bankovereenkomst, in: Hondius / Rijken, Handboek consumentenrecht, 2006; Van Bronkhorst, De bankrekening, 1987; Cherednychenko, Fundamental Rights, Contract Law and the Protection of the Weaker Party, 2007; Gotzen, Niederländisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2000; Graaf / Stegeman, Wft: tekst en toelichting, 2006; Grundmann-van de Krol, Koersen door de Wet op het Financieel Toezicht, 2007; Grundmann-van de Krol / Lieverse, Wetgeving toezicht financiële markten, 2007; Hendrikse / Rinkes, Naar een Klachteninstituut financiële dienstverlening, 2006; Hondius, De bankovereenkomst, in: Hondius / Rijken, Handboek consumentenrecht, 2006; Van Luyn / Du Perron, Effecten van de zorgplicht/Klachten over effectendienstverlening in de praktijk, 2004; Michiels van Kessenich-Hoogendam, Aansprakelijkheid van banken, 1987; Nieper / Westerdijk, Niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch, Band 6, Allgemeiner Teil des Schuldrechts, Band 7 und 7A Besondere Verträge, 1995; Du Perron, Zorgplicht en eigen schuld in het effectenrecht, in: Hesselink (Red.), Privaatrecht tussen autonomie en solidariteit, 2003; Van Ravenhorst, De bankovereenkomst, 1991; Slagter, Commentaar op de Algemene Bankvoorwaarden, 1999; Tjittes / Blom, Bank en aansprakelijkheid, 1996; Wessels / Jongeneel / Hendrikse (Red.), Algemene voorwaarden, 2006, S. 717; Van Zwet, De ontwikkeling van de Bankwet 1814-1998/Van 's Konings oudste dogter tot integrerend onderdeel van het ESCB, 2000; Zwitser, De United Nations Conventions on International Bills of Exchange and Promissory Notes van 9 december 1988, in: De Ly / Haak / Van Boom (Red.), Eenvormig bedrijfsrecht: realiteit of utopie?, 2006.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Die niederländische Zentralbank . . . . . . . . . 4 IV. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 16
I. Konto; Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regulierung Angebot finanzieller Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Recht der Order- und Inhaberpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16 18 29 30 30 32
Stichwortverzeichnis Aktienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . 7 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 f., 4 f., 31 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bankkonto für jedermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Bankvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 16 Bankwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 25 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 12 ff. Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 ff. Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Hypotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 15, 18 Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 ff.
Kollektiventschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 28 Konsumentenkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 10 Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 27 Nederlandsche Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Order- und Inhaberpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28, 30 f. Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 ff. Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . .3, 13, 18, 21 f., 25 Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32 f. Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 f. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 7, 16, 29, 33 Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 f.
Hondius/Oostwouder
2632
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten Abkürzungsverzeichnis
AFM BW DNB HR NIBE NJ
1
Autoriteit Financiële Markten Burgerlijk Wetboek De Nederlandsche Bank Hoge Raad Nederlands Instituut voor het Bank- en Effectenbedrijf Nederlandse Jurisprudentie
RvdW Wtb Wfd Wte Wft Wtk
Rechtspraak van de Week Wet toezicht beleggingsinstellingen Wet financiële dienstverlening Wet toezicht effectenverkeer 1995 Wet op het financieel toezicht Wet toezicht kredietwezen 1992
A. Rahmenbedingungen I. Bankensystem. Allgemeines. Die Niederlande verfügt über ein modernes Bankwesen. Es gibt in den Niederlanden eine große Anzahl von Banken. Die Banken sind fast alle Mitglieder der privaten Nederlandse Vereniging van Banken. In Amsterdam befindet sich das private Nederlands Instituut voor het Bank- en Effectenbedrijf (NIBE). Die großen Banken sind stark international orientiert. Die Niederlande gehören zur Euro-Zone. Der erste Präsident der Europäischen Wirtschaftsbank in Frankfurt war der Niederländer Wim Duisenberg.
2
Der Zugang zu den Beschäftigungsmöglichkeiten im Finanzsektor. Seit dem 1. Januar 2007 wird der wichtigste Teil des Zugangs zu den Beschäftigungsmöglichkeiten im Finanzsektor durch das Wet op het Financieel Toezicht (Wft) reguliert. Dieses Gesetz hat acht ältere Gesetze (jedes für ein Teilgebiet des finanziellen Rechts), u. a. das Wet toezicht effectenverkeer (Wte) 1995, Wet toezicht kredietwezen (Wtk) 1992, Wet toezicht beleggingsinstellingen (Wtb) 1995, Wet financiële dienstverlening (Wfd), und Wet melding zeggenschap en kapitaalbelang in effectenuitgevende instellingen 2006 ersetzt. Es gibt dazu auch noch einige Finanzaufsichtsgesetze, die nicht im Wft erfasst sind, so beispielsweise das Wet ter voor koming van witwassen en financiering van terrorisme (WWFT) – dieses Gesetz ist wichtig für den Kampf gegen die Geldwäsche und den Terrorismus, Wet toezicht op de accountantsorganisaties, Wet toezicht jaarverslaggevng, Wet toezicht trustkantoren, Wet geldtransactiekantoren, Wet giraal effectenverkeer, Pensioenwet und ein Teil des Wet op het consumentenkrediet. Für die meisten Tätigkeiten im Finanzsektor braucht man eine Zulassung oder einen europäischen Pass. In Artikel 1 Wft wird eine Bank beschrieben als diejenige, die einem Betrieb außerhalb eines geschlossenen Kreises (besloten kring) rückerstattbare Einlagen von anderen Personen als professionellen Marktparteien („professionelle Marktparteien“ im Sinne von Artikel 1:1 Wft) und auf eigene Rechnung Kredite gewährt. Gemäß Artikel 3:5 Wft bedarf diese Tätigkeit einer Zulassung. Diese Zulassung ist jedoch nicht erforderlich, wenn es sich um ein Kreditinstitut aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt. Dazu muss eine spezielle Prozedur (‚notificatieprocedure‘) durchlaufen werden. Wenn eine Bank über keine Genehmigung aus einem Mitgliedstaat verfügt, weil diese Zulassung gemäß dem Recht dieses Mitgliedstaats nicht erforderlich ist und die Bank diese Zulassung auch nicht freiwillig bekommen hat, dann muss diese Bank das der DNB bekannt machen. Dazu ist es erforderlich, dass sie die Solvenzvoraussetzungen nach Artikel 3:57 Wft erfüllt (dazu Grundmann-van de Krol, Koersen door de Wet op het financieel toezicht, 2007).
3
II. Bankenaufsicht. Die Aufsichtsbehörden. Am 1. September 2002 wurde in den Niederlanden ein funktionelles Aufsichtssystem eingeführt. Dabei ist die Aufsicht über finanzielle Unternehmungen nach drei Funktionen strukturiert worden, nämlich: der Systemau-
Hondius/Oostwouder
§ 78 Länderteil – Niederlande
2633
fsicht, der Solvenzaufsicht und der Verhaltensaufsicht (die Aufsicht über das Benehmen). Die Solvenzaufsicht richtet sich auf die Förderung finanzieller Solidität von finanziellen Unternehmungen, wie etwa der Aufsicht über Vermögensanforderungen und andere finanzielle Anforderungen. Die niederländische Zentralbank (DNB) ist die Aufsichtsbehörde für die Solvenzaufsicht über jede finanzielle Unternehmung, einschließlich der Banken. Die Verhaltensaufsicht kontrolliert die Förderung ordentlicher und lauterer Verhältnisse zwischen Marktparteien und den Schutz von Verbrauchern und Investoren. Die Autoriteit Financiële Markten (AFM) ist als Aufsichtsbehörde für die Verhaltensaufsicht (Gedragstoezicht) über jede finanzielle Unternehmung, einschließlich der Banken, zuständig. Die Entscheidung über die Zulassung von Banken wird jedoch durch die DNB getroffen. III. Die niederländische Zentralbank. Die Nederlandsche Bank (DNB) entstand 1814 und wurde 1948 nationalisiert; das heutige Bankgesetz entstand 1998 (vgl. dazu Van Zwet, De ontwikkeling van de Bankwet 1814-1998/Van’s Konings oudste dogter tot integrerend onderdeel van het ESCB, 2000). Die Politik der niederländischen Zentralbank ist ausgerichtet auf: (1) die Währungspolitik, (2) den Zahlungsverkehr und (3) die Systemaufsicht und die Solvenzaufsicht über finanzielle Unternehmungen. Diese drei Gebiete sind die Pfeiler eines stabilen Finanzsystems.
4
IV. Bedeutende Rechtsquellen. Seit dem 1. Januar 2007 ist die Aufsicht über finanzielle Unternehmungen (einschließlich der Banken) in dem Wet op het Financieel Toezicht (Wft) gesetzlich festgelegt. Zu diesem Datum wurde auch das Wet toezicht kredietwezen (Wtk 1992) – ein Gesetz, durch das bis dahin die Aufsicht über die Banken festgelegt war – aufgehoben.
5
Das niederländische Bürgerliche Gesetzbuch (Burgerlijk Wetboek) von 1992 enthält, anders als die italienische Codice civile von 1942, keine spezifischen Bestimmungen zum Bankvertrag. Es gibt allerdings viele Bestimmungen, die auch für/im Bankbetrieb wichtig sind, so zum Beispiel diejenigen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten (Art. 6:27/51), Verbindlichkeiten zur Zahlung eines Geldbetrages (Art. 6:111/126), Aufrechnung (Art. 6:127/141) und Bürgschaft (Art. 7:850/870).
6
Außerdem sind auch die Algemene bankvoorwaarden von Bedeutung. Das sind allgemeine Geschäftsbedingungen, die in bilateralen Verhandlungen zwischen dem Consumentenbond und dem Nederlandse Vereniging van Banken unter Vorsitz des Sociaal-Economische Raad vereinbart worden sind. Die Algemene bankvoorwaarden werden von fast allen niederländischen Banken verwendet und durch neue spezifische Produktbestimmungen ergänzt, wie beispielsweise zum elektronischen Zahlungsverkehr.
7
B. Kredit und Kreditsicherheiten
8
I. Kredit. Die gebräuchlichsten Formen des Bankkredits sind das Darlehen, der Kontokorrentkredit und der Obligokredit (dazu Bakkerus, S. 12 ff.). Das Darlehen ist im neuen niederländischen Zivilgesetzbuch noch nicht neu geregelt worden. Es ist deshalb gemäß Art. 7A:1791 ff. Burgerlijk Wetboek (BW) noch immer ein dinglicher Vertrag, der zu dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Bank das Darlehen vergibt (dazu Bakkerus, S. 12).
9
Der Kontokorrentkredit besteht aus drei Vereinbarungen: der Giro-Vereinbarung, der Kontokorrentvereinbarung und der Kreditvereinbarung (dazu Bakkerus, siehe oben).
10
Im Bereich des Konsumentenkredits gibt es ein wichtiges Urteil: Jans/Fiat Credit Nederland – HR 23. Januar 1998, NJ 1999, 97. Jans kauft bei seinem örtlichen Händler einen ge-
11
Hondius/Oostwouder
2634
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
brauchten Pkw. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass der Pkw schon einmal als Totalschaden (total loss) eingestuft worden ist. Das niederländische Recht bietet Jans in diesem Fall gegenüber dem Händler verschiedene Möglichkeiten (Irrtum, Auflösung). Aber er kann auch von dem Vertrag mit der Bank zurücktreten, falls Beziehungen zwischen der Bank und dem Händler bestehen. 12
II. Kreditsicherheiten. Kreditsicherheiten sind die persönlichen Sicherheiten (Bürgschaft, Garantievertrag) und die dinglichen Sicherheiten (Pfand, Hypothek).
13
Die Bürgschaft ist 1992 im neuen Burgerlijk Wetboek (BW) geregelt worden: Art. 7:850 ff. Insbesondere neu sind die Artikel 7:857 ff. für Verbrauchergeschäfte. Gemäß Art. 7:857 finden die Bestimmungen dieses Abschnitts Anwendung auf Bürgschaften, die von einer natürlichen Person abgeschlossen worden sind, die weder in der Ausübung ihres Berufes oder Gewerbes handelte noch zum Zwecke der normalen Ausübung des Gewerbes einer Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Vorstandsmitglied sie ist, und die allein oder zusammen mit anderen Vorstandsmitgliedern die Mehrheit der Anteile hält.
14
Anders als in Deutschland gibt es hinsichtlich einer Bürgschaft im niederländischen Recht so gut wie keine Möglichkeit einer Verfassungskontrolle (s. S. Cherednychenko, Fundamental Rights, Contract Law and the Protection of the Weaker Party, 2007).
15
Pfandrechte und Hypotheken sind in den Artikeln 3:227 ff. des neuen Burgerlijk Wetboek (BW) geregelt worden. Problematisch ist der Artikel 3:84 Absatz 3 BW, der Folgendes bestimmt (in der Übersetzung von Nieper/Westerdijk): ‚Ein Rechtsgeschäft, das zum Ziel hat, ein Gut zur Sicherheit zu übertragen, oder dem der Zweck fehlt, das Gut nach der Übertragung in das Vermögen des Erwerbers fallen zu lassen, ist kein gültiger Rechtsgrund für die Übertragung dieses Gutes.‘
16
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto; Bankvertrag. In der niederländischen Rechtsprechung wird, wie in Deutschland, eine Pflichtverletzung der Banken angenommen, wenn die Bank ihren Aufklärungspflichten nicht nachkommt. Der Hoge Raad leitet eine solche besondere Pflicht zur Aufklärung und Überwachung von Kunden und Dritten aus der gesellschaftlichen Funktion der Banken ab (vgl. MeesPierson/Ten Bos, HR 9. Januar 1998, NJ 1999, 285). Vor diesem Hintergrund hätte die Bank die Mutter zweier Kinder warnen müssen, dass der Verwalter der Kinder nicht mit deren Vermögen spekulieren solle. Die Rechtsprechung stellt zurzeit strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Banken (s. Van Baalen, Zorgplichten in de effectenhandel, 2006).
17
Es gibt einige große Fälle, bei denen im Zusammenhang mit der Börsenkrise am Anfang des letzten Jahrhunderts Verluste in Milliardenhöhe entstanden sind und die betroffenen Kunden daraufhin versucht haben, die Banken für irreführende Werbung oder fehlerhafte Angaben haften zu lassen (dazu unten Rn. 30).
18
II. Schlichtung. Die meisten Streitigkeiten zwischen Banken und Verbrauchern werden nicht von den staatlichen Gerichten sondern von Schlichtungskommissionen erledigt. Bis 2007 waren dies die Geschillencommissie bankzaken und die Klachtencommissie Dutch Securities Institute. Am 1. Januar 2007 wurde im Rahmen des neuen Klachteninstituut financiële dienstverlening (KIFID) eine neue Schlichtungskommission gegründet. Sie vereinigt alle Schlichtungsstellen aus dem Bereich des Anlegerschutzes, der Banken und Hypotheken und der Versicherung. Außer den Geschillencommissie financiële dienstverlening gibt es einen Ombudsman financiële dienstverlening sowie ein tuchtcollege
Hondius/Oostwouder
§ 78 Länderteil – Niederlande
2635
(Disziplinargericht) – s. Hendrikse/Rinkes, Naar een Klachteninstituut financiële dienstverlening (2006). Die Algemene Bankvoorwaarden enthalten eine Klausel, die es dem Verbraucher ermöglicht, seine Streitigkeiten mit den Banken entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer der oben genannten Schlichtungsstellen verhandeln zu lassen. Vorteile der außergerichtlichen Lösung sind vor allem die niedrigen Kosten: Der Verbraucher zahlt nur eine Gebühr in Höhe von 50 Euro, benötigt keinen Rechtsanwalt und muss somit auch keine Rechtsanwaltskosten (weder für sich, noch gegebenenfalls für die gegnerische Partei) zahlen. Im Jahre 2006 wurden 1303 Beschwerden bei der Geschillencommissie bankzaken und der Geschillencommissie hypothecaire financieringen eingereicht und 499 Urteile erlassen – Jaarverslag Stichting Geschillencommissies voor Consumentenzaken (2006). Wichtige Urteile werden in der Tijdschrift voor Arbitrage und der Tijdschrift voor Consumentenrecht veröffentlicht. Die letztgenannte Zeitschrift enthält auch Übersichten zum Bankrecht.
19
Nachfolgend werden beispielhaft einige Entscheidungen der Gerichte und Schlichtungsstellen skizziert, die dem Handboek consumentenrecht entnommen worden sind: Es geschah oft, dass jemand, der gerade an einem Automaten am Bahnhof ein Bahnticket kaufte, darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ein Geldschein am Boden liegen würde. In dem Moment, in dem der Angesprochene zu Boden schaute, wechselte eine zweite Person die Bankkarte. Zuvor hatte diese Person schon die Geheimzahl ausspioniert. Mit Karte und PIN-Nummer konnten dann innerhalb einer halben Stunde oft mehrere tausend Euro vom Konto abgehoben werden. Die staatlichen Gerichte haben den Klagen der Kunden oft stattgegeben, anders als die Schlichtungsstellen. Ende 2006 haben letztere sich entschieden, diesen Klagen in Zukunft auch leichter stattzugeben. Mittlerweile sind die Automaten am Bahnhof sicherheitstechnisch so verbessert worden, dass der Trick viel schwieriger geworden ist.
20
Ein alltäglicher Fall ist der, dass eine Bankkarte aus einem Rucksack gestohlen wird. Auch in diesen Fällen ist die Schlichtungsstelle nicht sehr verbraucherfreundlich. Sie argumentiert, dass Verbraucher ihren Rucksack immer im Auge behalten sollten und, falls sie dies nicht tun, die Risiken dafür tragen müssten.
21
Der minderjährige Kontokorrentinhaber. Dagegen sind die Schlichtungsstellen oft verbraucherfreundlich, wenn es sich um minderjährige Kontokorrenthalter handelt. So wurde der Klage der Eltern einer Minderjährigen stattgegeben, die sich beim Schalter mit dem Reisepass ihrer Mutter legitimierte und 900 Euro – eine unübliche Summe in einem solchen Alter – abhob. Dass der Saldo ausreichend war, war laut der Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht relevant.
22
Legitimation bei Kontokorrentaufnahmen. Bei niederländischen Banken war es bis vor Kurzem keine Pflicht, bei Geldabhebungen einen Ausweis vorzulegen. Die Schlichtungsstelle für Banken hat jedoch seit Ende 2003 bei Abhebungen über 3.750 Euro und schließlich ab dem 1. März 2004 für jedes Abheben vorgegeben, dass ein Ausweis vorzulegen ist.
23
Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Rechtsfigur der Geschäftsführung ohne Auftrag kommt im niederländischen Recht nicht sehr häufig vor. Trotzdem hat die Schlichtungsstelle für Banksachen diese Figur einige Male genutzt, entweder zugunsten der Bank oder der Kunden. In einem Fall hat ein Familienmitglied ohne Auftrag die Geschäfte eines Drogenabhängigen geführt. In einem anderen Fall hat die Bank im Auftrag eines Erben die
24
Hondius/Oostwouder
2636
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Beerdigungskosten bezahlt. In beiden Fällen konnte die Geschäftsführung ohne Auftrag genutzt werden, um eine angemessene Lösung zu erzielen. 25
Aktienleasing. Leasing von Aktien ist ein Phänomen, das man nur in den Niederlanden und vereinzelt in Belgien finden kann. Es ist eine Konstruktion, die es den Anlegern ermöglicht, falls die Börsenkurse steigen, das Dreifache der Steigerung zu erhalten. Was die Banken den Anlegern jedoch nicht mitteilten, war die Tatsache, dass bei sinkenden Börsenkursen die Verluste sich ebenfalls auf ein Dreifaches belaufen. Als die Börsenkurse Anfang dieses Jahrhunderts tatsächlich stark sanken, verloren 700 000 Anleger einen Teil ihrer Ersparnisse. Dies führte zu tausenden von Klagen und schließlich auch zu einem Vertrag zwischen der verantwortlichen Bank (Dexia) und dem Verbraucherverein, der für die Anleger auftrat. Dieser Vertrag wurde vom ehemaligen Präsidenten der Europäischen Bank Wim Duisenberg betreut. Der Vertrag ist als einer der ersten Massenentschädigungsverträge Anfang 2007 vom Gerichtshof Amsterdam für allgemeinverbindlich erklärt worden.
26
Kreditkarten. Bisher gab es mit Kreditkarten relativ wenige Probleme. Die Banken waren relativ kulant. Die Rechtsprechung hinsichtlich Kreditkarten ist nicht sehr umfangreich; auch die Schlichtungskommissionen haben sehr wenig Kreditkartensachen. Es gibt jedoch Anzeichen, dass sich dies ändern könnte. Wenn zum Beispiel ein Kunde erklärt, dass ein Geschäftsführer ohne Auftrag eine Karte drei Mal genutzt hat, wird dies von den Banken als ein Problem zwischen dem Kunden und dem Geschäftsführer gesehen, das dem Kunden der Bank gegenüber keinen Anspruch auf Rückzahlung gewährt.
27
Ein Bankkonto für jedermann? Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts hat es in einigen europäischen Ländern eine Diskussion über die Frage gegeben, ob jedermann ein Bankkonto haben sollte. In Deutschland ist eine gesetzliche Regelung von der damaligen Regierung als unerwünscht angesehen worden, aber die Regierung hat an einer Art von Selbstregulierung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) mitgearbeitet. Dieser Ausschuss hat das Dokument ‚Girokonto für jedermann‘ genehmigt, in dem Folgendes vorgesehen ist: ‚Alle Kreditinstitute, die Girokonten für alle Bevölkerungsgruppen führen, richten für jede/n Bürgerin/Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto ein.‘ Bisher hat diese Bestimmung in der deutschen Rechtspraxis wenig Erfolg gehabt. In den Niederlanden hat eine ähnliche Bestimmung im NVB Convenant inzake primaire betaaldiensten in einigen Fällen dazu geführt, dass Banken verpflichtet wurden, ein Konto für den Kläger zu eröffnen.
28
Kollektiventschädigung. In Deutschland klagen zurzeit ungefähr 17 000 Anleger in 2 500 Klagen bei dem Landgericht Frankfurt am Main über einen angeblich irreführenden Prospekt der Deutschen Telekom. Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz soll hier eine Lösung bieten. Ähnliches gibt es schon in den Niederlanden, wo das Aktienleasing zu ca. 4 500 Individualklagen allein bei dem Arrondissementgericht Amsterdam geführt hat. Wie oben (s. Rn. 25) bereits erwähnt wurde, ist jetzt ein Massenentschädigungsvertrag zwischen Bank und Kundenvertreter allgemeinverbindlich erklärt worden.
29
III. Zahlungsverkehr. Von großer Bedeutung sind auch die Bestimmungen des 11. Abschnitts ‚Verbindlichkeiten zur Zahlung eines Geldbetrages‘ des ersten Titels von Buch 6. Aus Art. 6:114 ergibt sich, dass zur Zeit der Rekodifikation Bankzahlungen noch nicht so häufig waren wie jetzt (die Übersetzung ist von Nieper/Westerdijk entnommen worden): (1) Besteht in einem Land, in dem die Zahlung erfolgen muss oder darf, ein Konto auf den Namen des Gläubigers, das für bargeldlose Zahlungen bestimmt ist, dann kann der Schuldner die Verbindlichkeit dadurch erfüllen, dass er den geschuldeten Betrag diesem
Hondius/Oostwouder
§ 78 Länderteil – Niederlande
2637
Konto gutschreiben lässt, es sei denn, dass der Gläubiger die Zahlung auf das Konto wirksam ausgeschlossen hat. (2) Im Falle des vorigen Absatzes erfolgt die Zahlung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Betrag dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird.
D. Kapitalmarktrecht
30
I. Regulierung Angebot von finanziellen Produkten. Allgemeines. Das Wft reguliert das Angebot finanzieller Produkte durch ein Verbotssystem. Das Anbieten der meisten finanziellen Produkte ist ohne einen Prospekt und/oder eine Zulassung der AFM oder DNB verboten. Artikel 1:1 Wft enthält eine Definition von Aanbieden (Angebot). Diese Definition schließt an das zivilrechtliche Angebot in Artikel 6:217 BW an. Gemäß diesem Artikel entsteht ein Vertrag durch Angebot und Annahme dieses Angebots. Es gibt ein Angebot im Sinne von Artikel 6:217 BW, wenn die Konditionen (inklusive des Preises) dieses Angebots so genau sind, dass durch dessen Annahme unverzüglich ein Vertrag entsteht. Wenn das Angebot nicht an eine oder mehrere spezifische Personen gerichtet ist, wenn die Person und die Qualität des künftigen Vertragspartners für den Anbieter (im Rahmen seines Angebots) also nicht wichtig ist, gibt es ein öffentliches Angebot. Die Definition von Angebot von Effekten (Wertpapiere) in Artikel 5:1 Wft umfasst jedoch mehr als die Definition von Angebot in Artikel 1:1 Wft. Dabei geht es nicht nur um das zivilrechtliche Angebot i.S.v. Artikel 6:217 BW, sondern auch um eine Einladung, ein Angebot zu machen, sowie um den Erwerb von Effekten. Angebot von ‚Effekten‘ (Wertpapiere). Artikel 5:2 Wft verbietet das öffentliche Angebot von Effekten für das Publikum in den Niederlanden sowie die Zulassung von Effekten für den Handel auf einem niederländischen reglementierten oder funktionierenden Markt, sofern nicht ein durch die AFM oder durch eine Aufsichtsbehörde aus einem anderen Mitgliedstaat genehmigtes Prospekt in Bezug auf dieses Angebot oder diese Zulassung allgemein erhältlich ist. Dabei reicht es für ein solches öffentliches Angebot („aan het publiek“) aus, dass es sich an mehrere Personen richtet.
31
Das Wft enthält verschiedene Ausnahmen und generelle Freistellungen von diesem Verbot. Die AFM hat nicht die Befugnis zur Erteilung einer spezifischen Freistellung, aber sie kann eine Dispensierung gewisser Inhaltsforderungen für einen Prospekt gewähren (dazu Grundmann-van de Krol (2007)). Die Definition von Effekten in Artikel 1:1 Wft schließt an die Definition von Wertpapieren in Artikel 2 Prospektrichtlinie 2003/71/EG an. Gemäß diesem Artikel sind Wertpapiere übertragbare Wertpapiere im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 83/22/ EWG mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten im Sinne von Artikel 1 Absatz 5 der Richtlinie 93/22/EWG mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten. In Artikel 1 Absatz 4 geht es um Wertpapiere, die auf dem Kapitalmarkt übertragbar sind. In der Definition von Artikel 1:1 Wft wird nur von übertragbaren Effekten (Wertpapiere) gesprochen. II. Das Recht der Order- und Inhaberpapiere. Das niederländische Recht kennt keine allgemeine Regelung für den Bereich der Order- und Inhaberpapiere. Seit 1934 gelten in den Niederlanden die 1930 in Genf geschlossenen wechselrechtlichen Abkommen. Somit ist das niederländische Wechselrecht also nicht wesentlich anders als das anderer Länder.
32
Im heutigen niederländischen Wirtschaftsleben spielt der Wechsel kaum noch eine Rolle. Nur im internationalen Zahlungsverkehr ist dies anders – s. Zwitser, De United Nations
33
Hondius/Oostwouder
2638
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Conventions on International Bills of Exchange and Promissory Notes vom 9. Dezember 1988, in: De Ly/Haak/Van Boom (Red.), Eenvormig bedrijfsrecht: realiteit of utopie? (2006).
Hondius/Oostwouder
§ 78 Länderteil – Österreich
2639
19. Österreich
§ 78 Länderteil Schrifttum (Auswahl) Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen des neuen Börserechts (1998); Apathy/Iro/Koziol, Österrei– Österreich chisches Bankvertragsrecht2 I (2007), II (2008), III (2008), VI (2007); Brandl/Saria (Hrsg.), Praxiskommentar zum WAG (2007); Brandl/Wolfbauer, Finanzdienstleistungen nach dem Finanzmarktaufsichtsgesetz (2001); Borns, Das österreichische Bankrecht. Systematische Darstellung des BWG2 (2006); Brandl/ Kalss/Lucius/Oppitz/Saria (Hrsg.), Handbuch Kapitalmarktrecht I (2005), II (2006), III (2006); Dellinger (Hrsg.), Bankwesengesetz Kommentar (Loseblatt, Stand 2007); Diwok/Göth, Bankwesengesetz I (2005); Hauser, Gesetzessammlung Bank- und Versicherungsrecht (2006); Iro/Koziol, Allgemeine Bedingungen für Bankgeschäfte – Kommentar (2001); Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I und II (2005); Laurer/ Borns/Strobl/M. Schütz/O. Schütz, Bankwesengesetz3 (Loseblatt, Stand 2008); Weilinger/Weilinger, Kodex Banken- und Börserecht13 (2008); Zehetner, Handbuch Bankrecht für die Praxis (2005); Zivny, Kapitalmarktgesetz (2007).
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Darlehens- und Kreditvertrag . . . . . . . . . . 7 2. Wichtige Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Die wichtigsten Formen der persönlichen Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . 12 2. Die wichtigsten Formen „dinglicher“ Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Begriff und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Verfügungen über das Konto . . . . . . . . . 41 3. Buchungen und Kontoabschluss . . . . . . 43 4. Verbrauchergirokonten . . . . . . . . . . . . . . 44
5. Konten nicht voll Geschäftsfähiger, insb. von Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Überweisungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Grenzüberschreitende EWRÜberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Einzugsermächtigungsverfahren und Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Kartengebundener Zahlungsverkehr: Geldausgabeautomat – Maestro-Kassen – „Quick“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 D. Einlagen- und Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Das Einlagengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Begriffe und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . 54 2. Sparvertrag und Sparurkunde . . . . . . . . 55 3. Rechte des Sparers . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Das Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 E. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Stichwortverzeichnis ABB 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Allgemeine Bedingungen für Bankgeschäfte . . . . . 6 Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . 6 Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50, 51 Anweisungsannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Bankgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 6, 54, 60 Bankomatkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Bankwesengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Belehrungspflichten (gegenüber Ehegatten) . . . . . 16 Bezeichnungssparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12-15, 19, 21-23, 26 – elektronische Signatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Bürgschaft auf erstes Anfordern . . . . . . . . . . . . . . 22 Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 58 f. Depotgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Drittfinanzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 60 Einlagengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 54 ff.
Einlagensicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Einzugsermächtigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 52 Erstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Finanzinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 4 Finanzmarktaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 20-23, 48, 53 Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Geschäftsbesorgungsvertrag (entgeltlicher) . . 39, 62 Globalbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 f. Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 44, 50 f., 57 Höchstbetragshypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 f. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 48 Interzedentenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16-19 Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60-62 Konsumentenschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Konto – Abschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 – Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 – Buchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 – Durchführungspflicht der Bank . . . . . . . . . . . . . 41 – Jugendlicher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 – Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40-43
Bydlinski
2640
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
– Weisungen des Kontoinhabers . . . . . . . . . . . . . . 41 – Zeichnungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 29 Kontosaldo (Anerkenntnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Kreditformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-11 Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1-3, 6, 45, 53 Kreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Kreditsicherheiten – dingliche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28-38 – persönliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12-27 Kreditsicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12-28 Kreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 f. Kreditwucher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Mäßigung (der Haftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Namenssparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Obliegenheiten (des Kreditgebers) . . . . . . . . . . . . 17 Patronatserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Pfand (Verwertung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 32 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28-35 Prospekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Publizität – Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29-31 – Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 f. – Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 f. Schadenersatz – Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61a – wegen unwirksamer AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8a Schriftform – Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 – Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 – Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Schuldbeitritt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sicherheitenbestellung (durch Verbraucher) . . 16-19 Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Sicherungsübereignung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 36 Sicherungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Sittenwidrigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 16
Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54-57 Spareinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Sparer (Rechte der). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Sparurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 f. Sparvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 f. Stornorecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Überfordernde Sicherungsvereinbarung . . . . . . . . 16 Überweisung – Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – Geld-zurück-Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – grenzüberschreitende . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 f., 49 – Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 – Informationspflichten der Banken . . . . . . . . . . . 48 – Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – Rechtzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – Stornorecht der Bank nach Gutschrift . . . . . . . . 51 – Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Überweisungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 48, 50 Überweisungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Überweisungsrecht (nach ABGB) . . . . . . . . . . . . . 49 Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 – 19, 23 Verbrauchergirokonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 57 Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Verpfändung (beweglicher Sachen) . . . . . . . . . 30, 36 Wertpapieraufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Wertpapiere – fehlerhafte Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61a – Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 60 – Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59, 61 – Verkauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 – Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 f. – Verwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Wertstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Wohlverhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46-53 Zahlungsverkehr mit Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Zeichnungsberechtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Zinsgleitklausel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8a Zurückbehaltungsrecht (unternehmerisches) . . . . . 33
Abkürzungsverzeichnis ABB ABGB AGB AO BGBl. BörseG BWG DepG dRGBl. EheG EO ErgH EvBl
Allgemeine Bedingungen für Bankgeschäfte Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeine Geschäftsbedingungen Ausgleichsordnung Bundesgesetzblatt* Börsegesetz Bankwesengesetz Depotgesetz deutsches Reichsgesetzblatt Ehegesetz Exekutionsordnung Ergänzungsheft „Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen“ in Österreichische Juristen-Zeitung
EVHGB
FMAG GebG GBG HGB JBl KESt KMG KO KSchG KWG NJW NZ ÖBA
Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich Finanzmarktaufsichtsgesetz Gebührengesetz Grundbuchsgesetz Handelsgesetzbuch Juristische Blätter Kapitalertragssteuer Kapitalmarktgesetz Konkursordnung Konsumentenschutzgesetz Kreditwesengesetz Neue Juristische Wochenschrift Österreichische Notariats-Zeitung Österreichisches Bank-Archiv
* Die zitierte aktuelle Fassung (Stand März 2008) bezieht sich immer auf das gesamte Gesetz.
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
OGH ÖJZ PatG RdW RGBl. SigG SZ
TP ÜbG
(österreichischer) Oberster Gerichtshof Österreichische Juristen-Zeitung Patentgesetz Österreichisches Recht der Wirtschaft Reichsgesetzblatt Signaturgesetz Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs-)sachen Tarifpost Überweisungsgesetz
UGB WAG WBl WG WucherG Zak ZBB ZIK
2641
Unternehmensgesetzbuch Wertpapieraufsichtsgesetz Wirtschaftsrechtliche Blätter Wechselgesetz Wuchergesetz Zivilrecht aktuell Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz
A. Rahmenbedingungen
1
I. Bankensystem. Das österreichische Bankensystem entspricht dem EU-Standard: Unternehmer, regelmäßig Kapitalgesellschaften, betreiben Bankgeschäfte als Universaloder als Spezialbanken unter staatlicher Aufsicht. Die Bankgeschäfte, die gewerblich nur von Kreditinstituten auf Grund einer entsprechenden Konzession des Bundesministers für Finanzen (§§ 4 ff. Bankwesengesetz – BWG, BGBl. Nr. 532/1993 i. d. F. BGBl. I Nr. 2/2008) durchgeführt werden dürfen, zählt § 1 I BWG in seinen Z 1 bis 19 auf. Es sind dies beispielsweise das Einlagen-, Giro-, Kredit-, Diskont- und Depotgeschäft, der Handel mit Wertpapieren (Effektengeschäft) sowie mit ausländischen Zahlungsmitteln (Devisen- und Valutengeschäft), Wertpapieremissions-, Bauspar-, Investment- und Factoringgeschäft sowie das Finanzdienstleistungsgeschäft. EU-weit herrscht Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (§§ 9 ff. BWG). Von den Kreditinstituten sind die (bloßen) Finanzinstitute zu unterscheiden. Zu ihrem Geschäftsfeld zählt etwa der gewerbsmäßige Betrieb von Leasing- und Wechselstubengeschäften oder die Erbringung von Schließfachverwaltungsdiensten (§ 1 II BWG). Zum Begriff der Wertpapierfirma s. § 2 Z 30 und 31 BWG. Kreditinstitute sowie diesen nahe stehende Personen unterliegen einem strengen Bankgeheimnis: Gemäß § 38 BWG (vormals: § 23 KWG, BGBl. Nr. 63/1979 i. d. F. BGBl. Nr. 407/1993) dürfen sie Geheimnisse, die ihnen ausschließlich aufgrund ihrer Geschäftsverbindung mit dem Kunden anvertraut worden sind, weder offenbaren noch verwerten. Davon bestehen nur wenige Ausnahmen; so etwa in gerichtlichen Strafverfahren und in Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen. Erlaubt ist auch die Erteilung allgemein gehaltener „Bonitätsauskünfte“ über eigene Kunden. Eine Geheimhaltungspflicht besteht auch dann nicht, wenn der Kunde der Offenbarung ausdrücklich und schriftlich zugestimmt hat (dazu statt vieler Jabornegg/Strasser/Floretta, Das Bankgeheimnis, 1985 mit ErgH 1987; Jabornegg, ÖBA 1997, 663; OGH ÖBA 2000, 527; 2001, 645, Koziol; ÖBA 2003, 66). II. Bankenaufsicht. Kredit- und (gewisse) Finanzinstitute unterliegen der ministeriellen Aufsicht nach den §§ 69 ff. BWG. Dabei trifft die Bank eine Vielzahl von Meldepflichten (vgl. etwa die Großkreditmeldung nach § 75 BWG). In die Aufsicht ist die Oesterreichische Nationalbank intensiv eingebunden (s. nur § 79 BWG). Neben den BWG-Vorschriften existieren eigene Gesetze für die Finanzmarktaufsicht (FMAG, BGBl. I Nr. 97/2001 i. d. F. BGBl. I Nr. 2/2008; dazu Brandl/Wolfbauer, Finanzdienstleistungen nach dem Finanzmarktaufsichtsgesetz, 2001; dieselben, ecolex 2002, 294) sowie für die Wertpapieraufsicht (WAG 2007, BGBl. Nr. 60/2007 i. d. F. BGBl. I Nr. 107/2007; vgl. dazu Brandl/ Saria (Hrsg.), Praxiskommentar zum WAG (2007); Marenzi/Sindelar, Von der MiFID zum WAG 2007 (2008); siehe ferner Rn. 61).
Bydlinski
2
3
4
2642
5
6
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
III. Bedeutende Rechtsquellen. Eine ganz zentrale – sowohl öffentlich- als auch zivilrechtliche – Rechtsquelle wurde bereits mehrfach genannt: das Bankwesengesetz (BWG; Vorläufer: Kreditwesengesetz – KWG). Aus dem Bereich der Spezialgesetze sind daneben – ohne Vollständigkeit auch nur zu versuchen – vor allem zu nennen: NationalbankG (BGBl. Nr. 50/1984 i. d. F. BGBl. I Nr. 108/2007), SparkassenG (BGBl. Nr. 64/1979 i. d. F. BGBl. I Nr. 108/2007), BausparkassenG (BGBl. Nr. 532/1993 i. d. F. BGBl. I Nr. 48/ 2006), PostsparkassenG (BGBl. Nr. 458/1969 i. d. F. BGBl. I Nr. 108/2002), HypothekenbankG (dRGBl. 1899, S. 375 i. d. F. BGBl. I Nr. 48/2006), ÜberweisungsG (BGBl. I Nr. 123/1999 i. d. F. BGBl. I Nr. 123/2003), FinalitätsG (BGBl. I Nr. 123/1999 i. d. F. BGBl. I Nr. 75/2002), DevisenG (BGBl. Nr. 162/1946 i. d. F. BGBl. I Nr. 123/2003), DepotG (BGBl. Nr. 424/1969 i. d. F. BGBl. I Nr. 63/1999), InvestmentfondsG (BGBl. Nr. 532/1993 i. d. F. BGBl. I Nr. 60/2007; dazu etwa Heidinger/Paul, Kommentar zum Investmentfondsgesetz, 2005), Immobilien-Investmentfondsgesetz (BGBl. Nr. 80/2003 i. d. F. BGBl I Nr. 134/2006; dazu etwa Heidinger/Paul/Schmidt/Spranz/Urtz/Wachter, Kommentar zum Immobilien-Investmentfondsgesetz, 2004; Nidetzky/Rainer, Immobilien-Investmentfondsgesetz, 2004); BeteiligungsfondsG (BGBl. Nr. 111/1982 i. d. F. BGBl. I Nr. 97/2001), KapitalmarktG (BGBl. Nr. 625/1991 i. d. F. BGBl. I Nr. 48/2006), BörseG (BGBl. Nr. 555/1989 i. d. F. BGBl. I Nr. 107/2007), Fern-Finanzdienstleistungsgesetz (BGBl. 62/2004; dazu etwa Blume/Blaschek/Hammerl, Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz Kommentar (2005); Fletzberger/Schopper (Hrsg.), Praxishandbuch Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2004)). Nicht wenige der genannten Gesetze sind stark von europarechtlichen Vorgaben geprägt und ähneln daher zwangsläufig dem deutschen Recht. In der Folge kommen nur noch ausgewählte privatrechtliche Aspekte und die dafür geltenden Vorschriften zur Sprache. Ebenso wie in Deutschland werden von den Banken für fast alle Bankgeschäfte – jedenfalls für die einer Standardisierung zugänglichen – Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet. Zwar sind sie Vertragsbestandteile, kommen also nur auf Grund entsprechender vertraglicher Einbeziehung zur Geltung. Die Wirksamkeit einzelner Klauseln wird insbesondere mit Hilfe der generalklauselartigen Kriterien des § 864a (Geltungskontrolle) und des § 879 III (Inhaltskontrolle) ABGB (JGS Nr. 946/1811 i. d. F. BGBl. I Nr. 113/ 2006) geprüft; zum Spezialproblem ihrer Einbeziehung gegenüber nichtdeutschsprachigen, insb. ausländischen Kunden s. OGH ÖBA 2004, 957, Iro; JBl 2004, 449). Wegen ihrer großen praktischen Bedeutung – insbesondere für gesetzlich kaum (näher) geregelte Bereiche – werden die Bank-AGB hier bei den Rechtsquellen mit genannt. Sonderbedingungen können nicht einmal ansatzweise erwähnt werden; als Beispiel sollen die Kundenrichtlinien für die Benutzung der Geldausgabeautomaten und für bargeldlose Zahlungen im Rahmen des Maestro-Service sowie für Zahlungen mit der elektronischen Geldbörse im Rahmen des Quick-Service (dazu noch Rn. 52) genügen. Im Vordergrund stehen die umfangreichen Allgemeinen Bedingungen für Bankgeschäfte (ABB 2000), die im Jahre 2000 von der Wirtschaftskammer Österreichs als Muster-AGB erarbeitet wurden und von den österreichischen Kreditinstituten nahezu wortgleich verwendet werden. Allerdings ist zu beachten, dass 18 Klauseln der ABB mittels Verbandsklage (§§ 28 ff. KSchG, BGBl. Nr. 140/1979 i. d. F. BGBl. I Nr. 60/2007) vom Verein für Konsumenteninformation bekämpft wurden und der OGH (ÖBA 2003, 141; dazu Apathy, ÖBA 2003, 177) Ende 2002 tatsächlich 12 von ihnen für unwirksam erklärt hat. Zu Kreditvertragsformularbedingungen s. noch Rn. 8 und 8a.
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2643
B. Kredit und Kreditsicherheiten
7
I. Kreditformen. 1. Darlehens- und Kreditvertrag. Im ABGB (§§ 983 ff.) findet sich bis heute bloß eine kursorische Regelung des Darlehensvertrages, der als Realvertrag konstruiert ist: Für den Vertragsschluss reicht Willensübereinstimmung nicht aus; vielmehr muss die Zuzählung der Valuta hinzu kommen. Daneben hat sich jedoch – von Rechtsprechung und Lehre anerkannt – der Kreditvertrag als normaler Konsensualvertrag entwickelt. Zu heutzutage relevanten Fragestellungen s. nur Graf in Graf/Gruber (Hrsg.), Kritische Analyse aktueller Rechtsprechung zum Kreditvertragsrecht (2004) 9 ff. Zustandekommen und Rechtsfolgen eines Kreditvertrages entsprechen weitgehend dem deutschen Recht. Auch wenn kein gesetzliches Formgebot existiert, wird der Vertrag in der Praxis immer schriftlich – typischerweise formularmäßig – abgeschlossen. Dadurch fällt eine staatliche Rechtsgeschäftsgebühr von zumindest 0,8% der Kreditsumme an (§ 33 TP 19 GebG, BGBl. Nr. 267/1957 i. d. F. BGBl. I Nr. 105/2007); m. W. ein Unikat in Europa. Werden ausnahmsweise einmal keine konkreten Zinsen vereinbart, gebühren dem Kreditgeber 4% p.a. (§ 1000 I ABGB); Zinseszinsen können bei kontokorrentmäßiger Abrechnung (§ 355 I UGB, BGBl. I Nr. 120/2005 i. d. F. BGBl. I Nr. 72/2007) sowie bei entsprechender ausdrücklicher Vereinbarung und ab dem Einklagen der Zinsen verlangt werden (§ 1000 II ABGB). Ein besonders wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht besteht beim Kreditwucher. Derartige Verträge sind nicht totalnichtig, sondern bleiben – zumindest im Ergebnis – teilweise aufrecht: Der Kreditnehmer kann sich auf die vereinbarten Rückzahlungsfristen berufen, muss aber bloß gesetzlich näher umschriebene (niedrigere) Zinsen bezahlen; für den Kredit bestellte akzessorische Sicherheiten bleiben konsequenterweise aufrecht (§ 7 WucherG, BGBl. Nr. 271/1949 i. d. F. BGBl. I Nr. 98/2001; dazu OGH WBl 1987, 274, P. Bydlinski; EvBl 2000/197).
8
Weit mehr praktische Bedeutung als Wucherfragen haben in jüngerer Zeit allerdings für den privaten Kreditnehmer ungünstige, zT auch undurchsichtige (intransparente) – und daher unwirksame – Zinsgleitklauseln erlangt. Der OGH hat die danach von der Bank zu ihren Gunsten vorgenommene (überhöhte) Zinsenberechnung wegen der Klauselnichtigkeit als unrichtig angesehen (so etwa in ÖBA 2005, 728 und JBl 2005, 443, krit. Lukas), was zu manchen heiklen Folgeproblemen führte. So lässt er die bereicherungsrechtliche Rückforderung durch die Kreditnehmer bloß innerhalb der kurzen Verjährungsfrist zu (vgl bloß OGH JBl 2004, 50, Rummel; ÖBA 2004, 57, Koziol; dazu – nicht zuletzt zum Verjährungsbeginn – statt vieler Dullinger, FS Welser, 2004, 121 ff. m.w.N.), erlegt der Bank als Verwenderin unwirksamer AGB-Klauseln jedoch eine Schadenersatzpflicht auf, wenn und soweit dem Kreditnehmer ein Schaden entstand, weil er sich – zunächst – auf die Gültigkeit der Klausel eingerichtet hatte (OGH JBl 2005, 443, krit. Lukas; ÖBA 2006, 70; ÖBA 2006, 445, krit. Rummel, u.a.; dem OGH zustimmend etwa Leitner, ÖJZ 2005, 321; ders., Das Transparenzgebot, 2005, 96 ff.; Kletečka, in: Koziol/Welser, Bürgerliches Recht13 I, 2006, 137 f. Fn. 100 m.w.N.; zur Verjährung etwa Riss, ÖBA 2005, 782). Diese Verschärfung ist problematisch; zumindest in aller Regel ist ein Ersatzanspruch nicht vom Schutzzweck jener Normen erfasst, aus denen sich die Unwirksamkeit der AGB-Klausel ergibt (in diesem Sinn ausführlich Rummel, FS Canaris, 2007, 1149).
8a
2. Wichtige Sonderformen. Wie in Deutschland gibt es Einmalkredit- und Ratenkreditsowie befristete und unbefristete Kreditverhältnisse. Große praktische Bedeutung gerade im unternehmerischen Bereich hat der Kontokorrentkredit (zum Kontokorrent s. die §§ 355 ff. UGB); zum Überziehungskredit s. Rn. 41.
9
Der Verbraucherkredit weist – nicht zuletzt auf Grund entsprechender EU-Vorgaben – mehrere Besonderheiten auf. So kann der Verbraucher auch befristete Kredite grundsätz-
10
Bydlinski
2644
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
lich vorzeitig und unter Ermäßigung seiner Kreditkosten zurückzahlen (§ 12a KSchG mit Ausnahmen, die für den Bereich des BWG wieder eingeschränkt werden). Das BWG kennt in § 33 vier verschiedene Verbraucherkreditarten einschließlich Bauspardarlehen. Zentrale Pflicht der Bank bei Vertragsschluss ist die zu detaillierter Information über die Gesamtbelastung und den effektiven Jahreszins (zur Wirksamkeit von Zinsgleitklauseln s. bei Rn. 8). Diese Daten müssen auch in die schriftliche Vertragsurkunde aufgenommen werden. Anders als in Deutschland führt der Verstoß gegen diese Pflichten allerdings nur zu Verwaltungsstrafen der Bank (§ 98 BWG). Auf die Wirksamkeit des Vereinbarten (einschließlich der Zinsenabrede) hat die Pflicht- und Formverletzung hingegen keinen Einfluss. Zwingend vorgesehen ist auch eine Jahresabschluss-Kontomitteilung. 11
Eine ganze Reihe komplizierter Besonderheiten sind schließlich dann zu beachten, wenn sich eine Bank an der Drittfinanzierung des Erwerbs von Waren oder Dienstleistungen beteiligt. Ausdrückliche Regelungen dazu finden sich wiederum nur für das Verbrauchergeschäft (§§ 18, 19 und 26c KSchG; aus der reichhaltigen Rspr. zur Drittfinanzierung s. etwa OGH SZ 66/70; JBl 1988, 172, P. Bydlinski).
12
II. Kreditsicherung. 1. Die wichtigsten Formen der persönlichen Kreditsicherheiten. a) Bürgschaft (P. Bydlinski, Die Kreditbürgschaft im Spiegel der aktuellen Judikatur und Formularpraxis2, 2003; Eigner, Interzedentenschutz unter besonderer Berücksichtigung der Ehegattenhaftung, 2004; Harrer, Sicherungsrechte, 2002, 18 ff.; Th. Rabl, Die Bürgschaft, 2000; Thoß, Bürgenschutz im österreichischen und deutschen Recht, 2007). Obwohl das 21. Jahrhundert bereits begonnen hat und Kreditsicherung im modernen Wirtschaftsleben einen hohen Stellenwert besitzt, sind nur wenige Sicherungsformen gesetzlich näher ausgeformt; so im Bereich der persönlichen Kreditsicherung (Übernahme einer obligatorischen Zahlungsverpflichtung) die Bürgschaft (§§ 1346 – 1367 ABGB). Bürgschaft bedeutet akzessorische Verpflichtung für fremde Schuld. Das heißt: Der Bürge kann nie strenger haften als der Hauptschuldner selbst. Muss der Kreditnehmer nicht zahlen – etwa wegen mangelnder Fälligkeit oder weil ihm die Schuld ganz oder zum Teil erlassen wurde –, kann sich darauf auch der Bürge berufen.
13
Die Bürgschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit aus Gründen des Übereilungsschutzes einer schriftlichen Erklärung des Bürgen (§ 1346 II ABGB). Im Regelfall ist das die eigenhändige Unterschrift; nach der – wenig überzeugenden – höchstgerichtlichen Rechtsprechung genügt Übermittlung per Telefax allerdings nicht (OGH ÖBA 1996, 73, abl. Rummel; dagegen auch P. Bydlinski, RdW 1996, 196; Koziol, ÖBA 1996, 478 f.). Eine sicher signierte elektronische Erklärung reicht aus, wenn der Bürge seine Haftungsverpflichtung nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmer übernimmt; ebenso dann, wenn zugleich ein Rechtsanwalt oder Notar erklärt, den (privaten) Bürgen über die Konsequenzen der Verbürgung aufgeklärt zu haben (Details in § 4 II Z 4 SigG, BGBl. I Nr. 190/1999 i. d. F. BGBl. I Nr. 8/2008). Seit 1.1.2007 (Handelsrechtsänderungsgesetz – UGB statt HGB, unter anderem mit Abschaffung des Kaufmannsbegriffs und ersatzloser Streichung des § 350 HGB) bedürfen auch unternehmerische Bürgschaften der Schriftform; eine Ausnahme besteht nur mehr für Haftungsübernahmen durch Kreditinstitute (§ 1 Abs 6 BWG).
14
Wirksamkeitsfragen werfen auch Globalbürgschaften auf. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass der Bürge die Haftung für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen des Schuldners gegenüber dem Gläubiger übernimmt. Unter Bestimmtheitsaspekten – Klarheit über Gläubiger, Schuldner und gesicherte Forderung(en) – wären solche weiten, üblicherweise vom Gläubiger vorformulierten, Haftungserklärungen nicht zu beanstanden. Wohl aber unter dem Aspekt der Überschaubarkeit: Bei Abgabe der Haftungs-
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2645
erklärung ist dem Bürgen regelmäßig nicht einmal ansatzweise erkennbar, wie hoch das von ihm übernommene Risiko ist. Der OGH hat sich – anders als der deutsche BGH – in letzter Zeit zu derartigen Gestaltungen nicht geäußert. In der Lehre wird hingegen ganz überwiegend vertreten, dass derart weit reichende Haftungserklärungen wegen Sittenwidrigkeit (§ 879 ABGB) nichtig sind (P. Bydlinski, ÖBA 1999, 93, 94 ff.; Th. Rabl, Bürgschaft 32 ff.; Gruber, ÖBA 2002, 885). Interessengerecht ist dabei allerdings nur eine Teilnichtigkeitslösung (in diesem Sinn auch der BGH NJW 1998, 450 und NJW 1999, 3195): Die Bürgschaft bleibt für jene Forderungen aufrecht, mit denen der Bürge bei Übernahme seiner Verpflichtung ganz konkret rechnen musste. Regelmäßig ist das der Kredit, der für die Bank der konkrete Grund war, eine Bürgenhaftung zu verlangen („Anlasskredit“). Nicht erfasst sind demgegenüber später gewährte Darlehen, von denen bei Bürgschaftsübernahme noch nicht die Rede war. Wurde hingegen bereits vorweg ein Haftungshöchstbetrag vorgesehen, der dem Bürgen sein Maximalrisiko deutlich vor Augen führt, wird auch eine Globalbürgschaft häufig wirksam sein. Besonders verborgen bleibt dem Bürgen sein Risiko wiederum dann, wenn er sich für eine konkrete Einzelschuld verbürgt und das Bürgschaftsformular eine „Erstreckungsklausel“ (Haftung auch für alle anderen, gegenwärtigen wie zukünftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung) enthält. In solchen Fällen liegt der Weg über § 864a ABGB näher: Danach sind ungewöhnliche Vertragsbestandteile unwirksam, wenn sie für einen Partner nachteilig sind und er mit ihnen in concreto auch nicht rechnen musste (ausführlich dazu P. Bydlinski, ÖBA 1999, 93, 94 ff.). Nach den üblichen Bürgschaftsverträgen kann der Gläubiger den Bürgen wahlweise neben dem Hauptschuldner in Anspruch nehmen. Es genügt, dass die Hauptschuld fällig ist (Haftung als „Bürge und Zahler“ nach § 1357 ABGB). Ebenso sieht die dispositivrechtliche Regelung für den kaufmännischen Bereich aus (§ 349 UGB). Doch auch das ABGB selbst ist insofern äußerst gläubigerfreundlich. Im Vergleich zur „Einrede der Vorausklage“ (präziser: Einrede der bereits erfolglos versuchten Zwangsvollstreckung) nach § 771 des deutschen BGB ist die dispositivrechtliche – in der Praxis regelmäßig abbedungene – Subsidiarität der Bürgschaft in Österreich bloß sehr schwach ausgeprägt: Der Gläubiger muss vorher nur irgendwie, etwa durch mündliche Mahnung, vom Hauptschuldner erfolglos Zahlung verlangt haben (§ 1355 ABGB).
15
Bis vor kurzem konnte man auch in Österreich den Schutz der Interzedenten vor massiver Benachteiligung bzw Überforderung nur durch Heranziehung allgemeiner Kontrollnormen erreichen. So kann eine den Interzedenten massiv überfordernde Sicherungsvereinbarung nach deutschem Vorbild wegen Sittenwidrigkeit (§ 879 ABGB) ganz oder teilweise unwirksam sein. Dieser Weg wurde in den letzten Jahren mehrfach beschritten (s. nur die an deutschen Vorbildern ausgerichtete, zu einer Garantie ergangene Leitentscheidung OGH JBl 1995, 651, Mader). Heute ist er vor allem für Nicht-Verbrauchergeschäfte bedeutsam; also bei unternehmerischer Interzession oder bei Haftungsübernahme gegenüber einem privaten Gläubiger. Zum Schutz von Verbrauchern vor übereilt übernommener, unüberschaubarer oder finanziell überfordernder Haftung für fremde Schuld wurde das österreichische Konsumentenschutzgesetz (KSchG) nämlich im Jahre 1997 durch die §§ 25a–25d ergänzt. § 25a KSchG sieht konkrete Belehrungspflichten professioneller Kreditgeber, also insbesondere von Banken, gegenüber Ehegatten vor, die gemeinsam einen Kredit aufnehmen. Sie sind insbesondere darüber zu informieren, dass die Rückzahlungspflicht durch eine Scheidung grundsätzlich unberührt bleibt (allerdings besteht die Möglichkeit, dass einer der Ehegatten nach Scheidung durch Richterspruch gemäß § 98 EheG (dRGBl. I 1938, S 807 i. d. F. BGBl. I Nr. 92/2006) die Rechtsstellung eines bloßen Ausfallbürgen erhält); ferner darüber, dass sie für den Fall solidarischer Haftung
16
Bydlinski
2646
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
nach Wahl der Bank und unabhängig vom Zufluss der Kreditsumme auf den vollen Betrag zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen werden können. 17
§ 25b KSchG will dem Interzedenten durch bestimmte Obliegenheiten des Gläubigers zu Hilfe kommen: Mahnungen und ähnliche Erklärungen wirken gegenüber dem solidarisch schuldenden Verbraucher nur dann, wenn sie auch ihm gegenüber abgegeben werden; Nachteile aus dem Verzug des Hauptschuldners (Haftung auch für Zinsen und Kosten) wirken mangels unverzüglicher Verständigung vom Verzug nicht automatisch zu Lasten von Bürgen und Garanten; vielmehr werden interzedierende Verbraucher mit dieser (zusätzlichen) Haftung erst ab dem Zeitpunkt belastet, in dem sie selbst mit ihren eigenen Pflichten in Verzug geraten.
18
Nach § 25c KSchG treffen alle Unternehmer, die Kredit gewähren – also nicht nur Banken –, den Kredit absichernden Verbrauchern gegenüber weitere Informationspflichten: Ist die dem Kreditgeber erkennbare wirtschaftliche Lage des Schuldners derart schlecht, dass mit Ausfällen bei der Rückzahlung gerechnet werden muss, so ist dies dem Verbraucher vorweg mitzuteilen. Unterlassung dieser Information führt dazu, dass der Verbraucher nur insoweit haftet, wie er seine Haftung auch bei Kenntnis der Sachlage übernommen hätte (bei Pflichtverletzungen des Gläubigers ist daher auch ein bloß teilweiser Haftungswegfall denkbar: OGH ÖBA 2001, 166, Graf). Nach dem Gesetzeswortlaut gilt die Vorschrift zu Gunsten von Interzedenten, also Personen, die eine Haftung für fremde Schuld übernehmen. Ausdrücklich genannt sind Mitschuldner, Bürge und Garant. Wegen der gleichen Interessenlage ist entgegen der Position des OGH (ÖBA 2002, 930, krit. P. Bydlinski = JBl 2003, 47, krit. Apathy; ÖBA 2007, 575; ÖBA 2007, 651 krit. P. Bydlinski m.w.N.) eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Verbraucher zu befürworten, die eine fremde Schuld durch Pfandbestellung sicheRn. Ebensowenig ist dem OGH darin zu folgen, dass Interzession bereits dann ausscheidet, wenn der Mithaftende ein Eigeninteresse am Kredit hat (so zuletzt in ÖBA 2007, 403 m.w.N.). Dieser Umstand ist vielmehr kraft ausdrücklicher Gesetzesanordnung bei der Mäßigung der von einem Interzedenten übernommenen Haftung (Rn. 19) zu berücksichtigen; er kann also nicht bereits gegen Interzession an sich sprechen (zu Recht gegen den OGH daher etwa Kathrein in KBB2, 2007, § 25c KSchG Rn. 3; Wallner, ÖBA 2007, 339, 340 ff. m.w.N.).
19
Die größte Bedeutung kommt aber ohne Zweifel der neuen Mäßigungsvorschrift des § 25d KSchG zu. Der Gesetzgeber möchte private Interzedenten entlasten, deren Haftungsverpflichtung in einem massiven Missverhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit steht. Anders gesagt: Würde der Verbraucher an seiner Haftungserklärung – etwa seiner Bürgschaft – festgehalten, wäre er auf Dauer ruiniert. (Nicht verschwiegen soll allerdings werden, dass insolvente Privatpersonen bereits seit der Konkursordnungs-Novelle 1993 – also einige Zeit vor Einführung der deutschen InsO – die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung haben: Stellen sie sieben Jahre lang ihre gesamten pfändungsfreien Einkünfte den Gläubigern zur Verfügung, kann sie das Gericht von ihren noch offenen Zahlungspflichten freistellen (§§ 181 ff. KO, RGBl. Nr. 337/1914 i. d. F. BGBl. I Nr. 73/2007).) Dem Richter werden nun mehrere, beweglich zu handhabende Kriterien zur Verfügung gestellt, nach deren Abwägung er den Haftungsumfang reduzieren oder die Haftung ganz erlassen kann. Zu berücksichtigen sind insbesondere: der Nutzen, den der Interzedent aus dem Kredit gezogen hat; dessen Leichtsinn, Zwangslage, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung; dessen persönliche bzw. wirtschaftliche Abhängigkeit vom Kreditnehmer; ferner das Verschulden des Interzedenten an seiner geringen Leistungsfähigkeit sowie das Interesse des Gläubigers an der Mithaftung des Interzedenten. b) Garantie (dazu statt vieler Koziol, Der Garantievertrag, 1981; ders., in: Avancini/Iro/ Koziol, Bankvertragsrecht II, 1993, Rn. 3/101; Rummel, ÖBA 2000, 210; Jud/Spitzer, in:
20
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2647
Graf v. Westphalen/Jud (Hrsg.), Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr3 (2005) 385 ff.). Große praktische Bedeutung erlangt hat auch die Garantie; nicht zuletzt deshalb, weil sie mangels Akzessorietät keine Gebührenpflicht auslöst (vgl. § 33 TP 7 GebG). Sie ist im ABGB als Haftung für einen noch ungewissen Erfolg nur sehr rudimentär geregelt (§ 880a Fall 2 ABGB), aber in dreipersonalen Verhältnissen seit langem anerkannt. Wer garantiert, dass beim Begünstigten ein bestimmter Erfolg eintritt – vor allem, dass dieser eine bestimmte Leistung erhält –, übernimmt eine abstrakte, vom etwaigen Anspruch gegen einen Schuldner grundsätzlich unabhängige, also nicht akzessorische Haftung. Wirtschaftlich ersetzt die Garantie (meist einer Bank) das früher gebräuchliche Bardepot. Aus Vereinfachungsgründen wird regelmäßig eine Verpflichtung des Garanten vorgesehen, an den Begünstigten bereits auf dessen erste Anforderung hin zu zahlen. Begrenzt wird diese sehr vorteilhafte Stellung des Begünstigten durch die Einrede des Rechtsmissbrauchs: Steht fest, dass ihm aus dem Grundverhältnis, das Motiv für die Übernahme der Garantiehaftung war, keinerlei Anspruch zusteht, kann die Bank ihre Zahlung verweigern. Während früher die Ansicht vorherrschte, eine Garantiehaftung könne formfrei übernommen werden, wird heute zu Recht ganz überwiegend eine Analogie zum bürgschaftsrechtlichen Formgebot vertreten (OGH seit ÖBA 1993, 146, Apathy; zuletzt ÖBA 2001, 477, P. Bydlinski). Überzeugende Begründung: Wegen ihrer Abstraktheit ist die Garantie für den Haftenden noch gefährlicher als eine Bürgschaft. Für die eigentliche Bankgarantie ist diese Frage allerdings ohne Bedeutung, da die Haftungserklärungen von Banken wegen deren Vollkaufmannseigenschaft ohnehin keinen Einschränkungen durch Formgebote unterliegen.
21
Eine Zwischenform zwischen Bürgschaft und Garantie stellt die mittlerweile auch in Österreich anerkannte Bürgschaft auf erstes Anfordern dar (s. nur OGH ÖBA 1996, 221; ÖBA 2000, 418, Apathy; ferner etwa P. Bydlinski in KBB2 § 1344 Rn. 2 m.w.N.). Bei dieser Sicherungsvereinbarung muss der Verpflichtete zwar zunächst einmal bereits dann zahlen, wenn der Begünstigte behauptet, die gesicherte Forderung sei trotz Durchsetzbarkeit nicht bezahlt worden. Wie bei der Garantie soll der Begünstigte das Geld also zunächst einmal auf einfachem Wege bekommen. Nach Leistungserbringung hat der Zahlende jedoch die Möglichkeit, seine Leistung zurückzufordern; und zwar wird im Rückforderungsprozess am Maßstab des Bürgschaftsrechts geprüft, ob dem Begünstigten die Leistung endgültig verbleiben soll.
22
c) Schuldbeitritt. Der Schuldbeitritt (s. § 1344 Fall 2 ABGB) ist dadurch charakterisiert, dass jemand die Schuld des Erstschuldners so mit übernimmt, wie sie im Beitrittszeitpunkt bestand. Der Gläubiger erhält auf diese Art und Weise einen zweiten Schuldner. Nicht selten erfolgt dieser Beitritt zugleich mit der Begründung der Erstschuld. Die Beitrittsschuld ist zur Erstschuld somit nicht subsidiär, aber auch nicht vollkommen akzessorisch: Nach dem Beitritt können sich die beiden zunächst inhaltsgleichen Schulden durchaus auseinander entwickeln; etwa dadurch, dass nur einem Schuldner ein Zahlungsaufschub gewährt wird. Da der Schuldbeitritt damit von seinen – jeweils schwer erkennbaren – Gefahren her zwischen akzessorischer Bürgschaft und abstrakter Garantie steht, liegt es nahe, auch den zu Sicherungszwecken erklärten Schuldbeitritt an die Bürgschafts-Schriftform zu knüpfen. Der OGH dürfte das ebenfalls für sachgerecht halten; er glaubt jedoch, aufgrund einer bewusst getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (§ 1344 versus § 1346 ABGB) auch den formlosen Beitritt als wirksam behandeln zu müssen (zuletzt ÖBA 1993, 819, abl. P. Bydlinski). Der Gesetzgeber des ausgehenden 20. Jahrhunderts hat die große Ähnlichkeit der Sicherungsformen allerdings durchaus gesehen und in den bereits erwähnten neu eingeführten Normen des KSchG für alle Formen (Bürgschaft, Garantie, Sicherungs-Mit-
23
Bydlinski
2648
24
25
26
27
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
schuld) den gleichen Schutz vorgesehen. Damit spricht seit dieser Reform de lege lata ein weiteres sehr starkes Argument für die Formanalogie. Streng zu unterscheiden ist der schlichte Beitritt als Schuldner (zu Sicherungszwecken) von der Situation, dass sich auf einer Seite des Vertrages mehrere Vertragspartner befinden. Nehmen etwa Lebensgefährten gemeinsam einen Kredit auf, so haften beide als Kreditnehmer für die Rückzahlung; und zwar im Verhältnis zur Gläubigerbank unabhängig davon, wer den Kredit tatsächlich verwendet hat und zu welchen Zwecken. Allerdings ist in solchen Fällen streng darauf zu achten, ob die formell gewählte Konstruktion nicht eine Sicherung verschleiern und so die Rechte des Gläubigers verbessern sollte. War etwa von vornherein klar, dass der Mann mit dem Kredit für sich einen Sportwagen kaufen wollte und sollte die Auszahlung des Kredits auf ein Konto erfolgen, auf das allein der Mann Zugriff hat, wird die Frau trotz Nennung als Mitkreditnehmerin im Vertragsformular wohl nur als Sicherungsgeberin zu behandeln sein (zum Problem etwa P. Bydlinski, ZBB 1991, 263, 267; P. Bydlinski/Haas, ÖBA 2003, 11, 12). d) Weitere Arten. Im Wirtschaftsleben haben sich weitere Methoden herausgebildet, dem Wunsch von Gläubigern nach Absicherung ihrer Ansprüche entgegen zu kommen. Das ist aufgrund der Vertrags(inhalts)freiheit im Schuldrecht auch grundsätzlich unbedenklich. Insbesondere im Konzernbereich beliebt ist die Patronatserklärung (S. Leitner, ÖBA 2002, 517; Rummel, FS Doralt, 2004, 493). Dabei erklärt etwa die Muttergesellschaft, dafür zu sorgen, dass die kreditnehmende Tochtergesellschaft ihren Rückzahlungsverpflichtungen nachkommen wird. Je nach Formulierung können Patronatserklärungen rechtlich weitgehend unverbindliche Absichtserklärungen sein („weiche“ Patronatserklärungen), deren Nichteinhaltung bloß zu Imageverlusten des Patrons bzw des Gesamtkonzerns führt. Denkbar sind aber auch klagbare Verpflichtungen, die dem Gläubiger tatsächlich ein Mehr an Sicherheit gewähren und dann selbstverständlich in der Bilanz des Patrons enthalten sein müssen („harte“ Patronatserklärungen). Gegenüber klassischen Sicherungsformen hat der Patron größere Flexibilität bei der Erfüllung seiner (Ausstattungs-)Verpflichtung. Banken sollten sich wegen mancher Unwägbarkeiten bei entsprechender Verhandlungsstärke mit derartigen Erklärungen aber eher nicht zufrieden geben, sondern auf einer klassischen Haftungsform bestehen. Immer wieder lassen Gläubiger dritte Personen – zuweilen neben einer Bürgschaftserklärung – wechselrechtliche Verpflichtungen unterfertigen („Sicherungswechsel“). Geht es bloß um die Absicherung der Zahlungsverpflichtung des Hauptschuldners, so ist dafür von Gesetzes wegen eigentlich primär die Bürgschaft vorgesehen. Daraus folgt zum Ersten: Im Verhältnis zwischen Gläubiger und Wechselschuldner (= Sicherungsgeber) gilt das Akzessorietätsprinzip. Der Gläubiger muss sich daher alle Einwendungen des Wechselzeichners aus dem gesicherten Grundverhältnis entgegenhalten lassen. Zweitens: Der Gläubiger darf den – bloß zu Sicherungszwecken gezeichneten – Wechsel nicht weitergeben und so den Sicherungsgeber einem abstrakten Anspruch des nächsten Wechselnehmers aussetzen. Drittens: Da dem Wechsel dessen bloßer Sicherungszweck nicht anzusehen ist, haftet der Zeichner bei – wenn auch verbotener – Weitergabe dem gutgläubigen Wechselerwerber streng wechselrechtlich, das heißt vor allem: abstrakt. Auf das gesicherte Grundverhältnis kann sich der Wechselzeichner somit kaum einmal berufen (s. vor allem Art 17 WG, BGBl. Nr. 49/1955 i. d. F. BGBl. Nr. 10/1991). Zum gesamten Problemkreis P. Bydlinski, Kreditbürgschaft 85 ff.; ders. in KBB2 § 1346 Rn. 4 m.w.N. Zuletzt genannt sei hier das (Dokumenten-)Akkreditiv (ausführlich dazu Avancini, in: Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II, 1993, Rn. 4/1 ff.), das vor allem bei internationalen Verträgen große praktische Bedeutung hat. Der Verkäufer erbringt bestimmte Vorleistungen, etwa die Verschiffung der Ware, und die Akkreditivbank verpflichtet sich
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2649
im Auftrag des Käufers gegenüber dem Verkäufer, diesem den Akkreditivbetrag (= den Kaufpreis) zu bezahlen, sobald ihr der Verkäufer vorweg genau bestimmte Papiere vorlegt. Zwar steht beim Akkreditiv der Zahlungszweck im Vordergrund. Durch Einschaltung einer typischerweise finanzkräftigen Bank enthält das Akkreditivgeschäft aber auch einen nicht zu unterschätzenden Sicherungseffekt (P. Bydlinski, ÖBA 2002, 680). 2. Die wichtigsten Formen „dinglicher“ Kreditsicherheiten. Der gesetzlich nicht geregelte Eigentumsvorbehalt bleibt hier unbehandelt, da er nicht der Besicherung von Geldkrediten dient. Als Lieferantensicherheit („Warenkredit“) kommt ihm aber große Bedeutung zu. a) Pfandrecht (einschließlich Hypothek). Im Bereich der dinglichen Sicherung (Begründung eines Sicherungs- und Befriedigungsrechts an einem konkreten fremden Vermögenswert zu Gunsten des Gläubigers) hat nur das Pfandrecht eine nähere gesetzliche Regelung erfahren (s. insbesondere die §§ 447 – 470 ABGB sowie manche Vorschriften im GBG, BGBl. Nr. 39/1955 i. d. F. BGBl. I Nr. 112/2003). Dingliche Sicherheiten können vom Kreditnehmer selbst oder von Dritten zur Verfügung gestellt werden. Dass Grundstücke als besonders wertvolle Sachgüter häufig als Sicherung verwendet werden und dass zur Begründung der dinglichen Haftung eine Eintragung im Grundbuch notwendig ist, dürfte für ganz Europa gelten.
28
Zur Hypothek (dazu etwa Bollenberger, Länderbericht Österreich, in: Hadding/Welter, Realkredit und Grundstücksverkehr in europäischen Ländern II, 1998, 101; Feil, Österreichisches Hypothekarrecht, 1999), bei der das Grundstück beim Pfandbesteller verbleibt und die erforderliche Publizität durch Grundbuchseintragung hergestellt wird, sei hier nur so viel gesagt: Die Hypothek des österreichischen Rechts ist grundsätzlich streng akzessorisch. Ein der deutschen Grundschuld vergleichbares Rechtsinstitut gibt es nicht! Allerdings kommt gemäß § 14 II GBG die Eintragung einer Höchstbetragshypothek in Betracht, die vor allem zur Besicherung eines Kontokorrentkredits große praktische Bedeutung hat: Im Rahmen des Höchstbetrages ist der – wieder ausnützbare – Kredit rangmäßig gesichert; bei der Verwertung entscheidet aber selbstverständlich immer der tatsächliche Kreditsaldo. Die Simultanhypothek, bei der für eine Forderung mehrere Liegenschaften als Pfänder haften, ist in § 222 EO (RGBl. Nr. 79/1896 i. d. F. BGBl. I Nr. 37/2008) näher geregelt.
29
Zur Verpfändung beweglicher Sachen (Eicher, Ausgewählte Fragen des Mobiliarpfandrechts, 1999) ist zunächst festzuhalten, dass es in Österreich trotz mancher Reformbestrebungen (vgl. die Beiträge in NZ 2002, Heft 1; ferner aktuell Schauer (Hrsg.); Ein Register für Mobiliarsicherheiten im österreichischen Recht (2007); Gruber, ÖJZ 2007, 437; Lukas, ÖBA 2007, 262) im Grundsatz noch immer keine Verpfändung durch Registereintragung gibt. Dafür geeignete öffentlich geführte Verzeichnisse existieren nur ganz ausnahmsweise; zu nennen sind das Schiffsregister (dRGBl. I 1940, S 1591 i. V. m. der Allgemeinen Verfügung vom 15. 4. 1943 betreffend die Führung des Schiffsregisters, DJ S 249/1943) sowie das Patentregister (vgl. insb. § 43 I PatG, BGBl. Nr. 259/1970 i. d. F. BGBl. I Nr. 81/2007). Die Registerdiskussion flammt vor allem deshalb immer wieder auf, weil das österreichische Pfandrecht vom Publizitätsgedanken beherrscht ist; man spricht auch vom Faustpfandprinzip. Sogar Sachen, die der Pfandbesteller eigentlich für seinen Erwerb benötigt, wie etwa die Fahrzeuge eines Frachtführers, müssen dem Pfandgläubiger körperlich übergeben werden (§ 451 ABGB). Eine symbolische Übergabe durch Zeichen wird nur dann zugelassen, wenn eine tatsächliche Gewahrsamsübertragung auf Grund der besonderen Eigenschaften des Pfandgegenstandes unmöglich oder untunlich ist (§§ 452, 427 ABGB). Die OGH-Rechtsprechung ist diesbezüglich zurückhaltend. So wurde die
30
Bydlinski
2650
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Verpfändung einer Viehherde durch Anbringung entsprechender Tafeln im Stall abgelehnt (JBl 1980, 435); umso mehr die Verpfändung von Kraftfahrzeugen durch Übergabe der Wagenpapiere (SZ 48/75; SZ 58/1). Die symbolische Übergabe wurde hingegen etwa anerkannt bei einer tonnenschweren Maschine (SZ 38/190) und bei größeren Warenlagern (SZ 67/78; EvBl 1997/121). (Nur) Verpfändung durch Zeichen wird auch bei Kanalnetzen in Betracht kommen, die über eine Vielzahl fremder Grundstücke laufen (P. Bydlinski/Stefula, JBl 2003, 69, 89). 31
Die strengen Publizitätsanforderungen beschränken sich aber nicht auf das Stadium der Pfandrechtsbegründung. Vielmehr muss grundsätzlich auch zur Aufrechterhaltung des Pfandrechts ausreichende Publizität vorhanden sein. Daher führt freiwillige Rückgabe der Sache an den Pfandbesteller trotz einer eher in die Gegenrichtung deutenden Gesetzesformulierung (§ 467 Fall 3 ABGB) nach ganz überwiegender Ansicht regelmäßig zum Erlöschen des Pfandrechts. Dem Gläubiger verbleibt nur ein Anspruch auf Neubestellung des Pfandes; ein Anspruch, der in der Insolvenz des Pfandschuldners nichts nützt. Schon wegen seiner Dinglichkeit (bzw Absolutheit) bleibt das Pfandrecht allerdings aufrecht, wenn sich der Pfandbesteller die Sache gegen den Willen des Gläubigers, also eigenmächtig, zurückholt (OGH SZ 58/166; P. Bydlinski, ÖJZ 1986, 327, 333 f.).
32
Die Verwertung des Pfandes bei Fälligkeit der gesicherten Forderung ist gesetzlich detailliert geregelt. Hier nur soviel: Während es bis Ende 2006 – außer bei Kaufleuten – üblicherweise eines gerichtlichen Verwertungsverfahrens bedurfte, ist nunmehr bei beweglichen Sachen die außergerichtliche Verwertung durch Pfandverkauf die Regel (§ 466a ABGB). Dieser Verkauf darf aber nur ausnahmsweise „freihändig“ durch den Pfandgläubiger erfolgen; vielmehr hat die Verwertung im Wege öffentlicher Versteigerung durch dazu befugte Unternehmer zu erfolgen. Nach Verwertung erstreckt sich das Pfandrecht auf den erzielten Erlös. Ein etwaiger Überschuss ist dem Pfandeigentümer auszufolgen.
33
In seinen Rechtsfolgen dem Pfandrecht sehr ähnlich ist das unternehmerische Zurückbehaltungsrecht. Es entsteht allerdings ohne eine auf Sicherung gerichtete Vereinbarung. Vielmehr genügt es, dass der Gläubiger eine Sache des Schuldners mit dessen Willen aufgrund eines unternehmensbezogenen Geschäftes in seinem Gewahrsam hat (Details in den §§ 369–372 UGB, die weitestgehend dem deutschen HGB entsprechen).
34
b) Sicherungsübereignung. Das zuletzt zur Publizität Ausgeführte hat besondere Bedeutung für die gesetzlich kaum erfasste Sicherungsübereignung (bloß eine Andeutung enthalten § 10 III KO sowie § 10 III AO, BGBl. II Nr. 221/1934 i. d. F. BGBl. I 18/2007). Der Gläubiger (= Sicherungseigentümer) ist dem Sicherungsgeber gegenüber aufgrund der Sicherungsabrede verpflichtet, vom erworbenen Eigentum nur zu Sicherungszwecken Gebrauch zu machen, auch wenn er nach außen die volle Rechtsposition eines Eigentümers erlangt hat. Nach erlangter Befriedigung hat er die Sache dem Sicherungsgeber zurück zu übereignen, sofern nicht automatisch Rückfall des Eigentums vereinbart war. Es handelt sich um eine Form der eigennützigen Treuhand; der Treuhänder kann mehr, als er darf.
35
Was die Verschaffung des Sicherungseigentums anbelangt, so ist – anders als etwa im deutschen Recht – in Österreich unbestritten, dass die Pfandrechtsbegründungsvorschriften analog anzuwenden sind, um Umgehungen des als zentral angesehenen pfandrechtlichen Publizitätsprinzips zu vermeiden. Mit anderen Worten: Die Möglichkeit der Eigentumsübertragung durch Besitzkonstitut (§ 428 Fall 1 ABGB: die Sache verbleibt beim Sicherungsgeber) ist für die Begründung und die Aufrechterhaltung von Sicherungseigentum ausgeschlossen!
36
c) Sicherungsabtretung. Nicht zuletzt aufgrund der eben dargestellten strengen Begründungsvoraussetzungen für Verpfändung und Sicherungsübereignung körperlicher Sachen
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2651
haben viele kleinere und mittlere Unternehmer häufig nur offene Forderungen gegen ihre Kunden als konkretes Haftungsvermögen anzubieten. Gibt eine Bank solchen Unternehmern Kredit, lässt sie sich diese Ansprüche daher häufig zur Sicherung abtreten (seltener verpfänden). Dies geschieht regelmäßig in Form einer Globalzession: Erfasst sollen alle Forderungen gegen die Kunden des Unternehmers sein; auch zukünftige. Diese ebenfalls nicht näher geregelte, aber gesetzlich ausdrücklich akzeptierte Sicherungsform (vgl. wiederum § 10 III KO sowie § 10 III AO) wirft manche schwierige Rechtsfragen auf. Bestimmtheitsprobleme bestehen zwar nicht, da die übliche Umschreibung „alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Kreditnehmers aus seiner unternehmerischen Tätigkeit“ hinreichend deutlich machen, welche Forderungen des Sicherungszedenten von der Abtretung erfasst sind und welche nicht. Heikler wird es schon, wenn man auf die Möglichkeiten blickt, die dem Unternehmer nach der Abtretungsvereinbarung verbleiben: Durch die Globalzession ist sein Spielraum sehr stark eingeschränkt. So wäre es ihm etwa nicht mehr gestattet, mit seinem Lieferanten nachträglich einen verlängerten Eigentumsvorbehalt zu vereinbaren, der dem unter Eigentumsvorbehalt Liefernden die Forderung aus einer Weiterveräußerung der Ware verschafft.
37
Von besonderer Brisanz ist aber auch im Bereich der Sicherungszession die Frage nach dem korrekten Publizitätsakt. Wegen des Sicherungscharakters des Geschäfts bedarf es ja wiederum besonderer Offenkundigkeit für den interessierten Geschäftsverkehr. Sicherungszessionar wird derjenige, der zuerst alle Erwerbsvoraussetzungen erfüllt hat. Dazu gehört zum einen die Abtretungsvereinbarung als Titel und zum zweiten der Modus einschließlich des Publizitätsakts; bei Vorwegabtretungen künftiger Ansprüche überdies die Entstehung der betreffenden Forderung. Bis vor kurzem bestand in Österreich eigentlich kein Zweifel daran, dass zwei Möglichkeiten in Betracht kommen: zum einen die Verständigung des Zessus (= des Forderungsschuldners), da es nicht fern liegt, dass sich ein Interessierter bei diesem informiert, wer denn eigentlich sein aktueller Gläubiger ist; und zum anderen ein Eintrag in den Geschäftsbüchern des Sicherungszedenten („Buchvermerk“), da vorsichtige Geschäftspartner erst Einblick in dessen Bücher nehmen, bevor sie dem Unternehmer ihrerseits Kredit gewähren. Erst in jüngerer Zeit, nachdem überall die computerunterstützte Buchführung Einzug gehalten hat, werden diese Methoden teilweise in Zweifel gezogen bzw verschärft (s. nur OGH JBl 2002, 182, krit. Dullinger/Riedler; OGH JBl 2002, 187, dazu Riedler, JBl 2002, 194 und ÖBA 2003, 415, der tendenziell gegen das Ausreichen einer Schuldnerverständigung bei Buchforderungen ist; genau gegenteilig Ertl, JBl 2002, 197; Lurger, in: FS Welser 639; Spitzer, ÖBA 2005, 885). Zuletzt hat sich der OGH in einer ausführlichen Entscheidung allerdings ganz deutlich zu einem freien Wahlrecht zwischen Buchvermerk und Drittschuldnerverständigung auch bei offenen Buchforderungen bekannt (JBl 2007, 379; dazu Spitzer, Zak 2007, 47).
38
Auch manche Anforderungen des OGH an den Buchvermerk waren bzw. sind zum Teil unnötig weit reichend: So verlangte er (JBl 2002, 182, Dullinger/Riedler; JBl 2002, 184) etwa, dass der Vermerk in den laufenden Geschäftsbüchern und der so genannten „OffenePosten-Liste“ aufscheint; ferner müsse der Vermerk sowohl das Datum der Abtretung als auch den Namen des Sicherungszessionars enthalten. Abgesehen davon, dass die Übertragung erst mit Vornahme des Vermerks selbst erfolgt, weshalb der Tag der Abtretungsvereinbarung rechtlich keine Rolle spielt, wird damit der Zweck des Publizitätsaktes verkannt: Bezweckt ist nur, dass ein Interessierter erkennen kann, ob der betreffende Vermögenswert (hier: eine Forderung) noch dem Unternehmer oder bereits (irgend)einer anderen Person zusteht. Ist nun etwa bei einer konkreten Forderung „Sicherungszession erfolgt“ oder auch nur „abgetreten“ angemerkt, ist klar, dass dieser Anspruch nicht mehr zum Haftungsfonds des Unternehmers gehört. Unter Publizitätsaspekten müsste ein
Bydlinski
2652
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
derartiger Eintrag daher ausreichen. In ÖBA 2006, 457, Riedler hat der OGH die Voraussetzungen eines wirksamen Buchvermerks erfreulicherweise wieder etwas zurückgeschraubt. 39
40
41
42
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. 1. Begriff und Arten (umfassend zu Rechtsfragen des Kontos aus jüngerer Zeit Unger, ÖBA 2002, 470 und 606; Iro, in: Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht 2 II Rn. 1/1 ff.). Besitzt jemand ein Bankkonto, hat er mit seiner Bank ein vertragliches Dauerschuldverhältnis begründet, das als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren ist und auf das insbesondere die auftragsrechtlichen Vorschriften der §§ 1002 ff. ABGB anzuwenden sind. Details regeln die konkreten Abreden, insbesondere die kontobezogenen Klauseln der ABB sowie die Preisaushänge (dazu Koch, Der Rechtsrahmen für Kontoführungs- und Zahlungsverkehrsentgelte in Österreich, 2004). Wegen der großen Ähnlichkeit zum deutschen Recht wird in der Folge zu den wechselseitigen Rechten und Pflichten nur wenig gesagt werden. Konten können zu verschiedenen Zwecken eröffnet werden. Manche Sonderfragen werfen etwa Fremd-, Treuhand-, Ander- und Sperrkonten auf (zu Sparkonten s. Rn. 54 ff.). Gemeinschaftskonten können als Oder- bzw Und-Konten ausgestaltet sein; je nachdem, ob einzelnen Inhabern die Verfügung allein (Oder-Konto) oder nur gemeinschaftlich (UndKonto) möglich ist. 2. Verfügungen über das Konto. Dass für den Kontoinhaber zur Gutschrift auf dessen Konto einlangende Beträge dem Konto gutzuschreiben sind, bedarf keiner weiteren Erörterung. Der Inhaber verfügt über sein Konto im Rahmen der „Deckung“ (= Guthaben einschließlich vereinbarten Überziehungsrahmens) durch Weisung (Aufforderung zur Auszahlung in bar, Einzelüberweisungsauftrag, Dauerauftrag, Abschöpfungsauftrag usw.). Dabei legitimiert er sich entweder am Schalter mittels Unterschrift oder im Rahmen des Electronic Banking (dazu etwa Graf, Rechtsfragen des Telebanking (1997); Graf/Gruber (Hrsg.), Rechtsfragen des Internetbanking (2002); Janisch, Online Banking (2001); Krassnigg/Stotter, WBl 2004, 213; Wiebe, in: Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht2 III Rn. 3/1 ff.) mittels persönlicher Identifikationsnummer (PIN) und/oder Transaktionsnummer (TAN; so z.B. beim Internet-Banking); in anderen Fällen (z.B. Bankomatbehebungen) wird eine Chipkarte gemeinsam mit einer Geheimnummer verwendet (vgl. Rn. 53). Im Rahmen der Deckung trifft die Bank eine Durchführungspflicht; darüber hinaus hingegen nicht (anders bei Geringfügigkeit und voraussichtlicher Kurzfristigkeit der Überziehung OGH SZ 57/160). Führt die Bank einen Auftrag, der das Konto negativ werden bzw der den Negativsaldo unter den vereinbarten Rahmen sinken lässt („ungeregelte“ Überziehung), aber dennoch durch, hat sie Anspruch auf unverzügliche Abdeckung der Differenz (OGH ÖBA 1991, 286, Fink) sowie bis dahin auf die vereinbarte – gegenüber der Ausnützung eines Rahmens nochmals erhöhte – Verzinsung. Verfügungen durch andere Personen als den Inhaber sind grundsätzlich nur auf Grund einer speziellen Konto-Vollmacht möglich; üblich ist die sog Zeichnungsberechtigung (näher Gapp, Kontovollmacht, 2004). Der Zeichnungsberechtigte kann wie der Kontoinhaber selbst über Kontoforderungen disponieren (Z 32 ABB); auf den Bestand des Kontos (Schließung) kann er hingegen nicht Einfluss nehmen. Nach hA ist ihm nicht nur die Verfügung innerhalb eines dem Inhaber gewährten Überziehungsrahmens möglich; er soll vielmehr auch zu „ungeregelten“ Überziehungen bevollmächtigt sein, sofern diese bloß geringfügig sind und voraussichtlich nur für kurze Zeit erfolgen (OGH ÖBA 1990, 136; ÖBA 2000, 1006).
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2653
3. Buchungen und Kontoabschluss. Die von der Bank in der Kontobuchhaltung vorgenommenen Belastungsbuchungen sind grundsätzlich nur deklarativ, hängen also davon ab, ob tatsächlich wirksame Verfügungen des Kunden vorliegen bzw ob die Bank auf Grund des Girovertrages Belastungen – etwa mit dem Kontoführungsentgelt – vornehmen darf (zum Charakter der Gutschrift sowie zum Stornorecht der Banken Rn. 50 f.). Um beiden Beteiligten eine gewisse Sicherheit zu verschaffen, erfolgt regelmäßig – zumindest einmal jährlich – eine Abrechnung. Dieser Kontoabschluss wird dem Kunden bei der kontoführenden Stelle zur Abholung bereit gehalten (Z 38 II ABB); als Anerkenntnis des Kontosaldos soll auch gelten, dass der Kunde dem Abschluss nicht binnen sechs Wochen widerspricht (Z 16 II ABB). Der OGH (ÖBA 2001, 640) hat vor kurzem überzeugend dargelegt, dass dieses Anerkenntnis nicht konstitutiv iS des Kontokorrentrechts, sondern bloß deklarativ wirkt. Z 38 I ABB sah vor, dass die Bank das Konto dann ausnahmsweise quartalsweise abschließt, wenn in diesem Quartal ein Debetstand entsteht. Da jedoch der Kontoabschluss den Lauf von Zinseszinsen auslöst (vgl § 355 III UGB), was bei negativem Kontostand zu versteckten erhöhten Belastungen des Kunden führen kann, dürfen die Banken diese Klausel nicht mehr verwenden: Der OGH (ÖBA 2003, 141, 148 f.) qualifizierte sie als gröblich benachteiligend (§ 879 III ABGB; aA die Lehre: s. nur Apathy, ÖBA 2003, 177, 184 m.w.N. in Fn. 108) und als intransparent (Verstoß gegen § 6 III KSchG), da der Klausel die Konsequenzen in Hinblick auf die Zinseszinsen nicht zu entnehmen sind.
43
4. Verbrauchergirokonten. Verbraucher werden wiederum konkret geschützt. Nach § 34 BWG muss der Kontoeröffnungsvertrag bestimmte Mindestangaben enthalten; etwa zu den geschuldeten Entgelten sowie zur Höhe der Überziehungszinsen. Dem Kunden steht ferner zumindest ein Kontoauszug pro Quartal zu; überdies ist er bei mehr als drei Monate währender Überziehung gesondert auf die Höhe der aktuell anfallenden Überziehungszinsen hinzuweisen. Schließlich hat die Wertstellung von Gutschriften zwingend spätestens am ersten Werktag nach dem Einlangen zu erfolgen (§ 37 BWG).
44
5. Konten nicht voll Geschäftsfähiger, insb. von Jugendlichen. Die volle Geschäftsfähigkeit setzt mit dem 18. Geburtstag ein (§ 21 II ABGB). Grundsätzlich besitzen Über14-Jährige (mündige Minderjährige) für den Abschluss eines Kontovertrages ausreichende Geschäftsfähigkeit (s. § 152 II ABGB); die Beiziehung des gesetzlichen Vertreters ist allerdings ratsam, weil der sicherste Weg. Dispositionen im Rahmen des Kontoguthabens sind ebenfalls üblicherweise von der Eigengeschäftsfähigkeit erfasst. Die Vereinbarung eines Überziehungsrahmens stellt allerdings eine Kreditierungsabrede dar und ist individuell am Maßstab des § 151 II ABGB zu beurteilen. Schon wegen der hohen – und damit stark belastenden – Überziehungszinsen besteht allerdings die Gefahr, dass über Bagatellbeträge hinaus gehende Überziehungsvereinbarungen als Geschäfte eingestuft werden, die die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Minderjährigen gefährden und daher unwirksam sind. In solche Fällen ist zu beachten, dass der Bank nach Inanspruchnahme des Überziehungskredits nur ein Bereicherungsanspruch zusteht, der überdies analog § 1424 Satz 2 ABGB davon abhängt, ob die Summe noch vorhanden ist bzw ob und inwieweit sie zum Nutzen des Jugendlichen verwendet wurde. Spezialvorschriften enthält § 36 BWG. Darin werden den Kreditinstituten in ihren Beziehungen zu Unter-18-Jährigen insbesondere zwei Vorgaben gemacht: Die Ausgabe von Karten für den Bargeldbezug ist nur bei Vorliegen regelmäßiger Einkünfte und erst nach Vollendung des 17. Lebensjahres zulässig, der Bargeldbezug von Geldausgabeautomaten ist auf € 400 in der Woche zu beschränken. Ausführlich dazu Dullinger, ÖBA 2005, 670 und 791.
45
II. Zahlungsverkehr. 1. Überweisungsrecht. Anders als in Deutschland wurde die Richtlinie 97/5/EG nur in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich umgesetzt. Daraus folgt eine zweigeteilte Rechtslage: Das Überweisungsgesetz (ÜbG) gilt für grenzüber-
46
Bydlinski
2654
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
schreitende Überweisungen innerhalb des EWR, die die Tatbestandsvoraussetzungen seines § 1 I erfüllen. Für alle übrigen Fälle, insbesondere für rein innerstaatliche Überweisungen sowie für Überweisungen, an der auch eine Person außerhalb des EWR beteiligt ist, gilt – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass das internationale Privatrecht auf das materielle österreichische Recht verweist – das Auftrags- bzw Geschäftsbesorgungsrecht des ABGB, regelmäßig konkretisiert bzw modifiziert durch die betreffenden Geschäftsbedingungen der Banken. Zu Entgeltfragen s. Koch (Rn. 39). 47
2. Grenzüberschreitende EWR-Überweisung. Da sich das ÜbG sehr eng an die Richtlinie anlehnt, soll hier ein ganz grober Überblick genügen (zur Richtlinie aus österreichischer Sicht etwa P. Bydlinski, ÖBA 1998, 833; zum ÜbG derselbe, ÖBA 2002, 865). Das ÜbG ist unter folgenden kumulativen Voraussetzungen anwendbar (vgl. § 1): – grenzüberschreitende Überweisung, dh Auftraggeber- und Empfängerbank befinden sich in verschiedenen Mitgliedstaaten des EWR; – Überweisungswährung Euro oder Währung eines EWR-Mitgliedstaats (das kann auch der Schweizer Franken sein, da dieser im EWR-Staat Liechtenstein Landeswährung ist!); – Betrag der einzelnen Überweisung unter € 50.000; – der Durchführungspflichtige muss derartige Dienstleistungen gewerblich vornehmen. Hingegen müssen Auftraggeber und Empfänger nicht zwingend über eine Kontoverbindung verfügen.
48
Das ÜbG enthält zunächst weit reichende Informationspflichten der Banken über die Konditionen für solche Überweisungen; dann dispositive gesetzliche Maximalfristen zur Ausführung der Überweisung auf Grund eines (eigenständigen?) Überweisungsauftragsvertrags (§ 3) sowie zur Gutbuchung beim Empfänger (§§ 4 f.); schließlich als Kernstück strenge, verschuldensunabhängige Folgen bei Leistungsstörungen (§ 6): Es besteht die Pflicht zu Vollständigkeit und Rechtzeitigkeit. Bemerkenswert ist vor allem, dass alle Zwischenbanken (im ÜbG: „Subauftragnehmer“) der erstbeauftragten Bank zugerechnet werden. Nur Fehler der Bank des Empfängers gehen sie nichts an; diese Bank gehört schon zur Empfängersphäre. Geht das Geld überhaupt verloren, wird die gesetzliche Geld-zurück-Garantie der erstbeauftragten Bank schlagend: Sie hat dem Auftraggeber den „verschwundenen“ Betrag bis zur Grenze von € 12.500 zu ersetzen. Bei Verspätung sind erhöhte, in § 6 Abs. 1 ÜbG genau fixierte Verzugszinsen zu leisten. Nicht durch Gesetz eingeführt wurde das von Art. 10 der Richtlinie geforderte Beschwerde- und Abhilfeverfahren (dazu P. Bydlinski, ÖBA 2002, 865, 875 f.), wohl aber wurde bei der Wirtschaftskammer Österreich eine Schlichtungsstelle eingerichtet.
49
Was das „ABGB-Überweisungsrecht“ angeht, so können nur einige wenige Fragen angesprochen werden (ausführlich Koziol, in: Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht 2 III Rn. 1/6 ff.): Im Anschluss an das eben zum ÜbG Ausgeführte ist zunächst festzuhalten, dass Zwischenbanken gerade nicht wie Erfüllungsgehilfen der erstbeauftragten Bank behandelt werden. Vielmehr ist die erstbeauftragte Bank nur verpflichtet, die Zwischenbank, der sie die weitere Durchführung der Erledigung anvertraut, sorgfältig auszuwählen, ausreichend zu instruieren und mit der nötigen Deckung zu versorgen (OGH ÖBA 2001, 472, Koch). Bei mehrgliedriger, gar grenzüberschreitender Überweisung, trifft die erstbeauftragte Bank somit regelmäßig nur eine „Weiterleitungspflicht“. Der zwischen erstbeauftragter und zwischengeschalteter Bank geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag wird allerdings als Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten des Auftraggebers anzusehen sein (Karollus/Riedler, JBl 2000, 345, 355 m.w.N.). Die Überweisungsbank schuldet in aller Regel nur sorgfältiges (rechtsgeschäftliches) Tätigwerden, aber keinen Erfolg. Eine
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2655
Pflicht, den Überweisungsbetrag dem Konto des Empfängers gutzuschreiben, trifft die beauftragte Bank überhaupt nur bei der Hausüberweisung; also dann, wenn auch das Empfängerkonto bei ihr geführt wird. Zentrale Pflicht der Empfängerbank ist die Gutschrift der zu Gunsten des Kontoinhabers eingegangenen Beträge auf dem Empfängerkonto (Z 40 I ABB). Bei Widersprüchen zwischen Kontobezeichnung (= Empfängername) und Kontonummer hat sich die Bank vorrangig am Kontowortlaut zu orientieren (OGH ÖBA 1995, 525, Canaris). Im Verkehr mit Privatkunden gilt das auch im beleglosen Zahlungsverkehr; also etwa bei Aufträgen, die via Internet-Banking bei der Bank einlangen. Die Bank hat also auch dann einen entsprechenden Abgleich vorzunehmen (vgl. nur OGH ÖBA 2003, 141, 149 f., der die davon abweichende Klausel in Z 39 I ABB für gröblich benachteiligend und daher für unwirksam ansieht; s. ferner Karollus/Riedler, JBl 2000, 345; Janisch, Online Banking, 2001, 140 ff.). Auch bei einer Diskrepanz zwischen der Bezeichnung des Zahlungsempfängers und des Kontoinhabers besteht eine Pflicht zur Rückfrage bei der Auftraggeberbank (OGH ÖBA 2007, 572).
50
Nach h. A. sind Überweisungsauftrag und Gutschrift bei mehrgliedriger Überweisung in Österreich als Anweisung und deren Annahme (§§ 1400 ff. ABGB) anzusehen (s. nur Koziol, JBl 1984, 120, sowie ders., in: Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht2 III Rn. 1/ 30 ff. und 79 ff.; der OGH ÖBA 1995, 900, Klicka und ÖBA 2003, 304 spricht hingegen unter unzutreffender Berufung auf Lehrmeinungen von einem „abstrakten Schuldversprechen“, das das österreichische Recht im zweipersonalen Verhältnis jedoch gerade nicht anerkennt, vgl. § 937 ABGB). Der Kontoinhaber erwirbt mit der Gutschrift einen abstrakten Anspruch gegen die kontoführende Bank; vorausgesetzt, es lag überhaupt eine wirksame Anweisung (= Überweisungsauftrag) vor. Z 3 I S. 1 ABB, die das Risiko unerkennbar gefälschter Überweisungsaufträge dem Kunden zuwies, wurde vom OGH (ÖBA 2003, 141 f.) für unwirksam erachtet (dagegen Iro/Koziol, ÖBA 2003, 129, die unter Hinweis auf § 1014 ABGB meinen, die von Z 3 I S. 1 ABB vorgesehene Risikoverteilung ergebe sich bereits aus dem Gesetz). Für die – eng begrenzten – Einwendungsmöglichkeiten der Empfängerbank gilt § 1402 ABGB. Davon zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Zeitpunkt der Auftraggeber eine etwa bestehende Schuld gegenüber dem Empfänger tilgt (vgl. dazu Eccher/Hagen, ÖBA 2000, 115, die es für ausreichend halten, dass der Schuldbetrag der Bank des Empfängers zugekommen ist, während die h. A. auch hierfür die Gutschrift als entscheidend ansieht). Ein freies Stornorecht der Bank nach Gutschrift besteht nur ausnahmsweise: Einerseits dann, wenn die Gutschrift unter Vorbehalt des Eingangs erfolgte und mit dem tatsächlichen Einlangen des Überweisungsbetrags nicht mehr gerechnet werden kann (Z 41 ABB). Andererseits soll auch ein eigener Irrtum der gutschreibenden Bank eine jederzeitige Stornierung rechtfertigen (Z 40 II ABB), was gerade angesichts der abstrakten Verpflichtung in dieser Allgemeinheit nicht unbedenklich ist. Sollte damit allerdings bloß der Fall fehlender Anweisung gemeint sein, so ging die Gutschrift ohnehin ins Leere. Die dann bloß deklarative Bereinigung der – rechtlich irrelevanten – ersten Fehlbuchung begegnete keinen Bedenken (Koziol, in: Iro/Koziol, Allgemeine Bedingungen für Bankgeschäfte Z 40 Rn. 5 ff.).
51
3. Einzugsermächtigungsverfahren und Lastschriftverfahren. Bei häufigen, jedoch nicht kontinuierlich in gleicher Höhe anfallenden Zahlungspflichten (zB Telefonrechnung) räumen Schuldner ihren Gläubigern öfters auch das – jederzeit widerrufliche – Recht ein, die jeweils fälligen Beträge von ihrem Konto abzurufen. Dieses Einzugsermächtigungsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass das Schuldnerkonto allein auf
52
Bydlinski
2656
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Grund einer Erklärung des Gläubigers belastet wird. Allerdings hat der Schuldner nach dem aktuellen einschlägigen Interbankenabkommen das Recht, jede Abbuchung binnen 42 Tagen ohne Angabe von Gründen bei seinem Institut wieder rückgängig zu machen, was die Missbrauchsrisiken minimiert. Demgegenüber betrifft das eigentliche Lastschriftverfahren „Einzelfallschulden“, für die der Schuldner den Gläubiger mittels Unterschrift ermächtigt, einmal in bestimmter Höhe auf sein Konto zuzugreifen. Diese Form der Schuldenzahlung tritt heutzutage zu Gunsten der Zahlung mittels Karte an Zahlungsterminals im Rahmen des Maestro-Service immer stärker in den Hintergrund. 53
4. Kartengebundener Zahlungsverkehr: Geldausgabeautomat – Maestro-Kassen – „Quick“. Neben dem Kontovertrag werden häufig Nebenvereinbarungen getroffen, die dem Kunden noch mehr Bequemlichkeit versprechen. So erhält er Zugang zum Internetoder Telefon-Banking. Vor allem aber erhält er eine multifunktionale Karte, die in Österreich nach wie vor meist als „Bankomatkarte“ bezeichnet wird. Diese Karte kann derzeit u.a. folgende Funktionen erfüllen: Mit ihr sowie der dazugehörigen Geheimzahl (PIN) kann bei allen Geldausgabeautomaten Bargeld behoben sowie an den von Unternehmern angebotenen Terminals im Rahmen des Maestro-Service bezahlt werden; sie gewähren Zugang in Foyers von Bankfilialen und erlauben das Ausdrucken von Kontobelegen bei jeder Filiale des kontoführenden Kreditinstituts. Und sie können als „elektronische Geldbörse“ etwa zur Bezahlung an Parkscheinautomaten genutzt werden („Quick“-Funktion), wobei ein Laden des entsprechenden Chips an jedem Geldausgabeautomaten möglich ist. Die Scheckkarten-Garantiefunktion ist hingegen zum Jahresende 2001 weggefallen. Heikle Risikozuweisungsfragen stellen sich immer dann, wenn es zu Funktionsstörungen oder gar zum Missbrauch der Karte kommt (dazu etwa OGH ÖBA 2001, 250, Koziol und ausführlich Fellner, Die Bankomatkarte: Missbrauch und Funktionsstörungen, 2003). Zuletzt hat der OGH im Jahre 2007 unter Berücksichtigung der einschlägigen AGB entschieden, dass die Belastung des Kundenkontos mangels Verschuldens des Kontoinhabers dann unzulässig ist, wenn ein Dritter die Bankomatbehebung vornimmt, nachdem er den Code anlässlich einer Behebung durch den Kunden unauffällig ausgespäht und anschließend dem Kunden die Bankomatkarte aus dessen Rucksack in der U-Bahn gestohlen hat (ÖBA 2007, 568; dazu Graf, ÖBA 2007, 531). Zur Kreditkarte, die von eigenen Kreditkartenunternehmen begeben wird, aber häufig ebenfalls zum Paket einer modernen Girokontodienstleistung gehört, umfassend Vogel, Missbrauch von Kreditkarten, 2000.
54
D. Einlagen- und Depotgeschäft I. Das Einlagengeschäft. 1. Begriffe und Rechtsnatur. Zu den zentralen Bankgeschäften gehört das Einlagengeschäft, das § 1 I Z 1 BWG als „Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage“ definiert. Erwähnt werden in der Folge bloß die wichtigsten Aspekte des Spar(einlagen)geschäftes. Spareinlagen dienen nach § 31 I S. 1 BWG nicht dem Zahlungsverkehr, sondern der Anlage und dürfen nur gegen die Ausfolgung von Sparurkunden entgegen genommen werden. Der Sparvertrag weist neben darlehensrechtlichen auch verwahrungsrechtliche Elemente auf (näher etwa OGH ÖBA 1999, 1023). Da üblicherweise ausführliche AGB für Spareinlagen („Sparbedingungen“) vereinbart sind, muss aber ohnehin kaum einmal auf allgemein-zivilrechtliche Regelungen zurück gegriffen werden.
55
2. Sparvertrag und Sparurkunde. Zu den wesentlichen Grundsätzen des Spargeschäfts gehört die Notwendigkeit der Ausstellung einer Sparurkunde („Sparbuch“). Während Auszahlungen regelmäßig nur gegen Vorlage dieser Urkunde erfolgen können, sind Einzahlungen (etwa durch Überweisung) auch ohne Buchvorlage möglich. In jedem Fall hat die Bank bei der nächsten Buchvorlage die entsprechende Buchung vorzunehmen (§ 32 I
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2657
bis III BWG; zu Abweichungen des Sparbuchstandes von den internen Buchungen der Bank OGH ÖBA 1990, 1008, Schauer). Gehen Sparbücher (zum Wertpapiercharakter sofort) verloren, muss ein Kraftloserklärungsverfahren eingeleitet werden (zum Verlust s. auch § 31 IV BWG). Bei Abschluss eines Spargeschäftes hat die Bank eine genaue Identitätsprüfung vorzunehmen; das gilt als Maßnahme gegen Geldwäsche auch bei jeder sonstigen Anknüpfung einer dauernden Geschäftsbeziehung (§ 40 I Z 1 BWG). Sparverträge – und damit auch Sparbücher – können unterschiedlich ausgestaltet sein: mit und ohne Bindungsfrist, fest oder variabel verzinst, als Einmalerlag oder zum Ansparen usw. Sparbücher sind echte Wertpapiere (näher zum Sparbuch etwa Avancini, Das Sparbuch im österreichischen Recht, 1973; P. Berger, Das Recht des Sparbuchs, 1989; Böhler, Die Verpfändung von Sparbüchern, 1992; Nussbaumer, Die Umsetzung der Geldwäscherichtlinie in Österreich. Zugleich ein Beitrag zur Rechtsnatur des Sparbuchs, 2004; zuletzt OGH ÖBA 2007, 56 Apathy = JBl 2007, 178 Dullinger/Nußbaumer; ÖBA 2008, 208 Artmann). Das in Österreich lange Zeit vorherrschende anonyme Überbringersparbuch, ein Inhaberpapier, wurde im Zuge der Geldwäschebekämpfungsoffensive abgeschafft. Für noch existierende anonyme Bücher besteht eine Identifizierungspflicht. Seit 1.7.2002 dürfen nicht identifizierte Bücher rechtsgeschäftlich nicht mehr übertragen werden (§ 31 V BWG). Mangels Überprüfungsmöglichkeit können Verstöße dagegen zwar kaum einmal aufgedeckt werden. Jedenfalls kommen Abhebungen bloß dann in Betracht, wenn sich der Inhaber bei Vorlage des Buches identifizieren lässt. Heutzutage kann nur noch zwischen zwei Formen gewählt werden: Bei einem Guthaben ab € 15.000 („Großbetragssparbuch“) kommt nur das Namenssparbuch, ein Rektapapier, in Betracht. Beheben kann nur derjenige, auf dessen Namen das Buch lautet. Will der Berechtigte das Sparbuch – durch Abtretung – übertragen, ist also eine „Namensumschreibung“ durch die Bank nötig, damit der Erwerber über das Guthaben verfügen kann. Zusätzlich kann das Namenssparbuch mit einem Losungswort gesichert werden. „Kleinbetragssparbücher“ unter € 15.000 Guthaben können – ebenfalls nach Identifizierung des Sparers – wahlweise auch als Bezeichnungssparbücher ausgestellt werden (lautend z.B. auf „Wochenendhaus Semmering“). Die Vereinbarung eines Losungswortes ist dann zwingend (§ 31 III BWG; s. ferner die Details in § 32 IV BWG). Diese Sparbuchform wird als (unvollkommenes) Inhaberpapier angesehen (s. nur OGH ÖBA 1995, 636). Ausnahmen von der Obliegenheit, das vereinbarte Losungswort zu nennen, enthält § 31 III BWG. Auszahlungen an Stellvertreter des identifizierten Kunden sind möglich und wirksam; auch in Fällen bloßer Anscheinsvollmacht (ÖBA 2008, 208 Artmann). Die Vorschrift des § 32 Abs 4 Z 2 BWG, wonach Spareinlagen auf Namenssparbüchern und solche über € 15.000 nur an den gemäß § 40 Abs 1 identifizierten Kunden ausbezahlt werden dürfen, dient bloß der Verhinderung von Geldwäsche. Ihre Verletzung ist daher nicht als Übertragungsverbot zu verstehen, weshalb die Norm einer Sparbuchschenkung nicht entgegensteht (siehe nur OGH ÖBA 2008, 206 Artmann).
56
3. Rechte des Sparers. Sparbücher werden grundsätzlich zum Ende des Kalenderjahres abgeschlossen (§ 32 V BWG). Zu diesem Zeitpunkt erfolgt auch die Gutschrift der Jahreszinsen sowie die Anlastung der Kapitalertragssteuer (KESt) – einer Endbesteuerung auf Vermögenserträge – in Höhe von 25%. Bei der Zinsenberechnung werden binnen 14 Tagen wieder behobene Beträge nicht mit berechnet. Ein Monat wird mit 30 Tagen und ein Jahr mit 360 Tagen gerechnet (§ 32 VII BWG mit weiteren Details; eine kalendergenaue Berechnung erfolgt hingegen beim Verbraucherkredit: § 33 IV BWG). Werden fristgebundene Einlagen vorzeitig behoben, was ohne Zustimmung der Bank nicht möglich ist, liegt darin eine Vorschussleistung der Bank, die vom Kunden zu verzinsen ist (Details in § 32 VIII BWG). Bei Insolvenz der Bank ist der Sparer durch die von den Bankenfachverbänden eingerichtete Einlagensicherung (Schroth, Einlagensicherung, 2003)
57
Bydlinski
2658
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
zumindest teilweise geschützt: Einlagen bis zum Betrag von € 20.000 erhält der Kunde – soweit nötig – über die für seine Bank zuständige Sicherungseinrichtung ersetzt (§§ 9393b BWG). Zur Verjährung der Ansprüche des Sparers s. § 32 IX BWG. 58
II. Das Depotgeschäft. Das Depotgeschäft verpflichtet die Bank gegenüber ihrem Kunden zur Verwahrung und Verwaltung von dessen Wertpapieren (§ 1 I Z 5 BWG). Details regelt das Depotgesetz (DepG) 1969. Erfasst sind insbesondere Aktien, Genussscheine, Teilschuldverschreibungen, Pfandbriefe und sonstige vertretbare Wertpapiere. Das DepG kennt verschiedene Verwahrungsarten; so die Sonderverwahrung (Streifbandverwahrung; § 2), die Sammelverwahrung (§ 4), die Summen- oder Tauschverwahrung (§ 7) und die unregelmäßige Verwahrung, bei der der Verwahrer Eigentum an den Papieren erhält oder auf einen Dritten übertragen kann (§ 8).
59
Das DepG enthält darüber hinaus genauere Regeln über die Wertpapier-Einkaufskommission (§§ 13 ff.) und über die Folgen einer Insolvenz von Verwahrer bzw. Einkaufskommissionär (§ 23). Zu depotrechtlichen Fragen etwa Csoklich, RdW 1988, 35; Sonntag, ÖBA 2000, 276.
60
E. Kapitalmarktrecht Der Handel mit Wertpapieren, also das Effektengeschäft, gehört ebenfalls zu den Bankgeschäften (§ 1 I Z 7 lit e BWG). Für den an der Börse stattfindenden Verkehr werden zwei Arten des Wertpapierhandels unterschieden: der amtliche Handel (Zulassungsvoraussetzungen in § 66 BörseG) und der geregelte Freiverkehr (s. insb § 68 BörseG). Werden bestimmte Wertpapiere im Inland erstmals öffentlich angeboten, hat der Emittent vorher einen ausführlichen, geprüften Prospekt zu veröffentlichen, um dem Publikum ausreichende Informationen über das Angebot zu liefern (Details in den §§ 2 ff. KMG; Sondervorschriften für die Veranlagung in Immobilien enthält § 14 KMG). Den notwendigen Prospektinhalt regelt § 7 KMG ausführlich. Erleiden Anleger auf Grund unrichtiger Prospektangaben Schäden, greift eine spezielle Prospekthaftung ein (§ 11 KMG; dazu statt vieler Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I, 2005, Rz 11/3 ff.). Für den Handel mit amtlich notierten oder zum geregelten Freiverkehr zugelassenen Wertpapieren besteht daher eine Prospektpflicht (§ 74 BörseG), die mit 10. August 2005 auf außerbörsliche öffentliche Angebote erweitert wurde (§ 2 KMG; Ausnahmen in § 75 BörseG und § 3 KMG). Seit diesem Zeitpunkt sind auch die – reichen – Details (Prospektinhalt, Haftung für fehlerhafte Prospekte usw) im KMG geregelt. Zentral ist die Vorgabe, dass jene Angaben vollständig enthalten sein müssen, die erforderlich sind, um den Anlegern ein fundiertes Urteil über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten und über die mit den Wertpapieren bzw Veranlagungen verbundenen Rechte zu ermöglichen (§ 7 Abs 1 KMG). Der Prospekt bedarf einer Billigung durch die Finanzmarktaufsicht (FMA). § 11 KMG regelt die Prospekthaftung sehr eingehend und zum Teil – zB hinsichtlich der Verjährung – abweichend von allgemeinen Regeln. Die Anleger können jene (Vertrauens-)Schäden ersetzt verlangen, die ihnen im Vertrauen auf die für die Beurteilung der getätigten Veranlagung erheblichen, schuldhaft unrichtigen fehlerhaften Prospektangaben entstanden sind. Haftpflichtig sind – jeweils unter der Voraussetzung eigenen Verschuldens oder Verschuldens der ihnen zuzurechnenden Hilfspersonen – primär der Emittent, ferner aber etwa auch Prospektkontrollore, Abschlussprüfer oder die Wiener Börse AG (hinsichtlich dort zum Handel zugelassener Wertpapiere). Zum Schutz der Anleger kann die Ersatzpflicht im Voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Abgesehen von seltenen Fällen vorsätzlicher Schädigung ist der Ersatzanspruch des Anlegers allerdings begrenzt durch den vom Anleger bezahlten Preis zuzüglich Spesen und Zinsen seit dem Ankauf. Schließlich ist eine „allgemeine Prospekthaftung“ nach ABGB-Grundsätzen
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Österreich
2659
anerkannt (dazu insb Brawenz, Prospekthaftung nach allgemeinem Zivilrecht2, 1992), wobei allerdings höchst umstritten ist, wie sich die unterschiedlichen Haftungskomplexe zueinander verhalten (vgl. dazu Kalss, ÖBA 2000, 641; Koziol, ÖBA 1992, 886). Kundenaufträge zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren führt die Bank regelmäßig als Kommissionärin aus; und zwar bei Bestehen eines Börse- oder Marktpreises üblicherweise durch Selbsteintritt (Z 63 I ABB). Häufig geht diesen Geschäften ein – vorvertragliches oder vertragliches – Beratungsverhältnis voraus, das die Bank zu besonderer Sorgfalt und Fürsorge gegenüber dem Kunden verpflichtet. Das WAG 2007 hat – in Umsetzung einer EU-Richtlinie (MiFID) – insoweit sowohl zu Verschärfungen als auch zu Differenzierungen geführt. Dies betrifft vor allem die sog Wohlverhaltensregeln (§§ 38 ff. WAG), speziell die Pflichten zur Kundeninformation. Oberste Priorität kommt generell der Wahrung des Kundeninteresses zu (in diesem Sinn lautet die Überschrift des fünften WAG-Abschnitts „Verpflichtungen zum Handeln im besten Interesse des Kunden“). Dieser Grundsatz manifestiert sich etwa in der Pflicht zur bestmöglichen Durchführung der Dienstleistung (§§ 52 ff.) und in Berichtspflichten gegenüber dem Kunden (§§ 48 ff.). Erste Voraussetzung jeder Beratungstätigkeit ist die Einstufung des Wertpapierdienstleistungskunden (Privatkunde, professioneller Kunde, „geeignete Gegenpartei“); je nach Qualifikation legt das WAG gestaffelte Informationspflichten fest (§§ 40 ff.). Privatkunden sind vor Geschäftsabschluss umfassend über die mit der jeweiligen Anlage verbundenen Risiken sowie über Kosten und Nebenkosten der Wertpapierdienstleistung zu informieren (§§ 43 ff.). Im Rahmen des Anlagegesprächs hat der Anlageberater die Eignung eines angebotenen Produkts für den individuellen Kunden zu überprüfen („Eignungstest“): Neben den finanziellen Verhältnissen des Kunden ist sein bisheriges Anlageverhalten, seine Risikobereitschaft sowie seine Ausbildung zu klären und zu dokumentieren. Verweigert der Anleger eine Antwort, hat der Anlageberater das Beratungsgespräch abzubrechen; allenfalls darf das vom Kunden gewünschte Geschäft „beratungsfrei“ durchgeführt werden.
61
Bei fehlerhafter Beratung durch Organe oder – praktisch häufiger – durch Mitarbeiter der Bank wird diese ersatzpflichtig. Die praktische Bedeutung dieser Problematik zeigt sich an einer Vielzahl höchstgerichtlicher Entscheidungen (reiche Nachweise bei P. Bydlinski, FS Hadding, 2004, 759; seither etwa OGH ÖBA 2004, 631, dazu Brandl/Hohensinner, ÖBA 2004, 602; ÖBA 2004, 882; ÖBA 2005, 635, Oppitz; ÖBA 2006, 60, B. Steininger; ÖBA 2006, 303; ÖBA 2006, 376; ÖBA 2006, 682; zur Verjährung der Ersatzansprüche s. OGH ÖBA 2008, 202; JBl 2008, 48 (krit. Mader) = ÖBA 2008, 196 (krit. Madl); krit. auch P. Bydlinski, ÖBA 2008, 159, 171 ff. Aus der Literatur s. nur Brandl/ Saria, in: Brandl u.a. (Hrsg.), Handbuch Kapitalmarktrecht I (2005) 210 ff.; Gumpoltsberger, Beraterhaftung bei Spekulationsverlusten (2005); Winternitz/Aigner, Die Haftung des Anlageberaters für fehlerhafte Beratung (2005)). Schon weil sich bei Fehlberatung immer die Frage der hypothetischen Entwicklung des Kundenvermögens bei korrektem Verhalten der Bank stellt, wird in diesem Bereich eine Vielzahl schadenersatzrechtlicher Grundfragen aktuell, speziell im Zusammenhang mit Schadenseintritt, Kausalität und Beweislast; ausführlich dazu P. Bydlinski, ÖBA 2008, 159. – Zu Fragen rund um bewusst rechtswidrig handelnde Hilfspersonen der Bank umfassend Koziol, Zurechnung ungetreuer Bankmitarbeiter (2004).
61a
Zumindest den selben strengen Pflichten und Haftungsgrundsätzen unterliegen Banken dann, wenn sie als Vermögensverwalter tätig werden. § 1 I Z 19 lit b BWG definiert dieses Finanzdienstleistungsgeschäft als die „Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden“. Der Vermögensverwaltungsvertrag ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 1002 ff. ABGB), der üblicherweise auf un-
62
Bydlinski
2660
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
bestimmte Zeit abgeschlossen wird. Zentraler Inhalt ist die darin festgelegte Anlagestrategie (Anlagerichtlinien). Abgesehen von konkreten Weisungen entscheidet der (sachverständige) Verwalter im Rahmen dieser Richtlinien selbständig über An- und Verkäufe. Als Wahrer der Anlegerinteressen hat er sich prinzipiell an die Gebote der produktiven Verwaltung sowie der Risikostreuung zu halten und einseitige Spekulationen zu unterlassen. Der Verwalter hat seinem Kunden regelmäßig präzise Rechenschaft abzulegen (§ 1012 ABGB); bei erheblichen wirtschaftlichen Veränderungen hat er auch anlassbezogen zu informieren (näher etwa Kalss, Anlegerinteressen, 2001).
Bydlinski
§ 78 Länderteil – Polen
2661
20. Polen
§ 78 Länderteil Schrifttum Brockhuis, Recht der Kreditsicherheiten in europäischen Ländern, Teil IX Polen, 2000; Cierpiał/Lieb– Polen scher/Tereszkiewicz, Immobiliarsachenrecht in Polen – Aktuelle Änderungen im Bereich Immobiliarrecht, Grundbuch, Kreditwesen und Hypothekenrecht, FOWI- Schriftenreihe 2001; Cierpiał/Thurner, Die Hypothek in Polen – mit einer Einführung in das polnische Kreditsicherheitswesen; Arbeitspapier Nr. 57, FOWI- Schriftenreihe, 1998; Cierpiał/Thurner, Die Hypothek im polnischen Recht WiRO 1997, 86; Diedrich, Unternehmerisches Engagement ausländischer Banken in Polen unter Berücksichtigung der Besonderheit von Kreditgeschäften der Pfandbrief- und Hypothekenbanken, DPJZ 1/2000, 13; 1/2001, 30; Drewicz/Stöcker, Der Rang erstrangiger Hypotheken; Ein Grundsatzproblem für Hypothekarkredite am Beispiel Polens, Notarius International 3/98, 6; Drewicz/Stöcker, Neue Einlagensicherung in Polen, WiRO 1995, 216; Drewicz-Tulodziecka/Soergel/Stöcker, Mehr Rechtssicherheit für die Hypothek in Polen, WM 2002, 891; Drobnig, Systemtransformation in Osteuropa und ihre Folgen für Banken, Börsen und Kreditsicherheiten, 1998; Ernst, Mobiliarsicherheiten in Polen, Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht, Bd. 148, 2005; Fojcik-Mastalska, Zur Umstrukturierung der Finanzen und der Rolle der Banken in Polen, ROW 1993, 358; Franek, Kredite und Kreditsicherheiten in Polen, WiRO 1999, 17; Freshfields Bruckhaus Deringer, True-sale securitisation, Central and Eastern Europe, 2004; Glatz, Die Entwicklung des polnischen Zivilrechts, 2000; Gradzki, Zur Einführung des Hypothekenbanken- und des Pfandbriefsystems in Polen, WiRO 1998, 407; Gralla, Forderungssicherung durch Registerpfandrecht sowie durch Bank-Sicherungs- und -Vollstreckungstitel in Polen, JOR 1997, 11; Polen: Gesetz über das Devisenrecht, WiRO 2003, 111; Polen: Gesetz über das Registerpfandrecht und das Pfandregister, JOR 1997, 173; Zum polnischen Gesetz über Pfandbriefe und Hypothekenbanken von 1997, JOR 1998, 69; Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa (-Bearbeiter), Loseblatt, hrsg. v. Breidenbach, 2007 (zit. Handbuch WiRO);Hein, Bankensysteme in Ostmitteleuropa 1995, Horn/Pleyer, Handelsrecht und Recht der Kreditsicherheiten in Osteuropa 1997; Huber, Internationales Insolvenzrecht in Europa ZZP 2001, 133; Jaschinska, Polnische und deutsche Grundpfandrechte im Vergleich, Schriften zum internationalen Recht, Bd. 139, 2004; Kokott/Zoll, Die Befriedigung hypothekarisch gesicherter Forderungen der Hypothekenbanken im polnischen Konkursrecht, ZInsO 2001, 302; Kuglarz/Stöcker, Die Immobiliarhypothek im polnischen Recht, DLK 18/96, 562; Kurkowski, die Sicherungsübereignung nach polnischem Recht, WiRO 1994, 247; Liebscher/Zoll, Einführung in das polnische Recht, 2005, Matyschok, Strukturen des Anlegerschutzes im polnischen Kapitalmarktrecht, 2001; Paintner, das polnische Registerpfandrecht, Osteuropa Recht 1999, 136; Pisuli ński, Der Verbraucherkredit in Polen – ausgewählte Probleme, WM 2002, 885; Poczobut, Der Leasingvertrag im Gesetzentwurf von 1997 über die Änderung des polnischen Zivilgesetzbuches – eine Einführung, in: FS Drobnig, 1998, 609; Rudnicki/Lewicki, Die Bankgarantie im polnischen Recht, WM 2002, 897; Schulte, das neue polnische Registerpfandrecht, RiW 1998, 291; Spyra, Ertragsschuldverschreibungen (revenue bonds) als besondere Form der Forderungsbesicherung in Polen, WiRO 2003, 6; Stöcker, Flexibilität der Grundpfandrechte in Europa, vdp-Schriftenreihe, Bd. 23, 2006; Zielinski, Hypothekendarlehen – Ein Bericht über die Situation in Polen, in: Realkredit und Grundstücksverkehr in europäischen Ländern, Bd. 2, 1998, 201; Zinser/Kopp-Podlewski, Die Bankenaufsicht nach dem neuen polnischen Bankgesetz, ZBB 2002, 309.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Bankbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Arten von Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3. Banktätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4. Bankengarantiefonds . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 III. Bedeutende Rechtsquellen. . . . . . . . . . . . . . . 8 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Gelddarlehensverträge . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Verbraucherkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Teilzahlungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 12 4. Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Bankgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Bürgschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3. Wechselbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . 6. Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Registerpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Sicherungsgrundschuld . . . . . . . . . . . . . C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kontoarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Elektronischer Geschäftsverkehr . . . . . . . . V. Devisenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
de Vries
17 18 19 20 21 22 23 24 24 25 28 29 30 31 32 37
2662
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Stichwortverzeichnis Anlegerentschädigungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Bankbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bankbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Banken (Arten von). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bankenaufsicht (Maßnahmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bankenaufsichtskommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bankengarantiefonds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bankgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Banktätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Bankvollstreckungstitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Börsenmaklertätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Bürgschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Devisenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Distanzgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Elektronische Dienstleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . 29 Elektronische Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Elektronischer Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . 29 Ertragsschuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Finanzierungsleasing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Gelddarlehensverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Gemeinschaftskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Geregelter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Gratiskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Hypothek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Hypothekenpfandbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kontoarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kontoeröffnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Kreditsicherheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Kreditvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Landeswertpapierdepot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Mobiliarpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Öffentlicher Pfandbrief. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Polnische Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rechtsquellen (bedeutende) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Registerpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Sicherungsgrundschuld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Sicherungszession. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Sparkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Teilzahlungsgeschäfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Verbraucherkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Wechsel in blanco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Wechselbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Wertpapier- und Börsenkommission . . . . . . . . . . . 34 Wertpapierbörsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Wertpapiere (Einführung von) . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Wertpapiere (Sekundärhandel) . . . . . . . . . . . . . . . 39 Wertpapierhandel (öffentlicher) . . . . . . . . . . . . . . . 31 Wertpapierrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Abkürzungsverzeichnis BankG BGFG
Bankgesetz von 1997 Gesetz über den Bankengarantiefonds von 1994 DevG Devisengesetz von 2002 dt. Übers. deutsche Übersetzung DzU Dziennik Ustaw (Gesetzblatt) E-GeldG Gesetz über elektronische Zahlungsinstrumente von 2002 GbHyG Gesetz über Grundbücher und die Hypothek von 1982 GeldwäscheG Gesetz über die Bekämpfung der Einführung von aus illegalen oder nicht offengelegten Quellen kommenden Vermögenswerten in den Finanzverkehr sowie über die Bekämpfung des Terrorismus von 2000 HGG Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften von 2000 InvFG Gesetz über Investmentfonds von 1997
1
JOR LWBG NatBankG
Jahrbuch für Ostrecht Landeswirtschaftsbankgesetz von 2003 Gesetz über die Polnische Nationalbank von 1997 ÖFinG Gesetz über die öffentlichen Finanzen von 1998 PfandHypG Gesetz über Pfandbriefe und Hypothekenbanken von 1997 RegPfG Gesetz über das Registerpfandrecht und das Pfandregister von 1996 ROW Recht in Ost und West VerbrKG Verbraucherkreditgesetz von 2001 WechselG Wechselgesetz von 1936 WiRO Wirtschaft und Recht in Osteuropa WpHG Gesetz über den öffentlichen Handel mit Wertpapieren von 1997 ZGB Zivilgesetzbuch von 1964 ZVGB Zivilverfahrensgesetzbuch von 1964
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. Zentralbank ist die Polnische Nationalbank mit Sitz in Warschau. Sie leitet die Währungs-, Bank- und Kreditpolitik des Staates. Ihre Organe sind der Präsident, der Rat der Geldpolitik und der Vorstand. Ihr gesetzlich festgelegtes, wichtigstes Ziel ist die Erhaltung eines stabilen Preisniveaus bei gleichzeitiger Unterstützung der Wirtschaftspolitik der Regierung. Zu ihren Aufgaben gehören die Organisation des Zahlungsverkehrs, die Bewirtschaftung der Devisenreserven, die Durchführung von Devisentätigkei-
de Vries
§ 78 Länderteil – Polen
2663
ten, die Durchführung von Banktätigkeiten für den Staatshaushalt, die Regulierung der Liquidität der Banken sowie ihre Refinanzierung, die Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Banksystems sowie die Anfertigung der Zahlungsbilanz und der Bilanzen der Auslandsforderungen und -verbindlichkeiten (Art. 3 NatBankG). Als wichtigstes Instrument der Geldpolitik sammelt die Nationalbank zur Beeinflussung des Geldumlaufs und der Kreditgewährung Mindestreserven der Banken an. Die Mindestreserve ist ein Teil der Kontoeinlagen, der Mittel aus dem Wertpapierverkauf sowie anderer rückzahlbarer Mittel mit Ausnahme der von einer anderen Inlandsbank entgegengenommenen Mittel (Art. 38 NatBankG). Es gelten variable Mindestreservesätze. Die Nationalbank kann den Banken zur Erhöhung ihrer Geldressourcen Refinanzierungskredite gewähren und von ihnen Wechsel zur Diskontierung und Rediskontierung entgegennehmen. Sie kann am Wertpapierverkehr teilnehmen und staatliche Darlehen bedienen. Die Nationalbank führt die Konten der Banken, des Staatshaushalts des Bankengarantiefonds, der Landesgenossenschaftsspar- und -kreditkasse. Die Rechnungslegungsgrundsätze der Zentralbank orientieren sich an den Standards des Europäischen Zentralbanksystems (Art. 67 NatBankG). 1. Bankbegriff. Eine Bank ist eine gemäß den gesetzlichen Vorschriften gegründete juristische Person, die ihre Tätigkeit auf der Grundlage von Erlaubnissen ausübt, aufgrund derer sie zur Durchführung von Banktätigkeiten berechtigt ist, durch welche die unter einem Rückgabetitel anvertrauten Mittel mit einem Risiko belastet werden (Art. 2 BankG). Keine Bank ist der Bankengarantiefonds, eine juristische Person mit Sitz in Warschau. Leasing- und Factoringgesellschaften, Emittenten von Kreditkarten u.ä. Institutionen sind keine Banken. Der Bankbegriff entspricht dem des Kreditinstituts nach der EG-Bankrechts-RL von 2000 (Zinser/Kopp-Podlewski, ZBB 2002, 312). Banken aus den EG-Mitgliedstaaten gelten seit dem EG-Beitritt Polens nicht mehr als ausländische Banken.
2
2. Arten von Banken. Es gibt drei Arten von Banken: staatliche Banken, Genossenschaftsbanken und Banken in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (Art. 12 BankG). Wichtigste staatliche Bank ist die Landeswirtschaftsbank, die auch Banktätigkeiten für den Staatshaushalt vornehmen darf (Art. 107 ÖFinG). Keine staatlichen Banken im Sinne des BankG sind die Zentralbank, die eine eigene verfassungsrechtliche Grundlage hat, und die als Aktiengesellschaften organisierten Banken, deren Aktien dem Staatshaushalt gehören.
3
3. Banktätigkeiten. Die Banktätigkeiten entsprechen weitgehend den im Anhang der EGBankrechts-RL von 2000 genannten Tätigkeiten: Entgegennahme von Geldern als Einlagen, Führung von Bankkonten, Gewährung von Krediten, Übernahme von Bankgarantien und Eröffnung von Akkreditiven, Ausgabe von Bankwertpapieren, Durchführung des Bankenzahlungsverkehrs und Ausgabe elektronischen Geldes. Nach dem E-GeldG können nicht nur Banken, sondern auch Aktiengesellschaften mit einem Betriebskapital von mindestens einer Mio. Euro nach Genehmigung durch die Kommission für die Finanzaufsicht elektronisches Geld herausgeben. Banktätigkeiten sind ferner, sofern von Banken betrieben, die Gewährung von Gelddarlehen und Verbraucherkrediten, Scheck- und Wechselgeschäfte sowie Geschäfte mit Optionsscheinen, die Durchführung des Zahlungskartenverkehrs, Finanztermingeschäfte, der Ankauf und Verkauf von Geldforderungen, die Verwahrung von Wertgegenständen und Wertpapieren, Devisenverkehrsgeschäfte, die Übernahme von Bürgschaften und Auftragsgeschäfte bei der Wertpapierausgabe (Art. 5 BankG).
4
4. Bankengarantiefonds. Zur Sicherung der Einlagen der Bankkunden gibt es seit 1994 den Bankengarantiefonds (vgl. Drewicz/Stöcker, WiRO 1995, 216). Er garantiert bei Zah-
5
de Vries
2664
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
lungsunfähigkeit einer Bank die Einlagen natürlicher und juristischer Personen, allerdings in voller Höhe nur bis zu einem Gegenwert von 1.000 Euro. Darüber hinausgehende Einlagen werden bis zum Gegenwert von 22.500 Euro i. H. v. 90 % garantiert (Art. 23 BGFG). Ausgenommen von der Garantie sind der Fiskus, Banken, Versicherungen, Wertpapierbörsen und Treuhandfonds sowie Bankaktionäre mit einem Kapitalanteil von mehr als 5 % und Mitglieder der Organe der in Konkurs geratenen Banken. 6
II. Bankenaufsicht. Die Aufsicht über die Bankentätigkeit steht der Finanzaufsichtskommission zu, die ab Januar 2008 die Aufgaben übernimmt, die bisher die Bankenaufsichtskommission wahrgenommen hatte. Die Finanzaufsichtskommission ist ein kollegiales Gremium das zentral die Aufsicht über den Finanzmarkt ausübt. Die Kommission hat bereits seit 2006 die Kompetenzen der bisherigen Aufsichtskommission über die Versicherungen und Rentenfonds und die der Wertpapier- und Börsenkommission übernommen. Die bisherigen Kommissionen wurden aufgelöst. Die organisatorische Umstrukturierung der Finanzaufsicht dient der Integration aller Aufsichtskompetenzen in einem Kontrollorgan. Die Kommission setzt sich aus sieben Mitgliedern zusammen. Der Vorsitzende der Kommission wird vom Vorsitzenden des Ministerrats für eine fünfjährige Amtszeit gewählt. Der Kommission gehören der Nationalbankpräsident, der Finanzminister, oder ein Vertreter des Finanzministers, ein Vertreter des Staatspräsidenten, der Minister, der für die Angelegenheiten der Sozialversicherung zuständig ist, oder sein Vertreter an. Die technische Ausstattung der Arbeit des Vorsitzenden und der Vertreter werden von der Behörde der Finanzaufsichtskommission übernommen. Die Aufsicht über die Kommission übt der Ministerpräsident aus. Die Kommission übt die Aufsicht über die Finanzmärkte in den folgenden Bereichen aus: Die Bankenaufsicht, die Aufsicht über die Renten- und Versicherungen, über den Kapitalmarkt, über die Institutionen des elektronischen Geldes sowie die Aufsicht in zusätzlichen Bereichen, die in weiteren Gesetzen geregelt sind. Die Aufgaben unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von den Aufgaben, die den bisherigen Organen durch die Gesetze im Bereich des Bankwesens aufgegeben waren.
7
Maßnahmen der Finanzaufsicht im Bereich des Bankwesens sind insbesondere die Prüfung der Solvenz, der Liquidität und der wirtschaftlichen Ergebnisse der Banken, die Prüfung der Rechtmäßigkeit der gewährten Kredite und Darlehen und der übernommenen Bankgarantien und Bürgschaften, die Prüfung der Sicherung und der fristgerechten Rückzahlung von Krediten und Darlehen, die Prüfung der Verzinsung von Krediten, Darlehen und Konten sowie die Bewertung der finanziellen Situation der Banken (Art. 133 BankG). Bei festgestellten Unregelmäßigkeiten können auf Kosten der beaufsichtigten Bank Rechnungsprüfer beauftragt werden. Die Meldepflichten der Rechnungsprüfer (Art. 136 BankG) entsprechen Art. 31 der EG-Bankrechts-RL von 2000. Die Finanzaufsichtskommission kann verbindliche Liquiditätsnormen festlegen und Anweisungen und Anordnungen erteilen. Zu den möglichen Sanktionen gehören die Liquidation der Bank, die Einschränkung des Geschäftsumfangs und die Abberufung von Vorstandsmitgliedern. Gegen Letztere können auch Geldstrafen verhängt werden. Zudem hat die Finanzaufsichtskommission die Aufsicht über Zweigstellen von ausländischen Kreditinstituten (Kap. 11a BankG) und die sog. konsolidierte Aufsicht über Inlandsbanken, die im Rahmen einer Holding operieren (Kap. 11b BankG).
8
III. Bedeutende Rechtsquellen. Die wichtigsten Rechtsquellen sind in zeitlicher Reihenfolge folgende Gesetze: WechselG vom 28. April 1936 (DzU 1936/37/282, zuletzt: 2006/73/501); Scheckgesetz vom 28. April 1936 (DzU 1936/37/283, zuletzt: 2006/73/ 501); ZGB vom 23. April 1964 (DzU 1964/16/93, zuletzt: 2007/181/1287), dt. Übers.:
de Vries
§ 78 Länderteil – Polen
2665
Handbuch WiRO-Lane/Gralla, PL 200; GbHyG vom 6. Juli 1982 i.d.F. vom 30. Oktober 2001 (DzU 2001/124/1361, zuletzt: 2004/172/1804), dt. Übers.: Handbuch WiRO-Wenner/Czarnowska/Gralla, PL 250; Gesetz über den öffentlichen Wertpapierhandel und Treuhandfonds (Kap. 8, Art. 120) vom 22. März 1991 (DzU 1991/35/155, zuletzt: 2000/ 94/1037); Gesetz über die Finanzkontrolle vom 28. September 1991 (DzU 1991, Nr: 100/ 442, zuletzt: 2007/171/1207); Gesetz über die finanzielle Restrukturierung von Unternehmen und Banken vom 3. Februar 1993 (DzU 1993/18/82, zuletzt: 2005/184/1539); GBFG vom 14. Dezember 1994 i.d.F. vom 31. Dezember 1999 (DzU 2000/9/131, zuletzt: 2006/ 183/1354); Gesetz über die Zuzahlungen zur Verzinsung einiger Bankkredite vom 5. Januar 1995 (DzU 1995/13/60; zuletzt: DzU 2004/123/1291); Gesetz über Schuldverschreibungen vom 29. Juni 1995 i.d.F. vom 18. September 2001 (DzU 2001/120/1300, zuletzt: 2005/249/2104); Gesetz über einige Unterstützungsformen des Wohnungsbaus vom 26. Oktober 1995 i.d.F. vom 8. August 2000 (DzU 2000/98/1070, zuletzt: 2006/220/1600); RegPfG vom 6. Dezember 1996 (DzU 1996/149/703, zuletzt: 2007/112/766), dt. Übers.: Gralla, JOR 1997, 173; WpHG vom 21. August 1997 i.d.F. vom 21. März 2002 (DzU 2002/49/447, zuletzt: 2005/85/727), dt. Übers.: Handbuch WiRO-Matyschok/Lewandowski, PL 520; InvFG vom 28. August 1997 i.d.F. vom 21. März 2002 (DzU 2002/49/ 448, zuletzt: 2003/124/1151), dt. Übers.: Handbuch WiRO-Glowacka, PL 105; NatBankG vom 29. August 1997 (DzU 1997/140/938, zuletzt: 2007/61/410), dt. Übers.: Handbuch WiRO-Stutterheim, PL 510; BankG vom 29. August 1997 i.d.F. vom 13. Mai 2002 (DzU 2002/72/665, zuletzt: 2007/112/769), dt. Übers.: Handbuch WiRO-Stutterheim, PL 500; PfandHypG vom 29. August 1997 (DzU 1997/140/940, zuletzt: 2006/157/1119), dt. Übers.: Gralla, JOR 1998, 279; Gesetz über die öffentlichen Finanzen vom 26. November 1998 i.d.F. vom 7. Januar 2003 (DzU 2003/15/148, zuletzt: 2005/180/1495); Gesetz über den Schutz einiger Verbraucherrechte vom 2. März 2000 (DzU 2000/22/271, zuletzt: 2004/116/1204); HGG vom 15. September 2000 (DzU 2000/94/1037, zuletzt: 2008/86/ 524), dt. Übers.: Handbuch WiRO-Schnell/Brockhuis, PL 350; Geldwäschegesetz vom 16. November 2000 (DzU 2000/116/1216, zuletzt: 2006/157/1119); Gesetz über die Funktionsweise der Genossenschaftsbanken vom 7. Dezember 2000 (DzU 2000/119/1252, zuletzt: 2007/52/344); VerbrKG vom 20. Juli 2001 (DzU 2001/100/1081, zuletzt: 2005/157/ 1316); Gesetz über die Abschlussverrechnung in Zahlungssystemen und Wertpapierverrechnungssystemen vom 24. August 2001 (DzU 2001/123/1351, zuletzt: 2006/157/1119); Gesetz über die besonderen Voraussetzungen des Verbraucherkaufs vom 27. Juli 2002 (DzU 2002/141/1176, zuletzt: 2004/96/959); DevG vom 27. Juli 2002 (DzU 2002/141/ 1178, zuletzt: 2007/61/410), dt. Übers.: Gralla, WiRO 2003, 113; Gesetz über elektronische Zahlungsinstrumente vom 12. September 2002 (DzU 2002/169/1385, zuletzt: 2006/ 157/1119); Gesetz über die Zuzahlungen zur Verzinsung von Wohnungsbaukrediten mit festem Zinssatz vom 5. Dezember 2002 (DzU 2002/230/1922, zuletzt: 2006/183/1354); Gesetz über den Zugang zu Wirtschaftsinformationen (DzU 2003/50/424, zuletzt: 2007/ 192/1378); Gesetz über die Aufsicht über den Finanzmarkt vom 21. Juli 2006 (DzU 2006/ 157/1119, zuletzt: 2007/49/328) sowie LWBG vom 14. März 2003 (DzU 2003/65/594, zuletzt: 2006/157/1119).
B. Kredit und Kreditsicherheiten
9
I. Kreditformen. Die Grundform des Bankkredits ist der Kreditvertrag (Art. 69-79 BankG), dessen Wesensmerkmal die Zweckgebundenheit ist. Die Bank stellt einen Geldbetrag zu einem bestimmten Zweck zur Verfügung, der Kreditnehmer muss diesen Betrag vertragsgemäß verwenden, ferner den Kredit bei Fälligkeit nebst Zinsen zurückzahlen und eine Provision für die Kreditgewährung zahlen. Der Vertrag muss schriftlich abgefasst werden. Die Bank hat vor Kreditvergabe die Kreditwürdigkeit zu prüfen, der Kreditneh-
de Vries
2666
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
mer muss die hierfür erforderlichen Unterlagen und Informationen vorlegen. Für den Informationsaustausch zwischen den Banken wurde 1998 das Büro für Kreditinformation als A. G. gegründet, es ist seit 2000 Mitglied in der European Association of Consumer Credit Information Supplier (ACCIS). Im Jahr 2005 hat es insgesamt ca. 9,1 Mio Anfragen zur Kreditwürdigkeit bearbeitet. Ferner gibt es private Wirtschaftsinformationsbüros unter Aufsicht des Wirtschaftsministers, die öffentlichen zugänglichen Schuldnerlisten der Banken, Versicherungen, Gas-, Wasser- und Stromlieferanten u. ä. führen (vgl. Gesetz über den Zugang zu Wirtschaftsinformationen von 2003). So führt die Wirtschaftsinformationsbüro in Breslau, das in der Form einer A. G. agiert, ein Landesschuldenregister, das es selbst als die größte Datensammlung über Schuldner in Polen bezeichnet. Das Register existiert seit 2003. Die Grenze für die Konzentration von Forderungen der Bank gegen einen Kreditnehmer, auch eine Holding u. ä., beträgt 25% der Eigenmittel der Bank. Zur Kreditgewährung kann ein Bankenkonsortium gebildet werden. Bei bestimmten Krediten ist eine Mitfinanzierung des Staates möglich, so beim Wohnungsbau (vgl. Gesetz über die Zuzahlungen zur Verzinsung von Wohnungsbaukrediten mit festem Zinssatz von 2002), in den Bereichen der Lebensmittelindustrie und der Landwirtschaft, der Seefischerei, der Exportlieferungen, der Restrukturierung der Leichtindustrie (vgl. Gesetz über die Zuzahlungen zur Bezinsung einiger Bankkredite von 1995) und der Betriebe mit behinderten Beschäftigten (Gesetz über die Beschäftigung Behinderter von 1997). 10
1. Gelddarlehensverträge. Die Gelddarlehensverträge der Banken sind, anders als die Kreditverträge, nicht zweckgebunden. Nach der allgemeinen Definition verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer einen bestimmten Geldbetrag zu übertragen. Letzterer verpflichtet sich, den gleichen Geldbetrag zurückzugeben. Für Darlehen von über 5 Mio. PLN (ca. 1,5 Mio. Euro) besteht ein Schriftformerfordernis. Bei fehlender Vereinbarung des Rückgabezeitpunkts gilt eine Kündigungsfrist von sechs Wochen. Die allgemeinen Vorschriften des ZGB (Art. 720–724) werden überlagert durch Art. 78 BankG. Hiernach werden die Vorschriften über die Besicherung und Verzinsung von Kreditverträgen auf die Gelddarlehensverträge der Banken angewandt.
11
2. Verbraucherkredite. Für Verbraucherkredite gelten die Sondervorschriften des VerbrKG, das in Anpassung an die EG-Verbraucherkredit-RL von 1986 ergangen ist. Verbraucher ist hiernach eine natürliche Person, Kreditgeber ein Unternehmen, das im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit einen wie auch immer gestalteten Kredit gewährt. Als Kreditverträge gelten u. a. Darlehen, Bankkredit- und Stundungsverträge. Das Gesetz gilt nur für Verbraucherkredite bis 80.000 PLN (ca. 24.250 Euro) und nur für verzinsliche Kredite, die einen Rückzahlungstermin von mehr als drei Monaten haben. Der Kreditvertrag bedarf der Schriftform und muss eine ganze Reihe von Angaben enthalten. Werden die gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmungen nicht in den Vertrag aufgenommen, droht als besondere Sanktion die gesetzliche Konversion des Vertrags in den sog. Gratiskredit, d. h. der Verbraucher muss weder Zinsen noch sonstige Kosten zahlen. Ferner kann der Verbraucher bei Verbraucherkreditverträgen innerhalb von zehn Tagen ohne Angabe von Gründen vom Vertrag zurücktreten. Wird er über das Widerrufsrecht nicht belehrt, so beginnt die Frist erst mit der Kenntnis von der Berechtigung zum Rücktritt zu laufen, allerdings beträgt sie höchstens drei Monate seit Abschluss des Vertrages. Der Verbraucher kann den Kredit auch vorzeitig zurückzahlen. In diesem Fall muss der Kreditnehmer den Kreditgeber wenigstens drei Tage vor der vorzeitigen Zahlung hierüber informieren. Zahlt der Verbraucher den Kredit vorzeitig, so darf der Kreditgeber bei einem verzinslichen Kredit keine Zinsen für den Zeitraum nach der Rückzahlung berechnen und bei einem unverzinslichen werden die Kosten anteilsmäßig, auf den früheren Zahlungszeitpunkt berech-
de Vries
§ 78 Länderteil – Polen
2667
net, verrringert. Die Vereinbarung einer Provision für die vorzeitige Rückzahlung ist unzulässig. Zu beachten sind bei Verbraucherkrediten ferner die allgemeinen Bestimmungen über unzulässige Vertragsklauseln mit zahlreichen Klauselverboten aus dem ZGB (Art. 3851-3853), wobei hier ein weiterer Verbraucherbegriff als nach dem VerbrKG gilt (Pisuliński, WM 2002, 890). 3. Teilzahlungsgeschäfte. Die Vorschriften des Ratenkaufs (Art. 583-588 ZGB) werden auf den Kauf auf Bankkredit entsprechend angewandt: Eine bewegliche Sache wird an eine natürliche Person auf der Grundlage eines von einer Bank zu diesem Zweck gewährten Kredits verkauft, der Kredit ist in Raten abzahlbar, und der Verkäufer übergibt die Sache dem Käufer vor der vollständigen Rückzahlung des Kredits. Zur Sicherung ihrer Ansprüche steht der kreditgewährenden Bank ein gesetzliches Pfandrecht an der Kaufsache zu, solange sich diese beim Käufer befindet, die Gewährleistung für Mängel der Sache trägt ausschließlich der Verkäufer.
12
4. Finanzierungsleasing. Das Finanzierungsleasing ist in Polen weit verbreitet. Der Leasingvertrag ist als eigener Vertragstypus im ZGB geregelt (Art. 7091-70918), in enger Anlehnung an das UNIDROIT-Übereinkommen von 1988 über das internationale Finanzierungsleasing (Poczobut, FS Drobnig, S. 613). Der gewerbsmäßige Finanzierer verpflichtet sich, eine Sache von einem bestimmten Verkäufer unter den im Vertrag genannten Voraussetzungen zu kaufen und sie dem Nutzer zu Gebrauch und Fruchtziehung für eine bestimmte Zeit zu überlassen. Der Nutzer ist zur ratenweisen Zahlung der finanziellen Vergütung an den Finanzierer mindestens in Höhe des Kaufpreises verpflichtet. Die Einhaltung der Schriftform ist zwingend erforderlich. Eine Benachrichtigung des Verkäufers über den Abschluss des Leasingvertrags ist nicht vorgeschrieben, weil Forderungen ohne die Zustimmung des Schuldners übertragen werden können (Art. 509 ZGB). Der Nutzer darf die Sache ohne Zustimmung des Finanzierers nicht Dritten zum Gebrauch überlassen. Es kann eine Kaufoption nach Ablauf des Leasing-Vertrags vereinbart werden. Gefahrtragung, Kündigungsmöglichkeiten und Sorgfalts- und Vertragspflichten der Parteien sind ausführlich gesetzlich geregelt.
13
II. Kreditsicherheiten. Der Bankvollstreckungstitel ist als prozessuale Sicherheit eine bankrechtliche lex specialis zur freiwilligen Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in einer notariellen Urkunde gemäß Art. 777 Nr. 4 ZVGB. Die Banken stellen den Titel aufgrund ihrer Bücher oder anderer Urkunden im Zusammenhang mit der Ausführung von Banktätigkeiten aus. Er muss die ausstellende Bank bezeichnen, den verpflichteten Schuldner, die Höhe der Verbindlichkeiten nebst Zinsen und Fälligkeitsterminen, das Ausstellungsdatum, die zugrunde liegende Banktätigkeit sowie einen Fälligkeitsvermerk (Art. 96 BankG). Schriftform ist erforderlich, andernfalls ist die Unterwerfungserklärung des Kreditnehmers zwar nicht unwirksam, aber kaum vollstreckbar (vgl. Art. 74 ZGB). Zwangsvollstreckung gegen Dritte ist nur im Fall der Schuldübernahme (Art. 519-526 ZGB) möglich (Art. 98 BankG). Das Gericht stellt auf Antrag der Bank innerhalb von drei Tagen eine Vollstreckungsklausel aus.
14
1. Bankgarantie. Die Bankgarantie auf der Grundlage eines mit dem Auftraggeber abgeschlossenen Auftrags ist eine einseitige Leistungsverpflichtung der Garantiebank, nach Erfüllung bestimmter Zahlungsvoraussetzungen durch den Berechtigten, also den durch die Bankgarantie Begünstigten, eine Geldleistung zugunsten des Begünstigten zu erbringen, und zwar direkt oder unter Einschaltung einer anderen Bank (Art. 81 BankG). Sie wird i. d. R. für den Fall der Nichtzahlung durch den Kreditnehmer erteilt. Die Bankgarantie ist nach h. M. ein abstraktes Schuldverhältnis, sie bleibt auch bei Ungültigkeit des Kreditvertrags oder bei Nichtgewährung des Kredits durch die berechtigte Bank erhalten.
15
de Vries
2668
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Es gilt das Prinzip der Nichtakzessorietät. Die Garantiebank kann lediglich die ihr unmittelbar aus dem Garantievertrag zustehenden Einreden erheben, also wenn die Anforderung des Garantieberechtigten nicht den vereinbarten Garantievertragsbestimmungen entspricht (Rudnicki/Lewicki, WM 2002, 903). 16
2. Bürgschaftsvertrag. Mit dem Bürgschaftsvertrag (Art. 876-887 ZGB) verpflichtet sich der Bürge als Dritter zur Rückzahlung des Kredits an die Bank, falls der Kreditnehmer dies nicht tut. Die Einhaltung der Schriftform ist erforderlich, andernfalls ist die Bürgschaftserklärung unwirksam. Eine Bürgschaft für künftige Schuld ist möglich, wenn der Höchstbetrag festgelegt ist. Es gilt der Grundsatz der Akzessorietät. Die Haftung des Bürgen umfasst auch die Verzugszinsen sowie die Kreditprovision der Bank. Der Bürge haftet grundsätzlich wie ein Mitschuldner gesamtschuldnerisch, der Gläubiger muss den Bürgen vom Schuldnerverzug sofort benachrichtigen. Der Gläubiger kann bei Verzug vom Bürgen die Begleichung der Schuld verlangen, ein Vorgehen gegen den Hauptschuldner ist nicht erforderlich. Bei Schuldübernahme durch einen Dritten erlischt die Bürgschaft (Art. 525 ZGB). Der Bürge hat gegenüber dem Gläubiger die gleichen Einreden wie der Schuldner, insbesondere die der Aufrechnung. Bürgen und Schuldner treffen Unterrichtungspflichten über die Bezahlung der Schuld. Eine bankrechtliche Sonderform der Bürgschaft ist die Bankbürgschaft, (Art 80 ff BankG) also die von einer Bank übernommene Bürgschaft. Hier finden die ZGB-Vorschriften ergänzend Anwendung. Die Bankbürgschaft muss ebenfalls schriftlich vereinbart werden, andernfalls ist sie nichtig. Eine Bankbürgschaft stellt immer eine Verpflichtung zur Zahlung von Geld dar (Art. 84 BankG). Weitere Banken können sich der Bankbürgschaft durch Abgabe einer Bestätigung anschließen (Art. 83 BankG).
17
3. Wechselbürgschaft. Das Institut der Wechselbürgschaft (Art. 30-32 WechselG) beruht auf dem Genfer Wechselabkommen von 1930. Der Wechselbürge verpflichtet sich in der Bürgschaftserklärung, die auf dem Wechsel oder der Allonge angebracht sein muss, den Wechsel zu realisieren, wenn er nicht angenommen oder bezahlt wird. Er haftet in gleicher Weise wie der Schuldner, seine Verpflichtung bleibt selbst dann bestehen, wenn die Hauptschuld aus materiellen Gründen unwirksam ist. Bei Veräußerung der besicherten Forderung an einen Dritten geht die Wechselbürgschaft auf den Erwerber über. Bezahlt der Wechselbürge die Wechselsumme, geht die Forderung kraft Gesetzes auf ihn über. Die Bank kann die Hauptforderung im vereinfachten Mahnverfahren in einem sog. Wechselprozess geltend machen. Als persönliche Sicherheit für die Rückzahlung des Kredits verlangen die Banken vom Schuldner im Regelfall die Ausstellung eines Wechsels in blanco. Dies ist eigentlich überflüssig, da bereits der üblicherweise ausgestellte Bankvollstreckungstitel einen schnellen Zugriff auf das Vermögen des Kreditnehmers erlaubt (vgl. Franek, WiRO 1999, 17).
18
4. Sicherungszession. Die Sicherungszession beruht auf den Vorschriften zum Gläubigerwechsel gem. Art. 509–518 ZGB. Der Forderungsgläubiger kann ohne Zustimmung des Schuldners seine Forderung zur Sicherung eines aufgenommenen Kredits auf den Zessionar, also die Bank, übertragen, wenn keine Gesetzes- oder Vertragsbestimmungen entgegen stehen. Zinsansprüche gehen auf den Zessionar über. Die Sicherungsabtretung muss schriftlich vereinbart werden, wenn auch die Forderung schriftlich formuliert wurde. Zu beachten sind die besonderen Formerfordernisse bei Abtretung dinglich gesicherter Forderungen. Im Gegenzug verpflichtet sich die Bank im Rahmen der Sicherungsabrede, die Forderung nach Rückzahlung des gewährten Kredits an den Zedenten zurückzuübertragen. Üblicherweise verpflichtet sie sich zudem, die zedierte Forderung erst geltend zu machen, wenn dies zur Befriedigung aus dem Kredit notwendig ist. Die Abtretung zukünftiger Forderungen ist zulässig, solange die abzutretende Forderung so genau bezeichnet ist, dass sie später zweifelsfrei bestimmbar ist, eine Globalzession künftiger Forderungen
de Vries
§ 78 Länderteil – Polen
2669
ist allerdings nach h. M. unzulässig (vgl. Liebscher/Zoll, 288). Dem Forderungsschuldner stehen gegen den Zessionar alle Einwendungen zu, die er gegen den Zedenten bei Kenntniserlangung von der Zession hatte, auch die Aufrechnung mit früheren Gegenforderungen ist möglich. Für die Zahlungsfähigkeit des Forderungsschuldners haftet der Zedent nur insoweit, als er eine solche Haftung übernommen hat.Bei der Sicherungszession ist eine Anzeige der Verpfändung an den Schuldner nötig. Befriedigt der Sicherungsgeber den Sicherungsnehmer, so fällt die zur Sicherhiet abgetretene Forderung i. d. R. nicht automatisch an ihn zurück, sondern der Sicherungsnehmer ist nur schuldrechtlich zur Rückübertragung verpflichtet. Etwas anderes gilt nur, wenn die Übertragung unter einer auflösenden Bedingung erfolgte (vgl. Liebscher/Zoll, 289). 5. Sicherungsübereignung. Die Sicherung einer Bankforderung kann durch Sicherungsübereignung, also die Übertragung des Eigentumsrechts an einer beweglichen Sache oder an Wertpapieren, bis zur Rückzahlung der Verbindlichkeit nebst angefallenen Zinsen und Provisionen durch den Schuldner auf die Bank erfolgen (Art. 101 BankG). Die Sicherungsübereignung von Immobilien ist im BankG nicht vorgesehen. Die h. L. hält sie für zulässig. Die Rechtsprechung war bisher eher ablehnend, u. a. unter Verweis auf die Bedingungsfeindlichkeit der Eigentumsübertragung an Grundstücken (Art. 157 ZGB), den numerus clausus der Sachenrechte und den Grundsatz der Offenkundigkeit dinglicher Sicherheiten (vgl. Diedrich, DPJZ 1/2001, 35). In letzter Zeit scheint aber in der Rechtsprechung des OG die Ansicht Zustimmung zu finden, die darüberhinaus eine Sicherungsübereignung von Immobilien für zulässig hält (Liebscher/Zoll, 175). 6. Hinterlegung. Durch Hinterlegung eines bestimmten Geldbetrags auf einem Konto der Bank können der Kreditnehmer oder ein Dritter die Bankforderung besichern. Die Bank ist nach erfolgter Rückzahlung zur Rückgabe des hinterlegten Betrags nebst Zinsen und Provisionen verpflichtet (Art. 102 BankG). Weitere herkömmliche Sicherungen sind der Eigentumsvorbehalt (Art. 589-592 ZGB), der allerdings für Geldkreditgeber als Sicherungsmittel nicht in Betracht kommt, sowie das Mobiliarpfandrecht, also das Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten (Art. 306-335 ZGB). Eine besondere Form der Sicherung, die aber nur für die Forderungen gegen gemeinnützige oder öffentliche Unternehmen oder Körperschaften zur Verfügung steht, ist die Ertragsschuldverschreibung (revenue bond), bei der das Sicherungskonto zur Befriedigung der Obligationeninhaber dient (Art. 23b SchVG; vgl. Spyra, WiRO 2003, 6). 7. Registerpfandrecht. Seit 1998 gibt es die Sicherungsmöglichkeit des Registerpfandrechts, mit dem die Geldforderungen der Gewerbetreibenden in polnischer und ausländischer Währung gesichert werden können (Gralla, JOR 1997, 13). Es ist ein Sonderfall des allgemeinen Pfandrechts. Pfandgegenstand können alle beweglichen Sachen und alle veräußerlichen Vermögensrechte sein. Es wird durch Pfandvertrag zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger und durch Eintragung in das Pfandregister, das bei den Rayongerichten geführt wird, begründet. Bei Fahrzeugen ist ferner die Eintragung im Fahrzeugschein erforderlich. Die Einhaltung der Schriftform ist zwingend erforderlich. Das Registerpfandrecht erlischt bei Rückzahlung des Kredits, aber auch bei Veräußerung der Sache an einen gutgläubigen Dritten, anders als beim Faustpfand kann jedoch ein Veräußerungsverbot vereinbart werden (Art. 13-14 RegPfG). Auch Gesamtheiten von Sachen oder Rechten mit wechselndem Bestand können verpfändet werden, soweit sie eine wirtschaftliche Einheit bilden, Verbindung oder Vermischung führen nicht zum Erlöschen des Registerpfandrechts (Art. 7-8 RegPfG). Wird allerdings eine durch ein Registerpfandrecht belastete Sache wesentlicher Bestandteil einer Immobilien, so erlischt das Pfandrecht, der Pfandnehmer hat dann allerdings Anspruch auf die Bestellung einer Hypothek an dem Grundstück.
de Vries
19
20
21
2670
22
23
24
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
8. Hypothek. Die Hypothek ist bislang das einzige Grundpfandrecht. Zur Sicherung einer bestimmten Forderung kann eine Immobilie mit einem Recht belastet werden, aufgrund dessen der Gläubiger die Befriedigung aus der Immobilie ohne Rücksicht darauf, wessen Eigentum sie geworden ist, vor den persönlichen Gläubigern des Immobilieneigentümers verlangen kann (Art. 65 GbHyG). Die Hypothek kann mit der notariell beurkundeten Willenserklärung des Immobilieneigentümers (kausal) begründet werden (vgl. Art. 245 ZGB) oder als sog. Zwangshypothek durch Gerichtsentscheidung (Art. 109 ff. GbHyG). Im Bereich des BankG regelt Art. 95, dass die Eintragung einer Hypothek zugunsten einer Bank bereits aufgrund von Unterlagen erfolgen kann, die zur Einräumung des Kredits, dessen Höhe, Zinsberechnung und Rückzahlungsbedingungen festlegen. Dies setzt voraus, dass die zu belastende Immobilie im Eigentum des Bankschuldners steht. In der polnischen Rechtswissenschaft ist umstritten, ob aus dieser Vorschrift folgt, dass eine Zustimmung des Eigentümers überhaupt nicht mehr erforderlich ist, oder ob die Zustimmung des Eigentümers zu dieser Bankhypothek nur keiner notariellen Form mehr bedarf. Die h.M geht allerdings davon aus, dass eine schriftliche Erklärung des Eigentümers notwendig ist, nur die notarielle Beurkundung entfällt (vgl. Jaschinska, 240). Die Hypothek ist akzessorisch. Sie erlischt – außer durch Konfusion (Art. 247 ZGB) – durch Verzicht sowie bei der Rückzahlung des gesicherten Kredits. Ein Institut der Eigentümerhypothek gibt es nicht. Fremdwährungshypotheken sind zulässig. Höchstbetragshypothek und Gesamthypothek sind ähnlich wie im deutschen Recht geregelt. Die (ursprüngliche) vertragliche Gesamthypothek entsteht erst nach Eintragung auf dem letzten aller verpfändeten Grundstücke, dasselbe gilt auch für den Fall ihrer Übertragung. Der Fiskus kann eine Zwangshypothek, die der Grundbucheintragung bedarf bei bestimmten Forderungen (hauptsächlich Steuerschulden) bestellen. Sie hat dann Befriedigungsvorrang gegenüber anderen eingetragenen Hypotheken, nicht jedoch gegenüber allen Hypotheken, die Bankkredite absichern, unabhängig von deren Finanzierungszweck. Dies gilt auch zugunsten ausländischer Banken (vgl. Drewicz-Tulodziecka/Soergel/Stöcker, WM 2002, 893 f.). Die Befriedigung des Hypothekengläubigers erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung nach dem ZVGB, abweichende Parteivereinbarungen sind unwirksam (Gralla, JOR 1996, 326). Gemäß Art. 96 BankG sind die Banken berechtigt, auf Grund der Bankbücher oder anderer Unterlagen einen sog. Bankvollstreckungstitel auszustellen (vgl. Rn. 14). Der Bankvollstreckungstitel ist eine amtliche Urkunde, wird er mit einer Vollstreckungsklausel versehen kann aufgrund dieses Titels vollstreckt werden (vgl. Jaschinska, 256). Der Bankvollstreckungstitel kann auch die Grundlage für die Bestellung einer Zwangshypothek durch die Bank sein. Zur Begründung dieser Zwangshypothek ist dann keine Zustimmung durch den Bankschuldner mehr erforderlich. 9. Sicherungsgrundschuld. Ende 2002 legte der Justizminister einen von der Kodifizierungskommission des Zivilrechts ausgearbeiteten Gesetzentwurf vor, der auf die Einführung der Grundschuld nach deutschem Vorbild abzielt. Bisher wurde allerdings der Entwurf noch nicht umgesetzt.
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. Durch den Bankkontovertrag verpflichtet sich die Bank dem Kontoinhaber gegenüber zur Verwahrung seiner Geldmittel für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit sowie zur Durchführung von Geldverrechnungen in seinem Auftrag (Art. 725 ZGB). Der Inhaber eines Bankkontos kann frei über seine auf dem Konto befindlichen Einlagen verfügen, vertragliche Einschränkungen sind möglich (Art. 50 BankG). Bankkonten können in der Landeswährung und in fremden Valuten geführt werden. Einlagen können zu einem festen oder variablen Satz entsprechend der vertraglichen Vereinbarung verzinst werden.
de Vries
§ 78 Länderteil – Polen
2671
II. Kontoarten. Gem. Art. 49 BankG können Banken insbesondere folgende Arten von Bankkonten führen: laufende Konten, interne Konten, Konten für Terminanlagen und Sparkonten.
25
Die Kontoeröffnung erfolgt durch einen schriftlichen Vertrag, in dem u.a. bezeichnet sein müssen: die Vertragsparteien, die Kontoart, die vereinbarte Valuta, ggf. der vereinbarte Zeitraum, die Höhe der Verzinsung, die Art der Verfügung über die Kontoeinlagen, die Termine der Zinskapitalisierung und der Ausführung von Aufträgen, der Umfang der Haftung der Bank für die termingerechte Durchführung des Zahlungsverkehrs, das Verfahren für Vertragsänderungen und die Vertragsauflösung, außerdem das Verfahren für die Festsetzung der Höhe von Provisionen und Gebühren im Zusammenhang mit der Kontoführung (Art. 52 BankG).
26
Sparkonten werden für natürliche Personen geführt und dürfen von ihren Inhabern nicht zum Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit der Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit genutzt werden (Art. 49 BankG). Der Nachweis über einen Sparkontovertrag (Sparbuch oder eine andere Urkunde) wird als Namenspapier ausgestellt. Ein Sparkonto kann auch für mehrere Personen als Gemeinschaftskonto geführt werden. Minderjährige dürfen nach Vollendung des 13. Lebensjahrs über die Einlagen auf ihrem Sparkonto verfügen. Für Sparkonten besteht ein Pfändungsschutz in der Höhe eines dreifachen durchschnittlichen Monatsgehalts (Art. 54 BankG).
27
III. Zahlungsverkehr kann unter Vermittlung der Banken durchgeführt werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien ein Bankkonto besitzt. Er wird bar oder unbar auf Papier- oder elektronischen Informationsträgern durchgeführt. Die Barzahlung erfolgt durch Barscheck oder durch Bareinzahlung auf das Konto des Gläubigers. Der unbare Zahlungsverkehr wird insbesondere durch Überweisung, durch Lastschrift, durch Verrechnungsscheck oder durch Zahlungskarte durchgeführt. Bei Transaktionen im Wert von über 15.000 Euro sind die Kreditinstitute nach dem GeldwäscheG verpflichtet, die Transaktionen und die Verfügenden zu registrieren und die Informationen dem Generalinspektor für Finanzinformation, zu melden. Lastschriften zu Lasten natürlicher Personen, die keine Wirtschaftstätigkeit ausüben, dürfen 1.000 Euro nicht überschreiten, bei Gewerbetreibenden 50.000 Euro. Der Widerruf einer Lastschrift muss bei Gewerbetreibenden innerhalb von fünf Tagen erfolgen, bei anderen innerhalb von 30 Tagen (Art. 63d BankG). Überweisungen in die Länder der EU im Wert von unter 50.000 Euro müssen innerhalb von fünf Tagen erfolgen, bei Verspätungen sind dem Bankkunden Zinsen zu zahlen. Die Vorgaben der EG-Richtlinie von 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen sind umgesetzt (Art. 63g BankG). Die Widerrufsrechte und Schutzvorschriften des Verbraucherschutzgesetzes von 2000 (DzU 2000/22/271) hinsichtlich der Distanzgeschäfte gelten nicht für Verträge, die mit der Ausübung von Banktätigkeiten verbunden sind (Art. 16).
28
IV. Elektronischer Geschäftsverkehr. Das E-GeldG unterscheidet zwischen dem Vertrag über die Zahlungskarte (Art.14 ff. E-GeldG), dem Vertrag über eine Dienstleistung des elektronischen Bankwesens (Art. 29 ff. E-GeldG) und dem Vertrag über ein elektronisches Geldinstrument (Art. 3 ff. E-GeldG). Mit dem Zahlungskartenvertrag verpflichtet sich der Kartenaussteller zur Verrechnung der mit der Karte getätigten Operationen und der Kartenbesitzer zur Zahlung des Operationsbetrags sowie der fälligen Provision. Durch den Vertrag über eine Dienstleistung des elektronischen Bankwesens verpflichtet sich die Bank dazu, dem Besitzer des elektronischen Zahlungsinstruments den Zugang zu den Geldmitteln sicherzustellen und die von ihm in Auftrag gegebenen Operationen durchzuführen, und der Besitzer ermächtigt die Bank zur Belastung mit dem Operationsbetrag. Durch den Vertrag über ein elektronisches Geldinstrument verpflichtet sich die Bank
29
de Vries
2672
30
31
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
bzw. die Aktiengesellschaft dazu, dem Besitzer des elektronischen Geldes im Austausch für Geldmittel elektronisches Geld mit dem gleichen Nominalwert zur Verfügung zu stellen. Die Einzelheiten der jeweiligen Vertragspflichten sind in dem E-GeldG geregelt. Als Zeitpunkt des Zugangs von elektronischen Willenserklärungen gilt der Moment, in dem die Erklärung in das elektronische Kommunikationsmittel so eingegeben wird, dass sich der Empfänger mit dem Inhalt vertraut machen kann (Art. 61 § 2 ZGB). Das Gesetz über die elektronische Unterschrift (DzU 2001/130/1450; zuletzt: 2006/145/1050) stärkt die Sicherheit im elektronischen Geschäftsverkehr. Willenserklärungen, die unter Verwendung der elektronischen Unterschrift, also eines qualifizierten Echtheitszertifikats, zu Stande kommen, sind der Schriftform gleichgesetzt (Art. 78 § 2 ZGB). Das Gesetz über elektronische Dienstleistungen, das die Pflichten der elektronischen Dienstleistenden festlegt, enthält ein Kapitel über den Schutz von Personendaten (DzU 2002/144/1204, zuletzt: 2007/50/331). V. Devisenverkehr. Zu dem Devisenverkehr gehört der Devisenverkehr mit dem Ausland und der Verkehr mit Devisenwerten im Inland. Devisenwerte sind ausländische Zahlungsmittel sowie Devisengold und Devisenplatin (Art. 2 DevG). Grundsätzlich ist alles erlaubt, was nicht ausdrücklich unter Genehmigungsvorbehalt steht. Die meisten Vorbehalte betreffen den Devisenverkehr mit sog. Drittländern, also Fremdstaaten, die nicht EU-Mitglieder sind. Die übrigen betreffen den Zahlungsverkehr mit nichtkonvertiblen Valuten, die Ausfuhr von Devisengold oder -platin und von Zahlungsmitteln im Wert von über 10.000 Euro sowie die zwischen inländischen Gebietsansässigen vorgenommenen Geldverrechnungen in fremder Valuta entgegen dem Monopol der polnischen Valuta für Inlandsgeschäfte (Art. 358 § 1 ZGB). Gebietsfremde dürfen Devisenwerte und inländische Zahlungsmittel, die sie nach Polen eingeführt haben, ohne Beschränkung wieder ausführen (vgl. Gralla, WiRO 2003, 112).
D. Kapitalmarktrecht Das WpHG regelt den öffentlichen Handel mit Wertpapieren einschließlich der Grundsätze über Errichtung, Organisation und Beaufsichtigung der in diesem Bereich tätigen Institutionen:
32
33
34
I. Börsenrecht. Der öffentliche Handel mit zugelassenen Wertpapieren darf nur auf dem geregelten Markt und unter Vermittlung von Maklerunternehmen, als Makler zugelassenen Banken oder von ausländischen Maklern erfolgen. Der geregelte Markt ist ein System des Wertpapierhandels, bei dem der allgemeine, gleiche und gleichzeitige Zugang zu Marktinformationen gesichert ist und Kauf und Verkauf gleichen Bedingungen unterliegen (vgl. Matyschok, S. 31). Die Börsenmaklertätigkeit darf nur durch Aktiengesellschaften mit Sitz in Polen ausgeübt werden und bedarf der Genehmigung. Diese Einschränkungen gelten jedoch nicht für die in den EU-Mitgliedstaaten als Börsenmakler tätigen juristischen Personen. Börsenmakler aus EU-Mitgliedstaaten dürfen in Polen auch ohne Eröffnung einer Niederlassung, diejenigen aus anderen OECD- oder WTO-Staaten nur in Form einer Niederlassung oder Vertretung tätig werden. Die Finanzaufsichtskommission ist das zentrale Regierungsorgan für den Wertpapierhandel und das Börsenwesen. Ihr Vorsitzender wird vom Ministerpräsidenten berufen. Die Kommission überwacht den Wertpapierhandel, sorgt für einen ausreichenden Anlegerschutz und für ausreichende Marktinformationen. Sie organisiert und überwacht auch die Makler- und Anlageberaterexamina und nimmt die Eintragung der examinierten Kandidaten in die berufsständischen Listen vor.
de Vries
§ 78 Länderteil – Polen
2673
Beim Landeswertpapierdepot, das als Aktiengesellschaft organisiert ist, ist ein Anlegerentschädigungssystem eingerichtet, das die Anleger vor der Zahlungsunfähigkeit der Maklerunternehmen schützen soll. Alle Makler sind Pflichtmitglieder und entrichten Jahresbeiträge. In voller Höhe entschädigt werden allerdings nur Anlagen in Höhe von bis zu 3.000 Euro, zu 90% entschädigt werden darüber hinausgehende Anlagen. Die Deckungsobergrenze beträgt 22.000 Euro (Art. 122 WpHG). Weitere Aufgaben des Landeswertpapierdepots sind die Registrierung der zugelassenen Wertpapiere und die Beaufsichtigung der Emissionen. Der Börsenhandel darf nur von ausschließlich hiermit befassten Wertpapierbörsen betrieben werden, die Akteingesellschaften mit einem Mindestbetriebskapital von 40 Mio. PLN (ca. 9,4 Mio. Euro) sein müssen. Das Betriebskapital der Aktiengesellschaften, die den außerbörslichen Handel organisieren, beträgt mindestens 7,5 Mio. PLN (ca. 1,75 Mio. Euro).
35
II. Wertpapierrecht. Wertpapiere sind Aktien, Bezugsrechte, Depositenscheine, Schuldverschreibungen, Pfandurkunden, Investitionszertifikate und andere nach einschlägigem polnischen oder ausländischen Recht ausgegebene Wertpapiere (Art. 3 WpHG). Sonderformen der Bankschuldverschreibung sind der Hypothekenpfandbrief und der öffentliche Pfandbrief. Ersterer ist ein durch eine Hypothek gesichertes Wertpapier, das von einer Hypothekenbank emittiert wird, bei letzterem ist die Sicherungsgrundlage für die Emission eine Kreditsicherung des polnischen Fiskus, der Nationalbank o. ä. In den Pfandbriefen verspricht der Emittent, dem Inhaber zum bestimmten Zeitpunkt die versprochene Geldsumme und die angefallenen Zinsen auszuzahlen. Die Einzelheiten der Emission sind im PfandHypG geregelt (vgl. Gralla, JOR 1998, 69; Gradzki, WiRO 1998, 407). Öffentlicher Handel mit Wertpapieren sind das Angebot und der Erwerb serienmäßig ausgegebener Wertpapiere mittels der Massenmedien oder auf andere Weise, wenn das Angebot an mehr als 300 Personen oder an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet ist (vgl. Art. 2 WpHG). Die Einführung von Wertpapieren in den öffentlichen Handel bedarf der Genehmigung der Finanzaufsichtkommission (Art. 61 WpHG). Ausgenommen sind u. a. Emittenten, die für einen Zeitraum von 18 Monaten ununterbrochen den Publizitätsvorschriften unterlagen, sowie Angebote, die sich nur an qualifizierte Anleger richten, ferner die an regulierten Märkten der EU-Mitgliedstaaten notierten Wertpapiere. Hier reicht eine Emissionsanzeige aus. Der sekundäre Handel mit Wertpapieren erfolgt auf dem geregelten Markt. Hierzu zählen der amtliche Börsenmarkt und der nichtamtliche außerbörsliche Handel. Zentrale Aufgaben der den Handel organisierenden Börsen und Gesellschaften sind die Feststellung eines einheitlichen Kurses unter Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage sowie die umfassende Information aller Teilnehmer über Kurse und Umsätze auf dem Markt. Artgleiche Wertpapiere eines polnischen Emittenten können auch an mehreren Börsen gehandelt werden (vgl. Handbuch WiRO-Ziebe/Köhler/Berg, Kap. D. IX).
37
de Vries
36
38
39
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Rumänien
2675
21. Rumänien
§ 78 Länderteil Schrifttum – Rumänien Andronache/Bunescu, Consideraţii pe marginea informaţiei bancare. Limitele clasificării acesteia. R ăspunderea juridică pentru dezvăluire sau diseminare neautorizată (Betrachtungen über die Bankinformation. Die Einschränkungen ihrer Klassifizierung. Juristische Verantwortung für unbewilligte Enthüllung oder Verbreitung), Revista de drept comercial, Nr.9/2004; Bercea, Evoluţii în structura sistemului bancar din România (Entwicklungen in der Struktur des Banksystems in Rumänien), Revista de drept comercial, Nr. 4/2004; Bercea, Statutul dreptului bancar (Der Status des Bankrechts), Revista de drept comercial, Nr. 6/2003; Căpăţînâ, Caracteristicile statutare ale societăţilor comerciale bancare (Satzungsmässige Merkmale der Handelsbankgesellschaften), Revista de drept comercial, Nr. 5/1994; Ciutacu, Codul civil adnotat (Adnotiertes Zivilgesetzbuch), Bukarest, 2007; Garanţiile de executare a obligaţiilor. Garanţiile personale şi garanţiile reale (Die Durchführungsgarantien der Verpflichtungen. Persönliche Garantien und reelle Garantien), Bukarest, 2006; Drept bancar. Culegere de speûe. Legislaţie bancarã. Modele de contracte (Bankrecht. Sammlung von Spezies. Banklegislation. Vertragsmodelle), 2003; Dabu/ Boboc, Despre protecţia secretului profesional úi a creditului bancar (Über den Schutz des Berufgeheimnisses und des Bankkredits), Revista de drept comercial, Nr. 6/2000; Dabu/Enoiu, Implicaţiile Legii nr. 78/ 2000 pentru prevenirea, descoperirea şi sancţionarea faptelor de corupţie asupra secretului bancar (Auswirkungen des Gesetzes Nr. 78/2000 bezüglich der Entdeckung und Sanktionierung von Korruptionsfällen auf das Bankgeheimnis), Revista de drept comercial, Nr. 1/2001; Florescu, Categorii juridice actuale în actovitatea bancarã (Gegenwärtige juridische Kategorien in der Banktätigkeit), Revista de drept comercial, Nr. 2/1998; Unele aspecte ale evoluţiei reglementărililor în domeniul activităţii din sistemul bancar (Einige Aspekte der Entwicklung der Regelungen auf dem Gebiete der Aktivitäten im Banksystem), Revista de drept comercial, Nr. 2/2001; Gaftoniuc, Practici bancare internaţionale (Internationale Bankpraxis), Bukarest, 1995; Ionescu (Hrsg.), Băncile şi operaţiunile financiare (Banken und finanzielle Operationen), Bukarest, 1996; Medeanu, Ineficienţa garanţiilor mobiliare în cazul împrumuturilor financiare (Die Unwirksamkeit der Mobiliengarantien im Kreditgeschäft), Revista de drept comercial, Nr. 9/2000; Motica/Bercea, Drept comercial şi drept bancar. Volumul II. Drept bancar (Handelsrecht und Bankrecht. II. Band Bankrecht), Bukarest, 2001; Rucăreanu/Babiuc, Regimul juridic al garanţiei bancare (Juridisches Regime der Bankgarantie), Institutul pentru Economie Mondial ă, Bukarest, 1982; Toader, Aquis-ul comunitar în domeniul dreptului privat. O sinteză (Aquis der Gemeinschaft auf dem Gebiete des Privatrechts. Eine Synthese), Bukarest, 2002; Turcu/Pop, Contractele comerciale. Formare şi executare. Introducere în teoria şi practica dreptului contractelor comerciale speciale. Vol. I. Formarea contractelor (Handelsverträge. Aufstellung und Durchführung. Einleitung in die Theorie und Praxis des Rechts spezieller Handelsverträge. I. Band Aufstellung der Verträge), Bukarest, 1997; Turcu, Drept bancar, vol. I, II, III (Handelsrecht, Bd. I, II, III), Bukarest, 1999 sowie Sammlung Monitorul Oficial al României (Offizielles Monitor Rumäniens) (M. Of.), I. Teil, bis 2007: Gesetz Nr. 422 vom 27. Juni 2002 über Festlegung der Referenzzinsen durch die Nationalbank Rumäniens, veröffentlicht im M. Of. Nr. 497 vom 10. Juli 2002.
Inhaltsübersicht A. Das rumänische Bankensystem . . . . . . . . . . . . . 4 I. Die Rumänische Nationalbank . . . . . . . . . . . 4 II. Die Kreditanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Kredit- und Sparbanken im Wohnraumbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3. Hypothekenkreditbanken . . . . . . . . . . . . . 8 4. Anstalten (Institute), die elektronische Währung ausstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 5. Genossenschaftliche Kreditorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 6. Rumänische Bankgesellschaften, Aufzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 B. Das Bankgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 I. Bankoperationen: Einkassierungen und Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Der Bankvertrag über Kontokorrent (laufendes Konto) und laufendes Guthabenkonto . . . . . . . . . . . . 10
2. Zahlung durch Abbuchung vom Kontokorrent auf Grundlage einer Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Bankkartenvertrag . . . . . . . . . . . . . . II. Die banküblichen Einlagengeschäfte (Depotgeschäfte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der bankübliche Fondsdepotvertrag . . . III. Die banküblichen Kreditgeschäfte . . . . . . . 1. Der bankübliche Kreditvertrag . . . . . . . 2. Kategorien von Bankkrediten . . . . . . . . 3. Das Bankkreditrisiko . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückgewinnung der Bankkredite . . . . . . 5. Der Hypothekenkredit für Immobiliarinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Personalgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gegenseitige Garantiereserve, gegründet von den Zentralkassen der Kreditgenossenschaften . . . . . . . . . .
Ciutacu
10 11 11 11 11 11 12 12 13 13 16 17
21
2676
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
2. Der Einlagengarantiefonds im System der genossenschaftlichen Kreditorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Der Einlagengarantiefonds im Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4. Der Kompensationsfonds für Investitionsträger, die auf dem Kapitalmarkt tätig sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
5. Der nationale Kreditgarantiefonds für kleine und mittlere Unternehmen . . . . . 24 6. Der Garantiefonds für Landeskredite . . 24 7. Der Garantiefonds für Einlagenzertifikate .25 II. Realgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 D. Der Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Stichwortverzeichnis Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 35, 78 Bankkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Berufsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 29, 39, 45 ff., 71 Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 25, 27, 33, 82 Depot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 f., 23 Einlagenzertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 72 ff. Garantien . . . . . . . . . . . . .10, 26, 31, 37, 38 ff., 69 ff. – Bank- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 – Immobiliar- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 – Mobiliar- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45, 75 ff. – Personal- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 42, 46 ff. – Real- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 55, 74 ff. – unabhängige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 ff. Genossenschaftliche Kreditorganisation . . . . . . . . 15 Gründungsurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 66 Guthabenkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 f. Hypothek . . . . . . . . . . . . .13, 29 ff., 37, 40 ff., 69, 80 Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62, 64 Kapitalmindestanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Kautionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 41, 45 ff., 53 ff. Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 ff., 40 Kreditanstalten . . . . . . . . . . . . . . 2 ff., 8f., 11 ff., 64 f. Kredite . . . . . . . . . . . . . . .24 ff., 40, 68, 69 ff., 77, 82 – Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 – Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – Hypothek- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 ff., 36 f. – Personal- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26, 40 – Real- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Kreditierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 4, 9, 10 Kreditrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 f., 27 Pfand . . . . . . . . . . 3, 13, 40, 45, 49, 53, 69, 75 ff., 80 Privileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 ff., 34 ff., 42, 45 Sparbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ff. Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28, 34, 37, 80 Zahlungsverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Zentralkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 f., 58 ff. Zweigniederlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 8, 18, 29
1
A. Das rumänische Bankensystem. I. Die Rumänische Nationalbank. Die gesetzmäßige Satzung der Rumänischen Nationalbank (B.N.R.) wurde durch das Gesetz Nr. 312 vom 28. Juni 2004 über die Satzung der Rumänischen Nationalbank, welches im rumänischen Amtsblatt Nr. 582 vom 30. Juni 2004 mit den nachträglichen Änderungen veröffentlicht wurde, geregelt. Laut diesem Gesetz ist die Rumänische Nationalbank (B.N.R.) die Zentralbank Rumäniens und besitzt Rechtspersönlichkeit. Sie ist eine unabhängige öffentliche Institution mit dem Sitz in Bukarest und kann Agenturen und Zweigstellen sowohl in Bukarest als auch in anderen Städten Rumäniens eröffnen und besitzen.
2
Das grundlegende Ziel der Rumänischen Nationalbank ist die Sicherstellung (Gewährleistung) und Bewahrung der Preisstabilität. Zu den Hauptaufgaben der Rumänischen Nationalbank zählen: die Erarbeitung und Anwendung der Geld- / Währungs- und Wechselkurspolitik; die Bevollmächtigung, Regelung und Beaufsichtigung der Kreditanstalten; die Förderung und Monitorisierung der entsprechenden Wirkung der Zahlungssysteme zur Sicherstellung (Gewährleistung) der finanziellen Stabilität; die Ausstellung von Banknoten und Münzen als gesetzliche Zahlungsmittel innerhalb Rumäniens; die Bestimmung der Währungs- /Devisenordnung; die Überwachung der Währungs- /Devisenordnung auf Einhaltung; die Verwaltung der internationalen Reserven (Bestände) Rumäniens. Gleichzeitig unterstützt die Rumänische Nationalbank die allgemeine Wirtschaftspolitik des Staates, ohne die Erfüllung ihres grundlegenden Ziels hinsichtlich der Sicherstellung (Gewährleistung) und Bewahrung der Preisstabilität zu beeinträchtigen.
3
Die Rumänische Nationalbank und die Mitglieder ihrer Leitungsorgane unterliegen hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufgaben keinen Anweisungen seitens der öffentlichen Staatsbehörden oder sonstigen Ämtern und Anstalten.
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2677
Im Rahmen der Geld- / Währungspolitik, die sie fördert, verwendet die Rumänische Nationalbank jene Verfahren und Mittel, die für Geldmarktoperationen und Operationen im Bereich der Kreditierung von Kreditanstalten spezifisch sind. Zugleich verwendet die Rumänische Nationalbank den Mechanismus der obligatorischen Mindestreserven. Der Erwerb von Forderungen gegenüber dem Staat, den zentralen und lokalen Staatsbehörden, den autonomen Verwaltungen, den Nationalgesellschaften, den Nationalunternehmen und sonstigen Gesellschaften mit staatlichem Mehrheitskapital auf dem Primärmarkt ist der Rumänischen Nationalbank untersagt. Die Rumänische Nationalbank kann auf dem Sekundärmarkt umkehrbare Operationen bzw. unmittelbare Käufe und Verkäufe durchführen oder hinsichtlich der Gewährung von Kollateralkrediten Staatsforderungen und Staatsschuldscheine gegenüber den zentralen und lokalen Staatsbehörden, den autonomen Verwaltungen, den Nationalgesellschaften, den Nationalunternehmen oder sonstigen Gesellschaften mit staatlichem Mehrheitskapital und den Kreditanstalten oder sonstigen Rechtspersonen in Pfand nehmen. Zugleich kann die Rumänische Nationalbank Währungsswaps durchführen, Einlagenzertifikate ausstellen und Einlagen (Depots) von Kreditanstalten anwerben, unter der Bedingung, dass sie diese zur Erfüllung der Ziele der Geld- / Währungspolitik als erforderlich ansieht. Der Rumänischen Nationalbank ist die Vergabe von Kontokorrentkrediten, sowie jedwelcher anderen Art der Kreditierung an den Staat, die zentralen und lokalen Staatsbehörden, die Nationalunternehmen und sonstigen Gesellschaften mit staatlichem Mehrheitskapital untersagt. Die Rumänische Nationalbank ist die einzige Anstalt, die hinsichtlich der Ausstellung von Währungszeichen (Währungssymbole) in Form von Banknoten und Münzen als gesetzliche Zahlungsmittel innerhalb Rumäniens bevollmächtigt ist. Die Nationalwährung Rumäniens ist der Leu. Die Unterteilung des Leu ist der Ban. Die Rumänische Nationalbank kann im Rahmen ihrer Geld- / Währungs- und Wechselkurspolitik den Kreditanstalten Kredite für Fristen, die 90 Tagen nicht überschreiten dürfen, gewähren. Diese Kredite sind mit Staatsschuldscheinen aus öffentlichen Ausgaben, die ins Portfolio der Rumänischen Nationalbank übergehen oder mit Einlagen (Depots), die bei der Rumänischen Nationalbank oder bei anderen zugelassenen juristische Personen konstituiert werden, garantiert. Die Kredite sind aber nicht auf Staatsschuldscheine und Einlagen beschränkt. Die Rumänische Nationalbank bestimmt die Kreditierungsbedingungen und Kreditierungskosten, eröffnet und debitiert die Konten der Kreditanstalten, der Staatsschatzkammer, der Clearinghäuser und der anderen ansässigen oder nicht ansässigen Entitäten, die durch Regelungen der Rumänischen Nationalbank bestimmt wurden. Die Leitung der Rumänischen Nationalbank ist durch einen Verwaltungsausschuss, welcher aus neun Mitglieder besteht, sichergestellt. Die Exekutivführung wird durch den Gouverneur, den Vizegouverneur ersten Ranges und durch zwei Vizegouverneure ausgeübt. Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses der Rumänischen Nationalbank, die von der Exekutivführung nominiert sind, werden durch das Parlament für eine Dauer von 5 Jahren ernannt. Es besteht die Möglichkeit der Erneuerung des Mandats. Falls der Verwaltungsausschuss unvollständig wird, erfolgt die Vervollständigung der betreffenden vakanten Stellen und Posten für die gesamte Dauer des Mandats. Die Absetzung eines Mitglieds des Verwaltungsausschusses von seinem Posten erfolgt durch das Parlament, wenn das betreffende Mitglied die erforderlichen Bedingungen hinsichtlich der Erfüllung seiner Aufgaben und Zuständigkeiten nicht mehr erfüllt oder wenn gravierende Verstöße in seinem Zuständigkeitsbereich auffällig werden.
Ciutacu
4
5
2678
6
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Die Finanzsituationen der Rumänischen Nationalbank werden entsprechend den buchhalterischen Grundsätzen und Regeln, die von den internationalen Buchhaltungsnormen vorgesehen sind, erstellt. Diese Buchhaltungsnormen sind für alle von der Europäischen Zentralbank anerkannten Zentralbanken anwendbar und müssen die Bilanz, das Gewinn- und Verlustkonto und die Erklärungsnoten enthalten. Diese werden einem Audit durch einen Finanzgutachter unterzogen. Die Finanzgutachter sind juristische Personen, die von der rumänischen Auditorenkammer bevollmächtigt und vom Verwaltungsausschuss auf Grundlage einer Ausschreibung ausgewählt werden. Das aktuelle Kapital der Rumänischen Nationalbank gehört vollständig dem Staat. Die Rumänische Nationalbank ist hinsichtlich der Erfüllung und Verwirklichung ihrer gesetzlichen Aufgaben und Zuständigkeiten bevollmächtigt, die erforderlichen primärstatistischen Daten und Informationen zu sammeln. Zugleich trifft die Rumänische Nationalbank geeignete Maßnahmen zum Schutz der individuellen Daten, die juristische Personen oder natürliche Personen betreffen und aus Verwaltungsquellen oder aus anderen Quellen mittelbar oder unmittelbar bezogen wurden.
7
Sowohl die Mitglieder des Verwaltungsausschusses, als auch die Angestellten der Rumänischen Nationalbank sind verpflichtet, das Berufsgeheimnis über Informationen, die nicht veröffentlicht werden dürfen und die ihnen während der Ausübung ihrer Berufe bekannt gemacht wurden, zu bewahren. Zugleich verpflichten sich die Mitglieder des Verwaltungsausschusses und die Angestellten der Rumänischen Nationalbank, diese Informationen nicht zur Erlangung persönlicher Vorteile zu verwenden. Jeder Verstoß gegen diese Pflichten wird gesetzmäßig bestraft. Des Weiteren verpflichten sich die Mitglieder des Verwaltungsausschusses und die Angestellten der Rumänischen Nationalbank das Berufsgeheimnis auch nach der Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses weiterhin zu wahren. Auch in diesem Fall wird jeder Verstoß gesetzmäßig bestraft.
8
II. Die Kreditanstalten. 1. Regelung. Für diesen Bereich gelten die Vorschriften der Regierungsnotverordnung Nr. 99 über Kreditanstalten und Kapitalanpassung, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 1027 vom 27. Dezember 2006 veröffentlicht und durch das Gesetz Nr. 227/2007 genehmigt und geändert wurden. Zugleich gilt für diesen Bereich folgender Normativakt: die Regierungsnotverordnung Nr. 98/2006 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Finanzinstitute innerhalb eines Finanzkonglomerats, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 1023 vom 27. Dezember 2006 veröffentlicht wurde. Zur Ermittlung der Kapitalmindestanforderungen für Kreditanstalten und Investitionsfirmen gelten die Gemeinverordnung Nr. 10/107 vom 14.12.2006 und die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte (C.N.V.M.) Nr. 13/18 vom 14.12.2006. Die Behandlung des Kreditrisikos für Kreditanstalten und Investitionsfirmen nach Standarderörterung ist durch die Gemeinverordnung Nr. 11/108 vom 2006 und durch die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 14/19 vom 14.12.2006 geregelt. Die Gemeinverordnung Nr. 12/109 vom 14.12.2006 und die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 15/20 vom 14.12.2006 bilden die gesetzliche Grundlage für die Behandlung des Kreditrisikos für Kreditanstalten und Investitionsfirmen nach einer sich auf interne Rating-Modelle basierenden Erörterung. Die umfangreichen Auslegungen der Kreditanstalten und Investitionsfirmen haben als gesetzliche Grundlage die Gemeinverordnung Nr. 13/110 vom 14.12.2006 und die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 16/21 vom 14.12.2006. Die Beaufsichtigung der Kreditanstalten und Investitionsfirmen auf konsolidierter Basis ist durch die Gemeinverordnung Nr. 14/111 vom 14.12.2006 und durch die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2679
Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 17/22 vom 14.12.2006 geregelt. Die eigenen Fonds (Eigenmittel) der Kreditanstalten und Investitionsfirmen sind durch die Gemeinverordnung Nr. 15/112 vom 14.12.2006, durch die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 18/23 vom 14.12.2006 sowie durch die Verordnung der Rumänischen Nationalbank Nr. 8/2007 über die Meldung der eigenen Fonds (Eigenmittel) der Kreditanstalten auf individuellem Niveau geregelt. Die von den Kreditanstalten und Investitionsfirmen getroffenen Vorkehrungen zur Verminderung des Kreditrisikos haben als gesetzliche Grundlage die Gemeinverordnung Nr. 16/113 vom 14.12.2006 und die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 19/24 vom 14.12.2006. Die Behandlung des Kreditrisikos der Gegenpartei, im Fall der derivaten Finanzinstrumente, der Rückkaufsgeschäfte, der Anleihe-/Darlehensgeschäfte (Staatsschuldscheine/Waren), der langfristigen Abrechnungsgeschäfte und der Margenkredite sind durch die Gemeinverordnung Nr. 17/114 vom 14.12.2006 und durch die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 20/25 vom 14.12.2006 geregelt. Die Behandlung des Kreditrisikos für gesicherte Auslegungen und Sicherungspositionen haben als gesetzliche Grundlage die Gemeinverordnung Nr. 18/115 vom 14.12.2006 und die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 21/26 vom 14.12.2006. Die Anpassung des Kapitals der Kreditanstalten und Investitionsfirmen haben als gesetzliche Grundlage die Verordnung Nr. 9 vom 25.05.2007 über die Meldung der Situation hinsichtlich der Anpassung des Kapitals auf individuellem Niveau durch die Kreditanstalten, die Gemeinverordnung Nr. 19/116 vom 14.12.2006 und die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 22/27 vom 14.12.2006. Die technischen Kriterien zur Organisierung und Behandlung der Risiken sowie jene Kriterien, die von den zuständigen Behörden zur Überprüfung und Bewertung der Risikos angewendet werden, sind durch die Gemeinverordnung Nr. 20/117 vom 14.12.2006 und durch die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 23/28 vom 14.12.2006 geregelt. Die Ermittlung der Kapitalmindestanforderungen für Kreditanstalten und Investitionsfirmen hinsichtlich des operationalen Risikos hat als gesetzliche Grundlage die Gemeinverordnung Nr. 21/118 vom 14.12.2006 und die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 24/29 vom 14.12.2006. Die Veröffentlichungsanforderungen für Kreditanstalten und Investitionsfirmen sind durch folgende Normativakte geregelt: die Gemeinverordnung Nr. 22/119 vom 14.12.2006 und die Vorschrift der Rumänischen Nationalbank und des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 25/30 vom 14.12.2006. Die konsolidierten Finanzsituationen nach IFRS im Sinne der Beaufsichtigung (FINREP) werden entsprechend der Verordnung Nr. 6 vom 25.05.2007 geregelt. Die spezifischen Voraussetzungen und Bedingungen, unter welchen die von den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedsstaaten bevollmächtigten und beaufsichtigten Kreditanstalten bestimmte Tätigkeiten innerhalb Rumäniens unmittelbar oder durch Zweigniederlassungen durchführen können, sind durch folgende rumänische Normativakte geregelt: die Bestimmungen vom 07.08.2007 hinsichtlich des anwendbaren Systems für Tätigkeiten, die von den in anderen EU-Mitgliedsstaaten bevollmächtigten Kreditanstalten in Rumänien durchgeführt werden, andere als jene, für welche gemäß Anhang I der Richtlinie Nr. 48/2006/ EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditanstalten die gegenseitige Anerkennung gilt. Diese rumänischen Normativakten wurden zum Schutz des allgemeinen Interesses erlassen. 2. Kredit- und Sparbanken im Wohnraumbereich. Entsprechend dem Gesetz zählen die Banken zu den rumänischen Rechtspersonen, die als Kreditanstalten auf dem Gebiet der langfristigen Finanzierung des Wohnraumbereichs spezialisiert sind. Der Hauptauf-
Ciutacu
9
2680
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
gabenbereich dieser Banken besteht in der Einsparung und Kreditierung im Kollektivsystem für den Wohnraumbereich. Die Kredit- und Sparbanken im Wohnraumbereich können im Rahmen ihrer gewährten Vollmacht folgende Tätigkeiten durchführen: a) Einsparungen und Kreditierungen im Kollektivsystem für den Wohnraumbereich; b) Voraus- und Zwischenfinanzierung auf Grundlage von Spar- und Kreditverträgen; c) Kreditgewährung für Tätigkeiten im Wohnraumbereich unter den im Abs. 2 vorgesehenen Bedingungen; d) Verwaltung von Kreditportofolien und Vermittlung von Krediten auf Konten Dritter, wenn diese Kredite für die Finanzierung von Tätigkeiten im Wohnraumbereich bestimmt sind; e) Ausstellung von Garantien für jene Arten von Krediten, die die Sparbanken einer Person für den Wohnraumbereich gewähren können. Die Ausstellung dieser Garantien erfolgt unter Berücksichtigung der Bestimmungen nach Abs. 2; f) Durchführung von Anlagen in Form von Aktiven mit einem niedrigen Kreditrisikograd nach den Regelungen der Rumänischen Nationalbank; g) Gewährung von Krediten für Handelsgesellschaften, bei welchen die Sparbanken im Wohnraumbereich Anteile besitzen, unter den im Art. 307 vorgesehenen Bedingungen; h) Ausstellung und Verwaltung der Zahlungs- und Kreditmittel; i) Durchführung von Zahlungsoperationen; j) Finanzielle und bankübliche Beratung (Finanz- und Bankberatung); k) Durchführung von finanziellen und banküblichen Mandatsgeschäften (Auftragsoperationen); l) Andere Tätigkeiten gemäß den Bestimmungen des Art. 18, wenn diese Tätigkeiten die Erfüllung und Verwirklichung des Arbeitsgegenstands unterstützen. 10
Die Kredit- und Sparbanken im Wohnraumbereich können die Forderungen aus Finanzierungen auf Grundlage von Spar- und Kreditverträgen samt den dazugehörigen Garantien abtreten. Dies kann jedoch nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass die infolge der Abtretung erhaltenen Beträge für Tätigkeiten wie Einsparung und Kreditierung im Kollektivsystem im Wohnraumbereich, sowie für Voraus- und Zwischenfinanzierungen verwendet werden.
11
Die Kredit- und Sparbanken im Wohnraumbereich unterliegen denselben Bevollmächtigungsbedingungen, denen auch die Kreditanstalten unterliegen. Zugleich unterliegen die Kredit- und Sparbanken im Wohnraumbereich spezifischen Bedingungen, die von der Rumänischen Nationalbank festgelegt wurden.
12
Die Kredit- und Sparbanken im Wohnraumbereich müssen hinsichtlich der allgemeinen Geschäftsbedingungen und der allgemeinen Bedingungen der Spar- und Kreditverträgen eigene Regelungen ausarbeiten. Diese dienen als Grundlage für die angebotenen Vertragsarten.
13
3. Hypothekenkreditbanken. Die Hypothekenkreditbanken sind spezialisierte Kreditanstalten, deren bestimmungsgemäßer Haupttätigkeitsbereich die Gewährung von Hypothekenkrediten für Mobiliarinvestitionen und die Förderung von öffentlichen rückzahlbaren Fonds durch die Vergabe von Pfandbriefen ist. Die Hypothekenkreditbanken sind rumänische juristische Personen, die unter Berücksichtigung der bei Handelsgesellschaften anzuwendenden Gesetzgebung und der Vorschriften der vorliegenden Notverordnung hinsichtlich ihrer Rechtsform als Aktiengesellschaften gegründet sind.
14
4. Anstalten (Institute), die elektronische Währung ausstellen. Laut Gesetz sind diese Anstalten (Institute) Kreditanstalten, die im Bereich der Ausstellung der elektronischen Währung spezialisiert sind. Hinsichtlich ihrer Rechtsform sind diese Anstalten, entsprechend der Handelsgesetzgebung und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften, als Aktiengesellschaften gegründet.
15
5. Genossenschaftliche Kreditorganisationen. Die genossenschaftlichen Kreditorganisationen sind laut Gesetz Kreditanstalten, die durch freiwillig vereinte natürliche Per-
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2681
sonen als autonome Organisationen (Gemeinschaften) gegründet werden. Ziel der genossenschaftlichen Kreditorganisationen ist die Erfüllung der gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Bestrebungen. Die Tätigkeit der genossenschaftlichen Kreditorganisationen richtet sich vorwiegend nach dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe zwischen den genossenschaftlichen (zusammenarbeitenden) Mitgliedern. Die Kreditgenossenschaften können Kredite gewähren für: a) Mitglieder (vorrangig); b) natürliche Personen, juristische Personen oder andere Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die innerhalb des territorialen Wirkungsbereichs der betreffenden Kreditgenossenschaft ansässig sind, eine Arbeitsstelle haben, bzw. einen Gesellschaftssitz besitzen und dort tätig sind. Die gewährten Kredite dürfen jedoch 25% der Aktiva einer Kreditgenossenschaft nicht überschreiten. Die Kreditgenossenschaften können keine Obligationen ausstellen. Diese können durch intergenossenschaftliche Anleihen oder Anleihen bei anderen Kreditanstalten finanziert werden. Die Zentralkassen können im Rahmen ihrer gewährten Bevollmächtigung jedwelche Tätigkeiten, die einer Kreditanstalt unter gesetzlichen Bedingungen gestattet sind, ausüben. Die Kreditgenossenschaften werden durch den freien Zusammenschluss von natürlichen Personen gegründet, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit, der ethnischen Abstammung, der Sprache, der Religion, der politischen Zugehörigkeit, des Vermögens, der gesellschaftlichen Stellung, der Rasse oder des Geschlechts. Die Zentralkassen werden auf Grundlage einer Gründungsurkunde durch den Zusammenschluss von mindestens 30 gegründeten Kreditgenossenschaften errichtet. Die genossenschaftlichen Kreditorganisationen richten und organisieren ihre gesamte Beschäftigung nach den Regeln einer vorsichtigen und gesunden Bankpraxis sowie nach den Anforderungen des Gesetzes und der erlassenen Regelungen, unter Berücksichtigung der von der Zentralkasse erlassenen Rahmenregelungen aus.
16
Die Rumänische Nationalbank sichert auf individuellem Niveau die Beaufsichtigung der Zentralkasse. Die Rumänische Nationalbank gewährleistet eine umfangreiche Beaufsichtigung aller genossenschaftlichen Kreditorganisationen, im Rahmen eines genossenschaftlichen Netzes. Die Rumänische Nationalbank kann, falls sie es für erforderlich hält, Kontrollen im Hause der Kreditgenossenschaften durchführen.
17
6. Rumänische Bankgesellschaften. Aufzählung. Man unterscheidet bei Rumänischen Bankgesellschaften zwischen zwei Kategorien: 1) Bankgesellschaften – rumänische juristische Personen; 2) Zweigniederlassungen ausländischer Banken.
18
Zu den 1) Bankgesellschaften mit uneingeschränktem Charakter gehören: die Rumänische Handelsbank (B.C.R.), die Rumänische Entwicklungsbank (B.R.D.), die Handelsbank Ion Ţiriac, die Rumänische Bank (Banca Românească), die Transilvania Bank (Banca Transilvania), Citibank Rumänien (Citibank Romania), die Raiffeisenbank, die Rumänische Spar- und Konsignationskasse (C.E.C.) u. a. Zu den 2) Zweigniederlassungen der ausländischen Banken gehören: die Banque Franco Roumanie, Paris, Frankreich, Zweigniederlassung Bukarest; die Griechische Nationalbank, Athen, Griechenland, Zweigniederlassung Bukarest; die Banca Italo-Romena SpA, Rom, Italien, Zweigniederlassung Bukarest u. a.
B. Das Bankgeschäft
19
I. Bankoperationen: Einkassierungen und Zahlungen. 1. Bankvertrag über Kontokorrent (laufendes Konto) und laufendes Guthabenkonto. Der Bankvertrag über Kontokorrent (laufendes Konto) ist ein Vertrag, auf dessen Grundlage sich zwei Personen einigen, dass ihre gegenseitigen Provisionen auf einem Konto als einfache Kredit- und Debetposten
Ciutacu
2682
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
übertragen werden, und zwar mit der Verpflichtung, dass beim Kontoabschluss nur der Saldo eine einforderbare und verfügbare Forderung darstellt (Handelsrechtvorlesung III. Handelsobligationen, nach den Vorträgen des Petrescu-Ercea, zusammengestellt von Bocean, Chira, Cluj, 1938, S. 124.). Der Vertrag über die Krediteröffnung im Kontokorrent unterscheidet sich vom Kontokorrentvertrag. Ersteres ist eine Vereinbarung, laut welcher sich nur eine der Vertragsparteien verpflichtet, der anderen Vertragspartei Anzahlungen in einer bestimmten Höhe zu erstatten. In diesem Fall ist diese Applikation nur ein buchhalterischer Ausdruck. Die gesetzliche Grundlage des Kontokorrentvertrags bildet Art. 372 des Handelsgesetzbuchs des rumänischen Rechts. 20
Der Bankvertrag über das laufende Guthabenkonto unterscheidet sich vom Handelsvertrag über Kontokorrent. In der Bankbuchhaltung hebt das laufende Guthabenkonto sowohl die Geldbestände des Kunden als auch die von ihm angeordneten Einkassierungen und Zahlungen hervor. Im Rahmen des banküblichen laufenden Guthabenkontos stellt der Kreditsaldo (Guthabensaldo) das verfügbare Guthaben des Kunden dar. Der Debetsaldo stellt im Rahmen des gleichen laufenden Guthabenkontos die Zahlungen, die vom Kunden bei unbefugtem Kontoüberzug durchgeführt wurden, dar. Der Vertrag über das laufende Guthabenkonto ist ambivalent. Einerseits ist er ein untypischer banküblicher Sichteinlagenvertrag, weil die Bank die Fonds des Kunden in Empfang nimmt, jedoch ohne sich zu verpflichten, diese Fonds auszunutzen. Andererseits ist der Vertrag über das laufende Guthabenkonto ein banküblicher Vertrag über Kassendienstleistungen, wenn sich die Bank verpflichtet, die Anordnungen des Kontoinhabers hinsichtlich der Fonds, die debitiert werden, auszuführen.
21
2. Zahlung durch Abbuchung vom Kontokorrent auf Grundlage einer Überweisung. Bei einer Überweisung handelt es sich um einen Bankvorgang, durch welchen ein bestimmter Geldbetrag vom Konto einer Person debitiert wird, um das Konto einer anderen Person mit dem gleichen Geldbetrag zu kreditieren (Turcu, Die Überweisung, in der Handelsrechtszeitschrift Nr. 2/1994, S. 66-73). Die Überweisung wird auch als Bankoperation definiert, durch welche ein Geldbetrag vom Konto des Anweisenden auf das Konto des Zahlungsempfängers zur Begleichung von Geldschulden übertragen wird. Bei Durchführung von Zahlungen werden als übliche Abrechnungsformen der Akzept (Übernahme der Pflicht hinsichtlich der Zahlung eines Geldbetrags, welcher auf einer Kreditunterlage eingetragen ist, oder die Zahlungssicherung durch eine andere Person) und das Akkreditiv verwendet. Im Rahmen des Akzepts werden als Abrechnungsinstrumente die Zahlungsanordnung, die Rechnung, die Einkassierungsanodnung usw. verwendet.
22
3. Der Bankkartenvertrag. Laut Vorschriften der Rumänischen Nationalbank ist die Bankkarte ein standardisierter, gesicherter und individualisierter Informationsträger, welcher dem Inhaber das Recht zur Durchführung von Zahlungen gewährt. Dieses Recht wird von der ausstellenden Bankgesellschaft eingeräumt. Die Bankkarte kann von den Händlern als Zahlungsmittel für Verbindlichkeiten, die der Inhaber gegenüber den Händlern hinsichtlich der Beschaffung von Waren, des Verbrauchs von Dienstleistungen oder des Erwerbs von Baranzahlungen übernommen hat, angenommen werden. Die Bankkarten können alternativ oder kumulativ Funktionen wie Fondsabhebung, Zahlung sowie die Kreditfunktion erfüllen (Garantiefunktion der Bankkarte / cheque guaranted card: Turcu, Die Zahlung mit Bankkarte, in der Handelsrechtszeitschrift Nr. 6/1996, S. 17; Hurduc, Optimerung der Banktätigkeit im Netz, Bukarest, 2002, S. 171 ff)
23
II. Die banküblichen Einlagengeschäfte (Depotgeschäfte). 1. Der bankübliche Fondsdepotvertrag. Unter den Vorgängen, die von den Banken durchgeführt werden können, sieht das Rumänische Bankgesetz die Annahme von Einlagen (Depots) vor. Der
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2683
Fondsdepotvertrag ist ein Abkommen, welches zwischen der Bank und dem Kunden hinsichtlich der Abgabe eines Geldbetrags geschlossen wird und die Kapitalnutzung bezweckt. Demzufolge hat die Bank das Recht über diese Fonds im eigenen Interesse zu verfügen. Zugleich verpflichtet sich die Bank, die Fonds auf Anforderung des Kontoinhabers jederzeit, bis zur vereinbarten Frist, rückzuerstatten. III. Die banküblichen Kreditgeschäfte. In Rumänien werden verschiedene Formen von Krediten praktiziert, wobei jede Kreditform eine vorrangige Anwendbarkeit für bestimmte Bereiche hat. So werden die chirographischen Kredite meistens zwischen Privatpersonen verwendet. Die Realkredite, sowohl die Mobiliar- als auch die Immobiliarkredite, werden im Handelsbereich oder zum Immobilienerwerb bevorzugt. Personalkredite werden überwiegend von Genossenschaften mit familiärem Charakter (wie z. B. die Genossenschaften aus der Landwirtschaft) gebraucht.
24
1. Der bankübliche Kreditvertrag. Laut Gesetz stellt der Kreditvertrag eine Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrags des Kreditgebers dar; dieser erhält im Gegenzug das Recht auf Rückerstattung des geleisteten Betrags zusätzlich zur Zahlung eines Zinses oder anderer Kosten, die im Zusammenhang mit dem betreffenden Geldbetrag stehen. Ein Kreditvertrag liegt auch bei der Verlängerung der Zahlungsfrist einer Schuld, bei Verpflichtungen hinsichtlich des Ankaufs von Forderungstiteln, sowie bei anderweitigen Rechten auf Zahlung eines Geldbetrags vor. Demzufolge gibt es drei gesetzliche Arten (Modalitäten) des Bankkredits: die Fondsanleihe (das Fondsdarlehen); die Verlängerung der Zahlungsfrist einer Schuld; das Skonto. Laut Gesetz werden die Bankkredite je nach Fälligkeit in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Kredite klassifiziert.
25
2. Kategorien von Bankkrediten. Neben den gesetzlichen Klassifizierungen sind die Bankkredite nach dem rumänischen Recht auch nach folgenden Kriterien klassifiziert: a) nach den kreditbegleitenden Garantien: Blankokredite (Personalkredite) und Kredite mit Realgarantien; b) nach dem Kreditgeber (Kreditor): Konsortialkredite (die von einer Bankengruppe gewährt werden) und Kredite, die von einer einzigen Bank gewährt werden; c) nach Ort der Kreditverwendung: inländische und internationale Kredite; d) nach den angewendeten juristischen Methoden: Anleihen von Geldfonds, Kredite auf Grundlage einer Forderungsübertragung / eines Forderungstransfers (Diskontierung der Handelseffekte, Factoring) und Kredite durch Unterschrift (Annahme oder Aval bestimmter Handelseffekte, Kaution, autonome Bankbürgschaft); e) nach Zweck (Nutzung) der Fonds: Kredite für Lieferanten (zur Finanzierung der Produktion) und Kredite für Käufer; f) nach Refinanzierungsmöglichkeiten der Bank: mobilisierbare Kredite (z. B. durch Rediskontierung der diskontierten Handelseffekte) und nichtmobilisierbare Kredite. Die Bankkredite können je nach ihrer Gewährungsart die Form einer Fondsbereitstellung (Kredite, die in der Buchhaltungsbilanz eingetragen sind) oder einer Übernahme von Verpflichtungen durch Unterschrift (Kontoführung / Kontobewegungen außerhalb der Bilanz) darstellen.
26
3. Das Bankkreditrisiko. Nach den Normen der Rumänischen Nationalbank sind die Banken zur Einschränkung des Kreditrisikos verpflichtet: a) entsprechende Verfahren zur Verwaltung und internen Kontrolle einzurichten, die eine Beobachtung und Verwaltung des Kreditrisikos und eine ständige Einstufung der Indikatoren hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit, der umfangreichen Risikoaussetzungen und der Darlehen, die nach den Grenzwerten der Normen der Rumänischen Nationalbank Personen mit besonderen Beziehungen zur Bank, dem eigenen Personal und deren Familien gewährt werden, gestatten sollen, sicherstellen; b) eine entsprechende außerbuchhalterische Evidenz nach Risikoentitäten und Kreditrisikograde sicherzustellen, die als Grundlage für die Erstellung der
27
Ciutacu
2684
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Bankmeldungen, die in den Normen der Rumänischen Nationalbank vorgesehen sind, dienen soll; c) Verschlüsselungen (Kodifizierungen) und außerbuchhalterische Evidenz für jede Gruppe von juristischen oder natürlichen Personen, die einen einzigen Debitor (Kreditnehmer) vertreten, durchzuführen; d) Verschlüsselungen (Kodifizierungen) und außerbuchhalterische Evidenz für jede juristische oder natürliche Person, die einen einzigen Debitor (Kreditnehmer) vertreten, die zu einer der o. g. Gruppen oder zur Gruppe der Personen, die besondere Beziehungen zur Bank haben, gehören bzw. Mitglieder des eigenen Personals oder dessen Familien sind, durchzuführen; e) Geschäfte, die zur umfangreichen Auslegungen führen, nur auf Grundlage einer Entscheidung des Verwaltungsausschusses abzuschließen; f) Darlehen für Personen, zu welchen sie besondere Beziehungen hat, nur auf Grundlage einer Entscheidung des Verwaltungsausschusses zu gewähren; g) dem eigenen Personal und dessen Familien Darlehen nur auf Grundlage von internen Normen, die vom Verwaltungsausschuss genehmigt wurden, zu gewähren (Das Kreditrisiko wird in den Normen der Rumänischen Nationalbank als Verlustrisiko oder als Risiko der Nichterfüllung der Profiterwartungen infolge der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen seitens der Gegenpartei definiert). 28
4. Rückgewinnung der Bankkredite. Das Gesetz bestimmt, dass der Bankkreditvertrag einen Vollstreckungstitel darstellt. Laut Gesetz sind die Banken bevollmächtigt, eine eigene Gruppe von Vollstreckungsbeamten zu organisieren, deren Beschäftigung streng mit der Vollziehung der Bankvollstreckungstitel verbunden sein soll. Die Vollstreckungsbeamten werden beauftragt jedwelche gesetzmäßigen Maßnahmen zur Erfüllung jener Verpflichtungen vorzunehmen, die durch die Vollstreckungstitel der Banken bestimmt werden. Falls die Erfüllung der Verpflichtungen nicht freiwillig erfolgt, wird eine Zwangsvollstreckung eingeleitet.
29
5. Der Hypothekenkredit für Immobiliarinvestitionen. Der Hypothekenkredit für Immobiliarinvestitionen wird im Art. 1 des Gesetzes Nr. 190/1999 (veröffentlicht im rumänischen Amtsblatt Nr. 661 vom 14. November 1999, mit den nachträglichen Änderungen) definiert als Kredit, welcher von den bevollmächtigten Finanzinstituten gewährt wird und zur Finanzierung des Baus, Kaufs, der Wiederherstellung, Ausbesserung, Konsolidierung oder Erweiterung von Wohn-, Industrie- und Handelsimmobilien bestimmt ist. Gemäß Art. 6 des Gesetzes und Art. 1 Abs. 1 der Verfahrensnormen Nr. 3/2000 können folgende Anstalten Hypothekenkredite gewähren: die Banken (rumänische Rechtspersonen), die Zweigniederlassungen der Banken (ausländische juristische Personen, deren Tätigkeit innerhalb Rumäniens von der Rumänischen Nationalbank zugelassen ist) die Nationale Wohnungsagentur, die Rumänische Spar- und Konsignationskasse (C.E.C.) und andere Finanzinstitute, einschließlich der Hypothekenfonds. Hinsichtlich der Hypothekenkredite sind auch die Bestimmungen der Verordnung des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 4/2000 über die Genehmigung der Vorschrift Nr. 2/2000 (rumänisches Amtsblatt Nr. 174/2000) zu berücksichtigen. Die spezialisierten Finanzinstitute unterliegen folgenden Normativakten: Regierungsnotverordnung Nr. 200 vom 18. Dezember 2002 über Hypothekenkreditgesellschaften (veröffentlicht im rumänischen Amtsblatt Nr. 956 vom 27. Dezember 2002, genehmigt durch das Gesetz Nr. 330 vom 8. Juli 2003, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 516 vom 7. Juli 2003 veröffentlicht wurde); Norm der Rumänischen Nationalbank Nr. 9 vom 9. Dezember 2003 über Hypothekenkreditgesellschaften (veröffentlicht im rumänischen Amtsblatt Nr. 896 vom 15. Dezember 2003). Für diesen Bereich sind auch die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 289 vom 24. Juni 2004 über das rechtliche System der Konsumkreditverträge, die für Verbraucher (natürliche Personen) bestimmt sind (veröffentlicht im rumänischen Amtsblatt Nr. 611 vom 6. Juli 2004). Das Gesetz setzt die Richtlinie Nr. 87/103/EWG vom 22. Dezember 1986 über die Harmoni-
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2685
sierung der Gesetzes- und Verwaltungsvorschriften und Regelung des Konsumkredits, welche im Amtsblatt Nr. L 42 der Europäischen Gemeinschaft am 12. Februar 1987 veröffentlicht wurde. Die Richtlinie Nr. 87/103/EWG wurde durch die Richtlinien Nr. 90/88/ EWG vom 22. Februar 1990 und 98/7/EWG vom 16. Februar 1998, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 896 vom 15. Dezember 2003 veröffentlicht wurden, geändert und ergänzt). Die Auslegung des Wortlauts des genannten Normativaktes ergibt, dass Kredite, die entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Gesetzes gewährt werden, nicht durch Hypotheken garantiert werden können. Sie können aber durch andere Garantien, wie z. B. Bürgschaften, reale Mobiliargarantien abgesichert werden. Eine wichtige Rolle im Bereich der Standardisierung des Hypothekenmarkts, die zur Steigerung der Zugänglichkeit zum Hypothekenkredit führt, können die Handelsgesellschaften spielen, deren Hauptbetätigungsgebiet die Gewährleistung der Eigentumstitel ist. Diese Gesellschaften verpflichten sich, die Eigentumstitel vor der Aushandlung des Vertrags zwischen dem Käufer und Verkäufer mit Aufmerksamkeit zu überprüfen. Im Fall von nachträglichen Unregelmäßigkeiten verpflichten sich die o. g. Gesellschaften, den Preis des Grundstücks zurückzuerstatten. Demzufolge wird das Vertragsrisiko vom Besitzer auf einen Dritten übertragen. Die Gewährleistung des Eigentumstitels deckt in der Praxis das Risiko hinsichtlich der Hinterziehung, des Entzugs oder der Verfälschung der Eigentumsunterlagen, sowie das Risiko hinsichtlich bestehender Privilegien (Vorrechte) infolge der Nichtzahlung von Gebühren oder Bauunmöglichkeit aufgrund von Projekten der Zentral- oder Lokalverwaltungen usw. Solche Handelsgesellschaften wurden auch in Rumänien gegründet (z. B. die rumänische Niederlassung der Stewart International, mit dem Sitz in den U.S.A.)
30
Die spezifischen Merkmale, durch welche sich diese Kreditart vom gewöhnlichen Hypothekenkredit unterscheiden, sind: a) Dieser Kredit wird nur von den bevollmächtigten Finanzinstituten gewährt; b) Zweck dieser Kredite ist die Finanzierung von Immobiliarinvestitionen; c) Die für die Rückerstattung bestimmte Mindestdauer beträgt 5 Jahre für juristische Personen und 10 Jahre für natürliche Personen, es sei denn, dass der Nutznießer (Empfänger) die Gewährung des Kredits für eine kürzere Dauer beantragt (Art. 2 des Gesetzes, geändert durch die Regierungsnotverordnung Nr. 201 vom 18. Dezember 2002 über die Änderung des Gesetzes Nr. 190/1999 hinsichtlich des Hypothekenkredits für Immobiliarinvestitionen, welche durch das Gesetz Nr. 172 vom 5. Mai 2003 genehmigt und im rumänischen Amtsblatt Nr. 310 vom 8. Mai 2003 veröffentlicht wurde); d) Die Rückerstattung von Krediten und die Zinszahlung sind durch Hypotheken oder Privilegien (Vorrechte), so wie diese im Art. 1737 des Bürgerlichen Gesetzbuchs definiert sind, nach Höhe des vertraglich bestimmten Wertes und nach Ausmaß der Kreditverwendung, durch Abweichung von den Bestimmungen des Art. 1775 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Art. 3 Abs. 1 und 2 des Gesetzes), abgesichert. Die Privilegien (Vorrechte) erstrecken sich sowohl auf die zum Zeitpunkt der Kreditgewährung existierenden Immobilien (Bauten / Gebäude), als auch auf die nachträglich errichteten Bauten / Gebäude; e) Für Hypotheken, die zur Gewährleistung von Kreditrückerstattungen bestimmt sind, sind die Bestimmungen des Art. 1786 des Bürgerlichen Gesetzbuchs hinsichtlich der Einstellung der Hypothekeneffekte nicht anwendbar, wenn die Eintragungen vor dem Ablauf der 15-jährigen Frist nicht erneuert wurden; f) Die auf diese Weise zustande gekommenen Hypotheken und Privilegien (Vorrechte) haben bis zur vollständigen Rückerstattung des abzusichernden Kredits bestand (Art. 3 Abs. 3 und 4 des Gesetzes); g) Die Parteien können vereinbaren, die Hypothek auf eine andere Immobilie übertragen zu lassen, wenn der Wert dieser Immobilie mindestens dem Wert der vorausgehend verpfändeten Immobilie entspricht (Art. 3 Abs. 5); h) Nach Eintragung der Hypothek auf die neue Immobilie werden die Garantien, die für diese Immobilie vorausgehend zustande gekommen sind, gelöscht werden
31
Ciutacu
2686
32
33
34
35
36
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
(Art. 3 Abs. 6); i) Nach den in Art. 1722 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen Bedingungen hat die Forderung des kreditgewährenden Finanzinstitutes im Fall einer garantierten Forderung Vorrang, wenn die Hypothek oder das Privileg (Vorrecht) vor Vollstreckbarkeit der bevorzugten (privilegierten) Forderung eingetragen wurde (Art. 4 des Gesetzes Nr. 190/ 1999 und Art. 1725 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs); j) Bis zur vollständigen Rückerstattung des Kredits können die verpfändeten Immobilien nur mit vorheriger Zustimmung des kreditgewährenden Finanzinstitutes veräußert werden. Bei Verstoß gegen diese Bestimmung werden die abgeschlossenen Verträge als nichtig erklärt (Art. 5 des Gesetzes). Falls durch Sondergesetze, welche die Bildung und den Ablauf von Darlehen regelementieren, nichts anderes bestimmt wurde, erfolgt die Gewährleistung des Hypothekenkredits nur durch Bildung von Hypotheken ersten Ranges und Privilegien (Vorrechten). Gemäß Art. 16 des Gesetzes hat der Darlehensnehmer die verpfändeten Güter zu versichern. Dieser Vertrag ist für die Gesamtdauer des Hypothekenkredits gültig. Der Darlehensgeber ist demnach anspruchsberechtigt hinsichtlich der Versicherungssumme bis zur Höhe seiner Forderung. Ist der Darlehensnehmer eine juristische Person, erstreckt sich die Versicherung auch auf das Risiko hinsichtlich der Nichtvollendung der Bauten. Die Auswahl des Versicherers erfolgt nur durch den Darlehensnehmer oder im Einvernehmen mit dem Darlehensgeber (Der Darlehensgeber kann den Darlehensnehmer hinsichtlich der Wahl eines bestimmten Versicherers keine zwingenden Vorgaben machen). Bei Zahlungsverzug informiert das kreditgewährende Finanzinstitut den Empfänger des Hypothekenkredits schriftlich per Einschreiben. Zugleich wird das kreditgewährende Finanzinstitut den Empfänger hinsichtlich der Folgen der Nichteinhaltiung der Vertragsbestimmungen aufmerksam machen. Falls der Empfänger des Hypothekenkredits innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der schriftlichen Benachrichtigung seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt, wird der Vertrag gekündigt. Die Kündigung bewirkt, dass die Summe der ausgelegten Kreditraten zusammen mit den dazugehörigen Zinsen sofort vollstreckbar werden (Art. 19 und 20 des Gesetzes). Der Hypothekenkreditvertrag sowie die Real- und Personalgarantien stellen Vollstreckungstitel dar und werden vom Gerichtshof des Ortes, an welchem sich die Immobilie befindet, vollstreckt (Art. 21 des Gesetzes). Im Fall einer Räumung wird den Debitoren (Kreditnehmern) kein anderer Wohnraum zur Verfügung gestellt (gleichgültig ob die Kreditnehmer juristische oder natürliche Personen sind). In Ausnahmefällen kann natürlichen Pesonen eine Frist von 90 Tagen gewährt werden, um den Einzug in eine andere Wohnung zu ermöglichen (Art. 22 des Gesetzes). Die Vollstreckung der hypothekarischen oder privilegierten Forderungen gemäss Art. 1737 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgt entweder durch die eigenen Vollstreckungsbeamten der bevollmächtigten Finanzinstitute oder durch die Gerichtsvollzieher (Art. 23 des Gesetzes). Die Hypothekenforderungen und Privilegien (Vorrechte) nach Art. 1737 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die zum Portofolio eines gesetzmässig bevollmächtigten Finanzinstituts gehören, können an Finanzinstitute die zur Ausübung ihrer Tätigkeit auf den Kapitalmärkten bevollmächtigt sind, abgetreten werden. Unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben können die gesetzmäßig bevollmächtigten Finanzinstitute hinsichtlich der Gewinnung von Fonds, die für die Gewährung von Hypothekenkrediten erforderlich sind, auf Grundlage ihres Portofolios der hypothekarischen oder privilegierten Forderungen, Obligationen im Wert von 60% des Portofolios ausstellen (Art. 29 und 30 des Gesetzes).
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2687
Der Aufgabenbereich der Hypothekenkreditgesellschaften, die durch die Regierungsnotverordnung Nr. 200/2002 geregelt sind, besteht in der Ausübung folgender Tätigkeiten im Bereich des Hypothekenkredits: Verwaltung der Portofolien der Hypothekenkredite, Vollstreckung oder Verwertung der hypothekarischen oder privilegierten Forderungen bzw. der Güter, die im Zusammenhang mit den dazugehörigen Garantien oder Privilegien (Vorrechte) stehen, Durchführung von Geschäften auf eigenem Konto anhand von verhandlungsfähigen monetären Instrumenten wie Währungsswaps, Käufe und Verkäufe (einschließlich umkehrbare Käufe und Verkäufe von Staatsschuldscheinen und anderen wahlfähigen monetären Aktiva), Valuta oder abgeleitete Instrumente (Art. 2). Die o. g. Regierungsnotverordnung, die sich auf die Hypothekenkreditgesellschaften bezieht, wurde durch das Gesetz Nr. 330/2003 genehmigt.
37
C. Garantien, die im rumänischen Bankensystem praktiziert werden
38
Die Hauptfunktion der Garantien ist die Gewährleistung der Kreditsicherheit (Hinsichtlich der Rolle der Garantien siehe auch: Ciutacu, Garantien zur Erfüllung der Verpflichtungen (Garantien zur Vollstreckung der Obligationen). Personal- und Realgarantien, 2006; Mazeaud, Leçon de Droit civil. Suretés. Publicité foncière, Principaux contrat, Band III, 2. Ausgabe II-a, Édition Montchrestien, 1963, S. 5; Simler, Delebecque, Droit civil. Les sûretés. La publicité foncière, 2. Ausgabe, Dalloz, 1995, S. 6-7; Malaurie, Aynès, Cours de Droit civil. Les sûretés. La publicité foncière, 4. Ausgabe, Édition Cujas, 1992, S. 17; Cabrillac, Mouly, Droit des sûretés, 5. Ausgabe, 1999, S. 4-5; Turcu, Bankvertrag über Internkredit, Handelsrechtszeitschrift, Nr. 1/2000, S. 12 f; Verschiedenheit der Formen des Bankkredits, Handelsrechtszeitschrift, Nr. 2/2000, S. 15 f; Rückgewinnung des Bankkredits, Handelsrechtszeitschrift, Nr. 3/2000, S. 16 f; Predoiu, Überlegungen hinsichtlich der Begriffe „Banktätigkeit“ (Bankbeschäftigung / Bankgeschäft) und „Bankkredit“, Rumänische Zeitschrift für Geschäftsrecht, Nr. 6/2003, S. 24-40; Bercea, Bankaktien und Bankaktionäre, in der Handelsrechtszeitschrift, Nr. 7-8/2003, S 356-366. Hinsichtlich der Rechtspraxis in diesem Bereich siehe auch: Berufungsgericht Timişoara, Handelsabteilung und Abteilung für öffentlichrechtliche Streitigkeit (Verwaltungsgericht), Beschluss Nr. 524 vom 15. Oktober 2002, ausgesprochen in der Akte Nr. 5669/CA/2002, in der Handelsrechtszeitschrift, Nr. 1/2003, S 221-222.). Ihre Funktionen hinsichtlich der Ersetzung eines Effektivkredits (z. B. einer Bankbürgschaft), der Sicherstellung von Liquiditätseinsparungen (gegen Zahlungsleistung wird eine Garantie ausgestellt und dadurch die Übertragung oder Immobilisierung von Geldmitteln verhindert) und der Disziplinierung der vertraglichen Verhältnisse sind in den innländischen und internationalen Handelsbeziehungen besser erkennbar (Pătulea, Turianu, Garantien zur Erfüllung der kommerziellen Verpflichtungen (Garantien zur Vollstreckung der kommerziellen Obligationen), S. 10, 11. Siehe auch Albu, Die Kreditabsicherung – Begriff und rechtliche Bedeutung, in der Rechtszeitschrift, Nr. 4/2000, S. 150-154; Albu-Cîrnu, Die Kreditabsicherung, Bukarest, 2002).
39
Aus dem Gesichtspunkt der Garantien werden die Kredite von den Wirtschaftern in Personalkredite, Realkredite und Lombardkredite eingeteilt. Im letzten Fall besteht die Garantie aus Wertpapieren bzw. aus privaten oder öffentlichen Effekten / Wirkungen (Dobrotă – Koordinator, Politische Ökonomie, Bukarest, 1992, S. 277). Manchmal besteht der Lombardkredit aus beweglichen Gütern, und zwar andere als die Anlagewerte (Wertpapiere). Andere Verfasser teilen die Kredite folgendermaßen ein: A. Kredite für Rechtspersonen – Wirtschaftsagenten: 1. Betreibungskredite (Ausbeutungskredite): Kredite auf Grundlage des Liquiditätsstroms (cash-flow oder flu nets de tresoreire). Der Begriff definiert die Differenz zwischen den Einkommen – cash in – und Ausgaben – cash
40
Ciutacu
2688
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
out – auf dem Niveau eines Projekts oder einer Handelsgesellschaft (Vasilescu, Koordinatoren, Investitionswörterbuch, Bukarest, 2003, S. 51-52); Kontokorrentkredite (Kreditlinien); Diskontkredite; Forfaitierung; Factoring; 2. Investitionskredite; 3. Leasingkredite; B. Kredite für natürliche Personen (Stoica, Die Bankverwaltung, Bukarest, 2002, S. 56 f). Gelegentlich werden die Garantien von anderen Rechtsinstituten als Mittel zur Milderung oder Verhinderung der Risiken angesehen. Demnach kommt in den Bearbeitungsoperationen häufig das Pfand vor. Im Rahmen dieser Vorgänge produziert der Hersteller die für den Export vertraglich bestimmten Güter auf Grundlage von Rohmaterialien und Materialien, die ihm vom Auftraggeber zu Verfügung gestellt werden. Ein solches Pfand erfolgt stillschweigend. Es wird kein ausdrücklicher Pfandvertrag abgeschlossen. Die Verpfändung bezweckt, dass der Wert des Güterbestands die Zahlungsanforderungen aus der Exportdurchführung abdecken soll. Neben dem Pfand gibt es auch andere Mittel zur Milderung oder Verhinderung der Risiken, wie z. B. die suspensiven (aufhebenden) und auflösenden Klauseln; die versichernden Vertragsklauseln; die Bankgarantien; die Risikodeckung durch die internationalen Versicherungsgesellschaften; die Selbstbeteiligung des Versicherten; die Deckungsformen (alleinige Deckung, Revolvingdeckung); die Bildung von kompensatorischen Reserven; die Hypothek; der staatliche Eingriff (Hinsichtlich der Mittel zur Milderung oder Verhinderung der Risiken siehe: Stoian, Dragne, Der Internationale Handel. Techniken, Strategien und Grundelemente des elektronischen Handels, Bukarest, 2001, Band I, S. 592-595, Band II, S. 699-700. Hinsichtlich der Regelung dieses Bereichs sind auch die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 240 vom 15. Juli 2005 über die Mikrofinanzierungsgesellschaften, welches im rumänischen Amtsblatt Nr. 663 vom 26. Juli 2005 veröffentlicht wurde, gültig). 41
Die Begriffe „Kredit“ und „Garantie“ sind unentbehrlich. Andererseits drücken die Garantien, die vom Gesetz oder Richter gefordert werden, die Beschäftigung hinsichtlich der Absicherung (Beschützung) bestimmter privatrechtlicher Kategorien aus. Es ist der Fall der zahlreichen gesetzlichen und richterlichen Privilegien (Vorrechte), Hypotheken oder Kautionen (Simler, Delebecque, op. cit., S. 7).
42
In anderen Situationen wird durch Garantien der Schutz bestimmter öffentlicher Interessen, wie z. B. das Privileg (Vorrecht) der Staatsforderungen, beabsichtigt (Art. 141 der Regierungsverordnung Nr. 92/2003 über die Steuerverfahrensordnung. Diese Regierungsverordnung wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 941 vom 29. Dezember 2003 veröffentlicht und im rumänischen Amtsblatt Nr. 560 vom 24. Juni 2004 mit den nachträglichen Änderungen wiederveröffentlicht).
43
Im Vergleich zur ersten Funktion zeichnet sich die zweite Funktion durch einen statischen Charakter aus. Sie kommt vorrangig im Fall der Ermittlung der Reihenfolge, in welcher die Kreditnehmer ihre Schulden bei den jeweiligen Kreditgebern begleichen müssen, vor.
44
Einige Garantien weisen jedoch gewisse wirtschaftliche Nachteile auf. Demnach können die Garantien in folgenden Fällen die Kreditkosten steigern: a) wenn für die Garantieeröffnung eine öffentliche Notariatsurkunde erforderlich ist (Realgarantien); wenn der Gewährträger (Bürge) hinsichtlich der Deckung des übernommenen Risikos eine Entlohnung (eine Vergütung) fordert (Personalgarantien). Zugleich können die Garantien hinsichtlich des Güterverkehrs ein Hindernis darstellen. Demzufolge wird der Wiederverkauf eines mit einer Hypothek belasteten unbeweglichen Gutes oder eines verpfändeten Gutes Schwierigkeiten hinsichtlich der Garantieerfüllung bewirken, d. h., die Garantieerfüllung (Überwachung und Verkauf im Rahmen einer Auktion) wird langsam und umständlich (Malaurie, Aynes, op. cit., S. 17).
45
Eine vollkommene Garantie muss folgende vier Eigenschaften besitzen: a) Die Garantieeröffnung muss einfach und nicht hindernisreich sein, damit die Kreditkosten nicht steigen;
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2689
b) Die Garantie muss an die gewährleistete Schuld angepasst werden, damit mögliche Missbräuche des Gewährträgers, die im Kredit des Debitor eingreifen könnten, verhindert werden; c) Die Garantie muss wirksam sein, d. h., sie muss eine Möglichkeit zur Forderungsbefriedigung anbieten, falls der Debitor nicht bezahlt; d) Die Erfüllung der Garantie muss einfach sein, damit Umstände und unnötige Ausgaben erspart bleiben. Im rumänischen Recht sind keine Arten von Garantien bekannt, die alle vier Eigenschaften erfüllen. Demzufolge erfüllen die Bürgschaften oder Kautionen, die allgemeinen Privilegien (Vorrechte) sowie die allgemeinen und speziellen Mobiliarprivilegien (Mobiliarvorrechte) nur die ersten zwei Eigenschaften. Die Hypothek und die speziellen Mobiliarprivilegien (Mobiliarvorrechte) können an die gewährleistete Schuld angepasst werden, aber die Eröffnung und Erfüllung dieser Garantiearten ist schwierig. Das Pfand ohne Enteignung (Entrechtung) und die realen Mobiliargarantien erfüllen zwar die ersten drei Eigenschaften, weisen jedoch hinsichtlich ihrer Erfüllung relative Schwierigkeiten auf. Das Pfand mit Enteignung (Entrechtung) ist im Vergleich zum Pfand ohne Enteignung (Entrechtung) an die gewährleistete Schuld schwer anzupassen. I. Personalgarantien. Die von den Banken geforderten Personal- und Realgarantien müssen von den Kautionen oder Bankbürgschaften unterschieden werden.
46
Der bankübliche Kautionsvertrag ist ein Nebenvertrag, auf dessen Grundlage sich die Bank gegenüber dem Kreditor (des Garantieempfängers) verpflichtet, die Obligationen des Debitors zu vollziehen, wenn der Debitor sie bis zum Fälligkeitstermin nicht erfüllt hat. Die Bankkaution kann für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen des Debitors gegenüber dem Kreditor oder für Verpflichtungen aus einer gegenüber dem banküblichen Kautionsvertrag fremden Angelegenheit, wie z. B. ein Vergehen des Debitors, angewendet werden.
47
Im Vergleich zur Bankkaution übernimmt die Bank im Fall der Bankbürgschaft anstelle des Debitors keine zusätzliche Zahlungsverpflichtung, sondern Verpflichtungen, die sich von jenen der abgesicherten Person unterscheiden. In zahlreichen Situationen fordern die Banken die Debitoren auf, eine Garantie in Form einer Bürgschaft nach gemeinem Recht abzugeben. Die gesetzliche Grundlage hierfür besteht im Bürgerlichen Gesetzbuch.
48
In der Regel sind die Begriffe „Bürgschaft“ und „Kaution“ bedeutungsverwandt und bestimmen einen Garantievertrag im Sinne des Art. 1652 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Der Begriff „Kaution“ hat aber auch eine andere Bedeutung, die dem Begriff „Pfand“ nahe steht. Demzufolge kann die Kaution sowohl in der Herbeibringung einer Person als Gewährträger (Bürge) als auch in der Eröffnung einer Geldeinlage zur Absicherung der Verpflichtungserfüllung bestehen (Hinsichtlich des juridischen Verhältnisses der Geldeinlage, die als Garantie eröffnet wurde, siehe auch http://www.tbs-sct.gc.ca/pubs_pol/hrpubs/TBM_1112/fsd-dse-26_f.html). In anderen Fällen besteht die Kaution nur in der Hinterlegung eines Geldbetrags als Garantie für die Verpflichtungserfüllung, z. B. wenn vom Debitor für die zu erfüllenden Verpflichtungen eine Geldgarantie konstituiert wird. In diesem Fall wird der Verwahrer (Depositär) des als Kaution hinterlegten Geldbetrags der Besitzer des Geldes, da das Geld ein konsumptives Gut darstellt. Im Fall eines Pfandes ist der Kreditor ein einfacher Inhaber, der sich verpflichtet, bis zum vereinbarten Termin einen mit dem als Garantie hinterlegten Geldbetrag gleichwertigen Betrag zurückzuzahlen, wenn der Hinterleger (Deponent) seine Verpflichtungen erfüllt hat (siehe hierzu die zitierte Lehrmeinung in Hamangiu, Das mit dem entsprechenden französischen, italienischen und belgischen Text angemerkte Bürgerliche Gesetzbuch, zusammen mit den Hinweisen auf die französische und rumänische Lehrmeinung und mit der vollständigen Jurisprudenz 1868-1926, Bukarest, Band IX, 1934, S. 296, Nr. 21). Viele Verfasser
49
Ciutacu
2690
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
(Stătescu, Bîrsan, Allgemeine Theorie der Verpflichtungen / Obligationen, 1992, S. 390) behaupten, dass es sich in diesem Fall um ein Pfand mit Enteignung (Entrechtung) handelt. Da das Geld als konsumptives Gut zum Besitz des Kreditors wird und es sich um eine Realgarantie handelt, wird die Auffassung vertreten, dass nicht alle Regeln, die im Bereich des Pfandes zur Anwendung kommen, im Bereich der Geldgarantie automatisch anwendbar sind (siehe hierzu Cabrillac, Mouly, op. cit., S. 33, op. cit., S. 334 – Vergleich zwischen Geldeinlagen und unabhängigen Garantien). In diesem letzten Fall kann der Begriff „Kaution“ mit den Begriffen „Garantieeinlage“, „Geldeinlage“ und „Finanzgarantie“ ersetzt werden. Manchmal kommt auch der Begriff „Konsignation“ zur Anwendung. Demzufolge ist der Begriff „Pfand“, so wie dieser im Fall der Geldkaution verwendet wird, mit dem Begriff „Pfand“, so wie dieser im Bürgerlichen Gesetzbuch (Art. 1685 f) definiert ist, nicht identisch. 50
In Situationen, in welchen die Bürgschaft nach gemeinem Recht aufgrund der Ausnahmen, die der Bürge dem Kreditor entgegensetzen kann, weniger wirksam ist, versucht die Praxis die Verpflichtung des Bürgen zu verstärken, sodass der Bürge keine Möglichkeit zur Vorbringung dieser Ausnahmen mehr hat (siehe hierzu: Cabrillac, Mouly, op. cit., S. 323 f; Simler, Delebeque, op. cit., S. 184; Malaurie, Aynés, op. cit., S. 113 f.; Radu Rizoiu, Funktionelle Erörterung des Bankbürgschaftsbriefs mit besonderem Hinblick auf die unabhängige Garantie. Begriff, Juridischen Brief, Nr. 5/2004, S. 66-88; Funktionelle Erörterung des Bankbürgschaftsbriefs mit besonderem Hinblick auf die unabhängige Garantie. Auswirkungen, Juridischen Brief, Nr. 10/2004, S. 107-127; http://lexinter.net/ JP/garanties.html/).
51
Die unabhängige Garantie unterscheidet sich von der Bürgschaft dadurch, dass der Gewährträger (Bürge) in die Rechte des Kreditors nicht eintreten kann. Eine weitere Besonderheit der unabhängigen Garantie besteht darin, dass sie gegenüber der Hauptoperation nicht nebensächlich ist. Zudem entzieht diese Garantie dem Gewährträger die anhaftenden Ausnahmen (Einreden), die aus der Hauptschuld hervorgehen, wie z. B. die Nichterfüllung der Verpflichtungen seitens des Kreditors, die Verjährung (Verordnung), die vom Debitor bereits durchgeführte Zahlung usw. Diese Besonderheit entspricht der Entwicklung der unabhängigen Garantien im internationalen Handel dadurch, dass die langfristigen Termine und die langsame Abwicklung der internationalen Operationen (Geschäfte) verhindert werden. Die unabhängige Garantie wird als Obligation (Verpflichtung) definiert, welche die Zahlung eines Betrags vorsieht, der anlässlich und als Garantie eines wirtschaftlichen Geschäfts ermittelt wurde. Da die anhaftenden Ausnahmen(Einreden) dieser Operation dem Nutznießer nicht entgegengebracht werden können, ist die Garantie vom wirtschaftlichen Geschäft unabhängig.
52
Von dieser Definition werden auch andere Formen der unabhängigen Garantien umfasst: Garantie auf erste Anforderung, selbständige Garantie, abstrakte Garantie, Bürgschaftsbrief oder Standby-Kreditbrief (Hinsichtlich der in Rumänien abgeschlossenen Darlehens- und Garantienerträge, manche davon auf Grundlage von Standby-Vereinbarungen, siehe das Abkommen hinsichtlich der Gründung der Welthandelsorganisation. Rumänien hat dieses Abkommen durch das Gesetz Nr. 133 vom 22. Dezember 1994, welches im rumänischen Amtsblatt Nr. 360 vom 27. Dezember 1994 veröffentlicht wurde, ratifiziert. Hinsichtlich der Garantien, die vom Staat nach dem GATT-System oder nach dem System der Welthandelsorganisation angeboten wurden siehe auch Vuap, Die Europäische Gemeinschaft und das neue relative GATT- / Welthandelsorganisationsabkommen hinsichtlich der Subventionen und kompensatorischen Maßnahmen, Handelsrechtszeitschrift, Nr. 7-8/1998
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2691
(I), S. 99-122, Nr. 9/1998 (II), S. 61-76, Nr. 10/1998 (III), S. 127-154, Nr. 11/1998 (IV), S. 119-131; Stoica, Rechtssystem der Welthandelsorganisation. Juridisches Verhältnis des Dumpings im internationalen Güterhandel, in der Handelsrechtszeitschrift, Nr. 10/ 2004, S. 103113; Die Welthandelsorganisation – Struktur, Geschichte und Perspektiven. Rumänien und die Welthandelsorganisation. Verteidigungsinstrumente aus der Perspektive der Welthandelsorganisationsabkommen: Anti-Dumping-Verfahren und Maßnahmen, kompensatorische Maßnahmen, Schutz- und Bewahrungsmaßnahmen, Handelsrechtszeitschrift, Nr. 3/2003, S. 138-158); Bankbürgschaft (siehe auch Florescu, Spezielle Gewährleistungsinstrumente im Rahmen der modernen banküblichen Usanzen, Rechtszeitschrift, Nr. 6/1998, S. 133-136). Die Grundlagen für den Bereich der unabhängigen Garantien finden sich größtenteils in den Handelsbräuchen. Diese sind fast ausschließlich ein Produkt sowohl der innländischen als auch der internationalen Handelspraktik. Die Rechtmäßigkeit der unabhängigen Garantien besteht in deren ursprünglicher Basis. Die unabhängigen Garantien ersetzen die Garantieeinlage (Geldkaution), die sich als teuer und unwirtschaftlich erwies. Über die Wirksamkeit besteht kein Zweifel, denn es wird dem Kreditor ein wirksames Mittel zur Druckausübung gegenüber dem Debitor zur Verfügung gestellt. So kann der Kreditor, im Fall von Nichterfüllung der Verpflichtungen seitens des Debitors, anhand des als Garantie hinterlegten Betrags zufriedengestellt werden. Demnach ist die Geldkaution, die auch als Garantieeinlage bezeichnet wird, dem Pfand mit Enteignung (Entrechtung) ähnlich. Demzufolge unterscheiden sich die unabhängigen Garantien von den Geldeinlagen vor allem durch ihre Unabhängigkeit gegenüber dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Wenn die Garantieeinlage sowohl von einem Dritten als auch vom Debitor selbst konstituiert werden kann, so wird der Garantievertrag immer zwischen dem Kreditor und einem Dritten, meistens einer Bank, abgeschlossen. Die unabhängigen Garantien ersetzen im Rahmen der Handelspraktik die Geldeinlagen, die vom Debitor oder von einem Dritten konstituiert werden. Diese Garantien bieten Vorteile für den Debitor und begünstigen im Allgemeinen den Kredit. Die gegenseitige Kaution entspricht dem Solidaritätsbedarf der Mitglieder eines Berufs (Gewerbes) und stellt für jedes Mitglied ein Mittel zur Verpflichtung im Sinne des Gemeinwohls dar. Zugleich gestattet die gegenseitige Kaution jedem Mitglied eines Berufs (Gewerbes), die Risiken besser zu tragen (Grundlage für die gegenseitige Kaution ist das Korporativprinzip – Simler, Delebeque, op. cit., S. 31, zusammen mit der an dieser Stelle zitierten Lehrmeinung, Note 1). Die Gesellschaften mit dieser Besonderheit bieten ihren Mitgliedern die Möglichkeit, eine Herabsetzung (Ermäßigung) der Bankzinsen zu erlangen oder Bankkredite zu erhalten. Bankkredite könnten ohne das Vorhandensein solcher Garantien nicht gewährt werden. Die gegenseitige Kaution ersetzt die Realgarantien, die die Debitoren nicht gewähren können oder nicht einräumen möchten. Die Gesellschaften, die sich mit gegenseitigen Kautionen beschäftigen, sind im privaten Bereich als kleine oder mittlere Unternehmen auf dem Marktgebiet der Finanzdienstleistungen tätig. Die Gewährleistung unter Einschaltung von Gesellschaften, die sich mit gegenseitigen Kautionen beschäftigen, ist einfach. Die Kunden derselben Bank oder die Mitglieder desselben Berufs (Gewerbes) schließen sich (nach beruflichen und anderen Kriterien) zusammen und legen einen Pauschalbetrag auf einem gemeinsamen Konto an. Dieser Pauschalbetrag ist für die Gewährleistung der Verpflichtungen (Obligationen), die einer oder mehrere der Beteiligten auf sich nimmt / nehmen, bestimmt. Der Fonds sichert im Verhältnis zum verfügbaren Betrag diese Verpflichtungen (Obligationen) ab, sodass die Kre-
Ciutacu
53
54
55
56
2692
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
ditoren durch den im Fondskonto eingelegten Betrag befriedigt werden können. Der Kreditor erhebt Regressklage gegen den Debitor hinsichtlich der Rückerstattung des bezahlten Betrags. Die Gesellschaften, die sich mit gegenseitigen Kautionen beschäftigen sind in Ländern mit Tradition im Bereich der funktionellen Marktwirtschaft aktiv tätig. 57
Gelegentlich erfolgt der Zusammenschluss infolge einer Zwangshandlung. In diesen Fällen werden die sogenannten Garantiefonds gegründet. Die Gründung von Garantiefonds ist vom Gesetz aus zwingend vorgesehen. Die Fonds werden somit auf Grund einer gesetzlichen Verordnung gegründet. Der Zweck der Fonds besteht in der Einsammlung von Geldbeträgen von bestimmten Kategorien von Wirtschaftsagenten. Diese Beträge garantieren die Erfüllung von Verpflichtungen (Obligationen), die diese Wirtschaftsagenten gegenüber ihren Kreditoren (Rechtspersonen oder natürliche Personen) aus einer bestimmten Kategorie haben. Laut Gesetz sind die Wirtschaftsagenten gezwungen, sich bei der Gründung der Fonds zu beteiligen. Solche Fonds werden in manchen Fällen nach Gesetz als öffentlich-rechtliche Rechtspersonen definiert. Das Vorhandensein solcher Fonds fördert die privat-öffentliche Partnerschaft. Nachstehend werden einige Normativakte, die in Rumänien gültig sind und solche Garantiefonds regeln, analysiert (siehe hierzu auch die Regierungsverordnung Nr. 23 vom 29. Januar 1999 über die Gründung der Garantiefonds, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 42 vom 29 Januar 1999 veröffentlicht wurde. Die o. g. Regierungsverordnung wurde durch das Gesetz Nr. 361 vom 7. Juni 2002, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 417 vom 14. Juni 2002 veröffentlicht wurde, abgelehnt).
58
1. Die gegenseitige Garantiereserve, gegründet von den Zentralkassen der Kreditgenossenschaften. Die Organisierung und Wirkung der genossenschaftlichen Kreditorganisationen sind durch die Regierungsnotverordnung Nr. 97/2000 geregelt (Die Regierungsnotverordnung Nr. 97 vom 29. Juni 2000 über genossenschaftlichen Kreditorganisationen wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 330 vom 14. Juli 2000 veröffentlicht und durch das Gesetz Nr. 200 vom 16. April 2002 genehmigt und geändert. Dieses Gesetz wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 300 vom 8. Mai 2002 veröffentlicht. Die o. g. Regierungsnotverordnung wurde nachträglich geändert). Die genossenschaftlichen Kreditorganisationen sind jene bevollmächtigten Kreditgenossenschaften und Zentralkassen, die entsprechend dem Gesetz ihre Tätigkeit ausüben. Sie sind autonome, apolitische und nichtstaatliche Organisationen (Gemeinschaften), deren Hauptbeschäftigung in der Ausübung von Banktätigkeiten im Sinne der gegenseitigen Hilfe für ihre Mitglieder besteht (Art. 2 d und Art. 3). Jede Kreditgenossenschaft ist verpflichtet, sich einer Zentralkasse der Kreditgenossenschaften anzuschließen.
59
Die Zentralkassen können einen Berufsverband organisieren. Ziele eines Berufsverbands sind: die Vertretung der Gemeininteressen der genossenschaftlichen Kreditorganisationen gegenüber den Staatsbehörden, die Analyse der Probleme von gemeinsamen Interessen, die Ausarbeitung der dazugehörigen Empfehlungen, die Benachrichtigung der Berufsverbandmitglieder und der Öffentlichkeit, die Förderung und Unterstützung der Zusammenarbeit, die Organisierung und Verwaltung der Dienstleistungen, die Gemeininteresse erwecken (Art. 6).
60
Eine der Verpflichtungen der Zentralkasse besteht in der vollständigen Absicherung der Verpflichtungen (Obligationen) der angeschlossenen Kreditgenossenschaften gemäß den erlassenen Regelungen. In diesem Sinne wird die Zentralkasse auf Grundlage der Beiträge der angeschlossenen Kreditgenossenschaften und einer Quote von höchstens 5% des buchhalterischen Gewinns, welcher vor dem Abzug der Gewinnsteuer ermittelt wird, die gegenseitige
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2693
Garantiereserve bilden. Die Gründung der gegenseitigen Garantiereserve erfolgt nach den Regelungen, die zu diesem Zweck von der Zentralkasse erlassen wurden (Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 122 vom 19. April 2004 über die Änderung der Regierungsnotverordnung Nr. 97/2000. Dieses Gesetz wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 387 vom 3 Mai 2004 veröffentlicht). Hinsichtlich der Gründung der gegenseitigen Garantiereserve werden die Zentralkassen jährlich eine Quote aus dem buchhalterischen Gewinn, welche vor dem Abzug des Gewinnsteuers ermittelt wird, zuteilen. Die gegenseitige Garantiereserve dient zur Absicherung der Verpflichtungen (Obligationen) der angeschlossenen Kreditgenossenschaften abhängig davon, in welcher Höhe sich die betreffenden Beträge im Nettogewinn wiederfinden. Die Gründungs- und Verwendungsart sowie die Höhe (das Niveau) der gegenseitigen Garantiereserve werden durch Regelungen der Zentralkassen bestimmt. Neben der obligatorischen Mindestreserve sind die Zentralkassen verpflichtet, die Höhe (das Niveau) der Aktiva mit einem höheren Liquiditätsgrad aufrecht zu erhalten. Die Höhe (das Niveau) dieser Aktiva muss mindestens gleichwertig mit der Höhe (dem Niveau) der gegenseitigen Garantiereserve sein (Art. 102 Abs. 8, welcher durch das Gesetz Nr. 12/ 2004 hinzugefügt wurde).
61
2. Der Einlagengarantiefonds im System der genossenschaftlichen Kreditorganisationen. Entsprechend dem Art. 203 der Regierungsnotverordnung Nr. 97/2000, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 12/2004 geändert wurde, garantiert der Einlagengarantiefonds im System der genossenschaftlichen Kreditorganisationen die Rückerstattung in Form von Kompensationen (Vergütungen) der Einlagen, die für natürliche Personen bei Kreditgenossenschaften und Zentralkassen der Kreditgenossenschaften, die solche Einlagen akzeptieren, gegründet wurden. Die Rückerstattung erfolgt gemäß den in der geänderten Regierungsverordnung Nr. 39/1996 vorgesehenen Bedingungen und Höchstgrenzen. Die Rückerstattung der Einlagen erfolgt im Fall der Insolvenz der Zentralkassen (Art. 204, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 12/2004 geändert wurde).
62
3. Der Einlagengarantiefonds im Bankensystem. Die Gründung des Einlagengarantiefonds im Bankensystem ist durch die Regierungsverordnung Nr. 39/1996 geregelt (Regierungsverordnung Nr. 39 vom 28. August 1996 über die Gründung und Wirkung des Einlagengarantiefonds im Bankensystem, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 206 vom 30. August 1996 veröffentlicht wurde. Die o. g. Regierungsverordnung wurde durch das Gesetz Nr. 88 vom 27. Mai 1997, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 107 vom 30. Mai 1997 veröffentlicht wurde, genehmigt und nachträglich geändert und ergänzt). Laut dieser Verordnung wird der Fonds als öffentlich-rechtliche Rechtsperson gegründet. Die Organisation und Wirkung des Fonds wird durch eigene Satzung, die vom Verwaltungsausschuss der Rumänischen Nationalbank auf Vorschlag des Fondsverwaltungsausschusses, mit konsultativer Begutachtung durch die Rumänische Bankengemeinschaft genehmigt wird, bestimmt (Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 178 vom 17. Mai 2004 über die Änderung und Ergänzung der Regierungsverordnung Nr. 39/1996. Das Gesetz wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 489 vom 1. Juni 2004 veröffentlicht).
63
Der Fonds dient zur Absicherung der Einlagen, die bei den bevollmächtigen Kreditanstalten unter gesetzlichen Bedingungen gegründet wurden. Zugleich dient der Fonds zur Durchführung von Zahlungen in Form von Kompensationen (Vergütungen) an natürliche Personen, juristische Personen oder Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit. Die Zahlungen erfolgen gemäß den in der Regierungsverordnung vorgesehenen Bedingungen und Höchstgrenzen (Art. 2 Abs. 1 b, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 178/2004 geändert wurde). Bei der Gründung der finanziellen Ressourcen des Fonds müssen sich alle gesetzlich bevollmächtigten
64
Ciutacu
2694
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Kreditanstalten beteiligen, mit Ausnahme jener, für welche hinsichtlich der gegründeten Einlagen eine Staatsgarantie besteht (Art. 3 Abs. 1, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 178/2004 geändert wurde). Wenn im Fall einer Kreditanstalt ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, bezahlt der Fonds die garantierten Einlagen an die abgesicherten Deponenten (Hinterleger) in Form von Kompensationen (Vergütungen), je nach Limit des Garantielimits. Die wichtigsten finanziellen Ressourcen des Fonds sind die Initial- und Jahresbeiträge, sowie die erhöhten und speziellen Beiträge der Kreditanstalten (Art. 7 Abs. 1 a, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 178/2004 geändert wurde). Der Fonds ist einem dem Deponenten garantierten Betrag gleichwertig (Art. 19, Satz I, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 178/2004 geändert wurde). 65
Die Kreditanstalten sind verpflichtet, den Deponenten (Hinterleger) alle notwendigen Informationen hinsichtlich des Garantieschemas zur Verfügung zu stellen. Solche Informationen betreffen besonders die Arten der Garantieeinlagen und jene Garantieeinlagen, die von der Zahlung von Kompensationen ausgeschlossen sind (nicht garantierte Einlagen), die Höhe (das Niveau) des Garantielimits, die Berechnungsweise der Kompensation, die Unterlagen, die Bedingungen und Formalitäten für die Erlangung der Kompensationen, die Zeitabstände in welchen die Kompensationen für Garantieeinlagen bezahlt werden können (Art. 43 Abs. 1, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 178/2004 geändert wurde).
66
4. Der Kompensationsfonds für Investitionsträger, die auf dem Kapitalmarkt tätig sind. Das neue Gesetz über den Kapitalmarkt (Gesetz Nr. 297 vom 28. Juni 2004 über den Kapitalmarkt, veröffentlicht im rumänischen Amtsblatt Nr. 571 vom 29 Juni 2004) regelt den Kompensationsfonds für Investitionsträger, die auf dem Kapitalmarkt tätig sind. Der Kompensationsfonds für Investitionsträger wird als juristische Person in Form einer Handelsgesellschaft gegründet und beruht auf der durch den Nationalen Ausschuss für Mobiliarwerte vorher genehmigten Gründungsurkunde. Die Aktienbesitzer des Fonds sind die Vermittler und die Investitionsverwaltungsgesellschaften, deren Aufgabenbereich die Verwaltung der individuellen Investitionsportofolien umfasst. Aktienbesitzer des Fonds können Marktoperateure, Zentralverwahrer und andere Entitäten sein, die vom Nationalen Ausschuss für Mobiliarwerte geregelt und beaufsichtigt werden (Art. 44).
67
Der Fonds dient dem Zweck, die Forderung des Investitionsträgers zu befriedigen, im Fall der Unfähigkeit der Fondsmitglieder, die Geldbestände und / oder die geschuldeten oder den Investitionsträger gehörenden Finanzinstrumente, die im Namen der Investitionsträger zur Durchführung von finanziellen Investitionen oder zur Verwaltung der individuellen Investitionsportofolien verwendet wurden, rückzuerstatten (Art. 46 Abs. 1). Die wichtigsten finanziellen Ressourcen des Fonds sind die Initialbeiträge der Mitglieder, welche entsprechend den Regelungen des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte bezahlt werden (Art. 49 Abs. 1 a).
68
5. Der nationale Kreditgarantiefonds für kleine und mittlere Unternehmen. Dieser Fonds wird zur Zeit durch den Regierungsbeschluss Nr. 1.211/2001 geregelt (Regierungsbeschluss Nr. 1.211 vom 27. November 2001 über die Gründung des nationalen Kreditgarantiefonds für kleine und mittlere Unternehmen, welcher im rumänischen Amtsblatt Nr. 785 vom 11. Dezember 2001 mit den nachträglichen Änderungen veröffentlicht wurde). Der Fonds wurde als Aktienhandelsgesellschaft gegründet (Art. 1). Der einzige Anteilbesitzer zum Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung ist der rumänische Staat (Art. 2 Abs. 4). Der ausschließliche Zweck dieses Fonds ist die Absicherung von Krediten und sonstigen Finanzinstrumenten, die von kleinen und mittleren Unternehmen bzw. von rumänischen natürlichen Personen und Rechtspersonen bei Banken oder anderen Finanzinstituten entsprechend den gesetzlichen Bedingungen erlangt werden können (Art. 2 Abs. 1). Der Fonds wurde mit
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2695
einem Gesellschaftsgrundkapital von 50 Milliarden Lei aus den Beträgen finanziert, die zu diesem Zweck vom Staatsbudget dem Ministerium für kleine und mittlere Unternehmen zugewiesen wurden (Art. 3 Abs. 1). Im neuen Gesetz über die Förderung der Gründung und Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen ist ein Kapitel mit dem Titel „Der Kreditgarantiefonds für kleine und mittlere Unternehmen“ vorgesehen (Gesetz Nr. 346 vom 14 Juli 2004 über die Stimulierung und Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen, veröffentlicht im rumänischen Amtsblatt Nr. 681 vom 29. Juli 2004). 6. Der Garantiefonds für Landeskredite. Laut Art. 1 des Gesetzes Nr. 150/2003 wird der Agrarproduktionskredit als jenes Wirtschafts- und Finanzinstrument der Agrarpolitik definiert, mit dessen Hilfe die laufenden landwirtschaftlichen Produktionstätigkeiten, die vorrangig vom Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Waldwesen bestimmt wurden, unterstützt werden (Das Gesetz Nr. 150 vom 14 April 2003 über den Agrarproduktionskredit, wurde mit den nachträglichen Änderungen im rumänischen Amtsblatt Nr. 276 vom 19. April 2003 veröffentlicht). Die nach den gesetzlichen Bestimmungen gewährten Kredite können laut Gesetz durch den Garantiefonds für Landeskredite (gegründet im Jahr 1994) oder durch andere Handelsgesellschaften mit demselben Profil abgesichert werden. Zugleich können diese Kredite durch folgende Modalitäten abgesichert werden: Pfand ohne Enteignung (Entrechtung) von landwirtschaftlichen Kulturen, Tieren oder landwirtschaftlichen Maschinen und Einrichtungen, die bei Versicherungsanstalten abgesichert sind; Hypothek auf Gebäude und landwirtschaftliche Geländen oder andere Garantien, die von den kreditgebenden Banken anerkannt und angenommen werden.
69
Empfänger dieser Kredite sind in der Praxis: a) die individuellen oder in verschiedenen Formen assoziierten Hersteller ohne Rechtspersönlichkeit, die eigene oder vertraglich gepachtete Bodenflächen bearbeiten, Tiere züchten, landwirtschaftliche Produktion realisieren, landwirtschaftliche Produkte in den Handel bringen oder landwirtschaftliche Arbeiten ausführen; b) die Handelsgesellschaften oder landwirtschaftlichen Unternehmen mit Privatkapital oder vorwiegenden Privatkapital, die ihre Tätigkeit im Bereich der Landwirtschafts- oder Lebensmittelproduktion ausüben; c) die Gemeindehäuser zur Entwicklung der Infrastruktur. Die Kredite werden in folgende Kategorien eingeteilt: 1. kurzfristige Kredite: Kredite für die landwirtschaftliche Produktion; Kreditlinien für den Ankauf von Rohmaterialien zwecks Prozessierung oder Bildung des Viehfuttervorrats; pauschale Betriebskredite (Arbeitskapital); Kredite für die Finanzierung der notwendigen zeitweiligen Vorräte der Hersteller von landwirtschaftlichen Produkten oder der Viehund Geflügelzüchter; 2. langfristige Kredite: Investitionskredite; Kredite zur Realisierung der Infrastrukturentwicklungsarbeiten durch die Gemeindehäuser.
70
Nachstehend wird die Art und Weise, auf welche die Garantien gewährt werden können, beschrieben: Die für die Erlangung des Kredits erforderliche Dokumentation wird bei der finanzierenden Handelsbank eingereicht. Die Bank analysiert die Dokumentation. Falls sie die Abwicklung des Vorhabens akzeptiert, wird sie den Bürgschaftsantrag ausfüllen. Die Bank übermittelt dem Fonds den Bürgschaftsantrag zusammen mit der Erklärung des Kunden und mit der Garantieakte, welche die Dokumentation der Kreditakte in Form von Kopien enthalten muss. Der Fonds analysiert die Dokumentation. Falls die Dokumentation den eigenen methodologischen Normen des Fonds entspricht, so wird der Fonds die Bürgschaft innerhalb von höchstens 7 oder 15 Arbeitstagen (je nach Wert) gewähren. Der Fonds und die Bank unterzeichnen einen Garantievertrag zugunsten des landwirtschaftlichen Herstellers. Für Bürgschaften bis 10.000 Euro (oder Gegenwert in Lei) führt der Garantiefonds für Landeskredite keine eigene Analyse mehr durch. In diesen Fällen wer-
71
Ciutacu
2696
72
73
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
den die Bürgschaften nur auf Grundlage der Kreditgenehmigung durch die Bank, des von der Bank ausgefüllten Bürgschaftsantrags und des Referats gewährt. 7. Der Garantiefonds für Einlagenzertifikate. Die Regierungsnotverordnung Nr. 141/ 2002 regelt die Art und Weise wie die Lizenz für die Einlagerung von Zertifikaten gewährt wird. Zugleich regelt die o. g. Regierungsnotverordnung (Art.1) das System der Einlagenzertifikate und die Gründung des Garantiefonds für Eillagenzertifikate (Die Regierungsnotverordnung Nr. 141 vom 17. Oktober 2002 wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 828 vom 18. November 2002 veröffentlicht und zusammen mit den nachträglichen Änderungen und Ergänzungen durch das Gesetz Nr. 149 vom 14. April 2002, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 276 vom 19. April 2003 veröffentlicht wurde, genehmigt). Der Garantiefonds für Einlagenzertifikate ist als öffentlich-rechtliche Rechtsperson mit außerbörslicher Finanzierung (Art. 29 Abs. 2) gegründet. Die Verwahrer (Depositäre), denen die Lizenz gewährt wurde, sind verpflichtet, im Fondskonto eine Quote einzulegen, die 0,5% vom Marktpreis des Konsumsaatguts, für welches die Einlagenzertifikate ausgestellt wurden, ausmachen soll. Die Einlage dieser Quote muss innerhalb von 30 Tagen nach der Ausstellung der Einlagenzertifikate erfolgen (Art. 29 Abs. 5, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 149/2003 geändert wurde). Der Garantiefonds für Einlagenzertifikate garantiert die Rückerstattung des Wertes des Saatgutes, welcher in den Einlagenzertifikaten, die von den lizenzierten Verwahrern (Depositären) den Deponenten (Hinterleger) und / oder den Kreditoren gewährt wurden eingetragen ist (Art. 30 Abs. 1, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 149/2003 geändert wurde). Die Deponenten (Hinterleger) können natürliche Personen oder juristische Personen sein, die eine Saatgutmenge besitzen und dem Verwahrer übergeben haben). Der Fonds wird im Fall von Leistungsunfähigkeit die Zahlung der Einlagen, die den Gegenwert des eingelegten Konsumsaatguts darstellt, ausgleichen (Ar. 30 Abs. 2). Die Einlagen werden als unverfügbar angesehen, wenn das Fachministerium feststellt, dass der Verwahrer (Depositär) nicht in der Lage ist, das Konsumsaatgut entsprechend den anwendbaren gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zu liefern, oder wenn der Abwickler, der entsprechend den Bedingungen des wieder in Kraft gesetzten Gesetzes Nr. 64/1995 ernannt wurde, das Nichtvorhandensein oder die Unverfügbarkeit der in den Einlagenzertifikaten eingetragenen Bestände bestätigt (Art. 30 Abs. 3, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 149/ 2003 geändert wurde). Der Inhaber eines Zertifikats über eine unverfügbare Einlage erhält vom Garantiefonds den Gegenwert des im betreffenden Einlagenzertifikat eingetragenen Konsumsaatguts. Dieser Gegenwert wird zum Marktpreis, welcher am Tag der Ausstellung des Rückerstattungsantrags gültig ist, berechnet (Art. 30 Abs. 4). Das Fachministerium wird den zum Marktpreis berechneten Gegenwert des unverfügbaren Einlagenzertifikats innerhalb von höchstens 30 Tagen nach Benachrichtigung durch die Deponenten und / oder Kreditoren bestimmen (Art. 30 Abs. 5, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 149/2003 geändert wurde). Der Fonds wird die Deponenten und / oder Kreditoren innerhalb von 30 Tagen nach Bestimmung der Verluste entsprechend den Verordnungsvorschriften und den anwendbaren methodologischen Normen entschädigen (Art. 30 Abs. 6, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 149/2003 geändert wurde). Hinsichtlich der Absicherung der finanziellen Interessen der Deponenten und / oder Kreditoren sind die Deponenten verpflichtet, sich bei der Gründung der finanziellen Ressourcen des Fonds zu beteiligen (Art. 31 Abs. 1, so wie dieser durch das Gesetz Nr. 149/2003 geändert wurde). Der Fonds ist hinsichtlich seiner Tätigkeit von Steuern und Gebühren befreit (Art. 31 Abs. 9, welcher durch das Gesetz Nr. 149/2003 eingeführt wurde).
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2697
II. Realgarantien. Im rumänischen Recht stellen Realgarantien sowohl Mobiliar- als auch Immobiliargarantien dar. In der Praxis der Banken ist die Sicherung von Forderungen durch beide Garantiearten üblich.
74
Das Pfand ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Demnach ist das Pfand ein realer, einseitig belastender und unteilbarer Nebenvertrag, auf dessen Grundlage ein Debitor oder Dritter dem Kreditor ein bewegliches Gut als Schuldgarantie übergibt. Das Pfand ist in den Artikeln 1685-1696 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt. Diese Artikel entsprechen dem Art. 2084 des französischen Bürgerlichen Gesetzbuchs und dem Art. 1878 f. des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Il Nouvo Codice civile – das Neue Bürgerliche Gesetzbuch regelt den Pfand – del pegno – in den Artikeln 2784-2807). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 99/1999 wurden im Handelsbereich die Vorschriften der Artikeln 478-489 des Handelsgesetzbuchs angewendet. Das Gesetz Nr. 99 vom 26. Mai 1999 über Maßnahmen zur Beschleunigung der Wirtschaftsreform beschreibt im VI. Abschnitt das Rechtsverhältnis der realen Mobiliargarantien. Demnach werden jedoch nur die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs außer Kraft gesetzt, sodass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs weiterhin anwendbar bleiben. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs regeln den Bereich der Rechtsverhältnisse, die sich dem Gesetz Nr. 99/1999 nicht unterordnen (Das Gesetz Nr. 99/1999 wurde mit Änderungen im rumänischen Amtsblatt Nr. 236 vom 27. Mai 1999 veröffentlicht. Die Vorschriften des Abschnitts VI. sind 90 Tagen nach Veröffentlichung in Kraft getreten). Das sich auf die Vorrangigkeit und Publizitätsprinzip der realen Mobiliargarantien beziehende Rechtsverhältnis des Gesetzes Nr. 99/ 1999 ist nach Regelung im Art. 1685-1696 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jedoch auch im Fall eines Pfandes anwendbar.
75
Die realen Mobiliargarantien sind ein relativ neues Rechtsinstitut im rumänischen Rechtssystem (siehe hierzu Ciutacu, op. cit., passim). Die Grundlage für diesen Bereich bildet der VI. Abschnitt des Gesetzes Nr. 99/1999 (Gesetz Nr. 99 vom 26. Mai 1999 über Maßnahmen zur Beschleunigung der Wirtschaftsreform wurde mit den nachträglichen Änderungen im rumänischen Amtsblatt Nr. 236 vom 27. Mai 1999 veröffentlicht).
76
Für diesen Bereich sind auch andere Normativakte zu berücksichtigen: die geänderte und ergänzte Regierungsverordnung Nr. 89 vom 29. August 2000 über Maßnahmen zur Bevollmächtigung der Operateure und zur Durchführung von Eintragungen im elektronischen Archiv für reale Mobiliargarantien (welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 423 vom 1. September 2000 veröffentlicht und zusammen mit den Änderungen und Ergänzungen durch das Gesetz Nr. 298 vom 15. Mai 2002 genehmigt wurde. Das Gesetz Nr. 298/2002 wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 356 vom 28. Mai 2002 veröffentlicht. Die Regierungsverordnung Nr. 89/2000 wurde durch die Regierungsverordnung Nr. 12 vom 30. Januar 2003, welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 59 vom 1. Februar 2003 veröffentlicht wurde, geändert und ergänzt); der Regierungsbeschluss Nr. 802 vom 30. September 1999 über die Genehmigung der Vorschrift hinsichtlich der Organisierung und Wirkung des elektronischen Archivs für reale Mobiliarwerte (welcher im rumänischen Amtsblatt Nr. 499 vom 15. Oktober 1999 zusammen mit den nachträglichen Änderungen veröffentlicht wurde); die Anordnung des Justiz- und Finanzministeriums Nr. 766/C/552/2 vom 24. April 2002 über die Genehmigung der Anweisungen hinsichtlich der Einnahme und Entrichtung der Gebühren, die laut der Regierungsverordnung Nr. 89/2000 über Maßnahmen zur Bevollmächtigung der Operateure und zur Durchführung von Eintragungen im elektronischen Archiv für reale Mobiliargarantien vorgesehen sind (Die Anordnung Nr. 766/C/552/2 wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 327 vom 16 Mai 2002 veröffentlicht); die Anweisung des Justizministers
Ciutacu
2698
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Nr. 3.128/C vom 28. Oktober 2003 über die Kriterien, nach welchen die Archivverwalter (Archivoperateure) bevollmächtigt werden (welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 780 vom 6. November 2003 veröffentlicht wurde). Für diesen Bereich sind auch die Vorschriften des Gesetzes Nr. 297/2004 über den Kapitalmarkt, des Gesetzes Nr. 571/2003 über die Abgabenordnung, welches im rumänischen Amtsblatt Nr. 927 vom 23. Dezember 2003 zusammen mit den nachträglichen Änderungen und Ergänzungen veröffentlicht wurde, sowie der Regierungsverordnung Nr. 92/2003 über die wiederveröffentlichte Steuerverfahrensordnung); die Anordnung des Justizministers Nr. 1.290/C vom 13. Mai 2004 über die Genehmigung und Ausfüllung der Garantiebestätigungsformulare, welche die durchgeführten Eintragungen im elektronischen Archiv für reale Mobiliargarantien betreffen (welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 482 vom 28. Mai 2004 veröffentlicht wurde); die Anordnung des Justizministers Nr. 2.409/C vom 25. August 2004 über die Genehmigung der Anweisungen hinsichtlich der Verwendung der elektronischen Unterschrift im Sinne der Eintragung der Formulare und der Suche von Daten im elektronischen Archiv für reale Mobiliargarantien (welche im rumänischen Amtsblatt Nr. 829 vom 8. September 2004 veröffentlicht wurde); die Anordnung des Nationalen Ausschusses für Mobiliarwerte Nr. 55/2004 über die Genehmigung der Vorschrift hinsichtlich der Ausführung (Erfüllung) von Verträgen über reale Mobilargarantien, deren Gegenstand jene Mobiliarwerte darstellen, die auf den geregelten Märkten zugelassen wurden (Die Anordnung Nr. 55/2004 wurde im rumänischen Amtsblatt Nr. 1333 vom 1. Dezember 2004 veröffentlicht). 77
Die rumänische Rechtsordnung entspricht zum größten Teil des unter Leitung der Weltbank ausgearbeiteten Vorschlags des Zentrums für wirtschaftliche Rechtsanalyse (CEAL – Center for the Economic Analyses of Law – siehe http://www.ceal.org/). Das CEALProjekt (welches Gesetzentwürfe für verschiedene Länder vorbereitet hat) für Rumänien ist auf den Art. 9 – Secured Transaction des Uniform Commercial Code (UCC) der U.S.A. (in welchem die reale Mobiliargarantie als „security interests“ bezeichnet wird – siehe http://www.law.cornell.edu/ucc/9/overview.html/) und auf die Personal Property Security Acts (PPSA) aus Kanada (siehe http://www.gnb.ca/acts/acts/p-07-1.html/; http:// www.gnb.ca/acts/lois/p-07-1.html/). Es wurden auch die Entwürfe zur Änderung des rumänischen Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie zur Verabschiedung eines Gesetzes hinsichtlich des Handelspfands berücksichtigt. Diese Entwürfe wurden vom Justizministerium vor Erscheinung des Gesetzes vorbereitet (ausgearbeitet). Die Regelung der realen Mobiliargarantien durch das Gesetz Nr. 99/1999 entspricht bestimmten wirtschaftlichen und rechtlichen Bedürfnisse (siehe hierzu Teves, Der Vertrag über eine reale Mobiliargarantie, 2000, passim). Aus wirtschaftlicher Sicht fördern die realen Mobiliargarantien Investitionen. Zudem erleichtern sie den Zugang zu den Krediten und helfen bei der Neustrukturierung eines Debitors, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet.
78
Laut Art. 2 des Gesetzes ordnen sich den Regeln der realen Mobiliargarantie hinsichtlich der Vorrangigkeit, Publizität und Ausführung (Erfüllung) folgende Rechtshandlungen unter: a) alle Abtretungen der Forderungsrechte; b) die bedingten Verkäufe sowie andere Rechtshandlungen, die unabhängig von ihrer Form oder Bezeichnung für die Absicherung einer Verpflichtung (Obligation) mit einem bestimmten Gut vorgesehen sind; c) alle Formen von Vermietungen und jede Form von Leasing für eine Dauer von mehr als einem Jahr, welche die im Art. 6 vorgesehenen Güter betreffen; d) die Konsignationsverträge über die im Art. 6 vorgesehenen Güter, wenn der vertraglich vereinbarte Wert des zu verkaufenden Gutes größer als der in Lei ausgedrückte Gegenwert des Betrags von 1.000 Euro ist; e) die Warranten und die Aufbewahrungsscheine.
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Rumänien
2699
Der Vertrag über reale Mobiliargarantien hat eine größere praktische Bedeutung als das bürgerliche Pfand oder als das ehemalige Handelspfand, welches durch das Hangelsgesetzbuch geregelt wurde. Unter Berücksichtigung des Art. 1696 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, laut welchem die Regeln des Zivilpfandes im Rahmen der Handelsbeziehungen nicht angewendet werden, wird im Handelsbereich nur der Abschnitt VI. des Gesetzes Nr. 99/1999 angewandt. Was das Zivilpfand betrifft, ist nach Art. 3 des Gesetzes Nr. 99/ 1999 vorgesehen, dass nach der Regelung in Art. 1685-1696 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Vorschriften des genannten Abschnittes hinsichtlich der Vorrangigkeit und Publizität der realen Mobiliargarantien auch im Fall eines Pfandes anwendbar sind. Unter Berücksichtigung der Vorschriften des Art. 4 des VI. Abschnittes des Gesetzes Nr. 99/1999, die sich auf die Definition der Begriffe „Vermietung“ und „Leasing“ beziehen, sind die Vorschriften des betreffenden Gesetzes im Fall der Vermietung und des Leasings nicht anwendbar, soweit die Vermietung oder das Leasing von Gütern oder von mobilen Gütern eines immobilen Gutes nicht im Beschäftigungsbereich des Vermieters oder des Finanzierungsträgers vorgesehen ist.
79
Die durch den VI. Abschnitt des Gesetzes Nr. 99/1999 geregelte reale Mobiliargarantie wurde als ein reales Nebenrecht definiert. Gegenstand dieses Nebenrechtes ist ein mobiles Gut, welches zur Absicherung einer Verpflichtung (Obligation) bestimmt ist. Laut Art. 13 Abs. 1 des VI. Abschnitts des Gesetzes Nr. 99/1999 wird die reale Mobiliargarantie nur auf Grundlage eines Garantievertrags gegründet. Was die Immobiliargarantien betrifft, ist die Hypothek die klassische Garantie.
80
Die Hypothek ist ein reales Nebenrecht, ohne Enteignung, über ein immobiles Gut eines Debitors oder einer anderen Person. D. h., dass der Hypothekengläubiger das Recht hat, hinsichlich der Immobilie die Vollstreckung zu betreiben, gleichgültig in wessen Besitz sie sich befindet. Zugleich hat der Hypothekengläubiger gegenüber anderen Kreditoren das Recht, aus dem erzielten Erlös des betreffenden Gutes mit Vorrangigkeit bezahlt zu werden. Die Hypothek ist eine reale Immobiliargarantie. Laut Art. 1746 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist die Hypothek ein reales Recht über jene Immobilien, welche die Erfüllung einer Verpflichtung (Obligation) absichert. Die Hypothek hat als Mittel zur Absicherung einer Verpflichtung (Obligationen) mehrere Vorteile. Demnach bleibt das Pfandgut im Besitz des Debitors oder des Dritten. Der Debitor oder der Dritte kann alle Besitzerrechte ausüben. Zugleich können auf dieselbe Immobilie mehrere aufeinanderfolgende Hypotheken eingetragen werden.
D. Der Kapitalmarkt
81
Grundlage für diesen Bereich ist das Gesetz Nr. 297/2004 über das Marktkapital (welches im rumänischen Amtsblatt Nr. 571 vom 29. Juni 2004 veröffentlicht wurde). Dieser Normativakt regelt die Gründung und Wirkung der Finanzinstrumentmärkte zusammen mit ihren spezifischen Instituten und Vorgängen (Geschäften) sowie der Organisationen für Kollektivanlagen, im Sinne der Mobilisierung (Beschaffung) der finanziellen Bestände durch Investitionen in Finanzmittel. Die Vorschriften dieses Gesetzes werden im Bereich der Geldmarktinstrumente, die von der Rumänischen Nationalbank geregelt sind, und der Staatsschuldscheine, die vom Ministerium der öffentlichen Finanzen ausgestellt werden, nicht angewendet, soweit der Aussteller hinsichtlich der Transaktionen andere als die geregelten Märkte auswählt. Auch im Fall der Verwaltung der öffentlichen Schulden
Ciutacu
2700
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
(Staatsschulden), in welchen die Rumänische Nationalbank, Zentralbanken der Mitgliedsstaaten, andere nationale Entitäten der Mitgliedsstaaten mit ähnlichen Funktionen, das Ministerium der öffentlichen Finanzen oder andere öffentliche Entitäten verwickelt sind, werden die Vorschriften des o. g. Gesetzes nicht angewendet. 82
Die gesetzlich geregelten finanziellen Investitionsdienstleistungen sind: 1. Hauptdienstleistungen: a) Übernahme und Übertragung der von den Investitionsträgern erhaltenen Anweisungen hinsichtlich eines oder mehrerer Finanzinstrumente; b) Ausführung der Anweisungen, die im Zusammenhang mit einem oder mehreren Finanzinstrumenten stehen, und zwar anders als auf eigene Verantwortung; c) Übertragungen der Finanzinstrumente auf eigene Verantwortung; d) Verwaltung der Individualkonten (Portofolien) der Investitionsträger nach freier Verfügungsgewalt, unter Einhaltung des gewährten Mandats, wenn diese Individualkonten (Portofolien) ein oder mehrere Finanzmittel einschließen; e) Unterzeichnung von Finanzinstrumenten auf Grundlage einer bindenden Verpflichtung und / oder Anlage von Finanzinstrumenten; 2. Zusammenhängende Dienstleistungen: a) Treuhänderschaft und die Verwaltung von Finanzmitteln; b) Anmietung von Sicherheitskassetten (Sicherheitsfächern); c) Gewährung von Krediten oder Darlehen von Finanzinstrumenten für Investitionsträger hinsichtlich der Durchführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten in welche die betreffende dienstleistende Finanzinvestitionsgesellschaft eingebunden ist; d) Beratung der Gesellschaften in jedwelchen Angelegenheiten hinsichtlich der Kapitalstruktur und der Industriestrategie, sowie hinsichtlich der Fusionen und der Akquirierung von Gesellschaften; e) andere Dienstleistungen hinsichtlich der Unterzeichnung von Finanzinstrumenten auf Grundlage einer bindenden Verpflichtung; f) Investitionsberatung hinsichtlich der Finanzmittel; g) Dienstleistungen hinsichtlich des Währungswechsels im Zusammenhang mit den geleisteten Finanzinvestitionsdiensten. Der Nationale Ausschuss für Mobiliarwerte (C.N.V.M.) erlässt Regelungen über die geleisteten Dienste.
83
Die Finanzinvestitionsgesellschaften (S.S.I.F.) sind als juristische Personen in Form von Aktiengesellschaften, die Namensaktien ausstellen, gegründet. Die ausschließliche Beschäftigung der Finanzinvestitionsgesellschaften ist die Leistung von Finanzinvestitionsdiensten. Diese Finanzinvestitionsgesellschaften funktionieren nur auf der Grundlage der Bevollmächtigung durch den Nationalen Ausschuss für Mobiliarwerte. Hinsichtlich des Schutzes von Investitionsträgern, der Stabilitätssicherung, der Konkurrenzfähigkeit und der entsprechenden Funktionsfähigkeit der Märkte, erlässt der Nationale Ausschuss für Mobiliarwerte Regelungen über die Anforderungen hinsichtlich der Kapitalanpassung im Sinne einer entsprechenden Bewertung der Risiken. Eine entsprechende Bewertung der Risiken dient zur Vorbeugung und Einschränkung ihrer Auswirkungen. Die Vermittler und Agenten, die ihre Tätigkeit im Bereich der Finanzinvestitionsdienste ausüben, sind verpflichtet, die vom Nationalen Ausschuss für Mobiliarwerte erlassenen Verhaltensmaßregeln sowie die Vorschriften der geregelten Märkte, auf welchen sie ihre Geschäfte durchführen, einzuhalten. Laut Gesetz sind die Händler (Trader) juristische Personen, die Geschäfte mit fremden Finanzinstrumenten ausschließlich im eigenen Namen und auf eigene Verantwortung durchführen (z. B. Futures-Verträge, Optionen).
Ciutacu
§ 78 Länderteil – Russland
2701
22. Russland
§ 78 Länderteil Schrifttum Belov, Bankovskoje pravo Rossii (Bankrecht Russlands), 2000; Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoje pravo – Russland (Vertragsrecht), Buch 5, Bd. 1 u. 2, 2006; Vitrjanskij, Kreditnyj dogovor (Kreditvertrag), 2005; Efimova, Bankovskije sdelki (Bankgeschäfte), 2001; Novosjelova, Sdelki ustupki prava (trebovanija) v kommertscheskoj praktike. Factoring (Abtretungs- (Forderungs-) geschäfte in der Kommerzpraxis, 2003; Pavlodskij (Hrsg.), Kreditnyje organizacii v Rossii (Kreditinstitute in Russland), 2006; Sadikov (Hrsg.), Kommentarij k Grazdanskomu kodeksu Rossijskoj Federacii, tschasti vtoroj (Kommentar zum 2. Teil des Zivilgesetzbuches der RF), 5. Aufl. 2006; Sarbasch, Dogovor bankovskogo stschjeta (Bankkontovertrag), 1999; Suchanov (Hrsg.), Grazdanskoje pravo. Tom IV. Objazatelstvennoje pravo (Zivilrecht, Bd. IV, Schuldrecht), 3. Aufl. 2006; Tedeev, Elektronnyje bankovskije uslugi i internet-banking (Elektronische Bankdienstleistungen und Internet-Banking), 2002; Trofimov, Kreditnyje organizacii v bankovskoj sisteme Rossii (Kreditinstitute im Banksystem Russlands), 2004.
Inhaltübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Begriff des Banksystems . . . . . . . . . . . . . 1 2. Zentralbank der RF . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3. Banken und sonstige Kreditinstitute . . . . 5 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Organisation der Bankenaufsicht . . . . . . 14 2. Objekte der Bankenaufsicht . . . . . . . . . . 15 3. Formen der Bankenaufsicht und Veranwortlichkeit der Banken . . . . . . . . 18 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 21 1. Die wichtigsten Rechtsquellen des Bankrechts Russlands . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Andere Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 30 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Rechtliche Formen des Kredits . . . . . . . 30
2. Kreditvertrag und seine Arten . . . . . . . . II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Arten von Sicherheiten beim Bankkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere Arten von Sicherheiten beim Bankkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Bankkontovertrags (Girovertrags) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten der Bankkonten . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des bargeldlosen Zahlungsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die wichtigsten bargeldlosen Zahlungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 34 34 37 40 40 40 42 44 44 45
Stichwortverzeichnis Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bankgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Bankgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bankholdings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Banküberweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Budgetkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Budgetkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Bürge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Darlehenskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Draufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Devisenkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Factoring-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Föderale Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Garant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Handelsbräuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Internationale Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Laufendes Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Maßnahmen operativer Einwirkung . . . . . . . . . . . 36 Pfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Schek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Transitkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Überprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Verrechnungskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 2
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. 1. Begriff des Banksystems. Das Banksystem Russlands besteht aus der Zentralbank der Russischen Föderation (Bank Russlands, im Weiteren – „BR“) – eine erste, „obere“ Ebene – und den Banken sowie den sonstigen Kreditinstituten – eine zweite, „untere“ Ebene. Das Banksystem der Russischen Föderation (RF) schließt des
Suchanov
1
2702
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Weiteren die auf dem russischen Territorium tätigen Filialen und Repräsentanzen ausländischer Banken ein. Auf dem russischen Markt für Bankdiensleistungen ist die direkte Tätigkeit ausländischer Banken eingeschränkt. In den meisten Fällen wickeln ausländischen Institute Bankgeschäfte durch ihre Töchterorganisationen ab, die als selbständige juristische Personen des russischen Rechts gelten. Nach einer noch breiteren Auffassung müssen in ein Banksystem auch verschiedene freiwillige Bankvereinigungen, wie z. B. Bankassoziationen, Bankvereine usw. einbezogen werden. 2
2. Zentralbank der RF. Die Zentralbank der RF ist einerseits ein Staatsorgan, das wichtige staatliche Funktionen wahrnimmt: sie erarbeitet eine einheitliche staatliche Geld- und Kreditpolitik und führt diese durch; sie organisiert die Ausgabe von Bargeld und dessen Umlauf, sie normiert Regeln für den Zahlungsverkehr und die Abwicklung von Bankgeschäften in der RF, sowie die Regeln für die Buchführung und die Erstellung von Rechenschaftsberichten innerhalb des Banksystems der RF; sie führt die staatliche Registrierung von Banken und sonstigen Kreditinstituten durch und erteilt Bankgeschäftslizenzen; sie übt die Aufsicht über die Tätigkeit von Banken und sonstigen Kreditinstituten aus; sie organisiert die Devisenregulierung und übt die Devisenkontrolle in der RF aus, dabei stellt sie Regeln und Bedingungen für die Tätigkeit von Devisenbörsen auf. Zu Fragen, die in ihre Kompetenz fallen, erlässt die BR Rechtsakte in Form von Anweisungen, Regelungen und Instruktionen, die für die Exekutivorgane und alle juristischen und natürlichen Personen bindend sind.
3
Die BR ist der Staatsduma der Föderationsversammlung der RF rechenschaftspflichtig, die auf Vorschlag des Präsidenten der RF den Vorsitzenden der Bank Russlands und auf Vorschlag des letzteren die Mitglieder des Direktoriums der Bank Russlands beruft und abberuft, sowie die Jahresberichte der BR prüft.
4
Andererseits ist die BR gleichzeitig die Hauptbank Russlands und eine juristische Person, die berechtigt ist, Bankgeschäfte abzuwickeln. Das Grundkapital und sonstiges Vermögen der Bank Russlands ist föderales Vermögen. Der BR steht lediglich ein begrenztes Sachenrecht zur „wirtschaftlichen Verwaltung“ des ihr zugeordneten Vermögens zu (Art. 294, 295 des Zivilgesetzbuchs der RF, im Weiteren – „ZGB“). Dabei haftet die Russische Föderation in der Regel nicht für die Verbindlichkeiten (Schulden) der BR, Letztere haftet nicht für Schulden der RF. Das nähert die Zivilrechtslage eng an die Rechtslage der föderalen staatlichen „unitarischen Unternehmen“ an (Art. 113 ZGB).
5
3. Banken und sonstige Kreditinstitute. a) Kreditinstitute sind juristische Personen nur in Form von Aktiengesellschaften (offener oder geschlossener Typ) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die aufgrund einer Lizenz der BR Bankgeschäfte abwickeln dürfen. Zu den Bankgeschäften zählt Art. 5 des Föderalen Gesetzes v. 03.02.1996 № 17-FZ über Banken und Bankentätigkeit (im Weiteren – „BankG“) folgende Rechtsgeschäfte: Aufnahme von Geldmitteln und Edelmetallen als Einlagen; Anlge von aufgenommenen Mitteln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung; Eröffnung und Führung von Bankkonten und Durchführung von Bankkontenverrechnungen; Inkasso von Geldmitteln, Zahlungs- und Verrechnungsdokumenten, sowie Zahlstellendienste; Kauf und Verkauf ausländischer Währungen in Form von Bar- und Buchgeld; Erteilung von Bankgarantien (Art. 368 ZGB); Durchführung von Geldüberweisungen im Auftrag natürlicher Personen ohne Eröffnung von Bankkonten.
6
Die genannten Rechtsgeschäfte dürfen nur von Kreditinstituten und nur aufgrund einer Lizenz der BR abgeschlossen werden.
7
b) Banken sind Kreditinstitute, die insgesamt folgende Bankgeschäfte abwickeln dürfen: Aufnahme von Geldmitteln (und Edelmetallen) natürlicher und juristischer Personen
Suchanov
§ 78 Länderteil – Russland
2703
als Einlagen; Anlage von aufgenommenen Mitteln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung unter kommerziellen Bedingungen (d.h. Rückzahlungspflicht, Gebührenpflichtigkeit und Befristung, Eröffnung und Führung von Bankkonten natürlicher und juristischer Personen. Als juristische Personen unterliegen die Banken der staatlichen Registrierung und handeln aufgrund einer Bankgeschäftslizenz (Bankgeschäftserlaubnis) der BR. Die Bankgeschäftslizenz wird nach der staatlichen Registrierung der Bank und der vollständigen Einzahlung des Grundkapitals durch ihre Gründer erteilt. Bei der staatlichen Registrierung von Banken mit ausländischer Kapitalbeteiligung, von Filialen ausländischer Banken sowie Tochterbanken ausländischer Banken kann die Erteilung einer Bankgeschäftslizenz verweigert werden, wenn die Gesamtquote für die Beteiligung ausländischen Kapitals am Banksystem Russlands erreicht ist (Art. 18 BankG). Für solche Banken kann die BR zusätzliche Anforderungen hinsichlich der nominalen Vermögenswerte, die die Banken nachweisen müssen, und der Art der von ihnen abzuwickelnden Bankgeschäfte aufstellen.
8
Die Rechtsfähigkeit der Banken und sonstiger Kreditinstitute ist beschränkt (sog. zweckgebundene Rechtsgeschäftsfähigkeit): sie dürfen keine Produktions-, Handels- oder Versicherungstätigkeit ausüben. Außer Bankgeschäften dürfen sie folgende vom Gesetz direkt genehmigten Rechtsgeschäfte abwickeln: die Stellung von Bürgschaften für Dritte (Art. 361 ZGB), den Erwerb von Rechten, aus denen gegenüber Dritten die Erfüllung von Geldforderungen verlangt werden kann (Art. 382 ff. ZGB); Leasinggeschäfte (Art. 665 ff. ZGB); die treuhänderische Verwaltung von Geldmitteln und anderem Vermögen ihrer Kunden (in den meisten Fällen handelt es sich dabei nicht um einen Vertrag über treuhänderische Verwaltung i. S. v. Art. 1012 ff. ZGB, sondern um die Befugnis der Bank, im Interesse des Kunden bezüglich dieser Vermögensgegenstände verschiedene Geschäfte abzuwickeln: An- und Verkauf, Darlehen, Verpfändung, Leistung als Grundkapitaleinlage u.a. (Suchanov, Zivilrecht IV, S. 279).
9
c) Die Banken dürfen sich zu Bankgruppen und Bankholdings zusammenschließen, an denen sonstige Kreditinstitute und andere juristische Personen teilnehmen können (Art. 4 BankG). Die Bankgruppen und Bankholdigs sind keine juristischen Personen.
10
Eine Bankgruppe ist eine Vereinigung von Kreditinstituten (darunter Banken), in der ein Hauptkreditinstitut direkt oder indirekt (über eine Drittperson) einen wesentlichen Einfluss auf die durch Leitungsorgane eines anderen Kreditinstituts (anderer Kreditinstitute) getroffenen Beschlüsse ausübt. An einer Bankholding sind nicht nur Kreditinstitute beteiligt, sondern auch andere juristische Personen, wobei als Hauptinstitut hier nicht ein Kreditinstitut, sondern eine andere kommerzielle (Nicht-Bank-) Organisation tätig ist. Die Teilnehmer einer Bankgruppe (einer Bankholding) sind untereinander Tochterkapitalgesellschaften i. S. v. Art. 105 ZGB und Art. 6 des Föderalen Gesetzes v. 26.12.1995 № 208-FZ „Über Aktiengesellschaften“ sowie Art. 6 des Föderalen Gesetzes v. 08.02.1998 № 14-FZ „Über Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ (Sobranije zakonodatel`stva RF (Sammlung der Gesetzgebung der RF, im Weiteren – SG RF), 1996, № 1, art. 1; 1998, № 7, art. 785).
11
Den Banken und sonstigen Kreditinstituten ist es verboten, Vereinbarungen zu treffen und Handlungen abzustimmen, die auf Monopolisierung des Bankdienstleistungsmarktes und Wettbewerbseinschränkung im Bankensektor gerichtet sind.
12
d) Sonstige Kreditinstitute dürfen aufgrund einer Lizenz der BR nicht alle, sondern nur einzelne Bankgeschäfte abwickeln. Als Beispiel solcher Institute lassen sich die durch Banken, Börsen und andere juristische Personen durch ständige Abwicklung von gegenseitigen bargeldlosen Zahlungen gegründeten Clearingsinstitute (Verrechnungs- bzw.
13
Suchanov
2704
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Clearingskammer, Verrechnungszentren u. ä.), sowie Kreditgesellschaften auf Gegenseitigkeit in Form von Verbrauchergenossenschaften (das Föderale Gezetz v. 07.08.2001 № 117-FZ „Über Kreditverbrauchergenossenschaften der Bürger“ – SG RF, 2001, № 33, art. 3420) anführen. 14
II. Bankenaufsicht. 1. Organisation der Bankenaufsicht. Die BR übt Aufsicht über die Tätigkeit der Banken und sonstiger Kreditinstitute, sowie der Bankgruppen und Bankholdings aus. Dazu wurde in der BR ein Komitee für Bankenaufsicht gebildet, dessen Leiter durch den Vorsitzenden der BR aus den Mitgliedern des Direktoriums der BR benannt wird.
15
2. Objekte der Bankenaufsicht. Die BR darf von den Banken verlangen, ihr benötigte Informationen über deren Tätigkeit sowie Erklärungen zu deren Inhalt zur Verfügung zu stellen.
16
Die Banken und sonstige Kreditinstitute sind verpflichtet, alle vier Monate ihre buchhalterische Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Informationen hinsichtlich einer ausreichenden Eigenkapitalquote, der Höhe von Reserven und anderen Aktiva, und jährlich ihre buchhalterische Bilanz, sowie Gewinn- und Verlustrechnung samt Bestätigung deren Richtigkeit durch den Wirtschaftsprüfer in der Presse zu veröffentlichen. Des Weiteren sind Bankgruppen- und Bankholdinghauptinstitute verpflichtet, jährlich konsolidierte buchhalterische Bilanzen und konsolidierte Gewinn- und Verlustrechnungen samt Bestätigung deren Richtigkeit durch einen Wirtschaftsprüfer zu veröffentlichen.
17
Die BR legt für die Banken und sonstigen Kreditinstitute einige verbindliche Richtwerte fest, u. a. über die Mindesthöhe des Grundkapitals und der Reserven, die maximale Höhe des Risikos pro Darlehensnehmer, den maximalen Umfang der den Bankaktionären (bzw. Teilnehmern) zu gewährenden Kredite, Garantien und Bürgschaften, und prüft deren Einhaltung.
18
3. Formen der Bankenaufsicht und Veranwortlichkeit der Banken. Die BR darf Überprüfungen der Banken und sonstiger Kreditinstitute durchführen und die Tätigkeit der Kreditinstitute und Bankgruppen analysieren mit dem Ziel, Vorkommnisse aufzudecken, durch die die rechtmäßigen Interessen der Einlagekunden und anderer Gläubiger und die Stabilität des Banksystems der RF bedroht werden.
19
Dabei kann die BR von den Banken einzuhaltende Vorschriften zur Beseitigung festgestellter Verstöße erlassen und ihnen gegenüber die durch Art. 74 des Föderalen Gesetzes v. 10.07.2002 № 86-FZ über die Zentralbank (im Weiteren – ZbankG) vorgesehenen Sanktionen ergreifen. Sie kann Geldbußen i. H. v. bis zu 0,1 % des Mindestgrundkapitals gerichtlich beitreiben oder die Durchführung einzelner Bankgeschäfte für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten untersagen.
20
Im Falle der Nichtbeendigung der durch die BR aufgedeckten Verstöße oder bei Entstehung einer realen Gefahr für die Interessen der Einlagekunden und anderer Gläubiger und/ oder für die Stabilität des Banksystems der RF, darf die BR Geldbußen i. H. v. bis zu 1% des Mindestgrundkapitals gerichtlich beitreiben, sowie von der Bank folgende Maßnahmen verlangen: die Struktur ihrer Aktiva zu ändern, ihr Leitungspersonal (Geschäftsführungsorgane, Mitglieder des Aufsichtsrates, Hauptbuchhalter und dessen Stellvertreter) zu wechseln, eine Reorganisation durchzuführen oder umgekehrt zu verbieten. Die BR darf für die betroffene Bank die Höhe der verbindlichen Richtwerte für eine Frist von bis zu sechs Monaten ändern (erhöhen), die Abwicklung einzelner Bankgeschäfte für eine Frist von bis zu einem Jahr untersagen, eine Interimsverwaltung für eine Frist von bis zu sechs Monaten ernennen, die Bankgeschäftslizenz entziehen und eigenen Vertreter in der
Suchanov
§ 78 Länderteil – Russland
2705
Bank ernennen, mit dem alle anderen vom Gesetz zugelassenen Geschäfte abgestimmt werden müssen. Alle durch die BR getroffenen Beschlüsse können vor Gericht angefochten werden. III. Bedeutende Rechtsquellen. 1. Die wichtigsten Rechtsquellen des Bankrechts Russlands. a) Zu den wichtigsten Rechtsquellen gehören spezielle föderale Gesetze über die Bankentätigkeit. Nach Art. 71 der Verfassung der RF fällt die Gesetzgebung über die Bankentätigkeit in die ausschließliche föderale Kompetenz, was das Verabschieden derartiger Gesetze durch die Föderationssubjekte ausschließt. Die wichtigsten Gesetze sind: das Föderale Gesetz v. 10.07.2002 № 86-FZ „Über die Zentralbank der Russischen Föderation (Bank Russlands)“ (SG RF, 2002, № 28, art. 2790, mit weiteren Änderungen) und das Föderale Gesetz v. 03.02.1996 № 17-FZ „Über Banken und Bankentätigkeit“ (SG RF, 1996, № 6, art. 492, mit weiteren Änderungen); sowie das Zivilgesetzbuch der RF (das u.a. in seinem II. Teil Regelungen über Bank- und Kreditgeschäfte, sowie über den bargeldlosen Zahlungsverkehr enthält).
21
In dieser Gruppe muss man auch einige andere föderale Gesetze nennen: das Föderale Gesetz v. 25.02.1999 № 40-FZ „Über die Insolvenz (Bankrott) der Kreditinstitute“ (SG RF, 1999, № 9, art. 1097, mit weiteren Änderungen); das Föderale Gesetz v. 07.08.2001 № 115-FZ „Über die Gegenwirkung der Legalisierung (der Waschung) der Einkommen, die auf verbrecherische Weise erlangt wurden, und die Finanzierung des Terrorismus“ (SG RF, 2001, № 33 (Teil I), art. 3418, mit weiteren Änderungen); das Föderale Gesetz v. 23.12.2003 № 177-FZ „Über die Versicherung der Einlagen der natürlichen Personen in den Banken der Russischen Föderation“ (SG RF, 2003, № 52 (Teil I), art. 5029, mit weiteren Änderungen); das Föderale Gesetz v. 30.12.2004 № 218-FZ „Über die Kreditgeschichten“ (SG RF, 2005, № 1 (Teil I), art. 44).
22
b) Für das Gebiet der Bankentätigkeit sind auch folgende föderale Gesetze allgemeinen Charakters von Bedeutung: das Föderale Gesetz v. 22.04.1996 № 39-FZ „Über den Wertpapiermarkt“ (SG RF, 1996, № 17, art. 1918, mit weiteren Änderungen) und das Föderale Gesetz v. 10.12.2003 № 173-FZ „Über Devisenregulierung und Devisenkontrolle“ (SG RF, 2003, № 50, art. 4859, mit weiteren Änderungen), sowie föderale Gesetze „Über Aktiengesellschaften“ und „Über Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ (s. o.), denn Kreditinstitute als juristische Personen dürfen nach allgemeiner Regel nur in Form von AGs und GmbHs existieren.
23
2. Andere Rechtsquellen. a) Als Rechtsquellen des Bankrechts gelten auch untergesetzliche Rechtsakte – Erlasse des Präsidenten der RF und Verordnungen der Regierung der RF (nach der durch Abs. 6 Art. 3 ZGB festgelegten Terminologie – „sonstige Rechtsakte“), die Rechtsnormen zum Bankrecht enthalten.
24
b) Nach Art. 7 ZBankG darf die BR eigene (amtliche) Rechtsakte erlassen, die den Gesetzen und anderen Rechtsakten nicht widersprechen dürfen und der Registrierung bei dem Justizministerium der RF bedürfen (bei deren Fehlen entfalten sie keine Wirkung). So hat z. B. die BR am 03.10.2002 die „Bestimmungen über den bargeldlosen Zahlungsverkehr in der Russischen Föderation“ und am 01.04.2003 die „Bestimmungen über die Ordnung der Verwirklichung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs der natürlichen Personen in der Russischen Föderation“ erlassen.
25
c) Internationale Verträge der RF bilden einen Teil ihrer nationalen Rechtsordnung und haben nach Abs. 4 Art. 15 der Verfassung der RF und Abs. 2 Art. 7 ZGB Vorrang in der Anwendung gegenüber etwaigen abweichenden Normen der nationalen Gesetzgebung der RF. Die in den genannten Verträgen enthaltenen Normen werden auf entsprechende Rechtsverhältnisse unmittelbar angewandt, es sei denn, aus einem bestimmten int. Vertrag
26
Suchanov
2706
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
folgt die Notwendigkeit des Erlasses eines innerstaatlichen Rechtsaktes (Gesetzes) zur Umsetzung. So sieht das Genfer Abkommen v. 07.06.1930 über das Einheitliche Wechselgesetz, dessen Teilnehmer Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR ist, die Verabschiedung eines nationalen Wechselgesetzes vor (s. das Föderale Gesetz v. 11.03.1997 № 48-FZ „Über eigenen und gezogenen Wechsel“ - SG RF, 1997, № 11, art. 1238). 27
d) Zu den Rechtsquellen des Bankrechts gehören Handelsbräuche (Abs. 1 Art. 5 ZGB), an die sich die Vertragsparteien bei Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten halten müssen (Art. 309, Abs. 5 Art. 421 ZGB). Das Bestehen und der Inhalt der in der RF angewändeten Geschäfts- und Handelsbräuche werden durch die Industrie- und Handelskammer der RF bestätigt. Die Handelsbräuche werden bei Lücken in der Regelung eines konkreten Sachverhaltes und bei gerichtlicher Auslegung des Inhalts eines konkreten Vertrages (Abs. 2 Art. 431 ZGB) angewandt. Als Handelsbräuche gelten auch die veröffentlichten Musterbedingungen für die entsprechende Vertragsart (Art. 427 ZGB), z. B. die durch die Nationale Devisenassoziation ausgearbeiteten Regeln zur Abwicklung von Geschäften auf dem inneren Devisen- und Geldmarkt (Arbeitsstandards für den inneren Devisen- und Geldmarkt, Moskau, 2001, S. 16-33).
28
e) Akte der obersten Gerichtsorgane der RF – des Verfassungsgerichts der RF, des Höchsten Arbitragegerichts der RF und des Obersten Gerichts der RF - sind keine formalen Rechtsquellen des Bankrechts. Das Verfassungsgericht der RF ist jedoch berechtigt, eine bestimmte Gesetzesnorm für verfassungswidrig zu erklären, was zu deren Nichtigkeit führt. So wurde z. B. durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts der RF v. 23.02.1999 № 4-P Abs. 2 Art. 29 BankG für verfassungswidrig erklärt bezüglich des Teils, der es Banken erlaubte, die Zinssätze auf befristete Einlagen natürlicher Personen einseitig zu ändern (herabzusetzen).
29
Die Verordnungen des Plenums des Höchsten Arbitragegerichts der RF und des Plenums des Obersten Gerichts der RF enthalten aber verbindliche Auslegungen für die geltende Gesetze, so z. B. die VO des Plenums des Obersten Gerichts der RF № 33 und des Plenums des Höchsten Arbitragegerichts der RF № 14 v. 04.12.2000 „Über einige Fragen der Praxis der Behandlung der Gerichtssprüche, die mit dem Wechselverkehr verbunden sind“, und die VO des Plenums des Höchsten Arbitragegerichts der RF v. 19.04.1999 № 5 „Über einige Fragen der Praxis der Behandlung der Gerichtssprüche, die mit dem Abschluss, der Erfüllung und Aufhebung der Bankkontoverträge verbunden sind“.
30
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditformen. 1. Rechtliche Formen des Kredits. Der Kredit im wirtschaftlichen Sinne wird zivilrechtlich durch unterschiedliche Verträge gestaltet: etwa durch Darlehensvertrag, Bankkreditvertrag, Factoring-Vertrag, Handelskredit (Nicht-Bank-Kredit, d. h. eine vertragliche Bestimmung über einen Zahlungsaufschub oder Teilzahlungen), Warenkreditvertrag, sowie durch Ausgabe eines Wechsels oder durch Emission der Schuldverschreibungen. Außerdem lässt Art. 818 ZGB eine Schuldersetzung durch Darlehensvertrag (Novation) zu, und Art. 76, 77 des Haushaltsgesetzbuchs der RF (v. 1998, mit weiteren Änderungen) sieht die Erteilung zweckgebundener Kredite aus Haushaltsmitteln vor (Budgetkredit).
31
2. Kreditvertrag und seine Arten. a) Die Gewährung eines Bankkredits erfolgt immer in Form eines besonderen zivilrechtlichen Vertrages. Der Kreditvertrag stellt eine selbständige Art des Darlehensvertrages dar (Abs. 2 Art. 819 ZGB). Seiner Natur nach ist der Kreditvertrag ein entgeltlicher Konsensualvertrag (Abs. 1 Art. 819 ZGB). Sein Gegenstand sind Buchgelder; der Gläubiger (Darlehensgeber) kann nur eine Bank oder ein sons-
Suchanov
§ 78 Länderteil – Russland
2707
tiges Kreditinstitut sein. Der Vertrag ist nur in Schriftform abzuschließen. Die Nichteinhaltung dieser Regeln führt zur Unwirksamkeit (Nichtigkeit) dieses Vertrages. Diese Bestimmungen unterscheiden den Kreditvertrag vom traditionellen Darlehensvertrag. Die Banken können aufgrund eines Vertrages einen Kredit für einen bestimmten Zweck (zweckgebundener Kredit) herausgeben, sie können einen Überziehungskredit auf einem Bankkonto einräumen – „Overdraft“ (Art. 850 ZGB) –, einen Kredit auf einem Sonderkonto bis zu einer durch Vertrag besimmten Grenze unter Bestellung einer Sicherheit in Form der Verpfändung von Wertpapieren gewähren (“on-call Kredit“), oder sie können einen Wechsel ihrer Kunden akzeptieren oder avalieren („Rembourskredit“ oder Akzeptkredit). Die BR kann anderen Banken kurzfristige Kredite gegen Verpfändung staatlicher Wertpapiere (i. d. R. – staatlicher Schuldverschreibungen, auch in unverbriefter Form) gewähren („Lombardkredit“).
32
b) Eine besondere Form des Kredits ist ein Finanzierungsvertrag gegen Abtretung einer Geldforderung (Abs. 1 Art. 824 ZGB), dem der bekannte Factoring-Vertrag zugrunde liegt. Aufgrund dieses Vertrages überlässt der Finanzagent (Factor) seinem Kunden Geldmittel auf eine dem Kunde gegen einen Dritten (Schuldner) zustehende Geldforderung, die dem Finanzagenten abgetreten wird, oder verspricht eine derartige Überlassung. Ein solcher Vertrag wird nur unter Unternehmern abgeschlossen. Dabei tritt als Finanzagent i. d. R. eine Bank oder ein sonstiges Kreditinstitut auf. Daher kann sich der Factor in diesem Vertrag zur Buchführung für seinen Kunden verpflichten und ihm sonstige in Verbindung mit der abgetretenen Geldforderung stehende Finanzdienstleistungen gewähren (Abs. 2 Art. 824 ZGB).
33
II. Kreditsicherheiten. 1. Allgemeine Arten von Sicherheiten beim Bankkredit. a) Je nach Art der Sicherheiten unterscheidet man traditionell zwischen dem Personal- und Realkredit. Den Personalkredit sichert neben dem Schuldner noch eine Drittperson: ein Bürge oder Garant. Der Realkredit wird durch Aussonderung eines Gegenstandes aus dem Vemögen des Schuldners gesichert, der zur Befriedigung des Gläubigers dient: so bei Draufgabe, Pfand und Zurückbehaltung. Der Kredit kann auch durch eine gesetzlich oder vertraglich vorgesehene zusätzliche Sanktion – eine Vertragsstrafe – gesichert werden.
34
Die genannten Arten von Sicherheiten kann man auch in zusätzliche (akzessorische) und mit der Hauptforderung verbundene (nichtakzessorische) einteilen. Nichtakzessorische Sicherheiten sind mit der Hauptforderung lediglich einfach verbunden, während akzessorische Sicherheiten mit der Hauptforderung qualifiziert bzw. enger verbunden sind. Man unterscheidet also zwischen einfacher Verbundenheit und Akzessorietät. Zu der ersten Gruppe gehören Bürgschaft, Pfand, Draufgabe und die Zurückbehaltung von Vermögensgegenständen des Schuldners. Bei diesen Sicherheitsarten hat die Unwirksamkeit des Kredithauptschuldverhältnisses die Unwirksamkeit des zusätzlichen Sicherungsschuldverhältnisses zur Folge, die Unwirksamkeit des akzessorischen Schuldverhältnisses führt nicht zur Unwirksamkeit des Hauptschuldverhältnisses aber umgekehrt (Abs. 2 u. 3 Art. 329 ZGB). Beim Übergang des Rechtes (der Forderung) aus dem Kredithauptschuldverhältnis auf den neuen Gläubiger geht i. d. R. die zusätzliche Sicherungsverbindlichkeit über. Zu den nichtakzessorischen Sicherheitsarten zählt auch die Bankgarantie, weil die Verbindlichkeit des Garanten dem Prinzipal gegenüber nicht mit dem Kredithauptschuldverhältnis zusammenhängt (Art. 370 ZGB).
35
b) Verbindlichkeiten aus dem Kreditvertrag können auf eine andere, im Gesetz direkt nicht vorgesehene Art und Weise gesichert werden (Abs. 1 Art. 329 ZGB). Als Beispiel
36
Suchanov
2708
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
dienen verschiedene Maßnahmen operativer Einwirkung auf den Schuldner, die der Gläubiger benutzen kann, ohne ein Gericht heranziehen zu müssen. Zu nennen sind z. B. aufschiebende Bedingungen, die in den Kreditvertrag nach Abs. 1 Art. 329 ZGB aufgenommen werden und sog. „Repo-Geschäfte“ (An- und Verkauf von Wertpapieren mit der Verpflichtung des Verkäufers, diese zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem im Voraus fixierten Preis zurückzukaufen). Ausführlicher über solche Sicherheiten s. auch Belov, Bankrecht, S. 168–176. 37
2. Besondere Arten von Sicherheiten beim Bankkredit. a) Der Bankgarantie als einer Art der Sicherheit für Kreditschuldverhältnisse (Art. 368 ZGB) liegt ein durch die „Einheitlichen Richtlinien für auf Anfordern zahlbare Garantien“ v. 1992 (ICC-Publ. № 458) vorgesehenes Institut zugrunde. Eine derartige schriftliche Garantie kann für den Gläubiger des Prinzipals nur eine Bank oder ein sonstiges Kredit- oder Versicherungsinstitut erteilen. Die Garantie läuft nicht ab und ändert sich nicht mit dem Ablauf oder der Änderung des Kredithauptschuldverhältnisses, und hängt auch nicht von den Einwendungen des Garanten oder des Prinzipals ab. Die Garantie gilt als unwiderruflich und ist an andere Personen (aufgrund der Zession) nicht übertragbar, es sei denn, dass etwas anderes vereinbart ist.
38
b) Zum Ziel der Sicherung der Rückzahlung des Kredits benutzt man das Pfandrecht (Art. 334 ff. ZGB), inkl. des Pfandrechts an Immobilien (Hypothek), das durch ein spezielles Föderales Gesetz v. 16.07.1998 № 102-FZ „Über die Hypothek (Pfandrecht an Immobilien)“ (SG RF, 1998, № 29, art. 3400, mit weiteren Änderungen) geregelt ist. Gegenstand des Pfandrechts können nicht nur Sachen sein, sondern auch Vermögensrechte (Abs. 1 Art. 336 ZGB), z. B. aus „nichtverbrieften Wertpapieren“ (Wertrechte).
39
c) Eine Vertragsstrafe als Haftungsmaßnahme wird in Kreditschuldverhältnissen in den durch Gesetz oder Vertrag vorgesehenen Fällen angewendet (Art. 330 ZGB). Als gesetzliche Vertragsstrafe für den Verzug mit der Kreditrückzahlung wird eine Strafe in Höhe des Bankdiskontsatzes (Refinanzierungssatzes) am Wohnort des Gläubigers vorgeschrieben (Abs. 1 Art. 395, Abs. 1 Art. 809, Abs. 1 Art. 811 ZGB; die VO des Plenums des Obersten Gerichts der RF und des Plenums des Höchsten Arbitragegerichts der RF v. 08.10.1998 № 13/14 „Über die Gerichtspraxis der Anwendung der Bestimmungen des ZGB der RF über die Zinsen für die Nutzung fremder Geldmittel“). Die gesetzliche Vertragsstrafe kann durch Vereinbarung der Parteien erhöht werden. Ein Gericht kann aber die Vertragsstrafe herabsetzen, falls diese den Folgen der Verletzung des Schuldverhältnisses offensichtlich unangemessen ist (Abs. 2 Art. 332, Art. 333 ZGB). Die Vertragsstrafe wird bezogen auf den geschuldeten Grundbetrag (Grundbetrag des Kredits) berechnet, nicht aber auf die Zinsen für dessen Nutzung. Nach dem Sinn des Gesetzes ist beim Verzug mit der Rückzahlung des Kreditbetrages die Berechnung von Zinsen auf Zinsen (Zinseszinsen) i. d. R. ausgeschlossen (Ziff. 15 der o. g. VO des Plenums des Obersten Gerichts der RF und des Plenums des Höchsten Arbitragegerichts der RF v. 08.10.1998 № 13/14).
40
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. 1. Begriff des Bankkontovertrags (Girovertrags). a) Nach dem Bankkontovertrag verpflichtet sich die Bank die auf ein für den Kunden eröffnetes Konto eingehenden Gelder zu verbuchen, und die Aufträge des Kunden hinsichtlich der Abbuchung von Geldbeträgen und anderer Handlungen im Zusammenhang mit der Kontoführung auszuführen (Abs. 1 Art. 845 ZGB). Seiner rechtlichen Natur nach handelt es sich um einen entgeltlichen Konsensualvertrag, dessen Gegenstand Buchgelder sind, d. h. Forderungen des Kontoinhabers gegenüber der Bank (s. auch: Sarbasch, Bankkontovertrag; Braginskji/
Suchanov
§ 78 Länderteil – Russland
2709
Vitrjanskij, Vertragsrecht, Buch 5, Bd. 2, S. 181 ff.). Nach Abs. 2 Art. 846 ZGB ist die Bank verpflichtet, einen Bankkontovertrag mit jeder sich an die Bank wenden Person (zu den von der Bank erklärten Bedingungen) abzuschließen, und der Kunde ist berechtigt, mit Einverständnis der Bank die für ihn notwendige Zahl an Bankkonten zu eröffnen (Art. 30 BankG). Die Bank ist nicht berechtigt, die Verwendung der Gelder ihres Kunden zu kontrollieren und darf die Kontogelder nur auf Anweisung des Kunden oder aufgrund einer Gerichtsentscheidung, sowie in einigen anderen durch Gesetz direkt vorgeschriebenen Fällen abbuchen. Zudem ist die Bank verpflichtet, gegenüber dem Kunden die Einhaltung des Bankgeheimnisses zu gewährleisten (Art. 857 ZGB, Art. 26 BankG). b) Davon abzugrenzen ist der Bankeinlagenvertrag (Depositenvertrag). Nach diesem Vertrag verpflichtet sich eine Bank, die einen Geldbetrag von einem Einlagekunden angenommen hat, den Einlagebetrag samt Zinsen zu den Bedingungen und auf die Weise, die vertraglich geregelt ist, zurückzuerstatten (Abs. 1 Art. 834 ZGB). Im Unterschied zu dem Bankkontovertrag ist das ein öffentlicher Vertrag i. S. v. Art. 426 ZGB, wenn der Einlagekunde ein Bürger ist. Der Bankeinlagenvertrag kann durch ein Sparbuch oder ein Spar- oder Depositenzertifikat, das ein Wertpapier darstellt (Art. 844 ZGB), abgewickelt werden. Man unterscheidet Termineinlagen, Sichteinlagen, Einlagung auf Bedingung und Einlagen zugunsten Dritter.
41
2. Arten der Bankkonten. a) Je nach Umfang und Charakter der abgewickelten Zahlungen teilt man die Bankkonten in Verrechnungskonten, laufende und spezielle Konten ein. Außerdem gibt es Interbankenkonten („loro-nostro“), die für die Banken bei der BR eröffnet werden. Die Verrechnungskonten werden für juristische Personen und individuelle Unternehmen (Bürger) zur Abwicklung aller Zahlungsarten eröffnet. Laufende Konten dürfen Organisationen, die keine juristische Personen sind (z. B. Filialen und Repräsentanzen), sowie Bürger einrichten. Über laufende Konten kann nur eine begrenzte Zahl von Zahlungsoperationen abgewickelt werden.
42
b) Devisenkonten (laufende Konten, Transitkonten und spezielle Transitkonten) werden für juristische und natürliche Personen bei den Banken, die eine spezielle Devisenlizenz der BR haben, eröffnet. Budgetkonten (Haushaltskonten) (Art. 161 des Haushaltsgesetzbuchs) werden für die aus Haushaltsmitteln finanzierten öffentlichen Anstalten beim Föderalen Schatzamt eingerichtet mit dem Ziel, Haushaltsgeldmittel für Entlohnungen und ähnliche Ausgaben auszuzahlen. Zur Gewährung von Krediten an die Kunden können die Banken für sie Darlehenskonten anbieten. Für Banken und sonstige Kreditinstitute können Interbankenkonten, z. B. Korrespondenzkonten bei der BR, eröffnet werden (Art. 860 ZGB, Art. 28 BankG).
43
II. Zahlungsverkehr. 1. Begriff des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Der bargeldlose Zahlungsverkehr wird von Teilnehmern am zivilrechtlichen Vermögensverkehr unter Benutzung von Geldmittelrestbeständen auf ihren Bankkonten, d. h. über Banken, abgewickelt. Daher sind die bargeldlosen Zahlungen besondere und selbständige zivilrechtliche Schuldverhältnisse. Der bargeldlose Zahlungsverkehr kann in den durch Gesetz, Bankenregeln und Geschäftsbräuchen der Bankpraxis vorgeschriebenen Formen abgewickelt werden (Abs. 1 Art. 862 ZGB). Die Vertragsparteien bestimmen die Zahlungsart selbst.
44
2. Die wichtigsten bargeldlosen Zahlungsarten. a) Das Gesetz sieht folgende bargeldlose Zahlungsarten vor: Überweisungen, Akkreditive, Schecks, Inkasso (was die Verwendung anderer bargeldloser Zahlungsarten nicht ausschließt – Abs. 1 Art. 862 ZGB). Am häufigsten werden Zahlungen durch Überweisung getätigt (auch Banküberweisungen genannt). Solche Zahlungen können zwischen verschiedenen Banken oder inner-
45
Suchanov
2710
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
halb einer Bank, u. a. zwischen verschiedenen Konten desselben Zahlungsauftraggebers, abgewickelt werden (ausführlicher s. Braginskji/Vitrjanskij, Vertragsrecht, Buch 5, Bd. 2, S. 448 ff.). 46
47
b) Bei Zahlungen im Akkreditivverfahren sondert die eröffnende Bank die Geldmittel zwecks Abrechnung mit dem Begünstigten zu den durch das Akkreditiv bestimmten Bedingungen im Voraus aus oder überweist diese an eine andere (ausführende) Bank (gedecktes, oder deponiertes Akkreditiv). Beim „ungedeckten“ (garantierten) Akkreditiv stellt die ausführende Bank dem Begünstigten (Benefiziar) die Geldmittel von einem bei ihr geführten Konto der eröffnenden Bank (mit der sie ein Korrespondenzverhältnis hat) zur Verfügung. Die Widerrufbarkeit des Akkreditivs wird vermutet (Art. 868 ZGB); ein Akkreditiv kann aber auch unwiderruflich sein, d. h. es kann nicht aufgehoben werden (durch die Bank widerrufen werden) ohne vorherige Zustimmung des Begünstigten (Benefiziars). Ein unwiderrufliches Akkreditiv kann durch die ausführende Bank bestätigt werden; in diesem Fall verpflichtet sich die ausführende Bank zusätzlich zur Zahlung an den Benefiziar (bestätigtes Akkreditiv) (ausführlicher s. Braginskji/Vitrjanskij, Vertragsrecht, Buch 5, Bd. 2, S. 459 ff.). c) Relativ selten wickelt man in Russland die Zahlungen durch Schecks als Wertpapiere ab (Art. 877 ZGB), die von Banken und sonstigen Kreditinstituten ausgegeben werden (ausführlicher s. Braginskji/Vitrjanskij, Vertragsrecht, Buch 5, Bd. 2, S. 491 ff.).
Suchanov
§ 78 Länderteil – Schweiz
2711
23. Schweiz
§ 78 Länderteil Schrifttum Boemle/Gsell/Jetzer/Nyffeler/Thalmann, Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, 2002; – Schweiz Emch/Renz/Arpagaus, Das Schweizerische Bankgeschäft, 6. Aufl. 2004; Ghandchi Schmid, Das neue Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen, 2007; Guggenheim, Les contrats de la pratique bancaire suisse, 4. éd. 2000; Hertig/Meier-Schatz/Roth/Roth/Zobl, Kommentar zum Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel, Loseblatt, 2000; Lombardini, Droit bancaire suisse, 2e éd 2008; Nobel, Swiss Finance Law and International Standards, 2002; Schweizerisches Finanzmarktrecht, 2. Aufl. 2004; Vogt/Watter (Hrsg.), Kommentar zum Börsengesetz, 2. Aufl. 2007; Watter/Vogt/Bauer/Winzeler, Bankengesetz, Basel 2005; Weber, Börsenrecht, Kommentar, 2001; Weber/Geiger/Breining-Kaufmann/Schmitz/ Trott, Integrierte Finanzmarktaufsicht, Zürich 2006; Weber/Iseli, Vertriebsträger im Finanzmarktrecht, Zürich 2008; Weber/Umbach, Versicherungsaufsichtsrecht, 2006; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, 2004; Zobl/Schwob/Winzeler/Geiger/Breining, Kommentar zum Bankengesetz, Loseblatt, 1971-2006.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 18 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 21 I Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermögensbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögensverwaltungsvertrag . . . . . . . 3. Bankkundengeheimnis . . . . . . . . . . . . . . 4. Verrechnungssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . III. Effekten-, Emissions- u. Investmentgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anlagefondsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 43 43 44 46 47 48 53 68 71
Stichwortverzeichnis Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . 36 f. Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Anlagefonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 ff. Ausländisch kontrollierte Bank. . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ff. Basel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Einlagensicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Einwandfreie Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . 10 Geldkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 62 Geschäftsverbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Identifikation des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . 38 Insiderhandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Kollektivanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 f. Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Kotierungsreglement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Krediteröffnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Kursmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Öffentliches Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 58 Personalsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Realsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Schweiz. Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ff. Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Swiss Interbank Clearing . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4, 40 Übernahme (Unternehmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Universalbankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 f. Verpflichtungskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Verteidigungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Wertpapierdarlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Wertschriftenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ff. Wirtschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zahlungsverkehrssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Zinsbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
A. Rahmenbedingungen
1
I. Banksystem. Die finanzmarktbezogenen Regulierungen der Schweiz (Banken, Versicherungen, Börsen) liegen im Kompetenzbereich des Bundes (Art. 98 Bundesverfassung, BV). Die Bundesbehörden sind auch zuständig für die Geld- und Währungspolitik (Art. 99 BV), eine ausgewogene Konjunkturpolitik (Art. 100 BV) und die Außenwirtschaftspolitik (Art. 101 BV). Privatpersonen und Unternehmen können sich als Grundrechtsträger auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) berufen, die ein Recht zur Gründung und Führung von
Weber
2
2712
3
4
5
6
7
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Geschäftsbetrieben mitbeinhaltet. Staatliche Wirtschaftseingriffe erweisen sich nur als zulässig, soweit eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage dafür vorliegt (Art. 94 IV BV). Die Schweiz kennt ein Universalbankensystem, d. h. die meisten Banken sind auch Effektenhändler (Wertschriftenhäuser). Seit Jahrzehnten besteht deshalb eine gemeinsame Aufsichtsstruktur in der Form der Eidg. Bankenkommission (EBK) als ausgelagerte Behördenstelle, die Anfang 2009 von der als öffentlich-rechtliche Anstalt konstituierten Finanzmarktaufsichtsbehörde (FINMA) abgelöst wird (vgl. Rn. 16). Als Zentralbank ist die Schweizerische Nationalbank tätig, die vom Bund unabhängig sein muss (Art. 99 II BV). Im Rahmen der geld- und währungspolitischen Aufgaben darf die Nationalbank vom Bundesrat, von der Bundesversammlung oder von anderen Stellen keine Weisungen einholen oder entgegennehmen (Art. 6 NBG). Die Nationalbank nimmt neben den geldpolitischen Aufgaben insbesondere auch das Clearing für die Geschäftsbanken vor (Swiss Interbank Clearing, SIC); die Schweizer Banken sind mit dem europäischen Zahlungsverkehrssystem SEPA verbunden, auch wenn die Schweiz mangels EU-Mitgliedschaft nicht institutioneller SEPA-Partner ist. Die Aktien (Namenspapiere) der Schweizerischen Nationalbank werden an der Börse gehandelt; das Aktienkapital beträgt CHF 25 Millionen und ist zu rund 55 % im Besitz der öffentlichen Hand (Kantone, Kantonalbanken usw.); die übrigen Aktien befinden sich größenteils im Besitz von Privatpersonen. Der Bund besitzt keine Aktien. Das derzeit in Kraft stehende Nationalbankgesetz von 2003 (SR 951.11) umschreibt folgende Aufgaben der Nationalbank: die Versorgung des Schweizerfranken-Geldmarktes mit Liquidität; die Gewährleistung der Bargeldversorgung; die Erleichterung und Sicherung sowie das Funktionieren bargeldloser Zahlungssysteme; die Verwaltung der Währungsreserven sowie die Vorkehr von Maßnahmen zur Stabilität des Finanzsystems, wozu die Nationalbank Rückstellungen bildet, die es erlauben, die Währungsreserven auf der geld- und währungspolitisch erforderlichen Höhe zu halten (Art. 30 I NBG). Daneben entfaltet die Nationalbank vielfältige Tätigkeiten im Rahmen der internationalen Währungskooperation in Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat. Zusätzlich erbringt die Nationalbank dem Bund Bankdienstleistungen. Das aktuelle Nationalbankgesetz hält wie auch die früheren Nationalbankgesetze von 1953 und 1978 an der bisherigen formalen Organisation, wenn zwar gestrafft, fest, d. h. die Schweiz. Nationalbank bleibt eine unabhängige spezialgesetzliche Aktiengesellschaft mit privater Beteiligung, aber Kontrolle durch die öffentliche Hand. Bei der Festlegung und Durchführung der Währungspolitik obliegt der Nationalbank die Gewährleistung der Preisstabilität; zudem trägt sie der konjunkturellen Entwicklung der Schweiz Rechnung (Art. 5 I NBG). Eine Neuordnung erfuhren die Mindestreserveregeln (Art. 17/18 NBG). Die vielen hoheitlichen Interventionsmöglichkeiten der Nationalbank im früheren Recht wurden auf wenige moderne Maßnahmen konzentriert. Namentlich legt die Nationalbank den Satz für die Mindestreserven fest, welche die Banken im Durchschnitt eines bestimmten Zeitraums halten müssen (Art. 18 I NBG). Im Gegenzug zur Konzentrierung der Reserveregeln hat das rechtsgeschäftliche Instrumentarium einen stärkeren Ausbau erfahren. Die Nationalbank besitzt das Notenmonopol; ihr kommt das ausschließliche Recht zur Ausgabe von schweizerischen Banknoten zu (Art. 4 NBG); das Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (SR 941.10) konkretisiert die verfassungsmäßig eingeräumten Monopole des Bundes sowie der SNB zur Herausgabe von Münzen und Noten in Schweizer Franken und Rappen.
Weber
§ 78 Länderteil – Schweiz
2713
II. Bankenaufsicht. Das schweizerische Bankensystem basiert auf dem Konzept der Universalbanken. Seit dem Inkrafttreten des Börsengesetzes (1997) gibt es zwar ein besonderes Regulierungsregime für die sog. Effektenhändler (Wertschriftenhäuser), doch sind die meisten Effektenhändler früher schon als Banken im Markt tätig gewesen; die Börsenregulierungen sind denn auch bewusst an die Bankenregulierungen angelehnt.
8
Zur Aufnahme einer Banktätigkeit bedarf es einer Bewilligung der Eidg. Bankenkommission (EBK). Die entsprechende Lizenz, rechtlich als Polizeierlaubnis ausgestaltet, wird erteilt, wenn die Gesuchstellerin verschiedene Voraussetzungen erfüllt (Art. 3 BaG): – Eine Bank muss ein Grundkapital von mindestens CHF 10 Mio. aufweisen und über sachgerechte Statuten, Organisationsreglemente, Geschäftsführungsverfahren und Kontrollmechanismen verfügen; vergleichbare, wenn zwar etwas weniger weitgehende Voraussetzungen gelten für die Effektenhändler. – Die Bank muss besondere Organe für die Geschäftsführung einerseits (Geschäftsleitung) und für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle andererseits (Verwaltungsrat) ausscheiden und die Befugnisse zwischen diesen Organen so abgrenzen, dass eine sachgemäße Überwachung der Geschäftsführung gewährleistet ist (Art. 3 II a BaG); kein Mitglied des für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle verantwortlichen Organs einer Bank darf der Geschäftsführung angehören (Art. 8 II BaV), was bei Nichtbanken gemäß Aktienrecht nicht unzulässig wäre. Für Effektenhändler gelten ähnliche Organisationsanforderungen. – Qualifizierte Aktionäre, Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder einer Bank müssen eine guten Ruf aufweisen und Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung bieten (zur Praxis vgl. Rn. 10); – Bei ausländisch kontrollierten Banken wird das Gegenrecht in deren Domizilstaat für Schweizer Banken geprüft, doch handelt es sich für diejenigen Länder, die dem Finanzdienstleistungsabkommen 1998 der WTO (5. Protokoll zum GATS) beigetreten sind, um ein ohne weiteres erfüllbares Formalerfordernis.
9
Die Anforderungen an die einwandfreie Geschäftsführung (auch „Gewährsartikel“) sind recht hoch und von der EBK in verschiedenen Verfahren detailliert und konkretisiert worden (Kleiner/Schwob, in: Zobl/Schwob/Winzeler/Geiger/Breining, Art. 3 Rn. 184 ff.). Unterschieden wird zwischen einer fachlich und einer moralisch einwandfreien Geschäftsführung: – Die fachlich einwandfreie Geschäftsführung betrifft die Ausbildung und bisherige Laufbahn der Gewährsträger unter Mitberücksichtigung der Größe und Art der Bank; insbesondere Geschäftsleitungsmitglieder müssen in dem ihnen zugeteilten Geschäftsbereich über fachliche Spezialkenntnisse verfügen. – Mit der moralischen Komponente ist der unbestimmte Rechtsbegriff des guten Rufes (Art. 3 II c BaG) angesprochen. Dieser ist nicht als Grundlage für eine neben der Rechtsordnung stehende, für Gewährsträger allein geltende Moralordnung zu verstehen (BGE 108 Ib 190), sondern im Sinne der allgemeinen Rechts- oder Sittenwidrigkeit des Zivilrechts. Aus der Praxis der EBK ergeben sich vornehmlich vier Fallgruppen zur Beurteilung der einwandfreien Geschäftsführung: – Die Beurteilung der einwandfreien Geschäftsführung hat sich am Bankengesetz und dessen Schutzzwecken (dazu Rn. 17) zu orientieren; die Verletzung anderer Rechtsvorschriften ist relevant, wenn sie a) die Gesinnung des Gewährsträgers mit Blick auf die Befolgung der Schutzgedanken des BaG generell in Frage stellt, oder b), wenn das Fehlverhalten eines Angestellten seine Eignung für eine spezifische Funktion innerhalb der Bank ausschließt (z.B. ein Anlageberater, der Kundengelder veruntreut, oder der Aktienhändler, der Insiderdelikte begeht);
10
Weber
2714
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
– Eine Verletzung von bankgesetzlichen und bankeninternen Vorschriften zur Verwaltungsorganisation (z.B. das Einmischen von Verwaltungsräten in die Geschäftsführung) der Bank vermag ebenfalls die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen (z.B. schwere Verstöße von Gewährsträgern gegen reglementarische Vorschriften). – Weiter werden auch schwere Verletzungen der vertraglichen Beziehungen zu den Kunden, d.h. einer selbstgewählten Bindung, als Grundlage für die Beurteilung der Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung herangezogen. – Schließlich können die im Rahmen der Bankiervereinigung als Standesorganisation schriftlich niedergelegten Standesregeln ebenfalls als Grundlage des korrekten Verhaltens im Geschäftsverkehr betrachtet werden. 11
Das Rundschreiben „Überwachung und interne Kontrolle“ (2007) der EBK enthält umfassende Regeln zur Corporate Governance für schweizerische Banken, Effektenhändler, Finanzgruppen sowie bank- oder effektenhandelsdominierte Finanzkonglomerate. Das Rundschreiben umschreibt Bestimmungen zur Unabhängigkeit des Verwaltungsrates, zur Einrichtung und Aufgaben eines Audit Committee, zu den Pflichten sowie zur Verantwortlichkeit von Compliance-Funktionen und Risikokontrollen (Buga/Heiniger, Neues EBK-Rundschreiben Überwachung und interne Kontrolle, Schweizer Treuhänder 4/2007, 243 ff.).
12
Mit Bezug auf die Ausübung der Geschäftstätigkeit gelten – ähnlich den Regelungen in der Europäischen Union – detaillierte Liquiditäts-, Risikoverteilungs-, Rechnungslegungs- und Investitionsbestimmungen (Art. 4-6 BaG); die Vorschriften zur Rechnungslegung der Banken und Effektenhändler in Art. 23-27 BaV werden konkretisiert durch die (im Dezember 2006 letztmals angepassten) Richtlinien der EBK (Richtlinien zu den Rechnungslegungsvorschriften der Art. 23-27 BankV, RRV-EBK). Für die Anwendung von Basel II setzte die Schweiz auf eine starke Eigenkapitalbasis als tragende Säule der Bankenaufsicht. Die Umsetzung erfolgte nicht mit einer Gesetzesänderung, sondern mit der Eigenmittelverordnung (ERV) für Banken und Effektenhändler, die durch folgende fünf Rundschreiben der EBK konkretisiert wird: EBK-RS 06/1 Kreditrisiken, EBK-RS 06/2 Marktrisiken, EBK-RS 06/3 Operationelle Risiken, EBK-RS 06/4 Eigenmittel-Offenlegung, EBK-RS 06/5 Risikoverteilung.
13
Ein eigentliches gesetzliches Einlagensicherungssystem kennt die Schweiz nicht; am 1. Januar 2006 trat jedoch die Vereinbarung der Schweizer Banken und Effektenhändler über die Einlagensicherung in Kraft (www.einlagensicherung.ch), die bei der Einstellung der Geschäftstätigkeit oder Anordnung der Zwangsliquidation die Auszahlung der gesicherten Einlagen innert dreier Monate gewährleisten soll. Einlagen, die nicht auf den Inhaber lauten, einschließlich Kassenobligationen, die im Namen des Einlegers bei der Bank hinterlegt sind, werden bis zum Höchstbetrag von CHF 30'000 je Gläubiger der zweiten Klasse nach Art. 219 IV SchKG zugewiesen (Art. 37b BaG). Diese Forderungen werden damit im Konkursfall der Bank vor denjenigen der Drittklassgläubiger getilgt.
14
Die Konglomeratsaufsicht koordiniert die Beziehungen zwischen der Bankenkommission und dem Bundesamt für Privatversicherungswesen (BPV) sowohl in theoretischen Aufsichtsfragen als auch im Rahmen der Zusammenarbeit beider Aufsichtsbehörden bei der Überwachung von Finanzkonglomeraten. Die Versicherungskonglomerate sind in Art. 72-79 VAG geregelt, die Bankkonglomerate in Art. 3b-3h BaG.
15
Von großer praktischer Bedeutung sind weiter die Anforderungen an die Identifikation des Vertragspartners und an die Sorgfaltspflichten bei Geldtransfers. Die allgemeinen
Weber
§ 78 Länderteil – Schweiz
2715
Grundlagen finden sich in der mehrfach revidierten Sorgfaltspflichtsvereinbarung (VSB) 2008 der Schweiz. Bankiervereinigung vom 7. April 2008. Hoheitliche Konkretisierungen enthalten die Strafnormen zur Geldwäscherei und zur Sorgfalt in finanziellen Angelegenheiten sowie insbesondere das Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 1997 (SR 995.0). Weitere Sorgfaltspflichten betreffen das Unterlassen von Mitwirkungshandlungen an Steuer- und Kapitalfluchtvorkehren ausländischer Bankkunden sowie insbesondere die Verhinderung der Entgegennahme von sog. Potentatengeldern. Die Überwachung der Banken und Börsen obliegt der Eidg. Bankenkommission (EBK), einer selbstständigen Verwaltungsbehörde, die dem Eidg. Finanzdepartement angegliedert ist. Mit Ausnahme des Präsidenten sind die Mitglieder der Kommission nicht vollamtlich tätig; die EBK verfügt aber über ein hoch qualifiziertes Sekretariat, das enge Verbindungen zu internationalen Organisationen und zu ausländischen Regulatoren pflegt. Das Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht vom 22. Juni 2007 (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG, SR 956.1) führt die Eidgenössische Bankenkommission, das Bundesamt für Privatversicherungen und die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei in einer öffentlich-rechtlichen, selbstständigen Anstalt (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, FINMA) zusammen. Der Gesetzgeber will mit der Zusammenführung der drei Ämter Synergien schaffen und Fachwissen bündeln sowie der Aufsicht über Finanzkonglomerate verbessert Rechnung tragen; das Sanktionsinstrumentarium wird harmonisiert, gestrafft und gestärkt doch soll der Selbstregulierung weiterhin ein grosser Spielraum eingeräumt werden. Zwischenzeitlich ist die FINMA konstituiert und nimmt ihre Arbeit Anfang 2009 auf (vgl. Weber/Geiger/Breining-Kaufmann/ Schmitz/Trott, Integrierte Finanzmarktaufsicht, Rechtliche und ökonomische Beurteilung des FINMA-Projekts, Zürich 2006).
16
Die Integration zur Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht betrifft allein die organisatorischen Strukturen; sowohl die materiellen Regelungen (i.c. das Bank- und Börsengesetz) als auch die konkreten Aufsichtssysteme (indirekte Aufsicht über externe Revisionsstellen im Bankenbereich) bleiben bestehen. Die Überwachung und Aufsicht über die Banken und Börsen orientiert sich am Gläubiger- und am Funktionsschutz, der sich in den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen sowie in der Gerichtspraxis niederschlägt. 2005 hat das Eidgenössische Finanzdepartement Richtlinien für die Finanzmarktregulierung publiziert; mit Hilfe von zehn Grundsätzen soll die Regulierung im Finanzmarktrecht systematisch überprüft, optimiert, evaluiert sowie transparent gemacht werden (Weber/Iseli, Richtlinien für die Finanzmarktregulierung, SZW 2006, 339 ff.). Im gleichen Jahr beschloss die Eidgenössische Bankenkommission, das Aufsichtsrecht auf seine Notwendigkeit hin zu überprüfen; nicht mehr Notwendiges und Regulierungen von fraglichem Nutzen sollten abgeschafft werden („Durchforstung“ des Aufsichtsrechts).
17
III. Bedeutende Rechtsquellen. Bankrechtliche Rechtsquellen: (1) Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BaG), SR 952.0; (2) Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung), SR 952.02; (3) Verordnung der EBK vom 21. Oktober 1996 über die ausländischen Banken in der Schweiz (Auslandbankenverordnung), SR 952.111; (4) Verordnung vom 29. September 2006 über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (Eigenmittelverordnung), SR 952.03; (5) Rundschreiben der EBK und Selbstregulierungserlasse.
18
Börsenrechtliche Rechtsquellen: (1) Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995 (BEHG), SR 954.1; (2) Verordnung des Bundesrates über die
19
Weber
2716
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Börsen und den Effektenhandel vom 2. Dezember 1996 (Börsenverordnung, BEHV), SR 954.11; (3) Verordnung der EBK über die Börsen und den Effektenhandel vom 25. Juni 1997 (Börsenverordnung-EBK, BEHV-EBK), SR 954.193; (4) Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote vom 21. Juli 1997 (Übernahmeverordnung, UEV-UEK), SR 954.195.1; (5) Rundschreiben der EBK und Selbstregulierungserlasse; (6) Allgemeine Geschäftsbedingungen der SWX Swiss Exchange, (7) Kotierungsreglement der Schweizerischen Zulassungsstelle (KR) vom 24. Januar 1996. 20
Zivilrechtliche Rechtsquellen: (1) Schweizerisches Zivilgesetzgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB), SR 210; (2) Schweizerisches Obligationenrecht vom 30. März 1911 (OR), SR 220.
21
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditformen. Die wesentlichsten Kreditformen sind der Geld- und der Verpflichtungskredit. Beim Geldkredit stellt die Bank dem Kreditnehmer gemäß vertraglicher Vereinbarung in bestimmtem Umfang Geldmittel (Bar- oder Buchgeld) zur Verfügung. Grundform des Geldkredits ist das Darlehen (Art. 312 OR), d.h. ein fester Vorschuss mit Rückzahlungspflicht gemäß festem Termin oder Kündigung. Banküblich, wenn zwar schuldrechtlich nicht zwingend, ist die Pflicht zur Zahlung von Zinsen, die der Richter, wenn der Darleiher die Höhe nicht nachweisen kann, auf 5 % pro Jahr festlegt (BGE 126 III 189).
22
Hauptbeispiel des Geldkredits im Bankenbereich ist der Kontokorrentkredit von Geschäfts- und Handelsbanken an Unternehmen; dabei wird eine Kreditlimite zur ständigen Benutzung eingeräumt. Die Abwicklung erfolgt über eine laufende Rechnung (Kontokorrent), mit jeweiliger Belastung der Zinsen, was im Ergebnis die Berechnung von Zinseszinsen erlaubt (Art. 314 III OR; BGE 52 II 233). Das Kontokorrent wird monatlich oder vierteljährlich abgerechnet; wird der Saldo gezogen und anerkannt, tritt eine Novation ein (Art. 117 II OR). Der Kontokorrentkredit ist grundsätzlich jederzeit kündbar.
23
Eine moderne Form des Darlehens ist das Wertpapierdarlehen („Securities Lending and Borrowing“), das ebenso als Sachdarlehen (Art. 312 OR) qualifiziert wird. Der Darleiher überträgt dem Borger dabei vorübergehend das Eigentum an Wertpapieren, welche dieser meist aufgrund einer Lieferverpflichtung ausleiht und dafür einen Zins (Art. 313 OR), genannt lending fee, schuldet. Zwischen den beiden Parteien agiert meistens die Bank als Beauftragte, welche zwischen dem Darleiher und dem Borger vermittelt.
24
Besondere Arten des Geldkredits sind die kommerziellen und gewerblichen Kredite, die Baukredite, die Lombardkredite (zur Finanzierung des Erwerbs von Wertpapieren), die Exportkredite (zur Unterstützung der Exportwirtschaft) und die Konsortialkredite (gemeinschaftliche Krediterteilung mehrerer Banken).
25
Die Konsumkredite, deren Regelung seit Anfang 2003 durch das Bundesgesetz über den Konsumkredit vom 23. März 2001 (KKG) erfolgt, sind Gegenstand von die schwächere Partei regelnden Sondernormen (sog. Schuldnerschutz); vorgesehen ist u. a. ein siebentägiges Rücktrittsrecht der Konsumenten (Art. 16 I KKG). Der Höchstzinssatz für Konsumkredite wird vom Bundesrat festgelegt und soll 15 % nicht überschreiten (Art. 14 KKG). Das Bundesgesetz über den Konsumkredit regelt auch Leasingverträge, die schriftlich und unter Angabe von gesetzlich vorgeschriebenen Regelungsaspekten zu vereinbaren sind (Art. 11 KKG).
26
Der Hypothekarkredit ist das wichtigste Kreditgeschäft der Banken; das Hypothekarkreditgeschäft erfolgt entweder direkt (die Bank wird fiduziarische Eigentümerin des Schuldbriefs) oder indirekt (der Bank wird der Grundpfandtitel zu Faustpfand übertra-
Weber
§ 78 Länderteil – Schweiz
2717
gen). Der Hypothekarkredit wird durch einen Eigentumsvorbehalt, durch ein Grund- oder Faustpfand, durch die Abtretung von Forderungen oder durch die Sicherungsübereignung gesichert (dazu Rn. 31). Das Grundpfandrecht ist im Zivilgesetzbuch geregelt (Art. 793 ff. ZGB); die Errichtung von Hypotheken erfolgt jedoch nicht einheitlich, sondern in verschiedenen Varianten. Das Grundpfand ensteht mit einer öffentlichen Beurkundung (Art. 799 ZGB) sowie mit der Eintragung in das Grundbuch. Bei der Auswahl der Hypothekarmodelle und –produkte wird unterschieden zwischen variablen (Zinssatz richtet sich variabel nach den Verhältnissen am Kapitalmarkt) und Festhypotheken (für die ganze Laufzeit wird der Zinssatz fest vereinbart). Daneben gibt es eine Vielzahl von Mischformen der Modelle und weitere Produkte wie die Geldmarkthypothek und die Portfoliohypothek (vgl. Emch/Renz/Arpagaus, Rn. 858 ff.). Der Hypothekarzinssatz spielt in der Schweiz auch oft für Mieter eine bedeutende Rolle, denn Mieten werden oftmals mit dem Hypothekarzinssatz verknüpft. Zur Form des Verpflichtungskredits (Haftungskredits) gehören (1) der Kautionskredit, der Grundlage für den Auftrag der Bank ist, im Namen des Kunden Bürgschaften, Garantien, Akkreditivverpflichtungen oder ähnliche Engagements gegenüber Dritten einzugehen und rechtlich als Eventualverpflichtung zu qualifizieren ist, sowie (2) der Avalund Akzeptkredit, der die Bank verpflichtet, Wechsel im Auftrag des Kunden zu avalieren oder zu akzeptieren. Die Wechselbürgschaft (Aval) ist im Obligationenrecht (Art. 1020 ff. OR) geregelt.
27
Bankaufsichtsrechtlich eine besondere Rolle spielen wegen ihrer Sensitivität die Organkredite und die Großkredite, die zu sog. Klumpenrisiken führen können. Ein Klumpenrisiko liegt vor, wenn die nach der Eigenmittelverordnung berechnete Risikoposition gegenüber einer Gegenpartei die festgelegten anrechenbaren eigenen Mittel der Bank erreicht oder überschreitet. Werden die bankaufsichtsrechtlichen Schwellenwerte überschritten, ist die Eidg. Bankenkommission zu informieren. Die Revisionsstelle überwacht die bankinterne Kontrolle der Klumpenrisiken. Organkredite dürfen nur zu marktüblichen Konditionen gewährt werden (Art. 4ter BaG).
28
Vertragliche Grundlage beim Kontokorrent- und beim Verpflichtungskredit ist der Krediteröffnungsvertrag, der dem Kunden das Recht gibt, innerhalb der vertraglichen Vorgaben durch einseitige Erklärung die Kreditgeschäfte zu den festgelegten Bedingungen zum Entstehen zu bringen; der Krediteröffnungsvertrag weist deshalb meist ein revolvierendes Element auf. Die Hauptpflichten der Vertragsparteien bestehen somit in der Pflicht der Bank zur Auszahlung des Kredits, in der regelmäßig vertraglich vorgesehenen Pflicht des Kreditnehmers zur Bezahlung von Zinsen und in seiner Rückzahlungsverpflichtung.
29
II. Kreditsicherheiten. Kredite lassen sich gedeckt oder ungedeckt einräumen. Ein ungedeckter Kredit ist ein Blankokredit, der ohne die Einforderung spezieller Kreditsicherheiten gewährt wird. Der Blankokredit wird vorwiegend an erstklassige Schuldner vergeben, meistens als kurzfristiger Betriebskredit und laufend überwacht; bankintern bedürfen die meisten Blankokredite jeweils jährlich aufgrund der Analyse der Jahresabschlusszahlen und des Budgets einer neuen Bewilligung.
30
Bei den gedeckten Krediten lässt sich danach differenzieren, ob eine Personalsicherheit oder eine Realsicherheit zur Verfügung gestellt wird. Realsicherheiten räumen dem Gläubiger ein (zumindest intern) beschränktes dingliches Recht an bestimmten Objekten ein; leistet der Schuldner nicht, kann sich der Gläubiger aus den entsprechenden Objekten befriedigen. Hauptformen der Realsicherheiten sind die
Weber
31
2718
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren (Art. 472 OR), der (zwar am Wohnort des Schuldners zu registrierende) Eigentumsvorbehalt (Art. 715 ZGB), die Bestellung eines Grundpfandes (Art. 793 ZGB) bzw. eines Faustpfandes (Art. 884 ZGB) und die Abtretung von Forderungen (Art. 164 OR) sowie die Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung (vgl. dazu Wiegand (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten, Bern 1999). Praktisch im Vordergrund stehen die Lombardkredite (Verpfändung von Wertpapieren), die Zessionskredite (Abtretung von Forderungen eines Gewerbebetriebes) sowie die Hypothekar- und Baukredite. 32
Personalsicherheiten liegt die Absprache zu Grunde, dass sich ein Dritter zur Sicherung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner mitverpflichtet (zusätzliches Haftungssubjekt). Zu den Personalsicherheiten gehören: – der Garantievertrag (Art. 111 OR), mit dem der Garant dem Gläubiger die Leistung eines Dritten (Schuldner) zusichert; die Leitungserbringung an den Gläubiger steht im Vordergrund; – die Bürgschaft (Art. 492 OR), die weiter unterteilt wird in die einfache Bürgschaft, die Solidarbürgschaft sowie die Mitbürgschaft; – die Wechselbürgschaft (Art. 1020 ff. OR), die eine Zahlung durch Wechsel sichert; – die vertraglich begründete Solidarschuldnerschaft mehrerer Schuldner (Art. 143 OR), bei welcher der Gläubiger nach seiner Wahl von allen Solidarschuldnern je nur einen Teil oder das Ganze fordern kann; – der Kreditauftrag (Art. 408 OR), bei dem der Auftragnehmer in eigenem Namen und auf eigene Rechnung unter Verantwortlichkeit des Auftraggebers einem Dritten einen Kredit eröffnet oder erneuert, unter Haftung des Auftraggebers wie ein Bürge; – die kumulative Schuldübernahme, eine formfreie und selbstständige, eigene Verpflichtung des Schuldübernehmers; – sowie die garantieähnlichen Verträge und Erklärungen. Der Hauptunterschied und das Abgrenzungskriterium zwischen den verschiedenen Personalsicherheiten ist die Akzessorietät. Materiell stellt sich jeweils die Frage, ob die Personalsicherheit und ihr rechtliches Schicksal von der Rechtsgültigkeit der zu sichernden Forderung, von der Hauptschuld, abhängig ist oder nicht. Akzessorische Personalsicherheiten sind die Bürgschaft und der Kreditauftrag; nicht-akzessorisch sind der Garantievertrag und die Wechselbürgschaft (zum Ganzen Emch/Renz/Arpagaus, 1167 ff.).
33
Abgesehen von den vertraglich bestellten Real- oder Personal-Kreditsicherheiten stehen dem Darlehensgeber weitere Möglichkeiten offen, seine Rechtsposition zu verstärken, z.B. durch die unterschriftlich anerkannte Verurkundung der Schuld durch den Schuldner, die den Beweis und auch die Durchsetzung der Forderung erleichtert, die Verurkundung der Schuld in der Form eines Wertpapiers oder die Übernahme einer Kausalhaftung durch den Schuldner.
34
III. Kreditabwicklung. Die Kreditüberwachung hat im Zuge der Implementierung von Basel II (dazu Rn. 12) im Schweizer Recht zu verschiedenen Änderungen geführt. Die EBK hat zur Konkretisierung der Art. 18-65 ERV (Eigenmittelverordnung) ein Rundschreiben erlassen (Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken vom 29. September 2006). Die schweizerische Umsetzung von Basel II kennt zwei Standardansätze zur Berechnung der Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken (Sigrist, Umsetzung von Basel II in der Schweiz – die neue Eigenmittelverordnung, Die Volkswirtschaft 11/2006, 11, 12):
Weber
§ 78 Länderteil – Schweiz
2719
– Der Schweizer Standardansatz (SA-CH), der sich an im Inland tätige Universalbanken richtet, basiert auf den bisherigen Eigenmittelvorschriften; es wurden nur die nötigsten Anpassungen vorgenommen, um Basel-II-Kompatibilität zu erreichen. Die Umsetzungskosten im technischen Bereich sollten dadurch tief gehalten werden. – Der internationale Standardansatz (SA-BIZ) kommt dem Bedürfnis international tätiger Banken entgegen, keine Doppelrechnung – sowohl nach schweizerischen als auch nach internationalen Vorgaben – durchführen zu müssen. Der SA-BIZ übernimmt die Vorgaben von Basel II weitgehend unverändert. Aus Wettbewerbsgründen drängte sich bei der rechtlichen Ausgestaltung der schweizerischen Vorschriften eine enge Anlehnung an die beiden EU-Richtlinien auf, welche die Vorgaben von Basel II in europäisches Recht umsetzen.
C. Konto und Zahlungsverkehr
35
I. Konto. Mit der Kontoeröffnung begründen Kunde und Bank eine Geschäftsverbindung. Die vertragliche Beziehung ist auf eine gewisse Dauer angelegt (BGE 124 III 313, 316 f.). Die Rechtsnatur dieser Geschäftsverbindung ist in der Schweiz indessen umstritten; Begründungsansätze sind der Geschäftsverbindungsvertrag als Rahmenvertrag, der allgemeine Bankvertrag, das tatsächliche Verhältnis als vertrauensbegründender Tatbestand (Art. 2 ZGB) oder ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht. Die in Deutschland verbreitete Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag“ hat sich in der Schweiz bisher nicht durchsetzen können; auch das Bundesgericht hat nur in einem Fall ohne Begründung den allgemeinen Bankvertrag kurz erwähnt (Pra 1998 Nr. 155). Die in der Lehre am stärksten verbreitete Annahme eines Rahmenvertrages erscheint deshalb als sachgerecht, weil damit die Übernahme der standardisierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Banken dogmatisch keine Probleme bietet; beim späteren Abschluss von Einzelverträgen durch den Kunden mit der Bank sind die AGB von vornherein maßgeblich (dazu Maurenbrecher, ZSR 1990 I, 173 ff.). Vertragstypologische Grundlage der Geschäftsverbindung ist das Auftragsrecht (Art. 394-406 OR), das auch umfassende (strafrechtlich geschützte) Vertraulichkeits-/Geheimhaltungspflichten mitbeinhaltet (Art. 398 OR); allgemein zum Bankengeheimnis hinten Rn. 46.
36
Der Konsens mit Blick auf die AGB erfolgt durch deren Globalübernahme seitens des Kunden; mangels Alternativen im Bankenmarkt herrscht für den Kunden ein faktischer Vertragszwang. Weil die Schweiz kein AGB-Gesetz kennt, d.h. die entsprechende Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahre 1993 nicht autonom nachvollzogen hat, kommen nur die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des Schuldrechts zur Anwendung. Geltung zu beanspruchen vermögen insbesondere die Prinzipien des Vorranges individueller Abreden, der Unklarheitenregel und der Ungewöhnlichkeitsregel; denkbar ist dabei eine Teilnichtigkeit mit Bezug auf einzelne (ungewöhnliche) Klauseln. Wettbewerbsrechtlich mögen die Standardisierungen im Bankenbereich nicht völlig unbedenklich sein (vgl. Art. 8 UWG), doch hat seit zwanzig Jahren keine spezifische Untersuchung der Wettbewerbskommission (vgl. VKKP 1989, 83 ff.) mehr zu einer grundsätzlichen Überarbeitung der Banken-AGB geführt.
37
Im Rahmen der Kontoeröffnung kommt der Identifikation des Vertragspartners durch die Bank eine zentrale Bedeutung zu. Selbstregulatorisch gilt die Vereinbarung über die Sorgfaltspflicht der Banken (VSB 2008; vgl. Rn. 15); zusätzlich sind die staatlichen Normen im Geldwäschereibereich zu beachten. Die Dokumentationspflicht ist im Einzelfall recht umfangreich; bei Gesellschaften sind auch die wirtschaftlich Begünstigten festzustellen (BGE 125 IV 139). Besondere Richtlinien der EBK gelten für das E-Banking; die Begründung einer Geschäftsverbindung auf rein elektronischem Weg ist angesichts der
Weber
38
2720
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Identifikationspflicht aufgrund der Vereinbarung über die Sorgfaltspflicht der Banken ausgeschlossen. Der Vollständigkeit halber ist zum E-Banking anzufügen, dass die Schweiz keine institutionenbezogenen Regulierungen entsprechend der EU-Richtlinie zu den E-Geld-Instituten vom September 2000 erlassen hat; die Aufsicht der EBK über die E-Banking-Aktivitäten Schweizer Finanzinstitute erfolgt im Rahmen der gewöhnlichen Kontrollmechanismen. 39
Im Rahmen der Kontoeröffnung zu regeln sind insbesondere die Verfügungs- und Vertretungsmacht über das Konto (Bankvollmacht oder organschaftliche Vertretung), die Legitimationsprüfung, deren Risiken von den Banken in den AGB regelmäßig auf die Kunden abgewälzt werden, sowie Besonderheiten bei speziellen Kontoarten (z. B. Gemeinschafts-, Treuhand-, Sperrkonto). Die Eröffnung eines Nummernkontos in der Schweiz ist möglich, doch muss die Bank den dahinterstehenden wirtschaftlich Berechtigten kennen.
40
II. Zahlungsverkehr. Für den Zahlungsverkehr kommt in der Schweiz das Swiss Interbank Clearing (SIC) zum Einsatz; beim SIC handelt es sich um ein Bruttosystem, das in Echtzeit abläuft. Das Swiss Interbank Clearing ist mit dem europäischen Zahlungsverkehrssystem SEPA verbunden (Rn. 4); es wird von der Nationalbank im Rahmen des Schutzes der Stabilität des Finanzsystems überwacht (Art. 19 I NBG).
41
Zivilrechtlich ist die Banküberweisung als Dauerauftragsverhältnis zu qualifizieren (BGE 126 III 21 f.; 121 III 313); der einzelne Auftrag stellt eine Weisung (Art. 397 OR), kombiniert mit einer Anweisung (Art. 466 OR), dar (BGE 126 III 22; 110 II 284 f). Im Falle von Kettenüberweisungen bestehen zwischen den Beteiligten der Zahlungskette auftragsrechtliche Giroverträge (BGE 121 III 313). Allgemein zum Zahlungsverkehr vgl. BGE 127 III 553; 126 III 20; 124 III 253; 121 III 310; Wiegand (Hrsg.), Rechtliche Probleme des Zahlungsverkehrs, 2000.
42
Die neueren Zahlungsverkehrssysteme sind bestrebt, die Transaktionen bargeldlos und papierlos abzuwickeln; gegebenenfalls sind die Systeme mit weiteren Dienstleistungen kombiniert (z. B. Kontoführung, Daueraufträge, Electronic Funds Transfer at the Point of Sale/EFTPOS). Im Kleinbetrags-Zahlungsverkehr gewinnen die Karten (mit Magnetstreifen oder Chips) an praktischer Bedeutung; im Vordergrund stehen die Kreditkarten (pay later), doch sind auch Karten zur Online-Abbuchung (pay now) und die besondere Geldkarte CASH (sog. elektronisches Portemonnaie, pay before) im Einsatz (im Einzelnen dazu Weber, Elektronisches Geld, 1999).
43
D. Kapitalmarktrecht I. Vermögensbetreuung (Anlageberatung und Vermögensverwaltung). 1. Anlageberatung ist die aktive, individuelle Mitwirkung eines Finanzinstituts bei der Planung einer Investition oder einer Umdisposition von Vermögensteilen. Der Anlageberatungsvertrag unterliegt dem Auftragsrecht (BGE 124 III 363 (368); 124 III 161; 112 II 351). In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung das Ausmass der Informationspflichten des Anlageberaters ständig erweitert (BGE 124 III 162; 115 II 62); das Haftungspotential des Raterteilenden ist beträchtlich, er muss insbesondere im Bereich der Aufklärung, Beratung und Warnung sorgfältig tätig werden und den Wissensvorsprung zwischen sich und dem Kunden in dem Sinne ausgleichen, dass dieser gestützt auf ein eigenes Urteil einen Anlageentscheid treffen kann (vgl. Gutzwiller, Schadensstiftung und Schadensberechnung bei pflichtwidrgier Vermögensverwaltung und Anlageberatung, SJZ 2005, 357 ff.).
44
2. Der Vermögensverwaltungsvertrag bezweckt die wirtschaftliche und technische Verwaltung eines anvertrauten Vermögens; im Gegensatz zum Anlageberater trifft der
Weber
§ 78 Länderteil – Schweiz
2721
Vermögensverwalter selber die Anlageentscheide. Der Vermögensverwaltungsvertrag ist ein gemischter Vertrag (BGE 119 II 333 ff.; 115 II 62; 101 II 123), basierend auf einem Kontokorrentverhältnis und einem Depotvertrag. In Form von Selbstregulierungen hat die Schweiz. Bankiervereinigung Richtlinien für Vermögensverwaltungsaufträge erlassen (2005), die als Standesregeln gelten und viele Detailbestimmungen enthalten (z. B. zur Vermeidung von Interessenkonflikten und zur Haftung der Bank). Vermögensverwaltungsverträge kommen meist und im Gegensatz zu Anlageberatungsabreden in schriftlicher Form unter Verwendung von Formularverträgen zustande. Der Vermögensverwalter hat in jedem Fall die Pflicht zur Einhaltung sorgfaltsbezogener Verhaltenspflichten, zur Befolgung von Weisungen des Kunden sowie zur treugemäßen Auftragsabwicklung (vgl. Weber/Iseli, Rn. 152 ff.) Die Vermögensverwalter schweizerischer kollektiver Kapitalanlagen (dazu Rn. 68 ff.) unterstehen seit dem Inkrafttreten des KAG einer Bewilligungspflicht (Art. 13 I f KAG). Als Vermögensverwalter in diesem Sinne gelten natürliche Personen, juristische Personen in der Form der AG, GmbH oder der Kommanditaktiengesellschaft sowie Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (Art. 18 I KAG). Der Vermögensverwalter muss als Bewilligungsvoraussetzung ein Mindestkapital von CHF 200'000 einbezahlen und dauernd zur Verfügung haben (Art. 19 I KKV). Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen haben mit ihren Kunden eine schriftliche Vereinbarung abzuschließen, welche die jeweiligen Rechte und Pflichten sowie die übrigen wesentlichen Punkte regelt (Art. 25 KKV; vgl. Weber/Iseli, Rn. 242 ff.). 3. Das Bankkundengeheimnis umschreibt die mit Strafsanktionen verstärkte Verpflichtung einer Bank und ihrer Angehörigen, Informationen, die der Bank während der Geschäftsbeziehung anvertraut werden, nach außen hin geheim zu halten (Art. 47 BaG). Es handelt sich um ein Geheimhaltungsrecht des Kunden im Rahmen seiner Persönlichkeitsrechte und beruht auf der vertraglichen Beziehung zwischen der Bank und dem Kunden. Im Strafverfahren wirkt das Bankgeheimnis jedoch nicht und wird aufgehoben; dies gilt auch in Steuerbetrugsfällen, nicht aber bei Fragen der Steuerhinterziehung, die in der Schweiz kein Verbrechen oder Vergehen darstellt. Aus diesem Grund kann die Schweiz in Steuerhinterziehungsfällen auch keine Rechtshilfe leisten (Art. 3 III IRSG). 4. Der Bund erhebt eine Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens, auf Lotteriegewinne und auf Versicherungsleistungen (Art. 1 I VStG); die Verrechnungssteuer beträgt 35 % der steuerbaren Leistung und wird als Quellensteuer direkt abgezogen. Die Verrechnungssteuer soll die Steuerhinterziehung eindämmen; indem die Vermögenserträge ordnungsgemäß als Einkommen deklariert werden, wird die Verrechnungssteuer zurückerstattet. Ausländischen Anlegern wird die Verrechnungsteuer zurückerstattet, sofern sie die Voraussetzungen eines von der Schweiz mit dem ausländischen Staat abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens erfüllen. Sofern ausländische Anleger die Bankbeziehung in der Schweiz nicht offen legen, fließt die Verrechnungssteuer gemäß den detaillierten Bestimmungen des Abkommens vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft (Zinsbesteuerungsabkommen, SR 0.642.026.81) an die bezeichnete ausländische Zahlungsempfangsstelle (vgl. Jaussi/Schweighauser/Gehriger/Blättler, Zinsbesteuerungsabkommen, in: Thurer/Weber/Portmann/Kellerhals (Hrsg.), Bilaterale Verträge I & II Schweiz–EU, Zürich 2007, 1031 ff.). II. Finanztermingeschäfte. Finanztermingeschäfte (in der Schweiz auch Derivatgeschäfte) lassen sich unterteilen in unbedingte Termingeschäfte (Futures, Forwards bzw. Termingeschäfte i.e.S.) und bedingte Termingeschäfte (Optionen).
Weber
45
46
47
48
2722
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
49
Bei den unbedingten Termingeschäften verpflichten sich zwei (oder mehrere) Parteien, zu einem festgesetzten Zeitpunkt bestimmte Basiswerte zu einem vorbestimmten Preis zu verkaufen bzw. kaufen. Es handelt sich um börsengehandelte Terminkontrakten (Futures), außerbörslich gehandelte Terminkontrakten (Forwards), Swaps und Forward Rate Agreements (FRAs) (RRV-EBK, dazu vorne Rn. 12).
50
Bedingte Termingeschäfte. Optionen lassen sich außerbörslich (Over-The-Counter/ OTC Options) oder börslich handeln (Exchange Traded Options); von Bedeutung ist v.a. die Unterscheidung zwischen gekauften und geschriebenen Optionskontrakten (RRVEBK). Die Option verleiht dem Käufer entweder das Recht, einen Basiswert zu einem bestimmten Preis zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option).
51
Nur die vereinheitlichten und zum massenweisen Handel geeigneten Termingeschäfte (darunter sind Termingeschäfte zu verstehen, die in gleicher Struktur und Stückelung öffentlich angeboten oder bei mehr als 20 Kunden platziert werden, sofern sie nicht für einzelne Gegenparteien besonders geschaffen werden (Art. 4 BEHV)) unterliegen der Börsengesetzgebung (Art. 2a BEHG); individuelle, OTC-Geschäfte, die nicht massenweise gehandelt werden können, unterstehen dem BEHG nicht. Für diese Termingeschäfte kommen vorwiegend die Regeln des Kaufvertrages zur Anwendung (Art. 184 ff. OR).
52
Zusammen mit der deutschen Börse betreibt die SWX Swiss Exchange die Eurex, die führende internationale Terminbörse, welche neben einer vollelektronischen Handelsplattform auch über eine eigene Clearingstelle verfügt. Weiter ist die SWX auf dem Londoner Finanzmarkt für Aktien großer Schweizer Unternehmen durch die voll elektronische Börse SWX Europe Ltd. (ehemals virtex) vertreten.
53
III. Effekten-, Emissions- u. Investmentgeschäft. Das Wertpapierrecht findet sich in der Schweiz im Obligationenrecht im Anschluss an das Handelsrecht (Art. 965 ff. OR). Eine detaillierte, internationalen Vorschriften entsprechende Regelung haben die heute in der Praxis nicht mehr sehr gebräuchlichen Wechsel und Schecks erfahren; hingegen gibt es nur wenige Bestimmungen im allgemeinen Teil des Wertpapierrechts (z. B. Kraftloserklärungsverfahren). Einzelne Vorschriften, insbesondere zur Übertragung von Wertpapieren, sind beim betroffenen Gesellschaftstyp (z. B. Indossierung von Titeln im Aktienrecht) enthalten.
54
Das Börsenrecht ist im (weitgehend europakompatiblen) Börsen- und Effektenhandelsgesetz geregelt, das 1997/98 gestaffelt in Kraft trat. Die Errichtung einer Börse ist bewilligungspflichtig (Art. 3 BEHG), doch bleibt deren Ausgestaltung überwiegend der Selbstregulierung überlassen (Art. 4 BEHG). Gesetzgeberisch festgelegt ist lediglich, dass die Börsen für die Organisation und Überwachung des Handels (Art. 5/6 BEHG) sowie für die Zulassung von Effektenhändlern und Effekten (Art. 7/8 BEHG) zuständig sind. Die dogmatische Qualifizierung der von den Börsen erlassenen Selbstregulierungen ist umstritten; wenn es sich (wie verbreitet angenommen) um Privatrechtsnormen handelt, fehlt es im Verletzungsfalle an einer Schutznorm, die eine Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens nach der Grundnorm des Deliktsrechts (Art. 41 OR) ermöglichen würde (vgl. Weber, Art. 4 Rn. 8 ff.).
55
Die Konkretisierung der Anordnungen zur Zulassung von Effektenhändlern und Effekten (d.h. Beteiligungspapieren, Schuldverschreibungen, Derivaten) findet sich im Kotierungsreglement 1996 (KR), zwischenzeitlich mehrfach revidiert. Das Kotierungsreglement enthält Bestimmungen über die Anforderungen an Emittenten und Valoren (Wertschriften) sowie Anforderungen an die Rechnungslegungsstandards und an die Publizität (kontinuierliche Informationspflichten und Ad hoc–Publizität). Die SWX Swiss Ex-
Weber
§ 78 Länderteil – Schweiz
2723
change ist als Aktiengesellschaft (früher als Verein) konstituiert; die Organe werden von den angeschlossenen Effektenhändlern gewählt. Die Überwachung erfolgt vorerst durch organisationsinterne Instanzen; vorbehalten bleibt die Aufsicht durch die EBK und die Interventionsmöglichkeiten der Strafbehörden. Im Falle eines öffentlichen Angebotes von Aktien oder Obligationen (Schuldverschreibungen) im Markt sind, falls eine Kotierung an der Börse nicht vorgesehen ist, die nicht sehr weitgehenden Vorschriften von Art. 652a OR (Aktien) bzw. von Art. 1156 OR (Obligationen) einzuhalten. Im Regelfall findet indessen eine Kotierung an der Börse statt, womit die detaillierteren Bestimmungen des Kotierungsreglementes zur Anwendung gelangen. Prospekte sind heute stark standardisiert und gleichen sich in der Praxis den angloamerikanischen Erwartungen an (sehr umfangreiche, englisch verfasste Dokumente); die Gerichtspraxis zu Prospektmängeln ist in der Schweiz bisher wenig ergiebig.
56
Art. 20 BEHG statuiert eine Meldeplicht für wesentliche Beteiligungen, die mit dem Erwerb von 3 % der Stimmrechte an einer Gesellschaft beginnt und viele weitere Schwellenwerte abdeckt. Die Offenlegungspflicht betrifft Aktien und Derivative, soweit nicht allein ein Cash-Settlement vorgesehen ist. Viele Einzelheiten sind in der BEHVEBK geregelt, insbesondere mit Blick auf Gruppentatbestände und ein koordiniertes Verhalten, auf Pflichten von wirtschaftlich Begünstigten (ohne formelles Eigentum) sowie auf Einzelheiten der Meldung (dazu Weber, Art. 20 Rn. 35 ff.). In Zweifelsfällen kann ein Vorabentscheid der Offenlegungsstelle der SWX Swiss Exchange eingeholt werden.
57
Art. 22-33 BEHG enthalten verschiedene allgemeine Prinzipien, die in Übernahmesituationen zur Anwendung kommen. Wesentlich sind etwa das Gleichbehandlungs-, Fairness- und Lauterkeitsgebot (Art. 24 BEHG). Eine Übernahme muss auf einem Prospekt beruhen, dessen Einzelheiten detailliert vorgeschrieben sind. Klare Regelungen legen auch den zeitlichen Ablauf eines Angebotes fest (inkl. Nachfrist); von Bedeutung sind diese Anordnungen insbesondere bei konkurrierenden Angeboten. Art. 29 BEHG überbindet dem Verwaltungsrat des Übernahmeobjektes während der Angebotsphase verschiedene Pflichten: So hat der Verwaltungsrat eine Stellungnahme zum Angebot abzugeben; bei der Beurteilung der Sachgemäßheit eines Angebotes kann der Verwaltungsrat leicht in einen Interessenkonflikt geraten. Insbesondere sind aber mögliche Verteidigungsstrategien des Verwaltungsrates eingeschränkt, sofern die Generalversammlung solchen Maßnahmen nicht zustimmt, was praktisch aus zeitlichen Gründen meist ausgeschlossen ist. Verhindert werden soll damit, dass der Verwaltungsrat mit unangemessenen wirtschaftlichen Vorkehren (z. B. Crown Jewel Defense, Lock-up Agreement, Golden Parachute, Poison Pill etc.) eine Übernahme zu verhindern versucht (dazu Weber, Art. 29 Rn. 10 ff.). Art. 32 verpflichtet Beteiligungsinhaber, die über eine Investition von mehr als 33 % der Stimmrechte an einer Gesellschaft verfügen, den übrigen Beteiligungsinhabern ein Übernahmeangebot zu unterbreiten. Diese in der Entstehungsgeschichte sehr umstrittene Bestimmung kann von der Generalversammlung einer Gesellschaft wegbedungen (optout) oder durch einen höheren Schwellenwert (49 %, opt-up) angepasst werden (Art. 22 BEHG); die Praxis hat indessen gezeigt, dass von dieser Möglichkeit nur selten Gebrauch gemacht wird. Nicht übersehen lässt sich immerhin die Verteuerung einer beabsichtigten Übernahme durch diese Angebotspflicht. Vorgesehen ist weiter, dass im Falle eines Paketerwerbes das nachfolgende Angebot an die übrigen Beteiligungsinhaber nicht mehr als ein Viertel unter dem Paketpreis liegen darf und mindestens dem Börsenkurs entsprechen muss (Art. 32 IV BEHG).
58
Weber
59
60
2724
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
61
Erwirbt ein Übernehmer mindestens 98 % der Stimmrechte einer Gesellschaft, hat er die Möglichkeit, die verbleibenden Aktionäre über eine Kraftloserklärung zum Verkauf ihrer Beteiligungspapiere zu zwingen. Der Anbieter muss zu diesem Zweck gegen die Gesellschaft Klage erheben; die Gesellschaft gibt diese Beteiligungspapiere erneut aus und übergibt sie dem Anbieter gegen Entrichtung des Angebotspreises oder Erfüllung des Austauschangebotes zugunsten der Eigentümer der für kraftlos erklärten Beteiligungspapiere (Art. 33 BEHG). Mit diesen Regeln soll die Kontrolle aller Beteiligungspapiere in einer Hand und damit eine Vereinfachung der administrativen Angelegenheiten der Gesellschaft möglich werden.
62
Die Einhaltung grundsätzlich angemessener Verhaltenspflichten durch die Marktteilnehmer im Börsenbereich wird weiter gesichert durch strafrechtliche Bestimmungen:
63
– Seit 1997 kennt das Schweizer Recht mit Art. 161bis StGB den Straftatbestand der Kursmanipulation. Danach ist strafbar, wer in der Absicht, den Kurs von in der Schweiz börslich gehandelten Effekten erheblich zu beeinflussen, um daraus für sich oder für Dritte einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu erzielen sowie wer wider besseren Wissens irreführende Informationen verbreitet oder Käufe und Verkäufe von solchen Effekten tätigt, die beidseitig direkt oder indirekt auf Rechnung derselben Person oder zu diesem Zweck verbundener Personen erfolgen. – Seit 1988 stellt der Insiderhandel einen Straftatbestand dar (Art. 161 StGB). Praktisch ist diese Strafnorm bisher aber noch wenig bedeutungsvoll gewesen, d.h. die meisten Verfahren haben mit einer Einstellung oder einem Freispruch geendet, weil die Norm zu eng gefasst war. Mit einer Gesetzesänderung soll die Ziff. 3 der Norm gestrichen werden, womit der Insiderstraftatbestand für praktisch alle kursrelevanten Tatsachen, einschließlich Gewinnwarnungen, gelten würde. – Seit 1990 sind die Strafbestimmungen zur Geldwäscherei (Art. 305 bis StGB) und zur ungenügenden Sorgfalt in finanziellen Angelegenheit (Art. 305ter StGB) in Kraft; diese Strafnormen, verbunden mit dem Geldwäschereigesetz (SR 955.0), haben dazu geführt, dass dem Aspekt der Sauberhaltung des Schweizer Finanzmarktes verstärkt Bedeutung zugemessen wird. Publizität am Kapitalmarkt. Im Kotierungsreglement (Art. 72 KR) werden die Emittenten der SWX verpflichtet, kursrelevante Tatsachen bekannt zu geben (Ad hoc-Publizität). Die Informationspflicht im Rahmen der Ad hoc-Publizität betrifft potenziell kursrelevante, nicht öffentlich bekannte Tatsachen, welche im Tätigkeitsbereich eines börsenkotierten Unternehmens eintreten. Als kursrelevant gelten neue Tatsachen, die geeignet sind, zu einer erheblichen Kursänderung zu führen. Ziel der Bestimmung von Art. 72 KR ist, dass alle gegenwärtigen und potenziellen Marktteilnehmer chancengleich mit Informationen versorgt werden, um die Transparenz und Gleichbehandlung der Anleger möglichst zu gewährleisten (vgl. www.swx.ch). Beispiele für kursrelevante Tatsachen sind Finanzzahlen, Fusionen, Übernahmen, Abspaltungen, Restrukturierungen, Kapitalveränderungen, Kaufangebote, wesentliche Gewinnveränderungen, Gewinneinbruch, Gewinnwarnung sowie Sanierungen. Generell fallen alle Informationen, welche geeignet sind, den Kurs erheblich zu beeinflussen, unter die Vorschriften der Ad hoc-Publizität. Dazu können auch neue, bedeutende Produkte, neue Vertriebspartner oder wichtige personelle Veränderungen gehören. Die ad hoc-relevanten Tatbestände sind nicht abschließend festgehalten; die Emittenten haben die Pflicht, rechtzeitig zu prüfen, ob ein Sachverhalt zu einer deutlichen Kursbewegung an der Börse führen könnte.
Weber
§ 78 Länderteil – Schweiz
2725
Die SWX Swiss Exchange verlangt seit 2005 die Offenlegung von Management-Transaktionen mit dem Ziel der Förderung der Informationsversorgung der Anleger (Richtlinie betreffend Offenlegung von Management-Transaktionen (Management-TransaktionenRichtlinie; RLMT) der SWX). Die Offenlegung betrifft die Beteiligungsrechte der Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder am eigenen Unternehmen. Die SWX veröffentlicht die Transaktionen ohne Namensnennung, jedoch mit Angabe der Funktion auf ihrer Webseite (www.swx.ch). Gemeldet werden müssen folgende Transaktionen: (1) Überschreitet der Gesamtwert sämtlicher Geschäfte einer meldepflichtigen Person innerhalb eines Monats den Betrag von CHF 100'000.-, hat dies die meldepflichtige Person dem Emittenten innerhalb von zwei Börsentagen zu melden. Der Emittent seinerseits hat der SWX innerhalb von zwei Börsentagen eine Meldung unter anderem mit Angabe von Namen und Funktion zu erstatten. (2) Wird innerhalb eines Kalendermonats pro meldepflichtiger Person der Schwellenwert von CHF 100’000.- nicht überschritten, leitet der Emittent nach Monatsende eine Sammelmeldung, unter anderem mit Angabe von Namen und Funktion, geordnet nach meldepflichtigen Personen, an die SWX weiter. Transaktionen, die insgesamt den Schwellenwert von CHF 100'000.- pro Kalendermonat nicht überschreiten, werden von der SWX nicht veröffentlicht (Art. 74a KR SWX).
64
Seit 1. Januar 2007 ist außerdem Art. 663bbis OR in Kraft, der für kotierte Gesellschaften verschiedene Offenlegungspflichten, insbesondere mit Bezug auf Managerbezüge, umschreibt. Wertschriftenhandel. Der Wertschriftenhandel beruht zivilrechtlich auf den Bestimmungen des Kommissionsrechts (Art. 425 und Art. 436 OR; BGE 114 II 63), ergänzt durch die Anordnungen zur Hinterlegung (Art. 472 OR) und zum Auftrag (Art. 394 OR). Effektenhändler treten regelmäßig als Selbstkontrahenten auf; angesichts der Tatsache, dass der Handel voll elektronisch abläuft, sind die Benachteiligungsrisiken (im Lichte der Nachverfolgbarkeit der Auftragsspuren) in den letzten Jahren kleiner geworden.
65
Die Effektenhändler haben gegenüber den Kunden verschiedene Verhaltenspflichten (Art. 11 BEHG). Dazu gehören:
66
– die Informationspflicht: der Effektenhändler weist den Kunden auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken hin; – die Sorgfaltspflicht: der Effektenhändler muss sicherstellen, dass die Aufträge seiner Kunden bestmöglich erfüllt werden und diese Aufträge nachvollzogen werden können; – die Treuepflicht: der Effektenhändler gewährleistet, dass allfällige Interessenkonflikte seine Kunden nicht benachteiligen. Der Effektenhändler muss bei der Erfüllung dieser Pflichten die Geschäftserfahrenheit und die fachlichen Kenntnisse der Kunden berücksichtigen. Die SIS (SegaInterSettle) betreibt die Abwicklung (Settlement) und Verwahrung (Safecustody) schweizerischer und auch ausländischer Effekten (www.sec.sisclear.com); das Effektenabwicklungssystem wird von der Nationalbank im Rahmen ihres Auftrages zum Schutz der Stabilität des Finanzsystemes überwacht (Art. 19 I NBG).
67
IV. Anlagefondsrecht. Seit dem 1. Januar 2007 ist das Kollektivanlagegesetz (KAG) in Kraft, welches das bisherige Anlagefondsgesetz von 1994 ersetzt und eine Anpassung an das Recht der Europäischen Union (Fonds-Richtlinien der EU) und damit auch eine Attraktivitätssteigerung des Fondsplatzes Schweiz zum Ziel hatte.
68
Mit dem KAG wurden in der Schweiz neue Rechtsformen eingeführt, nämlich die Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (SICAV, entsprechend dem luxemburgischen Vorbild), welche den ausschließlichen Zweck der kollektiven Kapitalanlage verfolgt; de-
Weber
2726
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
ren Kapital sowie Anzahl der Aktien sind im Voraus nicht bestimmt sind (Art. 36 I KAG), sowie die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen, bei der als unbeschränkt haftender Komplementär abweichend von Art. 594 II OR auch eine Aktiengesellschaft auftreten kann. Diese Rechtsform steht qualifizierten Anlegern, die in Risikokapital investieren, offen. Schließlich regelt das KAG die Investmentgesellschaft mit festem Kapital SICAF (Art. 110 ff. KAG). Der ausschließliche Zweck der SICAF besteht in der kollektiven Kapitalanlage; mit wenigen Ausnahmen kommen für die SICAF die Regeln des Aktienrechts zur Anwendung (Art. 112 KAG). Stärker als bisher ausgeprägt ist die Unterscheidung zwischen den „gewöhnlichen“ und den qualifizierten Anlegern, die nicht demselben Regelungsregime unterstehen. Unter qualifizierten Anlegern versteht das Gesetz (Art. 10 III KAG) beaufsichtigte Finanzintermediäre wie Banken, Effektenhändler, Fondsleitungen, Versicherungseinrichtungen; öffentlich-rechtliche Körperschaften, Unternehmen und Vorsorgeeinrichtungen mit professioneller Tresorerie; vermögende Privatpersonen sowie Anleger, die mit einem Finanzintermediär einen schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen haben. Namentlich kann die SICAV vorsehen, dass nur qualifizierte Anleger Aktionäre werden können; für den Kommanditärstatus in Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen kommen von Gesetzes wegen (Art. 98 KAG) nur qualifizierte Anleger in Frage. Das KAG statuiert eine Bewilligungspflicht für die Fondsleitung, die SICAV, die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen, die SICAF, die Depotbank, den Vermögensverwalter schweizerischer Kapitalanlagen, den Vertriebsträger sowie den Vertreter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen (Art. 13 II KAG). 70
Vertriebsträger ist nach Art. 19 KAG, wer öffentlich Anteile einer kollektiven Kapitalanlage anbietet oder vertreibt. Die Bewilligung wird erteilt, wenn der Vertriebsträger sich ausweisen kann über a) den Abschluss einer der Geschäftstätigkeit angemessenen Berufshaftpflichtversicherung von mindestens CHF 250'000 oder die Hinterlegung einer angemessenen Kaution in gleicher Höhe; b) zulässige Vertriebsmodalitäten; und c) einen schriftlichen Vertriebsvertrag mit der Fondsleitung, der SICAV, der Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen oder der SICAF beziehungsweise dem Vertreter einer ausländischen kollektiven Kapitalanlage, in dem ihm die Entgegennahme von Zahlungen zum Erwerb von Anteilen ausdrücklich untersagt ist (Art. 30 I KKV).
71
E. Aktuelle Entwicklungen Der schweizerische Finanzmarkt ist betroffen von einer Vielzahl von laufenden Reformvorhaben; eine Übersicht bietet die Webseite www.finweb.admin.ch. Die integrierte Finanzmarktaufsicht (vgl. vorne Rn. 16) wird Anfang 2009 operativ. Im Hinblick insbesondere auf die nachrichtenlosen Vermögenswerte aus dem Zweiten Weltkrieg war ursprünglich der Erlass eines Gesetzes geplant (Gesetz über die nachrichtenlosen Vermögenswerte, BGNV). Aufgrund der kritischen Vernehmlassungen zum ersten Vorentwurf 2002 hat der Bundesrat nun entschieden, einzig eine kleine OR-Revision in die Wege zu leiten. Mit einem neuen Bucheffektengesetz (BEG) sowie der Ratifizierung des Haager TrustÜbereinkommens soll den Entwicklungen in der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren Rechnung getragen werden. Das Gesetz unterstützt durch Berücksichtung von international anerkannten Standards die Rechtssicherheit bei der grenzüberschreitenden Abwicklung von Effektengeschäften, gewährleistet den Schutz der Eigentumsrechte der Anleger und trägt zur Effizienz der Abwicklung von Effektengeschäften bei (Weber/Iseli, Richtlinien für die Finanzmarktregulierung, SZW 2006, 339 ff., 349 f.).
Weber
§ 78 Länderteil – Schweiz
2727
Die Schweiz ist weiter mit der Umsetzung der revidierten FATF-Empfehlungen beschäftigt, was verschiedene Gesetzesänderungen (insbesondere Geldwäschereigesetz und Strafgesetzbuch) nach sich ziehen dürfte; die EBK wird ihre Geldwäschereiverordnung anpassen und mit der Botschaft zur Streichung der Ziff. 3 des Insidertatbestandes wurde bereits ein Teil der Umsetzung wesentlich vorangetrieben. Die EBK hat am 1. Mai 2008 ein neues Rundschreiben zum Thema Marktverhaltensregeln, welches aufsichtsrechtlich konkretisiert, welche Verhaltensweisen als Gesetzesverletzungen oder sonstige Missstände im Sinne des Börsengesetzes und somit als Marktmissbrauch anzusehen sind, erlassen (dazu Weber/Darbellay, Combating Market Abuse: The New Swiss Circular on Market Behavior, SZW 2008, 299 ff.).
Weber
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Slowenien
2729
24. Slowenien
§ 78 Länderteil Schrifttum Berden/Tratnik/Vrencur/Rijavec/Frantar/Kerestes/Juhart, Novo stvarno pravo, 2002; Cigoj, Komentar – Slowenien obligacijskih razmerij, IV. Knjiga, Uradni list SRS, 1986, Cigoj, Teorija obligacij, CZ Uradni list RS, 1988; Galic/Jan/Jenull, Zakon o izvršbi in zavarovanju, 2002; Grilc/Juhart, Pravo vrednostnih papirjev, 1996; Ekart, Varovalni zemljiški dolg, Podjetje in delo 3-4/2005, S. 482; Juhart, Currency regulation. in: Business transactions in Eastern Europe (Matthew Bender, Pub. 273), 1999; Juhart, Pravne podlage in teze zakona o hipotekarni obveznici/banki: strokovno gradivo za seminar Stanovanjsko financiranje in hipotekarno bančništvo v Sloveniji v organizaciji Ministrstva za finance in Svetovne banke, Bled, 27. nov. 2002. Bled: Ministrstvo za finance, 2002; Juhart, Regulacija trga vrednostnih papirjev ob vstopu v EU in: Seliškar Toš, (Red.).Mednarodna konferenca Slovensko pravo in gospodarstvo ob vstopu Slovenije v Evropsko unijo, Ljubljana: Pravna fakulteta, 2004, S. 175; Juhart/Tratnik/Vrenčur (Red.), Stvarnopravni zakonik s komentarjem, 2004; Juhart/Tratnik/Vrenčur, Stvarno pravo, 2007; Jus, Monetarni in obrestni nominalizem ter valorizacija. Banč. vestn., apr. 2002,/4, S. 9; Jus, Europe-Slovenia-public in: Stephens, Malcolm (Red.). World credit insurance 2002. Bromley: BCR, 2002, S. 110-117; Jus, Riziki sprememb vrednosti valut in zaščitne monetarne klavzule.: Center Marketing International, Ljubljana 2003; Jus, Kreditno zavarovanje in faktoring – instrumenta integralnega upravljanja z riziki, Podjetje in delo, 6/7 – 2005, S. 1397-1409; Jus, Zaveza pri posojilnih pogodbah. PP, Prav. praksa (Ljubl.), 2006/3, S. V-VII; Keresteš, Grundschuld in der neuen sachenrechtlichen Regelung der Republik Slowenien, Das Budapester Symposium, GTZ, Bremen 2003, S. 148; Kocbek/Prelič/Knez/Thurner, Slowenisches Insolvenzrecht (Arbeitspapier 45), 1997; Kocbek/Prelič, Banking Law, in: Business transactions in Eastern Europe (Matthew Bender, Pub. 273), New York; San Francisco: Matthew Bender, 1999; Plavšak, Zakon o nematerializiranih vrednostnih papirjih s komentarjem GV Ljubljana 1999; Plavšak, Pomembnejše novosti zakona o bančništvu in: Zakon o bančništvu. Ljubljana: Gospodarski vestnik, 1999, S. 1-17; Rijavec/Vrenčur/Keresteš Immobiliarsachenrecht in Slowenien, CLC/FOWI Wien, 2001; Bundesagentur für Außenwirtschaft Wirtschaftsdaten Slowenien, Köln 2003; Rijavec, Civilno izvršilno pravo, GV Založba, Ljubljana 2003; Štiblar, Pravna ureditev slovenskega bančnega sektorja, Podjetje in delo, 23/ 1997, S. 662-680 Štiblar, The role of the banking sector in the reconstruction and reintegration of SouthEast Europe, in: Gligorov, Vladimir (Red.). Balkan reconstruction: economic aspects (Balkan studies, 1). Vienna Institute for International Economic Studies, 2000, S. 45-63; Štiblar, Bančništvo Slovenije v mednarodni primerjavi in napoved za 2005. Gospod. gibanja, dec. 2002, št. 344, S. 25-45; Štiblar, Franjo. Financial groups and conglomerates in Slovenia under impact of euro. in: New member states prepare for the Euro adoption, (Bančni vestnik, Special issue, Vol. 54, No. 7-8 2005; Tratnik, Das neue slowenische Sachenrecht, WGO 2/2003, S. 94-108; Tratnik, Neposestna zastava premičnin v stvarnopravnem zakoniku Pravna Praksa, 10—11/2003, S. I—VIII; Tratnik/Ferčič in Handbuch Immobilienrecht in Europa, Frank u. Wachter (Hrsg.) 2004, S. 1343-1391; Tratnik, Zastavna pravica, GV Založba, Ljubljana 2006; Trstenjak Zivilrecht in Slowenien: Entwicklung und Stand der Dinge heute, ZEuP 2000, 77ff.; Varanelli, Prenos lastninske pravice v zavarovanje, Podjetje in delo 6-7/2005, S. 1357; Vrenčur, Fiduciarni prenos lastninske pravice na premičnih stvareh v novem slovenskem pravu, Das Budapester Symposium, GTZ, Bremen 2003, S. 297-303; Vrenčur, Moderne oblike zavarovanja plačil, GV Založba, 2005.
Inhaltübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . 8 B. Kredit- und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Kreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Immobiliarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Grundpfandrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Andere Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . 44 C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Kontenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2. Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wertpapierdeposit . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Scheck- und Kartengeschäft . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermögensbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anlageberatung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . II. Handel mit Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . 1. Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten des Wertpapierhandels . . . . . . . . . 3. Der Markt der Finanzinstrumente. . . . . . III. Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tratnik
58 60 61 63 63 64 67 69 69 69 70 71 71 73 74 77 78
2730
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten Stichwortverzeichnis
Abtretungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Afterpfandgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Afterverpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Agentur für den Wertpapiermarkt . . . . . . . . . . . 70, 75 Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Akzessorietät(-sprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 48 Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 40 Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Arten des Wertpapierhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Ausländische Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Aussonderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Ausstattung von Betriebsräumen . . . . . . . . . . . . . . 46 Ausweispapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Bankdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Bankkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bedingung (Auflösende). . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 52 Behebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Belastungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Benachrichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Besitzloses Registerpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Bestimmte Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Bestimmter Geldbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 67 Bevollmächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Bewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Börsenvermittlungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . 76, 77 Börsenvermittlungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 69, 71 Bürge und Zahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Bürge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Bürgschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Bürgschaftserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Bürgschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Darlehensbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Dauerschuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Debitkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Depositen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Dingliche Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Dividendenbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Effektengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Eigentümergrundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 22, 38, 55 Einzahlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Elektronische Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Ersatzakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 EWR – Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Exekutionstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 26, 27 Festbetragshypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Finanzierungsleasing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Finanzinstitute (andere) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Finanzinstrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Finanzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Formen von Kreditsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Gelddepositen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Gerichtliche Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Gesamtgrundschuld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Geschäftsbesorgungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Girokonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57, 60 Grenzüberschreitende EWR Überweisungen . . . . . 66 Grenzüberschreitende Überweisungen . . . . . . . . . . 62 Grundbuchliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Grundlegendes Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 28 Grundschuldbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 38 Handelsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 51 Handelsvorräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Höchstbetrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Höchstbetragshypothek . . . . . . . . . . . . . . . 17, 19, 28 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20-32 Hypothekarklage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Immobiliarkredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Inhaberpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Inkassokosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Innerstaatliche Überweisungen. . . . . . . . . . . . . . . . 64 Insolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Investitionsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Investitionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Investitionsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Kartengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Kausalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kommissorische Abrede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Kontoeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 60 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kraftfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Kreditkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Kreditversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Liegenschaftseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20, 22 Mahnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Mandatvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Markt der Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Mehrfachverpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Mindestreserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Namenspapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Nebengebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Nebenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42, 51 Nichtorganisierter Handel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Nicht-EWR Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Nicht verkörperte Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . 53, 55 Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 37 Notariatsakt. . . . . . . . . . . . . . . . 16, 25, 30, 38, 48, 52 Öffentliche Auktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Organisierter freier Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Organisierter Handel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Organisierter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Personalschuldner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Persönliche Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Pfandbestellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Pfandvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Preisstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Prioritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Produktionsvorräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Provisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Publizität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 47 Realschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Rechtskräftiges Gerichtsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
Scheckgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Schiedsgerichtliches Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 37, 42, 60, 65, 77 Schuldanerkenntnis (abstraktes) . . . . . . . . . . . . . . . 30 Sicherungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 37 Sicherungseigentümer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Sicherungseinrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Sicherungsgrundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Sicherungsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Sicherungszession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50, 51, 52 Siegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Simultanhypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Slowenischer Banken-Verbund. . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Solidarbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Sparkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Transaktionskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 65 Transitionsperiode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Überbringer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58, 59 Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Überweisungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Unbedingte Anweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Unbewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Unmittelbar vollstreckbarer Notariatsakt . . . . .25, 40 Veräußerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13, 16, 60 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2731
Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 22, 53 Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Verkörperte Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53,54 Verpfändung von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Verpfändung von Wertpapieren . . . . . . . . . 53, 54, 55 Verpflichtungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 53 Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Versicherungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Versicherungsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Versicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Vertrag über die Führung eines Transaktionskonto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Verwaltungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Vieh. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Vollstreckbares Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Vollstreckungsbeschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Wertpapier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Wertpapierdeposit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Wertpapierhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Wertsicherungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Zahlungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Zahlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zentrale Clearings-Depotgesellschaft. . . . . . . . . . . 72 Zentraler Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 26, 61 Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 26 Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Abkürzungsverzeichnis BWG GMFI OblG OblGB KG
Bankwesengesetz Gesetz über den Markt der Finanzinstrumente Obligationengesetz Obligationengesetzbuch Gesetz über den Konkurs, den (Zwangs-)Ausgleich und die Liquidation (Konkursgesetz)
KSG SGB VKG VSG
Konsumentenschutzgesetz Sachenrechtsgesetzbuch Gesetz über die Konsumentenkredite Vollstreckungsgesetz
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. Das slowenische Bankensystem entspricht dem EU Standard. Slowenien gehört seit dem 01. Januar 2007 zur Euro-Zone. Das Bankwesen wird grundsätzlich durch das Bankwesengesetz (BWG) geregelt. Dieses Gesetz steht im Einklang mit der Richtlinie 2000/12 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute.
1
Die Slowenische Zentralbank (Banka Slovenije) wurde am 25. Juni 1991 gegründet. Die leitenden Organe der Bank sind der Gouverneur und der Vorstand. Der Gouverneur wird von der Staatsversammlung bestellt. Der Vorstand wird vom Gouverneur geleitet und besteht aus elf Mitgliedern: fünf internen Mitgliedern (Gouverneur, stellvertretender Gouverneur und den drei Vizegouverneuren) und sechs externen, unabhängigen Experten. Die Zentralbank ist durch das Gesetz über die Bank Sloweniens (GBS) geregelt.
2
Die Zentralbank ist gemäß Art. 2 GBS völlig unabhängig. Die Zentralbank leitet die Währungs-, Bank- und Kreditpolitik Sloweniens und ihr wichtigstes Ziel ist es, gemäß Art. 4 Abs. 1 GBS die Preisstabilität zu gewähren. Zu ihren Aufgaben gehören: die Gestaltung und die Durchführung der Geldpolitik, die Gestaltung und die Durchführung der
3
Tratnik
2732
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Geldaufsicht, die Regulierung der Zahlungssysteme, das Annnehmen von Depositen von Banken und Sparkassen und die Eröffnung der Konten für Banken und Sparkassen. Außerdem ist die Zentralbank für die Liquidität des Banksystems verantwortlich und ist an Transaktionen auf Devisen- und Finanzmärkten beteiligt (Art. 11 GBS). Die Zentralbank stellt gem. Art. 19 GBS die Form und die Höhe der Mindestreserven der Banken und Sparkassen fest und den Anteil der Mittel, den die Banken und Sparkassen auf ihren Konten bei der BS deponiert haben müssen. Es gelten variable Mindestreservensätze. Die Zentralbank kann den Banken und Sparkassen Refinanzierungskredite gewähren (Art. 18 GBS). 4
Gemäß Art. 2 Abs. 1 BWG ist eine Bank (Banka) eine Aktiengesellschaft, die von der Zentralbank die Zustimmung bekommen hat, Bankgeschäfte durchzuführen. Die Zahl der Banken, die in Slowenien ihre Tätigkeit ausüben, ist relativ niedrig. Die Banken sind Mitglieder des Slovenischen Banken-Verbundes (Združenje bank Slovenije). Das Bankwesen wurde während der sogenannten Transitperiode (Übergangsperiode) weitgehend privatisiert. Jedoch beläuft sich der staatliche Anteil noch immer auf etwa 18 %. Der Anteil von Fremdkapital beträgt ca. 35 %.Die Bestimmungen über die Tätigkeit von Banken sind auch auf die Sparkassen anwendbar (Art. 227 BWG).
5
Bankdienstleistungen (Bančne storitve) sind die folgenden Finanzleistungen: die Annahme von Depositen und das Verleihen von Krediten auf eigene Rechnung. Weiterhin sind auch die finanziellen Leistungen als Bankdienstleistungen zu bezeichnen, die gemäß einer anderen gesetzlichen Regelung nur durch Banken geleistet werden dürfen (Art. 3 Abs. 1 BWG). Neben den Bankdienstleistungen und anderen Finanzgeschäften aus Art. 6 Abs. 1 BWG, dürfen die Banken und Sparkassen keine anderen Finanzleistungen anbieten (Art. 8 BWG). Bankdienstleistungen können auch durch Sparkassen und Filialen von ausländischen Banken, die die Niederlassungsgenehmigung der Zentralbank erhalten haben, und Banken aus anderen Mitgliedstaaten der EG, die gemäß BWG eine Filiale in Slowenien eröffnet haben oder aufgrund des BWG unmittelbar Bankdienstleistungen in Slowenien anbieten dürfen (Art. 4 BWG), erbracht werden.
6
Von den Banken sind die (anderen) Finanzinstitute zu unterscheiden. Andere Finanzinstitute (druge finančne organizacije) sind gemäß Art. 7 Abs. 1 Rechtspersonen, die ausschließlich oder überwiegend die Finanzleistungen aus Art. 6 Abs. 1 BWG anbieten, bzw. Finanzleistungen aufgrund der Gesetze, die das Versicherungswesen, den Wertpapiermarkt, Investitionsfonds oder Verwaltungsgesellschaften oder andere Finanzleistungen regeln. Die Liste der Finanzleistungen von Art. 6 Abs. 1 BWG stimmt überein mit der Liste der Finanzleistungen in Anhang I der Richtlinie 2000/12 (z. B.: Factoring, Finanzierungsleasing, Ausgabe von Garantien und anderen Bürgschaften, Kreditierung, einschließlich Konsumentenkredite und Hypothekarkredite, Wertpapiergeschäfte usw.).
7
II. Bankenaufsicht. Die Banken sind der Aufsicht der slowenischen Zentralbank unterworfen. Genaue Bestimmungen darüber enthält die Regelung des BWG.
8
III. Bedeutende Rechtsquellen. Slowenien hat kein allgemeines Bürgerliches oder Handelsgesetzbuch, sodass die wichtigsten Gebiete des Zivil- und Handelsrechts in mehreren „Teilgesetzbüchern“ geregelt sind. Die wichtigsten Rechtsquellen sind in zeitlicher Reihenfolge (der letzten Änderung bzw. der (letzten) amtlich bereinigten Fassung – falls veröffentlicht) folgende Gesetze: – Obligationengesetz, OblG (Zakon o obligacijskih razmerjih, , i.d.F. vom Amtsbl. 57/89 – jedoch nur die Regelung der Bankgeschäftge in Art. 1035-1088); – Gesetz über den Konkurs, den (Zwangs-) Ausgleich und die Liquidation, KG (Zakon o prisilni poravnavi, stečaju in likvidaciji, i.d.F. vom Amtsbl. Nr. 52/1999) ; Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
– – – – – – – –
– – – – – – – – – –
2733
Obligationengesetzbuch OblGB (Obligacijski zakonik, Amtsbl. Nr. 83/2001); Sachenrechtsgesetzbuch SGB (Stvarnopravni zakonik, Amtsbl. Nr. 87/2002); Konsumentenschutzgesetz, KSG (Zakon o varstvu potrošnikov, 14/2003); Grundbuchgesetz (Zakon o zemljiški knjigi, ZZK-1, Amtsbl. 58/2003); Gesetz über die Devisengeschäfte (Zakon o deviznem poslovanju) i.d.F. vom Amtsbl. Nr. 110/2003); Gesetz über den Schutz von Käufer der Wohnungen und Wohnungshäusern (Zakon o varstvu kupcev stanovanj in enostanovanjskih stavb, Amtsbl. Nr. 18/2004); Gesetz uber die Konsumentenkredite VKG (Zakon o potrošniških kreditih, ZPotK, i.d.F. von Amtsbl. Nr. 77/2004); Verordnung über das Register der besitzlosen Pfandrechte und verpfändeten Sachen Uredba o registru neposestnih zastavnih pravic in zarubljenih premičnin, Amtsbl. 23/ 2004; Gesetz über die Investitionsfonds und Verwaltungsgesellschaften, i.d.F. vom Amtsbl. Nr. 26/2005); Gesetz über die hypothekarischen und kommunalen Schuldbriefe (Zakon o hipotekarni in komunalni obveznici, Amtsbl. Nr. 17/2006); Gesetz über die Finanzkonglomerate (Zakon o finančnih konglomeratih, Amtsbl. Nr. 43/2006); Vollstreckungsgesetz VSG (Zakon oizvršbi in zavarovanju, i.d.F. vom Amtsbl. Nr. 17/ 2006); Gesetz über die Bank Sloweniens (Zakon o Banki Slovenije, i.d.F. vom Amtsbl. Nr. 72/ 2006); Gesetz über den Zahlungsverkehr (Zakon o plačilnem prometu, Amtsbl. Nr. 110/2006) Bankwesengesetz BWG (Zakon o bančništvu, Amtsbl. Nr. 131/2006); Gesetz über die nicht verkörperten Wertpapiere (Zakon o nematerializiranih vrednostnih papirjih, i.d.F. vom Amtsbl. Nr. 2/2007); Gesetz über den vorgeschriebenen Verzugszinsensatz (Zakon o predpisani obrestni meri zamudnih obresti, i.d.F. vom Amtsbl. Nr. 11/2007); Gesetz über den Markt der Finanzinstrumente (Zakon o trgu finančnih instrumentov, Amtsbl. 67/2007).
B. Kredit- und Kreditsicherheiten
9
I. Kreditformen. 1. Darlehensvertrag. Ein Darlehensvertrag ist eine Vereinbarung, aufgrund derer eine Vertragspartei (der Darlehensgeber) einer anderen Vertragspartei (dem Darlehensnehmer, Schuldner) eine bestimmte Geldsumme oder eine andere vertretbare Sache zur freien Verfügung übergibt, während sich die andere Vertragspartei verpflichtet, die gleiche Menge gleicher Art und Güte zurückzugeben (Art. 569 OblGB). Für die Forderung des Darlehensnehmers auf Übertragung der vertraglich bestimmten Sachen in sein Eigentum besteht eine besonders kurze Verjährungsfrist von drei Monaten (Art. 571 Abs. 2 OblGB). Ist das Darlehen laut Vertrag für einen bestimmten Zweck zu verwenden (z. B. zur Immobilienfinanzierung) und verwendet es der Darlehensnehmer nicht bestimmungsgemäß, so kann der Darlehensgeber vom Vertrag zurücktreten (Art. 578 OblGB). Das Gesetz sieht in diesem Fall als Sanktion die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts selbst vor, die Vertragsparteien können im Vertrag aber auch eine mildere Sanktion vereinbaren.
10
Eine vorzeitige Tilgung der Geldschuld durch den Schuldner ist allerdings möglich. Jede vertragliche Bestimmung, mit welcher der Schuldner auf dieses Recht verzichtet, ist nichtig. Bei festverzinslichen Darlehen ist daher ein Ausschluss des Kündigungsrechts
11
Tratnik
2734
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
nicht möglich. Der Schuldner ist aber bei vorzeitiger Erfüllung nur dann zum Abzug der Zinsen, die zwischen dem Tag der Rückzahlung und der Fälligkeit angefallen wären, berechtigt, wenn er dazu aufgrund des Vertrags berechtigt oder dies üblich ist (Art. 398 OblG). 12
2. Kreditvertrag. Die Grundform des Bankkredits ist der Kreditvertrag. Ein Kreditvertrag ist ein Vertrag, mit dem sich eine Bank als Kreditgeber verpflichtet, dem Kunden (Kreditnehmer) einen bestimmten Geldbetrag (zweckgebunden oder nicht zweckgebunden) für bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Verfügung zu stellen, wobei sich der Kunde seinerseits verpflichtet, der Bank die vereinbarten Zinsen zu bezahlen und den erhaltenen Betrag zur vereinbarten Zeit auf die vereinbarte Weise zurückzuzahlen (Art. 1065 OblG). Der Kreditvertrag ist ein Bankgeschäft und eine Sonderform des Darlehensvertrags. Er wurde nicht im OblGB geregelt. Bankverträge werden in Zukunft durch eine besondere gesetzliche Regelung normiert sein. Bis zu deren Erlass sind die Regeln des OblG (Art. 1065-1068) anzuwenden.
13
Der Kreditvertrag ist ein ausschließliches Bankgeschäft und immer entgeltlich. Er ist ein Konsensvertrag und muss den Betrag sowie die Bedingungen der Erteilung, der Verwendung und der Rückzahlung des Kredits enthalten (Art. 1066 OblG). Der Vertrag muss in schriftlicher Form abgeschlossen werden, wobei ein Formverstoß nicht mit der Folge der Nichtigkeit bedroht ist (Rijavec/Vrenčur/Keresteš, 101). Ist der Kreditnehmer ein Verbraucher, ist die Verbraucherschutzgesetzgebung (KSG und VKG) zu beachten.
14
Die Bank kann den Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit jederzeit kündigen, wenn der Kredit zweckwidrig verwendet worden ist. Das Gleiche gilt, falls der Kreditnehmer insolvent geworden ist, falls eine juristische Person als Kreditnehmerin aufgelöst wird oder der Kreditnehmer stirbt und die Bank dadurch in eine wesentlich nachteilige Position kommen würde.
15
Der Kreditnehmer kann den Vertrag kündigen, bevor er den Kredit seinem Zweck entsprechend verwendet hat. Er ist auch berechtigt den Kredit vor Beendigung der Laufzeit zurückzuzahlen, hat jedoch die Bank – wie beim Darlehen – im Vorhinein davon in Kenntnis zu setzen. In beiden Fällen hat er der Bank einen allfälligen Schaden zu ersetzen. Die Bank darf ihrerseits für die Zeit zwischen dem Tag der Kreditrückzahlung und dem vereinbarten Tilgungszeitpunkt keine Zinsen berechnen (Art. 1068 OblG).
16
3. Immobiliarkredit. Immobiliarkredite werden in der letzten Zeit auch auf längere Fristen (15-20 Jahren) vergeben. Der Zinssatz ist meistens günstiger als bei anderen Krediten (z. B. Autofinanzierung, Kauf von Hi-Fi TV, Haushaltsgeräten usw.). Wird ein Immobiliarkredit an einen Verbraucher vergeben, der mit Grundpfandrechten besichert ist, ist gemäß Art. 7a Abs. 1 VKG schon für den Kreditvertrag die Form eines Notariatsakts erforderlich. Besondere Schutzregeln gelten auch für Verbraucher, die eine neue Wohnung oder ein Wohnhaus kaufen, wenn sie den Kaufpreis (teilweise) im Voraus zahlen müssen. Unternehmen finanzieren den Immobilienkauf manchmal aufgrund eines Finanzierungs-Leasingvertrages, der aber nicht gesetzlich geregelt ist. Die allgemeinen Regeln des OblG finden Anwendung. Die Position des Leasingnehmers kann durch eine Anmerkung im Grundbuch gesichert werden.
17
4. Dispositionskredit. Beim Dispositionskredit nimmt das Kreditinstitut die Verpflichtung auf sich, dem Kunden einen Kontokorrentkredit innerhalb der vereinbarten Höchstgrenze zu gewähren. Solche Kredite werden häufig mit der Höchstbetragshypothek besichert. Der Kunde ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Er kann frei über den gewährten Kredit (bis zur Höchstgrenze) dis-
Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
2735
ponieren. Ein Dispositionskredit wird vielfältig in Kombination mit einem Transaktionskonto in Bezug auf die Überschreitungen des Guthabens vereinbart. II. Kreditsicherheiten. 1. Vorbemerkung. Kredite werden mit persönlichen und / oder dinglichen Formen von Kreditsicherung gesichert. Die wichtigsten persönlichen Kreditsicherheiten sind: Bürgschaft, Schuldbeitritt, Kreditversicherung und das sog. (Verwaltungs-) Zahlungsverbot. Die dinglichen Kreditsicherungsformen sind: Hypothek, Grundschuld, besitzloses Pfandrecht an nicht im Grundbuch eingetragenen Liegenschaften, besitzloses Mobiliarpfandrecht, besitzloses Registerpfandrecht an beweglichen Sachen, Sicherheitsübertragung, Sicherungszession, Pfandrecht auf Forderungen und Eigentumsvorbehalt. Im slowenischen Sachenrecht gelten sowohl das Trennungs- als auch das Kausalitätsprinzip. Das bedeutet, dass neben dem Verpflichtungsgeschäft auch ein Verfügungsgeschäft erforderlich ist, das dem Kausalitätsprinzip gemäß ebenfalls gültig sein muss. Es muss also bei der Begründung einer dinglichen Sicherheit grundsätzlich zwischen drei Rechtsgeschäften unterschieden werden: – dem Kredit- oder sonstigen Vertrag, aus dem die gesicherte Forderung entsteht, – dem Pfandvertrag bzw. der Sicherungsabrede bei der Grundschuld, der bzw. die das Verpflichtungsgeschäft darstellt und – dem Verfügungsgeschäft. In der Praxis sind alle drei Rechtsgeschäfte häufig in einem einheitlichen Vertrag vereinigt. Es kann sich aber auch um zwei oder sogar drei Urkunden handeln. 2. Grundpfandrechte. Das slowenische Sachenrecht kennt folgende Arten der Grundpfandrechte: – Festbetragshypothek, – Höchstbetragshypothek, – Gesamthypothek, – Grundschuld und – Pfandrecht an nicht eingetragenen Liegenschaften. Grundpfandrechte können nur zur Besicherung von Geldforderungen verwendet werden. Ein Grundpfandrecht kann sowohl für Forderungen gegen den Grundpfandrechtsgeber selbst als auch für Forderungen gegen Dritte begründet werden. Die Parteien können die Form des Grundpfandrechts frei wählen. Die Höhe (bzw. der Höchstbetrag bei der Höchstbetragshypothek) der Geldforderung muss mit einer ziffermäßig bestimmten Geldsumme ausgedrückt werden. Der (Höchst-) Betrag kann in jeder Währung ausgedrückt sein. a) Hypothek. Die Hypothek ist ein Pfandrecht an unbeweglichen Sachen. Das Pfandrecht ist ein beschränktes dingliches Recht. Es besteht i. d. R. an fremden Sachen und ermöglicht dem Gläubiger die Tilgung der Forderung aus dem Wert der verpfändeten Sachen, wenn der Schuldner seine Verpflichtungen bei Fälligkeit nicht erfüllt. Die Hypothek ist im SGB geregelt, weil das VSG die Vollstreckung der Hypothek regelt und gewisse Bestimmungen die Bestellung des Pfandrechts an nicht eingetragenen Liegenschaften (meistens Wohnungen) betreffend enthält. Für das Pfandrecht an Schiffen und Flugzeugen gelten die Bestimmungen besonderer Gesetze. Für die Hypothek gilt das Akzessorietätsprinzip, wobei einige Ausnahmen gelten. Geht die Forderung auf eine andere Person über, geht die Hypothek nur aufgrund einer Eintragung in das Grundbuch über (Art. 148 SGB). Geht die gesicherte Forderung unter, so geht die Hypothek nur durch Löschung im Grundbuch unter. Die Hypothek kann sowohl für zukünftige als auch für bedingte Forderungen bestellt werden (Art. 129 SGB). In diesen Fällen entsteht sie vor der Forderung.
Tratnik
18
19
20
21
2736
22
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Die Hypothek entsteht rechtsgeschäftlich, aufgrund gesetzlicher Vorschrift (gesetzliche Hypothek) oder durch eine gerichtliche Entscheidung (Zwangshypothek in der Zwangsvollstreckung). Beim rechtsgeschäftlichen Erwerb von Hypotheken bedarf es: – – – –
eines gültigen Verpflichtungsgeschäfts, eines dinglichen Verfügungsgeschäfts, der Eintragung in das Grundbuch und der Löschung des Hypothekengebers.
Wie bei allen rechtsgeschäftlich vereinbarten dinglichen Rechten ist auch bei der vertraglichen Hypothek ein gültiges Verpflichtungsgeschäft (das Titelgeschäft) erforderlich. Das Titelgeschäft bei der Bestellung der Hypothek ist der Pfandbestellungsvertrag, der im OblGB geregelt ist. Er bedarf der Schriftform (Art. 52 OblGB). Das Verpflichtungsgeschäft kann auch gleichzeitig mit dem Verfügungsgeschäft in einer Urkunde geschlossen werden. Bei Verbraucherkrediten, die mit Grundpfandrechten besichert werden, ist gemäß Art. 7a Abs. 1 VKG schon für den Darlehensvertrag die Form eines Notariatsakts erforderlich. In diesem Fall kann derselbe Notariatsakt auch das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft enthalten. 23
Die Voraussetzungen des Verfügungsgeschäfts werden zwar nirgendwo in der slowenischen Gesetzgebung ausdrücklich dargestellt, aber die Lehre und die Rechtsprechung sind sich darüber einig, dass das Verfügungsgeschäft für jede Verfügung notwendig ist. In der Praxis wird aber die Hypothek fast immer als eine unmittelbar vollstreckbare Hypothek nach Art. 142 SGB VSG bestellt, wofür ein Notariatsakt erforderlich ist. Die Hypothek entsteht durch die Eintragung in das Grundbuch. Ohne Eintragung wird die Hypothek nicht erworben.
24
Der Hypothekengeber muss verfügungsbefugt sein. Das bedeutet normalerweise, dass er Eigentümer der Liegenschaft sein muss, die mit der Hypothek belastet wird. Falls er noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, wird das Grundbuchamt die Eintragung nicht zulassen. So muss z. B. der Käufer, der mit einem durch Hypothek gesicherten Kredit eine Liegenschaft kaufen will, erst Eigentümer werden, erst dann kann die Hypothek eingetragen werden. So kann es Probleme geben, wenn der Verkäufer keine Eintragung des Eigentumsüberganges zulassen will, solange er den Kaufpreis nicht erhält, und andererseits die Bank den Kredit nicht freigeben will, solange die Hypothek nicht eingetragen ist.
25
Jede Art der Hypothek kann aufgrund einer schriftlichen Urkunde mit beglaubigter Unterschrift des Hypothekengebers (gewöhnliche Hypothek) oder durch einen unmittelbar vollstreckbaren Notariatsakt (unmittelbar vollstreckbare notarielle Hypothek) bestellt werden. Um die unmittelbare Vollstreckbarkeit zu erreichen, muss neben der Erfüllung des Formerfordernisses der Betrag der Forderung feststehen und der Schuldner ausdrücklich der unmittelbaren Vollstreckbarkeit zustimmen (Art. 4 Notariatsgesetzes). Die Hypothek besteht in Slowenien nur als Buchhypothek, eine Briefhypothek ist unbekannt. Die Grundschuld existiert dagegen nur als Briefrecht. Sie wird bei der Begründung zwar eingetragen, die Übertragung ist aber möglich, ohne dass diese im Grundbuch festgehalten werden müsste.
26
Bei der Festbetragshypothek wird der gewährte Darlehensbetrag mit dem Fälligkeitsdatum, Zinssatz und eventuell einer Wertsicherungsklausel (vor der Einführung des Euros sehr üblich) im Grundbuch eingetragen. So kann eine Festbetragshypothek nur zur Sicherung dieser so bestimmten und im Grundbuch eingetragenen Forderung dienen. Mit der Tilgung erlischt die Hypothek aus materieller Sicht und wird unbrauchbar. Die Festbetragshypothek haftet auch für die Nebengebühren (Kosten und Zin-
Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
2737
sen). Zinsrückstände der letzten drei Jahre sind im selben Rang wie die Hauptforderung gesichert. Wenn der Schuldner die gesicherte Forderung bei deren Fälligkeit nicht bezahlt, kann der Hypothekengläubiger sein Sicherungsrecht durchsetzen. Ist der Realschuldner gleichzeitig auch Personalschuldner, kann der Hypothekengläubiger mit einer Leistungsklage ein vollstreckbares Urteil erwirken, um in das gesamte Vermögen des Schuldners (einschließlich der verpfändeten Liegenschaft) vollstrecken zu können. Wenn der Realschuldner nicht gleichzeitig auch Personalschuldner ist, kann der Gläubiger gegen den Realschuldner nur die Hypothekarklage erheben. Er kann aber neben der Hypothekarklage gegen den Realschuldner auch die Leistungsklage gegen den Personalschuldner erheben, um auch die Vollstreckung in das gesamte Vermögen des Personalschuldners möglich zu machen. Der Realschuldner, der nicht gleichzeitig auch der Personalschuldner ist, kann gegen den Hypothekengläubiger alle Einreden geltend machen, die sich sowohl auf die Hypothek (z. B. dass diese nicht gültig entstanden ist) als auch auf die besicherte Forderung (z. B. dass diese schon bezahlt ist oder das zugrundeliegende Rechtsgeschäft nichtig ist) beziehen. Wenn die Hypothek durch einen unmittelbar vollstreckbaren Notariatsakt bestellt wird (wie in mehr als 90 % der Fälle), ist dieser Notariatsakt schon ein Vollstreckungstitel, sodass eine Hypothekarklage nicht erforderlich ist.
27
Mit der Höchstbetragshypothek wird das grundlegende Rechtsverhältnis, aus dem die besicherten Forderungen entstehen, besichert. Solange das Grundverhältnis besteht, werden neue Forderungen (auch aus neuen Kreditverträgen) mit der Höchstbetragshypothek besichert. Die Höchstbetragshypothek wird nur mit dem Höchstbetrag eingetragen. Neben dem Höchstbetrag wird im Grundbuch auch ausdrücklich vermerkt, dass es sich um eine Höchstbetragshypothek handelt (Art. 18 GBG). Der Höchstbetrag ist die Höchstgrenze, bis zu welcher die belastete Liegenschaft haftet. Mit der Höchstbetragshypothek werden meistens zukünftige und bedingte Forderungen besichert, die aufgrund bestehender oder auch künftiger Kreditverträge entstehen. Diese künftigen und bedingten Forderungen müssen aber aus dem zugrundeliegenden Gläubiger – Schuldner Verhältnis (aufgrund eines Rahmenvertrages) hervorgehen.
28
Der Umfang der Haftung wird aber auch bei der Höchstbetragshypothek durch den Umfang der wirklich ausstehenden Forderung(en) bestimmt. Der Hypothekargläubiger muss den Bestand und den Umfang der aus dem gesicherten Grundverhältnis entstandenen Forderung(en) nachweisen. Die Zinsen und die Kosten werden in den Höchstbetrag mit eingeschlossen, sodass der Höchstbetrag in keinem Fall überschritten werden kann.
29
Die Höchstbetragshypothek ist grundsätzlich nicht unmittelbar vollstreckbar, auch wenn die Höchstbetragshypothek in der Form eines Notariatsakts begründet ist. Gemäß Art. 4 des Notariatsgesetzes kann ein Notariatsakt nur unmittelbar vollstreckbar sein, wenn die Verpflichtung des Schuldners im Notariatsakt selbst genau festgestellt ist. Der bei einer Höchstbetragshypothek beurkundete Betrag ist aber nicht der wirkliche Betrag der ausstehenden Forderung(en). So kann der Schuldner nicht seine Zustimmung zu dem Betrag der Forderung und zu der unmittelbaren Vollstreckbarkeit erteilen. Es ist unklar, ob der Schuldner ein abstraktes Schuldanerkenntnis abgeben und für den Betrag des Schuldanerkenntnisses die Zustimmung zur sofortigen Vollstreckbarkeit abgeben kann.
30
Bei der Übertragung einer Forderung, die mit einer Höchstbetragshypothek besichert ist, ist der Übergang der Hypothek grundsätzlich ausgeschlossen, sodass nur die anderen Forderungen des Höchstbetragshypothekinhabers besichert bleiben (Art. 146 Abs. 4 SGB).
31
Die Gesamthypothek (Simultanhypothek) ist eine Hypothek, die zur Besicherung einer Forderung an mehreren Liegenschaften begründet wird (Art. 145 SGB). Es wird zwischen
32
Tratnik
2738
33
34
35
36
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
der Hauptliegenschaft und den anderen Liegenschaften unterschieden. Die Bestimmung der Hauptliegenschaft wird den Parteien überlassen. Die Simultanhypothek wird bei der Hauptliegenschaft durch die Eintragung und bei den anderen Liegenschaften durch die Anmerkungen in das Grundbuch eingetragen (Art. 17 GBG). Alle Änderungen hinsichtlich der Hypothek (z. B. die Übertragung) werden nur bei der Hauptliegenschaft eingetragen und gelten aufgrund der Anmerkung auch für alle anderen Liegenschaften. Im Falle einer Verwertung kann der Hypothekargläubiger frei wählen, auf welche Liegenschaften er zuerst zugreift. b) Besitzloses Pfandrecht an nicht eingetragenen Liegenschaften. In Slowenien gibt es noch viele nicht eingetragene Liegenschaften, meistens de-facto-Wohnungseigentum, das noch nicht als solches im Grundbuch eingetragen ist. Auf diesen Liegenschaften kann keine Hypothek gemäß dem SGB begründet werden, es ist aber ein besonderes Pfandrecht aufgrund der Art. 249-255 VSG möglich. Diese Regelung wird nur angewendet, bis alle Liegenschaften im Grundbuch eingetragen sind, was leider noch sehr lange dauern kann. Das Pfandrecht wird durch einen unmittelbar vollstreckbaren Notariatsakt begründet, der alle wichtigen Angaben betreffend die Parteien, die Liegenschaft und die besicherte Forderung (die Höhe und die Fälligkeit) enthalten muss. Wenn die Liegenschaft nicht im Kataster eingetragen ist, muss die Liegenschaft auf eine andere Art (als durch die katastrale Bezeichnung) identifiziert werden, etwa durch die Lage, die Grenzen, die Ausmessungen usw. (Juhart/Tratnik/Vrenčur 2004, 642). Das Pfandrecht entsteht durch den Notariatsakt (mit der Unterzeichnung und der Siegelung durch den Notar). Der Notariatsakt bleibt bei dem Notar in Verwahrung (Rijavec, 244-245). Dieses Pfandrecht ist ziemlich riskant, weil es keine Publizität hat und auch das Eigentumsrecht des Pfandgebers nicht mit Sicherheit festzustellen ist. Das Eigentum wird grundsätzlich durch den ursprünglichen Kaufvertrag bzw. durch die ganze Kette der Kaufverträge „nachgewiesen“. Es kommt vor, dass fremde Liegenschaften verpfändet werden oder dass dieselbe Liegenschaft an mehrere Pfandgläubiger verpfändet wird, wobei der zweite Pfandgläubiger denkt, dass die Liegenschaft noch nicht verpfändet worden ist. Da es keine Publizität gibt, gibt es auch keine diesbezüglichen Kontrollmöglichkeiten für den gutgläubigen Erwerber (Tratnik, 162). c) Grundschuld. Die Grundschuld ist ein neues Rechtsinstitut, das erst bei der Sachenrechtsreform vom 01.01.2003 eingeführt worden ist. Die Grundschuld ist ein beschränktes dingliches Recht, die Befriedigung einer bestimmten Geldsumme aus dem Wert der belasteten Liegenschaft vor allen anderen Gläubigern mit einem späteren Rang zu erreichen (Art. 192 SGB). Sie unterscheidet sich von der (Höchstbetrags-) Hypothek durch die Tatsache, dass sie nicht akzessorisch ist. Die Regelung der Grundschuld in Art. 192-200 SGB wird stark durch das deutsche Recht beeinflusst. Ergänzend werden die Regeln des SGB über die Hypothek und andere Pfandrechte analog angewendet (siehe näher Tratnik vdp). Hinsichtlich der Eintragungen in das Grundbuch werden neben den Spezialregeln des GBG (Art. 20 Abs. 2, Art. 44, Art. 49 Abs. 4) die Regeln des GBG über die Höchstbetragshypothek analog angewendet (Art. 20 Abs. 1 GBG). Die Grundschuld entsteht im Regelfall als Eigentümergrundschuld und wird durch den Eigentümer der belasteten Liegenschaft bestellt. Eine Grundschuld kann aber auch durch die Umwandlung einer bestehenden Hypothek durch den Hypothekargläubiger entstehen. Die Grundschuld ist nur in Briefform möglich. Der Grundschuldbrief (zemljiško pismo) ist ein Wertpapier, das durch Übergabe und Indossament übertragen wird. Die Übertragung erfolgt völlig außerhalb des Grundbuches durch Übergabe und muss daher nicht grundbuchmäßig vollzogen werden.
Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
2739
Bei der Sicherungsgrundschuld ist die Sicherungsabrede wichtig, weil dadurch die zwischenseitigen Verpflichtungen geregelt sind, die u. a. die Voraussetzungen für die Realisation der Grundschuld und für die Übertragbarkeit des Grundschuldbriefs regeln. Die Sicherungsabrede ist allerdings nicht gesetzlich geregelt. Aus den allgemeinen Regeln (Art. 52 OblGB) folgt allerdings, dass die Sicherungsabrede der Schriftform bedarf. Weiterhin sind einige zwingende Regeln des Pfandrechts analog anzuwenden. So ist nur nach der Fälligkeit der gesicherten Forderung zulässig, die kommissorische Abrede zu vereinbaren (Art. 132 SGB), und dem Grundschuldgläubiger ist die Nutzung der belasteten Liegenschaft zwingend untersagt (Art. 152 SGB). Ein rechtsgeschäftliches Veräußerungs- oder Belastungsverbot wirkt nur zwischen den Parteien und kann gemäß Art. 38 Abs. 4 SGB nicht im Grundbuch eingetragen werden, es sei denn, es handelt sich um nahe Familienangehörige. Ein dem Grundschuldgläubiger auferlegtes Verbot der Begründung weiterer Grundpfandrechte ist nichtig (Art. 147 Abs. 2). Gemäß Art. 194 Abs. 1 SGB wird die Grundschuld durch ein einseitiges Verfügungsgeschäft des Liegenschaftseigentümers als Eigentümergrundschuld oder durch ein einseitiges Verfügungsgeschäft des Hypothekargläubigers, der mit Bewilligung des Grundstückeigentümers seine Hypothek in die Grundschuld umwandelt, begründet. Zum Erwerb sind die Eintragung in das Grundbuch und die Erstellung des Grundschuldbriefs erforderlich. Die Grundschuld entsteht nicht durch die Eintragung, sondern erst durch die Erstellung des Grundschuldbriefs. Das Begründungsgeschäft muss in Form eines Notariatsakts erfolgen und muss folgende Angaben enthalten: – die Bezeichnung des Liegenschaftseigentümers bzw. Hypothekengläubigers, – die Bezeichnung der zu belastenden Liegenschaft, – den Betrag der Grundschuld, – die Angaben über die Fälligkeit der Grundschuld und – die Eintragungsbewilligung des Begründers.
37
38
Wird die Grundschuld durch die Umwandlung einer Hypothek begründet, sind neben dem notariellen Bestellungsakt auch die Bewilligungen des Liegenschaftseigentümers und des alten Pfandgläubigers erforderlich. In dem zweiten Fall erfordern sie die Schriftform mit notariell beglaubigter Unterschrift. Bewilligungen anderer (Hypotheken- oder Grundschuld-) Gläubiger werden nicht benötigt (Vrenčur, 289-291). Die Grundschuld kann auch als Gesamtgrundschuld an mehreren Liegenschaften begründet werden. Die Regeln betreffend die Simultanhypothek werden dann entsprechend angewendet.
39
d) Vollstreckung der Grundpfandrechte. Nach slowenischem Recht ist grundsätzlich nur die gerichtliche Vollstreckung der Grundpfandrechte möglich. Es werden die allgemeinen Regeln des VSG angewendet. Die Vollstreckung wird aufgrund eines Exekutionstitels (izvršilni naslov) durch einen Beschluss über die Vollstreckung (Sklep o izvršbi) genehmigt. Als Exekutionstitel kommen bei Grundpfandrechten ein unmittelbar vollstreckbarer Notariatsakt, ein Grundschuldbrief, ein rechtskräftiges Gerichtsurteil aufgrund einer Hypothekarklage, ein Vergleich oder ein schiedsgerichtliches Urteil in Betracht. Der Beschluss über die Vollstreckung wird im Grundbuch vermerkt (Art. 86 GBG). Nachdem der Beschluss rechtskräftig geworden ist und der Wert der Liegenschaft aufgrund einer Schätzung durch das Gericht festgestellt ist, wird der Verkauf genehmigt. Die Liegenschaft wird grundsätzlich durch das Gericht auf einer öffentlichen Auktion versteigert. Die Parteien können aber auch einen direkten Verkauf vereinbaren (Art. 183 VSG). 3. Bürgschaft. Mit dem Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge, den Gläubiger zu befriedigen, wenn der Schuldner seine gültige und fällige Verbindlichkeit nicht erfüllt (Art. 1012 OblGB). Der Bürgschaftsvertrag wird zwischen Gläubiger und Bürgen ab-
40
Tratnik
41
2740
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
geschlossen und dient der Sicherung der zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Verpflichtungen. Die Mitwirkung des Schuldners ist dabei nicht erforderlich. Unabhängig davon ist die Bürgschaftserklärung aber von der gesicherten Verbindlichkeit abhängig (akzessorisch) und ohne deren Bestehen unwirksam (Rijavec/Vrenčur/Keresteš, 110). 42
Die Verpflichtungserklärung (Bürgschaftserklärung) muss schriftlich erfolgen, der Vertrag selbst, ebenso wie alle Vertragsänderungen zugunsten des Bürgen, können aber mündlich abgeschlossen werden (Art. 1013 OblGB). Sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, haftet der Bürge für die Erfüllung der gesamten verbürgten Verbindlichkeit. Die Bürgschaft umfasst auch die Inkassokosten gegen den Hauptschuldner, alle weiteren durch Verschulden des Schuldners entstandenen Erhöhungen der Verpflichtung sowie die vertraglichen Zinsen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrags fällig werden (Art. 1017 OblGB). Der Bürge kann sich aber nicht für mehr verbürgen, als der Hauptschuldner leisten muss. Mit der Zahlung geht die Forderung des Gläubigers einschließlich aller Nebenrechte und Sicherungsmittel auf den Bürgen über (Legalzession, Art. 1018 OblGB).
43
Es kann auch eine Solidarbürgschaft vereinbart werden, bei der sich der Bürge als „Bürge und Zahler“ verpflichtet. Der Gläubiger kann in diesem Fall die Erfüllung der Verpflichtung entweder vom Schuldner oder vom Bürgen oder von beiden gleichzeitig verlangen. Bei Handelsverträgen gilt die Vermutung, dass der Bürge – sofern vertraglich nichts anderes bestimmt wurde – als Bürge und Zahler haftet (Art. 1019 OblGB). Bürgen mehrere Personen für dieselbe Schuld, so haften sie dem Gläubiger – sofern vertraglich nichts anderes bestimmt wurde – solidarisch (Art. 1020 OblGB). 4. Andere Kreditsicherheiten. a) (Verwaltungs-)Zahlungsverbot. In der Praxis wird die Konstruktion des (Verwaltungs-) Zahlungsverbotes häufig gebraucht. Es handelt sich um eine Bevollmächtigung eines Arbeitgebers durch den Schuldner in Form einer Vorausabtretung, in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen vom Gehalt des Schuldners Kreditraten abzuziehen und sie dem Gläubiger des Schuldners zu überweisen. Eine solche Bevollmächtigung wird mit der Vereinbarung zwischen Gläubiger und Arbeitgeber kombiniert, der zufolge der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Gläubiger über eine eventuelle Beendigung des Dienstverhältnisses oder über ein höheres Gehalt zu informieren sowie einen bestimmten Teil des Gehalts des Schuldners nach Aufforderung dem Gläubiger auszuzahlen. Das Verbot, das Gehalt auszuzahlen, hat die Wirkung eines Vollstreckungsbeschlusses (Rijavec/Vrenčur/Keresteš, 117).
44
45
46
b) Kreditversicherung. Die Kreditversicherung ist eine sehr beliebte Form der Sicherung von Immobilienkrediten. Bei einer Kreditversicherung wird mit einer Versicherungsgesellschaft ein Versicherungsvertrag geschlossen, mit dem sich der Kreditgeber gegen das Risiko der Nichtzahlung des Kredits durch den Schuldner absichert. Zahlt der Schuldner die Kreditraten nicht, so gehen mit Zahlung der Versicherungssumme durch die Versicherung bis zur Höhe dieses Betrages schon aufgrund des Gesetzes alle versicherten Rechte des Schuldners auf die Versicherung über (Art. 963 OblGB). Die Höhe der Versicherungsprämie richtet sich nach der Versicherungssumme und der Laufzeit des Kredits. Bei einer Laufzeit von bis zu einem Jahr beträgt die Versicherungsprämie ca. 1,38 %, bei einer Laufzeit von bis zu drei Jahren ca. 2,02 % und bei einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren bis zu 3,09 % des Tilgungsbetrags (Rijavec/Vrenčur/Keresteš, 118). c) Besitzloses Registerpfandrecht an beweglichen Sachen. Das slowenische Recht kennt auch das besitzlose Pfandrecht an beweglichen Sachen (neposestna zastavna pravica), das in Bezug auf einige Kategorien von Objekten seit dem 01. Juli 2004 als ein
Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
2741
Registerpfandrecht (registrska neposestna zastavna pravica) begründet werden muss. Dieses Pfandrecht ist näher in der Verordnung über das Register der besitzlosen Pfandrechte und verpfändeten Sachen (Ur.l. 23/2004) geregelt. Es handelt sich um: – Handels- oder Produktionsvorräte, – Ausstattung von Betriebsräumen, – Kraftfahrzeuge (z. B. Sattelschlepper, Zugmaschinen), Anhänger, – Vieh. Es handelt sich zwar um ein öffentliches Register, das aber ein Register der Pfandrechte und nicht ein Register der beweglichen Sachen ist, die mit Registerpfand belastet werden können. Die möglichen Objekte werden nicht wie die Liegenschaften im Grundbuch als Registereinheiten geführt. Sie werden nur eingetragen, wenn ein Pfandrecht darauf begründet wird. Mit der Löschung des Pfandrechts wird auch das belastbare Objekt aus dem Register gelöscht (Juhart/Tratnik/Vrenčur 2004, 757). Da mehrere der angeführten Sachen als Zubehör auch Objekte der Grundpfandrechte sein können, ergibt sich die Möglichkeit einer Kollision zwischen dem Registerpfandrechtsinhaber und dem Grundpfandrechtsinhaber. In einem solchen Fall gilt der Prioritätsgrundsatz (prior tempore, potior iure). Gutgläubiger Erwerb durch einen späteren Grundpfandrechtsinhaber wird durch die Publizität des Mobiliarpfandrechts ausgeschlossen und gutgläubiger Erwerb durch einen späteren besitzlosen Mobiliarpfandrechtsinhaber ist nicht möglich (Art. 156 SGB).
47
d) Die Sicherungsübertragung wurde 2003 in Art. 201 – 206 SGB geregelt und ist nach h. M. nur an beweglichen Sachen möglich (siehe für eine andere Auffassung Varanelli, Podjetje in delo 6-7/2005, 1357). Die bewegliche Sache verbleibt im unmittelbaren Besitz des Sicherungsgebers oder einer Drittperson, die ihn für den Sicherungsgeber innehat. Kraft einer gesetzlichen Vermutung wird die Sicherungsübertragung unter der auflösenden Bedingung der Befriedigung der Forderung durchgeführt (sog. Ersatzakzessorietät). Eine abweichende Vereinbarung ist aber möglich, wodurch die Akzessorietät völlig ausgeschlossen wird. Die Übertragung erfolgt aufgrund eines unmittelbar vollstreckbaren Notariatsaktes. Die Urkunde muss die Bezeichnung des Sicherungnehmers, des Sicherungsgebers (und des Schuldners, falls sie nicht identisch sind), Beschreibung der beweglichen Sache und der besicherten Forderungen enthalten. Wenn die Akzessorietät nicht ausgeschlossen wird, hat die Urkunde auch den Rechtsgrund sowie die Höhe und die Fälligkeit der Forderung zu enthalten.
48
Der Sicherungseigentümer wird grundsätzlich dem besitzlosen Pfandgläubiger gleichgestellt. Er kann die bewegliche Sache für einen angemessenen Preis behalten oder auf die im Notariatsakt bestimmte Art verkaufen. Aufgrund des unmittelbar vollstreckbaren Notariatsaktes kann er die Übergabe der Sache, den unmittelbaren Besitz verlangen und sie anschließend außergerichtlich verkaufen. Im Konkurs- oder (Zwangs-)Ausgleichsverfahren hat der Sicherungsnehmer ein Absonderungsrecht. Wird der Sicherungsnehmer zahlungsunfähig, hat der Sicherungsgeber ein Aussonderungsrecht.
49
e) Die Verpfändung von Forderungen hat in Slowenien geringe praktische Bedeutung, da die Sicherungszession bevorzugt wird. Für die Begründung des Pfandrechts an der Forderung ist die Benachrichtigung des Schuldners erforderlich (konstitutiv). Nach dem Erhalt der Benachrichtigung kann der Schuldner schuldbefreiend nur an den Pfandgläubiger leisten. Der Besteller muss dem Pfandgläubigen auch alle Urkunden und Beweise über die verpfändete Forderung geben.
50
f) Die Sicherungszession. Die Zession ist nach slowenischem Recht ein Verfügungsgeschäft, wodurch der Zedent eine Forderung auf den Zessionar überträgt. Eine besondere
51
Tratnik
2742
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Form ist nicht vorgeschrieben. Der Zedent hat dem Zessionar alle Beweise über die abgetretene Forderung und einen allfälligen Schuldbrief zu übergeben. Ein Abtretungsverbot (pactum de non cedendo) kann vereinbart werden. Bezüglich der Wirkung einer solchen Vereinbarung ist jedoch zwischen den nach bürgerlichem Recht zu beurteilenden Rechtsgeschäften und den Handelsgeschäften zu unterscheiden. Während das Verbot bei Ersteren, wenn der Zessionar vom Abtretungsverbot wusste oder wissen musste, absolut unwirksam ist, ist die Zession bei Handelsgeschäften trotz der Vereinbarung wirksam. Der Schuldner hat aber die Möglichkeit, sich durch die Leistungserbringung an den Zedenten von seiner Schuld zu befreien. Die Nebenrechte (wie z. B. Pfand, Bürgschaft, Recht auf Zinsen) gehen durch die Zession automatisch auf den Zessionar über. Bei der Hypothek ist aber die Zession der besicherten Forderung für den Übergang der Hypothek nicht ausreichend. Die Hypothek geht erst mit der Eintragung ins Grundbuch auf den Zessionar über (Art 148 Abs. 2 SGB). 52
Die Sicherungszession ist in Art. 205-207 SGB geregelt. Die Sicherungszession erfolgt grundsätzlich (sowie auch die Sicherungsübertragung) unter der auflösenden Bedingung der Zahlung der besicherten Forderung. Auch hier kann eine nicht-akzessorische Übertragung vereinbart werden. Eine besondere Form ist zwar nicht dringend vorgeschrieben, aber der Sicherungsnehmer wird nur bei einer in der Form eines Notariatsaktes errichteten Sicherungszession im Konkurs des Sicherungsnehmers bzw. in einer Vollstreckung gegen den Sicherungsgeber geschüzt. Falls die besicherte Forderung bei ihrer Fälligkeit nicht bezahlt wird, kann der Sicherungsnehmer sich aus der abgetretenen Forderung befriedigen, aber nur bis zur Höhe der fälligen Forderung. Einen eventuellen Überschuss hat er dem Zedenten herauszugeben.
53
g) Verpfändung von Wertpapieren. Es muss zwischen den physisch verkörperten und den nicht verkörperten Wertpapieren (materializirani in nematerializirani vrednostni papirji) unterschieden werden. Die verkörperten Wertpapiere werden durch eine Urkunde vergegenständlicht. Auch für die Begründung des Pfandrechts an verkörperten Wertpapieren gilt der Grundsatz von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft (bzw. Titel und Modus), wobei im SGB insbesondere der Modus geregelt ist: – Inhaberpapiere werden durch Übergabe an den Pfandgläubiger verpfändet; – Orderpapiere werden durch Indossament zur Verpfändung und Übergabe des Papiers verpfändet; – Namenspapiere, die durch Indossament übertragen werden, werden durch Indossament zur Verpfändung und Übergabe des Papiers verpfändet; – Sonstige Namenspapiere werden durch Benachrichtigung des Schuldners der Wertpapiere über die Verpfändung der Forderung aus dem Namenspapier verpfändet.
54
Bei den nicht verkörperten Wertpapieren besteht kein physischer Träger, sondern das Wertpapier existiert nur in elektronischer Form auf einem Wertpapierkonto. Es handelt sich um die Erklärungen des Emittenten, die im zentralen Register der nicht verkörperten Wertpapiere eingetragen sind. In der Praxis sind diese Wertpapiere ausschließlich Aktien. Ihre Verpfändung ist im Gesetz über die nicht verkörperten Wertpapiere (Zakon o nematerializiranih vrednostnih papirjih) geregelt. Das Verfahren ist dem Verfahren nach dem Grundbuch nachgebildet.
55
Das Pfandrecht wird begründet durch die Eintragung des Pfandrechts im Zentralregister. Dies gilt auch im Falle einer Mehrfachverpfändung oder Afterverpfändung. Das Pfandrecht wird aufgrund eines Auftrags, der vom Eigentümer des Wertpapiers zu unterschreiben ist, eingetragen. Wenn nichts anderes vereinbart wird, gilt der Pfandgläubi-
Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
2743
ger als zum Dividendenbezug und anderen Bezügen aus dem Wertpapier berechtigt. Solche Rechte werden auch ins Register eingetragen. Falls die Forderung vom Schuldner nicht getilgt wird, muss der Pfandgläubiger zur Zahlung mahnen. Sind Schuldner und Pfandbesteller nicht ein und dieselbe Person, bezieht sich diese Pflicht auch auf den Pfandbesteller. Die Mahnung hat mittels eines per Einschreiben versandten Briefs zu erfolgen. Nach Ablauf der darin festgesetzten Frist kann der Pfandgläubiger das verpfändete Wertpapier auf dem organisierten Markt verkaufen. Zugleich wird mit dem Verkauf das Pfandrecht aus dem Register gelöscht.
56
C. Konto und Zahlungsverkehr
57
I. Konto. 1. Kontenarten. Ein Bankkonto ist ein vertragliches Dauerschuldverhältnis zwischen einer Bank und einem Kunden. Es handelt sich um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag. Es gibt verschiedene Arten von Konten, insb. Girokonten, Sparkonten, Devisenkonten, Treuhand- und Sperrkonten. Ein Mehrzahl von Kontogeschäften wird noch immer im alten jugoslawischen OblG von 1978 geregelt. Da das neue Slowenische OblGB die Bankgeschäfte nicht geregelt hat, sind nämlich die Bestimmungen von Art. 1035-1088 OblG 1978 nicht aufgehoben worden. So sind im OblG neben dem bereits besprochenen Kreditvertrag die folgenden Bankgeschäfte geregelt: – der Depositenvertrag (Art. 1035-1042 OblG), – der Sparbuchvertrag (Art. 1043-1046 OblG), – der Wertpapierdepositvertrag (1047-1051 OblG), – das Girogeschäft (Art. 1052-1060 OblG), – der Safe-Vertrag (Art. 1061-1064), – der Akreditiv-Vertrag (Art. 1072-1082) und – die Bankgarantie Art. 1083-1088 OblG). 2. Sparbuch. Beim Sparbuchvertrag wird eine Einlage als Spareinlage durch die Bank entgegengenommen und die Bank bzw. die Sparkasse reicht dem Deponenten ein Sparbuch aus. Das Sparbuch wird auf eine bestimmte Person oder an den Überbringer ausgestellt. Die Bank ist verpflichtet Zinsen zu bezahlen. Die Spareinlagen können auf Sicht lauten, sie können auch (mit oder sonder einer Kündigungsfrist) gebunden sein.
58
In das Sparbuch werden alle Einzahlungen und Abhebungen von Geld eingetragen. Die Eintragungen werden mit Siegel der Bank und Unterschrift der bevollmächtigten Person versehen. Das Sparbuch gilt als Beweis, dennoch gibt es Möglichkeiten zu zeigen, dass der Stand des Sparbuches unrichtig ist. Sparbücher sind traditionell eine sehr verbreitete Sparform, die aber nach der Wende etwas an Bedeutung verloren hat. Die Spareinlagen, die nicht an Überbringer ausgestellt sind, werden bis in Höhe von 22.000 EUR gesetzlich garantiert (Art. 153 BWG).
59
3. Girogeschäft. Beim Girogeschäft verpflichtet sich die Bank ein besonderes Konto zu eröffnen, über welches sie für den Kunden Zahlungen entgegennehmen wird bzw. sie für den Kunden Zahlungen leisten wird, und zwar in den Grenzen seiner zur Verfüngung stehenden Mittel und des genehmigten Kredites. Der Vertrag ist als ein Mandatvertrag zu qualifizieren. Der Vertrag bedarf der Schriftform (Art. 1053 OblG). Die Mittel auf dem Girokonto setzen sich aus der Einzahlung der Kunden und aus für sie empfangenen Geldbeträgen zusammen. Die Bank ist grundsätzlich verpflichtet vom Girokonto Zahlungen zu leisten, wenn die Rechnung nicht gedeckt ist, aber diese Verpflichtung wird in der Praxis stets ausgeschlossen. Wenn ein Kunde mehrere Girokonten bei derselben Bank besitzt, werden die Salden automatisch verrechnet. Der Kunde darf jederzeit über sein Saldo verfügen. Die Bank ist aufgrund Art. 1060 OblG verpflichtet, den Kunden über die
60
Tratnik
2744
61
62
63
64
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Transaktionen auf dem Konto zu informieren. In der Regel wird dieser Verpflichtung mit Hilfe von regelmäßigen Kontoauszügen nachgekommen. Mit der Verbreitung von Internet-Banking verliert aber diese Verpflichtung an praktischer Bedeutung. Kontokorrentkredite an Verbraucher unterliegen der besonderen Bestimmung des Art. 9 VKG, wonach der Verbraucher detailliert über die Bedingungen der Kreditgewährung informiert werden muss. Die Bank muss den Kunden über jede Änderung der Bedingungen sofort schriftlich informieren. 4. Wertpapierdeposit. Mit dem Wertpapierdepositvertrag verpflichtet sich die Bank, dass sie gegen Zahlung Wertpapiere zur Aufbewahrung übernehmen wird und dass sie die Rechte ausüben und die Verpflichtungen erfüllen wird, welche im Zusammenhang mit diesem verlangt werden. Die Bank ist verpflichtet, für die Verwahrung mit der Sorgfalt des entgeltlichen Depositars zu sorgen und muss für den Deponenten alles tun, was für die Geltendmachung und Erhaltung seiner Rechte aus den Wertpapiere notwendig ist. Bei Fehlen einer andersartigen Vereinbarung, muss die Bank die fälligen Zinsen verzinsen, alle Beträge kassieren, für welche die deponierten Wertpapiere Rechte gewähren und zwar genau zu dem Zeitpunkt, in dem diese zur Zahlung fällig sind. Die Bank ist verpflichtet, dem Deponenten die empfangene Summe zur Verfügung zu stellen, wenn er bei ihr eine Rechnung mit Gelddeposit hat, und ihm diese auf seinem Konto gutzuschreiben. Die Bank muss dem Deponenten auf sein Verlangen jederzeit die Wertpapiere zurückgeben. Die Wertpapiere müssen an dem Ort zurückgegeben werden, wo sie deponiert worden sind. Gegenstand der Rückgabe sind die Wertpapiere selbst, wenn die Vertragsparteien nicht vereinbart haben, dass sie mit der Bezahlung eines entsprechenden Betrages zurückgegeben werden. Die Wertpapiere dürfen nur dem Deponenten oder seinen Rechtsnachfolgern oder demjenigen zurückgegeben werden, der durch den Deponenten (oder seine Rechtsnachfolger) bestimmt wird. Dies gilt auch, wenn aus den Wertpapieren zu ersehen ist, dass sie einem anderen gehören. Die Bank muss den Deponenten über jeden Anspruch, welche eine Drittperson im Hinblick auf das Deponierte geltend macht, verständigen. II. Zahlungsverkehr. 1. Allgemeines. Der Zahlungsverkehr kann durch die Banken durchgeführt werden, falls mindestens eine der Vertragsparteien über ein Bankkonto verfügt. Die Zahlung kann bar oder unbar (elektronisch oder auf Papier) erfolgen. Der Zahlungsverkehr ist im Gesetz über den Zahlungsverkehr geregelt, wodurch auch die EGRichtlinien 98/26 und 97/5/EG über grenzüberschreitende Überweisungen sowie 2000/ 46 umgesetzt sind. Das Gesetz beruht auf den folgenden Grundprinzipien: Gesetzlichkeit, Schutz der Geldeigentümer, freie Wahl des Anbieters des Zahlungsdienstes, Gleichberechtigung der Teilnehmer im Zahlungsverkehr, Effektivität, Schnelligkeit, Sicherheit und Information der Teilnehmer im Zahlungsverkehr über den Stand und die Änderungen auf ihren Konten, die Anwendung von modernen Informationstechnologien und der Gebrauch von Standards, die Nutzung von Datenbanken über individuelle Transaktionen im Zahlungsverkehr zu statistischen und analytischen Zwecken wie auch die Kontinuität der bestehenden Daten. 2. Überweisungen. Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Überweisungen innerhalb des EWR Raums, folgt die Regelung des Slowenischen ZVG in Art. 30a–30f sehr genau der Richtlinie 97/5 EG. Die Richtlinie wurde aber nur in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich im ZVG umgesetzt. Für innerstaatliche Überweisungen und für Überweisungen in oder von Nicht-EWR Staaten gilt nicht die Regelung der Art. 30a–30f ZVG, sondern das slowenische bzw. das kraft der IPR-Regel anzuwendende Recht.
Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
2745
Natürliche und juristische Personen können die Geldmittel grundsätzlich nur über ein Transaktionskonto empfangen oder überweisen (Art. 8 Abs. 1 ZVG). Bei der Eröffnung von einem Transaktionskonto wird zwischen den Kunden und der Bank der Vertrag über die Führung eines Transaktionskontos geschlossen, in dem die Rechte und Verpflichtungen der Parteien festgelegt sind. Der Vertrag bedarf der Schriftform. Neben dem Vertrag sind die allgemeinen Bedingungen der Bank anwendbar. Durch die allgemeinen Bedingungen wird insbesondere das Folgende geregelt:
65
– Die Fristen für die Durchführung von Zahlungsaufträgen und Überweisungen, ab dem Moment des Auftragsempfangs des Kontoinhabers gerechnet, – Die Information über die Provisionen und Kosten als auch über ihre Berechnung, – Die Information über die verschiedenen Arten/Möglichkeiten der Erteilung von Zahlungs- bzw. Überweisungsaufträgen – Die Information über andere Leistungen (z. B. die Ausgabe von Debit- und/oder Kreditkarten), falls sie in Anspruch genommen werden. Der Vertrag ist als Mandatvertrag zu qualifizieren, und gemäß Art. 10 Abs. 3 sind die Bestimmungen des OblGB anwendbar, wenn die besondere Regelung des ZVG nichts anderes bestimmt. Grenzüberschreitende EWR-Überweisungen. Die Regelung der Art. 30a-30f des slowenischen ZVG ist anwendbar, wenn:
66
– der Auftraggeber und die Empfängerbank sich in verschiedenen EWR-Mitgliedstaaten befinden, – die Überweisungswährung der Euro oder eine Wahrung eines EWR-Mitgliedstaates ist, – der Betrag der Überweisung unter 50.000 EUR liegt und – der Durchführungspflichtige gewerbsmäßig derartige grenzüberschreitende Überweisungen ausführt. Da die slowenische Regelung sogar wörtlich der Richtlinie 97/5 EG folgt, werden die Verpflichtungen der Richtlinie bzw. des ZVG nicht weiter behandelt. 3. Das Scheck- und Kartengeschäft. Der Scheck ist eine unbedingte Anweisung des Ausstellers an eine Bank, zulasten seines Guthabens gegen Vorlage des Schecks einen bestimmten Geldbetrag auszuzahlen. Der Scheckverwendung liegt in der Regel ein Kontoeröffnungsvertrag zugrunde. Die Bank stellt dem Kunden ein Scheckheft zur Verfügung, das es ihm erlaubt von seinem Konto Geldbeträge abzuheben. Der Scheck ist ein Wertpapier. Wenn das Guthaben nicht oder nicht hinreichend vorhanden ist, hat die Bank seit einigen Jahren keine Verpflichtung mehr zur Auszahlung; früher war jeder Scheck bis zu etwa 60 EUR garantiert. Deswegen werden Schecks im normalen Zahlungsverkehr sehr selten angewendet. In Slowenien werden Bankkarten (Debit- und Kreditkarten) sehr häufig als Zahlungsmittel verwendet. Die Bankkarte ist ein Ausweispapier, das von einer Bank ausgestellt wurde, und auf dem sich verschiedene verschlüsselte elektronische Daten befinden, die es dem Inhaber erlauben, mithilfe einer Geheimzahl (PIN-Code) an Selbstbedienungsterminals (ATM) Transaktionen durchzuführen. Auch das zur Verfügungstellen der Bankkarten wird in der Regel mit der Kontoeröffnung verbunden.
D. Kapitalmarktrecht
67
68
69
I. Vermögensbetreuung. 1. Anlageberatung ist gemäß Art. 8 Abs. 5 die Abgabe persönlicher Empfehlungen bezüglich eines oder mehrerer Wertpapiergeschäfte. Die Bera-
Tratnik
2746
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
tung kann auf eigene oder auf Initiative der Investitionsgesellschaft hin erfolgen. Häufig findet die Anlageberatung in Kombination mit einem Börsenvermittlungsvertrag statt. 70
2. Vermögensverwaltung. In Slowenien wird eine Voucher-Privatisierung der Investitionsfonds durchgeführt, wobei alle Staatsbürger Kupons bekommen haben, die sie in besondere Fonds einlegen können. Diese Investitionsfonds haben sich zum Teil aufgrund besonderer Gesetze in Investitionsgesellschaften umgewandelt, wobei die Anlagen in Aktien umgesetzt worden sind. Diese Investitionsgesellschaften verwalten das Kapital ihrer Aktionäre und sind sehr stark am slowenischen Kapitalmarkt beteiligt.
71
II. Handel mit Wertpapieren. 1. Institutionen. Die Börse von Ljubljana war schon zwischen 1924 und 1942 geöffnet und wurde nach der Wende am 26. Dezember 1989 wieder als Aktiengesellschaft begründet. Wichtige Zuständigkeiten im Bereich von Wertpapieren, aber auch hinsichtlich Übernahmen sowie im Zusammenhang mit Investitionsfonds und Verwaltungsgesellschaften kommen der Agentur für den Wertpapiermarkt (Agencija za trg vrednostnih papirjev) zu. Die Agentur ist jetzt im Neuen Gesetz über den Markt der Finanzinstrumente geregelt und hat den Status einer öffentlichen Agentur.
72
Die Zentrale Clearings-Depotgesellschaft (Centralna klirinško depotna družba) wurde 1995 gegründet. Sie ist die einzige Institution, die mit der Aufbewarung von Wertpapieren betraut ist. Sie kontrolliert auch die Erfüllung von Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften und ist mit der Führung der zentralen Register der Inhaber von nicht verkörperten Wertpapieren beauftragt. Die Aufgaben der Zentralen Clearings- Depotgesellschaft sind in Art. 407 GMFI genau aufgeführt. Sie ist eine Aktiengesellschaft, deren Begründer bzw. Aktionäre Banken, Vermögensverwaltungsgesellschaften, Investitionsfonds und Emittenten sind.
73
2. Arten des Wertpapierhandels. Bei dem Verkehr werden drei Arten des Wertpapierhandels unterschieden: – der organisierte (amtliche) Handel an der Börse, – der organisierte freie Handel und der – der nicht organisierte Handel (OTC und nicht öffentlicher Handel). Wenn neue Wertpapiere zum ersten Mal öffentlich angeboten werden, muss der Emittent einen ausführlichen Prospekt veröffentlichen, dem das Publikum ausreichende Informationen über das Wertpapier entnehmen kann.
74
3. Der Markt der Finanzinstrumente. Im August 2007 ist das umfangreiche Gesetz über den Markt der Finanzinstrumente (GMFI) zum größten Teil in Kraft getreten (einige Kapitel traten am 01.01.2008 in Kraft). Mit diesem Gesetz wird der slowenische Kapitalmarkt zum Teil neu geregelt. Mit dem GMFI wurde eine Reihe von EG Richtlinien in die slowenische Rechtsordnung umgesetzt, und zwar 89/117/EEG, 97/9/EG, 98/ 26/EG, 2001/34/EG, 2003/6/EG, 2003/71/EG, 2003/124/EG, 2003/125/EG, 2004/39/EG, 2004/72/EG, 2004/109, 2006/48/ES und 2006/49/ES. Alle genannten Richtlinien, mit Ausnahme von 2006/48 und 2006/49, wurden übrigens schon in der bisherigen Gesetzgebung umgesetzt, die durch das GMFI (vor allem aber durch das Gesetz über den Wertpapiermarkt) verdrängt worden ist. Zugleich wird mit dem GMFI die Durchführung der Verordnungen der Europäischen Kommission 22773/2003 und 808/2004 näher geregelt.
75
Durch das GMFI sind insbesondere die folgenden Bereiche geregelt: – der Handel mit Wertpapieren, – die Informationspflichten bezüglich der Wertpapiere, die auf dem organisierten Markt gehandelt werden,
Tratnik
§ 78 Länderteil – Slowenien
2747
– die Bedingungen für die Errichtung, Geschäftsführung, Aufsicht und Beendigung von Investitionsgesellschaften, die Pflichten der Verwalter von organisierten Märkten und Ausgleichsystemen mit dem Sitz in Slowenien, – die Bedingungen, die ausländische Personen erfüllen müssen, um Investitionsdienste in Slowenien anbieten zu können, – der Handel auf organisierten Märkten, – die verbotenen Handlungen, – der Ausgleich von Geschäften, die auf organisierten Märkten geschlossen wurden, – die Funktion der Agentur für den Wertpapiermarkt. Investitionsdiestleistungen und Investitionsgeschäfte können gemäß Art. 32 GMFI durch die folgenden Subjekte durchgeführt werden:
76
– Börsenvermittlungsgesellschaften: Eine Börsenvermittlungsgesellschaft ist eine Investitionsgesellschaft mit Sitz in Slowenien, die keine Bank ist und die von der Agentur für den Wertpapiermarkt die Erlaubnis erhalten hat, Investitionsdienstleistungen und Investitionsgeschäfte durchzuführen. – Investitionsunternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die keine Bank oder kein besonderes Finanzinstitut sind und eine Filiale in Slowenien haben bzw. aufgrund des GMFI berechtigt sind, unmittelbar Investitionsdienstleistungen und Investitionsgeschäfte in Slowenien auszuführen; – Filialen von Investitionsunternehmen aus Nicht-Mitgliedstaaten, die keine Bank sind und die die Erlaubnis der Agentur für den Wertpapiermarkt erhalten haben; – Banken mit der Erlaubnis der slowenischen Zentralbank; – Banken oder besondere Finanzinstitute aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die eine Filiale in Slowenien haben oder aufgrund des GMFI berechtigt sind, unmittelbar Investitionsdienstleistungen und Investitionsgeschäfte in Slowenien auszuführen; – Filialen von Banken aus Nicht-Mitgliedstaaten, die die Erlaubnis der Zentralbank zur Gründung bekommen haben und gemäß den Bestimmungen des BWG berechtigt sind Investitionsdienstleistungen und Investitionsgeschäfte in Slowenien auszuführen. III. Effektengeschäft. Effektengeschäfte wurden in der Regel durch Banken und Börsenvermittlungsgesellschaften aufgrund des Vertrags über die Börsenvermittlung durchgeführt. Dieser Vertrag wird in Art. 222 Abs. 1 GMFI definiert als der Vertrag, wodurch eine Börsenvermittlungsgesellschaft sich verpflichtet, für den Kunden Finanzinstrumente zu kaufen und zu verkaufen. Die Transaktionen werden im Einklang mit dem Auftrag des Kunden und für seine Rechnung durchgeführt. Der Kunde hat eine Provision zu bezahlen. Vor dem ersten Auftrag muss ein allgemeiner Börsenvermittlungsvertrag in Schriftform abgeschlossen werden.
77
E. Aktuelle Entwicklungen
78
Slowenien bemüht sich ständig die EG-Gesetzgebung im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts zu konsolidieren und den EG Standards anzupassen. Die EG-Richtlinien sind zum größten Teil umgesetzt. In den letzten Jahren hat auch die Vorbereitung auf den Euro, der am 01. Januar 2007 eingeführt wurde, viel Energie und Arbeit gekostet. Das unzweifelhaft umfangreichste Gesetzgebungsprojekt ist die Vorbereitung des GMFI gewesen, das im August 2007 teilweise und am 01.01.2008 ganz in Kraft getreten ist. Eines der größten Probleme beim Zustandekommen der bank- und kapitalmarktrechtlichen Gesetzgebung ist aber die Tatsache, dass Slowenien als ein sehr kleines Land mit nur zwei Millionen Einwohnern über eine nicht ausreichende Anzahl von Spezialisten verfügt, die für die Vorbereitung der neuen Gesetzgebung eingesetzt werden können.
Tratnik
79
2748
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Auch sehr umfangreiche Gesetze werden deshalb manchmal nur durch sehr kleine Arbeitsgruppen vorbereitet. Dies hat zur Konsequenz, dass die Richtlinien häufig fast wörtlich in slowenische Gesetze übernommen wurden, selbst wenn eine Anpassung (im Rahmen, die die Richtlinie zulässt) eine bessere Lösung gewesen wäre. Ein weiterer Nachteil ist zudem die Tatsache, dass für diese rechtlichen Gebiete nur sehr wenig Fachliteratur vorhanden ist.
Tratnik
§ 78 Länderteil – Spanien
2749
25. Spanien
§ 78 Länderteil Schrifttum Estudios de Derecho Bancario y Bursátil, Homenaje a Evelio Verdera y Tuells, 1994; Nuevas entidades, – Spanien figuras contractuales y garantías en el mercado financiero, 1990; Bueso, Das Leasingrecht in Spanien, in: Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Leasinghandbuch, 2. Aufl., 2008; Cachón, Derecho del mercado de valores, Bd. I u. II, 1992-1993; Casares, Cajas de ahorro. Naturaleza jurídica e intervención pública, 2003; Cortés, Los mercados de valores y crédito (insbes. Kapitel Nr. 68-74), in: Uría/Menéndez (Hrsg.), Curso de Derecho mercantil, Bd. II, 2007, S. 349 ff.; Cuñat/Ballarín (Hrsg.), Estudios sobre jurisprudencia bancaria, 2. Aufl. 2002; Fernández-Armesto/De Carlos, El Derecho del Mercado Financiero, 1992; García Villaverde (Hrsg.), Contratos Bancarios, 1992; Garrigues, Contratos bancarios, 2. Aufl., 1975; Hernández Sainz, El abuso de información privilegiada en los mercados de valores, 2007; López Sánchez, Disciplina bancaria y protección del consumidor, Estudios sobre Consumo 42/1997, S. 9; Bankensonderregelung und Verbraucherschutz in Spanien – Die Beschwerdestelle der Spanischen Zentralbank, in: Krämer/Micklitz/Tonner (Hrsg.), Recht und diffuse Interessen in der Europäischen Rechtsordnung (Liber Amicorum Norbert Reich), 1997, S. 879; Menéndez (Hrsg.), Lecciones de Derecho Mercantil, 4. Aufl., 2006, S. 655; Nieto Carol (Hrsg.), Contratos bancarios y parabancarios, 1999; Orduña/ Tomillo/Campuzano, Contratación bancaria, 2001; Palá, Las ofertas públicas de venta (OPVs) de acciones, 1997; Sánchez Calero/Sánchez-Calero Guilarte, Instituciones de Derecho Mercantil, Bd. II, 30. Aufl. 2007. S. 369 ff.; Sánchez Calero/Sánchez-Calero Guilarte, Comentarios a la Ley 44/2002, de 22 de noviembre, de medidas de reforma del sistema financiero, 2003; ders., Derecho del mercado de valores, 2. Aufl. 2003; Sequeira/Gadea/Sacristáu (Hrsg.), La contratación bancaria, 2007; Tapia, Derecho bancario, 2002; ders., Sociedades y fondos de inversión y fondos de titulización, 1998; Ureba/MartínezSimancas (Hrsg.), Derecho del mercado financiero, 1994; ders. (Hrsg.), Instituciones del mercado financiero, Bd. I-IV, 1999; Zunzunegui, Derecho del mercado financiero, 3. Aufl., 2005.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Das spanische Banksystem als Bestandteil des Finanzmarktsystems . . . . 1 2. Allgemeine Regelung der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3. Einzelregelung der Kreditinstitute im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4. Einzelregelung der Kreditinstitute im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Spanische Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Spezifische Organe zum Bankkundenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Bedeutende Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 11 1. Komplexität der spanischen Bankrechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Elemente des Finanzmarktrechts . . . . . . 12 3. Eigene Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Rechtsquelle des öffentlichen Bankrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 5. Rechtsquelle des Privatbankrechts . . . . . 15 6. Bankkundenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 7. Allgemeine Merkmale der Bankverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 8. Besonderheiten der Bankverträgen . . . . 19 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 21 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Darlehensvertrag und Zinsen . . . . . . . . . 22 2. Immobiliarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Andere Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . III. Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Girogeschäft: das laufende Bankkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontenarten: Geldeinlageverträge . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überweisungen, Gut- und Lastschrift . . 2. Scheck- und Kartengeschäft . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff, Merkmale und Leitprinzipien des spanischen Kapitalmarktrechts . . . . 2. Marktfähige Werte und Finanzierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Primär- und Sekundärmärkte . . . . . . . . . 4. Institutionelle Gestaltung . . . . . . . . . . . . II. Vermögensbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 2. Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Effekten-, Emmisions- und Investmengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bueso-Guillén
30 34 42 43 47 51 53 54 54 55 60 65 66 67 68 68 68 69 70 71 75 76 78 80 81 82
2750
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten Stichwortverzeichnis
AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Allgemeine Merkmale der Bankverträgen . . . . . . . 18 Amtliche Kreditanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Anlagedienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Anlagedienstleistungsanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Anlagesicherungsfond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Bankbräuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Bankkundenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Beauftragter zum Schutz der Bankdienstleistungskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Belegen- und Buchungpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Beschwerdestelle der Spanischen Zentralbank . . . . 9 Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Besonderheiten der Bankverträgen . . . . . . . . . . . . 19 Bürgschaft – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Dahrlehensvertrag – Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 – Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 24 – Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Debit- und Kreditkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Diskountvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Dispositionskredit – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 – Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 – Sorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Einlageschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Einlagesicherungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Factoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Fernabsatz von Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . 15 Finanzierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Finanzmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Geheimhaltungspflicht und Geschäftsauskünfte von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Geldeinlageverträge – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 – Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Handelsrechtliche Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 – Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Hypothekendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Hypothekenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Institute elektronischen Geldes . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1
Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Kapitalmarktrecht – (Leit)prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Kontoüberziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Krediteinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Kreditgenossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kreditinstitut (im engeren Sinne) . . . . . . . . . . . . . . 2 Kreditinstitut (im weiteren Sinne) . . . . . . . . . . . . . . 2 Kundenabteilung der Kreditinsitute . . . . . . . . . . . . 7 Laufendes Bankkonto – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 – Inhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 – Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 – Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Leasingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Marktfähige Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Ombudsmänner der Bankkunden . . . . . . . . . . . . . . 7 Primärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Rentenfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Rückzahlung von Dahrlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Sekundärmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Sichteinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Spanischer Sparkassenverbund . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Spanische Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Spezialisierten Sparkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Termin- und Optiongeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Termineinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Überweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Überziehungszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 41 Verwaltete Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 76 Verwaltung von Investitionsportefeuillen . . . . . . . 78 – Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Wertebörse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Wertehandelsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Werteverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Wucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zinsatzgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Zinsenzahlung als Nebenpflicht . . . . . . . . . . . . . . 28 Zinsenzinsenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Zusatzdienstleistungen (von Anlagedienstleistungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
A. Rahmenbedingungen I. Banksystem. 1. Das spanische Banksystem als Bestandteil des Finanzmarktsystems. Das Bankrecht, zusammen mit dem Kapitalmarktrecht und dem (privaten) Versicherungsrecht, wird in Spanien von der h. M. als Teil des Finanzmarktrechts verstanden. Dazu gehören diejenigen Normen, die die Finanzmärkte, die in diesen Märkten angebotenen Finanzdienstleistungen und die Verpflichtungen der dort teilnehmenden Anbieter und Einrichtungen regeln. Die Integration der drei oben genannten, früher selbstständigen Rechtsgebiete in den Rahmen eines Finanzmarktrechts entspricht zunächst der Entwicklung in Form einer gegenseitigen wirtschaftlichen Annäherung der Finanzmärkte, wobei diese Annäherung stärker zwischen dem Bank- und Kapitalmarktrecht stattfindet. Deshalb darf man Merkmale des Bankrechts hervorheben, die sowohl vom
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2751
Kapitalmarktrecht als auch vom Versicherungsrecht geteilt werden: a) Das betrifft zunächst die Ähnlichkeit der Rechtsquellenstruktur, teilweise mit gemeinsamen Rechtsvorschriften (wie z. B. das verabschiedete Gesetz Nr. 44/2002 vom 22. November 2002 zu Reformmaßnahmen des Finanzsystems – Staat. Abl. Nr. 281 vom 23.11.2002, Berichtigung Staat. Abl. 33 vom 07.02.2003 – oder das Gesetz Nr. 13/1992 vom 1. Juli 1992 zur Regelung der Eigenvermögen und der konsolidierten Bilanzaufsicht von Finanzinstituten – Staat. Abl. Nr. 132 vom 2.6.1992 –, ausgeführt durch die Königliche Verordnung Nr. 1343/1992 vom 6. November 1992 – Staat. Abl. Nr. 293 vom 07.12.1992, Berichtigung Staat. Abl. Nr. 29 vom 03.02.1993), die zum großen Teil aus den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien stammen (z. B. einheitliche Zulassung). In der Tat darf man behaupten, dass die Gestaltung des heutigen Banksystems aus dem Jahr 1986 stammt, da ab diesem Zeitpunkt (bzw. mit der Real Decreto Legislativo – Gesetzgebende Königliche Verordnung: Norm mit Gesetzesrang und -kraft, aber von der Regierung aufgrund Ermächtigung des Parlaments verabschiedet (Art. 85 der Spanischen Verfassung von 1978) – Nr. 1298/1986 vom 28. Juni 1996 zur Anpassung der Bankregelung an das EG-Recht – Staat. Abl. Nr. 155 vom 30.06.1986) das System an die Anforderungen des EG-Rechts angepasst wird. b) Das meint ferner das Risiko als gemeinsamer Bestandteil der Finanzdienstleistungen und das Angebot gemischter Finanzdienstleistungen, wobei der Gesetzgeber auf eine ähnliche Interessenkonstellation bzgl. der Schutzbedürftigen achtet und zu ähnlichen Rechtsmitteln greift (z. B. Spezialisierung der Anbieter, Transparenzgebot, Sicherungsfonds). c) Schließlich betrifft es die Tatsache, dass die Finanzdienstleistungsanbieter trotz ihrer Spezialisierung letztendlich zu Finanzgruppen gehören, die sowohl über Kreditinstitute als auch über Anlagedienstleistungsanbieter und Versicherungsunternehmen verfügen und gemeinsame Strategien entwickeln. Weiter dürfen seit dem Jahr 1998 Kreditinstitute als Anlagediensleistungenanbieter (empresas de servicios de inversión) zugelassen werden (Rn. 73). 2. Allgemeine Regelung der Kreditinstitute (entidades de crédito). Aus dem allgemeinen Begriff des „Kreditinstituts“ lassen sich mehrere verschiedene Sachverhalte ableiten. Einerseits, im engeren Sinne, sind „Kreditinstitute“ lediglich diejenigen Unternehmen, die als typische und gängige Tätigkeit Publikumsvermögen in Form von Einlagen, Darlehen, befristeten Zessionen finanzieller Aktiva oder in vergleichbaren Formen, die zur Vermögensrückgabe verpflichten, annehmen, um es auf eigene Rechnung für die Gewährung von Krediten oder Geschäften ähnlicher Art zu verwenden (Art. 1 I Buchst. a Real Decreto Legislativo Nr. 1298/1986). D. h. im engeren Sinne üben die Kreditinstitute die mittelbare Vermittlung im Kreditgeschäft aus, eine Tätigkeit, die nach spanischem Recht den Banken, den Sparkassen und den Kreditgenossenschaften vorbehalten bleibt. Daneben sind im weiteren Sinne Kreditinstitute auch die Institute elektronischen Geldes (Art. 1 I Buchst. b und II Buchst. f Real Decreto Legislativo Nr. 1298/1986) und die Krediteinrichtungen (Art. 1 II Buchst. e Real Decreto Legislativo Nr. 1298/1986). Schließlich werden vom Gesetzgeber als Kreditinstitute auch die Amtliche Kreditanstalt und der Spanische Sparkassenverbund betrachtet (Art. 1 II bzw. Buchst. a und c Real Decreto Legislativo Nr. 1298/1986) (Rn. 4 f.).
2
Die weitere Eingrenzung des Begriffes hat zur Folge, dass alle diese Kreditunternehmen und -einrichtungen auf eine gemeinsame Grundregelung angewiesen sind, die sich im Wesentlichen durch die folgenden Punkte zusammenfassen lässt: a) Ausschließlicher und strenger Vorbehalt des Tätigkeitsbereichs und der kreditunternehmerischen Bezeichnungen zugunsten der eingetragenen Kreditinstitute. b) Gemeinsame Sonderregelung zur Gründung von Kreditinstituten, unabhängig von ihrer Rechtsform mit den Erfordernissen: Zulassungsgenehmigung, Mindestgründungskapital, Einschränkung des Unternehmens-
3
Bueso-Guillén
2752
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
zwecks auf Kredittätigkeiten, Eignung der Inhaber erheblicher Unternehmensanteile, Verbot des Vorteilsvorbehalts zugunsten der Unternehmensgründer und Tauglichkeit der Verwaltungs-, Bilanz- und Personalorganisation. c) Pflichtbuchführung unter einer sehr ausführlichen Sonderbilanzregelung. d) Pflicht zur Einhaltung von Bankkoeffizienten bzw. Zahlungsfähigkeits- und Einlagerisikobegrenzungskoeffizienten. Derzeit liegt der Zahlungsfähigkeitskoeffizient bei 8 %. e) Unterwerfung unter die Verwaltungsaufsicht, die von der Spanischen Zentralbank ausgeübt wird (Rn. 6). Im Fall der Kreditinstitute im engeren Sinne gehört dazu auch die Pflichtmitgliedschaft in einem der errichteten Einlagensicherungsfonds, die in Spanien seit dem Jahr 1977 bestehen. Es handelt sich um Einrichtungen mit öffentlich-rechtlicher Rechtspersönlichkeit, die ihre Tätigkeit (grundsätzlich die Gewährleistung der Einlagenrückzahlung bis zu 20.000 Euro per Einleger und Kreditinstitut) mit voller Geschäftsfähigkeit im Rahmen des Privatrechts ausüben (Königliche Verordung Nr. 2606/1996 vom 20. Dezember 1996 – Staat. Abl. Nr. 307 vom 21.12.1996). Ihre Tätigkeit wurde durch die 13. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 37/ 1998 vom 16. November 1998 – Staat. Abl. Nr. 275 vom 17.11.1998 – zur Reform des Gesetzes Nr. 24/1988 vom 28. Juli 1988 des Wertemarkts – Staat. Abl. Nr. 181 vom 29.07.1988, Berichtigung Staat. Abl. Nr. 122 und 185 vom 23.05.1989 und 04.08.1989 – erweitert, um den Ersatz von Geldmitteln, Werten und sonstigen Finanzinstrumenten, die zum Zweck der Erbringung von Anlagedienstleistungen einem Kreditinstitut anvertraut wurden, bis zur oben angegebenen Grenze zu gewährleisten (siehe dazu also Rn. 74). 4
3. Einzelregelung der Kreditinstitute im engeren Sinne. Sowohl die Banken als auch die Sparkassen und die Kreditgenossenschaften dürfen die Kredittätigkeit ohne Einschränkungen ausüben. a) Banken (bancos). Es handelt sich um Aktiengesellschaften, die einheitlich gegründet werden und ein Mindestgründungskapital von 18.030.363,13 Euro haben müssen, welches mit Geldeinlagen einzuzahlen ist. Die Aktien müssen nominativ emittiert werden. Der Vorstand muss aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen, die bestimmte Ehren- und Fähigkeitsvoraussetzungen zu erfüllen haben (Königliche Verordnung Nr. 1245/1995 vom 14. Juli 1995 – Staat. Abl. Nr. 181 vom 31.07.1995 – geändert durch die Königlichen Verordnungen 62/1996 vom 26. April 1996 – Staat. Abl. Nr. 26, vom 24.05.1996 – und Nr. 54/2005 vom 21. Januar 2005 – Staat. Abl. Nr. 19 vom 22.01.2005; Berichtigung Staat. Abl. 22 vom 26.01.2005). b) Sparkassen (cajas de ahorro) und Spanischer Sparkassenverbund (Confederación Española de Cajas de Ahorro – CECA). Bei den Sparkassen handelt es sich um privatrechtliche Stiftungen, deren Zweck die Ausübung der Kredittätigkeit ist; allerdings schließt ihr heutiger unternehmerischer Charakter die traditionelle Sozial- und Wohltätigkeit nicht aus. Ihre Mittel bestehen aus den Gründungseinlagen, aus den Einlagen, die durch die Emission von Teilnahmeanteilen (cuotas participativas) geschaffen werden (die als Gegenleistung lediglich Gewinnansprüche beinhalten, aber keine besonderen Mitwirkungsrechte), aus Reserven und aus dem Vermögen des Sozial- und Wohltätigkeitswerks. Die Grundstruktur der Sparkassen besteht aus vier Organen: der Generalversammlung (deren Mitglieder Vertreter der Gründer, der Kommune, wo die fragliche Sparkasse ihre Tätigkeit ausübt [bis zu 50 % der Mitglieder], der Einleger [zwischen 25 % und 50 % der Mitglieder] und der Angestellten der Sparkasse [zwischen 5 % und 15 % der Mitglieder] sind), dem Vorstand (dessen Zusammensetzung proportional zu derjenigen, die die Generalversammlung hat, sein muss), dem Generaldirektor und dem Aufsichtsausschuss. Der Spanische Sparkassenverbund bringt seine Tätigkeit als Kreditinstitut mit seiner Funktion als Hilfsverein der Sparkassen in Einklang (Gesetz Nr. 31/1985 vom 02. August 1985 zur Grundregelung der Leitorgane der Sparkassen – Staat. Abl. Nr. 190 vom 09.08.1985, Berichtigung Staat. Abl. Nr. 74 vom 27.03.1986, letztlich durch Gesetz Nr. 44/2002 geändert;
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2753
ebenso Königliche Verordnung Nr. 798/1986 vom 21. März 1986 zur Ausführung des Gesetzes Nr 31/1985 – Staat. Abl. Nr. 99 vom 25.04.1986, Berichtigung Staat. Abl. Nr. 144 vom 04.06.1986; und Königliche Verordnung Nr. 664/1990 vom 25. Mai 1990 über Teilnahmeanteile in Sparkassen – Staat. Abl. Nr. 129 vom 30.05.1990). c) Kreditgenossenschaften (cooperativas de crédito). Sie sind eingetragene Genossenschaften, die in erster Linie der Erfüllung der Kreditbedürfnisse ihrer Genossen dienen – trotz ihrer Bezeichnung sind die sogenannten „Landkassen“ (cajas rurales) keine Sparkassen, sondern Kreditgenossenschaften. Allerdings sind aktive Geschäfte mit Nichtgenossen bis zu 50 % ihres Vermögens erlaubt – passive Geschäfte unbegrenzt. Die Bestimmung ihres Mindestgründungskapitals (das von 1.051.771,18 Euro bis zu 4.808.096,83 Euro schwanken kann) hängt von ihrem geografischen Tätigkeitsbereich ab. Die Organe der Kreditgenossenschaften sind die Generalversammlung, der Leitrat, der Generaldirektor und eventuell die Kontrolleure (Gesetz Nr. 13/1989 vom 26. Mai 1989 – Staat. Abl. Nr. 129 vom 31.05.1989, ausgeführt durch Königliche Verordnung Nr. 84/1993 vom 22. Januar 1993 – Staat. Abl. Nr. 43 vom 19.02.1993; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 65 vom 17.03.1993). 4. Einzelregelung der Kreditinstitute im weiteren Sinne. a) Amtliche Kreditanstalt (Instituto de Crédito Oficial – ICO). Heutzutage ist die amtliche Kreditanstalt als zentralstaatliche Finanzagentur zu betrachten. Es handelt sich um eine öffentlichrechtliche Anstalt, die dem Wirtschaftsministerium zugeteilt ist und verschiedene Förderungsziele verfolgt (Art. 80 Gesetz Nr. 42/1994 vom 30. Dezember 1994, über Steuer-, Verwaltungsund Sozialmaßnahmen – Staat. Abl. Nr. 313 vom 31.12.1994; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 40 vom 16.02.1995). b) Krediteinrichtungen (establecimientos financieros de crédito). Es handelt sich um Kreditinstitute, die sich dadurch auszeichnen, dass sie besondere Aktiengesellschaften mit einem begrenzten Tätigkeitsbereich sind, der in erster Linie Darlehens- und Kreditgewährung (einschließlich Verbraucher- und Hypotekenkredite sowie die Finanzierung von Handelsgeschäften, Factoringverträge), Leasingverträge, Ausgabe und Verwaltung von Kreditkarten und / oder Gewährung von Avalen und anderen Sicherheiten betrifft. Aber um diese Tätigkeiten auszuüben, dürfen diese Krediteinrichtungsverträge kein zurückzahlbares Vermögen vom Publikum ewerben (Königliche Verordnung Nr. 692/1996). c) Institute elektronischen Geldes (entidades de dinero electrónico). Sie sind Kreditinstitute, die sich lediglich mit der Ausgabe von Zahlungsmitteln in Form elektronischen Geldes (im Sinne der Richtlinie 2000/46/EG) beschäftigen. Allerdings dürfen auch Kreditinstitute im engeren Sinne diese Tätigkeit ausüben (Art. 21 Gesetz Nr. 44/2002; kürzlich ausgeführt durch Königliche Verordnung Nr. 322/2008 vom 29. Februar 2008 – Staatl. Abl. Nr. 54 vom 03.03.2008).
5
II. Bankenaufsicht. 1. Spanische Zentralbank (Banco de España). Die spanische Zentralbank ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit und voller öffentlicher und privater Geschäftsfähigkeit, die gleichzeitig als Währungsbehörde (ins europäische System der Zentralbanken eingegliedert), Anbieter von Staatsfinanzkasse- und -schuldsdienstleistungen, Leitungs- und Aufsichtsbehörde der allgemeinen staatlichen Zahlungssysteme und Aufsichtsbehörde der Kreditinstitute tätig ist. In der Ausübung ihrer Tätigkeit handelt sie mit Unabhängigkeit gegenüber der Staatsverwaltung und verfügt über Aufsichts-, Disziplinar- und Regelungskompetenzen. Die Regelungskompetenz ist nicht autonom, da immer eine gesetzliche Ermächtigung vorliegen muss, und wird mithilfe von „Runderlassen“ (circulares) ausgeübt. Die Organe der spanischen Zentralbank sind der Gouverneur, der Vizegouverneur, der Regierungsrat und die Ausübungskommission (Gesetz Nr. 13/1994 vom 01. Juni 1994 über die Autonomie der spanischen Zentralbank – Staat. Abl. Nr. 131 vom 02.06.1994 – geändert vom Gesetz Nr. 12/1998 vom 28. April 1998 – Staat. Abl. Nr. 102 vom 20.04.1998). Hinzu kommen
6
Bueso-Guillén
2754
7
8
9
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
noch ihre Beschwerdestelle (Rn. 9) und die Risikoauskunftszentrale, bei der die Kreditinstitute geschäftliche Angaben über die Zahlungsfähigkeit ihrer aktuellen und potenziellen Kunden einholen können (in Art. 59 ff. Gesetz Nr. 44/2002 heute geregelt). Die Web-Seite der spanischen Zentralbank (http://www.bde.es) ist als Informationsquelle auch in Sachen Bankrechtsquellen sehr empfehlenswert. 2. Spezifische Organe zum Bankkundenschutz. a) Kundenabteilung der Kreditinstitute. Jedes Kreditinstitut muss eine Kundenabteilung einrichten, um die Beschwerden seiner Kunden entgegenzunehmen und zu bearbeiten (Art. 29 I Gesetz Nr. 44/2002). b) Ombudsmänner der Bankkunden (defensores de la clientela). Ebenso dürfen einzelne Kreditinstitute oder mehrere Kreditinstitute gemeinsam private Ombudsmänner ernennen. So geschieht es seit dem Jahr 1986 ohne jeglichen Rechtsrahmen, allerdings ist diese Einrichtung heutzutage in Art. 29 ff. Gesetz Nr. 44/2002 geregelt. Diese Vorschriften wurden insbes. durch Ministerialerlass Nr. ECO/734/2004 vom 11. März 2004 – Staat. Abl. Nr. 72 vom 24.03.2004 – ausgeführt, der sowohl die Kundenabteilungen der Kreditinstitute als auch die Ombudsmänner der Bankkunden reglementiert (auf Versicherungsmarklergesellschaften nicht anwendbar gem. Entscheidung des nationalen Oberstgerichts (Audiencia Nacional) vom 11. Juli 2006 (Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJCA 2006\712), in der Art. 2 Buchst. f des Ministerialerlasses für nichtig erklärt wurde). Bezüglich der Ombudsmänner bleibt der freiwillige Charakter dieses Systems zur Streitbeseitigung erhalten. Soll ein Ombudsmann vom Kreditinstitut ernannt werden, muss es sich um einen unparteiischen Experten (natürliche oder juristische Person) handeln, der diejenigen Kundenbeschwerden bearbeitet, die in seinen vom Kreditinstitut bestimmten Zuständigkeitsbereich fallen. Die Beschwerde soll vom Ombudsmann schriftlich angenommen werden. Eine Entscheidung für oder wider den Kunden muss spätestens nach zwei Monaten getroffen werden. Sollte die Entscheidung zugunsten des Kunden fallen, ist sie für das Kreditinstitut verbindlich. c) Ebenso stellt der Beauftragte zum Schutz der Bankdienstleistungskunden (Comisionado para la Defensa del Cliente Bancario) eine von Art. 22 ff. Gesetz Nr. 44/2002 eingeführte Einrichtung dar. Zusammen mit dem Beauftragten zum Schutz von Anlegern und von Versicherten und Teilnehmern an Pensionsplänen möchte der Gesezgeber, dass trotz Spezialisierung alle drei Instanzen als öffentlich-rechtliches Globalsystem zum Schutz von Finanzdienstleistungskunden gemeinsam zuständig sind: Kunden dürfen ihre Beschwerden vor allen drei Instanzen vorlegen („Einzelschalter“), unabhängig davon, ob es sich um Bank-, Anlage- oder Versicherungsgeschäfte handelt (Art. 28 Gesetz Nr. 44/ 2002). Der Beauftragte zum Schutz der Bankdienstleistungskunden (im Folgenden: der Beauftragte) ist der spanischen Zentralbank angegliedert und wird vom Wirtschaftsminister nach Konsultationen mit dem Gouverneur der spanischen Zentralbank und dem Verbraucherschutzausschluss ernannt. Er ist verpflichtet, Jahresberichte zu erstatten (Art. 26 Gesetz Nr. 44/2002). Die gesetzliche Regelung wurde durch Königliche Verordunung Nr. 303/2004 vom 20. Februar 2004 – Staat. Abl. Nr. 54 vom 03.04.2004 – ausgeführt, die sich mit den drei Berauftragten zum Schutz der Finanzdienstleistungenkunden gleichzeitig befasst. Allerdings stellten die Beauftragten im Fall der Bankbranche lediglich eine relative Neuheit dar. Schon im Jahr 1987 war die Beschwerdestelle der spanischen Zentralbank (Servicio de Reclamaciones del Banco de España) als Instanz zum Bankkundenschutz geschaffen worden, deren Funktionen vom Beauftragten übernommen wurden. Die Beschwerdestelle (früher als Arbeitseinheit in der Rechtsdienststelle der spanischen Zentralbank tätig) wurde als technische Verwaltungseinheit dem Beauftragten zugeteilt, damit er seine Aufgabe erfüllen kann (Art. 27 Gesetz Nr. 44/2002).
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2755
Im Wesentlichen gelten folgende Regeln zur Einleitung eines Beschwerdeverfahrens: Zugang zum Beauftragten haben alle natürlichen und juristischen Personen, wobei eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich ist. Jeder Bankkunde darf sich beschweren, und es handelt sich nicht um eine ausschließlich verbraucherschützende Instanz – allerdings sind die meisten Berschwerdeführer Verbraucher. Der Beauftragte wird aber die Beschwerde nicht annehmen, wenn die Sache schon vor ein ordentliches Gericht gebracht worden ist. Ebenso wird die Beschwerde nicht angenommen, wenn das betroffene Kreditinstitut einen Ombudsmann hat und die Streitigkeit ihm nicht vorgelegt wurde oder noch bei ihm anhängig ist. Sollte also das fragliche Kreditinstitut eine solche Instanz eingerichtet haben, dann muss der Kunde zunächst versuchen, dort die Streitigkeit vorzubringen. Allerdings ist es nicht Hauptaufgabe des Beauftragten, als Organ zur Streitbeseitigung zu dienen, sondern eher eine gute Bankpraxis zu fördern (Rn. 16; Art. 48 II Gesetz Nr. 26/1988, Ministerialerlass vom 12. Dezember 1989 über Zinssätze und Gebühren, Handlungsregeln, Kundeninformation und Werbung von Kreditinstituten – Staat. Abl. Nr. 303 vom 19.12.1989 –, und Runderlass der spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 vom 07. September 1990 an Kreditinstitute über Geschäftstransparenz und Kundenschutz – Staat. Abl. Nr. 226 vom 20.09.1990 – mehrmals geändert; deutlicher Art. 5 Königliche Verordnung Nr. 303/2004).
10
III. Bedeutende Rechtsquellen. 1. Komplexität der spanischen Bankrechtsquellen. Das spanische Bankrecht stellt ein komplexes Rechtsgebiet dar, einerseits wegen der Bedeutung der finanztechnischen Fragen, aber daneben auch wegen seines erheblichen Anteils an öffentlich-rechtlichen bzw. verwaltungsrechtlichen Normen. Obwohl man zwischen einem Privatbankrecht und einem öffentlichen Bankrecht streng unterscheiden kann, darf man die Regelung der Rechtsverhältnisse der Anbieter von der Regelung ihrer Tätigkeit nicht trennen, da beide Normengruppen eine technische und rechtliche Einheit bilden.
11
2. Elemente des Finanzmarktrechts. Insofern teilt das spanische Bankrecht wesentliche Elemente mit dem Kapitalmarktrecht und dem Versicherungsrecht. Aus interventionistischen und Schutzzölle vorsehenden Normen haben sich Ordnungs- und Aufsichtsregelungen vierstufig entwickelt, die auch die Liberalisierung der Märkte ordnen: Typisierung der in jedem Markt auszuübenden Tätigkeiten (Art. 1 Real Decreto Legislativo Nr. 1298/ 1986, Art. 63 Gesetz Nr. 24/1988 – letzlich geändert vom Gesetz Nr. 6/2007, vom 12. April – Staat. Abl. Nr. 89 vom 13.04.2007 –, und Art. 3 Real Decreto Legislativo Nr. 6/ 2004 vom 29. Oktober 2004, zur Neufassung des Gesetzes über Ordnung und Aufsicht von Privatversicherungen – Staat. Abl. Nr. 267 vom 05.12.2004; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 28 vom 02.02.2005 – letzlich geändert von Gesetzen Nr. 21/2007 und 22/2007 vom 11. Juli 2007 – Staat. Abl. Nr. 166 vom 12.07.2007), Vorbehalt bzgl. der Tätigkeit zugunsten spezialisierter und spezifisch genehmigter Anbieter (Art. 28 Gesetz Nr. 26/1988 vom 29. Juli 1988 über Aufsicht und Intervention auf dem Gebiet der Kreditinstitute – Staat. Abl. Nr. 182 vom 30.07.1988, Berichtigung Staat. Abl. Nr. 185 vom 04.08.1988 – , Art. 64 Gesetz Nr. 24/1988 und Art. 7 Real Decreto Legislativo Nr. 6/2004), Erfüllung bestimmter rechtlicher und struktureller Voraussetzungen seitens dieser Anbieter bei der Zulassung und die Erfüllung von bestimmten Bedingungen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit. Dazu gehört sowohl die Einrichtung von grundsätzlich unabhängigen öffentlich-rechtlichen Aufsichtsbehörden (im Fall des Banksystems die spanische Zentralbank (Rn. 6), im Fall des Kapitalmarktsystems die Wertehandelsbehörde – Comisión Nacional del Mercado de Valores – (Rn. 72), und im Fall des Versicherungssystems, die Versicherungsgeneraldirektion – Dirección General de Seguros), die sowohl die Zulassung als auch die Ausübung der Tätigkeiten der Anbieter überprüfen, wie auch die Einrichtung von
12
Bueso-Guillén
2756
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Organen zum Kundenschutz, insbes. die Beauftragten zum Schutz der Finanzdienstleistungskunden (Rn. 8). 13
3. Eigene Merkmale. Allerdings weist das spanische Bankrecht spezifische Merkmale im Vergleich mit dem Kapitalmarktrecht und dem Versicherungsrecht auf. a) Mit Ausnahme der Krediteinrichtungen, die einen begrenzten bzw. typisierten Tätigkeitsbereich haben, darf man über eine strenge Typisierung der Tätigkeit der Kreditinstitute nicht sprechen, da der Begriff „Bankgeschäft“ (operación bancaria) sowohl aktive wie passive Bankgeschäfte beinhaltet – die letztendlich den Kern der Tätigkeit der Kreditinstitute bzw. die mittelbare Vermittlung im Kreditgeschäft darstellen–, als auch neutrale Bankgeschäfte, wobei die Kreditinstitute über einen sehr weiten Tätigkeitsbereich verfügen. Dazu kommt die Entwicklung der spanischen Kreditinstitute zu „universellen Banken“, insbes. wegen der Möglichkeit, als Anlagedienstleistungsanbieter zu agieren. Deshalb wird neuerdings vorgeschlagen, zwischen Finazierungsgeschäften, Geschäften zum Hereinholen von Einlagen und Zahlungs-, Verwahrungs- und Sicherungsbankdienstleistungen zu unterscheiden. b) Dem spanischen Bankrecht mangelt es an einem Rahmengesetz. Weiter herrscht eine breite Streuung der Rechtsquellen, die die Rechtssicherheit beeinträchtigt, indem sie zu Inkohärenz und sogar Widersprüchen zwischen den Normen führt. Diese Lage wird vom Übermaß der Vorschriften erschwert, das sowohl aufgrund der Vielfältigkeit der in diesem Rechtsgebiet zuständigen Gesetzgeber – nicht nur auf gemeinschaftlicher und staatlicher Ebene werden Gesetze erlassen, sondern auch auf der Ebene der autonomen Regionen, die für die Regelung der Kreditgenossenschaften und insbes. der Sparkassen ebenfalls zuständig sind –, als auch aufgrund der Neigung zu einer sehr detallierten und oft auf die Konjunktur gerichteten Gesetzgebung besteht.
14
4. Rechtsquellen des öffentlichen Bankrechts. Als bedeutende Rechtsquellen können hier erwähnt werden: das Gesetz zur Bankordnung vom 31. Dezember 1946 (immer noch teilweise gültig gem. Gesetz Nr. 44/2002), das obengenannte Real Decreto Legislativo Nr. 1298/1986 (Rn. 1), das obengenannte Gesetz Nr. 26/1988 (Rn. 12), von dem eine novellierte Fassung gem. des Gesetz Nr. 44/2002 veröffentlicht werden sollte – was aber noch nicht geschehen ist; das Gesetz Nr. 3/1994 vom 14.4.1994 zur Einführung der Zweiten EG-Bankrichtlinie 89/646/EWG (Staat. Abl. Nr. 90 vom 15.04.1994), und das oben genannte Gesetz Nr. 13/1994 (Rn. 6). Ebenso bedeutend sind das Gesetz Nr. 13/1985 vom 25. Mai 1985 über Zahlungsfähigkeits-, Einlagerisikobegrenzungskoeffizienten und Auskunftspflichten der Finanzinstitute (Staat. Abl. Nr. 127 vom 28.05.1985, Berichtigung Staat. Abl. Nr. 135 vom 06.06.1985; kürzlich vom Gesetz Nr. 36/2007 vom 16. November 2007 (Staat. Abl. Nr. 276 vom 17.11.2007) geändert, womit die Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) (Text von Bedeutung für den EWR) (EU Abl. Nr. L 177/1 vom 30.6.2006) teilweise eingeführt wird, da die technische Ausführung von einem groβen Teil der Richtlinie in nachfolgender Ausführungregelung beschrieben wird) und das oben genannte Gesetz Nr. 13/1992 (Rn. 1). Dazu gehören auch die dort genannten Sonderregelungsvorschriften der Banken, Sparkassen, Kreditgenossenschaften (Rn. 4), Krediteinrichtungen und Institute elektronischen Geldes (Rn. 5).
15
5. Rechtsquellen des Privatbankrechts. Die Auswirkungen der bereits erwähnten Mängel an Typisierung und an einem Rahmengesetz beschränken sich nicht auf die Kreditinstitute bzw. auf die öffentlich-rechtlichen Rechtsquellen, sondern betreffen ebenso die privatrechtliche Regelung der Bankdienstleistungen. Die einzelnen Bankgeschäfte bzw. -verträge sind i. d. R. nicht typisiert. Traditionell wird das spanische Privatbankrecht grundsätzlich von den Kreditinstituten selbst gestaltet. Die vertragsrechtlichen Vorschriften des spanischen BGB (Código civil) bzw. HGB (Código de comercio) sind auf
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2757
Bankverträge anwendbar. Aber auch im Fall typisierter Verträge, wie der Einlage (Art. 1758 ff. BGB und Art. 303 ff. HGB) und dem Darlehen (Art. 1740 ff. BGB und Art. 311 ff. HGB), enthalten beide Gesetzesbücher, auch das HGB, unzureichende spezifische Regeln, die außerdem veraltet sind. Weiter handelt es sich um nicht zwingendes Recht, wobei die Kreditinstitute insbes. mittels ihrer AGB die Verträge zu ihren Gunsten bestimmen. Diese Rechtslage hat den Vorteil der Flexibilität des Privatbankrechts, aber den Nachteil des Missbrauchsrisikos seitens der Kreditinstitute. Auch wenn die Rechtsprechung missbräuchliche Handlungsweisen korrigieren mag, ist die beschriebene Rechtslage nicht zufriedenstellend, insbes. wenn es sich um Bankkunden handelt, die Verbraucher sind. In diesem Zusammenhang leisten Art. 59 ff., insbes. Art. 82 ff. der Real Decreto Legislativo Nr. 1/2007 vom 16. November 2007 mit seinen allgemeinen Regeln zum Verbraucherschutz (Staat. Abl. Nr. 287 vom 30.11.2007, Berichtigung Staat. Abl. Nr. 38 vom 13.02.2008 – Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG), ferner die AGB-Verbrauchersonderregelung zum Gesetz Nr. 7/1998 vom 13. April 1998 über AGB (Staat. Abl. Nr. 89 vom 14.04.1998), mit dem Gesetz Nr. 7/1995 vom 23. März 1995 über Verbraucherkredit (Staat. Abl. Nr. 72 vom 25.03.1995; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 113 vom 12.05.1995 – Umsetzung der Richtline 87/102/EWG), gelegentlich auch zusammen mit dem Gesetz Nr. 28/1988 vom 13. Juli 1998 über den Ratenverkauf von beweglichen Gütern (Staat. Abl. 167 Nr. vom 14.7.1998), einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung missbräuchlicher Kreditklauseln in Bankverträgen. Vor Kurzem hat sich das Gesetz Nr. 22/2007 vom 11. Juli über Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (Staat. Abl. Nr. 166 vom 12.07.2007 – Umsetzung der Richtlinie 200/65/EG) diesen Gesetztexten angeschlossen. In diesem Zusammenhang lässt sich die h. M. nicht länger vertreten, dass Bankgeschäfte bzw -verträge gem. Art. 2 II HGB immer handelsrechtlicher Natur sind. Man darf weder eine handelsrechtliche noch eine zivilrechtliche Natur der Bankverträge im Allgemeinen behaupten: die Rechtsnatur muss für jeden einzelnen Vetrag nach rechtmäβiger Anwendung von Art. 2 II HGB bestimmt werden; weiter fällt diese Verallgemeinung aus, wenn der Bankkunde als Verbraucher bezeichnet werden darf, im Sinne des Art. 3 der Real Decreto Legislativo Nr. 1/2007, wie ebenso des Art. 5 III des Gesetzes Nr. 22/2007, wobei diejenigen natrürlichen Personen als Verbraucher betrachten werden müssen, die mit einem Zweck fern von ihrer unternehmerischen oder freiberuflichen Tätigkeiten handeln; in diesen Fällen stellte das Bankgeschäft in erster Linie einen Verbrauchervertrag dar. 6. Bankkundenschutz. Aber missbräuchliche Klauseln in Bankverträgen bzw. seitens der Kreditinstitue in AGB festgelegte missbräuchliche Regelungen können in Spanien auch mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften bekämpft werden. Genauer gesagt werden die schlechten „Bankbräuche“ (prácticas bancarias) bekämpft, die im Rahmen sowohl des Inhalts der Bankwerbung als auch der vorvertraglichen Mitteilung relevanter Geschäftsangaben, der Vertragsklauseln und der Handlungsweise der Kreditinstitute gegenüber ihren Kunden anzutreffen sind. Diese Aufgabe wurde bis jetzt von der Beschwerdestelle der spanischen Zentralbank (Rn. 9) erfüllt. Nach dem Gesetz Nr. 44/2002 ist der Beauftragte zum Schutz der Bankdienstleistungskunden (Rn. 8) dafür zuständig, allerdings mithilfe der Beschwerdestelle. Die Bekämpfung schlechter Bankbräuche wird im Fall einer Bankkundenbeschwerde durch die Anwendung der Regelung über Banktransparenz und -information verwirklicht, die im Runderlass der spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 bestimmt worden ist, als Ausführung von Art. 48 II des Gesetzes Nr. 26/1988 und des Ministerialerlasses vom 12. Dezember 1989 (Rn. 10). Diese Regeln, die teilweise an die Vorschriften des Gesetzes Nr. 7/1995 erinnern, dürfen in drei Gruppen eingeteilt werden: Regeln zum vorvertraglichen Zeitraum (u. a. zur Bankwerbung, Pflicht zur Ein-
Bueso-Guillén
16
2758
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
richtung eines Aushangs in jeder Niederlassung, wo wichtige Informationen verkündet werden müssen – z. B. Zinssätze und ggf. die Existenz des Ombudsmannes des Kreditinstituts – und Pflicht zur Veröffentlichung von allgemeinen und / oder besonderen Broschüren, in denen Gebühren und Bewertungsregeln für die verschiedenen Geschäfte festgelegt werden müssen), Regeln zum Zeitraum des Vertragsabschlusses (Verbriefungspflichte, u. a. den Vertrag schriftlich zu fassen und ein unterschriebenes Exemplar dem Kunden zu geben, und Pflichtinhalt des Vertrags, wenn es sich um ein Dauergeschäft handelt: Zinssatz, Periodizität des Zinsanfalls, Fälligkeits- und Abrechnungsdaten, Gebühren, vertragliche Ansprüche auf Abänderung des Vertrages) und schließlich Regeln zum Zeitraum der Vertragserfüllung (u. a. Beleg für Abrechungen oder reine Kassengeschäfte). Zusammen mit diesen Regeln, die allgemein auf Bankgeschäfte anwendbar sind, beinhaltet der Runderlass der spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 spezifische Regeln u. a. für Hypothekendarlehen und Überweisungen. Weiter hat sich die Beschwerdestelle auf nicht zum Zweck des öffentlich-rechtlichen Bankkundenschutzes verabschiedete Vorschriften bezogen, wenn im Runderlass zufriedenstellende Lösungen nicht zu finden sind (z. B. um die Beschwerde über Debit- und Kreditkarten zu beurteilen, wird auf die Empfehlung 88/590/EWG und den Verhaltenskodex der europäischen Kreditbranchenverbände vom Jahr 1990 verwiesen). 17
Allerdings, wie schon erwähnt worden ist (Rn. 10), stellt es nicht die Hauptaufgabe des Beauftragten dar, als schiedsgerichtliche Instanz zu handeln. In erster Linie achtet er auf die Transparenz des Kreditmarktes und fördert das Vertrauen ins Banksystem. Den öffentlichen Interessen wird gedient, und die privaten Interessen der Bankkunden werden mittelbar geschützt. Dies lässt sich feststellen, wenn man die Rechtsfolgen der Missachtung der Regelung über Banktransparenz und -information betrachtet. Die Folgen bleiben auf der öffentlichrechtlichen Ebene. Und selbst wenn festgestellt wird, dass ein Kreditinstitut gegen die guten Banksitten verstoßen hat, bedeutet dies nicht unbedingt, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und die entsprechende Sanktion verhängt wird – der Beauftragte beschränkt sich darauf, der zuständigen Behörde zu berichten (Art. 24 Buchst. a Gesetz Nr. 44/2002 und Art. 4 I Buchst. f Königliche Verordnung Nr. 303/2004). Weiter hat ein zugunsten des Kunden ausgehendes Beschwerdeverfahren keine privatrechtliche Wirkung. Das Kreditinstitut muss die Meinung der Beschwerdestelle vertraglich nicht umsetzen, d. h. der Kunde mag das Kreditinstitut anschließend verklagen, um sein privates wirtschaftliches Interesse zu schützen. In diesem Zusammenhang sind aber die hier betrachteten Vorschriften unmittelbar nicht geltend zu machen, da es sich lediglich um verwaltungsrechtliche Regeln handelt (so ausdrücklich der Gesetzgeber in der Präambel des Gesetzes Nr. 7/1995). Weiter hat der spanische Oberste Gerichtshof (Tribunal Supremo) bechlossen, dass der Verstoβ gegen eine dieser Vorschriften keine Revision vor ihm bei Verstoß gegen materielles Recht begründen darf, da es sich um kein materielles Recht handelt (Urt. 11. Juli 1994; Rechtsprechungsammlung Westlaw.es RJ 1994\6387). Allerdings wäre es möglich, die mittelbare Anwendung dieser Regeln auf privatrechtliche Verhältnisse zu vertreten, indem sie als Auslegungsmaßstab des Gebots von Treu und Glauben dienen können (Art. 1258 BGB, Art. 82 der Real Decreto Legislativo Nr. 1/2007, Art. 57 HGB). Weiter gelten im Zivilverfahren die Berichte der Beschwerdestelle lediglich als Meinungsäußerung, die aber als Urkunde oder Sachverständigengutachten vom Gericht zugelassen werden könnte.
18
7. Allgemeine Merkmale der Bankverträge. Allgemeine Merkmale der Bankverträge lassen sich schwer festlegen, aufgrund der Heterogenität der Geschäfte und ebenso der teilnehmenden Personen. Troztdem darf man auf folgende Merkmale hinweisen: es handelt sich überwiegend um Massenverkehrverträge, Unterwerfungsverträge sowie dauer-
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2759
hafte und höchstpersönliche Verträge. Aus diesen Merkmalen ergeben sie sich wichtige Besonderheiten der Bankverträge. 8. Besonderheiten der Bankverträge. a) Einerseits entsteht eine Belege- und Buchungspflicht, deren deutlicher Ausdruck das laufende Bankkonto ist (Rn. 5). In Bezug auf die Belegepflicht sind die Bankverträge i. d. R. formlos. Allerdings muss die vorige Feststellung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden: Zunächst aus den Anforderungen der Regelung zum Bankkundenschutz (Rn. 16); dadurch werden die Bankverträge keine formellen Verträge in dem Sinne, dass der Vertrag nichtig oder anfechtbar wird, aber ihre Missachtung stellt einen schlechten Bankbrauch dar und könnte für das Kreditinstitut eine verwaltungsrechtiche Sanktion zur Folge haben. Weiter könnte es sich um einen Vertrag handeln, der in den Anwendungsbereich des Gesetzes Nr. 7/1995 fällt; sollte dies der Fall sein, stellt die schriftliche Form doch einen wesentlichen Vertragsbestandteil dar, mit der Folge, ohne die Form ist der Vertrag unheilbar nichtig (Artt. 6 I und 7 I Gesetz Nr. 7/1995). Schlieβlich ist es üblich, insbes. in den aktiven Bankgeschäften, dass das Kreditinstitut die Mitwirkung eines Notars verlangt, um eine öffentliche Urkunde auszufertigen, die besondere Beweis-, Vollstreckungs- und Vorrangskraft besitzt (Artt. 1218 BGB, 517 IV und V ZPO [Ley de enjuciamiento civil: Gesetz Nr. 1/2000 vom 07 Januar 2000 – Staat. Abl. Nr. 7 vom 08.01.2000; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 90 vom 14.04.2000], 1924 BGB und 913 f. HGB; siehe also Urt. des Verfassungsgerichts Nr. 14/ 1992, vom 10. Februar 1992 – Rechtsprechungsammlung Westlaw.es RTC 1992\14). In Bezug auf die Buchungspflicht, besteht in Bankgeschäfte eine enge gegenseitige Beziehung zwischen buchhalterischen und juristischen Elementen: das Buchhalterische beeinflusst das Juristische, da das Kreditinstitut seinen typischen Kassendienst und seine Tätigkeit als Zahlungs- und Einnahmeagent über ein Bankkonto mit Soll- und HabenStruktur ausübt; das Juristische beeinflusst das Buchhalterische, indem die Kontenbewegung Ausdruck der Ausführung des Vertrags bzw. der Verträge zwischen dem Kreditinstitut und seinem Kunde ist (Rn. 55 ff.).
19
b) Andererseits stellt sich die Frage der Geheimhaltungspflicht und Geschäftsauskünfte von Kreditinstituten. Kreditinstitute sind zur Geheimhaltung der – aufgrund der Geschäftsverbindung – zugänglichen Angaben bezüglich ihrer Kunden verpflichtet. So wird es in der 1. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 26/1988 (nach Neufassung durch 17. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 44/2002) bestimmt: Angaben zu Guthaben, Buchungen und weitere Geschäfte sind geheimzuhalten. Die Missachtung dieser Vorschrift stellt eine verwaltungsrechtliche Ordnungswiedrigkeit dar. Weiter darf man diese Pflicht ebenso mit einer privatrechtlichen Grundlage rechtfertigen: da Bankverträge höchstpersönliche Verträge sind, berechtigen Art. 1101 BGB bzw. Art. 1902 BGB den Kunden zu Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher bzw. auβervertraglicher Pflichten. Weiter können die Kreditinstitute Auskunftanträge von Dritten aufgrund Vorschriften zum Schutz von Persönlichkeitsrechten (insbes. Art. 18 I der spanischen Verfassung vom 1978; Organisches Gesetz Nr. 1/1982 vom 5. Mai 1982 zur Regulierung des Rechts auf Ehre, persönliche Intimität und eigenes Bild – Staat. Abl. Nr. 115 vom 14.5.1982; Organisches Gesetz Nr. 15/1999 vom 13. Dezember 1989 zum persönlichen Datenschutz – Staat. Abl. Nr. 298 vom 14.12.1999) verweigern. Allerdings ist diese Pflicht, die ebenso als ein Recht der Kreditinstitute gegenüber Dritten betrachtet werden darf, nicht unbegrenzt: Kreditinstitute müssen den Gerichten, der Steuerverwaltung (Art. 95 des Gesetzes Nr. 58/2003 vom 17. Dezember 2003 zur Abgabeordnung – Staat. Abl. Nr. 302 vom 18.12.2003), der Kreditinstitutaufsicht (1. Zusatzvorschrift II des Gesetzes Nr. 26/1988) oder den Behörden, die zuständig für die Vorbeugung von Geldwäsche sind (Gesetz Nr. 19/1993 vom 28. Dezember 1993 – Staat. Abl. Nr. 311 vom 29.12. 1993 –, ausgeführt
20
Bueso-Guillén
2760
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
durch Königliche Verordnung Nr. 925/1995 vom 9. Juni 2005 – Staat. Abl. Nr. 160 vom 6.7.1995; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 172 vom 20.7.1995) Auskünfte erteilen. Ebenso liegt der Informationsaustausch innerhalb eines Konzerns auβerhalb der Geheimhaltungspflicht (1. Zusatzvorschrift III des Gesetzes Nr. 26/1988). In der Tat verarbeiten Kreditinstitute große Mengen von Informationen. In enger Beziehung zur Frage der Geheimhaltungspflicht liegt die Erstattung von Geschäftsauskünften seitens der Kreditinstitute, die immer im Rahmen der Geheimhaltungspflicht bleiben muss. Fraglich ist die Natur dieser Geschäftsauskünfte und die Haftung der Kreditinstitute wegen unzutreffender Informationen. Prinzipiell dürfte man die Verantwortung seitens der Kreditinstitute bejahen, allerdings schließen sie i. d. R. ihre Haftung durch AGB aus, etwas was auβer im Fall vorsätzlicher Handlung zulässig ist (Art. 1102 BGB). 21
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditformen. Die wichtigsten Kreditformen im spanischen Bankgeschäft sind das Dahrlehen (préstamo) und der Dispositionskredit (apertura de crédito). Der Inmobilienkredit (préstamo hipotecario) wird rechtlich als eine Art von Darlehen betrachtet, der seine Besonderheit auf die üblich begleitende Sicherheit, nämlich die Hypothek, begründet.
22
1. Darlehensvertrag und Zinsen. a) Abgrenzung des Bankdarlehensvertrag. Der Bankdarlehenvertrag ist ein Dahrlehensvertrag, bei dem der Darlehensgeber ein Kreditinstitut ist und die Überlassung von Geld auf Zeit zum Gegenstand hat. Der Begriff des Darlehens findet sich in Art. 1740 BGB – das HGB definiert den Vertrag nicht, obwohl er von ihm in Artt. 311 ff. geregelt wird. Es muss hervorgehoben werden, dass das BGB zwischen Gebrauchsleihe (comodato) und Darlehen im engeren Sinne (mutuo) unterscheidet, obwohl beide als Darlehen im weiteren Sinne (préstamo) zu verstehen sind. Seinerseits schlieβt das HGB das Bestehen handelsrechtlicher Gebrauchsleiheverträge nicht aus, allerdings regelt es grundsätzlich das Darlehen im engere Sinne, da der Gebrauchsleihe keine groβe Bedeutung für den Handelsverkehr hatte. Durch den Darlehensvertrag (demnächst im engeren Sinne angewendet, falls nichts anders angegeben wird) liefert der Dahrlehensgeber dem Darlehensnehmern Geld oder eine andere vertretbare Sache – grundsätzlich, Wertpapiere oder Waren (Art. 312 HGB) –, wobei letzterer sich dazu verplichtet, eine gleichwertige Rückgewähr („otro tanto de la misma especie y calidad“ bzw. tantundem) zu leisten.
23
b) Rechtsnatur des Bankdarlehensvertrag. Bei Bankdarlehenverträgen stellt sich zunächst die Frage, ob es sich um handelsrechtliche oder um zivilrechtliche Verträge handelt, mit der Folge der vorgehenden Anwendung des HGB bzw. BGB. Gem. des Wortlauts von Art. 311 HGB ist der Darlehensvertrag handelsrechtlich, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ vorliegen: mindestens eine der Vertragsparteien ist Kaufmann – was im Fall des Bankdarlehensvertrags vorliegt – und der Gegenstand des Vertrages einer Handelstätigkeit (acto de comercio) gewidmet werden. Daraus dürfte man festellen, dass der Bankdarlehensvertrag nur handelsrechtlich ist, wenn das Geld für eine Handelstätigkeit ausgeliehen wurde, was üblicherweise der Fall sein wird, wenn der Darlehensnehmer als Kaufmann betrachtet werden kann – aber nicht, wenn er kein Kaufmann ist. Trotz des Wortlauts der angegebenen Vorschrift kommen weder die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (schon ab Urt. Vom 9. Mai 1944; in letzter Zeit Urt. vom 20. November 1985; Rechtsprechungsammlung Westlaw.es RJ 1985\5618) noch die herrschende Lehremeinung zu diesen Schluss: das Bankdarlehensvertrags ist immer handelsrechtlich, unabhägig davon, ob der Dahrlehensnehmer als Kaufmann zu betrachten ist oder ob das Geld einer Handelstätigkeit gewidmet wird. Diese Meinung wird auf die analoge Anwendung von Artt. 175, 179, 199 und 212 HGB begründet. Es handelt sich um eine rein for-
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2761
melle Begründung, die aus materiellen und ebenso formellen Gründen scheitert. Es muss jedoch bedacht werden, dass der zwecksetzende Maβstab des Art. 311 HGB unlösbare Anwendungsschwierigkeiten aufwirft. Deshalb wird in der Bankpraxis zu Klauseln gegriffen, durch die die handelsrechtliche Natur des Vertrages in jedem Fall bestimmt wird. Sollte der Darlehensnehmer als Verbraucher betrachtet werden, muss die verbraucherschützende Regelung (Rn. 15) vorgehend angewendet werden. c) Das Bankdarlehen als handelsrechtlicher Vertrag. Das HGB typisiert den Darlehensvertrag als sachenrechtlicher Vertrag, d h. das ein Gegenstand übergeben wird, damit der Vertrag zustande kommt. Allerdings ist es in die Bankpraxis üblich, den Darlehenvertrag als nicht sachenrechtlich zu gestalten. Dies ist möglich, da Art. 1740 BGB kein zwingenes Recht darstellt, mit der Folge, dass ein einseitig verpflichtender Vertrag zu einem gegenseitig verpflichtenden Vertrag umgewandelt wird. Allerdings handelt es sich auf jedem Fall um einen eigentumsübertragenden Vertrag: der Darlehensgeber verliert das Eigentum über den Vertragsgegenstand, der vom Anspruch an den tantundem ersetzt wird. Weiter ist der Vertrag formlos, obwohl nach Art. 314 HGB das Zinsdarlehen schriftlich abgeschlossen werden muss, nur so sind die Zinsen verbindlich; ebenso verlangt der veraltete Art. 51 HGB die schriftliche Form, um das Bestehen von Verträgen beweisen zu können, deren Wert über 1.500 Pesetas (umgerechnet 9 Euro) liegt. In der Praxis wird das Bankdarlehen i. d. R. notariell beurkundet (Rn. 19). d) Aus der Regelung zum Vertragsinhalt des handelsrechtlichen Darlehens unter besonderer Berücksichtigung des Bankdarlehensvertrags als Gelddarlehen müssen folgenden Bestimmungen hervorgehoben werden. Bezüglich der Rückzahlung: diese muss am vereinbarten Ort und zur vereinbarten Zeit stattfinden. Wird dies im Vertrag nicht feslgelegt, erfolgt sie 30 Tage nach der notariellen Aufforderung (Art. 313 HGB). Sollte die Ablauffrist im Vertrag festgelegt worden sein, stellt sich die Frage, ob der Darlehensgeber die vorzeitige Fälligkeit einseitig beschließen darf. Im Prinzip ist es zulässig, wenn eine entsprechende Vereinbarung bzw. AGB-Klausel im Vertrag getroffen worden ist, die angemessene Gründe zur einseitigen Handlung des Darlehengebers bestimmt, wie z. B. Nichtzahlung von Zinsen oder Insolvenz des Darlehensnehmers. Allerdings kann der Darlehensnehmer als Verbraucher betrachtet werden – in diesem Fall müssen die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 7/1995 und Art. 85 III u. IV der Real Decreto Legislativo Nr. 1/ 2007 berücksichtigt werden, der die Klausel für missbräuchlich erklärt, die dem AGBVerwender eine begründete vorzeitige Fälligkeit des Vertrages einseitig nach angemessener Widerruftfrist zu beschlieβen erlaubt, wenn der Verbraucher das gleiche Recht nicht hat; allerdings und speziell für Finanzdienstleistungen genügt es, wenn ein gültiger festgelegter Grund vorliegt (z. B. die Nichtrückzahlung von Kapital oder Nichtzahlung von Zinsen, Verwendung des Kapitals für einen anderen Zweck als den vereinbarten) und der Verbraucher unmittelbar verständigt wird. Die Rückzahlung folgt dem Nennwertsprinzip (Art. 321 I HGB; ebenso Art. 1170 BGB): der Darlehensnehmer erfüllt seine Pflicht, indem er die gleiche Summe, die er erhalten hat, nach dem gesetzlich festgelegten Wert zur Zeit der Rückzahlung zahlt. Allerdings darf diese Regel durch Vereinbarung (z. B. Goldwertklausel) verändert werden. Die Rückzahlung könnte mit einem Mal stattfinden. In der Bankpraxis ist es jedoch üblich, eine Abschreibung durch Teilzahlungen in Tilgungsraten vorzunehmen. Trotzdem muss das Recht zu einer vorzeitigen Abschreibung gegen Zahlung eines Ausgleichs im Verbraucher- und Hypothekendarlehen offen bleiben – (Art. 10 Gesetz Nr. 7/1995 und Gesetz Nr. 2/1994 vom 30. März 1994 über die Übernahme und Änderung von Hypothekendarlehen (Staat. Abl. Nr. 80 vom 04.04.1994); Rn. 45). Sollte der Darlehensnehmer nicht rechtzeitig zurückzahlen, ist er zur Zahlung der vereinbarten oder ggf. gesetzlichen Verzugszinsen verplichtet (Art. 316 I HGB).
Bueso-Guillén
24
25
2762
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
26
e) Das Bankdarlehen ist ein Zinsdarlehen, wobei der Darlehensnehmer ebenso zur Zahlung der vereinbarten Zinsen verpflichtet ist. Gem. Art. 315 HGB sind Zinsen „jegliche zugunsten des Darlehensgebers vereinbarte Leistung“. Im Fall des Bankdarlehens wird es sich um Geld handeln. Der Zinsatz kann als Nominalzins festgelegt werden und muss als effektiver Jahreszins angegeben werden (Regeln Nr. 6 X, 6bis I und 8 IV des Runderlasses der Spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 und Art. 18 und Anhang des Gesetzes Nr. 7/1995). Andererseits kann der Zinsatz fest oder variabler sein; in diesem zweiten Fall muss der Bezugssatz passend bestimmt und ausreichend erläutert werden (Regeln Nr. 1 und 6 VII des Runderlasses der spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 und Art. 8 II des Gesetzes Nr. 7/ 1995).
27
Zinssatzgrenzen. Seit dem Jahr 1981 (bzw. dem Ministerialerlass vom 17. Januar 1981 zur Liberalisierung der Bankzinssätze und -renditen und der langfristigen Finanzierung – Staat. Abl. Nr. 16 vom 19.01.1981) stellt in Spanien die freie Preisgestaltung in Kreditverträgen die Regel dar. Diese Vertragsfreiheit wird grundsätzlich durch ein Transparenzgebot flankiert, das heutzutage insbes. in dem oben genannten Runderlass der Spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 (Rn. 10, 16) detalliert ausgeführt wird. Allerdings sollen hier zwei wichtige Ausnahmen hervorgehoben werden. Einerseits erlaubt Art. 315 HGB Zinsklauseln ohne feste Grenzen. Dennoch ist das alte Arzcárate-Gesetz vom 23. Juli 1908 zur Bekämpfung des Wuchers auf Bankkreditverträge anwendbar, dies allerdings erst seit dem Urteil des spanischen Obersten Gerichtshofs vom 13. Februar 1941 (Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJ 1941/147). Das Arzcárate-Gesetz erklärt Einlageverträge für nichtig, in denen ein Zinssatz vereinbart wird, der erheblich über dem gesetzlichen Geldzinssatz liegt und unter Berücksichtigung der begleitenden Umstände eindeutig nicht verhältnismäßig ist. Art. 9 des Arzcárate-Gesetzes ermöglicht seine Anwendung auf andere Kreditformen als Darlehen (bzw. auf Leasing- und Ratenverkaufverträge). Die Schwachstelle liegt in der Folge, dass der Darlehenvertrag als „wucherisch“ einzustufen ist: Nicht nur die Zinsenklausel, sondern der ganze Vertrag ist nichtig und der Darlehensnehmer muss das Kapital zurückzahlen (Art. 1303 BGB) – der Kreditbedarf wird nicht berücksichtigt. Andererseits bestimmt Art. 19 IV des Gesetzes Nr. 7/1995 (Rn. 15) eine allgemeine Grenze für Überziehungszinsen: Es darf kein Zinssatz verlangt werden, dessen effektiver Jahreszins das Zweieinhalbfache des gesetzlichen Geldzinses übersteigt. Die gleiche Grenze wird in Regel 1 I Buchst. b des Runderlasses der spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 bestimmt, aber sie hat grundsätzlich nur verwaltungsrechtliche Wirkung (Rn. 17).
28
Die Pflicht zur Zinszahlung ist eine Nebenpflicht der Pflicht zur Rückzahlung. Deshalb bestimmt Art. 318 HGB, dass der Darlehensnehmer, wenn der Darlehensgeber das Kapital ohne ausdrücklichen Vorbehalt seines Anspruch auf Zinsen herausgibt, nicht verpflichtet ist, solche zu bezahlen. Ist der Darlehensnehmer zur Zinszahlung verpflichtet und erfüllt er seine Pflicht nicht, ist eine Zinseszinsvereinbarung von Art. 317 HGB prinzipiell nicht erlaubt. Allerdings dürfen die Parteien die fälligen und nicht bezahlten Zinsen kapitalisieren, die als Kapitalerhöhung neue Zinsen abwerfen werden. Unbeschadet dieser Regel ist nach Klageerhebung keine Kapitalisierung möglich (Art. 319 HGB). Diese ist i. d. R. die Lösung beim Bankdarlehen, um sich der Anwendung von Art. 1109 BGB zu entziehen, der nur erlaubt, die gesetzlichen Zinsen seit Klageerhebung zu verlagen.
29
2. Immobiliarkredit. Der Immobiliarkredit wird in Spanien grundsätzlich von allen Kreditinstituten im engeren Sinne gewährt, auch wenn spezialisierte Institute, die Hypothekenkreditgesellschaften (sociedades de crédito hipotecario), bestehen können. Der Immobiliarkredit nimmt die Form von Hypothekendarlehen an und weist Besonderheiten
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2763
aufgrund der charakterisierenden Kreditsicherheit auf (Rn. 43). Andererseits besteht für die Mobilisierung des Immobiliarkredits ein besonderer Markt, der sogenannte Hypothekenmarkt (Rn. 70). 3. Dispositionskredit. a) Begriff. Bei dem Dispositionskredit (apertura de crédito) handelt es sich um einen atypischen Vertrag. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass der Akkreditivsteller bzw. das Kreditinstitut dem kreditberechtigten Kunden Kredit gewährt und sich dazu verpflichtet, mittelbar oder unmittelbar dem Kreditberechtigten Geldsummen bis zum vereinbarten Höchstbetrag zur Verfügung zu stellen gegen die entsprechenden Gebühren und mit dem Anspruch auf Zinsen für die vom Kreditberechtigern tatsächlich verfügten Geldsummen.
30
b) Merkmale und Rechtsnatur. Der Dispositionskreditvertrag kann als zweiseitig, entgeltlich, dauerhaft und höchstpersönlich bezeichnet werden: Er ist ein Konsensualvertrag, der keine Besonderheiten bezüglich seiner Form im Rahmen der Bankverträge aufwirft (Rn. 18). Er stellt keinen Darlehensvertrag oder -vorvertrag dar. Der Dispositionskreditvertrag wird als Vertrag sui generis bezeichnet, dessen Zweck es ist, eine Kreditverfügbarkeit zugunsten des Kreditberechtigen zu gewähren, wofür entsprechende Gebühren bezahlt werden. Die verschiedenen Geldverfügungen sind als Ausführung des Vertrags zu verstehen, der vom Akkreditivsteller im Voraus und allgemein zugestimmt wurde.
31
c) Sorten. Unter Berücksichtigung des zusätzlichen Bestehens eines laufenden Bankkontos wird zwischen einfachem Dispositionskredit und Dispositionskredit im laufenden Bankkonto unterschieden. Andererseits kann der Kreditberechtigte der Kunde oder ein Drittberechtiger sein; so unterscheidet man zwischen ordentlichem und uneigenem Dispositionskredit – im letzten Fall erfüllt der Vertrag einen Zahlungszweck. Je nachdem, ob die Rückzahlungspflicht besonders gesichert ist, wird zwischen ungedecktem und gedecktem Dispositionskredit unterschieden. Ebenso kann der Dispositionskredit befristet oder unbefristet sein.
32
d) Vertragsinhalt. Der Akkreditivsteller verpflichtet sich, Geldsummen bis zum vereinbarten Höchstbetrag, zur vereinbarten Zeit und in der vereinbarten Weise zur Verfügung des Kreditberechtigten – dem Kunden oder einem Drittberechtigern – zu stellen. Diese Pflicht wird also von einer dreifachen Grenze bestimmt bzw. der Summe, der Verfügungsweise und der Dauer des Dispositionskredits. Als Kredit kann hierüber u. a. in bar, mit Scheck (Rn. 65 ff.) oder durch Wechseldiskount (Rn. 34) verfügt werden. Relevant ist hier die Unterscheidung zwischen einfachem Dispositionskredit und Dispositionskredit im laufenden Bankkonto: Im ersten Fall ist die Verfügung einmalig, auch wenn der Kreditberechtigte über das Geld auf einmal oder mehrere Male bis zum Höchstbetrag verfügen kann. Im zweiten Fall darf der Kreditberechtigte nicht nur über das Geld verfügen, sondern auch Geld auf das Konto einzahlen. Dies emöglicht es, einen wiedereinsetzbaren Kredit (revolving credit) zu gewährleisten: So ergibt sich ein Tagesguthaben, das als Basis für die Zinsberechnung genommen wird. In diesem Fall kann die Überziehung einseitig oder gegenseitig sein; sollte diese einseitig sein, wird das Kreditinstitut das positive Guthaben als Einlage vergüten. Allerdings ist es in der Bankpraxis üblich, die gegenseitige Überziehung zu vereinbaren, aber mit der Eingrenzug, dass das Kreditinstitut für die positiven Guthaben in das laufende Konto keine Zinsen bezahlen wird. Sollte der Vertrag in den Anwendungsbereich des Gesetzes Nr. 7/1995 fallen, müssen Art. 19. I und II beachtet werden. In Bezug auf die Vetragsdauer kann der Dispositionskredit befristet oder unbefristet sein; sollte er unbefristet sein, dürfen beide Partein den Vetrag frei widerrufen; die übliche Praxis setzt allerdings auf eine Dauerfrist von 90 Tagen, die gegen Zahlung der fälligen Gebühren und Zinsen stillschweigend verlängert werden kann. Weiterhin behält
33
Bueso-Guillén
2764
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
sich das Kreditinstitut öfter das Recht vor, den Vertrag zu jeder Zeit einseitig widerrufen zu dürfen; dies kann missbräuchlich sein, insbes. wenn der Dispositionskredit befristet ist (Rn. 25). Seinerseits muss der Kunde die Dispositionskreditgewährungsgebühren bezahlen – egal, ob der Kredit in Anspruch genommen wurde oder nicht – und die verfügten Summen zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzahlen sowie die entsprechenden Zinsen bezahlen, die auf einer Tagesguthabenbasis kalkuliert werden. 34
4. Andere Kreditformen. Als bedeutsame Kreditformen in der spanischen Bankpraxis müssen der Diskontvertrag und der Leasingvertrag hervorgehoben werden. Weiter sollen Erwägungen zum Verbraucherkredit angestellt werden. Auβerdem kennt auch die spanische Bankpraxis den Beteiligungsdarlensvertrag (Art. 20 der Real Decreto-Ley – Königliche Gesetzesverordnung: Norm mit Gesetzesrang und -kraft, aber von der Regierung aufgrund einer auβerordentlichen und dringenden Notwendigkeit verabschiedet; vorläufig gültig, da sie innerhalb von 30 Tagen vom Parlament bestätigt werden muss (Art. 86 der Spanischen Verfassung von 1978) – Nr. 7/1996 vom 07. Juni 1996 – Staat. Abl. Nr. 139 vom 08.06.1996; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 147 vom 18.06.1996 – geändert durch 2. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 10/1996 vom 18. Dezember 1996 – Staat. Abl. Nr. 305 vom 19.12.1996; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 54 vom 04.03.1997 –, durch Real Decreto-Ley Nr. 4/2004 vom 5. März 2004 – Staat. Abl. Nr. 61 vom 11.03.2004; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 73 vom 25.03.2004 – und durch 3. Zusatsvorschrift des Gesetzes Nr. 16/2007 vom 4. Juli 2007 – Staat Abl. Nr. 160 vom 05.07.2007) und den Konsortialkreditvertrag.
35
a) Diskontvertrag. Trotz der Bestimmungen in Art. 177 und 178 HGB ist der Diskontvertrag als atypisch zu bezeichnen. Dabei handelt es sich um einen Vertrag, in dem ein Kreditinstitut – Diskontgeber – dem Kunden – Diskontnehmer – die Summe einer noch nicht fälligen Geldforderung vorstreckt, die der Kunde gegen einen Dritten hat, gegen Abtretung der Geldforderung zugunsten des Diskontgebers und der entsprechenden Zinsen. Die Abtretung seitens des Diskontnehmers findet i. d. R. pro solvendo bzw. mit Vorbehalt statt, womit sich der Diskontsnehmer zur subsidiären Rückzahlung der vorgestreckten Summe verpflichtet. Der Diskontvertrag kann sich als Wechseldiskont oder als Diskont ordentlicher Forderungen gestalten. Heutzutage hat der Wechseldiskont an Bedeutung verloren, dagegen ist die Gewährleistung von sogenannten „Diskontkrediten“ bzw. „-linien“ (credito de descuento, línea de descuento), die eine Vielzahl von Diskonts wechselrechtlicher und grundsätzlich ordentlicher Forderungen erlauben, üblich. Andererseits ist es möglich, zwischen Handelsdiskont (descuento comercial), bei dem das Kreditinstitut mit der Abdeckung von vorhandenen Forderungen des Diskontnehmers rechnen kann, und Finanzdiskont (descuento financiero), bei dem eine solche Abdeckung nicht existiert, zu unterscheiden. Aufgrund des Mangels an Abdeckung ähnelt die Rechtsnatur des Finanzdiskontvertrags allerdings eher dem Dispositionskreditvertrag bei einem laufenden Bankkonto (Rn. 30 ff.). Der Diskontvertrag wird von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (in letzter Zeit Urt. vom 10. März 2000, Rechtsprechungsammlung Westlaw.es RJ 2000\1351) als ein Vertrag sui generis betrachtet – es handelt sich weder um einen Kaufvertrag noch um einen Darlehensvertrag, da sein Zweck die Befriedigung des Liquiditätsbedarfs ist. Die Kreditinstitute können ebenso die angenommenen Forderungen vor der spanischen Zentralbank rediskontieren, die in Spanien das Monopol des Rediskonts hat.
36
Ebenso lässt sich der Diskontvertrag als sachenrechtlich bezeichnen, obwohl dies nur stimmt, wenn es sich um einen Wechseldiskont handelt, da in diesem Fall der Vertrag erst nach der gegenseitigen Übergabe von Geld und Wechsel zustande kommt. Der Diskontnehmer muss offen und ehrlich die Handels- oder Finanznatur der Wechsel erklären und
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2765
dann endgültig an das Kreditinstitut übertragen – im Prinzip ist es eine befreiende Übertragung – und der Kunde muss die Zinsen im Voraus bezahlen, die vom Kreditnennkapital abgezogen bzw. diskontiert werden. Die Zinsen werden nach den Tagen bis zur Fälligkeit der diskontierten Forderung berechnet. Das Kreditinstitut kann die Anzahlung in bar oder üblicherweise als Gutschrift auf das Konto des Diskontnehmers erbringen. Allerdings kann es sich bei entsprechender Vereinbarung ebenso um einen Konsensualvertrag handeln. Im Hinblick auf den Vertragsinhalt und in Bezug auf den Diskontgeber muss Folgendes hervorgehoben werden: Es gibt eine „Sorgfaltspflicht“, wonach das Kreditinstitut versuchen muss, die Forderung zur Zeit ihrer Fälligkeit einzubringen, um ihre Verjährung und Verletzung zu verhindern. Sollte es anders handeln und verliert der Diskontnehmer einen Anspruch als Forderungsinhaber, ist der Kunde gem. Art. 1170 BGB nicht länger dazu verpflichtet, die erhaltene Summe zurückzuzahlen. Seinerseits sollte das Kreditinstitut gegenüber dem übertragenen Schuldnern richtig handeln, bezahlt aber der Schuldner nicht, muss der Diskontnehmer zur Ablauffrist des Diskountsvertrags dem Kreditinstitut die erhaltene Summe zuzüglich der angefallenen Einziehungskosten zurückzahlen; das Kreditinstitut ist nicht dazu verpflichtet, eine Teilzahlung bzw. -rückzahlung anzunehmen. Die Verjährungsfrist des Anspruches des Kreditinstitutes gegenüber dem Diskontnehmer liegt bei 15 Jahren (Art. 943 HGB und 1964 BGB), wohingegen die Frist gegenüber dem Dritten von der übertragenen Forderung abhängt.
37
b) Leasingvertrag. Auch wenn der Leasingvertrag die Rechtsprechung des Zivilsenats des Obersten Gerichtshofs schon seit dem Jahr 1978 beschäftigt – ebenso die 1. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 28/1998 vom 13. Juli 1998 über den Ratenverkauf von beweglichen Gütern (Staat. Abl. Nr. 167 vom 14.07.1998), die auf diesen Vertrag anwendbar ist –, stellt er einen atypischen Vertrag dar. Allerdings handelt es sich dabei um kein unbenanntes Rechtsgeschäft, da der Leasingvertrag sowohl von der 7. Zusatzvorschift I des Gesetzes Nr. 26/1988, als auch vom Art. 115 der Real Decreto Legislativo Nr. 4/2004 vom 5. März 2004, womit der neu gefasste Text des Gesellschaftssteuergesetzes verabschiedet wurde – Staat. Abl. Nr. 61 vom 11.03.2004 – erfasst wird. Eine Definition des Leasings findet sich in der 7. Zusatzvorschrift I des Gesetzes Nr. 26/1988. Auf Verträge, die den Merkmalen der Definition entsprechen, sind gemäβ Art. 115 I der Real Decreto Legislativo Nr. 4/2004 die steuerrechtlichen Regelungen seines Abs. V ff. anwendbar. Aufgrund dieser Regelung treten i. d. R. in Spanien Unternehmen als Leasingnehmer auf – da es für Privatpersonen keinen steuerlichen Vorteil gibt.
38
Laut 7. Zusatzvorschrift I des Gesetzes Nr. 26/1988 sind Leasinggeschäfte diejenigen Verträge, deren ausschlieβlicher Zweck die Gebrauchsüberlassung von beweglichen Gütern oder von Immobilien ist, die hierfür vom Leasinggeber erworben werden, wobei sich der Leasingnehmer als Gegenleistung zur regelmäβigen Ratenzahlung verpflichtet. Die Verträge müssen eine Kaufoption zum Vertragsschluss zugunsten des Leasingnehmers enthalten. Dieser Definition wird auch in der Rechtsprechung gefolgt und daraus wie auch aus Art. 115 II bis IV der Real Decreto Legislativo Nr. 4/2004 lassen sich folgende Merkmale eines Leasingvertrages bestimmen: Der Gegenstand des Leasingvertrages wird gemäβ den Hinweisen und Anleitungen des künftigen Leasingnehmers vom Leasinggeber, der keine Bedingungen stellen darf, erworben; die überlassenen Güter müssen einer unternehmerischen oder freiberuflichen Tätigkeit dienen. Die Ratenzahlung muss eine Mindestdauer von zwei Jahren bei beweglichen Gütern und zehn Jahren bei Immobilien oder Betrieben haben; der Anteil des Jahresbetrags, der dem Wiedererlangen des Anschaffungspreises des Gutes entspricht, muss gleich oder steigend über die Vertragsdauer bleiben. Bei der Aufnahme einer Kaufoption handelt es sich nicht um eine Zusatzklausel,
39
Bueso-Guillén
2766
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
sondern um einen wesentlichen Vertragsinhalt, ohne den man nicht von einem Leasingvertrag sprechen kann – Beschlüsse der Generaldirektion der öffentlichen Register (bzw. Grundbuch und Handelsregister) und des Notarwesens (Dirección General de los Registros y del Notariado) vom 21. Juni 1994 Rechsprechungsammlung Westlaw.es RJ. 1994\4918; ebenso Urt. des Obersten Gerichtshof vom 20. Juli 2000 Rechtsprechungsammlung Westlaw.es RJ 2000\6189. Falls der Leasingnehmer keinen Gebrauch von der Option macht, darf aber der Leasinggeber das Gut einem neuen Leasingnehmer überlassen. So ist der Leasingvertrag von Renting-, Leaseback-, und Ratenkaufverträgen zu unterscheiden. Nach herrschender Meinung in Lehre und Rechtsprechung des obersten Gerichtshofs – z. B. Urt. vom 25. Juni 1997 Rechtsprechungsammlung Westlaw.es RJ 1997\5210 – ist der Leasingvertrag als ein Vertrag sui generis zu begreifen, der eine Finanzierungstechnik zum Gegenstand hat. 40
Bezüglich des Vertragsinhalts besteht die Hauptpflicht des Leasinggebers darin, das vom Leasingnehmer auserwählte Gut zu erwerben und ihm den Besitz an dem Vertragsgegenstand einzuräumen. Der Leasinggeber bleibt Eigentümer des überlassenen Gutes. Trotzdem trägt er nicht die Risiken, die mit dem Eigentum verknüpft sind. Das Eigentum dient grundsätzlich der Absicherung der Leasingratenzahlung. Der Leasinggeber schließt jegliche Haftung für eine vertragsgemäβe Lieferung und für Sachmängel und -fehler aus. Der Leasingnehmer tritt in die Rechte des Leasinggebers gegenüber dem Verkäufer ein und der Verkäufer haftet unmittelbar gegenüber dem Leasingnehmer. Der Leasinggeber haftet allerdings dem Leasingnehmer im Fall einer Besitzentziehung oder der Ausübung von dinglichen Rechten seitens Dritter, vorausgesetzt diese Störungen werden nicht durch die Bösgläubigkeit oder Fahrlässigkeit des Leasingnehmers verursacht. Die Hauptpflicht des Leasingnehmers besteht in der Zahlung der vereinbarten Leasingraten. Eine Nichtzahlung erlaubt es dem Leasinggeber, entweder die Zahlung der fälligen Leasingraten plus des vereinbarten Verzugsschadens oder aller Leasingraten zu verlangen und – in beiden Fällen – den Vertrag zu kündigen. Weiter verpflichtet sich der Leasingnehmer, den Vertragsgegenstand sorgfältig zu pflegen. Um die Erfüllung dieser Pflicht zu sichern, behält sich üblicherweise der Leasinggeber ein Inspektionsrecht vor. Die Vertragsklauseln bestimmen, dass der Leasingnehmer das Verlust- und Beschädigungsrisiko auch bei Zufall übernimmt. Weiter wird der Leasingnehmer dazu verpflichtet, das geleaste Gut zu versichern. Schlieβlich hat der Gesetzgeber es für notwendig erachtet, die Rechtstellung des Leasinggebers gegenüber dem Leasingnehmer und denjenigen Dritten, die ggf. das geleaste Gut vom Leasingnehmer erwerben könnten, zu stärken (1. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 28/1998).
41
c) Verbraucherkredit. Der Inhalt des Gesetzes Nr. 7/1995 entspricht grundsätzlich der Umsetzung der Richtline 87/102/EWG und ihrer Änderung durch die Richtlinie 90/88/ EWG. Ebenso erinnert der Inhalt des Runderlasses der spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 daran. Allerdings findet die notwendige Koordinierung zwischen dem Gesetz Nr. 7/1995 und dem Runderlass der spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 nicht immer statt. Eigentlich wäre sie nicht nötig. Aber Art. 5 des Gesetzes Nr. 7/1995 bestimmt, dass die Missachtung seiner Vorschriften – zusammen mit den privatrechtlichen Wirkungen – eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die im Rahmen der verbraucherschützenden Aufsicht verfolgt wird. Das Gesetz Nr. 7/1995 hat also auch öffentlich-rechtliche Wirkung – im spanischen Verbraucherschutzrecht ist es sehr oft der Fall, dass die Vorschriften eine doppelte Rechtsnatur aufweisen. Sollte hier der Kreditgeber ein Kreditinstitut sein, entsteht ein Normenkonflikt mit der Bankaufsichtsregelung. Die gesetzliche Lösung ist, dass in diesem Fall das Gesetz Nr. 7/1995 als Bankaufsichtsregelung zu betrachten ist und sich mit bestimmten Ausnahmen (1. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 7/1995) in das Aufsichtsrecht ein-
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2767
fügt. Schlieβlich ist hervorzuheben, dass Art. 15 des Gesetzes Nr. 7/1995 von Art. 134 II des Geseztes Nr. 62/2003 vom 30. Dezember 2003 – Staat. Abl. Nr. 313 vom 31.12.2003; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 3 vom 03.01.2004 – geändert wurde, um in der Regelung zu verbundenen Geschäften – für den Fall der dauerhaften Reihendienstleistungsverträge – die Anwendungsvoraussetzung der Ausschlieβlichkeit der Vereinbarung zwischen dem Kreditgeber und dem Dienstleistungserbringer aufzuheben. II. Kreditsicherheiten. Kreditinstitute sind groβe Nachfrager aber auch Anbieter von Kreditsicherheiten. Die wichtigsten Kreditsicherheiten in der spanischen Bankpraxis sind die Hypothek im Rahmen der sachlichen Sicherheiten und die Bürgschaft im Rahmen der persönlichen Sicherheiten. 1. Hypothek. Die Hypothek stellt sich als die wichtigste Kreditsicherheit beim Immobiliarkredit dar, die grundsätzlich vom Hypothekengesetz vom 08. Februar 1946 (Staat. Abl. Nr. 58 vom 27.02.1946: Berichtigung Staat. Abl. Nr. 73 vom 14.03.1946; mehrmals geändert) geregelt wird. Ebenso kennt das spanische Recht die Hypothek an beweglichen Sachen (hipoteca mobiliaria), die Fahrzeuge, Maschinerie, Urheberrechte und gewerbliche Schutzrechte und Flugzeuge belasten kann (Gesetz vom 16. Dezember 1954; Staat. Abl. Nr. 352 vom 18.12.1954; mehrmals geändert), und die Schiffshypothek (Gesetz vom 21. August 1893; Staat. Gazette vom 23.08.1893; mehrmals geändert). Aufgrund seiner Bedeutung in der Bankpraxis ist der Hypothekendarlehenvertrag Sonderregelungen unterworfen. a) Transparenz. Als Ausführung von Art. 48 II des Gesetzes Nr. 26/1988 wurde der Ministerialerlass vom 05. Mai 1994 über Transparenz der Bedingungen von Hypothekendarlehen (Staat. Abl. Nr. 111 vom 12.5.1994) verabschiedet – ebenso Regel Nr. 3 Ibis Buchst b und Regel Nr. 6 des Runderlasses der Spanischen Zentralbank Nr. 8/1990. Hiermit werden private natürliche Personen geschützt, die eine Wohnung erwerben und mit einem Hypothekendarlehen bis zu 150.253,03 Euro den Erwerb finanzieren. Allerdings werden nicht nur die Informationspflichten der Kreditinstitute bestimmt, sondern auch Gebühren und zusätzliche Dienstleistungen sowie Vertragsinhalt und die notarielle Beurkundung des Vertrages geregelt. b) Übernahme und Änderung. Aber ebenso wichtig ist es, den Wettbewerb im Hypothekendarlehensmarkt zu fördern. Dazu dient das Gesetz Nr. 2/1994 – geändert durch Gesetz Nr. 41/2007 vom 7. Dezember 2007 (Staat. Abl. Nr. 294 vom 8.12.2007) zur Änderung des Gesetzes Nr. 2/1981 und weiterer Normen des Finanz- und Hypothekensystems, zur Regelung der umgekehrten Hypothek und der Abhängigkeitsversicherung; ebenso die Regel Nr. 3 Ibis Buchst a des Runderlasses der Spanischen Zentralbank Nr. 8/1990. Dieses Gesetz ermöglicht es dem Hypothekendarlehensnehmer, von besseren Marktbedingungen zu profitieren, indem er mit dem Darlehen jederzeit und ohne die Zustimmung des aktuellen Kreditgebers zu einem anderen Kreditinstitut wechseln darf, wenn der gegenwärtige Kreditgeber nicht bereit ist, die Vertragsbedingungen zu verbessern. Das neue Kreditinstitut muss dem früheren Konkurrenten das noch nicht zurückbezahlte Kapital und die entstandenen und noch nicht bezahlten Zinsen zur Verfügung stellen. Das früher in Anspruch genommene Kreditinstitut darf bis zu einem Prozent der Summe des noch nicht zurückbezahlten Kapitals Gebühren wegen vorzeitiger Amortisierung verlangen, aber nur, wenn es im Hypothekendarlehensvertrag vorgesehen wurde und es sich um ein Darlehen mit variablem Zinssatz handelt. Nach der Änderung des Gesetzes Nr. 2/1994 durch das Gesetz Nr. 41/2007 und unbeschadet der obigen Grenze, darf das früher in Anspruch genommene Kreditinstitut Schadensersatz aus der vorzeitigen Kündigung verlangen, wenn es beweist, dass die fragliche Kündigung ihm einen wirtschaftlichen Schaden verursacht hat, anders als den Gewinnverlust.
Bueso-Guillén
42
43
44
45
2768
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
46
c) Die Grundschuld als nicht akzessorisches Grundpfandrecht (§ 1191 deutsches BGB) ist im spanischen Recht im Allgemeinen nicht zulässig, da Grundpfandrechte i. d. R. vom Bestand der Forderung abhängen müssen. Allerdings konnte schon vor dem Inkrafttretten des Gesetzes Nr. 41/2007 die Hypothek ebenso zur Sicherung vom Kontokorrentkredit angewendet werden, wobei es sich um eine Höchstbetragshypothek handelt (Art. 153 Hypothekengesetz). Diese Ausnahme wird vom Gesetz Nr. 41/2007 erweitert, indem ein neuer Art. 153bis im Hypothekengesetz eingeführt worden ist, der Höchstbetragshypotheken zur Sicherung jeglicher gegenwärtiger oder künftiger Verpflichtungen erlaubt, aber nur wenn der Gläubiger ein Kreditinstitut ist.
47
2. Bürgschaft. a) Begriff. Gem. Art. 1911 BGB haftet der Schuldner mit seinem gegenwärtigen und künftigen Vermögen. Allerdings kann die Einhaltung einer Verpflichtung ebenso von einer vom Schuldner unterschiedlichen Person mit übernommen werden, wobei die persönlichen Sicherheiten im Handelsverkehr immer eine sehr groβe Rolle gespielt haben. Dies erklärt, weshalb Art. 439 ff. HGB die handelsrechtliche Bürgschaft (fianza mercantil) als besonderen Vertrag gegenüber der zivilrechtlichen Bürgschaft (Art. 1822 ff. BGB) regelt. Eine besonders wichtige Rolle spielt dieser Vertrag im Bankverkehr, wo er „aval bancario“ gennant wird, wenn der Bürge ein Kreditinstitut ist. Allerdings ist die Regelung des HGB knapp. Grundsätzlich ermöglicht daher die Vertragsautonomie eine größtenteils freie Gestaltung der Rechtsverhältnisse, wobei gem. Art. 50 HGB die Regelungen des BGB entsprechend berücksichtigt werden sollen. Der Vertrag wird lediglich in Art. 1822 BGB definiert: mit der Bürgschaft verpflichtet sich der Bürge zur Zahlung oder Erfüllung der Leistungspflicht eines Dritten, falls der Dritte dieser selbst nicht nachkommt. Im BGB ist die Pflicht der Bürgen also subsidiär zur Pflicht des Hauptschuldners.
48
b) Die handelsrechtliche Bürgschaft. Allerdings ist die Bürgschaft nicht immer handelsrechtlicher Natur, wenn ein Kreditinstitut bürgt. Das Merkmal der Akzessorietät wird von Art. 439 HGB zur Bestimmung der Rechtsnatur der Bürgschaft berücksichtigt. Wenn der gesicherte Vertrag ein handelsrechtlicher Vertrag ist, dann ist die Bürgschaft ebenso handelsrechtlich, auch wenn der Bürge kein Kaufmann ist.
49
Gegenstand der Bürgschaft ist im Prinzip die gleiche Hauptverpflichtung, allerdings kann sich der Bürge zu weniger verpflichten (Art. 1826 BGB); falls nichts vereinbart wird, wird für die Haupt- und die Nebenschluden gebürgt (Art. 1827 BGB). Die gesicherte Schuld kann eine Geldschuld sein oder nicht, ebenso kann sie gegenwärtig oder künftig sein (Art. 1824 f. BGB); weiter hat der Oberste Gerichtshof die sogenannte „allgemeine“, „bewegliche“ Bürgschaft oder „Omnibusbürgschaft“ bewilligt, die jede Verpflichtung zwischen Schuldner und Gläubiger sichern kann, vorausgesetzt, dass es sich um die vereinbarte Schuldart und den vereinbarten Zeitraum handelt (so Urt. vom 13. Oktober 2005, Rechtsprechungsammlung Westlaw.es RJ 2005\7340). Die Bürgenmehrheit ist möglich, bei der die Bürgen unabhängig von einander haften, oder sich als Mitbürgen verpflichten können; im letzten Fall kann es sich um eine teilschuldnerische oder eine gesamtschuldnerische Mitbürgschaft handeln (Art. 1844 BGB); ebenso ist eine Unterbürgschaft zulässig (Art. 1846 BGB). Eine handelsrechtliche Bürgschaft muss schriftlich vereinbart sein, wobei die Form wesentliche Voraussetzung des Vertrages ist (Art. 440 HGB; vgl. Art. 1827 BGB).
50
Zum Vertragsinhalt: Art. 441 HGB betrachtet den Vertrag als einseitig, da er unentgeltlich ist, falls nichts anderes vereinbart ist. Allerdings wird der Vertrag als entgeltlich und zweiseitig vermutet, wenn der Bürge ein Kreditinstitut ist (Urt. des Obersten Gerichtshofs vom 18. November 1988, Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJ 1988\8609).
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2769
Art. 1830 ff. und 1837 BGB bestimmen zugunsten des Bürgen die Einreden der Vorausklage – voraussgesetzt der Bürge bezieht sich auf in spanischem Gebiet befindliches Vermögen des Schuldners, das ausreichend ist, um die Schuld zu bezahlen – und der Teilhaftung – es sei denn, die Mitbürgen haben sich gesamtschuldnerisch verpflichtet. Bezüglich der handelsrechtlichen Bürgschaft wird im HGB zwar keine Sonderregelung festgelegt, es stellt sich aber die Frage, ob die oben erwähnten Einreden bestehen sollen. Diese Frage ist mit der Diskussion zur Vermutung des allgemein gesamtschuldnerischen Charakters der handelsrechtlichen Schulden zu verknüpfen: Tatsächlich wurde vom Obersten Gerichtshof sowohl in alten wie in jüngsten Entscheidungen diese Vermutung behauptet und die Einreden der Vorausklage und der Teilhaftung bei der handelsrechtlichen Bürgschaft verneint – so Urt. vom 15. April 2005; Rechsprechungssammlung Westlaw.es RJ 2005\3242. Allerdings dürfte die Geltung von Art. 1137 BGB und damit das Bestehen der Einreden vertreten werden. Ist etwa im Fall einer entgeltlichen Bürgschaft keine Ablauffrist vereinbart worden, ist der Bürge bis zur vollständigen Erfüllung des gesicherten Vertrages verpflichtet (Art. 442 HGB; vgl. Art. 1843 V BGB, wo eine Frist von zehn Jahren festgelegt wird). 3. Andere Kreditsicherheiten. Kreditinstitute akzeptieren aber auch andere Sicherheiten. Üblich ist die Vertragsklausel, durch die dem Kreditinstitut erlaubt wird, unbezahlte Schulden gegen Guthaben, Einlagen oder gegen das von ihm verwaltete Vermögen des Kunden auszugleichen. Ebenso üblich sind persönliche Kreditsicherheiten wie Sicherheiten auf erste Anforderung – gestaltet als Gewährleistungsvertrag –, Garantiebriefe – insbes. von Muttergesellschaften zugunsten von Tochtergesellschaften – und Dokumentenakkreditive – wobei die spanischen Kreditinstitute sich nach den einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen der Internationalen Handelskammer richten. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, zu sachlichen Kreditsicherheiten zu greifen, wie etwa dem Effektenpfandrecht – das als besonderer Darlehensvertrag zu betrachten ist – (Art. 320 ff. HGB), dem besitzlosen Pfandrecht oder der schon erwähnten Hypothek an beweglichen Sachen (Rn. 43). Eine besondere Berücksichtigung verdient der Factoringvertrag.
51
Factoringvertrag. Beim Factoring handelt es sich im spanischen Recht um einen atypischen Vertrag, in dessen Rahmen das Kreditinstitut (im engeren Sinne oder die spezialisierte Krediteinrichtung, die Factoringgesellschaft) verschiedene Dienstleistungen anbieten kann. Üblicherweise sind das Führung- oder Verwaltungdienstleistungen bzw. Rechnungeinziehungen und Buchhaltung. Ebenso Finanzierungsdienstleistungen bzw. Kreditgewährleistungen in Form einer Diskontvereinbarung (Rn. 35), wobei eine gesamte und ausschlieβliche Abtretung für die ganze Kundschaft oder eine Gruppe oder Klasse der Kundschaft des Kreditnehmers stattfindet – hier wird vom „unechten“ Factoring gesprochen. In Betracht kommt aber auch die Sicherungsdienstleistung bzw. Teil- oder Volldeckung des Insolvenzrisikos der übertragenen Kundschaft – dann ist die Rede vom „echten“ Factoring; ebenso sind Zusatzdienstleistungen wie Kundschaftauswahl oder Informationbeschaffung möglich. Auch wenn beim Factoring das Gesamtheitprinzip eine Hauptrolle spielt, heiβt das nicht, dass jegliche Rechnungen gleichermaβen von der ganzen Dienstleistungspalette profitieren dürfen: Finanzierungs- und Sicherungsdienstleistung verlangen die besondere Genehmigung des Factoringgebers – allerdings werden in der Praxis sogenannte „Risikolinien“ bewilligt. Trozt des atypischen Charakters des Factoringvertrages wird in der 3. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 1/1999 vom 05. Januar 1999 über Risikokapitalgesellschaften (Staat. Abl. Nr. 5 vom 6.1.1999) bestimmt, dass eine Gesamtübertragung von Rechnungen, einschlieβlich künftiger und noch nicht bestehender Forderungen, erlaubt ist; weiter wird eine Sonderregelung für die übertragenen Forderungen, die zur Zeit der Abtretung schon entstanden sind oder innerhalb eines
52
Bueso-Guillén
2770
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Jahres nach Factoringvertragsabschluss entstehen, und für die keine Sicherungsdienstleistung vereinbart worden sind: In diesem Fall war Art. 878 II HGB, d. h. die Nichtigkeit der Übertragung aufgrund der Rückwirkung eines Insolvenzverfahrens der Factoringnehmers, nicht anwendbar; außerdem sind – wenn das Insolvenzverfahren einen übertragenen Kunden betrifft – die Zahlungen an den Factoringgeber nicht widerruflich – heutzutage darf vertreten werden, dass diese Sonderregelung mutatis mutandis ebenso im Rahmen von Art. 71 ff. der Insolvenzordnung (Gesetz Nr. 22/2003 vom 09. Juli 2003; Staat. Abl. Nr. 164 vom 10.7.2003) anwendbar ist. Diese Sonderregelung gilt auch für das Factoring, wenn der Factoringnehmer eine öffentliche Verwaltung ist (Art. 200 des Gesetzes Nr. 30/ 2007 vom 30. Oktober 2007 zum Auftragswesen – Staat. Abl. Nr. 261 vom 31.10.2007). 53
III. Kreditabwicklung. Mit Ausnahme der oben erwähnten Besonderheiten wird die Abwicklung der Kreditverträge keiner Sonderregelung unterworfen, weder zur Vertragsnichtigkeit noch zur -beendigung. Ebenso besteht keine substantielle Sonderregelung für den Fall der Insolvenz eines Bankkunden bzw. keine Sonderregelung zur Überschuldung von Kleinbankkunden.
54
C. Konto und Zahlungsverkehr I. Konto. In Anbetracht der spanischen Bankpraxis lässt sich das deutsche Girogeschäft mit dem laufenden Bankkonto (cuenta corriente bancaria) gleichstellen. Das laufende Bankkonto ist Ausdruck des dauerhaften und höchstpersönlichen Geschäftsverhältnisses zwischen Kreditinstitut und Kunden. Gleichzeitig dient es als buchhalterischer Träger – durch Haben- und Sollposten – der verschiedenen Bankgeschäfte zwischen Kreditinstituten und Kunden. Zu diesen Bankgeschäften zählen die verschiedenen Geldeinlageverträge, die von Kreditinstituten in Spanien für gewöhnlich angeboten werden und die sich mit den deutschen Kontenarten gleichstellen lassen.
55
1. Girogeschäft: das laufende Bankkonto. a) Begriff. Den Merkmalen des spanischen Bankrechts folgend, stellt das laufende Bankkonto einen nicht typisierten Vertrag dar. Allerdings ist seine Rechtsnatur nicht länger unklar. Heutzutage wird das laufende Bankkonto nicht länger als eine Zusatzvereinbarung eines anderen Bankvertrages (z. B. eines Gelddepots oder Dispostionskredits) betrachtet. Wie schon erwähnt, ist das laufende Bankkonto nicht als bloβer buchhalterischer Träger zu verstehen, da es dem verknüpften Bankvertrag Funktionen wie Kassendienst und Tilgung von Verbindlichkeiten ermöglicht; weiter handelt es sich um einen vertraglich vereinbarten Ausgleich. Das laufende Bankkonto ist gegenüber aktiven oder passiven Bankgeschäften als autonomer Vertrag zu begreifen, auch wenn die verknüpften Geschäfte die wirtschaftliche Voraussetzung des laufenden Bankkontos darstellen. Allerdings ist der laufende Bankkontovertrag kein sachlicher Vertrag – die verknüpften Geschäfte spielen ihre Rolle bei der Vertragsausführung, und auch zu diesem Zeitpunkt kann das Kreditinstitut einen Vorschuss gewähren, um die Ausführung bzw. die Zahlungen zu ermöglichen. Letzten Endes ist das laufende Bankkonto ein Vertrag, in dem sich das Kreditinstitut zur Leistung der Kassen- und Buchhaltungsdienstleistung eventuell gegen Gebühren verpflichtet. So ist er vom kaufmännischen Kontokorrentvertrag zu unterscheiden, da im laufenden Bankkontovertrag kein gegenseitiger Kredit und keine Nichtverfügbarkeit des Guthabens entsteht, und der Ausgleich bis zum vereinbarten Zeitpunkt nicht aufgeschoben wird, sondern sofort und ständig stattfindet.
56
b) Regelung. Auch wenn der laufende Bankkontovertrag als Unterart des zivilrechtlichen Auftragvertrags (Art. 1709 ff. BGB) oder handelsrechtlichen Auftragvertrags bzw. Kommisionsvertrags (Art. 244 ff. HGB) behandelt werden darf, hängt die Vertragsgestaltung mit wenigen Ausnahmen – wie Art. 19 IV des Gesetzes Nr. 7/1995 (Rn. 27) – von der Pri-
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2771
vatautonomie ab, insbes. von den AGB der verschiedenen Kreditinstitute. Allerdings lassen sich aus der Bankpraxis folgenden allgemeinen Rechtsfragen erläutern. Bezüglich der Inhaberschaft ist es möglich, dass ein Kunde mehrere Bankkonten bei demselben Kreditinstitut eröffnet; diese verschieden laufenden Bankkonten gleicher Inhaberschaft sind im Prinzip unabhägig voneinander; allerdings ist es üblich, dass das Kreditinstitut durch eine Vertragsklausel dazu berechtigt wird, den Sollsaldo eines dieser Bankkonten gegen das Guthaben der restlichen Bankkonten des fraglichen Kunden auszugleichen (Rn. 51). Anders herum ist es ebenso möglich, dass verschiedene Kunden Inhaber eines einzigen Bankkontos sind. Hier stellen sich zwei Fragen: Einerseits die Befugnis zur Verfügung über das Guthaben des laufenden Bankkontos, deren Anwort davon abhängt, wie die Inhabermehrheit gestaltet wurde. Bilden die Inhaber eine Gesamtgläubigerschaft, handelt es sich um ein laufendes Oderbankkonto (cuenta corriente bancaria indistinta), so dass jeder einzelne Inhaber über das gesamte Guthaben alleine verfügen darf; bilden die Inhaber dagegen eine Teilgläubigerschaft, handelt es sich um ein laufendes Gemeinschaftsbankkonto (cuenta corriente bancaria conjunta), über das nur mehrere oder alle Inhaber gemeinsam verfügen dürfen. Andererseits stellt sich die Frage des Eigentums am Guthaben, wobei eine Inhabermehrheit zu vermuten erlaubt, dass allen Kontoinhabern gleiche Guthabensanteile gehören, allerdings lässt sich diese Vermutung widerlegen. In Bezug auf den Vertragsinhalt, ist der laufende Bankkontovertrag zweiseitig: Das Kreditinstitut verpflichtet sich dazu, dem Kunden den Kassendienst zur Verfügung zu stellen bzw. als Zahlungs- und Einzugsstelle zu handeln; die Zahlungs- und Einzugsanweisungen können schriftlich an der Kasse abgegeben werden, aber auch durch Schecks oder Dauerlastschrift vorgenommen werden. Das Kreditinstitut muss das Konto führen und den Kunden darüber informieren, sowohl nach punktueller Anfrage seitens des Kunden als auch regelmäßig durch Kontoauszüge. Diese Informationsbeschaffung kehrt die Beweislast zu Lasten des Kunden um: Nach einer vom Kreditinstitut festgelegten Frist (i. d. R. zwischen 20 - 30 Tagen nach Ausfertigung des entsprechenden Auszuges) ohne begründete Beschwerde des Kunden, wird die Abrechnung endgültig wirksam (so Urt. des Obersten Gerichtshofs vom 14. Juni 1985; Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJ 1985\3270). Das Kreditinstitut muss dabei die Sorgfalt eines spezialisierten Unternehmens einhalten, sollte es dies nicht tun, ist es zum Schadenersatz verpflichtet (Urt. des Obersten Gerichtshofs vom 21. November 1997; Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJ 1997\8096). Seinerseits ist der Kunde dazu verpflichtet, dem Kreditinstitut im Rahmen des verknüpften Geschäfts Deckungsmittel zur Verfügung zu stellen und ggf. die Gebühren zu bezahlen – die Zinszahlung oder der -einzug vom Kunden hängt von der Natur des verknüpften Geschäfts ab. Es besteht die Möglichkeit einer Kontoüberziehung, deren Rechtsnatur umstritten ist. Allerdings lässt sie sich als eine Kreditform betrachten (so Urt. des Obersten Gerichtshofs vom 11. Juli 1994; Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJ 1994\6387). Diese Auffasung wird vom Gesetz Nr. 7/1995 unterstützt, indem sie dort als solche behandelt wird. Das Kreditinstitut muss den Kunden sowohl über das Bestehen einer Kontoüberziehung informieren als auch über die angefallenen Überziehungszinsen und -gebühren, wobei die Höhe der Überziehungszinsen eingeschränkt wird (Rn. 27). Allerdings darf das Kreditinstitut die Zahlung der überzogenen Summe jerderzeit verlangen, ohne auf die in Art. 313 HGB festgelegte Frist Rücksicht nehmen zu müssen (Rn. 25). Da es sich i. d. R. um einen unbefristeten Vertrag handelt, darf der laufende Bankkontovertrag einseitig gekündigt werden, eine Kündigungsfrist ist jedoch dann einzuhalten, wenn der Vertrag vom Kreditinstitut gekündigt wird.
Bueso-Guillén
57
58
59
2772
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
60
2. Kontenarten: Geldeinlageverträge. a) Begriff. Die verschiedenen Sorten von Bankeinlageverträgen lassen sich unter dem Hauptbegriff der Geldeinlage bzw. des unregelmäßigen Geldsummendepots (depósito irregular de dinero) einordnen. Die Summe des Gegenstands des Vertrages wird dem Kreditinstitut – im Rahmen seiner typischen und gängigen Tätigkeit (Rn. 2) – als vertretbare Sache übertragen, womit das Kreditinstitut über die Geldsumme als Eigentümer verfügen darf und nur zur Rückgabe einer gleichwertigen Sache („otro tanto de la misma especie y calidad“ bzw. tantundem) verpflichtet ist (Art. 307 III HGB). So ist der Vertrag vom verschlossenen Geldsummendepot zu unterscheiden, da es kein Aufbewahrungsdepot ist, sondern ein Gebrauchsdepot.
61
b) Einordnung. Die in der Bankpraxis bestehenden Einlageverträge werden nach verschiedenen wirtschaftlichen und rechtlichen Kriterien eingeordnet. Von einem rechtlichen Gesichtspunkt aus wird grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Geldrückgabe zwischen Sichteinlage (depósito a la vista) und Termineinlage (depósito a plazo) unterschieden; allerdings ist nicht auszuschlieβen, dass bei der Termineinlage eine Kündigungsfrist zur Vertragsbeendigung vorgesehen ist – je nach Fristdauer werden diese Einlagen der ersten oder zweiten Einlagevariante zugeordnet. Ebenso wird nach der Art und Weise der Rückgabe zwischen einfacher Einlage (depósito simple), Einlage im Sparbuch (liberta de ahorro) und Einlage im laufenden Bankkonto (Rn. 55 ff.) unterschieden. Bei einfachen Einlagen findet die Rückgabe bzw. -zahlung in einer einzigen Handlung statt. Dagegen ermöglichen die Einlagen im Sparbuch und im laufenden Bankkonto eine Mehrzahl von Rückgabehandlungen. Das Sparbuch hat lediglich buchhalterische Bedeutung und wird, auch wenn es sich ausnahmsweise um ein Inhabersparbuch handelt, nicht als Wertpapier, sondern als Legitimationspapier betrachtet. Allerdings hat sich die Funktion des Sparbuches heute verwässert, da es i. d. R. in Verbindung mit einem laufenden Bankkonto angeboten wird, wobei das Sparbuch lediglich aus Imagegründen als Erkennungszeichen der Sparkassen erhaltet wird, insbesondere für die hochbetagten Kunden. Verbindet man beide Klassifikationen, sind Termineinlagen i. d. R. also einfache Einlagen, wohingegen Sichteinlagen ebenso als Einlagen im Sparbuch oder im laufenden Bankkonto eingeordnet werden dürfen.
62
c) Sichteinlagen. Die Sichteinlage erlaubt dem Kunden, Geldsummen zur jeder Zeit oder mit einer sehr kurzen Kündigungsfrist zu entnehmen. Wie schon erwähnt (Rn. 60), besteht hier im Grunde genommen keine echte Aufbewahrungspflicht seitens des Kreditinstituts, sondern die Rückzahlungspflicht einer gleichwertigen Summe in einem Betrag oder in Teilbeträgen; um dies zu ermöglichen, muss das Kreditinstitut die Geldsummen vernünftig anlegen und eine ausreichende Liquidität aufrechterhalten. Ebenso verpflichtet sich das Kreditinstitut i. d. R., die Einlage mit Zinsen zu vergüten, wobei in Spanien – wie bei Krediten (Rn. 27) – eine freie Preisgestaltung gilt. Diese Zinsen werden in der traditionellen Bankpraxis halbjährlich liquidiert und bezahlt, obwohl dies mittlerweile ebenso monatlich gemacht wird. Unabhängig von der Verknüpfung des Einlagevertrages mit einem laufenden Bankkonto, muss dem Kunden über die Kapital-, Zins- und Rückzahlungen berichtet werden. Bei Sichteinlagen ist die Kreditfunktion sekundär. Es soll die Regelung des Depotvertrags angewendet werden, auch wenn es sich um ein Geldsummendepot handelt.
63
d) Termineinlagen. Die Termineinlagen zeichnen sich durch die Nichtverfügbarkeit der deponierten Geldsumme bis zum Ablauf der vereinbarten Frist aus (in der Praxis „imposición“ oder „plazo fijo“ genannt). Das Kreditinstitut verpflichtet sich dazu, die Einlage nach Fristablauf zurückzuerstatten, allerdings muss i. d. R. der Kunde die Rückerstattung beanspruchen, sonst wird gemäβ der AGB der Vertrag automatisch für die gleiche Laufzeit verlängert; weiter kann in den AGB festgelegt werden, dass der Kunde eine be-
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2773
stimmte Kündigungsfrist einhalten muss. Ebenso verpflichtet sich das Kreditinstitut dazu, Zinsen zu bezahlen. Bei Termineinlagen ist die Kreditfunktion primär, wobei es vertretbar wäre, hierauf die Regelungen des Dahrlehensvertrags (zugunsten des Kreditinstituts) anzuwenden; allerdings neigt die Rechtsprechung dazu, entweder die Regelung des Geldsummendepots anzuwenden oder den Vertrag als Vertrag sui generis zu betrachten. Diese Einlagen werfen für den Kunden dann ein besonderes Problem auf, wenn er vor Fristablauf etwas von der eingelegten Geldsumme entnehmen möchte. In der spanischen Bankpraxis sind die Gewährleistung eines Darlehens, das besonders von der Termineinlage gesichert wird, oder die vorzeitige Stornierung gegen Strafsumme mögliche Lösungen. Technisch gesehen stellt aber die Ausgabe eines Einlagescheins eine bessere Lösung dar, die von Nr. 7 des Ministerialerlasses vom 17. Januar 1981 (Staat. Abl. Nr. 16 vom 19.1.1981) geregelt wird. Auch wenn dieser mit Indossamentklausel ausgegeben wird, mangelt es dieser Lösung an Attraktivität, weil es dafür keinen organisierten Markt gibt. Innerhalb der Termineinlage lassen sich als besondere Unterarten die spezialisierten Sparkonten einordnen. Da sie soziale Zwecke verfolgen (z. B. den Erwerb einer Wohnung über ein Bausparkonto („cuenta ahorro vivienda“); siehe Art. 68 I 1 des Gesetzes Nr. 35/2006 zur Einkommensteuer; Staat. Abl. Nr. 285 vom 29.11.2006; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 57 vom 07.03.2007), genießen diese Einlagen eine besondere Steuerregelung und dürfen später zur Gewähleistung eines Dahrlehens zugunsten der Einleger genutzt werden.
64
II. Zahlungsverkehr. Der Zahlungsverkehr wird in Spanien mit Schecks (Gesetz Nr. 19/ 1985 vom 16. Juli 1985 über Wechsel und Scheck – Staat. Abl. Nr. 172 vom 19.7.1985; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 249 vom 17.10.1985) und Überweisungen abgewickelt. Debit- und Kreditkarten spielen ebenso eine wichtige Rolle. Dagegen werden heutzutage kaum Wechsel für Zahlungs- oder Finanzierungszwecke genutzt. Dies gilt auch für die Bankgeldübersendung (auf Spanisch, „giro“) – eine Dienstleistung, die in Spanien immer noch von der Post und seit Kurzem ebenso wegen der wachsenden Internationalisierung von Unternehmen wie Western Union angeboten wird.
65
1. Überweisungen, Gut- und Lastschrift. Die Abwicklung spanieninterner Überweisungen sowie Scheckzahlungen wird vom Nationalsystem für elektronischen Ausgleich (Sistema Nacional de Compensación Electrónica – SNCE) reguliert (gegründet durch Königliche Verordnung Nr. 1369/1987 vom 18. September 1987 – Staat. Abl. Nr. 271 vom 12.11.1987), das von der spanischen Zentralbank beaufsichtigt wird. Das SNCE wird vom Abrechnungsdienst der spanischen Zentralbank (Servicio de Liquidación del Banco de España – SLBE) für groβe Zahlungen in Euro ergänzt (Gesetz Nr. 41/1999, vom 12. November 1999 – Staat. Abl. Nr. 272 vom 13.11.1999). Die EU-internen Überweisungen bis zu 50.000 Euro werden durch das Gesetz Nr. 9/1999 vom 12. April 1999 an Kreditinstitute zur Regelung der Überweisungen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geregelt (Staat. Abl. Nr. 88 vom 13.4.1999), durch das die Richtlinie 97/5/EG umgesetzt wurde. Das Gesetz Nr. 9/1999 wurde durch Ministerialerlass vom 16. November 2000 (Staat. Abl. Nr. 283 vom 25.11.2000) ausgeführt, geändert durch Ministerialerlass vom 28. Mai 2001 (Staat. Abl. Nr. 134 vom 05.06.2001). Die Rechtsnatur der Überweisung wird aufgrund der Komplexität des Rechtsgeschäft diskutiert – ihre Beurteilung als Auftrag- bzw. Kommissionsvertrag gilt lediglich für die Überweisungsanweisung; ebenso wird eine Einordung als Forderungsabtretung, Vertrag zugunsten eines Dritten und Schuldübernahme diskutiert. Gem. Art. 1205 BGB darf die Schuldübernahme nicht die Befreiung des Anweisungsgebers zur Folge haben, es sei denn, der Empfänger hat der Zahlung per Überweisung zugestimmt. Angesichts der Verallgemeinerung von Überweisungen erklärte der Oberste Gerichtshof eine stillschweigende sowie eine konkludente
66
Bueso-Guillén
2774
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Zustimmung (z. B. Verfügung der überwiesenen Summe) für gültig (so Urt. vom 20. Juni 2003; Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJ 2003\4248). Gut- und Lastschrift sind keiner besonderen Regelung unterworfen. Lastschriften werden am Bankschalter nach Überprüfung der Identität des Kontoinhabers anhand des Personalausweises und der Unterschrift der Lastschriftsanweisung durchgeführt. 67
2. Scheck- und Kartengeschäft. Allerdings werden in Spanien die Barauszahlungen und die Zahlung in Geschäften grundsätzlich mit Debit- und Kreditkarten abgewickelt – Schecks werden nur noch in einer geringen Menge eingesetzt. In Spanien fand die Anwendung von dem Euroscheck ähnelnden Zahlungsmitteln nicht statt. Geldautomaten und Verkaufsstellenterminale sind zu modernen Schaltern geworden. Trotz ihrer Bedeutung gibt es keine spezifische spanische privatrechtliche Regelung der Ausgabe- und Anwendungsverträge von Debit- und Kreditkarten. Abgesehen von der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro (EU Abl. Nr. L 344/13 vom 18.12.2001) die Abhebungsgebühren betreffend, findet die Empfehlung der Kommission 88/590/EWG vom 17. November 1988 zu Zahlungssystemen Anwendung, insbesondere hinsichtlich der Beziehungen zwischen Karteninhabern und Kartenausstellern (EU Abl. Nr. L 317/55 vom 24.11.1988) – auch wenn diese Empfehlung von der Empfehlung der Kommission 97/ 489/EG vom 30. Juli 1997 zu den Geschäften, die mit elektronischen Zahlungsinstrumenten getätigt werden (EU Abl. Nr. L 208/52 vom 02.08.1997), ersetzt worden ist – und insbesondere der Verhaltenskodex des Europäischen Bankverbandes (ECSAs) bezüglich der Kartenzahlungssysteme vom 14. November 1990. Unbeschadet der Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshof in RS C-322/88 Grimaldi (EuGH Sammlung 4407, 4421) auf die Anwendung der Empfehlung als Auslegungs- bzw. Ausführungsleitlinien der in Art. 1258 BGB und Art. 82 der Real Decreto Legislativo 1/2007 bestimmten Gebote von Treu und Glauben zum Zweck der Inhaltskontrolle der Kartenvertrag-AGB, ergänzen diese soft-law-Regelungen den Runderlass der spanischen Zentralbank Nr. 8/1990 und werden von der Beschwerdestelle der spanischen Zentralbank als „gute Bankbräuche“ betrachtet (Rn. 16). Andererseits ermöglicht Art. 46 des Gesetzes Nr. 7/1995 vom 15. Januar 1996 (Staat. Abl. Nr. 15 vom 17.01.1996; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 42 vom 17.02.1996; geändert durch das Gesetz Nr. 47/2002 vom 19. Dezember (Staat. Abl. Nr. 304 vom 20.12.2002)), im Rahmen der Regelung des Verbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997; EU Abl. Nr. L 144/19 vom 4.6.1997) dem Inhaber eine unerlaubte Kartenzahlung zu widerrufen.
68
D. Kapitalmarktrecht I. Grundlagen. 1. Begriff, Merkmale und Leitprinzipien des spanischen Kapitalmarktrechts. Das spanische Kapitalmarktrecht, das die Kapitalmärkte, die in diesen Märkten teilnehmenden Einrichtungen und Anbieter und die dort von ihnen abgewickelten Tätigkeiten regelt, weist folgende Merkmale auf: relative Autonomie, Heterogenität und Interdisziplinarität, da es aus einer Mischung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen bzw. handelsrechtlichen Vorschriften besteht, und Internationalität aufgrund der Annährung der Kapitalmarktrechte an die entwickelten Wirtschaftssysteme. Andererseits wird es von den Prinzipien der Effizienz der Kapitalmärkte, des Anlegerschutzes, der Transparenz, der Anlegergleicheit und der Professionalität der Anbieter geleitet. Diese Leitprinzipien wurden durch das Gesetz Nr. 24/1988 eingeführt, das als Rahmengesetz der Kapitarmärkte eine grundsätzliche Novellierung und Modernisierung der spanischen Regulierung bedeutete. Das Gesetz Nr. 24/1988 wurde mehrmals geändert, wie etwa vom schon erwähnten Gesetz Nr. 37/1998 (Rn. 3); ebenso vom Gesetz Nr. 44/2002
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2775
(Rn. 1), vom Gesetz Nr. 26/2003 vom 17. Juli 2003 (Staat. Abl. Nr. 171 vom 18.07.2003), das die Transparenz der börsennotierten Aktiengesellschaften zu erhöhen bezweckte, und von der Real Decreto Legislativo Nr. 5/2005 vom 11. März 2005 (Staat. Abl. Nr. 62 vom 14.3.2005). Kürzlich wurde das Gesetz Nr. 24/1988 durch das Gesetz Nr. 6/2007 vom 12. April 2007 (Staat. Abl. Nr. 89 vom 13.04.2007) geändert, womit die Regelung zu Übernahmeangeboten und Transparenz der Emittenten angepasst wurde an die Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 (EU Abl. Nr. L 142/12 vom 30.04.2004) und an die Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/ EG (EU Abl. Nr. L 390/38 vom 31.12.2004). Ebenso ist das Gesetz Nr. 24/1988 durch Gesetz Nr. 47/2007 vom 19. Dezember 2007 (Staat. Abl. Nr. 304 vom 20.12.2007) erheblich geändert worden. Damit wird zunächst die Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/ EWG des Rates (EU Abl. Nr. L 145/1 vom 30.4.2004; Berichtigung EU Abl. L 45/18 vom 16.2.2005) umgesetzt; ebenso wird die Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (Text von Bedeutung für den EWR) (EU Abl. Nr. L 241/26 vom 2.9.2006) umgesetzt – allerdings nur teilweise bzw. lediglich im Hinblick auf die Grundregeln; die Umsetzung der Richtlinie 2006/73/EG wird mittels der Königlichen Verordnung Nr. 217/2008 vom 15. Februar 2008 vervollständigt; schließlich wird die Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung) (EU Abl. Nr. L 177/201 vom 30.6.2006) umgesetzt. Das Rahmengesetz wurde und wird ständig durch eine Reihe von Königlichen Verordnungen, Ministerialerlassen und Runderlassen der Wertehandelsbehörde (Rn. 72) ausgeweitet, die das Kapitalmarktrecht zu einem komplexen Rechtsgebiet machen. 2. Marktfähige Werte und Finanzierungsinstrumente. Gegenstand der spanischen Kapitalmärkte sind marktfähige Werte (valores negociables) und Finanzierungsinstrumente (instrumentos financieros) anders als marktfähige Werte. Marktfähige Werte sind Rechte mit Vermögensinhalt, die als Wertpapiere oder als Wertrechte (anotación en cuenta) ausgegeben werden (wenn Wertrechte, Königliche Verordnung Nr. 116/1992 vom 14. Februar 1992 über die Emission von Wertrechten und den Ausgleich und die Liquidation von Börsengeschäften – Staat. Abl. Nr. 44 vom 20.02.1992; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 62 von 12.3.1992), und als Emissionen zusammengelegt bzw. homogen sind, da sie erstens aus ein und demselben Anlagegeschäft stammen und einer Zweckeinheit entsprechen, zweitens der gleichen Natur und den gleichen Übertragungsregeln unterworfen sind und drittens ihren Inhabern grundsätzlich ähnliche Rechte gewähren und Pflichten auferlegen (Art. 2 I des Gesetzes Nr. 24/1988, Art. 3 der Königlichen Verordnung Nr. 1310/2005 vom 4. November 2005 – Staat. Abl. Nr. 274 vom 16.11.2005). Als Finanzierungsinstrumente (im Gegensatz zu marktfähigen Werten) werden grundsätzlich Termin-, Options- und Tauschanlageverträge betrachtet, deren Gegenstand oder Grundlage finanzieller Natur (z. B. Werte, Indizes, Währungen, Zinsraten) oder nicht finanziel-
Bueso-Guillén
69
2776
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
ler Natur (z. B. Waren, Rohstoffe und andere vertretbare Güter) sein darf (detailliert in Art. 2 II-VIII des Gesetzes Nr. 24/1988 ausgeführt). 70
3. Primär- und Sekundärmärkte. Die spanische Regelung der Kapitalmärkte unterscheidet zwischen Primärmarkt und Sekundärmärkten. Die Bestimmungen zum Primärmarkt, der als derjenige Markt begriffen werden darf, bei dem die zusammengelegte Emission marktfähiger Werte mittels eines öffentlichen Zeichnungsangebotes stattfindet, befinden sich in Art. 25 ff. des Gesetzes Nr. 24/1988 und Königlichen Verordnung Nr. 1310/2005, die sich auf den Grundsatz der Emissions- und Anlagefreiheit stützen. Die allgemeine Emissionsregelung unterscheidet zwischen Überprüfung und Eintragung der Emissionsunterlagen vor der Wertehandelsbehörde, insbes. des Prospekts. Allerdings lässt sich eine Tendenz zur Zunahme der Ausnahmen, die zu einer Lockerung der allgemeinen Emissionsvoraussetzungen und -bedingungen führen, feststellen. Innerhalb der Sekundärmärkte darf mann an erster Stelle zwischen regulierten oder amtlichen Märkten (bzw. regelmäßigen Märkten, die als solche genehmigt worden sind – Art. 31 II Buchst. d des Gesetzes Nr. 24/1988; Regelung zur Zulassung, Aufhebung und Ausschluss von Werten, Art. 32 ff. des Gesetzes Nr. 24/1988 und Königliche Verordnung Nr. 1310/ 2005) und unamtlichen Märkten unterscheiden. Die amtlichen Märkte sind nach Werten und Instrumenten spezialisiert: a) Wertebörsen (Bolsas de Valores) in Madrid, Barcelona, Valencia und Bilbao; dort werden hauptsächlich Aktien, in Aktien konvertierbare Werte und Bezugsrechte auf Aktien gewährende Werte gehandelt – Werte, die ausschlieβlich dort gehandet werden dürfen; auβerdem werden öffentliche und private festverzinsliche Werte gehandelt (Art. 47 f. des Gesetzes Nr. 24/1988 und Königliche Verordnung Nr. 726/1989 vom 23. Juni 1989 – Staat. Abl. 150 vom 24.06.1989; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 171 vom 19.07.1989; geändert durch Königliche Verordnung Nr. 363/2007 vom 26. März 2007 – Staat. Abl. Nr. 66 vom 17.03.2007). Dazu kommt der Computerhandel (Sistema de Interconexión Bursátil Español (SIBE)), der alle vier Wertebörsen vernetzt. Dort werden die wichtigsten Werte, die an allen vier Börsen zugelassen sind, gehandelt. b) Markt für öffentliche und als Wertrechte emittierte festverzinsliche Werte (Mercado de Deuda Pública Anotada en Cuenta) (Art. 55 des Gesetzes Nr. 24/1988). c) Die Derivatemärkte, hier werden grundsätzlich Termin- und Optiongeschäfte gehandelt (allgemein geregelt durch Art. 59 des Gesetzes Nr. 24/1988 und Königliche Verordnung Nr. 1814/1991, vom 20. Dezember 1991 (Staat. Abl. Nr. 310 vom 27.12.1991; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 24 vom 28.01.1992). d) Der AIAF für festverzinsliche Werte. Diese Liste ist aber nicht abschließend, da neue Märkte sowohl von der Zentralregierung als auch von der Regierung einer autonomen Region genehmigt werden dürfen. Die nicht amtlichen Märkte stellen organisierte Handlungsysteme für Werte oder andere Finanzierungsinstrumente, die nicht die gesamten vom Gesetz Nr. 24/1988 gestellten Voraussetzungen und Bedingungen erfüllen; trotzdem müssen sie ebenso genehmigt werden – derzeit bestehen LATIBEX (für Werte aus den latainamerikanischen Kapitalmärkten), und SENAF.SON und MTS España (für festverzinsliche Werte). Auβerdem kann hier der Hypothekenmarkt erwähnt werden, wo der Inmobiliarkredit durch Hypothekenwerte (valores hipotecarios) bzw. Pfandbriefe (cédulas hipotecarias), Hypothekenschuldscheine (bonos hipotecarios) und Hypothekenanteilsscheine (participaciones hipotecarias) mobilisiert wird; ebenso dienen diesem Zweck die Pfandbrieffonds, eingeführt durch die 5. Zusatzvorschift des Gesetzes Nr. 3/1994. Allerdings hat sich dieser Markt, der vom Gesetz Nr. 2/1981 vom 25. März 1981 (Staat. Abl. Nr. 90 vom 15.4.1981) und der Königlichen Verordnung Nr. 682/ 1982 vom 17. März 1982 (Staat. Abl. Nr. 83 vom 7.4.1982, bedeutend geändert durch die Königliche Verordnung Nr. 1289/1991 vom 2. August 1991 – Staat. Abl. Nr. 191 vom 10.8.1991; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 251 vom 19.19.1991) besonders geregelt wird, den Leitlinien des Gesetzes Nr. 24/1988 noch nicht ganz angepasst, obwohl ein Schritt
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2777
nach vorn getan wurde. So bezweckt dieses Gesetz bezüglich des Hypothekenmarkts die Beseitigung von Hindernissen beim Anbieten neuer Produkte sowie die Modernisierung der Schutzregelung hin zu mehr Transparenz, die es dem Darlehensgeber ermöglichen soll, hinsichtlich des tatsächlichen Risikos besser entscheiden zu können, und die zu einer Verbesserung der Finanzinstrumente führen soll. 4. Institutionelle Gestaltung. Die spanischen Kapitalmärkte bringen eine institutionelle Gestaltung mit sich, die grundsätzlich aus der Wertehandelsbehörde (Rn. 72), den Leitungsorganen der verschiedenen Märkten (u. a., Börsegesellschaften – Sociedad de Bolsas – für den Computerhandel, Spanischen Zentralbank für den Staatsschuldmarkt), den Einrichtungen für das Clearing-Management (insbes. die Systemgesellschaft – Sociedad de Sistemas – (Art. 44 des Gesetzes Nr. 24/1988)), der Holdinggesellschaft von Märkten und Kapitalsystemen BME (17. Zusatzvorschrift des Gesetzes Nr. 24/1988), den Anlagedienstleistungsanbietern (Rn. 73), den öffentlichen und privaten Emittenten und den Einrichtungen zum Anlegerschutz bzw. dem Anlagensicherungsfond (Rn. 74), dem Beauftragten zum Schutz von Anlegern (Art. 22-28 des Gesetzes Nr. 44/2002) und den Ombudsmännern (Art. 29 des Gesetzes Nr. 44/2002) besteht.
71
a) Wertehandelsbehörde. Sie ist die unabhängige Behörde der spanischen Kapitalmärkte. Als Einrichtung des öffentlichen Rechts genieβt sie einen rechtlichen Sonderstatus (Art. 14 des Gesetzes Nr. 24/1988). Sie hat eigene Rechtspersönlichkeit und volle Geschäftsfähigkeit, sowohl öffentlich-rechtlich als privatrechtlich. Ihre Ziele sind es, die Transparenz der Märkte und die rechtmäßige Preisbildung zu kontrollieren, die Anleger zu schützen und die höchste Informationsverbreitung zu fördern. Um diese Ziele zu erreichen, besitzt sie folgende Zuständigkeiten: Abwicklung und Bewilligung von Genehmigungen, sowohl für bestimmte Tätigkeiten als auch für bestimmte Handlungen; Führung der öffentlichen Register von Prospekten über Anlagegeschäfte, Wirtschaftsprüfung, usw. (Art. 92 Gesetz Nr. 24/1988); Veröffentlichung von relevanten Fakten und Informationen; Aufsicht, Inspektion und Sanktion (Art. 84 ff. des Gesetzes Nr. 24/1988); Erlass von Ausführungregelungen in Form von Runderlassen (Art. 15 des Gesetzes Nr. 24/ 1988). Die Web-Seite der spanischen Wertehandelsbehörde (http://www.cnmv.es) ist als Informationsquelle auch in Sachen Kapitamarktrechtsquellen sehr empfehlenswert.
72
b) Anlagedienstleistungsanbieter. Die Anlagegeschäfte und insbes. die Verträge, die im Rahmen der Primär- und Sekundärmarkte zustande kommen, bedürfen bestimmter spezialisierter Neben- bzw. Investitionsdienstleistungen, die ausschließlich von spezialisierten Finanzunternehmen erbracht werden dürfen. Dies sind Anlagedienstleistungsanbieter, deren Zweck die professionelle Leistung an Dritte von Anlagedienstleistungen und Zusatzdienstleistungen, die als Gegenstand marktfähige Werte, Finanzierungsinstrumente oder nicht als marktfähige Werte qualifizierte Instrumente des Geldsmarktes haben, darstellen. Das Gesetz Nr. 37/1998 bedeutete einen wichtigen Schritt zur Zulassung von Kreditinstituten als Dienstleister auf den spanischen Kapitalmärkten. Zusammen mit den – seit dem Jahr 1988 – spezialisierten Anbietern der Kapitalmärkte bzw. mit den Wertegesellschaften (sociedades de valores), den Werteagenturen (agencias de valores), den Portefeuillenverwaltungsgesellschaften (sociedades gestoras de carteras) und die Anlageberatungsunternehmen (empresas de asesoramiento financiero) (Art. 62 ff. des Gesetzes Nr. 24/1988 und der Königlichen Verordnung Nr. 217/2008), werden nach entsprechender Genehmigung auch Kreditinstitute als Anlagedienstleistungsanbieter zugelassen (Rn. 1). Folgende Dienstleistungen werden als Anlagedienstleistungen angesehen: i) der Empfang und die Übertragung von Aufträgen für fremde Rechnung; ii) die Duchführung dieser Aufträge für fremde Rechnung; iii) die Handlung auf eigene Rechnung; iv) die individualisierte Verwaltung mit Ermessen von Investitionsportefeuillen unter Berücksich-
73
Bueso-Guillén
2778
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
tigung der von Anlegern gegebenen Hinweise; v) die Vermittlung für unmittelbare oder mittelbare Rechnung des Emittenten in der Anlegung von Emissionen und öffentlichen Verkaufsangeboten (ofertas púlbicas de venta – OPVs); vi) die Sicherung der Zeichnung von Emissionen und öffentlichen Verkaufsangeboten; vii) die Anlageberatung; viii) die Verwaltung von multilateralen Handlungssystemen. Als Zusatzdienstleistungen sind zu betrachten: i) das Depot und die Verwaltung von Werten und Instrumenten, einschlieβlich der Führung der Buchung von Wertrechten; ii) die Gewährleistung von Krediten oder Darlehen an Anleger zum Zweck der Abwicklung von Geschäften mit Werten oder Instrumenten, vorausgesetzt, dass an dem Geschäft jenes Unternehmen teilnimmt, das die Finanzierung gewährleistet; iii) die Unternehmensberatung sowohl über Kapitalstruktur, Industriestrategie und ähnliche Fragen als auch im Rahmen von M&A; iv) die auf Sicherungsgeschäfte bezogenen Dienstleistungen; v) das Handeln als eingetragene Einrichtung, um auf Anlagedienstleistungen bezogene Geschäfte mit Währungen abzuwickeln; vi) die Anfertigung von Anlageberichten und Finanzanalysen. Aber nicht alle Anlagedienstleistungsanbieter dürfen alle Anlagedienstleistungen ausführen: Dies ist der Fall bei Wertegesellschaften sowohl für fremde Rechnung als auch auf eigene Rechnung. Das Gleiche gilt für die Kreditinstitute (Art. 65 des Gesetzes Nr. 24/1988) und für die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugelassenen Anlagedienstleistungsanbieter durch die Ausübung der Niederlassungs- oder der Dienstleistungsfreiheit (Art. 71 des Gesetzes Nr. 24/1988), vorausgesetzt ihre Regelung, Satzung und spezifische Genehmigung berechtigen sie dazu. Die Werteagenturen hingegen dürfen nur für fremde Rechnung (mit oder ohne Vertretungsbefugnis) handeln; ebenso ist für sie die Handlung auf eigene Rechnung und die Sicherung von öffentlichen Zeichnungs- und Verkaufsangeboten, sowie die Gewährleistung von Krediten oder Darlehen zum Zweck der Abwicklung von Geschäften mit Werten oder Instrumenten ausgeschlossen. Die Portefeuillenverwaltungsgesellschaften dürfen die Verwaltung von Investitionsportefeuillen zusammen mit der Unternehmens- und Anlegerberatung leisten. Schließlich dürfen die Anlageberatungsunternehmen lediglich Unternehmens- und Anlageberatung leisten. 74
c) Anlagensicherungsfond. Ähnlich wie im Fall der Einlagen (Rn. 3) wurde gem. Art. 77 des Gesetzes Nr. 24/1988 und der Königlichen Verordnung Nr. 948/2001 vom 3. August 2001 (Staat. Abl. Nr. 186 vom 04.08.2001) ein einzelner Anlagesicherungsfond eingerichtet, dem sich alle Wertegesellschaften und -agenturen ebenso wie auch Portefeuillenverwaltungsgesellschaften anschlieβen müssen. Dieser Fond hat keine eigene Rechtspersönlichkeit (anders als bei den Einlagensicherungsfonds) und seine Vertretung und Verwaltung wird von einer der Aufsicht der Wertehandelsbehörde unterworfenen Gesellschaft übernommen. Damit wird bezweckt, die Anleger vor Umständen zu schützen, die den Anlagedienstleistungsanbieter betreffen und die dazu führen, dass sie über das den Anbietern zum Zweck von Anlage- oder Zusatzdienstleistungen anvertraute Kapital, Werte oder Instrumente nicht mehr verfügen können. Diese Sicherung ist sowohl auf der subjektiven Seite (Berufsanleger, institutionelle Anleger und die zu den fraglichen Anlagedienstleistungsanbietern gehörenden Anleger sind ausgeschlossen) als auch auf der sachlichen Seite (die Deckung beträgt höchstens 20.000 Euro pro Anleger, die Leistung des Fonds setzt die Insolvenzerkläreung des Anlagedienstleistungsanbieters oder die Genehmigung der Wertehandelbehörde voraus) begrenzt.
75
II. Vermögensbetreuung. Abgesehen von der Tätigkeit der Kreditinstitute als Verwahrer des Vermögens von Investmentfonds, die einer Sonderregelung unterworfen ist (Art. 57 ff. des Gesetzes Nr. 53/2003 vom 4. November 2003 – Staat. Abl. Nr. 265 vom 05.11.2003; Art. 91 ff. der Königlichen Verordnung Nr. 1309/2005 vom 4. November 2005 – Staat. Abl. Nr. 267 vom 08.11.2007; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 301 vom
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2779
17.12.2007, geändert von der Königlichen Verordnung Nr. 362/2007 vom 17. März 2007 – Staat. Abl. Nr. 66 vom 17.3.2007) und von Rentenfonds, die ebenso einer Sonderregelung unterworfen ist (Art. 21-23 Real Decreto Legislativo Nr. 1/2002 vom 29. November 2002 zur Neufassung des Gesetzes über Rentenpläne und -fonds), bieten alle Anlagedienstleistungsanbieter bzw. Kreditinstitute die Anlageberatung und die Vermögensverwaltung an. 1. Vermögensverwaltung. a) Verwaltender Verwahrungsvertrag. Traditionell war die Vermögensverwaltung ausschlieβlich in den Händen der Kreditinstitute in Form des verwaltenden Verwahrungsvertrags, der in Art. 308 HGB noch immer teilweise geregelt wird. Vertragsgegenstand sind Wertpapiere oder andere Papiere, die Zinsen oder Dividenden erbringen. Im Vergleich zu einem einfachen Verwahrungsvertrag, bei dem sich der Verwahrer lediglich zur Aufbewarung und Erhaltung des Vertragsgegenstands verpflichtet, muss er hier auch die Rechte der Papierinhaber durch eine angemessene Verwaltung erhalten, wodurch der Vertrag zu einem gemischten Vertrag mit Elementen des Verwahrungsvertrags (Art. 303 ff. HGB) und des Auftrags- bzw. Kommissionsvertrags (Art. 244 ff. HGB), deren Regelungen auf diesen Vertrag anwendbar sind, wird (Urt. des Obersten Gerichtshofs vom 16. Dezember 1996; Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJ 1996\9001). Infolgedessen ist das Kreditinstitut dazu verpflichtet, die Renditen zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit einzunehmen, sowie zur Vornahme all der Handlungen, die nötig sind, um den Wert der Papiere und die den fraglichen Rechtsvorschriften entsprechende Rechte zu erhalten. Betrifft diese Pflicht aber nur Rechte (also keine Pflichten des Gesellschafters, wie etwa die Zahlung von nicht eingezahlter Einlagen) und ist sie wirtschaftlicher Natur, so darf das Kreditinstitut von seinem Stimmrecht keinen Gebrauch machen, wenn die Voraussetzungen, die insbes. von Art. 107 des spanischen Aktiengesetzes (Real Decreto Legislativo Nr. 1564/1989 vom 22. Dezember 1989 – Staat. Abl. Nr. 310 vom 27.12.1989; Berichtigung Staat. Abl. Nr. 28 vom 01.02.1990; mehrmals geändert) und Art. 6 des Gesetzes Nr. 31/1968 vom 27. Juli 1968 über Ausschlieβungen und Begrenzungen des Hauptpersonals von privaten Kreditinstituten (Staat. Abl. Nr. 181 von 29.7.1968) gestellt werden, nicht erfüllt sind. Was das Bezugsrecht betrifft, darf es von dem Kreditinstitut nur ausgeübt werden, wenn der Kunde entsprechende Hinweise gegeben hat; andernfalls darf das Kreditinstitut die entsprechenden Scheine verkaufen. Diese Verträge werden in Form eines Depotscheins schriftlich abgeschlossen, der die Vertragsabtretung und die Übertragung der aufbewahrten Papiere durch das Scheinindossament und dessen Mitteilung an das Kreditinstitut ermöglicht. Kreditinstitute behalten sich üblicherweise das Recht vor, den Vertrag jederzeit fristlos zu kündigen. In diesem Fall werden die Papiere dem Inhaber des Depotscheins zurückgegeben oder bei Gericht hinterlegt.
76
b) Werteverwaltung. Heutzutage stellt aber der verwaltende Verwahrungsvertrag eine Zusatzdienstleistung von Anlagedienstleistungen dar (Rn. 73), wobei andere Anlagedienstleistungsanbieter ihn ebenso abschlieβen dürfen. Allerdings hat der verwaltende Verwahrungsvertrag an Bedeutung verloren und wird in der Praxis von der Wertewerwaltung und von der Vermietung von Schrankfächern ersetzt. Das progressive Aussterben der Wertpapiere zugunsten der Wertrechte führt zu der Unmöglichkeit eines Verwahrungsvertrags, da Wertrechte keine aufzubewahrende bewegliche Sache darstellen (vgl. Art. 1761 BGB). So gehört der Werteverwaltungsvertrag in den Bereich des Auftragsbzw. Kommissionsvertrags (Art. 1709 ff. BGB und 244 HGB). Abgesehen davon und mit der nötigen Anpassung der Regelung zu einer buchhalterischen Verwaltung der Wertrechte ist der Vertragsinhalt dem des verwaltenden Verwahrungsvertrags ähnlich. So muss der Kunde das Kreditinstitut gegenüber der für die Buchhaltung der Wertrechte zuständigen Einrichtung (Art. 7 des Gesetzes Nr. 24/1988 und Art. 30 und 45 der König-
77
Bueso-Guillén
2780
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
lichen Verordnung Nr. 116/1992) bevollmächtigen, damit das Kreditisntitut seine Vertragspflichten erfüllen kann – z. B. die Einnahme von Renditen (Art. 25 der Königlichen Verordnung Nr. 116/1992). Falls die fraglichen Wertrechte in einem Sekundärmarkt gehandelt werden, muss das Kreditinstitut als Teilnehmer in der Systemgesellschaft zugelassen werden (Art. 22 der Königlichen Verordnung Nr. 116/1992). 78
2. Anlageberatung. Innerhalb der Anlageberatung ist die Verwaltung von Investitionsportefeuillen hervorzuheben, die als Vertrag begriffen werden darf, in dem eine Partei – der Verwalter des Investitionsportefeuilles – sich gegenüber der anderen Partei – dem Kunden oder Anleger, entgeltlich dazu verpflichtet, eine bestimmte Auswahl von Werten, Finanzierungs- und Währungsinstrumenten zu verwalten. Im Vergleich zur Werteverwaltung fungiert das Kreditinstitut hier als ein aktiver Verwalter, der den Kunden zudem berät. Allerdings gibt es diese Anlagedienstleistung ebenso im Bereich des Auftrags- bzw. Kommissionsvertrags (Art. 1709 ff. BGB und 244 HGB). Allerdings, und unbeschadet der Rechtsnatur dieses Verwaltungsvertrags, beinhaltet das Gesetz Nr. 24/1988 gewisse Vorschriften, die den Vertrag auch mittelbar bzw. aus dem öffentlichen Recht regulieren. So ist die Beratung den Verhaltensvorschriften unterworfen (Art. 78 ff. des Gesetzes Nr. 24/1988, ausgeführt durch Königliche Verordnung Nr. 217/2008).
79
Zum Vertragsinhalt muss Folgendes hervorgehoben werden: Hauptpflicht der Verwalter ist, das anvertraute Vermögen unter Berücksichtigung der von dem Anleger gegebenen Hinweise zu verwalten. Allderdings handelt es sich um eine Verwaltung mit Ermessen: der Verwalter darf Anlageentscheidungen im Rahmen der gegebenen Hinweise und mit Ausnahme der Tatbestände, in denen eine Sondergenehmingung einzuholen ist, nach seiner besten Fachmeingung selbst treffen. In jedem Fall ist der Verwalter zu einer Leistung, aber nicht zu einem Ergebnis verpflichtet. Diese Tätigkeit muss zuverlässig und treu ausgeübt werden. Die Zuverlässigkeit wird gemäβ des Verhaltensmusters eines fähigen Unternehmens beurteilt. An erster Stelle und aus dem Gebot von Teu und Glauben (Art. 57 HGB und 1258 BGB) abgeleitet, bedeutet die Treue, dass der Verwalter das Interesse des Kunden jederzeit vor sein eigenes zu stellen hat (Urt. des Obersten Gerichtshofs vom 11. Juli 1998; Rechtsprechungssammlung Westlaw.es RJ 1998\6601). Diese Pflicht wird von der öffentlich-rechtlichen Regelung erheblich konkretisiert. Der Verwalter darf keine Geschäfte zu eigenen Zwecken abwickeln, unmittelbare oder mittelbare Provisionen kassieren oder überflüssige Provisionen vervielfachen; der Verwalter muss Interessenkonflikte zwischen Kunden oder zwischen ihm und dem Kunden vermeiden und ist angehalten, den Kunden stets zu informieren – ebenso, wenn es um die Ausübung des Stimmrechts gemäβ Art. 107 des spanischen Aktiengesetzes geht. Schlieβlich ist der Verwalter dem Kunden gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet bzw. dazu, ihn regelmäβig zu informieren und mit ihm die entsprechenden Liquidationen durchzuführen. Der Kunde ist dazu verpflichtet, dem Verwalter ein Entgelt zu zahlen. Dieses Entgelt muss der öffentlich-rechtlichen Vergütungsordnung entsprechen, wobei in der Praxis zwei Systeme angewendet werden: Das Entgelt richtet sich entweder nach der Höhe des verwalteten Vermögens oder nach den Ergebnissen. Der Vertrag darf von beiden Seiten unter Einhaltung einer kurzen Kündigungsfrist gekündigt werden, da er in der Regel auf unbefristete Zeit abgeschlossen wird. Aber der Kunde darf gemäβ Art. 1732 BGB den Vertrag auch dann kündigen, wenn er über einen befristeten Zeitraum abgeschlossen wurde.
80
III. Finanztermingeschäfte. Gem. der Königlichen Verordnung Nr. 1814/1991 handelt es sich hierbei um Termin- und Optionsgeschäfte. Die Verträge dürfen als normalisierte Verträge betrachtet werden, da sie vom Leitungsorgan des Markts vorbestimmt werden, wobei den Parteien kein Raum zur Selbstgestaltung gegeben wird. Die Parteien dürfen lediglich zwischen verschiedenen vorbestimmten Vertragsmustern wählen und den Preis
Bueso-Guillén
§ 78 Länderteil – Spanien
2781
vereinbaren. Weiter ist die Vermittlung des Leitungsorgans Pflichvoraussetzung für das Zustandekommen der Verträge. Termin- und Optiongeschäfte weisen gemeinsame Merkmale bzw. eine Ähnlichkeit in ihren Grundlagen und den besonderen Anforderungen an Deckungen und Sicherheiten auf. Allerdings weisen sie rechtliche und strukturelle Unterschiede auf. Termingeschäfte (futuros) sind feste Geschäfte, wohingegen Optionsgeschäfte bedingt sind, indem sie das Recht einer Partei zum Gegenstand haben, gegen Zahlung einer Prämie die Erfüllung des Vertrages verlangen zu können oder aber dessen Nichterfüllung vorzuziehen. Weiter können sie als Verkaufs- (put) oder Kaufoptionsgeschäfte (call) ausgestaltet werden, und das Recht kann zu einem bestimmten Zeitpunkt (sogenannte “europäische Optiongeschäfte“) oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (sogenannte “amerikanische Optiongeschäfte“) ausgeübt werden. In diesem Markt dürfen sowohl Verträge gehandelt werden, deren Ausführung die Zahlung der gesamten Summe verlangt, als auch Verträge, deren Liquidation nach Differenzen möglich ist, indem die verpflichtete Partei die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Liquidationspreis bezahlen muss (Art. 5 IV der Königlichen Verordnung Nr. 1814/1991). Bei dem letztgenannten Fall handelt es sich weder um Kaufverträge noch um Kaufoptionen, sondern um Verträge sui generis, die eher bestimmten Versicherungsverträgen ähneln. IV. Effekten-, Emisions- und Investmentgeschäft. Kreditinstitute beteiligen sich weiter am Effekten-, Emissions- und Investmentgeschäft, insbes. weil die Kreditinstitute oft als Mitbegründer im Rahmen einer Einheitsgründung auftreten, um später die Aktien zu veräußern, und die Regelung der Art. 19 ff. des spanischen Aktiengesetzes, die die Stufengründung einer Aktiengesellschaft ermöglichen, keine Anwendung finden.
E. Aktuelle Entwicklungen
81
82
Das spanische Finanzmarktrecht befindet sich in einem ständigen und beschleunigten Wandel. Abgesehen von der fast täglichen Ausführung der Rahmenregelungen durch Königliche Verordnungen, Ministerial- und Runderlasse, wird dies durch einen derzeit laufenden Gesetzbebungsvorgang deutlich bzw. durch den Gesetzentwurf über Zahlungsdienste, womit die Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (Text von Bedeutung für den EWR) (EU ABl. L 319/1 vom 5.12.2007) umgesetzt werden soll. Aktuelle Auskunft über die legislativen Entwicklungen des Finanzmaktrechts bietet die Website des Schatzamts (Tesoro Público) an (http://www. tesoro.es/sp/legislacion/index_legislacion_entramitacion.asp).
Bueso-Guillén
“This page left intentionally blank.”
§ 78 Länderteil – Tschechien
2783
26. Tschechien
§ 78 Länderteil Schriftum – Tschechien Bakeš a kol., Finanční právo, C.H. Beck Praha, 2006; Bohata, Neuordnung des tschechischen Kapitalmarkts, WiRO 2005/13; Bohata, Neues tschechisches Gesetz über kollektive Investitionsformen, WiRO 2005/166; Český statistický úřad, Statistická ročenka České republiky 2006, Scientia Praha, 2006; Chalupa, Zákon směnečný a šekový, Linde Praha, 2001; Dvořák, Komerční bankovnictví pro bankéře a klienty, Linde Praha, 2001; Grúň/Černý, Malý slovník finanční, bankovní a obchodní, UP Olomouc, 2006; Havel, Úvod do úpravy kapitálových trhů, vybrané problémy, Karolinum, 2000; Král, Transpozice a implementace Směrnic ES v zemích EU a ČR, C.H. Beck Praha, 2002; Palouch, Bankovnictví, C.H. Beck Praha, 2006; Pelikánová a kol., Obchodní právo I a II dil., Codex Bohemia, 1998; Podlesak/Paunovic, Europäisches und nationales Bankrecht in den neuen EU-Mitgliedstaaten, WiRO 2005/66; Tomášek, Právní základy evropské měnové unie, Bankovní institut, 1999; Tomášek, Europské měnové právo, C.H. Beck Praha, 2007.
Inhaltübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Tschechische Nationalbank . . . . . . . . . . . 5 2. Geschäfts- und Spezialbanken . . . . . . . . 10 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . 23 I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Darlehensvertrag und Zinsen . . . . . . . . . 25 2. Immobiliarkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Andere Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3. Andere Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . III. Kreditabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Girogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Scheck- und Kartengeschäft . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die tschechische Börse . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalmarktaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . E. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 50 51
Stichwortverzeichnis Abteilung zur Innenrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Bankgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Bankrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Bausparkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Börsenmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Devisen-Konvertibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Einlagenkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Einlagensicherungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Europa-Pass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Finanzarbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Forderungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Girokonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Girokontovertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Hypothekenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kupon-Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Kreditgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Pfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Preisstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Sparbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Sparkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Unabhängigkeit der Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . 5 Wertpapierkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Abkürzungsverzeichnis CZK ČNB
Česká Koruna (Tschechische Krone) Česká národní banka (Tschechische Natio-
nalbank) ECSDA European Central Securities Depositories Association
EGAP KMU RM Sb.
Exportni garanční a pojišt’ ovací společnost Kleine und mittlere Unternehmen Registrační Místo (Registrierungsplatz) Sbírka zákonů (Gesetzblatt)
A. Rahmenbedingungen
1
Die Tschechische Republik ist ein auf die Achtung der Rechte und Freiheiten des Menschen begründeter souveräner, einheitlicher und demokratischer Rechtsstaat. Das Land hat eine Fläche von 78.866 km2 und 10,3 Mio. Einwohner, davon 1,3 Mio. in der Hauptstadt Prag.
Kerner/Henkel
2784
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Tschechoslowakische Sozialistische Republik lange Zeit Teil des Ostblocks mit einem sozialistisch geprägten Wirtschaftssystem. Nach der sog. Samtenen Revolution im Jahre 1989 wurden die pluralistische Demokratie und das System der Marktwirtschaft wieder eingeführt. Am 1. Januar 1993 teilte sich die Tschechoslowakei in zwei Staaten – die Tschechische Republik und die Slowakische Republik. Beide Staaten traten am 1. Mai 2004 der EU bei und gehören seit 2008 zu den Staaten des Schengen-Abkommens. Der Euro wird in Tschechien wohl nicht vor 2012 eingeführt. 2
Die Rechtsordnung der Tschechischen Republik ähnelt der in Deutschland und Österreich. Die relevanten Bankengesetze wurden seit 1989 völlig überarbeitet. Maßstab dabei waren vor allem Rechtsprechung und Praxis des deutschsprachigen Raums sowie die einschlägigen EG-Richtlinien, deren Umsetzung weit fortgeschritten ist. Auch die Übernahme tschechischer Banken durch ausländische, insbesondere deutsche und österreichische, Institute führte zu einer Angleichung der Situation auf dem Bankensektor an europäische Standards. Ende 2006 waren in der Tschechischen Republik 37 Banken aktiv, die einen Reingewinn von 38 Mrd. CZK (1,3 Mrd. EUR) bei Aktiva von 3,15 Bio. CZK (110 Mrd. EUR) auswiesen. Die fünf größten Kreditinstitute (gemessen an der Bilanzsumme) haben einen Marktanteil von 64%. So kann der Bankensektor mittlerweile als konsolidiert angesehen werden. Im Laufe der Privatisierungsphase wurden Not leidende Kredite auf die staatliche Tschechische Konsolidierungsagentur (konsolidační agentura) übertragen, die dafür die Haftung übernahm.
3
Die Bankentätigkeit ist in der Tschechischen Republik durch die Verfassung, in Gesetzen und vor allem durch Verordnungen, Allgemeine Geschäftsbedingungen und bankinterne Richtlinien geregelt. Die einschlägigen Gesetze sind insbesondere das Bankengesetz, das Gesetz über die Tschechische Nationalbank, das Gesetz über den Zahlungsverkehr sowie das Gesetz über Geldwäsche. Alle im Text erwähnten Gesetze werden unter Angabe ihrer Fundstelle im tschechischen Gesetzblatt unter Punkt E. Rechtsquellen aufgeführt.
4
I. Bankensystem. 1990 wurde in der damaligen Tschechoslowakei das einstufige vom zweistufigen Bankensystem, bestehend aus einer Nationalbank (Česká národní banka) und unabhängigen Geschäfts- und Spezialbanken abgelöst. Aufgrund zahlreicher Banksitze außerhalb der Hauptstadt kann von einer ausgeglichenen Regionalstruktur gesprochen werden. Ein funktionierendes Bankensystem ist der wichtigste Bestandteil eines marktwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftssystems. Im Bereich der Finanzdienstleistungen wurde die Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstandes, des aquis communautaire der EU im Bankensektor, weitgehend abgeschlossen. So sind die Unterschiede auf dem Gebiet des Bankrechts im Vergleich zu Deutschland nicht mehr als gravierend zu bezeichnen, insbesondere nachdem das Gesetz über den Zahlungsverkehr (Nr. 124/2002 Sb.) und die Novellierung des Bankengesetzes (Nr. 126/2002 Sb., Nr. 120/2007 Sb., Nr. 126/2008 Sb. und Nr. 230/2008 Sb.) in Kraft getreten sind. Das Sekundärrecht dazu ist erlassen. Trotz eines wachsenden Anteils von Finanzinstitutionen, die keine Banken sind (LeasingUnternehmen, Versicherungen, Investment-Fonds etc.), wird der Finanzmarkt zu etwa 75% von Banken beherrscht.
5
1. Tschechische Nationalbank. Art. 98 der tschechischen Verfassung besagt, dass die Tschechische Nationalbank (Česká národní banka) die zentrale Bank des Staates ist. Ihr verfassungsmäßiges Hauptziel ist die Preisstabilität. Jeder Eingriff in ihre Tätigkeit ist nur auf Grundlage eines Gesetzes möglich. Stellung, Befugnisse und Organisationsstruktur
Kerner/Henkel
§ 78 Länderteil – Tschechien
2785
der Tschechischen Nationalbank sowie weitere Einzelheiten werden durch das Nationalbankgesetz Nr. 6/1993 Sb. geregelt, das auch die Unabhängigkeit der Nationalbank sicherstellt. a) Struktur. Die Tschechische Nationalbank (ČNB) als Zentralbank ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts und als solche nicht in das Handelsregister eingetragen. In bestimmten Bereichen kommt ihr auch die Rolle einer Behörde zu. Ihr Sitz ist in Prag. Das Leitungsorgan ist der Bankrat (bankovní rada České národní banky) mit seinen sieben Mitgliedern (ein Gouverneur, zwei Vize-Gouverneure, vier weitere Mitglieder), die vom Präsidenten der Republik auf sechs Jahre ernannt werden. Eine einmalige Wiederernennung ist möglich (§§ 5 ff. Nationalbankgesetz).
6
Der Finanzminister und andere Regierungsmitglieder haben das Recht, an den Sitzungen des Bankrats teilzunehmen. Ebenso kann der Gouverneur der ČNB den Sitzungen der Regierung mit beratender Stimme beiwohnen. b) Aufgaben und Befugnisse. Neben ihrem verfassungsrechtlich verankerten Hauptziel der Sicherung der Preisstabilität im Zusammenspiel mit der Wirtschaftspolitik und dem Wirtschaftswachstum bestehen die Aufgaben der ČNB vor allem in der Bestimmung der Geld- und Währungspolitik, der Ausgabe von Banknoten und Münzen und der Aufsicht über die Tätigkeit von Banken und Finanzdienstleistern mit Niederlassung in Tschechien, kurz: der Sicherung des Funktionierens des Banken- und Finanzmarktsystems (§ 2 Nationalbankgesetz).
7
Darüber hinaus pflegt die ČNB enge Beziehungen zu den Zentralbanken und Finanzorganisationen im Ausland und den internationalen Finanzinstitutionen. Sie fungiert auch als Beraterin der Regierung in Fragen der Geldpolitik und des Bankensystems und spielt eine wichtige Rolle auf dem Gebiet der Devisenwirtschaft, insbesondere hinsichtlich des Wechselkurses zwischen der Tschechischen Krone (CZK) und ausländischen Währungen, der Festlegung des Goldpreises, des Anlegens und der Verwaltung von Währungsreserven in Gold und Devisen, der Geschäfte mit Gold, Devisen und allen Arten von Bankgeschäften zwischen inländischen und ausländischen Banken nebst dem Zahlungsverkehr mit dem Ausland, der Ausgabe von in ausländischen Währungen notierten Wertpapieren und staatlichen Schuldverschreibungen, der Ausgabe von Devisenlizenzen und der Devisenkontrolle nach dem Devisengesetz (Nr. 219/1995 Sb.); sie führt das zentrale Wertpapierverzeichnis. Zweimal im Jahr muss die ČNB dem Parlament einen Bericht über die Währungsentwicklung vorlegen und mindestens einmal jährlich einen Bericht über die Finanzstabilität. Jedes Jahr hat sie für die Regierung einen Bericht über das Ergebnis ihrer Aufsicht über den Finanzmarkt vorzubereiten. Im Verlauf der Reformen, welche in der Tschechoslowakei nach dem Jahre 1989 durchgeführt wurden, wurde die Frage der Devisen-Konvertibilität aktuell. Die erste Etappe stellte die zum 1. Januar 1991 eingeführte sog. beschränkte Konvertibilität dar. Sie machte es für tschechoslowakische Unternehmen möglich, die importierten Erzeugnisse und Dienstleistungen in Devisen zu bezahlen. Nach dem Beitritt zur EU wurde der Schritt zur vollen internen und externen Konvertibilität der tschechischen Währung und zur Freiheit des Kapitalverkehrs im Rahmen des Internationalen Währungsfonds und des Gemeinschaftsrechts vollzogen. Sowohl Tschechen als auch Ausländer können ihre Verpflichtungen in tschechischer Währung oder in Devisen erfüllen.
Kerner/Henkel
8
2786
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Die Devisenorgane sind das Finanzministerium sowie die Tschechische Nationalbank. Für Devisengeschäfte ist eine Devisenlizenz erforderlich, für eine Wechselstubentätigkeit hingegen nur eine Erklärung der ČNB. 9
Nach dem Devisengesetz besteht zur Erstellung einer Zahlungsbilanz eine Meldepflicht für tschechische Staatsbürger hinsichtlich der Eröffnung von Devisenkonten, direkten Investitionen, Darlehen, des Erwerbs bzw. Verkaufs von Wertpapieren in fremden Währungen und Zahlungsverpflichtungen im Ausland. Diese Meldepflicht besteht bei Beträgen über 15.000 EUR. Das Devisengesetz ist im engen Zusammenhang zu sehen mit dem Gesetz über „Geldwäsche“ (Nr. 61/1996 Sb.), wonach Banken und andere Finanzdienstleistungsinstitutionen bei Transaktionen über 15.000 EUR (das Gesetz nennt den Euro-Betrag) verpflichtet sind, die Identität des Geschäftsteilnehmers festzustellen. Banken haben darüber hinaus alle ungewöhnlichen Transaktionen dem Finanzministerium zu melden und auf dessen Nachfrage weitere Informationen über verdächtige Geldbewegungen zur Verfügung zu stellen. Die in diesem Zusammenhang gesammelten Daten werden erst nach zehn Jahren gelöscht (§ 3 Geldwäschegesetz).
10
2. Geschäfts- und Spezialbanken. a) Aufgaben und Befugnisse. Ihre Hauptaufgaben sind nach dem Bankengesetz Nr. 21/1992 Sb. die Kreditgewährung sowie die Annahme von Einlagen (§ 1 Abs. 1 Bankengesetz); weitere bankübliche Tätigkeiten sind in § 1 Abs. 2, 3 des Bankengesetzes aufgezählt. So werden Banken unter anderem in Wertpapierhandel und -verwaltung tätig, bei der Ausgabe von Aktien und der damit zusammenhängenden Beratung der Kunden, bei Terminund Optionsgeschäften, Inkassogeschäften, Leasing, im Konto- und Zahlungsverkehr, bei der Ausgabe von Zahlungsmitteln wie Kreditkarten, Reiseschecks etc. Dafür benötigen sie eine Banklizenz, die die ČNB bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und einem Mindeststammkapital von 500 Mio. CZK als Geldeinlage erteilt. Die ČNB ist befugt, die einmal erteilte Lizenz wieder zu entziehen. Banken können auch Tätigkeiten ausüben, die nicht in der Lizenz ausdrücklich aufgeführt sind, wenn sie mit der Gewährleistung ihres Betriebes zusammenhängen.
11
Die Banken sind juristische Personen des Privatrechts, überwiegend Aktiengesellschaften. Ihre Befugnisse sind in der Satzung festgelegt, die bei der ČNB hinterlegt ist. Sie müssen einen Vorstand, bestehend aus drei Angestellten aus dem Führungsbereich und einen Aufsichtsrat vorweisen. Banken sind darüber hinaus verpflichtet, eine Abteilung zur Innenrevision einzurichten. Sie überprüft das Funktionieren und die Wirksamkeit des bankinternen Kontrollsystems sowie das Risikobewertungssystem und das Prinzip des umsichtigen Bankenhandelns. Ihre Mitglieder dürfen weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat angehören. Sowohl tschechische als auch ausländische Banken müssen sich ins Handelsregister eintragen lassen und einen Auszug aus dem Handelsregister bei der ČNB hinterlegen.
Das Bankengesetz sieht auch zahlreiche Informationspflichten gegenüber der ČNB vor, wie z.B. im Falle von Fusionsabsichten oder der Aufnahme der Geschäftstätigkeit im Ausland. 12
Für die Tätigkeit der Geschäftsbanken gelten vor allem die Vorschriften des Bankengesetzes und die Maßnahmen der Tschechischen Nationalbank. Das Bankengesetz ist Ausdruck der Erfahrungen aus der Privatisierungsphase und aus anderen europäischen Staaten sowie den einschlägigen EG-Regelungen. Es wurde mehrfach novelliert, zuletzt durch das
Kerner/Henkel
§ 78 Länderteil – Tschechien
2787
Gesetz Nr. 230/2008 Sb. Dabei ging es in erster Linie um die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben. Banken müssen über eine angemessene Kapitalausstattung verfügen, vor allem in Relation zum Ausmaß und Risiko der Handelsaktivitäten. Als Hauptziel gilt es, die Anzahl von Risikokrediten zu begrenzen und deren Deckung durch das Bankkapital sicherzustellen. Kredite werden nach ihrem Risiko, nach der Zeitdauer der Tilgung und dem finanziellen Hintergrund des Schuldners in 5 Klassen eingeteilt. Je größer der Anteil an risikoreichen Krediten, desto höher muss der Eigenmittelanteil sein. Die notwendige Kapitalausstattung war in der Vergangenheit häufig nicht vorhanden, was zu einigen Insolvenzen führte. Staatliche Konsolidierungsprogramme verbesserten die Situation. Neben tschechischen Banken können auch Niederlassungen ausländischer Banken tätig werden. Die Aufnahme der Tätigkeit kann in beiden Fällen nur nach Erteilung einer entsprechenden zeitlich unbefristeten Erlaubnis durch die ČNB erfolgen (§ 6 Bankengesetz). Bei ausländischen Banken ist an der Entscheidung auch das Finanzministerium beteiligt. Vor der Erteilung einer solchen Erlaubnis prüft die ČNB, ob das notwendige Stammkapital und hinreichende Betriebsmittel vorhanden sind (500 Mio. CZK), die fachliche Eignung des Antragstellers, dessen Unbescholtenheit, die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine Banktätigkeit und den Finanzplan. Bei einer ausländischen Niederlassung ist darüber hinaus der Nachweis der Reziprozität notwendig, also dass auch tschechische Banken im Herkunftsland dieser Bank tätig werden können. Wenn eine tschechische Bank im Ausland eine Niederlassung errichten oder auch nur ihre Dienstleistung anbieten will, so muss sie die ČNB schriftlich darüber informieren. Mit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur EU benötigen Bankinstitute aus EU/ EWR-Staaten keine Banklizenz mehr, wenn sie bereits in ihrem Sitzland zugelassen sind (§ 5a Bankengesetz). Es entfällt ebenfalls der Nachweis der Reziprozität. Es gibt eine Einheitsbanklizenz, einen sog. „Europa-Pass“. Ist die Tätigkeit der Bank auf dem Gebiet der Tschechischen Republik auf Dauer angelegt, hat sie eine Zweigstelle zu errichten, worüber die Aufsichtsbehörde des Heimatstaates zu informieren ist.
13
14
Ausländer haben im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit die gleichen Rechte wie Rechtssubjekte des tschechischen Rechts. Nach Erfüllung der Steuerpflichten können sie den Gewinn aus unternehmerischer oder gewerblicher Tätigkeit bzw. Investitionsgewinne in unbeschränkter Höhe ins Ausland transferieren. Gleiches gilt für Einkommen aus abhängiger Beschäftigung. Investitionen in der Tschechischen Republik sind grundsätzlich in unbeschränkter Höhe möglich. Einer besonderen Genehmigung bedarf es lediglich bei Kapitalinvestitionen in tschechische Staatsbetriebe. Bestimmten Beschränkungen unterliegt auch der Immobilienerwerb (zulässig ist z.B. der Erwerb durch Erbschaft, aber nicht der anschließende Verkauf), allerdings nicht im Falle von Joint Ventures und für Niederlassungen ausländischer Unternehmen. Eine Lockerung der Beschränkungen für landwirtschaftliche Betriebe und Grundstücke ist gegenwärtig in der Diskussion. Jegliche Tätigkeit der Banken unterliegt dem Bankgeheimnis. Die Verpflichtung zur Vertraulichkeit als Folge des Bankgeheimnisses obliegt sowohl den Banken als auch deren Beschäftigten. Die gesetzliche Ausnahme vom Bankgeheimnis schließt einige Staatsorgane, Gerichte, Finanzbehörden, Sozialämter, Krankenkassen etc. ein. Banken dürfen außerdem allgemeine Informationen über die Solvenz und die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden austauschen (§§ 38 ff. Bankengesetz).
Kerner/Henkel
15
2788
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
16
b) Besondere Formen von Kreditinstituten. Unter der Bezeichnung Sparkasse (spořitelna) sind ebenfalls Banken nach dem Bankengesetz zu verstehen. Sie verfügen über gleiche Strukturen, Aufgaben und Befugnisse. Die Sparkassen sind ebenso Universalbanken wie die meisten Kreditinstitute in Deutschland. Eine Trennung zwischen Kreditbank und Investmentbank gibt es in Tschechien nicht.
17
Spar- und Kreditgenossenschaften sind keine Banken im eigentlichen Sinne, unterfallen aber ebenfalls dem Bankengesetz. Darüber hinaus gelten für sie besondere Vorschriften wie das Gesetz über Spar- und Kreditgenossenschaften (Nr. 87/1995 Sb.), das auch lex specialis zu den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (Nr. 513/1991 Sb.) über Genossenschaften (§§ 221 ff.) ist. Es können sowohl natürliche als auch juristische Personen Mitglied eines solchen ins Handelsregister eingetragenen Instituts werden, das über mindestens 500.000,- CZK Stammkapital und 30 Mitglieder verfügen muss. Mitgliedsrechte sind nicht übertragbar. Die Dienstleistungen stehen nur Mitgliedern offen, die in der Regel Kleinsparer und sonstige Privatkunden sind. Genossenschaftsbanken, die in den letzten Jahren erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten, verlieren zunehmend an Bedeutung.
18
Eine spezielle Form von Banken sind die Bausparkassen (stavební spořitelna). Ihre Tätigkeit regelt sich nach dem allgemeinen Bankengesetz sowie nach den speziellen Gesetzen über die Bausparkassen (Nr. 96/1993 Sb.). Die ČNB erteilt eine Erlaubnis für ein Institut zu zweckgebundenem Sparen. Natürliche Personen können so zu günstigem Baugeld kommen, das auch für Renovierungen von Altbauten eingesetzt werden darf. Der im Vergleich zum Marktzins höhere Sparzins ergibt sich durch staatliche Subventionen. Hat die Regierung ein knappes Budget, fallen die Subventionen und somit die Zinsen der Bausparkassen geringer aus. Dennoch steigt der Marktanteil der Bausparkassen seit ihrer Einführung nach der Samtenen Revolution stetig.
19
Die Hypothekenbanken sind ebenfalls spezifische Banken. Sie gewähren Darlehen gegen Sicherung durch Grundpfandrechte. Nur diese Banken haben das Recht, Hypothekenpfandbriefe auszugeben. Weitere Finanzdienstleistungsunternehmen wie z.B. Investment- oder Wertpapiergesellschaften sind durch das 2002 novellierte Gesetz über Investmentgesellschaften (Nr. 248/1992 Sb.) geregelt, das inzwischen vom Gesetz über kollektive Investitionen (N. 189/2004 Sb.) abgelöst wurde.
20
II. Bankenaufsicht. Die zentrale Bankenaufsicht ist im Gesetz über die Nationalbank (§§ 44 ff.) sowie im Bankengesetz (§§ 25 ff.) geregelt und gilt auch für Versicherungen und andere Finanzdienstleister gemäß dem Gesetz über Finanzkonglomerate (Nr. 377/ 2005 Sb.). Sie besteht aus den Abteilungen „Regulierung“, „Lizenzen“ und „Aufsicht“. Kreditinstitute aus EU/EWR-Staaten unterliegen mit dem Beitritt Tschechiens zur EU lediglich der Aufsicht ihres Heimatstaates und nur eingeschränkt der Aufsicht durch die ČNB. Die Aufsicht durch die Tschechische Nationalbank gilt für alle tschechischen und ausländischen Banken aus nicht EU/EWR-Staaten in Tschechien und betrifft die Kontrolle, ob diese Kreditinstitute die Gesetze und die Verordnungen der Nationalbank erfüllen. Zu Kontrollzwecken dürfen Berichte von Bankangestellten verlangt, Dokumente angefordert und vor Ort Überprüfungen durchgeführt werden. Der Nationalbank ist regelmäßig durch Monatsausweise und einmal im Jahr durch den Jahresabschluss Rechenschaft über die Bankentätigkeit abzulegen. Der Jahresabschlussbericht muss rechtzeitig und umfassend Informationen über die Wirtschaftstätigkeit, Berichte über Kredite und die gesamte Buchhaltung enthalten (§ 41 Nationalbankgesetz).
21
Wenn Mängel ersichtlich sind, setzt die Nationalbank eine Frist zu deren Beseitigung. Je nach Erheblichkeit des Mangels kann sie eine Geldbuße von bis zu 50 Mio. CZK verhän-
Kerner/Henkel
§ 78 Länderteil – Tschechien
2789
gen (§ 26 Bankengesetz). Wenn diese Sanktionen nicht ausreichend sind und die Finanzsituation der betreffenden Bank nicht im Einklang mit geltendem Recht ist, kann die ČNB die Zwangsverwaltung für einen bestimmten Zeitraum anordnen und einen Zwangsverwalter bestimmen. Die Zwangsverwaltung muss ins Handelsregister eingetragen werden. Der Zwangsverwalter hat alle Maßnahmen für eine „Gesundung“ der Bank zu ergreifen. Ist er erfolgreich, wird die Zwangsverwaltung aufgehoben. Anderenfalls kann die ČNB im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Banklizenz entziehen. Bei schwerwiegenden Mängeln kann dies auch ohne vorhergehende Zwangsverwaltung geschehen. Werden Informationen verweigert, so kann ein Bußgeld in Höhe von 50 Mio. CZK verhängt werden (§ 26h Bankengesetz). Die Aufsicht über Genossenschaftsbanken wird vom Aufsichtsamt für genossenschaftliche Sparkassen (úřad pro dohled nad družstevnimi záložnami) ausgeübt, an dessen Spitze ein vom Finanzminister ernannter Direktor steht. B. Kredit und Kreditsicherheiten
22
23
Ein Hauptbereich der Geschäftsaktivitäten von in Tschechien niedergelassenen Banken ist das Kreditgeschäft. Die Grundform des Kreditvertrages findet sich im Handelsgesetzbuch Nr. 513/1991 Sb. sowie im Bürgerlichen Gesetzbuch Nr. 40/1964 Sb. geregelt. I. Kreditformen. Bislang war die Verschuldungsrate der tschechischen Bevölkerung vergleichsweise niedrig. Inzwischen sind aber bereits 30% der Haushalte verschuldet, 8% sogar überschuldet. Auf dem Kreditsektor entsteht ein immer stärkerer Wettbewerb, die Nachfrage nach Bankkrediten steigt kontinuierlich. Der größte Teil betrifft Immobiliarkredite und Verbraucherkredite. Die Kreditvergabe erfolgt generell nach marktwirtschaftlichen Prinzipien, doch gibt es staatlich besonders geförderte Bereiche wie den privaten Wohnungsbau sowie für exportierende KMU. Die Kreditvergabe ist in Tschechien etwas restriktiver als in den alten EU-Mitgliedstaaten, was auf das Fehlen langfristiger Mittel seitens der Banken zurückgeführt wird. 1. Darlehensvertrag und Zinsen. Der Darlehensvertrag (smlouva o úvěru) ist zum einen in §§ 497-507 Handelsgesetzbuch geregelt, zum anderen (smlouva o půjčce) in §§ 657/658 Bürgerliches Gesetzbuch. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass bei einem „smlouva o úvěru“ der Darlehensgeber sich verpflichtet, dem Darlehensnehmer zukünftig einen bestimmten Geldbetrag zu überlassen, wobei es sich bei dem Darlehensnehmer gewöhnlich um eine Bank handelt; eine Rückzahlungspflicht wird von der Vereinbarung umfasst, zumeist auch eine Zinszahlungspflicht. Ist ein Zins nicht vereinbart, so gilt der gesetzliche Zins bzw. der bankübliche Zins für Darlehen. Maßstab sind dabei Banken am Sitz des Darlehensnehmers. Die Auszahlung des Darlehens kann mit der Verpflichtung, das Geld für einen bestimmten Zweck zu verwenden, verbunden werden. Gerät der Darlehensnehmer mit der Rückzahlungspflicht mit mehr als einer Rate oder mit einer Rate um mehr als drei Monate in Verzug, so kann der Vertrag aufgelöst werden (§ 506 Handelsgesetzbuch). Bei einem „smlouva o půjčce“ wird die sofortige Überlassung vereinbart. In beiden Fällen handelt es sich zumeist um Geld, auch in ausländischer Währung.
24
2. Immobiliarkredit. Immobiliarkredite nehmen in Tschechien stetig zu. Sie können von volljährigen Tschechen und unter bestimmten Bedingungen von Ausländern in Anspruch genommen werden sowohl für die Finanzierung des Erwerbs von Eigentum, Genossenschaftsanteilen, Renovierungen oder ähnliches. Eine Finanzierung bis zu 100% ist möglich, kurzfristige Zinsbindung recht verbreitet (i.d.R. fünf Jahre).
26
3. Dispositionskredit. Privatpersonen können bei ihrer Bank ihr Girokonto (Konto-
27
korrent) bis zu einer vereinbarten Kreditlinie überziehen. Sicherheiten werden dafür Kerner/Henkel
25
2790
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
im Regelfall nicht benötigt. Voraussetzung ist allerdings meist, dass ein regelmäßiger Zahlungseingang erfolgt. 28
4. Andere Kreditformen. In Tschechien können Geschäftsbanken alle Arten von Krediten im Einklang mit europäischem Recht anbieten, als Buchkredit oder als Wechselkredit. Gelddarlehen werden in Form von Geschäftskrediten und Verbraucherkrediten gewährt und in Form eines Kontokorrent-, Raten- oder Hypothekenkredits. Auch Kommunalkredite werden gewährt. Die Refinanzierung erfolgt durch die ČNB oder Schuldverschreibungen. Weit verbreitet sind die Kreditkarten. Sie werden zum einen von den Banken ihren Kunden überlassen, zum anderen gehen Einzelhändler vermehrt dazu über, Kundenkarten auszugeben, die es dem Verbraucher erlauben, die Ware erst später zu bezahlen. Hier wie auch beim Abzahlungskauf gilt das „Verbraucherkreditgesetz“ (Nr. 321/2001 Sb.), das die entsprechende EU-Richtlinie in tschechisches Recht umsetzt. So muss der Verbraucherkreditvertrag stets schriftlich geschlossen werden und der Vertragstext Angaben zu Zinsen, Laufzeit usw. enthalten. Verbraucherkredite gibt es für Finanzmittel oder Wareneinkauf.
29
II. Kreditsicherheiten. Das Recht der Kreditsicherheiten hat sich seit 1989 erheblich weiterentwickelt. Es erfolgt eine Unterscheidung in Real- bzw. Sachsicherheiten mit dinglicher Wirkung und Personalsicherheiten mit allein schuldrechtlicher Wirkung. Ferner kann eine Unterteilung nach den Sicherungsobjekten (bewegliche/unbewegliche Sachen, Forderungen, Rechte) getroffen werden.
30
1. Hypothek. Bei Bestellung einer Hypothek werden das Grundstück selbst, die sich darauf befindlichen Gebäude sowie das Zubehör rechtlich als jeweils eigenständige Sachen betrachtet. Es kann keine Hypothek am Erbnießbrauch bestellt werden. Die Hypothek an nicht im Grundbuch eingetragenen Grundstücken oder an Immobilien, die nicht eintragungsfähig sind, kann rechtsbegründend durch einen Notar in ein Pfandregister eingetragen werden. Kreditgeber können ohne vollstreckbaren Titel, lediglich nach der Abgabe einer Ehrenerklärung darüber, dass der Kreditnehmer seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt, die Versteigerung betreiben.
31
2. Bürgschaft. Zu den möglichen Sicherheiten zählen beispielsweise die Bürgschaft als Personalsicherheit (§§ 546 ff. Bürgerliches Gesetzbuch Nr. 40/1964 Sb.), die für Verbindlichkeiten aus Handelbeziehungen in §§ 303 ff. Handelsgesetzbuch geregelt ist und in beiden Fällen von einer wirksamen Hauptverbindlichkeit abhängt. Die Schriftform der Bürgschaftserklärung ist zwingend (§ 40 Bürgerliches Gesetzbuch), ein Verstoß hat die Ungültigkeit zur Folge. Durch eine „handelsrechtliche“ Bürgschaft können auch zukünftige Forderungen gesichert werden. Eine Sonderform der Bürgschaft ist die Bankgarantie (§§ 313 ff. Handelsgesetzbuch), vor allem im Bereich internationaler Handelsgeschäfte. Die Grundsätze der Akzessorietät und der Subsidiarität gelten hier nur dann, wenn sich diese aus dem Bürgschaftsvertrag ergeben. So ist beim Fehlen einschlägiger Vereinbarungen die Bank nicht berechtigt, Einwendungen gegen den Gläubiger zu erheben (§ 317 Handelsgesetzbuch). Das Verhältnis zwischen Garanten und Schuldner wird als Mandatsvertrag (Smlouva mandátní) gem. §§ 566/567 Handelsgesetzbuch behandelt. Eine dem deutschen Recht ähnliche Garantie als Sicherungsmittel ist in Tschechien nicht verbreitet und durch die Gerichte wenig anerkannt.
Kerner/Henkel
§ 78 Länderteil – Tschechien
2791
Zur Absicherung wirtschaftlicher Risiken besteht die Möglichkeit einer der Hermes-Bürgschaft entsprechenden staatlichen Garantie bzw. Versicherung, der EGAP (Exportni garanční a pojišt’ovací společnost). 3. Andere Kreditsicherheiten. Akkreditiv. Durch den Akkreditivvertrag (§§ 682 ff. Handelsgesetzbuch) verpflichtet sich die Bank gegenüber dem Anweisenden, auf dessen Rechnung einem Dritten eine Leistung zu erbringen, wenn dieser bestimmte Bedingungen erfüllt hat. Im Geschäftsverkehr üblich ist das Dokumentenakkreditiv (§ 689 f. Handelsgesetzbuch), wobei die Bank dann zur Zahlung verpflichtet ist, wenn der Berechtigte die entsprechenden Dokumente innerhalb der festgelegten Frist vorlegt. Das Akkreditiv ist inzwischen nicht nur im internationalen Handel, sondern seit einiger Zeit auch im Binnenhandel zulässig und ein beliebtes Sicherungsmittel, auch wenn es in der Immobilienfinanzierung durch die immer größere Verbreitung von bislang unüblichen Notaranderkonten an Attraktivität verliert. Der Inhalt des Akkreditivvertrags ist nur unvollkommen geregelt, weshalb ergänzend auf die Vorschriften über den Mandatsvertrag (§§ 566 ff. Handelsgesetzbuch) zurückzugreifen ist. Für die Eröffnung eines Akkreditivs reicht die Mitteilung an den Begünstigten aus, einer ausdrücklichen Annahme bedarf es nicht (§ 683 Handelsgesetzbuch). Eigentumsvorbehalt. Der Eigentumserwerb erfolgt im tschechischen Recht mit Übergabe der Ware. Es besteht allerdings die Möglichkeit der ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts, wobei eine allgemeine Formulierung in den AGB nicht ausreichend ist. Pfand (§§ 152 ff. Bürgerliches Gesetzbuch). Das Pfandrecht an Sachen, Sachgesamtheiten oder Forderungen (auch zukünftige) entsteht durch schriftlichen Vertrag, durch Gesetz, durch die Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde (§ 156 Bürgerliches Gesetzbuch). Verpfändbar sind auch Wertpapiere (§§ 39-44 Wertpapiergesetz Nr. 591/1992 Sb.) sowie geschützte Marken (§ 17 Markengesetz Nr. 441/2003 Sb.). Anders als in der deutschen Rechtsordnung sind Grundstücke und Gebäude rechtlich jeweils selbständige Sachen, die unterschiedlich behandelt werden und daher im Vertrag immer gesondert aufgeführt werden sollten (siehe oben, B II 1). In Tschechien existiert seit 2004 ein öffentliches Pfandregister. Bei Eintragung, die jeder Notar auf der Grundlage eines von ihm beurkundeten Vertrags vornehmen kann, wird ein praktisch bedeutsames besitzloses Pfandrecht begründet (Ausnahme: ein durch Gericht oder Verwaltungsbehörde angeordnetes Pfandrecht entsteht bereits mit Rechtskraft der Entscheidung, ein Pfandrecht an Straßenfahrzeugen durch Eintrag in den Fahrzeugbrief sowie in das Fahrzeugregister). Bei Nachweis eines berechtigten Interesses oder mit Einwilligung des Eigentümers der verpfändeten Sache kann über einen tschechischen Notar ein Auszug aus dem Pfandregister oder eine Bestätigung angefordert werden, ob ein Pfandrecht im Pfandregister eingetragen ist. Seit Kurzem sind auch GmbH-Anteile verpfändbar (§ 117a Handelsgesetzbuch), wenn die Voraussetzungen erfüllt sind (schriftlicher Vertrag mit beglaubigten Unterschriften, ggf. Zustimmung der Gesellschafterversammlung und konstitutive Eintragung ins Pfandregister). Anders als bei den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Bestimmungen ist hier eine mehrmalige Verpfändung nicht möglich. Die Verwertung des Pfandgegenstandes kann im Rahmen eines gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens, einer gerichtlichen Veräußerung (ohne Vollstreckungstitel) oder in Durchbrechung des staatlichen Gewaltmonopols im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung durch einen privatrechtlich organisierten Auktionator erfolgen.
Kerner/Henkel
32
33
34
2792
35
36
37
38
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Sicherungsübereignung. Ein Pfandrecht durch Eintragung ins Pfandregister bietet als Kreditsicherungsmittel etwa bei der Lieferung beweglicher Sachen eine attraktive Alternative zu dem in Tschechien nur eingeschränkt eingesetzten Eigentumsvorbehalt oder der in der tschechischen Rechtsordnung nicht verwurzelten Sicherungsübereignung, die grob in § 553 Bürgerliches Gesetzbuch sowie am Rande im Einkommens- sowie Umsatzsteuergesetz (Nr. 586/1992 Sb. und Nr. 235/2004 Sb.) geregelt ist. So bleibt vieles von der Entscheidung durch die Gerichte abhängig, was in Tschechien noch immer langwierige Verfahren bedeutet. Forderungsabtretung. Die in § 554 Bürgerliches Gesetzbuch geregelte Forderungsabtretung wird besonders im Bankverkehr häufig genutzt. Anders als bei der Forderungsverpfändung kommt es hier zu einem Gläubigerwechsel. Zur wirksamen Forderungsabtretung ist ein schriftlicher Abtretungsvertrag erforderlich. Dieser muss den Zweck der Abtretung beinhalten sowie die Forderung genau bestimmen. Daher ist der Vertragstext insbesondere bei einer Globalzession sorgfältig zu formulieren, damit die Abtretung nicht unwirksam ist. Bei der Sicherungszession ist die Bank nach der Abtretung im Außenverhältnis jederzeit in der Lage, die Forderung einzuziehen, verpflichtet sich aber im Innenverhältnis, dies erst zu tun, wenn der Zedent seine Verbindlichkeiten aus dem Kreditvertrag nicht erfüllt. Eine Lösung im Falle der Kollision von Forderungsabtretung und Pfandrecht ist im tschechischen Recht noch zu erarbeiten, ebenso wie die rechtlichen Antworten auf die Probleme der Abtretung zukünftiger Forderungen. III. Kreditabwicklung. Jeder Kreditentscheidung geht eine Kreditprüfung voraus. Da eine sichere Aussage über die Rückzahlung nicht möglich ist, verlangen die Banken Kreditsicherheiten und überwachen den Kredit während seiner Laufzeit. Es existiert ein Zentrales Kreditregister, ein monatlich aktualisiertes Informationssystem über Kreditverpflichtungen von Unternehmen. Es erleichtert den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern, den in Tschechien tätigen Banken, der Nationalbank sowie der Konsolidierungsagentur und verbessert somit das Kreditrisikomanagement.
C. Konto und Zahlungsverkehr Die Übertragung von Zahlungsmitteln erfolgt auch in der Tschechischen Republik durch Bargeld, Giralgeld oder Geldsubstitute. Bareinzahlungen zur Überweisung sind noch sehr verbreitet; das Internetbanking erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Es bestehen zahlreiche, zum Teil sehr detaillierte Vorschriften zum Bargeld. Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist weniger ausführlich gesetzlich geregelt. Zur Sicherung der Einlagen im Falle der Insolvenz einer Bank existiert ein entsprechendes Programm. Es wird vom Einlagensicherungsfonds verwaltet, einer speziellen staatlichen Einrichtung unter der Aufsicht des Finanzministeriums. Das Einlagensicherungsprogramm finanziert sich durch jährliche, gesetzlich festgelegte Beiträge der Banken, die ihren Geschäftsbetrieb in der Tschechischen Republik haben. Gegenwärtig beträgt der Anteil einer Bank 0,1% der gesamten Vorjahres-Einlagen nebst Zinsen (Bausparkassen: 0,05%). Eine ergänzende Finanzierung erfolgt durch Zahlungen aus dem Staatshaushalt und der ČNB. Die Versicherungsobergrenze beträgt 90% aller Guthaben bis zu 25.000 EUR eines Anlegers/Kunden nach Abzug seiner Verbindlichkeiten gegenüber der Bank. Darüber hinaus gehende Einlagen gehen verloren.
Kerner/Henkel
§ 78 Länderteil – Tschechien
2793
I. Konto. Die Bank verpflichtet sich gegenüber dem Kontoinhaber zur Verwahrung seiner Geldmittel für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit sowie zur auftragsgemäßen Durchführung von Geldverrechnungen. Die Informationspolitik der Banken über die Konditionen ist verbesserungswürdig. 1. Girogeschäft. Seit auch Löhne und Gehälter kaum noch in bar ausgezahlt werden, hat das Girokonto zur Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zunehmend an Bedeutung gewonnen. Wie in Deutschland ist ein Überziehungs- bzw. Dispositionskredit möglich. 2. Kontenarten. Einige Kontoformen sind im Handelsgesetzbuch geregelt, so der Girokontovertrag (§§ 708 ff.) und das Einlagenkonto (§§ 716 ff.). Der schriftlich zu schließende Kontokorrentvertrag („smlouva o běžném ú čtu“) kann sowohl auf tschechische als auch auf Fremdwährung lauten und für mehr als eine Person abgeschlossen werden, von denen jede Kontoinhaber ist. Es sind jederzeitige Ein- und Auszahlungen üblich. Grundsätzlich sind Guthabenzinsen zu zahlen. Der Kunde kann den Vertrag jederzeit mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, die Bank hat mindestens eine Monatsfrist zu wahren. Im Rahmen eines Vertrags über ein Einlagenkonto („smlouva o vkladovém účtu“) gestattet der Kunde der Bank, für einen bestimmten Zeitraum über die Einlage, normalerweise in Tschechischen Kronen, zu verfügen. Zinsen sind spätestens nach einjähriger Einlage zu zahlen. In Tschechien hat das Sparbuch eine sehr lange Tradition, besonders bei natürlichen Personen in der Zeit des Sozialismus, als es die einzige offizielle Sparform war. Die Sparbücher waren bislang entweder auf den Namen oder anonym als Inhabersparbuch ausgestellt. Nach der Novellierung des Bürgerlichen Gesetzbuches (Nr. 40/1964 Sb.) im Jahre 2000 durch das Gesetz Nr. 367/2000 Sb. sind seit Januar 2003 nur noch namentliche Sparbücher (§§ 781 ff.) zugelassen. Die Umstellung der anonymen Sparbücher ist eine rein administrative Aufgabe. Dazu muss der Sparer den Finanzinstituten seinen Namen, Adresse und Geburtsdatum nennen. Unterlässt er dies, besteht das Sparbuch zwar noch mindestens 10 Jahre weiter, es werden jedoch keine Einzahlungen mehr angenommen und auch keine Zinsen ausbezahlt. Auch Minderjährige dürfen in Tschechien Konten eröffnen, unterliegen aber z.T. bei den Einsatzmöglichkeiten finanziellen oder räumlichen Beschränkungen. II. Zahlungsverkehr. Die Tschechische Republik hat die in Art. 56 EGV normierte Freiheit des Zahlungsverkehrs umgesetzt, sich aber Einschränkungen im Zusammenhang mit völkerrechtlichen Embargos und zur Verhinderung von Geldwäsche vorbehalten. Der moderne Zahlungsverkehr durch Banküberweisung, Schecks, Wechsel usw. wurde durch das Zahlungsverkehrsgesetz Nr. 124/2002 Sb. und dessen Novellierungen im Jahre 2006 geregelt. Das Zahlungsverkehrsgesetz betrifft Geldüberweisungen auf dem Gebiet der Tschechischen Republik und innerhalb der EU. Es dient der Umsetzung der Europäischen Richtlinien 97/5/EG (grenzüberschreitende Überweisung), 98/26/EG (Zahlungsverkehrsrichtlinie) und 2000/46/EG (elektronische Zahlungen). Dadurch wurden auch die gemeinschaftlichen Bestimmungen in tschechisches Recht umgesetzt und der Schutz der Bankkunden sichergestellt. Außerdem ist die außergerichtliche Beilegung von Zahlungsstreitigkeiten im Wert von bis zu 50.000 EUR (das Gesetz nennt den Euro-Betrag) im Finanzwesen gesetzlich festgehalten (Gesetz über die Finanzarbitrage Nr. 229/2002 Sb., das 2006 novelliert wurde).
Kerner/Henkel
39
40
41
42
2794
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
43
1. Überweisungen, Gut- und Lastschriften. Überweisungen sollen, wenn nichts anderes vereinbart wurde, am dem Auftragseingang folgenden Tag ausgeführt werden (§ 709 Handelsgesetzbuch), Wertstellungen taggleich erfolgen (§ 713 Handelsgesetzbuch).
44
2. Scheck- und Kartengeschäft. In Tschechien wird zwischen Barscheck und Verrechnungsscheck unterschieden, die beide den Aussteller, Ausstellungsort und -datum sowie die Unterschrift enthalten müssen (Wechsel- und Scheckgesetz Nr. 191/1950 Sb.). Seit den achtziger Jahren existiert der Euroscheck mit Identifikationskarte, der auf eine Ausstellungssumme von 6.500 CZK begrenzt war. Reiseschecks verzeichnen im Zeitalter der Kreditkarten einen Rücklauf. Sog. Zahlungskarten (platební karty) sind auch in Tschechien gängige Zahlungsinstrumente auf Inkassobasis. Darunter sind sowohl die von Banken ausgegebenen Servicekarten (Debit Cards) als auch die Kreditkarten (Credit Cards) und aufladbare Geldkarten (Charge Cards) zu verstehen. Solche Karten können auch funktional oder auf einen wirtschaftlichen oder territorialen Raum begrenzt sein. Elektronisches Geld wird also mittlerweile auch von tschechischen Banken angeboten.
45
D. Kapitalmarktrecht Die Regelungen über Kapitaldienstleistungen waren bis zur Neuordnung des tschechischen Kapitalmarktes sehr zersplittert und vor allem im Wertpapiergesetz enthalten. Aber auch das Gesetz über Schuldverschreibungen (Nr. 530/1990 Sb.), das Gesetz über die Wertpapierbörse (Nr. 214/1992 Sb.) und das Gesetz über die Wertpapierkommission (Nr. 15/1998 Sb.) sowie zahlreiche Nebengesetze und Durchführungsverordnungen enthielten einschlägige Regelungen. Zum Beitritt der Tschechischen Republik zur EU erfolgte 2004 eine Neukodifizierung, wodurch die Vorgaben der EU umgesetzt werden sollten. Nun sind die Hauptvorschriften über das Kapitalmarktrecht im Gesetz über kollektive Investitionen (Nr. 189/2004 Sb.), dem Kapitalmarktgesetz (Nr. 256/2004 Sb.) und dem neuen Gesetz über Schuldverschreibungen (Nr. 190/2004 Sb.) enthalten. So wurden durch das Kapitalmarktgesetz europarechtskonforme Regelungen für das öffentliche Angebot von Investitionswertpapieren und den dazugehörigen Prospekten erlassen, ihren Inhalt, ihre Veröffentlichung, die Dauer ihrer Gültigkeit und die Sprachen, in denen sie abgefasst sind. Die Anforderungen an den Inhalt und die Veröffentlichung von Prospekten sowie deren Überprüfung könnten sich noch enger an die Vorgaben der EU anlehnen.
46
1. Die tschechische Börse. Die erste und bislang einzige Börse (burza cenných papíru Praha a.s.) im postkommunistischen Tschechien wurde im Herbst 1992 gemäß dem Gesetz über die Wertpapierbörse (Nr. 214/1992 Sb.) als Aktiengesellschaft (akciová společnost) gegründet und nahm Anfang April 1993 den Handel auf. Dieses Gesetz wurde ersetzt durch das Gesetz über unternehmerische Tätigkeit auf dem Kapitalmarkt „Kapitalmarktgesetz“ (Nr. 256/2004), das eine Umsetzung der EG-RL 93/22/EG, 95/26/EG, 97/9/EG und 2000/64/EG darstellt. Ihre Organe sind danach die Aktionärsversammlung, die Börsenkammer, der Aufsichtsrat und der Geschäftsführer als Vertreter, sowie vier Komitees (z.B. das Börsenhandels-Komitee und das Mitgliedschafts-Komitee), die spezielle fachliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Börsentätigkeit diskutieren und lösen sollen. Sie bestehen aus Mitgliedern des Vorstands und externen Fachleuten. Ergänzend kommen der Börsengarantiefonds und der Börsenclearingfonds zur Risikoabdeckung hinzu, sowie die UNIVYC und das Börsenschiedsgericht.
Kerner/Henkel
§ 78 Länderteil – Tschechien
2795
Der Börsenhandel basiert auf einem Mitgliedschaftssystem. Neben der Nationalbank können sich nur Börsenmitglieder direkt am Handel beteiligen. Börsenmitglieder sind zum einen die Aktionäre der Börse Prag, zum anderen Wertpapierhändler, die vom Vorstand auf Empfehlung des Mitgliedschafts-Komitees aufgenommen werden. Als Wertpapierhändler wird nur unbeschränkt zugelassen, wer über ein Eigenkapital von mindestens 730.000 EUR verfügt. An welchem der Börsenmärkte Aktien gehandelt werden, hängt von ihrer Kapitalisierung und dem Emittenten ab. Tschechien hat einen regulierten und einen nicht regulierten Markt (§ 40 Kapitalmarktgesetz Nr. 256/2004 Sb.). Der Amtliche (regulierte) Markt für Aktien und Schuldverschreibungen (Oficiální trh) gliedert sich in den Hauptmarkt (Hlavní trh) und den Amtlichen Freien Markt (Oficiální volný trh). Daneben werden auf dem Speziellen (regulierten) Markt (Specialní trh) Futures gehandelt. Der Neue Markt hingegen ist konzipiert für junge, rasch expandierende Unternehmen – und leer. Das mag an den Zulassungsbedingungen liegen (Kapital: 10 Mio. CZK, Geschäftstätigkeit: mind. ein Jahr, Anzahl der Aktien: 100.000 Stück etc.). Auf dem Hauptmarkt sind die Informationsvorschriften gemäß europäischen Vorgaben strenger als auf dem Freien Markt. Es herrscht Prospektzwang und regelmäßige Berichtspflicht (§§ 44 ff. und § 119 Kapitalmarktgesetz). Das Handelsvolumen betrug auf dem Hauptmarkt im Jahre 2007 983,92 Mrd. CZK, auf dem Freien Markt 1,28 Mrd. CZK. Auch in Tschechien gibt es seit dem Jahre 2005 das „squeeze-out“, geregelt in §§ 183i ff. Handelsgesetzbuch.
47
Bei der Privatisierung der großen staatlichen Unternehmen entschied man sich für die Form der sog. Kuponprivatisierung, bei der Anteilsscheine der ehemals staatlichen Banken und Versicherungen, Industrie- und Landwirtschaftsbetriebe, Hotels und Verkehrsunternehmen zu einem symbolischen Preis erworben werden konnten. Bis Mitte 1993 beteiligte sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung Tschechiens an dieser Hauptform der Privatisierung (82% des Staatsvermögens), die nicht durchgehend als gelungen betrachtet werden kann.
48
Seit dem Abschluss der sog. Kupon-Privatisierung existiert mit dem RM-System ein weiterer Wertpapiermarkt, der als „over-the-counter-market“ bezeichnet werden kann und flexibler und zugänglicher als die Börse ist. Anders als die Börse basiert es nicht auf einem mitgliedschaftlichen System, sondern es kann jede interessierte Person über das RM-System am Handel mit den Anteilsscheinen, die keine Aktien sind, teilnehmen. Heute ist das RM-System eine private Aktiengesellschaft ohne staatlichen Anteil. Es ist nicht auf dem Börsenmarkt tätig, sondern beschränkt sich auf den Handel mit gebuchten Wertpapieren unter gleichberechtigten Teilnehmern. Die UNIVYC ist seit 1996 die Nachfolgeinstitution des ehemaligen Börsenregisters in Form einer Aktiengesellschaft mit 10 Mio. CZK Stammkapital. Die Prager Börse ist zu 100% Eigentümerin dieses weiteren „over-the-counter“-Marktes. Es ist für die Abrechnung der Börsengeschäfte zuständig, für „over-the-counter“-Abrechnungen für das Wertpapierregister der Börsenmitglieder sowie weitere Dienstleistungen der Prager Börse. Seit Anfang 2006 ist UNIVYC Mitglied von ECSDA.
49
2. Kapitalmarktaufsicht. Die Kapitalmarktaufsicht lag anfänglich bei der Wertpapierbehörde als Teil des Finanzministeriums. Mit dem Gesetz über die Wertpapierkommission wurde eine unabhängig operierende Wertpapierkommission (komise pro cenné papíry) geschaffen, die weder der Regierung noch der ČNB direkt unterstellt war. Nach der Novellierung des Nationalbankgesetzes ist die Tschechische Nationalbank seit dem 1. April 2006 auch Aufsichtsbehörde für den Finanzmarkt. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der Börsenkammer oder im Aufsichtsrat ist nicht möglich. Die Aufsichtsbehörde hat das
50
Kerner/Henkel
2796
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Recht, Entscheidungen für sieben Tage auszusetzen und die Börsenkammer zur Nachbesserung aufzufordern. Es bestehen Überlegungen, die Aufsicht in den Kapitalmarkt zu integrieren und ein einheitliches Institut dafür einzurichten. Bei ihrer Aufsicht über den Finanzmarkt wird die Nationalbank durch einen siebenköpfigen Finanzmarktausschuss unterstützt, dem u.a. Bankratsmitglieder und Bedienstete des Finanzministeriums sowie der Finanzschiedsrichter angehören. 51
E. Rechtsquellen Im Folgenden sind einschlägige Gesetze auf dem Gebiet des Bankrechts in der Tschechischen Republik aufgeführt. Diese Gesetze wurden – zum Teil mehrfach – novelliert. – Verfassung der Tschechischen Republik (Ústava České republiky), Nr. 1/1993 Sb. – Wechsel und Scheckgesetz (Směnečný a šekový zákon), Nr. 191/1950 Sb. und Nr. 29/ 2000 Sb. – Bürgerliches Gesetzbuch (Občanský zákoník), Nr. 40/1964 Sb. – Handelsgesetzbuch (Obchodní zákoník), Nr. 513/1991 Sb. – Gesetz über die Banken „Bankengesetz“ (Zákon o bankách), Nr. 21/1992 Sb. – Gesetz über die Wertpapierbörse (Zákon o burze cenných papíru), Nr. 214/1992 Sb. (aufgehoben) – Einkommenssteuergesetz (Zákon o daních z příjmů) Nr. 586/1992 Sb. – Wertpapiergesetz (Zákon o cenných papírech), Nr. 591/1992 Sb. – Gesetz über die Tschechische Nationalbank „Nationalbankgesetz“ (Zákon o České národní bance), Nr. 6/1993 Sb. – Gesetz über die Bausparförderung und staatliche Hilfe der Bausparförderung (Zákon o stavebním spoření a státní podpoře stavebního spoření), Nr. 96/1993 Sb. – Gesetz über Spar- und Kreditgenossenschaften (Zákon o spořitelních a úvěrových društvech), Nr. 87/1995 Sb. – Devisengesetz (Devizový zákon), Nr. 219/1995 Sb. – Gesetz über Maßnahmen gegen die Legalisierung von Erträgen aus Straftaten „Geldwäschegesetz“ (Zákon o některých opat řeních proti legalizaci výnosu z trestné činnosti), Nr. 61/1996 Sb. – Gesetz über den Schutz persönlicher Daten (Zákon o ochraně osobních dat), Nr. 101/ 2002 Sb. – Gesetz über einige Bestimmungen zu Verbraucherkreditvereinbarungen (Zákon o některých podmínkách sjednávání spot řebitelského úvěru), Nr. 321/2001 Sb. – Gesetz über den Zahlungsverkehr (Zákon o oběhu peněz), Nr. 124/2002 Sb. – Gesetz über die Finanzschiedsgerichsbarkeit (Zákon o finančním arbitrovi), Nr. 229/ 2002 Sb. – Markengesetz (Zákon o ochranných známkách), Nr. 441/2003 Sb. – Gesetz über kollektive Investitionen (Zákon o kolektivnim investování), Nr. 189/2004 Sb. – Gesetz über Schuldverschreibungen (Zákon o dluhopisech), Nr. 190/2004 Sb. – Umsatzsteuergesetz (Zákon o dani z přidané hodnoty), Nr. 235/2004. – Gesetz über unternehmerische Tätigkeit auf dem Kapitalmarkt „Kapitalmarktgesetz“ (Zákon o podnikání na kapitálovím trhu), Nr. 256/2004 Sb. – Gesetz über Finanzkonglomerate (Zákon o finančních konglomerátech), Nr. 377/2005 Sb. Eine englischsprachige Version zahlreicher hier genannter Gesetze findet sich auf der Homepage der Tschechischen Nationalbank unter: http://www.cnb.cz/www.cnb.cz/en/about_cnb/performance/vyrocnizpravy.html
Kerner/Henkel
§ 78 Länderteil – Türkei
2797
27. Türkei
§ 78 Länderteil Schrifttum – Türkei Akyol, Borçlar Hukuku – Özel Borç İlişkileri (Schuldrecht – Besondere Schuldverhältnisse), 1984; Çetin, İpotekli borç senedi ve irad senedi ( Die Briefhypothek und die Grundschuldverschreibung), Ankara 2004; Eriş, Türk Ticaret Kanunu Şerhi (Kommentar zum HGB), 4. Aufl. 2007; Feyzioğlu, Borçlar Hukuku, İkinci Kısım: Aktin Muhtelif Nev'ileri (Schuldrecht, Zweiter Teil: Die verschiedenen Vertragstypen), Bd. I, 4. Aufl. 1980; Helvacı, Türk Medeni Hukukuna Göre "lex Commissoria" – Mürtekinin Merkina Teminat Yasağı (Die „lex commissoria“ nach türkischem Recht – das Verbot des Eigentumserwerbs durch den Pfandberechtigten an der Pfandsache) 1997; Kuntalp, Teminat Kavramı, Teminat Türleri ve Bunlardan Doğan Sorumluluk (Begriff und Arten der Sicherheit und Haftung), Reha Poroy'a Armağan (Festschrift für Reha Poray), İstanbul 1995, 263; Oğuzman/Öz, Borçlar Hukuku, Genel Hükümler (Schuldrecht, Allgemeiner Teil), 2005; Oğuzman/Seliçi, Eşya Hukuku (Sachenrecht), 11. Aufl. 2006; Oktay, Teminat Amaçlı Mülkiyet Devri Sözleşmeleri (Verträge zur Sicherungsübereignung), Prof. Dr. Aysel Çelikel'e Armağan (Festschrift für Prof. Dr. Aysel Çelikel, Milletlerarası Hukuk ve Milletlerarası Özel Hukuk Bülteni (Bulletin zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht), Jg. 19-20/Nr. 1-2/1999-2000, 2001, 657; Önder, Türk Hukukunda Bankacılık Düzenleme ve Denetleme Kurumunun Denetimi ve Hukukî Sonuçları (Die Aufsicht durch die Anstalt zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens und ihre Rechtsfolgen im türkischen Recht), 2002; Özkaya, İnançlı İşlem ve Muvazaa Davaları (Die Verfolgung von Ansprüchen bei Gutglaubensgeschäften und Scheingeschäften), 1999; Özsunay, İnançlı Muameleler (Gutglaubensgeschäfte), 1968; Poroy/Tekinalp, Ü., Kıymetli Evrak Hukuku Esasları (Grundzüge des Wertpapierrechts), 17. Aufl. 2006; Reisoğlu, 4491 Sayılı Yasa ile Değişik, Bankalar Kanunu Şerhi (Kommentar zum durch Gesetz Nr. 4491 geänderten Bankengesetz), 2. Aufl. 2000; Bankalar Kanunu Şerhi (Kommentar zum BankenG), 2003; Reisoğlu, Bankacılık Kanunu Şerhi, C.I ve II, 2007; Rumpf, Einführung in das türkische Recht, München 2004; Rumpf, Vollstreckung ausländischer Urteile und Schiedssprüche in der Türkei (Zwangsvollstreckungsrecht), InVo 2002, 305; „Türkei“, in: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht (Loseblattsammlung), hrsg. v. E. Riedel u.a., 2001; Serozan, Mülkiyeti Saklı Tutma Anlaşması ve Teminaten Temlik – Pratik Gereksinimleri Uygun Biçimde Uygulanmayan İki İlginç Teminat (Vereinbarung über Eigentumsvorbehalt und Sicherungsabtretung), Prof. Dr. Erdoğan Moroğlu'na 65. Yaş Günü Armağanı (Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Erdoğan Moroğlu), Istanbul 1999, 987; Tandoğan, Borçlar Hukuku, Özel Borç İlişkileri (Schuldrecht, Besondere Schuldverhältnisse), Bd. I/1, 4. Aufl. 1985; Borçlar Hukuku, Özel Borç İlişkileri (Schuldrecht, Besondere Schuldverhältnisse), Bd. II, 2. Aufl. 1987; Taşpınar, 4491, 4672 ve 4743 Sayılı Yasalarla Değişik, Bankalar Kanunu Şerhi – Özel Finans Kurumları (Kommentar zum durch die Gesetze Nr. 4491, 4672 und 4743 geänderten BankwesenGesetz – Die privaten Finanzinstitute), 2002; Tekinalp, Ü., Banka Hukukunun Esasları (Grundzüge des Bankrechts), 1988; Fondaki Bankanın Hukuku (Das Recht der Banken im Fonds), 2003; Tekinalp, Ü., 5411 Sayılı Bankacılık Kanununun Açılımları ve Doğmatik Mimarîsi, in: Tekinalp, G./Tekinalp, Ü. Bankalar ve Finansal Kurumlar Mevzuatı, 3. Bası, 2006 1-68; Tunçomağ, Borçlar Hukuku, Özel Borç İlişkileri (Schuldrecht – Besondere Schuldverhältnisse), 2. Aufl. 1974.
Inhaltübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Das Bankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3. Das „Finanzsystem“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4. Zentralbank der Republik Türkei . . . . . . 11 5. Die Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 6. Das Berichtswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 7. Die „rechtlichen Regimes“ . . . . . . . . . . . 23 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Die Anstalt zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens . . . . . . . . . . . 25 3. Der Rat zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens . . . . . . . . . . . 26 4. Kredit-Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5. Das Einlagenregime . . . . . . . . . . . . . . . . 34
B.
C.
D.
3.
6. Zins-Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wichtige Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . I. Kreditformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konto und Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Börsenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermittlungsgesellschaften . . . . . . . . . . 3. Die Märkte an der Istanbuler Börse . . . . II. Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Börsenfähige Wertpapiere . . . . . . . . . . . Papierlose Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tekinalp/Rumpf
47 58 60 60 61 72 72 73 74 75 75 76 77 78 78 81 84
2798
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Stichwortverzeichnis Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Aktien, notierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Aktienbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Akzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Akzeptkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Anderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Anstalt zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 25 Anteilsscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Anteilsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 aracı kurum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Ausländische Bank, Niederlassung . . . . . . . . . . . . 17 ausländische Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Ausstellungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Aval . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Avalkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Avrupa faizi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Bankacılık Düzenleme ve Denetleme Kurulu . . . . . 24 Bankacılık Düzenleme ve Denetleme Kurumu . . . . 24 Bankautomat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 24 Bankerlaubnis, Entziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Bankgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Bankkreditkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Banknoten, Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 bargeldloser Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Barkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Basissatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Beitreibung öffentlicher Forderungen . . . . . . . . . . 45 Beschränkungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Besitzloses Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Beteiligungskonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Bezogener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Bezugsrechtemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Bezugsrechtsschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Blankoindossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79, 82 Blockiertes Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bloke hesap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bono . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 borca iştirak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Börsenaufsichtsanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Börsenaufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Börsenexperten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Börsenfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Börsenrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Börsentermingeschäft, wertpapierloses . . . . . . . . . 83 Börsenversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Börsenvorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Briefhypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Bußgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 25 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60, 61, 62 Bürgschaftskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Bürgschaftvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 cari hesap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 ciro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
corporate governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 çek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Depotzertifikat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77, 83 Deviseneinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Devisenschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Diskontgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Dispositionskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Disziplinarausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Dokumenteninkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Effektenbörse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Einlagen-Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 34 Einlagenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Einlagensicherungsfonds . . . . . . . . . . 1, 2, 35, 43, 58 Einlegerbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Einrede der Vorausklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Einzugsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 emre yazılı senet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 emtia senetleri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 endgültiger An- und Verkaufsmarkt . . . . . . . . . . . 77 Entwicklungs- und Investitionsbanken . . . . . . . . . . 5 Epidemische Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Erhaltung der Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Etatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Eurobonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 faiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Faustpfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 fiduziarische Eigentumsübertragung . . . . . . . . . . . 64 finansal holding şirketi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 finansal raporlar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Finanzberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Finanzierungsleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Finanzinstitut, Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Finanzinstitut, privates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 59 Finanzstrukturschwäche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Finanzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Flugzeughypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Fon alacağı . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Fonds zur Sicherung der Einleger (siehe Einlagensicherungsfonds) Fonds-Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Fortfaitierungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Frachtbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 garanti sözleş mesi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 gayrimenkul sertifikaları piyasası . . . . . . . . . . . . . 77 Geldleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Geldverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 GeldwäscheG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Gemeinschaftliches Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Genossenschaftsbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Gesamthandseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . 63 Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Gewinn-Verlust-Beteiligungssystem . . . . . . . . . . . . 9
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
Gewinn-Verlust-Beteiligungssystem . . . . . . . . . . . . 9 gezogener Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 gözaltı piyasası . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Großhandelsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Grundpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 66 – Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Grundschuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 grup bankacılığı . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Gründung einer Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 13 Gründung einer Bank, Gründer . . . . . . . . . . . . . . . 14 Gült . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Haftung, gesamtschuldnerische . . . . . . . . . . . . . . . 63 hamile yazılı senet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 havale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 hisse senetleri piyasası . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Höchstbetragshypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 hususi olarak çizilen çek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 67 Immobilienzertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Individuelles Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Indossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Indossierverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Informations- und Publizitätspflichten . . . . . . . . . 77 Inhaberaktie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Inhaberpapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Inkassoindossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Inlandsschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Internationaler Wertpapiermarkt . . . . . . . . . . . . . . 77 Interne Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Internes Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Internet banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Investitionen-Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Investitionsbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Investmentfonds, ausländische . . . . . . . . . . . . . . . 83 Istanbuler Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75, 77 iç denetim sistemi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 iç kontrol sistemi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 ihtar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 İMKB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 internationaler Wertpapiermarkt . . . . . . . . . . . . . . 77 ipotek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ipotekli borç senedi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Mortgage“ – System, (ipotekli konut finans sistemi . . . . . . . . . . . . . . . 69 irat senedi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 islamische Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 kabul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 kalkınma ve yatırım bankaları . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 kanuni faiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 katılım bankalar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 katılım hesabı . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 katılma hesabı . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 kefalet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 kesin alım satım piyasası . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Konkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 43 Konkursverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Konnossement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Konsolidierte Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – anonymes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
2799
– Arrestpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – gemeinschaftliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – individuelles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – mit Inhaberbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Kontoeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Kontoheft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Kontokorrentkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kontokorrentratenkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kontrolle, konsolidierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 kontrollierter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Konzernbankenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Korrekturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 kredi komitesi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kreditauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kreditausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kreditbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Krediteröffnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kreditgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kredit-Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 27 Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Krise, epidemische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 kumulative Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Lagerschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 LeasingG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Leasinggeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Leasinggesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Leitungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 letter of guarantee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 10, 11 Lombardkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60, 65 Mahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 makbuz senedi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 MaRisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Markt für den Handel mit Immobilienzertifikaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Markt für die internationalen Investmentfonds und internationalen Depotzertifikate . . . . . . 77, 83 Markt für Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Maßnahmen – außerordentliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 – beschränkende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 – korrigierende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 – verbessernde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Merkez Bankası . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 mevduat bankalar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Ministerrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ministerrat, Delegationsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . 50 Missbrauch ungedeckter Schecks . . . . . . . . . . . . . 79 Mitbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Miteigentumsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Mortgage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 muhatap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 müdürler kurulu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 mülkiyeti muhafaza kaydı . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Nachbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 nama yazılı senet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Namensaktie, vinkulierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Tekinalp/Rumpf
2800
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Namenspapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 – hinkendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – unvollständiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Nebenbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 new economy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Notierungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Nummernkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Obligationen- und Wechselmarkt . . . . . . . . . . . . . 77 Online-banking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Orderanweisungen, nicht akzeptfähige . . . . . . . . . 79 Orderpapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Ödünç Para Verme İşleri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Özal, Turgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 özel finans kurumları . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 özel hesap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Papierloses Wertpapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Pfandbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 79 Pfandgegenstand, Untergang . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Pfandindossament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 79 Pfandprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 – besitzloses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 – Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 – Immobilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 – Kfz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 – Konnossement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 – Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 – Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – Vieh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 – Warenpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 – Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Pfandregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Pfändungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 poliçe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Private Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 59 private Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . 77 Protest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 protesto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Prüfausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Prüfungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Publikums-AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Rat zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Recht am Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Recht aus dem Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Rediskont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 reeskont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Rektapapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Repo- und Reverse-Repo-Markt . . . . . . . . . . . . . . 77 repo, ters repo piyasası . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Rezeption ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 1 Risikogruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Risikokapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 risk yönetimi sistemi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Rückgriffsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 rüçhan hakkı kupon piyasası . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Schatzamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 4, 46 Scheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Scheckgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Scheckmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Scheckverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Schiffspfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Schlichtungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Schuldbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Schuldübernahme, kumulative . . . . . . . . . . . . . . . 63 Schuldverschreibung, staatliche . . . . . . . . . . . 81, 83 Sermaye Piyasası Kurulu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Sicherungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Solidarbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Sonderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Spareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 staatliche Schuldverschreibung . . . . . . . . . . . . 81, 83 Stabilität der türkischen Währung . . . . . . . . . . . . . 11 Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Tageszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 tahvil ve bono piyasası . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Takasbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Tasarruf Mevduatı Sigorta Fonu . . . . . . . . . . . . . . . 1 taşıma senedi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 taşınmaz rehni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Teilhabebanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 9 Teilhabebankenverband der Türkei . . . . . . . . . . . . . 5 Teilhabefonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Teilhabekonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Termingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 ticari faiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Tochterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 toptan satışlar piyasası . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51, 53 Türkiye Katılım Bankaları Birliği . . . . . . . . . . . . . . 5 uluslararası pazar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 umumi olarak çizilen çek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Untergang des Pfandgegenstandes . . . . . . . . . . . . 68 Unternehmenspfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Unternehmenspfandrecht, Beurkundung . . . . . . . . 70 unvollständiges Namenspapier . . . . . . . . . . . . . . . 78 Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 vadeli işlemler piyasası . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 varant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Verbesserungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Verbraucherkreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Verbraucherschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 verbundene Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 10, 30, 37 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Vermittlungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Verrechnungsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Verrechnungsscheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Versicherung der Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Vertrag, unvollständig zweiseitiger . . . . . . . . . . . . 60 Verwaltungsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Verzinsung, Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 49, 53 Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Warenpapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 79 Wechsel – eigener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 – gezogener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
Wertpapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 – börsenfähiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 – papierloses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Wertpapierloses Börsentermingeschäft . . . . . . . . . 83 Wertpapiermarkt – internationaler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Wertpapierpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Wertstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, unabhängige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 76 Zahlungsverkehr, grenzüberschreitender . . . . . . . . 73 Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 11 Ziehungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2801
Zins, gesetzlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47, 48, 53 Zinsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Zinsen, Deviseneinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Zinseszins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Zinseszinsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Zinsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Zinsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Zins-Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Zollunion EU-Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zubehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 zukünftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Zuverlässigkeit der Geschäftsführung . . . . . . . . . . 16 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Abkürzungsverzeichnis Az. BAA
Aktenzeichen Anstalt zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens BankenG Bankengesetz BankwesenG Bankwesengesetz BAR Rat zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens Bd. Band EU Europäische Union HGB Handelsgesetzbuch (türk.) IMKB İstanbul Menkul Kıymetler Borsası (Istanbuler Börse) OGB Obligationengesetz (türk.)
RG TBB TCMB Urt. VerbrSG VO ZGB ZinsG ZVG
Resmi Gazete (Amtsblatt) Türkiye Bankalar Birliği (Türkischer Bankenverband) Türkiye Cumhuriyeti Merkez Bankası Urteil Verbraucherschutzgesetz erordnung Zivilgesetzbuch (türk.) Gesetz über gesetzliche und Verzugszinsen (türk.) Gesetz über Zwangsvollstreckung und Konkurs (türk.)
A. Rahmenbedingungen
1
I. Banksystem. 1. Allgemein. Das türkische Rechtssystem gehört zu den kontinentalen Rechtssystemen (Rumpf, Einführung). Es ist bereits in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts vollständig säkularisiert und seither, zum Teil nach der Rezeption ausländischer – im Bereich des Privatrechts vor allem schweizerischer – Rechtstexte stetig fortentwickelt worden. Kernstück des türkischen Wirtschaftsrechts ist das HGB, das im Jahre 1958 in Kraft getreten ist. Es folgt keinem bestimmten ausländischen Modell, doch sind die Patenschaften der Schweiz, Frankreichs und Deutschlands erkennbar. Bis zu Beginn der achtziger Jahre war die türkische Wirtschaftsordnung stark von etatistischen Grundsätzen geprägt, was sich im Bankensystem auch in einem besonders hohen Anteil staatlicher Banken im Bankensystem niederschlug. Seit Beginn der achtziger Jahre – insbesondere in der Zeit der Ministerpräsidentschaft und Präsidentschaft von Turgut Özal – erlebte die türkische Wirtschaftsordnung eine Phase nachdrücklicher Liberalisierung. Auch dies schlug sich im türkischen Bankensystem nieder, in dem der Anteil privater Geschäftsbanken und Finanzinstitute rapide anwuchs. Vor allem unter dem Einfluss der Zollunion EUTürkei (seit 1.1.1996) – kam es zu weiteren Reformschüben. Einen Wendepunkt für das türkische Bankensystem stellte das Jahr 2001 dar. Die Vergabe zahlreicher gar nicht oder schlecht gesicherter Kredite, über welche einige Anteilseigner auf zum Teil kriminelle Weise vielen Banken die Liquidität entzogen, führte zum Zusammenbruch vieler Banken. Die Anteile wurden vom Fonds zur Sicherung der Einlagen (Tasarruf Mevduatı Sigorta Fonu) – im Folgenden Einlagensicherungsfonds – eingezogen und auf diese Weise die notleidenden Banken aus dem Markt genommen. Aufgabe des Einlagensicherungsfonds war und ist es, diese Banken entweder zu sanieren und durch Verkauf der Anteile in den Markt zurück zu führen, oder aber die Banken zu liquidieren. In jedem Falle hat er Einleger zu entschädigen. Die Liquidität dazu sicherte sich der Fonds auf der Grundlage des alten Ban-
Tekinalp/Rumpf
2802
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
kengesetzes (Gesetz Nr. 4389 v. 18.6.1999, RG Nr. 23734 v. 23.06.1999) durch Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen in Hunderten von gegen die Begünstigten der notleidenden Kredite und der verantwortlichen Anteilseigner und Vorstände eingeleiteten Zivil- und Strafverfahren sowie durch Aufnahme von Krediten beim Schatzamt. Auf diese Weise kam es im türkischen Bankrecht zur Entstehung neuer Kategorien wie „Forderungen des Fonds“, „beherrschender Anteilseigner“, „Verwendung von Resourcen der Bank zugunsten beherrschender Anteilseigner“. Darüber hinaus wurden gegen diese Personen nicht die Bestimmungen des Zwangsvollstreckungs- und Konkursgesetzes, sondern des Gesetzes über die Beitreibung öffentlicher Forderungen (Gesetz Nr. 6183 v. 21.7.1953, RG Nr. 8469 v. 28.7.1953) zur Anwendung gebracht. Diese Prozesse führten zudem zu einer nachhaltigen Veränderung des Wesens des Einlagensicherungsfonds. Er hat heute nicht nur die Funktion einer Versicherung, sondern arbeitet, ausgestattet mit umfangreichen Leitungs- und Sanierungsbefugnissen auch wie eine Bankenholding. 2
Am 19.10.2005 wurde mit Gesetz Nr. 5411 das neue BankwesenG verabschiedet und mit Ausnahme von wenigen Bestimmungen in Kraft gesetzt (RG Nr. 25983bis v. 1.11.2005). Das Gesetz behandelt im wesentlichen vier Komplexe: (1) Bestimmungen über die Gründung, den Betrieb, die Leitung und Kontrolle von Banken abweichend von den aktienrechtlichen Bestimmungen des HGB; (2) die Grundsätze der corporate governance im Bankenwesen; (3) Bestimmungen über Buchführung, interne und externe Aufsicht, Sicherung der Eigenmittel und der Kapitalstruktur im Sinne von Basel I und II bzw. der einschlägigen Richtlinien der EU; (4) Bestimmungen über die Rolle des Einlagensicherungsfonds bezüglich übernommener Banken. Die Reformprozesse haben bei allen Schwierigkeiten im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen dazu geführt, dass vermehrt ausländisches Kapital in den Bankensektor fließt. Bei Abschluss des Manuskripts war der ausländische Anteil an türkischen Banken bereits bei 39,5% angelangt.
3
Bei einer Gesamtbetrachtung der aktuellen Rechtslage (Stand Mai 2008) lässt sich feststellen, dass der Gesetzgeber sich bemüht hat, die Entwicklungen in der Europäischen Union aufzugreifen und die Europäische Bankrechtsrichtlinie und die Europäische Kapitaladäquanzrichtlinie auf ihrem jeweils neuesten Stand sowie die Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) zu berücksichtigen.
4
2. Das Bankensystem. Die wichtigsten Informationsquellen für die Entwicklungen und die Rechtsgrundlagen im türkischen Bankensystem sind das türkische Amtsblatt (Resmi Gazete – RG) sowie die Internetseiten der Bankenaufsicht (www.bddk.org.tr), des TBB (www.tbb.org.tr), des Einlagensicherungsfonds (www.tmsf.org.tr) und des Schatzamts (www.hazine.gov.tr).
5
Das türkische Bankensystem setzt sich zum einen aus der Zentralbank, zum anderen aus verschiedenen Typen von Kredit- und Finanzinstituten zusammen, die das neue BankwesenG unter den Sammelbegriff „Bank“ (banka) zusammenführt. Dazu gehören die Einlegerbanken (mevduat bankaları), Teilhabebanken (katılım bankaları) und Entwicklungsund Investitionsbanken (kalkınma ve yatırım bankaları). Unter „Teilhabebanken“ sind die früheren privaten Finanzinstitute (özel finans kurumları) zu verstehen, die nach islamischen Grundsätzen tätig sind. Für sie gelten dem Wesen nach dieselben Regeln wie für Einlegerbanken. Sie gehören zu den „Kreditinstituten“ (kredi kuruluşları) (Art. 3 BankwesenG). Einlegerbanken sind Kreditinstitute, welche in eigenem Namen Einlagen entgegen nehmen und Kredite vergeben. Dagegen sammeln die ohne Zinsen arbeitenden Teilhabebanken über Girokonten und Fonds Kapital, das sie zur Kreditvergabe verwenden. Auch die Niederlassungen ausländischer Banken fallen unter das BankwesenG. Sparkassen oder Genossenschaftsbanken kennt das türkische Banksystem nicht. Das heutige
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2803
türkische Bankrecht kennt auch eine institutionalisierte und funktionsfähige Bankenaufsicht. Eine gewisse Rolle im System der Aufsicht spielen auch der Bankenverband der Türkei (Türkiye Bankalar Birliği) und der Teilhabebankenverband der Türkei (Türkiye Katılım Bankaları Birliği). 3. Das „Finanzsystem“. Das neue türkische Bankenwesengesetz ist nicht nur auf Kreditinstitute anwendbar, sondern auch auf andere Formen des Finanzwesens. Es verhindert damit die Flucht aus der bankrechtlichen Verantwortung und stellt gleichzeitig das Ergebnis der Einsicht dar, dass Bankwesen und Kapitalmarkt nur bedingt voneinander zu trennen sind. Das Gesetz kennt hier das Finanzinstitut (finansal kuruluş) und die Finanzholdinggesellschaft (finansal holding şirketi). Der Begriff des Finanzinstituts wiederum umfasst drei verschiedene Typen, die das Gesetz aber nicht im Einzelnen definiert, sondern beispielhaft aufführt. Dazu gehören (1) Versicherungen und Privatrentenversicherungen, (2) am Kapitalmarkt tätige Vermittlungsgesellschaften, Portefeuilleverwaltungsgesellschaften, Beratungs- und Risikokapitalgesellschaften sowie (3) die in Art. 4 BankenwesenG aufgeführten Gesellschaften im Depotwesen, Kreditkarten- und Bankkartenwesen, Reisescheckwesen, Termin- oder Optionsgeschäftswesen, Leasing etc. Ferner gehören (4) Finanzholdinggesellschaften und (5) letztlich auch wieder die Teilhabe- und Entwicklungsbanken dazu.
6
Finanzholdinggesellschaft ist eine Gesellschaft, deren sämtliche oder überwiegenden Beteiligungen aus Anteilen an Kreditinstituten bestehen. Allein rund vierzig Artikel des BankwesenG beschäftigen sich mit Finanzholdinggesellschaften.
7
Die Teilhabe- und Entwicklungsbank nimmt dem BankwesenG zufolge Einlagen und Beteiligungen an eigenen Fonds entgegen, vergibt Kredite und beteiligt sich an den Aktivitäten am Kapitalmarkt. Sie unterfallen den im BankwesenG bestimmten Grenzen für die Vergabe von Krediten sowie den Regelungen über Grundstücks- und Warengeschäfte.
8
Der zweite Pfeiler des Bankensektors sind die Teilhabebanken. Bei diesen Instituten, die in der Form der Aktiengesellschaft und nur in geringer Anzahl bestehen, handelt es sich um eine Sonderform von Banken, die vor ca. zwanzig Jahren eingeführt worden war, um nach islamischen Grundsätzen arbeitenden arabischen Investoren die Kapitalanlage in der Türkei zu erleichtern. Anders als die sonstigen Kreditinstitute dürfen diese Institute keine Spareinlagen führen. Ferner arbeiten diese Institute nicht mit Zinsen, sondern mit einem besonderen Kontokorrent- und Gewinn-Verlust-Beteiligungssystem. Sie begründen Fonds und finanzieren die Beschaffung und Anmietung von Ausrüstungen und Waren über gemeinsame Investitionsprojekte. Hierzu beschaffen sie dem Bedarf des Kunden entsprechend Investitions- und jegliche sonstigen Güter und verkaufen sie an die Kunden weiter. Statt des Zinses fällt so auf Seiten des Instituts ein Gewinn an. Auch private Girokonten (cari hesap) werden einem Fondssystem folgend geführt, nur dass die Konteninhaber hier nicht von Gewinnen profitieren (Art. 3 BankwesenG). Das Beteiligungskonto (katılma hesabı) ist dagegen das Konto, bei welchem eine Rückzahlung der Einlage nicht garantiert und weder Gewinn noch Verlust im Voraus bestimmt sind. Das Teilhabekonto (katılım hesabı) schließlich bezeichnet die Summe des auf den beiden vorstehend genannten Kontenarten eingelegten Geldes.
9
Das neue BankwesenG hat das Problem des „Konzernbankenwesens“ (grup bankacılığı) nicht befriedigend gelöst. Diese Eigenart der türkischen Bankenlandschaft bedeutet, dass sich jeder größere Konzern eine eigene Bank hält, über welche der Kreditbedarf der konzerneigenen Unternehmen befriedigt wird. Dies hat in der Vergangenheit zu vielen Problemen bis hin zu überraschenden Bankzusammenbrüchen geführt, nachdem sich verbundene Unternehmen ohne ausreichende Sicherheiten aus solchen Banken mit Liquidität
10
Tekinalp/Rumpf
2804
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
versorgt hatten. Andererseits spricht aber auch nichts Grundsätzliches dagegen, dass sich eine Unternehmensgruppe mit einer eigenen Bank den Zugang zum Kapitalmarkt verschafft. Das neue Gesetz hat sich deshalb darauf beschränkt, dem Missbrauch durch Begrenzungen zu begegnen. Ob dies allerdings ausreicht, ist zweifelhaft. Gemäß Art. 56 BankwesenG kann eine Bank an einem Unternehmen, die nicht Kreditinstitute oder Finanzinstitutionen sind, nicht mehr Anteile halten, als dem Wert von 15% der Eigenmittel entsprechen; bei einer Mehrzahl von Unternehmen dürfen es nicht mehr als 60% sein. Eine solche Bestimmung ist nicht geeignet, dem Bankensystem mehr Sicherheit zu geben. An entscheidender Stelle hat das Gesetz eine Regelung getroffen, welche die alten Schwächen im System perpetuiert. Denn gleichzeitig erlaubt Art. 54 II BankwesenG Aktionären mit einem Anteil von 1% oder mehr Kredite in Anspruch zu nehmen, die bis zu 50% der Eigenmittel der Bank ausmachen können. Dem Missbrauch der eigenen Bank mit erheblichen negativen Folgen für deren Stabilität und damit letztlich für das gesamte Bankensystem kann infolge dieser Bestimmung nicht wirksam genug entgegen gewirkt werden. 11
4. Zentralbank der Republik Türkei. Die Zentralbank der Republik Türkei (Türkiye Cumhuriyeti Merkez Bankası – TCMB) ist im Zentralbankgesetz (ZentrBG) geregelt, hilfsweise sind die Bestimmungen des Privatrechts anwendbar (Art. 1 II ZentrBG). Sie hat das Monopol für die Ausgabe von Banknoten und die Aufgabe, die Stabilität der türkischen Währung zu gewährleisten und ihren Wert gegenüber ausländischen Währungen zu schützen. Sie leistet Hilfestellung bei der Erreichung der wirtschaftlichen Ziele des Staates. Sie unterstützt den Staat bei der Aufnahme von Kapital im Ausland und reguliert im Rahmen dieser Aufgabe die Banken und Finanzinstitute. Insofern spielt das ZentrBG die Rolle einer „Geldverfassung“.
12
5. Die Banken. a) Gründungsvoraussetzungen (Art. 7 BankwesenG). Wie bisher ist der Betrieb einer Bank nur in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (anonim şirket) möglich. Es gelten die Bestimmungen des HGB über die Aktiengesellschaft (Art. 269 ff. HGB), es sind allerdings wichtige Ausnahmen zu beachten, die im BankwesenG geregelt sind. So können Gesellschaftsanteile nur gegen Bareinlage erworben werden, die Aktien werden auf den Namen ausgegeben (Namensaktien). Eine Bank kann auch als Publikums-AG gegründet werden. Das eingezahlte Stammkapital muss mindestens 30 Millionen YTL (derzeit ca. 16 Millionen Euro) betragen. Was allerdings tatsächlich an Stammkapital aufzubringen ist, um die Banklizenz zu erhalten, hängt auch davon ab, welche Struktur die Bank haben soll und was der erste Business- und Finanzplan vorsieht. Im übrigen enthält das Bankwesengesetz einige Neuerungen, die vor allem auf eine transparente Leitungsstruktur der Banken abzielen. Der Gesetzgeber hat damit versucht, den Anforderungen von Basel und der einschlägigen europäischen Richtlinien gerecht zu werden.
13
Die Gründung bedarf der Erlaubnis des BAR (s.u. II) (Art. 6 BankwesenG). Für die Aufnahme des Betriebes bedarf es einer gesonderten Erlaubnis (Art. 10 BankwesenG). Für beide Erlaubnisse sieht das Gesetz eine relativ kurze Frist vor, innerhalb welcher die Erlaubnis nach Antragstellung zu erteilen ist. Für die Erteilung der Gründungserlaubnis müssen die Gründungsvoraussetzungen vorliegen. Die Erteilung der Betriebserlaubnis (Banklizenz) erfolgt dagegen, wenn festgestellt ist, dass die Gründung ordnungsgemäß erfolgt ist und weitere Verpflichtungen, wie etwa die Abgaben an den Einlagensicherungsfonds, die Aufbringung des erforderlichen Kapitals, erfüllt worden sind.
14
b) Voraussetzungen in der Person der Gründer (Art. 8 BankwesenG). Was die persönlichen Eigenschaften der Gründer angeht, hat das neue BankwesenG einige Veränderungen gebracht. Gründungsaktionär werden kann nicht,
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2805
(aa) jemand gegen den Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- oder Vergleichsverfahren anhängig oder ausgesetzt worden sind. Diese Bedingungen entsprechen den zentralen Begriffen des in letzter Zeit reformierten Zwangsvollstreckungs- und Konkursrechts. Zusammengefasst bedeutet dies: wer in einer Liquiditätskrise steckt, kann sich an der Gründung einer Bank nicht beteiligen. (bb) wer an einer Bank beteiligt war, die dem Einlagensicherungsfonds unterstellt worden ist. (cc) wer als Finanzdienstleister einem Liquidationsverfahren ausgesetzt worden ist, dessen Tätigkeitserlaubnis entzogen worden ist oder zu den Personen gehört, die im Zusammenhang mit dem Einlagensicherungsfonds überstellten Banken nicht lizenzfähig ist. (dd) wer wegen Vermögensdelikten verurteilt worden ist. (ee) wem die erforderliche Finanzkraft und der gute Leumund fehlt. (ff) wer als juristische Person nicht über die erforderliche Transparenz verfügt oder einer Risikogruppe angehört. c) Gesellschaftsrechtliche Struktur. Die Struktur einer Bank unterliegt gemäß Art. 22 ff. BankwesenG gegenüber dem HGB besonderen Vorschriften. Neben dem Vorstand (yönetim kurulu), der einschließlich des Hauptgeschäftsführers (Generaldirektor) aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen muss und aus dem heraus zwingend ein Prüfausschuss (dazu unten d) zu bilden ist, gibt es noch eine Geschäftsführerebene (Rat der Geschäftsführer – müdürler kurulu) mit mindestens drei Mitgliedern. Zum erforderlichen Kreditausschuss (kredi komitesi) überlässt das Gesetz einzelne Regelungen dem BAR.
15
An die Geschäftsleitung stellen Gesetz und insbesondere Verordnungen besondere Anforderungen. In einer Verordnung sind die Leitungsgrundsätze der Banken (Bankaların kurumsal yönetim ilkelerine ilişkin yönetmelik, RG Nr. 26333 v. 1.11.2006) niedergelegt worden. Des weiteren müssen Mitglieder des Vorstandes und der Geschäftsleitung genaue Angaben über ihre Vermögensverhältnisse und persönlichen Verhältnisse machen und hierzu eine eidesstattliche Versicherung abgeben, um ihre Zuverlässigkeit sicherzustellen (Bankaların üst yönetimine atanacakların bildirimi, yemin ve mal beyanında bulunulması ve karar defterlerinin tutulmasına ilişkin usul ve esaslar hakkında yönetmelik, RG Nr. 26333 v. 1.11.2006, Änderungs-VO in RG Nr. 26592 v. 24.7.2007).
16
d) Niederlassung einer ausländischen Bank. (Art. 9 BankwesenG). Für die Gründung einer Niederlassung einer ausländischen Bank sieht das BankwesenG zwei Komplexe von Voraussetzungen vor. Zum einen werden für die Niederlassung selbst Anforderungen wie bei der Gründung einer Bank gestellt: Es bedarf der Aufbringung eigenen Kapitals für die Niederlassung in derselben Höhe wie bei einer türkischen Bank, eines Businessplans welcher ein Budget für drei Jahre vorsieht, Arbeitspläne, die Darstellung der geplanten Organisationsstruktur. Zum anderen werden auch Anforderungen an die im Ausland befindliche Zentrale gestellt. Auch diese darf nicht unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften tätig sein, ihre Organisationsstrukturen und Verbindungen zu anderen Unternehmen müssen transparent sein. Insbesondere muss feststehen, dass auch aus der Sicht der heimatlichen Aufsichtsberhörde keine Bedenken für die Eröffnung einer Niederlassung in der Türkei bestehen und im übrigen die Aktivitäten der Zentrale im Ausland auch dort nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Die Niederlassung braucht keinen eigenen Vorstand, muss aber einen aus mindestens drei Personen bestehenden Rat der Geschäftsführer haben.
17
e) Begriff der Internen Systeme (Art. 29 ff. BankwesenG). Darunter sind das Interne Kontrollsystem (iç kontrol sistemi) (IKS), das Risikomanagement (risk yönetimi ve sistemi) (RYS) und das Interne Prüfungssystem (iç denetim sistemi) (IDS) zu verstehen.
18
Tekinalp/Rumpf
2806
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
In einer Verordnung sind die Eınzelheiten dazu geregelt (Bankaların iç sistemleri hakkında yönetmelik, RG Nr. 26333 v. 1.11.2006, ÄnderungsVO in RG Nr. 26552 v. 14.6.2007). 19
20
Beim İ KS geht es um das interne Controlling zur Einhaltung der Rechtsvorschriften und der internen Regeln der Bank, zu welcher die Satzung, die Gesellschafterbeschlüsse, die Regeln zur Berichterstattung und der Geschäftsverteilung gehören. Es geht hier also um ein System, welches die Befolgung des Rechts und der selbst gesetzten Regeln durch das Personal sicherstellt. Beim RYS (MaRisk) geht es um die Analyse von Risiken bei der Kreditvergabe, am Markt und im operativen Geschäft, sowie – in Folge dessen – die Einleitung von Maßnahmen zur Sicherung von Krediten und Forderungen, zur Beobachtung des vertragsgemäßen Verhaltens der Kreditnehmer, zur Harmonisierung der Zahlungsflüsse und die dazu gehörige Berichterstattung.
21
Beim İ DS geht es um die institutionalisierte interne Kontrolle. Sie wird durch mindestens zwei Vorstandsmitglieder mit umfassenden Prüfungsbefugnissen ausgeübt, die selbst keinerlei Exekutivaufgaben im Vorstand haben dürfen (Prüfausschuss). Es werden somit die Verantwortlichkeiten für die Durchführung interner und externer Aufgaben einerseits und für die Aufsicht andererseits scharf getrennt. Ähnliches gilt für Niederlassungen ausländischer Banken, wo die Aufsicht einem Geschäftsführer übertragen wird, der mit einem eigenen Referat ausschließlich interne Prüfungsaufgaben übernimmt. Der Prüfausschuss führt die Aufsicht über die Funktionstüchtigkeit der internen Systeme, die ordnungsgemäße Buchführung und Berichterstattung sowie der Pflege und Sicherung der Datenbestände. Der Prüfungsausschuss unterliegt selbst einer gesetzlichen Berichtspflicht.
22
6. Das Berichtswesen. Das BankwesenG stellt detaillierte Anforderungen an das Berichtswesen der Banken. Dazu gehören insbesondere die Finanzberichte (finansal raporlar) (Art. 37 ff. BankwesenG). Die Jahresberichte sind von unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu testieren. Die Grundlagen, nach welchen die Finanzberichte zu erstellen sind, legt der BAR fest, der hierzu die Stellungnahmen der zuständigen Verbände (oben 2.) sowie des Verbandes der Buchhalter einzuholen hat. Der BAR kann die Jahresberichte auf Richtigkeit überprüfen. Die Verpflichtung zur Erstellung von jährlichen Tätigkeitsberichten gem. Art. 40 BankwesenG ist zum Zwecke der Transparenz auch für die Einleger in einer entsprechenden Verordnung festgelegt worden (Bankalarca yıllık faaliyet raporunun hazırlanmasına ve yayımlanmasına ilişkin usul ve esaslar hakkında yönetmelik, RG Nr. 26333 v. 1.11.2006).
23
7. Die „rechtlichen Regimes“. Unter dem alten Recht ließ sich das türkische Bankensystem je in ein Kredit-Regime, ein Einlagen-Regime und ein Investitionen-Regime aufteilen, die durch öffentlichrechtliche Normen erfasst waren. Das neue Recht hat hier wichtige Anpassungen vorgenommen, deren wesentlicher Kern wieder Aufsicht und Kontrolle der Banktätigkeiten sind. (näher unten II 4. ff.).
24
II. Bankenaufsicht. 1. Allgemein. Die zentralen Regelungen der Bankenaufsicht sind im BankwesenG enthalten. Institutionalisiert ist die Bankenaufsicht in der Anstalt zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens (Bankacılık Düzenleme ve Denetleme Kurumu) – im folgenden: BAA – und in deren Organ, dem Rat zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens (Bankacılık Düzenleme ve Denetleme Kurulu) – im folgenden: BAR.
25
2. Die Anstalt zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens. Die BAA ist in den Art. 82-110 BankwesenG geregelt. Sie ist als unabhängig konzipiert, also Weisungen
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2807
übergeordneter Behörden nicht unterworfen und mit einem eigenen Haushalt ausgestattet, über den sie frei bestimmen kann. Sie hat umfangreiche Aufsichtspflichten, kann Ermittlungen und Untersuchungen durchführen (Art. 14 a BankwesenG) und Verwaltungsstrafen (Bußgelder) verhängen. Entscheidungen des BAA können nur auf ihre Übereinstimmung mit dem Recht, nicht jedoch auf ihre Opportunität bzw. Zweckmäßigkeit überprüft werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das zuständige Gericht nicht die üblichen Maßstäbe anlegen darf, die in Artikel 1 des Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit niedergelegt sind. Die Struktur als autonome Behörde hat der Gesetzgeber in der amtlichen Begründung damit erklärt, dass nur dann ein optimaler Schutz der Interessen der Bürger im demokratischen Rechtsstaat gewährleistet werden kann, wenn die Behörde in der Lage ist, mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten und auf diese Weise die Verwaltungseffizienz zu erhöhen. Dies wird verstärkt autonomen Verwaltungseinheiten zugetraut, wobei auch auf das US-amerikanische Modell verwiesen wird, das schon länger ein System autonomer Behörden kennt, die mehr zum Schutz der Interessen des Bürgers beitragen, als dies mit konservativen Verwaltungsstrukturen der Fall ist. Aus diesem Grunde habe dieses System auch seit Anfang der achtziger Jahre zunehmend in der EU Fuß gefasst. 3. Der Rat zur Regulierung und Kontrolle des Bankwesens ist das Herzstück der BAA. Der BAR ist das „Entscheidungsorgan“, das u.a. für die Erteilung der Erlaubnisse zuständig ist (Art. 83 BankwesenG). Der Rat besteht aus sieben Mitgliedern, sein Vorsitzender ist zugleich Präsident der BAA.
26
4. Das Kredit-Regime. Das neue BankwesenG hat hier ein neues Konzept entwickelt. Dieses beruht auf den Elementen – der Risikoverteilung, -vermeidung und -verwaltung. Die Sicherstellung dieses Grundsatzes erfolgt über effektive Beschränkungen und Verbote.; – der Risikoverfolgung und -kontrolle. Dazu werden Risikogruppen definiert, bezogen auf einzelne oder miteinander verbundene Kreditnehmer. – der effizienten Anwendung von Beschränkungen und Verboten auf Antragsteller – der risikofreien Geschäfte.
27
Eine Definition des „Kredits“ findet sich in Art. 48 BankwesenG. Kredit ist hiernach jeder Vorteil, den ein Kreditinstitut einer Person oder Personengruppe ohne Gegenleistung gewährt. Erfasst sind somit auch Leistungen von Teilhabebanken. Dazu gehören Barkredite, Garantiebriefe, Rückbürgschaften, Bürgschaften, Avale, Kontokorrente und Akzepte oder andere unbare Kredite oder vergleichbare Verpflichtungen, angekaufte Obligationen und andere Finanzmarktinstrumente, Forderungen aus Vermögensverkäufen, abgelaufene Barkredite, fällige aber nicht eingenommene Zinsen, Forderungen aus Reverse-Repo-Geschäften, aus Termingeschäften, Optionsverträgen und ähnlichen Verträgen eingegangene Risiken, Gesellschaftsanteile und durch den BAR als solche bestimmte Geschäfte. Für Teilhabebanken, die keine Kredite im klassischen Sinne vergeben, gilt diese Definition analog für all diejenigen Geschäfte, die zu vergleichbaren Risiken führen. Die gesetzliche Vorschrift ist so gestaltet, dass sich die verschiedenen im Gesetz enthaltenen Varianten nicht als numerus clausus darstellen, sondern dem BAR die Möglichkeit bleibt, andere Geschäftsformen als Kreditgeschäft zu definieren.
28
Die Risikogruppen sind in Art. 49 BankwesenG definiert. Eine Risikogruppe ist diejenige Anzahl von Personen in der Umgebung einer natürlichen oder juristischen Person, die im Falle der Zahlungsunfähigkeit dieser Person selbst in die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses gerät, weil sie Bürgschaften oder Garantien übernommen oder sich sonst verpflichtet hat, für die gefährdete Person einzutreten. Das Gesetz rundet das
29
Tekinalp/Rumpf
2808
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Bild von der Risikogruppe durch beispielhafte Konstellationen ab, wie etwa die Familie, die über Geschäftsanteile an einem und die Kontrolle über ein Unternehmen verfügt; den Konzern, in welchen die Bank selbst eingebettet ist. Jede Verbindung über Geschäftsanteile in eine solche Risikogruppe hinein führt zur Zugehörigkeit zur Risikogruppe. Entscheidend für die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe ist also die Gefahr, durch die Illiquidität eines Gruppenmitglieds mit betroffen zu werden. 30
Die Ziele des Kredit-Regimes können wie folgt definiert werden: (1) Verhinderung der Umgehung der Beschränkungen und Verbote bei der Kreditvergabe. Dazu dient auch die Ausgestaltung der Definition des Kreditbegriffs in Art. 48 BankwesenG. (2) Das Risiko als Parameter für die Kreditsicherheit. Im Kreditregime sind die Analyse des Risikos und ihre Folgen gesetzlichen Vorschriften unterworfen worden. Hier wirkt die extensive Definition der Risikogruppe durch das Gesetz. (3) Die Risikogruppe als, im Hinblick auf die anzuwendenden Beschränkungen der Kreditvergabe, eine Einheit. Das Gesetz erfasst durch die Definition der Risikogruppe eine Mehrzahl von Personen einheitlich und unterwirft sie denselben Beschränkungen. Damit soll der Domino-Effekt ausgeschlossen werden. (4) Verteilung des Risikos. Diese erfolgt dadurch, dass die Beschränkung der Kreditvergabe sich an den Eigenmitteln der Bank orientiert. Der Kredit darf nur höchstens 25% der Eigenmittel der Bank ausmachen. (5) Eindämmung des Konzernbankenwesens. Diese erfolgt dadurch, dass das Gesetz Mechanismen der Überprüfung der Beziehungen von Antragstellern zu verbundenen Unternehmen vorsieht. Damit soll verhindert werden, dass sich Mitglieder der Gruppe – Unternehmen oder Anteilseigner mit Einfluss auf die Kontrolle der Bank – selbst bedienen. (6) Numerus clausus der risikolosen Geschäfte. Der Numerus clausus der risikolosen Geschäfte, die keinen Beschränkungen unterliegen, ist das Gegenstück zu der Vermutung, dass alle anderen Geschäfte als Risikogeschäfte einzustufen sind. Damit wird gewährleistet, dass das Risikomanagement das zentrale Anliegen der Bank bleibt.
31
Mit einer Verordnung wurden den Banken ausführliche Anweisungen gegeben, wie die Bewertung von Kreditrisiken zu erfolgen hat (Bankalarca kredilerin ve diğer alacakların niteliklerinin belirlenmesi ve bunlar için ayrılacak karşılıklara ilişkin usul ve esaslar hakkında yönetmelik, RG Nr. 26333 v. 1.11.2006). Die Verordnung ist so gefasst, dass darunter nicht nur Darlehen sondern jegliche Forderungen fallen. Die Kredite und Forderungen werden in fünf Gruppen unterteilt, wobei die erste die risikolosen und die letzte die nicht mehr beitreibbaren Kredite umfasst. Die Einstufung der Kredite bestimmt dann auch die Höhe der zu bildenden Rückstellungen: Für Kredite und Forderungen der ersten beiden Gruppen sind 1% Rückstellungen zu bilden, für die nächsten drei Gruppen sind es 20%, 50% und 100%. Auch die verschiedenen Besicherungsformen sind in verschiedene Stufen aufgeteilt worden.
32
Das Kreditregime unter dem neuen BankwesenG unterscheidet sich dadurch von den vorangegangenen Gesetzen, dass man nicht mehr mit dem Begriff „indirekter Kredit“ arbeitet, um der Problematik des Konzernbankenwesens zu begegnen, sondern mit dem Begriff der Risikogruppe. Dies schärft das Bewusstsein der Akteure dafür, worum es hier eigentlich geht: die Risiken bei der Kreditvergabe einzudämmen, indem man die Risikogruppen aus den Risiken heraus definiert, die durch Verhalten und Situation einzelner Gruppenmitglieder entstehen. Diese wiederum lassen sich feststellen und bemessen. Diese Neue-
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2809
rung ist daher zu begrüßen. Ergänzend ist die Definition des Kreditbegriffs weit gefasst worden. Eine weitere Neuerung ist die Unterscheidung zwischen Eröffnung des Kredits und Verwendung des Kredits. Anknüpfungspunkt für den Abgleich mit Risiken bzw. Risikogruppen ist die Kreditverwendung. Kreditverwendung in diesem Sinne ist jegliche Inanspruchnahme von finanziellen Vorteilen aufgrund vertraglicher Vereinbarung wie Kontokorrent, Kontenüberziehung, Barauszahlung, Einräumung von Zugriffsmöglichkeiten ohne Barauszahlung. Die Eröffnung des Kredits ist der Schritt, in welchem dem Kunden eine Forderung zu einem bestimmten Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung gestellt wird.
33
5. Das Einlagenregime. a) Einlagenschutz ist das zentrale Anliegen des Einlagenregimes. Insoweit hat das neue BankwesenG die bisherige Rechtslage beibehalten, dabei aber auch darauf geachtet, dass der Einlagenschutz auch für das System der Teilhabebanken und deren Fonds gilt. Er betrifft alle Kategorien wie Spareinlagen, Geschäftseinlagen, Einlagen im Verkehr zwischen den Banken. Der Einlagenschutz wird zunächst einmal dadurch sichergestellt, dass das Gesetz die Befugnis zur Entgegennahme von Einlagen nur den im BankwesenG genannten Instituten und einigen durch Sondergesetze entsprechend ermächtigten Einrichtungen erteilt (Art. 60 Abs. 1 BankwesenG). Nicht zu den Einlagen in diesem Sinne gehören die von den Entwicklungs- und Investitionsbanken angelegten Fonds (Art. 60 Abs. 4 BankwesenG). Anders als die vorangegangenen Gesetze hat sich das neue BankwesenG auch um eine Begriffsbestimmung für die Einlagen und die Teilhabefonds bemüht. Hiernach handelt es sich bei der Einlage um Geld, das aufgrund öffentlicher, mündlicher oder schriftlicher Werbung, mit oder ohne Gegenleistung mit dem Ziel der späteren Rückzahlung auf Anforderung oder bei einer zuvor bestimmten Fälligkeit entgegengenommen wird. Einlagen von Bank zu Bank fallen nicht unter diesen Begriff. Spareinlage ist diejenige Einlage, die von natürlichen Personen entgegengenommen wird und, abgesehen vom Scheckverkehr, nicht für Handelsgeschäfte vorgesehen ist. Der Teilhabefonds arbeitet nach dem Prinzip einer Gewinn-Verlust-Beteiligung. Ein weiteres Merkmal solcher Fonds ist der Umstand, dass die Einleger ihr Geld jederzeit herausverlangen können, soweit es nicht kraft Vertrages verpfändet, abgetreten oder sonst mit Beschränkungen belastet worden ist. Für den Kunden nicht ungefährlich ist die Verjährungsvorschrift des Art. 62 BankwesenG, wonach Einlagen nach zehn Jahren seit der letzten Verfügung oder dem letzten Abruf verfallen und in das Eigentum der Bank übergehen.
34
b) Versicherung. Einlagen und Teilhabefonds sind durch die Banken beim Einlagensicherungsfonds zu versichern (Art. 63 f. BankwesenG). Das Gesetz bestimmt auch diejenigen Einlagen, die nicht versichert sind. Zu den letzteren gehören: beherrschende Gesellschafter des betreffenden Kreditinstituts, deren Eltern, Eheleute und Kinder, über welche sie die Erziehungsgewalt ausüben; Mitglieder des Vorstands und der Geschäftsführung sowie deren Eltern, Ehegatten und Kinder, über welche sie die Erziehungsgewalt ausüben; Einlagen, die aus Finanzmitteln stammen, die durch Straftaten erworben worden sind. Dabei wird auf Art 282 türk. StGB Bezug genommen, der Geldwäsche unter Strafe stellt. Spareinlagen werden bis zu einem Höchstbetrag zusätzlich durch die Übernahme einer staatlichen Garantie für den Fall des Bankrotts gesichert.
35
c) Aufsicht des BAA. Wesentlich für den Einlagenschutz ist auch die Aufsicht des BAA über die Geschäftstätigkeit der Banken (Art. 65 f. BankwesenG). Es ist also nicht nur das Instrumentarium zur Eigenkontrolle der Banken verfeinert worden, sondern auch die Beteiligung der BAA an der Kontrolle durch Aufsichtsaufgaben der Anstalt und Berichtspflichten der Banken. Dieses System umfasst nicht nur die Geschäfts- und Teilhabebanken, sondern auch die Entwicklungs- und Investitionsbanken. Die Aufsichtsbefugnis der
36
Tekinalp/Rumpf
2810
37
38
39
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
BAA besteht nicht nur darin, dass sie Prüfer in die Banken schicken, sondern auch eigene Vertreter in die Hauptversammlungen entsenden kann. d) Konsolidierte Kontrolle. Dieser Begriff hat neu Eingang in das BankwesenG gefunden (Art. 66 BankwesenG). Damit werden die Eigenkontrolle der Banken und die korrespondierenden Kontrollaufgaben der BAA auch auf die verbundenen Unternehmen erstreckt. Mit anderen Worten: auch der Konzern, zu welchem eine Bank gehört, wird einbezogen. Dahinter steckt die auch in den Materialien zur Entstehung des Gesetzes zum Ausdruck kommende Einsicht, dass die durch die Einbettung in eine Unternehmensgruppe entstehenden, aus den übrigen Unternehmen über die Beteiligungen für die Bank entstehenden Risiken von den selbst produzierten Risiken nicht getrennt werden können. e) Schwäche der Finanzstruktur. Neben den Problemen des Konzernbankenwesens bildet die Eigenschwäche einer Bank infolge von Geschäften, die nicht direkt das Einlagengeschäft betreffen, eine der größten Gefahren für die Einlagen. Das Gesetz sieht daher für diesen Fall einen Kanon von Maßnahmen vor (Art. 67 ff. BankwesenG). Die Maßnahmenformen werden in drei Gruppen unterteilt: Korrekturen, Verbesserungen und Beschränkungen. Eine Unterscheidung zwischen konsolidierter und nicht konsolidierter Kontrolle gibt es hierbei nicht. Die Fälle, in welchen Maßnahmen erforderlich sind, reiht das Gesetz wie folgt auf: – die Aktiva korrespondieren hinsichtlich der Laufzeiten nicht mit den Verbindlichkeiten – den Regelungen zur Erhaltung der Liquidität wird nicht Folge geleistet – die Rendite reicht für die sichere Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit nicht aus – die Eigenmittel sind unzureichend – es werden Geschäfte getätigt, die den Beschlüssen nicht entsprechen – es gibt kein funktionierendes Risikomanagement, die interne Aufsicht und Kontrolle ist nicht gegeben – eine schwache Geschäftsleitung führt zur Erhöhung der Risiken
40
41
Zu den korrigierenden Maßnahmen gehören in der ersten Gruppe die Anpassung von Aktiva und Verbindlichkeiten hinsichtlich der Laufzeiten, die Sicherstellung der Liquidität, die Stärkung der Eigenmittel, die Verbesserung der Aktiva-Situation. Die Maßnahmen können im Einzelnen in der Kapitalerhöhung oder langfristigen Gesellschafterdarlehen, der Aussetzung der Gewinnausschüttung, im Stopp der Vergabe von Krediten an Gesellschafter, der Einschränkung der Zahlungen auf Investitionen, Löhne oder sonstige Leistungen bestehen. Dabei hat das Gesetz weder bei den Fallkonstellationen noch bei den Maßnahmen eine abschließende Aufzählung vorgenommen. Die zweite Gruppe spielt sich im Bereich der Unternehmenspolitik ab, wo es um die Beseitigung der Diskrepanzen zwischen Beschlusslage und Umsetzung, die Kreditpolitik, das Beschreiten neuer Wege beim Risikomanagement bezüglich der Wechselkurse und Zinsen geht. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des BAR in einen Plan zu gießen und durch die Bank umzusetzen (Art. 68 BankwesenG). Greifen die vorstehend aufgeführten Maßnahmen nicht, kommt die Reihe an radikalere Verbesserungsmaßnahmen, die der BAR unter Fristsetzung anordnen kann. Diese können in Vermögenssperren oder Zwangsverkäufen, Verboten für bestimmte Geschäfte oder in Veränderungen in der Geschäftsleistung bis hin zum vollständigen Austausch des Vorstandes bestehen (Art. 69 BankwesenG). Auch hier wirkt die Bank zunächst selbst mit, indem sie entsprechende Anordnungen des BAR ausführt.
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2811
Die Beschränkungsmaßnahmen schließlich sind die letztmöglichen Maßnahmen vor der Entziehung der Bankerlaubnis (Art. 70 BankwesenG). Diese Maßnahmen bestehen in der Einstellung von Geschäftstätigkeit, Schließung von Filialen und Repräsentanzen, Beschränkung der Verwendung von Eigenmitteln, Entlassung von Geschäftsleitern, Unterwerfung der Geschäftsleitung unter Genehmigungsvorbehalte durch den BAR, Gewährung langfristiger Kredite an die Bank, Fusion mit anderen Banken. Wird Führungspersonal entlassen, kann der BAR an dessen Stelle selbst neues Personal setzen.
42
Die nächsten Schritte sind dann die Entziehung der Bankerlaubnis oder der Übernahme der Bank durch den Einlagensicherungsfonds. Bei Entziehung der Bankerlaubnis ist die Geschäftstätigkeit vollständig einzustellen. In diesem Falle bleibt nur die Liquiditation oder der Konkurs. Bei Übernahme der Bank durch den Einlagensicherungsfonds, die verschieden umfangreich sein kann, wird mit der Bank so verfahren, wie es dem Interesse der Einleger am besten gerecht wird (Art. 71 BankwesenG). Letztere Maßnahme ist diejenige, die am häufigsten und effektivsten zum Zuge der Sanierung des türkischen Bankensystems angewendet wurde und noch immer angewendet wird. Die Voraussetzungen sind nicht nur diejenigen, die sich aus den Art. 67 ff. BankwesenG – siehe vorstehend – ergeben, sondern können auch in anderen Umständen begründet sein, wie etwa der Missbrauch der Bankerlaubnis durch zweckfremde Geschäfte durch Gesellschafter, die Vergabe von Krediten an Gesellschafter ohne die Einhaltung der gesetzlichen Kriterien („faule Kredite“), betrügerische Machenschaften beim Erwerb der Bankerlaubnis oder bei der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben durch Gesellschafter und Vorstandsmitglieder.
43
Die Übernahme durch den Einlagensicherungsfonds kann in drei unterschiedlichen Umfängen erfolgen. Entweder übernimmt der Einlagensicherungsfonds nur die Leitung oder er übernimmt auch die mit den Geschäftsanteilen verbundenen Rechte, wobei den Aktionären ihre Dividendenansprüche verbleiben, oder die Geschäftsanteile gehen ganz auf den Einlagensicherungsfonds über. Einzelheiten dazu, wie der Einlagensicherungsfonds mit der Bank zu verfahren hat, ergeben sich aus Art. 106 BankwesenG. Der Einlagensicherungsfonds kann dann laufende Konkursverfahren fortsetzen, wobei er auch die Funktion der Konkursverwaltung übernimmt, neue Verfahren einleiten oder auf andere Weise, etwa durch Verschmelzung mit anderen Banken, für die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit Sorge tragen.
44
Ist eine Bank erst einmal in den Einlagensicherungsfonds übernommen worden, hat der Fonds zahlreiche, zum Teil durchaus ungewöhnliche Handlungsmöglichkeiten (Art. 106 ff., 132 ff. BankwesenG). Dies steht in ungebrochener und verfeinerter Tradition zu den bisherigen Regelungen. Die Art. 132 ff. BankwesenG entsprechen weniger den Regelungen eines Bankgesetzes als den Regelungen eines Zwangsvollstreckungs- und Konkursgesetzes. Diese Regelungsform hat zu einem neuen Forderungsbegriff geführt, nämlich dem der Fonds-Forderung (Fon alacağı). Eine solche Forderung kann entstehen aus Schuldverhältnissen mit dem Fonds, aus Mitteln infolge missbräuchlicher Verwendung von Eigenmitteln der Bank sowie aus Beträgen, die bei der Versicherung der Einlagen nicht angegeben worden und die somit nicht versichert sind. Es handelt sich hier um eine Form der Masseforderung, deren Beitreibung allerdings nicht dem Zivilprozess, sondern, da es sich beim Fonds um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, dem Gesetz Nr. 6183 über die Beitreibung öffentlicher Forderungen unterliegt. Die Befugnisse des Einlagensicherungsfonds gehen aber noch sehr viel weiter. Hält der Fonds dies im Interesse der Beitreibung von Forderungen für sinnvoll, kann er Geschäftsanteile nicht nur an der Bank, sondern auch an beherrschenden Gesellschaften oder Gesellschaftern, ja sogar indirekten Anteilseigner einziehen, ohne dass diese selbst Schuldner solcher Forderungen
45
Tekinalp/Rumpf
2812
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
sein müssten. Die Folge davon ist, dass im Konzernbankenwesen der Zugriff auf die Bank auch weitere Teile des Konzerns unter die Verwaltung des Einlagensicherungsfonds geraten. 46
f) Epidemische Krise. Betreffen die Umstände, die das Eingreifen der Bankenaufsicht erforderlich machen, nicht nur eine Bank, sondern haben sie den Charakter eines Problems der Finanzstruktur des gesamten Kreditwesens, sind außerordentliche Maßnahmen zu treffen (Art. 72 BankwesenG). In diesem Fall wird die Existenz einer solchen Krise zunächst in Koordination der BAA gemeinsam vom Einlagensicherungsfonds, dem Staatssekretariat für das Schatzwesen und der Zentralbank festgestellt. Der nächste Schritt ist ein Beschluss des Ministerrats, der die außerordentlichen Maßnahmen anordnet. Diesem Beschluss haben die „betroffenen Institutionen und Anstalten“ Folge zu leisten. Diese Vorschrift ist allerdings problematisch, da sie wesentliche Unklarheiten enthält. Es scheint sich dabei um eine Art Generalklausel zu handeln, deren Bestimmtheit zu wünschen übrig lässt. Zwar ist eine verfassungskonforme Interpretation dahingehend möglich, dass die vom Ministerrat zu treffenden Maßnahmen nicht nur dem Gesetz, sondern auch der Verfassung entsprechen müssen. Es können also keine Maßnahmen getroffen werden, die dem Grundrechtesystem der Verfassung – z.B. der Eigentumsgarantie – und den Verfahrensrechten – z.B. Zugang zu den Gerichten, Rechtsweggarantie, rechtliches Gehör – widersprechen. Unklar bleibt indessen, was das Gesetz mit „betroffenen Institutionen und Anstalten“ meint. Während man bei der „Anstalt“ (kurum) davon ausgehen darf, dass hier der öffentlich-rechtliche Begriff gemeint ist, kann eine solche Eingrenzung nicht vorgenommen werden, weil es keinen öffentlich-rechtlichen Begriff der „Institution“ (kuruluş) gibt. Er entspricht in etwa dem der deutschen „Körperschaft“, ohne dass hier, anders als dies im Deutschen möglich wäre, an eine Begrenzung der Bedeutung auf die „öffentliche Körperschaft“ erlaubt wäre. Ob mit Hilfe einer systematischen und teleologischen Auslegung das Ergebnis zu erzielen ist, dass nur öffentlich-rechtliche Einheiten gemeint sind, ist nicht zweifelsfrei anzunehmen, da nicht auszuschließen ist, dass Anordnungen des Ministerrats gerade auch solche „Institutionen“ treffen sollen, die infolge gesellschaftsrechtlicher Verbindungen im Konzern Einfluss auf das Finanzsystem des türkischen Kreditwesens haben.
47
6. Zins-Regime. a) Rechtsquellen. Das Zins-Regime beruht vor allem auf fünf gesetzlichen Grundlagen, nämlich dem OGB, dem HGB, dem Gesetz über die anzuwendenden Verzugs- und gesetzlichen Zinsen (ZinsG), dem BankwesenG und dem Gesetz zum Schutze des Verbrauchers (Tüketicinin Korunması Hakkında Kanun) (VerbrSG). Dabei ist zu beachten, dass die Zinsregelungen im OGB für die gesetzlichen und die Verzugszinsen für den Fall auf das ZinsG übergeleitet worden sind, dass diese gerichtlich geltend gemacht werden. Unberührt davon bleiben die Darlehenszinsen (Art. 307 f. OGB). Die Zinsbestimmungen im HGB betreffen sowohl die gesetzlichen Zinsen und Verzugszinsen – insoweit gilt für die Ersetzung durch die Bestimmungen des ZinsG dasselbe wie oben – für die gewöhnlichen Handelsgeschäfte und den Kontokorrent als auch für besondere Handelsgeschäfte wie etwa Wechsel- und Scheckgeschäfte (Rückgriff des Einlösers) (Art. 637 f., 690 Abs. 1, 722, 730 Abs. 3 HGB).
48
Art. 1 ZinsG hat die gesetzlichen Zinsen im Jahre 2005 auf 12% festgelegt (zuvor waren es 30%); danach hat der Ministerrat von seiner Ermächtigung, die Zinsen zu verändern, Gebrauch gemacht und sie mit Wirkung ab 1.1.2006 auf 9% gesenkt (Beschluss Nr. 2005/ 9831 v. 19.12.2005, RG Nr. 26039 v. 30.12.2005).
49
Die Verzugszinsen werden durch die Zentralbank festgelegt. Diese Verzugszinsen gelten als Untergrenze. Wo andere Gesetze höhere Verzugszinsen bestimmen, gelten diese. Art. 2 ZinsG bestimmt als Zinssatz den am 31.12. des vorangehenden Jahres auf Kredite mit kur-
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2813
zen Laufzeiten von der Zentralbank angewendeten Basissatz (reeskont – Rediskont). Wird dieser Satz am 30.6. des laufenden Jahres um mehr als fünf Punkte überschritten, wird für die zweite Jahreshälfte der am 30.6. geltende Satz angewendet. b) Darlehenszinsen. Art. 144 BankwesenG hat dem Ministerrat die Befugnis zur Festlegung von Obergrenzen für Darlehenszinsen eingeräumt, wobei der Ministerrat diese Befugnis auf die Zentralbank übertragen darf. Die Bestimmung bezieht sich ausdrücklich auch auf die Teilhabebanken. Der Ministerrat hat von dieser Delegationsbefugnis Gebrauch gemacht (Beschluss Nr. 2006/11188, RG Nr. 26354 v. 22.11.2006). Im übrigen ist die Festlegung der Zinssätze den Banken überlassen und in den Kreditverträgen niederzulegen.
50
Fehlt es an Zinsvereinbarungen in einem Kreditvertrag, so gilt, was die Bank üblicherweise auf gleichartige Kredite an Zinsen verlangt (19. Zivilsenat des Kassationshofs, Urt. v. 25.11.1994, Az. 6472/11467, zit. in Batider (Zeitschrift für Bank- und Handelsrecht), CXVII/4, S. 157). Mit dieser Rechtsprechung hat der Kassationshof den Banken aber auch erlaubt, unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) die Zinssätze einseitig zu ändern, jedoch nicht ohne vorherige Bekanntgabe an den Kunden zu erhöhen (19. Zivilsenat des Kassationshofs, Urt. v. 5.6.1996, Az. 8894/5659, Manisa Barosu Dergisi (Zeitschrift der Anwaltskammer Manisa) Jg. 5 Nr. 59 S. 57). Dass die Änderung nicht rückwirkend erfolgen darf, ist ständige Rechtsprechung des 11. Zivilsenats des Kassationshofs (Urt. v. 28.2.1994, Az. 4382/1549; Urt. v. 16. 9.1996, Az. 10312/7779).
51
Für die Berechnung von Tageszinsen ist die Entscheidung des TBB Nr. 780 v. 2.6.1983 zu beachten, wonach Wertstellung am ersten Werktag nach Einlage des Geldes erfolgt. Die Frist ist dann der Zeitraum zwischen dem Tag der Wertstellung und der Schlussabrechnung. Ist die Frist auf einen Monat oder ein Jahr bestimmt, endet die Frist mit dem dem Wertstellungsdatum entsprechenden Tag. Gibt es in diesem Monat keinen solchen Tag, ist dies der letzte Tag des Monats. Bei der Errechnung von Tageszinsen wird der Wertstellungstag, nicht jedoch der letzte Tag der Frist in die Berechnung einbezogen. Für die Zinsberechnung spielt keine Rolle, ob der letzte Tag der Frist auf einen Feiertag fällt.
52
c) Handelsgeschäfte. Der Zins bei Handelsgeschäften (ticari faiz) ist derjenige Zins, der bei in Art. 3 HGB definierten Handelsgeschäften zur Anwendung kommt. Der gesetzliche Zins (kanunî faiz) ist der Zins für solche Forderungen, für die die Vertragsparteien zwar einen Zins festgelegt, jedoch nicht dessen Höhe bestimmt haben. Er gilt für Kapitalzinsen wie auch für die Verzugszinsen. Im übrigen kann der Kapitalzins („Avrupa faizi“) frei vereinbart werden (Art. 8 Abs.1 HGB; Art. 1 ZinsG), die Grenzen werden durch Treu und Glauben gezogen (vgl. Art. 2 ZGB, Art. 19, 20 OGB). In Handels- wie in sonstigen Sachen kann der Kapitalzins das Kapital überschreiten (11. Zivilsenat des Kassationshofs, Urt. v. 10.10.1986, Az. 4783/5197; Eriş, S. 194). Es gilt der Grundsatz der Zinsfreiheit, vorbehaltlich eines begrenzten Zinseszinsverbots (unten e). Die Zinsfreiheit betrifft auch die Verzugszinsen (zum Zinseszinsverbot siehe jedoch unten e). Haben die Parteien keine Vereinbarung über den Zinssatz getroffen mit der Folge, dass der gesetzliche Zinssatz zur Anwendung kommt, ist das ZinsG anwendbar.
53
d) Verbraucherschutz. Das VerbrSG (Gesetz Nr. 4077 v. 23.2.1995, RG Nr. 22221 v. 8.3.1995) hat die Bestimmung von Zinssätzen bei Verbraucherkrediten, für die ein Schriftlichkeitserfordernis und ein Kanon von zwingenden Voraussetzungen und Bedingungen besteht, dem für den Verbraucherschutz zuständigen Ministerium (derzeit das Industrie- und Handelsministerium) überlassen (Art. 10 VerbrSG). Eine Beschränkung besteht noch darin, dass der Verzugszins den vereinbarten Kapitalzins um nicht mehr als 30% überschreiten darf. Dieselben Sätze gelten auch für Bankkreditkarten (Übergangs-
54
Tekinalp/Rumpf
2814
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Art. 1 VerbrSG). Und schließlich enthält das VerbrSG auch feste Regeln für die Verzinsung von Krediten für die Anschaffung von Wohneigentum. 55
e) Zinseszins. Ein grundsätzliches und unabdingbares Zinseszinsverbot ergibt sich aus Art. 3 ZinsG und Art. 104 III OGB. Eine erste Ausnahme besteht lediglich gem. Art. 8 II HGB, wonach bei Darlehensverträgen im Kontokorrentverhältnis Zinsen dreimonatlich oder in längeren Zeiträumen dann zum Kapital hinzugeschlagen und damit der vertraglichen Verzinsung unterworfen werden dürfen, wenn es sich aus Schuldnersicht um ein Handelsgeschäft handelt und hierfür eine eigene Vereinbarung getroffen wird. Eine weitere Ausnahme gibt es beim Rückgriff des Inhabers eines fälligen, aber nicht angenommenen bzw. bezahlten Wechsels, wo der aufgelaufene Kapitalzins in die Berechnung des Verzugszinses mit einbezogen wird (Art. 637 HGB).
56
f) Beginn der Verzinsung. Die Verzinsung beginnt, wenn nichts anderes vereinbart ist, bei Handelsverträgen mit dem Ende der Zahlungsfrist oder, wenn eine solche nicht bestimmt ist, mit der Mahnung (ihtar, Art. 10 HGB).
57
g) Zinsen auf Devisenschulden. Die Festsetzung von Zinsen auf Devisenschulden ist im Rahmen von Treu und Glauben frei vereinbar. Fehlt es an einer Vereinbarung, sieht Art. 4 a ZinsG vor, dass derjenige Zinssatz zur Anwendung kommt, den Staatsbanken auf Deviseneinlagen mit einjähriger Kündigungsfrist gewähren.
58
III. Wichtige Rechtsquellen. Das heutige Bankrecht ist vor allem im Bankacılık Kanunu (Bankwesengesetz) (Gesetz Nr. 5411 v. 19.10.2005, RG Nr. 25983bis v. 1.11.2005, geändert durch Gesetz Nr. 5472 v. 8.3.2006, RG Nr. 26108 v. 14.3.2006) geregelt. Von Bedeutung ist außerdem das Zentralbankgesetz (Gesetz Nr. 1211 v. 14.1.1970, RG Nr. 13409 v. 26.1.1970 mit zahlreichen Änderungen). Auf der untergesetzlichen Ebene sind die Erlasse des BAR und der BAA maßgeblich, Einzelheiten zum Einlagensicherungsfonds sind in einer VO geregelt (Tasarruf Mevduatı Sigorta Fonu Yönetmeliği). Weitere gesetzliche Grundlagen sind das BörsenG (Gesetz Nr. 2499 v. 28.7.1981, RG Nr. 17416 v. 30.7.1981), HGB (ein Entwurf für ein neues HGB lag bei Manuskriptabgabe im Parlament), ScheckG (Gesetz Nr. 3167 v. 19.3.1985, RG Nr. 18714 v. 3.4.1985, zuletzt maßgeblich geändert durch Gesetz Nr. 4814 v. 26.2.2003, RG Nr. 25042 v. 8.3.2003), GeldwäscheG (Gesetz Nr. 4208 v. 13.11.1996, RG Nr. 22822 v. 19.11.1996), ZinsG (Gesetz Nr. 3095 v. 4.12.1985, RG Nr. 18610 v. 19.12.1985, geändert zuletzt ) und LeasingG (Gesetz Nr. 3226 v. 10.6.1985, RG Nr. 18795 v. 28.6.1085). Alle genannten Gesetze sind zwischenzeitlich geändert worden, sie sind alle über http://www.mevzuat. adalet.gov.tr oder http://mevzuat.basbakanlik. gov.tr in aktueller Fassung zugänglich.
59
Als wichtige sonstige Rechtsgrundlagen sind zu nennen: VO mit Gesetzeskraft Nr. 90 über die Geldleihe (Ödünç Para Verme İşleri Hakkında 90 Sayılı Kanun Hükmünde Kararname, RG Nr. 18183bis v. 6.10.1983), VO über die Gründung und Tätigkeit der privaten Finanzinstitute (Özel Finans Kurumlarının Kuruluş ve Faaliyetleri Hakkında Yönetmelik, RG Nr. 24529 v. 20.9.2001), Erlass III/18 über die Notierung von Effekten durch den Börsenrat und die Gründung und Tätigkeit der Allgemeinen Finanzierungsgesellschaften (III/18 sayılı Varlığa dayalı Menkul Kıymetlerin (Securizitation) Sermaye Piyasası Kurulu Kaydına Alınması ve Genel Finans Ortaklıklarının Kuruluş ve Faaliyet Esasları Tebliği, RG Nr. 21301bis v. 31.7.1992 mit mehreren Zusatzerlassen), , VO über die Beleihungstätigkeiten (İkrazatçılık Faaliyetleri Hakkında Yönetmelik, RG Nr. 22148 v. 21.12.1994), VO über die Finanzholdinggesellschaften (Finansal Holding Şirketleri Hakkında Yönetmelik, RG Nr. 26333 v. 1.11.2006); VO über Gründung und Tätgkeitsgrundsätze der Factoring-, Leasing- und Finanzgesellschaften (Finansal Kiralama, Faktöring ve Finansman Şirketlerinin Kuruluş ve Çalışma Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2815
Esasları Hakkında Yönetmelik, RG Nr. 26315 v. 10.10.2006), Beschluss Nr. 32 zum Schutz der türkischen Währung (Türk Parası Kıymetini Koruma Hakkında 32 Sayılı Karar, RG Nr. 20249 v. 11.8.1989), verschiedene Verordnungen über die Qualifizierung und Vergabe von Krediten und über die Behandlung der Teilhabefonds (alle in RG Nr. 26333 v. 1.11.2006). Zugänglich ist das türkische aktuelle Bankrecht vom Gesetz bis zum Erlass über http://www.bddk.org.tr oder http://www.hazine.gov.tr.
B. Kredit und Kreditsicherheiten I. Kreditformen. Das türkische Recht kennt keinen einheitlich geregelten Kreditbegriff. Soweit sich aus dem BankwesenG ein weiter Kreditbegriff herleiten lässt, dient dieser der Bestimmung von Grenzen gegen den Missbrauch von Krediten, eignet sich jedoch nicht für eine griffige und für das gesamte Bankrecht gültige Definition. Auch aus dem OGB eine allgemeingültige Definition herzuleiten ist schwierig. Hier gibt es zunächst den Kreditbrief (Art. 399 OGB) und Kreditauftrag (Art. 400 OGB). Bei beiden handelt es sich um Aufträge, die der Auftraggeber dem Auftragnehmer zur Gewährung eines Kredits zugunsten des Empfängers erteilt. Dabei übernimmt der Auftragnehmer die Verpflichtung, gemäß der Anweisung des Auftraggebers in eigenem Namen und auf eigene Rechnung einem Dritten einen Kredit zu gewähren oder zu erneuern; der Auftraggeber übernimmt die Haftung bzw. Bürgschaft für den Kredit. Eine Definition des Kredits ist hier jedoch nicht zu finden. Etwas hilfreicher ist dagegen Art. 306 OGB (Darlehensvertrag). Hier sieht die herrschende Lehre die Schlüsselbestimmung für den „Krediteröffnungsvertrag“. Dieser Vertrag gewährt dem Kunden ein Ziehungsrecht in Form eines Gestaltungsrechts. Dieses Ziehungsrecht kann der Kunde bis zu den vertraglich bestimmten Grenzen ausüben (Akyol, S. 69, Feyzioğlu, S. 565; Tandoğan, Bd. I S. 232; Tunçomağ, S. 308; Tekinalp, Grundzüge § 39 Nr. 13). Der Darlehensvertrag ist kein revolvierender Vertrag und begründet kein Kontokorrentverhältnis. Solange keine Gegenleistung in Form der Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen vereinbart ist, handelt es sich um einen unvollständig zweiseitigen Vertrag, der eine Übergabeverpflichtung der Bank (des Kreditgebers), jedoch noch kein Eigentum oder eigentumsähnlichen Anspruch des Kreditnehmers an dem Geld begründet. Durch Übergabe wird der Vertrag beendet. Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens ist hiernach gesetzlicher Natur. Der vollständig zweiseitige Charakter des Vertrages, der auch nach Übergabe des gezogenen Kredits fortdauert, entsteht in der Praxis durch weitere Abreden, etwa der Vereinbarung von Zinsen als Hauptleistungspflicht des Kreditnehmers, Rückzahlungsfristen etc. Der häufigste Anwendungsbereich des Darlehensvertrages ist der Verbraucherkreditvertrag. Für diese Variante hält Art. 10 VerbrSG durch die Ausgestaltung des Transparenzgebots einige den Verbraucher schützende Bestimmungen bereit. Damit sind die Möglichkeiten, zu einem umfassenden und einheitlichen Kreditbegriff zu kommen, bereits erschöpft. Der Lombardkredit wiederum wird als ein Darlehensvertrag angesehen, der im türkischen Recht durch ein Wertpapierpfandrecht – bei Inhaberpapieren mit entsprechendem Indossament – abgesichert wird (Art. 306 OGB, Art. 939 ff., 954, 956 f. ZGB, Art. 601 HGB). Indessen wird der Lombardkredit in der türkischen Praxis überwiegend im Kontokorrentverhältnis verwendet, so dass auch Art. 87 ff. HGB gelten. Das Diskontgeschäft ist ein Kaufgeschäft, wobei die Bank den Wechsel vom Inhaber unter Abzug der bis zum Ablauf der Frist anfallenden Zinsen zum Restkaufpreis erwirbt (Tekinalp, Grundzüge § 36 Nr. 38). In der Lehre wird aber auch vertreten, dass es sich beim Diskontgeschäft um einen atypischen Darlehensvertrag handle, weil dessen kredittypische Eigenschaften in der Qualifizierung als Kaufgeschäft nicht wiedergegeben würden (Tandoğan, Bd. II S. 315). Auch das Fortfaitierungsgeschäft, in welchem aus dem Waren- und Dienstleistungsexport entstehende termingebunde Forderungen von der Bank angekauft werden unter der Bedingung, dass die Bank
Tekinalp/Rumpf
60
2816
61
62
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
im Falle der Uneinbringlichkeit nicht auf den Abtretenden zurückgreift, wird von der türkischen Lehre als Kaufgeschäft qualifiziert (Tekinalp, Grundzüge § 36 Nr. 44). Das Finanzierungsleasing, das mit Gesetz Nr. 3226 einer eigenständigen Regelung unterworfen worden ist, wird von einem Leasingunternehmen durchgeführt. Investitionsbanken ist dieses Geschäft erlaubt, während Banken, die Spareinlagen entgegennehmen, dieses Geschäft versagt ist. Letztere umgehen dieses Verbot durch die Gründung eigenständiger Leasinggesellschaften als Tochterunternehmen. Für solche Unternehmen ist im übrigen eine eigene VO erlassen worden (RG Nr. 21212 v. 28.4.1992). Eine andere VO regelt Laufzeiten und Kreditgrenzen im Leasinggeschäft (VO Nr. 92/3170, RG Nr. 21278 v. 8.7.1992). Schließlich gibt es auch noch eine VO, die für Leasinggeschäfte mit Auslandbezug die Hinterlegung von Sicherheiten für Zoll, Steuer und Abgaben regelt (RG Nr. 18882 v. 28.9.1985). Auch die noch gültigen Runderlasse Nr. 146 – 150 (RG Nr. 18882 v. 28.9.1985, RG Nr. 19130 v. 7.6.1986 u.a.) zur Einkommensteuer betreffen das Leasinggeschäft. Der Kontokorrentkredit findet sich in der türkischen Praxis in verschiedenen Ausprägungen. Häufig anzutreffen ist der Überziehungs- oder Dispositionskredit, selten dagegen der Kontokorrentratenkredit. Auf den Dispositionskredit finden sowohl Art. 306 OGB als auch Art. 87 ff. HGB Anwendung, daneben ggf. die jeweiligen Vorschriften zur Kreditsicherung. Der Akzeptkredit ist derjenige Kredit, der auf Vorlage eines auf die Bank bezogenen Akzepts von der Bank angenommen oder skontiert wird. Der Akzeptkredit gehört wie der Avalkredit, Bürgschaftskredit und die Bankgarantie zu denn unbaren Krediten. Hier zahlt die Bank den Kredit nicht in Geld aus, sondern übernimmt stattdessen eine Haftung. II. Kreditsicherheiten. Zu den persönlichen Sicherheiten, mit denen eine schuldrechtliche Absicherung erfolgt, gehören die Bürgschaft (kefalet), der Garantievertrag (garanti sözleşmesi) und der Schuldbeitritt (borca iştirak). Durch den Bürgschaftvertrag (Art. 483 ff. OGB) verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Hauptschuldners, für die Erfüllung der Schuld einzustehen. Der Bürgschaftsvertrag bedarf der Schriftform, muss individualisiert sein und einen bestimmten Haftungsbetrag ausweisen. Die Bürgschaft ist akzessorisch, der Bürge kann nicht zu mehr verpflichtet werden als der Hauptschuldner. Der Bürge ist berechtigt und verpflichtet, alle dem Hauptschuldner zustehenden Einreden gegenüber dem Gläubiger geltend zu machen, soweit sie für den Bürgen der Natur der Sache nach nicht ausgeschlossen sind. Versäumt der Bürge die Geltendmachung der Einrede, verliert er seinen Rückgriffsanspruch, falls er nicht beweisen kann, dass ihn für das Versäumnis kein Verschulden trifft. In dem Maße, in dem er den Gläubiger befriedigt, tritt der Bürge gegenüber dem Schuldner in dessen Rechte ein. Statt der einfachen Bürgschaft, deren Ziehung die Inanspruchnahme des Hauptschuldners voraussetzt – dem Bürgen steht hier die Einrede der Vorausklage zu – wird in der Bankpraxis vorzugsweise mit der selbstschuldnerischen Bürgschaft (Solidarbürgschaft, Art. 487 OGB) gearbeitet. Ebenfalls beliebt in der Praxis ist die Mitbürgschaft (Art. 488 OGB), selten dagegen trifft man auf die Nebenbürgschaft und Nachbürgschaft. Nicht gesetzlich geregelt ist der Garantievertrag. Es gibt demzufolge auch keine Formvorschrift. Hergeleitet wird dieser Vertragstyp aus Art. 110 OGB, der das einseitige Garantieversprechen und die hieraus resultierenden Rechtsfolgen – insbesondere die Schadensersatzpflicht – regelt. Das Wesen des Garantievertrages besteht darin, dass der Garant für den Eintritt eines bestimmten Erfolges eintreten will. Der Vertrag ist unabhängig (nicht akzessorisch). Trotz großer Ähnlichkeiten mit einer Bürgschaft wird die Bankgarantie als eine Variante des Garantievertrages angesehen, die türkische Sichtweise entspricht hier der internationalen Praxis des letter of guarantee.
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2817
In die Familie der persönlichen Sicherheiten gehört auch die kumulative Schuldübernahme. Hier entsteht infolge eines Schuldbeitritts eine gesamtschuldnerische Haftung des Übernehmers zusammen mit dem Hauptschuldner (Art. 173 ff. OGB).
63
Die Sicherungsübereignung (fiduziarische Eigentumsübertragung) ist im türkischen Recht nicht geregelt. Von der Lehre durchgehend akzeptiert (Helvacı, S. 108 ff.; Serozan, S. 1002; Kuntalp, S. 282; Oktay, S. 657 ff.; Özsunay, S. 11), konnte sich das Institut vor allem im Immobilienrecht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erst im Laufe der Zeit durchsetzen (Özkaya, S. 30 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen: zunächst dagegen Großer Senat für Zivilsachen, Urt. v. 14.12.1949; danach dafür: Großer Senat für Zivilsachen, Urt. v. 27.3.1996). Nach der Reform des ZGB gefährdet der neue Art. 766 ZGB jedoch das Institut der Sicherungsübereignung. Denn nach dieser Bestimmung gilt als gläubigerschädlich und somit unzulässig die Übereignung mit Besitzkonstitut dann, wenn diese dazu dienen soll, zum Nachteil der Gläubiger den Gegenstand aus der Haftungsmasse zu entfernen. Allerdings wird wohl zu Recht bereits vertreten, dass diese neue Bestimmung auf die Sicherungsübereignung ihrem Wesen nach nicht zutrifft (Serozan, S. 1002). Auch die Sicherungsabtretung ist ein zulässiges Sicherungsinstrument (Oğuzman/Seliçi, S. 304). Zu den dinglichen Sicherungsinstrumenten gehört das Faustpfand. Hier ist der Gläubiger berechtigt, das Pfand zu verwerten, der Schuldner wird hierdurch frei. Das Pfandrecht erstreckt sich auf den Gegenstand nebst Zubehör (Art. 947 ZGB) und dient der Befriedigung der Haupt- wie auch der Nebenforderungen wie Zinsen, Vollstreckungskosten etc. (Art. 946 II ZGB). Bestellt wird das Pfandrecht aufgrund eines dinglichen Vertrages durch Übergabe des Besitzes am Pfandgegenstand an den Gläubiger. Umstritten ist, ob Pfandrecht und Hauptforderung Akzessorietät aufweisen (Oğuzman/Seliçi, S. 795). Die Verpfändung einer Immobilie setzt nicht voraus, dass diese sich im Eigentum des Schuldners befindet (Art. 881 ZGB). Die Möglichkeit eines besitzlosen Pfandrechts an beweglichen Sachen räumt Art. 940 ZGB ein. Der Schutz gegen Eingriffe Dritter wird hier durch das Erfordernis der Erstellung eines Pfandprotokolls und der Eintragung in besondere Pfandregister gewährleistet. Ungebräuchlich im Bankenwesen ist die Bestellung von Pfandrecht an Vieh, obwohl in Art. 940 I ZGB einer eigenständigen Regelung unterworfen. Gebräuchlich im Wirtschaftsalltag ist die Bestellung eines Pfandrechts am Kfz oder einer Zugmaschine. Im Bankwesen verbreitet sind das Pfandrecht an Forderungen (Art. 954 ZGB), an Wertpapieren (Art. 956 ZGB), an Warenpapieren (Art. 957 ZGB) sowie bei Geschäftsbanken das Pfandindossament (Art. 601 HGB) bei Lombardkrediten. Wird bei Eröffnung eines Akkreditivs ein Pfandrecht am Konnossement bestellt, so gilt dies als an der Ware bestellt, auf welche sich das Konnossement bezieht. Der Pfandbrief (Art. 970 ZGB) ist in der Praxis nicht anzutreffen. Von den durch das ZGB vorgesehenen Grundpfandrechten (taşınmaz rehni: Hypothek (ipotek) Art. 881, Briefhypothek („Schuldbrief“ – ipotekli borç senedi) Art. 898 und Grundschuldverschreibung („Gült“ – irat senedi)) hat generell nur die Hypothek Verbreitung gefunden, obwohl sich der Börsenrat um eine Belebung auch der anderen Sicherungsformen bemüht hat. Jedoch waren die übrigen beiden Grundpfandrechte in der Vergangenheit wieder Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen, die insbesondere deren Flexibilität und die damit einhergehenden Vorteile hervorzuheben versuchen (Çetin, İ potekli borç senedi; Ünal, İ potekli Borç Senetleri ve İ rat Senetlerinin Menkul Kıymet Özelliği (Die Wertpapiereigenschaft der Briefhypothek und Grundschuldverschreibung), Gazi Üniversitesi Hukuk Fakültesi Dergisi (Zeitschrift der juristischen Fakultät der Gazi-Universität) 2002, Bd. 6, S. 9 ff.). Letztlich haben diese Grundpfandrechte aber infolge der strengen Anforderungen, die an ihre Errichtung gestellt werden, praktisch kaum Relevanz.
64
Tekinalp/Rumpf
65
2818
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
66
Das Grundpfandrecht wird zwar grundsätzlich in türkischen Pfund bestellt (seit 2005 als Neue Türkische Lira – YTL im Umlauf), kann jedoch zur Sicherung von Devisenkrediten auch in Devisen bestellt werden (Art. 851 ZGB). Die Bestellung erfolgt durch einen vor dem Grundbuchamt zu errichtenden Vertrag (resmi senet), das Grundpfandrecht entsteht durch Eintragung in das Grundbuch (Art. 856 ZGB). Das Grundpfandrecht muss Bezug auf ein bestimmtes eingetragenes Grundstücksteil oder Grundstück haben. Auch der Miteigentumsanteil ist verpfändbar, nicht jedoch bei Gesamthandseigentum (Art. 857 ZGB). Das Grundpfandrecht belastet das Grundstück einschließlich aller Bestandteile, des Zubehörs und der Miet- und Pachtzinsen.
67
Die Hypothek ist akzessorisch, in ihrer Entstehung und Existenz jedoch von der Wirksamkeit des Grundverhältnisses nicht abhängig. Sie kann auch für zukünftige Forderungen begründet werden (Art. 881 ZGB). Das Gesetz erlaubt auch ausdrücklich, neben der Hypothek zu einem bestimmten Nennbetrag, die Bestellung einer Höchstbetragshypothek für variable Forderungen. Eine Höchstbetragshypothek umfasst neben der Hauptforderung auch bestimmte Nebenforderungen wie Zinsen, Abgaben und Beitreibungskosten (Art. 875 ZGB). Wird eine Höchstbetragshypothek bestellt, so können nicht gleichzeitig die in Art. 875 ZGB aufgeführten Nebenforderungen ausgeschlossen werden (1. Zivilsenat des Kassationshofs, Urt. v. 8.11.1977, Az. 6442/9225; Großer Zivilsenat des Kassationshofs 24.5.1989, Az. 11294/378; ablehnend Reisoğlu, Bankalar Kanunu 2003, S. 598). Was den Rang angeht, so behält eine Hypothek grundsätzlich den erworbenen Rang. Der Eigentümer kann durch Beischreibung die Blockierung eines leer gewordenen Rangs sicherstellen.
68
Eine weiterer Sicherungseffekt tritt mit Eintragung eines Grundpfandrechts dadurch ein, dass die Verjährung der zugrunde liegenden Forderung ausgeschlossen wird (Art. 864 ZGB). Die Verwertung des Grundpfandrechts erfolgt nach den Bestimmungen des Gesetzes über Zwangsvollstreckung und Konkurs (Gesetz Nr. 2004 (1424) v. 9.6.1932, RG Nr. 2128 v. 19.6.1932 – ZVG) (Rumpf, InVO 2002, S. 305 ff.). Das Grundpfandrecht geht mit Verzicht oder Untergang des Pfandgegenstandes unter (Art. 858 ZGB).
69
Während im türkischen Kreditsystem bislang keine Möglichkeit bestand, den Erwerb von Wohnimmobilien langfristig zu finanzieren, wurde im März 2007 das Gesetz Nr. 5582 v. 21.2.2007 über die Finanzierung von Wohnimmobilien (RG Nr. 26454 v. 6.3.2007) verabschiedet. Durch das sog. „Mortgage“ – System, (ipotekli konut finans sistemi) haben nunmehr auch Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen die Möglichkeit, mittels langfristiger, durch Hypotheken gesicherter Kredite, Immobilien zu erwerben.
70
Den Grundpfandrechten ähnlich sind die Schiffspfandrechte (Art. 921 ff. HGB) sowie die Flugzeughypothek (Gesetz über die zivile Luftfahrt Nr. 2920 v. 14.10.1983, RG Nr. 18196 v. 19.10.1983). Auch kaufmännische Unternehmen sind im Ganzen pfändbar (Unternehmenspfandrecht, Gesetz Nr. 1447 v. 21.7.1971, RG Nr. 13909 v. 28.7.1971). Der Pfändungsvertrag bedarf der Beurkundung durch einen im Sprengel des für einen der Beteiligten zuständigen Handelsregisters ansässigen Notar und kann nur zwischen Kredit- und Finanzinstituten, Kaufleuten und Handelsgesellschaften, Genossenschaften und sonstigen natürlichen und juristischen Personen abgeschlossen werden, die Kreditverkäufe tätigen. Das Pfandrecht umfasst die Firma und den Unternehmensnamen, die im Zeitpunkt der Eintragung vorhandenen Produktionsmittel und gewerbliche Schutzrechte; diese sind in einem Inventar aufzulisten, das dem Pfändungsvertrag beigefügt wird. Firma und bewegliche Produktionsmittel dürfen vom Pfandrecht nicht ausgenommen werden, weil andernfalls das Pfandrecht seinen Charakter als Unternehmenspfandrecht
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2819
verliert. Das Pfandrecht entsteht mit Eintragung in das Handels- oder Handwerksregister. Auf die Verwertung dieses Pfandrechts ist das ZVG anwendbar. Der auch dem türkischen Recht bekannte Eigentumsvorbehalt (mülkiyeti muhafaza kaydı, Art. 764 ZGB), der für seine Wirksamkeit der Beurkundung und Eintragung in ein eigens hierfür beim Notar geführten Registers bedarf, ist in der Bankenpraxis unüblich.
71
C. Konto und Zahlungsverkehr
72
I. Konto. Das Konto ist als Buchführungsposten für die Einlage eines Kunden bei der Bank Bestandteil der Buchhaltung. Die Eröffnung erfolgt persönlich oder durch einen Vertreter. Für die Geschäftsfähigkeit gelten die Bestimmungen der Art. 8 ff. ZGB und für die Stellvertretung die Bestimmungen des ZGB zur gesetzlichen Vertreterschaft (Art. 342, 448 ff., 462) und der Art. 32 ff. OGB zur gewillkürten Stellvertretung. Das Konto kann einzeln oder gemeinschaftlich („und“, „oder“, „mit Abrede“) geführt werden. Die Kontoeröffnung auf fremden Namen ist vor allem zugunsten von Geschäftsunfähigen üblich. Das „Sonderkonto“ (özel hesap, Anderkonto) wird vom Kontoinhaber zugunsten eines Dritten geführt. Hin und wieder sind Anordnungen der Zentralbank an die Banken zu beobachten, Anderkonten einzurichten. Blockierte Konten (bloke hesaplar) sind Folge gesetzlicher, vertraglicher oder administrativer Anordnungen und sind der Verfügung des Kontoinhabers entzogen. Individuelle Konten können mit Kündigungsfrist, Laufzeit und unbefristet geführt werden. Das Kontokorrentkonto (cari hesap) ist in Art. 87 ff. HGB gesondert geregelt. Das Konto kann abgetreten (Art. 162 ff. OGB), verpfändet, in der Zwangsvollstreckung und im Arrest gepfändet werden (Art. 955 ZGB). Es ist der Aufrechnung zugänglich (Art. 118 ff. OGB), vererbbar, massefähig und kann mit Nutzungsrechten belastet werden. Das Kontoheft ist ein „hinkendes Namenspapier“. Ein Konto mit Inhaberbrief oder ein Nummernkonto ist dem türkischen Recht unbekannt. Die frühere Praxis anonymer Konten ist eingestellt worden. II. Zahlungsverkehr. Der bargeldlose Zahlungsverkehr existiert in der Türkei in Form der Überweisung (havale, Art. 457 ff. OGB) und des Scheckverkehrs. Das Lastschriftoder Einzugsverfahren kommt in der Bankpraxis nicht vor. Im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr sind das Dokumenteninkasso und das Dokumentenakkreditiv üblich. Die Automatisierung im Zahlungsverkehr – Bankautomaten, online und Internet banking – hat schnelle Verbreitung gefunden, obwohl diese Formen noch nicht gesetzlich geregelt sind.
D. Kapitalmarktrecht
73
74
Die Banken sind die wichtigsten Akteure auf dem Kapitalmarkt und an der Börse. I. Börsenrecht. 1. Allgemein. Die Effektenbörsen (menkul kıymetler borsaları) wurden im Jahre 1983 erstmals durch Rechtsverordnung mit Gesetzeskraft Nr. 91 geregelt (Menkul Kıymetler Borsaları Hakkında 91 Sayılı Kanun Hükmünde Kararname, RG Nr. 18183 v. 6.10.1983). Im Jahre 1984 trat auf dieser Grundlage die Verordnung über die Gründung und Tätigkeit der Börsen (Menkul Kıymetler Borsalarının Kuruluş ve Çalışma Esasları Hakkında Yönetmelik, RG Nr. 18537 v. 6.10.1984 und Nr. 18545 v. 14.10.1984) in Kraft, 1985 wurde durch Verordnung die Istanbuler Börse (IMKB) gegründet. Die Börsen stehen unter Aufsicht des Börsenrates (Sermaye Piyasası Kurulu), das Hauptorgan der Börsenaufsichtsanstalt. Die Organe der IMKB sind die Börsenversammlung, der Börsenvorstand und der Börsenaufsichtsrat. Ferner gibt es den Notierungsausschuss, den Disziplinarausschuss und den Schlichtungsausschuss. Die Börsenexperten werden vom Börsenvorstand eingesetzt und nehmen die Kauf/Verkaufsaufträge entgegen und sind verpflichtet, die Preise festzusetzen und die Börsengeschäfte durchzuführen.
Tekinalp/Rumpf
75
2820
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
76
2. Vermittlungsgesellschaften. Die Vermittlungsgesellschaften (aracı kurumlar) gehören zu den wichtigsten Akteuren. Es sind dies die Investitions-, Entwicklungs- und Geschäftsbanken sowie diejenigen Aktiengesellschaften, die eine Börsenzulassung als Broker haben. Die innere Kontrolle wird durch den Aufsichtsrat, die Außenkontrolle durch unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und den Börsenrat durchgeführt. Die Tätigkeit der Vermittlungsgesellschaften ist durch Erlasse des Börsenrats geregelt worden.
77
3. Die Märkte an der Istanbuler Börse. An der İ MKB (www.imkb.gov.tr, auch in Englisch) gibt es vier Märkte: Aktien, Obligationen und Wechsel, Internationaler Wertpapiermarkt und Termingeschäfte. Der Aktienmarkt (hisse senetleri piyasası) wiederum ist in zwei Teilmärkte aufgeteilt: die erstmaligen Emissionen und die bereits notierten Aktien. Zum letzteren wiederum gehören die nationalen Aktienmärkte. Zu nennen sind die Aktien aus der „new economy“ (yeni şirketler piyasası) wie Telekommunikation, Informationstechnologie, Elektronik, Internet, Computertechnik, Programmierer, Ausrüstung, Medien, aus dem kontrollierten Markt (gözaltı piyasası), Großhandelsmarkt (toptan satışlar piyasası) und dem Bezugsrechtemarkt (rüçhan hakkı kupon piyasası). Der kontrollierte Markt ist derjenige Markt, in welchem die notierten Unternehmen intensiven Informations- und Publizitätspflichten unterliegen, deren Nichtbeachtung zur vorübergehenden oder vollständigen Versagung der Notierung führen kann. Auf dem Obligationen- und Wechselmarkt (tahvil ve bono piyasası), der seinerseits in mehrere Märkte aufgeteilt ist, werden staatliche Inlandsschuldverschreibungen in türkischen Pfund und ausländischen Währungen angeboten sowie Anteilsscheine, Immobilienzertifikate und private Schuldverschreibungen. Solche Effekten in türkischen Pfund oder in ausländischen Währungen werden vor allem auf dem „endgültigen An- und Verkaufsmarkt“ (kesin alım satım piyasası) gehandelt; auf dem Repo- und Reverse-Repo-Markt (repo, ters repo piyasası) werden bestimmte Effekten (Wertpapiere, Wertschriften) mit der Vereinbarung verkauft, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgekauft werden, er funktioniert – wie auch der An- und Verkaufsmarkt – auf elektronischer Basis; schließlich gehört in dieser Gruppe auch der Markt für den Handel mit Immobilienzertifikaten (gayrimenkul sertifikaları piyasası). Der internationale Markt (uluslararası pazar) umfasst den internationalen Wertpapiermarkt und den Markt für die internationalen Investmentfonds und internationalen Depotzertifikate. Auf dem Markt für Termingeschäfte (vadeli işlemler piyasası) sind seit Februar 2002 ausschließlich Handelsbanken registriert, sechzehn an der Zahl. An der Istanbuler Börse wurden dabei in erster Linie „futures“ auf Devisenbasis gehandelt.
78
II. Wertpapierrecht. 1. Allgemein. Das Wertpapierrecht ist vor allem im HGB (Art. 557 ff.) geregelt. Das Recht am Papier ist vom Recht aus dem Papier nicht zu trennen (Art. 557 HGB), die Zahlungspflicht entsteht nur bei Vorlage des Papiers (Art. 558 I HGB), der Rechtsübergang setzt das Indossament (ciro) durch den Berechtigten und Übergabe des Papiers voraus. Es wird unterschieden zwischen Namenspapieren (nama yazılı senet) (unvollständige Namenspapiere Art. 568 HGB), Orderpapieren (emre yazılı senet) und Inhaberpapieren (hamile yazılı senet).
79
Zu seiner Wirksamkeit muss der gezogene Wechsel (poliçe) die Unterschrift des Ausstellers, Ausstellungsort und Ausstellungsdatum, die Bezeichnung „Poliçe“, einen bestimmten Betrag (auch in einer ausländischen Währung), Zahlungsort und Zahlungsfrist sowie Vor- und Nachnamen des Bezogenen enthalten (Art. 583 HGB); fehlt ein Zahlungsdatum, ist auf Sicht zu zahlen. Als „Ausstellungsort“ gilt hilfsweise, sofern eingetragen, der Wohnsitz des Ausstellers, als Zahlungsort der Wohnsitz des Bezogenen (Art. 584 HGB). Der Aussteller kann die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen auf dem Papier nur dann anordnen, wenn eine Zahlungsfrist bestimmt ist, Zinsbeginn ist – falls
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Türkei
2821
nicht anders verfügt – das Ausstellungsdatum (Art. 587 HGB). Die Regeln des Indossaments eines gezogenen Wechsels (Art. 593 ff. HGB, Blankoindossament Art. 595 f. HGB, Inkassoindossament Art. 600 HGB, Pfandindossament Art. 601 HGB) gelten für alle indossierbaren Wertpapiere (Art. 560 HGB). Für die Zahlbarkeit haften Aussteller und alle Indossanten, soweit sie nicht auf dem Papier ein Indossierverbot (Art. 597 II HGB) verfügt haben. Die Regeln über Annahme (Akzept, kabul) und Aval finden sich in den Art. 603 ff. HGB. Ist der Zahlungsbetrag in einer Währung bestimmt, die nicht gesetzliche Währung des Zahlungsortes ist, darf der Bezogene (muhatap) auch in der am Zahlungsort gültigen Währung zum am Zahlungsort gültigen Umrechnungskurs bezahlen (Art. 623 HGB). Die Regelungen für die Fälle der Nichtzahlung finden sich in Art. 625 ff. HGB (Protest (protesto)Art. 626 ff. HGB). Die Regelungen zum eigenen Wechsel (bono, Art. 688 ff. HGB) verweisen in wesentlichen Teilen auf die Vorschriften zum gezogenen Wechsel (Art. 690 HGB). Das im Handelsverkehr gebräuchlichste Wertpapier – vor allem als Sicherungsmittel – ist der Scheck (çek, Art. 692 ff. HGB), der auch in ausländischer Währung ausgestellt werden kann. Ist der Zahlungsort in der Türkei, hat der Bezogene die Wahl, die Zahlung in der genannten Währung oder in türkischen Pfund vorzunehmen (Art. 714 HGB). Die Zahlungsanweisung kann beschränkt werden auf eine unbestimmte Bank oder auf einen Kunden der bezogenen Bank (umumi olarak çizilen çek, Art. 716 I HGB) oder auf eine bestimmte Bank oder, wenn sie zugleich bezogen ist, ihren Kunden (hususi olarak çizilen bir çek. 716 II HGB). Ferner kann er als Verrechnungsscheck ausgestellt werden (Art. 717 HGB). Das ScheckG ergänzt die Art. 692 ff. HGB, ordnet die Scheckausgabe der Banken und richtet sich mit Strafsanktionen vor allem gegen den verbreiteten Missbrauch ungedeckter Schecks; seit März 2003 kann allerdings der Scheckmissbrauch nicht mehr mit Gefängnis bestraft werden. Wertpapierähnliche Papiere sind die nicht akzeptfähigen Orderanweisungen (vgl. Art. 738 ff. HGB) . Zu den Warenpapieren (emtia senetleri) gehören Lagerschein (makbuz senedi, Art. 746 HGB), Pfandbrief (varant, Art. 747 HGB) und Frachtbrief (taşıma senedi, Art. 768 ff. HGB). Das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht für den Wechsel ist in den Art. 678 ff. HGB geregelt, für den Scheck in Art. 731 ff. HGB.
80
2. Börsenfähige Wertpapiere. An der IMKB werden Aktien, Bezugsscheine, staatliche Schuldverschreibungen (devlet tahvilleri, hazine bonoları), private Schuldverschreibungen (praktisch noch ohne Bedeutung), Eurobonds, ausländische Investmentfondsanteile, Depotzertifikate und futures mit Mindestwerten von 100.000 US-Dollar gehandelt. Es werden Termin- und Effektengeschäfte abgewickelt.
81
Zu den börsenfähigen Aktien gehören vinkulierte Namensaktien wie auch Inhaberaktien. Rektapapiere werden nicht gehandelt. Namenspapiere können durch Indossament und Übergabe übertragen werden (Art. 416 HGB). Da Namensaktien, um die Anteilseignerschaft an einem Unternehmen zu begründen, in das Aktienbuch eingetragen werden müssen, sind solche Papiere grundsätzlich nicht börsenfähig. Die Börsenfähigkeit wird jedoch durch Blankoindossaments an der IMKB hergestellt (Art. 596 II 3 HGB). Ferner verlangt die IMKB von den betroffenen Unternehmen die Zustimmung zu dieser Übertragungsform und die Zusicherung, dass die Erwerber auf Verlangen in das Aktienbuch eingetragen werden.
82
In den Bezugsrechtsscheinen ist das Recht verbrieft, im Falle einer Kapitalerhöhung emittierte Aktien zu erwerben. Auch wenn die Bezugsrechte an Namensaktien anknüpfen, werden die Scheine als Inhaberpapiere behandelt. Schuldverschreibungen des Staates und des privaten Sektors verbriefen dem Betrag nach bestimmte Forderungen gegen den Aussteller. Sie können als Namens- oder Inhaberpapiere ausgestellt werden, an der Börse
83
Tekinalp/Rumpf
2822
84
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
werden sie jedenfalls als Inhaberpapiere gehandelt. Die Eurobonds und die ausländischen Investmentfondsanteile gehören zu den wichtigsten ausländischen, an der Börse gehandelten Werten. Depotzertifikate über im Ausland gehandelte ausländische Werte sind vom Börsenrat als wie Effekten handelbar anerkannt worden (Erlass III 20, RG Nr. 22586 v. 20.3.1996). Das Depotzertifikat wird bei einer von der Verrechnungsbank (Takasbank) anerkannten Verwahrungsstelle geführt und in der Originalwährung gehalten. Wertpapierlose Börsentermingeschäfte gehören in geringerem Umfang zum Geschäft der Istanbuler Börse. 3. Papierlose Wertpapiere. Papierlose Wertpapiere sind der türkischen Börsenpraxis noch nicht vertraut. Art. 13 A BörsenG, der die Notierung regelt, erlaubt jedoch die Notierung papierloser Werte in einer zentralen Registrierstelle.
Tekinalp/Rumpf
§ 78 Länderteil – Ukraine
2823
28. Ukraine
§ 78 Länderteil Schrifttum Biryukov/Shyrokova, Law and Legal System of Ukraine (2005), Ch. VIII und IX.; Breidenbach (Hrsg.), – Ukraine Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa, Band 4, Länderteil Ukraine (Loseblatt); Orljuk, Bankivs’ka systema Ukrajiny (2003); Charitonova/Kalitenko, Graždanksij Kodekc Ukrajiny – Kommentarij, Tom 2 (2004); Kharchenko, Ukraine Länderbericht 2006 – Investkreditbank-AG Research, http://www.investkredit.at/; Levčenko, Komplekcna programa rozvitky bankivckoi systemy Ukrainy, Zinni Paperi Ukrainy 2003, Nr. 15; Nazional’nyj Bank Ukrajinj, Ričnyj Zvit pro dijal’nist’ bankivskogo nagljadu 2007; PriceWaterhouseCoopers, Doing business and investing in Ukraine, 2007; Schramm, Neuregelung des ukrainischen Mobiliarpfandrechts, WiRO 2007, S. 72-76.
Inhaltsübersicht A. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Banksystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 III. Wichtige Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . 13 B. Kredit und Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 C. Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
II. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Devisenverkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufsicht über den Kapitalmarkt . . . . . . . . . II. Die Geschäfte des Kapitalmarktes . . . . . . . III. Wertpapieremissionen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertpapierhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 32 36 37 38 39 44 45
Stichwortverzeichnis AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Bankbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Banken (ausländische) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bankenaufsicht (Eingriffsbefugnisse) . . . . . . . . . . 13 Bankgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Darlehnsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Depotgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 f. Devisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Einlagenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Einlagensicherungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Emissionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Filialen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Finanzinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Geschäftsbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Insiderhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 ff. Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15, 16 Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Nationalbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Nicht-Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Pfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 24 Registrierung (Sicherungsrechte an Mobilien) . . . 26 Scheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Verbraucherkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Wertpapiermarkt (Aufsicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Wertpapiermarkt (Tätigkeiten) . . . . . . . . . . . . . 40 ff. Wirtschaftsgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zivilgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
A. Rahmenbedingungen
1
Das Banksystem der Ukraine wird derzeit als eher unterentwickelt beschrieben, allerdings mit einem im Vergleich zu den übrigen Staaten der GUS überproportionalen Wachstum. Der Grund für diesen relativen Rückstand dürfte zum einen in der Tatsache zu sehen sein, dass die Vergabe von Privatkrediten als maßgebendes Geschäftsfeld erst in jüngerer Zeit Bedeutung gewonnen hat. Zum anderen hinkte die Rechtsentwicklung in der Ukraine lange Zeit hinter derjenigen Russlands hinter her. Erst mit der Verabschiedung eines neuen Bankgesetzes 2001 und der Annahme eines Programms zur Entwicklung des Bankensektors durch die Nationalbank 2003 setze eine positive Entwicklung ein. Rechtspolitisch bekennt sich das Land zu einer Orientierung am Recht der Europäischen Union
Schramm
2824
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
mit dem Ziel einer zumindest mittelfristigen Annäherung. Grundlage der Beziehungen ist das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen vom 14.6.1994, in Kraft getreten am 1.3.1998, BGBl II 1997, S. 268. Die Annäherung des Bankenaufsichtsrechts an das Recht der EU ist darin ausdrücklich vorgesehen. Auf der anderen Seite ist die starke historische und wirtschaftliche Bindung an Russland zu berücksichtigen. 2
Eine Besonderheit des ukrainischen Zivilrechts ist es, dass es neben einem dem russischen ähnlichen Zivilgesetzbuch (ZGB) auch ein Wirtschaftsgesetzbuch gibt (WGB), in dem öffentlich- und privatrechtliche Normen zusammengefasst sind, deren Abgrenzung zum ZGB Schwierigkeiten aufwirft. In beiden Gesetzbüchern finden sich Bestimmungen zum Bankvertragsrecht, wobei die des Wirtschaftsgesetzbuches systematisch vorrangig sind, die des Zivilgesetzbuches jedoch regelmäßig ergänzend Anwendung finden. Unabhängig davon ist das ukrainische Recht dem kontinentaleuropäischen erkennbar anverwandt.
3
I. Banksystem. Das Banksystem der Ukraine ist zweistufig ausgestaltet, bestehend aus der Nationalbank und den Geschäftsbanken. Der Status und die Aufgaben der Nationalbank sind geregelt in einem entsprechen Gesetz aus dem Jahr 1999. Die Verantwortlichkeit der Nationalbank für die Geldwertstabilität ist dabei in der Verfassung der Ukraine vom 28.6.1996 ebenso wie das Verfahren der Besetzung der wichtigsten Ämter festgelegt. Danach wird der Präsident der Nationalbank auf Vorschlag des Präsidenten vom Parlament gewählt, die Mitglieder des Nationalbankrates je zur Hälfte vom Parlament und vom Präsidenten bestimmt. Die Unabhängigkeit der Nationalbank ist im NatBankG sowohl in organisatorischer als auch in juristischer Hinsicht festgelegt. Maßgeblich sind hier die Bestimmungen, denen zu Folge die Nationalbank im Gefüge der Staatsorgane zur Rechenschaft und zur Zusammenarbeit verpflichtet ist, eine darüber hinausgehende Einflussnahme aber unstatthaft ist (Art. 51–54 NatBankG). Gestützt wird diese Regelung durch eine genaue Festlegung der Umstände, unter denen der Nationalbankpräsident abberufen werden kann (Art. 18 NatBankG). Organisatorisch besteht die Nationalbank aus der Verwaltung mit dem Nationalbankpräsidenten an der Spitze und dem für die grundlegenden Entscheidungen zuständigen und aus 15 Mitgliedern bestehenden Nationalbankrat, dem der Nationalbankpräsident ex officio angehört (Art. 8 ff. NatBankG). Die Zuständigkeiten der ukrainischen Nationalbank entsprechen denen einer Zentralbank, zu denen die Aufgabe der Bankenaufsicht hinzutritt (Art. 6, 7 NatBankG). Besonders zu erwähnen sind hier die Verantwortlichkeit für die Geld- und Währungspolitik, einschließlich der Festlegung von Mindestreserven, der Regelung des Zahlungsverkehrs, die Zuständigkeit für die Regelung der Bankgeschäfte und der Rechnungslegung der Geschäftsbanken sowie die Bankenregulierung und die Ausübung der Aufsicht über sie, einschließlich der Funktion des Kreditgebers der Geschäftsbanken.
4
Grundlage der Tätigkeit der Geschäftsbanken, von denen Ende 2007 175 mit einer Lizenz ausgestattet waren – darunter 47 Banken mit ausländischer Beteiligung und zwei staatliche Banken, die Sparkasse (Oščadbank) und die Export-Import-Bank (Oneximbank) –, ist das Gesetz über Banken und Bankentätigkeit vom 7.1.2000. Danach können Geschäftsbanken sowohl als Universal- als auch als Spezialbanken tätig werden. Zu den letzteren zählt das Gesetz die Spar-, Investment- und Hypothekenbanken sowie die Clearinghäuser, Art. 4 BankG. Zulässige Rechtsformen, mittels derer Bankgeschäfte betrieben werden dürfen, sind seit September 2006 die Rechtsform der Aktiengesellschaft offenen Typs (Art. 6 BankG) sowie der Genossenschaft. Die Bildung von ‚Bankvereinigungen‘, zu denen das Gesetz insbesondere Bank- und Finanzholdings zählt, unterliegt der Pflicht zur Genehmigung durch die Nationalbank (Art. 9 BankG). Zu den Geschäften, die nach Art. 47 BankG nur auf der Grundlage einer Banklizenz durchgeführt werden dürfen, gehören das Einlagen-, das Kredit- und das Girogeschäft.
5
Schramm
§ 78 Länderteil – Ukraine
2825
Auf der Grundlage einer solchen Lizenz ist es einer Bank erlaubt, die folgenden weiteren Bankgeschäfte auszuführen: Devisenhandel, die Organisation des Wertpapierhandels, Wertpapierhandel für Dritte und im eigenen Namen, Emissionsbegleitung, Garantiegeschäft, Leasing, Factoring, Verwahrungsgeschäft, die Ausgabe und den Ankauf von Zahlungsinstrumenten (Scheck, Wechsel u.a.), die Ausgabe von Bankzahlungskarten. Die Vornahme weiterer Arten von Bankgeschäften erfordert eine zusätzliche, spezielle Erlaubnis der Nationalbank. Dazu gehören ua.: das Investmentgeschäft, der Handel mit Geldmarktinstrumenten und Derivaten, die treuhänderische Vermögensverwaltung (Art. 1029 ff. ZGB) sowie die Tätigkeit der Depositare und der Führung der Register der Inhaber von Namenswertpapieren. Ein staatliches Einlagensicherungssystem wurde mit Gesetz vom September 2001 geschaffen. Die Teilnahme an diesem System ist für Banken obligatorisch, die durch Beiträge die Finanzierung des Fonds sicherstellen. Garantiert wird jedem Einleger, bei dem es sich um eine natürliche Person handeln muss, seit 2007 die Rückzahlung der Einlage in Höhe bis max. 50.000,- UAH. Die Einlagen in der staatlichen Sparkasse werden durch den Staat garantiert (Art. 57 BankG). II. Bankenaufsicht. Grundlegend für die Regelung der Bankenaufsicht ist die Unterscheidung zwischen Kreditinstituten und Finanzinstituten. Während letztere Finanzdienstleistungen erbringen (Art. 4 FinDlG), sind ausschließlich Kreditinstitute berechtigt, auf der Grundlage von Einlagen Kredite auszureichen. Banken sind Kreditinstitute, die zudem noch mindestens zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs berechtigt sind (Art. 2 BankG ‚Bank‘). Bestimmungen über die Bankenaufsicht sind zunächst im NatBankG enthalten. Hier finden sich die einschlägigen Ermächtigungen, die die Nationalbank in den Stand versetzen, Aufsichtsregeln zu erlassen, Informationen einzuholen und Mindestreserven vorzuschreiben (Art. 55–63 NatBankG). Die maßgeblichen aufsichtsrechtlichen Vorschriften sind daneben im BankG zu finden. Diese lassen sich unterschieden in Regelungen zur Zulassung zum Geschäftsbetrieb, allgemeine Aufsichtsvorschriften und Maßnahmen im Einzelfall. Die Zulassung zum Geschäftsbetrieb erfolgt auf der Grundlage einer Registrierung bei der Nationalbank in Verbindung mit dem Erwerb einer allgemeinen oder speziellen Lizenz zur Vornahme von Bankgeschäften (Art. 17 ff. BankG). Voraussetzungen hierfür sind u.a. die Einzahlung eines Mindestsatzungskapitals in Höhe von 10 Mio. Euro, die Existenz eines aus mindesten drei Personen bestehenden Vorstands und die Beachtung von Vorschriften zur organisatorisch-rechtlichen Ausgestaltung. Die Zulassung von Banken mit ausländischer Beteiligung erfordert zusätzlich die Vorlage von Dokumenten, die die Ordnungsmäßigkeit der Beteiligung belegen. Eine Zweckmäßigkeitsprüfung oder eine quantitative Begrenzung ausländischer Beteiligungen am Bankensektor gibt es derzeit nicht. Der Anteil ausländischer Banken am Satzungskapital des gesamten Bankensektors lag zum 1.1.2008 bei 35 %. Der Erwerb einer wesentlichen Beteiligung, die das Gesetz ab der Schwelle von 10 % als gegeben ansieht, erfordert die Genehmigung der Nationalbank (Art. 34 BankG). Diese darf verweigert werden, wenn der Erwerber u.a. keine tadellose Reputation vorweisen kann oder der Erwerb die Interessen der Einleger oder das Wettbewerbsumfeld des Bankensektors bedroht. Die Zulassung von Filialen und Vertretungen ausländischer Banken wurde im November 2006 umfassend neu geregelt. Danach ist nunmehr auch die Eröffnung einer Filiale zulässig, sofern diese mit einem Dotationskapital in Höhe von ebenfalls mindestens 10 Mio. Euro ausgestattet ist Die allgemeine Aufsichtsvorschriften folgen westlichen Vorbildern. Die Grenze der Adäquanz der Eigenmittel wird bei 8 % festgelegt, mit befristeten Ausnahmen für den
Schramm
6
7
8
9
10
2826
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
Zeitraum der Aufnahme des Geschäftsbetriebs (Art. 35 BankG). Weiter sind die Banken zur Bildung gesetzlicher Reserven verpflichtet, in der Führung von anderen als Bankgeschäften und Investitionstätigkeit beschränkt und haben Grenzen bei der Kreditvergabe zu beachten. Eigens geregelt sind dabei die Kredite an verbundene Unternehmen (Art. 52 BankG). Aufgrund einer allgemeinen Ermächtigungsnorm zum Erlass von Vorschriften zur Begrenzung der Tätigkeit von Banken und zur Aufsicht hat die Nationalbank verschiedene Normativakte erlassen. Zu den wichtigsten gehören die Instruktion über die Regelung der Bankentätigkeit und die Vorschriften zur Bildung von Reserven für Kreditrisiken. Die Regelung der Bankentätigkeit erfolgt in Form der sog. ökonomischen Kennziffern, von denen 13 in der einschlägigen Instruktion niedergelegt sind. Sie beziehen sich auf das Kapital einer Bank, Anforderungen an die Liquidität, das Kreditrisiko und Investitionsrisiken, und folgen den Vorgaben des Baseler Bankenausschusses. Die Vorschriften zur angemessenen Bewertung von Kreditrisiken dienen dagegen bereits der Umsetzung der Anforderungen aus den unter der Bezeichnung ‚Basel II‘ bekannten Empfehlungen. Die Rechnungslegung der Banken erfolgt seit 1999 entsprechend den Regeln der IAS (Art. 69 ff. BankG). 11
Die Vorschriften zum Bankgeheimnis sind Bestandteil des Bankgesetzes. Danach unterliegen die kundenbezogenen Daten der Geheimhaltung. Aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung oder auf Anfrage bestimmter, im Gesetz aufgeführter staatlicher Behörden, ist die Bank jedoch verpflichtet, diese Informationen auch ohne Zustimmung des Kunden herauszugeben.
12
Bestimmungen zur Verhinderung von Geldwäsche haben ebenfalls Eingang in das Bankgesetz gefunden, sind daneben aber auch in einem eigenen Gesetz niedergelegt. Die näheren Einzelheiten hierzu, insbesondere die sich hieraus ergebenden Pflichten der Banken sind in einer entsprechenden Verordnung der Nationalbank enthalten.
13
Die Eingriffsbefugnisse der Nationalbank im Einzelfall sind im Gesetz eingehend geregelt. Dazu gehören zunächst die Befugnisse zur Inspektion vor Ort, die vorzunehmen die Nationalbank sowohl nach Plan als auch unangemeldet berechtigt ist, und die sich auf die Inhaber einer wesentlichen Beteiligung erstrecken kann. Die möglichen Sanktionsbefugnisse sind in Art. 73 BankG einzeln aufgeführt. Sie reichen von einer schriftlichen Aufforderung zur Vornahme oder Unterlassung bestimmter Handlungen über die Möglichkeit des Abschlusses eines Vertrages bis hin zu dem Recht, verbindliche Anordnungen zu geben. Letztere können u.a. das Verbot zur Vornahme bestimmter Handlungen zum Inhalt haben, die Verhängung von Strafen, die Absetzung von Leitungspersonen und die Ernennung eines zeitweiligen Verwalters. Hinzu kommt die Möglichkeit des Lizenzentzugs. Schließlich ist die Nationalbank als zuständiges Aufsichtsorgan verantwortlich für die Verhängung von Maßnahmen zur zeitweiligen Verwaltung bis hin zur Liquidation einer Bank (Art. 75–98 BankG). Gegen die Entscheidungen der Nationalbank steht der Rechtsweg offen, ohne dass die Erhebung einer Klage der Maßnahme die sofortige Vollziehbarkeit nimmt (Art. 99 BankG). III. Wichtige Rechtsgrundlagen. Zu den wichtigsten Normativakten gehören die nachfolgenden Bestimmungen: Zivilgesetzbuch der Ukraine vom 16.1.2003, in Kraft seit dem 1.1.2004; Wirtschaftsgesetzbuch der Ukraine vom 16.1.2003, in Kraft seit dem 1.1.2004; Gesetz Nr. 679 – XIV ‚über die Nationalbank der Ukraine‘ (NatBankG) vom 29.5.1999, Website http://www.bank.gov.ua/; der Gesetzestext in englischer Sprache ist zu finden auf der Website des Parlaments: http://zakon. rada.gov.ua/; Ordnung über die Regulierung der Liquidität ukrainischer Banken durch die Nationalbank der Ukraine, bestätigt durch Beschluss der Nationalbank Nr. 378 vom 26.9.2006; Gesetz Nr. 2121-III ‚über Banken und Bankentätigkeit‘ (BankG) vom 7.1.2000; Gesetz Nr. 979-IV
Schramm
§ 78 Länderteil – Ukraine
2827
über den Hypothekenkredit, Geschäfte mit konsolidierten Hypothekenanleihen und Hypothekenzertifikaten vom 19.6.2003; Gesetz Nr. 1576-XII ‚über die Wirtschaftsgesellschaften‘ vom 19.9.1991; Gesetz Nr. 2299-II ‚über Institute zu gemeinsamen Investitionen (Anteils oder Gesellschaftsinvestitionsfonds)‘ vom 15.3.2001; Gesetz Nr. 2740-III ‚über den Garantiefonds der Einlagen natürlicher Personen ‘vom 20.9.2001; Gesetz Nr. 2664-III ‚über Finanzdienstleitungen und die staatliche Regulierung des Finanzdienstleistungsmarktes‘ (FinDlG) vom 12.7.2001; Instruktion über das Verfahren der Bankentätigkeit in der Ukraine, bestätigt durch Beschluss der Nationalbank Nr. 368 vom 28.8.2001; Ordnung über das Verfahren der Bildung und Nutzung von Reserven zur Entschädigung möglicher Schäden aus Kreditgeschäften der Banken, bestätigt durch Beschluss der Nationalbank Nr. 279 vom 6.7.2000; Instruktion über die Rechnungslegung und Publizität der Banken in der Ukraine, bestätigt durch Beschluss der Nationalbank Nr. 598 vom 7.12.2004; Gesetz Nr. 249-IV über die Vermeidung und Bekämpfung der Legalisierung von Einkünften aus Straftaten (Geldwäsche) vom 28.11.2002; Verordnung über die Ausübung des Finanzmonitorings durch Banken, bestätigt durch Beschluss der Nationalbank Nr. 189 vom 14.5.2003; Verordnung über die Anwendung von Eingriffsmaßnahmen durch die Nationalbank wegen einer Verletzung der Bankgesetzgebung, bestätigt durch Beschluss der Nationalbank Nr. 369 vom 28.8.2001; Regeln über die Informierung der Verbraucher über die Umstände einer Kreditvergabe und den Gesamtwert eines Kredits durch die Banken der Ukraine, bestätig durch Beschluss der NB Nr. 168 vom 10.5.2007; Gesetz Nr. 2704-IV über die Organisation und den Umlauf von Kreditgeschichten‘ vom 23.6.2005; Ordnung über das Verfahren der Vergabe von Garantien in nationaler und ausländischer Valuta, bestätigt durch Beschluss der NatB Nr. 639 vom 15.12.2004; Gesetz Nr. 2654-XII über das Pfand vom 2.10.1992; Gesetz Nr. 1255-IV über die Sicherung der Ansprüche der Kreditoren und der Registrierung von Belastungen (BelRegG) vom 18.11.2003, in deutscher Übersetzung in: Breidenbach (Hrsg.), WiRO – Handbuch, Band 4, Ukr 230; Ordnung des Verfahrens der Führung des staatlichen Registers von Belastungen des beweglichen Vermögens, bestätigt durch Beschluss des Ministerkabinetts Nr. 830 vom 5.7.2004; Instruktion über das Verfahren der Eröffnung, der Nutzung und der Schließung von Konten in nationaler und ausländischer Währung, bestätigt durch Beschluss der NatB Nr. 492 vom 12.11.2003; Gesetz Nr. 2346-III ‚über das Zahlungssystem und Geldüberweisungen in der Ukraine‘ (ZsGüG) vom 5.5.2001. Dazu ergänzend Instruktion über bargeldlose Überweisungen in nationaler Währung, bestätigt durch Beschluss der NatB Nr. 22 vom 21.1.2004; Ordnung über das Verfahren der Durchführung des Geschäfts mit Dokumentenakkreditiven zur Abrechnung bei Außenhandelsgeschäften durch bevollmächtigte Banken, bestätigt durch Beschluss der NatB Nr. 514 vom 3.12.2003; Gesetz Nr. 723/97-VR ‚über Finanz-Leasing‘ vom 16.12.1997; Dekret des Ministerkabinetts ‚über das System der Währungsregulierung und -kontrolle‘ (WäD) vom 19.2.1993; Ordnung über die Währungskontrolle, bestätigt durch Beschluss Nr. 49 vom 8.2.2000; Gesetz Nr. 448/96-VR über die staatliche Regulierung des Wertpapiermarktes vom 30.10.1996; Gesetz Nr.1201-XII über Wertpapiere und den Fondsmarkt (WPMG) vom 18.6.1991, novelliert durch Gesetz Nr. 3480-IV vom 23.2.2006; Gesetz Nr. 710/97-VR ‚über das nationale Depositarsystem und die Besonderheiten des elektronischen Umlaufs von Wertpapieren‘ (NatDepG) vom 7.12.1997; Verordnung über die Registrierung der Ausgabe von Aktien, bestätigt durch Beschluss der Wertpapierkommission Nr. 942 vom 26.4.2007, über die Registrierung der Ausgabe von Aktien bei der Gründung von Aktiengesellschaften, bestätigt durch Beschluss der Wertpapierkommission Nr. 487 vom 15.3.2007, über die Emission von Unternehmensobligationen und ihren Umlauf, bestätigt durch Beschluss der Wertpapierkommission Nr. 1187 vom 26.10.2006, über die Registrierung der Ausgabe von Aktien bei der Reorganisation von Aktiengesellschaften, bestätigt durch Beschluss der Wertpapierkommission Nr. 221 vom 30.12.1998; Lizenzbedingungen für die Ausübung der Tätigkeit als Depositar, bestätigt durch Beschluss der Wertpapierkommission Nr. 349 vom 26.5.2006; Lizenzbedingungen für die Ausübung der Tätigkeit als Wertpapierhändler, bestätigt durch Beschluss der Wertpapierkommission Nr. 346 vom 26.5.2006; Regeln der Ausübung der Tätigkeit der Broker, Dealer, des Underwritings und der Wertpapierverwaltung, bestätig durch Beschluss der Wertpapierkommission Nr. 1449 vom 12.12.2006; Verordnung über die Offenlegung von Informationen durch Wertpapieremittenten, bestätigt durch Beschluss der Wertpapierkommission Nr. 1591 vom 19.12.2006.
Schramm
2828
14
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
B. Kredit und Kreditsicherheiten Die Grundlagen der Rechtsbeziehungen zwischen Geschäftsbanken und ihren Kunden einschließlich des Kreditgeschäfts finden sich in erster Linie im ZGB, darüber hinaus aber auch im WGB und im BankG. Im BankG sind einige grundlegende Bestimmungen zu den Pflichten einer Bank gegenüber ihren Urkunden niedergelegt. Dazu gehören die Pflicht der Bank, ‚alle Anstrengungen zu unternehmen, um Interessenkonflikte zu vermeiden‘, und dem Kunden die vorgeschriebenen Informationen über ihre Dienstleistungen zu geben (Art. 55, 56 BankG). Das WGB enthält einen eigenen Abschnitt zu den ‚Besonderheiten der rechtlichen Regulierung finanzieller Tätigkeiten‘, der sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Vorschriften umfasst (Art. 333–351 WGB).
15
Ergänzend kommen daneben die detaillierteren Vorschriften des ZGB zur Anwendung, wo zwischen dem speziellen Kredit der Finanzinstitutionen (Art. 1054–1057 ZGB) und dem allgemeinen Darlehensvertrag (Art. 1046–1053 ZGB) unterschieden wird, dessen Bestimmungen subsidiär auf den Kreditvertrag Anwendung finden. Die Grundlagen des Kreditsicherungsrechts sind ebenfalls im ZGB niedergelegt, wobei hier weitergehende spezialgesetzliche Vorschriften zu berücksichtigen sind. Spezielle gesetzliche Vorschriften zur Zulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind zwar unter dem Begriff des ‚Adhäsionsvertrages‘ im Zivilgesetzbuch niedergelegt (Art. 634 ZGB). Praktische Bedeutung kommt der gerichtlichen Kontrolle, soweit ersichtlich, im Bankvertragsrecht jedoch noch nicht zu.
16
I. Kredit. Kennzeichen eines Kreditvertrages sind nach ukrainischem Recht die befristete Überlassung von Geld auf der Grundlage eines notwendiger Weise schriftlich geschlossenen Konsensualvertrages (Art. 345 WGB, Art. 1054, 1055 ZGB). Hinsichtlich des notwendigen Inhalts finden sich sowohl im WGB als auch im FinDLG Vorgaben (Art. 345 WGB, Art. 6 FinDLG). Danach gehören zu den Essentialia eines Kreditvertrages Angaben zu den Parteien, dem Zweck, der Summe des Kredits, der Verzinsung, den Bedingungen der Auszahlungen sowie der Tilgung und den Folgen einer Pflichtverletzung.
17
Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang zudem spezielle Vorschriften zu den Verbraucherkrediten. Danach sind Geschäftsbanken verpflichtet, die Kreditnehmer über den genauen Inhalt des Vertrages zu informieren, insbesondere den Gesamtwert des Vertrages. Diese haben wiederum die Kenntnisnahme schriftlich zu bestätigen. Die Bestimmung des Zinssatzes obliegt den Vertragsparteien. Die Pflicht zur Rückzahlung wird fällig gemäß der vertraglichen Bestimmung aufgrund des Eintritts eines festgelegten Datums oder aufgrund vorheriger Kündigung. Ist der Kreditnehmer mit der Rückzahlung des gesamten Kredits im Verzug, so kann der Kreditgeber neben der Rückzahlung eine Vertragsstrafe dann geltend machen, wenn diese im Vertrag vorgesehen ist. Die Einforderung eines darüber hinaus gehenden Schadensersatzes wird dadurch nicht ausgeschlossen. Gerät der Kreditnehmer mit der Rückzahlung einer Rate in Verzug, so kann nach der gesetzlichen Regelung der Kreditgeber ohne weitere Voraussetzungen die Rückzahlung der verbliebenen Summe einschließlich der dafür zu zahlenden Zinsen verlangen. Die Frage der Sammlung von Informationen über Kreditnehmer und ihre Zahlungsmoral ist in einem eigenständigen Gesetz geregelt. Danach werden Information entweder mit der Zustimmung des Betroffenen oder aus öffentlichen Quellen in einer zentralen Einrichtung (‚Büro der Kreditgeschichten‘) gesammelt und Banken sowie Finanzeinrichtungen zugänglich gemacht.
18
II. Kreditsicherheiten. Ausgangspunkt von Erörterungen zu den Kreditsicherheiten sind die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches. Dort sind, ähnlich wie im russischen ZGB, die
Schramm
§ 78 Länderteil – Ukraine
2829
Wege der ‚Gewährleistung der Pflichterfüllung‘ in einem eigenen Kapitel aufgeführt (Art. 346 II WGB, Art. 546 ff. ZGB). Dem Wortlaut des Gesetzes nach ist eine Besicherung auch in anderen als den im ZGB genannten Formen möglich. Zu den aus Sicht der Bankpraxis relevanten Formen des ZGB gehören dabei die Bürgschaft, die Garantie und das Pfandrecht. Allen gemeinsam ist, dass die zugrunde liegenden Verträge der Schriftform unterliegen und alle Sicherungsmittel insoweit akzessorisch sind, als die Unwirksamkeit der gesicherten Forderung die Unwirksamkeit des Sicherungsvertrages nach sich zieht. Insbesondere auf dem Gebiet der dinglichen Sicherheiten ist es darüber hinaus zu einer Spezialgesetzgebung gekommen, auf die nachfolgend einzugehen ist. Die Bestimmungen des ZGB zur Bürgschaft sind denen des BGB vergleichbar (Art. 553– 559 ZGB). Sie ist ebenfalls akzessorisch ausgestaltet und unterliegt nach allgemeinen Regeln der Schriftform. Gesetzlicher Regelfall ist eine gesamtschuldnerische Haftung von Schuldner und Bürge, die aber vertraglich in eine subsidiäre Haftung umgeändert werden kann.
19
Abweichend von den allgemeinen Bestimmungen ist die Garantie nicht akzessorisch ausgestaltet (Art. 560–569 ZGB, Art. 562 ZGB). Inhalt einer Garantie ist die Übernahme des Versprechens, für die Erfüllung einer Verbindlichkeit einzustehen. Nach Geltendmachung der Garantie und Vorlage der vertraglich vorgesehenen Dokumente ist der Garant berechtigt, den Anspruch während einer vernünftigen Frist zu prüfen. Er ist zur Zurückweisung des Anspruchs nur berechtigt, wenn der geltend gemachte Anspruch oder die Dokumente nicht den vertraglichen Voraussetzungen entsprechen.
20
An dinglichen Sicherheiten kennt das ZGB nur das Pfandrecht (Art. 572–594 ZGB), das als Oberbegriff für die Hypothek, die nur an unbeweglichem Vermögen eingeräumt werden kann, und das Faustpfand, das voraussetzt, dass eine Besitzübertragung verwendet wird. Durch Gesetz vom November 2003 wurde in Anlehnung an das EBRD Modellgesetz ‚on secured transactions‘ ergänzend ein besitzloses Registerpfandrecht eingeführt.
21
Grundlage des Hypothekenrechts ist das Gesetz über die Hypothek vom Juni 2003. Gegenstand einer akzessorisch ausgestalteten Hypothek können danach nur unbewegliche Sachen sein, wobei zu berücksichtigen ist, dass Gebäude sonderrechtsfähig sind. Eine Hypothek entsteht auf der Grundlage eines notariellen Vertrages, dessen notwendiger Inhalt im Gesetz festgelegt ist, und unterliegt der staatlichen Registrierung, die jedoch nur insoweit konstitutiv ist, als es um die Rangwirkung gegenüber Dritten geht. Die Registrierung von Rechten an unbeweglichem Vermögen erfolgt derzeit noch über die ‚Büros für technische Inventarisierung‘. Verantwortlich für die Führung der staatlichen Register ist grundsätzlich das Justizministerium, das diese Register in Gestalt des staatlichen Unternehmens ‚Justizinformcenter‘ verwaltet (http://www.informjust.ua). Dort soll in Zukunft das Register der Eigentumsrechte an unbeweglichem Vermögen geführt werden. Funktionsfähig ist bereits das Hypothekenregister auf der Grundlage der vorläufigen Ordnung der staatlichen Registrierung von Hypotheken, bestätigt durch Beschluss des Ministerkabinetts Nr. 410 vom 31.3.2004. Mit einem Grundbuch nach deutschem Verständnis sind diese Register jedoch nur sehr eingeschränkt zu vergleichen.
22
Über die Forderung und die Hypothek wird ein Hypothekenbrief (‚Zastavna‘) ausgestellt, der mittels Indossament übertragen werden kann. Die Verwertung der Hypothek erfolgt auf der Grundlage eines Gerichtsurteils, einer notariellen Urkunde oder auch aufgrund des Vertrages über die Befriedigung des Gläubigers. Bei letzterem handelt es sich entweder um einen Teil des Hypothekenvertrages oder um einen eigenständig abgeschlossenen und notariell zu beurkundenden Vertrag zwischen den Parteien. Der mögliche Inhalt eines solchen Vertrages kann in dem Verfall des Hypothekengegenstandes
23
Schramm
2830
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
zu Gunsten des Gläubigers liegen oder auch der Ermächtigung zur Veräußerung des Gegenstandes zum Zwecke der Befriedigung. Der freihändige Verkauf ist zulässig auf der Grundlage einer Vereinbarung über den Mindestpreis oder eines Wertgutachtens, dessen Festlegung nicht unterschritten werden darf. Die Verwertung auf der Grundlage eines Gerichtsurteils oder einer notariellen Urkunde erfolgt mittels einer öffentlichen Versteigerung. 24
Mit Blick auf dingliche Sicherungsrechte an beweglichen Vermögensgegenständen kennt das ukrainische Recht grundsätzlich die Institute, die auch dem deutschen Betrachter vertraut sind, so das Pfandrecht an Sachen und Rechten (Art. 572–593 ZGB) und die gesetzlich zumindest nicht verbotene Sicherungsübereignung. Nach Art. 546 II ZGB sind andere vertraglich Arten der Erfüllungssicherung zulässig. Die Möglichkeit der Forderungsabtretung zum Zweck der Sicherung wird im ZGB im Rahmen des Factoring ausdrücklich erwähnt, Art. 1077 II ZGB.
25
Maßgeblicher Unterschied zum deutschen Recht ist jedoch, dass diese Rechte, soweit es sich um besitzlose Sicherungsrechte handelt, einer Registrierungspflicht unterliegen. Grundlage ist das Gesetz über die Sicherung der Ansprüche der Kreditoren und der Registrierung von Belastungen, das eine Registrierung von besitzlosen Sicherungsrechten an Gegenständen des beweglichen Vermögens, Sachen und Rechten, vorschreibt. Ansatzpunkt dieser Regelung ist entsprechend dem EBRD-Modellgesetz das Ziel, einerseits dinglich wirkende Sicherungsrechte an Gegenständen zu ermöglichen, die im Besitz des Sicherungsgebers bleiben, diese Sicherungsrechte aber durch die Eintragung in einem Register transparent zu machen. Entscheidender Ansatz ist danach, dass alle Arten von besitzlosen dinglichen Sicherungsrechten, also Pfandrecht, Sicherungsübereignung und Vorbehaltseigentum ihre Wirkung gegenüber Dritten im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung und der Insolvenz nur dann entfalten, wenn sie in dem dafür vorgesehenen Register eingetragen sind. Das Register ist öffentlich und wird unter der Ägide des Justizministeriums geführt, wobei jedoch die Eintragungen durch bevollmächtigte Personen, i.d.R. Notare, vorgenommen werden. Die Registrierung der Belastung begründet die Priorität der dinglichen Belastung vor zeitlich nachfolgenden Rechten und schließt den Verlust des Sicherungsrechts im Fall der Übertragung des Sicherungsgegenstandes grundsätzlich aus, sofern die Veräußerung nicht im gewöhnlichen Geschäftsgang erfolgt. Hinsichtlich der Wirkung der Eintragung ist zu unterscheiden. Ausgeschlossen wird allein der gute Glaube an die Freiheit von einer Belastung; nicht aber wird derjenige an die Existenz eines eingetragenen, in Wahrheit aber nicht bestehenden Sicherungsrechts geschützt. Die Verwertung der dinglichen Sicherungsrechte erfolgt regelmäßig durch freihändigen Verkauf oder durch Übertragung des Eigentums auf den Gläubiger. Allerdings benötigt der Gläubiger nach gegenwärtiger Rechtslage einen gerichtlichen Titel, um sich im Falle der Weigerung des Sicherungsgebers in den Besitz der Sache zu bringen.
26
C. Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen Das Recht der Bankkonten und des Zahlungsverkehrs ist in der Ukraine, wie in anderen Transformationsstaaten auch, in stärkerem Maße der staatlichen Normsetzung unterworfen, als in Staaten, in denen sich dieses Rechtsgebiet organisch entwickeln konnten. Dem gemäß finden sich die einschlägigen Normen verstreut in verschiedenen Gesetzen und untergesetzlichen Akten. Grundlegende Bestimmungen sind dagegen im ZGB niedergelegt.
27
I. Konto. Dem Bankkontovertrag ist im ZGB ein eigener Abschnitt gewidmet, in dem die wesentlichen Rechte und Pflichten der Parteien niedergelegt sind (Art. 342 WGB, Abschnitt 72, Art. 1066–1076 ZGB). Erwähnenswert ist hier, dass ein Anspruch auf Einrich-
Schramm
§ 78 Länderteil – Ukraine
2831
tung eines Kontos besteht. Der Überziehungskredit wird zwar in Art. 1069 ZGB erwähnt, aber nicht näher geregelt. Weitergehende Bestimmungen sind in einer Instruktion der Nationalbank enthalten. Hier werden die möglichen Arten von Konten näher bestimmt sowie die Voraussetzungen einer Kontoeröffnung durch In- und Ausländer. II. Zahlungsverkehr. Auch zum Zahlungsverkehr sind grundlegende Bestimmungen im ZGB niedergelegt (Art. 341, 343, 344 WGB, Abschnitt 74, Art. 1087–1106 ZGB), finden sich darüber hinaus aber auch in dem Gesetz über den Zahlungsverkehr. Geregelt werden die folgenden Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Grundlage einer Überweisung können neben dem im ZGB geregelten Überweisungsauftrag die im ZsGüG genannten weiteren Instrumente sein. Hervorzuheben ist dabei, dass die Bank zur Vornahme der Überweisung am Tag des Eingangs verpflichtet ist und Überweisungen zwischen Banken binnen dreier Tage ausgeführt sein müssen. Die Bank haftet gesetzlich sowohl für den Fall der verspäteten Ausführung als auch im Fall einer schuldhaften Fehlbuchung. Diese Bestimmungen erfassen darüber hinaus auch den InkassoAuftrag (Art. 1099–1101 ZGB) und die Geldkarten. Bestimmungen zum Akkreditiv, die sich erkennbar an den einheitlichen Richtlinien orientieren, sind gleichfalls im ZGB enthalten und werden in einer Ordnung der Nationalbank weiter spezifiziert (Art. 1093–1098 ZGB). Unterschieden wird dem gemäß zwischen einem widerruflichen und einem unwiderruflichen Akkreditiv. Eine Zurückweisung darf nur erfolgen, wenn die vorgelegten Dokumente in äußerlich erkennbarer Weise nicht den Akkreditivbedingungen entsprechen. Die Zahlungsabwicklung mittels Scheck vollzieht sich in Anlehnung an das einheitliche Scheckgesetz von 1931. Zum Verrechnungsscheck sind weitere Vorschriften im ZGB enthalten wie auch in der Instruktion über bargeldlose Überweisungen (Art. 1102–1106 ZGB). III. Weitere Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen. Als weiteres Bankgeschäft ist das Einlagengeschäft zu erwähnen, dessen Grundlagen ebenfalls im ZGB geregelt sind (Art. 1058–1065 ZGB). Unterschieden wird hier zwischen Einlagen auf Sicht und Termineinlagen, wobei natürliche Personen nicht auf ihr Recht zur vorzeitigen Kündigung auch von Termineinlagen verzichten können. Weiter sind hier Normen zur Verzinsung, zur Einlage zu Gunsten Dritter und zum Sparbuch enthalten. Der Leasingvertrag ist im ZGB als Unterfall des Mietvertrages geregelt (Art. 292, 351 WGB, Art. 806–809 ZGB), findet eine umfassende gesetzliche Regelung zudem aber im Gesetz über Finanz-Leasing. Hier wird die leasingtypische Konstruktion gesetzlich fixiert ebenso wie die Verlagerung des Risikos des zufälligen Untergangs auf den Leasingnehmer. Nur unzureichend geregelt sind allerdings die Fragen der Ausübung der Gewährleistungsrechte und der Übernahme des Insolvenzrisikos des Lieferanten. Spezielle Vorschriften zum Verbraucherleasing sind nicht ersichtlich. Im internationalen Rechtsverkehr ist darüber hinaus zu beachten, dass sich die Ukraine der einschlägigen UNIDROIT-Konvention angeschlossen hat. Über das Factoring kann berichtet werden, dass dazu ebenfalls ein Blick in das ZGB erste Erkenntnisse liefert (Art. 350 WGB, Abschnitt 73, Art. 1077–1086 ZGB). Auch hier entspricht die gesetzliche Konstruktion dem, was auch in westlichen Ländern darunter verstanden wird. Eventuelle Abtretungsverbote zwischen dem Zedenten und dem Schuldner sind unwirksam. Soweit vertraglich nicht anders bestimmt haftet der Zedent zwar für die Existenz der Forderung, nicht aber für die Erfüllung. Auch auf diesem Gebiet hat die Ukraine die entsprechende UNIDROIT-Konvention unterzeichnet.
Schramm
28
29
30
31
32
33
34
2832
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
35
Zu erwähnen ist schließlich die (treuhänderische) Vermögensverwaltung, die nach den Bestimmungen des FinDlG ebenfalls zu den Finanzdienstleistungen gehört und im Hinblick auf die privatrechtlichen Beziehungen im ZGB geregelt ist. Danach entspricht die Einräumung des Rechts zur Vermögensverwaltung einer Ermächtigung zur Vornahme von Verfügungen über das Vermögen gemäß dem Einverständnis des Treugebers. Gläubiger des Treugebers können nach der gesetzlichen Lage auf das übergebene Vermögen nur im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers zugreifen.
36
IV. Devisenverkehr. Das Devisenrecht der Ukraine findet seine Grundlage einstweilen noch in einem Dekret des Ministerkabinetts aus dem Jahre 1993. Danach unterliegt der Erwerb und der Handel mit Devisen weiterhin der Kontrolle der Nationalbank, die jedoch zunehmend gelockert wurde. So wird der Kurs der Hrywna von der Nationalbank auf der Grundlage des Interbankkurses weiterhin offiziell festgelegt. Verschiedene Devisengeschäfte dürfen ab einer bestimmten Größe weiterhin nur auf der Grundlage einer Lizenz der Nationalbank durchgeführt werden. Die Nutzung ausländischer Zahlungsmittel im Inland unterliegt ebenfalls Beschränkungen, für Fremdwährungskredite gelten wiederum eigene Regeln.
37
D. Kapitalmarktrecht Der ukrainische Kapitalmarkt ist zur Zeit noch in einer Phase des Aufbaus begriffen, die etwa derjenigen des russischen Marktes hinterher hinkt. In regulatorischer Hinsicht gibt es ebenfalls Nachholbedarf, nicht zuletzt im Hinblick auf die Novellierung des Aktienrechts. Gleichwohl ist auch dieser Markt im Wachstum begriffen.
38
I. Aufsicht über den Kapitalmarkt. Die Struktur der Aufsicht über den Kapitalmarkt ergibt sich aus dem Gesetz über die staatliche Regulierung des Wertpapiermarktes. Danach ist für die Regulierung und Aufsicht über den Wertpapiermarkt die staatliche Kommission für Wertpapiere und den Fondsmarkt zuständig (http://www.ssmsc.gov.ua/). Mit dem Ziel der Entwicklung des Fondsmarktes und des Schutzes der Investoren ist sie befugt, Normativakte zur Regelung der Ausgabe und des Umlaufs von Wertpapieren sowie über die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit von Teilnehmern des Wertpapiermarktes zu erlassen. Darüber hinaus gehört die Ausübung der Aufsicht über die Marktteilnehmer zu ihren Aufgaben. Zu diesem Zweck ist sie auch zur Verhängung von Bußgeldern berechtigt. Eine zweite Stufe der Aufsicht stellen die Berufsorganisationen der Wertpapiermarkteilnehmern dar, die verpflichtet sind, sich in sog. Selbstregulierungsorganisationen zusammen zu schließen (Art. 17 StRegWPMG, Art. 48, 49 WPMG). Neben der Wertpapierkommission gibt es seit 2001 die staatliche Kommission zur Regulierung des Finanzdienstleistungsmarktes, die zur Regulierung und Aufsicht über die weiteren Finanzdienstleistungen, insbesondere die Versicherungsbranche berufen ist (Art. 19 ff., insb. 21 FinDlG).
39
II. Die Geschäfte des Kapitalmarktes. Die Systematik der Geschäftstypen des ukrainischen Kapitalmarktes wird bestimmt durch das Gesetz über Wertpapiere und den Fondsmarkt, in welchem die genehmigungspflichtigen Tätigkeiten des Wertpapiermarktes definiert und somit die Infrastruktur des Markts vorgegeben wird. Das WPMG unterscheidet vier Arten professioneller Tätigkeiten, deren Zulassungs- und Ausübungsbedingungen in je eigenen Ausführungsbestimmungen der Wertpapierbehörde geregelt sind.
40
Normiert wird zunächst die Tätigkeit des Wertpapierhändlers, die im einzelnen den Handel für Dritte (Broker) und den Eigenhandel umfasst (Dealer) sowie die Emissions-
Schramm
§ 78 Länderteil – Ukraine
2833
begleitung (Underwriting) und die Portfolioverwaltung. Voraussetzung der Aufnahme einer Tätigkeit ist dabei die Einhaltung der Anforderungen an das Mindestanfangskapital, wobei für Banken spezielle Vorschriften gelten. In den Ausübungsregeln sind die Fragen des notwendigen Inhalts der Verträge zwischen Händler und Klient geregelt, sowie die jeweiligen Rechte und Pflichten einschließlich der Interessenwahrungspflicht. Ausgangspunkt der Regulierung der Tätigkeit der Depositare ist das Gesetz über das nationale Depositarsystem und die Besonderheiten des elektronischen Umlaufs von Wertpapieren. Nach diesem Gesetz werden die Tätigkeiten in Verbindung mit der Verwaltung und Verwahrung von Wertpapieren aufgrund der Tatsache, dass in der Ukraine Wertpapiere in dokumentierter und in dokumentenloser Form ausgeben werden, Aktien dabei aber notwendiger Weise als Namenswertpapiere ausgegeben werden müssen, unterteilt in die Tätigkeit der Depositare, der Verwalter und der Führer der Register der Namenswertpapiere. Maßgeblich ist dabei, dass für Tätigkeit der Depositare, die für die Aufbewahrung der Urkunden zuständig sind, eine ausschließliche ist. Aufgabe des Verwalters ist hingegen die Verwaltung der Wertpapierkonten, eine Tätigkeit, die gemeinsam mit anderen ausgeübt werden darf. Die Führung des Registers der Inhaber von Namenswertpapieren ist derjenigen eines Aktionärsregisters nach deutschem Aktienrecht im Ansatz vergleichbar. Allerdings sind die Emittenten verpflichtet, ab einer bestimmten Anzahl von Wertpapierinhabern die Registerführung einem Dritten zu übertragen. Weiter ist im WPMG die Tätigkeit der Organisation des Handels auf dem Wertpapiermarkt geregelt, die insbesondere die Tätigkeit der Börsen mit umfasst. Dabei wird die Abgrenzung zwischen Handelsorganisator und Börse danach getroffen, ob das System lediglich Information über Handelsabschlüsse anbietet oder ob die Mittel zum Vertragsschluss bereitgestellt werden. Eingehendere Bestimmungen zum Börsenorganisationsrecht sind im WPMG enthalten, darunter die Mindestanforderungen an das Eigenkapital und die Satzung. Tatsächlich kommt dem elektronischen Handelssystem PFTS die größte Bedeutung zu (http://www.pfts.com/). III. Wertpapieremissionen. Gemäß den Bestimmungen des WPMG unterliegt die Ausgabe aller Arten von Emissionswertpapieren der Registrierung durch die Wertpapierkommission, unabhängig davon, ob es sich um eine öffentliche oder um eine geschlossene Ausgabe handelt. Kennzeichen einer öffentlichen Ausgabe ist lediglich, dass sie von der Pflicht zur Erstellung eines Prospekts begleitet wird. Die vorherige Registrierung der Wertpapieremission und ggf. eines Prospekts entspricht dem Erfordernis einer staatlichen Genehmigung. Die eigentliche Unterbringung der Wertpapiere darf erst 15 Tage nach der Veröffentlichung des Prospektes und nach der Registrierung des Prospekts und der Emission durch die Kommission erfolgen, für die diese 30 Tage ab Eingang des Antrags auf Registrierung Zeit hat. In einem zweiten Schritt müssen dann auch die Ergebnisse der Unterbringung durch die Kommission registriert werden, bevor der Sekundärhandel beginnen darf. IV. Wertpapierhandel. An Regelungen, die den Sekundärhandel zum Gegenstand haben, sind zunächst die Bestimmungen zu den Publizitätspflichten zu erwähnen, die im WPMG niedergelegt sind (Art. 39–41 WPMG). Unterschieden wird hier zwischen regelmäßigen Publizitätspflichten, die eine jährliche und eine quartalsweise Rechnungslegung vorsehen, sowie die Pflicht zur ad hoc Publizität. Technisch erfolgt die Offenlegung über ein von der Wertpapierkommission betriebenes Internet-Portal. Darüber hinaus sind im WPMG Vorschriften über das Verbot der Nutzung von Insiderinformation enthalten. Im Zusammenhang mit der Neufassung dieser Bestimmung
Schramm
41
42
43
44
45
46
2834
Kap. VIII – Europäisches Bankrecht mit Länderabschnitten
wurde auch eine Vorschrift in das Strafgesetzbuch der Ukraine eingeführt, die den Missbrauch von Insiderinformationen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht (Art. 232-1 Strafgesetzbuch der Ukraine). Vorschriften, die öffentliche Übernahmeangebote regeln oder die Manipulation von Preisen auf den Wertpapiermärkten sanktionieren, konnten nicht ermittelt werden.
Schramm
Stichwortverzeichnis
2835
Stichwortverzeichnis Hinsichtlich der Stichwörter der Länderberichte wird auf die jeweils vorangestellten Inhalts- und Stichwortverzeichnisse verwiesen. Abtretung – Abtretungserklärung – Entgelt § 13 25 – Durchgangserwerb § 28 24 – Einziehungsermächtigung § 28 21 – Ersatzabsonderung § 28 14 – Ersatzakzessorietät § 28 10 – Forderungspfändung § 28 26, 45 – Forderungsstatut § 28 8, 21, 24, 25, 33 – Forfaitierung § 62 100 – Garantie § 62 94 – Gehaltsforderungen § 28 1, 20 – Genehmigung § 28 12 – Honorarforderungen § 28 18 – Konsumentenkredit § 28 1 – Lebensversicherung § 28 16 – Mantelzession § 28 7 – Sanierungskredit § 18 29 – UNIDROIT-Übereinkommen § 28 15 Ad-hoc-Mitteilungen § 52 69, s.a. Wertpapiere, Wertpapierhandel AGB § 1 27; § 40 46, 49; § 44 14, 19, 28; § 50 173 – Akkreditiv § 62 12ff – Anderkonto s. Anderkonto – Anderkonto § 41 39ff – Änderung § 3 8f – Angebotsunterlage für § 53 67 – Auslegung § 3 5, 17, 39, 45, 66 – Baubürgschaft § 26 34, 42, 44ff, 63ff, 76 – Bausparbedingungen § 17 9, s.a. Bauspardarlehen – Beweislastklauseln § 24 42 – Bürgschaft auf erstes Anfordern § 26 5, 8, 16 – Einbeziehung § 3 4, 7ff, 68; § 9 51ff – Einzugsaufträge § 3 53ff – Elektronischer Geschäftsverkehr § 9 51ff – Entgelte § 13 3ff, s.a. Entgelte – Erbe § 3 31 – geltungserhaltende Reduktion § 3 5 – Geschichte § 3 1 – Hauptleistungspflicht § 3 6, 67 – Inhaltskontrolle § 3 6 – internationale Regelwerke § 62 12ff – § 59 27ff, 103 – Kreditinstitute § 27 24, 30ff, 45, 51; § 74 60 – Leasingbedingungen § 21 80, 82, 103 – Leistungsbestimmungsrecht § 3 69f – Pfandrecht § 40 55
– Preis- und Leistungsverzeichnis § 3 57, 67f; § 40 32 – Rationalisierung § 3 2 – Rechtsgrundsätze § 24 6ff – Rechtswahl § 3 32; § 9 166f; § 74 59ff – salvatorische Klausel § 3 5 – Scheckverkehr § 46 5 – Schuldbeitritt § 31 43f – Sicherheitenrückgewähr § 24 45 – Sonderbedingungen § 3 3, 119f – Standardisierung § 3 2 – telefonische Weisungen § 3 66 – Testamentsvollstrecker § 3 31 – Typisierung § 3 2 – Überziehung § 3 74, 76 – Vollstreckungsunterwerfung § 24 44, s.a. Zwangsvollstreckung – weitergeleitete Aufträge § 3 22ff – Werkunternehmer § 27 44 – Zinsanpassungsklausel § 39 28 Agio, Bauspardarlehen § 17 19 Akkreditiv § 62 15ff – Abstraktion vom Grundgeschäft § 62 28 – Ankaufszusage § 62 22 – anwendbares Recht § 62 5, 30 – Auftragsverhältnis § 62 5 – Zahlungsanspruch § 62 30 – Aufrechnung § 62 42f – Auftrag zur Eröffnung eines Akkreditivs § 62 24ff – Auftrag zur Eröffnung eines Akkreditivs – Internationales Privatrecht § 62 57 – Auftrag zur Eröffnung eines Akkreditivs – Pflichten der Vertragsparteien § 62 24ff – Auftrag zur Eröffnung eines Akkreditivs – Rechtsnatur § 62 24 – Avisierung § 62 16 – Begünstigter § 62 23 – benannte Bank § 62 21, 51 – Bestätigung § 62 20, 50 – Deckungsverhältnis § 74 16 – deferred payment § 62 23 – Dokumentenprüfung – Prüfungsfrist § 62 39 – Umfang der Prüfungspflicht § 62 31ff – Zahlung unter Vorbehalt § 62 52 – Zurückweisung von Dokumenten § 62 40f – einstweiliger Rechtsschutz § 62 45
2836
Stichwortverzeichnis
– ERA § 62 12ff, 16 – Eröffnung § 62 16 – green clause § 62 23 – Interbankenverhältnis § 62 55f, 58 – Rechtsmissbrauch § 62 44f – red clause § 62 23 – Rembours § 62 55f – Rembourskredit § 62 108 – Rückabwicklung § 62 48 – Übertragung § 62 53 – Verfalldatum § 62 32 – Wechselakzept § 62 23 – wirtschaftliche Bedeutung § 62 15ff – Zahlstelle § 62 21, 51 – Zahlung unter Vorbehalt § 62 52 – Zahlungsanspruch – Abtretung § 62 54 – anwendbares Recht § 62 30 – Aufrechnung § 62 42f – Einwendungen § 62 42ff – Pfändung § 62 46f – Rechtsnatur § 62 28ff – Zahlungsverweigerung – Zahlungsverweigerung – wegen Dokumentenmängeln § 62 40f – Zahlungsverweigerung – wegen sonstiger Einwendungen § 62 42ff Akquisitionsvertrag § 49 39 Aktien § 50 12, 141 – Aktienanleihe § 50 145; § 54 28f – Aktienemission § 58 13, 30f, 40ff, s.a. Emission – Aktienoptionen § 50 144 Akzept s. Wechselakzept Akzeptkredit § 10 23; § 22 40; § 47 53f, s.a. Eigendiskont und Rembourskredit – Eigendiskont § 22 41 – Rembourskredit § 22 42 Akzessorietätsgrundsatz – akzessorische Sicherheiten § 25 2, 14f; § 27 11, 26; § 31 4, 9, 26, 30f, 38, 63, 84, s.a. Bürgschaft, Hypothek, Pfandrecht – Zinsakzessorietät § 10 9, 19; § 11 1 Allfinanzaufsicht s. Bankenaufsicht Allgemeine Geschäftsbedingungen s. AGB Allgemeiner Bankvertrag s. Bankvertrag All-in-fee § 51 63, s.a. Vermögensverwaltung Alpine Investment BV § 72 29 Altersvorsorge-Sondervermögen § 59 94 Anderkonto § 6 32, 38; § 41 – Abtretungsverbot § 41 65 – AGB – Begriffe § 41 39 – Einbeziehung § 41 55 – Notare § 41 73
– Patentanwälte § 41 75 – Rechtsanwälte § 41 72 – Steuerberater, Steuerbevollmächtigte § 41 74 – Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer § 41 74 – Begriff § 41 37ff – Berufsgesellschaft § 41 47, 51 – Debet § 41 56 – Formen § 41 53 – Gemeinschaftsanderkonten § 41 53 – Insolvenz § 41 68f – Kontoinhaber § 41 67f – Rechtsnachfolge § 41 66 – Sammelanderkonto § 41 54, 58 – Termingeld § 40 50f – Trennungspflicht § 41 59 – Umwandlung § 41 52 – Verfügungsbefugnis § 41 60f – Verpfändungsverbot § 41 65 – Verwaltungstreuhand § 41 4 – Zinsinformationsverordnung § 41 57 – Zurückbehaltungsrecht § 41 63 – Zwangsvollstreckung § 41 68f Andienungspflicht § 29 23, 60, s.a. Factoring Andienungsrecht § 21 7, 94, s.a. Leasing Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen § 74 36, 39, 41, 55 Anfechtung – Kontokorrent § 38 67ff – Leasing § 21 50ff – Sanierungskredit § 18 5, 34f – Schuldbeitritt § 31 31, 33, 49 Angemessenheitskontrolle, Entgelt § 13 13, s. Entgelte Ankaufszusage s. Akkreditiv Anlageausschüsse § 59 40, s.a. Investmentgeschäft Anlageberatung § 1 14, 20, 43, 44; § 4 63; § 50; § 74 49 – Abgrenzung zu Anlagevermittlung § 50 29 – Abgrenzung zur Vermögensverwaltung § 51 2, 7 – adäquate Kausalität § 50 188 – allgemeine Verhaltensregeln § 50 66 – Anlageberatungsvertrag § 50 3, 17, 23f, 28, 111 – anlagegerechte Beratung § 50 21 – Anlageobjekt § 50 109 – Anlageziel § 50 109ff, 129 – anlegergerechte Beratung § 50 21, 129; § 51 15, 23; § 55 45 – Anscheinsbeweis § 50 203 – Aufklärungspflichten § 50 117, 130, 174
Stichwortverzeichnis
– Auftrag § 50 3, 16 – Ausbildung und Schulung der Mitarbeiter § 50 96 – ausländische Papiere § 50 137 – Bauträgermodell § 50 149 – Beratung, Form der § 50 126 – Beratungsvertrag § 4 2; § 50 16, 106, 140, 206; § 51 11, 20 – besondere Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungen § 50 86 – Beweislastumkehr § 50 203 – Bond-Entscheidung § 50 21, 141 – Bonitätsrisiko § 50 137 – Börsentermingeschäfte § 50 145, 151 – Churning § 50 55; § 51 41 – Differenzeinwand § 50 101; § 55 72 – Direktbank § 50 63, 69, 185, 205 – Discount Broker § 50 59ff, 83 – Drittschadensliquidation § 50 16 – Effekten § 50 148 – Einordnung des Kunden § 50 21 – Empfehlung § 4 14; § 50 88, 118, 138 – Empfehlungsverbot § 50 90 – fehlerhafte § 50 8 – Finanzinnovation § 50 153 – Finanztermingeschäfte § 50 4, 63ff, 100, 122, 126, 145, 151 – Freizeichnung § 50 173 – Fremdwährungsanleihe § 50 146 – Garantie § 50 41 – Geldmarktinstrumente § 50 51 – Geschäftsbesorgungsvertrag § 50 3, 16, 27 – Gleichbehandlungsgrundsatz § 50 74 – Grundlagen § 1 14, 20, 43, 44 – Haftungsausschluss § 50 173 – Haftungsbeschränkungen § 50 173 – Handelsbrauch § 50 54 – Handelsvertreter § 50 192 – Hedge Fonds § 50 153 – Hilfspersonen § 50 192 – hypothetische Kausalität § 50 188 – Immobilien § 50 154 – Informationspflicht § 50 82 – Informationsquellen § 50 83, 116 – Interessenkonflikte § 50 71, 75f, 97, 134 – internationales Privatrecht § 50 209 – Investmentzertifikate § 50 13, 155 – Kassenverein § 50 166 – Kausalität § 50 188; § 51 59 – Kollisionsrecht § 50 209 – Kommanditbeteiligung § 50 156 – Kommissionsgeschäft § 50 27 – Kontobetreuung § 50 19, 34 – Kontrollabteilung § 50 98 – Kosten der Anlage § 50 136
2837
– Kunde § 50 79 – Kunde, professioneller § 50 80, 113 – laufende Geschäftsbeziehung § 50 34, 182 – Marktpreismanipulation § 51 41 – Mitarbeiter § 50 95f – Neue Finanzprodukte § 50 10, 122, 128, 131, 143, 153 – objektgerechte § 51 18, 25; § 55 45 – Obliegenheitsverletzung § 50 178 – Optionsgeschäft § 50 158 – Optionsscheine § 50 159 – Penny Stocks § 50 160, 202 – Rentenwerte § 50 14 – Risiken § 50 83, 104, 105f, 135f – Risikobereitschaft des Kunden § 50 110, 129 – Scalping § 52 90 – Schadensersatz § 50 170 – Schlechterfüllung des Vertrags § 50 25, 170 – Schriftform § 4 17; § 50 25, 170, s.a. Schriftform – schriftliche Information § 50 126 – Schutzgesetz § 4 9; § 50 16 – Schutzwirkung für Dritte § 50 16 – Steuervorteile § 50 186 – Telefonverkäufer § 50 197 – Termindirektgeschäft § 50 163 – Verbraucher § 50 101 – verbundenes Unternehmen § 50 88 – Verhaltensregeln § 50 66, 86, 106 – Vermögensverwalter § 50 7 – Vermutung für aufklärungsrichtiges Verhalten § 50 203 – Verschulden bei den Vertragsverhandlungen § 50 25 – Versicherungen § 50 15 – Vertrauensschaden § 50 184 – Vertraulichkeit § 50 97 – Vorteilsausgleich § 50 186 – Warentermingeschäfte § 50 165; § 55 63 – Wertpapierhandel § 52 32, 127 – Wissensstand (des Kunden) § 50 129 Anlagerichtlinien – Abweichungsbefugnis § 51 33 – Auslegung § 51 13, 34 – Einhaltung § 51 33, 58 – Inhalt § 51 12 – Pflicht zur Vereinbarung § 51 21 – Widerruf § 51 14 Anlagevermittlung § 50 18, 26f, 126ff, 140 Anlassrechtsprechung § 23 88ff; § 25 21f; § 28 3; § 31 44, 94 Anlassverbindlichkeit § 25 31, 95; § 28 3 Anleger, qualifizierte § 77 37 Anlegerschutz, Bankenaufsicht § 76 16
2838
Stichwortverzeichnis
Anlegerschutz, MiFID, Wertpapierhandel § 52 6 Anlegerschutzverbesserungsgesetz § 59 125 s.a. Investmentgeschäft Anleihen § 50 146 – Anleihebedingungen § 58 36ff – Emission § 58 12, 27ff, 35ff, s.a. Emission Annuitätendarlehen, Zinsrechnung § 12 24 Anschaffungskredit § 75 3, 11, 13, 16ff, 62 Anscheinsbeweis – Anlageberatung § 50 203 – elektronische Signatur § 9 107 – elektronischer Geschäftsverkehr § 9 108ff, 156ff – PIN, Kreditkarte § 49 33f – PIN/TAN-Verfahren, elektronischer Geschäftsverkehr § 9 111, 156 – Vermutung für aufklärungsrichtiges Verhalten § 50 203 Anschlusskredit § 28 46 Anschlusszession § 28 1, 28 Anwartschaftsrecht, Pfandrecht am § 40 52 Anwartschaftsrecht, vor Eintragung der Grundschuld § 24 28 Anwendbares Recht s.a. Länderübergreifende Geschäfte – Akkreditiv – Auftragsverhältnis § 62 5 – Zahlungsanspruch § 62 30 – Börsenort § 74 17 – Darlehen § 74 10 – Devisengeschäfte § 61 36 – Dokumenten-Akkreditiv § 74 15f – Dokumenteninkasso § 62 5, 61 – Electronic Banking § 9 166ff – engere Verbindung § 9 170; § 74 7 – Fernabsatz – Forfaitierung § 62 100 – Form von Rechtsgeschäften § 62 6 – Garantie § 62 5, 30 – Geschäftsfähigkeit § 62 6 – gewöhnlicher Aufenthalt § 74 8, 63 – Grundlagen § 62 4ff – Grundstücksbelegenheit § 74 8 – Güterbeförderungsverträge § 74 8 – Hauptniederlassung, Hauptverwaltung § 74 8 – Inkasso § 62 5, 61 – international zwingendes Recht § 74 67 – internationales Gesellschaftsrecht § 75 12, 23 – internationales Sachenrecht § 62 7 – internationales Vertragsrecht § 62 5 – internationales Wechselrecht § 62 101 – Kommissionsgeschäft § 74 49
– Lagerort § 75 11f, 22 – Parteiautonomie § 74 57 – Recht des Börsenorts § 74 17 – Rechtsfähigkeit – Rechtsfähigkeit – juristische Personen § 62 6 – Rechtsfähigkeit – natürliche Personen § 62 6 – Rechtswahl § 3 32; § 9 166f; § 74 56ff – Sicherungsgeschäfte § 62 7 – Sicherungsübereignung – Verbraucher § 9 163ff; § 74 53, 63 – Verbraucherschutz § 9 173, 175ff; § 62 103 – Vertragsstatut § 9 171ff; § 50 209 – Wertpapierdienstleistungen § 9 174 Arbeitgeberdarlehen § 15 86 – AGB-Kontrolle § 68 21ff – Aktienoptionen § 68 42ff – Arbeitsvertrag § 68 2f, 6ff, 20ff – Arbeitszeit § 68 27ff, 47ff – Ausschreibung, innerbetriebliche § 68 7 – Außertarifliche Angestellte § 68 4 – Bewerbungsverfahren § 68 8ff – Bonus § 68 29 – Compliance § 68 99ff – Diskriminierung § 68 10ff, 17, 123 – Einstellungsuntersuchung § 68 18 – Erkrankung § 68 76ff – Fragerecht § 68 10ff – Gehaltspfändung § 68 15 – Arbeitnehmer § 68 81ff – Kleiderordnung § 68 67 – Kündigung § 68 35, 44f, 66, 73, 77, 114ff – Mitarbeitergeschäfte § 68 100ff – Mitbestimmung § 68 5, 19, 36, 41, 51, 55, 61, 71, 105 – Nebenpflichten § 68 – Nebentätigkeiten § 68 69 – Tarifvertrag § 68 20, 21, 47, 49, 55f, 79f , 92 – Vergütung § 68 37ff – Veröffentlichung § 68 71 – Verschwiegenheit § 68 63, 107f – Versetzung § 68 72 – Whistleblower § 68 3, 99f, 114 – Zeugnis § 68 124 – Zielvereinbarung § 68 37ff Asset Backed Securities § 28 18 Aufbewahrungspflichten § 70 14; § 39 33ff Aufhebungsvertrag – Darlehen § 34 85, 135 – Girovertrag § 37 26 – Vermögensverwaltung § 51 67
Stichwortverzeichnis
Aufklärungspflichten § 4 – Anlageberatung § 50 130, 174; – Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden § 50 110 – Baufinanzierung § 4 56 – Bauherrenmodell § 4 57; § 15 178ff – Bauspardarlehen § 17 36, 58, 62 – besondere Gefährdungstatbestände § 4 53 – Bürgschaft § 4 70; § 15 55; § 25 82 – Bürgschaft auf erstes Anfordern § 26 8, 15 – Dispositionskredit § 19 4 – Effektengeschäft § 57 5, 52ff – Electronic Banking § 9 79 – Erwerbermodell § 15 178ff – Fehlbuchung § 37 25f – Finanztermingeschäfte § 54 20, 60, 62ff – Haftungsbeschränkung § 4 42 – Immobilienerwerb § 4 56 – Innenprovision § 4 50 – Institutionalisiertes Zusammenwirkern § 4 49, 57, 59 – Interessenkonflikte § 4 54 – Intransparenz § 4 60 – Kapitalanlage § 15 75 – Kausalität § 4 82; § 50 188; § 51 59 – know-your-customer-Prinzip § 4 25, 33 – know-your-merchandise-Prinzip § 4 30 – konkrete Einzelangaben § 15 106ff, 111ff, 115ff, 122, 123ff, 130ff, 138ff, 141ff, – konkreter Wissensvorsprung § 4 48 – Kreditgewährung § 4 44 – Kreditverwendung § 4 45 – Lebensversicherungshypothek § 15 166 – Schadensersatzanspruch § 33 15 – Schriftform § 4 17; § 50 127 – Schrottimmobilien § 4 59 – Schuldmitübernahme § 4 70 – Schutzzweck § 4 40 – Treuhandkontrolle § 4 57 – Überweisungsverkehr § 4 76 – Überziehungskredit § 15 28, 31, 37, 42 – Umschuldung § 4 61; 27 13, 22, 57 – variable Kredite § 15 42, 46 – Verbraucherkredit § 15 95ff – Vermögensverwaltung § 51 18, 30, 40, 59 – Vollmacht § 15 76f Aufrechnung – Akkreditiv § 62 42f – Aufrechungsbefugnis des Kunden § 3 30 – Aufrechungsverbote § 40 59 – Bauspardarlehen § 17 28 – Factoring § 29 40 – Girokonto § 45 51 – Lastschriftentgelt § 45 51 – Termingeldkonto § 40 59
2839
– Treuhandkonto § 41 25f, 63f Aufstockung des Darlehens § 33 9 Auftragsstrenge, Überweisung § 43 15, 36; § 44 13ff Aufwendungsersatzanspruch – Auslagen der Bank § 3 73 – Bürgschaft § 25 89 – EC-Karte § 48 37, 43 Ausfallbürgschaft § 25 100 Ausfallrisiko § 35 3, 7 Ausfuhrgarantien § 62 109f Ausgleich unter mehreren Sicherungsgebern § 27 14 Auskunft § 4 11; § 50 117 Auskunft, Bauspardarlehen Anwartschaft § 17 5 Auskünfte, Entgelt § 13 25 Auskunftspflicht – Bürgschaft § 6 60 – Geschäftsunerfahrenheit § 4 55 – Girokonto § 37 23, 31 – Hedgefonds, Hinweis § 56 53f – Schutzgesetz § 4 9; § 50 16 Auskunftsverweigerungspflicht § 6 11 Auskunftsverweigerungsrecht § 6 11, 43 Auslagerung, Investmentgeschäft § 59 16ff Ausländisches Recht § 74 6, 56, 67, s.a. Anwendbares Recht, Länderübergreifende Geschäfte Auslandskreditgeschäft – anwendbares Recht § 62 103 – Bestellerkredit § 62 105f – Rembourskredit § 62 107 Aussagegenehmigung § 6 29, 31 Aussonderungsrecht – Sicherungsübereignung § 42 39, 40 – Sicherungszession § 28 5 – Sperrkonto § 42 39, 40 Authentisierungsverfahren § 9 38ff Aval, Baubürgschaft § 26 47 Avalgeschäft § 26 22, s. auch Bürgschaft auf erstes Anfordern Avalkredit § 22 47; § 47 58 – Avalprovison § 22 49 – Garantiegeschäft § 22 48 Avalprovison § 22 49 BaFin § 1 5, 29, 38, 46; § 70 17ff; § 29 12; § 50 49; § 52 3, 43, 56, 79, 81ff, 107ff; § 65 5f, s.a. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Hedgefonds § 56 2, 22, 24, 31ff, 43f, 49, 59, 65 – Wertpapierhandel § 52 3, 43 Bagatellgeschäfte § 15 93; § 20 11 Ballonrate § 32 21
2840
Stichwortverzeichnis
Bank deutscher Länder § 64 2 Bankarbeitsrecht s. Arbeitsrecht Bankauskunft § 3 14ff, s.a. Auskunft Bankbilanzrichtlinie § 73 19 Bankenaufsicht – Abwicklung § 65 23 – Allfinanzaufsicht § 65 5, 7 – Amtshilfe § 76 40 – Anerkennung, gegenseitige § 76 9, 13 – Anfechtungsklage § 65 22, 24, 38 – Anlegerschutz § 76 16 – Anzeigepflichten § 65 3, 20, 25ff, 33ff – Aufnahmemitgliedstaat § 76 37, 39 – Aufsichtsbehörde § 76 3, 6, 16, 22ff, 32, 37ff – Auskunftsrecht § 65 39 – ausländische Institute § 65 10 – Bankenkrise § 72 19 – Bankensicherheit § 72 7 – Banklizenz § 72 7 – Basel I § 73 11 – Basel II § 19 19; § 73 55; § 76 1ff – Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht § 70 4, 17; § 73 10f – BCCI-Folgerichtlinie § 73 45 – Bezeichnungsschutz § 65 50f – Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht § 1 5, 29, 38, 46; § 65 5f – Bundesbank § 65 7, s.a. Bundesbank – Bußgeld § 65 43 – Depotprüfung § 65 37 – E-Geld-Institute § 74 32; § 76 20 – Eigenkapitalaufsicht § 1 48; § 76 48ff – Eigenkapitalerleichterungen § 55 70 – Eigenmittel § 65 29ff, 44; § 73 29; § 74 32 – Emissionsgeschäfte § 58 5 – Ergänzungskapital § 76 48, 51 – Erlaubnis § 65 14f, 23, 50 – Aufhebung § 65 23f – Auflagen § 65 16, 19 – Beschränkungen § 65 16 – Finanzdienstleistungen § 65 12 – Finanzinstitute § 76 17, 21 – Finanzkonglomerate § 65 31; § 73 53; § 74 32; § 76 22, 54 – Forum für Finanzmarktaufsicht § 65 7 – Fremdwährungsrisiken § 76 46 – Gefahr § 65 45ff – Geldwäsche § 70 16ff; 76 15 – Geschäftsleiter § 65 15, 17ff, 28; § 76 29 – Gesellschafter § 76 29 – Gewerbeaufsicht § 65 1 – Großkredit- und Millionenkreditverordnung § 55 66 – Großkreditaufsicht § 65 26; § 76 61 – Großkreditrichtlinie § 73 34§ 76 61
– Grundsätze § 39 3ff; § 55 70 – Handelsbuch § 76 46 – Herkunftslandprinzip § 76 15 – IFRS § 76 55 – Informationspflichten § 65 3 – informelle Maßnahmen § 65 21f – IRB-Ansatz § 76 2, 55 – Jahresabschluss § 65 35f – Kapitaladäquanz § 73 37; § 76 46 – Kernkapital § 76 49f – Konsolidierung § 76 43, 64f, 69ff – Kreditgeschäft § 65 25ff – Kreditinstitut § 76 13ff – Kreditrisiken § 76 45 – Lamfalussy-Prozess § 72 16, 18 – Lamfalussy-Verfahren § 76 14 – Liquidität § 40 7; § 65 29, 44; § 76 37, 48 – Millionenkredite § 65 27 – Mindestreserven § 39 3; § 64 9, 24 – Mindestreservepflicht § 40 24ff – Mindestreserveverordnung (MR-VO) § 40 15, 18, 24ff – Mutterkreditinstitut § 76 67 – Netting § 76 58 – Offenlegungspflicht § 65 32 – operationelle Risiken § 76 47 – Organkredite § 65 28 – qualifizierte Beteiligung § 76 29, 62 – Ratings § 65 30, 40 – Rechtsschutz § 65 22, 43 – Retailkredite § 19 19 – Securitisation § 76 55, 59 – Sitzlandprinzip § 74 36; § 65 1; § 76 26 – Solvabilität § 76 44ff – Sonderprüfungen § 65 38 – Tätigkeitsverbot § 65 21 – Termingeld § 40 24ff – Terrorismusfinanzierung § 70 10; § 76 15 – true sale § 76 59 – Umlage § 65 8 – verbotene Geschäfte § 65 13 – Verbriefung § 76 55, 59 – Verhältnismäßigkeit § 65 23, 39 – Verwaltungsakt § 65 3, 14, 21, 38, 42 – Werbung § 65 48f – Widerspruchsverfahren § 65 22, 38 – Zuverlässigkeit § 65 15, 19 Bankenkrise § 72 19 Bankensicherheit § 72 7, s.a. Bankenaufsicht Bankgarantie § 31 73ff – Deckungsverhältnis § 31 75 – Effektivklausel § 31 75 – Valutaverhältnis § 31 74 Bankgebühren s. Entgelte und Nebenentgelte
Stichwortverzeichnis
Bankgeheimnis § 2 35; § 3 10ff, 14ff – AGB § 3 10ff – Amtsverschwiegenheit § 6 7 – Ausforschungsdurchsuchung § 6 37 – Auskunftsverweigerungspflicht § 6 11 – Auskunftsverweigerungsrecht § 6 11, 43 – Aussagegenehmigung § 6 29, 31 – Berufshelfer § 6 31, 38 – Bürge § 6 60 – Drittschuldnererklärung § 6 30 – Effektengeschäft § 57 81 – Einwilligung zur Informationsweitergabe § 6 13, 54ff – Erbe § 6 18f, 26 – Geheimnisherr § 6 13, 17, 19f, 20, 26, 55f – Geschäftsgeheimnis § 6 3 – Grenzen § 3 12 – Hilfspersonen § 6 22, 28 – informationelles Selbstbestimmungsrecht § 6 5, 53 – inneres Bankgeheimnis § 6 23 – Insolvenzverfahren § 6 20, 29 – Negativtatsachen § 6 16 – Nicht-Kunden § 6 21 – Persönlichkeitsrecht § 6 4, 5, 53f, 62 – Pflichtenkollision § 6 50f – Scheck § 46 54 – SCHUFA § 5 5; § 6 57 – Steuernachzahlung § 6 63 – Subsidiaritätsgrundsatz § 6 44ff – Umfang § 3 10 – Verletzung § 3 12 – Vorpfändung § 6 30 Bankgeschäfte – Begriff und Arten § 1 2, 6 – Factoring § 29 11, 58 – risikoneutrale § 2 12 Bankkarte § 48 2, s.a. PIN Bankkonto s. Giroverhältnis Bankkontokorrent § 38 17, 31, s.a. Kontokorrent Banklizenz s. Bankenaufsicht Bankvertrag, allgemeiner § 2 3, 15; § 3 4; § 37 17; § 57 57 – Dienstvertrag § 2 15, 22 – Gleichbehandlungspflicht § 2 29 – Insolvenz § 35 36, 53 – Vertragsbegriff § 2 11 Bankvollmacht § 37 40 Bankzweigniederlassungsrichtlinie § 73 31 Barauszahlung § 37 14, 18; § 48 19 – an Vertreter § 37 43 – Ausschlussklauseln § 40 43 – Vergütung § 37 24 Barein- und -auszahlung, Entgelt § 13 24
2841
Bareinzahlung – Minderjährige § 37 13ff, 36 – Sonderregelung § 37 18 – Vergütung § 37 24 Bargeschäft s.a. Insolvenz – Dispositionskredit § 19 3 – Sanierungskredit § 18 37 Barüberweisung § 43 6, 14 Basel I § 73 11 Basel II § 18 2; § 19 19; § 73 55; § 76 1ff Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht § 70 4, 17; § 73 10f Baseler Eigenkapitalakkord s. Basel I Basket-Zertifikat § 54 30 Baubürgschaft § 26 30ff – Abänderungsverbot § 26 37, 39 – Ablösung eines Sicherungseinbehalts § 26 63ff – Abnahme § 26 40, 50, 55, 57, 62, 86 – Abschlagszahlungsbürgschaft § 26 30, 79f, 81ff – Abtretungsfalle § 26 59 – AGB § 26 34, 42, 44ff, 63ff, 76 – Aufrechnung § 26 28, 47, 70 – Ausgleich zwischen Mitbürgen § 26 60 – Auslegung § 26 31, 32, 39, 50, 84 – Austauschrecht § 26 64f, 70ff – Avalprovision § 26 47 – Bauvertrag § 26 31 – Bedingung § 26 71 – Befristung § 26 65 – Bürgschaft auf erstes Anfordern § 26 44, 65, 79 – Bürgschaftssumme § 26 45f, 66, 83 – Einrede der Anfechtbarkeit § 26 67 – Einrede der Aufrechenbarkeit § 26 67 – Einwendung der Sicherheitenaufgabe § 26 60, 67 – Erfüllungsbürgschaft § 26 41ff – ergänzende Vertragsauslegung § 26 44, 68 – Fertigstellung (vollständige) § 26 86 – Fremddisposition (Verbot) § 26 53 – Geschäftsbesorgungsvertrag § 26 32 – Gestaltungsrecht § 26 40, 53 – Gewährleistungsanspruch § 26 50, 57, 60, 74ff, 86 – Gewährleistungsbürgschaft § 26 30, 56ff, 86 – Handelsbrauch § 26 41 – Insolvenz des Bürgschaftsgläubigers § 26 71 – Leistungsänderung § 26 53 – Leistungsverweigerungsrecht § 26 36, 40 – MaBV § 26 81 – MaBV-Bürgschaft § 26 81ff – Mängelbeseitigung § 26 57, 61, 86 – Mangelfolgeschaden § 26 50, 57
2842
Stichwortverzeichnis
– Mitbürgschaft § 26 60 – Nebenforderungen § 26 38 – Offensichtlichkeit § 26 34 – Rückforderungsprozess § 26 65 – Schadensersatz statt der Leistung § 26 40, 43, 51, 54 – Selbstschuldnerische Bürgschaft § 26 64, 68, 82 – Sicherheitenaufgabe § 26 60 – Sicherheitsleistung § 26 35ff – Sicherung der Baugeldforderung § 26 81 – Sicherungsabrede § 26 31, 44f, 47, 88 – Sicherungseinbehalt § 26 43, 63ff, 69, 70, 72 – Sicherungsfall § 26 31, 54f, 61f – Sicherungsumfang § 26 38, 82ff – Sicherungsverlangen des Auftragnehmers § 26 35ff – Sicherungszweck § 26 31, 48, 79f – Transparenzgebot § 26 46 – Überzahlung § 26 51, 80 – Untergang des Hauptschuldners § 26 77 – Verbot widersprüchlichen Verhaltens § 26 88 – Vergütung des Auftragnehmers § 26 30, 35ff – Verjährung der Bürgschaftsforderung § 26 78 – Verjährung der Hauptforderung § 26 74ff – Vertragsänderung § 26 53 – Vertragsaufhebung § 26 85 – Vertragserfüllungsbürgschaft § 26 30, 41ff 58, 60 – Vertragsstrafe § 26 49, 87 – Verwertung § 26 55, 68, 73 – Verzug § 26 47 – Verzugsschaden § 26 49, 87 – Vorauszahlungsbürgschaft § 26 30, 54, 79f – Werklohn § 26 30, 35ff – Wohnungseigentümergemeinschaft § 26 89 – Zurückbehaltungsrecht § 26 47, 69, 73, 86 – Zusatzleistungen § 26 53 Baudarlehen s. Baukredit, Bauherrenmodell § 15 176ff – Aufklärungs- und Beratungspflichten § 4 57; § 15 178ff; § 50 149 – Haustürwiderrufsrecht § 15 188 – Prospekthaftung § 50 38 – Trennungstheorie § 4 55 – Vermittlerentgelte § 15 177 – Vermittlungsagentur § 15 177 – Vollmacht § 15 182ff – Widerruf § 15 182ff
Baukredit § 10 36; § 22 3 – Baubuch § 22 8 – Baugeld § 22 6 – Bauverwendungskonto § 42 29, s.a. Sperrkonto – Subunternehmer § 22 7 – Zweckbestimmung § 22 5 Bauspardarlehen § 10 36; § 17 – Abruf § 17 41f – Abschlussgebühr § 17 10 – AGB § 17 9 – Agio § 17 19 – Allgemeine Geschäftsgrundsätze § 17 6 – Ansparphase § 17 34 – Aufklärungspflichten § 17 36, 58, 62 – Aufrechnung § 17 28 – Auskunftsanspruch, Anwartschaft § 17 5 – Bausparsofortfinanzierung § 17 35 – Bausparvertrag siehe Bausparvertrag – Beleihungswert § 17 45 – Bereitstellungszinsen § 17 13 – Darlehensgebühr § 17 19 – Disagio § 17 59f – Ehegatte Mithaftung § 17 17 – Einmalvalutierungserklärung § 17 46 – Gesamtbetragsangabe § 15 120, 162 – Haftungserstreckungsklausel § 17 14f – Inhaltskontrolle § 17 9 – Kleindarlehen § 17 45 – Konto § 17 7 – Kontoführungsgebühr § 17 27 – Kreditwürdigkeit § 17 50f – Kündigungsrecht – Bausparer § 17 26, 58, 61, 65 – Bausparkasse § 17 12, 21ff, 65, 70 – Sicherheit § 17 22, 44f, 48, 51 – Sonderzahlungen § 17 64, 69 – Tilgung § 17 61ff, 69 – Verbraucherkredit § 17 – verbundenes Geschäft § 15 151ff, 173 – Vermittlercourtage § 15 173 – Verzug § 17 21, 61 – Vorfinanzierung § 17 58f – Zusage § 17 43 – Zuteilung § 17 40 – Zweckbindung § 17 53, 57 – Zwischenfinanzierung § 17 58f Bausparkassengesetz § 17 1 Bausparsofortfinanzierung § 17 35 – Abtretung § 17 25, 37 – Abwicklungsschwierigkeiten § 17 36 – Anfechtbarkeit/Widerruf § 17 32 – Entgelte/Gebühren § 17 20 – Erhöhung, Ermäßigung § 17 24
Stichwortverzeichnis
– Hauptpflichten § 17 7f – Kündigung § 17 38 – Rückzahlungsanspruch des Bausparers § 17 26 – Schadensersatzanspruch § 17 33, 36, 43 – Scheitern § 17 66ff, 71 – Teilung § 17 24 – Übernahme, Zusammenlegung § 17 24, 25 – Verjährung § 17 61, 72f – Vertragsinhalt § 17 5 – Vertragspartner § 17 4 Bauträgermodell s. Bauherrenmodell Bauvertragsbürgschaft s. Baubürgschaft BCCI-Folgerichtlinie § 73 45 Bedingung – Darlehen § 10 17 – Leasingvertrag § 21 23 Beendigung s.a. Aufhebungsvertrag, Kündigung – Darlehensvertrag § 34 1ff – Verwahrungsgeschäft § 60 8 Begebungsvertrag – Investmentgeschäft § 59 37, 83 Beglaubigung, Entgelt § 13 25 Beihilferegelungen § 22 12 Beleihungsgrenze § 17 45; § 22 9 Beleihungsgrundsätze § 16 2 Beratung s.a. Anlageberatung – Begriff § 50 117 – Beratungsvertrag § 4 2; § 50 16, 106, 140, 206; § 51 11, 20 – Haftungsbeschränkung § 4 42; § 50 173 – Finanztermingeschäfte § 54 72ff Bereicherungsausgleich – Berichtigungsbuchung § 3 35, 47f – Kontokorrent § 38 45ff – nichtiger Kreditvertrag § 32 33, 42, 44ff – Saldoberichtigung § 3 35 – Scheck § 46 85 – Überweisung § 43 40 Bereitstellungszinsen § 17 13 Berufshaftung § 4 8 Besitz – Besitzmittlungsverhältnis § 23 51 – Bestellungsvoraussetzung für Sicherungsrechte § 75 6, 46f – Pfandsache § 27 4ff – Sicherungsgut § 75 6, 46f – Sparbuch § 39 12 – Verwahrungsgeschäfte § 60 12, 34, 61, 63, 72 – Wertpapier § 75 46f Bestandsprovision § 59 108, s.a. Investmentgeschäft
2843
Bestätigung – Schuldanerkenntnis § 33 37 – Umschuldung § 32 32 Best-Execution-Pflicht § 52 123, 143 Bestimmtheitsgrundsatz – Bürgschaft § 25 2 – Sicherungsübereignung § 30 7 – Sicherungszession § 28 11 Betriebsmittelkredit § 10 38 Beweislastumkehr – Altsparbücher § 39 31 – Anlageberatung § 50 203 – Kontokorrent § 38 41, 45 – Vermögensverwaltung § 51 59 Bezugsrechte – Aktienerwerb § 58 42f – Lebensversicherungsverträge § 28 16 BGB-InfoV § 20 31 Binnenmarktüberprüfung § 77 46, 51 Blankoerklärungen – Blankettbürgschaft § 25 12 – Blankoindossament § 46 12, 21 – Blankoscheck § 46 42 – Blankoüberweisung § 43 4 – Blankowechsel § 47 17 Blockorder § 51 40 Bond-Entscheidung § 50 21, 141; § 52 113 Bookbuildingverfahren, Emission § 58 34 Börseneinführung § 58 24f Börsengeschäfte, Recht des Börsenorts § 74 17 Börsengeschäfte, Grundlagen §1 12, 36, 46 Börsenregister § 54 1 Börsentermingeschäfte § 50 145, 151; § 74 66, s.a. Finanztermingeschäfte Brauereidarlehen § 10 38 Bretton-Woods-Abkommen § 55 2; § 61 33 Buchungsfehler § 3 46, 51 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht § 1 5, 29, 38, 46; § 70 17ff; § 29 12; § 50 49; § 52 3, 43, 56, 79, 81ff, 107ff; § 65 5f Bundesbank § 64 – Bankenaufsicht § 65 7 – Devisentransaktionen § 64 25 – Filialen § 64 29 – Geldpolitik § 64 21 – Hauptverwaltungen § 64 4 – Offenmarktpolitik § 64 9 – Organe § 64 7 – Unabhängigkeit § 64 5 – Vorstand § 64 27 Bundesbankscheck § 46 7 Bürgschaft § 3 79, 96; § 31 9, 24f; § 74 14
2844
Stichwortverzeichnis
– Abgrenzung von anderen Rechtsinstituten § 25 3; § 31 24 – Akzessorietätsgrundsatz § 25 2, 14f – Anfechtbarkeit § 25 62 – Angehörige § 25 45 – Annahme § 25 11 – Arbeitnehmer § 4 49 – Aufklärungspflichten § 4 70; § 15 55; § 25 82 – Aufwendungsersatzanspruch § 25 89 – Ausfallbürgschaft § 25 100 – Auskunft § 6 60 – Auslegung § 25 9 – Baubürgschaft § 26 30ff, s.a. Baubürgschaft – Befreiungsanspruch § 25 82 – Bestand der Hauptforderung § 25 14f – Bestimmtheitsgrundsatz § 25 2 – Blankettbürgschaft § 25 12 – Bürgschaft auf erstes Anfordern § 26 1ff – Drohung § 25 63 – Einreden des Bürgen § 25 68 – Einwendungen des Bürgen § 25 68f – Emotionale Verbundenheit § 25 44f – Erfüllungsort § 25 92 – Erlöschen § 25 79 – Ersatzbürge § 25 84 – Gefährlichkeit § 25 1, 5 – Gesamtrechtsnachfolge § 25 16 – Geschäftsauflösung § 25 18 – Geschäftsführer § 25 28, 47 – Gesellschafter § 25 28, 46, 81 – Globalbürgschaft § 25 22f – GmbH-Gesellschafter § 25 46 – Hauptschuld § 25 42 – Höchstbetragsbürgschaft § 25 94 – Individualglobalbürgschaft § 25 30 – Mietbürgschaft § 25 101 – Mitbürgen § 25 102 – Mitdarlehensnehmer § 25 13 – Nachbürgschaft § 25 103 – Parteien § 25 4 – Prozessbürgschaft § 25 104 – Rechtsnatur § 15 49ff – Restschuldbefreiungsverfahren § 4 56 – Rückbürgschaft § 25 105 – Rückgriffsansprüche des Bürgen § 25 88f – Schriftform § 25 5f – Schuldübernahme § 25 16 – selbstschuldnerisch § 25 93 – Sicherheitenaufgabe § 25 76 – Sicherungsbedürfnis § 25 33 – Sicherungsumfang § 25 21f – Sittenwidrigkeit § 15 52, 54; § 25 35f – Subsidiarität § 25 20 – Transparenz § 25 7, 18, 25, 71, 93, 95, 100
– Übersicherung § 3 96; § 25 60 – Umschuldung § 33 43 – Untergang des Hauptschuldners § 25 17 – Unterschrift § 25 8 – Verbraucherkredit § 15 134 – Verbraucherkreditrichtlinie – Reformvorschlag § 77 7 – Vermögenslosigkeit § 25 17 – Verselbstständigung der Bürgenhaftung § 25 17 – Vertragsabschluss § 25 4 – Vertragsänderung § 25 16 – Vertragsübernahme § 25 16 – Vorausklage § 25 71 – Wegfall der Geschäftsgrundlage § 25 64 – Widerrufsrecht § 25 65f – Zusammentreffen mit Pfandrecht § 27 15 Bürgschaft auf erstes Anfordern § 26 1ff – Abtretung § 26 21, 59 – AGB § 26 5, 8, 16 – Akzessiorietät § 26 2 – Aufklärungspflicht § 26 8, 15 – Aufwendungsersatz § 26 4, 22, 25 – Avalgeschäft § 26 22 – Bardepot § 26 1 – Befreiungsanspruch § 26 27 – Benachrichtigungspflicht § 26 24 – Bereicherungsanspruch – des Bürgen § 26 18ff – des Hauptschuldners § 26 27f – Bestimmtheitsgrundsatz § 26 9 – Beweislast § 26 20, 28 – Bürgschaftserklärung § 26 32 – Cessio legis § 26 6, 23 – Einreden § 26 34 – Einstweiliger Rechtsschutz § 26 26, 29 – Einwand des Rechtsmissbrauchs § 26 14ff, 34 – Einwendungen § 26 12, 13 – Form § 26 9 – Formenstrenge § 26 10 – Garantie § 26 2, 5 – Inanspruchnahme § 26 11 – Insolvenz des Bürgschaftsgläubigers § 26 17 – Interessenwahrungspflicht des Bürgen § 26 24 – liquide Beweisbarkeit § 26 14 – Nachverfahren § 26 3, 20 – Offensichtlichkeit § 26 14 – Rechtsmissbrauch § 26 14 – Rückforderungsanspruch – des Bürgen § 26 3, 18ff – des Hauptschuldners § 26 27f – Rückforderungsprozess § 26 2, 14, 19f – Rückgriffsanspruch des Bürgen § 26 27
Stichwortverzeichnis
– Schriftform § 26 9 – Schuldanerkenntnis § 26 6 – Schuldbeitritt § 26 7 – Schuldübernahme § 26 7 – Schuldversprechen § 26 6 – Urkundenprozess § 26 3, 20 – Zahlungsanforderung § 26 11 – Zahlungspflicht § 26 11 Business-Judgement-Rule, Organhaftung § 69 38 Cap § 55 19 Cash Management § 19 3 Cash Pooling § 22 35 – Bilanzielle Betrachtung § 22 38 – MoMiG § 22 38 – Insolvenz § 35 71ff Cassis-de-Dijon § 72 27 CESR § 52 6 Cherry-Picking § 55 62 Chinese Walls § 52 142 Churning § 50 55; § 51 41 Clearstream-Banking § 75 35 Clinique § 72 27 Cold Calling § 57 30 Collar § 55 21 Common Law § 72 5, 31 Compliance § 7 – Arbeitsrecht § 68 99ff – Begriff, Funktionen, Aufgaben, Kultur § 7 10, 25, 27, 30, 41, 43, 58, 96 – Corporate Governance § 7 149, 150, 161 – D&O-Versicherung § 7 98 – Geldwäsche § 7 166, 196, 207 – Insider § 7 282 – Korruption § 7 100, 102, 104, 109, 116, 120, 129, 261 – MiFID § 7 24, 142, 217, 255 – Need-to-know-Prinzip § 7 283 – Reputationsrisiko § 7 23, 127, 134, 174 – Risikobasierter Ansatz § 7 187, 207, 234 – Scalping § 7 235 – Transaktionsmonitoring § 7 233 – Watchlist § 7 284 – Wertpapierhandel § 52 142 – Whistleblowing § 7 48 – Wohlverhaltensregeln § 7 245 Conflicts-Policy, Wertpapierhandel § 52 124 Corporate Governance, Compliance § 7 149, 150, 161 Corporate Social Responsibility § 72 19 Corridor § 55 22 Couponswap § 55 6 Credit Default Swap § 54 32; § 55 31, 35 Credit Linked Note § 54 32 Credit Spread Swap § 55 31, 35
2845
Cross Currency Interest Rate Swap § 55 5, 8 Cross Currency Swap § 55 8 Cross-default-Klausel § 58 29 Currency Swap § 55 5 Customer Due Diligence § 70 4 D&O-Versicherung § 7 98 Darlehen § 1 15, 26, 27; § 9 – Abnahme der Valuta § 14 58 – Abnahmepflicht § 10 10 – anwendbares Recht § 74 10 – Arbeitgeberdarlehen § 15 86 – Aufhebungsvertrag § 34 85, 135 – Aufstockung § 33 9 – Auszahlung § 10 4 – Baukredit § 10 36; § 22 3 – Bauspardarlehen § 10 36; § 17 – Bedingung, stillschweigende § 10 17 – Begriff § 15 13 – Belassungsanspruch § 10 11 – Besicherungsanspruch § 10 13 – Bestimmung der Fälligkeit (einseitige) § 34 140 – Brauereidarlehen § 10 38 – Diskontierung § 10 23 – Eigenkapitalersatz § 10 35 – Einlagen § 10 74 – Einwendungsdurchgriff § 10 63, 67 – Festdarlehen § 10 72 – Festzinsdarlehen, Krise § 35 13 – Gewinnbeteiligung § 10 34 – Immobiliardarlehen § 10 58, 65ff, s.a. Immobiliarkredit – Konsensualvertrag § 10 3; § 34 49 – Konsortialkredit s. Konsortialkredit – Kontokorrent § 38 17, s. a Kontokorrent – Krediteröffnungsvertrag § 10 68 – Kreditlinie § 10 19 – Lombarddarlehen § 10 38 – Mitdarlehensnehmer § 25 13; § 31 21f – Nichtabnahme § 34 130 – Nichtabnahmeentschädigung § 14 1f; § 34 131 s.a. Nichtabnahmeentschädigung – Pensionsgeschäft § 10 26 – Pfändung § 10 75 – Policendarlehen § 15 22, 169ff – Realvertrag § 10 3; § 34 48 – Rückerstattungsanspruch § 10 14 – Rücktritt § 34 137 – Rückzahlung, vorzeitige § 34 135 – Sachdarlehen § 10 6, 29 – syndizierte § 22 64, s.a. Konsortialkredit – Termingeld § 40 12, 23, s.a. Termingeld – Vertragsschluss § 10 15f – vorzeitige Rückführung § 34 135 Dassonville-Entscheidung § 75 17
2846
Stichwortverzeichnis
Datenschutz § 5 – Abgabenordnung § 5 14f – Aufsichtsbehörden § 5 2 – Auskunft § 5 20 – Authentifizierung § 5 9 – biometrische Verfahren § 5 9 – Data Warehouse § 5 19 – Datenklausel § 45 19 – Datenverarbeitung § 5 4 – Fusion § 5 16f – Girokonto § 5 5, 18 – immaterieller Schaden § 5 23 – Konteninformationen, automatisierter Abruf § 5 13ff – Kontrollmitteilungen § 5 11 – personenbezogene Daten § 5 3 – Rasterfahndung § 5 20 – Rechtsmittel § 5 23 – Richtlinie § 5 14 – Sammelauskünfte § 5 11 – SCHUFA § 5 5; § 6 57 – SWIFT § 5 21 Datenträgeraustauschverfahren – Gutschrift § 44 34 – Überweisung § 44 20f Dauerauftrag, Entgelt § 13 24 Daytrading § 57 46, 41; § 54 41 Debitkarte § 49 7, s.a. Kreditkarte Debt equity swap § 18 9 Deckungsgrenze beim Mobiliarkredit § 3 94ff; § 28 7; § 40 55, s.a. Freigabeanspruch Deckungsverhältnis – Akkreditiv § 74 16 – Bankgarantie § 31 75 – Scheck § 46 11 Delkrederegarantie § 25 3 Depot s.a. Vermögensverwaltung, Verwahrungsgeschäfte – Depotaufsicht § 60 59 – Depotauszug § 60 40 – Depotgeschäft § 51 8 – Depotgesetz § 60 16 – Depotprüfung § 60 59 – Depotstimmrecht § 60 46, 47 – Depotvertrag § 50 19, 34, 124, 152; § 60 4, 16ff, 39ff, 45ff – Depotvollmacht § 51 4 – E-Depot, § 60 43 – Oder-Depot § 60 26, 37 – Summendepot § 60 36 Depotbank § 59 8, 72ff, 79, s.a. Investmentgeschäft – Hedgefonds § 56 25ff, 40, 42, 59 – Vergleichbare Einrichtung § 56 26, 40
Derivate § 50; 16; § 52 16; § 59 51 91, s.a. Investmentgeschäft; s.a. OTC-Derivate – Warenderivate § 1 14, 43 – Wertpapierhandel § 52 16 – Wetterderivate § 54 32 Deutsche Bundesbank s. Bundesbank Devisengeschäfte § 64 25 – Außenwirtschaftsgesetz § 61 32 – Bretton Woods § 61 33 – Devisenbeschränkungen § 34 107; § 61 30, 32f – Devisenrecht § 62 3 – Devisenswap § 55 8 – Embargoverstoß § 61 34 – Ersetzungsbefugnis § 61 37 – GATT § 61 33 – Geldwertstabilität § 61 32 – Rechtswahl § 61 36 – Schuldnerschutz § 61 37 – Schuldstatut § 61 36 – Währungsstatut § 61 35 – Währungsumstellung § 61 35f Dienstleistungsfreiheit § 8 5; § 72 29; § 74 24, 36; § 76 4, 32f, 36, s.a. Grundfreiheiten Differenzeinwand § 50 101; § 55 72 Differenzgeschäfte § 52 19 Digitale Signatur § 9 22ff, 100ff; § 45 74, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr Directors Dealings § 52 83, s.a. Wertpapiere Direktbank § 37 23 Disagio § 32 8; § 34 45, 77, 133; Disagio, Erstattung § 14 46; § 17 59f; § 34 112, 135 Discount Broker § 50 59, 60, 62, 83 Diskont – Diskontgeschäft § 74 11, 13 – Diskontierung § 10 23 – Diskontierung von Wechseln § 47 45ff, § 62 23, 98, 107 Diskontkredit § 20 5; § 21 22; § 22 43 Diskontsatz § 64 9 Dispositionskredit § 10 70, § 13; s.a. Kontokorrent, Überziehungskredit – Abgrenzung § 19 2 – Abruf § 19 3, 28, 30 – Arten § 19 1 – Aufklärungspflichten § 19 4 – Ausfall § 19 19 – Auszahlungsanspruch § 19 28 – Bankenaufsicht § 19 19 – Bargeschäft § 19 3 – Basel II § 19 2, 19 – Baseler Akkord § 19 2 – Baugeld § 19 7 – Beweislast § 19 16, 26
Stichwortverzeichnis
– Cash Management § 19 3 – Einfrieren § 19 23 – Erhöhung § 19 3, 16 – Existenzminimum § 19 31 – existenznotwendige Zahlungsvorgänge § 19 31 – Gemeinschaftskonto § 19 20 – Gesamtkreditlinie § 19 3 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts § 19 11 – gewerbliche Tätigkeit § 19 12 – Inhalt § 19 9 – Insolvenz § 19 3, 15, 33 – Insolvenzanfechtung § 19 34 – Kontokorrentratenkredit § 19 7 – Kontovollmacht § 19 25 – Krediteröffnungsvertrag § 19 3, 7 – Kreditrahmen § 19 3 – Kündigung § 19 22 – Nachlassverwaltung § 19 25 – Oder-Konto § 19 20, 31 – Pfändung § 19 28; § 38 60 – rechtliche Grundlagen § 19 7 – Schadensersatz § 19 5 – Schriftform § 19 13 – stillschweigende Vereinbarung § 19 6 – Überziehung § 19 5, 19, 22, 33, 34 – Überziehungskredit § 19 5 – Überziehungszinsen § 19 16 – Und-Konto § 19 20 – Verbraucher § 19 11ff – verschleierter Ratenkredit § 19 4 – Vertragszinsen § 19 5 – Verzugszinsen § 19 16 – Vollstreckungszugriff Dritter § 19 27 Documentary Letter of Credit s. Akkreditiv Dokumentationspflicht, Geldwäschegesetz § 70 14 Dokumenten-Akkreditiv s. Akkreditiv Dokumenteninkasso – anwendbares Recht § 62 5, 61 – Auftragsverhältnis zwischen Einreicher und Einreicherbank § 62 61 – Dokumentenprüfung § 62 64 – ERI § 62 12ff, 59 – Inkassoklausel § 62 60 – Interbankenverhältnis § 62 61 – Pflichten der beauftragten Bank § 62 61 – wirtschaftliche Bedeutung § 62 59 Doppelcausalehre § 23 10 Drittschadensliquidation § 28 41; § 43 24, 32; § 50 16 Drittwiderspruchsklage § 28 5; § 42 37, 38 EC-Karte § 37 15, 18; § 48 – Art der Aufbewahrung § 48 32 – Aufwendungsersatzanspruch § 48 37, 43
2847
– Fehlerquellen § 48 4, 7 – Garantiefunktion § 48 1 – Geheimzahl § 48 13ff, 39, s.a. PIN – grobe Fahrlässigkeit § 48 15, 36, 38 – Kartenbedingungen § 48 20ff – Multifunktionskarte § 48 2 – Rückbuchung § 48 17 – Schadensersatz § 48 12 – Sicherheitsstandard § 46 33 – Sicherheitssystem § 48 3 – Vereinbarungen zwischen den Geldinstituten § 48 6 E-Commerce-Richtlinie § 9 5, 71 – Herkunftslandprinzip § 9 182ff – koordinierter Bereich § 9 183 Effektengeschäft § 57 – Abschlusserfolg § 57 93 – Anlagerisiken, objektbezogene § 57 5 – Aufklärungspflichten § 57 52, 60f, 87 – Ausführungsgeschäft § 57 92ff – Ausschluss der Leistungspflicht § 57 136 – Bankgeheimnis § 57 81 – Benachrichtigungspflicht § 57 113 – Benachteiligungsverbot § 57 77 – Beratung § 57 45ff, 52ff, s.a. Anlageberatung – Börsenzwang § 57 101 – Daytrading-Geschäft § 57 46, 61; § 54 41 – Dokumentationspflicht § 57 115 – Eigenhändlergeschäft § 57 18ff, 93 – Fernabsatz § 57 21ff – Festpreisgeschäft § 57 18ff – Finanzinstrumente § 57 1 – Finanztermingeschäfte § 57 7, 46, s.a. Finanztermingeschäfte, OTC-Derivate – Haustürgeschäft § 57 42ff, 81, 118 – Insider § 57 42ff – Interessenkonflikt § 57 60, 78f, 83 – internalisierte Handelsplattform § 57 99ff – Kick-back-Vereinbarung § 57 83 – Kommissionsgeschäft § 57 12ff – Kontrollpflicht § 57 116 – Kurspflege § 57 121 – Provision § 57 35, 40 – Rechenschaftspflicht § 57 113ff – Reklamationspflicht § 57 116 – Risiken § 57 60ff – Schadensersatz § 57 56ff, 86ff – Selbsteintritt § 57 117 – Skontroführer § 57 104 – Stabilisierungsmaßnahmen § 57 121 – Überzeichnung § 57 120, 122 – Verbriefung § 57 9ff – Wertpapierdienstleistungsrichtlinie § 57 4 – Wertpapiersammelbank § 57 123
2848
Stichwortverzeichnis
– Widerrufsrecht § 57 37, 50f – zentraler Kontrahent § 57 123 – Zwischenkommissionär § 57 112 Effektengiro § 75 36 Effektiver Jahreszins § 20 2, 17; § 32 7ff, 26 – Begriff § 15 98ff – Berechnung § 12 2, 4, 7, 32, 36; § 15 101ff, 111ff – Bruttodarlehenssumme § 15 117 – Disagio § 15 112, 139 – Falschangabe § 15 121, 138 – fehlende Angabe § 15 113, 121, 141 – Gesamtbetrag § 15 120 – Immobiliendarlehen § 15 118 – Immobilienfondsfinanzierungen § 15 118 – Kontoführungsgebühren § 15 108 – Nettodarlehensumme § 15 115f – Restschuldversicherungsprämie § 15 107 – Spar-Kredit-Kombination § 15 120, 162 – verbundenes Geschäft § 15 110, 120 – Vereinsbeiträge § 15 110 – Vermittlerkosten § 15 106 Effektivklausel § 31 75; § 61 8; § 62 81 E-Geld s.a. elektronischer Geschäftsverkehr – Geldwäsche § 70 12 – Institute § 74 32; § 76 20, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr – Richtlinie § 9 9, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr EG-Investmentanteile § 59 113, s.a. Investmentgeschäft EG-Vertrag § 74 30, s.a. Grundfreiheiten Eigenhandel § 52 25, 39 Eigenkapitalaufsicht § 1 4, s.a. Bankenaufsicht Eigenkapitalersatz § 1 5, 9, 33; § 10 35; § 35 27 Eigenmittel § 73 29, s.a. Bankenaufsicht Eigentümergrundschuld § 24 32, 35; § 34 145 Eigentumsvorbehalt § 29 37; § 75 3, 11, 13, 16ff, 62 – Anschlusszession § 28 1, 28 – Sicherungsübereignung § 30 48, 50f – verlängerter § 28 1, 21, 23, 28; § 29 42 Einlagen des Bankkunden § 10 74; § 51 8; § 74 11, 12; § 76 18 – befristete § 40 13 – Begriff § 40 3ff – Einzahlung § 40 40 – Liquiditätsgrundsatz § 40 7 Einlagensicherung – Einlagensicherungsfonds § 3 116ff – Einlagensicherungssysteme § 74 32 – Richtlinie § 73 41
Einwendungsdurchgriff § 10 63, 67; § 16 24, 46; § 49 21, 25 Einwendungsverzicht § 20 2 Einzugsaufträge § 3 53ff Electronic Banking § 9, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr Elektronische Form § 9 83ff, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr Elektronische Signatur § 9 22ff; § 45 74, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr Elektronischer Geschäftsverkehr § 20 20 – AGB § 9 17, 51ff – Alternative Trade Systems § 1 12 – Anscheinsbeweis § 9 108ff, 156ff – ATS § 1 12 – Aufklärungspflichten § 9 79 – Authentisierung § 9 38ff – click & buy § 9 125 – eCash § 9 123 – E-Depot, E-Banking § 60 22, 43 – E-Geld-Institute § 74 32; § 76 20 – E-Geld-Richtlinie § 9 9 – Eingabefehler, Berichtigung § 9 74 – elektronische Form § 9 83ff – elektronische Signatur § 9 22ff, 107; § 45 74f – elektronisches Dokument, Augenscheinsbeweis § 9 100ff – elektronisches Geld § 1 10, 41; § 9 122ff; § 70 12 – E-Mail, Beweisrelevanz § 9 112 – Fernabsatz § 9 7, 61ff – Geheimhaltung § 9 142, 156 – Geldkarte § 9 124, 151ff – Gerichtsstand § 9 62ff – Informationspflichten § 9 60, 63f, 68ff, 71ff, 96 – Informationsverordnung § 9 64, 72 – internationale Zuständigkeit § 9 162ff – internationales Privatrecht § 9 170 – Internet-Banking § 3 8f, 120; § 9 – iTAN § 9 38 – Kreditkarte § 9 113ff – Lastschriftverfahren § 9 119ff – Mail-Order-Verfahren § 9 113ff – M-Commerce § 9 41, 53, 129 – Online-Banking § 37 18, 23; § 44 34 – Begriff § 9 1 – Gutschrift § 37 18, 23 – Sicherheit § 9 150 – Online-Banking-Bedingungen § 9 19 – Organisationspflichten § 9 80 – Paybox-System § 9 129 – Paypal § 9 126ff – Pharming § 9 137
Stichwortverzeichnis
– Phishing § 9 132ff, 156ff; § 43 40 – Richtlinien § 9 8 – RSA-Verfahren § 9 24 – SET-Standard § 9 33ff – SET-Verfahren § 9 116ff – Signaturrichtlinie § 9 6 – Signaturschlüssel § 9 25 – Smart-TAN plus § 9 40 – Telemediengesetz § 9 5, 10 – Herkunftslandprinzip § 9 182ff, 194ff – Informationspflichten § 9 55ff – Trojaner § 9 138f – Vertragsschluss § 9 43, 47, 75ff, 81ff – Vornahmeort § 9 172 – Widerruf § 9 89ff – Willenserklärung § 9 44f Elektronisches Geld s. E-Geld Emissionsgeschäft § 10 27; § 58, s.a. Prospekt – Arten der Emission § 58 12f – Begriff § 58 1 – Bezugsrechte § 58 42f – Börseneinführung § 58 24f – Emissionskonsortium § 58 46ff – Emissionsvertrag § 49 11 – erste Ausgabe und Platzierung § 58 15ff – Festpreisverfahren § 58 33 – Formen der Emission § 58 10f – Freiverkehr § 58 89f – Fremdemission § 58 10 – Haftung § 58 58ff – Marktpflege § 58 26 – Preisfindungsverfahren § 58 32ff – Rechtsbeziehung Emittent-Anleger § 58 35 – Rechtsbeziehung Emittent-Kreditinstitut § 58 27 – Rechtsbeziehung Kreditinstitut-Anleger § 58 44 – Selbstemission § 58 11 – selling § 58 16 – Tenderverfahren § 58 20 – Überzeichnung § 57 122 – underwriting § 58 16 Emittenteninformationspflichten § 52 107 Emittentenleitfaden der BaFin § 52 4 Empfehlung – Anlageberatung § 50 118 – Begriff § 4 14 – Empfehlungsverbot § 50 90 – Warnpflicht § 50 138 Entgelte für Bankdienstleistungen s.a. Nebenentgelte – Abtretungserklärung § 13 25 – Angemessenheitskontrolle § 13 13
2849
– Auskünfte § 13 25 – Barein- und Auszahlungen § 13 24 – Beanstandungen § 13 25 – Beglaubigung § 13 25 – Benachrichtigungsentgelt § 45 41 – Berücksichtigung bei Sittenwidrigkeit des Kredits § 32 8, 47 – Darlegungs- und Beweislast § 13 15 – Dauerauftrag § 13 24 – Doppelbepreisung § 13 20 – Dresdner-Bank-Modell § 13 9 – Factoringgebühr § 29 1, 26 – Freistellungsauftrag § 13 24 – Girokonto § 37 23f – Gebührenerhebung § 13 3 – Geltungsabrede § 13 5 – Gesetzliche Pflicht § 13 18 – Grund-AGB § 13 3ff – Grundgedanken des dispositiven Rechts § 13 18, 19 – Grundsatz der Privatautonomie § 13 11, 17 – Grundsätze des Bundesgerichtshofes § 13 23 – Inhaltskontrolle § 13 8, 10, 12ff, 17., 23 – Interbankenentgelt § 13 24 – Kontoauszüge § 13 25 – Kontounterlagen § 13 25 – Kontrollfähigkeit § 3 6, 67; § 13 17f – Kostenverursacherprinzip § 13 11 – Kreditabwicklung § 13 25 – Kreditkarte § 13 24 – Kreditkartenersatz § 13 25 – Kündigung § 13 25 – Lastschrift § 13 24; § 45 40f, 44f – Leistungen im Zusammenhang mit einer Kreditvergabe § 13 25 – Leistungsbestimmungsrecht § 13 16 – Löschungsbewilligung § 13 18, 24 – Mahnbescheid § 13 25 – Mahnung § 13 25 – Nachlassbearbeitung § 13 25 – Originäre Preisvereinbarung § 13 6 – Pfändungs- und Überweisungsbeschluss § 13 17, 24 – PIN- oder TAN-Brief § 13 25 – Preis § 13 17 – Preiskontrollbarriere § 13 2 – Preisnebenabrede § 13 17 – Preisverzeichnis § 13 2ff, 16 – Rangrücktrittserklärung § 13 25 – Rechtsabteilung § 13 25 – Rechtsfolgen § 13 22 – Rechtsprechungskontrolle § 13 23ff – Rechtsverfolgung § 13 25
2850
Stichwortverzeichnis
– Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 III 1 BGB § 13 18 – Reklamationen § 13 25 – Rücklastschriftentgelt § 45 40 – Scheck § 13 24 – Sicherheitenfreigabe § 13 25 – Sonderleistungen § 13 17 – Sparbuch § 13 24 – Tilgungsverrechnungsentscheidung § 13 1 – Transparenz § 13 1, 10, 12, 16, 20 – Treu und Glauben § 13 13 – Treuhandverwaltung § 13 25 – Überweisung § 13 24; § 43 10 – Überziehungskredit § 13 24 – Unangemessene Benachteiligung § 13 19 – Verjährung § 13 21 – Vermittlungsprovision § 13 25 – Verpfändungsanzeige § 13 25 – Vertragslücken § 13 22 – Weiterverweisung § 13 5 – Wertermittlung § 13 25 – Wertpapierdepotübertragungen § 13 24 – Zahlungsverkehr § 13 24 – Zeichnungsgebühr § 13 24 – Zwangsmaßnahmen Dritter § 13 25 ERA s. Akkreditiv Erbgang – Legitimation des Erben § 3 31 – Verwahrungsvertrag § 60 14, 50ff, 66 Erfüllungsbürgschaft § 26 41ff, s.a. Baubürgschaft Erfüllungsgehilfe – Anlageberatung § 50 178, 193 – Leasing § 21 53ff – Leasingnehmer § 21 53ff ERI s. Dokumenteninkasso Erwerbermodell s.a. Bauherrenmodell – Aufklärungspflichten § 4 57; § 15 178ff – Begriff § 15 176 – Haustürgeschäft § 15 188 – verbundenes Geschäft § 15 187 – Vermittlerentgelt § 15 177 – Vollmacht § 15 182ff, 187f – Widerruf § 15 182ff, 187f EU-Bankrecht § 72 6, 19 EU-Binnenmark § 72 9, 15 EuGVO s. internationale Zuständigkeit EURIBOR § 11 9 Euro-Einführung § 74 38 Europäische Gemeinschaft , Grundfreiheiten s. Grundfreiheiten des EGV Europäische Wertpapierdienstleistungsrichtlinie § 50 47, 67f, 74 Europäische Zentralbank s. EZB Europäischer Gerichtshof § 72 5, 26
Europäischer Pass § 9 192; § 59 20ff; § 72 9, 13, 14; § 73 24; § 76 33; § 77 32, 34, 36 Europäisches Bankvertragsrecht § 72 Europäisches System der Zentralbanken (ESZB) § 1 30, 33; § 55 European Energy Exchange (EEX) § 52 70 European Financial Integration Report, EFIR § 77 58 European Master Agreement (EMA) § 55 39 Existenzgründung § 15 63ff, 68, 94; § 20 3, 42; § 34 118 – Kündigungsbeschränkung § 34 118 – Teilzahlungsgeschäfte § 20 3, 42 – Verbraucherdarlehen § 15 63ff, 68, 94 Existenzminimum, Dispositionskredit § 19 31 EZB § 64 – Devisentransaktionen § 64 25 – Direktorium § 64 21 – EZB-Rat § 64 17 – Geldpolitik § 64 21 – gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht § 64 16 – Münzausgaberecht § 64 3 – Münzgewinn § 64 23 – Offenmarktgeschäfte § 64 24 – Rechtspersönlichkeit § 64 12 – Unabhängigkeit § 64 13 – Weisungsfreiheit § 64 15 EZB-Mindestreservepflicht-VO MR-VO § 40 15, 18 Factoring § 10 24; § 29 – Abtretung § 28 30, 60 – Abtretungsverbot § 29 49, 60 – Andienungspflicht § 29 23, 60 – Annahmepflicht § 29 23, 25, 60 – Aufrechnung § 29 40 – Bankgeschäft § 29 11, 58 – Debitor § 29 1, 17, 60 – Delkredere § 29 2, 13, 27, 60 – Diskont § 29 26 – Doppelinanspruchnahme § 29 38 – echtes Factoring § 28 21, 37 – Eigentumsvorbehalt § 29 37 – Einbehalt § 29 27 – entgeltlicher Erwerb von Geldforderungen § 29 10 – Factoringgebühr § 29 1, 26 – Finanzierungseffekt § 29 1 – Finanzunternehmen § 29 11 – Garantie § 29 34 – grenzüberschreitende Forderung § 28 51 – Haftung nach § 13c UStG § 28 53 – Inhouse-Factoring § 28 56 – Inkongruente Deckung § 28 59
Stichwortverzeichnis
– Kaufpreis § 29 26, 60 – Kollision bei Mehrfachabtretungen § 29 2 – Kreditwesengesetz (KWG) § 29 10; § 55 66 – Kreditwürdigkeit § 29 25 – Limit § 29 25 – offenes Verfahren § 29 38, 55 – Offenlegung der Abtretung § 29 17, 60 – Prioritätsprinzip § 29 42 – Rückgriffsmöglichkeit (recourse) § 29 33 – Sicherungsrechte § 28 37 – Sicherungszession § 28 21, 37 – Umsatzsteuer § 29 28, 53 – unechtes Factoring § 28 21, 37 – UNIDROIT-Übereinkommen § 28 15 – verlängerter Eigentumsvorbehalt § 29 42 – Weiterleitungsrisiko § 29 18, 50, 60 – with recourse § 29 2, 13 – Zahlungsunfähigkeit § 28 28 Fälligkeit – einseitige Bestimmung § 34 140 – Leistung auf die fällige Grundschuld § 34 144 – Leistung vor Fälligkeit § 34 145 – Termingeld § 40 14, 37ff Fehlbuchung § 37 25, 31; § 46 92 Fernabsatz § 8; § 72 24, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr – Absatzmittler § 8 20 – anwendbares Recht § 8 52f – Ausbildungsvertrag § 20 5 – Bürgschaft § 25 66 – Datenträger § 8 15f – Effektengeschäft § 57 21 – elektronischer Geschäftsverkehr § 9 7, 61ff – fernmündliche Kommunikation § 8 37 – Finanzdienstleistungen § 9 7, 61ff; § 10 60 – finanzierter § 34 17 – Geldanlagedienstleistung § 8 39 – Grundschuld § 24 15 – Informationspflichten § 8 22 – Kartenzahlung § 8 41 – Kommunikationsmittel § 8 17 – Kreditkarte § 49 38, 45 – Preistransparenz § 8 26 – Registereintragung § 8 22 – Richtlinie § 8 3; § 48 45 – Schlichtungsstellen § 8 35 – Spekulationsgeschäfte § 8 43 – Teilzahlung § 20 20 – Termingeld § 40 67 – Textform § 8 16 – Widerruf § 34 20 Festdarlehen § 10 72
2851
Festgeld s.a. Termingeld – Definition § 40 14f – Karenztage § 40 33 – Laufzeit § 40 14, 25 – Zwangsvollstreckung § 40 61 Festpreisgeschäft § 52 25 Finanzanalyse § 52 150 Finanzdienstleistungen § 72 2, 16, 35 – Aktionsplan der Europäischen Gemeinschaft § 73 54 – Anlageberatung § 50 2, 8 – Begriff § 8 7 – Grünbuch § 8 4 – Termingeld § 40 67 – Vermögensverwaltung § 51 9 – Weißbuch § 72 22 Finanzierungshilfe s. Verbraucherkredit Finanzierungsleasing s. Leasing Finanzinnovation – Anlageberatung § 50 153 – Finanztermingeschäfte § 55 1 – OTC-Derivate § 55 1 Finanzinstitute § 76 17, 21 Finanzinstrumente § 52 22 Finanzkonglomerate § 65 31; § 73 53; § 74 32; § 76 22, 54, s.a. Bankenaufsicht Finanzmarkt § 1 12, 14, 29, 32, 36; § 50 8 Finanzmarkt, Transparenz § 1 13, 20, 26, 32, 36, 40, 43, 45 Finanzmarktförderungsgesetze § 50 47 Finanzmarktrichtlinie – Umsetzungsgesetz (FRUG) § 1 12, 37; § 52 6 Finanzmarktrichtlinie (MiFID) § 1 12, 37; § 52 6 Finanzportfolioverwaltung § 52 127; § 59 10, 126, s.a. Investmentgeschäft Finanzsicherheitenrichtlinie § 1 31 Finanztermingeschäfte § 34 46; § 47; § 55 – Aktienanleihe § 54 28f – Anlageberatung § 50 4, 63, 65, 100, 122, 16, 145, 151 – Aufklärungspflichten § 50 100ff; § 54 20, 60, 62ff – Basiswerte § 54 11ff – Basket-Zertifikat § 54 30 – Begriff § 54 13, 19 – Beratungspflicht § 54 72ff – Bezugsrechte § 54 2ff, 38ff – Call Option § 54 8; § 55 28 – Cap § 55 19 – Collar § 55 21 – Corridor § 55 22 – Couponswap § 55 6 – Credit Default Swap § 54 32; § 55 31, 35 – Credit Linked Note § 54 32
2852
Stichwortverzeichnis
– Credit Spread Swap § 55 31, 35 – Cross Currency Swap § 55 8 – Currency Swap § 55 5 – Daytrading § 54 41 – Derivat § 52 12, 19, 64 – Devisenswap § 55 8 – Devisentermingeschäft § 54 11, 24 – Differenzeinwand § 54 101; § 52 5; § 55 72 – Discount-Zertifikat § 54 30 – Festgeschäft § 54 8ff, 19 – Finanzinnovation § 55 1 – Floor § 55 20 – Forward Rate Agreement (FRA) § 55 25, s.a. Terminsatzgeschäfte – Forwards § 54 23; § 55 26 – Futures § 54 22 – Gesamtertragsswap § 55 33 – Glattstellung § 54 67 – gross-up-Klausel § 55 45 – Grundlagen § 1 13, 44 – Hebelwirkung § 54 16, 18ff, 63 – Hedgefonds § 54 31 – Hedging § 54 1 – Immobilienderivate § 54 32 – Index-Zertifikat § 54 30 – Informationspflicht § 54 4f, 42ff – Interest Rate and Currency Exchange Agreement § 55 36 – International Swaps and Derivatives Association § 55 4 – ISDA Master Agreement § 55 38, 59 – Kassa-Leerverkauf § 54 27 – Kaufoption § 55 28 – Kreditwesengesetz (KWG) § 55 66 – Leverage-Effekt s. Hebelwirkung – Liquidationsnetting § 55 44, 50, 61 – Macro Swaps § 54 32 – Option § 54 8ff, 33ff – Optionsanleihe § 54 36 – Optionsgeschäft § 54 8, 19, 65 – Optionsschein § 54 12f, 35ff, 65ff – OTC-Geschäft § 54 7, 25, s.a. OTC-Derivate – Put § 54 8 – Rahmenvertrag § 55 45ff – Anhänge § 55 56, s.a. OTC-Derivate – Ausgleichsforderung § 55 50 – Netting § 55 41 – Aufsichtsrecht § 55 66 – Eigenkapitalerleichterungen § 55 70 – Insolvenzrecht § 55 61 – Payment Netting § 55 42 – Novationsnetting § 55 43 – Referenzschuldner (Reference Entity) § 55 30
– Schadensersatz § 54 5 – Schutzkauf § 55 30 – Spannensicherungsswap § 55 32 – Spieleinwand § 54 5, 20, 37, 76f; § 55 72 – Strukturmerkmale § 54 16ff – Terminsatzgeschäfte § 55 25ff – Total Return Swap § 55 31, 35 – Turbo-Zertifikat § 54 30 – walk-away-Klausel § 55 69 – Warentermingeschäfte § 54 11, 14 – Wertpapierleihe § 54 27f – Wertpapiertermingeschäfte § 54 11, 14 – Wetterderivate § 54 32 FIN-NET § 66 9ff, s.a. Ombudsmannverfahren Floater s. Schuldverschreibung Fondsgebundene Lebensversicherung § 52 13 Forderungen als Sicherungsgegenstand – anwendbares Recht § 75 13 – Anzeige an Drittschuldner § 75 7, 44 – Bestellung § 75 7, 43 Forderungskauf § 29 1, 60; § 33 22; § 49 40f Forderungspfändung § 28 26, 45; § 42 9, 23 Forderungsverpfändung § 27 22; § 28 9, 26 Forfaitierung § 10 24 – Buchforderungen § 62 96 – Factoring § 62 98 – internationales Privatrecht § 62 100 – Rechtsnatur § 62 99 – Wechsel § 62 96 – wirtschaftliche Bedeutung § 62 96ff Form s.a. Schriftform – Bürgschaft auf erstes Anfordern § 26 9 – Girovertrag § 37 8 – Heilung von Formmängeln § 20 23; § 32 42 – Immobiliarkredit § 16 31, 42f – Inanspruchnahme der Garantie § 62 77 – Leasing § 21 41, 46 – Schuldbeitritt § 31 9ff, 26 – Verbraucherdarlehen § 15 97 Forward Darlehen § 22 29 – Forward-Prämie § 22 30 – Forward-Zeit § 22 31 – Zweckbestimmung § 22 31 – Sanierungskredit § 18 25 Francovich § 72 5 Freigabeanspruch § 3 94ff, s.a. Übersicherung – Deckungsgrenze § 3 94ff; § 28 7; § 40 55 – Freigabeklausel § 28 4, 20; § 40 55 – nachträgliche Übersicherung § 1 24 Freistellungsauftrag, Entgelt § 13 24 Freiverkehr § 53 15; § 57 99, 103; § 58 89f Fremdwährungsgeschäfte § 3 56f – Briefkurs § 61 12
Stichwortverzeichnis
– Devisenkurs § 61 12 – Effektivklausel § 61 8 – Erfüllungsort § 61 5, 7f, 12 – Ersetzungsbefugnis § 61 5f, 11f, 21, 30 – Geldsortenschuld § 61 10 – Genehmigung § 61 9 – Hypothek § 61 14 – Indexierungsverbot § 61 9 – Konvertibilität § 61 13 – Kreditkarte § 61 21 – Mahnverfahren § 61 16 – Notenkurs § 61 12 – Pfändung § 61 19 – Schadensersatz § 61 21f – Schuldnerschutz § 61 12 – Seehandel § 61 23 – Sortenkurs § 61 12 – Umrechnung § 61 5, 12, 14, 22, 27 – Unterhalt § 61 20, 30 – Wahlschuld § 61 5 – Wechselkurs § 61 25 Front-/Parallelrunning § 52 69 FRUG s. Finanzmarktrichtlinie Garantie § 31 60ff; § 74 14, 61 – Abstraktion vom Grundgeschäft § 62 74f – Abtretung § 31 66 – Akzessorietät § 31 63 – anwendbares Recht § 62 5, 30 – auf erstes Anfordern § 62 74f – Auftrag § 62 73 – Bankgarantie § 31 63 – Bestätigung § 62 72 – Bietungsgarantie § 62 68 – Bonitätsbescheinigung § 31 75 – Delkredere § 25 3 – direkte § 62 73 – Dokumentenprüfung – Prüfungsfrist § 62 82 – Umfang der Prüfungspflicht § 62 78 – Effektivklausel § 31 75; § 62 81 – einstweiliger Rechtsschutz § 62 88ff – Erscheinungsformen § 62 68 – extend or pay § 62 80 – Factoring § 29 34 – Garantiegeschäft § 22 48 – Gewährleistungsgarantie § 62 68 – Inanspruchnahme – Form § 62 77 – Frist § 62 76 – indirekte § 62 70f, 84ff – International Standby Practices (ISP) § 62 12ff – Leasing § 21 56, 60, 77 – Rechtsmissbrauch § 62 84ff, 87 – Rückabwicklung § 62 92f
2853
– Rückgarantie § 62 70 – Standby Letter of Credit § 31 73; § 62 69 – Uniform Rules for Demand Guarantees (URDG) § 62 12ff – Verfalldatum § 62 76 – Vertragserfüllungsgarantie § 62 68 – Wertpapiergeschäft § 50 41 – wirtschaftliche Bedeutung § 62 66ff – Zahlungsanspruch – Abtretung § 62 94 – anwendbares Recht § 62 30 – Pfändung § 62 94 GATT, Devisengeschäfte § 61 33 GB-Inno-BM § 72 27 Gebühren s. Entgelte Gegenseitige Anerkennung § 72 9, 14, 2; § 76 9, 13, s.a. Europäischer Pass Geheimzahl, persönliche § 49 31ff, s.a. PIN Geldausgabeautomat § 37 24f Geldbegriff § 1 8ff Geldbegriff, Geldsubstitut § 1 9, 11 Geldkarte § 9 124, 151ff; § 49 7, s.a. ECKarte, Electronic Banking und Kreditkarte Geldmarkt § 1 12 Geldmarktinstrument § 50 51; § 52 15 Geldsortenschuld § 61 10 Geldwäsche § 70 16ff; 76 15 Geldwäsche § 70 – Aufbewahrungspflichten § 70 14 – Berechtigter, wirtschaftlich § 70 14 – Compliance § 7 166, 196, 207 – Customer Due Diligence § 70 4 – Dokumentationspflicht § 70 14 – Eigentümer, wirtschaftlich § 70 4 – Elektronisches Geld § 70 12 – Externe Revision § 70 18, 19 – Financial Action Task Force On Money Laundering (FATF) § 70 4 – Geldwäschebeauftragter § 70 15 – Geldwäschegesetze § 70 10; § 37 38; § 41 13, 57 – Identifizierungspflichten § 70 14 – Inhaberkontrolle § 70 20 – Innenrevision § 70 15 – Jahresabschlussprüfung § 70 18 – Kapitalsammelstellen § 70 2 – know your customer-Prinzip § 4 24, 32; § 70 4 – Korrespondenzbankbeziehung § 70 4 – Korruption § 70 1, 4 – Monitoring § 70 21 – Online-Datenabrufsystem § 70 23 – Politisch Exponierte Personen (PEPs) § 70 4 – Prepaid cards § 70 12
2854
Stichwortverzeichnis
– Risikomanagement § 70 10, 24 – risikoorientierter Ansatz § 70 – Sicherungssysteme § 70 3 – Sonderprüfung § 70 19 – Sorgfaltspflichten § 70 4, 14 – Strukturprävention § 70 9 – Terrorismusfinanzierung § 70 10; § 76 15 Gemeinschaftskonto § 42 1; § 50 35, s.a. Oder-Konto, Und-Konto, Sperrkonto Gemeinschaftskonto, Insolvenz § 35 39 Geregelter Markt § 52 35 Gerichtsstand s.a. Länderübergreifende Geschäfte – allgemeiner § 74 44 – ausländischer § 21 107f, 113f; § 74 4, 41, 43f – Erfüllungsort § 21 107f, 113; § 25 92; § 74 46 – Kontoführung § 3 33; – Kreditverträge § 74 50, 53, 66 – länderübergreifende Bankgeschäfte § 74 70 – Vereinbarung § 8 33; § 21 114; § 74 54 Geschäft, verbundenes s. Verbundenes Geschäft Geschäftsbesorgungsvertrag – Anlageberatung § 50 3, 16, 27 – Effektengeschäft § 57 11 – Giroverhältnis § 37 7 – Scheck § 46 4 – Vermögensverwaltung § 51 3 – Zahlungsverkehr § 1 18, 20, 29, 44 Geschäftsfähigkeit – Girokonto § 37 16, 29 – Sparkonto § 39 15 Geschäftsleiter, Hedgefonds § 56 24, 35 Geschlossene Immobilienfonds § 52 13, s.a. Investmentfonds Gesellschaftsteuer § 67 1 Gewährleistung beim Leasing § 21 57ff Girosammelverwahrung § 60 18, 30 Giroverhältnis § 37 1ff, 30; § 74 11, s.a. Kontokorrent – Abrechnungsverkehr § 37 1, 4 – Abtretung § 37 45, 47 – Auskunftspflicht § 37 23, 31 – Bankkarte § 37 18 – Bankvertrag § 2 2, 3, 6, 14, 17, 25 – Barauszahlung § 37 14, 18, s.a. Barauszahlung – Beendigung § 37 26 – Berichtigungsanspruch § 3 35 – Berichtigungsbuchung § 3 35, 47f – Bestattungskosten § 37 44 – Betreuung § 37 16 – Beweiskraft § 37 32
– Bezeichnung des Kontoinhabers § 37 35ff – Datenschutz § 5 5, 18 – Deckung § 37 24; § 43 14, 30; § 44 6ff, 10, 11, 27 – Direktbank § 37 23 – Dispositionskredit s. Dispositionskredit – EC-Karte § 48 11, s.a. EC-Karte – Entgelte § 37 23f – Erbe § 37 29, 44ff – Fehlbuchung § 3 46, 51; § 37 25, 31; § 46 92 – Fernabsatz § 8 11 – Form des Vertrags § 37 8 – Geldausgabeautomat § 37 24f – gemischtypischer Vertrag § 37 7 – Generalermächtigung § 37 14 – Gesamtvertretung § 37 41 – Geschäftsbesorgungsvertrag § 37 7 – Geschäftsfähigkeit § 37 16, 29 – Gutschrift § 44 1, 15, 32, 36, 39ff, s.a. Gutschrift – Identitätsprüfung § 37 38; § 70 14 – Informationspflichten § 37 19, 22f – Insichgeschäft § 37 39 – Insolvenz § 37 28 – Insolvenzverwalter § 37 37 – Jugendkonto § 37 13 – Konteninformationen, automatisierter Abruf § 5 13ff – Konto § 37 2, 20 – Konto für Jedermann § 37 9f – Kontoauszug § 37 23, 31 – Kontoeröffnung § 37 30ff – Kontoeröffnungsformular § 31 43; § 42 3, 7, 14, 16, 20, 26 – Kontofähigkeit § 37 34 – Kontoführung § 3 34ff – Kontoführungsgebühr § 15 108 – Kontoinhaber § 37 33ff – Kontosperre s. Sperrkonto – Kontovollmacht § 4 67; § 37 35, 39ff – postmortale § 37 44ff – Widerruf § 37 41 – Kontrahierungszwang § 37 9f, 21, 27 – Kontrollpflicht § 37 25 – Lorokonto § 37 4 – Massengeschäft § 37 12 – Minderjährigkeit § 37 13ff, 36 – Nacherbe § 37 30 – Nachlassverwalter § 37 37 – Neuberechnung § 45 47 – Nostrokonto § 37 4 – Nummernkonto § 37 38 – Online-Banking s. Elektronischer Geschäftsverkehr, Online-Banking – Pflichten des Kreditinstituts § 37 17ff, 31
Stichwortverzeichnis
– Pflichten des Kunden § 37 24f – Plus-Konto § 37 22 – Rechtsnatur § 37 7, 30 – Scheck § 37 17, 24, 40 – Schutzpflichten § 37 11, 27 – Selbstverpflichtung § 37 9ff – Sichteinlage § 37 20; § 40 8f – Skontration § 37 4 – Sonderkonto § 37 37 – Sondermodell § 37 24 – Sperre § 37 18 – Tagessaldo § 37 31 – Termingeld § 40 28ff – Tod § 37 29, 44 – Trennungstheorie § 37 30 – Überweisung § 37 5, 21 – Überziehung § 3 74, 76; § 19 5, 19, 22, 33, 34; § 37 9ff, 15, 23f, 40, s.a. Überziehungskredit – unregelmäßige Verwahrung § 37 30 – Unterschriftsprobe § 37 41 – Vertrag § 37 5ff – Vertragsleitbild § 37 17 – Werbeaussagen § 37 10 – Zentraler Kreditausschuss § 37 10f Girovertrag § 37 5ff, s.a Giroverhältnis – Abschluss § 37 8 – Angebot § 37 10 – Beendigung § 37 26 – Begriff § 37 5 – Insolvenz § 35 53, 54 Gleichbehandlungspflicht § 2 29; § 50 74; § 52 50; § 57 120 Gleitzins-Anleihen § 67 128 Globalzession, Krise § 35 32 Grauer Kapitalmarkt § 52 52 Grenzüberschreitende Geschäfte s. Länderübergreifende Geschäfte Großkreditaufsicht § 22 27, 52; § 55 66; § 73 34, s.a. Bankenaufsicht Gross-up-Klausel s. Finanztermingeschäfte Grünbuch § 8 4 Grünbuch Finanzdienstleistungspolitik § 77 1ff Grundfreiheiten des EGV – allgemein § 74 23, 69; § 75 1, 23 – Beschränkungen § 74 22 – Bestand von Sicherungsrechten § 75 14ff – Dienstleistungsfreiheit § 74 24ff – Kapitalbeteiligung § 74 27 – Kapitalverkehrsfreiheit § 74 25 – Mobilität von Sicherungsgut § 75 21ff – Niederlassungsfreiheit – Repräsentanz § 76 32 – Sitzlandprinzip § 74 36; 65 1
2855
– Sicherungsrechte § 75 3 – Stellung einer Sicherheit § 74 25 – Warenverkehrsfreiheit § 75 17 – zwingende Gründe des Allgemeininteresses § 74 24 Grundsatz der Risikomischung § 59 4, 115, s.a. Investmentgeschäft Grundschuld – Ablösung § 34 145 – Anwartschaft vor Eintragung § 24 28 – Belastungsgegenstand § 24 22 – Doppeltilgung § 24 77 – Eigentümergrundschuld § 24 32, 35 – Gesamtgrundschuld § 24 22, 29, 93 – Grundschuldzinsen § 24 11, 49 – gutgläubiger einredefreier Erwerb § 16 60, 70f – Haftungsverband § 24 50 – Immobiliarkredit § 16 – Insolvenz § 24 39, 84, 95 – Löschungsanspruch § 24 35, 64 – Nachverpfändung § 24 29f – Nebenleistung § 24 49 – persönliche Haftungsübernahme § 24 41 – Sicherungsgrundschuld § 16 60 – Tilgungsbestimmung § 24 75, 79ff – Übersicherung § 24 10, 93, s.a. Freigabeanspruch, Übersicherung – Veräußerung, freihändige § 24 80 – Verbraucherkredit § 15 56 – Verwertung § 24 59ff Güteverfahren, obligatorisches s. Ombudsmannverfahren Gutgläubiger Erwerb – Pfandrecht § 27 38ff – Scheck § 46 12f Gutschrift § 44 – Abrufpräsenz § 44 9, 34 – Abzugsverbot § 43 18, 33; § 44 24 – Anerkenntnis § 44 31f, 35f, 38, 40f – Annahme § 44 30ff, 35ff, 41ff – Anspruch auf § 44 1, 5ff, 12ff, 23, 33ff – Ausführungsfrist § 44 22 – Auslandsüberweisungen § 44 27 – Bargeldsurrogation § 44 29 – Conto pro Diverse § 44 15, 35 – Datenträgeraustauschverfahren § 44 20f, 34 – debitorisches Konto § 44 28, 37, 39 – Deckung § 43 14, 30; § 44 6ff, 10f, 27 – Eingang vorbehalten § 45 24 – Einlösung § 3 53, 55; – einseitiges Rechtsgeschäft § 44 30, 38f – Empfängerbezeichnung § 43 20; § 44 19f, 33 – Erfüllungswirkung § 44 11, 34
2856
Stichwortverzeichnis
– Fakultativklausel § 43 36; § 44 14 – Fehlbuchung § 3 46, 51 – Freischaltung § 44 34 – Haftung der Bank § 44 21ff – Hausüberweisung § 44 2f, 7 – höhere Gewalt § 43 17; § 44 22 – Kontonummer § 43 14; § 44 8, 19ff, 33 – Kürzung § 44 2, 24 – Nachdisposition § 44 34 – Nichtausführung § 44 2, 25, 27 – Scheck § 46 92 – Stornierung § 3 45ff, 54; § 44 34 – Tilgungswirkung § 44 11, 27, 34 – Verspätung § 44 2, 22f, 27, 44 – Verwendungszweck § 44 2, 17 – Vorbehalt § 3 53 – Wertstellung § 43 37, 39; § 44 23 – Zurückweisung § 43 39 Haftung § 3 21ff, s.a. Schadensersatz – Fehlschlagen der Überweisung § 43 20ff – Gutschrift § 44 21ff – Haftungsausschluss – Anlageberatung § 50 173 – Leasing § 21 61ff – Haftungsbeschränkung – Anlageberatung § 50 173 – Aufklärungspflichten § 4 42 – Kreditkarte § 49 26ff – Vermögensverwaltung § 51 57 – höhere Gewalt § 43 17; § 44 22 – Investmentgesellschaft s. Investmentgeschäft – Kapitalmarktinformation § 52 160 – Krise § 35 28 – Mitverschulden des Kunden § 3 21 – Organhaftung § 69, s.a. Organhaftung – Schutzzweck von Aufklärungspflichten § 4 40 – Störung des Betriebs § 3 25 – Substitution § 3 22ff – Verwahrungsgeschäfte § 60 7, 31, 47 – weitergeleitete Aufträge § 3 22ff – Wertpapierübernahme § 53 47, 54, 61, 65 Hausbank – Krise § 35 20 – Sanierungskredit § 18 2, 6 Haustürgeschäft – Bürgschaft § 25 65 – Erwerbermodell § 15 188 – Haustürkredit § 10 49ff; § 15 149ff – Immobiliarkredit § 16 22 – Schuldbeitritt § 31 45f – Sicherungsvertrag § 24 13 – Termingeldkonto § 40 64ff – Widerruf der Vollmacht § 15 78ff
– Widerrufsrecht § 34 9, 11 Hedgefonds § 1 40; § 54 31; § 56; § 59 95ff – Abgrenzung § 56 3, 23 – Anlageberatung § 50 153 – Anlagespektrum § 56 30, 36 – Anteile § 52 17 – BaFin § 56 2, 22, 24, 31ff, 43f, 49, 59, 65 – Dachfonds § 56 2, 21, 34ff, 48ff – Depotbank § 56 25ff, 40, 42, 59 – Due Dilligence § 56 41, 44 – Geschäftsleiter § 56 24, 35 – Hinweispflicht § 56 53f – Leerverkäufe § 56 6, 9, 11ff, 17, 20 – Leverage § 56 5, 9, 23, 28, 31, 36, 41f, 49, 51 – Meldepflicht § 56 32, 44 – Offshore § 56 7, 40, 61 – Portfoliomanager § 56 35 – Prime Broker § 56 9, 25ff, 40 – Privatplatzierung § 56 55, 58, 60, 62, 66 – Prospekt § 56 41, 48ff, 55f, 58f, 62 – Risikomanagement § 56 19, 24, 41, 59, 63 – Risikomischung § 56 23, 30, 38 – Rückgabe § 56 29, 35, 37 – Schriftform § 56 53f, 57, 62 – Sicherheiten § 56 28 – Strategien § 56 11ff, 18ff, 30, 38, 41, 45, 51 – Vergleichbare Einrichtung § 56 26, 40 – Vertrieb § 56 47ff – Zertifikate § 56 61ff – Zielfonds § 56 35f, 39ff, 49, 51 Hedging § 54 1 Heimatlandprinzip § 52 47; § 72 9 Heininger § 72 29 Herkunftslandprinzip § 9 182ff; § 52 36; § 76 15 – Anwendungsgebot § 9 185 – Ausnahmen § 9 187 – Beschränkungsverbot § 9 186 – elektronischer Geschäftsverkehr § 9 182ff – Telemediengesetz § 9 194ff – Verbraucherverträge § 9 191 – Vertragsstatut § 9 190 – Wettbewerbsrecht § 9 193 Hermes-Kreditversicherung § 22 23 Hilfspersonen s. Erfüllungsgehilfe und Bankgeheimnis Homebanking § 3 8f, 66, 120, s.a. elektronischer Geschäftsverkehr – Abkommen § 9 14 – Bedingungen § 9 1, 20 – Begriff § 9 1 Hybride Finanzierung § 22 84 Hypothek § 16 1ff; § 75 3, 8 – Haftungsverband § 24 50
Stichwortverzeichnis
– Hypothekenbankdarlehen § 22 9 – Hypothekenbankgesetz § 16 2 Identitätsprüfung s. Geldwäsche und Giroverhältnis IFRS § 76 55 Immobiliardarlehen s. Immobiliarkredit Immobiliarkredit § 10 58, 65ff; § 16; § 34 5, 7, 89, s.a. Darlehen – Abschnittsfinanzierung § 16 40 – Abtretungsverbot § 16 51, 68, 74 – Beleihungsgrundsätze § 16 2 – Einwendungsdurchgriff § 16 24, 46 – europäischer Verhaltenskodex § 15 122 – Form, Formmängel § 16 31, 42f – Gesamtbetragsangabe § 15 118 – Gesamtfälligstellung § 16 47 – Grundschuld § 16 12, 60 – gutgläubiger einredefreier Erwerb § 16 60, 70f – Haustürgeschäft § 16 22 – Hypothekenbankgesetz § 16 2 – institutionalisiertes Zusammenwirken § 16 35 – Kreditverkäufe § 16 48ff – Kündigung, Nachweisverzicht § 16 15, 38, 47, 59, 61 – non performing loans (NPL) § 16 48 – Pfandbrief § 16 7 – Prolongation § 16 55f – Refinanzierung § 16 7 – Risikobegrenzungsgesetz § 16 52ff – Rückforderungsdurchgriff § 16 46 – Schadensersatz § 16 62 – Schrottimmobilien § 16 22ff – Schuldanerkenntnis § 16 11, 52, 69 – Sicherungsvertrag § 16 13, 68 – Sonderregelungen im Verbraucherkreditrecht § 15 69ff, 72ff – Subprime-Krise § 16 18 – Täuschungsschutz § 16 35f – Trennungsgrundsatz § 16 23 – Treuhandverhältnis § 16 12, 29 – Überbeleihung § 16 4 – Unterrichtungspflichten § 16 54ff – Verbraucherkredit § 16 22 – verbundenes Geschäft § 16 28, 45 – vollstreckbare Urkunde, Vollstreckungsklausel § 16 14, 17, 58, 72f – Vorfälligkeitsentschädigung § 16 41 – Widerrufsrecht § 16 44 – Zeichnungsschein § 16 30 – Zinsberechnung § 12 29, 40, s. auch Zinsrechnung – Zinsbindungszeit § 16 38 – Zweckerklärung § 16 12
2857
Immobilienderivate § 54 32 Immobilienfonds § 16 24ff – Finanzierung § 15 118 – geschlossener § 15 71; § 52 13 Immobilien-Sondervermögen § 59 94 Indexierung § 61 9 Indossament, Scheck § 46 12f, 21 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) § 52 46 Informationspflichten s.a. Aufklärungspflichten – Anlageberatung § 50 82 – elektronischer Geschäftsverkehr § 9 55ff, 71ff, 96 – Girokonto § 37 19, 22f – Schutzzweck § 4 40 – Treuhandkonto § 41 33 – Vermögensverwaltung § 51 18 Inkasso s. Dokumenteninkasso Inlandsemittent § 52 38 Innenprovision § 4 50 Insidergeschäfte § 52 62 – Anlageberatung § 50 134 – Compliance § 7 282 – Effektengeschäft § 57 45 – Insiderinformation § 50 134 – Need-to-know-Prinzip § 7 283 – Primärinsider § 51 44 – Richtlinie § 50 47 – Verbot § 51 44 Insiderverzeichnis § 52 86 Insolvenz – Absonderungsrecht § 35 83, 91, 92 – Allgemeines Verfügungsverbot § 35 37, 48, 51 – Anderkonto § 41 68f – Anfechtung § 28 17; § 35 29ff, 42, 49, 62 – Dispositionskredit § 19 34 – Factoring § 28 59 – kongruente Deckung § 34 81 – Arbeitseinkünfte § 35 52 – Banken § 74 32 – Bankvertrag § 35 36, 53 – Baubürgschaft § 26 71 – Beschlagnahme § 35 52 – Bürgschaft auf erstes Anfordern § 26 17 – Cash-Pooling § 35 71ff – Cherry-Picking § 55 62 – Dingliches Recht § 35 104 – Dispositionskredit § 19 3, 15, 33 – EG-VO 1346/2000 über Insolvenzverfahren § 30 46f; § 75 62 – Eigenkapitalersatz § 10 35 – Entschuldungstourismus § 35 96 – Finanzierungsleasing § 35 66ff – Forderungsanmeldung § 35 75, 102
2858
Stichwortverzeichnis
– Fortführungsfinanzierung § 35 43, 45, 62 – Gemeinschaftskonto § 35 39 – Girokonto § 37 28 – Girovertrag § 35 53, 54 – Grundschuld § 24 39, 84, 95 – Hauptinsolvenzverfahren § 35 105 – Insolvenzgeldvorfinanzierung § 35 43, 44 – Insolvenzrisiko, Anlageberatung § 50 142 – Insolvenzverfahren § 51 69 – Insolvenzverfahren, Bankgeheimnis § 6 20, 29 – Insolvenzverwalter § 28 42, 43 – Kontoeröffnung § 37 34 – vorläufiger § 28 42 – als Treuhänder § 41 11, 20, 48 – Kontokorrentvertrag § 35 38, 53 – Krediteröffnungsvertrag § 35 58 – Kreditzusage § 35 60 – Lastschriftabkommen § 35 40 – Leasing, Lieferant § 21 83, 88 – Leasingnehmer § 21 101 – lex fori concursus § 35 99, 101, 103, 106, 109 – Massekredit § 35 44ff, 63 – Masseschuld § 35 60, 64 – Masseunzulänglichkeit § 35 47, 65 – Netting § 55 61, s.a. Netting – Oder-Konto § 42 11 – Patronatserklärung § 31 100 – Pfandrecht § 27 72ff – Prüfungstermin § 35 78 – Restschuldbefreiung § 35 84, 89ff – Saldenabschluss § 35 55 – Sanierungskredit s. Sanierungskredit – Schlussverteilung § 35 83 – Sekundärinsolvenzverfahren § 35 105, 111 – Sicherheiten § 35 29, 60, 62, 79, 82, 97, 102, 106ff – Sicherheitenbestellung § 35 63, 64 – Sicherheitenverwertung § 35 62 – Sicherungsgeber § 75 19f, 55ff – Sicherungsrechte allgemein § 75 19f, 55, 62 – Sicherungszession § 28 5, 12, 17, 24, 40, 42, 46 – Sicherungszession, Ersatzabsonderung § 28 14 – Sparvertrag § 35 39 – Sperrkonto § 42 39 – Terminseinlage § 35 39 – Tilgungskredit § 35 59 – Treuhandkonto § 41 34f – Überweisung § 6 51; § 43 29f, 38 – Überziehungskredit § 19 3, 15, 33 – Umlaufvermögen § 35 50
– Und-Konto § 42 24 – Verbraucherdarlehen § 35 61 – Verbraucherinsolvenzverfahren § 35 61 – Verfügungsmacht des Insolvenzschuldners § 75 57 – Verfügungsverbot § 28 12; § 60 54 – Verteilung § 35 80 – Verwahrungsgeschäfte § 60 15, 53ff, 67 – vorläufiger Insolvenzverwalter § 28 42 – Zinsen § 35 55 – Zwischenkonto § 35 38 Institutionalisiertes Zusammenwirken § 4 49, 57, 59; § 16 35 Interbankenentgelt § 13 24 Interbankenverhältnis – Akkreditiv § 62 55f, 58 – Garantie § 62 70 – Inkasso § 62 61 Interessenkonflikte § 52 124 – Anlageberatung § 50 71, 75f, 97, 134 – Aufklärungspflichten § 4 54 – Investmentgeschäft § 59 13, 23, 73 – Vermögensverwaltung § 51 30, 39 International Standby Practices (ISP) § 62 12ff Internationales Privatrecht § 1 17; § 9 166ff; § 50 209, s.a. Kollisionsrecht und Länderübergreifende Geschäfte Internationales Prozessrecht § 62 9ff Internet-Banking § 3 8f, 120, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr Investmentänderungsgesetz § 59 7, s.a. Investmentgeschäft Investmentanteile § 52 14, § 59 42ff, 59ff, s.a. Investmentgeschäft Investmentanteile, ausländische § 59 114, s.a. Investmentgeschäft Investmentfonds s.a. Investmentgeschäft – Altersvorsorge-Sondervermögen § 59 94 – Dach-Hedgefonds § 59 97ff; § 56 2, 21, 34ff, 48ff, s.a. Investmentgeschäft – geschlossene Immobilienfonds § 52 13 – Immobilien-Sondervermögen § 59 94 – nichtharmonisierte Fonds § 77 33, 36 – Publikumspersonengesellschaften § 59 2, 123ff – Publikums-Sondervermögen § 59 4 – semi-closed-end Fonds § 59 4, 118, 122 – Single-Hedgefonds § 59 96, 98f – Spezial-Sondervermögen § 59 4, 101 Investmentfondskredit § 15 118, 120, 174 Investmentgeschäft § 1 29, 30, 32, 43, s.a. Anlageberatung und Vermögensverwaltung – Altersvorsorge-Sondervermögen § 59 94 – Anlageausschüsse § 59 40
Stichwortverzeichnis
– Anlagegrenzen, Verstoß § 59 102 – Anlegerschutzverbesserungsgesetz § 59 125 – Anteil, Abwachsung § 59 44 – Anteil, Anwachsung § 59 44 – Anteilklasse § 59 53 – Anteils(-auf-)teilung § 59 58 – Anteilscheine § 59 56f – Anteilserwerb, Ersterwerb § 59 42ff – Anteilserwerb, Zweiterwerb § 59 59ff – Auslagerung von Tätigkeiten § 59 16ff – ausländische Investmentanteile § 59 114 – Begebungsvertrag § 59 37, 83 – Bestandsprovision § 59 108 – Beteiligung der Anleger § 59 41ff – Dach-Hedgefonds § 59 97ff – Depotbank § 59 8, 72ff, 79 – Depotbankvertrag § 59 79, 81 – Depotgeschäft in Investmentanteilen § 59 10 – EG-Investmentanteile § 59 113 – eigene Anteile/Aktien § 59 23, 118, 120 – europäischer Pass für die KAG § 59 20ff – Finanzportfolioverwaltung § 59 10, 126 – Gemischte Sondervermögen § 59 94 – genehmigtes Kapital § 59 119 – Grundsatz der Risikomischung § 59 4, 115 – Hedgefonds § 59 95ff – Immobilien-Sondervermögen § 59 94 – Interessenkollisionen § 59 13, 23, 73 – Investmentänderungsgesetz § 59 7 – Investment-Dreieck § 59 8, 72 – Investmentkonto § 59 38 – Investmentmodernisierungsgesetz § 59 7 – Investmentvertrag § 59 24ff, 82 – Jahresbericht/Halbjahresbericht § 59 103 – Kausalität, haftungsbegründende § 59 111 – Kick-backs (Kostenrückvergütungen) § 59 108 – Meldepflichten § 59 15 – Miteigentumslösung § 59 8, 47f, 57, 63f – Nebendienstleistungen der KAG § 59 9, 10 – OGAW III § 59 92 – OGAW-Richtlinie § 59 5 – open-end-Prinzip § 59 4, 66, 120 – ÖPP-Fonds § 59 100 – Outsourcing § 59 16ff – Pflichten der KAG § 59 13ff – Preisanpassungsklausel § 59 36 – Prospekthaftung § 59 110ff, 125, s.a. Prospekt – Prospektpflicht § 59 14, 125 – Publikumspersonengesellschaften § 59 2, 123ff
2859
– Publikums-Sondervermögen § 59 4 – Rechnungslegungspflicht § 59 14 – Rechtsform der KAG § 59 11 – Richtlinienkonformes Sondervermögen § 59 90ff – Rücknahme von Anteilen/Aktien § 59 66, 76, 120 – semi-closed-end Fonds § 59 4, 118, 122 – Single-Hedgefonds § 59 96, 98f – Sondervermögen § 59 1, 41ff, 84ff – Sonstige Sondervermögen § 59 100 – Sparpläne § 59 39 – Spezial-Sondervermögen § 59 4, 101 – Surrogation § 59 54 – Total Expense Ratio § 59 106 – Treuhänderfunktion § 59 13 – Treuhandlösung § 59 8, 49ff, 57, 62, 64 – Typenzwang § 59 89 – Umbrella-Konstruktion § 59 85 – Unmittelbarkeitsgrundsatz § 59 51 – Verkaufsprospekte § 59 103, 106ff – Vermögenstrennungspflicht § 59 14, 75 – Verschmelzung von Sondervermögen § 59 71, 86 – Vertragsbedingungen § 59 27ff, 103 – Widerrufsrecht § 59 26 – Wohlverhaltensregeln § 59 13 – zustimmungspflichtige Geschäfte § 59 77 Investmentmodernisierungsgesetz § 59 7, s.a. Investmentgeschäft Investmentzertifikate s. Zertifikate IRB-Ansatz § 76 2, 55 Jahresabschluss, Richtlinien § 74 34 Jahresbericht, Investmentgeschäft § 59 103 KAG § 52 40 – Outsourcing § 59 16ff, s.a. Investmentgeschäft – Pflichten § 59 13ff – Rechtsform § 59 11 – Rücknahme von Anteilen/Aktien § 59 66, 76, 120 Kapital – Auszahlung § 11 6 – Begriff § 11 1 – Nutzungsmöglichkeit § 11 6 Kapitalanlagebetrug § 71 1ff – abstraktes Gefährdungsdelikt § 71 26 – Anlageobjekte i.S. des § 264a StGB § 71 29ff – Anlegerschutzverbesserungsgesetz § 71 10 – Bezugsrechte § 71 33 – echte Treuhandbeteiligungen § 71 35 – EU-Marktmissbrauchsrichtlinie § 71 10 – Grauer Kapitalmarkt § 71 3f – Inhaberpapiere § 71 32
2860
Stichwortverzeichnis
– Kapitalmarktaufsichtsrecht § 71 8 – Kapitalmarktpapiere § 71 32 – kupiertes Erfolgsdelikt § 71 24 – subjektiver Tatbestand § 71 53 – Unternehmensbeteiligungen § 71 34 – Verjährung § 71 55 – Verschweigen § 71 48 – Wertpapiere § 71 31 – Wertpapier-Verkaufsprospektegesetz § 71 10 Kapitalanlagegesellschaft s. KAG u. Investmentgeschäft Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz s. KapMuG Kapitalmarktwertrechte s. Wertpapiere Kapitaltransferbeschränkungen § 34 107 Kapitalverkehrsfreiheit § 74 25; § 75 1ff, 5, 8, 13, 20, 22; § 76 4, s.a. Grundfreiheiten KapMuG § 52 116; § 63 – Anerkennungsfähigkeit des Musterentscheids § 63 129, 130 – Anwendungsbereich § 63 20, 30ff – Aussetzung § 63 62f – Beigeladene § 63 11, 59, 76, 83, 116f – Bekanntmachung des Musterfeststellungsantrags § 63 46 – Bindungswirkung des Musterentscheids § 63 131, 133f – Bundesanzeiger, elektronischer § 63 28, 46, 61 – Einzelanspruch, höchster § 63 88 – Erweiterung des Musterverfahrensgegenstandes § 63 69, 107, 109 – Feststellungsziel – Disposition über den Streitgegenstand § 63 105 – Entscheidungsgegenstand § 63 39 – Erweiterung § 63 69, 109 – feststellfähige Anspruchsvoraussetzungen § 63 38 – Gleichgerichtetheit § 63 53 – Klärung von Rechtsfragen § 63 38 – Streitpunkt § 63 38 – Verfahrensgegenstand § 63 38, 39 – Gerichtliche Zuständigkeit § 63 12, 26, 29 – Gerichtsstand § 63 12ff – Gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge – Beispiele § 63 53 – Legaldefinition § 63 54 – Kläger – Auswechslung § 63 96 – Bestimmung § 63 82f – Kriterien § 63 87f – Klageregister § 63 28, 46, 51
– Klagerücknahme § 63 89, 102, 111, 130 – Bindung an den Musterentscheid § 63 130 – durch den Beigeladenen § 63 130 – durch den Musterkläger § 63 102, 111 – Kostenentscheidung § 63 135, 138 – Musterfeststellungsanträge, Mindestanzahl § 63 52 – Organhaftung § 69 51ff – Rechtsbeschwerde § 63 73f – Sperrwirkung des Vorlagebeschlusses § 63 58 – Zuständigkeit, erstinstanzliche § 63 26, 29 – Zwischenverfahren § 63 29 Karenztage § 40 33, s.a. Termingeld Kartellrecht, Bereichsausnahmen § 74 29 Kassageschäfte § 55 63 Kassa-Leerverkauf § 54 27 Kassenverein § 50 166 Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden § 4 82; § 50 188; § 51 59, s.a. Haftung Keck § 72 27 Kettenkreditverträge § 20 8; § 32 28 Kettenzurechnung § 53 32, s.a. Wertpapierübernahme Kick-backs (Kostenrückvergütungen) § 52 123; § 59 108, s.a. Investmentgeschäft Know-your-customer-Prinzip § 4 25, 33; § 70 4, s.a. Anlageberatung und Geldwäsche Know-your-merchandise-Prinzip § 4 30 Kollisionsrecht § 8 52f; § 50 209, s.a. Länderübergreifende Geschäfte und Anwendbares Recht – Anlageberatung § 50 209 – Fernabsatz § 8 52f – Gebietswechsel von Sicherungsgut § 75 22 – Gesellschaften § 75 12, 23 – Hague Conference § 75 61 – place of the relevant intermediary approach (PRIMA) § 75 61 – Sicherungsrechte an Forderungen § 75 13, 59 – Sicherungsrechte an Sachen § 75 11 – Sicherungsrechte an Wertpapieren § 75 58ff Kombinationsfinanzierung § 12 28, 32 Kommissionsgeschäft § 50 27; § 74 49 Kommunalkredit § 22 25 – Deckungsgrundlage § 22 28 – Gebietskörperschaft § 22 25 Konsolidierter Abschluss § 74 34 Konsolidierungsrichtlinie § 73 18 Konsortialkredit § 22 64 – Außenkonsortium § 22 65, 70, 76 – Beiträge § 22 74
Stichwortverzeichnis
– Besicherung § 22 78 – Innenkonsortium § 22 65, 69, 71, 74f – Konsortialführer § 22 68, 73, 75, 77 – Sicherheiten-Pool § 22 78 – Unterbeteiligung § 22 71 Konsumentenkredit s. Verbraucherkredit Konteninformationen, automatisierter Abruf § 5 13ff Konto s . Giroverhältnis Kontoauszüge, Entgelt § 13 25 Kontoführungsgebühr § 15 108; § 17 27 Kontokorrent § 10 73; § 25 33, 94; § 28 14, 17; § 31 36f; § 34 110; § 37 17, s.a. Girokonto und Dispositionskredit – abstraktes Schuldanerkenntnis § 38 40ff, 54 – Abtretungsverbot § 38 23 – Akzessorische Sicherheiten § 38 57 – Anfechtung § 38 67 – Anfechtungsfrist § 38 68 – Aufrechnungsvertrag § 38 12, 33 – Ausschlussfrist § 38 41 – Bereicherungsausgleich § 38 45ff – Beweislastumkehr § 38 41, 45 – Darlehensvertrag § 38 17 – Einlagen § 38 49f – Erfüllung § 38 27ff, 35, 53f – Erlass § 38 43 – Feststellungsabrede § 38 13 – Genehmigungsfiktion § 38 41f – gesamtschuldnerische Mithaftung § 38 58ff – Girovertrag § 38 17, 54, 66 – Gutschrift § 38 51, 59 – Handelsbrauch § 38 5 – In-Rechnung-Stellung § 38 22 – Insolvenz § 38 66ff – Kontokorrentabrede § 38 8 – Kontokorrentkredit § 19 7; § 38 7, 18 – Kontokorrentratenkredit § 19 7 – Kreditlinie (Pfändbarkeit) § 38 63ff – Krise § 35 9 – Kündigung § 38 64ff – Lähmung von Forderungen § 38 22 – Mosaiktheorie § 38 34 – Nachhaftung § 38 58ff – Novationstheorie § 38 28ff, 43ff – Periodenkontokorrent § 38 53ff – persönliche Haftung der Gesellschafter § 38 58ff – Pfandrecht der Banken § 38 69 – Pfändung § 38 60ff – Postensaldo § 38 53 – Ratenkredit § 19 7 – Saldo § 38 26, 40ff – Sicherheiten § 38 55ff
2861
– Sittenwidrigkeit § 32 21 – Staffelkontokorrent § 38 53ff – Stundung § 38 7 – Tagessaldo § 38 54, 60 – Tilgung § 38 27, 33, 35 – unklagbare Verbindlichkeiten § 38 38 – unpfändbare Forderungen § 38 25 – Verfügungsverbot § 38 66 – Verfügungsvertrag § 38 15 – vergessene Forderungen § 38 48ff – Vorausverfügung § 38 23 – Vorvertrag § 38 12 – Zins, Zinseszins § 12 22, 46; § 38 21 – Zustellungssaldo § 38 60 – Zwangsvollstreckung § 38 60 Kontokorrentvertrag – Insolvenz § 35 38, 53 Kontosperre § 40 55, s.a. Sperrkonto Kontounterlagen, Entgelt § 13 25 Kontovollmacht § 19 25, s.a. Giroverhältnis Kontrahierungszwang – Giroverhältnis § 37 9ff, 21, 27 – risikoneutrale Geschäfte § 2 12, 26ff – Sanierungskredit § 18 5, 26 – Überweisung § 43 3, 22, 30 Kontrollfähigkeit, Entgelt § 13 17f Kontrollmitteilung s. Steuern Konzernfinanzierung § 22 32 – Cash Management § 22 33 – Zero Balancing § 22 33 Kostenverursacherprinzip, Entgelt § 13 11 Kredit, Grundlagen § 1 2, 12, 15 Kreditabwicklung, Entgelt § 13 25 Kreditderivate § 52 20 – Insolvenz § 55 63 – rechtliche Einordnung § 55 34 – Struktur und Funktion § 55 30 Krediteröffnungsvertrag – Darlehen § 10 68 – Dispositionskredit § 19 3, 7 – Insolvenz § 35 58 Kreditgewährungspflicht, Sanierungskredit § 18 5, 26 Kreditinstitut – Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit § 74 32 – Begriff § 76 13f – Europäischer Pass § 76 33 – öffentlich-rechtliches § 74 29 – Zulassung § 76 23ff Kreditkarte § 31 26; § 37 13, 22; § 49 – acquiring § 49 5 – Auslandseinsatz § 49 15 – Bargeldersatzfunktion § 49 8 – Debitkarte § 49 7 – Einwendungsdurchgriff § 49 21, 25
2862
Stichwortverzeichnis
– Elektronischer Geschäftsverkehr § 9 113ff – Entgelt § 13 24 – Ersatz, Entgelt § 13 25 – Fernabsatz § 49 38, 45 – Fremdwährungsgeschäfte § 61 21 – Geldkarte § 49 7 – Haftungsbegrenzung § 49 26ff – Kreditkartenverträge § 20 8 – Kundenkreditkarte § 49 4 – missbräuchliche Verwendung § 49 20 – Missbrauchsrisiko § 49 46, 47 – Processing § 49 5 – Rechtsmissbrauch § 49 23 – Rückforderungsklausel § 49 44, 45 – Saldoanerkenntnis § 49 18 – Sorgfaltspflichten § 49 31 – Universalkreditkarte § 49 5 – Verlust § 49 26ff – Weisung § 49 19 – Zusatz- und Firmenkarte § 49 17 Kreditlinie s.a. Dispositionskredit – Festlegung durch die Bank § 10 19 – Gesamtkreditlinie § 19 3 – Pfändbarkeit § 38 60ff Kreditrating s. Rating Kreditrisiko § 36 3, s.a. Rating Kreditscoring s. Rating Kreditsicherheiten s. Sicherheiten Kreditsicherungsswap § 55 31 Kreditverkäufe § 16 48f Kreditvermittlung s. Sittenwidrigkeit und Verbraucherkredit – Sittenwidrigkeit § 32 9 – Vertrag § 10 6 Kreditversicherung im Exportbereich § 62 109f Kreditwürdigkeit – Bankauskunft § 3 14ff – Bauspardarlehen § 17 50f – Darlehen § 10 68 – Factoring § 29 25 – Kreditgewährung § 4 44 – Patronatserklärung § 31 77ff – Schufa § 6 57 Kreditzusage – Insolvenz § 35 60 Krise s.a. Insolvenz – AGB § 35 15 – Ausfallrisiko § 35 3, 7 – Eigenkapital § 35 26 – Eigenkapitalersatzrecht § 35 27 – Erlassfalle § 35 12 – Festzinsdarlehen § 35 13 – Forderungsausfall § 35 2, 111 – Forderungsverzicht § 35 12 – Fremdkapital § 35 26, 27
– Globalzession § 35 32 – Haftung § 35 28 – Hausbank § 35 20 – kongruente Deckung § 34 81 – Kreditsicherheiten § 35 12 – Kündigung § 35 9, 14ff – Liquidation § 35 5 – MoMiG § 35 9, 27 – Moratorium § 35 10 – offene Kreditlinie § 35 9 – Privatautonomie § 35 6 – Stillhalten § 35 9, 10 – Stundung § 35 12 – Überbrückungskredit § 35 9, 20 – Umschuldung § 35 13 Kundenkategorisierung § 52 130 Kündigung – Abrechnungsverhältnis § 34 76 – Abwicklungsverhältnis § 34 20 – allgemeines Bankverhältnis § 2 38 – Androhung § 34 94 – Arglist des Darlehensnehmers § 34 93 – außerordentliche § 3 106, 110ff, 114; § 21 97 – Austausch des Sicherungsgegenstands § 34 64 – Bankgeheimnis § 6 64 – Bankkündigung § 3 108ff – Bauspardarlehen § 17 12, 21ff, 58, 61, 65, 70 – Bürgschaft § 25 80f – Darlehen § 10 76f; § 34 3, 36ff – Ausschluss § 34 42, 85, 116f – außerordentliche § 34 47, 74, 78f, 93, 104 – Darlehensgeber § 34 115 – Darlehensnehmer § 34 113 – Erklärung § 34 40, 97 – fester Zinssatz § 34 41 – ordentliche Kündigung des Darlehensnehmers § 34 41 – Rechtsfolgen § 34 100 – Rechtsmissbrauch § 34 52, 127 – Schadensersatz § 34 96, 125, 131 – Teilkündigung § 34 109 – Unzeit § 34 52, 121ff – vor Valutierung § 34 72f – Zeitpunkt § 34 69 – Darlehensreduzierung § 34 110 – Entgelt § 13 25 – Existenzgründung § 34 118 – Frist § 3 108; § 34 94 – Gesamtschuld § 31 36 – Geschäftsgrundlage § 34 103 – gesetzliche § 3 107 – Grund § 3 106, 111f, 114
Stichwortverzeichnis
– Immobilienkredit § 16 15, 38, 47, 59, 61 – Kontokorrent § 38 64ff – Krise § 35 9, 14ff – Kundenkündigung § 3 104ff – Laufzeit, bestimmte § 34 39 – Leasing – außerordentliche § 21 97 – Verzug § 21 99ff – Neubewertung der Sicherheit § 34 66 – Optionsgeschäft § 34 46 – ordentliche § 3 104, 108f – Personalsicherheiten § 34 62 – Pfandrechtsbestellung § 27 31 – Pflichtverletzung § 34 58, 114 – Rahmenvertrag § 55 49 – Sanierungskredit § 18 5, 8, 28; § 34 119 – Schaden § 21 106 – Sicherungsvertrag § 23 19, 65ff – Teilzahlungsgeschäft § 34 88 – Termingeld § 40 38f – tilgungsfreie Darlehen § 34 88 – Überweisungsvertrag § 43 21, 27ff, 35; § 44 10 – Überziehung § 34 52, 123 – Umgehungsgeschäfte § 34 44 – Unzeit § 34 120ff – Valutierung § 34 69 – variabler Zinssatz § 34 41 – Vermögensverwaltungsvertrag § 51 67 – Verschlechterung der Vermögensverhältnisse § 34 54, 136 – Verschlechterung der Werthaltigkeit einer Sicherheit § 34 61 – Vollstreckungsmaßnahmen § 34 59 – wirtschaftliche Einheit § 34 31 Kündigung zur Unzeit – Sanierungskredit § 18 5 Kündigungsdarlehen § 10 72 Kündigungsfiktion, Überweisungsvertrag § 43 22 Kündigungsgeld § 40 18 Kursmanipulation § 52 88; § 57 63 Kurspflege § 57 121; § 58 26 Lamfalussy-Verfahren § 52 6; § 72 16, 18; § 76 14 Länderübergreifende Geschäfte s. Anwendbares Recht, Kollisionsrecht – Börsenort § 74 17 – Dienstleistungen § 74 2, 29, 47 – Dienstleistungsfreiheit § 8 5; § 74 24, 36; § 76 3, 32f, 36 – Dokumenten-Akkreditiv § 74 16 – Drittstaaten § 74 25, 26 – enger Zusammenhang § 9 170; § 74 7 – Erfüllungsort § 74 46
2863
– Gebietswechsel des Sicherungsguts § 75 21ff – Gemeinschaftssekundärrecht § 74 30 – gerichtliche Zuständigkeit § 74 39, 41 – gewöhnlicher Aufenthalt § 74 8, 63 – Grundstücksbelegenheit § 74 8 – Güterbeförderungsverträge § 74 8 – Haftungsrisiken § 74 4 – Hague Conference § 75 61 – Hauptniederlassung, Hauptverwaltung § 74 8 – ICC-Richtlinien § 74 19 – international zwingendes Recht § 74 67 – internationales Gesellschaftsrecht § 75 12, 23 – Internationales Prozessrecht § 62 9ff – Kommissionsgeschäft § 74 49 – Lageort § 75 11f, 22 – Recht des Börsenorts § 74 17 – Rechtswahl § 3 32; § 9 166ff; § 74 56ff – Risiken § 74 3f – Überweisung § 74 11, 26 – UNCITRAL § 1 34, 35; § 28 8; § 29 18, 51f – US-Sicherungsrechte § 75 27, 48, 58f, 61 – US-Wertpapiere § 75 32, 39ff, 48f, 59, 61 – Verbraucher § 9 163ff; § 74 53, 63 – Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen § 74 39, 41, 55 – Wertpapierdienstleistungen § 9 174 – Wertpapiertermingeschäfte § 74 24 – Wertübertragung (einseitige) § 74 25 – Wettbewerbsbeschränkungen § 74 22 – Wettbewerbsregeln § 74 39 – Wohn- oder Geschäftssitz § 74 2 – Zahlungen in Euro § 74 38 Länderübergreifender Geschäfte, Schiedsvereinbarung § 62 11 Landeszentralbanken § 64 2ff; § 65 7 Lastschrift § 3 38ff, 55; § 37 17f, 24; § 39; s.a. Giroverhältnis – Aufklärungspflichten § 4 78 – Bankgeheimnis § 6 58 – Datenklausel § 45 19 – digitale Signatur § 45 74 – Einlösung-vorbehalten-Gutschrift § 45 24 – Elektronischer Geschäftsverkehr § 9 119ff – ELV-Verfahren § 45 2 – Entgelt § 13 24; § 45 43 – Forderungsnachweis § 45 45 – Genehmigungstheorie § 45 12 – Generalweisung § 45 11 – Hauslastschrift § 45 9 – Insolvenz § 35 40 – Interbankenentgelt § 45 54
2864
Stichwortverzeichnis
– KUNO-Verfahren § 45 2, 6 – Lastschriftabkommen § 45 8 – Neuberechnung § 45 47 – POS-Verfahren § 45 1 – POZ-Verfahren § 45 1 – Rücklastschriftentgelt § 45 40 – Saldoanerkenntnis § 45 52 – Schadensersatz § 45 42 – SEPA § 45 73 – Sperrdatei § 45 1 – Stufenklage § 45 49 – Verjährung § 45 50 – Widerspruch § 3 38ff Laufzeit – Darlehen § 10 21; § 34 39, 140 – Termingeld § 40 14, 25 – Verlängerung § 14 58 Leasing § 1 15; § 10 28; § 15 25; § 20 1; § 15 – Abschlusszahlung § 21 6 – AGB § 21 2, 39, 80, 82, 103, s.a. AGB – Amortisation § 21 5ff – Andienungsrecht § 21 7, 94 – Anfechtung § 21 50ff – aufschiebende Bedingung § 21 7, 23 – Ausgleichszahlung § 21 8, 103 – ausländische Rechte § 21 3 – außerordentliche Kündigung § 21 97 – Austauschsache § 21 74, 91 – Differenzausgleich § 21 8 – Dreiecksverhältnis § 21 22f – Drittverweisungsklausel § 21 61ff – Eigenhaftung § 21 83 – Eintrittsmodell § 21 25 – Erfüllungsgehilfe § 21 53ff – Erfüllungsort § 21 107f, 113 – Erlasse der Finanzverwaltung § 21 5f – Erlasskonformes Leasing § 21 14 – Finanzierungshilfe § 21 38, 43, 48 – Finanzierungsleasing § 21 5ff – Finanzierungszweck § 21 34, 36 – Flens-Modell § 21 24 – Form § 21 41, 46 – full-pay-out-Leasing § 21 5 – Garantie § 21 56, 60, 77 – Gebrauchsüberlassung § 21 34, 56, 101 – Gegenleistungsgefahr § 21 9, 84f, 98 – Geschäftsgrundlage § 21 86ff – Gestaltungsrechte § 21 70f – Gewährleistung § 21 57ff – Haftungsausschluss § 21 61ff – Halterhaftung § 21 28 – Händlerleasing § 21 26 – Herstellerleasing § 21 26 – Immobilienleasing § 21 19, 41 – Insolvenz § 35 66ff
– Investitionsrisiko § 21 5 – Kaufvertrag § 21 22 – Kollusion § 21 24f – Konvention von Ottawa § 21 4 – Leitbild § 21 2 – Mehrheit von Leasingnehmern § 21 101 – Minderung § 21 58, 71, 89, 113 – Nacherfüllung § 21 34f, 71f, 82 – Nachfristsetzung § 21 76 – Nebenabreden § 21 21 – Nichterfüllung § 21 56ff – non-full-pay-out-Leasing § 21 6 – ökonomische Analyse § 21 10 – Operatingleasing § 21 38 – Optionsrecht § 21 7, 94 – pay-as-you-can-Effekt § 21 9 – Pflichtangaben § 21 45 – Preisgefahr § 21 9, 84f, 98 – Rechtsnatur § 21 29ff – Rückgabe der Leasingsache § 21 35, 51, 104, 108 – Rückkaufvereinbarung § 21 8 – Rückstand § 21 99 – Rückstellungen § 21 22 – Sachgefahr § 21 9, 85, 98 – Sachwalter § 21 52 – sale-and-lease-back-Geschäft § 21 27 – Schadensersatz § 21 57, 76, 92f – Sittenwidrigkeit § 21 40 – Steuern § 21 11ff – AfA-Befugnis § 21 15 – Betriebsausgaben § 21 16 – Bilanzierung § 21 13ff – Dauerschuldzinsen § 21 17f – degressive Leasingraten § 21 16 – Einkommensteuer § 21 16 – Erlass § 21 5f; § 21 14 – Gewerbesteuer § 21 17f – Teilamortisationserlass § 21 6 – Umsatzsteuer § 21 21 – Vollamortisationserlass § 21 5 – Streithelfer § 21 116 – Streitverkündung § 21 109 – strukturelle Unterlegenheit § 21 54 – Subsidiarität der Eigenhaftung § 21 83 – Teilamortisation § 21 6, 15 – Teilprivileg-Theorie § 21 38 – Umdeutung § 21 69, 112 – Veräußerung an Dritte § 21 8 – Verbraucherkredit § 21 42 – Verbrauchsgüterkauf § 21 7, 67, 79 – Verhandlungsgehilfe § 21 50f – Vertragsinhalt § 21 9ff, 15, 20 – Vertragsschluss § 21 39 – Vertragszins § 21 40
Stichwortverzeichnis
– Vollamortisation § 21 5, 14 – Vorenthaltung des Gebrauchs § 21 98 – Wegfall der Geschäftsgrundlage § 21 86ff – wirtschaftliches Eigentum § 21 13ff – Zinsrechnung § 12 41 – Zwischenhändler § 21 26 Lebensversicherung – Abtretung § 28 16 – Darlehen – Aufklärung § 15 166 – Gesamtbetragsangabe § 15 120 – Kündigung § 34 89 – verbundenes Geschäft § 15 151ff, 163ff – Hypothek § 15 163ff Leerverkauf § 22 82 – Hedgefonds § 56 6, 9, 11ff, 17, 20 – Kassa-Leerverkauf § 54 27 Leistungsbestimmungsrecht s. AGB Leistungsbestimmungsrecht – Entgelt § 13 16 Letter of Credit s. Akkreditiv und Garantie Leverage, Hedgefonds § 56 5, 9, 23, 28, 31, 36, 41f, 49, 51 Lex fori concursus s. anwendbares Recht Lex rei sitae s. anwendbares Recht Liberationswirkung s. Sparbuch Liquidationsnetting § 55 44, 50, 61 Liquiditätsgrundsatz § 40 7 Lohnabtretung § 28 1, s.a. Abtretung und Sicherungszession – Offenlegung § 28 6 – Verwertung § 23 76 – Wirksamkeit § 28 20; § 32 22 Lombardkredit § 10 38; § 22 39 Lombardsatz § 64 9 Lorokonto § 37 4, s.a. Giroverhältnis Löschungsbewilligung, Entgelt § 13 18, 24 Löschungsbewilligung, Vergütung s. Grundschuld, Hypothek und Nebenentgelte Macro Swaps § 54 32 MAD § 52 4 Magnetband-Clearing § 43 27, s.a. Überweisung Mahnbescheid, Entgelt § 13 25 Mahnkosten § 13 25, s.a. Entgelte, Nebenentgelte Mantelzession § 28 7 Markets in Financial Instruments Directive s. MiFID Marktmanipulation – Anlageberatung § 51 42 – Richtlinie § 51 41 Marktpflege § 58 26 Marktzins – Ermittlung § 34 33 – Sittenwidrigkeit § 32 13, 24
2865
– Umschuldung § 34 33 Marshall § 72 5 Maximalharmonisierung § 72 28, 23 MBO-Finanzierung § 22 85 M-Commerce § 9 341, 53, 129, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr Mehrwertsteuer § 77 51ff Mehrwertsteuer, steuerbefreite Dienstleistungen § 77 53 Meldepflichten § 52 47; 59 15 Mezzanine Finanzierungen § 22 84 – Bezugsrecht § 22 102f, 106 – börsennotierte Schuldverschreibungen § 22 88 – einfacher Nachrang § 22 96 – Equity Kicker § 22 87, 89 – Ergebnisverwendung § 22 98 – Expansionsfinanzierung § 22 85 – Genussrechte § 22 87 – Gewinnbezugsrecht § 22 106 – hybride Finanzierung § 22 84 – isolierte Optionsrechte § 22 104 – isolierte Wandelanleihe § 22 104 – Junior Note § 22 88 – Kontrollrechte § 22 91 – MBO-Finanzierung § 22 85 – Non-Equity-Kicker § 22 90 – Sanierungskredit § 18 6, 23 – Senior Note § 22 88 – Wandelrecht § 22 101 – Zweckgesellschaft § 22 88 Mietkautionskonto § 39 14, s.a. Sparkonto MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) § 1 43; § 52 6 MiFID, Compliance § 7 24, 142, 217, 255 Minderjährigkeit – Girokonto § 37 13ff, 36 – Scheck § 46 57 Mindestharmonisierung § 72 23, 26, 28 Mindestreserven § 39 3; § 40 24ff; § 64 9, 24, s.a. Bankenaufsicht Mindestreserveverordnung (MR-VO) § 40 15, 18, 24ff Mischkursabrechnung § 51 40 Missbrauch – Kreditkarte § 49 20, 46, 47 – Scheck § 46 70 Mitarbeitergeschäfte § 52 144 Mitarbeitergeschäfte, Arbeitsrecht § 68 100ff Mitarbeiterleitsätze § 52 144 Mitverschulden – Kunde – AGB § 3 21 – Scheck § 46 26, 67 – Überweisung § 43 20, 24
2866
Stichwortverzeichnis
– Vermögensverwaltung § 51 55, 66 – Scheck § 46 38, 76 – Überweisung § 43 20f, 23f Mitwirkungspflichten des Kunden § 3 58ff – Änderung der persönlichen Angaben § 3 59f – Eilbedürftigkeit § 3 63 – Klarheit von Aufträgen § 3 61 – Kontrollpflicht § 3 64 – Rügepflicht § 3 64 MoMiG § 18 10, 12, 34, 40; 35 9, 27 Money-Back-Garantie, Überweisung § 43 19ff, 34, 37 Multilateral Trading Facility (MTF) § 1 12, 43; § 52 135 Multilaterale Handelssysteme § 1 12, 43; § 52 135 Münzausgabe § 64 3, 23 Nachbesicherung § 34 60, 67 Nachbesicherung, Sanierungskredit § 18 2 Nachforschungspflicht – Scheck § 46 54 – Umschuldung § 33 20, 40 Nachforschungspflicht -Vermögensverwaltung § 51 15 Nachlassbearbeitung, Entgelt § 13 25 Nachlassverwalter, Kontoeröffnung § 37 37 Nachlassverwaltung, Dispositionskredit § 19 25 Nachsicherungsanspruch § 23 38 Namenspapiere § 27 28; § 39 9; § 40 17 Nebenentgelt s. Aufwendungsersatzanspruch und Entgelt – kontrollfreie Hauptleistungspflicht § 3 6, 67 – Lastschrift § 45 40f, 43 – Neuberechnung des Kontosaldos § 45 47 – Preisnebenabrede § 3 6, 67; – Rücklastschriftentgelt § 45 40 Netting § 76 58 Netting § 55 41 – Aufsichtsrecht § 55 66 – Eigenkapitalerleichterungen § 55 70 – Insolvenz § 55 61 – Liquidationsnetting § 55 44, 50, 61 – Novationsnetting § 55 43 – Payment Netting § 55 42 – Zahlungsnetting § 55 42, 53 Nichtabnahme – Bereitstellungsprovision § 34 137 – Darlehensvaluta § 34 130 Nichtabnahmeentschädigung § 14 1f; § 34 131, s.a. Vorfälligkeitsentschädigung – Abrechnung § 14 53 – Berechnung § 14 23f – Kosten § 14 46 – Rechnungslegung § 14 53
– Refinanzierung § 14 26 – Rückforderbarkeit § 14 57 Nichtausführung – Effektengeschäft § 57 47, 113 – Gutschrift § 44 2, 25, 27 – Lastschrift § 45 39f – Überweisung § 43 3 – Vergütung § 37 25; § 43 9 Nichtharmonisierte Fonds § 77 33, 36 Nichtigkeit § 32 3, 14f, 30ff, 37ff; s.a. Sittenwidrigkeit – Bereicherungsrecht § 32 33, 42, 44ff – Bestätigung § 32 32; § 33 37 – Beurteilungszeitpunkt § 32 14 – Darlehen § 10 44ff – geltungserhaltende Reduktion § 32 44 – Gesamtbetrachtung § 32 3, 17ff – Gesetzwidrigkeit § 32 41ff – Heilung von Formmängeln § 32 42 Niederlassung § 74 8, 16 – Grundfreiheit § 74 27, 36; § 76 4, s.a. Grundfreiheiten des EGV – Richtlinie § 73 13 – Website § 9 169 Nominalzins – Begriff § 15 123 – Falschangabe § 15 128 – fehlende Angabe § 15 127, 141 – Zinsrückrechnung § 15 124 Non performing loans (NPL) § 16 48 Nostrokonto § 37 4 Notaranderkonto s. Anderkonto Notenbank § 64 5, 19 Novation – Kontokorrent § 33 5 – Netting § 55 43 NPD-Konten § 37 11, 21, 27 Nummernkonto § 37 38 Oder-Depot § 60 26, 37, s.a. Depot Oder-Konto § 42 2ff; § 50 35 – Aufklärungspflichten § 42 5 – Ausgleichanspruch § 42 9, 11, 12 – Dispositionskredit § 19 20, 31 – Einzelverfügungsbefugnis § 42 2, 4 – Forderungspfändung § 42 9 – Gesamtgläubigerschaft § 42 4 – Kontoüberziehung § 42 7, s.a. Überziehungskredit – Pfändung § 19 21 – Schenkung auf den Todesfall § 42 17 – Sonderkündigungsrecht § 42 16 – Umwandlung § 42 13 Offene Immobilienfonds § 77 36, 39 Offene Kreditlinie s. Kreditlinie Offenmarktgeschäfte § 64 9, 24
Stichwortverzeichnis
Öffentliches – Angebot Wertpapierübernahme § 53 7 OGAW § 77 32ff – Aufsicht § 77 34 – Binnenmarkt § 77 33, 35f – Richtlinie § 59 5, 92, s.a. Investmentgeschäft – Richtlinie, Weißbuch § 77 32ff Ombudsmannverfahren § 66 – Anhängigkeit § 66 1, 25 – Beschwerde § 66 31 – Bindungswirkung § 66 14f, 35 – Entscheidungsbegründung § 66 15 – Finanzierung § 66 35 – FIN-NET § 66 49ff – Gebühren § 66 35 – grenzüberschreitende Streitigkeiten § 66 7f, 12, 22, 35 – Kostenfreiheit § 66 35 – Rechtsbeistand § 66 Anh. – Streitwert § 66 61 – Unternehmer § 66 22f – Verbraucher § 66 1ff, 9ff – Verjährung § 66 34 Online-Banking § 37 18, 23 – Bedingungen § 9 19 – Begriff § 9 1 – Gutschrift § 44 34 Oosthoek’s Uitgeversmaatschappij § 72 27 Operatingleasing s. Leasing ÖPP-Fonds § 59 100, Investmentgeschäft Option § 54 8ff, 33ff; § 55 28 – Anlageberatung § 50 158f – Kaufoption § 54 8; § 55 28 – Optionsschein § 54 12f, 35ff, 65ff – put § 54 8; § 55 8 – Struktur und Funktion § 55 28, 29 – Zinsbegrenzungsgeschäfte § 55 24 Optionsanleihe § 54 36f Orderpapiere s. Scheck, Wechsel, Pfandrecht Organhaftung § 52 163; § 69 – Ausland § 69 3 – Beweisschwierigkeiten § 69 18, 50 – Business-Judgement-Rule § 69 38 – Gesellschaftsverhältnisse § 69 29 – Grundsatz der Kapitalerhaltung § 69 5 – Informationsfreiheitsgesetz § 69 61 – KapInHaG § 69 63 – Kapitalanlagebetrug § 69 33 – KapMuG § 69 51 – Bindungswirkung § 69 59 – Musterverfahren § 69 56 – Vorlageverfahren § 69 54 – Kausalität – haftungsbegründende § 69 18
2867
– Preiskausalität § 69 24 – Marktpreismanipulation § 69 37 – Mitverschulden § 69 26 – Musterverfahren § 69 56 – Prospekthaftung § 69 40 – Schaden – Fallgruppen § 69 9 – finanzökonomische Verfahren § 69 48 – Kursdifferenzschaden § 69 23, 46 – Vertragsabschlussschaden § 69 17, 46 – Schädigungsabsicht § 69 15 – Sittenwidrigkeit § 69 8 – Vertragsabschlussschaden § 69 17, 46 – Streuschäden § 69 50 – Unterlassen § 69 12 – Verantwortlichkeit § 69 6 – Verjährung § 69 27, 49 – vertragliche Ansprüche § 69 39 Organisationspflichten § 52 65, 112, 142, 144 Organisierter Markt § 52 35 Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren § 74 32 OTC-Derivate § 55 1, s.a. Finanztermingeschäfte – Arten § 55 4 – Basisswap § 55 6 – Call Option § 55 28 – Cap § 55 19 – Collar § 55 21 – Corridor § 55 22 – Couponswap § 55 6 – Credit Default Swap § 54 32; § 55 31, 35 – Credit Event § 55 30 – Credit Spread Swap § 55 31, 35 – Cross Currency Swap § 55 8 – Currency Swap § 55 5 – Devisenswap § 55 8 – Differenzeinwand § 50 101; § 55 72 – Dokumentation § 55 36 – Floor § 55 20 – Forward § 55 26 – Forward Rate Agreement (FRA) § 55 25 – Gesamtertragsswap § 55 33 – gross-up-Klausel § 55 45 – Interest Rate and Currency Exchange Agreement § 55 36 – ISDA Master Agreement § 55 38, 59 – Kreditwesengesetz (KWG) § 55 66 – Liquidationsnetting § 55 44, 50, 61 – Put Option § 55 28 – Rahmenvertrag – Anhänge § 55 56 – Geschäftsbestätigung § 55 40 – Netting § 55 41, 61, 66, 70
2868
Stichwortverzeichnis
– Referenzschuldner (Reference Entity) § 55 30 – Schutzkauf § 55 30 – Solvabilitätsverordnung § 55 70 – Spannensicherungsswap § 55 32 – Spieleinwand § 55 72 – Terminsatzgeschäfte § 55 25ff – Total Return Swap § 55 31, 35 – walk-away-Klausel § 55 69 – Warentermingeschäfte § 55 63 OTC-Geschäfte § 52 10 Ottawa-Konvention § 21 4 Outsourcing, Investmentgeschäft § 59 16ff Packing – Sittenwidrigkeit § 32 9, 22 – Umschuldung § 33 50 Patronatserklärung § 31 77ff – Abtretung § 31 90 – Akzessorietät § 31 84 – Anlassrechtsprechung § 31 94 – Begriff § 31 77ff – Comforting effect § 31 81 – Insolvenz § 31 100 – Kündigung § 31 96 – Passivierung § 31 99 – Schadensersatz § 31 96ff – Sittenwidrigkeit § 31 95 – Unwirksamkeit § 31 92ff – Vertrag zu Gunsten Dritter § 31 90 Paybox-System § 9 129 Payment Netting § 55 42, s.a. Netting Payment Service Directive, PSD § 77 22 Paypal § 9 126ff Pay-TV-Vertrag § 22 80 Penny Stocks § 50 160, 202 Pensionsgeschäft § 10 26 Perealta § 72 29 Pfändbarkeit, Sanierungskredit § 18 29 Pfandbrief § 16 7 Pfandrecht – Abwehranspruch des Pfandgläubigers § 27 60 – AGB § 27 24, 30ff, 44, 45, 51 – Akzessorietätsgrundsatz § 27 11, 26 – Anzeige § 27 18, 30; § 40 55, 58 – Banken § 40 52ff; § 44 28; § 60 13, 48, 64f, 68 – Besitz § 27 4ff – Bestellung des Pfandrechts an beweglichen Sachen § 27 3ff, 13 – Bestellung des Pfandrechts an Rechten § 27 17ff; § 34 52ff – Eigentümerpfandrecht § 27 12, 80 – Einwendungen § 27 64 – Erfüllung der gesicherten Forderung § 27 61
– Erlös aus Pfandverkauf § 27 93 – Erlöschen § 27 75ff – Faustpfandprinzip § 27 2 – Flaschen- und Behälterpfand § 27 10 – Forderung, gesicherte § 27 11, 26 – Geld § 27 9 – Gesamtpfand § 27 13 – gesetzliches § 27 33ff – gesicherte Forderung § 27 11, 26 – gutgläubiger Erwerb § 27 38ff – Haftungsumfang § 27 12, 52f – Herausgabeanspruch des Pfandgläubigers § 27 60 – Inhaberpapiere § 27 27, 108 – irreguläres § 27 8 – Mehrfachverpfändung § 27 48ff – Mitgliedschaftsrechte § 27 25 – Mitverschluss § 27 4 – Orderpapiere § 27 29, 108 – Pfandhalter § 27 4 – Pfandleihgeschäft § 27 111ff – Pfandreife § 27 86 – Pfändung schuldnerfremder Sachen § 27 37 – qualifizierter Mitbesitz § 27 4 – Rechtsnatur § 27 1 – Registerpfandrecht § 27 5 – Sicherungsabrede § 27 3 – Sorgfaltspflichten des Pfandgläubigers § 27 55ff – Treuhandkonto § 41 22, 63 – Übertragung § 27 66 – Übertragung der gesicherten Forderung § 27 11 – Umdeutung § 21 69, 112; § 27 6 – Versteigerung § 27 87ff – Verwahrungsverhältnis § 27 54ff – Verwertung § 27 85ff – Zusammentreffen mit Bürgschaft § 27 15 Pfändung – Darlehen § 10 75 – Dispositionskredit § 19 28 – Garantie § 62 94 – Kontokorrent § 38 60ff; § 37 11, 24, 26, 31 – Oder-Konto § 19 21 – Pfandrecht § 27 36ff – Sparkonto § 39 12 – Überziehungskredit § 19 29 – Vergütung § 37 24 – Entgelt § 13 17, 24 Pharming § 9 137 Phishing § 9 132ff, 156ff; § 43 40 Phone- und Mailorderverfahren § 49 38, 45 PIN § 48 13ff; § 49 31ff PIN/TAN-Verfahren § 9 38, 157
Stichwortverzeichnis
Place of the relevant intermediary approach (PRIMA) s. Kollisionsrecht Policendarlehen § 15 22, 169ff Pooling § 77 34 Portfoliomanager, Hedgefonds § 56 35 POS-Verfahren § 45 1 POZ-Verfahren § 45 1 Preis § 13 17, s.a. Entgelte Preis- und Leistungsverzeichnis § 3 57, 67f; § 40 32 Preisanpassungsklausel, Investmentgeschäft § 59 36 Preisnebenabrede § 3 6, 67; § 13 17, s.a. Entgelte u. Nebenentgelt Preisverzeichnis § 13 2ff, 16 Prepaid cards, Geldwäsche § 70 12 Prime Broker, Hedgefonds § 56 9, 25ff, 40 Privatanleger § 77 36f Privatplatzierung, Hedgefonds § 56 55, 58, 60, 62, 66 Processing, Kreditkarte § 49 5 Prolongation, Immobiliarkredit § 16 55f Prolongation, Sanierungskredit § 18 Prorogation s. Gerichtsstand Prospekt § 50 37, 122, 167, 169; § 59 103, 106ff; § 74 35 – Herausgeber § 50 169 – Inhalt § 58 23 – Prospektpflicht § 58 18, 21 – vereinfachter § 77 35 Prospekthaftung § 50 37, 46, 55, 208; § 58 35, 40, 63, 111ff – im engeren Sinn § 50 39 – im weiteren Sinn § 50 40 – Investmentgeschäft § 59 110ff, 125 – Organhaftung § 69 40 Prospektpflicht, Investmentgeschäft § 59 14, 125 Provision – Effektengeschäft § 57 40 – Packing § 32 9, 22; § 33 50 – Spar-Kredit-Kombination § 15 131 Prozessbürgschaft § 25 104 Prozessstandschaft, gewillkürte § 21 112; § 28 47 Publikumspersonengesellschaften § 59 2, 123ff, s.a. Investmentgeschäft Publikums-Sondervermögen § 59 4, s.a. Investmentgeschäft Publizität, Sicherungsrechte § 75 5ff, 44ff Put Option § 55 28 Rahmenvertrag § 2 8, 16, 23, 25, 29, 41; § 55 40ff – Finanztermingeschäfte § 55 39, 45ff
2869
– Swap-Geschäfte § 55 39 Rang § 24 25, 51, 64; § 27 48ff Rangrücktrittserklärung § 13 25 Ratenkredit § 15 23ff Ratenlieferungsvertrag § 22 79 Ratenlieferungsvertrag, Widerruf § 15 27 Rating § 1 40, 48; § 30; § 65 30, 40 – Ambitionierte Messansätze § 36 3 – Basisindikatoransatz § 36 3 – Bestschätzer § 36 14 – Bonitätsklasse § 36 6 – Cluster § 36 7 – Drei-Säulen-Konzept § 36 2 – Forderungspool § 36 9 – Fortgeschrittener-IRB-Ansatz § 36 5 – Inkassoscoring § 36 13 – IRB-Ansatz § 36 5 – Kreditrisiko § 36 3 – Kreditscoring § 36 7 – Marktdisziplin § 36 4 – Marktpreisrisiko § 36 3 – operationelles Risiko § 36 3 – Retailportfolio § 36 5 – Schuldnerkategorie § 36 2 – Standardansatz § 36 3, 4 – Workout-Periode § 36 13 Rechnungslegung – Giroverhältnis § 37 23, 31 – Investmentgeschäft § 59 14 – Verordnung § 40 10f, 27 Rechtsberatungsgesetz § 33 54; § 48 42; § 51 10 Rechtsmissbrauch – Akkreditiv § 62 44f – Garantie § 62 84ff – Kreditkarte § 49 23 Rechtsvereinheitlichung § 72 30 Rechtsverfolgung, Kosten § 13 25 Rechtswahl § 3 32; § 9 166f; § 74 56ff, s.a. Anwendbares Recht, Länderübergreifende Geschäfte Refinanzierung § 14 26; § 64 9 Register – Pfandrecht § 27 5 – Sicherungsrechte § 75 5, 44 – Wertrecht § 75 32, 34f, 38, 59 Regress der Sicherungsgeber § 24 97ff Regulierter Markt § 52 35 Reklamationen, Entgelt § 13 25 Rektapapier – Sparbuch § 39 8 – Verpfändung § 27 28 – Verwertung § 27 108 – Wechsel § 47 12 Rembours, Akkreditiv § 62 55f
2870
Stichwortverzeichnis
Rembours, Rembourskredit § 22 42; § 47 55ff; § 62 107f Rentenkauf § 10 25 Restschuldversicherung, Angabe § 15 130, 133; § 20 18 Restschuldversicherung, Sittenwidrigkeit § 32 10, 45 Revolvierende Sicherheit § 1 24 Revolvierender Kredit, s. Schuldscheindarlehen Richtlinien – Gemeinschaftsrecht § 74 30f, 35 – ICC § 74 19 – konforme Auslegung § 21 48f; § 76 12 Richtlinienkonformes Sondervermögen § 59 90ff, s.a. Investmentgeschäft Risiko – Anlageberatung § 50 83, 105f, 135f – länderübergreifende Bankgeschäfte § 74 3f – Risikoaufklärung § 12 38 – Risikoklasse § 12 33 Risikobegrenzungsgesetz § 16 52ff Risikostreuung, Vermögensverwaltung § 51 37, 58 Rom I-Verordnung § 62 5ff RSA-Verfahren § 9 24, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr Rückabwicklung – Nichtigkeit des Darlehens § 32 45 – Schuldverhältnis § 8 49f; § 20 35; § 34 29 – Sicherungsgeschäft § 23 15 Rückgriffsanspruch s. Bürgschaft, Factoring, Scheck Rückkaufvereinbarung, Leasing § 21 8; Rücktritt – Darlehen § 34 137 – Leasing § 21 63, 71, 76, 87, 92 – Schuldbeitritt § 31 33 Rückübertragungsanspruch, Anschlusskredit § 28 46 Rückübertragungsanspruch, Erledigung des Sicherungszwecks § 23 53, 60ff Rückzahlung – Darlehen § 10 14; § 34 7 – Fälligkeit § 34 122 – Frist § 34 75 – sofortige § 34 100 – Verbraucherkredit § 15 122 – vorzeitige § 34 135; § 40 41f Sachdarlehen § 10 6, 29; § 22 82 Sachdarlehen, Sanierungskredit § 18 11 Sachwalterhaftung § 4 7; § 21 52 Safe-Harbour § 52 62 Safevertrag § 60 69ff, s.a. Verwahrungsgeschäfte
Saldoanerkenntnis – Giroverhältnis § 38 26, 40ff – Kreditkarte § 49 18 – Lastschrift § 45 52 Sale-and-lease-back-Geschäft § 21 27 Salvatorische Klausel § 3 5 Sammeldepot § 60 20, 24, 30ff, s.a. Verwahrungsgeschäfte Sammelüberweisung § 43 4, 6 Sanierung § 35 5, 8, 9 – Gutachten § 35 21, 24 – Sanierungskredit § 35 9, 19, 21 – übertragende Sanierung § 35 5 – Wertpapierübernahme § 53 38 – Banken § 74 32, s.a. Insolvenz Sanierungskredit § 18 – Abtretung § 18 29 – Anfechtung § 18 5, 34f – Bargeschäft § 18 37 – Basel II § 18 2 – covenants § 18 20 – Darlehenskonditionen § 18 6f, 19 – debt-equity-swap § 18 9 – Drittsicherheiten § 18 23 – Eigenkapitalersatz § 10 35; § 1 5, 9, 33 – Eigenkapitalunterdeckung § 18 2 – Finanzierungsfolgenverantwortung § 18 40 – Fortbestehensprognose § 18 16 – Forward-Darlehen § 18 25 – Gleichrangprinzip § 18 5 – Haftungsübernahme § 18 23 – Hausbank § 18 2, 6 – Insolvenzverschleppung § 18 31 – Kreditgewährungspflicht § 18 5, 26 – Kündigung § 18 5, 8, 28; § 34 119 – Kündigung zur Unzeit § 18 5 – Lösungsklausel § 18 21 – Mezzaninekapital § 18 6, 23 – MoMiG § 18 10, 12, 34, 40 – Nachbesicherung § 18 2 – Personalsicherheiten § 18 23 – Pfändbarkeit § 18 29 – Privilegierung § 18 33 – Prolongation § 18 2 – Rückzahlung § 18 19 – Sachdarlehen § 18 11 – Sachverständiger § 18 15 – Sanierungsplan § 18 18, 22 – Sanierungsvereinbarung § 18 22; § 34 119 – Scheitern § 18 30f – Sicherheiten § 18 23, 28 – Stillhalteverpflichtung § 18 2, 5 – Überbrückungsdarlehen § 18 8 – Verkürzung § 18 2 – Verschleppung § 18 5
Stichwortverzeichnis
– Verweigerungsauswirkungen § 18 3 – Vorsatzanfechtung § 18 36 – Zinsen § 18 19 – Zweckbestimmung § 18 22 Scalping § 7 235; § 52 90 Scheck § 46 – Abhandenkommen § 46 37, 49f – Adressaufkleber § 46 40 – AGB § 3 53ff, 90ff – Ankauf § 47 45ff – Anweisung § 46 1, 3, 11 – Aufklärungspflicht § 4 79 – Bankgeheimnis § 6 58f; § 46 54 – Bedingungen für den Scheckverkehr § 46 5 – Bereicherungsausgleich § 46 85 – Bestätigung § 46 77, 81 – Blankoindossament § 46 12f, 21 – Blankoscheck § 46 42 – BSE-Abkommen § 46 48 – Bundesbankscheck § 46 7 – Deckungsverhältnis § 46 11 – Diskontkredit s. Diskontkredit – Dispargescheck § 46 64 – Echtheit § 46 43 – Einlösungsbestätigung § 46 77, 82 – Entgelt § 13 24 – Fälschung § 46 21, 44, 91 – Fehlbuchung § 46 92 – fehlerhafter § 46 87 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts § 46 14 – Girokonto § 37 17, 24, 40 – grobe Fahrlässigkeit § 46 28 – gutgläubiger Erwerb § 46 12f, 21 – Gutschrift § 46 92 – Indossament § 46 12f – Inhaberscheck § 46 64 – Inkasso § 46 9 – Klarsichtfenster § 46 69 – Kontodeckung § 46 6 – Minderjährigkeit § 46 54 – Missbrauch § 46 70 – Orderscheck § 46 63f – Radierstellen § 46 41 – Rückgriffsanspruch § 46 13 – Safe § 46 30 – Scheckfähigkeit § 46 14f – Scheckreiterei § 46 17 – Schecksperre § 46 63, 67 – Scheckstrenge § 46 16 – Scheckvertrag § 46 7ff – Sicherheitsstandard EC-Karte § 46 33 – Sparkonto § 46 62 – Überziehungskredit § 46 6 – Valutaverhältnis § 46 11 – Verdachtsmomente § 46 59
2871
– Verordnung über Abrechnungsstellen § 46 10 – Verrechnungsscheck § 46 61 – Vor-GmbH § 46 15 – Widerruf § 46 94 – Wissenszurechnung § 46 46ff Schenkung – Abgrenzung zum Darlehen § 10 32 – auf den Todesfall § 37 45; § 42 17 – unter Lebenden § 37 46 Schiedsvereinbarung, länderübergreifender Bankverkehr § 62 11 Schlichtungsstellen § 8 35 Schließfachvertrag § 60 60ff, s.a. Verwahrungsgeschäft Schrankverwahrung § 60 60ff, s.a. Verwahrungsgeschäfte Schriftform – Anlageberatung § 50 127 – Aufklärungspflichten § 50 127 – Bürgschaft § 25 5f – Dispositionskredit § 19 13 – E-Commerce-Richtlinie § 9 81ff – Fernabsatz § 8 16 – Leasing § 21 41, 46 – Schuldbeitritt § 31 9 – Teilzahlungsgeschäfte § 20 13 – Verbraucherdarlehen § 15 97 Schrottimmobilien § 1 16, 20f, 31; § 4 59; §16 22ff; § 72 29, 34 SCHUFA § 5 5; § 6 57; § 32 22 Schuldanerkenntnis § 1 19, 28; § 16 11, 52, 69; § 26 6; § 31 27; § 32 32; § 33 37 Schuldbeitritt § 26 7; § 31 1ff – Anfechtung § 31 31, 33, 49 – Beitretender § 31 7f 45f, 47ff – Darlehensnehmer § 31 21f – Einreden § 31 33ff – Einwendungen § 31 33ff – Form § 31 9 – Haustürgeschäft § 31 45f – Kaufpreisforderung § 31 11 – Nahbereichspersonen § 31 55f – Outsourcing § 31 38 – Sittenwidrigkeit § 31 55f – Verbraucher § 31 50f – Verbraucherdarlehen § 15 47 – Vertragsschluss § 31 6ff – Vollmacht § 31 53 – Widerruf § 31 33 Schuldenregulierung, gewerbliche § 33 52 Schuldscheindarlehen § 22 54 – Abschrift des Schuldscheins § 22 58 – Beweisurkunde § 22 58 – Deckungsstockfähigkeit § 22 55
2872
Stichwortverzeichnis
– Fristentransformation § 22 59 – revolvierendes Schuldscheindarlehen § 22 59 Schuldübernahme § 26 7; § 31 8 Schuldversprechen § 26 6, s.a. Schuldanerkenntnis Schulte § 72 29 Scoring s. Rating SEC § 52 45 Secure Electronic Transaction (SET) s. elektronischer Geschäftsverkehr Securitisation § 76 55, 59 Sekundärrecht, europäisches § 74 30 SEPA § 1 41; § 9 8; § 45 73; § 77 22 Sicherheiten § 1 17, 27, 34; § 3 70ff, s.a. Sicherungsvertrag – Angabe § 15 134 – Anspruch auf Bestellung § 3 78; § 23 8, 33 – Anspruch auf Verstärkung § 3 80f; § 34 60, 67 – ausländische § 74 2 – Deckungsgrenze § 3 94ff – Freigabeverpflichtung § 3 94ff – Frist zu Bestellung § 3 82 – Haftungsübernahme § 3 79 – Insolvenz § 35 29, 60, 62, 79, 82, 97, 102, 106ff – Bestellung § 35 63, 64 – Verwertung § 35 62 – Krise § 35 12 – Sanierungskredit § 18 23, 28 – Sittenwidrigkeit § 32 11, 44, 49f – Übersicherung § 3 94ff – Verwertung s. Verwertung Sicherheitenfreigabe, Entgelt § 13 25 Sicherungsabtretung s. Sicherungszession Sicherungseigentum s. Sicherungsübereignung Sicherungsgeber, Ausgleich unter mehreren § 27 14 Sicherungsgrundschuld s. Grundschuld Sicherungshypothek s. Hypothek Sicherungsrechte – Bankguthaben s. Sicherungsrechte an Bankguthaben – Besitz § 75 6, 46f – Bestand § 75 14ff – Bestellung § 75 3ff, 43 – Einzugspapiere § 3 90ff – Faustpfand § 75 6 – Finanzaktiva § 75 40 – Forderungen § 75 7, 13, 44, 59, s.a. Sicherungsrechte an Forderungen – Gebietswechsel des Sicherungsguts § 75 21ff
– Insolvenz des Sicherungsgebers § 75 19f, s.a. Insolvenz – Kollisionsrecht § 75 10f, 22f – Mobilität § 75 21ff – Publizität § 75 5ff, 44 – Register § 75 5, 44 – Verbraucherschutz § 75 1, 9, 11, 20, 24 – Verwertungsbefugnis § 75 19 – Vorrecht § 75 20 – Währung § 75 8 – Wertpapiere s. Sicherungsrechte an Wertpapieren Sicherungsrechte an Bankguthaben § 75 30 – Anfechtung § 75 52f, 56 – Anzeige an Drittschuldner § 75 7, 44 – Bereitstellung § 75 46, 49 – Formerfordernis § 75 43 – Insolvenz des Sicherungsgebers § 75 55ff, s.a. Insolvenz – Kollisionsrecht § 75 13, 59 – Nachweis § 75 45, 50 – Parteien § 75 29 – Publizität § 75 44 – Verwertung § 75 54, s.a. Verwertung – Wartefrist § 75 54 Sicherungsrechte an Wertpapieren § 74 32f – Aneignung § 75 54 – Anfechtung § 75 52f, 56 – Austauschrecht § 75 53 – Bereitstellung § 75 46ff – Bestellung § 75 42f – Formerfordernis § 75 43 – indirekte Haltung § 75 42, 60f – Insolvenz des Sicherungsgebers § 75 55ff – Kollisionsrecht § 75 58ff – Kontrolle § 75 46ff – Nachweis § 75 45, 50 – Parteien § 75 29 – Pensionsgeschäfte § 75 27 – Publizität § 75 44f – Richtlinie § 75 26ff, 40, 43ff – Verfügungsrecht des Sicherungsnehmers § 75 52 – Verwertung § 75 54 – Wartefrist § 75 54 Sicherungstreuhand § 41 4, s.a Sicherungsvertrag Sicherungsübereignung § 30, s.a. Sicherungsvertrag – Absonderungsrecht § 30 36 – AGB-Kontrolle § 30 5, 48ff – Akzessorietät § 30 3, 17 – Anwartschaftsrecht § 30 2, 14, 48 – Aussonderungsrecht § 30 44 – Bedingung § 30 10
Stichwortverzeichnis
– Besitzkonstitut § 30 4; § 75 6, 46f – Besitzmittlungsverhältnis § 30 17 – Bestimmtheitsgrundsatz § 30 7 – Deckungsgrenze § 30 21 – Drittsicherungsgeber § 30 18, 43 – Drittwiderspruchsklage § 30 33, 34 – Durchgangserwerb § 30 48 – Eigentumsvorbehalt § 30 48, 50f – Faustpfandrecht § 30 1 – Freigabeanspruch § 30 21, 23 – Gegenstand § 30 5 – Insolvenz § 30 36, 43, 44 – europäische Insolvenzordnung § 30 46 – Insolvenzplan § 30 41 – Insolvenzverwalter § 30 36f, 39 – lex fori concursus § 30 45 – lex rei sitae § 30 45 – Partikularinsolvenzverfahren § 30 46 – Sekundärinsolvenzverfahren § 30 46 – Instandhaltung § 23 52 – Konfusion § 30 49 – Publizitätsprinzip § 30 1 – Publizitätsverhältnis § 30 – Rangverhältnis § 30 13 – Registerpfandrecht § 30 4 – Schätzwert § 30 22, 25 – Scheingeschäft § 30 1 – Sicherungsvertrag § 30 11, 16, 20 – Sittenwidrigkeit § 30 25 – anfängliche § 30 24 – nachträgliche § 30 21 – Umsatzsteuer § 30 40 – Verfügungsgeschäft § 30 6 – verlängerte § 28 1, 5, 35 – Vermieterpfandrecht § 30 14 – Verwertungspflicht § 30 31 – Verwertungsreife § 30 29 – Warenlager § 30 8 – Zinsen § 30 39 – Zweckerklärung § 30 17f Sicherungsvertrag – Austausch des Sicherungsgegenstands § 34 64; § 75 53 – Begriff § 23 2; § 24 4 – Besitzmittlungsverhältnis § 23 51 – Divergenzfälle § 23 6 – Einheit mit Darlehen § 23 14 – elektronischer Abschluss § 23 31 – Form § 23 20 – Haftungsumfang § 23 33f, 36, 85 – Immobiliarkredit § 16 13, 68 – Inhalt § 23 32 – Kausalgeschäft § 23 10; § 27 3 – Nachsicherungsanspruch § 23 38 – Parteien § 23 4; § 24 2
2873
– Rückübertragungsanspruch § 23 53; § 24 86ff; § 28 4 – Rückübertragungsanspruch, Adressat § 23 60ff – Sicherheitenbestellungsverpflichtung § 3 78; § 23 8, 33 – Sicherungsfall § 23 68 – Sicherungsübereignung § 30 11, 16ff, 20, s.a. Sicherungsübereignung – Synallagma § 23 12 – Übersicherung § 23 17, 18, 19, 55 – Unentgeltlichkeit § 28 2 – Verbraucherkredit § 15 49ff – Verrechnungsklausel § 24 79 – Versicherungspflicht § 23 39 – Weiterübertragung § 23 43ff – Zweckerklärung § 1 27; § 16 12; § 23 2, 22, 24, 33f, 37, 73, 85ff, s.a. Zweckerklärung Sicherungszession § 42 32f, s.a. Sicherungsvertrag – Absonderungsrecht § 28 5, 14 – Abtretungsverbot § 23 42f; § 28 12ff, 24; § 29 49, 60; § 41 65 – Akzessorietät § 28 10 – Anschlusskredit § 28 46 – Anschlusszession § 28 1, 28 – Asset Backed Securities § 28 18 – bestätigte § 28 6 – Bestimmtheitsgrundsatz § 28 11 – Bezugsrechte Dritter § 28 16 – Direkterwerb § 28 24 – Drittschadensliquidation § 28 41 – Drittwiderspruchsklage § 28 5 – Durchgangserwerb § 28 24 – Einziehungsermächtigung § 28 21 – Empfangszuständigkeit § 28 14 – Ersatzabsonderung § 28 14 – Factoring § 28 21, 37 – Forderungspfändung § 28 26, 45 – Forderungsstatut § 28 8, 21, 24f, 33 – Freigabe § 28 4, 20 – Gehaltsforderung § 28 1, 20 – Genehmigung § 28 12 – Globalzession § 28 1, 29; § 29 42 – Honorarforderungen § 28 18 – Insolvenz § 28 5, 12, 17, 24, 40, 42, 46 – Kommissionsklausel § 28 5, 13, 25 – Lebensversicherung § 28 16 – Lohnzession § 28 1, 20, s.a. Lohnabtretung – Mantelzession § 28 7 – Nennwert § 28 4 – offene § 28 6, 21 – Prioritätsprinzip § 28 12, 25, 30, 38 – Rückabtretungsanspruch § 28 45 – Sicherungsfall § 28 40
2874
Stichwortverzeichnis
– Sicherungszweck § 28 1ff, 45 – stille § 28 6, 21 – Streitwert § 28 47 – Teilverzichtsklausel § 28 30, 35; § 29 43 – Teilzession § 28 1, 28 – Transparenz § 28 20 – Unentgeltlichkeit § 28 2 – Verbraucherkredit § 28 1 – verlängerter Eigentumsvorbehalt § 28 1, 21, 23, 28 – Verpfändung § 28 9, 26 – Vorauszession § 28 13, 22ff – Zessionslisten § 28 7 – Zessionsstatut § 28 8 – Zustimmungsvorbehalt § 28 12, 31 Sichteinlage § 37 20; § 40 8f Signatur s. elektronischer Geschäftsverkehr Signaturgesetz § 9 11, 23ff; § 45 74 Single Euro Payment Area, s. SEPA Single-Hedgefonds § 59 96, 98f, s.a. Investmentgeschäft Sittenwidrigkeit § 1 21ff; § 26 – AGB § 32 18 – Ballonrate § 32 21 – Bestätigung § 32 32; § 33 37 – Beweislast § 32 23, 25 – Bürgschaft § 15 52, 54; § 25 35ff – Gelegenheitskreditvertrag § 32 26 – Gewerblicher Kredit § 32 24f – Grenzwert § 32 15, 26 – Heilung § 32 14 – Kettenkredit § 32 28 – Kontokorrent § 32 21 – Kosten § 32 8f, 47 – Leasing § 21 40 – Lohnabtretung § 28 20; § 32 22 – Marktzins § 32 13, 24 – Patronatserklärung § 31 95 – Preisvergleich § 32 7 – Rechtskraftdurchbrechung § 32 48 – Restschuldversicherung § 32 10, 45 – Schädigung § 32 48; § 34 123; § 50 16 – Schuldbeitritt § 31 55f – Schuldturm, moderner § 32 21 – Schwerpunktzinssatz § 32 13 – Sicherungsvertrag § 23 17ff, 55 – strukturelle Unterlegenheit § 1 23 – subjektiver Tatbestand § 32 23, 25, 32 – Tilgungsanrechnung § 32 21 – Überforderung § 25 37 – Übersicherung s. Übersicherung – Umschuldung § 32 27ff – unwirksame Klauseln § 32 18 – Verbraucherkredit § 32 1ff – Versicherungskosten § 32 10
– Verwendungszweck § 32 39 – Verzugsregelungen § 32 21f – Vorfälligkeitsentschädigung § 32 21 – wirtschaftliche Abhängigkeit § 25 44; § 34 118, 124 – Zeitpunkt § 32 14 – Zinsen, Wucherzinsen § 12 43, 45; § 32 44 – Zwangsvollstreckung § 32 48 Solvabilität § 76 44ff Solvabilitätsverordnung § 55 70 Sonderleistungen – Entgelt § 13 17 Sondervermögen § 59 1, 41ff, 84ff, 100, s.a. Investmentgeschäft Spamming § 57 38 Sparbrief § 40 17 – Forderungsinhaber § 39 11 – Legitimationspapier § 39 9 – Namenspapier § 27 28; § 39 9; § 40 17 Sparbuch § 27 28; § 37 24, 36; § 33 – Aufbewahrungsfrist § 39 33ff – Befreiung § 39 8, 12f – Besitz § 39 12 – Beweislastumkehr § 39 31 – Drittbegünstigung § 39 12 – Entgelt § 13 24 – Forderungsinhaber § 39 11 – Namenspapier § 27 28; § 39 8 – Rechtsnatur § 39 9 – Rektapapier § 39 8 – Sparzertifikat § 39 10 Spareinlagen § 40 10f, 19 Sparkasse § 37 9ff, 26f; § 48 26 Sparkonto – Altsparbuch § 39 31 – Aufbewahrungsfrist § 39 33ff – Geschäftsfähigkeit § 39 15 – Kontoinhaber § 39 11 – Mietkaution § 39 14 – Scheck § 46 62 – Sockelbetrag § 39 16f – Sperrvermerk § 42 29 – Zinsanpassungsklausel § 39 28 Spar-Kredit-Kombination – Bausparsofortfinanzierung § 15 173 – Begriff § 15 160 – effektiver Jahreszins § 15 110, 120, 162 – Einwendungs- und Widerrufsdurchgriff § 15 153ff – Gesamtbetragsangabe § 15 162 – Lebensversicherungshypothek § 15 163ff – Policendarlehen § 15 169ff – Provision § 15 131 – verbundenes Geschäft § 15 151ff, 160 Sparpläne, Investmentgeschäft § 59 39 Sparvertrag – Insolvenz § 35 39
Stichwortverzeichnis
Sparzertifikat § 39 10, s.a. Sparbuch Sperrfrist, Wertpapierübernahme § 53 55 Sperrkonto § 42 28ff – Absonderungsrecht § 42 39f – Bauverwendungskonten § 42 29 – dingliche Wirkung § 42 33ff, 37ff – Drittwiderspruchsklage § 42 37, 38 – Rechtsstellung des Begünstigten § 42 36ff – Schadensersatzanspruch § 42 36 – Sperrvermerk § 42 30f – Unterlassungsanspruch § 42 36 – Vereinbarung § 42 32ff – vorzugsweise Befriedigung § 42 37, 38 Spezial-Sondervermögen § 59 4, 101, s.a. Investmentgeschäft Stand-by-Kredit § 22 51ff Stellvertretung s. Vollmacht Steuern § 67 – Abgeltungssteuer § 67 Anhang – Agio-Anleihen § 67 111ff – Airbag-Zertifikat § 67 171 – Aktien-Anleihen § 67 122 – Aktiensplit § 67 68 – Anrechnungshöchstgrenze § 67 185 – Anschaffungskosten § 67 142 – Anschaffungsnebenkosten § 67 28 – Argentinien-Anleihen § 67 115 – Barausgleich § 67 159 – Bezugsrechte § 67 70 – Bonusaktien § 67 67 – Börsenumsatzsteuer § 67 1 – Bundesschatzbriefe Typ B § 67 100 – Darlehen § 67 189ff – Disagio § 67 190 – Disagio-Anleihen § 67 104 – Disagio-Staffel § 67 105ff – Dividendenscheine § 67 23 – Doppel-Aktien-Anleihen § 67 126 – Doppelbesteuerungsabkommen § 67 184 – Doppelwährungs-Anleihen § 67 135 – Doppelzins-Anleihen § 67 128 – Down-Rating-Anleihen § 67 140 – Einlösung bei Endfälligkeit § 67 142 – Einnahmen, negative § 67 121, 94, 181 – Emissionsrendite § 67 89 – Festgeschäft § 67 166 – Finanzinnovation § 55 1; § 67 24, 86 – Flat gehandelte Anleihen § 67 114 – Floater § 67 137 – Freiaktien § 67 63 – Freigrenze § 67 51, 62 – Freistellungsauftrag § 67 32 – Fremdwährungsgeschäfte § 67 155f – Gattungswechsel, Aktien § 67 69 – Geldbeschaffungskosten § 67 190
2875
– Genussrechte, Genussscheine § 67 12, 19 – Gesamtwertmethode § 67 71 – Gesellschaftsteuer § 67 1 – Gewinnobligationen § 67 19 – Gleitzins-Anleihen § 67 128 – Gratisaktien § 67 63 – Halbabzugsverfahren § 67 27 – Halbeinkünfteverfahren § 67 12 – Haltefrist § 67 36f – Inflationsschutz § 67 132 – Investmentanteile § 67 173 – Kapitalertragssteuer § 40 36; § 67 31 – Kapitalschutz-Zertifikat § 67 171 – Kaufoption § 67 159 – Kombinationsgeschäft § 67 165 – Kombizins-Anleihen § 67 128 – Kontrollmitteilungen § 5 11 – Kredit § 67 186, 189ff – Leasing § 21 11ff – Lebensversicherung § 67 195f – Leerverkauf, Aktien § 67 38 – Leistungen, Einkünfte aus § 67 62 – Minderheitsaktionäre, Abfindung § 67 82 – Nachschaltkupon § 67 131 – Nachzahlung § 6 63 – Nicht-Veranlagungs-Bescheinigung § 67 32 – Nominalwertprinzip § 67 133 – Null-Kupon-Anleihen § 67 100 – Options-Anleihen § 67 118 – Quellensteuer § 67 183ff – Realzins-Anleihen § 67 132 – Sachdividende § 67 12, 80 – Sammelverwahrung § 67 45 – Schatzanweisungen, unverzinsliche § 67 100 – Solidaritätszuschlag § 40 36 – Spaltung § 67 77 – Sparbriefe, abgezinste § 67 100 – Sparer-Freibetrag § 67 30 – Spin-off § 67 80 – Sqeeze-out § 67 83 – Staffelzins-Anleihen § 67 128 – Stillhaltergeschäft § 67 161, 163, 164 – Stripped Bonds § 67 101 – Stückzinsen § 67 20f, 186 – Tausch § 67 35, 74, 139 – Termingeschäft § 67 58 – Umkehr-Floater § 67 137 – Umlauf-Disagio § 67 109 – Umsatzsteuer – Factoring § 29 28 – Leasing § 21 21 – Umtausch-Anleihen § 67 127
2876
Stichwortverzeichnis
– Veräußerung von Kapitalanlagen § 67 18ff, 33ff – Verkaufsoption § 67 159 – Verlustvortrag, Verlustrücktrag § 67 52ff – Verschmelzung § 67 76 – Vorschaltkupon § 67 131 – Vorsteuerabzug § 67 9 – Wandelanleihen § 67 117 – Werbungskosten § 67 26, 43 – Wertpapiersteuer § 67 1 – Zwischengewinn § 67 25, 180, 181 Stornierung, Gutschrift § 3 45ff, 54; § 44 34 Streifbanddepot § 60 28, s.a. Verwahrungsgeschäfte Stundung, Teilzahlungsgeschäft § 20 1 Stundung, Verbraucherkredit § 15 16 Subprime-Krise § 16 18 Subventionskredit § 22 12 – Beihilferegelungen § 22 12 – Freistellung § 22 22 – Kreditversicherung § 22 23 – Subventionsgewährung § 22 12 Swap § 52 20, 115 – Couponswap § 55 6 – Credit Default Swap § 54 32; § 55 31, 35 – Credit Spread Swap § 55 31, 35 – Cross Currency Swap § 55 8 – Currency Swap § 55 5 – Devisenswap § 55 8 – Gesamtertragsswap § 55 33 – International Swaps and Derivatives Association § 55 4 – Macro Swaps § 54 32 – rechtliche Einordnung § 55 10 – Spannensicherungsswap § 55 32 – Struktur und Funktion § 55 4 – Total Return Swap § 55 31, 35 – Verbraucherkredit § 15 21 – Währungsswap § 55 8, 15 – Zinssatz- und Währungsswap § 55 5f, 8, 11 SWIFT, Datenschutz § 5 18 Syndiziertes Darlehen § 22 64, s.a. Konsortialkredit Systematische Internalisierung § 52 138 Teilzahlungsgeschäfte § 15 24; § 34 142 – Angaben § 20 13 – Anwendungsbereich § 20 3, 4, 11f – Aufwendungsersatz § 20 37 – Bagatellgeschäfte § 20 11 – Barzahlungspreis § 20 11, 14 – Dauerschuldverhältnisse § 20 7 – Direktunterrichtsverträge § 20 7 – Drei-Monats-Grenze § 20 8 – Eigentumsvorbehalt § 20 19
– Einwendungsverzicht § 20 2 – Entgeltlichkeit § 20 9 – Entwertungszuschlag § 20 36 – Existenzgründer § 20 3, 42 – Form § 20 13ff – Gesamtfälligstellung § 20 2; § 34 87, 91 – Gesprächsangebot § 34 95 – Haftung des Verbrauchers § 20 32 – Kaufvertrag § 20 5; § 21 22 – Kettenkreditverträge § 20 8; § 32 28 – Kosten § 20 41 – Legaldefinition § 20 4 – Leistungserbringung § 20 25 – Leistungszeit § 20 6 – Nichtigkeit § 20 22 – Nutzungsvergütung § 20 36 – Partnerschaftsvermittlungsvertrag § 20 5 – Rabatte § 20 14 – Restschuldversicherung § 20 18 – Rückgabefrist § 20 30 – Rückgaberecht § 20 21, 28ff – Rücksendung § 20 30ff – Rücktrittsfiktion § 20 38ff – Rücktrittsrecht des Unternehmers § 20 33ff – Schuldnerverzug § 20 34 – Sicherheiten § 20 19 – Softwarekaufvertrag § 20 5 – Stundung § 20 1 – Teilzahlungsabrede § 20 6 – Teilzahlungsbank § 32 13 – Teilzahlungspreis § 20 15 – Textform § 20 21 – Übergangsvorschriften § 20 12, 31 – Unternehmenskaufvertrag § 20 5 – Unternehmer § 20 3, 33 – Verbraucher § 20 3 – Versicherungskosten § 20 18 – Vertragsarten § 20 5 – Verwirkung § 20 31 – Vorlaufzeit § 20 43 – Wechsel- und Scheckverbot § 20 2 – Werklieferungsvertrag § 20 5 – Zahlung, vorzeitige § 20 41ff Telemediengesetz § 9 5, 10, s.a. Elektronischer Geschäftsverkehr Tenderverfahren § 58 20 Termingeld – Aufrechnung § 40 59 – Bankenaufsicht § 40 24ff – Barabhebungen, Ausschluss § 40 43 – Bestätigung der Termingeldanlage § 40 31 – Bilanz § 40 27 – Drittschuldnererklärung § 40 60 – Einlage § 40 13 – Fälligkeit § 40 14, 37ff
Stichwortverzeichnis
– Fernabsatz § 40 67 – Festlegungsfrist § 40 14, 16, 63 – Finanzdienstleistung § 40 67 – Fristengliederung § 40 27 – Haustürwiderrufsrecht § 40 64ff – Insolvenz § 35 39 – Kapitalertragssteuer § 40 36 – Karenztage § 40 33 – Konto § 40 28 – Kontoeröffnung § 40 28ff – Kontosperre § 40 55 – Kündigung § 40 38f – Kündigungsgeld § 40 18 – Kündigungssperre § 40 20 – Mindestreserveverordnung § 40 15, 18, 24ff – Notaranderkonto § 40 50f – Prolongation § 40 45ff – Rückzahlung, vorzeitige § 40 41f – Rückzahlungsanspruch § 40 40, 52 – Sichteinlage § 37 20; § 40 8f – Textform § 40 65, 68 – Unternehmer § 40 64 – Verbraucher § 40 64, 68 – Verfügungsmöglichkeit, vorzeitige § 40 41f – Verzinsung § 40 32ff – Vorschusszinsen § 40 42 Termingeschäfte s. Finanztermingeschäfte Terminsatzgeschäfte § 55 25ff Terminseinlage, Insolvenz § 35 39 Terrorismusfinanzierung § 70 10; § 76 15 Textform § 8 16; § 9 65, 83; § 34 22, 24; § 40 65, 68 Tilgung – Darlehen § 10 43 – Grundschuld § 24 75, 79ff – Gutschrift § 44 11, 27, 34 – Tilgungsaussetzung § 12 28, 31, 34, 39f – Tilgungsverrechnung § 12 16 – vorzeitige § 20 41ff Tilgungsverrechnungsentscheidung, Entgelt § 13 1 Total Expense Ratio § 59 106, s.a. Investmentgeschäft Transparenzgebot § 3 6, 50, 60, 74f, 83, 89, 110; § 11 9; § 32 20; § 34 26; § 40 35; § 46 75 Transparenzrichtlinie § 52 99 Transparenz-RL-Umsetzungsgesetz (TUG) § 52 5 Tresorvertrag § 60 69ff, s.a. Verwahrungsgeschäfte Treuhand § 24 1, 59, 67, 86 – Berufsrecht § 41 44ff, 49f
2877
– Bindung § 28 5 – Eigentum § 60 50, 57 – Ermächtigungstreuhand § 41 8, 10, 20, 26, 36 – fiduziarische § 41 4, 10, 19, 21ff, 27ff, 41 – Formen § 41 4 – Immobiliarkredit § 16 12, 29 Treuhandkonto § 37 37 – Aufrechnung § 41 25f, 63f – Ausschließlichkeit § 41 15 – Begriff § 41 1 – Debet § 41 5 – Informationspflicht bei Pfändung § 41 33 – Insolvenz § 41 34f – Kontoinhaber § 41 6ff – offenes § 41 7, 12ff, 17, 22, 24 – Pfandrecht § 41 22, 63 – Testamentsvollstrecker § 41 11, 20, 48 – verdecktes § 41 7, 16f, 19 – Verfügungsbefugnis § 41 19f – Zurückbehaltungsrecht § 41 22 – Zwangsvollstreckung § 41 28f Treuhandverwaltung, Entgelt § 13 25 Trojaner § 9 138f true sale § 76 59 Überbrückungsdarlehen s. Sanierungskredit Übererlös § 23 83; § 24 67, 73 Überforderung, finanzielle § 25 37; § 32 38 Überlegungsfrist, Anlageberatung § 50 123, 180 Übernahme, feindliche § 53 54, s.a. Wertpapierübernahme Übernahmevertrag § 58 31, 35 Überseering-Entscheidung § 75 12, 23 Übersicherung § 24 10, 93; § 34 64 – anfängliche § 28 19 – Bürgschaft § 25 60 – Deckungsgrenze § 3 94ff; § 28 7; § 40 55 – Grundschuld § 24 10, 93 – nachträgliche § 3 94ff; § 28 19f – revolvierende Globalsicherheit § 1 24 – Sicherungsvertrag § 23 17, 18, 19, 55 Überweisung – Abkommen § 43 31 – Abzugsverbot § 43 18, 33; § 44 24 – Annahmezeit § 43 13 – Auftragsstrenge § 43 15, 36; § 44 13ff – Ausführungspflicht § 43 13f – Auskehrung § 43 36, 39 – Auslandsüberweisung § 44 27 – außerbetriebliche Überweisung § 44 2f, 8 – beleggebundener Verkehr § 44 19f, 33 – belegloser Verkehr § 43 6; § 44 20f, 34 – Bereicherungsausgleich § 43 40 – Blankoüberweisung § 43 4
2878
Stichwortverzeichnis
– Datenträgeraustauschverfahren § 44 20f, 34 – Deckung § 43 14, 30; § 44 6ff, 10f, 27 – Drittschadensliquidation § 43 24, 32 – Empfängerbezeichnung § 43 20; § 44 19f, 33 – Entgelt § 13 24 – Erfüllung § 43 41 – Fakultativklausel § 43 36; § 44 14 – Fälschung § 37 25; § 43 4 – Fehlbuchung § 37 25, 31 – fehlerhafte Weisung § 43 20 – Fehlschlagen § 43 20ff – Filialüberweisung § 44 7 – grenzüberschreitende § 37 3; § 74 11, 26, 33, s.a. Länderübergreifende Geschäfte – Haftung § 43 20ff – Hausüberweisung § 44 2f, 7 – höhere Gewalt § 43 17; § 44 22 – Identitätsprüfung § 37 38 – Insolvenz § 43 29f, 38 – Kontonummer § 43 14; § 44 8, 19ff, 33 – Kontrahierungszwang § 43 3, 22, 30 – Korrespondenzbank § 37 2 – Kündigung § 43 21f, 27ff, 35 – Kürzung der Gutschrift § 44 2, 24 – Magnetband-Clearing § 43 27 – Mitteilungspflicht § 37 22 – Money-Back-Garantie § 43 19ff, 34, 37 – Nebenpflichten § 43 8, 11 – Rückgriff § 43 32ff – Sammelüberweisung § 43 4, 6 – Überweisungsgesetz § 37 3, 6 – Überweisungsvertrag § 37 5, 21; § 43 2f; § 44 1, 3, 34, 41; – Verrechnungskonto § 40 44, 47 – Vorbehalt der Nachdisposition § 43 15 – Vorschuss § 43 9, 21 – weitergeleitete Angaben § 37 19 – Wertstellung § 43 37, 39; § 44 23 – Widerruf § 43 27f Überziehungskredit § 19 5 – AGB § 3 74, 69 – Aufklärungspflicht § 15 28, 31, 37 – Duldung § 19 5, 14ff, 22, 34 – Entgelt § 13 24 – Jahreszinsangabe § 15 31 – kongruente Deckung § 19 3, 5 – Kündigung § 15 31 – Pfändung § 19 29 – Provision § 15 34, 36 – Rahmenvertrag § 15 31 – Scheckeinlösung § 46 6 – Zinsen § 12 46; § 15 34; § 19 16 Umsatzsteuer s. Steuern
Umschuldung – Arten § 33 4 – Aufklärungspflicht § 4 61; 27 13, 22, 57 – Bürgschaft § 33 43 – Darlehensvermittler § 33 44 – Ersatzkreditnehmer § 33 60 – externe § 33 4, 38 – interne § 33 5, 34 – Kosten § 33 12 – Krise § 35 13 – Marktzins § 34 33 – Nachforschungspflicht § 33 20, 40 – Schuldenregulierung, gewerbliche § 33 52 – Schuldnerwechsel § 33 59 – Sittenwidrigkeit § 32 27ff; § 33 23, 33 – Umschuldungskarussell § 33 3 – Unternehmerdarlehen § 33 11 – Vorfälligkeitsentschädigung § 14 58 – Wegfall der Geschäftsgrundlage § 33 35 Unangemessene Benachteiligung – Entgelte § 13 19 UNCITRAL § 1 34, 35; § 28 8; § 29 18, 51f Und-Konto § 42 18ff – Bruchteilsgemeinschaft § 42 19, 21ff – Erbengemeinschaft § 42 18, 27 – Forderungspfändung § 42 23 – gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis § 42 19 – Gesamthandsgemeinschaft § 42 19, 21f – gesamtschuldnerische Haftung § 42 6; 21 – Gütergemeinschaft § 42 18, 21 – Rechtswirkungen § 42 19ff – Umwandlung § 42 25 Unternehmerbegriff § 15 85; § 20 3, 33; § 40 64 Urkundenprozess § 46 13 US-Sicherungsrechte § 75 27, 48, 58f, 61 US-Wertpapiere § 75 32, 39ff, 48f, 59, 61 Variable Kredite – Aufklärungspflicht § 15 42, 46 – Effektiver Jahreszins § 15 119 – Kündigung § 15 46 – Zinseszins § 15 41 Verantwortlichkeit, Organhaftung § 69 6 Verbandsklage § 48 41; Verbraucher § 1 15, 22f 32, 44 – Anlageberatung § 50 101 – Begriff § 15 57ff – Dispositionskredit § 19 11 – länderübergreifende Geschäfte § 9 163, 175ff; § 74 53, 63 – Leasing § 21 42 – Ombudsmannverfahren § 66 1ff, 9ff – Teilzahlungsgeschäfte § 20 3 – Termingeld § 40 64
Stichwortverzeichnis
Verbraucherdarlehen s. Verbraucherkredit Verbraucherkredit § 1 15; § 10 4; § 21 42ff; § 24 14; § 31 47ff; § 33 11, 47 – Abgrenzung § 15 20f – AGB § 3 74 – Amortisationstabelle § 15 122 – Aufklärungspflichten § 15 95ff – Bagatellgrenze § 15 93; § 20 11 – Bearbeitungskosten § 15 131 – Begriff § 15 11ff – Begriff § 77 7 – Dispositionskredit § 19 13 – effektiver Jahreszins § 77 16 – Effektivzinsangabe § 72 24, 30 – effiziente Regulierung § 72 16 – Existenzgründer § 15 63ff, 68, 94 – Existenzgründerkredit § 15 63ff, 68, 94 – Finanzierungshilfe § 20 1 § 21 38, 43, 48 – Förderkredit § 15 90 – Gefälligkeitsdarlehen § 15 85 – Gesamtbetrag § 15 117ff, 141, 162 – Grundschuld § 15 56 – Günstigkeitsprinzip § 15 137 – Haustürbürgschaft § 72 28 – Haustürwiderrufsrichtlinie § 72 28 – Hypothekenkredit § 72 24 – Immobiliarkredit § 16 22 – Informationspflichten § 77 9ff – Insolvenz § 35 61 – Investmentfondskredit § 15 118, 120, 174 – Kapitalanlage § 15 69ff – Kreditkosten § 15 106ff, 129ff – Kreditsicherheiten § 15 134 – Kündigung § 77 12 – Leasing § 21 42ff – Microlending § 72 24 – Nebenentgelte § 15 126 – Nichtigkeit § 15 136; § 32 2, 9, 21, 42 – Policendarlehen § 15 22, 169ff – Restschuldversicherung § 15 130, 133 – Richtlinie § 19 2; § 21 48f; § 74 33, 35 – richtlinienkonforme Auslegung § 19 2, 3, 10, 19 – Rückzahlung § 15 122 – Schätzgebühr § 15 131 – Schriftform § 15 97 – Sittenwidrigkeit § 32 2 – Stundungskredit § 15 16 – Überziehungskredit § 34 5 – Umgehungsverbot § 15 8, 10 – unentgeltlicher Kredit § 15 91f – Unternehmer § 15 85 – verantwortliche Kreditvergabe § 72 19 – Verbraucherkreditrichtlinie § 72 5, 11, 18, 22, 23
2879
– verbundenes Geschäft § 72 24; § 77 14 – Vertragsbeendigung § 77 12 – Vorfälligkeitsentschädigung § 14 66 – vorvertragliche Pflichten § 77 9ff – vorzeitige Rückzahlung § 77 15 – Widerruf § 34 5; § 72 29; § 77 13 – Widerrufsfrist § 72 24 – Zinsrechnung § 12 22, 27, 43 Verbraucherschutz § 74 24, 63 – anwendbares Recht § 9 173, 175ff – informationeller § 15 58 – Kreditsicherungsrecht § 75 1, 9, 11, 20, 24 – Verhaltenskodex für Hypothekenkredite § 15 122 Verbraucherzentralen § 52 116 Verbrauchsgüterkauf, Leasing § 21 7, 67, 79 Verbriefung § 76 55, 59 Verbundenes Geschäft § 10 64; § 20 2, 10, 40; § 34 31f – Anteilserwerb, finanzierter § 34 32 – Aufklärungspflicht § 4 57 – Bürgschaft § 15 52 – Effektiver Jahreszins § 15 110, 162 – Einwendungs- und Widerrufsdurchgriff § 15 153ff – Gesamtbetragsangabe § 15 162 – Grundstückserwerb, finanzierter §16 28, 45; § 34 32f – Leasing § 21 44 – Verbraucherkredit § 77 14 – wirtschaftliche Einheit § 15 151, 156, 159 Verdachtsanzeigepflicht § 70 13 Vereinbarungsdarlehen § 10 20 Verfallklausel § 34 94 Verfügungsbefugnis, Tod des Kontoinhabers § 3 31; § 42 15, 26 Verjährung § 4 41; § 10 79; § 31 3 37; § 39 23ff; § 40 48; § 45 50; § 66 34 Verjährung, Entgelte § 13 21 Verjährungserleichterung § 40 49 Verjährungserschwerung § 40 48 Verjährungshemmung § 66 34 Verkaufsoption § 55 28 Verkaufsprospekt § 20 29; § 59 103, 106ff s.a. Investmentgeschäft, Prospekte Verlängerung, Kredit § 33 9 Vermieterpfandrecht § 60 65 Vermittler Wertpapierhandel § 52 41, 45 Vermittlung § 74 49 – Kosten § 13 25; § 15 106, 130; § 32 9, 24, 45 – Leasing § 21 37, 47 Vermögensbetreuungspflicht § 60 45, s.a. Verwahrung Vermögensstrafe § 70 6
2880
Stichwortverzeichnis
Vermögenstrennungspflicht, Investmentgeschäft § 59 14, 75 Vermögensverwaltung § 50 7; § 74 49 – All-in-fee § 51 63 – Alternativverhalten, pflichtgemäßes § 51 54 – Anlageberatung, Abgrenzung § 51 2 – Aufhebungsvertrag § 51 69 – Aufklärungspflicht § 51 18, 30, 40, 59 – Auskaufen und Abladen § 51 42 – Begriff § 51 1 – Benachrichtigungspflicht § 51 46, 58 – Beweislastumkehr § 51 59 – Blockorder § 51 40 – Bookbuildingverfahren § 58 34 – Buchverlust § 51 46 – Churning § 50 55; § 51 38 – Dienstvertrag § 51 3 – Dispositionsbefugnis § 51 2 – Diversifikation § 51 37 – Durchschnittsrendite § 51 57 – Eigengeschäfte § 51 42f – Einzelweisung § 51 31, 64 – Ermessen des Verwalters § 51 7, 38 – Finanzdienstleistung § 51 9 – Finanzkommissionsgeschäft § 51 8 – Finanzportfolioverwaltung § 51 9 – Gegenlaufen § 51 37 – Geschäftsbesorgungsvertrag § 51 3 – Grundsatz ausgeglichener Anlagepolitik § 51 37 – Haftung § 51 49ff – Informationspflicht § 51 18, 30, 40, 59 – Interessenkonflikte § 51 30, 39 – Kick-Backs § 51 26, 51 – Marktmanipulation § 51 42 – Mischkursabrechnung § 51 40 – Mitlaufen § 51 43 – Nachforschungspflicht § 51 15 – Notbesorgungspflicht § 51 71 – Rechenschaftspflicht § 51 40, 45 – Retrozession § 51 26, 51 – Risikostreuung § 51 37, 58 – Rücksichtnahmegebot § 51 64 – Spekulationsverbot § 51 38 – Substanzgebühren § 51 62 – Treuhandverwaltung § 51 5, 8 – Vergütung § 51 62 – Verlust § 51 46 – Vollmacht § 51 6, 9, 70 – Vorlaufen § 51 43 – Weisung § 51 7, 30 – Wertpapierdienstleistung § 51 7 Vermögensverwaltungsvertrag – Befristung § 51 69
– Form § 51 4 – Insolvenz § 51 69 – konkludenter Abschluss § 51 4 – Kündigung § 51 67 – Rückabwicklung § 51 51 Verpfändung – Anderkonto § 41 65 – Anwartschaftsrecht § 27 7, 21 – Anzeige § 27 18; § 40 55, 58 – Anzeige, Entgelt § 13 25 – Anzeigeerfordernis § 27 18, 30 – Konto § 42 32, 33 – Sparbuch § 39 20 – Verbot § 40 58 Verrechnungskonto, Überweisung § 40 44, 47 Verrechnungsscheck § 46 61 Verschwiegenheitspflicht § 52 46; § 60 42 Verschwiegenheitspflicht, Arbeitsrecht § 68 63, 107f Vertrag zugunsten Dritter – Leasing § 21 23 – Schuldbeitritt § 31 8 – Sperrkonto § 42 32, 36 – Verwahrungsgeschäfte § 60 33, 51 Vertragsbruchstheorie § 1 25; § 28 30, 35ff; § 29 43; § 75 18 Vertragsstrafe § 34 45 Vertreter § 37 39ff; § 60 6, s.a. Vollmacht Vertrieb, Hedgefonds § 56 47ff Vertriebsgesellschaft, Anlageberatung § 50 5 Verwahrungsgeschäfte – Auslandsverwahrung § 60 57 – Beendigung § 60 8 – Drittverwahrung § 60 25, 29, 57 – e-depot, e-banking § 60 22, 43 – Eigentum § 60 12, 28, 30, 32ff, 44, 63, 72, 74 – Einkaufskommission § 60 44 – Erbgang § 60 14, 50ff, 66 – Girovertrag § 37 20 – Haftung § 60 7, 31, 47 – Insolvenz § 60 15, 53ff, 67 – Interessenwahrungsgrundsatz § 60 47 – Legitimationsprüfung § 60 11, 62 – mehrgliedrige § 60 5, 25 – Mietvertrag § 60 3, 60 – Safevertrag § 60 69ff – Sammeldepot § 60 20, 24, 30ff – Sammelurkunde § 60 17 – Schließfachvertrag § 60 60ff – Schrankfachkartei § 60 61 – Schrankfachvertrag § 60 60ff – Schrankfachvollmacht § 60 66 – Sonderverwahrung, Sonderdepot § 60 24, 28, 29 – Stimmrechtsausübung § 60 46f
Stichwortverzeichnis
– Streifbanddepot § 60 28 – Stückeverzeichnis § 60 44 – Tauschverwahrung, Tauschdepot § 60 35 – Tresorfachvertrag § 60 60ff – Tresorvertrag § 60 69ff – Überwachungspflicht § 60 71, 76 – unregelmäßige § 40 9 – Vermächtnis § 60 52 – Vermögensbetreuungspflicht § 60 45 – Verwahrstück § 60 9, 10 – Verwahrungsbuch § 60 21, 40 – Verwahrungsvertrag § 60 1, 2, 9 – Vorlegungspflicht § 60 78 – Wertermittlung § 60 58 Verwaltungstreuhand § 41 4 Verwertung § 3 101ff – Androhung § 23 72, 73 – Bürgschaft § 25 87 – Erlös § 28 40 – europarechtliche Vorgaben § 75 9, 19, 54, 55 – freihändige § 24 69 – Grundschuld § 24 59ff – Kosten § 23 35 – Rechenschaftspflicht § 28 43 – schuldnerfremde Sache § 27 37 – Sicherungszession § 28 4 – Sorgfaltspflichten § 23 75 – Verwertungsreife § 23 69; § 28 40 – Wertpapiere § 27 108 Verzug § 21 44, 99ff; § 23 70; § 34 75, 92, 134 Verzugsschaden § 28 41; § 31 25 Verzugszins § 11 4 Vollharmonisierung § 72 2, 23 Vollmacht § 10 22, 61f; § 37 39ff – Aufklärung § 15 76 – Erwerbermodell § 15 77, 182ff, 187f – fehlerhafte § 15 79 – Form § 20 2 – Informationspflicht § 15 77, 83 – Kreditvermittlung § 15 78 – Missbrauch § 37 42ff, 46 – Nichtigkeit § 15 79f, 84 – notarielle Beglaubigung § 15 80 – Prozessvollmacht § 15 80 – Verwaltung § 51 6, 9 – Widerruf § 15 80ff, 182ff Vollmachtsstimmrecht, Wertpapierübernahme § 53 27 Vollstreckbare Urkunde § 16 14, 72f Vollstreckungsklausel, Umschreibung § 16 17, 58 Vollstreckungsunterwerfung § 17 16, 47; § 24 31, 43f, s.a. Zwangsvollstreckung
2881
Voraus, Zinsrechnung § 12 28f, 31, 34 Vorausklage § 25 71 Vorbehaltsgutschrift § 3 53 Vorfälligkeitsentschädigung § 14 4f; § 23 37; § 34 45, 77, 86 – Abrechnung § 14 53 – Abwicklung § 14 55f – Aktiv/Aktiv-Methode § 14 24 – Aktiv/Passiv-Methode § 14 36 – Berechnung § 14 23f – Ersatzgeschäft § 14 61 – Ersatzkreditnehmerstellung § 14 59 – Festzinsdarlehen § 14 18 – Grundpfandsicherung § 14 18; § 16 41 – Grundstücksveräußerung § 14 11 – höhere Beleihung § 14 13 – Kapitallebensversicherung § 14 71 – Kosten § 14 46 – Kündigung § 14 19, 21, 63f – Mitverschulden § 14 86 – Rechnungslegung § 14 53 – Refinanzierung § 14 26 – Risikoprämie § 14 46 – Rückforderbarkeit § 14 57 – Sittenwidrigkeit § 14 49; § 32 21 – Sondertilgung § 14 44 – Umschuldung § 14 58 – Unternehmer § 14 67 – Verbraucherkredit § 14 66 – Zinsmargenschaden § 14 25 – Zinsverbesserungsvorteil § 14 43 – Zinsverschlechterungsschaden § 14 34 Vorpfändung § 6 30 Währungsbank § 64 5 Währungsgeschäfte § 3 56ff Währungsrecht § 62 3 Währungsreserven § 64 20 Währungsrisiko § 3 57f Währungssicherung § 64 8 Währungsswap § 55 8, 15 Währungsunion § 75 28 Warenderivate § 52 18 Warentermingeschäfte § 50 165; § 54 11, 14; § 55 63 Warenverkehrsfreiheit § 75 1ff, 5, 11, 13, 17, 21f Warnpflicht, Wertpapierhandel § 52 128 Wechsel § 1 28, 34f; § 3 90ff – Akzept § 62 23, 108, s.a. Akkreditiv, Rembourskredit – Akzeptant § 47 17ff – Akzeptantenwechsel § 47 5 – Akzeptkredit § 47 53f – Ankauf § 47 45ff – Annahme § 47 15f
2882
Stichwortverzeichnis
– Aussteller § 47 20 – Ausstellung § 47 7f, 10 – Avalkredit § 47 58 – Bezogener § 47 18 – Blankowechsel § 47 17 – Depotwechsel § 47 7 – Diskontgeschäft § 47 45ff – Einwendungen § 47 15, 26ff – Entstehung, Wechselverbindlichkeit § 47 15 – Erfüllung § 47 30ff – Finanzwechsel § 47 6 – Forfaitgeschäft § 47 59 – Formerfordernisse § 47 13 – Funktionen § 47 3 – Gefälligkeitswechsel § 47 6 – Handelswechsel § 47 4 – Indossament § 47 21, 23, 36 – Kautionswechsel § 47 7 – Kreditwechsel § 47 4, 6 – Pensionsgeschäft § 47 60 – Protest § 47 12 – Rechtsscheinslehre § 47 16 – Rediskontierung § 47 44 – Refinanzierung § 47 44 – Regress § 47 34ff – Rembourskredit § 47 55ff – Remittent § 47 11 – Rückbelastungsrecht § 47 52 – Solawechsel § 47 8, 20 – Tratte § 47 8 – Übertragung § 47 21 – Urkunde § 47 9 – Urkundenprozess § 47 40 – Verjährung § 47 37 – Vertragstheorie § 47 16 – Warenwechsel § 47 4 – Wechselgeschäftsfähigkeit § 47 14 – Wechselinkasso § 47 38f – Wechselkredit § 47 44 – Wechselprozess § 47 40ff – Wechselrechtsfähigkeit § 47 14 – Wechselverpflichtungen § 47 15, 18ff – Zession § 47 22 Wechselbürgschaft § 25 3 Wegfall der Geschäftsgrundlage § 34 103 – Bürgschaft § 25 64 – Leasing § 21 86ff – Umschuldung § 33 35 Weißbuch Finanzdienstleistungspolitik § 77 5, 31 Weißbuch Hypothekarkredite § 77 40, 42, 44f Weißbuch OGAW § 77 32ff Werbeaussagen, Giroverhältnis § 37 10 Wertermittlung, Entgelt § 13 25
Wertermittlung, Verwahrung § 60 58 Wertpapierbegriff § 52 10 Wertpapierdarlehen § 22 82 Wertpapierdarlehen § 60 36 – Leerverkauf § 22 82 – Sachdarlehen § 22 82 Wertpapierdepotübertragungen, Entgelt § 13 24 Wertpapierdienstleistungen § 50 51ff; § 52 23; § 74 24, 32, 35 – Anlageberatung § 50 54 – anwendbares Recht § 9 174 – Richtlinie § 9 174; § 50 47, 67f, 74; § 57 4; § 73 36 – Unternehmen § 50 48, 50, 65f; § 52 34 – Verhaltensregeln § 50 86 – Vermögensverwaltung § 51 7 – Wertpapierübernahme § 53 23, 61, 80, 81 Wertpapiere § 27 27ff; § 46 11f; § 50 11, 51; § 74 35, s.a. Wertpapierhandel – Abrechnungssysteme § 74 33 – Ad-hoc-Publizität § 52 69 – Aneignung durch Sicherungsnehmer § 75 54 – Ankauf § 60 44, 57 – Auslandsaufbewahrung § 60 57 – Besitz § 75 46f – Blockorder § 51 40 – Derivate § 50 51, s.a. OTC-Derivate – Directors Dealings § 52 83 – direkte Haltung § 75 34, 59 – Effektengiro § 75 36 – Eigentumsverhältnisse § 75 37ff – Finanzportfolioverwaltung § 51 9 – Freiverkehr § 58 89f – Großkredite § 76 61 – indirekte Haltung § 75 35ff – Besitz § 75 41, 47 – Bestellung von Teilrechten an dem Wertpapier § 75 42 – Insolvenz des Intermediärs § 75 37, 39 – Intermediäre § 75 35 – Kollisionsrecht § 75 60f – Kontrolle § 75 46ff – Rechtsstellung des Investors § 75 37ff – security entitlement § 75 39f – Verfügungen § 75 41 – Intermediäre § 75 35 – Kapitalmarktrecht § 58 3 – Kassageschäfte § 55 63 – Kassenverein § 50 166 – Kontrolle § 75 46ff – Marktmanipulation § 51 41 s.a. Vermögensverwaltung – Pensionsgeschäft § 10 26; § 75 27
Stichwortverzeichnis
– Pensionsgeschäfte § 75 27 – Recht des Börsenorts § 74 17 – Registerwertrechte § 75 32, 34f, 38, 59 – Repräsentationsmittel § 75 32 – Sicherungsrechte s. Sicherungsrechte – Teilrechte § 75 42f – Übertragung § 75 31ff – Verbriefung § 75 32 – Verfügung § 75 31ff – Verwertung § 27 108 Wertpapierfirmen § 76 13, 15 Wertpapierhandel – Ad-hoc-Publizität § 52 69 – Anlageberatung § 52 32, 127 – Anlegerschutz (MiFID) § 52 6 – Anzeigepflicht nach § 10 WpHG § 52 48 – Appropriatness-test § 52 128 – BaFin § 52 3, 43 – Best-Execution-Pflicht § 52 123, 143 – Blockorder § 51 40 – Bond-Urteil § 52 113 – CESR § 52 6 – Compliance § 52 142 – Conflicts-Policy § 52 124 – Derivate § 52 16 – Differenzgeschäfte § 52 19 – Directors Dealings § 52 83 – Effektengiro § 75 36 – Eigenhandel § 52 25, 39 – Emittenteninformationspflichten § 52 107 – Emittentenleitfaden der BaFin § 52 4 – Enforcement-Verfahren § 52 177 – Festpreisgeschäft § 52 25 – Finanzanalyse § 52 150 – Finanzinstrumente § 52 22 – Finanzmarktrichtlinie (MiFID) § 52 6 – Finanzmarkt-RL-Umsetzungsgesetz (FRUG) § 52 6 – Finanzportfolioverwaltung § 52 127 – Fondsgebundene Lebensversicherung § 52 13 – Freiverkehr § 58 89f – Front-/Parallelrunning § 52 69 – Geldmarktinstrument § 52 15 – Geregelter Markt § 52 35 – Geschlossene Immobilienfonds § 52 13 – Gleichbehandlungspflicht § 52 50 – Grauer Kapitalmarkt § 52 52 – Haftung für Kapitalmarktinformation § 52 160 – Hedgefondsanteile § 52 17 – Heimatlandprinzip § 52 47 – Herkunftslandprinzip § 52 36 – Informationsfreiheitsgesetz (IFG) § 52 46 – Inlandsemittent § 52 38
2883
– Insiderdelikt § 52 62 – Insiderverzeichnis § 52 86 – Interessenkonflikte § 52 124 – Investmentanteile § 52 14 – KAG § 52 40 – Kapitalmarktrecht § 58 3 – KapMUG § 52 116 – Kassageschäfte § 55 63 – Kassenverein § 50 166 – Kick-Backs § 52 123 – Kontrolle § 75 46ff – Kreditderivate § 52 20 – Kundenkategorisierung § 52 130 – Kursmanipulation § 52 88 – Lamfalussy-Verfahren § 52 6 – MAD § 52 4 – Meldepflichten § 52 47 – MiFID § 52 6 – Mitarbeitergeschäfte § 52 144 – Mitarbeiterleitsätze § 52 144 – Monitoring § 52 144 – Multilateral Trading Facility (MTF) § 52 135 – Organhaftung § 52 163 – Organisationspflichten § 52 65, 112, 142, 144 – Organisierter Markt § 52 35 – OTC-Geschäfte § 52 10 – Regulierter Markt § 52 35 – Safe-Harbour § 52 62 – Scalping § 52 90 – SEC § 52 45 – Stimmrechte § 52 103 – Swaps § 52 20, 115 – Systematische Internalisierung § 52 138 – Transparenzrichtlinie § 52 99 – Transparenz-RL-Umsetzungsgesetz (TUG) § 52 5 – Verbraucherzentralen § 52 116 – Vermittler § 52 41, 45 – Verschwiegenheitspflicht § 52 46 – Warenderivate § 52 18 – Warnpflicht § 52 128 – Wertpapierbegriff § 52 10 – Wertpapierdienstleistung § 52 23 – Wertpapierdienstleistungsunternehmen § 52 34 – Wohlverhaltensregeln § 52 116 – WpHG § 55 71 – WpHG-Bogen § 52 127 – Zertifikate § 52 11 – Zuwendungen § 52 133 Wertpapierleihe § 10 30; § 50 166; § 54 27f Wertpapiermakler § 74 24 Wertpapier-Mitteilungen § 60 45
2884
Stichwortverzeichnis
Wertpapierpensionsgeschäfte § 75 27 Wertpapiersammelbank § 57 123; § 60 30 Wertpapiertermingeschäfte § 54 11, 14; § 74 24 Wertpapiertermingeschäfte, länderübergreifend § 74 24 Wertpapierübernahme § 53 – Angebotsunterlage als AGB § 53 67 – Angemessenheit Preis § 53 74 – Auskünfte § 53 93 – Bedingungsfeindlichkeit Pflichtangebot § 53 68 – Behördliche Genehmigung § 53 69 – Berichtigung Finanzierungsbestätigung § 53 83 – Beurteilungshorizont Kleinaktionär § 53 63 – Durchschnittsbörsenkurs § 53 76 – Freiverkehr § 53 15 – Gegenleitung, Art und Höhe § 53 74, 89 – Gestattung § 53 50, 51 – Kettenzurechnung § 53 32 – Konkurrierende Angebote § 53 73, 86 – Kontrolle, Kontrollerlangung § 53 20, 33, 35, 36, 37 – Liquide Aktien § 53 77 – Mehrstufige Entscheidungsprozesse § 53 45 – Öffentliches Angebot § 53 7 – Paketerwerb § 53 75 – Planung und Analyse § 53 43 – Sanierung § 53 38 – Schadensersatz und Haftung § 53 47, 54, 61, 65 – Sitz i.S.d. WpÜG § 53 8 – Sperrfrist § 53 55 – Stellungnahme Vorstand § 53 53, 54 – Tochter, Tochterunternehmen § 53 13, 22, 23, 36 – Übernahme, feindliche § 53 54 – Übernahmerichtlinie § 53 1 – Unabhängigkeit Bank § 53 81 – Verbot, Veröffentlichung § 53 56 – Vollmachtsstimmrecht § 53 27 – Werbemaßnahmen, Untersagung § 53 92 – Wertpapierdienstleistungsunternehmen § 53 23, 61, 80, 81 Wertstellung s. Gutschrift, Überweisung Wettbewerb – Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung § 74 28 – Wettbewerbsbeschränkungen § 74 22 – Wettbewerbsregeln § 74 39 Wetterderivate § 54 32 Whistleblowing, Arbeitsrecht § 68 3, 99f, 114 Whistleblowing, Compliance § 7 48
Widerruf – Anlagerichtlinien § 51 14 – Ausschluss § 34 12 – Ausübung § 34 6, 20f – Belehrung § 15 147; § 34 15, 24, 26, 28; § 40 65 – Berechtigung § 34 6 – Bürgschaft § 25 65f – Darlehenszusage § 10 48, 52ff; § 34 136 – elektronischer Geschäftsverkehr § 9 89ff – Erwerbermodell § 15 182ff, 187f – Fernabsatz § 8 42ff – Frist § 34 23, 27 – Haustürgeschäft § 15 149ff – Immobiliarkredit § 16 44 – Kreditkarte § 49 22 – Nachbelehrung § 15 146, 150 – Oder-Konto § 42 14 – Rechtsfolgen § 15 148; § 40 66 – Scheck § 46 94 – Schuldbeitritt § 31 33, 49 – Sicherungsgeber § 34 6 – Sicherungsgesamtschuldner § 34 6 – Teilzahlungsgeschäfte § 20 2, 21 – Termingeld § 40 65f, 69 – Textform § 34 22, 24 – Überweisung § 43 27f; § 44 9ff – Verbraucherkredit § 15 143ff; § 77 13 Widerrufsrecht – Investmentgeschäft § 59 26 Wirtschaftliche Abhängigkeit s. Abhängigkeit Wohlverhaltensregeln Wohlverhaltensregeln § 1 13, 44; § 7 245; § 52 116 Wohlverhaltensrichtlinie § 4 11; § 50 54 Wohnungsbaukredit § 15 90 Yves Rocher § 72 27 Yvonne van Duyn § 72 5 Zahlstellenklausel § 28 34 Zahlungsaufschub, entgeltlicher § 20 1, s.a. Teilzahlungsgeschäfte Zahlungsdienste – Aufsicht § 77 24 – Beschwerden § 77 30 – Datenschutz § 77 30 – Informationspflichten § 77 26 – Sanktionen § 77 30 – Sicherheit § 77 28 – Zahlungsdienstrichtlinie § 77 22 – Zahlungsdienstrichtlinie – Anwendungsbereich § 77 23 – Zahlungsdienstrichtlinie – Kleinstunternehmer § 77 27 – Zahlungsdienstrichtlinie – Umsetzung § 77 31
Stichwortverzeichnis
– Zugang § 77 25 – Zulassung § 77 23 Zahlungsnetting § 55 42, 53 Zahlungssysteme § 74 33 Zahlungsverkehr § 1 7, 18, 41; § 37 1f, 20 – Aufklärungspflicht § 4 74 – Entgelt § 13 24 Zahlungsverkehrsfreiheit § 74 26 Zeichnung, Entgelte § 13 24 Zeichnung, öffentliche § 58 19 Zeichnung, Vertrag § 58 31 Zeichnungsschein § 16 30 Zeitbürgschaft § 25 96f Zentraler Kreditausschuss § 37 10f Zentralverwaltung von Wertpapieren § 75 35 Zertifikate – Basket-Zertifikat § 54 30 – Hedgefonds § 56 61ff – Wertpapierhandel § 52 11 Zession s. Abtretung, Sicherungszession Zeugnisverweigerungsrecht § 6 28, 31ff Zielfonds – Hedgefonds § 56 35f, 39ff, 49, 51 Zins § 3 6, 37, 49, 67ff, 75f; § 10 9, 12, 20, 43; § 20 2, 17, 37, 41; § 23 37; § 25 29, 41 § 34 149, s.a. Zinsrechnung – Abzinsung § 14 44 – Akzessorietät § 11 1; § 10 9, 19 – Anpassung § 10 20; § 11 9; § 15 138; § 40 34f – Ausfallrisiko § 11 3 – Begriff § 11 1f – Berechnung § 32 12 – Dauer § 11 6 – Festschreibung § 34 133 – Höhe § 11 3 – Insolvenz § 35 55 – Laufzeit § 40 33 – Sanierungskredit § 18 19 – Sittenwidrigkeit § 11 5 – Termingeld § 40 32ff – Transparenzgebot § 11 9 – Verjährung § 39 27 – Zinsbegrenzungsgeschäfte § 55 18, 24 – Cap § 15 21, § 55 19 – Collar § 55 21 – Corridor § 55 22 – Floor § 55 20 – Zinsbindung § 16 38 – Zinserwartung § 34 133 – Zinsverordnung § 39 1 Zinsinformationsverordnung § 41 57 Zinsrechnung – Agio § 12 3f – Annuitätendarlehen § 12 24 – Bankvorausdarlehen § 12 28f, 31, 34
2885
– Basiszinssatz § 12 9 – Berechnungsmethoden § 12 13f – Bundesbankstatistik § 12 45 – Disagio § 12 3f, 10, 26 – Effektivzinssatz § 12 2, 4, 7, 32, 36 – Effektivzinssatz § 12 2, 4, 7, 32, 36 – Finanzierungslücke § 12 35 – Garantiezins § 12 19 – gesetzlicher Zinssatz § 12 6ff – Immobilienfinanzierung § 12 29, 40 – Interpolation § 12 4 – Investmentfonds § 12 39 – Kapitallebensversicherung § 12 34 – Kombinationsfinanzierung § 12 28, 32 – Konditionenvergleich § 12 33 – Konsumentenkredite § 12 27, 43 – Kontoführungsgebühren § 12 22f, 26 – Kontokorrentkredit § 12 22, 46 – Leasing § 12 41 – Negativzinsaufschlag § 12 46 – Nominalzins § 12 2, 4, 8 – Rechnungszins § 12 19 – Rendite § 12 9, 11f – Risikobemessung § 12 33, 38 – Tilgungsaussetzung § 12 28, 31, 34, 39f – Tilgungsverrechnung § 12 16 – Überziehungskredit § 12 46 – Verbraucherdarlehen § 12 37 – verbundene Darlehen § 12 37 – Wertstellung § 12 20 – Wiederanlage § 12 12 – Wucherzins § 12 43, 45 Zufallsfund § 6 37 Zulassung, Bank § 74 36 Zurückbehaltungsrecht § 3 30; § 60 13, 49, 65 – Anderkonto § 41 63 – Treuhandkonto § 41 22 – Verwahrungsgeschäfte § 60 13, 49, 65 Zuständigkeit, gerichtliche – Anlageberatung § 50 209 – internationale § 60 79, s.a. Länderübergreifende Geschäfte – Vereinbarung § 74 54 Zwangsmaßnahmen Dritter, Entgelt § 13 25 Zwangsvollstreckung § 20 38; § 28 5; § 40 60ff; § 60 15, 56 – Anderkonto § 41 68f – aus gerichtlichen Entscheidungen § 74 39, 41, 55 – Kontokorrent § 38 60ff – Pfandrecht § 27 69ff – Sittenwidrigkeit § 32 48 – Treuhandkonto § 41 28f – Unterwerfungserklärung § 24 44, s.a. AGB
2886
Stichwortverzeichnis
– Verfahren § 42 9, 37 – Zwangsversteigerung § 24 61ff – Zwangsverwaltung § 24 68 Zweckerklärung § 1 27; § 23 2, 22, 24, 33f, 37, 73, 85ff, s.a. Sicherungsvertrag – AGB-Pfandrecht § 40 55f – Drittsicherungsgeber § 40 56
– Immobiliarkredit § 1612 – weite § 24 16 § 28 3, § 40 56 Zweigniederlassung § 74 52 Zweigstelle § 46 45; § 76 32ff Zwei-Konten-Methode § 10 69 Zwei-Stufen-Theorie § 10 39 Zwischenverwahrung § 60 25